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Full text of "Neues Archiv"

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Neues  Archiv 


der 


Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde 


Beförderung  einer  Gesammtausgabe 
der  Quellenschriften  deutscher  Geschichten  des  Mittelalters. 


FiJinf  uncidrei  s  si  gs  ter    Baod. 


-^^ne- 


Hannover  und  Leipzig. 

Hahnsche    Buchhandlung. 
1910. 


Hannover.     Druck  von  Friedrich  Culemann. 


Inhalt. 


Seite 
I.  Bericht  über   die   fünfunddreissig&te  Jahresversammlung 
der  Zentraldirektion  der  Monumenta  Germaniae  historica. 

Berlin  1909 1—14 

II.  Das  Nekrologium  von  Dom  Racine  und  die  Chronologie 

der  Merowinger.     Von  Wilhelm  Levison.     .     .     .       15 — 53 

III.  Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.    Von  Robert 
Holtzmann 55—104 

IV.  Studien  zu  Benedictus  Levita.  VII.    (Studie  VII,  Teil  II). 

Von  Emil  Seckel 105—191 

V.  Beiträge    zur  Kritik    der  Deutschen  Reichstagsakten   im 

Anfange  des  15.  Jahrhunderts.   Von  Eduard  Sthamer     193 — 215 
VI.  Miscellen: 

Sigolena.  Von  Wilhelm  Levison  ....  219 — 231 
Par  litter arum.  Von  KarlZeumer  .  .  .  .  232—245 
Die    Siegel    der    Deutschen    Kaiser    und   Könige. 

Von  H.  Wibel 246-262 

VII.  Aus    Englischen    Bibliolheken.     IL       Von    Wilhelm 

Levison 331—431 

VIII.  Studien  zu  Benedictus  Levita.  VII.  (Studie  VII,  Schluss- 
teil III).     Von  EmilSeckel 483-539 

IX.  Nachträge  zu    den  Regesten  Karls  IV.    aus   dem  Stutt- 
garter Staatsarchiv.     Mitgeteilt  von  Adolf  Pischeck     541—560 

X.  Miscellen: 

Zxir  Arbeitsweise  Sigeberts  von  Gembloux  imLiber 
de  scriptoribus  ecclesiasticis.  Von  Marie 
Schulz 563—571 

Zu  den  Lebensbeschreibungen  der  Hildegard 
von  Bingen,  Aebtissin  zu  Rupertsberg.  Von 
Gustav  Sommerfeldt 572 — 581 

Ein  Brief  des  Gabriel  Biel  1462.  VonF.  W.E.Roth    582—585 


IV  Inhalt. 

Seite 
XI.  Ueber   den    Brief  Kaiser   Ludwigs   II.    an    den    Kaiser 

Basilius  I.     Von  Walter  Henze 661—676 

XII.  Studien    zu    Cosmas    von    Prag.     II.      Von    Berte Id 

Bretholz 677—704 

XIII.  Aus    dem    Oertamen    anime    des    Raimundus     Astucus. 

Von  Jakob  Werner 705—719 

XIV.  Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.  Von 

Adalbert  Fr.  Fuchs 721—766 

XV.  Miscellen: 

Hinkmariana    im    Cod.    Paris.  Sangerm.    12445. 

Von  Max  Conrat  (Cohn) .     769-775 

Ueber    eine    neue   Widukind  -  Handschrift.      Von 

Oswald  Holder-Egger 776—788 

Nachtrag 819 

Zu  den  Teilnehmerlisten  des  Protokolls  über  den 
letzten  Tag  des  Laterankomzik  von  1112.    Von 

Otto  Schumann 789—791 

Nachrichten 263—329,  586-660 

Register  bearbeitet  von  BrnstMüller 792—813 

Verzeichnis   der  Verfasser   der    in  den  Nachrichten  erwähnten 

Bücher  und  Aufsätze 814 — 818 

Zusammenstellung  und  Auflösung  der  m  den  Nachrichten  an- 
gewandten Autorchiffren 818 


I. 
Bericht 

über  die 

fünfunddreissigste  Jahresversammlung 

der  Zentraldirektion 

der 

Monumenta  Germaniae  historica. 

Berlin  1909. 


Neues  Archiv  etc.   XXXV. 


Uie  Zentraldirektion  der  Monumenta  Germaniae  histo- 
rica  vereinigte  sich  zu  ihrer  fünfunddreissigsten  ordent- 
lichen Plenarversammlung  in  Berlin  am  15.,  16.  und 
17.  April  d.  J.  An  den  Sitzungen  nahmen  teil  die  Herren 
Prof.  Bresslau  aus  Strassburg  i.  E. ,  Geh.  Justizrat 
Prof.  B  r  u  n  n  e  r  ,  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Holder- 
E  g  g  e  r ,  Wirkl.  Geh.  Oberregierungsrat  K  o  s  e  r  als  Vor- 
sitzender, Staatsarchivar  Archivrat  K  r  u  s  c  h  aus  Osna- 
brück ,  Hofrat  Prof.  L  u  s  c  h  i  n  Ritter  von  E  b  e  n  - 
g  r  e  u  t  h  aus  Graz,  Prof.  von  Ottenthai  und  Prof. 
Redlich  aus  Wien,  Geheimrat  Prof.  von  Riezler 
aus  München,  Geh.  Hofrat  Prof.  von  S  i  m  s  o  n  ,  Geh. 
Hofrat  Steinmejer  aus  Erlangen,  Prof.  T  a  n  g  1  als 
Protokollführer,  Prof.  Werminghoff  aus  Königsberg 
i.  Pr.,  Prof.  Z  e  u  m  e  r.  Am  Erscheinen  verhindert  war 
Herr  Geheimrat  Prof.  Schäfer  durch  eine  Forschungs- 
reise nach  Frankreich. 

Im  Laufe  des  Berichtsjahres  1908/09  erschienen: 
In  der  Abteilung  Scriptores: 

Alberti  de  Bezanis   abbatis   S.  Laurentii  Cremonensis 
Cronica   ed.  O.  Holder-Egger   (Scriptores  rerum  Ger- 
manicarum  in  usum  scholarum  separatim  editi). 
In  der  Abteilung  Leges: 

Concilia.     Tomi  II.  pars  IL    ed.  A.  Werminghoff. 

Constitutiones  et  acta  publica.  Tomi  IV.  partis  IL 
fasciculus  prior  ed.  J.  S  c  h  w  a  1  m. 

Vom  Neuen  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere 
deutsche  Geschichtskunde:  Bd.  XXXIII,  Heft  3  und  Bd. 
XXXIV,  Heft  1  und  2. 

Im  Druck  befinden  sich  sieben  Quartbände,  sechs 
Oktavbände. 

Die  Drucklegung  des  fünften  Bandes  der  Scriptores 
rerum  Merovingicarum,  dessen  Abschluss  für  1910  bestimmt 
zu  erwarten  ist,  wurde  vom  32.  bis  zum  53.  Bogen  ge- 
fördert. Neu  bearbeitet  hat  Herr  Archivrat  Kr  u  seh, 
unter    Heranziehung    von    52    Hss.    (aus    Berlin,    Brüssel, 

1* 


4     Bericht  über  die  fünfunddreissigste  Jahresversammlung  1909. 

Colmar,  Douai,  München,  Paris,  St.  Gallen,  Valenciennes, 
Wien)  die  Lebensbeschreibungen  des  heil.  Amandus,  deren 
älteste  nicht  dem  Baudemund ,  einem  Zeitgenossen  des 
Apostels  der  Franken,  zuzuschreiben  ist,  sondern  der 
zweiten  Hälfte  des  8.  Jh.  angehört  und  am  Sitze  des 
Diözesanbischofs  in  Noyon  entstanden  sein  wird.  Für  die 
Salzburger  Amandus -Tradition  gab  der  hochwürdigste  Herr 
Abt  Willibald  Hauthaler  sehr  dankenswerte  Literatur- 
nachweise. Herr  Privatdozent  Dr.  Levison  in  Bonn 
bearbeitete  neben  seiner  Beteiligung  an  der  Herstellung 
des  fünften  Bandes  als  die  letzte  der  ihm  überwiesenen 
Merowingerquellen  die  Historia  Wambae  des  Julian  von 
Toledo.  Die  Abschrift  einer  nicht  versendbaren  Madrider 
Hs.  dieses  Werkes  besorgte,  unter  Vermittelung  des  Herrn 
Senators  Eduardo  de  Hinojosa  in  Madrid  und  des 
Herrn  Privatdozenten  Dr.  A.  Eitel  in  Freiburg  i.  B., 
Herr  Inocencio  Eodriguez  von  der  Madrider  Biblioteca 
de  la  R.  Academia  de  la  Historia.  Weiter  verpflichteten 
uns  durch  Mitteilungen  für  die  Zwecke  der  Merowinger- 
serie  die  Herren  Bibliotheksdirektor  M.  Menendez  j 
P  e  1  a  y  o  in  Madrid,  Bibliothekar  Alfred  de  Burgh  in 
Dublin,  Conte  R.  della  Torre,  Direktor  des  R.  Museo 
Archeologico  in  Cividale,  und  der  Bollandist  P.  J.  van 
den  Gheyn. 

Das  auf  der  im  vorjährigen  Berichte  erwähnten 
Studienreise  gesammelte  Material  für  den  Liber  Pontificalis 
ergänzte  Herr  Levison  bei  der  systematischen  Durch- 
arbeitung aus  einer  nicht  versendbaren ,  durch  Herrn 
Lebegue   an  Ort  und  Stelle  kollationierten  Pariser  Hs. 

Für  die  Hauptserie  der  Scriptores  ist  die  Arbeit  an 
den  Annalen  des  Tholomeus  von  Lucca  von  Herrn  Dr. 
Schmeidler  mit  einer  unter  der  Presse  befindlichen 
Untersuchung  (N.  Archiv  XXXIV,  Heft  3)  über  die  ver- 
lorenen Gesta  Florentinorum  und  ihre  zahlreichen  Ab- 
leitungen fortgeführt.  Der  Abteilungsleiter  Herr  Geheim- 
rat Holder-Egger  war  mit  der  Ausarbeitung  der 
Vorrede  zu  seiner  Ausgabe  der  Chronik  des  Minoriten 
Salimbene  de  Adam  beschäftigt.  Eine  Wiederholung 
dieser  Ausgabe  in  der  Sammlung  der  Scriptores  rerum 
Germanicarum  bleibt  vorbehalten. 

In  derselben  Sammlung  werden  der  im  Berichtsjahre 
erschienenen,  von  Herrn  Holder-Egger  bearbeiteten 
Cronica  des  Albertus  de  Bezanis  in  einigen  Wochen  folgen 
die  Annales  Xantenses  et  Annales  Vedastini  in  der  Aus- 
gabe  des   Herrn   von  Simson   und   die   von   Herrn  Dr. 


Bericht  über  die  fünfunddreissigste  Jahresversammlung  1909.     5 

Schmeidler  besorgte  neue  Auflage  der  Chronik  des 
Helmold;  nach  einer  Helmold-Hs. ,  die  der  branden- 
burgische Kanzler  Christian  Distelmeier  besessen  hatte, 
hat  Herr  Schmeidler  mit  gütiger  Erlaubnis  des 
Standesherrn  Herrn  Grafen  Hermann  Maximilian  von 
L  y  n  a  r  in  dem  Archiv  und  der  Bibliothek  des  Schlosses 
Lübbenau,  wohin  der  Distelmeiersche  handschriftliche 
Nachlass  durch  Erbschaft  gelangt  ist,  Nachforschungen 
angestellt,  leider  ohne  Ergebnis.  Als  Appendices  werden 
mit  der  Slawenchronik  erscheinen  die  bisher  in  den 
Monumenta  Germaniae  nicht  vorliegenden  Versus  de  vita 
Vicelini  und  die  Epistola  Sidonis,  des  Propstes  von  Neu- 
münster ;  der  hochwürdige  Herr  Dr.  Florian  W  a  t  z  1  , 
Bibliothekar  des  Stiftes  Heiligenkreuz,  hatte  die  Güte, 
eine  Hs.  dieser  Epistola  von  Neukloster  zu  Wiener  Neu- 
stadt nach  Berlin  senden  zn  lassen,  die  auch  bisher  noch 
ganz  unbekannte  Auszüge  aus  Helmolds  Werk  enthält. 
Das  Manuskript  seiner  neuen  Ausgabe  der  Chronik  des 
Bischofs  Otto  von  Ereising  hat  Herr  Dr.  Hofmeister 
schon  im  vorigen  Jahre  abgeschlossen;  der  Beginn  des 
Driickes  musste  ausgesetzt  werden,  weil  zuvor  noch  die 
bisher  unbenutzte,  im  Besitz  Seiner  Durchlaucht  des 
Fürsten  Ferdinand  Zdenko  von  Lobkowitz,  Herzogs 
zu  Eaudnitz,  befindliche  Hs.  einzusehen  war,  was  in  Folge 
äusserer  Umstände  erst  im  Februar  d.  J.  auf  Schloss 
Eaudnitz  geschehen  konnte.  Herr  Hofmeister  hat 
bei  seinem  Besuch  daselbst,  durch  den  herzoglichen 
Archivar  Herrn  Dr.  Chaloupecky  freundlichst  unter- 
stützt, auch  für  unsere  Ausgabe  der  Constitutiones  einiges 
Material  gesammelt.  Bei  den  durch  Herrn  Landesarchiv- 
direktor  Dr.  Bretholz  in  Brunn  wiederaufgenommenen 
Arbeiten  für  Cosmas  von  Prag  ergab  sich  für  die  bisher 
als  'konfus  und  wertlos'  betrachtete  Chronologie  dieser 
Quelle  ein  unerwarteter  Grad  von  Glaubwürdigkeit,  wie  in 
einem  im  N.  Archiv  XXXIV,  3  veröffentlichten  Aufsatz 
des  näheren  nachgewiesen  worden  ist.  Für  die  von  Herrn 
Prof.  Dr.  U  h  1  i  r  z  in  Graz  übernommene  Bearbeitung  der 
Annales  Austriae  ist  noch  eine  Bereisung  der  ober-  und 
niederösterreichischen  und  vielleicht  auch  der  steirischen 
Klöster  sowie  die  Heranziehung  der  in  Bibliotheken,  zumal 
in  München  und  Klagenfurt,  zerstreuten  Hss.  erforderlich. 
Von  dem  Liber  certarum  historiarum  des  Abtes  Johann 
von  Victring  hat  Herr  Dr.  Fedor  Schneider  in  Rom 
jetzt  20  Bogen  zum  Druck  befördert.  Eine  Ausgabe  des 
Johannes  Porta  de  Annoniaco   mit    dem  Bericht   über   die 


6     Bericht  über  die  fünfunddreissigste  Jahresversammlung  1909. 

Krönung  Karls  IV.  und  zahlreichen  Aktenstücken  stellt 
Herr  Prof.  Z  e  u  m  e  r  in  Aussicht ;  die  erforderlich  ge- 
wordene dritte  Auflage  des  Wipo  und  in  weiterer  Folge 
eine  Ausgabe  des  Frutolf  -  Ekkehard  wird  Herr  Prof. 
B  r  e  s  s  1  a  u  besorgen. 

Von  der  Einleitung  des  Herrn  Prof.  Seemüller 
in  Wien  zur  Oesterreichischen  Chronik  von  den  95  Herr- 
schaften sind  bis  jetzt  15  Bogen  abgesetzt.  Für  die  Serie 
der  Deutschen  Chroniken  hat  weiter  Herr  Dr.  Gebhardt 
in  Erlangen  den  Text  der  Kreuzfahrt  des  Landgrafen 
Ludwig  III.  von  Thüringen ,  der  im  Druck  ungefähr 
9  Bogen  füllen  wird,  nunmehr  druckfertig  hergestellt.  Die 
in  andere  Hände  übergegangenen  Arbeiten  für  die  Sammlung 
der  Historischen  Lieder  in  deutscher  Sprache  aus  der  Zeit 
bis  1500  sind  in  der  Weise  gefördert  worden,  dass  im 
Bereiche  der  historisch -politischen  Lyrik  des  13.  Jh.  Herr 
Oberlehrer  Dr.  P  i  n  n  o  w  in  Frankfurt  a.  M.  der  noch 
durch  Herrn  Dr.  Heinrich  Meyer  bewirkten  Herstellung 
der  Texte  historische  Erörterungen  und  Erklärungen,  vor 
allem  auch  genauere  Datenbestimmungen,  an  die  Seite 
stellte,  und  dass  Herr  Dr.  Hermann  Michel  in  Berlin 
bei  Ergänzung  des  Katalogs  in  Sonderheit  die  historischen 
Volkslieder  der  Mark  Brandenburg  und  die  auf  die  Soester 
Fehde  bezüglichen  Stücke  eingehender  Prüfung  unterzog. 
Den  Text  der  Dichtungen  Suchenwirts  hofft  Herr  Dr. 
Lochner  in  Göttingen,  obgleich  nicht  weniger  als 
21  Hss.  zu  kollationieren  sind,  binnen  Jahresfrist  ab- 
schliessend aufstellen  zu  können. 

Für  die  Abteilung  Leges ,  soweit  sie  durch  Herrn 
Geheimrat  B  r  u  n  n  e  r  geleitet  wird,  hat  Herr  Privatdozent 
Dr.  Claudius  Freiherr  von  Schwerin  in  München  bei 
einem  Besuch  in  London  sich  eine  phothographische  Re- 
produktion der  dem  British  Museum  gehörigen  Hs.  der 
Lex  Saxonum  (Spangenbergianus)  verschafft;  seine  Be- 
mühungen, für  die  von  ihm  übernommene  Ausgabe  der 
Lex  Anglorum  et  Werinorum  in  England  Material  auf- 
zufinden, blieben  bisher  ohne  Erfolg.  Im  N.  Archiv 
erschien  die  durch  den  vorigen  Bericht  angekündigte 
zweite  Studie  des  Herrn  Prof.  von  Schwind  in  Wien 
über  die  Lex  Baiuwariorum.  Ebendort  veröffentlichte  Herr 
Geh.  Justizrat  Prof.  S  e  c  k  e  1  in  Berlin  eine  neue  Unter- 
suchung zu  Benedictus  Levita,  welche  die  Quellen  für 
Buch  II,  Kap.  1  — 161  behandelt.  Als  unentbehrliche 
Vorarbeit  für  die  Edition  wurden  ein  Index  initiorum  und, 
soweit   die   im   N.   Archiv   niedergelegten   sieben   'Studien' 


Bericht  über  die  fünfunddreissigste  Jahresversammlung  1909.     7 

reichen,  ein  Index  fontium  ausgearbeitet ;  begonnen  wurden 
die  auf  Vollständigkeit  angelegten  Indices  personarum, 
locorum,  verborum,  rerum.  Im  März  d.  J.  ging  Herr 
Seckel  nach  Paris,  um  die  Benedictus-Hss.  der  Biblio- 
theque  nationale  einzusehen.  Bei  der  Schlussrevisiou  des 
Textes  der  älteren  fränkischen  Placita  haben  sich  dem 
Herausgeber,  Herrn  Prof.  Tan  gl,  im  Berichtsjahr  noch 
einige  weitere  Aufgaben  gestellt,  die  einen  abermaligen 
Aufschub  des  Drucks  angezeigt  erscheinen  Hessen,  nunmehr 
aber  gelöst  sind. 

Der  Leitung  des  Herrn  Prof.  Z  e  u  m  e  r  unterstanden 
in  der  Abteilung  Leges  wie  bisher  die  Arbeiten  für  die 
Lex  Salica,  die  Concilia,  die  Constitutiones,  die  Tractatus 
de  iure  imperii  saec.  XIII.  et  XIV.  selecti  und  die  Hof- 
und  Dienstrechte  des  11.  bis  13.  Jh.  Herr  Dr.  Krammer 
hat  bei  der  Konstituierung  des  Textes  der  Lex  Salica  vor 
allem  die  Frage  vor  Augen  behalten,  ob  man  über  den 
Archetypus  der  neustrischen  A- Redaktion  (früher  III) 
hinaus  zum  Urtext  gelangen  könne;  insofern  nun  die 
älteste,  um  die  Mitte  oder  gar  in  den  Anfang  des  6.  Jh. 
zu  setzende  Form  der  nächst  jüngeren  (austrasischen)  B- 
ßedaktion  (früher  I),  bereits  eine  der  jüngeren  Formen 
von  A  benutzt  hat,  wird  geurteilt  werden  dürfen,  dass, 
wenn  es  auch  nicht  möglich  ist,  zum  Urtext  selber  zu  ge- 
langen, doch  ein  Text  erreichbar  wird,  der  aus  der  Zeit 
Chlodovechs  oder  aus  der  seiner  Söhne  stammt.  Die  von 
Herrn  Prof.  W  e  r  m  i  n  g  h  o  f  f  Ende  1908  veröffentlichte 
Schlusshälfte  des  zweiten  Bandes  der  Concilia  führt  bis 
843 ;  die  ihm  beigegebenen  Concordantiae  editionum  wurden 
durch   Herrn   Dr.    Richard    S  a  1  o  m  o  n    zusammengestellt. 

Dem  im  Jahre  1906  erschienenen  ersten  Teile  des 
vierten  Bandes  der  Constitutiones  et  acta  imperii  hat  Herr 
Dr.  S  c  h  w  a  1  m  in  Hamburg  schnell  den  zweiten  Teil 
folgen  lassen,  in  welchem  der  Ausgang  der  Regierung 
Heinrichs  VII.  erreicht  wird;  ein  Schlussfaszikel  mit  dem 
Titelzeug,  dem  von  dem  Herausgeber  selber  bearbeiteten 
Namensregister  und  dem  von  Herrn  Dr.  R.  Salomon 
übernommenen  Wort-  und  Sachregister  wird  gesondert  zur 
Ausgabe  gelangen.  Ein  von  Herrn  Referendar  F.  Salomon 
hergestelltes  chronologisches  Verzeichnis  aller  in  den  vier 
ersten  Bänden  der  Constitutiones  enthaltenen  Stücke  liegt 
druckfertig  vor.  Inzwischen  hat  Herr  Dr.  S  c  h  w  a  1  m 
mit  der  Drucklegung  des  fünften  Bandes  (1313  ff.)  be- 
gonnen und  sie  bis  zum  25.  Bogen  geführt.  Mit  Beiträgen 
unterstützten   ihn   neben   den   verschiedenen  Archiven   die 


8     Bericht  über  die  fünfianddreissigste  Jahresversammlung  1909. 

Herren  Dr.  A.  Herre  in  München,  Archivar  Dr. 
E.  Schans  in  Wiesbaden  und  Privatdozent  Dr.  E.  Vogt 
in  Giessen.  Auch  der  von  dem  Herrn  Abteilungsleiter  in 
Verbindung  mit  Dr.  E.  S  a  1  o  m  o  n  vorbereitete  Band  VIII, 
der  die  Anfänge  Karls  IV.  bis  1350  begleiten  wird,  konnte 
bereits  in  Druck  gegeben  und  im  Berichtsjahre  bis  zum 
13.  Bogen  hergestellt  werden.  Augenblicklich  erleidet  der 
Satz  des  Bandes  eine  kurze  Unterbrechung  in  Folge  einer 
im  März  angetretenen  Studienreise  des  Herrn  Dr.  Salomon 
nach  Wien  und  Italien.  Als  Hilfsarbeiter  standen  Herrn 
Prof.  Z  e  u  m  e  r  neben  dem  Mitherausgeber  zur  Seite  die 
Herren  Referendar  F.  Salomon,  Stud.  Hirschfeld 
und  Stud.  Schotte.  Zu  besonderem  Dank  wissen  sich 
die  Herausgeber  verpflichtet  der  k.  k.  Bibliothek  zu  Wien, 
den  Universitätsbibliotheken  zu  Göttingen  und  Prag,  den 
Stadtbibliotheken  zu  Frankfurt  a.  M.,  Hagenau  und  Mainz, 
dem  Institut  für  österreichische  Geschichtsforschung  und 
dem  k.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  zu  Wien,  den  K. 
Preussischen  Staatsarchiven  zu  Berlin,  Coblenz,  Münster  und 
Osnabrück,  den  Herren  Stadtbibliothekar  Dr.  Kentenich 
in  Trier,  Landesbibliothekar  Dr.  N.  van  W  e  r  v  e  k  e  in 
Luxemburg,  Fürstlichem  Archivar  Dr.  Mar  es  inWittingau, 
Archivdirektor  L  u  z  i  o  und  Prof.  Torelli  in  Mantua, 
Prof.  Bongianni   in  Udine. 

Nachdem  für  die  Ausgabe  der  Schriften  des  Marsilius 
von  Padua  bereits  früher  Herr  Prof.  Dr.  Otto  in 
Hadamar  gewonnen  war,  haben  sich  der  Sammlung  der 
Tractatus  de  iure  imperii  saec.  XIII.  et  XIV.  selecti  weiter 
freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  Herr  Dr.  Franz  Wil- 
helm in  Wien  für  den  Tractatus '  de  praerogativa  imperii, 
die  Notitia  und  den  Pavo  des  Jordanus  von  Osnabrück, 
Herr  Geheimrat  Prof.  Dr.  G  r  a  u  e  r  t  in  München  für  die 
Monarchia  des  Dante  und  die  Schriften  Kourads  von 
Megenberg  und  vielleicht  des  Augustinus  Triumphus.  Für 
eine  Ausgabe  des  Lupolt  von  Bebenburg  liegt  in  der 
Inauguraldissertation  des  Herrn  Dr.  H.  Meyer,  eines 
Schülers  des  Herrn  G  r  a  u  e  r  t ,  eine  beachtenswerte  Vor- 
arbeit vor.  Zunächst  aber  hat  Herr  Dr.  Kram  m  e  r  in 
den  Fontes  iuris  Germanici  antiqui  mit  dem  Druck  seiner 
Ausgabe  der  Determinatio  compendiosa  de  iurisdictione 
imperii  begonnen,  die  er  für  Tholomeus  von  Lucca  in  An- 
spruch nimmt  und  ungefähr  zum  Jahre  1280  ansetzt.  Bei 
einem  Besuche  in  Paris  fand  Herr  K  r  a  m  m  e  r  zwei  noch 
unbekannte  Traktate  des  Tholomeus,  deren  einer  zusammen 
mit    der    Determinatio    veröffentlicht    werden    wird ;    von 


Bericht  über  die  fünfunddreissigste  Jahresversammlung  1909.     9 

grossem  Werte  war  ihm  die  gütige  Hilfe  der  Herren 
ß.  Poupardin  und  N. Va  1  o i s.  —  Ueber  vorbereitende 
Schritte  für  die  Bearbeitung  der  Hof-  und  Dienstrechte  des 
11.  bis  13.  Jh.  hat  Herr  Dr.  Ferdinand  Bilger  in  Heidel- 
berg dem  Abteilungsleiter  einen  ersten  Bericht  erstattet. 

Im  Interesse  der  Abteilung  Diplom  ata  Karolinorum 
unternahm  Herr  Prof.  T  a  n  g  1  im  August  und  September 
V.  J.  eine  Reise  nach  Italien  und  Frankreich,  die  sich  in 
jeder  Richtung  als  sehr  ertragreich  erwies.  Unter  den 
Ergebnissen  für  die  Nachprüfung  abschriftlicher  üeber- 
lieferungen  steht  obenan  die  dank  den  unermüdlichen  Be- 
mühungen des  hochwürdigen  Herrn  Bibliothekars  und 
Archivars  Don  Antonio  S  p  a  g  n  o  1  o  im  Kapitelarchiv  zu 
Verona  gelungene  Wiederauffindung  einer  Abschriften- 
gruppe, nach  der  von  anderer  Seite  bisher  vergeblich  ge- 
sucht worden  war.  Ueber  alle  Erwartungen  ergiebig  war 
eine  Nachprüfung  der  tironischen  Noten  in  den  wenigen 
für  unsere  Zwecke  noch  nicht  untersuchten  Originalen; 
über  das  einzelne  wird  demnächst  im  Archiv  für  Urkunden- 
forschung eine  bereits  gedruckte  Abhandlung  unterrichten, 
so  dass  hier  nur  der  Dank  Ausdruck  zu  finden  hat,  den 
Herr  T  a  n  g  1  dem  Monsignore  Canonico  L  a  1 1  i  n  i  für  die 
liebenswürdige  Aufnahme  im  Kapitelarchiv  zu  Arezzo  und 
dem  Herrn  Pierre  G  a  u  t  i  e  r  vom  Departementalarchiv 
der  Haute -Marne  schuldet.  Das  Kemptener  Chartular  mit 
Nachzeichnungen  tironischer  Noten  konnte,  dank  dem  Ent- 
gegenkommen des  Kgl.  Bayrischen  ßeichsarchivsdirektors 
Herrn  Dr.  B  a  u  m  a  n  n  ,  hier  in  Berlin  untersucht  werden. 
Eine  Nachlese  auf  dem  Felde  der  Schriftvergleichung 
hatte  in  erster  Linie  bei  den  reichen  Beständen  des 
Pariser  Nationalarchivs  einzusetzen,  wo  Herr  T  a  n  g  1  sich 
für  seine  Arbeiten  ganz  ungewöhnlicher  Begünstigungen 
zu  erfreuen  hatte.  Nach  seiner  Rückkehr  brachte  er  mit 
seinem  Mitarbeiter  Herrn  Dr.  E.  Müller  die  Schrift- 
bestimmung der  Originale  zu  Ende ,  in  Verbindung  mit 
Diktatuntersuchungen,  die  in  vollem  Umfang  auf  Formular 
und  Rechtsinhalt  der  Urkunden  ausgedehnt  wurden.  Die 
letzten  noch  heranzuziehenden  Originale  wurden  von  den 
Archiven  zu  Colmar,  Karlsruhe,  Metz,  München,  Münster 
und  Würzburg  hierher  ausgeliehen.  Im  Zusammenhange 
dieser  Arbeiten  verfasste  der  Herr  Abteilungsleiter  eine 
Abhandlung  (in  den  'Beiträgen  zur  brandenburgischen 
und  preussisehen  Geschichte'  herausgegeben  vom  Verein 
für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg)  über  die  Urkunden 
Ottos  I.  für  Brandenburg  und  Havelberg  als  Vorbilder  für 


10     Bericlit  über  die  fünfunddreissigste  Jahresversammlung  1 909. 

die  gefälschten  Urkunden  der  sächsischen  Bistümer,  und 
Herr  Dr.  Müller  eine  Untersuchung  über  die  Urkunden- 
und  Legendenfälschung-en  im  St. -Medardus- Kloster  zu 
Soissons  (N.  Archiv  XXXIV,  Heft  3);  entsprechende  Ar- 
beiten von  Herrn  T  a  n  g  1  für  Osnabrück  (im  Archiv  für 
Urkundenforschung  II,  2)  und  von  Herrn  Müller  für 
Hildesheim  und  Le  Maus  werden  sich  anschliessen. 

Der  vierte  Band  der  Diplomata  regum  et  imperatorum 
Germaniae  ist  bis  auf  das  unter  der  Presse  befindliche 
Register  der  Eigennamen  vollendet.  Zu  den  in  dem  Bande 
vereinigten  Dij)lomen  Konrads  II.  hat  der  Leiter  der  Ab- 
teilung Dij)lomata  saec.  XI.,  Herr  Prof.  Harry  Bresslau, 
im  N.  Archiv  XXXIV  fünf  Exkurse  veröffentlicht,  denen 
Herr  Dr.  W  i  b  e  1  einen  sechsten  über  die  Peinhards- 
brunner  Urkundengruppe  folgen  lassen  wird.  Aus  dem 
Verband  dieser  Abteilung  ist  der  Mitarbeiter  Herr  Dr. 
Hessel  am  I.Juli  1908  ausgeschieden,  um  sich  im  Auf- 
trage der  Kommission  zur  Herausgabe  elsässischer  Ge- 
schichtsquellen der  Bearbeitung  der  Register  der  Bischöfe 
von  Strassburg  zu  widmen.  Die  Drucklegung  der  Ur- 
kunden Heinrichs  III. ,  für  dessen  Regierungszeit  das 
Material  nahezu  vollständig  gesammelt  ist,  werden  die 
Herren  Bresslau  und  W  i  b  e  1  zunächst  ohne  eine 
weitere  Hilfskraft  vorbereiten. 

In  der  Abteilung  Diplomata  saec.  XII.  traten  nach 
Erledigung  derjenigen  Gruppen,  deren  Originale  im  Aus- 
leiheverkehr nach  Wien  übersandt  werden  konnten ,  die 
Archivreisen  in  den  Vordergrund.  Dabei  werden  grund- 
sätzlich überall  sämtliche  Gruppen,  die  mit  Ur-  oder  Ab- 
schriften Lothars  IIL  oder  Konrads  III.  beginnen  und, 
wo  entlegene  oder  schwerer  zugängliche  Archive  besucht 
werden,  auch  die  erst  mit  Friedrich  I.  einsetzenden  Gruppen 
in  Angriff  genommen  und  für  das  ganze  12.  Jh.  erledigt. 
Der  Abteilungsleiter  Herr  von  Ottenthai  verglich  im 
April  1908  zu  Hildesheim  und  Göttingen  die  für  die 
Richenberger  Diplome  wichtigen  Bischofs-  und  Kloster- 
urkunden, bearbeitete  im  Herzoglich  Braunschweigischen 
Landeshauj)tarchiv  zu  Wolfenbüttel  die  Provenienzen  Clus, 
St.  Maria  in  Braunschweig  und  Walkenried  und  prüfte  in 
Berlin  das  zu  diesem  Behuf  vom  Pfarramt  an  die  König- 
liche Bibliothek  übersandte  Diplom  Lothars  für  Clarholz. 
Im  Oktober  erledigte  er  in  den  Staatsarchiven  zu  Ant- 
werpen, Brüssel,  Gent,  Lüttich,  Maastricht,  Namur,  Mons, 
im  Stadtarchiv  zu  Antwerpen,  auf  der  K.  Bibliothek  zu 
Brüssel  und  auf   den  Seminarbibliotheken   zu  Lüttich   und 


Bericht  über  die  fünfiinddreissigste  Jahresversammluug  1909.     11 

Namur  die  Gruppen :  St.  Maria  und  St.  Michel  zu  Ant- 
werpen; Crespin,  Floreffe,  St.  Ghislain,  St.  Jakob,  St. 
Johann,  St.  Laurenz  zu  Lüttich ;  St.  Servatius  zu  Maastricht ; 
Meersen,  Nivelles,  ßolandswörth,  Segeberg,  Stablo,  Waulsort. 
Herr  Dr.  Hirsch  dehnte  seine  oberitalieuische  Eeise 
(nach  Verona.  Mantua,  Cremona,  Brescia,  Bergamo,  Tre- 
viglio,  Mailand,  Monza,  Novara,  Piacenza,  Florenz,  Pisa, 
Lucca),  deren  Beginn  im  vorigen  Bericht  erwähnt  wurde, 
bis  Mitte  Juli  aus  und  Hess  von  Mitte  September  bis  Mitte 
Oktober  eine  zweite  nach  Ascoli,  Pom  und  Monte  Cassino 
folgen.  Aufgearbeitet  wurden  die  Grupj)en  Ascoli  (Bistum 
und  S.  Angelo),  Bergamo  (Bistum,  S.  Alessandro,  S.  Vin- 
cenzo),  Bracciaforte,  Borgo  S.  Donnino,  Brescia,  Camaldoli, 
Farfa,  Fontana  Taonis,  Lucca,  Mailand  (S.  Ambrogio, 
S.  Simpliciano),  Mantua,  Monte  Cassino,  Monticello  (Pipa 
d'Oglio),  Monza,  Piacenza,  Pisa,  Polirone,  S.  Paolo  zu  Pom, 
Treviglio,  Venedig  (S.  Ilario),  Verona,  Virada,  Visconti.  Die 
Verwaltungen  der  von  den  beiden  genannten  Herren  auf- 
gesuchten staatlichen,  kirchlichen  und  städtischen  Archive 
und  Bibliotheken  gewährten,  von  wenigen  Ausnahmefällen 
abgesehen,  der  Arbeit  die  freundlichste  Unterstützung; 
auch  die  Erlaubnis  zu  photographischen  Aufnahmen  wurde 
fast  überall  erteilt.  Besonders  schätzbare  Beihilfe  liehen 
die  Herren  Prof.  B  r  a  n  d  i  in  Göttingen ,  Archivrat 
Zimmermann  in  Wolfenbüttel,  Prof.  P  i  r  e  n  n  e  und 
der  Direktor  des  Hauptarchivs  Herr  Gaillard  in  Brüssel, 
sowie  die  Herren  Archivare  Laloise  in  Brüssel,  Lahaye 
und  Fairon  in  Lüttich,  Courtois  in  Namur.  An  der 
Sichtung  und  Zurichtung  des  auf  den  Reisen  gesammelten 
Materials  beteiligte  sich  auch  der  ständige  Hilfsarbeiter 
Herr  Dr.  S  a  m  a  n  e  k  ,  der  im  übrigen  sich  vorzugsweise 
der  Ausgestaltung  des  bibliographischen  Apparats  zu 
widmen  fortfuhr;  er  wird  auch  in  seiner  neuen  Stellung 
als  Praktikant  am  k.  k.  Statthaltereiarchiv  zu  Wien  mit 
den  Monumenta  Germaniae  in  geregelter  Verbindung 
bleiben. 

Die  Leitung  der  Abteilung  Epistolae  hat  auf  Ersuchen 
der  Zentraldirektion  Herr  Prof.  T  a  n  g  1  abermals  über- 
nommen, da  es  sich  Herrn  Prof.  We  r  m  i  n  g  h  o  f  f  als  un- 
niöglich  ergab,  von  seinem  jetzigen  Wohnsitze  Königsberg 
aus  die  neuen  in  den  Arbeitsplan  dieser  Abteilung  auf- 
genommenen Aufgaben  vorzubereiten  und  zu  überwachen; 
doch  wird  Herr  Werminghoff  die  Drucklegung  der 
von  Herrn  Dr.  P  e  r  e  1  s  jetzt  bis  zum  15.  Bogen  fort- 
geführten   Edition   der  Briefe   des  Papstes  Nicolaus  I.   bis 


12     Bericht  über  die  fünf unddreissigste  Jahresversammlung  1 909, 

zum  völligen  Abschlüsse  leiten.  Der  neu  eingetretene 
ständige  Mitarbeiter  dieser  Abteilung,  Herr  Privatdozent 
Dr.  Caspar,  bat  das  Eegister  Johanns  VIII.  in  Angriff 
genommen  und  die  ßepertorisierung  von  Einzelbriefen  im 
Anschluss  an  die  bis  911  reichende  üebersicht  von 
Gundlach  (N.  Archiv  XII)  fortgesetzt.  Für  die  Be- 
arbeitung der  Briefe  Hincmars  von  Eeims  ist  Herr  Privat- 
dozent Dr.  Hellmann  in  München  gewonnen  worden. 
Herr  Realgymnasialdirektor  Dr.  H  e  n  z  e  in  Südende  bei 
Berlin  hat  den  Text  des  Briefes  Kaiser  Ludwigs  II.  an 
den  byzantinischen  Kaiser  Basilius  mit  Hilfe  einer  photo- 
graphischen Aufnahme  des  Codex  hergestellt  und  auch  die 
Einleitung  bereits  verfasst ;  in  einer  in  1 1  b  e  r  g  s  Jahr- 
büchern für  das  klassische  Altertum  demnächst  er- 
scheinenden Abhandlung  wird  die  Frage  der  Verfasser- 
schaft des  Bibliothekars  Anastasius  erörtert  werden.  Durch 
Kollationen  unterstützte  die  Arbeiten  dieser  Abteilung 
Herr  Dr.  F.  Schneider  in  Rom,  durch  Ueberlassung 
von  Abschriften  Herr  Hofrat  Prof.  T  h  a  n  e  r  in  Graz. 

Zu  den  in  der  Abteilung  Antiquitates  durch  die 
Herren  Prof.  E  h  w  a  1  d  in  Gotha,  Prof.  Strecker  in 
Berlin  und  Bibliothekar  Privatdozent  Werner  in  Zürich 
fortgeführten  Arbeiten  ist  insbesondere  zu  erwähnen,  dass 
Herr  Strecker  im  Jahresbericht  1909  des  Luisen- 
gymnasiums auf  Grund  zahlreicher  Hss.  den  'Rhythmus  de 
Asia  et  de  universi  mundi  rota'  neu  herausgegeben  hat, 
der  bisher  als  'fränkische  Kosmographie  des  7.  Jh.'  nur  in 
der  unvollkommenen  Ausgabe  von  Pertz  aus  den  Ab- 
handlungen der  Berliner  Akademie  von  1845  vorlag.  Nach 
Abschluss  des  zweiten  Halbbandes  der  Poetae  Carolini  IV 
beabsichtigt  Herr  Strecker,  die  darin  enthaltenen 
Rhythmi  in  unserer  Sammlung  von  Schulausgaben  zu 
wiederholen.  Die  Vorbereitungen  für  die  Edition  der 
Necrologia  aus  der  Diözese  Passau,  der  Erzdiözese  Wien 
und  den  Diözesen  Linz  und  St.  Polten  sind  so  erfreulich 
vorgeschritten,  dass  jeder  der  beiden  Herausgeber,  der 
Erzbischöfliche  Bibliothekar  Herr  Dr.  Fastlinger  in 
München  und  der  Herr  Pfarrer  Dr.  Adalbert  Fuchs  O. 
S.  B.  in  Brunnkirchen,  den  von  ihm  übernommenen  Band 
in  absehbarer  Zeit  druckfertig  vorlegen  kann. 

Wie  stets,  so  erfreuten  wir  uns  auch  im  Berichts- 
jahre vielfacher  freundlicher  Unterstützung  durch  das 
Königlich  Preussische  Historische  Institut  zu  Rom  und  die 
Herren  Beamten  der  Handschriften-  und  der  Zeitschriften- 
abteilung der  Berliner  Königlichen  Bibliothek. 


Bericht  über  die  fünf unddreissigste  Jahresversammlung  1 909.     13 

Den  hohen  Reichsbehörden  gilt  unser  Dank  diesmal 
in  um  so  vollerem  Masse,  als  uns  durch  die  Fürsorge  des 
Herrn  Staatssekretärs  des  Innern  sowohl  eine  abermalige 
ansehnliche  Erhöhung  unserer  Dotation  wie  eine  überaus 
Avertvolle  Vermehrung  unserer  wissenschaftlichen  Hilfs- 
mittel zu  Teil  geworden  ist:  mit  dem  1.  April  d.  J.  ist  die 
Zentraldirektion  in  den  Besitz  der  kostbaren  Bibliothek 
unseres  ehemaligen  Mitgliedes,  des  am  20.  Mai  1907  ver- 
storbenen Professors  an  der  Universität  München  Dr. 
Ludwig  Traube,  eingetreten.  Die  Sammlung  kenn- 
zeichnet sich  als  eine  planvoll  und  unter  Aufwendung  be- 
deutender Geldmittel  angelegte  Arbeitsbibliothek  für  be- 
stimmt umgrenzte  Gebiete:  griechische  und  besonders 
römische  Literatur,  lateinische  Literatur  des  Mittelalters, 
allgemeine  Geschichte  und  Kulturgeschichte  des  Mittel- 
alters ,  bei  besonderer  Betonung  der  Ueberlieferungs- 
geschichte,  Paläographie  und  Handschriftenkunde;  der 
damit  verbundene  paläographische  Apparat  von  Einzel- 
photographien  umfasst  etwa  3500  Blätter.  Eine  Ver- 
einigung von  Freunden  und  Verehrern  Ludwig  T  r  a  u  b  e  s 
hatte  diese  von  ihr  erworbene  Bibliothek,  in  dem  Wunsche, 
ihre  durch  den  Plan  der  Anlage  vorgezeichnete  Fortsetzung 
und  Ergänzung  für  alle  Zukunft  gewährleistet  und  die 
Sammlung  ungetrennt  in  den  Dienst  der  historisch- 
philologischen Studien  gestellt  zu  sehen,  dem  Deutschen 
Reiche  hochsinnig  als  Geschenk  angeboten,  unter  Be- 
dingungen, auf  welche  Reichsverwaltung  und  Reichstag 
bereitwillig  eingegangen  sind.  Indem  die  Sammlung,  einer 
unter  Vermittelung  des  Herrn  Geheimen  Oberregierungs- 
rats Dr.  L  e  w  a  1  d  getroffenen  Vereinbarung  gemäss,  der 
Zentraldirektion  der  Monumenta  Germaniae  als  dem  Organ 
überwiesen  wurde ,  welches  einen  wesentlichen  Teil  des 
Gebiets  der  Traube  sehen  Forschungen  auszubauen 
stiftungsmässig  berufen  ist,  wurde  für  die  Zwecke  der 
'Traube -Bibliothek'  durch  den  Reichshaushaltsetat  für 
1909  eine  dauernde  Vermehrung  der  den  Monumenta 
Germaniae  von  Reichs  wegen  gewährten  Unterstützung  um 
jährlich  5000  Mark  vorgesehen.  Die  bereits  im  vorigen 
Sommer  von  München  nach  Berlin  überführte  Bibliothek 
hat  in  dem  Reichsdienstgebäude  Luisenstrasse  33/34  in 
unmittelbarer  Nachbarschaft  unserer  Arbeitsräume  Auf- 
nahme gefunden.  Die  Verwaltung  ist  dem  Bibliothekar 
an  der  Königlichen  Bibliothek  Herrn  Dr.  Jacobs  über- 
tragen worden ,  dessen  hingebender  Mühewaltung  es  zu 
verdanken   ist,    dass   die  Sammlung   nach   einer   allerdings 


14     Bericht  über  die  fünfunddreissigste  Jahresversammlung  1909. 

nur  vorläufigen  Durchmusterung  und  Inventarisierung 
schon  jetzt  wieder  benutzbar  wird.  Sie  wird  über  den 
Kreis  der  Mitglieder  und  Mitarbeiter  der  Zentraldirektion 
hinaus  auch  anderen  Gelehrten  zugänglich  sein,  deren 
Studien  dem  weiten  Gebiet  der  Trau  besehen  Forschungen 
angehören;  dahingehende  Anträge  wird  der  von  der  Zen- 
traldirektion bestellte  Bibliotheksausschuss,  bestehend  aus 
dem  Vorsitzenden  und  den  Herren  Geheimrat  Prof. 
Holder-Egger  und  Prof.  T  a  n  g  1 ,  entgegennehmen. 
Die  tJebergabe  der  Bibliothek  an  die  Zentraldirektion 
durch  Herrn  Dr.  phil,  Bruno  Güterbock  hierselbst, 
als  den  Vertreter  der  Vereinigung  der  bisherigen  Besitzer, 
fand  am  Nachmittag  des  15.  April  statt,  in  Gegenwart 
unserer  zur  Plenarversammlung  eingetroffenen  auswärtigen 
Mitglieder,  unserer  hiesigen  Mitglieder  und  Mitarbeiter, 
des  bisherigen  Verwalters  der  Bibliothek,  Herrn  Dr. 
Paul  Lehmann  aus  München  und  ihres  neuen  Biblio- 
thekars. Gleichzeitig  mit  der  Traube-  Bibliothek  wurde 
uns  die  von  Herrn  Fritz  B  e  h  n  in  München  modellierte 
Bronzebüste  ihres  Stifters  übergeben,  die  inmitten  der  mit 
so  unvergleichlichem  Verständnis  von  ihm  gesammelten 
Bücher  dauernd  Aufstellung  finden  wird. 


IL 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine 
und  die  Chronologie  der  Merowinger 


Von 


Wilhelm  Levison. 


Vor  einigen  Jahren  habe  ich  versucht,  die  grund- 
legenden Untersuchungen  zur  Chronologie  der  Merowingi- 
schen  Könige  von  Krusch  und  die  sich  daran  anschliessenden 
Arbeiten  von  Havet  und  Vacandard  für  die  spätere  Mero- 
wingerzeit  zu  ergänzen,  und  ich  würde  schwerlich  noch  ein- 
mal auf  diese  mehr  nützlichen  als  anregenden  Studien 
zurückgekommen  sein,  wenn  nicht  jüngst  J.  Depoin 
in  seinem  'Essai'  über  die  Regierungszeit  der  Merowinger 
von  Paris  ^  mit  einer  neuen  Quelle  hervorgetreten  wäre,  die 
manche  überraschende  Ergänzungen  darzubieten  scheint, 
die  aber  vor  der  Verwertung  doch  einer  genaueren  Unter- 
suchung bedarf,  als  ihr  in  den  Mitteilungen  des  Ent- 
deckers zu  Teil  geworden  ist.  Die  älteren  Nekrologien  des 
Klosters  Saint -Denis  sind  insgesamt  verloren-,  nur  eins, 
das  nicht  lange  nach  1261  zum  Abschluss  gekommen  ist,  hat 
Felibien  in  seiner  Geschichte  des  Klosters  1706  rechtzeitig 
veröfPentlicht  ^.  Erhalten  ist  ausser  diesem  Druck  nur  ein 
Nekrologium  des  14.  Jh.,  das  von  den  Mönchen  bis  ins  17.  Jh. 
für  Eintragungen  benutzt  worden  ist^,  und  eine  grosse 
Kompilation  von  Dom  Robert  Florimont  Racine  (f  1777) 
aus  dem  Jahre  1760,  die  Molinier  für  bedeutungslos  er- 
klärte %  während  Depoin  in  dem  von  dem  Verfasser  ver- 
arbeiteten Stoffe  die  Reste  älterer  verlorener  Quellen  zu 
erkennen  glaubt.  Das  Werk  befindet  sich  heute  in  der 
Nationalbibliothek  zu  Paris  als  Manuscripts  fran9ais  n.  8599 
und  8600  (Suppl.  fr.  n.  1528,  1  und  2),  zwei  sorgfältig  ge- 
schriebene   stattliche    Folianten  ^    über    deren    Inhalt    der 


1)  Vgl.   unten   S.  37.     Ein   kurzer  Hinweis   von   E.  Müller  findet 
sich  bereits  N.  A.  XXXIII,  229.  2)  Vgl.  A.  Molinier,  Les  obituaires 

frangais  au  moyen  age,  1890,  p.  167;  Obituaires  de  la  province  de  Sens 
(Recueil  des  historiens  de  la  France)  I,  1,  1902,  p.  305.  Ich  zitiere  das 
letztere  "Werk   in   der  Folge   einfach    als  'Molinier'.  3)    Histoire   de 

l'abbaye  royale  de  Saint -Denis  en  France  p.  CCVII — CCXIX,  wiederholt 
von  Molinier  S.  306  —  334.  4)  Molinier  S.  338  —  342,  wo  jedoch  die 

jüngeren  Eintragungen  (vgl.  S.  306)  zum  grossen  Teil  fortgelassen  zu 
sein  scheinen ;  vgl.  unten  S.  30.       5)  Eb.  S.  306.       6)  Eine  zeitgenössische 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  2 


18  Wilhelm  Levison, 

Titel  der  beiden  Bände  unterrichten  möge:  'Necrologe  de 
l'abbaye  de  S.  Denis  en  France,  ordre  de  S.  Benoist,  con- 
gregation  de  S.  Maur,  qui  contient  les  eloges  historiques 
avec  les  epitaphes  des  fondateurs  et  bienfaitenrs  de  ce 
monastere  et  des  autres  personnes  de  distinction,  qui  l'ont 
oblige  par  leur  Service,  bonores  dune  affection  particuliere, 
illustres  par  la  profession  monastique,  edifies  par  leur  peni- 
tence  et  leur  piete,  sanctifies  par  leur  mort  ou  par  leur 
sepulture.  Tome  I  (II),  MDCCLX.'  Der  erste  Band  um- 
fasst  ausser  einer  vom  7.  April  1760  datierten  Einleitung 
und  zeitlich  geordneten  Listen  der  Aebte  und  der  sonstigen 
Würdenträger  von  St.-Denis  und  seiner  Priorate  sowie  einer 
nach  Jahren  geordneten  Zeittafel  die  Monate  Januar  bis 
Juni,  der  zweite  Band  den  Rest  des  Jahres ;  alphabetische 
Personenverzeichnisse  am  Ende  der  Bände  ermöglichen  es, 
alle  darin  behandelten  Personen  leicht  aufzufinden. 
Mancherlei  Zusätze  im  Text,  am  Rande  und  auf  ein- 
gelegten Blättern  zeigen  das  Bestreben  des  Verfassers,  das 
Werk  auch  nach  1760  zu  verbessern  und  zu  ergänzen. 

Es  bietet,  wie  schon  der  Titel  andeutet,  mehr,  als  die 
Nekrologien  des  Mittelalters  zu  geben  pflegen ;  es  enthält 
nicht  nur  nach  dem  Kalender  geordnete  Namenreihen, 
denen  etwa  noch  ein  paar  Worte  über  den  Stand  des  Ver- 
storbenen und  über  seine  Anniversarienstiftungen  beigefügt 
sind,  sondern  gibt  Tag  für  Tag  nach  den  Todesjahren  ge- 
ordnet zunächst  kleine  und  mitunter  grössere  Biographien 
namhafterer  Personen,  in  denen  möglichst  alle  Nachrichten 
über  ihre  Beziehungen  zu  St.  -  Denis  zusammengetragen 
werden,  Biographien,  voii  denen  z.  B.  die  eines  so  be- 
deutenden Mannes  wie  Abt  Suger  nicht  weniger  als  die 
Seiten  37 — 59  von  Band  I,  die  Ludwigs  XIV.  die  Seiten 
181  — 194  des  2.  Bandes  umfasst,  und  die  mit  den  alten 
Nekrologien  nichts  als  die  Anordnung  nach  den  Todes- 
tagen gemein  haben.  Selbständigen  Wert  haben  diese  Ab- 
schnitte sicherlich  höchstens  für  die  vom  Verfasser  selbst  er- 
lebte Zeit;  er  nennt  (I,  S.  XL  VI)  das  Werk  von  Pelibien 
als  seine  Hauptquelle,  erwähnt  auch  den  älteren  Geschicht- 
schreiber des  Klosters  Doublet,  die  histoire  de  France  (d.  h. 
wohl  Bouquet)  und  Dom  Rivet  (Histoire  litteraire).  Ich 
habe  gelegentlich  auch  Hinweise  auf  Du  Chesne,  d'Achery's 


Abschrift  in  vier  Bänden  enthalten  die  Hss.  n.  3374 — 77  der  Bibliotheque 
Mazarine ;  vgl.  A.  Molinier,  Catalogue  des  mss.  de  la  bibliotheque 
Mazarine  III,  65  f.,  wo  der  Verf.  genannt  wird,  während  die  Hs.  der 
Nationalbibliothek  anonym  ist. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  19 

Spicilegium,  Mabillons  Annalen  und  Diplomatik,  Germon, 
'la  nouvelle  Diplomatique'  (Nouveau  traite),  B.  Pez,  Mar- 
tene  und  Durand,  die  'neue'  Gallia  christiana,  die  Bollau- 
disten,  auf  die  Histoire  genealogique  des  P.  Anselme  und 
auf  Pagi  gefunden,  bin  aber  den  Quellen  dieser  Abschnitte 
nicht  weiter  nachgegangen  ^ ;  häufig  findet  man  Auszüge 
aus  den  Urkunden  im  Klosterarchiv  und  die  Grabschriften 
der  in  St. -Denis  bestatteten  Personen 2.  Aber  es  werden 
nicht  nur  solche  Männer  und  Frauen  berücksichtigt,  über 
deren  Leben  dem  Verfasser  mehr  oder  minder  zahlreiche 
Einzelheiten  zu  Gebote  standen;  am  Schluss  eines  jeden 
Tages  nennt  er  auf  Grund  von  Nekrologien  auch  die 
Mönche,  von  denen  ihm  nichts  als  Name  und  Todestag 
bekannt  war,  wie  er  dies  gleich  beim  1.  Januar  angekündigt 
hat  (I,  6):  'Comme  on  s'est  fait  un  devoir  de  rendre  justice 
a  tous  ceux  qui  ont  un  droit  acquis  a  cet  ouvrage,  on  ne 
doit  point  etre  surpris  qu'au  deffaut  de  detail  que  l'histoire 
ne  nous  a  point  conserve,  on  j  trouve  une  liste  de  leurs 
noms  et  tout  ce  qui  peut  contribuer  a  faire  revivre  leur 
memoire ;  on  tirera  cette  liste  des  differens  obi- 
t  u  a  i  r  e  s  de  la  maison,  que  Ion  placera  chaque  jour  ä 
la  suite  de  ceux  dont  le  tems  nous  a  laisse  une  matiere 
süffisante  pour  leurs  eloges  funebres'. 

Diesen  Obituarien  begegnet  man  nun  sehr  häufig  in 
dem  Werk;  nicht  nur  fast  bei  jeder  dieser  Namenlisten 
am  Ende  der  einzelnen  Tage,  sondern  nicht  selten  auch  in 
den  biographischen  Abschnitten  findet  man  Hinweise  auf 
'notre  ancien  necrologe',  'nos  anciens  necrologes'  ^  Depoin 
sieht  darin  ohne  weiteres  verlorene  Nekrologien  des  9.  und 
12.   Jh.^;   nach   seiner  Angabe   finden   sich   Hunderte  von 


1)  An  wenigen  Stellen  (U,  70,  106)  fand  ich  als  'notre  petite 
chronique'  die  Annalen  von  St.  Denis  erwähnt,  die  zuletzt  E.  Berger, 
Bibliotheque  de  TEcole  des  chartes  XL,  1879,  S.  261—295  herausgegeben 
hat    (Auszüge   SS.   XIII,  718  ff.).  2)   Eine   Zusammenstellung  vieler 

Grabschriften  bot  bereits  Felibien  S.  549  ff.  3)    Depoin   sagt :   'notre 

plus  ancien  obituäire',  'nos  plus  anciens  obituaires',  doch  habe  ich  das 
steigernde  Wörtchen  'plus'  nirgendwo  gefunden;  auch  nennt  Racine  die 
Totenbücher  fast  immer  Nekrologien,  nur  sehr  selten  Obituarien.  4)  Dass 
man  schon  im  9.  Jh.  in  St.  -  Denis  ein  Nekrologium  besessen  hat,  hat 
Molinier  S.  3o5  mit  Recht  aus  vielen  Namen  in  dem  von  Felibien  ge- 
druckten Nekrologium  des  13.  Jh.  erschlossen.  Wenn  er  und  mit  ihm 
Depoin  aber  von  diesem  ein  von  Mabillon  (Annales  V,  332)  benutztes 
und  nach  seinem  Zeugnis  um  die  Mitte  des  12.  Jh.  begonnenes  Nekro- 
logium aus  St.  -  Denis  unterscheiden,  so  mit  Unrecht,  da  beide  m.  E. 
identisch  sind.  Der  Text  Eelibiens  scheidet  nicht  zwischen  den  von  An- 
fang  an  vorhandenen  Eintragungen   und   den   späteren  Zusätzen,   als   die 


20 


Wilhelm  Levison. 


Namen  bei  Racine,  die  in  dem  gedruckten  Nekrologium 
des  13.  Jh.  fehlen  und  nur  auf  dessen  ältere  Vorgänger 
zurückgeführt  werden  können,  und  er  bietet  dafür  einige 
Beispiele,  die  das  Merowingische  Königshaus  betreffen. 
Wie  er  aus  anderen  Quellen  vereinzelte  Nachrichten  über 
die  Todestage  Merowingischer  Könige  zusammengetragen 
hat,  so  hat  er  auch  bei  Racine  die  bisher  unbekannten 
Todestage  von  nicht  weniger  als  sieben  Merowingern  ver- 
zeichnet gefunden,  und  wenn  auch  zwei  Angaben  sich  der 
sonstigen  Ueberlieferung  nicht  einfügen  ^  (Chlothar  II., 
Chilperich  II),  so  passen  doch  fünf  zu  den  aus  anderen 
Quellen  in  neuerer  Zeit  ermittelten  Zeitgrenzen: 


Todestag  von 


nach  anderen  Quellen 


nach  Racine 


Chlodwig  II. 
Chlothar  III. 
Theuderich   III. 
Chlodwig  III. 
Theuderich  IV. 


10.  Okt.  bis  16.  Nov.  657 
10.  März  bis  15.  Mai  673 

2.  Sept.  690  bis  12.  April  691 

3.  Sept.  694  bis  13.  April  695 
März  oder  April  737 


31.  Okt. 

10.  März 

14.  Sept.- 
2.  März 

15.  April 


eine  Uebereinstimmung,  die  Depoin  den  Beweis  zu  erbringen 
schien,  dass  hier  alte  und  glaubwürdige  Ueberlieferung  zu 
Grunde  liegt.  Er  sieht  daher  in  alten,  heute  verlorenen 
Nekrologien  von  St.- Denis  die  Quelle  dieser  Angaben,  ob- 
gleich, was  betont  werden  muss,  Racine  sich  bei  den  ge- 
nannten Königen  nicht  auf  'nos  anciens  necrologes'  für  die 
Todestage  beruft  und  überhaupt  keine  Quelle  für  sie  nennt, 
und  so  verwunderlich  es  auch  ist,  dass  solche  Aufzeich- 
nungen nicht  nur  einem  Mann  wie  Mabillon,  sondern  auch 
den  Geschichtschreibern  des  Klosters  entgangen  sind. 

Immerhin  sprachen  die  von  Depoin  mitgeteilten  Aus- 
züge zu  Gunsten  der  neuen  Quelle,  und  ich  selbst  habe 
N.   A.  XXXIII,    755,    N.   6    von    ihr   Gebrauch    gemacht; 


manche  das  13.  Jh.  betreffende  Angaben  sich  durch  ihre  Stellung  in 
wenig  passender  Umgebung  erweisen,  und  da  die  drei  von  Mabillon  mit- 
geteilten Eintragungen  sich  darin  finden  (Molinier  S.  309.  310.  830  beim 
29.  Januar,  14.  Februar,  5.  November),  so  zweifle  ich  nicht,  dass  beide 
Nekrologien  identisch  sind  und  Felibiens  Text  zwar  erst  nach  der  Mitte 
des  13.  Jh.  abgeschlossen,  aber  seinem  Grundstock  nach  schon  um  1150 
geschrieben  worden  ist,  wie  denn  Mabillon  zwischen  den  Eintragungen 
verschiedener   Hände    unterscheidet.  1)    Man   vergleiche    die    unten 

folgenden  Zusammenstellungen.  Auf  einige  Schwierigkeiten  hat  Levillain, 
Bibliotheque  de  l'Ecole  des  chartes  LXIX,  1908,  p.  203  bei  einer  Anzeige 
von  Depoins  'Essai'  hingewiesen.  2)  Nicht  4.  September,   wie  Depoin 

S.  211  angibt. 


Das  Nekroloffium  von  Dom  Racine. 


21 


nachdem  ich  aber  unterdessen  dank  dem  Entgegenkommen 
der  Verwaltung  der  Bibliotheque  Nationale  die  beiden 
Bände  von  Eacines  Werk  selbst  in  Bonn  habe  durchsehen 
können,  muss  ich  mich  durchaus  dem  einst  von  Molinier 
gefällten  Urteil  anschliessen  und  stelle  von  vornherein  fest : 
1)  Eacine  hat  keine  älteren  Nekrologien  gehabt  als  das  des 
13.  Jh. ;  2)  die  Angaben  über  sonst  unbekannte  Todestage 
von  Merowingern  sind  wertlos. 

Will  man  ermitteln,  welche  Nekrologien  Eacine  be- 
nutzt hat,  so  ist  es  zunächst  notwendig,  alle  die  Stellen 
ins  Auge  zu  fassen,  an  denen  er  sich  ausdrücklich  auf 
solche  bezieht.  Ueberaus  oft  beruft  er  sich,  wie  erwähnt, 
auf  'notre  ancien  necrologe'  oder  'nos  anciens  necrologes'. 
Betrachtet  man  zuerst  die  vielen  Stellen,  an  denen  er 
'unser  altes  Nekrolog'  in  der  Einzahl  als  Quelle  nennt,  so 
ergibt  es  sich,  dass  er  kein  anderes  meint  als  das  aus  dem 
13.  Jh.,  das  uns  durch  den  Druck  von  Felibien  erhalten 
ist  und  dessen  Hs.  Eacine  sicherlich  vorgelegen  hat.  Ich 
habe  die  Erwähnungen  Tag  für  Tag  mit  der  neuen  Aus- 
gabe von  Molinier  verglichen ;  mit  verschwindenden  Aus- 
nahmen herrscht  die  grösste  Uebereiustimmung.  Wenige 
Beispiele,  die  zum  Teil  auch  zeigen,  wie  weit  Eacine  den 
Begriff  'alt'  gefasst  hat,  mögen  diese  Behauptung  belegen: 


3.  Jan. 


4.  Jan. 


18.  Jan. 


24.    Febr. 


Eacine. 

I,  10  Ce  meme  jour  notre 
ancien  necrologe  fait 
mention  de  Clovis  I. 
roi  de  France  et  premier 
roi  chretien. 

I,  15  endet  der  Abschnitt 
über  Balduin  von  St. 
Edmund  (f  1097):  'Notre 
ancien  necrologe  rap- 
porte  en  ce  jour  la 
mort  de  Baudoin  avec 
sa  qualite  d'abbe  de 
Saint  Edmond'. 

I,  66  über  Graf  Philipp 
von  Boulogne  (f  1234): 
'Son  nome  se  trouve  en 
ce  jour  dans  notre 
ancien  necrologe'. 

I,  183  Ce  meme  jour  vers 
1205.    mourut    Thomas 


Molinier. 
306  Clodoveus  rex  pri- 
mus  christianorum. 


306  Balduinus  abbas 
Sancti  Edmundi,  mo- 
nachus  Beati  Dio- 
nysii. 


308    Philippus    comes 
Bolonie. 


310    Thomas    Boscel, 
mon.  ad  succ,  dedit 


22 


Wilhelm  Levison. 


5.  Mai 


14.  Juli 


16.  Juli 


12.  Okt. 


Racine. 
Bossel,  qui  nous  doiina 
une  petite  rente  sur 
la  riviere  de  Seine  et 
que  notre  ancien  necro- 
loge,  qui  en  fait  men- 
tion  en  ce  jour,  appelle 
'monachus  ad  succuren- 
dum'  de   ce  monastere. 

I,  335  über  Abt  Odo 
(t  1247):  'Notre  ancien 
necrologe  en  fixant  sa 
mort  en  ce  jour,  porte 
que  pendant  seize  ans 
qu'  il  gouverna  cette 
abbaye ,  il  y  procura 
toutes  sortes  d'avanta- 
ges  spirituels  et  tem- 
poreis, jusqu'ä  ce  que 
son  merite  l'elevat  ä 
la  dignite  d'archeveque 
de  Eouen'. 

II,  35  über  Philipp  II. 
August  von  Frankreich 
(t  1223) :  'son  nom  se 
trouve  en  ce  jour  dans 
notre  ancien  necrologe'. 

II,  42  über  Innocenz  III. 
(t  1216):  'qui  est  mar- 
que  en  ce  jour  dans 
notre  ancien  necrologe 
en  ces  termes:  L'anni- 
versaire  du  pape  Inno- 
cent  III,  qui  nous  a 
doune  le  corps  de  saint 
Denys,  eveque  de  Co- 
rinthe'. 

II,  285  über  den  Prior 
Thibaud  deMilly:  'Notre 
ancien  necrologe  en 
parle  en  ce  jour  avec 
eloge  et  il  le  loue 
corame  aiant  fait  beau- 


Molinier. 
nobis  obolum  in  ava- 
lagio  Secane  [1224]. 


316  Odo  Clementis 
bone  memorie,  qui 
istam  ecclesiamXVI 
annis  rexit  feliciter 
et  eam  in  spiritua- 
libus  et  temporali- 
bus  multipliciter 
ampliavit  et  postea, 
exigentibus  moribus 
et  scientia,  Eotho- 
magensis  factus  est 
archiepiscopus. 

321  Anniversarium 
domni  Philippi,  re- 
gis  Prancorum. 


321  Anniversarium  In- 
nocentii  pape  III, 
qui  dedit  nobis  cor- 
pus S.  Dionysii,  Cho- 
rintiorum    episcopi. 


828  Theobaldus  de 
Milliaco ,  prior  ec- 
clesie  beati  Dionysii, 
qui  multa  bona  fecit 
in  temporalibus  et 
spiritualibus. 


Das  Nekroloffium  von  Dom  Racine. 


23 


Racine 
coup  de  bien 


a  sa  mai- 
dans  le  spiri- 
dans   le   tem- 


Molinier. 


310  Odo  aurifex  Ceno- 
manensis  et  uxor 
eins     Agatha ,     qui 


son  tant 
tuel  que 
porel'. 

Die  Uebereinstimmung  geht  soweit,  dass  da,  wo  nach  Fe- 
libien  der  Lateinische  Text  nnlesbar  war,  Racine,  statt  be- 
stimmte Einzelheiten  zu  geben,  das  Nichtwissen  mit  einer 
allgemeinen  Wendung  verdeckt: 

25.  Febr.  I,  183  Le  vingt  cinquieme 
jour  notre  ancien  necro- 
loge  marque  la  mort 
d'Eudes  orfevre  du  Maus  dedit 
et  de  sa  femme  Agathe, 
qui  firent  quelques 
presens  ä  ce  monastere. 

Wenn  Racine  also  das  alte  Nekrologium  seines  Klosters 
erwähnt,  so  handelt  es  sich  um  keine  ältere  verlorene 
Quelle,  sondern  um  den  im  13.  Jh.  abgeschlossenen  Text, 
den  die  Ausgabe  von  Felibien  vor  dem  Untergange  bewahrt 
hat^.  Dies  Ergebnis  wird  auch  dadurch  nicht  beeinträch- 
tigt, dass  sich  vereinzelt  unbedeutende  Abweichungen  finden, 
etwa  Namen  um  einen  Tag  verschoben  sind,  Abt  Vulferius 
von  Saint -Maur-les-Fosses  (I,  174)  nicht  am  23.  Februar, 
sondern  am  22.,  Bischof  Erchenrad  von  Paris  (I,  200)  am 
6.  März  statt  am  7.,  umgekehrt  Abt  Girard  von  Corbie 
(I,  312)  am  24.  April  statt  am  23.,  Graf  Aleran  (II,  36) 
am  15.  statt  am  14.  Juli,  Bischof  Heinrich  von  Orleans 
(I,  313)  am  25.  statt  am  24.  April  genannt  werden.  Der- 
artige, zudem  sehr  seltene  Verschiebungen  werden  keinen 
wundern,  der  je  das  Original  eines  lange  Zeit  gebrauchten 
Nekrologiums  mit  seinen  vielen  Zusätzen  und  Nachträgen 
gesehen  hat,  über  deren  Zugehörigkeit  zu  zwei  angrenzenden 
Tagen  man  mehr  als  einmal  schwanken  mag,  und  es  muss 
betont  werden,  dass  Felibien  in  seiner  Ausgabe  zwischen 
dem  ursprünglichen  Text  und  den  späteren  Eintragungen 
nicht  geschieden  hat.  Wenn  Racine  manchen  Angehörigen 
von  St. -Denis  in  seiner  Vorlage  nach  Ausweis  von  Felibien 
übersehen  hat,  so  mag  auch  bei  diesem  der  eine  oder  an- 
dere Name  ausgefallen  sein,  für  den  sich  Racine  auf  'notre 
ancien   necrologe'    beruft;    es    sind    aber    ganz    vereinzelte 


1)  lieber  eine  vereinzelte  Ausnahme  vgl.  unten  S.  31,  Anm.  1. 


24  Wilhelm  Levison. 

Ausnahmen  \  die  gegenüber  Hunderten  von  Uebereinstira- 
mungen  nicht  gegen  die  Identität  dieser  Quelle  mit  Feli- 
biens  Vorlage  sprechen. 

Ist  also  'notre  ancien  necrologe'  nichts  als  das  längst 
bekannte  Obituar  aus  dem  13.  Jh.,  so  lassen  ebensowenig 
die  vielen  Stellen,  an  denen  Eacine  von  'nos  anciens  necro- 
loges'  in  der  Mehrzahl  spricht,  auf  verlorene  ältere 
Quellen  schliessen.  Im  Gegenteil!  Er  stellt  die  dem  Ne- 
krolog des  13.  Jh.  entnommenen  Namen  immer  an  die 
Spitze,  betrachtet  es  mithin  als  seine  älteste  Quelle  dieser 
Art,  und  dazu  stimmt,  dass  die  Personen,  die  darin  fehlen 
und  für  die  er  ein  bestimmtes  Jahr  ermittelt  hat,  regel- 
mässig dem  14.  oder  15.  Jh.  oder  einer  noch  späteren  Zeit 
angehören,  also  der  Grundbestand  des  Zweitältesten  Nekro- 
logs kaum  vor  dem  14.  Jh.  aufgezeichnet  worden  ist.  Auch 
hier  wenige  Beispiele  von  vielen : 


7.  Jan. 


Racine. 
I,  22    Ce  meme  jour   nos 
anciens    necrologes    an- 


Molinier. 
307  Ob.  Rifarius^,  Ro- 
bertus ;  Robertus 


1)  Beim  29.  März  spricht  Racine  (I,  249)  über  Erzbischof  Hugo 
von  Sens  (f  1168),  dessen  Tod  man  in  Sens  zum  vorhergehenden  Tage 
verzeichnete  (Molinier  I,  6):  'Xotre  ancien  necrologe  ne  l'a  point  oublie 
en  ce  jour' ;  er  fehlt  Molinier  S.  .S13.  —  Ebenso  fehlt  dort  die  Aebtissin 
Helvide  von  Chelles  (9.  Jh.),  die  nach  Racine  I,  153  beim  IG.  Februar 
sich  'dans  notre  ancien  necrologe'  fand  (und  beim  17.  in  Chelles  selbst 
eingetragen  worden  ist,  Molinier  S.  359).  'II  y  est  parle',  fährt  Racine 
fort,  'aussi  d'Helvise  morte  en  1117  (vielmehr  1177)  et  de  Mathilde 
decedee  le  14.  juillet  1112',  und  er  schliesst  daraus  auf  eine  Gebets- 
verbrüderung zwischen  Chelles  und  St.  -Denis.  'Heivisa  abbatissa  S.  Batildis' 
und  'Mathildis  Kalensis  abbatissa'  sind  in  der  Tat  beim  17.  Februar  und 
14.  Juli  bei  Felibien  eingetragen  (Molinier  S.  310.  321) ;  dagegen  fehlt 
jene  Helvide,  ihr  Name  hat  aber,  wenn  ich  nicht  irre,  nie  dort  gestanden, 
sondern  nur  der  von  'Heivisa',  ohne  dass  sich  aus  der  Eintragung  ersehen 
lässt,  ob  die  Aebtissin  des  9.  oder  die  des  12.  Jh.  gemeint  ist.  Die  Ver- 
fasser der  Gallia  christiana  VII,  561  haben  die  Angabe  mit  Berufung 
auf  das  Nekrologium  für  die  Helvide  der  Karolingerzeit  in  Anspruch 
genommen  ('in  antiquo  S.  Dionysii  necrologio  memoratur') ,  während 
Racine  sie  in  seinen  Auszügen  aus  dem  Nekrolog  auf  die  jüngere 
Aebtissin  bezogen  haben  wird;  zugleich  wiederholte  er  aber  die  Angabe 
der  Gallia  christiana,  ohne  zu  bemerken,  dass  es  sich  dort  um  dieselben, 
von  ihm  in  anderem  Sinne  verwerteten  Worte  handelte,  die  er  so  ver- 
doppelte. Wenigstens  scheint  mir  diese  Annahme  wahrscheinlicher  als 
das  Ausfallen  von  Helvida  neben  Heivisa  im  Texte  Felibiens.  2)  Racine 
lässt  im  allgemeinen  die  Personen  bei  Seite,  deren  Zugehörigkeit  oder 
Beziehungen  zu  St.  -  Denis  nicht  angegeben  werden ,  meist  auch  die 
'monachi  ad  succurrendum' ;  in  der  Reihenfolge  hält  er  sich  an  die  An- 
ordnung des  Nekrologs  aus  dem  13.  .Tli.,  nur  dass  er  oft  den  Rang  der 
Personen  beachtet  und  z.  B.  Mönche  mit  der  Priesterweihe  an  die  Spitze 
stellt,  Nichtmönche  hinter  die  Mönche  (z.  B.  unten  beim  1.  April). 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine. 


25 


11.  Jan. 


20.  Jan. 


Racine, 
noncent  la  mort  de  Ro- 
bert, d'un  autre  Robert, 
de  Gilbert  et  de 
Fran9ois  de  Fayer, 
sousmaitre  des  no- 
vices  et  jeune  pre- 
tre  de  vingt  cinq 
ans,  en  1546,  reli- 
gieux  de  ce  monastere. 
I,  35  Ce  meme  jour  nos 
anciens  necrologes  an- 
noncent  la  mort  d'Hai- 
meri,  de  Fromond,  de 
Gerard ,  de  Robert, 
d'Etienne,  d'Adam  et 
de  Claude  Sang u in, 
fils  d'un  conseiller 
de  la  Cour  des 
Aides  de  Paris, 
e  n  16  60,  religieux  de 
ce  monastere. 


,  85  Ce  meme  jour  on 
trouve  marquee  dans 
nos  anciens  necrologes 
la  mort  de  Roger  abbe 
de  Lagny  en  1040,  de 
Vitbert  pretre,  d'Etien- 
ne ,  de  Pierre  et  de 
Nicolas  le  joli 
prieur  de  Saint 
Pierre  de  Chau- 
mont  et  camerier 
en  1466,  religieux  de 
ce  monastere. 


Molinie  r. 
monachus  B.  D.; 
Robertus  mon. 
B.  D.  ;  lohannes, 
Elizabeth  ;  I  o  i  1  - 
b  ert  US  mon.  B.  D. 


307  Ob.  Nedalharius 
Fulchoius ,     Nicho 
laus  ;    H  a  i  m  e  r  i 
c  u  s    mon.    B.    D. 
Fromundus  mon 
B.      D.  ;      Oilendis 
Tesselina ;  G  i  r  a  r 
d  u  s     mon.    B.     D 
professus;  R  o  b  e  r 
t  u  s    mon.    B.    D. 
Stephanus  mon 
B.D.;  Adam  mon 
B.     p.  ;      Renoldus 
Pastil,  Odelina  uxor 
eins. 

308  Ob.  Haibertus; 
Gauslinus  mon.  ß. 
D. ,  abbas  ^ ;  R  o  - 
g  e  r  i  u  s  abbas  La- 
tiniacensis ;  Girar- 
dus,  Amauricus,  Er- 
menildis ,  Agnes, 
Willelmus ,  Agnes ; 
Vitbert  US  mon. 
et  sacerdos  B.  D.; 
Elinandus,  Heutru- 
dis,  Tes9e,  Odo,  Jo- 
hanna, Guillelmus ; 
Stephanus  mon. 
B.  D.  ;  Petrus 
mon.  B.  D. 


1)   Dem  Abt  hat  Racine   natürlich   vorher   einen   besonderen  Ab- 
schnitt gewidmet. 


26 


Wilhelm  Levison. 


Molinie  r. 
313      Ob.      Girardus 
O  d  o  qui  dedit  .  . 
.    .    . ;    H  e  r  1  e  V  i 
n  u  s    mon.   B.    D. 
Ivo ,        Gauslenus 
V  u  i  a  n  u  s       mon 
B.   D. ;    Amalretns 
R  a  d  u  1  f  n  s     mon. 
B.    D. ;     Agnes    la 
Barre. 


Racine. 
1.  April  I,  261  Ce  meme  jour  on 
trouve  marquee  dans 
nos  anciens  necrologes 
la  mort  d'Herluin,  de 
Vaujan,  de  Eadolfe,  de 
Nicolas  Bertin, 
troisieme  chan- 
tre  en  1588  et  reli- 
gieux  de  ce  monastere, 
et  d'un  nomme  Endes 
qui  nous  fit  quelques  ^ 
presens. 
18.  Nov.  II,  348  Ce  meme  jour  on 
trouve  marquee  dans 
nos  anciens  necrologes 
la  mort  de  E-enard,  de 
Lambert,  de  Nicolas, 
de  Renaud  Gilles 
arrivee  en  Alle- 
magne  en  1-475,  de 
Simon  de  Saint 
Benoist  courtil- 
lier  en  1516,  de 
Nicolas  Chartier 
et  de  Nicolas  Cour- 
tin en  1572,  reli- 
gieux  de  ce  monastere. 

Racine  hat  also  neben  dem  Nekrolog  des  13.  Jh.  andere 
gehabt,  aber  nicht  ältere  und  keins  aus  dem  9.  Jh.,  wie 
Depoin  meint,  sondern  jüngere,  und  wenn  sich  nach  einer 
Stelle  eine  Person  des  11.  Jh.  darin  befunden  zu  haben 
scheint : 

6.  Jan.  I,  21  Ce  meme  jour  on 
trouve  marquee  dans 
nos  anciens  necrologes 
la  mort  de  Gillebert, 
de  Robert,  de  Jocon, 
de  Geoffroj  et  de 
Philippe  de  Feu- 
gnerolles,    prieur 


331  Ob.  Guntardus, 
Herbertus ,  Ansegi- 
sus,  Herbertus,  Ro- 
tildis,  Gerbertus ; 
Rainardus  mon. 
B.  D.  ;  Adelaidis 
regina ;  L  a  m  b  e  r  - 
t  u  s  mon.  B.  D.  ; 
Guillelmus  Malus- 
vicinus  ;  N  i  c  h  o  - 
laus    mon.    B.    D. 


307  Ob.  —  Gisleber- 
tus  mon.  B.  D.,  — 
Robertus  mon.  B. 
D.,  locho  mon.  B. 
D. ,  —  Gaufredus 
mon.  B.  D. 


1)  Vgl.  S.  23. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  27 


Racine. 

Molinier 

de  Marna j  en  1096, 

religienx    de   ce    mona- 

stere. 

so  hat  Racine  sich  einfach  verschrieben ;  in  der  Liste  der 
Priore  von  Marnay  (I,  S.  LXXVI)  setzt  er  den  Tod  Phi- 
lipps ins  Jahr  1496. 

Aber  Racine  gibt  auch  über  die  jüngeren  Vertreter 
der  'ancieus  necrologes'  genauere  Auskunft;  nicht  nur  das 
älteste  Nekrologium  begegnet  einzeln  häufig,  sondern  bis- 
weilen auch  die  zweite  Quelle  dieser  Art  und  in  einer 
Weise,  welche  die  gewonnenen  Ergebnisse  bestätigt  und 
zeigt,  dass  Racine  ihr  gemäss  dem  geringeren  Alter  mit 
Recht  die  zweite  Stelle  zugewiesen  hat.  Ich  gebe  wieder 
einige  datierte  Beispiele  von  vielen : 

I,  154  (16.  Febr.):  Ce  meme  jour,  selon  notre  second 
necrologe,  mourut  Michel  Pintons,  chantre,  en  1415,  reli- 
gieux  de  ce  monastere. 

I,  188  (28.  Febr.) :  Ce  meme  jour  notre  second  necro- 
loge annonce  la  mort  de  Georges  de  Merandet,  religienx 
de  ce  monastere,  en  1463. 

I,  393  (8.  Juni):  Ce  meme  jour  moururent,  selon  notre 
second  necrologe ,  Mathieu  des  Chacimilliers  prieur  de 
Reuilly  et  Jean  Disque,  panetier,  maitre  des  novices,  tierce 
prieur  et  soustresorier,  le  premier  en  1435  et  le  second 
en  1612. 

I,  407  Nachtrag  (12.  Juni):  Ce  meme  jour  1582 
mourut  ä  Paris,  martyr  de  la  religion  catholique,  Armand 
Duchesne,  religienx  de  ce  monastere.  —  —  Le  second 
necrologe  n'entre  point  dans  un  plus  grand  detail  de  la 
vie  de  ce  saint  religienx  et  des  circonstances  de   sa   mort. 

II,  42  (16.  Juli):  Ce  meme  jour  1540.  mourut  Guil- 
laume  de  Piennes,  religieux  de  ce  monastere,  que  notre 
second  necrologe  dit  avoir  ete  distingue  par  la  noblesse  de 
ses  ancestres  et  sa  grandeur  d'ame. 

II,  384  (4.  Dez.):  Ce  meme  jour  notre  second  necro- 
loge annonce  la  mort  de  Pierre  Lovit  aumonier  en  1404, 
de  Philippe  Rossen  en  1410  et  de  Jacques  Charlot  cenier 
en  1485,  religieux  de  ce  monastere. 

Dieser  (verlorenen?)  Quelle  verdankt  Racine  allem 
Anschein  nach  viele  Angaben  für  das  spätere  Mittelalter 
und  das  16.  und  17.  Jh.  Aus  zwei  Bemerkungen,  die  er 
nachträglich  eingeschoben  hat,  möchte  man  schliessen,  dass 
es  sich  nicht  um  ein  nach  dem  Kalender  geordnetes  Toten- 


28 


"Wilhelm  Levis  on. 


bnch  handelt,  vielmehr  eher  um  Totenannalen  nach  der 
Folge  der  Jahre  oder  wenigstens  der  Aebte;  es  sind  zwei 
Hinweise  auf  schwer  lesbare  Teile  der  Quelle,  die  vielleicht 
deren  ältestes  Stück  bildeten: 

I,  16  Nachtrag  bei  Abt  Robert  III.  de  Fontenay 
(t  1363):  'Les  noms  des  religieux  morts  sous  son  gouverne- 
ment  sont  tellement  effaces  dans  le  second  necrologe,  qu'il 
n'est  pas  possible  de  les  dechifErer'. 

I,  322  Nachtrag  bei  Abt  Guy  II.  de  Monceau  (f  1398) : 
'Le  necrologe  de  son  tems  est  en  si  mauvais  ordre  et 
l'ecriture  si  efface,  que  Ion  n'a  presque  pü  faire  connoitre 
les  morts  arrivees  sous  son  gouvernement'. 

Yon  den  Nekrologien  unterscheidet  Racine  'nos  an- 
ciens  calendriers',  die  er  (I,  261,  299)  für  Personen  des 
14.  bis  16.  Jh.  so  zusammenfassend  erwähnt  und  von  denen 
im  besonderen  'notre  ancien  calendrier'  öfter  bei  Namen 
begegnet,  die,  soweit  Racine  ihre  Zeit  näher  bestimmt,  sich 
von  1190  bis  1554  erstrecken  und  die  teilweise  in  dem 
gedruckten  Nekrologium  des  14.  Jh.^  (Molinier  S.  338  ff.) 
begegnen,  z.  B. : 


24.  März 


6.  Mai 


12.  Mai 


Racine. 

I,  237  Ce  meme  jour 
mourut ,  Selon  notre 
ancien  calendrier,  Ro- 
bert de  Saint  Ouen,  re- 
ligieux de  ce  monastere. 

I,  336  Notre  ancien  ca- 
lendrier fait  aussi  me- 
moire d' Endes  de  Mer- 
ville   et    de   sa   femme. 

I,  344  On  lit  en  ce  jour 
dans  notre  ancien  ca- 
lendrier la  mort  du 
prevost     de     Pavie     et 


Molinier. 

339  Obiit  Robertus  de 

Sancto  Audoeno. 


340  Obierunt  Odo  de 
Merevilla  et  uxor 
eins. 

340  Obiit  Prepositus 
de  Pavie,  qui  dedit 
domum  iusta  sco- 
lares. 


1)  Ich  finde  dieselbe  Quelle  vereinzelt  einmal  als  'notre  ancien 
obituaire'  bezeichnet  (25.  Januar,  I,  93),  ein  ander  Mal  als  'un  de  nos 
necrologes'  (17.  Januar,  I,  64)  oder  'un  ancien  calendrier'  (10.  Dez., 
n ,  394) ;  dasselbe ,  in  der  Zeit  Karls  V.  angelegte  Totenbuch  (vgl. 
Molinier  S.  806)  meint  Racine  (5.  Dez.,  II,  384)  wohl  auch,  wenn  er  'le 
calendrier  ecrit  du  tems  du  roi  Charles'  nennt.  Verschieden  ist  davon 
anscheinend  'un  vieux  calendrier',  das  er  (II,  210)  neben  'notre  ancien 
necrologe'  (Molinier  S.  326)  für  Bischof  Rainald  von  Paris  (f  1016)  be- 
nutzt hat. 


Das  Nekroloorium  von  Dom  Racine. 


29 


11.  Juni 


24.  Juli 


20.  Sept. 


Racine, 
qu'il    nous    donna    une 
maison  proche  lesEeoles 
de  Tuniversite. 

I,  400  (Nachtrag)  Ce  meme 
jour  notre  ancien  ca- 
lendrier  annonce  la  mort 
de  Simon  de  Rambouil- 
let ,  qui  nous  donna 
douze  livres  parisis  de 
rente  annuelle. 

II,  60  Ce  meme  jour 
notre  ancien  calendrier 
annonce  la  mort  de 
Thibault  de  la  Val  et 
d'Araitte  son  epouse, 
qui  nous  donnerent 
quatre  v  in  gt^  livres 
de  rente,  pour  avoir 
part  aux  prieres  et 
autres  bonnes  oeuvres, 
qui  se  fönt  dans  ce 
monastere.  On  nous  a 
laisse  ignorer  les  autres 
circomstances  de  leur 
condition  et  de  leur 
vie,  et  nous  aurions 
meme  oublie  et  leurs 
noms  et  leur  charite 
Sans  la  mention  qui 
nous  en  est  reste  dans 
ce  calendrier,  dune 
ecriture  qui  peut  avoir 
quatre  cent  ans  d'an- 
tiquite. 

II,  224  Ce  meme  jour 
notre  ancien  calendrier 
annonce  la  mort,  sans 
nous  en  dire  l'annee, 
de  Geoffroj  le  Bour- 
guignon  et  de  sa  femme, 
qui    nous    ont    donnees 


M  o  1  i  n  i  e  r. 


340  Obiit  Symon  de 
RambouUet,  qui  de- 
dit  nobis  XII  libr. 
Paris,  redditus  an- 
nuatim. 


340  Ob.  Theobaldus 
de  Vallibus,  qui  de- 
dit  nobis  Illlor  li- 
bras  redditus ,  et 
fiat  secunda  oratio 
pro  Amicia  uxore 
sua. 


341  Ob.  Gaufredus  le 
Bourguegnon  et  eius 
uxor,  qui  dederunt 
Illlor  libr.  Par.  red- 
ditus annuatim  su- 
per Candend. 


1)  Verbessert  aus  'vingt  quatre'. 


30 


"Wilhelm  Levisou. 


338  (7.  Januar)  Ob.  do- 
mini  ürbani  pape  '^ 


Racine.  M  o  1  i  n  i  e  r. 

V  i  n  g  t  quatre  livres 
parisis  de  rente  an- 
nuelle  —  qu'ils  avoient 
aux  environs  de  cette 
ville. 
20.  Okt.  1  II,  293  Nachtrag  zu  Ur- 
banlV.  (t  1264):  'L'an- 
cien  calendrier  ne  l'a 
point  oublie,  ou  Ion 
trouve  sa  mort  marquee 
au  7  de  j  an  vier'. 

Doch  fehlen  andere  auf  'den  alten  Kalender'  zurückgeführte 
Angaben  in  dem  gedruckten  Text;  ob  Molinier,  wie  es 
scheint,  jüngere  Zusätze  von  seiner  Ausgabe  ausgeschlossen 
oder  ob  Racine  einen  zwar  verwandten,  aber  doch  nicht 
denselben  Text  benutzt  hat,  wird  sich  nur  nach  Einsicht 
in  die  von  Molinier  benutzte  Hs.  entscheiden  lassen.  Das- 
selbe gilt  von  einer  anderen  Frage:  Nach  einer  Stelle 
scheinen  das  'zweite  Nekrologium'  und  der  'alte  Kalender' 
identisch  zu  sein  ^  : 

I,  233  (20.  März):  Ce  meme  jour  notre  ancien  calen- 
drier ou  second  necrologe  annonce  la  mort  de  Guillaume 
Reüilly  en  1419,  [de  Michel  Peniscerole  en  1449]*  et  de  Jean 
Beaunier  en  1574,  religieux  de  ce  monastere; 
doch  liegt  eher  ein  Versehen  oder  ein  missverständlicher 
Ausdruck  vor,  da  bei  einem  anderen  Tage  die  beiden 
Quellen  —  dazu  noch  das  älteste  Nekrologium  —  deutlich 
unterschieden  werden : 


25.  Mai 


Racine. 

I,    370     Ce    meme     jour 

notre  ancien  calendrier 

marque      la     mort      de 

Robert    de    Tibivilliers, 


Molinier. 
340  Obiit  Robertus  de 
Tybuvillari  elemosi- 
narius. 


1)  Todestag  Urbans  III.,  nicht  des  IV.  2)  Die  Eintragung  be- 
zieht sich  nach  Molinier  auf  Urban  V.  ("j-  1370).  3)  Vielleicht  lassen 
sich  dafür  auch  Angaben  aus  'nos  anciens  necrologe s'  zum  9.  Juli 
(II,  25)  anführen,  die  sich  teilweise  im  Nekrologium  des  13.,  teilweise  in 
dem  des  14.  Jh.  nachweisen  lassen  (Molinier  S.  3'21.  840) ;  ferner,  dass 
Hinweise  auf  'notre  second  necrologe'  beim  9.  Aug.  (II,  107)  und 
12.  Dez.  (II,  395)  ebenfalls  dem  Obituar  des  14.  Jh.  (S.  341  f.)  ent- 
sprechen. Doch  muss  man  mit  der  Möglichkeit  rechnen,  dass  Angaben 
eines  Totenbuches  in  ein  später  angelegtes  übernommen  worden  sind. 
4)  Die  eingeklammerten  Worte  hat  Racine  nachträglich  hinzugefügt. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine. 


31 


Racine.  Molinie  r. 

revetu  de  la  qualite 
d'aumonier,  et  notre 
second  necrologe 
Celle  de  Jean  de 
Tibivilliers,  pro- 
bable ment  p röche 
parens  et  au  meme 
tems  religieux  de 
c  e  ra  o  n  a  s  t  e  r  e.    Notre 

ancien  necrologe  ajoute  318  Obierunt  —  Wil- 
en  ce  jour  la  mort  de  [  lelmus  mon.  B.  D. ; 
Guillaume,  d'Ernaud,  '  —  Ernaldus  mon. 
de  Robert  souprieur  et  '<  B.  D.  ;  Robertus 
d'Etienne,  religieux  de  i  subprior,  mon.  B. 
ce  monastere.  D.  ;     —    Stephanus 

!      mon.  B.  D. 

Die  Frage  kann  hier  dahingestellt  bleiben;  es  genügt  der 
Nachweis,  dass  das  zweite  Nekrologium  und  das  alte  Kalen- 
darium,  mögen  sie  identisch  sein  oder  nicht,  erst  den 
letzten  Jhh.  des  Mittelalters  angehören  und  dass  Racine 
keine  Quelle  dieser  Art  aus  früherer  Zeit  erwähnt  hat  ^. 
Die  erörterten  zwei  oder  drei  Texte  sind  offenbar  seine 
Hauptquellen  für  Todestage  gewesen ;  nur  selten  beruft  er 
sich  dafür  auf  andere  Quellen  nicht  höheren  Alters,  wenn 
er  über  die  Pflichten  des  Maitre  des  Charites  bei  Anni- 
versarien dessen  Akten  (vgl.  Molinier  S.  306)  einsieht 
(z.  B.  I,  197.  II,  315),  das  Polyptichon  des  Klosters 
('notre  ancien  pouille')  benutzt  (I,  294,  298)  oder  die  Re- 
gister und  das  Nekrologium  der  Bruderschaft  von  St. -Denis 
(vgl.  Molinier  I,  2,  S.  873  ff.)  ausschreibt  (z.  B.  I,  216,  365, 
389.  II,  17,  121,  156,  218,  349,  384,  401,  416)  —  alles  Quellen, 
die  keineswegs-  ins  frühere  Mittelalter  zurückführen  ^. 


1)  Vereinzelt  begegnen  auch  Hinweise  auf  ein  Xekrologium  des  zu 
St.  -  Denis  gehörigen  Priorats  Argenteuil  (Molinier  S.  343  ff.),  so  beim 
17.  Sept.  und  18.  Okt.  (II,  219,  290 ;  vgl.  eb.  S.  349  f.) ;  einmal  (II,  223), 
beim  19.  Sept.,  werden  das  ältere  Nekrologium  von  St. -Denis  (Molinier 
S.  326)  und  das  von  Argenteuil  (eb.  S.  349)  als  'nos  anciens  necrologes' 
zusammengefasst,  und  beim  2.  Nov.  (II,  326)  wird  das  letztere  (eb.  S.  350) 
—  wohl  durch  ein  Versehen  —  als  'notre  ancien  necrologe'  bezeichnet. 
2)  Für  Abt  Suger  (f  1151)  beruft  sich  Racine  (I,  55)  auf  die  Nekrologien 
von  Sainte  -  Genevieve  und  Notre  -  Dame  de  Paris  (Molinier  S.  489,  99), 
die  dem  13.  .Jh.  angehören.  Abt  Albert  (29.  Juli,  II,  70)  kennt  er  nicht  nur 
aus  'notre  ancien  necrologe'  (Molinier  S.  322),  sondern  auch  aus  dem 
damals  schon  gedruckten  Nekrologium  von  Saint -Germain -des -Pres  (eb. 


32  "Wilhelm  Levison. 

Woher  weiss  aber  Racine,  wenn  ihm  keine  älteren 
Nekrologien  zu  Gebote  standen,  die  sonst  unbekannten 
Todestage  nicht  nur  jener  Merowinger,  sondern  auch  zahl- 
reicher anderer  Personen,  für  die  eine  solche  Quelle  weder 
von  ihm  noch  von  anderen  genannt  wird?  Die  Antwort 
ist  sehr  einfach:  er  hat  die  Todestage  in  vielen  Fällen 
nach  Belieben  erfunden,  ein  Verfahren,  aus  dem  er  gar 
kein  Hehl  macht  in  einem  naiven  Selbstzeugnis,  das  De- 
poin  übersehen  hat.  Als  Racine  den  Entschluss  gefasst 
hatte,  das  Andenken  derer,  die  zu  St.  -  Denis  in  Beziehungen 
gestanden  hatten,  in  Gestalt  eines  Nekrologiums  zu  er- 
neuern, da  fragte  es  sich,  wie  denn  die  Personen  einzuordnen 
seien,  deren  Todestag  unbekannt  war.  Wie  er  sich  geholfen 
hat,  sagt  er  am  Schluss  der  Vorrede  (I,  S.  XLVI) :  'Plaise 
au  Seigneur  repandre  sa  benediction  sur  un  ouvrage  con9u 
et  entrepris  pour  sa  gloire  et  le  rendre  un  temoignage  de 
l'attachement  pour  son  corps  de  celui  qui  y  a  consacre  son 
temps!  II  n'avertira  point,  qu'il  a  place  ä  son  choix 
les  eloges  de  ceux  dont  les  dates  de  la  mort 
s  o  n  t  i  n  c  o  n  n  u  e  s  ;  on  en  fera  lui  meme  facilement  la 
remarque.'  Damit  werden  alle  jene  Angaben  über  Todes- 
tage, die  nicht  sonst  bekannt  sind  oder  für  die  Racine 
nicht  ausdrücklich  eine  Quelle  beibringt,  wertlos;  nach 
seiner  eigenen  Erklärung  sind  sie  von  ihm  willkürlich  ge- 
wählt worden,  und  es  ist  für  die  Beurteilung  gleichgültig, 
ob  Ueberlegung  und  Benutzung  anderer  Quellen  ^  oder  der 
Zufall  ihn  eine  glückliche  Wahl  haben  treffen  lassen  wie 
bei  jenen  Merowingern  oder  nicht.  Welche  Gesichtspunkte 
ihn  im  einzelnen  veranlasst  haben,  die  bestimmten  Tage 
zu  wählen,  lässt  sich  natürlich  nicht  immer  erkennen  (oft 
genug  scheint  lediglich  die  geringe  Besetzung  eines  Tages 
ihn   bewogen    zu    haben,    Personen    ohne    Gedenktag    dort 


S.  267).  Für  den  Todestag  Adalberos  I.  von  Metz  (f  962)  —  wie  er 
meint,  den  23.  Febr.  964  (I,  175)  —  nennt  er  als  Quelle  ein  'Nekrologium' 
von  Saint  -  Trond,  benutzt  aber  offenbar  nur  das  Zitat  aus  der  Kloster- 
chronik (SS.  X,  378)  bei  Meurisse,  Histoire  des  evesques  de  l'eglise  de 
Metz,    1634,   p.  315,   samt   dem   dort  verderbten   Datum.  1)    Racine 

beruft  sich  nicht  immer,  wo  er  es  hätte  tun  können,  auf  eine  Quelle. 
So  bringt  er  z.  ß.  die  sonst  bezeugten  Todestage  von  Childebert  III.  und 
Dagobert  III.  (vgl.  unten),  von  Karls  d.  Gr.  Gattin  Hildegard  (30.  April, 
I,  323),  Ebo  von  Reims  (20.  März,  I,  231),  Königin  Alienor  von  England 
(31.  März  1204,  I,  254),  ohne  sich  dafür  auf  ein  Nekrologium  oder  eine 
andere  Quelle  ausdrücklich  zu  beziehen.  Man  wird  natürlich  um  solcher 
Ausnahmen  willen  die  vielen  anderen  seiner  Angaben,  die  nicht  durch 
sonstige  Quellen  gesichert  sind,  bei  der  Art  seiner  Ai-beit  nicht  annehmen 
dürfen. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  33 

unterzubringen) ;  aber  in  manchen  Fällen  lassen  sich  seine 
Beweggründe  unschwer  erraten,  wie  einige  Beispiele  zeigen 
sollen,  die  zugleich  mein  urteil  über  die  Wertlosigkeit  der 
sonst  unbezeugten  Daten  erhärten  mögen. 

In  belustigender  Weise  gestattet  er  beim  9.  Juni 
(I,  393)  einen  Einblick  in  seine  Karten:  'Le  neuvieme  jour 
1061  ou  1062  m  o  u  r  u  t  Hugues  IV,  religieux  et  abbe  de  ce 
monastere  ^.  La  detection  ou  l'ouverture  des  chasses  de 
nos  saints  patrons  est  un  evenement  si  considerable  de  son 
administration,  que  nous  avons  cru  devoir  y  placer  1  e 
jour  incertain  de  sa  mort  et  le  joindre  ä  la  feste 
que  nous  solemnisons  chaque  annee  en  memoire  dune 
auguste  ceremonie,  qui  tient  un  rang  si  distinguee  dans 
nos  annales'.  Ein  ander  Mal  stellt  er  den  eigenen  Ansatz 
durch  den  Hinweis  auf  eine  seiner  Quellen  wenigstens  als 
zweifelhaft  hin,  indem  er  zum  11.  April  (I,  284)  berichtet: 
'Ce  meme  jour  vers  1160  mourut  Herbert,  fils  de  Thomas 
de  Braie  et  bienfaiteur  de  ce  monastere',  dann  von  einer 
Schenkung  des  Mannes  erzählt  -  und  hinzufügt :  'On  trouve 
dans  notre  ancien  necrologe  ^  au  premier  de  Septembre  un 
Herbert,  qualifie  de  prieur  d'heureuse  memoire  et  religieux 
de  ce  monastere,  qui  pourroit  bien  n'etre  point  different 
de  celui  cy'.  Vom  12.  April  790  ist  eine  Urkunde  König 
Offas  von  Mercien  für  St.  -  Denis  datiert  ^,  die  auch  Racine 
benutzt  und  erwähnt;  wie  er  berichtet  (I,  286),  ist  Offa 
am  12.  April  gestorben  (tatsächlich  am  29.  Juli),  und  den 
Tod  der  Brüder  Agonauvala  und  Sigrin  und  des  Herzogs 
Berhtwald,  die  in  derselben  Urkunde  erwähnt  werden,  lässt 
er  am  13.  April,  also  am  folgenden  Tage,  erfolgen  (I,  288), 
wenn  auch  in  verschiedenen  Jahren.  Das  Kloster  Plaisir 
soll  ein  gewisser  Hagadeus  an  St.-Denis  geschenkt  haben ; 
Ansprüche,  die  Bischof  Erchenrad  erhob,  wurden  im  Königs- 
gericht zurückgewiesen,  wie  wir  aus  einer  Urkunde  Karls 
des  Grossen  vom  28.  Juli  775  erfahren  5:  eben  am  28.  Juli 
ist  Hagadeus  gegen  700  nach  Racine  (II,  67)  aus  dem 
Leben  geschieden.  Karls  d.  Gr.  Schwester  Gisela  hat  dem 
Kloster  am  13.  Juni  799  eine  Schenkung  gemacht,  deren 
Urkunde  Racine  vorlag  und  auch  heute  noch   im  Original 


1)  Der  wirkliche  Todestag  Hugos  ist  der  10.  April  (vgl.  Molinier 
S.  314.  346),  wo  Racine  ihn  im  'ancien  necrologe'  übersehen  hat.  2)  Vgl. 
Luchaire,  Etudes  sur  les  actes  de  Louis  VII.  p.  233,  n.  413.  3)  Molinier 
S.  325:    'Herbertus   pie  memorie   prior  B.  D.'  4)    Felibien  S.  XLII; 

Walter  de  Gray  Birch,  Cartularium  Saxonicum  I,  360,  n.  259,  unecht 
nach  W.  H.  Stevenson,  The  English  Historical  Review  VI,  1891, 
p.  736  ff.         5)  MG.  Dipl.  Karol.  I,  n.  102. 

Neues  Archiv  etc.  XXXV.  3 


34  Wilhelm  Levison. 

erhalten  ist^;  nach  Eacine  (I,  407)  ist  Gisela  am  13.  Juni 
gestorben,  in  Wirklichkeit  am  30.  Juli,  da  sie  mit  der 
Aebtissin  Gela  identisch  zu  sein  scheint,  deren  Tod  das 
Nekrologium  ihres  Klosters  Chelles  zu  diesem  Tage  be- 
richtet (Molinier  S.  372)  2.  Belustigend  ist  es  auch,  wenn 
wir  den  Todestag  anonymer  Personen  erfahren,  so  von  drei 
Verfassern  der  Miracula  Dionysii  beim  15.  April  (1,  294) 
und  10.  Dez.  (II,  393),  desjenigen  der  Gesta  Dagoberti  am 
26.  Nov.  (II,  363),  von  'un  religieux  de  ce  monastere  que 
nous  ne  connoissons  que  sous  le  titre  de  second  continua- 
teur  de  la  chronique  de  Guillaume  de  Nangis'  beim  3.  Sept. 
(II,  195),  desgleichen  eines  anonymen  Chronisten  Karls  V. 
und  VI.  beim  30.  Okt.  (II,  319);  am  9.  April  sterben  gegen 
694  'un  seigneur,  dont  la  mere  est  appellee  Idda',  und 
seine  Gattin  Chramnetrude,  die  Racine  aus  einer  teilweise 
zerstörten  Urkunde  kennt  ^,  mit  deren  fehlenden  Teilen 
auch  der  Name  jenes  Herrn  zu  seinem  Bedauern  ver- 
schwunden ist  (I,  279).  Am  4.  März  1254  starb  Abt  Wil- 
helm III.  von  St.-Denis,  für  dessen  Anniversar,  wie  das  Ne- 
krologium  des  13.  Jh.  (Molinier  S.  311)  und  nach  ihm  Ra- 
cine (I,  197)  erzählt,  der  Prior  Manasserus  von  Argenteuil 
eine  Stiftung  machte ;  merkwürdig,  dass  der  Prior  am 
5.  März  dem  Abt  in  das  Jenseits  gefolgt  sein  soll  (I,  199), 
während  das  Nekrologium  von  Argenteuil  selbst  (Molinier 
S.  351)  den  Tod  des  'Manasses  prior  de  Argentolio '  zum 
8.  Dez.  verzeichnet!  Nicht  nur  König  Dagobert  I.  ist  am 
19.  Januar  gestorben,  sondern  am  selben  Tage  einige  Jahre 
später  seine  Gattin  Nanthilde  (I,  75).  Theuderichs  III. 
Gattin  Chrodechildis  stirbt  am  3.  Juni  (I,  385),  also  am 
selben  Tage,  der  sonst  einer  berühmteren  Trägerin  des 
Namens  zugeschrieben  wird,  der  Burgundischen  Gattin 
Chlodwigs  I."^  Ich  weiss  nicht,  weshalb  Racine  den  Abt 
Charderich  von  St.-Denis  am  13.  Mai  sterben  lässt  (I,  344); 
dagegen  leuchtet  ein,  warum  sein  NefEe  Magnoald,  der 
erste  Abt  von  Tussonval,  am  gleichen  Tage  gestorben  sein 
soll:  man  liest  die  Namen  beider  in  denselben  Urkunden  ^1 
Wenn  man  Racine  (I,  365)  glauben  darf,  so  ist  ein  reicher 
Kaufmann  Johannes,  der  St.-Denis  mit  einer  Schenkung 
bedacht  hatte,  gegen  628  am  20.  Mai  gestorben,  am  selben 


1)  Eb.   n.  319.  2)   Auch  die  'Gisla  abbatissa',   deren  Tod   das 

Nekrologium  von  Argenteuil  zum  8.  Juli  verzeichnet  (Molinier  S.  347  f.), 
kann  in  Betracht   kommen.  8)  Pardessus,  Diplomata  II,  211,   n.  413. 

4)  Vgl.   AA.  SS.  lunii  I,   292  ff.;   SS.   R.   Merov.   II,  347.  5)   MG. 

Dipl.  Merov.  p.  61  ff.,  n.  69.  70. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  35 

Tage  gegen  630  aber  auch  der  Abt  Dodo,  der  diese  Schen- 
kung durch  eine  Urkunde  Chlothars  II.  bestätigen  Hess  ^. 
Wir  besitzen  noch  im  Original  ein  Privileg  Bischof  Agerads 
von  Chartres  von  696/7  für  ein  Kloster  an  der  Loire "-,  das 
eine  Dame  Adrebercta  mit  Zustimmung  ihres  Sohnes  Deodat 
gegründet  hat,  soweit  der  trümmerhafte  Wortlaut  erkennen 
lässt;  ein  seltsamer  Zufall  will  es,  dass  nach  Racine  (II, 
245)  alle  drei  am  27.  Sept.  gestorben  sind.  Doch  ich  halte 
ein,  um  die  Geduld  des  Lesers  nicht  auf  die  Probe  zu 
stellen ;  die  beigebrachten  Beispiele  dürften  zur  Erhärtung 
des  Satzes  genügen,  dass  'ce  meme  jour  mourut'  .  .  .  und 
dergleichen  Wendungen  nach  Racines  eigener  Erklärung 
nichts  anderes  heissen,  als  dass  er,  wo  er  sich  dafür  nicht 
ausdrücklich  auf  eine  Quelle  beruft,  die  betreffende  Person 
nur  deshalb  nach  Gutdünken  diesem  bestimmten  Tage  zu- 
gewiesen hat,  um  nicht  von  der  Form  eines  Nekrologiums 
abgehen  zu  müssen.  So  sind  denn  auch  die  neuen,  von 
Depoin  ans  Licht  gezogenen  Merowingerdaten  wertlos, 
wenn  ich  auch  nicht  zu  sagen  weiss,  weshalb  Racine  sie 
gerade  so  ausgewählt  hat.  Wenn  Chlodwig  III.  am 
2.  März  gestorben  sein  soll  (I,  193),  so  mag  dabei  der  Um- 
stand mitgewirkt  haben,  dass  seine  letzte  erhaltene  Ur- 
kunde ^  zwei  Tage  vorher,  an  einem  28.  Februar,  ausgestellt 
ist,  wie  denn  Racine  den  König  nachher  'peu  de  tems' 
leben  lässt;  die  Wahl  des  15.  April  zum  Todestag  von 
Theuderich  IV.  (I,  293)  wird  durch  den  von  Childebert  III. 
beeinflusst  sein,  dessen  Ende  er  unmittelbar  vorher  zum 
14.  April  (I,  289)  im  Anschluss  an  die  Annales  S.  Medardi 
berichtet  hatte.  Doch  es  verlohnt  sich  nicht,  weitere  Ver- 
mutungen über  seine  Beweggründe  auszudenken;  die  von 
ihm  neu  beigebrachten  Daten  werden  wieder  der  verdienten 
Vergessenheit  anheimfallen  müssen,  der  sie  Depoin  ent- 
rissen hat. 

Doch  ich  möchte  nicht  mit  blosser  Verneinung 
schliessen,  sondern  benutze  die  Gelegenheit,  um  die  ge- 
sicherten oder  wenigstens  wahrscheinlichen  Ergebnisse  der 
an  verschiedenen  Orten  zerstreuten  und  darum  unübersicht- 
lichen Untersuchungen  und  Beobachtungen  der  letzten 
Jahrzehnte  über  die  Chronologie  der  Merowinger  für  den 
gesamten  Zeitraum  kurz  zusammenzufassen  und  damit 
namentlich  ein  vielleicht  nicht  unwillkommenes  Hilfsmittel 


1)  Eb.  S.  13,  n.  11 ;   J.  Havet,  Oeuvres  I,  229  ff.  2)  Pardessus 

II,  234,  n.  435 ;  Tardif,  Monuments  historiques  p.  28.        3)  Dipl.  Merov. 
p.  58,  D.  66. 

3* 


36  Wilhelm  Levison. 

für  die  ümsetzuüg  der  Urkundendaten  in  unsere  heutige 
Eechnung  darzubieten,  wie  es  früher  Giry  ^  und  für  die 
Zeit  von  Dagobert  I.  an  Levillain  ^  gegeben  haben.  Ich 
stelle  daher  zunächst  die  neuere  Literatur  zusammen  ^, 
gebe  dann  in  Gestalt  einer  Tabelle  deren  Ergebnisse  und 
bespreche  endlich  in  möglichst  kurz  gefassten  Anmerkungen 
diejenigen  Fragen,  die  mir  noch  einer  Erörterung  zu  be- 
dürfen scheinen.  Auf  die  Quellen  gehe  ich  daher  im  all- 
gemeinen nur  soweit  ein,  wie  noch  ein  Zweifel  möglich 
war,  oder  wo  ich  glaube,  in  Einzelheiten  über  die  bis- 
herigen Ermittelungen  hinauskommen  zu  können ;  wo  die 
neueren  Arbeiten  einen  Abschluss  gebracht  haben,  be- 
schränke ich  mich  darauf,  auf  sie  zu  verweisen.  In  den 
vielen  Fällen,  in  denen  Könige  erst  durch  den  Tod  des 
Vorgängers  auf  den  Thron  gelangt  sind,  habe  ich  den  Todes- 
tag zugleich  als  Anfangszeit  des  neuen  Herrschers  hin- 
gestellt, auf  die  Möglichkeit  hin,  dass  in  dem  einen  oder 
anderen  Fall  Todestag  und  Epoche  der  Jahreszählung, 
etwa  eine  feierliche  Erhebung  auf  den  Thron,  nicht  ganz 
zusammengefallen  sind;  die  dürftigen  Quellen  der  Mero- 
wingerzeit  gestatten  in  dieser  Hinsicht  keine  Unterscheidung, 
wie  sie  z.  B.  bei  dem  Tode  Pippins  und  der  Epoche  Karls 
des  Grossen  zu  machen  ist*. 

Literatur. 

B.  Krusch,  Zur  Chronologie  der  Merowingischen  Könige  (For- 
schungen zur  Deutschen  Geschichte  XXII,  1882,  S.  449 — 490) ;  Chrono- 
logisches aus  Handschriften  (N.  Archiv  X,  1885,  S.  83  —  94);  SS.  R. 
Merov.  II,  1888,  p.  576  f.;  Historische  Zeitschrift  LXIII,  1889,  S.  108 
—111;  Die  älteste  Vita  Leudegarii  (N.  Archiv  XVI,  1891,  S.  579,  X.  1); 
SS.  R.  Merov.  V  (im  Druck)  ^  9  f.  90  f.  289,  N.  1.  399. 

J.  Hayet,  Questions  merovingiennes  III — VI,  zuerst  in  der  Biblio- 
theque  de  l'Ecole  des  chartes  XLVI,  XLVIII,  LI,  LIII,  1885—92,  dann 
gesammelt  mit  einigen  Verbesserungen  und  Zusätzen :  Oeuvres  I,  1896 
^.  91  —  101.  106.  187  —  189.  154.  242.  262.  446  über  chronologische 
Fragen). 

E.  Vacandard,  Le  regne  de  Thierry  UI  et  la  Chronologie  des 
meines  de  Fontenelle  (Revue  des  questions  historiques  LIX ,  1896, 
p.  491—506). 


1)   Manuel  de  diplomatique,   1894,   p.  711.  2)   Le  Moyen  Age 

XVI,    1903,   p.  11.  3)   In   einzelnen  Fällen   empfahl    sich   noch    ein 

Hinweis  auf  G.  Richter,  Annalen  der  Deutschen  Geschichte  im  Mittel- 
alter I,  1878.  4)  Vgl.  Sickel,  Acta  regum  et  imperatorum  Karolinorum 
I,  248.  5)  Für  die  Erlaubnis,  mich  bereits  jetzt  auf  die  Ausführungen 
in  dem  noch  nicht  erschienenen  Bande  beziehen  zu  dürfen,  wie  auch  für 
manche  Anregung  sage  ich  Herrn  Archivrat  Ki'usch  auch  an  dieser  Stelle; 
verbindlichsten  Dank. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine. 


37 


W,  Levison,  Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech 
(Bonner  Jahrbücher  CHI,  1898,  S.  42—86);  Kleine  Beiträge  zu  Quellen 
der  fränkischen  Geschichte  II  (N.  Archiv  XXVII,  1902,  S.  356—368). 

E.  J.  Tardif,  Les  chartes  merovingiennes  de  l'abbaye  de  Noirmoutier 
(erweiterter  Abdruck  aus  der  Nouvelle  Revue  historique  de  droit  frangais 
et  etranger  XXII,  1898,  p.  762  ff.),  Paris  1899,  p.  33—58. 

G.  Schnürer,  Die  Verfasser  der  sogenannten  Fredegar  -  Chronik 
(Collectanea  Friburgensia  IX),  1900,  S.  15  ff. 

L.  Levillain,  Contribution  ä  la  Chronologie  des  rois  merovingiens 
(Moyen  Age  XVI,  1903,  p.  1—11). 

J.  Depoin,  Questions  merovingiennes  et  carolingiennes  I  (Revue 
des  etudes  historiques  LXX,  1904,  p.  377—882);  Essai  de  fixation  d'une 
Chronologie  des  rois  merovingiens  de  Paris  au  VI.  et  VII.  siecles  (Bulletin 
historique  et  philologique  du  Comite  des  travaux  historiques  et  scienti- 
fiques  1905,  p.  205—214). 

Ph.  Lauer,  Sur  la  date  d'avenement  de  Chilperic  II.  (Bulletin  de 
la  Societe  nationale  des  antiquaires  de  France  1907,  j).  246 — 249). 


Anfangf 


Ende 


9 

10 

11 

12 
13 
14 

15 

16 

17 

18 
19 
20 


Chlodwig  I 

Theuderich  I.  (Austrasien)     .     . 

Theudebert  I 

Theudebald 

Chlodomer  (Orleans)      .     ,     .     . 

Childebert  I.  (Paris)      .     .     .     . 

Chlothar  I.  (Xeustrien,  558 — 561 

im  ganzen  Reich)      .     .     .     . 

Charibert  I.  (Paris) 

Guntram  (Burgund) 

Sigbert  I.  (Austrasien)  .     .     .     . 

Childebert  II.  (Austrasien, 
592 — 595  auch  Burgund) 
Theudebert  II.  (Austrasien) 
Theuderich  II.  (Burgund)  . 
Sigbert  II 


Chilperich  I.  (Xeustrien)  . 

Chlothar  II.    (Neustrien,    613 
623  im  ganzen  Reich)   . 

Dagobert  I.    (623  —  629    nur 
Austrasien) 

Charibert  II.  (Aquitanien) 

Sigbert  III.  (Austrasien)  . 

Dagobert  II.      ... 
zum  zweiten  Mal 


482 

27.  Nov.  511 

534 

548 

27.  Nov.  511 

27.  Nov.  511 

27.  Nov.  511 

29.  Nov.  bis 

Ende  561 
29.  Nov.  bis 

Ende  561 
29.  Nov.  bis 

Ende  561 

Dez.  575 

22.  (23.)  Nov.  595 

22.  (23.)  Nov.  595 

613 

29.  Nov.  bis 

Ende  561 

Sept.  584 

20.   Jan.   bis 

8.  April  623 
Ende  629  oder 

Anfang  630 
Ende  633  oder 

Jan.  634 
1.  Febr.  656 
2.   April  bis 

1.  Juli  676 


27.  Nov.  511 

534 

548 

Nov.oderDez.555 

524 

23.  Dez,  558 

29.  Nov.  bis 

Ende  561 

567  nach  17.  Nov. 

oder  568 

28.  März  592 

Dez.  575 


22.  (23.)  Nov.  595 
Mai  bis  Ende  612 
613 
1.   Sept.   bis 

Ende  613 
Sept.  584 


2.  Hälfte  Sept.  629 

19.  Jan.  639 

Anfang  bis 

8.  April  632 
1.  Febr.  656 

661 
23.  Dez.  679 


38 


Wilhelm  Levison. 


Anfang 


Ende 


21 

22 


23 

24 

25 

26 

27 

28 

29 

30 
31 

32 


Childebert,  Sohn  Grimoalds 

Chlodwig     II,     (Neustrien     und 

Burgund) 


Chlothar    III.     (Neustrien    und 
Burgund) 

Childerich  II.  (Austrasien,  673 — 
675  im  ganzen  Reich)   .     .     . 


Theuderich  III. 
Chlodwig  III.  . 
Childebert  III. 
Dagobert  III.  . 
Chilperich  II.  . 


661 
19.  Jan.  639 


10.   Okt.  bis 
16.  Nov.  657 

Ende  März  bis 

13.  Nov.  662 
10.  März  bis 

15.  Mai  673 

2.  Sept.  690  bis 

12.  April  691 

3.  Sept.  694  bis 

13.  April  695 

14.  April  711 


Chlothar  IV.  (Austrasien) 
Theuderich  IV 


kein  König 
Childerich  III. 


24.  Juni   bis 

Ende  715 

März  bis  Ende  717 

13.  Febr.  721 

März  oder 

April  737 
16.  Febr.  bis 

3.  März  743 


662 

11.  Sept.   bis 
16.  Nov.  657 

10.  März  bis 

15.  Mai  673 

11.  Aug.  bis 

14.  Nov.  675 

2.  Sept.  690  bis 

12.  April  691 

3.  Sept.  694  bis 

13.  April  695 

14.  April  711 

24.  Juni   bis 

Ende  715 
13.  Febr.  721 

719 
März  oder 

April  737 
15.  Febr.  bis 

2.  März  743 
22.  Dez.  751  bis 
23.  Jan.  752 


1)  Ueber  Chlodwig-  vgl.  meine  Ausführungen  a.  a.  O. 
S.  44  ff. ;  der  Todestag  nach  den  Kaiendarien  und  Missalien 
der  von  ihm  gegründeten  Kirche  Sainte  -  Genevieve  (eb. 
S.  48;  Longnon,  Obituaires  de  la  province  de  Seus  I,  1, 
p.  XIY  ff.). 

2)  und  3)  Theuderich  I.  stirbt  in  seinem  23.  Jahre, 
Theudebert  I.  im  14.  (Gregor  von  Tours  III,  23.  37,  SS.  R. 
Merov.  I,  131.  140)  und  37  Jahre  nach  dem  Tode  Chlod- 
wigs  (eb.  III,  37.  IV,  51,  p.  140.  188);  da  Theudeberts 
Todesjahr  548  durch  Marius  (Auct.  ant.  XI,  236)  feststeht, 
so  ist  der  Tod  seines  Vaters  534  anzusetzen,  nicht  533. 
Vgl.  G.  Richter,  Annalen  I,  58. 

4)  Theudebalds  Todesjahr  nach  Gregor  IV,  9  (p.  147) 
und  Marius  (p.  236);  die  Beschränkung  auf  die  letzten 
zwei  Monate  des  Jahres  nach  einer  Grabinschrift  aus  Cler- 
mont  (Corpus  inscript.  Lat.  XIII,  1,  n.  1481):  'VIII.  K. 
Dec.  [in]dic.  IUI.  (Sept.  555  bis  Aug.  556)  dn.  [Theudo- 
vjaldi  regi'. 

6)  Childeberts  I.  Todestag  nach  der  Ueberlieferung 
seiner  Stiftung  St.-Germain  -  des  -  Pres  in  der  Vita  Droctovei 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  39 

des  Gislemar  c.  15  (SS.  E,.  Merov.  III,  541)  und  in  dem 
Martyrologium  des  CTsuard  (ed.  Sollerius  p.  760).  Das  Todes- 
jahr 558  nach  Mariiis  (p.  237);  auf  559  führt  die  Oxforder 
Komputation  zu  Isidor  (Auct.  ant.  XI,  492),  vgl.  Krusch, 
Forschungen  S.  478,  und  Havet  S.  96,  N.  1. 

7)  Chlothar  I.  starb  561  (Marius)  im  51.  Jahre  der 
Herrschaft  (Gregor  IV,  21,  p.  158),  also  frühestens  am 
27.  Nov.  Dass  er  am  28.  noch  lebte,  zeigt  das  Datum  des 
Vertrags  von  Andelot  (eb.  IX,  20,  p.  377);  vgl.  meine  Be- 
merkung, Chlodowech  S.  48,  N.  1,  ebenso  Longnon  a.  a.  0. 
S.  XVI,  ferner  die  Ausführungen  von  Krusch,  Forschungen 
S.  455,  der  darlegt,  dass  der  Tod  des  Königs  nach  dem 
19.  Nov.  erfolgt  ist.  Der  28.  Sept.,  den  gleich  früheren 
Forschern  Depoin  S.  205  f.  nach  verschiedenen  Nekrologien 
diesem  Chlothar  zuweist,  kann  sich  daher  nur  auf  einen 
anderen  König  des  Namens  beziehen ;  es  handelt  sich,  wie 
schon  Havet  S.  138,  N.  2  bemerkt  hat,  um  Kaiser  Lothar  I. 
(t  855),  als  dessen  Todestag  ein  Teil  der  Quellen  wie  die  An- 
nales Bertiniani  (ed.  Waitz  p.  45)  den  28.  Sept.  \  andere  den 
29.  nennen  (vgl.  Mühlbacher,  Regesten'-  n.  1177b;  Dümmler, 
Geschichte  des  Ostfränkischen  Reiches  I-,  391,  N.  5;  Parisot, 
La  royaume  de  Lorraine  sous  les  Carolingiens  p.  76). 

8)  Charibert  I.  lebte  noch  am  17.  Nov.  567  (MG.  Con- 
cilia  I,  135).  Der  Tod  kann  nicht  lange  nachher  erfolgt 
sein,  da  die  Westgotische  Prinzessin  Gailesvinda  einige 
Stadtgebiete,  die  bei  der  Teilung  von  Chariberts  Reich 
an  seinen  Bruder  Chilperich  I.  gekommen  waren ,  als 
Morgengabe  bei  der  Vermählung  mit  Chilperich  erhielt 
(Gregor  IX,  20,  p.  376;  vgl.  Longnon,  Geographie  de  la 
Gaule  au  VI.  siecle  p.  121  f.),  der  noch  bei  Lebzeiten 
ihres  in  der  Zeit  von  März  bis  Juni  567  gestorbenen  Vaters 
Athanagild  (vgl.  Zeumer,  N.  A.  XXVI,  417  ff.)  um  ihre 
Hand  angehalten  hatte  (Gregor  IV,  28,  p.  163 ;  vgl.  Venan- 
tius  Fortunatus  VI,  5,  83,  ed.  Leo  p.  138).  Der  Tod  ist 
also  Ende  567  oder  spätestens  568  anzusetzen.  Ich  weiss 
nicht,  auf  welchen  Quellen  die  Angabe  beruht,  dass  Chari- 
bert am  7.  Mai  gestorben  ist  (P.  Anselme,  Histoire  genea- 
logique  et  chronologique  de  la  maison  royale  de  France^ 
I,  1726,  p.  6).  Vgl.  Richter  S.  68  N.  1 ;  Krusch,  SS.  R. 
Merov.  I,  759,  N.  2;  W.  Meyer,  Der  Gelegenheitsdichter 
Venantius  Fortunatus  (Abhandlungen  der  Göttinger  Gesell- 

1)  Vgl.    z.  B.    Molinier,    übituaires   de   la   province   de  Sens  I,  1, 

p.  230,  273.  299;    I,  2,  p.  1004  (I,  1,  p.  19.  21   heisst  Lothar  irrtümlich 

'rex').  Auch  Racine  (II,  247)  hat  das  Datum  richtig  auf  Lothar  I. 
bezogen. 


40  Wilhelm  Levison. 

Schaft  der  Wissenschaften,  Phil.-hist.  Klasse,  Nene  Folge 
IV,  5)  S.  6  fE. 

9)  Das  Todesjahr  Guntrams,  von  dessen  Ansetznng 
das  Childeberts  II.  abhängt  (vgl.  Fredegar  IV,  16,  ed. 
Krnsch  p.  127),  hat  wie  einst  Valesius  Krusch,  Forschungen 
S.  452  ff.  auf  592  bestimmt  und  SS.  R.  Merov.  II,  576  f. 
gegen  Havet  S.  137,  N.  3  (vgl.  S.  106,  N.  5)  verteidigt,  der 
für  593  eingetreten  wrar.    Neuerdings  hat  Schnürer  a.  a.  0. 

5.  26  ff.  sich  wieder  für  593  ausgesprochen,  doch  ohne  aus- 
reichende Gründe,  wie  ich  in  der  Historischen  Zeitschrift 
XXXVII,  298  gezeigt  zu  haben  glaube.  Der  Todestag 
steht  durch  Fredegar  IV,  14  (p.  127)  fest. 

10)  Gregor  lässt  die  Ermordung  Sigberts  im  14.  Jahre 
des  Königs,  also  vor  Ende  575,  stattfinden  (IV,  51,  p.  187) 
und  Childeberts  Herrschaft  mit  Weihnachten  beginnen 
(V,  1.  VIII,  4,  p.  191.  328);  doch  hat  man  schon  lange  aus 
einer  Grabinschrift  vom  8.  Dez.  586,  die  dem  12.  Jahre 
Childeberts  angehört  (Corpus  inscript.  Lat.  XII,  n.  1045)  \ 
den  Schluss  gezogen,    dass   er  an    diesem  Tage   des  Jahres 

575  bereits  König  war  und  Weihnachten  nur  eine  feierliche 
Erhebung  auf  den  Thron  erfolgt  sein  wird.  Daraus,  dass 
das  Ende  Sigberts  kurz  vor  der  Jahreswende  eintrat,  er- 
klärt  es   sich,    dass  Marius  (p.  239)    davon  erst  zum  Jahre 

576  berichtet. 

11)  Zur  Streitfrage  über  Childeberts  II.  Todesjahr 
(595  oder  596  7)  vgl.  die  zu  9  genannte  Literatur.  Den 
Tag  hat  Depoin  S.  380  ff.  nach  einem  Nekrologium  der 
Kathedrale  von  Limoges  (Paris,  Ms.  Lat.  17188)  bestimmt: 
'X.  Kalendas  Decembris.  Depositio  Childeberti  regis',  ein 
Tag,  der  weder  zu  Childebert  I.  noch  dem  3.  König  des 
Namens  passt,  während  bei  Childebert  IL  nichts  im  Wege 
steht  ^  das  Datum  vielmehr  aufs  beste  zu  der  von  Krusch 
betonten  Tatsache  passt,  dass  Gregor  der  Grosse  im  Sept. 
595  noch  an  Childebert  schreibt,  dagegen  im  Juli  596  sich 
mit  einem  Empfehlungsschreiben  an  die  Frankenkönige 
Theuderich   IL   und   Theudebert   IL    wendet   (Registr.  VI, 

6.  49,  MG.  Epist.  I,  384.  423),    ohne    den  Vater   auch    nur 

1)  Vgl.  dazu  jetzt  den  Aufsatz  von  E.  Duprat,  L'inseription  de 
Casarie  et  Polycarpe  de  ]a  Riviere  (Annales  de  la  Societe  des  etudes 
provengales  1908),  den  ich  nur  aus  der  Anzeige  von  A.  Poncelet  (Ana- 
lecta  Bollandiana  XXVIIl,  228)  kenne.  2)    Den  23.  (nicht  22.)  Nov. 

als  Todestag  eines  Königs  Childebert  —  er  meint  des  dritten  —  erwähnt 
P.  F.  Chifflet,  Bedae  presbyteri  et  Fredegarii  scholastici  concordia,  1681, 
p.  445,  nach  einem  Kalendar  von  S.  Lucian  in  Beauvais,  wo  man  einen 
Childebert  (wie  man  glaubte,  den  ersten)  als  Stifter  des  Klosters  ansah 
(vgl.  Longnon,  Geographie  p.  415). 


Das  Nekrologiuni  von  Dom  Racine.  41 

zu  erwähnen,  so  dass  seit  seinem  Tode  sicherlich  bereits 
einige  Monate  vergangen  waren.  Uebrigens  fällt  der  Todes- 
tag des  ersten  Childebert  'X.  Kaien  das  lanuarii',  also 
auf  denselben  Tag  des  Nachbarmonats  nach  Römischer 
Bezeichnung,  was  bei  den  nicht  seltenen  Verwechslungen, 
die  in  dieser  Hinsicht  im  Mittelalter  begegnen  ^,  immerhin 
hervorgehoben  werden  muss. 

13)  Da  der  Tod  Theuderichs  II.  in  das  18.  Jahr  des 
Königs  fällt  (Fredegar  IV,  38/9,  p.  140],  ist  er  vor  dem 
22.  Nov.  613  anzusetzen-  (zum  Jahre  vgl.  eb.  I,  24,  p.  34), 
jedenfalls  einige  Monate  vorher,  da  sonst  nicht  genügende 
Zeit  für  die  Ereignisse  bis  zum  Siege  Chlothars  II.  bleibt. 

14)  Sigbert  II.  starb  im  30.  Jahr  Chlothars  II.  (eb. 
IV,  43,  p.  142),  also  nach  dem  1.  Sept.  613.  Da  Chlothar  II. 
nach  der  Vereinigung  des  ganzen  Reiches  noch  16  Jahre 
lebte  (Fredegar  IV,  42,  p.  142),  wird  diese  eher  in  das 
Jahr  613  zu  setzen  sein  als  in  den  Anfang  von  614. 

15)  Chilperich  I.  wurde  584  wenigstens  einige  Tage 
nach  dem  1.  Sept.  (Gregor  VI,  45,  p.  284)  und  vor  Dezember 
(eb.  VII,  11,  p.  297)  ermordet  (vgl.  Krusch,  Forschungen 
S.  459).  Da  sein  Sohn  und  Nachfolger  Chlothar  II.  min- 
destens ein  paar  Tage  vor  dem  1.  Okt.  629  im  46.  Jahre  der 
Herrschaft  gestorben  ist  (vgl.  16),  so  fällt  sein  wie  Chilperichs 
Tod  in  den  Monat  September,  wenn  auch  der  des  Vaters  auf 
einen  früheren  Tag  als  der  des  Sohnes.  Racine  hat  den  5.  Nov. 
als  Todestag  Chilperichs  II.  angegeben,  was  unmöglich  ist 
(vgl.  29);  er  passt  ebensowenig  auf  Chilperich  I.,  wie  De- 
poin  (S.  209)  meinte,  der  die  sogleich  (16)  erwähnte  Ur- 
kunde Dagoberts  I.  übersehen  hat. 

16)  Chlothar  II.  starb  im  46.  Jahre  (Fredegar  IV,  56, 
p.  148),  also  629/30,  und  nach  dem  1.  Sept.  629  (vgl.  15); 
den  18.  Okt.  des  46.  Jahres  erwähnt  noch  eine  Grabschrift 
aus  Briord  (dep.  Ain)  an  der  Rhone  (Corpus  inscript.  Lat. 
XIII,  1,  n.  2476,  wo  ebenso  wie  bei  n.  2478  die  Bemerkung 
von  Krusch,  SS.  R.  Merov.  II,  148,  N.  4  übersehen  ist), 
während  der  König  am  8.  April  630  nicht  mehr  am  Leben 
war  (vgl.  das  Diplom  Dagoberts  I.  in  der  Vita  Desiderii 
Cadurc.  c.  13,  SS.  R.  Merov.  IV,  572;  vgl.  Krusch,  For- 
schungen S.  466  f.).  Dazu  kommt  eine  unzweifelhaft  nach 
dem  Tode  Chlothars  ausgestellte  Schenkungsurkunde  Dago- 
berts, deren  Echtheit  Havet  erwiesen  hat  (MG.  Dipl.  Merov. 


1)  Vgl.  z.  B.  Rühl,  Chronologie  S.  73 ;  Longnon,  Obituaires  de  la 
province  de  Sens  1,  1,  p.  XIII.  2)  Das  Herrscherjahr  als  dem  Kalender 
angeglichen  zu  betrachten  (vgl.  Schnürer),  scheint  mir  hier  nicht  möglich. 


42  Wilhelm  Levison. 

p.  139,  n.  22;  Havet  S.  264)^  und  die  nur  in  einem  Char- 
tular  des  13.  Jh.  erhalten  ist,  aber  bereits  dem  Verfasser 
der  Gesta  Dagoberti  c.  22  (SS.  R.  Merov.  II,  408)  vor- 
gelegen hat.  Im  Chartular  lautet  das  Datum  'sub  die  Kai. 
Octobris  anno  Q  (=  VI)  regni  [nostri]',  d.  h.  1.  Okt.  628 
(vgl.  17),  was  unmöglich  ist,  da  Chlothar  II.  damals  sicher 
noch  lebte.  Da  aber  der  um  vier  Jahrhunderte  ältere 
Biograph  Dagoberts  die  Schenkung  des  Königs,  auf  welche 
sich  die  Urkunde  bezieht,  nicht  zum  6.,  sondern  zum 
7.  Jahre  Dagoberts  berichtet,  so  hat  Havet  S.  262  mit 
Eecht  die  letztere  Ziffer  in  der  Datumzeile  des  Diploms 
hergestellt,  so  dass  der  Tod  Chlothars  noch  in  den  Sep- 
tember 629  fällt  und  das  Datum  der  Inschrift  von  Briord 
so  zu  erklären  ist,  dass  man  dort  am  18.  Okt.  oder  viel- 
mehr bald  darauf,  als  man  die  Inschrift  anfertigte,  noch 
keine  Nachricht  vom  Dahinscheiden  des  Königs  hatte  -. 
De  Pachtere  hat  jüngst  ausgeführt  (Le  Moyen  Age  XXI, 
1908,  p.  144  —  151),  dass  kein  Grund  vorliegt,  den  Aus- 
stellungsort der  Urkunde  Sauriciago  —  Sorcj  bei  Commercy 
(Meuse)  oder  ein  verschwundener  Ort  bei  Longueval  (Aisne) 
—  mit  Havet  in  Stirpiniago  (Etrepagny)  zu  ändern,  und 
hat  in  diesem  Zusammenhang  im  Hinblick  auf  Fredegar 
IV,  56  (S.  148)  mit  Eecht  dargelegt,  dass  Dagobert  sich 
in  Austrasien  befand,  als  sein  Vater  starbt  Am  1.  Okt. 
629  waren  also  seitdem  mindestens  einige  Tage  vergangen ; 
andererseits  wird  man  kaum  über  die  Mitte  des  September 
zurückgehen  dürfen,  will  man  den  Zeitraum  nicht  un- 
gebührlich ausdehnen,  in  dem  noch  keine  Kunde  vom  Tode 
Chlothars  nach  Briord  gelangt  war,  das  doch  immerhin 
nicht  allzu  weit  von  Lyon  und  Genf  und  von  der  alten 
Römerstrasse  gelegen  war,  die  von  Vienne  ausging  und 
im  Süden  der  Rhone  in  zwei  Armen  Genf  und  den  Kleinen 
St.  Bernhard  erreichte.  —  Aus  welchen  Gründen  Racine 
I,  14  den  Tod  Chlothars  II.  zum  4.  Januar  berichtet  hat 
(Depoin  S.  209),  habe  ich  nicht  erkannt. 

17)  Die  Chronologie  Dagoberts  I.  und  seiner  nächsten 
Nachfolger   ist   durch    Krusch,    Forschungen  S.  459  ff.    auf 


1)  Zur  Urkunde  vgl.  auch  N.  A.  XXVII,  349,  N.  2.  2)   Hält 

man  diese  Annahme  für  unwahrscheinlich,  so  muss  man  auf  eine  grössere 
Verderbnis  des  Urkundendatums  schliessen  und  annehmen,  dass  das  Diplom 
auch  in  den  Gesta  Dagoberti  falsch  eingereiht  ist  und  frühestens  dem 
Jahre  630  angehört.  3)  Das  Wort  'cernens'  steht  dem  schwerlich  ent- 
gegen, wenn  man  den  ganzen  Zusammenhang  der  Erzählung  beachtet. 
Schnürer  a.  a.  0.  S.  99,  N.  2  hat  den  Bericht  Fredegars  in  derselben 
Weise  aufgefasst. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  43 

sichere  Grundlagen  gestellt  worden,  und  an  den  Ergeb- 
nissen wird  auch  dadurch  nichts  geändert,  dass  die  Daten 
der  Vita  Desiderii  Cadurc.  (vgl.  eb.  S.  466  f.  471  f.)  nach 
seinen  eigenen  Darlegungen  (SS.  R.  Merov.  IV,  553  f.) 
teilweise  anders  zu  beurteilen  sind  und  von  einer  Ver- 
wertung der  Jahre  der  Aebte  von  St. -Wandrille  (S.  485; 
vgl.  Krusch,  SS.  E.  Merov.  V,  9  f.  und  meine  Hinweise 
N.  A.  XXVI,  359,  N.  5.  XXXIII,  758,  N.  5)  und  vollends 
der  Vita  Vincentiani  (vgl.  Krusch,  N.  A.  XVIII,  561  und 
bald  meine  Ausgabe,  SS.  R.  Merov.  V,  112  ff.)  Abstand 
genommen  werden  muss.  —  lieber  den  Anfang  von  Dago- 
berts Herrschaft  vgl.  auch  Havet  S.  139,  N.  1.  Der  Todes- 
tag ist  durch  Gesta  Dagobert!  c.  42  (S.  421)  gesichert,  mit 
denen  die  späteren  Kaiendarien  im  Einklang  stehen  (vgl. 
Depoin  S.  209  f.;  Longnon,  Obituaires  de  Sens  I,  1,  p.  XVI). 

18)  Die  Abfindung  Chariberts  II.  durch  Dagobert  er- 
folgte 'tandem'  nach  Befestigung  von  dessen  Herrschaft 
(Fredegar  IV,  57,  p.  149;  vgl.  c.  56),  also  wenigstens  einige 
Wochen  nach  dem  Tode  Chlothars^.  Charibert  starb  im 
9.  Jahre  Dagoberts  (eb.  c.  67,  S.  154),  also  zwischen  Ende 
Januar  631  und  dem  8.  April  632,  und  zwar  gegen  Ende 
dieses  Zeitraums,  da  er  im  3.  Jahr  seiner  Herrschaft  noch 
einen  glücklichen  Feldzug  gegen  die  Basken  unternehmen 
konnte  (eb.  c.  57,  S.  149). 

19)  Ueber  die  Zeit  Sigberts  III.  vgl.  Krusch,  For- 
schungen S.  470  ff.,  wo  jedoch  die  Folgerungen  aus  der 
Vita  Desiderii  zu  streichen  sind  (vgl.  oben  17).  Für  die 
Bestimmung  der  Dauer  der  Regierungszeit  bleiben  nur  die 
Königskataloge  (SS.  II,  308.  XIII,  724 ;  N.  A.  X,  232),  die 
Sigbert  23  Jahre  beilegen  (nur  ein  Text  hat  22)  und  dabei 
wie  öfter  das  letzte  angebrochene  Jahr  zu  einem  vollen 
abgerundet  haben  werden.  Den  Todestag  überliefern  Mar- 
tyrologien  (vgl.  AA.  SS.  Febr.  I,  213)  und  der  Biograph 
Sigbert  von  Gembloux  (eb.  S.  230;   Bouquet  II,  602). 

20)  und  21)  Ueber  die  mit  der  Geschichte  des  Maior- 
domus  Grimoald  (seit  643)  eng  verbundenen  Schicksale  von 
Dagobert  II.  vgl.  Krusch,  Forschungen  S.  473  ff.-  und  die 


1)  Aus  dem  oben  zu  16  genannten  Diplom  Dagoberts  vom  8.  April 
630  lassen  sich  in  dieser  Hinsicht  keine  sicheren  Schlüsse  ziehen  bei  der 
Eigenart  von  Chariberts  Stellung;  vgl.  die  verschiedene  Beurteilung  bei 
Schnürer  a.  a.  0.  S.  101,  N.  1  und  G.  Eiten,  Das  Unterkönigtum  im 
Reiche  der  Merovinger  und  Karolinger  (Heidelberger  Abhandlungen  zur 
Geschichte  18),  1907,  S.  11.  2)  Zu  den  Katalogen  ist  das  von  Waitz, 
N.  A.  X,  232  f.  herausgegebene  Exemplar  aus  Lorsch  hinzugekommen, 
das  den  wichtigen  Wortlaut  der  Berner  Hs.  bestätigt. 


44  Wilhelm  Levison. 

wichtigen  Ergänzungen  SS.  R.  Merov.  V,  90  f.,  vor  allem 
die  überzeugende  Darlegung,  dass  das  Datum  der  Urkunde 
Grimoalds  (Dipl.  Merov.  p.  91,  n.  1 ;  Müblbacher  ^  n.  3)  nicht 
auf  eine  spätere  Bestätigung  nach  Dagoberts  Restitution 
zu  deuten  ist,  vieiraehr  die  Jahre  vom  Tode  Sigberts  an 
zu  zählen  sind  und  daraus  geschlossen  werden  muss,  dass 
Grimoald  dessen  jungem  Sohn  Dagobert  noch  mehrere 
Jahre  lang  den  Königstitel  beliess,  ehe  er  ihn  in  ein 
Irisches  Kloster  sandte,  um  seinen  eigenen  Sohn  Childe- 
bert  auf  den  Thron  zu  erheben,  den  er  nach  den  Katalogen 
ein  Jahr  inne  hatte.  Da  diese  Grimoalds  Herrschaft  nach 
Sigberts  Tode  7  Jahre  (d.  h.  6  bis  7  Jahre)  andauern  lassen, 
also  656  —  662,  da  ferner  nach  jener  Urkunde  Dagobert 
Anfang  August  659  noch  König  hiess,  dann  aber  der  ver- 
frühte Versuch,  einen  Nachkommen  Pippins  auf  den  Thron 
zu  setzen,  zum  Sturze  und  Ende  Grimoalds  führte  (Liber 
bist.  Franc,  c.  43,  SS.  E..  Merov.  II,  316),  der  spätestens  im 
Herbst  662  (vgl.  24)  beseitigt  war,  als  die  Austrasier  'paci- 
fico  ordine'  in  Childerich  II.  einen  neuen  König  erhielten 
(Vita  Balthildis  c.  5,  eb.  S.  487),  so  wird  man  die  Ent- 
fernung Dagoberts  und  die  Erhebung  Childeberts  am  besten 
661,  das  Ende  von  dessen  und  Grimoalds  Herrschaft  662 
ansetzen,  wie  dies  auch  von  Krusch  geschehen  ist.  Für 
die  Richtigkeit  von  dessen  Annahme,  dass  die  Entthronung- 
Dagoberts  und  der  Sturz  Grimoalds  nicht  unmittelbar  nach 
dem  Tode  Sigberts  III.  (656)  und  bei  Lebzeiten  Chlod- 
wigs II.  (t  657)  erfolgt  sind,  wie  der  Liber  historiae  Fran- 
corum  c.  43  (SS.  R.  Merov.  II,  316)  behauptet,  sondern 
erst  einige  Zeit  später,  bietet  die  alte  Vita  Geretrudis  c.  6 
(eb.  S.  460)  eine  erwünschte  Bestätigung.  Der  Verfasser 
erzählt  hier,  wie  Gertrud  von  Nivelles  (f  17.  März  659) 
drei  Monate  vor  ihrem  Tode  die  Leitung  des  Klosters 
niedergelegt  und  ihre  Nichte  Wulfetrude,  eine  Tochter 
Grimoalds,  als  Aebtissin  eingesetzt  hat;  er  gibt  dann,  ehe 
er  sich  dem  Lebensende  Gertruds  zuwendet,  einen  kurzen 
Ueberblick  über  die  Wirksamkeit  Wulfetrudens  bis  zu 
ihrem  Tode  im  Jahre  669  und  berichtet  dabei  von  den  An- 
fechtungen, die  der  Hass  gegen  Grimoald  dessen  Tochter 
zugezogen  habe:  'Contigit  autem  ex  odio  paterno,  ut 
reges,  reginae,  etiam  sacerdotes  per  invidiam  diabuli 
illam  de  suo  loco  primum  per  suasionem,  postmodum  vellent 
per  vim  trahere,  et  res  Dei,  quibus  benedicta  puella  prae- 
erat,  iniquiter  possiderent'.  Die  ganze  Fassung  der  Stelle 
lehrt,  dass  die  Angriffe  sich  nicht  gegen  die  Einsetzung 
der  Aebtissin  (Dezember  658)  richteten,  sondern  dass  diese 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  45 

bereits  ihre  Würde  bekleidete,  als  jene  später  in  das  Gegen- 
teil umschlagenden  Anfechtungen  erfolgten  ^,  die  sicherlich 
mit  dem  Sturze  Grimoalds  im  Zusammenhang  standen,  der 
mithin  schwerlich  schon  657,  sondern  erst  nach  658  erfolgt 
ist.  Auch  die  Mehrzahl  'reges'  passt  für  die  Zeit  von  662 
an,  als  Childerich  II.  neben  Chlothar  III.  getreten  war; 
doch  könnte  der  Verfasser  immerhin  auch  an  Chlodwig  II. 
und  seinen  Nachfolger  Chlothar  III.  gedacht  haben,  wenn 
die  Annahme  Kruschs  nicht  begründet  sein  sollte.  Doch 
scheint  mir  die  Stelle  entschieden  für  deren  Richtigkeit 
zu  sprechen;  man  müsste  denn  annehmen,  der  Hass  gegen 
Grimoald  wäre  erst  geraume  Zeit  nach  dessen  Sturz  wirk- 
sam geworden,  was  sicherlich  unwahrscheinlich  ist.  — 
Dagobert  ist  nach  dem  Tode  Childerichs  II.  noch  einmal 
auf  den  Thron  gelangt  (bekanntlich  hat  Henschen  den  ver- 
gessenen König  wieder  entdeckt:  'De  tribus  Dagobertis 
diatriba',  1655);  in  Poitiers  wie  in  Chälons-  zählte  man 
seine  Jahre  von  der  Restitution  an,  die  in  der  Zeit  vom 
2.  April  bis  1.  Juli  676  erfolgt  ist;  vgl.  E.  J.  Tardif  a.  a. 
O.  S.  33  ff.  und  für  das  Todesjahr  auch  Krusch,  Historische 
Zeitschrift  LXIII,  110.  Der  Todestag  nach  der  Vita  Dago- 
berti  III.  c.  15  (SS.  R.  Merov.  II,  521)  und  dem  dort  an- 
geführten Kalender  (vgl.  üsua.rd  ed.  Sollier  S.  762)^. 

22)  Die  Zeit  des  Todes  von  Chlodwig  II.  hat  nach 
Krusch^  Havet  S.  91—101  genauer  auf  den  10.  Okt. 
(sicherer  11.  Sept.)  bis  16.  Nov.  657  bestimmt.  Racine  (II, 
320)  hat  also  mit  dem  31.  Okt.  wenigstens  ungefähr  die 
richtige  Zeit  getroffen  (Depoin  S.  210). 

23)  Chlothar  III.  ist,  wie  zuerst  Krusch  gezeigt  hat, 
673  gestorben;  er  lebte  noch  am  10.  März  nach  Ausweis 
einer  Privaturkunde  (Pardessus,  Diplomata  II,  148,  n.  361 ; 
Tardif,  Monuments  historiques  p.  15,  n.  19)  und  ist  zu  Folge 
der  Oxforder  Komputation  zu  Isidor  (Auct.  ant.  XI,  492 ; 
vgl.    Krusch,    Forschungen    S.    478;    Havet    S.   96,    N.    1) 


1)    Man   vergleiche   etwa   die  Schilderung   der  Anfechtungen  Ittas 
c.  2    (S.  456).  2)  Für  Poitiers  vgl.  die  Urkunden  bei  Tardif  a.  a.  0. 

S.  25  ff.,  für  Chälons  die  Inventio  Memmii  c.  1  (SS.  R.  Merov.  V,  365  f.). 

3)  Den  angeblichen  Merowinger  Chlodwig,  den  eine  Partei  nach  dem 
Tode  Childerichs  II.  auf  den  Austrasischen  Thron  erhob  und  für  einen 
Sohn  des  verstorbenen  Chlothar  ausgab  (Vita  I.  Leudegarii  c.  19,  ed. 
Krusch,    SS.   R.    Merov.  V,   300  f. ;   vgl.    S.  251  f.),    lasse   ich   bei    Seite. 

4)  Kruschs  Ansetzung  von  Chlodwigs  Tod  auf  Ende  657  ist  durch  die 
Isidor  -  Komputationen  aus  Bourges  vom  15.  Jahre  Chlothars  III.  {=  672), 
Auct.  ant.  XI,  493,  505  bestätigt  worden;  vgl.  Krusch,  Die  Zusätze  zu 
den  Chroniken  Isidors  (Mitteilungen  des  Instituts  für  Oesterreich.  Ge- 
schichtsforschung XVIII,  1897,  S.  364). 


46  Wilhelm  Levison. 

15  Jahre  5  Monate  König  gewesen,  hat  also  das  15.  Jahr, 
das  spätestens  am  15.  Nov.  672  endete,  um  weniger  als 
6  Monate  überschritten,  so  dass  sein  Tod  frühestens  noch 
am  10.  März,  spätestens  am  15.  Mai  673  erfolgt  ist  ^  — 
Eacines  (I,  206)  Ansatz  von  Chlothars  Tod  auf  den 
10.  März  (Depoin  S.  210)  berührt  also  gerade  noch  die 
Grenzen,  und  so  habe  ich  selbst  diesen  Tag  N.  A.  XXXIII, 
755,  N.  6  angenommen,  ehe  ich  die  Arbeitsweise  Racines 
auf  Grund  der  Hs.  untersucht  hatte ;  ich  muss  dieses  Urteil 
jetzt  natürlich  zurücknehmen  und  den  Ansatz  für  wertlos 
erklären.  Eben  jene  Urkunde  hat  ihn  wohl  veranlasst, 
den  Tod  des  Königs  an  deren  Ausstellungstag  erfolgen  zu 
lassen ;  es  liegt  allerdings  auch  eine  andere  Möglichkeit  vor, 
eine  Verwechslung  mit  dem  986  gestorbenen  Karolinger 
Lothar  (954—986).  Sein  Tod  ist  freilich  am  2.  März  ein- 
getreten (vgl.^  F.  Lot,  Les  derniers  Carolin giens,  Biblio- 
theque  de  l'Ecole  des  Hautes  Etudes  87,  1891,  p.  164)'; 
aber  gerade  in  einem  alten  Pariser  Nekrologium,  dem  von 
Saint  -  G  ermain  -  des  -  Pres,  das  Racine  aus  der  Hs.  oder  eher 
der  Ausgabe  von  Bouillart  gekannt  hat  (vgl.  oben  S.  31, 
Anm.  2),  hat  man  den  Tod  'Lohttharii  regis'  irrtümlich 
beim  10.  März,  bei  'VI.  Idus'  statt  bei  'VI.  Nonas  Martias', 
eingetragen  (A.  Longnon,  Notices  et  documents  publies 
pour  la  Societe  de  l'histoire  de  France,  1884,  p.  23 ;  Moli- 
nier,  Obituaires  de  Sens  I,  1,  p.  253),  so  dass  Racines  An- 
gabe auch  auf  diese  Eintragung  zurückgehen  kann,  die 
nach  dem  Alter  der  Schrift  mit  den  Herausgebern  um  so 
mehr  auf  den  Karolinger  bezogen  werden  muss,  als  das 
Nekrologium  von  St.- Germain  sonst  für  die  Merowiugerzeit 
nicht  ergiebig  ist. 

24)  Childerich  IL,  bis  zum  Tode  Chlothars  III.  König 
von  Austrasien,  gewann  nach  Verdrängung  des  dritten 
Bruders  Theuderich  III.  auch  die  Herrschaft  über  Neustrien 
und  Burgund  und  herrschte  dort  nach  der  Oxforder  Kom- 


1)  Da  die  Urkunde  des  Amandus  vom  17.  April  des  2.  .Jahres 
Theuderichs  III.  (SS.  R.  Merov.  V,  483),  also  674  oder  675,  die  Unter- 
schriften der  Bischöfe  von  Reims,  Noj^on  und  Cambrai  sowie  zweier 
Aebte  aufweist,  so  hat  Krusch  (eb.  S.  399)  die  Frage  aufgeworfen,  ob 
nicht  etwa  die  Osterfeier  jene  in  dem  Kloster  des  Amandus  zusammen- 
geführt hatte ,  die  nach  dem  Cyklus  des  Victorius  675  am  15.  oder 
22.  April  stattfand  (Auct.  ant.  IX,  697),  während  674  mit  dem  2.  April 
als  Ostertag  sich  weiter  von  dem  Urkundendatum  entfernt.  Der  Tod 
Chlothars  müsste  dann  nach  dem  17.  April  673  angesetzt  werden.  Da 
diesen  Darlegungen  doch  eine  gewisse  Unsicherheit  anhaftet,  habe  ich 
das  Ergebnis  in  der  Tabelle  nicht  verwertet. 


i 


Das  Nekrologimn  von  Dom  Racine.  47 

putation  (vgl.  23)  2  Jahre  6  Monate  (d.  li.  mehr  als  5, 
weniger  als  7  Monate) ;  seine  Ermordung  fällt  also  in  die 
Zeit  vom  11.  Angust  bis  14.  Nov.  675.  Bereits  auf  Neu- 
strischem  Boden,  in  der  Normandie,  also  einige  Zeit  nach 
dem  Tode  Chlothars  und  nicht  vor  Ende  März  673  stand 
er  noch  im  11.  Jahre  (Vita  Lantberti  Lugdun.  c.  3;  vgl. 
N.  A.  XXXIII,  758,  N.  5),  ist  also  frühestens  Ende  März 
662  König  von  Austrasien  geworden.  Nach  den  Katalogen 
herrschte  er  14  Jahre,  d.  h.  er  hat  das  13.  überschritten 
und  hat  spätestens  am  13.  Nov.  662  den  Thron  bestiegen. 

25)  Krusch,  Forschungen  S.  481  ff.  hatte  als  Epoche 
Theuderichs  III.  die  erneute  Thronbesteigung  nach  der 
Ermordung  Childerichs  im  Herbst  675  betrachtet,  nicht 
die  erste  Erhebung  nach  dem  Tode  Chlothars  im  Frühjahr 
673;  er  hat  aber  später  selbst  erkannt  (N.  A.  XVI,  579, 
N.  1),  dass  nur  die  letztere  den  Ausgangspunkt  für  die 
amtliche  Jahreszählung  des  Königs  gebildet  haben  kann, 
eine  Auffassung,  die  dann  Vacandard  a.  a.  O.  ausführlicher 
begründet  hat  und  die  durch  das  Datum  der  in  der  Pa- 
riser Hs.  Lat.  n.  7530  überlieferten  Unterschrift  des  Pa- 
puhis  bestätigt  wird,  nach  welcher  der  25.  Febr.  674  in 
das  erste  Jahr  Theuderichs  fällt  (Nouveau  traite  de  diplo- 
matique III,  294 ;  vgl.  P.  Lejay,  Revue  de  philologie  XVIII, 
1894,  p.  53  ff.;  Krusch,  SS.  R.  Merov.  V,  289,  N.  1).  — 
Nach  meinen  Ausführungen,  Beiträge  S.  364  f.,  bei  denen 
die  unter  26  folgenden  Bemerkungen  zu  berücksichtigen 
sind,  ist  Theuderich  frühestens  am  2.  Sept.  690  und  vor 
dem  13.  April  691  gestorben;  auch  hier  hat  sich  Racine 
(II,  212)  mit  dem  14.  Sept.^  innerhalb  der  zulässigen  Grenzen 
gehalten. 

26)  und  27)  Wie  ich  früher  ausgeführt  habe  (Beiträge 
S.  361  ff.),  steht  das  Todesjahr  Childeberts  III.  711  fest; 
dagegen  weist  die  üeberlieferung  in  Bezug  auf  den  Tag 
einen  Widerspruch  auf,  indem  die  Annales  S.  Medardi  von 
Soissons  (SS.  XXVI,  519)  ausdrücklich  den  14.  April  an- 
geben-, dagegen  das  4.  Jahr  Dagoberts  III.  in  einer  nur 
abschriftlich  überlieferten  Urkunde  Pippins  vom  2.  März 
714  (Mühlbacher-  n.  20;  vgl.  N.  A.  XXVII,  361)  nötigt, 
den  Tod  Childeberts  spätestens  auf  den  2.  März  711  an- 
zusetzen. Ich  habe  mich  einst  für  das  letztere  Datum  ent- 
schieden, wenn  ich  auch  hervorhob,  dass  'eine  sichere  Ent- 


1)  Vgl.  oben  S.  20,  Anm.  2.  2)  Auch  Racine  I,  289  hat,   wie 

der  "Wortlaut  zeigt  (Depoin  S.  212),  hier  offenbar  nur  aus  den  genannten 
Annalen  geschöpft. 


48  Wilhelm  Levison. 

Scheidung  ausgeschlossen'  sei  (S.  367),  und  habe  daher  bei 
der  weiteren  Untersuchung  angenommen,  dass  Chlodwig  III., 
dessen  Tod  nach  dem  2.  Sept.  694  und  spätestens  695 
erfolgt  ist  (S.  362  f.),  vor  dem  2.  März  695  Childebert  Platz 
gemacht  habe,  der  sein  16.  Jahr  überschritten  hat.  Wenn 
ich  mich  heute  umgekehrt  für  die  bestimmte  Tagesangabe 
jener  Annalen  entscheide  und  mithin  annehme,  dass  die 
Jahreszahl  IUI  der  Urkunde  Pippins  aus  III  entstellt  ist 
(vgl.  Beiträge  S.  367,  N.  2;  Depoin  S.  380),  so  veranlasst 
mich  dazu  die  Erwägung,  dass  man  gerade  in  St.-Medard 
über  den  Todestag  eben  Childeberts  III.  sehr  wohl  unter- 
richtet sein  konnte ;  denn  der  König  hat  seine  letzte  Ruhe- 
stätte in  dem  Kloster  Choisj- au- Bac  (dep.  Oise)  nahe  der 
Mündung  der  Aisne  gefunden  (Liber  bist.  Franc,  c.  50, 
p.  324),  das  seit  dem  9.  Jh.  zum  Besitz  von  St.-Medard 
gehörte  (vgl.  Gallia  christiana  IX,  388  ff. ;  Mühlbacher  - 
n.  842),  so  dass  es  begreiflich  erscheint,  wenn  dort  die  Er- 
innerung an  den  Todestag  des  Königs  fortlebte,  der  in  dem 
zugehörigen  nahen  Priorat  begraben  lag.  So  ergeben  sich 
die  Grenzen  3.  Sept.  694  und  13.  April  695;  wenn  also  Ra- 
cine I,  193  (Depoin  S.  212)  den  2.  März  als  Todestag  Chlod- 
wigs III.  nennt,  so  hat  er  ein  Datum  herausgegriffen,  das 
immerhin  der  Wirklichkeit  entsprochen  haben  kann.  Die 
Urkunden  Childeberts  IIL  vom  13/4.  Dez.  und  10.  Februar 
des  16.  Jahres  und  vom  12.  März  einer  noch  späteren  Zeit 
(Dipl.  Merov.  n.  77—79  und  75),  die  ich  S.  363  f.  zur  ge- 
naueren Zeitbestimmung  benutzt  habe,  können  nach  dem 
neuen  Ansatz  ebensowohl  in  den  Winter  710/11  wie  709  10 
gehören  ^  und  ermöglichen  keine  engere  Begrenzung  mehr. 
28)  Der  Tod  Dagoberts  III.  erfolgte,  wie  ich  gezeigt 
habe  (Beiträge  S.  360  f.),  in  der  Zeit  vom  25.  Juni  bis  Ende 
Dezember  715;  die  Bestimmung  der  vorderen  Grenze  beruht 
auf  einer  in  Metz  ausgestellten  Urkunde  des  Karolingers 
Hugo  vom  25.  Juni  des  5.  Jahres  (Dipl.  Merov.  p.  214; 
Mühlbacher-  n.  27),  bei  der  andere  Drucke  nach  einer 
zweiten  Abschrift  den  24.  Juni  als  Datum  nennen.  Die 
Verfasser  der  'Art  de  verifier  les  dates'  (1750)  p.  483  (und 
sicherlich  danach  Racine  I,  425,  bei  Depoin  S.  212)  geben, 
ohne  eine  Quelle  beizubringen,  den  24.  Juni  als  Todestag, 
was   man   bei    so   gewissenhaften   Forschern   wie   den  Ver- 


1)  Die  Jahreszahl  XII  des  Diploms   d.  75  kann  danach  nicht  nur 

aus  XQ  (=  16)  entstellt  sein,   sondern  auch  aus  XQI  (=  17),  was   noch 

näher  liegt,  und  Abt  Chiliard  von  St. -Denis  ist  zwischen   dem    14.  Dez. 
709  und  dem  12.  März  711  auf  Dalfin  gefolgt. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  49 

fassern  der  'Art'  nicht  gern  auf  eine  missbräuchliche  Ver- 
wendung jener  Urkunde  zurückführen  möchte,  für  die  es 
bei  ihnen  unter  den  Merowingerdaten  an  einem  Gegenstück 
fehlen  würde;  immerhin  ist  das  Zusammentreffen  so  auf- 
fällig, dass  es  mir  ratsamer  scheint,  von  einer  Verwertung 
der  Angabe  Abstand  zu  nehmen.  —  Die  üeberschrift  der 
Ostertafel  im  Codex  der  Formulare  von  Bourges  (Paris 
n.  10756),  auf  Grund  deren  Krusch,  N.  A.  X,  93  f.  den 
Anfang  Chilperichs  II.  von  715  auf  717  verschieben  wollte, 
weil  darin  das  Cyklusjahr  161  des  Victorius  (=  188  und 
720  n.  Chr.)  dem  4.  Jahr  eines  Königs  (der  Name  ist  nicht 
mehr  vorhanden)  gleichgesetzt  wird,  habe  ich  gegenüber 
den  anderen  Zeugen  a.  a.  O.  S.  367  f.  als  fehlerhaft  ab- 
gelehnt. Neuerdings  sucht  Ph.  Lauer  a.  a.  0.  darzulegen, 
dass  jene  Ostertafel  überhaupt  nicht  mit  720,  sondern  mit 
719  beginne,  also  gar  kein  Widerspruch  zu  den  anderen 
Quellen  vorliege.  Er  bemerkt  nämlich,  dass  die  oben  ge- 
gebene Umrechnung  von  Jahren  des  Victorius  in  Inkarna- 
tionsjahre zwar  an  sich  richtig  sei,  aber  nicht  der  Be- 
rechnungsweise der  Merowiugerzeit  entspreche,  die  das 
Jahr  188  des  'cycle  pascal'  dem  Jahr  719  (nicht  720)  n. 
Chr.  gleichgesetzt  habe.  Das  letztere  ist  nun  allerdings 
richtig,  soweit  die  Merowiugerzeit  überhaupt  den  Cyklus 
des  Dionysius  gekannt  hat,  da  er  das  erste  Jahr  seiner  Tafel 
dem  Jahr  532  n.  Chr.  entsprechen  liess;  aber  diese  Tat- 
sache ist  für  die  vorliegende  Frage  belanglos,  da  es  sich 
nicht  darum  handelt,  für  die  Jahre  von  Dionysius'  Oster- 
cyklus  die  entsprechenden  Jahre  nach  Christi  Geburt  zu 
finden,  sondern  für  den  Cyklus  des  Victorius.  Die  Dar- 
legungen von  Lauer  beruhen  auf  der  Verwechslung  der 
Cyklusjahre  des  Dionysius  mit  den  Inkarnationsjahren  und 
auf  der  falschen  Annahme,  dass  der  Anfang  der  'Anni 
Domini'  mit  dem  Anfang  eines  Dionysischen  Cyklus  zu- 
sammentrifft, was  nicht  der  Fall  ist.  Wenn  Dionysius  an  die 
Stelle  der  Diocletianischen  Aera  die  Rechnung  nach  Christi 
Geburt  setzte,  so  war  die  neue  Aera  von  dem  Ostercyklus 
unabhängig,  der  —  rückwärts  berechnet  —  ein  Jahr  v.  Chr. 
begonnen  haben  würde,  und  es  ist  für  die  Umsetzung  von 
Jahren  des  Victorius  in  Inkarnatiousjahre  ganz  gleichgültig, 
welche  Jahre  des  Ostercyklus  von  Dionysius  und  seinen 
Fortsetzern  ihnen  entsprochen  haben.  Nur  indem  Lauer 
beide  Dinge  zusammenwarf,  hat  er  die  Schwierigkeit  be- 
seitigt, die  sich  aus  der  Üeberschrift  der  Ostertafel  yom 
Bourges  ergibt,  und  wenn  er  auch  im  Ergebnis  mit  mir 
übereinstimmt,    so   ist    doch    der  Weg,    der   ihn  zu  diesem 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  4 


50  Wilhelm  Levison. 

Ziele  geführt  hat,  ein  Irrweg,  vor  dem  um  so  mehr  ge- 
warnt werden  muss,  als  Lauer  mit  der  Frage  methodische 
Betrachtungen  verbunden  hat,  die  sich  so  als  gegenstands- 
los erweisen. 

29)  Der  Tod  Chilperichs  II.  fällt  in  die  Zeit  vom 
31.  Januar  bis  13.  Mai  721  (Beiträge  S.  359);  so  stimmt 
der  13.  Februar  aufs  beste,  den  Depoin  S.  377  ff.  aus  einem 
Nekrologium  von  St.  Lucian  in  Beauvais  ermittelt  hat: 
'Idibus  Februarii  Silpericus  rex',  eine  Nachricht,  zu  deren 
Verwerfung  die  seltsame  Schreibweise  des  Namens  —  wohl 
ein  Schreibfehler  —  schwerlich  ausreicht,  zumal  man  einen 
König  Chilperich  als  Erneuerer  der  Kirche  des  h.  Lucian 
betrachtete  (vgl.  die  gefälschte  Urkunde  Dipl.  Merov.  p.  11, 
n.  8).  —  Racine  II,  330  (Depoin  S.  209)  gibt  den  5.  Nov. ; 
vgl.  oben  15. 

30)  Karl  Martell  hat  Chlothar  IV.  geraume  Zeit  nach 
dem  Sieg  bei  Vincy  (21.  März  717)  eingesetzt,  er  starb 
einige  Zeit  nach  der  Schlacht  bei  Soissons  (719);  vgl. 
Mühlbacher-  n.  30  und  31e.  Das  Diplom  Karls  Dipl.  Merov. 
p.  97,  n.  10  (Mühlbacher-  n.  32)  gestattet  seit  der  ein- 
leuchtenden Herstellung  des  Datums  durch  Havet  S.  252  ff. 
(vgl.  meine  'Beiträge'  S.  360)  nicht  mehr,  den  Tod  Chlo- 
thars  vor  den  2.  Dez.  719  zu  setzen;  ebensowenig  vermag 
ich  mit  Th.  Breysig  (Jahrbücher  des  fränkischen  Reiches 
714 — 741  S.  32.  120)  aus  dem  Datum  einer  nach  Jahren 
Chilperichs  rechnenden,  in  Strassburg  ausgestellten  Weissen- 
burger  Urkunde  vom  20.  Juni  719  (Zeuss,  Traditiones  pos- 
sessionesque  Wizenburgenses  p.  46,  n.  45 ;  Pardessus,  Diplo- 
mata  II,  451,  n.  43)  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  Chlothar 
damals  bereits  gestorben  war,  da  ja  die  Herrschaft  Chil- 
perichs durch  den  anderen  König  (d.  h.  Karl  Martell)  zwar 
bedroht  und  beschränkt,  aber  doch  nie  beseitigt  war,  und 
man  zudem  bereits  am  18.  Mai  718  in  einer  Weissenburger 
Urkunde  zur  Rechnung  nach  Jahren  Chilperichs  zurück- 
gekehrt war  (Zeuss  S.  184,  n.  195;  Pardessus  S.  449,  n.  41), 
obgleich  sie  von  einem  Notar  ausgestellt  ist,  der  am  3.  und 
13.  Februar  noch  nach  Chlothar  datiert  hatte  (Zeuss  S.  183. 
217,  n.  194.  227;  Pardessus  S.  446.  448,  n.  38.  40). 

31)  Theuderich  IV.  ist  in  der  Zeit  vom  31.  Januar 
bis  18.  Juni  737  gestorben  (Beiträge  S.  358).  Dazu  kommt 
einmal  das  von  Labbe  mitgeteilte,  mir  nur  durch  Le  Cointe 
(Annales  ecclesiastici  Francorum  IV,  885)  bekannte  Datum 
einer  Urkunde  für  St. -Benigne  in  Dijon  aus  dem  März 
von  Theuderichs  17.  Jahr  (vgl.  Beiträge  S.  359,  N.  6),  der 
mithin   im  März  737    noch   gelebt   hat.     Karl  Martell   hat 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  51 

bekanntlich  nach  dem  Tod  des  Königs  den  Thron  unbesetzt 
gelassen,  und  man  zählte  nun  die  nächsten  Jahre  von 
diesem  Ereignis  aus,  'anno  III.  post  obitum  Theoderici 
regis',  'annum  quintum  post  defunctum  Theodericum  regem' 
u.  s.  w.  In  diesem  Zusammenhang  scheint  mir  nun  die 
Datierung  einer  anderen  Urkunde  für  St. -Benigne  (Par- 
dessus  II,  300,  n.  491)  beachtenswert:  'ante  Kalendas  Ma- 
dias,  defuncto  domno  Theoderico  et  electo  Karolo  maiore 
domus'.  Ich  halte  es  für  wenig  wahrscheinlich,  dass  man 
derart  ohne  bestimmte  Jahresangabe  lange  Zeit  nach  dem 
Tode  Theoderichs  datiert  haben  wird  und  dass  die  Urkunde 
erst  Ende  April  738,  also  mindestens  über  neun  Monate 
nachher,  oder  in  einem  noch  späteren  Jahre  ausgestellt 
ist,  möchte  vielmehr  unbedenklich  annehmen,  dass  dies 
bald  nach  dem  Dahinscheiden  Theoderichs  geschehen  ist, 
höchstens  einige  Wochen  später,  so  dass  sein  Tod  bei 
dieser  Annahme  in  den  März  oder  April  737  gesetzt  werden 
muss.  Auch  hier  ist  Racine  I,  293  (Depoin  S.  213)  der 
Wahrheit  recht  nahe  gekommen,  wenn  er  das  Ereignis  zum 
15.  April  verzeichnet. 

32)  Ueber  die  Epoche  von  Childerichs  III.  Regierung 
vgl.  Hahn,  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  IV, 
161  ff.;  Jahrbücher  des  fränkischen  Reichs  741 — 752  S.  164, 
ferner  Levillain  a.  a.  O.  S.  3  ff.,  wo  jedoch  die  Grenze  des 
2.  März  auf  den  3.  zu  verschieben  ist  (vgl.  die  Verbesserung 
des  Datums  des  Capitulare  Suessionense,  MG.  Concilia  II, 
33,  durch  Krusch,  N.  A.  XXX,  708  f.).  —  Ueber  das  Ende 
der  Herrschaft  vgl.  Th.  Sickel,  Ueber  die  Epoche  der  Re- 
gierung Pippins  (Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte 
IV,  441 — 453);  Acta  regum  et  imp.  Karol.  I,  243  f.  sowie 
B.  Sepp,  Wann  wurde  Pippin  König?  (Altbayerische  Monats- 
schrift VIII,  1908,  S.  84—87).  Sickel  entscheidet  sich  für 
die  Zeit  vom  3.  bis  19.  Nov.  751,  während  Sepp  die 
Grenzen  auf  den  21.  Dez.  751  und  23.  Januar  752  ansetzt 
und  in  Epiphanie  752  oder  einem  der  drei  ersten  Sonntage 
des  Jahres  den  wahrscheinlichen  Tag  der  Erhebung  Pippins 
erblickte  Der  Unterschied  beruht  auf  der  abweichenden 
Wertung    der   sich    widersprechenden   Quellen,    in    diesem 


1)  Ueber  die  frühere  Literatur  vgl.  Sickel  S.  441  f.  Ihm  hat  sich 
namentlich  Mühlbacher  angeschlossen  (Deutsche  Geschichte  unter  den 
Karolingern  S.  56  f. ;  Regesten  n.  64a),  ferner  nachdrücklich  Tangl,  Das 
Todesjahr  des  Bonifatius  (Zeitschrift  des  Vereins  für  hessische  Geschichte, 
Neue  Folge  XXVII,  240),  der  N.  A.  XXXIV,  544  auch  eine  Widerlegung 
.Sepps  in  Aussicht  gestellt  hat. 

4* 


52  Wilhelm  Levison. 

Fall  der  verschiedenen  Eechnung  von  Privaturkunden,  die 
allein  eine  engere  Begrenzung  gestatten.  Sickel  gibt  den 
nur  in  Abschrift  vorliegenden  Weissenburger  Urkunden  den 
Vorzug,  von  denen  eine  (Zeuss,  Traditiones  possessionesque 
Wizenburgenses  p.  181,  n.  193)  'sub  die  XIII.  Kai.  Decb. 
anno  XIIII.  Pippini  regis'  ausgestellt  ist,  während  eine 
andere  (S.  254,  n.  264),  in  der  auf  die  erste  Bezug  ge- 
nommen wird,  das  Datum  aufweist:  'datum  quod  fecit 
mensis  Iuli[u]s  dies  XII,  anno  XIIII.  regnante  do- 
mino  nostro  Pip[pi]no  rege'  ;  da  andere  Quellen  die 
Grenzen  des  3.  Nov.  (sicherer  31.  Okt.)  751  und  14.  April 
752  ergeben,  so  setzt  er  wie  früher  schon  Waitz  Pippins 
Epoche  auf  spätestens  den  19.  Nov.  751.  Dagegen  lässt 
er  eine  im  Original  erhaltene  Urkunde  von  St.  Gallen 
(Wartmann,  ÜB.  der  Abtei  St.  Gallen  I,  24,  n.  21;  Steffens, 
Lateinische  Paläographie,  2.  Aufl. ,  Tafel  38)  unberück- 
sichtigt mit  der  Zeitangabe:  'anno  sexto  Pippini  regis  die 
Mercuris  XII.  Kl.  lan.',  die  dem  21.  Dez.  757  entspricht^ 
und  veranlasst,  die  Erhebung  Pippins  nach  dem  gleichen 
Tage  des  Jahres  751  anzusetzen.  Er  sieht  von  dieser  Ur- 
kunde ab  wegen  der  Möglichkeit,  dass  die  Regierungsjalire 
den  Kalenderjahren  angeglichen  sind,  'in  der  Weise,  dass, 
wenn  etwa  Pippin  im  Mai  752  König  geworden,  schon 
vom  25.  Dez.  752  als  Anfangstag  des  damaligen  Jahres  bis 
zum  24.  Dez.  753  angesetzt  ist  annus  II.  Pippini  regis' 
(S.  447  f.),  es  sich  also  um  vereinfachte,  nicht  um  wirkliche 
Herrscher] ahre  handelt.  Umgekehrt  gibt  Sepp  der  St. 
Galler  Urkunde  den  Vorzug  und  hebt  die  bereits  von  Zeuss 
(S.  344)  angedeutete  Möglichkeit  hervor,  dass  in  der 
Weissenburger  Urkunde  n.  193  die  Zahl  XIIII  aus  XIII 
entstellt  ist  (S.  86,  N.  6) ;  die  Grenze  des  23.  Januar  752 
gewinnt  er  aus  einer  Freisiuger  Urkunde  vom  23.  Januar 
759  (Bitterauf,  Die  Traditionen  des  Hochstifts  Freising  I, 
S.  43,  n.  15:  'X.  Kai.  Feb.  regnante  inlustrissimo  rege 
domno  Pippino  anno  octavo  regni  eins  et  venerabile  duce 
Tassilone  anno  XII.  regni  eins,  indictione  XII'),  bei  der 
Sickel    ebenfalls    mit    der    Anwendung    von    vereinfachten 


1)  Allerdings  sieht  die  Ziffer  aus  wie  'XU',  wie  denn  auch  die 
früheren  Herausgeber  'XV,  Kai.  lan.'  gelesen  haben;  doch  sind  die 
Römischen  Ziffern  für  2  und  5  ja  oft  kaum  zu  unterscheiden,  so  dass 
man  die  Lesung  Wartmanns  annehmen  darf.  Wenigstens  liegt  sie  näher 
als  der  ältere  Vorschlag,  das  Datum  in  'XV.  Kai.  lun.'  zu  ändern  (der 
18.  Mai  757  fiel  auf  einen  Mittwoch) ;  bei  dieser  Aenderung  bliebe  das 
Datum  jener  Weissenburger  Urkunde  und  damit  der  Ansatz  Sickels  be- 
stehen. 


Das  Nekrologium  von  Dom  Racine.  53 

Herrscher  Jahren  und  der  Nichtberücksichtigung  des  Epochen- 
tages gerechnet  hatte,  da  eine  solche  sich  damals  wie 
später  nachweisen  lasse,  was  in  diesem  Fall  für  sein  End- 
ergebnis belanglos  war.  Eine  sichere  Entscheidung  ist  um 
so  mehr  ausgeschlossen,  als  keine  der  drei  Urkundengruppen 
von  Irrtümern  in  den  Zeitangaben  frei  ist,  weder  die  nur 
in  Abschriften  erhaltenen  Urkunden  von  Weissenburg  und 
Freising  ^  noch  die  St.  Galler  Originale  ^.  Dennoch  glaube 
ich  mit  diesem  Vorbehalt  anders  entscheiden  zu  müssen 
als  Sickel,  so  ungern  man  sich  auch  entschliesst,  einem  so 
ausgezeichneten  und  sorgfältigen  Forscher  zu  widersprechen. 
Einmal  ist  es  mir  sehr  zweifelhaft,  ob  wirklich  für  diese 
Zeit  sichere  Beispiele  jener  vereinfachten  Jahresrechnung 
sich  nachweisen  lassen  ^,  bei  denen  nicht  die  Annahme 
eines  Rechen-  oder  Schreibfehlers  näher  liegt,  und  ferner 
sind  auch  sonst  in  Weissenburger  Urkunden  die  in  Ziffern 
wiedergegebenen  Herrscherjahre  mehrfach  bei  der  Abschrift 
entstellt  worden  *,  während  die  St.  Galler  Urkunde  als 
Original  mit  der  in  Buchstaben  ausgeschriebenen  Zahl 
immerhin  eine  etwas  bessere  Gewähr  geben  dürfte.  So 
scheint  es  mir  ratsamer,  Pii^pins  Erhebung  erst  der  Wende 
des  Jahres  (22.  Dezember  bis  23.  Januar)  als  schon  dem 
November  751  zuzuweisen.  Auf  eine  genauere  Bestimmung 
innerhalb  jener  Grenzen  wird  man  freilich  verzichten 
müssen,  und  es  ist  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  die 
Erhebung  des  neuen  Königs  schon  Weihnachten  erfolgt  ist; 
'dass  das  Weihnachtsfest  als  Friedensfest  zur  Vornahme 
einer  Gewalttat,  wie  es  die  Entthronung  Childerichs  III. 
war,  sich  schlecht  eignete'  (Sepp  S.  86),  ist  eine  Erwägung, 
die  moderner  Betrachtung  näher  liegen  dürfte  als  jener 
rauhen  Zeit^ 


1)  Ich  sehe  daher  auch  von  anderen  bei  Sepp  besprochenen  Ur- 
kunden ab,  namentlich  auch  von  Bitterauf  n.  17  mit  ihren  sich  wider- 
sprechenden Daten.  Vgl.  auch  Bitterauf  S.  Lllfi'.;  Tangl,  N.  A.  XXXI,  266. 

2)  Vsrl  Wartmann  I,  n.  20.  27.  37  und  42  (=  Arndt- Tangl,  Schrifttafeln 
zur  Erlernung  der  Lateinischen  Palaeographie  III,  Tafel  71b);  dort  liegt 
ein  Fehler  im  Herrscherjahr,  hier  in  der  Römischen  Tagesbezeichnung  vor. 

3)  Zudem  würde  bei  Sickels  Ansatz  (November  751)  das  zweite  Jahr 
Pippins  nach  der  vereinfachten  Rechnung  schon  mit  Weihnachten  751  be- 
ginnen; alle  St.  Galler  Urkunden,  die  wegen  der  Verbindung  von  Wochen- 
tag und  Tagesdatum  sich  bestimmt  festlegen  lassen  (zusammengestellt 
von  Sepp  S.  85  f.),  widersprechen  der  Annahme  einer  solchen  Rechnung. 

4)  Vgl.  den  Index  von  Zeuss  S.  340  ff.,  n.  1.  11.  31.  50.  51.  56.  74.  90. 
178  u.  a.;  dazu  N.  A.  XXVII,  359,  N.  6  und  363,  N,  1;  Levillain  a.  a.  0. 
S.  10,  N.  4.  5)  Zu  Levillains  Annahme  (S.  9  f.),  dass  die  Absetzung 
Childerichs  (nach  dem  20.  Juni  751)  einige  Zeit  vor  der  Erhebung  Pippins 
anzusetzen  sei,  bieten  die  Quellen  keinen  genügenden  Anhalt. 


IIL 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik. 


Von 


Robert  Holtzmann. 


Quellenkritische  Untersuchungen  stehen  heute  bei 
einem  Teil  unserer  Historiker  nicht  sonderlich  hoch  im 
Kurs.  Und  es  wäre  nicht  ganz  gerecht,  wollte  man  meinen, 
dass  das  nur  eine  Folge  davon  sei,  dass  sich  die  Interessen 
der  Forschung,  die  durch  die  Monumenta  Germaniae  histo- 
rica  über  ein  halbes  Jahrhundert  lang  in  erster  Linie  auf 
das  deutsche  Mittelalter  und  die  hier  einladenden  quellen- 
kritischen Probleme  konzentriert  waren,  allmählich  wieder 
anderen  Dingen  zugewendet  haben.  Sondern  es  ist  wohl 
kein  Zweifel,  dass  die  Quellenkritik  gelegentlich  allzu  sehr 
um  ihrer  selbst  willen  geübt  wurde  und  ein  erhebliches 
Mass  von  Arbeitskraft  und  Geistesschärfe  absorbiert  hat 
auch  in  Fällen,  in  denen  das  Ergebnis  für  unsere  Er- 
kenntnis der  historischen  Vorgänge  im  Grunde  herzlich 
gleichgültig  war.  Solchem  Vorwurf  glaubt  die  nachstehende 
Untersuchung  nicht  ausgesetzt  zu  sein.  Wer  sich  je  quellen- 
mässig  mit  der  Geschichte  Konrads  II.  beschäftigt  hat, 
der  weiss,  von  welch  ausserordentlich  praktischer  Bedeu- 
tung gerade  für  unsere  Kenntnis  vom  Hergang  der  Ereig- 
nisse das  viel  ventilierte  Problem  einer  verlorenen  Schwä- 
bischen Weltchronik  ist,  die  den  eigentümlichen  Zusammen- 
hang einer  Reihe  unserer  Hauptquellen  erklären  soll.  Die 
meisterhafte  Darstellung,  die  H.  Bresslau  in  den  Jahr- 
büchern der  Deutschen  Geschichte  von  der  ßegierunsf 
Konrads  II.  gegeben  hat,  beruht  zu  einem  erheblichen 
Teil  auf  der  Annahme  dieser  verlorenen  Quelle  und  auf 
der  Art,  wie  er  sich  die  Beziehung  der  erhaltenen  Quellen 
zu  ihr  gedacht  hat.  Hat  er  in  der  quellenkritischeu  Frage 
geirrt,  so  irrt  auch  seine  Darstellung  an  nicht  wenigen 
Punkten.  Nun  hat  sich  aber  hierüber  —  über  das  Problem 
der  Schwäbischen  Weltchronik  —  in  der  Tat  seit  über 
zehn  Jahren  eine  lebhafte  Kontroverse  erhoben,  und  in 
den  Vordergrund  wurde  dabei  neuerdings  in  Sonderheit  die 
Frage  nach  dem  Verhältnis  Wipos  zur  Schwäbischen  Welt- 
chronik geschoben.  Die  Biographie  Kourads  II. ,  die  wir 
seinem  Kaplan  Wipo  verdanken,  einst  die  Grundlage  alles 
Wissens  über  den  Kaiser,  wird  zweifellos  immer  zu  unseren 


58  Robert  Holtzmann. 

wiclitigsten  Quellen  über  ihn  gehören.  Eben  bei  Wipo 
bandelt  es  sich  aber  um  die  Frage,  ob  seine  Gesta  Chuon- 
radi  II.  ein  völlig  originales  Werk  sind,  oder  ob  auch  in 
ihnen  bereits  die  Schwäbische  Weltchronik  benutzt  ist. 
Von  den  wichtigen  Folgerungen,  die  sich  daraus  für  die 
Geschichte  Konrads  II.  ergeben,  werden  wenigstens  einige 
bei  der  Untersuchung  dieser  Frage  zur  Erörterung  kommen. 


Die  Geschichte  und  der  derzeitige  Stand  des  Problems 
verhält  sich  in  kurzen  Worten  folgendermassen.  Während 
ehedem  niemand  an  der  Originalität  Wipos  gezweifelt  hat  ^, 
machte  zuerst  E.  Steindorff  in  den  Forschungen  zur  Deut- 
schen Geschichte  VI  (186G)  darauf  aufmerksam,  dass  die 
Gesta  Chuonradi  auf  einer  annalistischen  Grundlage  beruhten 
und  in  nahen  Beziehungen  zu  den  Annalen  von  St.  Gallen 
(Annales  Sangallenses  maiores)  ständen.  Die  Erklärung, 
die  er  anfänglich  dafür  geben  zu  sollen  glaubte  (Benutzung 
der  Annalen  bei  Wipo),  modifizierte  er  angesichts  der  wech- 
selnden Vorzüge  hüben  und  drüben  alsbald  ebenda  VII 
(1867)  dahin,  dass  wir  vielmehr  für  beide  Quellen  eine  ge- 
meinsame annalistische  Grundlage  anzunehmen  hätten,  eine 
verlorene  Quelle  also,  die  in  Schwaben,  vielleicht  wie  die 
Annalen  in  St.  Gallen,  entstanden  und  jedenfalls  um  1010 
in  St.  Gallen  benutzt  worden  sei.  Diese  sofort  von  G.  Waitz 
(ebenda  397)  übernommene  Entdeckung  hat  weittragende 
Folgen  zu  ziehen  vermocht.  Zunächst  hat  J.  Harttung 
(der  sich  später  v.  Pflugk- Harttung  nannte)  in  seiner  Dis- 
sertation (Studien  zur  Geschichte  Konrads  II.,  1876,  S.  1 — 10) 
den  Nachweis  gebracht,  dass  auch  die  Chronik  des  Her- 
mann von  Reichenau,  in  der  man  bis  dahin  Wipo  und  die 
Annalen  von  St.  Gallen  benutzt  glaubte,  vielmehr  gleich- 
falls auf  die  verlorene  Quelle  zurückgehe  —  ein  wichtiges 
Ergebnis,  da  es  gestattete,  die  letztere  über  die  Regierungs- 
jahre  Konrads  zurück  zu  verfolgen.  H.  Bresslau  hat  schliess- 
lich im  Neuen  Archiv  II  (1877)  noch  ein  viertes  Werk,  das 
bis  dahin  als  ein  (nur  durch  einige  anderweitige  Zusätze 
vermehrter)   in   St.   Gallen   angefertigter  Auszug   aus   Her- 


1)  Vgl.  u.  a.  G.  A.  H.  Stenzel,  Geschichte  Deutschlands  unter  den 
Fränkischen  Kaisern  II  (1828),  S.  41  ff.;  L.  Häusser,  Ueber  die  Teutschen 
Geschichtschreiber  vom  Anfang  des  Frankenreichs  bis  auf  die  Hohen- 
staufen  (1839)  S.  77 ;  G.  H.  Pertz,  Ueber  Wipos  Leben  und  Schriften,  Ab- 
handlungen der  Kgl.  Akademie  der  Wissensch.  zu  Berlin  1851,  S.  228  ff. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  59 

manns  Chronik  gegolten  hatte  und  daher  Epitome  Sangal- 
lensis  genannt  worden  war,  auf  die  verlorene  Quelle  zurück- 
geführt und  in  Chronicon  Suevicum  iniiversale  umgetauft  ^, 
sowie  in  scharf  umrissenen  Ausführungen  Wesen,  Charakter 
und  Inhalt  des  verlorenen  Quellenwerkes  festgestellt.  Es 
reichte  danach  bis  1040,  war  in  annalistischer  Form  ge- 
halten und  stammte  entweder  aus  St.  Gallen  oder  aus 
Reichenau.  Als  Namen  hatte  Bresslau  zuerst  'Schwäbische 
Reichsannalen'  vorgeschlagen  2,  das  später  aber  wegen  des 
universellen  Charakters  der  Quelle,  die  mit  ErschafEung 
der  Welt  begann  und  ihrem  annalistischen  Schema  ver- 
mutlich die  Zählung  nach  Kaiserjahren  (zuletzt  unter  Bei- 
fügung der  Inkarnationsjahre,  wie  in  der  Epitome)  zu 
Grunde  legte,  in  'Schwäbische  Weltchronik'  geändert  ^. 

An  gelegentlichem  Widerspruch  hat  es  diesen  Auf- 
stellungen nie  gefehlt.  Schon  das  Ergebnis  Steindorffs  ist 
angefochten  worden,  1875  von  W.  v.  Giesebrecht^  1876 
von  W.  Pfiüger^,  1877  von  J.  Kaizl'^;  gegen  die  Weiter- 
führung seiner  These  durch  Bresslau  wandte  sich  1882 
eine  Dissertation  von  P.  Kiessling ''.  Diese  Arbeiten  haben 
freilich  der  Gegenseite  die  Widerlegung  nicht  schAver  ge- 
macht, und  die  Hypothese  von  der  Schwäbischen  Welt- 
chronik fand  daher  zunächst  ziemlich  allgemeine  Zustim- 
mung, um  so  mehr,  als  auch  W.  Wattenbach  ^  in  den  spä- 


1)  Eben  weil  er  bestritt,  dass  es  eine  Epitome  aus  Hermann  sei, 
und  damals  auch  den  St.  Gallener  Ursprung  bezweifelte.  Ich  kehre  zu 
der  alten  Bezeichnung  Epitome  Sangallensis  zurück,  freilich  in  anderem 
Sinne,  indem  ich  darunter  einen  St.  Gallener  Auszug  aus  der  Schwäbischen 
Weltchronik  verstehe ;  vgl.  zur  Rechtfertigung  unten  den  Abschnitt  VIII. 
2)  N.  Archiv  II,  576.  3)  MG.  SS.  XIII  (1881),  62  Z.  6  f. ;  N.  Archiv 

VIII  (1883),  188.  4)  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  II,  4.  Aufl., 
562.  563,  Anm.  2.  5)  N.  Archiv  II,  1.  Heft.  Die  Ansicht  von  Giese- 
brecht  und  Pflüger  ist  die,  dass  Wipo  in  den  Annalen  von  St.  Gallen 
benutzt  sei.  Das  ist  aber  zweifellos  unmöglich ;  vgl.  Bresslau,  N.  Archiv 
II,  587 — 596,  dem  sich  in  dieser  Hinsicht  auch  Dieterich  in  seinem  gleich 
zu  nennenden  Buch  über  die  Geschichtsquellen  von  Reichenau  S.  121 
anschliesst.  6)    Dissertation   über  Wipo,   seine  Schriften,    insbesondere 

seine  Vita  Chuonradi  imj^.,  Wien,  ohne  J.  Hier  wird  überhaupt  jeder 
Zusammenhang  zwischen  Wipo  und  den  Annalen  von  St.  Gallen  be- 
stritten, was  reiner  Dilettantismus  ist;  vgl.  Bresslau  a.  a.  O.  S.  587,  N.  2. 
An  Pflüger  oder  Kaizl  scheint  sich  auch  F.  Stefi"anides,  Wipo  und  seine 
historische  Schrift:  Das  Leben  Kaiser  Konrads  II.  (20.  .Tahresbericht  der 
Communal  -  Oberrealschule  in  Böhm.  Leipa  für  188283)  anzuschliessen, 
der  aber  lediglich  referiert  und  die  inzwischen  erschienene  Untersuchung 
Bresslaus  nicht  kennt.  7)  Beiträge  zur  Kritik   einzelner  Annalen   des 

XI.  Jh.;  vgl.  dagegen  Bresslau,  N.  Archiv  VIII,  188  —  190.  Auch 
Giesebrecht  II,  5.  Aufl.  (1885),  S.  561  f.,  N.  1  blieb  bei  seinem  Zweifel. 
8)  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittelalter  bis  zur  Mitte  des  13.  Jh., 


60  Robert  Holtzmann. 

teren  Auflagen    seiner  bekannten,   grundlegenden  Quellen- 
kunde sie  rezipiert  hat. 

Dagegen  erhob  gewichtigen  Einspruch  das  Buch  von 
J.  R.  Dieterich,  Die  Geschichtsquellen  des  Klosters  Reichenau 
bis  zur  Mitte  des  elften  Jh.,  1897^,  das  in  dem  schweren 
Rüstzeug  wissenschaftlicher  Kritik  und  ausgedehnter 
Quellenstudien  einherschreiteud  eine  Fülle  neuer  Hypo- 
thesen aufstellte ,  von  denen  die  wichtigsten ,  soweit  sie 
uns  hier  interessieren,  die  folgenden  sind.  Dieterich  geht 
aus  von  einer  Untersuchung  des  Chronicon  Wirziburgense, 
das  man  bisher  als  eine  durch  Zusätze  aus  anderen  Quellen 
vermehrte  Ableitung  der  Epitome  Sangallensis  angesehen 
hatte  -,  und  stellt  die  These  auf,  dass  es  vielmehr  auf  die 
gemeinsame  Quelle  der  Epitome  und  der  Chronik  Hermanns 
zurückgehe.  Darauf  baut  er  dann  die  weiteren  Thesen, 
dass  diese  gemeinsame  Quelle  ein  grosses  Sammelwerk  ge- 
wesen sei,  eine  kompilatorisch  angelegte  Quellensammlung, 
die  in  Reichenau  von  Hermann  selbst  als  Grundlage  seiner 
historischen  Arbeiten  augefertigt  worden  sei,  das  'Hand- 
exemplar', dessen  sich  Hermann  nun  ferner  bediente,  als 
er  an  die  Ausarbeitung  seiner  Werke  ging ;  denn  ausser 
dem  Handexemplar  werden  Hermann  hier  zugeschrieben: 
die  Epitome,  verlorene  Gesta  Chuonradi  et  Heinrici  impera- 
torum ,  die  (wie  die  Epitome)  bis  1044  gereicht  haben 
sollen,  und  schliesslich  die  uns  erhaltene  Chronik.  Die 
Würzburger  Chronik  hingegen  stelle  einen  Auszug  aus  dem 
Handexemplar  dar,  'der  nicht  anders  als  schülerhaft  be- 
zeichnet werden  kann',  und  sei  daher  (von  den  später  in 
Würzburg  hinzugekommenen  Lokalnotizen  abgesehen)  wohl 
von  einem  Schüler  Hermanns,  'etwa  unter  der  Aufsicht 
des  Meisters',  gefertigt  worden.  Durch  die  Konstruktion 
des  Handexemplars  war  es  nun  freilich  unmöglich  gemacht, 
auch  Wipo  und  die  St.  Galler  Annalen  auf  diese  Vorlage 
der  Epitome  und   der  Chronik  Hermanns   zurückzuführen; 


zuerst  3.  Aufl.  II  (1874),  12  für  Steindorff  und  4.  Aufl.  II  (1878),  39 
für  Bresslau:  jetzt  0.  Aufl.  II  (1894),  14  u.  46.  Auch  H.  ßasche,  Die 
Vita  Conradi  von  Wipo  beleuchtet  und  erörtert  (Programm  der  städt. 
Mittelschule  zu  Olpe  für  1876—77)  S.  6  f.  und  K.  Henking  in  den  Mittheil, 
zur  Vaterland.  Geschichte,  herausg.  vom  bist.  Verein  in  St.  Gallen  XIX 
(N.  F.  IX,  1884),  364  f.  haben  sich  an  Steindorff  bezw.  Bresslau  an- 
geschlossen, i)  Doch  hat  der  Verf.  die  Ergebnisse  schon  zwei  Jahre 
zuvor  in  seiner  Habilitationsschrift  vorweggenommen :  J.  Dieterich,  Die 
Polenkriege  Konrads  II.  und  der  Friede  von  Merseburg,  1895.  Auch 
muss  damals  bereits  ein  Teil  des  oben  genannten  Buches  gedruckt  ge- 
wesen sein ;  vgl.  unten  Abschnitt  VI.  2)  G.  Buchholz,  Die  Würzburger 
Chronik,  1879. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  61 

denn  —  von  zeitlichen  Schwierigkeiten  ganz  abgesehen  — 
wie  sollte  Wipo  und  wie  sollte  man  in  St.  Gallen  zu 
dieser  von  Hermann  für  seinen  Privatgebrauch  hergestellten 
Kompilation  gekommen  sein?  Daher  nun  hier  schliesslich 
abermals  ein  hypothesenreicher  Neubau.  Verlorene  Reiche- 
uauer  Annalen  (Annales  Alamannici  Augienses)  mit  selbst- 
ständigen schwäbischen  und  burgundischen  Nachrichten 
standen  sowohl  Hermann  (für  sein  Handexemplar)  als  dem 
St.  Galler  Annalisten  zur  Verfügung ;  in  diese  Reichenauer 
Annalen  aber,  die  bis  1041  gereicht  haben  sollen,  war  von 
ihrem  Verfasser  oder  von  einem  Späteren  für  die  Re- 
gierungsjahre Konrads  II.  ein  dürftiges  und  nachlässig 
gearbeitetes  Excerpt  aus  Wipos  Gesta  Chuonradi  (genauer  : 
aus  einer  ersten,  längere  Zeit  vor  1044  erschienenen  Aus- 
gabe dieser  Gesta)  eingearbeitet.  Ausserdem  hat  aber 
Hermann  für  seine  Gesta  Chuonradi  et  Heinrici  impera- 
torum  sowie  für  seine  Chronik  noch  einmal  Wipo  direkt 
herangezogen.     Dieser  selbst  aber  sei  völlig  original. 

Fnr  eine  solch  gewagte  Konstruktion  —  ich  habe 
hier  freilich  nur  einen  Teil  der  komplizierten  Hypothesen 
Dieterichs  angeführt  ^  —  wird  man  starke  Beweise  zu 
fordern  berechtigt  sein.  Als  man  daran  ging,  sich  ein- 
gehender ^  mit  seinen  Behauptungen  zu  beschäftigen,  hat 
freilich  gleich  die  erste  nicht  stand  gehalten.  Bresslau 
hat  im  N.  Archiv  XXV  (1900)  die  Quellen  des  Chronicon 
Wirziburgense  untersucht  und  hier  gegen  Dieterich  fest- 
gestellt, dass  wir  keine  Ursache  haben,  es  auf  eine  ver- 
lorene Quelle  zurückzuführen,  und  dass  das  angenommene 
Handexemplar  Hermanns  folglich  aus  der  Literatur  wieder 
zu  streichen  ist.  In  der  Tat  hat  Bresslau  fast  den  ganzen 
Bestand  der  Würzburger  Chronik  auf  die  Epitome,  auf  das 
von  Dieterich  nicht  beachtete  Chronicon  universale  —  741 
(MG.  SS.  XIII,  1  fp.)  und  auf  des  Paulus  diaconus  Historia 
Romana     zurückgeführt  ;     betrejffs    der    ganz    vereinzelten 


1)  Ich  lasse  in  Sonderheit  hier  alles  weg,  was  mit  der  Frage  der 
verlorenen  Annales  Hildesheimenses  maiores  und  mit  Otto  von  Fi-eising 
zusammenhängt.  Diese  Punkte  bedürfen  erneuter  Untersuchung ,  die 
Hildesheimer  Frage  namentlich  mit  Rücksicht  auf  Dieterichs  gleich  zu 
erwähnende  zweite  Schrift  (von  1900).  2)  Ich  rechne  hierzu  nicht  die 
Dissertation  von  "Walther  Seydel,  Studien  zur  Kritik  "Wipos  (1898),  die 
sich  hauptsächlich  mit  den  Angriffen  Pflugk-Harttungs  gegen  die  Glaub- 
würdigkeit "Wipos  auseinandersetzt  und  hier  ihre  Verdienste  hat,  die  sich 
aber  mit  der  von  Dieterich  aufgeworfeneu  Frage  nur  beiläufig  in  einer 
oßenbar  nachträglich  angefügten  Anmerkung  (S.  39  f.)  beschäftigt;  was 
hier  gegen  Dieterich  vorgebracht  wird,  genügt  natürlich  nicht  zur  "Wider- 
legung. 


62  Robert  Holtzmaun. 

Notizen,  die  übrig  bleiben,  stellte  er  die  Vermutung  auf, 
dass  sie  vielleicht  auf  eine  etwas  reichere  Rezension  der 
Epitome  zurückgingen,  von  der  vielleicht  auch  in  den 
Annales  Admuntenses,  dem  Auctarium  Garstense  und  den 
Annales  S.  Eudberti  Salisburgenses  (alles  SS.  IX)  noch 
Spuren  zu  erkennen  seien.  Jedenfalls  schien  mit  der 
Beseitigung  der  These  Dieterichs  über  die  Würzburger 
Chronik  und  das  Handexemplar  Hermanns  seinen  anderen 
Erörterungen  der  Boden  entzogen,  sodass  Bresslau  hoffen 
konnte,  dass  Dieterich  seinen  vs^eiteren  Widerspruch  gegen 
die  Schwäbische  Weltchronik  aufgeben  werde.  Das  war 
freilich  eine  schwere  Täuschung.  Dieterich  nahm  die 
Bresslau'schen  Ergebnisse  zwar  an,  benutzte  sie  aber  in 
einem  neuen  Buch  zu  neuen,  nicht  minder  überraschenden 
Hypothesen,  die  zwar  den  alten  vielfach  direkt  wider- 
stritten, aber  doch  wenigstens  einige  Teile  des  alten  Baus 
neu  stützen  sollten. 

Dieses  zweite  Buch  von  J.  E.  Dieterich,  Streitfragen 
der  Schrift-  und  Quellenkunde  des  deutschen  Mittelalters, 
1900,  besteht  aus  zwei  Teilen  ^,  von  denen  uns  hier  nur 
der  zweite,  über  die  Grundlagen  der  bairisch- österreichischen 
Annalistik  und  die  Chroniken  Hermanns  von  Eeichenau 
handelnde  interessiert.  Die  Arbeit,  im  Ton  autoritativsten 
Selbstbewusstseins  geschrieben,  soll  laut  Vorwort  die  in 
dem  ersten  Buch  vertretene  Auffassung  fester  begründen ; 
sie  hat  sie  in  Wahrheit,  ohne  dem  Leser  ein  Wort  darüber 
zu  sagen,  in  wesentlichen  Punkten  gänzlich  umgestaltet. 
In  Sonderheit  ist  das  Handexemplar  Hermanns  hier  still- 
schweigend in  einer  Versenkung  verschwunden.  Statt 
dessen  lesen  wir  jetzt  folgendes :  Hermann  hat  nicht 
weniger  als  vier  Chroniken  geschrieben,  zuerst  die  Epitome, 
dann  die  Vorlage  jener  drei  österreichischen  Annalen,  die 
Bresslau  eben  erst  in  die  Debatte  gebracht  hatte  -,  hierauf 
<lie  gleichfalls  verlorene  Vorlage  zur  Würzburger  Chronik 
(welche  Vorlage  dann  in  Würzburg  nicht  nur  mit  Lokal- 
notizen  ausgestattet,  sondern  vor  allem  'chronologisch  ganz 
verwirrt'  wurde)  und  schliesslich  die  Chronik,  die  schon 
immer  als  das  Werk  Hermanns  gegolten  hat.    Dazu  kämen 


1)  Der  erste  betrifft  die  Hersfeld  -  Hildesheimer  Annalenfrage  und 
stellt  hier  einschneidende  neue  Hypothesen  auf;  vgl.  die  in  mehr  als  einer 
Hinsicht  sehr  instruktive  Anzeige  von  Bresslau  im  N.  Archiv  XXVI  (1901), 
241  —  253.  2)  Dieterich  übernimmt   die  von  Bresslau   nur   vermutete 

Vorlage  der  drei  Quellen  als  etwas  sicher  Gegebenes,   leugnet  aber,    dass 
sie  in  der  Würzburger  Chronik  benutzt  sei. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  63 

dann  ausserdem  noch  die  Gesta  Chuonradi  et  Heinrici 
imperatorum ;  denn  hinsichtlich  ihrer  werden  die  früheren 
Ausführungen  durch  das  neue  Buch  nicht  berührt.  Man 
erkennt,  von  den  Aenderungen  im  Einzelnen  abgesehen, 
wie  auf  diese  Art  an  die  Stelle  des  Handexemplars  ge- 
wissermassen  die  Persönlichkeit  Hermanns  als  verbindendes 
Glied  trat;  wobei  freilich  sich  diesmal  die  Notwendigkeit 
einstellte,  Hermann  bei  der  Ausarbeitung  seiner  letzten 
Chronik  (oder,  wenn  man  so  will,  der  letzten  Gestalt  seiner 
Chronik)  alle  seine  Hauptquellen,  die  er  schon  früher  be- 
nutzt hatte,  nochmals  heranziehen  zu  lassen  —  eine  Ar- 
beitsweise Hermanns,  die  Dieterich  früher  als  undenkbar 
abgelehnt  hatte.  So  hat  sich  allerdings  viel  geändert. 
Im  übrigen  aber  glaubt  Dieterich  nun  trotz  der  Kritik 
Bresslaus,  wie  die  Autorschaft  Hermanns  für  die  Epitome  ^, 
so  auch  seine  alte  Ansicht  über  Wipo  und  die  St.  Galler 
Annalen  aufrecht  erhalten  zu  können,  und  triumphierend 
ruft  er  zum  Schluss  aus,  an  keine  Kapitulation  zu  denken. 
Die  Frage  der  Quellen  des  Chronicon  Wirziburgense  wiege 
überhaupt  'verhältnismässig  leicht  gegenüber  jener  un- 
gleich interessanteren  des  Verhältnisses  Wipos  zu  Hermanns 
Chronik  und  Gesta  Chuonradi  et  Heinrici  imperatorum 
und  zu  den  Annales  Sangallenses  maiores.  Hier  stehen 
wichtige  Probleme  der  Reichsgeschichte 
auf  dem  Spiele'.  Den  letzten  (von  mir  gesperrten) 
Satz  kann  ich  freilich  nur  unterschreiben.  Und  eben  des- 
halb wollen  wir  nun  in  der  Tat  die  Thesen  Dieterichs  über 
Wipo  und  seine  Beziehungen  zu  Hermann  und  den 
Annalen  von  St.  Gallen  gleichfalls  der  von  ihrem  Urheber 
herausgeforderten  Untersuchung  unterziehen.  Er  hat  diese 
Thesen  in  seinem  ersten  Buch  aufgestellt  und  begründet. 
Mit  diesem  ersten  Buch  haben  wir  uns  daher  auch  hier 
vornehmlich  zu  beschäftigen,  und  nur  gelegentlich  kommt 
auch  das  zweite  (durch  dessen  Aenderungen  unser  Problem 
wenig  berührt  wird)  daneben  in  Betracht  2. 


1)  Dass  davon  gar  keine  Rede  sein  kann,  hat  inzwischen  Bresslau, 
N.  Archiv  XXVII  (1902),  127—157  dargetan.  Ebenda  S.  157—169  folgt 
der  stringente  Nachweis,  dass  das  Verhältnis  der  Chronik  Hermanns  zur 
Epitome  sich  nur  durch  eine  gemeinsame  Quelle  erklären  lasse.  Die 
neuen  Aufstellungen  Dieterichs  über  die  Chronik  Hermanns  und  die 
Epitome  sind  damit  widerlegt,  ebenso  wie  auch  ein  von  Chr.  Volkmar 
in  den  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  XXIV  (1884)  begründeter 
Versuch ,  die  Epitome  zur  Vorlage  Hermanns  zu  machen.  Von  dem 
durch  Bresslau  a.  a.  0.  S.  169  skizzierten  ferneren  Programm  will  die 
vorliegende  Untersuchung  den  ersten  Punkt  erledigen.  2)   Ich   wähle 


64  Robert  Holtzmann. 


II. 


Bei  der  Entscheidung-  in  der  Frage,  ob  W  eine  ver- 
lorene annalistische  Quelle  —  die  Schwäbische  Welt- 
chronik, Vorlage  zugleich  für  S,  H  und  E  —  benutzt  hat, 
oder  ob  er,  wie  Dieterich  will,  ein  völlig  originales  Werk 
bietet,  empfiehlt  es  sich,  zwischen  äusseren  und 
i  n  n  e  r  e  n  G  r  ü  n  d  e  n  zu  unterscheiden.  Diese  ergeben 
sich  aus  gewissenhafter  Vergleichung  des  Textes,  den  die 
vier  genannten  Quellen  bieten.  Jene  haften  an  Merk- 
malen, die  ausserhalb  der  gegenseitigen  textlichen  Be- 
ziehungen liegen.  Wir  beschäftigen  uns  in  diesem  Ab- 
schnitt zunächst  mit  den  äusseren  Gründen,  die 
man  zur  Erledigung  des  strittigen  Problems  heranziehen 
zu  dürfen  glaubte.  Es  sind  deren  zweierlei.  Der  eine  be- 
trifft eine  Aussage  von  W  über  seine  Quellen,  der  andere 
die  Abfassungszeit  der  in  Betracht  kommenden  Werke. 

Die  Aussage  Wipos  findet  sich  gleich  am  Anfang 
seines  Werkes ,  in  dem  der  Biographie  vorangestellten 
Widmungsschreiben  an  Heinrich  III.  Missgünstige  Leute, 
so  meint  er  hier  ^,  würfen  ihm  vielleicht  vor,  das  Werk 
sei  überflüssig,  da  schon  andere  über  denselben  Gegenstand 
geschrieben  hätten,  'obwohl  ich  noch  nichts  Schriftliches 
darüber  gesehen  habe'.  Man  kann  zweifeln,  ob  W  hier 
wirklich  jede  schriftliche  Quelle  ableugnet,  oder  ob  er 
nicht    vielmehr    nur    sagen    wollte,    er    habe    noch    keine 


zur  Einfachheit  für  die    folgende  Untersuchung   einige  Abkürzungen: 
E  =  Epitome   Sangallensis    (Chronicon    Suevicum    universale ,    ed. 

H.  Bresslau  SS.  XIII). 
H  =  Hermann  von  Reichenau,  Chronicon  (ed.  G.  H.  Pertz  SS.  V). 
S  =  Annales    Sangallenses    maiores    (ed.    I.    v.    Arx    SS.    I    und 
K.    Henking    in    den    Mittheil,    zur    vaterländ.    Geschichte, 
herausg.  vom  hist.  Verein  in  St.  Gallen  XIX,  265  ff.). 
W  =  Wipo,    Gesta  Chuonradi  II.    (ed.  H.  Bresslau  in  den  SS.  rer. 
Germ,  in  usum  scholarum  2.  Aufl.  1878). 

FDG.  =  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte. 

N.  A,  =  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  altere  deutsche  Geschichts- 
kunde. 

JB.  =  Jahrbücher    des    Deutschen    Reichs    unter    Konrad    II.     (von 
H.  Bresslau,  2  Bde.  1879—1884). 

GQ.  =  GeschichtsqueUen  |    ^^^.^^  ^.^  ^^^^  S_  g^  ^^.^  ^^^  ^  ^^^ 

o7'  ~  c?    ,e^^  I        S.  62  zitierten  Bücher  von  Dieterich. 

Str.  =  ötreitiragen  J 

1)  S.  3:  'Si  vero  aliqui  calumpniantes  obiciunt  mihi,  hoc  opus  super- 
vacuum  esse,  cum  et  alii  de  eadem  re  scripserint,  licet  inde  nondum  ali- 
quid scriptum  vidissem,  respondebo'  etc. 


Wjpo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  65 

schriftliche  Quelle  über  den  von  ihm  behandelten  Gegen- 
stand, d.  h.  noch  keine  Biographie  Konrads,  gesehen.  Das 
letztere  war  die  Ansicht  von  Steindorff  ^,  der  freilich  damit 
auf  vielseitigen  Widerspruch  gestossen  ist  ^.  Ich  glaube 
nicht,  dass  diese  Frage  der  Interpretation  zweifelsfrei  ent- 
schieden werden  kann.  Ueber  eins  aber  darf  man  sich 
keinesfalls  im  Unklaren  sein,  nämlich  darüber,  dass  es 
sich  hier  lediglich  um  eine  Aussage  von  W  und  nicht  um 
einen  stringenten  Beweis  ihrer  ßichtigkeit  handelt.  Wir 
werden  dieser  Aussage  glauben,  so  lange  wir  keinen  Anlass 
haben,  sie  zu  bezweifeln.  Wenn  wir  aber  aus  anderen, 
kritischen  Ueberlegungen  heraus  zwingende  Beweise  dafür 
finden,  dass  W  eine  annalistische  Quelle  benutzt  hat,  so 
geht  es  natürlich  nicht  an,  dieses  Ergebnis  durch  den 
Hinweis  auf  obige  Worte  und  Wipos  'Wahrhaftigkeit' 
widerlegen  zu  wollen.  Das  hiesse,  das  Thema  probandum 
zur  Prämisse  machen.  Denn  über  Wipos  Wahrhaftigkeit 
wissen  wir  schlechterdings  nichts,  es  sei  denn  das  eine, 
dass  er  zweifellos  aus  höfischen  Rücksichten  die  Wahrheit 
des  öfteren  verschwiegen  oder  verdunkelt  hat\  Seine 
Worte  dürfen  uns  daher  einer  Untersuchung  seiner  Quellen 
nicht  überheben.  Und  wenn  es  sich  dabei  ergibt,  dass  er 
—  ausser  seinen  gewiss  recht  weit  reichenden  persönlichen 
Erlebnissen  und  mündlichen  Quellen  —  auch  eine  schrift- 
liche Quelle  vor  sich  gehabt  haben  muss,  so  kann  das 
durch  die  obige  Aussage,  wie  man  sie  auch  interpretieren 
will,  nicht  berührt  werden.  In  diesem  Falle  hat  vielmehr 
derjenige,  welcher  die  Interpretation  Steindorffs  nicht   an- 


1)  FDG.  VI,  480.  Ich  gestehe,  dass  mir  die  Interpretation  Stein- 
dorifs  keineswegs  unmöglich  zu  sein  scheint.  2)  Pflüger  N.  A.  II,  139  f. ; 
Kaizl  7  f. ;  Dieterich  GQ.  S.  117  f.,  Str.  S.  159.  Auch  Bresslau  N.  A.  II,  591  f. 
scheint  die  Interpretation  Stein'lorffs  abzulehnen.  Konfus  Rasche  S.  7. 
3)  Vgl.  u.  a.  F.  Wagner,  Die  Wahl  Konrads  II.  zum  Römischen  König 
(1871)  S.  7—27;  J.  v.  Pflugk  -  Harttung,  Untersuchungen  zur  Geschichte 
Kaiser  Konrads  II.  (1890)  S.  104—118.  Pflugk  -  Harttung  übertreibt. 
Die  Wahrheit  dürfte  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  ihm  und  der  nun 
ihrerseits  zu  weit  gehenden  Rettung  von  Seydel  (oben  S.  61,  N.  2)  liegen. 
Immerhin  gibt  auch  Seydel  zu,  dass  W  manche  für  Heinrich  III.  un- 
liebsame Erinnerung  stillschweigend  bei  Seite  Hess  (S.  Bfi),  dass  er  das 
Verhalten  der  Lothringer  bei  Konrads  Wahl  nach  kaiserlicher  Auffassung 
schildert  (S.  60  f.),  und  dass  sich  auch  sonst  bei  ihm  der  höfische  Stand- 
punkt bemerkbar  macht  (S.  41.  63).  Wichtiger  ist,  dass  W  eine  Kritik 
Konrads  nur  da  wagt,  da  aber  auch  immer  anbringt,  wo  Heinrich  III. 
seines  kirchlichen  Standpunkts  wegen  von  den  Anschauungen  seines  Vaters 
abwich.  Darauf  reduzieren  sich  die  von  Pflüger  S.  152  f.  und  von  Kaizl 
S.  22  f.  vorgebrachten  Belege  seiner  Wahrhaftigkeit.  Mit  vollem  Recht 
hat  schon  Häusser  S.  77  hervorgehoben,  dass  W  oft  parteiisch  ist. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  5 


66  Robert  Holtzmann. 

erkennt,  sich  damit  abzufinden,  dass  W  hier  etwas  ver- 
schweigt, —  oder  vielleicht  auch  noch  eine  andere  Er- 
klärung zu  suchen^. 

Die  Frage  nach  der  Abfassungszeit  der  hier  zur 
Debatte  stehenden  Quellen,  über  die  Dieterich  GQ.  S.  125 
— 134  handelt,  kam  deshalb  für  ihn  besonders  in  Betracht, 
weil  die  bis  dahin  herrschenden  Anschauungen  seiner  An- 
nahme, dass  W  in  der  gemeinsamen  Quelle  von  SHE  (seinen 
Reichenauer  Annalen)  bereits  benutzt  sei,  widerstritten. 
Nach  Bresslau  soll  die  Vorlage  von  SHE  (die  Schwäbische 
Weltchronik,  die  er  auch  von  W  benutzt  sein  lässt)  bis 
1040  gereicht  haben-;  als  Abfassungszeit  (bezw.  Abschluss 
des  Werkes)  kämen  die  Jahre  1040  bis  spätestens  1044  in 
Betracht.  Später  erst  habe  W  geschrieben.  Seine  Bio- 
graphie Konrads  war  nach  ziemlich  allgemeiner  Anschauung ''' 
in  einer  ersten  Gestalt  vor  der  Kaiserkrönung  Heinrichs  III. 
(Weihnachten  1046)  angefertigt,  aber  erst  nachher  (1047 — 
1049)  mit  einigen  Aenderungen  publiziert  und  dem  Kaiser 
überreicht  worden;  diese  Annahme  einer  späteren  üeber- 
arbeitung  gründet  sich  darauf,  dass  Heinrich  III.  uns  in 
dem  Werk  zumeist  noch  als  König,  an  einigen  Stellen  aber 
auch  bereits  als  Kaiser  entgegentritt^,  sowie  noch  auf  einige 


1)  Man  könnte  vielleicht  an  die  Möglichkeit  denken,  dass  W  erst 
im  Laufe  der  Arbeit  die  Chronik  erhielt.  Nach  der  zitierten  Aeusserung 
wusste  er  doch  zweifellos,  dass  es  bereits  andere  Werke  über  den  von 
ihm  behandelten  Stoff  gab,  und  es  kann  nicht  auffallen,  wenn  er  ein 
solches  erhielt  (vielleicht  sich  besorgte).  Der  nachweisbare  Zusammen- 
hang zwischen  W  und  SHE  beginnt  erst  mit  W  10,  und  dafür  dass  das 
Widmungsschreiben  zu  Beginn  des  Werkes  wenigstens  im  Entwurf  schon 
der  ersten  Fassung  angehörte,  spricht  seine  Ueberschrift ;  vgl.  darüber 
und  über  entgegenstehende  Momente    unten  N.  4.  2)  N.  A.  II,  576. 

586.  Die  hier  vertretene  Ansicht,  dass  die  Weltchronik  (wegen  Be- 
nutzung der  bis  1040  oder  1043  reichenden  Annäles  Hildesheimenses 
maiores)  nicht  gleichzeitig,  sondern  erst  etwas  nach  1040  (später  ge- 
legentlich: 'um  1044')  abgefasst  worden  sei,  braucht  nicht  festgehalten 
zu  werden,  wenn  Dieterich  (Str.  S.  1 — 112)  mit  seiner  Ansicht,  dass  es 
diese  Ann.  Hildesh.  mai.  nie  gegeben  habe,  recht  hat.  Doch  kann  diese 
Frage  heute  noch  nicht  entschieden  werden ;  vgl.  Bresslau  N.  A.  XXVI, 
241  f.  XXVII,  163  f.  3)  Bresslau  N.  A.  II,  591.  Aehnlich  Giesebrecht 
5.  Aufl  II,  560  (abgefasst  vor  1045,  letzte  Gestalt  um  1049) ;  Rasche 
S.  6  (vollendet  1047—  50) ;  Pflüger  S.  133  (vollendet  1047) ;  Steffanides 
S.  4;  Wattenbach  6.  Aufl.  II,  15  (um  Weihn.  1046).  .1.  Harttung  FDG. 
XVIIl  (1878) ,  614  f.  bestritt  zu  Unrecht  die  Annahme  einer  Ueber- 
arbeitung,  die  J.  May  ebenda  S.  619  —  623  mit  neuen  Gründen  stützte. 
Zu  weit  dürfte  P.  Hasse  in  den  Mitteil,  aus  dem  Stadtarchiv  von  Köln 
V,  Heft  13  (1887),  83—87  fürs  erste  Kapitel  gehen.  4)  Im  Widmungs- 
brief und  an  zwei  Stellen  der  Darstellung  (Kap.  8  u.  29).  Daher  ver- 
mutete Bresslau  N.  A.  II,  588,  dass  der  Widmungsbrief  erst  nach  Heinrichs 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  67 

andere  Spuren  nachträglicher  Einschaltung-.  War  aber  die 
Vorlage  von  SHE  älter  als  W,  so  konnte  sie  natürlich 
nicht  W  bereits  benutzt  haben,  sondern  nur  umgekehrt  in 
W  gleichfalls  benutzt  sein.  Dieterich  ist  daher  darauf 
bedacht,  die  Abfassungszeiten  zu  verschieben.  Zwar  hin- 
sichtlich der  Vorlage  von  SHE  war  da  wenig  zu  machen. 
Dieterich  weist  hier  nur  zu  1041  noch  einen  Zusammen- 
hang zwischen  S  und  E  nach  und  führt  demnach  seine 
ßeichenauer  Anualen  bis  zu  diesem  Jahr  herab  ^  Um  so 
energischer  wird  die  erste  Rezension  von  W  hinaufgesetzt. 
Und  hier  hat  er  nun  zweifellos  in  so  fern  recht,  als  die 
Ueberarbeitungen  in  W  schon  vor  der  Kaiserkrönung  Hein- 
richs III.  begonnen  haben  müssen.  Denn  eine  Stelle  über 
die  Ungarn  in  Kap.  1  (S.  10),  die  schon  Giesebrecht  als 
nachträglichen  Einschub  erkannt  hatte,  ist  ofEenbar  nach 
dem  Ungarnsieg  Heinrichs  (Juli  1044),  aber  bereits  vor  dem 
Sturz  König  Peters  (August  1046)  geschrieben  worden. 
Möglich  also,  dass  auch  die  von  Dieterich  herangezogene 
Stelle  des  Kap.  36  (S.  42),  in  welcher  der  Tod  Ariberts 
von  Mailand  (f  15.  Januar  1045)  erwähnt  wird,  bereits  der 
Ueberarbeitung  angehört.  Ich  meinerseits  zweifle  ja  über- 
haupt daran,    dass   es   jemals   eine  wirklich  abgeschlossene 


Kaiserkröuung  geschrieben  sei,  musste  dann  jedoch  die  Ueberschrift 
('Epistola  ad  regem  Heinricum,  Chuonradi  imperatoris  filium')  einem 
Schreiber  zuweisen.  Aber  gerade  dass  ein  späterer  Schreiber  Heinrich  III, 
als  König  bezeichnet  habe,  ist  an  sich  nicht  sehr  wahrscheinlich  (um  so 
weniger  als  der  Brief  mit  den  Worten  'Gloriosissimo  imperatori'  beginnt), 
und  Dieterich  GQ.  S.  131  macht  darauf  aufmerksam,  dass  wir  auch  sonst 
sehr  gut  an  eine  Ueberarbeitung  des  Briefs  nach  der  Kaiserkrönung 
denken  können.  Ich  würde  mich  in  dieser,  wegen  der  oben  S.  66,  N.  1 
berührten  Möglichkeit  beachtenswerten  Frage  unbedenklich  auf  Dieterichs 
Seite  stellen,  also  auch  die  N.  A.  11,  589  begründete  Ansicht  von  einer 
Aenderuug  des  Programms  bei  W  aufzugeben  bereit  sein,  wenn  mir  nicht 
eine  Stelle  des  Schreibens  auf  die  Voi'gänge  zu  Sutri  und  Rom  Dez.  1046 
anzuspielen  schien.  W  kündigt  nämlich  auch  eine  Biographie  Heinrichs  III. 
an  und  sagt,  er  wolle  zwischen  Konrad  und  ihm  so  unterscheiden,  'ut 
alterum  rem  publicam,  utpote  Romanum  Imperium,  salubriter  incidisse, 
alterum  eamdem  rationabiliter  sanavisse  veraciter  dicam'.  Welche  andere 
Sanierung  des  Imperiums  kann  er  im  Auge  haben?  Oder  gehört  dieser 
Satz    auch    der  Ueberarbeitung   an?  1)    GQ.    S.  159,    vgl.    S.  244  f.; 

vorher  (S.  88.  128)  hatte  er  sich  zweifelnd  geäussert.  Die  Frage  nach 
dem  Befund  der  Hs.  von  S  (ebd.  S.  126—128,  vgl.  Henking  S.  363  — 
365)  kann  hier  ausscheiden;  es  ist  sehr  möglich,  dass  die  Annahme  von 
Steindorff,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reichs  unter  Heinrich  111.  1  (1874), 
444,  wonach  wir  es  in  den  Jahresberichten  1040  —  44  mit  gleichzeitigen 
Eintragungen  zu  tun  hätten,  irrig  ist  und  die  Abfassungszeit  von  S  etwas 
weiter  herabgesetzt  werden  darf. 

5* 


68  Robert  Holtzmann. 

erste  Rezension  der  Gesta  Chuonradi  gegeben  hat\  und 
noch  mehr  daran,  dass  sie  publiziert  oder  in  einem  Excerpt 
etwa  zwischen  1041  und  1044  in  Eeichenau  benutzt  wurde. 
Aber  die  theoretische  Möglichkeit  dieser  Annahme  ist,  mit 
äusseren  Gründen  wenigstens,  nicht  zu  widerlegen.  Denn 
wir  vermögen  keinen  Zeitpunkt  anzugeben,  vor  welchem 
die  erste  Rezension  nicht  vollendet  gewesen  sein  könnte, 
es  sei  denn  der  Tod  und  das  Begräbnis  Konrads  II.  Also : 
für  wahrscheinlich  wird  man  es  nach  dem,  was  wir  über 
die  Abfassungszeit  unserer  Werke  wissen,  nicht  gerade 
halten,  dass  in  der  Vorlage  von  SHE  bereits  ein  Excerpt 
aus  W  benutzt  sei,  aber  die  absolute  Unmöglichkeit  lässt 
sich  auf  diesem  Wege  allerdings  nicht  beweisen.  Immerhin 
werden  nur  schwerwiegende  innere  Gründe  uns  zur  An- 
nahme einer  so  früh  abgeschlossenen  ersten  Rezension  von 
W  bestimmen  können. 

III. 

Wir  wenden  uns  also,  nachdem  unsere  Betrachtung 
der  äusseren  Gründe  im  wesentlichen  zu  einem  negativen 
Ergebnis  geführt  hat ,  nunmehr  zu  den  inneren 
Gründen,  die  zur  Entscheidung  unseres  Problems  heran- 
gezogen worden  sind,  d.  h.  wir  untersuchen  den  inneren 
Zusammenhang  der  Nachrichten,  die  W  bietet,  mit  den 
entsprechenden  Nachrichten  von  SHE  und  suchen  zu  er- 
kennen, ob  wirklich  W  bereits  in  der  Vorlage  von  SHE 
benutzt  ist  (wie  Dieterich  behauptet),  oder  ob  es  sich  dabei 
nicht  vielmehr  umgekehrt  verhält.  Dieterich  GQ.  S.  134 
— 158  glaubt  nämlich  in  dieser  Hinsicht  feststellen  zu 
dürfen,  dass  W  in  fünf  Fällen  gegenüber  den  schwäbischen 
Quellen  SHE  die  richtigere  Nachricht  biete,  aber  in  einer 
Form,  aus  der  man  noch  erkennen  könne,  dass  sie  die  Ur- 
sache zu  den  falschen  Nachrichten  in  SHE  geworden  sei; 
das  Verhältnis  lasse  darauf  schliessen,  dass  ein  oberflächlich 
angefertigtes  Excerpt  aus  W  in  der  Vorlage  von  SHE  ent- 
halten gewesen  sei  und  die  guten  Nachrichten  von  W  in 
dürftiger  und  z.  T.  irriger  Gestalt  den  schwäbischen  Quellen 
vermittelt  habe.    W  aber  sei  völlig  original. 

Hierzu  ist  von  vornherein  zu  bemerken,  dass  es  an 
sich  natürlich  noch  kein  Beweis  für  Dieterich  ist,  wenn 
festgestellt    wird,    dass    W    gegenüber    den    schwäbischen 


1)    Ich   glaube   vielmehr,    dass  Wipo    seine    Ergänzungen   während 
der  Arbeit  eingeschoben  hat. 


Wipo  und   die  Schwäbische  Weltchronik.  69 

Quellen  manchmal  das  Richtige  hat.  Der  Stammbaum, 
den  Dieterich  GQ.  S.  12-1:  für  diesen  Fall  den  Anhäng-ern 
der  Hypothese  von  einer  in  W  benutzten  Schwäbischen 
Weltchronik  unter  Einschiebung  einer  weiteren  verlorenen 
Quelle  aufdrängen  will : 

Schwab.  Weltchronik 
W  X 


S  H  E 


ist  durchaus  unnötig  und  irreführend.  Denn  eben  so  gut 
kann  W  selbständig  Irrtümer  seiner  Vorlage  berichtigt 
haben,  und  wir  werden  sehen,  dass  in  einigen  Fällen  die 
Sache  in  der  Tat  sicher  so  steht.  Die  Benutzung  der 
Schwäbischen  Weltchronik  in  W  soll  ja  überhaupt  nicht 
so  verstanden  werden,  dass  W  damit  ein  ganz  unselbstän- 
diger ,  nur  auf  diese  seine  Quelle  angewiesener  Autor 
würde.  Solch  törichte  Anschauung  über  den  kaiserlichen 
Kaplan,  die  Dieterich  allerdings  der  Gegenseite  in  die 
Schuhe  schiebt,  hat  noch  niemand  geäussert.  Wir  haben 
uns  vielmehr,  wenn  wir  bei  nachstehendem  Stammbaum 
bleiben : 

Schwab.  Weltchronik 

W  S  1  E 

das  Verhältnis  zwischen  W  und  seiner  Vorlage  so  zu  denken, 
dass  W  die  annalistisch  geordnete  Quelle  als  chronologi- 
schen Leitfaden  benutzte,  ihr  so  zu  sagen  das  Thema  ent- 
nahm, es  aber  mannigfach  variierte.  W  hat  seine  Vorlage 
bisweilen  gekürzt,  viel  häufiger  jedoch  durch  selbständige 
Nachrichten  erweitert,  gelegentlich  auch  verbessert.  Er 
ist  von  den  Ableitungen  der  Schwäbischen  Weltchronik 
für  seine,  zeitlich  beschränkte  Periode  verhältnismässig  am 
selbständigsten.  Wie  ja  auch  der  wörtliche  Anschluss  bei 
ihm  verhältnismässig  am  geringsten  ist.  Es  muss  also  für 
Dieterich  darauf  ankommen,  in  solchen  Fällen,  wo  W  gegen- 
über SHE  (wirklich  oder  angeblich)  das  Richtige  hat,  nach- 
zuweisen, dass  der  Irrtum  oder  die  Ungenauigkeit  in 
den  schwäbischen  Quellen  eben  durch  die  Benutzung  von 
W  in  ihnen  erklärt  werden  kann  oder  muss.  In  der  Tat 
ist  das  sein  Ziel,  und  auch  wir  werden  diesen  Gesichts- 
punkt im  Auge  zu  behalten   haben,    wenn   wir   nun   daran 


1)  Dieterich  druckt  die  Ableitungen  von  X  etwas  anders,  da  er 
seine  Hypothese  vom  Handexemplar  Hermanns,  auf  das  E  und  H  zurück- 
gehen sollen,  hier  als  erwiesen  ansieht. 


70  Robert  Holtzmann. 

gehen,  die  fünf  Fälle,  die  Dieterich  hervorhebt,  im  ein- 
zelnen zu  betrachten  (Abschnitt  III — VII). 

Die  beiden  ersten  betreffen  W  10 — 19  bezw.  die  Jahre 
1026 — 27,  und  zwar  der  eine  die  Vorgänge  auf  dem  ersten 
Eömerzug  Koiirads,  der  andere  die  gleichzeitige  Fürsten- 
verschwörung in  Deutschland. 

Zu  den  Nachrichten  über  den  ersten  Römerzug  be- 
merkt Dieterich  GQ.  S.  134  —  138  (vgl.  auch  S.  99— 101) 
folgendes:  H  und  S  erzählen  zu  1026,  dass  Konrad  das 
ganze  diesseits  von  Eom  gelegene  Italien  mit  Ausnahme 
von  Lucca  unterworfen  habe  (H:  'totam  praeter  Luccam, 
urbem  Tusciae,  Italiam  in  Cisromanis  partibus  sibi  subiu- 
gavit' ;  S :  'eam  [Italiam]  sibi  poene  totam  eis  Romam 
subiugavit,  sola  Lucca  sibi  resistente  cum  Reginhero  mar- 
chione).  Die  Nachricht  ist  falsch ;  denn  der  König  war 
in  diesem  Jahre  nur  in  Oberitalien,  ist  südlich  nicht  über 
Ravenna  hinausgekommen  ^.  Die  falsche  Nachricht  erklärt 
sich  aber  nach  Dieterich  dadurch,  dass  sie  auf  einem,  durch 
Missverständnis  oder  Gedankenlosigkeit  irrig  zusammen- 
gepressten  Excerpt  von  W  12  und  15  beruht.  W  12  erzählt 
zu  1026  ganz  richtig  'totam  pene  Italiam  plan  am  suae 
ditioni  subiugavit' ;  W  15  zu  1027  ebenso  zutreffend  'Ve- 
niens  autem  ad  Lucam  civitatem  invenit  eam  sibi  adversam 
ciim  Reginhero  marchione.  Ibi  rex  paululum  moratus  post 
paucos  dies  civitatem  et  marchionem  in  deditionem  acce- 
perat  omnemque  Tusciam  sibi  breviter  subiugavit'.  Diese 
Nachricht  zu  1027  sei  also  der  Kürze  halber  in  dem  Ex- 
cerpt gleich  mit  zu  1026  gestellt  worden.  Nun  wider- 
streitet dieser  Annahme  allerdings  auf  das  entschiedenste 
die  Tatsache,  dass  H  zu  1027  noch  einmal  auf  Lucca 
zurück  kommt  und  ganz  wie  W  15  die  Ergebung  der  Stadt 
meldet.  Das  nennt  Dieterich  kurzer  Hand  einen  'Wider- 
spruch' von  H  zum  vorangehenden  Jahresbericht,  welcher 
Widerspruch  sich  daraus  erkläre,  dass  Hermann  neben  der 
Vorlage  mit  dem  W- Excerpt  auch  noch  selbständig  W 
herangezogen  habe. 

Ich  glaube,  eine  einfache  Lektüre  unserer  Quellen 
wird  diese  Erklärung  höchst  gewunden  und  überflüssig  er- 
scheinen lassen.  Man  schreibt  wahrlich  dem  Excerptor  ein 
raffiniertes  Vorgehen  vor,  wenn  man  ihn  aus  'Italia  plana' 
bei  W  in  das  Excerpt  'Italia  in  Cisromanis  partibus'  (oder 
'eis  Romam)  aufnehmen  lässt.    W  12  berichtet,  dass  Konrad 


1)    Auch   nicht   nach  Pescara;   vgl.   darüber  jetzt   Bresslau   N.  A, 
XXXIV,  69—73. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  71 

1026  fast  das  ganze  ebene  Italien  (d.  h.  Oberitalien)  unter- 
worfen habe,  dass  er  aber  Pavia  nicht  nehmen  konnte, 
und  erzählt  nun  ausführlich  seine  Unternehmungen  gegen 
die  Pavesen  und  ihre  Anhänger.  Ein  Excerpt  aus  diesem 
Kapitel  hätte  die  Unterwerfung  von  ganz  Oberitalien  ausser 
Pavia  und  nicht  die  Unterwerfung  des  cisrömischen  Italien 
ausser  Lucca  hervorgehoben.  Und  durch  die  angebliche 
Verschmelzung  von  W  15  mit  W  12,  die  der  Excerptor  so 
töricht  vornahm,  soll  der  klügere  Hermann  sogar  zu  einem 
'Widerspruch'  verleitet  worden  sein.  Dieser  'Widerspruch' 
ist  jedoch  ganz  willkürlich  in  ihn  hineininterpretiert  worden, 
lediglich  um  der  Behauptung  willen,  dass  in  seinem  Bericht 
zu  1026  bereits  ein  Excerpt  aus  W  15  vorliege.  H  1026 
erzählt,  wie  oben  (S.  70)  angeführt,  die  Unterwerfung  des 
cisrömischen  Italien  ausser  Lucca;  H  1027  fährt  fort: 
'Counradus  rex  .  .  in  ulteriora  progressus  Luccam  cum 
Reginhero  marchione  in  deditionem  accepit  Romamque 
perveniens  .  .  Imperator  coronatus  est'.  Jetzt  also  gelangt 
er  weiter  nach  Lucca  und  Rom.  Wo  in  aller  Welt  ist  hier 
ein  Widerspruch,  der  auf  eine  doppelte  Vorlage  schliessen 
liesse?  Die  Sache  liegt  doch  wohl  vielmehr  ganz  einfach 
so:  die  ungenaue  Nachricht  von  der  Unterwerfung  des 
cisrömischen  Italien  ausser  Lucca  im  Jahre  1026  stand  in 
der  allen  unseren  Quellen  gemeinsamen  Vorlage,  die  W  auf 
Grund  seiner  besseren  Kenntnis  hier  berichtigte.  Der 
Irrtum  hat  bei  einer  schwäbischen  Quelle  ebenso  wenig 
etwas  auffallendes  wie  die  gute  Information  bei  W.  Die 
Schwäbische  Weltchronik  erzählte  (ohne  jeden  inneren 
Widerspruch)  zu  1026  die  Unterwerfung  des  cisrömischen 
Italiens  ausser  Lucca,  zu  1027  die  Unterwerfung  Luccas 
und  die  Kaiserkrönung  in  Rom.  W  hat  die  Ungenauig- 
keit  zu  1026  beseitigt,  den  Bericht  auf  Grund  eigener 
Kenntnis  stark  erweitert,  im  übrigen  aber  hier  sogar  den 
Wortlaut  seiner  Vorlage  beibehalten  ^. 


1)  Vgl.  die  Zusammenstellungen  bei  Dieterich  GQ.  S.  135.  137, 
N.  5.  Doch  beschränken  sich  die  Entlehnungen  bei  W  auf  die  Kap.  12 
u.  15,  da  der  Satz  'ipse  cum  exercitu  copioso  Italiam  jjetere  coepit'  in 
Kap.  11  allein  wegen  der  drei  Worte  'cum  exercitu'  und  'Italiam'  nicht 
mit  H  verglichen  zu  werden  braucht  (wodurch  die  Verwunderung 
Dieterichs  GQ.  S.  136  f.  einigermassen  herabgemindert  wird).  Bei  einer 
etwaigen  Rekonstruktion  der  Vorlage  könnte  man  höchstens  zweifeln,  ob 
die  Worte  'cum  Reginhero  marchione'  zu  1026  (mit  S)  und  zu  1027  (mit 
H  und  W)  einzusetzen  sind,  oder  nur  zu  1027;  vermutlich  das  letztere, 
sodass  S  sie  dann  vorweggenommen  hätte,  da  es  die  Einnahme  von  Lucca 
1027,   vielleicht   mit  Rücksicht   auf  die   gemeldete   Ankunft   Konrads   in 


72  Robert  Holtzmann. 

IV. 

Was  sodann  die  Nachricbten  über  die  gleichzeitige 
Fürstenverschwörung  in  Deutschland  angeht,  so  glaubt 
Dieterich  GQ.  S.  138  — 146  hier  W  den  Vorzug  geben  zu 
sollen,  einmal  wegen  seiner  besseren  Chronologie  und  sodann 
vor  allem  wegen  seiner  Angaben  über  die  Beteiligung  des 
Grafen  Weif.  Die  Chronologie  dieser  bewegten  Jahre,  in 
denen  die  deutsche  Fürstenverschwörung,  die  Ereignisse  in 
Italien  und  allerhand  schwäbische  Lokalnachrichten  in 
unseren  Quellen  zusammenzustellen  waren,  ist  nirgends  be- 
sonders gut,  bei  W  aber  alles  in  allem  nicht  besser  als  bei 
den  anderen.  Wir  können  im  Gegenteil  auch  hier  noch 
erkennen,  wie  W  auf  dasselbe  Schema  zurückgeht,  das  der 
Vorlage  von  SHE  angehörte,  und  an  dem  er  nur  geringe, 
durch  seine  reichlicheren  Nachrichten  bedingte  Modifika- 
tionen vorgenommen  hat.  Dieterich  freilich  meint,  W 
ordne  pragmatisch,  indem  er  die  italienischen  Dinge  zwi- 
schen die  deutschen  einschiebe,  verfahre  aber  innerhalb 
dieser  Abschnitte  'mit  der  peinlichsten  chronologischen 
Genauigkeit ,  und  erst  der  Excerptor  habe  dann  bei  dem 
Versuch,  diese  pragmatische  Darstellung  in  seinen  annali- 
stischen Rahmen  zu  bringen,  das  grosse  Durcheinander 
verschuldet,  das  wir  in  den  drei  schwäbischen  Quellen 
finden.  Bei  der  Zergliederung  dieses  Durcheinanders 
(S.  138  f.)  versperrt  sich  Dieterich  aber  von  vornherein 
z.  T.  dadurch  die  richtige  Erkenntnis,  dass  er  in  H  zu 
Beginn  des  Jahresberichts  1026  die  Worte  'sedatis  ex  parte 
rebellibus'  übersieht:  dieses  Ereignis  gehört  noch  vor  den 
von  Dieterich  als  n.  I  gezählten  Abmarsch  des  Kaisers 
nach  Süden. 

Ich  stelle  zunächst  die  Ereignisse  der  Jahre  1025 — 27, 
wie  sie  nach  SHE  in  der  gemeinsamen  Vorlage  auf  ein- 
ander folgten,  hier  zusammen,  um  mit  ihnen  dann  die  Dar- 
stellung bei  W  vergleichen  zu  können.  In  den  Klammern 
gebe  ich  an,  in  welchen  der  drei  Quellen  das  Ereignis 
genannt  wird,  und  welche  Nummer  es  in  der  ähnlichen 
Zusammenstellung  bei  Dieterich  (der  erst  mit  1026  beginnt) 
trägt. 


Rom,  für  nicht  erwähnenswert  hielt.  Dass  E  seinen  ganz  kurzen  Auszug 
über  Konrads  Römerzug  und  Kaiserkrönung  (er  besteht  aus  den  Worten 
'ipse  Romam  pergens  imperator  efficitur')  zu  1026  stellt,  darf  natürlich 
in  keiner  Weise  mit  Dieterich  GQ.  S.  135  f.  für  seine  Hypothese  heran- 
gezogen werden,  da  die  Kaiserkrönung  sicher  (auch  nach  Dieterich)  in 
der  Vorlage  zu  1027  gestellt  war. 


Wipo  und  die  Scbwäbiscne  Weltchronik.  73 

[1025:]  1)  Aufstand  gegen  König  Konrad;  Teilnehmer: 
Konrad  der  Jüngere,  Ernst  von  Schwaben,  Graf  Weif  und 
viele  andere  (SHE).     2)  Teilweiser  Ausgleich  ^  (H). 

[1026 :]  3)  Designation  Heinrichs  (E).  4)  Vorgänge  in 
Italien  (SHE ;  Dieterich :  I  u.  II).  5)  Ernst  versöhnt,  er- 
hält Kempten  (H;  III  u.  IV).  6)  Neuer  Aufstand  Ernsts 
(H;  V).  7)  Bischofswechsel  in  Konstanz  (SHE;  VI).  8)  Tod 
der  Aebte  von  Kempten  und  Eheinau  (H;  VII).  9)  Fehde 
zwischen  Bischof  Bruno  von  Augsburg  und  Graf  Weif 
(HE  2;  VIII). 

[1027:]  10)  Vorgänge  in  Italien  (SH;  IX  — XII). 
11)  Rückkehr  nach  Deutschland  (SH).  12)  Unterwerfung 
Ernsts,  Welfs  und  anderer  in  Ulm  (SHE). 

So  also  ungefähr  hätten  wir  uns  die  Aufeinander- 
folge der  Ereignisse  in  der  gemeinsamen  Quelle  von  SHE 
zu  denken^.  Ist  es  wirklich  unmöglich  oder  unwahrschein- 
lich, dass  W  ein  ebensolches  Gerippe  vor  sich  hatte?  Wie 
verläuft  denn  seine  Erzählung?  In  Kap.  10  bringt  er  den 
Aufstand  der  Fürsten  gegen  Konrad '^  und  die  Wieder- 
aussöhnuug  Ernsts;  das  entspricht  den  obigen  Nummern 
1  und  2,  nur  dass  W  über  den  teilweisen  Ausgleich  ('se- 
datis  ex  parte  rebellibus'  H)  in  so  fern  genauer  informiert 


1)  Entweder  im  Anschluss  an  n.  1  zu  1025  (vgl.  W  10)  oder  wie 
bei  H  (vgl.  S.  72)  zu  Beginn  des  Jahres  1026.  Hinzu  kam  ferner  noch 
die  "Weihnachtsfeier  in  Aachen  (S) ;  vgl.  zu  dieser  richtigen  Nachricht 
Steiudorff  FDG.  VII,  565  und  den  Unsinn,  den  im  Gegensatz  zu  ihm 
Kaizl  S.  9  hierbei  anstellt.  2)  In  E  steht  diese  Notiz  (u.  9)  zu  1027. 

Bresslau  N.  A.  II,  519  und  JB.  I,  197,  N.  4  glaubte  mit  Rücksicht  auf 
den  Annalista  Saxo,  dass  sie  in  der  Schwäbischen  Weltchronik  und  in 
den  Aunales  Hildesheimenses  maiores  (aus  denen  er  sie  herleitete)  gleich- 
falls zu  1027  gestanden  habe,  und  dass  H  hier  aus  besserem  Wissen  ge- 
ändert habe.  Ohne  mich  auf  die  Frage  der  Ann.  Hildesh.  mai.  hier  ein- 
lassen zu  wollen,  möchte  ich  in  diesem  Punkt  mit  Dieterich  GQ.  S.  254 
und  Str.  S.  75  annehmen,  dass  der  Annalista  Saxo  hier  mittelbar  auf  E 
zurückgeht,  das  an  unserer  Stelle  überhaupt  ein  Beispiel  seiner  chrono- 
logischen TJnzuverlässigkeit  gibt,  indem  es,  entgegen  seiner  Quelle  (vgl. 
oben  S.  72,  N.) ,  die  Kaiserkrönung  Konrads  ein  Jahr  zu  früh,  die 
deutschen  Ereignisse  von  1026  und  1027  (oben  n.  9  und  12)  ein  Jahr  zu 
spät  bringt.  Die  Schwäbische  Weltchronik  brachte  also  n.  9  m.  E.  richtig 
zu  1026 ;  denn  in  der  Sache  stimme  ich  mit  Bresslau  dahin  überein,  dass 
die  Fehde  Bruno -Weif  zu  1026  gehört,  während  Dieterich  GQ.  S.  139 
sie  seltsamer  Weise  (wohl  weil  E  angeblich  von  Hermann  verfasst  ist)  zu 
1027  stellen  will.  3)  Wobei  zwar  keine  chronologische,  aber  eine  ge- 

wisse sachliche  Ordnung  immerhin  zu  erkennen  ist;  vgl.  ]3resslau  JB.  I, 
462.  Möglich  wäre  es  übrigens  auch,  dass  n.  8  von  H  selbständig  hinzu- 
gefügt wurde ;  dann  hätte  Hermann  den  von  Bresslau  hervorgehobenen 
Zusammenhang  dieser  Nachricht  mit  n.  5  wahrscheinlich  verkannt. 
4)  Ueber  die  Teilnehmer  unten  S.  75  f. 


74  Robert  Holtzmann. 

war,  als  er  wusste,  dass  es  sich  dabei  eben  um  Ernst 
handelte^.  Dadurch  wurde  es  für  ihn  zugleich  unnötig, 
bei  Punkt  5,  gelegentlich  der  Verleihung  Kemptens  an 
Ernst,  dessen  vorher  erfolgte  Versöhnung  nach  Art  von  H 
durch  ein  Participium  perfecti  (gewissermassen  in  Paren- 
these) nachzuholen.  In  Kap.  11  folgt  dann  regelrecht  die 
Designation  Heinrichs  (n.  3),  der  Aufbruch  nach  Italien 
(Anfang  von  n.  4)  und  die  Verleihung  Kemptens  an  Ernst 
(n.  5).  Die  dürren  Nachrichten  der  Vorlage  über  die  Er- 
eignisse in  Italien  (Fortgang  von  n.  4)  hat  W  einen  Augen- 
blick zurückgeschoben,  da  er  über  sie,  wie  wir  sahen,  viel 
ausführlicher  zu  berichten  wusste;  das  geschieht  dann  im 
Zusammenhang  in  den  Kap.  12  — 18  (mit  n.  10).  Hierauf 
kommt  er,  unter  Fortlassung  der  schwäbischen  Lokal- 
nachrichten (n.  7  u.  8),  wieder  zu  dem  deutschen  Aufstand 
und  bringt  im  Kap.  19  zunächst  n.  9  und  6,  die  er  also 
umstellte-  und  mit  eigenen  Nachrichten  durchsetzte,  dann 
in  Kap.  20  n.  11  und  12.  Die  Aenderungen,  die  W  vor- 
nahm, reduzieren  sich  also  im  Wesentlichen  (nämlich  ab- 
gesehen von  der  eben  genannten  Umstellung)  darauf,  dass 
er  die  Aussöhnung  Ernsts  da  brachte,  wo  seine  Quelle  von 
einer  teilweisen  Aussöhnung  der  Verschwörer  sprach,  und 
dass  er  die  Ereignisse  auf  dem  ersten  Römerzug  zusammen- 
nahm. Durch  ersteres  ist  die  Folge  der  Ereignisse  aller- 
dings verbessert  worden,  aber  nicht  ebenso  die  Jahres- 
zugehörigkeit. Denn  W  erzählt  nun  die  Aussöhnung  Ernsts 
zu  1025.  In  seiner  Vorlage  stand  zwar  jene  allgemeine 
Bemerkung  über  eine  teilweise  Aussöhnung  der  Verschwörer 
vielleicht^  gleichfalls  za  1025,  die  Aussöhnung  Ernsts  aber 
sicher  richtig  zu  1026  gebucht.  H  1026  Sc^gt  'Ernust  .  . 
eo  ipso  anno  pacificatus' :  wie  in  aller  Welt  soll  diese  aus- 
drückliche und  richtige  Bemerkung  durch  W  vermittelt 
worden  sein,  wo  doch  W  die  Aussöhnung  Ernsts  zum  ersten 
Jahr  der  Regierung  Konrads  erzählt,  am  Schluss  von 
Kap.  10,  und  ebenso  ausdrücklich  erst  darauf  mit  Kap.  11 
und  den  Worten  'Anno  incarnationis  Christi  1026'  zum 
Jahr  1026  übergeht?    Mit  der  billigen  Annahme,  dass  die 


1)  Doch  sollte  sich  die  allgemeinere  Nachricht,  die  uns  H  erhalten 
hat,  vielleicht  auch  noch  auf  die  Unterwerfung  der  Lothringer  Weihnachten 
1025  beziehen.  2)  Auch  die  Tatsache  der  Umstellung  scheint  mir  eher 
bei  W  erklärlich,  der  über  diese  Vorgänge  in  Deutschland  mehr  wusste 
als  seine  Quelle,  als  bei  dem  von  Dieterich  angenommenen  W-Ex- 
cerptor,  der  doch  schlechterdings  keinen  Grund  zu  ihr  haben  konnte. 
3)  Vgl.  oben  S.  73,  N.  1. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  75 

Nachricht  n.  1  (1025)  durch  das  W- Excerpt,  die  Nach- 
richten n.  5  und  G  aber  wieder  durch  selbständige  Be- 
nutzung von  Win  H  zu  erklären  seien  (vgl.  unten  S.  77 — 79), 
kommt  man  hier  also  schon  aus  diesem  Grunde  nicht  aus. 
Und  ferner:  Durch  die  Zusammenfassung  der  italienischen 
Ereignisse  in  W  sind  zwar  diese  selbst  in  der  richtigen 
Reihenfolge  belassen  worden  (sie  war  auch  in  der  Vorlage 
von  SHE  vorhanden!),  dahingegen  wurde  die  Chronologie 
der  gleichzeitigen  deutschen  Ereignisse  auf  diese  Art  ge- 
schädigt, sofern  ein  Benutzer  von  W  nun  zum  mindesten 
der  Gefahr  ausgesetzt  war,  alle  in  Kap.  19  berichteten 
Ereignisse  zu  1027  zu  stellen.  Dennoch  hat  sie  H  richtig 
zu  1026  gebucht.  Sonach  wird  auch  hier  alles  natürlicher 
und  wahrscheinlicher,  wenn  die  Nachrichten  in  SRE  nicht 
aus  W  stammen,  sondern  aus  einer  anderen  Quelle,  auf  die 
auch  W  zurückgeht. 

Noch  interessanter  aber  ist  es,  die  Rolle  des  schwäbi- 
schen Grafen  Weif  nach  SH.  einerseits  und  W  andererseits 
zu  betrachten.  Wir  sahen,  dass  in  der  Vorlage  von  SHE 
zu  allen  drei  Jahren  von  der  deutschen  Fürstenverschwö- 
rung" die  Rede  war:  zu  1025  brachte  sie  die  oben  mit  n.  1 
und  2  bezeichneten  Nachrichten^,  zu  1026  n.  5,  6  und  9, 
zu  1027  n.  12.  In  allen  drei  Jahresberichten  ist  vom  Grafen 
Weif  die  Rede.  Im  Jahre  1025  empört  er  sich  gegen 
König  Konrad,  zusammen  mit  Konrad  dem  Jüngeren  und 
Ernst  von  Schwaben;  1026  kämpft  er  mit  dem  Bischof 
Bruno  von  Augsburg;  1027  unterwirft  er  sich  mit  Ernst 
zu  Ulm.  W  hingegen  erwähnt  den  Grafen  Weif  überhaupt 
nur  einmal:  in  Kap.  19,  wo  er  seinen  Kampf  mit  Bruno 
(der  nach  Kap.  1 1  während  des  Römerzuges  die  Regent- 
schaft in  Deutschland  führte)  erzählt  und  gleich  hinzufügt, 
dass  Weif  sich  später  —  wo  und  wann  wird  nicht  gesagt  — 
unterworfen  habe.  In  Kap.  10,  wo  von  dem  Anfang  der 
Fürstenverschwörung  1025  die  Rede  ist,  werden  als  Teil- 
nehmer Ernst,  Konrad  d.  J.  und  Friedrich  von  Lothringen 
'cum  aliis  plerisque'  genannt.  Hier  ist  zunächst  der  Herzog 
Friedrich  II.  von  Oberlothringen  (also  gerade  die  Persön- 
lichkeit, die  in  SHE  überhaupt  fehlt)  mit  seinem  Vater 
Dietrich  I.  verwechselt,  ebenso  wie  dann  in  Kap.  19,  wo 
es  heisst,  Friedrich  sei  an  der  ofEenen  Teilnahme  an  der 
Empörung  durch  seinen  Tod  verhindert  worden  (Dietrich 
t  11.  April    1026    oder   1027,    Friedrich   f  18.  Mai    1033)2. 


1)    n.  2  vielleicht  zu   1026   (vgl.   S.  73,  IST.  1).  2)   Das  Todes- 

datum Dietrichs  nach  R.  Parisot,  Les  origines  de  la  haute  Lorraine  et  sa 


76  Robert  Holtzmann. 

Auf  dem  Reichstag  zu  Ulm  (Juli  1027)  wird  in  Kap.  20 
nur  von  der  Unterwerfung-  Ernsts  geredet;  schliesslich  be- 
richtet Kap.  21  noch  den  Ausgleich  mit  Konrad  d.  J.  (der 
September  1027  zu  Worms  stattfand).  W  hat  also  auch 
hier  einiges  weniger,  anderes  mehr  als  SHE,  aber  der  Zu- 
sammenhang liegt  auf  der  Hand :  wie  die  Vorlage  von  SHE 
dreimal  von  diesen  Dingen  gesprochen  haben  muss,  so  tut 
das  auch  W  (n.  1,  1025,  =  W  10;  n.  9,  1026,  =  W  19; 
n.  12,  1027,  =  W  20).  Und  die  verschiedene  Behandlung 
des  Grafen  Weif  in  der  Vorlage  von  SHE  und  in  W  hat 
erst  recht  nichts  auffallendes.  Die  schwäbische  Quelle 
interessierte  sich  naturgemäss  für  diesen  schwäbischen 
Grafen  besonders ;  deshalb  erwähnte  sie  ihn  zu  allen  drei 
Jahren.  W  hatte  nicht  das  gleiche  Interesse  an  ihm  und 
nannte  ihn  nur  da,  wo  es  etwas  bemerkenswertes  von  ihm 
zu  berichten  gab  (den  Streit  mit  dem  Reichsregenten  Bruno). 
Ebenda  (Kap.  19)  bemerkt  W  ausdrücklich,  dass  er  den 
Grafen  Weif  zu  den  'geringeren'  Teilnehmern  an  der  Ver- 
schwörung rechnet:  er  beginnt  mit  ihm  und  entschuldigt 
das  mit  den  Worten  'Ut  enim  a  minoribus  incipiam  et  ad 
maiores  perveniam'  ^  Die  'maiores',  von  denen  nachher  die 
Rede  ist,  sind  Konrad  d.  J.,  Friedrich  v.  Lothringen  und 
Ernst  von  Schwaben,  also  eben  die  drei  Fürsten,  die  auch 
in  Kap.  10  namentlich  genannt  waren.  Die  'minores',  zu 
denen  Weif  gehört,  sind  natürlich  die  'alii  plerique'  des 
Kap.  10,  deren  Namen  hier  nicht  genannt  sind,  obgleich  W 
vielleicht  noch  manchen  davon  hätte  nennen  können.  Den 
Herzog  von  Oberlothringen  dagegen,  einen  der  'maiores', 
der  in  der  gemeinsamen  Quelle  nicht  genannt  war  2,  hat 
W  aus  eigener  Kenntnis  hinzugefügt,  eben  dabei  aber 
durch  Verwechslung  des  Vaters  mit  dem  Sohn  einen  Fehler 
gemacht,  den  seine  Vorlage  nicht  enthielt. 

Liegen  somit  diese  Dinge  bei  der  Annahme,  dass  W 
mit  SHE  zusammen  auf  die  gleiche  Quelle  (die  Schwäbische 
Weltchronik)    zurückgeht,    vollkommen    klar,    so  wird   man 


premiere  maison  ducale  (1909)  S.  427;  dasjenige  Friedrichs  nach  Bresslau 
im  Jahrbuch  der  Gesellschaft  f.  lothringische  Gesch.  u.  Altertumsk.  XVIII 
(1906),  459—461  (Parisot  S.  .819  f.,  N.  8,  435  mit  N.  5  plädiert  nunmehr, 
wohl  irrig,  für  den  22.  Mai).  1)  Auch  in  dieser  Entschuldigung  sehe 

ich  eine  Anspielung  auf  den  Bericht  der  Vorlage  zu  1026,  wo  offenbar, 
wie  noch  jetzt  in  H,  der  Kampf  zwischen  Weif  und  Bruno  ganz  am  Ende 
des  Jahresberichtes,  nach  dem  neuen  Aufstand  Ernsts,  erzählt  war.  W 
ging  von  dieser  Reihenfolge  ab.  2)   Wohl  weil  es  bei  ihm  schliesslich 

nicht  bis  zum  offenen  Kampf  in  Waffen  gekommen  ist;  vgl.  zur  Sache 
Bresslau  JB.  I,  202  f.  238.  247—49.  461  f. 


J 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  77 

mit  einiger  Spannung  fragen,  wie  denn  Dieterich  den  Zu- 
sammenhang, in  Sonderheit  die  dreimalige  Nennung  des 
Grafen  Weif  in  der  Vorlage  von  SHE,  mit  Hülfe  seines 
W-Excerptes  erklären  will.  Der  Excerptor  kann  doch  den 
Grafen  auf  Grund  der  einmaligen  Nennung  in  W  19  nicht 
zu  allen  drei  Jahren  gestellt  haben !  Das  ist  in  der  Tat 
auch  nicht  die  Ansicht  Dieterichs,  der  vielmehr  folgender- 
massen  konstruiert:  Der  W- Excerptor,  dessen  Werk  in  die 
Vorlage  von  SHE  (die  Reichenauer  Annalen)  eingearbeitet 
ist,  hat  die  'erste  Verschwörung',  von  der  W  10  zu  1025 
handelt,  und  die  'zweite  Verschwörung'  W  19  von  1026/27^ 
'sei  es  aus  Bequemlichkeit,  sei  es  aus  mangelhafter  chrono- 
logischer Gewissenhaftigkeit'  in  einen  kurzen  Satz  zu- 
sammengefasst  und  zu  1025  als  dem  ersten  Jahre  der  Er- 
hebung gestellt.  So  kam  also  Weif  in  der  Quelle  von  SHE 
zu  1025,  während  andererseits  derselbe  ungeschickte  Ex- 
cerptor gleichzeitig  das  glückliche  Geschick  bewies,  den 
W  10  als  aufständig  genannten  Herzog  Friedrich  von 
Lothringen  mit  Rücksicht  auf  W  19  (vgl.  S.  75  unten)  weg- 
zulassen und  dadurch  einem  Irrtum  seiner  Vorlage  zu  ent- 
gehen. Der  Kampf  Welfs  mit  Bruno  (n.  9)  war  nach  Diete- 
rich in  den  Eeichenauer  Annalen  überhaupt  nicht  erwähnt; 
er  steht  nur  in  HE,  nicht  in  S,  und  das  wird  so  erklärt, 
dass  Hermann  (dem  Dieterich  auch  E  zuschreibt)  hier 
ausser  dem  in  den  Reichenauer  Annalen  enthaltenen  W- 
Excerpt  auch  W  wieder  selbständig  herangezogen  habe. 
Wir  erwähnten  schon  (S.  75),  dass  auch  der  Bericht,  den 
H  1026  über  die  Aussöhnung  und  Wiederverschwörung 
Ernsts  hat  (n.  5  und  6),  bei  Dieterich  auf  solche  selbstän- 
dige Benutzung  von  W  zurückgeführt  wurde.  Zu  1026 
hätten  also  die  Reichenauer  Annalen  mit  ihrem  W-Excerpt 
der  deutschen  Fürstenverschwörung  überhaupt  nicht  ge- 
dacht. Schliesslich  die  Nachricht  über  Weif  zu  1027  (seine 
Unterwerfung  zu  Ulm,  n.  12),    die   in   keiner  Weise  aus  W 


1)  Dieterich  redet  (wie  Giesebrecht)  irrig  voa  zwei  verschiedenen 
Fürstenverschwörungen  und  macht  auch  dadurch  Stimmung  für  seine  An- 
sicht, dass  Weif  1025  noch  nicht  im  Aufstand  gewesen  sei,  sondern  erst 
der  'zweiten'  Verschwörung  angehört  habe.  In  Wahrheit  kann  nur  bei 
Ernst  von  einem  zweimaligen  Abfall  geredet  werden,  während  bei  den 
übrigen  weder  W  noch  sonst  eine  Quelle  von  awei  Aufständen  weiss. 
Vor  dem  Römerzug  wurde  die  Fürstenverschwörung  nur  teilweise  (H  1026), 
nämlich  durch  die  Versöhnung  Ernsts  (W  10)  und  vielleicht  auch  der 
Lothringer  (vgl.  oben  S.  74,  X.  1)  gedämpft,  und  W  19  wird  deutlich 
die  fortdauernde  Empörung  der  übrigen  von  dem  neuen  Aufstand 
Ernsts  ('iterum  rebellionem  moliebatur')  unterschieden.  Vgl.  Bresslau 
JB.  1,  460  —  64. 


78  Robert  Holtzmann. 

berauszuinterpretieren  war,  sollen  die  Eeichenauer  Annalen 
aus  eigener  Kenntnis  schwäbischer  Vorgänge  geschöpft 
haben  (GQ.  S.  155  f.). 

Diese  gewagte  und  an  sich  gewiss  unwahrscheinliche 
Konstruktion,  auf  Grund  deren  Dieterich  die  Beteiligung 
Welfs  am  Aufstand  von  1025  gegen  die  ausdrückliche  An- 
gabe von  S  und  H  leugnet,  soll  also  die  auffallende  Tat- 
sache erklären,  dass  SHE  dreimal,  zu  drei  verschiedenen 
Jahren,  die  angebliche  (mittelbare)  Vorlage  W  jedoch  nur 
einmal  vom  Grafen  Weif  spricht.  Und  der  Beweis?  Hier 
ist  er:  der  Bericht  von  SH  zu  1025  hat  keinen  wörtlichen 
Anklang  an  W  10  (1025),  wohl  aber  solchen  an  W  19 
(1026/27),  woraus  sich  ergibt,  dass  auch  W  19  in  dem  Ex- 
cerpt  bereits  zu  1025  ausgezogen  war.  Um  diesen  Zu- 
sammenhang zwischen  W  19  und  SH  1025  darzutun,  stellt 
Dieterich  GQ.  S.  144  die  drei  Berichte  nebeneinander  und 
sperrt  dabei  eine  ganze  Menge  von  Worten,  die  indes  nur 
einen  ganz  oberflächlichen  Leser  überzeugen  werden.  Der 
Jahresbericht  zu  1025  lautet 

in  S :  'Saeve  contentionis  fomes  exarsit  in  sacrosancto 
die  paschali  apud  Vindelicam  Augustam  inter  Chuonradum 
regem  et  patruelem  eius  Chuonradum.  Cui  etiam  Ernest, 
consobrinus  eius,  dux  Alamanniae,  et  Welfhardus  comes 
postea  confoederati,  simul  regi  rebellare  sunt  ausi.  Sed 
hoc  temere  incaeptum,  Deo  prohibente,  non  habuit  ef- 
fectum'. 

in  H :  'Rebellio  et  discordia  multa  contra  Counradum 
regem  a  patruele  eius  Counrado  et  Ernusto  duce  Alaman- 
niae, privigno  eius,  Welph  quoque  Suevigena  comite  et 
aliis  pluribus  facta'  ^ 

Davon  führt  Dieterich  durch  Sperrdruck  auf  W 19  folgen- 
des zurück.  Erstens  die  Namen  (!),  die  in  dem  langen  Bericht 
Wipos  natürlich  gleichfalls  vorkommen,  wenn  auch  anders. 
W  19  'quidam  comes  in  Suevia  Weif  nominatus'  gibt  die 
Grundlage  für  die  Sperrung  der  Worte  'Welph  quoque  (!) 
Suevigena  (!)  comite'  in  H;  W  'Chuono  dux  Wormatiensis, 
patruelis  imperatoris'  =  SH  'patruelis  eius  Chuonradus' ; 
W  'Ernestus  dux  Alamanniae,  privignus  imperatoris  Chuon- 
radi'  =  H  'Ernusto  duce  Alamanniae,  privigno  eins'.  Hier 
reduziert  sich  also  die  ganze  Aehnlichkeit  darauf,  dass 
beidemal  Konrad   der  Jüngere    der  Vetter   und  Ernst   von 


1)  E  hat  nur  kurz :  'Magna  dissensio   in   regno    contra  ChSnradum 
regem  efficitur'. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  79 

Schwaben  der  Stiefsohn  Konrads  II.  genannt  wird  —  eine 
'Aehnlichkeit',  ans  der  wohl  nur  die  Willkür  auf  Abhängig- 
keit schliessen  wird.  Aber  es  kommt  noch  besser.  Auch 
die  Worte  'Chuonradum  regem'  in  SH  sind  von  Dieterich 
gesperrt,  obgleich  König  Konrad  in  W  19  überhaupt  nicht 
vorkommt.  Natürlich  nicht;  denn  in  W  16  war  bereits 
Konrads  Kaiserkrönung  erzählt  worden,  und  er  tritt  nun, 
bei  den  Ereignissen  von  1026/27,  mit  Recht  als  'imperator' 
auf.  Anders  natürlich  in  den  Jahresberichten  von  Sil 
(und  ihrer  Vorlage)  zu  1025,  wo  er,  wie  in  W  10,  noch 
König  war.  Man  bewundere  das  Raffinement  des  'un- 
geschickten' Excerptors,  der,  als  er  sein  Excerpt  aus  W  19 
zu  1025  stellte,  aus  dem  Kaiser  einen  König  machte  in  der 
üeberlegung,  dass  er  ja  über  die  Kaiserkrönung  zurück- 
sprang! Er  hätte  hier  nicht  weniger  überlegt  excerpiert 
als  bei  der  Weglassung  des  Herzogs  Friedrich.  Die 
Namen  also  beweisen  nicht  nur  nichts,  sondern  sprechen 
durch  diese  Verschiedenheit  der  Titulatur  geradezu  gegen 
Dieterich.  Von  ihnen  abgesehen  aber  gibt  es  nur  noch 
eine  Aehnlichkeit  der  Texte:  W  19  'Ernestus  .  .  iterum 
rebellionem  moliebatur'  =  H  'rebellio  .  .  facta'  (!)  und  S 
'rebellare  sunt  ausi'(!),  auch  'moliebatur',  'facta'  und  'sunt 
ausi'  im  Sperrdruck!  An  anderer  Stelle  (Str.  S.  112,  N.  6) 
polemisiert  Dieterich  gegen  die  erheblich  besser  begründete 
Quellenverwandtschafts-Hjpothese  eines  Anderen  und  meint 
zu  dessen  Zusammenstellungen :  'Auf  diese  Weise  mache 
ich  mich  anheischig,  die  Verwandtschaft  zwischen  Vergil 
und  der  Vulgata  zu  beweisen'.  Besser  hätte  er  dieses 
Dictum  auf  die  eigene  eben  besprochene  Nebeneinander- 
stellung und  Wortesperrung  angewendet.  In  Wahrheit 
besteht  zwischen  SHE  1025  einerseits  und  W  19  anderer- 
seits keinerlei  Zusammenhang  \ 


1)  Die  wörtliche  Anlehnung  an  die  Vorlage  ist  bei  "W,  wie  schon 
oben  (S.  69)  erwähnt ,  verhältnismässig  am  geringsten ,  während  die 
annalistischen  Quellen  SHE  sich  naturgemäss  auch  im  Wortlaut  mehr 
an  die  gleichfalls  annalistische  Quelle  anlehnen.  In  dem  hier  besprochenen 
Fall  lege  ich  auf  die  wörtlichen  Anklänge  bei  W  überhaupt  keinerlei 
Gewicht.  Immerhin  würde  mau  so  gut,  wie  Dieterich  in  W  19,  auch  in 
W  10  Anklänge  an  SHE  1025  finden  können  und  z.  ß.  folgendermassen 
in  W  10  sperren :  'Ernestus  dux  Alamanniae,  Chuono  dux 
Franciae,  Fridericus  dux  Liutharingorum  cum  aliis  plerisque  [=  'et 
aliis  pluribus'  H]  contra  regem  Chuonradum  consenserunt 
[vgl.  'dissensio' E]  et  multa  molientes  .  .  nihil  nisi  calamitatem  futuram 
assecuti  sunt'  [vgl.  'sed  hoc  temere  incaeptum  .  .  non  habuit  effectum'  S]. 
Fehlt  nur  der  Stiefsohn  und  der  Vetter.  Ernst  wurde  hier  von  W  nicht 
als   'privignus   regis'    bezeichnet,    da  W  uns   unmittelbar   darauf  genauer 


80  Robert  Holtzmann. 

Und  doch  ist  diese  angebliche  üebereinstimmung 
zwischen  SH  1025  und  W  19  tatsächlich  der  einzige  ernst- 
hafte Beweis,  den  Dieterich  für  seine  gewagte  Hypothese 
über  den  Zusammenhang  unserer  Berichte  und  die  auf  sie 
gegründete  Behauptung,  dass  Weif  an  dem  Aufstand  von 
1025  nicht  teilgenommen  habe,  vorzubringen  vermag. 
Denn  einige  andere  Erörterungen,  die  dem  gleichen  Ziele 
dienen  sollen,  sind  noch  weniger  stichhaltig.  Dass  nicht 
alle  Nachrichten,  die  H  über  den  Fürsten  aufstand  bringt, 
auch  in  S  stehen,  ist  natürlich  kein  Beweis  dafür,  dass  sie 
nicht  in  der  gemeinsamen  Vorlage  standen.  Wer  eine  zweite 
Quelle  für  H  annehmen  will,  dem  fällt  dafür  die  Beweis- 
last zu.  Dennoch  beruft  sich  Dieterich  zunächst  gerade 
auf  den  Umstand,  dass  S  zu  1026  keine  Nachrichten  über 
den  Fürstenaufstand  bringe,  und  glaubt  sich  unter  Verweis 
auf  seine  frühere,  ebenso  willkürliche  Annahme,  dass  H 
auch  zum  ßömerzug  W  selbständig  herangezogen  habe 
(oben  S.  70),  GQ.  S.  141  zu  der  vorerst  noch  etwas  scheu 
ausgesprochenen  Vermutung  berechtigt:  'In  der  gemein- 
samen Vorlage  dürfte  nur  einmal  und  zwar  zu  1025  von 
dem  Aufruhr  Ernsts  die  Rede  gewesen  sein'.  Zwei  Seiten 
darauf  hat  sich  dann  die  Zuversicht,  mit  der  diese  un- 
wahrscheinliche, den  Stempel  des  künstlich  Ersonnenen  an 
sich  tragende  Behauptung,  dass  H  teils  auf  ein  W-Excerpt 
und  teils  auf  W  selbst  zurückgehe,  vorgetragen  wird, 
bereits  wesentlich  gehoben ;  da  wird  zu  der  zunächst  doch 
viel  näher  liegenden  Ansicht  des  Gegners  (dass  H  nur  die 
eine,  auch  von  W  benutzte  verlorene  Quelle  gekannt  habe) 
kurzerhand  bemerkt:  'Wir  sahen  oben  im  Gegenteil,  dass 
Vieles  (!)  dafür  spricht,  dass  in  der  verlorenen  Quelle  nur 
einmal  und  zwar  zu  1025  von  den  Aufständen  die  Rede 
war'.  So  wird  es  nicht  Wunder  nehmen,  dass  noch  zwei 
Seiten  später,  nachdem  nun  unterdessen  der  angebliche 
Widerspruch  Wipos  gegen  die  Anteilnahme  Weif  s  am  'ersten' 
Aufstand  (1025),  der  angebliche  Zusammenhang  zwischen 
SH  1025  und  W  19  und  zum  Schluss  noch  eine  köstliche 
Entdeckung  in  dem  Bericht  von  S  zur  Erörterung  kamen, 
die  Vermutung  zur  vollkommenen  Gewissheit  geworden  ist 
(GQ.  S.  145 :  die  Vorlage  Hermanns  fasste  beide  Aufstände 


sagt,  dass  seine  Mutter  die  Königin  war ;  und  der  Gleichmässigkeit  halber 
bbeb  dann  auch  bei  'Chuono'  der  Zusatz  'patruelis  eius'  fort,  was  ohne 
Nachteil  geschehen  konnte,  da  uns  W  2  bereits  ausführlich  über  die  Ver- 
wandtschaft der  beiden  Konrade  unterrichtet  hatte  ('ex  duobus  fratribus 
nati'  u.  s.  w.). 


Wipo  und  die  Schv/äbische  Weltchronik.  81 

in  einen  Satz  zusammen).  Die  Haltlosigkeit  der  Behaup- 
tung-, dass  W  10  dem  Bericht  von  SH  über  die  Beteiligung 
Welfs  am  Aufstand  von  1025  widerstreite,  wurde  schon 
oben  (S.  76)  beleuchtet;  Dieterich  hat  hier  einen  völlig  un- 
erlaubten Gebrauch  von  dem  immer  nur  mit  einiger  Vor- 
sicht anzuwendenden  Argumentum  ex  silentio  gemacht. 
Noch  ein  Wort  aber  sei  zum  Schluss  der  verblüffenden 
Entdeckung  gewidmet,  dass  S  in  seinem  (oben  S.  78  mit- 
geteilten) Jahresbericht  zu  1025  zwar  die  Teilnahme  Welfs 
am  Aufstand  behaupte,  aber  doch  daneben  noch  Kenntnis 
bewahre,  dass  sie  eigentlich  erst  später  begonnen  habe. 
Zu  dieser  Entdeckung  haben  die  beiden  schlichten  Worte 
'postea  confoederati'  verholfen.  Man  hat  sie  bisher  freilich 
anders  gedeutet  ^.  Die  drei  Fürsten,  deren  Aufstand  S 
erzählt,  haben  sich  nämlich  nicht  zur  gleichen  Zeit  gegen 
den  Xönig  erhoben.  Zuerst  fiel  Konrad  der  Jüngere  ab, 
Ostern  (18.  April)  1025  zu  Augsburg  (wie  eben  S  berichtet). 
Einige  Monate  später  begann  die  Empörung  des  Herzogs 
Ernst,  der  noch  im  Juni  1025,  als  der  König  von  Konstanz 
nach  Zürich  reiste,  in  geordneten  Beziehungen  zu  ihm 
stand-;  und  jetzt  erst,  wohl  auf  die  Kunde  von  dem  Auf- 
stand seines  Herzogs,  erhob  sich  auch  Weif.  Dass  die  Auf- 
ständigen alsbald  miteinander  in  Verbindung  traten,  ver- 
stand sich  für  sie  wohl  von  selbst.  Dies  der  Hergang,  wie 
ihn  S  kurz  aber  anschaulich  und  richtig  schildert.  Erst 
erhebt  sich  Konrad  der  Jüngere;  'mit  ihm  haben  sich 
später  auch  Herzog  Ernst  und  Graf  Weif  verbündet  und 
zusammen  dem  König  zu  rebellieren  gewagt'.  'Cui  postea 
confoederati'  gehört  zusammen;  wie  sollte  das  'cui'  denn 
auch  sonst  konstruiert  werden?  Anders  Dieterich.  Er 
übersetzt,  Ernst  und  Weif  hätten  sich  später  mit  einander 
verbündet,  und  meint,  S  habe  die  Meldung  seiner  Vorlage, 
dass  auch  Weif  sich  erhoben,  zwar  übernommen,  scheine 
sie  aber  durch  den  Zusatz  'postea  confoederati'  zugleich 
verbessert  oder  widerrufen  zu  haben.  'Dürfen  wir',  so 
fragt  er,  'die  einschränkenden  Worte  "postea  confoederati" 
hinter  den  Namen  Ernsts  und  Welfs  als  eine  Korrektur 
des  Sanctgallers  betrachten,  der  sich  noch  entsann,  dass 
Weif  erst  später  in  den  Aufstand  eingetreten  war?'  Ich 
fürchte,  dass  Dieterich  selbst  durch  dieses  Meisterstück 
der  Interpretationskunst  seine  Hypothese  nicht  wesentlich 
gefestigt  hat. 


1)  Vgl.  ßresslau  JB.  1,  92,  X.  1.         2)  W  7  (S.  23);  vgl.  Bresslau 
a.  a.  0. 


Neues  Archiv  etc.   XXXV. 


82  Robert  Holtzmann. 


Ueber  die  endgültige  Absetzung  des  Herzogs  Ernst 
zu  Ingelheim  1030  berichtet  W25^  in  einer  Weise,  die, 
wenn  wir  auf  ihn  allein  angewiesen  wären,  die  Vorgänge 
keineswegs  klar  und  anschaulich  erkennen  lassen  würde. 
Das  Kapitel  trägt  die  Ueberschrift:  'Wie  Herzog  Ernst 
sein  Herzogtum  erhielt  [d.  h.  wiedererhielt]  und  sofort 
verlor  [d.  h.  wiederverlor]'  und  erzählt  folgendes.  Das  Oster- 
fest 1030  feierte  Kaiser  Konrad  in  Ingelheim.  'Hier  erhielt 
der  oben  erwähnte  Herzog  Ernst  von  Schwaben,  aus  dem 
Gefängnis  entlassen,  sein  Herzogtum  zurück,  unter  der  Be- 
dingung, dass  er  seinen  Vasallen  Wezelo  [Werner  v.  Kiburg], 
der  durch  viele  Umtriebe  das  Eeich  beunruhigt  hatte,  als 
einen  Feind  des  Staates  mit  seinem  ganzen  Anhang  be- 
kriege und  mit  einem  Eid  bekräftige,  dass  er  das  tun 
werde.  Als  der  Herzog  das  nicht  tun  wollte,  wurde  er  als 
öffentlicher  Feind  des  Kaisers  verurteilt,  verlor  sein  Herzog- 
tum völlig  und  ging  mit  wenigen  von  da  [d.  h.  von  Ingel- 
heim] fort'.  Dieser  Bericht  ist  unklar  und  leidet  an  einem 
inneren  Widersjjruch,  den  Bresslau  N.  A.  II,  593  richtig 
hervorhob,  während  ihn  Dieterich  GQ.  S.  295  zu  Unrecht 
leugnet.  Es  liegt  ja  zunächst  nahe,  sich  den  Vorgang  so 
zu  denken,  dass  Konrad  die  Wiederverleihung  Schwabens 
an  die  Bedingung  der  Eidesleistung  geknüpft,  dass  Ernst 
aber  den  Schwur  verweigert  habe  und  definitiv  abgesetzt 
und  geächtet  worden  sei.  So  erzählte  in  der  Tat  Giese- 
brecht  ^  den  Hergang.  Dann  wäre  aber  das  Herzogtum 
Ernst  nur  angeboten,  nicht  wirklich  übertragen  worden, 
und  W  hätte  sich  in  der  Ueberschrift  sowohl  wie  im  Text 
ungenau  ausgedrückt.     Mit  Rücksicht  darauf  denkt  Diete- 


1)  'Qualiter  dux  Ernestus  ducatum  accepit  et  statim  amisit.  Anno 
Domini  1030.  imperator  Chuonradus  apud  Ingelenheim  pascba  celebravit. 
Ibi  Ernestus  supra  memoratus  dux  Alamanniae  a  custodia  solutus  ducatum 
recepit,  eo  tenore  ut  Wezelonem  militem  suum,  qui  multis  factionibus 
regnum  turbaverat,  quasi  hostem  rei  publicae  cum  omnibus  suis  per- 
sequeretur  idque  se  facturum  cum  sacramento  confirmaret.  Quod  cum 
dux  facere  noUet,  hostis  publicus  imperatoris  diiudicatus  est  et  iienitus 
ducatu  amisso  cum  imucis  inde  recessit'.  Die  Behauptung  von  May  FDG. 
XVIII,  623  f.,  dass  die  Kapitelüberschriften  nicht  von  ^Yipo  selbst  her- 
rührten, ist  eine  haltlose  Vermutung.  2)  4.  Aufl.  II,  264 :  'Ostern  1080 
erbot  sich  der  Kaiser  zu  Ingelheim,  Ernst  das  angestammte  Herzogtum 
unter  der  Bedingung  zurückzugeben,  dass  er  eidlich  Werner  ...  zu  ver- 
folgen gelobe.  Aber  Ernst  verweigerte  ein  solches  Gelöbnis'.  In  der 
5.  Aufl.  ist  mit  Rücksicht  auf  die  unten  besprochene  Urkunde  vom 
1.  Juli  1028  geändert. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  83 

rieh,  der  GQ.  S.  146—148  und  295—297  sieh  mit  W  und 
den  schwäbischen  Quellen  auseinandersetzt,  den  Hergang 
etwas  anders.  Er  glaubt,  Ernst  habe  den  Eid  versprochen, 
darauf  das  Herzogtum  erhalten,  dann  aber,  als  es  ans 
Schwören  gehen  sollte,  den  Eid  dennoch  verweigert,  und 
sei  nun  verurteilt  worden.  Diese  Auslegung  aber  leidet 
nicht  nur  daran,  dass  sie  den  Kaiser  die  Reihenfolge  der 
Handlungen  sehr  unvorsichtig  wählen  und  den  Herzog 
einen  völlig  zwecklosen  ^  Wortbruch  begehen  lässt,  sondern 
vor  allem  auch  daran,  dass  sie  weder  dem  Wortlaut  noch 
dem  Sinn  von  W  entspricht.  Denn  nirgends  sagt  W,  dass 
Ernst  irgend  welches  Versprechen,  das  ihn  zu  einem  Vor- 
gehen gegen  Werner  verpflichtete,  geleistet  habe.  Gegen 
alle  Quellen  bürdet  Dieterich  dem  unglücklichen  Herzog 
auch  noch  einen  Wortbruch  auf  und  nimmt  ihm  dadurch 
das  letzte,  was  ihm  von  seinem  einstigen  Ruhm  geblieben 
war,    die   rein   menschliche   Sympathie-.     Von   einem   Ver- 


1)  Was  Dieterich  GQ.  S.  296  mit  Zwecken  'im  höheren  Sinne' 
unter  Berufung  auf  die  Freundestreue  meint,  ist  mir  völlig  unklar.  Was 
hatte  denn  Werner  davon,  dass  Ernst  zuerst  versprach,  ihn  bekriegen 
und  dies  eidlich  geloben  zu  wollen?  Die  Sinnlosigkeit,  dass  Ernst  zuerst 
den  Eid  versprach  und  unmittelbar  darauf  verweigerte,  die  zudem  nicht 
den  Quellen  entnommen,  sondern  in  sie  hineininterpretiert  ist,  glaube, 
■wer   mag.  2)    Noch  schlimmer  Harttung  FDG.  XVIIT,  617,  der  ihm 

gar  einen  Eidbruch  zur  Last  legt.  Er  meint,  der  genaue  Wortlaut  bei  W 
nötige  zu  folgender  Annahme :  Ernst  leistete  den  Eid  und  erhielt  sein 
Herzogtum  zurück,  weigerte  sich  dann  aber  alsbald  (noch  in  Ingelheim), 
das  beschworene  Versprechen  zu  erfüllen,  und  wurde  nun  (gleichfalls 
noch  zu  Ingelheim)  endgültig  abgesetzt.  Dann  hätte  Ernst  also  einen 
alsbald  verletzten  Scliwur,  einen  völlig  zwecklosen  Meineid  geleistet.  Des 
Meineids  aber  will  ihn  W  offenbar  noch  weniger  bezichtigen;  auch  ver- 
steht es  sich,  dass  Ernst  den  Krieg  gegen  Werner  erst  nach  Beendigung 
des  Reichstags  hätte  aufnehmen  können,  die  ganze  Sache  also  gar  nicht 
so  schnell  zur  Erledigung  hätte  kommen  können.  Vgl.  Bresslau  JB.  I, 
251  f.,  N.  5.  Auch  Dieterich  will  von  dieser  Auffassung  nichts  wissen. 
Dagegen  erörtert  er  GQ.  S.  295,  N.  23  noch  kurz  eine  andere  Möglichkeit, 
über  die  er  'vielleicht  ein  anderes  Mal  mehr'  sagen  will.  Er  meint,  viel- 
leicht sei  Ernst  1027  gar  nicht  abgesetzt,  sondern  nur  für  die  Dauer  seiner 
Haft  suspendiert  worden ;  das  'ducatum  recepit'  W  25  könne  eben  so  gut 
als  auf  eiue  Wiedereinsetzung  auch  nur  auf  eine  Wiederaufnahme  der 
herzoglichen  Geschäfte  gedeutet  werden.  Dann  hätte  also  Ernst  mit  der 
Haftentlassung  eo  ij^so  wieder  die  Regierung  seines  Herzogtums  über- 
nommen, sodass  er  nicht  erst  förmlich  in  Ingelheim  wieder  eingesetzt  zu 
werden  brauchte,  wohl  aber  auf  die  Verweigerung  des  Eides  hin  daselbst 
gänzlich  abgesetzt  werden  konnte.  Auch  das  ist  aber  eine  unhaltbare 
Konstruktion.  Allerdings  ist  es  möglich,  vielleicht  sogar  wahrscheinlich, 
dass  Ernst  1027  sein  Herzogtum  nicht  durch  einen  förmlichen  richter- 
lichen Spruch  verloren  hat.  Um  so  gewisser  aber  hat  er  es  dann  ver- 
loren durch  die  'Deditio  sine  omni  pactione',  die  er  nach  W  20  (S.  31) 
und  SHE  zu  Ulm  1027  vollzogen  hat.     Ueber  die  Bedeutung  des  Rechts- 

6* 


84  Robert  Holtzmann. 

sprechen  der  Eidesleistung  ist  überhaupt  nirgends  die  Rede ; 
wer  lässt  sich  wohl  auch  ein  Versprechen  versprechen? 
Sondern  W  weiss  nur  von  der  Eidesleistung  selbst,  die  der 
Kaiser  verlangte  und  Ernst  verweigerte.  Das  ist  ganz 
sicher,  und  die  Frage  ist  nur  die,  ob  und  wie  denn  Ernst 
unter  solchen  Umständen  überhaupt  wieder  in  den  Besitz 
des  Herzogtums  gekommen  ist,  ehe  er  es  endgültig  verlor. 
Nun  würde  man  ja  wohl  von  einer  Ungenauigkeit 
des  Ausdrucks  bei  W  nicht  viel  Aufhebens  machen  und 
sich  den  Vorgang  am  ehesten  nach  der  Art  Giesebrechts 
zurechtlegen,  wenn  nicht  andere  Gründe  zu  anderen  An- 
nahmen drängten.  Wir  besitzen  eine  vom  1.  Juli  1028  da- 
tierte Originalurkunde  Konrads  II.  für  das  Kloster  Corvey  ^. 
Protokoll  und  Eschatokoll  sind  von  einem  bekannten 
Kanzleischreiber  geschrieben ,  der  Kontext  ist  nachher  ^ 
von  einem  Parteischreiber  (also  wohl  von  einem  Corveyer 
Mönch)  eingetragen  worden.  Dieser  Parteischreiber  hat, 
wie  das  bei  Privaturkunden  üblich  war,  eine  Zeugenliste 
angefügt,  die  also  zweifellos  von  dem  Schreiber  des  Kon- 
textes herrührt  und  zugleich  mit  diesem  geschrieben  wurde  ^. 
Es  geht  natürlich  in  keiner  Weise  an,  die  Zeugenliste  mit 
Dieterich  ^    aus    ganz    nichtigen   Erwägungen    einfach    für 


aktes  der  Deditio  vgl.  den  Exkurs  bei  A.  Vogeler,  Otto  von  Xordheim  in 
den  Jahren  1070  —  1083  (1880)  S.  113  —  118  und  dazu  Bresslau  .TB. 
II,  80,  N.  2,  und  G.  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte  VI,  2.  xVufl. 
V.  G.  Seeliger  (1896),  589  f.  Wer  die  Deditio  vollzog,  gab  sich  mit  Habe, 
Gut  und  Leben  in  die  freie  Gewalt  des  Königs;  er  verlor  alles,  \Yas  er 
hatte,  soweit  es  ihm  der  König  nicht  zurückgab.  1)  Stumpf,  Reg.  1075 
=  DK.  II.  124  (MG.  DD.  reg.  et  imp.  Germ.  IV,  1G9  f.).  Das  Datum 
bezieht  sich  auf  die  Handlung,  der  Ausstellort  Magdeburg  vielleicht  nur 
auf  die  Beurkundung,  die  dann  etwas  später  erfolgt  wäre  (während  die 
Handlung  in  diesem  Falle  mit  AVahrscheinlichkeit  nach  Westfalen  verlegt 
■würde).  2)    Nicht  vorher,  wie  Ficker  und  ihm  folgend  Dieterich  GQ. 

S.  287 — 292  glauben.  Dass  die  Schrift  in  der  ersten  Zeile  so  auseinander- 
gezogen ist,  dass  diese  nur  das  Protokoll,  nicht  auch  den  Anfang  des 
Kontextes  enthält,  ist  doch  kein  Beweis  für  die  Xachtragung  des  Protokolls ! 
Der  Kanzleischreiber  wollte  eben  die  erste  Zeile  vorauffertigen,  nicht  aber 
einen  Teil  des  Kontextes.  3)  Vgl.  das  Facsimile  in  den  Kaiserurkunden 
in  Abbildungen  II,  2  und  dazu  nun  die  neuen  bestimmten  Feststellungen 
von  Bresslau  in  der  Vorbemerkunsf  zum  DK.  II.  124:.  4)  GQ.  S.  146, 
N.  10,  285 — -295.  Er  meint,  die  Zeugenliste  sei  erst  nach  dem  Vollzug 
des  Diploms  in  Corvey  hinzugefügt  worden  und  einer  Corveyer  Privat- 
urkuude  entnommen,  die  den  im  DK.  II.  124  beurkundeten  Vergleich 
des  Aljtes  Druthmar  mit  der  Frau  Alvered  betroffen  habe,  und  die  ohne 
Bedenken  in  den  Winter  1024  25  (!)  verlegt  wird.  Alles  ohne  eine  Spur 
von  Beweis,  es  sei  denn,  dass  man  die  Petitio  principii  (Widerspruch  der 
Urkunde  gegen  die  Darstellung  bei  W)  dafür  gelten  lassen  will.  Dass  bei 
dem  Zustandekommen   der  Urkunde   durch   Ausstellung   eines   Blauketts, 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  85 

'apokryph'  zu  erklären  und  unter  den  Tisch  fallen  zu  lassen. 
Sie  enthält  u.  a.  die  Namen:  'Bernhardus  dux,  Adalbero 
dux,  Ernastus  dux,  Liudulfus  comes,  privignus  imperatoris', 
d.  h.  die  Herzoge  Bernhard  II.  von  Sachsen,  Adalbero  von 
Kärnten,  Ernst  von  Schwaben  ^  und  Graf  Liudolf  von  Braun- 
schweig, der  gleichfalls  ein  Stiefsohn  des  Kaisers  war  -.  Die 
Zeugen  sind  Zeugen  der  Handlung^',  und  Bresslau^  schloss 
daraus,  dass  Ernst  bereits  am  1.  Juli  102S  aus  der  Haft  ent- 
lassen und  in  sein  Herzogtum  wieder  eingesetzt  war;  er 
vermutete  ferner,  dass  die  Begnadigung  Ernsts  bei  Gelegen- 
heit der  Königskrönung  Heinrichs  III.  zu  Aachen  (Ostern 
1028)  erfolgt  sei.  An  der  Feststellung,  dass  Ernst  am 
1.  Juli  1028  nicht  mehr  in  Haft  war,  ist  nicht  zu  rütteln; 
denn  es  ist  vollkommen  ausgeschlossen,  dass  er  während 
seiner  Gefangenschaft  auf  dem  Giebichenstein  als  Zeuge 
einer  Rechtshandlung  auftreten  konnte  ^.  Etwas  anderes 
als  die  Freilassung  ist  die  Wiedereinsetzung  in  das  Herzog- 
tum.  Was  diese  angeht,  so  werden  wir  heute,  wo  wir 
wissen,  dass  die  Zeugenliste  nicht  in  der  kaiserlichen 
Kanzlei,  sondern  von  einem  Privatschreiber  geschrieben 
wurde,  nicht  mehr  der  Ansicht  sein,  dass  der  Titel  'dux', 
mit  dem  Ernst  genannt  wird,  ein  stringenter  Beweis  dafür 


Ausfüllung  im  Kloster,  Vollziehung  durch  den  Kaiser  'ein  ganz  seltenes 
und  umständliches  Verfahren  ins  Werk  gesetzt'  worden  sei,  ist  eine  Be- 
hauptung, die  nur  von  geringen  diplomatischen  Kenntnissen  zeugt.  1)  Es 
gab  damals  keinen  anderen  Herzog  Ernst  als  ihn.  2)  Er  stammte  aus 

Giselas  erster  Ehe,  Ernst  aus  ihrer  zweiten ;  Kourad  II.  war  bereits  ihr 
dritter  Gemahl.  B)  Das   nimmt  (wie  Ficker)    auch  Dieterich    an,    um 

daraus  GQ,  S.  294,  N.  22  den  seltsamen  Schluss  zu  ziehen,  dass  man  die 
(durch  das  Datum  festgelegte)  Handlung  nun  beliebig  'mit  Hülfe  der 
Angaben  Wipos'  (!)    nach  rückwärts  verschieben   dürfe.  4)    N.  A.  II, 

593  f. ;  JB.  I,  251  f.  5)  Dieterich  GQ.  S.  294,  N.  28  sieht  freilich  auch 
hier  noch  Möglichkeiten,  die  er  erörtert,  nicht  weil  die  Zeugenliste  doch 
vielleicht  authentisch  sein  könnte ,  sondern  'nur  um  zu  zeigen ,  dass 
Bresslaus  Ausgleich  des  Zwiespalts'  zwischen  W  und  der  Zeugenliste 
'keineswegs  der  einzig  mögliche  ist'.  Zwei  andere  Möglichkeiten  glaubt 
er  feststellen  zu  dürfen :  Entweder  die  Handlung  der  Urkunde  fand  auf 
dem  Giebichenstein  statt,  bei  einem  Besuch,  den  Konrad  und  Gisela  auf 
der  Reise  von  Westfalen  nach  Magdeburg  dem  Sträfling  abstatteten,  und 
wo  sie  also  dem  gefangenen  und  unbegnadigten  Hochverräter  erlaubten, 
im  Kreise  der  übrigen  Fürsten  und  Herrn  des  Hofes  eine  Rechtshandlung 
zu  bezeugen  (dabei  macht  Dietericli  selbst  auf  der  gleichen  Seite  im  Text 
darauf  aufmerksam,  dass  die  Handlung  in  einer  kaiserlichen  Pfalz  statt- 
fand, der  Giebichenstein  aber  gehörte  dem  Erzbischof  von  Magdeburg!); 
oder  aber  die  Handlung  gehört  nach  Magdeliurg  und  Ernst  ist,  während 
seine  Eltern  daselbst  weilten,  sogar  'dorthin  beurlaubt  worden'!  Das  sind 
einfache  Phantasieen,  für  die  natürlich  keinerlei  Analogie  l)eigebracht 
werden  kann,  und  man  wird  nicht  überall  seine  Ansicht  teilen,  diese 
beiden  Annahmen  hätten  'genau  soviel  für  sich  als  jene  Bresslaus'. 


86  Robert  Holtzmann. 

sei,  dass  er  sich  am  1.  Juli  1028  wirklich  wieder  im  Besitz 
des  Herzogtums  befunden  habe.  Wie  die  Schrifsteller  ^ 
auch  abgesetzten  Herzogen  den  Titel  'dux'  zu  lassen  pflegen, 
so  könnte  der  Corveyer  Parteischreiber  den  im  Gefolge 
Konrads  befindlichen  Stiefsohn  des  Kaisers  sehr  wohl  als 
'Ernastus  dux'  bezeichnet  haben,  obgleich  er  die  Verwaltung 
von  Schwaben  noch  nicht  wiedererhalten  hatte  ^.  Möglich 
sage  ich,  nicht  gewiss.  Denn  an  sich  wird  man  es  ja 
immerhin  schon  jetzt  als  wahrscheinlicher  bezeichnen  dürfen, 
dass  die  Versöhnung  eine  vollkommene  gewesen  ist,  dass 
der  'Ernastus  dux',  so  gut  wie  die  vorher  genannten  Her- 
zoge Bernhard  und  Adalbero,  wirklich  ein  Herzogtum  be- 
sessen habe. 

W  25  sagt,  Ernst  habe  1030,  aus  dem  Gefängnis  ent- 
lassen, sein  Herzogtum  zurückerhalten,  aber  gleich  darauf 
wieder  verloren^.  Die  Behauptung,  dass  er  erst  1030  aus 
dem  Gefängnis  entlassen  wurde,  ist  unrichtig.  Ist  seine 
Angabe,  dass  er  erst  1030  das  Herzogtum  zurückerhalten 
habe,  unmittelbar  bevor  er  es  endgültig  verlor,  vielleicht 
dennoch  glaubwürdig? 

H  berichtet  zu  1030  über  diese  Dinge  folgendes: 
'Ernust  dux,  cum  exilio  relaxatus  ducatum  suum  recepisset, 
pravorum  consilio  usus  et  denuo  imperatori  refragatus  du- 
catu  privatur'.  Man  sieht:  hier  ist  im  Gegensatz  zu  W 
keine  Unklarheit.  Deutlich  werden  die  Vorgänge  aus- 
einandergehalten. Erst  erhält  Ernst  die  Freiheit  und  sein 
Herzogtum  wieder,  dann  wird  er  durch  schlechten  Rat 
verführt  und  aufs  neue  dem  Kaiser  untreu,  schliesslich 
verliert  er  das  Herzogtum  abermals.  Niemand  würde  nach 
diesem  Bericht  auf  den  Gedanken  kommen,  dass  das  alles 
so  zu  sagen  an  einem  Tage  geschehen  sei.  Ja  die  Nach- 
richten in  H  lassen  sich  sogar  ohne  weiteres  mit  der  eben 
besprochenen  Zeugenliste  vereinigen.    Zwar  wenn  wir  diese 


1)  Z.  B.  Widukind  III,  33.  42.  44.  47;  W  25.  Vgl.  Waitz  a.  a.  0. 
VII  (1876),  119;  Bresslau  JB.  I,  302,  N.  1.  2)  Auf  diese  Möglichkeit 
wies  zuerst  Harttung  FDG.  XVIII,  618  hin ;  dann  auch  Giesebrecht 
5.  Aufl.  II,  637,  Dieterich  GQ.  S.  295,  N.  23,  Seydel  S.  53  N.  Von  der 
kaiserlichen  Kanzlei  wäre  jedoch  Ernst,  bevor  er  das  Herzogtum  zurück- 
erhielt, schwerlich  als  'dux'  bezeichnet  worden.  3)  Auch  die  Meldung 
'a  custodia  solutus'  soll  doch  wohl  auf  1030  gehen.  Zwischen  einer 
Partizipialkonstruktion  und  einem  Nebensatz  von  der  Art,  wie  wir  gleich 
in  H  einen  finden  werden,  ist  ein  Unterschied.  Doch  käme  nichts  darauf 
an,  da  W  jedenfalls  die  Wiedereinsetzung  Ernsts  in  das  Herzogtum  zu 
dem  Ingelheimer  Tag  von  1030  ansetzt  und  hier  seine  Vorlage  miss- 
verstanden hat  (unten  S.  87). 


Wipo  und  die  Schwäbische  "Weltchronik.  87 

nicht  hätten,  würden  wir  wohl  die  Freilassung  und  Wieder- 
einsetzung- Ernsts  nach  H  am  ehesten  ins  Jahr  1030  ver- 
weisen, wiewohl  eine  gewissenhafte  Interpretation  von  vorn- 
herein festzustellen  hätte,  dass  H  nur  den  neuen  Abfall 
und  die  endgültige  Absetzung  Ernsts  zu  diesem  Jahre 
erzählt.  Die  vorangegangene  Freilassung  und  Wieder- 
einsetzung brauchen  keineswegs  erst  1030  erfolgt  zu  sein. 
H  1027  erzählt  die  Unterwerfung  Ernsts  und  Welfs  zu 
Ulm  und  sagt,  dass  der  Kaiser  die  beiden  'per  aliquod 
tempus  exilio  deputavit'.  Auf  wie  lange,  erfahren  wir  nicht. 
Zu  1030  hören  wir,  dass  Ernst,  der  aus  der  Verbannung 
entlassen  sein  Herzogtum  wieder  erhalten  hatte,  aufs  neue 
abfiel  und  abgesetzt  wurde.  Abfall  und  Absetzung  gehören 
zu  1030;  wann  die  Freilassung  und  Wiedereinsetzung  war, 
gibt  H  nicht  an,  und  wir  können  nur  sagen :  beides  muss 
zwischen  1027  und  1030  gewesen  sein.  Ich  gehe  auf  diese, 
schon  von  Bresslau  hervorgehobenen  Dinge  nochmals  aus- 
führlich ein,  weil  Dieterich  GQ.  S.  148  erklärt,  es  sei  ihm 
'unerfindlich' ,  wie  man  H  gegen  W  ausspielen  könne. 
Gerade  dieser  Fall  ist  aber  für  die  Erkenntnis  des  Quellen- 
zusammenhangs von  grösster  Wichtigkeit.  Wie  in  S  und 
und  H  ^,  so  dürfen  wir  annehmen,  werden  die  Nachrichten 
über  Ernst  auch  in  der  Vorlage  verteilt  gewesen  sein :  1027 
seine  Unterwerfung  und  Gefangensetzung,  1028  und  1029 
keine  Erwähnung,  schliesslich  1030,  unter  Nachholung  der 
inzwischen  erfolgten  Freilassung  und  Wiedereinsetzung  in 
einem  Nebensatz  (vgl.  H),  die  neue  Empörung  und  Ent- 
setzung und  der  Untergang  des  Herzogs.  Eben  dadurch 
erklärt  sich  nun  das  ganze  Versehen  bei  W  25.  Die  Vor- 
lage enthielt  zu  1030  einen  Satz  wie  H,  und  W  verstand 
das  so,  als  ob  die  Freilassung  und  Wiedereinsetzung  auch 
erst  1030  erfolgt  wären.  Aus  'cum  exilio  relaxatus  ducatum 
suum  recepisset'  machte  er  sein  'a  custodia  solutus  du- 
catum recepit',  was  doch  gewiss  kein  'grobes,  geradezu  un- 
glaubliches Missverständnis'  genannt  werden  darf,  und 
stellte  auch  diese  Angabe  zu  dem  Ingelheimer  Tag,  da  er 
aus  eigener  Kenntnis  wusste,  dass  hier  die  Verurteilung 
und  Absetzung  Ernsts  stattgefunden  hatte.  Unkenntnis 
und  Kenntnis  berührt  sich  hier  also  nahe  bei  dem  Bio- 
graphen Konrads,  wie  beides  sich  auch  sonst  bei  ihm  zur 
Genüge  findet.    Dieterich  freilich  sieht  nur  die  guten  Seiten 


1)  Und  ähnlich  E,  das  aber  den  ins  Jahr  1027  gehörigen  Bericht 
von  der  Unterwerfung  Ernsts  und  Welfs,  wie  den  vorangehenden  Jahres- 
bericht, um  ein  Jahr  zu  spät  gestellt  hat;  vgl.  oben  S.  73,  N.  2. 


88  Robert  Holtzmann. 

an  ihm  und  findet  es  unbegreiflich,  dass  der  trefflich 
orientierte  Historiker  W  hinsichtlich  der  Freilassung-  und 
Wiedereinsetzung  Ernsts,  einer  'Hauptsache,  die  ihm,  dem 
Hofmann,  unbedingt  vertraut  sein  musste,  eine  völlig 
falsche  Angabe  gemacht'  habe.  Leider  ist  sie  nicht  die 
einzige.  Wir  sahen  schon,  dass  W  die  erste  Aussöhnung 
Ernsts  zu  1025  statt  zu  1026  stellt  (oben  S.  74),  dass  er 
die  Herzoge  Friedrich  und  Dietrich  von  Oberlothringen 
verwechselt  (S.  75),  u.  a.  m.  Die  Liste  seiner  Irrtümer 
kann  leicht  vergrössert  werden:  lässt  er  doch  in  Kap.  35 
sogar  den  König  Heinrich  III.,  dem  er  sein  Werk  gewidmet 
hat,  schon  im  Jahre  1036  zusammen  mit  dem  Vater  nach 
Italien  gehen,  während  Heinrich  tatsächlich  damals  in 
Deutschland  zurückgeblieben  ist  und  erst  im  folgenden 
Frühjahr  die  Alpen  überstiegen  hat  -.  Warum  soll  diesem 
Autor  nicht  auch  ein  Irrtum  über  den  Zeitpunkt  der  Be- 
gnadigung Ernsts  nach  etwa  15  Jahren  zuzutrauen  sein? 
Zumal  wenn  dieser  Irrtum  durch  die  Vorlage  nahegelegt 
war.  W  selbst  muss  wohl  besser  als  Dieterich  sich  der 
Lücken  seiner  Kenntnisse  bewusst  gewesen  sein;  denn  in 
dem  Widmungsschreiben  am  Anfang  seines  Werks  ent- 
schuldigt er  sich,  wenn  er  mehr  oder  weniger  oder  anderes 
erzähle,  als  dem  Sachverhalt  entspreche,  weil  er  sehr  oft 
krank  gewesen  sei  und  nicht  häufig  in  der  Kapelle  seines 
Herrn  Konrad  anwesend  sein  konnte. 

Nicht  mehr  Glück  hat  Dieterich  mit  seiner  Be- 
merkung über  eine  andere  Quelle.  S  hat  die  Nachricht 
von  Ernsts  Freilassung  und  Wiedereinsetzung  überhaupt 
nicht,  sondern  bringt  zu  1030  sofort  den  neuen  Aufstand 
und  die  Entsetzung"-.  Es  hat  also  jenen  Nebensatz,  den 
wir  in  H  erhalten  fanden  ('cum  —  recepisset'),  fortgelassen. 
Darin  will  Dieterich  einen  neuen  Beweis  für  seine  Auf- 
fassung des  Quellenzusammenhangs  finden.  'Noch  merk- 
würdiger', so  spottet  er,  'ist  der  ''Glücksfall',  der  S  vor 
dem  angeblichen  Missverständnisse  Wipos  bewahrt  haben 
soll:  er  hat  seine  Vorlage  um  die  entscheidende  Stelle  ge- 
kürzt'. Mit  Verlaub!  Fälle,  in  denen  Dieterich  seinen 
W-Excerptor  durch  glückliche  Kürzungen  um  falsche  Nach- 
richten kommen  lässt,  haben  wir  allerdings  kennen  lernen. 
Hier  handelt  es  sich  aber  um  etwas    anderes:    der  Passus, 


1)  Beiläufiof  bemerkt:  Auch  diesen  Irrtum  hätte  der  W-Excerptor, 
nach  SHE  zu  schliessen,  in  zufällig  -  glücklicher  Kürzung  seiner  Vorlage 
vermieden!  2)  Noch   kürzer   ist   E,    das   nur   den   Untergang   Ernsts 

notiert. 


Wipo  und  die  Schv/äbisehe  Weltchronik.  89 

den  S  wegliess,  war  richtig;  ein  Missverständnis  stand 
bei  W,  nicht  in  der  Vorlaj^e  von  S  (und  W).  Und  richtige 
Nachrichten  der  Vorlage  hat  S  bei  seiner  Auswahl  doch 
wahrlich  noch  mehr  fortgelassen! 

Wenden  wir  uns  zum  Schluss  von  solch  unfrucht- 
barem Raisonnieren,  in  das  Dieterichs  Erörterungen  hier 
auslaufen,  lieber  noch  einmal  zu  dem  positiven  Hergang 
der  Ereignisse.  Im  Jahre  1028  hat  Ernst  die  Freiheit 
wiedererhalten  — •  wir  dürfen  vermuten:  bei  der  Königs- 
krönung Heinrichs  III.  Wie  aber  steht  es  mit  dem  Herzog- 
tum? Können  wir  wirklich  in  der  oben  gestellten  Alter- 
native, wonach  er  es  entweder  gleichzeitig  mit  der  Freiheit 
oder  aber  erst  später  (zwischen  1028  und  1030)  zurück- 
erhielt, keine  Entscheidung  treffen?  Ich  glaube,  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  doch.  Und  zwar  auf  Grund 
des  vorhin  zitierten  Berichtes  von  H,  den  wir  als  den 
besten  darüber  kennen  lernteTi,  während  die  Angabe  von 
W,  dass  Ernst  erst  1030  das  Herzogtum  wiedererhalten 
habe,  auf  einem  Missverständnis  beruht.  H  nun  stellt 
Freilassung  und  W^iedereinsetzung  entschieden  zusammen; 
'cum  exilio  relaxatus  ducatum  suum  recepisset' :  die  natür- 
liche Annahme  ist  doch  gewiss  die,  dass  die  Freilassung 
und  Wiedereinsetzung  in  das  Herzogtum  zusammen  statt- 
fanden. Also  wird  es  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  dabei 
bleiben,  dass  auch  die  Wiedereinsetzung  schon  1028  erfolgt 
ist.  Um  so  mehr  als  auch  das  Zeugnis  einer  anderen, 
freilich  stark  verfälschten  Urkunde  ^  wenigstens  dafür  an- 
gerufen werden  darf,  dass  Ernst  um  diese  Zeit  sein  väter- 
liches Erbgut  Weissenburg  (am  Sand)  dem  Kaiser  gegen 
Rückerstattung  eines  Herzogtums  abgetreten  hat.  Aber 
aufs  neue  hat  Ernst  die  Erwartungen  seines  Stiefvaters 
getäuscht.  Er  trat  wieder  mit  Werner  in  Verbindung  und 
Hess  diesen  abermals  das  Reich  durch  Umtriebe  in  Unruhe 
versetzen.  Nun  verlangte  Konrad  1030  zu  Ingelheim  kate- 
gorisch von  Ernst  die  Erfüllung  seiner  Pflicht  als  Reichs- 
fürst :  er  solle  seine  Bereitwilligkeit,  Werner  zu  bekriegen, 
beschwören  und  durch  diesen  Eid  offenbar  sich  selbst  von 
dem  Verdacht  einer  Verbindung  mit  ihm  reinigen.  Ernst 
aber  hat  diesen  Eid  verweigert  und  ist  damit  sich  selbst 
und  dem  Freund   treu    geblieben.     Eben  weil    Ernst   im 


1)  Stumpf,  Reg.  1991  =  DK.  II.  140  (MG.  DD.  reg.  et  imp.  Germ. 
IV,  18S  ff.).  Vgl.  dazu  Bresslau  .IB.  I,  252  mit  N.  1  und  gegen  die 
Ausführungen  von  Dieterich  GQ.  S.  297—303  jetzt  die  ausführliche  Vor- 
bf -merkung  zum  DK.  II.  1-40. 


90  Robert  Holtzmann. 

Jahre  1030,  als  den  neuen  Zettelungen  Werners  ein  Ende 
gemacht  werden  sollte,  schon  Herzog  war,  musste  man 
sich  an  ihn  wenden,  ihn  entweder  verpflichten  oder  fallen 
lassen.  Was  für  einen  Sinn  hätte  es  dagegen  gehabt,  ihn 
gerade  in  diesem  Moment,  als  man  gegen  Werner  vorgehen 
wollte,  aus  dem  Giebichenstein  zu  holen  und  ihm  das 
Herzogtum  anzubieten  oder  gar  wirklich  zu  übertragen? 
Wahrlich  näherliegend  und  sicherer  wäre  es  für  Konrad 
gewesen,  selbst  und  mit  seiner  provisorischen  Eegierung 
den  Unruhestifter  zu  beseitigen !  So  ergibt  sich  auch  aus 
dieser  Ueberlegung,  dass  Ernst  schon  vor  dem  Ingelheimer 
Tag  sein  Herzogtum  wieder  erhalten  haben  muss,  und  dass 
die  gegenteilige  Versicherung  von  W  25  auf  einem  Irrtum 
oder  vielmehr  auf  einem  Missverständnis  beruht. 

VI. 

Glauben  wir,  im  vorstehenden  Abschnitt  nachgewiesen 
zu  haben,  dass  W  25  seine  Vorlage  in  einem  Punkte  miss- 
verstanden hat,  so  will  in  der  nun  zur  Besprechung  ge- 
langenden Frage  des  Polenfeldzugs  von  1032  Dieterich 
GQ.  S.  148—153  und  Pkr.  S.  14—241  umgekehrt  den  Nach- 
weis führen,  dass  die  von  S  und  H  zu  1032  gebrachte 
Nachricht  von  einem  Polenfeldzug  Konrads  irrig  sei,  und 
dass  dieser  Irrtum  wieder  auf  das  in  S  und  H  benutzte 
W-Excerpt  zurückgehe,  indem  der  Excerptor  eine  an  sich 
richtige,  aber  missverständliche  Notiz  bei  W  29  miss- 
verstanden habe. 

S  und  H  berichten  zu  1032  den  Tod  Rudolfs  III. 
von  Burgund  (G.  September  1032),  und  dass  Konrad,  wäh- 
rend Odo  von  der  Champagne,  sein  Mitbewerber  um  das 
erledigte  Erbe,  sofort  in  Burgund  einbrach,  eben  in  diesen 
Tagen  auf  einem  Feldzug  gegen  Mesko  von  Polen  begriffen 
war.  S:  'imperatore  per  idem  tempus  Pulanis  Sclavis  hello 
insistente'.  H  :  'imperatore  ipsis  diebus  contra  Misiconem 
Sclavorum  qui  Boloni  vocantur  regem  exercitum  duatante'. 
Dem    entspricht  W  29,    wo    gleichfalls    zunächst    der   Tod 


1)  Dieterich  Pkr.  ist  1895,  GQ.  1897  erscbieoen.  Das  letztere 
Werk  muss  aber  bereits  1895  wenigstens  in  der  Hauptsache  fertiggestellt 
und  z.  T.  auch  schon  gedruckt  gewesen  sein,  da  es  Pkr.  S.  4  und  7 
(N.  9.  10.  12.  19)  zitiert  wird.  Den  eigentlichen  Inhalt  von  Pkr.  bildet 
der  Nachweis,  dass  der  Friede  von  Merseburg  trotz  der  von  ßresslau 
JB.  II,  481 — 83  vorgebrachten  Gegenargumente  nicht  1033,  sondern  1032 
stattgefunden  habe.  Sofern  diese  Frage  eng  mit  der  hier  behandelten 
zusammenhängt,  gehört  die  ganze  Schrift  hierher. 


Wipo  lind  die  Schwäbische  Weltchronik.  91 

Rudolfs  und  der  Einfall  Odos  in  Burgund  erzählt  werden, 
und  wo  es  dann  weiter  heisst:  'Sed  dum  Oudo  consul  haec 
in  Burgundia  faceret,  Chuonradus  Imperator  in  Sclavonia 
cum  armis  fuerat.  Quid  ibi  ageret  vel  qualiter  postea 
Oudonem  repulisset  de  Burgundia,  eonsequenter  dieam'. 
Folgt  zunächst  im  Schluss  des  Kapitels  eine  Erzählung 
der  polnischen  Wirren  und  Fehden  seit  dem  Tod  Boleslavs 
1025;  sie  gibt  also  die  Antwort  auf  die  Frage,  weshalb 
Konrad  im  September  1032  'cum  armis'  im  Slavenland 
war:  'quid  ibi  ageret',  erfahren  wir  durch  eine  pragma- 
tische, bis  1025  zurückgreifende  Darstellung  (daher  'eon- 
sequenter dicam).  Daran  schliessen  sich  Kap.  30 — 32  die 
Feldzüge  gegen  Odo  und  die  Erwerbung  Burgunds,  also 
die  mit  den  Worten  'qualiter  postea  Oudonem  repulisset 
de  Burgundia'  angekündigte  Schilderung.  Dass  W  29  also 
genau  wie  S  und  H  den  Kaiser  beim  Tod  Rudolfs  auf 
einem  Polenfeldzug  abwesend  sein  lässt,  dürfte  für  jeden, 
der  nur  diese  drei  Quellen  vor  Augen  hat,  völlig  sicher  sein. 
Dennoch  leugnet  es  Dieterich.  Und  zwar  leugnet 
er  es  deshalb,  weil  nach  ihm  eine  andere  gewichtige  Quelle 
der  Nachricht  von  einem  Polenfeldzug  im  September  1032 
widerspricht.  Die  Hildesheimer  Annalen,  denen  wir  die 
ausführlichsten  Nachrichten  über  die  Verhältnisse  bei  den 
Slaven  verdanken,  berichten  zu  1032,  dass  Kaiser  Konrad 
und  Mesko  von  Polen  am  7.  Juli  d.  J.  zu  Merseburg 
Frieden  geschlossen  habend  Dieser  Merseburger  Frieden 
hat  die  langjährigen  polnisch -deutschen  Händel  beigelegt; 
dass  es  noch  einmal  zu  einem  Krieg  zwischen  Konrad  und 
Mesko  gekommen  sei,  wird  iu  den  Hildesheimer  Annalen 
nicht  erzählt.  Auch  W  29  beendet  seine  Erzählung  von 
den  polnischen  und  polnisch -deutschen  Vorgängen  mit 
einem  Friedensschluss,  der  offenbar  mit  dem  Merseburger 
Frieden  identisch  ist  (vgl.  unten  S.  93).  Da  also  am  7.  Juli 
1032  Frieden  geschlossen  wurde,  so  meint  Dieterich,  kann 
im  September  desselben  Jahres  Konrad  nicht  gegen  Mesko 
im  Krieg  gestanden  haben.  Auch  Bresslau-  war  nicht 
etwa  der  Ansicht,  dass  der  Merseburger  Frieden  nicht  ein- 
gehalten worden  wäre,  sondern  er  verlegte  ihn  —  zum 
Teil  eben  mit  Rücksicht  auf  die  von  ihm  auf  die  Schwä- 
bische Weltchronik  zurückgeführten  Nachrichten  über  den 
Feldzug  vom  September  1032  —  in  das  folgende  Jahr  (auf 


1)  Annales  Hildesheimenses,   ed.  Gr.  Waitz   in   den  SS.  rer.  Germ. 
(1878),  S.  37.        2)  Bresslau  Jß.  II,  80.  481—83. 


92  Robert  Holtzmann. 

den  7.  Juli  1033).  Eben  die  Berechtigung-  dazu  sucht 
Dieterich  in  einer  besonderen  Schrift  (Pkr.)  ihm  abzu- 
sprechen. 

Nun  scheint  mir  eins  jedenfalls  ein  verhängnisvoller 
methodischer  Fehler  zu  sein,  dass  nämlich  Dieterich,  von 
der  Ansicht  ausgehend,  dass  der  Merseburger  Frieden  am 
7.  Juli  1032  abgeschlossen  wurde,  nun  den  Bericht  bei 
W  29  uminterpretiert  und  ihn  mit  aller  Gewalt  so  zurecht- 
rücken will,  dass  er  mit  der  Nachricht  vom  Friedensschluss 
1032  harmonieren  soll.  Da  kommt  denn  folgendes  heraus. 
Wenn  Konrad  'in  Sclavonia'  war,  so  bezieht  sich  das  nicht 
auf  die  Polen,  sondern  auf  die  Eibslaven,  und  wenn  er 
'cum  armis'  dort  war,  so  heisst  das  nicht  notwendig  mit 
einem  Heere  (auf  einem  Feldzug),  sondern  'mit  gewaffnetem 
Gefolge'.  Gemeint  seien  mit  den  Slaven  wahrscheinlich 
die  Liutizen,  und  es  habe  sich  wahrscheinlich  nicht  um 
einen  Feldzug  gegen  sie  gehandelt,  sondei'u  nur  um  den 
Gerichtstag,  den  Konrad,  wiederum  nach  dem  Bericht  der 
Hildesheimer  Annalen  zu  1032,  in  Werben  an  der  Elbe 
abgehalten  habe,  und  zu  dem  sowohl  die  Sachsen  als  die 
Liutizen  in  Waffen  erschienen  seien.  An  diese  Konstruk- 
tion schliesst  sich  dann  natürlich  die  Behauptung,  dass  der 
W-Excerptor  den  Satz  über  Konrads  Verweilen  bei  den 
Slaven  missverstanden  und  auf  einen  Feldzug  gegen  die 
Polen  bezogen  habe,  und  dass  so  die  falsche  Nachricht 
von  einem  Polenfeldzug  im  September  1032  in  S  und  H 
entstanden  sei. 

Die  Untersuchung  Dieterichs  ist  methodisch  falsch, 
weil  sie  Kritik  und  Interpretation  durcheinanderwirft.  Wie 
anderwärts  hat  sich  das  auch  hier  schwer  gerächt.  Das 
erste,  was  die  historische  Forschung  nach  Sammlung  der 
Quellen  zu  leisten  hat,  ist  deren  Interpretation,  d.  h.  die 
Feststellung,  was  die  einzelnen  Autoren  mit  ihren  Worten 
eigentlich  meinen.  Danu  erst  kommt  die  Kritik,  welche 
die  einzelnen  Quellen  konfrontiert  und  dabei  untersucht, 
ob  sie  sich  widersprechen  und,  gegebenenfalls,  welche  von 
ihnen  recht  hat.  Die  Interpretation  von  W  29  aber  ergibt 
ganz  zweifellos,  dass  Wipo  der  Ansicht  war,  Konrad  sei 
beim  Einfall  Odos  in  Burgund  auf  einem  Feldzug  gegen 
die  Polen  gewesen.  Ob  diese  Ansicht  Wipos  richtig  oder 
unrichtig  war,  ist  eine  andere  Frage,  für  uns  zunächst  eine 
cura  posterior.  Wir  betrachten  fürs  erste  lediglich  den 
Bericht  W  29,  ohne  Eücksicht  auf  andere  Quellen  (natürlich 
auch  noch  ohne  Rücksicht  auf  SH),  und  stellen  fest,  dass 
wir  hier  fols-endes   lesen :    Während  Odo   in  Burgund   ein- 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  93 

brach,  war  Konrad  mit  Waffen  im  Slavenland;  'was  er  da 
tat,  will  ich  jetzt  im  Zusammenhang  erzählen'.  Und  nun 
folgt  ein  langer  Bericht,  in  dem  nur  und  ausschliesslich 
von  Polen  die  Rede  ist,  kein  Wort  von  den  Eibslaven,  kein 
Wort  in  Sonderheit  von  den  Liutizen.  Nach  dem  Tod  des 
Herzogs  Boleslav  von  Polen  [f  17.  Juni  1025^],  so  lesen 
wir  hier,  vertrieb  sein  einer  Sohn,  Mesko,  den  anderen, 
Otto  [=  Bezprim],  nach  ßussland';  einige  Zeit  nachher 
gewann  aber  Otto  den  Kaiser  Konrad  zu  einem  gemein- 
samen Angriff  gegen  Mesko,  wodurch  dieser  zur  Flucht 
zum  Herzog  Udalrich  von  Böhmen,  dem  der  Kaiser  damals 
zürnte,  gezwungen  wurde  [1031^].  Udalrich  erbot  sich 
allerdings  zur  Auslieferung  Meskos,  die  aber  der  Kaiser, 
da  er  keinen  Feind  vom  Feinde  kaufen  wollte,  nicht  an- 
nahm. Otto  wurde  Herzog  von  Polen,  nach  einiger  Zeit 
aber  von  einem  seiner  Vertrauten  ermordet  [1032^].  Nun 
versuchte  Mesko  mit  allen  Mitteln  die  Gunst  der  Kaiserin 
Gisela  und  der  übrigen  Fürsten  zu  gewinnen,  um  mit  ihrer 
Unterstützung  auch  die  Gunst  des  Kaisers  wieder  zu  er- 
langen. Und  in  der  Tat  verzieh  ihm  der  Kaiser  und  teilte 
Polen  in  drei  Teile,  von  denen  der  eine  an  Mesko,  die 
beiden  anderen  an  zwei  andere  Herren  kamen  [Friede  von 
Merseburg^].  So  wvirde  durch  die  Verminderung  der  Macht 
zugleich  Meskos  Verwegenheit  geringer.  'Nach  dem  Tode 
Meskos  [t  10.  Mai  1034]  hat  sein  Sohn  Kasimir  bis  jetzt 
unseren  Kaisern  treu  gedient'.  —  Soweit  W,  der  also  keine 
genaue  Angabe  darüber  macht,  bei  welcher  Gelegenheit 
und  zu  welchem  Zwecke,  und  ob  vor  oder  nach  dem  Merse- 
burger Frieden  Konrad  'in  Sclavonia'  war.  Man  kann 
darüber  zweifeln,  wo  denn  der  Polenfeldzug  in  diese  Dar- 


1)  Die  eingeklammerten  Zahlen  und  Erläuterungen  nicht  bei  W. 
2)  'in  Ruzziam'  (W  9:  'in  Ruzziam  provinciara').  Vgl.  dazu  Bresslau 
JB.    I,    101,    N.  1;    Dieteridi  Pkr.    S.  8,   N.  21.  3)  Annales   Hildes- 

heimenses S.  36.  Danach  kam  allerdings  kein  gleichzeitiger  Angriff  zu 
Stande,  sondern  erst  nahm  Konrad  dem  Mesko  die  Lausitz  mit  einigen 
Städten  (Bautzen)  ab,  und  einen  Monat  später  vertrieb  ihn  Otto  ganz 
nach  Böhmen.  Vgl.  Bresslau  JB.  I,  331  f.;  Dieterich  Pkr.  S.  7 — 9. 
4)    Annales   Hildesheimenses   S.    37.  5)   Nach   den   Annales   Hildes- 

heimenses wurde  Polen  hier  nicht  in  drei,  sondern  nur  in  zwei  Teile 
zerlegt.  Die  Diftereuz  dürfte  sich  wahrscheinlich  dadurch  erklären,  dass 
W  mit  dem  dritten  Teil  die  Lausitz  meint,  die  Mesko  nach  dem  ge- 
naueren Bericht  der  Annales  Hddesheimenses  schon  1031  verloren  hatte 
(vgl.  oben  X.  3),  und  auf  die  er  in  Merseburg  vermutlich  noch  einmal 
verzichtete;  dann  ergibt  sich  aus  AV  noch  des  weiteren,  dass  der  Mark- 
graf der  Lausitz  jedenfalls  keinen  der  anderen  Teile,  in  die  Polen  zerlegt 
wurde,  erhielt.  Dies  ei'kannt  zu  haben,  ist  das  Verdienst  von  Dieterich 
Pkr.  S.  24—28. 


94  Robert  Holtzmann. 

Stellung  eingeschoben  werden  soll,  erhält  vielleicht  sogar 
den  Eindruck,  dass  W  das  selbst  nicht  so  recht  wusste. 
Aber  über  eins  kann  man  doch  keinesfalls  ira  Zweifel  sein, 
nämlich  darüber,  dass  nach  der  Ansicht  Wijjos  die  An- 
wesenheit Konrads  'in  Sclavonia  cum  armis'  eben  der  Polen 
wegen  stattfand.  Die  Behauptung  Dieterichs  (Pkr.  S.  20), 
W  gebrauche  die  Bezeichnungen  'Sclavi'  und  'Sclavonia'  'fast 
ausschliesslich  für  die  Liutizen,  nur  selten  für  die  Slaven 
insgesamt  und  niemals  für  die  Polen',  ist  eine  blanke  Un- 
wahrheit^, und  man  darf  es  wohl  als  gewiss  aussprechen, 
dass  ohne  die  Hildesheiraer  Annalen  und  ihre  Angabe  über 
den  Merseburger  Frieden  niemand  jemals  auf  die  Idee  ge- 
kommen wäre,  dass  W  29  den  Kaiser  nicht  gegen  die  Polen 
ziehen  lasse.  Denn  es  geht  doch  wahrlich  nicht  an,  an- 
gesichts dieser  Sachlage  einfach  zu  dekretieren,  W  rede 
zwar  von  den  Polen,  meine  aber  als  Zielpunkt  des  Kaisers 
die  Eibslaven,  und  deshalb  zu  vermuten,  es  liege  nur  'eine 
kleine,  aber  doch  leicht  entschuldbare  Ungenauigkeit  darin, 
dass  W  nur  die  Polen,  nicht  auch  die  Liutizen  nennt,  deren 
Unruhe  freilich  mit  den  polnischen  Wirren  in  irgend  einer 
Verbindung  gestanden  haben  mag'  ^.  Man  sieht,  mit  Hypo- 
thesen ist  der  Verfasser  leicht  bei  der  Hand:  W  wollte 
eigentlich  von  den  Liutizen  reden,  redet  aber  nur  von  den 
Polen,  da  deren  'Wirren'  wohl  mit  der  Unruhe  bei  den 
Liutizen    in    irgend    einer    Verbindung    standen.      Solche 


1)  Erheblich  vorsichtiger  drückt  sich  der  Verfasser  GQ.  S.  149  aus. 
Der  Fall  liegt  in  Wahrheit  folgendermassen.  Ausführlich  redet  W  von 
slavischen  Völkern  in  den  Kapiteln  9,  29  und  33;  und  zwar  handeln  die 
beiden  erstgenannten  von  den  Polen,  deren  Beziehungen  zu  Konrad  in 
Kap.  29  zu  Ende  geführt  werden ,  das  letzte  von  den  Böhmen  und 
Liutizen.  Dass  hier,  in  Kap.  33,  wo  von  'Sclavi'  geredet  wird,  nicht  die 
Polen  gemeint  sind,  ist  selbstverständlich.  Dagegen  heisst  es  in  Kap.  9 : 
'De  Bolizlao  duce  Sclavorum'  und  'Bolizlaus  Sclavigena  dux  Bolanorum', 
und  in  Kap.  29  sind  die  eben  hier  zur  Debatte  stehenden  Worte  'in 
Sclavonia'  ebenfalls  auf  Polen  zu  beziehen.  Natürlich  heisst  'Sclavi, 
Sclavonia'  nicht  'Polen',  aber  Polen  gilt  auch  bei  W  als  ein  Teil  von 
'Sclavonia',  und  in  Kap.  29  hat  er  eben  an  diesen  Teil  gedacht.  Ein 
anderer  Teil  der  Slaven  sind  die  Eibslaven ;  W  2  (S.  11)  ist  die  Rede 
von  den  'Saxones  cum  sibi  adiacentibus  Sclavis' :  auch  hieraus  ist  zu 
ersehen,   dass  W  noch   andere  Slaven  kennt.  2)  Dieterich  Pkr.  S.  19. 

Dabei  haben  gerade  nach  Dieterich  die  polnischen  Wirren  mit  dem 
7.  Juli  1032  ein  Ende  gefunden.  Auf  der  folgenden  Seite  vermutet 
Dieterich  bei  dem  sonst  so  gefeierten  W  Zeichen  der  Altersschwäche: 
'Kann  er  nicht  durch  einen  Zufall,  vielleicht  auch  durch  die  Vergesslich- 
keit  des  Alters  daran  (nämlich  an  einem  Bericht  über  den  Gerichtstag  zu 
Werben,  dessentwegen  Konrad  im  Slavenland  gewesen  sei)  gehindert 
worden  sein?'  Das  heisst  mau,  eine  wissenschaftliche  Untersuchung  mit 
windigen  Einfällen  führen. 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  95 

Schlüsse  dürften  allerdings  wohl  das  Ende  einer  ernsten 
methodischen  Untersuchung  bedeuten. 

Wir  bleiben  also  dabei:  W  lässt  den  Kaiser  im  Sep- 
tember 1032  mit  Waffengewalt  gegen  die  Polen  ziehen. 
Mit  dieser  Feststellung  haben  wir  die  Frage  des  Quellen- 
zusammenhangs gleichfalls  erledigt.  Es  ist  nicht  so,  dass 
W  einerseits,  S  und  H  andererseits  sich  widersprächen, 
und  dass  wir  erkennen  könnten,  wie  eine  richtige  Nachricht 
von  W  durch  das  Missverständnis  eines  Excerptors  zu  einer 
falschen  Nachricht  in  S  und  H  geworden  wäre,  sondern  W, 
S  und  H  haben  dieselbe  Meldung,  dass  Konrad,  als  Rudolf 
von  Burgund  starb,  sich  auf  einem  Polenfeldzug  befand. 
Es  versteht  sich ,  dass  wir  diese  gemeinsame  Nachricht 
einfach   auf   die  gemeinsame  Quelle  zurückführen  werden. 

Wir  wollen  uns  aber  auch  hier  nicht  mit  dieser 
quellenkritischen  Feststellung  begnügen,  sondern  darüber 
hinaus  nach  dem  Ergebnis  für  unsere  Kenntnis  der  histo- 
rischen Vorgänge  fragen.  Ist  denn  die  Nachricht  vom 
Polenfeldzug  des  September  1032  richtig?  Hier  ist  der 
Ort,  die  anderen  Quellen  zu  Rate  zu  ziehen.  Ausser  W, 
S  und  H  weiss  keine  gleichzeitige  Quelle  von  dem  Zug^, 
eine  Tatsache,  die  bei  der  Beschränktheit  unseres  Quellen- 
materials an  sich  freilich  nicht  schwer  wiegt.  Aber  die 
Hildesheimer  Annalen  erzählen,  wie  schon  erwähnt,  zum 
7.  Juli  1032  ausdrücklich  den  Abschluss  des  Merseburger 
Friedens  zwischen  Konrad  und  Mesko;  nachher  wissen  sie 
zu  diesem  Jahr  über  Polen  nur  noch  das  eine,  dass  Mesko 
auch  denjenigen  Teil  Polens,  den  er  im  Merseburger  Frieden 
seinem  Verwandten  Dietrich  von  Wettin  hatte  überlassen 
müssen,  wieder  an  sich  gerissen  hat.  Nun  sind  sich  die 
bisherigen  Forscher  darüber  einig,  dass  die  Nachricht  von 
dem  polnischen  Frieden  im  Juli  1032  mit  der  Nachricht 
von  dem  polnischen  Kriegszug  im  September  1032  un- 
vereinbar sei.  Das  war  wohl  der  Hauptgrund  für  Bresslau, 
den  Merseburger  Frieden  ins  Jahr  1033  zu  weisen.  Aller- 
dings führt  er-  noch  einige  andere  an.  Zunächst  den 
Nachweis  von  Waitz  ^,  dass  der  Gerichtstag  von  Werben, 
den  die  Hildesheimer  Annalen  im  Anschluss  au  den  Merse- 


1)  Zu  Unrecht  hat  Bresslau  JB.  II,  8,  N.  3  und  482  auch  die 
Annales  Ratisponenses  als  'gleichzeitig'  mit  herangezogen.  Sie  gehören 
dem  12.  Jh.  an  und  kommen  für  uns  nicht  in  Betracht,  wie  Dieterich 
GQ.  S.  149  und  Pkr.  S.  23  mit  Recht  bemerkt.  Ob  sie  übrigens  einfach 
eine  Ableitung  aus  H  sind ,  bedürfte  noch  genauerer  Untersuchung. 
2)  JB.  II,  481—83.        3)  FDG.  VII,  399  f. 


96  Robert  Holtzmann. 

burger  Frieden  (verknüpft  durch  ein  'postea')  gleichfalls  zu 
1032  erzählen,  ins  Jahr  1033  gehöre.  Dieterich  ^  bestreitet 
allerdings  diesen  Nachweis  und  hat  den  Werbener  Ge- 
richtstag, wie  wir  sahen  (S.  92),  in  seine  Untersuchungen 
über  W  29  wieder  eingeführt.  Ich  kann  ihm  auch  hierin 
nicht  folgen  und  glaube,  dass  die  Waitz'scheu  Ausführungen 
vollkommen  zu  Kecht  bestehen  -.  Aber  in  unserer  Frage 
ist  damit  wenig  gewonnen.  Denn  wenn  auch  der,  bei  be- 
stimmter Gelegenheit  (nämlich  aus  Anlass  des  Nicht- 
erscheinens üdalrichs  von  Böhmen  in  Merseburg)  in  re- 
lativischer  Anknüpfung,  gewissermassen  in  Parenthese,  ein- 
geschaltete Satz  über  den  Werbener  Tag  (auf  dem  Udalrich 
erschien  und  verurteilt  wurde)  in  der  Tat  ein  Ereignis  des 
folgenden  Jahres  vorwegnimmt,  so  ist  es  doch  ganz  zweifel- 
los die  Meinung  des  Annalisten,  dass  der  Merseburger 
Frieden,  dessen  Tagesdatum  er  nennt,  und  über  den  er  in 
mehreren  Sätzen  ziemlich  genaue  Angaben  macht,  zum 
Jahre  1032  gehört^.  Er  müsste  hier  also  einfach  geirrt 
haben.  Zu  einer  solchen  Annahme  werden  wir  bei  der 
besten  Quelle,  die  wir  über  die  polnischen  Dinge  haben, 
nur  bei  zwingenden  Gründen  greifen.  Einen  solchen 
zwingenden  Grund  —  darin  wird  man  Dieterich  ^  recht 
geben  können  —  stellt  weder  das  aus  den  Urkunden  ge- 
wonnene Itinerar  des  Kaisers  ^  dar  noch  die  Tatsache,  dass 
Dietrich  von  Wettin  zu  Merseburg  einen  Teil  Polens  er- 
hielt; denn  mit  dem  Besitz  der  Lausitz  hat  die  Ueber- 
tragung  dieses  Teiles  von  Polen  überhaupt  nichts  zu  tun  '\ 


1)  GQ.  S.  US,  X.  12,  150  mit  X.  18;  Pkr.  S.  0,  X.  14,  11.  Die 
hier  angekündigte  Arbeit  über  die  Chronologie  der  Slavenkämpfe  ist 
bisher  nicht  erschienen.  2)    Sie  beruhen    auf  der  Tatsache,    dass   die 

Annales  Hildeslieimenses  selbst  sagen,  Udalrich  habe  zu  Werben  seine 
vor  zwei  Jahren  gegen  den  Kaiser  ins  Werk  gesetzten  Umtriebe  ein- 
gestanden, was  auf  die  Vorgänge  des  Jahres  1031  Bezug  hat  (wäljreud 
zu  1030  in  den  Ann.  Hildesh.  von  Udalrich  und  Böhmen  überhaupt  nicht 
die  Rede  ist).  3)  Dagegen  kann  auch  das  einleitende  'postmodum'  nicht 
ins  Feld  geführt  werden.  4)  Pkr.  S.  12 — 11.  21 — 46.      Dagegen   hat 

Dieterich  ebd.  S.  10.  12  Unrecht,  wenn  er  aus  W  29  eine  weitere  positive 
Meldung,  dass  der  Frieden  1032  geschlossen  sei,  herausiuterprctiert.  Denn 
die  in  dieser  pragmatischen  Darstellung  berichteten  Tatsachen  können  das 
Jahr  1032  auch  überschreiten,  wie  das  die  Meldung  vom  Tod  Meskos  und 
der  Regierung  Kasiaiirs  in  der  Tat  tut.  5)   6.  Juni  1032  Morseburg, 

30.  Juni  und  21.  August  d.  J.  Magdeburg  (DK.  II.  181—183).  Dass  der 
Kaiser  am  7.  Juli  1033  gleichfalls  in  Merseburg  war,  kann  natürlich  nicht 
als  Gegenbeweis  gelten.  6j  Die  Sache  ist  folgendermassen.     Markgraf 

Odo  IL  von  der  Lausitz  (Ostmark)  lebte  noch  30.  Juni  1032.  Sein  Nach- 
folger war  nach  der  bisherigen  Ansicht  Dietrich  von  Wettin,  und  eben  in 
seiner  Eigenschaft  als  Markgraf  der  Lausitz   soll  Dietrich   nach  Bresslaus 


Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  97 

Diese  beiden  Gründe  hatte  Bresslau  auch  nur  subsidiär 
herangezogen.  Sein  Hauptgrund  war  der  Polenfeldzug  vom 
September  1032;  er  aber  verlangt  in  der  Tat  eine  ernst- 
liche Auseinandersetzung. 

Dreierlei  ist  möglich.  Entweder  die  Hildesheimer 
Annalen  irren,  indem  sie  den  Merseburger  Frieden  zu  1032 
statt  zu  1033  stellten ;  eine  Annahme,  zu  der  man  sich 
nur  schwer  entschliessen  möchte.  Oder  die  Vorlage  von 
WSH  —  die  Schwäbische  Weltchronik  —  irrte,  indem  sie 
den  Kaiser  im  September  1032  auf  einem  Feldzug  gegen 
Mesko  von  Polen  weilen  Hess;  eine  Annahme,  zu  der  man 
sich  angesichts  der  vortrefflichen  reichsgeschichtlichen 
Nachrichten  dieser  Quelle  gewiss  nicht  leichteren  Herzens 
bekennen  würde.  Ich  halte  weder  das  eine  noch  das 
andere  für  geboten.  Denn  eine  dritte  Möglichkeit  scheint 
mir  alle  Schwierigkeiten  mit  einem  Schlage  zu  beseitigen. 
Ich  glaube,  dass  beide  Quellen  recht  haben,  und  dass  ihre 
Nachrichten ,  weit  entfernt  sich  zu  widersprechen ,  sich 
vielmehr  aufs  beste  ergänzen.  In  der  Tat  ist  es  ein  ganz 
unbelegtes  und  unbewiesenes  Axiom,  dass  nach  dem  Frieden 
von  Merseburg  aller  Streit  zwischen  Konrad  und  Mesko  zu 
Ende  war.  Es  ist  nicht  richtig,  was  Dieterich  Pkr.  S.  15 
behauj)tet,  dass  W  29  zum  Schluss  die  'wichtige  Be- 
merkung' mache,  dass  nach  dem  Friedensschluss  'Herzog 
Mesko  sowohl  als  auch  später  dessen  Sohn  Kasimir  den 
deutschen  Herrschern  unwandelbare  Treue  gehalten  haben'. 
W  (vgl.  oben  S.  93)  rühnit  das  nur  von  Kasimir,  während 
er  von  Mesko  lediglich  bemerkt,  dass  seine  Verwegenheit 
durch  die  Einbusse  an  Macht  geringer  geworden  sei. 
Nun  wissen  wir  aber,  eben  durch  die  Hil- 
desheimer Annalen,  dass  der  Merseburger 
Frieden  p o 1 n i s c h e r s e  i  t  s  gar  nicht  ein- 
gehalten worden  ist.  Noch  im  gleichen  Jahre 
wurde  Dietrich  von  Wettin,  der  zu  Merseburg  einen  Teil 
Polens    erhalten    hatte,    von    Mesko    wieder    verjagt,    sein 


Annahme  zu  Merseburg  auch  jenen  Teil  Polens  erhalten  haben.  Wegen 
der  UnWahrscheinlichkeit  aber,  dass  der  Regierungswechsel  in  der  Lausitz 
gerade  in  der  Woche  zwischen  dem  30.  Juni  und  7.  Juli  1032  erfolgt  sei, 
sollte  auch  diese  Tatsache  die  Ansetzung  des  Merseburger  Friedens  zu 
1033  wahrscheinlich  machen.  Dagegen  ist  jedoch  zweierlei  zu  sagen: 
Erstens  hat  Dieterich  es  sehr  wahrscheinlich  gemacht,  dass  der  abgetrennte 
Teil  Polens  nicht  an  den  Markgrafen  der  Lausitz  kam  (vgl.  oben  S.  93, 
N.  5),  und  zweitens  ist  es  sehr  fraglich,  ob  Dietrich  von  Wettin  überhaupt 
jemals  Markgraf  der  Lausitz  gewesen  ist  (Dieterich  Pkr.  S.  31 — 46  be- 
streitet es  mit  beachtenswerten  Gründen;  S.  41  Z.  22  lies  1033  statt  1032). 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  7 


98  Robert  Holtzmann. 

Gebiet  mit  dem  übrigen  Polen  wieder  vereinigt.  Dass 
Kaiser  Konrad  diesem  Friedensbruch  ruhig  zugesehen  hätte, 
dürfte  schon  an  sich  recht  unwahrscheinlich  sein.  Die 
ausdrückliche  Meldung  der  Schwäbischen  Weltchronik  von 
dem  Polenfeldzug  im  September  1032  erfährt  so  durch 
eine  willkommene  Begründung  ihre  innere  Beglaubigung. 
Konrad  wollte  den  Friedensbruch  strafen,  die  in  Merse- 
burg vorgenommene  Zerteilung  zur  Schwächung  Polens 
aufrecht  erhalten.  Wie  weit  der  Kaiser  auf  diesem  Zug 
gegen  Mesko  gekommen  ist,  wissen  wir  nicht.  Weit  ist 
es  aber  wohl  nicht  gewesen,  und  grosse  Ereignisse  dürften 
sich  schwerlich  zugetragen  haben,  da  sonst  die  Hildes- 
heimer  Annalen  nicht  darüber  schweigen  würden^.  Offen- 
bar wurde  der  Zug  rasch  abgebrochen,  als  die  Nachrichten 
vom  Tod  König  Kudolfs  und  vom  Einfall  Odos  in  Burgund 
beim  Kaiser  eintrafen ;  denn  hier  standen  wichtigere  In- 
teressen auf  dem  Spiel  als  in  Polen:  alsbald  begannen  die 
Vorbereitungen  zu  dem  Winterfeldzug  nach  Burgund.  So 
ist  der  Zug  Konrads  gegen  Polen  im  September  1032  da- 
durch, dass  er  Odo  zunächst  in  Burgund  freie  Hand  ver- 
schaffte, für  die  westliche  ßeichsgeschichte  wichtiger  ge- 
wesen als  für  die  östliche,  wo  er  ohne  Folgen  blieb :  daher 
erklärt  es  sich,  dass  er  in  der  schwäbischen  und  nicht  in 
der  Hildesheimer  Quelle  Erwähnung  fand.  In  den  beiden 
folgenden  Jahren  musste  Konrad  seine  ganze  Kraft  den 
burgundischen  Dingen  widmen;  erst  im  August  103-1  hat 
er  hier  den  letzten  Widerstand  niedergeworfen.  Inzwischen 
aber  war  am  10.  Mai  1031  Herzog  Mesko  gestorben;  bereits 
am  19.  November  desselben  Jahres  fiel  Dietrich  von  Wettin 
durch  Meuchelmord.  In  Polen  selbst  wurde  der  junge 
Kasimir  vertrieben,  das  Land  durch  innere  Kämpfe  und 
Parteiuugen  unter  den  einzelnen  Fürsten ,  Geschlechtern 
und  Ständen  lahm  gelegt'.  Es  bedurfte  nicht  mehr  der 
Teilung  durch  äusseren  Zwang,  und  so  ist  Konrad  auf  eine 
neue  Aussonderung  jenes  Teiles,  den  Dietrich  von  Wettin 
einst  1032  zu  Merseburg  erhalten  hatte,  nicht  mehr  zurück- 
gekommen. 


1)  Dietericb  GQ.  S.  151  fragt  in  dem  Bestreben,  die  Nachricht  von 
dem  Polenfeldzug  zu  diskreditieren,  ironisch,  aus  welchem  Grunde  denn 
W,  'der  eifrige  Lobredner  Konrads  II.,  den  Sieg  der  Waffen  seines  Herrn 
verschwiegen  haben'  sollte.  Wer  hat  von  einem  Sieg  geredet?  2)  Bresslau 
JB.  II,  118—120. 


Wipo  und  die  Schwäbische  "Weltchronik.  99 

VII. 

Einen  eklatanten  Beweis  für  die  ünrichtig-keit  des 
von  Dieterich  konstruierten  Quellenzusammenhangs  (wonach 
SHE  mittelbar  von  W  abhängig-  seien)  bildet  schliesslich 
der  letzte  der  von  ihm  herangezogenen  Fälle.  Er  betrifft 
die  Berichte  über  die  Einnahme  von  Murten  im  Jahre  1034 
bei  W  32  und  bei  H  1034.  Dieterich  bespricht  sie  GQ. 
S.  157.  f.  sj^äter  als  die  anderen,  bei  besonderer  Gelegen- 
heit, an  einer  Stelle,  wo  er  den  Nachweis,  dass  SHE  auf 
ein  W-Excerpt  zurückgehen,  schon  erledigt  zu  haben 
glaubt,  sodass  es  jetzt  nur  noch  gilt,  für  diesen  letzten 
Fall  irgend  eine,  sei  es  auch  noch  so  gezwungene  Erklärung 
zu  finden ,  während  er  die  einfache  Annahme  einer  ge- 
meinsamen Quelle  für  W  und  H  hier  überhaupt  nicht 
mehr  erörtert.  Man  wird  sich  durch  diese  Taktik  nicht 
irre  führen  lassen. 

Der  Fall  liegt  einfach  genug.  Konrad  hat  auf  dem 
grossartig  angelegten  Sommerfeldzug  nach  Burgund  1034 
das  Schloss  Murten  belagert  und  erstürmt.  Wann  dies 
geschehen  sei,  darüber  differieren  W  und  H;  nach  H  er- 
folgte die  Einnahme  Murtens  gleich  auf  dem  Hinmarsch, 
ehe  der  Kaiser  nach  Genf  kam  (woselbst  er  sich  mit  dem 
aus  Italien  ihm  zugeführten  Heere  vereinigte) ,  nach  W 
hingegen  erst  auf  dem  Rückmarsch,  als  Odo  seine  Sache 
aufgegeben  hatte  und  geflohen  war.     Hier  die  Berichte: 

H  1034:  'Imperator  iterum  Burgundiam  cum  magnis 
petens  copiis  omnia  eis  Rodanum  castella  subiecit,  Mur- 
tenam  diruit,  Genuensem  urbeni  iutravit  .  .  .  subiugatoque 
Burgundiae  regno  rediit'. 

W  32  :  'Chuonradus,  expeditis  Teutonicis  et  Italis, 
Burgundiam  acute  adiit.  Teutones  ex  una  parte,  ex  altera 
.  .  Italici  .  .  convenerunt.  Augustus  veniens  ad  Gene- 
vensem  civitatem  Geroldum  principem  .  .  subegit;  et  re- 
versus  castrum  Murat  cum  fortissimis  militibus  Oudonis 
munitum  obsidens  vi  cepit  et  quos  intus  invenerat  captivos 
duxit'.  Folgt  die  Verbannung  der  anderen  Gegner  und 
die  Rückkehr  des  Kaisers  nach  dem  Elsass. 

Die  Neueren^  folgen  hier  übereinstimmend  und  mit 
Recht  dem  Bericht  Wipos.  Denn  wir  können  einer,  wenn- 
gleich späteren,  italienischen  Quelle  (der  Vita  Mathildis 
des    Donizo)    jedenfalls    das    eine    mit    Bestimmtheit    ent- 


1)   Giesebrecht  II,  277;    Bresslau  JB.  II,  108   mit   N.  6,    112   mit 
1^.  2;  Dieterich  GQ.  S.  158. 


100  Robert  Holtzmann. 

nehmen,  dass  Italiener  bei  der  Einnahme  Mnrtens  beteiligt 
waren,  und  das  passt  eben  zu  dem  Bericht,  der  die  Ein- 
nahme nach  der  Vereinigung-  des  deutschen  und  des 
italienischen  Aufgebots  bei  Genf  meldet  (W).  H  irrt  also. 
Dieser  Tatbestand  löst  sich  glatt  und  ohne  jede  Schwierig- 
keit bei  der  Annahme,  dass  H  den  Irrtum  der  Schwäbischen 
Weltchronik  entnommen  hat^,  während  W,  der  sich  über 
die  burgundischen  Verhältnisse  und  Vorgänge  aiich"  sonst 
ganz  besonders  gut  informiert  zeigt-,  hier  den  Irrtum 
seiner  Vorlage  aus  eigener  Kenntnis  berichtigte.  Es  ist 
jedoch  schlechterdings  unerklärlich,  wie  die  falsche  Meldung 
in  H  aus  der  richtigen  Meldung  in  W  entstanden  sein  soll. 
Denn  da  W  die  Unterwerfung  aller  festen  Orte  diesseits 
des  Rhone  (vgl.  SH)  überhaupt  nicht  berichtet  und  die 
Erzählung  über  Murten  ganz  unmissverständlich  zum  Rück- 
marsch des  Kaisers  stellt,  kann  man  hier  mit  der  Hypo- 
these von  einem  W-Excerpt,  durch  welches  die  Fassung 
von  S  und  H  erklärt  werde,  unmöglich  auskommen.  Das 
sah  auch  Dieterich  ein,  und  er  musste  deshalb  hier  plötz- 
lich zu  einer  anderen  Erklärung  greifen:  'Hat  der  Ver- 
fasser der  H  und  S  gemeinsamen  Vorlage  auch  hier  die 
Gesta  Chuonradi  (W)  ungeschickt  excerpiert?  Miss- 
verstehen konnte  er  sie  sicher  nicht  ^.  Dies- 
mal scheint  seine  Schuld  geringer  zu  sein.  Hat  er  wirk- 
lich,  was  kaum  zu  bezweifeln  ist,  mit  seinem  Excerpte 
burgundische  Nachrichten,  mögen  sie  ihm  nun  mündlich 
oder  schriftlich  zugekommen  sein,  verbunden,  so  kann  er 
auch  seine  beiden  Quellen  ungeschickt  miteinander  ver- 
schmolzen haben'.  Man  sehe  sich  den  letzten  Satz  genau 
an ;  er  ist  charakteristisch  für  Dieterichs  ganze  Methode. 
Um  seine  unglückliche  Hypothese  über  den  Zusammenhang 
unserer  Quellen  zu  retten,  baut  er  hier  in  der  Not  gleich 
zwei  weitere,  höchst  gewagte  Hülfshypothesen  darauf: 
1)  Die  Vorlage  von  SHE  (Dieterichs  Reichenauer  Annalen) 


1)  Dafür,  dass  der  Bericht  über  die  Einnahme  des  ganzen  Lande» 
bis  zum  Rhone  einschliesslich  Murtens  bereits  in  der  Schwäbischen  Welt- 
chronik stand,  spricht  auch  die  Fassung  in  S,  wo  er  folgendermassen  zu- 
sammengezogen ist:  'Chuonradus  imperator  iterum  Burgundiam  cum 
exercitu  intravit  et  omnia  municipia  cum  civibus  usque  ad  Rodanum 
flumen  suae  ditioni  subegit  Grenevamque  pervenit'.  2)  Er  stammte  ent- 
weder aus  Burgund  (diese  Ansicht  wurde  zuerst  1746  vertreten  in  der 
Histoire  literaire  de  la  France  Yll,  443  und  danach  von  Stenzel,  Häusser, 
Pertz,  Giesebrecht,  Rasche,  Kaizl,  Steffanides  u.  a.)  oder  doch  aus  den 
Burgund  benachbarten  Teilen  Schwabens  (Harttung,  Studien  S.  16—18).- 
3)  Von  mir  gesperrt. 


Wipo  nnd  die  Schwäbische  Weltchronilc.  101 

hat  mit  dem  in  ihr  aufgenommenen  W-Excerpt  noch 
selbständige  bnrgundische  Nachrichten  verknüpft;  auf  sie 
werden  von  Dieterich  GQ.  S.  155 — 157  noch  eine  ßeihe 
anderer  burgundischer  Meldungen  von  SHE  zurückgeführt, 
die  in  Wahrheit  Datürlich  alle  einfach  der  Schwäbischen 
Weltchronik  angehörten.  2)  Nicht  auf  diese  guten  bur- 
gundischen  Nachrichten  geht  der  Irrtum  über  Murten 
zurück,  sondern  darauf,  dass  in  der  Vorlage  von  SHE  das 
W-Excerpt  mit  diesen  burgundischen  Nachrichten  un- 
geschickt verschmolzen  worden  ist.  Bewundernd,  aber  doch 
etwas  beklommen  steht  man  vor  der  Findigkeit  einer 
solchen  Erkenntnis.  Also  die  richtige  Nachricht  bei  W 
und  die  richtige  Nachricht  aus  Burgund  wurde  zu  einer 
falschen  Nachricht  verschmolzen.  Und  das  wissen  wir 
alles  —  ja  woher  doch  nur  eigentlich?  Wahrlich  es  war 
recht  klug  von  Dieterich ,  dass  er  sich  auf  eine  Wider- 
legung der  Annahme,  wonach  der  Quellenzusammenhang 
eben  einfach  durch  die  Schwäbische  Weltchronik  vermittelt 
werde,  in  diesem  letzten  Falle  überhaupt  nicht  mehr  ein- 
gelassen hat! 

VIII. 

Wir  sind  damit  zu  Ende  mit  den  Ausführungen 
Dieterichs  über  den  Zusammenhang  zwischen  W  und  den 
schwäbischen  Quellen  SHE.  Die  vorher  herrschende  Er- 
kenntnis dieses  Quellenzusammenhangs  (als  durch  eine  ge- 
meinsame Vorlage,  die  Schwäbische  Weltchronik,  ver- 
mittelt) haben  sie  nirgends  zu  erschüttern  vermocht,  und 
demgemäss  waren  auch  die  positiven  Ergebnisse ,  die 
Dieterich  daraus  für  die  Erkenntnis  der  historischen  Vor- 
gänge gewinnen  wollte,  grossenteils  irrig.  Nur  in  einigen 
Punkten  (namentlich  Avas  den  Merseburger  Frieden  anlangt) 
glauben  wir  hier  von  einer  wirklichen  Förderung  der 
Forschung  reden  zu  können. 

Bestehen  somit  die  alten,  von  Steindorff  und  Bresslau 
hervorgehobenen  Gründe,  wonach  Wipo  sich  bei  der  Ab- 
fassung seiner  Biographie  Konrads  II.  einer  annalistischen 
Vorlage  als  Leitfaden  bedient  hat,  unvermindert  fort,  so 
will  ich  hier  noch  zwei  neue  Beobachtungen  hervorheben, 
durch  welche  diese  Annahme  abermals  bestätigt  und 
gleichzeitig  unsere  Kenntnis  von  der  verlorenen  Quelle  in 
einem  wichtigen  Punkte  erweitert  wird. 

Die  eine  dieser  Beobachtungen  betrifft  die  Absetzung 


l02  Robert  Holtzmann. 

des  Herzogs  Adalbero  von  Kärnten  im  Jahre  1035  ^  W 
berichtet  über  sie  auffallender  Weise  zweimal,  zuerst  in 
Kap.  21,  dann  nochmals  am  Schluss  von  Kap.  33.  Hier 
können  wir ,  glaube  ich ,  die  Arbeitsweise  unseres  Bio- 
graphen mit  Händen  greifen.  In  Kap.  21  steht  W,  der 
das  annalistische  Schema  in  seiner  Biographie  durchaus 
beibehalten  hat,  beim  Jahr  1027.  Er  erzählt  hier  die 
Unterwerfung  Konrads  des  Jüngeren  (vgl.  oben  S.  76)  und 
berichtet  von  ihm,  er  sei  eine  kleine  Zeit  lang  in  freier 
Haft  gehalten  worden,  habe  dann  aber  volle  Verzeihung 
und  alle  seine  Lehen  ('totumque  honorem  suum')  wieder- 
erhalten; ja  als  bald  darauf  der  Herzog  Adalbero  von 
Kärnten  wegen  Hochverrats  verbannt  worden  sei,  da  habe 
Konrad  d.  J.  dann  auch  dessen  Herzogtum  vom  Kaiser 
übertragen  bekommen.  Hier  nimmt  W  also  des  sachlichen 
Zusammenhangs  wegen  einmal  ein  späteres  Ereignis  vorweg, 
aus  eigener  Kenntnis;  denn  selbstverständlich  enthielt 
seine  annalistische  Vorlage  zu  1027  noch  nichts  über  die 
Absetzung  Adalberos  und  die  Verleihung  Kärntens  an 
Konrad  d.  J.  Hier  stand  vielmehr,  wie  noch  jetzt  in  H, 
die  Absetzung  Adalberos  zu  1035,  die  Verleihung  Kärntens 
an  Konrad  d.  J.  zu  1036  gebucht.  So  wurde  aber  W  in 
der  Folge,  als  er  an  diese  Jahre  kam,  durch  seine  Vorlage 
noch  einmal  auf  das  schon  erwähnte  Ereignis  geführt,  und 
dadurch  erklärt  es  sich,  dass  er  die  Absetzung  Adalberos 
im  Kap.  33  zu  1035  noch  einmal  bringt.  Ein  Verfahren, 
das  freilich  wenig  zu  der  von  Dieterich  ihm  nachgerühmten 
originalen  Arbeitsweise  und  pragmatischen  Anordnung  der 
Ereignisse  passt,  um  so  besser  aber  zu  der  Annahme,  dass 
er  eine  annalistische  Vorlage  benutzt  habe. 

Noch  interessanter  ist  der  zweite  Fall,  der  uns  gleich- 
zeitig über  die  Heimat  der  verlorenen  Quelle  aufklärt. 
W  28  enthält  den  oft  nacherzählten  Bericht  über  den 
Untergang  Ernsts  von  Schwaben  1030.  Die  Gegner  des 
unglücklichen  Herzogs  werden  von  dem  Grafen  Manegold 
geführt,  und  diesen  Mann,  einen  Vasallen  des  Kaisers,  be- 
zeichnet W  auf  folgende,  auffallend  ausführliche  Weise: 
'Manegoldus  comes,  miles  imperatoris,  de  Augensi  abbatia 
magnum  beneficium  habens'.  Was  in  aller  Welt  kann  eine 
Biographie  Konrads  II.  für  ein  Interesse  daran  haben,  uns 
mitzuteilen ,  dass  dieser  Graf  Manegold  ausser  seinen 
kaiserlichen  Lehen  auch  noch  ein  grosses  Lehen  von  der 
Abtei  Reichenau  besass?     An  sich  gewiss  keines!     Anders 


1)  Vgl.  Bresslau  JB.  II,  133-140.  158. 


"Wipo  und  die  Schwäbische  Weltchronik.  103 

natürlich  ein  Reichenauer  Schriftsteller.  Die  Angabe 
atmet  so  deutlich  Eeichenaner  Ursprung,  dass  wir  eine 
Quelle,  über  deren  Herkunft  wir  sonst  gar  nichts  wüssten, 
mit  ßücksicht  auf  sie  getrost  nach  ßeichenau  verweisen 
würden.  Die  Notiz  von  dem  'grossen'  Reichenauer  Lehen 
—  die  Bemerkung,  dass  es  sich  um  ein  grosses  Lehen 
gehandelt  habe,  trägt  noch  ganz  besonders  den  Reichenauer 
Erdgemich  mit  sich  —  stammt  also  ohne  jeden  Zweifel  aus 
einer  Reichenauer  Quelle,  und  zwar  wiederum  einfach  aus 
der  Schwäbischen  Weltchronik;  vgl.  H:  'a  Manegoldo 
comite  ex  Augiensi  militia'  ^.  W  hat  sie  übernommen,  aber 
zugleich  charakteristisch  ergänzt.  Er  wusste  seinerseits, 
dass  Manegold  ein  Vasall  des  Kaisers  war  und  stellte  daher 
die  Worte  'miles  imperatoris'  geflissentlich  voran.  Welch 
ein  Widersinn  dagegen,  wenn  man  die  Lokalnotiz  von  dem 
Reichenauer  Lehen  Manegolds  auf  Grund  der  Konstruk- 
tionen Dieterichs  aus  W  in  die  Chronik  Hermanns  von 
Reichenau  gelangen  lassen  wollte ! 

Besondere  Wichtigkeit  aber  erlangt  unsere  Notiz  da- 
durch, dass  sie  die  Heimat  der  Schwäbischen  Weltchronik 
nun  endlich  zweifelsfrei  feststellt  und  damit  zugleich  auch 
ein  neues  Argument  in  der  Frage  nach  der  Heimat  von  E 
wird.  Bresslau-  hatte  seiner  Zeit  (1877)  hier  eine  doppelte 
Alternative  gestellt.  Er  meinte,  die  verlorene  Weltchronik 
sei  entweder  in  St.  Gallen  oder  in  Reichenau  entstanden; 
E  aber,  das  zu  631  (Heraclius  20)  die  Notiz  'sanctus  Gallus 
nobiscum  remansit'  enthält ^,  stamme  entweder  gleich- 
falls aus  St.  Gallen  oder  aber  —  im  Falle  die  Notiz  der 
Weltchronik  entnommen  wäre  —  aus  einem  unbekannten 
schwäbischen  Kloster^;  eben  wegen  dieser  Ungewissheit 
ersetzte  er  ja  den  Titel  Epitome  Sangallensis  durch 
Chronicon  Suevicum  universale  (oben  S.  59).  Nun  hat 
Dieterich  GQ.  S.  34  —  42  bereits  die  Gründe  dafür,  dass 
die  -Vorlage  von  SHE  nach  Reichenau  zu  verweisen  sei, 
so  stark  vermehrt,  dass  auch  Bresslau  (1902)  dieses  Er- 
gebnis seinerseits  für  die  Schwä-bische  Weltchronik  an- 
zuerkennen sich  bereit  erklärtet     Verwies  man    die  Welt- 


1)  Ebenso  geht  die  Meldung  von  W  und  H,  dass  Ernst  in  Kon- 
stanz, Manegold  in  Reichenau  beerdigt  wurde,  auf  die  Weltchronik  zurück. 
2)    N.  A.    II,  586.  3)    J.  Pistorius,    Rerum  Germanicarum  scriptores, 

ed.  3.  curante  ß.  G.  Struvio  I  (1726),  196.  Ueber  die  Phantasieen,  die 
Dieterich  GQ.  S.  35  —  37  an  diese  Worte  knüpft,  vgl.  Bresslau  N.  A. 
XXVI,   248   und   XXVII,    156.  4)   Vgl.    auch   IMG.    SS.    XIII,    62, 

Z.  11  —  15.  5)  N.  A.  XXVII,  156  f.  Das  bereits  hier  in  Aussicht  ge- 
stellte entscheidende  Argument  für  die  Entstehung  der  verlorenen  Quelle 


104  Robert  Holtzinann. 

Chronik  also  nach  Reichenau,  so  musste  E  aus  St.  Gallen 
sein ;  denn  jene  Notiz  über  den  heiligen  Gallus  gehörte 
nun  nicht  der  Reichenauer  Vorlage  von  E ,  sondern  be- 
stimmt dieser  Quelle  selbst  an.  Und  in  der  Tat  vermochte 
Bresslau  gleichzeitig  in  einem  Exkurs  noch  ein  neues,  sehr 
einleuchtendes  Argument  für  den  St.  Galler  Ursprung  von 
E  aufzudeckend  Ebenso  dürfte  nun  aber  auch  für  die 
Weltchronik  durch  unsere  Stelle  über  den  Grafen  Mane- 
gold  der  Reichenauer  Ursprung  endgültig  entschieden  sein. 
Die  Schwäbische  Weltchronik  stammt  aus 
Reichen  au;  würden  wir  Wert  auf  eine  Umnennung 
legen,  so  dürften  wir  die  verlorene  Quelle,  präziser  als 
bisher,  als  Reichenauer  Weltchronik  ansprechen.  E  da- 
gegen stammt  aus  St.  Gallen,  und  eben  wegen  dieser  Ge- 
wissheit wird  man  hier  gern  von  der  unbestimmteren  Be- 
zeichnung Chronicon  Suevicum  universale  wieder  zu  der 
bestimmteren  Epitome  Sangallensis  zurückkehren,  nur  dass 
wir  darunter  nicht  mehr,  wie  ehedem,  einen  St.  Gallener 
Auszug  aus  Hermann,  sondern  einen  St.  Gallener  Auszug 
aus  der  verlorenen  Reichenauer  Weltchronik  verstehen, 
üeber  die  Verfasser  der  Weltchronik  und  der  Epitome 
wissen  wir  nichts.  Dass  die  letztere  von  Hermann  her- 
rühre, ist  vollkommen  ausgeschlossen^.  Dass  die  Schwä- 
bische Weltchronik  ein  Werk  Hermanns  sei,  ist  —  an- 
gesichts der  erhaltenen  Chronik  Hermanns  —  recht  un- 
wahrscheinlich und  jedenfalls  völlig  unbewiesen.  Aber 
auch  wenn  Hermann  bei  der  Abfassung  seiner  Chronik 
reichen  Nutzen  aus  dem  nicht  sehr  viel  älteren  Werk 
eines  anderen  Reichenauer  Historikers  gezogen  hat,  bleiben 
seine  Verdienste  doch  gross  genug,  um  ihm  nicht  nur  als 
Quelle,  sondern  auch  in  der  Literargeschichte  einen  er- 
heblichen Namen  zu  sichern  ^. 


in  Reiclienau  ist,  nach  einer  gütigen  Mitteilung  Bresslaus,  eben  die  Stelle 
über  Manegold,  die  also  auch  Bresslau  in  demselben  Sinne  aufgefasst  hat, 
in  dem  sie  oben  verwertet  ist.  1)    Ebenda  S.  170 — 174.  2)  Vgl. 

oben  S.  63,  N.  1.         3)  Bresslau  N.  A.  XXVII,  160  f. 


IV. 


Studien  zuBenedictusLevita.  VII. 

(Studie  VII,  Teil  II). 


Von 


Emil  Seckel. 


VIT. 
Die  Quellen  des  zweiten  Buches. 

Yorau  zuschicken  ist  die  Zusammenstellung 
der  Ergebnisse  für  die  Quellen  des  II.  Buches,  wie 
sie  im  ersten  Teil  dieser  Studie  (N.  A.  XXXIV,  321)  in 
Aussicht  gestellt  wurde. 

Zu  91  Prozent  der  nicht  (oder  vermutlich  nicht)  frei 
erdichteten  Kapitel  des  II.  Buches^  sind  die  Quellen  ge- 
funden. 

Unbekannt  geblieben  sind  die  Quellen  von 
53  Kapiteln  und  19  Halbkapiteln:  2,  68.  69.  70?  71.  72. 
73.  74.  75  (a?  b).  76.  77.  78.  82.  83.  88.  89.  96.  97.  98. 
99.  118  fin.  121.  122b.  133b.  162a  (teilweise)?  b.  163.  165. 
170.  171.  172.  173.  176.  177?  180?  181?  182b.  d.  185? 
187  (jedenfalls  Satz  2  und  3).  188.  194.  197.  198.  199.  204. 
205b.  c.  208a^.  b.  d.  215b.  248.  345b?  359.  366a.  369.  370. 
371.  381d.  381gy5.  381h/?.  v.  381n.  382b.  383  (=  97).  394. 
402.  404a.  405.  407.  408b.  427b.  428b.  429.  430.  431. 
432b.  435b.  c.  Von  diesen  53  -|-  ^^4  Kapiteln  können  mit 
Sicherheit  oder  Wahrscheinlichkeit  19  Kapitel  und  11  Halb- 
kapitel  als  Fälschungen  Benedikts^  betrachtet 
werden:  2,  88.  89.  96.  97.  98.  99.  121.  369.  370.  371. 
381  d.  383.  394.  402?  405.  407.  429.  430.  431  und  2,  118  fin. 
366a.  381g  ^?  381h  ^.}'.  382b.  404a.  408b?  427b?  428b. 
432b?  435b.  c,  so  dass  als  echt  oder  vermutlich  echt  Alles 
in  Allem    433  Kapitel   und    10  IIalbkaj)itel   übrig   bleiben. 

Viele  echten  Stücke  sind  von  Benedikt  in  formeller 
oder  sachlicher  Hinsicht  der  Interpolation^  unter- 
zogen  worden.      Interpolationen   nicht   rein   formeller  Art, 


1)  Das  zweite  Buch  rechne  ich  bei  dieser  Statistik  zu  461  Kapiteln. 
Sie  setzen  sich  zusammen  aus  den  436  Kapiteln ,  die  Benedikt  selbst 
numeriert,  und  aus  den  25  überschiessenden  Kapiteln,  die  Ben.  2,  381 
(Sammelkapitel)  nicht  mit  Ziffern  versehen  hat.  Die  25  überschiessenden 
Kapitel  2,  381b  —  aa,  sind  im  Folgenden  als  Vollkapitel  gezählt.  2)  Den 
(verarbeiteten)  Quellen  ist  auch  hier  nach  Möglichkeit  nachgegangen 
worden;   vgl.    das  Quellen -Verzeichnis  (am  Schluss  dieser  Studie)  sub  II. 


108  Emil  Seckel. 

die  aaf  Benedikts  Rechnung  zu  schreiben  sind,  begegnen 
in  folgenden  etwa  120  Kapiteln^:  2,  4b  in.  10b.  IIa.  17b. 
18.  19c.  22c.  24.  25.  29a.  30a.  c.  31a.  (33.)  38  in.  41a.  b. 
42a.  45?  47b.  49b.  57.  58.  59.  60.  61.  62.  64.  66.  67.  79. 
80b.  84.  85.  90.  91.  92.  93.  100.  101.  102.  104a.  106c.  107. 
108.  111.  112.  113.  115.  116.  117.  118  (Rubrik  und  Text). 
122a.  130.  134.  138.  147.  156.  157.  158.  161.  162a?  163. 
164.  166.  167.  179.  189d.  200.  201.  206.  208a  a.  b?  209. 
220.  225.  234.  246,  263.  300.  302.  305.  307.  309.  310.  324. 
325.  326.  327.  335.  348.  352.  353.  354.  355.  356.  357.  377g. 
380a.  381a.  381e.  381i.  381p.  381q.  381r.  381t.  381v. 
381x.  384.  394.  396.  398.  400.  401.  406  (=  115).  408a. 
413.  421.  422.  423.  424.  426.  427a.  428a.  432a.   436. 

Aus  echten  Kapitularien^  sind  von  den 
461  Kapiteln  3  des  II.  Buches  92  Vollkapitel  ^  und  1  Teil- 
kapitel "^  gebildet,  sodass  also  Lib.  II  sich  zu  genau  einem 
Fünftel  (20,0  Prozent)  aus  echten,  jedoch  teilweise  inter- 
polierten Gesetzen  der  Frankenkönige,  zu  vollen  vier 
Fünfteln  aus  Pseudokapitularien  zusammensetzt.  Hervor- 
gehoben zu  werden  verdient,  dass  Benedikt  von  den 
echten  Kapitularien  des  II.  Buches  nicht  ein  einziges  aus 
Ansegisus  entnommen  hat. 


Die  Ober  reihe  2,  162  —  255  m  i  t  A  u  s  z  ü  g  e  n  aus 
der  Episcoporum  ad  Hludowicum  impera- 
torem  relatio  829. 
Mit  Ben.  2,  162  beginnen  Auszüge  aus  der  Relatio 
ejnscoporum  vom  August  829,  die  sich,  in  genauem  An- 
schluss  an  die  originale  Reihenfolge  (Relatio  c.  1.  35.  37. 
38.  45.  54)^  und  immer  durch  Stücke  anderer  Herkunft 
unterbrochen,  bis  2,  244  hinziehen  ^,  worauf  noch  ein 
Nachtrag  aus  Relatio  c.  1  *  den  Schluss  macht  -'. 

1)  Nicht  mitgezählt  sind  die  Texte,  die  schon  in  der  Hispana 
Augustodunensis  oder  bei  Angilram  interpoliert  waren  und  in  dieser  ver- 
unechteten    Gestalt   Benedikt    vorlagen.  2)    Was    hier   unter    'echten 

Kapitularien'  verstanden  wird,  ist  Studie  VI  (N.  A.  XXXI)  S.  63,  N.  2 
gesagt.  3)  Vgl.   oben  S.  107,  N.  1.  4)  2,  362  ist,  als  zu  unsicher, 

nicht  mitgerechnet.  5)  2,  189  c  zählt  nicht  mit.  6)  Umgestellt  wird 
nur  innerhalb    eines   Kapitels   bei   Benedikt    (2,    162).  7)    Zwölf 

Kapitel:  2,  162a.  c.  d.  182a.  c.  193.  20.5a.  208a  a. -.  c.  215a.  220.  225. 
230.  235.  240.  244;  vgl.  Tabelle  I  und  II  (unten  hinter  2,  255),  je  die 
Spalte  3.  Auf  der  Strecke  2,  215 — 240  hat  Benedikt  seine  schedulae  aus 
der    Relatio    geradezu    mechanisch    von     5    zu    5    Kapiteln    eingestreut. 

8)  Drei  Kapitel:   2,  252.    254.    255;    vgl.  Tabelle  II   Spalte  3    am  Ende. 

9)  Die  Relatio  -  Kapitel,  die  unsere  Oberreihe  zusammenhalten,  sind  im 
Folgenden  (unten  S.  112  fi:'.)  durch  einen  Stern  markiert. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  109 

Die  Relatio  ist  in  ihren  einschlägigen  Kapiteln  keine 
Originalquelle ;  sie  beruht  in  den  uns  interessierenden 
Partien  auf  dem  Pariser  Konzil  vom  6.  Juni  829.  Und 
die  Pariser  Synode  ist  ihrerseits,  wenigstens  zum  Teil,  ab- 
hängig von  Jonas  von  Orleans,  De  institutione  laicali, 
welche  Schrift  ^  m.  E.  mit  Amelung,  WerminghofiE  u.  a. 
vor  829  und  nicht  mit  Simson  und  Krause  nach  829  an- 
zusetzen ist.  —  Dass  Benedikt  in  den  uns  beschäftigenden 
Partien  der  Hauptsache  nach  -  auf  Jonas  beruhe,  ist  ohne 
Weiteres  ausgeschlossen.  Aber  auch  das  Conc.  Paris,  ist 
seine  unmittelbare  Quelle  nicht ;  es  lässt  sich  für  ungefähr 
die  Hälfte  der  fraglichen  15  Kapitel  Benedikts,  nämlich 
für  Ben.  2,  162.  182.  193.  205.  208.  225.  (252),  sicher  be- 
weisen, dass  ihr  Text  nicht  aus  der  Pariser  Synode, 
sondern  aus  der  Relatio  kopiert  ist,  und  was  für  die  eine 
Hälfte  sicher  ist,  muss  für  die  andere  als  sehr  wahr- 
scheinlich gelten.  Ausser  der  Textgestalt  sprechen  gegen 
die  unmittelbare  Benutzung  der  Pariser  Synode  auch  die 
Reihen  Verhältnisse ;  während,  wie  gesagt,  Benedikts 
Auszüge  genau  die  Reihenfolge  der  Relatio  einhalten, 
ergäbe  sich  mehr  als  ein  Hysteron  proteron,  falls  Benedikt 
2,  162 — -244  sich  direkt  an  das  Conc.  Paris,  (lib.  I  c.  1. 
54  -f-  7 !  9  -f-  10 !  50.  47  !  lib.  III  c.  2)  angeschlossen  hätte. 

Obgleich  unsere  Oberreihe  zweifellos  aus  der  Relatio 
stammt ,  weisen  doch  ihre  Kapitel  fast  sämtlich  ^  mehr 
oder  weniger  erhebliche  Textdifferenzen  der  Relatio  gegen- 
über auf.  Die  meisten  Differenzen  sind  freilich  nichts 
anderes  als  die  bei  Benedikt  nun  einmal  üblichen  Ab- 
weichungen formeller  und  dazu  geringfügiger 
A  r  t  ^ ;  nicht  qualitativ,  nur  quantitativ  unterscheiden  sich 
von  diesen  Kleinigkeiten  tiefere  formelle  Eingriffe  ^,  von 
denen  die    meisten  *"  eine,    zum  Teil    energische,  Verein- 


1)  Vgl.  über  sie  Ebert,  Gesch.  der  Lit.  des  MA.  II  (1880),  227— 
229;  Simson,  .lahrbücher  Ludwigs  d.  Fr.  I  (1874),  316.  381  f.;  Amelung, 
Leben  und  Schriften  des  Bischofs  Jonas  von  Orleans  (Programm  Dresden 
1888),  S.  46  £f.;  Krause  in  MG.  Capit.  II  (1897),  45,  N.  59;  Stutz,  Gesch. 
d.  kirchl.  Benefizialwesens  I  (1895),  192,  N.  48.  264  f. ;  Freystedt  in  der 
Realencykl.  f.  prot.  Theol.«  IX,  346  f. ;  Werminghoff  in  MG.  Conc.  II 
(1908),  656,  N.  4.   670,  N.  1.  903.  2)  Benedikt  kennt  die  Schrift  des 

Jonas  (vgl.  3,  388  ff.)  sehr  wohl ;  er  hat  aus  ihr  (2,  10  rubr.)  das  Material 
bezogen,  um  ein  Kapitel  unserer  Oberreihe  (2,  235)  zu  interpolieren. 
3)    Ausnahme:    2,    162c.  4)   Vgl.    im    Folgenden    die    Angaben    zu 

2,  162  a.  d.  182  a.  c.  193  a.  c.  205  a  y.  c.  225.  230.  240.  244.  252.  254.  255. 
5)  Vgl.    zu   2,  205a,   und   die   folgende   Note.  6)    Vgl.   zu   2,  193  b, 

208a  a.  215a.  220.  225. 


HO  Emil  Seckel. 

f  a  c  h  11  n  g  des  Stils  bezwecken.  Mit  den  Vereinfachungen 
sind  die  (wenigen)  Streicliungen  ^  auf  ungefähr  die- 
selbe Linie  zu  stellen.  —  Eine  andere  Bewandtnis  hat  es 
mit  den  Interpolationen,  die  Benedikt  in  fast  der 
Hälfte  unserer  Relatio  -  Kapitel  ^  angebracht  hat.  —  Eine 
Anzahl  von  Kapiteln^  zeigt,  dass  Benedikt  nicht  die  reine 
Relatio  vor  sich  hat,  sondern  eine  Relatio  emen- 
d  a  t  a  "^ ;  Benedikt  hat  letztere  als  Additio  II.  seiner 
Sammlung  angehängt.  Die  Emendationen  stammen  teils 
aus  Jonas,  teils  aus  dem  Conc.  Paris.  829.  —  Das  meiste 
Interesse  beanspruchen  drei  Kapitel  ^,  die  eine  rohere 
Fassung  aufweisen  als  die  entsprechenden  Stücke  der 
Eelatio,  und  durch  deren  Fassung  man  sich  verleiten 
lassen  könnte,  zu  glauben,  Benedikt  habe  der  Nachwelt 
eine  sonst  nirgends  (trotz  Conc.  Paris,  und  Jonas)  über- 
lieferte Vorlage  der  Eelatio  aufbewahrt.  Zu  den  zitierten  ^ 
drei  Kapiteln  wird  aber  nach  Möglichkeit  zu  zeigen  ver- 
sucht werden,  dass  der  Schein  grösserer  Ursprünglicbkeit 
blosser  Schein  ist,  dass  also  Benedikt  in  der  Tat  auch  hier 
keine  andere  Quelle  zur  Hand  hatte,  als  die  Relatio. 

Benedikts  Auszüge  aus  der  Pelatio  weisen  nun  aber 
weiter  einige  auffallenden  gemeinsamen  Eigen- 
tümlichkeiten auf,  nämlich  die  Initien  und  gewisse 
Zugaben. 

a)  Sämtliche  15  Eelatio- Exzerpte  unserer  Oberreihe  "^ 
haben  einerseits  originalfremde,  andererseits  in  den  drei' 
ersten  Worten  'Placuit,  ut  fideles'  völlig  übereinstimmende 
Initien^.  Der  Anfang  'Placuit  ^,  ut  fideles'  ist  in  mehr 
als  einer  Hinsicht  überaus  merkwürdig:  er  findet  sich  ^° 
sonst  nirgends  (weder  bei  Kanonen  noch  bei  Kapitularien, 


1)    Vgl.    zu   2,    193a.   230.  2)   Vgl.    2,    162a    (post  in.).    193b 

(sinnlos).  208 a  a.  220.  225  ('mendacio  noxio').  235  (die  eine  aus  Jonas; 
die    andere   gedankenlos).    240.  3)    Vgl.    2,   220.    230    (nebst   Note). 

235.  240.  (244?).  4)  Ihr  Urheber  ist  wahrscheinlich  Benedictus  selbst; 
vgl.  Näheres  unten  in  einer  Note  zu  2,  230.  5)  Vgl.  2,  193  c.  220.  240. 
6)    Oben    S.  108,   N.  7.    8.  7)    Nur   das   einzige   Kapitel   2,  162   (das 

erste  der  Oberreihe)  macht  insofern  eine  Ausnahme,  als  nicht  die  drei, 
sondern  nur  zwei  von  den  drei  Anfangsworten  ('Ut  fideles',  ohne  'Placuit') 
an    seiner  Spitze   stehen.  8)  Vgl.  Tabelle  I    und  II,  je  Spalte  3    mit 

Si:)alte  1.  9)  Das  erste  Aufangswort  'Placuit'  (ohne  'ut  fideles')  eröffnet 
bei  Benedikt  mehr  als  90  Kai)itel ;  soweit  ich  bisher  sehe,  halten  sich  von 
diesen  'Placuit'  die  echten  und  die  falschen  ungefähr  die  Wage.  10)  So- 
weit die  vorhandenen  Initien -Verzeichnisse  dies  festzustellen  erlauben; 
vgl.  Theiner,  Disquisitiones  criticae,  Appendix  secunda  p.  106;  Migne 
CCXIX,  1105;  Friedberg,  Corpus  iuris  canonici  I,  1452;  Werminghoff, 
3IG.  Conc.  -IL  874. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  111 

leges  u.  s.  w.)  als  g-erade  in  Benedikts  Sammlung;  und  in 
Benedikts  reicher  Collectio  begegnet  das  Initium  ^  gerade 
nur  in  unserer  Gesamtreilie  2,  162  —  255-.  Hat  Benedikt 
in  den  Relatio  -  Exzerpten  unserer  Oberreilie  nichts  als  die 
Eelatio  (und  daneben  gelegentlich  Jonas  und  das  Conc. 
Paris.)  ausgezogen  —  und  an  dieser  Annahme  dürfte  bis 
zur  etwaigen  Auffindung  bisher  gänzlich  unbekannter 
Quellen  nicht  zu  rütteln  sein  — ,  so  sind  die  14  Initien 
'Placuit,  ut  fideles'  schon  deshalb  gefälscht^,  weil  sie 
dem  Original  (bzw.  den  Originalen)  fremd  sind.  Die 
Fälschung  lässt  sich  aber  zum  Ueberfluss  bei  einzelnen 
Kapiteln^  noch  an  besonderen  Merkmalen  des  Textes  nach- 
weisen. Benedikt,  der  hiermit  festgenagelte  Urheber  der 
Kapitelanfänge,  hat  gerade  bei  Excerpierung  der  Relatio  ^ 
konsequent  sein  Programm''  verwirklicht,  durch  gelegent- 
liche Erdichtung  falscher  Initia  die  Entlarvung  seiner 
Pseudokapitularien  zu  erschweren. 

b)  Fünf^  von  den  15  Eelatio  -  Exzerpten  sind  um 
(9)  Zugaben®  bereichert ,  die  einen  echten  Eindruck 
machen  und  —  falls  dieser  Eindruck  der  Wirklichkeit 
entspricht   —   aus    anderer   Quelle  ^   als    der   Eelatio  ^^    ge- 


1)  Wie  ich  aus  meinem  eigenen  Verzeichnis  der  Initien  Benedikts 
feststelle.  2)  Und  zwar  nicht  nur  in  den  14  Relatio- Exzerpten,  sondern 
auch  bei  den  vier  Kapiteln  2,  170.  17G.  199.  248  und  mit  leichter  Modi- 
fikation ('Placuit,  ut  populus  ad  baptismum  eorum'  [sie!]  'inl'antes 
.  .  .  offerat')  bei  2,  188;  vgl.  Tabelle  I  und  II,  je  Spalte  1.  Unser 
stereotypes  Initium  ist  das  zweite  Band,  welches  die  Oberreihe  2,  162 — 255 
zusammenhält.  —  Auch  der  Anfang  von  2,  162  'Ut  fideles'  (oben  S.  110,  X.  7) 
kehrt  im  ganzen  Benedictus  nur  in  unserer  Gesamtreihe  (2,  165)  wieder. 
—  Ueber  den  Terminus  'sacerdos',  der  allen  in  dieser  Note  genannten 
Kapiteln  (ausser  2,  188,  wo  überhaupt  keine  Bezeichnung  des  Priesters 
begegnet)  gemeinsam  ist,  vgl.  unten  S.  121/2.  123  fi".  3)  Ueber  analoge 
Fälschungen  s.  unten  zu  Ben.  2,  299.  347,  und,  w^as  speziell  die  Relatio 
angeht,    unten    zu    3,    162.    172.    190.  4)    Vgl.    unten    zu    2,    208  a  a 

(Note).  225  (Note) ;  auch  die  Unstimmigkeit  in  2,  235  (Note)  scheint 
durch  unser  Initium  verschuldet  zu  sein.  5)  Und  der  Quelle,  aus  der 

die  oben  N.  2  verzeichneten  Kapitel  geschöpft  sind?  Vgl.  unten  S.  120/1. 
124.  6)    Praefatio    §    7    (MG.    LL.    IIb,    p.    39    1.    52):    'Invenimus' 

(d.   h.    natürlich:    'non    invenimus'!)    'insuper   quaedam    ex   bis    (capitulis) 

pares  fines  (habentia),  sed  non  p  ar  i  a  in  iti  a'.         7)  Ben.  2,  162. 

182.    205.    208.   215.     Vgl.    Tabelle  I   und   II,  je   Spalte  3.  8)    Ben. 

2,  162b  ('sacerdos'!).  182b.  d.  205b  ('sacerdos'!).  c.  208a/?.  b  ('sacerdos'!).  d. 
215b.  Vielleicht  gehört  auch  der  Anfang  von  2,  162a  hierher.  —  Mit 
2,  215b  hören  die  Zugaben  auf,  während  bis  dahin  nur  ein  einziges 
Relatio  -  Kapitel  (2,  193)  mit  der  planmässigen  Erweiterung  verschont 
worden   ist.  9)  Oder:  anderen  Quellen.  10)  Von  einer  Rezension 

der  Relatio,  die  ihrerseits  die  Zugaben  bereits  enthalten  hätte,  wissen  wir 
nichts,  und  ihre  Existenz  ist  ganz  unwahrscheinlich. 


112  Emil  Seckel. 

flössen  sein  müssen.  Vermutungen  über  diese  unbekannte 
Quelle  sind  in  der  folgenden  Spezialerörteruug  zu  den  oben 
S.  111  Note  8  verzeichneten  Teilkapiteln,  sowie  zusammen- 
fassend unten  S.  121  geäussert. 


*2,  162 :  zum  grössten  Teil  zurechtgemacht  aus  der 
Relatio  episcoporum  829  c.  1,  MG.  Capit.  II,  28  1.  25—29. 
20  —  21.  30  —  34,  nicht  aus  der  Quelle  der  Eelatio,  d.  h. 
Concil.  Paris.  VI.  829  lib.  I  c.  1  med.,  MG.  Conc.  II, 
609  sq.  ^;  eingesprengt  (2,  162  b)  ein  Stück  unbekannter 
Herkunft.     Rubrik  von  Benedikt.     Zum  Text : 

2,  162a  (bis  'futura  sit  et  cetera'):  cf.  Relatio  c.  1 
1.  25 — 29.  Den  Anfang:  'Ut  fideles  -  fidem  sanctae  trini- 
tatis  discant  ^,  in  qua  inter  caetera  credere  ^  oportet'  scheint 
Benedikt  entweder  seinem  eigenen  Ingenium  zu  verdanken 
oder  aber  derselben  Quelle  ^  aus  der  er  seine  Zugaben  und 
Ergänzungen  zur  Relatio  bezogen  hat.  Hinter  'baptismate' 
ist  beißen,  eingeschaltet:  'confirmatione,  poenitentia  et  in 
ceteris  canonicis  decretis,  sicut  scriptum  est'  (eigenes  Pro- 
dukt? oder  aus  der  eben  genannten  unbekannten  Quelle?). 
Alis  'Christi'  ist  bei  Ben.  geworden  'per  Christum',  aus 
'generalis'  'gentium'.  Am  Schlüsse  ist  (wohl  von  Ben.) 
hinzugefügt:  'et  cetera'. 

2.  162b  ('Quam  fidem'  bis  'doceant'):  Vorlage  un- 
bekannt. Entweder  eigenes  Fabrikat  des  Fälschers  oder 
wiederum  aus  der  mehrerwähnten  unbekannten  Quelle  ^, 
aus  der  auch  die  anderen  Zugaben  zur  Relatio,  ins- 
besondere 2,  (165)'.  182b  geflossen  sein  können;  die 
stilistische  Verwandtschaft  unseres  Textes  mit  den  beiden 
soeben  erwähnten  liegt  auf  der  Hand : 


1)  Als  unmittelbare  Quelle  Benedikts  wird  Conc.  Paris,  cit.  aus- 
geschaltet durch  die  Lesart  'primum'  2,  162  c  (fehlt  in  P.,  p.  609  1.  35) 
und  durch  die  Weglassung  von  'fide'  (steht  in  P.,  p.  610  1.  2)  vor  'spe' 
2,  162  d.  2)  Vgl.   oben  S.  110,  N.  7,  unten  S.  124/5.  3)    Genaue 

Parallele  für  das  Gebet  des  Herrn  in  2,  165  Anfang:  'Ut  fideles  orationem 
dominicam  discant'  etc.  Vgl.  ferner  unten  S.  113,  X.  1.  4)  Nur  dieses 
Wort  des  Anfangs  deckt  sich  mit  der  Relatio.  5)   'Sacerdos'- Synode, 

vgl.  unten  S.  124  f.  6)  Meine  mit  aller  Vorsicht  geäusserte  Vermutung, 
dass  in  Ben.  2,  162b  vielleicht  der  erste  der  Kanonen  des  Conc.  B  urgund. 
erhalten  sei  (Studie  IV,  N.  A.  XXIX,  323  X.  1),  ziehe  ich  zurück;  denn 
unterdessen  habe  ich  gefunden,  dass  das  Conc.  Burgund.  zur  Benennung 
des  Priesters  sich  einer  anderen  Terminologie  bedient  als  2,  162  b  (vgl. 
unten  S.  121  2).         7)  lieber  dieses  Kapitel  s.  unten  S.  124  5. 


Studien  zu  Benedi ctus  Levita.    VII, 


113 


2,   162b. 

Quam  fidem  me- 
moriter  teneant  ^  et 
suis  sacerdotibus 
eam  reddant  et  ex- 
ponant  per  singula 
verba.  Et  ipsi  sacer- 
dotes  eam  fideliter 
et  pleniter  atque 
veraciter-  populum 
doceant  ^. 


2,  165. 

Ut  fideles  ora- 
tionem  dominicam 
discant*  et  intelli- 
gant  et  suis  sa- 
cerdotibus eam 
V  e  r  bo  ex  verbo 
reddant  et  alios 
fideles ,  qui  eam 
nesciunt  ,  d  o  c  e  - 
a  n  t. 


2,   182  b  in. 

Et  sciant  se  nullo 
modo  ante  aliorum 

patres   efficere, 
quam    supra    dicta 
discant  et  in- 
tellegant     seu 
reddant. 


von 


2,    162  c    Cquoniam    primum    —    catholica    est" 
'primum'  an  wörtlich  =  Eelatio  c.   1  lin.  20.  21. 

2,  162  d  ('Et  haec'  bis  Schluss)  =  Relatio  c.  1  lin.  30 
—  34.     Text  nur  oberflächlich  gemodelt. 


2,  163:  Quelle  unbekannte  Der  Zweck  der  Vor- 
schrift, den  Diözesanklerus  zum  willenlosen  Werkzeug  in 
der  Hand  des  Bischofs  zu  machen,  harmoniert  vollkommen 
mit  dem  Episkopalsjstem  der  pseudoisidorischen  Fäl- 
schungen. Seiner  Technik,  durch  Wiederholung  desselben 
Rechtssatzes  sicherer  zum  Ziel  zu  kommen,  bleibt  Ben. 
auch  hier  treu  (vgl.  2,  78.  302.  3,  154.  155c).  Sollte  Ben. 
einer  echten  Quelle  folgen,  so  müssten  wohl  in  der  Sanktion 
die  Worte  'vel  monachi  aut  laici'  als  interpoliert*^  be- 
trachtet werden,  da  im  Tatbestande  nur  von  Klerikern  die 
Rede  ist.  —  Zur  Phraseologie  des  Tatbestandes  vgl.  etwa: 


1)  Einzelne  Phrasen  des  Kapitels  finden  sich  natürlich  auch 
anderswo.  Zu  'memoriter  teneant'  vgl.  Capitula  Frising.  c.  24  (Studie  II, 
N.  A.  XXIX,  292) :  '.  .  .  orationem  dominicam  vel  simbolura  memoriter 
teneant'  (cf.  Ben.  1,  170);  Karoli  M.  ad  Ghaerbaldum  epist.  803  —  811 
(MG.  Capit.  1,  241  1.  27) :  'si  orationem  dominicam  et  simbolum  .  .  . 
scirent  aut  memoriter  tenerent' ;  unten  2,  175  (Conc.  Burgund.) :  'nisi 
memoriter  symbolum  et  orationem  dominicam  tenuerint' ;  Epistola  canonica 
c.  1  (Baluze,  Capit.  II,  1374) ;  Theodulfi  Aurelian.  Cap.  primum  c.  22 
(Migne    CV,    198);    Ps.  -  Augustin,    unten    S.    127,    N.    5.  2)    Wegen 

'veraciter'  vgl.  unten  2,  176  Satz  i.  2,  205  c.  3)  Zu  'populum  doceant' 
vgl.  z.  B.  Cap.  e  can.  exe.  813  c.  26  (MG.  Capit.  I,  175):  'Ut  presbiteri 
.  .  .  populum  doceant'.  4)  Vgl.  oben  S.  112,  X.  3  zu  2,  162  a.  5)  Der 
Priester  wird  hier  als  'presbiter'  bezeichnet;  also  kommt  die  'Sacerdos'- 
Quelle  für  2,  163  nicht  in  Frage  (vgl.  unten  S.  121  f).  An  das  Conc. 
Burgund.  als  Vorlage  des  Kapitels  zu  denken,  verbietet  sich  anscheinend 
durch  den  Inhalt ,  der  sich  in  die  Disposition  der  canones  Burgund. 
(N.  A.  XXIX,  322  f.)  nicht  einfügen  will.  0)    Ueber   die  Quelle   vgl. 

die  letzte  Bemerkung  zu  diesem  Kapitel. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  ft 


114  Emil  Seckel. 

Deuteron.  17,  12  ('superbierit  uolens  obedire'),  Conc. 
Carth.  I.  c.  11  (Ben.  2,  302.  3,  154),  L.  Baiuw.  1,  7  i.  f. 
(Ben.  1,  337),  Ben.  3,  155c  (Quelle  unbekannt),  1,  137 
(ebenso),  1,  322  i.  f.  (ebenso);  am  nächsten  steht  Benedikts 
4facher  Synonymik  das  c.  17  der  Regula  Chrodegangi  ^ : 
'Si  quis  clericus  contumax  aut  inoboediens 
aut  superbus  aut  ebriosus  aut  detractor  aut  contra- 
dictor  aut  rebelies  .  .  .  preceptis  e  p  i  s  c  o  pi  .  .  . 
contemptor  repertus  fuerit'  etc.-  —  Während  Ben.  2,  78, 
in  sachlicher  Üebereinstimmung  mit  Conc.  Valletanum  c.  5 
(Migne  LXXXIV,  328),  den  ungehorsamen  Klerikern  ohne 
Unterscheidung  der  Weihegrade  die  Exkommunikation  an- 
droht, kommen  in  unserem  Kapitel  die  'clerici  gradum 
habentes'  mit  der  blossen  Degradation  davon.  Vgl.  zur 
Sache  N.  A.  XXXIV,  366  (zu  2,  122b);  zu  den  Worten 
'monachi  aut  laici  .  .  .  communione  priventur' :  Conc. 
Chalced.  c.  8  i.  f.  (Dion.-Hadr.  ed.   1609  p.  125). 


2,  164  cf.  Concil.  Clippiacense  626.  627  c.  7,  MG. 
Conc.  I,  198  =  Concil.  sub  Sonnatio  episcopo  Remensi 
habitum  627—630  c.  6  (Flodoardus,  Hist.  eccl.  Rem.  II,  5), 

1.  c.  p.  203^.  Rubrik  von  Benedikt?  Im  Text  erhebliche 
Abweichungen  von  der  genannten  (unmittelbaren?)  Vorlage. 
Das   Einschiebsel    'usque   ad   ecclesiae   satisfactionem    (vgl. 

2,  88.  101.  116.  158)  cum  omnibus  tantis  sceleribus  auxi- 
liantibus  aut  facientibus'  mag  aus  Benedikts  Feder  ge- 
flossen sein.  Der  Textanfang  geht  mit  Clipp.  ('Si'),  nicht 
mit  Flodoard  ('üt  si  quis'),  und  zwei  Partien  des  Textes 
sind  anders  als  in  der  Vorlage  stilisiert*: 

a)  Schluss  des  Tatbestandes  in  Satz  1 : 


Conc.  Clipp. 
.  .  .  inclinare  presump- 
s e r i t  aut  pro  quibus- 
libet  causis  absque 
conscientia  et  per- 
missu  ^    episcopi    distringere 


Ben. 
.  •  .  inclinare  aut  distrin- 
gere   aut     calumni  a  r  e     vel 
iniuri  a  r  e     absque     episcopi 
siii^  permissu  praesumpserit 


1)  S.  Chrodegangi  Metensis  episcopi  (742 — 76(3)  Regula  canoni- 
corum  hg.  von  "W.  Schmitz  (1889)  S.  12.  Auf  Chrodegang  hat  schon 
Knust  hingewiesen.  2)  Conc.  Meld.  845  c.  82  (79)  (MG.  Capit.  II,  420), 
worauf  Knust  noch  verweist,  ist  auch  nicht  mehr  als  eine  (ziemlich  ent- 
fernte) Parallele.  8)  Ob  es  sich  nicht  um  eine  und  dieselbe  Synode 
handelt,  lasse  ich  dahingestellt.  4)  Ueber  die  hieraus  zu  ziehenden 
Schlüsse  gilt  dasselbe,  was  oben  (X.  A.  XXXIV,  374  —  376)  zu  2,  156— 
158  bemerkt  ist.  5)  'permissum'  Clipp.  6)  Wahrscheinlich  Inter- 
polation Benedikts;   vgl.  N.  A.  a.  a.  0.  S.  376,  N.  1. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


115 


Conc.  Clipp. 
aut     calumni  i  s  ^     vel     iniu- 
riis   affici^   presumpserit 


Ben. 


b)  Satz  2: 

Episcopus   tarnen  ^ 
putatis    conditionibus 
corum     neglegentias 
dare  non  tardet. 


de   re- 

cleri- 

emen- 


Episcopus  tarnen  non  di- 
mittat,  11 1  iniuriam 
patientibus  pleiiam 
de  p  r  a  e  f  atis  cleric  i  s  i  u  - 
stitiam  canonice  non 
f  a  c  i  a  t. 


2,  165 :  Quelle  unbekannt.  Knust  glaubt  als  Quelle 
betrachten  zu  dürfen  'Capit.  general.  Aquens.  802  c.  10' 
=  Capitula  de  examinandis  ecclesiasticis  801?  802?  c.  9. 
13  (MG.  Capit.  I,  110;  cf.  MG.  Conc.  II,  228  sq.).  Dass 
hierin  aber  nur  eine  Parallele  erblickt  werden  darf,  lehrt 
der  Augenschein : 

Capitula. 

(c.  9.)  Similiter  et^  o  ra- 
tio nem  dominicam 
quomodo  intellegant; 
et  ipsam  orationem  vel  sym- 
boli  sensum  pleniter  d  i  s  - 
c  a  n  t ,  et  sibimet  ipsis 
sciant  et  a  1  i  is  insinuare 
praevaleant. 

(c.  13.)  Omnibus  omnino 
christianis  iubetur  simbolura 
et  orationem  domi- 
nicam   disc  ere. 

Solcher  Parallelen  lassen  sich  noch  weitere  beibringen, 
Tgl.  z.  B.  Karoli  M.  ad  Ghaerbaldum  epist.  803—811,  MG. 
Capit.  I,  241    1.  20  ff. :    '.  .  .  ut    .    .    .    orationem   do- 


Ben. 
üt  fideles  ^  orationem  do- 
minicam discant  et  intelli- 
gant  et  suis*''  sacerdotibus *^ 
eam  **  verbo  ex  verbo  red- 
daut  ^  et  alios  fideles ,  qui 
eam  nesciunt,  doceant. 


1)  'contumeliis'  Flod. ;  wiederum  geht  Ben.  mit  Clipp.  2)  'affi- 

cere'  Flod.  S)  'Episcopus  tarnen'  Flod. ;  'sie  tamen,  ut  episcopus'  Clipp. 
Die  Uebereinstimmung  mit  Flodoard  (der  m.  E.  von  Ben.  nicht  benutzt 
ist;  vgl.  vorhin  im  Text  und  bei  N.  1,  ferner  unten  zu  2,  409)  wird 
Zufall   sein.  4)    Seil. :    '.  .  .  praeceptum  est  .  .  .    unumquemque   exa- 

minare'  (c.  8  Cap.  cit.).  5)  Vgl.  unten  S.  124/5,  oben  S.  112,  N.  2.  3  zu 
2,  162  a.  6)  Zu  'suis  sacerdotibus  eam  .  .  .  reddant'  vgl.  Capitula  cit. 

c.  14  i.  f. :  '.  .  .  orationem  dominicam  presbitero  suo  reddat'. 

8* 


116  Emil  Seckel. 

minicam  et  simbolum  .  .  .  tenere  et  memoriter  recitare 
potuisset';  Conc.  Mogunt.  813  c.  45,  MG.  Conc.  II,  271  sq. : 
'Sjinbolum  .  .  .  et  orationem  domin  icam   disc  ere 

semper  ammoneant  sacerdotes  populum  christianum 

ut  fidem  catholicam  recte  discant  et  orationem 
dominicam,  ut  domi  alios  ed  o  c  ere  valeant'.  — 
Zu  den  Anfangsworten  'Ut  —  discant'  vgl.  den  korre- 
spondierenden Anfang  von  2,  162a.  —  Wegen  der  Stil- 
verwandtschaft zwischen  2,  165.  162b.  182b  in.  hinsichtlich 
der  Worte  'discant  —  reddant'  siehe  den  vergleichenden 
Abdruck  oben  S.  113  zu  2,  162  b.  —  Ueber  den  Terminus 
'sacerdos'  und  seinen  quellenkritischen  Wert  s.  unten 
S.  121/2.  124/5. 

2,  166 — 169   aus  dem  Concilium  Herutf ordense  673^ 

Rubriken  durchweg  von  Benedikt.  Die  Anfangsworte 
der  Kanonen  ('Secundum';  'Tertium  [capitulum]' ;  'Sextum' ; 
'Octavum')  sind  bei  Ben.  gestrichen. 

2,  166  =  c.  2;  'vel  presbiterorum'  interpoliert.  — 
2,  167  =  c.  3 ;  eine  Variante:  'monasteria  quae'  statt  'quae- 
que  monasteria  .  .  .  ea' ;  die  originale  Vorschrift  durch 
Streichung  von  'episcoporum'  nach  'nuUi'  verallge- 
meinert. —  2,  168  wörtlich  =  c.  6.  —  2,  169  =  c. 'S ; 
Schlussworte  geändert,  'suae  ordinationis'  statt  'consecra- 
tionis  suae'. 

2,  170 — 209  Misch  reihe  aus  der  Relatio  episco- 
porum 829,  aus  der  Burgundischen  Synode 
800  —  840,  aus  unbekannten  Synoden  (Bischofs- 
kapiteln?); ferner  aus  Bibel?  Poenitentiale  Theodori? 
Dionysio  -  Hadriana  ?  ;  eventuell  noch  :  Vorlage  der  Dicta 
Pirminii  abbatis  und  des  Poenitentiale  Pseudo-Theodori. 

Einleitung.  Bedeukliche  methodische  Grund- 
sätze gestatten  es  unserem  Vorläufer  Knust  -,  für  sämt- 
liche 40  Kapitel  der  laufenden  Unterreihe  mit  Quellen- 
nachweisen zu  dienen.  Ein  abschwächendes  'cf.',  das  in 
den  Knustschen  Zitaten  eine  blosse  Schwesterableitung 
neben  oder  auch  nur  eine  sachliche  Parallele  zu  den 
Pseudokapitularien  zu  erblicken  erlaubt,  findet  sich  ledig- 
lich bei  6  ^  von  den  40  Kapiteln. 


1)  Ed.  Mausi  XI.  129:  Bruus  II,  .510:  Haddan  and  Stubbs, 
Councils  III,  119  f.  Üeberliefert  bei  Beda.  Hist.  eccl.  IV,  5.  2j  MG. 
LL.  IIb,  2.3.         3)  Ben.  2,  170.  173.  192.  194.  195.  196. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  117 

Dieses  Scheinwissen  —  den  Glauben,  dass  nichts 
leichter  sei  als  die  Aufspürung-  der  Quellen  unserer  Misch- 
reihe —  zu  zerstören,  ist  neben  der  positiven  die  negative 
Hauptaufgabe  nachstehender  Quellenanalyse.  Weit  näher 
als  Enusts  Behauptung,  dass  wir  zu  allen  40  oder  wenigstens 
zu  34  Stücken  der  Unterreihe  die  Quellen  kennen,  dürfte 
der  Wahrheit  leider  die  ungefähr  entgegengesetzte  Be- 
hauptung kommen,  dass  sich  nämlich  zu  33  Vollkapiteln 
und  3  Teilkapiteln ^  die  unmittelbare  Quelle  nicht 
oder  nicht  mit  voller  Sicherheit  nachweisen  lässt.  Da 
kein  einziges  der  33  -{-  ^/o  Kapitel  unter  Fälschungs- 
verdacht- steht,  so  heisst  das  so  viel,  wie  dass  es  der- 
gleichen Quellen  zwar  gegeben  hat,  diese  Quellen  aber 
nicht  als  solche  auf  uns  gekommen  oder  jedenfalls  bisher 
nicht  aus  den  Hss.  hervorgeholt  sind.  —  Knusts  Quellen- 
angaben sind  zum  Teil  (unten  Ziff.  2  dieser  Einleitung)  ge- 
radezu falsch.  Zum  anderen  Teil  (unten  Ziff.  1.  3.  4  a) 
enthalten  sie,  obzwar  unvollständig^  und  manchmal^  un- 
genau, das  Richtige  oder  einen  richtigen  Kern.  In  nicht 
wenigen  Quellenfragen  war  es  möglich,  über  Knust  hinaus- 
zukommen. 

Für  die  Quellenuntersuchung  zerfallen  die  40  Kapitel 
der  ünterreihe  in  4  Gruppen: 

1.  Sicher  bekannt  ist  die  direkte  Quelle  von 
1  Voll-  und  3  Teilkapiteln  (2,  182  a.  c  193.  205  a.  208  a 
a.  '/.  c).  Sie  liegt  in  der  Relatio  episcoporum  829  vor^  und 
ist  bereits  oben  S.  108  ff.  zusammenfassend  besprochen. 
Vgl.  Tabelle  I  Sp.  1—3.  —  Bekannt  sind  ferner  die 
Quellen  der  3  Kapitel  2,  188.  203  (Rubriken  der 
Dionysio  -  Hadriana)  und  2,  209  (Theodori  Poenitentiale  und 


1)  D.  h.  zu  allen  40  Kapiteln  abzüglich  der  4  Voll-  und  der 
3  Teilkapitel,  zu  denen  wir  die  direkten  Quellen  wirklich  oder  wenigstens 
möglicherweise  kennen ;  vgl.  ZifF.  1  im  folgenden  Text.  2)  Er  ist  auch 
noch  von  Niemanden  ausgesprochen,  geschweige  denn  begründet  worden. 
Nur  Simson,  Die  Entstehung  der  pseudo  -  isidorischen  Fälschungen  S.  60 
scheint  das  einzige  Kapitel  2,  170  (ohne  Angabe  von  Gründen)  ver- 
dächtigen zu  wollen.  —  Um  dem  Fälschungsverdachte  zu  begegnen,  ist 
den  Kapiteln  unserer  Reihe  unten  S.  125  fl'.  ein  grösserer  Apparat  sach- 
licher Parallelen  (mit  Ausnahme  der  wenigen  Kapitel,  wo  Parallelen  zu 
finden  nicht  gelungen  ist)  beigegeben;  diese  Parallelen  verscheuchen  ins- 
besondere das  Verdachtsmoment  der  Neuerung.  Die  Tendenzen  Benedikts 
kommen  in  unserer  Reihe  nicht  durch  Fälschung  erfundener  Voll-  oder 
Teilkapitel,  sondern  nur  in  wenigen  kleineren  Interpolationen  zum  Wort. 
3)  Vgl.  zu  2,  185  a.  187  in.  187  fin.  189  c.  195.  196.  198  med.  206. 
208  rubr.   209.  4)    Zu    2,  182.    187.    195.    196.   203  —  204.   207.   209. 

5)  Für  Ben.  2,  208  rubr.  in  dem  Conc.  Paris.  829. 


118  Emil  Seckel. 

Leviticiis),  falls  man  sich  hier  skeptisch  verhalten  will 
zu  der  freilich  naheliegenden  Annahme  einer  vermittelnden 
Zwischenquelle. 

2.  Schlechthin  unbekannt,  d.  h.  in  der 
vorliegenden  Gesamt  Überlieferung  des  Materials 
m.  W.  nicht  auffindbar,  sind  die  Quellen  folgender 
13  Voll-  und  7  Teilkapitel  unserer  Reihe :  2,  170.  171.  172. 
173.  176.  177.  180.  181.  182b.  d.  185b.  187  med.  188. 
192b?  194.  197.  198  in.  fin.  199.  204.  205b.  c.  208a/3.  b.  d. 

3.  Bei  3  Voll-  und  5  Teilkapiteln  (2,  185a.  187  in.  fin. 
189a— c.  192a.  195.  196.  198  med.  207)  i  hat  es  den  An- 
schein, als  ob  die  Auffindung  der  direkten  Quellen  Bene- 
dikts gelungen  wäre.  Ich  halte  es  jedoch  für  vorsichtiger, 
—  und  die  Entdeckerfreude  wird  dadurch  kaum  ver- 
kümmert — ,  das  Ergebnis  der  Nachforschungen  dahin  zu- 
sammenzufassen :  Bekannt  sind  zwar  nicht  die  unmittel- 
baren Quellen,  wohl  aber  die  entfernteren  Vor- 
quellen^ der  8  angeführten^  Benedictus- Texte.  Die 
Gründe,  welche  mir  gegen  eine  unmittelbare  Benutzung 
der  alsbald  aufzuzählenden  6  bzw.  7  Vorquellen  durch 
Benedikt  zu  sprechen  scheinen,  sind,  soweit  nötig,  unten 
zu  den  einzelnen  Kapiteln  angegeben.  Zu  den  speziellen 
Gründen  tritt  die  allgemeine  Erwägung  hinzu,  dass  der 
meist  reihenweise  exzerpierende  Benedikt  nur  selten  weit- 
hergeholte und  vereinzelte  Exzerpte  in  oder  zwischen  seine 
Reihen  (und  Mischreihen)  einstreut. 

Die  —  Knust  ausnahmslos  noch  unbekannten  —  Vor- 
quellen der  8  Texte  sind  folgende : 

a)  Bibel:  (Hebräerbrief):  2,  185a;  (Ecclesiasticus  in 
der  Fassung  des  Caesarius  von  Arles):   2,  192  b. 

b)  Couc.    Autissiodor.    573  —  603:    2,    198    med. 

c)  G  r  e  g  o  r  i  u  s  I.  ad  Augustinum  ^  601 :  2,  207. 

d)  Dicta  abbatis  P  i  r  m  i  n  i  i  ^  de  singulis  libris 
canonicis  scarapsus*":    2,  189a.  b.  c?    192a.    195.    196,    bzw. 


1)  Zu  dieser  Gruppe  treten  die  drei,  oben  Ziff.  1  a.  E,  ver- 
zeichneten Kapitel  hinzu,  falls  man  zwischen  den  Originalen  und 
Benedikt   irgendwelche  Zwischenquellen   vermutet.  2)   Bibel  z  i  t  a  t  e , 

die  sich  aus  der  Vulgata  in  den  Kapiteln  der  Unterreihe  (2,  170b.  171. 
176.  185b.  [191.]  192a.  194.  195.  207.  209)  finden,  bleiben  hier  ausser 
Ansatz.  3)    Ueber   2,  191  fin.    (Vorquelle:  Theodors  Bussbuch)    siehe 

unten   Ziff.  4  a.  4)    Statt   der   Urquelle   nennt   Knust   eine    zweifellos 

nicht   benutzte    Zwischenquelle    (Poen.    Martenianum).  5)    Gestorben 

wahrscheinlich  753 ;  vgl.  Hauck  in  der  Realenzykl.  f.  j)rot.  Theol. 
XV  ^  411  Z.  5.  6)  Ueberliefert  in  der  Hs.  von  Einsiedeln  199  P.  III, 
saec.  VIII  ex,   oder  IX  in.,   herausgegeben  von  Mabillon   in   den  Vetera 


Studien  zvi  Benedictus  Levita.     VII.  119 

Poenitentiale  Pseudo-Theodori^:  2,  195  a. 
196,  oder  vielmehr  eine  Vorlage,  aus  der  von  Pirmin 
nnd,  wo  sie  ihnen  gemeinsam  ist,  von  Pirmin  und  Pseudo- 
Theodor geschöpft  ist.  Die  Vorlage  zeigt  sich  ihrerseits 
stark  beeinflusst  von  dem  grossen  Gesetzgeber  und  Volks- 
prediger Caesarius,  Bischof  (502 — 542)  von  Arles. 

e)  Admonitio  generalis  789:  2,  189c. 

f)  Poenitentiale  Valicellanum  II.  oder 
vielmehr  ein  ihm  zum  Grunde  liegender  Busstraktat: 
2,   187  in.  fin. 

4.  Bekannt  sind  für  eine  Anzahl  (I2V2)  Kapitel 
zwar  nicht  die  Quellen,  wohl  aber  Ableitungen,  die 
aus  derselben  Quelle  geflossen  sind  wie  Benedikts 
Texte.  Von  solchen  Schwesterüberlieferungen,  aus  denen 
sich  die  wirkliche  unmittelbare  Quelle  Benedikts  -  mit 
Wahrscheinlichkeit  rekonstruieren  lässt,  liegen  vor: 

a)  die  sog.  Statuta  Bonifatii.  Knust  und 
viele  Andere  sahen  in  ihnen  noch  eine  unmittelbare  Quelle 
Benedikts.  In  der  IV.  Studie  (N.  A.  XXIX,  308—324)  ist 
der  Nachweis  versucht  und  wohl  auch  erbracht  worden, 
dass  die  sog.  Statuta  Bonifatii  eine  kleine  Kanonen- 
sammlung seien,  die  sich  aus  drei  Massen  zusammensetze; 
von  diesen  Massen  lasse  sich  eine  (bestehend  aus  21  Kapiteln) 
auf  keine  bekannte  Originalquelle  zurückführen.  Von 
ihren  21  Kapiteln  kehren  13  bei  Benedikt  wieder  und 
zwar  ausschliesslich  in  unserer  Unterreihe  (Ben.  2,  174.  175. 
178.  179.  184.  186.  189d.  190.  191.  200.  201.  202.  206;  vgl. 
Tabelle  I  Sp.  5).  Mit  dieser  Doppelüberlieferung  verhalte 
es  sich  so,  dass  der  Verfasser  der  Statuta  und  Benedikt 
beide  auf  eine  gemeinsame  nicht  überlieferte  Vorlage 
zurückgehen.  Die  rekonstruierte  gemeinsame  Vorlage 
chai'akterisiere  sich  vermutungsweise  als  C  o  n  c  i  1  i  u  m 
B  u  r  g  u  n  d  i  c  u  m  (incerti  loci  provinciae  Vesontionensis) 
zwischen  800  und  ca.  840. 

b)  das  PoenitentialePseudo-Theodori^ 
Dieses  eigenartige  und  interessante  Bussbuch  *  schöpft  zum 


analecta  (1675 ;  =  Migne  LXXXIX,  1029  ff.),  kritisch  korrekt  und  zu- 
verlässig erst  von  Caspari ,  Kirchenhistorische  Anecdota  I  (Christiania 
1883),  151  ff.     Ich  benutze  letztere  Ausgabe.  1)  Vgl.    unten  N.  3.  4, 

S.  120,  N.  2.  2)  Es  handelt  sich  zufällig  für  alle  12^4  Kapitel  vermutlich 
um  eine  und  dieselbe  Quelle,  nämlich  die  ßurgundische  Synode.  3)  Zu 
Knusts  Zeiten  war  es  noch  nicht  ediert.  Seine  Bearbeiter  (Kunstmann, 
Hildenbrand,  Wasserschleben)  haben  die  Beziehung  zu  Benedikt  und  zu 
den  Stat.  Bonif.  {=  Conc.  Burg.)  nicht  erkannt,  4)  Ausgaben :  Ancient 
laws   and   Institutes   of  England    (1840)    S.  277  ff. ;    Kunstmann,   Die   lat. 


120  Emil  Seckel. 

Teil  aus  unbekannten  Quellen ,  insbesondere  aus  unbe- 
kannten Synoden  der  fränkiscben  Zeit  ^  Es  ist  im  frän- 
kischen Reich  nach  789  -  oder  vielmehr,  wie  sich  alsbald 
ergeben  wird,  nach  800  verfasst.  —  In  Pseudo- Theodors 
Bussbuch  besitzen  wir  für  einen  Kanon  des  nach  800  ab- 
gehaltenen Conc.  B  u  r  g  u  n  d.  (Ben.  2,  206  ;  Stat.  Bonif. 
c.  31)  eine  dritte,  bisher  auch  von  mir  nicht  bemerkte 
Parallelüberlieferung  (vgl.  unten  zu  2,  206).  — 

Lässt  sich  für  die  soeben  unter  Ziff.  4  behandelten 
I2Y2  Kapitel  die  Quelle  Benedikts  mit  genügender  Be- 
stimmtheit aufdecken,  so  scheint  es  auf  den  ersten  Blick, 
als  ob  es  ein  aussichtsloses  Beginnen  wäre,  den  nun  einmal 
nirgends  überlieferten  (unmittelbaren)  Quellen  der  unter 
Ziff.  2  und  3  (oben  S.  118  f.)  verzeichneten  16  Voll-  und 
12  Teilkapitel  näher  kommen  zu  wollen.  Doch  fehlt  es 
bei  genauerem  Zusehen  nicht  an  gewissen  Handhaben,  um 
das  Chaos  der  letzterwähnten  Kapitel  wenigstens  in  mehrere 
Quellenkreise  zu  scheiden.  Diese  Handhaben  sind  teils 
formeller,  teils  inhaltlicher  Natur. 

I.  Formelle  Kriterien  lassen  sich  gewinnen  durch 
Beobachtung  der  Initien,  der  Priester  -  Terminologie  und 
gewisser  Stilverwandtschaften. 

A.  Initien.  a)  Wir  wissen  bereits  ^,  dass  sämt- 
liche 15  Relatio  -  Exzerpte  der  Oberreihe  2,  162 — 255,  also 
auch  die  4  Relatio -Exzerpte  unserer  Unterreihe  (2,  182. 
193.  205.  208;  vgl.  Tabelle  I  Sp.  3)  sich  durch  den  ge- 
fälschten Anfang  'Placuit  ut  fideles'  auszeichnen. 
Wir  wissen  ferner^,  dass  dasselbe  charakteristische  Initium 
bei  4  Kapiteln  unserer  ünterreihe  (2,  170.  176.  188  5.  199)^ 
deren  Quelle  nicht  überliefert  ist  *",  sich  wiederfindet.    Nach 


Pönitentialbücher  der  Angelsachsen  (1844)  S.  43—105;  Wasserschieben, 
Bussordnungen  (1851)  S.  566  —  622.  Das  eigentliche  Werk  besteht  aus 
33  Kapiteln  (Wass.  S.  574 — 620) ;  die  vorangehenden  15  Kapitel  und  die 
folgenden  gehören  nicht  zu  dem  Bussbuch.  1)  In  Werminghofi's  Vor- 
arbeiten zu  MG.  Conc.  III.  ist  es  noch  nicht  berücksichtigt.  Vgl. 
Wasserschieben  a.  a.  O.    S.  88.  2)  lieber  die  Entstehungsverhältnisse 

vgl.  Hildenbrand ,  Untersuchungen  über  die  germanischen  Pönitential- 
bücher (1851)  S.  8  —  42,  Wasserschieben  a.  a.  0.  S.  18.  88.  Ob  Ps.- 
Theodor  die  Halitgarsche  Kanonensammlung  benutzt  habe  und  deshalb 
jünger  als  829  sei,  ist  bestritten;  dafür  Wasserschieben,  dagegen  Freisen, 
Gesch.  des  can.  Eherechts  S.  452,  N.  7.  Für  unsere  Zwecke  braucht  auf 
den  Streit  nicht  eingegangen  zu  werden.  —  Zu  den  Quellen  Ps. -Theodors 
folgen  einige  ergänzende  Notizen  unten  in  der  Spezialerörterung  über 
Ben.  2,  206.  3)  Oben  S.  110  11,  litt.  a.  4)  Oben  S.  111,  N.  2.  Vgl. 
Tabelle  I  Sp.  1.  5)  Mit  der  a.  a.  0.  erwähnten  leichten  Modifikation. 
6)  Vgl.  oben  S.  118  Ziff.  2. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  121 

Analogie  von  Benedikts  Verhalten  gegenüber  der  Relatio 
darf  vielleicht  ^  geschlossen  werden,  dass  der  Fälscher  bei 
Exzerpierung  noch  einer  zweiten  Quelle  mit  derselben 
Konsequenz  ein  zweites  und  letztes  Mal  seine  Methode  der 
'non  paria  initia'  in  dem  Eingang  'Placuit  ut  fideles'  zur 
Anwendung  brachte. 

b)  Mustert  man  die  Anfänge  der  canones  Burgund., 
so  liest  man  bei  der  Mehrzahl  der  Normen,  die  'sich  an 
die  Laien  wenden ,  die  ziemlich  stereotype  -  Wendung 
'Annuntient  presbiteri'  (Ben.  2,  175.  189d  in  der 
echten  Fassung.  190),  bzw.  'Annuntiet  unusquisque  presbiter' 
(2,  191),  'üt  annuntient  presbiteri'  (2,  174).  Sehen  wir  auf 
die  Initien  der  aus  nicht  überlieferten  Quellen  geholten 
Kapitel  unserer  Reihe,  so  haftet  der  Blick  an  den  zwei 
Kapiteln  2,  177.  192  je  mit  dem^  Anfang  'Annuntient 
presbiteri'  ^.  Die  genannten  Initien  begegnen  in  Benedikts 
grosser  Sammlung  ^  nur  bei  den  vorstehend  zitierten 
7  Kapiteln.  Gehen  aber  von  den  7  'Annuntient' -Kapiteln 
unserer  Reihe  und  überhaupt  der  ganzen  Sammlung  fünf 
erweislich  auf  die  Burgundische  Synode  zurück,  so  ergibt 
sich  ein  sehr  beachtlicJaes  Argument  für  den  Schluss,  dass 
es  mit  den  2  restlichen  Kapiteln  (2,  177.  192)  sich  ebenso 
verhalten  werde. 

B.  P  r  i  e  s  t  e  r  -  T  e  r  m  i  n  o  1  o  g  i  e.  Zur  Bezeichnung 
des  Priesters  stehen  der  technischen  Sprache  die  Ausdrücke 
'sacerdos'  und  'presbiter'  zur  Verfügung.  Dem  Worte 
'sacerdos'  begegnen  wir  in  folgenden  Kapiteln  unserer 
ünterreihe:  2,  170.  171.  172.  173.  176.  187.  194.  199. 
205b.  208 b^  lauter  Kapiteln,  deren  Quelle  nicht  über- 
liefert isf.  Sofort  fällt  auf,  dass  das  Conc.  Burgund. 
nicht  ein  einziges  Mal  den  terminus  'sacerdos'  gebraucht. 
—  Das  Wort  'presbiter'  findet  sich  an  folgenden  Stellen  der 
Unterreihe:  2,  174.  175.  177.  178.  179.  180.  185.  186.  189d. 
190.  191.  192.  195.  200.  201.  202 «.  206  9.  y^^  diesen 
17  Stellen  gehören  nicht  weniger  als  12  (bzw.  1-3)  der 
Burgundischen    Synode   an  ^°.      Auch   soweit   sie   nicht   bei 


1)   Vielleicht!      Denn   die   Initia   der   4   Kapitel   könnten  ja   auch 
echt   sein.  2)    Hier  natürlich   echte.  3)    Aller  Wahrscheinlichkeit 

nach  ebenfalls  echten.  4)  Vgl.  Tabelle  I  Sp.  4,  wo  die  'Annuntient'- 

Stücke  durch  Sterne  bezeichnet  sind.  5)  In  Theiners  Index  initiorum 

figuriert  der  Anfang  nur  bei  Burch.  4,  28  (nebst  Ableitungen),  und  dieser 
schöpft  aus  Ben.  2,  175  (Näheres  unten  zu  2.  175).  6)  Vgl.  Tabelle  I 
Sp.  2.  7)  Vgl.  oben  S.  118  Zift'.  2.  3.      '    8)  Wegen  2,  203  vgl.  die 

Bemerkung  unten  zu  diesem  Kapitel.  9)  Vgl.  Tabelle  I  Sp.  4.  10)  Vgl. 
Tabelle  I  Sp.  5. 


122  Emil  Seckel. 

Benedikt  wiederkehrt  (Stat.  Bonif.  c.  10—13.  16.  17.  27. 
33),  nennt  die  Burgundische  Synode  den  Priester^  kon- 
sequent 'presbiter'.  —  Terminologisch  zerfallen  also  die 
Kapitel  unserer  ünterreihe  in  2  Gruppen,  von  denen  die 
eine  ('Sacerdos' -Gruppe)  den  Ausdruck  'presbiter'  ebenso 
ausnahmslos  meidet  als  ihn  die  andere  ('Presbiter' -Gruppe) 
gebraucht  -.  Mit  Schlüssen  aus  dieser  Beobachtung  wird 
man  vorsichtig  sein  müssen.  Negativ  wird  man  folgern 
dürfen,  dass  keines  der  'Sacerdos' -  Kapitel  aus  der  Bur- 
gundischen Synode  stammt.  Positiv  eines  der  4  Kapitel 
2,  177.  180.  185.  192  allein  darum,  weil  es  der  'presbiter- 
Terminologie  sich  bedient,  der  Burgundischen  Synode  zu- 
zuweisen, ist  natürlich  unzulässig. 

C.  S  t  i  1  V  e  rw  andtschaften.  Wegen  ihrer  mag 
auf  die  unten  folgenden  Einzelausführungen  zu  2,  176/l62b. 
205c;  2,  176  fin.  /  188  fin.  ;  2,  182b  /  165.  193c.  (205a); 
2,  197/195.   196.  198;  2,   198/196.   197  verwiesen  sein. 

II.  Inhaltlich  wird  in  unserer  Unterreihe  nicht 
selten  derselbe  Gegenstand  mehrfach  behandelt,  sei  es  in 
übereinstimmender,  sei  es  in  widersprechender  Weise.  Auch 
diese  bald  verträglichen ,  bald  unverträglichen  Doppel- 
behandlungen drängen  zu  einer  Scheidung  der  (aus  nicht 
überlieferter  Quelle  üiessenden)  Kapitel  vorliegender  Reihe 
in  mindestens  zwei  Gruppen.  So  ist  es  z.  B.  ausgeschlossen, 
dass  eine  Quelle  die  Taufzeiten  zwei  mal  in  wesentlich 
derselben  Weise  normiert  (2,  181  farbloses  Incertum  — 
2,  188  'Placuit' -Kapitel)  oder  dass  sie  zweimal  ein  Wucher- 
verbot erlässt  (2,  204  farbloses  Incertum  —  2,  208b  'Sacerdos'- 
Stück)  oder  dass  sie  die  Fastenzeiten  das  eine  Mal  nach 
römischem,  das  andere  Mal  nach  griechischem  Brauche 
regelt  (2,  186  Conc.  Burg.    —    2,   187   'Sacerdos' -Kapitel)  3. 

Auf  Grund  der  gewonnenen  Indizien  (I.  II)*  lassen 
sich  vielleicht  folgende  nicht  ganz  unbegründete  Hypo- 
thesen aufstellen. 


1)  Wo  sie  ihn  überhaupt  erwähnt  (Stat.  Bonif.  c.  16.  17.  27.  33). 
2)  Diese  Erscheinung  ist  bisher  bei  der  Quellenkritik  m.  W.  noch  nicht 
beobachtet  oder  gar  beachtet  worden.  Weitere  Untersuchungen  bringen 
vielleicht  die  Möglichkeit,  die  Termini  (wie  bei  uns  heutzutage  Pfarrer 
und  Pastor)  zu  lokalisieren.  Ich  bemerke  nur,  dass  z.  B.  Haito  in  seinen 
Capitula  (MG.  Capit.  I,  362  ff.)  den  Priester  durchweg,  mit  einer  einzigen 
(durch  die  Vorlage  beeinflussten  ?)  Ausnahme  c.  16,  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet. 3)  Vgl.  ferner  2,  170/195  fin.  205b;  176/195  in.  fin.; 
191/209a.  c;  192/194;  196/205b.  204/208 b.  4)  In  Verbindung  mit  den 
Ueberlieferungs  -Verhältnissen. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  123 

1.  Die  Burgundische  Synode  erhält  einen 
hypothetischen  Zuwachs  von  T^/g  Kanonen^. 

a)  Die  Zuweisung  an  das  Conc.  Burg,  scheint  mir,  wie 
die  Dinge  liegen,  ausreichend  fundiert  zu  sein,  wo  (l)  ein 
Kapitel  unserer  Unterreihe,  in  der  ja  allein  Burgundische 
Kanonen  zu  suchen  sind  "^,  (2)  in  der  Priesterterminologie 
mit  dem  Sprachgebrauch  des  Conc.  Burg,  harmoniert^  und 
(3)  das  nur  diesem  Konzil  eigentümliche  Initium  'Annun- 
tient  presbiteri'  ^  aufweist.  Diese  3  Argumente  treffen  bei 
Ben.  2,   177.  192  zu. 

b)  Dass  ferner  Ben.  2,  189 a.  b.  (c).  195.  196  der  Synode 
angehören,  wird  durch  den  Einfluss  nahegelegt,  den  eine 
und  dieselbe  Vorlage  (fons  Pirminii)  wie  auf  2,  192  (vorhin 
litt,  a),  so  auch  auf  die  Kapitel  2,  189  a.  b.  19.5.  196  ge- 
wonnen hat  ^. 

c)  Ist  dies  richtig,  so  führen  gewisse  stilistische 
Uebereinstimmungen  ^  mit  freilich  geringerer  Wahrschein- 
lichkeit zu  der  Vermutung,  dass  vielleicht  auch  Ben.  2,  197. 
I'jB  auf  die  Synode  zurückgehen. 

d)  Besondere  Umstände  (inhaltliche  und  sprachliche 
Verwandtschaft  mit  einem  in  den  Stat.  Bonif.  überlieferten 
can.  Burg.)  machen  es  wahrscheinlich,  dass  Ben.  2,  185 
burgundischen  Ursprungs  ist  ^. 

2.  Die  'Sacerdos'-Kapitel  rühren  nicht  aus  der 
Burgundischen  Synode  her'^.  Schwerlich  sind  sie  alle  aus 
einer  Quelle  geflossen. 

a)  Ueber  Ben.  2,  171.  172.  173.  187.  19i  lässt  sich 
nichts  sagen,  als  dass  2,  187  sicher  aus  einer  Synode,  der 
Eest  wohl  entweder  aus  Synoden  oder  aus  Bischofskapiteln 
stammt  ^. 

b)  Etwas  mehr  ergibt  sich  für  Ben.  2,  170.  176.  (188). 
199.  Die  3  nichteingeklammerten  Kapitel  sind  nicht  nur 
durch  ihre  Priesterbezeichnuug,  sondern  auch  durch  das 
Initium  Tlacuit  ut  fideles'  zusammengehalten.  Das  Kapitel 
2,  188  ist  mit  den  übrigen,  ausser  durch  das  Initium,  durch 


1)  In  keinem  dei'  Kanonen  wird  der  Priester  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet ;  'presbiter'  heisst  er  in  2,  177.  185.  192.  195 ;  nicht  erwähnt 
wird  er  in  2,  189  a.  b.  (c).  196 — 198.  —  Zur  Stützung  unserer  Hypothese 
dient  auch  die  gewiss  nicht  ganz  wertlose  Beobachtung,  dass  alle 
lokalisierbaren  Urquellen  der  im  Folgenden  aufgezählten  Kapitel  burgun- 
dische  Lokalfarben  haben  (Synode  vonAuxerre,  Caesarius  von  Ar  1  es). 
2)  Oben  S.  119  Ziff.  4a.  3)  Oben  S.  121/2  IB.  4)  Oben  S.  121  1  Ab. 
5)  Oben  S.  118/9  Ziffer  3d.  6)  Oben  S.  1221 C  7)  Vgl.  unten  zu 
2,  185.  8)  Oben  S.  122 IB.         9)  Und  dass   die  Vorlage  von  2,  172 

(dazu  unten)  jünger  als  813  ist? 


124  Emil  Seckel. 

einen  stilistischen  Anklang  (an  2,  176)  verbunden.  Die 
4  Kapitel  scheinen  eher  von  einer  Synode  als  von  einem 
Bischof  erlassen  zu  sein  ^.  Wie  Benedikt  dazu  kam,  zum 
Objekt  seiner  die  Initia  fälschenden  Tätigkeit  -  neben  der 
Relatio  episc.  829  gerade  und  lediglich  die  vorliegende 
Synode  zu  wählen,  können  wir  nicht  erraten ;  vielleicht 
hängt  die  Synode  irgendwie  mit  dem  Kanonen  -  Material 
des  Jahres  829  ^  zusammen.  —  Erinnern  wir  uns  nun,  dass 
Benedikt  einen  Teil  seiner  Relatio -Kapitel  um  anscheinend 
echte  Zugaben  bereichert  hat^,  so  liegt  gerade  an  dieser 
Stelle  unserer  Untersuchung  die  Frage  nahe ,  ob  nicht 
Benedikt  diese  Zugaben  eben  aus  der  'Sacerdos' -Synode, 
deren  Kanonen  -  Anfänge  er  ja  vermutlich  in  einem  Zug 
mit  den  Initien  seiner  Relatio  -  Kapitel  zurechthobelte,  be- 
zogen hat.  Die  Frage  lässt  sich  natürlich  nicht  mit 
Sicherheit  beantworten ;  immerhin  sprechen  für  die  Be- 
jahung verschiedene  Umstände.  Einmal  lag  ihm  diese 
Synode  ausweislich  der  gemeinsamen  Initien  bei  der  Arbeit 
an  den  Relatio -Kapiteln  sozusagen  auf  dem  Schreibtisch. 
Ferner  stimmen  die  Zugaben  darin  mit  der  hypothetischen 
Synode  überein,  dass  sie,  so  oft  der  Priester  erscheint,  ihn 
als  'sacerdos'  titulieren  (Ben.  2,  162  b.  205  b.  208  b).  End- 
lich bestehen  bezeichnende  Stilverwandtschaften  einzelner 
Zugaben  mit  Kanonen  der  Synode,  so  zwischen  2,  165^ 
einerseits,  2,  162a  (in.),  b  und  2,  182b  andererseits^';  so 
zwischen  2,  176  (in.)  einerseits,  2,  162b  und  2,  205c  anderer- 
seits ^.  Vermutungsweise  darf  also  wohl  die  'Sacerdos'- 
Synode  als  Quelle  der  Zugaben  bezeichnet  werden. 

In  diesem  Zusammenhang  ist  schliesslich  noch  zweier 
nicht  unserer  Unterreihe,  sondern  der  Oberreihe  2,  162 — 
255  angehörenden  Vollkapitel  (2,  165.  248)  zu  gedenken. 
2,  248  wird  durch  seinen  Anfang  (Tlacuit  ut  fideles')  und 
durch  seine  Priesterbezeichnung  ('sacerdos')  so  gut  und  so 
schlecht  wie  2,  170.  176.  199  unserer  hypothetischen  Synode 
zugewiesen.  Bei  2,  165  kehrt  das  'Sacerdos'-Argument  voll, 
das    Argument    aus    dem    Initium    (2,    165    'Ut    fideles')  ® 

1)  Vgl.  V.  'pontificum'  in  2, 176.  2)  Oben  S.  111  litt,  a,  S.  120/1  lA. 
3)  Aus  diesem  Jahr  fehlen  uns  bekanntlich  die  Synoden  von  Toulouse, 
Lyon  und  Mainz.  4)  Oben  S.  111/2  litt.  b.  5)  lieber  dieses  unserer 
'Synode'  nahestehende  Kapitel  vgl.  den  nächsten  Absatz  des  Textes.  6)  Vgl. 
die  Einzelnachweise  oben  zu  2,  162.  165,  unten  zu  2,  182.  7)  Im  Ge- 
brauch des  Wortes  'veraciter' ;  vgl.  oben  bzw.  unten  zu  den  im  Text  an- 
geführten Kapiteln  Benedikts.  8)  Der  Anfang  'Ut  fideles'  ist  dem  Ka- 
pitel 2,  165  in  Benedikts  Sammlung  nur  noch  mit  2,  162  gemein  (oben 
S.  111,  N.  2).  Dass  2,  162  a.  b  zu  2,  165  Beziehungen  hat,  ist  kurz  vorher 
konstatiert  worden. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  125 

wenigstens  zum  Teile  wieder.  Merkwürdig  und  für  den 
Zusammenhang  von  'Sacerdos- Synode  und  Relatio  charak- 
teristisch ist  nun  die  Tatsache,  dass  2,  2-48  aushelfend  an 
Stelle  eines  Relatio  -  Kapitels  einspringt.  Auf  der  Strecke 
2,  215  bis  240  hat  Benedikt  seine  Eelatio  -  Exzerpte  von  5 
zu  5  Kapiteln  eingestreut  ^.  In  der  Strecke  von  2,  240  bis 
252  verkürzt  er  die  Distanzen  auf  4  Kapitel.  Man  er- 
wartet nun,  in  2,  240.  244.  248.  252  lauter  Eelatio- 
Exzerpte  zu  finden.  In  Wirklichkeit  findet  man  zwar 
lauter  'Placuit' -Kapitel-,  aber  nur  3  Helatio  -  Exzerpte  ^ 
und  an  Stelle  des  vierten  (2,  248)  —  den  Kanon  der  rätsel- 
haften 'Placuit'  -  'Sacerdos'  -  Synode. 

Wir  gehen  nunmehr  zur  Einzelerörterung  der 
40  Kapitel  unserer  sonderbaren  Mischreihe  über. 


2,  170:  Quelle  unbekannt.  Priester  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet^. Initium  das  charakteristische  'Placuit  ut  fideles'^ 
Im  Einzelnen : 

2,  170a  (bis  'excusatione  fiat').  Zur  Sache  vgl.  etwa: 
Conc.  Matiscon.  II.  585  c.  4  (MG.  Conc.  I,  166)'^;  Diözesan- 
statuten  eines  unbekannten  Bischofs,  woraus  sowohl  Capi- 
tula  Frisingensia  c.  25  (Studie  II,  N.  A.  XXIX,  284.  292)  ^ 
als  Ben.  1,  371  med.®  geflossen  zu  sein  scheinen.  —  Auf 
dasselbe  Thema  (Darbringung  der  Oblationen)  kommt 
unsere  Reihe  an  anderer  Stelle  (2,  195  fin.)  zurück;  vgl. 
auch  2,  205  b. 

2,  170b.  Der  Herrenspruch  steht  Ev.  Joh.  6,  57. 
58  fin.  —  Zum  Anfang,  betr.  das  Anhören  der  Predigt 
(welchen  Gegenstand  in  vorliegender  Reihe  nochmals 
2,  205  b  berührt),  verweist  Knust  auf  Cap.  Erisingensia 
c.  6  (N.  A.,  a.  a.  0.  S.  288),  in  welchem  Kapitel  aber  von 
der  Pflicht  zum  Predigen  und  vom  Verlassen  der  Kirche 
vor  dem  Ende  des  Gottesdienstes  die  Rede  ist.  —  Zur 
Fortsetzung,  betr.  allsonntägliches  Kommunizieren   (wovon 


1)  Vgl.  Tabelle  II  Sp.  1.  3,  und  oben  S.  108  :N'.  7.  2)  Vgl.  Ta- 
belle II  Sp.  1.  3)  Vgl.  Tabelle  II  Sp.  3.  4)  Vgl.  oben  S.  121/2 IB, 
S.  123  Ziff.  2b.  5)  Vgl.  oben  S.  120/1  lA,  S.  123  Ziff.  2b.  6)  '.  .  .  ut 
Omnibus  dominicis  die bus  aris  o b  1  a t i o  ab  omnibus  viris  vel  mulieri- 
bu9  offeratur'  u.  s.  w.  7)   'Ut  presbiteri (!)  populo  nuntient,  quod  in 

diebus  doniinicis  .  .  .  oblationes  summo  offerant  deo'.  Knust 
(MG.  LL.  IIb,  23)  hat  mit  einem  'cf.'  bereits  auf  die  Parallele  hin- 
gewiesen ;  in  die  Tabula  fontium  hätte  sie  nicht  aufgenommen  werden 
sollen,  vgl.  Studie  II,  N.  A.  XXIX,  282  unten.  8)  'et  hoc  populo 
nuntietur,  quod  per  omnes  dies  dominicos  oblationes  deo  of- 
ferant' u.  s.  w. 


126  Emil  Seckel. 

auch  unten  2,  195  fin.  in  ähnlicher  Weise  gehandelt  wird), 
vgl.  Ben.  1,  334b  (N.  A.  XXXI,  111)  nebst  den  a.  a.  O. 
N.  2.  3  beigebrachten  Parallelen^;  ferner  zu  'si  fieri  potest' 
(cf.  Ben.  2,  205b):  Conc.  Paris.  829  lib.  III  c.  20  (MG. 
Conc.  II,  677);  zu  'nisi  criminali  peccato  et  mauifesto  im- 
pediantur' :  Chrodegangi  Regula  c.  14  (N.  A.  XXXI,  111, 
N.  3)2  und  Conc.  Turon.  813  c.  50  (MG.  Conc.  II,  293)=^; 
zu  'et  caetera  exempla,  quae  prolixa  sunt  hie  scribere' : 
z.  B.  Conc.  Paris.  829  lib.  I  c.  2  (MG.  Conc.  II,  610 
[=  Episcoporum  relatio  829  c.  2,  MG.  Capit.  II,  29])^. 

2,  171:  Quelle  unbekannt.  Priester  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet^. Der  Bibelspruch  steht  1.  Thess.  5,  17.  —  Als 
Quellen  zitiert  Knust :  Capitula  a  sacerdotibus  proposita 
802  c.  8  (MG.  Capit.  I,  106)'=  und  'Regula  Chrodegangi 
c.  24',  d.  h.  vielmehr  '  Aachener  Institutio  canonicorum  816 
c.  131  (MG.  Conc.  II,  408  sq.);  mehr  als  blosse  Parallelen 
sind  aber  diese  Stücke  nicht. 

2,  172:  Quelle  unbekannt.  Priester  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet ^.  Das  'sicut  decretum  est'  geht  vielleicht  auf 
Conc.  Mogunt.  813  c.  28  8  (MG.  Conc.  II,  268). 

2,  173:  Quelle  unbekannt.  Priester  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet^. Knusts  Quellenhinweis  'cf.  Ordinem  Roman, 
aut  Sacrament.'  ist  eine  blosse  Verlegenheitsauskunft.  In 
der  Messe  folgt  zur  Zeit  Benedikts  auf  den  Hymnus 
angelicus  'Sanctus,  Sanctus,  Sanctus'  die  Secreta  'Te  igitur, 
clementissime    pater'  ^ ;     um    nun    rascher    zum    Ende    zu 


1)  Dazu  gehört  auch  das  von  Knust  zitierte  Couc.  Aquisgr.  836 
Cap.  III  c.  (22.)  21  in.  (MG.  Conc.  II,  722 ;  vgl.  Hinschius,  Kirchenrecht 
IV,  70  N.  7):  'sane  communicatio  corporis  doraini  omni  die  do- 
minico   debuit  celebrari'  u.  s.  w.  2)  'cui  (quos)  peccata  non   in- 

pediunt'.  3)    'nisi    forte    quis   maioribus    quibuslibet    criminibus 

impediatur'.  4)    'Sunt   et    alia   huiusce  rei   innumera   exempla, 

quae  hie  ob  prolixitatem  vitaudam  praetermittuntur'  =  Ben.  1,  318. 
5)  Vgl.  oben  S.  121/2  IB,  S.  123  Ziff.  2a.  6)  'Ut  omnes  sacerdotes 
horis  conpetentibus  diei  et  noctis  suarum  sonent  aecclesiarum  signa 
et  Sacra  tunc  deo  celebrent  officia'  u.  s,  w.  7)  Vgl.  Werminghoff, 
N.  A.  XXVII,  G49.  8)  'Presbyteri  (!)  sine  intermissione  utantur  orariis 
(=  stolis)  propter  differentiam  sacerdotii  dignitatis'.  Vgl.  auch  Cap. 
Frisingensia  c.  23  (N.  A.  XXIX,  291) :  'Omnis  presbiter  (!)  diebus  coti- 
dianis  semper  stola  indutus  procedat'.  Auf  beide  Bestimmungen  hat 
bereits  Knust,  auf  die  erste  schon  Baluze  hingewiesen ;  wenn  Knust  in 
c.  '23  Cap.  Fris.  cit.  die  Quelle  von  Ben.  2,  172  sehen  will,  so  ist  er  im 
Irrtum,  vgl.  N.  A.  a.  a.  0.  S.  282  unten.  —  Dem  Sinne  nach  wird  unsere 
Vorschrift  wiederholt  in  Canonum  Triburiensium  collectio  Catalaunensis 
c.  31  Satz  1  (ed.  Seckel  X.  A.  XVIII,  401;  ==  MG.  Capit.  II,  248 
n.  7):  'Ut  presbiteri(!)  non  vadant  nisi  stola  vel  orario  induti'.  9)  Vgl. 
z.  B.  Amalarius,  Eclogae  de  officio  missae,  ed.  Baluzius,  Capitularia  II 
1362.  1366. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  127 

kommen,  sangen  pflichtvergessene  Priester  das  Trishagion 
nicht  mit  der  Gemeinde  mit,  sondern  beteten  alsbald  für 
sich  die  oratio  specialis  sacerdotum  'Te  igitur'.  Diesem 
Unfug  tritt  schon  Karl  d.  Gr.  (Admonitio  generalis  789 
c.  70,  MG.  Capit.  I,  59  lin.  28  =  Ben.  1,  86.  2,  376)  ent- 
gegen :  'ipse  sacerdos  cum  .  .  .  populo  dei  communi  voce 
"Sanctus,  Sanctus,  Sanctus"  deeantet' ;  abgesehen  von  der 
Fassung  deckt  sich  mit  Benedikts  Quelle  das  c.  1  der  dem 
9.  Jh.  angehörenden^  Capitula  XVII  presbyterorum  - :  'üt 
secreta'  (=  'Te  igitur',  vgl.  Benedikts  Rubrik  zu  unserem 
Kapitel)  'presbjteri(!)  non  inchoent,  antequam  "Sanc- 
tus" (=  angelicus  hymnus)  'finiatur,  sed  cum  populo 
cantent'. 

2,    174.    175    aus    der    ßurguudischen    Synode 

nach  800 3. 

2,  174 :  aus  dem  Concil.  Burgund.,  Schwesterüber- 
lieferung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  25  (d'Achery, 
Spicil.,  1669,  IX,  65).  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text 
5  Abweichungen  gegenüber  Stat.  Bonif.  c.  25  cit.,  wo  ver- 
mutlich der  bessere  Text  erhalten  ist  (Studie  IV  a.  a.  O., 
S.  316,  N.  5).  —  Wegen  des  Anfangs  '(Ut)  annuntient 
presbiteri'  vgl.  oben  S.  121.  —  Zur  Sache  (Lernen  von 
Symbol  und  Vaterunser)^  vgl.  Ben.  2,  162a.  165  (oben 
S.  112  f.  115).  1,  170  =  Gap.  Frising.  c.  24  (N.  A.  XXIX, 
292)  nebst  den  Zitaten  N.  A.  XXIX,  292,  N.  1^ 

2,  175:  aus  dem  Concil.  Burgund.,  Schwesterüber- 
lieferung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  26  (d'Achery  1.  c. 
p.  65)  *>.  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  eine  Variante.  — 
Wegen     des    Anfangs    'Annuntient    presbiteri'    vgl.    oben 


1)  Vgl.  X.  A.  XXXIV,  337,  N.  4.  2)  ed.  Krause,  X.  A.  XIX,  117 ; 
vgl.  auch  X.  A.  XVII,  .S2;3  oben.  3)  Vgl.  oben  S.  119  f.  Ziff.  4.  4)  Vgl. 
Wiegand,  Die  Stellung  des  apostol.  Symbols  im  kirchlichen  Leben  des 
MA.  I  (Studien  zur  Gesch.  der  Theologie  und  der  Kirche  IV,  2)  S.  319  ff. 
nebst  Belegen.  5)    Dazu   noch  Ps.  -  Augustinus,    Sermo   266   §  2  i.  f. 

(Migne  XXXIX,  2241) ;  Conc.  Francof.  794  c.  33  (MG.  Conc.  II,  169) ; 
Conc.  Foroiul.  796'7  (1.  c.  p.  189  lin.  18) ;  Theodulfus  Aurel.,  Gap.  primum 
c.  22  (Migne  CV,  198);  Capitula  Waltcaudi  ep.  Leod.  810  —  831  c.  2 
(ed.  Werminghoff,   X.  A.  XXVII,  578).  6)  =  ßurch.  4,  28  (=  Col- 

lectio  XII  partium  5,  55  =  Ivo,  Decr.  1,  222),  wohl  aus  Benedikt  (u.  a. 
wegen  der  Lesart  'nisi') ;  vgl.  Studie  IV  a.  a.  0.  S.  318.  In  der  Collectio 
XII  partium  (Theiner,  Disquis.  crit.  p.  322)  hat  das  Kapitel  einen  längeren 
Zusatz :  'Constitutum  namque  est  —  aetas  minime  produxit' ;  die  dem 
Herausgeber  unbekannte  Quelle  des  Zusatzes  ist  Theodulfi  Aurel.  Cap. 
primum  c.  22  cit.,  zweite  Hälfte  (Migne  CV,  198). 


128  Emil  Seckel. 

S.  121;  zu  'memoriter  tenere'  vgl.  oben  1,  170.  2,  162b.  — 
Znr  Sache  (Paten  müssen  Symbol  und  Vaterunser  aus- 
wendig wissen)  ^  vgl.  z.  B.  Karoli  M.  epist.  ad  Ghaerbaldum 
(MG.  Capit.  I,  241  lin.  22),  Conc.  Remense  c.  20  (Regino 
1,  275  i.  f.),  sowie  unten  2,  182b,  wo  weitere  Parallelen 
angeführt  werden. 

2,  176:  Quelle  unbekannt.  Priester  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet 2.  Initium  das  charakteristische  'Placuit  ut 
fideles' ^.  Die  'Oratio',  aus  der  in  Satz  3  unseres  Kapitels 
die  Worte  'Memento  domine'  bis  'deo  vivo  et  vero'  an- 
geführt werden,  ist  die  Secreta  'Te  igitur'  *.  Der  Bibel- 
spruch ist  freie  Wiedergabe  von  2.  Cor.  6,  16  (Vulgata?); 
'secundum  domini  praeceptum'  am  Ende  geht  vielleicht  auf 
Deuteron.  17,  8 — 13.  —  Knust  verweist  zu  Ben.  2,  176  auf 
'Conc.  VI.  Paris.  II,  12'  (MG.  Conc.  II,  664  sqq.  =  lonas 
Aurel.,  De  instit.  laic.  1,  13),  'III,  8  et  9'  (1.  c.  p.  673). 
In  den  genannten  Kanonen  der  Pariser  Synode  829  findet 
sich  nirgends  die  Grundlage  für  die  Fassung  unseres 
Kapitels.  In  der  Sache  gehen  die  Pariser  Kanonen 
parallel  mit  einem  Teil  der  zahlreichen  Bestimmungen 
unseres  Textes ,  wie  des  Genaueren  aus  den  folgenden 
Einzelbemerkungen  ersichtlich  ist. 

Satz  1.  Mit  dem  Anfang  kann  man  in  Verbindung 
bringen  Conc.  Paris,  lib.  II  c.  12  (betr.  Schweigen  in  der 
Kirche ,  Anhören  von  Gottes  Wort).  Zum  Schlüsse  von 
Satz  1  (Beichtgebot,  Reinigung  von  Leib  und  Seele)  fehlt 
in  Conc.  Paris.  1.  c.  das  Seitenstück.  —  Der  Gebrauch  des 
verhältnismässig  seltenen  Wortes  '(confessi)  veraciter' 
ist  dem  Satz  1  unseres  'Sacerdos' -Kapitels  gemeinsam  mit 
zwei  Zugaben  zu  den  Relatio  -  Exzerpten  ^,  nämlich  mit 
Ben.  2,  162b  am  Ende  ('veraciter  doceant')^  und  2,  205  c 
('veraciter  christianos  et  devotos  esse'). 

S  a  t  z  2  handelt  vom  Gehorsam  gegen  den  Priester, 
sowie  von  der  Belehrung  über  den  Zweck  von  Messe  und 
Priestertum  und  über  die  Bedeutung  von  Abendmahl, 
Messe  und  priesterlicher  Fürbitte  in  der  Messe.  Zur  Für- 
bitte kann  man  Conc.  Paris,  lib.  III  c.  9  vergleichen ; 
mit    demselben   Recht   könnte    aber    z.    B.    Conc.   Aquisgr. 


1)  Siehe  Wiegand  a.  a.  0.  I,  324  f.  mit  reichen  Belegen.        2)  Vgl. 
oben  S.  121/2 IB,  S.  123  Ziff.  2  b.  3)  Vgl.  oben  S.  120/1  lA,  S.  123 

Ziff.  2  b.  4)  Vgl.  deren  Text  z.  B.  bei  Amalarius,  Eclogae  (ed.  Baluze, 
Capitularia  II,  1.S66).  5)  Vgl.  oben  S.  122 IC,  S.  124,  N.  7.  6)  Vgl. 
oben  S.  113,  N.  2. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  129 

836,  Epist.  ad  Pipp.  lib.  I  c.  35  (MG.  Conc.  II,  742/3)  ^ 
herangezogen  werden.  —  Wegen  der  Worte:  'instruantur, 
pro  quid  missa  vel  sacerdotes  constituti  sint'  vgl. 
etwa  Capitula  Waltcaudi  (810  —  831)  c.  3  (N.  A.  XXVII, 
578) :  'pro  quid  dicitur  missa  vel  pro  quid  dieitur 
oratio'. 

Satz  4.  Entsprechend  diesem  Satze  handelt  Conc. 
Paris,  lib.  III  c.  8.  9  cit.  von  der  Binde-  und  Lösegewalt. 
Vgl.  übrigens  auch  Ben.  Add.  III.  23  in.  (Herkunft  bisher 
unbekannt;  ist  =  lonas  Aurel.,  De  inst,  laicali  2,  21  rubr.; 
Migne  CVl,  211). 

Satz  5.  Mit  dessen  Inhalt  (Ehrfurcht  vor  dem 
Priester)  stimmt  zur  Not  lib.  III  c.  9  i.  f.  des  Pariser 
Konzils  ('non  contemnere)  überein.  Eine  bessere  Parallele 
bietet  jedoch  Capitulare  missorum  generale  802  c.  35  in. 
(MG.  Capit.  I,  98)2,  g^^^jg  Conc.  Aquisgr.  836,  Epist.  ad 
Pipp.  lib.  I  c.  35  cit.  (MG.  Conc.  II,  743)  3.  Vgl.  auch 
Episcoporum  relatio  819  —  829  c.  4  (MG.  Capit.  I,  367)  und 
Conc.  Aquisgr.  836  Cap.  IIB  c.  10  (MG.  Conc.  II,  713).  — 
Zu  den  Schlussworten  vgl.  2,  188  i.  f.  (unten  S.  142). 

Auf  die  Sache  kommt  Benedikt  selbst  zum  Teil  an 
anderer  Stelle  nochmals  zu  sprechen ;  zum  'sileutium  in 
ecclesia'  und  zum  'verbum  dei  audire'  (Satz  l)  vgl.  Ben. 
2,  195  Anfang  und  gegen  Ende;  zum  Gehorsam  der 
Gläubigen  gegen  den  Priester  (Satz  2  Anfang)  vgl.  Ben. 
2,  78  (dazu  N.  A.  XXXIV,  841)  und  Ben.  Add.  III.  23  i.  f. 

2,  177?  178.  179.  (180?  181?)  aus  der  Burgundischen 
Synode   nach   800^. 

2,  177°:  Quelle  unbekannt.  Doch  stützen  drei  Ar- 
gumente in  wohl  ausreichendem  Mass  die  Hypothese,  dass 
unser  Kapitel  dem  Concil.  Burgund.  entstammen  könnte: 
1.    das    Initium    'Annuntient',    welches    dem    vorliegenden 


1)  'His  verbis  declaratur,  quantum  dei  sacerdotum  deprecatio  valeat 
apud  altissimum'.  2)  'Ut  omnes  oranino  episcopoa  et  presbiteros  suos 

omni   honore   venerentur'    u.   s.   w.  3)    'Patet   quippe,    quod   hi,   per 

quorum  orationem  furor  domini  placari  .  .  .  potest  .  .  .,  nequaquam  sint 
vituperandi  et  detrahendi ,  sed  potius  propter  eum ,  cuius  ministerium 
gerunt,  honorandi  et  venerandi'.  4)  Vgl.  oben  S.  119  f.  5)  =  Burch. 
4,  59  (=  Ivo  Decr.  1,  253;  aus  Burch.)  mit  der  Inskription  'Ex  conc. 
Wormac.  cap.  2'  und  mit  dem  Zusatz:  'Quod  si  neglexerint,  et  presbyter 
et  populus  canonicis  disciplinis  subiaceant'.  Dieser  Schluss  -  Zusatz  ist 
möglicherweise  echt ;  vgl.  die  stilistische  Uebereinstimmung  mit  den 
Schlusssätzen  von  Ben.  2,  196  — 198,  welche  Kapitel  ebenfalls  mit  dem 
Concil.  Burgund.  zusammenzuhängen  scheinen. 

Neuea  Archiv  etc.    XXXV.  9 


130  Emil  Seckel. 

Kapitel  mit  nicht  weniger  als  5  Kanonen  der  Burgundischen 
Synode  gemein  ist  ^ ;  2.  der  Terminus  'presbiter'  für  den 
Priester;  3.  die  Zugehörigkeit  zu  unserer  Unterreihe  2,  170 
— 209.  —  Zur  Sache  (Firmung)  vgl.  etwa  Ben.  2,  88  -.  — 
Knust  bezeichnet  als  Quelle  von  2,  177:  'Theod.  Cant. 
capit.',  ohne  Kapitelzahl  (!)  ;  damit  ist  wahrscheinlich  ge- 
meint: Capitula  Dacheriana  c.  7  ^  (Wasserschieben  S.  146), 
welchem  Kapitel  die  Quelleneigenschaft  unbedingt  ab- 
gesprochen werden  muss.  Wenn  Knust  noch  beifügt:  'cf. 
Martene  Thesauri  T.  IV',  ohne  Seitenzahl  (!),  so  ist  darunter 
wahrscheinlich  die  im  Poen.  Martenianum  c.  73  §  4  (Wass. 
S.  299)  gegebene  Parallele  zu  c.  7  Cap.  Dach,  zu  ver- 
stehen. 

2,  178:  aus  dem  Concil.  Burgund.,  Schwesterüber- 
lieferung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  4  (ed.  cit.  p.  63). 
Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  3  nebensächliche  Text- 
differenzen gegenüber  Stat.  Bonif.  c.  4  ('oleoque'  statt  'et 
oleo' ;  'Christi  euch.'  statt  'euch.';  'inveniantur'  statt  'statim 
inv.').  —  Ueber  Knusts  Hinweis  auf  Ghaerbaldi  Capitula 
c.  20  siehe  Studie  IV  [N.  A.  XXIX),  311,  N.  4;  zur  Bereit- 
schaft mit  der  Eucharistie  vgl.  Cap.  eccl.  810 — 813?  c.  16 
(MG.  Capit.  I,  179). 

2,  179:  aus  dem  Concil.  Burgund.,  Schwesterüber- 
lieferung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  29  (ed.  cit.  p.  65). 
Zu  den  Schlussworten  'oratio  fidei  salvabit  infirmos'  vgl. 
Jac.  5,  15  (Vorquelle).  Rubrik  von  Benedikt.  Textver- 
schiedenheiten zwischen  Ben.  und  Stat.  c.  29  teils  gering- 
fügig (das  erste  'üt'  fehlt  in  Stat. ;  statt  'admoneant' 
schreibt  Ben.  'moneant'),  teils  wichtiger:  'gratia  Dei 
sanentur,  quia  a  presbiteris  f  u  s  a  oratio'  etc.  Ben.,  wo- 
gegen in  Stat.  :  'a  presbiteris  sanentur ,  quia 
oratio'  etc. ;  hier  liegt  wahrscheinlich  eine  Interpolation 
Benedikts  vor^    der   die  Heilungswirkungen  Gottes  Gnade 


1)  Vgl.  oben  S.  121  lAb,  S.  123  Ziff.  la.  2)  Und  im  allgemeinen 
Hinschius,  Kirchenrecht  IV,  58,  N.  7.  61,  N.  7.  3)  =  c.  1  in  der  sonst  von 
Knust  benutzten  ed.  princeps  (d'Achery,  Spicil.  1669  IX,  52  —  62).  Das  Stück 
lautet:  'Nullum  perfectum  credimus  in  baptismo  esse  sine  confirmatione 
episcopi,  tamen  ne  desperemus'  (=  Tbeodori  Poen.  II,  4  §  5,  Wass. 
S.  205).  Vorschriften,  welche  die  Konfirmation  verlangen,  finden  sich 
bekanntlich  auch  sonst;  vgl.  z.  B.  Conc.  Aquisgr.  836/7  Cap.  IIB  c.  5 
(MG.  Conc.  II,  712  1.  5) :  'Post  acceptum  autem  sacrura  baptisma  sine 
manus   inpositione   episcopi    non    remaneat'.  4)    Dass    der   Text   der 

Burgundischen  Synode  in  den  Statuta  treuer  überliefert  ist  als  bei 
Benedikt,  wurde  an  anderen  Beispielen  in  Studie  IV  a.  a.  O.  S.  316  f. 
gezeigt. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  131 

und  nicht  dem  Priestergebet  bzw.  Krankenöl  zuschreibt, 
vermutlich  um  abergläubischen  Vorstellungen  (vgl.  etwa 
Ben.  2,  72)  entgegenzutreten  und  den  christlichen  Priester 
vom  heidnischen  Medizinmann  schärfer  zu  scheiden.  — 
Knusts  Hinweis  auf  Ghaerbaldi  Capitula  c.  19  (MG.  Capit. 
I,  244)  ist  nur  in  dem  Sinne  zu  akzeptieren,  dass  in 
c.  19  cit.  eine  blosse  Parallele  zu  unserem  Kapitel  gesehen 
wird.    Zu  'oleum  expetere'  kann  man  Pippini  Cap.  Suession. 

c.  4  (MG.  Capit.  I,  29  1.  33)  vergleichen. 

2,  180:  Quelle  unbekannt.  Priester  als  'presbiter'  be- 
zeichnet. —  Dass  die  Priester  (der  Pfarrkirchen)  das 
Chrisma,  das  jährlich  am  Gründonnerstag  vom  Bischof 
geweiht  wird  ^,  an  demselben  Tage  vom  Bischof  abzuholen 
haben,  ist  ein  feststehender  Satz  des  karolingischen  Kirchen- 
rechts ^.  Unser  Kapitel  schärft  den  Priestern  ein,  das 
Chrisma  bei  keinem  anderen  als  dem  eigenen  Bischof 
in  Empfang  zu  nehmen  ^ ;  dies  hatte  schon  das  Conc. 
Vasense  I.  442  c.  3  (Migne  LXXXIV,  259)  verfügt,  ohne 
dass  wegen  solcher  (teilweisen)  Inhaltsverwandtschaft  das 
Konzil  von  Vaison  als  Quelle  unseres  Kapitels  betrachtet 
werden  dürfte^.  —  Für  die  Zuweisung  des  Kapitels  an  die 
Burgundische  Synode  könnte  hier  nur  die  Stellung  in  vor- 
liegender Unterreihe  und  der  Terminus  'presbiter'  geltend 
gemacht  werden ;  die  Zuweisung  bleibt  also  zweifelhaft. 

2,  181:  Quelle  unbekannt.  —  Dass  die  Taufe  regel- 
mässig  nur    an    den    'duo   tempora'    (vgl.    unten    2,    188)  ^, 

d.  h.    an   Ostern   und   Pfingsten*^,    stattfinden   soll,    haben 


1)  Vgl.  z.  B.  Capitula  ecclesiastica  810  —  813?  c.  17  (MG.  Capit. 
I,  179);  Conc.  Aquisgr.  336/7  Cap.  IIA  c.  8  (MG.  Conc.  II,  710),  welcher 
Kanon  allerdings  nur  vom  Krankenöl,  nicht  auch  vom  Chrisma  handelt; 
Conc.  Meld.  845  c.  46  (MG.  Capit.  II,  409).  Dass  Knust  letzteren  Kanon 
als  Quelle  unseres  Kapitels  bezeichnet,  ist  unbegreiflich.  Vgl.  ferner 
unten   3,   394b.  2)  Vgl.   Karlmanni    Capitulare   742    c.  3   i.  f.    (MG. 

Capit.  1,  25  =  MG.  Epist.  III,  311  1.  7  =  MG.  Conc.  II,  3);  Pippini 
Cap.  Suession.  744  c.  4  (MG.  Capit.  I,  29  =  MG.  Conc.  II,  35)  == 
Karoli  M.  Capitulare  primum  769  c.  8  (MG.  Capit.  I,  45) ;  Capitula  eccl. 
810  —  813?  c.  17  (1.  c.  p.  179);  Capitulare  eccl.  818.  819  c.  18  (1.  c. 
p.  278)  =  Anseg.  1,  93.  3)  Vgl.  unten  3,  394  a.  Add.  III.  7.  4)  Un- 
richtig Knust.  In  der  Fassung  bestehen  nur  wenige  Anklänge:  '.  .  . 
presbyteri  .  .  .  ab  episcopis  .  .  .  suis  propriis  .  .  .  petant 
chrisma  appropinquante  solemnitate  paschali'  etc. ;  vom  Gründonnerstag 
weiss   die   alte   Quelle   noch   nichts.  5)    Schon   Leo  I.    (J.  414)    c.  5. 

6  i.  f.  gebraucht  den  Ausdruck.  6)  Also  nicht  am  Epiphanienfest  (so 
Syn.  II.  Patricii  c.  19;  Bruns  II,  307),  an  Weihnachten  (so  Conc. 
Gerund.  517  c.  4;  Migne  LXXXIV,  313),  an  den  Apostel-  und  Mär- 
tyrertagen. 

9* 


132  Emil  Seckel. 

päpstliche  Dekrete  ^,  Konzilsschlüsse  ^  und  Kapitularien  ^ 
häufig  bestimmt*.  Den  ausdrücklichen  Hinweis  darauf, 
dass  der  oster-  und  pfingstnächtliche  Taufakt  schon  am 
vorangehenden  Sonnabende  beginnt,  finde  ich  nur  in 
Bischofskapiteln  ^.  Die  Ausnahme ,  dass  bei  Todesgefahr 
(Krankheit)  zu  jeder  anderen  Zeit  getauft  werden  dürfe, 
kehrt  in  sämtlichen  angeführten  Vorschriften  wieder  ^ ;  die 
Worte  'mortis  periculum'  gebrauchen  nur  Leo  I.  (Jaffe  414) 
c.  6  cit.  (N.  1),  sowie  das  im  Liber  diurnus  c.  6  ^  erhaltene 
sog.  Synodale  von  Gelasius  I.  (492 — 496)  nebst  seinen  Ab- 
leitungen ^'^  —  In  jeder  Beziehung  am  nächsten  kommt 
unserem    Kapitel    ein   Satz    der    sog.    Homilia   Leonis   IV. 


1)  Siricius  ad  Himerium  episc.  Tarracon.  385  (Jaffö  255)  c.  2 
(Migne  LXXXIV,  631);  Leo  I.  ad  episcc.  per  Siciliam  447  (Jafifö  414) 
c.  1.  4 — 6  (1.  c,  col.  755.  759);  ad  episcc.  per  Campaniam  459  (Jaffö  545) 
c.  1  (1.  c,  col.  785) ;  Uelasius  I.  ad  episcc.  per  Lucaniam  494  (Ja£fe  636) 
c.  12  (1.  c,  col.  801);  Gregorius  II.  ad  clerum  722  (Jaffe  2161;  MG. 
Epist.  III,  268  1.  6).  2)  Conc.  Mogunt.  813  c.  4  (MG.  Conc.  II,  261); 
[Conc.  Paris.  829    üb.  I    c.  8  (1.  C,  p.  615),    cf.  Episcoporum  relatio  829 

0.  36  (MG.  Capit.  II,  40)];  [Conc.  Meld.  845  c  48  (1.  c,  p.  410)],  irrig 
von  Knust  als  Quelle  von  Ben.  2,  181  bezeichnet;  Conc.  Mogunt.  847  c.  3 
(1.  c,  p.  176  sq.).  Die  in  [  ]  gesetzten  Texte  sprechen  nur  von  'statuta 
tempora'  u.  dgl.  3)  Capitula  missorum  (813?  Bedenken  gegen  den 
Zeitansatz   bei   Scherer,   Kirchenrecht  II,  294,   N.  12)   c.  5   (MG.   Capit. 

1,  182,  vgl.  II,  538  b  sub  n.  83).  4)  Vgl.  auch  die  beiden  Schluss- 
kapitel des  Poenit.  Parisiense  (Schmitz,  Bussbücher  I,  696).  5)  Haito, 
Capitula  c.  7  (MG.  Capit.  I,  863);  Capitula  Frisingensia  c.  26  (N.  A. 
XXIX,  283  f.  285.  292),  auf  welch  letztere  Bestimmung  auch  Knust  (zu 
Ben.  2,  181)  mit  einem  'cf.'  hinweist.  Auf  eine  ähnliche  Quelle  (nicht 
auf  Burch.  4,  7,  wie  Wasserschieben,  ßussordnungen  S.  663  behauptet) 
scheint  auch  zurückzugehen  Burch.  19,  5  §  173  (Migne  CXL,  975  unten) 
=  Corrector  Burchardi  c.  173  (Wasserschieben  a.  a.  O.)  ==  Poenit.  eccle- 
siarum  Germ.  c.  187  (Schmitz,  Bussbücher  II,  450):  'Obtulisti  infantem 
tuum  ad  baptizandum  nisi  legitimo  tempore,  id  est  in  sabbato  paschae  et 
in  sabbato  pentecostes,  nisi  infirmitatis  necessitate  ?  Si  fecisti,  decem  dies 
in  pane  et  aqua  debes  poenitere'.  —  Natürlich  gibt  es  auch  Bischofs- 
kapitel, die  die  Festtage  selbst  nennen:  Capitula  in  dioec.  synodo  tract. 
c.  10  (MG.  Capit.  I,  237) ;  dieses  Stück  bezeichnet  Knust  a,  a.  0.  irrig 
als  Quelle  von  Ben,  2,  181.  6)  Vgl.  auch  Conc.  Matiscon.  II.  585 
c.  3,  Conc.  Autissiod.  573  —  603  c.  18  (MG.  Conc.  I,  166.  181);  Episco- 
porum relatio  819—829  c.  2  (MG.  Capit.  I,  367  =  MG.  Conc.  II,  594). 
7)  ed.  Sickel  (1889)  p.  6.  8)  Sie  zerfallen  in  zwei  Klassen;  erste 
Klasse:  Gregorius  II.  clero,  ordini  et  plebi  consistenti  Turingi  722? 
(Jaffe  2161;  oben  N.  1)  =  Conc.  Wormatiense  868  c.  1  (Mansi 
XV,  869)  =  Regino  I,  272  ('Ex  conc.  Worm.')  =  Burch.  4,  7  =  Ivo 
Decr.  1,  202;  zweite  Klasse:  Jaffe  647:  Ivo  Decr.  1,  63  ('Gregorius 
clero  et  plebi  Taren  si')  =  Ivo  Pan.  1,  21  ('Gelasius  [hier  erstmals!] 
clero  et  plebi  Tarent.')  =  Collectio  Britannica,  Gelasü  ep.  11  (Ewald 
im  N.  A.  V,  512)  =  c.  17  D.  4  de  cons.  9)  Vgl.  noch  das  oben  N.  4 
angeführte  Poenitentiale  in  seinem  letzten  Kapitel. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII, 


133 


(847 — 855)^    in    der    Eezension    der    Freisinger    Hs.    (Clm. 
6241),  wie  folgende  Nebeneinanderstellung  zeigt: 


Cod.  Monac.^ 
NuUus    praesumat    bapti- 
zare    nisi    i  n    vigilia    pasch^ 
et  pentecostes,  nisi  propter 
periculum  mortis. 


Ben.  2,   181: 

TJt  baptizare  nullus  prae- 
sumat nisi  per  dito  tempora, 
id  est  vigilia  paschae  et 
vigilia  pentecostes ,  praeter 
mortis  periculum. 

Schade  nur,  dass  über  die  Ursprungsverhältnisse  des  Frei- 
singer Zusatzes  keine  Gewissheit  besteht.  Ist  der  Zusatz 
jünger  als  Benedikt,  so  könnte  er  als  Auszug^  aus  Ben. 
2,  181  gelten;  wäre  er  älter,  so  käme  er  als  Vorlage 
Benedikts  in  Frage.  In  beiden  Fällen  ist  aber  damit  zu 
rechnen,  dass  sowohl  Benedikt  als  die  Additio  Frisingensis 
auf  dieselbe  Vorlage  zurückgehen ,  die  dann  wohl  bei 
Benedikt  im  vollen,  bei  dem  anderen  Kompilator  in  ge- 
kürztem ^  Wortlaut  wiederkehrte.  —  Zu  beachten  ist 
schliesslich,  dass  unserer  Reihe  ein  inhaltlich  mit  2,  181 
nahe  verwandtes  Kapitel  angehört,  das  der  'Sacerdos'- 
Synode  zu  entstammen  scheint  (2,  188).  Da  dieselbe 
Quelle  dasselbe  Thema  (mit  geringfügigen  Abweichungen) 
nicht  zweimal  variiert  haben  wird,  so  gehört  2,  181  einer 
anderen  Vorlage  an  als  2,  188.  Ob  man  diese  andere 
Vorlage  in  der  Burgundischen  Synode  sehen  darf,  bleibt 
im  Ungewissen. 

*2,  182:  zu  mehr  als  der  Hälfte  entnommen  aus  der 
ßelatio  episcoporum  829  c.  35  (nach  dem  Anfang  und  in 
der  Mitte),  MG.  Capit.  II,  39  lin.  29—31.  31—35  (=  Ben. 
Add.  II.  1);  nicht  ^  aus  der  Quelle  der  Relatio,  d.  h. 
Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  I  c.  54.  7^  MG.  Conc.  II,  648. 
615^.     Rubrik  von  Benedikt.     Zum  Texte: 


1)  Zu  den  bei  Jaffe  2659  verzeichneten  Ausgaben  sind  u.  a.  hinzu- 
zufügen: Regino  ed.  Baluze  (1671)  p.  602;  Sdralek,  Wolfenbiittler 
Fragmente   (1891)   S.  180.  2)    ed.   Seckel  N.  A.   XXIX,  280,   N.  2. 

3)   Dafür   spricht   ohnehin   schon   die  Fassung   des    Zusatzes.  4)  Wie 

Knust  behauptet;  an  die  Relatio  denkt  er  auffallender  Weise  nicht. 
5)  Aus  can.  7  (p.  615  1.  5.  6;  ==  lonas  De  inst.  laic.  1,  6,  Migne  CVI, 
132  =  Ps.  -  Augustinus,  d.  h.  Caesarius  Arelat.,  Sermo  168  §  3,  Migne 
XXXIX,  2071) :  '.  .  .  cognoscant  se  pro  eis  fideiussores  extitisse  apud 
Daum'  ist  in  der  Relatio  c.  35  1.  30.  31,  was  Krause  anzumerken  unter- 
lässt,  der  Passus  genommen :  'intellegant  .  .  .  pi'O  quibus  fideiussores  ex- 
titerint'.  6)   Die  Annahme,  dass  Benedikt  unmittelbar  auf  dem  Conc. 

Paris,  beruhe,  ist  wegen  der  Textverhältnisse  offenbar  unmöglich. 


134  Emil  Seckel. 

2,  182a  (bis  'fideiussores  extiterunt')  =  Relatio  c.  35 
1.  29 — 31.  Abweichungen  nicht  tiefgehend:  'Placuit  ^,  ut  ^ 
instrnantur  fideles'  ^  statt  'Similiter  et  illi  instruendi  sunt' ; 
'cupiunt'  statt  'voluerint' ;  'spoponderunt'  statt  '-rint' ;  'pro 
quo'  (so  auch  Add.  II.  1)  statt  'pro  quibus' ;  'extiterunt' 
statt  '-rint'.  Dass  wegen  dieser  Abweichungen  die  Fassung 
Benedikts  ursprünglicher  klinge  als  die  der  Relatio,  wird 
sich  nicht  behaupten  lassen^. 

2,  182b  ('Et  sciant  —  cavere  oportet'):  Quelle  un- 
bekannt ('Sacerdos'-Synode?  oben  S.  124);  kein  Gegenstück  in 
Conc.  Paris,  und  in  der  Relatio.  Zur  Sache  vgl.  oben  2,  175  ^. 
Die  'supradicta',  welche  die  Paten  lernen,  verstehen  und  (ihrem 
Priester)  hersagen  sollen^,  stehen  innerhalb  unseres  Kapitels 
beziehungslos  da  ^ ;  im  Original  muss  also  wohl  vorher  von 
Symbol  und  Vaterunser*^  die  Rede  gewesen  sein.  Zu  den 
Worten:  'supradicta  discant'  vgl.  etwa  Karoli  M.  ad 
Ghaerbaldum  epist.  (MG.  Capit.  I,  241  1.  36  f.):  '.  .  . 
disceret  ea,  quae  supra  dicta  sunt',  d.  h.  eben:  Herrengebet 
und  Symbol.  —  Zu  'discant  et  intellegant  seu  reddant' 
vgl.'^  dieselben  Phrasen  in  2,  165  (oben  S.  113  zu  2,  162b); 
den  Ausdruck  'reddere'  gebrauchen  auch  die  in  Note  6  an- 
geführten Capitula  c.  14  von  Symbol  und  Vaterunser.  — 
Das  argumentum  a  minori  ('si  .  .  .  quanto  magis')  vom 
weltlichen  Vertrag  auf  den  Vertrag  mit  Gott  kehrt  der 
Sache  nach  unten  2,  193c  wieder;  in  anderer  Anwendung 
(auf  Heiden  und  Juden  im  Gegensatz  zu  Christen:  'si  ... 


1)  Vgl.  oben  S.  110/111.  2)  Vgl.  oben  S.  109  (N.  4).  3)  Ferner  den 
Kanon  'Ut  nemo  a  sacro  fönte'  unbekannter  Herkunft,  der  bei  ßurchard 
4,  27  (=  Ivo,  Decr.  2,  221)  steht.  Er  ist  bei  Burch.  inskribiert:  'Ex 
concilio  Parisiensi  cap.  ll.'.  Auf  Burcbards  Aufschriften  ist  bekannt- 
lich kein  Verlass ;  insbesondere  die  Inskription  'Ex  conc.  Paris.',  die 
7  mal  bei  Burch.  (1,  107.  2,  226.  4,  27.  6,  14.  16,  22.  37.  17,  59)  begegnet, 
ist  6  mal  (ausser  zu  16,  22)  falsch.  Satz  2  des  Burchardschen  Kanon 
deckt  sich  in  der  Hauptsache  mit  Ben.  2,  193a  (vgl.  Kelatio  829  c.  37  in. ; 
Conc.  Paris.  829  lib.  I  c.  9  rubr.) ;  Satz  1  ist  näher  verwandt  mit  Ben. 
2,  175  und  mit  dem  Conc.  Remense  bei  Reg.  1,  275  als  mit  Ben.  2,  182b 
Satz  1 ;  zu  'iuxta  suam  linguam'  vgl.  Conc.  Mogunt.  813  c.  45  i.  f.  (MG. 
Conc.  II  p.  272).  4)  Vgl.  Wiegand  a.  a.  0.  S.  324.  5)  Denn  die 
Bedeutung  des  Taufsakraments  und  den  Inhalt  des  Taufgelöbnisses  kann 
man  zwar  verstehen  (2,  182  a),  aber  nicht  lernen  und  aufsagen.  6)  Vgl. 
oben  2,  175  (Concil.  Burgund.) ;  Capitula  de  exam.  ecclesiasticis  801  ? 
802?  c.  14  (MG.  Capit.  I,  110);  Karoli  M.  ad  Ghaerbaldum  epist.  803— 
811  (1.  c.  I,  241  1.  22  flf.  26.  29  f.) ;  Theodulfi  Aurel.  Cap.  primum  c.  22, 
Migne  CV,  198;    w^eiter   den   in   N.  3   zitierten   Kanon.  7)  Weniger 

nahe    sind    die    Uebereinstimmungen    in    der    Ausdrucksweise    mit    Cap. 
Frising.  (Ben.  1,  170),  Ben.  2,  162b  (oben  S.  113). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.     VII.  135 

quanto  magis  christianis')  begegnet  das  Argument  unten 
2,  205  a. 

2,  182c  ('Uli  tarnen  —  mereantur')  =  Relatio  c.  35 
1.  31  —  35  mit  nur  formellen  Abweichungen;  abgesehen 
von  Wortumstellungen  sind  es  diese:  'Uli  tamen'  statt 
'Illos  tamen  specialiter' ;  'removendi  sunt'  statt  'removendos 
iudicamus' ;  'sacro  fönte  in'  statt  'sacrosancti  ('-cto'  Add.) 
fontis  ('fönte'  Add.)' ;  'patrini'  (richtig)  statt  'patroni'  (so 
Conc.  Paris,  und  Relatio,  letztere  auch  in  Add.);  'poeni- 
tentiam  satisfactionis'  ^  statt  'poenitentiae  satisfactionem' 
(so  übereinstimmend  die  Paralleltexte).  —  Auch  hier  ver- 
bieten es  die  Textverhältnisse,  Benedikt  unmittelbar  auf 
das  Conc.  Paris,  zurückgehen  zu  lassen. 

2,  182  d  ('vel  etiam  illi,  qui  tale  peccatum  commissum 
habent,  pro  quo  publicae  poenitentiae  plectendi  et  ligandi 
sunt'):  Quelle  unbekannt  ('Sacerdos'- Synode?  oben  S.  124); 
ohne  Gegenstück  in  Conc.  Paris,  und  Eelatio. 

2,  183  besteht  aus  einer  Rubrik  der  Dionysio- 
Hadriana-  und  zwar  zu  Gelasius  1.,  epist.  ad  episcc.  per 
Lucaniam  etc.  'Necessaria  rerum'  a.  494,  Jaffe  636,  c.  5 
(Dion.-Hadr.  ed.  1609  p.  526).  Rubrik  zur  Rubrik  von 
Beiiedikt,  mit  Satz  1  des  Kapitels  wörtlich  gleichlautend. 
Im  Text  eine  unbedeutende  Abweichung  ('perpetraverint' 
statt  'perpetrare  fuerint  deprehensi')  ^.  —  Ob  Benedikt  das 
Stück  unmittelbar  aus  der  Kanonensammlung  bezogen  hat 
oder  ob  es  aus  einer  Zwischenquelle  stammt  (d.  h.  aus  einer 
der  Synoden  u.  dgl.,  die  auch  sonst  den  Stoff  für  unsere 
Mischreihe  geliefert  haben),  wird  sich  kaum  entscheiden 
lassen.  Allerdings  wäre  es  merkwürdig,  wenn  Benedikt  in 
unsere  Unterreihe  2,  170  —  209,  welche  sonst  nur  (ab- 
gesehen höchstens  von  2,  209)  aus  jungem  Material  des 
9.  Jh.  zu  bestehen  scheint  und  sonst  nirgends  mit  der 
Dionysischen  Sammlung  zusammenhängt,  gerade  die  Ha- 
driana- Rubriken  2,  183  und  203  durch  selbsttätige  Heran- 
ziehung eines  der  Reihe  sonst  fremden  älteren  Originals 
eingesprengt  hätte. 


1)  Vgl.  'confessionis  poenitentiam'  in  2,  206.  2)  Die  Rubrik  der 
echten  Dionysiana  (Migne  LXVII,  304)  stimmt  zwar  mit  Benedikt  gegen 
die  Dion.  -  Hadriana  in  dem  Worte  'perpetraverint'  überein,  weicht  aber 
sonst  mehrfach  ab  ('hoc'  vor  'perpetr.'  eingeschoben ;  'periculo  subiacebunt' 
statt  'sint  periculum  subituri').  In  der  Hispana  n,  85  (82)  c.  7  (Migne 
LXXXIV,  799;  =  Hisp.  Augustodunensis  fol.  174  a.  b')  endet  die  Rubrik 
schon  mit  'exigantur'.  Noch  weniger  kommt  in  Frage  die  kurze  Rubrik 
der  Quesnelliana  c.  4  (Migne  LVI,  694).  —  Vgl.  unten  2,  203.  3)  Bene- 
dikt hat  hier  entweder  die  echte  Dionysiana  (N.  2)  eingesehen  oder  (wahr- 
scheinlicher), wie  auch  sonst,  eigenmächtig  die  Fassung  vereinfacht. 


136  Emil  Seckel. 

2,  184.  185?  186  aus  der  Burgundischen  Synode 

nach  800  ^ 

2,  184:  aus  dem  Concil.  Burgund.,  Schwesteriiber- 
lieferung  in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  28  (ed.  d'Achery, 
Spicil.  1669  IX,  65)  ^  Zu  den  Schlussworten  vgl.  etwa 
Matth.  28,  19.  Rubrik  von  Benedikt.  Textunterschiede 
zwischen  Ben.  und  Stat.  Bonif.  alle  geringfügig  ('De'  statt 
'Si  de' ;  'quibus'  statt  'aliquibus' ;  'an  non  omnimodis'  fehlt 
in  Stat.;  'baptizatus  es'  statt  'es  bapt.'). 

2,  185 :  Quelle  nicht  überliefert ;  wahrscheinlich  aus 
der  Burgundischen  Synode.  Priester  als  'presbiter'  be- 
zeichnet.    Eubrik  von  Benedikt.     Zum  Text: 

2,  185a  (bis  'placere  Deo')  ist  gebildet^  mit  Hülfe 
einer  Vorquelle,  nämlich  Hebr.  11,  6  in.:  'Sine  fide  autem 
impossibile  est  placere  Deo'. 

2,  185  b  ('Et  ideo'  bis  Schluss).  Dieses  Teilkapitel 
ist  verwandt  mit  Stat.  Bonif.  c.  27  (ed.  cit.  p.  65)*,  zu- 
nächst in  der  Wendung  ^  'NuUus  sit  presbyter,  qui  (in  ipsa) 
lingua,  qu(a  nati  sunt,  baptizandos  abrenuntiationes  vel 
confessiones)  aperte  (interrogare)  non  (stud)eat,  (ut)  intelli- 
gant'  u.  s.  w.  **,  dann  auch  im  Inhalt  der  Vorschrift :  sowohl 
unser  Kapitel  2,  185  als  Stat.  Bonif.  c.  27  cit.  ordnet  den 
Gebrauch  der  Volkssprache  an.  Damit  ist  aber  die  inhalt- 
liche Verwandtschaft  zu  Ende ;  denn  c.  27  cit.  gebietet  den 
Gebrauch  der  Volkssprache  (d.  h.  in  erster  Linie  der 
deutschen)  für  die  Fragen  des  Priesters  an  die  Täuflinge 
betreffend  Teufelsentsagung  und  Glaubensbekenntnis ;  unser 
Kapitel  dagegen  gebietet  dem  Priester,  öffentlich  in  der 
Kirche  ('in  ecclesia  publice'';  'ea  quae  o  m  n  i  b  u  s  ' 
generaliter  dicenda  sunt')  bei  der  Verkündung  der  Glaubens- 
und Sittenlehren  sich  der  den  Hörern  geläufigen  Sprache 
zu  bedienen  und,  wenn  er  die  Volkssprache  nicht  sprechen 
kann,  sich  die  betreffenden  Texte  von  einem  Dolmetscher 
('doctior')  schriftlich  übersetzen  zu  lassen,    um  dann   diese 


1)  Vgl,  oben  S.  119  f.  2)  Vgl.  Studie  IV  (X.  A.  XXIX),  312. 
319.  3)  Vgl.  obenS.  118  Ziff.  Sa.  4)  Dass  von  Benutzung  der  Stat. 
Bonif.  durch  Ben.  hier  nicht  die  Rede  sein  kann,  ist  bereits  Studie  IV 
(X.  A.  XXIX),  312,  N.  9  gegen  Knust  betont   worden.  5)  Was    ein- 

geklammmert  ist,  kehrt  bei  Ben.  2,  185  nicht  wieder.  6)  Auf  'intelli- 

gant'  folgt  noch  im  c.  27  cit. :  'quibus  abrenuntiant  vel  quae  confitentur. 
Et  qui  taliter  agere  dedignantur  (scr.  'dedignatur'  ?),  sed  cedat  in  parochia'. 
Für  die  verderbten  Worte  'sed  cedat  in'  schlägt  d'Achery  vor :  'secedat  e'. 
7)  Es  liegt  nahe,  an  den  Gegensatz :  beim  Taufakt,  den  Täuflingen  gegen- 
über, zu  denken. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VIT.  137 

seinem  Publikum  verständlichen  Texte  'aperte'  vorzulesen 
u.  s.  w.  unser  Kapitel  und  Stat.  Bonif.  c.  27  sind  also 
keineswegs^  identisch;  aber  man  wird  schwerlich  fehlgehen, 
wenn  man  sie  demselben  Kopfe  entsprungen  und  derselben 
Feder  entflossen  sein  lässt;  und  wie  Stat.  Bonif.  c.  27  in 
Wahrheit  der  vermutlichen  Burgundischen-  Synode  an- 
gehört, so  ist  mit  ungefähr  ebenso  gutem  ßecht  auch 
unser  Kapitel  der  ßurgundischen  Synode  zuzuweisen  ^.  — ■■ 
Das  Mahnwort  am  Ende  ('Penitentiam  —  coelorum)  ist 
wörtlich  =  Matth.  3,  2  (einzige  Variante :  'adpropinquabit' 
statt  '-avit'). 

2,  186 :  aus  dem  Concil.  Burgund.,  Schwesterüber- 
lieferung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  30  (ed.  cit. 
p.  65  sq.).  Rubrik  von  Benedikt.  Textdifferenzen  zwischen 
Ben.  und  Stat.  nur  formeller  Art  ('Doceant'  statt  'D. 
etiam'  ;  'mense'  statt  'in  mense'  ;  'distribuuntur'  statt 
'aguntur');  denn  die  sachliche  Differenz,  die  in  dem  Worte 
'lulio'  statt  'lunio'  liegen  würde ^,  scheint  zu  verschwinden, 
da  für  das  'lulio'  der  Ausgaben  die  Hs.  Vat.  Palat.  583 
vielmehr  das  richtige  ^  'lunio'  bietet.  —  Zu  den  Quatember- 
f asten  vgl.  im  Allgemeinen  Ben.  2,  106c.  3,  132c.  3,  135; 
Capitula  Waltcaudi  c.  17  (N.  A.  XXVII,  580);  über  ihre 
Eigenschaft  als  Weihfasten  s.  Hinschius,  Kirchenrecht 
I,  114,  N.  7.  Im  üebrigen  vgl.  das  folgende  Kapitel 
Benedikts. 

2,  187:  unmittelbare  Quelle  unbekannt.  Priester  als 
'sacerdos'  bezeichnete    Das  vorhergehende  Kapitel^  2,  186 


1)  Wie  man  nach  Knust  (S.  136,  N.  4)  erwarten  müsste.  2)  Ueber 
das  auf  die  Zweisprachigkeit  gestützte  Argument  zu  Gunsten  des  Erzbistums 
Besangon  s.  Studie  IV  a.  a.  0.   S.  321.  3)  Das  Argument  der  Zwei- 

sprachigkeit wird  untei'stützt  durch  die  beiden  schon  mehrfach  ver- 
werteten Anzeichen:  einmal  durch  die  Terminologie,  da  unser 
Kapitel,  wie  bereits  oben  betont  ist,  gleich  allen  Ueberbleibseln  der 
Burgundischen  Synode  den  Ausdruck  'presbiter'  und  nicht  'sacerdos'  ge- 
braucht; ferner  durch  die  Zugehörigkeit  des  Kapitels  zu  der  laufenden, 
an  Burgundischen  Kanonen  so  reichen  Unter  reihe.  4)  Vgl.  Studie  IV 
a.  a.  0.  S.  316,  N,  5  a.  E.  5)  Wie  u.  a.  die  Parallele :  Conc.  Mogunt. 
813  c.  34  (MG.  Conc.  II,  269;  vgl.  Studie  IV  ä.  a.  0.  S.  320,  X.  9) 
zeigt.  Als  weitere  Parallele  kann  die  von  ßaluze,  Capitularia  II,  1376 
edierte  Homilia  de  decimis  herangezogen  werden,  wo  es  heisst:  'leiunia 
debetis  custodire  quatuor  tempora  in  anno,  id  est  mense  Martio 
.  .  .  lunio  ,  .  .  Septem br.  .  .  .  December.  .  .  .';  die  Homilia  scheint 
auf  dem  angeführten  Mainzer  Kanon  zu  fussen.  —  Vgl.  auch  Poen.  Ps.- 
Egberti,  Addit.  §  21  (Wass.  S.  347).  6)  Vgl.  oben  S.  121/2  IB,  S.  123 
Ziff.  2  a.        7)  Wegen  des  Fastens  überhaupt  vgl.  noch  unten  2,  190  i.  f. 


138  Emil  Seckel. 

(Tresbiter'- Quelle!)  folgt  dem  römischen  Brauche  der 
Quatemberfasten  (Fasten  je  am  Mittwoch,  Freitag,  Sonn- 
abend einer  Woche  in  den  vier  Monaten  März,  Juni, 
September,  Dezember).  Unser  Kapitel  2,  187  Satz  1  da- 
gegen ordnet  'ieiunia  t  r  i  a  legitima'  nach  dem  Usus  der 
älteren  griechischen  Kirche  ^an:  Advents  fasten, 
40  Tage^  vor  Weihnachten  (ca.  11.  Nov.  ^  bis  21.  Dez.), 
O  s  t  e  r  fasten,  40  Tage  vor  Ostern  (von  Aschermittvroch 
an),  sog.  Apostel  fasten,  40  Tage  nach  Pfingsten.  Die 
Vorquelle,  aus  welcher  bei  der  Rezeption  des  griechischen 
f  astengebots  in  einen  vermutlich  fränkischen  Kanon  wie 
den  unsern  geschöpft  wurde*,  ist  das  Bussbuch  des  be- 
rühmten griechischen  Mönches  aus  Tarsos,  der  668  —  690 
auf  dem  erzbischöflichen  Stuhle  von  Canterbury  sass: 
Poenitentiale  Theodori  II  14  §  1  (Wasserschieben 
S.  218) ^  Mit  dieser  Vorquelle  deckt  sich  Satz  1  des  bei 
Benedictus  erhaltenen  Kanon: 

Ben.  !  Theod. 

Iterum  admoneant|  leiunia  legitima  tria  sunt 
sacerdotes,  ut  ieiunia  in  anno  per  populum, 
tria  legitima  in  anno  agan-  quadraginta  ante  pascha,  ubi 
tur,  id  est  quadraginta  decimas  solvimus  anni ,  et 
dies  ante  nat  ivitatem  quadraginta  ante  uat  a  1  e 
domini  et  quadraginta  dies  domini  et  post  pentecosten 
ante  pascha,  ubi  decimas  quadraginta  dies  et  noctes. 
anni  solvimus,  et  post  pente- 
costen quadraginta  dies. 

Wie  die  120  griechischen  Fasttage  neben  den  12  römi- 
schen (von  denen  möglicherweise  9,    mindestens  3  auf   die 


1)  Vgl.  über  die  (vier)  grossen  Zeiten  der  griechischen  Kirche 
Achelis  in  der  Realencj'kl.  f.  prot.  Theol.  V'^,  778  f.  Das  vierte  Fasten 
(Marienfasten)  war  offenbar  zu  Theodors  Zeiten  (s.  unten)  noch  nicht 
durchgedrungen.  2)    Wobei    die    Sonntage    nicht    mitzurechnen    sind. 

3)  Vgl.  Conc.  Matiscon.  583   c.  9    (MG.  Conc.  I,  157).  4)    Uebrigens 

nicht  direkt,  sondern  durch  eine  nicht  mehr  vorhandene  Mittelquelle 
(Busstrakt  at),  s.  unten  S.  139  — 141  zu  2,  187  Satz  4.  5.  5)  =  Canones 
Gregorii  c.  61  (Wass.  S.  168)  =  Poen.  Vallicellanum  II.  c.  47  in.  (Wass. 
S.  564)  =  Poen.  Martenianum  c.  7.3  §  1  (Wass.  S.  299) :  letzteres  Poeni- 
tentiale zitiert  auch  Knust,  aber  nicht  als  Vorquelle,  sondern  irrig  als 
Quelle  des  Benedictus  selbst.  —  Nicht  allen  Christen,  sondern  nur  den 
Büssern  werden  die  drei  Quadragesimalfasten  auferlegt  in  einer  Buss- 
ordnung, die  in  verschiedener  Rezension  erhalten  ist :  Petitsche  Capitula 
Pseudo  -  Theodori  c.  Ib  (ed.  Kunstmann,  Poenitentialbücher  S.  107;  vgl. 
Seckel  N.  A.  XX  S.  331,  N.  1.  S.  348);  Poen.  Ps.-Romanum,  Appendix 
c.  2  (Canisius  -  Basnage,  Lectiones  antiquae  II,  2,  p.  128/9);  Burch.  19,  10. 


Studien  zu  Beuedictus  Levita.    VII.  139 

griechischen  fallen)  gehalten  werden  sollen,  darüber  hat 
sich  Benedikt  ^  vermutlich  ebensowenig  Gedanken  gemacht 
wie  ein  Nachfolger,  den  er  (etwa  im  10.  Jh.)  gefunden  hat-. 

Satz  2  und  3.  Diese  Partien  unseres  Kapitels 
sind  m.  W.  ohne  bekannte  Vorlage  gearbeitet.  Satz  2 
enthält  eine  interessante  Motivierung  für  das  Gebot  des 
120tägigen  Fastens;  die  Urheber  des  Kanons  sind  sich 
zwar  wohl  bewusst,  dass  'nonnulla  ex  his',  d.  h.  die  Advents- 
und Apostelfasten,  nicht  durch  die  kanonische  Autorität 
gestützt  sind,  sie  berufen  sich  aber  einstimmig  ('nobis 
Omnibus  simul  convenit)  ^  auf  die  'consuetudo  plebis'  und 
den  'parentum  nostrorum  mos'  ^. 

Zu  Satz  4  und  5  glaube  ich ,  die  Vorlage  in 
dem  PoenitentialeVallicellanum  11.^  (abgefasst  nach 


1)  Anders  Pseudoisidor  (Calixt.  c.  1 ,  ed.  Hinschius  p.  135). 
2)  Sermo  synodalis,  aus  Cod.  Monac.  3853  saec.  X.  herausg-egeben  von 
Krause,  N.  A.  XIX,  125  Zeile  13 — 19;  als  Endtag  der  dritten  'quadra- 
gesima'  erscheint  hier  nicht  ein  beweglicher  Tag,  sondern  die  missa  sancti 
lohannis  baptistae  (24.  Juni),  so  dass  die  40  Fasttage  auf  9  zusammen- 
schrumpfen konnten  (Sonntag  Trinitatis  nicht  eingerechnet).  Aehnlich 
auch  die  Petitschen  Capitula  Ps. -Theodori  (oben  S.  138,  N.  5) ;  vgl.  aber 
Burch.  19,  10.  3)  So  kann  nur  eine  Synode  sprechen.  4)  Leider 
ist,  soweit  meine  Kenntnis  reicht,  nicht  festzustellen,  in  welcher  Kirchen- 
provinz die  'ieiunia  tria  legitinia'  eingebürgert  waren.  In  Deutschland 
ist  die  Provinz  schwerlich  zu  suchen,  da  nach  Couc.  Tribur.  895  c.  58a 
(Collectio  Coloniensis;  MCt.  Capit.  II,  245),  nur  die  Biisser  die  3  quadra- 
gesimae  zu  fasten  haben,  'unam  ante  pascha  cum  ceteris  Chri- 
sti anis'.  5)  ed.  Wasserschieben,  Bussordnungen  (1851)  S.  551—566; 
teilweise  schon  herausgegeben  in  Wasserschieben,  Beiträge  zur  Gesch.  der 
vorgratianischen  Kirchenrechtsquellen  (1839)  S.  145  ff.  —  Das  eigenartige 
Bussbuch  ist  nur  in  einer  Hs.  (Cod.  Vallicell.  E.  62,  saec.  XI.  ?,  fol.  269 
—  284)  überliefert.  Seine  Quellen  und  die  Abfassungsverhältnisse  sind 
noch  nicht  genügend  untersucht.  Unter  den  Quellen  spielen  die  Haupt- 
rolle gewisse  Bussbücher  (deren  Kanonen  im  Poen.  Valhcell.  II.  zum  Teil 
falsche  Inskriptionen  führen,  vgl.  Wasserschieben,  Bussordn.  S.  86).  Die 
sonstigen  Quellen,  soweit  sie  der  Herausgeber  ermittelt  hat,  beschränken 
sich  auf  einige  Konzilien  (c.  45:  Conc.  Agath.  506  c.  18,  Migne  LXXXIV, 
266;  —  c.  42:  Conc.  Herd.  546  c.  7,  1.  c.  col.  323,4;  —  c.  43  'Iber- 
nensis' :  Coli.  Hibern.  35,  5  h)  und  ein  Capitulare  (c.  44  'Karolus  rex' : 
Cap.  ecclesiastica  810—813??  c.  12,  MG.  Capit.  I,  179,  =  Anseg.  1,  151). 
Zu  etwa  einem  Dutzend  der  Busskapitel  hat  Wasserschieben  weder  eine 
Quelle  noch  auch  nur  eine  Parallele  beigebracht.  Die  folgenden  Nach- 
weisungen zeigen,  dass  das  Poen.  Vallicell.  —  abgesehen  von  dem  auch 
sonst  von  ihm  herangezogenen  Theodorschen  ßussbuch  —  aus  fünf  bisher 
unbekannten  Quellen  geschöpft  hat:  1.  Capitula  incerta  de  clericorum 
accusatione    et   percussione    (Zeit   und    Ort    der   Entstehung   unbestimmt), 

2.  Hibemensium  canonum  collectio  aucta   codicis  VaUicell.  A.  18  Bl.  58 
—136  (Wasserschieben,  Irische  Kanonensammlung  S.  XXVI  f.  XXXVII), 

3.  Innocentius  I.,  4.  Isidorus  Hisp.,  Sententiae,  5.  Pseudo- Sylvester.    Und 
zwar   sind:   c.  40b    =    Isidorus   Sent.   2,  31    §   4.    8    (Migne    LXXXIII, 


140 


Emil  Seckel. 


827  ?)  1  c.  48  (recte  49),  Satz  1  und  2  aufgestöbert  zu  haben, 
—  oder  vielmehr  genauer  in  dem  (zu  rekonstruierenden) 
Busstraktat,  aus  dem  einerseits  das  Poen.  Vallicell.  cit., 
andererseits  unser  bei  Benedictus  erhaltener  Kanon  ge- 
schöpft haben.     Textverhältnisse: 


Poen.  Vallicell. 
Post  (!)  hec  autem  legi- 
tima  tempora  geiuniorum 
sunt(!)  quarta  feria, 
quialudas  tradicio- 
nes  domini  cogita- 
V  i  1 2,  sexta  fer.  propter 
passionem  domini  ^  a  q  u  i  - 
b  u  s  d  a  m  geiun  a  n  tur.  Set 
sabato      die  '^     a     plerisque, 


Ben.  2,  187  Satz  4.  5. 
Praeter  haec  autem   legi- 
tima  tempora  ieiuniorum 


o  m  n  i  s  sexta  feria  propter 
passionem  domini  ^  ieiun  e  - 
tur.  Sed  e  t  sabbati  dies  * 
a  plerisque,  propter  quod  in 


633  sq.) ;  —  c.  47  in.  =  Poen.  Theodori  II  14  §  1  (Wass.  BO.  S.  218);  — 
c.  48  (recte:  49)  'Silvester  papa  dixit'  bis  'observanda'  und  'sabato  die* 
bis  'queritur'  =  Hibernensis  codicis  Vallicell.  (Wasserschieben,  Irische 
KSamml.  S.  237  not.  k),  im  Poen.  Vallicell.  mehrfach  interpoliert,  ins- 
besondere durch  die  Einschaltung  'omni  quarta  et  quinta  fer.  et' ; 
zwischen  die  vorhin  angegebenen  Worte  'observanda'  und  'sabato  die'  ist, 
Seite  565  Zeile  3  bis  8  der  Ausgabe,  ein  dem  Pseudo  -  Silvester  fremder 
Zusatz  eingeschoben  =  Innocentius  I.,  epist.  ad  Decentium  episc.  (Jaffe 
311)  c.  4  in.  (Migne  LXXXIV,  642);  dieses  Original  ist  in  dem  Zusätze 
teils  bis  zur  Unverständlichkeit  gekürzt,  teils  (durch  die  Worte  'et  fer.  IV. 
propter  traditionem  domini')  interpoliert ;  —  c.  51  (recte  52)  a  'Ut 
nullus  —  inferatur'  exzerpiert  aus  den  oben  angeführten  Capitula  incerta  c.  1 
(MG.  Capit.  I,  127  lin.  23.  26  ff. ;  =  Theodosii  II.  et  Valentiniani  III. 
Constitutio  ad  Albinum  [ed.  Haenel,  Corpus  legum  p.  241b]  in  der 
Fassung  der  Kanonensammlung  des  cod.  Florent.  Bibl.  aedil.  82  [Maassen, 
Quellen  I,  321.  525] ;  nicht  benutzt  sind  im  Poen.  Vallicell.  die  Fragraenta 
Gaudenziana  c.  26 ,  ed.  Gaudenzi ,  Un'  antica  Compilazione  di  diritto 
Romano  e  Visigoto,  1886,  p.  206) ;  —  c.  51  (recte  52)  b  'Ut  nullus  laieus 
—  nuptias'  =  Capitulum  editum  a  (Pseudo-)  Silvestrio  papa  urbis  Romae, 
ed.  Maassen,  Quellen  I,  414  aus  cod.  Vat.  Reg.  1997  (Sammlung  der  Hs. 
von  Cliieti,  Maassen  a.  a.  O.  S.  526  ff.  530) ;  der  Text  Maassens  ist  aus 
dem  Text  des  Poen.  Vallicell.  zu  verbessern  und  umgekehrt;  —  c.  51 
(recte  52)  c  'Ut  qui  —  CXVI[II]'  =  Capitula  incerta  citt.  c.  2  — 4  (MG. 
Capit.  I,  128;    auch  hier  sind  nicht   benutzt   die  Fragmenta  Gaudenziana 

c.  27,  ed.  cit.  p.  207).  —  Die  jüngste  einigermassen  datierbare  Quelle 
des  Poen.  Vallicell.  ist  und  bleibt  bis  auf  Weiteres  das  Kapitulare  Karls 

d.  Gr.  (Poen.  Vall.  c.  44).  Hat  unser  Bussbuchschreiber  das  Stück  aus 
Ansegisus  entnommen,  so  ist  sein  Opus  jünger  als  827;  hat  er  es,  was 
unwahrscheinlich  ist,  aus  dem  (heute  verlorenen)  Original,  so  verschiebt 
sich  der  terminus  post  quem  um  etwa  zwei  Jahrzehnte  (auf  frühestens  810?). 
1)  Vgl.  die  vorige  Note,  a.  E.  2)  Das  gesperrt  Gedruckte  ist  möglicherweise 
Interpolation;  vgl.  S.  139 f.,  N.  5,  zu  c.  47.  3)  Mit  diesen  Worten  ('propter 
passionem  domini')  wird  die  Vorschrift  begründet  von  Innocenz  I.  ad 
Decentium  (J.  811)  c.  4  (Migne  LXXXIV,  642B).  4)  Der  römische 
(vgl.  Innocentius  I.,  1.  c.)  Brauch  des  Sabbatfastens  wird  in  beiden  obigen 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


141 


Poen.  Vallicell. 
propter  quod  in   eo  Christus 
iacuit  in  sepulchro,  geiunium 
consecratum   (!)  habe  m  u  s  (!). 


Ben.  2,  187   Satz  4.  5. 
eo    Christus     iacuit     in     se- 
pulchro,   ieiunio   consecratus 
habetur. 


Die  Vergleichung  dieser  Texte  allein  entscheidet 
allerdings  nicht  darüber,  ob  unser  Kanon  auf  dem  Poeni- 
tentiale  oder  umgekehrt  das  Poenitentiale  auf  dem  Kanon  ^ 
fusse  oder  ob  endlich  beide  einer  gemeinsamen  Quelle, 
d.  h.  dem  vorhin  postulierten  Busstraktat,  entflossen  seien. 
Nun  weisen  aber  beide  Texte  in  ihrem  Anfang  auf  die 
Theodorsche  Vorschrift  über  die  'ieiunia  tria  legitima'  hin, 
und  an  der  Hand  von  Theodors  Original  ^  lässt  sich  be- 
weisen, dass  in  der  Vorschrift  über  die  drei  Fastenzeiten 
von  den  zwei  Ableitungen  bald  das  Poenitentiale  ^  bald 
der  Kanon*  die  ursprünglichere  Fassung  bewahrt  hat. 
Rührt  aber  die  in  Bezug  genommene  Partie  aus  ge- 
meinsamer Vorlage  her,  so  muss  bei  dem  obwaltenden 
engen  Zusammenhang  wohl  auch  die  zweite,  in  Bezug 
nehmende  Partie  auf  eine  und  dieselbe  Vorlage  zurück- 
gehen. Diese  Vorlage  ist  nicht  Theodor^,  sondern  eine 
u.  a.  mit  Hülfe  des  Poen.  Theodori  gefertigte  Zwischen- 
quelle, d.  h.  der  postulierte  Busstraktat. 


2,  188:  Quelle  unbekannt.  Keine  Priesterbezeichnung, 
üeber  den  Anfang  'Placuit  ut  populus'  vgl.  oben  S.  llO/lll. 
120  lAa.  123  Ziff.  2  b,  insbesondere  S.  111,  N.  2.  —  Zum  zweiten 
Male  kommt  Benedikt  auf  die  'duo  tempora'  der  Taufe  zu 


Texten  nicht  geboten;  es  wird  die  überwiegende  Befolgung  der  Sitte 
ohne  Missbilligung  konstatiert  und  diese  Sitte  dadurch  allerdings 
empfohlen.  1)    Letztere  Annahme  wird  m.  E.  schon  durch  folgenden 

Umstand  widerraten.  Der  Kanon  bezeichnet  den  Fastenbrauch,  der  tat- 
sächlich ein  römischer  ist,  nicht  als  römisch,  und  er  gibt  die  Quelle  der 
"Worte  'propter  passionem  domini'  (oben  S.  140,  N.  3)  nicht  an.  Anders 
das  Poenitentiale ;  es  beruft  sich  auf  die  römische  Uebung  ('presertim 
cum  apostolica  sedes  hanc  regulam  servet')  und  gibt  den  Innozenz  -  Text 
(oben  S.  140,  N.  3 ;  S.  139/140,  N.  5  zu  c.  48  [49])  in  extenso  einschliesslich 
der  3  charakteristischen  Worte  wieder.  Es  ist  aber  weniger  wahrschein- 
lich, dass  ein  nicht  zitierender  Text  (d.  h.  der  Kanon)  durch  die  richtigen 
Quellenangaben  ergänzt  wird  (nämlich  im  Poenitentiale),  als  dass  ein 
zitierender  Text  (d.  h.  das  Poenitentiale)  unter  "Weglassung  des  Zitats 
verwertet  wird  (nämlich  in  dem  Kanon).  2)  Abgedruckt  oben  S.  138. 
3)  c.  47  vv.  'sunt',  'populis',  'natale'.  —  "Wegen  'constituta'  und  wegen 
der  Reihenfolge  bei  Aufzählung  der  3  ieiunia  vgl.  übrigens  Canones 
Gregorii   c.  61    ("Wass.   S.   168).  4)    Ben.   2,  187   Satz  1  v.   'ieiunia'. 

5)  Bei  dem  die  zweite  Partie  sich  noch  nicht  findet. 


142  Emil  Seckel. 

spreohen,  vgl.  oben  2,  181  (S.  131  £E.).  Der  mehr  äusserliche 
Unterschied  der  beiden  verwandten  Kapitel  liegt  darin,  dass 
als  Normenadressat  in  2,  181  der  taufende  Priester  erscheint, 
in  2,  188  der  populus,  der  seine  Kinder  zur  Taufe  bringt. 
Letztere  Adressierung  trifft  bei  den  meisten  zu  2,  181  (oben 
S.  132,  N.  1  —  8)  beigebrachten  Parallelen  nicht  zu^; 
an  die  Gemeindeglieder  gerichtet  ist  das  Gebot,  die  (zwei) 
Taufzeiten  einzuhalten,  n  u  r  in  Conc.  Matiscon.  585  c.  3, 
Conc.  Autissiodor.  c.  18  und  Burch.  19,  5  §  173,  welche 
Texte  unserem  Kapitel  gewiss  nicht  zum  Grunde  liegen.  — 
Eine  einzige  Spur,  und  zwar  eine  stilistische  Beobachtung, 
weist  uns  die  Richtung,  in  der  vielleicht  der  im  Uebrigen 
völlig  dunkele  Ursprung  des  'Placuit' -  Kapitels  2,  188  zu 
suchen  sein  dürfte.  Der  charakteristische  Schluss  von 
2,  188'  hat  nämlich  sein  Seitenstück  in  2,  176  fin.  ^.  Die 
Stilverwandtschaft  in  einer  keineswegs  gewöhnlichen 
Wendung  bringt  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  unser 
Kapitel  in  die  Nähe  derselben  Quelle,  aus  der  2,  176  in 
Benedikts  Sammlung  übergegangen  ist. 

2,  189a  — c?  d.  190.  191.  192?  aus  der  Burgundi- 
schen Synode  nach  800^;  eventuell:  2,  189a.  b. 
192a  aus  der  nichtüberlieferten  Vorlage  von  Pirmins  Dicta; 
2,  189c  aus  der  Adm.  gen.  789;  2,  192b  aus  der  Bibel 
(Ecclesiasticus  in  der  Fassung  des  Caesarius  von  Arles). 

2,  189.  Die  letzten  zwei  Drittel  des  Stückes  (2,  189d) 
rühren  her  aus  demConcil.  Burgund.,  Schwesterüberlieferung 
in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  36  (ed.  cit.  p.  66  sq.).  Vom 
ersten  Drittel  (2,  189a  —  c)  hat  wohl  dasselbe  zu  gelten. 
Zwar  decken  sich  2,  189  a.  b  mit  (der  Vorlage  von)  Pirmins 
Dicta  und  2,  189  c  mit  einem  Satz  aus  der  Admonitio 
generalis  789.  Doch  ist  kaum  anzunehmen,  dass  erst 
Benedictus  kommen  musste,  um  die  drei  verschiedenen 
Quellen  von  2,  189  zusammenzufügen.  Dass  er  Pirmins 
Dicta,  diese  auch  im  9.  Jh.  fast  unbekannte  Quelle,  (oder 
deren  Vorlage)  ^  nicht  direkt  benutzt  hat,  wird  unten  zu 
2,  192  wahrscheinlich  gemacht  werden.  Dann  sinkt  aber 
Pirmin    (bzw.    sein  Vorgänger)   zu   einer   blossen  Vorquelle 


1)  Insbesondere  nicht  bei  Conc.  Paris,  üb.  I  c.  8  (MG.  Conc. 
II,  615),  worauf  Knust  verweist ;  auch  von  der  Kindertaufe  ist  im  Conc. 
Paris.  1.  c.  nicht  die  Rede.  2)  'et  quomodo  in  hoc  offendunt,  in- 
struantur'.  3)  'et  qualiter  in  bis  offendere  solent,  eis  annuntietur'. 
4)  Vgl.  oben  S.  119  f.         5)  Vgl.  unten  zu  2,  195  a.  196. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


143 


herab  und  erlangt  Pirmins  Benutzer,  d.  h.  eben  das  ßur- 
gundische  Konzil  (wie  unten  S.  146  ff.  zu  2,  192  zu  zeigen 
versucht  werden  soll)  den  Rang  der  unmittelbaren  Quelle 
Benedikts.  Was  aber  von  2,  189  a.  b.  d  gilt,  muss  wohl 
auch  von  der  kurzen  Einsprengung  aus  der  Admonitio 
(2,  189  c)  gelten.  —  Rubrik  von  Benedikt.  Im  einzelnen 
ist  zu  bemerken : 

2,  189a.  b  ('Diem  dominicnm  —  serviatis'):  grossen- 
teils  wörtlich  übereinstimmend  mit  Dicta  abbatis  Pirminii 
c.  23  ^,  wie  folg:ender  Parallelabdruck  zeisrt : 


Pirmin. 
.  .  .  -  Die  dominicum 
nolite  contemnere-^, 
s  e  d  c  um  reverentia  colite. 
Opus  servile,  id  est  agrum, 
pratu ,  vinea  vel  si  qua 
grav  i  a  *  sunt ,  in  eo  non 
faciatis  nee  causas  nee  ca- 
lumnias  inter  vos  nolite 
die  ire  die  dominico 
^  qui  ideo  do- 
min icus  appellatur, 
ut  in  eo,  a  terrenis 
operibus  vel  a  mundi 
inlecibris  abstinen- 
t  i  s  *',  tantum  divinis  ^  culti- 
bus  ^  servia  m  u  s 


Ben. 

(a.)  Diem  dominicum  s  e  - 
c  u  n  d  um  *  reverenti  am.® 
colite. 

(b.)  Opus  servile,  id  est 
agrum,  pratum,  vineam  vel 
si  qua  gravi  o  r  a  ^  sunt,  in 
eo  non  faciatis  nee  causas 
nee  calumnias  inter  vos 
die  a  t  i  s  ,  s  e  d 


tantum  divinis ''  cultibus 
via  t  i  s. 


ser- 


1)  ed.  Caspari,  Kirchenhist.  Anecdota  I,  177.  —  Dem  Wortlaut 
von  Ben.  2,  189  a.  b  bin  ich  sonst  nirgends  vor  Benedikt  begegnet. 
2)   ed.  cit.   p.  177    1.  8  — 11.  3)  Dass  Pirmin   die  Worte   'nolite  con- 

temnere'  interpoliert  habe  (etwa  weil  er  in  seiner  Vorlage  'sed  cum' 
statt  'secundum'  las),  ist  unwahrscheinlich  um  deswillen,  weil  auch  der 
Sermo  'Vos  ergo  fideles'  (ed.  Caspari,  Kirchenhist.  Anecd.  1)  S.  209  f. 
unter  der  Hülle  der  verderbten  Ueberlieferung  Folgendes  erkennen  lässt: 
'Dominicum  .  ,  .  nolite  contemnere  ('contendere'  Hs.),  secundum 
reverentiam  colite  ('nolite'  Hs.).  Opus'  u.  s,  w.  4)  Die  Lesart  'gravia' 
ist  gedeckt  durch  den  in  N.  3  zitierten  Sermo  (Caspari  S.  210 :  'vel  si 
qua  gravia  sunt').  5)  ed.  cit.  p.  177  1.  22.  23.  Der  Passus  'qui  ideo 
—  serviamus'  deckt  sich  mit  Ps.  -  Augustinus,  Sermo  280  §  2  (Migne 
XXXIX,  2274)  und  mit  Isidorus,  De  eccl.  off.  1,  24  §  1  (Migne  LXXXIII, 
760),  wie  schon  Caspari  a.  a.  0.  N.  18   bemerkt.  6)   Die   vorstehend 

gesperrt  gedruckten  Worte  sind  von  Benedikt  oder  vielmehr  schon  in 
seiner  Quelle  zwecks  Kürzung  gestrichen.  7)  Vgl.  S.  144,  N.  8  a.  E,  8)  So 
schrieb  wohl  die  (unmittelbare)  Vorlage  Benedikts ;  vgl.  die  vorhergehende 
Note  3  a.  E. 


144 


Emil  Seckel. 


Sachparallelen  sind  in  karolingischer  Zeit  häufig ;  vgl. 
zu  2,  189a  aus  Benedikt:  1,  65.  334c  ^  und  insbesondere 
2,  205a  Anfang  (unten  S.  164);  zu  2,  189b  Adm.  gen.  789 
c.  81%  Conc.  Rotomag.  c.  15  (=  Eegino  2,  395)  i.  f.^  und 
Homilia  Leonis  IV.  ^  (ed.  Sdralek  a.  a.  0.  S.  182  oben), 
Conc.  Mogunt.  813  c.  37  ^  Conc.  Arel.  813  c.  16  ^  u.  s.  w. 

2,  189  c  ('Et  a  vespera  usque  ad  vesperam^  dies  do- 
minicus  serv  e  t  u  r')  ^ :  fast  buchstäblich  =  Admon.  gene- 
ralis 789  cit.  c.  15  (MG.  Capit.  I,  55)  und  aus  diesem 
Originale^  nicht  nur  in  Ben.  2,  189c  bzw.  dessen  Vorlage 
(Conc.  Burgund.?),  sondern  auch  in  Ben.  1,  65  und  andere 
Quellen  des  8.  und  9.  Jh.^  übergegangen. 

2,  189 d^°  ('Has  quidem'  bis  Schluss):  zu  Anfang 
weichen  Ben.  und  Stat.  Bonif.  c.  36  cit.  nicht  unerheblich 
von  einander  ab : 


Stat. 
Annuntient  presbyteri  die- 
bus    dominicis     per     annum 
sabbatizandum    primo    modo 
in  natale  .  .  . 


Ben. 

Has  quidem  prae- 
cipuas  festivitates^^ 
annuntient  presbiteri  ut  die- 
bus  dominicis  sabbatiza  r  e  , 
i  d  e  s  t  natale  .  .  . 


1)   Dazu   Studie  VI   (N.  A.  XXXI)  S.  111,  N.  4  —  6.  2)  MG. 

Capit.  I,  61,  wo  sich  sogar  einige  Wortanklänge  finden  (vv.  '.  .  .  ut 
opera  servilia  diebus  dominicis  non  agantur  ...  id  est  ...  in 
vinea  colenda'  etc.).  3)   Hier   die  Phrase   'absque   opere   servili'. 

4)   MG.    Conc.   II,   270:    'a   servili   opere   abstinere'.  5)    MG.   1.    c, 

p.  252;  hier  (vv.  'dei  cultum  et  servitium')  auch  eine  Parallele  zum 
Schluss   von   2,   189b.  6)    Die   Zeitgrenzen   'a   vesp.    usque   ad   vesp.' 

stammen  wörtlich  aus  Levit.  23,  32.  7)  Dass  die  Form  der  Allokution 
('colite',  'faciatis'  u.  s.  w.)  in  2,  189  a.  b  beobachtet,  in  2,  189  c.  d  ver- 
lassen wird,  verdient  bemerkt  zu  werden.  In  dem  Stilwechsel  spiegelt 
sich   der  Wechsel   der  Urvorlagen.  8)  Original    ist   übrigens   nur   die 

Fassung,  nicht  der  Gedanke;  vgl.  z.  ß.  Ps.  -  Augustinus,  Sermo  280  §  3 
(Migne  XXXIX,  2275) :  'a  vespera  diei  sabbati  usque  ad  vesperam  diei  do- 
minici  .  .  .  soli  divino  cultui  vacemus'.  9)  So  in  das  Conc.  Francof.  794 
c.  21  (MG.  Conc.  II,  168)  und  in  das  Poenitentiale  Pseudo  -  Theodori 
c.  23  (38)  §  8  in.  (Wass.  S.  607);  so  (mit  Abweichungen)  in  das  Conc. 
Rotomag.  c.  15  cit.  und  in  die  Homilia  Leonis  IV.  cit.  Vgl.  ferner  zur 
Sache  die  Nachweise  bei  1,  334c  (Studie  VI,  N.  A.  XXXI,  111)  und 
dazu  Haito,  Capitula  c.  8  (MG.  Capit.  I,  363 :  '.  .  .  omnem  domrnicam 
a  mane  usque  ad  vesperam').  10)  Vgl.  Studie  IV  (N.  A.  XXIX),  313. 
316  f.  319—321;  das  Teilkapitel  ist  a.  a,  0.  noch  als  '2,  189b'  bezeichnet. 
11)  Zu  'praecipuas  fest.'  vgl.  Poen.  Ps.-Bedae  c.  47  (Wass.  S.  279);  Ben. 
1,  340  (Studie  VI,  N.  A.  XXXI,  115  bei  N.  3);  Capitula  Waltcaudi 
(810—831)  c.  18  (N.  A.  XXVII,  580):  'De  praeeipuis  festis  .  .  .  .,  quo- 
modo  adnuntiantur'  u.  s.  w. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  145 

Die  echte  Fassung  des  Conc.  Burg,  dürfte  in  den  Statuta 
vorliegen  ^,  nur  dass  wohl  vor  'diebus  dominicis'  aus  Ben. 
einzusetzen  ist  'ut' ;  abgesehen  von  'ut'  scheint  also  Bene- 
dikt interpoliert  zu  haben.  —  Im  weiteren  Ver- 
lauf des  Teilkapitels  finden  sich,  ausser  mehreren  unter- 
geordneten Differenzen  in  formellen  Dingen,  zwei  erhebliche 
Eingriffe :  a)  Bezüglich  der  Arbeitsruhe  nach  Ostern  sagen 
die  Statuta:  'in  pascha  domini  post  dominicam  dies  tres' -, 
Benedikt  dagegen:  'in  p.  d.  usque  in  octavas  paschae 
post  dorn,  dies  tres';  wie  sich  die  (gewiss  echten)  3  Tage 
mit  den  (doch  wohl  von  Benedikt ^  interpolierten) 
8  Tagen  reimen  sollen,  verstehe  ich  nicht ^.  b)  Zwischen 
dem  15.  August  und  dem  30.  November  steht  in  dem  Fest- 
kalender der  Statuta:  'in  nativitate  sanctae  Mariae  VI.  idus 
Septembris'  (8.  September),  in  dem  Benedikts:  'in  transitu 
sancti  Martini  III.  idus  Novembr.'  (11.  November);  dass 
die  Interpolation  auch  hier  auf  Seiten  Benedikts 
liegt,  lässt  sich  zwar  nicht  streng  beweisen,  hat  aber  — 
bei  dem  Franken  Benedikt  —  die  Wahrscheinlichkeit 
für  sich  ^. 

2,  190:  aus  dem  Conc.  Burgund.,  Schwesterüber- 
lieferung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  34  (ed.  cit. 
p.  66).  Rubrik  von  Benedikt.  Der  Text  ist  hier  sowohl 
bei  Ben.  als  in  den  Statuta ''  verderbt;  Ben.  scheint  ge- 
kürzt ',  aber  die  echten  **  Anfangsworte  'Annuntient  pres- 
biteri'  ^  beibehalten  zu  haben.  —  Zu  den  nur  in  den 
Statuta  überlieferten  Worten  'ad  ecclesiam  hora  nona 
(con)veniant'  vgl.  Conc.  Mogunt.  813  c.  34  (MG.  Conc. 
II,  269).  —  Zum  Gebot  des  Messebesuchs  enthält  unsere 
Unterreihe  eine  Parallele  unten  2,  205  b. 

2,  191:  aus  dem  Conc.  Burgund.,  Schwesterüber- 
lieferung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  35  (ed.  cit. 
p.  66).      Rubrik   von  Benedikt.      Im  Text  4   unbedeutende 


1)  Dafür  spricht  unter  anderem  das  Initium  'Annuntient' ;  vgl.  oben 
S.  121 1  Ab.  2)  In  teilweiser  sachlicher  Uebereinstimmung   mit  Conc. 

Rispacense  798?  fragm.  2  (MG.  Conc.  II,  197):  'diem  paschae,  similiter 
feria  secunda,    tertia,    quarta  [et  quinta]'.  3)  Vielleicht   im  Anschluss 

an  Conc.  Mog.  S13  c.  36  (MG.  Conc.  II,  270):  'simili  modo  tot  am 
ebdomadam  illam  observare  decrevimus'  =  Capitula  e  conciliis  excerpta 
826.   827?   c.  3    =    Anseg.    2,  33   (MG.  Capit.  I,  312.    422).  4^    Ge- 

schickter verfuhr  der  Interpolator  des  c.  36  cit.  Conc.  Mog.  (1.  c.  p.  270 
lin.  9  ff.).  5)  Vgl.  Studie  IV  a.  a.  0.  S.  316  f.,  S.  321,  N.  2.  6)  Siehe 
die  beiden  Texte  in  Studie  IV  S.  317,    N.  1.   2.  7)  Vgl.    Studie  IV 

S.  317  oben.  8)  Vgl.  oben  S.  121 1  Ab.  9)  Wofür  in  den  Statuta 

geschrieben  ist:  'Et  hoc  notum  facient  presbyteri'. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  10 


146  Emil  Seckel. 

Yerschiedenheiten  in  der  Doppelüberlieferun g-  {'Annnntiet' 
Ben.,  'Admoneat  etiam'  Stat.  ^;  'presbjter'  Ben.,  'presby- 
terorum'  Stat. ;  'plebi'  Ben.,  'plebem'  Stat. ;  'nisi'  Ben., 
'nisi  cum'  Stat.).  —  Die  Worte  'secundum  domini  raanda- 
tum'  g-ehen  auf  Matth.  5,  32  ('excepta  fornicationis  causa'). 
Der  Schluss  des  Kapitels  beruht  zum  Teil  (vv.  'leg'itimum 
coniugium'  .  .  .  'separari'  .  .  .  'consensu  amborum'  .  .  . 
'servit[ium]  Dei')  auf  dem  Poenitentiale  Theodori  II,  12 
§  7  (und  8)  (ed.  Wass.  S.  213  f.),  aber  vielleicht  nicht 
direkt.  Die  anscheinend  im  Conc.  Burg,  auch  sonst  be- 
nutzte Vorlage  Pirmins  könnte  nämlich  den  Theodorischen 
Rechtssatz  in  der  Form  enthalten  haben  'Leg.  coni.  non 
licet  separare  nisi  consensu  amborum  p  r  o  p  t  e  r  servi- 
tium  dei'  und  aus  dieser  Fassung  könnte  einerseits  Pirmin  ^, 
andererseits  das  Conc.  Burg,  entstanden  sein.  —  Zur  Sache 
vgl.  unten  2,  240  in.  (Eheverbot  wie  in  2,  191  in.;  s.  auch 
2,  209a),  sowie  unten  2,  209  c  (Ehetrennung  wie  in  2,  191 
vv.  'legitimum  coniugium  nequaquam  posse  .  .  .  sepa- 
rari' etc. ;  s.  auch  2,  235  med.). 

2,  192:  unmittelbare  Quelle  wahrscheinlich  un- 
bekannt; unmittelbar  vermutlich  aus  der  Burgundischen  Sy- 
node, womit  1.  das  Initium  'Annuntient'  ^,  2.  die  Bezeichnung 
des  Priesters  als  'presbiter'  "^  und  3.  die  Zugehörigkeit  zur 
laufenden  Unterreihe  2,  170  —  209  trefflich  harmonieren 
wijrden  ^  Vorquelle,  abgesehen  vom  Schlusssatz  (2,  192b), 
bekannt:  Dicta  abbatis  Pirminii  c.  29  in.*^  (oder  vielmehr 
deren  Vorlage  ^),  welcher  Text  seinerseits  in  der  zweiten  ^ 
Hälfte  (unten  mit  litt,  b  bezeichnet)  nichts  anderes  ist  als 
grossen    Teils    wörtliche    Kopie    aus    einer    Homilie  ^    des 


1)  Auch  hier  (vgl.  zu  2,  190,  N.  9)  scheint  der  Kompilator  der 
Statuta  das  Bedürfnis  empfunden  zu  haben,  Abwechselung  in  die  Ein- 
förmigkeit des  echten  Textanfangs  ('Annuntiet')  zu  bringen.  2)  Pirmin. 
c.  16  (ed.  Caspari  S.  164  oben):  'Legitim  um  coniugium  nullus 
separare  presumat  nisi  ex  anborum  consensu  propter  amorem 
Christi'  etc.  3)  Ueber  die  Echtheit  des  Anfangs  vgl.  oben  S.  121  I  Ab, 
insbes.  N.  2.  3.  4)  Beide  Argumente  treffen  bezeichnenderweise  auf  die 
alsbald  mitzuteilende  Vorquelle  des  canon  Burgund.  nicht  zu.  .5)  Wegen 
des    Stachen  Argumentes   vgl.    oben    S.  123  Ziff.  la.  6)    ed.    Caspari, 

Kirchenhist.  Anecdota  I,  189  Z.  7—12.  7)  Vgl.  unten  zu  2,  196.  Pirmin 
c.  29  cit.  scheint  seine  Vorlage  fast  wortgetreu  wiederzugeben ;  vgl.  aber 
unten  S.  147,  N.  6.  8)  Für  die  erste  Hälfte  habe  ich  umsonst  bei  Caesa- 
rius  nach  einem  Muster  gefahndet.  Immerhin  ist  zum  Gedankengang  der 
Pirmin- Stelle  zu  vergleichen  Ps.  -  Augustinus  (Caesarius),  Sermo  266  §  2 
(Migne  XXXIX,  224i),  wonach  ein  guter  Christ  ist,  'qui  de  fructibus 
suis  non  gustat,  nisi  prius  ex  ipsis  deo  aliquid  off  erat,  qui  decimas 
annis    singulis  (vgl.  S.  147,  N.  5)  .  .  .  reddit'  etc.  9)  'Homilia, 

ubi  populus  admonetur',  ed.  Caspari  a.  a.  O.  S.  220  Z.  9 — 12. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


147 


Caesarins  von  Arles  ^  Die  Abweichungen  Benedikts  (d.  h. 
des  eanon  Burgund.)  von  Pirmin  und  Pirmins  (bzw.  seines 
Vorgängers)  von  der  Urvorlage  veranschaulicht  folgender 
Parallelabdruck  ^ : 


Caesarius  1.  c. 

Decimas  v  e  s  - 
tras  ante  om- 
ni a  ex  Omnibus 
fructi  c  u  1  i  s  ves- 
tris  a  d  ecclesi  a  m 
clericis  et  pau- 


Pirmin  c.  29. 


a.  Primitias  om- 
nium  frugum  v  e  - 
strarum  ad  bene- 
dicendum  ad  s  a  - 
cerdotes^  ad- 
fer  t  e  et  sie  postea 
in  de  manducate. 


b.  Decimas  ex 
Omnibus  fructibus 
et  pecoribus  ^  v  e  - 
s  t  r  i  s  annis  sin- 
gulis  ^  ecclesi  i  s  ** 
redd  i  t  e.    De  nove 


Ben.  2,   192a. 

Annuntient 
presbiteri  plebi 
publice,  ut  pri- 
mitias ^  omnium 
frugum  terrae^ 
ad  benedicendum 
affer  a  n  t  ad  d  o  - 
m.  os^  illorum 
et  sie  postea  inde 
manduc  e  n  t 

e  t  decimas  ex 
Omnibus  fructibus 
et  pecoribus"^  ter- 
rae'' annis  singulis 
a  d  ecclesi  a  s  red- 
d  a  n  t    et    de    no- 


1)  Also  hat  sich  Pirmin  nicht  nur  in  c.  1 — 27  (so  Hauck  a.  a.  O, 
S.  411  Z.  52),  sondern  auch  in  der  Rekapitulation  c.  28 — 34  an  bestimmte 
schriftliche  Vorlagen    angelehnt.  2)   Die   Abweichungen   Pirmins   von 

Benedikt,  sowie  die  Abweichungen  Benedikts  und  Caesarius'  von  Pirmin 
sind    durch    Sperrdruck   hervorgehoben.  3)    Die    Vorlage    des    Conc. 

Burgund.  gebraucht  also  für  den  Priester  den  Terminus  'sacerdos' ;  um 
so  bezeichnender  ist  die  Aenderung  'presbiteri'  im  Conc.  Burgund. 
4)  Zu  beachten  ist,  dass  im  Vorhergehenden  die  Darbringung  der  Erstlinge 
sich  auf  die  'fruges'  beschränkt.  5)    Hier  benutzt  Pirmin  oder  sein 

Vorgänger  vielleicht  eine  andere  als  die  oben  abgedruckte  Stelle  des 
Caesarius;  vgl.  Ps.  -  Augustinus  Sermo  244  §  3  (Migne  XXXIX,  2195): 
'Decimas  annis  singulis  de  omni  fructu  .  .  .  ecclesiis  et  pauperibus 
erogate',  ferner  Sermo  266  §  2  (oben  S.  146  N.  8).  6)  Da  Urquelle  (Caesa- 
rius) und  Ableitung  {=  Ben.)  'ad  eccles.'  schreiben,  so  hat  hier  wohl  Pirmin 
seine  direkte  Vorlage  retouchiert.  7)  Die  "Wendung :  '(primitias  frugum) 
terrae  (afferant)  ad  d o m o s'  kann  beeinflusst  sein  vom  Pentateuch : 
Exod.  23,  19  'primitias  frugum  terrae  tuae  deferes  in  domum';  34,26 
'prim.  fr.  terrae  tuae  öfteres  in  domo';  Deuteron.  26,  10  'offero  prim. 
fr.   terrae',   —   Zu    'terrae'   vgl.    auch   unten   N.  8.  8)    Kann   man 

sagen :  'decimas  ex  omnibus  fructibus  et  pecoribus  terrae  .  .  . 
reddant'  ?  Die  Unstimmigkeit  in  dem  Kanon  ist  dadurch  entstanden,  dass 
sein  Verfasser  mechanisch  das  'vester'  der  Vorlage  (vgl.  bei  N.  7)  durch 
'terrae'  ersetzt  hat.  Korrekt  ist  die  Ausdrucksweise  z.  B.  in  den  Capitula 
per  se  scribenda  818.  819  c.  4  (MG.  Capit.  I,  287) :  '(nonae  et  decimae) 
de  frugibus  terrae  et  animalium  nutrimine  persolvantur'. 

10* 


148 


Emil  Seckel. 


Caesarius  1.  c. 
peribus  exhi- 
b  e  t  e  et  de  ^  no- 
vem  partibus,  qiiae 
vobis  remanserint, 
eleemosynas  f  acite^. 
Ex  '^  ipsis  peccata 
vestra  redimite  ^  e  t 
aeterna  vobis 
praemia  con- 
parate. 


Pirmin  c.  29. 

partes,  que  vobis 
remanserint,  elimo- 
sinas  faei  t  e.  Ex^ 
ipsis  peccata  ves- 
tra redem  i  t  e  ^, 
ut  scriptum  est : 
'Elimosina^a  uiorte 
liberat  et  ipsa  pur- 
gat  peccata'. 


Ben.  2,  192  a. 
vem  partibus,  quae 
remanserint,  elimo- 
sinas  f  aci  a  n  t  et 
ex  -  ipsis  peccata 
i  1 1  o  r  n  m  redi- 
m  a  n  t  ^,  s  i  c  nt 
scriptum  est :  'Eli- 
mosina  ^  a  morte 
liberat  et  ipsa  pur- 
gat  peccata'. 


2,  192b  ('Sicut  in  Sapientia'  bis  Schluss):  ohne  Gegen- 
stück bei  Pirminius ;  stand  aber  wahrscheinlich  ebenfalls 
in  der  Vorlage  Pirmins.  Denn  wie  Pirminius  c.  29b 
schliesslich  auf  Caesarius  von  Arles  zurückgeht,  so  weist 
das  Bibelwort  (das  übrigens  nicht  'in  Sapientia'  steht, 
sondern  in  Sirachs  Ecclesiasticus  3,  33)  genau  die  (von  der 
Vulgata^  gründlich  abweichende)  Fassung''  auf,  in  der  es 
häufig  bei  —  Caesarius  von  Arles'"'  erscheint:  'Sicut  aqua 
extinguit  ignem,  i  t  a  elimosina  extinguit  pecca  t  u  m'  '. 
—  Dass  2,  192b  von  Benedikt  selbt  (aus  Caesarius?)  an- 
geflickt sei,    halte   ich   für   ausgeschlossen;    vielmehr   wird 


1)  In  dem  Passus  'et  de  novem  —  facite'  haben  wir  einen  Lieb- 
lingsgedanken des  Caesarius  vor  uns ;  vgl.  Ps.  -  Augustinus,  Sermo  277 
§  3  (Migne  XXXIX,  2268)  =  Caesarius,  Homilia  XVI  (Migne  LXVII, 
1079  ß):  'reddat  decimas'  (oder  'redditis  decimis  etiam')  'et  de  novem 
partibus  studeat  eleemosynam  dare';  Sermo  256  §  1  (Migne  XXXIX, 
2217) :  'de  omnibus  fructibus  decimas  reddat  et  de  novem  partibus  .  .  . 
minuta   peccata    .    .    .   redimat'.  2)  Vgl.   Dan.  4,  24 :   'peccata   tua 

eleemosynis   redime'.  3)  =  Tob.  12,  9  (nicht  Tob.  4,  11,  wo  es 

nur  heisst:  'eleemosyna  [ab  omni  peccato  et]  a  morte  liberat').  In  den 
bisherigen  Ausgaben  des  Benedictus  ist  das  Zitat  zu  Unrecht  schon  mit 
dem  Worte  'liberat'  zu  Ende.  4)  'Ignem  ardentem  extinguit  aqua, 

et  eleemosyna  resistit  peccatis'.  —  Im  c.  36  Conc.  Cabillon.  813 
(MGr.  Conc.  II,  280)  stimmt  der  Anfang  mit  der  Vulgata  überein,  der 
Schluss  ('extinguit  peccatum')  mit  Caesarius  ^  Conc.  Burgund.  =  Bene- 
dictus. 5)  Wieder  anders  lautet  der  Bibelvers  bei  Theodulfus  Aurel., 
Capitulare  primum  c.  36  (Migne  CV,  203).  6)  Ps.  -  Augustinus,  Sermo 
244  §  3  (Migne  XXXIX,  2195),  wo  das  zweite  'extinguit'  fehlt  (anders 
in  der  aus  diesem  Sermo  al)geleiteten  Expositio  fidei,  Caspari  a.  a.  O. 
I,  288).  Ferner  Ps. -Aug.,  Sermo  230  §  6  (Migne  col.  2170),  292  §  4 
(col.  2299),  305  §  2  und  306  §  2  (col.  2331),  30S  §  6  (col.  2338),  311 
§  3  (col.  2343);  Caesarius,  Homilia  XIII  (Migne  LXVII,  1075  A);  ver- 
einzelt fehlt  auch  in  diesen  Stellen  das  zweite  'extinguit' ;  statt  'ita'  heisst 
es  hier  und  da  'sie'  oder  'sie  et'.  7)  Sonst  bin  ich  dieser  Fassung 
bisher  nur  noch  in  der  Collectio  can.  Hibernensis  13,  2  c  und  27,  12  b 
(ed.  Wasserschieben  p.  39.  89)  begegnet. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  149 

das  hypothetische  Conc.  Burgund.  wie  das  vorangehende, 
so  auch  dieses  'Caesarins'- Stück  aus  derselben  Schrift  be- 
zogen haben,  aus  der  Pirmin  sein  cap.  29  b  unmittelbar 
exzerpiert  hat. 

Knust  bemerkt  zu  2,  192:  'cf.  Theod.  Cant.  c.  36. 
Cod.  Fris.  c.  25'.  Als  'Theod.  Cant.'  pflegt  Knust  die 
Capitula  Dacheriana  zn  bezeichnen;  in  'c.  36'  dieser 
Capitula  (d'Achery,  Spicil.  IX,  55)  =  Cap.  Dach.  c.  59 
(Wass.  S.  150)  ist  aber  von  ganz  anderen  Dingen  die  Eede, 
so  dass  vielleicht  ein  Druckfehler  anzunehmen  ist  statt 
'c.  30'  (=  Cap.  Dach.  c.  53),  wo  zwar  'tributum  ecclesiae' 
und  'decimae'  behandelt  werden,  jedoch  völlig  abweichend 
von  Ben.  2,  192.  In  c.  25  der  Capitula  Frisingensia^  ist 
gar  nur  von  den  Oblationen  die  Rede.  —  Auf  die  Sache 
und  zwar  auf  das  Bringen  der  Erstlinge  zum  Priester 
kommt  Benedikt  in  unserer  Unterreihe  alsbald  (2,  191) 
noch  einmal  zu  sj^rechen  -\ 


'"^'2,  193  aus  der  Relatio  episcoporum  829  c.  87  in. 
38  in.  38  fin.,  MG.  Capit.  II,  40  (=  Ben.  Add.  II.  3  in. 
4  in.  4  fin.);  nicht ^  aus  der  Quelle  der  Relatio,  d.  h. 
Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  I.  c.  9.  10,  MG.  Conc.  II, 
615  sqq.*.  Rubrik  von  Benedikt.  Zum  Text  ist  folgendes 
zu  bemerken : 

2,  193a  ('Placuit  —  transgreditur')  =  Relatio  c.  37  in. 
Abweichungen  von  der  Vorlage  nur  formeller  Art :  'Placuit 
ut  fideles'  ^  statt  'De  eo  etiam  instruendo  fideles  neces- 
sarium  praevidimus,  ut' ;  'A  multis  ergo'  statt  'Pactum '', 
quod  cum  Deo  in  baptismate  fit  *',  a  multis' ;  'et'  vor  dem 
zweiten  'a  multis'  fehlt  in  der  Relatio.  Benedikt  kann 
hier   unmöglich    direkt   auf   das   Conc.   Paris,    c.   9    (rubr.  '^ 


1)    ed.    Seckel,    IST.    A.    XXIX,    292;    vgl.    ebenda   S.    282    unten. 

2)  Eine  Art  Parallele  zu  unserem  Kapitel  (vgl.  oben  zu  2,  186)  liegt  vor 
in  der  Honiilia  de  decimis  (ed.  Baluze,  Capitularia  II,  1876):  'Primitias 
de  fructibus  vestris  .  .  .  debetis  offerre  ad  altare,  id  est  spicas  .  .  .; 
alias  primitias  ad  domum  presbiteri  de  omni  fructu  debetis  portare,  et 
presbiter  eas  benedicat,  et  sie  .  .  .  manducate'.  Im  Folgenden  wird, 
wie  bei  Ben.  2,  192,  zuerst  von  Zehnten,  dann  von  Almosen  gesprochen. 

3)  Der  Nachweis  folgt  alsbald  bei  Erörterung  der  3  Teilkapitel,  soweit 
er  möglich  ist.  Relatio  c.  38  fin.  und  Conc.  Paris,  lib.  I  c.  10  fin.  stimmen 
wörtlich  überein.  4)  lieber  einen  verwandten  Kanon  bei  Burchard 
4,  27  siehe  oben  S.  134,  N.  8  zu  2,  182b.  5)  Vgl.  oben  S.  110/111. 
6)  Damit  hat  Benedikt  lediglich  die  schleppende  Wiederholung  des  leicht 
zu  subintellegierenden  Subjektes  von  Satz  2  gestrichen.  7)  Verwandt 
mit  lonas  Aurel.,  De  inst.  laic.  1,  3  rubr.  (Migne  CVI,  128) ;  die  Art 
der  Verwandtschaft  interessiert  hier  nicht. 


150  Emil  Seckel. 

und  Satz  1  des  Textes)  zurückgeben,  weil  er  mit  der 
Relatio  in  der  Wendung-  'intellegant  pactum'  zu- 
sammentrifft. 

2,  193b  ('Quid  —  fideles')  =  ßelatio  c.  38  in.  Im 
Texte  Benedikts  stört  die  sinnlose  Wiederbolung  'abrenun- 
tiare  diaboli  operibus  .  .  .  et  omnibus  operibus 
eins';  der  Vorlage,  die  solchen  Unsinn  nirgends  ver- 
brochen hat,  ist  die  Wiederholung  natürlich  fremd;  die 
Interpolation^  der  soeben  durch  Sperrdruck  hervorgehobenen 
Worte  kann  Benedikt'^  oder  aber  einem  unverständigen 
Abschreiber  bzw.  Benutzer  der  Vorlage  zur  Last  fallen. 
Denkt  man  die  vier  unechten  Worte  weg,  so  stimmt  der 
Relativsatz  in  2,  193b  bei  Benedikt  und  in  der  Relatio 
wörtlich  überein  ^;  nur  dass  Ben.  'diaboli'  schreibt,  statt 
des  'diabo  1  o'  in  der  Relatio  ^,  welcher  Dativ  angesichts 
der  Abrenuntiationsformel  (Note  l)  unbedingt  den  Vorzug 
verdient.  In  dem  kurzen  Hauptsatze  gehen  Benedikt  und 
seine  Vorlage  auseinander;  die  Relatio  schreibt  'valde 
omnes  fideles  intellegere  oportet' ;  Benedikt  war  dies  ^  zu 
breitspurig,  und  er  stellt  durch  ein  Vereinfachungsverfahren, 
das  sich  nicht  selten  bei  ihm  beobachten  lässt'\  die  Worte 
'instruantur  fideles'  ^  her. 

2,  193  c  ('Si  vero'  bis  Schluss)  =  Relatio  c.  38  fin. 
Neben  etlichen  bedeutungslosen  Differenzen  gegenüber  der 
Relatio  ('Si  vero'  statt  'verum  si' ;  'firma'  statt  'firmiter' ; 
'irrevocabiliter'  statt  'inviolabiliter')  steht  eine  gramma- 
tische Auffälligkeit:  während  die  Relatio^  sprachlich  korrekt 
schreibt  'si  ...,  fixius  tamen  atque  ferventius  iura 
.  .  .  sunt  observanda',  liest  man  bei  Benedikt  'Si  .  .  ., 
quanto  magis^  ferventius  iura  .  .  .  sunt  observanda'. 
An  sich  wäre  es  nun  methodisch  ganz  richtig  zu 
schliessen,   Benedikt   mit   seiner   roheren  Stilisierung   habe 


1)  Quelle  der  Interpolation  ist  die  Abrenuntiationsformel:  *Ab- 
renuntias  diabolo?  Abrenuntio.  Et  omnibus  operibus  eins?  Abr. 
Et  omnibus  pompis  eius?  Abrenuntio',  sei  es  direkt,  sei  es  vermittelt 
z.  B.  durch  Conc.  Paris,  (c.  9)  =  Jonas  1.  c.  1,  3,  wo  die  Abschwörungs- 
fragestücke  genau  wiedergegeben   sind.  2)  In  Add.  II.  4  in.    gibt   er 

den  un  verderbten  Text  der  Relatio  wieder.  3)  In  Conc.  Paris,  (lib.  I 
c.  10  Rubrik  a.  Anf.)   findet  sich  ein  überschiessendes  'eius'.  4)    Und 

im  Conc.  Paris.  1.  c.  5)    Die  superlativische  Fassung   des  Hauptsatzes 

in  der  Relatio  entspricht  der  Stilisierung  dieses  Schriftstücks ;  vgl.  'sum- 
mopere'  in  c.  46  (unten  zu  2,  208a),  c.  54  (unten  zu  2,  225);  'pernitio- 
^issima  mala'  in  c.  54  (unten  zu  2,  215a).  6)  Vgl.    z.  B.   2,  48.   51b. 

100.  7)  Vorbild:  2,  176.  182a.  252.  8)  Wie  schon  das  Conc.  Paris. 
Üb.    I   c.    10   fin.  9)    Nächstliegendes,   sachlich   verwandtes  Vorbüd: 

%  182  b;  vgl.  dazu  oben  S.  134/5. 


Studien  zu  Benedi ctus  Levita.    VII.  151 

unseren  Kanon  in  einer  ursprünglichen,  vor  das  Conc. 
Paris,  fallenden  Rezension  X  aufbewahrt ;  dass  ein  Benutzer 
(Conc.  Paris.)  der  ersten  Fassung  (X)  den  doppelten  Kom- 
parativ herauskorrigierte,  verstehe  sich  ohne  Weiteres;  wie 
aber  ein  Benutzer  (Benedikt)  ihn  in  die  korrekte  Fassung 
(Relatio)  sollte  hinein  korrigiert  haben,  bliebe  ein  Rätsel. 
Das  Rätsel  dürfte  sich  aber,  soweit  es  in  solchen  Dingen 
überhaupt  angängig  ist,  lösen  lassen  durch  die  Beobachtung 
der  Tatsache,  dass  in  Benedikts  Texten  ^  die  Anknüpfung 
mit  'quanto  magis'  -  sich  einer  gewissen  Beliebtheit  erfreut^, 
und  durch  die  Vermutung,  dass  in  2,  193  c  Benedikt  eine 
ihm  besonders  liegende  Lieblingswendung  in  recht  un- 
geschickter, das  echte  'fervent  i  u  s'  schonender  Art  an- 
gebracht habe, 

2,  19-1:  Quelle  unbekannt'^.  Priester  als  'sacerdos' 
bezeichnet.  Das  Bibelzitat  geht  auf  Proverb.  3,  9  (wo  das 
Schlusswort  'ei'  lautet,  nicht  'pauperibus').  —  Ein  wort- 
gleicher Text,  der  das  vierfache  Gebot  enthielte:  Lichter, 
Weihrauch ,  Brote  ^  und  Erstlinge  zu  den  Kirchen  zu 
bringen,  ist  sonst  nicht  zu  ermitteln.  Sachlich  steht 
unserer  Vorschrift  am  nächsten  Pirminius,  Dicta  c.  23  in.''; 
der  Wortlaut  weicht  jedoch  so  erheblich  von  Ben.  2,  194 
ab  ^,  dass  Pirmin  auf  keinen  Fall  zur  Vorlage  unseres 
Kapitels  gestempelt  werden  darf. 


2,  195 — 198  aus  der  Burgundischen  Synode 
(nach  800)  ?  »  Eventuell :  2,  195a.  196  zum  Teil  aus  der 
nichtüberlieferten  gemeinsamen  Vorlage  der  Dicta  Pirmins 


1)  Wie  überhaupt  im  frühmittelalterlichen  Normen-  und  Autorenstil. 
2)  Vgl.  Ben.  1,  116  (Quelle  unbekannt).  2,  93  (echt).  182b  (Quelle  un- 
bekannt). 205a  (aus  der  Relatio  829).  421  (echt).  3,  314  (Quelle  un- 
bekannt :  Fälschung).  427  (echt) ;  Add.  IV.  8  med.  (Fälschung).  3)  Be- 
obachtet schon  von  Simson ,  Entstehung  der  pseudo  -  isidorischen  Fäl- 
schungen S.  70;  im  obigen  Text  näher  präzisiert.  4)  Zu  2,  194 — 196 
bemerkt  Knust:  'cf.  Caesarii  homiliam  66';  eine  Homilie  66  des  Caesarius 
von  Arles  existiert  nicht.  5)  Wegen  'luminaria  et  incensum  et  bucellas' 
vgl.  etwa  die  Homilia  de  decimis  (Baluze,  Capitularia  II,  1376) :  'deo 
offerre  sacrificia  et  luminaria  et  incensum'.  6)    ed.  Caspari,  Anecdota 

I,  177:  'Et  ad  sanctam  ecclesia  oblationes  (also  auch  Brote)  et  ceriolus 
{=  cereolos,  Wachskerzen)  et  oleum  (Kerzen  und  Oel  entsprechen  den 
'luminaria'  unseres  Textes)  et  incensum  et  primicias  et  decimas  et 
elimosinas  et  omnia(!)  bona  vestra  reddite'  etc.  Vgl.  auch  Pirmin.  1.  c, 
c.  30  in.  (pag.  189  f.),  wo  aber  die  Erstlinge  nicht  vdederkehren.  7)  Nur 
die  5  in  Note  6  gesperrt  gedruckten  Wörter  decken  sich  an  beiden 
Stellen.         8)  Vgl.  oben  S.  119  f. 


152 


Emil  Seckel. 


und  des  psetidotheodorischen  Bussbuclis;  2,  195b  aus  der 
Vorlage  nur  der  Dicta  Pirmins. 

2,  195  a.  196.  Um  für  die  nicht  einfache  Quellen- 
kritik dieser  beiden  Kapitel  festen  Grund  zu  schaffen,  muss 
zunächst  von  einer  Vorquelle  gehandelt  werden,  die 
zweifellos  schliesslich  auf  Ben.  2,  195a.  196  von  Einfluss 
war  und  die  uns  in  zwei  von  einander  unabhängigen, 
unter  sich  abweichenden  Ableitungen  vorliegt.  Keine 
der  zwei  Fassungen  gibt,  wie  sich  zeigen  wird,  die  zu 
erschliessende  Vorquelle  unverändert  wieder;  doch  wird  es 
möglich  sein,  die  Ürfassung  annähernd  wiederherzustellen. 
Auf  dieser  U  r  fassung  ruhen  dann  die  beiden  Kanonen, 
wie  sie  bei  Benedikt  aufbewahrt  sind. 

Die  zwei  Ableitungen  liegen  vor  in  den  Dicta 
abbatis  Pirminii  c.  30  in.?^  c.  23.-  28  fin.  ^  und  in  dem 
Poenitentiale  Pseudo-Theodori  c.  23  (38)  §  8  fin.  §  9K 
Sie  lauten : 


Pirminius. 

(c.    30.)      Quando    ad 
clesiam  c  o  n  ven  i  t  i  s  ^,  . 
oblationes  .  .  .    Offerte    . 


ec- 


m 


(c.  23.)  Et  null  US 
ipsa  ecclesia  vel  ubi  lectio 
divina  recit  e  t  u  r  '',  verbo- 
sare  presumat^,  sed  lectionis 


Ps. -Theodorus. 

(§  8  fin.).  E  t  quando  ad 
aecclesiam  vener  int,  obla- 
tiones pro  semet  ipsis 
et  pro  parentibus  ac 
proximis^  offer  r  e  d  e  - 
beut  '>. 

Et  u  t  nul  1  i ''  in  ipsa 
aecclesia  vel  ubi  lectio  divina 
recit  ata  fuerit',  verbo- 
sare  praesum  a  n  t  *\   sed  lec- 


1)    Ed.  Caspari,   Kirchenhist.  Anecdota   I,  189  f.  2)    Ed.    cit. 

S.  177  Z.  6—8.  3)  Ed.  cit.  S.  188  Z.  18-22.  4)  Ed.  Kunstmann, 
Die  lateinischen  Pönitentialbücher  dei-  Angelsachsen  (1844)  S.  88 ;  ed. 
"Wasserschieben,  Bussordnungen  S.  607.  Die  Herausgeber  machen  keine 
Quelle  oder  Parallele  für  die  zitierten  Paragraphen  namhaft.  5)    Ge- 

deckt durch  die  Parallele  in  der  Homilia  'Magnum  nobis  gaudium'  bei 
Caspari  a.  a.  O.  S.  218:  'Quando  ad  ecclesiam  convenitis'.  Vgl.  aber 
andererseits  Ps.  -  Augustinus  (Caesarius),  Sermo  266  §  2  (Migne  XXXIX, 
2241):  'Ille  bonus  christianus  est,  qui,  quando  ad  ecclesiam  venit,  et 
oblationes  ,  .  .  exhibet  et'  u.  s.  w. ,  welcher  Sermo  dem  Pirminius 
zweifellos  als  Vorlage  gedient  hat.  6)  Welche  Fassung  die  echte   ist, 

lässt  sich  hier  nicht  entscheiden.  7)  Ursprünglicher  scheint  die  Fassung 
'recitata  fuerit'  zu  sein ;  jedenfalls  kehrt  sie  letzten  Endes  bei  Benedikt 
wieder.  8)  Die  Worte  'pro  semet  —  proximis'  müssen  wohl  irgendwo 
in  der  echten  Urvorlage  gestanden  haben,  da  sie  bei  dem  von  Ps.-Theodor 
sicher  unabhhängigen  Benedictus  (wenigstens  zum  Teil:  'pro  se  .  ,  .  et 
proximis')  wiederkehren. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


153 


PirmiDius. 
sa  c  r  as  ^    libeuter    audi  t  e  '-, 
q  u  i  a  ^  per  Moisen  dominus 
ait^:  'Audi,  Israel,  et  tace' ^. 


(c.  28.)  Ball  ationis  '  et 
saltationis  vel  cantica  turpia 
et  luxuriosa  vel  u  t  ^  s  a  - 
g  i  1 1  a  *  diabolica  f  u  g  i  t  e  ^ 
iiec  ad  ipsas  ecclesias  nee  in 
domibus  vestris  -  uec  in 
plateis  nee  in  ullo  alio  loco 
facire  non-  presuma  t  i  s  "^^ 
quia  hoc  de  paganorum  eon- 
suetudine  remansit. 


Ps.  -  Theodorus. 
tiones  sa  n  c  t  as  ^  libenter 
convenit^  audi  r  e  2,  s  i  - 
c  u  t  ^  dominus  per  Moysen 
d  i  c  it  ^  :  'Audi ,  Israel ,  et 
tace'  ^.  Et  apostolus 
dicit:  'Mulieres  in 
aecclesia  taceant'*'. 
(§  9.)  I  o  c  ationes  ^  et 
saltationes  e  t  ^"^  c  i  r  c  u  m  ^^ 
vel  cantica  turpia  et  luxu- 
riosa vel  ^  1  u  s  a  ^  diabolica 
nee  ad  ipsas  aecclesias  nee 
in  domibus  nee  in  plateis 
nee  in  ullo  loco  alio  facere 
praesuma  n  t  ^,  quia  hoc  de 
paganorum  consuetudine  re- 
mansit. 


Wie  die  gemeinsame  Vorlage  etwa  gelautet  hat, 
ergibt  sich  aus  dem  in  den  Noten  Gesagten.  Sicher 
ist,  1.  dass  Benedictus  die  Fassung  weder  Pirmins^"^  noch 
Theodors^-,  2.  dass  Theodor  die  Fassung  weder  Pirmins  ^^ 
noch  Benedikts  ^-^  (d.  h.  des  Conc.  Burgund.?  s.  unten),  und 
3.  dass  Pirrain,  was  sich  schon  aus  der  Chronologie  der 
drei  Quellen,  aber  auch  aus  den  Textverhältnissen  ergibt, 
die  Fassung  weder  Theodors  ^-  noch  Benedikts  ^^  benutzt  hat. 
Also  müssen  alle  drei  Texte  auf  eine  ältere  Vorlage 
zurückgehen.  Insbesondere  interessiert  die  Feststellung, 
dass  P  i  r  m  i  n  s  Text,    der   älteste   von    den    dreien,    nicht 


1)  'sanctas'  (so  auch  Ben.)  ist  vielleicht  ursprünglicher.        2)  Welche 
Fassung  die  echte  ist,  lässt  sich  hier  nicht  entscheiden.  3)  'sicut'  hat 

auch  Ben.  4)  Ben. :  'dixit'.  5)  Deut.  27,  9  nach  vorhieronj-mianischer 
Uebersetzung.  6)    1.  Cor.  14,  34.     Dieses   zweite    ßibelzitat   ist   wohl 

Zusatz  Ps.- Theodors.  7)  'ßallationes'  sicher  original;  Ps.- Theodor  hat 
entweder  die  'ballationes'  der  Vorlage  nicht  verstanden  oder  die  ver- 
meintliche Tautologie  'ballationes  et  saltationes'  vermeiden  wollen. 
8)  'vel  lusa  illa'  lautete  die  Urfassung  (vgl.  Pirmin.  c.  22,  Caspari  a.  a.  0. 
S.  176  Z.  4:  'et  lusa  diabolica').  Daraus  machte  Benedikt:  'et  illa  lusa', 
Ps.- Theodor:  'vel  lusa'  und  Pirmin  (der  vielleicht  in  seiner  Vorlage 
fehlerhaft  las  'vel  usa  itta') :    'velut  sagitta'.  9)  Von  Pirmin   in  Kon- 

sequenz der  soeben  X.  8  besprochenen  Aenderung  interpoliert;  nicht  bei 
Ps.-Theod.  und  Ben.  10)  Von  Ps.- Theodor  zugesetzt.  11)    'velut 

sagitta   .  .   .   fugite' ;    vielleicht   auch    'recitetur'.  12)    'locationes' ;    'et 

circum'.         13)   Z.  B.  Streichung  von  'nee  ad  ipsas  ecclesias'. 


154  Emil  Seckel. 

durchweg  die  ursprünglichste  Fassung  aufweist  (S.  153,  N.  11); 
also  ist  in  den  Stücken  bei  Benedikt  nicht  Pirmin,  sondern 
Pirmins  Vorlage  benutzt  (vgl.  oben  S.  118f.  142£.  146 f.). 

Nunmehr  kann  zur  Einzelerörterung  übergegangen 
werden. 

2,  195a:  aus  dem  Conc.  Burgund.?  (vgl.  unten  S.  155). 
Rubrik  vermutlich  von  Benedikt  mit  Hülfe  des  Textes  ge- 
bildet^. Die  Vorquelle  des  Conc.  Burgund.  (eventuell^  die 
Quelle  Benedikts)  ist  für  2,  195a  ermittelt  in  der  gemein- 
samen Vorlage  Pirmins  und  Ps.- Theodors;  sie  ist  im  Conc. 
Burgund.  (bzw.  bei  Ben.)  stark  überarbeitet.  Textverhältnisse 
(üebereinstimmendes  gesperrt) : 


Die  Vorlage  (oben  S.  152  f.). 
(Et)  quando  ^  ad  eccle- 
siam  (venerint),  oblationes  ^ 
pro  s  e  met  ipsis  e  t  pro 
parentibus  ac  p  r  o  x  i  m  i  s 
offerre  debent.  Et  ( u  t ) 
n  ull(i)  i  n  ipsa  e  c  c  1  e  s  ia 
vel  ubi  1  e  c  t  i  o  divina  r  e  - 
citata  fuerit,  verbo- 
sare^  praesuma(n)t, 
sed  lectiones  sanc- 
t  as  lib  e  u  t  er  (convenit) 
a  u  d  i  (re) ,    ( s  i  c  u  t )    d  omi- 


Benedikt. 
Ammoneant  presbiteri 
plebem,  ut  in  ecclesiis 
verbosare^  nonprae- 
sumant,  sed  cum  fletu 
et  compunctione  cordis*^  Dei 
implorent  auxilium  tam  pro 
s  e  quam  et  p  r  o  x  i  m  i  s 
suis.  Et  quando  ^  presbiter 
caelebrat  missam,  corda  illo- 
rum  semper  ad  coelestia  ad- 
tendant.  Et  quando  ^  lec- 
tiones      sanctae       vel 


1)  Textfremd  ist  allerdings  das  Wort  'contentionibus'.  2)  D.  h. 
wenn  man  die  Burgundische  Synode  (S.  155)  ablehnt.  3)  Zu  'Et  quando' 
(einmal  in  der  Vorlage  [Ps.-Theod.],  zweimal  in  Benedikts  Text)  vgl.  unten 
2,  196.  197.     In  der  Burgundischen  Synode  findet    es    sich    (sonst)    nicht. 

4)  Auf  die  Oblationen  kommt  Benedikt  in  2,  195b  zu  sprechen;  s.  unten. 

5)  Das  seltene  Wort  'verbosari  (-re)'  findet  sich  mehrfach  bei  P  s.  - 
Augustinus,  nämlich  Sermo  106  §  3,  ed.  Mai,  Nova  patrum  biljlio- 
theca  I,  223  Mitte:  'Nolite  in  ecclesia  otiosis  vos  fabulis  occupare,  nolite 
invicem  verbosari ;  sunt  enim  plurimi  .  .  .,  qui  ita  in  ecclesia  .  .  .  verbo- 
santur,  ut  lectiones  divinas  nee  ipsi  audiant'  etc. ;  Sermo  265  §  3  (Migne 
XXXIX,  2238):  'In  ecclesia  stantes  nolite  verbosari,  sed  lectiones  divinas 
patienter  audite ;  qui  enim  in  ecclesia  verbosari  voluerit'  etc. ;  Sermo  280 
§  4  (Migne  1.  c.  col,  2275);  Sermo  '283  c.  1  (Migne  1.  c.  col.  2281)  = 
Caesarius  Arel.,    Homilia  33   (Max.  bibl.  vet.  patrum,    Lugd.  1677,  VIII, 

852  E):  'Qui  enim  ad  ecclesiam  veniens   verbosari   voluerit' 'se 

verbosando  studuit  vulnerare'.  Auch  in  dem  falschen  Christusbrief  (8.? 
9.?  Jh.;  ed.  Baluze,  Capit.  II,  1398  oben)  kehrt  das  Wort  wieder:  'ut 
in  ecclesias  meas  nullus  sit  .  .  .  qui  praesumat  fabulare  aut  verbosare'.  — 
Zur  Sache  vgl,  noch  Ps.  -  Augustinus,  Sermo  168  §  3  (Migne  1.  c.  col.  2071): 
'contempta   verbositate   lectiones    divinas    attentius    aure  percipiant'. 

6)  Zu  'cum  compunctione  cordis'  vgl.  unten  2,  197. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


155 


n  u  s 

cit): 
t  a  c  e 


per    Moysen    (di- 
'Audi,  Israel,  et 


rührt    aber    die    Ueber- 
rühren  Satz  2  ^  und  die 
und    (weniger   einschnei- 
dürfen wir  in  Benedikt 


Die  Vorlaare.  Benedikt. 

euangelia  recitata  fue- 
r  i  nt,  cum  sil  e  n  t  io  ^  et  de- 
vota  mente  -  pariter  a  u  d  i  - 
ant,  sicut  Dens  dixit 
per  Moysen:  'Audi, 
Israel,    et  tace'. 

Dass  die  rekonstruierte  Vorlage  auf  Satz  1  und  3  des 
bei  Benedikt  vorliegenden  Textes  Einfluss  gewonnen  hat, 
liegt  auf  der  Hand.  Von  wem 
arbeitung  der  Vorlage,  von  wem 
unabhängigen  Partien  in  Satz  1 
dend)  in  Satz  3  her?  Schwerlich 
selbst  ihren  Urheber  sehen.  Dann  aber  empfiehlt  sich 
wieder  die  natürlich  nicht  streng  erweisliche  Hypothese, 
dass  unser  Stück  (2,  195a)  nichts  anderes  ist  als  ein  Kanon 
der  Burgundischen  Synode.  Zu  Gunsten  dieser  Hypothese 
lassen  sich  zwei  Gründe  ins  Feld  führen,  die  'Presbyter '- 
Terminologie^  der  Ueberarbeitung  und  die  Tatsache,  dass 
Pirmins  Vorlage  nur  auf  solche  Kapitel  bei  Benedikt  ein- 
gewirkt hat,  die  entweder  zweifellos  mit  dem  Conc.  Bur- 
gund.  zusammenhängen  (2,  189a.  b)  oder  wenigstens  aus 
annehmbaren  Gründen  diesem  Konzil  zugeschrieben  werden 
können  (2,  192). 

2,  195  b  (Schlusssatz  'Et  oblationes'):  aus  derselben 
unmittelbaren  Quelle?  Als  Vorquelle  scheinen  die  Dicta 
Pirminii  c.  25  fin.-^  oder  vielmehr  deren  Vorlage  betrachtet 
werden  zu  dürfen.     Textverhältnisse: 


Pirmin. 
.    .    .  Ideo   admoneo    vos, 
ut  quicumque  christianus  .  .  . 
oblation  em  suam  ad   sa- 


ßen. 

Et  oblation  es  of 
ferant  et  communi 
c  a  r  e  f  a  c  i  an  t. 


1)    Vielleicht   las    der   Urheber  unseres   Textes    in    seiner  Vorlage 
nicht  'libenter',    sondern  'silenter'.  2)    Zu   'devota   mente'   vgl.    unten 

2,    197.  3)    Falls    sich    für   ihn   nicht   noch    ein,    etwa    auf   Caesarius 

fussendes,  Vorbild  finden  sollte.  Es  kann  sehr  wohl  sein,  dass  das  'corda 
i  1 1  o  r  u  m'  Umschrift  der  zweiten  ('corda  vestra')  in  die  dritte  Person  ist. 
Einer  solchen  Umschrift  sind  wir  bereits  in  2,  192a  ('peccata  illorum' ; 
Vorlage:  'p.  vestra')  begegnet.  'Peccata,  corda  illorum'  statt  'sua'  ist 
auffällig,  und  es  verdient  vielleicht  Beachtung,  dass  im  Gegensatz  zur 
Burgundischen  die  'Sacerdos'- Synode  nicht  'illorum',  sondern  'eorum'  zu 
schreiben  pflegt  (2,  176  'corpora  et  corda  eorum';  zweimal  'eorum  sacer- 
doti';  2,  188  'eorum  infantes';  2,205  b  'eorum  oblationibus' ;  freilich  auch 
2,  248  'sacerd.  illorum').  4)  In  Satz  1  und  2,  je  am  Anfang.  5)  Ed. 
Caspari  a.  a.  ü.  S.  179  Z.  14—18. 


156  Emil  Seckel. 

Pirmin.  |  Ben. 

cerdotem  (!)      o  f  f  e  r  at      et! 
corpus  et  sanguinem  Christi 
c  o  m  m  u  n  i  c  a  r  e    f  a  c  i  at.  | 

Scbliesslicli  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  die  in  2,  195 
berührten  Themata  schon  in  anderen  Stücken  der  laufenden 
Unterreihe  behandelt  sind,  und  zwar  das  Schweigen  in  der 
Kirche  und  das  Anhören  von  Gottes  Wort  oben  2,  176 
Satz  1  (vgl.  auch  unten  2,  240),  Opfer  und  Kommunion 
oben  2,  170  (vgl.  auch  unten  2,  205  b). 

2,  19G:  aus  dem  Conc.  Burgund.?  Rubrik  anscheinend 
von  Benedikt  ^  (darin  Priester  als  'presbiteri '  bezeichnet). 
Die  Vorquelle  des  Conc.  Burgund.  (eventuell  die  Quelle 
Benedikts)  ist  für  2,  196  wiederum  ermittelt  in  der  ge- 
meinsamen Vorlage  Pirmins  und  Ps.-Theodors;  auch  in 
2,  196  erscheint  sie  in  überarbeiteter  Gestalt.  Textverhält- 
nisse (XJebereinstimmendes  gesperrt): 

Benedikt. 
Q  u  a  n  d  o  ^  populus  a  d 
e  c  c  1  e  s  i  as  v  e  n  e  r  it  tam 
per  dies  dominicos  quam  et 
per  solemnitates  ^  sancto- 
rum  ^,  aliud  non  ibi  agat, 
nisi  quod  ad  Dei  pertinet 
servitium.  Illas  vero  b  a  1  a  - 
Ballationes^etsal-    tiones^    et     saltatio- 


Die  Vorlage  (oben  S.  152  f.). 
(Et)   quando^  ad   ec- 
c  1  e  s  iani    v  e  n  e  r  int    (con- 
venitis) 


1)  Das  "Wort  'inhonesta'  ist  dem  Texte  des  Kapitels  fremd.  Viel- 
leicht hat  Benedikt  sich  aus  einem  Glossar  (siehe  Thesaurus  linguae 
Latinae  s.  v.  'ballematia')  über  die  Bedeutung  des  Textwortes  'balationes' 
orientiert,  in  dem  Glossar  (1.  c.)  gelesen:  'ball,  sunt  inhonestae  can- 
tationes'  und  aus  dieser  Definition  das  textfremde  Wort  in  seine  Rubrik 
übernommen.  2)  Vgl.  N.  3   zu  2,  195a.         3)  Zu  'solemnitates  sanc- 

torum'  vgl.  Caesarius  Arel.,  Suggestio,  angeführt  unten  N.  4;  Ps.- Augu- 
stinus, Sermo  280  c.  1  in.  (Migne  XXXIX,  2274:  'in  solemnitatibus 
sanctorum  et  maxime  in  dominicis  diebus') ;  Conc.  Tolet.  III.  c.  23,  an- 
geführt unten  N.  4.  4)  Zu  den  'ballationes'  (Reigen,  Tänze)  in  oder 
vor  den  Kirchen,  die  in  obigem  Kapitel  dem  an  Sonn-  und  Festtagen 
zusammengeströmten  Volke  als  heidnische  Unsitte  verboten  werden,  ist 
wiederum  (s.  S.  154,  N.  5)  in  erster  Linie  Ps  endo -Augustinus  (d.  h. 
Caesarius  von  Arles)  zu  vergleichen:  Ps.-Aug.,  Sermo  265  §4  (Migne 
XXXIX,  2239) :  'qui  balationes  et  saltationes  ante  ipsas  basilicas  sanctorum 
exercere  nee  metuunt  nee  erubescunt'  .  .  .  'ista  consuetudo  balandi  de 
paganorum  observatione  remansit' ;  Sermo  2G6  §  3  (Migne  1.  c.  col.  2241) : 
'balare  diabolico  more,  saltare,  verba  turpia  et  amatoria  vel  luxuriosa 
cantare';  Ps.-Aug.  ed.  Mai,  Nova  patrum  bibl.  I  (1852),  Sermo  106  §  2 
(p.  222) :  'ballando,  verba  turpia  decantando,  choros  ducendo  et  diabolico 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  157 


Die  Vorlage, 
tationes^  vel    c  a  n  t  i  c  a 
turpia-  et  luxuriosa^ 


Ben. 
nes^    cantica  que    tur- 
pia^   ac    luxuriosa^   et 


more  saltando' ;  Caesarius  Arelatensis,  Suggestio  (ed.  Malnory,  Bibliotheque 
de  Tecole  des  hautes  etudes,  Sciences  philologiques  et  historiques,  103*^ 
fascicule,  Paris  1894,  p.  300) :  'nee  in  sanctorum  solemnitatibus  (oben 
N.  3)  .  .  .  ullus  .  .  .  sacrilego  more  cantica  turpia  proferre  vel  ballare 
vel  diabolico  more  saltare  praesumat' ;  Dicta  abbatis  Pirminii  c.  22  (ed. 
Caspari  a.  a.  O.  S.  176  oben)  :  'NuUus  christianus  neque  ad  ecclesiam 
n  e  q  u  e  in  d  o  m  i  b  u  s  neque  in  trivios  nee  in  nullo  loco  balla- 
tiones,  cantationis,  saltationis,  iocus  et  lusa  diabolica  (oben 
S.  153,  N.  8)  facire  non  presumat'.  — Von  sonstigen  Sachparallelen  aus 
späterer  Zeit  mögen  erwähnt  werden :  Conc.  Tolet.  III.  589  c.  23  rubr. 
(Migne  LXXXIV,  356)  'Ut  in  sanctorum  natalitiis  ballematiae  pro- 
hibeantur' ;  dazu  das  Edictum  regis  c.  23  (1.  c.  col.  358)  'Quod  ballematiae 
et  turpes  cantici  prohibendi  sunt  a  sanctorum  solemnibus';  Eligius,  Homilia 
(s.  unten  S.  158  N.  1);  Conc.  Roman.  826  c.  35  (MG.  Conc.  II,  581; 
offenbar  beeinfiusst  von  Ps. -August,  ed.  Mai  1.  c.) :  'festis  ac  sacris  diebus  atque 
sanctorum  nataliciis  (vgl.  Conc.  Tolet.  cit.)  .  .  .  ballando,  verba  turpia 
decantando  .  .  .  similitudinem  paganorum  peragendo  advenire  procurant' ; 
Poen.  Hubert,  c.  42  (Wass.  S.  883)  =  Poen.  Merseburg,  b  c.  32  (Wass. 
S.  432):  'Si  quis  ballationes  ante  ecclesias  sanctorum  (vgl.  Ps.-Aug.  Sermo 
265  cit.)  fecerit';  ludicium  Clem.  c.  20  (Wass.  S.  435):  'Si  quis  in  qua- 
cumque  festivitate  ad  ecclesiam  veniens  pallat  foris  aut  saltat  aut  cantet 
orationes  (cantationes)  amatorias,  .  .  .  excommunicetur'.  1)  Vgl.  unten 
2,  205b.  Weitere  Parallelen  vgl.  in  der  vorhergehenden  Note;  dazu: 
Conc.  Afric,  c.  27  Dion.  -  Hadr.  (ed.  1609  p.  227) :  'quibus  diebus  (seil, 
'in  natalibus  beatissimorum  martyrum')  etiam,  quod  pudoris  est  dicere, 
saltationes  sceleratissimas  per  vicos  atque  plateas  exerceant' ;  Conc.  Tolet. 
III.  c.  23  cit.  (N.  4)  Text:  'irreligiosa  consuetudo,  quam  vulgus  per  sanc- 
torum solemnitates  agere  consuevit,  ut  populi  .  .  .  saltationibus  et  turpibus 
invigilent  canticis'.  —  Ueber  Tänze  bei  der  Totenfeier  s.  unten  Note  1 
zu   2,  197.  2)    'cantica  turpia'  finden  sich  wörtlich  oder   fast  wörtlich 

bei  Caesarius  Arelat.,  Suggest.  p.  300  cit.  (N.  4) ;  Ps.  -  Augustinus,  Sermo 
277  §  4  i.  f.  (Migne  XXXIX,  2268)  'cantica  turpia  et  luxuriosa' ;  in  Conc. 
Tolet.  III.  c.  2'3  cit.  (N.  1)  nebst  Edictum  regis  cit.  (N.  4) ;  Conc.  Cabilon. 
639 — 654  c.  19  (MG.  Conc.  I,  212) :  'ne  per  dedicationes  basilicarum  aut 
festivitates  martyrum  ad  ipsa  solemnia  confluentes  obscoena  et  turpia 
cantica  .  .  .  decantare  videantur' ;  Conc.  Mog.  813  c.  48  (MG.  Conc.  II, 
272) :  'Canticum  turpe  atque  luxuriosum  circa  eclesias  agere  omnino  con- 
tradicimus' ;  unten  2,  225  nebst  Quellenangaben  zum  ganzen  Kapitel  und 
Augustinzitat  in  N.  2 ;  —  ähnliche  Wendungen:  'verba  turpia  .  .  . 
cantare'  in  Ps.-Aug.,  Sermo  266  §  3  (oben  N.  4);  'verba  turpia  decan- 
tando' in  Ps.  Aug.  ed.  Mai  und  in  Conc.  Rom.  826  c.  35  cit.  (N.  4) ;  — 
vgl.  schliesslich  'cantationes'  in  Ben.  2,  205  b;  'Non  licet  in  ecclesia  .  .  . 
puellarum  cantica  exercere'  in  Conc.  Autissiod.  573 — 603  c.  9  (MG.  Conc. 
I,  180);  'Cantus  ...  in  atrio  ecclesie  fieri  j^rohibete'  in  Homilia  Leonis  IV. 
(ed.  Sdi-alek,  Wolfenb.  Fragm.  S.  182);  'cantica  gentilium'  in  Homilia  Eligii 
(unten  S.  158  N.  1) ;  'cantationes  sacrilegae'  in  dem  Bonifatiusbrief  (unten 
S.  158  N.  3).  3)  'cantica  luxuriosa' :  =  Conc.  Mog.  813  c.  48  cit.  (N.  2) ; 
Ps. -August.,  Sermo  168  §  3  (unten  N.  2  zu  2,  225)  und  Sermo  277 
c.  4  (oben  N.  2);  —  vgl.  'verba  .  .  .  amatoria  vel  luxuriosa  cantare'  in 
Ps.  Aug.,  Sermo  266  §  3  (oben  N.  4) ;  'canticum  luxuriosum  vel  amatorium' 


158  Emil  Seckel. 


Die  Vorlage, 
vel  lusa  illa  diabo- 
1  i  c  a  ^  n  ec  ad  ipsas  eccle- 
sias  ^  nee  in  domibus 
(vestris)  nee  in  plateis^ 
nee  in  ullo  loco  alio 
f  a  c  ere  praesumant  (non 
presumatis),  quia  hoc  de 
p  a  g"  a  n  o  r  n  m  c  o  n  s  u  e  - 
t  u  d  i  n  e    r  e  m  a  n  s  it  '^. 


Ben. 
illa  lusa  diabolica^ 
n  on  f  a  c  iat  nee  in  pla- 
teis^nec  in  domibus 
n  e  que  in  ullo  ioeo, 
quia  haec  de  paga- 
n  o  r  u  m  c  o  n  s  u  e  t  u  d  i  n  e 
r  e  m  a  n  s  erunt  *.  Et  qui 
ipsa  fecerit,  canonicam  sen- 
teutiam  accipiat  ^. 


Was  zum  vorangebenden  Kapitel  2,  195  a  bemerkt 
worden  ist,  gilt  mutatis  mutandis  auch  für  2,  196;  nur  dass 
im  Texte  ^  von  2,  196  der  Priester,  also  auch  das  Wort 
'presbiter'  nicht  begegnet. 

Die  Verbote,  an  Sonn-  und  Festtagen  in  (bei)  der 
Kirche  oder  sonstwo  Reigen  und  Tänze  aufzuführen,  un- 
anständige und  unzüchtige  Lieder  zu  singen  und  teuflische 
Spiele  (d.  h.  Mummenschanz?^)  aufzuführen,  kehren  in 
unsrer  Reihe  wenigstens  zum  Teil  in  ähnlicher  Weise 
wieder,  vgl.  2,  225  ('obscoenis  t  u  r  p  ibusque  c  a  n  t  i  c  is'). 
205  b  ('ne  in  illo  sancto  die  [Sonntag]  vanis  fabulis  .  .  . 
sive  c  a  n  t  ationibus  vel  saltation  ibus  stando  i  n  biviis 


im  Sermo  277  cit.  c.  4  i.  f.  (oben  N.  2) ;  'obscoeua  cantica' :  Conc.  Cabilon. 
639—654  c.  19  cit.  (oben  N.  2);  unten  2,  225  nebst  Quellenangaben;  — 
'inlecebrosum  canticum' :  Conc.  Rispac.  800  c.  84  (N.  18  zu  Ben.  2,  205b); 
'cantare  orationes  (cantationes)  amatorias' :  lud.  Clem.  c.  20  cit.  (S.  156  f. 
N.  4  a.  E.).  1)  Vgl.  'lusus  saecularis'  in  Stat.  Itispac.  800  c.  34  (unten 
2,  205b  N.  1.3);  Eligius,  Bischof  von  Noyon  (gest.  659),  Homilia  (Migne 
LXXXVII,  529  B ;  Echtheit  weder  bewiesen  noch  widerlegt) :  'L  u  d  o  s  etiam 
diabolicos  et  vallationes  (=  ballationes)  vel  cantica  gentilium  fieri 
vetate'.  2)  Vgl.    in  Benedikts  Rezension    die  Worte :    'aliud    non   i  b  i 

agat',  seil,  'in  ecciesiis'  (so  die  Rubrik  bei  Ben.).  3)  Vgl.  unten  2,  205  b 
nebst  N.  6 ;  Conc.  Afric.  c.  27  Dion.  -  Hadr.  cit.  (oben  S.  157  N.  1) ;  Boni- 
fatius,  Epist.  ad  Zachariam  742  (MGr.  Epist.  III,  301  lin.  11  ff.):  zu  Xeujahr 
in  Rom  bei  St.  Peter  'paganorum  consuetudine  choros  ducere  per  pla- 
teas  et  .  .  .  ritu  gentilium  .  .  .  cantationes  sacrilegas  celebrare'.  4)  Vgl. 
oben  N.  3  und  S.  156,  N.  4  Anf. ;  unten  2,  197.  215  a;  ferner  Epistola 
canonica  c.  5  (Baluze,  Capit.  II,  1374) :  'propter  paganorum  consuetudinem'. 
5)  Mit  dem  Schlusssatze  vgl.  unten  2,  197.  198  je  am  Ende.  Die  Fassung 
ist  natürlich  nicht  originell ;  vgl.  zu  'canonicam  sententiam  accipere'  z.  B. 
Conc.  Vernense  755  c.  6  (MG.  Capit.  I,  34  lin.  11) ;  ähnlich  'canonicae 
sententiae  subiacere'  z.  B.  in  der  Epistola  canonica  cit.  c.  4  i.  f.,  c.  6  i.  f. 
Vgl.  auch  Stat.  Bonif.  c.  33  (Conc.  B  u  r  g  u  n  d.) :  'sciat  se  canonum 
subiacere  vindictis'.  6)  Ueber  die  Rubrik  vgl.  oben  S.  156.  7)  Vgl. 
Poen.  Hubert,  c.  42  cit.  (AVass.  S.  383)  =  Poen.  Merseburg,  b  c.  32  cit. 
(Wass.  S.  432),  wo  im  Zusammenhang  mit  dem  Reigen  vor  der  Kirche 
von  'faciem  suam  transformare'  gesprochen  wird. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  159 

et  p  1  a  t  e  i  s  ,  ut  solet,  inserviant').  240  ('quocl  in  basilicis 
Deo  dicatis  non  sit  fabulis  otiosis  t  u  r  pibusque  et  obscoe- 
nis  sermociaationibus  vacandum'). 

2,  197.  Das  Verbot  richtet  sich  g'eg'en  heidnische 
Gebräuche  vor,  bei  und  nach  der  Bestattung;  es  sollen 
unterbleiben  bei  der  Leiche  ('ad  mortuos')  'ea,  quae  de 
paganorum  ritu  remanserunt'^,  beim  Hinaustragen  zum 
Begräbnis  die  schrille  Totenklage  ('ululatus  excelsus')  -,  bei 
den  Gedächtnisfeiern  am  Grabhügel  das  Essen  und  Trinken  ^. 
An  Stelle  des  ausgelassenen  Unfugs  bei  der  Leichenwache 
soll  das  Gebet  für  die  Seele  des  Verstorbenen^,  an  Stelle 
der  Totenklage  beim  Leichenbegängnis  Gebet,  Psalmodie^ 
und  Wechselgesang  des  Kirie  eleison  treten.  —  unser 
Kaj)itel  2,  197  ist  mit  den  beiden  vorangehenden  Kapiteln 
durch  Stilverwandtschaft  verbunden :  mit  2,  195.  106  durch 
die  Konjunktion  '(Et)  quando' '"';  mit  2,  196  durch  die  Phrase 
'quae  de  paganorum  ritu  remanserunt'  (vgl.  oben  S.  158) 
und  durch  die  einen  Satz  für  sich  bildende  Sanktion  'Quod 
si  fecerint,  canonicam  sententiam  accipiant'  (vgl.  ebenda); 
mit  2,  195  durch  die  Wendungen  'devota  mente'  und  'cum 


1)  Deutlicher  reden  hier  andere  Quellen.  Das  ausführliche  Caput 
ine  er  tum  bei  Regino  1,  898  (=  Burch.  10,  34  =  Ivo  Decr.  11,  59; 
vgl.  auch  Regino  2,  5  §  55  und  Burchardi  Corrector  c.  79,  ed.  Wass. 
S.  648  =  c.  91  ed.  Schmitz  II,  429)  verbietet  bei  Leichenwachen  ('ex- 
cubiae  funeris',  von  Burchardus  Corrector  1.  c.  kommentiert  mit  den 
Worten:  '.  .  .  vigiliis  cadaverum  mortuorum,  ubi  christianorum  corpora 
ritu  paganorum  custodiebantur' ;  Anklänge  an  unsern  Text!),  Singen 
teuflischer  Lieder  ('diabolica  carmina',  'pestifera  cantiea') ,  Scherz  und 
Tanz  ('ioea  et  saltationes').  Lachen  und  Trinken  ('inebriari  et  cachinnis 
ora  dissolvi').  —  Aehnlich  sagt  die  Homilia  Leonis  IV.  (ed.  Sdralek, 
Wolfenb.  Fragm.  S.  182  =  Martene  et  Durand ,  Veterum  scriptorum 
amplissima  collectio  VII,  1733,  col.  3,  cap.  40,  von  Knust  zu  Ben.  2,  197 
als  Quelle  [!]  zitiert):  'Carmina  diabolica,  que  super  mortuos  nocturnis 
horis  vulgus  facere  solet,  et  cachinnos,  quos  exercet,  .  .  .  vetate'.  Vgl. 
auch  Hincmar,  Capitula  852  c.  14  (Migne  CXXV,  776).  2)  Vgl.  etwa 
Conc.  Toletan.  III.  c.  22  (Migne  LXXXIV,  356),  wo  beim  'deferri  ad 
sepulcra'  das  'funeljre  carmen'  untersagt  wird.  Nach  Knust  soll  Conc. 
Tolet.  cit.  Quelle  (!)  von  Ben.  2,  197  sein;  dies  hat  Homeyer,  Der 
Dreissigste  (Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  1864)  S.  102  kritiklos 
nachgeschrieben.  3)    Vgl.    etwa    Conc.    Bracar.    II.    c.    69    (Migne 

LXXXIV,  584):  Christen  sollen  nicht  'prandia  ad  defunctorum  sepulcra 
deferre'.  Vgl.  die  'dadsisa'  des  Indiculus  superstitionum  (MG.  Capit.  I, 
223),  wenn  sie  den  Totenschmaus  bedeutet.  4)  Das  Caput  incertum  bei 
Regino  verlangt  'luctus  et  planctus'  und,  wenn  einer  das  Bedürfnis  zu 
singen   hat,   den  Gesang   des  Kyrie   eleyson.  5)    So   schon   das  Conc. 

Tolet.  in.  c.  22  cit. ;  auch  Cap.  Dacheriana  c.  129  =  Theod.  Poen.  II,  5 
§  1  gebietet  das  'cum  cantatione   portare    ad   sepulturas'.  6)  Vgl. 

N.  3  zu  2,  195  a;  N.  2  zu  2,  196  in. 


160  Emil  Seckel. 

conpunctione  eordis'  (vgl.  oben  S.  154,  N.  6.  155,  N.  2)^.  Diese 
Indizien  gewähren  einige  Berechtigung,  die  Quelle  von 
2,  197  nicht  weit  von  der  Quelle  der  beiden  vorangehenden 
Kapitel  zu  suchen. 

2,  198 -.  Das  Kapitel  vereinigt  drei  Vorschriften :  das 
Gebot  an  die  Verwandten,  für  ihre  Toten  bis  zum  Dreissig- 
sten  zu  fasten  und  Opfergaben  darzubringen  ^,  das  Verbot, 
einen  Toten  über  einem  anderen  Toten  zu  bestatten  ^  und 
das  Verbot,  die  Gebeine  der  Toten  über  der  Erde  zu  lassen 
{über  die  Erde  hin  zu  zerstreuen?)^;  beide  Verbote  durch 
Straf drohung  sanktioniert.  —  Auch  2,  198  ist  mit  den  zwei 
vorangehenden  Kapiteln  (2,  196  i.  f.;  2,  197  i.  f.)  stilistisch 
verwandt  insofern,  als  nochmals  die  Sanktion  in  der  zwei- 
gliedrigen   Form    erscheint:    'Quod   si    fecerint,    canonicae 


1)  Vgl.    auch  'implorare  dei  misericordiam'    (2,  197)    mit    'dei   im- 
plorent  auxilium'  (2,  195).  2)  =  c.  2  des  angeblichen  'Capitulare  in- 

certi  auni'  um  714;  in  Studie  III  (N.  A.  XXIX,  291—308)  ist  aber  be- 
wiesen worden,  dass  dieses  Capitulare  nichts  ist  als  ein  Auszug  aus  (An- 
segisus   und)    Benedictus   Levita.  3)    Vgl.    Horaeyer,    Der   Dreissigste 

S.  99  f. ;  eine  Quelle  des  Kapitels  kennt  auch  dieser  Schriftsteller  nicht.  — 
Knust  verweist  auf  'Theodor,  c.  19",  d.  h.  Capitula  Dacheriana  c.  40  (Wass. 
S.  149;  =  Canones  Gregorii  c.  131,  Wass.  S.  175);  dass  hierin  die  von 
Benedikt  (oder  vielmehr:  von  dem  wirklichen  Urheber  des  Kapitels)  be- 
nutzte Quelle  mit  nichten  gesehen  werden  darf,  erhellt  aus  der  Gegen- 
überstellung der  Texte: 

Ben.  I  Cap.  Dach. 

Fideles    pro    defunetis    ami-  |        Pro  defuncto  monacho  missa 


corum  et  parentibus  eorum  i  e  i  u 
nia  et  oblationes  triginta  dies 
adimplere  faciaut  .  .  .  (also  Ueber- 
einstimmung  nur  in  Unwesent- 
lichem). 


agitur  in  die  sepulturae  eius,  III. 
die  et  postea ,  quantum  voluerit 
abbas;  pro  laico  bono  III.  vel  VI. 
(vielmehr :  'VII.' ;  so  d'Achery,  vgl. 
Can.  Greg.  1.  c,  Poen.  Theod.  11^  5 
§  6,  Wass.  S.  207,  N.  1)  post  ieiu- 
nium,  pro  poenitente  XXX.  die  vel 
VII.  —  et  propinquis  eius  oportet 
ieiunare  V  (VII?;  so  Can.  Greg, 
und  Poen.  Theod.  1.  c.)  dies  et  o  b  - 
1  a  t  i  0  n  em  offerre  ad  altare  ...  — 
postea,  quantum  voluerit  presbyter. 
4)  Dieses  Verbot :  '.  .  .  et  mortuum  super  mortuum  non  ponant'  hat  der 
Urheber  des  Kapitels  entlehnt  aus  Conc.  Autissiodor.  573  —  603 
c.  15  (MG.  Conc.  I,  181).  Xach  Knusts  Ansicht  (dem  die  wahre  Vor- 
quelle unbekannt  blieb)  soll  der  Satz  entnommen  sein  aus  den  sog. 
Statuta  Bonifatii  c.  19 ;  dass  man  aber  in  den  sog.  Statuta  (d.  h.  einer 
Kanonensammlung  des  9.  Jh.)  schwerlich  die  Zwischenquelle  des  an- 
geführten Satzes  sehen  darf,  ist  in  Studie  IV  (IST.  A.  XXIX),  312,  N.  6 
(vgl.  S.  296.  SUl.  303.  313.  323  f.)  gezeigt  worden.  5)  Vgl.  etwa  Conc. 
Meld.  c.  72  (MG.  Capit.  II,  415  1.  24) :  '.  .  .  nee  quisquam  (praesumat) 
ossa  cuiuslibet  mortui  de  sepulcro  suo  eicere'. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  161 

sententiae  subiaceant'.  Die  Stilverwandtschaft  darf  wohl 
mit  der  nötigen  Zurückhaltung  zu  Gunsten  der  Quellen- 
verwandtschaft geltend  gemacht  werden. 


2,  199:  Quelle  unbekannt.  Priester  als  'sacerdos'  be- 
zeichnet. Wegen  des  Anfanges  'Placuit  ut  fideles'  vgl.  oben 
S.  120  f.  123.  Ohne  sich  im  Wortlaut  an  eine  bekannte 
Vorlage  anzulehnen^,,  wiederholt  die  Vorschrift  den  seit 
der  Mitte  des  5.  Jh.  häufig  -  aufgestellten  Satz  des  kano- 
nischen Rechts,  dass  den  Gläubigen  die  Aufnahme  Exkom- 
munizierter vor  übernommener  Busse  verboten  ist.  Eine 
Strafdrohung  wird  nicht  beigefügt.  Interessanter  Weise 
erscheint  in  unserem  Kapitel  ausser  dem  Bischof  auch  der 
Priester  als  Träger  einer  selbständigen  Exkommunikations- 
gewalt ^;  unser  Kapitel  tritt  zu  den  wenigen  Normen  karo- 
lingischer  Zeit  hinzu,  die  sich  bisher,  und  zwar  erst  aus 
der  Zeit  nach  Benedikt,  für  die  Strafgewalt  des  Priesters 
auftreiben  Hessen^,  Merkwürdig,  dass  der  sonst  nicht 
gerade  für  die  Selbständigkeit  der  Priester  schwärmende 
Ej)iskopalist  Benedikt  die  Vorlage  ohne  den  üblichen  ^  Ein- 
griff ('episcopus  aut  eins  iussu  sacerdos')  hat  passieren 
lassen. 

2,    200  —  202    aus    der    Burgundischen    Synode 

nach  8  0  0  '^ 
2,  200':  aus  dem  Conc.  Burgund.,  Schwesterüberliefe- 
rung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii,  principium  und  c.  1 
(ed.  d  'Achery,  Spicil.,  1669,  IX,  63).  Rubrik  von  Benedikt. 
Im  Texte  4  Abweichungen  von  den  Statuta,  3  bedeutungs- 
lose Cquoque'  hinter  'Compellimur'  gestrichen ;  'et  in  hoc' 
statt  'in  hoc' ;  'servare'  statt  'observare')  und  eine  charak- 
teristische :  'sine  consensu  s  u  i  episcopi'  statt  'sine  cons. 
ejjisc.  ;  das  'sui'  dürfte  von  Benedikt  interpoliert  sein. 


1)  Dies  gilt  auch  von  Conc.  Lugdun.  II.  567  aut  570  c.  4  (MG. 
Conc.  I,  140),  worauf  Knust  als  auf  die  Quelle  (!)  des  Kapitels  verweist. 
2)  Vgl.  z.  B.  Hinsohius,  Kirchenrecht  IV,  704,  X.  8;  IV,  801;  V,  1, 
S.  3  ff. ;  MGr.  Conc.  I,  p.  242  s.  v.  'excommunicatio'.  3)  '.  .  .  eos,  quos 
episcopus  aut  sacerdos  propter  eorum  peccata  excommunicaverit'.  Vgl. 
unten  2,  248.  3,  180.  4)  Vgl.    Hinschius   a.  a.  0.  V,  1,    S.  291  f. ;    er 

zitiert  lediglich  die  Allocutio  missi  cuiusdam  857  c.  8  (MG.  Capit.  II,  292) 
und  die  Capitula  Pistensia  869  c.  10  in.  (1.  c.  p.  335).  Doch  ist  über- 
sehen Theodulfi  Aurel.  Capitulare  alterum  c.  9  (Migne  CV,  210  D). 
5)  Man  erinnere  sich  der  Interpolationen  in  Ben.  1,  125.  (127).  134. 
(136);   vgl.    ferner   unten   2,    206.  6)  Vgl.    oben   S.  119  f.         7)  Vgl. 

Studie  IV  (N.  A.  XXIX),  311  (N.  2).  313.  315  ff. 

Xeues  Archiv  etc.  XXXV.  H 


162  Emil  Seckel. 

2,  201^:  aus  dem  Conc.  Burgund.,  Scbwesterüberliefe- 
rung  in  den  sog.  Statuta  Bonif.  c.  2  (ed.  cit.  p.  63).  Rubrik 
von  Benedikt.  Im  Texte  scheint  Benedikt  ^  die  Worte  'ab 
episeopo'  (fehlen  in  den  Stat.),  der  Sammler  der  Stat.  die 
Worte  'pro  contemptu  ecclesiae'  (fehlen  bei  Ben.)  vor 
'agere'  interpoliert  zu  haben.  —  Parallelvorschriften  sind 
zu  1,  178  (Studie  VI,  87  f.)  angegeben^;  am  nächsten  steht 
Benedikt  das  13.  Kapitel  der  Capitula  XVII  presbyterorum 
(9.  Jh.)^: 

Ben.  I  Cap.  XVII. 

Ut  nuUns  presbiter  sacra  j  üt  nuUus  presbyter  nisi 
misteria  nisi  in  locis  ab  in  ecclesia  ab  episeopo  con- 
episcopo  consecratis  agere  secrata  ullomodo  missam 
praesumat.  presumat  caelebrare. 

Aus  Benedikt  selbst  sind  noch  die  Kapitel  2,  208a  a  (der 
laufenden  Reihe  angehörig,  s.  unten  S.  169  f.)  und  3,  396 
als  Parallelen  zu  notieren. 

2,  202^:  aus  dem  Conc.  Burgund.,  Schwesterüberliefe- 
rung in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  3  (ed.  cit.  p.  63). 
Rubi'ik  von  Benedikt.  Im  Texte  stimmen  beide  Ableitungen, 
Ben.  und  Stat.,  buchstäblich  überein*'. 


2,  203  ist  gebildet  aus  zwei  Rubriken  der  Dionysio- 
Hadriana,  und  zwar  zu  den  Oanones  apostolorum.  Die 
naheliegende  Frage,  ob  als  Bildner  des  Kapitels  Benedikt 
selbst  oder  schon  ein  Vorläufer  zu  betrachten  ist,  wurde 
oben  zu  2,  183  erwogen.  Rubrik  zu  den  Rubriken  von 
Benedikt?  2,  203a  (bis  'debeat')  =  Can.  apost.  c.  42  rubr. 
Dion.-Hadr.  (ed.  1609  Bl.  XVI);  1  Variante  ('ebrius'  statt 
'ebriosus').     2,  203b  =  Can.  apost.  c.  43  riibr.  Dion.-Hadr. 


1)    Vgl.    Studie   IV   a.    a.    0.    S.  311,   N.  3.  2)    Die   Tendenz 

richtet  sich  wohl  gegen   die  Chorbischöfe.  3)    Beizufügen :    Karoli  M. 

Capitulare  primum  769  c  14  (MG.  Capit.  I,  46);  Theodulfus  Aurel., 
Capitulare  primum  c.  11  (Migne  CV,  195).  Vgl.  auch  Studie  VI,  111, 
N.  1.  4)  Ed.  Krause,  N.  A.  XIX,  118;  vgl.  Wasserschieben,  Beiträge 
(1839)   S.  44   oben.  5)  Vgl.   Studie  IV  a.  a.  O.    S.  311.    816    (N.  8). 

6)  Dagegen  schaltet  Burch.  3,  17  (Jaffe  870)  hinter  'ab  episeopo'  die 
Worte  ein :  'loci  vel  eins  permissu'.  Ferner  fügt  er  am  Schlüsse  hinzu : 
'Nee  dedicationem  fingat,  nisi  sit ;  quod  si  fecerit,  si  clericus  est,  degra- 
detur,  si  laicus,  anathematizetur'.  Wer  die  Zugabe  für  echt  hält,  müsste 
Benutzung  der  Burgundischen  Synode  durch  Burchard  annehmen ;  wer  die 
Zugabe  für  eine  Erfindung  Burchards  zu  halten  geneigt  ist,  wird  in 
Burch.  3,  17  in.  nichts  sehen  als  eine  Kopie  aus  Benedikt  (s.  Studie  IV 
a.  a.  O.  S.  818) ;  Burch.  3,  17  fin.  wäre  dann  zum  Teil  kopiert  aus  Conc, 
Chalcedon.  c.  27  fin.  (Dion.-Hadr.  ed.  1609  p.  132). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  168 

(1.  c);  ohne  Variante.  —  Dem  Terminus  'presbiter'  in  2,  203a 
kommt  kaum  quellenkritiscbe  Bedeutung  zu,  da  er  einfach 
der  Vorlage  nachgeschrieben  ist. 


2,  204:  Quelle  unbekannt.  Terminologie  in  Beziehung 
auf  den  Priester  farblos  ('nuUus  .  .  .  clericorum').  Paral- 
lelen z.  B.i  Conc.  Carthag.  I.  c.  13-;  Leo  I.  epist.  ad  uni- 
versos  episc.  (Jaffe  402)  c.  3  rubr.  Hisp.^  =  Decr.  3  rubr. 
Dion.-Hadr.^;  Conc.  Cabillon.  813  c.  5  i.  f.^  =  Capitula  e 
conciliis  excerpta  826.  827?  c.  6  i.  f.^  =  Anseg.  2,  36  i.  f.^- 
Theodulfi  Aurel.  Capitulare  alterum  c.  29  ^ ;  Capitula  Otto- 
boniana  c.  24^;  Conc.  Meld.  845  c.  55  u.  s.  w. ;  vgl.  auch 
die  lediglich  an  Kleriker  gerichteten  Zinsverbote  in 
C  a  n.  apost.  c.  44^;  Conc.  Nicaen.  c.  17,  Laodic.  c.  5, 
Cresconius  Brev.  c.  44  Dion.-Hadr.^*^  u.  s.  w.  —  Da  in  einem 
'Sacerdos'  -  Kapitel  (unten  2 ,  208  b)  das  Wucherverbot 
wiederkehrt,  so  wird  2,  204  einem  anderen  Quellenkreise 
zuzuweisen  sein. 

'••  2,  205 :  das  erste  Drittel  (2,  205  a)  aus  der  Eelatio 
episcoporum  829  c.  45  in.,  MG.  Capit.  II,  41  (=  Ben.  Add. 
II.  11  iu.);  nicht  ^^  aus  der  Quelle  der  Eelatio,  d.  h.  Conc. 
Paris.  VI.  829  lib.  I  c.  50,  MG.  Conc.  II,  643.  Zu  den 
zwei  letzten  Dritteln  (2,  205b.  c;  'Sacerdos- Synode?  oben 
S.  124)  fehlt  ein  Gegenstück  sowohl  in  der  Relatio  als  im 
Conc.  Paris.     Rubrik  von  Benedikt.     Zum  Texte : 

2,  205a  (bis  'honorifice  colendus  est')  cf.  Relatio  c.  45  in. 
Die  Abweichungen  Benedikts  von  seiner  Vorlage  sind  sach- 


1)  Einige  weitere  Parallelen  s.  Studie  II  (N.  A.  XXIX),  S.  289, 
N.  3—5  zu  Cap.  Frising.  c.  10.  2)  Migne  LXXXIV,  184 :  '.  .  .  ut  non 
liceat  clericis  fenerari  .  .  .  quod  in  laicis  deprehenditur,  id  multo  magis 
debet  in  clericis  praedamnari'.  3)  Migne  1.  c.  col.  762.  4)  Ed.  1609 
p.  436:  'Quod  usuram  non  solum  clerici  exigere  non  debent,  sed  nee 
laici  christiani'.  5)  MG.  Conc.  II,  275.  6)  MCI.  Capit.  I,  312.  422: 
'Et  a  turpibus  lucris  et  usuris  non  solum  ipsi  (sacerdotes)  abstineant, 
verum  etiam  plebes  sibi  snbditas  abstinere  instituant  (instruant)'. 
7)  Migne  CV,  217:  'Admonendi  sunt,  ut  usuras  nequaquam  exerceant  et 
plebibus  sibi  subiectis  et  clero  praedicent,  ut  ab  hoc  vitio  omnibus  modis 
abstineant  secundum  canonum  institutionem'.  8)  N.  A.  XXVII,  585 : 

'Ut  usuras  ab  omnibus  fieri  prohibeant,  sed  et  ipsi  (presbiteri)  facere 
caveant'.  9)  Sollte  es  Zufall  sein,  dass  Ben.  2,  203.  204  in  der  Materien- 
folge den  cc.  42 — 44  Can.  apost.  entsprechen ?  Unmittelbare  Quelle 
von  Ben.  2,  204  ist  can.  44  apost.  darum  noch  lange  nicht;  a.  M.  Knust. 
10)  Ed.  1609   fol.  XVI,   p.  9.  75.  651.  11)  Vgl.   insbesondere   unten 

S.  164,  N.  5. 

11* 


164 


Emil  Seckel. 


lieh    durchweg 
ziemlich  tief  ein 


ohne    Belang,    in 
;  man  vergleiche: 


die  Form   greifen   sie 


Relatio. 

liiter  caetera  vero  ad- 
monitionis  nostrae  officia 
satis  illud  nobis  ^  necessa- 
rium  visum  est ,  ut  populis 
fidelibus  terribiliter  dennn- 
tietur,  ut  -  diem  dominicura, 
in  quo  auctor  vitae  resur- 
rexit  a  mortuis,  honorabiliter 
et  venerabiliter  colant  ^. 

Nam  si  *  pagani  ob  rae- 
moriam  et  reverentiam  deo- 
rum  suorum  dies  colere  et 
ludei  more  carnali  sabbatum 
carnaliter  observare  satagunt, 
quanto  ^  magis  ^'  ^  christianae 
religionis  devotio  ob  memo- 
riam  dominicae  resurrectionis 
eundem  diem  venerabiliter 
atque  honorabiliter  colere 
debet  ^. 


Ben. 
P  1  a  c  u  i  t ,   ut  fide  1  e  s  '' 


diem  dominicum ,  in  quo 
dominus-  resurrexit,  vene- 
rabiliter colant. 

Nam  si  ^  pagani  ob  me- 
moriam  et  reverentiam  deo- 
rum  suorum  quosdam" 
dies  col  u  n  t  ^  et  ludaei 
more  carnali  sabbatum  car- 
naliter observ  a  n  t  ®,  quanto  '^ 
magis  ■*  Christian  i  s 


i  s  t  e  di  e  s  honor  i  f  i  c  e 
le  n  d  u  s   est. 


co- 


1)  Fehlt  in  Ben.  Add.  II.  11.  2)  Das  umständliche  Initium  ist 

eigenes  Fabrikat  der  Relatio ;  Conc.  Paris,  weicht  völlig  ab.  Zu  'neces- 
sarium  visum  est'  vgl.  Relatio  c.  37  in.  (oben  bei  2,  193  a),  c.  46  in. 
(unten  bei  2,  208  a).  3)  'diem  —  colant'  ziemlich  wortgetreu  aus  Conc. 
Paris,  cit.  (p.  643  1.  8.  9) ;  wegen  'honorabiliter'  vgl.  ibid.  p.  643  1.  15, 
d.  h.  den  Passus,  aus  dem  der  Schluss  des  oben  abgedruckten  Stückes 
der  Relatio    entnommen   ist.  4)   Zu  'si  .  .  .,  quanto  magis'  vgl.  oben 

2,  182b.  193c.  5)  In  den  Worten  'Nani  si  —  magis'  geht  die  Fassung 
der  Relatio  ihre  eigenen  Wege;  das  Conc.  Paris.  1.  c.  p.  643  1.  11.  12 
weicht  in  der  Form  erheblich  ab.  Benedikt  benutzt  offensichtlich  die 
Relatio  und  nicht  deren  Vorlage.  6)  Der  Passus  'christianae  —  debet' 
deckt  sich  in  der  Hauptsache  wieder  mit  Conc.  Paris.  1.  c.  p.  643  1.  13. 
14/1.5.  7)  Vgl.  oben  S.  110  f.  8)  Während  die  Relatio   nach   spät- 

römischem Vorgang  rhetorisiert  ('auctor  vitae',  aus  Conc.  Paris.  1.  c. 
p.  643  1.  8 ;  'colere  et  .  .  .  observare  satagunt',  aus  Eigenem ;  vgl. 
analog :  'remansisse  uon  dubium  est'  Relatio  c.  54  =  Conc.  Paris,  lib.  III 
c.  2),  schreibt  Benedikt  im  nüchternen  Kapitularienstil  'dominus',  'colunt 
et  .  .  .  observant'  (vgl.  analog:  'remauserunt'  Ben.  2,  215a).  Dass  Bene- 
dikt in  2,  205  a  auch  sonst  mit  Erfolg  das  Vereinfachungsverlahren  (oben 
S.  1U9  f.)  handhabt,  zeigt  die  Vergleichung  der  Texte.  An  eine  einfacher 
stilisierte,  vor  829  fallende  Vorlage  (X)  braucht  man  hier  nicht  zu  denken. 
9)  Mit  der  Einfügung  des  'quosdam'  (fehlt  wie  in  der  Relatio,  so  auch 
im  Conc.  Paris.  1.  c.  p.  643  1.  12)  will  Ben.  vielleicht  ein  mögliches  Miss- 
verständnis ausschliessen  (bestimmte  Feiertage  der  Heidengötter,  nicht 
beliebige  Tage). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  165 

Dass  die  Sonntagsheiligung  in  unserer  Reihe  wieder- 
holt eingeschärft  wird,  erhellt  aus  der  Vergleichung  von 
Ben.  2,  205a  mit  2,  189a. 

2,  205b  ('Ne  in  illo  sancto  —  decantent').  Ueber 
die  richtige  Weise  der  Sonntagsfeier  verfügt  das  inter- 
essante Teilkapitel  Folgendes :  'Ne  in  illo  sancto  die  vanis 
fabulis  ^  aut  locutionibus  -  sive  cantationibus  ^  vel  saltatio- 
nibus^,  stando  in  biviis''  et  plateis  •^,  ut  solet,  inserviant  ^. 
Sed  ad  sacerdotem  aut  ad  aliquem  sapientem^  et  bonnm 
veniant  et  eorum  praedicationibus*  et  bonis  locutionibus, 
quae  ad  animam  pertinent,  utantur^.  Et  illo  die  seu  sab- 
bato  ad  vesperas  et  ad  matutinas  sive  ad  missam  ^^  cum 
eorum  oblationibus  ^\  si  fieri  potest  ^-,  omnes  canendo  "Kirie 
eleison"  veniant  et  eundo  et  redeundo  "Kirie  eleison"  de- 
cantent' ^^. 

2,  205  c  ('Similiter' 1^  bis  Schluss).  Der  m.  W.  ohne 
Parallele  dastehende  Inhalt  des  Teilkapitels  ist,  dass  die 
Viehhirten  ('pastores  pecorum')  auf  dem  Hin-  und  Rück- 
wege ins  Feld  vind  nach  Hause  das  Kyrie  eleyson  (jedenfalls 
an  Stelle  der  üblichen  heidnischen  Lieder)  singen  sollen, 
um  ihr  Christentum  kundbar  zu  machen  ^^. 


1)  Ueber  das  Verbot  von  'fabulae  otiosae  (vanae)'  in  derKirche 
s.  unten  2,  240  nebst  Parallelen  in  Note  6  (S.  183  f.).  —  Mit  den  'vanae 
fabulae'  sind  wohl  auch  die  Götter-  und  Heldensagen  gemeint.  2)  Ueber 
'otiosus  sermo'  vgl.  2,  225  selbst  nebst  dem  Gregorzitat  in  N.  2.  3)  Liebes- 
lieder u.  s.  w.  Ueber  'cantica  luxuriosa  (obscoena,  inlecebrosa,  amatoria)' 
und  'cantica  turpia'  vgl.  zu  2,  196,  oben  S.  157,  N.  2.  3.  4)  Vgl.  oben 
2,  19(3   nebst   N.  1    (S.  157).  5)  Vgl.  Dicta  Pirminii    (Caspari  S.  176 

oben):  'nullus  christianus  neque  ad  ecclesiam  .  .  .  neque  in  trivios 
.  .  .  cantationis,  saltationis,  iocus  et  lusa  diabolica  facire  non  presumat'. 
6)  Vgl.  Conc.  Narbonense  589  c.  3  (Migne  LXXXIV,  611):  Klerikern  ist 
verboten  'in  plateis  stare  et  fabulis  diversis  commisceri' ;  vgl.  oben  2,  196 
nebst  N.  3  (S.  158).  7)   Zum   vorstehenden  Satze   überhaupt   vgl.  die 

Behandlung   desselben  Themas  in  2,  196.  8)  Ueber   die  Laienpredigt 

vgl.  Hiuschius,  Kirchenr.  1,  165  f.  9)    Die   Pflicht  zum   Predigthören 

ist    schon    oben    2,    17Üb    Anfang    berührt.  10)    Vgl.    oben    2,    170a. 

195  fin.  11)  Vgl.  Conc.  Rotomag.  saec.  IX.  c.  15  in.  (Bruns  II,  271): 
'Ut  populus  admoneatur,  ut  in  dominicis  et  festis  diebus  omnes  ad  vesperas 
et  nocturnas  vigilias  et  ad  missam  omnimodis  occurrant'.  Ueber  den 
Messbesuch   s.    auch   schon    oben   2,    190   i.  f.  12)   Vgl.    2,    170  a.  b. 

13)  Vgl.  Conc.  Rispac.  800  c.  34  (MG.  Conc.  II,  211):  'Ut  omnis  populus 
.  .  .  absque  .  .  .  inlecebroso  canticu  et  lusu  saeculari  cum  laetaniis  pro- 
cedant    et    discant    "Kyrieleyson"    clamare'.  14)    Zu    der    "Wendung 

'veraciter  christianos  et  devotos  esse'  vgl.  oben  S.  128  zu  2,  176  Satz  1. 
15)  Der  ländlichen  Arbeiterschaft  (speciell  der  Hirten)  und  ihres  Seelen- 
heils nimmt  sich  auch  das  sog.  Conc.  Rotomag.  saec.  IX.  c.  14  (ßruns 
ir,  271 ;  =  Reg.  2,  420)  an  durch  die  Vorschrift,  dass  ihre  Herren  'in 
dominicis  et  in  aliis  festis  diebus  saltem  vel  ad   missam   faciant   vel    per- 


166 


Emil  Seckel. 


2,  206^:  aus  dem  Conc.  Burgund.  ;  doppelte 
Schwesterüberlieferung,  einmal  in  den  sog. 
Statuta  Bonifatii  c.  31  (ed.  d 'Achery,  Spicil.,  1669,  IX,  66), 
sodann  2  in  dem  Poenitentiale  Pseudo-Theodori  c.  26  (41) 
'De  reconeiliatione  poenitentum' ^  §§  1.  4  fin.^;  Text- 
verhältnisse ^: 


Stat.  Bonif. 
Et  quia  vsiria  ^ 
necessitate  px?iepe- 
dimur ''  canonum  s/a- 
tuta'^  de  reconcüian- 
dis  poenitentihus  ple- 
niter  observare  ^, 
propterea  ^  oninino 
no\i  '^  dimittatur  : 
euret  ^  nnusquisque 
preshiter  statim  '^  post 
acceptam  confessio- 
nem  ^  poenitentium. 
singulos  data  ora- 
tione  reconcüiari. 


Ben. 
Quia  Vera  neces- 
sitate praepedimur  ^ 
canonum  statuta  "^  de 
reconciliandis  p>oeni- 
tentihus  pleniter  ob- 
servare'^, propterea^ 
omnino  won  ^  dimit- 
tatur, u  t  nnusquis- 
que preshiter  i  u  s  - 
sione  episcopi 
de  occultis  tan- 
tum,  quia  de 
manifestis  epi- 
scopos  semper 
convenit  iudi- 
c  a  r  e  ,  statim  •  post 
acceptam  confessio- 
nis  penitentiam.  ^  sin- 


Ps.-Theodor.  c.  26. 
(§  la).  ^m'a^quod 
saepe  varia  ^  necessi- 
tate perpendimur, 
canonum  instituta  de 
reconciliandis  poeni- 
tentihus, id  est  in 
coena  domini,  ple- 
niter nequimus,  ta- 
rnen nee  omnino 
dimittat'U')  • ;  c  ur  et  *^ 
umisquisque  preshi- 
ter post  acceptam 
confessionem  *"  poeni- 
tentiamque  ^  datani 
mox  singulos  data 
oratione  reconciliari 


mittant  venire';  dieselbe  Vorschrift  enthält  die  Homilia  Leonis  IV. 
(Sdralek,  Wolfenb.  Fragm.  S.  182) :  'Porcarios  et  alios  pastores  dominica 
die  ad  missam  facite  venire'.  1)  Vgl.  Studie  IV  a.  a.  O.  S.  313.  315  ff. 
2)  Bisher  nicht  bemerkt.  8)  Die  Aehnlichkeit  von  Benedikts  Rubrik : 

'De  reconciliandis  poenitentihus'  ist  wohl  eine  zufällige.  4)  Ed.  Kuust- 
mann  (an  dem  zu  2,  195  a.  0.)  S.  91 ;  ed.  Wasserschieben ,  Buss- 
ordnungen S.  610,  5)  Was  in  allen  drei  Ableitungen  übereinstimmt, 
ist  kursiv  gedruckt.  Was  aufrecht  wiedergegeben  wird ,  weicht  vom 
ursprünglichen  Texte  ab,  soweit  sich  nicht  das  Gegenteil  aus  den  folgenden 
Noten  6  und  7,  sowie  S.  167,  N.  1  ergibt.  6)  Echt  wegen  Ueberein- 
stimmung  von  Stat.  und  Ps.-Theodor.  7)  Echt  wegen  Uebereinstimmung 
von  Stat.  und  Ben.  8)  Benedikt  und  Pseudo-Theodor  hatten  beide  eine 
Vorlage,  in  der  das  wohl  richtige  'poenitentium'  (so  nur  noch  Stat.)  bereits 
zu  'poenitentiam'  verderbt  war.  —  Zu  'confessionis  poenitentiam'  vgl.  oben 
S.  135,  N.  1  zu  2,  182c.  9)  Bei  Pseudo-Theodor  folgt  eine  Reihe  von 
Vorschriften  grössten  Teils  1)ekannter,  zum  kleineren  Teil  unbekannter 
(aber  darum  nicht  Burgundischer)  Herkunft.  Zur  Ergänzung  Wassersch- 
iebens möge  über  die  Quellen,  aus  denen  Ps.  -  Theodor  geschöpft  hat, 
nebenbei  in  Kürze  Folgendes  bemerkt  sein.  Ps. -Theod.  c.  26  §  Ib 
('exceptis  his  —  in  coena  domini') :  Interpolation  Ps.-Theodors,  dem  Sinne 
(nicht  den  Worten)  nach  entsprechend  der  Interpolation  Benedikts  'de 
X)ccultis  —  iudicare' ;  beide  Interpolationen  tragen  dem  durch  die  Reform- 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


167 


Stat.  Bonif. 


Morientibiis  vero  ^ 
sine  cnnctamine  com- 
munio  et  reconcilia- 
tio  praeheatur. 


Ben. 

gulos   (lata   oratione 
reconciliari  ^. 

Morientihi(S  vero  ^ 
sine  cunctamine  com- 
munio  et  reconcilia- 
tio  praeheatur. 


Ps.-Theodor.  c.  26. 


(§  4b).^ _. 

quia  Omnibus  mori- 
entihus  secuudum 
auctoritatem  Ni- 
ceni  concilii  sine 
cunctamine  commu- 
nio  et  reconciliatio 
praeheatur  ^. 


Synoden  von  813  geschaffenen  Rechtszustande  Rechnung  (öffentliches 
Verbrechen,  öffentliche  Busse ;  Rekonziliation  durch  den  Bischof  nach 
Ableistung  der  Busse  am  Gründonnerstag;  vgl.  Hinschius,  Kirchenr.  V,  1, 
S.  93,  X.  1,  S.  98,  N.  6);  —  c.  26  §  Ic  ('Si  vero  —  discedant'):  freie, 
nur  zum  Teil  wörtliche  Wiedergabe  von  Innocentius  I.  epist.  ad  Decen- 
tium  c.  7  i.  f.  (Hisp.,  Migne  LXXXIV,  (543;  Dion. -Hadr.  ed.  1609 
p.  336)  =  Halitgar.  3,  13  (ed.  Schmitz,  ßussbücher  II,  278;  Canisius- 
Basnage  II,  2,  p.  107) ;  —  c.  26  §  2 :  ziemlich  wortgetreu  Leo  I.  epist. 
ad  Rustic.  Narbon.  c.  6  Hisp.,  Migne  LXXXIV,  766;  =  c.  20  Dion.- 
Hadr.  (p.  457)  ^  Halitg.  3,  U  (1.  c.  p.  278  bzw.  108);  —  c.  26  §  3: 
interpolierte  "Wiedergabe  der  Quelle,  die  im  echten  Wortlaut  den  §  4  der 
Appendix  Poenitentialis  Ps. -Romani  (Wasserschi.  S.  373;  =  Halitg. 
VI,  81,  1.  c.  p.  299  bzw.  138  und  126)  bildet;  —  c.  26  §  4a  (bis  'cum 
poenitentia') :  interpolierte  Wiedergabe  der  Quelle,  die  im  echten  Wort- 
laut den  §  5  der  angeführten  Appendix  ().  c;  =  Halitg.  VI,  82,  11.  cc.) 
bildet.  —  Ueber   c.  26    §  5.    6   vgl.   unten   N.  3    am  Ende.  1)    Echt 

wegen  Uebereinstimmung   von    Stat.    und   Ben.  2)   Da   Benedikt   das 

echte  'curet'  zu  'ut'  verschlechtert  hat,  so  hätte  er  konsequent  aus  're- 
conciliari' machen  müssen  'reconciliet' ;  dies  hat  er  nicht  getan  und  so 
ergiljt  sich  ein  'ut'  mit  accus,  c.  inf.  (analoge  Erscheinungen  in  den  römi- 
schen Rechtsquellen  verzeichnet  bei  Seckel  -  Heumann,  Handlexikon  zu 
den  Quellen  des  röm.  Rechts  s.  v,  'ut'  am  Ende).  3)  Der  Konjunktiv 

'praeheatur'  ist  original,  hätte  aber  in  Ps.-Theodors  Kausalsatz  geändert 
werden  sollen.  —  Die  Interjjolation  'secundura  auctoritatem  N  i  c  e  n  i 
concilii'  verweist  ganz  richtig  auf  das  Conc.  Nicaen.,  ohne  dass  jedoch 
eine  der  vielen  Textrezensionen  wörtlich  dem  canon  concilii  Burgun- 
dici  zum  Grunde  läge ;  vgl.  1.  Version  des  Caecilianus  von  Carthago 
c.  13  fin.  (Maassen,  Gesch.  I,  907)  =  Sammlung  des  Theodosius  Diaconus 
c.  13  fin.  (Migne  LVI,  828);  2.  Version  des  Atticus  c.  13  fin.  (Migne 
LXXXIV,  223) ;  3.  sog.  isidorische  Version  a)  ältester  Gestalt  c.  14  fin. 
(Maassen  I,  928),  b)  Vulgatform  c.  12  fin.  (Migne  LXXXIV,  96),  c)  Form 
der  Quesnelliana  c.  19  fin.  (Migne  LVI,  397);  4.  Version  der  Sammlung 
von  Chieti  c.  20  fin.  (Migne  LVI,  820);  5.  gallisch  -  spanische  Version 
c.  12  fin.  (Maassen  I,  912);  6.  gallische  Version  c.  11  rubr.  init.  und 
c.  11  fin.  (Maassen  I,  915.  919);  7.  Versio  prisca  c.  12  fin.  (Migne  LVI, 
763),  verwandt  mit  n.  2;  8.  Version  des  Dionysius  c.  13  fin.  (Dion. -Hadr. 
ed.  1609  p.  7) ;  9.  Abbreviation  des  Rufinus  c.  14  (ed.  Mommsen  in  Euse- 
bius,    Kirchengeschichte    [Griech.    christl.  Schriftsteller    IX,  2]    S.    968); 

10.  Sammlung    der    Hs.    von    Saint -Germain    c.   20    (Maassen   I,    924); 

11.  Felix  III.  (II.)    Schreiben    an    alle    Bischöfe    'Qualiter    in    Africanis' 


168  Emil  Seckel. 

Dass  unter  den  drei  von  einander  unabhängigen  Ab- 
leitungen dem  in  den  Statuta  aufbewahrten  Texte  durch- 
weg ^  der  Vorzug  der  Ursprünglichkeit  -  zukommt,  wird 
bald  durch  die  zweite  (Ps.-Theod.),  bald  durch  die  dritte 
(Ben.)  Schwesterüberlieferung  erhärtet.  Bei  Benedikt 
ist  einmal  der  Text  ^  in  einigen  Nebendingen  verschlechtert 
('vera',  'ut',  'confession  i  s  penitenti  a  m  '),  und  sodann  der 
Sinn  des  Originals  in  doppelter  Richtung  durch  tendenziöse 
Interpolation  verändert ;  über  die  Worte  'iussione  episcopi ' 
vgl.  Studie  IV,  317  bei  N.  3,  über  die  Worte  'de  occultis 
tantum ,  quia  de  manifestis  episcopos  semper  convenit 
iudicare'  vgl.  ebenda  bei  N.  4  und  oben  S.  166,  N.  9 
Anfang. 

2,  207:  in  letzter  Linie  aus  (Pseudo-?)  Gregors  I. 
Schreiben  an  den  Angelnbischof  Augustinus  601  (Eegistrum 
XI,  56a;  Jaffe  1843),  c.  8  nach  dem  Anfang  (MG.  Epist. 
II,  338).  Benedikt  schöpft  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
nicht  unmittelbar  aus  Gregor.  Täte  er  es,  so  verstiesse 
die  mitten  in  den  Text  eingefügte  Quellenangabe  'ut  ait 
sanctus  Gregorius'  gegen  alle  sonstige  Gepflogenheit  des 
Fälschers.  Zwischen  dem  Original  und  Benedikt  wird  man 
sich  eine  Zwischenquelle  zu  denkeTi  haben.  Leider  fehlt 
jeder  Anhaltspunkt,  sie  näher  zu  bestimmen.  Keines  Falls 
darf  sie  mit  Knust  in  dem  Poenitentiale  Martenianum 
c.  66  §  3  (Wass.  S.  297  f.)  erblickt  werden,  und  zwar  wegen 
der  Lesarten  'qua  die  und  'procreatione'.  Noch  weniger 
kommt  als  Zwischenquelle  die  Kürzung  unseres  Textes  in 
Frage,  wie  sie  in  c.  3  des  angeblichen  'Capitulare  incerti 
anni  (ca.  744)'  vorliegt^.  —  Rubrik  zu  2,  207  vermutlich 
von  Benedikt.     Im  Texte  ^  nicht  wenige  Varianten  ;  allen 


(Jaflfe  609,  ed.  Hinschius  p.  634) ;  12.  Martin  von  Braga,  Capitula  c.  82  fin, 
(Migne  LXXXIV,  586).  —  Was  bei  Ps.-Theodor  auf  c.  26  §  4b  folgt, 
hat  mit  der  Burgundischen  Synode  nichts  zu  schaffen  ;  es  sind  vieiraehr 
c.  26  §  5 :  interpolierte  Wiedergabe  der  Quelle,  die  in  §  6  der  Appendix 
Poen.  Ps.  Rom.  (Wass.  a.  a.  0.;  =  Halitg.  VI,  83  ed.  Schmitz  II,  299, 
ed.  Canisius- Basnage  II,  2,  p.  138  und  126)  im  Allgemeinen  echt,  am 
Schlüsse  vielleicht  interpoliert  erhalten  ist ;  —  c.  26  §  6 :  gebildet  aus 
Conc.  Afric.  c.  12  i.  f.  Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  214),  nicht  (wie  Wassersch- 
ieben behauptet)  Conc.  Carthag.  III.  c.  35  Hisp.  (Migne  LXXXIV,  193). 
1)  Nur  bezüglich  des  ersten  Wortes  'Et'  fehlt  die  anderweitige  Beglau- 
bigung. 2)  Vgl.  Studie  IV  a.  a.  0.  S.  316  (bei  N.  5).  3)  Was  in 
ihm  originalfrerad  ist,  wurde  im  obenstehenden  Abdruck  durch  Sperrung 
hervorgehoben.  4)  Vgl.  des  Näheren  Studie  III  (N.  A.  XXIX)  S.  294 
—  308,   insbes.    S.  301.  5)  Abgedruckt  (neben  dem  Original  und  der 

Kürzung  des  Capitulare  incerti  anni)  in  Studie  III  a.  a.  O.  S,  305. 


Studien  zu  Beuedictus  Levita.     VII.  169 

Hss.  des  Gregorbriefes  sind  fremd  die  Lesarten  'Cum'  statt 
'Cum  vero',  'didicimus'  statt  'didicisti',  'In  carnis'  statt  'In 
earnis  enim  (autem)',  'in  prolis  vero'  statt  'nam  in  prolis', 
'culiDam'  statt  'in  culpam'.  Wo  im  Original  steht  'primae 
matri  omnium',  lesen  wir  bei  Ben.:  'primo  matrimonio' ; 
eine  ähnliche  seltsame  Verderbnis  ('primum  matrimonium') 
weist  nur  cod.  F  (Sammlung  der  Hs.  von  Fecamp  ^)  auf, 
von  welchem  cod.  aber  Ben.  im  übrigen  erheblich  abweicht. 


*2,  208:  zu  zwei  Dritteln  (2,  208aa.  a;'.  c)  aus  der 
Relatio  episcoporum  829  c.  46,  MG.  Capit.  II,  41  sq. 
(==  Ben.  Add.  II.  12  2);  nicht  —  wie  der  Parallelabdruck 
zeigen  wird  —  aus  der  Quelle  der  Relatio,  d.  h.  Conc. 
Paris.  VI.  829  lib.  I  c.  47,  cf.  lib.  III  c.  6^  MG.  Conc. 
II,  641.  672.  —  Zum  übrigen  Drittel  (2,  20Sa  ^.  b.  d)  finden 
sich  in  Conc.  Paris,  bzw.  Relatio  zwar  einzelne  sachliche 
Parallelen  (zu  2,  208  b  in  Rel.  c.  46;  zu  2,  208  d  in  Rel. 
c.  54,  p.  43  sq.);  als  Quellen  Benedikts  können  aber  diese 
inhaltlichen  Parallelen  wegen  grundverschiedener  Formu- 
lierung nicht  betrachtet  werden.  —  Rubrik  unseres  Kapitels 
ausnahmsweise  nicht  von  Benedikt,  sondern  wörtlich  =  Conc. 
Paris.  829  lib.  III  c.  6  rubr. ;  auf  Zufall  kann  die  Ueber- 
eiustimmung  beider  Rubriken  kaum  beruhen  *.  Zu  den  ein- 
zelnen Teilen  des  Textes  ist  Folgendes  zu  sagen : 

2,  208aa.  a;'.  c.  Die  Beziehungen  der  drei  hier  zu 
berücksichtigenden  Texte  veranschaulicht  der  nachstehende 
vergleichende  Abdruck^: 


C.  Par.  I  c.  47. 


Relatio  c.  46.       ,       Ben.  2,208  a. 

(A.)Illudetiam, quam- I      a.    Placuit,  ut  i\- 
quam    sepe    admonitum    d  e  1  e  s  ® 
sit,   nobis  iterum  incul-  \ 
candum   populisque   de- 
nuntiandum  summopere 
visura  fuit, 


1)  Die  Vorlage  dieser  Sammlung  ist  irisch,  die  Sammlung  selbst 
fränkisch  (Orleans  ?) ;  vgl.  Maassen,  Quellen  I,  784—786.  2)  Wo  7  Va- 
rianten, von  denen  einige  mit  Conc.  Paris,  lib.  I  c.  47  cit.  übereinstimmen. 
Vgl.  ferner  unten  3,  396.  431,  namentlich  zu  Anfang  (die  Quelle  von 
3,  431  in.    hatte   Knust    noch    nicht    ermittelt).  3)  Von  Conc.  Paris, 

lib.  III  c.  6    interessieren  nur  die  Rubrik  und  vom  Texte  das  Mittelstück 
'et  per  alia  quaelibet  —  necessitas  fieri  compellit'.  4)  In  Add.  II.  12 

hat  Ben.  eine  eigene  abweichende  Rubrik.       5)  Er  nimmt  auch  die  Ein- 
schiebungen  2,  208a  y?.b  in  sich  auf.         6)  Vgl.  oben  S.  110  f. 


170 


Emil  Seckel. 


Eelatio  c.  46. 
ut  missarum  celebra- 
tiones  in  locis  incongru- 
entibus    fieri    o  m  n  i  n  o 
non  debeant. 


C.  Par.  I  c.  47. 

(rubr.)  Quod  ^  mis- 
sarum celebrationes  in^ 
locis  incongruentibus  fie- 
ri l>  non  debeant t». 

(A.)  Consuetudines  — 
perspicuum  est  -. 

C.  Par.  I  c.  47  =  Eelatio  c.  46. 

(B.)  Proinde^  necesse  est  —  poenitus 
amoveat. 

Et  si  quis  praesbyterorum 
ab  h  ine  ^, 

excepto*  quando  in**  itinere  per- 
gitur®-^ 


et  locus  basilicae  procul  est  ^ 
et^  id  in  altaribus  ab  episcopo  con- 
secratis  fieri  necessitas  compellit*^, 


Ben.  2,  208  a. 

missarum  caelebratio- 
nes  in  locis  non  c  o  n  - 
secratis^  et  incon- 
gruentibus fieri  ^  omnino 
non  debeant^, 


ß.  uisi  causa 
hostilitatis  vel 
1  o  n  g  i  n  q  u  i  iti- 
ner  i  s 

y.  et  id  in  altari- 
bus ab  episcopo  con- 
secratis  fieri  ^*^  ne- 
cessitas compellat. 


a)  'Ut'  C.  Par.  III  c. 
C.  Par.  1.  1.         c)  'et'  Rel. 


6  rubr.  b)  fieri  non  debeant]  'non  fiant' 

d)  om.  Rel.         e)  'pergit'  Rel. 


1)  Vgl.  aus  C.  Par.  III  c.  6  med.  die  Worte:  '.  .  .  per  .  .  .  in- 
congrua  loca  fieri  non  debeat'.  2)  Der  abweichende  Textanfang  inter- 
essiert hier  nicht.  3)  Entspricht  dem  Anfang  von  2,  208  b  ('Sacerdotes 
tamen  qui')  bei  Benedikt.  4)  Diese  5  Worte  kehren  auch  in  C.  Par.  III 
c.  6  med.  wieder.  5)  Aus  lonas  Aurel.,  De  inst.  laic.  1,  14  rubr.  (Migne 
CVI,  149;  =  C.  Par.  lib.  II  c.  13  rubr.,  MG.  Conc.  II,  666  =  Ben.  3, 
396  a) :  'si  locus  basilicae  procul  fuerit'.  6)  Diese  Worte  kehren,  durch 
die  eingeklammerten  Einschiebungen  unterbrochen,  in  C.  Par.  III  c.  6 
med.  wieder:  'et  id  (in  aliis  locis  quam  in  basilicis  Deo  dicatis  vel  etiam) 
in  altaribus  ab  episcopo  consecratis,  (ne  —  maneat' ;  dieses  Einschiebsel 
aus  dem  auf  das  Wort  'compellit'  in  Par.  folgenden  Passus)  'necessitas 
fieri  compellit'.  7)  Diese  hier  von  Benedikt  herrührende  Bestimmung 

kehrt  ihre  Spitze  gegen  das  Messelesen  in  Privatkapellen;  vgl.  oben  1,  178 
nebst  den  Nachweisungen  in  Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  87  f.,  und  dazu 
noch  Karoli  M.  Cap.  primum  769  c.  14  (MG.  Capit.  1,  46).  Dem  Wort- 
laut 'in  locis  non  consecratis'  kommen  am  nächsten  Homilia  Leonis  IV. 
(Studie  VI  a.  a.  0.  S.  87  bei  N.  2)  und  Ben.  2,  201.  8)  So  schreiben 
die  guten  Hss.  von  Gotha  und  Rom  (Vat.  Pal.  583),  nicht  (wie  Baluze 
druckt)  'facere' ;  das  'fieri'  steht  auch  in  der  direkten  und  der  mittelbaren 
Vorlage.  Es  liegt  also  hier  auf  der  Hand,  dass  das  stereotype  I  n  i  - 
tium  'Placuit,  ut  fideles'  von  Benedikt  und  zwar  nicht  mit  der  nötigen 
Sorgfalt  interpoliert  ist.  9)  Zu  Ben.  2,  208a a  vgl.  die  fast  durch- 
weg kongruente  Norm  in  Ben.  2,  201.  10)  Das  in  Pertz'  Texte  nun 
folgende  'si'  hat  die  Hss.  von  Gotha  und  Rom  (Vat.  Pal.  583),  die  es 
nicht  enthalten,  gegen  sich. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


171 


C.  Par.  I  c.  47  =  Relatio  c.  46. 

ne  —  maneat*, 

missarum  celebrationes  in  huiusce- 
modi^  inlicitis  locis  post  tot  tantasque 
prohibitiones  facere  adtemptaverit,  dig- 
num  est,  nt  gradtis  sui  periculum  in- 
currat. 


C.  Par.  I  c.  47. 

(C.)  Laicos  — com- 
pellant  ^. 

(D.)  Satins  igitur 
i  1 1  i  s  est  missam 
non  audi  r  e ,  quam 
eam,  ubi  non  licet 
nee  oportet,  audire. 


Relatio  c.  46. 


(C).  Satins  igitur 
est  missam  non  au- 
di ri^,  quam  eam, 
ubi  non  licet  nee 
ojDortet,  c  e  1  e  b  r  a  - 
r  i  "^  a  u  t  audi  r  i  *^ . 


Ben.  2,  208  b. 

Sacerdotes  ta- 
m  e  u ,  q  u  i  in  locis 
illicitis      et     non 

consecratis- 
miss  as  cantare 

praesumunt, 
gradu  m    s  e    s  c  i  - 
ant  amissuros. 

Ben.  2,  208  c. 


Melius  est  enim 
missam  non  audiri, 
quam  eam,  ubi  non 
licet  nee  oportet, 
celebra  r  e  aut  au- 
di r  e. 


Für  Ben.  2,  208  a  a  steht  auf  Grund  des  Wortes 
'omnino',  in  dem  er  mit  der  Relatio  zusammentrifft,  die 
Nichtbenutzung  des  Conc.  Paris,  fest;  Ben.  kann  nicht 
wohl  nnabhängig  von  der  Relatio  auf  dieselbe  Interpolation 
verfallen  sein.  Seine  Vorlage,  die  Relatio,  hat  Benedikt 
gemodelt  durch  Vereinfachung  ihres  schwülstig  und  super- 
lativisch '^  gefassten  Einganges  ^,  sowie  durch  Einschaltung 
der  tendenziös  (S.  170,  N.  7)  gefälschten  Worte  'non  con- 
secratis  et'. 

2,  208a  ß  ist  von  Ben.  entweder  gefälscht  oder  aus 
einer  unbekannten  Quelle  (vielleicht  derselben,  die  ihm 
2,  208b.  d  geliefert  hat)  eingeschoben. 

2,  208  aj'  ist  wörtlich,  abgesehen  von  der  Aenderung 
des  Modus  ('compell  a  t '),  aus  der  Relatio  (=  Conc.  Paris.) 
kopiert. 


a)    'remaneat'   Rel.  b)    'huiusmodi'    Ben.    Add. 

Ben.  Add.         d)  'celebrare'  Ben.  Add. 


c)    'audire' 


1)  Die  beiden  hier  in  C.  Par.  stehenden  Sätze  interessieren  uns 
nicht.  2)  Vgl.  S.  170,  N.  7.  3)  Vgl.  oben  S.  150,  N.  5  zu  2,  193  b. 
4)  Aus  dieser  Einfachheit  auf  grössere  Ursprünglichkeit  der  Fassung 
Benedikts,  die  dann  aus  einer  vor  829  entstandenen  Vorlage  (X)  ent- 
nommen sein  müsste,  zu  schliessen  erscheint  nicht  als  angängig. 


172  Emil  Seckel. 

2,  208  b :  die  Worte  'et  non  eonsecratis'  werden  wohl, 
wie  in  2,  208a  a,  von  Benedikt  interj^oliert  sein.  Im  übi'igen 
macht  die  Norm  den  Eindruck  der  Echtheit.  Auch  trifft 
sie  im  Sinne  mit  Conc.  Paris.  =  Rel.  zusammen ;  doch 
weicht  die  Fassung  so  erheblich  und  so  unmotiviert  ab, 
dass  man  sie  schwerlich  auf  vereinfachende  Zurechtstutzung- 
durch  Benedikt  zurückführen  kann.  Dann  muss  Benedikt 
eine  echte  Quelle  ^  benutzt  haben  und  zwar  vermutlich 
jene  schon  mehrfach  -  berührte  unbekannte  Vorlage  (Synode), 
die  konsequent  den  Priester  als  'sacerdos'^  bezeichnet^. 

2,  208  c :  in  Folge  der  Exzerpierung  des  Conc.  Paris, 
durch  die  Pelatio  musste  das  Wort  'illis'  (Conc.  Paris.)  in 
der  Relatio  verschwinden ;  Benedikt  deckt  sich  in  dieser 
Auslassung  mit  der  Relatio  und  nicht  mit  deren  Vorlage. 
Weiter  erhärten  die  im  Conc.  Paris,  fehlenden,  Benedikt 
mit  der  Relatio  gemeinsamen  Worte  'celebrare  (-ri)  auf, 
dass  Ben.  das  Conc.  Paris,  nicht  benutzt  haben  kann.  — • 
Am  Texte  der  Relatio  hat  Ben.  leichte  Aenderungen  vor- 
genommen ('Melius  est  enim'  statt  'Satius  igitur  est' ;  wegen 
'celebrare  aut  audire'  vgl.  oben  S.  171,  N.  c.  d). 

2,  208  d  ('Et  de  usura,  ut  non  fiat,  omnes  admonean- 
tur') :  Quelle  unbekannt.  Unser  Kapitel  handelt  laut  Rubrik, 
welcher  auch  der  bisherige  Text  (a  —  c)  entspricht,  vom 
Verbot  der  Messfeier  an  unpassenden  Orten.  Nun  kommt 
plötzlich  das  Zinsverbot  hereingeschneit.  Da  es  nicht 
Benedikts  Art  ist,  seinen  Texten  wildfremde  Dinge  im 
Interpolation swege  anzuflicken,  so  drängt  sich  die  Ver- 
mutung auf,  dass  die  Veranlassung  für  die  Aufnahme  der 
lex  fugitiva  eine  äussere  war :  vermutlich  folgten  die 
Worte    'Et  de  usura'  etc.    in    der    so    oft    benutzten   unbe- 


1)  Der  parallele  Passus  des  Conc.  Paris,  könnte  eine  Ueberarbeitung 
derselben  Quelle  sein.  2)  Oben  S.  124.  134  f.  163;5.  3)  Dass  Conc. 
Paris,  und  Relatio  gelegentlich  der  Presbyter-Terminologie  huldigen,  zeigt 
der  Paralleltext  zu  Ben.  2,  208  a  (S.  170).  4)  Nicht  uninteressant  ist  die 
Beobachtung,  dass  durch  die  Verwertung  der  hypothetischen  Vorlage  (und 
die  dadurch  gebotenen  Eingriffe  in  die  Relatio  Satz  B)  Benedikt  die 
schlechtere  Logik  im  Aufbau  der  Relatio  durch  bessere  Logik  ersetzt 
hat.  Benedikt  sagt  nämlich  ganz  korrekt:  das  Abhalten  von  Messen  an 
unpassenden  Orten  ist  verboten  ausser  in  den  und  den  Notfällen ;  Priester, 
die  an  verbotenem  Ort  die  Messe  singen,  werden  mit  Degradation  be- 
straft. Conc.  Paris,  dagegen  bestimmt:  die  Messfeier  an  unpassenden 
Orten  ist  schlechthin  verboten ;  wenn  ein  Priester  —  ausser  in  dem  und 
dem  Falle,  wo  dies  die  Not  gebietet  —  die  Messe  an  dergleichen  ver- 
botenen Orten  feiert,  so  wird  er  degradiert.  Da  offenbar  beide  Texte 
für  die  Notmesse  nicht  nur  die  Strafliarkeit,  sondern  schon  die  Rechts- 
widrigkeit ausschliessen  wollen,  so  ist  es  logisch,  von  der  Ausnahme  in 
der  Norm  und  nicht  erst  im  Strafgesetz  zu  sprechen. 


Studien  zu   Benedictus  Levita.    VII.  173 

kannten  Quelle  ('Sacerdos'-  Synode)  auf  den  bei  Ben.  2,  208  b 
aufbewahrten  Kanon.  So  zahlreich  nämlich  die  Parallelen^ 
zu  dem  Zinsverbot  in  2,  208d  -  fliessen,  so  wenig  ist  es  bisher 
gelungen,  eine  auch  in  der.  Fassung  mit  2,  208  d  sich 
deckende  Quelle  aufzufinden. 


2,  209.  Dieses  Kapitel,  das  vom  Ehehindernisse  der 
Blutsverwandtschaft,  von  der  Trennung  der  Ehe  und  von 
der  Bestialität  handelt,  besteht  aus  Fragmenten  des  Poe- 
nitentiale  Theodori  nebst  zwei  (2,  209  b.  e)  einge- 
streuten Versen  des  Leviticus.  Die  wenig  umfäng- 
lichen Interpolationen  mögen  von  Benedikt  selbst  herrühren. 
Das  ganze  Mixtum  compositum  hat  Benedikt  vielleicht 
schon  fertig  in  einer  Zwischenquelle^  vorgefunden. 
Knust  und  Scherer  glaubten,  diese  Zwischenquelle  liege 
uns  in  den  sog.  Statuta  Bonifatii  c.  35  (=  Ben.  2,  191) 
vor ;  gegen  diese  Annahme  ist  bereits  in  Studie  IV  ^  Ein- 
spruch eingelegt  worden.  Das  gedachte  Kapitel  der  Sta- 
tuta kann  schon  darum  nicht  als  Zwischenquelle  bezeichnet 
werden,  weil  Ben.  2,  209  mehr  ans  Theodor  entnimmt  als 
Pseudo- Bonifaz  und  weil  Ben.  2,  209c.  d  sich  näher  an  die 
Quelle  hält  als  letzterer.  Gehen  sonach  Ben.  2,  191 
{=^  c  35  Stat.  cit.)  und  Ben.  2,  209  unabhängig  von  ein- 
ander (teilweise)  auf  dasselbe  Original  zurück,  so  ergibt 
sich  weiterer  Aufschluss  über  die  Ursprungsverhältnisse 
von  2,  209  zum  Mindesten  in  negativer  Richtung: 
2,  209  kann  nicht  wohl  gleich  2,  191  der  Burgun- 
dischen Synode  angehören,  weil  diese  sich  sonst 
selbst  wiederholt  hätte.  Für  die  positive  Zuweisung 
von  2,  209  an  einen  anderen  Quellenkreis  lässt  sich,  soweit 
ich  sehe,  höchstens  der  eine  Umstand  verwerten,  dass  auch 
ein  anderes  'Sacerdos'-  Kapitel  unserer  Reihe  (2,  187) 
vom  Theodorschen  Bussbuche,  wenigstens  mit'telbar,  be- 
einflusst  ist.  —  Rubrik  entweder  von  Benedikt  oder  aus 
der  problematischen  Zwischenquelle.     Zum  Text: 

2,  209 a  (bis  'scriptum  est) :  vgl.  Theodori  Poeniten- 
tiale  II,  12  §  25  (Wasserschieben  S.  21G  ;  Schmitz,  Buss- 
bücher I,  547  und  II,  578).     Textverhältnisse: 

1)  Sie  sind  so  häufig,  dass    von  Belegen    abgesehen   werden   kann. 

2)  Nur  darauf  ist  aufmerksam  zu  machen,  dass  in  unserer  Unterreihe 
2,    170  —  209    sich    das   Zinsverbot    schon    einmal    (in    2,   204)    voi-findet. 

3)  Das  Poen.  Vallicell.  II.  (vgl.  oben  zu  2,  187)  trägt  nichts  zur  Er- 
mittelung dieser  Zwischenquelle  bei,  da  es  keine  Busskanonen  enthält,  die 
ihrerseits   auf  die   hier   interessierenden   Partien  Theodors   zurückgingen. 

4)  N.  A.  XXIX,  313,  N.  2. 


174 


Emil  Seckel. 


Ben. 
In  q  u  a  r  t  a  ^  propinqui- 
tate  carnis,  quinta  sex- 
t  a  q  n  e  -  n  o  n  (!)  licet  nu- 
bere,  sicnt  in  lege  scriptum 
est^ 


Theodorus. 

In  t  e  r  t  i  a  propinqnitate 
carnis  licet  nubere  s  e  c  n  n  - 
dum  Graecos,  sicut  in 
lege  scriptum  est,  i  n  quinta 
s  e  c  u  n  d  u  m  Romanos  .  .  . 


2,  209  b  ('Omnis  —  gradum')  =  Levit.  18,  6;  vgl.  oben 
2,  31a.  Varianten:  'propinquam'  statt  'proximam';  'ac- 
cedat'  (wie  oben  2,  31a)  statt  'accedet'.  Am  Schlüsse  fügt 
Benedikt  hinzu :  'id  est  usque  ad  septimum  gradum'  ;  mit 
dieser  Interpolation  bleibt  sich  Benedikt  selbst  treu, 
da  er  dieselben  oder  ähnliche  Worte  schon  in  einen  frän- 
kischen und  einen  westgothischen  Text  eingeschoben  hat 
(oben  1,  82^.  2,  130'^);  bei  Bildung  des  Einschiebsels  mag 
dem  Fälscher  der  von  ihm  früher  (2,  80a)  benutzte  Brief 
Gregors  III.  an  Bonifatius  (vv.  'usque  ad  septimam  .  .  . 
[generationem]')  vorgeschwebt  haben. 

2,  209  c  ('Legitimum  —  innupti'):  Anfang  =  Theod. 
Poen.  II,  12  §  7  (Wass.  S.  213;  Schmitz  I,  545  und  II, 
576);  ohne  Variante''.  Den  Schluss:  'ita  tarnen,  ut  ambo 
deo  serviant  innupti'  hat  Benedikt  ',  wohl  im  Sinne  des 
Originals,  aus  Eigenem  hinzugefügt^. 

2,  209  d  (Tötest  —  permanserit') :  Anfang  =  Theod. 
Poen.  II,  12  §  Sa  init.  (Wass.  S.  214;  Schmitz  I,  546  und 
II,  576).  Varianten  nebensächlich  ('autem'  statt  'tarnen'; 
'servitium'  statt  'servitutem').  Auch  hier  hat  Benedikt ''', 
im  Sinne  des  Originals^,  am  Schlüsse  einen  Passus  ange- 
flickt   ('si   ipse  tamen    innuptus  vel   innupta  permanserit'). 

2,  209e  ('In  veteri  —  cum  eo')  =  Levit.  20,  16.  Dem 
Bibeltexte  (einzige  Variante :  'interficiatur'  statt  'interficie- 
tur')  schickt  Benedikt "'  —  als  Herkunfts-  und  Inhaltsangabe 


1)    Schon    in    der  Zwischenquelle    interpoliert?     Vgl.    die    folgende 
Interpolation  Benedikts.  2)  Wohl  von  Benedikt  eingefügt ;  vgl.  seine 

in    derselben    Klimax    ansteigende  Interpolation    'vel    quinta    sextaque'    in 

1,  166  (Studie  VI,  N.  A.  XXXI,  85  bei  und  in  N.  3).  —  Die  ansteigenden 
Zahlen  'in  quarto  vel  quinto  vel  sexto  gradu  cognationis'  begegnen  auch 
im  Poenit.  Martenianum  c.  31  (Wass.  S.  289).  3)  Zur  Sache  vgl.  die 
mehrfache    Behandlung    des    Eheverbots    in    unserer    Reihe:    2,    191   in.; 

2,  240  in.  4)  Dazu  Studie  VI  (N.  A.  XXXI)  S.  75.  5)  Dazu 
Studie  VII,  1  (N.  A.  XXXIV),  S.  369,  N.  4,  wo  auf  die  mögliche  Her- 
kunft des  Ausdruckes  'gradum'  hingewiesen  ist.  6)  Zur  Sache  (Ehe- 
trennung) vgl.  oben  2,  191  und  nochmals  unten  2,  235  med.  7)  Oder 
schon  die  Zwischenquelle?  8)  Aehnlich  ludicium  Clementis  c.  15 
(Wass.  S.  435) :  'ut  innupti  maneant'.  9)  vv.  'et  tamen  non  est 
canonicum'. 


Studien  zu  Beneclictus  Levita.    VII.  175 

die  Worte  voran :  'In  veteri  testamento  taliter  legitnr  de 
coitu  cum  pecoribus'. 

2,  209  f  ('In  novo  —  poeniteat')  =  Theod.  Poen.  I,  2 
§  3  (Wass.  S.  185;  Schmitz  I,  526  und  II,  546).  Varian- 
ten: 'In  novo(!)^  illa,  sicut  ille'  statt 'Item  aliud';  'coierit' 
statt  'coiret' -;  'anuis'  statt  'annos' ;  die  Worte  'alii  unde- 
cim'  fehlen  bei  Theodorus. 

2,  209  g  ('Animalia'  bis  Schluss)  =  Theod.  Poen.  II, 
11  §  9  (Wass.  S.  212;  Schmitz  I,  545  und  II,  575)^.  Va- 
rianten :  'autem'  hinter  'Animalia'  durch  Ben.^  gestrichen, 
ebenso  die  Erwähnung  der  Jungen  des  geschändeten  Tieres 
(vv.  'quod  generant,  sit  in  usu  et');  zu  'coria'  setzt  Ben.^ 
hinzu:   'eorum'. 

2,  210 — 214    aus    dem   Capitulare^  legi   Ribua- 
riae  additum  803 '^ 

Rubriken  durchweg  von  Benedikt. 

2,  210  =  Cap.  c.  5.  Die  Rubrik  des  Ansegisus  (vgl. 
N.  5)  weicht  in  ihren  Schlussworten  ab.  Im  Text  ^  3  un- 
bedeutende Varianten  ('compositionem',  'petitori',  'dominus' 
statt 'compositione',  'petitoris',  'dominus  eins');  die  Schluss- 
worte unseres  Kapitels  'Sicut  —  consensit'  finden  sich  nur 
in  den  codd.  1.  2  des  Capitulare,  nicht  in  den  7  anderen 
Hss.  und  nicht  bei  Ansegis. 

2,  211  =  Cap.  c.  6.  Die  Rubrik  bei  Ansegis  lautet 
ganz  anders.     Im  Text  5 — 6  untergeordnete  Varianten. 

2,  212  =  Cap.  c.  8.  Im  Text  die  eine  Variante  'ab 
eo',  entstanden  aus  dem  'eum'  der  codd.  1.  2,  während  die 
übrigen  7  Hss.  'tunc'  bieten. 

2,  213  a  (bis  'perveniat')  =  Cap.  c.  9.     Eine  Variante. 

2,  213b  =  Cap.  c.  10.  Ohne  Variante;  das  Schluss- 
wort 'faciat',  das  in  den  codd.  3  —  9  fehlt,  hat  Ben.  mit 
den  codd.  1.  2  gemein. 


1)  Vgl.  die  vorhergehende  luterpolation  in  2,  209  e.  2)  Uebrigens 
schreibt  der  cod.  Vindob.  2195  (Schmitz  11,  543.  546),  gleich  Benedikt, 
'coierit'.  3)  Nicht  =  Knusts  'Theodor.  31',  d.  h.  Capitula  Dacheriana 
c.  54  (Wass.  S.  150).  4)  Oder  schon  die  Zwischenquelle?  5)  Nicht 
aus  Ansegisus  (so  unrichtig  Baluze  zu  2,  210.  211),  bei  dem  (3,  44.  45; 
MG.  Capit.  I,  430)  nur  c.  5.  6  des  Capitulare  wiederkehren,  dazu  teil- 
weise mit  Lesarten,  gegen  die  Original  und  Benedikt  unter  sich  über- 
einstimmen. 6)  M(jr.  Capit.  I,  117  sq.  Benedikt  benutzt  eine  Hs.,  die 
mit  den  codd.  1.  2  bei  Boretius  (Paris.  4629;  Berol.  Phillipps.  1736) 
verwandt  war;  siehe  Boretius'  Noten  n.  p.  q.  z.  b.  h.  Vgl.  auch  unten 
zu   2,    243.  7)    Die   Hinweise    auf  die   Kapitel    der    lex   Rib.    fehlen 

durchweg  bei  Benedikt. 


176  Emil  Seckel. 

2,  214  a  (bis  'veritatem  dicat')  =  Cap.  c.  11  ^  Drei 
kleine  Varianten  ('et'  statt  'auf ;  'super'  statt  'supra' ;  'illi' 
vor  'saneti'  eingeschoben). 

2,  214  b  =  Cap.  c.  12  (ult.).  Drei  Varianten  ('sacra- 
mento'  statt  '-tum' ;  'quod  .  .  .  fuisset'  statt  'fuisse' ;  'resti- 
tuatur'  statt  'restituat') ;  das  'aliud'  (am  Ende),  welches  nur 
die  codd.  1.  2  haben,  weist  uns  nochmals  auf  die  von  Ben. 
benutzte  Hss.- Klasse  hin. 


*2,  215:  abgesehen  von  dem  Schlusssatz  (2,  215b)  aus 
der  Relatio  episcoporum  829  c.  54,  MG.  Capit.  II,  44 
lin.  34—36  (=  Ben.  Add.  II.  21  med.);  die  Relatio  deckt 
sich  hier  mit  ihrer  —  nach  allen  Analogien  unserer  Ober- 
reihe von  Ben.  nicht  benutzten  —  Quelle,  d.  h.  Concil. 
Paris.  VI.  829  lib.  3  c.  2  2,  MG.  Conc.  II,  669  lin.  24—27. 
Rubrik  von  Benedikt.     Zum  Texte : 

2,  215  a.  Textdifferenzen  bestehen  zwischen  Benedikt 
und  seiner  Vorlage  nur  in  der  ersten  Hälfte  des  Teil- 
kapitels :  'Placuit,  ut  fideles  ^  caveant  vitia,  quae  .  .  .  re- 
manserunt,  id  est'  statt  'Extant  et  alia  pernitiosissima  * 
mala,  quae  .  .  .  remansisse  non  dubium  est^  ut  sunt'.  — 
Mit  der  'divina  lex'  sind  gemeint  die  in  der  Vorlage  fol- 
genden Stellen  Lev.  20,  6—8;  Exod.  22,  18. 

2,  215  b  ('Et  ne  eos  inter  se  sinant  esse,  providendum 
illis  est') :  Quelle  unbekannt ;  vielleicht  ist  die  Aufforderung 
an  den  weltlichen  Arm,  die  Zauberer  auszurotten,  nichts 
als  eine  Paraphrase  von  Exod.  22,  18  cit.  Benedikt  hat 
den  Satz  möglicher  Weise  aus  dem  mehrerwähnten  *"  Incer- 
tum  entnommen,  das  er  dann  hier  zum  letzten  Male  zwecks 
Bereicherung  von  Relatio  -  Kapiteln  herangezogen  hätte. 


1)  Nicht  aus  dem  angeblichen  Capitulare  incerti  anni  (um  744) 
c.  14;  vgl.  Studie  111  (N.  A.  XXIX),  294  £f.,  insbes.  S.  301.  2)  Vor- 
quellen des  Conc.  Paris. :  zu  'sortilegi,  venefici,  divini,  incantatores'  vgl. 
Ps.- Augustinus,  Sermo  105  §  1  ed.  Mai  I,  220  ('sortilegi  .  .  .  divini, 
praecantatores') ;  Gregor.  111.,  Jaffe  2246  (ums  Jahr  737 ;  MGr.  Epist. 
111,  291  1.  25  ff. :  'divinos  vel  sortilegos  ...  et  incantatores  et  veneficos') ; 
Conc.  Germanicum  742  c.  5  (MG.  Conc.  II,  4 :  'sortilegos  vel  divinos  .  .  . 
sive  incantationes');  Bonifatius,  Epist.  ad  Cudberhtum  747  (MG.  Epist. 
111,  351  1.  20:  'paganas  observationes,  divinos  vel  sortilogos,  .  .  .  incan- 
tationes'). 3)  Vgl.  oben  S.  110  f.  4)  Vgl.  oben  S.  150,  N.  5,  S.  171, 
N.  3.  5)  Vgl.  oben  S.  164,  N.  8.  6)  Oben  S.  124.  134  f.  163—165. 
171—173  ('Sacerdos'- Synode). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VE.  177 

2,  216  —  219  aus  dem  Capitulare  m  i  s  s  o  r  u  m  De 
causis    admonendis   80  3^. 

Aus  dieser  Quelle  fliessen  auch  die  folgenden  ünter- 
reihen  2,  221a;  222—221.  2,  226—229.  2,  231—234.  2,  236 
—  239.  2,  241/242.  Aus  Ansegisus,  den  Knust  ^  seltsamer 
Weise  allegiert,  können  die  angeführten  zahlreichen  Kapitel 
Benedikts  schon  darum  nicht  ^  entlehnt  sein,  weil  Benedikt 
die  Kapitel  in  der  originalen  Reihenfolge  (Cap.  c.  1 — 13. 
15 — 22.  25)  bietet,  indessen  Ansegisus  sie  auf  mehrere  Stelleu 
seiner  Sammlung  verteilt  (App.  I.  28;  1,  136.  3,  33.  34.  35; 
App.  II.  4.  5.  6.  7;  3,  36.  37.  1,  137;  App.  II.  8;  3,  38. 
1,  138.  3,  39.  40.  41.  42;  App.  II.  9)  und  zwei  von  ihnen 
(Cap.  c.  18.  19)  überhaupt  nicht  aufgenommen  hat. 

Rubriken  von  Benedikt,  wie  schon  hier  für  alle  aus 
dem  Capitulare  entlehnten  Stellen  bemerkt  sein  mag*. 

2,  216  =  Cap.  c.  1  (cf.  Anseg.  App.  I,  28).  Im  Text 
4  Varianten  von  untergeordneter  Art,  drei  davon  (zufällig) 
mit  Anseg.  übereinstimmend. 

2,  217  =  Cap.  c.  2  (cf.  Anseg.  1,  136).     Zwei  Var. 

2,  218  =  Cap.  c.  3  (cf.  Anseg.  3,  33).     Eine  Var. 

2,  219  =  Cap.  c.  4  (cf.  Anseg.  3,  34).     Eine  Var. 


*2,  220:  aus  der  Relatio  episcoporum  829  c.  54,  MG. 
Capit.  II,  45  lin.  14  —  20  (=  Ben.  Add.  II.  22  in.);  die 
Relatio  deckt  sich  wieder  mit  ihrer  —  von  Benedikt  nicht 
benutzten  —  Quelle,  d.  h.  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  III 
c.  2,  MG.  Conc.  II,  670  lin.  3—10.  Rubrik  von  Benedikt. 
Der  Text  weicht  von  der  Vorlage  im  Anfange  ab :  'Placuit, 
ut  fideles^  a  vitiis  detestandis,  quae'  statt  'Sunt  et  alia 
detestanda  vitia,  quae  ita' ;  und  ferner  in  folgenden  ener- 
gischen Vereinfachungen'':  'se  abstineant'  statt  'ut  ea  per- 
petrantes,  quanti  sint  criminis  ('discriminis'  Conc.  Paris.), 
non  advertant,  sicut  sunt  ea' ;  'de  quibus  apostolus  ait'  statt 


1)  MG.  Capit.  I,  115  sq.  Benedikts  Text  harmoniert  mit  dem 
Texte  der  codd.  4.  9.  10.  12.  16.  20.  21.  31-33.  85.  36.  38  bei  Boretius. 
Abweichungen  Benedikts  von  anderen  Hss.  müssen  unberücksichtigt 
bleiben.  2)   Und   schon  Baluze   zu   2,  217-219.  221—224.  226—229. 

231—234.  238 '239.  241,242.  Das  Richtige  trifft  Knust  nur  zu  2,  236. 
237,  Bahize  nur  zu  2,  216.    236.   237.  3)    Eine   fernere  Gegeninstanz 

liefern  manche  Lesarten,  die  Ben.  nur  dem  Original  verdanken  kann, 
z.  B.  die  Schlussworte  'misericordiam  faciat'  in  2,  231.  4)    Dass   sich 

eine  einzige  Rubrik  von  Benedikt  (vor  2,  241)  mit  der  entsprechenden 
Rubrik  des  Ansegisus  wörtlich  deckt,  beruht  auf  Zufall.  5)  Vgl.  oben 
S.  110  f.         6)  Vgl.  oben  S.  109  f. 

Neues  Archiv  ete.   XXXV.  12 


178  Emil  Seckel. 

'quae  homines  inxta  eundem  apostolum  a  regno  Dei  exclu- 
dunt,  ita  inqiiiens'  ^ ;  'et  de  illis  dici  potest'  statt  'in  tan- 
tum  enim  ea  inpudenter  et  fidenter  qnidam  committiiiit, 
ut  merito  de  illis  dici  possit'.  —  Von  den  drei  Bibelzitaten 
bei  Benedikt  fehlt  das  mittlere  ('et  alibi:  Non  —  facien- 
tibus'  =  Rom.  1,  32  i.  f.)  in  Relatio  -  und  Conc-  Paris.; 
es  ist  ein  Lieblingszitat  von  Benedikt'^  nnd  Pseudoisidor ^ 
und  dürfte  als  Interpolation  des  Fälschers ^  zu  be- 
zeichnen sein.  Das  letzte  Zitat  (Prov.  2,  14)  lautet  wie  in 
der  Vorlage.  Im  ersten  Zitat  (Gal.  5,  20.  21)  stimmt  Bene- 
dikt in  dem  Schluss  'Qui  —  consequentur'  wörtlich  mit 
der  (heutigen)  Vulgata  überein,  während  die  Vorlage  ''  'enim' 
einschiebt  und  'consecuntur'  statt  'consequentur'  ^  schreibt. 
Benedikt  hat  wohl  dieses  erste  Zitat  nach  seiner  Bibel -Hs. 
zurecht  interpoliert;  an  Benutzung  einer  unbekannten 
Quelle  braucht  man  allein  wegen  dieser  Kleinigkeiten 
nicht  zu  denken.  —  Von  Parallelen  innerhalb  der  laufenden 
Oberreihe  vgl.  2,  244  (Vermeidung  der  Laster,  speziell  der 
detractio)  und  2,  254  (Abmahnung  von  der  invidia). 


2,  221  —  224    aus    dem     Capitulare     missorum 
80  3    cit.'''    mit    einer    Einsprengung    (2,    221b)    aus    einem 

anderen  Kapitular. 
2,  221a  (bis  'heribannatoribus')  =  Cap.  c.  5  (cf.  Anseg. 

3,  35  =  Ben.  1,  283).     Eine  Variante. 

2,  22 Ib  =  Capitula  omnibus  coguita  facienda 
801  — (806?)814  c.  2  in.,  MG.  Capit.  I,  144^  Drei  Varian- 
ten: 'Et'  statt  'üt  liberi  homines';  ^aliud'  vor  'obsequium' 
von  Ben.  eingefügt;  'vel  vicarüs  faciant'  statt  'f.  nee  vic' 

2,  222  wörtlich  =  Capitulare  c.  6  (cf.  Anseg.  App. 
IL  4). 

2,  223  =  Cap.  c.  7  (cf.  Anseg.  App.  IL  5).  Zwei 
Varianten:  'armillae'  statt  'bauga'  (oder  'baucas'  oder  ähn- 
lich); 'bruniae'  statt  'brunias'  (oder  'brunnia'). 

2,  224  wörtlich  =  Cap.  c.  8   (cf.  Anseg.  App.  IL  6). 


*2.  225:  aus  der  Relatio  epiacoporum  829  c.  54,  MG. 
Capit.  II,  45  1.  23—28  (=  Ben.  Add.  IL  22  in  der  zweiten 


1)    Grrammatisch    richtig    wäre    'inquientem'.  2)   Auch   in   der 

Fassung   von   Ben.    Add.   11.    22.  3)    Vgl.    z.  B.    Ben.    3,  141    i.  f.; 

3,  261  i;  3,  386  i.  f.  4)  Vgl.  Hinschius,  Decr.  pseudois.  p.  CXX.  5)  So 
schon  Knust -Pertz  z.  d.  St.  6)    Und   vor   der  Rel.   schon   das  Conc. 

Paris.  7)  Diese  Aenderung  ist  an  der  Rel.  bereits  bei  Ben.  Add.  vor- 
genommen. 8)  Vgl.  oben  zu  2,  216  ff.  9)  Diese  Quelle  war  bisher 
nicht  ermittelt. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  179 

Hälfte) ;  nicht  ^  aus  der  Quelle  der  Relatio,  d.  h.  Conc. 
Paris.  VI.  829  lib.  III  c.  2\  MG.  Conc.  II,  670  1.  12—18; 
Ygl.  auch  lonas  Aurel.,  De  institutione  laicali  1,  13  i.  f.; 
1,  17  in.;  3,  8  rubr. ;  3,  9  rubr.  (Migne  CVI,  149  ff.).  Rubrik 
von  Benedikt.  Text  zum  Teil  erheblich  gemodelt:  'Placuit, 
ut  fideles'^-*  statt  'Similiter^  etiam' ;  Wortunistellung  und 
prosaischere  Ausdrucksweise  in  dem  Passus  'in  die  iudicii 
s  e  c  u  n  d  u  m  domini  sententiam*'  rationes  omnes 
reddituri  sumus  et'  statt  '  i  u  x  t  a  domini  v  o  c  e  m  o.  r.  s. 
in  die  iudicii  rationem' ;  'et'  vor  'de  mendatio'  eingescho- 
ben ;  'de  mendacio  noxio  ^  s  i  v  e  de  periculoso  assiduoque 
iuramento'  statt  'de  mendatio,  de  periculoso,  noxio  a.  i.'; 
Vereinfachung^  in  dem  Passus  'ab  his  omnibus  cuncti 
christiani  se  fortiter  cavere  debent'  statt  'omnibus  chri- 
stianis  intellegendum  et  observandum  est,  ut  summopere  ^ 
ab  his  se  caveant'. 


1)  Denn  Ben.  folgt  der  Relatio  an  der  einzigen  Stelle,  wo  Relatio 
('suarum  patiantur  animarum')  und  C.  Par.  ('patiantur  animarum'  ed. 
WerniinghofF;  ed.  Mansi  XIV,  596 B  'patiantur  suarum  animarum',  durch 
Konjektur  aus  der  Relatio?)  auseinandergehen.  2)  Ergänzung  der  von 
Werminghoff  beigebrachten  Vorquellen  (Matth.  12,  36;  1.  Cor.  6,  10, 
beide  Zitate  schon  im  C.  Par.  ungenau  wiedergegeben):  'scurrilitas'  und 
'stultiloquium'  sind  Reminiszenzen  an  Ephes.  5,  4  (vgl.  auch  C.  Par. 
lib.  I  c.  38  in.,  1.  c.  p.  636);  ■ —  aus  dem  'v  erb  um  otiosum'  in  Matth. 
12,  36  ist  schon  lange  vor  dem  C.  Par.  ein  'otiosus  sermo'  geworden, 
vgl.  z.  B.  Gregor.  Dialog.  8,  15  (Migne  LXXVIl,  253  B)  'Si  apud  districtum 
iudicem  otiosus  sermo  reprehenditur,  quanto  magis  noxius?'  (^  Coli. 
Hibern.  61,  5  i.  f.;  cf.  Ben.  Add.  IV.  82)  und  Caesarius  Arelat.,  »Suggestio 
sacerdotil)us  directa  (ed.  A.  Maluory,  Saint  Cesaire,  in  der  Bibl.  de 
r^cole  des  hautes  etudes,  Sciences  philologiques  et  historiques,  Fase.  103, 
1894,  p.  304)  '.  .  .  aliquoties  aut  ociosis  sermonibus,  pro  quibus  in  die 
iudicii  reddenda  est  ratio,  occupantur' ;  — •  zu  '(obscoenis)  turpibusque 
canticis'  vgl.  Ps.-Augustinus,  Sermo  168  §  3  (Migne  XXXIX,  2071)  'cantica 
turpia  vel  luxuriosa  ex  ore  non  proferant'  (=  lonas  Aurel.,  De  inst, 
laic.  1,  6,  Migne  CVI,  132)  und  Caesarius  Arel.,  Suggestio  cit.  p.  800 
'nee  sacrilego  more  cantica  turpia  proferre' ;  vgl.  auch  oben  S.  157, 
N.  2.  3  zu  2,  196.  3)  Vgl.  oben  S.  110  f.  4)  Das  Prädikat  fehlt;  dem 
Interpolator  mag  'instruantur'  vorgeschwebt  haben.  Die  grammatische  Un- 
stimmigkeit beweist  wieder  einmal  (vgl.  oben  S.  170,  N.  8),  dass  der  stereo- 
tjrpe  Eingang  ohne  viel  Sorgfalt  hinzugefälscht  ist.  Siehe  ferner  unten 
S.  182,  N.  5.  5)  Der  Satzanfang  'Similiter'  begegnet  niemals  bei  Benedikt 
innerhalb  unserer  Reihe,  dagegen  mehrfach  in  Conc.  Paris,  (lib.  III 
c.  12.  13.  23)  und  Relatio  (c.  10^  25.  48.  58).  6)  Benedikt  interpoliert 
die  Wendung  'secundum  domini  sententiam'  nocli  ein  zweites  Mal  (unten 
2,  235);  er  ist  keineswegs  der  Erfinder  der  Wendung;  vgl.  z.  B.  lonas 
Aurel.,  De  inst.  laic.  2,  13  in.  (Migne  CVI,  191)  'ex  domini  sententia'. 
7)  Hat  hier  Benedikt  pro  domo  die  Moral  seiner  Vorlage  korrigiert,  um 
wegen  seiner  vielen  'frommen'  Lügen  sein  Gewissen  zu  sal vieren?  8)  Vgl. 
oben  S.  109  f.  9)  Dieses  AVort  kennen  wir  Itereits  aus  dem  Phrasen- 
schatze der  Vorlage  (vgl.  oben  2,  208a  a,  S.  169.  171,  N.  8). 

12* 


180  Emil  Seckel. 

2,  226  —  229  aus  dem  Capitulare  missorum  803  cit.^ 

2,  226  =  Cap.  c.  9  (cf.  Anseg.  App.  II.  7).  Eine 
Variante. 

2,  227  =  Cap.  c.  10  (cf.  Anseg.  3,  36).  Zwei  kleine 
Vai'ianten.  Die  Worte  'foras  mitio',  die  sich  nur  in  einem 
Teil  der  Hss.  des  Capitulare  finden,  fehlen  bei  Benedikt; 
hat  Ben.  sie  vorgefunden  und  gestrichen,  so  hat  er,  gleich 
der  Mehrzahl  der  Hss.  und  gleich  Ausegisus,  ein  veral- 
tendes Wort ''  beseitigt  und  die  Veräusserungsbefugnis  der 
Kolonen,  die  das  Capitulare  blos  beschränkt,  ganz  beseitigt. 

2,  228  =  Cap.  c.  11  (cf.  Anseg.  3,  37).     Eine  Var. 

2,  229  =  Cap.  c.  12  (cf.  Anseg.  1,  137).    Eine  Var. 


*2,  230:  aus  der  Relatio  episcoporum  829  c.  54,  MG. 
Capit.  II,  45  1.  (35.)  36  —  p.  46  1.  1  (=  Ben.  Add.  IL 
23  in.).  Eigentümlich  liegen  die  Verhältnisse  bezüglich 
der  Quelle  der  Eelatio,  d.  h.  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  III 
c.  2  3,  MG.  Conc.  II,  670  1.  (25)  26  —  p.  671  1.  5.  Die 
Relatio  hat,  gegenüber  Conc.  Paris.,  die  richtige  Lesart 
'vasi  infirmiori'*  verschlechtert  zu  'quasi  infirmioribus',  sowie 
das  Wort  'etiam'  gestrichen.  Auffallender  Weise  deckt 
sich  Benedikts  Text  der  Relatio,  wie  er  in  der  Additio  IL 
vorliegt^,  in  beiden  Punkten^  mit  dem  Conc.  Paris. ^  — 
Rubrik  zu  2,  230  von  Benedikt.  Im  Text  4  Abweichungen 
von  der  in  Ben.  Add.  vorliegenden  Rezension  der  Relatio: 


1)  Vgl.   oben  zu  2,  216  ff.  2)  Vgl.    H.  ßrunner,    Mithio   und 

Sperantes    (Festgabe  für  Beseler  1885)  S.  19.  27  f.  3)  Vgl.    auch   die 

Haupt -Vorquelle  des  Conc.  Paris.,  d.  h.  lonas  Aurel.,  De  institutione 
laicali  2,  1.  2  (mit  Anklängen  an  Pseudo  -  Augustinus  in  Coli.  Hibernensis 
46,  16  in.).  4  —  6,  je  die  Rubrik  (Migne  CVI,  167—179).  Jonas  und 
Conc.  Paris,  stimmen  zum  Teil  überein  (Jon.  2,  1.  4  fin.  5.  6),  zum  Teil 
nicht  (Jon.  2,  1  fin.  2.  4  in.).  —  Vgl.  ferner  unten  2,  432.  433.  3,  388. 
4)  Vgl.    als  Vorquelle    1.  Petr.  3,  7.  5)    Er  ist  in  der  Kapitularien- 

ausgabe    von    Boretius  -  Krause    leider   nicht   berücksichtigt.  6)    Die 

Add.  II.  23  in.  hat  sonst  nur  noch  ein  'ut'  eingeschoben.  7)  Derselben 
Erscheinung   sind  wir   in    Studie  VI   zu  Ben.  1,  317.  318  (beizufügen  ist 

1,  319,  da  schon  das  Conc.  Paris,  'imperatricis  augustae'  schreibt,  s.  MG. 
Conc.  II,  610  1.  37)  begegnet;  vgl.  ferner  oben  2,  220  (S.  178,  N.  7)  und 
unten  2,  235.  Also  muss  Benedikt  entweder  —  unwahrscheinlich  —  einen 
besseren  Text  der  Relatio  besessen  haben  als  wir  (trotz  des  trefflichen 
Gothanus)  oder  — -  w^ahrscheinlich  —  benutzt  er  neben  der  Relatio  bald 
das  Conc.  Paris,  (so  in  den  zu  Anfang  dieser  Note  aufgeführten  Stellen, 
und  zwar  auch  in  ganz  nebensächlichen  Dingen ;  die  Add.  II.  ergibt  im 
Ganzen  fast  80  mit  dem  Conc.  Paris,  harmonierende  Lesarten!),  bald 
Jonas   von    Orleans    (so    wahrscheinlich   in   Add.  II.    23   post  in.    und   in 

2,  235).  An  eine  unbekannte  gemeinsame  Vorlage  von  Benedikt  und 
Conc.  Paris,  zu  denken,  empfiehlt  sich  nicht. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  181 

'Placuit,  ut  fideles  ^  sciant'  statt  '.  .  .  quod  nosse  eos  (seil, 
laicos  fideles)  oporteat' ;  'sicut  doctores  nostri  tradunt'  ge- 
strichen; (ut  virg'initas  usque  ad-  nuptias)  'fideliter  serve- 
tur'  ^  statt  'sit  custodienda'  ^ ;  'debeant'  hinter  'debitum' 
gestrichen  ^. 

2,  231 — 234  aus  dem  Capitulare  missorum  803  cit.'^ 

2,  231  =  Cap.  c.  13  (cf.  Anseg.  App.  II.  8).  Zwei 
Varianten. 

2,  232  wörtlich  =  Cap.  c.   15^  (cf.  Anseg.  3,  38). 

2,  233  =  Cap.  c.  16  (cf.  Anseg.   1,  138).    Eine  Var. 

2,  234  =  Cap.  c.  17  (cf.  Anseg.  3,  39).  Eine  Variante; 
zwei  Einschaltungen,  eine  nur  formelle  ('praecipi- 
mus'  vor  dem  'ut'-Satz),  und  am  Ende  der  Zusatz:  'nee 
herbam  excepto  suo  prato'.  Ueber  das  Recht  des  reisenden 
Königsboten  u.  s.  w.  zur  Wegnahme  des  erforderlichen 
Grases  vgl.  Pippini  Cup.  Aquit.  7G8  c.  6,  Cap.  Haristall. 
779  c.  17  i.  f.,  Karöli  M.  ad  Fulradum  epist.  804  —  811 
(MG.  Capit.  I,  43.  51.  168  1.  32);  über  die  Freiheit  der 
Privatwiesen  von  diesem  Rechte  vgl.  Capitula  omnibus 
cognita  facienda  801— (806?)  814 «  c.  1  (1.  c.  p.  144):  'simi- 
liter  pastuni  nullus  contendere  faciat  excepto  prato 
vel  messe'. 


1)  Vgl.  oben  S.  110  f.  2)  So  Cod.  Vat.  Pal.  583.  3)  Das  Wort 
'servetur'  hat  Ben.  entweder  selbständig  gewählt  oder,  sei  es  direkt,  sei 
es  indirekt ,  bezogen  von  Pseudo  -  Augustinus  (d.  h.  Oaesarius  Arelat.), 
Sermo  168  §  3  =  Sermo  288  §  5  =  Sermo  292  §  1  (Migne  XXXIX) 
'virginitatem  usque  ad  nuptias  servent'  =  lonas,  De  inst.  laic.  1,  6 
(Migne  CVI,  132)  =  Conc.  Paris,  lib.  I.  c.  7  i.  f.  (MG.  Conc.  II,  615). 
Vgl.  auch  Caesarius  Arel.,  Suggestio  cit.  p.  301  ('ut  a  pueris  vel  puellis 
virginitas    cons  er  v  et  ur').  4)   Vgl.    Coli.  Hib.  46,   16  cit.:    'et    ipse 

usque  ad  nuptias  virginitatem  custodiat';  Caesarius  Arel.,  Admonitio 
'Rogo  vos'  (Migne  LXVll,  1087/8),  cf.  Ps.  -  Augustinus ,  Sermo  288 
§  5  cit.  (N.  3) ;  Caesarius ,  Homilia  'Magnum  nobis'  (ed.  Caspari, 
Kirchenhist.  Anecd.  I,  220  Z.  3).  5)    Der  Schlusssatz  'Et  quod  com- 

mixtio  carnalis  cum  uxoribus  gratia  fieri  debeat  prolis,  non  voluptatis', 
der  in  Conc.  Paris.,  Relatio  und  bei  Ben.  denselben,  bei  Jonas  2,  6  fast 
denselben  Wortlaut  hat,  mag  von  seinem  Urheber  (wohl  Jonas)  gebildet 
sein  nach  c.  8  des  Briefes  von  Gregor  I.  an  Augustin,  Jaffe  1843  (MG. 
Epist.  U,  341  1.  11  sq.):  'oportet  itaque  legitimam  carnis  copulam,  ut 
causa  prolis  sit,  non  voluptatis,  et  carnis  commixtio  crean- 
dorum  liberorum  sit  gratia'  etc.  6)  Vgl.  oben  zu  2,  216  ff.  7)  Aus 
naheliegenden  Gründen  hat  der  staatsfeindliche  Fälscher  Cap.  c.  14  ('De 
episcopis  .  .  .  qui  ad  placitum  nostrum  non  venerunt')  übersprungen. 
8)  Mit  Hilfe  dieser  Capitula  hat  Benedikt  schon  einmal  (oben  2,  221  b) 
seine  Hauptquelle,  das  Cap.  miss.  803,  interpoliert. 


182 


Emil  Seckel. 


*2,  235:  aus  der  Relatio  episcoporum  829  c.  54,  MG. 
Capit'.  II,  46  1.  1—4  (=  Ben.  Add.  II.  23  post  iu.).  Aehnlich 
wie  bei  2,  230  liegen  die  Verhältnisse  bezüglich  der  Quelle 
der  Relatio,  d.  h.  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  III  c.  2  \  MG. 
Conc.  II,  671  1.  5—8  2.  d[q  Texte  von  Relatio  und  Conc. 
Paris,  decken  sich  fast  vollkommen:  nur  hat  die  Relatio  'suis' 
hinter  'uxoribus'  gestrichen.  Ben.  Add.  II.  23  setzt  das 
'suis'  (aus  Conc.  Paris,  oder  aus  Jonas,  vgl.  N.  7  zu  2,  230) 
wieder  ein ;  ein  zweites  Einschiebsel  in  der  Add.  II.  cit. 
'necnon  —  sit'  führt  uns  auf  die  Quelle  der  unechten 
Worte  'necnon  menstruo  tempore'  in  unserm  Kapitel  2,  235, 
nämlich  auf  Jonas  von  Orleans: 


Ben.   2,   235. 
.  .  .  necnon  men- 
struo tempore  .  .  . 


Ben.  Add.  II.  23. 
.  .  .  n  e  c  n  o  n  et 
qualiter  menstruo 
tempore  viris  ab 
uxoribus  suis  absti- 
nendum  sit. 


lonas  2, 10  rubr.  cit.^ 

Quod  tempore 
menstruo  om- 
nino  ab  uxori- 
bus sit  absti- 
n  e  n  d  u  m. 


—  Rubrik  zu  2,  235  von  Benedikt.  Im  Text  folgende 
Abweichungen  von  der  Relatio  (=  Conc.  Paris.):  'Placuit, 
ut  fideles*  se  abstineant  a  c.  p.  u.'  statt  '.  .  .  et  qualiter 
a  c.  p.  u.  viris  abstinendum  sit' ;  über  die  der  unmittel- 
baren Vorlage  fremden  Worte  'necnon  —  tempore'  s.  oben ; 
'Et    u  t  ^    causa    fornicationis    non   sit   uxor,    s  e  c  u  n  d  u  m 


1)  Vgl.  auch  die  Vorquelle  des  Conc.  Paris.,  d.  h.  lonas  Aurel., 
De  inst.  laic.  2,  7.  10.  12.  13,  je  die  Rubrik  (Migne  CVI,  182.  186.  188. 
191).  Jonas  und  Conc.  Paris,  stimmen  bald  völlig  (Jonas  2,  12.  13), 
bald  teilweise  (Jonas  2,  7)  überein.  2)  Zu  p.  671  1.  8  vgl.  die  Addeuda 
MGr.  Conc.  II,  1013;  zu  1.  6  hätte  ausser  Matth.  5,  32  auch  Matth.  19,  9 
zitiert  werden  können.  3)  =  Ben.  Add.  III.  21,  von  welchem  Kapitel 
die  Quelle  bisher  unbekannt  war.  —  Parallelen  finden  sich  in  der  Bibel 
(Levit.  15,  19  ft'.  18,  19;  Ezech.  18,  6)  uud  besonders  zahlreich  in  den 
Bussbüchern,  vgl.  z.  B.  Canones  Gi-egorii  c.  107  (Wass.  S.  172);  Theodori 
Poen.  I,  14  §  23  (S.  199);  Beda  3,  37  (S.  224);  Pseudo-Beda  c.  6 
(S.  262) ;  Merseburg,  a  c.  96.  157  (S.  401.  406)  ;  Cummeau.  3,  13  (S.  472). 
4)  Vgl.  oben  S.  110  f.  5)  Dieses  'ut'  stellt  den  Sinn  der  Vorlagen  auf 
den  Kopf;  die  Ehebrecherin  soll  nicht  entlassen  werden  dürfen  uud 
dies  soll  Christus  angeordnet  haben!  (Das  'secundum  domini  sententiam' 
muss  in  diesem  Sinn  verstanden  werden;  man  darf  nicht  verbindeu 
'non  sec.  dorn,  sent.',  da  Benedikt  seinen  Königen  unmöglich  einen  Gegen- 
befehl gegen  Christi  Grebot  in  den  Mund  legen  kann,  und  übrigens  der 
Gegenbefehl  ungefähr  auf  die  Erlaubnis  Christi  hinausliefe).  Mit  seinem 
'ut'  setzt  sich  unser  Text  in  AVider'spruch  nicht  nur  mit  dem  auch  im  9.  Jh. 
jedem  Gebildeten  bekannten  Inhalte  des  Neuen  Testaments,  sondern  auch 
mit  allen  einschlägigen  Stellen  Benedikts  (Add.  II.  23  cit.;  2,  87. 
3,  179  med.).  Ich  möchte  danach  in  dem  'ut'  nicht  mit  Scherer,  Eherecht 
bei  Ben.  Lev.  S.  34  (vgl.  auch  Preisen,  Gesch.  des  can.  Eherechts  S.  793, 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  183 

domin  i  sententiam\  dimittenda'  statt  'Et  q  u  o  d 
11  i  s  i  -  causa  forn.,  u  t  -  doiiiin  vi  s  -  ait  ^,  non  sit  uxor  di- 
mittenda' ;  'suis',  das  nur  in  der  Ratio  fehlt,  steht  bei 
Jonas,  im  Conc  Paris,  und  in  Ben.  Add.  II  (s.  oben); 
'notantur'  statt  'notentur'.  —  Zur  Sache  vgl.  schon  oben 
2,  191.  209c. 

2,236  —  239  aus  dem  Capitulare  missorum  803  cit.^ 

2,  236  =  Gap.  c.  18.     Eine  Variante. 

2,  237  =  Cap.  c.  19.  Variante:  'legem'  statt  'lege'. 
Vor  'et  manufirmationes'  scheint  in  Pertz'  Ausgabe  des 
Benedictus  das  Wort  'scriptiones'  versehentlich  ausgefallen 
zu  sein ;  'scriptiones'  steht  in  der  Edition  von  Baluze  und 
im  Cod.  Vat.  Pal.  583  (Photographie ;  andere  Hss.  sind 
bisher  nicht  verglichen) ;  statt  'scriptiones'  schreibt  das 
Capitulare  'subscriptiones'. 

2,  238  =  Cap.  c.  20  (cf.  Anseg.  3,  40).  Mehrere 
Varianten:  'suam'  hinter  'causam'  gestrichen;  'vult'  hinter 
'quaerere',  was  im  Original  fehlt,  hat  Ben.  durch  Konjek- 
turalkritik  ergänzt  ^ ;  'se  ab  alio  quaeri  seit'  statt  'si  alter 
ei  quaerere  debet' ;  'excepto'  statt  'exceptis',  'esse'  statt 
'praeesse'. 

2,  239  =  Cap.  c.  21  (cf.  Anseg.  3,  41).  Variante: 
'üt  falsi   festes   minime'  statt  'De  falsis  testibus^  ut  non'. 


'•'2,  240:  aus  der  Relatio  episcoporum  829  c.  54,  MG. 
Capit.  IL  46  1.  4  —  9  (=  Ben.  Add.  II.  23  med.).  Aehn- 
lich  wie  bei  2,  230.  235  liegen  die  Verhältnisse  bezüglich 
der  Quelle  der  Relatio,  d.  h.  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  III 
c.  2»^,  MG.  Conc.  II,  671  1.  8  —13.     Die  Texte  von  Relatio 


N.  55)  eine  'gewagte  Interpolation',  sondern  eine  Gedankenlosigkeit 
Benedikts  erblicken,  zu  der  das  mehrfach  Unzuträglichkeiten  veranlassende 
falsche  Initium  'Placuit,    ut   tideles'  den  Anlass   gab.  1)    Vgl.    oben 

S.  179,  N.  6  zu  2,  225.  2)  So  auch  Jonas.  .3)  Vgl.  oben  zu  2,  116  ff. 
4)  Aehnliche  Ergänzungsversuche  in  cod.  1  ('vellit'),  31  (-'voluerit') ;  andere 
Hss.  helfen  durch  Aenderung  von  'quaerere'  zu  'quaerit'  (codd.  5.  22.  27. 
40.  41 ;  so  auch  Anseg.)  oder  zu  'quaesierit'  (cod.  29).  5)   Grund  der 

Aenderung  Benedikts  ist  lediglich  ein  stilistisches  Abwechselungsbedürfnis ; 
die  Wendung  'De  falsis  testibus'  hatte  er  schon  in  der  Rubrik  von  2,  239 
gebraucht.  G)  Vgl.  auch    die  Vorquelle    des  Conc.  Paris.,   d.  h.  lonas. 

Aurel.,  De  inst.  laic.  2,  8  rubr.  und  Textende:  '.  .  .  ut  unusquisque 
fidelis  huiuscemodi  incesta  coniugia  caveat';  1,  11  rubr.  und  Text 
(=  Conc.  Paris,  lib.  II  c.  11,  1.  c.  p.  663,  =  lonas  Aurel.,  De  in- 
stitutione  regia  c.  13,  Migne  CVI,  302/3):  '.  .  .  oportet,  ut  fidel  es 
reraoto  neglegentiae  tepore  huiuscemodi  loca   ad  De  um   exorandum 


184  Emil  Seckel. 

und  Conc.  Paris,  decken  sich  fast  vollkommen;  nur  dass 
die  Relatio  statt  'propitium'  fehlerhaft  'propitius'  schreibt. 
Ben.  Add.  II.  23  korrigiert  letzteres  (aus  Conc.  Paris.?) 
und  streicht  'a'  vor  'christianis'.  —  Rubrik  zu  2,  240  von 
Benedikt.  Abweichungen  seines  Textes  von  Relatio  (und 
Conc.  Paris.):  'Placuit,  ut  fideles  ^  agnoscant'  statt  \  .  . 
sive  etiam' ;  'a'  vor  'christianis'  gestrichen,  wie  in  Ben. 
Add.  II. ;  'a  fidelibus'  gestrichen,  vgl.  aber  Benedikts  Ini- 
tiura;  'propitium' schreibt  Ben.  mit  Jonas,  Conc.  Paris,  und 
Ben.  Add.  II,  'propitius'  die  Relatio  (vgl.  oben ;  analog 
dem  'frequentius  devotiusque' ?) ;  'saepius  quam  actenus 
fecissent'  von  Ben.  eingeschoben,  steht  nicht  in  Jonas, 
Conc.  Paris,  und  Relatio;  'frequentent'^  statt  'sint  adeuuda'  ^; 
endlich  fehlt  in  Jonas,  Conc.  Paris,  und  Relatio  'hi'  vor 
'qui',  und  umgekehrt  haben  Conc.  Paris,  und  Relatio  (vgl. 
Jonas)  hinter  'ecclesiis'  das  bei  Ben.  fehlende  'Dei'.  —  In 
der  Sache  wiederholt  sich  auch  hier  unsere  Reihe  selbst; 
vgl.  zu  2,  240  in.  oben  2,  191  in.  209  a  und  zu  2,  210  med. 
oben  2,  196. 

2,  241—243  aus  dem  Capitulare  missorum  803  cit.^ 
mit  einer  Zugabe  aus  einem  anderen  Kapitular. 

2,  241  wörtlich  =  Cap.  miss.  c.  22  (cf.  Aiiseg.  3,  42). 


sibique  propitium  facieudum  frequeuter  ac  devote  adeant 
.  .  .'  (Migne  CVl,  144  ß  ^  MG.  Conc.  11,  664  1.  16.  17);  1,  13  rubr. 
(cf.  Conc.  Paris,  lib.  II  c.  12,  1.  c.  p.  664,  und  lonas,  De  institutione  reg. 
c.  14,  Migne  CVl,  303).  —  .Jonas  und  Conc.  Paris,  stimmen  nirgends  im 
vollen  Wortlaut  iiberein.  —  .Jonas  ist  seinerseits  nicht  überall  originell ; 
vgl.  zu  .Jon.  1,  13  rubr.,  v.  'otiosis  .  .  .  fabulis'  z.  ß.  Caesai'ius  Arelat., 
Suggestio  cit.  p.  298 :  'repudiatis  otiosis  fabulis';  Conc.  Baiuwaricum 
740  —  750  c.  3  (MG.  Conc.  11,  52).  Vgl.  schliesslich  oben  N.  5  zu 
2,  195.  1)  Vergl.  oben  S.  110  f.  2)   Benedikts  Text  lautet  im  Zu- 

sammenhang :  'Placuit,  ut  fideles  agnoscant,  .  .  .  quod  loca  Deo  dicata 
frequentius  devotiusque  ad  Deum  exorandum  sibique  propitium  facien- 
dum'  ['saepius  quam  actenus  fecissent',  diese  4  Wörter  interpoliert]  'fre- 
quentent'.  Wären  die  2  Wörter  der  Phrase  'frequentius  .  .  .  frequen- 
tent'  nicht  durch  11  andere  Wörter  getrennt  und  wüssten  wir  nichts  über 
die  Provenienz  der  Vorlage,  welche  'frequentius  ...  (9  Wörter)  .  .  .  sint 
adeunda'  schreibt,  so  wäre,  methodisch  richtig,  die  Priorität  der  ungelenken 
Fassung  vor  der  geglätteten  zu  folgern.  So  aber  entspricht  die  andere 
Möglichkeit,  dass  Benedikt  seine  Vorlage  wie  angegeben  verschlechtert 
habe,  der  Wirklichkeit.  3)  Auch  Jonas  1,  11  Text  (Migne  CVl,  144B) 
hat  'adire'  ('ut  fideles  .  .  .  loca  .  .  .  frequenter  .  .  .  adeant').  —  Zur 
Sache  vgl.  Ps.  -  Augustinus,  Sermo  168  §  8  (Migne  XXXIX,  2071):  'ad 
ecclesiam  frequentius  currant'  (=  Jonas  1,  6  Text;  Migne  CVl,  132). 
4)  Vgl.  oben  zu  2,  216  ff. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VU.  185 

2,  242  =  Cap.  miss.  c.  25  (cf.  Anse^.  App.  II.  9). 
Zwei  Varianten:  'volumus  ut'  vor  'adhuc'  gestrichen;  'et' 
vor  'de  opere'  eingefügt. 

2,  243:  angeflickt  aus  den  schon  zuvor  ^  zur  Ergänzung 
des  Cap.  miss.  803  in  Kontribution  gesetzten  Capitula  omnibus 
cognita  facienda  801 —  (806  ?)  814  c.  7  (ult.),  MG.  Capit.  I, 
144.  Eubrik  von  Benedikt.  Den  Text  hat  Benedikt  nicht 
im  vollen  Wortlaut  des  Originals  vor  sich,  sondern  in 
einem  Auszug,  wie  er  ähnlich  in  den  codd.  Paris.  4629 
und  Berol.  Phill.  1736  ^  vorliegt.  Doch  stand  Benedikts 
Auszug  dem  Original  noch  näher  als  der  uns  überlieferte ; 
denn  Ben.  schreibt  mit  dem  Original  'nuUus  homo',  wäh- 
rend die  Abbreviatio  cit.  'homo'  weglässt,  und  Ben.  weiss 
nur  von  'rodaticum'  und  'pulveraticum',  während  die  Ab- 
brev.  cit.  das  originalfremde  'cespitaticum'  ^  hinzufügt. 


*2,  244:  Bearbeitung  von  Helatio  episcoporum  829 
c.  54,  MG.  Capit.  II,  46  1.  9— 11  (=  Ben.  Add.  II.  23  med.); 
Quelle  der  Eelatio :  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  III  c.  2^ 
MG.  Conc.  II,  671  1.  13  — 15;  Quelle  des  Conc.  Paris.: 
lonas  Aurel.,  De  inst.  laic.  2,  24.  26.  3,  7,  je  die  üubrik 
(Migne  CVI,  218 — 247).  Jonas  und  Conc.  Paris,  decken  sich 
nur  zum  Teil.  Die  Eelatio  kopiert  ihre  Quelle  fast  wort- 
getreu nach  einer  Hs.,  die  'et  detractione'  (mit  dem  Cod. 
Paris,  des  Pariser  Konzils)  und  'denumerare'  (mit  dem  cod. 
Vatic.  des  Konzils)  schrieb ;  aus  dem  ungewöhnlichen  'de- 
numerare' macht  die  Relatio  'enumerare'.  Ben.  Add.  II.  23 
setzt  vor  'detractione'  das  'de'  wieder  ein  (entweder  aus 
seiner  Hs.  der  Relatio  oder  aus  einer  'de  detr.'  schreiben- 
den Hs.  des  Conc.  Paris,  oder  am  Ende  aus  Jonas?  oder 
selbständig) ;  ferner  schreibt  Ben.  Add.  statt  'detractione 
cavenda' :  'detr.  vitanda'  (wohl  Diit  seiner  Hs.  der  Relatio, 
die  hier  wie  unser  Gothanus  lautete)  und  statt  'enumerare 
longum  est' :  '1.  est  dinumerare'  (entweder  aus  seiner  Hs. 
der  Pelatio  oder  aus  einer  so  lautenden  Hs.  des  Conc. 
Paris,  oder  selbständig).  —  Rubrik  zu  2,  244  von  Benedikt. 
Der  Text  des  Kapitels  ist  anders  formuliert  als  in  der 
ßelatio  (bezw.  im  Conc.  Paris. ^): 


1)   Vgl.    oben   2,  221b.   2:34?  2)  Vgl.    oben   zu   2,  210  —  214. 

3)  Aus   Cap.    miss.    Niumagae    datum   806    c.    10    (MGr.    Capit.    I,    132)? 

4)  Könnte  an  sich  benutzt  sein,  wenn  dem  nicht  die  Analogien  unserer 
Oberreihe  widersprächen.  5)  Jonas  kommt  als  unmittelbare  Vorlage 
nicht  in  Betracht. 


186 


Emil  Seckel. 


Relatio. 
...  de  iusto  iuditio  iudi- 
cando  ^  et  munerum  accep- 
tione-  cavenda,  de  falso  testi- 
moiiio  vitando  et  detractione 
cavenda  ('vitanda'  cod.  Goth. 
et  Ben.  Add.)  necnon  et  de 
caeteris,  quae  enumerare  ('de- 
numerare'  cod.  Vat.  conc. 
Paris. ;  'dinumerare'  cod.  Par. 
conc.  Par.)  longum  est  ('1.  e. 
dinumerare'  Ben.  Add.). 

Inhaltliche  Teilparallele:  oben  2,  220. 


Ben. 

Placnit,  ut  fideles^ 
iust  a  iudici  a  iudic  e  n  t  et 
muner  a  pro  hoc  non  ac- 
cip  iant  et  ut  falsu  m  tes- 
timoniu  m  vite  n  t  et  a  de- 
tractione se  abstineant 
necnon  a  caeteris  m  a  1  i  s  , 
quae  longum  est  d  i  nuine- 
rare. 


2,  245  —  247  aus  dem  Capitulare  Baiuwaricum 

ca.   8  10^ 

Aus  dieser  Quelle  stammen  auch  die  folgende  Unter- 
reihe 2,  249  —  251  und  das  Einzelkapitel  2,  253.  Das 
Original  hat  keine  Rubriken;  sie  sind  durchweg  eigene 
Zutat  Benedikts. 

2,  245  =  Cap.  c.  1.  Varianten:  'et  in  vita  ...  et 
post  vitam  (itam,  tam)'  statt  'tarn  in  vita  .  .  .  quamque' ; 
'in'    vor   'substantiis'    eingeschoben ;    'earum'    statt    'eorum'. 

2,  246  =  Cap.  c.  2.  Zahlreiche  Varianten,  die  sich 
zum  Teil  als  Interpolationen  darstellen  und  vielleicht  den 
Sinn  des  Kapitels  ändern: 


Ben. 

Ut  omnes  episcopi  ^'  potesta- 
tem  intellegant  et 
i  n  s  t  r  u  a  n  t  u  r  ^,  u  t  vel  ^ 
secundum  cauonicam  vel  se- 
cundum  monasticam^ 
regulam  regant  eorum  mini- 
steria  .  .  . 

Im  Rest  des  Kapitels  noch  3  nebensächliche  Varianten. 


Cap. 
Ut  omnes  episcopi  potesta- 
tive^  secundum   regulam   ca- 
uonicam   d  o  c  e  a  n  t    et    re- 
gant eorum  ministeria  .  .  . 


1)  Vgl.  Deuteron.  1,  16.     Levit.  19,  15.  2)  Vgl.   Exod.    2:3,  8. 

3)  Vgl.  oben  S.  110  f.  4)  MG.  Capit.  I,  158  sq.;  MG.  LL.  IIl,  478  sq. 
5)  'potestati  vel'  schreiben  3  von  den  4  Hss.  6)    Genetiv?    so    dass 

'omnes'    alle  Kleriker   und    Laien    bedeutet?  7)    Ein   in  dieser  Reihe 

häufiges  Wort.  8)  Vgl.  oben  N.  5.  9)  Bei  dieser  Interpolation  denkt 
Benedikt  an  den  Verzicht  auf  das  Sondereigentum ;  vgl.  im  Allgemeinen 
Hinschius,  Kirchenrecht  II,  51. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


187 


2,  247  =  Cap.  c.  3.     Zwei  Varianten ;  'adquirant'  am 
Scbluss  von  Benedikt  hinzusresetzt. 


2,  248 :  Quelle  nnbekaunt.  Priester  als  'saeerdos'  be- 
zeichnet^. Gleich  2, 170. 176. 199  (ebenfalls  aus  der 'Sacerdos'- 
Synode?)  mit  dem  bezeichnenden  Anfang  'Placuit  ut  fideles'  2. 
Nach  Knust  ist  Quelle  des  Kapitels :  Conc.  Aquisgr.  836 
Cap.  III  c.  (20)  19,  MG.  Conc.  II,  722;  um  ;sich  von  der 
Unrichtigkeit  dieser  Annahme  zu  überzeugen,  braucht  man 
nur  den  Wortlaut  der  beiden  Texte  zu  veradeichen : 


Ben. 
Placuit,  ut  fideles  non  par- 
vipendant ^  excommuni- 
cationem  sacerdotum*  il- 
lorum ;  quoniam,  si  hoc  f ece- 
rint,  iuste  segregabuntur  a 
caetu  christianorum. 


Conc.  Aquisgr. 

Laici  sane  monendi  sunt, 
ne  sacerdotes  contemptui  ha- 
beant  neve  eorum  m  o  n  i  t  a 
dispiciant  et  tam  turpiter 
tractent  uti  actenus,  ne  super- 
veniat,  quod  ait  propheta: 
'Populus  tnus  sicut  hi,  qui 
contradicunt  sacerdoti,  et  cor- 
rues  hodie,  et  corruet  etiam 
propheta  tecum'. 

Erheblich  näher  steht  unserem  Kapitel  folgender  Text: 
'Quisquis  bannum  vel  ex  c  o  m  m  un  i  c  a  ti  o  n  e  m  episcopi 
vel  presbjteri  (!)  sui  suj)erbiendo  p  a  r  v  i  p  e  n  derit,  hie 
talis  ab  ecclesia  penitus  evellatur  .  .  .  .' 

Leider  gehört  der  Text  einem  Caput  i  n  c  e  r  t  u  m  ^ 
an;  aber  auch  in  ihm  dürfte  auf  keinen  Fall  Benedikts 
Quelle  erblickt  werden  *'.  —  Zu  der  Phrase  'segregari  a 
caetu  christianorum'  vgl.  etwa  Theodulf  von  Orleans,  Capi- 
tulare  primum  c.  26 ':  'a  communione  et  cousortio  fidelium 
repellere' ;  Hincmar  Cap.  ann.  XII.  c.  1^:  'a  coetu  eccle- 


1)  Vgl.  oben  S.  121  f.  I  B,  S.  123  ff.  Ziif.  2b.  2)  Vgl.  oben  S.  120  f. 
128—125.  3)  Vgl.  Conc.  Vern.  Sil  c.  0  (MG.  Capit.  II,  385):  'quoniam 
ecciesiasticam  excommunicationem  parvipendunt'.  4)  Darunter  sinn  hier 
ausser  den  Bischöfen  wohl  auch  die  Priester  zu  verstehen ;  vgl.  oben  zu 
2,  199.  5)  ßegino  2,  425  in.;  in  einem  cod.  Heimst,  ist  er  inscribiert: 
'Ex  dictis  Fructuosi  episcopi'.  6)  Entweder  Benedikt    oder  seine  Vor- 

lage kann  benutzt  sein  in  dem  von  Zeumer  vermutungsweise  als 
Fragment  eines  Schi-eibens  von  Nikolaus  I.  oder  Hadrian  II.  bezeichneten 
Stück  1  der  Zusätze  aus  Hss.  der  St.  Galler  Formelsammlung  (Jaffe  2856/, 
Tom.  II,  745)  :  'fieri  enim  potest  .  .  .  ut  per  hanc  occasionem  excommuni- 
cationem episcopi  plurimi  parvipendant'  (MG.  Formulae  p.  434  1.  11.  12). 
7)  Migne  CV,  199.         8)  Migne  CXXV,  793  C. 


188  Emil  Seckel. 

siae  seg  regare'.  Ist  die  Phrase  gleichbedeutend  mit 
Exkommunikation  ^,  so  können  als  Verächter  der  Exkom- 
munikation, denen  Exkommunikation  angedroht  wird,  nicht 
die  Exkommunizierten  selbst  betrachtet  werden,  sondern 
nur  diejenigen  'Gläubigen',  die  das  Verbot  des  Verkehrs  - 
mit  den  Exkommunizierten^  übertreten  ^.  Wahrscheinlicher 
aber  ist  die  Phrase  im  Sinne  des  Anathems  (Ben.  2,  427), 
der  wiederholten  feierlichen  Exkommunikation  (Ben.  2, 122  b), 
der  zweiten  'maior  excommunicatio'  (Ben.  3,  180)  zu  ver- 
stehen ;  dann  ist  der  Exkommunikationsverächter,  dem  die 
Abschneidung  von  der  Christenheit^  angedroht  wird,  kein 
anderer  als  der  ungehorsame  Exkommunizierte   selbst. 


2,  249  —  251.  253    aus    dem   Capitulare    Baiuwa- 
r  i  c  um    ca.  8  1  0  c  i  t.^ 

2,  249  =  Cap.  c.  4  =  Ben.  1,  240.  Variante:  'utri- 
que'  2,  249,  'uterque'  Cap.  und  1,  240. 

2,  250  =  Cap.  c.  5  =  Ben.  1,  241  (wo  der  Schluss 
fehlt).  Varianten :  'euuam'  statt  'eoa  (eowa)' ;  'vel  legem' 
statt  'vel  lege'  (3  Hss. :  'velle'). 

2,  251  =  Cap.  c.  6  =  Ben.  1,  242.  Varianten:  'et' 
statt  'seu'  vor  'iudices' ;  'ii,  qui  hoc  egerunt'  interpoliert ; 
'ita  ut'  statt  'et'  bzw.  'et  ut' ;  'alterius  rem'  statt  'rebus 
alterius' ;  'sed'  statt  'nisi' ;  'quaerant'  statt  'quaerat'. 

2,  253  =  Cap.  c.  7  =  Ben.  1,  243.  Vier  Varianten, 
dieselben  wie  in  1,  243. 

Ueber  die  grössere  oder  geringere  Quellentreue  der 
Doppeltexte  bei  Benedikt  vgl.  Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  97. 


* 2,  252.  254.  255    aus   der  Relatio  episcoporum 

829  cit. 

Die  3  Kapitel  sind  zurechtgemacht  aus  der  Relatio 
c.  1,  MG.  Capit.  II,  28  1.  41  —  p.  29  1.  3  (=  Ben.  1,  317 
post  in.);  Quelle  der  Eelatio:  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  I 
c.  1,  MG.  Conc.  II,  610  1.  12 — 15;  vgl.  auch  lonas  Aurel., 
De  inst.  laic.  3,  4  rubr.  ('De  superbia').    3,  5  rubr.  ('De  odio 


1)  Vgl.  Hinschius,  Kirchenr.  V,  1,  2.  2)  Und  zwar  des  bürger- 
lichen wie  des  religiösen  Verkehrs.  3)  Vgl.  Hinschius  a.  a.  0.  S.  3  f. 
4)  Nach  dem  bisherigen  Stande  des  Wissens  (Hinschius  a.  a.  0.  S.  4,  N.  1) 
fand  sich  eine  allgemeine  Strafandrohung  wegen  Verletzung  des  Verkehrs- 
verbots zuerst  bei  Pseudoisidor;  dabei  war  aber  ausser  Ben.  2,  248  auch 
Ben.  1,  187  Satz  3  übersehen.  5)  Vgl.  Hinschius  a.  a.  0.  S.  7,  N.  9. 
6)  Vgl.  oben  zu  2,  245  ff. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  189 

et  invidia'),  Migne  CVI,  238.  2-11.  Im  Conc.  Paris.,  in  der 
Relatio  und  bei  Benedikt  Buch  I  ist  der  Wortlaut  fast 
genau  ^  derselbe.  • — -  ßubriken  zu  den  3  Kapiteln  durchweg 
von  Benedikt.  Die  Abweichungen  des  Textes  bei  Benedikt 
gegenüber  dem  Text  der  Relatio  sind  folgende  : 

2,  252  'Placuit,  ut  fideles  ^  de  superbia  instruantur' 
statt  '.  .  .  id  est  superbia' ;  'factus  diabolus  de  celo  eiectus 
est'  ^  statt  'diabolus  effectus  est  ^  et  ^  de  celo  eiectus'.  — 
Zur  Sache  vgl.  Coli.  Hibern.  37,  34^. 

2,  254  'Placuit,  ut  fideles-  admoneantur  de'  fehlt  in 
der  Vorlage;  'idem'  vor  'diabolus'  fehlt  bei  Ben.  —  Sach- 
liche Teilparallele :  oben  2,  220  ^. 

2,  255  'Placuit,  ut  fideles-  ammoneantur  de'  fehlt  in 
der  Vorlage;  'odio'  statt  'odium': 

Charakteristisch  ist  die  Affenliebe  Benedikts  zu  seinem 
konsequent  hinzugefälschten  Initium  'Placuit,  ut  fideles' ; 
statt  einfach  zu  schreiben  'PL,  ut  fideles  de  superbia  in- 
struantur .  .  . ,  de  invidia  .  .  . ,  de  odio  .  .  .  . ',  hat  Bene- 
dikt den  zusammenhängenden  Text  der  Relatio  in  3  Kapitel 
zerrissen,  um  dreimal  sein  Lieblingsinitium  anbringen  zu 
können. 


1)  In  dem  Ben.  2,  252  entsprechenden  Passus  schiebt  die  Relatio 
in  ihre  Vorlage  (Conc.  Paris.)  ein :  'est  et'.  —  Ben.  1,  317  streicht  in 
seiner  Vorlage  (Relatio)  das  'et' ;  das  'est'  setzt  er  an  eine  andere  Stelle. 
2)  Vgl.  oben  S.  110  f.  3)  'Snperbus  angelus  de  coelo  eiectus  est'  (Quelle 
unbekannt ;  der  Gedanke  der  Verstossung  des  Engels  wegen  Hochmuts 
geht  schliesslich  auf  das  II.  Henochbuch  zurück).  4)  Der  Gedanke  ist 
abgeleitet  aus  Sap.  2,  24. 


190 


Emil  Seckel. 


Tabelle  I. 


l 

Initium : 

'Placuit 

ut  fid.' 

2 
Priester 

3 
Relatio 

4 

Priester 

5 

Conc. 

Pirmin.  u. 

=  sacerdos. 

829. 

=  presbiter. 

Burgund. 

Ps.-Theodor. 

(162) 

162  b 

102  a.  c.  d 



_ 

_ 

(165) 

165 

— 

— 

— 

— 

170 

170 

— 

— 

— 

— 

— 

171 

— 

— 

— 

— 

— 

172 

— 

- — - 

— 

— 

— 

173 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

174* 

174 

. — 

— 

— 

— 

175* 

175 

— 

176 

176 

— 

— - 

— 

— 

— 

— 

— 

177* 

— 

— 

— 

— 

— 

178 

178 

— 

— 

— 

— 

179 

179 

— 

— 

— 

— 

180 

— 

— 

182 

— 

182a.  c 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

184 

— 

— 

— 

— 

185 

— 

— 

— 

— 

— 

186 

186 

— 

— 

187 









(188) 

— 

— 

— • 

— 

— 

— 

— 

— 

189d* 

189d 

189a.  b 

— 

— ■ 

— 

190* 

190 

— 

— 

— 

• — ■ 

191* 

191 

191? 

— 

— 

— 

192* 

— 

192  a 

193 

194 

193 

— 

— 

— 

— 

— 

195 

— 

195 

z 

— 

— 

— 

— 

196 

199 

199 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

200 

200 

— 

— 

— 

— 

201 

201 

— 

— 

— 

— 

202 

202 

— 

— 

— 

— 

(203) 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII, 


191 


1 

Initium : 
'Placuit 
ut  fid.' 

2 

Priester 
^  sacerdos. 

3 

Eelatio 
829. 

4 

Priester 
=  presbiter. 

5 

Conc. 
Burgund. 

6 

Pirmin.  u. 

Ps.-Theodor. 

205 

208 

205  b 

208  b 

205  a 
208a  a.  7.  c 

206 

206 

206 

Tabelle  II. 


1 

3 

7 

Initium:  'Placuit'. 

Relatio  829. 

Capitularia. 



210—214 

215 

215a 

— 

— 

— 

216—219 

220 

220 

- — 

— 

— 

221—224 

225 

225 

— 

— 

— 

226—229 

230 

230 

— 

— 

— 

231—234 

2.35 

235 

— 

— 

— 

236—239 

240 

240 

— 

- — - 

— 

241  —  243 

2i4 

244 

— 

— 

— 

245—247 

248 

— 

— 

(auch  'sacerdos') 

— 

— 

249—251 

252 

252 

— 

- — 

— 

253 

254 

254 

— 

255 

255 

— 

V. 


Beiträge 


znr 


Kritik  der  Deutschen  Reiehstagsakten 
im  Anfange  des  15.  Jahrliunderts. 


Von 


Eduard  Sthamer. 


Neues  Archiv  etc.    XXXV.  13 


I. 

Der  Oppeiiheimer  Vertrag. 

Eeichstagsakten  II,  n.  248. 

Der  Vertrag,  den  Graf  Johann  von  Nassan,  der  nach- 
malige Erzbischof  Johann  II.  von  Mainz,  am  24.  Oktober 
1396  mit  Ruprecht  II.  von  der  Pfalz,  dessen  Sohne, 
Euprecht  III.,  dem  späteren  deutschen  Könige,  und 
Euprecht  Pipan,  dem  Enkel  Euprechts  II.,  zu  Oppenheim 
abschloss,  war  dem  Herausgeber  der  Eeichstagsakten, 
Julius  Weizsäcker,  nur  aus  dem  unvollständigen  Abdruck 
bekannt ,  den  er  in  Gudenus ,  Codex  diplomaticus  III, 
n.  389  ^  vorfand.  Inzwischen  sind  nun  Originale  dieser 
Urkunde  gefunden  worden,  und  zwar  gleich  zwei,  die  sich 
nach  der  Angabe  in  den  Eegesten  der  Pfalzgrafen  -  beide 
in  München  befinden.  Ueber  das  Verhältnis  dieser  Ori- 
ginale zu  einander  und  zu  dem  Abdrucke  bei  Gudenus 
wollen  wir  uns  im  folgenden  Klarheit  zu  verschaffen 
suchen. 

Das  erste  der  Originale  befindet  sich  im  Kgl. 
Bayer.  Allgemeinen  Eeichsarchive  ^. 

Schon  die  Signatur  zeigt  uns,  dass  es  aus  dem  ehe- 
maligen erzbischöflichen  Archive  von  Mainz  stammt.  Das 
fällt  einigermassen  auf,  da  die  Urkunde,  wenn  sie  voll- 
zogen war,  sich  unter  den  Beständen  des  Pfälzer  Archives 
befinden  müsste. 

Betrachten  wir  die  Urkunde  einmal  genauer! 

Sie  ist  auf  Pergament  geschrieben  und  macht  durch- 
aus den  Eindruck  einer  Originalausfertigung.     Nur  fehlen 


1)  Mit  falschem  Datum :  23.  Oktober,  wie  es  auch  die  Reichstags- 
akten aus  Gudenus  herübergenommen  haben.  Vgl.  Lindner,  Gesch.  d. 
deutschen  Reiches  unter  Kg.  Wenzel.  II,  354,  N.  1,  2)  Regesten  der 
Pfalzgrafen  am  Rhein  I.  herausgeg.  von  Koch  und  Wille  n.  5677. 
3)  Es  trägt  die  Signatur:  'Mainz,  Hochstift,  Nachtrag  3.  f.  2.  1385/99' 
(Ehemals:  Kgl.  Kreisarchiv  Würzlaurg,  Neuregestierte  Urkunden  G.  48). 
Das  Kgl.  Allgemeine  Reichsarchiv  hatte  die  Güte,  die  Urkunde  zu  meiner 
Benutzung  an  die  Universitätsbibliothek  in  Jena  zu  senden. 

13* 


196  Eduard  Sthamer. 

die  Siegel,  und  es  ist  auch  keine  Spur  davon  zu  ent- 
decken, dass  die  Urkunde  je  besiegelt  gewesen  ist.  Auf 
der  Rückseite  jedoch  finden  wir  die  Reste  eines  Rück- 
siegels, durch  das  die  Urkunde  ehemals  verschlossen  ge- 
wesen sein  muss.  Ausserdem  steht  auf  der  Rückseite  der 
Vermerk  von  ungefähr  gleichzeitiger  Hand :  'Diverse  ob- 
ligaciones.  Ex  parte  domini  lohannis  de  Nassauw  canonici 
Maguntinensis  Ruperto  comiti  Palatinensi  Reni  antiquo', 
und  darunter  eine  Archivsignatur  saec.  15 :  'RR  Hoest', 
wie  wir  sie  auch  von  anderen  Urkunden  des  Mainzer 
Archivs  aus  jener  Zeit  kennen^. 

Es  ist  also  daraus  ersichtlich,  dass  die  Urkunde  nicht 
etwa  erst  später  durch  irgend  einen  Zufall  in  das  Mainzer 
Archiv  gelangt  ist,  sondern  bereits  von  Anfang  an  sich  in 
diesem  befunden  hat:  mithin  haben  wir  es  nicht  mit  einer 
vollzogenen  Ausfertigung  zu  tun. 

Was  war  nun  aber  der  Grund,  weshalb  dieses  Ori- 
ginal nicht  vollzogen  wurde  ? 

Die  Urkunde  selbst  bietet  uns  eine  Lösung  dieser 
Frage.  Der  Schluss  der  Urkunde  sieht  folgendermasseu 
aus :  '.  .  .  .  ingesiegele  auch  an  diessen  brieff  gehangen  f^ 
der  geben  ist  zu  Oppenheim  off  den  dinstag  vor  der 
heiligen  zwolffboten  santte  Symonis  und  Jude  tag  nach 
Cristi  geburte  drutzehen  hundert  und  in  dem  sehsse  und 
nuntzigistem  jare.  =j:^  Diese  nachgeschriben  .  .  .  .' ;  es 
folgt  die  Zeugenliste,  wie  bei  Gudenus.  Es  sind  aber  am 
Anfange  der  Datierungsformel,  'der  geben  ist',  die  Worte 
'der'  und  'ist'  durchstrichen. 

Wir  ersehen  hieraus,  dass  die  Zeugenliste  ursprüng- 
lich nicht  in  der  Urkunde  gestanden  hat,  vielmehr  erst 
später  nachgetragen  worden  ist.  Das  Zeichen  lijz:  deutet 
an,  dass  sie  vor  der  Datierung  einzuschieben  sei.  Geschah 
das,  so  mussten  in  der  Tat  die  beiden  Worte  getilgt 
werden.  Ausserdem  ist  in  dieser  Urkunde  eine  kurze 
Formel  am  Rande  hinzugefügt  ^.  Aus  alle  dem  ist  zu  er- 
kennen, dass  diese  Ausfertigung,  weil  sie  fehlerhaft  war, 
nicht  besiegelt  werden  konnte.  So  wurde  aus  ihr  ein 
Originalkonzept,  während  man  eine  neue  Reinschrift  ver- 
anstaltete. 


1)  Vgl.  die  Signaturen  in  den  Urkundenbesclireibungen  im  Neuen 
Archiv  XXXI,  694  ff.,  n.  8  ff.         2)  S.  unten  S.  199. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.      197 

Diese  zweite  Reinschrift  besitzen  wir  ebenfalls  noch: 
sie  ist  das  zweite  der  Originale,  die  in  den  Regesten  der 
Pfalzgrafen  angeführt  sind. 

Dieses  eigentliche  Original  befindet  sich  im  Kgl. 
Bayer.  Geheimen  Staatsarchive  ^. 

Die  drei  Siegel  des  Grafen  Johann  von  Nassau  und 
seiner  beiden  Mitsiegler  sind  wohlerhalten.  Auf  der  Rück- 
seite steht:  '-Grave  Johan  zu  Naszaw  dumherre  zu  Meintze 
verbunteniszbrief  et  iuramentum  1396'  und  der  Buchstabe 
'B'.  In  dieser  endgültigen  Reinschrift  ist  die  Zeugenliste 
an  der  richtigen  Stelle  eingeschoben,  und  auch  jene  aus- 
gelassene  Formel  in  den  Text  aufgenommen  worden. 

Der  Abdruck  bei  Gudenus  stammt,  wie  leicht  ersicht- 
lich, aus  der  fehlerhaften  Ausfertigung,  die  er  im  Mainzer 
Archive  vorfand :  auch  bei  ihm  ist  die  Datierung,  un- 
geachtet der  Tilgung  der  beiden  Worte,  unmittelbar  an 
die  voraufgehende  Korroborationsformel  angeschlossen  und 
die  Zeugenliste  an  den  Schluss  der  Urkunde  gestellt. 

Da  nun  der  Abdruck  bei  Gudenus  nicht  nur  höchst 
ungenau,  sondern  auch  sehr  lückenhaft  ist,  so  folgt  hier 
die  Urkunde,  wie  sie  im  Original  lautet  ^ : 

Ich  grave  Johan  von  Nassauwe,  grave  Adolffs  von 
Nassauwe  seligen  son ,  dhumherre  zu  Mentze ,  bekennen 
und  dun  kunt  offenbare  mit  diessem  brieffe  allen  den,  dje 
yn  ymmer  ansehen  lesen  oder  horent  lesen,  daz  ich  von 
myme  fryem  eygen  willen  und  mit  wol  vorbedachtem 
mute  und  rate  myner  mage  und  guten  frunde  mich  zu  den 
durchluchtigen  hochgebornen  fursten  und  heren ,  hern 
Ruprechten  dem  Eltern  pfaltzgraven  by  Rine,  des  heiligen 
Romischen  riches  oberster  druchsesze  und  hertzog  in 
Beyern,  und  hern  Ruprecht  deme  Jungern,  sime  sone,  und 
hern  Ruprecht  dem  Jungesten,  desselben  hern  Ruprechts 
des  Jungern  sone,  pfaltzgraven  by  Rine  und  hertzoge  in 
Beyern,  mynen  lieben  gnedigen  heren,  und  allen  yren  erben 
alle  zyt  als  lange  ich  geleben  verbunden  han  und  ver- 
binden mit  crafft  diesz  brieffes  in  aller  masze  als  hernach 
geschriben  stet,  umb  sunderlich  genade  liebe  und  frunt- 
schafft,  die  mir  der  selbe  myn  gnediger  here  hertzog 
Ruprecht    der   Elter    alle   zyt    gnediclich   und   getruwelich 


1)  Die  Signatur  lautet:  'Kasten  rot:  37.  K.  16'.  Da  eine  Ver- 
sendung des  Originals  nicht  möglich  war,  so  ist  Herr  Dr.  A.  Pfeiffer  so 
freundlich  gewesen,  für  mich  eine  Kopie   anzufertigen.  2)    Nach   der 

Kopie  des  Herrn  Dr.  A.  Pfeiffer. 


198  Eduard  Sthamer. 

bewiset  hat  und  er  und  die  obgenanten  sine  sone,  mjne 
lieben  gnedigen  heren,  mir  in  zufunftigen  zyten  wol  be- 
wisen  und  erzeugen  mögen.  [1.]  Zum  ersten  sal  ich  Johan 
obgenant  mit  allem  dem,  daz  ich  ytzunt  vermag  oder 
hernach  vermögen  werden,  ez  sin  bistum  oder  ander  her- 
schaffte und  wirdikeite,  geistlich  oder  werntlich,  sloszen 
landen  und  luten,  da  mir  unser  herrgot  zu  gehilffet,  wieder 
die  obgenanten  myne  gnedigen  heren  die  hertzogen  alle 
dry  und  ire  erben  und  herschaffte  samentlich  und  sunder- 
lich  niimmer  getun  noch  schaffen  getan  werden  noch  sin 
und  sal  daz  alle  zyt  mit  allen  mynen  amptluten  bestellen, 
daz  sie  daz  also  halten  und  daz  iz  gehalten  werde;  und 
sal  ich  auch  nummer  mit  mynen  obgenanten  heren  den 
hertzogen  und  iren  erben  zu  kriege  oder  zu  fy entschafft 
kommen  in  dheine  wise  ane  alle  geverde.  [2.]  Und  sal 
die  selben  myne  gnedigen  heren  die  hertzogen  ally  dry  und 
ire  erben  und  ire  herschaffte  samentlich  und  sunderlich 
alle  zyt  als  lange  ich  geleben  mit  rechten  guten  gantzen 
truwen  meynen  haben  und  handeln,  usz  gescheiden  alle  zyt 
allerley  argeliste  und  geverde.  [3.]  Auch  sal  ich  grave 
Johan  von  Nassauwe  obgenant  den  obgenanten  mynen 
gnedigen  heren  den  hertzogen  allen  dryn  und  yren  erben 
samentlich  und  sunderlich  alle  zyt  als  lange  ich  geleben 
zu  allen  eren  und  wirdikeiten,  dar  nach  sie  stellen  wollen, 
wie  die  gesin  mögen,  geistlich  oder  werntlich,  mit  aller 
myner  macht  und  mit  allen  mynen  magen  und  frunden, 
die  ich  dar  zu  erbitten  und  gehaben  mag,  getruwelich  und 
furderlich  bygestendig  beholffen  und  beraten  sin  und  daran 
auch  verliben  festeclich  und  crefftelich,  als  dicke  den 
obgenannten  mynen  heren  den  hertzogen  und  iren  erben 
des  not  geschiecht  ane  alle  geverde.  [4.]  Ez  were  dann, 
daz  die  obgenanten  myne  heren  die  hertzogen  oder  ire 
erben,  daz  got  verbiete,  nach  solichen  wirdekeiten  wieder 
got  und  wieder  rechte  stellen  wolten,  oder  daz  ich  daz  von 
eren  und  von  rechtes  wegen  nit  getun  muchte  oder  solte 
und  daz  den  obgenanten  mynen  heren  den  hertzogen  und 
yren  erben  kuntlich  und  offenbare  mechte,  daz  ich  daz  von 
eren  und  von  rechtes  wegen  nit  getun  müchte,  so  müchte 
ich  des  zu  der  zyt  überhaben  sin  ane  alle  geverde. 
[5.]  Und  solte  doch  dar  nach  aber  zu  solichen  Sachen  ver- 
bunden sin  und  dun  in  aller  masze  als  vurgeschriben  stet, 
als  dicke  den  obgenanten  mynen  heren  den  hertzogen  und 
iren  erben  daz  ankomet  ane  alle  geverde.  [6.]  Auch  sal 
ich  als  lange  ich  geleben  nummer  eynicherley  verbuntenisse 
oder  verspruchenisse  getun  noch  angen,  daz  wieder  die  ob- 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.     199 

genanten  myne  heran  die  hertzogen  und  ir  erben  und  ir 
herschaffte  were  oder  gesin  muchte ,  ane  alle  geverde. 
[7J  Ich  sal  auch  als  lange  ich  geleben  keynerley  sache 
geistlich  oder  werntlich  für  mich  nemen  oder  der  ge- 
bruchen,  darumb  ich  der  obgenanten  stucke  puncte  und 
artikel  eynz  oder  me  nit  halten  und  fullenfuren  solte, 
sunder  ich  sal  die  alle  zyt  als  lange  ich  geleben  getruwe- 
lich  feste  und  stete  dun  und  halten,  ane  alle  geverde. 
—  Und  han  auch  daz  allez  den  obgenanten  mynen 
gnedigen  heren  den  hertzogen  in  rechten  guten  gantzen 
truwen  gerette  und  gelobet  und  myme  gnedigen  heren 
hertzog  Ruprecht  dem  Eltern  obgenant  selbes  in  sine  band 
gelobet,  und  reden  und  globen  daz  allez  mit  crafft  diesz 
brieffes  und  han  daz  auch  allez  lyplich  off  deme  heiligen 
gotes  ewangelium  gesworn  gentzlich  und  getruwelich  feste 
und  stete  alle  zyt  als  lange  ich  geleben  zu  dun  und  zu 
halten  und  in  keine  wise  zu  uberfaren,  usz  gescheiden 
alle  argeliste  und  geverde.  Und  han  des  allez  zu  warem 
Urkunde  und  gantzer  stetikeit  myn  eigen  ingesiegel  an 
diessen  brieff  gehangen.  —  Ich  han  auch  zu  merer  Sicher- 
heit aller  vurgeschriben  stucke  flyszeclich  gebeten  die  edeln 
Philipps  graven  zu  Nassauwe  und  zu  Sarbrucken,  mynen 
lieben  vettern,  und  Friederich  graven  zu  Veldentze,  mynen 
lieben  swager,  daz  sie  auch  für  mich  gelobet  und  ge- 
sprochen hant,  daz  ich  alle  vurgeschriben  stucke  puncte 
und  artikel  sament  und  besunder  in  aller  masze,  alz  hie 
vurgeschriben  stet,  feste  und  stete  halten  sal  und  wil,  und 
daz  sie  des  allez  zu  gezugknisse  ire  eygen  ingesiegele  auch 
an  diessen  brieff  by  daz  myne  gehangen  hant.  —  Und 
wir  Philipps  grave  zu  Nassauwe  und  zu  Sarbrucken  und 
wir  Friederich  grave  zu  Veldentze  bekennen,  daz  wir  den 
obgenanten  unszern  gnedigen  heren  den  hertzogen  allen 
dryn  und  yren  erben  gelobet  und  ^  versprochen  und  dem 
obgenanten  unszerm  gnedigen  heren  hertzog  Kuprecht  dem 
Eltern  selbs  in  sine  band  gelobet  han,  versprechen  und 
globen  mit  crafft  diesz  brieffes  für  den  obgenanten  unszern 
lieben  vetter  und  swager,  graven  Johan  von  Nassauwe,  daz 
er  alle  vurgeschriben  stucke  alle  zyt  feste  und  stete  dun 
halten  und  nit  uberfaren  sal  in  aller  masze,  als  vur- 
geschriben stet.  Und  han  beide  zu  merer  Sicherheit,  gantzer 
stetikeit  und  gezugnysze  aller  vurgeschriben  dinge  unser 
eygen     ingesiegele     auch     an     diessen     brieff     gehangen. 


1)  Die  "Worte  'allen  drjTi  —  und'  waren  in  der  ersten,  fehlerhaften 
Ausfertigung  vom  Schreiber  selbst  am   Rande   nachgetragen.     Vgl.  oben. 


200  Eduard  Sthamer. 

Diese  nachgeschriben  sint  genwortigen  gewest  by  allen 
diessen  obgesehriben  dedingen  und  beredungen  und  hant 
daz  allez  also  gesehen  und  gehört,  mit  namen :  die  ersamen 
wisen  meister,  meister  Matheus  von  Craekauw,  der  hei- 
ligen schriffte,  und  meister  Niclaus  Borgman  von  sancte 
Gewere,  des  geistliehen  rechten  lerrere,  her  Hans  vom 
Hirtzhorn,  hofemeister,  her  Tham  Knebil  der  Alte,  her 
Johan  von  Brubaeh,  her  Rudolff  von  Zeysekem,  her  Tham 
Knebil  der  Junge,  schultheisze  zu  Oppenheim,  her  Herman 
von  Gejspesheim  und  her  Johan  Bosze  von  Waldecke, 
rittere,  Hanman  von  Sickingen,  vitzdum  zur  Nuwenstat, 
Wilhelm  von  Waldecke,  burggrave  zu  Stalberg  über 
Bacherach,  und  Hennel  Wiszekreysz  von  Lyndenfels,  edel- 
knechte,  und  Mathis  von  Sobernheim,  oberster  schriber 
unsers  obgenanten  gnedigen  heren  hertzog  Ruprecht  des 
Eltern.  Geben  zu  Oppenheim  off  den  dinstag  vor  der 
heiligen  zwolffboten  sant  Symonis  und  Jude  tage  nach 
Cristi  geburte  drutzehen  hundert  und  in  dem  sehsse  und 
nuntzigisten  jare. 

II. 
Reichstagsakten  IT,  n.  191. 

In  dem  Aktenstück  n.  191  des  IV.  Bandes  der  Reichs- 
tagsakten gibt  der  Domprobst  zu  Würzburg,  Johann  von 
Egloffstein,  dem  Könige  Ruprecht  in  ähnlicher  Lage,  wie 
Graf  Johann  von  Nassau  im  Oppenheimer  Vertrage,  ein 
analoges  Versprechen  ab.  Eine  Vergleichung  dieser  Ur- 
kunde mit  dem  vorstehend  abgedruckten  Oppenheimer 
Vertrage  zeigt  uns,  dass  beide  vielfach  wörtlich  überein- 
stimmen. So  sind  die  einleitenden  Sätze  des  Versprechens 
Johanns  von  Egloffstein,  dann  der  Anfang  des  1.  Artikels 
bis  zu  den  Worten:  'da  mir  unser  herre  got  zu  hilffet', 
ferner  der  grösste  Teil  der  ersten  Hälfte  des  4.  Artikels 
und  endlich  von  Artikel  5  ab  der  ganze  Schluss  fast  durch- 
weg wörtlich  genau  aus  dem  Oppenheimer  Vertrage  her- 
übergenommen. Man  hat  also  in  der  Pfälzer  Kanzlei,  wo 
auch  die  Urkunde  Johanns  von  Egloffstein  ausgefertigt 
worden  ist,  einfach  den  Oppenheimer  Vertrag  als  Vorlage 
benutzt. 

Diese  Beobachtung  macht  uns  zugleich  auch  erklär- 
lich, wie  es  möglich  war,  dass  sich  in  dieser  Urkunde  eine 
so  geheimnisvolle  Wendung,  wie:  'Zum  ersten  sal  ich 
Johan  obgenanter  mit  allem  dem  daz  ich  itzüng  vermag 
ader  hernach  vermögen  würde,   iss  sin  bistüm   ader   ander 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.     201 

herschafft  und  wirdekeid  geistlichen  ader  werentlichen, 
slossen  landen  und  lüden,  da  mir  unser  herre  got  zu  hilffet', 
Platz  finden  konnte  neben  so  unzweideutigen  Hinweisen 
auf  den  Würzburger  Bischofssitz,  wie  die  Vorbehalte 
der  Rechte  und  Freiheiten  des  Würzburger  Stiftes  am  Ende 
des  2.  und  4.  Artikels  sie  enthalten.  Diese  Heimlichkeit, 
welche  bei  dem  Inhalte  des  Oppenheim  er  Vertrages  und 
den  Umständen  von  dessen  Abschluss  durchaus  begreiflich 
ist,  erscheint  hier  als  ziemlich  überflüssig,  da  ja  das  Würz- 
burger Kapitel  selbst  sich  mit  der  Namhaftmachung  des 
zu  wählenden  Kandidaten  durch  den  König  einverstanden 
zeigte  ^. 

Es  sei  hier  beiläufig  noch  bemerkt,  dass  auch  für  das 
Versprechen,  das  Otto  von  Egloffstein,  Domherr  von  Würz- 
burg, dem  König  Ruprecht  gab  für  seine  Beihülfe  zum 
Patriarchat  von  Aquileja-,  der  Oppenheimer  Vertrag  als 
Muster  gedient  hat,  wenngleich  die  Anlehnung  hier  nicht 
so  eng  ist,  wie  bei  dem  vorher  besprochenen  Aktenstücke. 


III. 

Akten  betreffend   die  Verhandlungen  wegen  der  Tötung 
des  Herzogs  Friedrich  von  Braunschweig. 

Reichstagsakten  IV,  n.  270  bis  n.  280. 

Da  es  äusserst  schwierig  ist,  die  in  den  betreffenden 
Aktenstücken  zahlreich  erwähnten  Einlagen,  Abschriften 
und  Entwürfe  auseinanderzuhalten ,  so  ist  es  wohl  an- 
gebracht, in  Kürze  auf  diese  wichtige  und  interessante 
Korrespondenz  einzugehen,  um  so  mehr,  als  m.  E.  durch 
die  Anmerkungen,  die  Weizsäcker  diesen  Schriftstücken 
beigefügt  hat,  deren  verwickeltes  Verhältnis  keineswegs 
nach  jeder  Richtung  hin  klar  gestellt  ist.  Wir  wollen 
untersuchen,  was  uns  aus  dem  Briefwechsel  des  Landgrafen 
Hermann  II.  von  Hessen  mit  König  Ruprecht  von  der 
Pfalz,  sodann  mit  den  Herzogen  von  Braunschweig  und 
endlich  mit  dem  Grafen  Heinrich  von  Waldeck  unmittel- 
bar erhalten  ist,  und  versuchen,  festzustellen,  welcher 
Platz  den  verschiedenen  dem  Abdruck  in  den  Reichstags- 
akten  zu  Grunde  gelegten  Schriftstücken  in  jenen  Korre- 
spondenzen anzuweisen  ist. 

Gehen  wir  aus  von  dem  Briefe  König  Ruprechts   an 


1)  Reichtagsakten  IV,  225,  N.  1.        2)  Reichstagsakten  V,  n.  471. 


202  Eduard  Sthamer. 

den  Landgrafen  Hermann  vom   28.  Februar  1401  ^     Darin 
sandte  der  König  dem  Landgrafen  folgende  Einlagen. 

1)  Die  Ausfertigung  des  Sühnebriefes  ^,  der  gemäss 
einem  in  Marburg  getroffenen  Abkommen  vor  Ostern 
1401  ausgetauscht  werden  sollte  gegen  den  Revers  des 
Grafen  Heinrich  von  Waldeck  und  seiner  Helfer^.  Diese 
Ausfertigung  ist  auf  Pergament  geschrieben ,  in  ein 
Papier  eingeschlossen  und  mit  dem  Siegel  des  Königs 
versiegelt  *. 

2)  Einen  Brief  an  den  Erzbischof  Otto  von  Bremen 
und  dessen  Brüder,  die  Herzoge  Bernhard  und  Heinrich 
von  Braunschweig,  gleichfalls  datiert  vom  28.  Februar 
1401  ^ 

Darin  einliegend  ^ : 

2  a)  eine  Abschrift  des  Entwurfes  des  Reverses,  den 
Graf  Heinrich  von  Waldeck  und  seine  Helfer  den 
Braunschweiger  Brüdern  geben  sollen  '^. 

1)  Reichstagsakten  IV,  n.  273.  Das  Original  ist  bisher  nicht  ge- 
funden. 2)  Reichstagsakten  IV,  n.  270.  In  dem  alten  aus  dem 
16.  Jh.  stammenden  Repertorium  des  Samtarchives  zu  Marburg  Bd.  II. 
Bi.  378  findet  sich  folgendes  Regest:  'Darbey  [bei  Urkunden  aus  dem 
Februar  1401]  ligtt  auch  der  vertrag,  wie  sie  ertzbischoff  Otto  und  seine 
beide  hochermeltte  gebruder  zu  Brunschweig  vorberurtter  niderlage  und 
entleibung  ires  bruders  hertzog  Friderichs  halbenn  mit  graven  Heinrichen 
zw  Waldeckenn,  Friderichen  von  Herttinghausenn  und  Cuntzemannenn 
von  Falckenberg  verglichenn,  de  dato  1401  dinstag  [nach,  (durchstrichen, 
darüber  von  späterer  Hand) :  vor]  Agneta'.  Die  Urkunde  selbst  ist  nicht 
mehr  zu  finden.  Es  muss  dieses  das  Original  von  Reichstagsakten  IV, 
u.  270  gewesen  sein ;  das  Datum  ist  im  Repertorium  falsch  abgeschrieben  : 
es  muss  statt  'dinstag'  'donrstag'  heissen.  Darüber,  wie  das  Original  in 
das  Archiv  des  Landgrafen  von  Hessen  gelangt  ist,  vgl.  weiter  unten. 
3)  Reichstagsakten  IV,  n.  273  fP.  Die  Urkunde  über  das  Marburger  Ab- 
kommen ist  uns  nicht  erhalten.  4)  Reichstagsakten  IV,  n.  274:  'des 
senden  wir  uch  denselben  brieff,  als  wir  yn  begrifi"en  haben  und  dun 
schriben  off  berment,  by  diesem  unserm  brieff  in  ein  bapire  ge- 
slossen  und  mit  unserm  ingesigel  versigelt'.  In  dem  Briefe 
des  Königs  an  den  Landgi-afen,  Reichstagsakten  IV,  n.  273,  steht  nur: 
'als  wir  in  begriefen  unde  uf  perment  han  tun  schrieben'.  Ueber  die 
falsche  Auslegung,  die  der  Landgraf  dem  Briefe  des  Königs,  n.  273,  gab, 
vgl.  weiter  unten.  Hier  genügt  es,  festzustellen,  dass  der  Papierumschlag 
des  Sühnebriefes  versiegelt  war,  sodass  der  Landgraf  nicht  sehen 
konnte,  was  darin  war.  5)  Reichstagsakten  IV,  n.  273 :  'verslossen  in 
unserm  brieve,  den  wir  dir  hirmitt  senden',  und  'begern  unde  bidten 
dine  liebe  mit  ernste,  daz  du  den  egnanten  unsern  brief  unsern 
oheimen  von  Brunswig  senden  wollest'.  Dieser  Brief  ist  im  Original  im 
Staatsarchiv  zu  Hannover  erhalten ;  daraus  abgedruckt  Reichstagsakten  IV, 
n.  274.  6)  Reichstagsakten  IV,  n.  273:  'unde  auch  ein  notteln,  als  di 
ander  partie  .  .  .,  verslossen  in  .  .  .';  Reichstagsakten  IV,  n.  274: 
'.  .  und  darczü  hie  inne  verslossen  ein  nottel'.  7)  Ebendort. 
Diese  'nottel'  ist  erhalten :  sie  ist  identisch  mit  der  Vorlage  zu  Reichstags- 
akten IV,  n.  271 ;  daher  auch  die  Verschickungsschnitte. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.     203 

3)  Je  eine  Abschrift  der  unter  1  genannten  Aus- 
fertigung und  der  unter  2  a  aufgeführten  'nottel'  zu 
eigenem  Gebrauche  für  den  Landgrafen  ^. 

4)  Die  drei  Briefe '-,  in  denen  der  König,  der  Land- 
graf und  Herzog  Otto  von  Braunschweig  ^  dem  Grafen 
von  Waldeck  und  seinen  Helfern  ihre  Versöhnung  aus- 
sprechen. Die  Briefe  waren  auf  Pergament  geschrieben  "^ ; 
der  Brief  König  Ruprechts  war  besiegelt,  während  die 
beiden  anderen  noch  von  Landgraf  Hermann  bzw.  von 
Herzog  Otto  mit  Siegeln  versehen  werden  sollten  ^. 

Der  König  bittet  den  Landgrafen,  die  Ausfertigung 
des  Sühnebriefes  und  den  einliegenden  Brief  an  die  Herzoge 
von  Braunschweig  weiterzusenden  und  sie  in  einem  Geleit- 
schreiben nochmals  eindringlich  zu  ermahnen,  noch  vor 
Ostern  den  Austausch  der  Sühnebriefe  zu  bewirken  ^. 


1)  Reichstagsakten  IV,  n,  273:  'derselben  sunebi*iefe  abe- 
s  eh  rieft  wir  dir  auch  schicken  herinne  verslossen'.  Ebendort 
n.  274:  'unserm  swager  [dem  Landgrafen],  dem  wir  auch  beider 
brieffe  nottel  geschickt  .  .  .  haben'.  Ebendort  n.  275:  'auch  haid  er 
uns  abeschrieffte  uwers  sünebrieves  unde  des  greven  von 
Waldegke  unde  der  partye  gesandt'.  Die  beiden  Abschriften  sind 
nicht     mehr     vorhanden.  2)     Reichstagsakten    IV,     n.    272    KBH. 

3)  Reichstagsakten  IV,  n.  273:  'unde  darzu  unsern  dinen  unde  dines 
dochtermans  vorzigesbriefe'.  Dass  der  Tochtermann  nur  Otto  von 
Braunschweig  sein  kann,  weist  Weizsäcker,  Reichstagsakten  IV,  323,  N.  6 
nach.  4)  Reichstagsakten  IV,  n.  275.  Von  den  Briefen  für  Hermann  und 
Otto  heisst  es :  'vorezegesbrieff  uff  pergameen  geschrieben' ;  der  Brief  des 
Königs  war  auch  auf  Pergament  geschrieben,  wie  aus  dem  unten  zu  be- 
sprechenden Missverständnisse  des  Landgrafen  hervorgeht.  5)  Reichs- 
tagsakten IV,  n.  273 :  'deq  unsern  vorsigelt  unde  die  andern  zwene,  als 
du  unde  din  dochterman  sie  sollen  vorsigeln'.  Das  Original  des  Königs 
befindet  sich  in  Marburg,  Samtarchiv  2,  4.  Das  Siegel  ist  verletzt,  die 
ganze  Urkunde  defekt  und  aufgezogen.  Das  Original  des  Landgrafen  ist 
ebenfalls  in  Marburg,  Samtarchiv  lad.  52  n.  18.  (vgl.  Küch,  in  Zeitschr. 
d.  Ver.  f.  hess.  Gesch.  u.  Landesk.  X.  F.  XIX,  88,  N.  3).  Das  Original 
Ottos  ist  nicht  mehr  auffindbar.  6)  Reichstagsakten  IV,  n.  273 :  '.  . 
bidten  .  .  .  daz  du  den  egnanten  unsern  brief  unsern  oheimen  von 
Brunswig  senden  w^ollest  .  .  .  unde  in  darmitt  ernstlich  schrieben,  als 
wir  in  daz  auch  geschriebin  habin,  daz  sie  dir  iren  sune brief  wollen 
furderlich  schicken  .  .  .'.  Mit  'unsern  brief  bezeichnet  der  König 
sein  Schreiben,  Reichstagsakten  IV,  n.  274,  und  mit  'iren  sunebrief  die 
in  Papier  verschlossene  Ausfertigung  von  Reichstagsakten  IV,  n.  270. 
Der  Landgraf  hat  das  nun  ganz  missverstanden,  wie  wir  aus  seinem 
Schreiben  an  die  Herzoge  von  Braunschweig,  Reichstagsakten  IV,  n.  275, 
ersehen.  Dort  heisst  es:  'so  haid  auch  derselbe  unser  herre  uns  eynen 
sunebrieff  uff  pergameen  geschrieben  mit  syme  anhangenden 
ingesigel  besigelt  mit  demeselbin  brieve  gesandt  unde  uns  gebeten, 
daz  wir  uch  den  schicken,  unde  uch  darmidde  schrieben,  daz  uwir  bruder 
.  .  .  unde  ir  eynen  sunebrieff  widderumme  zugeben  ....'.  Unter 
dem  Sühnebrief  auf  Pergament  versteht  Weizsäcker,  Reichstagsakten  IV, 


204  Eduard  Sthamer. 

Der  Landgraf  erfüllte  den  Wunsch  des  Königs,  so 
■wie  er  ihn  verstanden  hatte.  Er  schickte  am  8.  März  1401 
mit  dem  vom  Könige  gewünschten  Geleitsschreiben  ^  den 
Herzogen  Bernhard  und  Heinrich  von  Braunschweig  fol- 
gende Aktenstücke  zu: 

1)  Eine  Abschrift  des  Briefes,  den  König  ßuprecht 
ihm  geschickt  hat^. 

2)  Den    Versöhnungsbrief    König    Ruprechts    mit 
dessen  anhangendem  Siegel  ^. 

3)  Die    beiden     ersten    Einlagen    des    königlichen 
Briefes  ^. 

4)  Abschriften    von    den    Versöhnungsbriefen    des 
Landgrafen  Hermann  und  des  Herzogs  Otto '". 


325,  N.  2,  den  Sübnebrief  n.  270 ;  allein  das  ist  nicht  richtig :  der  Sühne- 
brief n.  270  kann  nicht  ein  anhangendes  Siegel  des  Königs  gehabt  haben. 
Vielmehr  hat  der  Landgraf  verstanden,  er  solle  den  mit  dem  anhangenden 
Siegel  des  Königs  versehenen  Brief,  Reichstagsakten  IV,  n.  272  K,  den 
Herzogen  zusenden ;  daher  auch  die  unbestimmte  Aufforderung  an  die 
Herzoge ,  einen  Sühnebrief  wiederum  zu  geben.  Der  Irrtum  ist 
leicht  begreiflich:  da  die  Ausfertigung  des  Sühnebriefes  n.  270  in  Papier 
verschlossen  und  versiegelt  war,  und  auch  der  dabei  liegende 
Brief,  Reichstagsakten  n.  274,  kein  offener  Brief  war  (vgl.  die 
Quellenangabe),  so  war  dem  Landgrafen  aus  dem  Begleitschreiben  des 
Königs,  Reichstagsakten  IV,  n.  273,  nicht  klar  geworden,  was  beide  ent- 
hielten. Diese  Tatsache,  dass  der  Landgraf  seine  Aufgabe  falsch  auf- 
gefasst  hat,  bestätigt  uns  auch  die  weitere  Interpretation  seines  Briefes 
an  die  Braunschweiger  Herzoge ,  Reichstagsakten  IV,  n.  275 ,  welche 
weiter  unten  folgt.  1)  Reichstagsakten  IV,   n.  275.     Das  Original  ist 

erhalten.     Vgl.   die    Quellenangabe.  2)  Reichstagsakten   IV,   n.   275: 

'.  .  .  uns  einen  brieff  gesandt  haid,  des  wir^  uch  eyne  abeschriefft 
hirynne  vorslossen  senden'.  Diese  Abschrift  ist  erhalten,  sie  liegt  dem 
Abdruck  von  Reichstagsakten  IV,  n.  273  zu  Grunde.  3)  Ueber  diesen 
Irrtum  vgl.  oben  S.  203,  N.  6.         4)  Reichstagsakten  IV,  n.  275:    'auch 

haid  er  uns  andere    sine   brieve   darmide  gesand ;    dieselben 

sine  brieve  wir  uch  auch  hirmidte  senden'.  Nach  unseren  obigen  Aus- 
führungen ist  ganz  klar,  dass  dies  die  in  Papier  eingeschlossene  Aus- 
fertigung des  Sühnebriefes  n.  270  und  der  verschlossene  Brief  n.  274  mit 
der  Abschrift  von  n.  271  als  Einschluss  sind.  Der  unbestimmte  Ausdruck 
des  Landgrafen:  'andere  sine  brieve'  passt  dazu  sehr  gut,  da  ihm  ja,  wie 
wir  oben  sehen,  der  Inhalt  beider  nicht  klar  geworden  war.  5)  Reichs- 
tagsakten IV,  n.  275 :  'so  haid  er  uns  unde  hierczogen  Otten  von  Brunswig 
.  .  .  unser  iglicheme  eynen  vorczegesbrieff  uff  pergameen  geschrieben 
gesand,  der  abeschriefft  wir  uch  hirynne  auch  verslossen  senden'.  Dass 
hier  der  entsprechende  Versöhnungsbrief  des  Königs,  Reichstagsakten  IV, 
n.  272  K,  nicht  mit  genannt  wird,  bestätigt  abermals  unsere  Interpretation 
des  Briefes  Hermanns  an  die  Herzoge  von  Braunschweig.  Uebrigens 
sind  die  beiden  Abschriften,  die  Hermann  an  die  Braunschweiger  sandte, 
wohl  ziemlich  sicher  identisch  mit  dem  von  Weizsäcker  in  der  Quellen- 
angabe zu  Reichstagsakten  IV,  n.  272  unter  B  und  H  angeführten  Stücke, 
das  beide  Urkunden  enthält. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.     205 

Wir  sehen  also,  dass  ausser  den  für  den  Landgrafen 
Hermann  selbst  bestimmten  Briefen  und  Abschriften 
damals  die  noch  zu  besiegelnden  Ausfertigungen  der  Ver- 
söhnungsbriefe des  Landgrafen  selbst  und  seines  Schwieger- 
sohnes Otto  von  Braunschweig  in  den  Händen  des  Land- 
grafen blieben.  Alle  übrigen  Einlagen  des  königlichen 
Briefes  aber  nebst  weiteren  Abschriften  kamen  an  die 
Herzoge  von  Braunschweig.  Mit  Ausnahme  der  Aus- 
fertigung des  Sühnebriefes,  n.  270,  und  des  Versöhnungs- 
briefes des  Königs,  n.  272  K,  blieben  sie  dann  im  Archiv 
der  Braunschweiger  Herzoge  liegen;  noch  jetzt  befinden 
sie  sich  sämtlich  unter  den  Beständen  dieses  Archives  in 
Hannover  ^. 

Da  die  Herzoge  von  Brauuschweig  den  Brief  des 
Königs  an  den  Landgrafen,  der  ihnen  ja  in  Abschrift  mit- 
geteilt worden  war,  aus  dem  an  sie  selbst  gerichteten 
Briefe  des  Königs  interpretieren  konnten  ^  so  fassten  sie 
den  Wunsch  des  Königs  nicht  so  irrtümlich  auf  wie  der 
Landgraf.  Sie  Hessen  also  die  ihnen  vom  Könige  zu- 
gesandte Ausfertigung  des  Sühnebriefes  besiegeln  und 
schickten  diese  —  und  jedenfalls  auch  das  Original  des 
Versöhnungsbriefes  des  Königs  ^,  das  der  Landgraf  irrtüm- 
licher Weise  ihnen  zugesandt  hatte,  —  mit  einem  Geleits- 
brief* an  den  Landgrafen  Hermann^,  in  dessen  Hände  sie 
am  1.  April  gelangte*'. 

Gleichzeitig  sollte  durch  Philipp  von  Nassau  die  Aus- 
stellung des  Sühnereverses  von  Seiten  des  Grafen  Heinrich 
von  Waldeck  und  seiner  Helfer  betrieben  werden.  Der 
König  hatte  an  Philipp  einen  gleichen  Brief  geschickt  mit 
denselben  Einlagen  mutatis  mutandis,  wie  an  den  Land- 
grafen ''.  Wir  müssen  annehmen ,  dass  sich  dort  alles 
analog  hat  zutragen  sollen  ^. 

Nun  sollten  vor  Ostern,  d.  h.  vor  dem  3.  April,  die 
Sühnebriefe  durch  den  Landgrafen  Hermann  ausgetauscht 
werden.  Zwar  waren  die  Braunschweiger  Herzoge  pünkt- 
lich ihren  Verpflichtungen  nachgekommen ,  aber  Graf 
Heinrich  von  Waldeck  zeigte  sich  säumig.     Daher  mahnte 


1)  Vgl.   die  Quellenangaben   zu   den   verschiedenen   Aktenstücken. 
2)   Reichstagsakten  IV,    n.  273   und   n.  274.  3)   Reichstagsakten   IV, 

n.  272  K.  4)  Reichstagsakten  IV,  n.  278.     Der  Geleitsbrief  ist  nicht 

erhalten.  5)  Reichstagsakten  IV,  n.  276  und  n.  279.  6)  Reichstags- 
akten  IV,  n.  279.  7)  Reichstagsakten  IV,  n.  273.  8)  Von  den 
sämtlichen  Aktenstücken  ist  bisher  nicht  ein  einziges  wiedergefunden 
worden. 


206  Eduard  Sthamer. 

ihn  der  Landgraf  am  1.  ApriP,  indessen  ohne  Erfolg: 
Heinrich  antwortete  am  2.  April  mit  einem  Briefe  voll 
leerer  Ausflüchte  ^. 

Unverzüglich  benachrichtigte  der  Landgraf  die  Herzoge 
von  Braunschweig  ^  und  übersandte  ihnen  zugleich  Ab- 
schriften von  seinem  jüngsten  Briefwechsel  mit  dem  Grafen 
von  Waldeck  ^.  Sodann  teilte  Hermann  auch  dem  Könige 
den  ganzen  Verlauf  der  Sache  mit  ^.  Eine  Abschrift  dieses 
Berichtes  *'  übersandte  er  mit  einem  Begleitschreiben  vom 
14.  April  ^  auch  an  die  Herzoge  von  Braunschweig. 

Da  Heinrich  von  Waldeck  die  erforderlichen  Reverse 
nicht  ausstellen  wollte,  so  durfte  der  Landgraf  auch  die 
Sühne-  und  Versöhnungsbriefe,  die  er  in  Händen  hatte, 
ihm  nicht  übergeben.  Er  behielt  also  diese  4  Aktenstücke  ^ 
und  legte  sie  vorläufig  in  sein  Archiv^,  um  sie  später  dem 
Könige  nach  Nürnberg  mitzubringen  ^^,  wo  der  König 
persönlich  nochmals  versuchen  wollte,  den  Streit  zu 
schlichten.  Die  Herzoge  von  Braunschweig  aber  waren 
nun  nicht  mehr  geneigt,  sich  auf  weitere  Unterhandlungen 
einzulassen  ^\  und  ersuchten  daher  den  Landgrafen  von 
Hessen,  der  ihnen  des  Königs  'Vertragsentwurf  ^^  in  Ab- 
schrift ^^  zugestellt  hatte  ^"^,  die  betreffenden  Urkunden  nicht 
aus  den  Händen  zu  geben  ^^.  Zweifellos  hat  der  Landgraf 
ihrem  Wunsche  entsprochen ,  denn  noch  heutiges  Tages 
finden    sich    unter    den    alten    Beständen    des    hessischen 


1)  Reichstagsakten  IV,  n.  276.  Ein  offener  Brief  (nach  Reichs- 
tagsakten IV,  n.  278).  Das  Original  ist  nicht  bekannt.  2)  Reichstags- 
akten IV,  n.  277,  ebenfalls  offener  Brief  (nach  derselben  Quelle).  Das 
Original  ist  gleichfalls  unbekannt.  3)  Reichstagsakten  IV,  n.  278  aus 
dem    Originale.  4)    Diese   Abschriften   sind   erhalten,  sie   stehen   auf 

einem  Blatte.  Aus  ihnen  schöpft  Weizsäcker  die  Stücke  Reichstags- 
akten IV,  n.  276  und  n.  277.  Man  beachte  die  Verschickungsschnitte! 
5)  Reichstagsakten  IV,  n.  279.  Original  nicht  bekannt.  Ueber  die 
Datierung  vgl.  unten  n.  IV.  6)  Erhalten.     Daraus  abgedruckt  in  den 

Reichstagsakten.  7)    Reichstagsakten  IV,   n.  280   aus   dem  Originale. 

8)  Reichstagsakten  IV,  n.  270  und  n.  272  KBH.  9)  Reichstagsakten  IV, 
n.  279.  10)  Reichstagsakten  IV,  n.  328  art,  5 :  'Item,  daz  min  jungher 
der  lantgrave  die  süne-  und  verziegsbriefe  uf  den  graffen  von  Waldecken  etc., 
die  ime  geantwurted  sin  von  der  hierzogen  von  Brunsswig  wegen,  bie  ime 
behalde  und  die  uf  den  obgenanten  tag  mime  herren  dem  kunige  brenge 
und   antwurte'.  11)   Küch   in  d.  Zeitschr.    d.  Ver.    f.  hess.  Gesch.  u. 

Landesk.  N.  F.  XIX,  90.  12)  Reichstagsakten  IV,  n.  328.  13)  Diese 
Abschrift  liegt  dem  Druck  in  den  Reichstagsakten  zu  Grunde,  wie  aus 
den  Verschickungsschnitten  ersichtlich  ist.  Vgl.  unten  n.  V.  14)  Reichs- 
tagsakten IV,  n,  831.  15)  Reichstagsakten  IV,  n.  332:  '.  .  .  bidden 
iw  fruntliken  mit  ganzem  vlite,  dat  gi  desulven  unse  breve  nicht  van  iw 
enantworden  .  .  .'. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.     207 

Archives  im  Samtarchive  zu  Marburg  zwei  jener  Originale^, 
und  dass  das  Original  des  Sühnebriefes  n.  270  sich  früher 
dort  befunden  hat,  lässt  sich  aus  dem  alten  Eepertorium 
dieses  Archives  nachweisen  2. 

Fassen  wir  zum  Schlüsse  kurz  unsere  Ergebnisse  zu- 
sammen und  was  sich  weiter  aus  ihnen  folgern  lässt : 

1.  Wir  haben  die  Herkunft  und  Bedeutung  der 
archivalischen  Vorlagen  zu  allen  in  Frage  kommenden 
Aktenstücken  erkannt  und  gefunden,  dass  sie  mit  wenigen 
Ausnahmen  unmittelbar  aus  jener  Korrespondenz 
herrühren. 

2.  Da  die  Vorlage  zu  Reichstagsakten  IV,  n.  271 
direkt  aus  jenen  Verhandlungen  stammt,  während  die 
zu  n.  270  nur  die  Abschrift  eines  solchen  originalen 
Aktenstückes  ist,  so  muss  im  Gegensatze  zu  Weizsäcker 
hei  der  Textkritik  der  Vorlage  zu  n.  271  vor  der  zu  n.  270 
der  Vorzug  gegeben  werden,  solange  nicht  das  Original 
eines  der  beiden  Aktenstücke  aufgefunden  ist. 

3.  Was  die  Datierung  der  beiden  ebengenannten 
Aktenstücke  betrifft,  so  ergibt  sich :  Die  beiden  Entwürfe, 
die  aus  der  Pfälzer  Kanzlei  stammen,  sind  etwa  gleich- 
zeitig anzusetzen  mit  dem  Briefe  König  Ruprechts  an  den 
Landgrafen  von  Hessen  ^,  also  'zu  Februar  28'.  Auf  den 
20.  Januar  sind  beide  Entwürfe  zurückdatiert.  Be- 
siegelt wurde  der  Sühnebrief  n.  270  gegen  Ende  März, 
n.  271  niemals;  aber  auch  die  Urkunde  n.  270  ist  nicht 
perfekt  geworden,  da  sie  den  Destinataren  nicht  aus- 
gehändigt wurde*. 

4.  Demnach  dürfen  die  beiden  Sühnebriefe  genau 
genommen  nicht  als  'Entwurf  bezeichnet  werden. 

5.  Aus  der  vorhandenen  Korrespondenz  können  wir 
neben  einigen  unbedeutenden  ein  wichtiges  Aktenstück 
ergänzen,  das  bisher  leider  noch  nicht  wieder  aufgefunden 
ist:  Auf  dem  Tage  zu  Marburg  im  Januar  1401  wurde  eine 
Vereinbarung  fixiert,  die  enthielt,  dass  die  drei  Braun- 
schweiger Brüder  —  und  entsprechend,  wie  wir  sahen, 
Graf  Heinrich  von  Waldeck  und  seine  Helfer  —  ihren 
Gegnern  einen  Sühnebrief  ausstellen  sollten  in  der  Form, 
wie  der  König  ihn  abfassen  und   ihnen   zusenden   würde  ^, 


1)  Küch  a.  a.  O.  S.  88,  N.  3  und  oben  S.  203,  N.  5.  2)  Vgl. 
oben  S.  202,  N.  2.  3)  Reichstagsakten  IV,  n.  273.  4)  Danach  sind 
Küchs  Ausführungen  a.  a.  0.  S.  87  zu  berichtigen.  5)  Nach  Reichs- 

tagsakten IV,  n.  273  und  n.  274. 


208  Eduard  Sthamer. 

und  zwar  bis  Ostern  (3.  April).  Auch  über  die  Aus- 
wechslung der  Gefangenen  muss  diese  Urkunde  Bestim- 
mungen enthalten  haben  ^.  Wir  können  wohl  annehmen, 
dass  sich  ihr  Inhalt  im  Wesentlichen  mit  den  in  den 
Sühnebriefen  n.  270  und  n.  271  angegebenen  Tatsachen 
gedeckt  hat. 

6.  Ueber  den  Verbleib  der  bisher  nicht  aufgefundenen 
originalen  Aktenstücke  können  wir  feststellen,  dass  damals 
in  das  landgräflich  hessische  Archiv  wanderten: 

a)  Das  besiegelte  Original  von  n.  270; 

b)  eine  gleichzeitige  Kopie  desselben  Aktenstückes 
(mit  Verschickungsschnitten) ; 

c)  eine   gleichzeitige   Kopie   von    n.    271    (ebenfalls 
mit  Verschickungsschnitten) ; 

d)  das  besiegelte  Original  von  n.  272  B; 

e)  das  Original  von  n.  273; 

f)  das  Original  von  n.  277. 

Leider  ist  es  nicht  gelungen,  diese  Aktenstücke  im 
Samtarchive  zu  Marburg  wieder  aufzufinden.  Da  die  Be- 
stände dieses  Archives  zu  früheren  Zeiten  durch  Feuchtig- 
keit sehr  gelitten  haben,  so  müssen  wir  wohl  annehmen, 
dass  uns  diese  sämtlichen  Stücke  aus  jener  Korrespondenz 
für  immer  verloren  gegangen  sind. 

7.  Von  dem  ganzen  entsprechenden  Briefwechsel  mit 
dem  Grafen  von  Waldeck  ist  nicht  ein  einziges  Stück  auf 
uns  gekommen. 

IV. 
Reiclistagsakten  IV,  n.  279. 

Es  ist  zweifelhaft,  ob  dieser  Brief  zum  2.  oder  zum 
14.  April  anzusetzen  sei-.  Wir  wollen  kurz  dieser  Frage 
näher  treten  iind  versuchen,  ob  es  uns  vielleicht  gelingt, 
sie  zu  entscheiden. 

Die  Situation,  in  der  der  Brief  geschrieben  ist,  kennen 
wir  schon  aus  dem  vorigen  Abschnitte:  Heinrich  von 
Waldeck  hat  die  Ausfertigung  des  Reverses  der  Sühne- 
urkunde, Reichstagsakten  IV,  n.  271,  verweigert.  Es  ist 
dies  genau  die  gleiche  Sachlage,  wie  wir  sie  in  dem  Briefe 
des  Landgrafen  Hermann  von  Hessen  an  die  Brauuschweiger 


1)  M.  E.  wird  am  Schlüsse  von  Reichstagsakten  IV,  n.  278  auf 
dieses  verlorene  Aktenstück  Bezug  genommen,  und  nicht,  wie  Weizsäcker 
(ebendort  N.  9)  vermutet  hat,  auf  den  2.  Artikel  von  Reichstagsakten  IV, 
n.  270.         2)  Reichstagsakten  IV,  328,  N.  10. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.     209 

Herzoge  vom  2.  April  ^  vorfinden.  Schon  allein  dieser 
Umstand  könnte  uns  bewegen,  uns  für  den  2.  April  zu 
entscheiden. 

Wir  müssen  nun  aber,  wenn  wir  die  Frage  lösen 
wollen,  noch  den  Brief  heranziehen,  den  König  Ruprecht 
am  8.  April  an  die  Herzoge  von  Braunschweig  schrieb  ^. 
Darin  fordert  der  König  die  Herzoge  auf,  unter  Berufung 
auf  die  Marburger  Vereinbarung  vom  Januar  gleiches 
Jahres,  am  30.  Mai  vor  ihm  zu  Nürnberg  zu  erscheinen ; 
zum  gleichen  Tage  will  er  den  Grafen  von  Waldeck  dort- 
hin entbieten;  dann  will  er  durch  Schiedsspruch  ihre 
Streitigkeiten  schlichten.  Wir  sehen  also  daraus,  dass 
Ruprecht  bereits  von  dem  Fehlschlagen  der  letzten  Ver- 
handlungen ,  die  durch  die  Hand  des  Landgrafen  von 
Hessen  gingen,  Kenntnis  gehabt  haben  muss,  da  er  sonst 
nicht  nochmals  einen  Tag  für  das  Schiedsgericht  hätte  an- 
zusetzen brauchen. 

Diese  Erwägung  ist  ausschlaggebend  für  die  Datierung 
des  vorliegenden  Briefes:  Wir  werden  nicht  fehl  gehen, 
wenn  wir  uns  für  den  2.  April  entscheiden. 

V. 

Akten  betreffend  den  Vermittelungsversucli 

König  lluprechts   zwischen  Erzbischof  Johann  von  Mainz 

und  seinen  Gegnern. 

Eeichstagsakten  IV,  n.  328  bis  n.  330. 

üeber  die  Datierung  der  beiden  Werbungen  König 
Ruprechts,  n.  329  und  n.  330,  herrseht  Uneinigkeit.  Weiz- 
säcker -^  schliesst  aus  der  Stellung,  die  beide  im  Karlsruher 
Kopialbuch  einnehmen,  dass  sie  etwa  in  den  Juli  1401  ge- 
hören mögen ;  allein  die  inhaltliche  Verwandtschaft  der 
Werbung  n.  329  mit  der  Vereinbarung  zwischen  König 
Ruprecht  und  Erzbischof  Johann  II.  von  Mainz''  veranlasst 
ihn,  zunächst  diese  Werbung  n.  329  zu  datieren:  '[1401 
nach  Mai  6]';  da  nun  aber  die  Werbung  n.  330  augen- 
scheinlich gleichzeitig  ist  mit  der  Werbung  n.  329,  so  setzt 
er  auch  für  diese  das  gleiche  Datum  an.  Hiergegen  hat 
nun    Felsberg -^   im    Hinblick    auf   Artikel    1    der  Werbung 


1)  Reichstagsakten  IV,  n.  278.  2)  Reichstagsakten  IV,  n.  327. 

3)    Reichstagsakten   IV,   388,   X.  1.  4)    Reichstagsakten   IV,    n.  328. 

5)  0.  Felsberg,  Die  Ermordung  des  Herzogs  Friedrich  von  Braunschweig 
im  Jahre  1400,  Progr.  d.  Herzogl.  Ernestinum  zu  Coburg,  1888,  S.  19, 
N.  8. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  14 


210  Eduard  Sthamer. 

n.  330,  der  nach  seiner  Meinung  voraussetzt,  dass  die 
Fehde  zwischen  den  Braunschweigern  und  dem  Waldecker 
bereits  ausgebrochen  sei,  sich  dafür  entschieden,  die  beiden 
Werbungen  für  den  Juli  anzusetzen.  Ihm  ist  Küch  ^ 
gefolgt. 

Welche  Meinung  ist  nun  die  richtige?  oder  besser: 
wann  haben  wir  die  Werbungen  n.  329  und  n.  330  an- 
zusetzen und  wie  ist  das  Verhältnis  zu  dem  Abkommen 
n.  328? 

Gehen  wir  aus  von  der  Werbung  n.  330 ! 

Im  Artikel  4  beruft  sich  der  König  ausdrücklich  auf 
die  Marburger  Uebereinkunft.  Dieser  Marburger  Tag  fand 
statt  vom  16.  bis  20.  Januar  1401-,  dieser  ist  also  bereits 
vorüber.  Der  König  bittet  sodann  in  demselben  Artikel 
die  Herzoge  von  Braunschweig,  die  Sühnebriefe,  die  sie 
dem  Marburger  Abkommen  gemäss  dem  Grafen  Heinrich 
von  Waldeck  und  seinen  Helfern  geben  sollen,  zu  be- 
siegeln ^.  Wir  haben  nun  bereits  gesehen  *,  dass  der  König 
die  Sühnebriefe,  um  die  es  sich  hier  handelt  5,  am  28.  Fe- 
bruar dem  Landgrafen  von  Hessen  zusandte  mit  der  Bitte, 
sie  weiterhin  an  die  Braunschweiger  Herzoge  gelangen  zu 
lassen.  Dass  das  geschehen  sei,  setzt  doch  der  vorliegende 
Artikel  4  offenbar  voraus,  da  die  Aufforderung,  Urkunden 
zu  besiegeln,  die  noch  garnicht  vorliegen,  keinen  Sinn 
hätte.  Wie  die  Sache  sich  weiter  entwickelte,  haben  wir 
ebenfalls  bereits  eingehend  untersucht. 

Etwa  am  2.  April  ^  teilte  der  Landgraf  von  Hessen 
dem  König  mit,  dass  zwar  die  Braunschweiger  Herzoge 
ihre  Siegel  an  die  Sühnebriefe  gehängt  hätten,  dass  aber 
eine  Auswechselung  der  Urkunden  nicht  habe  stattfinden 
können,  da  der  Graf  von  Waldeck  sich  weigere,  Eeverse 
zu  geben  ^.  Nach  Empfang  dieses  Briefes  hätte  Kuprecht 
eine  solche  Aufforderung,  wie  der  Artikel  4  sie  enthält, 
nicht  mehr  nötig  gehabt.  Daraus  würde  sich  also  ergeben, 
dass  die  Werbung  n.  330  vor  den  8.  April  1401  fiele,  da 
der    Brief    Ruprechts    von     diesem    Datum  ^     bereits     die 


1)    Küch    in    der   Zeitschr.    d.    Ver.    f.    hess.    Gresch.    u.    Landesk. 
N.  F.   XIX,  90,    N.  7.  2)    Reichstagsakten  IV,  n.  190  und  n.  269  ff. 

3)  Der  Artikel  4  lautet:  'Item  daz  sie  auch  der  süne  nachfolgen  wollen, 
die  unser  herre  der  konig  zusehen  in  und  dem  graven  von  Waldeck 
Friederich  von  Hertingshusen  und  den  andern  zu  Margpurg  beredte,  und 
die  briefe  darüber  besiegeln'  etc.  4)  Oben  n.  III.  5)  Reichstags- 

akten IV,  n.  270  und  n.  272  KBH.  6)  Vgl.  oben  n.  IV.  7)  Reichs- 
tagsakten IV,  n.  279.         8)  Reichstagsakten  IV,  n.  .327. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.      211 

Kenntnis  der  Mitteilung  des  Landgrafen  von  Hessen  ^ 
voraussetzt,  wie  wir  im  vorhergehenden  Abschnitte  darzutun 
versucht  haben.  So  kämen  wir  dahin,  dieses  Aktenstück 
etwa  in  den  März   1401  zu  verlegen. 

Wie  verhält  es  sich  denn  nun  aber  mit  der  Fehde, 
die  die  ersten  Artikel  erwähnen,  auf  welche  sich  Felsberg 
und  Küch  beziehen? 

Zunächst  ist  festzustellen,  um  welche  Fehde  es  sich 
handelt.  Zwar  klagt  in  dem  Artikel  1  der  Erzbischof  über 
die  Herzoge  von  Braunschweig  nur  ganz  unbestimmt:  'daz 
sie  mit  ir  gewalt  über  in  gezogen  sin  und  imme  sin  lande 
und  lute  swerlichen  beschediget  haben  und  beschedigen  in 
den  dingen,  daz  er  nit  wisse  mit  in  zu  schaffen  hann' ; 
dennoch  glaube  ich,  dass  wir  in  dem  Wortlaute  selbst 
einen  bestimmten  Anhaltspunkt  dafür  finden,  was  hier 
gemeint  ist.  Es  heisst  nämlich  in  den  Klageartikeln  des 
Erzbischofs  Johann  gegen  die  Braunschweiger  Herzoge, 
über  die  der  König  am  3.  Februar  1403  in  Nürnberg  ent- 
schied -,  in  Artikel  6,  mit  Beziehung  auf  das  Unternehmen 
des  Herzogs  Heinrich  von  Braunschweig  gegen,  die  Mainzer 
Schlösser  Geismar  und  Nuwenburg :  'und  si  im  daz  ge- 
scheen  wider  recht  und  ane  gericht  und  in  den  dingen 
als  er  mit  dem  egenanten  Heinrich  nichts  wüste 
zu  schaffen  han'  etc.  Sollte  diese  wörtliche  Ueber- 
einstimmung  des  Schlusssatzes  mit  dem  ersten  Artikel 
unserer  vorliegenden  Werbung  ein  Zufall  sein?  Wenn  es 
auch  nicht  unbedingt  sicher  ist,  so  scheint  es  mir  doch 
höchst  wahrscheinlich  zu  sein,  dass  dem  Erzbischofe  bei 
dem  Entwürfe  dieses  Klageartikels  jenes  frühere  Akten- 
stück über  den  gleichen  Vorgang  vorgelegen  hat.  Wir 
hätten  damit  also  die  Vermutung  Küchs  ^,  dass  es  sich  in 
dem  Artikel  1  um  den  Kriegszug  gegen  den  Waldecker 
handle,  noch  genauer  bestimmt:  Es  handelte  sich  um  den 
Angriff  Heinrichs  von  Braunschweig  auf  Geismar  und 
Nuwenburg. 

Nun  erhebt  sich  aber  gleich  die  weitere  Frage :  Wann 
hat  denn  jenes  Unternehmen  stattgefunden? 

Wir  wissen  es  nicht !  Aber  dennoch  können  wir  ver- 
suchen ,  ob  sich  nicht  vermutungsweise  wenigstens  an- 
nähernd dieser  Vorgang  fixieren  lässt. 

In  den  Klageartikeln  des  Landgrafen  Hermann  von 
Hessen  gegen  Erzbischof  Johann  von  Mainz  und  denen  des 


1)  Reichstagsakten  IV,  n.  279.  2)  Reichstagsakten  V,   n.  335. 

3)  A.  a.  0.  S.  90,  N.  7. 

14* 


212  Eduard  Sthamer. 

Erzbischofs  gegen  den  Landgrafen,  über  die  König  Ruprecht 
in  Nürnberg  am  3.  Februar  1403  zu  Gericht  sass,  wird  ein 
Handel  des  Landgrafen  von  Hessen  mit  denen  von  Geismar 
erwähnt  ^,  der  stattfand  vor  Ausbruch  des  Krieges  ',  also 
vor  dem  5.  August  1401;  denn  von  diesem  Tage  ist  der 
Fehdebrief  des  Erzbischofs  datiert '^ 

Diese  Fehde  zwischen  dem  Landgrafen  von  Hessen 
und  denen  von  Geismar  ist  uns  aber  auch  sonst  nicht  un- 
bekannt; sie  wird  bereits  in  der  Vereinbarung  König 
Ruprechts  mit  Erzbischof  Johann  von  Mainz  vom  6.  Mai 
1401*  erwähnt:  sie  fällt  also  auch  noch  vor  den  6.  Mai. 
Da  nun  andererseits  der  Vorfall  sich  'binnen  dem  gutlichen 
sten'  ereignet  haben  soll,  so  kann  er  nicht  vor  dem 
17.  Januar  1401  angesetzt  werden,  wo  der  König  zwischen 
dem  Erzbischof  von  Mainz  und  dem  Landgrafen  von 
Hessen  den  Waffenstillstand  vermittelte '".  Dass  es  in 
dieser  Zeit  zwischen  dem  17.  Januar  und  dem  6.  Mai  auch 
sonst  nicht  ganz  friedlich  zugegangen  ist,  ersehen  wir  z.  B. 
auch  aus  dem  Briefe  des  Grafen  Heinrich  von  Waldeck 
vom  20.  April  ^"'.  Es  liegt  daher  nahe,  zu  vermuten,  dass 
das  Unternehmen  des  Herzogs  Heinrich  von  Braunschweig, 
der  ja  mit  Hermann  von  Hessen  im  Bunde  stand,  mit 
diesem  Streite  zwischen  dem  Landgrafen  und  denen  von 
Geismar  zusammenhängt.  Etwas  Näheres  können  wir 
freilich  nicht  darüber  ermitteln.  Küch  setzt  diesen  Zug 
Heinrichs  von  Braunschweig  gegen  Ende  des  Juni  oder 
Anfang  des  Juli  ^  au,  allein  das  ist  doch  wohl  auch  nur 
eine  Hypothese.  Ich  glaube  nicht,  dass  diese  Hypothese 
Küchs  gegenüber  dem  Tatbestande,  der  dem  Artikel  4  zu 
Grunde  liegt,  für  die  Datierung  der  vorliegenden  Werbung 
ins  Gewicht  fallen  kann,  um  so  weniger,  als,  wie  wir  sahen, 
auch  eine  andere  Kombination  in  Betreff  der  in  dieser 
Werbung  erwähnten  Fehde  möglich  ist. 


1)  Reichstagsakten  V,  n.  336  art.  7  und  n.  337  art.  7.  2)  Reichs- 
tagsakten V,  n.  387  art.  7 :  'die  von  CTeissmar  wurden  sin  [des  Land- 
grafen] fiende  ee  dez  bischofs  fehde'  und  weiterhin:  'binnen  dem  gutlichen 
sten'.  3)    Küch    a.  a.  ü.    S.  100.  4)    Reichstagsakten  IV,   n.  828 

art.  2.  5)  Reichstagsakten  IV,  n.  269.  6)  Gedruckt:  N.  A.  XXXI, 
705  f.  Es  sei  bei  dieser  Gelegenheit  noch  erwähnt,  dass,  wie  Herr  Pro- 
fessor Dr.  Leitzmaun  in  Jena  mir  freundlicher  Weise  mitteilte,  es  selbst- 
verständlich heissen  muss:  'dar  unsirs  swagirs  von  Seyn  fründe  und 
dynnere  oicli  midde  warin' ;  gemeint  ist  ein  Graf  von  Sayn,  der  sich  in- 
dessen vor  der  Hand  noch  nicht  näher  bestimmen  lässt.  7)  A.  a.  0. 
S.  98.  Dort  ist  ein  störender  Druckfehler  zu  verbessern :  es  muss  '25  Juni' 
statt  '25.  Mai'  heissen. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.     213 

Daher  glaube  ich,  dass  wir  die  Werbung  König 
Ruprechts  an  die  Braunschweiger  Herzoge ,  Reichstags- 
akten IV,  n.  330,  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  etwa  in 
den  März  1401  setzen  können. 

Dass  die  Werbung  König  Ruprechts  an  den  Land- 
grafen von  Hessen,  Reichstagsakten  IV,  n.  329,  mit  der  au 
die  Braunschweiger  Herzoge  ungefähr  gleichzeitig  ist,  hat 
schon  Weizsäcker  erkannt^,  das  bedarf  daher  keiner 
längeren  Erörterung.  Es  sei  nur  darauf  hingewiesen,  dass 
nach  Artikel  3  dieser  Werbung  der  Streit  zwischen  dem 
Landgrafen  von  Hessen  und  denen  von  Geismar  in  den 
WafPenstillstand  fällt,  den  'unser  herre  der  kunig  und 
unser  herre  burggrave  Friederich  von  Nuremberg  beredt 
haben' ;  ich  gestehe,  dass  ich  mit  dieser  Notiz  nichts  an- 
zufangen weiss:  denn  in  der  Beurkundung  des  Waffen- 
stillstandes vom  17.  Januar-  wird  der  Burggraf  nicht  ge- 
nannt; man  könnte  höchstens  daran  denken,  dass  auf  dem 
Tage  zu  Nürnberg,  im  Februar  und  März  1401,  noch  ein- 
mal unter  Beteiligung  des  Burggrafen  eine  Verlängerung 
des  Waffenstillstandes  vereinbart  worden  sei;  denn  obgleich 
der  Waffenstillstand  vom  17.  Januar  am  29.  Mai  ablieft, 
setzte  doch  der  König  bereits  am  8.  April  ein  Schieds- 
gericht auf  den  30.  Mai  an,  unter  Beruf ungf  darauf,  dass 
er  die  Entscheidung  in  der  Zeit  bis  zum  Johannistag,  dem 
24.  Juni,  fällen  solle ^.     Aber  wir  wissen  nichts  darüber. 

Es  erübrigt  noch,  in  aller  Kürze  auf  das  Verhältnis 
einzugehen,  das  zwischen  den  beiden  besprochenen  Wer- 
bungen und  der  Vereinbarung  des  Königs  mit  Erzbischof 
Johann  von  Mainz  vom  6.  Mai^  besteht.  Gerade  aus  diesem 
Verhältnis  schloss  ja  Weizsäcker,  dass  die  Werbungen 
später  als  jene  Vereinbarung  anzusetzen  seien.  Wie 
steht  es  damit? 

In  Artikel  2  und  4  der  Vereinbarung  wird  gesagt, 
dass  König  Ruprecht  das,  was  jene  Artikel  enthalten,  an 
den  Landgrafen  werben  lassen  solle.  Das  sei  geschehen, 
so  meint  Weizsäcker'',  in  der  Werbung  n.  329.  Das  ist 
aber  m.  E.  ein  Irrtum:  vielmehr  geschah  es  durch  üeber- 
sendung  eben  jener  Vereinbarung  n.  328  an  den  Land- 
grafen '.     Damit  fällt  also   das  Argument,    das  Weizsäcker 


1)    Reichstagsakten   IV,    389,    N.    1.  2)    Reichstagsakten   IV, 

n.  269.  S)  Ebendort.  4)  Reichstagsakten  IV,  n.  327.  5)  Reichs- 
tagsakten IV,  n.  328.  6)  Reichstagsakten  IV,  388,  N.  1.  7)  Reichs- 
tagsakten IV,  n.  331.  Daher  weist  auch  die  in  Hannover  befindliche 
Kopie  Verschickuugsschnitte   auf;   sie  ist  eben  von  dem  Landgrafen   den 


214  Eduard  Sthamer. 

veranlasste,  die  Werbungen  n.  329  und  n.  330  nach  dem 
6.  Mai  anzusetzen,  weg. 

Dennoch  besteht  zweifellos  ein  Zusammenhang 
zwischen  jenen  beiden  Werbungen  des  Königs  einerseits 
und  der  Vereinbarung  n.  328  andererseits.  Darüber  ver- 
mute ich  folgendes: 

Angenommen,  der  Handel  mit  Geismar  und  Nuwen- 
burg  fiele  etwa  in  den  Februar  1401.  Dann  können  wir 
weiter  mutmassen,  dass  sich  der  Erzbischof  von  Mainz  auf 
dem  damals  gerade  in  Nürnberg  versammelten  Reichstage 
bei  dem  Könige  darüber  beklagt  habe,  und  dass  auf  Grund 
dieser  Beschwerden  des  Erzbischofs  die  Werbungen  an 
Hessen  und  Braunschweig,  n.  329  und  n.  330,  entworfen 
worden  seien,  etwa  im  März  dieses  Jahres.  Da  nun  gleich- 
zeitig die  Vermittelungs versuche  des  Landgrafen  zwischen 
den  Herzogen  von  Braunschweig  und  den  Mördern  ihres 
Bruders  im  Gange  waren  ^,  so  blieben  die  beiden  Werbungen 
vorläufig  nur  Entwürfe.  Im  Anfange  des  April  stellte  sich 
nun  heraus,  dass  diese  Vermittelung  gescheitert  war.  Daher 
besprach  der  König  Anfang  Mai  auf  dem  zweiten  Reichs- 
tage zu  Nürnberg  nochmals  diese  Angelegenheit  mit  dem 
Erzbischofe  von  Mainz-;  dieser  kam  dann  mit  ihm  überein, 
wie  das  Abkommen  n.  328  es  enthält,  und  übertrug  die 
Entscheidung  seiner  Streitigkeiten  mit  Hessen  dem  Könige  ^ 
und  versprach  zugleich,  dazu  mitzuwirken,  dass  auch  die 
Angelegenheit  der  Ermordung  des  Herzogs  Friedrich  von 
Braunschweig  durch  einen  Schiedsspruch  des  Königs  bei- 
gelegt werde  *.  Als  Tag  für  beide  Entscheidungen  wird 
der  13.  Juni^  festgesetzt.    Zugleich  wurde  verabredet,  dass 


Herzogen  von  Braunschweig  zugesandt  worden ;  vgl.  Reichstagsakten  IV, 
n.  331  und  n.  332.  1)  Vgl.  oben  n.  III.  2)  Reichstagsakten  IV, 

D,    328   Anfang.  3)    Ebendort  art.   3   und  4.  4)    Ebendort   art.  6 

und   8.  5)    El)endort  art.  3 :   'von  dem  nehsten  montage  nach  unsers 

herren  liechnams  tage  nehstkumpt  über  achte  tage,  daz  wirdet  uf  sente 
Viti  und  ]\Iodesti  tage  nestkumpt'.  Schon  "Weizsäcker  hat  darauf  hin- 
gewiesen (ebendort  N.  1),  dass  der  Montag  über  acht  Tage  nach  Corporis 
Christi  der  13.  Juni  sei,  während  Viti  et  Modesti  auf  den  15.  Juni  fällt. 
Er  vermutet  einen  Schreibfehler :  'Montag'  statt  'Mittwoch'.  Allein,  wenn 
man  die  Herkunft  der  Kopie  im  Hannoverschen  Archive  berücksichtigt, 
so  gibt  uns  diese  eine  wahrscheinlichere  Lösung  dieser  Schwierigkeit  an 
die  Hand.  Die  Vereinbarung  n.  328  wurde  von  dem  Könige  an  den 
Landgrafen  gesandt.  Die  Bemerkung:  'daz  wirdet  uf  .  .  .',  die  sich  schon 
äusserlich  als  Interpolation  kennzeichnet,  fehlte  in  dem  Original,  sie  wurde 
in  der  hessischen  Kanzlei  hinzugefügt,  wobei  ein  Irrtum  in  der  Datums- 
berechnung unterlief.  Der  Landgraf  liess  dann  diese  Vereinbarung  noch- 
mals abschreiben,   um   sie   den  Herzogen   von  ßraunschweig   mitzuteilen. 


Beiträge  zur  Kritik  der  Deutschen  Reichstagsakten.      215 

diese  Verein baruog  durch  Zusendung  dem  Landgrafen  von 
Hessen  ^  und  weiterhin  den  Herzogen  von  Braunschweig 
mitgeteilt  werden  solle  -'. 

Bei  der  Abfassung  der  Vereinbarung  n.  328  wurden 
die  früher  entworfenen  Werbungen  benutzt.  So  erklärt  es 
sich,  dass  Artikel  2  und  3  der  Werbung  n.  329  sich  als 
Artikel  4  und  2  in  der  Vereinbarung  n.  328  wiederfinden. 
Aus  der  Werbung  n.  330  kam  es,  da  die  Vereinbarung 
sich  zunächst  nur  auf  Hessen  bezog,  nur  noch  auf  Ar- 
tikel 4  an ;  denn  die  Beschwerden  der  Artikel  1  und  2 
mussten  so  wie  so  bei  der  Entscheidung  des  Königs 
zwischen  den  Herzogen  von  ßraunschweig  und  dem  Grafen 
von  Waldeck  und  dessen  Anhängern  zur  Sprache  kommen. 
Die  Aufforderung  aber,  die  jener  Artikel  4  enthält,  war 
nunmehr  überflüssig,  da  der  König  inzwischen  erfahren 
hatte,  dass  die  fertigen  Sühnebriefe  in  der  Hand  des  Land- 
grafen seien  ^.  Daher  finden  wir  denn  auch  in  der  Tat  in 
der  Vereinbarung  n.  328  im  Artikel  5  die  Weisung  des 
Königs  an  den  Landgrafen,  jene  Sühnebriefe  zum  Schieds- 
gerichtstage nach  Nürnberg  mitzubringen. 

Nimmt  man  diese  Darstellung  des  Sachverhaltes  an, 
so  erklärt  sich  ganz  zwanglos  noch  eine  andere  Erscheinung, 
die  auch  Weizsäcker  bereits  aufgefallen  ist*,  nämlich,  dass 
die  Werbung  n.  329  weit  unbestimmter  gehalten  ist  als 
die  Vereinbarung  n.  328,  besonders,  dass  kein  bestimmter 
Termin  für  die  Entscheidung  darin  genannt  wird:  Das 
liegt  eben  daran,  dass  die  Werbung  zeitlich  viel  früher 
fällt  als  die  Vereinbarung,  und  dass  sie  ihrem  Wesen  nach 
nur  ein  Entwurf  ist. 


Bei  dieser  neuen  Abschrift  —  es  ist  die,  aus  welcher  die  Reichstagsaktea 
das  Stück  abgedruckt  haben,  —  wurde  dann  diese  falsche  Interpolation 
in  den  Text  aufgenommen.  Da  der  Tag  Viti  et  Modesti  natürlich  jedem 
bekannt  war,  während  die  Berechnung  des  Montags  über  acht  Tage  nach 
Corporis  Christi  doch  immerhin  einige  Mühe  erforderte,  so  kam  es,  dass 
die  Herzoge  von  ßraunschweig  ohne  weitere  Nachprüfung  einfach  nur 
von  Viti  et  Modesti  sprechen.  Aus  diesem  Sachverhalte  ergibt  sich  aber 
für   uns,   dass    der   König   den    13.  Juni   gemeint   hat.  1)    Ebendort 

art.  2  und  4.  2)  Ebendort  art.  7.  3)  Reichstagsakten  IV,  n.  279. 

4)  Reichstagsakten  IV,  388,  N.  1. 


VI. 


Miscellen. 


Sigolena. 

Von  Willielm  Levison. 

Sigolena  oder,  wie  sie  später  vielfach  lieisst,  Segolena 
ist  eine  Fränkische  Heilige,  deren  Verehrung  von  der 
Gegend  von  Albi  ihren  Ausgang  genommen  hat;  ihrer 
Vita  zu  Folge  hat  sie  dort  auf  eigenem  Grund  und  Boden 
ein  Kloster  Troclaris  gegründet  und  geleitet,  das,  wie  zu- 
erst Mabillon  vermutet  hat  ^,  unterhalb  Albi  am  Tarn  nahe 
dem  heutigen  Ort  Lagrave  (arr.  und  cant.  Gaillac)  gelegen 
war  -.  Von  dort  aus  wird  ihr  Kult  in  das  Limousin  ^,  an 
die  obere  Loire  ^  und  in  die  Auvergne^  gelangt  sein.  Vor 
allem  aber  ist  Metz  mit  einer  ihr  geweihten  Pfarrkirche 
ein  zweiter  Mittelpunkt  ihrer  Verehrung  geworden,  wohl 
im  Zusammenhang  mit  den  alten  Beziehungen  der  Metzer 
Kirche  zu  Südfrankreich  und  gerade  den  Albi  benachbarten 
Gegenden,  Beziehungen,  die  in  der  erweiterten  Gestalt 
einer  Karolingischen  Genealogie  im  9.  Jh.  ihren  Nieder- 
schlag gefunden  haben,  indem  auch  eine  'domna  Sigolina' 
für  einen  Seitenzweig  des  Karolingerhauses  in  Anspruch 
genommen  wird  ^.  Von  Metz  aus  hat  der  Name  der 
Heiligen  vermutlich  in  Martyrologien  von  Echternach,  Toul, 


1)  Acta  sanctorum  ordinis  S.  Benedicti  III,  2,  p.  541.  2)  Vgl. 

Guerard,  Cartulaire  de  l'abbaye  de  Saint -Victor  de  Marseille  (Collection 
de  documents  inedits)  II,  1857,  p.  215.  221  f.  289  (n.  843,  844,  848) ; 
Jaffe,   Reg.  pont.  Rom.  I-,    n.  5184.   6358.    7718.  3)  Vgl.  Gaufredus 

Vosiensis,    Chron.  I,  15    (Labbe,    Nova   bibliotheca   manuscript.    librorum 

II,  286).  4)  Dort  liegt  ein  Ort  Sainte-Sigolene  (dep.  Haute -Loire, 
arr.  Yssingeaux,  cant.  Monistroi  -  sur  -  Loire).  5)  Libellus  de  ecclesiis 
Claromontanis  c.  43  (demnächst  SS.  R.  Merov.  VI).  Südfrankreich  gehört 
auch  ein  Kalendar  von  Carcassonne  an,  das  Mabillon,  Annales  I,  608 
erwähnt;  dass  der  Kult  Sigolenens  noch  weiter  südlich  gewandert  ist, 
zeigt  ihi'e  zweite  Vita,  die  von  den  Bollandisten  aus  zwei  Spanischen  Hss. 
herausgegeben  worden   ist    (Catalogus    codicum   hagiograph.  Latin.  Paris 

III,  488  —  504).  6)  MG.  SS.  U,  310.  Vgl.  Bonnell,  Die  Anfänge  des 
karolingischen  Hauses  S.  21  ff. 


220  Wilhelm  Levison. 

Eemiremout  ^  und  Senones  -  Eingang  gefunden.  Der  Ver- 
breitung des  Kults  entspricht  die  üeberlieferung  der  ersten 
Vita  Sigolenae  ^;  die  älteste  bekannte  Hs.  stammt  aus  dem 
südfranzösischen  Kloster  Moissac^,  eine  andere  aus  den 
Moselgegenden,  das  bekannte  Legendär  von  St.  Maximin 
in  Trier  ^. 

Der  Biograph,  der  als  Zeitgenosse  der  Heiligen  er- 
scheint und  sie  persönlich  gekannt  haben  will,  erzählt 
mancherlei  über  ihren  Lebensgang.  Einen  breiten  Raum 
nehmen  Wunder  ein ,  die  Tugenden  Sigolenas  werden  in 
Worten  gerühmt,  wie  man  sie  ähnlich  häufig  lesen  kann, 
und  begegnen  auch  einige  Eigennamen,  so  sind  ihre  Träger 
doch  sonst  sämtlich  unbekannt,  und  der  Verfasser  bietet 
so  wenig  greifbare  Tatsachen,  dass  nicht  einmal  das  Zeit- 
alter der  Aebtissin  sich  daraus  entnehmen  lässt;  nur  mit 
allem  Vorbehalt  hat  man  sie  dem  7.  oder  8.  Jh.  zu- 
gewiesen''. Und  doch  lässt  sich  wenigstens  die  Zeit  der 
Vita  in  engere  Grenzen  einschliessen  dank  einer  Eigen- 
schaft, die  zugleich  für  ihre  Beurteilung  von  Bedeutung 
ist:  sie  gehört  zu  der  immer  mehr  anschwellenden  Reihe 
von  Heiligenleben  des  früheren  Mittelalters,  deren  Ver- 
fasser die  Lücken  der  üeberlieferung  oder  die  mangelnde 
Darstellungsgabe  durch  eine  Anleihe  bei  Vorgängern  zu 
ersetzen  versucht  haben.  Nicht  nur  die  Motive  so  mancher 
Erzählung  sind  von  Hand  zu  Hand  gewandert,  auch  der 
Wortlaut  zahlreicher  Wendungen  ist  immer  aufs  neue  aus- 
geschrieben worden,  und  mehr  als  eine  Vita  ist  zum 
grösseren  oder  geringeren  Teil  mosaikartig  aus  Stücken 
zusammengesetzt,  die  für  das  Bild  anderer  Heiliger  be- 
stimmt waren.  Ein  besonders  anschauliches  Beispiel  stellt 
in  dieser  Hinsicht  die  Vita  Sigolenae  dar,  deren  Verfasser 
sich  nicht  nur  selbst  im  allerarrössten  Umfang;  mit  fremden 


1)  H.  Quentin,  Les  martj'rologes  historiques  du  moyen    age,    1908, 
p.  240.  242.  2)  Mabillon,  Annales  I,  607.  o)  Herausgegeben  von 

Labbe  a.  a.  0.  im  Appendix  von  S.  TTTttll  an;  Mabillon,  Acta  III,  2, 
p.  541  —  550;  Cuperus,  AA.  SS.  lulii  V,  630  —  6o7.  Ich  zitiere  nach 
Mabillon.  4)  Paris  n.  17002,  saec.  X,  fol.  16' — 20'  (vgl.  den  genannten 
Bollandistenkatalog  III,  365),  die  Grundlage  der  genannten  Ausgaben; 
eng  verwandt  ist  unzweifelhaft  Paris  n.  5806,  saec.  XIV,  fol.  174' — 177' 
(eb.  II,  56).  Auch  Paris  u.  5278,  saec.  XIII,  fol.  124'— 128,  enthält  die 
Vita   (eb.  I,  469).  5)   Trier,  Stadtbibliothek   n.  1151    (num.  loc.  455, 

früher  964),  saec.  XIII,  fol.  205;  vgl.  Krusch,  N.  A.  XVIII,  625. 
Daraus  ist  die  Londoner  Hs.  Harley  n.  3597  vom  Jahre  1475,  fol.  192 — 
197,  sicherlich  abgeschrieben  (vgl.  über  sie  Krusch,  lonae  Vitae  sanc- 
torum  p.  70 ;  Levison,  Vitae  Bonifatii  p.  XX.  LXI).  6)  Ausser  Mabillon 
und  Cuperus  vgl.  Histoire  literaire  de  la  France  IV,  77  sq. ;  Devic  et 
Vaissete,  Histoire  generale  de  Languedoc  I'-,  1872,   p.  751  sqq. 


Sigolena.  221 

Federn  geschmückt  liat,  sondern  auch  einen  Teil  seiner 
Beute  bald  hat  weitergeben  müssen ;  Quellen  und  Ab- 
leitungen ermöglichen  es  so,  seine  Zeit  zu  bestimmen. 
Bereits  Mabillon  hat  in  seiner  Ausgabe  darauf  hingewiesen, 
dass  die  Vita  Eadegundis  des  Venantius  Fortuuatus  und 
einmal  die  Dialoge  des  Sulpicius  Severus  ausgeschrieben 
sind ;  aber  damit  sind  die  'Quellen'  des  Verfassers  keines- 
wegs erschöpft.  Nicht  nur  hat  er  auch  die  erste  Martins- 
schrift des  Severus,  die  Vita  Martini,  und  das  zweite,  von 
der  Nonne  Baudonivia  verfasste  Buch  der  Vita  Eadegundis 
benutzt;  dazu  kommen  die  vielgelesenen  Sentenzen  Isidors 
von  Sevilla  ^  und  weitere  Quellen  aus  dem  Gebiet  der 
Heiligengeschichte:  die  Acta  Sebastian!  und  die  Passio 
Eugeniae,  die  erst  seit  zwei  Jahrzehnten  bekannte  lebens- 
volle Vita  der  jüngeren  Melania,  weiter  die  des  Germanus 
von  Auxerre  von  Constantius  und  die  bedeutende  Vita 
des  Caesarius  von  Arles,  ferner  die  weitverbreiteten  Dialoge 
Gregors  des  Grossen,  endlich  das  erste  Buch  der  Vita 
Columbani  des  Jonas,  deren  zweites  Buch  um  642  verfasst 
ist.  Wie  ein  Mosaik  nimmt  sich  die  Vita  Sigolenae  aus; 
grössere  und  kleinere  Entlehnungen  wechseln  in  bunter 
Folge,  was  eine  Zusammenstellung  der  entlehnten  Stellen 
zeigen  möge,  indem  ich  Anfangs-  und  Schlussworte  an- 
führe -  und  die  Quellen  in  folgender  Weise  bezeichne : 

Caes.     =  Vita  Caesarii  episc.  Arelat.    (ed.  Krusch,    SS. 

R.  Merov.  III,  433—501); 
Col.       =  lonae  Vita   Columbani    (ed.    Krusch ,    SS.    R. 

Germ.,  1905); 
Eug.      =  Passio  Eugeniae  (Migne,  Patrol.  Lat.  LXXIII, 

605—620); 
Germ.  =  Constantii   Vita   Germani    episc.    Autissiodor. 

(nach    meiner    künftigen    Ausgabe    SS.    R. 

Merov.  VI ;  vgl.  N.  A.  XXIX,  95  ff.) ; 
Greg.    =  Dialoge  Gregors  des  Grossen; 
Isid.      =  Isidori  Sententiae  (Opera  ed.  Arevalo  VI,  115 

—  362); 


1)  Auch  das  nicht  nachgewiesene  Zitat  der  Synode  von  Aschheim 
(MCt.  Concilia  II.  57),  das  Arbeo  wiederholt  hat  (Vita  Haimbrammi 
c.  29,  SS.  R.  Merov.  IV,  502)  :  'Xam  qui  iUuin  uon  habet  placatum, 
numquam  evadit  iratum',  geht  (mit  unbedeutenden  Abweichungen)  auf 
diese  Schrift  Isidors  zurück,  wie  ich  bei  dieser  Gelegenheit  nachtragen 
möchte;   vgl.    Sentent.  I,  2,  2  (S.  118).  2)    Kleine,    etwa   durch   den 

verschiedenen     Zusammenhang     veranlasste     Abweichungen     merke     ich 
nicht  an. 


222  Wilhelm  Levison. 

Mel.    =  Vita  Melaniae  iunioris  (Analecta  Bollandiaua 

VIII,   16—63)1; 
Rad.    =  Vita  Eadegundis   (ed.  Kruseh,  SS.  R.  Merov. 

II,  358—395); 
Seb.    =  Acta  Sebastiani  (Acta  sanctorum  lanuarii  II, 

265—278); 
Sulp.  =  Sulpicius    Severus    (ed.    Halm ,    Corpus    scrip- 
torum  ecclesiasticorum  Latinorum  I). 
Prol.  reverenda  .  .  .  cum  choro  —  tibi  commisso  Caes.  I,  1 
(S.  457,  6—7). 
t(t  ahnae  —  texere  gesta  CoL,    epist.    (S.  145,  3 — 4). 
Nefas  tarnen  —   minime  paream  Caes.  I,  1    (S.  457, 

11—12). 
Igitur  I)eo  —  relatione  prolata  eb.  (Z.  14 — 19). 
ut  legentihus  fastidium  amputarem  Col.,  epist.  (S.  147, 

17—18). 
Nunc  igitur  —  scire  festinat  Caes.  I,  2  (S.  458,  2 — 3). 
decorentur,  ut  apta  legentihus  fiant  Col.,  epist.  (S.  146,  5). 
c.  1.  Ad  conversionem  —  exempla  bonorum  Isid.  II,  11,  1 
(S.  205). 
quibus  aedificatur  —  virtutes  eb.   11,  12  (S.  207). 
Si  enim  —  exempla  sufficerent  eb.  11,  6  (S.  206). 
Hoc  a  saeciäis  —  soboles  gloriaretur  Col.  I,  1  (S.  151, 

8—13). 
adgredimur  texere  —  largitus  est  eb.  (S.  152,  11 — 13). 
natalibus  nobilis,  religione  nobilior  Germ.  c.  22. 
quae  cum  suis   —   tempore  Rad.  I,  2   (S.  365,  6 — 7). 
et  ab  ipsis  —  instituta  Germ.  c.   1. 
iuncta  est  —  circiter  Mel.  I,  1  (S.  21,  26—27). 
sublimemque  genere  —  sortitur  Germ.  c.  1. 
Nubit  ergo  —  gradu  proficeret  Rad.  I,  3   (S.  366,  6. 

8—11). 
Transeunte  igitur  spatio  temporis  Mel.  I,  3  (S.  22,  21). 
fervens  spiritu  ■ —  Deo  eb.  I,  5  (S.  23,  8.  12). 
ait  ad  virum  suum  eb.  I,  1  (S.  22,  3). 
adolescentiae  flammis  exaestuans    Col.    I,    3   (S.    156, 

21—22). 
omnes   facultates    ■ —    voluntas    Dei    fuerit    Mel.   I,    1 

(S.  22,  6—10). 
tarn  mirabilem  ■ —  Excelsi  eb.  I,  11  (S.  28,  3.  5 — 7). 
age  ergo  —  operaris  Greg.  IV,  56. 


1)  Die  neuere  und  vollständigere  Ausgabe  des  Kardinals  Rampolla 
(Santa  Melania  giuniore  senatrice  Romana,  Rom  1905)  war  mir  nicht 
zugänglich. 


Sigolena.  223 

c.  2.  se  sua   cum   —   non   dedisset  Ead.  I,  3   (S.  366,  11. 
15—18). 
Tendens  adlmc  —  misericordiae  eb.  I,  4  (S.  366,  19). 
infirmos  visitdbat  —  administrabat  Mel.  I,  9   (S.  27, 

2—4). 
pauperihus  —   manet  in  aetermim   eb.  I,  20   (S.  34, 
28  —  31). 
c.  3.   Quid  heatissima  —  altaria  Rad.  I,  14  (S.  369,   12 — 
13.  11.  12.  14—15). 
deinde  quod  —  dispensahat  eb.  I,  3  (S.  366,  13). 
c.  4.  Erat  enim  —  officium  Seb.  1,  1.  2  (S.  265). 

et  si  sederet  —  convivio  Rad.  I,  4    (S.  366,  26 — 27). 
quidquid  ferret  —  vUesceret  eb.  I,  5  (S.  367,  3  —  4). 
c.  6.  a  Deo  continentiae  —  accipietis  Isid.  II,  40,  1  (S.  246). 
c.  7.  graviter  contristahatur  —  saecularem  Mel.  I,  6  (S.  24, 
21—23). 
Exsidtavit  autem  —  Domino  eb.  (S.  24,  14 — 16). 
c.  8.  Eo  suh  tempore  directum  legationem  Germ.  c.  12. 

id  ipsam  —  diaconam  Rad.  I,  12  (S.  368,  22—23.  31). 
c.  9.  At  vero  —  remeasset  Col.  I,  7  (S.  164,  24—26). 

coepi^  peregrinationem   —   inonstravero    tibi    eb.   I,   4 

(S.  159,  8—11). 
Gloriam  huius  —  ^mw^iY  Mel.  II,  12  (S.  47,  29—30). 
eif  iugum  —  leve  est  Col.  I,  4  (S.  159,  1 — 2). 
c.  10.  ignitum  igne  —  ardorem  eb.  (S.   159,  12 — 13). 

suhintrat  ei  deifica  inspiratio,   tit  Mel.  II,  18    (S.  50, 
24—25). 
c.  11.  Eo  itaque  —  perveniret  Col.  I,  11    (S.  170,  18—20). 
ad  quem  cum  —  resedit  eb.  I,  6  (S.  163,  17 — 19). 
ihique   sola  —   monstraret   eb.   I,    4    (S.    158,    22  — 
159,  1.  5—6). 
c.  12.  Transacto  itaque   —   intervallo   eb.  I,  7  (S.  164,  30). 
commimia  midtis  omnia  erant  eb.  I,  5  (S.  162,  5). 
Ilhic  nohüium  —  densaretur  eb.  I,  10  (S.  169,  22  — 
170,  1.   169,  6). 
c.  13.  Ex  ea  die  —  exordium  Germ.  c.  3. 

coepit  esse  —  praeci;^ia  Caes.  I,  5   (S.  459,  12 — 14). 
memor  praecepti  —  sohrietas  Col.  I,  5  (S.  161,  16 — 

17.  19—21). 
si  quis    —   fuisset  transacta  Rad.  I,  21.  22    (S.  371, 

20—23.  26). 
potum  praeter  —  non  Itihit  eb.  I,  15  (S.  369,  23 — 24). 
panem  hordeaceum  —  moluit  Germ,  e,  3. 
legumen  et  olera  sine  olei  gutta  Rad.  I,  15.  22  (S.  369, 
22.  371,  27—28). 


224  Wilhelm  Levison. 

Cilicium  —  sustinere  corpusculiim   eb.  I,  22   (S.  372. 

1-3). 
Aliis    quadragesimis    —    misteram     eb.    I,    23.     1.5 

(S.  372,   5.  369,   19—22.  372,  7—8). 
forte  atfritione  nimia  soheretur  Germ.  c.  4. 
memor  illius  —  abnndare  Col.  I,  6  (S.  163,  20 — 22). 
c.  14.  Illnd  quoqtie  —  mipenclere  Ead.  I,  9  (S.  368,  1). 

Infirmantihns  —  prima  serviret  eb.  I,  23  (S.  372,  15. 

10.   15—16.  13.  8—9). 
Inter  omniimi  —  hdbehatur  Col.  I,  4  (S.  158,  20 — 22). 
e.  15.  lUud  qtiod  —  ptiUicum  Ead.  I,  29  (S.  373,  31). 

in  calidani  aquam  —  comhandat  eb.  (S.  374,  4 — 6). 
capita  lauans  —  putredines  eb.  I,  17  (S.  370,  9.  10). 
Fugahatur  —  de  tepida  eb.  I,  29  (S.  374,  7). 

c.  16.  quidam  iuvenis  —  in  communi  cum  Sulp.  Vita  Mar- 
tini 23,   2  (S.   132,   13—15). 
nee  data  dilatione  promeruit  Ead.  I,  28  (S.  373,  26). 

c.  17.  Patratum  —  miraculum  Col.  I,  16  (S.   179,  12). 

Qitaedam  pueUa   —   est   reddita   Ead.  I,  28    (S.  373, 
27—29). 
c.  18.  Ädiciaiur  laudi  —  rehellem  adducere  eb.  I,  30  (S.  374. 
10—11). 
ctim  ingenti  —  proclamat  Germ.  c.  32. 
fide  plena  —  extimuit  Ead.  I,  30  (S.  374,  13). 

c.  19.  Xec  illud  —  simillimum  eb.  I,  33  (S.  375,  2). 

c.  20.   Coepit  exinde  —  suhveniehat  Col.  I,  7  (S.  166,  4 — 6. 

8—10). 
parvo  temporis  intervallo  eb.  (S.  164,  30). 
rogavit  se  —  diici  Ead.  I,  27  (S.  373,  20). 
Incumhit  —  consurgitur  Germ.  c.  9. 
adest  divinitas,  fitgafur  inimicus  eb.  c.  13. 
2)0st  eadem  —  indicio  eb.  c.   10. 
c.  21.   Qiiis   numeret  —   dementia   Ead.  I,  35    (S.  375,  17). 
dum  iam  —  vexaretur  eb.  I,  28  (S.  373,  27 — 28). 
orat,  ut  a  —  liherari  Caes.  I,  41  (S.  473,  4). 
Omni   animae   mdsereri   utile   est   Mel.  II,  29   (S.  55, 

24—25). 
Ne  inoboediens   —  parendo  Col.  I,  3  (S.  158,  6 — 7). 
cinxit  eam  Mel.  II,  29  (S.  55,  33). 
adhihitisqiie   simid   —   dep)recatur   Col.    I,   7    (S.    164, 

21—22). 
oratio  infercessionis  impletur  Germ.  c.   10. 
omnihus  rem  gestam  patefecit  Col.  I,  7  (S.  166,  3 — 4). 


Sigolena.  225 

c.  22.^  Quadam  vero  —  accesserat  Greg.  III,  21. 
ingressa  heatae  —  ecclesiam  eb.  I,  9. 
immensitatem  —  non  posse  eb.  III,  12. 
c.  23.  Froferatur  —  religio  Rad.  I,  36  (S.  375,  27). 
visitationis  gratia  —  gustarent  Greg.  II,  35. 
Multi,  pater   —    in   nobis    non    est   Isid.    II,    18,    1 

(S.  217). 
quia  ipse  promisit  —  venient  vohis  Col.  I,  9  (S.  168, 

25.  169,  1—3). 
de  parvis  minimisque  peccatis  Greg.  IV,  39. 
memor  illius  psalmographi  praeconii  Col.  I,  3  (S.  158, 

8  —  9). 
coepitque  cum  —  deposcere,  ut  eb.  1,  7  (S.  164,  16 — 17). 
Quid   inter   haec   —    opportuna    eb.    I,    13    (S.    173, 

21—22). 
de  quorum  —  dubitdbatur  eb.  I,  10  (S.  170,  10). 
cotidie  saliitarem  —  afflixit  Greg.  IV,  55. 
pie  petenti  —  potestas  Col.  I,  9  (S.   168,  18). 
Sic  fides  et  oratio  meruit,  ut  eb.  I,  13  (S.  174,  8). 
Conditori  agit  —  largitur  eb.  I,  14  (S.  175,  14 — 16). 
c.  24.  Alio  quoque  —  suscepit  Greg.  II,  6. 

Brevi  tempore  —  funis  cohiheret  Sulp.  Dialog.  I,  22, 

2—4  (S.  174,  22.  24—25.    175,  7.    9—12). 
Inctimbit  —  pi'osternitw  Germ.  c.  9. 
quae  statim  —  permansit  Greg.  II,  25. 
c.  25.  dies  litaniarum  —  coUegerat  Germ.  c.  32. 

erat   iU    —    regehat    Col.    I,    14    (S.    174,    12—14. 

176,  3—4). 
cuius  faciem  scio,  nomen  nescio  Greg.  IV,  15. 
cor  am  omni  poptdo  vexari  coepit  eb.  I,  10. 
magnis  vocihus  clamare  dicens  eb.  II,  31. 
quo  suscepto  —  habnisset  eb.  I,  10. 
fluxu  ventris  egressus  est  Rad.  I,  30  (S.  374,  14). 
c.  26.  oculorum  lumen  —  videret  Greg.  III,  5. 

ut  signaret  —  octdos  Rad.  I,  27  (S.  373,  22). 
Fit  communis  omnium  dolor  Germ.  c.  27. 
plena  Spiritu  —  implevit  eb.  c.  15. 
ita  ut  tractus  —  recederet  Rad.  I,  27  (S.  373,  24). 
Exsultant  —  contremiscit  Germ.  c.  15. 
c.  27.  Alio  quoque  —  impetravit  Greg.  I,  10. 

Tunc  beata  —  perunxit  Caes.  I,  43  (S.  473,  23 — 24). 
Uico  luce  —  abscessit  Greg.  I,  10. 


1)    Wie    schon    Mabillon    bemerkt    hat,    erinnert    der    Inhalt    des 
Kapitels  an  Greg.  II,  33. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  15 


226  Wilhelm  Levison. 

c.  29.   Qiiodam  igitur  —  reptahat  Caes.    I,   47   (S.   475,   7. 

9—10). 
jyi'o  qiia  re   —  parentum  lacvimis   eb.  II,  2   (S.  484, 

16—19.  21). 
nokiit  —  denegare.    Sola   tarnen   (aus   solamen)    Col. 

I,  7  (S.  164,  20—21). 
ad  orationem  prosternitur  Caes.  II,  2  (S.  484,  23). 
Cimique  orationem  complesset  Col.  I,  7  (S.  164,  22—23). 
porrecfa  manu  —  enarrare   Caes.  I,  47.  48   (S.  475, 

24—26). 
c.  30.  lam  nt  spero  —  pi'onuntiare  vohis  Mel.  II,  33  (S.  57, 

23  —  27)1. 
henigna  et  sincera  conscientia  Caes.  II,  7  (S.  486,  18). 
quidquid    aliis    —    implevit    Rad.    II,    17    (S.    390, 

14—15)2. 
Orationi,  lectioni  —  insistebat  eb.  (S.  390,  17 — 18)^. 
nee  docuit   —   floreret    Caes.    I,    46    (S.   475,    2  —  3. 

474,  32—33). 
Nnmquam  —  esse  voluit  Rad.  II,  17  (S.  390,  16 — 17)  ^ 
Sed   quia    iam    —    esse    cum    Christo    Mel.    II,    33 

(S.  57,  28—34). 
c.  31.    Olim  infirmitas   —   extenderetur   eb.    II,    37    (S.   60, 

16—17). 
Iam  dissolvi  —  negligenter  eb.  II,  34  (S.  58,  27 — 30). 
Certate  —  consequamini  eb.  II,  14  (S.  49,  9 — 11). 
0  filiolae  —  custodite  eb.  II,  13  (S.  48,  28). 
Caritatem    —    videhit  Dominum    eb.    II,    12    (S.    47, 

27—28.  26.  28  —  33). 
Memores  —  teneatur  eb.  II,  17  (S.  50,  17—18). 
retentationis  —  regna  Col.  I,  17  (S.  184,  19 — 20). 
c.  32.   Cumque  per  —  sexto  die  Greg.  II,  37. 

Oumque  Jialitu  —  quaesierat  Col.  I,  17  (S.  184,  2 — 4). 
dominici  corporis  —  mtinivit  Greg.  II,  37. 
psahnum  —  praecepit  eb.  IV,  35. 
Sic    cum  precantis    —    monente    Col.    I,    2    (S.    154, 

26—27). 
intuens  caelos  —  mtdtipUca  eb.  I,  17  (S.  183,  16 — 18). 
Eadem  hora  —  circumsteterunt  Greg.  IV,  16. 
ctipientes    eius    heatnm    exitum    videre    Mel.    II,    39 

(S.  61,  31  —  62,  1). 


1)  Dasselbe  Kapitel  von  Mel.  ist  in  der  Vita  Eligii  II,  33  (SS. 
Merov.    IV,  718)   ausgeschrieben,   wie   auch   in    c.    34   Spuren   dersel' 


_  __     ..    _.,    ,    _    ^_  _   ^  _.     __    _^  derselben 

Quelle   begegnen.  2)   Aus   Caes.    I,  56   (S.  480,  13—14).  3)  Eb. 

I,  59  (S.  481,  9-10).        4)  Eb.  I,  57  (S.  480,  16). 


Sigolena.  227 

ante  lectulum  —  constitisse  Greg.  IV,  13. 

Ciimque  in  eum  —  egressa  eb.  IV,  16. 

et  angelorum  consortio  —  caelos  Mel.  II,  39   (S.  62, 
6—7). 

quod  Signum  —  comitata  Greg.  IV,  27. 

Cumque  corpus  —  adspersa  est  eb.  IV,  16. 

acsi  illic  —  congregata  eb.  IV,  47. 

ostenderet  —  venisse  eb.  IV,  16. 

In   praedio    —    sepelierat    menibra    Eug.    c.    29.    19 
(Sp.  620.  616). 

pater  filiam  —  dominam  servi  eb.  c.  8  (Sp.  610). 
c.  38.  cotidianis  miracidis  —  mundantur  Greg.  IV,  6  ^. 

nunc  usque  —  coruscat  eb.  II,  37. 
Sicherlich  ist  mir  mehr  als  eine  Stelle  der  genannten 
Quellen  entgangen,  die  in  gleicher  Weise  als  Ausbeute 
gedient  hat,  und  für  den  geringen  Teil  der  Vita,  der  noch 
übrig  bleibt,  vermag  vielleicht  ein  Anderer  ähnliche  Ent- 
lehnungen aus  mir  weniger  bekannten  Texten  nachzuweisen. 
Aber  auch  so  ergibt  sich  bereits  ein  hinreichend  be- 
gründetes Urteil  über  die  Vita.  Man  muss  das  Geschick 
anerkennen,  mit  dem  der  Verfasser  diesen  'Cento'  zu  einer 
Einheit  gestaltet  hat,  und  es  ist  eine  Ausnahme,  wenn  er 
im  Vorwort  erklärt,  er  habe  'sub  compendio  brevitatis'  nur 
eine  'exigua  dictatio'  gegeben,  dagegen  nachher  (c.  30)  von 
einem  'prolixus  sermo'  redet.  'Haec  combinet,  qui  potest' 
hatte  Cuper  dazu  bemerkt.  Die  gedankenlose  Benutzung 
der  Vita  Melaniae  an  der  zweiten,  vermutlich  einer  noch 
nicht  erkannten  Quelle  an  der  ersten  Stelle  bietet  die 
Erklärung  des  Widerspruchs.  Zum  Teil  sind  die  Ent- 
lehnungen sachlich  belanglos  und  harmloser  Art,  handelt 
es  sich  um  Eedewendungen,  die  in  ähnlichem  Zusammen- 
hang ohne  wesentliche  Beeinträchtigung  des  Tatbestandes 
sich  leicht  verwenden  Hessen,  und  etwa  bei  der  Charak- 
teristik der  Heiligen  im  30.  Kapitel  wird  man  sich  dessen 
bewusst  bleiben,  wie  oft  man  im  früheren  Mittelalter  ge- 
rade solche  Schilderungen  einer  Persönlichkeit  unbedenk- 
lich von  einem  Vorgänger  entlehnt  hat,  und  wie  vorsichtig 
man  immer  Abschnitten  dieser  Art  gegenübertreten  muss; 
ist  doch  z.  B.  die  Charakteristik  Papst  Silvesters  in  den 
Gesta  Silvestri  ^  mehr  oder  minder  vollständig:  von  Bobolen 


1)    Dieselbe   Stelle   von    Gregors   Dialogen   ist   in    der   Vita   Eligii 
11,  80   (a.  a.  0.   S.  739,  31  —  34)  benutzt.  2)  Es  handelt  sich  um  das 

Stück,  das  im  Catalogus  codicum  hagiograph.  bibliothecae  regiae  Bruxel- 
lensis  I,  1,  p.  6  nach  einer  nicht  fehlerfreien  Hs.  gedruckt  worden  ist. 

15* 


228  Wilhelm  Levison. 

auf  Germanus  von  Granfelden  ^,  von  Adamnan  auf  Columba 
von  Hi^  von  einem  Mönch  von  Lindisfarne  auf  Cuthbert  ^, 
von  Anso  auf  Ermino  von  Lobbes^  von  Wurdestin  auf 
Winwaloeus  von  Landevenec  °  übertragen  worden,  und  es 
war  mindestens  teilweise  eine  Verkennung  dieser  Litteratur- 
gattung,  wenn  man  in  der  Schilderung  von  Columbas 
Eigenschaften  durch  Adamnan  'a  brief,  but  expressive 
summary'  gesehen  hat  ^.  Man  wird  also  auch  dem  Ver- 
fasser der  Vita  Sigolenae  in  dieser  Hinsicht  gewisse  Frei- 
heiten zugestehen  müssen  und  nicht  den  modernen  Be- 
griff geistigen  Eigentums  uneingeschränkt  anwenden 
dürfen;  aber  mag  man  auch  noch  so  tolerant  sein,  hier 
ist  doch  alles  zulässige  Mass  überschritten  worden.  Auch 
in  Quellen  von  wirklichem  Wert  sind  ältere  Viten  in 
grossem  Umfang  ausgeschrieben  wie  in  den  Lebens- 
beschreibungen des  Landebert  und  Hugbert  von  Maastricht- 
Lüttich  und  des  Desiderius  von  Cahors;  aber  dort  verbleibt 
doch  nach  Abzug  der  entlehnten  Stellen  ein  Restbestand 
von  brauchbaren  Nachrichten,  denen  gegenüber  unser  Ver- 
fasser kaum  etwas  aufzuweisen  hat.  Die  Art,  wie  nicht 
nur  Redewendungen,  sondern  ganze  Tatsachenreihen  von 
den  Vorgängern  übernommen  sind,  veranlasst  zum  grössten 
Misstrauen,  und  wenn  die  Vita  einer  Aebtissin  Aliphia  ge- 
widmet sein  will,  Avenn  ein  Abt  Euantius  heisst  (c.  16),  der 
Gatte  Sigolenens  Gislulfus  (c.  1),  ein  anderer  Abt  Gisloaldus 
(c.  23)  genannt  wird,  so  stimmen  diese  Namen  noch  miss- 
trauischer  im  Hinblick  auf  den  Bischof  Alipius  {'AXvmog) 
der  Vita  Melauiae  (I,  20.  21),  den  Euanthius  des  Sulpicius 
Severus  (Dialog.  II,  2,  3)  und  den  Gislaadus  der  Vita 
Radegundis  (I,  27),  und  das  Namenpaar  der  Mägde  Pallidea 
und  Palladia  (c.  19)  ist  nicht  eben  geeignet,  den  Verdacht 
zu  verringern.  Hat  man  schon  früher  gelegentlich  an  der 
Glaubwürdigkeit  der  Vita  gezweifelt ',  so  wird  man  ihr 
diese  jetzt  so  gut  wie  ganz  bestreiten  dürfen. 


1)   Vita   Germani    Grandivall.    c.    2    (ed.    Krusch ,    SS.    R.    Merov. 
V,  34).  2)  Am  Ende  des  2.  Prologs  der  Vita  Columbae  (ed.  Fowler, 

1894,   S.    6).  3)    Vita   Cudbercti    des   Anonymus    c.   2,   11   (AA.    SS. 

Martii  III,  119;  Stevenson,  Bedae  Opera  historica  minora  p.  264). 
4)  Vita  Erminonis  c.  5  (Mabillon,  Acta  III,  1,  S.  566 ;  später  SS.  R. 
Merov.  VI).  5)  Vita  Winwaloei  II,  9  (Analecta  Bollandiana  VII,  224; 
A.  de  la  Borderie,  Cartulaire  de  l'abbaye  de  Landevenec  I,  1888,  p.  72). 
6)  Reeves,  Historians  of  Scotland  VI,  p.  XL.  7)  E.  Mabille  bei  Devic 
und  Vaissete  a.  a.  0.  I  -,  752,  N.  5 ;  vgl.  A.  Molinier,  Les  sources  de 
l'histoire  de  France  I,  164. 


Sigolena. 


229 


Es  bleibt  noch  die  Frage  nach  dem  Alter  dieses 
seltsamen,  so  zu  sagen  mit  der  Schere  hergestellten  Mach- 
werks. Dass  es  frühestens  der  Mitte  des  7.  Jh.  angehört, 
zeigt  die  Benutzung  der  Vita  Columbani  des  Jonas;  aber 
es  wäre  ein  Irrtum,  wenn  man  es  für  viel  jünger  hielte. 
Denn  dass  es  noch  vor  der  Wende  des  Jahrhunderts  ver- 
fasst  worden  ist,  ergibt  sich  daraus,  dass  die  Vita  Sigo- 
lenae  ihrerseits  bereits  in  der  um  700  verfassten  ersten 
Vita  des  Abtes  Wandregisel  benutzt  worden  ist,  die  in 
neuerer  Zeit  namentlich  durch  die  Ausgabe  von  W.  Arndt  ^ 
bekannt  geworden  ist,  welche  demnächst  durch  die  von 
Krusch  -  ersetzt  sein  wird,  nach  der  ich  zitiere.  Ich  lasse 
die  Quellen  selbst  reden : 


Vita  Caesarii  I,  1: 
Deo  igitur  iuvante, 


adgrediemur 
implere  quae  postulas. 
Et  multa  quidem  ipsius 
beatissimi  domni  nobis 
narratione  comperta, 
multa  a  nobis  ipsis 
visa ,  nonnulla  etiam 
venerabilium  presbyte- 
rorum  sive  diaconorum, 
discipulorum  suorum, 
relatione  prolata  didici- 
mus ,  praecipue  tarnen 
venerabilis  Messiani 
presbyteri  et  fidelissimi 
viri  Stephan!  diaconi, 
qui  ei  ab  adolescentia 
servierunt. 


Vita  Sigoleuae.     I  Vita  Wandregiseli. 

Prol. :  Igitur  Deo 
iuvante,  qui  dixit : 
'Xon  enim  vos  estis  qui 
loquimini,  sed  spiritus 
patris  vestri  qui  loqui- 
tur  in  vobis' ^,  adgre- 
d  i  ar  implere  q  u  od 
postulastis.  Et  mul- 
ta quidem  ipsius 
beatissimae  mihi 
narratione  com- 
perta et*  a  memet 
ipso  visa,  nonnulla 
etiam  venerabilium 
sororum ,  discipula- 
rum  suarum,  quae^ 
ei  ab  adolescentia 
servierunt,  rela- 
tione prolata  di- 
d  i  c  i  in  hoc  opere. 


c.  1 :  Confidimus  enim 
in  illo  qui  dixit:  'Non 
enim  estis  vos  qui 
loquimini,  sed  spi- 
ritus patris  vestri 
qui  loquitur  in 
vobis'.  —  —  Ad- 
g  r  e  d  i  a  r  ergo  facul- 
tate  qua  valio.  —  — 
Plurimum  quippe  mihi 
de  ipsius  beatissimi 
viri  virtutis  pandenti, 
multa  a  memet  ipso 
vise,  plerumque  etiam 
venerabilium  mo- 
nachorum  seu  disci- 
pulorum eins ,  qui 
e  i  prolexa  tempora 
servierunt,  rela- 
tione prolata,  qui ® 
non  tantum  audita.  sed 
visa  narrant ,  in  hoc 
opere     de     fulgentes 


1)  Kleine  Denkmäler  aus  der  Merowingerzeit,  1874.  2)  SS.  R. 

Merov.  V,  1—24.  —  In  Bezug  auf  den  Weg,  auf  dem  die  Vita  Sigolenae 
nach  St. -Wandrille  gekommen  sein  mag,  sei  an  die  Beziehungen  des 
Klosters  zu  dem  Albi  benachbarten  Rodez  und  an  den  Kult  des  h.  Aman- 
tius  erinnert ;  vgl.  Y.  Wandregiseli  c.  14,  Gesta  abbatum  Fontanellensium 
c.  1,  7  (ed.  Loewenfeld  p.  16)  und  N.  A.  XXV,  599.  603.  3)  Matth. 

10,  20.  4)   Die  Pariser  Hs.    n.  17002,    saec.  X,   verbessert  nach  einer 

freundlichen  Mitteilung  von  Herrn  Archivrat  B.  Krusch  'et'  in  'multa'. 
5)   Paris    17002   liest   'qui'.  6)    Die  Worte    'qui  —  narrant'    hat   der 

Biograph  Wandregisels  selbständig  dem  Widmungsbrief  der  Vita  Colum- 
bani entnommen,  falls  sie  nicht  in  dem  gedruckten  Text  der  Vita  Sigo- 
lenae ausgefallen  sind. 


230 


"Wilhelm  Levison. 


Vita  Colnmbani, 
epist. :  ut  uno  volu- 
mine legentibus  fasti- 
dium  amputarem. 


Vita  Caesarii  1, 2 : 
Nunc  igitur  unusquis- 
que  vivendo  sequi  appe- 
tat,  quod  legendo  scire 
festinat. 


Vita  Sigolenae. 


Et  ut  legentibus 
fastidium  ampu- 
tarem, studui  sub 
compendio  brevitatis, 
rustico  quidem  sermone 
de  virtutibus  praedictae 
Dei  famulae  pauca  de 
plurimis  narrans,  multis 
cognitam  reddere  veri- 
tatem.  —  —  Nunc 
igitur  vivendo  sequi 
quisque  appetät, 
quod  legendo  scire 
festinat.  Dignitatem 
igitur  vestram  obsecro, 
ut   cum   semel   legeritis 


c.  1:  Ad  conver- 
sionem  seu  correc- 
tionem  mortalium 
multum  prosunt 
exempla  bonorum, 
quibus  aedificatur 
homo  varias  con- 
sectari  virtutes.  Si 
enim  ad  boni  inci- 
tamentum  divina, 
quibus  admonemur, 
praecepta  deessent, 
pro  lege  nobis  sanc- 
torum  exempla  suf- 
ficerent.  Hoc  asae- 
culis  egit  rex*  auc- 
tor  aeternus,  ut  fa- 
mulorum  suorum 
famularumque  famam 
commendaret  per- 
ennem  et  ut  futu- 
ris  temporibus  exem- 
p  1  a  illorum  m  e  m  o  - 
riae  commendando 
Ventura  sobolesglo- 
riaretur. 


Isidori  Seutentiae 
II,  11,  1 :  Ad  conver- 
sionem  seu  correctionem 
mortalium  multum  pro- 
sunt exempla  bonorum. 

eb.  §  12 :  Exempla 
sanctorum,  quibus  aedi- 
ficatur homo ,  varias 
consectari  virtutes. 

eb.  §  6 :  Si  enim  ad 
boni  incitamentum  di- 
vina ,  quibus  admone- 
mur, praecepta  deessent, 
pro  lege  nobis  sanc- 
torum exempla  suffice- 
rent, 

Vita  Columbani 
I,  1 :  Egit  hoc  a  saeculis 
rerum  sator  aeternus,  ut 
suorum  famulorum  fa- 
mam commendaret  per- 
ennem  utque  praeterita 
gesta  linquerent  futuris 
exempla  et  de  praece- 
dentium  meritis  vel  imi- 
tando  exemplo  vel  me- 
moriae  commendando 
Ventura  sobolis  gloria- 
retur.  |  I 

1)  Die  Pariser  Hs.  17002  liest  richtiger  'rerum  actor  aeternus'. 
2)  Der  ursprüngliche  Text  der  Vita  Sigolenae  wies  vermutlich  ein  recht 
verwildertes  Latein  auf  und  stand  der  Vita  Wandregiseli  näher  als  der 
gedruckte  Wortlaut ;  so  ist  es  zu  beachten,  dass  die  eüie  Hs.  der  zweiten 
Vita  Sigolenae  (a.  a.  0.  S.  488)  'Ad  conversationem  seu  correptionem'  liest. 


Vita  Wandregiseli. 
gratia  p  r  e  d  i  c  t  i  patri 
pauca  de  plurima, 
humilem  quidem  ser- 
monem,  ut  legenti- 
jbus  fastidium  non 
generem ,  b  r  e  v  e  ma- 
teriola      expressi     stilo. 


Nunc  ergo  ,  q  u  i 
haec  legit,  in  studium 
boni  operis  adque  in 
fervore  eins  animus  in- 
calescat.  —  — 

c.  2:  Obsecro  ita- 
que  ego  tenellus ,  u  t 
omnes,  qui  haec  vita 
beati  viri  1  e  g  e  r  i  t , 
caveat. 

Plerumque  etenim  ad 
conversacione'  seu 
correptione  mor- 
talium multo  pro- 
sint  exempla  bo- 
norum, quibus  aedi- 
ficatur homo  cotidiae 
multiplices  c  o  n  s  e  c  - 
tare  virtutes.  Si 
enim  ad  adaepiscen- 
dam  amenetati  paradisi, 
quibus  premonemur, 
precepta  deessent, 
pro  lege  nobis  sanc- 
torum exempla  suf- 
ficerint.  Hoc  a  se- 
c  u  1  i  s  adimplet  r  e  x 
trinus  aeternus,  qui 
servorum  suorum  fa- 
mam commendet 
perennem,  ut  posteri 
eorum  exempla  pro- 
ficiant  atque  in  amore 
caelestis  patria  cum  de- 
votione  maxima  inca- 
liscant. 


Sigolena.  231 

Doch  ich  breche  ab ;  die  Zusammenstellung  beweist 
über  allen  Zweifel  hinaus,  dass  die  Vita  Sigolenae  das 
Mittelglied  zwischen  ihren  Quellen  und  der  Lebens- 
beschreibung Wandregisels  darstellt^;  eine  Vergleichung 
von  Vita  Wandregiseli  c.  3  und  4  mit  Vita  Sigolenae  c.  1 
würde  weitere  Belege  ergeben,  wenn  auch  so  geringen  Um- 
fangs,  dass  der  Wert  der  jüngeren  Quelle  dadurch  nicht  be- 
einträchtigt wird.  Der  Biograph  Sigolenens  hat  also  nach 
Jonas,  aber  schon  um  die  Mitte  oder  in  der  zweiten  Hälfte 
des  7.  Jh.  geschrieben ;  ist  die  Vita  auch  sachlich  ohne 
Belang,  so  ist  dieser  Cento  doch  durch  sein  Alter  be- 
merkenswert. Sigolena  selbst  hat  spätestens  im  selben 
Jahrhundert  gelebt;  der  Verfasser  der  Vita  will  als  ihr 
Zeitgenosse  erscheinen,  ob  mit  Recht,  möchte  ich  bei  der 
Art  des  Werkes  entschieden  bezweifeln  und  es  nicht  für 
ausgeschlossen  halten,  dass  die  Anfänge  von  Troclaris  in 
das  6.  Jh.  zurückreichen,  obgleich  jede  Sicherheit  bei  dem 
Versagen  der  Quellen  fehlt.  Jedenfalls  ist  die  auch  früher 
bestrittene  Annahme  nunmehr  endgültig  erledigt,  dass  der 
in  der  Vita  (c.  22.  32)  als  Bruder  Sigolenens  erwähnte 
Bischof  Sigibald  der  gleichnamige  Bischof  von  Metz  (f  741) 
gewesen  sei,  der  als  unmittelbarer  Vorgänger  Chrodegangs 
(742 — 766)  die  Metzer  Kirche  25  Jahre  lang  geleitet  haben 
soll;  die  Vita  und  damit  die  Heilige  selbst  gehören  einer 
etwas  älteren  Zeit  an. 


1)  Benutzung  einer  gemeinsamen  Quelle  oder  der  Vita  "Wandregiseli 
durch  den  Verfasser  der  Vita  Sigolenae  ist  durch  den  Tatbestand  aus- 
geschlossen. 


Par  litterarum. 

Von  Karl  Zeumer. 

Auf  dem  von  Kaiser  Friedrich  I.  im  September  des 
Jahres  1157  zu  Besancou  abgehaltenen  Eeichstage  er- 
schienen bekanntlich  als  päpstliche  Legaten  die  Kardinäle 
Eoland  und  Bernhard  und  überbrachten  dem  Kaiser  jenes 
Schreiben  Hadrians  IV.,  in  welchem  Friedrich  zur  Rede 
gestellt  wurde  wegen  seines  Verhaltens  gegen  den  mit 
seinem  Wissen  auf  der  Rückreise  von  der  Kurie  in  seine 
Heimat  aufgehobenen  und  gefangen  gesetzten  Erzbischof 
Eskil  von  Lund.  Der  Inhalt  dieses  Schreibens,  die  Vor- 
gänge, die  sich  an  dessen  Vorlesung  und  Uebersetzung 
durch  den  Reichskanzler  Reinald  von  Dassel  knüpften,  die 
berühmte  Encjclica,  in  welcher  der  Kaiser  über  diese  Vor- 
gänge berichtet  und  gegen  das  Schreiben  Hadrians  und 
das  Vorgehen  der  Kardinäle  protestiert,  sind  oft  erörtert, 
zuletzt  von  H.  Simonsfeld  in  den  Jahrbüchern  des  deut- 
schen Reiches  unter  Friedrich  I.  I,  567  ff.  und  von 
K.  Hampe  in  seiner  Anzeige  dieses  Buches  in  der  Histori- 
schen Zeitschrift  CII,   108  f. 

Hampe  erklärt  sich  mit  der  Auffassung  Simonsfelds 
im  Ganzen  einverstanden,  will  aber  einen  einzelnen  Irrtum 
desselben  berichtigen. 

Es  handelt  sich  um  die  Deutung  einer  Stelle  in  dem 
erwähnten  Rundschreiben  des  Kaisers,  welches  uns  leider 
nur  durch  Rahewin  in  den  Gesta  Friderici  imperatoris  III, 
c.  11  überliefert  ist,  wo  es  nach  dem  Bericht  über  die 
Zurückführung  der  Legaten  in  ihre  Herberge  heisst  (Gesta 
Friderici  p.  142  und  MG.  Constit.  II,  231):  'Porro  quia 
multa  paria  litterarum  apud  eos  reperta  sunt  et  scedulae 
sigillatae  ad  arbitrium  eorum  adhuc  scribendae,  quibus, 
sicut  actenus  consuetudinis  eorum  fuit,  per  singulas  ec- 
clesias  Teutonici  regni  conceptum  iniquitatis  suae  virus 
respergere,  altaria  denudare,  vasa  domus  Dei  asportare, 
cruces  excoriare   nitebantur,    ne   ultra   procedendi   facultas 


Par  litterarum.  233 

eis  daretur,  eadem  qua  venerant  via  ad  Urbem  eos  redire 
fecimus'.  Simonsfeld  erklärt  S.  574  die  Eingangsworte 
dieser  Stelle  in  Anlehnung  an  seine  Vorgänger:  'Man  fand 
eine  Menge  gleichlautender  Exemplare  des  päpstlichen 
Schreibens,  welche  offenbar  in  Deutschland  hätten  verteilt 
werden  sollen,  um  gegen  Friedrich  wegen  seines  Verhaltens 
im  Falle  Eskils  Stimmung  zu  machen:  jedenfalls  ein  Beleg 
dafür,  dass  man  von  Seite  der  Kurie  planmässig  gegen  den 
Kaiser  vorgehen  wollte'.  —  Hiergegen  bemerkt  Hampe 
S.  109:  'Dass  .  .  .  ein  ganz  speziell  an  den  Kaiser  ge- 
richtetes Schreiben  des  Papstes  ganz  unverändert  als  all- 
gemeines Zirkular  habe  dienen  sollen,  ist  doch  wohl  ohne 
Beispiel  und  wäre  recht  sinnlos  gewesen.  "Par  litterarum" 
ist  vielmehr  ein  Gallizismus  und  bedeutet  "une  paire  de 
lettres".  Ducange  erklärt:  "ita  unicam  epistolam  vocabant, 
quod  complicata  quasi  binas  efficere  videatur".  Die  Stelle 
bedeutet  also  nur,  dass  die  Legaten  ausgefertigte  Briefe 
und  Blanketts  mit  sich  geführt  haben,  und  es  folgt  daraus 
nichts  weiter,  als  dass  sie  in  der  aus  der  Zeit  Eugens  III. 
her  gewohnten  Art  tief  in  die  Verwaltung  und  in  den 
Geldbeutel  der  deutschen  Kirchen  eingreifen  sollten'. 

Die  Entscheidung  über  die  beiden  entgegengesetzten 
Erklärungen  hängt,  wie  man  sieht,  vor  allem  von  der  Er- 
klärung der  Worte  'multa  paria  litterarum'  ab.  Simons- 
feld nimmt  an,  dass  'paria'  soviel  bedeute  wie  Exemplare, 
gleichlautende  Abschriften ,  und  bezieht  'litterarum'  auf 
den  Brief  Hadrians  an  Kaiser  Friedrich.  Diese  Deutung 
ist,  um  das  hier  vorweg  zu  nehmen,  unhaltbar,  und  in- 
sofern hat  Hampe  Pecht,  wenn  er  ihr  widerspricht.  Die 
Gründe  aber,  die  er  dagegen  anführt,  sind  nicht  geeignet, 
die  ältere  Erklärung  zu  widerlegen.  Der  Gedanke,  Briefe 
und  ähnliche  Schriftstücke  durch  Abschriften  zu  Agitations- 
zwecken zu  verbreiten,  dürfte  dem  Mittelalter  doch  nicht 
so  fern  gelegen  haben,  wie  Hampe  meint,  und  der  Um- 
stand, dass  gerade  der  Brief  Hadrians  auch  ausserhalb  der 
Gesta  Friderici  schon  im  12.  Jh.  abschriftlich  verbreitet 
war,  könnte  darauf  deuten,  dass  eine  Verbreitung  desselben 
von  der  Kurie  aus  erfolgt  war,  um  gegen  Friedrich 
Stimmung  zu  machen.  Der  andere  Grund,  den  Hampe  als 
den  entscheidenden  ansieht,  die  Erklärung,  welche  Ducange 
von  der  Bezeichnung  'par  litterarum'  gibt,  würde  freilich 
die  ältere  Deutung  widerlegen,  wenn  sie  nicht  selbst  völlig 
verfehlt  wäre. 

Dass  Ducange  die  französische  Bezeichnung  'une 
paire   de   lettres'    wirklich   dem  Sprachschatze   entnommen 


234  Karl  Zeumer. 

hat,  sei  es,  dass  er  ihn  in  einer  älteren  Quelle,  sei  es,  dass 
er  ihn  im  Sprachgebrauch  seiner  Zeit  vorfand,  ist  nicht  zu 
bezweifeln.  Als  möglich  zuzugeben  ist  sogar,  dass  er  selbst 
nicht  der  Erfinder  seiner  Deutung  ist,  sondern  dass  man 
wirklich  schon  in  seiner  Zeit  die  Bezeichnung  auf  einen 
Brief  umgedeutet  hatte,  der  auf  einem  zu  einem  Doppel- 
blatte zusammengefalteten  Bogen  geschrieben  war,  also  auf 
einem  Doppelblatte  nach  Art  unserer  heutigen  Brief-  oder 
Schreibpapierbogen.  Mir  ist  aber  ein  Brief  aus  dem  12.,  13. 
oder  14.  Jh.,  der  Zeit,  in  welcher  der  Ausdruck  'par  litte- 
rarum'  nachweisbar  ist,  der  diese  auffallende  Form  gehabt 
hätte,  bisher  nicht  bekannt  geworden.  Und  sollte  sie  sich 
ganz  vereinzelt  finden ,  so  ist  es  doch  unmöglich  an- 
zunehmen, dass  alle  die  zahlreichen  'paria  litterarum',  die 
bei  den  verschiedensten  Anlässen  erwähnt  werden,  diese 
eigenartige  Gestalt  gehabt  haben  sollten.  Gerade  in  dem 
ßundschreiben  Kaiser  Friedrichs  über  die  Vorgänge  zu 
Besan9on  durfte  man  die  Deutung  Ducanges  nicht  gelten 
lassen.  Denn  einmal  ist  es  doch  undenkbar,  dass  der  Ver- 
fasser dieses  hochpolitischen  und  in  leidenschaftlichstem 
Tone  gehaltenen  Schreibens,  vermutlich  Reinald  von  Dassel 
selbst,  in  pedantischer  Weise  eine  äusserliche  Eigentüm- 
lichkeit der  bei  den  Legaten  vorgefundenen  Briefe  betont 
haben  sollte,  die  für  die  Sache  so  ganz  und  gar  belanglos 
gewesen  wäre.  Ferner  aber  handelte  es  sich  hier  doch  um 
päpstliche  Briefe,  ausgefertigt  in  der  päpstlichen  Kanzlei, 
deren  feststehender  Brauch  wohl  genügend  bekannt  ist, 
um  die  Annahme  auszuschliessen,  sie  habe  im  Jahre  1157 
für  die  Legaten  eine  Menge  Briefe  in  Form  zusammen- 
gefalteter Doppelblätter  ausgestellt. 

Wenn  trotzdem  Hampe  mit  seinem  Widerspruch 
gegen  Simonsfelds  Erklärung  Recht  behält,  so  liegt  das 
daran,  dass  die  von  ihm  als  richtig  angenommene  falsche 
Deutung  von  'paria  litterarum'  jene  Erklärung  der  frag- 
lichen Stelle  ebenso  ausschliessen  würde,  wie  es  die 
richtige  tut,  welche  wir  nun  zu  erschliessen  gedenken. 

Sehen  wir  von  dem  verunglückten  Versuche  bei 
Ducange  ab ,  so  ist  meines  Wissens  die  Frage  nach  der 
Bedeutung  des  Ausdrucks  'par  litterarum'  in  der  Oeffent- 
lichkeit  bisher  noch  nicht  ex  professo  behandelt  worden. 
Mich  selbst  hat  sie  öfter  beschäftigt,  und  gelegentlich  habe 
ich  auch  eine  Erklärung  gegeben,  die  ich  aber  jetzt  ohne 
erhebliche  Modifikation  nicht  aufrecht  erhalten  kann. 

Zunächst  ist  festzustellen,  dass  'par  litterarum'  in 
keinem    Falle   ein    Paar  Urkunden    oder   Briefe   in   unserm 


Par  litterarum.  235 

Sinne,  d.  h.  zwei  Urkunden  oder  Briefe,  bedeuten  kann. 
Laurentius  de  Somercote  schreibt  in  seiner  1254  verfassten 
Schrift  über  die  Bischofswahl  in  England  ^  vor,  dass  nach 
der  Wahl  'tria  paria  litterarum'  abgefasst  werden  sollen, 
die  dann  als  'unum,  secundum,  tercium'  einzeln  aufgeführt, 
und  für  welche  auch  die  drei  Formulare  mitgeteilt  werden. 
Es  sind  drei  einzelne  Schreiben,  eins  an  den  König,  eins 
an  den  Erzbischof  und  ein  zur  Publikation  bestimmtes 
Wahldekret ;  also  drei  Schriftstücke ,  nicht  drei  Paare. 
Auch  bei  den  mehr  als  dreissig  'paria  litterarum',  welche 
in  einer  Nachricht  des  Matheus  Parisiensis  -  zum  Jahre 
1224  erwähnt  werden,  kann  es  sich  nicht  um  Paare  von 
Schriftstücken,  sondern  nur  um  einzelne  handeln.  Falcasius 
de  Brente,  Herr  von  Bedford,  ein  mächtiger  und  gewalt- 
tätiger englischer  Grosser,  nahm  einen  königlichen  Justitiar 
gefangen  und  kerkerte  ihn  in  seiner  Burg  ein,  zu  deren 
Belagerung  der  König  von  einem  zu  wichtigen  Beratungen 
versammelten  Parlament  herzueilte.  Von  der  Ursache  der 
Gewalttat  berichtet  der  Chronist:  '.  .  .  fuerunt  eo  tem- 
pore apud  Dunestabliam   iustitiarii   regis,    quos   itinerantes 

appellamus qui  ibidem  tenebant  placita  regis  de 

nova  disaisina,  ubi  Falcasius  inter  alios,  qui  multos  spolia- 
verant,  cecidit  in  misericordia  regis  de  plus  quam  triginta 
paribus  litterarum,  de  quibus  singulis  in  centum  libris  erga 
regem  debuerat  condemnari'.  Aus  Zorn  über  diese  Ver- 
urteilung verübte  Falcasius  dann  jenen  schweren  Friedens- 
bruch. Offenbar  handelte  es  sich  um  mehr  als  dreissig 
Klagen  wegen  Besitzentziehung,  auf  die  je  ein  königliches 
Breve  ergangen  war,  auf  Grund  dessen  die  reisenden 
Königsrichter  die  Urteile  gefällt  hatten.  Davon,  dass  etwa 
in  jedem  Falle  zwei  Brevia  ergangen  wären,  kann  keine 
Rede  sein,  und  hätte  es  sich  um  mehr  als  sechzig  Fälle 
und  in  Folge  dessen  um  mehr  als  sechzig  Brevia  ge- 
handelt, so  wäre  es  sehr  wunderlich  und  zwecklos  gewesen 
statt  sechzig  zu  sagen:  'dreissig  Paar'.  Ferner  mögen  hier 
noch   zwei   Fälle   aus    dem    14.   Jh.    angeführt    werden,   in 


1)  Tractatus  des  Laurentius  de  Somercote,  ed.  A.  v.  Wretsehko, 
Weimar  1907,  S.  33:  'Fast  haec  fiant  tria  paria  litterarum:  unum,  quod 
mittatur  domino  regi  per  eundem  electum  et  aliquos  de  cauonicis  pro 
assensu  regio  requirendo,  et  hoc  faciendum  est,  antequam  archiepiscopus 
adeatur  pro  confirmatione ;  secundum  erit  littera  procuratoria  ad  pro- 
sequendum  negotium  electionis  coram  domino  archiepiscopo ;  tertium 
decretum  electionis.  2)    Recueil   des  Historiens    des  Gaules   et   de   la 

France,  Paris  1878,  XVII,  759. 


236  Karl  Zeumer. 

denen  die  Annahme,  dass  'paria  litterarum'  etwas  anderes 
bedeuten  könnte  als  einzelne  Briefe,  ohne  jeden  Zweifel 
ausgeschlossen  ist.  In  dem  von  Bernardus  de  Mercato, 
dem  Kammernotar  Heinrichs  VII.,  im  Jahre  1313  zu  Pisa 
angefertigten  Verzeichnis  der  in  der  königlichen  Kammer 
aufbewahrten  Archivalien  ^  werden  zwei  Gruppen  Urkunden 
oder  Briefe  je  als  'novem  paria  litterarum'  aufgeführt,  und 
die  dann  folgenden  Verzeichnisse  der  einzelnen  Stücke 
beider  Gruppen  zeigen,  dass  jede  derselben  wirklich  neun 
Stücke ,  nicht  aber  achtzehn  enthielt.  Nicht  weniger 
deutlich  sprechen  zwei  andere  Schriftstücke  in  Verbindung 
mit  einander.  In  einer  von  dem  Kardinal  Bertrand  im 
März  1311  ausgestellten  Instruktion  für  päpstliche  Legaten 
erteilt  er  ihnen  den  Auftrag,  'quattuor  paria  litterarum' 
an  den  Reichskanzler  und  drei  andere  genannte  Personen 
zu  überbringen  2.  Dass  es  sich  hier  sicher  nur  um  vier 
Briefe  handelt,  bezeugt  nun  der  im  Kladdenregister  Cle- 
mens' V.  überlieferte  Text  dieser  Briefe  mit  der  angefügten 
Eegisternotiz  ^.  Der  Text  selbst  trägt  die  Adresse  an  den 
Grafen  von  Savoyeu,  während  die  Registernotiz  anordnet, 
dass  dasselbe  Schreiben  auch  an  die  in  der  Instruktion 
genannten  drei  anderen  Adressaten  ausgefertigt  werden  soll. 

Wenn  auch  nicht  mit  der  gleichen,  jeden  Zweifel 
ausschliessenden  Bestimmtheit,  so  sprechen  doch  auch  noch 
andere  Stellen,  in  denen  'paria  litterarum'  erwähnt  sind, 
mehr  oder  weniger  deutlich  für  die  Richtigkeit  unserer 
Deutung,  keine  einzige  dagegen.  Ein  Nachweis  im  ein- 
zelnen dürfte  aber  hierfür  nicht  erforderlich  sein  ^. 

Bedeutet  demnach  'par  litterarum'  nicht  ein  Paar 
Briefe,  so  kann  sich  'par'  nur  auf  die  Einheiten  beziehen, 
deren  Mehrheit  den  Brief,  die  'litterae',  bildet.  Mit  anderen 
Worten :  'par  litterarum'  bedeutet  eigentlich  ein  Paar  Buch- 


1)  MG.  Oonstit.  IV,  2,  p.  1080,  n.  1045:  'Item  novem  paria  litte- 
rarum sigillatarum  sigillo  comitis  de  Claromonte,  procuratoris  regis  Fre- 
derici,  videlicet :  Littera  dicti  comitis'  u.  s.  w.  (Folgt  die  Inhaltsangabe 
von  9  Stücken).  'Item  novem  paria  litterarum  sigillatarum  sigillo  regis 
Frederici,  videlicet:  Quod  barones  iurent'  u.  s.  w.  (folgt  die  Inhaltsangabe 
von  9  Stücken).  2)  Constit.  IV,  1,  n.  591,  p.  552  1.  15:  'Mittit  etiam 
vobis  quatuor  paria  litterarum,  que  diriguntur  .  .  cancellario  .  .  regis, 
.  .  comiti  Sabaudie,  dominis  Cfuidoni  de  Flandria  comiti  Zelandie  et 
Oddoni  de  Grandissono  presentandas  per  vos  eisdem'.  S)  Constit.  IV,  1, 
p.  550,  n.  592.  Die  Adresse  lautet :  'nobili  viro  Amedeo  comiti  Sabaudie'. 
Die  Registernotiz  p.  551 :  'Item  consimiliter  venerabili  fratri  Henrico 
Tridentino'  (der  Reichskanzler).  'Item  Guidoni  de  Flandria  comiti 
Zelandie.     Item   Oddoni   de    Grandissono'.  4)    Ausser   den   im  Vor- 


Par  litte  ramm.  237 

staben.  Da  aber  ein  Brief  nicht  aus  nur  zwei  Buchstaben 
besteht,  kann  'par'  hier  nicht  eine  Zweiheit,  sondern  nur 
eine  Vielheit  bedeuten.  Der  Begriff  Brief  als  Einheit 
■wurde  durch  den  Plural  'litterae'  ausgedrückt ;  wenn 
auch  hier  und  da  schon  der  Singular  'littera'  in 
dieser  Bedeutung  vorkommt.  So  lange  aber  der  Plural 
die  bei  weitem  vorherrschende  Form  für  die  Bezeichnung 
eines  Briefes  blieb,  konnte  man  das  Plurale  tantum 
allein  für  sich  nicht  gebrauchen,  wenn  es  sich  darum 
handelte,  eine  Mehrzahl  von  Briefen  zu  bezeichnen 
oder  einen  oder  mehrere  Briefe  zu  zählen.  Es  musste 
ein  Wort  hinzugefügt  werden,  durch  welches  die  Mehr- 
heit der  'litterae'  =  Buchstaben  auch  grammatisch  zu 
einer  zählbaren  Einheit  zusammengefasst  wurde.  Das 
Bedürfnis  der  Zählbarkeit  der  'litterae'  =  Brief  hat  zu 
der  Bezeichnung  'par  litterarum'  für  den  einzelnen  Brief 
geführt.  Wenn  das  Wort  'par'  im  alten  Latein  nach  den 
Wörterbüchern  nur  gebraucht  wurde,  um  eine  Zweiheit 
von  gleichen,  ähnlichen  oder  zusammengehörigen  Sachen 
oder  Personen  zusammenzufassen,  so  dürfte  doch  der  ur- 
sprüngliche Wortsinn  auch  die  Möglichkeit  zugelassen 
haben,  das  Wort  auch  zur  Zusammenfassung  von  mehr  als 
zwei  gleichen  oder  zusammengehörigen  Dingen  zu  ver- 
wenden. Die  Erweiterung  des  mit  'par'  verbundenen  Be- 
griffes von  der  zu  einer  Einheit  zusammengefassten  Zwei- 
heit auf  eine  ebenso  zusammengefasste  Mehrheit  ist  aber 
im  Latein  des  Mittelalters  sicher  nachweisbar,  auch  noch 
in  anderen  Verbindungen  als  in  der,  die  uns  bisher  be- 
schäftigt   hat.      Und    die    gleiche    Bedeutungserweiterung 


stehenden  angeführten  und  den  bei  Du  Gange  verzeichneten  Fund- 
stellen für  'par  litterarum'  notiere  ich  folgende:  MGr,  Constit.  IV,  1, 
n.  514 ,  p.  473  1.  5 :  'quatuor  paria  litterarum  eiusdem  formae' ; 
n.  589,  p.  548  1.  4 :  'quatuor  paria  litterarum  bulla  aurea  .  .  .  muni- 
tarum';  n.  591,  p.  549  1.  39:  'quatuor  paria  litterarum  magno  sigillo 
nostro  .  .  .  munitarum' ;  n.  642,  p.  605  1.  1 :  'duo  paria  litterarum' ;  1.  7 : 
'item  XXIIII  paria  litterarum  clausarum  ad  cardinales' ;  IV,  2,  n.  823, 
p.  825  1.  22 :  'novem  paria  litterarum  sigillatarum  sigillo  comitis  de  Claro- 
monte' ;  p.  826  1.  7 :  'novem  paria  litterarum  sigillatarum  sigillo  regis 
Friderici';  n.  899,  p.  913  1.  14:  'duo  paria  litterarum';  n.  1008,  p.  1053 
1.  18 :  'decem  paria  litterarum  regis  Franciae' ;  n.  1045,  p.  1083  1.  1 : 
'tria  paria  litterarum  clausarum';  n.  1046,  p.  1085  1.  27:  'tria  paria 
litterarum  de  electione  domini  in  regem  Romanorum' ;  n.  1050,  p.  1089 
1.  17  sqq. :  'X  paria  litterarum  sub  sigillo  regis  Trinacrie  .  .  .  item  IX 
paria  litterarum  sub  sigillo  comitis  de  Claromonte  de  eisdem  negotiis'. 
Diese  Stücke  sind  sämtlich  aus  den  Jahren  1310  —  1313. 


238  Karl  Zeumer. 

erfahren  auch  in  einzelnen  Fällen  die  entsprechenden  Worte 
im  Italienischen  und  Französischen. 

Genau  in  derselben  Zeit,  in  welcher  uns  der  Ausdruck 
'par  litterarum'  begegnet,  vom  12.  bis  14.  Jh.,  finden  wir 
mehrfach  'par'  mit  einem  Genitiv  des  Plurals  zur  Bezeich- 
nung eines  Exemplares  solcher  Bücher,  deren  Inhalt  oder 
Titel  durch  einen  Plural  bezeichnet  wurde,  verwendet. 

Schon  Savigny  hat  in  seiner  Geschichte  des  Eömi- 
schen  Rechtes  im  Mittelalter  III,  §  221,  Anm.  k  hervor- 
gehoben, dass  in  einem  von  Sarti  ^  gedruckten  Nachlass- 
inventar eines  im  Jahre  1279  verstorbenen  Bologneser 
Kanonisten  verschiedene  Dekretalen-Hss.  unter  der  Bezeich- 
nung 'unum  par  decretalium'  aufgeführt  werden.  Es  handelt 
sich  um  den  reichen  Mobiliarnachlass  des  Magister  und 
Doctor  decretalium  lacobus  Bonacosa,  Kanonikus  zu  Bologna, 
über  den  wohl  bald  nach  dem  Tode  des  Erblassers  ein 
notarielles  Inventar  aufgenommen  wurde.  In  diesem  werden 
unter  den  Büchern  fünf  Dekretalensammlungen  einzeln  in 
folgender  Weise  aufgeführt:  'Item  unum  par  decretalium 
cum  apparatu  Bernardi.  .  .  .  Item  unum  par  decretalium 
cum  apparatu  Bernardi',  und  genau  in  derselben  Form  wird 
ein  drittes  Exemplar  dieses  Werkes  aufgeführt.  Beziehen 
sich  diese  drei  Angaben  auf  die  Dekretalensammlung  Gre- 
gors IX.,  so  werden  dann  noch  zwei  andere  Sammlungen 
in  entsprechender  Weise  angeführt :  'Item  unum  par  decre- 
talium antiquarum',  und:  'Item  unum  par  decretalium  Man- 
gotti(?)'.  Auch  auf  eine  Parallelstelle  in  einem  1337  in 
italienischer  Sprache  abgefassten  Inventar  der  von  Messer 
Cino  da  Pistoia  hinterlassenen  Büchersammlung  hat  Savigny 
(Anm.  n)  hingewiesen,  wo  zwei  Exemplare  der  Dekretalen 
mit  den  Worten:  'duo  para  di  decretali  chiosati  in  carta 
di  pechora',  angeführt  werden  -.  Auch  die  'ähnliche'  Be- 
zeichnung 'par  litterarum'  kennt  Savigny,  kann  sie  aber 
nicht  zur  Erklärung  des  Ausdrucks  'par  decretalium'  ver- 
werten, weil  er  den  gemeinsamen  Entstehungsgrund  für 
die  beiden  Ausdrücke  und  somit  deren  völlige  Analogie 
nicht  erkannte.  Freilich  trifft  er  mit  seinem  Erklärungs- 
versuch, dass  Par  etwa  soviel  wie  Collectio  bedeuten  möge, 
sachlich  so  ziemlich  das  Hechte,  vermag  aber  nicht  zu  er- 
klären, wie  diese  Bedeutung  sich  aus  dem  ursprünglichen 
Wortsinne  entwickeln  konnte. 


1)  De   claris  Archigymnasii  Bononiensis   professoribus  I  (Bononiae 
1769),  pars  II,  app.  p.  131.  2)  Ciampi,  Memorie  della  vita  di  Älesser 

Cino  da  Pistoia,  Pisa  1808,  ed.  I,  p.  149. 


Par  litterarum.  239 

Weitere  Beispiele  für  die  gleiche  Verwendung  des 
Wortes  'par'  zur  Zusammenfassung  des  Plurals,  mit  dem 
der  Inhalt  oder  Titel  eines  Buches  bezeichnet  wird,  zu 
einer  zählbaren  Einheit  finden  wir  in  anderen  Katalogen 
jener  Zeit. 

Zwei  aus  dem  12.  Jh.  stammende  Verzeichnisse  von 
Büchern  der  Kirche  und  des  Bischofs  von  Durham  ^  ent- 
halten unter  andern  Eintragungen  folgende:  (Bücher  der 
Kirche)  'Duo  paria  decretorum  Ivonis.  Duo  paria  decem 
collationum.  Quattuor  paria  epistolarum  Pauli  glossata  et 
duo  paria  non  glossata.  Duo  paria  glosarum  super  epistulas 
Pauli.  Quinque  paria  glosarum  super  Psalterium.  Duo 
paria  antidotariorum.  Duo  paria  decretorum  Gratiani.  Duo 
paria  institutorum'.  (Bücher  des  Bischofs)'-  'III  paria  sen- 
tentiarum.  III  paria  epistolarum  Pauli  glossata'  ^.  Auch 
eine  Aufzeichnung  über  Bücher,  welche  der  Bischof  von 
Durham  aus  der  Kirchenbibliothek  entliehen  hatte  (ca.  1300), 
enthält  wieder  die  Bezeichnungen  ^ :  'duo  paria  decretorum, 
unum  par  decretalium'  und  'unum  par  decretorum'. 

Die  gleiche  Anwendung  des  Wortes  'par'  ist  in  Frank- 
reich nachzuweisen,  wenn  auch  zunächst  nur  in  einem 
einzelnen  Falle  in  einem  dem  13.  Jh.  angehörigen  Kataloge 
von  St.-Martial-de-Limoges^:  'Duo  paria  tonorum'*'.  Dass 
es  sich  hier  um  Aufzeichnungen  musikalisch  -  liturgischen 
Inhalts  handelt,  welche  einzeln  als  'toni'  bezeichnet  wurden, 
beweist  eine  andere  Eintragung  desselben  Kataloges,  welche 
lautet:  'Toni  et  versus  cantorum' ". 

Ich  habe  hier  nur  die  Fälle  zusammengestellt,  in 
denen  'par'  genau  entsprechend  dem  'par  litterarum'  mit 
dem  Genitiv  des  pluralischen  Büchertitels  verbunden  ist, 
darf   aber    nicht   verschweigen,    dass    daneben    a,uch   Fälle 


1)  Catalogi  veteres  librorum  ecclesiae  cathedralis  Dunelmensis 
(Surtees  Society  n.  7),  London  1838,  p.  1  sqq.  Hiernach  wiederholt  bei 
G.  Becker ,  Catalogi  bibliothecarum  antiqui ,  Bonn  1885 ,  p.  239  sqq. 
2)   Catalogi  veteres   p.  118  sq. ;    Becker  p.  256  sq.  3)   Becker   hat   in 

seiner  Sammlung  die  Bücher  innerhalb  der  einzelnen  Kataloge  mit  fort- 
laufenden Nummern  versehen,  und  da,  wo  er  die  Bezeichnung  'dua  paria, 
tria  paria'  u.  s.  w.  fand,  stets  angenommen,  dass  es  sich  um  zwei  Paar, 
drei  Paar  in  unserem  Sinne  handele  und  demnach  für  jedes  'par'  zwei 
Nummern  angesetzt.  Schon  der  Umstand,  dass  bei  den  so  angeführten 
"Werken  stets  vier,  sechs  oder  acht  Exemplare  vorhanden  gewesen  sein 
müssten,  niemals  aber  fünf,  sieben  oder  neun,  hätte  ihn  auf  das  Irrtüm- 
liche seiner  Annahme  aufmerksam  machen  sollen.  Bücher  wurden 
damals  doch  nicht  paarweise  abgeschrieben  oder  angeschafft.  4)  Catalogi 
veteres  p.  121 ;  Becker  p.  289  sq.  5)   Delisle,  Cabinet  des  Manuscrits 

11,  493  sqq.        6)  A.  a.  O.  p.  502,  n.  265.        7)  Daselbst  n.  301. 


240  Karl  Zeumer. 

vorkommen,  in  denen  'paria'  mit  Zahlwort  oder  ZifEer  einem 
anderen,  seiner  BeschafiEenheit  nach  ebenfalls  nicht  ohne 
weiteres  zählbaren  Büchertitel  vorangestellt  wird.  Es  mögen 
hier  einige  Beispiele  aus  dem  angeführten  Katalog  der 
Kirche  von  Durham  Platz  finden :  'Augustinus  de  Trinitate 
et  duo  paria  super  lohannem.  Duo  paria  de  civitate  Dei. 
Duo  paria  de  confessionibus  s.  Augustini.  Duo  paria  super 
Genesim'.  Wir  dürfen  wohl  nicht  bezweifeln,  dass  hier 
analoge  Anwendungen  des  Wortes  vorliegen  in  Fällen,  wo 
die  Natur  des  Büchertitels  die  Genitivkonstruktion  nicht 
zuliess.  Eine  noch  freiere  Verwendung  des  W^ortes  findet 
sich  in  dem  Katalog  der  Kirche  Ste.-Genevieve  zu  Paris  aus 
dem  13.  Jh.^  Hier  wird  von  jedem  Buche  zunächst  der 
Titel  angegeben  und  dann  dahinter  regelmässig  je  nach 
der  Anzahl  der  vorhandenen  Exemplare  hinzugefügt:  'unum 
par,  duo  paria,  tria  paria'  u.  s.  w.  Hier  wird  also  das  Wort 
genau  so  wie  unser  'Exemplar'  gebraucht,  und  mit  diesem 
Worte  kann  man  'par'  überall  da  übersetzen,  wo  es  zur 
Zählung  von  Büchern  verwendet  ist.  Dass  aber  von  den 
verschiedenen  Arten  der  Verbindung  mit  Büchertiteln  die  feste 
Genitivverbindung  als  das  Ursprüngliche  anzusehen  ist, 
dafür  «spricht  auch,  dass  diese  Verbindung  die  genaue  Ana- 
logie zu  dem  Ausdruck  'par  litterarum'  bildet. 

Es  gibt  aber  noch  weitere  Analogien  zu  dieser  Ver- 
wendung des  Wortes  'par'  und  seiner  romanischen  Nach- 
kommen. 

Ducange  führt  noch  eine  Stelle  an,  in  der  'par'  mit 
einem  Genitiv  Pluralis  nicht  eine  Zweiheit,  sondern  eine 
Vielheit  zusammenfasst.  Sie  findet  sich  in  einer  Urkunde 
von  St. -Germain -des -Pres  zu  Paris  vom  Jahre  1278:  'prata 
ad  duo  paria  herbarum'.  Dem  Sinne  nach  gewiss  richtig 
erklärt  Ducange :  'pratum  ad  duo  paria  herbarum,  quod  bis 
in  anno  falcatur'.  Mit  'herbae'  konnte  man  den  Ernteertrag 
einer  Wiese  und  auch  eine  Heuernte  selbst  bezeichnen. 
Die  Vielheit  der  auf  einmal  geernteten  Gräser  und  Kräuter 
fasste  man  nun  durch  das  Wort  'par'  zu  einer  zählbaren 
Einheit  zusammen  und  gelangte  so  dazu,  die  zweimalige 
Heuernte,  den  zweimaligen  Schnitt  einer  Wiese  als  'duo 
paria  herbarum'  zu  bezeichnen. 

Einen  Beleg  aus  der  italienischen  Sprache  für  die  er- 
weiterte Bedeutung  des  Begriffes  'par'  lernten  wir  schon 
oben  kennen  in  dem  Ausdruck  'un  paro  di  decretali'.    Die 


1)  A.  a.  0.  p.  513. 


Par  litterarum.  241 

Wörterbücher,  welche  diesen  Ausdruck  nicht  kennen,  führen 
drei  weitere  analoge  Verbindungen  an:  'un  pajo  di  carte 
da  giuocare',  'un  pajo  di  scacchi'  und  'un  pajo  di  nozze'  ^. 
Der  erste  dieser  Ausdrücke  entspricht  genau  unserer  Be- 
zeichnung 'ein  Spiel  Karten'.  Beide  fassen  in  gleicher 
Weise  die  Gesamtheit  der  einzelnen  zum  Spielen  erforder- 
lichen Karten  zu  einer  geschlossenen  und  zählbaren  Ein- 
heit zusammen.  Die  gleiche  Funktion  erfüllt  'pajo'  zur 
Zusammenfassung  der  32  Figuren  eines  Schachspieles,  was 
wir  auch  allenfalls  als  ein  Spiel  Schachfiguren  bezeichnen 
können.  Handelt  es  sich  in  diesen  beiden  Fällen  noch  um 
die  Zusammenfassung  wirklicher  Mehrheiten,  so  entspricht 
der  an  dritter  Stelle  genannte  Ausdruck  auch  darin  ganz 
dem  'par  litterarum',  dass  er  ebenfalls  nur  einen  Plural, 
der  längst  nur  noch  der  grammatischen  Form  nach,  nicht 
aber  begrifflich  als  solcher  empfunden  wurde,  auch  gram- 
matisch in  einen  Singular  verwandelte  und  dadurch  zähl- 
bar machte.  Als  Belegstelle  wird  angeführt  -  Boccaccios 
Decameron,  wo  in  der  Einleitung  zum  vierten  Tage  erzählt 
wird :  'si  scontrarono  in  una  brigata  di  belle  giovani  donne 
et  Ornate,  che  da  un  pajo  di  nozze  venieno'.  Dass  diese 
Gesellschaft  nicht  von  zwei  Hochzeiten  kam,  versteht  sich 
von  selbst  und  wird  auch  stets  richtig  verstanden.  Hier 
liegt  also  ein  ganz  deutliches  Beispiel  für  die  erweiterte 
Bedeutung  von  'par'  vor. 

Zwei  Belege  liefern  die  altfranzösischen  Wörterbücher. 
Bei  Godefroj^  wird  aus  einem  Vormundschaf tsiuventar  des 
16.  Jh.  angeführt:  'une  paire  d'heures',  was  dann  im  Dic- 
tionnaire  de  l'Academie  in  ergötzlicher  Weise  erklärt  wird*: 
'un  livre,  qui  contient  les  prieres  du  jour  et  Celles  de  la 
nuit'.  Gewiss,  es  handelt  sich  um  ein  Horenbuch;  der 
Ausdruck  'paire'  findet  aber  nicht  darin  seine  Erklärung, 
dass  darin  zweierlei  Hören,  also  gewissermassen  ein  Paar 
verschiedener  Arten,  vereinigt  waren,  was  sicher  nie  so 
hätte  ausgedrückt  werden  können.  Der  Ausdruck  bedeutet 
einfach    eine    Sammlung   von   Hören,    ein  Horenbuch.     La 


1)  Vocabolario  degli  Accademici  della  Crusca,  4.  Ausgabe  (1733) 
s.  V.  Pajo  §  I.  Danach  Tommaseo  e  Bellini,  Nuovo  Dizionario  della 
ling-ua  italiana  III,  2  (1871)  und  Rigutini  -  Bulle,  Italienisch  -  deutsches 
Wörterbuch,  Leipzig  1896.  2)  Bei  Tommaseo  e  Bellini  s.  v.  Pajo  □.  8 
mit  der  Erklärung:  'Dicesi  pure  un  pajo  di  nozze,  per  Nozze,  Sposalizio'. 
3)  Godefroy,  Dictionnaire  de  l'ancienne  langue  francaise  X.  s.  v.  Paire : 
'Une  paire  d'heures'  (1580  Compt.  de  tut.  f.  82,  A.  Finistere).  4)  Dic- 
tionnaire de  l'Academie  frangaise  s.  v.  Paire. 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  \Q 


242  Karl  Zeumer. 

Curne  de  Saint  Palaye  ^  führt  aus  einer  Chrouique  de 
St. -Denis  eine  Stelle  an,  welche  lautet;  'lui  vinrent  deux 
paires  de  mauvaises  nouvelles'.  Dass  hier  nicht  von  zwei 
Paar  schlimmen  Nachrichten  in  der  gewöhnlichen  Bedeu- 
tung des  Wortes  Paar  die  Rede  sein  kann,  liegt  auf  der 
Hand;  denn  trotz  des  Sprüchwortes,  nach  welchem  ein 
Unglück  niemals  allein  kommt,  treten  doch  schlechte  Nach- 
richten nicht  regelmässig  paarweise  auf.  Wohl  aber  be- 
steht eine  Nachricht  über  ein  bedeutenderes  Ereignis  genau 
genommen  aus  einer  Anzahl  einzelner  Nachrichten,  einem 
Komplex  von  Nachrichten,  den  man  dann  durch  den  Plural 
'nouvelles'  bezeichnen  und  durch  'paire'  zu  einer  zählbaren 
Einheit  zusammenfassen  kann.  Ganz  richtig  erklärt  denn 
auch  Littre-  'deux  paires  de  mauvaises  nouvelles'  als  'deux 
mauvaises  nouvelles'. 

Damit  dürfte  die  bisher  wenig  oder  vielleicht  gar 
nicht  beachtete  Tatsache  erwiesen  sein,  dass  im  Mittelalter 
'par'  und  die  entsprechenden  romanischen  Formen  in  er- 
weiterter Bedeutung  gebraucht  wurden,  so  dass  sie  nicht 
nur  eine  Zweiheit  gleichartiger  und  zusammengehöriger 
Dinge,  sondern  auch  eine  Mehrheit  oder  Vielheit  solcher 
zusammenzufassen  dienten.  Umfassendere  Untersuchungen, 
als  ich  sie  hier  anstellen  konnte,  werden  vielleicht  volle 
Sicherheit  über  den  Ursprung  dieser  Begriffserweiteruug 
ergeben.  Aus  dem  etwa  gleichzeitigen  Auftreten  in  Deutsch- 
land, Italien,  England  und  Frankreich  wird  man  vorläufig 
geneigt  sein  zu  schliessen,  dass  die  Begriffserweiterung 
nicht  erst  damals  eingetreten  ist,  sondern  im  Vulgärlatein 
und  in  den  romanischen  Sprachen  bereits  vorhanden  war 
und  nun  erst  in  die  Schriftsprache  eindrang.  Wie  schon 
oben  bemerkt  wurde,  schloss  die  Grundbedeutung  von  'par' 
die  Möglichkeit  einer  solchen  Begriffserweiterung  nicht 
aus.  Die  Neigung,  das  Wort  in  einer  erweiterten  Bedeu- 
tung anzuwenden,  dürfte  sich  zunächst  im  praktischen 
Verkehr  des  täglichen  Lebens  geltend  gemacht  haben. 
Gehört  doch  auch  in  unserer  Sprache  das  Lehnwort  'Paar' 
in  der  erweiterten  Bedeutung  'einige  wenige'  zunächst  und 
vorzugsweise  der  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens  an. 

Kehren  wir  nun  schliesslich  zu  unserm  Ausgangs- 
punkte, der  Frage  nach  der  Bedeutung  von  'par  litterarum', 
zurück,  so  dürfen  wir  als  feststehend  betrachten,  dass  der 


1)  Dictionnaire  historique  de  l'ancien  langage  frangais  VIII  (Paris 
1880)   s.  V.  Paire.  2)   Dictionnaire  de  la  langue  frangaise  s,  v.  Paire. 


Par  litterariim.  243 

Ausdruck  nichts  weiter  bedeutet  als  'ein  Brief.  Es  ergibt 
sich  aber  aus  dieser  Tatsache  und  den  Ausführungen,  durch 
welche  wir  sie  begründet  haben,  dass  da,  wo  der  Ausdruck 
im  Plural  auftritt,  er  in  keiner  Weise  auf  eine  Gleichheit 
oder  Aehnlichkeit  des  Inhalts  der  zusammen  genannten 
'paria  litterarum'  hindeuten  kann.  Das  zeigt  denn  auch 
die  praktische  Anwendung  in  den  einzelnen  Fällen. 

In  drei  Fällen  werden  als  'quattuor  paria  litterarum' 
vier  vollkommen  gleichlautende  Ausfertigungen  derselben 
Urkunde  bezeichnet^.  Ein  andermal  werden  genannt: 
'XXIV  paria  litterarum  clausarum  ad  cardinales',  wo  es 
sich  um  Schreiben  handelt,  die  jedenfalls  an  24  verschie- 
dene Emijfänger  gerichtet,  sonst  aber  wohl  in  Form  und 
Inhalt  gleich  waren  -.  Im  Wesentlichen  gleichartig,  nur 
nach  der  Besonderheit  der  Fälle  verschieden  waren  die 
'plus  quam  trigiuta  paria  litterarum ',  wegen  welcher 
Falcasius  verurteilt  wurde,  da  es  sich  um  Brevia  de  nova 
disaisina  handelte,  die  immer  nach  dem  gleichen  Formular, 
natürlicherweise  aber  doch  nicht  völlig  gleichlautend  ab- 
gefasst  wurden  ^  Dagegen  fanden  wir,  dass  Laurentius  de 
Somercote  drei  nach  Form  und  Inhalt  ganz  verschiedene 
Schriftstücke  als  'tria  paria  litterarum'  bezeichnete  '^.  Ebenso 
handelte  es  sich  bei  den  mehrfach  genannten  Gruppen  von 
9  bezw.  10  Briefen  und  Urkunden,  die  sich  im  Archiv 
Kaiser  Heinrichs  VII.  befanden  und  teils  von  Friedrich 
von  Sizilien,  teils  von  dessen  Bevollmächtigten  ausgefertigt 
waren,  um  Stücke  ganz  verschiedenen  Inhalts.  Sie  werden 
gleichwohl  stets  als  'IX  (bezw.  X)  paria  literarum'  be- 
zeichnet^. Diese  Beispiele  genügen  zu  zeigen,  dass  nicht 
nur  gleiche  und  ähnliche  oder  gleichartige  Schriftstücke, 
sondern  auch  ganz  verschiedenartige  als  'paria  litterarum' 
zusammengefasst  werden.  'Paria  litterarum'  ist  nicht  gleich- 
bedeutend mit  'pares  epistolae' :  'paria  steht  hier  nicht  in 
der  ursprünglichen  Bedeutung  von  'gleich,  ähnlich',  son- 
dern in  der  von  'Paar'  im  erweiterten  Sinne.  Ueber  den 
Inhalt  der  Briefe  oder  Urkunden  und  ihr  Verhältnis  zu 
einander  ist  demnach  aus  dieser  Bezeichnung  nicht  das 
geringste  zu  erschliessen.  Das  gilt  also  auch  von  den 
'multa   paria   litterarum',  welche    man   im  September  1157 


1)  MG.  Constit.  IV,  1,  n.  514,  p.  473  1.  5;  n.  589,  p.  548  1.  4; 
n.  594,  p.  552  1.  15.  2)  Constit.  IV,  1,  n.  642,  p.  605  1.  7.  3)  S. 
oben  S.  235.  4)  S.  oben  S.  235.  5)  Constit.  IV,  2,  n.  823,  p.  825 
1.  22;  n.  10Ü8,  p.  1053  1.  13;  n.  1045,  p.  1080  1.  3.  17;  n.  1050,  p.  1080 
1.  17.  19. 

16* 


244  Karl  Zeumer. 

zu  Besan9on  im  Reisegepäck  der  Legaten  Hadrians  IV. 
vorfand,  so  dass  der  Interpretation  jener  Stelle  in  der 
Encyclica  Kaiser  Friedrichs  I.,  an  die  wir  zunächst  an- 
knüpften ^,  der  fragliche  Ausdruck  keinerlei  Schranken  setzt. 

Dieses  Ergebnis  nötigt  mich,  eine  von  mir  gelegent- 
lich gegebene  Deutung  des  in  Rede  stehenden  Ausdruckes 
hier  zu  berichtigen.  In  meiner  Goldenen  Bulle  I,  213, 
Anm.  2  habe  ich  gesagt:  'Tria  paria  litterarum  bezeichnet 
nach  dem  Sprachgebrauch  der  Zeit  nur  drei  gleichartige 
Urkunden'.  Das  ist  richtig,  soweit  es  sich  um  die  Zahl 
der  Stücke  handelt;  unrichtig  aber  ist,  dass  es  sich  dabei 
um  gleichartige  Stücke  handeln  müsse. 

Wird  nun  durch  diese  Modifikation  nicht  die  Deu- 
tung der  in  Rede  stehenden  Stelle  auf  die  drei  von  mir 
angenommenen  Wahldekrete  über  die  Wahl  Heinrichs  VII. 
hinfällig?  Es  handelt  sich  um  die  Stelle  in  dem  von 
Bernardus  de  Mercato  verfassten  Katalog  der  in  der  Garde- 
robe Heinrichs  VII. ,  die  als  Geheimarchiv  diente,  auf- 
bewahrten Urkunden,  welche  lautet :  'Tria  paria  litterarum 
de  electione  domini  in  regem  Romanorum' ^.  Gewiss  fällt 
mit  dem  vermeintlichen  Hinweis  auf  die  Gleichartigkeit 
der  drei  Urkunden  ein  Moment  fort,  welches  meine  Deu- 
tung derselben  auf  die  im  Wesentlichen  gleichlautenden 
Wahldekrete  ganz  besonders  zu  unterstützen  schien,  doch 
ist  die  Deutung  auch  ohne  solche  Stütze  fest  genug  ge- 
gründet. Welche  drei  Briefe  über  seine  Königswahl  hätte 
Heinrich  wohl  als  besonders  wertvolle  Dokumente  in  seinem 
Geheimarchiv  mit  auf  die  Romfahrt  zur  Kaiserkrönung 
nehmen  sollen,  wenn  nicht  die  Wahldekrete,  welche  ihn 
als  den  zum  Empfang  der  Kaiserkrone  Berechtigten  dem 
Papst  oder  seinen  Legaten  gegenüber  legitimierten? 


Nachträge. 

Nachträglich  macht  mich  Holder-Egger  auf  das  Vor- 
kommen des  Ausdrucks  bei  Salimbene  aufmerksam,  SS. 
XXXII,  463  sq.  (p.  464  1.  l).  Es  wird  dort  berichtet  über 
die  Bestätigung,  welche  Rudolf  von  Habsburg  im  Jahre 
1274  den  Minoriten  für  den  Besitz  des  von  dem  Bischof 
von  Reggio  erworbenen  Palastes  erteilte :  'Et  de  hoc  dedit 
eis  duo  paria  litterarum  sui  sigilli  robore  sive  munimine 
roborata'.     Beide  Urkunden  sind  uns  überliefert,  wenn  die 


1)  S.  oben  S.  232  f.        2)  M(x.  Constit.  IV,  2,  u.  1046,  p.  1085  1.  27. 


Par  litterarum.  245 

sehr  wahrscheinliche  Annahme  Eedlichs,  Reg.  Imp.  VI, 
n.  195  zutrifft,  dass  ein  Regest  bei  Tiraboschi  der  Ver- 
leihungsurkunde selbst  entnommen  ist,  während  eine  voll- 
ständig bei  Tacoli,  Memor.  di  Reggio  I,  616  und  III,  356 
gedruckte  Urkunde  vom  10.  Aug.  1274  ein  Mandat  über 
die  Verleihung  enthält.  Dem  von  Redlich  wiederholten 
lateinischen  Regest  schickt  Tiraboschi,  Memorie  storiche 
Modenesi  V,  80  die  Worte  voraus :  'Rodolfo  re  de'  Romani 
conferma  ai  frati  Minori  1'  abitazione  nel  palazzo  imperiale 
in  Reggio'. 

Als  weitere  Nachträge  füge  ich  hier  folgende  mir 
von  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Fritz  Kern  in  Kiel  mit- 
geteilte Stellen  au : 

1)  London  Staatsarchiv  Close  Rolls  23  Edw.  I,  10  d 
(künftig  in  Kern,  Acta  inedita  1273—1313  zu  1295  April  6 
Anm.   1). 

Memorandum,  quod  predicti  magistri  .  .  .  versus  curiam 
Romanam  diverterunt  secura  deferentes  litteras  istas  (es  ist 
von  mehreren  Briefen  die  Rede)  .  .  .,  quas  sigillatas  re- 
ceperunt  .  .  .  una  cum  uno  pari  litterarum  scriptarum  in 
Gallico  et  regi  Sicilie  per  regem  Anglie  per  eosdem  trans- 
missarum,  cuius  litter e  transcriptum  inrotulatum  est  in 
garderoba  regis  et  non  hie. 

Diese  Stelle  ist  deshalb  besonders  interessant,  weil 
darin  ein  'par  litterarum'  deutlich  als  nur  ein  Brief  be- 
zeichnet wird  ('cuius  littere'  etc.).  Wäre  sie  mir  früher 
bekannt  geworden,  so  hätte  sie  oben  auf  S.  236  verwertet 
werden  müssen. 

2)  Paris  Arch.  Nat.  JJ  1^-  fol.  41,  Archivnotiz  S.  XIV: 
XXI.    Item  conventiones  matrimonii  in(ter)  Robertum 

ultimogenitum  dicti  domini  regis  [Philippi  IV.]  et  filiam  do- 
mini  Frederici  tertii  regis.  Tria  paria,  quorum  unum  est 
sine  sigillo. 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige. 

Von  H.  Wibel. 

Im  vorigen  Jahre  wurde  das  Erscheinen  eines  Werkes 
angekündigt,  das  endlich  einen  nicht  nur  in  engeren  Fach- 
kreisen seit  lange  schmerzlich  empfundenen  Mangel  be- 
seitigen sollte.  Nicht  allein,  wer  sich  speziell  mit  dem 
Urkundenwesen  der  alten  Deutschen  Kaiser  und  Könige 
zu  befassen  hatte,  auch  der  Geschichtschreiber,  der  Kunst- 
forscher, der  Kulturhistoriker,  schliesslich  der  Liebhaber 
und  Sammler,  jeder  von  seinem  besonderen  Standpunkt 
und  Interesse  heraus,  wird  immer  wieder  bedauert  haben, 
dass  eine  berechtigten  Ansprüchen  und  dem  Bedürfnis  ge- 
nügende Sammlung  von  Abbildungen  der  Siegel  der  Deut- 
schen Herrscher  nicht  vorhanden  war.  Es  war  bisher 
schlechterdings  unmöglich,  sich  im  einzelnen  Fall  wie  im 
allgemeinen  ein  sicher  begründetes  Urteil  zu  bilden:  Die 
Originale  sind  weit  verstreut,  sei  es  noch  vereinigt  mit  den 
Urkunden,  die  sie  beglaubigen  sollten,  sei  es  getrennt  von 
ihnen  in  Archiven  und  Museen,  sie  sind  ebenso  wie  die  auf 
Grund  von  Abgüssen  angelegten  Sammlungen  nur  an  den 
Aufbewahrungsorten  in  grösserem  Massstabe  benutzbar, 
graphische  Publikationen  aber,  die  diese  Schwierigkeiten 
beheben  könnten,  bestanden  nicht  in  wirklich  Nutzen  ge- 
währender Form.  Zwar  konnte  man  sich  zur  Not  in  ein- 
zelnen Fällen  durch  mühsames  Zusammensuchen  von  viel- 
fach je  nach  dem  Alter  mehr  oder  weniger  zuverlässigen 
Abbildungen  Eat  erholen,  aber  es  blieb  immer  nur  un- 
vollständiges Material  von  zweifelhafter  Güte.  Auch  zwei 
Spezialwerke,  einmal  die  auf  den  Abgüssen  einer  Privat- 
sammlung beruhende  Publikation  von  C.  Heffner  ^,  dann 
das  grossartige  Werk  der  'Kaiserurkunden  in  Abbildungen' 
konnten  keine  Abhülfe  schaffen.  Das  erstere  bringt  nur 
einen  geringen  Bruchteil  des  ganzen  in  Frage  kommenden 


1)  Die  Deutschen  Kaiser-  und  Königs  -  Siegel,  Würzburg  1875. 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  247 

Materials,  dazu  vielfach  in  technisch  recht  unzureichender 
Form  und  lässt  durch  diese  beiden  Mängel  fortwährend 
im  Stich;  das  letztere  aber  legt  das  Hauptgewicht  auf  die 
Wiedergabe  der  Gesamterscheinung  der  Urkunden,  und  da 
bei  dem  hier  in  Frage  kommenden  Verfahren  entweder  die 
Rücksicht  auf  die  Schrift  oder  die  auf  das  Siegel  mass- 
gebend sein  muss ,  beide  zugleich  aber  nicht  in  ent- 
sprechender Güte  reproduziert  werden  können,  so  sind  hier 
die  Siegel,  ganz  abgesehen  davon,  dass  Vollständigkeit  ja 
garnicht  im  Plan  lag,  zu  kurz  gekommen ;  vielfach  fehlen 
sie  ganz  auf  den  abgebildeten  Urkunden,  und  im  übrigen 
ist  ihre  Wiedergabe  des  öfteren  ungenügend  oder  gar  ge- 
radezu unkenntlich. 

Um  so  grössere  Erwartungen  knüpfen  sich  an  das 
nunmehr  im  Erscheinen  begriffene  Werk  von  0.  Posse : 
Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige  von  751  — 
1806  ^  Es  soll  aus  vier  Bänden  Tafeln  und  einem  Text- 
bande bestehen,  von  denen  der  erste  jetzt  herausgekommen 
ist  2,  während  die  folgenden  in  Abständen  von  je  einem 
Jahr  versprochen  werden.  Wenn,  wie  anzunehmen,  in  den 
drei  späteren  Tafelbänden  die  Anordnung  des  ersten  bei- 
behalten wird,  so  enthalten  sie  ausser  den  Tafeln  selbst 
nur  kurze  Uebersichten  über  deren  Inhalt  und  Stamm- 
tafeln der  in  Betracht  kommenden  Herrscherhäuser ;  alles 
weitere  an  Beschreibung  und  Erläuterung,  sowie  die  all- 
gemeineren sich  daran  knüpfenden  Ausführungen  über  das 
Siegelwesen  überhaupt  werden  dem  Textbande  vorbehalten 
bleiben,  den  man  nun  ja  leider  erst  in  vier  Jahren  wird 
erwarten  dürfen  ^. 

Wir  haben  es  also  vorläufig  nur  mit  dem  ersten 
Baude  zu  tun  und  müssen  uns  an  das  halten,  was  er  bringt. 
Hervorgegangen  ist  diese  neue  bedeutungsvolle  Publikation 
aus  der  von  dem  Herausgeber  angelegten  Sammlung,  die, 
dadurch  dass  Kaiser  Wilhelm  II.  sie  vor  einigen  Jahren 
angekauft  und  sie  dem  Germanischen  Nationalmuseum  zum 
Geschenk  gemacht  hat,  dem  grösseren  Publikum  zugänglich 


1)  In  einem  Anhang  werden  auch  die  Siegel  der  Kaiser  des  neuen 
Deutschen  Reichs  bis  auf  die  Gegenwart  abgebildet  werden.  2)  Dresden, 
Wilhelm   Baensch,    1909.  3)    Diese   Einrichtung,    die  ja   auch   sonst 

mancherlei  Nachteile  mit  sich  bringt,  hat  es  wohl  auch  veranlasst,  dass 
die  Bände  nicht  einzeln  abgegeben  werden.  Das  ist  aus  dem  Grunde  be- 
dauerlich, weil  dadurch  den  meisten  Privaten  die  Anschaffung  unmöglich 
gemacht  sein  dürfte.  Denn  abgesehen  von  dem  in  Summa  doch  hohen 
Preise  kommt  für  die  Mehrzahl  der  Interessenten  schliesslich  nur  ein 
Bruchteil  des  Gesamtwerkes  in  Betracht. 


248  H.  Wibel. 

geworden  ist.  Um  diese  Sammlung  aber  erst  wirklich  der 
Allgemeinheit  nutzbar  zu  machen,  gab  der  Kaiser  zugleich 
den  Auftrag,  sie  graphisch  zu  reproduzieren,  eine  Aufgabe, 
die  jetzt  also  in  ihrem  ersten  Teile  erfüllt  ist.  Wer  G-ele- 
genheit  gehabt  hat,  die  Sammlung  selbst  in  Nürnberg  zu 
sehen,  wo  sie  in  einem  schönen  Schrank  aufbewahrt  und 
zur  Schau  gestellt  wird,  wird  wenigstens  beim  ersten  An- 
blick den  vielfach  versilberten  und  vergoldeten  Metall- 
abgüssen, aus  denen  sie  besteht,  seine  Bewunderung  nicht 
versagt  haben.  Beim  näheren  Zusehen  bleiben  freilich  dem 
Sachverständigen  mancherlei  Mängel  nicht  verborgen,  der 
glänzende  Schein  vermag  nicht  darüber  zu  täuschen,  dass 
die  Abgüsse  schon  des  öfteren  zu  wünschen  übrig  lassen, 
und  das  ist  dann  auch  nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Publi- 
kation selbst  geblieben. 

Der  vorliegende  erste  Band  in  stattlichem  Polioformat 
enthält  auf  53  Tafeln  die  Siegel  von  Pippin  bis  auf  Ludwig 
den  Bayern,  also  aus  der  Zeit  von  751  bis  1347.  Jede 
Tafel  bietet  je  nach  der  Grösse  der  dargestellten  Siegel 
eine  wechselnde  Anzahl  von  übersichtlich  und  möglichst 
chronologisch  angeordneten  Abbildungen  in  bräunlich  ge- 
tönten Lichtdrucken.  Diese  selbst  sind  auf  jeder  Tafel 
nummeriert,  so  dass  sie  in  der  vorangestellten  TJebersicht 
leicht  aufzufinden  sind,  in  der  dann  jedesmal  ein  kurzer 
Vermerk  über  die  Herkunft,  den  Aufbewahrungsort  des 
Originals  oder  sonst  der  Quelle  der  Reproduktion,  unter 
dem  Namen  des  betreffenden  Herrschers  chronologisch  und 
nach  Typen  geordnet,  gegeben  wird.  Die  Umschrift  wird 
buchstabengetreu  wiedergegeben,  und,  wo  dies  bereits  fest- 
gestellt werden  konnte ,  wird  der  Zeitraum  verzeichnet, 
innerhalb  dessen  der  Gebrauch  des  einzelnen  Stempels 
nachweisbar  ist  ^. 


1)  Abgesehen  von  kleineren  Mängeln,  möchte  ich  hierzu  nur  auf 
einiges  nicht  ganz  belanglose,  das  mir  aufgefallen  ist,  hinweisen.  Gegen- 
über der  sonst  stets  gewählten  ausführlichen  und  deutlichen  Herkunfts- 
bezeichnung  findet  sich  ganz  unmotiviert  gleich  zu  Anfang  (zu  Taf.  1,  7; 
3,  6.  8)  die  nicht  jedem  verständliche  Angabe  'Or.  Chaumont',  gemeint 
ist  das  Departementalarchiv  daselbst.  Ebenso  wäre  es  unerlässlich  ge- 
wesen, bei  den  Angaben  über  das  Vorkommen  der  auf  Tafel  27,  7  und 
29,  1  abgebildeten  Siegel  sich  nicht  auf  den  Vermerk  'Or.  Deutschordens- 
archiv  Wien'  zu  beschränken,  sondern  die  Regestennummer  der  Böhmer- 
Fickerschen  Regesten  zu  verzeichnen ;  diese  ist  im  ersteren  Fall  B.  -  F. 
782  und  zeigt  an,  dass  das  betr.  Diplom  zum  Jahr  1215  (nicht  1214) 
gehört,  im  letzteren  aber  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  der  betreffende  Siegel- 
tjrpus  sich  auf  B. -F.  1313  oder  1314  oder  auf  beiden  im  Original  er- 
haltenen Stücken  vom  gleichen  Datum  befindet.  Die  Legenden  sind  fast 
stets  ganz  getreu   wiedergegeben,   ich   bemerke   hier   nur,    dass   auf  dem 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  249 

Nun  zu  den  Reproduktionen  selbt.  Bei  der  heute 
verfügbaren  Vollendung  der  Technik  versteht  es  sich  von 
selbst,  dass  in  einem  so  gut  ausgestatteten  Werke  das  mög- 
liche erreicht  worden  ist  nnd  somit  eine  grosse  Anzahl 
vorzüglicher  Abbildungen  geboten  wird  ^.  Wenn  aller- 
dings gerade  für  die  ältere  Periode  die  Darstellung  nicht 
immer  genügt,  so  wird  man  diesen  Fehler  in  der  über- 
wiegenden Mehrzahl  der  Fälle  nicht  in  dem  Wiedergabe- 
verfahren, sondern  in  dem  diesem  zu  Grunde  liegenden 
Material  suchen  müssen.  Und  da  rächt  es  sich  allerdings, 
dass  man,  freilich  im  Rahmen  des  Auftrages,  sich,  wenn 
ich  nicht  irre,  im  wesentlichen  darauf  beschränkt  hat,  die 
der  Sammlung  angehörenden  Abgüsse  statt  der  Originale 
zu  verwenden.  Was  uns  aber  an  den  Siegeln  interessiert, 
ist  doch  nicht  nur  der  ungefähre  Eindruck  von  dem, 
was  darauf  dargestellt  ist;  man  möchte  alles  und  zwar 
möglichst  so  genau  sehen,  wie   es  theoretisch  die  Feinheit 


erheblich  besser  erhaltenen  ersten  Siegel  Ludwigs  des  Frommen  (Posse 
Tat".  1,  6)  auf  dem  D.  Mühlbacher  Reg.'-  778  im  Bezirksarchiv  zu  Strass- 
burg  deutlich  zu  lesen  ist:  'xpe'  und  'imperatore-'  also  mit  Abkürzungs- 
zeichen. Zu  der  Kaiserbulle  Heinrichs  II.  (Taf.  11,  6.  7)  ist  zum 
Revers  zwar  das  Monogramm  und  eine  von  Foltz  vermutete  Auflösung, 
die  ich  in  dieser  Form  nicht  für  sehr  glaubwürdig  halte  (besser  vielleicht : 
'Dens  protege  Imperium  ßomanorum'),  verzeichnet,  aber  nicht  beachtet, 
dass  sie  sich  garnicht  auf  dies  Monogramm,  sondern  auf  die  vier  im  Kreise 
aussen  herum  stehenden  Buchstaben  D  P  I  R,  bezieht,  die  von  Posse  nicht 
angegeben  werden.  1)  Ein  sehr  wesentliches,  auch  in  neuen  Veröffent- 
lichungen nicht  immer  genügend  beachtetes  Moment  ist  die  ebenfalls  rein 
technische  Angelegenheit  der  genauen  Einhaltung  der  Originalmasse.  Es 
leuchtet  ein,  dass  man  zutreffende  Schlüsse  beim  Vergleich  nur  dann 
ziehen  kann,  wenn  man  sicher  ist,  dass  keine  willkürlichen  Abweichungen 
hiervon  vorliegen.  So  viel  ich  sehe,  ist  das  in  diesem  Werk  durchaus 
genau  innegehalten  worden,  und  bei  geringfügigen  Differenzen  mit  Exem- 
plaren gleicher  Prägung  wird  man  das  den  Verzerrungen  durch  gelegent- 
liche Ausdehnung  oder  Zusammenziehung  des  wenig  festen  Siegelstoffes 
aus  Wachs  oder  Blei  zuschreiben  dürfen.  Nur  in  einem  Falle  ist,  soviel 
ich  sehe,  dem  zuwider  gehandelt,  und  zwar  bei  der  Wiedei-holung  der  von 
Winkelmann  von  einem  inzwischen  wieder  verschwundenen  Siegelstempel 
Friedrichs  II.  gebrachten  Abbildung  auf  Taf.  30,  1.  Winkelmann  gibt 
die  Verkleinerung  von  7,2  auf  5,7  cm  an,  bei  Posse  fehlt  dieser  sehr 
wesentliche  Vermerk.  Ein  anderes  kürzlich  erschienenes  Siegelwerk, 
W.  Ewald,  Die  Siegel  der  Erzbischöfe  von  Köln  (Rheinische  Siegel  I ; 
Bonn  1906),  genügt  dagegen  diesen  berechtigten  Anforderungen  leider 
durchaus  nicht  in  der  versprochenen  Weise,  denn  es  finden  sich  Differenzen 
bis  zu  5  Millimetern  unter  der  Originalgrösse,  und  wenigstens  einmal  ist 
sogar  ein  Siegel  (das  falsche  Siegel  Annos  II.  Taf.  4,  4)  nur  in  4  5  der 
natürlichen  Grösse  ohne  entsprechende  Bemerkung  darüber  reproduziert 
worden.  Ich  hatte  Gelegenheit,  dies  an  einer  Anzahl  der  von  ihm  be- 
nutzten Originalsiegel  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  nachzuprüfen. 


250  H.  Wibel. 

des  Sterapelschnitts  und  praktisch  die  Art  und  die  Erhal- 
tung der  Siegelmasse  gestattet.  Das  ist  aber  nur  erreich- 
bar bei  Aufnahmen  direkt  nach  den  Originalen,  zumal  da, 
wo  Alter  und  Beschädigungen  schon  von  erheblichem  Ein- 
fluss  gewesen  sind.  In  Folge  des  doppelten  Abformungs- 
prozesses,  durch  den  der  Abguss  hergestellt  wird,  ferner 
durch  die  glänzende  Metalloberfläche  werden  nicht  nur 
manche  noch  sichtbaren  Reste  verwischt  und  die  vorhan- 
denen Mängel  vergröbert,  sondern  durch  die  hierbei  hervor- 
gerufenen starken  Schlaglichter  wird  auch  noch  weiterer 
Schade  angerichtet,  und  auf  diese  Weise  verschwinden  dann 
mehrfach  Einzelheiten  und  Feinheiten  mehr  oder  weniger 
vollständig  ^. 

Dazu  kommt,  dass  keineswegs  immer  die  besterhal- 
tenen Siegel  als  Vorlage  gedient  haben  -,  mau  hätte  viel- 
leicht öfter,  als  es  geschehen  ist,  zwei  sich  ergänzende 
Exemplare  desselben  Stempels  und  auch  in  den  Fällen,  wo 
sonst  schon  eine  hinreichende  Abbildung  eines  seltenen 
Stückes  vorhanden  war,  einen  anderen  als  den  bereits  be- 
kannten Abdruck  wiedergeben  könnend     Denn  tatsächlich 


1)  Man  vergleiche  hier  z.  B.  nur  einmal  die  zwei  Reproduktionen 
von  Siegeln,  die  Bresslau  seinem  Aufsatz  über  die  Siegel  der  Salischen 
Kaiser  (N.  Archiv  VI,  541  ft".)  beigegeben  hat,  mit  den  Abbildungen,  die 
Posse  von  denselben  Exemplaren  bringt,  der  Vergleich  wird  wesentlich 
zu  Ungunsten  Posses  ausfallen.  2)  Man  beachte,   dass   z.  B.  von   den 

Siegeln  Konrads  II.  bei  Posse  kein  einziges  einen  wirklichen  Begriff  von 
der  Gesichtsbildung  des  Herrschers  durch  den  Stempelschneider  gibt. 
Die  Köpfe  sind  entweder  ganz  unkenntlich  oder  doch  so  beschädigt,  dass 
Einzelheiten  nicht  zum  Ausdruck  kommen.  Statt  also  eins  derselben 
(Taf.  12,  5;  13,  1)  zweimal  zu  geben,  weil  Spuren  eines  doch  ganz  un- 
wesentlichen doppelten  Abdrucks  sichtbar  sind,  hätte  man  vielleicht  ein 
Fragment  mit  gut  erhaltenem  Kopf  lieber  gesehen,  wie  es  z.  B.  Kemme- 
rich  in  seiner  Frühmittelalterlichen  Porträtplastik  S.  78  oder  in  der  Zeit- 
schrift für  bildende  Kunst  N.  F.  XX,  91  in  einer  übrigens  schlechten 
Abbildung  bringt.  Auch  sonst  findet  sich  gelegentlich  eine  Wiederholung 
ohne  grossen  Wert,  so  die  dreifache  bei  Ludwig  dem  Deutschen 
(Taf.  2,  7.  8.  9),  um  einen  Sprung  des  Stempels  zu  zeigen ;  beim  ersten 
Siegel  Ottos  I.  (Taf.  7,  1.  2),  das  bei  Otto  II.  dann  zum  dritten  Mal 
(Taf.  8,  1)  erscheint,  wird  dagegen  die  Wiederholung  zwar  nicht  durch 
die  Art  des  Sprunges,  wohl  aber  durch  die  veränderte  Einfassung  ge- 
rechtfertigt. An  zwei  Stellen  schliesslich  ist  auf  den  wiedergegebenen 
Fragmenten  überhaupt  nichts  zu  sehen  (Taf.  3,  6 ;  24,  5),  im  ersteren 
Fall  sollen  allerdings  Reste   der  Schrift  vorhanden   sein.  3)    So   gibt 

Posse  z.  B.  nicht  das  zweite  wesentlich  besser  erhaltene  imd  nicht  durch 
Doppelabdruck  beeinträchtigte  Exemplar  des  vierten  Siegels  Heinrichs  III. 
(Taf.  15,  2)  im  Stadtarchiv  zu  Goslar  auf  Stumpf,  Reg.  2472,  während 
doch  das  erste,  von  ihm  wiederholte,  schon  von  Bresslau  publiziert  war; 
ebenso  erscheint  die  Kaiserbulle  Heinrichs  III.  nach  dem  schlechteren 
Exemplar  (Taf.  15,  3.  4),   auf  dem  durch  Doppelschlag  das  Gesicht   ent- 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  251 

sind  ja  nur  wenige  Siegel  der  älteren  Zeit  aus  Wachs  oder 
aus  Blei  wirklich  tadellos  erhalten :  des  öfteren  gelang  in 
dem  weichen  Material  schon  die  Ausprägung  selbst  nicht 
gut,  meist  aber  sind  die  Siegel  durch  spätere  Beschä- 
digungen beeinträchtigt,  und  daher  bietet  fast  jedes  weitere 
Exemplar  Ergänzungen  zum  anderen.  Mögen  diese  Wün- 
sche und  Bedenken  aus  der  Art  der  dem  Herausgeber  ge- 
stellten Aufgabe  resultieren,  so  fragt  es  sich  eben,  ob  man 
ein  solch  umfassendes  und  schönes  Werk  nicht  auch  auf 
die  bestmögliche  Grundlage  hätte  stellen  sollen,  anstatt  es 
auf  dem  Bestand  einer  wohl  immerhin  unter  beschränken- 
den Umständen  zusammen  gekommenen,  ursprünglich  pri- 
vaten Sammlung  beruhen  zu  lassen. 

Solcherlei  geringfügigere  Mängel  spielen  indessen  nur 
eine  untergeordnete  Rolle  gegenüber  den  ganz  hervor- 
ragenden Vorteilen,  die  diese  grosse  Publikation  allen 
Interessenten  bietet.  Zum  ersten  Male  sind  in  angenäherter 
Vollständigkeit  die  Siegel  der  Deutschen  Herrscher  ver- 
einigt, und  dem  Herausgeber  gebührt  lebhafter  Dank  da- 
für, dass  uns  nunmehr  ein  Material  zu  Gebote  steht,  das 
zu  einem  erheblichen  Bruchteil  oder  gar  überwiegend  bisher 
überhaupt  noch  nicht  publiziert  war.  Dankbar  anzuerkennen 
ist  ferner,  dass  er  sich  nicht  nur  auf  das  im  Titel  ange- 
kündigte beschränkt,  sondern  seinem  Werke  noch  grössere 
Ausdehnung  gegeben  hat,  indem  er  auch  die  Siegel  der 
Gemahlinnen,  die  Siegel  der  Herrscher  vor  ihrer  Wahl 
zum  König,  auch  ihrer  Söhne,  die  nicht  in  Deutschland 
zur  Herrschaft  gelangt  sind,  und  schliesslich  die  Siegel  der 
hervorragendsten  Reichsbeamten  —  alle  diese  freilich  nur 
erst  in  der  späteren  Zeit  etwa  von  der  Mitte  des  12.  Jh. 
ab  vorkommend  —  aufgenommen  hat,  wodurch  schon  im 
ersten  Bande  rund  gerechnet  vierhundert  Siegel  zur  Auf- 
nahme gelangt  sind. 

Wir  müssen  es  uns  versagen,  an  dieser  Stelle  Betrach- 
tungen anzustellen,  die  sich  nunmehr  an  dem  gebotenen 
Material  so  viel  leichter  und  umfassender  als  bisher  vor- 
nehmen lassen  und  gewiss  zu  manchen  neuen  Ergebnissen 
führen  würden.  Wir  wollen  auch  vermeiden,  dem  Heraus- 
geber vorzugreifen  und  auf  Dinge  einzugehen,  die  dem  Text- 
bande vorbehalten  sein  werden:  in  den  folgenden  Ausfüh- 
rungen soll  vielmehr  nur  auf  einiges  eingegangen  werden, 
was  sich  als  Berichtigung  und  Nachtrag  zu  den  gegebenen 


stellt   und    die   Rückseite    fast    unkenntlich    geworden    ist ;    ein    ungleich 
besseres  befindet  sich  an  Stumpf,  Reg.  2494. 


252  H.  Wibel. 

Abbildungen  oder  als  abweichende  Beurteilung  derselben 
charakterisiert. 

Wenn  ich  recht  sehe,  so  ist  Posse  von  dem  Grund- 
satz ausgegangen,  nur  echte  oder  wenigstens  von  ihm  für 
echt  gehaltene  Siegel,  keinesfalls  aber  als  Fälschungen 
sicher  erkannte  Stücke  abzubilden,  denn  es  findet  sich 
keine  der  zahlreichen  bekannten  Fälschungen  unter  den 
Abbildungen,  und  so  wird  dieses  Prinzip  tatsächlich  zu 
Grunde  gelegt  worden  sein^  Ob  es  ganz  richtig  ist,  so  zu 
verfahren,  darf  man  vielleicht  bezweifeln,  es  würde  das  ja 
ungefähr  damit  übereinstimmen,  wenn  man  in  den  Diplo- 
mata- Bänden  die  unechten  Diplome  von  der  Aufnahme 
durchweg  ausgeschlossen  hätte.  Gerade  so  wie  die  falschen 
Urkunden  entbehren  aber  falsche  Siegel  —  natürlich  in 
den  durch  Herstellungszeit  und  Ausführungsart  gegebenen 
Grenzen  —  nicht  alles  Interesses.  Ist  auch  der  rein  histo- 
rische Wert  durch  die  Tatsache  der  Unechtheit  beschränkt, 
so  bleibt  doch  der  kunst-  und  kulturgeschichtliche  be- 
stehen, ganz  abgesehen  davon,  dass  bei  der  Lückenhaftig- 
keit unserer  Kenntnis  in  einem  falschen  Siegel  unter  Um- 
ständen sehr  wohl  ein  untergegangener  echter  Stempel 
nachgeahmt  worden  sein  kann. 

Wir  dürfen  also  jedenfalls  annehmen,  dass  das,  was 
in  diesem  Bande  an  Abbildungen  geboten  wird,  von  dem 
Herausgeber  als  echt  oder  wenigstens  nicht  als  falsch  an- 
gesehen worden  ist'-.    Da  ist  denn  doch  schon  merkwürdig, 


1)  Eine  Ausnahme  bildet  vielleicht  das  angebliche  Ringsiegel 
Ottos  1.  (Posse  Taf.  7,  8),  das  nach  Art  und  Ueberlieferung  längst  zu 
den  lebhaftesten  Zweifeln  Anlass   geboten   hat.  2)    Der   umgekehrte 

Schluss,  dass  die  nicht  in  diesem  Werke  enthaltenen  Siegel  darum  von 
dem  Herausgeber  für  unecht  erklärt  seien ,  trifft  natürlich  keineswegs 
immer  zu.  Darüber  wird  man  indessen  im  Textband  näheres  erfahren. 
Hier  möchte  ich  nur  auf  einen  Fall  hinweisen,  der  vielleicht  dem  Heraus- 
geber noch  unbekannt  ist,  jedenfalls  aber  darum  Interesse  besitzt,  weil 
er  als  Schulbeispiel  verwertet  worden  ist.  Es  handelt  sich  um  die  Be- 
siegelung  zweier  Diplome  Heinrichs  III.,  Stumpf,  Reg.  2365.  2394,  beide 
im  Original  erhalten,  ausgestellt  für  das  Stift  St.  Simon  und  Juda  zu 
Goslar  und  im  dortigen  Stadtarchiv  ruhend,  durch  ein  Siegel  K.  Fried- 
richs I.  Bisher  wurde  angenommen,  dass  damit  die  Anerkennung  ihres 
Inhalts  durch  den  so  viel  späteren  Herrscher  ausgesprochen  sein  sollte, 
und  als  einziges  Beispiel  dieser  Art  war  der  Fall  nicht  ohne  Bedeutung. 
Allerdings  hatte  man  nicht  beachtet,  dass  der  Typus  dieses  Siegels  von 
dem  allgemein  bekannten  abweicht,  und  tatsächlich  findet  er  sich  nach 
allem,  was  mir  als  Vergleichsmaterial  zu  Gebote  stand,  sonst  nur  noch 
ein  einziges  Mal,  nämlich  auf  dem  Diplom  Friedrichs  I.  Stumpf,  Reg.  -4495 
für  dasselbe  Stift.  "Wie  dies  Diplom  selbst,  wofür  ich  den  Nachweis  noch 
zu  bringen  hoffe,  ist  aber  auch  das  Siegel  eine  Fälschung  wohl  erst  aus 
dem  beginnenden  13.  Jh.,   und  zwar   ist   es,   wie   ich  jetzt   feststellen  zu 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  253 

dass  er  die  kürzlich  nachgewiesene  Fälschung  des  Stempels 
und  der  beiden  Abdrücke  zweier  Siegel  Rudolfs  von  Habs- 
burg, die  als  verworfene  Probesiegel  (Taf.  41,  1 — 4)  be- 
zeichnet werden,  nicht  erkannt  hat^.  Für  Fälschungen 
gleicher  Art  halte  ich  aber  auch  das  angeblich  verworfene 
Probesiegel  Lothars  (Taf.  20,  3)-,  ebenso  das  angebliche 
zweite  Kaisersiegel  Friedrichs  1.  (Taf.  22,  2)  und  das  dritte 
Siegel  Heinrichs  VI.  (Taf.  23,  3).  Bei  den  beiden  erst- 
genannten kommt  zu  der  schlechten  und  doch  im  wesent- 
lichen einem  echten  Stempel  nachgeahmten  Arbeit  die 
ganz  unbeglaubigte  üeberlieferung  hinzu.  Das  Letztere 
konnte  ich  Dank  dem  Entgegenkommen  des  Königl.  Bayeri- 
schen Allgemeinen  Reichsarchivs  selbst  in  Augenschein 
nehmen  und  halte  es  auf  Grund  der  ganz  rohen  Arbeit 
ebenfalls  für  eine  Fälschung.  Dazu  kommt,  dass  Heinrich 
sich  in  der  vom  16.  Juli  Worms  datierten  und  zu  1195 
einzureihenden  Urkunde  (St.  4954)  als  'rex  Sicilie'  bezeichnet, 
da  er  diese  Würde  seit  einem  halben  Jahre  (Weihnachten 
1194)  bekleidet,    während    das  Siegel  diese  Titulatur  nicht 


können  glaube,  unter  Benutzung  des  echten  Kaisersiegels  Friedrichs  I. 
und  wohl  des  ersten  Kaisersiegels  Heinrichs  VI.  angefertigt  worden.  Es 
ist  recht  plump  gearbeitet,  und  man  wird  schliessen  dürfen,  dass  der 
Fälscher,  der  den  Stempel  hergestellt,  oder  doch  derjenige,  der  ihn  für 
das  falsche  Diplom  Friedrichs  I.  verwendet  hat,  denselben  Stempel  be- 
nutzte, um  die  vermutlich  verloren  gegangenen  Siegel  an  den  genannten 
Diplomen  Heinrichs  III.  zu  ersetzen.  Damit  fallen  aber  alle  aus  dieser 
Tatsache  unter  der  Voraussetzung  der  Echtheit  des  Siegels  gezogenen 
Folgerungen   hinweg.  1)  Vgl.  Haberditzl   in  Mitteil,  des  Oesterr.  In- 

stituts XXIX,  630  ff.  Auch  von  dem  zweiten  sogenannten  Probesiegel 
wird,  was  Posse  nicht  vermerkt,  der  zugehörige  Stempel  in  Sigmaringen 
aufbewahrt  (vgl.  Bresslau  in  Jahresberichten  der  Geschichtswissenschaft 
1896,  IV,  155  f.).  Haberditzl  weist  nach,  dass  es  sich  in  beiden  Fällen  um 
moderne  Fälschungen  aus  der  Mitte  des  19.  Jh.  handelt.  Das  gleiche  gilt 
auch  von  dem  ebenfalls  von  Haberditzl  a.  a.  0.  S.  626  ff.  besprochenen 
Stempel  eines  Siegels  Wilhelms  von  Holland  (fehlt  bei  Posse),  der  an- 
scheinend um  dieselbe  Zeit  zuerst  sicher  nachweisbar  ist.  Merkwürdiger 
Weise  sollen  ein  Stempel  Rudolfs  (der  Wiener)  und  der  Wilhelms 
ebenfalls  übereinstimmend  1815  resp.  1817  gefunden  oder  schon  vorhanden 
gewesen  sein.  Dieses  auffällige  zeitliche  Zusammentreffen,  sowie  die  ähn- 
liche Arbeit  legt  den  von  Haberditzl,  soviel  ich  sehe,  nicht  gezogenen 
Schluss  nahe,  dass  alle  drei  Stempel  (und  ebenso  derjenige  Ottokars 
v.  Böhmen,  ebenfalls  in  Sigmaringen)  aus  derselben  Fabrik  stammen. 
Dass  Kemmerich,  Frühmittelalterliche  Porträtplastik  S.  104  f.,  den  Wiener 
Stempel  Rudolfs  von  Habsburg  für  'über  jeden  Zweifel  erhaben'  echt 
erklärt,  nimmt  bei  seiner  mangelhaften  Kenntnis  nicht  Wunder.  2)  Für 
falsch  halte  ich  schliesslich  auch  die  auf  Taf.  20,  2  abgebildete  Variante 
des  ersten  Siegels  Lothars,  Die  Existenz  eines  dritten,  von  J.  Schultze, 
Die  Urkunden  Lothars  III.  S.  51  f.,  bemerkten  Typus  mit  abweichenden 
Massen  wird  von  Posse  ausdrücklich  bestritten. 


254  H.  Wibel. 

aufweist.  Freilicli  sind,  wie  es  scheint,  die  Siegel  Hein- 
richs VI.  noch  garnicht  erforscht,  so  dass  sich  abschliessen- 
des nicht  sagen  lässt.  Posse  kennt  denn  auch  nur  eine  Gold- 
bulle an  einem  Diplom  (St.  4771)  von  1192  (Taf.  23,  5.  6)  und 
weiss  über  deren  Vorkommen  nichts  anzugeben,  während 
nach  Stumpf  z.  B.  auch  an  den  Urkunden,  Reg.  4922  und 
4925  aus  dem  Frühjahr  1195  Goldbullen  hängen  sollen, 
von  denen,  wenn  sie  überhaupt  noch  vorhanden,  noch  fest- 
zustellen wäre,  ob  sie  nicht  mindestens  durch  die  Angabe 
des  sicilischen  Königstitels  von  der  älteren  verschieden  sind. 
Nicht  anders  aber  verhält  es  sich  auch  mit  zweien 
der  von  Posse  abgebildeten  Siegeltjpen  K.  Friedrichs  II. 
Ich  glaube  nicht  an  die  Echtheit  des  von  ihm  als  Variante 
des  bekannten  Typus  (Taf.  27,  6)  wiedergegebenen  Siegels 
(Taf.  27,  7),  das  nach  einem  ganz  unbeglaubigten  Gips- 
abguss  reproduziert  ist  und  allerdings  seiner  Angabe  nach 
auch  an  dem  D.  B.-F.  782  (s.  oben  S.  248,  N.  1)  sich  be- 
finden soll.  Wenn  nicht  etwa  der  Gipsabguss  auf  dieses 
selbe  Stück  zurückgeht,  so  möchte  ich  die  tatsächliche 
Identität  des  Stempels  noch  nicht  für  zweifellos  halten  ^. 
Zu  diesem  Zweifel  aber  berechtigt  mich  nicht  nur  die 
Arbeit,  die  bei  aller  Uebereinstimmung  mit  dem  echten 
Typus  in  den  Abweichungen  nur  durchweg  Verschlech- 
terungen darbietet,  sondern  dass  in  einem  ähnlich  gela- 
gerten Fall  die  Angabe  Posses  tatsächlich  falsch  ist.  Be- 
reits Philippi,  Zur  Geschichte  der  Eeichskanzlei  unter  den 
letzten  Staufern  S.  80,  hat  zum  D.  B.-F.  1599  bemerkt, 
dass  es  mit  einer  Nachbildung  des  echten  Kaisersiegels 
Friedrichs  II.  (Taf.  29,  1)  versehen  sei,  Posse  dagegen  bildet 
(Taf.  29,  2)  eine  Variante  dieses  echten  Siegels  wiederum 
nach  einem  unbeglaubigten  Gipsabguss  ab  und  behauptet, 
dieser   Typus    komme    auch    an  B.-F.   1599   vor.     Erweckt 


1)  Der  liebenswürdigen  Bemühung  des  Herrn  Dr.  Hans  Hirsch 
verdanke  ich  die  Möglichkeit,  an  die  Stelle  blosser  Vermutung  ein 
sicheres  Ergebnis  setzen  zu  können.  Er  hatte  die  Güte  für  mich  im 
Deutschordensarchiv  zu  Wien  den  Vergleich  zwischen  dem  von  Posse  auf 
Taf.  27,  7  abgebildeten  und  dem  für  dessen  Vorkommen  zitierten  Siegel 
an  dem  Diplom  B.-F.  782  vorzunehmen  mit  dem  Resultat,  dass  Posses 
Angabe  ganz  zweifellos  unzutreffend  ist,  und  dass  vielmehr  dieses  Siegel 
seinem  Typus  Taf.  27,  6,  d.  h.  dem  auch  sonst  mehrfach  nachweisbaren 
Stempel,  entspricht.  —  Damit  aber  wird  man  auch  in  diesem  Falle  davon 
absehen  müssen,  den  Typus  Taf.  27,  7  als  eine  echte  Variante  von 
Taf.  27,  6  in  Betracht  zu  ziehen;  es  handelt  sich  augenscheinlich  auch 
hier  um  eine  auf  Grund  des  echten  Typus  vollzogene  Ueberarbeitung 
oder  Fälschung  einer  Matrize,  auf  der  dann  der  Gipsabguss  in  Dresden 
beruht. 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  255 

schon  die  Abbildung  die  begründete  Vermutung,  dass  es 
sich  nicht  um  ein  echtes  Siegel  handeln  könne  (man  vgl. 
z.  ß.  nur  das  e  in  FRIDeRICVS  und  die  schlechte  Arbeit 
im  allgemeinen),  so  stimmt  überdies  die  Sache  mit  B.-F. 
1599  nicht.  Wie  ich  ebenfalls  durch  Autopsie  feststellen 
konnte,  entspricht  dieses  Fragment  weder  in  den  Massen  ^ 
noch  in  den  Einzelheiten  der  Darstellung,  vor  allem  aber 
nicht  in  der  Legende  diesem  Bilde.  Ist  auf  Taf.  29,  2  wie 
auf  dem  echten  Siegel  DI  GEA  IMPeRATOR  zu  lesen, 
so  steht  hier  zweifellos  deutlich  DEI  GRA  IPeRATOR  ; 
damit  aber  ist  die  Unvereinbarkeit  erwiesen,  und  Philippis 
Annahme,  dass  das  Siegel  von  B.-F.  1599  eine  Fälschung 
nach  dem  echten  Siegel  (Taf.  29,  1)  sei,  bestätigt  sich, 
während  die  Dresdener  angebliche  Variante  bei  dem  Mangel 
aller  Beglaubigung  in  Verbindung  mit  den  übrigen  Be- 
denken weiterhin  keinen  Anspruch  darauf  erheben  kann, 
für  echt  gehalten  zu  werden. 

Ganz  zweifellos  falsch  ist  aber  schliesslich  auch  der 
zuerst  von  Winkelmann,  Mitteil.  des  Oesterr.  Instituts  XV, 
485  ff.  beschriebene  und  abgebildete  Siegelstempel,  der  Ende 
1893  im  Antiquitätenhandel  in  Italien  auftauchte,  um  als- 
bald in  der  Sammlung  eines  glücklichen  Käufers  wieder 
zu  verschwinden.  Die  annähernd  mit  dem  echten  Typus 
(Posse  Taf.  29,  4)  übereinstimmende  Grösse  (s.  oben  S.  249, 
N.  1)  und  Darstellung  lässt  gerade  wieder  in  den  Ab- 
weichungen die  Fälschung  deutlich  erkennen,  wenn  auch 
Winkelmann  die  Echtheit  für  möglich  hielt.  Missverstanden 
ist  die  Darstellung  des  Thrones  und  die  Form  der  Krone, 
der  die  regelmässig  auftretenden  seitlichen  Anhänger  fehlen, 
und  ganz  verdorben  ist  die  Kleidung.  Da  Winkelmanns 
Abbildung  aber  auf  einem  Abdruck  des  angeblichen  Original- 
stempels, nicht  etwa  einer  schlechten  Zeichnung  danach 
beruht,  so  wird  man  die  Fehlerhaftigkeit  auch  tatsächlich 
dem  Stempel  zuschreiben  müssen,  ebenso  wie  das  schon  von 
ihm  vermerkte  Versehen  in  der  Legende,  das  aber  nicht, 
wie  er  meint,  auch  auf  einem  echten  Stempel  vorkommen 
könne,  sondern  hier  auf  einer  falschen  Beobachtung  an 
einem  nicht  gut  erhaltenen  echten  Siegelabdruck  beruht. 
Der  Stempelschneider  erkannte  nicht  die  z.  T.  ligierten 
Buchstaben,    die   die  Worte    'imperator   et   semper'  bilden, 


1)  Allerdings  scheint  mir  fraglich,  ob  hier  (Taf.  29,  2)  die  Ab- 
bildung nicht  um  2 — 3  mm  zu  gross  geraten  ist,  wie  das  vermutlich  auch 
mit  dem  Bilde  Taf.  29,  3  der  Fall  ist,  das  auf  das  gleiche  Typar  zurück- 
gehen soll  wie  Taf.  29,  1. 


256  H.  Wibel. 

wobei  'et'  durch  ein  sclilangenförmiges  Abkürzungszeichen 
gebildet  wird,  sondern  zog  dies  Zeichen  zum  E,  las  das  S 
für  'et'  und  das  ligierte  MP  für  EP,  so  dass  nunmehr 
'imperator[um]    7  sep[er]'  zu  lesen  ist. 

Es  wird  sich  daher  mit  diesem  Stempel  nicht  anders 
wie  mit  allen  übrigen  Stempeln  von  Kaisersiegeln  verhal- 
ten, die  in  neuerer  Zeit  im  Handel  auftauchten  und  sich 
sämtlich  als  spekulative  Fälschungen  erwiesen  haben  ^. 

Einen  besonders  interessanten  Fall  bildet  das  von 
Posse  zweimal  abgebildete  angebliche  sechste  Siegel  Ottos  II. 
(Taf.  9,  1.  2).  Es  kommt  nicht  nur,  wie  er  angibt,  zweimal 
(DD.  0.  II.  191.  194),  sondern  im  ganzen  heute  noch  sechs- 
mal vor,  nämlich  ausser  an  diesen  beiden  Diplomen  für 
Memleben  auch  an  zwei  Diplomen  Ottos  III.  für  Meissen 
(DD.  O.  III.  174''.  183)  und  schliesslich  an  zwei  weiteren 
Ottonischen  Diplomen  für  Nienburg  (DD.  O.  II.  185'^  O.  III. 
244).  Vielleicht  hat  es  sich  aber  auch  noch  mindestens  an 
einem  anderen,  heute  nur  abschriftlich  erhaltenen  Diplome 
für  Meissen  (DO.  II.  184)  befunden  2.  Für  die  beiden  letz- 
teren Gruppen  hat  bereits  Erben  ^  die  Identität  des  Typus 
und  somit  die  Abweichung  von  dem  vierten  Siegel  Ottos  II., 
mit  dem  Foltz  es,  abgesehen  von  den  DD.  0.  III.  174^. 
183,  identifiziert  hatte,  erkannt;  die  üebereinstimmung 
aber  auch  mit  dem  Memlebener  Siegel  konnte  ich  selbst 
gerade  beim  Vergleich  mit  den  in  der  Posseschen  Sammlung 
befindlichen  Abgüssen  von  den  Siegeln  der  Meissener 
Diplome  feststellen.  Hatte  Erben  noch  gemeint,  einen  von 
Otto  III.  verwendeten ,  bisher  unbeachtet  gebliebenen, 
echten  Stempel  in  Betracht  ziehen  zu  müssen,  so  halte  ich 
das  für  ausgeschlossen  und  halte  vielmehr  dieses  Siegel 
trotz  des  häufigen  Vorkommens  für  eine  Fälschung. 


1)  Zu  ihnen  gehört  auch  der  angeblich  in  Rom  befindliche  Bullen- 
stempel des  Reverses  der  Kaisergoldbulle  K.  Karls  IV.  (vgl.  Bresslau 
in  Jahres1)erichten  der  Geschichtswissenschaft,  1896,  IV,  156  n.  258). 
Diesem  entsi^richt  ein  weiterer  Stempel ,  der  vor  geraumer  Zeit  dem 
Germanischen  Museum  zum  Kauf  angelioten  und  von  dort  zunächst  zur 
Begutachtung  an  Herrn  Prof.  Bresslau  gesandt  wurde,  er  machte  den 
Eindruck  gegossen  zu  sein  und  war  eine  Nachbildung  des  Averses 
derselben  Goldbulle.  Man  wird  in  der  Vermutung  nicht  fehlgehen, 
dass  beide  Stempel  von   dem   gleichen  Fälscher   herrühren.  2)   Doch 

hat  auch  Posse  schon  erkannt,  wie  ich  seiner  auf  meine  Anfrage 
an  mich  gelangten  gütigen  Auskunft  vom  25.  12.  1904  entnehme, 
dass  derselbe  Stempel  wie  für  die  Memlebener  DD.  Ottos  II.  auch 
für  die  'Fälschungen'  Ottos  III.  DD.  174^.  183  verwendet  worden  ist. 
3)  Mitteil,  des  Oesterr.  Instituts  XIII,  550  ff. 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  257 

In  einer  vor  mehreren  Jahren  begonnenen,  aber  in 
Folge  der  Inanspruchnahme  durch  andere  Arbeiten  nicht 
zu  Ende  geführten  Untersuchung  hoffe  ich  gelegentlich 
noch  den  Nachweis  zu  erbringen,  dass  bis  auf  das  DO.  III. 
183  \  alle  anderen  oben  genannten  Diplome  Nachahmungen 
von  der  Hand  eines  und  desselben  Fälschers  sind,  der  zu 
Anfang  des  11.  Jh.  arbeitete  und  für  seine  Zwecke  sich  auch 
des  wohl  von  ihm  selbst  hergestellten  falschen  Siegels  be- 
diente. Es  wäre  dieses  das  bisher  bei  weitem  älteste  Bei- 
spiel dafür,  dass  ein  mittelalterlicher  Fälscher  im  Auftrage 
verschiedener  Empfänger  seine  Falsifikate  angefertigt  hat. 
Dass  aber  das  Siegel  wirklich  falsch  ist,  geht,  wie  mir 
scheint,  nicht  zum  mindesten  auch  aus  der  ganz  minder- 
wertigen Arbeit,  die  auch  von  ganz  schlecht  geschnittenen 
echten  Typen  der  Zeit  noch  erheblich  abweicht,  hervor. 
Auch  Foltz  -  hat  dies  wenigstens  für  die  beiden  Meissener 
Diplome  bereits  erkannt. 

In  wie  weit  sich  sonst  noch  Fälschungen  unter  den 
abgebildeten  Stücken  befinden,  wird  ohne  spezielle  Kenntnis 
lind  Nachforschung  nicht  festzustellen  sein.  Ich  beschränke 
mich  daher  darauf,  noch  einige  Bemerkungen  zu  den  mir 
genauer  bekannt  gewordenen  echten  Siegeln  zu  geben. 

Ein  bekanntes  Argument  gegen  die  Fähigkeit  und 
die  Absicht  des  früheren  Mittelalters,  im  Siegel  ein  Porträt 
des  betreffenden  Herrschers  zu  geben,  bildet  der  Umstand, 
dass  Otto  II.  Siegel  seines  Vaters  übernimmt.  Dies  ist, 
nachdem  es  von  Foltz  einmal  festgestellt  worden  v^ar, 
unwidersprochen  geblieben  und  trifft  auch  tatsächlich  zu, 
insofern  Otto  II.,  abgesehen  vom  ersten  Königssiegel,  das 
sechste  Siegel  Ottos  I.  (Posse  Taf.  7,  7.  8,  5),  und  zwar 
wohl  erst  nach  dessen  Tode,  benutzt  hat.  Ist  das  aber 
auch    mit  dem   fünften  Siegel  Ottos  I.  wirklich    der  Fall? 


1)  Es  ist  ein  zweifellos  von  der  Hand  eines  Kanzleibeamten  ge- 
schriebenes Original.  Wohl  zu  beachten  ist  aber,  dass  es  eine  Urkunde 
aus  der  Königszeit  ist,  die  hier  mit  einem  Kaisersiegel  versehen 
erscheint.  Auch  dieser  Fall  wird  im  Verein  mit  einigen  anderen  ähn- 
licher Art  als  Beispiel  für  vorkommende  Unregelmässigkeiten  in  der  Be- 
siegelung  angeführt  (vgl.  Bresslau,  N.  Archiv  VI,  554  f.),  meist  in  dem 
Sinne,  dass  Diplome,  die  ihrer  Schrift  und  den  Daten  nach  der  Königszeit 
eines  Herrschers  entstammen,  späterhin  mit  einem  Kaisersiegel  versehen 
worden  seien,  sei  es  in  Folge  verzögerter  Vollziehung  und  Ausgabe  an 
den  Empfänger,  sei  es  als  eine  Art  kaiserlicher  Bestätigung  einer  Ver- 
leihung aus  der  Königszeit.  Mir  scheinen  alle  diese  Fälle  noch  der 
Nachprüfung  bedürftig,  ob  es  sich  wirklich  und  zweifellos  so  verhält. 
2)  Vgl.  seine  systematische  Zusammenstellung  der  Siegel  der  Sächsischen 
Kaiser  im  N.  Archiv  III,  41. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  17 


258  H.  Wibel. 

Foltz  behauptete  es,  die  MG.-Ausg-abe  der  Diplome  Ottos  11. 
hat  sich  ihm  angeschlossen,  und  auch  Posse  identifiziert 
die  beiden  von  ihm  gegebenen  Abbildungen  (Taf.  7,  6  und 
Taf.  8,  6).  Sieht  man  aber  genauer  zu,  so  ergibt  sich  mit 
aller  Deutlichkeit,  dass  die  Stempel  eben  nicht  identisch 
sind  ^  Da  nun  die  Abbildung  bei  Posse  sicher  einem 
Diplom  Ottos  II.  (DO.  II.  78)  entnommen  ist,  so  wird  man 
annehmen  dürfen,  dass  hier  Otto  II.  einen  neuen  Stempel 
und  also  den  fünften  Stempel  Ottos  I.  vielleicht  überhaupt 
nicht  verwendet  hat.  Bei  der  ungenügenden  Zuverlässigkeit 
von  Foltz  ist  daneben  freilich  nicht  ausgeschlossen,  dass 
dieser  Stempel  auch  schon  unter  Otto  I.,  oder  dass  neben 
ihm  der  fünfte  Stempel  Ottos  I.  ausserdem  noch  von  Otto  II. 
gebraucht  worden  ist '-. 

Posse  verspricht  in  seinem  Werke  eine  vollstän- 
dige Sammlung  der  Kaisersiegel  zu  geben;  dass  ihm  das 
nicht  vollkommen  gelungen  ist,  ist  nicht  verwunderlich 
und  bedeutet  nur  dort  einen  Vorwurf,  wo  eine  Lücke  ohne 
Schwierigkeit  zu  vermeiden  gewesen  wäre.  Bei  dem  Stand 
der  Vorarbeiten  und  der  Zerstreutheit  des  Materials  erheben 
sich  ganz  ungeheure  Schwierigkeiten,  die  eine  Nachprüfung 
jedes    einzelnen  Falles    unmöglich    machen.     Dazu  kommt, 


1)  Ereilich  sind  die  letzten  Kaisersiegel  Ottos  I.  sowie  die  von 
Otto  II.  vor  dem  Tode  des  Vaters  geführten  einander  ungemein  ähnlich, 
was  die  ganze  Arbeit  betriS"t,  doch  treten  auch  hinlänglich  grosse  Unter- 
schiede deutlich  genug  hervor,  um  die  Klassifizierung  sicher  zu  stellen. 
Was  nun  speziell  das  fünfte  Siegel  Ottos  I.  in  seinem  Verhältnis  zum 
(nach  Foltz)  fünften  Siegel  Ottos  II.  betrifft,  so  genügt  es  auf  die  Differenz 
in  dem  Perlenkranz  zwischen  den  zwei  Kreisen  hinzuweisen.  Bei  Otto  I. 
sind  die  Perlen  (oder  wie  man  sie  sonst  nennen  will)  klein  und  dicht 
gedrängt;  bei  Otto  II.  erscheinen  sie  erheblich  grösser  und  stehen  weiter 
auseinander.  Abweichungen  finden  sich  ferner  in  der  Stellung  der  Ab- 
kürzungszeichen, in  der  Form  des  Reichsapfels  und  der  Krone,  die  im 
Siegel    Ottos    II.     erheblich    höher     und     helmartiger     ist.  2)     Die 

Nachprüfung  und  Entscheidung  dieser  ja  nicht  ganz  uninteressanten 
Frage  ist  nunmehr  bei  einiger  Aufmerksamkeit  an  der  Hand  der 
Tafeln  Posses  schon  darum  ohne  grosse  Schwierigkeit  möglich,  weil  alle 
Diplome  Ottos  IL,  die  —  nach  Foltz'  und  Sickels  Angaben  wenigstens 
—  dieses  angebliche  fünfte  Siegel  Ottos  I.  aufweisen,  DD.  0.  IL  77.  78. 
92.  310,  jetzt  im  Staatsarchiv  zu  Magdeburg  vereinigt  sind.  —  Ob  die 
Bulle  Ottos  III.  an  dem  Spurium  DO.  III.  428,  die,  abgesehen  von  der 
Differenz  in  der  Aufschrift  des  Averses :  'Urbs  (statt  'Aurea')  Roma',  in 
Grösse ,  Darstellung  und  Arbeit  mit  der  vierten  Bulle  Ottos  (Posse 
Taf.  10,  8.  9)  recht  genau  übereinstimmt,  wirklich  falsch  ist  (vgl.  Bresslau 
im  N.  Archiv  XXIII,  159,  N.  1),  wird  erst  entschieden  werden  können, 
wenn  mit  Sicherheit  festgestellt  ist,  ob  sie  mit  dieser  Differenz  allein  steht, 
oder  ob  diese  Abweichung  sich  etwa  noch  auf  anderen  Exemplaren  der 
vierten  Bulle  findet. 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  259 

dass  die  Vorarbeiten  selbst  meist  auf  nur  unvollständig  ge- 
kanntem Material  beruhen,  und  dass  man  demnach  ihre 
Ergebnisse  nicht  als  abschliessend  betrachten  darf.  Irr- 
tümer sind  nicht  ausgeblieben,  wie  denn  auch  nicht  alle 
bestehenden  Varianten  erkannt  worden  sind.  So  ergeben 
sich  denn  auch  bei  Posse  Lücken,  die  wenigstens  teilweise 
vielleicht  zu  vermeiden  gewesen  wären,  jedenfalls  aber  in 
Hinsicht  auf  die  uneingeschränkte  Wertschätzung  seines 
Werkes  bedauerlich  sind.  Einige  Nachträge  z^^  den  Siegeln 
Salischer  Kaiser,  die  entweder  bei  der  Bearbeitung  der 
Diplome  für  die  MG. -Ausgabe  oder  sonst  zu  unserer  Kenntnis 
gekommen  sind,  sollen  diese  Lücken  wenigstens  für  das 
11.  Jh.  ausfüllen  helfen.  So  findet  sich  das  von  Bresslau  ^ 
mit  2^  bezeichnete  Siegel  Konrads  IL  (Posse  Taf.  12,  4) 
nicht  nur  auf  Stumpf,  Reg.  1900  (DK.  IL  47),  sondern  auch 
auf  St.  1884  (DK.  IL  32),  und  vielleicht  befand  es  sich  der 
überlieferten  Zeichnung  nach  auch  noch  auf  dem  Magde- 
burger Diplom  St.  1874  (DK.  IL  22).  Aber  auch  ein  ganz 
neuer  Typus  hat  sich  wenigstens  ein  einziges  Mal  an  dem 
Salzburger  Diplom  St.  1961  (K.  IL  108;  Orig.  im  Staats- 
archiv zu  Wien)  noch  gefunden,  er  nähert  sich  in  der  Dar- 
stellung von  Kopf  und  Krone  dem  vierten  Siegel  Konrads 
(Posse  Taf.  13,  2),  die  Attribute  stimmen  dagegen  mit  dem 
dritten  (Posse  Taf.  12,  o.  13,  1),  die  Art  der  Anbringung 
der  Legende  schliesslich  mit  dem  fünften  und  sechsten 
Siegel  Konrads  überein.  Schon  dadurch  wird  die  Echtheit 
wohl  zweifellos,  und  in  der  demnächst  vollendeten  Ausgabe 
der  Diplome  Konrads  II.  ist  daher  das  Siegel  mit  3^  be- 
zeichnet worden.  Eine  Abbildung  in  natürlicher  Grösse 
nach  dem  mir  zur  Verfügung  stehenden  Gipsabguss  ver- 
anschaulicht das  gesagte '-. 

Auch    zu    den    Siegeln    Heinrichs   III.    ergeben    sich 
Nachträge-^.    Hatte  Bresslau  die  erste  (Königs) -Bulle  dieses 


1)  Vgl.  dessen  Zusammenstellung  der  Siegel  der  Salischen  Kaiser  im 
N.  Archiv  VI,  541  ff.  2)  Vgl.  die  Tafel  sub  1.  Wenn  ich  die  Abbildungen 
hier  entgegen  dem  oben  als  wünschenswert  bezeichneten  Prinzip  nicht  direkt 
nach  den  Originalen  gebe,  so  geschieht  das,  weil  die  seiner  Zeit  von  mir,  ohne 
die  Absicht  sie  zu  publizieren,  gemachten  resp.  erworbenen  Abgüsse  hin- 
reichend scharf  sind,  um  alles  wesentliche  deutlich  erkennen  zu  lassen.  — 
Für  die  Bewilligung  der  beigegebenen  Tafel  bin  ich  Herrn  Cxeheimrat 
Prof.  Dr.  0.  Holder -Egger  zu  lebhaftem  Dank  verpflichtet.  3)    Eine 

interessante  dieses  Gebiet  berührende  Vermutung  ist  von  K.  Brunner, 
Das  Deutsche  Herrscherbildnis  von  Konrad  II.  bis  Lothar  von  Sachsen 
(Leipzig  1905)  S.  27,  X.  3  ausgesprochen  worden.  Er  meint,  das  erste 
Kaisersiegel  Heinrichs  III.  (Posse  Taf.  15,  1)  beruhe  entweder  auf  mecha- 

17* 


260  H.  Wibel. 

Herrschers  an  dem  St.  Galleuer  D.  St.  2189  (Posse  Taf.  14, 
3.  4)  mit  der  damals  vermissten  und  nur  in  einer  Abbil- 
dung bei  Lacomblet  überlieferten  Bulle  des  D.  St.  2207 
(Orig.  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf)  identifiziert,  so  zeigt 
sich,  nachdem  sie  wieder  zu  Tage  gekommen  und  dem 
Diplom  zweifellos  mit  Eecht  ^  beigelegt  ist,  dass  bei  aller 
Uebereinstimmung  im  allgemeinen  ein  anderer  Stempel 
vorliegt,  an  dessen  Echtheit  nicht  zu  zweifeln  ist.  Die  bei- 
gegebenen Abbildungen  nach  einem  Gipsabguss  werden 
dies  auch  ohne  eingehende  Beschreibung  bei  dem  Vergleich 
mit  dem  Bilde  bei  Posse  bestätigen-.  Schliesslich  lässt  sich 
auch  noch  von  der  Kaiserbulle  Heinrichs  III.  eine  Variante 
konstatieren.  Leider  hat  Posse  nur  das  durch  Doppelschlag 
entstellte  und  schlecht  erhaltene  Exemplar  an  dem  D.  St. 
2486  (Taf.  15,  3.  4)  wiedergegeben,  das  mit  der  an  dem 
D.  St.  2494  befindlichen,  wesentlich  besser  erhaltenen  Bulle 
genau  übereinstimmt.  Von  diesen  beiden  weicht  nun  aber 
die  Bulle  des  D.  St.  2444  (Orig-  im  Staatsarchiv  zu  Hannover), 
wenn  auch  wiederum  nur  in  Einzelheiten,  doch  deutlich 
genug  ab,  um  die  verschiedene  Arbeit  und  den  anderen 
Stempel    erkennen    zu    lassen  ^ :    Heinrich    III.    hat    sich 


nischer  und  danach  abgeänderter  Reproduktion  des  zweiten  Königssiegels 
(Posse,  Taf.  14,  2)  Heinrichs  oder  stelle  geradezu  den  in  der  Jjegende 
und  sonst  umgearbeiteten  älteren  Originalstempel  dar.  Es  wäre  das  der 
erste  Fall  dieser  Art,  der  von  einem  Königssiegel  bekannt  geworden  ist, 
und  diese  Vermutung  klingt  daher  nicht  von  vorneherein  wahrscheinlich. 
Trotzdem  und  auch  trotz  der  mir  unbegründet  erscheinenden  Meinung 
Kemmerichs,  Porträtplastik  S.  81,  dass  auf  dem  Kaisersiegel  Heinrich 
einen  stärkeren  Schnurrbart  aufweise,  bin  ich  nach  genauem  Vergleich 
zu  dem  Ergebnis  gekommen ,  dass  wohl  die  zweite  Alternative  zutrifft, 
und  dass  also  tatsächlich  das  Königssiegel  zu  einem  Kaisersiegel  um- 
gearbeitet w^orden  ist,  indem  man  die  rechte  Hand  mit  einem  neuen 
Attribut  (dem  Reichsapfel)  versah,  aber  Spuren  des  Scepterstabes  auf  dem 
Arm  nicht  völlig  beseitigte,  und  ferner  die  Legende  in  der  Weise  ab- 
änderte, dass  'HEINRICVS'  stehen  blieb,  dasfolgende  'TE'  (von  ter-tius) 
aber  getilgt  und  durch  das  eng  gedrängte  'DIG'  ersetzt  wurde,  das  sich 
dann  an  das  stehen  gebliebene  R  anschloss.  Der  zweite  Teil  der  Umschrift 
wurde  darauf  ganz  erneuert.  —  Vielleicht  findet  sich  auch  sonst  noch 
ähnliches,  wenngleich  selbst  eine  weitgehende  Uebereinstimmung  in  Form 
und  Massen  allein  noch  nicht  zu  einer  solchen  Annahme  bereclitigen 
dürfte.  —  In  der  französischen  Kanzlei  hat  man  wenigstens  in  zwei  Fällen 
das  Siegel  des  Vorgängers  für  den  Nachfolger  durch  blosse  Abänderung  der 
Legende  hergerichtet,  so  ist  für  Lothar  (954  —  86)  zunächst  das  Siegel 
Ludwigs  IV.  (vgl.  Halphen  -  Lot ,  Actes  de  Lothaire  et  Louis  V,  Ein- 
leitung S.  50)  und  für  Philipp  I.  (1060  — 1108)  dasjenige  Heinrichs  I. 
(vgl.  Prou,  Actes  de  Philippe  I,  Einleitung  S.  128)  wieder  verwendet 
worden.  1)  Das  ergibt  sich  aus  der  Grleichartigkeit  der  Seidenschnurreste 
am  Dii^lom  und  an  der  Bulle.  2)  Vgl.  die  Tafel  sub  2a.  b.  3)  Vgl.  die 
Tafel  sub  3a,  b.     Eine  Beschreibung  der  Differenzen  ist  schwierig,  zumal 


Die  Siegel  der  Deutschen  Kaiser  und  Könige.  261 

also  mindestens  zweier  Königs-   und   zweier  Kaiser -Bullen 
bedient  ^ 

Die  Siegel  Heinrichs  IV.  und  Heinrichs  V.  sind  noch 
nicht  so  genau  durchgearbeitet,  um  ganz  abschliessende 
Ergebnisse  zu  bieten.  Zu  den  Stempeln  Heinrichs  IV. 
möchte  ich  jedoch  auf  das  falsche  Siegel  hinweisen,  das 
sich  heute  auf  zwei  Werdener  Diplomen  findet,  dem  falschen 
D.  Heinrichs  I.  26  und  dem  Originaldiplom  Heinrichs  III. 
St.  2164.  Leider  ist  es  in  beiden  Fällen  nur  unvollständig 
erhalten,  im  ersten  findet  sich  nur  das  Mittelstück,  im 
zweiten  fehlt  der  grösste  Teil  der  Legende  - ;  indessen  ist 
die  Arbeit  so  gut  und  stimmt  in  Einzelheiten  so  weit- 
gehend mit  dem  dritten  und  vierten  Königssiegel  Hein- 
richs IV.  überein  (Posse  Taf.  16,  3.  4),  dass  ich  nicht  für 
ausgeschlossen  halte,  dass  es  sich  hier  entweder  um  ein 
noch  unbekanntes  echtes  Königssiegel  Heinrichs  IV.  selbst 
oder  um  eine  wenigstens  teilweise  mechanische  Abformung 
danach  handelt^.  Das  ist  aber  immerhin  nur  eine  Ver- 
mutung, die  der  Nachprüfung  bedarf. 


auf  der  Reproduktion  Posses  wenig  zu  sehen  ist.  Die  Abweichung  wird 
indessen  besonders  deutlich  beim  Vergleich  der  Reverse.  Auf  dem  bereits 
bekannten  Stempel  ist  die  Burg-  (oder  Stadt-)  Mauer  von  rechts  nach 
links  gemessen  ungefähr  4  mm  breiter  als  auf  dem  hier  abgebildeten. 
Am  Vollbart  des  Kopfes  auf  dem  Avers  lassen  sich  ferner  sechs  Strähne 
neben  einander  vom  Kinn  zum  Ohr  am  alten  Stempel,  gegen  fünf  auf 
unserer  Abbildung  unterscheiden.  Dieser  Art  ergeben  sich  noch  einige 
Unterschiede  bei  genauer  Betrachtung,  wobei  allerdings  die  Bilder  Posses 
zum  Vergleich  nicht  ausreichen.  1)  Nicht  anerkennen  kann  ich  dagegen 
den  von  Kemmerich  als  Variante  des  zweiten  Königssiegels  Heinrichs  III. 
konstatierten  angeblichen  Typus  (Frühmittelalterliche  Porträtplastik  S.  81, 
Abbild,  n.  38)  auf  dem  nicht  näher  bezeichneten  Diplom  Heinrichs  III.  n.  .857 
(St.  2224)  des  Münchener  Reichsarchivs.  Ich  möchte  getrost  behaupten,  dass 
seine  Abbildung  entgegen  seiner  Angabe  nicht  die  Originalgrösse  darstellt, 
sondern  nur  eine  verkleinerte,  schlechte  Wiedergabe  desselben  Typus  bietet, 
von  dem  auch  der  Abdruck,  den  er  S.  80,  n.  35  abbildet,  herrührt,  wie  denn 
auch  die  kräftige  Unterlippe  beiden  gleichartig  angehören  wird,  vielleicht 
nur  nicht  ganz  gleichartig  zur  Ausprägung  gelangt  ist^  2)  Zu  lesen  ist 
'DT  und  dann,  unterbrochen  durch  den  Schemel,  'GRA  III',  wobei  ich 
weiter  ergänzen  möchte  'I  REX'  (also  'IUI  REX' ;  möglich  wäre  daneben 
freilich  auch  als  ursprünglicher  Text:  'GRATIA  REX'),  während  zu 
Anfang  'HEINRICVS'  gestanden  haben  dürfte.  Diese  Teilung  der 
Legende  wie  auch  die  (dort  ausgeschriebene)  Ordnungszahl  findet 
sich  sonst  zuerst  bei  dem  Königssiegel  Heinrichs  V.  Der  Kopf  unseres 
Siegels,  ursprünglich  unbärtig,  hat  jetzt  einen  ganz  plump  markierten 
Vollbart ,  der  nachträglich  aufmodelliert  ist ,  und  durch  den  man 
vielleicht  das  Bild  den  Siegeln  Heinrichs  III.  hat  ähnlicher  machen 
wollen.  3)  Posse  bietet  von  den  Siegeln  Heinrichs  IV.  zwei  Typen  mehr, 
als  von  Bresslau  verzeichnet  wurden.  Es  sind  das  einmal  das  schon 
erwähnte  vierte  Köuigssiegel ,  das  identisch  ist  mit  der  von  Brunner, 
Herrscherbildnis   S.  44,    N.  2,    angeführten  Variante    des   dritten   Siegels. 


262  H.  Wibel. 

Meine  kurzen  Ausführungen  werden  gezeigt  haben, 
in  wie  weit  dem  Siegelwerk  Posses  noch  einige  nicht  ganz 
unerhebliche  Mängel  anhaften,  und  in  wie  weit  nicht  alle 
Wünsche  und  Erwartungen  befriedigt  worden  sind.  Es 
wird  ihnen  aber  auch  zu  entnehmen  sein,  dass  diese  Mängel 
ihre  Ursache  und  ihre  Entschuldigung  finden,  einmal  in 
der  Grundlage,  auf  der  sich  das  Werk  aufbaut,  dann  aber 
auch  in  den  ganz  bedeutenden  Schwierigkeiten,  die  sich 
der  idealen  Erreichung  des  Zieles  entgegenstellen.  Ich 
möchte  nicht  schliessen,  ohne  noch  einmal  hervorgehoben 
zu  haben,  dass  schon  der  erste  Band  dieser  gross  angelegten 
und  schönen  Publikation  einen  ganz  erheblichen  Gewinn 
für  die  verschiedenen  Zweige  unserer  Wissenschaft  bedeutet, 
und  dass  dem  Herausgeber  der  lebhafte  Dank  aller  engeren 
und  weiteren  Fachgenossen  und  überhaupt  aller  derjenigen, 
die  sich  mit  dem  interessanten  und  noch  lange  nicht  ab- 
schliessend behandeltem  Gebiet  der  Siegelkunde  beschäf- 
tigen, sicher  ist. 

Brunner  irrt,  wenn  er  den  Durchmesser  beider  von  ihm  zitierten  Siegel 
auf  den  DD.  St.  2817.  2774  mit  8,6  cm  angibt;  er  l)eträgt  tatsächlich 
nur  8  cm,  wie  die  A))ljildung  Posses  (Taf.  16,  4)  nach  dem  Siegel  des 
D.  St.  2817  und  ein  in  meinem  Besitz  liefindlicher  Gipsabguss  von  dem- 
jenigen des  D.  St.  2774  ergeben.  —  Zweitens  erscheint  die  Cloldbulle 
(Tai'.  17,  1.  2)  an  dem  damals  unzugänglichen  Osnal  »rücker  D.  St.  2814*, 
das  ül)rigens  zu  1079,  nicht  1078,  wie  Posse  angibt,  gehört,  als  Variaute 
zu  den  bisher  bekannten  zwei  Exemplaren;  ihre  Echtheit  steht  nicht  in 
Frage  (vgl.  Tangl  im  Archiv  für  Urkundenforschung  II,  230).  — •  Auch 
eine  Kaisergoldbulle  Heinrichs  IV.  müsste  existiert  haben,  wenn  die 
Dorsualnote  saec.  XV.  (und  eine  Notiz  im  Kopialbuch  der  Verduner 
Kathedrale)  auf  der  jetzt  im  Nachlass  Clouets  wieder  zu  Tage  ge- 
kommenen Urschrift  des  D.  St.  2883  der  Wahrheit  entspräche.  Hat  man 
vorläufig  auch  noch  keinen  Grund,  die  Originalität  des  Stückes  zu  be- 
bezweifeln, so  ist  doch  zu  bemerken,  dass  in  der  Korroboration  von  'sigilli 
impressio'  gesprochen  wird ;  für  ein  aufgedrücktes  Siegel  ist  aber  gar  kein 
Platz  vorhanden  und  dementsprechend  fehlen  auch  die  notwendigen  Ein- 
schnitte. Aber  auch  die  Bullierung  könnte  nur  mit  Hülfe  eines  kleinen 
Loches  zwischen  den  beiden  Zeilen  der  Datierung  stattgefunden  haben, 
ohne  dass  heute  Spuren  davon  zurückgeblielien  sind.  Dazu  kommt,  dass 
die  jetzt  verlorene  Bulle  von  Calmet,  Histoire  de  Lorraine  ed.  I. 
I,  preuves  col.  484,  folgendermassen  beschrieben  wird :  'Pendet  sigillum 
aureum  cum  epigraphe  in  antica  parte,  ubi  vultus  imperatoris:  Ohriste 
protege  Henricum  Regem.  Ex  altera  parte,  ubi  quaedam  castelli  effigies : 
Aurea  Roma,  Roma  caput  mundi  regit  orbis  fraena  rotundi'.  Es  wäre 
also,  wenn  Calmets  Beschreibung  zutrifft,  eine  K  ö  nigsgoldbulle  gewesen 
und  diese  hätte  im  Gegensatz  zu  den  Typen  Heinrichs  IV.  das  Aussehen 
einer  der  Königsbullen  Heinrichs  III.  gehabt.  Beide  LTmstände  machen 
es  recht  unwahrscheinlich,  dass  diese  Goldbulle  und  das  Diplom  ursprüng- 
lich zusammengehört  haben.  Entweder  war  sie  einem  verlorenen  D. 
Heinrichs  III.  für  die  Verduner  Kathedrale  entnommen ,  um  das  D. 
St.  2883  zu  beglaulngen,  oder  man  hat  vielleicht  eine  Bleibulle  Hein- 
richs III.  künstlich  vergoldet,  um  damit   densell)en  Zweck   zu    erreichen. 


f 


Nachrichten. 


1.  Mit  Beginn  des  Sommersemesters  1909  ist  Herr 
Dr.  Bernhard  S  c  h  m  e  i  d  1  e  r  von  Berlin  als  Privatdozent 
nacli  Leipzig  übergesiedelt,  bleibt  jedoch  Mitarbeiter  der 
Abteilung  Scriijtores. 

2.  In  den  Scriptores  rerum  Germanicarum  sind  1909 
erschienen :  1)  Annales  Xantens  es  et  Annales 
V  e  d  a  s  t  i  n  i.  Recognovit  B.  de  S  i  m  s  o  n.  Die  Annales 
Yedastini  erscheinen  hier  zuerst  in  kritischer  Bearbeitung, 
während  deren  Text  in  SS.  I.  nur  nach  Bouquets  Ausgabe, 
der  in  SS.  II.  nur  nach  der  am  meisten  überarbeiteten  Hs. 
gegeben  war.  Dieser  ist  am  meisten  zitiert  worden,  ob- 
wohl der  nach  Bouquet  doch  noch  besser  war.  —  2)  H  e  1  - 
m  o  1  d  i  presbyteri  Bozoviensis  Cronica  Slavorum.  Ed.  II. 
Post  lohannem  M.  Lappenberg  recognovit  Bernhardus 
Schmeidler.  Accedunt  versus  de  vita  Vicelini  et 
S  i  d  o  n  i  s  epistola .  —  3)  lohannis  abbatis  V  i  c  t  o  - 
r  i  e  n  s  i  s  Liber  certarum  historiarum.  Edidit  Eedorus 
Schneider.  T.  I.  Libri  I — III.  Es  sind  hier  sämt- 
liche Rezensionen  des  I.  Buches  mit  den  vorangesetzten 
Entwürfen,  welche  die  Geschichte  von  der  Karolingerzeit 
an  enthalten,  vom  IL  und  III.  Buche  beide  Rezensionen 
(also  auch  Johanns  erster  Entwurf)  gegeben,  während  früher 
nur  die  zweite  Rezension  (B)  vom  J,  1215  an  ungenügend 
herausgegeben  war.  O.  H.-E. 

3.  In  den  Fontes  iuris  Germanici  antiqui  ist  er- 
schienen: Determinatio  compendiosa  de  iurisdictione  imperii 
auctore  anonymo,  ut  videtur,  Tholomeo  Lucensi  O.  P. 
Edidit  Marius  K  r  a  m  m  e  r.  Accedit  Tractatus  anonjmus 
de  origine  ac  translatione  et  statu  Romani  imperii. 

4.  Die  Kgl.  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 
bereitet  mit  Unterstützung  der  Kgl.  Preuss.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin,  der  Kgl.  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften  zu   Göttinsren    und    der   Kgl.  Sächsischen  Gesell- 


264  Nachrichten. 

Schaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig  eine  kritische  Ge- 
samtausgabe der  mittelalterlichen  Bibliothekskataloge 
Deutschlands  vor.  Die  Arbeiten  sind  seit  über  2  Jahren  im 
Gange  und  liegen  jetzt  in  den  Händen  des  Unterzeichneten. 
Gesammelt  sollen  werden  alle  Handschriftenverzeichnisse, 
die  bis  etwa  1500  im  Gebiete  des  heutigen  Deutschen 
Reiches  und  des  Schweizer  Bundes  niedergeschrieben  sind. 
Genauere  Angaben  über  die  bei  den  Abschriften  und  Be- 
schreibungen zu  beobachtenden  Grundsätze  findet  man  in 
der  soeben  versandten  Arbeitsanleitung,  die  eigentlich  nur 
für  die  Mitarbeiter  gedruckt  ist,  aber  auf  Wunsch  jedem 
anderen  Forscher  zur  Verfügung  gestellt  wird. 

Obwohl  —  oder  vielmehr  weil  es  unsere  Sache  ist, 
möglichst  grosse  Zuverlässigkeit  und  Vollständigkeit  zu 
erreichen,  richten  wir  an  die  Leser  des  Neuen  Archivs  und 
überhaupt  an  alle,  die  in  Bibliotheken  und  Archiven  Ge- 
legenheit haben,  mittelalterliche  Handschriften  und  Ur- 
kunden kennen  zu  lernen,  die  höfliche  Aufforderung,  dabei 
auf  Bücherverzeichnisse  zu  achten  und  uns  bei  Funden  zu 
benachrichtigen.  Alle  Mitteilungen  und  Anfragen  sind  zu 
richten  an  den  unterzeichneten  Redaktor  bei  der  Kom- 
mission für  Herausgabe  der  mittelalterlichen  Bibliotheks- 
kataloge Deutschlands  (München,  Herzogspitalstr.   18). 

Dr.  Paul  Lehmann. 

5.  Zum  Giornale  storico  della  letteratura  Italiana 
sind  Indices  zu  Band  I — L  (bisher  1  Fascikel,  Torino  1909) 
im  Erscheinen   begriffen.  E.  C. 

6.  In  der  Historischen  Zeitschrift  CII  (3.  Folge  VI), 
S.  325 — 334  hat  A.  B  r  a  c  k  m  a  n  n  Bericht  über  die  Vor- 
träge erstattet,  die  er  selbst  und  P.  Kehr  auf  dem  Histo- 
rischen internationalen  Kongress  zu  Berlin  1908  über  den 
Plan   einer   Germania    sacra   gehalten   haben. 

0.  H.-E. 

7.  Das  von  dem  Benediktiner  von  St.  Peter  in  Salz- 
burg, P.  Pirmin  L  i  n  d  n  e  r  ,  bearbeitete  Monasticon 
metropolis  Salzburgensis  antiquae  (I.  Kempten  und 
München  1907,  IL  Salzburg  1908,  4^  XIII,  554  und  [47]  S.) 
begrüssen  wir  als  wichtigen  und  willkommenen  Nachschlage- 
behelf. Berücksichtigt  sind  nur  die  Benediktiner-,  Zister- 
zienser-, Chorherren-  und  Praemonstrateuserstifte,  nicht  die 
Karthausen  und  nicht  die  Niederlassungen  der  Bettelorden. 
In  dieser  Beschränkung  schreitet  der  Bearbeiter  nach  Diö- 
zesen   vor    (Salzburg,    Chiemsee,    Gurk,    Lavant,    Seckau, 


Xachricliteu.  265 

Brixen,  Freisiug.  Passau.  Eegeusburg).  Bei  jedem  Kloster 
ist  eioe  kurze  Üebersicbt  über  Gründung  und  Gesckicbte 
Torangescbickt.  dann  folgt  ein  Verzeicbuis  der  Litteratur 
(speziell  auch  über  Bibliotbek.  Arcbiv  und  Baagesebichte) 
und  als  Hauptsacbe  die  Abtreibe,  deren  Daten  vielfach 
auch  die  bestimmten  Belege  in  Anmerkungen  beigefügt 
sind.  Der  zweite  Teil  bringt  als  Beilagen  eine  Eeihe  Ton 
tabellarischen  Zusammenstellungen,  von  denen  manche  not- 
wendig und  willkommen,  einzelne  aber  auch  recht  entbehr- 
lich sind.  Den  Schluss  macht  ein  umfangreiches  Xamen- 
E^gister.  Leider  ist  die  Freude  an  dem  Werke  keine  reine. 
Stichproben,  die  ich  bei  den  Abtreihen  anstellte,  sprechen 
nicht  für  volle  Zuverlässigkeit.  Bei  der  Abtreihe  von 
St.  Paul  in  Kärnten  wird  S.  63  bemerkt,  dass  sie  der 
Landesarchivar  A.  v.  Jaksch  revidiert  habe.  Auffällieer 
Weise  stimmt  sie  aber  nicht  mit  der.  die  Jaksch  für  die 
ersten  Aebte  in  den  Mon.  hist.  duc.  Carinthiae  III,  XXXIX 
gab.  Hier  heisst  es:  Wernher  1139  —  115S.  Pilgrim  1159 
— 1192,  bei  Lindner  aber:  Wernher  1139 — 1150.  Pilgrim 
1151 — 1192.  Und  v.  Jaksch  ist  im  Eechte :  denn  die  Ur- 
kunde vom  J.  1151,  die  Lindner  als  erstes  Zeugnis  für 
Pilgrim  anführt,  spricht  vielmehr  für  das  Fortleben  Wern- 
hers.  den  Lindner  am  19.  Juli  1150  sterben  lässt :  Jaksch, 
Mon.  hist.  duc.  Carinthiae  III.  352  n.  908,  unter  mebreren 
Aebten  als  Zeuge  genannt  'Wernherus  Lauentensis'.  In 
hohem  Masse  ärgerlich  ist  es.  dass  die  älteste  Abtreihe 
von  Lilienfeld  S.  346  noch  ganz  nach  Hanthaler  und  seinen 
Fälschungen  gegeben  wird.  Soll  das  Unheil,  das  aus 
Fälschertücke  entsprang,  in  seinen  Xachwirkungen  wirklich 
ganz  unausrottbar  sein?  Dabei  zitiert  Lindner  in  einer 
Anmerkung  S.  345  meine  Abhandlung  über  die  Fälschungen 
Chrvsostomus  Hanthalers.  gab  sieh  aber  nicht  die  Mühe, 
sie  zu  lesen;  sonst  müsste  er  Mitteil,  des  Instituts  XIX, 
41  f.  den  einfach  zwingenden  Nachweis  gefunden  haben. 
dass  Hauthaler  die  Lebenszeit  des  ersten  Abtes  um  min- 
destens 4  Jahre  willkürlich  verkürzt  hat.  Was  soll  man 
aber  vollends  dazu  sagen,  dass  in  dem  Monasticon  Salisbur- 
gense  das  bedeutendste  Cborherrenstift  Oesterreichs.  Kloster- 
neuburg, sein  ältestes  Zisterzienserkloster,  Heiligenkrenz, 
das  von  Morimond  aus  die  ganze  Filiation  vermittelte,  und 
eines  der  allerwichtigsten  Benediktiuerklöster.  Schotten  in 
Wien,  überhaupt  ganz  fehlen?  Alle  Anerkennung  für  den 
Eiesenfleiss.  den  Lindner  sonst  auf  seine  vieljährige  Arbeit 
verwandt  hat;  aber  auf  ein  Werk,  das  als  unentbehrliches 
Handwerkzeugf   immer  und  immer  gebraucht  werden  wird. 


266  Nachrichten. 

muss  man  sich  verlassen  können,  oder  es  taugt  nichts.  Da 
ein  Uebersehen  dieser  wichtigen  Klöster  geradezu  un- 
geheuerlich wäre,  bleibt  wohl  nur  die  Erklärung,  dass  sie 
absichtlich  weggelassen  wurden,  weil  sie  später  zur  Diözese 
von  Wien  gehörten,  das  1468  als  exemtes  Bistum  gegründet 
wurde  und  erst  1722  als  Erzbistum  endgiltig  auch  aus  dem 
äusseren  Eahmen  der  Salzburger  Kirchenprovinz  ausschied. 
Zuvor  aber  waren  die  genannten  Klöster  durch  Jahr- 
hunderte aufs  engste  mit  der  Geschichte  der  Passauer 
Diözese  und  der  Salzburger  Kirchenprovinz  verflochten  ge- 
wesen ,  und  das  Vorgehen  Lindners  ist  daher  noch  viel 
unverständlicher,  als  wenn  aus  einem  Monasticon  metropolis 
Maguntinensis  das  exemte  Bamberg  fortbliebe.  Möge  doch 
die  Wiener  Akademie,  mit  deren  Unterstützung  das  Werk 
erschienen  ist,  dafür  sorgen,  dass  diese  Lücken  und  Fehler 
in  einem  Supplementheft  geschlossen  und  berichtigt  werden. 
Erst  dann  dürften  wir  hoffen,  hier  einen  Beitrag  zu  einer 
Germania  sacra  zu  erhalten,  über  den  wir  uns  wahrhaft 
freuen  könnten.  Und  da  ich  schon  einmal  beim  Aeussern 
von  Wünschen  bin :  könnten  denn  nicht  auch  die  wenigen 
Karthausen  der  Salzburger  Kirchenprovinz  Berücksichtigung 
finden?  Die  Sache  wäre  um  so  wichtiger,  als  es  an  brauch- 
barer Litteratur  über  Karthausen  in  Deutschland  noch 
ganz  fehlt.  M.  T. 

8.  Julius  S  t  r  n  a  d  t  setzt  seine  weit  ausgedehnten 
Vorarbeiten  zur  Herausgabe  des  historischen  Atlas  für 
O  b  e  r  ö  s  t  e  r  r  e  i  c  h  (vgl.  N.  A.  XXXIII,  230,  n.  13)  in 
zwei  weiteren  Beiträgen  fort:  'Hausruck  und  Atergau', 
Archiv  f.  Oesterr.  Gesch.  XCIX,  396  S.  und  'Materialien 
zur  Gesch.  der  Entwicklung  der  Gerichtsverfassung  und 
des  Verfahrens  in  den  alten  Vierteln  des  Landes  Ob  der 
Enns  bis  zum  Untergänge  der  Patrimonialgerichtsbarkeit', 
ebenda  XCVII,  360  S.  Bei  der  ersten  Arbeit,  die  sich 
gleichmässig  auf  historisch -topographische,  genealogische 
und  rechtsgesehichtliche  Untersuchungen  ausdehnt,  sei  noch 
besonders  auf  die  sehr  hübsche  und  anschauliche  'Karten- 
skizze über  die  Besitzverteilung  gegen  Ende  des  12.  Jh.' 
hingewiesen.  Die  zweite  Arbeit  berührt  sich  zeitlich  mit 
unserem  Arbeitsgebiet  nur  in  den  einleitenden  Kapiteln 
und  den  mit  1262  einsetzenden,  fast  durchaus  ungedruckten 
'Gerichtsbriefen'.  M.  T. 

9.  Einen  wichtigen  Beitrag  zur  Ortsnamenforschung 
bildet   ein   Aufsatz    von   J.    M.  K  1  i  m  e  s  c  h  ,    Die  Orts- 


Nachrichten.  267 

n  a  m  e  n  im  südlichen  und  südwestlichen  Böhmen  in  den 
Mitteilungen  des  Vereines  für  die  Geschichte  der  Deut- 
schen in  Böhmen  LXVII  (1908),  125  ff.  294  ff.  einerseits 
wegen  des  Nachweises  der  gegenseitigen  Beeinflussung  des 
Deutschen  und  Tschechischen,  anderseits  wegen  der  zahl- 
reichen urkundlichen  Nachweise.  Die  alphabetische  Zu- 
sammenstellung am  Schluss  erleichtert  die  Benutzbarkeit 
der  Studie  ganz  besonders.  B.  B. 

10.  Im  Archivio  storico  per  la  cittä  e  comuni  del 
circondario  di  Lodi,  Anno  XXVII,  handelt  G.  A  g  n  e  1 1  i 
über  die  Benediktinerklöster  im  Lodesanischen,  die  aller- 
dings zumeist  jüngeren  Datums  sind.  E.  C. 

11.  In  den  Miscellanea  di  storia  Italiana  XLIV 
(Ser.  3,  XIII),  89  sqq.  ediert  S.  L  i  p  p  i  ein  von  dem  ver- 
storbenen F.  Vivanet  angefertigtes  Verzeichnis  von  Ma- 
terialien zur  Sardinischen  Geschichte  aus  spanischen 
Archiven  und  Bibliotheken.  H.   VV. 

12.  Ebenda  XLIV,  133  sqq.  bringt  G.  R  o  s  s  i  einen 
Appendix  zu  seinem  Glossario  medievale  Ligure.    S.  W. 

13.  P.  P.  Albert  bespricht  in  der  Zeitschr.  f.  d. 
Gesch.  d.  Oberrheins  N.  F.  XXIII,  593  ff.  die  ältesten 
Nachrichten  über  Stift  und  Stadt  Mosbach  und  kommt 
betreffs  der  Anfänge  des  Klosters  zu  dem  Resultat,  dass  es 
anscheinend  736  durch  den  hl.  Pirmin  mit  Unterstützung 
Karl  Martells  gegründet  worden  ist.  Die  Darstellung  ist 
mehrmals  durch  ürkundendrucke  (S.  616  DO.  II.  143) 
unterbrochen.  Bei  Besprechung  des  DO.  IL  ist  die  Lite- 
ratur nicht  vollständig  herangezogen.  H.  H. 

14.  Prof.  Dr.  theol.  Christian  Schmitt  (Koblenz) 
beginnt  in  den  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Benedik- 
tiner- und  dem  Cistercienserorden,  Jahrg.  XXX  (1909),  80  ff. 
mit  einer  Darstellung  des  Lebens  des  h.  Bonifatius, 
Apostels  der  Deutschen,  die  sich  'auf  dem  augenblicklichen 
Stand  der  Forschung'  aufbauen  soll.  Nach  einer  alphabe- 
tischen Uebersicht  der  Litteratur  behandelt  diese  erste 
Fortsetzung  im  §  1  die  Jugend  des  h.  Wynfrith  Bonifatius, 
§  2  den  religiösen  und  politischen  Zustand  des  östlichen 
Deutschlands  beim  Eintritt  Wynfriths  in  dessen  Geschichte. 

B.  B. 

15.  De  b.  Henri  CO  IL  Zdik,  septimo  episcopo  Mo- 
ravieusi   seu  Olomucensi  ord.  Praem.  (f  1150)  handelt 


268  Nachrichten. 

ausführlich  A.  Z  a  k   in   den  Analectes    de  Vordre    de  Pre- 
montre  t.  IV.  V.  A.  H. 

16.  In  Exkursen  zu  seiner  N.  A.  XXXIV,  545,  n.  260 
genannten  Schrift  behandelt  W.  Hoppe  in  den  Magde- 
burger Geschichtsblättern  XLIV,  164  — 173  noch  einige 
chronologische  Fragen  zur  Geschichte  Wichmanns  von 
Magdeburg.  Der  erste  Exkurs  war  bereits  in  seiner 
Dissertation  gedruckt.  O.  H. -E. 

17.  Die  Jenaer  Dissertation  von  Friedrich  G  r  o  h  , 
Der  Zusammenbruch  des  Eeiches  Jerusalem  1177 — 1189 
(Jena  1909)  kommt  in  manchen,  auch  wesentlichen  Punkten 
über  die  Darstellung  in  dem  bekannten  grossen  Buche  von 
R.  Röhricht,  das  ja  an  Flüchtigkeiten  und  zu  massenhafter 
Häufung  belangloser  Einzelheiten  leidet,  hinaus.    O.  H.-E. 

18.  In  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüringische 
Geschichte  und  Altertumskunde  N.  F.  XIX,  23—82  (1909) 
behandelt  R.  Wagner  'Die  äussere  Politik  Ludwigs  IV., 
Landgrafen  von  Thüringen';  von  dieser  Arbeit  war  ein 
Teil  schon  vorher  als  Dissertation  (Jena  1908)  unter  dem 
Titel  'Die  Reichspolitik  Ludwigs  IV.,  Landgrafen  von  Thü- 
ringen' erschienen.  E.  P. 

19.  Ein  Aufsatz  von  V.  Samanek  in  der  Histor. 
Viertel] ahrsschrift  XII.  Jahrg.,  Heft  I,  S.  77—91  'Zur  Be- 
urteilung der  Herrschaftsverhältnisse  Kaiser  Heinrichs  VII. 
in  Italien'  beschäftigt  sich  auf  Grund  des  neu  gefun- 
denen Materiales  mit  der  Uebernahme  der  Signorie  von 
Genua  durch  Heinrich  VII.,  wobei  er  die  Ansicht  von 
Caro  bekämpft,  und  mit  den  Mitteln,  auf  die  der  König 
seine  Herrschaft  in  Oberitalien  gründete.  O.  H.-E. 

20.  'Beiträge  zur  Regierungsgeschichte  des  Kölner 
Kurfürsten  F  r  i  e  d  r  i  c  h  s  III.  von  Sarweden'  gibt  in  den 
Annalen  des  Historischen  Vereins  für  den  Niederrhein 
Heft  87,  S.  40—74  (1909)  A.  M  i  e  b  a  c  h.  E.  P. 

21.  Ueber  den  als  Schiedsrichter  in  Rechtshändeln 
der  ersten  Hälfte  des  15.  Jh.  sehr  angesehenen  Bremer 
Erzbischof  Bai  du  in  (IL)  von  Wenden  (t  1441)  berichtet 
in  der  Zeitschrift  des  Histor.  Vereins  für  Niedersachsen, 
Jahrg.  1908,  S.  323  —  361  J.  Merkel.  E.  P. 

22.  Im  Bulletijn  der  maatschappij  van  Geschied-  en 
Oudheidk.  te  Gent  1909,  S.  67  —  81  (ähnlich  auch  in  der 
Vierteljahrschr.  f.  Social-  u.  Wirtschaftsgesch.  VII,  308 — 
315)  begründet  H.  P  i  r  e  n  n  e  gegen  Poelman  und  Wilkens 


Nachrichten.  269 

näher  seine  von  Schulte  nnd  Häpke  aufgenommene  An- 
sicht, dass  die  'friesischen'  Tuche  des  früheren  Mittelalters 
Cpallia  Fresonica'  beim  Mönch  von  St.  Gallen)  in  Flandern 
angefertigt  wurden.  Er  sucht  weiter  zu  zeigen,  dass  diese 
flandrische  Industrie  nicht  germanischen  Ursprungs  sei, 
sondern  bis  in  die  Römerzeit  zurückreiche;  gerade  dadurch 
habe  sie  sich  der  friesischen  Industrie  überlegen 
gezeigt  und  so  beispiellosen  Erfolg  gehabt.  A.  H. 


23.  Marie  Schulz,  Die  Lehre  von  der  historischen 
Methode  bei  den  Geschichtschreibern  des  Mittel- 
alters (VI — XIII.  Jh.)  (Abhandl.  z.  mittelalt.  und  neueren 
Gesch.,  herausg.  von  Below,  Finke,  Meinecke,  Heft  13)  stellt 
eine  Fülle  von  Reflexionen  und  theoretischen  Aeusserungen 
der  mittelalterl.  Geschichtschreiber  über  ihre  Tätigkeit, 
über  verschiedene  Probleme  historischer  Forschung  und 
Darstellung  zusammen.  Die  Verf.  hat  eine  Anzahl  solcher 
Probleme  richtig  formuliert  und  viele  der  wichtigsten 
Aeusserungen  mittelalterl.  Autoren  zu  den  Problemen  bei- 
gebracht, Aeusserungen,  die  sich  natürlich  vielfach,  wie 
sie  selbst  bemerkt,  vermehren  Hessen,  bisweilen  um  recht 
charakteristische  Stellen.  Die  Verf.  stimmt  einleitend 
Holder -Egger  zu,  der  an  einer  ähnlichen  Arbeit  von  Zoepf 
die  zu  geringe  Kenntnis  der  älteren  Quellen  getadelt  hatte, 
aber  ihre  Arbeit  weist  doch  auch  nicht  wenige  Mängel  in. 
der  Beziehung  auf.  Die  Rechtfertigung  der  mündlichen 
Tradition  durch  das  Beispiel  des  Markus  und  Lukas  (S.  27.  30) 
findet  sich  schon  in  den  vielgelesenen  Vitae  patrum  (IX), 
Migne  LXXIV,  col.  13/14,  das  Bild  von  der  plumbea  fistula 
(S.  90)  stammt  von  Gregor  d.  Gr.,  Moralia,  Migne  LXXV, 
col.  512;  überhaupt  geht  die  Mehrzahl  der  von  der  Verf. 
behandelten  Wendungen  wörtlich  oder  inhaltlich  auf  die 
patristische  Litteratur  zurück.  Auch  die  klassische  Lit- 
teratur  ist  nicht  genügend  berücksichtigt;  das  Sallusti- 
sche  'fides  .  .  penes  auctores  erit'  (lug.  c.  17;  Schulz  S.  19. 
45  ff.)  hätte  die  Verf.  bei  der  zitierten  Lampertstelle  schon 
aus  dem  Index  locutionum  von  Holder -Eggers  Lampert- 
Ausgabe  nachweisen  können.  (Auch  S.  26  (27),  N.  3  er- 
übrigt sich  die  Vermutung  der  Verf.  über  Thietmar  IX,  14 
durch  das  Glossar  der  Ausgabe).  Abgesehen  von  dieser 
vielfach  nicht  ausreichend  erkannten  Abhängigkeit  hat  die 
Verf.  m.  E.  diese  Aeusserungen  viel  zu  ernst  genommen  ; 
sie  sind  in  weit  höherem  Grade  Phrase,  als  jene  annimmt, 
zur  sachlichen  Kritik  und  Erkenntnis  der  Autoren  von  nur 


270  Nachrichten. 

sehr  geringem  Wert.  Bei  den  ärgsten  Lügnern  finden  sich 
die  wortreichsten  Versicherungen  der  Ehrlichkeit  und  bei 
den  zuverlässigsten  und  höchststehenden  Autoren  manchmal 
nicht  eine  Silbe  der  Art,  weil  sie  schlicht  und  einfach  sagen, 
was  sie  zu  sagen  haben.  Die  ganze  Phraseologie,  mit  der 
sich  die  Arbeit  beschäftigt,  ist  eine  Sache  des  Stils  und  nicht 
mehr,  für  die  Geschichte  des  Stils  aber  bietet  die  Verf. 
einen  brauchbaren  Beitrag;  sie  deckt  feste  Elemente  des- 
selben auf,  die  zum  Nachweis  geistiger  Abhängigkeit  und 
litterarischer  Zusammenhänge  führen  und  so  für  die  Litte- 
raturgeschichte  nutzbar  gemacht  werden  können.  Die 
sachlich -historischen  Folgerungen,  die  die  Verf.  aus  ihrem 
Material  zieht,  sind  notwendig  oft  sehr  unbestimmt  und 
meist  recht  anfechtbar.  B.  Schm. 

24.  Das  bekannte  Buch  von  Ugo  Balzani,  La 
Cronache  Italiane  nel  medio  evo,  ist  in  dritter  Auf- 
lage (Milano  1909)  erschienen,  in  der  der  Verf.  namentlich 
die  Anmerkungen  mit  Hinweisen  auf  neuere  Publikationen 
bereichert  hat.  O.  H.-E. 

25.  Der  Hagiographische  Jahresbericht  herausg.  von 
P.  Hildebrand  B  i  h  1  m  e  y  e  r  0.  S.  B.  für  die  Jahre  190i 
— 1906  ist  1908  den  früher  erschienenen  für  die  Jahre  1901 
und  1902  wie  dem  für  das  Jahr  1903  gefolgt.  Mit  Hülfe 
einer  Anzahl  Mitarbeiter  ist  es  dem  Herausgeber  gelungen, 
eine,  wie  es  scheint,  vollständige  üebersicht  über  die  auf 
dem  Gebiet  der  Hagiographie  im  weitesten  Sinne  und  ver- 
wandter Disziplinen  in  den  genannten  Jahren  erschienenen 
Schriften  zu  geben,  was  ja  allerdings  durch  das  ausgezeich- 
nete kritische  Bulletin  der  Analecta  BoUandiana  sehr  er- 
leichtert wird.  Voran  geht  ein  allgemeiner  Teil,  in  dem 
über  die  Schriften  zur  Methodologie  und  Kritik,  Quelleu- 
sammlungen  u.  s.  w.  und  ferner  liegende  Gebiete  berichtet 
wird,  dann  folgen  die  über  einzelne  Heilige  in  deren  alpha- 
betischer Reihenfolge.  Im  Ganzen  kann  man  sagen,  dass 
die  Berichte  klar  das  wesentliche  der  besprochenen  Schriften 
hervorheben,  zutreffend  gerecht  und  auch  von  gesunder 
Kritik  sind.  Das  Werk  erscheint  mit  Approbation  der  kirch- 
lichen Oberen.  0.  H.-E. 

26.  Eine  bedeutende  Studie,  die  auf  reichem,  sicher  mit 
grosser  Mühe  gesammeltem  Materiale  beruht,  widmet  flip- 
poljte  Delehaye  in  den  Analecta  BoUandiana  t.  XXVIII, 
fasc.  2  (1909),  p.  145—200  der  Bedeutung  des  Wortes 
'sanctus'  in  der  lateinisch-heidnischen  Sprache,  der  Wand-  j 


Xachrichten.  271 

lung  der  Bedeutung  in  der  christlichen  Sprache  und  der 
Untersuchung  der  Frage,  wem  die  Bezeichnung  in  älterer 
christlicher  Zeit  zukommt. 

In  demselben  Heft  der  genannten  Zeitschrift  wird 
der  Catalogus  codicum  hagiographicorum  Latinorum  biblio- 
thecarum  Romanarum  praeter  quam  Yaticanae  beendigt, 
dem  als  Anhang  Inventio  et  Miracula  S.  Seeundini  mar- 
tyris  Atinensis  aus  der  Zeit  1227 — 1241  und  der  Index  zu 
dem  ganzen  Werk  angefügt  sind.  O.  H.-E. 

27.  Die  Literarische  Beilage  zur  Augsburger  Post- 
zeitung ist  zu  meinem  nicht  geringen  Erstaunen  zur  Ver- 
breitung meiner  ketzerischen  Ansichten  übergegangen, 
nachdem  sie  bisher  vor  meiner  'Hjperkritik'  ihre  from- 
men Leser  mit  anerkennenswertem  Eifer  gewarnt  hatte, 
und  bringt  aus  der  Feder  des  Eeichsarchivassessors  Dr. 
0.  R  i  e  d  n  e  r  in  München  einen  Artikel  'Zur  A  f  r  a  - 
legende'  (1909,  n.  2),  der  die  ganze  Afrapassion  für  eine 
Fälschung  erklärt  unter  unumwundener  Anerkennung  meiner 
Ergebnisse  und  völliger  Lossagung  von  dem  Standpunkt 
des  P.  Vielhaber.  Der  Inhalt  musste  die  Freunde  dieses 
Blattes  schwer  beunruhigen,  und  so  griff  der  Präfekt  in 
Dillingen  Th.  Hornung,  ein  glaubeus-  und  legendenfester 
Mann,  der  sogar  in  der  von  aller  Welt  aufgegebenen 
Conversio  eine  historische  Grundlage  gefunden  hat  (vgl. 
N.  A.  XXXIII,  28),  zur  Feder  (Beilage  1909.  n.  11)  und 
versicherte  unter  Berufung  auf  'die  gründlichen  Abhand- 
lungen von  Prof.  Dr.  B.  Sepp'  (vgl.  N.  A.  XXXIV,  233.  547), 
dass  die  schwer  verdächtigte  Passio  'unbedingt  echt'  sei. 
R.  hat  das  leider  in  seiner  Halsstarrigkeit  nicht  einsehen 
wollen,  sondern  in  einer  Reihe  von  Artikeln  (Beilage  n.  15.  16. 
18.  19)  die  Widerlegung  des  Gegners  unternommen,  auch 
wenig  Achtung  vor  der  Autorität  des  Professor  Dr.  B.  Sepp 
gezeigt,  ja  offen  erklärt,  wie  sehr  er  in  der  Beurteilung 
von  dessen  Arbeit  von  H.  abweiche.  R.  stimmt  mir  gegen 
Sepp  und  seine  Trabanten  in  der  Wertschätzung  von  a 
völlig  bei,  doch  hat  die  Hs.  ihre  Fehler,  und  er  möchte 
drei  Worte  (N.  A.  XXXIII,  50  Z.  3  'catomis  caesam', 
Z.  10  'tortam'),  als  durch  Schreiberversehen  ausgefallen, 
aus  den  anderen  abgekürzten  Hss.  einschieben.  Die  Mög- 
lichkeit ist  zuzugestehen,  und  ich  hatte  schon  selbst  (S.  40) 
aus  dieser  Quelle  Kopistenfehler  von  a  verbessert.  Aber 
andererseits  haben  die  anderen  gekürzten  Hss.  und  ß  ge- 
meinsame Fehler,  weil  die  Vorlage  von  ß  jenen  näher  stand 
als   a,    und    es    ist    ja   bekannt,    dass   beide  die  'praecepta 


272  Nachrichten. 

imperatorum'  fortlassen  (S.  48,  7),  die  E..  für  eine  glänzende 
Rechtfertigung  meiner  Kritik  erklärt.  Wie  sich  hier  der 
Text  der  gemeinsamen  Vorlage  der  anderen  Hss.  als  stark 
überarbeitet  erweist,  so  erscheint  es  mir  auch  bedenklich, 
am  Schlüsse  der  Legende  den  mangelhaft  stilisierten  a-Text 
aus  der  glatteren  Fassung  zu  vervollständigen,  die  mit  der 
Streichung  der  Worte :  'quorum  nomina  Dominus  novit' 
wiederum  einen  unstreitig  echten  Ausdruck  der  Quelle  be- 
seitigt hat.  B.  Kr. 

28.  Wilhelm  Levison,  Die  Entwicklung  der  Legende 
Severins  von  Köln  (Bonner  Jahrbücher  Heft  118,  S.  34  ff., 
1909)  beschäftigt  sich  mit  einer  nicht  gerade  seltenen 
hagiographischen  Erscheinung,  der  üebertraguug  eines 
Heiligenlebens  auf  eine  andere  Person,  hier  des  Lebens 
des  Bischofs  S  e  v  e  r  i  n  von  Bordeaux  auf  den  gleich- 
namigen Cölner  Kollegen,  der  dann  durch  Erfindung  einer 
sehr  ergötzlichen  Translationsgeschichte  wenigstens  'teil- 
weise' seiner  Heimat  wieder  zurückgegeben  wurde,  und  findet 
Quentins  Annahme  ('La  plus  ancienne  vie  de  saint  Seurin 
de  Bordeaux'  in  Melanges  Leonce  Couture,  Toulouse  1902) 
wahrscheinlich,  dass  die  in  so  eigentümlicher  Weise  ver- 
wertete Quelle  die  Schrift  F  o  r  t  u  n  a  t  s  sei ,  von  der 
Gregor  von  Tours,  Gl.  Conf .  c.  44  erst  nach  Abfassung 
seines  Artikels  über  den  Heiligen  von  Bordeaux  Kenntnis 
erhalten  hatte.  Die  zuerst  von  Quentin  herausgegebene 
V.  Severini  Burdegal.  beschreibt  die  Sendung  des  Heiligen 
nach  Bordeaux,  seinen  Empfang  durch  den  dortigen  Bischof 
Amandus,  der  ihm  das  Bistum  in  der  Folge  abtrat,  unge- 
fähr wie  Oregor,  der  sieh  auf  einen  Bericht  des  dortigen 
Klerus  stützte ,  und  auch  einzelne  stilistische  Anklänge 
('Appropinquante',  'occursum',  'nomine  proprio')  finden  sich, 
fügt  jedoch  einige  Wunder  am  Grabe  hinzu  und  steht  in 
völligem  Gegensatz  zu  Gregor  durch  die  Angabe,  Severin 
sei  ursprünglich  Bischof  von  Trier  gewesen,  und  aus  Furcht 
vor  den  Trierer  Bürgern  habe  Amandus  den  Leib  in  einer 
Krypta  begraben,  um  einer  heimlichen  Entwendung  vorzu- 
beugen. Gregor  hatte  den  Orient  ('de  partibas  Orieutis') 
als  Heimat  angegeben.  Die  Trierer  Beziehungen  des  Hei- 
ligen von  Bordeaux  sind  wohl  kaum  zu  diskutieren,  und 
ein  in  der  ältesten  Hs.  (Karlsruhe  CXXXVI)  der  Vita  vor- 
gesetzter Prolog,  der  zu  Gregors  V.  Venantii  gehört  und 
durch  Aenderung  des  Namens  in  betrügerischer  Weise 
seinem  neuen  Zwecke  dienstbar  gemacht  ist,  trug  ebenfalls 
nicht  zur  Beseitigung  des  Misstrauens  bei.     Quentin  hatte 


Nachrichten.  273 

seinen  Beweis  durch  stilistische  Parallelen  zu  führen  ge- 
sucht, und  L.  ergänzt  sein  Beweismaterial,  aber  ein  Autor, 
wie  Fortun  at,  hat  natürlich  die  spätere  Hagiographie 
stark  beeinflusst,  wie  auch  Jonas  auf  seinen  Schultern 
steht  und  zahlreiche  Phrasen  ihm  nachschreibt,  und  die 
Gleichheit  einzelner  Vokabeln  ('belligerator'  auch  Cont. 
Fred.  S.  177,  19)  oder  klassischer  Ausdrücke  ('sitim  restin- 
guere')  oder  häufiger  Wendungen  der  hagiographischen  und 
homiletischen  Literatur  vermochten  nicht  alle  Zweifel  zu 
zerstreuen.  Der  Gebrauch  von  'hostis'  für  Heer  tritt  doch 
erst  im  8.  Jh.  allgemeiner  auf,  aber  zur  Bezeichnung  des 
'feindlichen'  Heeres  scheint  allerdings  schon  Gregor  das 
Wort  zu  verwenden  (Bonnet,  Latin  S,  274),  und  diese  Be- 
deutung hat  es  in  der  V.  Severini.  Betrachtet  man  die 
äussere  Form  des  Schriftstückes,  so  kommt  das  natürliche 
Kolorit  des  Fortunatschen  Stils  so  unverfälscht  zur  Er- 
scheinung, dass  die  anfänglichen  Bedenken  schwinden 
müssen.  Die  Anfangsformel  gleicht  den  Fortunatschen 
Texten  in  dem  Fehlen  des  Hauptverbs,  worauf  Quentin  schon 
aufmerksam  gemacht  hat.  Aber  auch  der  Abschluss  des 
Lebensganges  zeigt  die  '  charakteristischen  Eigentümlich- 
keiten, welche  Fortunats  Leben  bei  der  gleichen  Gelegen- 
heit aufweisen,  und  ich  möchte  nur  die  folgenden  Ausdrücke 
zusammenstellen:  'praedixit'  (Auct.  antiq.  IV,  2,  S.  27,18), 
'actibus'  (27,  24),  'intentus  operibus'  (54, 14;  vgl.27,24.  37,30), 
'coronandus'  (27,  25).  Die  neue,  ausserordentlich  dürftige 
Schrift  des  gefeierten  Dichters  bedeutet  wohl  den  Tiefstand 
seiner  literarischen  Produktion  und  ist  offenbar  als  eine 
gewerbsmässige,  im  Auftrage  des  Klerus  von  Bordeaux  an- 
gefertigte Arbeit  anzusehen,  der  schon  Gregor  sein  Material 
zur  Verfügung  gestellt  hatte.  Würde  sich  so  die  üeberein- 
stimmung  zwischen  den  beiden  Autoren  erklären,  so  zeigt 
die  starke  Abweichung,  deren  ich  gedachte,  das  Fortschreiten 
der  legendarischen  Entwickelung.  Die  Nachricht  Gregors 
'de  partibus  Orientis'  überträgt  die  Herkunft  eines  dritten 
Severin,  des  Apostels  von  Noricum,  mit  denselben  Worten 
auf  den  Heiligen  von  Bordeaux,  die  Eugippius  gebraucht 
hat,  und  der  Verdacht  lässt  sich  kaum  abweisen,  dass  der 
heimische  Klerus  aus  dieser  sonderbaren  Quelle  die  Lücke 
im  Leben  seines  Patrons  ergänzt  hat.  Die  Ersetzung  der 
allgemeinen  Topographie  durch  einen  bestimmten,  wenn 
auch  recht  weit  abgelegenen,  Bischofssitz  beweist  m.  E.,  dass 
man  in  Bordeaux  bereits  kühner  geworden  war,  und  die 
Furcht  vor  den  Trierern  brauchte  bei  der  Entfernung  kaum 
ernstlich  zu  beunruhigen.  B.  Kr. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  J^g 


274  Nachrichten. 

29.  H.  Z  i  111 111  e  r  behandelt  in  einer  Reihe  von 
Artikeln  in  den  SB.  der  Berliner  Akad.  der  Wiss.  1909, 
XIV.  XV.  XX.  XXI,  die  direkten  Handelsverbindungen 
Irlands  mit  Westgallien,  die  den  Iren  den  Genuss  franzö- 
sischer Weine  im  Austausch  gegen  Felle  vermittelten,  er- 
innert an  die  stattliche  Weinsendung  der  Procula  für  den 
in  Nantes  weilenden  Columban  (V.  Col.  I,  22),  als  ein 
irisches  HandelsschifE  die  Iren  in  die  Heimat  zurückbeför- 
dern sollte,  und  nimmt  auch  für  die  Hinreise  den  direkten 
Seevreg  von  Irland  nach  dem  Kontinent  an,  nicht  den  Weg 
über  England,  wie  er  überhaupt  den  englischen  Transit  in 
den  Beziehungen  Irlands  zum  Kontinent  möglichst  auszu- 
schalten sucht.  Ich  hatte  den  Jonas -Text  in  meinen  Ausgaben 
in  derselben  Weise  ausgelegt,  während  Gougaud  (vgl.  N.  A. 
XXXII,  S.  518)  sich  für  den  Umweg  über  England  ent- 
schied. Den  Sinns  Britanniens  (V.  Col.  I,  21),  dem  Colum- 
ban zurückgegeben  werden  sollte,  bezog  dieser  nach  Vale- 
sius'  Vorgang  auf  den  Oceanus  Britanniens  unter  Berufung 
auf  Fortunat  (V.  Hilarii  und  Albini),  der  die  See  bis  weit 
nach  dem  Süden  so  bezeichnet,  und  Z.  kommt  auf  diese 
Deutung  zurück,  fasst  auch  'Britannici  sinus'  in  V.  Col. 
I,  4.  5  als  Gestade,  aber  nicht  als  das  englische,  sondern 
als  das  bretonische  von  Morbihan,  wo  er  Columban  auf 
der  Rückreise  landen  lässt.  Der  Jonas -Text  gibt  für  eine 
nähere  Bestimmung  der  Landungsstelle  leider  keinen  An- 
halt. Fest  steht,  dass  für  die  Rückreise  der  direkte  Kurs 
vom  Hafen  von  Nantes  nach  Irland  in  Aussicht  genommen 
war  (V.  Col.  I,  22 :  'si  navis,  quae  sinibus  Hiberniae  red- 
datur,  adest'),  und  auf  demselben  Wege  war  Columban  ge- 
kommen. Höchst  beachtenswert  sind  die  Aeusserungen  Z.'s 
über  die  Vorliebe  der  Iren  für  Deminutiva  (S.  467)  und 
über  den  Namen  Gallus,  seine  Bedeutung  und  die  in  den 
ältesten  St.  Gallener  Urkk.  entstellten  Formen,  die  mit 
Unrecht  die  Wertschätzung  angesehener  Gelehrten  gefunden 
haben.  Die  Stelle  über  Patricins  in  Bedas  Martyrolog  steht 
nur  in  interpolierten  Hss.  (Quentin  S.  50),  kann  also 
Bedas  Bekanntschaft  mit  dieser  Legende  nicht  beweisen, 
wie  Z.  (S.  545)  annimmt.  Originell  ist  die  Anknüpfung  der 
monastischen  Verfassung  der  irischen  Kirche  an  Martin  von 
Tours  und  sein  in  Westgallien  gepfianztes  Mönchtum  (S.  558), 
so  dass  also  die  gallische  Kirche  als  die  gemeinsame  Mutter 
der  zwei  keltischen  Schwesterkirchen,  der  irischen  und  bri- 
tischen, anzusehen  wäre.  In  seiner  Ueberschätzung  der 
Bildung  der  irischen  Kirche  versteigt  sich  Z.  zu  dem  Satze, 
dass  nicht  bloss  Columban,  sondern  auch  seine  aus  Irland 


Nachrichten.  275 

mitgekommenen  Genossen  Griechisch  verstanden  hätten 
(S.  560).  Soviel  mir  bekannt  ist,  findet  sich  für  die  Sprach- 
kenntnisse der  Genossen  in  den  Quellen  überhaupt  kein 
Anhaltspunkt.  Die  erhaltenen  Schriften  des  Meisters  ver- 
raten aber  wirklich  keinen  hohen  Bildungsgrad,  und  ein 
Prunken  mit  exotischen  Ausdrücken  beweist  noch  lange 
nicht  die  Kenntnis  der  betreffenden  Sprache  (Jonas  S.  30). 
Sline  überraschende  Entdeckung  macht  Z.  in  N  o  t  k  e  r  s 
Martyrolog.  Dem  dort  5.  Id.  lun.  stehenden  Columba- 
Artikel  soll  ein  unabhängiger,  gleichzeitiger  Bericht  aus 
der  Feder  Columbans  oder  Gallus'  oder  eines  ihrer  Ge- 
nossen zu  Grunde  liegen,  und  Z.  erklärt  die  Stelle  für  'das 
älteste  und  kostbarste  Denkmal  über  Irlands  grösste  Per- 
sönlichkeit'. Notker  pflegt  seine  Quellen  nicht  mechanisch 
zu  kopieren,  sondern  gibt  den  Inhalt  in  freier  Form  wieder 
und  vermischt  ihn  mit  seinen  eigenen  Gedanken.  Auch 
Z.  hat  bereits  eine  Stelle  über  Columban  und  Gallus,  also 
die  angeblichen  Schreiber,  als  nach  deren  Tode  eingefügt, 
wie  er  sich  euphemistisch  ausdrückt,  durch  Klammern  von 
seinem  so  günstigen  Urteil  ausschliessen  müssen.  Wenn 
Notker  die  Prophezeiung  des  Heiligen  von  dem  Untergang 
einer  Civitas  in  Italien  aus  Adamnan,  V.  Columbae  I,  28 
(ed.  Reeves  S.  56) ,  exzerpiert ,  doch  aus  seinem  Kopfe 
hinzufügt,  dass  diese  Civitas  jetzt  ('nunc')  'Nova'  heisse, 
so  scheint  mir  zu  einer  solchen  Kombination  nicht  eben 
viel  Scharfsinn  zu  gehören,  und  viel  mehr  würde  man  sich 
über  sein  Wissen  wundern,  wenn  er  den  Namen  der  'alten' 
Stadt  genannt  hätte,  über  den  man  sich  bis  heute  vergeb- 
lich den  Kopf  zerbricht.  S.  386  ist  statt  'Fermata'  zu 
lesen  'Formata'.  B.  Kr. 

30.  E.  P  o  u  p  a  r  d  i  n  ,  Fragments  d'un  ancien  manu- 
scrit  du  'Breviarium'  d'  Eutrope  (Bibliotheque  de  l'ecole  des 
chartes  LXX,  1909,  p.  105  —  108)  gibt  Nachricht  von 
19  Blättern  einer  Hs.  der  Historia  Eomana  des  Paulus 
diaconus  aus  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jh.,  die  sich  in 
Band  270  der  CoUection  Baluze  auf  der  Nationalbibliothek 
in  Paris  erhalten  haben,  und  damit  von  der  ältesten  be- 
kannten Hs.  des  Werkes.  Die  Nachbildung  einer  Seite  ist 
beigegeben.  W.  L. 

31.  In  den  Studi  storici  XVII,  fasc.  2,  Pisa  1908, 
p.  283 — 288  wiederholt  und  erläutert  A.  Crivellucci, 
'Ancora  di  una  pretesa  opera  De  terminatione  provinciarum 
Italiae  del  secolo  VII.',  seine  Einwände  gegen  eine  Hypo- 

18* 


276  Nachrichten. 

these    von  Pascal    über    eine   Quelle    des   Paulus   dia- 
conus;  vgl.  N.  A.  XXXII,  519.  759,  n.  31.  259. 

B.  Schm. 

32.  Im  BoUettino  della  Sog.  Pavese  di  storia  patria 
IX  (1909),  120  macht  eine  anonyme  Besprechung  von 
S.  Hellmanns  Miscelle  'Desiderata'  (N.  A.  XXXIV,  208  f.) 
darauf  aufmerksam,  dass  schon  lange  vor  Pertz  das  Wort 
als  Eigennamen  angesehen  worden  ist.  Muratori  beruft 
sich  für  diese  Auffassung  (Annali  IV,  349)  bereits  auf  die 
Ansicht  älterer  Forscher.  R.  S. 

33.  In  der  Zeitschrift  für  christliche  Kunst  XXII, 
75  fE.  105  ff.  handelt  M.  Hasack  von  neuem  über  die 
Bestattung  Karls  des  Grossen.  Er  erhebt  die  alte 
Legende  von  dem  auf  dem  Thron  sitzend  bestatteten 
Kaiser  wieder  auf  den  Schild  und  meint  gelegentlich: 
'Gegner  des  Mittelalters  beschuldigen  die  Schriftsteller  und 
Urkundenschreiber  dann  sofort  der  Fälschung,  wenn  deren 
Aussagen  nicht  zu  ihrer  Ansicht  passen'.  H.  W. 

34.  Anknüpfend  an  den  Nachweis  von  J.  Schmidt, 
dass  unter  Chirihheim  der  Annales  Fuldenses  das 
badische  Kirchen  zu  verstehen  sei  (vgl.  N.  A.  XXXIII, 
559,  n.  189),  führt  P.  Wentzcke  aus,  dass  man  sich  das 
elsässische  Kirchheim  mit  Unrecht  als  Sitz  einer  Königs- 
pfalz gedacht  habe,  dass  aber  in  dem  etwa  1000  m.  von 
Kirchheim  entfernten  Marlenheim  eine  merowingisch-karo- 
lingische  Pfalz  bestanden  habe.  Dagegen  ist  Kirchheim 
als  Sitz  einer  Grafschaft  bis  zum  Ende  des  11.  Jh.  nach- 
weisbar (Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  des  Oberrheins  N.  F.  XXIV, 
18  ff.).  H.  H. 

35.  Aus  Hss.  der  Vitae  Heinrici  II.  imp.  et 
Kunegundis  druckte  G.  M.  Priest  in  den  Jahr- 
büchern der  Königl.  Akad.  gemeinnütziger  Wissenschaften 
zu  Erfurt  N.  F.  XXXIV,  197—214  eine  Bamberger  Visions- 
und Wundergeschichte  und  einen  Sermo  eines  Conradus 
magister  Patavicensis  auf  die  h.  Kunigunde.      O.  H,-E. 

36.  Den  anziehenden  und  belehrenden  Vortrag  'Nord- 
europa in  der  Vorstellung  Adams  von  Bremen',  den 
Hermann  K  r  a  b  b  o  auf  dem  internationalen  Historiker- 
kongress  1908  zu  Berlin  hielt,  hat  er  mit  zwei  Karten,  die 
Adams  Vorstellungen  veranschaulichen,  in  den  Hansischen 
Geschichtsblättern,  Jahrg.  1909,  I.  Heft,  S.  37  —  51  drucken 
lassen.  O.  H.-E. 


Nachrichten.  277 

37.  Dr.  Georg  Anton  W  e  b  e  r  setzt  sich  in  den  Stu- 
dien und  Mitteilungen,  Jahrg.  XXIX,  1  ff.  von  neuem  (vgl. 
N.  A.  XXXIV,  237)  mit  Endres  (vgl.  ebend.  XXXIII,  232) 
über  'das  angebliche  Grab  des  h.  Emmeram'  auseinander  und 
verteidigt  seine  Interpretation  der  von  den  Vertretern  der 
Mär  für  ihre  Zwecke  missbrauchten  Arnold- Stellen. 

B.  Kr. 

38.  Im  Bulletijn  der  maatschappij  van  Geschied-  en 
Oudheidkunde  te  Gent  1908,  S.  112—118  handelt  V.  Van- 
der  Haeghen  über  die  Bilder  in  der  Genter  Hs.  des 
Liber  floridus  des  Lambert  von  S  t.  -  0  m  e  r.     A.  H. 

39.  In  seiner  Schrift  'Italienische  Geschicht- 
schreiber des  XII.  und  XIII.  Jh.'  (Leipzig  1909)  gibt 
Bernhard  Seh m eidler,  ausser  allgemeiner  Charakteristik 
der  Geschichtschreibung  jener  Zeit,  Schilderungen  der  Art 
der  Geschichtschreiber  Acerbus  Morena,  Hugo  Falcandus, 
Godefrid  von  Viterbo,  Petrus  von  Ebulo,  auch  des  Par- 
mesen  Bernardus  Rolandi  de  Rubels,  der  als  Podestä  von 
Siena  dort  einen  Teil  des  Liber  memorialis  offensarum  ver- 
fasste,  ferner  des  lohannes  Codagnellus,  Sanzanome,  Eo- 
landin  von  Padua,  Thomas  von  Pavia,  Salimbene  und  Ricco- 
bald  von  Ferrara.  O.  H.-E. 

40.  Ferdinand  Chalandon,  Histoire  de  la  domi- 
nation  normande  en  Italic  et  en  Sicile,  Paris  1907,  gibt 
im  ersten  Bande  S.  V — LXIX  eine  nützliche  üebersicht 
über  die  Quellen  zur  Geschichte  Unteritaliens  und  Siziliens 
in  der  Zeit  der  Normannen.  W.  L. 

41.  In  den  Analecta  Bollandiana  XXVIII,  fasc.  3, 
272  —  280  gab  P.  Albert  Poncelet  eine  Studie  über  die 
Vita  Gumberti  fundatoris  monasterii  Ansbach,  in  der 
er  ausführt,  dass  deren  Verfasser  das  Diplom  Karls  des 
Grossen  für  Ansbach  und  die  älteste  Vita  Burchardi  episc. 
Wirziburg. ,  nicht  die  des  sogenannten  Egilward  benutzt 
habe,  die  Vita  Gumberti  scheine  vielmehr  Quelle  für  diese 
gewesen  zu  sein,  jene  würde  dann  spätestens  in  der  ersten 
Hälfte  des  12.  Jh.  verfasst  sein.  Das  aber  ist  doch  wohl 
recht  unsicher. 

Als  Beilage  zu  diesem  Heft  sind  die  ersten  Bogen 
eines  zweiten  Supplements  zum  Repertorium  hymnologicum 
von  Ulysse  Chevalier  gegeben,  das  in  den  folgenden 
Heften  fortgesetzt  werden  wird.  0.  H.-E. 

42.  In  einem  umfangreichen  Aufsatz,  'Zur  böhmischen 
Quellenkunde'    betitelt,   in   den  SB.    der  K.   böhm.  Gesell- 


278  Nachrichten. 

Schaft  der  Wissenschaften,  Jahrg.  1907  (Prag  1908),  be- 
schäftigt sich  V.  N  o  V  o  t  n  y  mit  dem  ersten  Fortsetze r 
des  C  o  s  m  a  s.  Es  handelt  sich  um  die  strittige  Frage 
nach  der  Persönlichkeit  dieses  Autors,  ob  er  ein  Prager 
oder  Wischehrader  Domherr  gewesen ,  erstere  Ansicht 
stammt  von  Palackj,  letztere  galt  vor  Palacky  bei  Dobner 
und  Dobrovskj  und  wurde  neuerdings  von  A.  Bach  mann 
in  den  Mitteil,  des  Inst.  f.  Oesterr.  Geschichtsf.  XXI,  220 
wieder  verteidigt.  Gegen  ihn  polemisierte  N.  schon  früher 
(s.  N.  A.  XXIX,  526,  n.  46)  kürzer,  ausführlich  hier.  Es 
ist  ihm  wichtiger  nachzuweisen,  dass  der  Continuator  kein 
Prager  Domherr  gewesen  sein  kann,  als  dass  er  ein 
Wischrader  gewesen  ist.  Eine  Reihe  von  eingestreuten 
Einzeluntersuchungen  sind  für  die  Quellenkunde  wichtig, 
besonders  die  über  die  Bestandteile  des  Werkes.     B.  B. 

43.  Mit  dem  Geschichtswerk  des  Klosters  Sazawa, 
der  Fortsetzung  des  Cosmas,  beschäftigt  sich  eine  ein- 
gehende Studie  von  A.  B  a  c  h  m  a  n  n  in  der  Zeitschrift 
des  deutschen  Vereins  für  die  Geschichte  Mährens  und 
Schlesiens  XIII  (1909),  25  ff.  Im  Gegensatz  zur  älteren 
(Palackj'schen)  Auffassung  von  der  Einheitlichkeit  des 
ganzen  Werkes,  der  im  wesentlichen  auch  V.  Novotny  (s. 
N.  A.  XXIX,  526,  n.  46)  beipflichtet,  vertritt  B.  wie  schon 
friiher  in  den  Mitteil,  des  Inst.  f.  Oesterr.  Geschichtsf. 
XXI,  229  ff.  so  auch  hier  die  Ansicht,  dass  das  gesamte 
Nachrichteumaterial  von  1012 — 1161  in  eine  Anzahl  selbst- 
ständiger Teile  zerfällt.  Ein  Sazawer  Mönch,  der  als  un- 
mittelbarer Zeitgenosse  nur  die  Zeitgeschichte  von  1157 — 
1161  geschrieben,  hat  die  verschiedenen  Notizen  und  Be- 
richte bis  1157,  wie  sie  vorlagen,  zusammengefügt  und  nur 
hier  und  dort  aus  eigenem  ergänzt.  Bei  einigen  Stücken 
glaubt  B.  auch  die  Nationalität  des  Autors,  ob  er  Deutscher 
oder  Slawe  gewesen,  feststellen  zu  können.  B.  B. 

44.  In  der  Collection  de  textes  pour  servir  ä  l'etude 
et  ä  l'enseignement  de  l'histoire  (Paris  1909)  ist  die  Chronique 
de  Morigny  (1095 — 1152)  von  Leon  M  i  r  o  t  herausgegeben. 
Diese  Historia  Mauriniacensis  monasterii,  wie 
G.  Waitz  sie  nannte,  hätte  als  ein  hoch  interessantes  und 
wichtiges  Werk  wohl  verdient  recht  gut  herausgegeben  zu 
werden,  leider  ist  ihr  das  nicht  beschieden  worden.  Die 
Ausgaben  dieser  Sammlung  werden  meist  von  jüngeren 
Kräften  gemacht,  die  sich  an  ähnlichen  Arbeiten  noch  nicht 
versucht  haben ;  eine  erfahrene  Leitung,  die  die  Manuscripte 
und  die  Korrekturbogen  wirklich  durchprüft,  existiert  nicht. 


Nachrichten.  279 

Die  natürliche  Folge  ist,  dass  von  Anwendung  einheitlicher 
Grundsätze  der  Editionstechnik  nicht  die  Rede  ist,  dass 
manche  dieser  Arbeiten  auch  hinter  den  bescheidensten 
Anforderungen  zurückbleiben. 

Dieses  Werk  ist  (unvollständig,  es  fehlt  der  erste  Teil 
des  ersten  Buches  nach  der  Vorrede)  in  nur  einer  Vati- 
kanischen Hs.,  die  vor  kurzer  Zeit  noch  für  verloren  galt 
und  angeblich  noch  dem  12.  Jh.(?)  angehören  soll,  erhalten. 
Dem  Herausgeber  hat  es  nun  gefallen,  den  Text  nicht  zu 
bearbeiten,  sondern  die,  wie  es  scheint,  nicht  schlechte,  aber 
doch  nicht  selten  fehlerhafte  Hs.  einfach  abzuklatschen, 
indem  er  fehlende  oder  überflüssige  Buchstaben  in  ver- 
schiedene Klammern  schliesst  oder  höchstens  einmal  ein 
'sie'  hinter  unmögliche  Lesarten  setzt,  sonst  sich  um  die 
Emendation  seines  Textes  oder  überhaupt  um  ihn,  wenn 
er  auch  sinnlos  ist,  nicht  kümmert.  Aber  die  Hs.  kann 
an  sehr  zahlreichen  Stellen  unmöglich  das  haben,  was  in 
der  Ausgabe  steht.  Das  kommt  sicher  zunächst  daher,  dass 
ganz  unglaublich  viele  Druckfehler  stehen  geblieben  sind, 
aber  was  Druckfehler,  was  Lesefehler,  was  Fehler  der  Hs. 
ist,  kann  man  meist  nicht  ersehen,  da  der  Herausgeber 
sich  um  Sinn  oder  Unsinn  seines  Textes,  den  er  offenbar 
oft  nicht  verstanden  hat,  eben  nicht  kümmert.  Nahezu 
100  Stellen  habe  ich  mir  bei  flüchtiger  Durchsicht  der 
86  Textseiten  angemerkt,  an  denen  entweder  sicher  Fehler 
vorliegen,  oder  die  doch  anstössig  sind.  Wie  weit  die  Sorg- 
losigkeit —  um  dieses  milde  Wort  zu  gebrauchen  —  des 
Editors  geht,  mögen  zwei  derselben  Seite  entnommene  Bei- 
spiele zeigen.  S.  44  liest  man:  'sed,  nostra  non  negligentia, 
sed  inopia  peperit.  Huc  reatum',  es  muss  heissen:  'sed 
nostra  non  neglig.,  sed  in.  peperit  hunc  reatum',  wie  auch 
Duchesnes  Ausgabe  hat.  Der  folgende  Satz  lautet  bei  M.: 
'Nee  vero  diu  boni  hujus  dilatio  vestram  rudescat  in 
iram,  vim  mihi  facio'.  Es  muss  zunächst  heissen  'Ne  vero', 
für  'rudescat',  was  kein  Wort  ist,  ist  wohl  mit  Duchesne 
'crudescat'  (oder  'durescat?  recrudescat'?)  zu  lesen.  Denn 
das  ist  das  sonderbarste,  dass  Duchesne  au  sehr  vielen,  ja 
den  meisten  Stellen  das  richtige  hat,  wo  in  der  neuen 
Ausgabe  Unsinn  steht,  sei  es,  dass  er  richtig  emendiert 
hat,  oder  dass  die  Hs.  so  hat;  z.  B.  S.  39  Duchesne  richtig: 
'vel  illud  amiserant'  für  'velut  illud  admiserant'  oder  S.  45 
jener  richtig:  'seducendi  nactus  occasionem',  Mirot  un- 
sinnig 'se  ducendi  in  actus  occas.'.  Auf  S.  41  stehen  5 
solche  grobe  Fehler  wie  'promitteret'  statt  'permitteret', 
'enim'    für   'eum'  u.  s.  w.,    wo    Duchesne    stets   die  richtige 


280  Nachrichten. 

Lesart  hat.  S.  51  Z.  2  sind  die  Worte  'a  quibusdam  anti- 
cristus',  die  sinnstörend  in  den  Text  geraten  sind,  wahr- 
scheinlich aus  Randglosse  zu  dem  gleich  darauf  folgenden 
'a  quibusdam  anticristi  preambulus  appellabatur',  ohne  Be- 
merkung im  Text  stehen  gelassen,  obgleich  sie  SS.  XXVI 
in  den  Exzerpten  aus  diesem  Werk  herausgeworfen  sind. 
Wie  ist  es  möglich,  dass  ein  Herausgeber  solchen  Unsinn 
druckt,  ohne  ein  Wort  dazu  zu  bemerken,  obwohl  die  frü- 
heren Ausgaben  das  richtige  bieten?  Diese  Beispiele  ge- 
nügen. Ein  solcher  Editor  kann  natürlich  nicht  bemerken, 
dass  S.  45  mindestens  ein  Satz  ausgefallen  sein  muss.  Die 
Interpunktion  ist  im  Grossen  und  Ganzen  die  bei  den  ro- 
manischen Völkern  gewöhnliche,  die  ich  für  verkehrt  halte, 
aber  dazu  nicht  nur  inkonsequent,  sondern  oft  genug  im 
höchsten  Grade  sinnstörend.  Bibelstellen  sind  meist  an- 
gemerkt, wo  sie  als  Zitat  auftreten,  für  das  richtige  Ver- 
ständnis des  Textes  hätten  sehr  viel  mehr  angeführt  werden 
müssen,  ich  habe  mir  etwa  40  angemerkt,  die  mir  beim 
Lesen  auffielen,  ohne  dass  ich  danach  suchte.  Hätte  der 
Herausgeber  zu  S.  10  Z.  2.  3  den  Vers  Ps.  80,  3  angemerkt, 
so  hätte  er  wohl  auch  nicht  einen  Druckfehler  wie  'palmum' 
statt  'psalmum'  stehen  lassen.  Die  Ausgabe  ist  völlig  ver- 
fehlt, man  kann  sie  ohne  die  Duchesnes  nicht  sicher  be- 
nutzen. O.  H.-E. 

45.  In  einer  Anzeige  von  H.  Blochs  'Elsässischen 
Annalen  der  Stauferzeit'  (vgl.  N.  A.  XXXIV,  245  fP.,  n.  51) 
erklärt  K.  H  a  m  p  e  (Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins 
N.  F.  XXIV,  349  ff.)  richtig  den  Ausdruck  'höberch'  in  den 
Ann.  Marbac.  S.  88  als  Appellativum,  nicht  als  Nomen 
proprium.  Er  bespricht  weiter  in  anregender  Weise  die 
Bilder  zur  Chronik  Ottos  von  Ereising  in  der  Jenaer 
Hs.,  deren  Untersuchung  durch  E.  Polaczek  (bei  Bloch 
a.  a.  O.)  nicht  abschliessend  ist.  Bloch  wollte  ihren  Ur- 
sprung am  liebsten  in  Hohenburg  auf  dem  Odilienberge 
suchen,  H.  dagegen  möchte  sie  auf  die  Initiative  Ottos 
selber  zurückführen,  der  mit  ihnen  das  dem  Kaiser  Fried- 
rich I.  überreichte  Exemplar  habe  schmücken  lassen  und 
selber  dazu  die  metrischen  Umschriften  verfasst  habe.  Sie 
wären  danach  in  der  Jenaer  Hs.  nicht  original,  sondern 
hätten  sich  bereits  in  deren  Vorlage  befunden.  So  an- 
sprechend auch  diese  Annahme  ist,  so  ist  doch  nicht 
zu  verkennen,  dass  sich  für  sie  zwingende  Gründe  nicht 
beibringen  lassen.  H.  erläutert  richtig  die  von  Polaczek 
missverstandenen  Bilder  auf  Tafel  X  unten  und  Tafel  XI 


Nachrichten.  281 

unten.  Was  die  Verse  auf  Tafel  XI  mehr  bieten  als  der 
Text  Ottos  Chr.  VII,  27,  lässt  sich  wohl  als  dem  Zu- 
sammenhang entnommene  Ausschmückung  verstehen.  Zu 
der  Anspielung  auf  die  Synode  von  Salerno  1084  auf 
Tafel  X  ist  auf  Ottos  G.  Fr.  I,  2  zu  verweisen,  ohne  dass 
man  auf  den  von  Otto  in  der  Chronik,  soweit  zu  sehen, 
nicht  benutzten  Bernold  zurückzugreifen  braucht.  Mit 
Bloch  ist  daran  festzuhalten,  dass  man  gerade  in  Hohen- 
burg  sich  so  gut  mit  Ottos  geschichtsphilosophischen  An- 
schauungen vertraut  gemacht  hatte,  um  die  von  H.  mit 
ßecht  als  überaus  passend  und  planmässig  gerühmte  Aus- 
wahl der  Bilder  treffen  zu  können.  In  Hohenburg  kannte 
man  sicher  auch  die  Gesta  Friderici  (und  zwar,  wie  eine 
Neuvergleichung  der  Hs.  ergab,  sicherlich  in  der  Mar- 
bacher,  heute  in  Paris  befindlichen  Hs.).  Andererseits 
fällt  die  falsche  Stellung  des  Verses  'Devovet  expulsus 
clerum  cum  rege  furente'  auf  Tafel  X  unten  auf,  der  irrig 
statt  zu  der  iinteren  zu  der  oberen  Bildhälfte  geraten  ist. 
Es  ist  also  die  ganze  Darstellung  mit  den  Versen  in  der 
Jenaer  Hs.  nur  Kopie,  —  wenn  Zeichner,  Schreiber  und 
Dichter  dieselbe  Person  sind.  Verneint  man  aber  das  letz- 
tere, so  bleibt  es  möglich,  die  Bilder  und  Verse  erst  zu- 
sammen in  unserer  Hs.  im  Elsass  entstehen  zu  lassen. 
Ergänzend  sei  bemerkt,  dass  auch  der  Name  des  Paris 
(Tafel  III  oben)  im  Texte  Ottos  nicht  vorkommt,  bei  dem 
wir  ebensowenig  die  Worte  'Odoacer  .  .  .  sternit  cum 
plebe  senatum'  (Tafel  VIII  oben)  ausdrücklich  wiederfinden. 
In  der  Erläiiterung  Polaczeks  S.  206  fehlt  von  Tafel  X 
unten  (Tod  Gregors  VII.)  der  Vers  'Hie  exul  legi  paret 
mutabilis  evi'.  A.  H. 

46.  Mit  der  Chronologie  der  4  oder  5  Reisen  des 
Theoderich  vom  Elsass ,  Grafen  von  Flandern 
(t  1168)  ins  Heilige  Land  beschäftigt  sich  H.  Coppieters 
Stochove  im  Bulletijn  der  maatschappij  van  Geschied- 
en Oudheidk.  te  Gent  1908,  S.  159—163.  A.  H. 

47.  In  den  Annalen  des  histor.  Vereins  für  den 
Niederrhein  86.  Heft,  S.  1—59  (Köln  1908)  hat  Albert 
Huyskens  nach  der  bis  vor  kurzem  einzig  bekannten 
Nordkirchener  Hs.  des  Caesarius  von  Heisterbach 
Vita  S.  Elisabeth  und  Sermo  de  translatione  b.  Elisabeth 
herausgegeben.  Kürzlich  hat  K.  Wenck  jedoch  noch  (N.  A. 
XXXIV,  439  f.,  N.  2)  Fragmente  der  Vita  in  zwei  anderen 
Hss.  nachgewiesen.  Zwar  sind  diese  Schriften,  abgesehen 
von  den  schon  früher  bekannten  Stellen,  von  sehr  geringem 


282  Nachrichten.  ' 

Wert,  aber  sie  verdienten  doch  einmal  vollständig  heraus- 
gegeben zu  werden.  Die  MG.  besitzen  von  den  beiden 
Schriften  eine  sehr  gute,  zweirnal  revidierte,  Abschrift  der 
sehr  leicht  lesbaren  Nordkirchener  Hs.,  daher  bin  ich  in 
der  Lage,  die  Zuverlässigkeit  der  Ausgabe  nachzuprüfen. 
Also  habe  ich  einige  Stichproben  gemacht,  deren  Ergebnis 
nicht  gerade  günstig  ist.  Wenn  ich  dabei  von  ortho- 
graphischen Varianten,  die  meist  aus  verschiedener  —  hier 
nicht  immer  richtiger  —  Auflösung  von  Abkürzungen  hervor- 
gehen, absehe,  so  sind  andere  Lesefehler  doch  nicht  selten. 
Ist  'sanctissimum'  —  für  'sacratissimum'  —  'corpus'  S.  18 
noch  nicht  so  schlimm,  so  sollte  dem  Herausgeber  doch 
aufgefallen  sein,  dass  S.  20  'Nam  domini  operibus  minime 
.  .  .  ipsa  saturavit'  keinen  Sinn  ergibt,  die  Hs.  hat  'Nam 
dm  oper.  mie  .  .  .  ipsa  sat.'.  Es  ist  klar,  dass  für  'dni' 
'dm  (deum)  zu  verbessern  ist,  und  dass  'mie  =  misericordie' 
ist,  sollte  jeder,  der  sich  an  Ausgaben  heranmacht,  doch 
wissen.  Zwei  Zeilen  danach  fehlen  die  Worte  'vestitum 
et'  nach  'victum'.  Nicht  hübsch  ist  auch  S.  27  'quinque' 
für  'qnq5  =  quandoque'  und  S.  53  'quoniam'  für  'qn  =  quando'. 
S.  32  Z.  6  fehlt  'Caritas',  das  in  der  Hs.  steht,  vor  'paciens'. 
Zwei  recht  sinustörende  Fehler  muss  ich,  indem  ich 
andere  übergehe,  doch  noch  erwähnen:  S.  46  liest  mau: 
'Habebat  autem  cum  paciencia  sapientiam,  paciencie  fra- 
trem  non  ignorans'.  Solch  Unsinn  steht  doch  nicht  in 
der  Hs.,  sondern  'fcrm'  oder  'firm',  es  dürfte  'fructum'  mit 
Rücksicht  auf  Luc.  8,  15  zu  lesen  sein.  Drei  Zeilen  weiter 
steht  da:  'Recitavit  adhuc  alia  de  iam  dicta  Yrmengarde', 
aber  die  Hs.  hat  richtig  'Yrmengardis'  (oder  'Yrmeugard  "  ?), 
das  'de'  ist  als  unsinnig  zu  streichen.  Oft  merkt  H.  in 
den  Noten  angebliche  Fehler  der  Hs.  an,  die  diese  nicht 
hat,  umgekehrt  hat  sie  manche  Fehler,  die  nicht  angegeben 
sind.  Korrekturen  und  Rasuren  der  Hs.  sind  garnicht  be- 
achtet, obwohl  sie  zuweilen  für  die  richtige  Lesart  von 
entscheidender  Wichtigkeit  sind.  Ganz  unglücklich  ist  der 
Herausgeber  mit  seinen  Besserungen,  er  verdirbt  nicht 
selten  die  richtigen  Lesarten  der  Hs.,  so  gleich  auf  der 
ersten  Textseite  schreibt  er  falsch  'perpetuaretur  .  .  .  la- 
beretur'  für  'perpetuarentur  .  .  .  laberentur'  der  Hs.  S.  52 
schreibt  er  das  unmögliche  'Davidicum'  für  das  richtige 
'Daviticum'  und  'Legitur  in  vitis  patrum  quendam  .  .  .  fuisse' 
statt  'Leg.  in  Vitas  patrum  quidam  ...  f.'  der  Hs.,  denn  so 
heisst  das  Buch,  das  wir  'Vitae  patrum'  nennen,  im  Mittel- 
alter nun  einmal  (indeklinabel).  Solche  Dinge  muss  man 
wissen,  wenn  man  Ausgaben  machen  will.     Aber  gar  zahl- 


Nachrichten.  283 

reich  sind  krasse  Fehler  der  Hs.,  die  der  Herausgeber, 
ohne  Anstoss  daran  zu  nehmen,  aufgenommen  hat,  wie  wir 
auch  schon  an  oben  angeführten  Stellen  sahen.  S.  19:  'Filie 
sicut  in  forma  ita  et  m  o  t  i  b  u  s  sepe  matrisant'  geht 
nicht  an,  sondern  man  muss  'moribus'  schreiben.  S.  22 : 
'In  qua  vita  quantum  p  e  r  f  e  c  e  r  i  t'  geht  wirklich  nicht, 
man  muss  'profecerit'  lesen.  S.  24 :  'Huius  concilio' 
auch  nicht,  aber  'consilio'  ist  richtig.  Kann  man  wirklich 
(S.  37)  schreiben:  'ubi  proximis  sie  diligitur'?  Ganz 
schlimm  ist  S.  25  Z.  4  'parcere  n  o  1  u  i  t'  für  'voluit'  und 
S.  51  'N  o  1  e  n  s  pius  dominus'  für  'Volens'  u.  s.  w.  Ueberall 
habe  ich  nur  einige  Beispiele  angeführt.  Der  Herausgeber 
hat  doch  wohl  seinen  Text  nicht  überall  verstanden,  wenn 
er  solche  Fehler  stehen  lässt,  daher  ist  auch  die  Inter- 
punktion zuweilen  verkehrt.  Kurz ,  die  Ausgabe  hätte 
schon  viel  besser  sein  müssen,  ehe  sie  hätte  gut  genannt 
werden  können.  Dass  keine  Kapitelzählung  bei  der  Aus- 
gabe eingeführt  ist,  wurde  mit  Recht  schon  von  anderen 
getadelt.  O.  H.-E. 

48.  Im  Archivum  Franciscanum  historicum  t.  II,  fasc.  1, 
p.  1 — 16  beweist  P.  Michael  Bihl,  dass  das  erste  General- 
kapitel der  Minoriten  zu  Padua  im  J.  1276,  nicht  1277, 
wie  die  allgemeine  Ansicht  war,  gehalten  wurde.  —  P.  Dr. 
Ephrem  Baum  gart  ner  zeigt,  dass  das  Kapitel  über 
den  h.  Franciscus  in  der  Legenda  Aurea  des  Jakob  de 
Varagine  (d.  h.  von  Varazze,  nicht  'de  Voragine')  aus 
der  zweiten  Yita  des  Thomas  von  Celano  und  dessen  Le- 
genda in  usum  chori  zusammengesetzt  ist.  Uebrigens  ist 
die  Leg.  Aurea  keineswegs  zwischen  1247  und  1264,  wie  P.  B. 
meint,  sondern  sicher  nach  1250,  vor  1272  verfasst.  — 
P.  Hieronymus  Golu  bovich  gab  die  Akten  des  zu 
Bologna  1289  abgehaltenen  Generalkapitels  des  Terziarier- 
ordens  des  h.  Franz,  über  den  so  wenige  Quellen  existieren, 
heraus.  —  P.  Leonard  L  e  m  m  e  n  s  publizierte  kurze  Ex- 
zerpte aus  einem  Liber  miraculorum  et  visionum,  der  um 
1300  in  der  sächsischen  Minoritenprovinz  von  einem  Mino- 
riten verfasst  ist  und  einige  Mitteilungen  über  eine  An- 
zahl von  Brüdern  enthält.  —  Dr.  Fr.  Bliemetzrieder 
beschliesst  seine  schon  im  vierten  Heft  des  I.  Bandes  be- 
gonnene Ausgabe  des  Traktates  über  das  grosse  abend- 
ländische Schisma  von  Br.  Nikolaus  de  Fakenham, 
Provinzialminister  der  Minoriten  in  England;  auch  P.  Kon- 
rad E  u  b  e  1  gab  Fortsetzung  und  Schluss  seiner  Mittei- 
lungen über  Papstbriefe  im  Archiv  von  Assisi  (Nikolaus  III. 


284  Nachrichten. 

bis  Innocenz  XII. ;  vgl.  N.  A.  XXXIV,  556  f.,  n.  290).  — 
Im  zweiten  Heft  desselben  Bandes  S.  242  —  268  gah  P. 
Diodorus  Henniges  eine  noch  unbekannte  Vita  Eli- 
sabeth landgraviae  aus  einer  Zwettler ,  wahrscheinlich 
der  Original -Hs.,  heraus,  die  von  einem  Cistercienser  vor 
1237  verfasst  ist.  Sie  ist  zum  grössten  Teil  aus  den  Dicta 
quatuor  ancillarum  entlehnt,  daher  von  nicht  bedeutendem 
Quellenwert,  aber  doch  von  Interesse.  —  Im  ersten  und 
zweiten  Heft  des  II.  Bandes  wurde  die  Ausgabe  des  Com- 
pendium  chronicorum  von  Marianus  de  Flore  ntia 
fortgesetzt  und  P.  Athanasius  Lopez  setzte  seine  Be- 
schreibung von  Minoriten  -  Hss.  der  Bibl.  Riccardiana  zu 
Florenz  fort,  deren  erste  Teile  schon  im  I.  und  III.  Heft 
des  ersten  Bandes  erschienen  waren.  O.  H.-E. 

49.  Zur  Geschichte  des  Minor itenordens  veröffent- 
licht F.  T  o  c  c  o  in  den  Rendiconti  della  R.  Accademia  dei 
lincei.  Gl.  di  scienze  morali  .  .  serie  V,  vol.  XVII,  p.  3 
— 32.  97—131.  221—236:  Le  prime  due  tribolazioni  dell' 
ordine  de'  Minori,  die  Einleitung  (legenda  antiqua)  und 
beiden  ersten  Teile  der  C  r o  n  a  c  a  delle  tribolazioni, 
zum  Teil  nach  neuen,  bisher  nicht  benutzten  Hss.  Eben- 
dort  S.  299 — 328  gibt  derselbe  Verf.  'Sul  valore  della  cro- 
naca  delle  tribolazioni'  historische  Erläuterungen  und  Er- 
örterungen über  die  Glaubwürdigkeit  der  Quelle. 

B.  Schm. 

50.  In  einem  Aufsatz  'Zur  Kritik  der  Schriften  des 
Jordanus  von  Osnabrück'  in  den  Mitteil,  des  Inst, 
f.  Oesterreich.  Geschichtsf.  XXX,  1,  102  —  119  tritt  Wil- 
helm Mulder  wieder  dafür  ein,  dass  Jordanus  der  Ver- 
fasser des  Pavo  und  der  Notitia  sei,  und  bringt  dafür  in 
der  Tat  beachtenswerte  Gründe  vor.  Er  meint,  der  Pavo 
sei  allerdings  kurz  nach  dem  Konzil  von  1245  geschrieben, 
aber  erst  nach  1282  publiziert  worden,  was  nicht  gerade 
recht  wahrscheinlich  gefunden  werden  wird.  Mit  mehr 
Glück  verficht  er  auch  wieder  die  Meinung  von  G.  Waitz, 
dass  der  zweite  Teil  der  Vorrede  zum  Traktat  de  preroga- 
tiva  Romani  imperii  vom  Kardinal  Jakob  Colonna  ge- 
schrieben sei.  O.  H.-E. 

51.  Einem  längeren  Aufsatz  von  C.  Capasso:  'La 
signoria  Viscontea  e  la  lotta  politico  -  religiosa  con  il  pa- 
pato  nella  prima  metä  del  secolo  XIV.'  ist  der  Abdruck 
einer  Verteidigungsschrift  des  Albericus  de  Rosciate 
für  die  Visconti  und  einer  Absolutionsurkunde  Innocenz' VI. 


Nachrichten.  285 

von    1353    beigegeben   (Bollettino   della   Societä  Pavese    di 
storia  patria  VIII  [1908]  265—317.  408—454).  E.  S. 

52.  Von  der  neuen  Ausgabe  von  Muratoris  Rerum 
Italicarum  Scriptores  sind  folgende  Hefte  schon  früher  be- 
gonnener Ausgaben  erschienen :  fasc.  63  =  Heft  3  von  I  o  - 
hannis  Burckardi  Liber  notarum  (vgl.  N.  A.  XXXIII, 
243  f.,  n.  50),  fasc.  64  =  Heft  2  von  Matthaei  Palmerii 
Liber  de  temporibus  (vgl.  N.  A.  XXXII,  537,  n.  76),  fasc.  65 
=  Heft  4  von  Corpus  chronicorum  Bononiensium 
(reicht  erst  bis  815;  vgl.  N.  A.  XXXIV,  251,  n.  60),  fasc.  67 
=  Heft  2  vom  Diario  Romano  des  Gaspare  Pontani, 
fasc.  70  =  Heft  3  von  Dominici  de  Gravi  na  Chro- 
nicon  de  rebus  in  Apulia  gestis  (vgl.  N.  A.  XXIX,  518,  n.  25). 
Diese  Ausgabe  ist  damit  beendigt.  O.  H.-E. 

53.  In  der  Collection  de  textes  pour  servir  ä  l'etude 
et  ii  l'enseignement  de  l'histoire  ist  die  erste  kritische  Aus- 
gabe des  berühmten  im  J.  1329  geschriebenen  und  bis  ins 
16.  Jh.  viel  benutzten  Werkes  'Stilus  curie  parlamenti'  des 
Guillaume  deBreuil  (de  Brolio)  bearbeitet  von  Felix 
A  u  b  e  r  t  (Paris  1909)  erschienen.  Es  ist  hier  eine  be- 
deutende Arbeit  geleistet,  22  Hss.  sind  benutzt,  über  deren 
Klassifikation  in  der  Vorrede  berichtet  ist,  und  man  muss 
die  Ausgabe  als  eine  immerhin  ansehnliche  Leistung  an- 
erkennen, in  der  die  zahllosen  Varianten  und  Zusätze  der 
Hss.  angegeben  sind.  Aber  man  merkt  auch  hier,  dass  der 
Herausgeber  in  der  Editionstechnik  noch  ungeübt  war,  und 
dieser  Mangel  macht  sich  bei  einer  so  schwierigen  Aufgabe 
besonders  geltend:  die  Varianten  sind  oft  zu  ungeschickt 
redigiert,  so  dass  man  über  die  wirklichen  Lesarten  der 
Hss.  nicht  selten  im  Zweifel  bleibt,  der  Hss. -Stammbaum 
hätte  noch  stärker  und  schärfer  gegliedert  werden  müssen, 
um  dem  Herausgeber  die  sichere  Erkenntnis  der  Textlesart 
zu  ermöglichen,  dem  Benutzer  die  Kontrolle  zu  erleichtern, 
und  manches,  worauf  ich  nicht  weiter  eingehe,  wäre  noch 
zu  wünschen  gewesen,  um  die  Ausgabe  zu  einer  wirklich 
guten  zu  machen,  indessen  ist  durch  sie  dem,  der  sich  mit 
französischer  Rechtsgeschichte  beschäftigt,  wenigstens  die 
Möglichkeit  geboten,  dieses  Werk  mit  einiger  Sicherheit  zu 
benutzen.  O.  H.-E. 

54.  Von  der  neuen  Ausgabe  von  Muratoris  Rerum 
Italicarum  SS.  ist  als  fasc.  68,  t.  XVII,  parte  I,  das  erste 
Heft  erschienen  von  Galeazzo  e  Bartolomeo  Ga- 
t  a  r  i ,    Cronaca  Carrarese   confrontata  con  la  redazione  di 


286  Nachrichten. 

Andrea  Gatari  a.  1318 — 1407,  bearbeitet  von  Antonio 
M  e  d  i  n  und  Gnido  T  o  1  o  m  e  i.  Im  wesentlichen  den- 
selben Text  hatte  Muratori  herausgeg-eben  als  Chronicon 
Patavinum  Italica  lingua  conscriptnm  ab  a.  1311  nsque  ad 
a.  1406  auctore  Andrea  de  Gataris.  Adnectitnr  eadeni 
historia  qiialis  scripta  fuit  a  Galeatio  Gataro  Andreae  patre. 
Die  Vorrede  der  neuen  Ausgabe  erscheint  erst  später,  so 
dass  man  über  das  Verhältnis  dieser  zu  der  Muratoris  noch 
nicht  genügendes  sagen  kann.  O.  H.-E. 

55.  Das  zweite  Heft  der  Quellen  und  Forschungen 
zur  Geschichte  des  Dominikanerordens  bringt  die  ersten 
drei  Bücher  von  des  Baseler  P.  Johannes  Meyer 
Buch  der  Reformacio  Predigerordens  herausg.  von  Bene- 
dictus  Maria  Reichert  nebst  der  Vorrede.  Die  letzten 
beiden  Bücher  (bis  1408)  sind  schon  in  dem  1908  aus- 
gegebenen III.  Heft  enthalten.  Die  Ausgabe  ist  nach  einer 
schon  1474  gefertigten  Abschrift  gemacht,  die  dem  bischöf- 
lichen Ordinariat  in  St.  Gallen  gehört.  Es  existiert  aber 
noch  eine  andere,  ebenso  alte  Hs.  in  Cheltenham,  von  der 
der  Herausgeber  wohl  Kenntnis  hatte,  die  aber  nicht 
herangezogen  ist.  Das  würde  bedauerlich  sein,  wenn  sich 
nicht  etwa  herausstellte,  dass  die  Cheltenhamer  Abschrift 
der  andern  Hs.  sei,  was  möglich  ist,  da  beide  Hss.  die- 
selbe Lücke  haben.  O.  H.-E. 

56.  Paul  Lehmann  fand  in  der  Münchener  Hof- 
und  Staatsbibliothek  zwei  Blätter  mit  zusammenhangslosen 
Aufzeichnungen  in  lateinischer,  deutscher  und  italienischer 
Sprache,  die  er  in  den  SB.  der  Münchener  Akademie, 
Philos.-philol.  u.  histor.  Kl.  1909,  5.  Abh.  herausgab  und 
erläuterte.  Mit  Hülfe  von  zwei  Berliner  Hss.,  die  von  dem 
Schreiber  jener  Aufzeichnungen  geschrieben  sind,  ermittelte 
er,  dass  diese  von  einem  Münchener  Arzte  S  i  g  m  u  n  d 
Gotskircher  Walch  (d.  i.  der  Welsche)  herrühren,  der 
1475  gestorben  ist.  Mit  grossem  Fleiss  und  Scharfsinn 
gelingt  es  ihm,  viel  über  den  Lebenslauf  dieses  Mannes, 
der  eine  bedeutende  Stellung  einnahm  und  Beziehungen 
zu  mehreren  Fürsten  hatte,  zusammenzutragen  und  zu 
ermitteln.  O.  H.-E. 

57.  Als  I.  Band  der  vom  Verein  für  Mecklenburgische 
Geschichte  und  Altertumskunde  herausgegebenen  'Mecklen- 
burgischen Geschichtsquellen'  hat  Friedrich  Techen  'die 
Chroniken  des  Klosters  ßibnitz'  bearbeitet  (Schwerin  1909). 
Den  Kern  bildet  die  1523 — 1532   verfasste   niederdeutsche 


Nachrichten.  287 

Chronik  des  Franziskaners  Lambert  Slaggert,  der  Beicht- 
vater der  ßibnitzer  Nonnen  der  hl.  Clara  war.  Sie  ent- 
hält wichtige  Nachrichten  über  das  mecklenburgische 
Fürstenhans  seit  der  Gründung  des  Klosters  durch  Hein- 
rich II.  den  Löwen  im  J.  1324;  bisher  war  nur  ein  kleiner 
Teil,  die  Jahre  1522  —  27,  gedruckt.  Angeschlossen  sind 
eine  Anzahl  kleinerer  Aufzeichnungen  verschiedenen  Inhalts. 
Eine  lateinische  Chronik,  die  nur  in  einem  Druck  des 
18.  Jh.  (bei  Westphalen  Mon.  ined.  IV)  überliefert  ist  und 
dort  bis  1538  reicht,  eröffnet  den  Band.  In  ihr  sieht 
Techen  die  Hauptquelle  für  Slaggerts  Arbeit,  während  sie 
bisher  als  eine  moderne  Uebersetzung  und  üeberarbeitung 
davon  galt.  In  der  trefflichen  Einleitung  und  in  den  An- 
merkungen macht  er  auf  die  Stellen  aufmerksam ,  die 
für  die  Beurteilung  dieser  Frage  in  Betracht  kommen. 
Dem  Benutzer  wäre  viel  Mühe  erspart  worden,  wenn  die 
übereinstimmenden  und  die  abweichenden  Partieen  i  m 
Text  durch  verschiedene  Tyj)en  bezeichnet  worden  wären. 
Auch  bei  den  anderen  Quellen  Slaggerts  hat  Techen  leider 
auf  dieses  einfache  und  bequeme  Hülfsmittel  verzichtet. 
Es  ist  dringend  zu  wünschen,  dass  der  Verein  bei  der  neuen 
Ausgabe  von  Kirchbergs  Reimchronik  deren  Bearbeiter 
veranlasst,  hierin  sich  das  von  den  Monumenta  Germaniae 
historica  mit  so  grossem  Erfolge  angewandte  Verfahren  7a\ 
eigen  zu  machen.  Doch  ist  darum  die  von  guten  sach- 
lichen Anmerkungen  begleitete  und  mit  ausführlichem 
Register  und  Glossar  versehene  Ausgabe  Techens  nicht 
weniger  mit  Freuden  zu  begrüssen.  Der  Text  ist  sehr 
sorgfältig  und  bei  Slaggert  in  engem  Anschluss  an  die 
stark  vermoderte  Originalhs.  nach  kritischen  Grundsätzen 
hergestellt  worden.  Die  Worte  'Experto  crede  reperto'  auf 
S.  154  Z.  21  spielen  auf  Antonius  de  Arena  Ad  com- 
pagnones,  Vers  3  des  consilium  pro  dansatoribus  an  (vgl. 
Büchmann,  Geflügelte  Worte,  23.  Aufl.,  S.  401);  statt 
'reperto'  des  Drucks  ist  'Roperto'  zu  lesen,  wie  auch,  nach 
Techens  freundlicher  Mitteilung,  in  der  Hs.  steht.     A.  H. 

58.  Prof.  Dr.  R.  J  e  c  h  t ,  Quellen  zur  Geschichte 
der  Stadt  Görlitz  bis  1600,  Görlitz  1909,  der  verdiente 
Görlitzer  Stadtarchivar,  legt  als  Frucht  seiner  langjährigen 
Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Görlitzer  Geschichte  eine 
systematische  üebersicht  über  die  Quellen  unter  kritischer 
Würdigung  ihres  Wertes  vor,  beschreibt  die  Hss.  sorgfältig 
und  geht  z.  T.  auch  auf  den  Inhalt  im  Einzelnen  ein  unter 
Mitteilung  allerhand  merkwürdiger, bisher  unbekannterNach- 


288  Nachrichten. 

richten,  gibt  auch  überall  die  notwendigen  Literaturnach- 
weise und  sehr  dankenswerte  Fingerzeige  über  noch  rück- 
ständige Arbeiten,  so  dass  mit  Hülfe  dieses  zuverlässigen  Weg- 
weisers sich  jetzt  jeder  in  dem  reichen  historischen  Material 
der  Stadt  leicht  orientieren  kann.  Nach  einer  kurzen 
Beschreibung  des  Eatsarchivs,  der  Milichschen  Bibliothek 
und  der  Sammlungen  der  Oberlausitzischen  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  behandelt  er  die  mit  1282  beginnende 
ürkundensammlung  und  die  Urkundenbücher  des  Rats- 
archivs u.  s.  w.,  die  Stadtbücher  (seit  1305)  über  den  Im- 
mobiliarverkehr ,  die  Hjpothekenbücher  (seit  1384)  und 
die  übrigen  beim  Rat  in  seiner  Eigenschaft  als  Stadt- 
gericht und  als  Verwaltungsobrigkeit  entstandenen  Bücher- 
reihen, vor  allem  die  Ratsrechnungen  (seit  1375),  die  in 
ihrer  Ausführlichkeit  zugleich  chronikalische  Bedeutung 
haben  und  unter  den  unmittelbaren  Quellen  der  Görlitzer 
Stadtgeschichte  die  erste  Stelle  einnehmen.  Er  geht  die 
mit  dem  15.  Jh.  einsetzende  Unmasse  von  Stadtchroniken 
einzeln  durch,  untersucht  die  Autorschaft  der  alten  Rats- 
annalen  (seit  Ende  des  15.  Jh.)  und  hebt  die  Bedeutung 
der  Fortsetzung  des  Stadtschreibers  Johann  Hass  hervor, 
unter  dem  die  Aunalistik  ihren  Höhepunkt  erreichte.  Aus 
dem  reichen  Inhalt  des  vornehm  ausgestatteten  Bandes  sei 
nur  noch  die  Beschreibung  der  kostbaren  Hs.  des  nach  der 
Mitte  des  14.  Jh.  angelegten  Kalendarium  necrologicum 
fratrum  Minorum  conventus  in  Goerlitz  erwähnt,  das  eine 
Untersuchung  und  Neuherausgabe  nach  wissenschaftlichen 
Grundsätzen  verdient.  B.  Kr. 

59.  Im  Archivio  storico  Lombardo,  Anno  XXXVI, 
fasc.  21,  p.  173 — 182  handelt  Giuseppe  B  o  n  e  1 1  i  über  die 
Hs.  der  unedierten  Geschichte  der  Grafen  von  Bian- 
d  r  a  t  e  1025 — 1524  von  Benvenutus  deS.  Georgio 
aus  dem  Hause  Biandrate,  von  dem  die  Geschichte  der 
Grafen  von  Monferrato  bekannt  ist.  Jenes  Werk  ist  schon 
für  das  12.  Jh.  nicht  ohne  Bedeutung,  da  es  Ivaiser- 
nrkunden  aus  dieser  Zeit  enthält.  O.  H.-E. 

60.  Im  Bulletijn  der  maatschappij  van  Geschied-  en 
Oudheidk.  te  Gent  1908,  S.  268  erklärt  V.  Fris  seine 
frühere  Annahme,  dass  F.  Groenincx,  Propst  von  Tusschen- 
beke,  der  Verfasser  des  Chronicon  Trunchiniense 
(Mitte  des  17.  Jh.)  sei,  für  falsch.  A.  H. 


61.    Der  neueste  Aufsatz  von    B.   Hilliger   'Alter 
und  Münzrechnung  der  Lex   Salica'    (Hist.  Vierteljahr- 


Nachrichten.  289 

Schrift  1909  S.  161 — 211)  ist  gegen  Brunners  Abhandlung 
über  'Das  Alter  der  Lex  Salica  und  des  Paetus  pro  tenore 
pacis'  gerichtet  (vgl.  N.  A.  XXXIV,  560  ff.,  n.  303).  Ich 
habe  nach  den  Ausführungen  H's.  keinen  Anlass,  meine 
den  Brunnerschen  Darlegungen  durchaus  zustimmende  Er- 
klärung zurückzunehmen.  Gleich  Brunner  habe  ich  H. 
allerdings  darin  missverstanden,  dass  ich  annahm,  H.  iden- 
tifiziere noch  die  Halbsiliqua  mit  dem  Denar,  während  er 
in  seinem  Aufsatz  in  der  Hist.  Viertel jahrschr.  1907  S.  1  ff. 
von  dieser  früheren  Ansicht  zurückgetreten  ist  und  den 
Denar  als  einen  selbständigen  Münzwert,  der  der  spät- 
römisch-byzantinischen  Kupferrechnung  entstammt  und 
von  dem  um  534  sechzig  Stück  dem  Wert  eines  Schillings 
entsprachen,  nachzuweisen  gesucht  hat.  Zur  klaren  Er- 
kenntnis dieses  Wandels  seiner  Ansicht  verhilft  aber  erst 
der  vorliegende  Aufsatz;  in  jenem  früheren  hatte  H.  keines- 
wegs mit  gleicher  Schärfe  seine  Meinung  kundgetan.  Der 
von  H.  auf  Grund  seiner  numismatischen  Lehren  versuchten 
Ansetzung  der  Lex  Salica  in  einer  jüngeren  Zeit  stehen 
die  Quellenzeugnisse  nach  wie  vor  unverrückbar  entgegen. 
H's.  Art,  sich  mit  ihnen  abzufinden  (S.  188  ff.),  ist  wenig 
überzeugend.  Wenn  H.  z.  B.  die  Worte  des  Edikts  Chil- 
perichs  (567 — 584):  'sicut  et  lex  Salica  habet'  aus  dem 
Grunde  als  späteren  Zusatz  betrachten  möchte,  weil  das 
Edikt  sich  nur  in  einer  Hs.  findet  und  hier  als  Teil  der 
Lex  Salica  (tit.  78)  selber  betrachtet  wird,  so  ist  darauf 
zu  erwidern,  dass  jene  Worte :  'sicut  e  t  lex  Salica  habet' 
doch  gerade  zeigen,  dass  das  Edikt  die  Lex  als  ein  von 
ihm  ganz  unabhängiges,  älteres  Gesetz  ansieht.  Eine  aus- 
führlichere Entgegnung  werde  ich  an  anderer  Stelle  bringen. 

M.  Kr. 

62.  F.  ßicci,  'Note  sur  les  tarifs  de  la  loi  Salique' 
(Revue  historique  C,  311 — 325),  sucht  zu  zeigen,  dass  die 
Busssätze  der  Lex  Salica  nicht  Entschädigungen  für 
die  Betroffenen,  sondern  Geldstrafen  festsetzen,  die  dem 
Fiskus  zu  zahlen  sind.  E.  geht  dabei  von  einer  an  sich 
gewiss  richtigen  Beobachtung  aus,  die  aber  schon  vor  ihm 
von  H.  Brunner  gemacht  ist,  dass  es  nämlich  Bussen  gibt, 
die  ausschliesslich  pönalen  Charakter  haben  (so  die  für 
Lebensgefährdung  und  andere  Versuchsverbrechen),  und 
dass  sich  die  Bussen  in  der  ßegel  als  eine  Verbindung 
von  Straf-  und  Ersatzgeld  darstellen  (Deutsche  Rechts- 
geschichte II,  613  f.).  Doch  kann  man  hieraus  nicht  die 
erwähnte  Folgerung  ziehen,  ohne  in  Widerspruch  mit  den 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  19 


290  Nachrichten. 

Quellenstellen  zu  geraten,  die  deutlich  zeigen,  dass  dem 
Fiskus  nur  ein  Drittel  der  Compositio  zustand  (Brunner 
a.  a.  0.  I-,  231.  II,  622,  N.  49).  M.  Kr. 

63.  unter  dem  Titel  'Hodere,  Kok,  Hauding,  Pugil, 
Cokingi'  behandelt  J.  H.  G  o  s  s  e  s  in  den  ßijdragen  voor 
Vaderlandsche  Geschiedenis  en  Oudheidkunde,  4.  Eeihe, 
VII,  405 — 488  einige  Punkte  aus  der  friesischen  Geschichte 
und  Rechtsgeschichte,  und  zwar  nach  allgemein  orientieren- 
den Bemerkungen  in  §  1,  in  §  2  'Jets  over  de  rechts- 
instellingen  van  Broekmerland  in  de  13.  eeuw',  §  3  'De 
Hodere  in  Rüstringen',  §  4  'De  Kok  en  de  Hauding  in 
Broekmerland',  §  5  'De  Kok  in  Norderaland',  §  6  'Jets  uit 
de  rechtsgeschiedenis  Fivelgoo;  de  Pugil'.  Mit  §  7  'De 
Cokingi'  wendet  er  sich  sowohl  gegen  die  von  Dietrich 
Schäfer  vorgeschlagene  Herleitung  dieses  Ann.  Bertin.  867 
vorkommenden  Wortes  von  dem  Schiffstyp  der  'Kogge'  wie 
gegen  die  von  Blök  vertretene  Aenderung  in  'Tokingi', 
Einwohner  des  Gaus  'Tokingen',  von  Dokkinge  (Dokkum), 
=  Oostergoo.  Er  bringt  es  vielmehr  mit  der  Amtsbezeich- 
nung 'kok'  zusammen,  die  vielleicht  ursprünglich  'bewaff- 
neter Anführer'  bedeutet  habe;  die  'Cokingi'  seien  also 
aufzufassen  als  'volgers  van  een  kok  (of  van  meerdere 
koken)',  die  sich  unter  Führung  eines  solchen  zur  Vertrei- 
bung der  Normannen  vereinigten.  A.  H. 

64.  S.  Rietschel  nimmt  in  den  Mitt.  d.  Inst.  f. 
Oesterreich.  Geschichtsf.  XXX,  136  ff.  Stellung  zu  den 
Ausführungen  v.  Schwerins  (vgl.  N.  A.  XXXIV,  254,  p.  71) 
über  das  Problem  des  friesischen  bodtingh,  die 
er  als  unzutreffend  bezeichnet.  M.  Kr. 

65.  Im  Archivio  storico  per  le  provincie  Napoletane 
XXXIII  — XXXIV  handelt  F.  Scandone  über  den 
Gastaldat  von  A  q  u  i  n  o  im  9.  und  10.  Jh. ,  leider 
ohne  von  den  einschlägigen  Arbeiten  Poupardins  Notiz  zu 
nehmen,  aber  z.  T.  auf  Grund  unedierter  Urkunden,  die 
im  Anhang  publiziert  sind.  Unter  ihnen  ist  eine  von  Voigt 
und  Poupardin  übersehene  Fürstenurkunde  Pandolfs  Eisen- 
kopf und  Landolfs  III.  von  963  (n.  3),  dagegen  wäre  die 
schon  bekannte  Urkunde  Landenulfs  und  Aloaras  von  991 
(n.  5)  statt  nach  dem  Chartular  besser  nach  dem  noch  vor- 
handenen, von  Voigt  und  Poupardin  genannten  Original 
zu  drucken  gewesen.  E.  C. 

66.  In  den  Memorie  storiche  Forogiulesi  IV,  30  ediert 
L.    S  u  1 1  i  n  a    den    von    den    Römern    i.    J.    824    dem   K. 


Nachrichten.  291 

Lothar  I.  geleisteten  Eid  auf  Grund  des  von  Merkel 
benutzten  Cod.  Patavin.  S.  Anton.  182  (saec.  IX).  Vgl. 
MG.  Oap.  I,  223.  R.  S. 

67.  Zwei  Monte  Cassineser  Placita  vom 
Jahre  963,  in  denen  sich  je  ein  Satz  in  italienischer  Sprache 
findet,  behandelt  A.  S  e  p  u  1  c  r  i  in  einem  Aufsatz :  'In- 
torno  a  due  antichissimi  documenti  di  lingua  italiana 
(Studi  medievali  III  [1908],  117  —  126)'  im  Anschluss  an 
eine  vor  längerer  Zeit  erschienene  Abhandlung  von  J.  E. 
Shaw,  Another  early  monument  of  the  italian  language 
(Modern  Language  Notes  XXI  [1906],   105—110).     R.  S. 

68.  In  der  Historischen  Vierteljahrschrift  1909,  2.  H. 
S.  212  —  264,  handelt  Hermann  Bloch  über  die  Kaiser- 
wahlen der  Stauferzeit  in  geistvollen  Ausführungen, 
die  aber  doch  mehr  blenden  als  überzeugen ;  besonders  die 
Schlüsse  aus  den  Briefen  Innocenz'  III.  gehen  m.  E.  viel 
zu  weit.  Sein  zweifelloses  Verdienst  gegenüber  Krammers 
Arbeit  über  den  Reichsgedanken  des  Staufischen  Kaiser- 
hauses besteht  in  der  stärkeren  und  auch  notwendigen 
Heranziehung  der  älteren  Zeit.  Aber  obwohl  ich  selbst 
Krammers  Darlegungen  keineswegs  vollständig  zustimmte 
(vgl.  N.  A.  XXXIV,  256,  n.  76),  muss  ich  doch  erklären, 
dass  Blochs  Polemik  gegen  ihn  im  Maiheft  der  GGA.  1909 
ungerecht  scharf  und  im  Ton  geradezu  vergriffen  ist. 

M.  T. 

69.  Die  scharfsinnigen  kritischen  Untersuchungen, 
die  F.  Güterbock  unter  dem  Titel  'Der  P  r  o  z  e  s  s 
Heinrichs  des  Löwen'  veröffentlicht  hat  (Berlin, 
Reimer  1909),  sind  eine  höchst  erfreuliche  Leistung  und 
haben  die  schwierigen  Fragen,  die  sich  an  die  Katastrophe 
des  Weifenherzogs  knüpfen,  sehr  erheblich  gefördert  und 
zum  grossen  Teil  wohl  endgültig  gelöst.  Seine  Inter- 
pretation der  Geinhäuser  Urkunde  und  seine  Darstellung 
des  Prozessverfahrens  scheinen  mir  in  allen  Hauptpunkten 
das  richtige  zu  treffen ;  insbesondere  wichtig  ist  der  über- 
zeugende Nachweis,  dass  in  landrechtlichen  Strafprozessen 
gegen  einen  Fürsten,  wenn  nicht  immer,  was  ich  nicht 
annehmen  möchte,  so  doch  häufig  an  die  Stelle  einer  drei- 
maligen eine  einmalige  peremptorische  Ladung  mit  sechs- 
wöchentlicher Frist  trat,  ein  Nachweis,  durch  den  eine 
ganze  Reihe  von  Schwierigkeiten ,  die  bisher  bestanden, 
behoben  werden.  In  einigen  Einzelheiten  bleiben  mir  ge- 
wisse Bedenken  gegen  Güterbocks  Ausführungen;  so  glaube 
ich   z.  B.    nicht,    dass   verschiedene   Formen   der   Oberacht 

19* 


292  Nachrichten. 

zu  unterscheiden  sind  (S.  80):  wenn  der  Kaiser  jemanden 
'sine  spe  recuperationis'  verurteilt,  so  erklärt  er  damit  zwar, 
dass  er  ihn  nicht  begnadigen  will,  aber  das  hat  nur  eine 
tatsächliche,  keine  rechtliche  Bedeutung  und  bindet  den 
Herrscher  nicht ;  einen  rechtlichen  Verzicht  auf  das 
Begnadigungsrecht  hat  es  nicht  gegeben.  Vor  allem  aber 
muss  ich  der  im  ersten  Kapitel  ausgesprochenen  Auffassung 
widersprechen,  dass  die  Zusammenkunft  Friedrichs  I.  und 
Heinrichs  nach  Legnano  ganz  ins  Gebiet  der  Sage  zu  ver- 
weisen sei.  Ich  kann  das  Zeugnis  der  Cont.  Aquicinctina, 
deren  reichsgeschichtliche  Nachrichten  aus  der  Zeit  von 
1174 — 80  doch  grossenteils  falsch  oder  ungenau  sind,  nicht 
so  hoch  einschätzen,  wie  G.  tut;  ich  halte  es  nach  wie 
vor  für  wahrscheinlich,  dass  der  Bericht  des  Gobelinus 
Persona  (der  übrigens  nach  der  Ausgabe  Jansens  zu  zitieren 
gewesen  wäre)  aus  den  Ann.  Patherbrunnenses  stammt,  und 
ich  lege  insbesondere  grosses  Gewicht  auf  die  Angaben  Ottos 
von  St.  Blasien,  der  durch  die  auch  von  G.  für  glaub- 
würdig gehaltene  Nachricht  von  der  Forderung  Goslars 
durch  den  Herzog  zeigt,  dass  er  hier  gute  Kenntnis  ge- 
habt hat  (vgl.  Bloch  in  Regesten  der  Bischöfe  von  Strass- 
burg  I,  128,  der  sie  auf  den  Bischof  Heinrich  von  Veringen 
zurückführen  möchte).  Ich  halte  also  auch  jetzt  noch  die 
mehr  konservative  Auffassung  Hampes  (Kaisergeschichte 
S.  151)  für  durchaus  nicht  widerlegt:  ja  ich  möchte  nicht 
einmal  den  Fussfall  Friedrichs  unbedingt  und  mit  voller 
Sicherheit  aus  der  Geschichte  streichen,  wobei  ich  an  die 
bekannten  Fälle  des  11.  Jh.  (wiederholter  Fussfall  Hein- 
richs II.  vor  den  Bischöfen  auf  der  Synode  von  1007, 
Fussfall  Konrads  II.  vor  seinem  Sohn  1035)  erinnere.  — 
Im  Exkurs  III  wäre  auch  auf  Schütze,  Die  Entstehung  des 
Rechtssatzes:  Stadtluft  macht  frei  (Berlin  1903)  S.  83  ff. 
zu  verweisen  gewesen,  der  die  gleiche  Ansicht  wie  G.  ver- 
tritt. H.  Br. 

70.  H.  Meyer,  'Zur  Vorgeschichte  des  ersten  uns 
überlieferten  Hausgesetzes  der  Hohenzollern'  (Hist.  Jahrb. 
der  Görres  -  Gesellschaft  XXX) ,  veröffentlicht  einen  bis 
dahin  unbekannten  Schiedsspruch  Markwards  von  Randeck, 
Lupolds  von  Bebenburg  und  Johannes'  Andreae  vom 
10.  Juli  1341  (aus  dem  bayerischen  Reichsarchiv)  in  dem 
Streit  der  Burggrafen  Johann  II.  und  Albrecht  IV. 
von  Nürnberg.  An  diesen  Schiedsspruch  schloss  sich 
am  10.  Okt.  1341  der  Vertrag  von  Burghausen.         M.  Kr. 

71.  Die  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüring.  Ge- 
schichte   und    Altertumskunde    N.   F.   XIX,    1—22    (1909) 


Nachrichten.  '  293 

enthält  einen  Aufsatz  von  E.  Hey  mann,  'Zum  Ehegüter- 
recht der  heiligen  Elisabeth',  durch  den  die  auch  sonst 
hinfällige  Behauptung  von  A.  Huyskens,  dass  Elisabeth 
aus  Marburg  vertrieben  wäre,  ebenso  wie  durch  den  Auf- 
satz von  K.  Wenck  (N.  A.  XXXIV,  483  fE.)  widerlegt  wird. 

O.  H.-E. 

72.  In  den  Annalen  des  Historischen  Vereins  für 
den  Niederrhein,  Heft  87,  S.  1—39  (1909)  veröffentlicht 
F.  Schmitz  eine  Abhandlung:  'Das  Messbuch  zu  Paff- 
rath.  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  S  e  n  d  - 
und  grundherrlichen  Gerichtswesens'.  E.  P. 

73.  In  den  SB.  der  Wiener  Akademie,  Phil. -bist.  Kl. 
CLX,  4.  Abhandlung  erstattet  A.  Meli  Bericht  über  die 
Vorarbeiten  zur  Herausgabe  des  Ergänzungsbandes  der 
Salzburgischen  Taidinge,  aus  dem  sich  ergibt, 
dass  für  das  Mittelalter  nicht  viel  neues  Material  zu  er- 
warten ist.  H.  H. 

74.  Drei  Weistümer  der  lothringischen 
Dörfer  Rollingen  (von  1387),  Steinbiedersdorf  (von  1393) 
und  Kriechingen  (von  1580)  veröffentlicht  Gritzner  im 
Jahrb.  der  Gesellsch.  für  lothring.  Gesch.  und  Altertumsk. 
XX,  423  ff.  H.  Br. 

75.  In  der  Zeitschrift  des  Harz -Vereins  für  Ge- 
schichte und  Altertumskunde  XLII,  39  —  99  (1909)  ver- 
öffentlicht aus  dem  Archiv  in  Goslar  ü.  Hölscher 
Goslarsche  Ratsverordnungen  aus  dem  15.  Jh.     E.  P. 

76.  In  den  Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte 
der  Deutschen  in  Böhmen  XL VII  (1908),  262  druckt 
J.  H  i  1 1  e  die  älteste  im  Besitze  der  Stadt  Luditz  befind- 
liche Urkunde  ab,  durch  die  ihr  von  Boresch  von  Riesen- 
burg am  4.  Juni  1375    das  Egerer  Recht  verliehen  wurde. 

B.  B. 

77.  L.  C  h  i  a  p  e  1 1  i  sucht  im  Archivio  storico  Ita- 
liano  XLIII,  237 — 256  nachzuweisen,  dass  Dantes  Mo- 
na r  c  h  i  a  gegen  Ende  1313  oder  Anfang  1314  entstanden 
ist.  Ch.  erschliesst  dies  einerseits  aus  dem  Schweigen  des 
Traktats  über  die  Bulle  'Pastoralis  cura'  (14.  März  1314), 
andererseits  aus  der  angeblichen  Bezugnahme  desselben, 
auf  das  bekannte,  an  die  Kurie  gerichtete  Schreiben  K, 
Roberts  von  Neapel  über  das  römische  Kaisertum  (Bonaini  1, 
233  sqq.),  das  nach  Ch.  vor  dem  26,  April  und  nach  dem 
27.  Januar  1313  verfasst  ist.  M.  Kr. 


294  Nachrichten. 

78.  Lupoid  von  Bebenburg,  Studien  zu  seinen 
Schriften.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  staatsrechtlichen 
und  kirchenpolitischen  Ideen  und  der  Publizistik  im  14.  Jh. 
Von  Dr.  Hermann  M  e  j  e  r.  [Studien  und  Darstellungen 
aus  dem  Gebiete  der  Geschichte,  herausg.  v.  H.  Grauert, 
VII,  1  u.  2].     Freiburg  im  Br.  1909. 

Der  erste  Abschnitt  handelt  von  der  Ueberlieferung 
der  Schriften  Lupolds,  der  zw^eite  von  deren  Inhalt.  Die 
im  zweiten  Teile  gegebene  Darstellung  des  Gedankenganges 
der  Schriften  ist  wohldurchdacht  und  zeugt  von  ein- 
dringendem Verständnis ,  sowie  von  guter  Kenntnis  der 
verwandten  zeitgenössischen  Litteratur.  Wertvoller  noch 
ist  aber  der  erste  Abschnitt,  der  die  überaus  sorgfältige 
kritische  Beschreibung  und  Besprechung  sämtlicher  be- 
kannten Hss.  der  Schriften  Lupolds,  sowie  der  Drucke 
derselben  enthält.  Das  Verhältnis  der  einzelnen  Hss.  zu 
einander  und  zum  Urtext  wird  eingehend  untersucht  und 
besonders  werden  die  in  den  einzelnen  Hss.  des  Haupt- 
werkes Lupolds,  des  Tractatus  de  iurisdictione  imperii, 
enthaltenen  Zusätze  genau  mitgeteilt.  Neben  der  be- 
kannten Hs.  der  Trierer  Stadtbibliothek  844  gewinnt  nach 
Meyers  Untersuchung  die  Hs.  der  Leipziger  Universitäts- 
bibliothek Lat.  543  besondere  Bedeutung  durch  die  An- 
gabe der  Entstehungszeit  zweier  Schriften,  des  Tractatus 
und  des  Libellus  de  zelo  principum  u.  s.  w.  Nachschriften 
am  Schluss  der  Texte  geben  als  Entstehungszeit  des 
Libellus  das  Jahr  1342,  als  die  des  Tractatus  genau  den 
3.  Februar  1340  au,  an  welchem  Tage  Lupoid  das  Werk 
vollendet  habe.  Diese  Hs.  ist  im  15.  Jh.  auf  Papier  ge- 
schrieben; aber  auch  eine  ältere  Pergamenths.  saec.  14. 
hat  genau  dieselben  Eintragungen  enthalten.  Der  Ver- 
fasser hat  die  Nachricht  über  diese  Hs.  aufgefunden  in 
zwei  gedruckten  Katalogen  der  Uffeubachschen  Bibliothek 
zu  Frankfurt  a.  M.  aus  den  Jahren  1720  und  1730.  Die 
Hs.  wieder  aufzufinden  ist  leider  dem  Verf.  bisher  nicht 
gelungen ;  doch  braucht  man  wohl  die  Hoffnung  noch  nicht 
völlig  aufzugeben.  Aber  schon  die  blosse  Nachrieht  der 
Kataloge  über  die  Hs.  genügt,  um  die  Bedeutung  der 
Notizen  in  der  Leipziger  Hs.  erheblich  zu  verstärken.  Es 
ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  namentlich  die  genaue  An- 
gabe über  den  Tag  der  Vollendung  des  Tractatus  auf  eine 
eigenhändige  Notiz  Lupolds  in  seinem  Originalmanuskript 
zurückgeht  und  demnach  authentisch  ist.  Das  Buch  ist 
eine  ausgezeichnete  Vorarbeit,  die  ihrem  Urheber  hoffent- 
lich  selbst   die   Erreichung   seines  Zieles,    die   Bearbeitung 


Nachrichten.  295 

einer    abschliessenden   Ausgabe    der    politischen    Schriften 
Lupolds  für  unsere  Sammlung,  wesentlich  erleichtern  wird. 

K.  Z. 

79.  Von  den  Archives  de  la  France  monastique  sind 
bisher  folgende  Bände  erschienen:  In  der  Neubearbeitung 
des  Recueil  bist,  des  archeveches,  eveches,  abbajes  et 
prieures  de  France  von  Dom  Beaunier,  mit  dessen  die 
Kirchenprovinz  Paris  umfassendem  ersten  Bande  die 
Sammlung  (1905)  eröffnet  wurde  (vgl.  N.  A.  XXXI,  489, 
n.  177),  ist  die  die  Kongregationen  nach  Benediktiner-  und 
Augustinerregel  behandelnde  Einleitung  als  Band  IV  (1906) 
erschienen.  Den  II.  Band  (1906)  bildet  eine  umfassende 
Darstellung  des  Möuchswesens  auf  französischem  Boden  in 
der  Zeit  vom  4.  Jh.  bis  auf  Karl  Martell  von  Dom  J. -M. 
B  e  s  s  e  (Les  moines  de  l'ancienne  France.  Periode  Gallo- 
Romaine  et  Meroviiigienne).  Im  III.  Bande  behandelt 
D.  Anger  die  Besitzungen  der  Abtei  St.  -  Germain  -  des- 
Pres  bei  Paris ;  es  sind  bisher  die  die  Departements  Seine, 
Seine -et -Marne  und  Seine-et-Oise  betreffenden  Abteilungen 
(1906.  1907)  erschienen.  Der  V.  Band  ist  dem  Andenken 
Mabillons,  des  grössten  Insassen  dieses  Klosters,  gewidmet. 

E.  M. 

80.  K.  H  ü  b  n  e  r  behandelt  in  den  von  A.  Tille 
herausgegebenen  Deutschen  Geschichtsblättern  X  (1909), 
187  —  236  'die  Proviuzialsynoden  im  Erzbistum 
Salzburg  bis  zum  Ende  des  XV.  Jh.'.  Soweit  der 
Verfasser  die  Synoden  der  karolingischen  Zeit  würdigt, 
kann  ich  ihm  deshalb  nicht  folgen,  weil  er  auf  die  Edition 
ihrer  Akten  in  den  Concilia  II,  196  ff.  205  ff.  231  ff. 
keinerlei  Rücksicht  nimmt,  obwohl  diese  bereits  im  J.  1904 
—  und  um  das  Titelzeug  vermehrt  im  J.  1906  —  ver- 
öffentlicht wurde.  Infolge  eines  Fundes  von  G.  Leidinger 
in  München  werde  ich  auf  alle  einschlägigen  Fragen  dem- 
nächst zurückkommen;  dann  wird  sich  wohl  auch  Gelegen- 
heit geben,  die  Ansetzungen  der  Salzburger  Provinzial- 
sjnoden,  die  H.  vorschlägt,  eingehend  zu  prüfen.       A.  W. 

81.  Im  Trierischen  Archiv  Heft  14,  S.  10—25  (1909) 
veröffentlicht  R.  S  a  1  o  m  o  n  die  Akten  der  Wahl  Erz- 
bischof Boemunds  IL  von  Trier,  die  eine  verfassungs- 
geschichtlich recht  interessante  Urkundenreihe    darstellen. 

E.  P. 

82.  K.  H.  Schäfer,  Zur  Kritik  mittelalterlicher 
kirchlicher  Zustände  (Römische  Quartalschrift  XXIII,  1909, 


296  Nachrichten. 

Gesch.  S.  35  —  64)  berichtet  unter  Beigabe  von  Akten- 
stücken über  einen  um  1360  an  der  Kurie  geführten 
Prozess  betr.  die  Pfarre  an  einer  elsässischen  Eigenkirche. 
Der  zweite  Teil  des  Aufsatzes  ist  polemischer  Natur;  er 
bringt  eine  Reihe  sachlicher  Berichtigungen  zu  den  letzten 
Bänden  von  Sauerlands  Urkunden  und  Regesten  zur  Gesch. 
der  Rheinlande.    Vgl.  N.  A.  XXXIV,  575,  n.  349.      R.  S. 

83.  Im  Bull,  de  la  soc.  arch.  de  Sens  XXII  (1906), 
303  —  309  behandelt  M.  Prou  ein  aus  Sens  stammendes 
Pontificale  der  königlichen  Bibliothek  in  Brüssel 
unter  Abbildung  des  einem  flämischen  Meister,  vielleicht 
Roger  van  der  Wejden ,  zuzuschreibenden  Kreuzigungs- 
bildes desselben.  E.  M. 

84.  Im  Archeografo  Triestino  Ser.  3,  V  (XXXIII), 
175  sqq.  stellt  Er.  B  a  b  u  d  r  i  eine  Chronologie  der  Bischöfe 
von  Capodistria  zusammen.  Die  mit  dem  6.  Jh.  ein- 
setzende Liste  ist  Anfangs  recht  unvollständig;  in  der 
zweiten  Hälfte  des  8.  Jh.  wurde  das  Bistum  an  Triest  an- 
gegliedert und  erhielt  erst  durch  Alexander  III.  im 
J.  1177,  resp.  1184,  seine  Selbständigkeit  zurück,  die  dann 
bis  zum  Jahre  1830  fortbestand.  H.  W. 


85.  Sehr  verdienstvoll  gibt  Clovis  Brunei  erste 
zusammenhängende  Nachrichten  und  kritische  Unter- 
suchungen über  die  Urkundenüberlieferung  des  Klosters 
Saint-Valery,  von  dessen  Geschichte  wir  bisher  so 
gut  wie  nichts  wussten.  ('Les  actes  faux  de  l'abbaye  de 
Saint -Valerie',  Moyen  Age  1909,  p.  94—116  und  179—196.) 
Die  Eälschung  DK.  278,  die  bei  uns  als  Ineditum  gedruckt 
werden  konnte,  wird  hier  nochmals  abgedruckt.  In  der 
Frage  der  Entstehungszeit  dieser  Fälschung  kommt  Brunei 
nicht  wesentlich  über  uns  hinaus;  er  setzt  sie  vermutungs- 
weise ins  13.  Jh.  Abgedruckt  und  als  Fälschungen  er- 
wiesen werden  ausserdem  Urkunden  K.  Dagoberts  vom 
J.  636,  Philipps  vom  J.  1284  und  Privaturkunden  vom 
J.  1151  und  1196.  In  den  drei  Königsurkunden  ist  die 
Uebereinstimmung  der  Arenga  unverkennbar.  Hier  kann 
nur  Entlehnung  oder  gleichzeitige  Entstehung  dieser 
Fälschungen  vorliegen.  Uebersehen  ist  von  Brunei  das 
besonders  in  der  Dagobert  -  Urkunde  auffällig  starke  Vor- 
kommen von  Reimprosa.  Im  zweiten  Teil  werden  die 
Privilegien  Benedikts  VII.  J.-L.  3805  und  Paschais  II. 
J.-L.  7798  abgedruckt  und  geprüft.    Bei  der  ersteren  sind 


Nachrichten.  297 

die  Unregelmässigkeiten  so  stark,  dass  zum  mindesten  Ver- 
derbung anzunehmen  ist.  M.  T. 

86.  In  den  Toscanischen  Studien  III  (Quellen  und 
Forschungen  herausg.  vom  Preuss.  bist.  Institut  XII 
(1909),  43  —  111;  vgl.  N.  A.  XXXIV,  584,  n.  387)  bringt 
F.  Schneider  diesmal  Urkunden  über  Cittä  di  Ga- 
st e  1 1  o  und  das  Reich,  voran  ein  Ineditum  und  Original 
Ottos  III.,  dann  5  ältere  toscanische  Gerichtsurkunden 
von  1008 — 1072,  ferner  aus  Lucca  eine  Notiz  über  eine 
ürk.  Konrads  von  Scheiern  und  ein  Orig.  Heinrichs  VI., 
endlich  zum  Krieg  von  Montepulciano,  Eberhard  von  Eich- 
stetten  und  Gebhard  von  Arnstein  Urkunden  von  1229  — 
1239,  alles  mit  reichlichen  einleitenden  Erläuterungen. 

B.  Schm. 

87.  In  der  im  N.  A.  XXXIV,  535  Anm.  von  Philippi 
kurz  besprochenen  Arbeit  von  M.  Kemmerich,  auf 
die  wir  vielleicht  noch  einmal  zurückkommen,  erzählt  der 
Verf.  auf  S.  76  f.,  dass  er  festgestellt  habe,  das  einer  Ur- 
kunde Heinrichs  II.  vom  Jahre  1015  im  Münchener  Eeichs- 
archiv  beiliegende  Siegel  sei  nicht  mit  einem  Typar  Hein- 
richs II.,  sondern  einem  solchen  Heinrichs  III.  beprägt; 
er  führt  dies  auf  eine  'begreifliche  Verwechslung'  zurück 
und  fügt  hinzu,  dass  diese  'von  den  zahlreichen  Gelehrten, 
die  das  Siegel  und  die  Urkunde  inzwischen  besichtigt 
hatten,  niemand  bemerkt'  habe,  verzichtet  dann  aber  gross- 
mütig  darauf,  sich  wegen  seiner  Entdeckung  eines  beson- 
deren Scharfblicks  zu  rühmen.  Wenn  die  Kenntnisse  und 
die  Sorgfalt  des  Herrn  ebenso  gross  wären,  wie  sein  Selbst- 
bewusstsein,  würde  er  vielleicht  einen  Blick  in  den  dritten 
Band  unserer  Diplomata- Ausgabe  geworfen  und  sich  über- 
zeugt haben,  dass  die  Tatsache  bereits  in  der  Note  p  zu 
DH.  II.  332^  auf  S.  421  festgestellt  war;  er  würde  dann 
auch  gesehen  haben,  dass  das  Diplom  falsch  ist,  dass  also 
das  Siegel  Heinrichs  III.  sehr  wohl  schon  von  dem  Fälscher 
daran  befestigt  gewesen  sein  kann ,  und  dass  gar  kein 
Grund  vorliegt,  eine  'Verwechslung'  seitens  eines  Archiv- 
beamten anzunehmen.  H.  Br. 

88.  Ueber  H.  Bresslaus  Ausführungen  betr.  K  o  n  - 
rads  II.  Urkunde  für  das  Domkapitel  von  Bergamo 
St.  1911  (N.  A.  XXXIV,  69—75)  referiert  G.  Romano 
im  Bollettino  della  Societa  Pavese  di  storia  patria  IX 
(1909),   128—130.  R.  S. 

89.  In  einer  Abhandlung  'De  bisschop  van  Utrecht, 
het  Domkapittel  en  de  Groninger  prefect'  in  den  Bijdragen 


298  Nachrichten. 

voor  Vaderlandsche  Geschiedenis  en  Oudheidkunde,  4.  Eeihe, 
VII,  25  ff.  "untersucht  J.  H.  G  o  s  s  e  s  ausführlich  die  Ur- 
kunde König  Heinrichs  III.  für  Utrecht  vom 
21.  Mai  1040,  St.  2180,  die  er  in  ihrer  vorliegenden  Form 
für  eine  Fälschung  von  c.  1150  ansieht.  Doch  hält  er  an 
einer  Schenkung  Heinrichs  III.  von  Gut  in  Groningen  an 
die  Utrechter  Kirche  fest.  A.  H. 

90.  Im  Anschluss  an  den  neuerdings  bekannt  ge- 
machten 'Index  archivarum  der  abdij  van  Tongerloo'  (vgl. 
N.  A.  XXXIII,  n.  291)  veröffentlicht  J.  Vannerus  in 
den  Analectes  de  l'ordre  de  Premontre  IV  und  V  ein  'In- 
ventaire  des  archives  de  l'abbaye  de  Tongerloo  repo- 
sant  aux  archives  de  l'etat  a  Anvers'.  Er  druckt  dabei 
u.  a.  eine  leider  nur  im  Auszuge  überlieferte  Urkunde 
König  Friedrichs  I.  für  die  Prämonstratenser  ab 
('religiosos  fratres  ordinis  Praemonstratensis  in  emendis  et 
vendendis  rebus  suis  per  regnura  nostrum  tam  in  terra 
quam  in  aqua  ab  omni  conductus,  thelonei  atque  transitus 
iustitia  liberos  esse  decernimus).  Schon  V.  nimmt  an  dem 
Datum  ('Datum  Cremone  IX.  Kai.  lulii  a.  dorn.  ine.  1154') 
Anstoss,  ohne  es  verbessern  zu  können.  Unser  Stück  steht 
in  engen  Beziehungen  zu  der  Urkunde,  die  Friedrich  am 
17.  Juni  1154  in  Dortmund  für  die  Prämonstratenser  von 
Park  bei  Löwen  ausstellte,  St.  3693.  So  ist  gewiss  statt 
'Cremone'  'Tremonie'  =  Dortmund  zu  lesen.  Friedrich  hat 
sich  also  noch  am  23.  Juni  1154  dort  aufgehalten,  und 
dies  ist  nunmehr  das  letzte  feste  Datum  in  seinem  Itinerar 
vor  dem  zu  Anfang  des  Herbstes  erfolgten  Aufbruch  nach 
Italien.  A.  H. 

91.  In  den  Regesten  der  Bischöfe  von  Strassburg 
n.  578  hatte  P.  W  e  n  t  z  k  e  das  D.  F  r  i  e  d  r  i  c  h  s  I. 
St.  3982  vom  8.  Juli  1163  ins  Jahr  1166  verlegen  wollen, 
hatte  aber  schon  in  den  Nachträgen  diese  Ansetzung  zurück- 
genommen. Er  zeigt  nun  im  Jahrb.  f.  lothring.  Gesch. 
und  Altertumsk.  XX,  450  ff.  auf  Grund  des  Protokolls  und 
der  Zeagenliste  (die  aber  nicht  zu  den  'äusseren  Merk- 
malen' einer  Urkunde  gehören,  wozu  sie  S.  452  gerechnet 
werden),  dass  das  Dij^lom  wirklich  1163  ausgestellt  sein 
muss,  was  deshalb  bemerkenswert  ist,  weil  unter  den  Zeugen 
Herzog  Berthold  von  Zähringen  ('Bertholdus  dux  Burgundio- 
num')  erscheint,  der  sich  also,  wie  Wentzke  annimmt,  vor- 
übergehend mit  dem  Kaiser,  dem  er  1162  und  1164  feind- 
lich gegenübertrat,  ausgesöhnt  haben  muss.  Zu  weiterer 
Stütze    dieser  Ausführungen  veröffentlicht  W.   eine    bisher 


Nachrichten.  299 

ungedruckte  Urkunde  des  Bischofs  Theoderich  III.  von 
Metz  vom  J.  1163,  auf  die  in  dem  Diplom  Bezug  genommen 
wird.  H.  Br. 

92.  In  den  Freschi  e  minii  del  dugento  (Milano  1908), 
in  denen  Franc.  Novati  zu  seinem  25 jährigen  Jubiläum 
als  Gabe  an  seine  Schüler  zwölf  Arbeiten  vereinigt,  gibt 
er  dem  Abschnitt  über  Petrus  de  Vinea  eine  verkleinerte 
Photographie  eines  Diploms  Friedrichs  II.  vom  J.  1248 
bei;  er  lässt  dazu  des  Kaisers  Sarg  in  Palermo  und  zu 
dem  Kapitel  'il  notaio  .  .  .  nella  letteratura  italiana  delle 
origini'  das  Grabdenkmal  von  Rolandino  de'  Passegeri  in 
Bologna  abbilden.  J-  W. 

93.  P.  Torelli  publiziert  in  den  Miscellanea  di 
storia  Italiana  (Ser.  3,  XIII,  319  sqq.),  wie  es  scheint,  zum 
ersten  Male  nach  einer  gleichzeitigen  Kopie  im  Archiv 
Gouzaga  den  interessanten  und  wichtigen  Vertrag,  den 
Erzbischof  Christian  von  Mainz  nach  seiner  Ge- 
fangennahme durch  Markgraf  Konrad  von  Monferrato  mit 
diesem  zur  Wiedererlangung  seiner  Freiheit  in  der  Zeit 
zwischen  dem  29.  Sept.  1179  und  dem  2.  Febr.  1180  zu 
schliessen  gezwungen  wurde.  H.   W. 

94.  In  der  Walhalla  IV,  59—70  hat  Georg  Lei- 
din g  e  r  ein  Fragment  eines  Aktenstücks  herausgegeben, 
das  39  Beschwerdepunkte  der  Herzoge  von  Oberbayern 
gegen  die  benachbarten  schwäbischen  Städte  aus  der  Zeit 
kurz  vor  1386  enthält.  O.  H.-E. 

95.  Auf  die  hohe  Wichtigkeit  des  von  dem  päpst- 
lichen Kämmerer  Arnold  von  Auch  im  J.  1366  verfassten 
Inventars  des  Avignonesischen  Archivs  (ge- 
druckt bei  Muratori,  Antiquitates  VI,  75 — 190)  haben  in 
den  letzten  Jahren  Schwalm  (MG.  Const.  III,  191)  und 
Samaran  (Mel.  d'arch.  et  d'hist.  XXII,  379  —  384)  auf- 
merksam gemacht.  Für  die  Bearbeitung  der  älteren  Be- 
stände des  Archivs  wie  für  die  Nachweisung  der  Verluste 
hat  sich  das  Inventar  als  ein  höchst  brauchbares  Hülfs- 
niittel  erwiesen.  Wesentlich  erleichtert  wird  seine  Ver- 
wendung durch  eine  sehr  dankenswerte  Publikation 
H.  Ottos:  Das  Avignoneser  Inventar  des  päpstlichen 
Archivs  vom  J.  13G6  und  die  Privilegiensammlungen  des 
Fieschi  und  des  Piatina.  (Quellen  und  Forschungen  herausg. 
vom  Preuss.  bist.  Institut  XII  [1909],  S.  132—188).  Die 
Arbeit  gibt  eine  Reihe  interessanter  Aufschlüsse  zur  Ge- 
schichte   des    päpstlichen    Archivs    überhaupt ;     die    Ent- 


300  Nachrichten. 

stehungsgeschichte  des  Inventars  und  seine  handschriftliche 
Ueberlieferimg  sind  eingehend  besprochen,  die  beiden  be- 
rühmten Privilegiensammlungen  des  15.  Jh.  mit  Sorgfalt 
analysiert.  Auf  eine  Neuausgabe  des  Inventars,  das 
Muratori  nach  dem  abgeleiteten  Cod.  Estensis  (Modena) 
druckte,  hat  Otto  verzichtet,  obwohl  er  bereits  umfängliche 
Vorarbeiten  dafür  auf  Grund  besserer  Ueberlieferungen 
angestellt  hatte;  statt  dessen  ist  dem  Aufsatz  eine  von 
F.  Schillmann  ausgearbeitete  Konkordanztabelle  beigegeben, 
die  für  jede  im  Inventar  verzeichnete  Urkunde  die  Stelle 
ihrer  Abschrift  bei  Fieschi  und  Piatina,  deren  Fundort  im 
Vatikanischen  Archiv  und  die  nötigen  Litteraturnotizen 
gibt.  Für  die  praktische  Arbeit  im  Archiv  ersetzt  diese 
Uebersicht,  wie  ich  bereits  an  Ort  und  Stelle  erproben 
konnte ,  eine  Edition  vollständig ;  vielleicht  entschliesst 
sich  Otto  aber  trotzdem,  die  Ergebnisse  seiner  Kollationen 
zu  veröffentlichen,  soweit  sie  sich  auf  die  heute  verlorenen 
Stücke  beziehen.  Man  ist  sonst  in  Fällen  wie  Const.  III, 
n.  206  ff.  immer  wieder  genötigt,  auf  die  handschriftliche 
Ueberlieferung  zurückzugehen,  üebrigens  hat  die  müh- 
same Durcharbeitung  der  Originale,  die  für  die  Herstellung 
der  Tabelle  erforderlich  war,  erfreulicher  Weise  dies  und 
jenes  verloren  geglaubte,  in  Wahrheit  nur  unrichtig  ein- 
geordnete Stück  der  Benutzung  wieder  zugänglich  gemacht. 
Aus  Ottos  Ausführungen  über  die  späteren  Sammlungen 
sei  hier  hervorgehoben,  dass  die  beiden  bekannten  und  viel 
benutzten  Codices  B  12  und  D  1  der  Vallicellana  aus 
Fieschis  Abschriften  abgeleitet  sind.  Zu  S.  142,  N.  1 
möchte  ich  noch  bemerken,  dass  den  zwei  Vatikanischen 
Kopialbüchern,  die  für  die  Verluste  an  Urkunden  aus  der 
Zeit  Karls  IV.  Ersatz  bieten,  der  Oxforder  Cod.  Bodl. 
Canon.  Mise.  509  an  Ueberlieferungswert  gleichsteht, 
stellenweise  sogar  überlegen  ist.  R.  S. 

96.  Zwei  neue  Beiträge  von  P.  M.  Baumgarten 
zur  päpstlichenDiplomatik  sind  zu  verzeichnen : 
erstens  ein  Aufsatz  'Die  Entwickelung  der  neuzeitlichen 
Bullenschrift'  in  der  Römischen  Quartalschrift  XXIII 
(1909),  Gesch.  S.  16  —  34.  Die  Arbeit,  die  in  der  minu- 
tiösen Beschreibung  graphischer  Einzelheiten  doch  wohl 
etwas  zu  weit  geht,  ist  ohne  ein  ausgedehntes  Abbildungs- 
material, wie  es  hoffentlich  Bs.  angekündigtes  Tafelwerk 
bringen  wird,  recht  schwer  verständlich.  Von  allgemeinem 
Interesse  dürften  die  hier  auszugsweise  veröffentlichten 
Bestimmungen  Pius'  X.  vom  29.  Sept.  1908  über  die  Neu- 


Nachrichten.  301 

Ordnung  der  Kanzlei  und  der  Datarie  sein.  U.  a.  erhält 
der  Kardinalvizekanzler  wieder  den  Titel  Cancellarius,  der 
seit  fast  700  Jahren  ausser  Gebrauch  gekommen  ist;  ob 
der  von  Leo  XIII.  im  J.  1877  eingeführte  Farbstempel 
wieder  überall  durch  die  Bleibulle  ersetzt  werden  soll,  ist 
nicht  ganz  klar  zu  erkennen,  jedenfalls  aber  wird  wieder 
eine  grössere  Zahl  von  Urkunden  arten  als  bisher  mit  der 
Bulle  versehen  werden.  —  An  zweiter  Stelle  ist  eine 
Miscelle  'Der  Ersatz  eines  zerbrochenen  Bullenstempels 
unter  lunocenz  IV.'  (ebenda  S.  114  — 116)  zu  nennen,  die 
einige  textkritische  Auseinandersetzungen  zu  den  bekannten 
Encykliken  vom  Jahre  1252  bringt.  E.  S. 

97.  In  der  Zeitschrift  'De  Vrije  Fries'  XXI,  73  ff. 
druckt  H.  Reimers  drei  päpstliche  Urkunden 
aus  den  Jahren  1866  und  1431  nach  den  Registern,  die 
auf  die  Friesenkirche  S.  Michele  zu  Rom  bezug  haben. 

H.  W. 

98.  Seinem  Aufsatz  über  Guillaume  Ferron,  Bischof 
von  Leon  (1439 — 72)  im  Bull,  de  la  soc.  archeol.  du 
Finistere  XXXV  (1908),  69  —  93  gibt  P.  Peyron  fünf 
Papst  Urkunden  aus  der  Zeit  von  1456  —  64  bei. 

E.  M. 

99.  In  eingehender  Abhandlung  in  den  Hansischen 
Geschichtsblättern  Jahrg.  1909,  Heft  I,  S.  53—113  unter- 
sucht Walther  Stein  die  ursprüngliche,  viel  umstrittene, 
Bedeutung  des  Wortes  'hansa'.  Er  deutet  es  als  Kor- 
poration von  Kaufleuten,  die  nach  aussen  Handel  treiben, 
die  Zahlung,  die  beim  Eintritt  in  diese  Körperschaft  ge- 
leistet wird  und  den  Genuss  ihrer  Vorrechte,  kehrt  damit 
zu  der  alten  Deutung  zurück,  die  das  Wort  mit  dem  Be- 
griff 'Schaar',  den  es  im  Gothischen,  Althochdeutschen 
und  Angelsächsischen  hatte,  in  Verbindung  bringt,  ent- 
gegen der  Ansicht  von  Schaube,  der  es  bei  seinem 
frühesten  Vorkommen  im  12.  Jh.  als  'Abgabe'  erklärte. 
Dabei  ergeben  sich  manche  interessante  Feststellungen  über 
Aussenhandel  und  Handelsrecht.  O.  H.-E. 

100.  Die  neubegründete  historische  Kommission  der 
Stadt  Frankfurt  a.  M.  beginnt  die  Reihe  ihrer  Veröffent- 
lichungen mit  einer  Publikation  des  Archivdirektors 
R.  J  u  n  g  :  'Das  FrankfurterStadtarchiv.  Seine 
Bestände  und  seine  Geschichte'  (1909).  Der  Ueberblick 
über  die  Bestände,  den  der  erste  Teil  des  stattlichen 
Bandes    gibt,   ist,   wie   es   bei   dem   Umfange   des   Archivs 


302  Nachrichten. 

auch  nicht  anders  zu  erwarten  war,  sehr  summarisch  ge- 
halten; für  Details  wird  meist  auf  die  früher  publizierten 
Inventare  verwiesen.  Einzelne  Urkunden  des  MA.  sind 
nicht  verzeichnet.  Für  die  mittelalterliche  Geschichte 
kommen  hauptsächlich  die  Abschnitte  V,  XII  und  XV  in 
Betracht.  Die  ausführliche  Geschichte  des  Archivs  enthält 
u.  a.  einige  neue  Mitteilungen  zur  Lebensgeschichte  J.  Fr. 
Böhmers.  R.  S. 

101.  Ein  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jh.  angehörendes 
Verzeichnis  der  Urkunden  des  Trierer  Domkapitels  ver- 
öffentlicht B  a  s  t  g  e  n  im  Trierischen  Archiv  XIV  (1909), 
1—10.     Vgl.  N.  A.  XXXIV,  575.  R.  S. 

102.  Im  Auftrage  des  Gemeinderats  der  Stadt  Am- 
me r  s  c  h  w  e  i  e  r  hat  A.  Scherlen  ein  summarisches 
Inventar  des  alten  Stadtarchivs  daselbst  herausgegeben 
(Strassburg  1909).  Die  älteste  Königsurkunde  ist  von 
Wenzel  1388 ;  das  älteste  Privileg  überhaupt  von  Herzog 
Leopold  von  Oesterreich  1376;  eine  Verpfändungsurkunde 
Karls  IV.  von  1360  wird  in  AA  18  erwähnt.  Die  ältesten 
Urkunden  des  Archivs  scheinen  Verfügungen  des  Bischofs 
Berthold  von  Basel  über  das  Patronatsrecht  der  Ammersch- 
weierer  Kirche  vom  J.  1251  und  1259  (GG  1,  Abschrift) 
zu  sein,  die  Papst  Alexander  IV.  1260  bestätigt  hat. 

H.  Br. 

103.  Die  sorgfältigen  Arbeiten  von  G.  T  u  m  b  ü  1 1 
über  die  Grafschaft  des  Linzgaus  und  von  Sulger  Büel, 
Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Stein  am  Rhein  (Schriften 
des  Ver.  f.  Gesch.  des  Bodensees  und  seiner  Umgebung 
XXXVII,  23  ff.  u.  103  ff.)  erwähnen  wir  hier,  weil  sie  beide 
viel  zur  Interpretation  des  einschlägigen  Urkundenmaterials 
(hier  Ortserklärungen,  dort  Ausführungen  über  Immunität, 
Vogtei  und  Marktrecht)  beitragen.  H.  H. 

104.  Die  den  zwei  ersten  Heften  der  Zeitschr.  f.  d. 
Gesch.  des  Oberrheins  (N.  F.  Bd.  XXIV)  beigegebenen 
Archivberichte  gelten  dem  freiherrl.  von  Breiten -Land  en- 
bergischen  Archiv  zu  Laisackerhof  und  dem  gräfl. 
von  Andlawschen  Archiv  in  Freiburg  i.  B.  Sehr  reich- 
haltig (auch  an  Kaiser-  und  Fürstenurkunden  von  1274  an) 
ist  der  zweite  Bestand.  H.  H. 

105.  Die  Beilage  zum  Jahresbericht  des  grossh.  Frie- 
drichsgymnasiums in  Freiburg  im  Breisgau  1907/8  (Frei- 
burg i.  B.  1908)  enthält  handschriftliche,  wirtschafts-  und 
verfassungsgeschichtliche     Studien     zur     Geschichte     des 


Nachrichten.  303 

Klosters  St.  Peter  auf  dem  S  c  h  w  a  r  z  w  a  1  d  von 
E.  F  1  e  i  g.  Unter  diesen  Gesichtspunkten  wird  der  Eo- 
tulus  Sanpetrinus  einer  eingehenden  Untersuchung  unter- 
zogen, am  Schlüsse  folgt  eine  Neuausgabe  dieser  Quelle. 
Besondere  Hervorhebung  verdient  Kapitel  II,  in  dem  eine 
chronologische  Bestimmung  der  einzelnen  undatierten  Stücke 
des  Rotulvis  geboten  wird.  H.  H. 

106.  Der  X.  Bd.  des  Wirte  m  bergischen  Ur- 
kundenbuches  (Stuttgart  1909)  erschliesst  der  württem- 
bergischen Landesgeschichte  das  Quellenmaterial  für  die 
Jahre  1292  — 1296.  In  die  Arbeit  haben  sich  Archivdirektor 
E.  V.  Schneider  und  Archivrat  M  e  h  r  i  n  g  geteilt, 
bei  der  Erklärung  der  Ortsnamen  hat  G.  B  o  s  s  e  r  t  Bei- 
hülfe geleistet.  Schon  der  nächste  Band  soll  die  statt- 
liche Publikation,  die  anderen  vorbildlich  gewesen  ist,  ab- 
schliessen.  Man  mag  das  bedauern,  wird  aber  begreifen, 
dass  ein  württembergisches  Urkundenbuch  für  das  14.  Jh. 
ein  Ding  der  Unmöglichkeit  ist.  H.  H. 

107.  In  der  Archivalischen  Zeitschrift  N.  F.  XV,  1  ff. 
berichtet  E.  v.  Desto  uches  über  Münchens  Stadt- 
archiv und  Stadtchronik.  Hier  interessieren  vor  allem  die 
Ausführungen  über  die  Bestände  des  Archivs,  die  an 
mittelalterlichen  Urkunden  (1275—1500)  über  2000  Stück 
aufweisen.  —  Ebenda  S.  235  ff.  publiziert  A.  Mitter- 
w  i  e  s  e  r  Regesten  aus  dem  Pfarrarchiv  zu  Prutting  (1287 
—1773).  H.  H. 

108.  Im  Geschichtsfreund  der  fünf  Orte  LXIII,  3  ff. 
sucht  P.  E  Meyer  (Das  erste  Bündnis  der  schweize- 
rischen Urkantone)  nachzuweisen,  dass  die  Stelle  'anti- 
quam  confederacionis  formam  iuramento  vallatam  presen- 
tibus  innovando'  des  Bundes  von  1291  nicht  auf  einen  ca. 
1260  abgeschlossenen  Schutz -Vertrag  zu  beziehen  sei,  son- 
dern dass  damit  der  zunächst  mündlich  abgeschlossene 
Bundesvertrag  von  1291  gemeint  sei,  der  nun  durch  die 
Urkunde  eine  schriftliche  Fixierung  erhielt.  H.  H. 

109.  Von  dem  Urkundenbuch  von  St.  Gallen  ist 
Teil  5,  Lief.  4  erschienen,  enthaltend  Urkunden  und  Re- 
gesten aus  den  Jahren  1430 — 36,  bearbeitet  von  P.  Butler 
und  T.  S  c  h  i  e  s  s.  H.  V^. 

110.  Die  zweite  Hälfte  des  VII.  Bandes  des  Urkunden- 
buches  der  Stadt  und  Landschaft  Zürich  (bearb.  von 
J.  E  s  c  h  e  r  und  P.  Schweizer)  bringt  Urkunden- 
drucke und  Regesten  1301 — 1303  und*  das  von  J.  Brunner 


304  Nachrichten. 

angefertigte  Orts-  und  Personen -ßegister.  Den  umfang- 
reichen SchliTSS  des  Heftes  bilden  aber  der  auf  Grund  des 
Quellenmaterials  bis  1336  hergestellte  Plan  der  Stadt 
Zürich,  die  Erklärung  zu  diesem,  die  P.  Schweizer  besorgt 
hat,  und  die  Häuserregesten,  d.  h.  eine  tabellarische  Zu- 
sammenstellung aller  Urkunden,  die  bis  1836  etwas  über 
Zürcher  Häuser  besagen ,  mit  den  topographischen  Fest- 
stellungen ihrer  Lage.  H.  H. 

111.  Der  IX.  Band  der  Fontes  rerum  Bernensium 
umfasst  das  ürkundenmaterial  der  Jahre  1367 — 1378.  Die 
Sammlung  der  Stücke  ist  zum  grösseren  Teil  von  W.  F. 
V.  M  ü  1  i  n  e  n  durchgeführt  worden,  die  Bearbeitung  für 
den  Druck  und  die  Herstellung  der  Register  hat  A.  Plüss 
übernommen.  Die  Urkunden  sind  grösstenteils  nur  in 
Regestenform  wiedergegeben,  der  ebenso  wie  im  VIII.  Bd. 
(vgl.  N.  A.  XXIX,  802,  n.  310)  an  den  entscheidenden 
Stellen  der  volle  Wortlaut  zvi  Grunde  liegt.  Neue  Ur- 
kunden Karls  IV.  sind  nicht  zu  verzeichnen  (u.  1051  = 
Huber  7446).  H.  H. 

112.  Mit  dem  'Inventar  des  allgemeinen  Archivs 
des  Ministeriums  des  Innern',  bearbeitet  von  den  Beamten 
dieses  Archivs  im  Auftrage  des  K.  K.  Ministeriums  des 
Innern  (Wien  1909)  wird  die  1908  vom  K.  K.  Archivrat 
beschlossene  Veröffentlichung  der  Inventare  öster- 
reichischer staatlicher  Archive  eröffnet.  Die 
sehr  übersichtliche  Anordnung  geschieht  nach  1.  Urkunden, 
2.  Büchern,  3.  Akten.  Die  ersteren  sind  von  1256  — 1549 
einzeln  registriert,  verzeichnen  aus  dem  13.  Jh.  sieben,  aus 
dem  14.  vierundzwanzig,  aus  dem  15.  siebenundvierzig  zum 
Teil  bis  nun  (wie  es  scheint)  nicht  verwertete  Stücke. 
Auch  unter  den  Büchern  (i.  e.  Handschriften)  findet  man 
manche,  die  für  unsere  Zwecke  in  Betracht  kommen,  n.  107 
Samraelband  s.  XV  mit  Kaiser-  und  Königsurkunden,  die 
in  den  Regestenbänden  fehlen,  n.  135  Statuten  Mailän- 
discher  Handwerksgenossenschaften  s.  XV — XVIII.  u.  a. 
In  den  Akten  zahlreiche  Kopien  von  Urkunden  vor    1500. 

B.  B. 

113.  Der  VII.  Bd.  der  dritten  (Archiv-)  Sektion  der 
K.  K.  Zentralkommission  zur  Erf.  u.  Erh.  der  Kunst-  und 
historischen  Denkmale  bietet  eine  Fortsetzung  der  Archiv- 
Berichte  aus  Tirol  von  E.  v.  Ottenthai  und 
O.  Redlich.  Im  ersten  Heft  berichtet  E.  von  Otten- 
thal  über  die  Archive  der  Gerichtsbezirke  Lienz  und 
Windisch -Matrei.      Unter    den    mehrfach   bis    ins    13.   Jh. 


Nachrichten.  305 

zurückreichenden  Archivbeständen  ragen  die  des  Pfarr- 
archivs und  des  Klosters  der  Dominikanerinnen  von  Lienz 
besonders  hervor.  Das  zweite  Heft  enthält  einen  Bericht 
Redlichs  über  die  Gerichtsbezirke  Battenberg  und  Hopf- 
garten. Die  Archive  von  Rattenberg  (Pfarr-  und  Stadt- 
archiv, Archiv  des  Servitenklosters)  und  das  Dekanat-  und 
Pfarrarchiv  von  Brixen  seien  als  reiche  Bestände  besonders 
erwähnt.  H.  H. 

114.  In  den  Mitteilungen  des  K.  K.  Archivs  für 
Niederösterreich  II,  13  ff.  setzt  A.  S  t  a  r  z  e  r  (f)  das  Ver- 
zeichnis der  Originalurkunden  des  K.  K.  Archivs  f. 
Niederösterreich  von  1351 — 1400  fort  (vgl.  N.  A. 
XXXIV,  287,  n.   149).  H.  H. 

115.  Im  59.  Programm  des  K.  K.  Obergymnasiums 
der  Benediktiner  zu  Kremsmünster  (Linz  1909)  vertritt 
P.  B.  P  ö  s  i  n  g  e  r  in  eingehender  Untersuchung  die  Echt- 
heit der  Stiftungsurkunde  des  Klosters  Kremsmünster, 
ausgestellt  von  Herzog  Tassilo  im  Jahre  777.  Doch  hält 
er  ähnlich  wie  Vancsa  (Blätter  des  Vereins  f.  Landeskunde 
von  Niederösterreich  XXXIV,  537)  die  drei  letzten  Besitz- 
bestimmungen für  interpoliert.  Den  Schluss  bilden  Auto- 
typien der  Ueberlieferungen  der  Urkunde  im  codex  Lonsdor- 
fianus,  codex  Pridericianus  (aus  Kremsmünster)  und  im 
codex  Hermanni  Altahensis.  Die  sorgfältige  Arbeit  be- 
deutet zweifellos  eine  wertvolle  Förderung  der  Frage;  das 
letzte  Wort  ist  aber  durch  sie  vielleicht  noch  nicht  ge- 
sprochen. H.  H. 

116.  Zu  den  Nachträgen  zum  Aggsbacher  Ur- 
kundenbuch  (vgl.  N.  A.  XXXIV,  288,  n.  151)  liegt  nun 
eine  Aeusserung  des  Herausgebers  A.  Fuchs  und  eine 
Erwiderung  von  J.  L  a  m  p  e  1  vor  (Jahrbuch  f.  Landes- 
kunde von  Niederösterreich  N.  F.  VII,  347  ff.).  Aus 
diesem  Streit,  dessen  persönliche  Details  nicht  näher  in- 
teressieren, ergibt  sich  wieder  einmal,  wie  misslich  es  ist, 
wenn  in  einem  grossen  Archiv  einheitlich  erwachsene  Be- 
stände zerrissen  werden,  und  dass  es  eine  der  wichtigsten 
Aufgaben  eines  Urkundeneditors  ist,  für  die  Zusammen- 
setzung eines  zersplitterten  Archivbestandes  Sorge  zu 
tragen.  H.  H. 

117.  Im    Archiv    für    die    Geschichte    der    Diözese 
Linz  V,    2.  Heft   gibt  K.  Schiff  mann    den  Traditions- 
codex  des  Augustiner- Chorherrnstiftes  Ranshofen   am' 
Inn  heraus.     Da  der  Originalcodex  verschollen  ist,  musste 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  20 


306  Nachrichten. 

der  Ausgabe  der  Druck  der  Monumenta  Boica  und  Ab- 
schriften in  Hieron.  Majrs  Antiquarium  Ranshoviauum 
(s.  XVII)  zu  Grunde  gelegt  werden,  eine  grosse  Zahl  von 
Traditionen  ist  überhaupt  nur  auszugsweise  bei  Mayr  er- 
halten. Der  Herausgeber  nennt  seine  Arbeit  Beiträge  zu 
einer  kritischen  Ausgabe  und  bemerkt  selbst,  dass  wegen 
der  zeitlichen  Einreihung  und  über  den  formalen  Charakter 
der  Traditionen  noch  weitere  Untersuchungen  notwendig 
sind.  Mit  der  beiläufigen  Angabe  eines  bestimmten  Jahres 
über  jeder  Tradition  kann  ich  mich  nicht  befreunden. 

H.  H. 

118.  Der  VI.  Bd.  des  Codex  diplomaticus  regni 
Croatiae,  Dalmatiae  et  Slavoniae  (ed.  T.  Smiciklas, 
Agram  1908)  führt  diese  Urkundenausgabe  von  1272 — 1290. 
Wie  die  früheren  Bände  enthält  auch  dieser  zahlreiche 
Tingarische  Königsurkunden,  auch  Papsturkunden  sind  in 
bemerkenswerter  Zahl  vertreten.  H.  H. 

119.  In  einem  ersten  Faszikel  hat  1908  ein  palaeo- 
graphisch  -  diplomatisches  Prachtwerk  zu  erscheinen  be- 
gonnen, das  Gustav  Friedrich  im  Auftrag  des  Böhmi- 
schen Landesausschusses  als  Anhang  und  Erläuterung  zu 
seinem  Codex  diplomaticus  regni  B  o  h  e  m  i  a  e 
herausgibt.  Die  'Acta  regum  Bohemiae  selecta'  sind 
wundervoll  ausgeführte  Lichtdrucktafeln  grössten  Formats, 
deren  die  erste  Lieferung  zunächst  14  mit  Herzogs-  und 
Königsurkunden  von  1130  — 1207  enthält.  Der  Umfang 
des  ganzen  Werkes  soll  80 — 90  Tafeln  betragen,  die  zweite 
Lieferung  den  noch  ausstehenden  erläuternden  Text  zur 
ersten  nachholen.  Erst  dann  wird  auf  einzelnes  näher 
eingegangen  werden  können.  Vorläufig  können  wir  das 
grosse  Unternehmen  in  seiner  Anlage  nur  freudig  be- 
grüssen.  M.  T. 

120.  Aus  einem  St.  Georgenberger  Chartular  von 
c.  1480  macht  L.  Schönach  in  den  Mitteil,  des  Ver. 
f.  Gesch.  der  Deutschen  in  Böhmen  XLVII  (1908),  283 
eine  von  Hall  1307  August  20  datierte  Urkunde  der 
Anna,  Gemahlin  Herzog  Heinrichs  von  Kärnten,  Schwester 
des  letzten  Premysliden,  bekannt,  die  sich  hier  im  Titel 
schreibt  'erbe  des  kunigreichs  ze  Behaim,  herzogin  ze 
Krayen  [sie],  grefin  ze  Tyrol  unde  ze  Gorcze'.  B.  B. 

121.  Ueber  die  Stiftungsurkunde  der  Leitmeritzer 
Kollegiatkirche  und  ihre  drei  Ueberlief erungen ,  den  im 
Original  erhaltenen  Akt  von  1057,    die  Insertion  in  einem 


Nachrichten.  307 

Privileg  K.  Premysl  Ottokars  I.  von  1218  und  die  gefälschte 
Gründungsurkunde  s.  XIV.  handelt  J.  S  c  h  1  e  n  z  in  der- 
selben Zeitschrift  XLVII  (1909),  285  ff.  ganz  im  Sinne  der 
dieses  Thema  behandelnden  tschechischen  Arbeit  von  G. 
Friedrich  von  1902.  ß.  B. 

122.  Ebenfalls  in  dieser  Zeitschrift  XLVII  (1908), 
265  ff.  weist  auf  guter  urkundlicher  Basis  A.  Seifert 
eine  verschollene  vorhussitische  Kirche  in  S  a  a  z  in  einem 
dermaligen  dortigen  Wohnhaus  und  Magazin,  das  auch 
schon  als  Schüttboden  und  Malzhaus  gedient  hat,  nach. 

B.  B. 

123.  Im  Jahresbericht  der  Deutschen  Landes -Ober- 
realschule in  Göding  1908 — 09  verteidigt  G.  Treixler 
u.  d.  T.  'Gödinger  Urkunden  III.  —  Ist  die  Gödinger 
Gründungsurkunde  echt?'  mit  ßecht  die  Zuverlässigkeit 
dieser  allerdings  nur  als  Insertion  seit  1350  bekannten,  von 
1228  datierten  Urkunde,  eines  für  die  älteste  Kolonisations- 
geschichte Mährens  wichtigen  Stückes.  Gedruckt  ist  die 
Urkunde,  die  von  der  Königin  Konstanze  als  Stadtherrin 
ausgestellt  ist,  im  Cod.  dipl.  Morav.  II,  204.  B.  B. 

124.  J.  Ferrant  publiziert  in  den  Annales  de  la 
societe  d'emulation  de  Bruges  LIX,  137  sqq.  einige  auf  die 
Kirche  zu  Harlebeke  bezügliche  Privaturkunden  aus 
dem  Ende  des  14.  Jh.  H.  W. 

125.  In  den  Analectes  p.  servir  ä  l'hist.  eccl.  de  la 
Belgique  XXXV,  1—15  untersucht  H.  Nelis  die  Schen- 
kungsurkunde des  Grafen  Robert  für  St.  T  r  o  n  d  von  741. 
Von  den  beiden  Fassungen  ist  nach  ihm  die  von  Miraeus, 
Pardessus  und  Raymaekers  gedruckte  eine  Ueberarbeitung 
des  12.  Jh.,  die  andere  dagegen,  die  in  einer  Abschrift 
von  c.  1050  vorliegt,  durchaus  unverdächtig.  Der  Text 
der  Urkunde  (S.  7  f.  u.  S.  11  ff.)  ist  nach  der  beigegebenen 
Lichtdrucktafel  nicht  genau  wiedergegeben :  oft  ist  §  statt 
e  gesetzt,  zwei  Fehler  in  Ortsnamen  und  mehrere  andere 
kommen  vor.  A.  H. 

126.  In  den  Annales  de  la  societe  d'archeologie  de 
Bruxelles  XXII,  325  sqq.  behandelt  G.  Des  Marez  die  an- 
gebliche Gründungsurkunde  der  Pfarrkirche  von  St.  Michael 
und  Gudula  zu  Brüssel  vom  Jahre  1047  (mit  Text- 
abdruck und  Facsimile,  vgl.  auch  das  Facsimile  bei  Reusens, 
Elements  de  paleographie  p.  194),  ausgestellt  von  einem 
Baldricus,  den  man  mit  dem  Grafen  Lambert  IL  von 
Löwen  identifiziert,   indem  man  annimmt,    dass  dieser  den 

20* 


308  Nachrichten. 

Doppelnamen  Lambert- Bai drich  geführt  habe  (vgl.  Jahrb. 
Heinrichs  II.  Bd.  III,  26,  N.  4).  Gegen  Reusens,  der  die 
Urkunde  für  echt  gehalten  hatte,  bemerkt  Des  Marez  mit 
Recht,  dass  sie  wohl  erst  im  Anfang  des  12.  Jh.  entstanden 
ist;  die  Schrift  und  das  anhängende  Reitersiegel  lassen 
daran  keinen  Zweifel.  In  wie  weit  ihr  Inhalt  glaubwürdig 
ist,  wird  noch  weiterer  Untersuchung  bedürfen;  die  Be- 
denken, die  D.  hinsichtlich  des  den  Klerikern  zugestandenen 
freien  Verfügungsrechtes  über  ihre  Präbenden  ausgesprochen 
hat,  sind  jedenfalls  sehr  berechtigt.  H.  Br. 

127.  R.  Van  Waefelghem  behandelt  in  den 
Analectes  de  l'ordre  de  Premontre  IV  und  V  die  'C  a  r  - 
tulaires  de  l'abbaye  du  P  a  r  c',  deren  Erwähnung  er 
in  der  Bibliographie  generale  des  cartulaires  fran9ais  von 
H.  Stein  vermisst.  A.  EL. 

128.  Unter  den  Urkunden  der  Abtei  St.  Michiels  zu. 
Antwerpen  veröffentlicht  P.  J.  Goetschalckx  zwei 
Bullen  Papst  Martins  IV.  von  1281,  in  den  Bijdragen 
tot  de  gesch.  van  het  hertogd.  Brabant  VIII,  232  f. 

A.  H. 

129.  Im  Bulletin  de  la  commission  rojale  d'hist. 
(Acad.  roy.  de  Belgique)  LXXVIII,  1  sqq.  veröffentlicht 
L.  V  e  r  r  i  e  s  t  'trois  chartes  -  lois  iuedites  de  seigneuries 
de  l'ancien  Hain  auf  (Vicq-Escaupont,  Elesmes,  Berelles: 
1238.  1280.  1292).  A.  H. 

130.  In  den  Annales  de  la  societe  archeologique  de 
Namur  XXVII,  213  sqq.  hat  C. -G.Roland  weitere  vierzehn 
Urkunden  des  11 — 13.  Jh.  zur  Geschichte  des  Gebietes 
von  Namur  veröffentlicht  und  erläutert,  vgl.  N.  A.  XXX, 
246,  n.  150.  Die  älteste  (n.  13)  des  Bischofs  Balderich  von 
Lüttich  vom  J.  1015  für  das  Kloster  St.  Jakob  zu  Lüt- 
tich war  schon  bekannt,  aber  nur  in  sehr  schlechtem 
Texte  (fehlerfrei  ist  freilich  auch  der  neue  nicht);  ich 
kann  sie  aber  nicht  für  echt  halten.  Dass  das  angebliche 
Original  (mit  Bruchstück  eines  roten  Siegels)  erst  dem 
12.  Jh.  angehört,  hat  schon  Schubert,  Eine  Lütticher 
Schriftprovinz  S.  13  f.  bemerkt;  aber  auch  der  Inhalt,  über 
den  Schubert  nicht  zu  sicherer  Entscheidung  gelangt  ist, 
kann  der  Prüfung  nicht  Stand  halten.  Die  Urkunde  ist 
mit  Benutzung  einer  verlorenen  echten  Vorlage  und  der 
Vita  Balderici,  von  der  sie  aber  in  einem  wesentlichen 
Punkte  nicht  zu  ihrem  Vorteil  abweicht,  angefertigt,  und 
offenbar  sind  es  die  Bestimmungen  über  die  Einschränkung 


Nachrichten.  309 

der   Rechte    des  Vogtes,    die    bei   dieser   wie    bei  so  vielen 
Trugwerken  des  12.  Jh.  den  Anlass  zu  der  Fälschung  gaben. 

H.  Br. 

131.  In  den  Annales  de  la  soc.  d'emulation  de  Bru- 
ges  LIX,  63 — 65  gibt  R.  D  u  p  o  n  t  Nachträge  zu  dem  in 
früheren  Jahrgängen  derselben  Zeitschrift  veröffentlichten 
Verzeichnis  Flandrischer  Cartulare.  Sie  betreffen 
die  Kirche  zu  Ingelmünster,  Brügge,  Hospiz  St.-Hubert  oder 
van  Volden  und  Cordiers  (linemaeckers);  Oudenburg,  Me- 
tiers; Furnes,  Gavegasthuis ;  St.  Marienkirche  zu  Nieu- 
poort.  A.  H. 

132.  Im  Mojen  Age,  2.  serie,  t.  XIII,  29—37  publi- 
zierte M.  Jusselin  die  Abschrift  einer  Urkunde  (1184 — 
1191)  mit  den  Facsimiles  der  Unterschriften  von  den 
Männern,  die  sie  beglaubigten,  darunter  der  des  Kirchen- 
rechtsgelehrten Stephan,  der  damals  Abt  von  St. -  Genevieve, 
später  Bischof  von  Tournai  war,  und  einen  Brief  desselben 
und  des  Bischofs  Mauritius  von  Paris  an  den  Papst  Lu- 
cius III.  von  1181.  0.  H.-E. 

133.  Im  Bull,  de  la  soc.  d'etudes  de  la  province  de 
Cambrai  X  (1907),  147—149  teilt  H.  Dubrulle  eine 
Bulle  Martins  V.  für  das  Kapitel  von  St.  Peter  in 
Lille  mit.  E.  M. 

134.  Zu  den  N.  A.  XXXIV,  293,  n.  172  verzeichneten 
Doktorarbeiten  von  Dijon,  in  deren  Anhang  die  Urkunden 
von  St.  Stephan  in  Dijon  veröffentlicht  werden,  ist 
das  Buch  von  G.  V  a  1  a  t  hinzugekommen :  Poursuite  privee 
et  composition  pecuniaire  dans  l'ancienne  Bourgogne  (1907), 
dem  die  Urkunden  von  1155  bis  1200  beigegeben  sind. 

W.  L. 

135.  Im  Fonds  Borghese  des  Vatikanischen  Archivs 
hat  A.  F  a  y  e  n  ein  Verzeichnis  der  Annaten  der  R  e  i  m  s  e  r 
Kirchenprovinz  unter  Eugen  IV.  aus  den  Jahren  1431 — 
1441  gefunden,  wodurch  die  Lücke  von  1433 — 1436  in  den 
Originalregistern  Eugens  IV.  zum  Teil  ausgefüllt  wird. 
Er  teilt  daraus  in  den  Analectes  p.  serv.  ä  l'hist.  eccl.  de 
la  Belgique  XXXV,  261  sqq.  alle  Angaben  mit,  die  bei 
Dubrulle,  Les  beneficiers  des  dioceses  d'Arras,  Cambrai, 
Therouanne,  Tournai,  sous  le  pontificat  d' Eugene  IV, 
d'apres  les  documents  conserves  aux  Archives  d'Etat,  ä 
Rome  (vgl.  N.  A.  XXXI,  n.  74.  273),  fehlen.  A.  H. 

136.  Ueber  den  gegenwärtigen  Zustand  des  Mai- 
länder Staatsarchivs,  seine  Geschichte,  seine  Be- 


310  Nachrichten. 

stände,  deren  Neuordnung,  soweit  sie  schon  durchgeführt 
ist,  und  was  daran  noch  geschehen  muss,  handelt  Luigi 
Fumi  im  Archivio  storico  Lombardo,  serie  4.,  anno  XXXVI, 
fasc.  21,  p.  198  —  242.  O.  H.-E. 

137.  In  den  Atti  della  E.  accademia  delle  scienze 
di  Torino  XLIV,  disp.  2/3,  p.  125—144  behandelt  Pietro 
Torelli,  L' archivio  del  Monferrato,  das  nicht 
nach  einer  immer  noch  weit  verbreiteten  Meinung  nach 
Aufhören  des  selbständigen  Bestehens  des  Herzogtums 
Mantua  zerstreut  worden  und  weder  in  Mantua  noch  in 
Wien,  sondern  im  wesentlichen  unversehrt  in  Turin  sei; 
er  setzt  das  Schicksal  des  Archivs  im  Einzelnen  ausein- 
ander und  gibt  zum  Schluss  ein  Verzeichnis  solcher  Stücke, 
die  aus  irgend  welchen  Gründen  in  Mantua  geblieben  sind. 
Als  neue ,  beachtenswerte  Ueberlieferungen  sind  hier  zu 
erwähnen  St.  3744  (Or.);  St.  4452  Kopie  von  1509,  bisher 
aus  Originalkonzepten  der  Bestätigungen  Maximilians  II. 
(1574)  und  Rudolfs  II.  (1585)  bekannt;  Schreiben  betr.  die 
Ächtung  der  Lombarden  durch  Friedrich  II.  (1226.  Juli) 
an  Podesta  und  Rat  von  Alba,  bisher  in  den  Exemplaren 
an  Cremona,  Como,  Asti  und  Imola  bekannt  (Constit.  II, 
136,  n.  107).  B.  Schm. 

138.  Am  25.  Mai  913  schenkte  B  e  r  e  n  g  a  r  I.  (Schia- 
parelli  n.  89)  seinem  Kanzler,  dem  Veronesen  Johannes 
ein  Grundstück  innerhalb  der  Arena  von  Verona,  922.  Aug. 
verfügte  in  seinem  Testament  lohannes  episcopus  Ticinensis, 
wie  die  älteren  Drucke  haben,  über  eben  ein  solches  Grund- 
stück, man  hatte  daher  die  beiden  Personen  des  gleichen 
Namens  identifiziert.  Schiaparelli  bewies,  dass  das  nicht 
möglich  sei,  dass  der  Kanzler  vielmehr  Bischof  von  Cre- 
mona wurde,  und  suchte  einen  Ausweg  aus  dem  Dilemma, 
indem  er  ein  verlorenes  Diplom  Berengars  für  den  Bischof 
von  Pavia  annahm.  Jetzt  zeigt  Giuseppe  G  e  r  o  1  a  in  dem 
Archivio  storico  Lombardo,  serie  quarta,  anno  XXXV, 
fasc.  20,  p.  426  —  431,  dass  in  dem  Testament  'Cremo- 
nensis'  für  'Ticinensis'  zu  lesen  ist,  wodurch  jede  Schwierig- 
keit beseitigt  wird.  0.  H.-E. 

139.  Mit  einer  hübschen  üeberraschung  beschert  uns 
L.  Schiaparelli  aus  dem  Kapitelarchiv  von  P  i  a  - 
c  e  n  z  a  ,  indem  er  in  einem  ersten  Teil  von  'Ricerche  e 
studi  sulle  carte  Longobarde'  (Bullettino  dell'  Istituto 
storico  Italiano  1909  n.  30)  13  unbekannte  Privaturkunden 
V.  J.  735 — 774  abdruckt,  von  denen  12  noch  in  Originalen 
vorliegen,  während  wir   für   ein  Stück   (n.  X)   auf   die  Ab- 


Nachrichten.  311 

Schrift  Bosellis  angewiesen  sind,  der  schon  alle  Urkunden 
gekannt  und  kopiert,  aber  Anstand  genommen  hatte,  seine 
wegen  des  teilweise  schlechten  Erhaltungszustandes  der 
Originale  lückenhaften  Abschriften  zu  veröffentlichen.  Von 
den  n.  VI  und  IX  gibt  Schiaparelli  auch  Lichtdruck- 
Facsimiles.  In  der  kurzen  Einleitung  bespricht  er  sach- 
kundig einige  Besonderheiten  im  Formular  dieser  Urkunden. 

M.  T. 

140.  A.  Gaudenzi  verteidigt  in  langatmigen  Aus- 
führungen im  Archivio  stör,  italiano,  Ser.  5,  Bd.  XLI, 
257  ff.  seine  Auffassung  von  dem,  was  er  'Doppelredaktion' 
(duplice  redazione)  der  italienischen  Notariatsurkunde 
nennt,  und  von  ihren  Dorsualnotizen  (vgl.  N.  A.  XXXI, 
276,  n.  127)  gegen  ßrunner,  Kern  und  mich  selbst.  Es 
ist  nicht  tunlich ,  an  dieser  Stelle  und  in  einer  kurzen 
Notiz  die  ganze  Frage  eingehend  zu  behandeln ;  ich  muss 
mich  damit  begnügen,  meinen  Widerspruch  gegen  die 
Theorie  Gaudenzis  wiederholt  zu  betonen,  und  darauf  ver- 
ziehten, Einzelheiten,  wie  etwa  die  wundersame  Unter- 
scheidung zwischen  'scribere'  und  'conscribere',  die  er 
S.  305  ff.  vorträgt,  kritisch  zu  beleuchten.  Nur  eine  einzige 
Bemerkung,  welche  anscheinend  nur  die  diplomatische 
Terminologie,  in  Wirklichkeit  aber  den  Kern  von  Gaudenzis 
Ausführungen  angeht,  möchte  ich  machen.  Gaudenzi  be- 
kämpft es  wiederholt  aufs  entschiedenste ,  dass  ich  die 
Dorsualnotizen  der  italienischen  Notariatsurkunden  und 
nun  gar  die  Imbreviaturen  der  späteren  Zeit  als  Konzepte 
('minute',  wie  er  übersetzt)  bezeichne;  er  will  durchaus,  dass 
sie  Akte  (atti)  genannt  werden.  Vielleicht  wird  er  doch 
wenigstens  in  diesem  einen  Punkte  von  der  Eichtigkeit 
meiner  Ausdrucksweise  sich  überzeugen  lassen,  wenn  er 
eine  Dekretale  Gregors  IX.  (II,  22,  de  fide  instrumen- 
torum,  cap.  15,  ed.  Friedberg  S.  353)  ins  Auge  fasst.  Hier 
heisst  es:  'Cum  P.  tabellio  morte  praeventus  quaedam  non 
perfecerit  instrumenta,  quae  in   nota   redacta   fuerant   ab 

eodem, poteris  ea  fideliter  in    publicam   formam 

redigere'.  Dass  hier  der  Ausdruck  'nota'  auf  die  Im- 
breviaturen angewandt  ist,  wird  G.  nicht  in  Abrede  stellen, 
und  dass  in  der  Sprache  der  päpstlichen  Kanzlei  'nota'  im 
13.  Jh.  dasselbe  bedeutet,  wie  'minuta'  im  späteren  Mittel- 
alter, nämlich  Konzept,  ist  eine  jedem  Diplomatiker  be- 
kannte Tatsache  (vgl.  z.  B.  Paoli,  Programma  scolastico 
III,  67),  über  die  sich  G.,  wenn  er  sie  doch  bezweifeln 
sollte,  aus  den  päpstlichen  Kanzleiordnungen  schnell  unter- 
richten könnte.  —  Uebrigens  will  ich  nicht  unterlassen  zu 


312  Nachrichten. 

bemerken,  dass,  wenn  auch  Gaudenzis  Auffassung  meines 
Erachten s  jetzt  wie  früher  abgelehnt  werden  muss,  die 
Mitteilung  einer  erheblichen  Anzahl  bisher  unbekannter 
Dorsualnotizeu,  die  er  in  seinen  Aufsatz  eingefügt  hat, 
recht  dankenswert  ist.  H.  Br. 

141.  In  den  Miscellanea  di  storia  Italiana  XLIV 
(Ser.  3,  XIII),  123  sqq.  druckt  D.  Sant'  Ambrogio 
aus  dem  Recueil  des  chartes  de  l'abbaye  de  Cluny  die  auf 
das  Kloster  S.  Pietro  di  Castelletto  al  Cervo  bezüglichen 
Urkunden  n.  3430.  3396.  4044  (St.  3338)  mit  einigen 
Erläuterungen  wieder  ab.  H.  W. 

142.  Zu  dem  Prozess,  den  Francesco  Petrarca 
um  den  ihm  vom  Papste  Clemens  VI.  1342  Okt.  7  ver- 
liehenen Priorat  von  Migliarino  bei  Pisa  führte,  publizierte 
Arnaldo  della  Torre  eine  Anzahl  von  Aktenstücken 
und  erläuterte  sie  im  Archivio  storico  Italiano,  serie  V, 
t.  XLII,  119—136.  O.  H.-E. 

143.  E.  Gualandi  gibt  seiner  Studie :  Le  origini 
de'  conti  da  Panico  (871 — 1068)  (Atti  e  memorie  d. 
E.  deputazione  di  stör.  patr.  per  le  prov.  di  Romagna, 
III.  Serie,  vol.  XXVI,  p.  285  —  348;  Bologna  1908)  als 
Anhang  ein  Eegesto  dei  documenti  und  drei  documenti 
inediti  bei,  Emphyteuseurkunden  von  1011  März  28,  1038 
Febr.  6  und  1043' Juli  2.  B.  Schm. 

144.  In  den  Studi  storici  vol.  XVII,  fasc.  1  (Pisa 
1908),  p.  35 — 134  stellt  G.  Pardi  di  Liste  der  Podestä, 
Capitani  e  Vicari  in  Orvieto  nei  secoli  XIII.  e  XIV., 
die  er  für  den  internationalen  Historikerkongress  in  Rom 
bis  1500  geliefert  hatte,  von  neuem  zusammen  mit  Bei- 
fügung historischer  Notizen  über  die  einzelnen  Persönlich- 
keiten. B.  Schm. 

145.  Eine  dem  9.  Jh.  angehörende,  von  einem 
Reichenauer  Mönch  Gerhard  herrührende  Einleitungs- 
epistel zu  Isidors  De  rerum  natura  veröffentlicht  G.  B er- 
tön i  in  den  Studi  medievali  II,  551 — 553.  R.  S. 

146.  A.  Cauchie  macht  in  den  Analectes  p.  serv. 
ä  l'hist.  eccl.  de  la  Belgique  XXXV,  285  —  288  auf  einen 
Brief  des  Erzbischofs  Friedrich  I.  von  Köln  an 
B.  Albero  I.  von  Lüttich  (1123—28)  bei  Rupert  von  Deutz, 
In  regulam  s.  Benedicti,  Migne,  Patr.  Lat.  CLXX,  526  sq. 
(a.  d.  J.  1125)  aufmerksam,  in  dem  der  mit  den  Benedik- 
tinern Kuno  von  Siegburg  und  Rupert  von  Deutz  befreun- 


Nachrichten.  313 

dete    Erzbischof    die    Begünstigung    der   Prämonstratenser 
durch  Albero  missbilligt.  A.  H. 

147.  Aus  der  Tegernseer  Hs.  Clm.  19411,  deren 
nähere  Beschreibung  wir  Wattenbach  verdanken  (vgl. 
N.  A.  XVII,  33  fE.),  druckt  H.  S  i  m  o  n  s  f  e  1  d  (SB.  der 
Kgl.  bayer.  Akademie  der  Wiss.,  Philos.  -  philol.  u.  bist. 
Kl.  1909,  4.  Abhandlung)  einige  bisher  nicht  publizierte 
Briefe  ab.  Sie  betreffen  die  Klöster  Tegernsee,  Steingaden 
und  Benediktbeuren  und  gehören  der  Zeit  Friedrichs  I. 
an.  Ihr  Inhalt  bietet  wertvolle  Nachrichten  zur  Be- 
urteilung der  kirchenpolitischen  Verhältnisse  jener  Zeit. 
In  der  Beilage  erwidert  S.  auf  die  Rezension,  die  K.  Hampe 
in  der  Hist.  Zeitschr.  CII,  106  ff.  über  den  ersten  Band 
der  Jahrbücher  Friedrichs  I.  veröffentlicht  hat.     H.  H. 

148.  Unter  dem  Titel  'Atti  diplomatici  riguardanti 
le  relazioni  tra  Venezia  e  Firenze  al  principio  del  secolo 
XIV.'  veröffentlicht  C.  C  i  p  o  1 1  a  im  Archivio  storico 
Italiano  XLIII,  332  —  350  aus  den  Lettere  di  collegio 
1308  — 1310  des  Venezianer  Staatsarchivs  mehrere 
interessante  Stücke  jener  Zeit,  darunter  auch  ein  Schreiben 
des  Dogen  Pietro  Gradenigo  an  den  König  von  Böhmen, 
Heinrich  von  Kärnten  (1308  Dez.   12).  M.  Kr. 

149.  Aus  der  Hs.  n.  12722  der  Pariser  National- 
bibliothek ediert  F.  Bliemetzrieder  in  blossem  Ab- 
druck das  Gutachten  der  juristischen  Fakultät  zu  Padua 
über  U  r  b  a  n  s  VI.  Wahl.  (Sommer  1378).  Kommentar 
wird  in  Aussicht  gestellt.  B.  B. 

150.  U.  d.  T.  'Eine  von  den  Kreisen  des  Hofes 
Kaiser  Karls  IV.  inspirierte  Verteidigung  der  Wahl 
Urbans  VI.  (1379)',  veröffentlicht  F.  Bliemetzrieder 
in  den  Mitteil,  des  Ver.  f.  Gesch.  der  Deutschen  in 
Böhmen  XLVII  (1909),  375  ff.  aus  Cod.  n.  5064  der  Wiener 
Hofbibliothek  ein  interessantes  Aktenstück,  das  sich  als 
ein  Brief  eines  anonymen  Karthäusers  an  eine  ungenannte 
Person  darstellt.  B.  charakterisiert  es  als  ein  'Stimmungs- 
bild aus  den  ersten  Zeiten  des  Schismas',  verfasst  unter 
dem  Einfluss  der  Hofkreise  K.  Karls  IV.  und  seines  Sohnes 
Wenzel,  in  voller  Ueberzeugung  der  Legitimität  der  Wahl 
Urbans  VI.      Das  Schriftstück  ist   unvollständig   erhalten. 

B.  B. 

151.  Im  Anschluss  an  einen  verbesserten  Wieder- 
abdruck des  von  J.  Chmel  im  J.  1841  bekannt  gemachten 
Spottbriefes   auf   K.  Wenzel   und  die   römische  Kurie   aus 


314  Nachrichten. 

dem  Miszellaucodex  n.  8219  der  Wiener  Hofbibliothek 
erörtert  G.  Sommerfeldt  in  'Ein  Pasquill  auf  Miss- 
bräuche am  Hofe  K.  Wenzels  und  an  der  Kurie,  1379' 
in  der  eben  genannten  Zeitschrift  XLVII  (1908),  219  fp. 
die  Frage  nach  dem  Verfasser.  Er  verweist  auf  die  Ueber- 
einstimmung  der  beiden  nicht  zusammengehörigen  Teile 
dieses  Briefes  mit  zwei  selbständigen  Stücken  im  sogen. 
Codex  epistolaris  des  Erzb.  Johann  v.  Jenstein  von  Prag, 
die  nur  deshalb  in  der  Kollektaneenhs.,  die  Chmel  be- 
nutzte, zu  einem  Stück  verschweisst  wurden,  weil  im  Brief- 
codex ein  Doppelblatt  herausgerissen  ist,  auf  dem  minde- 
stens der  Schluss  des  einen  und  der  Beginn  des  anderen 
Stückes  gestanden  haben.  Der  erste  Teil,  die  eigentliche 
Habsuchtsepistel,  dürfte  irgendwie  mit  dem  für  P.  Klemens 
agitierenden  Konrad  Heinrich  von  Wesel  in  Verbindung 
zu  bringen  sein.  Der  zweite  Teil  ist  ein  Dankschreiben 
Jensteins  an  P.  Urban  VI.,  das  eben  mit  dem  Pasquill 
nichts  zu  tun  hat.  B.  B. 

152.  In  den  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem 
Benediktiner-  und  dem  Cistercienserorden,  Jahrg.  XXIX 
(1908),  580  fe.  veröfeentlicht  F.  Bliemetzrieder  einen 
Bericht  des  Matthaeus  Clementis  an  Urban  VI. 
(c.  1381)  über  seine  Arbeiten  zu  dessen  Gunsten  in 
Aragouien,  durch  den  diese  noch  für  ßaluze  sagenhafte 
Gestalt  klar  hervortritt.  Der  Bericht  findet  sich  in  einer 
Hs.  der  Wiener  Hofbibliothek  Cod.  Lat.  50G4,  fol.  XXVIII. 

B.  B. 

153.  Ebenda,  Jahrg.  XXX  (1909),  52  ff.  veröffentlicht 
F.  Bliemetzrieder  aus  Hs.  n.  12722  der  Pariser 
Nationalbibliothek  einen  Sermo  des  Bischofs  Petrus 
G  i  r  a  r  d  i  bei  der  Uebergabe  des  Kardinalshutes  an  Pileus 
de  Prata  und  Galeotto  de  Petramala  (1386/7).  Die  Namen 
der  Kardinäle  und  die  Zeit  sind  in  dem  Sermo  zwar  nicht 
genannt,  aber  B.  macht  es  durchaus  wahrscheinlich,  dass 
es  sich  um  eine  Anrede  an  diese  beiden  durch  P.  Cle- 
mens VII.  rehabilitierten  Personen  bei  der  Uebergabe  des 
Kardinalhutes  handle,  und  dass  das  Ereignis  in  die  Zeit 
von  August  1386  bis  13.  Juni  1387  fallen  müsse.  B.  macht 
gleichzeitig  aufmerksam  auf  das  in  der  Hs.  unmittelbar 
vorangehende  Schreiben,  das  Pajjst  Clemens  VII.  an  seine 
Gesandten  Johann  de  Murot,  Bischof  von  Genf,  und  an 
den  damaligen  Kammerkleriker,  späteren  Bischof  und 
Kardinal  Petrus  Girardi  im  J.  1380  richtete,  dessen  Ab- 
druck er  in  Aussicht  stellt.  B.  B. 


Nachrichten.  315 

154.  Seinem  ertragreichen  Bericht  über  Nach- 
forschungen nach  Briefen  des  Enea  Silvio  (vgl.  N.  A. 
XXXI,  538,  n.  34:3)  hat  R.  Wölk  an  nunmehr  den  ersten 
Band  seiner  Publikation  folgen  lassen:  Der  Briefwechsel 
des  Eneas  Silvius  Piccolomini.  I.  Abteilung :  Briefe 
aus  der  Laienzeit  (1431  —  1445).  1.  Band:  Privatbriefe 
(Wien,  G.  Holder  1909.  XXVIII,  595  S. ;  a.  u.  d.  T. : 
Fontes  rerum  Austriacarum  II.  Abt.,  61.  Bd.).  Während 
die  Einleitung  über  die  handschriftlichen  Grundlagen  der 
Ausgabe  handelt,  bringt  diese  selbst  im  ganzen  203  Briefe 
zum  Abdruck,  der  Art  dass  jedem  einzelnen  von  ihnen 
Angaben  über  den  Inhalt,  Ueberlieferungsform  und  etwaige 
ältere  Drucke  vorgesetzt  sind.  Der  Text,  in  dem  freilich 
nur  die  Eigen-  und  Ortsnamen  mit  grossen  Anfangsbuch- 
staben ausgezeichnet  sind,  wird  begleitet  von  Varianten 
und  Anmerkungen,  von  denen  jene  —  wiederum  abweichend 
von  sonstigem  Brauche  —  durch  Ziffern,  diese  durch  Buch- 
staben unterschieden  werden.  Wolkan  trennte  in  seiner 
Ausgabe  die  Privatbriefe  Eneas'  von  den  im  Auftrag  König 
Friedrichs  III.  oder  des  Kanzlers  Schlick  verfassten;  die 
ersteren  erhielten  arabische  Ziffern ,  jene  sollen  nach 
römischen  durchgezählt  werden.  Wir  bekennen  kein  Freund 
solcher  Trennungen  zu  sein,  würdigen  es  aber,  wenn  W. 
S.  XXV  betont,  dass  er  sie  hier  'nach  langer  Ueberlegung 
und  mit  gutem  Grunde'  vorgenommen  hat,  zumal  dem 
Herausgeber  die  Entscheidung  darüber  zustehen  muss,  wie 
er  seine  Edition  gestaltet.  Sei  dem  wie  ihm  wolle:  W.'s 
Veröffentlichung  bedeutet  eine  willkommene  Bereicherung 
unserer  Kenntnisse  vom  Leben,  Charakter  und  den  weit- 
verzweigten Beziehungen  des  späteren  Papstes  in  seiner 
Laienperiode,  nicht  allein  dank  den  hier  zum  ersten  Mal 
gedruckten  Briefen  oder  briefähnlichen  Abhandlungen  vind 
Schilderungen  (vgl.  z.  B.  n.  8 — 13.  31 — 33  über  das  Baseler 
Konzil) ,  sondern  auch  dank  der  sorgfältigen  und  be- 
hutsamen Behandlung  der  schwierigen  chronologischen 
Fragen,  bei  der  W.  mehr  als  einmal  von  G.  Voigt,  dem 
verdienten  Biographen  seines  Helden,  abweicht.  Darum 
möchten  wir  dem  Wunsche  nach  baldiger  Fortsetzung 
Ausdruck  geben;  sie  wird  sicherlich  auch  die  jetzt  noch 
fehlenden  Register,  Konkordanzen  und  —  was  bei  keiner 
Urkunden-  oder  Briefedition  vermisst  werden  sollte  —  ein 
Initienverzeichnis  bringen.  A.  W. 

155.  In  der  Zeitschrift  f.  Thüringische  Geschichte  u. 
Altertumsk.  N.  F.  XXVII  (1909),  506—512  hat  G.  Sommer- 
fei d  t    sieben    Briefe    des    Nürnberger  Rats    an    die 


316  Nachrichten. 

Grafen  von  Schwarzburg- Sondershausen  1443 — 1448, 
einen  an  den  Grafen  von  Schwarzburg -Rudolstadt  heraus- 
gegeben. O.  H. -E. 

156.  In  einer  fesselnden  Untersuchung  'Beiträge  zu 
A  u  s  o  n  i  u  s.  IV.  Die  Ephemeris  —  ein  Mimus',  Progr. 
des  Gjmn.  zu  Wolfenbüttel,  1909,  zeigt  W.  Brandes, 
dass  die  Klage  'Wir  haben  keinen  Eest  der  mimischen 
Hypothese  aus  der  römischen  Kaiserzeit'  unbegründet  ist, 
denn  von  Ausonius  ist  uns  das  umfangreiche  Bruchstück 
eines  häuslichen  lateinischen  Mimus  erhalten.        K.  Str. 

157.  In  einem  sehr  bemerkenswerten  Aufsatze  'Die 
Epistel  des  Auspicius  und  die  Anfänge  der  lateinischen 
Ehythmik',  Ehein.  Mus.  LXIY,  1908,  S.  57  ff.,  hat 
W.  Brandes  gegen  W.  Meyers  wiederholte  Kritik  seiner 
Beurteilung  der  Versepistel  des  Auspicius  Stellung  ge- 
nommen. Er  begnügt  sich  nicht  damit  seine  Auffassung 
völlig  aufrecht  zu  erhalten  und  fester  zu  begründen, 
sondern  geht  im  zweiten  Teil  auch  dazu  über,  die  Grund- 
lage der  bekannten  Meyerschen  Lehre ,  die  semitische 
Silbenzählung,  'das  tiocotov  ^^evdo^\  zu  erschüttern.  Natür- 
lich ist  hier  manches  sehr  hypothetisch,  doch  lässt  sich 
nicht  leugnen,  dass  der  Eindruck  dieser  Ausführungen  be- 
deutend ist.  Der  Aufsatz  muss  und  wird  in  der  weiteren 
Diskussion  der  schwierigen  Frage  eine  wichtige  Eolle 
spielen.  K.  Str. 

158.  Fast  gleichzeitig  mit  dem  eben  genannten  Auf- 
satz von  Brandes  ist  auch  in  der  Byzant.  Zeitschrift  XYII, 
587  ff.  die  Antwort  von  P.  Maas  auf  Meyers  Angriff  in 
den  Göttinger  Nachrichten  1908  S.  194  ff.  erschienen. 
Wenn  auch  beide  in  der  Ablehnung  der  Meyerschen  Aus- 
führungen übereinstimmen ,  so  trennen  sie  sich  doch 
in  der  Grund  auf  fassung  des  Problems.  Aber  es  gibt  zu 
denken,  dass  sie  in  einer  Eeihe  wichtiger  Punkte  zusammen 
kommen,  ich  nenne  nur  die  stark  betonte  Forderung,  die 
Anfänge  der  lateinischen  rhythmischen  Dichtung  nicht 
nach  den  Eegeln  späterer  Jahrhunderte  zu  beurteilen,  den 
Hinweis  auf  den  Einfluss  der  Iren,  die  Bemerkung  über 
die  Betonung  zweisilbiger  Wörter.  K.  Str. 

159.  In  einer  Miscelle  'Kurz-  und  Langzeile  in  der 
Auspicianischen  Strophe',  Philologus  LXVIII,  157  ff.,  führt 
Maas  die  eben  erwähnten  Untersuchungen  fort.  Die 
Tatsache,  dass  der  Inhalt  bei  Auspicius  fordert  Lang- 


Nachrichten.  317 

Zeilen  anzusetzen,  findet  ihre  Parallele  darin,  dass  in  5  der 
ältesten  Hymnen  die  erste  und  dritte  Knrzzeile  metrisch 
freier  behandelt  ist  als  die  2.  und  4.  (Siebensilber,  Neun- 
silber, paroxytonischer  Schlussaccent),  also  schon  in  sehr 
früher  Zeit  ein  solcher  Gegensatz  zu  den  quantitierenden 
Vorbildern!  Den  Schluss  bildet  der  Hinweis  auf  eine 
ähnliche  Erscheinung  in  der  frühbjzantinischen  Metrik. 

K.  Str. 

160.  Eine  tief  dringende  Studie  bietet  Gl.  Blume 
im  III.  Bande  der  'Hymnologischen  Beiträge'  unter  dem 
langen  Titel  'Der  Gursus  s.  Benedicti  Nursini  und  die 
liturgischen  Hymnen  des  6  —  9  Jh.  in  ihrer  Beziehung  zu 
den  Sonntags-  und  Ferialhymnen  unseres  Breviers',  Leipzig 
1908.  Er  stellt  fest,  welche  liturgischen  Hymnen  zur  Zeit 
des  hl.  Benedikt  und  vor  ihm  im  Gebrauch  waren,  und 
kommt  zu  dem  überraschenden  Ergebnis,  dass  im  Laufe  des 
9.  Jh.  der  bis  dahin  auf  dem  Festlande  angewandte  litur- 
gische Hymnencyklus  durch  einen  andern ,  anderswo  zu- 
sammengestellten und  auch  z.  T.  wohl  gedichteten ,  ver- 
drängt worden  sei.  Diesem  zweiten  Gyklus,  der  von  da 
an  den  Grundstock  des  Hymnenbestandes  bildet,  wird 
irische  Provenienz  zugesprochen.  Auch  sonst  enthält  die 
Schrift  eine  Reihe  wichtiger  Beobachtungen  zur  Geschichte 
des  Breviers. 

Eine  Fortsetzung  dieser  Untersuchungen  bringt  die 
Einleitung  zu  Blumes  Erneuerung  von  Daniels  'Thesaurus 
hymnologicus' :  dass  der  alteingebürgerte  Cursus  des  Bene- 
dictus  durch  die  irische,  freilich  nicht  dort  gedichtete, 
sondern  dorthin  importierte  Hymnengruppe  ersetzt  wurde, 
ist  nur  durch  den  Eingriff  eines  einflussreichen  Mannes 
zu  erklären.  Blume  hält  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass 
kein  geringerer  als  Gregor  d.  Gr.  eine  Sammlung  zusammen- 
stellte und  z.  T.  selbst  dichtete.  Damit  würde  es  dann 
zusammenhängen,  dass  die  Hymnen  aus  dem  monastischen 
Gebrauch  auch  für  den  Weltklerus  in  sein  Brevier  auf- 
genommen wurden.  —  Wie  erfreulich  dies  'Thesauri  hym- 
nologici  Hymnarium.  Die  Hymnen  des  Thesaurus  hymno- 
logicus H.  A.  Daniels  und  anderer  Hymnen -Ausgaben. 
I.  Die  Hymnen  des  5.  — 11.  Jh.  und  die  Irisch  -  Keltische 
Hymnodie  aus  den  ältesten  Quellen  neu  herausgegeben 
von  Gl.  Blume,  1908'  ist,  bedarf  keiner  weiteren  Aus- 
führung. K.  Str. 

161.  Carlo  Pascal,  von  dem  wir  eine  Geschichte 
der  lat.  Literatur  zu  erwarten  haben,    überarbeitet   in   der 


318  Nachrichten. 

Letteratura  Latina  medievale  (Catania  1909)  mehrere  seiner 
in  Zeitschriften  erschienenen  Abhandlungen,  besonders  über 
Senecas  Fortleben  im  M. -A.,  ergänzt  seine  früheren 
Mitteilungen  über  die  dem  Ovid  im  M.-A.  zugeschriebenen 
Gedichte  und  die  Satiren  gegen  die  Frauen.  Die  S.  108  f. 
aus  Cod.  Paris.  Lat.  3718  publizierten  Verse  de  proprietate 
feminarum  können  nicht  von  einem  Adam  des  13.  Jh. 
sein,  da  sie  schon  in  Hss.  des  12.  Jh.  vorkommen;  vgl. 
die  in  meinen  Beiträgen  S.  28  f.  augeführte  Literatur,  aus 
der  manche  Stelle  des  Abdruckes  verbessert  werden  kann. 

J.  W. 

162.  Die  Frage,  ob  die  Metamorphoses  (der  goldene 
Esel)  des  Apuleius  im  Mittelalter  bekannt  waren,  be- 
antwortet G.  Huet  im  Moyen  Age,  2.  serie,  t.  XIII,  23 — 29 
dahin,  dass  der  erste,  der  sie  zitiert,  Vincenz  von  Beauvais 
ist,  dass  Boccaccio  sie  für  zwei  seiner  Novellen  ausnutzte. 

O.  H.-E. 

163.  Karl  Strecker  bespricht  im  Anzeiger  der 
Zeitschrift  für  Deutsches  Altertum  LI,  43  —  60  eingehend 
das  N.  A.  XXXIV,  302,  n.  202  verzeichnete  Buch  von  Dreves 
und  legt  dar,  dass  bei  den  von  diesem  fürVenantius 
Fortunatus  und  H  r  a  b  a  n  in  Anspruch  genommenen 
Dichtungen  teils  die  Gründe  für  die  Zuweisung  nicht  aus- 
reichen, teils  die  Gegengründe  überwiegen.  W.  L. 

164.  Karl  Strecker,  Der  Rhythmus  'De  Asia  et 
de  universi  mundi  rota'  (Jahresbericht  des  königl.  Luisen- 
Gymnasiums  zu  Berlin,  Ostern  1909)  gibt  'versuchsweise' 
eine  neue  Ausgabe  dieses  schwierigen  Textes  auf  Grund 
eines  viel  reichhaltigeren  Apparates,  als  Pertz  zur  Ver- 
fügung stand,  und  hofft  dadurch  die  Leser  zu  Besserungs- 
vorschlägen anzuregen.  Hatte  Traube  738  als  äusserste 
Zeitgrenze  für  die  Entstehung  des  Gedichts  ermittelt,  so 
scheinen  sich  doch  schon  in  der  vor  736  entstandenen 
austrasischen  üeberarbeitung  B  des  L.  h.  Fr.  c.  5  Spuren 
der  Benutzung  zu  finden,  denn  die  Ausdrücke  'noncu- 
pantur  Germanias',  'semperque  indomiti'  stimmen  mehr  mit 
dem  Gedicht  (Str.  18.  19)  als  mit  Isidor,  der  daneben 
direkt  benutzt  ist,  und  'nuncupatur  Dacia'  steht  auch 
Strophe  16,  3.  Unter  den  Strophe  30.  gefeierten  'venusti 
principes'  in  der  Gallia  Belgica  zwischen  Rhein  und  Seine 
ist  doch  wohl  das  karolingische  Hausmeiergeschlecht  zu 
verstehen.  Mit  besonderer  Vorliebe  scheint  mir  der  Dichter 
bei  der  Beschreibung  Südfrankreichs  zu  verweilen.  Aqui- 
tanien   rechnet   er  von   der  Loire    nur    bis    zur  Dordogne, 


Nachrichten.  319 

gedenkt  dann  der  ümströmung  durch  die  Garonne  und 
scheint  das  Land  der  Wascones  für  sich  zu  zählen,  nennt 
hier  auch  die  weniger  bekannten  Flüsse  Gabirus  (Le  Gave 
de  Pau)  und  Adour.  Septimanien  dehnt  er  bis  zu  den  Alpen 
aus,  worunter  nach  dem  Sprachgebrauch  jener  Zeit  die 
Pyrenäen  verstanden  werden.  In  seinem  Latein  sind  die 
häufigen  Acc.  pl.  statt  Nom.  pl.  beachtenswert.  Die  Ehone 
lässt  er  durch  das  Burgunderland  nach  Spanien  fliessen: 
'in  (e)  spania'  (34,  3)  —  'in  Provintiam'  V  ist  augenscheinlich 
Korrektur  — ,  und  doch  hatten  die  Westgothen  schon  508/10. 
Arles  verloren.  Str.  hat  in  seinem  Apparate  Zusätze  zu 
dem  bisher  bekannten  Texte  gefunden,  hat  auch  das  Ge- 
dicht lesbarer  gemacht,  aber  vielleicht  mehr  geändert,  als 
gerade  nötig  war,  und  mit  seiner  Anordnung  der  Strophen 
des  2.  Teils  kann  ich  mich  nicht  einverstanden  erklären. 
Hatte  Pertz  aus  Unkenntnis  des  Merowingerlateins  schwer 
gesündigt,  so  hat  er  sich  doch  bei  der  Aufeinanderfolge 
der  Strophen  an  die  Ueberlieferung  gehalten  und  hier 
eigentlich  nur  durch  die  Umstellung  des  in  seiner  Haupths. 
fehlenden  Africa  (38  —  43)  zwischen  Balkaninsel  (24)  und 
Sicilien  gefehlt.  Str.  hat  sich  in  der  Textfolge  zu  stark 
durch  die  Quelle  des  Gedichts  (Isidors  Etymologien)  be- 
einflussen lassen,  der  doch  der  Dichter  nicht  immer  skla- 
visch zu  folgen  brauchte,  deren  Reihenfolge  er  ändern 
und  deren  Inhalt  er  verkürzen  konnte  und  sogar  musste. 
Gegen  sämtliche  Hss.  trennt  Str.  die  Strophe  über  die 
Franken  (23)  von  der  übrigens  nicht  aus  Isidor  geschöpften 
Beschreibung  Galliens  (30  ff.)  und  schliesst  dafür  die  Balkan- 
insel an  (24),  die  doch  mit  den  Franken  wenig  zu  tun  hat. 
In  der  Y-Hss.-Klasse  steht  diese  hinter  Italien  (27 — 29),  so 
dass  die  beiden  Halbinseln  vereinigt  sind,  und  dann  folgen 
die  Inseln:  zuerst  Sicilien  (47 — 50),  hernach  Britannien 
(44 — 46) ;  aber  Isidor  behandelt  umgekehrt  erst  Britannien 
und  so  stellt  dieses  auch  Str.  vor  Sicilien.  Durch  diese 
Umstellung  wird  der  Schluss  des  ganzen  Gedichts  (46)  von 
seiner  Stelle  gerückt,  und  Str.  behandelt  es  nun  als  Torso: 
er  nimmt  an,  dass  die  lange  Eeihe  der  von  Isidor  noch 
aufgezählten  Inseln  (Etym.  XIV,  c.  6,  §  14 — 31)  auch  vom 
Dichter  behandelt  und  also  verschiedene  Strophen  verloren 
seien.  Aber  vielleicht  war  der  Dichter  weniger  Pedant, 
als  der  Herausgeber  annimmt,  und  vereinfachte  sich  seine 
Aufgabe  am  Schlüsse  etwas,  auch  mag  er  seine  Quelle  nicht 
immer  richtig  verstanden  haben,  und  wer  seine  Exzerpte 
beispielsweise  mit  denen  Fredegars  aus  der  Chronik  des 
Hieronymus  vergleicht,  wird  sich  auch  über  gelegentlichen 


320  Nachrichten. 

Unverstand  nicht  wundern  und  in  der  Korrektur  nach  den 
Quellen  vorsichtig  sein.  Strophe  34  über  die  Gallia  Lug- 
dunensis  schliesst  sich  in  Y  nicht  unpassend  an  30  über 
die  Gallia  Belgica  an.  Die  2  Verse  über  Pannonien  (25) 
sind  natürlich  wieder  mit  dem  Einzelverse  über  Gotien 
(Krim)  und  Dalmatien  (17)  zu  einer  vollzähligen  Strophe 
zu  vereinigen,  wie  sie  in  Y  eine  solche  bilden,  und  diese 
steht  ganz  richtig  hinter  Dacien  (16).  Auch  der  üeber- 
gang  von  den  Suevi,  Schwaben  (21),  zu  der  Donau  und  den 
Slaven,  Hunnen  und  Wenden  (26),  Völkerschaften,  die  der 
Dichter  nicht  bei  Isidor  fand,  scheint  mir  keine  Aenderung 
gegen  die  Ueberlieferung  aller  Hss.  nötig  zu  machen.  Die 
Textfolge  in  Y  verdient  das  Vertrauen,  welches  ihr  Pertz 
entgegengebracht  hat,  und  muss  m.  E.  der  künftigen  Aus- 
gabe in  den  Poetae  zu  Grunde  gelegt  werden.  Wenn  die 
andere  Familie  X,  wozu  die  alten  St.  Gallener  Hss.  und 
V  (saec.  XIII)  gehören,  durch  willkürliche  und  teilweise 
sinnlose  Aenderung  den  Zusammenhang  gestört  hat,  wie 
sie  Gothien  (17)  unter  Umdeutung  auf  die  Westgothen  und 
Septimanien  zwischen  32.  und  33.  34.  einschiebt,  so  lassen 
sich  doch  die  Umstellungen  teilweise  schon  durch  ihre 
verstümmelte  Form  als  solche  erkennen,  und  streicht  man 
sie  weg,  so  bleibt  auch  dort  im  Grossen  und  Ganzen  die 
Reihenfolge  von  Y  übrig.  Ausgefallen  ist  in  Y  Strophe  36 
und  die  Beschreibung  von  Afrika  hinter  dem  zwischen 
Afrika  und  Gallien  belegenen  Spanien  (37)  —  nicht  Panno- 
nien, wie  Str.  S.  20  schreibt  — ,  und  diese  Lücke  ergänzt  X. 
Aus  dieser  alten  Familie  und  besonders  ihren  ältesten 
Vertretern  wird  auch  manche  altertümlichere  Form  zu 
gewinnen  sein,  und  5,  2  möchte  ich  mit  dieser  Ueber- 
lieferung 'iunctaque'  (nämlich  'incendia'  als  nom.  sing.)  statt 
'iungitque'  schreiben,  wie  'iuncta'  so  häufig  im  Gedichte 
wiederkehrt.  Die  merowingische  Orthographie  ist  wohl  im 
Apparat  gebucht,  doch  im  Text  kaum  verwertet,  da  es 
wenig  Zweck  habe,  mit  den  bekannten  Vokalverwechs- 
lungen zu  operieren.  Wenn  aber  das  Ziel  einer  wissen- 
schaftlichen Ausgabe  sein  muss,  der  Form  des  Originals 
möglichst  nahe  zu  kommen,  wird  man  die  orthographischen 
Varianten  nicht  prinzipiell  unbeachtet  lassen  dürfen. 

B.  Kr. 

165.  Federico  Patetta  beschäftigt  sich  in  den 
'Note  sopra  alcune  iscrizioni  medievali  della  regione  Mo- 
denese  e  sopra  i  Carmina  Mutinensia',  Modena 
1905,  mit  den  Resten  einiger  Modeneser  Inschriften  aus 
dem  M. -A.,  die  in  sorgfältiger  Weise  ergänzt   und   erklärt 


Nachrichten .  321 

werden,  wobei  freilich  dem  Zweifel  nicht  wenig  Raum 
bleibt.  Besonderes  Interesse  erregt  die  schon  öfter  be- 
handelte Inschrift  von  Cittanova.  Treffend  scheint  mir, 
was  gegen  die  früheren  Ergänzungen  angeführt  wird,  aber 
die  Ergänzungen,  die  P.  bringt,  haben  mich  auch  nicht 
überzeugt,  man  braucht  sie  nur  laut  zu  lesen,  um  zu  er- 
kennen, dass  sie  einen  ganz  anderen  Charakter  haben. 
Welches  die  Ursache  ist,  habe  ich  nicht  klar  erkennen 
können;  ist  es  reiner  Zufall,  dass  die  erhaltenen  Zeilen 
sich  teilweise  wie  rhythmische  Verse  lesen?  —  Daran 
knüpfen  sich  recht  interessante  Ausführungen  über  die 
Carmina  Mutinensia,  (Traube,  Poetae  III,  706  sqq.).  Die 
Schildwachen  bewachen  nicht,  wie  der  Verf.  wahrscheinlich 
macht,  die  Mauern  von  Modena,  sondern  eines  881/82  in 
jenen  Wirren  angelegten  Appeninkastells.  K.  Str. 

I  166.    Die  Diskussion    über   das  Gedicht  'O  Roma  no- 

j  bilis',  das  Ludw.  Traube  zu  seiner  bekannten  Abhandlung 
j  den  Titel  geliefert  hat,  wird  durch  Peter  Wagner  im 
Kirchenmusikalischen  Jahrbuch  zum  Abschluss  gebracht. 
Franz  Steffens  fand  in  der  Monte  -  Cassineser  Hs.  Q  318 
s.  XI/XII.  die  Melodie  in  Buchstaben.  Der  Bau  der  Sing- 
weise schliesst  ihre  liturgische  Verwendung  aus :  sie  ist  von 
dem  weltlichen  Gedicht,  mit  dem  sie  in  zwei  Hss.  über- 
liefert ist,  auf  dieses  Lied,  das  als  Pilgergesang  erwiesen 
wird,  übertragen  worden.  J.  W. 

167.  Schon  mehrfach  ist  die  Vermutung  ausgesprochen 
worden ,  dass  die  im  Nibelungenliede  zu  Tage 
tretende  genaue  Kenntnis  der  Walthersage  nicht  auf  eine 
im  Volke  lebende  Sage,  sondern  direkt  auf  den  Wa  1 1  h  a  - 
r  i  u  s  zurückzuführen  sei.  Doch  blieben  im  einzelnen 
immer  Bedenken  übrig.  Da  zeigt  R  o  e  t  h  e  in  seinem 
Akademievortrag  (gehalten  am  31.  5.  1906,  aber  erst  jetzt 
gedruckt)  'Nibelungias  und  Waltharius'  einen  neuen  Weg. 
Nicht  nur  die  Walthersage  ist  dem  Nibelungendichter  be- 
kannt, sondern  ein  Vergleich  zeigt,  dass  Nibelungennot 
und  Waltharius  in  Aufbau  und  Rahmen  wie  in  vielen 
Einzelheiten  eine  überraschende  Aehnlichkeit  aufweisen: 
Konrad,  der  Dichter  des  lateinischen  Nibelungenliedes,  der 
Nibelungias,  hat  neben  der  Aeneis  Ekkehards  Waltharius 
zum  Vorbilde  genommen.  Konrads  Epos  wurde  ins  Deutsche 
übertragen,  dies  deutsche  Lied  war  die  gemeinsame  Quelle 
des  Nibelungendichters  und  der  Thidreksage.  (Hierzu  ist 
zu  bemerken,  dass  die  Thidreksage  auch  von  dem  Waltha- 
rius direkt   beeinflusst  sein  muss).  —  Roethes  fesselnde 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  21 


322  Nachrichten. 

Ausführungen    sind    äusserst    kühn ,    enthalten    aber    eine 
grosse  Ueberzeugungskraft.  K.  Str. 

168.  In  seinen  eingehenden  Untersuchungen  über 
die  Hildesage,  Zeitschr.  f.  deutsche  Philol.  XL,  1  ff., 
widmet  B  o  e  r  auch  einen  langen  Abschnitt  der  Walther- 
sage. Mit  spielender  Leichtigkeit  werden  hier  alle 
Schwierigkeiten  beseitigt,  die  bisher  noch  immer  dem  Ver- 
ständnis dieser  Sage  entgegenstanden,  und  der  staunende 
Leser  erfährt  mit  Schaudern,  dass  sie  auf  eine  dänische 
Geschichte  zurückgeht,  deren  Kern  darin  besteht,  dass  ein 
Schwiegervater  (Hagen)  und  ein  Schwiegersohn,  (der  also 
dem  Walther  entsprechen  würde),  sich  gegenseitig  tot- 
schlagen. Hier  interessiert  nur  der  Waltharius,  und  da 
kann  man  konstatieren,  dass  der  Verf.  alles,  was  in  den 
letzten  Dezennien  darüber  geschrieben  ist,  nicht  kennt 
oder  nicht  beachtet.  Ganz  in  der  altbewährten  Weise 
wird  kombiniert :  für  das  Schwert ,  das  dem  Waltha- 
rius 1374  zerspringt,  bietet  Hildegunde  dem  Wald  ere 
ein  anderes  au,  das  sie  (ihrem  Vater)  Hagen  gestohlen 
hat!  —  Die  Forderung,  dass  man  ein  Dichtwerk  erst 
interpretieren  muss,  ehe  man  es  in  dieser  Weise  verwendet, 
wird  dadurch  nicht  als  unberechtigt  erwiesen,  dass  man 
sie  ignoriert.  K.  Str. 

169.  In  der  Zeitschr.  f.  deutsches  Alt.  L,  1  ver- 
öffentlicht W.  Meyer  unter  dem  Titel  'die  moderne  Leda' 
ein  anziehendes  lateinisches  Gedicht  aus  der  Hs.  196  des 
Lambethpalastes  in  London,  das  er  etwa  ins  Jahr  1150 
setzt.  Sehr  hübsch  ist  die  Erklärung,  die  dem  Gedichte 
gegeben  wird.  K.  Str. 

170.  Ganz  hervorragende  Bedeutung  beansprucht 
eine  neue  Publikation  W.  Meyers,  '  Die  Arundel- 
Sammlung  mittellateinischer  Lieder',  Abb.  d. 
Kgl.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen  1908.  Th.  Wright  hatte 
in  seinen  Early  Mysteries  aus  der  Arundelhs.  (n.  384)  des 
British  Museums  (2.  Hälfte  des  14.  Jh.)  9  lateinische  Ge- 
dichte gedruckt.  Da  wir  weiteres  Licht  über  die  mittel- 
lateinische Lyrik  nur  erhoffen  dürfen,  wenn  die  bekannten 
Sammlungen  genau  untersucht  werden  und  möglichst  alles, 
was  noch  in  den  Bibliotheken  verborgen  lagert,  ausgegraben 
wird,  so  hat  W.  Meyer  die  aus  28  Liedern  bestehende 
Sammlung  (von  denen  5  in  den  Carmina  Burana  wieder- 
kehren!) jetzt  vollständig  zugänglich  gemacht.  Die  Zu- 
sammensetzung und  Anordnung  der  Sammlung  wird  genau 


Nachrichten.  323 

untersucht,  es  ergibt  sich,  dass  die  Dichtungen  aus  der 
besten  Zeit  stammen  und  auch  die  Sammlung  wohl  vor 
1250  angelegt  ist.  K.  Str. 

171.  Als  IV.  Band  der  Bibliotheque  musicologique 
(Office  de  Pierre  Corbeil,  Paris  1907)  veröffentlicht  Henri 
Villetard  Text  und  Melodien  des  als  'office  des  fous' 
bekannten  Neujahrsspiels  von  S  e  n  s.  Zwei  von 
den  6  beigegebenen  Tafeln  enthalten  Abbildungen  des  aus 
dem  5.  oder  6.  Jh.  stammenden  Diptychons,  in  welches 
die  Hs.  gebunden  ist.  Zugleich  wird  der  Nachweis  ge- 
liefert, dass  der  in  der  Vorbereitungsszene  auftretende 
Esel  erst  durch  die  Schuld  des  Dom  Grenier  (in  seiner 
Kopie  der  Hs.  von  Beauvais)  zum  Anhören  der  Messe  am 
Altar  Erlaubnis  erhielt,  indem  im  Messformular  seiner 
Vorlage  der  Gesang  'Orientis  partibus'  durch  die  richtige 
Rubrik  'Conductus  subdiaconi  ad  epistolam'  eingeführt  wird. 

J.  W. 

172.  Eine  gründliche  Studie  über  das  Leben  K  o  n  - 
r  a  d  s  von  Mure,  der  als  Domkantor  zu  Zürich  1281 
starb,  seine  Werke  und  deren  üeberlieferung  gab  Franz 
J.  Bendel  in  den  Mitteil,  des  Inst.  f.  Oesterreich. 
Geschichtsf.  XXX,  1,  51 — 101,  gestützt  auf  das  Studium 
zahlreicher  Hss.  und  Urkunden,  teilte  aus  den  Hss.  auch 
viele  Stücke  mit,  so  aus  der  Summa  de  arte  prosandi,  die 
Vorrede  und  den  Epilog  des  Eabularius  und  die  noch 
erhaltenen  319  'versus  de  Rudolfo  Romanorum  rege',  von 
denen  die  meisten  allerdings  schon  bekannt  waren,  auch 
eine  Aufzeichnung  von  1282  über  das  Vermächtnis  Konrads. 

O.  H.-E. 

178.  In  den  Analectes  de  l'ordre  de  Premontre  V 
hat  R.  Van  Waefelghem  eine  Ausgabe  des  Nekro- 
logs der  Abtei  Premontre  begonnen.  A.  H. 

174.  In  den  Miscellanea  di  storia  Italiana  Bd.  XLIV 
(Ser.  3,  XIII,  233)  ediert  C.  C  i  p  o  1 1  a  fünf  Inventare  aus 
dem  Kloster  Bobbio  aus  den  Jahren  1289—1388.  Ein 
Glossar  erläutert  die  selteneren  Worte.  H.  W. 

175.  In  den  SB,  der  Wiener  Akademie,  Phil.-hist. 
Kl.  CLXI,  5.  Abhandlung  gibt  K.  Käser  ein  Verzeichnis 
der  in  Wiener  Archiven  (dem  Hofkammerarchiv  und  dem 
Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv)  vorhandenen  ürbarien, 
von  denen  eine  grössere  Anzahl  noch  dem  15.  Jh.  angehört. 

H.  H. 

21* 


324  Nachrichten. 

176.  In  den  Verhandlungen  des  historischen  Vereines 
für  Niederbayern  XLIV,  1  fE.  beginnt  Th.  Mayer  mit  der 
Publikation  von  zwei  Passauer  Mautbüchern  aus  den 
Jahren  1400/1  und  1401/2.  Der  Schluss  des  Textes  und 
eine  Würdigung  dieser  für  die  Geschichte  des  Donauhandels 
wichtigen  Quelle  wird  für  den  nächsten  Band  in  Aussicht 
gestellt.  H.  H. 

177.  In  den  Freiburger  Geschichtsblättern  XV,  1  ff. 
handelte  Ferd.  Eüegg  auf  Grund  der  Seckelmeister- 
Rechnungen  über  die  Anwesenheit  'hoher  Gäste'  in  Frei- 
burg (Schweiz)  im  15.  Jh.,  beginnend,  von  einigen  aus  den 
Regesten  geschöpften  kurzen  Notizen  über  Rudolf  v.  Habs- 
burg abgesehen,  mit  Siegmund.  Im  Anhang  werden  drei 
solcher  Rechnungen  aus  den  Jahren  1442.  1449.  1469  im 
Wortlaut  abgedruckt.  H.  W. 

178.  In  den  Beiträgen  zur  Gesch.  Dortmunds  und 
der  Grafschaft  Mark  XVII  (1908)  untersucht  A.  Meining- 
haus  das  Verzeichnis  der  von  Heinrich  von  Hardenberg 
mit  Manngut  der  Herrschaft  Ardey  belehnten  Mannen  und 
ihrer  Lehngüter,  das  er  in  Berichtigung  von  Rübeis  Ansatz 
(Anfang  15.  Jh.)  durch  Vergleich  mit  dem  Verzeichnis  der 
unbelehnten  Mannen  Graf  Konrads  IV.  von  Dortmund  in 
dessen  Grafenzeit  1330  —  39  verlegt.  E.  M. 

179.  Berührt  auch  das  Itinerarium  Antonini,  mit 
dem  sich  A.  E  1 1  e  r  in  seinen  'Itinerarstudien',  zwei  Pro- 
grammen der  Bonner  Universität  von  1908,  beschäftigt, 
nicht  das  Arbeitsgebiet  der  MG.,  so  sei  doch  auf  die  An- 
kündigung einer  Ausgabe  der  erhaltenen  mittelalterlichen 
Itinerare  hingewiesen  und  die  Bitte  des  Verfassers  um 
Hinweise  auf  bisher  unbekannte  Texte  dieser  Art  mit- 
geteilt. W.  L. 

180.  Nachdem  A.  Hilka  vor  2  Jahren  im  Jahres- 
bericht der  Schles.  Ges.  f.  vaterl.  Kultur  1907  über  'eine 
bisher  unbekannte  lateinische  Version  des  Alexanderromans 
aus  einem  Codex  der  Petro  -  Paulinischen  Kirchenbibliothek 
zu  Liegnitz'  berichtet  hatte,  bringt  er  jetzt  im  Jahresbericht 
des  königl.  St.  Matthias -Gymnasiums  zu  Breslau  eine 
gründliche  Revision  der  'Epistola  Alexandri  ad 
Aristotelem'.  Zwar  hat  er  das  ausserordentlich  reiche 
Material  nicht  völlig  durchsehen  können,  doch  hat  er  in 
Montpellier  eine  gute  Hs.  aufgestöbert  und  bringt  —  ge- 
wissermassen  als  Vorläufer  einer  von  ihm  geplanten  Aus- 
gabe  der  Epitome    —    eine    vor    allem    auf    diese  Hs.  ge- 


Nachrichten.  325 

gründete  Neubearbeitung  der  Epistola,  die  sich  von  Kühlers 
Text  sehr  wesentlich  unterscheidet ;  dass  sie  nicht  ab- 
schliessend sein  soll ,  spricht  der  Verf.  am  Schluss  selbst 
aus.  Sehr  erfreulich  ist  die  Mitteilung,  dass  die  kritische 
Ausgabe  der  'Historia  de  preliis'  aus  Ausfelds  Nachlasse 
in  absehbarer  Zeit  erscheinen  wird.  K.  Str. 

181.  G.  M  o  r  i  n  ,  Un  traite  pelagien  inedit  du  com- 
mencement  du  cinquieme  siecle  (Revue  Beuedictine  XXVI, 
1909,  p.  163 — 188)  weist  eine  von  Pelagius  oder  aus  seinem 
Kreise  stammende,  bisher  verschollene  Schrift  'De  indura- 
tione  cordis  Pharaonis'  nach,  die,  Hieronymus  zugeschrieben, 
u.  a.  bei  H  r  a  b  a  n  u  s  M  a  u  r  u  s  (MG.  E^nst.  V,  493,  2) 
und  H  i  n  k  m  a  r  begegnet.  Auf  Grund  von  G  Hss.  werden 
nähere  Mitteilungen  über  die  Schrift  gemacht  und  eine 
Ausgabe  im  nächsten  Band  der  Anecdota  Maredsolaua  in 
Aussicht  gestellt.  W.  L. 

182.  Das  Buch  von  John  C  h  a  p  m  a  n  ,  Notes  on 
the  early  history  of  the  Vulgate  Gospels,  Oxford  1908,  be- 
rührt zwar  nicht  unmittelbar  den  Quellenkreis  der  MG., 
wird  aber  auch  dort  mitunter  Anregung  geben  können, 
da  es  für  das  Gebiet  des  Bibeltextes  u.  a.  die  Bedeutung 
der  Angelsachsen  für  die  Ueberlieferungsgeschichte 
als  der  Vermittler  zwischen  Italien  und  dem  Fränkischen 
Beich  anschaulich  darlegt ;  Eugippius ,  Cassiodor,  Nort- 
humberland,  Echternach  und  Fulda  seien  als  Glieder  der 
behandelten  Ueberlieferungsreihen  genannt.  W.  L. 

183.  R.  Stapper,  Karls  des  Grossen  Römisches 
Messbuch  (Beilage  zum  Jahresbericht  des  Gymnasiums  zu 
M.- Gladbach  1908)  behandelt  den  Anteil  Karls  des 
Grossen  an  der  Verbreitung  des  Sacra  mentarium 
Gregorianum,  das  ihm  auf  seine  Bitte  hin  von  Hadrian  I.  über- 
sandt  wurde  und  seitdem,  durch  einen  von  Alkvin  zu- 
sammengestellten Anhang  erweitert,  die  anderen  Sakra- 
mentarien im  Fränkischen  Reiche  zu  verdrängen  begann. 
Stapper  bespricht  die  wichtigsten  Hss.  sowie  die  Ausgaben 
und  gibt  im  Hinblick  auf  deren  Mängel  eine  Uebersicht 
über  den  Inhalt  des  Sakramentars.  W.  L. 

184.  Anton  E.  Schönbach,  Mitteilungen  aus  alt- 
deutschen Hss.  10.  Stück:  Die  Regensburger  Klarissen- 
regel (SB.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  1908).  Die  vor- 
liegende deutsche  Regel  hat  sich  im  Klarissenkloster  zu 
Regensburg  erhalten.  Sie  beansprucht  Interesse  wegen  der 
Form.      Dem    Herausgeber    ist    es    aufgefallen,    dass    die 


326  Nachrichten. 

Deklinations-  und  Konjugationsformen  in  wechselnder  Ge- 
stalt erscheinen ,  und  es  ist  ihm  gelungen,  den  Grund 
hierfür  darin  zu  finden,  dass  der  Uebersetzer  bemüht 
war,  die  im  'cursus'  verfasste  lateinische  Vorlage,  die  von 
Urban  IV.  1263  bestätigt  wurde,  nachzubilden.  Die  Be- 
weisführung ist  überzeugend,  nur  hätte  ich  gewünscht,  dass 
der  Verf.  diese  Frage  eingehender  behandelt  hätte,  ich 
habe  mir  eine  Reihe  von  Stellen  notiert,  an  denen  wir 
m.  E.  mit  seinen  Ausführungen  nicht  auskommen.  —  Da 
Burdachs  Nachweise  (SB.  der  Berliner  Akad.  1905  S.  455) 
noch  nicht  im  Druck  erschienen  sind,  ist  diese  Publikation 
doppelt  interessant,  und  man  darf  gespannt  sein,  ob  nicht 
bald  weiteres  Material  zu  Tage  tritt.  K.  Str. 

185.  Der  XX.  Band  des  Jahrbuchs  der  Ges.  f.  lothring. 
Geschichte  und  Altertumsk.  bringt  S.  20  ff.  den  Schluss 
der  N.  A.  XXXIV,  316,  n.  237  erwähnten  wertvollen  Ab- 
handlung von  R.  S.  Bour  über  das  ehemalige  Kloster 
St.  Arnulf  zu  Metz.  Besonders  eingehend  wird  die  in 
den  Jahren  1904/5  entdeckte,  jetzt  aber  wieder  zerstörte 
Krypta  behandelt,  von  der  ein  Plan  beigegeben  ist. 

H.  Br. 

186.  üeber  die  Kirche  zur  h.  Ursula  in  Köln, 
ihr  altes  Retabulum  und  die  Pflege  der  Goldschmiedekunst 
in  der  Benediktinerabtei  St.  Pantaleon  in  Köln  findet  sich 
eine  kleine  Studie  von  H.  H  ö  f  e  r  in  den  Studien  und 
Mitteilungen  aus  dem  Benediktiner  und  dem  Cistercienser 
Orden  XXX  (1909),  150  ff.  B.  B. 


187.  Von  Chrousts  grossem  Unternehmen  der 
Monumenta  palaeographica  hat  jetzt  die  Aus- 
gabe der  II.  Serie  begonnen.  Die  beiden  bisher  er- 
schienenen Lieferungen,  München,  Bruckmann,  1909, 
bringen  Proben  aus  der  Schreibschule  von  Tegernsee  bis 
zum  Ausgang  des  12.  Jh.  Besonders  erwähnt  seien :  I,  6 : 
Boethius'  Arithmetica  geschrieben  von  Froumund  und 
seinen  Schülern,  II,  7:  Ruodlieb  -  Fragmente,  II,  8b 
Gregor  VII.  an  den  Erzbischof  von  Magdeburg  J.-L.  4932 
(bisher  nur  aus  der  Registerüberlieferung  bekannt)  und 
Heinrich  IV.  an  Hildebrand,  Stumpf  2787,  MG.  Constit. 
I,  108,  n.  60  (in  diesem  von  Chroust  nicht  erwähnten 
Druck  auch  die  Tegernseer  Ueberlieferung  bereits  berück- 
sichtigt). M.  T. 

188.  Eine  prächtige  und  überaus  dankenswerte 
Publikation   ist   das    'Album    Beige   de   diplomatique',    das 


Nachrichten.  327 

H.  Pirenne  im  Verein  mit  zehn  Genossen  (darunter 
auch  der  Deutsche  H.  Schubert)  herausgegeben  hat  (Jette- 
Bruxelles,  Vandamme  et  Rossignol  1909).  Auf  32  Tafeln, 
deren  Ausführung  über  jedes  Lob  erhaben  ist  und  dem 
im  Besitz  der  Verlagshandlung  befindlichen  Eeproduktions- 
verfahren,  Helioteinte  genannt,  die  grösste  Ehre  macht, 
sind,  unter  Ausschluss  der  Kaiserdiplome  und  der  päpst- 
lichen Privilegien  und  Briefe,  aus  allen  bedeutenderen 
belgischen  Archiven  Urkunden  fürstlicher,  bischöflicher, 
klösterlicher  und  städtischer  Provenienz  abgebildet,  die 
dem  10. — 13.  Jh.  angehören;  nur  auf  Tafel  32  ist  auch  ein 
Stück  des  14.  Jh.  geboten.  Die  Ausvrahl  ist  so  geschickt  ge- 
troffen, dass  alle  v^esentlichen  Verhältnisse  des  Urkunden- 
wesens der  heute  belgischen  Gebiete  berücksichtigt  werden. 
Eine  Uebersicht  über  die  wichtigsten  dabei  in  betracht 
kommenden  Gesichtspunkte  gibt  die  Einleitung  von 
H.  N  e  1  i  s  ,  dem  man  schon  eine  ganze  Reihe  von  Unter- 
suchungen aus  diesem  Gebiete  verdankt.  Die  Reproduk- 
tionen sind  überwiegend  verkleinert,  aber  niemals  so,  dass 
dadurch  die  diplomatische  Untersuchung  erheblich  er- 
schwert würde;  die  meisten  Stücke  sind  vollständig  ab- 
gebildet, mehrere  Tafeln  (namentlich  die  von  Nelis  be- 
arbeiteten) bieten  aber  auch  nur  unter  besonderen  Ge- 
sichtspunkten ausgewählte  Teilstücke,  so  z.  B.  Monogramme 
der  Grafen  von  Flandern  (T.  XIII),  Unterschriften  des 
bischöflichen  Kanzlers  von  Tournai  (Tafel  XVIII)  und  des 
Gisilbert  von  Mons  (T.  XXV.  XXVI).  Auf  T.  XXVII  ist 
die  älteste  bisher  bekannte  Urkunde  in  nordfranzösischer 
Sprache  (aus  Douai,  1204),  auf  T.  XXVIII  die  älteste  in 
niederländischer  Sprache  (aus  Audenaerde,  1247)  abgebildet. 
Sehr  interessant  sind  die  Renovationen  des  12.  Jh.  aus 
Gent  (T.  XXIII),  die  Chirographen  des  13.  Jh.  aus 
Ypern  (T.  XXX)  u.  a.  m.  Nicht  ganz  auf  der  Höhe 
stehen  die  Transscriptionen  ;  kleinere  Versehen  sind 
ziemlich  zahlreich  und  auch  an  gröberen  Verstössen, 
wie  z.  B.  II.  III,  21  'proponant'  statt  'preponant',  28 
'Suardi'  statt  'Siuardi' ;  V,  9  'quum'  statt  'quoniam'  (der 
berühmte  Fehler,  gegen  den  Wattenbach  sein  Leben  lang, 
leider  vergeblich,  gekämpft  hat),  20  'incarnati'  statt  'in- 
carnationis' ;  VII,  8  'Tredelendis'  statt  'Fredelendis',  XI,  6 
'quemlibet'  statt  'qu^libet',  XIV,  8  'patrona'  statt  'patriam', 
39  'percipientibus'  statt  'precipientibus'  u.  a.  fehlt  es  nicht. 
Ebenso  wäre  auch  zu  den  Erläuterungen  dies  und  jenes  zu 
bemerken,  worauf  aber  hier  nicht  näher  eingegangen 
werden  kann :  unseren  Dank  für  die  schöne  und  wertvolle 


328  Nachrichten. 

Gabe     wollen     und     sollen     solche     Ausstellungen     nicht 
schmälern.  H,  Br. 

189.  R.  Beer  weist  in  der  gehaltvollen  Einleitung 
zu  der  prächtigen  Nachbildung  des  dem  8.  Jh.  ent- 
stammenden Codex  Toletanus  15,  8  (jetzt  in  Madrid)  von 
I  s  i  d  o  r  s  Etymologien  (Codices  Graeci  et  Latini  photo- 
graphice  depicti  duce  Scatone  de  Vries  XIII,  Leiden  1909) 
S.  XV  auf  eine  Eintragung  hin,  die  sich  am  Ende  der 
Wiener  Hs.  desselben  Werkes  n.  121  findet  und  als  'litte- 
rarum  Worm  atiae  medio  aevo  nascentium  primum 
documentum'  eine  Wiederholung  an  diesem  Orte  verlohnt : 
'Anno  incarnationis  Domini  DCCCLII.  ego  Berahtram  iu- 
dignus  sacerdos  hunc  librum  vitio  scriptorum  mendosum 
recitavi  Wormaciae.  Eodem  anno  basilica  sancti  Petri 
ibidem  restaurata  est'.  Vom  Toletanus  selbst  sei  die  letzte 
Seite  mit  einer  Liste  der  Bischofsitze  des  Westgothenreichs 
erwähnt  (vgl.  S.  XXVII),  ähnlich  dem  von  Ewald  (N.  A. 
VI,  276  f . ;  Ewald  und  Loewe,  Exempla,  Tafel  6)  veröffent- 
lichten Verzeichnis  des  Codex  Ovetensis.  W.  L. 

190.  Das  Bulletijn  der  maatschappij  van  Geschied- 
en Oudheidk.  te  Gent  1909  S.  131—136  und  S.  148—153 
enthält  eine  kurze  üebersicht  über  das  'Apercu  sur  I'evo- 
lution  et  les  diverses  applications  de  la  Stenographie 
depuis  les  notes  tironiennes  jusqu'au  debut  du  XIX.  siecle' 
von  G  a  1 1  e  t  -  M  i  r  y  ,  das  in  den  in  Berlin  nicht  zugäng- 
lichen Annales  de  la  soc.  d'hist.  et  d'archeol.  de  Gand 
erscheinen  soll.  A.  H. 

191.  Mit  der  seit  mehr  als  tausend  Jahren  um- 
strittenen Frage,  ob  die  Kürzung  IHS  mit  'Ihesus'  oder 
'lesus'  aufzulösen  sei ,  beschäftigt  sich  ein  Aufsatz  von 
G.  Bonelli  in  den  Studi  medievali  III,  135  —  144.  Er 
richtet  sich  gegen  Ausführungen  von  G.  Monticolo  im 
Bollettino  dell'  istituto  storico  Italiano  XXVIII  (1906), 
14 — 31.  Irgendwelche  nennenswerten  Ergebnisse  hat  diese 
Diskussion  nicht  gezeitigt.  Vgl.  jetzt  Traube,  Nomina 
Sacra  p.  149  sqq.  R.   S. 

192.  Im  Archeografo  Triestino,  Ser.  3,  V  (XXXIII), 
244  ff.  gibt  F.  M  a  n  a  r  a  drei  verkleinerte  Facsimile  von 
Blättern  aus  einem  kürzlich  in  der  Klosterbibliothek  von 
St.  Anna  zu  Capodistria  entdeckten  Antiphonar  mit 
Neumen.  H.  W. 

193.  Im  Bull,  de  la  soc.  arch.  et  bist,  du  Limousin 
LVII    (1907),     548  —  558    bildet    P. -L.    Courtot    eine 


Nachrichten.  329 

Miniatur  und  eine  Anzahl  Zierbuchstaben  aus  liturgischen 
Hss.  des  12.  — 15.  Jh.  ab.  E.  M. 

194.  In  den  Annales  de  la  soc.  d'emulation  de 
Bruges  LIX,  41  sqq.  beginnt  C.  Callewaert  'Nouvelles 
recherches  sur  la  Chronologie  medievale  en  Flandre'  mit 
I.  'Pas  de  style  pascal  avant  la  fin  du  XU.  siecle', 
worin  er  sich  gegen  die  Schrift  von  W.  Acht,  'Die  Ent- 
stehung des  Jahresanfangs  mit  Ostern',  Berlin  1908,  wendet. 

A.  H. 


VII. 


Aus  Englischen  Bibliotheken. 


Von 


Wilhelm  Levison. 


II. 


Neues  Archiv  etc.  XXXV.  22 


IV.  1 
I         Englische  Ilandscliriften  des  Liber  Poutificalis. 

j  Zu  den  ältesten  Benutzern  des  Liber  Poutificalis  ge- 

■hört  Beda ;  in  der  Historia  ecclesiastica  gentis  Anglorum  -, 
mehr  im  Martyrologium  °,  vor  allem  in  seiner  grösseren 
Weltchronik  ^  haben  ihm  die  Papstbiograi^hien  als  Quelle 
D-edient,  und  sein  Zeugnis  ist  um  so  wertvoller,  als  es  zu- 
gleich einen  Einblick  in  die  Entstehungsweise  der  Fort- 
setzungen gestattet,  die  sich  an  den  Grundstock  des  Liber 
Poutificalis  angeschlossen  haben  und  auf  denen  vor  allem 
sein  Wert  beruht:  in  der  bei  Lebzeiten  Gregors  IL  725 
beendeten  Chronik  hat  Beda  bereits  dessen  Vita  benutzen 
können,  hier  nicht  zuiu  wenigsten  tritt  die  Gleichzeitigkeit 
mindestens  eines  Teiles  dieser  Fortsetzungen  zu  Tage  ^. 
Der  Liber  Poutificalis  ist  also  früh  nach  England  gebracht 
worden,  was  nicht  Wunder  nehmen  kann  bei  den  engen 
Beziehungen,  in  denen  die  Angelsachsen  seit  den  Anfängen 
ihrer  Bekehrung  zu  der  Komischen  Kirche  gestanden 
haben;  hören  wir  doch  auch  gelegentlich  ausdrücklich  von 
den  Bücherschätzen,  die  Englische  Pompilger  in  die 
Heimat    mitnahmen^,     und     auch    der     älteste    Biograph 


1)  Vgl.  N.  A.  XXXII,  377—456.  2)  Vgl.  Hist.  eccl.  I,  4.  23. 

11,  1.  4.  V,  24  (ed.  Plummer,  Baedae  Opera  bistorica  I,  IG.  42.  73  sq. 
78  sq.  88.  352) ;  vgl.  Plummer  I,  p.  LI  und  CLXV  sq. ;  II,  82.  84.  Teil- 
weise benutzt  Beda  neben  dem  Liber  Pont,  seine  bereits  davon  abhängige 
grössere  Chronik.  3)  Vgl.   H.  Quentin,   Les   martyrologes   historiques 

du  moyen  age,  1908,  p.  102  sqq.  4)  Chronica  maiora  (ed.  Mommsen, 
Auct.  ant.  XIII,  247  sqq.)  an  zahlreichen  Stellen  von  c.  310  bis  c.  589 ; 
vgl.  Mommsen,  eb.  p.  227/8,  Liber  Poutificalis  p.  CV  über  die  von  Beda 
benutzte  Hs. ,  die  der  zweiten  Klasse  angehörte.  Eine  genauere  Be- 
stimmung des  Textes  ist  kaum  möglich,  vpenn  man  nicht  aus  c.  420 
'purporeo'  (statt  'purphyritico')  auf  engere  Verwandtschaft  mit  B*^- '  ('pur- 
purico'  ß',  'purporico'  B*'")  schliessen  will,  was  kaum  angeht.  Sicher  ist 
jedoch,  dass  Bedas  Hs.  in  keiner  engeren  Beziehung  zu  B'  stand.  —  Er 
zitiert  den  Lib.  Pont.  c.  34,  7  (p.  51)  auch  in  der  Expositio  in  euangelium 
Marci   c.  15  (Bedae  Opera  ed.  Giles  X,  251).  5)  Vgl.    Duchesne,   Le 

liiber  Poutificalis   I,   p.    CCXXU;    Mommsen    p.   XV.  6)    Vgl.    die 

22* 


334  Wilhelm  Levison. 

Gregors  des  Grossen,  ein  Mönch  im  Northumbrischen 
Kloster  Whitby,  ein  Landsmann  und  wohl  auch  Zeit- 
genosse Bedas,  hat  den  Liber  Pontificalis  gekannt  ^  Um 
so  mehr  überrascht  es,  dass  dieser  in  der  Folge  in  England 
wenig  bekannt  gewesen  zu  sein  scheint.  Unter  den  zahl- 
reichen Hss. ,  welche  die  letzten  Herausgeber  Duchesue 
und  Mommsen  verzeichnen  konnten,  ist  England  so  gut 
wie  gar  nicht  vertreten,  allein  durch  eine  Oxforder  Hs. 
des  10.  Jh.  (Laud  421),  die  vom  Lib.  Pont,  nur  die  Ueber- 
Schrift  und  die  angeblichen  Briefe  des  Hieronymus  und 
Damasus  an  der  Spitze  eines  Papstkataloges  enthält-. 
Denn  eine  Cambridger  Hs.,  die,  wie  Duchesne  und  mitj 
ihm  Mommsen  glaubten,  die  Kompilation  des  Lambert  von) 
St. -Omer,  den  Liber  Floridus  vom  Jahre  1120,  samt  denj 
zugehörigen  Auszügen  aus  dem  Lib.  Pont,  enthielt^,  konnte 
man  nicht  zu  dessen  Hss.  rechnen,  so  dass  England  nach 
Beda  für  die  Textgeschichte  nicht  in  Betracht  zu  kommen 
schien. 

Auch  ich  habe  an  diesem  Tatbestand  nicht  viel  zuj 
ändern;  immerhin  vermag  ich  eine  kleine  Ergänzungi 
zu  bringen  durch  den  Nachweis  von  zwei  aus  England! 
stammenden  Hss.  des  Lib.  Pont.,  die  meinen  Vorgängern 
entgangen  sind^.  Die  eine  ist  nicht  eigentlich  unbekannt; 
es  ist  jene  Hs.  der  Cambridger  Universitätsbibliothek, 
Kk.  IV.  6  (2021),  welche  das  Werk  des  Lambert  von  Si- 
Omer  enthalten  sollte.  Dass  die  Papstbiographien  dieser 
Hs.    nichts    mit    dessen   Kompilation    zu    tun    haben,    hat 


anonjTiie  Vita  Ceolfridi  c.  9  (Plummer  I,  391) ;  Bedas  Historia  abbatum 
Wiremuthensium  c.  6.  9  (eb.  p.  869.  373).  Duchesne  I,  p.  CCXXIIl 
vermutet,  dass  die  Gefährten  des  im  Herbst  71(3  zu  Langres  auf  einer 
Romreise  gestorbenen  Abtes  Ceolfrid  die  von  Beda  benutzte  Hs.  nack 
England    gebracht    haben.  1)    Vita    1.    Gregorii    c.    1.    32    (Ewald^ 

Historische  Aufsätze  dem  Andenken  an  Georg  Waitz  gewidmet,  1886, 
S.  48.  54 ;  Fr.  A.  Gasquet,  A  Life  of  Pope  St.  Gregory  the  Great,  1904, 
p.  2.  46).  Ueber  das  Verhältnis  der  Vita  zu  Beda  vgl.  zuletzt  H.  Moretus, 
Analecta  Bollandiana  XXVI,  1907,  p.  66—72.  2)  Duchesne  1,  p.  CCVI; 
danach  Mommsen  p.  CV.  Duchesne  stellt  die  Zugehörigkeit  zur  zweiten 
Klasse  fest.  3)  Duchesne  I,  p.  CLXXXVl ;  danach  Mommsen  p.  CIV. 
4)  Noch  einer  Untersuchung  bedürfen  die  'Extracts  from  the  Liber  de 
gestis  summorum  pontificum'  in  Cambridge  Dd.  XIV.  20  (843),  saec.  XIV, 
fol.  260 — 262  (vgl.  Catalogue  of  the  mss.  preserved  in  the  library  of  the 
University  of  Cambridge  I,  1856,  p.  526)  und  die  der  Zeit  Dunstans  an' 
gehörende  Geschichte  der  Erzbischöfe  von  Canterbury  mit  kurzen  LebenS' 
beschreibungen  der  Päpste  bis  955  in  der  Kathedralbibliothek  von  Canter 
bury,  Cartae  Antiquae  A.  42,  saec.  XIII  (vgl.  Fifth  Report  of  the  Royal 
Commission  on  Historical  MSS. ,  1876 ,  p.  462 ;  Liebermann ,  N.  A. 
IV,  622).  Auch  über  einige  Papstkataloge  geringeren  Umfangs  fehlt  e& 
noch  au  näheren  Angaben. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    ü.  335 

bereits  L.  Delisle  auf  Mitteilungen  des  Cambridger  Ober- 
bibliothekars Fr.  J.  H.  Jenkinson  hin  festgestellt,  indem 
er  einige  Bruchstücke  aus  dem  späteren  Teil  des  Textes 
mitteilte  und  dem  Lamberts  gegenüberstellte^;  ich  werde 
sogleich  darlegen,  dass  es  sich  um  den  Lib.  Pont,  selbst 
handelt,  wenn  auch  nicht  allein  um  ihn,  und  ich  kann 
feine  Hs.  des  Britischen  Museums  hinzufügen,  H  a  r  1  e  j 
n.  633,  deren  Inhalt  zu  dem  des  Cantabrigiensis  in  engen 
: Beziehungen  steht.  Es  ist  kaum  ein  Verlust  für  die  Her- 
ausgeber des  Lib.  Pont,  gewesen,  dass  ihnen  die  beiden 
Hss.  entgangen  sind ;  der  von  diesen  gebotene  Wortlaut 
ist  schlecht,  und  auch  ich  denke  die  von  mir  begonnene 
Fortsetzung  der  Ausgabe  Mommsens  nicht  mit  ihren  Les- 
arten zu  belasten,  nur  in  der  Einleitung  wird  ihr  Ver- 
hältnis zu  den  übrigen  Hss.  kurz  berührt  werden  müssen. 
Sie  sind  aber  einmal  von  einer  gewissen  Bedeutung  für  die 
Textgeschichte  als  die  einzigen  bisher  bekannten  Hss.  aus 
der  Heimat  Bedas;  sie  sind  weiter  dadurch  bemerkenswert, 
'  dass  sie  nicht  den  blossen  Text  des  Lib.  Pont,  geben, 
sondern  dass  zwischen  und  in  die  Papstviten  andere  Stücke 
eingeschoben  sind,  die  zum  Teil  Beachtung  verdienen,  ein 
Urteil,  das  auch  von  den  Fortsetzungen  gilt,  die,  aus 
dürftigen  Papstkatalogen  erwachsen,  sich  hier  an  die  alten 
Viten  anschliessen  imd  die  Brücke  schlagen  von  der 
Karolingerzeit  zum  12.  Jh.,  dem  die  beiden  Hss.  angehören. 
Es  sind  Bestandteile  sehr  verschiedener  Art,  die  hier  dem 
Lib.  Pont,  zugesellt  sind ;  die  stadtrömische  Epigraphik 
wird  davon  nicht  minder  berührt  als  die  Englische  Ge- 
schichtschreibung des  Mittelalters  und  die  Geschichte  des 
letzten  Herzogs  der  Normandie,  und  schon  in  dieser  Hin- 
sicht verbietet  sich  eine  eingehendere  Behandlung  in  der 
künftigen  Einleitung  zum  zweiten  Bande  des  Lib.  Pont. 
Sie  zu  entlasten  ist  der  Zweck  der  folgenden  Darlegungen, 
in  denen  ich  zunächst  die  Art  der  beiden  neuen  Texte  des 
Lib.  Pont,  kennzeichnen  werde,  wobei  ich  um  die  Nach- 
sicht des  Lesers  bitten  muss,  dem  ich  die  trockene  Kost 
von  Varianten  nicht  ganz  ersparen  kann,  ehe  ich  ausführ- 
licher auf  die  übrigen  Stücke  eingehe,  die  hier  mit  dem 
Lib.  Pont,  verbunden  sind.  Ich  Averde  die  beiden  Hss.  in 
der    Folge    ihres    Alters    getrennt    behandeln,    zuerst    den 


1)  Notice  sur  les  mss.  du  'Liber  Floridas'  (Notices  et  extraits  des 
manuscrits  de  la  Bibliotheque  nationale  XXXVIII,  2,  1906)  p.  689.  718— 
750.  Herrn  Oberbibliothekar  Van  der  Haegben  in  Gent  verdanke  ich 
einige  weitere  Mitteilungen  über  den  Text  Lamberts. 


336  Wilhelm  Levison. 

Cantabrigiensis  (=  C),  dann  den  Londiniensis  (=  L);  da 
aber  beide  Codices  teilweise  Stücke  derselben  Vorlage  auf- 
genommen haben,  die  zweimal  zu  erörtern  zwecklos  wäre, 
werde  ich  bereits  bei  C  einige  Abschnitte  von  L  heran- 
ziehen müssen ,  dessen  übrige  Teile  sodann  an  zweiter 
Stelle  zur  Darstellung  kommen  werden.  Die  Cambridger 
Hs.  habe  ich  dank  dem  Entgegenkommen  von  Herrn 
Jenkinson  in  Müsse  in  Bonn  benutzen  können ;  die  Lon- 
doner habe  ich  im  Britischen  Museum  untersucht,  das 
seine  Schätze  bekanntlich  nicht  ausleihen  darf,  habe  mich 
aber  entsprechend  der  knapper  bemessenen  Zeit  eines 
Aufenthalts  auf  der  Eeise  bei  der  Untersuchung  des  bereits 
von  Mommsen  herausgegebenen  Teils  des  Lib.  Pont,  (bis 
715)  bei  L  auf  die  nötigsten  Feststellungen  beschränken 
müssen,  wenn  ich  auch  annehmen  darf,  dass  mir  auch 
hier  kaum  eine  Tatsache  von  Bedeutung  entgangen  ist. 

Cambridge   Kk.   IV.   6   (2021). 

Die  Hs.  der  Cambridger  Universitätsbibliothek  Kk. 
IV.  6  —  in  der  durchlaufenden  Zählung  des  gedruckten 
Katalogs^  u.  2021  —  ist  ein  im  12.  Jh.  in  England  ge- 
schriebener Quartband  von  280  Blättern,  überwiegend 
theologischen  oder  verwandten  Inhalts,  über  den  ein 
gleichzeitiges  Register  an  der  Spitze  des  Bandes  unter- 
richtet, das  einst  zwei  Blätter  nebst  einem  kleineren  ein- 
gelegten Blättchen  umfasste ;  doch  ist  das  erste  Blatt  aus- 
geschnitten worden,  so  dass  der  Index  jetzt  unvollständig 
beginnt.  Auf  den  Inhalt  braucht  hier  im  allgemeinen 
nicht  eingegangen  zu  werden,  z.  B.  auf  die  darin  ent- 
haltenen Schriften  von  Hieronymus '^,  Cassiodor  und  Isidor. 
In  die  Zeit  des  Schreibers  selbst  führen  Werke  des  Hugo 
von  St.  Victor  und  Bernhard  von  Clairvaux:  'Allegorica 
enucleatio    primi   psalmi   abbatis   venerandi   Clarawallensis 


1)  A  Catalogue  of  the  manuscripts  preserved  in  tlie  library  of  the 
University  of  Cambridge  III,  1858,  p.  612 — 647,  mit  ziemlich  eingellender 
Beschreibung  der  Hs.  Eine  kürzere  Uebersicht  über  den  Inhalt  bot 
bereits  Bernards  Catalogus  librorum  manuscrij)torum  Angliae  et  Hiberniae 
(1697)  I,  8,  p.  165  unter  n.  '2208  (28) ;  die  letztere  Signatur  neben  der 
heutigen  findet  sich  vorn  in  der  Hs.  über  einer  kurzen  Inhaltsangabe  aus 
dem  17.  Jh.:  28  Kk  —  4  —  6.  Daneben  ist  ein  anderes  Blättchen  ein- 
geklebt mit  dem  Vermerk  44^.  F.  Ö.  I,  den  ich  ebenso  wenig  zu  deuten 
vermag  wie  eine  Bezeichnung  am  Ende  des  Bandes :  4.  5.  18.  2)  Für 
Hieronymus'  und  Gennadius'  Bücher  de  viris  inlustribus  erwähnt  die  Hs. 
E.  C.  Richardson  in  seiner  Ausgabe  (Texte  und  Untersuchungen  zur  Ge- 
schichte der  altchristlichen  Literatur  XIV,  1,  1896),  S.  XX,  n.  67. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  337 

aecclesiae'  lautet  die  üebersclirift  eines  fol.  113'  be- 
ginnenden Stückes,  dessen  Verfasser  dem  Schreiber  offen- 
bar noch  nicht  als  Heiliger  galt ;  etwa  dem  zweiten  Viertel 
des  12.  Jh.  möchte  ich  die  Hs.  zuschreiben,  wie  denn  der 
Text  des  Lib.  Pont.,  wie  sich  zeigen  wird,  nicht  über  1119 
hinaus  fortgesetzt  worden  ist.  Dieser  selbst,  die  'Gesta 
j3ontificum',  wie  er  im  Index  genannt  wird,  nimmt  den 
letzten  Teil  des  Bandes  ein,  fol.  224  —  280,  deren  Seiten 
wie  auch  die  anderen  Teile  der  Hs.  in  je  zwei  Spalten  ge- 
schrieben sind.  Die  Grösse  der  Schrift  wechselt  auf  diesen 
Blättern,  fol.  274  —  280  sind  kleiner  geschrieben  als  der 
vorhergehende  Teil,  es  sind  auch  wohl  verschiedene  Hände 
zu  unterscheiden.  Der  Text  ist  wenig  sorgfältig  ab- 
geschrieben worden;  viele  der  zahlreichen  Varianten  ver- 
danken sicherlich  nur  der  Nachlässigkeit  des  Schreibers 
ihre  Entstehung,  was  sich  namentlich  bei  den  gemeinsamen 
Abschnitten  aus  dem  Vergleich  mit  L  ergibt.  So  bot  sich 
denn  auch  genügender  Anlass  für  die  Tätigkeit  eines 
gleichzeitigen  Korrektors,  der  anscheinend  die  Vorlage 
nach  verglichen  hat,  und  dessen  Spuren,  ß.asuren  und  Ein- 
tragungen, man  an  vielen  Stellen  begegnet^;  er  schreibt 
eine  spitzige  Schrift,  die  wenigstens  meinem  an  fest- 
ländischen Hss.  geschulten  Auge  mehr  ausgesprochen 
Englischen  Charakter  zu  besitzen  scheint  als  die  Schrift 
des  ursprünglichen  Textes.  Für  die  Ueberschriften  und 
Initialen  ist  rote  Tinte  angewandt;  nur  wenn  zahlreiche 
Initialen  auf  engem  Räume  einander  folgten,  so  bei  den 
Versanfängen  der  Römischen  Inschriften  (vgl.  unten 
S.  350  ff.)  und  den  Unterschriften  des  Synodalschreibens 
von  680  (vgl.  S.  376),  wechselte  man  mit  roter  und  blauer 
Farbe.  Auch  die  vielen  Zahlen  im  Text,  bei  Angabe  der 
Sessionsdauer  der  Päpste ,  der  Menge  und  des  Gewichts 
ihrer  Geschenke  für  Kirchen  u.  s.  w.,  sind  Anfangs  (bis 
fol.  250')  meist  mit  roter  Tinte  eingetragen  worden,  indem 
der  Schreiber  in  kleiner  Schrift  am  Rande  die  Zahlen  vor- 
zeichnete, die  dort  nach  der  Eintragung  in  den  Text  nicht 
immer  ausradiert  worden  sind.  Häufig  vergass  der  Schreiber 
aber  auch,  dass  die  Zahlen  nachträglich  mit  roter  Farbe 
eingefügt  werden  sollten,  und  schrieb  sie  mit  gewöhnlicher 
Tinte    ofleichzeitig:  mit    dem   übrisren   Text;    sie   sind    dann 


1)  So  sind  von  ihm  an  den  Rändern  von  fol.  264  —  265  nicht  un- 
bedeutende Stücke  des  Römischen  Synodalschreibens  von  680  ergänzt 
worden,  die  zuerst  ausgelassen  worden  waren. 


338  Wilhelm  Levison. 

nicht  selten  ausradiert  und  mit  roter  Tinte  aufs  neue  ein- 
gefügt worden.  Später  hat  man  auf  diese  Farbe  für  die 
Ziffern  verzichtet ,  die  von  fol.  250'  an  auf  dem  vom 
Schreiber  freigelassenen  Raum  von  der  Hand  des  Korrek- 
tors mit  schwarzer  Tinte  ergänzt  worden  sind.  Ich  erwähne 
so  unwesentliche  Dinge  nur,  um  mich  später  mit  der 
Unterscheidung  der  Schreiber  und  des  Korrektors  im  all- 
gemeinen nicht  aufhalten  zu  müssen,  die  bei  diesem  Tat- 
bestand ebenso  zwecklos  wäre  wie  der  Hinweis  auf  die 
meisten  Rasuren. 

Die  Papstgeschichte  beginnt  am  Anfang  von  fol.  22J: 
ohne  üeberscbrift  mit  den  Briefen  des  Hieronymus  ('lero- 
nimus  ad  Damasum  papam.  Gloriam  sanctitatis' 
—    — )    und    Damasus    ('Epistola    Damasi.      Damasus 

episcopus' ) ;  es  folgen  zunächst  in  der  üblichen  Weise 

die  Viten  der  Päpste  von  Petrus  an  bis  in  das  8.  Jh. 
hinein,  erweitert,  wie  ich  schon  andeutete,  durch  ein- 
geschobene Stücke  anderer  Herkunft,  von  denen  ich  zu- 
nächst absehe.  Die  einzelnen  Viten  sind  mit  Ueber- 
schriften  versehen :  'Gesta  Petri  apostoli',  'Gesta  Lini 
papae',  'Gesta  Cleti  pape'  u.  s.  w.  Es  fehlt  die  Vita  von 
Xystus  III.  (p.  96 — 100)^.  Die  Vita  von  Liberius  ist  in 
zwei  Teile  zerlegt;  da  der  Papst  einen  Teil  seines  Ponti- 
fikats  in  der  Verbannung  verbracht  hat,  so  erhält  der  An- 
fang der  Vita  nach  p.  77,  1  'dies  IUI'  den  Vermerk  'ante 
exilium',  sodann  werden  nach  p.  78,  2  'exilio'  die  'Gesta 
Felicis  papae'  (p.  80  —  81)  eingeschoben,  und  erst  nach 
diesen  folgt  der  Rest  der  Vita  des  Liberius  mit  der  üeber- 
scbrift 'Gesta  Liberii  papae  post  exilium'.  Statt  der  voll- 
ständigen Lebensbeschreibungen  der  Päpste  Agapitus  bis 
Benedikt  I.  (c.  59  —  64,  p.  142 — 159)  wird  nur  ein  Auszug 
gegeben,  den  ich  mit  keiner  der  sonst  bekannten  Epitomae 
des  Lib.  Pont,  zu  identifizieren  vermag;  doch  sind  mir 
diese,  soweit  es  sich  um  den  von  Mommsen  bearbeiteten 
Teil  (bis  715)  handelt,  nicht  alle  ausreichend  bekannt,  und 
ich  lasse  daher  wenige  Proben  der  wirklich  oder  vermeint- 
lich neuen  Bearbeitung  folgen,  indem  ich  durch  gesperrte 
Schrift  die  geänderten  Worte  bezeichne : 

142,  4  —  10  Hie  in  initio  p  o  n  t  i  f  i  c  atus  sui 
combussit  in  medi  a  §cclesi  a  decretum  quo  d  ^ 
Bonifatius  ^    extorserat    a    presbiteris    et     diaconibus 


1)  Bis  zu  Papst  Konstantin  beziehen  sich  die  Seitenzahlen  auf  die 
Ausgabe  Mommsens,   von    Gregor  II.    au   auf  die   Duchesnes.  2)   Es 

folgt  ein  sinnloses  'a'.         3)  Verbessert  aus  'Bonefatius'. 


Alis  Englischen  Bibliotheken.    11.  339 

contra  Dioscorum.  Hie  C  o  u  s  t  a  n  t  i  n  o  p  o  1  i  m  in  lega- 
tionem  missus  est  ad  lustin  um  imperatorem  [a]  tiranno 
Theodato,  qu[i]a  indigna  b  a  t  u  r  i  dem  augustus,  quod 
Teodat  u  s  occid  erat  reginam  Amalesuuintam  s  u  a  e 
f  i  d  e  i   commendatam. 

144,  2 — 7  Hunc  Theodatus  corruptus  peccunia  sine 
voluntate  et  subscrij)  to  elegit.  Post  Ordina- 
tionen! t  a  m  e  n  e  ins  propter  adunationem  §cclesiae  et 
religionis  metum  der  u  s   c  o  n  s  e  n  s  i  t. 

157,  2 — 4  Hie  c  o  n  stituit,  ut  luminaria  vel  oblationes 
omn  i  dominie  a  vel  sabbato  a  Lateranis  in  eadem 
m  i  n  i  s  teria    ministrarentur. 

159,  2 — 12  Eodem  tempore  invaserunt  Longobardi 
tot  am  Italiam,  et  fames  et  mortalita  s  magna  fuit, 
e  t  mult  a  cast  e  11  a  tradid  e  r  u  n  t  se  Longobardis ,  ut 
temperare  n  t  s  e  a  fam  e.  Audiensautem  lustinianus 
augustus,  quod  Roma  periclitaretur  fame,  misit  a  b 
Egipto  naves  oneratas  frumento  Romam  et  subvenit 
eis.  In  i  is  t  r  i  b  u  1  a  tionibus  positus  b  e  a  t  issimus 
papa  Benedictus  m  i  g  r  a  v  i  t  ad  dominum  et  sepultus 
est  in  secretario  beati  Petri  apostoli. 

Wie  weit  dabei  Worte  ausgelassen  und  umgestellt 
sind,  mei'ke  ich  nicht  an. 

Im  übrigen  bietet  C  bis  in  das  8.  Jh.  hinein  einen 
vollständigen  Text  des  Lib.  Pont.,  was  natürlich  kleine 
Lücken  nicht  ausschliesst.  Eine  der  grössten  findet  sich 
p.  201,  3 — 9,  wo  die  Worte  'Qui  praedictus  —  anathema- 
tizavit'  fehlen.  Der  Text  scheint  zunächst  überaus  schlecht 
zu  sein  und  kaum  eine  nähere  Untersuchung  zu  verlohnen ; 
er  ist  reich  an  wertlosen  Lesarten.  Dass  das  vielfach 
barbarische  Latein  an  zahllosen  Stellen  geglättet  ist,  be- 
darf bei  einer  Hs.  des  12.  Jh.  kaum  der  Hervorhebung; 
dass  die  Zahlen  oft  Fehler  aufweisen,  dass  z.  B.  V  und 
II  nicht  selten  vertauscht  sind,  erklärt  sich  aus  der  Nach- 
lässigkeit des  Abschreibers.  Er  ersetzt  wohl  ungewöhn- 
liche Ausdrücke  dueh  allgemein  übliche : 

52,   10  battutilem]  ductile 

88,  13  extimationibus]  possessionibus 

130,  21  regnus]  diadema  regium 

131,  1  regnum]  Corona  aurea 

224,  8  regno]  regio  diademate 

166,  7.    168,  11  intarta]  per  tirannidem 

190,  10  intartae]  tiranni 

178,  7.   190,  6  intartizavit]  tirannizavit 

225,  16  innotitum  fuisset]  in  notitiam  venisset; 


340  "Wilhelm  Levison. 

er  lässt  wohl  Päpste,  aber  auch  Heiligenleiber  statt  in 
einer  'basilica'  in  'ciraiterio'  beigesetzt  werden  (113,  11. 
125,  14.  180,  3).  Andere  Aenderungen  greifen  tiefer 
ein,  z.  B. 

2,  6  Nerone  Caesare]  Clandii  Cesaris  temporibus 

12,  1  Grecus]  Romanus 

13,  3  Veri  et  Marci]  Marci  et  Antonini 

26,  3  temporibus  Maximini  et  Africani  conss.]  Fuit 
autem  temporibus  Alexandri  usque  Maximo  et  Affricano 
consulibus. 

47,  2  Volusiani]  Licinii 

70,  17  Centum]  Centumcellis 

70,  20  Neapolim]  Eoma 

81,  7  III.  Id.  Nov.]  III.  Kl.  Aug.i 

93,  22  Novemb.]  Febroarii 

110,  26  Stephani]  lohannis 

119,   1  Petro]  Antioco  ^  (auf  Rasur) 

129,  10  gloria]  gloria  et  honore  magno 

130,  13.  15  deportavit  —  concremavit]  deportari 
fecit  —  concremari  fecit  (der  Papst  besorgt  beides  nicht 
eigenhändig). 

183,  21  morbo  interiit]  apud  Siciliam  obiit. 
Es  ist  offenbar  ein  recht  willkürlicher  Schreiber  gewesen, 
der  seinen  Text  so  umgestaltet  hat,  nicht  ohne  Nach- 
denken und  nicht  ohne  eine  gewisse  Gelehrsamkeit,  wenn 
auch  andere  Abweichungen  wohl  lediglich  seiner  Nach- 
lässigkeit ihren  Ursprung  verdanken. 

Aber  nicht  nur  Flüchtigkeit  und  Willkür  haben  den 
Text  umgestaltet;  mehr  als  einmal  haben  auch  fremdartige 
Schriftzüge  und  vor  allem  altertümliche  Weisen  der  Ab- 
kürzung den  Schreiber  in  die  Irre  geführt: 

194,  21  post  haec  patricii  ypati]  pro  hac  patria  hi  pati 

222,  19  imperatoris]  impiis 

223,  17/'8  imperatorem]  in  patrem 

224,  21  Imperator]  in  plio  (^  praelio) 

225,  12  imperatoris]  imperiis  (1.  Hand) 
223,  8  presbiterum]  patm 

Dem  Fehler  203,  14  autem]  h  (=  hoc)  liegt  unzweifelhaft 
die    bei   Iren    und    Angelsachsen   übliche    Kürzung    Ir    zu 


1)  Nach  der  von  p.  81,  7  abweichenden  Angabe  im  Leben  des 
Liberius  p.  78,  18.  Vgl.  Duchesne  I,  p.  CXXIV  sq.;  Döllinger,  Die 
Papst- Fabeln   des   Mittelalters-,    1890,   S.  187  ff.  2)   Vielleicht  liegt 

Verwechslung    von    Anastasius    II.    mit    Anakletus    (p.    8,    1    'ex    patre 
Anthioco')  vor. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  341 

Grunde;  diese  braucht  nicht  erst  in  einer  Englischen  Vor- 
lage von  C  Verwendung  gefunden  zu  haben,  sondern  kann 
bereits  aus  einer  alten  Italienischen  Quelle  des  Textes 
übernommen  worden  sein,  da  das  Zeichen  durch  die  Iren 
in  die  Schreibschule  von  Columbans  Gründung  Bobbio  ge- 
kommen ist^,  und  eben  zu  Hss.  dieses  Klosters  scheint 
eine  Vorlage  von  C  in  Beziehungen  zu  stehen.  Denn  wenn 
man  sich  durch  den  Wust  wertloser  Lesarten  durch- 
gearbeitet hat  und  nach  Ausscheidung  des  Individuellen 
das  Verhältnis  zu  den  übrigen  Hss.  untersucht,  so  ergibt 
sich  zwar,  dass  der  Text  an  nicht  wenigen  Stellen  aus 
mehr  als  einer  Quelle  geflossen  und  nicht  frei  von  Mischung 
ist;  aber  diese  tritt  doch  zurück  neben  der  Tatsache,  dass 
der  Lib.  Pont,  in  C  bis  715  sich  reinlich  in  zwei  Teile 
sondert:  Bis  zu  Benedikt  II.  (f  685)  gehört  der  Text 
(p.  1 — 204)  zur  zweiten  Hss. -Klasse  der  letzten  Herausgeber 
und  ist  im  besonderen  mit  dem  am  Ende  des  7.  Jh.  ge- 
schriebenen, aus  Bobbio  stammenden  Neapolitanus  (ß^), 
soweit  dieser  erhalten  ist,  nahe  verwandt,  während  er  in 
dem  folgenden  Teil  (p.  205  —  226)  von  Johannes  V.  bis  zu 
Konstantin  (f  715)  zur  ersten  Klasse  gehört  und  daher  viel- 
fach mit  ihrem  ältesten  Vertreter,  der  Hs.  vom  Ende  des 
8.  Jh.  in  Lucca  (A^),  grosse  üebereinstimmung  aufweist. 

Ich  gebe  zunächst  einige  Belege  für  die  Zugehörig- 
keit des  ersten  Teils  zur  Klasse  II-  und  die  Verwandtschaft 
mit  B^.  Von  grösseren  Stellen,  an  denen  die  drei  Klassen 
von  einander  abweichen  und  C  mit  II  zusammengeht, 
nenne  ich  p.  30.  31.  53.  G5— 69.  80.  81.  83.  105;  von  Einzel- 
heiten seien  folgende  Beispiele  erwähnt : 

13,  8  loca  VI]  %ca  numero  VI'  B^-^-s-i  c^  D-'  C. 

15,  6  'per  mensem  Decembrium'  steht  hinter  7  'loca 
numero  IX'  C  mit  II  (=  namentlich  C'^  B^- ^- ^•*). 

17,  9  'maxime  fidelibus  quod  deus  creavit'  fehlt  0  II. 


1)  Vgl.  Traube,  Paläographische  Anzeigen  (N.  A.  XXVI,  237 £f.) ;  W.  M. 
Lindsay,  Zentralblatt  für  Bibliothekswesen  XXVI,  1909,  S.  295.  293.  303. 
2)  Ich  bezeichne  die  3  Hauptklassen  der  Hss.  nach  Mommsens  V'^organg 
mit  I — III,  die  einzelnen  Gruppen  und  Hss.  mit  den  von  Duchesne  ein- 
geführten, von  Mommsen  beibehaltenen  Verbindungen  von  Buchstaben 
und  Ziffern ;  es  bedarf  kaum  der  Hervorhebung,  dass  die  Bezeichnung 
der  Cambridger  Hs.  mit  C  keine  Beziehung  zu  den  Hss.  C- -•  ^-^  andeuten 
soll.  Im  II.  Bande  des  Lib.  Pont,  wird  die  Hs.  anders  und  nur  nach 
ihrem  Verhältnis  zu  den  übrigen  Codices  von  715  an  zu  benennen  sein, 
das,  wie  sich  ergeben  wird,  ein  anderes  ist  als  vorher.  Bis  715  entnehme 
ich  die  Lesarten  der  Ausgabe  Mommsens,  die  ich  für  ein  paar  dort  aus- 
geschiedene Hss.  aus  Duchesne,  zudem  für  B'  hie  und  da  aus  Muratori 
(dort  A)  ergänze,  ferner  für  D-  aus  der  Hs.  selbst,  die  mir  freundbchst 
aus  Leiden  nach  Bonn  gesandt  worden  ist. 


342  Wilhelm  Levisou. 

20,  4  Stricato]  'Istricato'  (verbessert  aus  'Istricanto' 
C)C  II. 

22,  5  'Hie  vero  coufessor'  ('H.  conf.  fuit'  0),  hie  sua 
C  II ;  I III  anders. 

30,  17  nee  nostras  minas  timeas]   'vel  minas'  C  II. 

30,  18  respondit  dicens]   'dixit'   C  II. 

39,  11  'si  quis  episcopus  mereretur'  feblt  B^---"  C^  C. 

43,  14  'episcopos  per  diversa  loca  XXI'  fehlt  C  II. 
48,11  Statianum]  'statiouiim'  B^- '-^•^'D'- C. 

56,  16  'territurio  Mimnense'  fehlt  C  II. 
78,2  'Tune    revoeaverunt   Liberiiim    de    exilio'    C II, 
anders  I III ; 

ferner  in  Bezug  auf  B^  für  das  es  bisher  au  einem  nahe 
verwandten  Texte  fehlte : 

1,  5  enarrare]  'enumerare'  B^  C. 

5.  6  'Hie  fecit  —  XVIII'  fehlt  B^  C^-^  C. 

20,  7  ante  saeerdotes  —  9  adstantes]  'ante  se  sacer- 
dotes  adstantes'  ('sustinerent  et'  füg-t  C  hinzu)  B^  C. 

42,  8  sepelivit  in  via  Salaria  in  eymiterio  Priseillae  in 
cubieulum]  'sep.  via  Sal.  in  cubieulo  VI.  K.  Mai.  in  cubi- 
eulum'  B^;  'sep.  via  Sal.  VI.  K.  Maias  in  cubieulo'  C. 

44,  4  'autem'  fehlt  B^  C. 
53,  19  latum]  'altum'  B^  C. 

58,  22  Afrodisia]  'afrondisia'  B^  C\  'forondisia'  C. 

59,  3  eharta  decadas]  'cartha  deeas'  B^  C\  'earche- 
decas'  C. 

69,  11  Turni]  'turrini'  B^  C^  C 
71,  11  cum  Castro]  'cum  castra'  B^  C. 
71,  23  LXVI]    XLVI'  B^  C. 

71,  25  Sulpicianum]  'supplicianum'  B^  C^  D^-  C. 
74,  2  XXVII]  'XXVIir  Bi  C. 

92,20  Clerus  et  populus]  'elerus  vel  presbiteri'  B^-*^-^, 
'derlei  et  p(res)b(yteri)'  B^  'derlei  vel  presbiteri'  C. 

107,  15  XVi]  'XV'  Bi  C. 

108,  16  sinistris]  'a  sin.'  ('sinitris'  C)  B^  C. 

109,  4  'alium  sevphum  aureum  pens.  lib.  V  fehlt 
Bi  Ci  C. 

119,  11  nutu  divino]  'noetu  divino  notu'  B^,  'divino 
nutu'  C. 

Ich  kann  es  bei  diesen  Beispielen  bewenden  lassen ; 
sie  genügen,  um  die  engen  Beziehungen  von  B^  und  C  zu 
beweisen  und  damit  die  unerwartete  Tatsache  zu  belegen, 
dass  ein  der  ältesten  erhaltenen  Hs.  des  Lib.  Pont,  ähn- 
licher Text  den  Weff   nach  Eng-land   gefunden  hat.     Nicht 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  343 

so  sicher  lässt  sich  entscheiden,  ob  die  Vorlage  von  C 
lediglich  eine  Abschrift  von  B^  darstellte  (119,  11  würde 
dafür  si^rechen)  oder  davon  unabhängig  war.  Dass  manche 
Fehler  von  B^  in  C  fehlen,  spricht  nicht  unbedingt  für  die 
zweite  Möglichkeit,  da  der  Text  von  C  unzweifelhaft  an 
nicht  wenigen  Stellen  nach  anderen  Hss.  geändert  worden 
ist  und  den  Wortlaut  jener  Quelle  keineswegs  ungetrübt 
wiedergibt,  sondern  sowohl  Lesarten  von  I  wie  von  III 
aufgenommen  hat,  z.  B. : 

17,  13  'in  Vaticano'  C  mit  I  III,  fehlt  II. 

18,  15  gentile]  'gentilitate'  C  III. 

21,3  Theodoliobolli]  'Heliogabali'  CHI. 
29,  5  'primum  quidem  beati  Pauli  corpus  beata  Lu- 
cina accepit  et  in  predio  suo  posuit'  C  (II  aus  I  ergänzt). 
42,  1—4  fehlt  C  L 

50,  1  audeat  inferre]  'inf.  aud.'  C  III. 

51,  10  'uxorem'  fehlt  GL 

52,8  ornavit]  'ordinavit'  0  A^- ^  B^-"- ^  C^. 
68,  22    massam    territurio    Sabinense    Mallianum]    'm. 
Mallianum  territorio  Sabinense'  C  mit  III  C-*"*-^. 

75,  14  cautiones]  'causationes'  C  III. 

76,  4  'ab  urbe  Roma'  C  III,  fehlt  I  II. 

78,  1  conveniret  communionis]  'comm.  couv.'   C  I. 

115,  12  'in  urbe  Eoma'  fehlt  C  I. 
Hie  und  da  finden  sich  auch  üebereinstimmungen  mit  so 
schlechten  Hss.  wie  P  und  Z,  die  aber  auf  Zufall  beruhen 
mögen.  Das  Ergebnis  ist  wenig  erfreulich:  War  die  Vor- 
lage von  C  der  ältesten  erhaltenen,  aber  nur  unvollständig 
und  in  sehr  schlechtem  Zustand  erhaltenen  Hs.  des  Lib. 
Pont,  ähnlich,  so  verliert  C  doch  fast  alle  Bedeutung  für 
die  Textkritik,  weil  Lesarten  anderer  Hss.  Aufnahme 
gefunden  haben  und  damit  die  Stellen,  an  denen  C  besser 
ist  als  B\  auf  deren  Einüuss  beruhen  können.  Immerhin 
behält  C  eine  gewisse  Bedeutung  für  die  Textgeschichte; 
denn  zwei  Lesarten  erklären  sich  kaum  bei  der  Annahme, 
dass  C  mittelbar  auf  B^  selbst  zurückgeht,  sondern  nur, 
wenn  die  Vorlage  von  C  dem  alten  Bobbiensis  zwar  ver- 
wandt, aber  davon  unabhängig  war: 

46,  7  ex  consacratum]  'et  cons.'  F;  'ex  ('et  ex'  E^) 
consecratum'  KE^C  ('dirigeretur' fehlt) ;  'ex  consecrata' 
A^-^;  'ex  consecrato'  Mut.;  'ex  ('et  ex'  E*^)  consa(e)cratu' 
Q3  B2. 3.4  j)2  j]6.  'g^  consecratloue'  A^-^;  'ex  segratu'  B^ 

67,  11/2  cum  possessiones  suas  omnes]  so  C^-^-^  52.3.4 
D^--  (IUI  weichen  ganz  ab);  'cum  possessionibus  suis  Om- 
nibus' B^;  'cum  possessionibus  suis  omnes'  C. 


344  Wilhelm  Levison. 

Mir  scheint  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  ein 
Schreiber,  der  in  einer  Abschrift  von  B^  nach  'ex'  und 
'cum'  die  grammatisch  richtigen  Ablativendungen  '-tu'  und 
'-nibus'  finden  musste,  nach  einer  anderen  Hs.  die  Akkusa- 
tive  'consecratum'  und  'omnes'  eingesetzt  haben  würde; 
vielmehr  möchte  ich  annehmen,  dass  die  zwei  Barbarismen 
aus  der  alten  Vorlage  stehen  geblieben  sind,  die  mithin 
von  B^  verschieden  gewesen  sein  müsste  ^. 

Trifft  diese  Annahme  zu,  so  gewinnt  C  immerhin  an 
Interesse  trotz  der  Tatsache,  dass  auch  hier  Mommsens 
Wort  (p.  XCIII)  gilt:  'in  hac  deterrimorum  sentina  omnia 
confunduntnr'.  Er  hat  dargelegt-,  dass  die  drei  Hss.- 
Klassen  des  Lib.  Pont,  auf  Abschriften  zurückgehen,  die 
mit  der  Vita  von  Papst  Conon  (686  —  687)  schlössen.  Auch 
B^,  die  älteste  Hs.  der  2.  Klasse  und  des  Lib.  Pont,  über- 
haupt, endete  entweder  mit  Conon  oder  seinem  Vorgänger 
Johannes  V.  (685  —  686);  denn  das  Namenverzeichnis  an 
der  Sj^itze  der  Viten  schliesst  mit  Conon,  wenn  auch  der 
Text  selbst  zum  grossen  Teil  verloren  ist  und  im  Leben 
Anastasius'  IL  (p.  119,  11)  abbricht.  Die  Vorlage  von  C 
reichte  darüber  hinaus  und  endete,  wenn  ich  nicht  irre, 
p.  204  mit  der  Vita  von  Conons  zweitem  Vorgänger  Bene- 
dikt IL  (t  685) ;  denn  soweit  bildet  ein  Text  II  die  Grund- 
lage von  C,  obgleich  auch  hier  Lesarten  von  I  und  III  keines- 
wegs fehlen,  ein  Verhältnis,  das  ebenso  für  die  vollständigen 
Viten  wie  den  erwähnten  Auszug  (p.  142 — 159)  gilt.  Wieder 
einige  Beispiele: 

123,  3  'lib.  CCC  III,  fehlt  C  mit  I  IL 

159,  1  XXVIII]  C  mit  II  E5,  'XXVIIII'  I  D^,  'XVIII' 
GEi-6. 

168,  2  d.  X]  fehlt  C  mit  I  IL 

168,10  exarchus]  I  D^  G  E«;  'eunuchus'  II  E^;  'eu- 
nucus'  C. 

170,  11  'apostoli'  fehlt  C  IL 

172,  10  'ab  urbe  Eoma'  fehlt  C  II IIL 


1)  Nach  einigen  Stellen  (so  p.  60,  15  'Cordionum' ;  p.  173,  7 — 11 
fehlt)  könnte  man  an  eine  Beziehung  zu  der  gemeinsamen  Quelle  von 
g5. G.  7  ^g7  stammt  ebenfalls  aus  Bobbio)  denken;  doch  sprechen  andere 
Stellen  gegen  die  Annahme,  wenn  mir  auch  bis  715  nur  die  Angaben 
der  Ausgaben  über  diese  Hss.  zu  Gebote  stehen.  Die  Beziehung  zu  B' 
ist  jedenfalls  unbestreitbar,  und  fraglich  nur,  ob  nicht  etwa  B"-  ^- "  eben- 
falls in  einem  engeren  Verhältnis  zu  dieser  Hs.  stehen  als  zu  den  übrigen 
Hss.  der  Klasse,  oder  ob  Lesai-ten  dieser  Gruppe  in  die  Vorlage  von  C 
hineinkorrigiert   worden   sind.  2)    S.   XIV  f.    seiner   Einleitung;    vgl. 

S.  CXIX.  ^  "       ^ 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  345 

173,  U  'per  mens.  Dec'  fehlt  CHI. 
175,18  diversi    ehristianissimi]    C II III;    ('div.'  fehlt) 
'christiaiii'   I  D^ 

177,  12  XVIIII]  'XVIII'  C  mit  IL 

178,  10  oboediret]  'debuisset  ob(o)edire'  C  II  E^. 

179,  8  'iuditio'  C  mit  II  E\  fehlt  I  G  E^. 

180,  17  'et  c(essavit)  e(piscopatus)  m.  I  dies  XVI' 
steht  nach  18  'II  ('II  fehlt  B^'-s)  Idus  Mai.'  CB-^-^-^. 

182,21  omnem]  I  D^  G  E«,  fehlt  CIIE^-^ 

193,  2  'ex  monachis'  fehlt  C  I II  E^ 

194,  1  'binati'  CB^-^-^. 

195,  4  falsaverant]  'falsaverunt'  C  II. 

203,  6  conpatientiam]    C I  II  E^    'patientiara'    GE^-^\ 

204,  14  'incidit'  C  II III,  'detentus'  I  BK 

204,  15  'post  dies'  (2.  Hand  'p.  X  d.')  C  mit  II  III, 
'post  dies  aliquos'  I  D^ 

Der  Unterschied  gegenüber  I  tritt  ebenso  deutlich 
hervor  wie  der  gegenüber  III,  obgleich  die  Klassen  II 
und  III  in  den  späteren  Viten  (vor  715)  nicht  mehr  so 
sehr  verschieden  sind.  Also  die  Zugehörigkeit  auch  dieses 
Teiles  zu  II  steht  fest  trotz  mancherlei  Auslassungen  ^  und 
den  auch  hier  nicht  fehlenden  Interpolationen  anderer  Her- 
kunft, z.  B. 

127,  19  furia]    C  mit  den  übrigen  Hss.,    'furore'  B  D. 

139,  17  censuerunt]  'concesserunt'  C  G  E*". 

141,9  Epatium]  'Ypatium'  G  E*^,  'Hipatium'  C. 

141,  11  'Aug.'  fehlt  C  G  E". 

158,17  XXXVIII]  'XXXVIIII'  CAiC^^. 

171,  11  'qui  appellatur  ad  Palmata'  fehlt  C  A^. 

172,  3  occurri  debeat.  Fecit]  'occurrat.  Hie  fecit' 
C  P^'  -. 

173,7—11  'Fecit  autem  —  obtulit'  B^-^-^  A^- '  Q  D^ 
fehlt  C  gleich  den  übrigen. 

174,  2  ubi  supra]  'in  basilica  beati  ('sancti'  C)  Petri 
apostoli'  C  mit  C'-^-'-'W. 

185,  2  Eufiniano]  'Rufino'  A^  E^,  'Sufino'  C. 

185,  11  dei]  'sanctae  dei'  CW-^-^. 

187,12  erant]  'erat  cooperta'  ('c.  er.'  Q)  QC^Z^-^O 
H^-^Cr.  Mog.,  'erat  cooperta  erat'  C. 


1)  So  fehlen  z.  B.  in  C  (gleich  C^  und  meist  C'')  die  in  B--'-^ 
überlieferten  Todestage  der  Päpste'  p.  160,  12.  162,  11.  163,  10.  164,  11. 
165,  12.  166,  20.  168,  17.  184,  8. 


346  Wilhelm  Levison. 

188,  4  nauticatione]  'nauticas  cautiones '  A-,  'can- 
tiones'  C. 

192,1  Donus]  'Conus'  CE^-^ 

200,  17  translatavit]   'transtulit'  CE^-s-^ 
und   trotzdem   an   einzelnen    Stellen    die  Vereinigung    ver- 
schiedener Lesarten  augenscheinlich  zu  Tage  tritt : 

170,  6  'eius  quas  vocant  mediana'  I  D\  'maiores  qui 
appellatur  mediana'  II  III,  'maioris  (=  II  III)  quam  me- 
dianam  vocant'  (=  I)  C. 

180,  14  depositionis  ultione  perculsus]  'dep.  (deposi- 
tiones'  A^  'depositione'  D^,  'depositus'  E*^)  ult.  percussus' 
A^-^D^GE",    'depositionis   ult.    depositus    et   percussus'    C. 

Dass  aber  dieser  Teil  nicht  nur  eine  Hs.  der 
Klasse  II  zur  ersten  Grundlage  hatte,  sondern  wirklich 
dem  verlorenen  Teil  von  B^  entsprach,  lässt  sich  noch  an 
wenigen  Stellen  erkennen.  Der  Text  von  B^  ist  freilich 
hier  verloren ;  aber  einmal  bietet  das  am  Anfang  stehende 
Papstverzeichnis  eine  abweichende  Wortfolge,  die  im  Text 
von  C  wiederkehrt: 

141,  1  —  3  lohannis  qui  et  Mercurius]  'Merc.  qui  et 
('et'  fehlt  Bi)  loh.'  ('lohannes'  C)  CBi-^. 

Wie  ferner  hier  B*  mit  B^  zusammengeht,  so  stimmen 
beide  und  nicht  selten  die  (aus  III  interpolierte)  Hs.  C^ 
auch  sonst  überein  ^  gegenüber  den  schlechteren  B-- ^;  hält 
also,  wo  B^  fehlt,  C  zu  C^  B^  oder  wenigstens  zu  B'^,  so 
darf  man  unbedenklich  auch  auf  Uebereinstimmung  mit 
dem  verlorenen  B^  schliessen: 

152,  18/9  Eleutheriam]  'Lutheriam'  B^-  ^  C^  E^,  'Lute- 
riam'  D^,  'Lutheria'  B*'  C^,  'Leutheriam'  C. 

204,  6  natale]   'domini'  fügen  C  B^  hinzu. 

204,9  Bebius]  'beuius'  CB^-^-e. 
Bei  der  Aufzählung  der  Werke  Gregors  des  Grossen  161,  3: 
'lob  Moralia  XXXV,  in  Ezechielem  prophetam  XXII, 
Pastoralem  et  multa  alia'  sind  die  gesperrt  gedruckten  Worte 
in  den  Text  II  hinein  interpoliert,  die  Zahlen  nach  einer 
Hs.  der  Klasse  I  oder  III ;  die  Verwandtschaft  mit  C^  B^ 
bekundet  sich  in  dem  Fehlen  der  4  Bücher  Dialoge,  die 
in  IB--°1II  an  letzter  Stelle  aufgeführt  werden,  während 
C  sie  gleich  C"^  B^-^-^- '  D- bei  Seite  lässt.  Endlich  an  einer 
letzten  Stelle  tritt  die  alte  Grundlage  von  C,  wenn  auch 
verderbt,  noch  zu  Tage: 


1)  Vgl.  Mommsen  p,  LXXXVJ.  LXXXVIII. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    IT.  347 

182,15  'hieraticos'  richtig  B^  E^  'iheraticos'  B*^- '  C^, 
'hiheraticos'  D-,  'heraticos'  C^,  'iheraci'  (von  2.  Hand  ver- 
bessert in  'iherarchi')  C ;  'in  hereticos'  C^;  'hereticos'  A^- ^ 

J)l  B2.  3.  5  Q4Q  El«. 

Man  darf  also  sehr  wohl  annehmen,  dass  jene  Vor- 
lage von  C  nicht  nur  mit  dem  erhaltenen  Stück,  sondern 
nicht  minder  mit  dem  verlorenen  Teil  der  alten  Hs.  von 
Bobbio  verwandt  war,  und  man  wird  in  dieser  Annahme 
bestärkt  durch  die  Wahrnehmung,  dass  C  auch  mit  einem 
dem  8.  Jh.  angehörenden  kleinen  Bruchstück  des  Lib.  Pont, 
in  Turin  (T),  das  ebenfalls  aus  Bobbio  stammt  und  zur 
2.  Hss.-Gruppe  gehört,  in  wenigen  Lesarten  übereinstimmt: 

129,20  sentimus]  'consentimus'  CTA°D-;  'consentia- 
mus'  A^. 

131,  8  'apostulo'  fehlt  C  T. 

133,  10  religiosus   summo]    'religiosissimus'  A*  C^  und 
(von   der   Hand    des   Korrektors   auf   ßasur)   C,    'religiosis- 
simi'  T,  'religiosissimus  summo'  G  E*", 
wenn  auch  darauf  kein  grosses  Gewicht  gelegt  werden,  kann. 

Noch  im  Leben  Benedikts  IL  (p.  204)  ergab  sich  die 
Zugehörigkeit  der  Grundlage  von  C  zu  II ;  mit  Johannes  V. 
ändert  sich  das  Verhältnis  durchaus,  indem  der  Text  jetzt 
bis  zur  Vita  von  Papst  Konstantin  (p.  205  —  226)  weit- 
gehende üebereinstimmung  mit  der  Hs.  von  Lucca  (A^) 
aufweist,  mit  der  in  diesem  Teil  namentlich  die  aus  Tours 
stammende  Hs.  D^  eng  verwandt  ist.  Ich  gebe  wenige 
Beispiele  von  vielen : 

205.8  repraesentans]  'et  praesentans'  A^C^'-D^,  'et 
praesentavit'  A^  C. 

206,  4  determinatione]  'exterminatione'  A^  D^,  'exter- 
minationem'  C. 

207,  10  'adunati'  fehlt  A^  D^  C. 

210.9  assoletj  'solet'  A^Di-C. 

211,  8  'militia'  fehlt  Ai-^D^C. 

212,  26  turba  in]  'tuba'  A\  'tubis'  D^  C. 
213,3  'citius'  A^DiC;  II  III  anders. 

216,2  'Britanniae"  fehlt  Ai-^DiC  (doch  fügt  C  'in 
gentem  Anglorum'  ein  nach  'archiepiscopum'). 

217,  14  'Horreas'  allein  A^  C;  'Or(r)eas'  A^-^  D^; 
II  III  anders. 

218,  1  'presbiterorum  seu  diaconorum  I,  id  est'  fehlt  C, 
'pr.  seu  diac'  fehlt  A^  D^. 

220,1   Chazariae]   'Gazari(a)e'  AiC^-'-DiC 

220,  2  TerveliJ    Terebellio'  A^-^^  C;  'Terrebellio'  D^. 

Xeues  Archiv  etc.    XXXV.  23 


348  Wilhelm  Levison. 

222,  10  'tetra'  fehlt  Ai-^D^C. 

223,5  'decollavit'  AiD^C;  'iugulavit'  II  III. 

224,  17  atque]   'ac'  A^D^;  'et'  Ai-^C. 

225,  24  partes  sedarent]  ('partes'  fehlt)  'sedarentur' 
('sedarent'  A^  und  1.  Hand  A^)  Ai-sD^C. 

226,  18  — 19  'Huc  usque  —  Langobardi  ('Longob.'  C) 
venerunt  et  VII  menses'  ('et  menses  VI'  C)  A^  C. 

Während  C  in  diesem  Teil  im  Gegensatz  zu  dem 
früheren  Verhältnis  nach  Ausweis  zahlreicher  Stellen  nichts 
mehr  mit  B--^-^  gemein  hat,  zeigt  es  hie  und  da  den  Ein- 
fluss  der  Gruppe  GE,  gleichwie  auch  vorher  Lesarten  der 
Klasse  III  eingedrungen  waren,  z.  B. 

206,  8  diutina]  'diuturna'  C  E*'. 

211,  5  missos]   'nuntios'  C  E*'. 

214,  11,  21  tegnum]  'regnum'  C  E*'. 

215,  2  bassüicae]  'eclesiae'  C  mit  A^  C^-^  D^  GE^. 
215,  3  'basilice'  fehlt  Cß^--^  c^-^  G. 

223,  2  clerici  pauci]   'pauci  cl.'  CE^-^ 

So  können  manche  Stellen,  an  denen  Fehler  von  A^  sich  in  C 
nicht  finden,  auf  Grund  einer  anderen  Hs.  verbessert  sein  und 
schliessen  nicht  aus,  dass  A^  selbst  die  letzte  Quelle  von  C  ist\ 
wenn  darum  auch  die  Möglichkeit  einer  von  A^  unabhängigen 
Vorlage  bestehen  bleibt.  Einzelne  Stellen  (vgl.  S.  345  f.)  legen 
den  Gedanken  an  nähere  Verwandtschaft  mit  A-'  nahe ;  doch 
ist  der  letzte  Teil  dieser  Hs.  (von  p.  200,  13  an)  verloren, 
so  dass  sich  die  Spur  nicht  weiter  v^erfolgen  lässt. 

Die  Cambridger  Hs.  ist  so  für  die  Herstellung  des 
Textes  belanglos ;  ihr  Interesse  beruht  darauf,  dass  sie 
eine  dem  alten  Bobbiensis  nahestehende  Hs.  erschliessen 
lässt,  die  bereits  mit  dem  Leben  Benedikts  IL  abbrach, 
also  ein  wenig  früher  als  die  bisher  bekannte  älteste 
üeberlieferung  des  Lib.  Pont.,  wie  es  denn  auch  anerkannt 
ist,  dass  die  Viten  der  Päpste  wenigstens  seit  dem  2.  Viertel 
des  7.  Jh.  nicht  mehr  zum  Grundstock  der  Sammlung  ge- 
hören, sondern  allmählich  hinzugefügt  worden  sind.  So 
steht  nichts  der  Annahme  im  Wege,  dass  die  älteste  — 
keineswegs  unmittelbare  —  Vorlage  von  C  mit  dem  Leben 
Benedikts    IL    (f    685)    endete  ^    um    später    nach    einer 

1)  Auch  die  Stelle  p.  224,  25,  wo  C  'yconiam'  hat  statt  des  in 
A*- ■*  D^  fehlenden,  von  den  übrigen  Hss.  überlieferten  'imaginem' 
('imago'  A^) ,  spricht  wohl  kaum  gegen  die  Herleitung  von  A^.  Die 
folgenden  Worte  'quod  Greci  botarea  vocant  sex'  sind  in  C  ausgelassen; 
vielleicht  ist  'yconiam'  ein  Versuch,  das  unverstandene  'botarea'  zu 
ersetzen.  2)   Aus   inneren   Gründen   hat   F.  G.  Rosenfeld,  Ueber   die 

Composition   des   Liber  pontificalis   bis   zu  Papst  Constantin    (Marburger 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  349 

anderen  Vorlage  um  die  Lebensbeschreibungen  der  fol- 
genden Päpste  bis  zu  Konstantin  (f  715)  vermehrt  zu 
werden,  indem  auch  in  den  früheren  Teil  Lesarten  der 
neuen  Hs.  eindrangen,  gleichwie  endlich  bei  einer  zweiten 
Erweiterung  auch  die  dritte  Hss.- Klasse  die  Einheitlichkeit 
des  Textes  noch  mehr  beseitigen  half  ^.  Die  Enddaten  685 
und  715  erinnern  an  die  Eomfahrten  bekannter  Angel- 
sachsen: 686  kehrte  Benedikt  Biskop,  der  Gründer  von 
Wearmouth  und  Jarrow,  mit  einer  'magna  copia  voluminum 
sacrorum'  von  seiner  sechsten  Romreise  zurück  2;  716  ver- 
liess  sein  Gehilfe  und  Nachfolger  in  der  Leitung  der 
Klöster  Ceolfrid  die  Heimat  mit  dem  gleichen  Ziele,  und 
wenn  er  es  auch  nicht  erreichte,  sondern  in  Langres  starb, 
so  setzte  doch  ein  Teil  seiner  Begleiter  die  .Reise  fort^  — 
durch  sie  ist  bekanntlich  damals  der  berühmte  Codex 
Amiatinus  der  Vulgata  als  Geschenk  Ceolfrids  für  St.  Peter 
nach  Italien  gelangt.  Das  Zusammentreffen  der  beiden 
Daten  mit  den  Texteinschnitten  von  C  wirkt  um  so  be- 
stechender, als  beide  Reisen  denselben  Ausgangspunkt 
hatten  und  die  Vereinigung  der  zwei  Teile  in  einer 
Englischen  Hs.  sich  so  leicht  erklären  würde,  wenn  in 
dasselbe  Kloster  686  der  Lib.  Pont,  bis  685,  drei  Jahr- 
zehnte später  ein  zweites  bis  715  reichendes  Exemplar  ge- 
bracht worden  wäre.  Aber  so  ansprechend  diese  Ver- 
mutung auch  scheinen  mag,  so  wird  man  sie  doch  besser 
auf  sich  beruhen  lassen,  da  es  nicht  feststeht,  dass  die 
Verbindung  der  beiden  Teile  unter  sich  und  dann  mit  der 
weiteren  Fortsetzung  überhaupt  erst  in  England  erfolgt 
ist,  und  es  keineswegs  ausgeschlossen  ist,  dass  eine  schon 
derart  nach  verschiedenen  Vorlagen  etwa  in  Italien  zu- 
sammengearbeitete Abschrift  des  Lib.  Pont,  fertig  nach 
England  gebracht  worden  ist.  Immerhin  ist  zu  beachten, 
dass  auch  eine  zweite,  aus  Rom  stammende  Quelle  von  C 
bald    nach    dem    Anfang    des    8.    Jh.    abbricht,    eine    In- 


Dissertation), 1896,  S.  48  £f.  an  derselben  Stelle  einen  Abschnitt  an- 
genommen, indem  er  darlegt,  dass  die  Viten  von  Leo  II.  bis  Couon 
(682  —  687)  zwar  durch  gemeinsame  Besonderheiten  verbunden  sind  und 
vielleicht  von  einem  Verfasser  herstammen,  dass  sie  zugleich  aber  in 
zwei  Gruppen  zerfallen,  deren  eine  die  Lebensbeschreibungen  von  Leo  II. 
und  Benedikt  II.  bilden,  während  die  von  Johannes  V.  und  Conon  andere 
gemeinsame   Eigentümlichkeiten    aufweisen.  1)    Vgl.    unten    S.    379. 

2)  Bedas  Historia  abbatum  c.  9  (a.  a,  0.  p.  373).  Benedikt  kehrte 
zurück,  als  Abt  Eosterwini  von  Wearmouth  (f  6.  März  680)  noch  nicht 
lange  gestorben  war  (eb.  c.  10).  3)  Eb.  c.  21  (p.  385)  nach  der  Vita 

Ceolfridi  c.  37—39  (eb.  p.  402,3). 

23* 


350  Willielm  Levison. 

schriftensammlung  —  ich  komme  damit  auf  die  be- 
deutenden Zusätze,  um  die  der  Lib.  Pont,  in  C  erweitert 
worden  ist,  indem  ich  die  darin  zerstreuten  Einschiebsel  — 
zuerst  bis  715  —  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  zu- 
sammenstelle, Gleichartiges  zu  Gleichartigem  ordne  und 
mich  nur  innerhalb  der  so  gebildeten  Gruppen  an  die 
JFolge  der  Hs.  halte. 

Wie  ich  soeben  andeutete,  sind  in  den  Text  des  Lib. 
Pont,  in  C  zahlreiche  Inschriften  der  Stadt  Rom  ein- 
geschoben, die  ich  zunächst  aufzähle.  Bei  den  bereits  be- 
kannten Stücken  füge  ich  die  Seitenzahlen  von  de  Rossis 
Inscriptiones  christianae  urbis  Romae  II  1  (1888)  und 
Duchesnes  Liber  Pont.  I  hinzu  und  beschränke  mich  durch- 
weg auf  die  Mitteilung  der  Abweichungen  der  Hs.,  wäh- 
rend ich  den  vollen  Wortlaut  in  der  ßegel  nur  bei  bisher 
unbekannten  Inschriften  wiedergebe.  Orthographische 
Dinge  lasse  ich  natürlich  bei  Seite  und  merke,  was  ich 
bereits  begründete,  im  allgemeinen  auch  die  Stellen  nicht 
an,  an  denen  die  Lesart  erster  Hand  ausradiert  und  die 
Lücke  durch  den  gleichzeitigen  Korrektor  ergänzt  worden 
ist,  da  dessen  Aenderungen  unzweifelhaft  auf  Nach- 
vergleichung  der  Vorlage  beruhen. 

1)  Nach  p.  83,  33  (212,  7  Duch.)  'ornavit'  folgt  in  un- 
passendem Zusammenhang  das  Gedicht  des  Damasus  über 
den  Taufquell  von  St.  Peter  (fol.  232'— 233): 

'Versus    Damasi    papae. 

eingebaut  latices  —  levita  fidelis'^. 

de  ßossi    p.   56,    n.    14.    —   Duchesne    p.   CXXII.  — 

M.  Ihm,  Damasi  epigrammata  (Anthologiae  Latinae  supple- 

menta  I),    1895,  p.  8,    n.  4.    —    Bücheier,    Carmina  Latina 

epigraphica  I,  150,  n.  310. 

2)  Nach  p.  84,  27  (213,  6  Duch.)  'dies  XXXI'  die 
Grabschrift  des  Damasus  (fol.  233) :  'et  scriptum  est  epita- 
phium  super  eum,  quod  ipse  fecerat  vivens : 

Epitaphium   Damasi   papae. 

Qui  gradiens  —  surgere  credo'^  (die  letzte  Zeile  am 
Ende  der  ersten  Spalte  von  2.  Hand  ergänzt). 

de  Eossi  p.  252,  n.  1 ;  p.  287,  n.  1.  —  Duchesne  p.  215.  — 
MG.  Poetae  I,  557  (Theodulf).  —  Ihm  a.  a.  O.  p.  13,  n.  9. 

3)  Nach  p.  106,  6  (239,  12  Duch.)  'dies  VII.'  die  von  Ser- 
gius  I.  688  gesetzte  Grabschrift  Leos  I.  (fol.  235  —  235') 
mit  einigen  einleitenden  Worten  auf  Grund  der  Vita  Sergii 
c.  12  (p.  214):    'Huius   corpus  tempore  Sergii  papae  de  ab- 


1)  V.  3  'Contulit'  statt  'Non  tulit'.       2)  V.  6  'faciat  quod  surgere'. 


I 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  351 

dito  inferioris  secretarii  translatiim  et  in   loco  eminentiori 
est  positum,  et  super  eum  hoc  epitaphium  scriptum: 
Epitaphium    Leonis    papae. 
Huius  apostolici  —  maior  erit'  ^. 
de   Eossi   p.  98,    n.  1 ;    p.  139,   n.  30;    p.  158,    n.  1.  — 
Duchesne  p.  379. 

4)  Nach  p.  119,  17  (258,  7  Duch.)  'KL  Decemb.'  ('XIII' 
und  'Et  cess.  ep.  dies  IUI'  fehlt)  der  Anfang  der  Grab- 
schrift von  Anastasius  IL  (fol.  237'):  'et  hoc  epitafium  in 
tumba  eins  est  scriptum  - : 

Epitaphium    eins. 
Limina  nunc  servo,  tenui  qui  culmina  sedis. 
Hinc  condi  merui,  presul  Anastasius'. 
de  Eossi  p.  126,  n.  4.  —  Duchesne  p.  259. 

5)  Nach  p.  123,  1  (261,  12  Duch.)  'arcus  argenteos  III, 
singulos  pensantes  LX'  folgt  die  nach  einer  anderen  Hs. 
'in  dextro  atrio'  von  St.  Peter  (vgl.  de  Eossi  p.  53,  Anm.) 
befindliche  Inschrift  des  Sjmmachus  (fol.  238):  'in  quibus 
hi  versus  scripti  sunt: 

Ingrediens  quisquam  radiantis  ^  culmina  templi  — 
novitatis  honore'. 

de  Eossi  p.  53,  n.  5;  p.  57,  n.  18  d.  —  Duchesne 
p.  267. 

6)  Nach  p.  123,  5  (261,  14  Duch.)  'libras  XVI'  folgt  ohne 
Ueberschrift  eine  Inschrift,  die  bisher  nur  trümmerhaft  bei 
de  Eossi  p.  57,  n.  19  (=  Duchesne  p.  278)  gedruckt  ist  und  die 


1)  Varianten  zu  Duchesne  v.  8  'Ne  lupus  insidians',  10  'pia'  statt 
'prava',  14  'tegunt'  statt  'celant',  15  'pulsus',  16  'Hunc'  statt  'nunc', 
19  'quae'  statt  'quia'.  —  Der  Text  unserer  Hs.  ist  verwandt  dem  der 
Oxforder  Hs.  Oriel  College  n.  42,  saec.  XII,  fol.  214,  aus  der  Quesnel 
die  nach  ihm  benannte  Sammlung  des  kanonischen  Rechts  herausgegeben 
hat  (vgl.  Coxe,  Catalogus  codicum  mss.  qui  in  collegüs  aulisque  Oxo- 
niensibus  hodie  adservantur  I,  5,  p.  14  sqq. ;  Maassen,  Quellen  I,  490) 
und  die  hinter  einer  Biographie  Leos  I.  die  Grabschrift  enthält  (Leonis 
Magni  Opera  ed.  Ballerinii  II,  599  mit  Benutzung  auch  der  Hs.  von 
Verdun) ;  die  angeführten  Lesarten  von  v.  8.  14.  16  kehren  hier  wieder, 
und  V.  10  'mala'  ist  offenbar  ein  Versuch,  das  sinnlose  'pia'  unserer  Hs. 
zu  verbessern.  Auch  das  Zitat  der  Vita  Sergii  in  der  genannten  Bio- 
graphie Leos,  das  Quesnel  (eb.  Sp.  598)  mitgeteilt  hat,  steht  dem  Text 
von  C  nahe;  vgl.  Mommsen  p.  214,  15  'corpus  beati  Leonis  probatissimi 
patris  atque  pontificis']  'corpus  Leonis  primi  ('Leonis  primi'  von  2.  Hand 
auf  Rasur  C)  beatissimi  patris  ac  pöntificis'  C  und  Oriel.  Doch  ist  die 
letztere  Hs.  nach  anderen  Stellen  nicht  von  C  selbst  abhängig,  sondern 
von  dessen  Vorlage.  2)  Vgl.  Beda,   Hist.  eccl.  II,  1 :  'scriptumque  in 

tumba  ipsius  epitaphium  huiusmodi'.  3)  'is  cul'  von  2.  Hand  auf  Rasur; 
andere  Varianten  zu  Duchesne  v.  2  'operis',  4  'dominatur',  5  'venerandus 
Simmacus',  6  'Priscae  cesserunt'. 


352  Wilhelm  Levison. 

ich  daher  ganz  mitteile  (fol.  238) ;  die  zwei  letzten  Distichen 
mit  dem  Namen  des  Symmachus  sind  neu. 

'Quisquis  ad  aeternam  festinat  tendere  vitam, 

Hac  iter  exquirat,  qua  licet  ire  piis, 
Tramite  quo  fretus  caelestia  regna  sacerdos 

Intravit  meritis  ante  parata  suis^. 
Antistes  Domini  procumbis  victima  Christi, 

Pontifici  summo  sie  pjaciture  Deo. 
Simmacus  has  arces  cultu  meliore  ^  novavit, 

Marmoribus,  titulis,  nobilitate,  fide. 
Nil  formido  valet,  morsus  cessere  luporum, 

Pastoris  proprium  continet  aula  gregem'. 

Wenn  die  Gedichte  5  und  6,  die  auch  in  der  Samm- 
lung der  Pariser  Hs.  n.  8071  unmittelbar  auf  einander 
folgen,  hier  richtig  eingeordnet  sind,  so  gehörten  sie  gleich 
7  zu  dem  Rundbau  an  der  Südseite  von  St.  Peter,  der  an 
der  Stelle  der  heutigen  Sakristei  als  Mausoleum  erbaut 
worden  war  und  von  Papst  Symmachus  (498  —  514)  zu  einer 
Kirche  des  Apostels  Andreas  geweiht  wurde  ^.  Die  In- 
schrift n.  6  hat  de  Rossi  als  Grabschrift  von  Johannes  I. 
(523 — 526)  gedeutet,  was  doch  keineswegs  sicher  ist;  ge- 
hörten die  zwei  letzten,  bisher  unbekannten  Distichen 
wirklich  zu  derselben  Inschrift  und  sind  nicht  etwa  als 
besonderes  Gedicht  aufzufassen,  so  wird  jene  Deutung  un- 
möglich. Die  Beantwortung  dieser  wie  mancher  anderen 
Frage,  die  durch  die  neue  Inschriftensammlung  aufgeworfen 
wird,  muss  ich  besseren  Kennern  der  Topographie  des  alt- 
christlichen Roms  überlassen. 

7)  Es  folgen  wieder  einige  Worte,  die  sich  an  den 
Liber  Pont.  p.  123,  6  (261,  15  Duch.)  anlehnen,  dann  aber- 
mals eine  Inschrift  des  Symmachus  (fol.  238 — 238'):  'Item 
basilicam  *  sanctorum  martirum  Proti  et  lacincti,  ubi  fecit 
hos  versus: 

(a)  Templa  micant  —  amplificata  piis'  5, 


1)  Bei  de  Rossi  folgt  das  hier  fehlende  Distichon:  '.  ,  .  magis 
vivens  commercia  grata  peregit,  Perdidit,  ut  poss[e]t  semper  habere 
D[e]um'.  2)  Vgl.  Damasus'  Gedicht  n.  44,  v.  3  (Ihm  p.  47) :  'cultu  meliore 
decorans'.  3)  Vgl.   de  Rossi   S.  224  f. ;    Duchesne,  Lib.  Pont.  I,  265, 

N.  16;  G.  Rohault  de  Pleury,  Saint-- Andrö  au  Vatican  (Nuovo  Bullet- 
tino  di  archeologia  cristiana  II,  1896,  p.  41  —  51);  Duchesne,  Vaticana 
(Melanges  d'archeologie  et  d'histoire  XXII,  1902,  p.  888  sqq.).  4)  Der 
Text  des  Liber  Pont,  ist  hier  arg  entstellt ;  es  handelt  sich  um  keine 
Basilica,  sondern  um  eine  der  Kapellen  in  den  sieben  Nischen  der 
Andreaskirche.        5)  V.  7  hat  C  'tibi'  statt  des  von  de  Rossi  ergänzten  'iam'. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    H.  353 

und    der   zweite    Teil   der   im   Parisinns    n.   8071    sich   an- 
schliessenden Inschrift  auf  Sossus : 

(b)  'O  laeti  iocunda  quies  —  commemoranda  suis'  ^. 
de  Rossi  p.  246,  n.  8,  8a.  —  Duchesne  p.  265,  266. 
Es  fehlen  also  die  sechs  Verse  auf  Sossus,  die  im  Parisinus 
zwischen  den  beiden  Versgruppen  unserer  Hs.  überliefert 
sind,  deren  Schreiber  wie  wohl  schon  die  Vorlage  offenbar 
die  einen  und  die  anderen  Distichen  auf  Protus  und 
Hjacinthus  bezogen  hat,  die  Symmachus  auch  in  anderen 
Versen  verherrlicht  hatte  (de  Rossi  p.  42,  vgl.  207,  457  f.; 
Duchesne  p.  266;  Ihm  a.  a.  0.  p.  98,  n.  97).  Das  erste 
Gedicht  galt  bisher  als  Weihinschrift  des  ganzen  Gebäudes, 
nicht  nur  einer  einzelnen  Kapelle,  und  an  dieser  Auf- 
fassung wird  wohl  festzuhalten  sein. 

8)  Nach  p.  123,  14  (261,  21  Duch.)  'Ipsa  crux  aurea 
pensat  libras  decem'  folgt  eine  Inschrift  der  Kreuzkapelle 
am  Baptisterium  von  St.  Peter,  die  meines  Wissens  bisher 
unbekannt  ist  (fol.  238') :  'ubi  scripti  sunt  hi  versus : 

Fortis  ad  infirmos  descendens  panis  alendos 

Hoc  fractus  ligno  est,  ut  potuisset  edi. 
Hie  agni  membris  proprio  mors  dente  ligata-  est 

Et  predam  predae  se  gemit  esse  suae. 
O  magnum  pietatis  opus !  mors  mortua  tunc  est  ^, 
Quando  hoc  in-  ligno  mortua  vita  fuit'. 
Das  letzte  Distichon  findet  sich  im  Römischen  Brevier  als 
Antiphon    am    Tage    der   Kreuzerhöhung    (14.    September), 
deren    Fest    spätestens    im    7.    Jh.    in    Rom    Eingang    ge- 
funden hat^. 

9)  Von  den  folgenden  Verspaaren,  die  nach  p.  124,  13 
(262,  18  Duch.)  'fecit  gradus'  eingefügt  sind  und  Gemälden 
in  der  Kirche  SS.  Giovanni  e  Paolo  als  erklärende  Bei- 
schrift dienten ,  sind  nur  die  ersten  zehn  Verse  bei  de 
Rossi    p.    150,    n.    21    nach    einer   anderen    Hs.    gedruckt^; 


1)  Vers  8   lautet   'Munere  communi  quam  tenet  una   salus' ;    v.  10 
'munus'  statt  'pretium'.  2)  'ligata  est'  von  2.  Hand  auf  Rasur,  ebenso 

nachher   'in   ligno'.  3)  Vgl.  Venantius  Fortunatus,    Carm.  IV,  21,  13 

und  Vita  Martini  I,  154  (ed.  Leo,  Auct.  ant.  IV,  1,  p.  92.  300) :  'mortua 
mors  est'.  4)  Vgl.  u.  a.  Duchesne,  Liber  Pont.  I,  378;  F.  Probst,  Die 
ältesten  römischen  Sacramentarien  und  Ordines,  1892,  S.  258  f.  Das  Alter 
der  Antiphon  vermag  ich  nicht  festzustellen;  sie  ist  jedenfalls  wesentlich 
älter  als  die  Erwähnung  im  Micrologus  c.  55  (Migne  CLI,  1018) 
des  Bernold  von  Konstanz  (vgl.  Morin,  Revue  Benedictine  VIII,  385— 
395;  Bäumer,  N.  A.  XVIII,  429  —  446),  auf  die  mich  Herr  P.  Ildefons 
Herwegen    in    Maria  -  Laach    freundlichst    hinweist.  5)    Vgl.    dazu 


354  Wilhelm  Levison. 

ich  lasse  daher  die  ganze  Reihe  folgen  (fol.  238'):  'ubi 
super  picturas  veteris  et  novi  testamenti  hos  versus  fecit: 

(a)  Templum  ingens  Domino  Salomon  rex  dedicat,  astant^ 
Pontifices  et  plebs  magno  circumflua  cetu  -. 

(b)  lustus  Asa^  simulacra  patrum  lucosque  profanos 
Sustulit  et  matrem  regni  privavit  honore'^. 

(c)  losaphat  sola  confidens  laude  tonantis 
Perculit '"  adversas  acies  hostilibus  armis  ^. 

[(d)  Ezechias "'  pius  in  Dominum  perque  omnia  clarus, 
Cui  Deus  ad  vitam  ter  quinos  addidit  annos^]. 

(e)  Ciaret  mira  Dei  bonitas  in  rege  Manasse, 

Quem  regno  et  veniae  post  multa  piacula  reddit^. 

(f)  Qui^^  quondam  adiecit  morituro  tempora  regi^, 
Hie  ^^  vitam  ad  carnem  potuit  revoeare  sepulti  ^^. 

(g)  Pellit  ab  obsessis  immundas  qui  legiones  ^^, 

Hie  nostros  hostes  premat  ^*  et  luvet  ^^  arma  suorum. 
(h)  Corruitura  docet  Christus  decora  inclita  temjDli, 
Condens  in  melius  tribus  instaurauda  diebus  ^^. 
(i)  Ostendis  Christum  populis  babtista  Johannes : 
Hie  est  agnus  et  hie  qui  toUit  crimiua  mundi  ^^. 

Die  Gemälde,  zu  denen  diese  Inschriften  gehörten,  sind 
verloren  und  haben  nichts  mit  den  neuerdings  in  den 
alten  Eäumen  unter  der  Kirche  aufgedeckten  Malereien 
zu  tun.  Man  darf  den  Bildercyklus  wohl  als  eine  Art 
bildlicher  'Concordia  veteris  et  novi  testamenti'  ^^  be- 
trachten; h  stellte  vielleicht  das  Gegenstück  zu  a,  g  zu  c, 
f  zu  d  dar,  andere  Verse  werden  ausgefallen  sein  oder 
waren  zur  Zeit  des  Sammlers  nicht  mehr  lesbar. 

10)  Die  Nachricht  über  die  Erweiterung  der  Michael- 
kirche durch  Sjmmachus  p.  124,  14  (262,  19  Duch.)  wird 
durch  Verse  ergänzt,  die  sich  ohne  das  letzte  Distichon 
bei  de  Eossi   p.   138,  n.  25  (=  Ihm  a.  a.  0.   p.  76,    n.  72) 


E.  Steinmami,  Die  Tituli  und  die  kirchliche  Wandmalerei  im  Abendlande 
(Beiträge     zur    Kunstgeschichte,     Neue    Folge    XIX),     1892,     S.    31   f. 

I)  'astans'  (von  2.  Hand  ergänzt)  C.  2)  Vgl.  3.  ßeg.  c.  8;  2.  Par. 
c.  5-7.  3)  'Asaph'  C.  4)  Vgl.  3.  Reg.  15,  12  f. ;  2.  Par.  14,  3. 
15,  16.  5)  'Peerculit'  von  2.  Hand  verbessert,  wie  es  scheint,  in  'Per- 
tulit'.  6)  Vgl.  2.  Par.  c.  20.  7)  Das  foloende  Verspaar  fehlt  in  C. 
8)  Vgl.    4.  Reg.    c.  20,  6.           9)  Vgl.   2.  Par."  33,  13.  10)    'Hie'    C. 

II)  'Qui'  C.  12)  Vgl.  Job.  c.  11.  13)  Vol.  Marc.  c.  5;  Luc.  c.  8. 
14)  Von  2.  Hand  ergänzt.  15)  'iuvat'  1.  Hand  C.  16)  Vgl.  Matth. 
26,  61;  Marc.  14,  58;  Job.  2,  19—21.  17)  Vgl.  .lob.  1,  29.  18)  Vgl. 
u.  a.  Fr.  X.  Kraus,  Greschichte  der  christlichen  Kunst  I,  383  ff.  471  flf. ; 
JPr.  Fr.  Leitschub,  Geschichte  der  Karolingischen  Malerei,  1894,  S.  362  ff. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  355 

finden  (fol.  238' — 239):  'et  aquam  introduxit  ad  babtisterium 
cum  bis  versibus: 

Sumite  perpetuam  sancto  de  gurgite  vitam: 

Cursus  hie  est  fidel,  mors  ubi  sola  perlt. 
Eoborat  hlc  aniraos  dlvino  foute  lavacrum, 

Et  dum  membra  madent,  mens  solldatur  aquis. 
Auxlt  ai)ostollcae  gemlnatum  sedls  honorem  ^ 

Christus  et  ad  caelos  hlnc  dedlt  esse  vlam  ^ 
Nam^  cul  slderel  commlslt  lumlna'^  regnl, 

Hlc  habet  In  terris '"  altera  regna  poll. 
Simacus  hunc  statuit  sacri  babtismatis  usum, 

Sub  quo  quicquld  erat  inciplt  esse  novum'. 

Ohne  Zwischenraum  schllessen  sich  an 

11)  die  Distichen  (fol.  239): 

'Istlc  Insontes  caelestl  —  hac  ratione  loci'  ^• 
de  Rossl  p.   139,  n.  26;  p.  247,  n.  11.  —  Ihm  p.  77,  n.  73. 

Die  Gedichte  n.  10  und  11,  von  denen  das  eine 
bisher  nur  durch  die  Sylloge  Verdunensis,  das  zweite 
ausserdem  sehr  verstümmelt  durch  eine  Pariser  Hs.  be- 
kannt war,  sind  In  den  letzten  Jahren  Gegenstand  einer 
Streitfrage  gewesen.  Sie  tragen  In  der  Verduner  Hs.  die 
Ueberschrlften  'Isti  versicull  sunt  scrlptl  ad  fontes'  und 
'Istl  versicull  scrlptl  sunt,  ubi  pontifex  conslgnat  Infantes', 
und  auch  der  Inhalt  Hess  keinen  Zweifel  über  die  Be- 
stimmung für  eine  Taufkirche,  In  der  die  Päpste  selbst 
zur  Zelt  des  Dichters  nicht  selten  die  Taufe  spendeten 
(vgl.  n.  11,  V.  2).  Aber  welches  Baptisterlum  ist  gemeint? 
de  Eossl  hatte  sich  p.  138  f.  nicht  ohne  Bedenken  für 
S.  Pietro  in  Vatlcano  entschieden''';  dagegen  hat  neuer- 
dings Orazio  Marucchl  die  Inschriften  für  ein  vor  wenigen 
Jahren  an  der  Via  Salarla  bei  den  Priscilla- Katakomben 
aufgedecktes  und  nach  seiner  Annahme  dem  Apostel 
Petrus  geweihtes  Baptisterlum  in  Anspruch  genommen 
und  diese  Ansicht  nachdrücklich  gegen  Bonavenla  und 
Jubaru   verteidigt,    die    andere   Möglichkeiten    in   Betracht 


1)  'amorem'  C.  2)  'vitam'  C.  3)  'lam'  C.  4)  Verbessert 

in  'limina'  C,  wie   auch  de  Rossi  das  'lumina'   des  Verdunensis   geändert 
hat.  5)    Der   Verdunensis    liest   'in    amplis   ('templis'   verbessert   de 

Rossi)    altera   claustra   poli'    und   enthält   die   beiden    folgenden   Verse 
nicht.  6)    Varianten   zu   S.    139    v.    3   'generaude',    4  'Christus'    statt 

'spiritus',    6  'monitus'.  7)  Vgl.    auch   H.  Grisar,    Die   christlichen  In- 

schriften Roms  (Zeitschrift  für  katholische  Theologie  XIII,  1889,  S.  115  f. 
128). 


356  Wilhelm  Levison. 

gezogen  haben,  indem  er  dabei  namentlich  die  jedenfalls 
im  wesentlichen  topographische  Anordnung  der  Sammlung 
von  Verdun  geltend  machte  ^.  Unsere  Hs.  stimmt  mit 
keiner  der  vertretenen  Meinungen  überein.  Sie  enthält 
einmal  ein  neues  Distichon,  durch  welches  das  erste  und 
damit  doch  auch  das  zweite  Gedicht  der  Zeit  des  Sym- 
machus  zugeschrieben  werden,  und  nennt  ferner  im  An- 
schluss  an  den  Liber  Pont,  als  Ort  der  Inschriften  eine  wohl 
innerhalb  der  Stadt  gelegene,  von  Symmachus  erweiterte 
Kirche  des  Erzengels  Michael,  deren  Lage  nicht  sicher  ist 
(s.  Duchesne  1,  268,  n.  36;  vgl.  II,  565  und  Hülsen  bei 
Mommsen  p.  283).  Man  hat  den  7.  und  8.  Vers  bisher 
auf  den  Apostel  Petrus  gedeutet  und  daraus  auf  eine 
seinen  Namen  tragende  Kirche  als  Stätte  der  Inschriften 
geschlossen,  und  man  musste  dies  tun  bei  der  Lesart 
'claustra  poli'  der  Verduner  Hs.  und  de  Eossis  Aenderung 
von  'lumina'  in  'limina'  -.  Auch  jetzt  hat  diese  Auffassung 
vieles  für  sich;  immerhin  wird  man  nun  die  Präge  unter- 
suchen müssen,  ob  die  Zuweisung  der  Gedichte  an  eine 
Michaelkirche  in  unserer  Hs.  nicht  doch  begründet  sein 
kann,  ob  die  Hut  der  'lumina  regni  siderei',  wie  auch  sie 
ursprünglich  bot,  und  die  'regna  poli'  nicht  auch  auf  den 
Erzengel  passen  etwa  im  Hinblick  auf  die  Anfangsworte 
einer  Inschrift  am  Eingang  von  San  Michele  Maggiore 
in  Pavia^: 

'Regna  poli  ianuas,  populus,  intrate  per  almas; 
Currite,  Christiculae,  prendite  regna  poli! 

Nuntius  hie  Domini,  cuius  intratis  in  aulam, 
Semper  videt  faciem  nuntius  hie  Domini'. 
Ich  darf  mir  in  diesen  Dingen,  die  meinen  Studien  ferner 
liegen,    kaum   ein  Urteil   erlauben ;   immerhin   scheint   mir 
die  Frage  im  Hinblick  auf  die  neue  Hs.  noch  einmal  eine 
Prüfung  zu  verlohnen. 

Jedenfalls  sind  die  nächsten  Verse  nicht  an  passender 
Stelle  eingefügt,    die    man    zwar   ebenfalls  'ad  fontem'  las, 


1)  Marucchi,  Nuovo  Bullettino  di  archeologia  cristiana  YU,  1901, 
p.  79  £f. ;  IX,  1903,  p.  222  ff.  321  ff. ;  XII,  1906,  p.  9  ff. ;  XIII,  1907, 
p.  169  ff. ;  XIV,  1908,  p.  52.  108.  154.  Vgl.  auch  J.  Zettinger,  Die 
ältesten  Nachrichten  über  Baptisterien  der  Stadt  Rom  (Römische  Quartal- 
schrift XVI,  1902,  S.  343  fi'.)  und  A.  de  Waal,  Ubi  Petrus  baptizabat? 
(eb.  XXII,  1,  1908,  S.  45  f.).  2)  Ausgeschlossen  ist  freilich  auch  dann 
die  Beziehung  auf  Michael  nicht  als  den  y-leidoir/og  rfjg  ßaaÜEiag  xwv 
ovgavwv  (vgl.  W.  Lueken,  Michael,  1898,  S.  125).  '  3)  de  Rossi  II,  165, 
n.  13 ;  Corpus  inscript.  Lat.  V,  2,  p.  705 ;  MG.  Poetae  I,  103. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    ü.  357 

aber  nach  Ausweis  mehrerer  von  einander  unabhängiger 
Hss.  in  S.  Paolo;  sie  sind  offenbar  wegen  des  verwandten 
Inhalts  in  der  Vorlage  oder  erst  in  unserer  Hs.  (fol.  239) 
hier  angereiht  worden. 

12)  de  Rossi  p.  28,  n.  53;  p.  68,  n.  31;  p.  81,  n.  U; 
p.  98,  n.  4 ;  p.   155,  n.   1 : 

'Item   versus   de   eodem. 
Haec  domus  est  fidei,  mentes^  ubi  summa  potestas 

Liberat  et  sancto  purgatas  fönte  tuetur'. 
Dann  wollte  der  Schreiber  wohl  zum  Text  des  Liber 
Pont.  p.  12-4,  15  (262,  19  Duch.)  zurückkehren;  denn  es 
folgen  die  Worte  'Item  ad  Sanetam  Mariam'.  Er  brach 
aber  wieder  ab,  ohne  sie  zu  tilgen,  und  liess  noch  mehrere 
Gedichte  folgen,  die  Symmachus  zugeschrieben  werden, 
zunächst 

13)  eine  Inschrift  der  Peterskirche,  wie  durch  ver- 
schiedene Hss.  feststeht  (fol.  239): 

'lustitiae  sedes,  fidei  domus,  aula  pudoris 

Haec  est  quam  cernis,  pietas  quam  possidet  omnis, 

Quae  patris  et  nati  virtutibus  inclita  gaudet 
Auctoremque  -  suum  genitoris  laudibus  aequat. 

Simmacus  ista  tibi^  persolvit  vota  sacerdos*, 
Ut  bene  quod  meruit  redderet  ipse  decus'. 

de  Rossi  p.  21,  n.  10  (vgl.  p.  47);  p.  55,  n.  8 ;  p.  145, 
n.  6;  p.  156,  n.  4. 

Das  letzte  Distichon  fehlt  in  allen  anderen  Hss.  an 
dieser  Stelle;  dagegen  ist  es  einzeln,  aber  mit  dem  Namen 
des  Honorius  in  der  Sylloge  Centulensis  erhalten  (de  Rossi 
p.  81,  n.  18): 

'Haec  tibi  Honorius  persolvit  vota  sacerdos, 
Ut  bene  quod  meruit  redderet  ipse  decus'. 
Ist  dessen  Namen  in  unserer  Hs.  durch  den  des  Sym- 
machus verdrängt  worden,  oder  hat  dieser  umgekehrt  dem 
jüngeren  Papst  den  Platz  räumen  müssen?  Für  das 
frühere  Dasein  der  neuen  Fassung  darf  man  geltend 
machen,  dass  der  Vers  mit  dem  Namen  des  Symmachus 
metrisch  unbedenklich  ist,  während  der  Name  des  Honorius 
mit  der  falschen  Messung  Hönörius  wie  ein  Eindringling 
auf    fremdem    Boden    erscheint;    doch    vgl.    unten    n.    17. 


1)  Verbessert   in   'meutis'.  2)  'Autoremque'  C.  3)  'sibi'  G. 

4)    Vgl.    Damasus'    Gedicht   n.  42,   v.    5    (Ihm    p.  46):    'reddit    sua    vota 
sacerdos'. 


gt58  Wilhelm  Levis  on. 

Aber  auch  wenn  die  neue  Fassung  des  letzten  Distichons 
echt  sein  sollte,  so  ist  damit  doch  die  Zugehörigkeit  zu 
den  früher  bekannten  ersten  beiden  Distichen  keineswegs 
erwiesen.  Verse  anderen  Ursj)rungs  können  sehr  wohl 
schon  in  einer  Vorlage  darunter  geschrieben  worden  sein, 
ohne  deutlich  als  selbständig  geschieden  zu  werden,  und 
die  Zugehörigkeit  ist  ohne  weiteres  widerlegt,  wenn  be- 
sonders im  Hinblick  auf  den  vierten  Vers  0.  Erbes  mit 
Recht  dargelegt  hat,  dass  es  sich  bei  dem  Vater  und  Sohn 
des  dritten  Verses  nicht  um  die  beiden  ersten  Personen 
der  Trinität  handelt,  sondern  um  menschliche  Urheber 
der  Kirche  (oder  ihrer  Teile),  um  Konstantin  den  Grossen 
und,  wie  er  annimmt,  Konstantins  ^.  Neben  ihnen  hätte 
natürlich  Sjmmachus  in  derselben  Inschrift  keinen  Platz, 
und  das  Distichon  wäre  von  den  ersten  beiden  zu  trennen. 

14)  'Item  sub  clipeo  argenteo  in  arcu  argenteo,  quem 
fecit  in-  medio  presbiterio  (fol.  239): 

Votorum  compos  laetus  tibi  munera   solvo. 

Parva  salutiferae  reddens  nunc^  praemia  legis. 

Suscipe  dona,  praecor,  mentis  pie  pignora  nostrae ! 

Sedis  apostolicae  pulcrum  et  sublime  ^  lacunar 
Antiquam  speciem  viucit  honore  suo. 

Simmacus  hoc  praestat  venerandus  in  urbe   sacerdos, 
Ne  ^  possit  templo  longa  nocere  dies'. 

15)  'Item  in  oratorio  Salvatoris  de  nominibus  eiusdem 
(fol.  239): 

Spes,  ratio,  via,  vita,  salus,  sapientia,  mens,  mons", 
Iudex,  porta,  gigas,  rex,  gemma,  propheta,  sacerdos, 
Messias,  Sabaoth,  rabbi,  spousus,  mediator, 
Virga,  columba,  manus ",  petra,  filius  Emmanuelque, 
5  Vinea,  pastor,  ovis,  pax,  radix,  vitis,  oliva, 
Föns,  agnus,  panis,  aries,  vitulus,  leo,  lesus, 
Verbum,  homo,  ret§,  lapis,  tectum,  domus:  omnia  Christus. 
Simmacus  ista  tibi,  j)ie  lesu,  nomina  lusit'. 


1)  Vgl.  u.  a,  Erbes,  Die  Todestage  der  Apostel  Paulus  und  Petrus 
und  ihre  Römischen  Denkmäler  (Texte  und  Untersuchungen  zur  Gre- 
schichte  der  altchristlichen  Literatur  XIX,  1899)  S.  116  £F.  2)    'i'  C. 

3)  'h  (=  non')  C.  4)  'sullime'  C.  5)  'Te'  C.  6)  Die  Hs.  hat 

'mon",  also  mit  dem  Zeichen,  das  im  allgemeinen  die  Buchstaljen  'us' 
vertritt,  aber  mitunter  auch  für  einfaches  's'  verwandt  wird,  wie  jüngst 
Delisle  (Liber  Floridus  a.  a.  0.  p.  584  f. ;  Bibliotheque  de  l'ecole  des 
chartes  LXVII,  1906,  p.  591  f.)  und  Poupardin  (eb.  LXVIII,  1907, 
p.  426  f.)  festgestellt  haben,  zu  deren  Belegen  ich  die  Wiener  Hs.  n.  332 
(Rec.  126),  saec.  IX,  fol.  124'  — 126  (aduersu'',  gloriosu'',  solu'',  usu'*) 
hinzufügen  kann.         7)  'manus'  fehlt  C. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    ü.  359 

Auch  hier  ist  nur  der  letzte  Vers  neu;  die  übrigen  sind 
mit  kleinen  Abweichungen  zuletzt  bei  Ihm  a.  a.  0.  p.  68, 
n.  67  und  als  Verse  eines  Silvius  bei  Eiese,  Anthologia 
Latina  II-,  162,  n.  689''  gedruckt.  Darf  man  annehmen, 
dass  Sjmmachus  ein  älteres  Gedicht  als  Inschrift  benutzte, 
oder  ist  der  Vers  mit  seinem  Namen  unecht  oder 
■wenigstens  fälschlich  mit  den  vorhergehenden  Zeilen  ver- 
bunden worden? 

16)  'Item    supra    portam    urbis,    quae    dicitur    Porta 
sancti  Petri,  quam  ipse  ornavit  (fol.  239): 

Invocat(!)  antiquum  —  cernere  mente  licet', 
nämlich  die  zweimal  vier  Distichen,  die  nach  Traube  (MG. 
Poetae  III,  226)  de  ßossi  p.  458  aus  einer  Brüsseler  Hs. 
(Sedulius  Scottus)  herausgegeben  hat  ^  und  die  in  unserem 
Codex  wie  in  der  anderen  Hs.  so  angeordnet  sind,  dass 
erst  die  bei  de  Rossi  links,  dann  die  rechts  stehenden 
Verse  aufeinander  folgen  ^.  Daran  schliessen  sich  noch  die 
dort  fehlenden,  in  Form  und  Inhalt,  wie  mir  scheint,  nicht 
unbedenklichen  Zeilen: 

'Antistes  portam  renovavit  Simmachus  istam, 
üt  Rome  per  eum  nichil  esset  non^  renovatum'. 

17)  Es  folgt  die  Inschrift  auf  dem  einen  Türflügel  am 
Haupteingang  von  St.  Peter  (fol.  239  —  239'): 

'Item  in  lammina  argentea  regiae  sancti  Petri,  quam 
ipse  fecit: 

Lux  arcana  Dei  —  cuncta  gregis'  ^ 
also  de  Rossi  p.  53,  n.  3;  p.  78,  n.  1 ;  p.  123,  n.  3 ;  p.  145, 
n.  5  (Duchesne   p.  325),    aber   mit   der  Abweichung^,    dass 
in   Vers    17    der    Name    des    Honorius    durch   Symmachus 
ersetzt  ist: 

'Sed  bonus  antistes  dux  plebis  Simmacus*'  armis', 
was  unzweifelhaft   falsch   ist,    da   der  Inhalt   der  Inschrift 
über   Honorius  I.   (625  —  638)   als  Urheber   keinen  Zweifel 


1)    11   der  Verse   stehen  aus  einander  gerissen  auch   bei   de  Rossi 
p,   99,   n.  7.    9.    10.    12.  2)    Varianten    1,   3   'Festem';   2,  4   'monet' 

(darüber  von  2.  Hand  'vel  probat') ;  3,  4  'Hoc  intra'  statt  'Hos  inter', 
'duos'  statt  'deus';   4,  3    'Hie'  statt  'Sic';    4,  4   'sola  verum'.  3)   Von 

2.  Hand  ergänzt.  4)  Die  Hs.  kehrt  darauf  zum  Liber  Pont.  p.  124,  15 
'Item   ad  Sanctam  Mariam'  zurück.  5)    Die   anderen  Varianten   ver- 

zeichne ich  zu  Duchesne :  v.  1  'verbum  et  sapientia  patris',  3  'decendit  (!) 
nee  q(d  fuit  esse  reliquit'  von  2.  Hand  auf  Rasur),  4  'exueret',  10  'clau- 
dere  quaeque  licet',  12  'confessi  mente  fide  atque  opere',  14  'dogmate', 
18  'aecclesiae',   19  'ex'  statt  'de',   21  'Et'  statt  'At'.  6)  Von   2.  Hand 

in  'Simmachus'  verbessert,  wie  öfter. 


360  Wilhelm  Levison. 

lässt.  Hat  der  Schreiber,  der  an  dieser  Stelle  nur  In- 
schriften des  Symmachus  gebrauchen  konnte,  erst  beim 
17.  Verse  während  des  Abschreibens  bemerkt,  dass  das 
Gedicht  über  ein  Jahrhundert  jünger  war,  und  darum 
kurz  entschlossen  den  Namen  des  Papstes  geändert  oder 
beabsichtigte  er  die  Aenderung  von  vornherein? 

18)  Die  Worte  p.  131,  11—24  (271,  16  — 272,  4  Duch.) 
'Eodem  tempore  —  lib.  VI'  lauten  hier  mit  starker  Um- 
stellung und  Veränderung  (fol.  240  —  240'):  'Eodem  tem- 
pore fecit  idem  papa  Hormisda  in  basilica  quae  appellatur 
Constantiniana,  quia  Constantinus  primus  christianus  Im- 
perator eam  a  fundamento  fecit,  arcum  argenteum  sculp- 
tum  variis  celaturis  ante  altare,  in  quo  dedit  argen- 
tum  XXX  librarum.  Ibidem  etiam  fecit  cantara  argentea 
XVI,  quae  pensant  singulas(!)  XVI  ^ 

Hie  fecit  in  aecclesia  beati  Petri  trabem  ex  argento, 
quod  pensat  libras  LXX,  in  quo  hi  versus  scripti  sunt : 
Quamvis  praecipuis  reddantur^  loca  sacra  metallis 

Plurima  multorum  testificata  patrum. 
Nemo  tamen  simili  dissolvit  schemate  ^  votum : 

Vincetur  specie  muneris  et  precio. 
Pontificis  factum  populis  si  forma*  bonorum  est, 

Iure  sacerdotem  publica  dona  decent. 
Viribus  iccirco  propriis  Hormisda  dicavit 

Hoc  quod  in  exemplo  nobile  durat  opus'. 

19)  Nach  p.  138,  5  (279,  4  Duch.)  'via  Salaria 
iuxta  m  u  r  u  m  urbis  Romae'  folgt  die  noch  erhaltene 
Mosaikinschrift  von  Felix  IV.  in  SS.  Cosmas  und  Damian 
(fol.  241'):  'ubi  et  hos  versus  fecit: 

Aula  Dei  claris  rutilat  —  arce  poli'  ^. 
de  ßossi  p.  71,  n.  41;  p.  134,  n.  4;  p.  152,  n.  28.  — 
Duchesne  p.  280. 

20)  Nach  p.  138,  14  'dies  III'  (279,  8  Duch.)  die 
Grabschrift  von  Felix  IV.  (fol.  241'): 

'Certa  fides  iustis  —  crescere  fecit  opus', 
de  Rossi  p.  57,  n.  18;  p.  126,  n.  3.  —  Duchesne  p.  280. 

21)  Nach  p.  140,  7  (281,  18  Duch.)  'dies  XV'  die 
Grabschrift  von  Bonifatius  II.  (fol.  242): 


1)  So  der  Miniator;  am  Rande  ist  'XII'  richtig  vorgezeichnet. 
2)  'reddentur'  1.  Hand  C.  Das  zum  Verse  nicht  passende  Wort  'loca'  ist  wohl 
zu  streichen.  S)  'stemate  :orum'  von  2.  Hand  verbessert  in  'stemmate 
Votum'  C.         4)  Von  2.  Hand  ergänzt.         5)  Im  2.  Vers  fehlt  'plus'. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    ü.  361 

'Sedis  apostolicae  primevus  (!)  —  vita  fuisse  probat'  ^. 
de   Rossi   p.  126,    n.  2 ;    p.  141,    n.  32.    —    Duchesne 
p.  283.  —  Bücheier  a.  a.  O.  II,  646,  n.  1374. 

22)  Nach  p.  141,  24  (285,  13  Duch.)  'dies  III'  die 
Grabschrift  von  Johannes  II.  (fol.  242): 

'Mente  pia  vivens  —  cnlmina  sacra  tenet'  ^. 
de  Rossi  p.  126,  n.  5  (vgl.  p.  286,  n.  7).  —  Duchesne 
p.  286.  —  Bücheier  II,  649,  n.  1377.  —  Die  ersten  5  Verse 
auch  MG.  Poetae  I,  268  (Alcvin). 

23)  Nach  p.  157,  5  (305,  4  Duch.)  'dedicavit  eam'  die 
Weihinschrift  Johannes'  III.  in  der  Kirche  der  Apostel 
Philippus  und  Jakobus    (fol.  244) :    'et  ibi  hü  versus   sunt : 

Hie  prior  antistes  —  lumen  inesse  locis'  ^. 
de  Rossi  p.  65,  n.  18/9;  p.  248,  n.  14/5.  —  Duchesne 
p.  306. 

24)  Ohne  Zwischenraum  schliesst  sich  die  Inschrift 
eines  Papstes  Johannes  in  St.  Peter  an  (fol.  244): 

'Quamvis  clara  fides  —  Romanae  pontificale  decus'  *. 

de  Rossi  p.  54,  n.  6;  p.  57,  n.  18c;  p.  144,  n.  1; 
p.  286,  n.   10.  —  Duchesne  p.  267. 

Wahrscheinlich  geht  die  Inschrift  auf  Johannes  I. 
zurück  (vgl.  eb.);  der  Schreiber  unserer  Hs.  hat  sie  offenbar 
Johannes  III.  zugeschrieben,  dem  die  vorhergehenden  Verse 
ihren  Ursprung  verdanken. 

25)  Nach  p.  159,  15  (308,  8  Duch.)  'm(enses)  III 
dies  X'  folgen  die  ersten  zwei  Distichen  der  Grabschrift 
Benedikts  II.,  die  hier  auf  Benedikt  I.  bezogen  ist 
(fol.  244): 

'Magne  (!)  tuis  Benedicte  —  tempore  cepta  fluunt'  ^. 
de  Rossi  p.  129,  n.  12;  p.  157,  n.  8;  p.  286,  n.  9.  — 
Duchesne  p.  365. 

26)  Nach  p.  162,  14  (312,  14  Duch.)  'd(ies)  VIII'  die 
Grabschrift  Gregors  I.  (fol.  244'): 

'Epitaphium    beati  Gregorii   papae. 
Suscipe  terra  tuo  —  sine  fine  tenes'  *^. 


1)  Varianten  zu  Duchesne :  v.  3  'Bonefatius',  5  'adonavit'  verbessert 
in  'adornavit'.  7  'vestram'  (verbessert  in  'vestra')  statt  'iram',  8  'Debellatis 
cunctis'  1.  Hand,  9  'Fecit'  statt  'Egit',  10  'Hunc  orando',  11  'parens'  statt 
'pater',    12   'totum'   statt  'tecum'.  2)   V.  6   'pontificale',    9    'Agapitus'. 

3)  V.  4  'Restituit'  statt  'despexit',  7  'nomine'  fehlt  (doch  Rasur).  4)_V.  3 
'in'  statt  'his',  4  'Spectatumque  occulis  ars :  ('p'  ausradiert)  spetiosa'. 
5)  V.  1   'monimenta',  2  'titulis',  3  'speciem'.  6)  V.  13  'agebas'  fehlt, 

14  'gerens'  statt  'gregis',  15  'factis',  16  'lam'  statt  'Nam'. 


362  Wilhelm  Levison. 

de  Eossi  p.  52,  n.  1;  p.  78,  n.  3;  p.  112,  n.  73; 
p.  209,  n.  88;  p.  253,  n.  3;  p.  266,  n.  9;  p.  275,  n.  11; 
p.  278,  n.  7;  p.  290,  n.  4.  —  Duchesne  p.  313  f.  —  Beda, 
Hist.  eccl.  II,  1.  —  MG.  Auct.  ant.  VI,  2,  p.  190. 

27)  Nach  p.  164,  13  (316,  8  Duch.)  'dies  VI'  die 
2.  Hälfte  der  Grabschrift  von  Bonifatius  III.  (fol.  245): 

'Hoc  sita  sunt  —  his  caruisse  bonis'  ^. 
de  Eossi  p.  126,  n.  1 ;  p.  141,  n.  31.  —  Duchesne  p.  316. 

28)  Nach  p.  165,  15  (317,  6  Duch.)  'dies  XXVI'  die 
Grabschrift  von  Bonifatius  IV.  (fol.  245): 

'Vita  hominum  brevis  —  iussit  habere  suos' ; 
aber  die  Verse  3  und  4  fehlen,  5  lautet: 

'Quid  mors  ergo  furis,  quid  vires  fundis  inanes?' 
und  11 — 18  sind  zu  vier  Versen  verkümmert: 

'Per  te  summorum  Bonefacius  ampla  bonorum 
Premia  percipiens  ^  liber  ad  astra  volat, 

Nam  merito  fidei  dementia  Christi 

Spem  certam  hanc  famulos  iussit  habere  suos', 
von  denen  nur  der  letzte  der  übrigen  Ueberlieferung   ent- 
spricht. 

de  Eossi  p.  128,  n.  9;  p.  208,  n.  37.  —  Duchesne  p.  317. 

29)  Nach  p.  167,  4  (319,  11  Duch.)  'dies  XVI'  die 
Grabschrift  von  Deusdedit  (fol.  245'— 246): 

'Cur  titulata  diu  cessarunt  iura  —  munus  epitaphii'  ^, 
mit  Auslassung  der  Verse  10  und  11. 

de  Eossi  p.  127,  n.  7.  —  Duchesne  p.  320. 

30)  Nach  p.  169,  3  (321,  12  Duch.)  'dies  sedecim'  die 
Grabschrift  von  Bonifatius  V. ;  doch  fehlen  die  Verse  1 — 4, 
7—10,  13,  14  (fol.  246): 

'Hie  vir  inaccessis  —  apta  suis. 

In  commune  bonus  Bonefacius  —  publica  subsidia. 

lam  vidualis  —  culmen  honoris  abit'  *. 

de  Eossi  p.   128,  n.   10.  —  Duchesne  p.  322. 

31)  Nach  p.  171,  8  (323,  13  Duch.)  'dona  multa 
obtulit'  folgen  zwei  Inschriften  Honorius'  I.  in  der  Kirche 
der  h.  Agnes,  doch  mit  so  starken  Abweichungen  gegen- 
über den  bekannten  Texten  (de  Eossi  p.  63,  n.  6 ;  p.  89, 
n.  43.    42;    p.   104,    n.  37.    36;    p.   137,    n.   18.    17;    p.  249, 


1)   V.  7   'Bonefaci',   10  'Castus'  statt  'cultus'.  2)  'precipiens'  C. 

3)   V.  4   'inclusus',   9  'Oura',    12  'Serpentisque  fuit'.  4)   V.  15   'capti- 

vorumque'   statt   'pupill.',    16    'Decorumque',    'sibi'    statt  'tibi',    17   'facta', 
19  'quinis  cum  mensibus',  20  'magnum'. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  363 

n.  18.  19.  —  Duchesne  p.  325)  —  die  zweite  Inschrift  ist 
noch  als  Mosaik  erhalten  —  dass  ich  den  ganzen  Wort- 
laut gebe  (fol.  246'):  'et  hos  versus  inscribi  fecit: 

a)  Virginis  aula  micat  variis  decorata  metallis, 

Sed  plus  est  meritis  splendida  virgineis. 

b)  Aurea  concisis  surgit  pictura  metallis, 

Et  complexa  simul  clauditur  ipsa  dies. 
Fontibns  e  niveis  Aurora  subire  videtur, 

Discuciens  nubes,  roribus  arva  rigans, 
Vel  qualem  lucem  per  nebula  pervehit  Iris, 

Vel  qui  purpureo  pavo  nitore  nitet. 
Qui  potuit  nocti  lucem  prestare  profundae, 

Martiris  e  bustis  reppulit  ille  chaos. 
Virginis  Agnetis  magno  devotus  honori 

Presul  Honorius  haec  vota  dicata  dedit. 
Vestibns  et  factis  signantur  praesulis  ora, 

Lucet  et  aspectu  lucida  corda  gerens'. 

32)  Nach  p.  199,  4  (355,  5  Duch.)  'menses  VI  d.  V 
die  Grabschrift  von  Agatho  (fol.  252'): 

'  E  p  i  t  a  p  h  i  u  m. 
Pontificalis  apex  —  tua  vita  foret'  ^. 
de  ßossi  p.  52,  n.  2;  p.   129,  n.   11;   p.   157,   n.  7.    — 
Duchesne  p.  358. 

33)  Nach  p.  206,  13  (367,  7  Duch.)  'et  c(essavit) 
e(piscopatus)  ni(enses)  II'  (so  am  Rande  vorgezeichuet,  im 
Text  'I')  die  Grabschrift  von  Johannes  V.  (fol.  267'): 

'lohannem  tumulus  —  pondere  cuncta  regens'  ^. 

de  Eossi  p.  129,  n.  13 ;   207,  n.  32.  —  Duchesne  p.  367. 

34)  Nach  p.  220,  19  (386,  4  Duch.)  'm.  III'  folgt  als 
letzte  Inschrift  das  bisher  unbekannte  Epitaph  des  707 
gestorbenen  Papstes  Johannes  VII.  (fol.  271): 

Hie  sibi  constitnit  tumulum  iussitque  reponi 
Presul  lohannes  sub  pedibus  domine, 

Committens  auimam  sanctae  sub  tegmine  niatris, 
Innuba  quae  peperit  virgo  ^  parensque  Deum. 
5  Hie  decus  omne  loco'^,  prisco  squalore  remoto, 
Contulit^,  ut  stupeat  prodiga  posteritas, 


1)  V.  3  'Quod',  4  'quod',  6  'dictis'  statt  'decorat',  7  'his  iuvenis 
antistes  mente  Agathon',  9  'En  prisca  fides,  en  pietas',  11  'Qui  peto 
dinumeret'.  2)    V.  1    'regit,    astruit',    3  'magister',  7  'Dum',   8  'asper' 

statt  'hostis',  10  'Institiam  in  cunctos',  11  'Cui^'  (verbessert  in  'Tui? 
=  Tuis',  vgl.  S.  358,  Anm.  6)  statt  'providus',  12  'Nil  temere,  at  magno 
pondere'.     3)  'virga'  C.    4)  'locum'  C.     5)  'Noutulit'  (Irrtum  des  Miniators)  C. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  24 


364  Wilhelm  Levison. 

Non  pompe  studio,  quae  defluit  orbe  sub  ipso, 
Sed  fervore  pio  pro  genitrice  Dei. 

Non  parceus  opibus,  pretiosum  qiücquid  habebat 
10        In  tiia  distribuit  munera,  sancta  parens. 

Panperibiis  reliquum  muiius  dedit ;  iiidicat  hospes, 
Fessus  ab  occeano  qui  tenus  Urbe  ^  venit. 

Cum  victum  inveniet,  quo  vitae  seria  sumat : 
Hinc  apud  excelsum  spes  erit,  alme,  tibi. 
Die  Grabschrift  findet  ihre  Erläuterung-  durch  die  Vita 
des  Papstes  c  1  (Mommsen  p.  219):  'Hie  fecit  oraturium 
sanctae  Dei  genetricis  intro  ecclesiam  beati  Petri  apostoli, 
cuius  parietes  musibo  depinxit,  illicque  auri  et  argenti 
quantitatem  multam  expendit  et  venerabiliura  patrum 
dextra  levaque  vultus  erexit'  (vgl.  dazu  Duchesne  I,  386 ; 
de  Rossi  II,  418),  und  c.  5  (p.  220):  'Qui  etiam  sepultus 
est  ad  beatum  Petrum  apostolum  ante  altare  sanctae  Dei 
genetrieis,  quem  ipse  construxit'. 

Dem  Schreiber  der  Hs.  oder  einem  Vorgänger,  falls 
die  Biographien  der  Päpste  bereits  in  der  Vorlage  durch 
solche  Einschiebsel  erweitert  worden  wai'en,  stand  also  eine 
recht  reichhaltige  Sammlung  von  'Inscriptiones  christianae 
urbis  Romae'  zur  Verfügung,  wie  uns  noch  so  manche  in 
Hss.  des  Mittelalters  erhalten  und  im  zweiten  Bande  von 
de  Rossis  Werk  bequem  zugänglich  geworden  sind  -.  Dass 
solche  Inschriften,  die  etwa  ein  Rompilger  zur  frommen 
Erinnerung  an  die  ewige  Stadt  sich  zusammengestellt 
hatte ,  auch  früh  nach  England  gekommen  sind ,  zeigt 
Beda,  der  vermutlich  auf  diesem  Wege  die  Grabschriften 
von  Gregor  I.  (Hist,  eccl.  II,  1)  und  Caedwalla  (V,  7) 
erlangt  hat^,  iind  eben  der  Zeit  Bedas  und  seines  Abtes 
Ceolfrid^  gehört  wohl  auch  unsere  Sammlung  an,  da  sie 
im  ersten  Jahrzehnt  des  8.  Jh.  mit  dem  Epitaph  von 
Johannes  VII.  abbricht.  Sie  glich  keiner  der  von  de  Rossi 
veröfEentlichteu  Hss.,  wenn  natürlich  auch  die  einen  In- 
schriften in  dieser,  die  anderen  in  jener  Sammlung  wieder- 
kehren und  das  'Corpus  Laureshamense'  (Palatinus  n.  833) 
als    Vereinigung    verschiedener    Teile    (Sylloge    VIII,    XI, 


1)    'orbe'    C.  2)    Vgl.    auch    de    ßossi,    Monumenti    cristiani 

registrati  in  una  silloge  epigrafica  dei  secolo  XV  acquistata  dalla  biblio- 
teca  di  Stuttgart  (BuUettino  di  archeologia  cristiana,  Serie  quinta  I,  1890, 
p.  156  ff.)  über  eine  Sammlung,  die  in  keiner  Beziehung  zu  C  steht. 
3)  Vgl.  de  Rossi  II,  52.  60.  '288  f.  Auch  an  Aldhelms  Kenntnis  Römischer 
Inschriften    sei    erinnert    (vgl.    Grisar    a.    a.    0.    S.    91  f.).  4)    Vgl. 

oben  S.  ;349. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  365 

XIII  bei  de  Eossi)  ^  nicht  weniger  als  zwanzig  Inschriften 
mit  unserer  Hs.  gemein  hat.  Rund  ein  Viertel  der  In- 
schriften war  bisher  nur  aus  einer  Hs.  bekannt  oder 
doch  wie  n.  1  nur  aus  einer  alten  Hs.,  deren  Entstehung 
vor  der  Zeit  liegt,  da  die  Inschrift  im  15.  Jh.  nach  langer 
Vergessenheit  wieder  auftauchte,  und  wenn  die  neue  Form 
der  Ueberlieferung  auch  zahlreiche  unbrauchbare  Lesarten 
(vgl.  z.  B.  n.  31)  aufweist  und  mehr  als  einen  Vers  ein- 
gebüsst  hat  (vgl.  n.  6.  9.  28 — 30),  so  begegnen  zugleich 
nicht  wenige  Ergänzungen  (n.  9)  und  Verbesserungen  (n.  6), 
und  vier  Inschriften  sind  vollständig  neu  (n.  8.  14.  18.  34), 
von  denen  etwa  die  Grabschrift  Johannes'  VII.  (n.  34)  bei 
der  geringen  Zahl  der  aus  dem  8.  Jh.  erhaltenen  metrischen 
Inschriften  Roms^  eine  Hervorhebung  verdient.  Die  Mehr- 
zahl gehört  dem  Vatikan  an,  der  Ruhestätte  so  vieler 
Päpste,  was  freilich  damit  zusammenhängt,  dass  gerade 
Epitaphien  unter  den  Inschriften  der  Hs.  stark  vertreten 
sind ;  doch  sind  auch  andere  Kirchen  Roms  und  ein  Stadt- 
tor (n.  16)  nicht  unberücksichtigt  geblieben.  Die  Ein- 
reihung ist  nicht  immer  an  passender  Stelle  erfolgt  (vgl. 
n.  1.  24).  Sieht  man  von  den  beiden  Gedichten  des 
Damasus  (n.  1.  2)  ab,  so  erstrecken  die  Stücke  sich  vom 
Ende  des  5.  bis  zum  Anfang  des  8.  Jh.;  die  Folge  ist 
natürlich  entsprechend  der  Anlage  des  Liber  Pont,  chrono- 
logisch, wobei  freilich  gleichnamige  Päpste  wie  Benedikt  I. 
und  II.  (n.  25),  vielleicht  auch  Johannes  I.  und  III.  (n.  24) 
verwechselt  worden  sind. 

Auffallend  ist  die  grosse  Zahl  von  Inschriften,  die 
Papst  Sjmmachus  (498 — 514)  zugewiesen  werden  (n.  5 — 17). 
Bei  zweien  (n.  5,  7)  stand  freilich  seine  Urheberschaft 
schon  früher  fest,  und  dass  ein  bisher  unbekanntes  Stück 
seinen  Namen  trägt  (n.  14),  ist  ebenfalls  unbedenklich,  da 
auch  sonst  einmal  eine  Inschrift  desselben  Papstes  ausser- 
halb der  bisher  bekannten  Sammlungen  erhalten  ist  ^. 
Merkwürdiger  ist,  dass  Verse  mit  seinem  Namen  nicht 
weniger  als  fünfmal  bei  Gedichten  begegnen,  die  ohne 
diese  Zeilen  auch  sonst  überliefert  sind  (n.  6.  10.  13.  15. 
16),  und  wenn  in  zwei  Fällen  auch  nur  je  eine  andere  Hs. 
bekannt  ist  (n.  6.  10)  und  ein  ander  Mal  zwar  eine  zweite, 
aber  recht  trümmerhafte  Ueberlieferung  vorliegt  (n.  16),  so 
dass  man  bei  diesen  drei  Inschriften  an  einen  Ausfall  der 


1)  Vgl.    Grisar    a.    a.    O.    S.    148.  2)    Vgl.    de    Rossi    IT,    1, 

p.  XLV  ff.        3)  Vgl.  eb.  p.  42. 

24* 


366  Wilhelm  Levison. 

Verse  mit  Sjmmachus'  Namen  in  den  übrigen  Abschriften 
denken  könnte,  so  sind  doch  die  beiden  anderen  Gedichte 
dieser  Art  (n.  13.  15)  mehrfach  überliefert,  und  es  ist  ein 
eigenartiger  'Zufall',  dass  in  dem  einen  Fall  (n.  13)  das- 
selbe Distichon,  das  Symmachus'  Namen  enthält,  in  einer 
anderen  Hs.  an  dessen  Stelle  den  Namen  von  Honorius  I. 
aufweist,  wobei  es  freilich  denkbar  und  vielleicht  wahr- 
scheinlich ist,  dass  dieser  sich  Verse  seines  über  ein  Jahr- 
hundert älteren  Vorgängers  angeeignet  hat.  Ausgeschlossen 
ist  diese  Annahme  allerdings  bei  dem  letzten  Gedicht  der 
Symmachus -Eeihe  (n.  17),  das  unzweifelhaft  demselben 
Honorius  I.  angehört,  während  unsere  Hs.  dafür  abermals 
den  Namen  von  Symmachus  darbietet,  der  hier  sicher  erst 
nachträglich  eingeschmuggelt  worden  ist.  Man  wird  nicht 
an  einen  Zusammenhang  mit  der  bekannten  Anathemati- 
sierung  des  Honorius  wegen  Ketzerei  denken  dürfen ;  hat 
doch  unser  Schreiber  unbedenklich  andere  Inschriften 
des  Papstes  bewahrt  (n.  29.  31).  Darf  man  zu  der  milden 
Erklärung  greifen,  dass  er  die  verhältnismässig  lange  In- 
schrift unachtsam  hinter  den  Gedichten  des  Symmachus 
abschrieb  und  erst  nach  16  Versen  den  Namen  des 
Honorius  bemerkte,  nun  aber  weder  Neigung  verspürte  so 
viele  Zeilen  zu  tilgen,  noch  eine  Inschrift  des  Honorius 
an  so  unangemessener  Stelle  belassen  wollte?  Oder  muss 
man  bei  der  bedeutenden  und  grossenteils  neuen  Rolle,  die 
Symmachus  in  diesen  Inschriften  zufällt,  eine  Verfälschung 
grösseren  Stils  annehmen  und  auch  andere  Verse  mit 
seinem  Namen  für  untergeschoben  erachten  ?  Freilich 
fehlt  dann,  soviel  ich  sehe,  eine  Erklärung  des  Umstandes, 
dass  gerade  Symmachus  derart  in  den  Vordergrund  ge- 
schoben worden  ist,  und  zu  Gunsten  des  Sammlers  sprechen 
doch  auch  zahlreiche  Inschriften,  deren  Glaubwürdigkeit 
durch  andere  Hss.  gesichert  ist.  So  ergibt  die  neue 
Sammlung  Römischer  Inschriften  nicht  nur  eine  Ver- 
mehrung des  bekannten  Stoffes ,  sondern  sie  regt  auch 
neue  Fragen  an,  auf  die  ich  hier  nur  hindeuten  konnte  in 
der  Hoffnung,  dass  bessere  Kenner  der  frühmittelalter- 
lichen Epigraphik  und  Topographie  von  Rom  die  Lösung 
geben  werden. 

Ich  wende  mich  den  Einschiebseln  zu,  die  erzählenden 
Quellen  entnommen  sind  oder  doch  verwandten  Charakter 
tragen.  Der  Schluss  der  Vita  von  Cornelius  (p.  31,  6  ff.) 
ist  durch  den  der  Vita  Lucii  ersetzt  wie  in  den  Hss.  der 
Klasse  II  (vgl.  Mommsen  p.  CXXII): 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    ü.  367 

—  —  'faceret,  capite  truncaretur.  Post  haec  ante 
passionem  suam  omnia  ecclesiae  tradidit  Stephane  archi- 
diacono  suo.  [ —  — ]  Fecit  hie  episcopus  ordinationes  II 
per  mensem  Decembrium,  presbiteros  IUI,  diaconos  IUI, 
episcopos  per  diversa  loca  numero  VII.  Qui  etiam  sepultus 
est  iuxta  cimiterinm  Calixti  in  arenaria  via  Appia  VII.  K. 
Decemb.     Et  cessavit  episcopatus  dies  XXXV '. 

In  diese  für  die  Klassenzug-ehörigkeit  der  Hs.  be- 
zeichnende Stelle  ist  an  dem  durch  zwei  Striche  an- 
gedeuteten Ort  zwischen  den  Worten  'archidiacono  suo' 
und  'Fecit'  eine  längere  Erzählung  anderer  Herkunft  ein- 
geschoben worden,  die  zu  der  unmittelbar  vorhergehenden 
Darstellung  des  Liber  Pont.  (p.  29,  4  ff.)  im  Widerspruch 
steht;  wird  dort  die  Trennung  der  Leichname  von  Petrus 
und  Paulus  bereits  der  Zeit  des  Papstes  Cornelius  zu- 
geschrieben ,  so  in  dem  Einschiebsel  erst  dem  Kaiser 
Konstantin : 

Temporibus  sancti  Cornelii  pape  veuerunt  Greci 
Rom  am  et  ceperunt  inquirere  a  Christianis,  quo  sanc- 
torum  apostolorum  Petri  et  Pauli  corpora  sepulta  essent, 
et  ostensa  sunt  illis  eorum  sepulcra.  Erat  enim  corpus 
apostoli  Petri  in  Vaticano,  id  est  ubi  quondam  vates  cane- 
bant  ^,  corpus  sancti  Pauli  ad  Aquas  Silvias,  ubi  decollatus 
fuerat  ^.  Tunc  Greci  uiorati  sunt  in  civitate,  ne  suspica- 
retur  de  eis,  quod  tam  detestandum  sacrilegium  vellent 
facere,  ibantque  per  unumquemque  diem  sub  specie  ora- 
tionis  ad  apostolorum  corpora,  considerantes,  qualiter  ea 
furari  possent.  Quid  multa?  Furati  sunt  corpora  ceperunt- 
que  cum  corporibus  proficisci.  Dum  autem  proficiscerentur, 
apparuit  angelus  Domiui  beato  Cornelio,  dicens :  'Corneli, 
tu  dormis,  et  civitas  tua  destructa  est'.  Eesj)ondit  ei  Cor- 
nelius: 'Quomodo  destructa?'  Et  angelus  dixit  ei:  'Quia 
sanctorum  apostolorum  corpora  furata  sunt',  et  Cornelius 
angelo:  'Et  quis  fuit  tantae  audatiae?'  Angelus:  'Greci; 
sed  statin!  surge  et  convoca  Christianos  et  properanter 
mitte  post  illos  et  invenietis  eos  ac  recuperabunt  corpora'. 


1)  Vgl.  Mirabilia  Romae  c.  20  (H.  Jordan,  Topographie  der  Stadt 
Rom  im  Alterthum  II,  625) :  'ideo  dicitur  Vaticanura,  quia  vates,  id  est 
sacerdotes,  canebant  ibi  sua  officia   ante   templum  Apollinis'.  2)    Eb. 

c.  10  (S.  616) :  'aqua  Salvia  ad  S.  Anastasium,  ubi  decollatus  fuit  beatus 
Paulus'.  Vgl.  u.  a.  Gregors  I.  Registrum  XIV,  14  (MG.  Epist.  II,  434) ; 
de  Rossi,  Bullettino  di  archeologia  cristiana  VII,  1869,  p.  85  sqq.  (vgl. 
eb.,  Serie  quarta  V,  1887,  p.  79  sqq.) ;  J.  P.  Kirsch,  Römische  Quartal- 
schrift II,  1888,  S.  233  ff. ;  G.  Tomassetti,  Della  Campagna  Romana 
(Archivio  della  Societä  Romana  di  storia  patria  XIX,  1896,   p.  135  sqq.). 


368  Wilhelm  Levison. 

Mox  siirrexit  Cornelius  et  vocavit  Christianos  misitque  post 
illos.  Qui  abeiintes  persecuti  sunt  illos  et  invenerunt  iiltra 
Capuam  ^  ibique  abstulerunt  ab  eis  corpora  atque  niniium 
cesos  dimiserunt.  Keversi  sunt  triumphantes  cum  corpo- 
ribus  ad  Cornelium.  Venerabilis  vero  papa,  ut  vidit  cor- 
pora sanctorum,  alacris  effectus  retulit  gratias  Deo,  qui 
reddidit  sibi  sanctorum  apostolorum  corpora  et  non  est 
passus,  ut  urbs,  in  qua  passi  fuerant,  vacaret  eorum  patro- 
cinio.  Tunc  papa  tulit  corpora  et  sepelivit  ea  in  Cata- 
cumbis,  atque  ita  permanserunt  usque  ad  tempora  Constan- 
tini  imperatoris.  Cuius  tempore  divisa  sunt  corpora  ac 
recondita  ab  ipso  Constantino,  beati  Petri  in  templo  suo, 
quod  constructuni  est  in  templo  Apollinis,  quod  est  iuxta 
Vaticanum,  beati  vero  Pauli  apostoli  via  Ostiensi ',  et  sie 
permanebuut  usque  ad  resurrectionem.  Quicumque  vero 
dicit  se  de  reliquiis  eorum  habere  aliquid,  nichil  dicit 
neque  fides  dictis  illis  danda  est. 

Die  unmittelbare  Quelle  oder  auch  nur  eine  ähnliche 
Fassung  ■'  dieser  Erzählung  vermag  ich  nicht  nachzuweisen. 
Die  Geschichte  von  dem  Versuch  der  Griechen,  die  Ge- 
beine der  Apostel  zu  stehlen,  scheint  im  letzten  Grunde 
auf  die  falsche  Deiitung  einer  Inschrift  des  Damasus 
zurückzugehen  iTud  begegnet  zuerst  am  Schluss  der  Acta 
Petri  et  Pauli  des  Pseudo-Marcellus ' ;  doch  bleibt  die  Zeit 
hier  unbestimmt,  und  ein  Erdbeben -'  vereitelt  die  Absicht 
der  Griechen.  Die  Person  des  Cornelius  ist  wohl  erst 
durch  die  Darstellung  des  Liber  Pontif.  in  diese  Geschichte 


1)  Wohl  entstellt  aus 'Via  Appia' des  Pseudo-Marcellus.  2)  Der 
Liber  Pont.  c.  22,  -i  (p.  29)  schreibt  diese  Ti'ennung  der  Leichname 
bereits  Cornelius  selbst  zu:  'Hie  temporibus  suis  —  —  corpora  aposto- 
lorum beati  Petri  et  Pauli  de  Catatumbas  levavit  noctu :  primum 
quidem  corpus  beati  Pauli  acceptum  bcata  Lucina  posuit  in  prcdio  suo 
via  Ostense  iuxta  locum  ubi  decollatus  est;  beati  Petri  accepit 
corpus  beatus  Cornelius  episcopus  et  posuit  iuxta  locum,  ubi  crucitixus 
est,  inter  corpora  sanctorum  episcoporum  in  templumApollonis,  in 
monte  Aureum,  in  Baticanum'.  Ueber  Konstantin  vgl.  c.  .S4,  16 
(p.  57) :  'Eodem  tempore  Auaustus  Constantinus  fecit  basilieam  beato 
Petro  apostolo  in  templum  Apollinis,  cuius  loculum  cum  corpus 
sancti  Petri  ita  recondit',  und  c.  3-4,  21  (p.  60):  'Eodem  tempore  fecit 
Augustus  Constantinus  basilieam  beato  Paulo  apostulo  ex  suggestione 
Silvestri  episcopi,  cuius  corpus  ita  recondit',  u.  s.  w.  3)  Auch  die 

in  die  Legenda  Aurea  c.  89,  -i  (ed.  Graesse  p.  377)  aufgenommene  Ge- 
schichte weicht  durchaus  ab.  4)  Vgl.  Duchesne  I,  S.  CIVft'. ;  R.  A. 
Lipsius,  Die  apokryphen  Apostelgeschichten  und  Apostellegenden  II,  1, 
1887,  S.  304.  312.  391  flf. :  C.  Erbes  a.  a.  0.  S.  (58  ff.  5)  Ein  Gewitter 
in  der  etwas  abweichenden  Darstellung  bei  Gresror  I.,  Registr.  IV,  30 
(MG.  Epist.  I,  265). 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    ü.  369 

hineingelangt,  indem  ihm  dort,  wie  ich  schon  hervorhob, 
die  gesonderte  Bestattung  der  beiden  Apostel  zugeschrieben 
wird,  während  von  Konstantin  die  Erbauung  ihrer  Kirchen 
und  die  erneute  Beisetzung  der  Leiber  berichtet  wird.  Auf 
die  Streitfragen,  die  sich  auf  diese  Ueberlieferungen  be- 
ziehen, braucht  hier  nicht  eingegangen  zu  werden.  Nach 
dem  letzten  Satze  möchte  man  auf  eine  Römische  Quelle 
(eine  erweiterte  Fassung  einer  Passio  Petri  oder  Cornelii 
oder  eine  Stadtbeschreibung?)  als  Vorlage  der  Hs.  schliessen. 

Die  nächsten  Zusätze  sind  sachlicli  von  geringem 
Belang.  Im  Leben  des  Marcellinus  sind  p.  41,  4  nach 
'Maximiani  VIII'  die  Worte  eingefügt:  'Huius  anno  epi- 
scopatus  nono  completus  est  CCC.  ab  incarnatione  Domini 
annus'. 

Bei  Innocenz  I.  p.  88,  8  nach  'damnabat' :  'Huius 
tempore  Alaricus  rex  Gothorum  ofEregit  ßomam,  et  erat 
tunc  beatus  Innocentius  papa  cum  Honorio  imperatore 
Ra^ennae' '. 

Bei  Zosimus  p.  91,  2  nach  'dies  XI'  und  wiederum 
bei  Bonifatius  I.  p.  92,  1  nach  'dies  VII' :  'Fuit  autem 
temporibus  Ilonorii  imperatoris,  fratris  Archadii'.  Aehn- 
liche  Sätze,  die  als  Vorbild  gedient  haben  könnten,  finden 
sich  in  den  meisten  Viten  des  Liber  Pont,  bis  zu  Damasus, 
dann  von  Felix  III.  bis  zu  Johannes  IL,  endlich  —  in 
einem  Teil  der  Hss.   —  von  Johannes  VI.  an  -. 

Ein  grösseres  Einschiebsel  findet  sich  (fol.  234' — 235) 
in  der  Vita  Leos  I.  nach  den  Worten  'quae  fidem  confirma- 
verunt  sinodi'  (p.  104,  13),  eine  Darstellung  der  Geschichte 
Attilas,  für  die  vor  allem  die  Weltchronik  Sigeberts  als 
Quelle  gedient  hat;  daneben  ist  die  von  Sigebert  selbst 
(durch  Vermittlung  der  Historia  Miscella)  benutzte  Historia 
Romana  des  Paulus  sowie  dessen  Quelle  Jordanis,  endlich 
eine  Ableitung  der  Vita  Aniani  benutzt: 

Huius  temporibus  Attila''  rex  Francorum^,  postquam 
COnsortem '',  Bledam  scilicet  fratrem  suum,  fraudc  peremit,  aiiimo 
fertur  in  excidium  totius  orbis.  Regiim^  enim  Ostrogothoruni  et  Gevi- 
darum  et  mult;irum  aquiloiialium  gentium  fultus  auxilio,  a  Pannoniis 
egressus    occidentale    invadit    iinperium,    et    primo    Gallias    aggressus, 


1)    Vgl.    Orosius  VII,    39,    2.  2)    Vgl.    Mommsen    p.    XXIV. 

8)  Sigebert  a.  449  (SS.  VI,  ::509)  ist  zunächst  Quelle.  4)  Offenbar  ein 

Fehler,  der  eher  durch  Nachlässigkeit  des  Schreibers  als  durch  Unwissen- 
heit des  Konipilators  veranlasst  ist.  5)  Vgl.  Paulus  a.  a.  0.  XIV,  2 
(ed.  Droysen,  Auct.  ant.  II,  201)  :  'Bleljam  suum  germanum  regniquö 
consortem  peremit'.         (5)  Sigebert  a.  45lJ  (a.  a.  0.  S.  309). 


370  "Wilhelm  Levison. 

omni  hostilitatis  genere  per  eas  debachatur.  Postremo 
Aurelianis  urbem  obsidet;  quem  ^  Anianus,  vir  sanctisimus,  eius- 
dem  urbis  pontifex,  frequenter  interpellabat  pro  urbe  et 
civibus  suis.  Eequisitus  ergo  ab  eodem  Attila,  cuius  esset 
offitii,  pastorem  se  respondit  gregis  dominiei  et  curae  sibi, 
ne  lupus  Christi  irrumpat  ovile.  Ira  comotus  Attila  tale 
fertur  dedisse  respousum :  'Si  pastor  es,  tuas  custodi  oves, 
quia  talis  eis  imminet  lupus,  qui  eas  magis  confitiat  gladiis 
quam  deutibus'.  Hoc  audito  response,  tristis  ad  suas  re- 
vertitur  oves,  precipiens,  ut  ieiuniis  et  orationibus  in- 
sisterent.  Triduanoque  ieiunio  nondum  expleto,  Etius=  patri- 
tius  ad  subsidium  Galliarum  iam  sero  advolat,  fultus  nichilominus 
Merewingi  regis  Francorum  et  Theoderici  Wisigothorum  regis  mili- 
tant ibus  copiis.  Attila  vero,  non  tarn  audito  quam  etiara 
viso  adventu  Aetii,  obsidionem  amovet  et  contra  hostem 
utpote  manu  pugnaturus  accingitur  totis  viribus.  Quid 
plura?  In  campis  Calaunicis^  pugna  conseritur  adeo  gravis,  ut 
ab  hora  diei  nona^  usque  ad  diremptionem"  noctis  CLXXX  ho- 
minum  interirent.  Attila®  valde  colliso  exercitu  vincitur 
totaque  nocte  in  castris  trepidusse  contin uit  et  buccinis 
clangere  fecit,  piram  et  iam  ingentem  ex  sellis  equorum  com- 
poni  fecit,  ut,  si  hostis  mane  advenisset  eumque  obse- 
disset,  ipse  in  ea  igne  subposito  se  j^enitus  arsisset;  sed 
preter  spem  ei  accidit.  Aetius  enim  iniquo'  usus  consili o , 
reditum  parat  in  patria,  sicque  Attila-  evadens  repatriat. 
Et  redintegrato  exercitu  Italiam ®  petit,  cuius  omnes  pene 
urbes  aut  diruit  sive  dirumpit  aut  incendit.  Ad  quem  accedens 
Leo  beatissimus  papa,  non  solum  salutem,  sed,  ut  rediret,  obtinuit. 
Requisitus  itaque  Attila,  cur  ei  tarn  fuisset  placabilis,  respondit  se  eum 
non  fuisse^  reveritum,  sed  senem  quendam  venerabilem  evaginato  gladio 
sibi  mortem  minitantem,  nisi  eins  in  Omnibus  inpleret  voluntatem. 
Altero^"  vero  ab  hoc  anno  idem  Attila  AVisigothos  aggressus,  a 
rege  eorum  victus,  redit  inglorius.  Qui  in  nuptiis  cuiusdam 
puellae  quadam  nocte  n i m i u m  crapulatus,  erurapente  per  apoplexiam 
sanguine  de'^  naribus,  in  lecto  est  suffocatus.  Etiu  s  etiam  hoc  anno 
a  Valentinian  o  tertio  huius  nominis  imperator  e  interficitur,  e  t '- 
ipse  imperator  altero  anno  a  Transila  eins  dem  Aequitii  milite 
perimitur. 


1)  Vgl.    die  Vita  Aniani   c.  9  (SS.  R.  Merov.  III,  115),   die   hier, 
wenn  auch  wohl  nur  mittelbar,  zu  Grrunde    liegt.  2)    Sigebert    a.  453 

(a.   a.   0.    S.  309).  3)    So    C.  4)   .Tordanis,    Getica   37,    196    (ed. 

Mommsen,  Auct.  ant.  V,  1,  S.  109)  :  'circa  nonam  diei  horam  proelium 
sub  trepidatione  committit'.  5)  'direptionem'  C.  6)  Paulus  a.  a.  0. 
XIV,  7.  8  (S.  203).  7)   'iniquus'   C.  8)   Sigebert   a.  454   (S.  310). 

9)   'fuisset'  C.  10)    Sigebert   a.  455.  11)    'in   nar.,    de  lecto'  C. 

12)   Sigebert  a.  456. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  371 

Dass  die  vorstehende  Darstellung  erst  in  C  derart 
zusammengetragen  worden  ist,  möchte  ich  bezweifeln ;  doch 
vermag  ich  sie  als  Ganzes  sonst  nicht  nachzuweisen. 

Kleinere  Zusätze  finden  sich  wieder  im  Leben  des 
Hormisdas;  sie  sind  in  den  Text  des  Liber  Pont,  verwoben, 
dessen  ursprüngliche  Worte  ich  durch  kleinere  Schrift 
bezeichne: 

p.  128,  9 — 13  Eodem  tempore  nutu  divini  iudicii  percussus 
est  fulmine  divino  Anastasius  imperator  et  obiit  Constantinopolim 
post  annos  XXVIII  imperii  sui.  Quo  defuncto  sumpsit 
imperium  cbristianissimus  ^  et  ortodoxus  senior  lustinus,  quod 
VII  annis  fortissim^  et  religiosissime  tenuit.  Unde  et  in 
Omnibus,  Deo  prosperante,  feliciter  agebat.  Is  ergo  statim 
in   exordio  imperii  sui  direxit  auctoritatem  suam  —   — . 

p.  131,  7 — 8  Haec  omnia  a  lustino  christianissimo  et 
catholico  augusto  votorum  gratia  pro  redemptione  peccatorum 
suorum  Petro  beato  missa  per  Germanum  Capuanum  epi- 
scopum  2  et  per  beatum  Hormisdam  papam  oblata  sunt. 
Eodem  tempore  Theodericus  rex  Gotliorum  Arrianus  obtulit  beato 
Petro  per  manus  eiusdem  pontificis^  ('pontificem'  C)  cereo- 
Btata  II  argentea  —  — . 

Bei  Johannes  I.  p.  137,  25  —  26 :  'Ouius  corpus  sub 
magna  populi  frequentia  et  lacrimis  tam  senatorum  ('sena- 
torii'  C)  quam  aliorum  civium  translatum  est  a  Ravenna  et 
sepultum  in  gcclesia  beati  Petri  sub  die  V.  K.  lunii  Olibrio  viro 
clarissimo  consule'. 

In  der  (verkürzten  und  überarbeiteten"*)  Vita  Jo- 
hannes' III.  p.  157,  11  —  158,  5:  'Sed  Romani  invidia  dueti 
suggesserunt  imperatori  et  imperatrici,  dicentes:  "Me- 
lius erat  nobis  servire  Gothis  quam  Narse  t  i  eunuc  o  ,  q  u  i  servitio 
nos  ('uos'  C)  praemit";  cui  magis  convenit  texere  lanam 
cum  mulierculis  quam  bellare  cum  viris.  Et  hoc  ignorat 
piissimus  princeps  noster.  Aut  ergo  libera  nos  de  i  1 1  o  aut  nos  civi- 
tatem  trademus  gentibus".  Hoc  audito,  Narses  iuravit,  di  c  e  n  s  : 
"Texam  vobis  telam ,  quam  nee  vos  nee  nepotes  vestri 
distexere  ('dixtexere'   C)  poteritis".     Et  egressus  a  Roma  venit 


1)  'Christianissimus'  als  Beiwort  des  Kaisers  begegnet  wiederholt 
im  Lib.  Pont.  (p.  111,  11.  112,  •22.  175,  18.  221,  8),  p.  221,  20  die  Ver- 
bindung 'christianissimus  et  orthodoxus'.  2)  Vgl.  Lib.  Pont.,  Hormisdas 
c.  5  (p.  128).  3)  Vgl.  z.  B.  eb.,  Vigilius  c.  2  (p.  149):  'optulit  beato 

Petro   apostulo   per   manus  Vigilii   papae   crucem'.  4)   Vgl.    oben 

S.  338.  5)  Der  Lib.  Pont,  hat  'servitio  nos  subiecit',  was  Paulus  in  'nos 
servitio  premit'  ändert  (wohl  nach  der  grösseren  Chronik  Bedas  c.  523. 
Auct.  ant.  XIII,  308:  'quod  servitio  praemeret  Italiam'). 


372  Wilhelm  Levison. 

Neapolim  misitque  ad  gent  e  m  Longobardorum ,  ut  venirent 
possidere  Italiam,  mittens  eis  de  fructibus  terrae,  ut  alliceret 
eos.  Tunc  Johannes  papa  i  v  i  t  Neapolim  p  r  o  p  t  e  r  Narsetem,  ut 
re  d  u  c  e  r  e  t   eum   Romam'. 

Es  bedarf  kaum  der  Hervorhebuug,  dass  die  letzten 
Zusätze  wesentlich  mit  der  bekannten  Erzählung  des  Paulus 
diaconus,  Hist.  Langob.  II,  5  (vgl.  schon  Fredegar  III,  65) 
übereinstimmen;  doch  lassen  die  Abweichungen  eher  auf 
ein  Mittelglied  schliessen  als  auf  unmittelbare  Benutzung. 

Man  wird  sicherlich  die  Hand  eines  Engländers  in 
den  Worten  erkennen  dürfen,  die  zur  Erzählung  des  Liber 
Pont,  von  dem  Englischen  Unternehmen  Gregors  I.  hinzu- 
gesetzt sind  (p.  161,  11  nach  'Christum'):  'per  Dei  graciam 
et  per  suas  praeces  adquisivit  gentem  novam'. 

Mussten  die  Einschiebsel  bisher  trotz  ihrer  geringen 
sachlichen  Bedeutung  vollständig  mitgeteilt  werden,  da 
immerhin  das  eine  oder  andere  gelegentlich  bei  der  Quellen- 
kritik in  Betracht  kommen  kann,  so  genügt  eine  kurze 
Aufzählung  bei  den  Zusätzen,  die  sich  unmittelbar  auf  be- 
kannte Quellen  zurückführen  lassen.  Zu  den  beliebtesten 
Büchern  des  ganzen  Mittelalters  gehören  die  Dialoge 
Gregors  des  Grossen,  bei  den  Angelsachsen  nicht  minder 
verbreitet  als  auf  dem  Festland^;  sie  haben  denn  auch 
einige  Ergänzungen  zur  Papstgeschichte  in  C  beigesteuert  ^ : 

1)  p.  122,  23  nach  'Senatoris' :  'Eodem  tempore  Pasca- 
sius,  huius  sedis  apostolicae  diaconus,  cuius  in  Romana 
ecclesia  rectissimi  et  luculentissimi  de  spiritu  sancto  libri 
extant  —  —  predictum  Pascasium  in  eodem  loco  minim§ 
iuvenit'  (=  Dial.  IV,  40,  col.  444/5). 

2)  p.  134,  12  nach  'ad  gladium  extiugueret' :  'Cum  ergo 
in  partes  Corinthi  advenissent,  necesse  ei  fuit,  ut  equus  ei 

requiri  debuisset  ad  sedendum.    Quod  illic oculorum 

tenebras  fugavit'  (=  III,  2,  col.  284). 

3)  25.  137,  10  nach  'mortuus  est' :  'Eodem  tempore 
quidam  vir  de  Ravenna,  dum  in  Siciliam  venisset  et  iam 
ad  Italiam  regredi  cogitaret,  navim  ad  insulam  Liparim 
appulit.  Et  quia  illic  vir  solitarius  —  —  quos  in  hac 
vita  iniuste  iudicavit'  (=  IV,  30,  col.  420;  SS.  E.  Langob. 
p.  540,  10  —  23). 


1)  Vgl.  Hans  Hecht,  Bischof  Waerferths  von  Worcester  Ueber- 
setzung  der  Dialoge  Gregors  des  Grossen,  Einleitung  (Grein  und  Wülker, 
Bibliothek   der  Angelsächsischen   Prosa  V,  2),    19U7,   S.   13  ff.  2)   Ich 

zitiere  nach  dem  IL  Bande  der  Mauriner- Ausgabe,  ohne  die  abweichenden 
Lesarten  zu  verzeichnen. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11,  373 

4)  p.  142,  10  in  dem  überarbeiteten  Leben  des  Aga- 
pitus  nach  'suae  fidei  commendatam'  (oben  S.  339,  5): 
'Hnnc  Agapitum  beatus  Gregorius  in  secundo  libro  Dialo- 
gorum (II,  3,  col.  284)  sanasse  mutiim  et  claudum  eo 
itenere  quo  ibat  Constantinopolim   [narrat]'. 

Fast  selbstverständlich  ist  bei  einer  Englischen  Kom- 
pilation dieser  Art  die  Benutzung  von  Bedas  Historia 
eccl.  gentis  Anglorum,  die  für  zwei  Zusätze  als  Quelle 
gedient  hat: 

1)  p.  165,  9  bei  Bouifatius  IV.  nach  'obtulit' :  'Huius 
temporibus,  teste  venerabili  Beda,  venit  Mellitus  Lundoniae 
tune,   post   vero  Cantiae    episcopus,  Romam,  de  necessariis 

§cclesiae  Anglorum autoritate  subscribens  confirmaret' 

(=  Beda  II,  4,  ed.  Plummer  p.  88,  13—21). 

2)  Nach  dem  Epitaph  von  Bouifatius  V.  (oben  S.  362, 
n.  30) :  'Epistolas  huius  Bonefacii  ad  regem  et  archiepiscopum 
Anglorum  missas  in  gestis  eorundem  quae  Beda  fecit  lector 
inveniet'  (vgl.  Beda  II,  8.  10). 

Von  den  erzählenden  zu  den  urkundlichen  Quellen 
leitet  H  i  n  k  m  a  r  s  Vita  Remigii  hinüber,  aus  der  nach 
der  Vita  des  Hormisdas  (nach  p.  132,  3  'dies  VI')  dessen 
angeblicher  Brief  an  Remigius  eingefügt  ist  (fol.  240'):  'D  e 
privilegio  Remensis  ecclesiae  epistola 
e  i  u  s  d  e  m.    Dilectissimo  fratri  Remigio  Hormisda.    Susci- 

pientes  plena  fraternitatis incolumen  custodiat.    Amen' 

('frater  carissime'  Zusatz  von  2.  Hand)  =  Vita  Remigii 
c.  20  (ed.  Krusch,  SS.  R.  Merov.  III,  312,  4  —  30)  i;  Jaffe, 
Reg.  12,  n.  866. 

Von  den  urkundlichen  Quellen,  die  zur  Ergänzung 
der  Papstgeschichte  beigetragen  haben,  überrascht  viel- 
leicht das  Breviarium  Alarici,  das  drei  bekannte 
Texte  hergegeben  hat: 

1)  fol.  233  am  Schluss  des  Abschnittes  über  Damasus 
nach  dessen  Grabschrift  (vgl.  S.  350,  n.  2): 

Imperator    Theodosius 
ad    populum    Constantinopolitanum. 

Cunctos  populos  quos  clementiae  —  —  ultione  plec- 
tendos.  Data  III.  K.  Marcii  Tessalonicae  Gratiano  quin- 
quies  et  Theodosio  semel  consulibus  (=  Codex  Theodosianus 
XVI,  1,  2,  ed.  Mommsen  und  Meyer  I,  2,  833). 


1)    Der   schlechte  Text   gehört   nicht  zu   Kruschs  Hss.  -  Gruppe  1. 
2a.  b ;  eine  nähere  Bestimmung  ist  unmöglich. 


374  Wilhelm  Levison. 

2)  fol.  235'  nach  der  Grabschrift  von  Leo  I.  (vgl.  oben 
S.  350,  n.  3): 

Edictum  Valentiniani  iunioris  de  primatu 
sedis  apostolicae. 
Imperatores  Theodosius  et  Valentinianus  augusti  Aetio 
viro  illustri  comiti  et  magistro  utriusque  militiae  et  pa- 
tritio.  Certum  est  et  nobis  —  —  annos  parens  karissime. 
Data  VIII.  Idns  lunii  Rome  Valentiniano  augusto  sexto 
consule  (=  Valentinians  III.  Novelle  17,  a.  a.  O.  II,  101 
— 103).     Es  scbliesst  sieb  unmittelbar  an 

3)  fol.  235'— 236: 

Edictum    eiusdem   Valentiniani    contra 
Maniebeos. 

Imperatores  Theodosius  et  Valentinianus  augusti  Al- 
bino praeposito  et  patritio.    Superstitio  quoque  paganorum 

dampnata quoque  ignota  committit.    Data  XIII.  Kl. 

lulii  Romae  Valentiniano  augusto  V.  et  Numa  viro    claris- 
simo  consulibus  (=  desselben  Novelle  18,  eb.  p.  103 — 105). 

Neben  belanglosen  Abweichungen  finden  sich  einige 
Lesarten,  die  eine  Verwandtschaft  von  C  mit  dem  Bod- 
leianus  Seiden  B  16  dartun,  einer  von  Wilhelm  von  Mal- 
mesbury  zwischen  1125  und  1137  geschriebenen  Hs.  (bei 
Mommsen  0),  die  namentlich  einen  wertvollen  Auszug  des 
Breviars  enthält  ^ 

Eine  weitere  Quelle  von  C  war  Pseudo-Isidor; 
auf  ihn  geht  das  Einschiebsel  (fol.  242')  nach  der  Vita  Sil- 
verii  (nach  p.  147,  23  'et  cessavit  episcopatus  decem  dies') 
zurück : 

Damnatio   Vigilii. 

Silverius  episcopus  Vigilio.  Multis  transgressionibus 
irretitum  —  —  quod  non  accepit  assumserit.  Celius  Sil- 
verius papa Firmensis  et  Minturnensis  (=  Jaffe,  Reg. 

I-,  n.  899;  Hinschius,  Decretales  Pseudo-Isidorianae  p.  628 
—  629). 

Auf  derselben  Quelle  beruht  auch  ein  Zusatz  bei  Pe- 
lagius  IL  p.  160,  8  nach  'xenodochium  pauperum' :  'Hie  cas- 
savit  concilium,  quod  Constantinopolitanus  lohannes  contra 


1)  Vgl.  über  die  Hs.  Wilhelms  W.  Stubbs,  Willelmi  Malmes- 
biriensis  Gesta  regum  Anglorum  1,  p.  CXXXI  ff. ;  Max  Conrat  (Cohn), 
Geschichte  der  Quellen  und  Literatur  des  Römischen  Rechts  im  früheren 
Mittelalter  I,  1891,  S.  232  f. ;  Mommsen,  Theodosianus  I,  p.  LXV  ff. 
XC  f.  CXXXII  f.;  A.  V.  Wretschko,  eb.  p.  CCQL;  P.  M.  Meyer,  eb.  11, 
p.  XIX  ff.  XL VIII. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  375 

canones  congregaverat'  (vgl.  Jaffe  I-,  n.  1051;  Hinschius 
p.  720).  Und  ein  anderes  Stück  lässt  auch  die  Art  der 
Isidor-Hs.  genauer  erkennen,  die  für  C  benutzt  worden 
ist,  ein  angebliches  Dekret  Bonifatius'  IV.,  das  fol.  245 — 
245'  auf  dessen  Epitaphium  (vgl.  oben  S.  362,  n.  28)  folgt: 

'Sunt  nonnulli  stulti  nullo  dogniate tauto  et  in  iis  po- 

tentior'  (==  Jaffe  I-,  n.  1996)  ^;  die  Fälschung  begegnet  zuerst 
als  Zusatz  in  Hss.  der  Pseudo-Isidora,  die,  wie  H..  Boehmer 
dargelegt  hat  -,  'alle  durch  dieselben  Besonderheiten  vor 
anderen  Codices  gleichen  Inhalts  sich  auszeichnen  und 
alle  auf  eine  von  Canterbury  aus  unter  der  Autorität  Lan- 
franks  verbreitete  Rezension  zurückgehen'.  Wiesen  die 
dem  Breviarium  Alarici  entnommenen  Stücke  in  den 
Kreis  des  Wilhelm  von  Malmesburj,  so  begegnet  nun  eine 
Spur,  die  nach  Canterbury  führt,  einem  Ziel,  das  noch 
öfter  nahegerückt  werden  wird. 

Mehrere  Briefe  haben  die  Akten  des  6.  allgemeinen 
Konzils  von  680  beigesteuert,  die  in  der  ' Vulgatversion'  ^ 
aus  der  Zeit  Sergius'  I.  (687 — 701)  benutzt  worden  sind ; 
ihnen  entstammen  folgende  Einschiebsel: 

1)  Bei  Honorius  I.  p.  174,  4  nach  'raenses  YII  dies 
XVII'  fol.  246'— 248  : 

Hie  Honorius  misit  Sergio  patriarchae  Constantino- 
politano  epistolam,  in  qua  clicit  debere  predicari  unani 
operationem  et  unam  voluntatem  in  duabus  naturis  domini 
nostri  lesu  Christi.  Pro  qua  re  postea  tempore  Agathonis 
l^apae  a  sexto  sinodo  excommunicatus  est. 
Epistola    eiusdem. 

Scripta  fraternitatis  vestrae unitate  catholica  prae- 

dicetis.  Et  superscriptio :  Dens  incolumem  te  custodiat, 
dilectissime  atque  sanctissime  frater  (=  Jaffe  I-,  n.  2018; 
Mansi  XI,  538—543). 

2)  Nach  dem  Epitaph  von  Papst  Agatho  (vgl.  oben 
S.  363,  n.  32)   folgen   andere  Stücke    derselben  Sammlung, 


1)  Zuletzt  herausgegeben  von  H.  Boehmer,  Die  Fälschungen  Erz- 
bischof Lanfranks  von  Canterbury  (Studien  zur  Geschichte  der  Theologie 
und  der  Kirche  VIII,  1),  1902,  S.  161 — 163.  Einzelne  Lesarten  stimmen 
mit  Boehmers  Hss.  2  {=  Ivo  von  Chartres)  und  3  überein,  teils  mit 
beiden,  teils  mit  einer  von  ihnen;  nach  163,  11  'sullimius  informatur' (!) 
folgen  die  bei  ihm  fehlenden  Worte:  'Eorum  ergo  Cherubin  ordo  eximius 
praedicatur,  quorum  figuram  monacorum  cultus  competeuter  habere 
probatur'.  2)    A.    a.    0.    S.    61  ff.    (vgl.    Hinschius    p.    XXXIV  ff.). 

3)  Vgl.  Maassen,  Greschichte  der  Quellen  und  der  Literatur  des  canonischen 
Rechts  I,  148.  760  f. 


376  Wilhelm  Levisou. 

zuerst  fol.  252' —  254  das  Schreiben  Kaiser  Konstantins  lY. 
an  Papst  Donus  ^  (Maosi  XI,   195  —  202): 

Epistola    Flavii    Constantini    ad    Conum^ 

p  a  p  a  m. 

Imperator  Flavius  Constantinus  —  —  Per  omnia 
novit  —  —  idem  ad  nos  perducantur.  Et  snperscriptio : 
Divinitas  servaet  (verbessert  aus  'servat')  te  per  multos 
annos,  sanctissime  pater.  Data  Idus  Aug.  Constantinopolim, 
indictione  sexta. 

3)  fol.  254  —  263'  Agatbo  an  Konstantin  IV.,  Hera- 
klius  imd  Tiberius^  (Jaffe  n.  2109;    Mansi  XI,  234—286): 

'Dominis  piissimis Consideranti  mihi  humanae 

gentium  substernat  colla'. 

4)  fol.  263'— 266  Agatho  und  die  Eömische  Synode 
an  dieselben^  (Jaffe  n.  2110;  Mansi  XI,  286—315):  'Piis- 
simis dominis  - —  —  Oninium  bonorum  spes  —  —  Gra- 
tiosus  e(piscopus)  sancte  ecelesie  Parmiensis^. 

Explicit    synodus'. 

5)  fol.  266  —  266'  Konstantin  IV.  an  die  Römische 
Synode^  (Mansi  XI,  719  —  723): 

Incipit  responsio  Constantini   imperatoris. 

In  nomine  domini  dei  salvatoris  nostri  lesu  Christi 
imperator  piissimus  Flavius  Constantinus  fidelis  lesu  Christi 
('Christo'  2.  Hand)  omnibus  sanctissimis  universis  sinodis 
apostolicae  sedis  concilio  pertinentibus.  Clarus  et  spetiosus 
sacratissimus  —  —  orantes  pro  nostro  imperio  ^ 

Maassen  verzeichnet  keine  Englische  Hss.  der  Akten 
von  680,  doch  waren  sie  auch  Wilhelm  von  Malmesbury 
bekannt,  der  wenigstens  den  Römischen  Synodalbrief  (oben 
n.  4)  zitiert  (Gesta  pontificum  I,  1,  ed.  Hamilton  p.  7;  vgl. 
III,  101,  p.  229),  und  noch  früher  schenkte  König  Aethel- 
stan  an  St.  Peter  in  Bath  eine  Abschrift  des  9.  Jh.,  die 
er  selbst  vielleicht  von  König  Otto  I.  erhalten  hatte  (jetzt 
Cotton  Claudius  B.  V)^. 


1)  Vgl.   eb.   S.  339,   N.  1.  2)  Vgl.   oben   S.  346.  3)  Vgl. 

Maassen  S.  305,  N.  1.  4)  Eb.  S.  306,  N.  2.  5)  Auch  die  Unter- 

schriften sind  vorhanden,  jedoch  verkürzt,  indem  die  volle  Formel  nur 
bei  dem  Papst  und  Andreas  von  Ostia  bewahrt  ist.  Zu  fol.  264  —  265 
vgl.  oben  S.  337,  N.  1.  6)  Vgl.  Maassen  S.  340,  N.  5.  7)  Drei 
grössere  Stücke  des  Schreibens  sind  ausgelassen:  Mansi  719,  19  — 722,  8 
('melius  est  • —  refutabatur') ;  722,  18  von  unten  —  723,  10  ('Quem  cum 
—  erubescebat') ;  723,  25—42  ('Ubi  sunt  —  transgrediuntur').  8)  Vgl. 
Thompson,  Catalogue  of  ancient  mss.  in  the  British  Museum  II,  88. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  377 

Unmittelbar  nach  England  führen  die  nächsten  Papst- 
briefe, die  in  C  eingefügt  sind: 

Nach  der  Yita  von  Sergins  I.  (p.  216)  folgt  fol.  269' 
—  270  dessen  Privileg  für  Malmesbiiry,  Jaffe  n.  2140,  auch 
überliefert  bei  Wilhelm  von  Malmesbury,  Gesta  poutifieum 
V,  221   (p.  367—370)1: 
Epistola    Sergii   papae   ad    Aldelmum    abbatem. 

Sergius  servus  servorum  Dei  Aldelmo  abbati  eiusque 
successoribus  et  per  vos  venerabili  vestro  mouasterio.  Ea 
quae  religiosae  conversationis  —  —  conservare  mandaverint. 
Bene  valete,  dilectissimi  fratres. 

Es  folgt  sogleich  fol.  270  —  270'  Sergius'  Schreiben  an 
Abt  Ceolfrid  von  Wearmouth  und  Jarrow,  JafPe  n.  2138: 

Item  epistola  e  i  u  s  d  e  m  ad  C  e  o  1  f  r  i  d  u  m 
Mailronensem(!)   abbatem. 

Sergius  episcopus,  servus  servorum  Dei,  Ceolfrido  reli- 
gioso  abbati  presbiteroque  salutem.  Quibus  verbis  ac 
raodis  —  —  claruerit  prestantissime  impertitum. 

Der  Brief  ist  hier  nicht  ganz  vollständig;  von  dem 
Text  der  wohl  aus  Canterbury  stammenden  Hs.  Cottou 
Tiberius  A.  XV  -  bei  Haddan  und  Stubbs,  Councils  and 
ecclesiastical  documents  III,  218^ — 249  fehlen  in  C  p.  248,  17 
'Et  iterum'  —  19  'possidebit'  sowie  21  'et  in  sanctis'  —  28 
'benedicitur'.  Nach  manchen  Lesarten  steht  C  Wilhelm 
von  Malmesbury  nahe,  der  in  die  Gesta  regum  I,  58  (ed. 
Stubbs  I,  62  f.)  den  Anfang  und  die  zweite  Hälfte  des- 
selben Briefes  aufgenommen  hat;  dagegen  stimmt  C  an 
anderen  Stellen  mit  dem  Cottonianus  überein  im  Gegen- 
satz zu  Wilhelm.  Die  Abweichungen  sind  belangflos  mit 
Ausnahme  einer  wiederholt  besprochenen  Stelle  p.  249,  7 : 
'absque  aliqua  remoratione  religiosum  famulum  Dei  N. 
venerabilis  monasterii  tui']  'absque  aliqua  immoratione  rel. 
Dei  famulum  Bedam  ven.  mon.  tui  presbiterum'  C, 
so  dass  C  hier  genau  mit  Wilhelm  zusammengeht  und 
offenbar  aus  derselben  Hs.  geschöpft  hat  wie  dieser.     Der 


1)  Vgl.  auch  V,  189  (p.  3:35)  sowie  Wilhelms  Gesta  regum  I,  35 
und  Historia  novella  II,  482  (ed.  Stubbs  I,  35,  IS^.  1.  II,  560),  endlich 
J.  S.  Brewer,  Registrum  Malmesburiense  I  (Rolls  Series  LXXtl),  1879, 
p.  343  ff.  2)  Vgl.  über  diese  im  11.  Jh.   geschriebene  Hs.,    die  noch 

mehrfach  zum  Vergleich  heranzuziehen  sein  wird,  Sickel,  Alcuinstudien  I 
(Wiener  Sitzungsberichte  LXXIX,  1875),  S.  ,506  ff.;  Stubbs,  Memorials  of 
Saint  Dunstan,  1874,  p.  LIII  f.  (vgl.  seine  Einleitung  zu  Willelmi 
Malmesbir.  Gesta  regum  II,  p.  XXVII  f.) ;  Dümmler,  MG.  Epist.  IV,  9  ff". 


378  Wilhelm  Levison. 

Name  Bedas  stand  also  sclion  in  Wilhelms  Vorlao-e,  und 
Stubbs  (Gesta  regum  I,  62,  N.  2)  hat  mit  Recht  bestritten, 
'that  Malmesburj  garbied  the  letter',  so  zweifelhaft  gegen- 
über dem  Cottonianns  der  Name  Bedas  und  dessen  Ein- 
ladung durch  Sergius  auch  jetzt  noch  erscheinen  mag^ 

Auf   das  Leben   von  Papst  Konstantin    (p.  226)   folgt 
fol.    272  —  272'    dessen    angeblicher    Brief    an    Erzbischof 
Berctwald  von  Canterbury,  Jaffe  n.  2147: 
Epistola  Consta  ntini  papae  ad  Brictaldum 
p  r  i  m  a  t  e  m    B  r  i  1 1  a  n  n  i  a  r  u  m. 

Constantinus  episcopus,  servus  servorum  Dei,  Brictaldo 
Britanniarum  ecclesiae  primati  salutem  et  apostolicam 
benedictionem.  Venerabilem  virum  Egwinum  —  —  lau- 
damus,  confirmamus  et  concedimus. 

Die  Fälschung  stammt  gleich  vielen  anderen  aus 
Evesham,  und  dahin  weist  natürlich  im  letzten  Grunde 
auch  die  Ueberlieferung-;  doch  ist  auch  dieser  Text  nach 
Canterbury  gelangt.  Er  findet  sich  nicht  nur  in  der  1120/1 
dort  angelegten  ürkundensammlung  des  Cottonianus  Cleo- 
patra E.  I  (fol.  33)^,  sondern  auch  unter  anderen  Zusätzen 
in  Hss.  der  auf  Lanfrank  zurückgehenden,  von  Canterbury 
aus  verbreiteten  Gestalt  Pseudo-Isidors^,  die  sich  bereits 
S.  375  als  Quelle  ergeben  hat. 

Bei  dieser  Sachlage  darf  man  wohl  auch  einen  echten, 
aber  von  Pseudo-Isidor  aufgenommenen  Text  auf  dieselbe 
Quelle  zurückführen,  die  Akten  des  Eö mischen  Konzils 
von  7  21,  die  fol.  274—274'  auf  die  Vita  Gregors  II.  folgen: 

'In  nomine  domini  Dei  salvatoris  —  —  Si  quis 
clericus  comam  relaxaverit,  a(nathema)  s(it).  Et  respon- 
derunt  tercio :  A(nathema)  s(it)'  (=  Mansi  XII,  261  — 
264,  44;  Hinschius  p.  753  f.). 

Die  Namen  der  Teilnehmer  im  einleitenden  Abschnitt, 
die  Unterschriften  und  die  Canones  5  und  11  sind  weg- 
gelassen.    Es  bedarf   kaum    der  Hervorhebung,    dass   diese 


1)  Vgl.  Haddan  und  Stubbs  a.  a.  0.  III,  250;  Plummer,  Baedae 
Opera  historica  I,  p.  XVI  sq.;  W.  Bright,  Chapters  of  early  English 
church    history  ^,    1897,    p.  438  sq.  2)    Ich   nenne   die   Ausgaben   von 

Dodsworth  und  Dugdale,  Monasticon  Anglicanum  I,  1682,  p.  144,  aus 
dem  'autographum  Saxonico  charactere  scriptum',  und  von  Macray, 
Chronicon  abbatiae  de  Bvesham  (Rolls  Series  XXIX),  1863,  p.  171  sq. 
(danach  Haddan  und  Stubbs  III,  281  f.)  und  das  aus  Evesham  stammende 
Chartular  Cotton  Vespasian  B.  XXIV  (12.  Jh.).  In  C  fehlen  die  Unter- 
schriften. 3)  Vgl.  Boehmer  a.  a.  0.  S.  11.  4)  Eb.  S.  63,  Anm. 
über  Cotton  Claudius  E.  V,  fol.  237. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  379 

'Decreta  Gregorii  iunioris'  wie  in  anderen  Hss.  Pseudo- 
Isidors  so  in  der  genannten,  aus  Canterbury  stammenden 
Gruppe  sieh  finden  ^. 

Ich  habe  damit  bereits  die  Grenze  von  715  über- 
schritten, bis  zu  der  hin  ich  den  Text  des  Liber  Pont,  in 
C  untersucht  hatte ;  gehörten  die  letzten  vorhergehenden 
Viten  zur  ersten  Hss. -Klasse,  so  ändert  sich  dies  mit  dem 
Leben  Gregors  II.,  gleichwie  auch  die  Hs.  D^,  die  von 
Silverius  bis  Constantin  sich  A  angeschlossen  hatte,  hier 
andere  Wege  einschlägt,  während  umgekehrt  C^---^  G  nun 
mit  A  gemeinsame  Sache  machen  -.  Die  Cambridger  Hs. 
gehört  fortan  zur  Familie  E,  wie  denn  auch  schon  vorher 
hie  und  da  Lesarten  der  dritten  Klasse  ^  in  den  Text  ein- 
gedrungen sind^.  Die  Zuweisung  dieses  Teils  von  C  zu 
jener  Gruppe  bedarf  hier  keiner  genaueren  Begründung 
im  Hinblick  auf  die  künftige  Ausgabe;  es  sei  nur  hervor- 
gehoben, dass  C  bei  Gregor  IL  den  umfangreicheren  Text 
BDE  aufweist,  andererseits  bei  Gregor  III.  von  den  Zu- 
sätzen der  Hss.  BD  frei  ist,  mithin  hier  wie  dort  mit  E 
zusammengeht,  was  auch  einzelne  kleine  Lesarten  be- 
stätigen. Die  Hs.  steht  zu  keinem  der  übrigen  bekannten 
Vertreter  der  Gruppe  in  einem  engeren  Verhältnis,  was 
freilich  kaum  einen  Gewinn  für  die  Textkritik  bedeutet, 
da  der  Text  sehr  willkürlich  gestaltet  und  an  wertlosen 
Abweichungen  reich  ist.  Namentlich  im  Leben  Gregors  III. 
sind  einige  Stellen  ausgefallen,  und  bei  dem  wachsenden 
Umfang  der  Viten  ist  bereits  der  Schreiber  der  Vorlage 
von  C,  deren  letzter  Teil  auch  in  dem  schon  erwähnten 
Harleianus  (L)  benutzt  ist,  offenbar  seiner  Aufgabe  über- 
drüssig geworden ;  der  Schreiber  von  C  selbst  hat  den  Text 
hie  und  da  noch  mehr  verkürzt,  wie  der  Vergleich  mit  L 
ergibt.  Mit  der  Wahl  des  Zacharias  schliesst  der  bis  dahin 
im  ganzen  vollständige  Text  von  C,  bei  Duchesne  p.  427,  2 
'sanctissimus    Zacharias   pro    eo    electus    est'.      Der   übrige, 


1)  Eb.  S.  63,  Anm.  und  S.  64.  2)  Vgl.  Duchesne  I,  p.  CCXIX  flf. 
3)  In  die  hier  C*  einbegriffen  ist,  während  E^  sich  gleich  G  von  den 
übrigen  Hss.  der  Familie  E  getrennt  hat  und  mit  A^  C  ^-  -•  ^  zusammen- 
geht. Entsprechend  den  von  715  an  vielfach  veränderten  Verwandtschafts- 
verhältnissen der  Hss.  denke  ich  im  II.  Bande  andere  Signaturen  zu  ver- 
wenden als  Mommsen,  zumal  einzelne  Hss.  (wie  B^)  vorher  abbrechen 
und  im  II.  Bande  nicht  berücksichtigt  zu  werden  brauchen;  eine  Kon- 
kordanztabelle wird  ohne  Schwierigkeit  den  Vergleich  mit  den  früheren 
Signaturen  gestatten.  4)  Vgl,  oben  S.  848.  845  f-  und  348. 
Neues  Archiv  etc.   XXXV.  25 


380  Wilhelm  Levison. 

grössere  Teil  des  Lebens  von  Zacharias  sowie  die  Viten 
von  Stephan  II.,  Paul  I.  und  Stephan  III.  werden  nur  im 
Auszug  mitgeteilt,  der  bei  Stephan  II.  nicht  frei  von  Zn- 
sätzen anderer  Herkunft  ist.  Damit  beschliesst  C  seine 
Benutzung  des  Liber  Pont. ;  doch  enthielt  die  zu  Grunde 
liegende  Hs.  au  scheinend  noch  das  Leben  Hadrians  I.,  aus 
dem  in  L  noch  ein  Auszug  gleicher  Art  folgt,  den  C  im 
Hinblick  auf  eine  andere  Quelle  bei  Seite  gelassen  hat. 

Dem  Schreiber  der  Vorlage  stand  nämlich  neben 
jener  Hs.  des  Liber  Pont,  noch  eine  zweite,  dürftigere 
Papstgeschichte  zu  Gebote,  ein  Papstkatalog,  der  bereits 
durch  mancherlei  Zusätze  erweitert  war.  Dessen  Spuren 
treten  nun  zuerst  nach  dem  Leben  des  Zacharias  zu  Tage, 
indem  vor  dem  Auszug  aus  der  Vita  Stephans  IL  eine 
andere,  kleinere  Vita  desselben  Papstes  eingefügt  ist,  die 
unzweifelhaft  auf  jenen  Papstkatalog  zurückgeht,  der  von 
Hadrian  I.  an  in  C  vollständig  an  die  Stelle  des  Liber 
Pont,  tritt  und  deshalb  einige  Beachtung  verdient,  weil  er 
sich  als  Quelle  Wilhelms  von  Malmesburj  erweist,  der  in 
seinen  Gesta  regum  Anglorum  mehrfach  diesen  Katalog 
ausgeschrieben  hat,  wie  er  sich  aus  C  und  L  zum  grossen 
Teil  herstellen  lässt.  Zu  Grunde  liegt,  mindestens  bis  auf 
Nikolaus  IL,  vielleicht  Viktor  III.,  eine  vielfach  fehler- 
hafte Abschrift  des  weit  verbreiteten  Papstkatalogs,  den 
Duchesne  II,  p.  XIX — XX  als  dritten  Italienischen  Katalog 
des  11.  Jh.  besprochen  hat  ^  und  der  u.  a.  durch  die  Zu- 
sätze bei  Johannes  XVI.  ('qui  turpiter  vitam  suam  finivit') 
und  Sergius  IV.  (über  eine  Hungersnot)  gekennzeichnet 
wird.  Die  in  CL  teilweise  wiedergegebene  Abschrift  weist 
nicht  wenige  Fehler  in  Namen  und  Zahlen  auf,  die  ich  im 
allgemeinen  nicht  namhaft  machen  will  - ;  nur  sei  hervor- 
gehoben ,  dass  der  Name  Gerberts  irrtümlich  auf  Jo- 
hannes XVI.  (XV.)  statt  auf  Silvester  IL  bezogen  ist,  ein 
Fehler,  den  Malmesburj  übernommen  hat.     Eben  im  Hin- 


1)  Andere  Hss.  verzeichnet  ßrackmanu,  N.  A.  XXVI,  321 ;  mit 
Barberini  XI,  193  sind  eng  verwandt  die  Hss.  des  l,ö.  Jh.  der  Marciana 
in  Venedig,  Fondo  antico  n.  467  und  des  Britischen  Museums,  Harley 
n.  4923.  Ferner  kenne  ich  noch  Saint- Omer  n.  188  (gegen  1100),  wohl 
die  Quelle  des  Lambert  von  St. -Omer  (vgl.  Duchesne  I,  p.  CLXXXVI 
und  II,  p.  XX;  Delisle  a.  a.  0.).  Einen  Katalog  derselben  Art  hat  auch. 
Richard  von  Poitiers  1153  in  seiner  Chronik  benutzt  (SS.  XXVI,  77  ff.). 
2)  Für  eine  richtige  Beurteilung  dieser  Fehler  wäre  zudem  eine  auf  um- 
fassender Heranziehung  der  Hss.  beruhende,  kritische  Ausgabe  der  Papst- 
kataloge des  10.  und  11.  Jh.  die  Voraussetzung,  wie  sie  nach  dem  Ab- 
schluss  des  alten  Liber  Pont,  in  den  MG.  gegeben  werden  soll. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  381 

blick  auf  diesen  berühmten  Benutzer  scheint  es  mir  an- 
gebracht, den  auch  durch  seine  Zusätze  und  die  Fortsetzung 
bemericenswerten  Katalog  aus  CL  mitzuteilen,  da  er  als 
selbständiges  Werkchen  bisher  noch  nicht  bekannt  ge- 
worden, vielleicht  auch  verloren  ist.  Ich  lege  C  zu  Grunde, 
indem  ich  die  Verbindung  des  Katalogs  mit  den  Auszügen 
aus  dem  Liber  Pont,  in  dieser  Hs.  durch  Wiedergabe  von 
Anfang  und  Schluss  der  einzelnen  Abschnitte  veranschau- 
liche und  auch  die  Zusätze  anderer  Herkunft  im  Leben 
Stephans  II.  mitteile,  so  dass  zugleich  ein  Urteil  über  die 
Art  der  Auszüge  möglich  wird.  Den  Text  verbessere  ich 
mit  Hilfe  von  L  und  der  an  der  Spitze  von  L  stehenden 
kürzeren  Papstliste  K,  über  die  unten  mehr  gesagt  werden 
soll,  wo  sich  auch  ergeben  wird,  wie  weit  L  nicht  mit  C 
vergleichbar  ist. 

Der  Auszug  aus   der  Vita   des  Zacharias  schliesst   in 

C  (fol.  275')  bereits  mit  c.   18  (p.  432,  5  Duch.)i: 'et 

imaginem  salvatoris  ante  fores  ornavit'. 

Gesta  Step  h  an  i  papae. 
Stephanus,  natione  Romanus,  sedit  ann.  V  m.  V 
d.  IUI.  Hie  pertesus  imperatoris  Grecorum  socordiae  et 
regis^  Longobardorum  sevitiae,  transivit^  in  Pranciam  ibi- 
que,  tonsorato  Hilderico,  qui  regis  videbatur  habere  speciem, 
Pippinum'^  tunc  maiorem  domus  apud  Sanctum  Diouisium 
unxit  in  regem.  Mox  eins  precibus  idem  Pippinusc.^,  ex- 
peditione  in  Italiam  mota,  paucorum  dierum  obsidione  apud 
Ticinum,  quae  nunc  Papia  dicitur,  compulit  Haistulfum  regem 
Longobardorum  et  obsides  dare  et  erepta  Romanis  oppida  restituere 
et,  ne  repeterentur,  sacramento  firmare^    Qualiter  autem  beatus*^ 


a)  'regis'  fehlt  C.  b)  'transiit'  L.  c)  'Pipin.'  C.  d)  'beatus 
Dion.'  fehlt  C. 

1)  Dass  aber  auch  der  Rest  der  Vita  dem  Verfasser  des  Auszugs 
vorgelegen  hat,  zeigt  ein  Satz  über  die  Griechische  Uebersetzung  der 
Dialoge  Gregors  des  Grossen,  den  er  dem  Schluss  der  Vita  (c.  29,  p.  435) 
entnommen,  aber  vor  c.  18  eingefügt  hat.  2)   Die  kleiner  gedruckten 

"Worte  sind  Einhards  Vita  Karoli  c.  6  (ed.  "Waitz^  p.  7)  entnommen,  die 
auch  weiterhin  benutzt  ist.  3)  Die  Vorlage  von  CL  hat  hier  Wilhelm 
von  Malmesbury  neben  anderen  Quellen  benutzt;  vgl.  Gesta  regum  I,  68 
(SS.  X,  453;  ed.  Stubbs  I,  71):  'Pipinus  a  Stephane  papa,  successore 
Zacariae ,  apud  Sanctum  Dionysium  in  regem  Francorum  et 
patricium  Romanorum  coronatus  est.  Nam  imperatoribus  Constantino- 
politanis  iam  dudum  a  solita  virtute  degenerantibus  nee  ullam  Italiae  et 
ecclesiae  Romanae  opem  ferentibus,  quae  multis  annis  tyrannidem  Longo- 
bardorum suspiraverant,   idem  papa   iniurias  illorum  potestati  Francorum 

25* 


382  Wilhelm  Levison. 

Dionisius  eundem  papam  ab  iufirmitate  liberaverit,  ipsius* 
epistola  planum  faciet: 

Epistola^    Stephan!    papae. 

Stephaniis  episcopus,  servus^  servorum  Bei.  Sicut  nemo 
se  debet^  iadare —  in  Scola  Greconmi  appellari  fecit. 

Aliter    de    gestis    Stephan!    papae. 

Stephanus,  natione  Romanus,  ex  patre  Constantino  sedit  annos  V 
dies  XXVIIII  ^ .  Hie  post  a  m  i  s  s  u  m  patr  em  in  patriarchio 
nutritus  —  —  in  monasterio  s  a  n  c  t  i  Dionisii  idem  papa  hi  e  - 
mavit^.  Ub!^  per  miraculum  beat!®  D(!on!sii)  ab  !nfirm!- 
tate  maxima  convalescens  consecrav!t  P(ippinum)  et  filios 
suos  Karolum  et  Karlomanum  ^  !n  reges  Francorum. 
Isdem*  diebus  Karlomannus&  —  —  —  in  quodam  monasterio 
Francia  e  post  paucos  dies  obiit^.  Porro  Pippinus^,  factoi  con- 
V  e  n  t  u  procer  um  a  p  u  d  Carisiacu  m  •',  mnlt!s  "'  eOS  verbis  v!x 
fiexit,  ut  pape  pet!c!on!bus  annuerent,  qu!a  erant  quidam, 
qu!  pro  grat!a  Ha!stulfi  palam^  ren!tebantur.  Quos  cum 
Pip!nus  v!x  ,  ut  dixi ,  flex!sset ,  ammon  e  n  t  e  ^  sanct  o  ponti- 
fice  et  eidem  H(aistulfo)  suas  litteras  mittente,  ut  sine  san- 
guinis effusione  p  e  r  v  a  s  a  redd  e  r  e  t  i ,  t  e  r  miss  is  legatis  ad 
Haistulf  um  —  —  —  Iterum'-*  ergo  Haistulfus  a  p  u  d  Papiam 
obs  e  s  s  u  s ,  reddi  d  i  t  in  Script  o  omnia  Romanis  erepta  et, 
quod   numquam  repeteret,   sacramento   firmav!t  ^^.     Q  u  o  d  " 


a)    'ipsa'  C.  b)   'servorum    servus'    L.  c)    'iactare  debet'  C. 

d)  So  L  gleich  C*  E--''  und  anderen  Hss.  des  Liber  Pont.;  'annos  V 
m.  I  d.  XXVUI'  C.  e)  'sancti'  C,  f)  Verbessert  aus  'Kalomagnum'  L  ; 
'Karolomagnum'  C.        g)  'Carolomagnus'  C.        h)  'Pipinus'  L.        i)  'facto 

—  redderet'  fehlt  C.         k)  Verbessert  aus  'papam'  L. 

apploravit.  Quapropter  Pipinus,  Alpibus  transcensis,  Desiderium  (!) 
regem  Longobardorum  ita  coarctavit,  ut  ablata  R o m a n ae  ecclesiae 
restitueret  et,  ne  repeteret,  sacramento  firm ar et.  1)  Die 
von  Hilduin  erfundene  und  seiner  Vita  Dionysii  beigefügte  angebliche 
'Revelatio  ostensa  papae  Stephano'  (SS.  XV,  p.  2,  21 —  3, 24;  Jaffe,  Reg.  I-, 
n.  2316).  Der  Schluss  ist  in  CL  weggelassen,  deren  Text  aber  weiter 
reicht  als  der  bekannte  Auszug  Reginos  (ed.  Kurze  S.  44  f.).  2)  Duchesne 
p.  448,  5.  3)    Das  Einschiebsel  beruht  auf  dem   vorhergehenden   an- 

geblichen  Briefe   Stephans    (vgl.   Anm.  1).  4)    Duchesne   p.  448,  15. 

5)  Duchesne  p.  449,  5.  6)  Eb.  p.  448,  13.  7)  Das  Einschiebsel  nach 
Einhard  a.  a.  0.  c.  6.  8)  Duchesne  p.  449,  9.  9)  Eb.  p.  453,  11. 
10)  Die  vorhergehenden  Worte  über  den  zweiten  Frieden  mit  Aistulf 
schliessen  sich  nicht  an  den  Liber  Pont,  an,  sondern  an  den  Papstkätalog, 
dessen  Abschnitt  über  Stephan  II.  vorher  eingeschoben  ist  (oben  S.  381). 

—  In  L  hat  eine  2.  Hand  am  Rande  (fol.  44')  die  Xamen  der  dem  Papst 
übergelienen  Orte  im  Anschluss  an  die  Vita  Stephans  c.  47  (p.  454) 
verzeichnet  ('Hec  autem  sunt  —  civitas  Narniensis').  11)  Duchesne 
p.  454,  6. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  383 

scriptum  cum  clav  i  b  u  s  civitatum  —  —  Ita  Desiderius  rex 
f actus  promissa  reddendo»  Faventiam  et  Gabellum  et  Siberiacumb 
et  t  0  t  u  m  ducatum  Ferrariae  c  o  m  p  1  e  v  i  t.  Hunc  ^  Desiderium 
Karolus  Magnus,  filius  istius  Pipini,  ab  Italia*^  postea 
expulit  et  filium  suum  Pipinuin  regem  coustitnit.  Hie 
pontifex  fecit  ordinatione  s  II,  presbiteros  II,  episcopos  perd  diversa 
loca  VII ®'^,  etf  sepultus  est  ad  Sanctum  Petrum  VI.  Kl.  Maii. 
Et  cessavit  episcopatus  dies  XXXV. 

Gesta    Pauli    papae. 
Paulus,   nationeS  Romanus,    ex   patre  Constantino,    f rater  supe- 
rioris  papae '\   sedit  annos  XI  m.  I.    Hie  cum  beatissimo  fratre 

et   predecessore   suo ubii-^  et   monachos  Grecos   pro      amore 

beati  Dionisii,  qui  eius  fratrem  sanaverat'^,  in  st  i  tu  it.  Hie 
edificavit  gcclesiam  b  e  a  t  orum  apostolorum et  cessavit  epi- 
scopatus annum  I  m.  III  .  Hie'«  dum  in  §cclesia  beati  Pauli  jsro 
estivo  fervore  demoraretur,  diem  clausit,  ibi que  fere  trium  men- 
sium  spacio  tumulatus,  post  e  a  a  civ  i  b  u  s  congregati  s  per  flumen 
Tiberisi  nav  i  ad  beati  Petri  gcclesiam  de  latus  est  et  in  pre- 
d  i  c  1 0    ora  t  o  r  i  o    honor  i  f  i  c  e    sepul  t  u  s. 

Epistola    Pauli    papae. 

Büectissimo'"  fratri  Ecgherto^  a7'cMepiscopo  Ehoracensi, 

secl     et    Eadherhto^    excellentissimo  filio    regi    Paulus    papa 

salutem.  Arhiter  verum  et  opifex  —  —  —  consequi  pro- 
mereheris  vitam. 


a)  'reddendo  —  Ferrariae'  fehlt  C.  b)  So  L ;  'Tiberiaco'  Liber 

Pont.  c)    'Ytalia'  C.  d)    'per  div.  loca'  fehlt  L.  e)   'VIII'  L. 

f)  'et  —  Maii'  fehlt  C.        g)  'ex  p.  Const.  nat.  Rom.'  L.        h)  'pauli'  C. 
i)  'ubi'  fehlt  C.  k)    'pro  —  sanaverat'    fehlt  C.  1)  Verbessert   aus 

'IUI'  C.         m)  'Hie  —  sepultus'    fehlt  C.  n)  'Tiberim',  aber  'm'  auf 

Rasur   L.         o)  'Ecberto'  C.         p)  'Edberto  percellent.'  C. 


1)  Auch  dieser  Satz  ist  in  den  Auszug  des  Liber  Pont,  ein- 
geschoben auf  Grund  des  Papstkatalogs ,  der  in  der  Vorlage  von  CL 
neben  dem  Liber  Pont,  benutzt  ist  (vgl.  S.  382,  Anm.  10) ;  vgl.  unten 
S.  384  über  Hadrian  1.  2)  Viele  Hss.  geben  keine  Zahl ;  nur  ein  Teil 
ergänzt  die  Lücke  und  in  verschiedener  Weise ;  in  Uebereinstimmung  mit 
C  (VII)  steht  allein  der  durch  die  Auszüge  von  Holste  und  Bianchini 
bekannte,  verlorene  Farnesiauus  (E^),  während  L  mit  der  Ziffer  VIII 
sich  in  Einklang  mit  dem  Vaticanus  Reg.  1964:  befindet,  der  ebenfalls 
zur  Klasse  E  gehört,  welcher  ich  den  letzten  Teil  des  Liber  Pont,  in  0 
samt  den  nur  im  Auszug  darin  mitgeteilten  Viten  oben  S.  379  zugewiesen 
habe.  3)  Duchesne  p.  465,  3.  4)  Vgl.  S.  382,  Anm.  3.  5)  Jaffe  I^, 
n.  2337;  Haddan  und  Stubbs  a.  a.  0.  III,  394  —  395,  aus  Cottonianus 
Vespasianus  A.  XIV,  ausserdem  überliefert  in  Tiberius  A.  XV  (vgl. 
oben  S.  377). 


384  Wilhelm  Levison. 

Gesta    Stephan!    papae. 
Stephanus,  natione  Siculus,  ex  patre  Olibo,  sedit  annos  IUI  m.  V 

d.  XXV.     Hunc  parvulum    a»  Sicilia   veni entern   tradidit  — 

in Ij  cellarium  Lateranense  deductus ,  i b i  usque  ad  ob itum  pontificis 
permansit.  Hie  sanctissimus  pontifex  fecit  Ordinationen!  I  per 
mensem  Decembrium,  presbiteros  V,  diac.  IUI,  episcopos  per  diversa 
loca  numero  XIX.  Sepultus  est  ad  beatum  Petrum  apostolum,  et 
cessavit  episcopatus  dies  IX. 

Weiter  ist  der  Liber  Pont,  in  C  nicht  benutzt.  Jene 
auf  einem  Kataloge  beruhende  kürzere  Papstgeschichte, 
die  bei  Stephan  II.  neben  dem  Lib.  Pont,  begegnete,  tritt 
jetzt  ganz  an  seine  Stelle,  und  nicht  nur  C  hat  fortan  im 
allgemeinen  den  vollen  Wortlaut  dieser  Quelle  Wilhelms 
von  Malmesburj  bewahrt,  sondern  (mit  Ausnahme  des 
ersten  Satzes)  noch  besser  und  vollständiger  L,  nur  dass 
dort  von  Paschalis  II.  an  eine  weitere  Papstgeschichte 
recht  äusserlich  mit  dem  CL  gemeinsamen  Text  verbunden 
ist,  den  ich  zunächst  allein  folgen  lasse  ^. 

Gesta    Adrian  i    papae. 

Adrianus  annos  XXIII  m.*^  X  d.  XYII.  Huius  ^ 
temporibus,  quia  Longobardi  infestabant  Romanos,  Carolusd 
Magnus,  Pippini*^  filius,  expeditionem  in  Italiam^  movit  et 
Desiderium  regem  Longobardorum  filiumque  eins  Adaugisum  Italia^ 
ex  p  u  1  i  t  filium  q  u  e  suum  Pippinum  regem  constituit^.  Quantae 
autem  sanctitatis  memoratus  papa  fuerit,  testatur  idem 
Carolus  in  epistola  ad  Offam  regem  Merciorum^.  Cuius 
epistolae^  partem  hic^  inserere  non  multura,  ut  arbitror, 
erit  a  materia  exorbitare'' : 


a)    'a    Sic.    ven.'   fehlt   C.  b)   Der   Schluss   nach   L;    C   bricht 

bereits  früher  ab  mit  den  Worten  'Laurentium  (statt  'Leonem')  con- 
secravit'  (Duchesne  p.  478,  6).  c)  'm.  X  d.  X  et  VIP  K;  'dies  XVII 
m.  X'  C.  d)  'Karolus'  immer  C.  e)    'Pipini'  C.  f)    'Ytal.'  C. 

g)  'Mertiorum'  L.  h)  Es  folgen  in  C  etwa  11  ausradierte  Buchstaben, 
i)  'hie'  fehlte  zunächst  imd  wurde  zuerst  vor  'inserere'  übergeschriel^en, 
dann  aber  ausradiert  und  dahinter  ergänzt  C.  k)    C   fügt   die  üeber- 

schrift  hinzu:  'Epistola  Karoli  regis  Francorum  ad  Offam  regem 
Merciorum  de  sanctitate  Adriani  papae'. 


1)  Bei  den  Zeitangaben  schreibe  ich  im  allgemeinen  gleichmässig 
'ann.  —  m.  —  d.  — ' ;  C  und  L  kürzen  bald  ebenso  ab,  Isald  setzen  sie 
die  Akkusativ-  oder  Ablativendung  und  keineswegs  übereinstimmend. 
2)  Von  hier  an  ist  die  Vorlage  von  C  auch  in  L  vollständig  wieder- 
gegeben. 3)  Für  diesen  Satz  hat  ebenfalls  Einhards  Vita  Karoli  c.  6 
als  Quelle  gedient.    Vgl.  oben  S.  381  f. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  385 

Carohis'^  gratia  Bei  rex  —  — .    Inter  regales  dignitates 
—  —  in  roclice  fidei  sit  firmatum. 

Et  post*  pauca: 

Cognoscat  quoque  düecfio  —  —  infercedere  facienti 
proficere. 

Gesta*^    Leonis    papae. 

98.  Leo*^  ann.  XX^  m.  V  d.  XVII.  De  hoc  ita 
legitur  in  Vita  Caroli  Magni  ^ :  Homani  Leonem  papam 
multis  afflictum  iniuriis  et  eridis  ocidis  fideni  regis  implorare 
fecerunt.  In  Cronicis  qnoque''  Anglorum  invenio  scriptum 
ad  hanc  sententiam  ^:  Anno  ah  incarnatione  Domini  septin- 
gentesimo^  nonagesimo  septimo  Romani  Leonem  papam 
ptropter  constantem  iustitiae  predicationem ,  lingua  exsecta  et 
Juminihus  effossis^,  sede  sua  deturhant ;  qui  tarnen  mox  mtinere 
divino  et  sanitati^^  integre  est  redditus,  quia  et^  videre  et^ 
loqui  potuit,  et  papatn  ut  prius  est  fnnctus.  Sed  huius  rei 
fides  respiciet^  auctores,  nos  eam  relinquemus  in  medio. 
Ceterum   constat  X   et  VII  annis    eum    postea   vixisse  ^   et 


a)  'posta'  C.  b)  Die  Ueberschrift  fehlt   hier  wie   hei  Formosus 

in  L,  wo  die  Reihe  der  Päpste  auch  weiterhin  durch  Zahlen  vor  den 
Namen  (XCVIII.  bei  Leo  III.,  u.  s.  w.)  bezeichnet  ist,  die  sich  auch  in  K 
finden,  dagegen  in  C  fehlen.  c)  'III'  übergeschrieben  KL.  d)  Nach 
'XX'    2    Buchstaben    ausradiert    C.  e)    Verbessert    aus    'quorum'    L. 

f)  'septingentissimo'  C.  g)  'erutis  de  sua  sede'  C.  h)  Auf  Rasur  L. 
i)   'et'  fehlt  C.  k)    'et  loqui'  fehlt  C.  1)    'fides  penes  autores  erit, 

nos'  C  (vgl.  Sallust,  lugurtha  c.  17,  7:  'Ceterum  fides  eins  rei  penes 
auctores  erit'). 

1)  Es  folgt  der  Anfang  und  ein  Stück  der  zweiten  Hälfte  eines 
Briefes  von  Karl  an  Offa  (Mühlbacher,  Regesten  I'-,  n.  331;  MGr.  Epist. 
IV,  145,  1 — 9.  146,  1 — 8),  den  vollständig  nur  die  wohl  aus  Canterbury 
stammende  Hs.  des  11.  Jh.  Cotton  Tiberius  A.  XV  (vgl.  oben  S.  377)  be- 
wahrt hat,  und  von  dem  auch  Wilhelm  von  Malmesburj»^,  Gesta  regum 
I,  93  (ed.  Stubbs  I,  93)  Auszüge  aufgenommen  hat,  die  einen  kleinen 
Teil  mit  GL  gemein  haben  (Epist.  IV,  146,  1 — 6).  Ich  verzeichne  die 
gemeinsamen  Abweichungen  von  GL :  145,  1  'Longobardorum',  3  'et' 
statt  'ac',  9  'fidei  sit  firmatum'  gleich  dem  Gottonianus  (9  'floreret'  bis 
41  'solebant'  fehlt) ;  146,  2  'palliis'  (verbessert  aus  'pallis'  G),  2  'Ethelredi' 
gleich  Wilhelm,  6  'Augustinus'  (9  'Sed'  bis  19  'frater'  fehlt);  dazu  kommen 
wie  überall  Sondervarianten  von  G  ohne  Belang.  Alihängigkeit  des  Textes 
GL  von  dem  Gottonianus  selbst  (trotz  146,  2)  scheint  mir  danach  sehr 
wohl  möglich.  2)  Einhard  c.  28  (ed.  Waitz '"  p.  28),  doch  mit  einigen 
Abweichungen.  3)  Die  Angelsächsischen  Annalen,  wo    um    diese  Zeit 

ja  alle  Ereignisse  um  zwei  Jahre  verschoben  sind,  berichten  so  in  der 
Tat  zum  Jahre  797  (SS.  XIII,  103;  Earle  und  Plummer,  Two  of  the 
Saxon  Ghronicles  parallel  I,  1892,  S.  56  f.);  doch  fehlen  die  Worte 
'propter  const.  iust.  predicationem'  in  dem  Englischen  Text.  4)    Die- 

selbe Quelle  erzählt  Leos  Tod  zum  Jahre  814,    also    17  Jahre   nach    797. 


386  Wilhelm  Levison. 

potentem  in  expulsione  demonum  per  Dei  gratiam  fuisse  ^ 
Obiit  im.  Kl.  lunii^  vigilia*^  apostolorum. 

H  o  r  u  m''    gesta    non    inveniuntur: 

99.    Stephamis''   m.  VII   d.  XVII  «i. 

100.  Paschalis   ann.  VII   d.  XVIII «. 

101.  Eugenius*"  ann.  III   m.  VIII   d.  XXIII. 

102.  Valentinus^  d.  XL. 

103.  Gregorius  ann.  XVII. 

104.  Sergius  ann.  III. 

105.  Leo'^  ann.  VIII   m.  III   d.  VI\ 

106.  Benedictus  ann.  II   m.  VI   d.  X. 

107.  Nicolaus»^  ann.  IX  m.  X  d.^  XXIX. 

108.  Adrianus  ann.  V  m.  XI  d.  XII. 

109.  lohannes  ann.™  X. 

110.  Marinus"   ann.  I.    m.  III. 

111.  Adrianus °   ann.  I   m.  III. 

112.  Stephanus  ann.  VI  d.  XV. 

Gesta    Formosi    papae. 

113.  Formosus    ann.    IUI    m.   VII    d.    X    et    VIII. 
Hic^  a  nativitate  domini  nostri  lesu  Christi  nongentesimo 


a)  'in  vig.'  C.  b)  In  C  fehlt  die  Ueberschrift.  c)  'Stheph.'  C ; 
'ann.  VI'  fügt  K  hinzu.  d)  'VIF  L.  e)  'XIII'  C.  f)  'Lug.'  durch 
Versehen  des  Miniators  L.  g)  Die  ganze  Zeile  fehlt  in  C ;    doch    hat 

eine  andere  Hand  (C-),  die  nicht  die  des  gewöhnlichen  Korrektors  ist, 
und  von  der  auch  die  übrigen  Eintragungen  neben  der  Papstliste  her- 
stammen, hinzugefügt  'Valentianus  p apa'.  h)  'IUI'  übergeschrieben 
KL;  'elo(!)  annis  VIII,  V  m.  d.  VI'  C.  i)  Verbessert  aus  'XVI'  K. 
k)  'Nicholaus'  KL.  1)    Danach   ist   'XII'   ausradiert   L.  m)    'ann.' 

fehlt  C.  n)  'Carinus  (durch  Irrtum  des  Miniators,  doch  ist  ein  'M'  vor 
'C  geschrieben)  anno  uno  tribus  diebus'  C,  wo  C-  'Agapitus  papa' 
hinzufügt.  o)  'Aadrianus  (das  erste  'A'  vom  Miniator)  anno  uno  men- 
sibus  V  C;  C'-  ergänzt  'ßasilius   papa'. 

1)  Vgl.  die  Zusätze  (12.  Jh.)  zu  den  in  S.  Augustin  zu  Canterbury 
fortgesetzten  Annales  AVintonienses  a.  797  (Liebermann ,  Ungedruckte 
Anglo  -  Normannische  Greschichtsquellen ,  1879 ,  S.  63) :  'Sanctus  Leo, 
natione  Romanus,  ad  expellendos  demones  potens,  papa  effi- 
citur'.  2)  'lunii'   ist  aus  'lulii'  verschrieben,  wie  'vigilia  apostolorum' 

(28.  Juni)  zeigt ;  vgl.  die  in  Anm.  1  genannte  Quelle  a.  816  (S.  61) : 
'Obiit  Leo  papa  IUI.  Kai.  lulii',  Worte,  die  bereits  Liebermann  S.  59 
gleich  der  Nachricht  zu  797  (Anm.  1)  auf  einen  Papstkatalog  zurück- 
geführt hat.  In  Wirklichkeit  starb  Leo  am  12.  Juni  (vgl.  Duchesne  II, 
p.  LXVI),  doch  nennen  schon  alte  Quellen  'VIII.  Kai.  lun.'  als  Todestag 
(vgl.  Jaffe  I-,  p.  316).  3)  Die  folgende  sägenhafte  Erzählung  über  die 
Teilung  der  Diözesen  von  Wessex  ist  auch  unabhängig  von  dem  Papst- 
katalog überliefert;  vgl.  W.  de  Gray  ßirch,  Cartularium  Saxonicum  II, 
p.  276  ff. ;  F.  E.  Warren,  The  Leofric  Missal,  1883,  p.  1  f. ;   H.  Boehmer 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  387 

quinto  anno  misit  in  terram  Anglorum  ad  regem  Ead- 
wardum  seniorem,  patrem  Ethelstani,  motus  magna  ira- 
cundia,  et  mandavit  ei'*^  cum  suis  omnibus  maledictionem 
contra  benedictionem,  quam  beatus  Gregorius  per  sanctum 
virum  Augustinum  genti  Anglorum  antea^  misit,  nisi  cum 
episcopis  instituisset  destitutas  parrochias  episcoporum 
secundum  antiquam  traditionem,  quae  tradita*^  est  genti 
Anglorum  a  sede  sancti  Petri.  Nam  per  Septem  annos 
plene  destituta  fuerat**  omni  episcopo  regio  Gewisorum. 
Quo  audito,  congregavit  rex  Eadwardus*^  sinodum  sena- 
torum  gentis  Anglorum,  in  qua  presidebat  Plegmundus 
archiepiscopus ,  regi  ^  recitans  et  interpretans  districta 
verba  apostolicae^  legationis,  quae  miserat  papa  Formosus. 
Tunc  rex  et^  Plegmundus  archiepiscopus  elegerunt  sibi 
suisque  salubre'  consilium,  assumentesque  dominicam  sen- 
tentiam:  'Messis  quidem^  multa,  operarii  autem  pauci', 
elegerunt  et  constituerunt  singulos^  episcopos  singulis 
provinciis  Gevisorum,  et  quod  dudum  duo  habuerunt,  in 
quinque  diviserunt.  Acto  illo  concilio'",  Plegmundus 
archiepiscopus"  cum  honorificis  muneribus  Romam  adiit°, 
apostolicum  Formosum  cum  magna  humilitate  placavit, 
decreta  regis  et  seniorum  regionis  enuntiavit,  quod  apo- 
stolico  maxime  placuit.  ßediens  ad  patriam  in  urbe 
Dorobernia  p  uno  ^  die  Septem  episcopos  septem  ^cclesiis 
ordinavit :  Frithestanum  ad  §cclesiam  Wintoniensem, 
Aethelstanum  ^'  ad  Corbinensem^,  Werstanum  ad  Scire- 
burnensem,    Etilelmum*    ad   Fontaniensem,    Eadulfum"    ad 


a)  'eis'  C.  b)  'ante'  1.  Hand  L.  c)  'condita'  C.  d)  'fue- 

rant'  1.  Hand  L.  e)  'Edwardus'  0.  f)  'recitans  regi'  C.  g)  'legat. 
apost.'  C.  h)   'et'  übergeschrieben  0.  i)  'cons.  sal.'  C.  k)  'qui- 

dam'  C.  1)  'singulis  episcopis'  C.  m)  'consilio'  GL.  n)  'archiep.' 
fehlt   C.  o)   'et'  fügt  C   hinzu.  p)    'Dorrob.'   L.  q)    'uno    die' 

fehlt   C.  r)    'Ethelst.'   L.  s)    Von   2.  Hand   verbessert    in  'Corui- 

nensem'  C.  t)  '&  lllelmuni'  verbessert  in  '&■  Aldhelmum'  C.  u)  'Aedul- 
fum'  C. 

a.  a.  0.  S.  156  f.  (vgl.  S.  98  ff.);  Eadmer  ed.  Rule  p.  271  f.;  auch 
Elorentius  Wigorniensis  ed.  Thorpe  I,  236  und  A.  S.  Napier  und  W. 
H.  Stevenson,  The  Crawford  coUection  of  early  charters  (Anecdota  Oxo- 
niensia,  Mediaeval  and  modern  series  VII),  1895,  p.  103  ff.  Die  Ab- 
weichungen von  GL  gegenüber  der  sonstigen  Ueberlieferung  sind,  ab- 
gesehen von  einer  grösseren  Auslassung,  ohne  sachliche  Bedeutung ;  wenn 
ich  dennoch  den  ganzen  Wortlaut  gebe,  so  deshalb,  weil  der  Auszug  bei 
Wilhelm  von  Malmesbury,  Gesta  regum  II,  129  (ed.  Stubbs  I,  140  f. ; 
vgl.  II,  p.  LIV  ff.)  auf  dieselbe  Fassung  zurückgeht  wie  GL.  Die  ge- 
meinsame Vorlage  scheint  einer  Hs.  aus  Winchester  (London  Add.  15350, 
bei  Birch  A)  trotz  mancher  Besonderheiten  ähnlich  gewesen  zu  sein. 


388  Wilhelm  Levison. 

Cridiensem.  Sed  et  aliis  provinciis  constituit  duos 
episcopos,  Australibus  Saxonibus  virum*^  idoneum  Beorneh^ 
et  Mercis  Ceuulfum  ad  civitatem  Dorchecester.  Hoc  autem 
totum  papa  firmavit,  ut  damnaretur  in  perpetuum,  qui  hoc 
salubre  niutaret  consilium. 

114.  Bonefacius  ann.  XII '^. 

115.  Stephanus  ann.  I  m.  I  d.  XVIII d. 

116.  Eomanus  m.  III  d.  XXVI. 

117.  Theodorus  d.  XX  ^ 

118.  lohannes  ann.  II. 

119.  Benedictus  ann.  III   m.  VI   d.  XV  ^ 

120.  Leo^  m.  I   d.  XXVI. 

121.  Christof orus^i   m.  VI. 

122.  Sergius  ann.  VI  m.  III   d.  XXIII*. 

123.  Anastasius  ann.  II  m.  I  d.  XXL 

124.  Lamdo^^  m.  III   d.  XII. 

125.  lohannes   ann.  XIIII^    m.  II. 

126.  Leo  m.  VI  d."^  XIII. 

127.  Stephanus'^  ann.  II  m.  I   d.  XV. 

128.  lohannes  ann.  IUI«   m.  X. 

129.  Leo  ann.  III?  m.  VI. 

130.  Stephanus  ann.  III  m.  IUI. 

131.  Marinus  ann.  III   m.  VI. 

132.  Agapitus   ann.  IX  m.  XII^   d.  XXVL 

133.  lohannes   ann.  VIII   m.  III. 

134.  Leo  ann.  I  m.  III. 

135.  Benedictus  ann.  II   d.  V. 

136.  Bonefacius  m.  I  d.  XII. 


a)  'virum  id.'  fehlt  C.  b)  'Beornech'  C.  c)  So  CK;  'XV'  L. 
d)  'XVni.  Rom.  m.  III  d.'  fehlt  C;  doch  hat  nach  'XXVI'  C-  'Ro- 
manus papa'  ergänzt.  e)  'XXV'  C.  f)  'XX V  C;  'XIIII'  KL. 
g)  'V  übergeschrieben  KL.  h)  'Christiforus'  0.  i)  'XXV  C. 
k)  'Pambo'  C.  1)  'ann.  XV  m.  VI'  C;  dazu  0':  'loh.  p(a)pfa), 
Steph(anu)8  p(a)p{a),  loh.  p(a)p(a)',  und  dahinter  an  dem  teilweise 
abgeschnittenen  Rande:  'Leo,  Marinus,  Agapitus,  Bened[ictus], 
loh(annes)  post  Leonem  et  Bened(ictum)  lohanne  substitutos, 
loh(annes),  Steph(anus),  S[teph(anus)],  Marinus,  Gerbertus 
qui  et  Silvester  (Zusatz  derselben  Hand:  'vel  loh.  secunduni 
alio[s]');  quidam  transito  eo  Agapit(um)  loc[o]  eins  ponunt', 
also  ein  Versuch,  die  verworrene  und  lückenhafte  Papstreihe  des  Textes  0 
nach  anderen  Quellen  zu  verbessern,  unter  denen  sich  Sigeberts  Chronik 
a.  995  (SS.  VI.  353 :  'Quidam  transito  Silvestro  Agapitum  papam  hoc  in 
loco  ponunt')  befunden  hat.  Zwischen  den  Zusätzen  im  Text  und  am 
Rande  stehen  die  Worte :  'quaere  in  aliis  cronicis'.  m)  'menses  VI 
ann.  IIP  C.  n)  Die  Reihen  1-27—137  ('Stephanus  —  m.  VP)  fehlen 
in  C  (vgl.  N.  1  und  S.  390,  N.  a).  o)  'III'  L.  p)  Verbessert  aus 
'IUI'  L.        q)  So  KL  statt  'VII'. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  389 

137.  Domnus  de  Suri  ann.  I   m.  VI. 

188.  Benedictus  ann.  IX. 

139.  lohannes'*^  m.  VIII. 

140.  lohannes^  m.  IUI. 

141.  lohannes*^   ann.  X  m.  VI  d.  X. 

142.  Gregorius  ann.  I  m.  V. 

143.  lohannes'^  qtii   et   Gerbertus^"^   menses  X;    qui 
turpiter  finivit  vitam  suam. 

Epistola^   lohannis    pape. 

Johannes  quintusdecimus  sanctae  Momanae  fcclesiae  papa^ 
Omnibus  fidelihus.     Noverint  omnes  —  —  indictione  III I^-^. 


a)  'XIII',  b)  'XIIII',  c)  'XV',  d)  'XVI'  übergeschrieben  L. 
e)    'Gerebertus'   C.  f)   In   C    fehlt   die  Ueberschrift.  g)   Ueber- 

geschrieben  C.         h)  'V  C. 

1)  Auch  hier  hat  Wilhelm  von  Malmesbury  die  gemeinsame  Vor- 
lage von  CL  benutzt.  In  den  berühmten,  von  Gerberts  Zauberkünsten 
und  Gelehrsamkeit  handelnden  Kapiteln  der  Gesta  regum  hält  auch  er 
Johann  XV.  (XVI.)  an  Stelle  von  Silvester  II.  für  Gerbert,  wenigstens 
in  dem  ursprünglichen  Text,  den  freilich  Stubbs  in  die  Anmerkungen 
gesetzt  hat,  obgleich  er  das  richtige  Verhältnis  erkannt  und  dargelegt 
hat,  dass  die  abweichende,  Johann  durch  Silvester  ersetzende  Text- 
gestaltung einiger  Hss.  nicht  auf  den  Verfasser  zurückgeht  (vgl.  seine 
Ausgabe  I,  p.  LI  und  LXXIII;  Bd.  II,  p.  LXVII).  Vgl.  Gesta  regum 
II,  167  (SS.  X,  -161;  Stubbs  I,  193  mit  Anm.  .3):  'De  hoc  sane  lohanne, 
qui  et  Gerbertus  dictus  est,  non  absurdum  erit'  u.  s.  w.,  und  besonders 
das  Ende  des  Kapitels  (p.  462,  bez.  195,  Anm.  1):  'ünde  in  vetusto 
volumine,  quod  in  mauus  meas  incidit,  ubi  omnium  apostolicorum  nomina 
continebantur  et  anni ,  ita  scriptum  vidi :  lohannes  qui  et  Gerbertus 
menses  decem ;  hie  turpiter  vitam  suam  finivit'.  Es  wird  also  durch  CL 
bestätigt,  dass  Wilhelms  'fatal  mistake'  in  Bezug  auf  Gerbert  seiner  Quelle 
zur  Last  fällt ;  die  AVorte  'qui  et  Gerbertus',  die  dem  zu  Grunde  liegenden 
Kataloge  fremd  sind,  waren  vermutlich  zu  Silvester  an  den  Rand  eines 
älteren  Exemplars  geschrieben  und  bei  einer  Abschrift  an  der  falschen 
Stelle  in  den  Text  übernommen  worden.  —  Die  Ersetzung  von  Silvester 
durch  Agapet,  die  ein  Leser  von  C  im  Anschluss  an  Sigebert  angemerkt 
hat  (vgl.  S.  388,  Anm.  1),  beruht  auf  dem  falschen  Ansatz  von  Marian,  der 
zum  Jahre  998  schrieb  (SS.  V,  555) :  'Agapitus  paj^a' ;  diesen  Ansatz,  der 
mit  dem  von  Silvester  in  anderen  Quellen  zusammentraf,  haben  gleich 
Sigebert  (SS.  VI,  353)  auch  Englische  Annalen  übernommen,  so  ein 
Zusatz  der  in  Canterbury  fortgesetzten  Annales  Wintonienses  und  die 
Annales  S.  Edmundi  (Liebermann  a.  a.  O.  S.  70.  126).  Ich  nenne  diese 
Quellen,  weil  sie  auch  mit  der  Papsti'eihe  desselben  Lesers  (S.  890,  Anm.  a) 
samt  der  Schreibung  'Octovianus'  zu  vergleichen  sind  (Lieliermann  S.  70  ff. 
126  ff.).  2)    Jaffe  I-,    n.  3840;    Stubbs,  Memorials  of  Saint  Dunstan, 

1874,  p.  397  sq.  (aus  Cotton  Tiberius  A.  XV;  vgl.  oben  S.  377) ;  AVillelmi 
Malm.  Gesta  regum  I,  191  sq.,  der  Brief  Johanns  XV.  über  den  Frieden 
zwischen  Ethelred  von  England  und  Richard  von  der  Normandie.  Der 
letzte  Satz  fehlt  in  CL. 


390  Wilhelm  Levison. 

144.  Silvester*  ann.  IUI  m.'^  I   dies  IX. 

145.  lohannes'',  qui  vocatur  Sigo^,  m.  V  d.  XXV. 

146.  lohannes®,  qui  vocatur  Fanassus,  ann.  I. 

147.  Sergius,    qui   vocatur   Osporo^,    ann.    III.      Suo 
quidem^  tempore  fuit  pessima  fames. 

148.  Benedictus,   frater^  Alberici    niaioris,    ann.    XI 
m.  X  d.  XXI. 

149.  lohannes^,  frater  eins,  ann.  IX  m.  IX^. 

150.  Benedictus,  qui  vocatur  Theophilatus^  ann.  XIII. 

151.  Silvester  Savienensis"^  ejDiscopus   d.  LV". 

152.  Gregorius,    qui*'    vocatur   lohannes    Gratianus\ 
ann.  II   m.  VI. 

153.  Clemens,  qui  vocatur  FugeriusP,  m.  IX  d.'^  VII. 

154.  Damasus,  qui  vocatur  Popo,  d.  XXIII  *■. 

155.  Leo   sanctissimus,   qui®   vocatur  Brunus,   ann.  V 
m.  II  d.  VII  t. 

156.  Victor,  qui'^  vocatur  Gebeardus,  ann.  II  m.  III 
d.  XIII. 

157.  Stephanus,    qui"*'    Fredericus    vocatur,    m.   VII 
d.  XIX. 

158.  Benedictus     Belliornensis^     episcopus     m.     IX 
d.  XX^. 

159.  Nicolaus'',  qui  vocatur  Girardus^,  ann.  II  m.  V 
d.  XXV. 

Decreta*^    Nicolai    II. 
Nicolaus^   episcopus    serviis  servorum  Dei    omnibus    epi- 
scopis Vigilantia  universalis henedictione  gaudere  ^. 


a)  Am  Rande  bemerkt  C-:  'secundum  quosdam  Agapitus, 
Octovianus,  Leo,  Benedictus,  loh(annes)  fr(ater),  Benedictus 
simoniacus  nepos    eorum,  Clemens'.  b)   'm.  (T  fehlt)  d.  X'  0. 

c)    'XVII'   übergeschrieben   L.  d)    'Hugo'    C.  e)    'XVIII'   über- 

geschrieben L ;    die  ganze  Zeile  fehlt  C.  f)    Entstellt   aus    'os   porci' ; 

'hosporo'  C.         g)  'qu.'  fehlt  C.         h)  'fr.  Alb.  m.'  fehlt  C.         i)  'XIX' 
übergeschrieben   L.  k)   'XII'    C.  1)    'Teoph.'    C.  m)    So    K; 

'Saviensis'  L ;  'Laviensis'  0.         n)  'LX'  C.         o)  'qui  v.  loh.  Gr.'  fehlt  C. 
p)  So  CKL.  q)  'd.  Vir  fehlt  C.  r)   'XXI'  C.  s)  'qui  v.  Br.' 

fehlt   C.  t)    'XII'    C.  u)    'qui  v.  G.'  fehlt  C.  v)    'qui   Fr.   v.' 

fehlt  C.  w)    'Bell  ep.'  fehlt  C.  x)    'IX'  K.  y)   'Nichol.'  KL. 

z)  'Girandus'  K;  'Gerardus'  LC.  a)  'Decr.  Nykolai  secundi'  an  dieser 

Stelle  C,  wo  nachher  'Item'  fehlt;  'Decr.  Nicholai  11.'  L  vor  159. 

1)  Vgl.  Wilhelm  von  Malmesbury  a.  a.  0.  II,  201  (SS.  X,  469; 
Stubbs  I,  '246):  'Erat  papa  Gregorius  sextus,  ante  dictus  Gratianus'. 
2)  Jaffe  I^  n.  4405;  Weiland,  MG.  Constit.  I,  547,  1  —  548,  15, 
Nikolaus'  II.  Schreiben  über  die  Beschlüsse  der  Lateransynode  von  1059. 
Hier  wie  bei  den  folgenden  Stücken  weisen  GL  nach  Abzug   der  Einzel- 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  391 

Item. 
Domnus  p(apa)   N(icolaus)    synoäo   —   —    oninino    in- 
tronisatus  sW^. 

160.  Alexander*,  qui  et  Anselinus  episcopus  Lucensis, 
ann.  XI. 

Decreta    Alexandri''    papae. 

[Alexander'^  episcopus Legati  nostri iudicium 

provocare  ^. 

Item"^]. 
Alexander  episcopus   —  —  Pervenit   ad   aures    —    — 
caritate  concedat^. 

Item"^. 

Alexander  episcopus Accepimus  a  qiiihusdam 

ohviare  contenderint  ^. 

161.  Gregorius®,  qui  et  Hildebrandus ,  ann.  XII 
m.  I.  Huius  temporibus  ßomam  venit  Imperator  Henricus 
Alamanuiae^  et  expulit  eum  de°  pontificatu,  quia  excom- 
municaverat  eum  propter  investituras  ecclesiarum  ^,  et  con- 
stituit  Wibertum  Ravennatem  ^  in  sede  apostolica,  quem 
et  dementem  vocavit.  Eiectus  autem  Hildebrandus  abiit 
Apuliam  ^    et  apud  Montem  Cassinum  obiit  ^. 


a)  Dieser  Satz  ist  in  C  ausgefallen ;  in  L  steht  er  nach  der  Ueber- 
schrift    'Decr.    AI.'.  b)    'II'    übergeschrieben    L ,    wo    'papae'    fehlt, 

c)  Dieses  erste  Schreiben  Alexanders  II.  fehlt  in  C;  ich  nehme  es 
dennoch  aus  L  für  die  gemeinsame  Vorlage  in  Anspruch,  weil  es  sich 
auf  die  gleiche  Angelegenheit  bezieht  wie  der  folgende  Brief.  d)  'Item' 
fehlt   C.  e)    'septimus'    fügen   KL   hinzu,    in    C   eine   andere   Hand, 

f)  'Alemannie'  C.         g)  'a'  L.         h)  'Ravennatum'  C.         i)  'Apulam'  0. 

Varianten  gemeinsame  Lesarten  auf,  die  zum  Teil  bei  einer  Neuausgabe 
wohl  Erwähnung  verdienen ;  da  sie  freilich  sachlich  ohne  Belang  sind, 
lasse  ich  sie  hier  bei  Seite.  Nach  wenigen  Stellen  war  die  Vorlage  von 
CL  dem  Text  verwandt,  den  Weiland  A3  nennt  und  Surius  zuschreibt, 
dessen  Hs.  'ex  Anglia'  erworben  war;  doch  muss  eine  Verwechslung  vor- 
liegen, da  Surius  (Tomus  tertius  conciliorum,  1567,  p.  599  sq.)  die  ihm 
zugewiesenen  Lesarten  meist  gar  nicht  darbietet  (so  S.  547,  2d  und 
548,  6z,  wo  CL  mit  A3  übereinstimmt).  1)  Jaffe  n.  4431a;  Weiland 
I,  550,  17  —  551,  14,  Beschlüsse  der  Lateransynode  von  1060.  2)  Jaffe 
n.  4763,  Alexander  II.  für  Winchester.  3)  Eb.  n.  4762,  an  Lanfrank 
von  Canterbury.  4)  Eb.  n.  4761 ;  Eadmer  ed.  Rule  p.  19  ff.,  an  den- 

selben. 5)  Vgl.  Wilhelm  von  Malmesbury,  Gesta  regum  III,  262  (SS. 

X,  473;  Stubbs  II,  321):  'Imperator  enim  Alamannorum  Hen- 
ricus —  —  iratus  contra  papam,  quod  excommunicationem  in 
eum  propter  investituras  ecclesiarum  promulgaverat ,  cum 
exercitu  veniens,  Rom  am  obsedit,  Hildebrandum  expulit,  Guiber- 
tum  Ravennatem  introduxit'.         6)  Gregor  VII.  starb  bekanntlich  in 


392  Wilhelm  Levison. 

Decreta''^    Gregorii    VII. 
Änno  ah  incarnatione  —  —  ah^   ea  recesserant'^. 
Gesta°    Victorispapae. 

162.  Victor,  qui  et  Desiderius  abbas  Cassinensis, 
m.  IUI  d.  VII.  Hunc  cardinales  elegeruut  in  papam,  qui 
cum  Hildebrando  transfugerant'^  in  Apuliam.  Siquidem^ 
rogaverant®  egi'otantem,  ut  sibi  successorem  ordinaverat^, 
exemplum  trahentes  a  beato  Petro,  qui  successorem  sibi 
vivens  constituerat,  dicentesque,  sicut  tunc  novitate,  ita 
nunc  scismate  fluctuare  ecclesiam.  Quibus  ipse  respondit 
se  nee  velle  nee  debere  regimen  ecclesiae  per  hereditatem 
alicui  tradere,  ceterum  consilium  dare,  si  vellent  hominem^ 
strenuum  et  eloquentem ,  post  mortem  suam  eligerent 
Odonem^  episcopum  Hostiensem,  si  hominem  in  seculi 
rebus  potentem,  acciperent  Desiderium  abbatem  Cassi- 
nensem.  Itaque  eo  defuncto ,  in  Desiderium  declinavit 
electio.     Quo  post^    IUI  menses  obeunte,  alterum  elegere. 

Gesta    Urbanipapae. 

163.  ürbanus,  qui  et  Odo,  natione  Gallus  ex  oppido 
Castellione  ^  et  ex  monacho  Cluniacensi  episcopus  Hostien- 
sis,  sedit  annis  XI.  Hie  quia  non  poterat  introire  Rom  am 
propter  Wiberti   violentiam^,    transivit   in   Galliam,    ibique 


a)    Die  Ueberschrift   fehlt  C.  b)    -ab    (verbessert  aus  'ad')    eius 

rec'  L,  c)  Diese  und  die  nächste  Ueberschrift  fehlt  in  L.  d)    'fu- 

gerant   (verbessert  in   'fugerat')    in   Appuliam'    0.  e)    'egr.    rog.'   L. 

f)  So  L ;  'ordinaveraverat'  (!)  C.  g)  'horainum'  C,  h)  Verbesserfc  aus 
'Odonam'  L.         i)  'per'  C. 

SaJerno,  auf  dem  Wege  dorthin  hatte  er  sich  im  Sommer  1084  in  Monte 
Cassino  aufgehalten ;  vgl.  Petri  diac.  Chron.  Casin.  III,  53  (SS.  VII,  741). 
1)  Weiland  a.  a.  0.  I,  553,  8-16  (zu  ergänzen  aus  Jaffe,  Bibl.  II,  352  f.), 
der  Anfang  der  Akten  des  Römischen  Konzils  von  1079,  soweit  wie  auch 
Hugo  von  Flavigny  (SS.  VIII,  443)  sie  benutzt  hat  und  sie  sich  auch  in 
der  Cambridger  Hs.  n.  1797  (Ji  III.  33),  saec.  XII,  fol.  195  finden  (vgl. 
Catalogue  of  the  mss.  preserved  in  the  library  of  the  University  of  Cam- 
bridge III,  435  f.).  2)  Die  folgende  Erzählung  wiederholt  Wilhelm 
von  Malmesbury  a.  a.  0.  III,  266  (SS.  X,  475;  Stubbs  II,  325  f.),  teil- 
weise mit  wörtlichen  Anklängen.  Von  den  Berichten  über  Gregors  Vor- 
schläge wegen  der  Wahl  seines  Nachfolgers  (vgl.  Martens,  Gregor  VII., 
Bd.  II,  190  f. ;  Meyer  von  Knouau,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches 
unter  Heinrich  IV.,  Bd.  IV,  60  f.)  berührt  sich  mit  CL  am  meisten  der 
des  Petrus  von  Monte  Cassino  III,  65  (SS.  VII,  747;  vgl.  auch  c.  73, 
p.  753).  3)  Vgl.  denselben  Wortlaut  bei  Petrus  Guillermus  (Duchesne 
II,  293):  'ürbanus,  natione  Gallus  ex  oppido  Castellionis'.  4)  Diese 
Begründung  trifft  nicht  zu.  Urban  hat  sieh  von  Ende  1088  bis  Mitte 
1094,  allerdings   mit  Unterbrechungen,   in  Rom    aufgehalten,   wenn   auch 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    TL.  393 

coacto  concilio  ^  apud  Ciarum  -  montem  civitatem  Arver- 
norum,  precepit  moveri  in  lerusalem  illam'"^  famosam  ex- 
peditionem  Christianorum  ad  liberandas  ecclesias  Asianas 
de^  manibus  Turcorum.  Sequente  vero  anno,  Deo  volente 
et  Magthilde*^  miirchisa  adiuvante -,  expulso  Wiberto'\ 
Romam  introivit  et  in  sede*^   sua  quiete  vixit, 

Decreta    Urbani    papae*^. 

Anno  ab  incarnatione^  Domini  millesimo  nonagesimo 
VI  ^,  indictione  IUI,  habitum  est  concilium  apud  Clarum- 
montem  sub  presentia  domni  Urbani ^^  papae,  ubi  haec 
capitula  finita  sunt: 

Quod^  ecclesia  cathoUca  sit  casta  et  Uhera,  catJiolica^ 
in  fiele  et  communione  sanctorum^,  casta  pudicitia  et  libera  ab 
omni  seculari  potestate. Quod  pro  sepuUura  mortuorum 


a)    'illa   formosam'    C.  b)    ('de   man.'    fehlt)    'Turonorum'    C. 

c)  'Mathilde'  C.  d)  'Guiberto'  L.  e)  'se  ille  : : :  quiete'  von  anderer 
Hand  verbessert  in  'sede  illesa  quiete'  C.  f)  'secundi'  statt  'papae'  L. 

g)  'cai-natione'  L.  h)  Von  2.  Hand  ergänzt  L.  i)   'in  cath.  f.'  U. 

k)  'patrum'  fügt  C  hinzu. 

die  Anhänger  "Wiberts  einen  Teil  der  Stadt  behaupteten  und  Urbans 
Lage   wenig   gesichert   war.  1)  Vgl.  Wilhelm   IV,    311  (Stubbs   II, 

390  f.):    'venit    in    Gallias    —    —    violentia    Guiberti    Roma    extrusus. 

■ Coactum    ergo  est   apud  Clarum-montem    concilium,    quae 

clarissima  est  urbs  Arvernorum'.  2)  Vgl.    den  Brief  Urbans  II.  au 

Hugo  von  Lyon  von  Anfang  1097  (Jaöe  I-,  n.  5678):  'usque  ad  Urbem 
cum  comitissa  M(athilde)  pacifice  venimus,  Urbem  honestissime  —  — 
introivimus,  Urbem  ipsam  maiori  iam  ex  parte  habemus' ;  vgl.  Fulcher, 
Hist.  Hiei'osol.  I,  5  (Recueil  des  historiens  des  croisades,  Hist.  occid. 
III,  826).  Die  Anhänger  Wiberts,  der  sich  selbst  in  Oberitalien  befand, 
hielten  noch  die  Engelsburg.  3)   Vielmehr  1095.  1)  Es  folgt  eine 

Fassung  der  Beschlüsse  von  Clermont,  die  der  bei  Wilhelm  von  Malmes- 
bury  a.  a.  O.  IV,  315  (Stubbs  II,  391  ff.)  nahe  steht,  aber  vielfach  einen 
reicheren  Wortlaut  darbietet  und  ofienbar  Wilhelms  Quelle  (b)  genauer 
wiedergiebt,  der  selbst  erklärt :  'quaedam  meis  sermonibus  pro  compendio 
brevians'.  Die  neue  Fassung  ist  von  demselben  Auszug  (a)  der  Beschlüsse 
von  Clermont  abhängig,  aus  dem  auch  Ordericus  Vitalis  (Hist.  eccl.  IX,  2, 
ed.  Le  Prevost  III,  161  f.)  geschöpft  hat  (vgl.  Th.  Klemm,  Der  englische 
Investiturstreit,  Leipziger  Diss.  1880,  S.  9,  N.  1;  Hefele,  Concilien- 
geschichte  V ',  221) : 


Ordericus 


GL  Wilhelm 


Ich  teile  nur  den  Anfang  und  Schluss  als  Beispiel  mit;  ein  künftiger 
Herausgeber  der  Akten  von  Clermont,  für  die  es  noch  an  jedem  Versuch 
einer  kritischen  Ausgabe  fehlt  (vgl.  Jaffe  I'-,  p.  681;  Mansi  XX,  815  if.), 
wird  wohl  auch  die  vorliegende  Fassung  berücksichtigen  müssen. 


394  "Wilhelra  Levison. 

pactum^  pretimn  non  exigatur  aut^  detur.  Quod  aliquis  prin- 
cijJiini  laicorum^  capeUamim  non  liaheat  nisi  ab  episcopo  datum. 
quod,  si  in^  aliquo  offenderit,  ah  episcopo  corrigatur  et  alter 
suhrogetur. 

In  ^  quo  concilio  domnus  papa  Philippum  regem 
Francorum  excommunicavit  et  coniugem  eius''-^  et  omnes, 
qui  eum  dominum^  suum  et  regem  appellaveriut  et  ei  ob- 
edierint  et  cum  eo  locuti  fueriiit,  iiisi  quod  pertinet  ad 
eum  corrigendum.  Similiter  illam  maledictam  coniugem 
eius  et^  omnes,  qui  eam  vel^  reginam  vel  dominam  suam 
vocaverint  et  qui  cum  ea  locuti  fuerint,  usque  quo  ad 
emendationem  venerint,  ita  ut  alter  ab  altero  discedat. 
Et  similiter  Guidbertum  ßavenuatem,  qui'  se  appellat 
papam,  et  Henricum  Alamannorum^  imperatorem,  qui  eum 
raanutenet^.  Et  si  usque  ad  concilium,  quod  celebratur 
ajnid  Turonis  in  II.  dominica  quadragesimae,  isti  omnes 
sanctae  ecclesiae  iustitiaui  non  fecerint,  perpetuo  anathe- 
mate  feriendi  sunt.  Et'"  hec  confirmata  sunt  a  CCCLXII 
prelatis,  tam  episcopis  quam  abbatibus  ^,  qui  ibi  per  XI" 
dies*  sederunt''. 

EpistolaP    Urbani    papae. 

TJrhanus  episcopus,  servus  servorum  Dei,  venerabili  fratri 
Remensi  electo  et  imiversis  eius  suffraganeis  salutem^^  et  apo- 


a)    'vel'  fügt  C  hinzu.  1j)    'vel  non'  statt  'auf  C.  c)    'laic' 

fehlt   C.  d)    'male'  statt  'in  al.'  C.  e)    'eius'  fehlt  C.  f)  'eum 

domnum  regem  app.'  C.         g)  'et  o.  qui  eam'  von  2.  Hand  auf  Rasur  L. 
h)    'eam    dominam    et    reg.    voc'    C.  i)    'qui    se    app.    p.'    fehlt    C. 

k)  'Älemann.'  C.  1)  'manu'  fehlt  C.  m)   'Et  h.  conf.  sunt'  fehlt  0. 

n)  'IX'  L.         o)  'sedit'  C.         p)  Die  Ueberschrift  fehlt  L.        q)  'salutes'  L. 


1)  Auch  der  folgende  Abschnitt  kehrt  bei  Wilhelm  (a.  a.  O. 
p.  393)  verkürzt  wieder  und  geht  unzweifelhaft  auf  die  gemeinsame 
Quelle  zurück.  Vgl.  auch  die  noch  stärker  verkürzte  Wiedergabe  dieser 
Beschlüsse  durch  Bernold  (SS.  V,  464,  1—3).  2)  Bertrada.  3)  Diese 
Zahl  der  Teilnehmer  habe  ich  sonst  nicht  gefunden;  die  übrigen  Quellen 
geben  mehr  oder  weniger  abweichende  Zahlen  (vgl.  Bouquet  XIV,  755, 
N.  a).  So  erwähnen  die  Gesta  Atrebatensia  (Bouquet  XIV,  751.  755,  wo 
'XIV  unzweifelhaft  in  'XIII'  zu  verbessern  ist)  als  am  letzten  Tage  des 
Konzils  anwesend  ausser  den  Kardinälen  13  Erzbischöfe,  225  Bischöfe, 
mehr  als  90  Aebte ;  Ordericus  Vitalis  a.  a.  0.  j).  463  gibt  dieselben 
Zahlen,  doch  ohne  eine  bestimmte  Zahl  der  Aebte  zu  nennen.  Urban 
sellist  berichtet  für  eine  einzelne  Verhandlung  von  der  Anwesenheit  von 
12  Erzbischöfen,  80  Bischöfen,  über  90  Aebten  (Jaffe  I-,  n.  5600). 
Wilhelm  von  Malmesbury  c.  344  (p.  391)  spricht  von  310  Bischöfen  und 
Aebten.     Andere  Angaben   lasse   ich   bei  Seite.  4)   18.    bis   28.  Nov. 

1095. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  395 

stolicam    henedictionem.      Auditum   est  apud  nos   —   —    cum 
parrochiarum  vestrarum  abhatihus^. 

Gesta'*^  Paschalis  papae. 
Pascalis,  qui  et  Regnerius,  annis  X  et  novem''- 2.  Hie 
in''  primis  annis  tarn  per  se  in  Galliis  quam*^  per  legatos*^ 
snos  in  aliis  provinciis  concilia  frequenter  tenuit,  corro- 
borans  sententiam  antecessorum  suorum  prohibensque 
laicos  ab  investituris  §cclesiarum^.  Quapropter  Henricus 
filius  superioris»  Henrici,  qui  Hildebrandura^  expulerat.  in 
ecclesia  sancti  Petri  papam  cepit  et  <s)acramentuin  ^  ab  eo 
exe<git,  quod  in  magna  Cronica  descripsimus.  Epistolas 
etiam  illius  alibi  descriptas,  quoniam  ad  alias  tendimus, 
rescribere)  omittimus  ^. 

Gesta    Gelasii    papae. 
Gelasius,  qui  et  lohannes  Gaitanns,    anno   uno.      Hie 
a  Romanis   papa   est   electus,    sed    ab   Henrico   imperatore, 
qui  Paschalem  eeperat,    etiam  ipse  est  eiectus,    et   in    loeo 


a)  'Urbani'  hinzugefügt,  jedoch  getilgt  C.  b)  'annis'  nochmals 

beigefügt   C.  c)   'in'    fehlt   und   'primis'    verbessert   aus    'primus'   L. 

d)    Danach    'per   se   in  G.  quam'    irrtümlich    wiederholt    C.  e)    So    L 

(doch  'suis') ;  'per  alios  leg.  in  suis  prov.'  C.  f)  Es  folgen  etwa  7  aus- 
radierte Buchstaben  C.  g)  'fil.  imperatoris  sup.  qui'  C.  h)  'Hilde- 
brandam'  0. 


1)  Urban  II.  an  den  Elekten  Manasse  von  Reims;  bisher  ua- 
gedruckt,  doch  ein  Regest  Jaffe  n.  5637  (nach  Cotton  Vespasianus  E.  IV, 
saec.  XII.  in.,  fol.  '208;  vgl.  Catalogue  of  the  mss.  in  the  Cottonian 
library,  1802,  S.  479),  der  Wortlaut  mit  Ausnahme  der  Adresse  gleich 
n.  5636.  —  In  der  Folge  lässt  sich  L  nur  noch  teilweise  mit  C  ver- 
gleichen, da  dort  eine  andere  Quelle  mit  dem  C  entsprechenden  Text 
zusammmengefügt   ist.  2)   Die    Zahl    ist   nach    oben    hin    abgerundet; 

Paschalis  hat  das  19.  Jahr  nicht  vollendet.  3)  Ursprünglich  glich  der 

Schluss  dieses  Abschnittes  dem  in  L  (unten  S.  409) ;  man  las  sicherlich 
'et  hoc  sacramentum',  auf  'exegit'  folgte  der  Wortlaut  des  Eides,  von 
dem  man  noch  die  Buchstaben  'mn'  aus  dem  ersten  Wort  'Domnus'  unter- 
halb des  Endes  von  'papam'  erkennen  kann,  und  es  schlössen  sich  in  der 
Vorlage  Briefe  des  Paschalis  an  wie  in  L.  Dann  aber  entschloss  sich  der 
Schreiber,  diese  Stücke  nicht  zu  wiederholen  und  sogleich  zu  Gelasius 
überzugehen ;  er  tilgte  daher  die  bereits  niedergeschriebenen,  mit  dem 
Schlüsse  'gif  von  'exegit'  beginnenden  zwei  Zeilen,  an  deren  Stelle  jetzt 
auf  Rasur  die  Worte  '-git  quod  in  —  rescribere'  stehen,  und  eine  ent- 
sprechende Aenderung  zeigt  das  'S'  von  'sacramentum',  das  sich  breit 
hingezogen  auf  einer  grösseren  Rasur  befindet  und  unzweifelhaft  an  die 
Stelle  der  Buchstaben  'hoc  s'  getreten  ist,  wenn  diese  auch  nicht  mehr 
kenntlich  sind.  Die  so  nachträglich  geschriebenen  Buchstaben  und  Worte 
weisen  etwas  dunklere  Tinte  auf  als  der  ursprüngliche  Text. 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  26 


396  Wilhelm  Levison. 

eins  Mauritius**  Bracarensis  episcopus  constitutus^.  Gelasius 
autem  ^  navigio*^  lanuam  ^  et  inde  Cluniacum  pedestri  iti- 
nere*^  contendit  ibique  obiit^. 

Epistola    eiusdem*^. 

Gelasius  servus Quia  vos  Romanae  —  ■ —  cognoscitis 

accingamini.     Data  Gaite  XVII.  Kl.  Fehroarii^. 

Epistola*^    Gelasii    ad    Henricum    reg'em 
A  n  g  1  o  r  u  m. 
Gelasius  episcopus  Hfenrico)   Änglormn  regi.      Et  per- 
sonae  vestrae  —  —  indicio  decidatur^. 

Gelasius  episcopus  Radidfo  episcopo^   CanUiariensi  salu- 
fem^.     Pro  ttiae  religionis  —  —  iudicio  decidatur'". 

Decretum^  Calixti  papae. 
Anno  ab  incarnatione  Domini  MC.  nonodecimo^  de- 
functo  Gelasio  papa  secundo  in  Galliis  ^  a  cardinalibus  et 
a"  Transalpina  ^cclesia,  electus  est  Viennensis"^  arcbiepisco- 
pus  in  papam  et  Calixtus  vocatus".  Qui  statim  coacto 
concilio  apud  Remis "'  metropolim  Franciae  haec  capitula 
constituit : 


a)    'Mauricius  Braiecensis'  C.  b)   'constitu'  1    am  Zeilenende   C. 

c)    'navigiam'  C ;    'navigia'  L.  d)    'pestritinere'  L.  e)  'Ep.  Gelasii 

seciindi'    L.  f)    Die    Ueberschrift    fehlt    L.  g)    'ep.'    fehlt    C. 

h)    'salutes'   L.  i)    L   hat   an    dieser  Stelle   keine  Ueberschrift,    unten 

nach  'constituit' :  'Decreta  Calixti  II.'  k)  'nonagesimo'  0.  1)  'Gallia'  L. 
m)    'a'    fehlt   C.  n)    'Viviensis    (verbessert   in   '  Vivienensis')    episcopus 

Ravennam  in  papam'  C.         o)  'est'  fügt  L  hinzu. 

1)  Nach  dem  Abzüge  Heinrichs  V.  kehrte  Gelasius  nach  Rom 
zurück;  erst  die  Angriffe  der  Frangipani  im  Her))st  1118  bewogen  ihn 
zur  Reise  nach  Frankreich.  2)  Vgl.   unten  S.  412,  N.  4.  3)  Vgl. 

Wilhelm  a.  a.  ü.  V,  432  (SS.  X,  482;  Stubbs  II,  506):  'Expulsus  autem 
Gelasius,  Salerni  navibus  conscensis,  inde  venit  Genuam,  indeque 
itinere  pedestri  Cluniacum  contendens,  ibidem  obiit'.  4)  Jaffe 
n.  6635 ;  Eadmer  ed.  Rule  p.  247  f. ;  Wilhelm  von  Malmesbury  a.  a.  0. 
V,  431  (SS.  X,  481 ;  Stubbs  II,  505),  Gelasius  II.  an  den  Klerus  und  die 
Laien  Frankreichs.  In  L  folgt  ein  Brief  des  Papstes  an  Thurstan  von 
York,  der  in  C  fehlt,  aber  doch  wohl  der  gemeinsamen  Vorlage  an- 
gehörte (unten  S.  412).  5)  Gelasius  an  Heinrich  I.  von  England; 
gedruckt  in  der  Geschichte  der  Yorker  Erzbischöfe  von  dem  Kantor 
Hugo  bei  James  Raine,  The  historians  of  the  church  of  York  and  its 
archbishops  II,  1886,  p.  151  (vgl.  .Taffe  n.  6669).  CL  ergeben  kleine 
Verbesserungen  des  Textes,  wie  auch  bei  dem  nächsten  Brief.  6)  Gelasius 
an  Radulf  von  Canterbury;  gedruckt  bei  Raine  II,  151  f  nach  Hugo  und 
einer  anderen  Abschrift  im  Registrum  Magnum  Album  des  Yorker  Dom- 
kapitels (nicht  bei  Jafie).  7)  Vgl.  Wilhelm  V,  432  (a.  a.  O.) :  'Tunc, 
id  est  anno  dominicae  incarnationis  millesimo  centesimo  nono- 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    II.  397 

Quae  ^  sanctorum  patruni careant  Christiana.  Amen. 

Damit  schliesst  die  Hs.  C;  der  Text  erstreckte  sich 
nie  weiter,  mehr  als  die  Hälfte  der  Seite  280  und  die 
Rückseite  des  Blattes  sind  unbeschrieben. 

Die  besprochene  Papstgeschichte  ist  eine  Kompilation, 
die  aus  recht  verschiedenen  Teilen  zusammengesetzt  ist. 
Dies  gilt  schon  von  dem  Liber  Pont,  selbst;  drei  Texte 
sind  hier,  wie  sich  gezeigt  hat,  an  einander  und  mit 
einzelnen  Lesarten  in  einander  geschoben  worden :  bis  zu 
Benedikt  II.  (t  685)  bildet  eine  Hs.  der  2.  Klasse,  dann 
bis  zu  Konstantin  (f  715)  eine  der  1.  die  Grundlage,  um 
ihrerseits  durch  einen  Text  der  3.  Klasse  abgelöst  zu 
werden,  der  von  Zacharias  an  nur  mehr  im  Auszug  mit- 
geteilt wird.  Bei  Stephan  II.  tritt  neben  den  Liber  Pont., 
seit  Hadrian  I.  an  seine  Stelle  ein  Papstkatalog,  der  durch 
mancherlei  Zusätze  erweitert  und  namentlich  in  seinem 
letzten  Teil,  von  Gregor  VII.  an,  zu  einer  kleinen  Papst- 
geschichte erzählenden  Charakters  ausgestaltet  ist,  um 
mit  den  Beschlüssen  des  Eeimser  Konzils  von  1119  zu 
enden.  Zu  diesen  Hauptquellen  der  Hs.  tritt  dann  eine 
Fülle  von  Texten  anderer  Art,  von  denen  noch  einmal  die 
mit  der  Grabschrift  Johannes'  VII.  (f  707)  endende 
Sammlung  christlicher  Inschriften  Roms  neben  der  Menge 
von  Papstbriefen  hervorgehoben  sei.  Unsere  Hs.  ist 
mindestens  zum  grossen  Teil  nicht  die  Urschrift  der  Kom- 
pilation ;  wenn  der  Schreiber  von  C  bei  Paschalis  IL 
erklärt,  er  lasse  dessen  Eid  bei  Seite,  weil  er  ihn  bereits 
'in  magna  Cronica'  abgeschrieben  habe,  und  er  verzichte 
ebenso  auf  eine  Wiederholung  der  an  anderem  Ort  wieder- 
gegebenen Briefe  des  Papstes  -,  so  bekundet  er  damit,  dass 
er  wenigstens  gegen  Ende  des  Textes  sich  wesentlich  auf 
das  Abschreiben  einer  einzigen  Vorlage  beschränkt  hat, 
und  erste  Niederschrift  ist  nicht  einmal  der  allerletzte 
Teil.  VV^enn  es  dort  von  dem  1119  in  Cluny  erhobenen 
Calixt  IL  heisst,  er  sei  'a  Transalpina  ecclesia'  erwählt 
worden,  so  hat  unzweifelhaft  ein  Italiener  diese  Worte  ge- 


decimo,  cardinales,  qui  cum  Gelasio  venerant,  simulque  omnis  ecclesia 
Cisalpina  Guidonem  ar chiepiscopum  Viennensem  in  papain 
grandi  paratu  levantes  Calixt  um  vocarunt.  —  —  Nee  ille  credulos 
spei  effectu  exinaniens,  mox  concilio  Remis  celebrato,  investitos  vel 
investiendos  a  laieis  ab  ecolesiis  removit'.  1)    Beschlüsse  des  Reimser 

Konzils  von  1119  (Mansi  XXI,  235  f. ;  SS.  XII,  426,  47  —  427,  21  = 
Libelli  de  lite  in,  27,  8-31;  SS.  XX,  74,  48  —  75,  14;  vgl.  SS.  XIII, 
158,  4.  XXVII,  428,  44  ff.).        2)  Vgl.  S.  395. 

26* 


398  Wilhelm  Levison. 

schrieben ;  wie  ein  Bewohner  Englands  sagen  musste,  wenn 
er  die  Quellen  nicht  einfach  abschrieb ,  sondern  dem 
eigenen  Standpunkt  anpasste,  zeigt  Wilhelm  von  Malmes- 
bury,  der  die  Wähler  von  Calixt  als  'ecclesia  Cisalpina' 
bezeichnet  hat  ^.  Wilhelm  hat ,  so  ergab  sich ,  von 
Stephan  II.  an  Vorlagen  unseres  Kompilators  gekannt, 
den  Papstkatalog  samt  Einschiebseln  urkundlichen  und 
erzählenden  Charakters '^ ;  ja  er  beruft  sich  für  eine  Einzel- 
heit unserer  Quelle  einmal  ausdrücklich  auf  einen  'alten' 
Band,  'ubi  omnium  apostolicorum  nomina  continebantur  et 
anni' ^,  und  ebenso  führten  die  drei  dem  Breviarium  Alarici 
entnommenen  Stücke  in  den  Kreis  Wilhelms,  der  eine  ver- 
wandte Hs.  derselben  ßechtsquelle  abgeschrieben  hat*. 
Aber  nicht  nur  der  Vergleich  mit  Wilhelm  war  zu  ziehen, 
wichtiger  noch  für  die  Erkenntnis  der  Quellen  von  C  ist 
die  Heranziehung  einer  zweiten  Komj^ilation  auf  der  Grund- 
lage des  Liber  Pont.,  der  bereits  mehrfach  erwähnten  und 
zuletzt  schon  benutzten  Hs.  L,  die  von  Stephan  II.  an 
durchweg  die  gleiche  Vorlage  wiedergibt  wie  C  und  zudem 
vollständiger,  als  es  dort  geschehen  ist.  Jene  urkundlichen 
Texte,  die  C  nach  ausdrücklicher  Erklärung  bei  Paschalis  II. 
gestrichen  hat,  hat  L  uns  erhalten.  So  empfiehlt  es  sich, 
zunächst  zum  ergänzenden  Vergleich  die  andere  Hs.  zu 
betrachten ;  erst  wenn  sie  es  ermöglicht  hat,  die  Vorlagen 
von  C  und  L  genauer  zu  erkennen  und  abzugrenzen,  erst 
dann  wird  man  sicherer  wieder  der  Frage  näher  treten 
können,  ob  der  Schreiber  von  C  ein  blosser  Abschreiber 
gewesen  ist  oder  ob  ihm  wenigstens  ein  Rest  eigener 
geistiger  Arbeit,  wenn  auch  nur  des  Kompilierens,  ver- 
bleibt, und  erst  dann  wird  man  am  besten  auch  die  Frage 
aufwerfen,  ob  die  Person  von  C  sich  näher  bestimmen 
lässt,  der  ja  auch  eine  'magna  Cronica'  für  sich  in  An- 
spruch nimmt. 

London    Harley    n.    633. 

Die  Hs.  des  Britischen  Museums  Harley  n.  633,  ein 
Foliant  von  90  oder  genauer  92  Blättern ,  da  zwei  un- 
beschriebene Blätter  zwischen  fol.  71  und  72  nicht  mit 
Ziffern  bezeichnet  sind,  ist  in  der  2.  Hälfte  des  12.  Jh.  in 
England  von  einer  Hand  geschrieben  worden  5.  Im  16.  Jh. 
gehörte  sie  einem  Mitglied  der  namentlich  in  der  Gegend 


1)  Vgl.  S.  396,  Anm.  7.  2)  Vgl.  die  Anmerkungen  zu  S.  381—396. 
8)  Vgl.  S.  389,  Anm.  1.  4)  Vgl.  S.  374.  5)  Herr  J.  P.  Gilson  von 
der  Handschriftenabteilung  des  Britischen  Museums,  dem  ich  für  manche 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  399 

von  York  ansässigen  Familie  Stapelton,  wie  zwei  wohl 
dieser  Zeit  entstammende  Eintragungen  von  verschiedener 
Hand  zeigen,  auf  dem  Vorsetzblatt:  'liber  Briani  Stapletoni', 
und  eine  wahrscheinlich  etwas  ältere  Bemerkung  am  Ende 
des  Bandes  fol.  90':  'Briani  Stapletoni  liber';  demselben 
Manne  gehörte  auch  eine  Hs.  von  Gregors  I.  Cura  pasto- 
ralis,  jetzt  die  Hs.  derselben  Bibliothek  Stowe  n.  32,  in 
die  sein  Name  fol.  1  von  derselben  Hand  wie  am  Anfang 
unserer  Hs.  eingetragen  worden  ist  ^.  Da  der  Name  Brian 
in  der  Familie  um  jene  Zeit  mehrfach  begegnet  ^  lässt 
sich  die  Person  des  Eigentümers  kaum  genauer  bestimmen ; 
den  Besitz  einer  Geschichte  der  Päpste  möchte  man  wohl 
einem  so  eifrigen  Anhänger  des  Katholizismus  wie  dem 
siebenten  Brian  Stapilton  of  Carltou  (1534  —  1606)  zu- 
schreiben '^,  doch  reicht  eine  solche  Erwägung  natürlich 
nicht  zum  Beweise  aus*.  Die  Hs.  ist  später  in  den  Besitz 
des  bekannten  Sammlers  und  Antiquars  Sir  Simonds 
D'Ewes  (1602 — 50)-^  gelangt;  nicht  nur  passt  die  Angabe 
über  den  Inhalt  einer  seiner  Hss.  in  deren  schriftlichem 
Verzeichnis  (Harlej  n.  775,  fol.  5')  auf  unseren  Codex: 
'Gesta  Pontiff.  Romanorum  a  scto  Petro  ad  Anacletum', 
noch  deutlicher  ist  die  Beschreibung  der  Hss.  seines 
Enkels  durch  Bernard*',  wie  denn  überhaupt  zahlreiche 
Bände  aus  seiner  Sammlung,  die  1705  von  ßobert  Harley 
erworben  wurde,  sich  heute  unter  den  Harleiani  nach- 
weisen lassen,  nur  dass  es  für  n.  633  an  einem  bestimmten 
äusseren  Anhalt  fehlt.  Das  Wort  'papa'  ist  darin  an  vielen 
Stellen  ausradiert  oder  durchstrichen  worden,  offenbar  in 
der  Zeit  der  Eeformation. 

Die  Hs.  (L)  gliedert  sich  nach  dem  Inhalt  in  drei 
Teile,  deren  letzter  (fol.  72  —  89)  hier  nicht  weiter  in  Be- 
tracht   kommt;    er    enthält   die    drei    falschen   Briefe    des 


Gefälligkeit  zu  danken  habe,  hielt  Entstehung  des  Codex  im  nördlichen 
England  für  wahrscheinlich.  —  lieber  die  Hs.  vgl.  Catalogue  of  the 
Harleian  manuscripts  in  the  British  Museum  I,  392  und  die  kurze 
Notiz  im  Archiv  VIT,  79.  1)  Vgl.  Catalogue  of  the  Stowe  Mss.  in  the 
British  Museum  I,  1895,  S.  21.  Ich  habe  mich  selbst  von  der  Grleichheit 
der    Schrift    überzeuot.  2)    Vgl.    H.    E.    Chetwynd -  Stapylton ,    The 

Stapeltons  of  Yorkshire,  London  1897.  3)  Vgl.  über  ihn  eb.  S.  159  flf. 
4)  Die  Verfasser  des  Katalogs  der  Stowe -Hss.  (vgl.  Anm.  1)  denken 
zweifelnd  an  Sir  Brian  Stapleton  aus  der  Grafschaft  Sufiblk  (f  1519), 
eine  Annahme,  die  dadurch  empfohlen  wird,  dass  der  in  derselben  Gegend 
ansässige  D'Ewes  später  die  Hs.  besessen  hat.  5)  Vgl.   Jessopp,  Dic- 

tionary  of  National  Biography  XIV,  450  ff.  6)  Catalogi  librorum  mss. 
Angliae  II,  1697,  p.  387  über  n.  97  (9957) :  'Gesta  pontificum  Roma- 
norum a  S.  Petro  usque  ad  Anacletum.  Epistolae  et  decreta  Clementis 
papae  Rom.'. 


400  Wilhelm  Levison. 

Clemens,  Jaffe,  Eeg.  1%  n.  10  —  12  (Hinschius,  Decretales 
Pseudo-Isidorianae  p.  30  —  60).  Die  beiden  anderen  Teile 
stehen  in  enger  Beziehung  zu  einander,  ein  Papstkatalog 
(fol.  1 — 2)  und  —  nach  drei  freigelassenen  Seiten  —  der 
Liber  Pontificalis  (fol.  4 — 71).  Der  Katalog,  den  ich  in 
der  Folge  wie  bereits  oben  mit  K  bezeichne,  beginnt  ohne 
Ueberschrift : 

I.  Beatus  Petrus  apostolus  Antiochiae  sedit  annos 
VII,  Komae  annos  XXV  menses  II  dies  III. 

II.  Linus  sedit  annos  XI  menses  III  dies  XII. 

Er  ist  von  geringer  Bedeutung,  nichts  als  ein  Auszug  aus 
dem  in  L  folgenden  Liber  Pont,  samt  den  Fortsetzungen, 
ein  Auszug,  der  allerdings  nicht  auf  Grund  von  L  selbst 
angefertigt  worden  ist,  sondern  auf  der  Vorlage  beruht, 
da  er  von  einzelnen  Fehlern  des  Textes  L  frei  ist  und 
daher  oben  bei  der  Bearbeitung  von  CL  benutzt  werden 
konnte,  wo  die  wenigen  Abweichungen  angemerkt  sind. 
Er  enthält  nur  den  Namen  und  die  Sessionsdauer  ^  jedes 
Papstes,  meist  durch  das  Wort  'sedit'  verbunden;  ent- 
sprechend der  Vorlage  -  stimmt  auch  dieser  Auszug  von 
Hadrian  I.  an  natürlich  im  wesentlichen  mit  dem  weit 
verbreiteten  Kataloge  überein,  den  Duchesne  II,  p.  XIX 
— XX  an  dritter  und  letzter  Stelle  unter  den  Papstlisten 
des  II.  Jh.  besprochen  hat,  und  zu  dessen  Fehlern,  wie 
ich  erwähnte,  in  CL  noch  neue  in  Namen  und  Zahlen 
hinzugekommen  sind.  Noch  einmal  sei  auf  die  Ver- 
wechslung von  Johann  XVI.  und  Silvester  II.  hingewiesen, 
die  sich  auf  Wilhelm  von  Malmesbury  vererbt  hat: 

C(XL)III.  lohannes,  qui  et  Gerbertus,  sedit  menses  X; 
qui  turpiter  finivit  vitam  suam. 

C(XL)IIII.     Silvester  sedit  ann.  IUI  m.  I  d.  IX. 
Zusätze    zu    der   nackten   Liste    finden   sich    sonst   nur    bei 
Sergius  IV.,  wie  immer  in  den  Hss.  dieser  Kataloggruppe : 

C(XL)VII.     Sergius,    qui  vocatur  Osporo,  sedit  annos 
III.     Suo  quidem  tempore  fuit  pessima  fames, 
und  bei  Gregor  VII. : 

C(LX)I.  Gregorius  septimus,  qui  et  Hildebrandus, 
sedit  annos  XII  mensem  I.  In  cuius  tempore  fuit 
Berengarius, 

wo  die  Bemerkung  auf  den  Akten  der  Römischen  Synode 
von  1079  (oben  S.  392)  beruht.  Ausführlicher  wird  der 
Auszug  aus  L  nur  am  Schlüsse: 


1)  Am  Rande   hat    eine   andere  Hand   einige   abweichende  Zahlen 
(ohne  Wert)  verzeichnet.         2)  Vgl.  oben  S.  380. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  401 

C(LX)V.  Gelasius,  qui  et  lohannes  Gaitanus,  sedit 
annum  I. 

C(LX)VI.  Calixtus,  qui  et  Guido  Viennensis  archi- 
episcopus,  sedit  ann.  VI  m.  X  d.  XV. 

C(LX)VII.  Honorius  secundus,  qui  et  Lambertus 
Hostiensis  episcopus,  sedit  annos  V  menses  II  non  plenos. 
Quo  infirmato ,  sed  adhuc  spirante ,  electus  est  et  con- 
secratus  Gregorius  Sancti  Angeli  diaconus  et  vocatus  Inno- 
centius.  Honorio  autem  iam  defuncto,  electus  est  alter 
Petrus,  filius  Leonis  principis  de  castello  Cresceutis,  et 
vocatus  est  Anacletus. 

Noch  während  des  Schismas  von  Innocenz  II.  und 
Anaklet  II.  ist  die  unmittelbare  Vorlage  von  L  unzweifel- 
haft entstanden  ^.  Das  grössere  Interesse  an  den  Gegen- 
sätzen der  Gegenwart  hat  den  Verfasser  des  Auszugs  ver- 
mutlich veranlasst,  in  den  Schlusssätzen  ein  wenig  von  der 
sonst  eingehaltenen  knappen  Form  des  Katalogs  abzugehen 
und  den  Wortlaut  seiner  Quelle  (unten  S.  413  f.)  in  grösserem 
Umfang  herüberzunehmen.  Seine  Vorlage  selbst  hat  auch 
bei  der  Abschrift  in  L  keine  Fortsetzung  erhalten,  dagegen 
hat  in  K,  wenn  ich  nicht  irre,  noch  derselbe  Schreiber, 
aber  in  gedrängterer  Schrift  und  ohne  die  bis  dahin  nie 
fehlenden  Zahlen  vor  den  Namen  der  Päpste,  also  sicher 
nachträglich,  einige  Zeilen  hinzugefügt,  die  mit  dem  Papst- 
katalog der  Papst-  und  Kaiserchronik  von  Monte  Amiata- 
fast  genau  übereinstimmen  und  unzweifelhaft  auf  dieselbe, 
ursprünglich  bis  1125  reichende  Römische  Vorlage  zurück- 
gehen, auf  der  auch  die  verlorene  Römische  Chronik  von 
S.  Lorenzo  fuori  le  mura^  der  dem  Amiatinus  näher  ver- 
wandte Papstkatalog  des  Cencius'^  und  andere  Quellen 
dieser  Art  beruhen : 

Innocentius,  natione  Romanus,  ex  patre  lohanne  de  regione  Trans- 
Tiberim,  sedit  annos  XIII  menses  VIl  dies  VIII,  et  cessavit  episcopatus 
dies  diios. 

In^  sancti  Clementis  nocte  sanctae  Lateranensis  ecclesie  tectum 
cecidit,  quod  ipse  restaurare  fecit. 


1)  Vgl.  unten  S.  416.  2)    SS.  XXIV,  835.  3)  Vgl.  Holder- 

Egger,  Einiges  zur  Quellenkritik  der  Chronik  Sicards  (N.  A.  XXVI, 
504  ff.,  besonders  S.  510  ff.);  lieber  eine  Römische  Papst-  und  Kaiser- 
Chronik  (eb.  XXVin,  195  ff) ;  SS.  XXXI,  190.  226.  4)  SS.  XXIV, 
106;  Duchesne,  Le  Liber  Pontificalis  II,  p.  XLIII;  Fabre  -  Duchesne,  Le 
Liber  Censuum  I,  330.  5)  Dieser  Satz,  der  bei  Cencius  fehlt,  zeigt  die 
nähere  Verwandtschaft  von  K  und  dem  Catalogus  Amiatinus,  der  die 
Nachricht  zum  Jahr  1140  gibt;  auf  dieselbe  Quelle  geht  der  Catalogus 
Viterbiensis  (SS.  XXII,  351)  zurück.  Ueber  das  Ereignis  berichten  auch 
Boso  und  Johannes  diac.  (Duchesne,  Liber  Pont.  II,  384). 


402  Wilhelm  Levison, 

Celestinus  II.'  sedit  menses  V  dies  XIII. 

Lucius   secundus,   natione  Boloniensis ",    ex   patre  Alberto 
sedit  menses  XI  dies  III  ^. 

Eugenius. 

Anastasitis. 

Adrianus. 

Alexander. 

Lucius. 

Damit  endete  der  Nachtrag  von  erster  Hand,  so  dass 
man  die  Entstehung  der  Hs.  in  die  Zeit  von  Lucius  III. 
(1181  —  85)  setzen  darf;  eine  andere  Hand  hat  noch  den 
Namen  'ürbanus',  eine  dritte  'Gregorius'  hinzugefügt,  über 
Gregor  VIII.  (1187)  hinaus  ist  die  Reihe  nicht  fortgesetzt 
worden.  Das  Exemplar  jener  Chronik,  auf  welches  die 
Angaben  über  Innocenz  II.  und  die  zwei  nächsten  Nach- 
folger zurückgehen,  war  jedenfalls  bald  nach  dem  Tod  von 
Lucius  II.  (1145)  zum  Abschluss  gelaugt;  wir  würden  sonst 
sicherlich  auch  von  den  folgenden  Päpsten  mehr  erfahren 
als  die  blossen  Namen,  zum  mindesten  die  Pontifikatsdauer. 


Von  dem  Katalog  an  der  Spitze  des  Bandes  (K) 
wende  ich  mich  zu  dem  Liber  Pontificalis  selbst  (L),  der 
fol.  4  mit  der  üeberschrift  beginnt :  'Incipit  liber  ponti- 
ficalis, in  quo  continentur  acta  beatorum  pontificum  urbis 
Eome' ;  es  folgen  die  angeblichen  Briefe  des  Hieronymus 
und  Damasus,  dann  die  Biographien  der  Päpste  mit  einer 
zweiten  üeberschrift:  'Gesta  suprascriptorum  pontificum'. 
Die  beiden  Ueberschriften  zeigen,  dass  es  sich  um  einen 
Text  von  Mommsens  zweiter  Klasse  handelt^;  er  endete 
ursprünglich  mit  dem  Leben  Stephans  IL,  hat  aber  bereits 
in  der  Vorlage  ebenso  wie  in  C  eine  Fortsetzung  erhalten, 
die  nicht  mehr  zu  dem  alten  Liber  Pont,  gehört,  der  selbst 
fol.  4  —  43  umfasst.  Dessen  Textgestalt  ist  hier  weit 
leichter  zu  bestimmen  als  bei  0 ,  zu  dessen  Wortlaut 
mindestens  drei  Hss.  verschiedener  Art  beigesteuert  haben. 
Anders  L;  sein  Text  trägt  nach  Ausweis  der  Stichproben, 
auf  die  ich  mich  beschränken  konnte,  einen  einheitlichen 
Charakter;    er   ist   sehr   nahe   verwandt   mit   der   nur   teil- 


1)    Die   gesperrt  gedruckten  Worte   fehlen    im  Amiatinus,   werden 
aber   durch    Cencius   für   die  Vorlage   gesichert.  2)    'Bolonensis'   K. 

3)    Verschrieben    aus    'IUI',    wie   die   verwandten   Kataloge   zeigen ;    vgl. 
Holder  -  Egger,   N.  A.    XXVI,  512.  4)  Vgl.    Mommsen   p.  XII   über 

die  Hss.  ß^.  3. 5.6.7  j)i^  denen  sich  D-  anschliesst. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  403 

weise  erhaltenen  Hs.  der  Pariser  Nationalbibliothek 
n.  2769,  die  im  9.  Jh.  geschrieben  ist  und  wenigstens  seit 
dem  12.  Jh.  der  Kathedralbibliothek  von  Beauvais  gehört 
hat  ^  Wahrscheinlich  geht  L  auf  diese  Hs.  selbst  zurück, 
wenn  auch  mittelbar-,  und  steht  so  der  Gruppe  B^- "^^ '  nahe, 
durch  mancherlei  gemeinsame  Besonderheiten  mit  einem 
Teil  des  aus  Tours  stammenden  Codex  D^  noch  enger  ver- 
bunden ^ ;  für  die  Textkritik  ist  L  natürlich  wertlos,  soweit 
wir  jene  weit  ältere  und  bessere  Hs.  von  Beauvais  noch 
besitzen.  Dies  ist  um  so  mehr  der  Fall,  als  L  manche 
Stücke  des  Liber  Pont,  fortgelassen  hat,  z.  B.  die  für  die 
meisten  Leser  in  der  Tat  nicht  eben  genussreichen  Ver- 
zeichnisse von  Geschenken  und  dergleichen  im  Leben  von 
Silvester,  Damasus,  Lmocenz  I.  und  anderen  Päpsten;  aber 
auch  minder  eintönige  Abschnitte  sind  gestrichen,  so  bei 
Johannes  III.  (Mommsen  p.  157,  8  —  158,  13)  und  Gregor  IL 
(Duchesne  p.  405,  15  —  410,  10),  und  es  ist  dem  Schreiber 
dabei  wohl  begegnet,  dass  er  im  Leben  Konstantins 
(Mommsen  p.  225,  12)  eine  Inhaltsangabe  'De  consecratione 
Ticin ensis  ^cclesiae'  aus  seiner  Vorlage  übernahm,  obgleich 
er  den  zugehörigen  Text  unterdrückt  hatte  (p.  225,  1 — 11) 
und  die  Worte  daher  in  L  keinen  Sinn  haben. 

Noch  weniger  als  bei  C  ist  es  so  ein  Verlust  für  die 
früheren  Herausgeber  des  Liber  Pont,  gewesen,  dass  ihnen 
L  unbekannt  geblieben  ist.  Grösseres  Interesse  verdient 
auch  diese  Hs.  nur  wegen  der  Zusätze,  die  hier  mit  der 
alten  Papstgeschichte  verbunden  sind.  Freilich  bis  ins 
8.  Jh.  hinab  kann  L  sich  mit  C  in  dieser  Hinsicht  nicht 
messen.  Bis  zum  Ende  des  eigentlichen  Liber  Pont,  fand 
ich  einige  Einschiebsel  aus  Bedas  Historia  eccL,  die  ich 
nicht  genauer  verzeichnet  habe,  und  drei  grössere  Zusätze, 
von  denen  sich  zwei  schon  durch  die  wenig  passende 
Stellung  als  solche  verraten: 

1)  Fol.  11'  hinter  dem  Leben  von  Innocenz  I.  (nach 
p.  90,  23  'dies  XXII')  ein  Stück  aus  dem  viel  überlieferten^ 
Briefe  des  Papstes  Zosimus  an  Hesychius  von  Salona 
(Jaffe  12,  n.  339): 


1)  Vgl.  Duchesne  p.  CXCIII.  Ich  verdanke  die  Lesarten  dieser 
nicht  versendbaren  Hs.  der  stets  gleichen  Hilfsbereitschaft  von  Herrn 
Professor  H.  Lebegue   in  Paris.  2)   Eine   im  11.  Jh.    in  Beauvais  an- 

gefertigte Hs. ,  die  auf  dieselbe  Abschrift  des  Parisiensis  zurückzugehen 
scheint  wie  L,  ist  der  ebenfalls  nur  in  Bruchstücken  erhaltene  Leidener 
Codex  Vulcanii  n.  58  (D-);  vgl.  eb.  CXCIV;  Mommsen  p.  XC;  oben 
S.  341,    Anm.  2.  3)    Vgl.    Duchesne   p.   CXCIV;    Mommsen    p.   XC. 

4)  Vgl.  Maassen  a.  a.  0.  S.  249  f.  (n.  9). 


404  Wilhelm  Levison. 

Epistola    eiusdem. 
Igitur  si   quid    auctoritati   tuae,    quod    noii    opinamur 
—  —  divini  rudimenta  servitii  (Hinschius  a.  a.  O.  p.  553, 
col.  1,  1.  24—40  des  1.  Kapitels). 

2)  Fol.  19' — 20  nach  dem  Leben  Gregors  I.  (nicht 
des  Zweiten,  wie  man  nach  der  üeberschrift  erwarten 
sollte)  hinter  den  Worten  p.  162,  14  'episcopatns  m.  V 
d.  VII'  (!)  folgt  ein  Teil  der  Akten  der  Komischen  Synode 
von  721,  die  zweite  Hälfte  der  Rede  des  Papstes  und  die 
ersten  12  Canones: 

Concilium    beati    Gregorii    innioris. 

Deo  vero  favente,  sollicitudine  nimia  —  —  frutectis 
sordescat.  Si  quis  presbiteram  —  - —  filacteriis  usus  fuerit, 
anatbema  sit.  Et  responderunt  omnes  tertio:  Anathema 
Sit  (Mansi  XII,  262,  28  —  263,  3  und  263,  23  —  264,  16; 
Hinschius  p.  754,  col.   1,  5  —  23  und  col.  1,  42  —  2,  24). 

Dieselben  Akten  begegneten  vollständiger  in  C  (oben 
S.  378). 

3)  Fol.  23  —  23'  sind  nach  dem  Leben  Martins  I. 
(hinter  p.  184,  8  'Depositio  eins  celebratur  XV.  Kl.  Octob.') 
die  Kapitel  26,  23,  43  und  1  der  kleinen  Canones- 
Sammlung  des  Bischofs  Martin  von  ßraga  ^  eingefügt,  die 
in  Folge  der  Aufnahme  in  die  Hispana  und  die  Sammlung 
Pseudo  -  Isidors  viel  benutzt  worden  ist  und  auch  sonst 
mitunter  irrtümlich  dem  gleichnamigen  Papste  zuge- 
schrieben wird : 

In    exceptis    Martini. 
Si  quis  viduam  —  —  communionem   recipiat    {c.  26). 

Excepta    Martini. 
Penitens  tantum  —  ■ — ■  altario  reconciliatus  {c.  23). 

Ex    epistola    Martini. 
Lector  si  viduam  —   —  bigamus  fuerit  (c.  43). 
De    electione    episcopi    excepta    Martini. 
Non    liceat    electionem    facere    —    —    vita    edoctns 
est  [c.  1). 

Die  geänderte  Folge  der  Kapitel  (Hinschius  a.  a.  O. 
p.  430.  429.  431.  428)  macht  es  wahrscheinlich,  dass  L 
nicht  die  vollständige  Sammlung  Martins  benutzt  hat,  auch 
nicht  Pseudo -Isidor,  sondern  dass  die  Kapitel  einer 
späteren  Canones -Sammlung  entnommen  sind,  in  die  sie 
einzeln  an  verschiedenen  Stellen  eingereiht  waren. 


1)  Vgl.  Maassen  a.  a.  0.  S.  802  ff. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  405 

Der  alte  Liber  Pont,  schliesst  in  L  mit  dem  Leben 
Stephans  II.  (f  757),  wie  denn  auch  jene  Hs.  ans  Beauvais 
(samt  ihrer  2.  Abschrift  T>~)  nnd  die  verwandten  Texte 
ßö.  0. 7  (Iqj.^  enden.  Als  Fortsetzung  diente  bereits  in  der 
Vorlage  von  L  dieselbe  Kompilation,  die  uns  in  C  (von 
715  an)  erhalten  ist,  eine  Hs.  der  Klasse  E  des  Liber 
Pont.,  der  von  Zacharias  an  nur  mehr  im  Auszug  wieder- 
gegeben und  zuerst  bei  Stephan  IL,  dauernd  von  Hadrian  I. 
an  durch  den  S.  380  ff.  besprochenen  Papstkatalog  mit 
seinen  Erweiterungen  ergänzt  worden  war.  In  L  ist  diese 
Kompilation  erst  von  Stephan  IL  an  benutzt  worden.  An 
den  vollständigen  Text  von  dessen  Vita  schliessen  sich 
hier  jene  beiden  anderen  Darstellungen  seines  Lebens  an, 
das  so  in  L  dreimal  behandelt  ist,  nur  dass  die  kleine 
Vita  des  Katalogs  (mit  dem  von  Hilduin  erfundenen  Briefe) 
hier  in  umgekehrter  Folge  ohne  Absatz  an  den  xiuszug 
des  Liber  Pont,  angefügt  ist,  während  sie  in  C  vorausgeht. 
Es  folgen  dann  wie  dort  der  Auszug  aus  dem  Leben 
Pauls  I.  und  dessen  Brief  an  Egbert  von  York  sowie  die 
verkürzte  Vita  Stephans  IIL  Während  aber  dann  C  mit 
Hadrian  1.  sogleich  endgültig  sich  jenem  Katalog  zu- 
wendet, gibt  L  zuerst  noch  einen  ausführlichen  Auszug 
des  Liber  Pont,  über  das  Leben  Hadrians,  der  entsprechend 
jenen  verkürzten  Viten  von  Zacharias  bis  Stephan  III. 
unzweifelhaft  zur  Vorlage  von  CL  gehörte,  obgleich  er  in 
C  unterdrückt  worden  ist^  Erst  dann  geht  L  zu  dem 
über  Hadrian  handelnden  kleinen  Abschnitt  des  Katalogs 
über  und  folgt  nun  gleich  C  dieser  Quelle  bis  zu  ürban  IL, 
indem  sein  Text  weit  besser  ist  als  der  des  überaus  nach- 
lässigen Schreibers  von  C.  So  kann  die  Zusammensetzung 
von  L  vom  Ende  des  eigentlichen  Liber  Pont,  bis  zu 
Urban  im  Hinblick  auf  die  entsprechenden  Stücke  von  C 
durch  eine  kurze  Uebersicht  veranschaulicht  werden,  indem 
ich  von  dem  Ende  der  vollständigen  Vita  Stephans  IL 
(fol.  4.3)  ausgehe : 

—  —  et  cessavit  episcopatus  mens.  I  dies  V. 

Item    undesupra.      GestaStephani    papae. 
Stephanus-    natione    —   —    episcopatus   dies  XXXV  (fol.  43  —  44';. 
Hie "  pertesus  —   —   planum  faciet  (fol.  44'^. 

Epistola    Stephani    papae. 
Stephanus*  episcopus appellari  fecit  (fol.  44' — 45'^. 


1)  Der  Text  ist  auch  wie  bei  Stephan  II.  aus  Eiuhard  erweitert. 
2)  Auszucr  des  Lib.  Pont,  (oben  S.  .382  f.).  3)  Katalog  (oben  S.  381f.). 
4)  Hilduin  (eb.  S.  382). 


406  Wilhelm  Levison. 

XCV. ^     Gesta    Pauli    papae. 
Paulus-  ex  patre  —  —  promereberis  vitam  (fol.  45' — 46'^. 

XCVI.      Gesta    Stephan!    pape. 

Stephanus^  natione  —  —  episcopatus  dies  IX  (fol.  46'  —  48^. 

XCVII.  Gesta  Adrian  i  papae. 
Adrianus*,  natione  Romanus,  ex  patre  Theodoro,  de  regione  Via 
Lata,  sedit  ann.  XXIII  menses  X  diebus  XVII.  Vir  valde  praeclarus  et 
nobilissimi  generis  et  potentissimis  —  —  —  Et  ^  erat  buiusmodi 
causa.  Pipino  rege  Fraucorum  et  patricio  Romanorum,  ut 
supra  dictum  est^,  defuncto,  filii  eius  Karlomannus  et 
Karolus  regnum  inter  se  diviserunt.  Sed  Karlomanno 
post  bienuium  defuncto,  Karolus,  qui  postea  Magnus  dictus 
est,  totum  regnum  accepit  ^.  Tunc  uxor  Carolomanni  et  filii 
eius  ad  Desiderium  confugerunt.  Qui  volens  Francos  inter  se 
dividere  et  papam  ab  amicitia  Karoli  dividere,  mandavit  ei,  ut 
veniret  et  filios  Karlomanni  in  reges  Francorum  ungeret.  Nam  et 
Karolo  privatim  adversabatur,  quia  filiam  suam  repudia- 
verat  ^.  Respondit'  pontifex  se  cum  eo  loqui  non  posse,  qui 
patrimonia  abstulisset  gcclesiae;  si  redderet,  continuo  se  ven- 
turiim.  Interea  dum  Paulus  —  —  —  consummato  cursu  feliciter 
migravit  ad  Dominum  sepultusque  est  in  gcclesia  beati  Petri  VII. 
Kl.  lan. ,  indictione  quarta ,  anno  incarnationis  dominice 
DCCXCVI  ^^.  Qui  etiam  fecit  ordinationes  duas  mense  Martio, 
XXIIII  presbiteros ,  diac.  VII ,  episcopos  per  diversa  loca  CLXXXV 
(fol.  48  —  55^.  Cuius  obitum  audiens  Carolus  rex  Francorum 
non  minus  luxit  quam  fratrem  carissimum  ^^  multasque^^ 
elemosinas  fecit,  non  quo  dubitaret  eius  beatissimam 
animam  in  requie  esse,  sed  quo  affectum  ostenderet  in 
amicum  carissimum.  Eius  enim  donis  multis  et  maximis 
tanta  opera  fecit  beatus  pontifex.  Nicbil  quippe  magis 
curavit  Carolus  rex  precellentissimus,  quam  ut  suo  labore 
suaque  largitione  urbs  Romana  et  ^cclesia  beati  Petri  in 
antiquum  statum  reformaretur,  sicut  in  Vita  eiusdem  Caroli 


1)  Die  Hs.  hat  irrtümlich  'XCII'.  2)  Auszug  des  Lib.  Pont,  und 
Brief  an  Egbert  (oben  S.  383).  3)  Auszug  des  Lib.  Pont.  (eb.  S.  384). 
4)    In    C    fehlender  Auszug   des  Lib.  Pont.  5)    Duchesne   p.  488,  19. 

6)  Im  Leben   Stephans  III.    c.  17   (eb.   p.  473).  7)    Das  Einschiebsel 

beruht  auf  Einhards  Vita  Karoli  c.  3  (a.  a.  0.  p.  5).  8)  Aus  Einhard 
c.  18  (S.  19).  9)  Duchesne   p.  488,  12.  10)  Statt  795,  indem  der 

Jahresanfang   auf  Weihnachten   gesetzt   ist.  11)    Aus   Einhard   c.   19 

(S.    21).  12)    Der  Rest   des   Satzes   beruht   auf   dem    Brief   Karls    an 

König  Offa  (MG.  Epist.  IV,  146),  dessen  entsprechenden  Teil  der  Kom- 
pilator  aus  dem  CL  gemeinsamen  Papstkatalog  kannte,  mit  welchem  der 
Wortlaut  des  Briefes  auch  in  L  nach  wenigen  Zeilen  teilweise  mitgeteilt 
wird  (vgl.  oben  S.  385). 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  407 

legitur  ^.      Huius '    temporibus    quia    Longobardi    —    —    —    —    cum 
parrochiarura  vestrarum  abbatibus  (fol.  55'  —  62^. 

Von  Pascbalis  II.  an  bedarf  L  wieder  einer  ge- 
sonderten Betrachtung.  Der  Schreiber  von  C  hat  bei 
diesem  Papst,  wie  er  ausdrücklich  erklärt  (oben  S.  395), 
den  ihm  von  Heinrich  V.  1111  abgeforderten  Eid  und  eine 
Anzahl  von  Briefen,  die  sich  in  der  Vorlage  fanden,  aus- 
gelassen, nachdem  er  bereits  die  Anfangsworte  abge- 
schrieben hatte,  die  er  dann  tilgte;  L  bietet  hier  eine 
erwünschte  Ergänzung,  da  diese  Hs.  die  in  C  fehlenden 
Stücke  unverkürzt  aufgenommen  hat.  Freilich  ganz  un- 
verändert gibt  auch  L  die  Vorlage  nicht  wieder ;  von 
Paschalis  II.  an  wird  eine  andere,  etwas  ausführlichere 
und  weiter  reichende  Papstgeschichte  in  die  CL  gemein- 
same Quelle  hineingeschoben,  allerdings  ganz  äusserlich, 
so  dass  je  zwei  Viten  von  Paschalis  und  Gelasius  II.  neben 
einander  gestellt  sind,  die  sich  ohne  Schwierigkeit  von  ein- 
ander scheiden  lassen.  Auch  die  zweite  Quelle  ist  unbekannt 
und  verdient  eine  Veröffentlichung  als  ein  weiterer  Ver- 
such des  12.  Jh.  zur  Neubelebung  der  Papstbiographie. 
Ich  lasse  daher  den  Schluss  von  L  von  fol.  62  an  folgen, 
indem  ich  für  die  CL  gemeinsamen  Abschnitte  auf  den 
S.  395  f.  mitgeteilten  Text  verweise. 

Gesta    Paschalis    secvindi. 

164.  Paschalis,  qui  et  Reinerius,  natione  Italus  ex 
provintia  Valeria,  ex  oppido  Bleva  ^,  patre  Crescentio,  sedit 


1)  Einhard  c.  27  (S.  28).  2)  Es  folgt  der  oben    S.  384  —  395 

herausgegebene  Papstkatalog  von  Hadrian  I.  Ins  zum  Schreiben  Urbans  II. 
an  Manasse  von  Reims.  3)  Die  übrigen  Nachrichten  über  die  Heimat 
von  Paschalis  II.  stimmen  mit  L  nicht  überein.  Petrus  Guill^rmus 
(Duchesne  II,  296)  beginnt:  'Paschalis,  qui  et  ßanierius  antea  vocabatur, 
natione  Flamm ineae  provintiae ,  B  1  e d e  patrie ',  und  ebenso  setzen 
die  Annales  Romani  (eb.  p.  346 ;  SS.  V,  478)  die  Heimat  in  die  Romagna : 
'Paschalis,  natione  Ravenne,  de  oppido  quod  vocatur  Galliata', 
heute  Galeata  am  oberen  Ronco  im  Süden  von  Faenza  und  Forli.  Boso 
(Duchesne  II,  369)  fand  in  seineu  Quellen  dieselben  Ortsnamen: 
'Paschalis  II.,  natione  Tuscus,  ex  comitatu  Galliace,  oppido 
Bleda',  wobei  Duchesne  (eb.  p.  306  und  XLI)  'Tuscus'  aus  einer  Ver- 
wechslung mit  dem  Städtchen  ßieda  im  Süden  von  Viterbo  erklärt, 
während  A.  Gheno  (Rivista  del  CoUegio  Araldico  III,  1905,  p.  217  f.) 
das  Dasein  eines  Fehlers  bestreitet  und  eine  alte  Burg  Bleda  in  der 
Gegend  von  Galeata  nachweist,  die,  im  Apennin  im  Grenzgebiet  von 
Toscana  und  der  Romagna  gelegen,  damals  den  Markgrafen  von  Tuscien 
gehört  habe.  Die  von  L  ausgeschriebene  Quelle  nennt  den  Ort  mit  einer 
unbedeutenden    Abweichung    'Bleva',    verlegt   ihn    aber    in    die    Provinz 


408  Wilhelm  Levison. 

annos  XVIII  mense  uno  ^  diebus  VII.  Hie  fuit  vir  magne 
fidei  magneque  constantie  et  mire  religionis  immenseque 
patientie,  compositis  moribns.  Hie  cleruin  amavit  et 
honoravit;  paeem  Urbi  reddidit,  possessioiies  Romane  §c- 
clesiae  reeuperavit.  Hie  ^celesiam  IUI  Coronatorum  a 
fundamentis  reedifieavit  -  et  in  ea  monachos  constituit  ^. 
Ordinavit  et  per  alias  §celesias  in  Urbe  viros  religiöses  et 
sanctimoniales  *,  quos  suis  cotidie  sumptibus  sustentabat. 
Fecit  autem  ordinationes  diversis  temporibus,  presbiteros 
plus  minus  XL,  diac(onos)  XXX,  episeopos  per  diversa 
loca  CXL^  Hie  post  persecutionem  ortam  in  civitate,  de 
qua  alias  dictum  est*",  sequenti  fere  transacto  anno,  devo- 
tionem,  fidem,  bonestatem  corporis  usque  ad  exitum  vitae 
constantissime  retinens ,  in  porticu  sancti  Petri  ^  apud 
Naumachiam  "^  inter  manus  cardinalium  ^,  filiorum  suorum, 
XI.    Kl.    Feb.    feliciter    migravit    ad    Dominum.      In    eins 


Valeria,  also  in  den  Osten  von  Rom  bis  über  Aquila  und  den  Fuciner 
See  hinaus  (vgl.  Jung,  Organisationen  Italiens  von  Augustus  bis  auf 
Karl  den  Grossen,  Mittheilungen  des  Instituts  für  Oesterreich.  Geschichts- 
forschung, Ergänzungsband  V,  17),  wo  ich  einen  Ort  dieses  Namens  nicht 
nachzuweisen  vermag ;  vermutlich  liegt  eine  Verwechslung  in  dem  Namen 
der  Provinz  vor.  —  In  Bezug  auf  den  Vater  Crescentius  stimmen  die 
genannten  Quellen  mit  L  überein.  1)  Vielmehr  5  Monate.  2)  Die 

Weihe  fand  1116  statt;  vgl.  Petrus  Guillermus  a.  a.  0.  p.  305  (vgl. 
Duchesne   p.   310;    Kehr,    Italia   pontificia   I,  41).  3)   Vgl.    Paschalis' 

Urkunde  vom  21.  Mai  1116  (Kehr  a.  a.  0.  n.  5;  Nachrichten  der  Göt- 
tinger Gesellschaft  der  AVissenschaften  1898,  S.  379).  4)  Dies  steht 
urkundlich  fest  für  Sant'  Agnese  (Kehr,  Italia  pontif.  I,  159,  n.  2;  Göt- 
tinger Nachrichten  1900,  S.  155).  5)  Petrus  Guillermus  (a.  a.  0. 
p.  305) :  'Qui  beatissimus  quam  plures  fecit  ordinationes  per  diversos 
menses,  presbyteros  L,  diaconos  XXX,  ei^iscopos  numero  G\  6)  Es 
handelt  sich  um  den  Aufstand,  der  wegen  der  Besetzung  der  Stadt- 
präfektur  im  April  1116  gegen  Paschalis  in  ßom  ausbrach,  und  dessen 
Teilnehmer  im  Frühling  1117  mit  Heinrich  V.  bei  seinem  zweiten 
Romzug  in  Verbindung  traten.  Davon  wird  hier  nirgendwo  erzählt;  der 
Kompilator  von  L  hat  die  Worte  'de  qua  alias  dictum  est'  also  entweder 
gedankenlos  aus  der  Vorlage  übernommen,  obgleich  er  den  entsprechenden 
Bericht  bei  Seite  Hess,  oder  er  hat  die  'persecutio'  auf  die  Gefangen- 
nahme des  Papstes  durch  Heinrich  V.  im  Jahre  1111  bezogen,  die  in  der 
CL  gemeinsamen  Quelle  (oben  S.  395)  kurz  berichtet  wird,  deren  Worte 
sich  in  L  unmittelbar  anschliessen  (vgl.  unten  S.  411  bei  Gelasius  II. :  'de 
qua  superius  dictum  est').  7)  Acht  Tage  vor  seinem  Tode  gelang 
Paschalis  die  Rückkehr  'Romam  in  porticum'  (Petrus  Guillermus  p.  305), 
d.  h.  in  die  Leostadt,  wie  Duchesne  p.  310  erklärt;  ein  Brief  des  Papstes 
an  Wido  von  Chur  ist  am  19.  Januar  1118  'in  porticu  beati  Petri'  aus- 
gestellt (Jaffe  I-,  n.  6630).  8)  Die  Gegend  zwischen  dem  Vatikan  und 
der  Engelsburg;  vgl.  Duchesne,  Liber  Pont.  II,  47  und  Vaticana  (Melanges 
d'archeologie  et  d'histoire  XXII,  1902,  p.  9  ff.);  Jordan  und  Huelsen, 
Topographie  der  Stadt  Rom  I,  3,  1907,  S.  660  f.  9)  'Convocatis 
patribus'  Petrus  Guillermus  p.  305. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  409 

morte  tanta  subito  Urbis  immutatio  facta  est,  ut  universus 
clerns  et  populus  ad  eius  exequias  miserabili  lacrimatione 
concurrerent''^,  qui  adversarii  fuerant,  veniam  postulantes, 
et  qui  fideles,  eius  se  patrocinio  committentes.  Mox  etiam 
illud  venerabile  corpus  arripientes  per  mediam  ürbem 
usque  ad  Lateranum  gloriose  detulerunt^.  Cumque  in 
ecclesia  Salvatoris  illud  deposuissent,  infirmus  quidam 
toto  corpore  contractus,  per  mediam  circumstantium 
coronam  reptans,  deosculatis  pedibus  beati  viri  statim 
erectus  et  sanatus  est.  Tunc  ad  Dominum  omnium  clamore 
sullato^  et  exequiis  sollempniter  celebratis,  sepultus  est  ad 
dexteram  altaris  ^  in  alabastro  pulcherrimo.  Et  cessavit 
episcopatus  duos  dies. 

Hie  ^  primis  annis  —  —  papam  cepit  et  hoc  sacramentum  ab 
eo  exegit: 

Donmus  ^  papa  P.   non  inqiiietabit  —    —  malo  ingenio. 

Haec  sunt  nomina  —  —  Sergii  et  Bachi. 

Ipse  etiam  rex  hoc  sacramentum  pape  fecit: 

Ego  Henricus'^  rex  liberos  dimittam  quarta  vel  quinta 
feria  proxima  et  domitium  —   —  mala  ingenio. 

Et  isti  sunt  —  —  Warnerius  marchio. 

Privilegium. 

Paschalis  ^  ep)iscopus  servus Regnimi  vestrum  —  — 

feliciter  impevare  concedat. 


a)  Verbessert  aus  'coucurrerant'  L.        b)  So  L.        c)  'Hanricus'  L. 

1)  Vgl.  eb.,  ferner  Boso  p.  376:  'Inde  per  mediam  Urbem 
usque  Lateranum  cum  totius  cleri  ac  populi  Romani  frequentia 
vectus  in  ipsa  domini  nostri  Salvatoris  ecclesia  cum  honore  maximo 
tumulatus    est'.  2)    'dextro    latere    templi'    Petrus    Guillermus    (vgl. 

Duchesne   p.  310).  3)   Der  folgende  Abschnitt  entstammt   der   mit  C 

gemeinsamen  Quelle  und  ist  oben  S.  395  gedruckt.  4)  Es  folgen  die 
Abmachungen  des  Papstes  und  Königs  vom  11.  April  1111,  die  mehrfach 
überliefert  "sind  (Constit.  I,  142,  27  —  144,  18).  Der  Text  von  L  samt 
den  verbindenden  Worten  ist  verwandt  dem  bei  Wilhelm  von  Malmesbury 
a.  a.  0.  V,  421/2  (SS.  X,  479;  Stubbs  II,  499  1),  doch  in  Einzelheiten 
teils  besser,  teils  schlechter ;  beide  gehen  unzweifelhaft  wie  auch  sonst  auf 
die  Vorlage  von  L  zurück,  die  zur  Klasse  C  nach  Weilands  Bezeichnung 
gehörte.  5)    Das  'Pravilegium'   des  Papstes   vom    selben  Tage    (Jaffe 

n.  6290;  Constit.  I,  144,  31  —  145,  25).  Auch  hier  liegt  ein  ziemlich 
guter  Text  der  Klasse  C  zu  Grunde,  nach  einzelnen  Stellen  C4  (Florentius 
von  Worcester,  ed.  Thorpe  II,  62  ff.;  SS.  V,  566)  verwandt  (145,  19 
'potestative  eure',  23  'honoris  quoque'),  doch  an  anderen  besser.  Der  Text 
Wilhelms  V,  424  (SS.  X,  480;  Stubbs  p.  501  f.)  gehört  hier  nicht  zu 
dieser  Gruppe  (in  L  fehlen  z.  B.  die  eingeklammerten  Worte  145,  13) ; 
er  wird  hier  den  Bericht  des  Bischofs  David  von  Bangor  über  Heinrichs 


410  Wilhelm  Levison. 

Sequenti  anno  congregatum  est  concilium  Romae, 
non  tarn  precipiente  quam  conivente  papa,  et  Privilegium 
illud  irritum  factum  est.     Cuius  concilii  actio  hec  est: 

Anno  ^  ah  incarnatione  Domini  —  —  pravilegii  con- 
senserunt  et  laudaverunt. 

Es  folgen  sodann  (fol.  63'— 69)  elf  Briefe  Paschalis'  II. 
in  folgender  Ordnung : 

fol.  63'  —  64  'ßegi  regum',  an  Heinrich  von  England 
(Jafife  n.  5910;  Eadmer  ed.  Eule  S.   134  f.); 

fol.  64 — 64'  'Non  ignoras',  an  Anselm  von  Canterburj 
(Jaffe  n.  5908 ;  Eadmer  S.   1 35  f.) ; 

fol.  64' — 65'  'Legationis  tuae  verba',  an  Heinrich  von 
England  (JafiEe  n.  5868;  Eadmer  S.  128  ff.),  auch  in  Cam- 
bridge n.  1797  (Ji  III.  33),  saec.  XII,  fol.  195  (vgl.  oben 
S.  392,  Anm.  l),  einer  Hs.,  die  auch  das  'Pravileg'  von  1111 
enthält  (MG.  Constit.  I,  144,  Anm.  1  ist  die  Signatur 
entstellt) ; 

fol.  65'— 66'  'Consulta  illa',  an  Anselm  (Jaffe  n.  5909; 
doch  fehlen  in  L  der  2.  Abschnitt  und  die  Bestimmung 
über  Ranulf); 

fol.  66' — 67  'Visis  litteris  vestris',  an  Robert  von  der 
Normandie  (bisher  unbekannt;    gedruckt  unten  S.  427  ff.); 

fol.  67 — 67'  'In  litteris  quas  nuper',  an  Heinrich  von 
England  (Jaffe  n.  5956;  Eadmer  p.  155  ff.;  Wilhelm  V,  414 
ed.  Stubbs  II,  489  ff.); 

fol.  67' — 68  'Suavissimas  dilectionis',  an  Anselm  (Jaffe 
n.  5928;  Eadmer  p.  149  ff.;  nur  teilweise  Wilhelm  V,  415, 
p.  491); 

fol.  68  —  68'  'Quod  Anglici  regis',  an  Anselm  (Jaffe 
n.  6073;  Eadmer  p.  178  f.;  zum  Teil  Wilhelm  Y,  416, 
p.  491  f.); 


Romzug  (vgl.  Meyer  von  Knonaii  VI,  370)  benutzt  haben,  dessen  pane- 
gyrischen Charakter  er  kurz  vorher  (SS.  X,  479;  Stubbs  i).  498  f.) 
erörtert  und  den  er  unmittelbar  darauf  als  Quelle  für  'omnem  hanc 
ambitionem  privilegiorum  et  coiisecrationis'  erwähnt  (c.  426,  p.  4S0,  bez. 
50"2).  Dann  wendet  er  sich  freilich  wieder  der  Vorlage  von  L  (und  C) 
zu;  die  zu  den  Konzilsakten  von  1112  überleitenden  Worte  'Sequenti 
anno  —  actio  hec  est'  hat  er  fast  unverändert  samt  den  Akten  selbst  in 
seine  Darstellung  aufgenommen  (c.  426  —  429,  p.  480  f.,  bez.  502  ff.). 
1)  Akten  des  Lalerankonzüs  von  1112  (Constit.  I,  571,  18  —  572,  20)  ohne 
die  Namen  der  Kardmalpresbyter  und  -diakone  und  den  sich  an- 
schliessenden letzten  Satz.  Wie  zu  erwarten  (vgl.  S.  409,  Anm.  5),  steht  der 
Text  dem  des  Wilhelm  von  Malmesbury  (7  bei  Weiland)  nahe,  ohne  dass 
einer  von  dem  anderen  abhängig  ist ;  auch  hier  hat  Wilhelm  offenbar  die 
Vorlage  von  L  (und  C)  benutzt,  der  auch  der  Text  des  Florentius  von 
Worcester  (6)  wieder  verwandt  ist. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    ET.  411 

fol.  68'  'Quamquam  prave',  an  Girard  von  York  (Jaffe 
n.  5930;  Eadmer  p.  216;  Willelmi  Malmesb.  Gesta  ponti- 
ficum  III,  117,  ed.  Hamilton  p.  258  f.  ohne  die  Datumzeile, 
in  der  L  'V.  Idus  Decembris'  statt  'II.'  nennt) ; 

fol.  68' — 69  'Fraternitatis  tnae',  an  Anselm  (Jaffe 
n.  5955;  Eadmer  p.  154  f.,  jedoch  Datum  in  L  'XVII.  Kl. 
Decembris',  nicht  'XVI'); 

fol.  69  'Veniente  ad  nos',  an  die  Bischöfe  und  den 
König  Heinrich  von  England  (Jaffe  n.  6547;  Eadmer 
p.  242  f.;  Willelmi  Malmesb.  Gesta  pontificum  I,  69, 
p.   129  f.). 

Darauf  folgt  das  Leben  von  Gelasius  II. : 

165.  Gelasius  ^,  qui  et  lohannes,  natione  Campanus, 
ex  patre  Natolio  '^  de  civitate  Caieta,  sedit  annum  I  dies 
IX  ^  Hie  fuit  in  scripturis  divinis  vir  eruditus,  rectus  et 
multe  simplicitatis  et  ordinis  atque  consuetudinis  sancte 
Eomanae  ^cclesiae  studiosissimus  indagator,  miserorum 
quoque  adiutor  piissimus.  Hie  fuit  pauperum  cibus  et 
refugium  orphanorum  et  viduarum.  Hie  clerum  dilexit  et 
honoravit.  Hie  fecit  ordinationes,  diac(onum)  I,  episcopos 
per  diversa  loca  III.  Iste  tempore  persecutionis  Henrici 
Ultimi ,  de  qua  superius  dictum  est  *,  pro  liberatioue  et 
pace  §cclesiae,  cuius  erat  precipuus  appetitor,  in  Gallias 
transivit  et  Cluniaci,  innumera  multitudine  circumseptus, 
inter   manus    filiorum   suorum    cardinalium  °   beatam    caelo 


1)  'II.'  fügt  der  Miniator  hinzu.  2)   Dies  ist  der   dritte  Name, 

der  für  Gelasius'  Vater  überliefert  wird.  Nach  den  Annales  Romani 
(SS.  V,  479;  Duchesne  II,  347)  war  'Gelasius  natione  Gaiete,  ex  patre 
Johanne  Coniulo',  nach  ßoso  (eb.  S.  376)  'natione  Campanus ,  patria 
Gaietanus ,  ex  patre  Crescentio'.  "Wie  P.  Fedele ,  Le  famiglie  di 
Anacleto  II  e  di  Gelasio  II  (Archivio  della  R.  Societä  Romana  di  storia 
patria  XXVII,  1904,  p.  434  sqq.)  dargelegt  hat,  indem  er  zuerst  in 
'coniulo'  den  Eigennamen  erkannte,  gehörte  Gelasius  zur  Familie  der 
Conjuli,  die  in  den  Urkunden  von  Gaeta  häufig  begegnet,  und  er  hat  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  im  Hinblick  auf  die  zeitgenössischen  Annales 
Romani  in  'lohanni  Coniule,  filio  Anatolio  hone  memorie',  der  in  einer 
Urkunde  von  1042  erwähnt  wird  (Tabularium  Casinense  I,  Codex  diplo- 
maticus  Cajetanus  I,  1887,  p.  353,  n.  178),  den  Vater  des  Papstes  erkannt. 
Die  Quelle  von  L  nennt  also  den  Grossvater  des  Papstes  statt  des  Vaters, 
ein  Irrtum,  der  sich  leicht  daraus  erklärt,  dass  Gelasius  vor  der  Annahme 
des  Papstnamens  ebenfalls  Johannes  hiess.  3)    Andere  Quellen  geben 

richtiger  4  bis  6  Tage;  vgl.  Holder  -  Egger,  N.  A.  XXVI,  508,  SS. 
XXXI,  217;   Duchesne  II,  321.  347.  4)    Im  Leben  von  Paschalis  II. 

(S.  408;    vgl.    eb.    Anm.    6).  5)    Vgl.    namentlich    den   Brief  Hugos 

von  Clunj'  an  den  Abt  Pontius  (Migne  CLXVI ,  844) :  'in  medio 
fratrum,  circumstantibus  episcopis  cardinalibus ,  —  —  in  pace  Cluniaco 
quievit'. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  27 


412  Wilhelm  Levison. 

reddidit  animam.  Sepultus  est  autem  eodem  loco  III.  KL 
Febr.  ^  in  beati  Petri  §cclesia.  Et  cessavit  episcopatus 
dies  III. 

Hie  -  a  Romanis  —  —  ibique  obiit. 

Epistola    Gelasii    secundi. 

Gelasius  ^  servus  —  —  Quia  vos  Romanae  —  —  cognoscitis 
accingamini.     Data  Gaite  XVII.  Kl.  Februarii. 

Gelasius  ^  episcopus  dilecto  filio  Turstano  Ehoraco  (!) 
electo  Salutes.  Questionem  de  professione  —  —  ad  nostrnm 
2)resenfiam  venias.     Data  lanue  VI.  [Idiis]  Ocfohr. 

Gelasius*  episcopus  Henrico  Anglorum  regi.  Et  persone  vestrae 
—  —  careant  Christiana.     Amen. 

166.  Calixtus,  q^^i  et  Guido  Viennensis  archiepiscopus, 
natione  Allobrox,  ex  patre  Guillelmo,  sedit  annos  VI*" 
inenses  X  dies  XV  ^.  Hie  tempore  perseciitionis  electus 
est  Cluniaci  et  postmodum  a  fratribus  et  populo  qni  erant 
Rome  per  epistolas  in  sede  apostoliea  confirmatus.  Duo 
in  Galliis  concilia,  Tolose  unum,  alterum  Remis,  celebravit, 
in  quo  Henricum  quartum  imperatorem  cum  innumera 
cleri  et  populi  multitudine  excommunicavit.  Hie  tandem 
per  Lanorobardiam  per  medios  hostes  non  sine  grandi 
ammiratione  transivit  sicque  divina  virtute,  multis  etiam 
miraculis,  sine  ullo  detrimento  pervenit  ad  Urbem  et  in- 
genti  gaudio  ab  omnibus  civibus  exceptus  est.  Tunc 
legatos  Lambertum  Ostiensem  episcopum  et  Saxonem* 
Sancti  Stephani  in  Celio  monte  presbiterum  et  Gregorium 


a)  'Saxonem'  (=  Sanxonem)  L. 


1)  Die  Annales  Romani  (SS.  V,  479 ;  Duchesne  II,  347)  lassen  den 
Tod  am  28.,  die  Bestattung  am  29.  Januar  erfolgen;  doch  gel)en  die 
meisten  Quellen  den  29.  als  Todestag  (Jatfe  I'-,  p.  780;  Nekrolog  von 
S.  Maria  in  Trastevere  bei  P.  Egidi,  Necrologi  della  provincia  Romana  I, 
Fonti  per  la  storia  d'Italia,  19<)8,  p.  88,  und  Bresslau,  N.  A.  XI,  101), 
so  dass   die  Angabe  von  L    richtig   sein    kann.  2)    Auch    in  C,    oben 

S.  395  f.  3)  Jaffe  n.  6635,  auch  in  C ;  vgl.  oben  S.  396.  4)  Nach 
Hugo  und  einer  anderen  Abschrift  im  Registrura  Magnum  Album  des 
Yorker  Kapitels  gedruckt  bei  Raine  a.  a.  O.  II,  152  (nicht  bei  Jafte), 
doch  ohne  die  Datumzeile;  'Idus'  habe  ich  ergänzt  nach  der  Weihinschrift 
von  S.  Lorenzo  in  Genua  (Muratori,  R.  Ital.  SS.  III,  1,  413;  vgl.  Jaffe 
I^   p.  778),    durch  die  der  Autenthalt  des  Papstes   für    den    10.  Oktober 

1118  bezeugt  ist.  5)  Gelasius  an  König  Heinrich  und  Radulf  von 
Canterbury  (Raine  II,  151  f.)  sowie  die   Besc-hlüsse  von  Reims  vom  Jahre 

1119  samt  dem  einleitenden  Satze  über  die  Wahl  Calixts,  wie  in  C  (oben 
S.  396  f.).  6)  Verderbt  aus  'V.  7)  So  statt  'XIII'  auch  die  Cronica 
pont.  et  imp.  S.  Bartholomaei  in  Insula  Romani  (SS.  XXXI,  217). 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  413 

Saucti  Angeli  diaconum  ad  imperatorem  direxit  ^  et  obtinuit 
quod  voluit.  Remisit  enim  Imperator  antiquam  consuetu- 
dinem  predecessorum*^  suorum,  liberas  ecclesiis  electiones 
concedens.  Hie  fuit  vir  multe  simplicitatis,  benivolentie, 
mansuetudinis  et  in  elerum  liberalitatis.  Hie  ecclesiam 
beati  Petri  de  manu  laicorum  potenter  eripuit  et  decoravit  ^ 
ipsumque  altare  dedicavit  et  novavit  cum  multis  episcopis 
ad  concilium  convocatis  ^  et  excommunicavit  omnes,  qui 
eam  incastellarent'^.  Multas  preterea  civitates  et  patri- 
monia  restituit  -.  Fecit  ordinationes,  diacon(os)  et  presbi- 
teros  XXX,  episcopos  C.  Longa  invalitudine  coctus^  et 
purificatus  domänica  Gaudete  in  Domino,  XVII.*'  Kl.  lan., 
inter  manus  filiorum  suorum  cardinalium  feliciter  migravit 
ad  Dominum.  Sepultus  est  in  ecclesia  Laterani  ad 
dexteram  altaris  ^  in  porfiretico  mausoleo.  Et  cessavit 
episcopatus  dies  III. 

Tunc  electns  est  in  papam  Lambertus  Ostiensis  epi- 
scopus  et  dictus  Honorius  secundus,  de  quo  ante  lectum 
est  *^.  Sedit  annos  V  menses  duos  non  plenos  ^,  obiit 
XIII.  10  Kl.  Marc. 

Quo  infirmato,  sed  adhuc  spirante  i^,  electus  est  et 
consecratus    Gregorius     supranominatus ,     diaconus     Sancti 


a)  Verbessert  aus  'precess.'  L. 

1)  Aehnlich  Pandulf  (Duchesne  II,  322).  2)    Hier  berührt  sich 

die  Quelle  von  L  mit  der  einige  Jahre  jüngeren,  um  1145  verfassten  ver- 
lorenen Chronik  von  Tivoli  (vgl.  Holder  -  Egger,  N.  A.  XXVI,  484  flf. 
XXVIII,  195  ff.);  vgl.  deren  Ableitungen,  die  Cronica  Tiburtina  und 
Basileensia  (SS.  XXXI,  261.  291):  'Ecclesiam  beati  Petri  de 
manu  laicali  prorsus  eripuit,  quam  thesauro  et  decoris  ornamen- 
torum  varietatibus  honestavit.  Civitates,  castella,  portus,  lacus  et  aliä 
multa  beati  Petri  patrimonia  —  —  recuperavit'.  3)  Am  25.  März 
1123;  vgl.  Petrus  Mallius  c.  108,  bei  de  Rossi  II,  1,  p.  221 ;  Kehr,  Italia 
pontificia  I,  141,  n.  27.  4)  Vgl.  die  Beschlüsse  des  Laterankonzils  von 
1123    c.  12    (M(t.  Constit.  I,  576).  5)    Nach    Pandulf   p.  323    wurde 

Calixt  plötzlich  vom  Fieber  hingerafft.  Die  beiden  Angaben  schliessen 
sich  nicht  unbedingt  aus.  6)  Vielmehr  'XVIIII',  da  der  dritte  Advent- 
sonntag (Gaudete  in  Domino)  1124  auf  den  14.  Dezember  fiel;  die  be- 
stimmte Angabe  des  Sonntags  in  L  sichert  den  14.  als  Todestag  Calixts, 
der  auch  in  dem  Nekrologium  von  S.  Maria  in  Trastevere  (Bresslau, 
N.  A.  XI,  101 ;  Egidi  a.  a.  O.  p.  100)  und  von  anderen  Quellen  über- 
liefert wird,  gegenüber  abweichenden  Angaben  anderer  (vgl.  Jaffe  I'-,  821). 
7)  'luxta  domnum  papam  Paschalem'  (vgl.  oben  S.  409)  Pandulf  (vgl. 
Duchesne  II,  326).  8)  Oben  S.  412,  25.  9)  1  Monat  28  Tage  rechnen 
andere  Kataloge  (vgl.  Holder  -  Es^ger,  N.  A.  XXVI,  509  f.;  SS. 
XXXI,  261).  10)   Entstellt  aus  'XVI',  da  Honorius  in  der  Nacht   auf 

den  14.  Februar  1130  starb.  11)    So    behauptete    ein    von    der  Partei 

Innocenz'    II.    ausgesprengtes    Gerücht;    vgl.    "Wilhelm    von    Malmesbury, 

27* 


414  Wilhelm  Levison. 

Angeli,  et  vocatus  Iniiocentius.  Honorio  aiitein  iam  de- 
functo,  electus  est  alter,  Petrus  Leonis^  priiicipis  de 
castello  Crescentis  -  filius,  et  vocatus  est  Anacletus.  Iniio- 
centius expulsus  venit  Galliam,  et  post  aliquod  tempus 
per  Lotharium  imperatorein  reductus  Lateranum,  non 
niulto  post  repulsus  est  ad  Pisas  ^.  Anacletus  remansit 
Rome  et  circum  ea  loca*. 

Damit  schliesst  auch  diese  Hs. ;  das  letzte  Drittel 
von  fol.  71,  die  Rückseite  und  zwei  weitere,  nicht  gezählte 
Blätter  sind  nicht  beschrieben  worden. 

L  ist  wie  C  eine  Kompilation,  in  der  mehrere  Vor- 
lagen recht  äusserlich  zusammengeschweisst  sind ;  der  Ver- 
gleich beider  Hss.  gestattet  es,  die  einzelnen  Bestandteile 
mit  grösserer  Sicherheit  von  einander  zu  scheiden,  als  es 
bei  der  Kenntnis  nur  einer  von  ihnen  möglich  wäre.  L 
zerfällt  in  drei  Hauptstücke :  den  Liber  Pont.  (I)  bis  auf 
Stephan  II.,  dann  den  L  mit  C  gemeinsamen  Abschnitt, 
der  selbst  bereits  aus  verschiedenen  Quellen  zusammen- 
gearbeitet ist  (II),  endlich  an  dritter  und  letzter  Stelle 
eine  oberflächlich  mit  dem  Schlüsse  des  zweiten  Teils  ver- 
einigte Papstgeschichte  (HI)  von  Paschalis  II.  bis  zum 
Schisma  zwischen  Innocenz  II.  und  Anaklet  II.  Die  L 
eigentümlichen  Teile  I  und  III  bedürfen  nur  weniger 
Worte.  Für  den  am  Anfang  der  Hs.  stehenden  eigent- 
lichen Liber  Pont,  genügt  es  an  die  Feststellung  zu 
erinnern,  dass  hier  ein  durch  Streichungen  vielfach  ver- 
kürzter Text  der  2.  Hss.  -  Klasse  Mommseiis  vorliegt,  ge- 
nauer ein  Verwandter  und  wahrscheinlich  ein  Abkömmling 
der  aus  Beauvais  stammenden  Pariser  Hs.  n.  2769.  Wann 
und  durch  wen  die  Abschrift  nach  England  gekommen  ist. 


Hist.  Nov.  I,  453  (SS.  X,  484 ;  Stubbs  II,  531) :  'sparsus  est  etiam  rumor 
in  plebem,  quod  adhuc  Honorius  spiraret  et  ita  fieri  praeciperet',  und 
den  sich  dort  anschliessenden  Brief  des  Kardinals  Peter  von  Porto.  Vgl. 
Anselm  von  Gembloux,  SS.  VI,  383,  und  Mühlbacher,  Die  streitige  Papst- 
wahl des  Jahres  1130,  1876,  S.  104.  1)  Richtiger:  'Petrus  Petri 
Leonis  filius' ;  doch  schreiben  die  Zeitgenossen  auch  sonst  häufig  einfach 
Petrus  Leonis,  indem  Pierleoni  bereits  Familienname  wird  (vgl.  Fedele 
a.  a.  0.  p.  410  f.),  so  auch  Wilhelm  von  Malmesbury  a.  a.  0. :  'filius 
Leonis  Romanorum  principis'.  2)  Statt  'Crescentii',  wie  auch  sonst 
bei  Zeitgenossen.  3)  Im  Herbst  1133.  Innocenz  blieb  in  Pisa,  bis  ihm 
der  zweite  Romzug  Lothars  1137  die  Rückkehr  nach  Rom  ermöglichte. 
4)  Vgl.  Robert  von  Torigni  ä.  1130  (SS.  VI,  489;  ed.  Howlett,  Chronicles 
of  the  reigns  of  Stephen,  Henry  II.  and  Richard  I.,  Bd.  IV,  117):  'Re- 
mansit autem  Anacletus  in  Urbe  propter  fratres  suos,  qui  erant  viri 
potentes  et  habebant  p  r  i  n  c  i  p  atum  c  a  s  t  e  1 1  i  Crescentionis.  Innocentius 
vero  ad  Cismontanos  transiit'. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  415 

lässt  sich  natürlich  nicht  ausmachen ;  die  Herkunft  aus 
Beauvais  entspricht  den  Beobachtungen  zur  Ueberlieferungs- 
geschichte,  die  ich  an  verschiedenen  Englischen  Hss.  von 
Heiligenleben  machen  konnte,  bei  denen  sich  enge  Be- 
ziehungen zu  Nordfrankreich  ergaben  \  eine  Tatsache,  die 
im  Grunde  keines  Beweises  bedarf,  sondern  sich  im  Hin- 
blick auf  geographische  und  politische  Verhältnisse  von 
selbst  versteht. 

Auch  über  den  dritten  L  einverleibten  Teil  kann  ich 
mich  kurz  fassen,  die  Geschichte  der  Päpste  des  be- 
ginnenden 12.  Jh.  Es  ist  unzweifelhaft  nur  ein  Bruch- 
stück, das  hier  erhalten  ist,  der  letzte,  reichhaltigere  Teil 
eines  Papstkatalogs,  dessen  vorhergehende  Abschnitte  L 
vermutlich  unterdrückt  hat,  weil  ihr  Gegenstand  schon  in 
der  zweiten,  mit  C  gemeinsamen  Quelle  ausreichend  be- 
rücksichtigt schien ,  gleichwie  L  im  Hinblick  auf  den 
Liber  Pont,  auch  diese  zweite  Quelle  erst  von  Stephan  II. 
an  aufgenommen  hat,  während  sie  in  C  bereits  früher  ein- 
setzt. Nicht  anders  erweitert  sich  ja  auch  der  GL  ge- 
meinsame Papstkatalog  (II)  von  Gregor  VII.  an  zu  einer, 
wenn  auch  dürftigen,  Darstellung  (oben  S.  391  ff.),  ebenso 
von  ürban  II.  an  der  Katalog,  den  Lambert  von  St.-Omer 
seinem  Liber  Floridus  eingefügt  hat-,  und  man  darf  hier 
wohl  auch  die  bedeutendere  in  der  Abschrift  des  Peter 
Wilhelm  von  1142  überlieferte  Sammlung  nennen,  in  der 
ein  Katalog  als  vermittelndes  Glied  zwischen  dem  alten 
Liber  Pont,  und  den  Biographien  Paschalis'  II.  und  der 
nächsten  drei  Nachfolger  benutzt  ist,  bei  denen  man  zum 
ersten  Mal  von  einer  wirklichen  Fortsetzung  im  Stile  des 
Liber  Pont,  reden  kann^.  In  die  Reihe  dieser  Versuche, 
das  Gerippe  der  Kataloge  wieder  mit  der  Fülle  des  Lebens 
zu  umkleiden  und  dem  Vorbild  des  Liber  Pont,  näher  zu 
kommen,  gehört  auch  die  dritte  Quelle  von  L.  Sie  gliedert 
sich  ohne  weiteres  in  zwei  Teile,  indem  die  Biographien 
von  Paschalis,  Gelasius  und  Calixt  als  Einheit  erscheinen, 


1)  Näheres  bald  in  der  Einleitung  zur  Beschreibung  der  Hss.  am 
Ende  des  letzten  Bandes  der  SS.  R.  Merov.,  wo  ich  es  versucht  habe, 
soweit  die  Viten  der  MerowinKischen  Heiligen  einen  Einblick  gestatten, 
eine  Anzahl  von  grösseren  Legendarien  des  Mittelalters  auf  ihre  Zu- 
sammensetzung und  ihre  Beziehungen  hin  zu  untersuchen.  Erinnert  sei 
auch  an  die  Verbreitung  der  Annalen  von  ßouen  in  England  nach  der 
Normannischen  Eroberung ;  vgl.  Liebermann  a.  a.  0.  S.  31  S.  2)  Her- 
ausgegeben von  J.  Zacher,  Serapeum  III,  1842,  S.  165  f.  und  Duchesne  I, 
p.  CLXXXVI,   teilweise   von   Delisle   a.    a.  0.    S.  748—750.  3)  Vgl. 

Duchesne  II,  p.  XXIV— XXXVII. 


416  Wilhelm  Levison. 

deren  ursprünglichen  Absehluss  sicherlich  die  Nachricht 
von  der  Wahl  Honorius'  II.  bildete ;  dass  wir  von  ihm  im 
Gegensatz  zu  den  Vorgängern  nichts  erfahren  als  Ponti- 
fikatsdauer  und  Todestag,  legt  den  Schluss  nahe,  dass 
diese  Worte  zusammen  mit  den  Angaben  über  das  Schisma 
von  1130  erst  zwischen  1133  und  1137  ^  hinzugefügt  worden 
sind.  Die  vorhergehenden  drei  Viten  sind  weit  kürzer  und 
unbedeutender  als  die  durch  Peter  Wilhelm  überlieferten, 
in  der  Mehrzahl  von  Pandulf  verfassten  Lebensbeschrei- 
bungen jener  Päpste;  aber  sie  sind  davon  unabhängig  und 
geben  auch  manche  Einzelheiten,  die  dort  fehlen  und 
einen  wenigstens  über  stadtrömische  Dinge  unterrichteten 
Verfasser  erkennen  lassen ,  den  man  vielleicht  in  dem 
Kreise  der  Kardinäle  suchen  darf:  'inter  manus  cardi- 
nalium  filiorum  suorum'  sterben  nach  ihm  alle  drei 
Päpste,  und  die  Bezeichnung  der  in  Rom  gebliebenen 
Kardinäle,  welche  die  Wahl  des  in  Cluny  erhobenen  Calixt 
schriftlich  anerkannten,  als  'fratres'  weist  wohl  in  dieselbe 
Richtung.  Englisches  Gewächs  ist  diese  Quelle  ebenso 
wenig  wie  der  Grundstock  des  GL  gemeinsamen  Papst- 
katalogs ;  zur  Annahme  Römiscben  Ursprungs  stimmen 
auch  einige  Anklänge  an  Pandulf  (Peter  Wilhelm),  die 
Chronik  von  Tivoli  und  Boso,  auf  die  ich  in  den  An- 
merkungen hingewiesen  habe ,  mögen  sie  auch  bei  dem 
Stande  der  Ueberlieferung  kaum  mit  Sicherheit  zu  erklären 
sein.  Der  Verfasser  zeigt  deutlich,  dass  ihm  der  alte 
Liber  Pont,  als  Vorbild  gedient  hat ;  die  Eingangssätze  mit 
den  Angaben  über  Herkunft  und  Sessionszeit  der  Päpste 
und  die  Schlussformeln  über  die  Dauer  der  Vakanzen  sind 
durchaus  nach  dessen  Beispiel  verfasst,  ebenso  die  Sätze 
über  die  Zahl  der  von  ihnen  vorgenommenen  Weihen  und 
die  trotz  der  im  einzelnen  mannigfaltigen  Ausgestaltung 
doch  typischen  Wendungen  über  ihre  Charaktereigen- 
schaften und  ihr  Verhalten  gegenüber  der  Geistlichkeit. 
Ist  die  Quelle  auch  noch  immer  dürftig  und  der  Umfang 
eines  Katalogs  nicht  allzu  sehr  überschritten,  auch  der 
Gewinn  an  neuen  Einzelheiten  nur  gering,  so  verdient  sie 
doch  Beachtung  unter  den  Anfängen  der  neuen  päpst- 
lichen Geschichtschreibung,  die  das  12.  Jh.  hervor- 
gebracht hat. 

Nach  Ausscheidung  dieser  Quelle  und  des  am  Anfang 
von  L  stehenden  Liber  Pont,  verbleibt  ein  CL  gemeinsamer 


1)  Vgl.  oben  S.  414,  Anm.  3. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    II.  417 

Eest,  dessen  ursprüngliche  Gestalt  sich  nun  durch  den 
Vergleich  beider  Hss.  genauer  erkennen  lässt.  L  ist  am 
Anfang  unvollständig,  in  C  die  Abschnitte  über  Hadrian  I. 
und  Paschalis  II. ;  indem  beide  Texte  sich  ergänzen,  ergibt 
sich  folgendes  Bild  von  der  Vorlage.  Sie  war  bereits 
selbst  eine  Kompilation,  in  der  vor  allem  zwei  erzählende 
Quellen  vereinigt  waren,  eine  Hs.  des  Liber  Pont,  bis  zu 
Hadrian  I.  und  ein  mindestens  mit  Stephan  II.  be- 
ginnender, mit  Calixt  II.  1119  endender  Papstkatalog. 
Die  Hs.  des  Liber  Pont,  gehörte  zur  Klasse  E,  deren  Les- 
arten in  C  auch  vor  715  eingedrungen  sind,  wenn  C  diese 
Hs.  auch  erst  von  Gregor  IL  an  zur  Grundlage  des  Textes 
gemacht  hat;  von  Zacharias  an  war  der  Wortlaut  nur  mehr 
im  Auszug  mitgeteilt,  das  Verhalten  von  C  wird  in  dieser 
Hinsicht  seit  Stephan  IL  durch  L  bestätigt.  Damit  war 
vom  Leben  desselben  Papstes  an  eine  Abschrift  jenes 
S.  380  erwähnten,  im  IL  Jh.  in  Italien  verfassten,  aber 
weit  verbreiteten  Papstkatalogs  verbunden,  dessen  Angaben 
bei  Stephan  IL  und  Hadrian  I.  neben  die  Auszüge  des 
Liber  Pont,  gesetzt  wurden,  um  dann  bei  dessen  Versiegen 
von  Leo  III.  an  vollständig  an  seine  Stelle  zu  treten.  Von 
Gregor  VII.  an  bot  das  benutzte,  1119  oder  bald  nachher 
in  Italien  abgeschlossene  Exemplar^  mehr  als  blosse  Namen 
und  Zahlen,  indem  der  nackte  Katalog  hier  gegen  Ende 
zu  einer  noch  höchst  dürftigen  Folge  von  Notizen  mehr 
erzählenden  Charakters  erweitert  war  '^.  Der  Verfasser  der 
Vorlage  von  GL  hat  sich  aber  nicht  darauf  beschränkt, 
diese  zwei  Texte  neben  und  in  einander  zu  stellen ;  er  hat 
sie  auch  aus  anderen  Quellen  ergänzt  ^,  aus  Einhards  Vita 
Karoli^,  den  Angelsächsischen  Annalen  ^,  Hilduins  Vita 
Dionysii,  der  er  das  falsche  Schreiben  Stephans  IL  ent- 
nahm ^,  und  einer  Aufzeichnung  über  die  angebliche 
Teilung  der  Diözesen  von  Wessex  unter  Papst  Formosus  '', 
vor  allem  aber  einer  Fülle  urkundlicher  Quellen,  nament- 
lich für  Englische  Empfänger  bestimmter  Papstbriefe.  Die 
Schreiber  von  C  und  L  haben  beide,  der  eine  wenigstens 
von  715,  der  andere  von  752  an,  ihre  Vorlage  lediglich  ab- 


1)  Vgl.  oben  S.  397.  2)  Auch  die  urkundlichen  Texte  von  1111 
und  1112  (S.  409  f.)  gehörten  sicherlich  schon  zu  diesem  Katalog,  nicht  zu 
den  späteren  Zusätzen.  3)    Die  Auszüge   aus    den  Viten   Stephans  II. 

und  Hadrians  I.  erweiterte  er  auch  an  wenigen  Stellen  aus  seiner  zweiten 
Hauptquelle,  dem  Katalog  samt  dem  eingefügten  Briefe  Karls  an  Offa 
(oben   S.  382  f.  406).  4)  Vgl.   oben  S.  381  f.  384  f.  4ü6  f.  5)  Eb. 

S.  385.        6)  Eb.  S.  382  f.         7)  Eb.  S.  386  ff. 


418  Wilhelm  Levison. 

geschrieben  oder  doch  nur  durch  Streichen  einzelner  Teile 
auf  sie  eingewirkt ;  an  der  Kompilation  selbst,  wie  sie  sich 
beim  Vergleich  beider  Hss.  ergibt,  haben  sie  keinen  Anteil 
gehabt,  vielmehr  lag  sie  ihnen  bereits  fertig  vor.  Nicht 
mit  der  gleichen  Sicherheit  kann  man  dies  für  den  bis  715 
reichenden,  so  mannigfaltig  zusammengesetzten  ersten  Teil 
von  C  behaupten,  weil  hier  der  Vergleich  mit  einer  zweiten 
Ableitung  der  gleichen  Vorlage  unmöglich  ist;  immerhin 
wird  man  im  Hinblick  auf  die  späteren  Abschnitte  den 
eigenen  Anteil  des  Schreibers  von  C  an  der  Kompilation 
nicht  allzu  hoch  einschätzen  dürfen,  wenn  es  auch  sehr 
wohl  möglich  ist,  dass  manche  Stücke  erst  in  C  mit  dem 
Liber  Pont,  verbunden  worden  sind. 

Wann  und  wo  ist  die  erörterte  Quelle  von  CL  ent- 
standen? Die  Zeit  ergibt  sich  ohne  weiteres  aus  dem  End- 
punkt 1119,  bis  zu  dem  C  und  L  übereinstimmen  und  auch 
Wilhelm  von  Malmesbury  ihre  Quelle  benutzt  hat,  und 
eben  aus  dieser  Benutzung  in  den  Gesta  regum  Anglorum, 
deren  erste  Fassung  1125  vollendet  war^;  innerhalb  der 
Jahre  1119  und  1125  ist  der  Italienische  Papstkatalog  in 
der  angegebenen  Weise  mit  dem  Liber  Pont,  verbunden 
und  durch  zahlreiche  Einlagen  Englischer  Herkunft  er- 
weitert worden.  Der  Gedanke  liegt  wohl  nahe ,  dass 
Wilhelm  selbst  diese  Arbeit  ausgeführt  hat.  Wenn  er 
1125  sich  für  Johannes  XV.  (XVI.),  den  er  mit  Gerbert 
gleichsetzt,  auf  einen  Papstkatalog  'in  vetusto  volumine' 
beruft^,  so  kann  das  kaum  die  bis  1119  reichende  Kom- 
pilation sein,  wenn  man  auch  bedenken  muss,  wie  wenig 
auf  derartige,  allgemein  gehaltene  Altersbestimmungen  des 
Mittelalters  zu  geben  ist,  Wohl  aber  könnte  es  sich  um 
das  ihr  zu  Grunde  liegende  Exemplar  des  Italienischen 
Katalogs  handeln,  dessen  letzter  Teil  vielleicht  nachträg- 
lich hinzugefügt  worden  war,  so  dass  das  Ganze  immerhin 
alt  genannt  werden  konnte,  und  man  könnte  weiter  ver- 
muten, Wilhelm  selbst  habe  diese  Quelle  erweitert  und  mit 
dem  Liber  Pont,  verbunden,  ehe  er  sie  in  den  Gesta  regum 
ausschrieb,  gleichwie  er  diese  in  den  Gesta  pontificum  be- 
nutzt hat.  Die  Benutzung  sowohl  der  Quelle,  des  Vetustum 
Volumen',  wie  der  Ableitung,  der  Vorlage  von  CL,  durch 
Wilhelm  würde  sich  so  einfach  erklären.  Dennoch  wird 
man  von  dieser,  ja  auch  an  sich  ziemlich  willkürlichen 
Vermutung    Abstand    nehmen    müssen;    denn    nicht    nach 


1)  Vgl.  Stubbs  I,  p.  XLIV.         2)  Oben  S.  889,  Anm.  1. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  419 

Malmesbury  weisen  die  CL  gemeinsamen  Teile,  sondern 
nach  Canterbury.  Wohl  findet  sich  in  C  ein  Privileg  für 
das  Kloster  Wilhelms  (Jaffe  n.  2140)  \  aber  es  ist  vereinzelt, 
und  man  könnte  mit  dem  gleichen  Eecht  auf  andere  Texte 
hinweisen,  in  denen  sich  Beziehungen  zu  Wearmouth  und 
Jarrow  (eb.  n.  2138)  i,  Evesham  (eb.  n.  2147)-  oder  York 
(eb.  n.  2337.  5930  u.  a.)  ^  bekunden. 

Dasresfen  deutet  eine  Mehrheit  von  Texten  auf  Ent- 
stehung  in  Canterbury  hin.  In  der  Ueberlieferung  der 
zitierten  Sächsischen  Annalen  (vgl.  S.  385)  spielt  die  Stadt 
bekanntlich  eine  bedeutende  Rolle;  die  aus  Winchester 
stammende  älteste  Hs.  hat  sich  spätestens  seit  dem  letzten 
Drittel  des  11.  Jh.  zu  Canterbury  in  Christ  Church  be- 
funden und  ist  hier  fortgesetzt,  um  1100  auch  bei  der 
Herstellung  einer  zweiten  Hs.  zu  Eate  gezogen  worden. 
Berührungen  ergaben  sich  ferner  mit  den  Zusätzen,  die 
im  12.  Jh.  in  Canterbury  den  Annales  Wintonienses  bei- 
gefügt worden  sind  und  die  vielleicht  Kenntnis  unserer 
Quelle  bezeugen^.  Weit  bemerkenswerter  ist  aber  die 
grosse  Zahl  von  teilweise  nur  selten  überlieferten  Papst- 
briefen und  ähnlichen  Texten  in  CL,  die  sich  auch  in 
alten  Hss.  von  Canterbury  nachweisen  lassen,  und  dies 
gilt  auch  für  einzelne  Stücke  im  ersten  Teil  von  C  vor  715. 
Der  wahrscheinlich  dorther  stammende,  für  die  Kenntnis 
von  Briefen  Alkvins  wichtige  Cottonianus  Tiberius  A.  XV 
(11.  Jh.)  enthält  von  Briefen  unserer  Hss.  JafPe  n.  2138 
(oben  S.  377),  2337  (S.  383),  3840  (S.  389)  und  den  Brief  Karls 
des  Grossen  an  Offa  (S.  385).  Immerhin  ist  diese  üeber- 
einstimmung  von  geringerem  Gewicht,  weil  auch  Wilhelm 
von  Malmesbury  eine  ähnliche,  der  Vorlage  von  CL  zudem 
in  manchen  Einzelheiten  näher  stehende  Hs.  gekannt  hat. 
Grösser  ist  schon  die  Zahl  der  mit  dem  Cottonianus  Cleo- 
patra E.  I  gemeinsamen  Stücke,  einer  ürkundensammlung, 
die  1120/1  in  Canterbury  angelegt  worden  ist,  um  dessen 
Ansprüchen  auf  den  Primat  im  Streit  mit  York  zu  dienen^; 
hier  finden  sich  Jaffe  n.  2147  (S.  378),  die  Aufzeichnung 
über  die  Teilung  der  Diözesen  von  Wessex  unter  Formosus 
(S.  386  f.),  JafPe  n.  4761  (S.  391),  5908  (S.  410),  5930  (S.  411), 
5955    (eb.)    und    6547    (eb.)^.      Diese    Sammlung   ist,    wenn 


1)  Eb.  S.  377.      2)  Eb.  S.  378.       3)  Eb.  S.  383.  411.  896.      4)  Eb. 
S.  386,  Anm.  1  und  2.         5)  Vgl.  Boehmer  a.  a.  0.  S.  8  ff.  6)  Eine 

andere  Sammlung  derselben  Herkunft,  jetzt  verteilt  auf  die  Cottoniani 
Faustina  B.  VI  und  Claudius  A.  III  (vgl.  eb.  S.  6  f.),  enthält  ebenfalls 
mehrere  Stücke  von  CL,  nämlich  die  Erzählung  über  Formosus  (S.  386), 
sowie  Jaffe  n.  5955  (S.  411)  und  die  Abmachungen  von  1111  (S.  409). 


420  Wilhelm  Levison. 

eine  ansprechende  Vermutung  Boehmers  zutrifft^,  von  dem 
bekanntesten  Mönche  von  Christ  Church  in  jener  Zeit  zu- 
sammengestellt worden,  von  Eadmer,  dem  Vertrauten  Erz- 
bischof Anselms;  in  jedem  Falle  stimmt  eine  Reihe  von 
Stücken  der  Sammlung  mit  dem  Text  in  seiner  Historia 
novorum  in  Anglia  genau  überein.  So  ist  es  denn  be- 
greiflich, dass  ausser  der  Aufzeichnung  über  Formosus 
(S.  386  ff.)  nicht  wenige  Briefe  von  CL  auch  dort  wieder- 
kehren 2,  Jaffe  n.  4761  (S.  391),  5910,  5908,  5868,  5956, 
5928,  6073,  5930,  5955,  6547  (S.  410  f.)  und  6635  (S.  396). 
Doch  noch  mehr!  Die  meisten  der  CL  mit  Eadmer  ge- 
meinsamen Texte  und  dazu  andere  finden  sich  auch  in 
einer  weiteren  Sammlung  derselben  Heimat  und  Zeit. 
Boehmer  hat  a.  a.  O.  S.  61  ff.  die  Aufmerksamkeit  auf 
verschiedene  Englische  Hss.  Pseudo-Isidors  hingelenkt,  die 
auf  ein  in  Canterbury  unter  Lanfrank  mit  Zusätzen  ver- 
sehenes Exemplar  zurückgehen,  in  dessen  Abschriften  sich 
teilweise  noch  weitere  Zusätze  angeschlossen  haben ;  er  be- 
schreibt von  ihnen  näher  den  im  12.  Jh.  'von  einer  Christ- 
churchhand'  geschriebenen  Cottonianus  Claudius  E.  V  als 
Beispiel  für  die  Art,  'wie  man  in  Canterbury  Ende  des  11. 
und  Anfang  des  12.  Jh.  die  Pseudo - Isidora  bereicherte'^. 
Pseudo-Isidor  begegnete  bereits  im  ersten  Teile  von  C  als 
Quelle  für  Jaffe  n.  899  und  1051  (S.  374)  und  die  Römischen 
Synodalakten  von  721  (S.  378);  den  Exemplaren  mit  den 
Besonderheiten  Lanfranks  gehören  ferner  von  unseren 
Texten  an  Jaffe  n.  1996  (S.  375)  und  4405  (S.  390)  und  die 
Akten  des  Laterankonzils  von  1079  (S.  392).  Noch  grösser 
ist  aber  die  Uebereinstimmung  mit  dem  genannten  Cotto- 
nianus; er  enthält  ausserdem  noch  Jaffe  n.  2147  (S.  378), 
4431a  (S.  391),  4761  (eb.),  die  Beschlüsse  von  Clermont 
(S.  393),  Jaffe  n.  5910,  5908,  5868,  5956,  5928,  6073,  5930 
und  6547  (S.  410  f.).  Füge  ich  noch  hinzu,  dass  von  den 
verbleibenden  Stücken   n.  4762    (S.  391)  und  5909  (S.  410) 


1)  A.  a.  O.  S.  14.  2)  Ueber  die  Briefe  Paschalis'  II.  bei  Eadmer 
vgl.  Rule  p.  XXVIII  ff.  3)  A.  a.  0.  S.  62  ff.  Aufs  engste  verwandt  ist 
nach  Hiuschius  a.  a.  O.  p.  XXXVI  und  Boehmer  die  Hs.  der  Cambridger 
Universitätsbibliothek  Dd.  I.  10.  —  Boehmer  hat  S.  63  aus  der  Ueber- 
schrift  des  Cottonianus  den  Schluss  gezogen,  dass  der  Codex  oder  doch 
seine  Vorlage  auch  den  Liber  Pont,  oder  einen  Auszug  aus  ihm  ent- 
halten habe,  doch  kaum  mit  Recht;  die  Ueberschrift  ist  keineswegs  dem 
Cottonianus  eigentümlich,  sondern  findet  sich  auch  in  anderen  Hss.  (vgl. 
Hinschius  p.  25),  und  die  darin  erwähnten  'gesta'  sind  schwerlich  so  zu 
deuten  trotz  des  sich  anschliessenden  Briefes  des  Hieronymus  an  Damasus 
(eb.  p.  27),  der  dem  Liber  Pont,  entnommen  ist. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  421 

an  Lanfrank  und  Anselm,  ein  Brief  Gelasius'  II.  (S.  396) 
an  Radulf  von  Canterbury  gerichtet  sind,  so  scheint  es 
mir  zweifellos,  dass  die  Vorlage  von  CL  eben  in  Canter- 
bury in  den  Jahren  1119  bis  1125  zusammengestellt 
worden  ist. 

Darüber  hinaus  sind  nur  Vermutungen  möglich.  Ich 
hob  hervor,  dass  ein  in  Italien  bis  1119  fortgesetztes 
Exemplar  eines  Papstkatalogs  als  Quelle  jener  Kompilation 
gedient  hat^;  mit  den  Beschlüssen  des  Reimser  Konzils 
vom  Oktober  1119  endete  die  Vorlage  von  CL,  wie  viel- 
leicht schon  der  darin  benutzte  Katalog  selbst.  Zu  Reims 
ist  auch  ein  Vertreter  des  Erzbischofs  Radulf  von  Canter- 
bury gewesen,  der  selbst  damals  in  der  Normandie  weilte; 
in  dem  Streit  mit  York,  der  auch  zu  Reims  seinen  Fort- 
gang nahm,  hat  dort  vor  Calixt  der  Archidiakon  Johann 
die  Sache  Canterburys  vertreten-.  Anfang  1120  kehrte 
Radulf  in  seine  Bischofstadt  zurück,  die  er  vor  mehr  als 
drei  Jahren  verlassen  hatte;  1117  war  er  in  Rom  gewesen, 
in  seiner  Begleitung  Eadmer.  So  liegt  der  Gedanke  nahe, 
dass  der  Erzbischof  oder  jemand  aus  seiner  Umgebung 
den  Katalog  1120  mitgebracht  hat,  der  bald  darauf  mit 
dem  Liber  Pont.,  mit  Papstbriefen  und  anderen  Texten 
mehr  zu  jener  Kompilation  vereinigt  wurde,  die  sich  als 
Quelle  des  letzten  Teiles  von  C  und  L  ergeben  hat.  Man 
möchte  auch  hier  an  Eadmer  denken;  aber  mehr  als  eine 
blosse  Möglichkeit  ist  sein  Anteil  an  der  Entstehung  der 
Vorlage  von  CL  nicht  ^.  Der  Verfasser  der  Historia 
novorum  würde  zudem  durch  diese  Vermehrung  seiner 
Opuscula  kaum  an  Ruhm  gewinnen,  und  man  kann  die 
hier  unerhebliche  Frage  nach  dem  Verfasser  unbedenklich 
auf  sich  beruhen  lassen. 

Dagegen  muss  ich  noch  einmal  in  Kürze  auf  die 
Hs.  C  zurückkommen,  deren  Schreiber  (oder  wenigstens 
erster  Besitzer)  sich  als  Verfasser  einer  Chronik  bezeichnet. 
Ich  lasse  die  wenigen  Worte  noch  einmal  folgen.     Wo  L 


1)  Die  Erwähnung  eines  'Cathologus  Romanorum  pontificum'  als 
Teil  einer  Hs.  von  Christ  Church  (M.  Rh.  James,  The  ancient  libraries 
of  Canterbury  and  Dover,  1903,  p.  49,  n.  285)  ist  für  die  vorliegenden 
Fragen  Ijelanglos,  da  das  betreffende  Verzeichnis  der  Hss.  erst  der  Zeit 
des    Priors    Heinrich    von    Eastry    (1284  — 1331)    angehört.  2)    Vgl. 

Eadmer,  Hist.  novorum  V,  ed.  Rule  p.  255  ff. ;  Wilhelm  von  Malmesbury, 
Gesta  pontificum  III,  124,  ed.  Hamilton  p.  265 ;  Hugo  Cautor  ed.  Raine 
a.  a.  0.  II,  165.  3)  Auch   kommt   ein   grosser  Teil   des  Jahres  1120 

dafür  nicht  in  Betracht,  da  Eadmer  damals  als  Bischof  von  St.  Andrews 
in  Schottland  weilte.    Vgl.  Liebermann  a.  a.  O.  S.  287  ff. 


422  Wilhelm  Levison. 

bei  Paschalis  II.  mehrere  Texte  über  die  Beziehungen 
Heinrichs  V.  und  des  Papstes  in  den  Jahren  1111  und 
1112  und  nicht  weniger  als  11  Briefe  des  letzteren  mit- 
teilt (vgl.  S.  409  £P.),  eingeleitet  durch  die  Worte:  'Qua- 
propter  Henricus  —  —  papam  cepit  et  h  o  c  sacramentum 
ab  eo  exegit',  da  hat  C  zwar  zuerst  ebenso  begonnen,  dann 
aber  den  Plan  nach  zwei  Zeilen  geändert,  die  er  tilgte 
und,  indem  er  jene  urkundlichen  Stücke  der  Vorlage  weg- 
liess,  durch  die  Worte  ersetzte  (vgl.  S.  395):  'papam  cepit 
et  sacramentum  ab  eo  exegit,  quod  in  magna  Cr onica 
descripsimus.  Epistolas  etiam  illius  alibi  descriptas, 
quoniam  ad  alias  tendimus,  rescribere  omittimus'.  Von  den 
Briefen  des  Paschalis  besass  der  Schreiber  von  C  also  be- 
reits eine  Abschrift;  doch  gehörten  sie  nicht  zur  Chronik, 
als  deren  Bestandteil  er  nur  den  Eid  des  Paschalis  nach 
den  Abmachungen  vom  11.  April  1111  in  Anspruch  nimmt. 
Von  Englischen  Chronisten  der  Zeit,  die  den  Wortlaut 
dieses  Eides  mitgeteilt  haben,  kenne  ich  nur  zwei,  Floren- 
tius  von  Worcester  und  Wilhelm  von  Malmesbury.  Aber 
jener  scheidet  ohne  weiteres  als  Besitzer  der  Hs.  aus,  da 
er  bereits  1118  gestorben  ist,  während  C  gleich  seiner 
Quelle  den  Oktober  1119  erreicht.  Anders  Wilhelm,  dessen 
Bekanntschaft  mit  der  Vorlage  von  CL  sich  aus  zahl- 
reichen Stellen  seiner  Gesta  regum  ergab,  in  denen  auch 
jene  Eidesformel  ihren  Platz  gefunden  hat  ^  Freilich  sind 
die  Gesta  regum  nicht  eine  Chronik  im  Sinne  Wilhelms, 
wie  seine  Bezeichnung  der  Sächsischen  Annalen  als 
'c  h  r  o  n  i  c  o  more  et  patrio  sermone  per  annos  Domini 
ordinata'  bekundet-,  während  sein  eigenes  Werk  ihm  als 
'multarum  historiarum  breviarium'  erscheint ^ ;  aber 
auch  wenn  man  damit  in  seine  Worte  zu  viel  hineinlegen 
sollte,  so  bleibt  doch  die  Tatsache,  dass  er  nicht  die  Gesta 
regum,  wohl  aber  ein  anderes  seiner  Werke  Chronik  ge- 
nannt hat.  Als  er  1140  den  Widmungsbrief  seiner  Historia 
Novella  an  Robert  von  Gloucester  schrieb  '\  da  erwähnte 
er,  dass  er  die  Taten  von  König  Heinrich  I.  in  zwei  Werken 
dargestellt  habe:  'Pleraque  gestorum  praecellentis  memoriae 
patris  vestri  stilo  apponere  non  neglexi,  et  in  quinto  libro 


1)  Vgl.  oben  S.  409,  Anm.  4.  2)  Prolog  der  Gesta  regum  I  (ed. 
Stubbs  1,  1);  vgl.  den  zum  2.  Buch  (p.  104):  'Chronica  longe  lateque 
corrogavi'.  3)  Widmungsbrief  an  Robert  von  Gloucester  (eb.  11,  356). 
Vgl.  Stubbs  I,  p.  XXXIII :  'it  is  at  least  possible  that  they  contained 
such  notes  as  would  answer  to  the  definition  of  Chronica  or  Annais  as 
distinguished  from  Histories'.         4)  Eb.  II,  525. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    11.  423 

regalium  actuum  et  in  tribus  libellis,  quibus  Chronica 
dedi  vocabulum'.  Wir  besitzen  noch  die  'Taten  der  Könige', 
während  die  'Chronik'  Wilhelms  verschollen  ist  ^.  Be- 
handelte auch  sie  die  Zeit  Heinrichs  (1100 — 35),  so  ist  es 
sehr  wohl  möglich,  dass  auch  die  Urkunden  von  1111  hier 
abermals  Aufnahme  fanden,  so  dass  sie  in  C  um  so  mehr 
entbehrlich  scheinen  mochten. 

Freilich  ist  die  Zuweisung  dieser  Hs.  an  Wilhelm 
nur  eine  Vermutung,  was  ich  doch  betonen  möchte,  wenn 
auch  eine  Annahme,  für  die  mehr  als  ein  Grund  zu 
sprechen  scheint.  Er  hat  die  Vorlage  von  C  nach  Ausweis 
der  Gesta  regum  gekannt,  das  Alter  der  Hs.  ist  an- 
gemessen 2;  er  bezeichnet  'Chronica'  als  sein  Werk,  während 
ich  keinen  Zeitgenossen  zu  nennen  weiss,  auf  den  das 
Selbstzeugnis  von  C  passt.  Die  Benutzung  von  Stücken 
des  Breviarium  Alarici  in  einer  Textgestalt,  die  sich  mit 
der  von  ihm  geschriebenen  Hs.  dieser  Eechtsquelle  be- 
rührt ^  stimmt  gleichfalls  zu  jener  Vermutung  wie  auch 
die  Aufnahme  von  Teilen  der  Akten  des  allgemeinen 
Konzils  von  680,  mit  denen  Wilhelm  sich  in  den  Gesta 
regum  bekannt  erweist*.  Im  Einschiebsel  über  Attila 
(S.  369  f.)  sind  Jordanis  und  Paulus'  Historia  Romana  benutzt, 
die  ebenfalls  zu  den  auch  sonst  von  Wilhelm  herangezogenen 
Quellen  gehören  ^.  Vielleicht  darf  man  auch  die  Wieder- 
gabe der  Römischen  Inschriften''  mit  der  Aufnahme  eines 
kurzen  Pilgerführers  'de  uumero  portarum  et  sanctis 
Roraae'  in  die  Gesta  regum  IV,  352  '  in  Vergleich  setzen 
und  darauf  hinweisen,  dass  auch  dieser  Text  einer  alten 
Vorlage  entnommen  ist;  wie  die  Inschriften  mit  der  Grab - 
Schrift   Johannes'    VII.    (f   707)    abbrechen,    so    entspricht 


1)  Vgl.  W.  de  Gray  Birch,  On  the  life  and  writings  of  "William 
of  Malmesbury  (Transactions  of  the  Royal  Society  of  Literature,  2.  series 
X,  1874,  p.  355.  367  sq.) ;  Stubbs  a.  a.  0.  I,  S.  XXXII  f.  CXV  f.,  der 
hier  auch  der  Hs.  des  Britischen  Museums  Lansdowne  n.  486  einige 
Worte  widmet,  in  deren  fol.  2  —  11  Hamilton,  Gesta  pontificum  p.  IX 
wohl  mit  Unrecht  ein  Bruchstück  der  verlorenen  Chronik  vermutete,  die 
aber  doch  vielleicht  genauere  Mitteilungen  verlohnt  als  die  knappen  An- 
gaben im  Katalog  der  Lansdowne  -  Hss.  und  in  der  Einleitung  von 
0.  Horstman,  Nova  Legenda  Anglie  I,  Oxford  1901,  p.  IX.  2)  Vgl.  oben 
S.  337.  3)  Eb.  S.  374.  4)  Eb.  S.  376.  5)  Dieselbe  Hs.,  die  das 
Breviarium  Alarici  von  Wilhelms  Hand  bewahrt  hat,  enthält  auch  Paulus' 
Bearbeitung  von  Eutrop  und  Jordanis  (vgl.  Waitz,  N.  A.  IV,  384; 
Mommsen,  Auct.  ant.  V,  1,  p.  LIV;  Stubbs  I,  p.  CXXXIV),  dessen 
Gothengeschichte  AVilhelm  in  den  Gesta  regum  II,  116  (eb.  p.  121) 
erwähnt.  6)  Oben  S.  350 — 364.  7)  Ed.  Urlichs,  Codex  urbis  Romae 
topographicus,  1871,  p.  87  —  89;  Stubbs  II,  404  —  408   (vgl.   p.  CXXI  f.). 


424  Wilhelm  Levison. 

auch  die  kleine  Stadtbeschreibung-  nicht .  den  Verhältnissen 
von  Wilhelms  eigener  Zeit,  sondern  denen  des  siebenten 
Jh.^.  Jedenfalls  glaube  ich  so  die  Vermutung  aussprechen 
zu  dürfen ,  dass  unsere  Hs.  für  und  von  Wilhelm  ge- 
schrieben worden  ist. 

Freilich  mit  Vorbehalt!  Verschiedene  Hände  haben 
an  dem  Bande  geschrieben;  wenigstens  in  einer  möchte 
man  die  Hand  von  Wilhelm  selbst  erkennen.  Jedoch  nach 
den  mir  zugänglichen  Nachbildungen  seiner  Schrift  -  ver- 
mochte ich  sie  in  C  nicht  nachzuweisen;  vielleicht  führt 
der  Vergleich  der  ihm  zugeschriebenen  Hss.  weiter,  als  es 
die  bisher  vorliegenden  Schriftproben  gestatten.  Ist  die 
Frage  auch  nur  von  untergeordneter  Bedeutung,  so  bietet 
sie  doch  ein  gewisses  Interesse  bei  einem  Manne  wie 
Wilhelm ;  der  umfangreiche  Band ,  der  seiner  späteren 
Lebenszeit  angehören  müsste,  würde  namentlich  auch 
unsere  Kenntnis  von  dem  Umfang  seiner  theologischen 
Studien  nicht  unwesentlich  erweitern.  Vielleicht  regen 
diese  Zeilen  dazu  an,  meine  Vermutung  über  den  ersten 
Besitzer  der  Cambridger  Hs.  auf  Grund  der  Wilhelm  mit 
grösserer  Sicherheit  zugewiesenen  Bücher  in  seinem  Heimat- 
lande nachzuprüfen,  in  dessen  mittelalterlicher  Geschicht- 
schreibung er  eine  so  hervorragende  Stellung  einnimmt. 

Anhang. 

1. 

Dicta    Aelfredi    regis. 

Am  Eande  des  Liber  Pont,  in  der  Cambridger  Hs. 
n.  2021  hat  ein  wenig  späterer  Schreiber  noch  im  12.  Jh. 
zwei    zusammengehörige    Stücke     eingetragen ,     die     zwar 


1)  Nach  de  Rossi,  Roma  sotterranea  I,  146.  153  gehört  der  Ab- 
schnitt Wilhelms  über  Rom  in  die  Zeit  'prima  delle  maggiori  traslazioni 
fatte  ne'  secoli  VIII  e  IX',  wahrsclieinlich  in  das  Menschenalter  von  648 
bis  682;  vgl.  auch  H.  Jordan,  Topographie  der  Stadt  Rom  II,  165. 
580ff.  und  Gr.  Schneider,  Nuovo  Bullettino  di  archeologia  cristianaXV,  1909, 
S.  79  ff.  Trifft  meine  Vermutung  über  Wilhelm  als  den  Besitzer  von  C  zu, 
so  liegt  der  Gedanke  an  den  sogenannten  Anonymus  Einsidlensis  nahe, 
in  dessen  bekannter  Hs.  eine  Inschriftensammlung  und  ein  Romführer 
sich  neben  einander  finden,  und  man  möchte  in  einer  ähnlichen  Hs.  die 
gemeinsame  Quelle  der  Gesta  regum   und  von  C  suchen.  2)  Vgl.    die 

fünf  Tafeln  an  der  Spitze  von  Hamiltons  Ausgabe  der  Gesta  pontificum, 
1870;  ferner:  The  Palaeographical  Society,  Second  series  II,  1894,  Tafel 
192,  und  die  Bemerkungen  von  F.  JVIadan  bei  Stubbs,  Gesta  reeum  I, 
p.  CXXXIIf. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  425 

wegen  des  Inhalts  kaum  Bedeutung  besitzen,  aber  doch 
durch  ihre  Form  und  die  Berufung  auf  'dicta'  von  König 
Alfred  eine  Veröffentlichung  rechtfertigen.  Die  erste 
Eintragung  steht  fol.  233  neben  dem  Leben  von  Papst 
Siricias  : 

Apostolici  viri  Siricii  tempore  gestum  est,  quod  in 
Angulsaxonum  regis  Aelfredi  veridicis  dictis  legitur. 
Ebreae,  Latine,  Grecae  aliarumque  linguarum  peritissimus 
beatus  leronimus  cum  bibliotheca  ^,  quam  de  Ebrea  in 
Latinam  linguam  verterat,  Romam  venit,  ut  situm  loci 
videret  et  nosset,  si  populus  cum  apostolo"^  ea  quae  retro 
sunt  oblitus  fide,  spe  et  caritate  se  extenderet  in  ante. 
Erat  enim  vir  iste  scriba  doctus  in  regno  caelorura,  pro- 
ferens  de  thesauro  suo  nova  et  vetera'^.  Nuntiatur  papae 
mirae  scientiae  clericum  matrem  urbium  penetrasse,  cum 
eo  loqui  velle,  dignetur  solummodo  concedere  hoc  agere 
sibi  licere. 

'Intret'  ^,  ait  papa,         'pronuntiet  et  mihi  grata'. 

Ingreditur  sanctus,  conscissa  pelle  velatus. 

Tempnitur  a  cunctis          nulla  pietate  perunctis. 

Egressus  pensat,  crastino  quid  faciat. 

Mutuo  acceptis  pretiosis  se  induit  vestimentis.  Clericis 
precedentibus         librumque    manu   gerentibus,  in   auro 

texta  clamide  Roniuleum  perlustrat  forum.  Pro  ornatu 
vestitus  viri  circumspicientes  in  ammirationem  verti,  et  qui 
hesterno  in  oculis  omnium  vilis  et  parvus  visus  est,  hodie 
pretiosus  et  magnus  predicatur.  Gradienti  itaque  beato 
leronimo  de  porta  in  portam  Romuleae  urbis  dum  unus 
cardinalium  obviat, 

subsistens  illum  summissa  voce  salutat. 
Sale^    sapientie    condita  haurit    ab    illius    ore    verba; 

eructans  mox  responsum  ad  apostolicum  ingredi  obsecrat. 
Cum  quo  cardinali  ille  summi  pape  Dei  cardinalis  pruden- 
tissimus  papalia  subit  moenia.  Quid  multis?  Vilitas 
vestium    quem    perendie    dehonorarat,  nunc   pretiositas 


1)  D.  h.  Bibel;  vgl.  z.  B.  Wattenbach,  Das  Schriftwesen  im  Mittel- 
alter' S.  152  ff.  2)  Phil.  3,  13:  'quae  quidem  retro  sunt  obliviscens, 
ad  ea  vero  quae  sunt  priora  extendens  me  ipsum' ;  1.  Cor.  13,  13:  'fides, 
spes,  Caritas'.  3)  Matth.  13,  52 :  'Ideo  omnis  scriba  doctus  in  regno 
caelorum  similis  est  homini  patri  familias,  qui  profert  de  thesauro  suo 
nova  et  vetera'.  4:)  Die  eingerückten  Reime  und  Verse  sind  hier  und 
nachher  mit  roter  Tinte  geschrieben,  ebenso  der  Name  Gregors  I.  und  des 
Hieronymus  am  Schluss.  5)  Col.  4,  6 :  'Sermo  vester  semper  in  gratia 
sale  sit  conditus'. 


426  Wilhelm  Levison. 

ceu  debitum  exigens  honorem  honorat.  Papali  assidens 

lateri  cum  eo  cibum  sumit.  Diversa  presentantur  fercula. 
Quorum  in  presentatione  girat  leronimus  oculos,  ad  vestes 
velut  gratias  agens  inclinat  et  in  ammirationem  circum- 
sedentium  deosculatur.  Persoluto  ventri  debito,  cur  sie 
actitarat,  requiritur.  'Honorantibus',  inquit,  'me  honorem 
exhibebo.  Vilitas  vestium  me  honore  privarat,  pretio- 
sitas  iam  insigniter  honorat'.  His  auditis  exardescit  ira 
apostolica  celsitudo,  in  furorem  mota  est  tota  papalis 
curia.     Et  sie 

a  mundi  capite         lux  mundi  pellitur  ürbe. 

Die  Fortsetzung  ist  von  derselben  Hand  fol.  244' 
neben  dem  Leben  Gregors  I.  eingetragen  worden: 

Erat  Rome  mos  antiquitus  institutus,  ut  ad  apostoli- 
corum  virorum  sepulcra  die  noctuque  lumen  arderet.  Nee 
immerito :  nam  iuxta  evangelicam  auctoritatem  illi  lux 
sunt  mundi  ^,  quibus  collatis  clavibus  regni  caelestis  ligandi 
atque  solvendi  pontificium  tradidit  altissimus  2.  Mos  in- 
olevit,  sed   ignoro   an   penuria   vel   negligentia    morem 

delevit.  Lucerna  ardens  et  lucens  ^  beatissimus  videlicet 
Gregorius,  dum  paparet,  dum  ecclesiam  Dei  apostolico 
iure  gubernaret,  aut*  legit  vel  audivit  a  narrantibus,  quid 
olim  temporis  vir  apostolicus  Siricius  in  beatum  gesserat 
leronimum.  Factum  est  in  una  dierum,  lustratis  Urbis 
interioribus,  sanctus  Gregorius  ad  tumulos  virorum  apo- 
stolicorum 

luminibus  sacris  ardentia  lumina^  cernens 
et  ad  predicti  papae  tumbam  perveniens, 

substitit,  exclamat,  indignans  protinus  infit: 

'Tumba  tegit  papam,  qui  mundi  lumen  ab  Urbe 

expulerat  dudum,  quod  replet  dogmate  mundum. 
Hinc    vere    indignum    et    iniustum    est    ardere    lumen    ad 
sepulcrum  illius'. 

Dixit,  vas  fregit  baculo  fuditque  liquorem. 
Et  sie  in  Siricium  vindicat  leronimum. 

Diese  'dicta'  Alfreds  waren  bisher  nicht  bekannt. 
Mit  den  unter  seinem  Namen  gehenden  'Sprüchen',  die  in 
der  Unterschrift  einer  Hs.  als  'dicta  regis  Alvredi'  be- 
zeichnet  werden  ^    haben   sie   nichts   gemein.      Ferner    be- 


1)    Matth.  5,  14:    'Vos  estis   lux   mundi'.  2)  Vgl.   eb.  16,  19. 

3)   loh.  5,  35:    'llle  erat  lucerna  ardens  et   lucens'.  4)    Der  Miniator 

hat  'auf  ergänzt.         5)  Vgl.  Vergils  Aeneis  II,  405:  'ad  caelum  tendens 
ardentia    lumina    frustra'.  6)    The   Proverbs   of  Alfred   re-edited   by 

Walter  W,  Skeat,  Oxford  1907,  p.  40. 


Aus  Englischen  Bibliotheken.    U.  427 

gegnen  'dicta  regis  Aelfredi'  in  der  Genealogie  der  Könige 
von  Wessex  bei  Florentius  von  Worcester  als  Quelle  für 
die  Einreihung  eines  der  Könige  ^  Man  hat  sie  auf  das 
'enchiridion'  Alfreds  bezogen  2,  in  das  der  König  allerlei 
Lern-  und  Lesefrüchte  —  'placabilia  testimonia'  —  ein- 
tragen Hess  3,  und  das  noch  Wilhelm  von  Malmesbury  vor- 
gelegen hat^.  Vielleicht  darf  man  auch  unsere  Erzählung 
darauf  zurückführen,  deren  Quelle  ich  nicht  nachzuweisen 
vermag,  lieber  ihren  legendenhaften  Charakter  ist  freilich 
kein  Wort  zu  verlieren.  Richtig  ist  nur,  dass  Papst 
Siricius  (384  —  399)  im  Gegensatz  zu  seinem  Vorgänger 
Damasus  Hieronymus  'nicht  besonders  zugetan  gewesen  zu 
sein  scheint'  ^ ;  wir  hören  auch  wohl,  dass  man  in  Eom 
über  Hieronymus  und  seine  Gesinnungsgenossen  wegen 
ihrer  Kleidung  spottete '^,  wie  er  selbst  sich  gegen  'das 
Stutzertum  im  Klerus'  gewandt  hatte  ^.  Seine  Kleidung 
spielt  sonst  in  der  Legende  nur  in  anderer  Weise  eine 
Eolle,  indem  seine  Römischen  Gegner,  um  ihn  bloss- 
zustellen,  ihm  an  das  Bett  ein  Frauengewand  gelegt  haben 
sollen,  in  das  der  ahnungslose  Mann  dann  hineingeschlüpft 
sei^  Dagegen  ist,  soviel  ich  weiss,  unsere  Geschichte 
sonst  nicht  überliefert. 

2. 

Ein     Schreiben     Paschalis'     II.     an     Robert 
von    der    N  o  r  m  a  n  d  i  e. 

Papst  Paschalis  II.  weist  den  Anspruch  des  Herzogs 
Robert  von  der  Normandie  auf  das  Recht  zur  Investitur 
(der  Bischöfe  und  Aebte)  mit  Ring  und  Stab  als  un- 
berechtigt zurück.  1101 — 1106. 

Britisches  Museum,   Harleianus   n.  633,    fol.  66' — 67. 


1)  Chronicon  Florentii  Wigorniensis  ed.  Thorpe  I,  272 :  'Deinde 
Cenfus  duobus  annis  secundiim  dicta  regis  Aelfredi,  iuxta  vero  Chronicam 
Anglicam  filius    eius  Aescwinus    fere   tribus    annis    regnavit'.  2)    Vgl. 

R.  Pauli,  König  Aelfred,  1851,  S.  219;  W.  H.  Stevenson,  Asser's  Life 
of  King  Alfred,  1901,  p.  153,  N.  4.  3)  Asser  c.  88.  89  (ed.  Stevenson 
p._73sqq.).  4)  Vgl.    eb.    p.  153.  326  f.  5)  Vgl.    G.  Grützmaclier, 

Hieronymus  I  (Bonwetsch  und  Seeberg,  Studien  zur  Geschichte  der 
Theologie  und  der  Kirche  VI,  3),  1901,  S.  275;  eb.  II  (a.  a.  0.  X,  1), 
1906,  S.  194  f.,   und  III  (eb.  X,  2),   1908,   S.  48  f.  6)  Eb.   I,   294. 

7)    Eb.  I,  278.  8)  Vgl.    die   2.    und   4.  Vita   Hieronymi    (Opera   ed. 

Vallarsi  XI,  1^  col.  297.  376). 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  28 


428  Wilhelm  Levison. 

Paschalis  episcopus,  [servus*^  servorum  Dei],  R(otberto) 
dilecto  filio'',  Normannorum  duci,  salutem*'  [et*^  apostolicam 
benedictionem]. 

Visis  litteris  vestris  et  diligeuter  inspectis  letati 
sumus,  quod  temporibus  antecessorum  vestrorum  pace 
assidua  letabatur  ^cclesia  et  regularis  ordo  vigebat.  Tem- 
pore autem  vestro  nullum  in.  vestris  partibus  §cclesia 
potuit  habere  augmentvim  nee  religio  Christiana  servari, 
ut  decuit,  quoniam  qui  pastores  ecclesiarum  Domini  [esse^ 
debebant],  in  ipso  introitu  ^  ceciderunt,  et  qui  messis  do- 
minice  videbantur  operarii  -  et  cultores,  facti  "^  sunt  era- 
dicatores  et  subversores.  Nee  mirum :  non  enim  intra- 
verunt  per  ostium  ^,  sed  ut  fures  et  latrones  ascenderunt 
ex  adverso^.  Sed  sicut  fama  perveniente  cognovimus,  non 
sano  intellectu  interpretantur*^  quidam  tutelam  et  patro- 
cinium  §cclesiarum  a  predecessoribus  nostris,  ut  dicitis, 
vobis  et  antecessoribus^  vestris  esse  concessa.  Tutela  enim 
et  patrocinia  §cclesiarum  secularibus  potestatibus  commissa 
sunt,  ut  ^celesiae  per  vos  ab  omni  perturbatione  et  in- 
festatione  mundana  tueantur,  quatinus  earum  cultores 
quiete  et  devote  regi  celesti  valeant  militare.  Tu  autem 
te  ipsum  ostium  effecisti  et  per  anulum  et  virgam  in- 
vestituram  §cclesiae  non  ut  sponse  Christi,  sed  sicut  ancille 
hostibus  tradis  eins  regimen  usurpantibus,  deserentibus 
Deum,  qui  vere  ostium  est,  per  quem  qui  non  ingreditur 
für  est  et  latro  ^.  Sed  quia  hac  dignitate  te  expoliatum 
esse  conquereris,  quam  apostolorum  canones  et  Antiochena 


a)  Die  eingeklammerten  Worte  sind  von  mir  ergänzt.  Titel  und 
Grussformel    der  Papstbriefe   sind    in    der  Hs.  öfter   verkürzt.  b)    Es 

folgt  das  ausradierte  Wort  'tuo\         c)  Die  Hs.  hat  wie  mehrfach  'salutes'. 
d)    'sancti'    ('sunt'    auf  Rasur)   eb.  e)   Verbessert   aus   'interpretatur'. 

f)  Verbessert  aus  'antecessores'. 

1)  Vgl.  3  Reg.  14,  12 :  'in  ipso  introitu  pedum  tuorum'.  2)  Vgl. 
Matth.  9,  38.  3)  Vgl.  Anm.  5.  4)  Vgl.  Ezech.  13,  5:  'Non  ascen- 
distis  ex  adverso'.  5)  Vgl.  das  Schreiben  Paschalis'  II.  an  Heinrich  I. 
von  England  von  1101  (Jaflfe  I'-  n.  5868;  Eadmer,  Hist.  novorum  III 
ed.  Rule  p.  128) :  'Quaerebas  enim,  ut  tibi  episcoporum  abbatumque  per 
investituram  constituendorum  ius  et  facultas  a  Romana  indulgeretur 
ecclesia,  et  quod  per  se  solum  fieri  omnipotens  Dominus  perhibet,  hoc 
regiae  potestatis  fieret.  Ait  enim  Dominus :  "Ego  sum  ostium ;  per  me 
si  quis  introierit,  salvabitur"  (Joh.  10,  9).  Cum  autem  ecclesiae  ostium 
reges  esse  arrogant,  fit  profecto,  ut,  qui  per  eos  ecclesiam  ingrediuntur, 
non  pastores,  sed  fures  et  latrones  habeantur,  eodem  Domino  dicente : 
"Qui  non  iutrat  per  ostium  in  ovile  ovium,  sed  ascendit  aliunde,  für  est 
et  latro"  (Joh.  10,  1).  Vgl.  auch  die  Briefe  vom  15.  April  1102  und 
23.  November  1108  (Jaffe  n.  5908.  5956;    Eadmer  a.  a.  0.   p.  135.  156). 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    ü.  429 

sinodus,  decreta  quoque  Eomanorum  pontificuui  ^  sub  ana- 
thematis  interdictu  ab  omni  seculari  removent  potestate, 
valde  miramur.  Nemo  enim  expoliatur  ea  re,  qua  semper 
extitit  nudus,  nee  eius  scimus  expoliatiouem*^,  cuius  iu- 
vestituram  nunquam  agnovimus.  Quapropter,  dilectissime 
fili,  indubitanter  ag-noscas,  quod  dignitatem  tuam  miuuere 
nolumus^,  sed  volumus  Deum  regnare  in  te,  ut  tu  per  eum 
regnes  ^,  quatinus  bonor  tuus  et  inquietus  et  inexpugnabilis 
maneat. 

An  der  Echtheit  des  vorstehenden  Briefes  zu  zweifeln, 
scheint  mir  kein  Grund  vorzuliegen.  Er  ist  zusammen  mit 
anderen ,  auch  sonst  erhaltenen  Schreiben  des  Papstes 
überliefert,  die  Form  ist  unbedenklich,  und  der  Inhalt  — 
wie  etwa  die  Berufung  auf  Evang.  Johannis  c.  10  ^  auf 
die  apostolischen  Canones  und  das  Konzil  von  Antiochia^ 
—  entspricht  nicht  nur  den  Anschauungen  der  Zeit  im 
allgemeinen,  sondern  auch  den  von  Paschalis  selbst  in 
ähnlichem  Zusammenhang  bei  anderen  Gelegenheiten  ent- 
wickelten Gedanken*^.  Da  Herzog  Robert  (1087 — 1106)  erst 
im  Herbst  1100  vom  ersten  Kreuzzuge  zurückkehrte,  der 
ihn  seit  1096  ferngehalten  hatte,  so  kann  Paschalis  (1099 
— 1118)  den  Brief  frühestens  gegen  Ende  1100  geschrieben 
haben.  Das  Schreiben  stellt  aber  nicht  den  Anfang  der 
Erörterungen  dar;  vorausgegangen  sind  mindestens  ein 
Brief  des  Papstes,  in  welchem  dieser  gegen  die  Investitur 
von  Bischöfen  oder  Aebten  mit  Ring  und  Stab  Einspruch 
erhoben,  und  die  Antwort  Roberts,  der  das  Vorgehen  des 
Papstes  als  einen  Eingriff  in  angestammte  Rechte  zurück- 
gewiesen hatte.      So  wird   der  Brief   frühestens   dem  Jahr 


a)  'expoliati'  auf  Rasur. 

1)  Paschalis  an  Guido  von  Vienne  1112  (.Taffe  n.  6325;  Duchesne, 
Liber  Pont.  II,  373):  'que  sacri  apostolorum  canones  (c.  31)  et  Antiocenum 
(c.  23)  atque  universalia  concilia  et  predecessores  nostri  et  precipue  felicis 
memorie  dompnus  Gregorius  etUrbanus  de  hiis  prohibuerunt,  dampnaverunt, 
statuerunt  et  firmaverunt'.  2)  Vgl.  das  S.  428,  Anm.  5  an  erster  Stelle 
genannte  Schreiben  (Eadmer  a.  a.  0.  p.  130) :  'Inter  ista,  rex,  nullius 
tibi  persuasio  profana  surripiat,  quasi  aut  potestati  tuae  aliquid  diminuere 
aut  nos  in  episcoporum  promotione  aliquid  nobis  velimus  amplius  vindi- 
care'.  3)    Vgl.  Paschalis  Brief  an  Heinrich  1.  (Jaffe  n.  5910;  Eadmer 

a.  a.  0.  p.  131):  'ne  illum  offendas,  per  quem  reges  regnant'  (vgl.  Prov. 
8,  15).  4)  Vgl.  z.  B.  Mirbt,  Die  Publizistik  im  Zeitalter  Gregors  VII. 
S.  482.    487.    523.  5)  Vgl.   z.  B.  MG.  Constit.  I,  569,  12    (=    c.  16. 

C.  XVI.  qu.  7)  und  die  in  den  Registern  der  Libelli  de  lite  imperatorum 
et    pontificum    angeführten   Stellen.  6)   Vgl.    die   Anmerkungen    zu 

dem  Briefe. 

28* 


430  Wilhelm  Levison. 

1101  angehören,  zumal  Paschalis  damals  noch  seiner  Dank- 
barkeit für  Roberts  Wirksamkeit  auf  dem  Kreuzzug  Aus- 
druck gegeben  und  Anselm  von  Canterbury  aufgefordert 
hat,  im  Kriege  zwischen  dem  Herzog  und  seinem  Bruder 
Heinrich  I.  von  England  zu  vermitteln  ^.  Die  späteste 
Grenze  bezeichnet  die  Gefangennahme  Roberts  in  der 
Schlacht  bei  Tinchebrai  am  28.  September  1106  und  die 
Wiedervereinigung  der  Normandie  mit  England,  wo  der 
Gefangene  nach  langen  Jahren  sein  Leben  beschlossen 
hat,  ohne  die  Freiheit  wiederzuerlangen.  Der  Englische 
Investiturstreit  hat  also  in  der  Normandie  sein  be- 
scheideneres Gegenstück  gehabt,  von  dem  wir  durch  den 
Brief  Paschalis'  II.  Kunde  erhalten,  und  ganz  ohne  Zu- 
sammenstoss  der  entgegengesetzten  Interessen,  wie  man 
bisher  annehmen  musste  ^,  ist  auch  hier  der  Verzicht  des 
Herrschers  auf  die  Investitur  mit  Ring  und  Stab  nicht 
erfolgt.  Ein  Eingreifen  des  Papstes  erscheint  auch  keines- 
wegs befremdlich  bei  den  grossen  Missständen,  die  in  der 
Tat  unter  Robert  zu  Tage  treten,  der  nicht  nur  über  das 
Kirchengut  wie  über  die  Bistümer  und  Abteien  selbst 
schrankenlos  verfügte ,  sondern  dabei  auch  die  grösste 
Simonie  trieb  ^.  Noch  auf  der  Synode  von  Ronen  im 
Februar  1096  war  von  dem  Verbot  der  Laieninvestitur  in 
Bezug  auf  Bistümer  und  Abteien  nicht  die  Rede  ^  im 
Gegensatz  zu  dem  unmittelbar  vorher  erfolgten  allgemeinen 
Verbot  in  den  Beschlüssen  von  Clermont,  von  denen  man 
zu  Ronen  doch  ausging.  Gern  möchte  man  die  Vorgänge 
genauer  bestimmen,  die  dann  nach  der  Wende  des  Jahr- 
hunderts das  Eingreifen  von  Paschalis  veranlassten.  Es 
liegt  nahe,  an  das  Bistum  Lisieux  zu  denken,  dessen  Ver- 
hältnisse in  diesen  Jahren  dem  Papst  mehr  als  einmal 
nicht  unberechtigten  Anlass  zum  Einschreiten  geben 
konnten.     Nach  dem  Tode  des  Bischofs  Fulcher  im  Januar 

1102  bemächtigte  sich  dessen  Bruder,  der  aus  England 
geflohene  Bischof  von  Durham  Ranulf  Flambard,  des  Bis- 


1)  Jaffe^  n.  5883;    Migne  CLXIII,  80  f.  2)  Vgl.  H.  Boehmer, 

Kirche  und  Staat  in  England  und  in  der  Normandie  im  XI.  und  XII.  Jh., 
1899,  S.  271  f.;  Fr.  X.  Barth,  Hildebert  von  Lavardin  (Stutz,  Kirchen- 
rechtliche Abhandlungen  31/36),  1906,  S.  366.  3)  Vgl.  Imbart  de  la 
Tour,  Les  elections  episcopales  dans  l'eglise  de  France,  1890,  p.  456; 
Boehmer  a.  a.  0.  S.  142  fF.  4)  Ordericus  Vitalis,  Hist.  eccl.  IX,  3  (ed. 
Le  Prevost  III,  472  f.).  Vgl.  u.  a.  A.  Luchaire  bei  Lavisse,  Histoire  de 
France  II,  2,  1901,  p.  223;  A.  Scharnagl,  Der  Begriff  der  Investitur  in 
den  Quellen  und  der  Literatur  des  Investiturstreites  (Stutz ,  Kirchen- 
rechtliche Abhandlungen  56),  1908,  S.  59  f. 


Aus  Englischen  Bibliotheken,    n.  431 

tums,  mit  dem  er  seinen  Sohn  Thomas,  einen  Knaben,  in- 
vestieren Hess,  dessen  jüngerer  Bruder  gleichzeitig  das 
Eecht  auf  die  Nachfolge  empfing,  —  'accepto  pastorali 
baculo  a  comite  Northmannorum'.  Nach  drei  Jahren  liess 
Eobert  sie  fallen  und  gestattete  eine  kanonische  Wahl, 
die  auf  den  Archidiakon  von  Evreux  Wilhelm  fiel.  Als 
sich  dessen  Weihe  jedoch  hinausschob,  suchte  Flambard 
das  Bistum  einem  seiner  Geistlichen  Wilhelm  von  Pacy 
zu  verschaffen,  der  dem  Herzog  dafür  eine  grosse  Geld- 
summe zahlen  musste,  aber  sowohl  in  Eouen  von  dem 
Erzbischof  wie  in  Rom  von  dem  Papste  selbst  wegen 
Simonie  verworfen  wurde  ^.  Der  zweite  Fall  kommt  frei- 
lich als  Veranlassung  des  Briefes  kaum  in  Betracht,  da 
Wilhelm  in  Ronen  nicht  beweisen  konnte,  dass  er  das 
Bistum  als  'donum  comitis'  empfangen  hatte,  also  sicher- 
lich noch  nicht'  investiert  worden  war,  und  auch  die  Vor- 
gänge von  1102  werden  nicht  Ursache  gewesen  sein;  sollte 
der  Papst,  um  die  Einsetzung  eines  zwölfjährigen  Knaben 
als  unrechtmässig  zu  erweisen ,  nur  die  Investiturfrage 
berührt  und  von  anderen  Gesichtspunkten  abgesehen 
haben?  So  scheint  es  mir  ratsamer,  den  Anlass  des 
Schreibens  dahingestellt  sein  zu  lassen  und  mich  mit  den 
Zeitgrenzen  1101  und  1106  zu  begnügen,  wenn  auch  jene 
Vorgänge  immerhin  geeignet  sind ,  im  allgemeinen  eine 
Vorstellung  von  den  Verhältnissen  zu  geben,  die  auch  hier 
einen  'Investiturstreit'  herbeiführen  mochten. 


1)  Vgl.    Ordericus  X,  18   (a.  a.  O.   IV,  116  f.) ;    Ivo  von  Chartres, 
Epist.  149.  153.  154.  157  (Migue  CLXll,  154  ff.). 


VIII. 


Studien  zuBenedictusLevita.  VII 

(Studie  VII,   Schlnssteil  HI). 


Von 


Emil  Seckel. 


VII. 

Die  Quellen  des  zweiten  Buches  (Schluss). 

2,  256  —  288    aus   dem  Duplex  Capitulare    mis- 
sorum   in  Theodonis   villa   datum   805^-2. 

Einleitung-.  Sehen  wir  von  der  in  unserer  Reihe 
2,  256  —  288  benutzten  recensio  Benedictina  des 
Duplex  Capitulare  ab,  so  liegt  uns  das  Capitulare  von 
Diedenhofen  in  nicht  Aveniger  als  sieben^  Texten  vor: 

1.  Vulgata;  ihren  Text  bringen  die  meisten  Hss.^ 
Baluze  kannte  von  den  Vulgathss.  den  codex  'Collegii 
Parisiensis  Soc.  lesu'  =  'Collegii  Claromontani'  =  Paris. 
10754  (n.  1  bei  Boretius),  sowie  den  ihm  in  Amerbachs 
Abdruck  ('editio  Bavarica')  vorliegenden  cod.  Monacensis 
19416  (n.  7  bei  Boretius)  ^  Von  der  Vulgata  zweigen  sich 
verschiedene  Nebenformen  ab,  teils  in  einzelnen  Hss.,  teils 
in  Hss. -Gruppen. 

2.  Recensio  Guelferbytana,  erhalten  im  cod. 
Guelferb.  inter  Blankenb.  130.  52^  (n.  13  bei  Boretius), 
Baluze  unbekannt. 


1)  MG.  Capit.  I,  121—126.  Boretius'  Angaben  über  den  Text  bei 
Baluzius  sind  zum  Teil  unbrauchbar.  "Wegen  der  Tegernseer  Hs.  =  cod. 
Monac.  19416  (n.  7  bei  Boretius)  habe  ich  Amerbachs  Abdruck  der  Hs. 
eingesehen  (Praecipuae  Constitution  es  Caroli  Magni  de  rebus  Ecclesiasticis 
et  Civilibus  ä  Lothario  Nepote,  ex  Aui  Constitutionum  libris  Collectae, 
et  nuper  e  Coenobio  Tegernseensi  prolatae :  cum  Annotationibus,  et  prae- 
fatione  Viti  Amerpachij  .  .  .  Typographo  Alexandro  Weissehorno.  M.  D. 
XLV  [Ingolstadt],  8",  Blatt  65b  —  73b);  Amerbachs  Ausgabe  ist  wieder- 
holt in :  Hincmari  Rhemensis  archiepiscopi  .  .  .  Epistolae,  ed.  loannes 
Busaeus,  Mogunt.  1602,  p.  231-338.  2)  Vgl.  Studie  VI  (N.  A.  XXXI), 
S.  97 — 99.  3)  Dabei  zählt  die  recensio  Baluziana  (Baluze,  Capitu- 

laria  I,  1677,  p.  421)  nicht  mit,  weil  sie  sich  als  eigenmächtige  Mischung 
aus  verschiedenen  Rezensionen  des  Capitulare  herausstellen  wird. 
4)  Beide  Capitularien  sind  enthalten  in  16  von  den  heute  noch  erreich- 
baren Codices.  5)  Für  das  Capitulare  secundum  hat  Baluze  noch 
einen  Sangallensis  (verschollen?  jedenfalls  Boretius  nicht  bekannt)  heran- 
gezogen ;  ob  der  Codex  die  Vulgata  enthielt,  steht  dahin.  6)  Vgl. 
Studie  VI  a.  a.  0.  S.  97,  N.  7,  S.  99,  N.  3. 


436  Emil  Seckel. 

3.  Eec.  Corbionensis,  repräsentiert  durch  den 
verschollenen  ^  cod.  'S.  Launomari  ßlesensis'  =  'Corbio- 
nensis', von  Baluze  für  beide  Capitularien  benutzt  und 
heute  nur  aus  Baluze  bekannt. 

4.  Rec.  Parisie  nsis,  erhalten  in  2  Hss. :  cod. 
Paris.  9654  (n.  14  bei  Boretius)  und  cod.  Vat.  Palat.  582 
(n.  15  bei  Boretius);  Baluze  benutzte  die  erstgenannte  Hs., 
die  bei  ihm  als  cod.  'S.  Vincentii  Metensis'  figuriert,  für 
das  Capitulare  primum. 

5.  Ansegisuslib.  I.   und  III.   nebst 

6.  Ansegisus  Appendix  I.  und  II.;  bei 
Ansegisus  (an  den  4  angeführten  Orten  zerstreut)  kehrt 
das  ganze  Duplex  Capitulare  wieder. 

7.  Erstes  Buch  des  Benedictus  Levita. 
Die  Aufgabe  wird  also  sein,  zuerst  für  jedes  Kapitel 

unserer  Reihe  2,  256  —  288  den  nächstverwandten  Text  zu 
ermitteln  und  schliesslich  (S.  446  f.)  das  Verhältnis  unserer 
Reihe  zu  den  7  anderen  Texten  zusammenfassend  dar- 
zulegen. 

2,  256  ins  er.  An  die  Spitze  des  (rubrikenlosen) 
Kapitels  2,  256  setzt  Benedikt  die  Inscription :  'Kapitulum 
hoc  datum  anno  dominicae  incarnationis  DCCCVI.  ad 
Teodonis  villam  anno  imperii  domni  Karoli  VI.'.  Eine 
gleichlautende  ^  Aufschrift  ^  bietet  einzig  die  rec.  G  u  e  1  - 
ferbytana. 

2,  256  I  =  Capitulare  I.  c.  1,  nicht  in  der  Vulgat- 
rezension  (=  Anseg.  App.  I.  c.  1)  u.  s.  w.,  sondern  in  der 
rec.  Corbionensis^.     Ohne  Variante. 

2,  256  II  =  Cap.  I.  c.  2,  weder  Vulgata  (=  Anseg. 
App.  I.  c.  2)  noch  rec.  Parisiensis  noch  Pseudorezension 
des    Baluzius ^,    sondern    rec.    Guelferbytana,    welch 


1)  Nicht  etwa  identisch  mit  cod.  Paris.  10753  (St. -Lomer  in 
Clermont),  wie  MG.  Capit.  II,  p.  XXV  angenommen  wird;  der  Corbio- 
nensis gehörte  St.  -  Lomer  in  Blois,  nicht  St.  -  Lomer  in  Clermont. 
2)  Varianten  :  'Capitulare  dominicum'  (ftuelf.)  statt  'Kapitulum  hoc' 
(Ben.) ;  'domini'  statt  'dominicae  incarnationis'.  3)  MG-.  Capit.  I,  120 

1.  23  sq.  4)    =    rec.   Baluziana    (Baluze,  Capitularia  I,  421),    die  hier 

deshalb  auf  den  cod.  Corbionensis  zurückgehen  muss,  weil  die  3  anderen 
Baluze   bekannten  Hss.    den  Vulgattext   bieten.  5)    Sein  Text   dürfte 

von  ihm  selbst  komponiert  sein  aus  den  3  feststellbaren  Rezensionen: 
Rubrik  'De  cantu'  =  Vulgata  oder  eine  der  2  abgeleiteten  Rezensionen; 
Textanfang  'Ut  [cantus]  discatur'  =  rec.  Parisiensis  Anfang;  Mitte  'et 
(retouchiert  aus  "'ut')  secundum  ordinem  et  morem  Romanae  ecclesiae 
fiat'  ('cantatum'  gestrichen?)  =  rec.  Guelferbytana  (s.  unten),  von  Baluze 
vermutlich  dem  cod.  Corbionensis  entnommen ;  Textende  'et  ut  cantores 
de  Mettis  revertantur'  =  reo.  Parisiensis  Ende. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  437 

letztere  vermutlich  ^  auch  im  cod.  Corbionensis 
stand.  Eine  Variante :  'cantatus'  Ben.,  'cantatum'  reo. 
Guelf. 

2,  256  III  =  Cap.  I.  c.  4  (3  zweite  Hälfte  bei  Bai.), 
weder  Vulgata  (=  Anseg.  App.  I.  c.  3)  noch  rec.  Pari- 
siensis  ('et  de  notariis',  Worte,  die  an  c.  3  Vulg.  an- 
gehängt sind),  auch  nicht  rec.  Guelf.  ^,  sondern  Pseudo- 
rezension  des  Baluzius^,  vermutlich*  Wort  für  Wort  = 
rec.  Corbionensis. 

2,  256  IV  =  Cap.  I.  c.  5  (4  Bai.),  weder  Vulgata 
(=  Anseg.  App.  I.  c.  4)  =  rec.  Guelf.  noch  rec.  Pari- 
siensis  ^  (=  rec.  Baluz.  c.  4  r  u  b  r.)  ^,  sondern  rec.  Balu- 
ziana  (c.  4  Text !)*^  =  Corbionensis '',  wiederum  ohne 
Variante. 

2,  256  V  =  Cap.  I.  c.  7  (5  zweite  Hälfte  bei  Bai.)», 
weder  Vulgata  (=  Anseg.  App.  I.  c.  6)  =  rec.  Guelferb. 
noch  rec.  Parisiensis  ^,  sondern  rec.  Baluziana  (c.  5  Text, 
Satz  2)  =  Corbionensis^*',  nochmals  in  buchstäblich 
gleicher  Fassung. 

2,  256  VI  =  Cap.  I.  c.  8  (6  Bai.).  Die  Rezensionen 
lauten  (Vulgata  =  rec.  Baluziana  abzüglich  des  Wortes 
'quidem'  und  des  gesperrt  Gedruckten): 

rec.  Baluz.  ^^  =  Corb. 
De    ecclesiis    sine    honore 


rec.  Paris.  ^^ 

De  ecclesiis  sine  honore 
manentibus  in  luminarifs  ei 
offitiis;    decimas   quidem    ad- 


manentibus  absque  officiis  et 
luminariis  ^^ ;    et   de    his,    qui 


1)  Vgl.  vorhin  S.  436,  N,  5.  2)  'De  notariis,  ut  unusquisque 
episcopus  atit  abbas  vel  comes  suum  notariura  habea^  (Abweichungen 
von  Ben.  kursiv).  3)  'De  [scribis  et',  vielleicht  eingesetzt  aus  Vulg.  ?] 

'notariis.  [De  scribis,  ut  vitiose  non  scribant'  =  Vulg.  c.  3J.  'Ut  unus- 
quisque episcopus  et  abba  et  singuli  comites  suum  notariuin  habeant'. 
Den  hier  wesentlich  interessierenden  zweiten  Satz  kann  Baluze  nur  aus 
dem     Corbionensis     haben.  4)    Wenn     gerade     die     nicht     ein- 

geklammerten Worte  (im  Text  der  vorigen  Note)  im  Corbionensis 
standen,  was  nur  für  den  Anfang  ('De  notariis')  zweifelhaft  sein  kann. 
5)    Lautet :    'De  diversis   disciplinis    discendis'.  6)  Hier   liegt  Baluze's 

pseudokritisches  Verfahren   offen   zu    Tage,  7)  Wortlaut:    'De  ceteris 

disciplinis  ecclesiae,  ut  secundum  canones  vel  regulam  fiant'.  8)  Baluze's 
c.  .5  ist  wieder  so  komponiert,  dass  aus  dem  Texte  der  rec.  Parisiensis 
die  Rubrik,  aus  dem  Texte  der  rec.  Corbion.  (=  Guelf.)  das  Kapitel 
selbst  gebildet  wird.  9)  Besteht  aus  den  (an  c.  6  Vulg.)    angehängten 

Worten:  'et  de  arte  medicina'.  10)   Wortlaut:  'De  medicinali  arte,  ut 

infantes  hanc  discere  mittantur'.  11)    Abweichungen  von  Ben.    kursiv 

gedruckt.  12)  Die  Rubrik  zu  seinem  c.  6  hat  Baluze  aus  den  Anfangs- 
worten des  Textes  selbst  gebildet.         13)  'luminaribus'  Ben. 


438 


Emil  Seckel. 


rec.  Paris. 
prehendunt  et  de  ecclesiis  non 
curant;  et  de  altaribus,  ut  non 
supera&MWf/ewi  in  ecclesiis. 


rec.  Baluz.  =  Corb. 
decimas  [quidem]  ^  adsumunt 
et  de  ecclesiis  non  curant, 
ut^  omnimodis  emen- 
d  e  t  u  r  ;  et  de  altaribus,  ut 
non  superflua  sint  in  ec- 
clesiis. 

Wie  der  Augenschein  lehrt,  kann  Ben.  weder  auf  der 
rec.  Parisiensis  (S.  437,  N.  11)  noch  auf  der  Vulgata  (=  Anseg. 
App.  I.  c.  7)  =  rec.  Guelferb.  beruhen,  sondern  nur  auf  der 
rec.  Baluz.  =  Corbionensis.  Vom  Text  bei  Baluze 
weicht  Ben.  nur  in  3  (S.  437,  N.  13;  S.  438,  N.  1.  2),  vom 
echten  Corbion.  wahrscheinlich  höchstens  in  2  Kleinigkeiten 
ab  (S.  437,  N.  13,  möglicherweise  noch  S.  438,  N.  2). 

2,  257  =  Cap.  I.  c.  9,  nicht  rec.  Parisiensis  c.  7  ^ 
=  rec.  Baluziana  c.  7^,  sondern  Vulgata  (=  Anseg.  App. 
I.  c.  8;  =  Ben.  1,  244)  =  rec.  Guelferb.  =  rec.  Corbio- 
nensis? =  rec.  Parisiensis  c.  10?^  =  rec.  Baluziana  c.  10^. 
Mit  der  zweiten  Rezension  stimmt  Benedikts  Text  2,  257 
wörtlich  ^  überein.  —  Von  2,  257  ab  sind  die  einzelnen 
Kapitel  unserer  Peihe  rubriziert ;  die  Rubriken  stammen 
aus  der  Feder  Benedikts®. 

2,  258  =  Cap.  I.  c.  3  (3  Satz  1  Bai.),  nicht  rec. 
Parisiensis  ^  sondern  Vulgata  (=  Anseg.  1,  105  vulg.)  = 
rec.  Guelferb.  (=  rec.  Corbionensis?).  Letztere  Rezensionen- 
gruppe deckt  sich  mit  Ben.  ohne  Variante. 

2,  259  =  Cap.  I.  c.  6  (5  Satz  1  Bai.),  nicht  Vulgata 
{=  Anseg.  App.  I.  c.  5)  =  rec.  Parisiensis,  sondern  wört- 
lich rec.  Guelferb.  =  rec.  Baluz.  =  rec.  C  o  r  b  i  o  n.  ^°. 


1)  Ob  diese  Verschönerung  im  Corbion.  stand  oder  erst  von 
Baluze  aus  der  rec.  Parisiensis  bezogen  ist,  lässt  sich  nicht  apodiktisch 
entscheiden ;  Benedikts  Text  (ohne  'quidem')  spricht  für  die  zweite 
Alternative  (vgl.  auch  die  Vulgata).  —  Bei  ßoretius  ist  das  'quidem' 
unter  den  Tisch  gefallen.  2)   Bei  Ben.  folgt  hier:  'hoc'.  3)   MGr. 

Capit.  1,  121,   N.  p.  4)    Baluze,  Capitularia  I,  422.  5)   So,  wenn 

ich  Boretius'  unklare  Angaben  richtig  verstehe.  6)  Also  bringen  rec. 

Parisiensis  (?)  und  Baluze  zweimal  dasselbe  Kapitel  in  verschiedener 
Fassung!  Unten  zu  2,  260  werden  wir  Baluze  nochmals  auf  dem  hilf- 
losen Verfahren  der  Doppelaufnahme  ertappen.  7)  Anders  1,  244: 
'discunt'  statt  'discant'.  8)  Das  Capitulare  ist  rubrikenlos.  Die 
Rubriken,  die  Ben.  in  lib.  I  angebracht  hat,  weichen  von  den  ent- 
sprechenden Rubriken  in  lib.  II  ab.  Soweit  sich  bei  Ansegis  Rubriken 
finden,  decken  auch  sie  sich  nicht  mit  2,  257 — 288  rubr.,  ausgenommen 
2,  269,  wo  Ben.  mit  Ans.  (wohl  zufällig)  zusammentrifft ;  eigenartig  liegen 
die  Verhältnisse  bei  2,  277  (unten  S.  444,  N.  1).  9)  '.  .  .  quod  vitiose 
non  scribant'.  Die  "Wortstellung  'vitiose  non'  hat  auch  Bai.  10)  Vgl. 
oben  2,  256  V,  S.  437,  N.  8. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  439 

2,  260  =  Cap.  I.  c.  10  (8  Bai.)  =  Ben.  1,  245. 
Dieses  Kapitel  liegt  wieder  in  3  oder,  wenn  man  will, 
sogar  in  4  Rezensionen  vor:  la)  rec.  Guelferb.^,  mit  der 
in  diesem  Kapitel  auch  3  Vnlgathss.  (codd.  1 — 3)  gehen; 
Ib)  rec.  Corbionensis -,  charakterisiert  durch  einen  den 
Sinn  der  Norm  erheblich  beeinflussenden  Schlusszusatz  zur 
rec.  Guelferb.  =  c.  8  Baluze;  2)  eine  kürzere  Rezension  ^ 
vertreten  durch  9  von  den  12  Vulgathss.'^  (=  Anseg. 
App.  I.  c.  9),  ine.  'De  relinquentibus  seculum' ;  3)  die  rec. 
Parisiensis  c.  8.  9'";  sie  hat  die  unter  n.  la  erwähnte 
Rezension  in  2  Kapitel  zerrissen  und  durch  eine  Inter- 
polation ^  den  Sinn  völlig  verkehrt.  Baluze  ^  hat  c.  9  der 
Rez.  3  (Parisiensis)  als  c.  9  neben  Rez.  Ib  (Corbion.)  in 
seine  Ausgabe  des  Cap.  I.  aufgenommen  (!)  ^.  —  Benedikt 
folgt  der  rec.  Corbionensis  (oben  n.  1  b),  die  er  an 
3  Stellen  retouchiert  hat  ('dominicum'  hinter  dem  ersten 
'servitium' '-*  gestrichen;  'regulae'  statt 'regulärem' ;  'vivant' 
statt  'vivere  debeant')  ^^-  Wo  Ben.  'his'  schreibt  (zweites 
Wort),  hat  Baluze  zwar  I,  422  'iis',  aber  II,  1067  'his', 
was  der  Hs.  zu  entsprechen  scheint  ^^;  wo  Ben.  'institu- 
tionem'  bietet,  hat  er  den  Text  der  3  Hauptrezensiouen 
(oben  n.  la.  2.  3)  für  sich,  aber  allerdings  den  Text  der 
ed.  Baluz.  gegen  sich;  doch  nimmt  Baluze  sein  'Con- 
stitutionen!' vielleicht  nur  aus  Amerbachs  Ausgabe  der 
rec.  abbreviata  (oben  n.  2)  herüber. 


1)   MG.  Capit.  I,  122   linke  Spalte.  2)    Baluze,    Capit.    I,  422. 

Hiei-zu  sagt  Baluze  (1.  c.  11,  1067)  ausdrücklich,  das  Kapitel  sei  'suae 
integritati  restitutum  ope  codicis  Corbionensis'.  3)    MG.  Capit.  1,  122 

rechte  Spalte.  4)  codd.  4 — 12.  Boretius  p.  122,  N.  r  nennt  noch  cod.  21 
(St.  Paul  in  Kärnthen  XXVa  4,  geschrieben  zwischen  817  und  823)  und 
cod.  22,  letzteren,  obwohl  er  nach  p.  120  1.  18  sq.  nur  Cap.  II.  c.  22 
enthalten  soll.  Ueber  cod.  Vat.  Reg.  1036  (cod.  16)  erfährt  man  aus 
Bor.    nichts.  5)   MG.  Capit.  T,  121,    N.  p.  6)    Zwischen   'ut'    und 

'unum'  schiebt  Par.  ein:  'aut  in  seculo  sint  aut  plene  in  regula  per- 
maneant.    Villi.     Ut  omnes    clerici'.  7)    Aus  Boretius'  Angaben,  die 

übrigens  geradezu  falsch  sind,  gewinnt  man  kein  klares  Bild  über  die  rec. 
Baluziana.  8)  Vgl.  oben  zu  2,  256  IV,  N.  6;  256  V,  N.  8;  2,  257,  N.  6. 
9)  Auch  das  einfache  'servitium'  würde  an  sich  den  Heeresdienst  be- 
deuten (vgl.  'servitium  dominicum'  am  Schluss  von  Ben.  2,  260) ;  doch 
scheint  Ben.  selbst  an  den  Gottesdienst  zu  denken  laut  Rubrik:  'De 
derelinquentibus  seculum  propter  servitium  dei'.  10)  Danach  ist  das 
Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  S.  97  zu  Ben.  1,  245  über  die  Worte  'aut 
servitium  dominicum  faciant'  Gesagte  zu  berichtigen.  Dass  der  cod. 
Corbionensis  seinerseits  auf  Ben.  beruhe,  ist  unwahrscheinlich ;  wie  nahe 
die  Anbringung  des  Zusatzes  lag,  beweist  Amerbachs  Note  zu  seinem  Text 
(rec.  abbreviata,  oben  n.  2):  'Hie  videntur  haec  vel  similia  deesse:  "aut 
maneant   in    seculo".  11)   Auch   die   recc.  Guelferb.    und  Parisiensis 

haben  'his'. 


440  Emil  Seckel. 

2,  261  =  Cap.  I.  eil,  nicht  rec  Parisiensis  (=  rec. 
Balnz.  c.  ll^)^  sondern  Vulgata  (=  Anseg.  1,  106)  =  rec. 
Guelferb.  (=  rec.  Corbion.?);  der  Vorlage  gegenüber  bei 
Ben.  eine  Variante  untergeordnetster  Art. 

2,  262  =  Cap.  I.  c.  12,  nicht  rec.  Guelferb.^  und  nicht 
rec.  Parisiensis^,  sondern  Vulgata  (=  Anseg.  1,  107)  = 
rec.  Corbion.?  Hinter  'congreget'  schiebt  Ben.,  um  der 
grammatischen  Korrektheit  willen,  als  Subjekt  'unusquis- 
que'  ^  ein. 

2,  263  =  Cap.  I.  c.  13,  nicht  rec.  Parisiensis*',  sondern 
Vulgata  (=  Anseg.  1,  108)  =  rec.  Guelferb.  (=  rec.  Cor- 
bion.?). Benedikt  macht  aus  'emendentur' :  'emendetur' 
und  streicht"  die  in  allen  Rezensionen  dann  noch  fol- 
genden Worte  'et  pulsentur  (pulsent)  secundum  regulam', 
wenn  ich  recht  verstehe,  in  der  Tendenz,  den  Mönchen,  die 
ohne  Probezeit  aufgenommen  worden  sind,  die  peinliche 
Nachholung  des  Noviziats  zu  ersparen. 

2,  264  =  Cap.  I.  c.  14,  nicht  rec.  Parisiensis^  und 
nicht  rec.  Baluziana  (=  Corbionensis)  ^,  sondern  Vulgata 
(=  Anseg.  1,  109)  =  rec.  Guelferb.  Aus  'infantulae  aetatis 
puellulae'  macht  Benedikt,  um  die  Wiederholung  der 
Deminutivform  zu  vermeiden ,  'infantulae  parvae  aetatis 
puellae'. 

2,  265  =  Cap.  I.  c.  lo,  nicht  rec.  Parisiensis^*^,  sondern 
Vulgata  (=  Anseg.  1,  110)  =  rec.  Guelferb.  (=  rec.  Cor- 
bion.?).    Bei  Ben.  eine  Variante  ('monasterium'   statt  '-ia'). 


1)  Baluze  II,  1067  erklärt  ausdrücklich,  er  folge  hier  dem  cod. 
Metensis  (=  rec.  Parisiensis),  nicht  der  Vulgata  (die  er  aus  cod.  Paris. 
10754  und  aus  Amerbach  kennt) ;  leider  schweigt  Baluze  über  den  cod. 
Corbionensis.  2)    Boretius'    Angaben    über    die    rec.    Baluziana    sind 

wiederum  ungenau;  Baluze  hat  weder  'servis  et  ancillis'  noch  'mittantur 
in  monasteria',  sondern  'servis  vel  ancillis'  und  'in  monasteria  sumantur'. 
Ob  Baluze  oder  ob  Boretius  den  cod.  Paris.  9654  unrichtig  wiedergibt, 
lässt   sich    ohne    die    Hs.    nicht   entscheiden.  3)  Wegen    des   "Wortes 

'subsidium'  (statt  'consilium'),  mit  dem  sie  allein  steht.  4)  Wegen  des 

Wortes  'possit'  (statt  'potest') ;  Baluze  hat  'possit'  in  seinen  Text  gesetzt, 
natürlich  aus  der  rec.  Paris.,  obgleich  er  im  Uebrigen  die  Vulgata  bietet. 

5)  Bei  Baluze  steht  (aus  cod.  Corbion.?)  'quis'  (was  Boretius  verschweigt). 

6)  AVegen:  'De  illis,  qui  non  sunt'.  7)  Ebenso  2  Vulgathss.,  was 
nicht  auf  Abhängigkeit  der  Texte,  sondern  auf  Verwandtschaft  der 
Geister  deutet.  8)  Wegen  des  Schlusses  'sententia  et  auctoritate' ; 
Baluze  folgt  hier,  wie  so  oft,  der  rec.  Parisiensis  (oder  Corbionensis?). 
9)  Weil  hier  hinter  'velint'  eingeschoben  ist  'et  ut  pulsentur'.  So 
wenigstens  die  rec.  Baluziana.  Da  aber  Baluze  das  Einschiebsel  nicht 
wohl  erfunden  haben  kann  und  da  er  es  in  keiner  anderen  ihm  bekannten 
Rezension  (Vulgata,  Parisiensis)  gefunden  hat,  so  muss  es  wohl  in  dem 
cod.  Corbion.  gestanden  haben.         10)  Weil  in  ihr  'monachorum'  fehlt. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VIT.  441 

2,  266  =  Cap.  I.  c.  16  (ult.),  nicht  rec.  Parisiensis 
codicis  14  1,  sondern  Vulg-ata  (=  Anseg.  1,  111)  =  rec.  Guel- 
ferb.  {=^  rec.  Corbion.V).  Bei  Ben.  zwei  nebensächliche 
Varianten  ('et'  vor  'nee'  und  'vero"  hinter  dem  zweiten 
'quidam'  gestrichen).  — ^ 

2,  267  =  Cap.  II.  c.  1;  cf.  Ansegis.  3,  1.  Benedikt 
hat  den  Wortlaut  gemodelt:  'Ut  pac?  omnes  stucleant,  et 
qui  p?-o  aliquo  scelere  sihi  rebelles  sunt,  constringantur' 
statt:  'De  pace,  ut  omnes,  qui  per^  aliqua  scelera  ei 
r.  s.  c.'. 

2,  268  =  Cap.  IL  c.  2;  cf.  Anseg.  3,  2.  Nicht  rec. 
Parisiensis,  sondern  Vulgata  u.  s.  w.  Von  letzterer  weicht 
Ben.  in  zwei  Kleinigkeiten  ab :  'lustitiae'  statt  'De  iusti- 
tiis' ;  'et  in  publicis'  statt  'ut  in  p.'. 

2,  269  =  Cap.  II.  c.  3 ;  cf.  Anseg.  3,  3.  Textanfang 
bei  Ben.  formell  verändert :  'Ut  iustitiae  regales'  statt  'De 
iustitiis  regalibus,  ut' ;  die  beiden  Schlussworte  umgestellt. 

2,  270  =  Cap.  II.  c.  4;  cf.  Anseg.  1,  112;  oben  1,  246. 
Nicht  rec.  Parisiensis^,  sondern  Vulgata  (in  der  Fassung 
der  codd.  1.  3^?).  Auch  von  dieser  Fassung  weicht  Ben. 
2,  270  in  untergeordneten  Einzelheiten  ab:  'Si'  statt  'De 
hoc  si' ;  'venerit'  statt  'evenerit' ;  'vel'  statt  'vel  alia' ;  'non' 
statt  'ut  non';  'dominicum'  (so  auch  rec.  Gu  elf  erb.)  statt 
'nostrum' ;  'unusquisque'  statt  'suos  quisque' ;  'nemo  suam 
annonam'  statt  'suam  annouam  non'.  —  Von  dem  Parallel- 
text oben  1,  246  unterscheidet  sich  Ben.  2,  270  durch 
8  Varianten ;  dreimal  hält  sich  2,  270  genauer  an  das  Ori- 
ginal ('Et',  'foris',  'aliquid  alimoniae'),  fünfmal  1,  246  ('De 


1)  "Weil  sie  statt  'quidam  .  .  .  quidam  vero'  schreibt:  'alii  ...  et 
alii'.  Baluze  bat  sich  mit  seinem  'alii  .  .  .  abi'  nochmals  der  rec. 
Parisiensis  angeschlossen.  2)  Um  die  für  die  Texte  schon  gelieferte 

Kritik  der  rec.  Baluziana  abzurunden,  mögen  nebenbei  noch  folgende 
Bemerkungen  über  die  Rubriken  der  rec.  Baluz.  gestattet  sein.  Aus 
der  Vulgata  (oder  ihren  Parallelen)  stammen  die  Rubriken  von  Baluz. 
c.  1.  2.  3.  9  (Anfang  der  rec.  abbrev.),  aus  Ansegisus  die  Rubriken  von 
c.  11.  14 — 16,  aus  der  rec.  Parisiensis  die  von  c.  4.  5;  aus  den  Anfängen 
der  jeweils  von  Baluze  gebotenen  Texte  sind  die  Rubriken  von  c.  6.  10. 
12  gebildet;  noch  freier  verfährt  Baluze,  wo  er  sich  seine  Rubriken  aus 
dem  Inhalt  der  Kapitel  selbst  zurechtmacht ,  so  zu  c.  7.  8  (cf.  Ben. 
1,  245).  13.  Ob  in  die  Rubrik  von  c.  3  die  rec.  Corbionensis  herein- 
spielt, ist,  wie  gesagt,  zweifelhaft.  3)  Beibehalten  von  Ben.  in  der 
Rubrik.  4)  Wegen  der  ihr  eigentümlichen  Lesarten  'De  hoc  quod', 
*dei  misericordia  deprecetur  in  loco  ubi  sit',  Auslassung  von  'prout 
potest'.  5)  Weil  sie  mit  Ben.  schreiben :  'clades  auf  (so  auch  rec. 
Paris.)  statt  'clades ,  p  e  s  t  i  1  e  n  t  i  a'.  Dieses  Zusammentreffen  könnte 
freilich  auch  Zufall  sein. 


442  Emil  Seckel. 

hoc  si',  'evenerit',  'vel  alia',  'ut  non',  'suos  quisque');  also 
benutzt  Ben.  an  beiden  Stellen  direkt  die  Vorlage  und  ist 
weder  1,  246  aus  2,  270  noch  2,  270  aus  1,  246  ab- 
geschrieben. 

2,  271  =  Cap.  II.  c.  5;  cf.  Anseg.  3,  4;  oben  1,  247. 
Nicht  (wenigstens  in  2,  271  fin.  nicht)  Vulgata  =  rec. 
Parisiensis  ^  =  rec.  Corbionensis ''^,  sondern  rec.  Gu  elf  erb., 
in  der  sich  allein  die  zwei  Schlusssätze  ('Et  ut  servi  — 
dorso  eiusV  finden.  Von  der  rec.  Guelferb.  entfernt  sich 
Benedikt  in  folgendem:  'infra  patriam'  (so  auch  Anseg.) 
statt  'infra  patria' ;  'vel  loricis'  statt  'et  loricis' ;  'Si  faidosus 
quis'  statt  'et  si  faidosus';  'et'  vor  'ut  pacati'  eingesetzt; 
'constringantur'  statt  'et  distringantur' ;  'absque  uUa  red- 
emptione'  eingesetzt;  'Qui'  statt  'et  qui'.  —  Dem 
Paralleltext  oben  1,  247  gegenüber  weist  2,  271  drei  Vari- 
anten auf;  einmal  steht  2,  271  ('aliquis'),  zweimal  1,  247 
('et  si  faidosus',  'ut  pacati')  dem  Original  näher. 

2,  272  =  Cap.  IL  c.  6;  cf.  Anseg.  3,  5;  oben  1,  248. 
Nicht  rec.  Parisiensis*,  sondern  Vulgata  =  rec.  Guelferb. 
(^  rec.  Corbionensis?).  Varianten  Benedikts  gegenüber  der 
Vulgata :  'capitulari'  (so  auch  Anseg.)  statt  'capitulare' ; 
'mandavimus'  statt  'commendavimus' ;  'habens  eam'  (so  auch 
Anseg.)  statt  'habens  et  eam' ;  'duxerit'  statt  'tullerit' ; 
'perdat'  statt  'pariter  perdat'.  —  Das  Original  ist  einmal 
in  2,  272  treuer  konserviert  ('habens'),  zweimal  in  1,  248 
('capitulare',   'et  eam'). 

2,  273  =  Cap.  II.  c.  7;  cf.  Anseg.  3,  6.  Nicht  rec. 
Parisiensis  ^,    sondern   Vulgata   =   rec.    Guelferb.    (=    rec. 


1)  Ihre  einzige  Abweichung  von  der  Vulgata  besteht  in  einer 
kleinen  formellen  Aenderung  ('Si  faidosus  quis  sit'  statt  'et  si  faidosus 
sit') ;  dieselbe  Aenderung  findet  sich  bei  Ansegis  und  Benedikt,  ohne  dass 
deshalb  einer  von  ihnen  die  rec.  Paris,  herangezogen  zu  haben  braucht. 
2)  Da  Baluze  (Capit.  1,  424  sq.)  die  Vulgata  (mit  einem  Einschlag  aus 
der  rec.  Paris.  ?  oder  aus  Anseg. '?)  bietet,  ohne  des  Zusatzes  am  Schluss 
(s.  unten)  zu  gedenken,  so  wird  auch  der  Corbionensis  den  Zusatz  nicht 
enthalten  haben.  3)  Abgesehen  von  diesem  Schluss    deckt   sich    diese 

Rezension    mit   der  Vulgata.  4)   Wegen    der  sie    auszeichnenden  Les- 

arten :  'armis' ;  Auslassung  von  'bruniam' ;  Auslassung  von  'eam'  hinter 
'habens  (et)' ;  Zusetzung  von  'in  exercitum'  hinter  'secum'.  Allerdings 
schreibt  Ben.  geraeinsam  mit  rec.  Paris,  'mandavimus'  statt  'commen- 
davimus' und  'perdat'  statt  'pariter  perdat'.  Doch  können  diese  Ueber- 
einstimmungen,  nicht  aber  sämtliche  Abweichungen  auf  Zufall  beruhen.  — 
Baluze  wird  'mandavimus'  und  das  einfache  'perdat'  aus  der  rec.  Parisiensis 
(oder  Corbionensis  ?)  bezogen  haben.  5)  Wegen  der  ihr  eigentümlichen 
Lesarten :  Einschiebung  von  'in  locis  illis'  hinter  'ducant' ;  '■comitem  (!)  et 
inventorem  dividatur  et  inter  iam  dictum  miss«m'. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  443 

Corbionensis?).  Abweichungen  Benedikts  von  derVulgata^: 
'ad  partes'  statt  'partibus' ;  'cum  suis  negotiis'  hinter  'pro- 
cedere'  gestrichen;  'et'  vor 'ad  Mag-adeburc'  (auch  unten 
vor  'ad  Herphesfurt'  und  'ad  Lavariocam')  weggelassen; 
'similiter'  statt  'praevideat  item  Madalgaudus' ;  'Et'  vor 
'ut  arma'  gestrichen;  'veudendum'  statt  'venundandum' ; 
'omnem  substantiam  .  .  .  auferant'  statt  'ut  -  omnis  sub- 
stantia  .  .   .  auf eratur' ;   'inventores'  statt  'inventorem'. 

2,  274  -=  Cap.  II.  c.  8;  cf.  Anseg.  3,  7;  oben  1,  249. 
Nicht  rec.  Parisiensis  •^,  sondern  Vulgata  =  rec.  Guelferb. 
(=  rec.  Corbion.?).  Abweichungen  Benedikts  von  der 
Vulgata:  'custodiam'  statt  'custodia';  'nee  tunc  tamen' 
statt  'nee  tarnen' ;  'in  carcerem  mittantur'  statt  'in  carcere 
ponantur' ;  'eos'  statt  'pariter' ;  'remittant  et'  statt  'remit- 
tantur  ut'.  —  In  ein  paar  Kleinigkeiten  bleibt  Ben.  1,  249 
näher  bei  der  Vorlage  ('custodia',  'remittanti<r'),  in  einer 
Variante  Ben.  2,  274  ('reclamaverint'). 

2,  275  =  Cap.  II.  c.  9;  cf.  Anseg.  3,  8;  oben  1,  250. 
Nicht  rec.  Parisiensis^,  sondern  Vulgata  (oder  eine  ihrer 
Parallelen).  Abweichungen  Benedikts  von  der  Vulgata: 
'ad  utilitatem  nostram'  statt  'ad  n.  u.' ;  'infantes'  statt  'in- 
fantis' ;  'iuvenilem'  statt  'iuvenalem' ;  'promittant'  statt 
'nobis  repromittant'. 

2,  276  --  Cap.  II.  c.  10;  cf.  Anseg.  3,  9;  oben  1,  251. 
Nicht  rec.  Parisiensis ^,  sondernVülgata  u.  s.  w.  Abweichungen 
Benedikts:  'Conspiratioues'  statt  'De  conspirationibus  vero' ; 
'quocumque'  statt  'quamcumque';  'ut'  vor  'triplici'  gestrichen; 
'aliquod'  statt  'aliquid' ;  'propter'  statt  'per' ;  'fuerit'  statt 
'fuit' ;  'interficiantur'  statt  'interfitientur' ;  'invicem'  statt 
'vicissim';  'quod  .  .  .  fecissent'  statt  '.  .  .  fecisse' ;  'si  hoc 
facere'  statt  'si  facere' ;  'secundum  legem  suam'  statt  'suam 
legem';  'ut'  statt  'et  ut' ;  'huiuscemodi'  statt  'huiusmodi' ; 
'conspiratio  .  .  .  neque  .  .  .  fiat'  statt  'c.  fiat  nee  .  .  .  nee 
.  .  .'.  —  Ben.  1,  251  in  3  Kleinigkeiten  ('quamcumque', 
'huiusmodi',  'conspiratio  neqne')   ursprünglicher  als   2,  276. 

2,  277  =  Cap.  II.  c.  11;  cf.  Anseg.  3,  10;  Anseg. 
App.  II.   16;  oben  1,  252.    Nicht  rec.  Parisiensis  ^  sondern 


1)  Die  stark  schwankenden  Namensformen  bleiben  ausser  Ansatz. 
Merkwürdig  ist,  dass  Ben.  getreulich  auch  die  Personennamen  beibehält; 
Ansegis   hat   sie   gestrichen.  2)    Auch  in   der  rec.  Paris,  weggelassen. 

3)  Vgl.    MG.  Capit.  I,  123,   N.  q.  4)  Vgl.    MG.  Capit.   I,  124,   N.  t. 

5)  Wegen  der  ihr  eigentümlichen  Lesart:  'Et  meliores  ad  testimonium 
eligantur'  und  wegen  der  Einschiebung :  'et  si  non  possit,  recipiat  illum, 
etiamsi  nolit'. 

Neues  Archiv  ete.    XXXV.  29 


444  Emil  Seckel. 

Vulgata  usw.  Abweichungen  Benedikts  von  der  Vulgata : 
'De  periuriis,  ut  caveantur^.  Praecipimus,  ut  periuria  ca- 
veantur^  nee'  statt  'De  periuriis,  ut  caveantur  et  non' ; 
*possunt'  statt  'possint' ;  'liceat  accusatores'  statt  'solum 
accusatorem  liceat' ;  'nolit'  statt  'nolet' ;  'convictus'  statt 
'convinctus' ;  'perdat  manum'  statt  'm.  p.'.  —  Ben.  1,  252 
belässt  den  echten  Textanfang  an  seiner  Stelle  und  ist 
auch  sonst  in  Kleinigkeiten  ('et  non' ;  'soli')  ursprünglicher. 

2,  278  =  Cap.  II.  c.  12;  cf.  Anseg.  3,  11;  oben  1,  253. 
Nicht  rec.  Parisien  sis^,  sondern  Vulgata  in  der  Fassung  der 
codd.  1 — 3  {=  Anseg.)  ^.  Abweichungen  Benedikts  von 
dieser  Fassung:  'et'  hinter  'vicariis'  gestrichen;  'qui'  statt 
'quales' ;  'causam'  statt  'causas';  'quisquis'  statt  'si  comes'; 
'pro  certo'  eingeschoben. 

2,  279  =  Cap.  IL  c.  13;  cf.  Anseg.  3,  12;  oben  1,  254. 
Abweichungen  Benedikts:  'Placet  nobis  ita'  statt  'De  te- 
loneis  placet  nobis' ;  'sive'  statt  'seu' ;  'seu'  statt  'seu  et' ; 
'aut  ad  palatium  aut  in  exercitum  ducunt'  statt  'ducunt 
aut  ad  pal.  aut  in  ex.';  'proximum'  vor  'placitum'  ge- 
strichen; 'missis  nostris'  statt  'ipsis  missis'.  —  Bald  Ben. 
2,  279  ursprünglicher  ('et',  'ut'),  bald   1,  254  ('De  teloneis'). 

2,280  =  Cap.  II.  c.  14;  cf.  Anseg.  1,  113.  Einzige 
Abweichung  Benedikts  vom  Cap. :  'nostro'  hinter  'capitulari' 
eingeschoben. 

2,  281  -=  Cap.  IL  c.  15;  cf.  Anseg.  1,  114;  oben  1,  255. 
Abweichungen  Benedikts:  'Liberi  homines'  statt  'De  liberis 
hominibus' ;  'voluut'  statt  'volent' ;  'praecipimus'  vor  'ut 
prius'  eingeschoben;  'nam'  statt  'hocideo';  'exercitum  sive 
aliam  functionem  regalem'  statt  'exercitu  seu  alia  funccione 
regali'.  —  Einmal  Ben.  2,  281  ursprünglicher  ('praecipimus 
ut  prius'),  ein  andres  Mal  1,  255  {'hoc  ideo  praecipimus'). 

2,  282    =    Cap.  IL    c.   16;     cf.    Anseg.  1,   115;    oben 

1,  256.  Abweichungen  Benedikts:  'haec'  statt  'haec  et 
supra  et  hie';  'dicimus'  statt  'diximus';  'ad  placitum'  statt 
'ad  placita' ;  'ita  servetur'  hinter  'praecepimus'  gestrichen. 
—  Meist  Ben.  1,  256  ursprünglicher  ('haec  u^  supra  et  hie'; 
'dirimus'),    nur    die  Wortstellung    'liberorum    hominum'    in 

2,  282  originaler. 


1)  Rubrik,  aus  dem  echten  Textanfang  gebildet.  2)    Benedikts 

Textanfang  ist  eigene  Erfindung ;  ähnlich  einige  Ansegis  -  Hss. :  'Prae- 
cipimus, ut  summopere  periuria  caveantur',  welche  Aehnlichkeit  auf  ge- 
legentlicher Heranziehung  des  Ansegis  beruhen  kann,  aber  nicht  muss. 
3)    Vgl.    MG    Capit.    I,   124,    N.  b.  4)    Vgl.    hierüber  zu    1,  253   in 

Studie  VI  (N.  A.  XXXI)  S.  98. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  445 

2,  283  -=  Cap.  IL  c.  17;  cf.  Anseg.  App.  I.  10;    obea 

1,  257.     Ohne  Varianten  gegenüber  dem  Capitulare. 

2,  284  =  Cap.  II.  c.  18;  zu  Satz  1  cf.  Anseg.  3,  13. 
Nicht  rec.  Parisien sis  ^  sondern  Vulgata  usw.  Abweichungen 
Benedikts  von  letzterer:  'in'  vor  'nullo,  eingeschoben;  'aliter 
a  nobis'  statt  'a  n.  al.'. 

2,  285  =  Cap.  II.  c.  19;  cf.  Anseg.  3,  14;  oben  1,  258. 
Nicht  rec.  Parisiensis -,  sondern  Vulgata  u.  s.  w.^  Abweichun- 
gen Benedikts  von  letzterer :  'hoc'  statt  'hoc  anno' ;  'exi- 
gant'  statt  'exactare  debeant' ;  'blanditiae'  statt  'blanditia'; 
'est'  statt  'est  ut' ;  'ovibus'  statt  'boves' ;  'ita  ut'  statt  'et'; 
'eorum'  hinter  'uxores'  eingeschoben ;  'vestimentis  eorum' 
statt  'e.  v.';  'habuerit'  statt  'habuerint' ;  'decem  solidos 
exsolvat'  statt  'solidi  decem';  'Si  vero  nisi  unam  libram 
habuerit'  statt  'si  vero  una  habuerit' ;  'solidos'  statt  'solidi' ; 
'reparare'  statt  'praeparare' ;  'missi  nostri' statt  'n.  m.';  'ut' 
statt  'et';  'nostram  subtrahant'  statt  's.  n.'.  —  Ben.  2,  285 
weist  1,  258  gegenüber  8  Varianten  auf;  in  einem  Fall 
weichen  beide  Stellen  von  der  Vorlage  in  verschiedener 
Weise    ab    ('exsolvat'  bezw.  'solvat');    in    2  Fällen    stimmt 

2,  285  mit  dem  Original  überein  ('rZispoliati' ;  'et'  statt  'et 
ad'),  in  5  Fällen  1,  258  ('blanditia',  'est  ut\  'huhiis  ovibus', 
'praeparare',  'et'  statt  'ut'). 

2,  286  =  Cap.  IL  c.  20;  cf.  Anseg.  3,  15.  Bei  Ben. 
ist  'olim'  eingeschoben  und  aus  'exiebat'  'exigebatur'  ge- 
worden. 

2,  287  =  Cap.  IL  c.  21;  cf.  Anseg.  App.  IL  1.  Nicht 
rec.  Parisiensis  *,  sondern  Vulgata  u.  s.  w.  Letzterer  gegen- 
über eine  Variante  ('ante'  statt  'antea'). 

2,  288  =  Cap.  IL  c.  22  (ult.);  cf.  Anseg.  3,  16;  oben 
1,  259.  Nicht  rec.  Parisiensis  ^,  sondern  Vulgata  u.  s.  w. 
Abweichungen  Benedikts  von  der  Vulgata:  'de  fiscis  re- 
galibus  habent'  statt  'fiscalinas  ^  regias' ;  'de  feminis,  quae 
liberae  sunt  et'  statt  'feminis  liberis,  quae' ;  'habent  auf 
eingeschoben;  'ut  nee'  statt  'ut  non';    'etiam'  hinter  'talis' 


1)  Wegen  der  ihr  eigentümlichen  Lesarten:  'edictum  nostrum'; 
'Denarii  vero,  qui  pensant  et  meri  sunt,  stabiles  esse  possunt'.  2)  "Wegen 
der  ihr  eigentümlichen  Lesarten :  'qui  autem  non  habuerit  amplius  quam 
unam' ;    'perquirant'.  3)    Eine  sehr  unsichere  Spur  der   rec.  Guelferb. 

liegt   vielleicht  in   der  Lesart    'hoc'   statt   'hoc  anno'  vor.  4)  Wegen 

des  ihr  eigentümlichen  Schlusses:  'mandavimus  ita  servetur'.  5)  Wegen 
der  ihr  eigentümlichen  Lesarten :  'uxores'  weggelassen ;  'ut  de  hereditate' ; 
'sua'   hinter   'causa'   gestrichen.  6)   Dieses  Adjektivum   setzt   Ben.    in 

seine  Rubrik. 

29* 


446  Emil  Seckel. 

gestrichen.  —  Ben.  2,  288  weist  1,  259  gegenüber  6 
Varianten  auf;  in  einem  Fall  weichen  beide  Stellen  von 
der  Vorlage  in  verschiedener  Weise  ab  ('habent  auf  bzw. 
'aut  habent  auf);  in  4  Fällen  stimmt  2,  288  mit  dem 
Original  überein  ('Dß  libens  hominihns' ;  'de  femin/s' ;  'simi- 
liter' ;  'tä  nee),  in  einem  Falle  1,  259  ('talis  etiam). 

Von  den  sieben  Texten  des  Capitulare  duplex  ^  hat 
Benedikt  lib.  II 

I.  sicher  nicht  benutzt  (4)  die  rec.  Parisiensis  ^ ; 
(5)  Ansegisus^;  (6)  Anseg.  App.  ^;  (7)  die  Paralleltexte  in 
Ben.  lib.  I*; 

II.  sicher  benutzt  (3)  die  rec.  Corbionensis  in 
2,  256  I.  (II.)  III— VI.  2,  260;  (2)  die  rec.  Guelferbytana 
in  2,  256  rubr.  2,  271  fin.;  eine  von  beiden  in  2,  259; 
(1)  die  Vulgata  codd.  1—3  in  2,  278. 

III.  für  Ben.  2,  262  scheint  die  Wahl  zu  bleiben 
zwischen  (l)  Vulgata  und  (3)  rec.  Corb., 

IV.  für  Ben.  2,  264  zwischen  (1)  Vulg.  und  (2)  rec. 
Guelferb., 

V.  endlich  für  die  grosse  Masse  der  Kapitel  (2,  257. 
258.  261.  263.  265  —  271  in.  272—277.  279  —  288)  zwischen 
(1)  Vulgata  ^  (2)  rec.  Guelf.  und  (3)  rec.  Corb. 

Benedikts  Vorlage  war  also  ein  Mischtext  aus  den 
Rezensionen  1 — 3,  aber  kein  unveränderter;  denn  die 
original  fremden  tlebereinstimmungen  bei  Ben.  lib.  I 
und  II  ^  erklären  sich   wohl  am  einfachsten  durch  die  An- 


1)  Vgl.  oben  S.  435  f.  2)  Dies  steht  auf  Clrund  der  Lesarten  fest 
für  Ben.  2,  256.  (257.)  258—266.  268.  270.  271  fin.  272-278.  284.  285. 
287.  288;  in  den  Fällen,  wo  an  sich  die  Wahl  bleibt  zwischen  der  rec. 
Paris,  und  einer  anderen  Rezension  (2,  267.  269.  271  in.  279—283.  286), 
fällt  die  Entscheidung  nicht  zu  Gunsten  der  rec.  Paris.,  weil  Ben.  sich 
aus  ihr  nicht  gerade  die  in  textlicher  Hinsicht  neutralen  Kapitel  aus- 
gesucht haben  kann.  8)  Wegen  der  Kapitelfolge  und  wegen  vieler 
abweichenden  Lesarten.  4)  Denn  Ben.  2,  257.  270.  271.  272.  274.  279. 
281.  282.  285.  288  stehen  dem  Originaltext  in  manchen  Varianten  näher. 
Auch  wo  dies  nicht  zutrifft  (in  den  6  übrigen  Doppeltexten),  hat  Ben. 
natürlich  nicht  die  Fragmente  des  Capitulare,  wie  sie  Buch  I  bietet, 
sondern  das  volle  Original  abgeschrieben.  5)  Von  deren  Nebenformen 
in  einzelnen  Hss.  oder  Hss.  -  (iruppen  sehe  ich  ab.  6)  Solche  Eigen- 
heiten, die  Benedikts  Doppeltexte  gemein  haben,  sind  1,  245  =  2,  260 
V.  'servitium'  (ohne:  'dominicum'),  'regulae,  vivant' ;  1,  246  =  2,  270 
V.  ('dominicum'),  'nemo  suam  annonam' ;  1,  247  =^  2,  271  v.  'patriam, 
faidosus  quis,  constringantur,  absque  ulla  redemptione,  qui' ;  1,  248  ^= 
2,  272  V.  ('mandavimus),  duxerit,  (perdaf)  ;  1,  249  =  2,  274  v.  'tunc, 
carcerem  mittantur',  Streichung  von  'pariter',  v.  'remittant(ur)  et';  1,250 
=  2,  275  V.  'ad  ut.  n.,  infantes,  iuvenilem,  promittant' ;  1,  251  —  2,  276 
V.  'Conspirationes  quicumque'  (bzw.  'Quic.  consp.'),    'ut'   vor   'triplici'    ge- 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  447 

nähme,  nicht  dass  Ben.  zuerst  lib.  II,  darauf  lib.  I  (oder 
umgekehrt)  interpolierte  und  die  Interpolationen  dann  in 
das  andere  Buch  hinüberschrieb,  sondern  dass  er  bereits 
an  seiner  Vorlage  die  ihm  passend  scheinenden  Aenderungen 
vorgenommen  hatte. 

2,  289  —  290  =  Capitulare  missorum  802  — 813  i. 

2.  289  =  Cap.  c.  1.  Rubrik  von  Benedikt.  Eine 
Variante  (nur  grammatisch). 

2,  290  =  Cap.  c.  2  —  4;  vgl.  oben  1,  260.  Eubrik 
von  Benedikt.  Lesarten :  'et  ceteri'  vor  'nobis'  und  'a'  vor 
'multis'  gestrichen ;  'capitula  nostra'  statt  'capitularios 
nostros' ;  'consuetudinem'  statt  'consuetudine' ;  das  erste 
'innovare'  (hinter  'omnino')  gestrichen ;  'renuntient'  statt 
'adnuutient' ;  'gratiam'  statt  'gratum' ;  'recipere'  statt  'per- 
cipere' ;  'et'  vor  'caeteri'  eingeschoben.  —  Schon  in  der 
gemeinsamen  Vorlage  von  1,  260  und  2,  290  stand  'con- 
suetudinem', 'gratiam',  'recipere'  und  war  das  erste  'inno- 
vare' gestrichen;  über  die  grössere  Treue  bald  von  2,  290, 
bald  von   1,  260  s.  Studie  VI  (N.  A.  XXXI)  S.  99,  N.  4.  5. 


2,  291a  —  c    aus    dem    Capitulare    legibus 
additnm    803  2-3. 

Die    Inscription    ('Capitula    —    sunt)    ist    dem 


stricheu,  v.  'aliquod,  propter,  fuerit,  interficiantur,  invicem,  quod  .  .  . 
fecissent',  Einschiebung  von  'hoc',  v.  'secundum  legem  suam',  Streichung 
von  'et'  vor  'ut' ;  1,  2.52  =  2,  277  v.  'possunt,  noUt,  convictus,  manum 
perdat';  1,253  —  2,278  v.  'et'  nach  'vicariis'  gestrichen,  v.  'qui,  causam, 
quisquis,  pro  certo' ;  1,  254  =  2,  279  v.  'ita,  sive,  seu,  aut  ad  palatium  — 
ducunt,  placitum'  (ohne:  'proximum'),  'missis  nostris' ;  1,  255  =  2,  281 
V.  'Liberi  homines,  volunt' ;  1,  256  ^  2,  282  v.  'placitum',  Streichung 
von  'ita  servetur' ;  1,  258  =  2,  285:  ('anno'  gestrichen),  v.  'exigant, 
blanditiae,  ita  ut',  'eorvmi'  eingeschoben,  v.  'vest.  eor.,  habuerit,  decem 
solides  (ex)solvat,  miss.  nostr.,  nost.  subtr.' ;  1,  259  =  2,  288  v.  'de  fiscis 
regalibus  habent,  quae  liberae    sunt   et,    (aut)    habent   auf.  1)    MG. 

Capit.  I,  147.  Im  Cod.  Guelferb.  inter  Blankenb.  1.30.  52  (oben  S.  435) 
folgt  dieses  Capitulare,  wie  bei  Ben.  lib.  I  und  II,  auf  das  Capitulare  in 
Theodonis  villa  datum  805;  der  cod.  Guelf.  ist  unsere  einzige  Ueber- 
lieferung  des  ganzen  Capitulare.  2)    MG.  Capit.  I,  113.     Ueberliefert 

ist  es  u.  a.  in  dem  vorhin  erwähnten  cod.  Guelferb.  und  (vgl.  Baluze, 
Capit.  II,  1060)  war  es  in  dem  verschollenen  codex  monasterii  Corbio- 
nensis.  —  Die  Eigenheiten  der  codd.  1 — 5.  7.  19.  25.  26.  30.  36  macht 
Benedikts  Text  nicht  mit;  er  folgt  der  in  der  Mehrzahl  der  Hss.  vor- 
liegenden Vulgata  (die  auch  im  cod.  Guelf.  steht  und  im  cod.  Corb.  ge- 
standen haben  wird),  freilich  nicht  ohne  sie  ein  bischen  (und  zwar  harmlos) 
zu   retouchieren.  3)  Unrichtig  nennt  Knust  S.  24   die  Sammlung  des 

Ansegisus  als  Quelle  von  Ben.  2,  291 — 298. 


448  Emil  Seckel. 

Original  ^  entnommen.  Die  Rubrik  hat  Benedikt  ge- 
bildet. 

2,  291a  (bis  'iudicetur')  =  Cap.  c  1;  cf.  Anseg.  3,  25; 
oben  1,  261  (Studie  VI  S.  99).  Die  Texte  2,  291a  und 
1,  261  decken  sich  bis  auf  2  Wörter,  von  denen  das  eine 
(das  wiederholte  'conponat')  im  Original  und  in  1,  261, 
das  andere  ('solidis')  nur  in  1,   261  fehlt. 

2,  291b  ('Si  quis  in  —  conponat')  =  Cap.  c.  2  in.; 
cf.  Anseg.  3,  26  in. ;  oben  1,  262,  mit  welchem  Doppeltext 
sich  2,  291b  vollkommen  deckt. 

2,  291c  ('Si  autem  homo'  bis  Schluss)  =  Cap.  c.  2 
Rest;  cf.  Anseg.  3,  26  nach  dem  Anfang;  oben  1,  263, 
womit  2,  291c  bis  auf  Folgendes-  übereinstimmt:  'auf 
statt  'vel'^;  'eum'^  fehlt  nicht;  'in' ^  statt  'pro';  'Si  ad 
secundam  —  solidos  conponat'^  ist  1,  263  aus  Versehen 
ausgefallen;  'eum  ad  —  fugere' ^  ist  oben  1,  263  um- 
gestellt :  'ad  —  fugere  eum' ;  'sexcentos  solidos  conponat' 
statt  des  originalgetreuen,  in  1,  263  beibehaltenen  'sex- 
centis  solidis  culpabilis  iudicetur'. 


2,  292  —  294  aus  den  Capitula  per  missos 
cognita    facienda    803  —  813^. 

2,  292  =  Cap.  c.  1;  cf.  Anseg.  3,  22.  Die  In- 
scription  lautet  im  Original  anders,  deckt  sich  aber 
bis  auf  das  Wort  'Imperator'  mit  der  Aufschrift  eines 
anderen  Capitulare  und  zwar  des  bei  Ben.  sich  demnächst 
anschliessenden  Cap.  Aquisgr.  809".  2,  292  ist  rubrikenlos. 
Im  Texte  Benedikts  sind  die  Worte  'ad  mallum  vel'  und 
'id  est  scutum  et  lanceam'  gestrichen;  dritte  Variante: 
'arma  infra  patriam'  statt  'infra  patria  arma'.  —  Ansegis 
deckt  sich  mit  dem  Original  (abgesehen  von  dem  Akkusativ 
'patriam'). 

2,  293  =  Cap.  c.  2;  cf.  Anseg.  3,  23.  Rubrik  die 
originale.  Im  Text  Benedikts  einige  untergeordnete 
Varianten :  'illam'  vor  'missam'  eingeschoben';  'bap- 


1)  1.  c.  p.  111  1.  44  sq.,  p.  112  1.  21.  2)  'homicidum'  ist  Druck- 
fehler bei  Pertz  (und  Migue).  3)  Diese  Lesart  ist  die  originale. 
4)  Statt  'solidos  conponat'  schreibt  die  Vorlage :  'solidis  culpabilis  iudi- 
cetur'. 5)  MG.  Capit.  1,  156  sq. ;  16  Hss.,  darunter  der  cod.  Guelferb., 
der  übrigens  in  c.  2  eine  begreifliche  Lücke  aufweist ;  dies  schliesst  nicht 
aus,  dass  Ben.  einen  Aszendenten  von  ihm  benutzt  haben  kann.  6)  In 
der  Fassung  des  cod.  2  (MG.  Capit.  I,  148  1.  6  nebst  N.  b)  :  'Capitula, 
quae  domnus  Karolus  constituit'.  7)  Die  Zeitangabe  'post  missam  sancti 
lohannis  bajDtistae'  fehlt  im  cod.  5  (Guelf.) ;  das  Wort  'baptiste'  fehlt  in 
7  Hss.  und  bei  Ansesf. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  449 

tiste'  nach  'lohannis'  fehlt  (vgl.  S.  448,  N.  7);  vor  'latroni' 
eingeschoben:  'praeteriti  anni  cuidam' ;  'dederit' ^  statt 
'dedit' ;  'scisset'  ^  statt  'sciret' ;  'vel  aliquis'  statt  'auf  ;  ^  'sit 
quia'  statt  'et  infidelis  iudicetur,  quia,  qui  latro  est'; 
'suscepit'  ^  statt  'suscipit'  ;  'firmiter'  statt  'pro  firmiter 
aut'^;  'postea  de  latr.'  statt  'de  1.  p-'^;  'convincitur'  statt 
'convictus  fuerit'  ^.  —  Die  Uebereinstimmung  mit  Anseg. 
in  den  Worten  'dederit',  'scisset'  und  'suscepit'  ist  Zufall ; 
andere  Lesarten  ^  sprechen  entscheidend  gegen  eine  Be- 
nutzung des  Ansegis  durch  Benedikt. 

2,  294  =  Cap.  c.  3;  cf.  Anseg.  3,  24  =  Ben.  1,  281. 
Eubrik  von  Benedikt  (anders  lautend  bei  Anseg.).  Text 
nicht  aus  Anseg.  (oder  1,  281)^,  sondern  aus  dem  Original, 
von  dem  Ben.  durch  die  Interpolation  'aliud  animal'  (statt 
'aliud  quid',  'alia  res'  oder  'alia')  und  durch  einige  Kleinig- 
keiten ('eum'  ^  statt  'ei' ;  'et  ...  et  ...  et'  statt  'aut  .  .  . 
vel  .  .  .  auf)  sich  entfernt. 


2,  295  —  298    aus    dem    Capitulare   Aquisgra- 
nense    809^. 

2,  295  =  Cap.  c.  1 ;  cf.  Anseg.  3,  47  =  Ben.  1,  286. 
Eubrik  aus  dem  Original  (Varianten:  'eis  fuerit  vita'  statt 
'v.  e.  f.';  'quod  si'  statt  'si  ipsi' ;  'quis'  eingeschoben;  'illos' 
statt  'eos').  Varianten  in  Benedikts  Texte  (gegenüber  den 
jeweils  nächstverwandten  Lesarten  der  sonstigen  üeber- 
lieferung) :  'quis'  hinter  'iudicatus'  eingesetzt ;  'fuerit'  •'  statt 
'fuif  ;  'revocatae' *^  statt  'revocatas  (vocatae)' ;  'testimonium' ^ 
statt  '-nio' ;  'vero'  eingesetzt ;  'iudicando'  statt  'iudicandam'. 
—  Ansegis  ist  nicht  benutzt  ^ 

2,  296  =  Cap.  c.  2;  cf.  Anseg.  3,  48  =  Ben.  1,  287. 
Rubrik  von  Benedikt.  Textvarianten:  'postmodum'  statt 
'in  p.';  'superius'^  statt  'superiorem' ;  'mali'  statt  'male'; 
'causa  perpetrata'  statt  '-sis  -tis' ;  'vero'  eingeschoben ;  'iudi- 
catum'^  statt  'diiudicatum'.  —  Ansegis  wahrscheinlich  nicht 
herangezogen^. 


1)  So  auch  Anseg.         2)  'alio'  schreiben  codd.  11—13  und  Anseg., 
'alico'    oder   'aliquo'    die   sonstige    Ueberlieferung.  3)    'De    latronibus 

praecipimus,  quicumque' ;    'quod    ipse'.  4)  Wegen  der  Lesarten:  'et, 

vendit,  aut,  vel'.  5)    MG.  Capit.  I,  148.     Benedikts  Text   harmoniert 

mit  keiner  der   noch  vorhandenen  7  Hss.  6)   So    auch  Baluze  (Capit. 

I,    469),    der   den   Codex   Navarricus    (=    Paris.    4628  A    =    cod.    2   bei 
Boretius)  abdruckt;  Boretius  erwähnt   die  Variante   nicht.  7)  Wegen 

der  Lesarten:    ^ad   legem   iudicandam  tenea/wr' ;    Auslassung  von  'ei'  und 
'cum  armis'.  8)    Rubrik   lautet  anders,  ebenso  der  Text  in    einzelnen 

Lesarten. 


450  Emil  Seckel. 

2,  297  =  Cap.  c.  3 ;  cf.  Anseg.  3,  49.  Rubrik  von 
Benedikt.  Varianten:  'über  .  .  .  ut'  statt  'ut  liber  .  .  .' ; 
'susceperit'  statt  'suscepit' ;  'persolvat'  statt  'conponat 
et';  'ictus  accipiat'  statt  'percnssionibus  vapnlet(ur)'. 
Ob  die  beiden  letzten,  zwar  formellen,  aber  erheblichen 
Abweichungen  Benedikt  selbst  oder  seiner  Vorlage  zur 
Last  fallen,  lässt  sich  nicht  ausmachen.  —  Ansegis  nicht 
benutzt  (wegen  Rubrik  und  Lesarten). 

2,  298  =  Cap.  c.  4;  cf.  Anseg.  3,  50.  Rubrik  von 
Benedikt.  Variante:  'forbannum'  statt  '-no'.  —  Ansegis 
nicht  benutzt  (wegen  Rubrik  und  Lesart  'suis  et  a  1  i  i  s '). 


2,  299  =  Theodulfus  Aurelianensis,  Capitulare  primum 
c.  35  (Migne  CV,  202)  \  Rubrik  von  Benedikt  K  Im  Text 
nur  wenige  Varianten :  'perdit'  statt  'perdidit' ;  'fratrera' 
statt  'proximum'^;  'enim'  hinter  'Sicut'  fehlt;  'instant'  statt 
'stant'(?);  'suis'  hinter  'necessitatibus'  und  'enim'  hinter 
'ünicuique'  fehlen;  'pascitur' statt 'pascatur' ;  'vel' vor 'sub- 
sidia'  eingesetzt.  Am  Bezeichnendsten  ist  die  Aenderung 
des  Anfangs:  'Placuit,  ut  admoneantur  omnes  fideles' ^  statt 
'Admonendi  sunt' ;  der  geänderte  Anfang  erinnert  an  das 
Initium  von  2,  254  und  255  'Placuit,  ut  fideles  admone- 
antur'  und,  in  etwas  grösserer  Entfernung,  an  den  in  der 
Oberreihe  2,  162  —  255  nicht  weniger  als  18  Mal  begeg- 
nenden Textanfang  'Placuit,  ut  fideles'  ^.  Der  einzige  Grund, 
der  Benedikt  bestimmt  haben  kann,  in  2,  299  (und  2,  347) 
das  Initium  'Placuit,  ut  admoneantur  omnes  fideles'  zu 
fälschen^,  ist  seine  Methode  der  'non  paria  initia'  ^. 
Denn  an  dem  'Admonendi  sunt'  seiner  Vorlage  nimmt 
Benedikt  sonst '^  sowenig  Anstoss  wie  an  den  ähnlichen 
Anfangsworten  'Admoneant'  ^,  'Admoneantur'  ^^,  'Admone- 
mus'  ^^.    Mit  dem  'sapiens'  in  den  Worten :  'qui  plus  de  rebus 


1)   Zur   Sache   vgl.    E.  Pereis,    Die    kirchlichen   Zehuten   im   karo- 
lingischen  Reiche  S.  57.  2)    Bei  Theodulf  völlig    abweichend:    'Quid 

cavere    mercatores    debeant,    qui    negotiantur'.  3)    Das   bei  Benedikt 

stehende  'fratrem'  deckt  sich  mit  dem  Text  der  Vulgata  (1.  Thess.  4,  6) ; 
diese  ist  also  die  Quelle  von  Benedikts  Interpolation.  4)  Ganz  ebenso 
steht  bei  Ben.  2,  347  'Placuit,  ut  admoneantur  omnes  fideles',  wo  Theodulf 
Cap.  primum  c.  34  schreibt :  'Admonendus  est  populus'.  5)  Vgl.  oben 

S.  110  f.  120  f.  124  f.  6)    üeber  die  Fälschung  des  ähnlichen  Anfangs 

'Placuit   ut   fideles'    s.    oben   S.  111.    120  f.  7)    Oben   S.  111,    N.  6. 

8)    Ben.  3,  378    (aus  Theodulfi  Cap.    alterum    c.  11).  9)   Ben.    2,  195 

(aus  dem  Conc.  Burgund.  ?,  oben  S.  152  ff.);  Add.  III.  93  (Conc.  Turon. 
813  c.  42).  10)  Ben.  2.  197  (aus  dem  Conc.  Burgund.  ?,  oben  S.  159  f.). 
11)  Ben.  1,  154  =  Add.  III.  29  (Conc.  Mog.  813  c.  38);  Ben.  1,  376 
(unbekanntes  Capitulare  ?) . 


Studien  zu  Beuedictus  Levita.    VII.  45 1 

terrenis  quam  de  animae  suae  salute  cog'itat,  .  .  .  inxta 
quendam  sapientem  "in  vita  sua  perdit  intima  sua" 
—  ist  gemeint  Eccli.  10,  10:  'in  vita  sua  proieeit  intima 
siia'.  Das  Apostelwort  ist  bereits  (S.  450,  N.  3)  nach- 
gewiesen ;  statt  'vindex  est  enim  deus'  heisst  es  in  der 
Vulgata  'quoniam  vindex  est  dominus'. 


2,  300  —  342    aus    der    H  i  s  p  a  n  a    G  a  1 1  i  c  a    A  u  g-  u  - 
stodunensis^  (2,  313  fremdartiges  Einschiebsel). 

Seine  erste  Pseudoisidor- Studie  (Wiener  SB.  CVIII, 
1884)  hat  Friedrich  Maassen  mit  der  Andeutung  geschlossen, 
dass  die  gallische  Hispana  in  der  Rezension  der  Hs.  von 
Autun  'dem  Verfasser  der  falschen  Capitularien  bekannt 
war  und  von  ihm  in  einer  Anzahl  von  Fällen  benutzt  ist'. 
Der  Nachweis,  den  zu  erbringen  Maassen  nicht  mehr  ver- 
gönnt war,  soll  hier  erstmals  in  grösserem  Massstab  -  unter- 
nommen werden. 

A.     Aus    dem    K  o  n  z  i  1  i  e  n  t  e  i  1    (2,300  —  327). 

2,  300  =  Conc.  Carthag.  III.  c.  10  Anfang,  Hisp. 
cod.  Augustod.  fol.  32a'  (=  echte  Hispana,  Migne  LXXXIV, 
191);  vgl.  oben  1,  404;  unten  3,  121  und  Add.  IV.  15, 
sowie  Cap.  Angilr.  c.  42.  Rubrik  von  Benedikt;  vielleicht 
war  auf  die  Worte  'üt  .  .  .  audientia  minime  de  n  e  - 
g  etur  provoc  a  n  t  ibus'  von  Einfluss  Conc.  Sardic.  c.  1  7 
(Dion.-Hadr.  ed.  1009  p.  KiS:  'quia  non  oportet  ei  negare 
audientiam  roganti' ;  Hispana,  Migne  LXXXIV,  121,  mit 
fast  ['neg  a  r  i ']  demselben  Wortlaut).  —  lieber  die  Inter- 
polation des  Textes  durch  Benedikt  ('Hoc  etiam'  zu  Anfang- 
gestrichen  ;  'denegetur  qui  provocaverint'  statt  'obsit,  quo- 
rum  fuerit  soluta  sententia'  etc.)  siehe  oben  zu  1,  404 
(Studie  VI,  N.  A.  XXXI,  133).  —  An  der  Reihenfolge  der 
Vorlage  gemessen,  ist  2,  300  eine  Vorlagerung  vor 
2,  301  —  307. 

2,  301  Rubrik  und  Text  je  =  Conc.  Carthag.  I.  c.  10 
rubr.^,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  28b'  (unerheblich  abwei- 
chend die  echte  Hispana,  Migne  LXXXIV,  183)'^;  vgl.  unten 


•   1)    Ungedruckt.     Ich  benutze  die  Photographie  des  Cod.  Vat.  1341 
im  Apparate   der  Monumenta.  2)    Einzelnachweise    schon    in   meinem 

Artikel  Pseudoisidor  (Realencykl.  f.  prot.  Theol.-'  XVI)  S.  295  Z.  9  ff., 
sowie  Studie  VI  (N.  A.  XXXI)  S.  132  zu  Ben.  1,  401.  Vgl.  jetzt  auch 
unten  zu  2,  381a.  ka.  r.  s.  3)  Erstmals  nachgewiesen.  Unzutreffender 
Weise  sehen  Baluze,  Knust  und  Hinschius  die  Quelle  von  2.  801  in  Conc. 
Carthag.  III.  c.  20.        4)  Zur  Sache  vgl.  unten  2,  308. 


452  Emil  Seckel. 

3,  151.  175  in.  Varianten  in  der  Rubrik:  'quilibet'  von 
Ben.  eingesetzt;  'jolebem  episcopi'  statt  'episcopi  plebes'^; 
im  Texte:   'Ut  .  .  .  non'  statt  'Ne  .  .  .' 2. 

2,  302  aus  Conc.  Carthag.  I.  c.  11,  Hisp.  cod.  Aiigvi- 
stod.  fol.  29b'  (erheblich  abweichend  die  echte  Hisp.,  Migne 
1.  c.  col.  183);  vgl.  unten  3,  154.  Rubrik  von  Benedikt'. 
Abweichungen  Benedikts  von  der  Augustod. :  'ut  minores 
qui'  statt  'ut  qui  minores' '^;  'inrogaverunt'  statt  '-riut' ;  'in- 
iuriam'  statt  '-rias  ;  ^  'quia'  statt  'Gratus  episcopus  dixit', 
was  Ben.  ändert,  um  sein  Pseudocapitulare  nicht  zu 
verraten;  'illos'  statt  'illum';  'contemnunt'  statt  'contemp- 
nit'^;  hinter  'natu'  25  Wörter  ('vel  aliquam  —  Universi 
episcopi  dixerunt')  gestrichen,  womit  Benedikt  ein  Dop- 
})eltes  erreicht:  er  nimmt  dem  Kapitel  den  Charakter  eines 
Kanon  (Tilgung  der  3  letzten  Wörter)  und  er  verstärkt 
die  Gewalt  des  Bischofs  über  seinen  Diözesaii- 
klerus  ^-  ^. 

2,  303  aus  Conc.  Carthag.  I.  c.  14,  Hisp.  cod.  Augu- 
stod. fol.  30a  (=  echte  Hispana,  Migne  col.  184);  vgl. 
unten  3,  149.  457.  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  2  unter- 
geordnete Varianten  ('vero'  hinter  'quis'  gestrichen ;  ebenso 
'est'  hinter  'clericus'). 

2,  304  =  Conc.  Carthag.  II.  c.  13  r  u  b  r. ,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  30a  (abweichend  echte  Hisp.,  Migne  col.  188); 
vgl.  unten  3,  158;   Cap.  Angilr.  c.  4  bis.    Rubrik  zur  Rubrik 


1)  Das  nun  folgende  'vel'  hat  auch  die  Augustod.,  während  die 
Hispana  'aut'  bietet.  2)  Benedikt  will,  angesichts  der  Rubrik  mit  'Ne', 
abwechseln.  Ueber  das  der  echten  Hisp.  fremde  'vel'  vgl.  die  vorige 
Note.  3)   Die   Rubrik   erinnert   an    Fulgentius    Ferrandus,    Brev.    can. 

c.  128  (ed.  1609  p.  632):  'Ut  superbi  clerici  coerceantur' ;  doch  wird  die 
Uebereinstimmung  auf  Zufall    beruhen.  4)   Echte  Hisp. :  'qui  minores 

sunt'.  5)    In    der  echten  Hisp.  steht  hinter  dem  folgenden  'habeant' : 

'disciplinae' ;  es  fehlt  in  Augustod.  und  Ben.  6)    'condemnat'  steht  in 

der   echten   Hisp.  7)    Der    Kanon    garantiert   dem   Kleriker,    der   mit 

seinem  Vorgesetzten  (also  insbesondere  mit  dem  Bischof)  im  Streite  liegt, 
ein  Bischofsgericht  (für  den  Diakon  besetzt  mit  drei  benachbarten 
Bischöfen,  für  den  presbyter  mit  sechs).  Benedikt  nimmt  dem  Priester 
und  Diakon  das  kollegiale  und  unparteiische  Bischofsgericht,  offenbar  um 
beide  der  Gerichtsbarkeit  ihres  eigenen  Bischofs  zu  unterstellen;  dabei 
geniert  es  ihn  nicht  im  mindesten,  dass  bei  Verletzung  des  Bischofs  dieser 
Verletzter  und  Richter  in  einer  Person  ist.  Durch  die  vorliegende  Inter- 
Ijolation  hat  Benedikt  seinem  Episkopalsystem  einen  wichtigen  (bisher 
nicht  genügend  beachteten)  Baustein  eingefügt.  8)  Das  Folgende  lautet 
in  der  echten  Hisp. :  'Contundi  debet  contumacia,  et  superbia  in  ornnibus 
frangi' ;  daraus  macht  die  Augustod. :  '■conte  11  iptus  debet  contumaciae  et 
superbiae  in  Omnibus  frangi',   und  diesen  Text  hat  Ben.  wörtlich  kopiert. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.     VII.  4  53 

von    Benedikt.     Einziger    Eingriff   in    die  Aug'ustod. :    'Qui' 
statt  'LFt  qui',    Verhältnis  der  Augustod.  zur  echten  Hisp. : 


Augustod. 
Ut,     qui    contra     profes- 
sionem  vel  suhscriptionem  suam 
venerit,  in  concilio  deponatur. 


Hisp. 

Ut  episcopus,  qui 
contra  professionem  suam  in 
concilio  h  a  b  i  t  a  m  venerit, 
deponatur. 

2,  305  aus  Conc.  Carthag.  II.  c.  8,  Hisp.  cod.  Augu- 
stod. fol.  oOb'.  31a  ^  (abweichend  die  echte  Hisp.,  Migne 
col.  180  sq.);  vgl.  unten  3,  161.  Rubrik  von  Benedikt. 
Benedikts  Text  wiederholt  den  Mischtext  (s.  N.  1,  n.  6.  7  fin. 
9  in.)  der  Vorlage  mit  einer  kleinen  Aenderung  ('Quod  si 
superbia'  statt  'Quod  nisi  fecerit,  sed  superbia'),  einer  sach- 
lich bedeutungslosen,  formell  bessernden  Streichung  (der 
ganz  überflüssigen  Worte  'et  locum  amittat',  s.  N.  1,  n.  8) 
und  einer  tendenziösen  Tilgung  ^,  die  wiederum  ^  den 
Priester  des  unparteiischen  Gerichtes  beraubt  und  die  Ent- 
deckung des  klerikalen  Ursprungs'*  vorliegender  Stelle  ver- 
hindern soll. 

2,  306  =  Conc.  Carthag.  II.  c.  9  E  n  d  e ,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  31a  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  187);  vgl. 
unten  3,  165;  Add.  IV.  70  i.  f.  Rubrik  von  Benedikt. 
Im  Text  zwei  gleichgültige  Varianten  ('Si  quis'  statt  'quis- 
quis  ' ;  'extitit'  statt  'existit'). 

2,  307  aus  Conc.  Carthag.  II.  c.  10,  Hisp.  cod.  Augu- 
stod. fol.  31a  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  187,  leicht  inter- 


1)  Can.  8  cit.  ist  iu  der  Augustod.  zusammengeschweisst  aus  der 
echten  Hispäna  und  aus  der  Dionysio -Hadriana:  1.  Rubrik  im  Rubriken- 
verzeichnis (fol.  30a)  =  Hisp.;  2.  Rubrik  vor  dem  Text  =  Dion.-H. 
Conc.  Carthag.  c.  10  rubr. ;  3.  Textanfang  'Alipius  —  Numidiae'  =  DH. 
c.  10  in.  mit  Einsetzung  der  Worte  'ecclesiae  Tagastensis'  (aus  der  Ein- 
leitung zum  Conc.  Carthag.  Dion.-H.  ed.  1609  p.  180);  3.  'dixit:  Xec  — 
impunitus'  ^  Hisp.;  4.  'Vaientinus  —  Numidiae'  =  Dion.-H.  c.  10; 
5.  'dixit ;  Necessario  —  edicite'  =  Hisp.  ('Alipius'  interpoliert  aus 
Dion.-H.);  6.  'Si  quis  presbiter  —  anathema  sit'  =  Dion.-H.  c.  11  rubr. 
(=  Ben.  2,  305  Satz  1)  ;  7.  'Ab  universis  —  anathema  habeatur'  =  Hisp.; 
8.  'et  locum  ammittat'  =  Dion.  -  H. ;  9.  'nihilominus  —  inquirendum  erit' 
=  Hisp.  (hinter  'de  civitate'  [von  Pseudoisidor?]  eingescholjen:  'et  con- 
gregatione' ;  ebenso  'quoniam'  vor  'secundum' ;  am  Schluss  statt  'habuerit' 
aus   der    Dion.-H.:    'non    habuerit').  2)    Ausgelassen    sind    aus    dem 

Passus  n.  7  der  vorigen  Note  die  Worte :  'Ab  universis  episcopis  dictum 
est:  Si  quis  presbiter  a  preposito  suo  excommunicatus  vel  correptus 
fuerit,  debet  utique  apud  vicinos  episcopos  conqueri,  ut  ab  ipsis 
eins  causa  possit  audiri  ac  per  ipsos  suo  episcopo  reconciliari'.  3)  Vgl. 
oben  zu  2,  302.         4)  'Ab  universis  episcopis'  u.  s.  w. 


454  Emil  Seckel. 

poliert  aus  der  Dion.- Hadr.).  Rubrik  von  Benedikt.  Im 
Text  eine  Variante  ('maneat'  statt  'remaneat').  Seine  Rechts- 
norm hat  Benedikt  wiederum^  mit  Bedacht  so  aus  der 
Vorlage  herausg-eschnitten,  dass  das  Kollegialgericht,  das 
die  karthagischen  Väter  dem  Untergebenen  des  Bischofs 
gewähren,  ausgeschaltet  wird  -. 

2,  308  =  Conc.  Carthag.  III.  c.  20,  Hisp.  cod.  Augu- 
stod.  fol.  82b  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  192).  Rubrik  von 
Benedikt.     Text  wahrscheinlich  ohne  Variante^. 

2,  309  =  Conc.  Milevitan.  c.  21  Ende  *,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  44b  (abweichend  die  echte  Hisp.^,  Migne 
col.  233  sq.);  vgl.  unten  3,  171.  178.  Rubrik  von  Benedikt. 
Textanfang  interpoliert:  'Si  quis  episcopus  a  quoquam 
impetitur  vel  ille'  statt  'Si  autem  ille' ;  am  Schluss  stellt 
Ben.  für  'ipsos'  die  echte  Lesart  'ipsi'  wieder  her  (durch 
Konjekturalkritik). 

2,  310  Rubrik  und  erste  Texthälfte  =  Conc.  Arelat. 
I.  314  c.  17,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  45a.  45b  (fast 
=  echte  Hisp.,  Migne  col.  240);  vgl.  unten  2,  400.  3,  175. 
224  in.  Varianten  in  der  Rubrik:  'episcoj^um  conculcet' 
statt  'conc.  ep.' ;  'aut  inpediat '  interpoliert;  im 
Texte:  'episcopus'  (so  auch  echte  Hisp.)  statt  'episcojjo- 
rum' ;  die  ganze  zweite  Texthälfte  'vel  supergrediatur  '^  aut 
aliquod  ei  incommodum  faciat'  '^  ist  von  Ben.  inter- 
poliert. 

2,  311  =  Conc.  Arelat.  I.  314  c.  19,  cf.  c.  18  §,  Hisp. 


1)   Vgl.  oben  2,  302.  305.  2)  Im  Original  folgen  nämlich  noch 

die  Worte :  'et  a  sex  presbiter  et  a  tribus  diaconus  cum  proprio  suo 
episcopo'.  3)  Denn  'diocesim'  (so  cod.  Augustod.)  schreiben  auch    die 

Ben.  -  Hss.  zu  Gotha  und  Vat.  Pal.  583 ;  ferner  hat  für  'coUegam'  (so 
Ben.)  zwar  Aug.^  'collegum' (!),  doch  scheint  Aug.-  diesen  Schreibfehler 
dnrch  einen  allerdings  ungeschickten  Strich  verbessert  zu  haben.  4)  Erst- 
mals nachgewiesen.  Unrichtig  die  Quellenaugabe  bei  Knust  S.  24  uud 
Hinschius,  Decr.  pseudois.  p.  473  (Jul.  c.  18  i.  f.):  Conc.  Afric.  c.  87 
(120)    i.  f.  5)   Namentlich    am  Schluss    (die  Aeuderuugen    der  Hisp. 

Aug.  in  Klammern) :  'sive  quos  eis  primatus  (-tes)  dederit  (-rint)  sive 
quos  ipsi  (ipsos)  vicinos  cum  (ex)  cousultu  (consensu)  primatis  (ge- 
strichen!) delegerint'.  6)  Vgl.  oben  2,  308:  'nee  aliquis  episcoporum 
supergrediatur  in  diocesi(m)  collegam  suum' ;  auch  die  Vorlage  des 
Carthagischen  Kanon  (1.  Thess.  4,  fi  in.:  'et  ne  quis  supergrediatur 
neque  circumveniat  in  negotio  fratrem  suum')  könnte  Benedikt  inspiriert 
haben.  7)  Eine  Quelle  dieser  Schlusswendung  kenne  ich  nicht ;  wahr- 
scheinlich ist  sie  von  Ben.  frei  erfunden.  C.  Th.  16,  2,  38  i.  f.  ('aliquid 
his  inferatur  incommodum')  wird  man  schwerlich  heranziehen  dürfen. 
8)  Erstmals  nachgewiesen.  Unrichtig  Knust  S.  24 :  'Can.  apost.  c.  40 
epit.  Hadr.'  (Canisius  -  Basnage,  Lect.  ant.  II,  1,  p.  267). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  455 

cod.   Augustod.    fol.  45a.  45b  ^   (erheblich    abweichend  die 

echte    Hispan.    c.   18,    Mig-ne    col.  240);    vgl.  unten    3,  182 
und  zur  Sache  oben   1,  23.     Text  Verhältnisse: 


Augustod.  2 

3  XVIII.  üt  diaconus  nihil 
sine   presbitero  *   suo  ^    agat ''. 

'  XVIII.  De  diaconibus 
urbicis,  ut  non  cdiquiä^  per 
se  ihi^  presumant,  sed  honor^ 
presbiteris  resewefiir  ^. 

loxVIIII.  Ut'^  preshiteri 
sine  conscientia  episcoporum 
suorum  nihil  faciant^^. 

12XVIIII.  Et^^  ut  preshi- 
teri ^^  sine  conscientia  ejiisco- 


Ben. 


Ne  presbiteri  vel  diaconi  ^^ 
sine  conscientia  episcoporum 
suorum  aliquid -^  agant^^. 

Ut  presbiteri  vel  diaconi  ^^ 
sine  conscientia  episcoporum 
jjorum  ^^  nihil  ^^  faciant  ^^.        \  suorum^^  nihil  agant^''---. 

2,  312  (Text)  =  Conc.  Arelat.  I.  314  c.  20,  Hisp.  cod. 
Augustod.  In  der  Augustodunensis  stimmen  Rubrik  (fol.  45a) 
und  Text  (fol.  45b)  buchstäblich  mit  einander  überein;  in 
der  echten  Hisp.  (c.  19,  Migne  LXXXIV,  240)  ist  dies 
nicht  der  Fall :  ihre  Rubrik  lautet  bereits  wörtlich  wie  die 
Rubrik  (=  Text)  der  Augustod.,  dagegen  weist  der  Text 
der  echten  Hisp.  eine  von  ihrer  Rubrik  stark  abweichende 
Fassung  auf.  —  Vgl.  unten  3,  189.  —  Rubrik  zur  Rubrik 
(=  Text)  der  Augustod.  von  Benedikt.    Der  Text  Benedikts 


1)    Pseudoisidor    (ed.    Hinschius    p.    320.    821)    deckt    sich    in    den 
meisten  Hss.  und    in    den  Hauptpunkten    mit   der  Augustod.  2)    Ab- 

weichungen von  der  echten  Hispana  kui'siv.  3)  fol.  Jtoa.  4)  'prböro' 
Cod.  5)  'suo'  deest  Hisp.  6)  'offerat'  Hisp.  vulg.  7)    fol.  45  b. 

8)  aliquid  —  ibi]  'tantum  sibi'  Hisp.  9)  honor  .  .  .  reservetur]  'honorem 
.  .  .  reservent'  Hisp.  10)  fol.  45  a.  11)  'Ut  —  faciant'  deest  Hisp. 

12)  fol.  45b;  der  falsche  can.  19  ist  aus  dem  Schluss  des  echten  can.  18 
entstanden,  und  weiter  aus  dem  falschen  Kanon  dessen  Rubrik.  13)  'Et' 
deest  Hisj).  14)  'presbiteri'  deest  Hisp.  15)    ipsorum'  (i.  e.  presbi- 

terorum)   Hisp.  16)  'nihil  tale'  Hisp.  17)  Die  Gehorsamspflicht  des 

Diakonen  gestaltet  also  Pseudoisidor  um  zur  Gehorsamspflicht  des  Priesters 
(gegen  den  Bischof);  damit  verfälscht  er  das  Konzil  von  Arles,  ohne 
aber  neues  ßecht  zu  schaffen  (vgl.  N.  22).  18)  Abweichungen  von  der 
Augustod.  kursiv.  19)  Vgl.  Augustod.  c.  18  rubr.  20)  Vgl.  zur  Not 
Augustod.    c.    18.  21)    Vgl.    Augustod.    c.   19  rubr.  22)    Blosse 

Parallelen  sind:  1.  Canones  apostolorum  c.  40  in.  {=  Ben.  1,  23)  Dion.- 
Hadr.,  vgl.  Epitome  Hadriani  (ed.  Canisius,  Lect.  ant.  [ed.  II.]  II,  1,  267), 
wo  die  Schlussworte  'nihil  agant'  sich  mit  Ben.  decken ;  2.  Conc.  Laodic. 
c.  57  i.  f. :  'similiter  et  presbyteri  praeter  consilium  episcopi 
nihil  agant',  welche  Bestimmung  vielleicht  Pseudoisidor  bei  Anfertigung 
des  falschen  can.  Arelat.  vor  Augfen  hatte. 


456  Emil  Seckel. 

folgt  zunächst  von  Wort  zu  Wort  der  Vorlage;  dann  aber 
hat  Ben.,  im  Interesse  der  vertriebenen  Bischöfe,  die 
Worte  hinzugefälscht:  'atque  benigne  suscipiatur', 
wobei  ihm  Conc.  Sardic.  c.  21  vorgeschwebt  haben  mag. 

2,  313:  cf.  Cassiodorius,  Hist.  tripartita  5,  17  (Migne 
LXTX,  996  C,  cf.  997  B.  C) ;  vgl.  oben  1,  396,  unten  2,  381  m. 
Rubrik  von  Benedikt  (nicht  dieselbe  wie  oben  1,  396). 
Text  =  1,  396  (Studie  VI  S.  131),  nur  dass  die  Worte 
'iudicare  auf  (so  auch  2,  381  m)  hier  noch  fehlen. 

2,  314  =  Conc.  Arelat.  IL  442—506  c.  24  Anfangt, 
Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  46b  (nur  in  3  Kleinigkeiten  ab- 
weichend von  der  echten  Hisp.,  Migne  col.  244);  vgl. 
unten  3,  197.  Eubrik  von  Benedikt.  Text  wörtlich  wie 
in  der  Augustod. 

2,  315  =^  Conc.  Valentin.  374  c.  4  rubr.^,  Hisp. 
cod.  Augustod.  fol.  47a  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  247); 
vgl.  unten  3,  201.  Rubrik  zur  Rubrik  von  Benedikt.  Im 
Text  keine  Abweichung. 

2,  316  =  Conc.  Eliberitan.  (vor  316)  c.  52,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  57b'  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  307^);  vgl. 
unten  3,  368;  Cap.  Angilr.  c.  6  bis.  Rubrik  von  Benedikt. 
In  seinem  Texte  'Si'  statt  'Hi'. 

2,  317  =  Conc.  Elib.  c.  73  Anfang,  Hisp.  cod.  Augu- 
stod. fol.  58a'  (bis  auf  2  nebensächliche  Varianten  =  echte 
Hisp.,  Migne  col.  309);  vgl.  unten  3,  205;  Add.  IV.  34  in. 
Rubrik  von  Benedikt.     Im  Text  keine  Variante. 

2,  318  =  Conc.  Tarracon.  516  c.  4  Rubrik^  und  Text- 
ende, Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  58b.  b'  (im  Wesentlichen 
=  echte  Hisp.,  Migne  col.  311);  vgl.  Cap.  Angilr.  c.  7  bis. 
Rubrik  von  Benedikt.  Text  Satz  1  =  c.  4  (3)  cit.  Rubrik; 
vor  'infra  positus'  schiebt  die  Augustod.  ein :  'qui'  ^,  und 
aus  'qui'  macht  Ben.  'quis'.  Text  Satz  2  =  c.  4  cit.  i.  f.; 
aus  'conniventibus'  (so  Hisp.)  wird  in  der  Augustod.  'cohi- 
bentibus'  und  bei  Ben.  'conhibentibus'. 

2,  319  =  Conc.  Toletan.  I.  400  c  11  r  u  b  r. ,  Hisp. 
cod.  Augustod.  fol.  61b'  (=  echte  Hisp.,    Migne  col.  330); 


1)  Nicht  Coiic.  Arelat.  I.  c.  14,  wie  Baluze  und  Knust  behaupten. 
2)  Auch  hier  ist  erstmals  die  Quelle  nachgewiesen ;  unrichtig  Knust : 
Conc.  Nicaen.  c.  9  Hisp.  3)    In  den  Drucken   (nicht  blos  bei  Migne, 

sondern  auch  im  Originaldruck :  Collectio  canonum  ecclesiae  Hispanae, 
Matriti  1808,  col.  290)  fehlt  das  Wort  'libellos'  im  Texte  des  Kanon. 
4)  Im  cod.  Augustod.  fol.  58  b  führt  die  Rubrik  nicht  die  Ziffer  IUI, 
sondern  (wegen  Auslassung  der  echten  Rubrik  des  c.  3)  die  Ziffer  III. 
Im  Text  ist  die  Zälilung  in  Ordnung.         5)  Bei  Angilram  fehlt  das  'qui'. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VIT.  457 

vg-1.  unten  3,  209;  Add.  IV.  55;  Cap.  Angilr.  c.  8  bis. 
Rubrik  von  Benedikt  (aus  seinem  Text;  zu  dem  nahe- 
liegenden 'pauperem'  vgl.  den  Text  des  can.  11  cit.).  Im 
Text  Benedikts  2  Varianten:  'Si'  statt  'üt  si'  (so  auch 
Angilr.);   'potentum'  (so  auch  Angilr.)  statt  'potentium'. 

2,  320  =  Conc.  Toletan.  I.  cit.  c.  12  rubr.,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  61b'  (bis  auf  die  Variante  'ab  episc'  statt 
'de  episc'  =  echte  Hisp.,  Migne  col.  330);  vgl.  unten 
3,  213;  Cap.  Angilr.  c.  9  bis.  Rubrik  von  Benedikt.  Text 
=  Augustod. 

2,  321  =  Conc.  Toletan.  IV.  633  c.  45,  Hisp.  cod.  Augu- 
stod. fol.  75b'  (abgesehen  von  dem  Anfang  'Clerici'  statt 
'Clerici  qui'  =  echte  Hisp.,  Migne  col.  377):  vgl.  unten 
3,  217;  Add.  III.  17.  Rubrik  von  Benedikt  i.  Den  Text 
hat  Ben.  in  Aeusserlichkeiten  erheblich  retouchiert:  'Ut 
clerici  qui'  ^  statt  'Clerici' ;  'praesumpserint'  statt  'sumpse- 
rint  aut  sumpserunt' ;   'monasterio'  statt  '-rium'. 

2,  322  =  Conc.  Toletan.  VII.  646  c.  1  Ende,  Hisp. 
cod.  Augustod.  fol.  84b'  (erheblich  abweichend  die  echte 
Hisp.,  Migne  col.  406)^;  vgl.  Cap.  Angilr.  c.  20  bis.  Rubrik 
von  Benedikt.  Den  entstellten  Text  der  Augustod.  hat 
Ben.,  der  mit  'Huius*  constitutionis'  einsetzt,  leicht  über- 
arbeitet: 'nostrae'  gestrichen;  'ut'  vor  'execrandum'  ein- 
gesetzt ;  'ad  dominum'  weiter  verschlechtert  zu  'a  domino' ; 
'auf  statt  'vel' ;  'violandam'  statt  'violandum'  (Schreibfehler 
des  cod.  Augustod.  ?). 


1)  Die  Rubrik  der  Augustod.  (fol.  71b)  ist  eine  Erweiterung  der 
echten  Rubrik :  'XLV.  De  clericis,  qui  [in  quacumque  seditione]  arma 
[volentes]  sumpserint'  (das  Eingeklammerte  fehlt  in  der  Hisp.).  2)  Kon- 
jekturale Wiederherstellung  des  echten  'qui'.         3)  Textverhältnisse: 


Echte  Hisp. 
Nain  quid  magis  eorum  utilitati- 
bus  videtur  ferre  consultum ,  si 
h  u  i  u  s  constitutionis  nostrae  forma 
ab  ipsis  principibus  ser- 
vetur  et  omnibus  subiectis 
impleri  cogatur.  Si  quis 
vero  haec  instituta  puta- 
verit  esse  exsecran  d  a ,  ana- 
thema  fiat,  et  velut  praevaricator 
catholicae  fidei  semper  ap  u  d  do- 
minum reus  existat,  quicumque 
regum  deinceps  canonis  huius  cen- 
suram  in  quocumque  crediderit  vel 
permiserit  violandam. 


Augustod. 
Nam  hoc  magis  eorum    utilitati- 
bus     videtur     ferre     consultum ,     si 
constitutionis  nostrae  forma  servetur. 


Execrandum  anathema  fiat  et 
velut  prevaricator  catholicae  fidei 
semper  ad  dominum  reus  existat, 
quicumque  regum  deinceps  canonis 
huius  censuram  in  quocumque  cre- 
diderit vel  permiserit  violandum 
(sie). 


4)   Wiederum  fliesst  Ben.  ein  echtes  Wort  aus  der  Feder. 


458  Emil  Seckel. 

2,  323  aus  Conc.  Toletan.  VIII.  653  c.  2  med.,  Hisp. 
cod.  Augustod.  fol.  88a'  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  419 
1.  11 — 14,  nur  dass  aus  'valet  et'  in  der  Augustod.  ge- 
worden ist:  'valeant  ['valeat'  manu  prima?]  et  ex'^);  vgl. 
unten  3,  221;  Cap.  Angilr.  c.  11  bis.  Eubrik  von  Benedikt. 
Text  =  Augustod.;  in  den  kritischen  Worten  schwankt  die 
Ueberlieferung:  'valet  et  ex'  Baluze ;  'valeat  ex'  Vat. 
Pal.  583;  'valet  ex'  Goth.  m.  1.;  endlich  gar  das  echte 
'valet  et'  Goth.  m.  2. 

2,  324  aus  Conc  Tolet.  VIII.  cit.  c.  12  gegen  Ende, 
Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  91a  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  428 
1.  5  —  9;  nur  'in  futuris',  wo  die  Aug.  'futuris'  schreibt). 
Rubrik  von  Benedikt.  Text  von  ihm  mehrfach  geändert: 
'denique'  hinter  'Legem'  gestrichen;  'noster  (edidit  prin- 
ceps)'  statt:  'pro  coercenda  principum  horrenda  eupiditate 
idem  clementissimus  (edidit  princeps)'  - ;  'stabili '  statt  'si- 
mili';  'retro'  hinter  'futuris'  und  'modis  omnibus'  vor  'ob- 
servetur'  gestrichen. 

2,  325  aus  Conc.  Toletan.  XI.  675  c.  15,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  102a'  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  465,  bis 
auf  das  Schlusswort  'conferamus',  wofür  der  echte  Text 
'confluamus'  bot) ;  vgl.  unten  3,  223.  Rubrik  von  Benedikt. 
Text  mehrfach  interpoliert:  da  Ben.  von  jährlichem 
Zusammentritt  der  Provinzialsynoden  nichts  wissen  will, 
streicht  er  hinter  'obsequentes'  die  Worte:  'omni  anno'^ 
ad  peragendam  celebritatem  concilii ' ;  die  Zeit  des  Zu- 
sammentretens  bestimmen  nach  Ben.  nicht  der  König 
oder  der  Metropolit  ('tempore  quo  principis  vel  metro- 
politani  electio  definierit',  so  die  Vorlage),  sondern  sämt- 
liche Provinzialbischöfe  ('tempore  quo  omnes^  2^'^'^'^"^'*'^^'^^^^^^ 
elegerint  pontifices  ^,  so  Ben.)  —  eine  nette  Blüte  des  er- 
dichteten Episkopalsvstems,  weil  danach  praktisch  jeder 
Bischof  die  Abhaltung  eines  Konzils  durch  sein  Veto  ver- 
hindern kann;  die  sich  nunmehr  anschliessenden  Worte 
'ad  synodum  faciendam'  fehlen  in  der  Vorlage  (über  ein 
Aequivalent  derselben  vgl.  N.  3) ;  die  Streichung  von  'sem- 


1)  'valeant  ex'  oder  'v.  et  ex'  Angilr.;  'valeat  ex'  Ben.  3,  221. 
2)  Mit  dieser  Streichung  gewinnt  Ben.  den  ihm  genehmen  allgemeinen 
Rechtssatz,  dass  der  weltlichen  Gesetzgebungsgewalt  durch  ältere  Gesetze 
die  Hände  gebunden  sind  (vgl.  Rubrik).  .3)  Die  folgenden  Worte  'ad 

—  concilii'  kehren  dem  Sinne  nach  bei  Ben.  an  späterer  Stelle  wieder. 
4)  Die  gefälschten  Worte  sind  nicht  einmal  Eigengut  des  Fälschers, 
sondern  Leihgut  aus  dem  in  can.  15  cit.  folgenden  Passus:  'adunatis  in 
metropolitana  sede  omwibus  provintiae  pontificihu8\ 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn. 


459 


per  animorum'  zwischen  'devotis'  und  'studiis'  endlich  be- 
zweckt, den  Schwulst  der  westgotischen  Rhetorik  abzu- 
streifen und  den  Stil  der  einfachen  Kapitulariensprache 
anzunähern. 

2,  326  aus  Conc.  Toletan.  XII.  681,  Tomus  Ervigii 
reg-is  concilio  oblatus,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  103  a 
(stellenweise  abweichend  die  echte  Hisp.,  Migne  col.  469 
1.  8  ff.  ^).  Rubrik  von  Benedikt.  Text  durch  Ben.  ver- 
fälscht in  der  Absicht,  die  Zeugnis-  und  Anklagefähig- 
keit einem  grossen  Kreise  von  Personen  zu  nehmen: 


Augustod. 
Post  haec  illud  quoque 
vestris  deo  placitis  infero 
sensibus  c  o  r  r  i  g  e  n  d  u  m  ^, 
quod  decessoris  nostri  prae- 
eeptio  promulgata  lege  sanc- 
civit ,  ut  omnis  aut  in  ex- 
peditionem  ex  c  i  t  us  ^  non 
progredi  e  n  s  aut  de  exercitu 
fugi  e  n  s  testimonio  digni- 
tatis  suae  sit  inrevocabiliter 
carens.  Cuius  severitatis  in- 
stitutio  non*  per  totos  Spa- 
niae  ^  fines  ordinata  decurrit, 
dimidiam  fere  partem  populi 
ignobilitati  perpetuae  sub- 
iugavit ,  ita  ut ,  q  u  i  a  in 
quibusdam  villulis  vel  terri- 
toriis  sive  vicis  portis*"  huius 
infamationis  habitatores  ipso- 
rum  locorum  sint '  degeneres 


Ben. 


Pia  an  f,  ut  omnis,  qni  aut 
in  expedition  e  m  exercitus  ^ 
ahsque  gravi  necessitate  non 
jDrogredi/?«'  aut  de  exercitu 
fugi^,  testimonio  dignitatis 
suae  sit  inrevocabiliter  carens, 


ita  ut  in  quibusdam  vil- 
lulis vel  territoriis  sive  vicis 
pestis  ^  huius  infamationis 
habitatores  ipsorum  locorum 
sint     degeneres     e  t     testi- 


1)  Vgl.   auch  MG.    LL.  Visigothorum   p.  476.  2)  König  Ervig 

denkt  an  Milderung  der  rigorosen  Bestimmung  seines  Vorgängers  (vgl. 
auch  die  auf  das  hier  abgedruckte  Exzerpt  folgenden  Worte  des  Ori- 
ginals) ;  Benedikt  hält  die  Bestimmung  gerade  wegen  ihrer  einschneidenden 
Wirkung  (die  er  dem  Leser  klug  verhüllt,  vgl.  die  Streichung  der  Worte 
'Cuius  severitatis  —  sul liugavit')  aufrecht,  ja  er  baut  sie  durch  die  Inter- 
polation 'vel  accusandi'  (dazu  unten  3,  .322.  440 ;  Add.  III.  12)  in  bekannter 
Tendenz   weiter  aus.  8)  expeditionem  excitus]  'expeditione  exercitus' 

Hisp.  4)    'dum'    Hisp.  5)  'Hispaniae'   Hisp.  6)    'peste'    Hisp. 

7)  'sunt'  Hisp.  8)  Naheliegende  Emendation.  9)  'pestis'  und  'portis', 
paläogxaphisch  leicht  zu  verwechseln,  lassen  sich  auch  leicht  durch  Emen- 
dation vertauschen;  das  echte  'peste'  (N.  6)  hat  Ben.  schwerlich  gekannt. 


Neues  Archiv  etc.    XXXV. 


30 


460 


Emil  Seckel. 


Augustod.  Ben. 

redditae  et^  quia  testi-  ficandi  vel   accus andi  nul- 

ficandi  nullam  habent   licen-  lam  habeant  licentiam. 
tiam,  veritatis  ex  toto  videa- 
tur  interisse  ^  censuram  ^. 

2,  327  aus  Conc.  Tolet.  XII.  cit.  c.  9,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  105b'  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  477)  ^  vgl. 
oben  2,  130;  unten  2,  408.  Rubrik  von  Benedikt  (dieselbe 
wie  unten  2,  408).  üeber  die  Textverhältnisse,  speziell 
über  die  Verfälschung  des  Textanfangs  s.  zu  2,  130  (N.  A. 
XXXIV,  369). 


B.    Aus  dem  Dekretalen-Teil   (2,328  —  342)5. 

a)   Aus    der   Masse   (IV)    'Nulla   sibimet  —  reperit 
vigilantia'^. 

2,  328  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  452  an  Anatolius, 
B.  von  Constantinopel,  'Manifestato'  (Jaffe  483)  Teil  2, 
Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  131a  (erheblich  abweichend  von 
der  echten  Hisp.,  Migne  col.  725;  insbesondere:  'nemo  in 
ius  tendat  alienum',  wo  die  Augustod.  die  Tendenzfälschung 
anbringt:  'nemo  dampnet  alienum');  vgl.  unten  3,  227. 
Eubrik  von  Benedikt.  Im  Text  hat  er  an  der  Augustod. 
nur  Nebendinge  geändert:  Streichung  von  'generaliter' ; 
'statuerunt'  statt  'constituerunt' ;  'iutra'  (so  auch  Hisp.) 
statt  'infra'  (Schreibfehler  des  cod.  Augustod.?). 

2,  329  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  453  an  den  Kaiser 
Marcian  'Multa  mihi'  (Jaffe  491) "',  Hisp.  cod.  Augustod. 
fol.  131b'  (=  echte  Hisp.,    Migne  col.  728  A).     Eubrik  von 


1)  redditae  et]  'redditi'  Hisp.         2)  'interrisse'  (etwa  =  'in  terris 
se'?)    cod.    August.  3)    'censura'    Hisp.  4)    =    Lex  Visigothorum 

(Ervig.)  12,  3,  8  rubr.,  MCI.  LL.  Visig.  p.  428.  435.  Wie  der  Zu- 
sammenhang der  Reüie  beweist,  hat  Ben.  das  Conc.  Toletan.,  und  nicht 
die  Lex  Visig.    vor   sich.  5)   Der  Dekretalenteil   der  Hispana   ist   be- 

kanntlich (vgl.  Maassen,  Pseudoisidor- Studien  IL,  "Wiener  SB.  CIX, 
Heft  2 ;  Seckel,  Art.  Pseudoisidor,  Realencykl.  f.  prot.  Theol.  XVI,  271. 
293)  in  der  Hispana  Gallica  (Maassen,  Gesch.  I,  713  ff.)  in  Unordnung  ge- 
raten ;  vgl.  das  Nähere  unten  S.  466  —  470.  6)  Die  Masse  IV  umfasst 
Briefe  Leos  I.  und  zwar  die  Nummern  59  Teil  2  bis  65  Teil  1  (nach 
Maassens  Numerierung,  die  auch  stets  im  Folgenden  verwendet  ist)  der 
echten    Hispana    (Migne    col.    724D — 755 A).  7)    Unrichtig    Knust 

S.  24:  'Innoc.  I.  ep.  27',  womit  gemeint  ist  ep.  29  c.  3  (Mansi  III,  1097; 
Migne  XX,  503). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  461 

Benedikt.      Im  Text    'et'    hinter   'Ut'    gestrichen    und    das 
echte    'suam   teneat    firmitatem'  vereinfacht   zu  'servetur'  ^ 

b)  Aus  der  Masse  (II)  'Quos  videt  dignatio  — 
reparans  sectam'-. 

2,  330  aus  Innocentius'  I.  Schreiben  vom  J.  414  an 
die  Bischöfe  Rufus,  Eusebius  u.  s.  ^v.  'Magna  me  gratu- 
latio'  (Jaffe  303)  c.  7  med.,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  153b' 
(=  echte  Hisp.,  Migne  col.  670  C);  vgl.  unten  3,  230.  Eu- 
brik  von  Benedikt.  Im  Text  eine  Aenderung  ('admittimus' 
statt  'admitto'). 

2,  331  aus  Zosimus'  Schreiben  vom  J.  418  an  den 
Klerus  von  Ravenna  'Ex  relatione'  (Jaffe  345),  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  155a'  (in  Einzelheiten  abweichend  die  echte 
Hisp.,  Migne  col.  675  sq.).  Eubrik  von  Benedikt.  Text 
durch  Streichungen  und  andere  Aenderungen  zurecht- 
gemacht, insbesondere  um  den  päpstlichen  Ursprung  des 
Pseudokapitulars  zu  verwischen :  'Ex  relatione  quornndam 
didicimns,  qualiter  preshiteri,  qui  .  .  . ,  suscepti  sunt'  statt 
'Ex  relatione  fratris  nostri  Archidami  presbiteri,  qua- 
liter suscepti  sitis  vel  quid  egeritis,  cognovimus  vel  qualiter 
illi  suscepti  sunt,  qui  .  .  .' ;  —  '  Unde  has  ad  vos  litteras 
destinamus'  statt  'Ad  quos  haec,  quae  nunc  misimus  ^,  olim 
scripta  feceramus,  eorum  quas  iniuriose  miserant,  respon- 
dentes  epistolis.  Sed  quoniam  non  potuerunt  rei  in  sua, 
hoc  est  in  nostra  ecclesia  Romana  cum  nostris 
conpresbiteris  "^  commemorari  ^,  has  ad  vos  illis  tradendas 
litteras  destinamus '"' ;  —  '«  communione  esse  alienos  dehere 
statt  'omnium  ~'  apostolic§  n  o  s  t  r  §  sedis  communione 
alienos  fuisse  atque  nostra  subscriptione  probatam  senten- 
tiam  suscepisse' ;  —  'Et  illos,  qui  effrenato  huic  facto  con- 


1)  Zur  Sache  vgl.  etwa  mit  der  ersten  Satzhälfte  Cassiod.  Hist. 
trip.  5,  29  (Migne  LXIX,  1007  A):  'fidem,  quae  Nicaeae  .  .  fundata  est, 
esse  perpetua  firmitate  servandam',  von  Ben.  nicht  benutzt;  mit  dem 
zweiten  Halbsatz  oben  2,  10.3.  112.  114,  unten  2,  388.  391.  3,  477.  2)  Die 
Masse  II  umfasst  Briefe  von  Innocenz  I.,  Zosimus,  Bonifatius,  Coelestinus 
und  Leo  I.,  und  zwar  die  Nummern  9  Ende  bis  40  Teil  1  der  echten 
Hisp.  (Migne  col.  654 B  —  694 A).  3)  'emisimus' Hisp. ;  'misimus' Dion., 
Quesn.  4)  So  scheint  im  cod.  Aug.  korrigiert  zu  sein ;  'cun  presbiteris' 
die   erste  Hand.  5)    So  (statt  'commorari')  auch   der   cod.  Alv.    der 

Hisp.,  welchem  Codex  die  Augustod.    (bzw.    ihre  Vorgängerin,    die  Hisp. 
Gallica)    auch   sonst   folgt.  6)    'destinavimus'    Hisp. ;   im   Folgenden : 

'sancimus'  Aug.,  Ben. ;  'sanximus'  Hisp.         7)  'omnium  ab'  Hisp. 

30* 


462  Emil  Seckel. 

silio'  u.  s.w.  statt  'Illos  etiam\  qui  e£Er.  huic  ^  facto  con- 
silioque'  u.  s.  w. ;  —  'obicere  debetis  quod  iuxta  csmones' 
statt  'hoc  obicere  vos  debetis^  quod  i.  canonum  precepta';  — 
'neque  in  eorum  iprorxiptafm)  audaciaf^w}  devenire  statt  'ne 
qua  eorum  prorumpat  audatia'. 

2,  332  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  ^IdQ  au  Flavianus, 
Bischof  von  Constantinopel,  'Cum  christianissimus'  (Jaffe 
420),  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  160b'  (=  echte  Hisp.,  Migiie 
col.  691  D);  vgl.  unten  3,  233.  Eubrik  von  Benedikt.  Im 
Text  3  wenig  einschneidende  Aenderungen:  'iura'  statt 
'iuditia' ;  'in'  vor  'incognitis'  eingeschoben ;  'iudicio'  statt 
'preiuditium'. 

c)    Aus    der    Masse    (III)    'Et    non    timuit    pre- 
ceptum  —  parte    resolubilis'^. 

2,  333  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  449  an  Bischof 
Flavianus  (von  Constantinopel)  'Lectis  litteris'  (Jaffe  423) 
c.  6  gegen  Ende,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  142b'  (==  echte 
Hisp.,  Migne  col.  700  C.  D,  nur  dass  in  ihr  'Dei'  hinter 
'misericordia'  fehlt).  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  keine 
tieferen  Eingriffe:  zwischen  'Dominus'  und  'qui  venit'  die 
juristisch  bedeutungslosen  (übrigens  aus  loh.  10,  11  ent- 
nommenen) Worte  'noster  verus  et  bonus  pastor,  qui  ani- 
mam  suam  posuit  pro  ovibus  suis  et'  gestrichen;  'ß  miseri- 
cordia' statt  'misericordia  dei^'. 

2,  334  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  449  au  den  Kaiser 
Theodosius  'Litteris  clementiae'  (Jaffe  438) ,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  143b  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  703  sq.). 
Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  leichte  Aenderungen:  'Et 
quod'  statt  'quodque' ;  'vestrae  aequitati '  ^  statt  'legum 
vestrarum  aequitate' ;  'humana'  vor  'praesumptio'  gestrichen. 

2,  335  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  451  an  Anato- 
lius,  Bischof  von  Constantinopel,  'Gaudeamus'  (Jaffe  460) 
c.  2,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  146a'  (=  echte  Hisp.,  Migne 
col.  713  C).  Dem  Original,  das  von  der  stufen  weisen  Auf- 
nahme   der   Lapsi    handelt,    hat   Benedikt    einen   völlig 


1)  So  cod.  Alv.  (vgl.  oben  S.  461,  N.  5).  2)  'huius'  Hisp.  u.  s.  w. ;  die 
Lesart  'liuic'  war  bisher  nur  durch  Coustant  bekannt,  dieser  aber  schöpft, 
wie  Maassen  (a.  a.  O.  II,  S.  33)  gezeigt  hat  und  wie  die  vorliegende 
Lesart  des  Weiteren  bestätigt,  aus  3  (verschollenen)  Hss.  der  Augustod. 
8)  'debeatis'  Hisp. ;  'debetis'  Dion.,  Quesn.  4)  Die  Masse  III    umfasst 

nur  Briefe   von  (an)  Leo  I.   und   zwar   die  Nummern   40   Teil  2   bis   59 
Teil  1  der  reinen  Hispana  (Migne  col.  694 A  — 724 D).  5)    'dei'  fehlt 

also  bei  Ben.  wie  in  der  echten  Hisp.  6)   Damit  meint   der  Pseudo- 

kaiser  Benedikts  wohl  vornelimlich  den  Laienadel. 


Studien  zu  Beneclictus  Levita.    Vn.  463 

verschiedenen  Sinn  gegeben :  wer  angeklagt  ist 
(und  wem  Anklage  droht?),  der  soll  im  Vollbesitz  seiner 
'Sachen'  und  in  der  Gemeinschaft  aller  Kirchen  verbleiben 
(vgl.  exceptio  spoliü),  bis  sein  Prozess  vom  König  erledigt 
ist.     Der  Wortlaut  von  Vorlage   und  Fälschung  ist  dieser: 

Ben. 

Ut  suarum  rerum  et  om- 
nium  ecclesiarum  sint  comniu- 
nione  contenti  (!),  qitorum  causa 
adhuc  terminanda  est. 

Illud,  quod  ab  antecesso- 
ribus  nostris  constitutum  est, 
et  nos  approbamus,  ut  '-^  sua- 
rum rerwn  omniutnque  eccle- 
siarum communione  sint  In- 
terim   contenti,    quousque    a 


Augustod. 

(De  his ,  qui  metu  in 
heresim  lapsi  sunt,  si  con- 
versi  fuerint ,  ut  ^  recipian- 
tur.) 

.  .  .  illud  q  u  i  d  e  m  , 
quod  presentibus  et 
agentibus  nostris  con- 
stitutum est,  approbamus,  ut 
suarum  interim  ecclesiarum 
e  s  s  e  nt     communione     con- 


tenti. 1  nohis  causa  terminetur. 

2,  336  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  451  an  den  Kaiser 
Marcianus  'Quamvis  per'  (Jaffe  462),  Hisp.  cod.  Augustod. 
fol.  146b.  b'  (mit  5  Abweichungen  von  der  echten  Hisp., 
Migne  col.  715  B.  716  A).  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text 
stimmt  Ben.  zweimal  mit  der  reinen  Hispana  ('Ne' ;  'in- 
pudentique)  gegen  die  Augustod.  ('Nee' ;  'imprudentique', 
so  wenigstens  die  Hs.)  überein,  was  Zufall  sein  kann.  Dass 
Ben.  nicht  (nur)  die  reine  Hisp.,  sondern  die  Augustod. 
vor  sich  hat,  beweisen  die  ihm  mit  der  Augustod.  gemein- 
samen Lesarten  'incurri'  und  'habere'  (wo  die  echte  Hisp. 
schreibt:  'inquiri'und  'sapere'),  welche  Uebereinstimmungen 
nicht  Zufall  sein  können.  Von  der  echten  wie  von  der 
verfälschten  Hispana  entfernt  sich  Ben.  in  den  Worten  'in- 
certum'  ('de  incerto'  Hisp.;  'incerto'  Aug.);  'cum'  statt  'et 
cum' ;  'discedere'  statt  'dissidere'. 

2,  337  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  451  an  die  Sy- 
node von  Chalcedon  'Optaveram'  (Jaffe  473),  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  148a  (mit  5  Abweichungen  von  der  echten 
Hisp.,  Migne  col.  720  C.  D);  vgl.  unten  Add.  IV.  4.  Eubrik 
von  Benedikt.  Im  Text  3  Stellen,  an  denen  Ben.^  wieder 
mit  der  echten  Hispana,  gegen  die  überlieferte  Augustod., 
geht:  'Substitutes'  statt  'institutos',  'suo'  hinter  'privilegio' 
(fehlt  in  der  Augustod.) ;  'ius'  statt  'eins'.  Mit  derAugustod. 
schreibt    Ben.^    'fratres',    wo    die    reine    Hisp.    'episcopos' 


1)  'ut'  fehlt  in  der  Hisp.       2)  Subjekt  fehlt.       3)  Ebenso  Pseudo- 
isidor  praef.  c.  6  (ed.  Hinschius  p.  18). 


464  Emil  Seckel. 

bietet.  Seinen  Textanfang:  'Plurimos  fratres  sedibus  .  .  . 
exilia  audivimns  deportatos'  hat  Ben.  aus  seiner  Vorlage  ^ 
durch  Kürzung  gewonnen.  Im  weiteren  Verlauf  des  Ka- 
pitels finden  sich  noch  folgende  Aenderungen  der  Vorlage: 
loco'  statt  'locum' ;  'ne'  statt  'nee"';  'Quem' ^  statt  'Cum 
si  ut  (so  reine  Hisp. ;  Aug. :  'Cum  sicut')  cupimus' ;  relin- 
quant'  ^  statt  'relinquunt' ;  'prius'  nach  'laboraverunt'  ein- 
geschoben (tendenziös:  exceptio  spoliü);  'oportet'  statt 
'oporteat'. 

d)  Aus  der  Masse  (V)  'Divulgavit  auctoritas 
—    Cum    ergo    inter    vos'^. 

2,  338  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  i58  —  459  an 
Eusticus,  Bischof  von  Narbonne,  'Epistolas  fraternitatis' 
(Jaffe  544)  c.  10  r  u  b  r.  ('Quod  —  debeat')  und  Praefatio 
('nee  —  subtraxerint'),  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  164a  und 
164a'  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  767  B,  wo  'decet'  statt 
'debet',  und  col.  763  C).  Eubrik  von  Benedikt.  Im  Text 
nur  eine  Aenderung:  'nemo  debeat'  statt  'non  debet (I)' 
Aug.  ('non  decet'  Hisp.). 

2,  339  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  446?  an  Ana- 
stasius,  Bischof  von  Thessalonich,  'Quanta  fraternitati ' 
(Jaffe  411)  Praef.,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  165b'  =  166a 
(=  echte  Hisp.,  Migne  col.  769  B.  C,  wo  3  Wörter  anders 
lauten);  vgl.  unten  3,  236.  Rubrik  von  Benedikt.  Text- 
anfang 'Si  exstiferint  aliqui  fratres  desides  vel  neglegentes, 
quos'  u.  s.w.  zurechtgemacht  aus  'Quia  etsi  plerumque 
ex  s  i  s  t  unt  '^  inter  neglegentes  vel  desides  fratres,  quos' '' 
u.  s.  w. ;  'maiori'  "^  statt  'maiore' ;  endlich  mehrere  Kürzungen: 
'et  beatus'  vor  'apostolus',  'Paulus  ad  ecclesiasticum  re- 
gimen'  vor  'Timotheum',  'iuvenes  ut  fratres,  anus  ut  matres, 
iuvenculas  ut  sorores  in  omni  castitate'  =  Schluss  des 
Apostelzitates  (1.  Timoth.  5,  1.  2),  'sine  offensione'  vor  'red- 
denda  est'  gestrichen.  —  Am  Schlüsse  des  Kapitels  hat 
Benedikt^  geschlafen,  indem  er  seine  Kaiser  statt  im  Ka- 
pitularienstil  im  Kurialstil  reden  lässt  ('coepiscopis  nostris'  1). 


1)  'Quia  vero  non  ignora  m  u  s  per  pravas  gmulationes  multarum 
ecclesiarum  statum  fuisse  turbatum  plurimos  que  fratres,  quia 
heresim  non  reciperent,  sedibus  .  .  .  exilia  deportatos'. 
2)  Zwischen  beiden  Lesungen  schwanken  die  Pseudoisidor-Hss,  3)  'Quem 
ita'  Pseudoisidor.  4)   So  auch  Pseudoisidor.  5)  Auch  die  Masse  V 

umfasst  nur  Leo  -  Briefe  und  zwar  die  Nummern  65  Teil  2  bis  72  Teil  1 
der   reinen   Hispana    (Migne    col.  755 A  —  778  D).  6)   'existit'    Hisp. 

7)  'quae'  Hisp.        8)  So  auch  Hisp.         9)  Gegen  seine  sonstige  Grewohn- 
heit;  vgl.  obeu  zu  2,  331.  834. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  465 

2,  340  aus  demselben  Schreiben  c.  10  i.  f.,  Hisp.  cod. 
Aug-ustod.  fol.  167b  (=  echte  Hispaua,  Migne  col.  774  B); 
vgl.  unten  3,  241.  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  2  A.ende- 
rmig-en :  'aliquis'  hinter  'vult'  eingesetzt;  'grave'  statt  'im- 
portabile'. 

e)  Aus    der   Masse  (VI)    'Tantum    valuerint  — 

etiam    sacra    scriptura'^. 

2,  341a  (bis  'violari')  aus  Leos  I.  Schreiben  vom  J.  446? 
an  die  afrikanischen  Bischöfe  'Cum  in  ordinationibus'  (Jaffe 
410)  c.  5,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  169b  (=  echte  Hisp., 
Migne  col.  780) ;  vgl.  unten  3,  244a.  Rubrik  von  Benedikt. 
Initium  des  Textes  'Ita  unanimes  divinis'  hergerichtet  aus 
den  Worten:  '.  .  .  supererit,  ut  .  .  .  ad  omne  Studium  de- 
votionis  unianimes  ^  divinis  et';  'ut'  statt  'et'  (in  Konse- 
quenz des  'Ita'). 

f)  Aus  der  Masse  (VIII)  'Flavio  Basilisco'  bis 

S  c  h  1  u  s  s  ^. 

2,  341b  ('Ut  nulli'  bis  Ende)  aus  der  römischen  Sy- 
node unter  Hilarus  465  Nov.  19^  c.  1  Mitte,  Hisp.  cod. 
Augustod.  fol.  171a'  (=  echte  Hisp.,  Migne  col.  787^);  vgl. 
unten  3,  244b.  Benedikts  Text  deckt  sich  wörtlich  mit 
der  Vorlage. 

2,  342  aus  Anastasius'  II.  Schreiben  vom  J.  496  an 
den  Kaiser  Anastasius  'Exordium  pontificatus'  (Jaffe  744) 
c.  4,  Hisp.  cod.  Augustod.  fol.  177b  (=  echte  Hispana, 
Migne  col.  809,  wo  3  kleine  Abweichungen);  vgl.  unten 
3,  247,  wo  die  Augustod.  z.  T.  reiner  erhalten  ist.  Rubrik 
von  Benedikt.  Initium  Benedikts  mitten  aus  dem  Zitat 
von  Proverb.  10,  12^  entnommen  und  gemodelt:  'Omnes, 
ut  non  contendant,  protegßt  amicitia'  statt  'omnes  autem, 
qui  non  contendunt,  protegit  amicitia'.  Weitere  Aende- 
rungen:    'scribit'    hinter    'Corinthios'    eingeschoben;    'enira' 


1)  Die  Masse  VI  besteht  nochmals  aus  Leo -Briefen  und  zwar  aus 
den  Nummern  72  Teil  2  bis  75  Teil  1  der  reinen  Hispana  (Migne 
col.  779 A  —  784:B).  2)  'unanimes'  die  Hispana,  wenn  auf  Gonzalez  in 
solchen   Kleinigkeiten  Verlass   ist.  3)    Die   Masse  VIII   umfasst   das 

Ende  der  echten  Hispana  von  n.  77  ab  (Migne  col.  785 D  ff.).  4)  Vgl. 
Jaffe  I,  76  vor  n.  560;  Maassen,  Gesch.  I,  274,  n.  8.  5)  'nulla'  (statt 
'nulli')  ist  Schreibfehler  des  cod.  Augustod.  6)    Anastasius   entnimmt 

dieses  und  die  folgenden  Zitate  (1.  Cor.  3,  3;  Philipp.  2,  1 — 4)  aus  einer 
vorhieronymianischen  Bibelübersetzung. 


466  Emil  Seckel. 

hinter  'Cum'  gestrichen;  das  Zitat,  soweit  es  aus  Philipp. 
2,  1.  2  stammt  ('item  ad  —  habentes')  hinter  'ambulatis' 
weggelassen  ^ ;  'invicem  aestimantes  semetipsos  non  sua 
singuli  respicirtw^'  statt  'iuv.  §stim.  semetipsos^  superiores, 
non  sua^  singula*  respicie  ntes '.  — 

Auffallend  und  der  Erklärung  bedürftig  ist  die  Reihen- 
folge,  in  der  Benedikt  den  Dekretalen-Teil  der  Augustod. 
exzerpiert.  Hielte  er,  seinem  Usus  getreu,  an  der  Ordnung 
der  genannten  Vorlage  fest  ^,  so  müssten  auf  2,  328.  329  die 
Kapitel  2,  333  —  337  und  dann  erst  2,  330  —  332  folgen*^. 
Die  Umstellung  erklärt  sich  nicht  aus  systematischen 
Gründen  und  beruht  auch  nicht  auf  Willkür  oder  einem 
erst  die  Sammlung  Benedikts  treffenden  Zufall;  sie  hängt 
vielmehr  mit  der  Entwickelungsgeschichte  der 
Hispana  Gallica  zusammen.  Darauf  führt  die  in 
der  voranstehenden  Quellen- Analyse  kenntlich  gemachte 
Beziehung  von  Ben.  2,  330 — -332  zu  Masse  II,  von  Ben. 
2,  333  —  337  zu  Masse  III  der  echten  Hispana. 

Für  die  Entwickelungsgeschichte  ihrer  gallischen  Ab- 
leitungen zerfällt  der  Dekretalenteil  der  echten  Hispana 
in  acht  Massen : 

I  =  Hisp.  n.  1  —  9a,  verb.  'ex  his  hominibus'  ^ ; 
II  =  Hisp.  n.  9b  —  40a,    verb.    'Quos   videt   dignatio  — 
reparans  sectam'  (oben  S.  461); 

III  =  Hisp.  n.  40b  —  59a,  verb.  'Et  non  timuit  praecep- 

tum  —  parte  resolubilis'  (oben  S.  462) ; 

IV  =  Hisp.  n.  59b  —  65a,  verb.  'Nulla  sibimet  —  reperit 

vigilantia'  (oben  S.  460); 
V  =  Hisp.  n.  65b  — 72a,  verb.  'Divulgavit  auctoritas  — 
Cum  ergo  inter  vos'  (oben  S.  464) ; 
VI  =  Hisp.   n.  72b  —  75a,    verb.    'Tantum   valuerint   — 
etiam  sacra  scriptura'  (oben  S.  465); 
VII  =^  Hisp.  n.  75b  —  76,  verb.  'Manifestat  quod  cum  — 
consule'  *; 
VIII  =  Hisp.  n.  77  bis  Ende  (oben  S.  465). 


1)  Was  zur  Folge  hat,  dass  der  sich  mit  Philipp.  2,  3.  4 
deckende  Schluss  unseres  Kapitels  bei  Benedikt  unrichtigerweise  als  Zitat 
aus    dem  (1.)  Korintherbrief   erscheint.  2)   'sibimetipsos'  Dion.  -  Hadr. 

(ed.  1609   p.  548) ;  'sibimetipsis'  Hisp.  3)    'sua'  Dion. ;    'in  sua'  Hisp. 

4)  'singuli'  Dion. ;  'singulis'  Hisp.  5)  Dass  sich  Benedikt  schliesslich  in 
der  Tat  als  reihengetreuer  Benutzer  seiner  Augustod.  bewährt, 
wird   unten   S.  470   erhellen.  6)   Vgl.    die   oben   beigesetzten    Blatt- 

Zahlen  der  Augustod.  7)  Migne  col.  654B.  8)  Migne  col.  784 B 

—  786D. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VIT. 


467 


In    der    Hispana    G  a  1 1  i  c  a  ^    gerieten    (durch    eine 
Versetzung  von  Lagenreihen,  Lagen  und  Einzelblättern  in 
ihrem  Archetyp)  die  acht  Massen  in  folgende  Unordnung: 
I.  IV.  III.  IL-'  —  V.  VIL  VI.  VIIL 

Die  Hispana  Gallica  hat  bekanntlich  die  Grundlage 
abgegeben  für  die  von  der  pseudoisidorischen  Fälscher- 
gruppe hergestellte  Augustodunensis,  und  letztere  wieder 
für  den  dritten  Teil  der  Kanonensammlung  Pseudoisidors. 

Die  Hispana  Augustodunensis  versucht  die 
Verwirrung  in  der  Gallica  zu  beheben,  aber  —  wenigstens 
bezüglich  der  vier  ersten  Massen  —  in  noch  ziemlich 
schüchterner  Weise : 


Masse  I 


Gallica 
=   Hisp.    n.   1 — 9a 


MasseIV=Hisp.  n.59b— 65a: 


Masselll  =  Hisp.  n. 40b— 59a : 


Masse  II  =  Hisp.  n.  9b — 40a: 
Masse V=  Hisp.  n.  65b— 72a: 


Augustodunensis 

restituiert  den  Schluss  von 
n.  9  (d.  h.  n.  9  b) -^  aus 
dem  Anfang  von  Masse  II 

(s.  x\.); 

schaltet  am  Schluss  von 
n.  65a  aus  dem  Anfang 
von  Masse  V  (s.  u.)  'divul- 
gavit'  ein,  und 

ändert  die  Anfangsworte  von 
n.  40b  'et  non  timuit'  zu : 
'qui  non  timebanf  * ; 

Ischafft  zwischen  den  Schluss- 
j  Worten  von  n.  40  a^  und 
den  Anfangsworten  von 
n.  65b*'  einen  grammati- 
schen Zusammenhang  durch 
Einfügung  der  Worte  'Hos 
enim'  ^ ; 


1)    Cod.  Vindobon.    411;    Maassen,    Gesch.   I,  713  ff.  2)   Die 

Masse  II  besteht  aus  Briefen  von  Innocenz  I. ,  Zosimus ,  Bonifatius, 
Coelestinus,  Leo  I. ;  diese  Briefe  gerieten  mitten  hinein  unter  lauter  Leo- 
Briefe  (Massen  IV.  III.  V.  VIL  VI).  3)  verba  'Quos  vidit  dignatio  — 
valeamus'.  4)  Vgl.  Maassen,  Pseudoisidor  -  Studie  II,  21  f.  5)  're- 

parans  sectam'.  6)  'divulgavit  auctoritas'.  7)  Vgl.  Maassen  a.  a.  0. 
S.  22.  Die  Anfangsworte  der  Masse  II  (=  Hisp.  n.  9b)  bleiben  erhalten, 
kehren  also  zum  zweiten  Male  wieder,  nachdem  sie  zuerst  an  den  Schluss 
von  Masse  I  angeflickt  worden  sind. 


468 


Emil  Seckel. 


Gallica 

Masse  VII  =  Hisp.  n.  75b.  76: 
Masse  VI  =  Hisp.  n.  72b— 75a: 


Masse  VIII  =  Hisp.  n.  77  fE.: 


Augustodun  ensis 

Istellt    die    Massen   VII.    VI 
I     um ,    so    dass    die   richtige 
Reihenfolge   VI.  VII    her- 
auskommt ^ ; 


belässt   die  Schlussmasse   an 
ihrem  (richtigen)  Orte. 

Pseudoisidor  hat  die  vier  letzten  Massen  (V^ — 
VIII)  richtig  geordnet,  wie  sie  ihm  in  der  August,  bereits 
vorlagen,  einfach  übernommen.  Für  die  vier  ersten  Massen 
stellt  er  die  richtige  Reihenfolge  der  Päpste  (nicht  aber 
die  ursprüngliche  Reihenfolge  der  Dekretalen)  her.  Be- 
trachtete Pseudoisidor  die  Schichtung  der  vier  Massen 
unter  chronologischem  Gesichtswinkel : 

Masse  I:  Damasus  bis  Innocenz  I., 
IV:  Leo  L, 
III:  Leo  L, 
II :  Innocenz,  Zosimus,  Bonifatius, 
Coelestinus,  Leo  I., 
so  lag  nichts  näher,  als  Masse  II  zwischen  Masse  I  und  IV 
zu  stellen.    In  der  Tat  hat  Pseudoisidor  diesen  bequemsten 
Weg  beschritten,    um    zu  seinem  Ziel  der  richtigen  Papst- 
folge zu  gelangen.    Dabei  nimmt  er  an  der  Augustod.^  fol- 
gende Modifikationen  vor: 


Umgestellte  Augustod. 
Masse  I  =  Hisp.  n.  1—  9a.  b"^: 

Masse  IV  Anfang  = 
Hisp.  n.  59b  5: 


Masse  II  =  Hisp.  n.  9b  —  40a: 


Pseudoisidor. 
ändert  nichts; 

(lässt      diesen     Anfang     von 
)     Masse  IV,  trotz  Umstellung 

der  Masse  selbst,  an  Massel 

hängen ; 


schneidet      die 
n.    i)b    Hisp. 


wiederholte 
hier    (vgl. 

aber  unten  zwischen  Masse 

III  und  V)  weg; 


1)  Damit  erhält  n.  72  b  den  richtigen  Anschluss  an  n.  72  a  (Masse  V 
Ende);  übrigens  ist  n.  72  überarbeitet,  so  dass  sie  einen  Mischtext  aus 
Hisp.  und  Dion.-Hadr.  darstellt;  vgl.  Maassen  a.  a.  0.  S.  23  —  26. 
2)  Die  Masse  V  hat  er  ihres  Kopfstücks  (Hisp.  n.  65b)  beraubt;  vgl. 
unten.  3)    Die    Einschaltungen   aus    anderen    Vorlagen    bleiben   hier 

natürlich   aus   dem    Spiel.  4)    ed.    Hinschius    p.   533.  5)    ed.    cit. 

p.  533,  N.  3. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


469 


Umgestellte  Augustod. 

Masse  V  Anfang    = 
Hisp.  n.   65b  1: 


Masse  I V=  Hisp.  n.  59b— 65a : 


MasseIII=Hisp.  n.40b2— 59a : 

Masse  II  Anfang  = 
Hisp.  n.  9b: 


Masse    Y  — VIII     =     Hisp. 
n.  65  b  —  Schluss : 


Pseudoisidor. 

Ilässt      diesen      Anfanof     von 
I     Masse  V,  trotz  Umstellung 
der  Masse  II,  an  letzterer 
Masse  hängen ; 

schneidet  die  an  Masse  I 
bei  ihm  hängen  gebliebene 
n.  59b  hier  weg; 

ändert  nichts; 

Ilässt      diesen      Anfang     von 
I     Masse  II,  trotz  Umstellung 
der      Masse      selbst ,      an 
Masse  III  hängen; 

schneidet  die  an  Masse  II 
bei  ihm  hängen  gebliebene 
n.  65  b  hier  weg. 

Aus  vorstehender  Darlegung  erhellt,  dass  Benedikt 
seine  Reihenfolge  weder  aus  der  reinen  Hispana  (Massen- 
folge :  II.  III.  IV)  noch  aus  der  Gallica  (IV.  III.  II)  noch 
aus  der  Augustod.  (ebenfalls :  IV.  III.  II)  noch  aus  Pseudo- 
isidor (II.  IV.  III)  bezogen  haben  kann.  Und  doch  liegt 
auf  der  Hand,  dass  Benedikts  Anordnung  mit  den  Massen 
zusammenhängt,  weil  er  stets  die  einer  bestimmten  Masse 
entnommenen  Kapitel  bei  einander  ^  stehen  lässt.  Die  ein- 
fachste Erklärung  dieses  Tatbestandes,  der  sich  von  einem 
unentwirrbaren  Chaos  so  fern  als  möglich  hält,  scheint  mir 
folgende  zu  sein.  Gleich  Pseudoisidor  hat  Benedikt  die 
mangelhafte  Anordnung  der  ihm  vorliegenden  Augustod.  * 
erkannt;  gleich  jenem  hat  er  eine  Umstellung  in  der 
Augustod.  vorgenommen.  Im  übrigen  geht  er  seine  eigenen 
Wege.  Seine  Umstellung,  als  solche  nicht  zur  Veröffent- 
lichung bestimmt,  verfolgt  nur  seine  Privatzwecke.  Er 
geht  nicht  aus  auf  eine  einwandfreie  Chronologie  der 
Päpste,  sondern  auf  Besserung  der  sachlichen  Ordnung. 
Er  rückt  die  Masse  II  nicht  zwischen  I  und  IV,  sondern 
zwischen  IV  und  III,  so  dass  die  Augustod.  Bene- 
d  i  c  t  i  n  a  folgende  Gestalt  gewinnt : 


1)  Hinschius  p.  XXVI  f.  2)  Hinschius  p.  XXVII.  CI.  3)  Und 
die  bei  einander  bleibenden  Kapitel  in  ihrer  ursprünglichen  Folge.  4)  In 
Masse  I — IV;  an  den  Massen  V — VIII  war  nichts  auszusetzen. 


470  Emil  Seckel. 


Masse  I      =  Hisp.  n.  1  —  9a.  b  :    Damasus  —  Innocenz  I. ; 

Masse  IV  =  Hisp.  n.  59b  —  65a:  Leo  I.; 
(Masse    II  =  Hisp.  n.  9b  — 40a:  Innocenz  I.,    Zos.,  Bonif., 
'  Coel.,  Leo  I.; 

/Masse  III  =  Hisp.  n.  40b  —  59a:  Leo  I. 
Die  Umordnnng  brachte  Benedikts  Rezension  wenigstens 
den  einen  sachlichen  Vorteil,  dass  sich  in  ihr  Hisp.  n.  40b 
unmittelber  an  n.  40a  anschloss.  Die  Mängel  der  Augustod. 
zu  erkennen  und  die  Massenverhältnisse  wenigstens  zum 
Teil  zu  durchschauen  ermöglichte  Benedikt  und  Pseudo- 
isidor  die  bei  letzterem  bewiesene,  bei  ersterem  zu  ver- 
mutende Kenntnis  der  Hispana  Gallica. 

Die  von  ihm  in  ihrem  ersten  Teil  (Massen  I.  IV. 
II.  III)  umgestellte  Augustod.  hat  Benedikt  demnächst 
für  seine  Kapitulariensammlung  reihengetreu  aus- 
gezogen.    Quod  erat  demonstrandum. 


2,  343  —  356    aus    der    Lex  Visigothorum  (Ervi- 

giana)^  mit  2  Einschaltungen  (aus  Bibel  und   Augustinus; 

aus  Theodulf  von  Orleans). 

2,  343  =  L.  Visig.  2,  1,  10  Anfang  ([Recc]  Erv.), 
MG.  LL.  Visig.  p.  58.  Rubrik  von  Benedikt  (anderer  In- 
haltsvermerk im  Original).  Im  Text  'homines'  hinter 
'gentis'  eingeschaltet;  'utilitatis'  ('humilitatis'  cod.  E  1) 
nach  'exercitium' -  ausgelassen^,  ebenso  'et'  vor  'resultamus'. 
Bemerkenswert  ist  auch  die  Nichtaufnahme  des  Schlusses: 
'.  .  .  nolumus  sive  Romanis  legibus  seu  alienis  institutio- 
nibus  amodo  amplius  convexari'. 

2,  344  =  L.  Visig.  2,  4,  4  Anfang  (Erv.*),  1.  c.  p.  97; 
vgl.  oben  2,  146.  Rubrik  von  Benedikt.  Zwei  gleichgültige 
Varianten.    Hier  wie  oben  2,  146  direkt  aus  dem  Original. 

2,  345a  (bis  'esse  noscuntur')  =  L.  Visig.  2,  4,  5  An- 
fang ([Recc]  Erv.),  1.  c.  p.  98 ;  vgl.  oben  2,  147.  Rubrik 
von  Benedikt.  Im  Text  2  Interpolationen  ('absentes  neque' ; 
'et  viderunt),  dieselben  wie  oben  2,  147.  Dagegen  ist  hier 
(anders  als  oben)  'negotiis'  hinter  'aliis'  nicht  gestrichen. 


1)  In  der  Reihenfolge  der  Vorlage;  zweimal  freilich  (2,  348.  351) 
fällt  Benedikt  aus  der  Reihe,  aber  es  bedürfte  zur  Einrenkung  nur  des 
Platzwechsels  je  mit  dem  vorhergehenden,  bzw.  nachfolgenden  Kapitel 
aus   der   L.  Visig.  2)    codd.  R.  E   schreiben  'exercitiam'.  3)   Die 

zwei  erwähnten  tendenziösen  Aenderungen  haben  bewirkt,  dass  Ben. 
'sententiam  fontis  prorsus  adulteravit'  (Hinschius ,  Decr.  pseudois. 
p.  CXLVII).         4)  Die  Reccesvindiana  weicht  ab. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  471 

2,  345b ^  'Super  qua  re  sacra  scriptura  testatur  di- 
cens:  "Damus  —  abstulerunt  eum" :  die  zitierende  Ueber- 
leitung  wahrscheinlich  von  Benedikt;  das  Zitat  selbst  geht 
auf  Ev.  Matth.  28,  12.  13  in  einer  vorhieronymianischen 
CTebersetzung,  und  zwar  hat  sie  Benedikt  bezogen  aus 
Augustinus,  Ennarratio  in  psalmum  63  §  15  (vers.  9),  Migne 
XXXVI,  767  Z.  3  —  1  V.  u.:  'Damus,  inquiunt  ('Pharisaei 
ad  milites'  fügt  Ben.  hinzu),  vobis  pecuniam,  et  dicite,  quia 
vobis  dormientibus  venerunt  discipuli  eins  ('lesu'  statt  'eins' 
Ben.)  et  abstulerunt  eum'. 

2,  345c^.  'ünde  ait  Augustinus:  "Dormientes  —  scru- 
tationes  ":  die  zitierende  üeberleitung  wiederum  von  Benedikt; 
das  Augustinzitat  deckt  sich  wörtlich  mit  Augustinus  1.  c, 
Migne  1.  c.  col.  768  1.  6—10.  Die  3  Schlussworte  ent- 
nimmt Augustin  der  von  ihm  benutzten  alten  Uebersetzung 
von  Ps.  63,  7. 

2,  346  =  L.  Visig.  2,  5,  2  (Erv.) ,  1.  c.  p.  107 ;  vgl. 
oben  2,  149  (wo  Näheres).  Einzige  Abweichung  von  2,  149 
'scripturam'  (so  auch  das  Original)  statt  'scripturas'.  — ■ 

2,  347  =  Theodulfus  Aurelian.,  Capitulare  primum 
c.  34  (Migne  CV,  202).  Rubrik  von  Benedikt.  Initium 
deckt  sich  nicht  mit  Theodulf:  'Placuit,  ut  admoneantur 
omnes  fideles'  statt  'Admonendus  est  populus' ;  im  weiteren 
Textverlauf  8  Varianten :  'quia'  statt  'quae' ;  'homo'  hinter 
'diligit'  eingesetzt ;  nochmals  'quia'  statt  'quae' ;  'recenseri' 
statt  '-re' ;  'nam'  statt  'nam  et' ;  'caritatem'  statt  'caritatem 
tantum' ;  'cibus  et  potus  non  est'  statt  'n.  est  c.  et  j).'; 
'fiunt'  statt  'faciunt'.  —  Das  Kapitel  besteht  zum  Teil  aus 
Bibelreminiszenzen ;  auch  wird  ein  Apostelwort  ausdrücklich 
zitiert ;  'Eegnum  dei  cibus  et  potus  non  est'  =  Rom. 
14,  17  in.:  'Non  est  enim  regnum  dei  esca  et  potus'. 
Von  den  3  Reminiszenzen  geht  die  erste:  'quia  deum 
diligit  homo  plus  quam  se'  auf  Deut.  6,  5.  11,  13;  Matth. 
22,  37  ;  Marc.  12,  30  ;  Luc.  10,  27  ;  die  z  w  e  i  t  e:  'et  ji^'oxi- 
mum  (ddigit  homo^  tanqnam  se'  auf  Marc.  12,  31  (vgl.  Levit. 
19,  18;  Matth.  5,  43.  22,  39;  Marc.  12,  31 ;  Luc.  10,  27  i.  f.; 
Rom.  13,  9  i.  f.;  Gal.  5,  14;  Jac.  2,  8);  die  d  r  i  1 1  e  :  'mhil 
vult  alii  facere,  nisi  quod  sibi  vult  fier'i'  auf  Tob.  4,  16; 
Matth.  7,  12;  Luc.  6,  31.  —  Ueber  den  auffallenden  Anfang 
'Placuit'  etc.  vgl.  oben  S.  450  zu  2,  299.  — 


1)  Knust  übergeht  dieses  Stück  mit  Stillschweigen.  2)  Auch  zu 
diesem  Teilkapitel  schweigt  Knust,  obschon  bereits  Baluze  die  Augustin- 
stelle annähernd  richtig  bezeichnet  hatte. 


472  Emil  Seckel. 

2,  348  =  L.  Visig.  2,  4,  13  {Slvv.)^-\  1.  c.  p.  104. 
Rubrik  aus  der  Vorlage  (eine  nebensächliche  Variante).  Im 
Text:  'amite'  hinter  'patrui'  ausgefallen;  'seu'  statt  'sive'; 
'seu  etiam  quidam  ex  propria  consanguinitate'  inter- 
poliert; 'permittimus'  statt  'admittantur'. 

2,  349  =  L.  Visig.  2,  5,  4  (Erv.)  S  1.  c  p.  107;  vgl. 
oben  2,  150.  Rubrik  aus  der  Vorlage.  Rubrik  und  Text 
auch  hier  wörtlich  wie  in  cod.  E  1  ('licere',  'auf). 

2,  350  =  L.  Visig.  3,  4,  18  Ende  ([Recc]  Erv.),  1.  c. 
p.  158  1.  17—20;  vgl.  oben  2,  151.  Rubrik  von  Benedikt 
(andere  Fassung  als  oben).  Eine  Variante  ('videantur'  statt 
'videamur'). 

2,  351  =  L.  Visig.  7,  2,  8  ([Recc]  Erv.),  1.  c.  p.  291  sq.^ 
Rubrik  aus  der  Vorlage.  Rubrik  und  Text  wörtlich  wie 
in  cod.  E  1. 

2,  352  =  L.  Visig.  5,  7,  12  ([Recc]  Erv.),  1.  c  p.  239; 
vgl.  oben  2,  159.  Rubrik  aus  der  Vorlage  (1  Variante).  Der 
Text  deckt  sich  mit  der  ersten  Wiedergabe  in  2,  159  nicht 
vollständig  ('concutiant'  statt  'concitentur' ;  Einschiebung 
von  'in  tertia  generatione);  die  Lesart  'concu- 
tiant'  in  2,  352  steht  dem  Original  ('concutiantur')  näher 
als  die  Lesart  'concitentur' ;  andererseits  entfernt  sich  2,  352 

interpolierten     Worte 


vom     Original 

durch      di( 

'in  t.  g.'*. 

2,  353  = 

L.  Visig.    8 

oben    2,   161. 

Rubrik    aus 

1,  2  (Erv.)^    1.   c  p.  313;    vgl. 

der  Vorlage.  Text  wie  oben 
2,  161,  bis  auf  die  gleichgültige  Variante  'potuerit'  statt 
'potuit'  (letzteres  original);  insbesondere  kehrt  im  Schluss- 
satz dieselbe  Interpolation  wie  oben  2,  161  wieder. 
2,  354  =  L.  Visig.  8,  1,  6  ([Recc]  Erv.),  1.  c  p.  315. 
Rubrik  aus  dem  Original.  Der  Text  folgt  mehrfach  den 
Lesarten  von  cod.  E  1  ('restituat',  'sint').  Von  Benedikts 
Eigentümlichkeiten  ist  ein  Teil  harmlos  ('sunt  sublata'  um- 
gestellt; 'omnes  .  .  .  reddantur'  statt  'omnis  .  .  .  reddatur'; 
'integro'  vor  'in  statu'  eingeschoben) ;  die  andern  stellen 
sich  als  ändernde  Eingriffe  dar.  Und  zwar  mildert  Bene- 
dikt die  elffache  Busse  des  Bandendiebstahls  auf  die  sieben- 
fache herab  ('septuplum'  statt  'undecuplum');  andrerseits 
erhöht    er   die   Prügelstrafe    des   zahlungsunfähigen   freien 


1)   Recc.   weicht   ab.  2)  Vgl.   zu   der   Stelle  Zeumer,   N.  A. 

XXIV,  105—108.  3)   Zur  Sache  vgl.  oben  1,  344.  4)  Ueber  die 

Interpolation,    die   anscheinend    dem    fränkischen    Rechte   entspricht,   vgl. 
Brunner,  D.  Rechtsgesch.  II,  396,  N.  28.         5)  Nicht  Recc. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  473 

Teilnehmers  von  50  auf  150  Peitschenhiebe  ('centum  quiu- 
quaginta'  statt  'quinquaginta')  ^. 

2,  355  =  L.  Visig.  8,  1,  10  (Erv.)  ^  1.  c.  p.  317;  vgl. 
oben  2,  137,  wo  aber  nur  der  Anfang  aufgenommen  ist. 
Rubrik  aus  der  Vorlage.  Rubrik  wie  Text  stehen  dem 
cod.  E  1  nahe  ('suos'^;  'fuerant',  'Quod  si').  Von  den 
Aenderungen  Benedikts  sind  einige  harmloser  Natur  ('fuerit 
inventa'  ^  statt  'inventa  cognoscitur' ;  'agnoscitur  et'  ^  statt 
'auf).  Mit  der  westgothischen  Strafsatzung  gegen  die 
freien  Räuber  ist  Benedikt  nicht  einverstanden : 


Ben. 

Quod  si  honestior  per- 
sona est ,  et  pro  scelere 
rationem  reddat  et  quae  ab- 
lata  vel  eversa  fuerant,  qiia- 
fZrupli  conpositione  restituat. 


L.  Visig. 
Quod  si  honestior  per- 
sona est ,  a  u  t  pro  scelere 
rationem  reddat  a  u  t  "^  que  '" 
ablata  vel  eversa  fuerant, 
u  n  d  e  c  upli  conpositione  re- 
stituat et  C  publice 
flagella    suscipiat. 

Den  Sklaven  bedenkt  Benedikt  mit  150  Peitschenhieben, 
während  ihm  die  L.  Visig.  nach  codd.  E.  1.  V  3  hundert, 
nach  der  Mehrzahl  der  Hss.  200  Hiebe  zudiktiert. 

2,  356  =  L.  Visig.  8,  1,  11  ([Recc]  Erv.),  1.  c.  p.  317; 
vgl.  oben  2,  138.  Rubrik  aus  der  Vorlage  (wortgetreu). 
Anders  als  oben'',  ist  der  Text  hier  gründlich  interpoliert 
(in  derselben  Tendenz  wie  bei  2,  355).  Während  die  Lex 
Visig.  unterschiedslos  Freien  und  unfreien,  die  Dieben  eine 
Gelegenheit  zum  Stehlen  verraten  ^  mit  100  Peitschen- 
hieben bedroht,  erspart  Benedikt  den  Freien  die  Hiebe, 
um  sie  andererseits  für  die  Unfreien  auf  das  l'^j^^^ch.e  zu 
erhöhen:    '.  .  .  si^  ingemms  est,  quae  eversa  vel  ahlata  sunt, 


1)  Eine  Hs.  der  L.  Visig.  (cod.  V  1)  hat  die  50  Hiebe  wenigstens  auf 
100  erhöht.  2)  Nicht  Recc.  3)  Ebenso  oben  2,  137.  4)  'vel'  cod.  B  1. 
5)  Fehlt  m  cod.  E  1.  6)  Vgl.  N.  A.  XXXIV,  371.  7)  'Quicumque 
ingenuus  vel  servus  aliqua  (aliquid)  diripienda  (-dum)  indicaverit'.  So 
fängt  auch  Ben.  sein  Kapitel  an,  trotz  der  von  ihm  nachher  angebrachten 
Unterscheidung.  —  Im  Tatbestand  hat  Ben.  nur  'indicavit'  (für:  'indi- 
caverit') geändert.  8)  Die  Interpolation  Benedikts  folgt  in  der  Haupt- 
sache irgend  einem  fränkischen  Vorbilde ;  beispielshalber  zu  nennen  sind 
Capitula  Karoli  apud  Anseg.  servata  810.  811?  c.  4  (MG.  Capit.  I,  160): 
'.  .  .  secundum  legem  in  triplum  conponat,  et  si  liber  homo  hoc  fecerit, 
bannum  dominicum  pro  hac  re  co»iponere  cogatur;  servus  vero  secundum 
suam  legem  tripla  composicione  damnum  in  loco  restituat  et  pro  banno 
disciplina  corporali  subiaceat'  —  und  Capitula  legibus  addenda  818.  819 
c.  18  (1.  c.  p.  285) :  'Quicumque  liber  homo  .  .  .  noluerit,  bannum  nostrum, 


474  Emil  Seckel. 

legibus  in  diiplo  resHtiiat  et  nohis  hannum  nostrum ,  id  est 
sexaginta  solidos,  conponat.  Si  vero  servus  vel  colonus  fuerit, 
centurn  qmnqnaginta  flagella  publice  extensus  hene  impressa^ 
accipiat  et  insuper  ea,  qtiae  ahlata  sunt,  secundtmi  suam 
legem  restituat.  

2,  357.  Rubrik  von  Benedikt.  Text  aus  zwei  Quellen 
geflossen : 

2,  357a  =  Sextus  Pjthagoricus  Seut.  2,  n.  250  ed.  Max. 
bibl.  vet.  patr.  HI,  1677,  p.  337;  n.  259  ed.  Anton  Elter,  Sexti 
Pythagorici  .  .  .  Sententiae  (Lips.  1892)  p.  XVIII:  'Crimina- 
tiones  adversus  philosophum  -^  ('doctorem'  Ben.)  noli  ('nemo'  ^ 
Ben.)  reeipere^'  ('suscipiat^,  nemo  audiat'  Ben.).  Vgl.  unten 
3,  373a  =  Cap.  Angilr.  c.  12  (bis)a,  wo  'Criminationes'  zu 
'accusationes'  verändert  ist  und  die  Schlussworte  von  2,  357a 
'nemo  audiat'  fehlen. 

2,  357b  aus  Conc.  Toletan.  XI.  675  c.  5  in.*^,  Hispana 
Migne  LXXXIV,  459  =-  Augustod.  fol.  100b;  vgl.  oben 
2,  104a;  unten  3,  156  gegen  Ende  (hier  stark  geändert). 
Einige  Varianten:  'valde'  gestrichen  (anders  2,  104a),  'hi' 
eingesetzt  (ebenso  3,  156;  anders  2,  104a),  und,  worin  allein 
die  Tendenz  zum  Worte  kommt,  levi'  geändert  zu  'ali- 
qua'  (ebenso  2,  104),  um  jede,  auch  die  schwere  Anklage 
(motio  ^-=  Anklage,  siehe  Benedikts  Rubrik)  zu  verhindern. 


2,  358  aus  dem  einzigen  auf  uns  gekommenen  Kanon 
der  Carthagischen  Synode  von  409  ',  überliefert  in  der 
Dionysiana*  (Conc.  Afric.  c.  74  med.  Dion.-Hadr.,  ed.  1609 
p.  260)  und  bei  Fulgentius  Ferrandus,  Brev.  can.  c.  52 
(ed.  Migne  LXVII,  952;  ed.  1609  p.  624);  vgl.  unten  3,  114. 
Rubrik  von  Benedikt.  Text  wohl  aus  der  Dion.-Hadr.  und 
nicht  aus  Eulg.  (wegen  'placuit');  Anfangsworte  des  Origi- 
nals ('In  hoc  concilio'  vor  'placuit')  gestrichen;  sonst  nur 
Wortu  m  Stellungen . 


id  est  sexaginta  solidos,  conponat;  si  vero  servi  .  .  .  hoc  facere  prae- 
sumpserint,  sexaginta  ictibus  vapulent'.  Vgl.  auch  Ben.  2,  97.  383. 
1)  Älit  der  Mahnung  'bene  impressa'  ist  m.  W.  Benedikt  nirgends  in  die 
Schule  gegangen ;  wohl  aber  hat  er  Schule  gemacht  bei  Karlmann, 
Capitulare  Vernense  884  c.  4:  '.  .  .  si  autem  colonus  aut  servus  fuerit, 
.  .  .  sexaginta  ictus  bene   pressos    accipiat'.  2)    Zuerst  von  Hinschius 

nachgewiesen.  3)  'sapientiae  studiosum'  Max.  bibl.  4)  Die  unechten 
Worte  Benedikts  'nemo  suscipiat,  nemo  audiat'  kehren  unten  3,  107  fin. 
wieder.  5)  'admittere'  Max.  bibl.  6)  Bereits  von  Baluze  nachgewiesen 
(Cap.  I,  984.  II,  1221) ;  von  Knust  durch  ein  unbrauchbares  Pseudoisidor- 
Zitat  ersetzt.  7)  Vgl.  Maassen,  Quellen  I,  165.  8)  Migne  LXVII, 

217,  c.  107. 


Studien  zu  ßenedictus  Levita.    Vn.  475 

2,  359:  Quelle  unbekannt^;  vgl.  unten  3,  112  und 
Cap.  Angilr.  c.  13  med.^  Rubrik  von  Benedikt;  teilweise 
ähnliche  Rubrik  unten  3,  112.  Im  Text  vgl.  zu  'fides'  z.  B. 
Stat.  eccl.  ant.  c.  52  (=  Ben.  3,  110),  zu  'vita'  z.  B.  Anseg. 
1,  35  (=  Ben.  1,  74.  3,  111)  =  Admon.  gen.  789  c.  35, 
zu  'libertas'  Conc.  Afric.  c.  96  in.  (Dion.-Hadr.  ed.  1609 
p.  273 :  'Item  placuit,  ut  o  m  n  e  s  ^  servi  *  vel  p  r  o  p  r  i  i 
liberti  ad  accusationem  non  admittantur'). 


2,  360  cf.  Brev.  Cod.  Greg.  12,  1  Epit.  Aegid.,  ed. 
Haenel  p.  451;  vgl.  oben  1,  311.  391,  unten  2,  399.  3,  216. 
Rubrik  von  Benedikt,  zum  Teil  abweichend  von  seinen 
sonstigen  Rubrizierungen  desselben  Textes.  Das  Original 
des  Textes  liegt  unverändert  vor  in  3,  216;  die  Grundform 
der  Verfälschung  bieten  2,  360  =  2,399  ('vel  minores' 
gestrichen;  'non  iudicetur.  Quod  si  factum  fuerit'  einge- 
schoben; 'prolata  sententia' ^  statt  'sententia  iudicata');  aus 
dieser  Grundform  haben  sich  1,  311  und  1,  391  entwickelt^, 
indem  die  unechten  Worte  'Placuit  ut'  (1,  311)  bzw.  'De- 
cretum  est  ut'  (1,  391)  vorangestellt  wurden. 


2,  361  cf.^  Brev.  Cod.  Theod.  9,  29,  3  i  n  t  e  r  p  r. 
i.  f.  (ed.  Mommsen  p.  500)  oder  Ep.  Aegid.  (ed.  Haenel 
p.  202)?  2,  361  deckt  sich  mit  3,  348  und  mit  Cap.  Angilr. 
c.  38.^  Rubrik  von  Benedikt.  Die  Benutzung  der  zitierten 
Quellen  ist  keineswegs  unzweifelhaft,  wie  die  Gegenüber- 
stellung der  Texte  zeigt: 


1)  Vgl.  Hinscbius,  Decretales  pseudoisid.  p.  CLXXII.  —  Vielleicht 
liegt  eine  echte  Vorlage  zu  Grunde,  an  welche  möglicherweise  Benedikt 
(wie  unten  2,  362)  das  Schlusswort  'sacerdotes'  angeflickt  hat.  2)  Blosse 
Parallelen  liegen  vor  in  Ben.  1,  74  (=  3,  111).  393.  2,  381h.  3,  110; 
Angilr.  c.  4  §  8 ;  c.  12.  .3)  Das  römische  Recht  (Brev.  C.  Theod.  9,  3 ; 
ed.  Haenel  p.  174  sq.)  verpönt  nur  die  Anklage  des  Herrn  durch  seinen 
Knecht.  4)    Auch    das   fränkische  Recht  verschränkt  jedem  Unfreien 

die  Klage ;  freilich  lässt  sich  dieser  Satz  nur  durch  eine  nachbenediktische 
Quelle  belegen,  s.  Brunner,  DRG-.  II,  ;347,  N.  ;33.  5)  Vgl.    zu  1,  311 

(N.  A.  XXXI,  107).  6)  Danach  ist  das  zu  1,  391  (N.  A.  XXXI,  129) 
Bemerkte  zu  modifizieren.  7)  Conc.  Arelat.  I.  c.  14  (worauf  Hinschius, 
Decretales  pseudoisid.  p.  764  mit  einem  Fragezeichen  verweist)  und  Conc. 
Arelat.  II.  c.  24  (Migne  LXXXIV,  240.  244;  oben  2,  314)  können  nicht 
als  Quellen,  sondern  höchstens  als  Teilparallelen  in  Frage  kommen.  — 
Knust  gelangt   üV)er   ein   Pseudoisidor  -  Zitat   nicht   hinaus.  8)    Unser 

Text  war  vielleicht  auf  3,  197  rubr.  und  Textende  von  Einfluss. 

Neues  Archiv  etc.  XXXV.  31 


476 


Emil  Seckel. 


Ben. 
Omwis,   qui  falsa  aliis   in- 
tulerit,  puniatur  et  pro  falsi- 
tate  ferat  infamia.m. 


Interpr.  (bzw.  Ep.  Aegid.  ^). 
.  .  .  qui  falsa  de- 
principum 
com- 
Qui 
omnes  i  n  f  a  m  es  efEecti  in 
exilio  detrudentur   .  .  . 


ferentes 

animos    ad   iracnndiam 

movere      praesumunt. 


2,  362  scheint  zusammengesehweisst   zu  sein  aus  Ad- 
monitio    generalis  789    c.  45  in.    (MG.  Capit.    I,  56  sq.)  = 


c.  96  Dion.-Hadr.3 
13.      Rubrik    von 


[ed.  1609  p, 
Benedikt. 


273)*. 
Text- 


Anseg.  1,  44  (1.  c.  p.  400) ^  und  aus  der  Vorlage  des  c.  45 
cit.,  d.  h.  Concil.  Afric. 
Vgl.    Cap.    Angilr.    c. 
Verhältnisse : 
Ben. 
Vües      personae 
wullatenus      achnit- 
tantur    ad    accusa- 
tionem  sacerdotum^. 


Admon. 
.    .    .    ut    V  i  1  e  s 
personae     non 
habeant  potestatem 
a  c  c  u  s  a  ndi. 


Conc.  Afric. 
.    .    .    ut    omnes 
servi     vel     proprii 


liberti  ad  a  c  c  u  - 
sationem  non 
admittantur 
vel  .  .  .  omnes 
etiam  infamiae  ma- 
culis  aspersi  u.  s.  w. 


2,  868  =  Statuta  eccl.  antiqua  c.  53  (Migne  LVI, 
885)  =  Conc.  Carthag.  IV.  c.  30  Hisp.  (Migne  LXXXIV, 
202  sq.);  vgl.  unten  3,  219  und  Cap.  Angilr.  c.  49  (cf. 
c.  11  med.).  Rubrik  von  Benedikt;  keine  Rubrik  in  den 
Statuta  und  bei  Angilram ;  andre  Rubriken  in  der  Hispana 
und  unten  3,  219.  Varianten  im  Text:  'ferant',  statt  'pro- 
ferant'  in  Stat.,  Hisp.,  unten  3,  219,  Angilr.;  'et'  fehlt  in 
Stat.« 


2,  364  =  Conc.  Carthag.  c.  8    Dion.-Hadr.,    Schluss- 
worte der  Rubrik    (ed.   1609    p.   188);    vgl.  oben    1.   187, 


1)  Auf  die   kleinen   Abweichungen   der   Epitome   von    der   Inter- 
pretatio  kommt  hier  nichts  an.  2)  Auf  diese  Quelle  hat  schon  Baluze 

hingewiesen.  Knust  ersetzt  den  brauchbaren  Hinweis  durch  ein  im- 
brauchbares Pseudoisidor  -  Zitat.  3)  D.  h.  Carthagische  Synode  von 
419,  zweite  Sitzung;  vgl.  Maassen,  Quellen  I,  179  f.  4)  In  etwas  ge- 
kürzter Form  steht  der  Carthagische  Kanon  awch  bei  Fulgentius  Ferrandus 
c.  196  (Migne  LXVII,  959;  ed.  1609  p.  639).  5)  Das  Wort  'sacer- 
dotum'  hat  Benedikt  im  Sinne  seiner  Vorlagen  hinzugefügt.  6)  Schwaches 
Indiz  dafür,  dass  Ben.  gerade  die  Hisp.  vor  sich  hat. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  477 

Tinten  3,  88 ;  Cap.  Angilr.  c.  40.  Eubrik  von  Benedikt ; 
andre  Eubriken  1,  187  und  3,  88.  Der  Text  stellt  die 
Worte  der  Vorlage  ohne  sonstige  Aenderungen  um. 


2,  365  =  Isidorus  Hispal.,  Sent.  III  39  §  2  in.  (Migne 
LXXXIII,  709)1;  vgl.  unten  3,  167a  und  Cap.  Angilr.  c.  la 
init.  Eubrik  von  Benedikt.  Im  Text  zahlreiche  Varianten 
rein  formeller  Art ;  ausserdem  eine  tendenziöse  Inter- 
polation ('accusat  vel'  eingeschoben  vor  'condemnat'). 


2,  366  —  368  aus  dem  vermehrten  Breviar,  mit 
vorgelagerter   Fälschung. 

2,  366a.  In  dem  gefälschten  ^  Capitulare  befiehlt  der 
Pseudo  -  Kaiser,  dass  alle  seine  Untertanen  von  allen  Stäm- 
men (deren  15  namentlich  aufgezählt  werden)  die  nach- 
folgende 'sententiam,  quam  ex^sexto  decimoTheo- 
dosii  imperatoris  libro,  capitulo^  vide- 
licet  XI.,  ad  interrogata  Ablavii  ducis  illi 
et  Omnibus  rescriptam  sumpsimus  et  inter  nostra 
capitula  pro  lege  tenenda  °  consultu  omnivim  fidelium 
nostrorum  *^  tarn  clericorum  quam  et  laicorum  posuimus 
legem  cunctis  perpetuo  tenendam',  (befolgen  sollen  ').  Nun- 
mehr wird 

2,  366b  der  Wortlaut  der  Constitutio  ad  Ablabium 
(Const.  Sirmond.  1)  unter  Weglassung  des  ersten  Drittels 
hergesetzt  (ed.  Mommsen,  Theodosianus  p.  907  1.  11  — 
p.  908  1.  11)^;  der  Text  Benedikts  deckt  sich  mit  der  echten 
Vorlage  bis  auf  wenige  nur  formelle  Varianten.  —  Die 
Const.  Sirm.  1  hat  Benedikt  einem  Breviarium  auctum,  Cod. 
Theod.  16,  'XI  de  episcopali  iudicio',  lex  1  entnommen^; 
er  benutzte  eine  verlorene  Schwesterhs.  der  Codices  E  (Epo- 
rediensis  35),  Y  (Berol.  Phillipps.  1741),  D  (Paris.  Sangerm. 


1)  Von  Knust  zuerst  bemerkt.  Vielleicht  schöpft  Benedikt  aus 
einer  Zwischenquelle,  z.  B.  Conc.  Aquisgr.  816  Inst,  canon.  c.  31  (MG. 
Conc.  II,  352   1.  36.    37).  2)  Vgl.    Conrat,  Gesch.  der  Quellen  I,  45, 

N.  3.  3)  Vgl.  unten  zu  2,  366b.  4)  Als  'capitulum'  bezeichnet  Ben. 
den  Titel.  5)  Zu  'capitula  pro  lege  tenenda'  vgl.  MG.  Capit.  I,  293 
1.  37  sq. ;  I,  295  1.  9  sq.  6)  Zu  der  Wendung  'consultu'  u.  s.  w.   vgl. 

Studie  VI    (N.  A.  XXXI),    104.  7)   Das  Prädikat  in   dem  ut- Satze 

fehlt  bei  Benedikt;  vgl.  unten  2,  370b.  —Woher  Conrat  a.  a.  O.  seinen 
emendierten  Text  ('lege  cuncti  perpetua  teneant')  hat,  weiss  ich  nicht; 
das  Zitat  'MG.  LL.  Ill,  215'  stimmt  nicht.  8)  Das  Datum  gibt  Ben. 

nicht  wieder;  unrichtig  Mommsen  I.  c.  p.  908,  Apparat  zu  1.  11. 
9)  Mommsen,  Theodosianus  I,  1,  p.  LXXXIX — XCI. 

31* 


478  Emil  Seckel. 

12445)  ^,  welche  die  Const.  Sirm.  1  in  den  erfundenen 
Titel  XI  des  16.  Buches  eingestellt  haben. 

2,  367  =  Breviarium  auctum  2,  Cod.  Theod.  16,  'X  de 
religione',  lex  3  (YD)^,  entnommen  aus  dem  echten  Theodo- 
sianus  16,  11,  3  (ed.  Mommsen  p.  906);  vgl.  unten  3,  287, 
ferner  oben  1,  338  und  dazu  Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  113. 
Rubrik  von  Benedikt.     Text  wörtlich^  wie  in  der  Vorlage. 

2,  368  =  Brev.  auct.,  Cod.  Theod.  16,  '1  de  episco- 
pis,  ecclesiis  et  clericis',  lex  33  (E)  ^,  entnommen  aus  dem 
echten  Theodosianus  16,  2,  30  (ed.  Mommsen  p.  845);  vgl. 
unten  3,  285.  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  geht  Ben. 
zweimal  mit  cod.  E  ('Non'  und  'his  quibus  ecclesia'  ^)  gegen 
die  codd.  YDO  ('Non  tam'  und  'ipsius');  an  zwei  Stellen 
weicht  er  von  aller  Ueberlieferung  in  Kleinigkeiten  ab: 
'sed'  statt  'quam' ;  'quoque  ut'  statt  'ut  hi(i)  quoque'. 

Die  3  Texte  aus  dem  Brev.  auct.  folgen  sich  bei 
Ben.  in  invertierter  Reihe. 


2,369  —  371    drei   Fälschungen    Benedikts 
(gegen   die  Chorbischöfe   und   gegen    den  Kriegsdienst  der 

Bischöfe). 
2,  369 :  Quelle  unbekannt ;  nach  allgemeiner  und  rich- 
tiger Annahme  Erfindung  Benedikts.  Die  Aufzählung  der 
Akte,  zu  deren  gültiger  Vornahme  die  Chorbischöfe  nicht 
fähig  sind,  hat  ihre  Gegenstücke  bereits  in  der  Hispana 
Gallica  Augustod.,  und  zwar  in  dem  (durch  Interpolation 
von  den  Pi'iestern  auf  die  Chorbischöfe  ausgedehnten) 
can.  7  Concil.  Hispal.  11.^   und  in  dem  Schreiben  des  fal- 


1)  EYD,  also  nicht  der  Codices  YDO,  wie  Mommsen  1.  c.  I,  2, 
p.  908  behauptet;  denn  im  cod.  0  (Oxoniensis  Bodl.  Seid.  B  16)  steht 
die  Const.  Sirm.  1  im  Theod.  Buch  16,  nicht  tit.  XI,  sondern  tit.  'III  de 
episcopis,  clericis,  ecclesiis'  als  vorletzte  lex.  2)  Mommsen,  Theodosianus 
I,  1,  p.  LXXXIX-XCI.  3)  Die  Codices  E  (C.  Th.  16,  10,  2)  und  0 

(C.  Th.  16,  14,  3)  scheiden  wegen  einzelner  Lesarten  ('antiquitus'  E ; 
'nostrorum  parentum'  0;  'continuit'  E;  'summota  superstitione'  0)  hier 
besser  aus.  4)  Freilich  schreibt  der  Gothanus  'conservari'  statt  'custo- 

diri' ;  letztere  Lesart  hat  aber  Baluze  (im  cod.  Vat.  Pal.  583  ist  'con- 
servari' korrigiert  aus  'conditori').  5)  Die  Codices  YDO  haben  hier 
abweichenden  Text;  s.  unten.  Die  Stelle  steht  bei  YD  im  tit.  16,  2,  bei 
O  im  tit.  10,  3.  6)  Statt  'ecclesia'  hat  E  den  Schreibfehler  'ecclesiae'. 
7)  ed.  Hinschius,  Decretales  pseudoisid.  p.  438  sq. ;  in  der  Vatikanischen 
Hs.  der  Augustod.  fehlt  der  Kanon  wegen  Defektes  der  Hs. ;  vgl. 
Maassen,  Pseudoisidor  -  Studien  I,  23.  Die  echte  Passung  des  Kanon  in 
der  reinen  Hispana  s.  bei  Migne  LXXXIV,  596  sq.  Unechte  Worte  des 
can.  Hispal.  sind  im  Folgenden  kursiv  gedruckt. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  479 

sehen  Damasus  366 — 384  (Jaffe  244)  De  vana  superstitione 
corepiscoporum  vitanda ^.    Vgl.  aus  dem  Conc.  Hispal.  zu: 

hominum  confirmatio]  nee  (lieere)  per  inpositiones 
manus  .  .  .  paraelytum  spiritum  tradere  .  .  .  nee  -  erismate 
baptizatorum  frontem  signare ; 

ecelesiarum  consecrationes]  .  .  .  basilicas  consecrarent ; 
.  .  .  nee  ^  lieere  henedicere  eis  eeclesiam  ; 

altarium  conseer.]  .  .  .  altaria  erigerent;  .  .  .  chorepi- 
scopo  inlicita  eonseeratio  est  altaris ;  .  •  .  nee  *  lieere  .  .  . 
eis  .  .  .  altaria  eonseerare ; 

virginum  conseer.]  vgl.  nachher; 

krismatum  conseer.]  (nee  ^  lieere  eis)  erisma  confieere; 

presbiterorum ,  diaconorum  conseer.]  prohibita  .  .  . 
presbiterorum  et  diaconorum  ac  virginum  eonseeratio ; 

endlieh  aus  Damasus  zu:  presbiterorum,  diacono- 
rum et  subdiaeonorum  ^  conseer.]  eis  non  liceat  sacerdotes 
eonseerare  nee  diaeonos  nee  subdiaconos  nee  virgines. 

Der  Satz:  'Non  enim  ea  tribuere  valuerunt,  quae 
non  habent'  hat  folgende  Entstehungsgeschichte.  Inno- 
centius  I.  epist.  ad  Eufum  et  Eusebium  'Magna  me  gra- 
tulatio'  a.  414  (Jaffe  303)  c.  3  i.  f.  (Migne  LXXXIV,  668) 
sagt:  'certe  quia  quod  non  hahxiit,  dare  non  potuit'. 
Daraus  wird  bei  Damasus  (p.  511  Mitte):  'quia  quod  non 
hahent,  dare  nequaquam  possuut'  oder  (p.  513  sq.):  'quo- 
modo  ea,  quae  non  habebant,  dare  poterant?'  bzw.:  'quis 
hominum  .  .  .  dare  potest,  quod  non  habet?';  und  bei 
Ben.  Lev.  3,  260 :  'quoniam  quod  non  habuit  quis  eorum, 
dare  non  potuit' ;  3,  424 :  'quia  quae  illi  non  habuerunt. 
dare  non  potuervmt'  (direkt  aus  Innocentius !).  um  den- 
selben Gedanken  etwas  zu  variieren,  sehrieb  schliesslich 
Damasus  (p.  514):  'qui  honorem  pontificalem  non  habuit, 
pontificalia  non  potest  iura  trihuere  .  In  ähnlicher  Weise 
gestaltet  Benedikt  2,  369  die  Phrase  um. 

Auch  die  Worte:  'Nequaquam  enim  talis  ordinatio 
vel  eonseeratio  reiteratio  esse  a  prudentibus  et  recte 
sapientibus  videtur'  sind  nichts  anderes  als  die  Umbildung 
einer  alten  Dekretale.  Leo  I.  epist.  ad  Rustieum  Narbo- 
nensem  epise.  'Epistolas   fraternitatis'    a.  458/9    (Jaffe  544) 


1)  ed.  Hinschius  1.  c.   p.  513.  2)  'nee  —  signare'  =  Damasus. 

3)  Damasus :  'eis  non  iiceat  .  .  .  nee  ecclesia'^  dedieare'.  4)  Damasus : 

'eis  non  liceat  .  .  .  nee  altare  .  .  .  sacrare'.  5)  Damasus :  'nee  erisma 

confieere'.  6)  Das  Verbot,    Subdiakonen   die  AVeilie   zu  erteilen,  ver- 

stösst  gegen  can.  12  Ancyr,  und  can.  10  Autioch. 


480  Emil  Seckel. 

c.  15  med.  (Migne  LXXXIV,  768)  ^  schreibt  in  Bezug  auf 
Wiederholung  unerweislicher  Taufen :  'in  quibus ,  quod  ^ 
non  ostenditur  gestum,  ratio  non  sinit,  ut  videatur  itera- 
tum'.  In  der  Anwendung  auf  giltige  Wiederholung  un- 
giltiger  Bischofsfunktionen  (der  Chorbischöfe)  nimmt  der 
Ausspruch  Leos  bei  Ben.  3,  424  i.  f.  folgende  Gestalt  an : 
'Et  ne  alicui  talis  ordinatio  vel  confirmatio  aut  consecratio 
reiteratio  esse  videatur,  adtendat  illud,  quod  scriptum  est : 
"Quod  non  ostenditur  —  iteratum"  (wie  oben)^. 

Gewisse  Phrasen,  die  Ben.  in  2,  369  gebraucht 
('episcopi  canonice  ordinati ;  reformare ;  peragere ;  nee 
agere  potueruut;  talis  ordinatio  et  confirmatio  ac  con- 
secratio; imperfecta;  irrita')  kehren  in  den  ebenfalls  ge- 
fälschten, gegen  die  Chorbischöfe  gerichteten  Kapiteln  des 
III.  Buches  (3,  260.  394.  423.  424)  wieder. 

2,  370.  Diese  Fälschung^,  eine  Bittschrift  des 
ganzen  Volkes  (!)  an  den  Fürsten ,  mit  dem  Grundthema 
'ne  (sacerdotes)  in  hostem  aut  pugnam  pergerent',  hängt 
insofern  mit  dem  vorhergehenden  Kapitel  2,  309  inner- 
lich zusammen,  als  die  Beschäftigung  der  Bischöfe  mit 
weltlichen  Allotria  den  Anlass  zur  Bestellung  von  Chor- 
bischöfen (und  zur  Beraubung  des  Kirchenguts)  zu  geben 
pflegte  '". 

Die  Kapitel  2,  370  —  383  sind,  was  innerhalb  der 
3  Bücher  eine  Ausnahme  bedeutet,  mit  I  n  sk  r  ip  tio  n  e  n 
versehen.  Die  Aufschrift  von  2,  370  lautet:  'Ex  capitulis 
domni  Karoli  imperatoris  Wormatia  ^  generaliter  decretis 
atque  ab  omnibus  firmatis  et  cunctis  pro  lege  tenendis  ^ 
contraditis'. 

Der  lange  Text  von  2,  370  scheint  weithin  ohne 
Anlehnung  an  bekannte  Vorlagen  formuliert  zu  sein.  Die 
wenigen  Anklänge,  die  sich  haben  feststellen  lassen  ^,  sind 
in  den  folgenden  Bemerkungen  mit  berücksichtigt. 

1)  =  Dion.-Hadr.  Leonis  Decreta  c.  28  med.  (ed.  1609  p.  460). 
2)  'quod  —  iteratum'  ist  eine  Lieblingsphrase  bei  Benedikt;  sie  kehrt 
wörtlich  wieder  unten  3,  260.  391  i.  f.  424  i.  f.  Eine  Variation  steht  in 
S,  402  i.  f.:  'Quapropter  non  apparet  iteratum,  quod  olim  canonice  non 
agnoscituf  pati'atum'.  3)  Vgl.  noch  die  kurze  Sentenz  beißen,  3,  394  g 
am  Ende :  'quia  reformatio  non  est  iteratio'.  4)  Vgl.  Roth,  Gesch.  des 
ßenefizialwesens  (1850)  S.  356,  N.  169 ;  H.  Brunner  (an  dem  unten 
S.  483   a.  0.).  5)  Vgl.  Conc.  Meld.  845   c.  44    (MG.  Capit.  II,  409). 

6)  Zu  Worms  im  Jahre  770  (wie  der  Fälscher  glauben  machen  will)  ? 
So  Werminghoft",  MG.  Conc.  II,  822,  N.  4.  Hätte  Ben.  dann  nicht 
'regis'  schreiben  müssen  ?  7)  Vgl.  MG.  Capit.  II,  652  Index  s.  v.  lex, 
zu  Anfang;    II,  585  s.  v.  capitulum,   Spalte  2   oben.  8)   Gegen    den 

Hinweis  Knusts  auf  Lex  Baiuwar.  1,  1  (MG.  LL.  III,  269  sq.)  siehe 
Merkel  (1.  c.  p.  212,  N.  39). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  481 

2,  370a  ('Flexis  —  fulciamur' ;  Inhalt:  die  Bischöfe, 
ausser  zweien  oder  dreien,  sollen  während  des  Krieges  in 
ihren  Diözesen  bleiben) : 

Flexis  omnes  praecamur  poplitibus  maiestatem  vestram, 
ut  .  .  .]  vgl.  Conc.  Aquisgr.  836,  Epistola  ad  Pippinum 
regem  directa  lib.  III  c.  27  (96)  Anfang  (MG.  Conc.  II, 
767)  '.  .  .  et  flexis  popUtihiis  vestram  excellentiam  flagitamus, 
ut  .  .  .'; 

in  hostem  pergere]  vgl.  MG.  Capit.  II,  640  Index 
s.  V.  'hostis' ; 

quosdam  enim  ex  eis  (episcopis)  in  hostibus  et  praeliis 
vulneratos  vidimus  et  quosdam  perisse  cognovimus]  die  be- 
glaubigte Geschichte  muss  zum  Mindesten  das  'quos- 
d  a  m  perisse'  zurückweisen,  das  Benedikt  seinem  Pseudo- 
Karl d.  Gr.  in  den  Mund  legt.  Aus  mündlicher  Tradition 
oder  aus  Berichten  von  Zeitgenossen  ('cognovimus')  kann 
Karl  nur  vom  Tode  eines  Bischofs  durch  Feindeshand 
Kunde  erhalten  haben  ^ ; 

haec  .  .  .  oppido  sunt  cavenda]  vgl.  unten  3,  179p 
Ende:  'oppido  enim  ista  omnia  cavenda  sunt'.  Vgl.  Simson, 
Die  Entstehung  der  pseudoisidorischen  Fälschungen  S.  70; 

ne  pro  talibus  vos  et  nos  simul  pereamus]  die  Phrase 
kehrt  mit  geringen  Abweichungen  noch  zweimal  in  unserem 
Kapitel  (2,  370a.  k,  je  am  Ende)  und  unten  2,  427a  Ende 
(wo  sie  einem  echten  Text  angehängt  ist)  wieder;  vgl. 
auch  unten  3,  141  fin. ; 

Quando  vero  Moyses  etc.]  vgl.  Exod.  17,  11 — 13; 
Fassung  bei  Benedikt  selbständig; 

aliis  exemplis  fulti,  quorum  prolixitatem  vitantes]  vgl. 
Simson  a.  a.  O.  S.  58  ff.,  Lurz,  Ueber  die  Heimat  Pseudo- 
isidors  S.  49  ff. ;  die  Phrase  kann  z.  B.  entnommen  sein 
aus  Conc.  Paris.  829  lib.  I  c.  2  =  Episc.  relatio  829  c.  2 
(vgl.  oben  zu  2,  170):  alia  .  .  .  exenipla,  qttsie  hie  ob  j^^'o- 
lixitatem  vitan^'Axn.  praetermittuntur ;  ferner  aus  Conc. 
Aquisgr.,  Epist.  ad  Pipp.  praef.,  lib.  I  c.  38,  lib.  II  c.  31, 
lib.  III  c.  24  (MG.  Conc.  II,  730,  5;  746,  8;  758,  41; 
766,  10); 

sapienti  semel  dicta  sufficiunt]  wohl  ein  Sprichwort,, 
dem  man  in  ähnlicher  Fassung:  in  den  Formelsammlungen 


1)  Wie  mich  Herr  Kollege  Tangl  freundlichst  belehrt.  Der  eine 
Fall  ist  berichtet  in  den  Ann.  regni  Franc,  ad  a.  753  (ed.  Kurze,  SS.  rer, 
Germ.  p.  10) :  'Pippinus  rex  in  Saxonia  iter  fecit,  et  Hildegarius  episcopus 
Coloniensis)  occisus  est  a  Saxonibus  in  Castro,  quod  dicitur  luberg;  et 
tarnen  Pippinus  rex  victor  extitit'. 


482  Emil  Seckel. 

begegnet;  vgl.  Formulae  Senon.  recent.  11  und  Formulae 
Salic.  Lindenbrog.  17  (MG.  Form.  p.  217,  23;  279,  6):  'Ad 
sapientes  sufficit  semel  loqui'  ^ ;  etwas  abweichend  ist  die 
Sentenz  gefasst  in  dem  Briefwechsel  Alkuins  (Ep.  15.  103. 
105.  115.  239,  JafEe  Bibl.  rer.  Germ.  VI,  169.  433.  439. 
472.  764;    Ep.  82.  155.  154.   166.   136,  MG.  Epist.  IV,  125 

1.  24.  251  1.  6.  249  1.  17.  271  1.  22.  210  1.  8):  'sapienti 
pauca  snfficiunt'  oder  (Ep.  97  [Carolus  rex  a.  798], 
Jaffe  1.  c.  p.  407;  Ep.  144  MG.  1.  c.  p.  230  1.  25):  'cum 
sapienti  paucis  utendum  (est)  verbis'; 

nullatenus  volumus  —  faciendam]  zur  Sache  vgl. 
den  inhaltlich  verwandten  can.  2  Conc.  Germanic.  742 
(MG.  Conc.  II,  3)  =  Karoli  M.  Cap.  primum  769  c.  1 
(MG.  Capit.  I,  44  sq.) ; 

ne  —  pereamus]  vgl.  oben  zu  diesem  Teilkapitel. 

2,  370b  ('Quam  formam  —  possimus' ;  Inhalt:  Ent- 
sprechendes soll  für  die  Priester  gelten): 

ut  nee  illi  etcJ]  zur  Sache  vgl.  die  vorletzte  Be- 
merkung zu  2,  370a; 

permissione    propriorum    episcoporum]    vgl.    oben    zu 

2,  57.  58.  69b.  84  rubr.  85.   108.   156.   157.   164; 

vita  ac  conversatione]  vgl.  etwa  oben  1 ,  74.  393, 
unten  2,  381h.  3,  111;  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  I 
c.   19  rubr. 

2,  370c  ('Illud  tamen  —  mereamur' ;  Inhalt:  die  im 
Feld  abwesenden  Bischöfe  bzw.  Priester  und  ihre  Kirchen 
dürfen  nicht  beraubt  werden): 

eorum  res  .  .  .  aut  eorum  ecclesias  viduare]  vgl.  etwa 
Episc.  relatio  829  c.  27  (MG.  Capit.  II,  38):  'sedes  episco- 
pales  .  .  .  rebus  propriis  t'ic?«<atae. 

2,  370d  ('Seimus  enim  —  videt' ;  Inhalt:  Beraubung 
des  Kirchenvermögens  ist  Sakrileg) : 

Seimus  .  .  .  res  ecclesiae  Deo  esse  sacratas,  scimus 
eas  esse  oblationes  fidelium  et  precia  peccatorum]  geht  in 
letzter  Linie  zurück  auf  lu  Hanns  Po  m  er  ins.  De 
vita  contemplativa  II  c.  9  §  2  (Migne  LIX,  454):  '^c/entes 
nihil  aliud  esse  res  ecclesiae  nisi  vota  fidelium,  pretia  pecca- 


1)  A.  Otto,  Die  Sprichwörter  und  sprichwörtlichen  ßedensarten 
der  Römer  (1890)  S.  112  führt  noch  an:  Cartae  Senonicae  30  i.  f.  (MG. 
Form.  198,  31),  wo  die  Hs.  fehlerhaft  schreibt:  'Ad  sapientis  semel 
('simul'  die  erste  Hand)  sufficit'  (ergänze :  'loqui').  Zeumers  Emendation : 
'Ad  sapientissimum  sufficit'  trifft  nicht  das  Richtige.  (Den  Inhalt  dieser 
Note  verdanke  ich  Herrn  GRR.  Dr.  Holder -Egger).  2)  Das  Verl)um 
im  Prädikat  fehlt;  vgl.  oben  2,  366  a. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn, 


483 


torunt  et  patrimonia  pauperum' ;  als  Zwischenquelle  dürfte 
in  Frage  kommen  Conc.  Paris.  829  lib.  I  c.  15  (MG.  Conc. 
II,  623  1.  9.  10)  oder  Conc.  Aquisgr.  816,  Institutio  cano- 
nicorum  c.  35  i.  f.,  c.  116  in.  (MG.  Conc.  II,  357,  14; 
398,  1)  oder  Capitulare  eccles.  818.  819  c.  1  in.  (MG. 
Capit.  I,  275  =  Anseg.  1,  77  =  Ben.  1,  208); 
Quapropter  si  quis  etc.]  vgl.  die  Texte : 


Ben.  2,  84  i. 
Qui    fidelium     oblationes 
ab  ecclesiis  .  .  .  auferunt  .  .  . 
sacrilegium  operantur. 


Ben.  2,  370d. 
si     quis     eas     (oblationes 
fidelium)    ah    ecclesiis     .    .    . 
aiifert,     procul    dubio    sacri- 
legium  committit. 

2,  370 e  CQuisquis  ergo  —  sacrilegium';  Inhalt:  Ver- 
gabung an  die  Kirche  ist  Widmung  an  Gott  und  seine 
Heiligen ;  also  ist  Kirchenraub  Sakrileg) : 

Quisquis  ergo  etc.]  Zu  der  Niederlegvmg  der  carta 
donationis  auf  den  Altar  der  bedachten  Kirche  und  zu 
dem  ürkundungsakte  vgl.  H.  Brunner,  Zur  ßechts- 
geschichte  der  röm.  und  germ.  Urkunde  I,  265.  Benedikt 
schildert,  wie  Brunner  (a.  a.  O.  N.  3)  bemerkt,  den 
fränkischen  Gebrauch  seiner  Zeit.  Für  den  Text  der  von 
Benedikt  inserierten  Widmungsurkunde:  'Offero  Deo'  etc. 
hat  sich  die  Vorlage  bisher  nicht  auffinden  lassen.  Was 
insbesondere  die  Strafklausel  anlangt ,  so  vergleiche 
man  etwa 


Form.  Visig.  6  i.  f.^ 

Si  quis  vero  ,  q  u  o  d  ^ 
f  i  e  r  i  n  o  n  r  e  o  r  ^,  .  .  . 
contra  huius  epistolae  ma- 
teriem  venire  conaverit,  s  a  - 
crilegii  crimine  teneatur 
obnoxius. 


Ben.  2,  370e. 
Si  quis  autem  eas  inde, 
quod  ^  fieri  nuUatenus  credo  •^ 
abstulerit,  sub  poena  sacri- 
legii  ex  hoc  domino  Deo 
.  .  .  districtissimas  reddat 
rationes. 


et  alias  .  .  .  quas  euumerare  longum  est]  vgl.  Conc. 
Aquisgr.  836,  Epist.  ad  Pipp.  lib.  I  c.  16  i.  f. :  'et  alia, 
quae  enumerare  longum  est';  cf.  ibid.  c.  36  i.  f.:  'ceteras 
species,  quas  dinumerare  longum  est';  ibid.  lib.  II  c.  15: 
'omnes  inpensas,  quas  diu.  1.  e.' ;  ferner  oben  2,  244  (Relatio 
episc.  829  c.  54);  Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  I  c.  19  (lin.  33), 


1)  Dazu  N.  A.  XXXIV,  348  (Quelle:  Lex  Visig.  4,  5,  6).  2)  MG. 
Form.  p.  578  1.  18.  19.  3)  Vgl.  die  Urk.  von  827  bei  Baluze,  Cap.  11, 
1427  'quod  futurum  esse  non  credo'.     S.  auch  X.  A.  XXXIV,  380,  N.  2. 


484  Emil  Seckel. 

lib.  III  c.  2  i.  f.  (lin.  14);  Dicta  Pirminii,  ed.  Caspari 
p.  162  1.  1  ('alia  .  .  .  vitia  et  peccata  .  .  .,  que  dinnmerare 
longum  est');  Poen.  Egberti  c.  4  §  1  =  Poen.  Merseburg, 
a  c.  25  =  Poen.  Paris,  c.  19  =  Poen.  Cummeani  c.  8  §  6 
=  Poen.  Pseudo- Theodor!  c.  10  (25)  §  8  (Wass.  S.  234. 
394.  414.  483.  594):  'vel  (oder  'et')  alia  (bis)  similia,  quae 
dinnmerare  (enumerare)  longum  est'  ^. 

qui  eas  —  sacrilegium]  vgl.  oben  zu  2,  37 Od. 

2,  370f  ('Si  ergo  —  sacrilegium  est';  Inhalt:  Raub 
am  Nächsten  verglichen  mit  dem  Kirchenraub).  Der  ganze 
Satz  geht  schliesslich  zurück  auf  Hieronymus,  Epist.  52 
ad  Nepotianum  c.  16  (Opp.  ed.  Vallarsius  I,  269  =  Migne 
XXII,  539) :  'Amico  quippiam  rapere  furtum  est,  ecclesiam 
fraudare  sacrilegium  est'.  Als  vermittelnde  Quelle  hat  zu 
gelten  ^  Conc.  Vasense  I.  442  c.  4  i.  f.  (Migne  LXXXIV, 
260) :  'Amico  q.  r.  f.  e.,  ecclesi  a  e  f .  sacrilegium'  ('est' 
fehlt)  ^.  Der  canon  Vasensis  ist  von  Ben.  leicht  über- 
arbeitet bzw.  interpoliert  ('Si  ergo' ;  'vero' ;  'vel  auferre  in- 
dubitanter';  'est').    Vgl.  unten  2,  394b.  407c. 

2,  370g  ('Unde  et  in  —  anathema  sit' ;  Inhalt:  Be- 
rufung auf  einen  Kanon  über  rechtswidrige  Behandlung 
der  Oblationeu).  Der  von  Ben.  im  Wortlaut  inserierte 
Kanon  'Si  quis  oblationes'  etc.  (=  Ben.  3,  7)  deckt  sich 
bis  auf  zwei  Wortumstellungen  buchstäblich  mit  Conc. 
Gangr.  c.  7  Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  48)^. 

2,  370h  ('Absit  enim  —  non  dubitamus' ;  Inhalt: 
Anathem  und  Infamie  für  die  Kirchenräuber).  Die  zweite 
Hälfte  unseres  Teilkapitels  geht  mit  einem  Stück  aus  Ben. 
3,  261  auf  eine  gemeinsame  Vorlage^  (im  Folgenden  ge- 
sperrt gedruckt)  zurück : 

2,   370h.  I  3,  261h. 

.    .    .    quoniam    scimus  Scimus      enim      a  n  a  - 

anathematos  homines    thematos    ho  min  es  et 


1)  In  einer  so  gewöhnlichen  Floskel  darf  man  kein  Charakteristikum 
der  Fälschung  sehen ,  wie  dies  Simson ,  Entstehung  der  pseudois. 
Fälschungen  S.  60  unten,  tat.  2)  Nicht  Bonifatius  an  Aethelbald  745 

— 746  (Epist.  73,  MG.  Epist.  III,  343,  21) :  'Qui  rapit  pecuniam  proximi 
sui,  iniquitatem  facit;  qui  autem  pecuniam  ecclesiae  abstulerit,  sacrilegium 
facit'  (=  Ben.  2,  407  f.  426  i.  f.).  3)  In  der  Hil^ernensis,  die  für  Ben. 
als  Zwischenquelle  nicht  in  Frage  kommt,  zweimal  (17,  6.  42.  3d)  un- 
genau wiedergegeben.  4)  In  der  Hispana  (Migne  LXXXIY,  113) 
lautet  der  Kanon  zum  Teil  abweichend.  5)  D.  h.  wohl  auf  ein  weniger 
entwickeltes  Stadium  beuediktischer  Erfindung ;  denn  ein  echter  Text 
scheint  nicht  zu  Grunde  zu  liegen. 


Studien  zu  ßenedictus  Levita.    VIl. 


485 


3,  261h. 
in  praesenti  seculo  i  n  - 
f  a  m  e  s  ^  esse  ac  perditos 
et  a  consortio  fide- 
1  i  n  m  in  omnibus  absque 
pane  et  aqua  fieri  a  1  i  e  n  o  s 
atque,  s i  absque  ecclesiae 
satisfactione^  de  hac 
vita  recess  e  r  i  n  t ,  a  r  e  g  n  o 
D  e  i  f  ore  extorres°. 


2,  370h. 
vel  sacrilegos  non  solum 
infames^  et  a  con- 
sortio fidelium,  prius- 
quani  haee  per  publicam 
satisfaction  em  e  c  - 
clesiae^  et  episcoporum 
reconciliationem  ^  manusque 
impositionem  ^  emendent, 
a  1  i  e  n  o  s  esse ,  sed  etiam 
a  regno  Dei  extorres^ 
fieri,  s  i  in  talibus  d  e  fec  e  - 
r  i  n  t ,  non  dubitamus. 

2,  370i  ('Ut  ergo  omnis  —  resistere' ;  Inhalt:  Gelöbnis 
des  gesamten  Volkes,  der  Kleriker  wie  der  Laien,  mit 
Halmwurf,  den  Kirchenraub  zu  meiden    und   zu   hindern): 

Omnibus  .  .  .  sanctae  Dei  ecclesiae  fidelibus]  diese 
Wendung  gehört  dem  Stil  der  Urkunden  an,  wo  sie  in  den 
Adressen  oder  Eingängen  begegnet,  vgl.  z.  B.  Formulae 
imperiales  13.   18.  19.  22.  25.  29.  32.  3i.  36.  40.  53.55; 

stipulas  dextris  in  mauibus  tenentes]  vgl.  Isidorus, 
Etymol.  V,  24  §  30  (Migne  LXXXII,  206):  'dicta  autem 
stipulatio  a  stipula;  veteres  enim,  quando  sibi  aliquid  pro- 
mittebant,  stipiilam  tenentes  frangebant'  etc. 

nee  talia  facere  nee  facere  volentibus  consentire]  vgl. 
Eom.  1,  32:  non  solum,  qui  ea  /«ciunt,  sed  etiam  qui  con- 
sentiunt  facientihis'. 

2,  370k  ('Et  hoc  vobis  —  pereamus' ;  Inhalt:  Aus- 
schliessung der  Kirchenräuber  von  der  Gemeinschaft  des 
Kriegsdienstes,  des  Tisches,  des  Kirch-  und  Hofgangs,  der 
Weide  und  Wohnung  u.  dgl.): 

qui  .  .  .  res  ecclesiae  a  regibus  *"  petere  aut  retentare 
vel  auferre  aut  invadere  .  .  .  praesumpserint]  vgl.  Conc. 
Paris.  V.  614  c.  11  (9)  (MG.  Conc.  I,  188  sq.):  'ut  nullus 
.  .  .  ecclesiae  .  .  .  res  .  .  .  conpetere  mit  -peTvadere  .  .  .  aut 
retinere  ^>res«wat' ;  Conc.  Cabilon.  639  —  654  c.  6  (1.  c. 
p.  209) :  'ut  nullus  .  .  .  res  .  .  .  ecclesiavum.  invadere  aut 
auferre  praesum?it' ; 


1)  Vgl.  Ben.   2,  97  i.  f.  394.  2)  Vgl.  Ben.  2,  88.  97  i.  f.   101. 

158.  164.  383  i.  f.  405b.  407d.  3)   Vgl.   Ben.  2,  88.  407d.  4)  Vgl. 

Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  80  fg.  5)  Vgl.  Ben.  2,  88.  383  i.  f.  6)  Vgl. 
Conc.  Arvern.  I.  535  c.  5  (MG.  Conc.  1,  67) :  'Qui  reicolam  eclesiae 
petiint  a  regebus'  etc. 


486  Emil  Seckel. 

nee  cibum  sumere]  =  1.  Cor.  5,  llfin.;  vgl.  auch 
Conc.  Vera.  755  c.  9  (MG.  Capit.  I,  35,  12):  'nee  cum  nullo 
christiano  cyhum  .  .  .  sumere' ; 

nee  ullam  participationem  cum  eis  .  .  .  scienter 
habere  debeamus]  vgl.  a.  a.  O.  (1.  c.  p.  35,  8):  'qui  cum 
ipso  communicaverit  scienter' ; 

nisi  pro  emendatione]  vgl.  Hinschius,  Kirchenrecht 
V,  1,  S.  4,  N.  4,  wo  für  diese  Ausnahme  vom  Verkehrs- 
verbot nur  nachbenediktische  Belege  beigebracht  werden ; 
wegen  der  Ausnahme  vgl.  unten  Add.  IV.  88  i.  f.; 

ante  publicam  emendationem  et  ecclesiae  satisfac- 
tionem^]  vgl.  Hinschius  a.  a.  0.  S.  10,  N.  6,  wo  es  wiederum 
an  älteren  Belegen  fehlt; 

ne  pro  .  .  .  una  cum  eis  et  nos  et  nostri  .  .  . 
pereamus]  vgl.  oben  S.  481  zu  2,  370a. 

2,  3701  ('Seimus  —  impio' ;  Inhalt:  Begründung  des 
Verkehrsverbots) : 

perit  iustus  pro  impio]  vgl.  1.  Petr.  3,  18 :  'quia  et 
Christus  semel  pro  peccatis  nostris  mortuus  est,  mstus  pro 
iniustis'  und  Rom.  5,  6 :  'ut  quid  enim  Christus  .  .  .  pro 
impii^  mortuus  est?';  ferner  Isid.,  Lib.  synon.  1,  9  (Migne 
LXXXIII,  830):  'iustus  damnatur  pro  impio\ 

2,  370m  ('Tales  vero  —  coneedite' ;  Inhalt:  Ein- 
sperrung der  Kirehenräuber  zwecks  öffentlicher  Busse): 

ergastulum]  im  Sinne  von  (weltlichem?)  Gefängnis 
mit  Zwangsarbeit  ^  begegnet  ^  anscheinend  nur  in  west- 
gothischen  Konzilien  ^  und  dann  wieder  in  den  Reform- 
synoden  der  Jahre  844  und  845  '•>. 

2,  370n  ('üt  ergo  haec  —  praecipite' ;  Inhalt:  Bitte 
um  Aufnahme  vorstehenden  Gesuchs  in  die  kirchlichen 
'scripta'  und  die  königlichen  Capitula).  Anscheinend  frei 
erfunden. 

2,  871:  das  Kapitel  hängt  mit  dem  vorangehenden 
aufs  Engste  zusammen.  Es  enthält  die  vorläufige  Ge- 
währung der  Bitte  'ne  episeopi  ad  bella  pergant'  durch 
den  König  und  das  Versprechen,  auf  dem  nächsten  gene- 
rale placitum  der  Bischöfe  und  Grafen  erstens  den  ge- 
wünschten Reehtssatz  für  alle  Zeiten   schriftlich   festlegen 

1)  Vgl.   oben  2,  370h  nebst  N.  2.  2)  Vgl.   Hinschius   a.  a.  0. 

IV,  815  f.,    auch  V,  1,    S.  40  f.  3)   Abgesehen   von  Siricius    epist.  ad 

Himerium  (Jaffe  255)  c.  6  (Dien. -Hadr.,  ed.  1609  p.  317  f.)  und  abgesehen 
von  Klosterregeln  (F.  A.  K.  Krauss,  Im  Kerker  vor  und  nach  Christus, 
1895,  S.  211.  212  f.  369),  die  das  Klostergefängnis  im  Auge  haben. 
4)  Conc.  Tolet.  XI.  c.  6  i.  f. ;  XVI.  c.  9  i.  f. ;  XVII.  c.  5  i.  f.  5)  Conc. 
Vern.  844  c.  4  (MG.  Capit.  II,  384,  29)  und  Conc.  Meld.  845  c  10  i.  f. 
(1.  c.    p.  401,  6). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  487 

('scriptis  firmare')  und  ferner  'ea  quae  generalia  sunt  et 
Omnibus  conveniunt  ordinibus'  —  d.  h.  wohl  im  Sinne 
Benedikts:  eine  Neuregelung  des  Verhältnisses  der  staat- 
lichen und  kirchlichen  Gewalt  nach  den  Forderungen  der 
pseudoisidorischen  Reformpartei  —  festsetzen  zu  wollen. 

Die  Inskription  lautet :  'Concessio ^  domni  Karoli 
imperatoris' ;  wie  die  Aufschrift  des  Näheren  verstanden 
werden  soll  (Erlass  der  Concessio  in  Worms?),  ergibt  ihr 
Zusammenhalt  mit  der  Inskription  von  2,  370. 

Der  Text  mag  irgend  einer  echten  Vorlage  zum 
Teil  nachgebildet  sein.  Manche  Wendungen  halten  sich 
im  Urkundenstil: 

Omnibus  notum  esse  volumus  quia]  vgl.  z.  B.  die 
Arenga  in  Form.  imp.  41  (MG.  Form.  p.  318):  'Notum  fieri 
volumus  Omnibus  .  .  .  quod' ;  oder  ibid.  IIb  (p.  294):  'notum 
esse  volumus  cunctis  .  .  .  quia' ; 

pro  sanctae  Dei  ecclesiae  et  sacerdotum  sive  totius 
populi  et  vestra  utilitate]  vgl.  etwa  Form.  imp.  53  (1.  c. 
p.  325):  '^ropter  quasdam  sancte  Dei  ecclesie  ac  regni  et 
populi  nostri  .  .  .  utilifates  ; 

vita  comite]  vgl.  z.  B.^  Form,  extrav.  II  6  (1.  c. 
p.  555,  23) :  quamdiu  .  .  .  vifa  com\s  fuerit ; 

consultu  omnium  fidelium  nostrorum]  vgl.  Studie  VI 
(N.  A.  XXXI)  S.  104  zu  Ben.  1,  303;  oben  2,  366a;  auch 
unten  3,  141  ('consultu  omnium  n  o  b  i  lium  nostrorum'); 

ista  .  .  .  nostris  nostrorumque  atque  futuris  tempori- 
bus  inrefragabiliter  manenda]  vgl.  etwa  z.  B.  Form.  Senon. 
recent.  9  (MG.  Form.  p.  215,  13):  'cunctis  in  futumva  tem- 
porihus,  quae  .  .  .  inventa  .  .  .  sunt,  .  .  .  perenni  stabili- 
tate  .  .  .  \iYv\o\ahiliter  .  .  .  conserventur' ;  Form.  imp.  26 
(1.  c.  p.  305,  15):  nostris  videlicet  et  futuris  temporihus ; 

cunctis  sanctae  Dei  ecclesiae  nosMsque  fidelibus] 
feste  Formel  des  Urkundenstils,  vgl.  die  Belege  oben  S.  485 
zu  2,  370  i; 

ob  Dei  .  .  .  amorem]  mehrfach  in  Urkundenformeln, 
z.  B.  Form.  imp.  16  (1.  c.  p.  297,  33). 


1)   Vgl.   MG.    Formulae   und    MG.    Capit.    II,  je   im   Index   s.    v. 
'concessio'.  2)  Geht  auf  die  Bibel  (Gen.  18,  10.  14 :  'vita  comite' ;  cf. 

4.  Reg.  4,  16 :  *si  vita  comes  fuerit'  —  Stellen,  die  ich  Herrn  GRR. 
Dr.  Holder  -  Egger  verdanke)  zurück  und  kommt  natürlich  auch  sonst  vor ; 
vgl.  etwa  Hieronymus,  Epist.  ad  Rusticum  =  Conc.  Aquisgr.  816,  Inst, 
canon.  c.  96  i.  f.  (MG.  Conc.  II,  874  1.  30 :  'si  tarnen  vita  comes  fuerit') ; 
Conc.  Matiscon.  II.  c.  3  i.  f. 


488  Emil  Seckel. 

2,  372  —  380  aus  der  Admonitio  generalis  789^, 
der   Bibel    (Proverbia,    Ecclesiastes)    und    Isidorus. 

Jedes  Kapitel  dieser  Reihe  trägt  die  von  Benedikt 
herrührende  Inskription:  'Ex  quibus  supra'.  Damit 
soll  wohl  der  Anschein  erweckt  werden,  als  seien  die 
Capitula  in  Worms  erlassen  (vgl.  2,  370  inscr.),  während 
in  Wahrheit  Karl  d.  Gr.  sich  am  Tage  des  Erlasses  der 
Admonitio  (789  März  23)  in  Aachen  aufhielt 2. 

Rubriken  gehen  den  Kapiteln  unserer  Reihe  ab, 
was  gegen  den  sonstigen  Gebrauch  bei  Benedikt  und 
seinem  Vorbilde  Ansegisus  verstösst. 

Die  Adressen  ('Sacerdotibus  omnibus'  u.  s.  w.) 
konnte  Benedikt  nur  dem  Original  entnehmen  ^,  nicht  der 
Sammlung  des  Ansegis.  Auch  andere  Gründe  erhärten  es, 
dass  Ben.  hier  das  Original  vor  sich  hat  und  nicht  die 
Zwischenquelle.  So  ist  die  Reihenfolge  bei  Benedikt 
die  originale  (Adm.  c.  61.  62.  65.  67.  70.  71.  72.  74  +  75. 
79.  81  -|-  82),  während  Ansegis  die  Admonitio  zerrissen  hat 
(Anseg.  1,  58.  59.  62.  3,  89.  1,  66.  67.  68.  3,  90  und  1,  70. 
App.  I.  34.  Ans.  1,  75  und  76).  So  hat  Ben.  die  originale 
Lesart,  wo  Anseg.  abweicht  (Ans.  1,  59  'et  ut  est'; 
1,  62  'Habemus',  'fiant' ;  3,  89  'üt  homicidia' ;  1,  66  'pres- 
byterorum',  'baptisma  catholicum',  wo  es  zuerst  steht; 
1 ,  67  'Placuit',  'ammonere  ut  unusquisque  episcopus', 
'magna  veneratione',  'et  cum  honore',  'et  intentos'  u.  s.  w., 
z.  B.   1,  70  Anfang). 

2,  372  =  Adm.  c.  61 ;  vgl.  oben  1,  4.  Adresse  ver- 
ändert ('Sacerdotibus  omnibus'  statt  'Omnibus').  Im  Text 
ziemlich  gleichgültige  Abweichungen  vom  Original  (ge- 
strichen 'Dei'  hinter  'domini',  'quia'  hinter  'Israel',  'ille' 
hinter  'Et  ut',  'et  ex  tota  anima'  hinter  'mente',  'nostra'  * 
hinter  'virtute'  ;  zugesetzt  'monemus'  ^,  'dicentis' ;  zwei 
Wortumstellungen). 

2,  373  =  Adm.  c.  62;  vgl.  oben  1,  5;  unten  Add. 
III.    2b.      Adresse   verändert    ('Generaliter   omnibus'    statt 


1)  MG.  Capit.  I,  58 — 62.  462.  Benedikt  bringt  eine  Auswahl  aus 
Adm.  c.  61 — 82 ;  dass  er  mit  c.  61  einsetzt,  beruht  nicht  auf  Zufall,  weil 
in  der  Adm.  auf  die  Auszüge  aus  der  Dionysio  -  Hadriana  (c.  1  —  59) 
andersartige  'capitula,  quae  nobis  utilia  huic  praecedenti  ammonitione 
subiungere  visa   sunt'    (so   sagt   c.  60  i.  f.)    folgen.  2)    MGr.  Capit.  1, 

52  sq,  62.  Vgl.  Boehmer- Mühlbacher  I,  1-,  S.  125.  3)  Merkwürdiger- 
weise ist  bei  der  Uebernahme  keine  einzige  Adresse  unverändert  ge- 
blieben. 4)  Zufällige  Uebereinstiramung  mit  Ansegisus.  5)  Aehnlich 
Anseg.  ('admonemus'). 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VlI.  489 

'Omnibus').  Im  Text  einzelne  Wörter  gestrichen  ('seu'  vor 
'maiores',  'in  lege'  vor  dem  ersten  Bibelzitat),  einzelne  ein- 
gefügt Cpersonae  paeem  habeant'  statt  'personas')  und  was 
dergleichen  Kleinigkeiten  mehr  sind. 

2,  374  =  Adm.  c.  65.  Adresse  verändert  wie  bei 
2,  373.     Abweichungen  im  Text  durchweg  unbedeutend. 

2,  375  =  Adm.  c.  67.  Adresse  verändert  ('Gene- 
raliter Omnibus'  statt  'Episcopis,  omnibus').  Im  Text  nur 
formelle  Differenzen. 

2,  376  =  Adm.  c.  70;  vgl.  oben  1,  86.  Adresse  ver- 
ändert ('Sacerdotibus  omnibus'  [cf.  2,  372]  statt  'Sacer- 
dotibus).  Im  Text  einige  verschönernde  Einschiebsel  ohne 
sachliches  Gewicht  ('ut  eorum  fidem  .  .  .  bene  sciant' 
statt  'eorum  fidem  .  .  .' ;  'eiusque  filio  et  spiritui  sancto'); 
die  übrigen  Abweichungen  nicht  nennenswert. 

2,  377a  =  Adm.  c  71.  Adresse  grammatisch  ver- 
ändert ('sacerdotibus'  und  'populo'  statt  'sacerdos'  iind 
'populus').  Im  Text  wenige  Varianten  ('praevideat'  statt 
'videat',  'magnitudinem'  statt  'dignitatem',  'vana  gloria' 
statt  'vaniloquia',  'et  non  exeant'  statt  'et  ut  non  ex.'). 

2,  377  b  ('Sex  sunt  —  discordias')  =  Proverb. ^  6,  16 
— 19  mit  geringfügigen  Abweichungen  von  der  heutigen 
Vulgata  (eine  Wortumstellung;  Streichung  von  'proferentem 
mendacia'  vor  'testem'). 

2,  377c  CQui  —  beatus  est'):  nicht-  Proverb.  3,  13 
Anfang:  'Beatus  homo,  qui  invenit  sapientiam',  sondern 
Isidorus  Hispal.,  Sententiae  2,  1  §  1  (Migne  LXXXIII, 
599) :  'Omnis  (om.  Ben.)  'qui  secundum  deum  sapiens  est', 
('secundum  deum'  add.  Ben.)  'beatus  est'. 

2,  377d  ('Melius  —  nescias')  =  Ecclesiastes  6,  9  in., 
wörtlich  wie  in  der  Vulgata. 

2,  37 7e  ('Ubi  fuerit  —  consilia')  =  Proverb.  11,  2. 
14.  Der  Vulgata  gegenüber  2  unerhebliche  Varianten  und 
2  erheblichere  ('in  malum'  hinter  'corruet'  eingeschoben; 
'melius^  autem  est'  statt  'salus  autem'). 

2,  37 7  f  ('Deus  enim  —  stulticia')  =  Ecclesiastes 
5,  1  fin.  2 ;  zwei  untergeordnete  Abweichungen  von  der 
Vulgata. 


1)  Beachtenswert  ist,  dass  auch  das  Original  (in  c.  74)  den  Liber 
proverbiorum  ausschreibt.  2)  AVie  Knust  S.  24  behauptet.  Auch  nicht 
Sextus  Pythagoricus,  Sent.  424  (ed.  Elter  p.  XXVII) :  'Dispensatur  a 
deo  vir  sapiens    et   idcirco   beatus    est'.  3)  Vgl.    etwa  Luc.   17,  2  in. 

(oben  2,  104b). 


490  Emil  Seckel. 

2,  377g  ('Obsecramus'  bis  Schluss)  =  Adm.  c.  72 
nach  dem  Anfang.  Diesem  Teil  kapitel  fehlt  natürlich 
die  Adresse.  Im  Text  begegnen,  abgesehen  von  Un- 
wichtigem, einige  Willkürlichkeiten  gegenüber  dem  Urtext: 
'omnes'  zn  Anfang  eingeschoben;  'habeant'  vor  'emendatas' 
(so  oder  'emendate'  oder  'emendent'  die  Hss.  sowohl  der 
Adm.  als  des  Ansegisus)  eingeschoben  ^ ;  'per  mendosos 
libros'  statt  'sed  (stilistische  Härte !)  per  inemendatos 
libros' ;  am  interessantesten  ist  die  Verwandlung  des  echten 
Rechtssatzes :  'Et  ut  scolae  Zegentium  puerorum  fiant' 
in  die  Vorschrift :  'Et  ut  scolae  gentiZium  ^  puerorum 
fiant'. 

2,  378  a  =  Adm.  c.  74.  Adresse  verändert  wie 
bei  2,  373  und  374.  Im  Text  nur  zwei  kleine 
Streichungen  ('in  illis'  hinter  'dandum'  und  'et'  ^  hinter 
'sicut'  getilgt). 

2,  378b  ('Et  hoc  nobis'  bis  Schluss)  =  Adm.  c.  75. 
Da  2,  378b  bei  Ben.  zum  T  e  i  1  kapitel  geworden  ist,  so 
musste  die  Adresse  des  originalen  Vollkapitels  ('Omnibus') 
wegfallen.     Im  Text  1  Variante. 

2,  379  =  Adm.  c.  79.  Adresse  im  Schlusswort  ver- 
ändert Cpopulo'  statt  'omnibus').  Text  leicht  retouchiert, 
am  erheblichsten  in  dem  verderbten  Satzteil :  'q  u  i  nudi 
cum  ^  ferro  dicunt  ^  alicubi  dat  a  m  ^  sibi  penitenti  am*"' 
vagantes  discurrunt',  statt  des  richtigen :  'nee  isti 
nudi  cum  ferro,  qui  dicunt  se  data  sibi  poenitentia  ire 
vagantes'. 

2,  380a  =  Adm.  c.  81.  Adresse  verändert  wie  bei 
2,  373.  374.  378a.  Im  Text  etwa  25  Varianten,  viele  nicht 
erwähnenswert,  einige  tiefer  einschneidend:  'et'  vor  'in  lege' 
gestrichen  (vgl.  N.  3  zu  2,  378a);  'genitor  noster'  statt  'g. 
meus'  (nur  stilistisch) ;  'talia  opera'  statt  'ruralia  opera' 
(auf  den  Sinn  ohne  Einfluss);  'colligendo'  statt  'colenda' 
(um  mit  'arando'  u.  s.  w.  die  grammatische  Kongruenz  her- 


1)   Die  Lesart   'emendatos  habeant'   bei  Baluze  (Capitularia  I,  237) 
ist  vielleicht  aus  Benedikt  entnommen.  2)  Heidenknaben'?  oder  Edel- 

knaben? (vgl.  den  vorhergehenden  Satz  in  2,  377g:  'ingenuorum  filios') 
oder  Laienknaben?  3)   Diese  unscheinbare  Tilgung,  die  analog  unten 

2,  380a  wiederkehrt,  ist  wohlberechnet.  In  etwas  kollegialischem  Tone 
spricht  Karl  d.  Gr. :  Wir,  der  König,  bestimmen,  was  auch  im  Gesetz 
der  Herr  vorschreibt.  Benedikt  lehrt  seine  Könige  der  Idee  der  Gott- 
ähnlichkeit entsagen.  4)  nudi  cum]  'dimidicum'  codd.  Goth.  et  Pal.  583. 
5)  'se'  add.  codd.  citt.         6)  -am]  '-a'  codd.  citt. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  491 

zustellen?);  'concides^  stirpare'  statt  'in  silvis  stirpare' ; 
'sed  tria  tantummodo  opera ,  si  necessitas  in- 
gruerit  summa,  agant  et  non  alia'  statt  'et  tria 
carraria  opera  licet  fieri  in  die  dominico'  (Verschärfung 
des  Ruhegebotes  durch  Einschränkung  der  Kriegs-  und 
Lebensmittelfuhren  auf  den  äussersten  Notfall);  'opera 
pectilia'  ^  statt  'acupictile' ;  'libere'  hinter  'undique'  ein- 
geschoben. 

2,  380b  =  Adm.  c.  82  Mitte  (MG.  Capit.  I,  61  1.  40 
—  p.  62  1.  6).  Teilkapitel  ohne  Adresse.  Im  Text  mehrere 
Abweichungen  formeller  Art,  z.  B.  'omni'  vor  'studio'  ge- 
strichen ;  'praedicate  fidem  tenendam  domino'  statt  'am- 
monete  eos  de  dilectione  Dei  et  proximi,  de  fide  et  spe 
in  Deo' ;  Einschiebung  von  'vero',  'omnibus'  und  'cunctos 
monete'. 

2,  381.  Dieses  charakteristische  Kapitel,  in  dem  Ben. 
sich  vielfach  mit  den  Capitula  Angilramni  berührt,  ist  zum 
grössten  Teil  aus  den  verschiedensten  noch  heute  nach- 
weisbaren Quellen  kompiliert,  zum  kleineren  Teil  aus  un- 
bekannten Quellen  geflossen  ^  oder  vielleicht  ohne  quellen- 
mässige  Grundlage  erfunden^. 

Inskription  ('Ex  quibus  supra',  vgl.  2,  370 — 380)  und 
Adresse  ('Sacerdotibus  omnibus',  vgl.  2,  372  —  380)  sollen 
wohl  den  Anschein  erwecken,  als  ob  das  vorliegende  Nicht- 
kapitular  aus  den  angeblichen  Wormser  Kapiteln  (2,  370) 
oder  aus  der  Admonitio  generalis  Karls  d.  Gr.  ent- 
nommen sei. 

Das  Kapitel  besteht  —  nach  der  herkömmlichen 
Einteilung,  die  aber  für  unsere  Zwecke  nicht  weit  genug 
getrieben  ist  —  aus  nicht  weniger  als  26  (nichtrubrizierten) 
Teilkapiteln : 

2,  381a  ('Studendum  est')  =  Statuta  ecclesiae  antiqua 
c.  54  (Migne  LVI,  885)  =  Conc.  Carthag.  IV.  (Hispan.) 
c.  26  Text  (Migne  LXXXIV,  202)  =  Augustod.  fol.  35  b'. 
Benedikt  streicht  bezeichnender  Weise  'sive  clericos  sive 
laicos'  hinter  'fratres' ;  im  üebrigen  deckt  sich  sein  Text 
bis  auf  eine  Wortumstellung  mit  der  Augustodunensis. 


1)  Zur  Geschichte  dieses  "Wortes  vgl.  Thesaurus  linguae  Latinae 
s.  V.  concaedes;  die  Form  'concides'  findet  sich  zuerst  bei  Gregor  von 
Tours  (Hist.  Franc.  2,  9.  3,  28.  4,  -42;  vgl.  auch  Ducange  s.  h.  v.)  und 
in   der   Lex  Salica  16,  5.  2)    =   pictilia,    Stickereien.  3)    Ben. 

2,  381g/?.  hß.y.  n.         4)  Ben.  2,  381  d. 

Xeues  Archiv  etc.    XXXV.  32 


492  Emil  Seckel. 


2,  381b  ('Auctoritas  ecclesiastica')  aus  ^  Cassiodorius, 
Hist.  tripartita  4,  9  Mitte  (Migne  LXIX,  960  D).  Text- 
verhältüisse  (Abweichendes  kursiv) : 


Ben. 

Auctoritas  ^     ecclesiastica  ^ 

atque  canonica  docet  non   de- 

here  ahsque  sententia  Romani 

pontificis  concilia  caelebrare. 


Hist.  trip. 
.  .  .  cum  utique  regula 
ecclesiastica  itiheat  non  opor- 
teve  praeter  sententimw  Ro- 
mani  pontificis  concilia  cele- 
brar/. 


2,  381c  ('Episcopi')  aus^  Conc.  Sardic.  c.  8  Mitte, 
Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  162).  Text  mit  der  Vorlage  bis 
auf  eine  Wortumstellung  genau  übereinstimmend. 

2,  381d  ('Nullus  episcopus'):  Quelle  bisher  nicht  ge- 
funden, wahrscheinlich  Fälschung  Benedikts.  Vgl.  Cap. 
Angilr.  c.  2  in.'^  Hinschius  1.  c.  p.  CXIII.  757  meint,  das 
Teilkapitel  sei  mit  Hülfe  von  Conc.  Antioch.  c.  15  Dion.- 
Hadr.  (ed.  1609  p.  63),  Cassiodorius,  Hist.  trip.  4,  9  (vgl. 
oben  zu  2,  381b)  und  Ebonis  Remensis  Apologeticum  (MG. 
Conc.  II,  794  —  806)  angefertigt.  In  der  Tat  besteht 
zwischen  Benedikts  Wendung:  'episcopus  .  .  .  super 
quibusdam  criminibus  puls  a  t  u  s '  und  den  Worten 
des  Conc.  Antioch.  cit. :  'episcopus  de  certis  criminibus 
accusatus'  eine  gewisse  Verwandtschaft;  sachlich  kommt 
Benedikts  'legitima  synodus'  mit  den  'omnes  episcopi  eius- 
dem  provinciae'  ungefähr  überein.  Sind  aber  schon  diese 
Beziehungen  ziemlich  lose,  so  gilt  dies  vollends  von  den 
zwei  anderen  angeblichen  Quellen.  Mit  Cassiodor  hat 
Benedikt  den  Gedanken  gemein,  dass  die  Synoden  aposto- 
lica  vocatione  berufen  sein  müssen ;  in  den  Worten  besteht 
keine  Gemeinschaft,  so  dass  die  Quellenfrage  zum  Mindesten 


1)  Vgl.  Hinscbius,  Beeret,  pseudois.  p.  CXIII.  2)  Kanonen  oder 
Kapitularien,  die  mit  den  Worten  'Auctoritas  ecclesiastica'  (oder  'canonica') 
begönnen,  habe  ich  nicht  zur  Hand.  Die  Ausdrücke  kommen  häufig 
im  Kontext  der  Kapitularien  vor  (vgl.  MCI.  Capit.  II,  579,  Index  s.  v. 
'auctoritas')  und  nicht  selten  fangen  Urkundenformeln  mit  den  erwähnten 
Worten  an  (vgl.  z.  B.  Form.  imp.  33.  35.  Add.  2,  MG.  Form.  p.  311. 
813.  328);  auch  Regino  1,  413  (=  Burch.  2,  26  'Ex  conc.  Remensi'!) 
rührt  aus  einer  Formelsammlung  her.  Vgl.  ferner  Ben.  1,  129  fin.,  wo 
Ben.  die  'auctoritas  ecclesiastica'  aus  Eigenem  oder  aus  unbekannter 
Quelle  hat.  3)   Erstaunlicher  Weise   ist  die  Quelle  dieses  Teilkapitels 

bisher  unbekannt  gewesen.  Knust  S.  24  verweist  auf  Lex  Visig.  2,  1,  30 
(MGr.  LL.  Visig.  p.  77  sq.),  wo  sich  aber  höchstens  entfernte  Anklänge 
finden.  4)    Auf   Grund   von   Ben.    2,    381  d   gearbeitet;    darüber   an 

anderem  Ort. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  493 

offen  bleiben  muss.  In  den  beiden  Eezensionen  von  Ebos 
Apologeticum  endlich  wird  sich  schwerlich  mehr  auftreiben 
lassen,  als  folgende  leicht  anklingende  Partie^  p.  795,  27  sq. 
(forma  prior):  '.  .  .  ad  S]/nodalem.  sanctorum  conventum, 
quo  .  .  .  licet  .  .  .  canonice  convocari  ^  e2nsco2n\m. 

2,  38 le  ('Nemo  episcopum')  gefertigt  mit  Hülfe  von 
Brev.  Cod.  Theod.  16,  1,  2  E  p  i  t.  Aegid.^  (ed.  Haenel 
p.  246)  und,  was  die  Primaten  angeht,  vielleicht  mit  Hülfe 
von  Conc.  Carthag.  c.  19  in.  Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  193); 
vgl.  oben  1,  390,  unten  3,  153  f  und  Add.  IV.  10.  Von 
den  4  Texten,  die  Benedikt  aus  der  Epitome  Aegidii  ge- 
schöpft hat,  scheint  unser  Teilkapitel  *  die  entfernteste  Ab- 
leitungsform zu  sein.  Aus  einem  Original,  das  mit 
Haenels  Ausgabe  'audeat'  schrieb,  ist  Ben.  3,  153  f  ge- 
flossen. Aus  einem  andern  Text  der  Epitome  ^  in 
dem  'audeat'  durch  'praesumat'  ersetzt  war,  rühren  die 
3  übrigen  Ableitungen  bei  Ben.  her.  Und  zwar  benutzt 
diesen  andern  Text  mit  zunächst  nur  einer  Aenderung^ 
Ben.  1,  390,  wo  freilich  die  Worte  'Sancitum  est'  und 
(tendenziös)  'aut  sacerdotem  vel  clericum'  interpoliert  sind. 
Weiter  entfernt  sich  von  gedachtem  Text  Ben.  Add.  IV.  10, 
indem  'seculares'  statt  'publicos'  und  'apud  summos 
primates'  statt  'apud  alios  episcopos'  gesetzt  wird.  Durch 
nochmalige  Umarbeitung  ('Nemo'  statt  'Ut  nullus' ;  'pri- 
mates suos'  statt  'summos  primates')  kommt  aus  Add.  IV.  10 
unser  Teilkapitel  2,  381e  zustande.  —  Wegen  des  Primas 
vgl.  Conc.  Carth.  cit.,  welches  lautet:  'Quisquis  episcoporum 
accusatur,  ad  primatem  provinciae  ipsius  causam 
deferat  accusator'  etc. 

2,  381  f  ('Accusatores')  gefertigt  an  der  Hand  eines 
Satzes  aus  der  Synodus  habita  Romae  palmaris  (501 
Oct.  23),  Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  582  Mitte;  ed.  Mommsen, 
MG.  Auct.  ant.  XII,  428  1.  19—21);  vgl.  unten  3,  108.  307. 
Add.  IV.  22;  Cap.  Angilr.  c.  9  c.  Die  Entwickelungs- 
geschichte   des   Teilkapitels   ist  folgende  ^.      Die   römische 


1)  Dass  auch  Hinschius  nur  diese  meint,  erhellt  aus  seiner  Praefatio 
p.  CLXXVI.  2)  Vgl.  unten  3,  153  d.  3)  Nicht  Interpretatio,  wie 

Hinschius  p.  CXIII  sagt.  Im  Uebrigen  bleibt  Hinschius  das  Verdienst, 
den  "Weg  zu  der  Hauptquelle  von  2,  381  e  gewiesen  zu  haben.  4)  Aus 
dem  dann  wieder  Pseudoisidor  sein  Decretum  Gai  papae  3  (p.  214)  zu- 
rechtgemacht hat.  5)  Wer  will,  kann  ihn  (statt  einem  älteren  Ab- 
schreiber) auch  Benedikt  selbst  zuschreiVten.  Dieser  Text  lautet:  'Ut 
nullus  episcopum  apud  iudices  publicos  accusare  praesumat,  sed  apud 
alios  episcopos  .  .  .'.  6)  'alios'  vor  'episcopos'  gestrichen.  7)  Bereits 
mitgeteilt  in  meinem  Artikel  Pseudoisidor  (Realencykl.  f.  prot.  Theo- 
logie ^  XVI)  S.  296  oben. 

82'* 


494  Emil  Seckel. 

Synode  unter  Symmachus^  sagt  (1.  c):  '.  .  .  cum  patrum 
statuta 2  sanxissent,  ut,  qiws  ad  accusaimnem.  leges  sae- 
culi^  non  admittunt,  iis^  dicendi  in  cognitione  vel  ad- 
sequendi°  aliquid  deneganda*^  esset  licentia' •'.  —  Daraus 
maclit  Ben.  3,  108:  'Accusatores  et  accusationes,  qua,s  secuU 
leges  non  admittunt,  et^  nos  summovemus'.  —  Aus 
der  Urfälschung  Ben.  3,  108  ist  dann  entstanden  Ben. 
Add.  IV.  22,  indem  'admittunt'  zu  'adsciscunt'  verändert 
wurde;  aus  3,  108  sind  ferner  geflossen^  einmal  in  der 
Rubrik  von  3,  307  die  nachstehend  kursiv  wiedergegebenen 
Worte :  'De  öcci«sa/onbus  et  accusationihus,  qnas  seculi  leges  non 
admittunt,  a  clericorum  causis  repellendis';  ferner  möglicher- 
weise^ in  2,  436  rubr.  folgende  (kursiv  gedruckten)  Worte: 
'Ut  clerici  de  his  causis,  quas  sectdi  leges  non  admittunt, 
minime  impetantur'.  —  Auf  Add.  IV.  22  beruht  ^°  unser 
Teilkapitel  2,  BSlf  in  seinen  ersten  8  Wörtern :  'Accu- 
satores et  accusationes ,  quas  leges  seculi  non  adsciscunt, 
canonica^^  funditus  repellit  auctoritas'.  —  Auf  Ben.  2,  38  If 
gehen  endlich  zurück  Ben.  3,  307  (Text)  =  Cap.  Angilr. 
c.  9c:  'Accusationes  et  accusatores^^  atque  earum  negotia, 
quae  secidares  non  adsciscunt  leges,  divina  ac  sjnodica  fun- 
ditus a  clericis  ^^  repellere  auctoritate  censemus'  etc. 

2,  381g  a  ('Variis  detractionibus')  aus  Cassiodorius, 
Hist.  tripart.  5,  29  in.  (Migne  LXIX,  1006  C).  Text- 
verhältnisse : 


1)  Mit  unwesentlichen  Veränderungen  aufgenommen  in  Ben.  3,  117. 
2)  Damit  ist  gemeint  can.  2  der  zweiten  Sitzung  (;30.  Mai)  des  Karthagi- 
schen Konzils  von  -1:19,  erhalten  in  der  Hispana  als  c.  2  Conc.  Carth.  VII. 
(Migne  LXXXIV,  227)  und  in  der  Dionysio  -  Hadriana  als  c.  96  Conc. 
Afr.  (ed.  1609  p.  273):  '.  .  .  ad  accusationem  non  admittantur  vel  omnes, 
quos  ad  accusanda  publica  crimina  leges  publicae  non  admittunt'  etc. 
Vorstehende  Fassung  des  Kanon  hat  auch  vor  sich  Fulgentius  Ferrandus, 
Brev.  c.  196  (ed.  1609  p.  6:39;  ed.  Migne  LXVII,  959):  'Ut  .  .  .  vel 
omnes,  quos  ad  accusanda  publica  crimina  leges  publicae  non  admittant 
(-unt),  ...  ad  accusationem  non  admittantur'.  Eine  andere  (für  unsere 
Zwecke  wichtige)  R e z e u s i o n  des  Schlusses  von  419  Inetet  Ennodius, 
Libellus  apolog.  (MG.  Auct.  ant.  VII,  54  1.  23.  24):  'Quascumque  ad 
accusationem  personas  leges  publicae  non  admittunt,  his  inpugnandi  alterum 
et  nos  licentiam  s u b m o v e m u s'.  3)  Wegen  dieses  Wortes  können 

Ben.  8,  108,  Add.  IV.  22  und  2,  381  f  (a.  M.  Hinschius  p.  CXIII)  nicht 
wohl  auf  Conc.  Afr.  c.  96  (oben  N.  2)  zurückgehen.  4)  'his'  Mommsen. 
5)  'accusandi'  (!)  ed.  1609.  6)  'delegandam  non  esse  (!)  licentiam'  ed. 

1609.  7)  Zu  den  Schlussworten  vgl.  Ennodius  1.  c.  (oben  Note  2  a.  E.). 
8)  Abgesehen  von  der  Rubrik   zu  3,  108  selbst.  9)  Vielleicht  gehen 

die  fraglichen  Worte  direkt  auf  die  römische  Synode  zurück.  10)  Ausser 
Pseudo- Julius    c.  12d  (Hinschius   p.  468    oben).  11)  Die  Quelle   der 

Schlussworte  von  2,  881  f  kenne  ich  nicht.  12)  Anfangsworte  umgestellt. 
18)  Zu  den  Worten  'a  clericis'  vgl.  Ben.  3,  307  rubr. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  495 


Hist.  trip. 
Variis  ergo  doctrinis  iion 
decet    lahefactari,     sed    magis 
patrum     nostrorum     röborari 
sententiam. 


Ben. 

Variis  detractionibus  et 
accusationibus  non  decet  lahe- 
factari primatem,  sed  magis 
patrum  regulis  roborar'i. 

2,  ZSlg ß  ('Nam  et  Liberius')  :  Quelle  unbekannt; 
vielleicht  eigener  Zusatz  des  Fälschers.  Dass  Papst  Liberius 
'pro  Athanasio'  zwei  Jahre  ^  verbannt  worden  ist,  wusste 
Benedikt  aus  irgend  einer  Kirchengeschichte. 

2,  381ha  ('Multum  derogatio')  wörtlich  aus  Cassio- 
dorius,  Hist.  tripart.  3,  8  (Migne  LXIX,  953  B);  nur  'ita- 
que'  gestrichen. 

2,  381h /?  ('Ideo  non  omnes  admittendi  sunt,  sed  viri 
probatissimi') :  schwerlich  echte  Norm.  Zu  'non  omnes 
admittendi  sunt'  vgl.  Conc.  Afric.  c.  96  Dion.-Hadr.  (oben 
S.  494,  N.  2  zu  2,  38 If).  Zu  Viri  probatissimi'  vgl.^  den  Erlass 
Konstantins  I.  314  an  Ablavius  'lam  quidem  antehac'  (ed. 
Haenel,  Corj^us  legum  p.  192,  col.  1  oben):  '.  .  .  cum  res 
fuisset  ...  ab  idoneis  ac  prohatissimi^  viris  episcopis  ter- 
minata' ;  der  Erlass  kann  Benedikt  bekannt  gewesen  sein, 
da  er  in  einer  Kanonensammlung  enthalten  ist^.  Weniger 
gut  passen  z.  B.  die  'viri  probati'  der  Rubrik  des  can.  25 
Conc.  Araus.  I.  441  (Bruns  II,  125),  die  'probatiores  viri' 
des  Textes  von  can.  25  cit.  und  die  'testes  probatissimi ' 
des  c.  21  Conc.  Cabillon.  813  (MG.  Conc.  II,  278). 

2,  381h  7  (Trimo  semper')  =  oben  1,  393.  Vgl.  ferner 
Cap.  Angilr.  c.  3  in.,  c.  12.  Den  in  1,  393  hinzugefälschten 
Eingang  'Item  —  decretum  ut'  hat  2,  381  noch  nicht;  im 
Uebrigen  weichen  die  Texte  in  5  ziemlich  untergeordneten 
Punkten  von  einander  ab  ('Primo  semper'*  2,  381  statt 
'semj)er  primum'  1,  393;  'vita  et'  statt  'vita' ;  'inquiratur' * 
statt  'enucleatim  perscrutetur' ;  'nihil  aliter  fieri'  *  statt 
'non  aliter  fieri  quicquam' ;  'impetitorum  prius'  *  statt  'pr. 
inp.').  Quellen  des  Teilkapitels  sind  nach  dem  zu  1,  393 
Ausgeführten  (Studie  VI,  N.  A.  XXXI,  129  f.)  in  erster 
Linie  Conc.  Afric.  c.  17  med.  und  Conc.  Chalced.  c.  21 
Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  217.  130);  vgl.  ferner  Stat.  eccl. 
ant.  c.  52,  Anseg.  1,  35  und  Conc.  Neocaes.  c.  3  Dion.- 
Hadr.  (ed.   1609  p.  38:  'conversatio  eorum  et  fides'). 


1)  Rund  gerechnet.     Vgl.  Jaffe,  Reg.-  I,  34;  Art.  Liberius  in  der 
Realencykl.  f.  prot.  Theol.^  XI,  452  ff.  2)    Cod.  Theod.    1:3,  3.  7  (= 

Cod.  lust.  10,  53,  8)  kommt,  weil  Benedikt  unzugänglich,  nicht  in  Frage. 
3)  Vgl.    Maassen,    Quellen  I,  310  (Ziff.  1).  765.  4)    So    auch   Angilr. 

c.  12   (p.  761). 


496  Emil  Seckel. 

2,  38  li  ('Non  est  auctoritas')  =  Actus  apost.  25,  16; 
vgl.  oben  1,  392,  unten  3,  184,  sowie  Cap.  Angilr.  c.  19. 
Abweichungen  von  der  Vorlage  geringfügig,  bezeichnend 
nur  die  Ersetzung  von  'damnare  aliquem  hominem'  durch 
'quemquam  clericorum  iudicare  vel  dampnare'. 

2,  381k  a  ('Omnis  accusatio  intra  provinciam  audiatur 
et  a  conprovincialibus  terminetur')  soll  nach  Hinschius  ^ 
aus  Conc.  Antioch.  c.  15  Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  63) 
stammen.  Hier  finden  sich  allerdings  die  Worte:  'Si  quis 
episcopus  .  .  .  accHsatus  condemnatur  ab  omnibus  episcopis 
eiusdem  provinci2iQ  ;  sie  sind  aber  Benedikts  Quelle  nicht. 
Die  Quelle  hätte  sich  mit  Hilfe  von  Ben.  3,  109  annähernd 
finden  lassen  und  sie  lässt  sich  wohl  glatt  und  definitiv 
bestimmen  mit  Hilfe  der  Augustodunensis.  Hier 
lautet  Innocentii  I.  epist.  ad  Victricium  episc.  Rotomag. 
'Etsi  tibi  frater'  a.  404  (Jaffe  286)  c.  3,  woraus  Ben. 
2,  381r.  s  und  Ben.  3,  109  geflossen  sind,  folgendermassen 
(Cod.  Vatic.  1341  Bl.  127b)2: 

Si  quae  ^  causae  vel  contentiones  inter  clericos  vel  * 
inter  laicos  et  clericos^  tam  superioris  ordinis  quam  etiam 
inferioris  fuerint  exorte,  placnit^,  nt*'  secundum  synodum 
Nicenam  congregatis  omnibus  ^  eiusdem  provintiae  epi- 
scopis iudicium  terminetur  nee  alicui  liceat,  sine  prae- 
iudicio  tamen  Roman§  ecclesiae,  cui  in  omnibus  causis 
debetur  reverentiam  '  custodire '',  relictis  his  sacerdotibus, 
qui  in  eadem^  provintia'*  Dei  ecclesias  nutu^  divino^ 
gubernant,  ad  alias  convolare  provintias  aut^^  aliarum 
prius  provintiarum  episcoporum  iudicium  expeti  vel  pati  ^^. 
Quod  si  quis  forte  presumpserit,  et^  ab  officio  clert^^ 
submotus  et  iniuriarum  reus  ab  omnibus  iudicetur.  Si 
autem^  maiores  causae  in  medio  ^^  fuerint   devolutae,    ad 


1)  Hinschius  zu  Angilr.  c.  9b  (Decret.  pseudoisid.  p.  760).  2)  Ab- 
weichungen von  der  echten  Hispana  kursiv.  Einzelne  Interpolationen 
sind  aus  der  Dion.-Hadr.,  Decreta  Innocentii  c.  10  (ed.  1609  p.  340), 
geflossen;  vgl.  unten  N.  6?  8?  9.  11,  S.  497,  N.  1.  3)  'autem'  ins.  Hisp 
4)  'vel  —  clericos'  deest  Hisp.  5)  deest  Hisp.  6)  deest  Hisp. ;  habet  Hisp 
Gallica  Cod.  Vindobon.  411  (cf.  Maassen,  Pseudoisidor  -  Studien  I,  24)  et 
Dion.  -  Hadr.  7)    'reverentia    custodiri'    Hisp. ;    'reverentia    custodita' 

Hisp,    Gall.  8)    'eadem   provincia'   Dion.  -  Hadr. ;    'eisdem   provinciis 

Hisp. ;  'easdem  provincias'  Hisp.  Gall.  9)  deest  Hisp. ;  fluxit  ex  Dion.- 
Hadr.  10)  'aut  —  pati'  deest  Hisp.  11)  'cleri'  Dion. -Hadr. _ 
'clericatus'  Hisp.  12)  Nicht  'medium',  wie  Maassen  a,  a.  0.  irrig 
angibt. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  497 

sedem  apostolicam,  sicut  si/nodus^  statuit  et^  heata^  con- 
suetudo  exigit,  post  iudicium  episcopale  ref erantur  •'^- *. 
Zu  c.  3  hat  die  Augustodunensis  eine  doppelte  Rubrik, 
die  eine  im  Rubrikenverzeichnis  (Bl.  127a'),  welche  nur  in 
zwei  Punkten  ^  von  der  echten  Rubrik  der  Hispana  ab- 
weicht, die  andere  unmittelbar  vor  c.  3  selbst  (Bl.  127  b). 
Letztere  ist  stark  interpoliert^: 

III.   De  causis  clericorum  super.iorum  ^  inferiorumque 
ordinum  ^  mit  in  propria   provintia   et  a   conpi'ovintialihus  ^ 
iusfe  üniendis  mit  ab  apostolica  sede  terminandis. 
Auf  Grund  dieser  gefälschten  Rubrik  ist  durch    neue  Um- 
gestaltung Ben.  3,  109  rubr.   geschaffen^: 

De   causis    ejnscopovum   vel  reliquorum  sacerdotmn   a 
conprovincialibus  infra  propriam  provinciam  terminandis 
et  non  ah  aliis,  nisi^^  ad  primates  vel  a,d  sedem  apostolicaw* 
fiierit^^  provocatnm^^. 
Ben.   3,   109   Rubrik   ist,    wenn    nicht    alles   täuscht, 
die     unmittelbare,     die     oben    abgedruckte     inter- 
polierte     Rubrik      der     Augustodunensis      die      mittelbare 
Quelle     unseres     Teilkapitels     2,    381k  a     (= 
Angilr.  c.   9b)^: 

Omnis    accnsatio     in/ra    provinciam    audiatur    et    a 
conprovincialibus  termine^?^r  ^'-. 

2,  381k/?  ('ultra  provinciae')  wörtlich  =  Brev.  Cod. 
Theod.  9,  1,  5  Satz  1  (ed.  Haenel  p.  170;  ed.  Mommsen, 
Theodosianus  p.  433);  vgl.  Cap.  Angilr.  c.  9a,  auch 
c.  4   8  2. 


1)  'synodus  statuit  et'  deest  Hisp. ;  'synodus  statuit'  addita  sunt  ex 
Dion. -Hadr.  2)    'vetus'  Hisp.  8)  'referantur'  Hisp.,  Dion. -Hadr. ; 

'reserantur'  cod.  August  od.  (vitio  scriptoris).  4)  Dieser  ganze  Innocenz- 
Text  ist,  bevor  er  in  Ben.  2,  381  r  und  3,  109  überging,  nochmals 
retouchiert  worden ,  wie  folgende  gemeinsamen  Abweichungen  von 
der  Augustodunensis  zeigen :  'maioris'  (so  auch  Pseudoisidor  Praef, 
p.  19  med.)  statt  'superioris' ;  'iurgium'  (aus  der  Dion. -Hadr.,  ed.  1609 
p.  340)  statt  'iudicium' ;  'cui'  statt  'alicui' ;  'vel'  statt  'auf ;  Auslassung 
von  'prius'  und  'forte' ;  'depositus'  statt  'submotus'.  5)  'iuste  non'  statt 
'si  minime';  'terminentur'  statt  'determinentur'.  6)  Abweichungen  von 

der  echten  Hispana  kursiv.  7)  'superiorum  —  ordinum'  aus  dem  Text 
der  Dekretale.  8)  Dieses  häufig  in  echten  Quellen    begegnende  Wort 

ist  entweder  aus  freier  Erfindung  eingesetzt  oder  aus  8,  109  herüber- 
genommen. 9)  Abweichungen  von  der  unmittelbaren  Vorlage  kursiv. 
10)  Dieser  Nisi-Satz  ist  bei  Pseudoisidor  zweimal  benutzt  (was  zu 
Hinschius'  Noten  nachzutragen  ist)  :  Stephan  10  (p.  185/6)  und  Julius  17 
(p.  473  oben).  11)  Die  Worte  'fuerit  provocatum'  sind  entweder  eigenes 
Gewächs  oder  aus  Conc.  Carthag.  III.  c.  10  (vgl.  oljen  zu  1,  404,  Studie  I, 
S.  133)  bezogen.         12)  =  Pseudoisidor.  Steph.  10  (p.  185  unten). 


498  Emil  Seckel. 

2,  3811  ('Episcopus  nee')  =  Statuta  eeel.  antiqua  e.  8 
(Migne  LVI,  881)  =  Cone.  Carthag.  IV.  Hisp.  c.  19  Text 
(Migne  LXXXIV,  202)  =  Augnstodunensis  fol.  35  b'.  'üt' 
vor  'episcopus'  gestrichen;  im  übrigen  wörtlich  überein- 
stimmend. 

2,  381  m  ('Non  est  iustum')  wörtlich  =  oben  1,  896 
Text  (Bearbeitung  von  Cassiodorius,  Hist.  trip.  5,  17, 
worüber  in  Studie  VI,  N.  A.  XXXI,  130  f.  gehandelt  ist). 
Vgl.  auch  oben  2,  313. 

2,  381  n  ('Maior')  wörtlich  =  1,  397  Text  (Quelle 
unbekannt;  vielleicht  Bearbeitung  von  Rufinus,  Hist.  eccl. 
10  [1],  2;  s.  Studie  VI  a.  a.  O.  S.  131)  i.  Vgl.  Cap.  Angilr. 
c.   18  i.  f. 

2,  381  o  (ludicis  non  est')  wörtlich  =  1,  398  Text, 
nur  dass  hier  'quia'  aus  dem  Original  stehen  geblieben, 
dagegen  oben  1,  398  aus  'quia' :  'quoniam'  geworden  ist. 
Das  Stück  bietet  eine  Bearbeitung  von  Pseudo-Ambrosius, 
Comraentarius  in  Epist.  I.  ad  Cor.  5,  2;  s.  Studie  VI 
a.  a.  O.  S.   132. 

2,  381p  ('Episcopos  eiectos')  aus  Cassiodorius,  Hist. 
trip.  7,  12  Mitte  (Migne  LXIX,  1079  B);  vgl.  Add.  IV. 
3  fin. ;  Cap.  Angilr.  c.  10  (Bearbeitung  unserer  Benedictus- 
stelle).     Textverhältnisse  (Abweichungen  kursiv) : 


Ben. 

Episcopos  2  eiectos  atque  suis 
rebus  expoliatos  ^  in  sedes  pro- 
prias  recipi  et  sua  omnia 
legaliter  primo  eis  reddi  sancti 
canones  decreverunt;  et postea 


Hist.  trip. 

Depositos  autem  ah  eis,   qtii 

dissimiJem  patri  filium  asser e- 

hant,  sedes   proprias   recipere 

decreverunt^;  si quis  autem  eos 


1)  Nachzutragen  ist  folgende  Beobachtung.  In  der  Bobienser 
Dionysiana  (9.  Jh.;  Maassen,  Quellen  I,  471  ff.)  des  cod.  Vercell.  CXI 
steht  nach  Maassen,  Bibl.  Lat.  iur.  can.  manuscripta  I,  I  (Wiener  SB. 
LIII,  1866)  S.  415  unter  der  Ueberschrift  'Ex  concilio  Agatensis  capi- 
tulo  XIII.'  ein  Kanon  mit  dem  Anfang:  '3/a/ores  personas  a  minoribu^ 
iudicari  prohibemus'  etc.  Da  aber  die  Herkunft  dieses  Pseudo-Aga- 
thensischen  Kanon  völlig  im  Dunkeln  liegt ,  so  hilft  die  neue  Beob- 
achtung vorläufig  auch  nicht  w^eiter.  2)  Vgl.  zum  Anfang  die 
Wendungen  3,  116  rubr. :  'De  episcopis  eiectis  vel  suis  rebus  expoliatis' ; 
3,  116  Text:  'Si  quis  episcopus  suis  fuerit  rebus  expoliatus';  3,  153  rubr.: 
'Ut  episcopus  eiectus  vel  suis  carens  rebus'  etc.;  3,  158a:  'episcopus 
eiectus  vel  suis  rebus  expoliatus'.  —  Der  Ausdruck  'rebus  suis  (oder: 
'propriis')  expoliare'  begegnet  natürlich  schon  vor  Benedikt,  vgl.  z.  B. 
MG.  Capit.  II,  Index  s,  v.  'exspoliare'  (p.  630)  und  MG.  Conc.  II,  767,  15). 
3)  Nämlich  die  in  Lampsacus  versammelten  Bischöfe. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  499 

Ben. 


si  quis  eos  accusare  vellet, 
aequo  periculo  facere  sanci- 
verunt,  iudices  esse  decer- 
nentes  episcopos  recte  sa- 
pientes  in  ecclesia  eonve- 
nientes,  ubi  testes  essent 
singulorum  ,  qui  oppressi 
videhantav. 


Hist.  trip. 

accusare  vellet,  aequo  Jioc 
periculo  facere  sanciverunt, 
iudices  esse  decernentes  epi- 
scopos recte  sapientes  et^  de 
vicinis  provinciis  ^  in  eccle- 
siam  convenientes,  ubi  testes 
essent  singulorum,  qui  dice- 
rentur  oppressi. 

2,  381  q  (Tlacuit  ut  si')  =  Conc.  Aurelian.  V.  549 
c.  17  in.  (MG.  Conc.  I,  106);  vgl.  unten  Add.  IV.  9;  Cap. 
Angilr.  c.  Ib.  Im  Text  geringfügige  Abweichungen  von 
der  Vorlage,  abgesehen  von  dem  gröblich  verfälschten 
Schlüsse:  'sententiam  suscipiat  excommunicationis'  statt 
der  echten  Worte  'tunc  demum  ad  metropolitani  audien- 
tiam  veniatur'  etc. 

2,  381  r  ('Si  quae  causae)  =  Innocentii  I.  epist.  ad 
Victricium  episc.  Rotomag.  'Etsi  tibi  frater'  a.  dOi  (Jaffe 
286)  c.  3,  in  der  interpolierten  Fassung  der  Hisp.  Gall. 
Augustod.2,  welche  Fassung  vor  der  Aufnahme  in  2,  38 Ir 
nochmals  interpoliert  worden  ist,  wie  die  teilweisen  Ueber- 
einstimmungen  mit  Ben.  3,  109^  beweisen.  Gegenüber  der 
unmittelbaren  Vorlage  (Benedikts  Konzept)  weist  unser 
Teilkapitel  nur  wenige  Abweichungen  auf:  'et  laicos' "^  statt 
'vel  inter  laicos  et  clericos'  (?) ;  'eccl.  Rom.'  statt  'Rom. 
eccl.' ;  'motu'  statt  'nutu'.  Zu  der  Interpolation 
'nisi  fuerit  provocatum'  ^  vgl.  unten  3,  109  Rubrik  a.  E. 
(s.  oben  S.  497). 

2,  381s  ('Si  autem  maiores')  =  Innocent.  1.  c.  c.  3 
Ende,  in  der  zwiefach  interpolierten  Fassung  der  Augusto- 
dunensis  ^  und  des  Benedikt'schen  Konzepts  '^,  welch 
letzterem  gegenüber  Ben.  2,  381s  nur  in  zwei  Kleinig- 
keiten differiert  ('per'  ^  statt  'post' ;  'referatur'  statt  're- 
ferantur'). 


1)  Die  Worte  'et  de  vicinis  provinciis'  passten  nicht  in  Benedikts 
System  der  gegenseitigen  Abschliessung  der  Kirchenprovinzen.  Vgl.  die 
analoge  Fälschung   der  Vorlage   unten  2,  401.  2)    Abgedruckt   oben 

S.  496  f.  3)  Verzeichnet  oben  S.  497,  N.  4.  4)  Benedikt  deckt  sich 
hier    mit    dem    Innocenz-Text    der    Klasse    AI    der    Pseudoisidor - Hss. 

5)  Dafür  hat  3,  109  die    andere  Interpolation :    'nisi   hi    suspecti   fuerint'. 

6)  Wo  'sicut  synodus'  verändert  war  in :  'ut  sancta  synodus' ;  vgl.  unten 
3,  260  med.  und  Pseudois.  Pelag.  II.  (p.  724  unten).  7)  Sachlich  nicht 
unwichtige,  tendenziöse  Aenderung! 


500  Emil  Seckel. 

2,  381t  ('Prudentissime') :  besteht  aus  zwei  Fragmenten 
{'Pr.'  bis  'finienda'  und  'maxime'  bis  'provocare')  des  Conc. 
Afric.  Dion.-Hadr.  c.  105 ^  nach  der  Mitte  (ed.  1609 
p.  287);  vgl.  unten  3,  102  i.  f.;  Cap.  Angilr.  c.  9d.  Ab- 
weichungen von  der  Vorlage :  'enim'  hinter  'Prudentissime' 
gestrichen ;  'decreta  Niceni  concilii  sive  Africani'  ein- 
geschoben; 'decreverwwi'  statt  'vider?/«i'. 

2,  38  lu  ('Servata  quae')  aus  Conc.  Constantinopol.  I. 
381  c.  2b  Mitte,  Dion.-Hadr.'-  (ed.  1609  p.  90);  vgl.  unten 
3,  82  ;  Cap.  Angilr.  c.  8.  Text  fast  wörtlich  mit  der  Vor- 
lage übereinstimmend  (nur  'vero'  hinter  'Servata'  ge- 
strichen ;  'dispensat'  statt  '-set'). 

2,  381 V  ('Si  quis  episcopus') :  Verfälschung  von  Conc. 
Antioch.  341  c.  15  in.,  Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  63);  vgl. 
unten  3,  104;  Cap.  Angilr.  c.  26.  Textverhältnisse  (Ueber- 
einstimmendes  kursiv): 

Conc.  Antioch. 
Si  quis  episcopus  de  certis 
criminihus  accusatus  condem- 
natur  ah  omnihus  episcopis 
eiusdem  provinci?ie  cunctique 
conson  anter  eandem  contra 
eum  formam  decreti  protu- 
lerint,  hunc  apud  alios  nullo 
modo  mfZ/cari ,  sed  firmam 
concordantium  episcoporum 
provinciae  manere  senten- 
tiam. 

2,  381  w  CQuaecumque  sunt')  wörtlich  =  oben  2,  113 
(Quelle:  Cod.  Theod.  16,  2,  23  =  ßrev.  Cod.  Theod. 
16,   1,  3;  vgl.  N.  A.  XXXIV,  362  zu  Ben.  2,   113). 

2,  381 X  ('Unaquaeque')  aus  Coelestini  I.  epist.  ad 
univ.  episcopos  per  Viennensem  et  Narbonensem  provincias 
'Cuperemus    quidem'     a.    428     (JafEe    369),     Dion.-Hadr.^ 


Ben.  =  Angilr. 
Si  quis  episcopus  super 
certis  accusatux  ^  criminihus  ^, 
ah  omnihus  audiatur  vel  * 
iMfZ/cetur^,  qui  sunt  in  pro- 
vincia,,  episcopis. 


1)  Dieser  Kanon  ist  das  Schreiben  der  20.  Synode  an  Papst 
Coelestinus  I.  'Optaremus'  uras  .Tahr  425/426 ;  vgl.  Maassen ,  Quellen 
I,  183.  2)   Nicht  Versio  Isidoriana   c.  4   Mitte  (Quesnelliana,    Migne 

LVI,  723  =  Hispana  c.  3  i.  f.,  Migne  LXXXIV,  136)  und  nicht  Versio 
prisca   can.  3  c  fin.   (Migne  LVI,  809).  3)    accusatur  criminihus]    'cri- 

minihus  accusatus   fuerit'    infra   8,  104.  4)  vel  iudicetur]    om.   infra 

3,  104.  Vielleicht  sind  die  Worte  'vel  iudicetur'  ohne  Anlehnung  an  das 
Conc.  Antioch.  interpoliert  und  liegt  in  8,  104  die  ursprüngliche  Form 
der  Verfälschung  vor.  5)  Das  Schreiben  ist  in  zahlreichen  Sammlungen 
überliefert,  vgl.  Maassen,  Quellen  I,  252 ;  s.  z.  B.  Quesnelliana  Cap.  XXXV 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  501 

c  17  in.  (ed.  1609  p.  423);  vgl.  unten  3,  94  in.  Von  den 
10  Wörtern  des  Textes  sind  4  interpoliert  ('et  suis 
coraprovincialibus  episcopis'). 

2,  38 ly  ('Maledictus')  =  Deuteron.  27,  17.  Das  erste 
'omnis'  und  'et  reliqua'  stehen  nicht  in  der  Vorlage. 

2,  381z  ('Qui  sunt  supra')  =  Conc.  Constantinopol.  I. 
381  c.  2a  Anfang,  Dion.-Hadr.^  (ed.  1609  p.  89);  vgl. 
unten  3,  80.  Im  Text  2  unbedeutende  Aenderungen 
('supra'  statt  'super',  'aliqua'  statt  'hac'). 

2,  381aa  ('Non  oportet  transferri') :  bearbeiteter  Aus- 
zug aus  Innocentii  I.  epist.  ad  Florentium  episc.  Tibur- 
tinum  'Non  semel'  a.  401—417  (Jaffe  317)  2,  Dion.-Hadr. 
c.  36  (ed.  1609  p.  360)  3;  vgl.  unten  3,  37.  Textverhält- 
nisse (Uebereinstimmendes  kursiv) : 


Ben. 

Non  oportet  transferri  ter- 
minos  a  patrihus  constitiitos, 
ut  alter ^  aJterina  parrochiam^ 
invadat  atque  üUc  celebrare 
divina  mijsteria  inconsidfo 
episcopo  °,  cui  commissa  est, 
praesumat. 


Dion.-Hadr. 
Non  semel,  sed  aliquoties 
clamat  scriptura  divina  trans- 
ferri non  oportere  terminos 
a  patrihus  constitiitos*^,  quia 
nefas  est ,  si ,  quod  alter 
semper  possederit  \  alter  in- 
vadat,   quod Nam 

.  .  .  imrocldam  ad  suam 
dioecesim  a  maioribus  per- 
tinentem  invasisse  te  atque 
illic  divina  celehrasse  mysteria  ^ 
inconsulto  eodem  ac  nesciente 
.  .  .   conquestus  est 


2,  382  a  =  Lex  Baiuwariorum  (canonice  compta)  2,  5, 
MG.  LL.  III,  283,  cf.  p.  342.  388;  vgl.  oben  1,  341.  Zur 
näheren  Erläuterung  dient   das   Studie  VI   (N.  A.  XXXI), 


c.  6  in.  (Migne  LVI.  579),  Hispana  num.  36  (34  bis)  c.  4  in.  (Migne 
LXXXrV,  689)  =  Augustod.  fol.  159  b'.  1)  Nicht  Versio  Isid.  (Ques- 

nelliana,  Migne  LVI,  722  =  Hispana,  Migne  LXXXIV,  135)  und  nicht 
Versio  prisca   c.  3a   (Bligne  LVI,  808  sq.).  2)  Das  Schreiben  ist  nur 

in  der  Dionysiana  und  Hispana  überliefert.  Die  Worte  'terminos  a  pa- 
trihus constitutos'  kehren  wieder  in  Conc.  Turon.  I.  461  c.  9  (Bruns  II,  141). 
3)  Die  Hispana  scheint  weder  in  der  echten  Fassung  (num.  13  c.  un., 
Migne  LXXXIV,  655)  noch  in  der  leicht  geänderten  Textgestalt  der 
Augustod.  (Bl.  149b')  benutzt  zu  sein;  vgl.  die  Variantenangaben  zum 
Textabdnick.       4)  alter  alterius  parrochiam]  'alterius  p.  alter'  infra  3,  34. 

5)  'eo'    infra    8,    34    (bleibt    näher    bei    dem    ursprünglichen    'eodem'). 

6)  'Institutes'  Hisp.,   Hisp.  Augustod.  7)   sie  etiam  Hisp.  Augustod. 
ipossederat'  Hisp.         8)  sie  etiam  Hisp.  Augustod. ;  om.  Hisp. 


502  Emil  Seckel. 

115  Gesagte.  Hier  ist  nur  Folgendes  zu  bemerken.  Unser 
Kapitel  2,  382  trägt  die  Inskription:  'Ex  capitulis 
domni  Karoli^  regis  anno  regni  eins  undecimo  actis';  die 
kursiv  gedruckten  Worte  konnte  Benedikt  dem  Prolog  des 
Capitulare  Haristallense  779  (MG.  Capit.  I,  47)  entnehmen. 
—  Die  Rubrik  unseres  Kapitels  deckt  sich  mit  1,  341 
rubr.,  nur  dass  a.  a.  O.  die  Worte  'sine  iussione  dominica' 
fehlen ;  diese  Worte  kehren  im  Texte  wieder,  scheinen 
aber  nicht  aus  dem  Text  in  die  Rubrik  gesetzt,  sondern 
durch  Umformung  der  Originalrubrik  (ed.  cit.  p.  262.  360)- 
gewonnen  zu  sein  ^.  —  Der  Text  deckt  sich  in  1,  341 
und  2,  382  bis  auf  eine  blos  grammatische^  und  auf  eine 
interessantere  Abweichung  :  statt  '(ca^Htali)  c  r  i  m  i  n  i 
(subiaceat)'  —  so  1,  341  und  das  Original!  —  interpoliert 
nämlich  Ben.  in  2,  382  'capitali  sententiae  subiaceat'. 
2,  382  b  Cqui  non  vult  legibus'  bis  Schluss)  scheint 
von  Ben.  hinzugefälscht  zu  sein'';  vgl.  Studie  VI,  115, 
N.  7.  Den  Satzanfang  'Dignum  est  .  .  .  ut'  hätte  Bene- 
dikt nicht  zum  ersten  Mal  an  dieser  Stelle  gewählt,  vgl. 
oben  2,  79.  

2,  383  =  oben  2,  97.  Ueber  gewisse  Abweichungen 
zwischen  beiden  Parallelkapiteln  ist  bereits  zu  2,  97  (N.  A. 
XXXIV,  353  f.)  gehandelt  (Inskription;  Mangel  der  Rubrik). 
Im  Text  weicht  2,  383  einigemal  von  2,  97  ab:  (Satz  l) 
'abstulit'  statt  'abstulerit' ;  (vorletzter  Satz)  'auf  vor  'ab- 
stulerit'  gestrichen ;  (letzter  Satz)  'Extorres "  namque  a 
liminibus  sanctae  matris  ecclesiae'  statt  'Infames  quoque' ; 
am  Schlüsse  beigefügt  'atque  infamia  notandae'. 


2,    384  —  391     aus    dem     erweiterten    Brevia- 

rium    Alaricianum     und     aus     der    Epitome 

Parisiensis    des    Breviars. 

2,  384  =  Brev.   Cod.   Theod.  7,  1,   1,    ed.    Mommsen, 

Theodosianus   p.   309^;    ed.    Haenel    p.    152.      Rubrik   von 


1)    Bis   hierher  übereinstimmend   mit  2,  370  inscr.  2)    Lautet: 

'Si  quis  ('De  eo,  qiif  cod.  E  11)  infra  proviucia(m),  ubi  dux  exercitum 
ordinaverit,  sine  ducis  iussione  (iussu)  aliquid  predaverit'.  "Wegen 
der  Aenderung  von  'provincia'  und  'dux'  vgl.  Studie  VI,  115.  3)  Vgl. 
über  die  Rubriken  der  lex  Bai.  can.  compta  im  Allgemeinen  Studie  VI, 
104,   N.  6.  4)    'domosque  infringere'   1,  341 ;    'domusque    infrangere' 

2,  382.  5)   Sachliche  Verwandtschaft   mit  der  Fälschung  zeigt  bis 

zu  einem  gewissen  Grade  c.  3  der  Capitula  incerta  (von  Lothar  I.  oder 
Ludwig  II.?),  MG.  Capit.  II,  97.  6)  Vgl.  N.  A.  XXXIV,  345  bei  und 
in  N.  7.         7)  Von  den  Lesai'ten  interessieren  vor  allem  die  der  Hss,  EO. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  503 

Benedikt.  Durch  Streichung  der  konkreten  Be- 
ziehungen im  Text  der  Vorlage  hat  Benedikt  die  gegen 
die  Plünderung  gerichtete  Norm  generalisiert.  Die  Ab- 
weichungen bei  Ben.  sind  folgende :  'cum  barbaris' 
hinter  'Si  quis'  und  'in  Romanos'  hinter  'depraeda- 
tionis',  ferner  'alio  modo'  hinter  dem  zweiten  'si  quis'  ge- 
strichen. Benedikts  Lesart  'conburatur'  zeigt,  dass  er  eine 
Breviar-Hs.  vor  sich  hatte,  die  mit  (HG)E(LS)  verwandt 
war;  die  übrigen  Hss.  (darunter  0)  schreiben  'amburatur'. 

2,  385  aus  Cod.  Theod.  16,  2,  40,  ed.  Mommsen 
p.  849  1.  3  —  6.  12  — 14;  in  den  Hss.  des  Brev.  auctum, 
deren  Benedikt  eine  vor  sich  hatte,  steht  die  const.  40  cit. 
bald  im  Titel  'I.'  als  siebtletzte  lex  (so  cod.  E),  bald  im 
Titel  'II.'  als  drittletzte  lex  (so  codd.  YD),  bald  im  Titel 
'III.'  als  viertletzte  lex  (so  cod.  O)^;  vgl.  zu  2,  385  oben 
1,  339  (bearbeitet)  und  insbesondere  2,  117.  Rubrik  von 
Benedikt  (anders  lautend  als  vor  den  Parallelkapiteln). 
Im  Text  teils  dieselben  Abweichungen  vom  Original 
wie  oben  2,  117  ('Ab  omnibus'  statt  'prima  quippe' ;  'sibi' [!] 
statt  'usibus';  'a  [fehlt  in  2,  117]  quibusdam  irruentibus' 
statt  'sordidorum  munerum  faece  [fasce]';  'Quod  si  quis 
praesumpserit'  statt  'Si  quis  contra  venerit') ,  teils 
andere  ('sacrorum'  statt  'secretorum' ;  'publicae'  statt 
'perpetuae' ;  'uretur'  [oben  2,  117  'damnetur' !]  statt  'ura- 
tur').  Ueber  die  hieraus  zu  ziehenden  Folgerungen  vgl. 
N.  A.  XXXIV,  363  zu  2,  117. 

2,  386  =  Brev.  Cod.  Theod.  9,  7,  1,  ed.  Mommsen 
p.  452  2,  ed.  Haenel  p.  180.  182.  Rubrik  von  Benedikt. 
In  dem  nicht  kurzen  Texte  nur  2  Differenzen  gegenüber 
dem  Brev.  auct. :  'in  iudicio'  hinter  'Qui'  gestrichen ;  'pro- 
vocation  i  s  sentent  i  a  .  .  .  suspendatur'  statt  'provoca- 
tio  n  e  sententi  am...  suspendatur'  (so  cod,  O ;  die 
andern  Hss.,  darunter  E,  'suspendat')^.  Während  fast  alle 
Hss.  des  Breviars  'placuit  si'  und  'vim  facere  temptavit' 
schreiben,  kommt  Ben.  mit  cod.  E  in  den  Lesarten  'placuit 
ut^  si'  und  'v.  f.  tentaverit'^  überein.  Also  erhellt 
wiederum,  dass  Ben.  einen  Verwandten  des  cod.  E  benutzte. 


1)  Vgl.    Mommsen,  Theodosianus  I,  1,   p.  XC.  2)  Vgl.   vorige 

Seite,  N.  7.  3)  Am  Schluss  des  Kapitels  ist  'parti'  in  MGr.  LL.  IIb, 

p.  95  a  1.  4  verdruckt  zu  'patri',  und  diesen  Druckfehler  hat  Migne 
XCVII,  795  getreulich  übernommen,  ßichtig  druckt  Baluze  Capit.  I,  998. 
4)  Mit  folgendem  accus,  c.  inf. !  —  Cod.  E  steht  mit  dieser  Variante 
unter  allen  Breviar-Hss.  allein.  5)  'tentaverit'  hat  ausser  cod.  E  nur 

noch  der  hier  nicht  interessierende  cod.  G. 


504  Emil  Seckel. 

2,  387  =  Brev.  Cod.  Theod.  6,  1,  2  i.  f.,  ed.  Mommsen 
p.  260^,  ed.  Haenel  p.  150.  Rubrik  von  Benedikt.  Im 
Text  'igitur'  hinter  'Si  quis'  gestrichen ;  'plene'  ^  statt 
'plane' ;  Schluss  interpoliert :  'qui  hoc  agere  temptaverit'  ^ 
statt  'qui  divina*  praecepta  neglexerit'. 

2,  388  =  Cod.  Theod.  16,  2,  29  Original  5,  ed. 
Mommsen  p.  844,  und  E  p  i  t  o  m  e  Parisiensis,  ed.  Haenel 
p.  248;  wörtlich  =  oben  2,  114.  Rubrik  von  Benedikt 
(einfach  aus  dem  Text  entnommen;  anders  vor  dem  angef. 
Parallelkapitel).  Im  übrigen  ist  lediglich  auf  N.  A.  XXXIV, 
362  zu  2,   114  zu  verweisen. 

2,  389  =  Cod.  Theod.  16,  2,  34  in.,  ed.  Mommsen 
p.  846 ;  in  den  Hss.  des  Brev.  auctum  steht  c.  34  cit.  bald 
unter  dem  Titel  'I.'  als  elftletzte  lex  (so  cod.  E),  bald  unter 
'II.'  als  sechstletzte  (so  codd.  YD),  bald  unter  'III.'  als 
siebtletzte  (so  cod.  0)^;  vgl.  oben  2,  116,  wo  der  Schluss 
des  Kapitels  von  der  Vorlage  abweicht.  Rubrik  von 
Benedikt  (anders  gefasst  als  oben  2,  116).  Text  wörtlich 
wie  im  Original,  bis  auf  zwei  für  den  Sinn  der  Norm  un- 
schädliche Streichungen  ('vel'  vor  'temeritate' ;  'sicut  etiam 
prius  constitutum  est'  hinter  'auri'). 

2,  390  =  Cod.  Theod.  16,  2,  47,  ed.  Mommsen 
p.  852;  in  den  Hss.  des  Brev.  auctum  figuriert'^  auch  c.  47 
jenachdem  im  1.,  2.  oder  3.  Titel  des  16.  Buches,  und  zwar 
durchweg  als  letzte  lex^;  vgl.  zum  ganzen  Kapitel  oben 
2,  111,  zum  Anfang  unten  3,  421b,  zum  Schluss  unten 
8,  422b.  Rubrik*  von  Benedikt  (anders  gefasst  als  vor  den 
Parallelkapiteln).  Der  Text  deckt  sich  mit  2,  111,  nur  dass** 
2,  390  in  den  Worten  'a  divis  principibus'  (2,  111  interp.: 
'a  singulis  regibus')  sich  noch  an  die  Vorlage  hält  und  von 


1)   Vgl.   S.  502,   N.  7.  2)    Kein  Druckfehler    der   Ausgaben. 

3)  Das  letzte  Wort   aus  2,  386?  4)    Diese  byzantinische  Bezeichnung 

der  kaiserlichen  Erlasse  wollte  Benedikt,  um  im  Kapitularienstil  zu 
bleiben,  seineu  Frankenkönigen  nicht  in  den  Mund  legen.  5)   In  den 

Hss.  des  Brev.  auctum  steht  c.  29  cit,  bald  im  Titel  '1.'  (so  cod.  E), 
bald  'IL'  (so  codd.  YD),  bald  'IIL'  (so  cod,  0)  und  zwar  überall  vor 
c.  31.   40   C.  Th.    16,  2;   vgl.    Mommsen   1.  c.  I,    1   p.  XC.  6)   Vgl. 

Mommsen,    Theodosianus   I,   1,   p.  XC.  7)    Cod.  0    bringt   den   Text 

nicht  in  der  Kürzung  des  echten  Theodosianus,  sondern  in  der  ursprüng- 
lichen Fassung  der  const.  Sirmond.  6,  die  auf  Benedikts  Text  keinen 
Einfluss   geübt   hat.  8)    Auf  die  Worte   'diversi'  (Text:  'divis')   und 

'statuerunt'  (aus  dem  Text  ergäbe  sich :  'constituerunt')  mag  die  Epit. 
Paris.  Brev.  C.  Th.  16,  2,  29  (vgl.  oben  zu  2,  111)  eingewirkt  haben. 
Woher   'inconvulsa'    stammt,   weiss   ich   nicht.  9)  Von  Minutien   wie 

Wortumstellungen  und  Verbalendungen  wird  hier  abgesehen. 


Stadien  zu  Benedictus  Levita.    Vn. 


505 


der  Interpolation  'circa  sacrosanctas  ecclesias'  noch  nicht 
infiziert  ist,  andererseits  auch  2,  111  in  dem  'etiam'  hinter 
'Clerici'  (das  in  2,  390  getilgt  ist)  die  ursprüngliche  Farbe 
bewahrt  hat.  Die  Breviar-Hs.,  die  Benedikt  kopierte,  war 
ein  Verwandter  der  codd.  YD.  Im  übrigen  vgl.  das  N.  A. 
XXXIV,  S.  361  zu  2,  111  Gesagte. 

2,  391  =  Brev.  Cod.  Theod.  16,  2,  38  Epitome 
Parisiensis,  ed.  Haenel  p.  248;  vgl.  oben  2,  103.  112.  (114. 
388),  unten  3,  421a.  (477).  Rubrik  von  Benedikt;  die  3 
ersten  Worte  decken  sich  mit  der  Eubrik  vor  2,  112  und 
mit  dem  Anfang  der  Rubriken  vor  2,  103.  3,  421.  Text- 
verhältnisse : 


Epit.  Paris. 
Ut    privilegia,    quae   ec- 
clesiis    et   clericis    lege    con- 
cessa  sunt,  valeant. 


Ben. 

Praecipimus\      ut 

privilegia,    quae   ecclesiis    et 

clericis   lege  ^  concessa   sunt, 

man  eant  ^    incorrupta^. 

In  2,  387 — 391  scheint  eine  Mischreihe  vorzuliegen, 
innerhalb  deren  je  die  Auszüge  aus  dem  Brev.  auctum 
(6,  1,  2.  16,  2,  34.  47)  und  aus  der  Ep.  Paris.  (16,  2,  29. 
38)  die  originale  Reihenfolge  innehalten.  Die  Kapitel 
2,  384 — 386  bilden  vielleicht  eine  kleine  Misch  -  Unterreihe 
für  sich,  innerhalb  welcher  das  erste  und  dritte  Stück 
einem  Verwandten  der  Breviar-Hs.  E,  das  zweite  Stück 
einem  Verwandten  der  codd.  YD  bzw.  den  Konzepten 
Benedikts  entnommen  ist. 


2,  392.    393    aus    der   Römischen    Synode    vom 
6.   Nov.    502    unter    Symmachus^. 

2,  392  aus  c.  2  med. ;  vgl.  unten  3,  142  i.  f.  Rubrik 
von  Benedikt.  Im  Text  hat  Benedikt  nicht  die  Fassung 
unserer  Ausgaben  vor  sich,  sondern  dieselbe  Fassung, 
deren    sich   auch    das  Conc.  Aquisgr.  836,    Epist.    ad  Pipp. 


1)  Vgl.  Cod.  Theod.  16,  2,  29  in.:  '.  .  ,  manere  inviolata,  adque 
incorrupta  .  .  .  praecipimus'.  Vgl.  oben  2,  103.  112,  unten 
S,  421a.  2)  Das  Wort  'lege'  ist  in  keines  der  Parallelkapitel,  welche 
die  Epit.  Paris,  benutzen  (2,  103.  112.  3,  421a?),  übergegangen.  Schon 
darum  ist  2,  391  nicht  aus  einem  der  Parallelkapitel  ausgeschrieben. 
Eher  könnten  2,  103.  112  unmittelbar  auf  2,  391  beruhen;  doch  steht 
dieser  Annahme  wohl  das  Anfangswort  'Praecipimus'  von  2,  391  im 
Wege.  8)   Jaffö  p.  98;  edd.:  Dionysio - Hadriana  (1609)  p.  570.  571; 

MG.  Auct.  ant.  XII,  446  1.  28  —  447  1.  2.  18.  19. 


506  Emil  Seckel. 

lib.  III  c.  26^  bedient  2.  Zwischenquelle  Benedikts  ist  das 
Aachener  Konzil  darnm  noch  nicht,  wie  die  richtige 
Aufeinanderfolge  der  zwei  Exzerpte  aus  der  Hömischen 
Synode  bei  Ben.  2,  392.  393  zu  ergeben  scheint ;  vgl.  auch 
unten  N.  4  zu  2,  393.  Seine  Vorlage,  d.  h.  den  modi- 
fizierten Text  der  Hadriana  mitsamt  seiner  grammatisch 
fehlerhaften  Formulierung^,  hat  Benedikt  nur  in  Neben- 
dingen gemodelt:  'enim'  hinter  'Iniquum  est',  'vel'  hinter 
'quae',  'pauperum  causa' (!)  hinter  'ecclesiae',  'a'  vor  'quibus' 
gestrichen. 

2,  393  aus  c.  2  gegen  Ende*;  vgl.  oben  1,  403  (inter- 
poliert), unten  3,  199  (ebenfalls  verfälscht);  s.  auch  unten 
3,  207  (andere  Verunechtung).  Rubrik  von  Benedikt  (ab- 
weichend von  den  Rubriken  der  Parallelkapitel).  Im  Text 
hat  Ben.  nur  den  Anfang  leicht  geändert  ('Laicis  quamvis 
religiosis',  entstanden  aus:  '.  .  .  quod  .  .  .  a  laicis  quamvis 
religiosis,  quibus'). 

2 ,  394  :  Quelle  unbekannt ;  vielleicht  Fälschung 
Benedikts  (gegen  den  Kirchenraub).  Satz  1  des  Textes 
(394a:  'Sacrilegi  sunt  ecclesiae  praedones')  klingt,  wie  wenn 
er  einem  Glossar^  entlehnt  wäre;  der  Satz  kehrt  unten 
2,  407d  Anfang  wieder.  —  Das  Zitat  in  der  Mitte  des 
Textes  (394b)  führt  sich  bei  Ben.  folgendermassen  ein: 
'Unde  et  in  concilio  Agathensi  sub  quarto  capitulo 
decretum  habetur  ita',  ist  aber  nicht  aus  dem  Conc.  Agath. 
506  (Migne  LXXXIV,  263  —  273)  entnommen,  sondern  aus 
dem  Conc.  Va  s  e  n  s  e  I.  442  c.  4  i.  f.  (Migne  LXXXIV, 
260);  die  bei  Ben.  angeführte  Stelle  ist  interpoliert  (Un- 
echtes kursiv): 

Ben.  Conc.  Vas. 

.  .  .  unde  et  quidam   pa- 
trum  ^   in    hoc    scriptis    suis '' 


1)    MGr.    Conc.    II,   766.  2)    Aachener   Konzil    und   Benedikt 

stimmen  in  Folgendem  gegen  das  Original  überein:  'his  (a)  quibus'  statt 
'iis  (oder:  bis)  quos  hoc' ;  'servari' statt '-re' ;  'auferri  et'  eingeschoben; 
'aliud'  statt    'alterum'  oder  'altitudine';    'transferri'    statt   'transfera(n)tur'. 

3)   'Iniquum  est  .  .  .,  ut auferri  et  in  aliud  transferri'.    Zu  dem 

'ut'  mit  accus,  c.  inf.  vgl.  oben  2,  386  (S.  508,  N.  4).  4)  Die  Benutzung 
des  Conc.  Aquisgr.  836  Cap.  III  can.  7  (MG.  Conc.  II,  719  oben)  ist 
hier  auch  durch  die  Lesarten  ausgeschlossen.  5)  Im  Corpus  glossario- 
rum  ist  freilich  nichts  Hergehöriges  zu  finden.  6)    Hieronymus,  gest. 

420.  7)    Epist.   52   ad   Nepotianum    (geschrieben   394)    c.   16,   Migne 

XXII,  539. 


Sti^dien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


507 


Ben. 


Conc.  Vas. 

inseruit    congruente    senten- 

tia,    qua    ait:    'Amico    quip- 

piam  rapere  furtum    est,    ec- 

clesiae  fraudare  sacrilegium'. 


Amico  quippiam  rapere 
furtum  est,  ecclesiae  vero 
fraudar?  vel  ahstralii  suhripi- 
que  sacrilegium. 

Vgl.  wegen  der  Hieronymus- Stelle  auch  oben  2,  370  f, 
unten  2,  407c.  —  In  dem  Schlusssatze  (2,  394c  'Omnes 
enim')  knüpft  Benedikt,  wie  es  scheint,  an  eine  Glosse^ 
an ;  vgl. 

Ben.  I  Gloss. 

Omnes      enim      contra  Sacrilegus     contra     leges 

leges  facien  tes faciens. 

sacrilegi   vocantur  .   .   .  - 

Für  die  übrigen  Worte  von  2,  394  c  ist  ein  quellen- 
mässiger  Anhalt  nicht  zu  ermitteln.  Zu  der  Verbindung 
von  Sacrileg  und  Infamie^  vgl.  Ben.  2,  97c ^.  370h. 


2,  895.     Rubrik  von   Benedikt. 

2,  395a  (bis  'sacerdotum')  aus  Conc.  Aquisgr.  836, 
Epist.  ad  Pipp.  Lib.  I  c.  32  (MG.  Conc.  II,  741  1.  11  sq.). 
Die  Bntwickelung  des  Satzes  ist  diese  ^.  In  letzter  Linie 
liegt  zu  Grunde  Levit.  27,  21: 

.  .  .    sanctificatus    erit  Domino  (ager)   et   possessio 

consec7'ata.  ad  ins  pestinet  sacerdotum. 
Daraus    fliesst    Conc.    Paris.    829    lib.    I    c.    15"   in.    (MG. 
Conc.  II,  622  1.  5  sq.) : 

Quod  autem   ea,   quae  Domino   sanctificabantur, 

ad  ins  pertinerent  sacerdotum,   legalia   instituta  ^  sanciunt. 


1)    Im  Glossar  des  Cod.  Vat.  3.321    (saec.  VII),   ed.  Goetz,  Corpus 
glossariorum  Latinorum  IV   (1889),  167   1.  11.  2)  Etwas  gesucht  will 

es  mir  scheinen,  wenn  ßaluze  II,  1232  mit  Benedikts  Worten  'Omnes 
enim  contra  leges  facientes sacrilegi  vocantur'  in  Be- 
ziehung setzt  Gregorii  I.  Registr.  9,  89  fin.  (MG.  Epist.  II,  102)  :  'Nam 
sacrilegium  et  contra  leges  est,  si  quis,  quod  venerabilibus  locis  relin- 
quitur,  pravae  voluntatis  studiis  suis  temptaverit  compendiis  retinere'. 
3)  Sie  findet  sich  auch  in  echten,  römischen  Quellen,  vgl.  Brev.  Cod. 
Theod.  8,  3,  1  (ed.  Mommsen  p.  401  sq.)  :  'non  modo  notabilis,  verum 
etiam  sacrilegus  iudicetur'.  4)  Dazu  N.  A.  XXXIV,  354.  5)  Kursiv 
ist  jeweils  gedruckt,  was  schliesslich  bei  Benedikt  wiederkehrt.  6)  Nicht 
5,  wie  bei  Knust  gedruckt  ist.  Knust  hält  unrichtig  bereits  den  Pariaer 
Kanon   für   die   unmittelbare    Quelle   Benedikts.  7)  D.  h.   eben   Lev. 

27,  21. 


Neues  Archiv  etc.   XXXV. 


33 


508  Emil  Seckel. 

Diese  Stelle  hat  dann  die  Eubrik    zu  Conc.  Aquisgr.  1.  c, 
c.  32  (MG.  Conc.  II,  726  1.  8  sq.)  vor  Augen : 

.  .  .  quod  ea,  qiiae  Domino  sanctificantur,  ad  ins  per- 

finennt  sacerdotuni. 
Endlich  schreibt  der  Text  des  zitierten  Aachener  Kanon  32 : 

.  .  .  ea,  quae  Domino  consecrantur^,   ad  ius  pertinesint 

sacerdotmn. 
Benedikt  schiebt   vor  'consecrantur'    ein:    'offeruntur^   vel' 
und  ändert  'pertineant'  zu  'pertinent'. 

2,  395b  scheint  eine  Paraphrase  von  2,  392  zu  sein,  vgl. 


2,  395b. 
Et    sacrilegi    sunt   omnes, 
qui  ea  aiiferunt  vel   in   aliud 
transferxint. 


2,  392. 
.    .    .    est    .    .    .    sacrilegii 

instar, auferri   et   in 

aliud  transferri. 


2,    396  —  399    aus    dem    Breviar    und    der 
Lex   Visigotborum. 

2,396  =  Brev.  Cod.  Theod.  6,  1,  2  interpr.^  (ed. 
Haenel  p.  150;  ed.  Mommsen  p.  260).  Rubrik  von  Bene- 
dikt. Im  Text  hat  Ben.  'vel  seniore'  hinter  'principe'  ein- 
geschoben und   aus  'sacrilegii  reus'  'sacrilegus'  gemacht. 

2,  397  =  Lex  Visig.  2,  4,  1  (Recc.  Erv.)^,  MG.  L. 
Visig.  p.  95 ;  vgl.  unten  3,  369  und  Cap.  Angilr.  c.  10  bis. 
Rubrik  anders  als  im  Original  und  anders  als  unten 
3,  369.  Unmittelbare  Vorlage  von  Benedikt  ist  An- 
gilr a  m ;  er  hat  am  Original  bereits  Folgendes  geändert : 
'sacrilegi,  raptores'  statt  'criminosi  sive' ;  'adulteri'  ein- 
geschoben ;  'magosque'  statt  'divinosque' ;  'ad  accusationem 
vel'  eingeschoben  —  lauter  bedeutsame  Interpolationen. 
Ben.  2,  397  und  3,  369  sind  aus  Angilram  abgeschrieben 
und  zwar  wörtlich  bis  auf  eine  ganz  untergeordnete  Ab- 
weichung ('concurrerint'  Original  und  Ang. ;  'decucurrerint' 
2,  397;  'cucurrerint'  3,  369). 


1)  Vgl.  Levit.  27,  28  :  'Omne,  q  u  od  D  o  m  i  n  o  c  o  n  s  e  c  r  a  t  u  r  .  .  .'. 
2)  Vielleicht  war  auf  die  Wahl  dieses  Ausdrucks  von  Einfluss  Numeri 
5,  9  ('.  .  .  primitiae,  quas  offerunt  filii  Israel,  ad  sacerdotem  pertinent') 
oder  Conc.  Aquisgr.  1.  c,  c.  34  in.,  MG.  Conc.  II,  741  1.  85  sqq.  ('.  .  . 
quicquid  ad  sanctuarium  Domini  .  .  .  offertur  .  .  .,  sacerdotis  sint  et 
ad  eius  ius   pertineant').  3)    Bei  Knust   S.  25   ('Cod.  Theod.  9,  10,  1 

interpr.')    muss    irgend    ein    Irrtum    untergelaufen    sein.  4)    Knusts 

Quellenangabe    (Pseudoisidor- Zitat!)    bedeutet   einen   Rückschritt  gegen- 
über Baluze,  der  bereits  zutreffend  auf  die  Lex  Visig.  hingewiesen  hatte. 


Studien  zu  Beneclictus  Levita.    VII.  509 

2,  398  =  Brev.  Cod.  Theod.  9,  30,  1  interpr.^ 
(ed.  Haenel  p.  204  ;  ed.  Mommsen  p.  501) ;  vgl.  Cap. 
Angilr.  c.  1  bis.  Rubrik  von  Benedikt.  Text  in  Einzel- 
heiten retouchiert :  'confiteatur'  -  statt  'fateatur' ;  'per  inno- 
centes'  statt  'vel  (aut)  per  innoc' ;  'vel  socios'  statt  'vel 
per  conscios' ;  insbesondere  aber  wird  die  Norm  verall- 
gemeinert (also  auch  auf  den  Prozess  gegen  Bischöfe  v^egen 
beliebiger  Verbrechen  anwendbar  gemacht)  durch  Streichung 
der  im  Original  auf  'criminis  sui'  folgenden  Worte:  'aut 
homicidium  aut  adulterium  aut  maleficium  commisisse'.  — 
Angilram^  beruht  hier  nicht  auf  dem  Original,  sondern 
auf  Benedikt  (vgl.  Note  2);  er  hat  Benedikts  Schlussworte 
'convictus  —  convincatur'  gekürzt,  um  die  'socii  criminis' 
aus   der  Reihe    der   zulässigen  Beweismittel   zu    streichen^. 

2,  399  Text  wörtlich  =  2,  360;  vgl.  was  oben  S.  475 
zu  letzterem  Kapitel  ausgeführt  ist.  Die  Rubrik  weicht 
von  den  Rubriken  der  Parallelkapitel  ab. 


2,  400:  vgl.  oben  2,  310;  unten  3,  175  (weiter  inter- 
poliert aus  einer  bekannten  Quelle)  und  3,  224  in.  Rubrik '" 
und  Anfang  von  2,  400  =  Conc.  Arelat.  I.  314  c.  17  Hisp. 
(Migne  LXXXIV,  240)^;  Abweichungen  unbedeutend  (in 
der  Rubrik:  'Ne  episcopus  quilibet'  statt  'Ut  nullus  epi- 
scopus'  ;  im  Textanfang :  'conculcet  episcopum'  "'  statt 
'e.  c'  ^).  Wegen  der  Schlussworte  'nee  eum  —  parrochia' 
vgl.  oben  S.  454  zu  2,  310''.  Ihre  Grundform  liegt  in 
2,  310  vor;  in  2,  400  ist  hinzugefügt  'in  sua  parrochia' ^^, 
in  3,  175  'in  sua  parrochia  veP^  alicubi' ^^ 

1)  Vgl.  oben  1,  308,  unten  ;3,  170,  wo  die  Epitome  Aegidii  benutzt 
ist.  —  Auch  hier  (vgl.  S.  508,  N.  4)  hat  Knust,  statt  den  Hinweis  von 
Baluze  auf  das  Breviar  zu  übernehmen,  ein  abwegiges  Pseudoisidor- Zitat 
in  seine  Tabula  fontium  gesetzt.  2)  So  auch  Angilram.  3)  Quelle 

von  Ben.  2,  898   kann   er   nicht   sein.  4)    Ueber   die  Tendenz   dieser 

Fälschung  vgl.  Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  105  zu  Ben.  1,  309.  Vgl. 
ferner  die  Auslassung  der  Worte:  'Et  si  per  multitudinem  commissum 
dicetur,  si  non  omnes,  possunt  tarnen  aliquanti  cognosci,  quorum  c  o  n  - 
fessione  sociorum  uomina  publicentur'  (Cod.  Theod.  16,  2,  31,  ed. 
Mommsen  p.  845  1.  8—11)  bei  Ben.  2,  115.  406.  5)  Die  Rubrik  kann 
Benedikt  auch  unabhängig  von  der  Originalrubrik  aus  dem  Textanfang 
gebildet    haben.  6)    Knust   zitiert    noch   Conc.    Herudf.    c.    8    (Bruns 

II,  310) ;  doch  kommt  dem  Kanon  der  Wert  nicht  einer  Quelle,  sondern 
höchstens  einer  Parallele  zu.  7)  So  auch  Ben.  3,  175.  8)  So  noch, 
dem  Original  getreu,  Ben.  2,  310.  3,  224.  9)  Zu  der  Wendung  'aliquod 
ei  incommodum  faciat'  kann  ich  bei  der  Korrektur  nachtragen :  vgl.  etwa 
auch  Conc.  Aquisgr.  816,  Inst,  canonic.  c.  119  (MG.  Conc.  II,  399  1.  16)  : 
'e/s  aliqiiid  incommodum  /"ecerinf.  10)   Vgl.   dazu  etwa   die  Worte   'in 

cuius  parrochia'  in  der  Interpolation  von  2,  100  (N.  A.  XXXIV,  356 
unten).         11)  Vgl.  Ben.  2,  308  rubr.  i.  f. 

33* 


510 


Emil  Seckel. 


2,  401  =  Conc.  Sardic.  343  c.  4  nach  dem  Anfang, 
Dion.-Hadr.  (ed.  1609  p.  160);  vgl.  unten  3,  103.  Rubrik 
von  Benedikt.  Abweichungen  im  Text  meistens  gering- 
fügig ('Si  quis' ^  statt  '.  .  .  ut  cum  aliquis';  'iudicio' ^ 
statt  'in  iudicio' ;  ferner  2  Wortumstellungen-).  Charak- 
teristisch ist  aber  die  Streichung  der  im  Original  ^ 
auf  das  erste  'depositus'  folgenden  Worte :  'fuerit  eorum 
episcoporum  iudicio,  qui  in  vicinis  locis  commoran- 
tur  et' ;  über  die  Tendenz  dieser  Streichung  vgl.  oben 
S.  499,  N.  1  zu  2,  381p. 


2,  402.  Dieses  vielbesprochene  Kapitel  ist  entweder 
einer  unbekannten  Quelle  entnommen  oder  von  Benedikt 
selbst  mit  Hülfe  der  Bibel  zurechtgemacht. 

2,  402a  =  3,  331a  (bis  'multata  sit')  gebildet  unter 
Verwertung  von  Numeri  12,  8.  1.  10: 


Num. 


:    Quare    ergo 

d  e  t  r  a  here  '^ 

u  1  o  •*)    meo 


12,    8    i.   f. 
non    timuistis 
servo    (=    f  a  m 
Moy  si? 

12  ,  1  i.  f .  :  p  r  o  p  t  e  r 
uxorem  eins  Aethiopis- 
s  a  m. 

12,  10  med.  :  et  ecce 
Maria  apparuit  candens 
1  e  p  r  a. 


Ben. 

Quod  Omnibus^  fidelibus 
omnibusque  ordinibus  sum- 
mopere^  cavendum^  sit,  ne^ 
clanculo  aut  publice  u  n  c  - 
tum  D  o  m  i  n  i  "^  detractio- 
nibus  et  vituperationibus 
dilanient,  perpendentes  illud 
exemplum  Mari  ae,  quae  ^ 
eo  ',  quod  'Moysi  famulo* 
domini 

propter  Aethiopissam 


d  e  t  r  a  xit ,     inmunditia  ^ 
1  e  p  r  ae  ^  multata  ^  sit. 


1)  Ebenso  Ben.  :],  103,  wo  die  Grundform  unseres  Kapitels  vor- 
zuliegen scheint.  2)  Bei  Ben.  3,  103  ist  die  Wortfolge  noch  die 
originale.  S)  Vgl.  unten  bei  Ben.  4)  Der  Verfasser  des  Stücks 
wird  eine  andere  Uebersetzung  als  die  Vulgata  vor  sich  gehabt  haben; 
Sabatier  I,  288  druckt  eine  alte  Versio  ab,  die  in  der  Tat  'detrahere  de 
famulo  meo'  schreibt.  5)  Der  Anfang  zeigt  entfernte  Anklänge  an 
Conc.  Paris.  VI.  829  lib.  III  c.  2  (MG.  Conc.  11,  670  1.  16.  17) :  '.  .  . 
Omnibus  Christianis  intellegendum  et  observandum  est,  ut  s  u  m  m  o  - 
pere  ab  his  se  caveant,  ne  .  .  .'.  6)  Vgl.  zu  2,  402 d.  7)  Die  6 
mit  der  NotenzifFer  7  versehenen  Wörter  erinnern  an  Conc.  Paris.  829 
Lib.  I  c.  47  (MG.  Conc.  II,  641  1.  23.  24):  'qui  (pro)  eo,  quod  .  .  ., 
leprae  inmunditia  .  .  .  multari  (meruit)'. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  511 

Mehr  lässt  sich  über  die  Quellen  nicht  sagen.  Wenn 
Hinschius  p.  CXIII.  CLII  sq.  auf  I  s  i  d  o  r  von  Sevilla, 
Epist.  4  ad  Massonam  §  10  (Migne  LXXXIII,  901)^  und 
Alleg.  sacr.  Script.  §  61.  62  (1.  c.  col.  109)-  hinweist,  so 
ist  dem  gegenüber  einfach  zu  konstatieren,  dass  die  Stellen 
aus  Isidor  kein  einziges  Wort  ^  enthalten,  das  Benedikt 
der  biblischen  Erzählung  nicht  direkt  entlehnt  haben 
könnte,  und  dass  bei  Isidor  Worte  fehlen,  die  Benedikt 
der  Bibel  entnommen  hat  ('unctum  Domini',  'famulo', 
'propter',  'detra[xit]').  Jene  Stellen  sind  also  höchstens 
Parallelen,  an  denen  es  auch  sonst  nicht  mangelt^.  — 
Simson  '"  behauptet,  unser  Kapitel  sei  gearbeitet  nach  dem 
Stücke  'Quodsi  David',  das  hinter  dem  falschen  Briefe 
Gregors  IV^.  (Jaffe  2579)  in  den  Actus  pontificum  Ceno- 
mannis  in  urbe  degentium  *'  steht.  Der  Ben.  2,  402  a  ent- 
sprechende Passus  des  Stückes  deckt  sich  fast  wörtlich  mit 
unserem  Teilkapitel  ('Dei'  vor  'ordinibus'  eingeschoben; 
'auf  ^  statt  'et' ;  'pro  eo'  '•  *  statt  'eo').  Da  die  Erörterung 
'Quodsi  David'  vor  Erscheinen  der  Actus  nirgends  begegnet, 
die  Actus  aber  erst  nach  Pseudoisidor  erschienen  sind  ^, 
so  hat  umgekehrt  Benedikt  (nebst  Pseudoisidor)  als  Quelle 
der  Actus  zu  gelten  ^°.  —  Die  Annahme  von  Baluze  und 
Knust,  dass  Benedikt  aus  Pseudo- Gregor.  I.  ad  Felicem 
(ed.  Hinschius,  Decr.  pseudois.  p.  750)  geschöpft  habe,  ist 
nur  dann  diskutabel,  wenn  dieser  in  mancher  Hinsicht 
rätselhafte^^  unechte^-  Brief  (Jaffe  1334)  älter  ist  nicht  nur 


1)  'Nam  legitur,  quod  Maria  soror  Moysi  prophetissa,  dum 
obtrectationis  adversus  Moysem  incurrisset  delictum ,  illico  stigmate 
leprae    perfusa    est'.      Kehrt    wieder    in    der    Coli.    Hibernensis    11,    6. 

2)  'Maria  soror  Moysi  synagogae  speciem  praetulit,  quae  leprosa 
propter  detractionem  et  niurmurationem  contra  Christum  exstitit.  Uxor 
Moysi  Aethiopissa  figuravit  ecclesiam  ex  gentibus  Christo  coniunctam'. 

3)  Abgesehen  höchstens  von  dem  Substantiv  'detractio' ;  doch  begegnet 
dieses  "Wort  in  Erörterungen  über  die  Pflichten  der  Untergebenen  gegen 
die  Priester  auch  sonst,  vgl.  z.  B.  Conc.  Paris.  829  lib.  I  c.  19  (MGr. 
Conc.  II,  625  1.  16),  und  das  Verbum  'detrahere'  steht  Numeri  12,  8  cit. 

4)  Irische  Kanonensammlung  37,  5b  (ed.-  Wasserschieben  S.  183):  'Gildas. 
Adsentiente  Aaron  in  culpando  Moi/se  propier  uxorcm  Äethiopissam  lepra 
Maria  damnatur ;  quod  nobis  ^wiendum,  qui  bonis  principibus  detrahixam 
propter  mediocres  culpas'.  (Das  kursiv  Wiedergegebene  deckt  sich  mit 
Xum.  12,  1.  8.  10).  Vgl.  auch  ebenda  37,  27  (p.  188) :  'exemplo  Mariae 
contra  Moysen  murmurantis'.  5)  Simson ,  Entstehung  der  pseudo- 
isidorischen  Fälschungen  S.  48,  N.  1.  6)  edd.  G.  Busson  et  A.  Ledru 
in  den  Archives  historiques  du  Maine  II  (1901),  326.  7)  So  auch 
Pseudoisidor  (s.  u.).  8)  So  auch  Ben.  3,  331.  9)  Vgl.  Seckel,  Art. 
Pseudoisidor  S.  277  f.  10)  Vgl.  Seckel  a.  a.  0.  S.  278  Z.  51  fi. 
11)  Vgl.  Seckel  a.  a.  0.  S.  271/2.  12)  Darüber  sind  alle  neueren 
Forscher  einig. 


512 


Emil  Seckel. 


als  Pseudoisidor,  sondern  auch  als  Benedictus  Levita.  Die 
heute  herrschende  Ansicht  legt  aber  den  Brief  Pseudoisidor 
selbst  bei  ^  und  nach  richtiger  Ansicht  ist  Pseudoisidor 
jünger  als  Benedictus  -.  Freilich  darf  nicht  verschwiegen 
werden ,  dass  der  Baluze  -  Knustschen  Annahme  eine 
Autorität  vom  Range  Maassens  zu  Hülfe  zu  kommen 
scheint  -^ 

2,  402b  ('Et  illud  psalmistae')  =  3,  331b:  wörtlich  = 
Psalm.  104,  15  (=  1.  Paral.  16,  22). 

2,  402  c   ('Et  dominus   per  Moysen   ait'):    wörtlich   = 
Exod.  22,  28. 

2,  402 d   ('Et   si    David'):    entwickelt   (was   bisher   un- 
bemerkt blieb)  aus  1.  Regum  26,  9  oder  24,  7: 

1.  Eeg.  26,  9.  !  Ben. 

Et    dixit    David...:!         David.. 
'.    .    .    quis    enim    extendet  ^    .    .    .     m  a  n  u  m 

non     praesumpsit 


enim 
(=  m  i  1 1  et)  m  a  n  u  m  suam 
i  n  Christum  (=  u  n  c  t  u  m  ^) 
domini   et   innocens  erit?' 


1.  Reg.  24,  7. 
Dixitque  (David)  .  .  . : 
'.  .  .  ne  faciam  hanc  rem 
domino  meo,  christo  do- 
mini, ut  m  i  1 1  am  •"  m  a  - 
num  meam  in  eum,  quia 
Christus  domini  est'. 


in  Saul 
m  i  1 1  ere 
.  .  .  ne 
m  a  n  u  m  quidam  m  i  1 1  ant 
in      unctum°      domini 


1)  So  Blondel,  Knust,  insbesondere  Hinschius  p.  CVII  sq. ;  vgl. 
ferner  z.  B.  Sdralek,  Hinkmars  von  Rheims  kauonistisclies  Gutachten  über 
die  Ehescheidung  des  Königs  Lothar  II.  (1881)  S.  133  f.,  L.  M.  Hart- 
mann, MG.  Epist.  II,  p.  XXII.         2)  Seckel  a.  a.  O.  S.  304  (mit  Zitaten). 

3)  Maassen,  Gesch.  der  Quellen  I,  786  setzt  nämlich  die  planlose 
Sammlung  der  Hs.  von  Fecamp,  die  den  falschen  Gregorbrief  Jaäe  1334 
(Maassen  a.  a.  O.  S.  -41 6)  enthält,  etwa  in  den  Anfang  des  9.  Jh.  Doch 
dürfte  hier  ein  Versehen  auf  Seiten  Maassens  vorliegen ;  denn  hätte  sich 
Maassen  der  zweifelhaften  Chronologie  des  Schreibens  erinnert,  so  hätte 
er  es  nicht  ohne  jede  Begründung  dem  7.  oder  8.  Jh.  zuweisen 
dürfen.  In  Konsequenz  der  herrschenden  Meinung  wird  die  Sammlung 
der    Hs.   von    Fecamp    in    die    2.   Hälfte    des   9.  Jh.    herabzurücken   sein. 

4)  Vgl.  auch  1.  Reg.  26,  11:  'ne  extendam  manum  meam  in  christum 
domini';  ähnlich  ebenda  Vers  28.  5)  Vgl.  S.  510,  N.  6  zu  2,  402a. 
Sabatier  II,  511  notiert  zu  1.  Reg.  24,  7  eine  alte  Uebersetzung :  'Non 
iniciam  manum  meam  in  unctum  domini'.  6)  Vgl.  die  Wiederholung 
in  1.  Reo-.  24.  11  fin. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  513 

Die  von  Hinschius  p.  CLIII  angezogene  Stelle  aus  Gregor. 
M.  Eeg.  past.  3,  i  (Migne  LXXVII,  55  sq.)^  ist  wiederum 
nicht  Quelle,  sondern  Parallele.  —  üeber  das  Verhältnis 
zu  den  Actus  pont.  Cenom.-  gilt  Entsprechendes  wie  oben 
zu  2.  402a;  ebenso  über  die  Beziehungen  zu  Pseudoisidor 
(Greg,  ad  Felic  p.  750  Mitte). 


2,  403.  Eubrik  von  Benedikt;  ebenso  die  Urheber- 
angaben 2,  403  a  ("Constantinus  imperator  de  accusationibus 
episcoporum  ait)  und  2,  403b  ('Imperator  quoque  Valen- 
tinianus  de  episcoporum  causis  sie  ait").  Den  Text  der 
kaiserlichen  Aeusserungen  hat  Benedikt  aus  kirchen- 
historischen Werken  entnommen,  und  zwar 

2,  403a  ('Hae  —  ab  aliis)  zweifellos  aus  Cassiodorius, 
Hist.  trip.  2,  2  (Migne  LXIX,  922  C),  mit  4  unter- 
geordneten Varianten ;  vgl.  Cap.  Angilr.  c.  51a; 

2,  403b  ('Supra  nos,  inquit,  est  vestrum  negotium,  et 
ideo  vos  de  vestris  inter  vos  agite  causis,  quia  supra  nos 
estis')  schwerlich  '^  aus  Cassiodorius  1.  c.  7,  8  ^  (Migne 
LXIX,  1073  C),  sondern  vielmehr  aus  einer  anderen  Er- 
zählung desselben  Vorgangs.  Am  Ende  stellt  sich  heraus, 
dass  Ben.  hier  und  oben  1,  397^  eine  uns  unbekannte 
Kirchengeschichte  zur  Hand  hatte  ^. 


1)  [==  Conc.  Aquisgr.  816,  Institutio  canon.  c.  103  (MG.  Conc. 
II,  379  1.  9 — lÖ)]:  '.  .  .  Cumque  eum  (David)  viri  sui  ad  feriendum 
Saul  accenderent ,  fregit  eos  responsionibus ,  quia  maniim  mittere  in 
Christum  domini  non  deberet.  Qui  tarnen  occulte  surrexit  et  oram 
chlamydis  eius  abscidit.  Quid  enim  per  Saul  nisi  mali  rectores,  quid  per 
David  nisi  boni  subditi  designantur  ?  Saul  igitur  ventrem  purgare  est 
pravos  praepositos  conceptam  in  corde  malitiam  usque  ad  opera  miseri 
odoris  extendere  et  cogitata  apud  se  noxia  factis  exterioribus  exsequendo 
monstrare.  Quem  tarnen  David  ferire  metuit,  quia  piae  subditorum 
mentes  ab  omni  se  peste  obtrectationis  abstinentes  praepositorum  vitam 
niillo  linguae  gladio  percutiunt,  etiam  cum  de  imperfectione  reprehendunt'. 
2)  "Wörtlich  mit  Ben.  übereinstimmend  bis  auf  'Quodsi'  statt  'Et  si' ;  'seu' 
statt  'sive' ;    'vel'  statt  'et'    —    lauter  Lappalien.  3)    A.  M.  Hinschius, 

Decr.  pseudois.    p.  CLXXIII.  4)  Die  Stelle  lautet  hier :  '  S  u  p  er  vo  s 

est,  inquit,  talis  electio.  Vos  enim  gratia  divina  potiti  et  illo  splen- 
dore  fuloentes  melius  poteritis  eligere'.  —  Knust  zitiert  aus  Versehen 
Hist.  trip.  8,  12.  ö)  Vgl.  Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  131.  6)  Genau 
denselben  Ausspruch  'Supra  nos  —  estis'  aus  Valentinians  Munde  will 
Deusdedit,  Libellus  contra  invasores  Cap.  1  n.  10  (MG.  Lib.  II,  351 
1.  3),  'in  historia  Anastasii'  (gest.  879!)  vorgefunden  haben.  Bei  Ana- 
stasius  findet  sich  die  Stelle  nicht  (vgl.  Sackur  in  MG.  1.  c.  N.  1). 
Sackur  meint,  Deusdedit  zitiere  hier  aus  dem  Gedächtnis  eine  dem  Sinne 
nach  ähnliche  Stelle  des  Anastasius.      Davon   kann   natürlich   keine  Rede 


514  Emil  Seckel. 

2,  404.  Eubrik  und  Satz  1  (2,  404  a  'Omnibus  — 
alienant'  ^)  von  Benedikt.  Im  Uebrigen  ist  das  umfäng- 
liche Kapitel  fast  wörtlich  kopiert  aus  Conc.  Aquisgran. 
8-86/7,  Epistola  ad  Pippinum  regem  directa,  Lib.  III  c.  5 
—  8  (MG.  Conc.  II,  760  sq.),  und  zwar 

2,  404  b  ('Unde  —  tollere')  =  Epist.  cit.  III,  5  (74) 
zweite  Hälfte-.  Eine  Abweichung:  'Unde  et  beatissimus' 
statt  'De  quo  beatus'.  Wenn  die  Benedictusausgaben  von 
Baluze  und  Pertz  am  Schluss  des  Teilstücks  die  Worte 
'qui  ausus  fuerit'  einschieben,  so  hat  es  damit  folgende 
Bewandtnis.  Diese  Worte  fehlen  in  einem  Teil  der  Hss. 
(Cod.Vat.  Pal.  583)  und  in  der  alten  Ausgabe  des  Pithoeus; 
sie  sind  aus  dem  Original  (Augustinus  1.  c.)  schon 
früh  (Cod.  Gothanus)  in  gewisse,  noch  festzustellende,  Hss. 
des  Benedictus  übergegangen. 

2,  404  c  CQui  aliquid  —  aequiparet')  ^  =  Epist.  cit. 
III,  6  (75).  Benedikt  schaltet  vor  'furatur'  die  Worte 
'aufert  vel'^  ein. 

2,  404 d  ('Et  post  pauca:  Quare  —  testantur')  =  Epist. 
cit.  III,  7  (76)5.     Ohne  Variante. 

2,  404  e  ('Omnes  —  salvatoris')  =  Epist.  cit.  III,  8 
(77)  in.'^     Ebenfalls  wörtlich  wie  in  der  Vorlage. 


2,  405.  Rubrik  von  Benedikt  (aus  dem  Text  2,  405  a). 
Der  Verfasser  des  Kapitels  —  vermutlich  kein  anderer  als 
Benedikt  selbst  —  war  bibelkundiger  als  die  bisherige 
Benedictus  -  Forschung '.     In  der  ersten  Hälfte  (2,  405  a 


sein ;  denn  entweder  muss  Deusdedit  dieselbe  Quelle  wie  Benedikt  oder, 
was  bis  auf  Weiteres  wahrscheinlicher  ist,  Benedikt  sellist  benutzt  haben. 
1)  Das  Initium  'Omnibus  sciendum  est'  findet  sich  bei  Ben.  nur  hier;  die 
Umstellung  'Sciendum  est  omnibus'  begegnet  häufig,  vgl.  S.  520,  N.  3 
zu  2,  414.  —  Die  Bezeichnung  der  Kirchenräuber  als  'sacrilegi  fures' 
stammt  aus  Augustinus  bzw.  Conc.  Aquisgr.  836  7  (unten  2,  404b.  c;  vgl. 
2,  405  b.  407g).  —  Zu  'res  ecclesiae  diripere,  vastare,  invadere,  alienare' 
vgl.  unten  S.  525,  N.  1—4  zu  2,  426.  —  Zu  'a  iure  ecclesiarum  alienare'  vgl. 
Conc.  Aurel.  541  c.  19  (MG.  Conc.  I,  91).  2)  Vorquelle :  Augustinus,  Trac- 
tatus  50.  in  evang.  lohannis  §  10  (Migne  XXXV,  1762).  3)  Vorquelle 
des  ersten  Satzes  ('Qui  aliquid  —  comparatur') :  Augustinus  1.  c.  4)  Die 
Worte  fehlen  sowohl  in  der  Zwischenquelle  (Conc.  Aquisgr.  Epistola)  als 
im  Original  (oben  N.  3).  5)  Vorquelle  des  Anfangs:  Augustinus  1.  c. 

§  11  (Migne  1.  c).  6)  Voi-quelle:  Hieronymus,  Comment.  in  Matthaeum 
28,  12  sq.  (Migne  XXVI,  226).  7)  Knust  meint,  2,  405  sei  'secundum 
Ben.  2,  395  (Conc.  Paris.  829  I.  c.  15).  404  (Conc.  Aquisgr.  S36  7 
Epistola  III  c.  5 — 8)'  gebildet!  Jaffe  f  357  notiert  nicht  einmal  Bene- 
dictus als  älteste  Sammlung. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  515 

'Nulli  —  sacerdotum')  rühren  nur  die  i  ersten  Worte  von 
Benedikt  her;  alles  Uebrige  ist  beinahe  wörtlich  der  Bibel 
entnommen  und  zwar  a)  'omne  quod  —  erit  domino'  = 
Levit.  27,  28;  Benedikt  streicht  hinter  'ager'  den  Haupt- 
satz 'non  vendetur  nee  redimi  poterit'  und  ersetzt  ihn 
durch  'vel'  ;  ß)  'ad  ius  pertinet  sacerdotum'  =  Levit. 
27,  211.  _  Die  zweite  Hälfte  (2,  i05b  Tropter  quod  — 
sacrilegus')  scheint  im  Allgemeinen  des  Quellenanhalts  zu 
entbehren ;  wegen  'usque  ad  .  .  .  ecclesiae  .  .  .  satisfac- 
tionem'  vgl.  oben  2,  370  h  nebst  Note  2.  370  k,  nuten 
2,  407d.  3,  433;  zu  'für  sacrilegus'  vgl.  oben  2,  404  b.  c 
(Conc.  Aquisgr.). 

2,  406  aus  Cod.  Theod.  16,  2,  31,  ed.  Mommsen  p.  845 
1.  1 — 4.-  13 — 21;  const.  31  cit.  ist  aus  dem  echten  Theodo- 
sianus  übergegangen  in  das  Benedikt  zugängliche  Brevia- 
rium  auctum  der  Hss.  E  (tit.  I),  YD  (tit.  II),  O  (tit.  111)3; 
vgl.  oben  2,115.  Eubrik  von  Benedikt  (lautet  anders  als 
oben  2,  115).  Der  Text  von  2,  406  deckt  sich  fast  völlig 
mit  dem  Texte  von  2,  115.  Eine  Differenz  besteht  nur 
in  den  Worten :  'aliquid  i  m  p  ortet  iniuriae  v  e  1  inf erat 
ad  divini  cultus  iniuriam,  .  .  .'  (2,  406),  bezw. :  'aliquid, 
quod  non  oportet,  iniuriae  inf  erat;  divini  cultus  iniuriam 
.  .  .'  (2,  115).  Das  Original  schreibt:  'aliquid  in p ortet 
iniuriae  (1.  3.  4),  quod  geritur,  litteris  ordinum  .  .  .  defe- 
ratur  in  notitiam  potestatum  .  .  .  adque  ita  provinciae 
moderator  sacerdotum  .  .  .,  loci  quoque  ipsius  et  (1.  4 — 13)"^, 
divini  cultus  iniuriam'  (1.  13.  14)  u.  s.  w.  Ben.  2,  406  steht 
also  zu  Anfang  des  fraglichen  Passus  dem  Original  näher 
als  Ben.  2,  115.  Im  üebrigen  ist  auf  das  zu  2,  115  Gesagte 
zu  verweisen  (N.  A.  XXXIV,  362  f.). 


2,  407.  Fälschung  Benedikts,  teilweise  selbständig 
stilisiert,   teilweise    aus  fremden  Lappen  zusammengeflickt. 

2,  407a  ('Omnia  quae  —  sacerdotum').  Zu  'Omnia, 
quae  domino  offeruntur  .  .  .  consecrantur'  vgl.  oben  2,  395  in. 


1)  Möglicherweise  tiat  Ben.  die  beiden  Bibelstellen  in  2,  405  a  aus 
derselben  Zwischenquelle  bezogen  wie  den  Text  von  2,  404;  Levit.  27, 
28.  21  stehen  nämlich  im  Conc.  Aquisgr.  836/7,  Epist.  ad  Pipp.  Lib.  I 
c.  32,  IMG.  Conc.  II,  741    1.  12  ff.  7.  2)  Wegen   der  Auslassung   des 

Folgenden   vgl.    oben   S.  509,    N.  4   zu   2,  398.  3)   Vgl.    Mommsen, 

Theodosianus  I,  1,  p.  XC.  4)  'quod  geritur  —  ipsius  et'  (1.  4 — 13)  bei 
Ben.  weggelassen,  bzw.  ersetzt  durch  'vel  inferat  ad'  (2,  406)  oder  'in- 
ferat'  (2,  115). 


516  Emil  Seckel. 

405  in.  nebst  Quellenangaben.  —  Bei  Aufzählung  der  Be- 
standteile des  Kirchenguts  ('sive  in  mancipiis'  u.  s.  w.) 
hält  sich  Benedikt  an  die  üblichen  Sachenkataloge  der  Ur- 
kunden ^  Aus  Zeumers  Formulae  lassen  sich  belegen  die 
mancipia-,  agri,  vineae,  silvae,  prata,  aquae  aquarumve 
decursus,  libri  (MG.  Form.  p.  480  1.  28),  utensilia  (p.  86 
1.  2 ;  p.  203  1.  39),  aedificia,  vestimenta  (p.  282  1.  33 ;  p.  480 
1.  28),  pecora,  pascua,  mobilia  et  immobilia;  dagegen  finden 
sich  überhaupt  nicht  oder  wenigstens  nicht  in  Sach- 
aufzählungen die  artificia,  petrae,  pelles,  lanificia,  mem- 
branae.  —  Die  Herkunft  der  Wendung  'ad  ins  pertinent 
sacerdotum'  ist  oben  zu  2,  395  und  405  nachgewiesen  (Levit. 
27,  21  nebst  Ableitungen). 

2,  407b  ('Et  quia  —  tolluntur').  Die  Worte  'Christum 
et  ecclesiam  unam  personam  esse'  sind  wörtlich  dem  Conc. 
Aquisgr.  836  7,  Epist.  III,  7  (MG.  Conc.  II,  760  1.  33)  bzw. 
Augustinus  (vgl.  oben  zu  2,  404 d)  entnommen;  ebenso 
(wenigstens  beinahe  wörtlich)  die  durch  Interpolationen 
unterbrochenen  Kernworte  unseres  Teilkapitels :  'quaecum- 
que  ^  ecclesiae  sunt,  Christi  sunt ;  et  quae  ecclesiae  .  .  . 
offeruntur,  Christo  offeruntur;  et  quae  ab  ecclesia  eins  .  .  .^ 
.   .   .  tolluntur  .  .  .^,  Christo'^  tolluntur'. 

2,  407c  ('Et  si  ab  —  sacrilegium  est).  Die  hier  über- 
arbeitete Quelle'  ist  oben  S.  484.  506 f.  zu  2,  370f  und  2,  394b 
nachgewiesen  (Hieronjmus  bezw.  Conc.  Vasense  I.  442). 
Benedikt  2,  407  c  fälscht  hinzu  die  Eingangsworte  'Et  si 
ab'  und  den  Passus  'precipue  —  dominantium':  aus  'eccle- 
siam (-iae)  fraudare'  macht  er  '(Christo)  .  .  .  aliquid  auferre 
vel  alienare  ^  subripere  vel  vastare  ^".  —  Zu  '(Christo),  qui 
est  rex  regum  et  dominus  dominantium'  vgl.  1.  Timoth. 
6,  15;  Apoc.  19,  16. 

2,  407  d  ('Omnes  —  efficitur").  Anfang  'Omnes  nam- 
que  ecclesiae  praedones  manif estissime  sunt  s a - 
crilegi'  =  2,  394 a,    erweitert  um  die  vorstehend  nicht 


1)  Statt  auf  sie,  verweist  Knust  auf  'Conc.  Aurel.  I.  c.  15'  (ge- 
meint wohl  c.  11,  Migne  LXXXIV,  276);  dort  (c.  11)  stehen  aber  von 
den  bei  Benedikt  genannten  Gegenständen  nur  die  mancipia  und  die 
vineae.  2)  Wo  die  Belege  sich  in  Menge  finden,  gebe  ich    sie    nicht. 

3)  Vorlage :  'quae'.  4)  Zu  der  Interpolation  'quocumque  commento  (alie- 
nantur)'  vgl.  oben  1,  386.  2,  96.  Einer  ähnlichen  Redensart  bin  ich 
unterdessen  begegnet  in  den  Decreta  Symmachi  (Conc.  Rom.  502  Nov.  6) 
c.  6  rubr.  Dion.  -  Hadr.  (ed.  1609  p.  579) :  'gwolibet  alienare  commento'. 
5)  Zu  der  Interpolation  'sive  alienando  sive  vastando  sive  invadendo  .  .  . 
sive  diripiendo'  vgl.  oben  2,  404a.  405b;  unten  2,  407c.  6)  Vorlage: 

'procul    dubio    Christo'.  7)    Von    Knust    zu    2,   407    nicht    erwähnt. 

8)  Vgl.  oben  N.  5. 


Ben. 
T  a  1  i  um    vero    scelerum 
patratrori  b  ii  s  ^,    ni  s  i    post 
praedictam       satisfactionem 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  517 

gesperrten  drei  Worte.  —  Zu  'per  ecclesiae  satisfactionem' 
vgl.  das  bei  2,  405  b  Bemerkte.  —  Zu  'episcoporum  per 
manus  impositionem'  vgl.  Studie  VI  (N.  A.  XXXI),  80  f. ; 
zu  'episcoporum  .  .  .  reconciliationem'  z.  B.  2,  370  h.  Die 
Wendung  'regnum  Dei  possidebit'  ist  biblisch  (1.  Cor.  6, 
9.  10).  —  Die  Sanktion  'a  liminibus  sanctae  ecclesiae  ex- 
torris'  findet  sich  in  ähnlicher  Form  oben  2,  8S.  370  h.  383 
(vgl.  N.  A.  XXXIV,  345  bei  N.  7). 

2,  407  e  ('Talium  —  debemus  quia) :  vgl.  S.  Bonifatii 
et  Lulli  epist.  78,  Bonif.  Cudberhto  archiep.  Cantabrig. 
a.  747  (MG.  Epist.  III,  355  1.  13—15);  doch  sind  die  Be- 
ziehungen etwas  lose : 

Bonif. 
T  a  1  i  bus,  s  i  aecclesiae 
correptionem  non  recipiunt 
.  .  .,  nee-  vivis  nee 
nee  vivis  nee  mortuisjmortuis-  communicat 
communic  are  minime  ecclesia  Dei. 
debemus ;  quia  etc.  ] 

2,  407  f  Cqui  rapit  —  sacrilegium  facit')  wörtlich  = 
S.  Bonif.  et  Lulli  epist.  73,  Bonif.  ad  Aethelbaldum  regem 
Mercionum  a.  745—746  (MG.  Epist.  III,  343  1.  21  sq.  ^  vgl. 
unten  2,  426  i.  f. 

2,  407  g  ('Qui  non  —  efficiuntur') :  gefertigt  mit  Hülfe 
des  angeführten  Schreibens  des  Bonifatius  an  Aethelbald 
(1.  c.  p.  355  1.  9  —  11);  vgl.  unten  2,  427  Mitte.  Text- 
verhältnisse : 

Ben.  I  Bonif. 

Qui  non  ^  solum   s  a  c  r  i  -  Talern    hominem    antiqui 

1  e  gi,  sed  etiam  fures  sacri-  patres  nominabant  raptorem 
legi  ^  et  1  u  p  i  atque  ho-  et  sacrileg  um  et  h  o  - 
micidae  pauperum-micid  am  p  a  u  p  e  r  u  m 
que  necatores  ^  sunt,    et   in-  j  e  t  1  u  p  um  ...et  maximo 


1)  Das  Wort  'patrator'  steckte  vielleicht  Benedikt  noch  von  2,  404c 
her   in   der  Feder.  2)  Weniger  Aehnlichkeit   mit   Benedikts  Elaborat 

hat  die  (bei  Dümmler  nicht  notierte)  Vorlage  des  Bonifatius,  nämlich 
Leos  I.  Schreiben  an  Rusticus  von  Narbonne  'Epistolas  fraternitatis' 
Jaffe  544  (c.  20  Dion. -Hadr.,  ed.  1609  p.  457):  'Nos  autem,  quibus 
viventibus  non  communicavimus,  mortuis  communicare  non  possumus'. 
3)   Abdruck   der  Stelle   oljen  S.  484,   N.  2   zu    2,  370  f.  4)   Zu   'non 

solum  —  sacrilegi'  vgl.   oben  2,  405  b   i.  f.  5)    Zu  '(pauperum)  neca- 

tores' vgl.  Conc.  Agath.  506  c.  4  (Migne  LXXXIV,  263)  oder  einen  der 
vielen  jüngeren  Kanonen,  die  den  Ausdruck  gebrauchen  (s.  z.  B.  MG. 
Conc.  I,  273  Index  s.  v.  'necator'). 


518 


Emil  Seckel. 


Ben. 

super  anathematis  vin- 
culo  dampnati  coram 
Deo  et  sanctis  eins  effi- 
ciuntur. 


Bonif. 
anathematis  vincnlo 
d  a  m  p  n  a  ndum     ante     tri- 
bunal  Christi. 


2,  408,  abgesehen  von  dem  Schluss,  =  Lex  Visigotho- 
rum  12,  3,  8  rubrica  (Erv.),  MG.  L.  Visig.  p.  435  oder 
Conc.  Tolet.  XII.  681  c.  9  §  8  (Migne  LXXXIV,  477);  vgl. 
oben  2,  130.  327;  zum  Anfang  auch:  unten  Add.  IV.  2  in., 
zur  Mitte:  3,  179  gegen  Ende.  Eubrik  zur  Eubrik  von 
Benedikt,  gleichlautend  mit  2,  327  rubr.  Im  Text  eine 
nebensächliche  Variante  ('nee  .  .  .  audeant'  statt  'et  ut  .  .  . 
non  audeant')  und  zwei  tendenziöse  Interpolationen: 
'christiani '  ^  statt  'ludei'  und  Einschaltung  von  'cum  vir- 
ginibus' ^  zwischen  'sacerdotis'  und  'nubere'.  Wegen  der 
Textentwickelung  vgl.  N.  A.  XXXIV,  369  zu  2,  130.  — 
Der  Schluss  (2,  408  b:  'neque  viduas  absque  suorum  sacer- 
dotum  consensu  et  conhiventia  plebis  ducere  praesumant') 
scheint  Fabrikat  des  Fälschers  zu  sein;  wenigstens  hat 
sich  eine  Quelle  nicht  ermitteln  lassen -''.  Blosse  Inhalts- 
verwandtschaft besteht  zwischen  Ben.  2,  408  b  und  Capit. 
ecclesiast.  818.  819  c.  21  (MG.  Capit.  I,  278). 


2,  409  =  Conc.  Clippiacense  626.  627  c.  10^  (MG. 
Conc.  I,  198  aus  cod.  Monac.  5508)^;  vgl.  unten  3,  435. 
Rubrik  hier  von  Benedikt  (anders  unten  3,  435).  Im  Text 
weicht  Benedikt  2,  409  von  der  Vorlage  ^  an  folgenden 
Stellen  ab:  'sine  ('non  eo'  codd.  Goth.  et  Vat.  Pal. 
583)    gradu    se'    statt    'infra    prescriptum    ca  n  o  n  e  ^    gra- 


1)  Vgl.   2,  130.    327.  2)  Vgl.   2,  130   (zur  Sache).   3,  179  i.  f. 

3)  Auch  Scherer,  Ueber  das  Eherecht  ])ei  Ben.  Levita  S.  18.  19  und 
Freisen,  Gesch.  des  can.  Eherechts  S.  674  wissen  keine  Quelle  zu  nennen. 

4)  Knusts  Hinweis  auf  'Paul.  Sent.  II.  26'  ist  wertlos.  5)  Vgl.  auch 
Conc.  sub  Sonnatio  episc.  Remensi  habitum  627 — 030  c.  8,  aus  Flodoardus, 
Hist.  eccl.  Rem.  2,  5,  ediert  MG-.  Conc.  1,  204.  Benedikts  Text  steht 
dem  cod.  Monac.  5508  näher  als  der  Rezension  (vgl.  oben  S.  114,  N.  3) 
Flodoards.  Bei  Flodoardus  fehlen  z.  B.  folgende,  Ben.  und  der 
recensio  Monac.  gemeinsame,  Wörter :  'utrique';  'habere';  'in  foro' ; 'usque 
ad  Sequestrationen!'.  6)  Der  Schreiber  der  Münchener  Hs.  oder  ein 
Vorgänger  von  ihm  konnte  die  Merowingerschrift  seines  Exemplars  nicht 
ordentlich  lesen;  der  überlieferte  Text  ist  m.  E.  (u.  a.  mit  Hülfe  des 
Doppeltextes  bei  Benedikt)  zum  Teil  anders  zu  emendieren ,  als  von 
Maassen  geschehen  ist.  7)  Daraus  das  'non  eo'  der  besten  Benedictus- 
Hss.  ?  und  das  'non  est'  des  cod.  Monac. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  519 

dum  se^'-;  'habebunt^  statt  'non  (Schreibfehler?)  habebunt' ; 
'iiicesto'  statt  'incestuose' ;  'primos'  statt  'proprios'.  In 
dem  Schlussworte  'fateantur'  stimmen  Flodoardus,  Ben. 
2,  409  und  Ben.  3,  435  überein,  während  der  cod.  Monac. 
'feriantur'  schreibt^. 


2,  410  aus  Brev.  Cod.  Theod.  3,  12  rubrica  und  3, 
12,  3  (2)  interpretatio  (ed.  Haenel  p.  88.  90;  ed.  Mommsen 
p.  150.  152  1.  10.  11);  vgl.  unten  Add.  III.  104  in.  Die 
Inskription  'Ex  libro  legum  Theodosii  III.,  capitulo  XI.' 
hat  Benedikt,  und  zwar  annähernd  richtig,  gebildet.  Seine 
Eubrik  'De  incestis'  ist  wohl  der  Originalrubrik  ('De  in- 
cestis  nuptiis)  entnommen.  Dem  Excerpt  aus  der  Inter- 
pretatio setzt  Benedikt  die  Worte  'Quod  incesti'  voran;  im 
üebrigen  weicht  er  nur  wenig  von  der  Vorlage  ab  ('sint' 
statt  'habeantur';  'legitimi  heredes' statt  'heredes^  legitimi 
[nee  ^  heredes  ^'] ;  'utraeque'  statt  'uterque'  ^). 


2,  411  —  428  aus  S.  Bonifatii  et  Lulli  Epistolae, 
untermischt  mit  Stücken  aus  der  Lex  Visi- 
gothorum,  aus  der  Bibel,  aus  Sextus  Pytha- 
goricus  und  aus  dem  Conc.  Turonense  II.  567. 

2,  411  aus  Lex  Visigothorum  3,  5,  2  Mitte  (MG. 
L.  Visig.  p.  160  1.  8  —  19).  Rubrik  von  Benedikt.  Der  Text 
steht  wieder  einmal  dem  cod.  E  1  am  nächsten,  wie  ins- 
besondere Benedikts  Lesart  'definitione'  oder  (so  Baluze) 
'indefinitione'  beweist;  'in  definitione'  schreibt  nämlich  nur 
cod.  E  1,  indessen  alle  übrigen  Hss.  'in  defensione(m)'  lesen. 
Sonstige  Textdifferenzen :  'et'  hinter  'sicut'  gestrichen ;  'pro- 
fessam'  hinter  'continentiam'  hat  Ben.  aus  Eigenem  ein- 
gefügt   (seine    Konjekturalkritik    forderte    eine    Lücke    im 


1)  'se'  fehlt  bei  Maassen.  2)   Statt  des  im  canon  Clipp.  in  der 

nächsten  Zeile  folgenden  'coniunx  est'  (Schreibfehler  des  cod.  Monac.) 
hätte  Maassen  m.  E.  aus  der  bei  Flodoardus,  Ben.  2,  409  und  3,  435 
übereinstimmenden      Ueberlieferung      'coniunxerit'       herstellen       sollen. 

3)  Maassen  konjiziert  'feriatur' ;  m.  E.  liegt  im  cod.  Monac.  nichts  anderes 
vor    als   Verlesung    des    echten,    merowingisch    geschriebenen    'fateantur'. 

4)  Im  cod.  L  weggelassen.  5)  Die  eingeklammerten  Wörter  fehlen  in 
den  codd.  EM  Paris.  4406 ;  Benedikt  benutzt  eben  wohl  auch  hier  einen 
Verwandten  des  cod.  E  (vgl.  oben  S.  477  f.  .503  fl').  6)  So  wenigstens 
codd.  EM  Paris.  4406  und  zwei  weitere  Hss. ;  zwei  Hss.  (CS)  schreiben 
richtig  mit  Ben.  'utraeque' ;  andere  Hss.  bieten  'utrique',  'utrumque'  und 
(nach  Haenel)  'utrimque'. 


520  Emil  Seckel. 

cod.  E  1  heraus,  wo  die  echten  Worte  'profitentem  seu 
agentem  penitentiam'  ausgefallen  waren);  'etiam'  statt  'eam'; 
'inlicito'  statt  'non  licito' ;  'vi'^  statt  'vim';  'incesta  ('in- 
cestiva'  Baluze)  polhitione'  statt  'incestiva  pollutio' ;  'pro- 
vinciarum  nostrarum'  hinter  'amodo'  gestrichen ;  und  noch 
ein  paar  Kleinigkeiten.  — 

2,  412  aus  S.  Bonif.  et  Lulli  epist.  73,  Bonif.  ad 
Aethelbaldum  regem  Mercionum  a.  745  —  746  (MG.  Epist. 
III,  341  1.  19—22).  Eubrik  von  Benedikt.  Text  stark  über- 
arbeitet, wie    die  Nebeneinanderstellung  vor  Augen   führt: 


Ben. 
Scire   vos    convenit,    quia 
blasphemiam  Deo  ir- 
r  o  g  at,  q  u  i 


cum  Deo  sacrata  vel 
cum  V  e  1  a  t  a  f  emina  se 
com  maculat. 


Bonif. 
Apud  Grecos  enim  et 
Romanos  —  quasi  blas- 
phemiam Deo  inro- 
g  asset,  qui  hoc  reus  sit, 
—  ut  proprie  de  hoc  pec- 
cato  ante  ordinationem  inter- 
rogatvis ,  si  reus  inventus 
f uerit,  ut  cum  velata  et 
con  secrata  Deo  nonna 
concubuisset,  ab  omni  gradu 
Dei   sacerdotii  prohibe(a)tur. 

2,  413  aus  demselben  Schreiben  des  Bonifatius,  und 
zwar  aus  dem  Schluss  (von  'si  reus'  ab)  der  in  2,  412  be- 
nutzten Stelle  (MG.  Epist.  III,  341  1.  21.  22).  Rubrik  von 
Benedikt.  Die  einschneidenden  Aenderungen  des  Textes 
zeigt  die  Vergleichung  des  vorstehenden  Abdrucks  der 
Bonifatius- Stelle  mit  Benedikts  Pseudokapitulare,  welches 
lautet:  'Si  clericus  cum  velata  f emina-  vel-  cum-  Deo 
sacrata-  se-  maculaverit -,  proprio  honore  privetur'. 

2,  414  nochmals  aus  demselben  Schreiben  des  Boni- 
fatius (MG.  Epist.  III,  341  1.  25—28).  Rubrik  von  Bene- 
dikt. Text  weniger  energisch  gemodelt  als  in  den  2  vor- 
hergehenden Kapiteln ;  immerhin  8  Differenzen :  der  Anfang 
'Sciendum  est  omnibus-^  quod  Deo^  sacratarum^  femina- 
rum^'  von  Ben.  gebildet ;  'enim'  hinter 'corpora' gestrichen; 
'et  verba'  statt  'et  per  verba' ;  'Dei '  hinter  'templa'  ge- 
strichen ;  'scripturarum  testimoniis  conprobantur'  statt  'per 
sanctam   scripturam  dicuntur' ;    'earum'  statt  'illorum' ;    da- 


1)    So    die  Vulgata    der  Lex  Visig.  2)  Vgl.   den  interpolierten 

Text   des  vorhergehenden   Kapitels.  3)   Das   Initium    'Sciendum    est 

Omnibus'  begegnet  bei  Benedikt  noch  7 mal:    1,  316.  2,  421.  429.  3,  384. 
387.  389.  396 ;   nicht  ein  einziges  Mal  ist  es  echt.  4)  Vgl.  die  Inter- 

polationen oben  2,  412.  413. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  521 

hinter  eingeschoben 'sacrilegi  ac' ^;  'noscuntur'  statt  'dinos- 
CTintur'. 

2,  415a  CQuod  —  perditionis')  fast  wörtlich-  aus  dem- 
selben Schreiben  des  Bonifatius  (MG.  Epist.  III,  341  1.  35.  36). 
Eubrik  von  Benedikt. 

2,  415  b^  ('eo  quod  —  suas')  =^  Prov.  6,  32  (Vulgata) ; 
vgl.  das  angef.  Schreiben  des  Bonif.  1.  32.  33.  Abweichungen: 
'eo  quod  adulteri'  statt  'Qui  autem  adulter  est';  dahinter 
eingeschoben  'vel  luxuriosi'  (vgl.  das  angef.  Schreiben  1.  28); 
'perdunt  aninias  suas'  statt  'perdet  animam  suam'. 

2,  415  c  ('Nam — •  panis')  =  Prov.  6,  26  in.  (Vulgata) ; 
vgl.  das  angef.  Schreiben  1.  30.  Abweichungen:  'Nam,  ut  ait 
scriptura,  pretium'  statt  'Pretium  enim' ;  'unius  est'  statt 
'e.  u.'. 

2,  415  d  =  1.  Cor.  6,  16  Anfang,  in  der  Hauptsache 
nicht  nach  der  Vulgata  ^,  sondern  nach  einer  vorhierony- 
mianischen  üebersetzung : 


Versio  antiqua 
Aut  nescitis,    quia  qui  se 


Ben. 

E  t    qui   se    iungit    mere- 


iungit  meretrici,  unum  corpus    trici ,     unum    corpus    e  f  f  i  - 
est  ?  1  c  i  t  u  r  •^. 

2,  415  e  ist  gebildet  nicht  nach  1.  Timoth.  5,  6 ',  wie 
man,  verleitet  durch  das  'ut  ait  scriptura'  in  2,  415  c,  trotz 
der  abweichenden  Fassung  zunächst  anzunehmen  geneigt 
sein  könnte,  sondern  wohl  eher  nach  Sextus  Pythagoricus, 
Sent.  7  ^.     Textverhältnisse : 

Sextus.  Ben. 

Infidelis   homo  mor-  Et  qui  luxuriatur^^, 

tuus  est  in  corpore  vivente^.    mortuus    est    in    corpore    vi- 

vente  ^. 


1)   Vgl.    den    interpolierten  Anfang   von   Ben.  2,  424.  2)    Ab- 

weichungen :  'Quod'  statt  'Quia' ;  'sit'  statt  'est' ;  'ac  vorago'  statt  'et  vor.'. 
3)  Zu  2,  415  b  —  e  enthält  sich  Knust  der  Quellennachweise.  4)  Hier 

beginnt  der  Vers :  'An  nescitis,  quoniam  qui  adhaeret'.  5)  Bei  Sabatier, 
Bibliorum    sacrorum    Latinae   versiones    autiquae  III,  675.  (5)   Dieses 

"Wort  deckt  sich  mit  der  Vulgata.  7)  Wortlaut:  'Nam  quae  in  deliciis 
est,  vivens  mortua  est' ;  unwesentlich  verändert  in  Conc.  Turon.  813  c.  27 
(MG.  Conc.  II,  290).  Vgl.  übrigens  unten  N.  10.  8)  Neueste  Ausgaben : 
Sexti  Sententiarum  recensiones  Latinam,  Graecam,  Syriacas  ed.  Gilde- 
meister (1873)  §  7  (6) ;  Gnomica  I :  Sexti  Pythagorici  .  .  .  Sententiae 
ed.    A.   Elter   (1892)    §   7.  9)  Benedikt   folgt   also    der   schlechteren 

Rezension  (vgl.  Gildemeister  1.  c.  p.  XXV.  2) ;  ebenso  Pseudoisidor  (Calixt. 
ep.  1  c.  4,  p.  136;  Melch.  ep.  1  c.  5,  p.  244).  10)  Vgl.  die  Inter^jolation 
'vel  luxuriosi'  in  2,  415b.  Die  Worte  'qui  luxuriatur'  decken  sich  mit  der 
Fassung,  in  der  1.  Tim.  5,  6  cit.  bei  Hieronymus,  Epist.  69  ad  Oceanum 
§  9  (Migne  XXII,  663)  =  Conc.  Aquisgr.  816,  Inst,  canonic.  c.  11  (MG. 
Conc.  II,  329   1.  9.  10)  erscheint:  'Qui  luxuriatur,  vivens  mortuus  est'. 


522  Emil  Seckel. 

2,  416  =  Lex  Visigothorum  2,  5,  1  in.  ([Recc]  Erv. ; 
MG.  L.  Visig.  p.  106);  vgl.  oben  2,  148.  Rubrik  und  Text 
wortgetreu  aus  der  Vorlage  kopiert,  nur  dass,  wie  oben  2, 
148,  hinter  'conscriptae'  das  Wort  'esse'  eingefügt  ist. 

2,  417  =  Lex  Visig.  5,  4,  1  ^  ([Eecc]  Erv.;  MG.  L. 
Vis.  p.  218);  vgl.  oben  2,  152.  Rubrik  und  Text  wörtlich 
wiedergegeben.  — 

2,  418  =  Conc.  Turonense  II.  567  c.  27  (26)  (MG. 
Conc.  I,  135).  Rubrik  von  Benedikt.  Der  Text  stimmt 
mit  Maassens  Recension  wörtlich  überein. 

2,  419  aus  S.  Bonifatii  et  Lulli  epist.  56  a.  743  (MG. 
Epist.  III,  312  1.  24.  25)  :=  Karlmanni  Capitulare  Liftinense 
743  c.  3  (MG.  Capit.  I,  28)  =  Conc.  Liftinense  743  c.  3 
(MG.  Conc.  II,  7);  vgl.  oben  1,  3.  Rubrik  von  Benedikt. 
Das  erste  Wort  des  Satzes  im  originalen  Text  ('Similiter') 
kehrt  bei  Ben.  nicht  wieder;  auch  die  sonstigen  Text- 
differenzen sind  geringfügig  (die  3  letzten  Worte  hat  Ben. 
iimgestellt ;  —  den  Schreibfehler  mehrerer  Hss. :  'incerta' 
statt  'incesta'  macht  Ben.  nicht  mit;  'sunt'  statt  'sint' 
schreibt  Ben.  mit  den  codd.  1  und  V  2). 

2,  420  aus  S.  Bonif.  epist.  14,  Eangyth  abbatissa  et 
Heaburg  ad  Wynfrithum  a.  719—722  (MG.  Epist.  III,  263 
1.  14.  15).  Rubrik  von  Benedikt.  Varianten  im  Text  ohne 
Bedeutung  ('eo'  vor  'loco'  gestrichen ;  'fuit'  statt  'fuerit' ; 
'suum'  hinter  Votum'  gestrichen ;  'vovit'  statt  'voverit' ; 
,Deo'  vor  'reddat'  gestrichen). 

2,  421  zurechtgemacht  mit  Hülfe  von  S.  Bonif. 
epist.  33 ,  Bonif.  ad  Nothelmum  archiepisc.  Cantabrig. 
a.  735  (MG.  Epist.  III,  284  1.  15  —  19).  Knust  verweist 
auf  'Concil.  Roman,  sub  Gregorio  IL  c.  4'  (Dion.-Hadr., 
ed.  1609  p.  610)  mit  einem  'cf.',  wodurch  er  eingesteht, 
statt  der  Quelle  nur  eine  Parallele  liefern  zu  können. 
Freisen,  Gesch.  des  can.  Eherechts  S.  512,  N.  17  erklärt, 
die  Quelle  nicht  angeben  zu  können.  Dümmler  (MG.  1.  c. 
p.  223,  N.  4)  bestreitet  die  ohne  Beleg  ausgesprochene 
Behauptung  Hahns  -,  dass  Benedikt  die  angeführte  epist.  33 
(30  Jaffe)  Bonifatii  kenne.  Die  wörtliche  üebereinstimmung 
des  Kapitelschlusses  mit  der  epist.  cit.  beweist  m.  E.,  dass 
Benedikt  in  der  Tat  die  Stelle  des  ßouifatius  vor  Augen 
hatte ;  freilich  verwandelt  der  Fälscher  die  zweifelnde  An- 


1)  Nicht  aus  dem  angeblichen  Capitulare  incerti  anni  ca.  744;  vgl. 
Studie  III  (N.  A.  XXIX),  290.  301.  304.  2)  Hahn  in  den  Forschungen 
z.  D.  Gesch.  XV,  118. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VU. 


523 


coniunctio      spiritalis 
m  a  t  r  is   maximum    p 

t  n  m  sit 


com- 
c  c  a- 


et     d  i  V  o  r  t  io 
atque 


separandum 


frage    des   h.  Bonif az   in   einen   kategorischen  Rechtssatz  ^, 
wie  die  Gegenüberstellung  der  Texte  zeigt: 

Bonif.  Ben. 

Homo  quidam,  sicut  multi  Sciendum  est  omnibus 
solent ,  alterius  filinm  de  quod 
sacri  baptismatis  fönte  ele- 
vans  adoptavit  sibi  in  filium, 
cnius  m  a  t  r  em  postea  vi- 
dnatam  marito  duxit  uxorem. 
Quod  Eomani  peccatum  esse 
adserunt  et  capitale  pec- 
catum, ita  ut  in  talibus 
d  i  V  o  r  t  ia  facere  praeci- 
piant.  Et  adfirmant  regnan- 
tibus  christianis  imperatori- 
bus  illius  matrimonii  scelus 
capitali  sententia 
mnltandum  vel  pere- 
grinatione  perpetua 
d  e  1  e  n  d  u  m . 

2,  422  aus  derselben  Quelle  wie  2,  419  (Karlmanni 
Conc.  Lift.  743  c.  4;  MG.  Epist.  III,  312  1.  27.  28);  vgl. 
oben  1,  3.  ßubrik  von  Benedikt.  Im  Text  sind  die 
echten  Worte  'quoque,  quod  et  pater  meus  ante  prae- 
cipiebat'  verdrängt  durch  die  Interpolation:  'sicut  et 
antecessores  vel  parentes  nostri  olim  decreverunt'. 

2,  423  aus  derselben  Quelle  wie  2,  419.  422  (Karl- 
manni Conc.  Lift.  743  c.  3  i.  f . ;  MG.  Epist.  III,  312  1.  25. 
26);  vgl.  oben  1,  3.  Eubrik  von  Benedikt,  ebenso  das 
Initium  des  Textes  'Praecipimus  generaliter  omnibus", 
welches  Initium  -^  teils  dem  Satzanfang  des  Originals  (vgl. 
oben  2,  419):  'Similiter  praecipimus',  teils  den 
Adressen  der  Admonitio  generalis  789  (MG.  Capit.  I,  54  fE. ; 
vgl.  oben  2,373  —  375.  378.380)  nachgebildet  ist.  Inter- 
poliert sind  im  Text  die  Worte  'vel  ludaeis' ;  die  Inter- 
polation knüpft  an  die  römischen^  und  westgothischen ^ 
Vorschriften  au,  welche  die  Veräusserung  von  Christen- 
sklaven an  Juden  bzw.  den  Erwerb  und  den  Besitz  solcher 
Sklaven  durch  Juden  verbieten. 


capitali  sententia 
multandum  vel  pere- 
grinatione  perpetua 
d  e  1  e  n  d  u  m. 


1)     lieber    eine     analoge    Umwandlung    vgl.    Studie   VI    (N.    A. 
XXXI),  111.  2)  Vgl.  oben  S.  520,  N.  3  zu   2,  414.  3)  Es  kehrt 

nirgends   sonst   bei  Benedikt   wieder.  4)  Brev.  C.  Th.    16,  4  tit.   'Ne 

christianum   mancipium  ludaeus    habeat'.  5)    Lex  Visig.   12,  2,  12  ff. 

12,  3,  1  (p.  481  1.  1).  12,  3,  12.  18. 

Neues  Archiv  ete.    XXXV.  34 


524 


Emil  Seckel. 


2,  424  aus  S.  Bonif.  epist.  73,  Bonifatius  ad  Aethel- 
baldum  regem  Mercionum  a.  745 — 746  (MG.  Epist.  III,  341 
1.  6 — 19).  Rubrik  von  Benedikt.  In  seinem  ersten  Drittel 
stellt  sich  Benedikts  Text  als  freie  Bearbeitung-  der  Vor- 
lage dar,  während  er  in  den  zwei  letzten  Dritteln  sich 
aufs  Engste  ^  an  das  Original  hält.  Die  Art  der  Be- 
arbeitung des  ersten  Textdrittels  veranschaulicht  folgende 
Gegenüberstellung : 


Bonif. 
Et  adhuc,   quod  peius  est, 
qui  nobis   narrant,    adiciunt, 
ignominiae 


nobis 
quod   hoc   scelus 
m  a  X  i  m  ae 


cum  s  a  n  c  t  is  m  o  n  i  a  1  i- 
bus  et  sacratis  Deo 
virginibus  per  m  o  n  a  - 
steria    commis  sum    sit. 


Ben. 

lubemus  omnes  scire  -  om- 
nibusque    sacerdotibus    prae- 
dicare    atque   sub   poena   sa- 
crilegii  ^  denuntiare,  quantum 
malum  et   quam    maximuni 
flagitium  sit  cum  Deo  devotis 
feminis  viduis  vel  virginibus 
sive    cum    velatis    sive    cum 
Deo  devotis  maximeque  cum 
sanctimonialibus    et 
sacratis  Deo  virgini- 
bus vel  viduis  tarn  in   m  o  - 
j  n  a  s  t  e  r  i  is   quam    et    extra 
j  commis  ceri. 
2,   425    aus    derselben    Quelle    wie    2,    419.    422.    423 
(Karlmanni  Conc.  Lift.  743  c.  2;  MG.  Epist.  III,  312  1.  13 
— 23);  vgl.    oben   1,  3.      Rubrik   von    Benedikt.      Im   Text 
einigte    Varianten^,     alle    sachlich    ohne    Bedeutung^;     be- 
merkenswert  nur  etwa  das  geänderte  Initiura  ('Assentimus' 
statt  'Statuimus  quoque'). 

2,  426  aus  derselben  Quelle  wie  2,  412  —  415a.  424 
(Bonif.  ad  Aethelbaldum;  MG.  Epist.  III,  343  1.  14  —  22). 
Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  weicht  wiederum  der  An- 
fang am  stärksten  von  der  Vorlage  ab : 


Bonif. 

Praeterea     nuntiatum     est 

nobis,    quod    multa    p  r  i  v  i  - 

legia   ecclesiarum   et 

monasteriorum     fre- 


Ben. 

Praecipimus  °  Omnibus  di- 
tioni  nostrae  subiectis ,  ut ' 
nullus  privilegia  ec- 
clesiarum   vel     m  o  n  a  ■ 


1)  Abgesehen  von  4  untergeordneten  Varianten  ('ante'  statt  'apucl' ; 
'ac'  statt  'et';  'sint'  statt  'sunt'  im  Text  von  1.  Cor.  6,  19;  'quia'  ein- 
geschoben im  Text  von  1.  Cor.  6,  9).  2)  Dieses  Initium  begegnet 
nirgends  sonst  bei  Benedikt.  3)  Vgl.  die  Interpolation  in  2,  414. 
4)  Auch  gegenüber  dem  Paralleltext  oben  1,  S.  5)  Vgl.  oben  2,  366  in. : 
'.  .  .  praecipimus,  ut  omnes  ditioni  nostrae  .  .  .  subiecti'. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  525 


Bonif.  I  Ben. 


gisses     et     abstulisses     inde 
quasdam  facultates. 


Et  hoc,  si  verum  est,  p  e  c  - 


steriorum  in  fr  angere 
resque  ^  eeclesiarum  ^  inva- 
dere  ^  vel  vastare  ^  aut  alie- 
nare  ^  vel  facultates 
earum  diripere  *  praesumat 
nee  sine  precaria  possidere 
pertentet ,  quia ,  sicut  a 
sanctis  patribus  instructi 
sumus,    g  r  a  vissimum    p  e  c 


c  a  t  u  m  g  r  a  nde  esse  di-jcatum  hoc  esse  dino- 
n  o  s  c  i  t  u  r  .  .  .  |  s  c  i  t  u  r  .  .  . '' 

Im  zweiten,  grösseren  Teil  des  Kapitels  finden  sich  einige 
kleine  Abweichungen  von  der  Vorlage  und  eine  Inter- 
polation (hinter  'rapit'  eingeschoben  die  Worte :  'sive 
vastat  vel  allen at'  *'). 

2,  427a  aus  S.  Bonif.  epist.  78,  Bonif.  ad  Cudberhtum 
archiepisc.  Cantabrig.  a.  747  (MG.  Epist.  III,  355  1.  5—16). 
Rubrik  von  Benedikt.  Abermals  gefälschter  Textanfang: 
'Omnibus  nos  ipsos  corrigentes  posterisque  nostris  exemplum 
dantes  generaliter  interdicimus ,  ut  nullus'  '^,  statt  des 
echten  Initium :  'Illud  (lUe)  autem,  quod  (qui)'.  Im  Texte 
ferner  3  Interpolationen:  a)  hinter  'rapiat' :  'aut  a  nobis 
competere^   vel    quocumque   modo   invadere^   praesumat'^; 

b)  hinter  'monasterium' :  'aut  praedia  vel  quascunque  res' ; 

c)  am   Schlüsse:    'et   simul   cum   eis    pereamus',    vgl.    dazu 


1)  Vgl.  Ben.  2,  370k.  iOla.  405b.  407b.  426  rubr.  427a.  431. 
2)  Vgl.  Ben.  2,  84  rubr.  370k.  404a.  405b.  407b.  c.  4:30.  431.  3)  Vgl. 
Ben.  2,  404a.  407b.  c.  431.  4)  Vgl.  Ben.  2,  394c.  404a.  405b.  407b. 

430.    431.  5)   Dass  Hincraar  in  seinem  Traktat  'Quae  exequi  debebat 

episcopus'  nicht  etwa  die  Quelle  des  vorstehenden  Textes,  d.  h.  ein  echtes 
Capitulare ,  aufljewahrt ,  sondern  lediglich  ein  Exzerpt  aus  Benedikts 
Fälschung  geliefert  hat,  zeigt  Boretius,  MG.  Capit.  I,  387—389.  6)  Vgl. 
den  interpolierten  Anfang  nebst  N.  2.  3.  7)  Benedikt  bringt  es  fertig, 
noch  ein  zweites  Mal  seinen  Königen  das  ausdrückliche  Bekenntnis 
besserer  Einsicht,  d.  h.  den  Uebergang  ins  Lager  der  extremen  Reform- 
partei, in  den  Mund  zu  legen,  siehe  Ben.  3,  141  in. :  '.  .  .  nosmet  ipsos 
corrigentes  posterisque  nostris  exemplum  dantes  volumus,  ut  nullus'  etc. 
8)  Zu  'competere  .  .  .  praesumat'  vgl.  Conc.  Aurel.  541  c.  25  (MG.  Conc. 
I,  93) :  'Si  quis  .  .  .  res  ad  ius  ecclesiae  pertinentes  .  .  .  p  e  t  e  r  e  seu 
possidere  p  r  a  e  s  u  m  pserit' ;  Conc.  Aurel.  549  c.  14  (1.  c.  p.  104) :  'Ut 
nullus  .  .  .  ecclesiae  res  aut  p e t at  aut  praesumat  accipere' ;  Conc. 
Paris.  614  c.  11  (9)  (1.  c.  p.  188  sq.) :  '.  .  .  ut  nullus  .  .  .  ecclesiae  .  .  . 
res  conpetere  aut  per v a d e r e  audeat  aut  quacumque  .  .  .  per- 
vasione   possidere    ...   presumat'.  9)  Vgl.   oben   N.  1    zu  2,  426; 

S.  485  zu  2,  370k. 

34* 


526  Emil  Seckel. 

oben  S.  481.  486  bei  2,  370a.  k.  —  Von  den  blossen  Text- 
differenzen sind  hervorzuheben :  'memores  estote  scrip- 
turae'  statt  'memorare' ;  'sublime'  (so  auch  die  Vulgata, 
1.  Tim.  6,  17!)  statt  'süperbe';  'Tales  .  .  .  ethnicis  et 
publicanis  sunt  sirailes,  quibus'  statt  'Talibus  .  .  .  ethaici 
et  publicani  sunt' ;  'correctionem'  statt  'correptionem'. 

2,  427  b  ('Si  autem  impietate'  bis  Sehluss) :  Quelle 
unbekannt;  vielleicht  eigne  Zutat  des  Fälschers. 

2,  428a  =  Conc.  Turon.  II.  567  c.  26  (25)  (MG. 
Conc.  I,  134  sq.).  Rubrik  von  Benedikt.  Im  Text  etwa 
30  Varianten,  von  denen  hier  nur  folgende  zu  erwähnen 
sind.  Gleich  der  Anfang  ist  leicht  retouchiert:  'Placuit 
nobis  et  ab  omnibus  observari  convenit'  statt  'Placet  itaque 
ac  Omnibus  nobis  convenit  observare' ;  'remedio  animae 
suae'  statt  'captu  animi' ;  'Domini ,  qui  hoc'  statt  'dum 
nimiae' ;  'Qui  vero  in  hac'  fehlt  in  den  Hss.  (ed.  Grab,  hat 
wenigstens  'ac  in')  ;  'regna'  statt  'Interregna'  ;  'absque 
propra  epitcopi  auctoritate'  eingeschoben,  vgl.  oben 
S.  482  zu  2,  370  b;  'res  dispensare' (!)  statt  'res  Dei  de- 
fensare'. 

2,  428  b  CQui  vero  bis  nostris'  bis  Öchluss):  Quelle 
unbekannt.  Wahrscheinlich  Fälschung  Benedikts,  zu  der 
das  angeführte  Conc.  Turonense  II.  567  drei  Mosaik- 
steinchen  liefern  musste :  a)  zu  'in  praedicta  nequitia  per- 
durare  voluerit'  vgl.  etwa  Conc.  cit.  c.  16  (15),  1.  c.  p.  126 
1.  13  'in  hac  pertinacitate  perdurat'  oder  c.  21  (20), 
1.  c.  p.  130  1.  11  'in  hac  pertina  t  i  a  perdurare 
voluerint';  b)  zu  'et  a  sacerdotibus  coelesti  gladio 
feriatur'  vgl.  Conc.  cit.  c.  25  (24)  Mitte,  1.  c.  p.  134^1.  20 
'et  coelesti  gladio  feriatur' ;  c)  zu  'non  solum  excommuni- 
catus,  sed  etiam  anathematizatus  moriatur'  vgl.  can.  25 
(24)  cit.,  1.  c.  p.  134  1.  19  sq.,  wo  nach  der  Rezension  von 
Surius  und  Sirmond  genau  dieselben  Worte  zu  lesen  sind. 
—  Zu  dem  Passus  'omnes  h  o  n  o  r  es,  quos  habere  vide- 
batur,  p  e  r  d  at'  vgl.  die  Parallele  unten  3,  143  i.  f.: 
'honores,  si  habet,  omnes  perdere',  auf  welch  letztere  Stelle 
z.  B.  das  Capitulare  Pippini  regis  754  —  755  c.  2  (MG. 
Capit.  I,  31)  von  Einfluss  gewesen  sein  kann. 


2,  429 :  unmittelbare  Quelle  unbekannt.  Wahrschein- 
lich Fälschung  Benedikts  (in  der  bekannten  Tendenz  der 
Massenwirkung),  und  zwar  anscheinend  eine  zweite  ^  Para- 


1)  Die  erste  ist  uns  oben  in  2,  395  b  begegnet. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn.  527 

phrase   von   2,  392  (=  Köm.  Synode  502  c.  2  med.).     Man 
vergleiche 

Ben.  2,  392.  I  Ben.  2,  429. 


Iniquum  est  et  s  a  c  r  i  - 
1  e  g  ii  instar,  ut,  quae  .  .  . 
unusquisque  venerabili  e  c  - 
c  1  e  s  i  ae  contulerit  .  .  .,  ab 
his,  quibus  m;;xime  servari 


Sciendum  est  omnibiis  \ 
quod  sacrilegi  um  sit  res 
ecelesiae  quocumque-  modo- 
iniuste  ^  ab  ecclesiis, 
quibus       iure       debentur, 


convenerat,  auferri  et   injauferri     et     in     aliud 
aliud  transferri.  Itransferri. 


2,  430 :  Quelle  unbekannt.  Wahrscheinlich  Fälschung 
Benedikts  (abermals  mit  dem  Zweck,  durch  ewige  Wieder- 
holung derselben  Gedanken  mehr  Eindruck  zu  machen). 
Das  Initium  'Volumus  omnes  scire'  kehrt  bei  Ben.  dem- 
nächst (2,  432.  433 ;  nirgends  sonst)  in  Umstellungen 
wieder  ('0.  s.  v.';  S.  o.  v.').  Die  Termini  'res  (ecelesiae) 
fraudare,  rapere,  vastare,  diripere'  sind  in  Buch  II  alle 
schon  mehrmals  vorgekommen.  Die  Wendung  'homicidae 
ante  Deum  esse  depntantur'  deckt  sich  so  ziemlich  mit  den 
Worten,  die  Ben.  oben  2,  426  aus  Bonifatius  abgeschrieben 
hat  ('homicida  ante  conspectum  iusti  iudicis  esse  deputa- 
bitur).  Zu  'homicidae  .  .,  quia  res  pauperum  .  .  . 
diripiunt'  vgl.  oben  2,  427  'homicidam  pauperum'. 


2,  431:  Quelle  unbekannt*.  Von  Natur  und  Tendenz 
des  Kapitels  gilt  dasselbe  wie  für  2,  430.  Den  'sacrilegia, 
adulteria,  praedationes  vastationesque'  entsprechen  ungefähr 
die  'sacrilegi,  raptores,  adulteri'  in  2,  397.  Die  Wendung 
'de  vita  conponat'  ist  einem  Capitulare  entnommen ;  vgl. 
z.  B.  Cap.  Karoli  810.  811?  c.  1  (MG.  Capit.  I,  160  1.  9). 
Die  Anordnung  der  Konfiskation :  'et  omnes  res  eins  tam 
mobiles  quam  et  immobiles  fisco  nostro  socientur' 
scheint  in  der  Fassung  dem  Cap.  Italicum  801  c.  3:  'et  res 
eins  in  fisco  nostro  socientur'  entlehnt  zu  sein.  Die  Ter- 
mini 'ecelesiae  res  vastare,  alienare,  auferre,  invadere,  sub- 
ripere'  sind  die  von  Ben.  schon  so  und  so  oft  gebrauchten. 


1)  Vgl.  oben  S.  520,  N.  3  zu  2,  414.  2)  Vgl.  oben  2,  427  interp. 
3)  Vgl.  oben  2,  428  'iniuste  possidebit' ;  'res  ecclesiasticäs  .  .  .  iniuste 
possidere' ;   'iniuste  qui  abstulit'.  4)  Wenn  Knust  mit  einem  'cf.'  ver- 

weist auf  Conc.  Vernense  844  c.  12  (MG.  Capit.  II,  385  sq.),  so  kann  er 
damit  wohl  nur  eine  Parallele  meinen.  Er  hätte  viele  andere  Sach- 
parallelen anführen  können,  z.  B.  Cap.  de  exp.  Sarr.  846  c.  6  (1.  c.  p.  66). 


528 


Emil  Seckel. 


Zu  'oblationes  fidelium,  quae  sunt  res  ecclesiarum'  vgl. 
oben  2,  370  d  nebst  Nachweisungen.  Das  Bibelzitat  ist  un- 
ehrlich; vgl. 


Nam, 


Ben. 

ut  ait 


Sacra   scrip- 


1.  Cor.  6,  9.  10. 
.  .  .  n  e  q  u  e  fornicarii 
neque  idolis  servientes  n  e  - 
que  adulteri  neque 
molles  neque  masculorum 
concubitores  neque  fures  ne- 
que avari  neque  ebriosi  ne- 
que maledici  neque  rapaces  i 
regnuniDei  posside- 
b  u  n  t.  j 

Zum  Schluss  des  Kapitels  vermag  ich  z.  Z.  nichts  als  eine 
Parallele  beizubringen  -. 


tura,  neque  sacrilegi  ^ne- 
que adulteri^  neque 
praedones  vel  vastatores,  qui 
sunt  r  a  p  tores  ^,  r  e  g  n  u  m 
Dei    possidebunt. 


2,  432.    433    aus   lonas   Aurelianensis. 

2,  432  Rubrik  =  lonas  Aurel.,  De  institutione  lai- 
cali  2,  5  rubr.  ■'^  (Migne  CVI,  177);  vgl.  oben  2,  230.  Die 
beiden  Rubriken  lauten 


bei  Jonas  ^: 

Quod    vi  r  i    in    castitate 

uxores    suas    diligere    eisque 

ut  p  o  t  e  vasi  infirmiori  h  o  - 

n  o  r  e  m  debeant  impendere. 


bei  Ben.: 
D  e  vir  i  s  ,  quod  in  casti- 
tate uxores  suas  diligere  eis- 
que ut  vasi  infirmiori  c  u  s  t  o  - 
diam  et  reliquam  ne- 
cessitatem  debeant  im- 
pendere. 

2,  432  a  (bis  'fideliter  debebit') :  zurechtinterpoliert  mit 
Hülfe  der  angeführten  Rubrik  des  Jonas  °.  Man  vergleiche 
mit  dieser  oben  abgedruckten  Rubrik  den  Text  Benedikts: 
'Omnes    scire    volumus*'"^,    quod    iu  beute    Do- 


1)   Vgl.    oben   2,   397.  2)    Ps.  -  Caesarius  Arel.,    Hom.    XVII 

(Migne  LXVII,  1080  C)  [=  Dicta  abbatis  Pirminii  c.  28  (ed.  Caspari 
S.  186)]:  'Quanto  maiora  commiserunt  scelera,  tanto  ferventius  saeviet  in 
illos  ignis  aeternus'.  3)  Von  Knust  nicht  gefunden.  4)  Vorquelle : 

1.  Petr.  8,  7.  5)  Baluze  und  Knust  verweisen  auf  Conc.  Paris.  VI.  829 
lib.  ni  c.  2  (MG.  Conc.  II,  671  1.  2—4)  [cf.  Episcoporum  relatio  829 
c.  54  i.  f.  (MG.  Capit.  II,  45  1.  40.  41) ;  Ben.  Add.  II.  23  in.].  Dass 
Ben.  2,  432  sich  dieser  Zwischenquelle  nicht  bedient  hat,  legen  die 
originalgetreuen  Worte  'quod  .  .  .  viri  .  .  .  honorem'  (ohne:  'debitum') 
nahe.  6)  Vgl.  oben  S.  527  zu  2,  430.  7)  In  ganz  ähnlicher  Weise 

hat  Benedikt  unten  3,  383  a.  384.  385.  386  a.  387a.  388.  389  a.  396  a  zahl- 
reiche Jonas  -  Rubriken  mit  Initien  eigener  Ei'findung  verziert. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  529 

mino^  viri  uxores  suas  in  castitate  debeant  diligere;  et 
eis  utpote  -  vasi  infirmiori  honorem  -  et  custodiam 
atque  cuncta,  quae^  neeessaria  sunt-^  prout 
quisque  potuerit  ministrare"^  fideliter 
deb  e  b  i  t '. 

2,  432b  CQuod  et'  bis  Schluss):  Quelle  unbekannt; 
vielleicht  Fälschung  Benedikts.  Die  Phrase  'ministri  do- 
mini  sumus  nee  sine  causa  Dei  gladium  portamus'  geht 
zurück*  auf  Hom.  13,  4:  'Dei  enini  minister  est  .  •  .;  uon 
enim  sine  causa  gladium  portat'.  Zu  beachten  ist,  dass 
Benedikt  seine  Pseudokaiser  auch  'episcopali  in  vice  om- 
nium  episcoporum  .  .  .  auctoritate'  befehlen  lässt. 

2,  433  Rubrik  v^örtlich  =  Jonas  1.  c.  2,  4  rubr. 
in. 5  (Migne  CVI,  174). 

2,  433  a  (bis  'declinare')  ist  wohl  nichts  anderes  als 
Paraphrase  der  angeführten  Rubrik  des  Jonas  ^,  sehr  frei 
stilisiert :  'Scire  omnes  volumus '',  sicut  ^  et  saepius  a  do- 
mini  episcopis  et  reliquis  Dei  servis  admoniti  sumus  ',  quod 
viri  uxoribus  suis  et  uxores  similiter  viris  suis  veraciter 
fidem  et  dilectionem  servare  debent  et  non  in  aliquo  ab 
his  declinare' ;  originalgetreu  sind  hiervon  (was  bei  der 
Knappheit  der  Rubrik  nicht  ausbleiben  konnte)  nur  die 
Wörter  Vir,  uxor,  fidem,  servare'. 

2,  433  b  ('et  quod'  bis  Schluss)  wörtlich  =  Jonas  1.  c. 
2,  4  rubr.  fin.-^  (Migne  CVI,  174)»;  nur  ist  das  Wort  'con- 
iugatis'  interpoliert.    Vgl.  oben  2,  230. 


2,  434    =   Conc.  Matisconense  II.  585    c.   10  post  in. 
(MG.  Conc.  I,   169)  1^     Rubrik  von  Benedikt.     Anfang   des 


1)  Die  Vorschrift  rührt  vielmehr  vom  Apostelfürsten  her  (oben 
S.  528,  ?f.  4).  2)  Beweist,  dass  Benedikt  die  Rubrik  des  Jonas  und  nicht 
seine  eigene  Rubrik   abschreibt.  3)   Zu   'quae   neeessaria   sunt,    .  .  . 

ministrare'  vgl.  Can.  apost.  c.  34  (Dion.  -  Hadr.,  ed.  1609  Bl.  XlVb): 
'quae  sunt  neeessaria,  subministrentur'.  Fast  dieselben  Worte  ('ea,  quae 
neeessaria  sunt,  fideliter  ministrent')  hat  Ben.  3,  383  b  an  eine  andere 
.Tonas  -  Rubrik    (1,  7)    angehängt.  4)   Bisher   übersehen.  5)    Von 

Knust  nicht  gefunden.  Ohne  Gregenstück  in  Conc.  Paris.  829  lib.  III 
c.  2   und   in  Episcoporum  relatio  829    c.  54.  6)  Vgl.  oben  S.  527  zu 

2,  430.  7)  Zu  'sicut  —  sumus'  vgl.  unten  Add.  III.  112  in.  8)  Baluze 
und  Knust  verweisen  wiederum  auf  Conc.  Paris,  cit.  (MG.  Conc.  II,  671 
1.  1.  2) ;  aber  einmal  widerlegt  sie  der  Zusammenhang,  und  ferner  weicht 
Conc.  Paris,  von  der  gemeinsamen  Vorlage  (Jonas)  in  hier  wichtigen 
Kleinigkeiten  ab  ('et  uxores  habentes  .  .  .  habere  debeant'  statt  'et  quod 
non  liceat  ....  habere').  9)  Ein  Zusammenhang  zwischen  Jonas  und 
Brev.  Paul  II,  21  (ed.  Haenel  p.  368)  wird  zu  leugnen  sein.  10)  Nur 

in  zwei  Sammlungen  (der  Hss.  von  Beauvais  und  von  St.  -  Amand)  über- 
liefert; vgl.  Maässen,  Gesch.  I,  212. 


530  Emil  Seckel. 

echten  Textes  ('Quod  de  episccpis  censuimus,  obtineat  et 
in  elero')  wegg-eschnitten.  Im  übrigen  folgt  Ben.  fast 
wörtlich  der  Vorlage  ('eorum  inscio  episcopo'  statt  'i.  ep. 
eorum' ;  'accusanti'  statt  '-tis'  oder  '-tes'). 


2,  435  a  (bis  'si  vero  secularis')  =  Conc.  Matisconense 
I.  583  c.  19  (18)  (MG.  Conc.  I,  159  sq.).  Rubrik  von 
Benedikt.  Abweichungen  vom  Originaltext  geringfügig 
(gegenüber  cod.  B  nur:  'vero'  hinter  'De  bis'  gestrichen; 
'ad'  statt  'apud'). 

2,  435  b  ('poenam,  quam  ipsi,  si  convicti  essent, 
passuri  erant,  patiatur')  nicht  aus  Conc.  Mat.  cit.^,  sondern 
aus  dem  römischen  Recht  und  zwar  in  der  Gestalt,  in  der 
es  an  anderen  Stellen  der  pseudoisidorischen  Fälschungeu 
erscheint;  zu  'poenam,  quam  .  .  .  passuri  erant'  vgl.  Ben. 
3,  253a-  in.:  'poenam,  quam  (raus)  passurus  erat';  zu 
'poenam,  quam  .  .  .  patiatur'  vgl.  Cap.  Angilr.  c.  48  ^  = 
Ben.  3,  365b:  'poenam,  quam  (intulerit,  ipse)  patiatur';  zu 
'ipsi,  si  convicti  essent'  vgl.  Ben.  3,  253  a:  'si  convincere 
eum'  (reum)  'non  potuerit'  *. 

2,  435c  ('Et  insuper'  bis  Schluss) :  Quelle  unbekannt  ^ 
vermutlich  (wie  2,  435b)  gefälscht.  Zu  'publica  poenitentia 
multentur'  vgl.  oben  2,  96.  100.  101.  102;  'ut  Spiritus 
salvus  sit  in  die  domini'  wörtlich  aus*'  1.  Cor.  5,  5. 


2,  436  =  Lex  Visigothorum  (Erv.)  '  2,  1,  13  (11)  rubr.^' 
(MG.  L.  Visig.  p.  60);  vgl.  unten  3,  352;  Add.  III.  10. 
Rubrik  von  Benedikt;  Quelle^  der  Worte  'seculi  leges 
non    admittunt'    ist    die    Römische   Synode    (sog.    Sjnodus 


1)  Wo  der  Schluss  lautet :  'communione  privabitur'  ('donec  malum, 
quod  admisit,  per  publicam  paenitentiam  digna  satisfactione  conponat'  — 
diese  Massgabe  der  Exkommunikation  nur  erhalten  in  der  besten  Hs.  L). 
2)  Quelle :  Brev.  Cod.  Theod.  9,  27,  3  interpr.  i.  f. ;  erstmals  nach- 
gewiesen. 3)  Quelle :  Brev.  Cod.  Theod.  9,  1,  G  Epit.  Paris.  4)  Vgl. 
Brev.  C.  Th.  9,  1,  6  interpr.  i.  f.:  'sicut  convictum  poena  constringit' ; 
Brev.  C.  Th.  9,  7,  2  interpr. :  'poenam  .  .  .  quam  ille,  quem  impetit,  c  o  n  - 
v i c t u s  potuisset  excipere' ;  Brev.  C.  Th.  9,  27,  3  cit. :  "si  non  con- 
vicerit  legibus  (accusator)' ;  Conc.  Carthag.  c.  15  (Dion. -Hadr.  ed.  1609 
p.  191):  'si  convinci  non  po  tu  er  int'.  5)  Zum  Gedankengang  vgl. 
3,  356  b  (Quelle  unbekannt).  6)  Bisher  übersehen.  7)  Ben.  schreibt 
'legibus'  mit  der  E- Klasse  der  Hss.,   nicht  'in  legibus'.  8)  Nochmals 

hat  Knust  den  (freilich  durch  Druckfehler  entstellten)  Hinweis  von  Baluze 
auf  das  Westgothengesetz  unterdrückt  und  durch  ein  abwegiges  Pseudoisidor- 
Zitat  ersetzt.  9)  Jedenfalls  Urquelle;  ob  sich  zwischen  diese  und  Ben. 
2,  436  rubr.  als  Zwischenrezension  Ben.  .3,  108  einschiebt,  ist  oben  S.  494 
zu  2,  .381  f  erwogen. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII.  531 

palmaris)  vom  23.  Oktober  501^  =  Ben,  3,  117:  '(quos  ad 
accusationem)  leges  saeculi  non  admittunt' ^.  —  Im  Text 
teils  nur  formelle  Aenderungen  ('Nulle  cause  .  .  .  audian- 
tur,  quae  .  .  .  continentur'  statt  'Ut  nulla  causa  .  .  . 
audiatur,  quae  .  .  .  continetur'),  teils  Interpolationen 
('ecclesiasticis'  hinter  'iudicibus'  eingeschoben;  Vel  quae  pro- 
hibitae  esse  noscuntur'  am  Schlüsse  beigefügt).  Die  Inter- 
polationen finden  sich  wieder  —  die  eine  buchstäblich,  die 
andere  modifiziert  —  bei  Ben.  3,  459a  und  im  Libellus 
pro  synodo  des  Ennodius,  wie  er  bei  Pseudoisidor  ^  lautet : 

Ben.  2,  436.  Ben.  3,  459a  und 

Ennod.  apud  Pseudois.  1.  c. 
Statutum  est,  ut*  nullae 
accusationes  ^  a  iudicibus 
audiantur  ecclesiasti- 
cis, quae  legibus  saeculi  "^ 
p  r  o  h  i  b  entur. 

Hinschius  ^  ging  noch  davon  aus,  dass  der  pseudoisidorische 
Ennodius  sich  mit  dem  echten  decke,  dass  also  Benedikt 
die  interpolierten  Worte  in  2,  436  und  das  Teilkapitel 
3,  459a  aus  Ennodius  entnommen  habe.  Unterdessen 
haben  wir  gelernt,  dass  Pseudoisidor  dem  echten  Ennodius 
mehrere  Sätze  untergeschoben  hat,  darunter  den  hier  in 
Frage  stehenden'^.  Da  nun  nichts  davon  bekannt  ist,  dass 
Pseudoisidor  einen  verfälschten  Ennodius  (gleich  der  ver- 
fälschten Hispana  Augustod.)  als  Vorarbeit  seinem  Haupt- 
opus vorangeschickt  habe,  so  ist  die  Annahme  von  Hin- 
schius umzukehren:  nicht  der  echte  Ennodius  kehrt  bei 
Benedikt  wieder,  sondern^  Benedikt ^'^  in  dem  von  Pseudo- 
isidor verfälschten  Ennodius. 


Nulle  cause  a  iudicibus 
ecclesiasticis  audian- 
tur, quae  legibus  .  .  .  p  r  o  - 
h  i  b  itae  esse  noscuntur. 


1)  Dion.-Hadr.  ed.  1609  p.  582;  MG.  Auct.  ant.  XII,  428  1.  20. 
2)  "Weniger  gut  passen  Conc.  Afric.  c,  96  (Dion.-Hadr.,  ed.  1609  p.  278) 
=  Conc.  Carth.  VII.  c.  2  (Hisp. ;  Migne  LXXXIV,  227)  =  Ennodius 
Libellus  pro  synodo  (MG.  Auct.  ant.  VII)  p.  54  1.  23.  24:  '.  .  .  leges 
p  u  b  1  i  c  a  e    non    admittunt'.  3)    Hinschius ,    Decretales   pseudo  -  isid. 

p.  668  a   1.  13 — 15.  4)    Die  Anfangsworte  'St.  est  ut'  sind  eine  Inter- 

polation zweiten  Grades.  —  Statt  ihrer  steht  bei  Ennodius :  'Et'. 
5)  Auch  dieses  unechte  Wort  ist  dem  verunechteten  Texte  von  2,  436 
aufgepfropft.  —  Ennodius  stimmt  hier  mit  3,  459  a  überein.  6)  Dieses 
"Wort  ist  aus  Ben.  2,  436  rubr.  herübergenommen.  7)  Hinschiis  1.  c. 
p.  CXIII  zu  Ben.  2,  436;  p.  CXV  zu  Ben.  8,  459.  Ebenso  Knust  zu 
Ben.  3,  459.  8)  Siehe  Magni  Felicis  E  n  n  o  d  i  i  Opera,  ed.  Vogel  (MG. 
Auct.  ant.  VII)  p.  ,54  im  Apparat  zu  Zeile  24.  9)  Was  der  Heraus- 

geber des  Ennodius  nicht  gewusst  hat,  10)    Und   zwar  Ben.  8,  459  a, 

nicht  das  weniger  interpolierte  Kapitel  2,  436. 


532 


Emil  Seckel. 


Verzeichnis  der  Quellen  des  II.  Buches. 

I.    Uebernommene   Quellen^. 


A.  Bibel: 

Act.  apost.  25,  16  :  381  i. 

1.  Cor.  6,  16  in.  :  415d. 

2.  Cor.  (6,  16)  :  176. 
Deut.  14,  28  +  29  :  41. 

22,  6  +  7  :  42. 
22,8—11  :  43  — 46. 
22,  23  +  24  :  47. 

22,  25  +  26  in.  :  48. 

23,  1  +  2  :  49. 
23,  19  :  50. 

23,  21  +  23  :  51. 

24,  5  :  52. 
24,  16  :  53. 
(26,  10)  :  192  a. 
27,  17  :  381  y. 

Bcclesiastes  5,  1  fin.  +  2  :  377  f. 

6,  9  in.  :  377d. 
Ecclesiasticus  (1,  2.  3)  :  70? 
(3,  33)  :  192  b. 
Exod.  20,  7  :  2. 

20,  12  fin.  :  3. 
21,7  +  8:4. 
5. 
6. 
7. 
9. 
8. 


21,  12 
21,  14 
21,  15 
21,  16 
21,  17 

21,  18  +  19 
21,  20  +  21 
21,  22  :  12. 
21,  23  — 25  : 
21,  26  +  27 
21,  28—30  : 
21,  31  fin.? 

21,  33  +  34 
21,35+36 

22,  1  :  18. 

22,  2  +  3  in.  +  4 
22,  5.  6  :  20.  21. 


:  10. 
:  11. 

13. 

:  14. 

:  15. 

14. 

16. 

17. 


19. 


22,7—9  :22. 
22,  10—15  :  23. 
22,  16—18  :  24—26. 
(22,  18)  :  215  b. 
22,  19  :  27. 

22.  20  in.  +  21  in.  :  28. 
22J  28  :  402  c. 
22,  29  +  30  :  29. 
(23,  19)  :  192a. 
(34,  26)  :  192  a. 
Genes.  9,  6  in.  :  1. 
Hebr.  (11,  6  in.)  :  185  a. 
Jac.  (5,  14.  15)  :  72;  cf.  75  a. 
Job.  ev.  (6,  57)  :  170b. 
Levit.  6,  2  in.  -f  3  in.  +  4  +  5  :  30. 
18,6:31a.  209  b. 
19,  20  :  32. 
19,  26  fin.  +  31  :  33. 
19,  32  :  34. 

19,  35  +  36  in.  :  35. 

20,  10.  11  :  36.  37. 
20,  16  :  209  e. 

Luc.  10,  16  in.  :  104b. 
Matth.  (3,  2)  :  185  b. 
18,  6  :  104b. 
(28.  12.  13)  :  345b. 
(28,  19)  :  68. 
Num.  5,  7  :  38  fin. 

12,  1  fin.  +  8  fin.  +  10  med. 

:  402  a. 
35,  16  :  39. 
85,  30  fin.  :  40. 
1.  Paral.  16,  22  :  402  b. 
Prov.  (3,  9)  :  194. 

6,  16—19  :  377b. 
6,  26  in.  :  415  c. 
6,  32  :  415b. 
11,  2+14:377e. 
Psalm.  104,  15  :  402b. 
1.  Reg.  24,  7.  26.  9  :  402  d. 
Rom.  (11,  33)  :  70. 


1)  Wo  die  (unmittelbare)  Quelle  eines  vermutlich  echten  Stücks 
unbekannt  geblieben  ist,  sich  aber  für  die  Quelle  selbst  eine  Vorlage 
liat  ermitteln  lassen,  ist  die  bekannte  oder  erschlossene  Vorlage  zwar  in 
Ermangelung  eines  Bessern  dem  Verzeichnis  eingefügt,  die  entscheidende 
Ziffer  u.  s.  w.  im  Zitate  der  Vorlage  aber  in  runde  Klammern  ein- 
geschlossen worden. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    VII. 


Ö33 


1.  Thess.  (5,  17)  :  171.  I 

Zach.  2,  8  [nicht  18]  fin.  :  104b. 

B.    C  0  n  c  i  1  i  e  n  : 

Afric.  (D.-H.) 
c.  74  med.  :  358. 
c.  96  :  362. 

c.  105  post  med.  :  381t. 
Agath.  506 
c.  8  :  145. 

c.  32  rubr.  32  in.  :  157. 
c.  32  fin.  :  158. 
c.  38  in.  :  132. 
Antioch.  341  (D.-H.) 

c.  15  in.  :  381  v. 
Aquisgran.  836.  837: 
Cap.  IIA  c.  10  -.74? 
Cap.  IIB  c.  5fin.  :75a? 
Epist.  ad  Pipp. : 
Lib.  I.  32  :  395a. 
III.  5  fin.  :  404b. 
III.  6  :  404  c. 
III.  7  :  404  d. 
III.  8  in.  :  404 e. 
Arelat.  I.  314 
c.  16  :  131. 

c.  17  (H.  Aug.)  :  310  in.  400  in. 
c.  18.  19  (H.  Aug.)  :  311. 
c.  20  (H.  Aug.)  :  312. 
Arelat.  II.  442  —  506 
c.  24  in.  (H.  Aug.)  :  314. 
c.  25  :  141. 
c.  49  :  142. 
c.  51  :  144. 
Arvem.  I.  535 

c.  14  (13)  :  134. 
Arvern.  II.,  cf.  Aurel.  V. 
Aurel.  I.  511 

c.  19  in.  (15  H.)  :  139. 
c.  22  (18  H.)  :  140. 
Aurel.  V.  549  (=  Arvern.  II.  H.) 
c.  13  :  136. 
c.  14  :  135. 
c.  17  in.  :  .381  q. 
Autissiod.  573  —  603  (c.  15) 

:  198  med. 
Burgund.  post  800: 
Stat.  ß.  c.  25  :  174. 
c.  26  :  175. 
c.  4  :  178. 
c.  29  :  179. 
c.  28  :  184. 
c.  30  :  186. 
c.  36  :  189  d. 
c.  34  :  190. 


c.  .35  :  191. 
princ,  c.  1  :  200. 
c.  2  :  201. 
c.  3  :  202. 

Stat.  B.   c.  31    und   Poen.  Ps.- 
Th.  c.  26  (41)  §  1.  4  fin.  :  206. 

Poen.  Ps.-Th.  c.  23  (38)  §  8  fin. 
:  195. 

Poen.  Ps.-Th.  c.  23  (38)  §  8  fin. 
+  §  9  :  196. 

Vgl.  noch  Ben.  2,  177.  (180.) 
(181.)     185.    189  a  — c.     192. 
197.  198. 
Carthag.  (D.-H.)  419 

c.  8  (Conc.  Carth.  390)  rubr.  fin. 
:  364. 
Carthag.  I.  (H.  Aug.) 

c.  10  rubr.  :  301. 

c.  11  :  302. 

c.  14  :  303. 
Carthag.  II.  (H.  Aug.) 

c.  8  :  305. 

c.  9  fin.  :  306. 

c.  10  :  307. 

c.  13  rubr.  :  304. 
Carthag.  III.  (H.  Aug.) 

c.  10  in.  :  300. 

c.  20  :  308. 
Carthag.  IV.  (H.)  [=  Statuta  ec- 

clesiae  antiqua] 

c.  19  [8]  :  3811. 

c.  26  [54]  :381a. 

c.  30  [53]  :  363. 
Chalced.  451  (D.-H.) 

(c.  8  fin.)  :  122  b. 
Clippiacense  626.  627 

c.  7  :  164. 

c.  10  :  409. 
Constantinop.  I.  381  (D.-H.) 

c.  2a  in.:  381z. 

c.  2b  med.  :  381  u. 
Eliberitan.  ante  316  (803?)  (H.  Aug.) 

c.  52  :  316. 

c.  73  in.  :  317. 
Epaon.  517 

c.  6  (2  H.)  :  154. 

c.  9  (5  H.)  :  155. 
Herutfordense  673 

c.  2.  3  :  166.  167. 

c.  6  :  86.  168. 

c.  8  :  169. 

c.  10  :  87. 
Incertum  saec.  IX.    (829?)?:   vgl. 

162a  (in.),  b.     165.    170.     176. 

182  b.  d.     188.     199.     205  b.  c. 

208a/?.  b.d.  215b.  248. 


534 


Emil  Seckel. 


Liftinense  743,  cf.  sub  Fa. 
Matisconense  I.  583 

c.  19  (18)  :  435  a. 
Matisconense  II.  585 

c.  10  post  in.  :  434. 
Milevitan.  (H.  Aug.)  c.  21  (Conc. 

Carth.  418  Mai  1)  :  309. 
Ps.    Nicaenum     (Conc.     Gallicum 

saec.  VII.  vel  VIII.?) 

c.  1  :  107. 
Paris.  V.  614 

e.  6  (4)  :  156. 
Paris.  VI.  829 

Lib.  III.  6  riibr.  :  208  rubr. 
Roman,  sub  Hilaro  465  (H.  Aug.) 

c.  1  med.  :  341b. 
Roman,  sub  Symm.  501  (Synodus 

palmaris;  D.-H.) :  381  f.  436  rubr. 
Roman,  sub  Symm.  502 

c.  2  med.:  392.  395b? 

c.  2  fin.  :  393. 
Sardic.  343  (D.-H.) 

0.  4  post  in.  :  401. 

c.  8  med.  :  381  c. 
Sard.  can.  ßreviatio 

c.  3  :  64. 

c.  19  Diess.  :  61. 

c.  18  (20  Diess.)  :  67. 

c.  20  (22  Diess.)  :  54. 
Tarracon.  516  (H.  Aug.) 

c.  4  rubr.  4  fin.  :  318. 
Tolet.  I.  400  (H.  Aug.) 

c.  11  rubr.  :  319. 

c.  12  rubr.  :  320. 
Tolet.  IV.  633  (H.  Aug.) 

c.  45  :  321. 
Tolet.  VII.  640  (H.  Aug.) 

c.  1  fin.  :  322. 
Tolet.  VIII.  653  (H.  Aug.) 

c.  2  med.  :  323. 

c.  12  fin.  :  324. 
Tolet.  XI.  675  (H.  Aug.) 

c.  5  in.  :  104a.  375b. 

c.  15  :  325. 
Tolet.  Xn.  681  (H.  Aug.) 

(cf.  L.  Visig.  12,  3) 
Tom.  Erv.  :  326. 
c.  5  fin.  :  120. 
c.  9  §  8  :  130.  327.  408. 
c.  9  §  12  :  119. 
c.  9  §  19  :  122a. 
c.  9  §  25  :  143. 
Turonense  567 

c.  26  (25)  :  428  a. 

c.  27  (26)  :  418. 


Valentin.  374  (H.  Aug.) 

c.  4  rubr.  :  315. 
ad  Wizipurch  (?)  :  70.  71  ? 


Canones  apostolorum  (D.  -  H.) 
(c.  42  rubr.)  :  203  a. 
(c.  43  rubr.)  :  203  b. 
(c.  49)  :  68. 

Pulgentius  Ferrandus,    Brev.  can. 
c.  37  :  56. 
c.  92  :  57. 
c.  95  :  58. 
c.  99.  100  :  59.  60. 
c.  103  :  62. 
c.  163  :  63. 
c.  192  :  65. 
c.  196  :  362? 
c.  219  :  66. 

C.    Dekretalen: 

Anastas.  II.  496,  J.  744  (H.  Aug.) 

c.  4  :  342. 
Coelest.  I.  428,  J.  369 

c.  17  in.  (D.-H.)  aut  c.  4  in.  (H.) 

aut  c.  6  in.  (Qu.)  :  381  x. 
Damasus  I.  380,  J.  235 

c.  3  in.  (H.)  :  85. 
Gelasius  1.  494,  J.  636 

c.  5  rubr.  (D.-H.)  :  183. 
Gregor.  I.   601    Registr.  11,   56  a. 

J.  1843,  (c.  8  post  in.)  :  207. 
Gregor.  II.  726,    J.    2174   [Bonif. 

p.  275]  :  80  b. 
Gregor.  III.  732,  J.  2239  [Bonif. 

p.  279]  :  80  a. 
Gregor.  III.  739,  J.  2251   [Bonif. 

p.  293]  :  81. 
Hilarus  465,  cf.  Conc.  Rom. 
Innoc.  I.  404,  J.  286 

c.  3  rubr.  (H.  Aug.)  :  381ka. 

c.  3  in.  :  881  r. 

c.  3  fin.  :  .381s. 
Innoc.  I.  414,  J.  303 

c.  7  med.  (H.  Aug.)  :  330. 
Innoc.  I.  401—417,  J.  317 

c.  36  (D.-H.)  :381aa. 
Leo  I.  (durchweg  H.  Aug.)  446?, 

J.  410  c.  5  :  341a. 
Leo  L  446?,  J.  411 

praef.  :  339. 

c.  10  fin.  :  340. 
Leo  I.  449,  J.  420  :  332. 
Leo  I.  449,  J.  423 

c.  6  fin.  :  333. 
Leo  I.  449,  J.  438  :  334. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn. 


535 


Leo  I.  451,  J.  460 

c.  2  :  335. 
Leo  I.  451,  J.  462  :  336. 
Leo  I.  451,  J.  473  :  337. 
Leo  I.  452,  J.  483 

pars  II  :  328. 
Leo  I.  453,  J.  491  :  329. 
Leo  I.  458/9,  J.  544 

praef.,  c.  10  rubr.  :  8.38. 
Symmachus   50!.    502,    cf.    Conc. 

Rom. 
Zosimus   418,   J.    345    (H.    Aug.) 

:  SSL 

D.    Römisches  Recht: 

a)  Brev. 

C.  Th.  3,  12  rubr.  3,  12,  3  (2) 

interpr.  :  410. 
C.  Th.  6,  1,  2  fin.  :  387. 

6,  1,  2  int.  :  396. 

7,  1,  1  :  384. 

9,  1,  5  in.  :  381k/?. 

9,  7,  1  :  386. 

9,  30,  1  int.  :  398. 

b)  Brev.  Ep.  Aeg. 

C.  Th.  10,  1,  2:381e. 
C.  Greg.  12,  1  :  360.  399. 

c)  Brev.  Ep.  Paris. 

C.  Th.  16,  2,29  :  111?  114.  388. 
C.  Th.  16,  2,  .38  :  103.  112.  391. 

d)  C.  Th.  16  (Brev.  auct.). 
16,  2,23  :  113.  381  w. 

16,  2,  29  :  103  fin.?    111?    114. 

388.  391? 
16,  2,  30  :  368. 
16,  2,  31  :  115.  406. 
16,  2,  34  in.  :  116  in.  889. 
16,  2,  40  :  117.  385. 
16,  2,  47  :  111.  390. 
16,  11,  3  :  367. 

e)  Sirmond,  const.  (Brev.  auct.) 

c.  1  :  366b. 

f)  Summa  De  ordine  ecclesiastico 

c.  3  in.  :  118. 
c.  8  :  129. 
c.  14  :  128. 
c.  15  :  127. 
c.  16  :  126. 
c.  17  :  125. 
c.  18  :  124. 
c.  19  :  123. 
c.  29  :  109. 
c.  33  :  110. 
c.  35  :  108. 
c.  41  :  102. 


c.  44  :  100. 
c.  48  :  101. 

E.  Germanische  Volksgesetze: 
Lex       Baiuvpariorum       (canonice 

compta) 
2,  5  :  382  a. 
Lex  Visigothorum  (Erv.,  cod.  E 1) 
2,  1,  10  in.  :343. 
2,  1,  13  (11)  rubr.  :  436. 
2,  4,  1  :  397. 
2,  4,  4  in.  :  146.  344. 
2,  4,  5  in.  :  147.  345  a. 
2,  4,  13  :  348. 
2,  5,  1  in.  :  148.  416. 
2,  5,  2  :  149.  346. 

2,  5,  4  :  1.50.  349. 

3,  1,  9  rubr.  in.  :  138  a. 
3,  4,  18  fin.  :  151.  3,50. 

3,  5,  2  med.  :  411. 

4,  5,  6  :  84. 

5,  4,  1  :  152.  417. 
5,  7,  7  :  153. 

5,  7,  12  :  159.  352. 
7,  2,  7  :  160. 
7,  2,  8  :  351. 

7,  5,  5  :  361. 

8,  1,  2  :  161.  353. 
8,  1,  6  :  354. 

8,  1,  10  rubr.  10  in.  :  137. 

8,  1,  10  :  355. 

8,  1,  11  :  1.38.  356. 

[12,  3,  8  rubr.]  :  1.30.   327.  408. 

[12,  3,  12  rubr.]  :  119. 

[12,  8,  19  rubr.]  :  122  a. 

[12,3,  25  rubr.]  :  143. 

(Zu  den  in    eckigen  Klammern 

stehenden    Stücken    vgl.     oben 

Conc.  Tolet.  XII.  c.  9). 

F.  Kapitularien: 

a)  Karlmanni 

(11.)  Cap.  Liftinense  743 
c.  2  :  425. 
c.  3  in.  :  419. 
c.  S  fin.  :  428. 
c.  4  :  422. 

b)  Karoli  M.' 

(19.)  Cap.  primum  769 

c.  9  :  105. 

c.  10  :  106  a.  b. 

c.  11  :  106c. 
(20.)   Cap.  Haristall.   779  inscr. 

:  382  inscr.? 
(22.)    Admonitio   generahs    789 

(c.  15)  :  189  c. 

c.  45  in.  :  362? 


536 


Emil  Seckel. 


c.  61.  62  :  372.  373. 
c.  65  :  374. 
c.  67  :  375. 
c.  70.  71  :  376.  377a. 
c.  72  post  in.  :  377g. 
c.  74.  75  :  378  a.  b. 
c.  79  :  379. 

c.  81.  82  med.  :  380a.  b. 
(c.  81)  :  189  b. 
(39.)  Cap.  legibus  additum  803 
inscr.  :  291  inscr. 
c.  1.  2  in.  2  fin.  :  291a— c. 
(40.)    Cap.  missorum  De   causis 
admonendis  803 
c.  1—4  :  216  —  219. 
c.  5— 8:221a.  222—224. 
c.  9—12  :  226—229. 
c.  13  :  231. 
c.  15—17  :  232—234. 
c.  18—21  :  236—239. 
c.  22  :  241. 
c.  25  :  242. 
(41.)   Cap.  legi  Ribuariae  addi- 
tum 803 

c.  5.  6  :  210.  211. 
c.  8  :  212. 
c.  9.  10:  213  a.  b. 
c.  11.  12:214  a.  b. 
(43/44.)   Cap.  duplex   missorum 
in  Theodonis  villa  datum  805 

inscr.  (G.)  :  256  inscr. 
I.  c.  1  (C.)  :  2561. 

c.  2  (CG.):  256 II. 

c.3(V.C'?G.):258. 

c.  4  (C.)  :  256 III. 

c.  5  (C.)  :  256 IV. 

c.  6  (C.  G.)  :  259. 

c.  7  (C.)  :  256  V. 

c.  8  (C.)  :  256  VI. 

c.  9(V.  C?G.):257. 

c.  10  (C.)  :  260. 

c.  11  (V.  C?  G.)  :  261. 

c.  12  (V.  C?)  :  262. 

c.  13  (V.  C?  G.)  :  263. 

c.  14  (V.  G.)  :  264. 

c.l5.16(V.C?G.):265.266. 
II.  c.l-4(V.C?G.):267— 270. 

c.  5  (G.)  :  271. 

c.  6—11  (V.  C?  G.)  :  272— 
277. 

c.  12  (V  codd.  1—3)  :  278. 

c.  13—22  (V.  C?  G.)  :  279— 
288. 
(57.)   Capitula  omnibus  cognita 
facienda  801  — (806?)  814 


c.  2  in.  :  221b. 
c.  7  :  243. 
(60.)    Capitulare  missorum   802 
—813 
c.  1  :  289. 
c.  2—4  :  290. 
(61.)  Cap.  Aquisgranense  809 
inscr.  :  292  inscr. 
c.  1— 4  :  295-298. 
(67.)  Capitula  per  missos  cognita 
facienda  803—813 
c.  1—3  :  292—294. 
(69.)     Capitulare    Baiuwaricum 
ca.  810? 

c.  1—3  :  245—247. 
c.  4—6  :  249—251. 
c.  7  :  253. 
c)   Episcoporum   ad   Hludowicum 
imperatorem  relatio  829 
c.  1  (1.  20.  21)  :  162  c. 
c.  1  (1.  25  ff.)  :  162  a. 
c.  1(1.  30  ff.):  162  d. 
c.  1  (1.  41  ff.)  :  252.  254.  255. 
c.  35  (1.29  ff.)  :  182  a. 
c.  35  (1.  31  ff.)  :  182c. 
c.  37  in.  38  in.  .38  fin. :  193  a-c. 
c.  45  in.  :  205  a. 
c.  46  :  208aa.  7.C. 
c.  54(p.  44  1.  34  ff'.)  :215  a. 
c.  54(p.  45  1.  Uff.)  :220. 
c.  54(1.  23  ff.)  :225. 
c.  54  (1.  [35.]  36  ff.)  :  230. 
c.  54  (p.  46  1.  1  ff)  :  235. 
c.  54(1.  4  ff.):  240. 
c.  54  (1.  9  ff.)  :  244. 

G.    Bussbücher: 
Theodori  Poenitentiale 

12  §3:209 f. 

14  §  5  :  90. 

II  2  §  13  :  94. 

II  4  §  11  :  93. 

II  11  §  9  :  209g. 

n  12  §  7  :209c. 

II  12  §  8a  in.  :  209d. 

II  12  §25  :209  a. 

II  12  §  32  :  55.  91. 

II  12  §  33  :  92. 

II  13  §  5  :  95. 

(II  14  §  1)  :  187  in. 
Pseudo -Theodori  Poenitentiale  (cf. 
Conc.  Burgund.) 
[0.23(38)  §8  in.]  :  (189  c). 
[c.  23  (38)  §  8  fin.]  :  195. 
[c.  23  (38)  §  8  fin.  +  §  9]  :  196. 
[c.  26  (41)  §  1.  4  fin.]  :  206. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn. 


537 


Poenitentiale  Vallicellanum  II. 
(immo  Tractatus  quidam  de 
poenitentia) 

(c.  47  in.)  :  187  in. 

(c.  48  [49]  in.)  :  187  fin. 

H.    Kirchenväter  und  andere 
Schriftsteller: 
Ps.  -  Ambrosius    in    Epist.    I.    ad 

Cor.  5,2  :381o. 
Augustinus .    Ennarr.    in    ps.    63 

§  15  :  345b.  c. 
Cassiodorius,  Hist.  trip. 
2,2  :403  a. 

3.8  :  381ha. 

4.9  med.  :  381b. 
5,17  :313.  381m. 
5,  29  in.  :  381  ga. 
7,8:403b? 

7,  12  med.  :381p. 
lonas  Aurelianensis,  De  inst.  laic. 

2,  4  rubr.  :  433. 

2,  5  rubr.  :  432  rubr.  432  a. 
Isidorus  Hispalensis,  Sententiae 

2,  1  §  1  :  377c. 

3,  39  §  2  in.  :  365. 
Rufinus,  Hist.  eccl. 

10,  2:381  n?  (403  b?) 
Sextus  Pythagoricus,  Sent. 
§  7  :  415e. 
§  259  :  357a. 

I.    Verschiedenes: 
a)  Capitula  episcoporum: 

n)    Dicta    abbatis   Pirminii ,   de 

singulis    libris    canonicis   sca- 

rapsus  (immo  Föns  Pirminii) 

(c.  23,  p.  177  1.  6— 8)  :195  a. 


II.    Mosaikartig   in 
polationen  ve 
A.    Bibel: 
Apocal.  19,  16  :  407c. 

1.  Cor.  5,  5  :  435  c. 

5,  11  fin.  :  370k. 

6,  9.  10  :  407d.  431. 
6,  10  :  97b. 

7,3  :91b. 

2.  Cor.  5,  20  :  99. 
Deut.  14,  29  :  42  b. 

15,  3  in.  6  in.  :  41b. 

16,  3  fin.  :  41b.  90.  98. 
18,  1  in.  :41b. 

24,  19—21  :41b. 
Exod.  17,  11—13  :  370a. 
21,  18:  IIa. 


Fä 
rar 


(c.  23,  p.  177  1.8—11.  22. 

23):  189  a.  b. 
(c.  25  fin.,  p.  179  1.  14—18) 

:  195b. 
(c.  28  fin.,  p.  188  1.  18—22) 

:  196  med. 
(c.  29  in.,  p.  189  1.  7  —  12) 

:  192  a. 
(c.30in.,p.l89/190)?  :195  a. 
ß)   Theodulfi  Aurelianensis  Ca- 
pitulare  primum 
c.  34  :  347. 
c.  35  :  299. 
y)     (Ps.  -  Leonis    IV.     Homilia 
aucta)  :  131? 

b)  Schreiben     kirchlicher    Amts- 
träger : 

Bonifatius  Mogant.  ad  Aethel- 
baldum  745—746  (epist.  73) 
p.  341  1.  6  ff.  :  424. 
p.  341  1.  19  ff.  :412. 
p.  341  1.  21.  22  :  413. 
p.  341  1.  25  ff.  :  414. 
p.  341  1.  35.  36  :  415  a. 
p.  343  1.  14  ff.  :426. 
Bonifatius  Mogunt.    ad   Cud- 
berhtum  747  (epist.  78) 
p.  351  1.  12.  13  :  79. 
p.  355  1.  5  ff.  :427a. 
Bonifatius   Mogunt.    ad   Not- 
helmum  735  (epist.  33) 
p.  284  1.  15  ff.  :  421. 
Eangyth  abbatissa  et  Heaburg 
ad    Wynfrithum    719—722 
(Bonif.  epist.  14) 
p.  263  1.  14.  15  :  420. 

c)  Messe,  (Oratio  secreta  'Te  igi- 
tur')  :  176. 

Ischungen   und   Inter- 
beitete   Quellen. 

21,  26  :4b  med.? 

21,  29  :15a. 

21,  31  fin.  :  14b. 
Gal.  5,  20.  21  :  220. 
Gen.  18,  10.  14  :  371. 
2.  Joh.  10:  93? 
Levit.  18,  7.  8.  10  fin.  :  31b. 

27,  21  :  405 a^.  407a. 

27,  28  :  405  aa.  407a. 
Luc.  17,  2  in.  :  104  b? 
Num.  5,  6  in.?  7  in. :  88. 

5,  9  :  395a? 
1.  Petr.  3,  18  :  3701. 
Rom.  1,  32  :  220.  370 i. 


538 


Emil  Seckel. 


Rom.  5,  6  :  3701. 

13,  4  :  432  b. 
l.Thess.  4, 6  in. :  299. 310fin.  400  fin. 
1.  Tim.  5,  6  vers.  antiq.?  :  415e? 
1.  Tim.  6,  15  :  407c. 
6,  17  :  427a. 

B.    Concilien: 
Afric.  (D.-H.) 

c.  17  med.  :  381h  7. 
c.  96  :  381  h/i. 
Agath.  506  c.  4  :  407^. 
c.  32  :  88? 
Antioch.  341  (D.-H.) 

c.  15  :  381  d. 
Aquisgran.  816,  Inst.  can. 
c.  35  fin.  116  in.  :  370  d. 
c.  119  :  310  fin.?  400  fin.? 
Aquisgran.  836.  837 

Cap.  III  pag.  718  1.  32  :  99. 
Epist.  ad  Pipp. : 

Lib.  I.  16  fin.  :  370  e. 
I.  32  :  407a. 
I.  34  in.  :395  a? 
I.  36  fin.  :  370  e. 

I.  38  :  370  a. 

II.  15  :  370e. 

II.  31  :  370  a. 

III.  5. 6  :404a.  405b.  407g. 
III.  7  :407  b. 

III.  24.  27  in.  :  370  a. 
Arelat.  II.  442—506  c.  25  :  90?  98? 
Arelat.  813  c.  26  :  97  b. 
Aspasii  551  c.  1  :  88? 
Aurel.  IV.  541  c.  19  :  404  a. 
c.  25  :  427a. 
Aurel.  V.  549  c.  14  :  427a. 
Autissiod.  573—603  c.  44  :  88. 
Cabillon.  639—654  c.  6  :  370k. 
Carthag.  (D.-H.)  c.  19  in.  :  381  e. 
Carthag.  III.  (H.)  c.  20  :  810  fin. 

400  fin. 
Carthag.  IV.   (H.)   [=  Stat.  eccl. 

antiq.] 

c.  96  [52]  :381hy. 
Chalced.  451  (D.-H.) 

c.  8  fin.  :  163. 

c.  21  :381h;'. 
Gangr.  325  —  370  (D.-H.) 

c.  7  :  370g. 

c.  8  :  84rubr.?  84  in.? 
Hispal.  II.  619  (H.  Aug.) 

c.  7  :  369. 
Incerti  loci  post  614  c.  12  :  88? 
Neocaes.  314  (D.-H.) 

c.  3:  381h  7. 


Paris.  IV.  573  :  88? 
Paris.  V.  614 

c.  6.  8.  11  (4.  6.  9)  :  88? 

c.  11  (9)  :  370  k.  427a. 
Paris.  VI.  829 

Lib.  I.  2  :  370  a. 

Lib.  I.  15  :  370  d. 

Lib.  L  47  :402a  fin.? 
Roman,  sub  Symm.  502 

c.  2  med.  :  395b.  429. 

c.  6  rubr.  :  407  b? 
Roman.  721   sub  Greg.  II. 

c.  10.  11  :  96? 
Sardic.  343  c.  21  :  312? 
Tolet.  V.  636  c.  3  fin.  :  88  ? 
Tolet.  VI.  638  c.  6  :  88? 
Tolet.  XI.  675 

c.  6  fin.  :  370m. 

c.  15  :  325. 
Tolet.  XVI.  693  c.  9  fin.  :  370m. 
Tolet.  XVII.  694  e.  5  fin.  :  370  m. 
Turon.  I.  461  c.  8  :  90?  98? 
Turon.  II.  567  c.  16.  21.  25  (15. 

20.  24)  :  428  b. 
Vasense   I.    442   c.  4  fin.  :  370  f. 

394.  407c. 


Can.  apost.  c.  34  :  432  a. 

C.  Dekretalen: 
Ps.-Damasus  L  366—384  (H,  Aug.), 

J.  244  :  121.  369. 
Innoc.  I.  404,  J.  286  :  88. 
Innoc.  I.  414,  J.  303 

c.  3  fin.  :  369. 
Leo  I.  458/9,  J.  544 

c.  4  fin.  :  133b? 

c.  15  med.  :  369. 

c.  24  :  90?  98? 

D.  Römisches  Recht: 

a)  ßrev. 

C.  Th.  9,  20,  2  :  96. 

9,  27,  3  int.  fin.  :  435  b. 
16,  4  :  423. 

b)  Brev.  Ep.  Paris. 

C.  Th.  9,  1,  6  :  435b. 

c)  C.  Th.  16  (Brev.  auct.),    2,  31 
:  117. 

d)  Const.    Constantini    I.    314   ad 
Ablavium  :  381  h/5? 

e)  Const.    Theodosii   II.    et   Val. 
III.  430  ad  Albinum  :  99. 

f)  Summa  De  ord.  eccl. 

c.  8  :  99. 
c.  4A  :  102. 


Studien  zu  Benedictus  Levita.    Vn. 


539 


E.  Germauische  Volksgesetze: 
Lex  Baiuwar.  (canonice  compta)  : 

97a  in.   (cf.  882). 
Lex  Visigothorum  : 
4,  5,  6  :  370  d.e. 
12,  2,  12  ff.   ] 
12,  3,  1  :  423. 

12,  3,  12.  18  J 

F.  Kapitularien: 

(13)  Pippini  Cap.  754/5  c.  1  :  101? 

(14)  Conc.  Vern.  755 

c.  9:370k? 
c.  15  :  133  b? 
(39)  Cap.  leg.  additum  803,  inscr. 

et  c.  1  :  98. 
(57)  Cap.  Omnibus  cognita  facienda 

801— (806?)  8 14  c.  1  :  234? 
(98)  Cap.  Italicum  801 
c.  3  :  431. 

(138)  Cap.  eccles.  818/9 

c.  1  in.  :  370  d. 

c.  22  —  24:  96.  101?  102? 

(139)  Cap.  leg.  addenda  818/9 

c.  4  :  99.  116. 
c.  [4.]  9  :  96.  97.  98. 
Anseg.  1,  35  :  381  h 7. 


Episcoporum  relatio  829 
c.  2  :  370a. 
c.  27  :  370  c. 


G.    Bussbücher: 

Theodori  Poen.  14  §  5  :  98. 

H.     Kirchenväter    und    andere 
Schriftsteller: 
Augustinus 

Tract.  50  in  ev.  Job.  §  11  :  407b. 
Ebo  Remensis,  Apologeticum  p.795 

1.  27  sq.  :  .381  d. 
Hieronymus,  Epist.  69  §  9  :  415  e? 
lonas     Aurel. ,      De     inst.     laic. 

2,  10  rubr.  :  235. 

Isidorus  Hispal.,  Etym.  4,  24  :  870 i. 
Isidorus  Hispal.,  Synon.  1,  9  :  3701. 
lulianus  Pomerius,    De    vita    con- 
templ.  2,  9  :  370  d. 

I.    Verschiedenes: 

a)  Ps.-Leonis  IV.  Homilia  :  133b? 

b)  Bonifatius  Mog.  ad  Aethel- 
baldum  :  407  f.  g.  —  ad  Cud- 
berhtum  :  407e  ? 

c)  Formulae  oder  Diplomata  :  370a. 
371.  407a. 

d)  Pontificale: 

Formula  excommunicationis  : 

88?  89?  93? 
Oratio    episcopi    in    reconcilia- 

tione  poenitentium  :  88?  101? 

e)  Formula  abrenuntiationis  :  193b. 

f)  Glossarium  cod.  Vat.  3321  s.  v. 
sacrilegus  :  394  c. 


Nachtrag  zu  Ben.  2,  361.  Mit  der  nötigen 
Skepsis  ist  oben  S.  475  f.  das  Breviar  bzw.  die  Epitome 
Aegidii  als  Quelle  von  2,  361  bezeichnet  worden.  Unter- 
dessen ist  es  gelungen ,  die  bisher  unbekannte ,  wahre 
Quelle  von  2,  361  (damit  auch  von  3,  348  und  von  Cap. 
Angilr.  c.  38)  aufzufinden  in  L.  Visig.  7,  5,  5  ([Recc],  Erv.), 
MG.  LL.  Visig.  p.  306.  Textverhältnisse  (kursiv  gedruckt, 
was  sich  bei  Ben.  mit  der  Vorlage  deckt) : 


Ben.  2,  361. 
Omnis,    qui  falssi  aliis  in- 
tuhrit,  puniatur  et  pro   falsi- 
tate  ferat  infamiam. 


L.  Visig. 
Qui    .   .   .  ^   ali  q  u  i  d   fal- 
s  i  t  a  t  i  s   intulerit,    ...    et 
i  n  s  u  p  e  r       pro       f  alsitate 
ferat  infamiam^. 


1)  Die  hier  ausgelassenen  Worte  lauten:  'defuncti  celaverit  volum- 
tatem  aut  in  eadem' ;  wie  mau  sieht,  hat  Ben.  den  Tatbestand  der  Vor- 
lage gründlich  umgestaltet.  2)  So  cod.  E  1,  während  die  codd.  R  1.  2. 
E  2  'infamium'  schreiben. 


Neues  Archiv  etc.    XXXV. 


35 


IX. 


Nachträge  zu  drn  Regesten  Karls  IV. 

aus  dem  Stuttgarter  Staatsarchiv. 


Mitgeteilt  von 


Adolf  Piscliek. 


S5* 


Jj  ür  das  additamentum  primum  zu  den  Regesta  im- 
perii  YIII  hat  schon  Huber  im  Stuttgarter  Staatsarchiv 
eine  reichhaltige  Ausbeute  an  Urkunden  Karls  IV.  ge- 
funden. Eine  ziemliche  Reihe  weiterer,  bei  Böhmer -Huber 
fehlender  Stücke,  deren  Original  oder  sonstige  Quelle  in 
■jenem  Archiv  verwahrt  ist,  ergeben  die  Urkundenbücher 
der  Stadt  Rottweil  (1896),  der  Stadt  Heilbronn  (1904)  und 
der  Stadt  Esslingen  I  u.  II  (1899  und  1905),  sowie  der 
zweite  Band  des  Ulmischen  Urkundenbuchs  (1898 — 1900). 
Die  Regesten  über  diejenigen  im  Stuttgarter  Archiv  vor- 
handenen Urkunden  Karls  IV.,  die  sich  weder  bei  Böhmer- 
Huber  verzeichnet  finden  noch  in  den  vier  genannten  Ur- 
kundenbüchern  mitgeteilt  sind ,  möchte  ich  in  der  vor- 
liegenden Veröffentlichung  nachtragen.  Dass  sie  sonst 
irgendwo  seit  Erscheinen  des  ersten  Ergänzungsheftes  zu 
Böhmer- Huber  abgedruckt  oder  ausgezogen  worden  wären, 
ist  mir  von  keiner  dieser  Urkunden  bekannt  geworden,  je- 
doch sind  einzelne  von  ihnen  in  früheren,  mitunter  auch 
von  Böhmer  zitierten  Werken  schon  verwertet,  aber  dort, 
wie  es  scheint,  bei  der  Sammlung  des  Materials  zu  den 
Regesta  imperii  übersehen  worden. 

Unter  den  unten  aufgeführten  Urkunden  befinden 
sich  einige  wenige,  die  für  nicht  dem  Gebiet  des  heutigen 
Württemberg  angehörende  Empfänger  ausgestellt  sind. 
Die  Regesten  sind  in  diesen  Fällen  gefertigt  nach  Ur- 
kundenabschriften enthalten  in  einer  zu  Beginn  des  19.  Jh. 
von  Paul  Anton  Breitenbach  angelegten  handschriftlichen 
Materialiensammlung  für  eine  diplomatische  Geschichte  der 
Deutschmeister  und  Chronik  der  Stadt  Mergentheim. 

Was  die  Art  der  Abfassung  der  Regesten  betrifft,  so 
habe  ich  mich  insbesondere  auch  an  die  Anweisungen  ge- 
halten, die  Theodor  Lindner  seinen  Nachträgen  zu  den 
Regesten  Karls  IV.  im  achten  Band  dieser  Zeitschrift, 
S.  253  f.,  vorausgeschickt  hat.  Wo  der  Stoff  des  Ori- 
ginals Pergament  ist  (überall  ausser  n.  23)  und  wo  das 
Siegel  am  Pergamentstreifen  anhängt,  habe  ich  das 
nicht    besonders    erwähnt.      Der   Regfistraturvermerk    steht 


544  Adolf  Pischek. 

auf  der  Rückseite  der  Urkunde,  wo  nichts  anderes  an- 
gegeben ist.  Abgesehen  von  einer  Ausnahme  (n.  27),  der 
eine  Fälschung  zu  Grund  liegen  mag  (vgl.  ß.-H.  n.  6967), 
haben  die  Urkunden  mit  Zeugen,  sämtlich  in  lateinischer 
Sprache  abgefasst,  zugleich  Invokation,  Monogramm  und 
Indiktionsangabe. 

Wenige  Bemerkungen ,  die  sich  mir  bei  der  Ver- 
gleichung  der  Originalquellen  mit  den  Böhmer-Huber'schen 
ßegesten  ergeben  haben,  dürfen  hier  wohl  noch  angefügt 
werden.  Zu  B.-H.  n.  509  lautet  der  königliche  Befehl 
dahin,  das  Kloster  Comburg  in  einem  Streit  wegen  der 
Yogtei  Gebsattel  (statt  das  Kloster  Gebsattel)  zu  schirmen. 
Das  Datum  von  n.  1309  ist  der  28.  Mai  statt  2.  Juni  1350, 
der  Ausstellort  Nürnberg.  Die  bei  n.  1922a  vermisste 
Quelle  für  die  Anwesenheit  Karls  in  Giengen  ist  nun  ab- 
gedruckt im  Ulmischen  ÜB.  II,  1,  S.  411.  In  n.  607  steht 
'dieser  Unsinn'  wirklich  in  den  die  einzige  Quelle  bildenden 
Comburger  Kopialbücbern.  Die  n.  7370  gehört  zum 
13.  Januar  1374,  nicht  1373.  Die  bei  Böhmer- Huber 
fehlende  Urkunde  des  Ulmischen  ÜB.  II,  2,  S.  613  über 
die  Erhebung  des  Dorfs  Stotzingen  zur  Stadt  gehört  nicht 
zu  1366  Mai  6,  sondern  zu  1365  Dezember  27  (mit  1366, 
r.  20,  imp.  11). 

Karl  IV. 

1347  Oktober  21  im  Lager  vor  Neumarkt  ('ante  civitatem 
Noviforensem') 

richtet  seine  erste  Bitte  an  das  Kloster  Comburg  zu 
Gunsten  von  Raben,  Sohn  Heinrichs  von  Hornberg.  1 

Traussumpt  des  Abts  von  Murrhardt  von  1348. 

1347  November  1.  Nürnberg 

richtet  seine  erste  Bitte  an  das  Kloster  Comburg  zu 
Gunsten  von  Johannes,  Sohn  Heinrichs  von  Hausen.         2 

Transsumpt  des  Abts  von  Murrhardt  von  1348. 

1347  November  7.  Nürnberg 

bestätigt  dem  Kloster  Ellwangen  auf  Bitten  des  Abts 
Kuno  insgesamt  Besitz,  Freiheiten  und  Regalien,  Gerichte, 
Jagd-  und  Forstrechte  und  nimmt  es  mit  Gütern  und 
Leuten  in  königlichen  Schutz  (verschieden  von  B.  -  H. 
n.  418).  3 

'per  manus  Welislai'  etc.  —  R.  (auf  dem  Bug). 
Orig.,  Maj.- Siegel,  Schnur  rotgelb. 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  545 

1347  November  25.  Nürnberg- 

bestätigt  dem  Tölzer  von  Schellenberg,  dass  ihm  die 
zwei  Mühlen  bei  Leutkirch  für  100  Pfund  Konstanzer 
Pfennige,  die  ihm  das  Eeich  schuldet,  verpfändet  sind.         4 

Ohne  Unterfertigung  und  Registraturvermerk.  Orig., 
Sekr.  -  Siegel  abgegangen. 

1347  November  29.  Nürnberg 

verleiht  auf  Bitten  des  Burggrafen  Berthold  von 
Nürnbero:,  Landkommenturs  zu  Franken,  dem  Kommentur 
ZU  Ellingen  Stock  und  Halsgericht  daselbst  und  erteilt 
dem  Gericht  zu  Ellingen  Freiheit  und  Recht  des  Gerichts 
ZU  Weissenburg.  5 

'ego  Nicolaus  decanus  Oloraucensis'  etc.  'recognovi'. 
Unter  Maj.- Siegel  an  rotgelber  Schnur.  Abschrift  in  der 
Breitenbachschen  Sammlung  und  Abdruck  in  Branden- 
burgische Usurpationsgeschichte  im  Gebiet  des  deutschen 
Ritterordens  1796/97  Beilage  112,  S.  231. 

1348  Januar  27.  Ulm 

macht  der  Stadt  Wangen  dieselben  Versprechungen 
wie  den  andern  schwäbischen  Reichsstädten  (B.-H.  n.  566 
—  581.  6507—6509).  ^  6 

Ohne  Unterfertigung  und  Registraturvermerk.  Orig., 
Maj. -Siegel,  Schnur  rotgelb. 

1348  Juli   12.  Prag 

bestätigt  Burkhard  von  EUerbach  dem  Aelteren  alle 
seine  vom  Reich  rührenden  Pfandschaften.  7 

'R.  per  dnm.  cancell.  Dithmarus'  (auf  dem  Bug). 
Vidimus  der  Stadt  Ulm  von  1456. 

1349  September  15.  Speier 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an ,  ihre  auf  Martini 
fällige  Reichssteuer  an  die  Grafen  Ulrich  und  Ulrich  von 
Helfenstein,  Gevetter,  Landvögte  in  Oberschwaben,  zu 
entrichten.  8 

Kopialbuch  von  1605. 

1350  April  19.  Nürnberg 

erteilt  der  Stadt  Ravensburg  dieselbe  Weisung.         9 
'p.      d.      episc.      August.      Dithmarus'.       Kopialbuch 
von  1605. 


546  Adolf  Pischek. 

1351  Mai  24.  Prag 

gibt  als  König  von  Böhmen  seinen  Willebrief  zu  der 
Verleihung  der  Burgen  und  Städte  Giengen,  Hellenstein 
und  Heidenheim  an  die  Grafen  Ulrich  und  Ulrich  von 
Helfeustein.  10 

Unter  Maj.- Siegel.  Kopialbuch  15.  Jh.  Die  Wille- 
briefe der  übrigen  Kurfürsten  ebenda. 

1352  Oktober  1.  Prag 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n.  8.         11 
'Nuemburgens.  electus'.     Kopialbuch  von  1605. 

1353  September  17.  Konstanz 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n,  8.         12 
Kopialbuch  von  1605. 

1353  September  21.  Konstanz 

bestätigt  den  Brüdern  des  heiligen  Grabs  in  Denken- 
dorf den  eingerückten  Freiheitsbrief  Heinrichs  (VII.)  d.  d. 
Esslingen  1226  September  26  (Böhmer-Ficker  n.  4016).        13 

Ohne  Unterfertigung.  R.  (auf  der  Rückseite).  Orig., 
Maj. -Siegel,  Schnur  grünrot. 

1353  November  11.  Speier 

nimmt  das  Deutschordenshaus  zu  Weissenburg  in 
seinen  Schutz  und  befreit  es,  da  er  es  sich  zu  Gemach 
und  Herberge  vorbehalten  hat ,  von  allen  sonstigen 
Herbergspflichten.  14 

Abschrift  in  der  Breitenbachschen  Sammlung. 

1353  November  27.   Speier 

entscheidet  in  einem  Streit  zwischen  dem  Grafen 
Albrecht  von  Werdenberg  genannt  von  Heiligenberg  und 
dem  Abt  Eglolf  des  Prämonstratenserklosters  Rot  Kon- 
stanzer Bistums,  dass  das  Kloster  befugt  sei,  über  die  ihm 
von  dem  Edeln  von  Wildenberg  vermachten  Güter  in  den 
Dörfern  Cumbels  und  Villa  im  Lugnetz  unbehindert  von 
dem  Grafen  zu  verfügen,  und  befiehlt,  es  in  diesem  Rechte 
zu  schützen.  15 

'per  d.  regem  Wesaliensis'.  R.  (auf  dem  Bug).  Orig., 
Maj. -Siegel  abgeg. 

1355  Juli  27.  Donaustauf 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n.  8.         16 
'p.  d.  Luthom.  epm.  cancell.  Rud.'  Kopialbuch  von  1605. 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  547 

1355  November  29.  Nürnberg- 

weist  die  Stadt  Gmünd  an,  337 V2  Gulden  zu  der 
Ehrengabe  von  II912V2  Gulden  beizusteuern,  die  ihm  die 
Städte  nach  seiner  Kaiserkrönung  gewährt  haben.  17 

Ohne  Unterfertigung.  R.  (auf  der  Rückseite).  Orig., 
Sekr.  -  Siegel. 

1355  Dezember  11.  Nürnberg 

ermächtigt  die  Brüder  des  Deutschordenshauses  in 
Mergentheim,  den  Markt  Mergentheim  zu  einer  Stadt  zu 
machen  unter  Erlassung  derselben  Bestimmungen  wie  in 
B.-H.  n.  6481.  18 

'P.  dom.  imper.  Luthomischl.  epus.  R.  Hertwicus'. 
Orig.,  Maj.- Siegel  und  Schnur  abgeg. 

1355  Dezember  18.  Nürnberg 

erteilt  in  Ansehung  der  Dienste,  die  ihm  der  Deutsch- 
ordenskommentur  in  Mergentheim  Philipp  von  Bickenbach 
zu  Rom  geleistet  hat,  den  Bürgern  von  Mergentheim  ihren 
ausschliesslichen  Gerichtsstand  vor  dem  Gericht  ihrer 
Stadt,  solange  dieses  dem  Kläger  ohne  Verzug  zum  Recht 
verhilft.  19 

'per  dum.  cancellar.  lo.  Ejstet.  R.  Volpertus'.  Orig., 
Maj. -Siegel  abgeg.,  Schnur  schwarzgelb. 

1356  Juni  30.  Politz 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n.  8.         20 
'p.    d.   Rud,    de    Hoemburg   provincialem   lo.   Eystet'. 
Kopialbuch  von  1605. 

1357  Mai  18.  Frankfurt 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n.  8.         21 
Kopialbuch  von  1605. 

1357  Juli  27.  Wien 

bestätigt  seinem  Hofmarschall  Burkhard  von  Eiler- 
bach drei  eingerückte  Pfandverschreibungen  über  Ein- 
künfte in  der  Stadt  Sulmetingen  und  über  den  Hof 
Kohlberg,  ausgestellt  von  König  Adolf  bei  Oppenheim 
1298  Juli  1,  von  König  Albrecht  in  Esslingen  1303 
März  16  (XVII.  kal.  Mart.  wohl  verschrieben  für  Apr.) 
und  von  demselben  bei  Opatowitz  1307  Oktober  5  (Böhmer 
Reg.  1246  —  1313,  Adolf  400,  Albr.  424  und  588). 

Zeugen  wie  Böhmer  -  Huber  n.  2681,  ausserdem 
Bischof  Meinhard  von  Trient,  Herzog  Albrecht  von  Oester- 


548  Adolf  Pischek. 

reich,  die  Edfln  Sbinco  Hase  von  Hasenburg,  oberster 
Kämmerer,  Burkhard  der  Jüngere  von  Ellerbacb,  Hein- 
rich Baier  von  Boppard,  Rudolf  von  Wart,  Gerlach  Knebel 
von  Katzenellenbogen.  22 

Vidimus  der  Stadt  Ulm  von   1447. 

1358  Juli  29.  Nürnberg 

ermahnt  die  Stadt  Hall,  entsprechend  seinem  früheren 
Gebot  das  dem  Reich  gehörige  Kloster  Comburg  gegen 
jedermann  zu  schirmen.  23 

Ohne  Unterfertigung.  Orig.,  Papier,  Sekr.  -  Siegel 
rückseitig  aufgedrückt. 

1358  Oktober  5.  Pjag 

gewährt  dem  Deutschordenshaus  und  -Spital  zu 
Donauwört  für  ihre  daselbst  gelegenen  Güter  Steuer- 
freiheit gegen  jedermann,  insbesondere  gegenüber  der 
Stadt  Donauwört.  24 

Abschrift  in  der  Breitenbachschen  Sammlung. 

1358  Oktober   11.  Prag 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n.  8,         25 
'p.  dorn,  imperat.  lo.  Ejstet.'     Kopialbuch  von  1605. 

1358  Oktober  11.  Prag 

verleiht  Heinz  Reinzlin  alle  Rechte  in  dem  Wald 
unter  dem  Hatzenturm,  der  jenem  durch  den  Tod  von 
Heinrich  Englers  Sohn  von  Vorsee  und  Hans  Federlins  Sohn 
von  Altdorf  angefallen  ist,  als  Lehen  vom  Reiche.  26 

'per  dum.  cancellar.  lo.  Eysteten.    R.  Milicius'.    Orig., 
Maj.- Siegel. 

1358  Dezember   13.  Breslau 

gibt  in  dem  Streit  zwischen  dem  Deutschordenshaus 
in  Plauen  und  dem  Vogt  Heinrich  von  Plauen,  nachdem 
die  Zeugen  durch  seinen  Notar  Konrad  von  Giesenheim 
in  Plauen  vernommen  worden  sind,  dem  Deutschordens- 
meister Wolfram  von  Neuenbürg  und  dem  Generalordens- 
präzeptor  in  Böhmen  und  Mähren  Rudolf  von  Homburg 
seine  Entscheidung  kund  über  die  Verpflichtungen  des 
Deutschordenshauses  gegen  den  Vogt,  namentlich  die  Höhe 
der  Bier-  und  Brotabgabe,  die  Stellung  eines  Botenpferdes, 
die  Versehung  des  Gottesdienstes  an  16  Altären,  die 
Almosengewährung  und  die  Pfründenverleihung. 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  549 

Ohne  Invokation  und  Signnmzeile.  Zeugen:  Arnest 
Erzbischof  von  Prag-,  die  Bischöfe  Theodorich  von  Minden 
und  Albert  von  Schwerin,  Wilhelm  Markgraf  von  Meissen, 
die  Herzoge  Bolko  von  Schweidnitz,  Przimislaus  von 
Teschen  und  Bolko  von  Falkenberg,  die  Edeln  Blichta 
(?  Abschreibfehler  für  Niklas),  Scholasticus  in  Prag,  Jesko 
von  Wessel  und  Beness,  Brüder  von  Warteuberg.  —  'in- 
dictione  Xl'.  27 

Abschrift  in  der  Breitenbachschen  Sammlung. 

1359  Januar  2.  Breslau 

erklärt  die  Klage  für  nichtig,  die  der  Edle  Johannes 
von  Gundelfingen  gegen  die  Stadt  Ravensburg  vor  dem 
Reichshofgericht  wegen  der  ehemaligen  Feste  Niederwart- 
stein erhoben  hat,  da  diese  Feste  von  des  Reichs  und  des 
Landfriedens  wegen  und  nicht  in  Sachen,  die  die  Stadt 
Ravensburg  allein  berühren,  gebrochen  worden  ist.  (Ausser- 
dem B.-H.  n.  7002).  38 

'p.  dum.  magrm.  cur.  lo.  Eystet.'  Ohne  Registratur- 
vermerk.    Orig.,  Sekr.  -  Siegel. 

1359  Januar  6.  Breslau 

bestätigt  der  Stadt  Ravensburg  die  ihr  von  König 
Adolf  verliehene  Befugnis,  ihren  Ammann  nach  dem  Ver- 
fahren der  Stadt  Ulm  zu  wählen.  Die  in  Betracht 
kommende  Stelle  des  ülmer  Stadtrechts  (vgl.  Wirtemb.  ÜB. 
VII,  n.  2415  Ziff.   1)  ist  eingerückt. 

Zeugen :  Arnest  Erzbischof  von  Prag,  die  Bischöfe 
Johann  von  Olmütz,  Johann  von  Leitomischl,  Hofkanzler, 
Theodorich  von  Minden,  Albert  von  Schwerin,  Prezlaus 
von  Breslau,  Heinrich  von  Lebus,  die  Herzoge  Bolko  von 
Schweidnitz,  Bolko  von  Oppeln,  Bolko  von  Falkenberg, 
Przimislaus  von  Teschen.  29 

'per  dum.  imperat.  lo.  Eystet.  R.  Miliczius'.  Orig., 
Maj.- Siegel,  Schnur  (schwarz)gelb. 

1359  April  23.  Nürnberg 

wiederholt  auf  vielfaches  Klagen  des  Klosters  Com- 
burg  sein  bisher  unbefolgt  gebliebenes  Gebot  an  die 
Schenken  Albrecht  und  Konrad  von  Limpurg,  auf  dem 
ordentlichen  Wege  von  dem  Kloster  Recht  zu  nehmen  und 
ihm  Recht  zu  geben  und  es  an  Leuten  und  Gütern  un- 
beschwert zu  lassen.  30 

'p.  dom.  imper.  lo.  Eystet'.  Orig.,  Sekr. -Siegel  rück- 
seitig aufgedr. 


550  Adolf  Pischek. 

1359  April  23.  Nürnberg 

mahnt  die  Stadt  Hall,  seinen  wiederholten  Geboten 
und  ihren  eigenen  Verschreibungen  gemäss  das  Kloster 
Comburg,  das  durch  die  Verabsäumung  ihrer  Schutzpflicht 
einen  Schaden  von  tausend  Mark  Silbers  erlitten  hat, 
gegen  jedermann,  insbesondere  die  Schenken  von  Limpurg, 
zu  schirmen.  31 

'p.  dom.  imper.  lo.  Eystet'.  Orig.,  Sekr. -Siegel  rück- 
seitig aufgedr. 

1359  Mai  5.  Prag 

bestätigt  dem  Kloster  Ellwangen  auf  Bitten  des  Abts 
Kuno  insgesamt  Besitz,  Freiheiten  und  Imperialien,  Ge- 
richte, Jagd-  und  Forstrechte,  nimmt  es  mit  Gütern  und 
Leuten  in  kaiserlichen  Schutz,  verfügt,  dass  im  Kloster, 
im  Spital  und  in  den  zwei  Kustoshöfen  zu  Ellwangen,  in 
den  Propsteien  Zell,  Hohenberg,  Wiesenbach  mit  dem 
Schultheissenhof  dabei,  in  den  Höfen  Schriesheim  und 
Altheira  und  der  Stadt  Tann  wie  bisher  jeder  wegen 
irgendwelchen  Verbrechens  Verfolgte  Asyl  geniesse,  und 
verbietet  alle  Störung  und  Belastung  des  Klosters. 

Zeugen:  wie  B.-H.  n.  2947  und  Johann  von  Rosen- 
berg. 32 

'p.  dnm.  cancellar.  lo.  Ejsteten.  corr.  p.  loh.  de 
Prusnitz.  E.  Miliczius.'  Orig.,  Maj.  -  Siegel ,  Schnur 
(schwarz)gelb. 

1359  Oktober  23.  Karlstein 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n.  8.         33 
'p.    d.  Petrum    de   lanowitz    Henr.  Austral.'      Kopial- 
buch  von   1605. 

1360  Juli  21.  Nürnberg 

bescheinigt  der  Stadt  Reutlingen  den  Empfang  ihrer 
auf  Martini  fälligen  400  Pfund  Haller  betragenden  Reichs- 
steuer. 31 

'p.  dom.  imper.  lo.  Eystet.  R.  lohannes  Saxo'.  Orig., 
Maj. -Siegel. 

1360  September  18.  Reutlingen 

verwilligt  der  Stadt  Hall,  dass  sie  vor  keinem  welt- 
lichen Gericht  ausser  ihrem  Stadtgericht  Recht  geben 
solle,  und  erklärt  die  gegen  sie  ergehenden  Verfügungen 
fremder     Gerichte     für     kraftlos,     wobei     der     Fall     der 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  551 

Rechtsverweigerung  oder  Rechtsverzögerung  ausgenommen 
bleibt.  35 

'per  dorn,  magrm.  cur.  lo.  Ejstet.'  Orig. ,  Sekr.- 
Siegel  rückseitig  aufgedr. 

1360  September  22.  Reutlingen 

ermächtigt  die  Stadt  Wangen,  zu  Besserung  der  Wege 
und  der  Landstrasse  daselbst  von  jedem  beladenen  Wagen 
und  Karren,  der  zwischen  dem  Schwarzensee  und  der 
Herfaz- Argen  auf-  oder  abgeht,  einen  Zoll  von  4  Heller 
für  den  Wagen  und  von  2  Heller  für  den  Karren  zu 
erheben.  36 

'per  dnm.  imperat.  Conr.  de  Gysinhein.  R.  Johannes 
Saxo'.     Orig.,  Maj.- Siegel. 

1360  November  4.  Nürnberg 

bescheinigt  der  Stadt  Ravensburg  den  Vorausempfang 
der  auf  Martini  über  ein  Jahr  fälligen  Reichssteuer.         37 

'p.  dorn,  imper.  Rud.'      Kopialbuch  von   1605. 

1360  November  4.  Nürnberg 

bescheinigt  dasselbe  der  Stadt  Reutlingen.  38 

'p.  dom.  imper.  Rud.'     Orig.,   Sekr. -Siegel   rückseitig 

aufgedr. 

1363  März  20.  Nürnberg 

weist  die  Stadt  Leutkirch  an ,  ihre  auf  Martini 
fällige  Reichssteuer  von  100  Pfund  Haller  an  Graf  Ulrich 
von  Helfenstein  zu  entrichten.  39 

'ad  relat.  d.  prepos.  Wischegrad,  decanus  Glogov. 
R.  Johannes  Saxo'.     Orig.,  Sekr. -Siegel. 

1364  Februar  9.  Brunn 

weist  die  Stadt  Reutlingen  an ,  ihre  auf  Martini 
fällige  Reichssteuer  von  400  Pfund  Haller  an  Werner  von 
Mörsberg  zu  entrichten.  40 

'p.  d.  imper.  P.  laurens.  R.  Petrus  scolasticus  Lubuc' 
Orig.,  Maj. -Siegel. 

1364  März  25.  Pirna 

bestätigt  auf  Bitten  Burkhards  von  Ellerbach,  ge- 
nannt der  Eitel  Ellerbach,  und  Burkhards  von  Ellerbach, 
genannt  der  lange  Ellerbach,  Gebrüder,  die  eingerückten 
Ellerbach'schen    Pfandverschreibungen    über    Sulmetingen 


552  Adolf  Pischek. 

und  Kohlberg  von  König  Adolf  und  Albrecht,  wie  er  sie 
schon  auf  Bitten  Burkhards  von  Eilerbach,  älteren  Bruders 
der  beiden,  zu  Wien  bestätigt  hat  (vgl.  oben  n.  22).  41 
'Per  d.  Rud.  de  Hoemburg  Rud.  de  Frideberg.  R, 
Petrus  scolasticus  Lubuc'  Vidimus  der  Stadt  Ulm  von  1456. 

1364  Dezember  24.  Prag 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an,  ihre  nächste  auf 
Martini  fällige  Reichssteuer  an  den  Grafen  Ulrich  von 
Helfenstein,  Landvogt  in  Oberschwaben,  zu  entrichten.       42 

'p.  dorn,  imperat.  lo.  Eystet.'     Kopialbuch  von  1605. 

1365  Januar  14.  Prag 

weist  die  Stadt  Reutlingen  an ,  ihre  nächste  auf 
Martini  fällige  Reichssteuer  von  400  Pfund  Haller  an 
Herzog  Friedrich  von  Teck  zu  entrichten.  43 

'p.  dnm.  imperat.  Rud.  de  Frideberg.  R.  Petrus 
scol.  Lub.'     Orig.,  Maj.- Siegel  abgeg. 

1365  Februar  5.  Prag 

erneuert  dem  Grafen  Heinrich  von  Montfort  die 
seinem  Vater  Grafen  Wilhelm  von  Montfort  erteilte  ein- 
gerückte Lehen-  und  Pfandschaftsbestätigung  von  1348 
Januar  30.  (B.-H.  n.  593).  44 

'per  dnm.  cancellarium  Güntherus  Tokler  de  Baben- 
berg.     R.  Petrus  scolast.  Lubuc'     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1365  April  (17.)  Mergentheim 

nimmt  den  Abt  des  Benediktinerklosters  Neustadt 
Würzburger  Diözese  unter  seine  geheimen  Kapläne  und 
sein  Hofgesinde  auf  und  verleiht  ihm  die  Rechte  dieser 
Stellung,  insbesondere  ihm  und  seinem  Kloster  den  aus- 
schliesslichen Gerichtsstand  vor  dem  König  oder  dessen 
Hofmeister.  —  Mit  1365  nach  Ostern,  Wochentag  aus- 
gelassen, vermutlich  Donnerstag.  45 

Abschrift  in  der  Breitenbachschen  Sammlung. 

1365  August  20.  Sulzbach 

befiehlt  dem  Grafen  Eberhard  von  Württemberg  und 
Grafen  Ulrich,  seinem  Sohn,  die  Schirmung  des  Klosters 
Murrhardt  mit  Leuten  und  Gütern  (verschieden  von  B.-H. 
n.  4207).  46 

'p.  dnm.  imperatorem  Guntherus  de  Babenberg'. 
Abschrift. 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  553 

1365  November  1.  Pra^ 

befiehlt  den  Städten  Ulm  und  Auo^sburg,  auf  die 
Vogtei  zu  Gmünd,  die  er  dem  bisherigen  Vogt  Hans  von 
Rinderbach  abgenommen  hat,  einen  nnuen  Vogt  ein- 
zusetzen. 47 

'ad  relat.  mgri.  cur.  P.  laur.'  Orig. ,  Sekr.  -  Siegel 
rückseitig  aufgedr. 

1365  Dezember  30.  Prag 

gestattet  der  Stadt  Ravensburg,  in  dem  Reichsforst 
Altdorf  er  Wald  Brennholz  und  im  Notfall  auch  Bauholz 
zu  hauen,  mit  der  Bestimmung,  es  solle  nur  von  Bäutpen 
solcher  Grösse,  dass  ein  Fuder  Holz  daraus  gewonnen 
werden  möge,  Brennholz  gehauen  vrerden  dürfen,  und  be- 
stätigt die  bisherigen  Eechte  der  Stadt  an  dem  Wald.  — 
Mit   1366,  r.  20.  imp.    11.  48 

'Relator  d.  ülr.  de  Helfenstein  Hermannus  Thesauri. 
R.  Voltzo  Wormacien.'     Orig.,  Maj.- Siegel. 

1366  Januar  12.  Prag 

gibt  der  Stadt  Ravensburg  in  Bezug  auf  ihre 
180  Pfund  Haller  betragende  Reichssteuer  die  Weisung 
wie  oben  n.  42.  49 

'p.  dorn.  Verd.  episc.  lohannes  Eystet.'  Kopialbuch 
von    1605. 

1366  Januar  12.  Prag 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Reutlingen  für 
ihre  400  Pfund  Haller  betragende  Reichssteuer.  50 

'p.  dom.  Verd.  lohus.  Eystet.  R.  Voltzo  de  Worm.' 
Orig.,  Maj. -Siegel. 

1366  Januar  18.  Prag 

erlaubt  dem  Edeln  Heinz  von  L^^imberg  den  Bau 
einer  Mühle  am  Deffingerbach,  der  bei  Deffingen  vorüber- 
fliesst,  und  verleiht  sie  ihm  za  Reichsmannlehen.  51 

'per  dom.  imperat.  Rud.  epus.  Verden.  R.  Voltzo  de 
Wormac'     Orig.,  Maj. -Siegel  abgeg. 

1366  Januar   19.  Prag 

weist  die  Stadt  Gmünd  an,  von  ihrer  nächsten 
auf  Martini  fälligen  Reichssteuer  '^70  Pfund  Haller 
an  seinen  Kammermeister  Thymo  von  Kolditz  zu  be- 
zahlen. 52 


554  Adolf  Pischek. 

'ad  mandatum  Cesaris  cancellar.  E.  lohannes  Lust.' 
Ori^. ,  Maj.  -  Siegel  samt  Pergamentstreifen  ausgerissen 
(vielleicht  kassiert  wegen  B.-H.  n.  4264,  270  Pfund  Haller 
war  der  ganze  Jahresbetrag  der  Gmünder  Steuer). 

1366  September  15.  Frankfurt 

gibt  der  Stadt  Ravensburg  für  ihre  auf  Martini 
über  ein  Jahr  fällige  Reichssteuer  die  Weisung  wie 
oben   n.  42.  53 

'per  d.  patriarcham  Aquilegien.  lohns.  Eysteten.' 
Kopialbuch  von  1605. 

1366  November  6.  Nürnberg 

belehnt  auf  Bitten  des  Konrad  Wolfegger,  Bürgers 
zu  Ravensburg,  Oberstforstmeisters  über  den  Altdorf  er 
Wald  zwischen  Ravensburg  und  Waldsee  gelegen,  dessen 
Sohn  Wölflin  zugleich  für  seine  Brüder  mit  dem  ge- 
nannten Oberstforstamt  zu  gemeinsamem  Besitz  mit  ihrem 
Vater.  54 

'p.  d.  magrm.  curie  Ludowicus  de  Nortenberg.  R.  lo- 
hannes de  Geylnh.'    Orig.,  Maj. -Siegel,  Schnur  schwarzgelb. 

1367  September  21.  Prag 

weist  die  Stadt  Leutkirch  an,  ihre  auf  Martini 
fällige  Reichssteuer,  je  für  15^2  Schilling  Haller  einen 
Gulden,  an  den  Landgrafen  Johannes  von  Leuchtenberg 
zu  entrichten ,  und  droht  ihr  im  Zuwiderhandlungsfall 
mit  Pfändung  durch  den  Burggrafen  Friedrich  von 
Nürnberg.  55 

'per  dom.  de  Koldicz  decan.  Glogov.  R.  loh.  de 
Geylnh.'     Orig.,  Sekr.  -  Siegel. 

1367  September  21.  Prag 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Reutlingen  unter 
gleicher  Androhung.  56 

'per  dnm.  de  Koldicz  decan.  Glogov.  R.  lohannes  Lust.' 
Orig.,  Sekr. -Siegel. 

1368  Februar  3.  Frankfurt 

weist  die  Stadt  Leutkirch  an,  was  sie  jährlich  an 
Steuer  und  Zinsen  dem  Reich  schuldet,  an  Herzog  Wenzel 
von  Luxemburg,  Reichsvikar  diesseits  des  lombardischen 
Gebirges,  zu  entrichten.  57 

Ohne  Unterfertigung  und  Registraturvermerk.  Orig., 
Maj. -Siegel. 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  555 

1368  Februar  3.  Frankfurt 

gibt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Reutlingen.  58 

'per   d.  de  Koldicz  loh.  Eystet.     R.  loh.  de  Geylnh.' 

Orig.,   Maj.- Siegel. 

1368  Oktober  28.  ohne  Ausstellort 

weist    die    Stadt    Reutlingen  an.    ihre    auf    Martini 

fällige  Reichssteuer,  je  für  löVo  Schilling  Haller  einen 
Gulden ,    an   den   Burggrafen   Friedrich   von   Nürnberg   zu 

entrichten.  59 

'p.  dorn,  de  Koldicz  decan.  Glogov.  R.  Voltzo  de 
Wormat.'     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1368  Oktober  28.  Rom 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Wangen.  60 

'p.  dnm.  imperat.  decan.  Glogovien.  R.  lohannes  Lust'. 
Orig.,  Maj. -Siegel  abgegangen. 

1369  Oktober  18.  Bautzen 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Ravensburg.         61 
'p.    dorn.    Prägens,   archiep.    lo.    Lust    registrator.   — 
R.  lohannes  de  Cellis'.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1370  Juni  23.  Prag 

erlässt  eine  Aufforderung  an  die  Städte  Lindau, 
Ravensburg,  St.  Gallen,  Ueberlingen ,  Buchhorn  und 
Wangen,  dem  Landfrieden  der  Städte  in  Niederschwaben 
beizutreten,  und  setzt  ihnen,  bis  er  selbst  nach  Nürnberg 
kommen  wird ,  zu  einem  Hauptmann  des  Landfriedens 
Ulrich  den  Aelteren,  Grafen  von  Helfenstein.  62 

'per  Cesarem  P.  laur.'  Orig.,  Sekr. -Siegel  rückseitig 
aufgedrückt. 

1370  September  26.  Nürnberg 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an  wie  oben  n.  61.         63 
'mandante    dno.   imperatore    ad   relat.    dm.    cancellar. 

Conr.  de  Gysenheim.    R.  lo.  de  Geilnhusen'.     Orig.,  Maj.- 

Siegel. 

1370  September  26.  Nürnberg 

weist  die  Stadt  Reutlingen  an  wie  oben  n.  59.         64 
ünterfertigung    wie    eben.      'R.    lohs.    Saxo'.      Orig. 

Maj. -Siegel. 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  36 


556  Adolf  Pischek. 

1371  März  8.  Czaslau  ('zum  Czaslabs') 

schlägt  den  Herzogen  von  Oesterreich  tausend  Gulden 
auf  ihre  Pfandschaft  an  der  Feste  zu  Staufen ,  die  ein 
ehrbar  Schloss  des  Eeiches  ist,  zu  Bau  und  Besserung  der 
niedergegangenen  Mauern  und  Dächer  an  der  Feste.         65 

'per  dnm.  F.  de  Coldicz  Heinr.  de  Eibingo.  R.  lohs. 
Saxo'.  Orig.,  Maj.- Siegel.  (Vgl.  C.  F.  Stalin,  Wirtemb. 
Gesch.  III,  296,  Anm.   1   mit  März  28). 

1371  März  29.  Prag 

verleiht  die  vom  ßeich  zu  Lehen  rührende  Vogtei 
des  Klosters  Neresheim  auf  Bitten  des  Grafen  Ludwig  des 
Aelteren  von  Oettingen,  der  sie  an  den  Grafen  Ludwig, 
Enkel  seines  verstorbenen  Bruders  Friedrich  von  Oettingen, 
und  dessen  Geschwister  verkauft  hat,  den  Käufern  unter 
Vorbehalt  der  Rechte  des  Reichs.  66 

Abschrift  17.  Jh. 

1371  September  14.  Prag 

weist  die  Stadt  Reutlingen  an  wie  oben  n.  59.         67 
'p.  dom.  Prag,  archiep.  Petrus  prepos.  Olom.     R.  lo- 

hannes  Lust'.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1371  September  14.  Prag 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Gmünd.  68 

Kanzlei  wie  eben.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1372  Februar  15.  Breslau 

erhebt  zu  Gunsten  des  Grafen  Ulrich  des  Aelteren 
von  Helfenstein  dessen  Dorf  Neilingen  zu  einem  Markt, 
erlaubt  dem  Grafen  dort  einen  Wochenmarkt  mit  aller 
Kaufmannschaft  zu  halten ,  doch  unschädlich  anderen 
Städten  und  Märkten  im  Umkreis  von  einer  Meile,  und 
verleiht  ihm  Stock  und  Galgen  daselbst.  69 

Kopialbuch  Ende  16.  Jh. 

1372  Mai  13.  Würzburg 

verleiht  den  Kindern  des  verstorbenen  Grafen  Ulrich 
des  Aelteren  von  Helfenstein,  Hauptmanns  des  Land- 
friedens in  Schwaben ,  alle  Herrschaften ,  Grafschaften, 
Lehen,  Güter,  Zölle,  Pfandschaften  und  Vogteien,  die  ihr 
Vater  vom  Reich  inne  hatte.  70 

'Per  Cesarem  P.  laur.  R.  lohannes  Saxo'.  Orig., 
Maj. -Siegel. 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  557 

1373  Oktober  14.  Prag 

verschreibt  der  Stadt  Ravensburg  Schirm,  Gerichts- 
barkeit und  Besteuerungsrecht  über  die  dortigen  Juden 
auf  sechs  Jahre,  erlaubt  ihr,  die  in  der  Stadt  oder  deren 
Gebiet  gelegenen  Güter  zu  besteuern ,  soweit  sie  von 
Alters  her  oder  von  Rechts  wegen  steuerpflichtig  sind, 
und  zur  Besserung  der  Stadt  in  ihr  bis  auf  Widerruf 
einen  Zoll  zu  setzen.  71 

'ad  relat.  dorn.  Argentin.  episc.  Conradus  de  Gysen- 
heim.     B.  Johannes  Lust'.     Orig.,  Maj.- Siegel. 

1373  Oktober  16.  Prag 

weist  die  Stadt  Reutlingen  an  wie  oben  n.  59.         72 
'p.  dorn,  imper.  Conr.  Gisenheim.    R.  Johannes  Lust'. 
Orig. ,  Maj .  -  Siegel. 

1374  Juni  4.  Guben 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an ,  ihre  auf  Martini 
fällige  Reichssteuer,  je  für  I5Y2  Schilling  einen  Gulden, 
an  den  Rheinpfalzgrafen  Friedrich,  Herzog  in  Bayern,  zu 
entrichten.  73 

'per  dum.  imperat.  Conr.  de  Gysenheim.  R.  Voltzo 
de  Wormacia'.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1374  Juni  4.  Guben 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Reutlingen.         74 
Kanzlei  wie  eben.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1374  September  29.  Nürnberg 

genehmigt  der  Stadt  Gmünd  die  Verlegung  der  dem 
Spital  gehörigen  Gumpenmühle  auf  Reichseigen  unter  Be- 
stätigung der  Rechte  des  Spitals  an  der  Mühle.  75 

'per  dnm.  Prag,  archiep.  Conradus  de  Gysenheim. 
R.  Wilhelmus  Kortelangen'.    Orig.,  Maj.- Siegel  abgegangen. 

1374  Oktober  9.  Nürnberg 

verleiht  das  Reichslehen  Hagenbach,  das  der  bisherige 
Inhaber,  der  Edelknecht  Engelhard  von  Berlichingen, 
wegen  Armut  verkauft  und  ihm  mit  dem  eingerückten 
Brief  von  1374  September  28.  aufgesagt  hat,  dem  Käufer 
Hermann  von  Wittstadt.  76 

'per  dnm.  de  Kolditz  Conr.  de  Gysenheim.  R.  Wil- 
helmus Kortelangen'.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

36* 


558  Adolf  Pischek. 

1374  Oktober  11.  Nürnberg 

eröffnet  den  Städten  in  Ober-  und  Niederschwaben, 
die  den  Landfrieden  daselbst  beschworen  haben,  dass  er 
diesen  Landfrieden  um  redlicher  Sachen  willen,  die  vor 
ihn  gekommen  sind,  widerruft  und  nicht  mehr  gehalten 
wissen  will.  77 

'de  mand.  dm.  imperat.  Nicol.  Cameric,  prepos.'  Orig., 
Sekr. -Siegel  rückseitig  aufgedrückt. 

1375  August  3.  Prag 

weist  die  Stadt  Ravensburg  an,  ihre  auf  Martini 
fällige  Eeichssteuer,  je  für  15^2  Schilling  Haller  einen 
Gulden,  an  die  ßheinpfalzgrafen  Stephan  und  Friedrich, 
Herzoge  in  Bayern,  zu  entrichten.  78 

'de  mand.  dm.  imper.  Nicol.  Cameric,  pptus.  R.  Jo- 
hannes Lust'.     Orig.,  Maj.- Siegel. 

1375  August  3.  Prag 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Reutlingen.         79 
Kanzlei  wie  eben.     Orig.,  Maj. -Siegel  abgegangen. 

1376  April  7.  Nürnberg 

erteilt  dieselbe  Weisung  der  Stadt  Leutkirch.  80 

'de  mand.  dmn.  imper.  Nicol.  Cameric.  prep.  R.  Wil- 
helmus  Kortelangen'.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1377  Oktober  16.  Tangermünde 

verleiht  auf  Bitten  des  Nikolaus  Richlisruti,  Bürgers 
zu  Ravensburg,  zum  Mitbesitz  mit  diesem  das  Oberforstamt 
über  den  Altdorfer  Wald  und  den  Zoll  in  Ravensburg,  der 
von  dem  Reich  zu  Lehen  rührt,  dem  Ital  Humpiss,  Stadt- 
ammann zu  Ravensburg,  Kunz  Segelbach  und  Hans 
Hubschlin,  Bürgern  zu  Ravensburg,  und  ihren  Erben 
Mannesgeschlechts.  81 

'de  mand.  dom.  imperat.  Nicol.  Camer.  prepos.  R. 
Wilhelmus  Kortelangen'.     Orig.,  Maj. -Siegel. 

1377  November  30.  Aachen 

erhebt  auf  Bitten  des  Rheinpfalzgrafen  Friedrich, 
Herzogs  in  Bayern,  das  Dorf  Altdorf  bei  Ravensburg  für 
alle  Zeiten  zu  einem  Markt,  erlaubt  den  Einwohnern  und 
Insassen  einen  Wochenmarkt  mit  aller  Kaufmannschaft  zu 
halten,  doch  unschädlich  anderen  Städten  und  Märkten 
im    Umkreis   von   einer   Meile,   und   verleiht    ihnen   Stock 


Nachträge  zu  den  Regesten  Karls  IV.  559 

und  Galgen,  verbietet  jedoch  den  Markt  ohne  könig- 
liche Zustimmung  mit  Mauern,  Türmen  oder  Gräben  zu 
befestigen.  82 

'de  mand.  imper.  Nicol.  Cameric,  prepos.'  Kopial- 
buch  des  16.  Jh. 

1377  Dezember  5.  Aachen 

erhebt  zu  Gunsten  des  Herzogs  Friedrich  von  Teck 
dessen  Dorf  Dettingen  auf  der  Alb  bei  Falkenstein  zu 
einem  Markt,  erlaubt  dem  Herzog,  dort  einen  Wochen- 
markt mit  aller  Kaufmannschaft  zu  halten,  doch  un- 
schädlich anderen  Städten  und  Märkten  im  Umkreis 
von  einer  Meile,  und  verleiht  ihm  Stock  und  Galgen 
daselbst.  83 

'de  mand.  dm.  imper.  Nicol.  Camericen.  pptus.  R. 
Wilhs.  Kortelangen'.     Orig.,  Maj.- Siegel. 

1378  März  9.  Mergentheim 

eignet  und  freit  dem  Meister  und  den  Brüdern  des 
Deutschordens  den  Hof  genannt  Weinantshof  von  Span- 
heim in  Oppenheim  gegenüber  der  Judenschule  gelegen, 
den  ihnen  der  ßheinpfalzgraf  Ruprecht  der  Aeltere, 
Herzog  in  Bayern,  gekauft  hat,  und  verleiht  ihnen  für 
diesen  Hof  das  Recht  von  Reichsburgmannen  zu  Oppen- 
heim. 84 

Abschrift  in  der  Breitenbachschen  Sammlung. 

1378  März  14.  Nürnberg 

verfügt,  dass  dem  Herkommen  gemäss  für  die  Kost, 
die  ein  römischer  Kaiser  oder  König,  eine  Kaiserin  oder 
Königin,  zu  Mergentheim  von  dem  Deutschordenshaus 
empfangen,  zur  Hälfte  dieses,  zu  einem  Viertel  der  Kom- 
mentur  des  Johanniterordens  zu  Mergentheim  und  zu 
einem  Viertel  das  Kloster  Schöntal  aufzukommen  habe, 
und  befiehlt  den  Amtleuten  in  Rotenburg  und  Heidings- 
feld, die  beiden  letztgenannten  zur  Erfüllung  ihrer  Ver- 
bindlichkeit anzuhalten.  85 

'de  mand.  dom.  imper.  Nicol.  Cameric,  prepos.  R. 
Wilhs.  Kortelangen'.  Orig.,  Maj. -Siegel,  Schnur  schwarz- 
gelb. 

1878  März  14.  Nürnberg 

erlaubt  dem  Deutschorden,  sein  Dorf  Ellingen  mit 
Mauern,  Gräben,  Erkern  und  in  anderer  Weise  nach  Be- 
darf zu  befestigen.  86 


560  Adolf  Pischek. 

—  'R.  Wilh.  Kortelangen'.  Unter  Maj.- Siegel.  Ab- 
schrift in  der  Breitenbachschen  Sammlung  und  Abdruck 
Brandenburgische  üsurpationsgeschichte  u.  s.  w.  im  Gebiet 
des  deutschen  Ritterordens  1796/97  Beil.  113,  S.  232. 

1378  März  24.  Nürnberg 

verbietet  der  Stadt  Gmünd,  Priorin  und  Konvent  des 
Klosters  vor  der  Stadt  mit  mehr  als  den  hergebrachten 
Steuern  und  Schätzungen  zu  beschweren.  87 

'de  mand.  dom.  imper.  Nicol.  Cameric,  prep.'  Orig., 
Sekr. -Siegel  rückseitig  auf  gedr. 

1378  November  1. 

erteilt  der  Stadt  Giengen  die  Befugnis,  ihren  Am- 
mann zu  wählen,  ein  Umgeld  einzuführen  und  von  jedem 
beladenen  Wagen  oder  Karren,  der  durch  die  Stadt  fährt, 
einen  Zoll  zu  erheben.  88 

Neuere  Abschrift. 


X. 


Miscellen. 


\ 


Zur  Arbeitsweise    Sigeberts    von  Genibloux 
im  Liber  de  scriptoribus  ecclesiasticis. 

Von  Marie  Schulz. 

Uuter  den  Literaturkatalo^en  der  ersten  Hälfte  des 
Mittelalters,  wie  sie  sich  bei  Potthast  und  Wattenbach  ^ 
zusammengestellt  finden,  berücksichtigen  nur  zwei  in 
weiterem  Umfang  die  Profangeschichtschreibung:  Sigebert 
von  Gembloux  und  der  sogen.  Anonymus  Mellicensis.  Von 
den  übrigen  beschäftigen  sich  die  meisten  fast  ausschliess- 
lich mit  theologischen  Schriftstellern  (Hieronymus  und 
seine  Nachfolger  bis  Honorius  und  Henricus  Gandensis); 
einige  beschränken  ihr  Gebiet  von  vorn  herein,  indem  sie 
allein  die  berühmten  Männer  eines  Klosters  behandeln, 
unter  denen  nur  hin  und  wieder  einmal  ein  Geschicht- 
schreiber auftritt  —  also  etwa  Werke  wie  das  des  Petrus 
diaconus  oder  Reiners  von  Lüttich.  Konrads  von  Hirschau 
'Dialogus  super  auctores'  zeigt  wieder  einen  anderen 
Charakter.  Er  enthält  im  wesentlichen  Bemerkungen  über 
antike  oder  christliche  Schriftsteller  der  älteren  Zeit, 
weshalb  ihn  sein  Herausgeber  neben  die  'accessus  ad 
poetas'  stellen  möchte  2. 

Der  grössere  Teil  dieser  Literaturlexika  ist  bei 
Fabricius,  Bibl.  eccles.  abgedruckt.  Der  bei  Wattenbach 
geäusserte  Wunsch  nach  einer  Neuausgabe  ^  ist  für  den 
Anon.  Mellic.  durch  Ettlinger  erfüllt  worden^,  für  Sig. 
fehlt  es  noch  daran.  Vorarbeiten  dazu  hat  Hirsch  in 
seiner  Abhandlung  über  ihn  geliefert  ^  Eine  beträchtliche 
Zahl  seiner  Notizen  hat  er  auf  ihre  Quelle  zurückgeführt. 
Ich  trage  nach,  was  ich  darüber  noch  ermitteln  konnte. 


1)  Potthast,  Bibl.  bist.  p.  1649;  Wattenbach,  GQ.  I ',  95.  2)  Schepss 
in  Progr.  d.  alt.  Gymn.  in  Würzburg  1889  S.  1 1.  3)  A.  a.  0.  Anm.  6. 
4)  Ettlinger,  Der  sogen.  Anon.  Meli.,  Strassburg.  Diss.  1896.  5)  Hirsch, 
De  vita  et  scriptis  Sigeberti,  Berlin  1841,  insbesondere  S.  330  fi'. 


564 


Marie  Schulz. 


Frechulf.  Sig.  c.  90. 
Frech ulfus  episcopus 
scripsit  ad  Elisacharum  histo- 
riam  a  conditione  mundi  us- 
que  ad  nativitatem  Cristi. 
Difficultatem  etiam  intercur- 
rentium  quaestionum  enodare 
non  neglexit  et  interponendo 
divinae  historiae  saeculares  historias, 
contemporalitates  regnorum  sibi 
coaptans,  consummavit  hoc  opus  in 
Septem  libris. 


MG.  Epp.  V,  317. 

Domino  .  .  .  .  Elisacharo 
Frechulfus  episcoporum  minimus 
.  .  .  tu  ...  iussisti,  ut  .  .  .  quae- 
que  pertinent  ad  historie  veritatem 
.  .  .  .  colligere  desudarem,  a  con- 
ditione quidem  primi  ho- 
minis usque  ad  Christi 
nativitatem  domini 
Questiones  etiam  difficiles 
.  .  .  .  enodare  non  negle- 
gerem  .  .  . 

Igitur  nomina  auctorum ,  ex 
quibus  ea  collegi,  quae  in  Septem 
libris  conclusi  .  .  . 


Frechulfs  Widmungsbrief  an  Helisachar  muss  Big.  be- 
kannt gewesen  sein.  Die  zeitliche  Begrenzung,  sowie  die 
Einteilung  in  7  Bücher  sind  dort  erwähnt.  Der  Satz 
'Difficultates'  u.  s,  w.  zeigt  wörtliche  Anklänge  an  Frechulfs 
'Questiones  etiam  difficiles'.  Die  Bemerkung  über  das 
Nebeneinander  von  Kirchengeschichte  und  Profangeschichte 
scheint  von  Sig.  selbst  herzustammen. 


Hinkmar.     Sig.   c.  99. 

Hincmarus  ....  Vitam  S.  Remigii, 
primo  breviter  descriptam,  ex  brevi 
in  librum  magnae  quantitatis 
augmentatam,  ex  magno  libro  ab- 
breviatam  studio  Fortunati  episcopi 
et  poetae,  hanc,  inquam,  Vitam 
Hincmarus  descripsit,  inserens  tarn 
ea  quae  in  historiis  maio- 
rum  de  ortu,  vita  vel  morte  sancti 
Remigii  invenit,  quam  ea  quae 
in  diversis  scedulis  dispersa 
collegit;  et  secundum  legem 
historiae  nee  illa  praetermisit, 
quae  vulgata  relatione  didicit 
nee  testamentum  eins  praeteriit. 


Hinkm.  Prol.,  SS.  rer.  Merov. 
III,  250  sq. 

Sicut  a  senibus  .  .  .  didici,  a 
suis  maioribus  audierunt  narrari, 
eos  vidisse  librum  maxime  quanti- 
tatis ...  de  ortu  ac  vita  .  .  .  atque 
obitu  b.  Remigii  .  .  .  Qui  hac  oc- 
casione  deperiit,  quoniam  Egidius 
.  .  .  quendam  .  .  .  Fortunatum 
metricis  versibus  insignem  .  .  .  petiit 
.  .  .  aliqua  miracula  .  .  .  excipere  .  .  . 

p.  253.  aggrediar  .  .  .  a  pro- 
genitoribus  et  ortu  eius  incipiens, 
etsictam  ea  quae  in  historiis 
a  maioribus  editis  de  illo 
inveni,  quam  et  illa  que  in 
diversis  scedulis  dispersa 
r  e  p  p  e  r  i ,  verum  et  illa  in  serie 
digerens  quae  vulgata  rela- 
tione percepi,    quia vera 

est  lex  hystoriae  etc.  (Beda, 
Hist.  eccl.  Praef.). 

Dazu  die  Kapitelüberschrift  c.  32, 
p.  258:  'Sequitur  exemplar  testa- 
menti  beati  Remigii'. 

Sigeberts  Angaben  über  Hinkmar  sind  nur  eine  verkürzte 
Wiedergabe  von  dessen  eigener  Vorrede.  Hier  wird  die 
ältere     ausführliche    Yita     erwähnt,     die     von    Fortunats 


Zur  Arbeitsweise  Sigeberts  von  Gembloux. 


565 


kürzerer  Bearbeitung  so  in  den  Schatten  gestellt  wurde, 
dass  sie  ganz  in  Vergessenheit  geriet.  Dass  Sig.  von 
einer  vierten  Fassung  spricht,  die  kurz  und  knapp  ge- 
wesen sei  und  der  ersten  ausführlichen  Darstellung  zu 
Grunde  gelegen  habe,  ist  wohl  ein  Missverständnis  seiner- 
seits. Hinkmar  selbst  weiss  nichts  davon.  Dann  zählt  H. 
seine  übrigen  Quellen  auf  —  hier  schreibt  Sig.  ihn  bei- 
nahe wörtlich  aus  —  und  rechtfertigt  seine  Benutzung  des 
Gerüchts,  indem  er  Bedas  Worte  zitiert  —  auch  ihr  In- 
halt kehrt  bei  Sig.  wieder.  Auf  die  Verwertung  des 
Testaments  weist  Hinkmar  in  seiner  Vorrede  nicht  hin, 
aber  er  behandelt  es  in  einem  besonderen  Kapitel.  Sig. 
brauchte  nur  die  Kapitelüberschriften  durchzusehen,  um 
davon  Kenntnis  zu  erlangen. 


Eegino.     Sig.  c.  111. 

R  e  g  i  n  o  abbas  Pruraiensis 
scripsit  ad  primum  Alberoneni 
Metensem  episcopum  chro- 
nic a  m  continentem  praecipua 
gesta  Francorum,  quam  a  nativi- 
tate  Christi  perduxit  usque  a d 
annum  nati  Christi  908. 


Regino  Chron. 
(SS.  r.  Germ.  p.  1). 
Excellentissimi  ingenii  domno 
Adalberoni  episcopo  Re- 
gino ...  fidelia  mandat  orationum 
obsequia.  Chronic  am,  quam  de 
nostris  et  antecessorum  nostrorum 
temporibus  litteris  comprehendi, 
....  transmisi  ....  Quam  in 
duobus  libellis  distinxi,  exordium 
capiens  a  primo  incarnatio- 
nis  dominicae  anno  et  con- 
summans  coeptum  opus  usque  in 
presentem  annum,  qui  computatur 
a  prefata  incarnat.  Dom.  n  o  n  - 
gentesimus    octavus. 

Sigeberts  Angaben  stimmen  z.  T.  mit  denen  Reginos 
völlig  überein.  Regino  selbst  gibt  die  Materie  an,  die  er 
behandeln  will,  die  'tempora  nostra  et  antecessorum 
nostrorum',  Sig.  konnte  mit  Recht  daraus  entnehmen, 
dass  er  in  erster  Linie  fränkische  Geschichte  geben  würde. 
Selbst  um  Anfangs-  und  Endpunkte  der  von  ß.  dar- 
gestellten Periode  zu  ermitteln,  brauchte  er  nicht  erst  das 
Buch  selbst  durchzusehen.  Regino  klärt  seine  Leser  auch 
darüber  in  der  Vorrede  auf.  Sie  hat  Sig.  alles  geliefert, 
was  er  über  Reginos  Arbeit  berichtet. 


Liudprand.     Sig.  c.  126. 

Liutprandus  Ticinen- 
sis  ecclesiae  diaconus 
scripsit  luculento  et  alterno  stilo 
ad  Regimundum  episco- 
pum    Eliberitanae     eccle- 


Liutprandi  Antapodosis 
(SS.  r.  Germ.   p.   1). 

In  nomine  ....  incipit  liber 
antapodoseos  .  .  .  retri- 
1>  u  t  i  o  n  i  s  ,  regum  atque  prin- 
cipum  partis  Europae ,  a  L  i  u  d  - 
prando     Ticinensis     ecle- 


566 


Marie  Schulz. 


Liadprand.     Sig.  c.  126.  Liudprandi   Antapodosis 

(SS.  r.  Germ.  p.   l). 

siae    Hispanorum    Historiam  siae   diacone    ...  adRece- 

de    gestis     regum    et    imperatorum  mundum     Hispaniae     pro- 

sui  temporis,  quam  attitulavit  An-  vintie     Liberritanae      ec- 

tapodosim,    id   est    retribu-  clesiae    episcopum. 
t  i  0  n  e  m. 

Sig.  hat  hier  nichts  anderes  getan,  als  dass  er  die  Worte 
etwas  umgestellt  hat.  Hinzugefügt  ist  nur  sein  Lob  über 
den  Stil  Liudprands.  Alles  übrige  konnte  er  dessen  eigenen 
Worten  entnehmen. 


Hist.  Rem.  I,  1,  SS.  XIII. 

Probabilius  ergo  videtur,  quod  a 
niilitibu8  ßemi  patria  profugis  urbs 
nostra    condita    vel   Remorum   gens 

instituta    putatur Urbis 

autem  nostrae  nomen  Durocortum 
quondam  dictum  Caesaris  astruitur 
historia. 


Flodoard.     Sig.  c.  131. 

Flauvaldus  monachus  Remensis 
scripsit  gesta  pontificum  Remen- 
sium ,  orditus  narrationem  suam  a 
conditione  ipsius  civitatis ,  quae  a 
qualitate  civium,  qui  in  bello  erant 
duri  cordis,  primo  aucupata  est  sibi 
nomen  Cordurus.  Postea  milites 
Remi,  a  Romulo  fratre  suo,  a  facie 
Romuli  fugientes ,  ad  eam  pro- 
fugerunt,  eamque  a  nomine  prin- 
cipis  sui  Remi  Remum  denomina- 
verunt. 

Sig.  gibt  eine  Inhaltsangabe  des  ersten  Kapitels  von 
Flodoards  Reimser  Geschichte.  Dieser  beginnt  mit  der 
Erzählung  von  der  Gründung  der  Stadt  durch  versprengte 
Söldner  des  Remus  und  erwähnt  dabei  auch  ihren  früheren 
Namen  Durocortum.  Sig.  hat  den  Namen  umgekehrt, 
vielleicht  unter  dem  Einfluss  einer  zweiten  Quelle.  Die 
etymologische  Deutung  hat  er  als  gelehrte  Anmerkung 
zugesetzt. 


Marianus  Scotus.    Sig.  c.  159. 

Marianus  Scottus  ....  scripsit 
Chronicam  .  .  .  mira  subtilitate 
ostendens  errorem  i^riorum  chrono- 
graphorum ,  ita  ponentium  nativi- 
tatem  Christi ,  ut  annus  passionis 
eins  quantum  ad  rationem  computi 
non  concordet  veritati  evangelicae. 
Unde  ipse  apponens  XXIII  annos 
illi  anno,  ubi  priores  scribunt  fuisse 
natum  Christum,  ponit  in  margine 
paginae  alternatim  hinc  annos 
evangelicae  veritatis ,  illinc  annos 
falsae  priorum  computationis ,  ut 
non  solum  intellectu,  sed  etiam  visu 
possit  discerni  veritas  et  falsitas. 


Mariani  Chron.  III,  2. 
Kapitelüberschrift,  SS.V,  498. 

Reges  quoque  in  eadem  incar- 
natione  inscripti ,  sicut  secundum 
Eusebii  ßedaeque  cronicas  regna- 
verunt,  ordinate  e  regione  ad  annos 
singulos  incarnationis  iuxta  historiam 
sacri  evangelii  in  margano  semper 
sub  sinistra  manu  et  contra  pre- 
dictos  eosdem  reges  in  hac  quoque 
incarnatione  inscriptos,  sicut  vere 
regnaverunt,  ad  ostendendum  erroris 
cronicarum  annorumque  incarna- 
tionis iuxta  Dionissium.  Vgl.  auch 
S.  538,  50  ff. 


Zur  Arbeitsweise  Sigeberts  von  Gembloux.  567 

Eine  genaue  üebereinstimmung  der  Worte  Sigeberts  mit 
Marian  ist  nicht  vorhanden.  Dass  Sig.  dessen  Chronik 
gekannt  hat,  ist  erwiesen.  Wenn  er  trotzdem  keine  der 
Stellen,  in  denen  Marian  seine  Chronologie  rechtfertigt, 
■wörtlich  abgeschrieben  hat,  so  zeigt  das,  dass  er  diesem 
Werk  selbständiger  gegenüberstand,  vielleicht  gerade,  weil 
er  es  genauer  kannte.  Dann  lag  ja  auch  der  Zweck  der 
Chronik,  die  falsche  Zeitrechnung  zu  beseitigen,  klar  auf 
der  Hand,  und  Marian  betonte  ihn  selbst  an  den  ver- 
schiedensten Stellen  und  immer  mit  anderen  Worten. 
Hier  konnte  es  Sig.  nicht  schwer  fallen,  einen  selbst- 
ständigen Ausdruck  zu  finden.  Sollte  sich  nicht  eine 
Parallelstelle  etwa  in  einer  anderen  Hs.  der  ersten  zwei 
Bücher  finden,  die  ich  nur  nach  der  Ausgabe  von  Pistorius 
durchsehen  konnte,  so  werden  wir  ohne  Schwierigkeiten 
annehmen  dürfen,  dass  hier  Sig.  selbständig  ist  und  nur 
mit  unbedeutenden  Anklängen  sich  an  Marian  anlehnt. 
Eine  ähnliche,  offenbar  auch  selbständige  Kritik  über  die 
Chronik  erwähnt  ihr  Herausgeber  in  der  Einleitung  (SS. 
V,  485)  bei  Wilh.  von  Malmesbury. 

Wir  lernen  aus  den  angeführten  Parallelen  eine  be- 
stimmte Methode  in  Sigeberts  Arbeitsweise  kennen.  Er 
hat  sich  die  Anfänge  der  Bücher,  die  er  behandelt,  die 
Ueberschriften ,  Vorreden  oder  ersten  Kapitel ,  zuweilen 
auch  Kapitelüberschriften  angesehen  und  aus  ihnen  ex- 
zerpiert, was  er  gebrauchen  konnte.  Auf  diese  Weise 
gelang  es  ihm,  Namen  und  Stand  des  Verfassers,  wie  des- 
jenigen, dem  die  Schrift  gewidmet  war,  kennen  zu  lernen. 
Aber  damit  nicht  genug,  erfuhr  er  oft  schon  durch  solche 
Stellen  den  Zeitraum,  den  das  Werk  behandelte,  wie  seine 
Materie,  endlich  in  einzelnen  Fällen  auch  noch  das  be- 
sonders Charakteristische,  die  spezielle  Methode  oder  die 
Tendenz  des  Verfassers.  Häufig  führt  er  nur  dessen  eigne 
Worte  an,  freilich  ohne  sie  als  fremdes  Eigentum  zu 
kennzeichnen.  Oefter  aber  kürzt  er,  wählt  das  Wichtigste 
aus  oder  gibt  mit  eigenen  Worten  nur  den  Inhalt  der 
anderen  Stelle  wieder.  Ein  blosser  Abschreiber  ist  er 
mithin  keineswegs. 

Wenden  wir  uns  nun,  gestützt  auf  das  soeben  ge- 
wonnene Resultat,  der  zweifelhaften  Stelle  über  Widukind 
zu,  in  der  diesem  neben  der  Sachsengeschichte  noch  eine 
besondere  Vita  des  Kaisers  zugeschrieben  wird,  so  können 
wir    die    von   Waitz    aufgestellte,    von   Köpke    akzeptierte 


568  Marie  Schulz. 

Vermutung^  bekräftigen,  dass  Sig.  im  1.  Kapitel  des  ersten 
Buches  der  Sachsengeschichte  die  Worte  'summi  impera- 
toris'  auf  Otto  bezogen  und  so  ein  Leben  Ottos  als  frühere 
Schrift  Widukinds  vermutet  hat.  Sig.  hatte  hier  eben 
nach  seiner  Methode  das  erste  Kapitel  durchgesehen  und 
alles  Wichtige  daraus  verwendet.  Allerdings  müsste  bei 
dieser  Annahme  in  dem  Kapitel  bei  Sig.  das  'et'  hinter 
'imperatoris'  gestrichen  werden ,  falls  nicht  schon  eine 
Hss.-Vergleichung  dazu  führen  würde.  Die  Widmung  'ad 
Matildam  filiam  Othonis  imp.'  gehört  unbedingt  zu  dem 
ersten  "Satz;  sie  wiederholt  sich  in  der  Sachseugeschichte 
vor  jedem  Buch,  während  Sig.  von  der  Vita  Othonis,  die 
er  nach  Waitz  ja  nie  gesehen  hatte,  unmöglich  die 
Widmung  wissen  konnte.  Stilistisch  entspricht  die  An- 
knüpfung: 'Scripsit'  etc.  vollkommen  dem  Gebrauch  Sige- 
berts.  — 

Der  etwa  gleichzeitige  Anon.  Mellic.  erwähnt  nur 
drei  der  von  Sig.  behandelten  Schriftsteller.  Die  Artikel 
über  Hinkmar  und  Frechulf  (c.  46  und  61)  erklärt 
Ettlinger  für  selbständig.  Bei  Regino  (c.  54)  schliesst  er 
von  der  falschen  Zahlenangabe  -  auf  eine  unbekannte 
Quelle  oder  eine  den  Fehler  schon  enthaltende  Regino- 
Hs.  Im  letzten  Falle  würde  der  Anon.  also  auch  wie 
Sig.  die  üeberschrift  benutzt  haben.  Sicher  ist  die  Ver- 
wertung einer  solchen  nach  Ettlinger  in  cap.  51,  einer 
Widmung  in  cap.  118.  Jedenfalls  waren  die  Quellen,  die 
beide  zu  diesen  ihnen  gemeinsamen  Artikeln  benutzten, 
nicht  dieselben ;  die  Kapitel  des  Anon.  sind  bedeutend 
magerer  und  in  anderen  Worten  abgefasst  als  die  Sige- 
berts.  Die  Verschiedenheit  ihrer  Arbeitsweise  lässt  sich 
dort  am  besten  erkennen,  wo  sie  die  gleiche  Vorlage  ver- 
werten. Beide  schreiben  Bedas  Historia  ecclesiastica  aus. 
Die  Autobiographie,  die  Beda  an  das  Ende  seiner  Historia 
(V,  24)  stellte,  hat  der  Anon.  ebenso  übernommen  wie  Sig. 
Beide  nennen  ihren  Gewährsmann  und  führen  ihn  redend 
ein.  Während  aber  der  Anonymus  in  sklavischer  Nach- 
ahmung  seiner  Vorlage   nach   der  Aufzählung   der  Werke 


1)  Waitz  in  SS.  lU,  409;  Köpke,  Otton.  Stud.  I:  Widuk.  von 
Corvey  S.  170  f.  Der  Abschnitt  bei  Sig.  (c.  129)  lautet:  'Windichindus 
monachus  Corbeiae  Saxonicae  scripsit  historiam  Saxonum  usque  ad 
mortem  prinii  Othonis  imperatoris  et  ad  Matildam  filiam  Othonis  impera- 
toris scripsit  Vitam  ipsius  imperatoris.  Scripsit  metrice  .  .  .'.  M.  E.  wäre 
nach  Streichung  des  'et'  mit  'Scrijssit  vitam'  ein  neuer  Satz  zu  beginnen. 
2)  ßeginos  Chronik  soll  danach  bis  zum  Jahre  1005  reichen. 


Zur  Arbeitsweise  Sigeberts  von  Gembloiix. 


569 


Bedas  abbricht,  fügt  Sig.  noch  seine  Angaben  über  den 
Tod  Bedas  hinzu  und  gibt  so  seiner  Biographie  einen 
wirklichen  Abschluss. 

Ein  anderes  Kapitel,  das  unsere  Verfasser  in  gleicher 
Weise  aus  Beda  entnommen  haben,  ist  das  Kapitel  über 
Adamnanus  ^  Beda  gibt  eine  kurze  Lebensbeschreibung 
und  schliesst  daran  eine  Charakteristik  seines  Werkes  in 
der  Weise,  dass  er  jedesmal  die  allgemeine  Materie,  die 
in  einzelnen  Kapiteln  desselben  behandelt  ist,  angibt  und 
dann  einen  längeren  Abschnitt  daraus  anführt.  Diese  sich 
über  mehrere  Seiten  erstreckende  Darstellung  (Beda  V, 
c.  15  — 17)  wiederholt  der  Anon.  vollständig  und  wörtlich. 
Ganz  anders  handelt  Sig.  Er  gibt  Stand  und  Nationalität 
Adamnans  an  mit  denselben  Worten,  die  seine  Quelle  ent- 
hielt, und  nachdem  er  seine  Bildung  gerühmt  hat,  wie  es 
Beda  tat,  zählt  er  die  Hauptmaterien  seines  Buches  auf, 
indem  er  sich  an  die  Worte  hält,  die  Beda  jedesmal  seinen 
Zitaten  vorausgeschickt  hatte.  Durch  dieses  selbständige 
Vorgehen  ist  es  ihm  gelungen,  den  Artikel  auf  wenige 
Zeilen  zu  reduzieren  und  doch  das  Wichtigste  darin  an- 
zugeben. 


Beda.  Hist.  eccles.  V,  15  —  17. 

c.  15.  Adamnan  presbyter 
et  abbas  .  .  . 

Erat  scientia  scripturarum 
nobilissime  instructus  .  .  . 

Scripsit  ...  de  locis 
sanctis  librum  .  .  . 

c.  16.  Scripsit  ergo  de  loco 
dominicae  nativitatis  .... 
(folgt  Zitat  aus  Ad.) 

Scripsit  ...  de  loco  pas- 
sionis  ac  resurrectionis  illius 
.  .  .  (folgt  Zit.  aus  Ad.) 

c.  17.  De  loco  quoque 
ascensionis  dominicae  .  .  . 
(folgt  Zitat) 

De  situ   ....    et   monu- 
mentis     patrum     ita     scribit 
....  (folgt  Zitat). 
Gering  ist  der  Unterschied  in  den  Kapiteln  Sigeberts 
und  des  Anon.  über  Aldhelm  2.      Der  Anon.   schliesst   sich 


Sig.  c.  64. 

Adamannus  presbyter  et 
abbas  Scotorum, 

scientia  litterarum  nobili- 
tatus, 

scripsit  librum  de  sanctis 
locis, 

nativitatis. 


passionis   et   resurrectionis 


et  ascensionis  lesu  Christi 


et  de  monumentis 
sanctorum  patrum. 


1)    Sigeb.    c.  64;    Anon.   c.  29.  2)    Sigeb.  c.  66;    Anon.  c,  30. 

Sig.  nennt  ihn  'Adelmus',  aber  Miraeus  gibt  dazu  die  Variante  'Anthelmus'. 


570  Marie  Schulz. 

genau  an  seine  Quelle  (Beda,  Hist.  eccles.  V,  18)  an,  wo- 
gegen Sig.  einige  Angaben ,  die  ihm  weniger  notwendig 
erschienen  sein  mochten,  weglässt. 

Auf  Grund  dieser  Vergleichuug  werden  wir  sagen 
dürfen :  Sig.  schaltet  weit  selbständiger  mit  seiner  Vorlage 
als  der  Anon.  Während  dieser  meist  wörtlich  zitiert,  kürzt 
und  verändert  jener.  Der  Abschnitt  über  Ceolfrid\  den 
der  Anon.  nicht  behandelt,  ist  vollends  nur  eine  Inhalts- 
angabe von  Beda  V,  c.  21,  fast  ganz  in  eigenen  Worten 
Sigeberts. 

Eine  weitere  Quelle  Sigeberts  bildet,  wie  schon 
Hirsch  für  zwei  Stellen  (eap.  33  und  46)  nachgewiesen 
hat,  die  Langobardengeschichte  des  Paulus  diaconus.  Sig. 
geht  hier  in  verschiedener  Weise  vor.  Der  Abschnitt  33 
über  den  Dichter  Marcus  ist  nur  eine  sehr  freie  Wieder- 
gabe der  entsprechenden  Stelle  bei  Paulus  (I,  26).  Da- 
gegen ist  das  Kapitel  46  über  Justinian  fast  wörtlich 
aus  Paulus  (I,  25)  abgeschrieben.  Ausserdem  entstammen 
noch  zwei  andere  Abschnitte  dieser  Quelle.  Sigeberts 
Angaben  über  Arator  (cap.  38)  lehnen  sich  an  Hist. 
Langob.  I,  25  an.  Ein  gutes  Beispiel  für  die  Arbeits- 
weise Sigeberts  ist  das  Kapitel  über  Fortunatus  (c.  45). 
Paulus  (II,  13)  schildert  ausführlich  das  Leben  des 
Dichters,  seine  Vorbildung,  die  Geschichte  seiner  Heilung 
durch  Martinus,  seine  geistliche  Laufbahn,  um'  dann  seine 
Werke  aufzuzählen.  Sig.  gibt  die  biographischen  Notizen 
bedeutend  kürzer  wieder,  indem  er  nur  die  Hauptsachen 
auswählt.  Erst  als  er  zu  der  literarischen  Würdigung 
Fortunats  kommt,  schliesst  er  sich  genau  an  seine  Quelle 
an  und  fügt  noch  selbst  einige  lobende  Worte  über  den 
Dichter  hinzu. 

Vielleicht  hat  er  auch  seine  Angaben  über  Theo- 
dorus  (c.  63)  der  Langobardengeschichte  V,  30  ent- 
nommen. Ist  das  der  Fall ,  dann  hat  er  auch  hier  er- 
heblich gekürzt,  so  dass  das  Kapitel  nur  eine  Inhalts- 
angabe der  Worte  des  Paulus  darstellt.  Ein  Vergleich 
mit  dem  Anon.  ist  hier  nicht  möglich,  da  dieser  für  die 
beiden  Kapitel,  die  er  mit  Sig.  gemeinsam  hat,  andere 
Quellen  benutzt.  Nach  Ettlinger  entstammt  cap.  17  über 
Arator  der  Chronik  Hermanns  von  Eeichenau,  cap.  27 
über  Theodorus  ebenderselben  Quelle,  sowie  der  Kirchen- 
geschichte Bedas. 


1)  Sigeb.  c.  67. 


Zur  Arbeitsweise  Sigeberts  von  Gembloux.  571 

Vermutlich  werden  sich  ancli  bei  Sig.  die  Quelleu- 
gruppen  nachweisen  lassen,  die  Ettlinger  für  den  Anon. 
feststellte.  Dass  er  literarhistorische  Abschnitte  in  Ge- 
schichtswerken und  Viten  benutzt,  geht  schon  aus  den 
Angaben  von  Hirsch  hervor.  Ob  er  auch  von  den  sogen. 
Accessus  Gebrauch  gemacht  hat,  steht  noch  nicht  fest, 
ist  aber  wahrscheinlich.  Als  neue  Quellengruppe  müssten 
wir  für  Sig.  die  autobiographischen  Notizen  in  Geschichts- 
werken ervrähnen,  die  auch  der  Anon.,  freilich  seltener, 
verwertet. 


Neues  Archiv  etc.    XXXV.  37 


Zu  den  Lebensbeschreibungen  der  Hildegard  von    \ 
Bingen,  Aebtissin  zu  Rupertsberg. 

Von  (Justav  Sominerfeldt. 

Bei  Fortsetzung  meiner  den  politischen  Traktaten  des 
Heinrich  von  Langenstein  (siehe  Neues  Archiv  XXXI,  483 
—  485)  geltenden  Studien  wies  ich  im  Historischen  Jahr- 
buch (München)  XXX,  1909,  S.  46  darauf  hin,  dass  be- 
züglich des  Todesdatums  der  Hildegard  von  Bingen  nach 
von  der  Linde  ^  und  Schmelzeis  -  es  kaum  einem  Zweifel 
unterliegen  kann,  Hildegard  sei  am  17.  Sept.  1179,  und 
nicht,  wie  Langenstein  in  dem  von  Eberbach  aus  'inter 
quercus  et  fagos'  1383  geschriebenen  Brief  angibt,  am 
29.  Sept.   1181  gestorben. 

Auffallend  erscheint  es  immerhin,  dass  die  Jahres- 
zahl 1181  auch  in  einer  dem  13.  Jh.  entstammenden  und 
zu  liturgischen  Zwecken,  mit  Benutzung  der  zur  Hand 
befindlichen  biographischen  Aufzeichnungen  verfertigten 
'Lectio  in  festo  sanctae  Hildegardis'  enthalten  ist,  die 
Pitra^  nach  der  Brüsseler  Hs.  5527—34,  f.  209—210,  zum 
Abdruck  gebracht  hat.  Der  Umstand,  dass  Langenstein 
zur  Zeit,  als  er  den  Brief  an  Eckard  von  Ders  schrieb,  im 
Kloster  Eberbach  weilte,  könnte  die  Vermutung  zwar  be- 
gründen, es  sei  ihm  von  den  Eberbacher  Mönchen  eine 
der  Lectio  gleichartige  Quelle  zur  Benutzung  direkt  über- 
geben worden^,   indessen  will  damit  nicht   recht   stimmen, 


1)  A.  von  der  Linde,  Die  Handschriften  der  königl.  Landes- 
bibliothek in  Wiesbaden,  Wiesbaden  1877,  S.  50,  Anm.  2)  J.  Ph. 
Schmelzeis,  Das  Leben  und  Wirken  der  heil.  Hildegardis,  Freiburg  1879, 
S.  598  —  601.  3)  J.  B.  Piti-a,  Analecta  sacra  spicilegio  Solesmensi 
parata  VIII,  Paris  1882,  p.  438.  4)  Ueber  Beziehungen,  die  zwischen 
Hildegard  und  dem  Eberbacher  Abt  Eberhard,  sowie  dem  Prior  Meffrid 
stattgefunden  hatten:  Schmelzeis  S.  212  —  217.  Ausführliche  Antwort- 
schreiben teils  an  den  Abt,  teils  an  den  Eberbächer  Konvent  ('ad  griseos 
monachos'):  Migne,  Patr.  Lat.  CXCVIl,  Sp.  195.  260  —  268.  369  —  370; 
Pitra  VIII,  334—336.  518—519.     Ein  Schreiben  Volmars,  jedenfalls  aus 


Zu  den  Lebensbeschreibungen  der  Hildegard  von  Bingen.      573 

dass  die  Lectio  das  riclitige  Datum  'XV.  Kai.  Oct.'  für 
den  Tod  Hildegards  hat,  Langenstein  hingegen  'III.  Kai. 
Oct.'  nennt  (a.  a.  O.  S.  54).  Der  Zweifel  dürfte  so  zu  be- 
heben sein,  dass  wir  anzunehmen  hätten,  Langenstein,  be- 
zugsweise sein  Gewährsmann,  habe  das  in  Ziersehrift,  viel- 
leicht unzialen  Zahlen,  gegebene  'XV'  der  liturgischen 
Vorlage,  die  in  Eberbach  existierte,  in  'III'  verlesen.  Dass 
aber  diese  Vorlage  ihrerseits  den  Irrtum  bezüglich  der 
Jahreszahl  aufwies,  kann  unschwer  aus  der  mystischen  Be- 
deutung heraus  erklärt  werden,  die  man  im  1-3.  Jh.  und 
später  dem  Jahr  1100  beilegte,  zu  dem  man  die  vor- 
handene Altersangabe  für  Hildegard,  eben  dass  sie  im 
82.  Lebensjahre  gestorben  sei,  auf  jene  keineswegs  korrekte 
Art  in  Beziehung  setzte. 

Ueberdies  ist  Langenstein  auf  den  Irrtum  bald  selbst 
aufmerksam  geworden  und  hat  in  seiner  augenscheinlich 
nach  1383  anzusetzenden  Neubearbeitung  des  Briefes,  die 
er  dem  Klosterneuburger  Propst  Kolomann  gewidmet  hat 
(Prag  Hs.  19361,  f,  57b  — 65b):  'XV.  Kai.'  1181  ge- 
setzt. Dass  die  Bearbeitung  eine  spätere  ist  als  der  Brief 
an    Eckard,    scheint   sich   daraus   zu   ergeben,    dass   es   im 

Explicit   (f.  65b   der  Prager  Hs.)   heisst:    'Epistola 

de  cursu  ecclesie  iuxta  vaticinium  sancte  Hildegardis,  ad 
honorem  summe  trinitatis  et  individue  unitatis,  patris  et 
filii  et  Spiritus  sancti,  et  beate  virginis  Marie  et  omnium 
angelorum  et  precipue  beati  Vincencii  et  ad  honorem  et 
nomen  venerabilium  patrum  episcopi^  et  capituli  univer- 
salis Bononiensis  et  ad  utilitatem  universalis  studii  et  ad 
honorem  Romane  ecclesie  et  universalis  presulis  Innocencii 
quarti'  ^  etc. 

Es   ist   zwar   nicht   bekannt,    aus   welchem  Jahre    die 
Beziehungen  Langensteins    zum  Bischof   von  Bologna   und 


seinen  letzten  Lebensjahren,  an  die  damals  fern  vom  Rupertsberg  [in 
Marmoutier?]  sich  aufhaltende  Hildegard,  bei  Pitra  VIII,  346  f.  1)  Die 
Ueberschrift  lautet :  'Sequitur  epistola.  —  Reverendo  in  Christo  patri  ac 
domino,  domino  Colomanno  preposito  Nevenburgensi  Henricus  de  Hassia, 
suorum   minimus'.  2)  Wohl   Filippo  Caraffa,  der  1378—1386  Bischof 

von  Bologna  war  und  1389  gestorben  ist.  Vielleicht  wäre  aber  sein 
Nachfolger  gemeint,  Cosimo  de'  Migliorati  (1386 — 1387),  der  später  Erz- 
bischof von  Ravenna  wurde  und  1404  als  Papst  Innozenz  VII.  den  päpst- 
lichen Stuhl  bestieg.  C.  Eubel,  Hierarchia  catholica  I,  145  nennt  ihn 
Cosmatus  Melioratus.  3)  Unter  Innocenz  IV.  wurden  1243  die  Unter- 
suchungsakten über  Hildegard,  die  dann  im  14.  Jh.  zu  ihrer  Heilig- 
sprechung führten,  abgeschlossen :  Acta  sanctae  Hildegardis,  ed.  Migne 
a.  a.  0.  Sp.  88;  Schmelzeis  S.  608. 

37* 


574  Gustav  Sommerfeldt. 

zur  Bölog-neser  Universität  herstammen,  doch  kann  kein 
Zweifel  bestehen,  dass  er  die  Epistel,  die  den  Zwecken 
des  Studiums  an  der  Universität  Bologna  dienen  sollte, 
dieser  erst  einsandte,  nachdem  er  sich  bei  dem  ihm  soviel 
näher  stehenden,  gleichzeitig  mit  den  Hildegardschriften 
genauestens  vertrauten  Wormser  Bischof  aufs  neue  Eats 
erholt  und  diesem  die  Epistel  im  Wortlaut  bekannt  ge- 
geben hatte. 

Die  bei  Lebzeiten  der  Hildegard  gemachten  Ver- 
suche, eine  Biographie  dieser  Aebtissin  zu  liefern,  sind 
sämtlich  in  den  Anfängen  stecken  geblieben.  Es  ist  be- 
kannt, dass  der  Mönch  zu  Disibodenberg,  spätere  Propst  des 
neu  gegründeten  Klosters  Ruj^ertsberg,  Volmar,  der  um  1170 
gestorben  ist  ^,  der  treue  Beistand  der  Hildegard  bei  Aus- 
arbeitung ihrer  drei  Hauptschriften,  des  Scivias,  des  Liber 
vitae  meritorum  und  des  Liber  divinorum  operum  war-. 
Er  hat  auch  den  Entwurf  einer  Geschichte  der  Jugendzeit 
der  Hildegard  in  Eorm  eines  Sermons  geliefert,  der  aber 
nach  Yolmars  Tode  von  den  Nonnen  zunächst  geheim  ge- 
halten wurde,  und  von  dem  nur  spärliche  Kunde  ver- 
mittelst der  Korrespondenz  einer  nicht  unerheblich  späteren 
Zeit  auf  uns  gelangt  ist  3. 

Sodann  begann  Yolmars  Nachfolger,  der  Euperts- 
berger  Propst  Gottfried,  dem  Hildegard  in  ähnlicher  Weise 
wie  Volmar,  wenn  auch  nicht  mit  derselben  Herzlichkeit, 
ihr  Vertrauen  zuwandte*,  die  Anfertigung  einer  Biographie 
der  Aebtissin^,  ist  jedoch  über  der  diesbezüglichen  Tätig- 
keit dahingestorben  ^  und  hinterliess  das  Manuskript 
seinem  Freund,    dem   Magister  Dietrich   (Theodoricus),    der 


1)  H.  Herwegen,  Les  collaborateurs  de  sainte  Hildegarde  (Revue 
ßenedictine  XXI,  1904:,  p.  201.  386):  W.  Wattenbach,  Deutschlands  Ge- 
schichtsquellen II '^,  163.  Ein  Schreiben  der  Hildegard  an  die  Ruperts- 
berger  Nonnen,  durch  das  sie  —  damals  im  Alter  von  ülier  70  Jahren  — 
an  diese  Ermahnungen  herzlicher  Art  gelangen  liess  (Pitra  VIII,  360. 
368 ;  Migne  a.  a.  0.  Sp.  1065)  zeigt  den  Propst  Volmar  noch  am  Leben. 
Dass  Pitra  ebd.  S.  380  f.  ohne  Grund  den  Tod  Volmars  zum  Jahre  1177 
angesetzt  habe,  erwähnt  Herwegen  S.  386,  vgl.  auch  Schmelzeis  S.  275 
—  278.  2)    Herwegen   S.  192  —  203;   P.  Franche,    Sainte  Hildegarde, 

Paris  1903.  Nicht  ganz  zutreffend  wird  jener  Propst  in  einem  Briefe 
späterer  Zeit,  der  die  Rupertsberger  Klosterverhältnisse  in  Beziehung  auf 
die  literarische  Produktion  behandelt,  als  'Fomarius'  bezeichnet :  Analecta 
Bollandiana   I,    606.  3)    Analecta   BoUandiana   I,    603;    H.  Delehaye, 

Guibert  abbe  de  Florennes  et  de  Gembloux  (Revue  des  questions  histo- 
riques    XL  VI,    1889,     p.    44).  4)    Schmelzeis    S.    82.     303     (nach 

J,  von  Tritheim,  Chronicon  Sponheimense,  Francofordiae  1601,  p.  257). 
5)  Herwegen  S.  313.         6)  Migne  a.  a.  0.  Sp.  99. 


Zu  den  Lebensbeschreibungen  der  Hildegard  von  Bingen.      575 

als  Mönch  zu  Echternach,  zu  Folge  einer  ansprechenden 
und  wohl  auch  richtigen  Vermutung  Weilands  ^  die 
Schule  dieses  Klosters  geleitet  hat-.  Durch  den  Abt  zu 
Sankt  Euchar  in  Trier,  Ludwig  (f  1188),  der  bis  1181  zu- 
gleich der  Abtei  Echternach  vorstand  ^  war  Dietrich  der 
Hildeo'ard  zur  Unterstützung^  vornehmlich  wohl  behufs 
gänzlicher  Fertigstellung  des  Liber  divinorum  operum  zu- 
gesandt worden.  Jetzt  nach  Hildegards  Tode  (1179)  ver- 
fasste  Dietrich  die  ausführliche,  in  zahlreichen  Abschriften 
auf  uns  gekommene  Biographie  der  Aebtissin.  Das  Werk, 
das  bald  nach  1181,  jedenfalls  aber  vor  1188,  fertiggestellt 
wurde  und  in  drei  Bücher  eingeteilt  ist,  von  denen  das 
erste  noch  den  Rupertsberger  Proj)st  Gottfried  zum  Ver- 
fasser hat  und  nur  der  Ueberarbeitung  Dietrichs  unterlag, 
trägt  die  Widmung  an  den  oben  genannten  Trierer  Abt 
Ludwig  und  an  den  Echternacher  Abt  Gottfried,  welcher, 
wie  chronistisch  bezeugt  ist^,  bis  1181  Ludwigs  Kaplan 
gewesen  war. 

Die  Angabe  von  der  Lindes  ^  dass  diese  Hildegard- 
Vita  Dietrichs  auch  in  einer  Hs.  der  Leipziger  Universitäts- 
bibliothek sich  finde,  erwies  sich  übrigens  als  nicht  zu- 
trefEend.  Es  scheint  sich  um  die  in  Hs.  1092  der  Univer- 
sitätsbibliothek enthaltene  Vita  sanctae  Hildegundis  (f  1188) 
zu  handeln,  die  für  unsern  Gegenstand  garnicht  in  Be- 
tracht kommt. 

üeber  das  spätere  Leben  Dietrichs  ist  fast  nichts 
bekannt.  Nach  der  Meinung  Weilands*^  ist  er  bald  nach 
1192  gestorben,  doch  fehlt  es  für  die  Behauptung  an 
eigentlichen  Beweisen.  Der  gelehrte  Kartäuser  Surius,  der 
in  seiner  1574  zu  Köln  veröffentlichten  Ausgabe  der 
Hildegard  -Vita  '  den  Dietrich  als  'abbas  Benedictinus'  be- 
zeichnet, gibt  das  Jahr  1200,  ohne  Andeutung  der  Gründe, 
als  das  der  schriftstellerischen  Blütezeit  des  Dietrich  an. 
Meinerseits  hatte  ich,  einer  Notiz  von  der  Lindes  *  folgend, 
in  der  Veröffentlichung  über  Langenstein  (Historisches 
Jahrbuch  XXX,  44)  gemutmasst,  Dietrich  sei  zuletzt  Abt 
von    St. -Trond    gewesen.      Es    wird   aber    unten    von    den 


1)  L.  Weiland  in  MG.  SS.  XXIII,  16.  2)  Vgl.  auch  Herwegen 
S.  314.  3)  Schmelzeis  S.  310;  Herwegen  S.  308  ff.  Einen  undatierten 
Brief  Ludwigs  an  Hildegard  aus  der  Zeit  seiner  Abtstätigkeit  siehe 
Migne  a.  a.  O.  Sp.  287  f.  4)  Catalogus  abbatuna  Epternacensium  (MG. 
SS.  XXIII,  34);  aus  der  nämlichen  Aufzeichnung  ergibt  sich  1188  als 
das  Todesjahr  des  Abts  Ludwig.  .5)    v.  d.  Linde   S.  47.  6)   MG. 

SS.  XXIli,  16.         7)  De  probatis  sanctorum  historiis  V  (Coloniae  1574), 
p.  271.        8)  V.  d,  Linde  S.  49. 


576  Gustav  Sommerfeldt. 

Umständen  genauer  die  Rede  sein,  die  diese  Annahme  un- 
wahrscheinlich machen  dürften. 

Ausser  durch  Weiland,  der  es  lediglich  mit  dem 
Chronisten  Dietrich  zu  tun  hat,  sind  die  Lebensumstände 
unseres  Magisters,  soweit  deren  Aufhellung  noch  möglich 
ist,  auch  in  den  Werken  Pregers  \  von  der  Lindes-, 
Schmelzeis' ^  und  Herwegens^  dargelegt  worden.  Sie  alle 
identifizieren  den  Magister  mit  jenem  Mönch  Dietrich, 
dem  die  Echternacher ,  bis  726  reichende  ürkunden- 
sammlung  des  'Liber  aureus'  verdankt  wird  ^.  Es  ergibt 
sich  nach  der  Aufstellung  Weilands,  dass  Beziehungen 
dieses  Dietrich  zur  Abtei  Saint -Trond  kaum  bestanden 
haben  dürften.  Auch  wies  bereits  Surius*^  kurz  darauf 
hin,  dass  Dietrich  mit  dem  gleichnamigen  Abt  von  Saint- 
Trond  nicht  verwechselt  werden  darf.  Letzterer  hat 
einer  wesentlich  älteren  Zeit  angehört,  regierte  1099 — 1107 
und  war  schriftstellerisch  tätig,  indem  er  u.  a.  eine  Vita 
sancti  Trudonis  und  eine  Vita  sancti  Bavonis  überarbeitete. 
Betreffs  der  Abtstätigkeit  dieses  Dietrich  in  Saint -Trond 
geben  ausser  dem  Urkundenbuch  der  Abtei '  auch  die  von 
Dietrichs  Nachfolger  Rudolf  ausgearbeiteten,  bis  1108 
reichenden  Gesta  abbatum  Trudonensium  Auskunft*.  Aus 
der  Verwechselung  mit  diesem  soviel  älteren  Dietrich,  der 
gegen  Schluss  seines  Lebens  in  Gent  Zuflucht  gefunden 
haben  soll  ^,  kann  es  sich  herschreiben,  dass  der  Codex 
5815  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Brüssel  den  Dietrich 
immerhin  als  'abbas  Benedictinus'  bezeichnete^.  Die  schwer- 
lich auf  jenem  Codex  basierende  gedruckte  Ausgabe  der 
'Vita  Hildegardis',  von  einem  Ungenannten  Löwen  1822 
besorgt  —  von  der  Linde  a.  a.  0.  nimmt  darauf  bezug  — , 
bezeichnet  den  Verfasser  dann:  'Thierry  abbe  de  Saint 
Trond'  und  nennt  1209  als  das  Jahr  der  Niederschrift 
der  Vita.  Genau  zutreffen  kann  dies  keinesfalls,  denn  in 
den  Urkunden  jener  Zeit  wird  ein  Christian  als  Abt  zu 
Saint -Trond  für   die    betreffenden  Jahre   angegeben.      Da- 


1)  W.  Preger,    Geschichte   der  deutschen  Mystik   im  Mittelalter  I, 
Leipzig  1874,  S.  14.  2)  v.  d.  Linde  S.  51 ;    vgl.  auch  v.  d.  Linde  in 

Allgemeine   deutsche  Biographie  XII,  407  f.  3)    Schmelzeis  S.  310  f. 

503  f.  4)  Herwegen  S.  313  —  315.  5)  Der  Verfasser  nennt  sich  in 
diesem,  dem  Abt  Gottfried  zu  Echternach  allein  gewidmeten  Werk 
(Ludwig  war  eben  schon  tot) :  'eiusdem  ecclesiae  humilis  alumpnus',  siehe 
MG.  XXIII,  38.  6)    Surius   a.  a.  O.  V,  271.  7)    Cartulaire    de 

l'abbaye  de  Saint -Trond,  publ.  par  Ch.  Piot  I,  Bruxelles  1870,  S.  29; 
vgl.  auch  Wattenbach  II«,  149.  8)  MG.  SS.  X,  213-448.  9)  Watten- 
bach a.  a.  0.         10)  V.  d.  Linde  S.  17. 


Zu  den  Lebensbeschreibungen  der  Hildegard  von  Bingen.     577 

geg-en  erscheint  ein  'Prior'  Theodoricus  zu  Saint -Trond 
allerdings  in  den  Jahren  1200  und  1208  ^  Eben  dieser 
Umstand  mag  auch  für  den  Abt  Johann  von  Tritheim  die 
Veranlassung  geworden  sein,  dass  er  in  seinem  Catalogus 
illustrium  virorum  Seite  138  von  einem  'Theodoricus 
abbas  ordinis  sancti  Benedicti'  spricht,  der  der  Aebtissin 
nahestand  und  deren  Leben  beschrieb.  J.  Stilting-  hat 
die  Angabe  Tritheims  mit,  wie  es  scheint,  zwingenden 
Gründen  widerlegt. 

Dietrich,  der  Verfasser  der  Biographie  Hildegards, 
war,  soweit  wir  sehen,  nicht  Abt  sondern  einfacher  Mönch 
und  Magister,  wenigstens  zur  Zeit,  als  er  die  'Vita'  ver- 
fertigte (vor  1188),  und  das  Jahr  1209  dürfte  dasjenige 
gewesen  sein,  in  dem  die  Abschrift  des  Codex  verfertigt 
wurde,  auf  dem  die  zu  Löwen  im  Jahre  1822  erschienene 
Ausgabe  beruht^. 

Bemerkenswert  und  von  besonderem  Belang  scheint, 
dass  Dietrich  im  Vorwort  zu  Buch  III  seiner  Hildegard- 
Vita  sich  den  genannten  zwei  Aebten  gegenüber  als  'vester 
vicarius'  bezeichnet  haf^.  Es  will  doch  wohl  gemäss 
dem  Zusammenhang,  in  dem  die  Aeusserung  geschieht,, 
die  Folgerung  als  berechtigt  gelten,  dass  Dietrich  damit 
nicht  so  sehr  die  Art  der  schriftstellerischen  Tätigkeit  an- 
deuten wollte,  die  er  auf  Antrieb  jener  zwei  Aebte  aus- 
geübt hat,  als  vielmehr  die  gehobene  Stellung,  die  er  in 
Folge  seiner  bedeutenden  Kenntnisse  im  Echternacher 
Kloster  erlangt  hatte,  er  also  eine  wirkliche  Rangstellung 
damit  angegeben  hat.  Die  Bezeichnung  'vicarius'  passt 
ferner  aufs  beste  zu  jenem  Tidericus  Rufus,  der  im  Libellus 
de  libertate  Epternacensi  propugnata^  zum  Jahre  1192 
erscheint,  und  den  Weiland*^  und  Herwegen^  unbedenklich 
mit  dem  Magister  Dietrich  identifiziert  haben. 

Dass  der  Abt  Ludwig,  dem  samt  dem  Abte  Gottfried 
der  Magister  Dietrich  die  fertiggestellte,  in  drei  Bücher 
sich  gliedernde  Hildegard -Vita  gewidmet  hat,  zu  der  be- 
treffenden Zeit  noch  am  Leben  war,  beweisen  die  Ein- 
führungsworte zu  jedem  der  drei  Bücher  der  Vita^. 


1)    Cartulaire  ed.  Ch.  Piot  I,  160—162.  2)   J.  Stilting  in    den 

Acta  sanctorum,  Sept.  V  (Neue  Ausgabe:  Paris  1866),  S.  629.  _  3)  Ein 
Exemplar  dieser  Ausgabe  der  Vita  hat  in  den  königlichen  Bibliotheken 
zu  Berlin,  Wiesbaden  und  Brüssel  sich  nicht  auffinden  lassen.  4)  Migne 
a.  a.  O.  Sp.  117.  5)  MG.  SS.  XXIIl,  S.  71.  6)  Weüand  a.  a.  0. 
S.  16.        7)  Herwegen  S.  310.         8)  Migne  a.  a.  0.  Sp.  91  f.  99  f.  117. 


578  Gustav  Sommerfeldt. 

In  Folge  mehrjährigen  Aufenthalts  zu  Bingen  und 
auf  dem  Eupertsberg  bei  der  Hildegard  war  auch  der 
Mönch  Guibert  von  Gembloux  (f  nach  1212  —  einige 
Jahre,  bis  1204,  Abt  von  Gembloux  — ),  in  der  Lage  aus- 
führliche Informationen  über  die  Aebtissin  Hildegard  zu 
gewähren  ^.  Der  erwähnte  Erzbischof  von  Köln,  Philipp 
von  Heinsberg  (f  1191),  richtete  deshalb  schon  einige 
Monate  vor  Hildegards  Tode  an  Guibert  das  Verlangen, 
sich  die  Herstellung  einer  Biographie  der  Hildegard  an- 
gelegen sein  zu  lassen  -.  Guibert  hat  indessen  nur,  und 
zwar  noch  im  Jahre  1180  zu  Bingen,  das  Vorwort  und 
einiges  über  die  Anfangszeit  Hildegards  (bis  zur  Ueber- 
siedelung  vom  Kloster  Disibodenberg  auf  den  Euperts- 
berg) zur  Niederschrift  gebracht,  und  bedauerlicher  Weise 
ist  auch  dieses  wenige  nicht  in  seiner  definitiven  Gestalt 
auf  uns  gekommen.  Der  Verlust  will  umso  schmerzlicher 
dünken,  da  Guibert  für  sein  Werk  die  in  Gestalt  eines 
Sermons  abgefasste  Vita  benutzen  konnte,  von  der  oben 
die  Rede  war.  Der  Grund,  weshalb  Guibert  von  einer 
Weiterführung  der  ßiograjjhie  absah ,  war  nach  seinem 
eigenen  Eingeständnis,  dass  die  Mönche  seines  Klosters 
und  der  Abt  in  dringendster  Weise  ihn  aufforderten, 
Bingen  zu  verlassen  und  nach  Gembloux  zurückzukehren, 
was  er  bald  nach  Ostern  1180  dann  auch  getan  hat^.  Er 
tröstete  sich  über  das  Liegenbleiben  seines  literarischen 
Entwurfs  ziemlich  leicht,  da  er  in  Erfahrung  gebracht 
hatte,  dass  der  Propst  Gottfried  mit  Herstellung  seiner 
Hildegard -Vita  —  die    oben    erwähnte    —    beschäftigt   sei. 


1)  Er  wirkte  als  Beistand  in  spiritualibus  neben  dem  oben  ge- 
nannten Rupertsberger  Gottfried,  dessen  Sterbejahr  nicht  feststeht.  Dass 
Franche  a.  a.  ü.  unzutreflend  das  Jahr  1177  als  das  der  ersten  Reise 
Guiberts  zur  Hildegard  nenne,  hat  Herwegen  S.  886  des  Näheren  gezeigt. 
2)  Delehaye  S.  44  und  88;  Wattenbach  II '^j  163;  Herwegen  S.  203  und 
398.  Die  von  mir  im  Historischen  Jahrbuch  XXX,  43  in  Folge  Ver- 
sehens der  Drucklegung  gemachte  Angabe ,  der  König  Philipp  von 
Frankreich  sei  es  gewesen,  der  Guibert  zur  Niederschrift  bestimmte, 
möge  gleichzeitig  berichtigt  sein.  Vgl.  auch  Pitra  VIII,  415  und  581. 
Ueber  den  langjährigen,  Ijis  etwa  1170  stattgefundenen  Briefwechsel  der 
Hildegard  mit  dem  Erzbischof  Philipp,  der  mit  ihr  auch  persönlich  genau 
Ijekannt  gewesen  ist,  siehe  Migne  a.  a.  0.  Sp.  183  f.  und  öfter ;  Schmelzeis 
S.  202  —  204.  Auch  andere  der  Freunde  Guiberts  nebst  den  50  auf  dem 
Rupertsberg  befindlichen  Nonnen  vereinten  ihre  Bitten  mit  denen  des 
Erzbischofs  Philipp :  Analecta  Bollandiana  I,  607.  Guibert  war  seiner 
Zeit  durch  die  Hildegard  selbst  in  Bingen  mit  dem  Erzbischof  bekannt 
gemacht   worden:    Pitra  VIII,   581.  3)    Delehaye   S.  42   und   48  f.; 

Herwegen  S.  390. 


Zu  den  Lebensbeschreibungen  der  Hildegard  von  Bingen.     579 

Dieses  und  kein  anderes  Werk  wii'd  es  sein,  auf  das 
Guibert  in  einem  seiner  undatierten  Briefe  an  den  Erz- 
biscbof  Philipp  von  Köln  anspielt  mit  den  Worten^:  'Sed 
et  in  hoc  gavisus  sum,  iniuriosum  videri  reputans,  maioris 
et  melioris  scripta  propter  ineptias  meas  iri  abolitum. 
Quae  videlicet  scripta,  cum  per  aliquem  eloquii  facultate 
praeditum,  quem  ad  hoc  sacrae  eins  filiae  elegerint,  sup- 
pletis  his,  quae  bonae  memoriae  primus  ille  eins  prae- 
positus  ante  eam  decedens  non  attigit,  exculta  et  ad 
modum  libri  redacta  fuerint,  si  ea  vobis  habere  placuerint, 
id  eis  per  litteras  insinuabitis,  et  devote  mittentur  vobis'. 
Ausser  den  allgemeinen  Informationen,  die  wir  aus  der 
Briefstelle  gewinnen,  will  sich  überdies  mit  Sicherheit  zu 
ergeben  scheinen,  dass  Gottfried  für  sein  Werk  die  Auf- 
zeichnung Volmars  noch  nicht  benutzt  hat,  Dietrich  aber 
später  solches  zu  tun  beauftragt  wurde. 

Ein  Fragment  der  Aufzeichnung  Guiberts,  das  aber 
nach  der  Meinung  Delehayes  "^  einer  älteren  Zeit  (1177) 
entstammt,  hat  sich  immerhin  erhalten.  Es  ist  einem 
Brief  Guiberts  an  den  Diakon  zu  Sankt  Salvator,  späteren 
Mönch  zu  Gembloux,  Bovo  ^  eingefügt,  der  sich  —  leider 
unvollständig  —  in  den  Brüsseler  Hss.  5387 — 96,  f.  188 
—190  und  5527—34,  f.  186—190  vorfindet  und  danach 
bei  Pitra  VIII,  405  —  414  zum  Abdruck  gekommen  ist. 
Pitra  und  Delehave  haben  indessen  nicht  mit  dem  durch 
Herwegen  genauer  jetzt  ins  Licht  gerückten  Umstand  ge- 
rechnet, dass  Guibert  die  Gewohnheit  hatte,  nachträglich 
in  seinen  Briefen,  die  ausser  der  Bestimmung  für  den 
Adressaten  auch  der  Lektüre  des  grösseren  Publikums  zu 
dienen  hatten,  Abänderungen  und  Zusätze  vorzunehmen  ^. 
Und  das  hat  Guibert  jedenfalls  mit  dem  Briefe  an  Bovo 
getan ,  wie  die  Analyse  des  Briefs  bei  Herwegen  ^  des 
Näheren  ergibt.  Das  'obitu'  in  Bezug  auf  Hildegard  — 
Pitra  *"  hat  es  willkürlich  und  ohne  Grund  in  'habitu'  ver- 
ändert —  zeigt  deutlich  die  durch  Guibert  nach  1179 
vorgenommene  Nachbesserung  an  dem  Brief.  Es  ist  also 
ganz    einleuchtend ,    dass    Gviibert   trotz    der   gegenteiligen 


1)  Analecta  Bollandiana  I,  605.  —  Delehaye  S.  45  fasst  die 
Worte  unrichtig  dahin  auf,  dass  nach  erfolgter  Ueberarbeitung  durch  den 
'ahquem  eloquii  facultate  praeditum'  die  "scripta'  dem  Erzbischof  über- 
sandt  \yerden  sollen.  Delehaye  beachtete  nicht,  dass  das  'elegerint' 
konditioneil  gemeint  ist.  2)    Delehaye  S.  38  f.  und  44  f.  3)  Ueber 

Bovo  siehe  Notae  Gemblacenses   in  MG.  SS.  XV.  294.  4)  Herwegen 

S.  .391  f.         ö)  Herwegen  S.  897—402.         6)  Pitra  VIII,  407. 


580  Gustav  Sommerfeldt. 

Versicherung,  die  er  um  1180  an  den  Erzbischof  Philipp 
von  Köln  abgab,  schon  bei  Lebzeiten  Hildegards  einiges 
Material  zu  deren  Biographie  zusammengestellt  hat  und 
dass  er  dieses  später  bei  Ausarbeitung  seiner  Erzählung 
der  Jugendgeschichte  Hildegards  verwendet  hat.  Die  dem 
Brief  an  Bovo  eingeschalteten  biographischen  Angaben 
werden  dieser  Erzählung  der  frühesten  Jugendgeschichte 
entlehnt  sein,  und  die  Meinung  Delehayes  \  dass  Guibert 
in  zwei  gesonderten,  wesentlich  von  einander  verschiedenen 
Werken  (1177  und  1180)  über  die  Hildegard  gehandelt 
habe,  wird  hinfällig. 

Auf  die  an  Bovo  übersandten  biographischen  Notizen 
nimmt  Guibert  auch  später,  zu  einer  Zeit,  als  er  die  Abt- 
würde zu  Gembloux  bereits  wieder  abgegeben  hatte,  (um 
1209)  Bezug  in  einem  Briefe  an  den  Abt  Gottfried  von 
St.  Euchar  in  Trier  und  bittet  um  Vervollständigung. 
Gottfried  beantwortet  dies  seinerseits  damit,  dass  er  ein 
in  seinem  Besitz  befindliches  Exemplar  der  vor  Jahren 
durch  den  Magister  Dietrich  fertiggestellten  Hildegard- 
Vita  übersendet  und  dazu  bemerkt,  es  sei  mit  seinem  (des 
Abtes  Gottfried)  Wissen  und  auf  seine  Veranlassung, 
einiges  in  der  Vita  'propter  fastidium  longae  lectionis' 
durch  den  Abschreiber  übergangen  worden.  Guibert  möge 
jedoch,  wo  ihm  Lücken  zu  sein  scheinen,  Zusätze  machen, 
wo  üeberflüssiges  gesagt  sei,  solches  beseitigen  und  etwaige 
Fehler  berichtigen  -. 

In  seiner  Antwort  bemerkt  Guibert,  dass  ihm  zu 
solchen  Abänderungen  an  keiner  Stelle  eine  Veranlassung 
sich  ergeben  habe^:  '.  .  .  non  habens  prae  memoria,  quid 
inferrem  vel  adderem,  nee  inveniens  in  ea  quicquam  super- 
fluum,  quod  demerem,  neque  aliquid  inepte  positum,  quod 
corrigerem ,  omnia ,  ut  inveni ,  sie  reliqui ,  ne  inferior 
superioribus  nie  iactanter  praeferre  viderer'. 

Bereits  zu  Lebzeiten  der  Hildegard  hatte  Guibert, 
wie  wir  nach  allem  gesehen  haben,  mit  der  Ausarbeitung 
der  Vita  begonnen  und,  als  Hildegard  gestorben  war,  das 
Werk  revidiert  und  nach  dem  Manuskript  des  Propstes 
Volmar  und  anderen  Quellen  weiter  vervollständigt.  Er 
spricht  sich  darüber  in  dem  genannten,  bald  nach  1180 
geschriebenen  Briefe  an  den  Erzbischof  Philipp  von  Köln 
des  genaueren  aus^.  —  Wie  ferner  der  Brief  Guiberts  an 


1)    Analecta   BoUandiana   I,    606.  2)    Ebenda.  3) -Ebenda 

I,    606  f.,    vgl.    Pitra   VIII,   415;    Delehaye    S.   85;    Herwegen    S.    399. 
4)  Analecta  Bollandiana  I,  600—605. 


Zu  den  Lebensbeschreibungen  der  Hildegard  von  Bingen.     581 

den  Trierer  Abt  Gottfried  von  etwa  1209  deutlich,  in 
gleichzeitiger  Uebereinstimmung  mit  dem  oben  von  uns 
Gesagten  ergibt,  blieb  die  Vita  in  Folge  der  Rückkehr 
Guiberts  nach  Gembloux,  die  er  auf  persönliches  Be- 
treiben des  damaligen  Abtes  von  Gembloux  antrat,  un- 
vollendet ^. 

Die  zu  Löwen  im  Jahre  1822  veröffentlichte  'Vita' 
vom  Jahre  1209  ist  wahrscheinlich  eine  auf  Veranlassung 
Gniberts  im  Jahre  jener  Korrespondenz  mit  Gottfried  zu 
Saint -Trond,  dem  Nachbarorte  Gembloux',  gefertigte  Ab- 
schrift der  Hildegard  -  Biographie  Dietrichs,  und  es  be- 
rechtigt nichts  zu  der  Annahme,  dass  dieser  Abschrift  — 
sie  mag  verloren  gegangen  sein  oder  noch  existieren  — 
in  besonderem  Masse  ein  originaler  Wert  zukomme. 


1)   Herwegen  S.  400. 


Ein  Brief  des  Gabriel  Biel  1462. 

Von  F.  W.  E.  Roth. 

Gabriel  Biel  aus  Speier  ist  als  theologischer  Schrift- 
steller bekannt.  Er  war  1462  Mainzer  Domkaplau  und 
befand  sich  damals  im  Rheingau.  In  dem  bekannten 
Bischofsstreit  zwischen  Diether  von  Isenburg  und  Adolf 
von  Nassau  stand  er  auf  des  Letzteren  Seite.  Adolf 
wollte  die  Rheingauer,  da  es  doch  zur  Entscheidung  mit 
den  Waffen  um  den  Mainzer  Erzstuhl  kommen  musste, 
auf  seine  Seite  bringen  und  bediente  sich  Biels,  den 
Rheingauern  für  seine  Sache  zu  predigen.  Aus  dem 
Rheingau  schrieb  Biel  im  September  1462  an  einen  Freund 
in  der  Stadt  Mainz  einen  historisch  interessanten  Brief 
über  die  Lage  der  Stadt  vor  der  Einnahme  im  Oktober  1462. 

Dieser  Brief  ist  enthalten  in  Hs.  II,  219  folio,  Papier, 
XV.  Jh.  der  Mainzer  Stadtbibliothek  und  blieb  ungedruckt. 
Diese  Hs.  ist  von  einem  Liebhaber  des  Kirchenrechts  an- 
gelegt und  enthält  viele  Briefe  als  Formeln.  F.  1*" : 
'Hermannus  Rosenberg  decretorum  doctor,  scolasticus  ec- 
clesie  beate  Marie  ad  gradus  Moguntinensis  reverendissimi- 
que  in  Christo  patris  ac  domini  domini  Theoderici  archi- 
episcopi  Moguntinensis  in  spiritualibus  vicarius  generalis 
ac  commissarius  et  executor  ad  infra  scripta  ab  eodem 
domino  archiepiscopo  specialiter  deputatus'  etc.  enthält 
eine  kirchenrechtliche  Abhandlung  Hermann  Rosenbergs ; 
f.  17^'  steht:  'Processus  contra  ludeos'.  Es  ist  nicht  aus- 
geschlossen, dass  Biels  Brief  an  Rosenberg  gerichtet  war. 
Derselbe  steht  f.  23'"  und  folgt  hier  im  Auszuge  in  etwas 
vereinfachter  Schreibweise : 

Dis  ist  die  abeschrifft  ejus  senbrieffs,  den  der  hoch- 
gelert,  andechtige  und  ersam  meinster  Gabriel  Byel,  lerer 
der  heyligen  geschrifft,  siner  gutten  frunde  ejme  in  die 
Stadt  Mentz,  ee  die  gewonnen  wart,  obirsant  haitt. 

Gnade  und  erluchtuuge  des  heyligen  geystes,  crist- 
liche   warheit   zu   bekennen   und   der   selben   stanthafftick- 


Ein  Brief  des  Gabriel  Biel  1462.  583 

liehen  in  diesen  sorglichen  tagen  sonder  focht  der 
irrenden  wernt  zu  leben,  vor  eynen  fruntlichen  gruss  zuvor. 
Sunderlicher  lieber  frunt  und  bruder  in  dem  heren  Christo. 
Ich  han  eyn  grois  midliden  mit  uch  und  den  uwern,  daz 
ir  so  gar  gedruckt  sint  und  gephant  mit  beraubunge 
gottlicher  ampt  und  der  heyligen  sacrament,  nit  daz  die 
by  uch  underwegen  bliben,  sonder  daz  kein  liephaber 
gottes  sich  der  gebruchen  noch  do  by  sin  mag  ane  ver- 
loist  siner  seien,  want  von  ongehorsamen,  benuigen  und 
verfluchten  hören  gottlich  ampt  oder  mit  yne  gemeyn- 
schafft  han  in  den  sacramenten,  ist  verdemlich  lesterunge 
gottes.  Want  die  heyligen  sacrament,  die  krefftlichen  ge- 
flossen sint  uss  den  verwonten  herzen  uusers  heren  Christi 
und  oifgesatzt  uss  unusssprechlicher  mynne  des  selben 
unsers  seligmechers  zu  Seligkeit  der  seien,  verhandeln  in 
sweren  sunden  frevelichen  widder  die  ordenung  gottes  und 
siner  heyligen  kirchen:  Waz  ist  das  anders,  dan  mit  den 
verfluchten  Juden  und  heyden  daz  dure  blut  unsers 
liebsten  heren  unnutzlichen ,  so  ferre  an  yne  ist,  ver- 
giessen,  verunreinen  und  die  werck  der  Seligkeit  und  des 
lebens  verwandeln  in  werck  des  todes  und  ewiger  ver- 
damnisse?  Und  herumb  verware  ich  uch  durch  die  liebe 
unsers  heren  Jesu,  das  ir  uch  in  keynen  weg  der  sweren 
sunden  deilhaftigk  machent,  sonder  umb  gottes  willen  uch 
gantz  entziegent  aller  geistlichen  gemeinschafft  mit  den 
benuigen.  So  lieb  uch  uwer  sele  ist,  so  entphaent  kein 
sacrament  von  yne.  Ob  ess  noit  wurde,  zu  teuffen  yemant 
uch  zusteende,  mag  man  den  touff  nit  sonder  sorge 
vertziehen,  so  lassent  ess  eynen  leyen,  man  oder  frauwe, 
die  nit  verbannet  ist,  in  uwern  husern  teuffen,  unde 
konten  ir  nyemandts  anders  han,  ir  mochten  uwer  eygen 
kint  teuffen.  Wer  es  aber,  daz  wedder  ir  noch  yemants 
anders,  der  nit  bennig  ist,  by  der  hant  were  und  man 
besorgte  des  kindgins  doit,  so  must  man  umb  der  noit 
willen  ess  lassen  teuffen  einen  bennigen.  Aber  die  andern 
sacrament  der  bichte,  des  fronelichams  unsers  heren  und 
des  heyligen  oleyes  sollent  ir  in  keynem  weg  von  bennigen 
nemen,  auch  nit  in  todes  noten.  Dan  wer  ess,  das  got 
uch  oder  yemant  der  uwern  wolt  von  hynnen  nemen,  das 
er  durch  sin  barmherzigkeyt  lange  verhalten  wolle,  ist 
genug,  daz  man  ganczen  ruwen  und  leyt  habe  über  die 
sunde  und  die  gott  bichten  mogent,  das  ir  dick  gott  dem 
heren  bichtent  mit  vorsatz,  die  selbe  sunde  zu  bichten 
eyme  togelichen  priester,  wan  ir  den  nach  ordenunge  der 
heyligen  kirchen  han  mogent.     Und  lassent  uch  nit  swere 


584  F.  W.  E.  Roth. 

sin,    das   ir   der   sacrament   enberent,    wan    zu    hoffen    ist, 
das    ir   der   gnaden    der   heyligen    sacrament,    die   ir    gern 
entphangen    wolten    und    umb    gottes    willen    lassent,    nit 
beraubet   werden.      Want   gott,    der    durch    die    sacrament 
gnade  gibt  den,    die    sie  wirdicklichen    entphaen,    hait    die 
almechtige  gewalt  nit  also  den  sacramenten    angeknuppet, 
daz  er  nit  möge  ussen  den  sacramenten  solich  und  groisser 
gnade    geben    den,    die    sie   nit   versmahen.      Gut    frundt, 
blibent    stanthafftig    in    gehorsame    der    hejligen    kirchen, 
usswendig   der   niemants    magk    selig    werden ,    der    heupt 
und  regnerer   off  erden  an   gottes   stait    nit  von   mentsch- 
licher,  sonder  von  gottlicher  ordenunge  ist,  der  babst,  der 
nachsetzer  sanct  Peters.  —    —  —   —  —  Lassent  uch  auch 
nit  bewegen,    ob  die   ongehorsamen   zytliche   gluck   hetten 
und    die   gehorsamen   getruckt   wurden,   wan   were   zytlich 
gluck    und    wolefart    ein    zeichen    der    gerechtigkejt    und 
zytlich  liden  und    durechtunge   ein    zeichen    der   ongerech- 
tickeit,    so   were    kein    ding   ungerechter    dan    der    cristen 
glaube  und  cristen  sin,  wan  in  keinem  glauben  under  dem 
hymmel  so  vil  dorechtunge  und  blut  vergiessens  gescheen 
ist,  als  an  den  heyligen  mertelern   umb    cristens   glaubens 
willen.    Der  here,  der  vor  gelidden  hait  und  gestorben  ist, 
hait  sinen  nachfolgern  nit  gelobt  hie  off  erden  gluck,    ge- 
mach und  zytlichen  frieden,  druck  und    dorechtunge,    ver- 
smehenisse   und   pinigunge.      Herumb    selig   sint    die,    den 
ettwas   umb   gottes   und    der    gerechtigkeit    willen    geburt 
zu  liden,  ess  sy  an  libe,  gut,  ere,  kiiiden,  frunden.    Frauwen 
sollen    sie    sich   und   frolich    sin,    wan    ir   belonunge    wirt 
obirflussig   sin  in  dem  hymmel.     Yzunt  ist  (Blatt  23'^')    die 
zyt,    daz  das  orteyl  gottes  hebet   an   an    dem   huse   gottes, 
das   ist    an    den   wairhafftigen   cristen    nachfolgern   gottes. 
Aber  straffet  got  der  here  also  sin   frunde,    o  wie   ontreg- 
lich  wirt  dan  die  straiff  siner  finde.     Herumb  gebent  uch 
willicklich  in  die  haut  gottes,  zu  liden,  was  sin  gottlicher 
wille  verhengen  wirt,  wan   in  liden  ist  er  nahe    den    sineii 
und  lasset  sie  nit  troistloiss.      Diss  sint,  gude   frunde,    die 
tage  der  hartten  straiff  der  sunder,  die  ich  alwege  gefocht 

hau. —  ßetrachtendt,  liebe  frundt,  und  beweynent 

mit  mir  der  sorgklichen  sweren  stadt  uwer  mit  burger 
und  inwoner  zu  Mentz,  want  alle  usswendige  hulff,  dar 
durch  der  arme  sunder  zu  gnade  und  bekentenisse  solt 
komen,  das  ist  alles  verkeret  in  orsach  groisser  sunde. 
O  was  kleglichs  staidts  ist  daz.  Da  messe  lesen,  messen 
hören  und  das  heilige  sacrament  entphangen  ist  nit  anders 
dan   schuldigk   werden    an   dem    bloitvergiessen    und    tode 


Ein  Brief  des  Gabriel  Biel   1462.  585 

unsers  heren,    tla  bichten    ist   sunderu,    da    die   geistlichen 
arzeiiey   der   sacrament   wirt   vergifft,    do    die   stymme    der 
predig-er  verleydet,  do  die  hirtten  glich  den  wolffen  rauben 
und  rissen.     Mich  duret  von  ganzem  herzen,  als  billig  ist, 
beyde  raitt  und  gemeynde  und  sunderlich  die  eynfaltigen, 
die  so   gar   yemerlich    verfuret   werden.      Lassent   uns    mit 
flisse  alle  heylige  frunde   gottes   und    gute    mentschen   an- 
ruffen,  das  sie  got  den  heren  vor  uns  bitten,  das  er  sinen 
zorn  ablege,  das  er  uns  straiff  zu  bekerunge   und   nit   ver- 
beuge   dem    hellischen    viende    also    yemerlich    nach    yme 
himfech^.  zu  ziehen  die  cristen  mentschen,    die  er  so    dure 
mit   sinem    heiligen    blut    erloset   haitt.      Gut   frundt,    ich 
hette  uch  lange  gern  geschrieben,  so  hau  ich  ess  gelassen 
umb  sunderlich  sach.     Aber  ich  mocht  ess  nit  lenger  ver- 
halten broderlicher  truwe  halp  und   liebe.      Auch    mogent 
ir   diese    schrifft    wole   lassen   lesen,    wo   uch    duncket,    sie 
nutze  bringen  mochte,  wan  ich  ir  gestene  wil  und  verant- 
wortten,  ob  yemant   dar  widder  redden  wolt,  wo    ess   sich 
geburt,  kein  ende  ussgeslossen,  und  ich  wolt,  daz  sie  sehen 
mochten  unser  prediger,  die,  als  ich  höre,  daz  folck  feisch- 
lichen stercken  in  irrunge  und  ir  prediget  nit  mögen  noch 
thurren   verantwurten,    dan    allein    by   ire   parthien.     Wan 
wulten  sie   vorkommen   umb    ire   irrige    lere,    do    mitt   sie 
daz    folck    halsstercke    widder    gehorsam    der    Romischen 
kirchen,  oder  umb  alles,  daz  ich  geprediget  han  diese  sach 
andreffende  und  auch  sost  an  enden,    der   sich    das    durch 
recht  gehurt,  wil  ich  bereit  sin  gegen  yen  zu  steen  in  krafft 
des  almechtigen  gottes  bis  zum  füre.     Ich  wolt  auch,   das 
diese    schrifft   die  burgermeinster   oder   der   raitt   der   stat 
sehen  und  lesen  und  das  mir  by  yen  erworben   wurde   ge- 
leide   vor    gewalt,    daz   ich    mochte    widder    die    verleyder 
predigen    die    cristenliche   warheit,    off   des    das  folck    der 
Stadt  Mentz,  der  selickeit  ich  uss  gantzeni  hertzen  begere, 
nit  clegelich  verleydet  wurde.    Und  umb  daz  ich  predigen 
wurde,  wolte  ich  zu  recht  steue  nit  allein  an    den    enden, 
do  sich  von   recht   geburt,    sonder   auch  vor   allen   cristen 
bischoffen,    die  do  sint   in   eynigkeit   der   heiligen   kirchen 
und  hohen  schulen,  der  kirchen  und  lande  nit  von  parthien 
sint  und  die  diese  sach  zu  zytlichem  schaden  oder  gewinne 
nit    antreffet,    noch   versegen,    do   uch   schade    usskommen 
mochte.      Got   der   almechtige   sy    mit   uch   zu    dem    aller- 
besten.    Uwers  gebets  vor  mich  armen  sunder   begere   ich 
umb  gottes  willen.     Geben  im  Rinckauwe   off  Samstag   in 
der  herbst  fronefasten  anno  etc.  LXII.        Gabriel  Byel. 


Nachrichten. 


195.  Es  sind  folgende  Bände  der  MG.  erschienen: 
In  der  Abteilung  Scriptores:  Deutsclae  Chroniken  VI,  2, 
Vorrede,  Register  und  Wöi'terverzeichnis  zur  Oesterreichi- 
schen  Chronik  von  den  95  Herrschaften,  von  Professor 
J.  S  e  e  m  ü  1 1  e  r.  In  der  Abteilung  Leges :  Constitutiones 
et  Acta  publica  V,  1  (die  Aktenstücke  Ludwigs  IV.  und 
Friedrichs  III.  1313—1320)  von  Dr.  J.  S  c  h  w  a  1  m.  In 
der  Abteilung  Diplomata  der  IV.  Band  der  Königs-  und 
Kaiserurkunden,  enthaltend  die  Urkunden  K.  Konrads  II., 
herausgegeben  von  Professor  H.  Bresslau,  unter  Mit- 
arbeit von  H.   W  i  b  e  1  und  A.  H  e  s  s  e  1. 

196.  Der  zweite  Teil  der  Beiträge  zur  Handsehriften- 
kunde  von  Wilhelm  W  e  i  n  b  e  r  g  e  r  in  den  SB.  der 
Wiener  Akademie,  Philos.  -  Histor.  Kl.  CLXI,  4  gibt  im 
wesentlichen  bibliographische  Nach  Weisungen  über  viele 
Bibliotheken,  die  für  altklassische  Philologen  von 
Bedeutung  sind,  auch  Bemerkungen  zu  den  in  einzelnen 
Bibliotheken  vorhandenen  Beständen  und  Fonds  und  bunte, 
zufällig  gesammelte  Notizen  über  dies  und  jenes,  und  zwar 
gesammelt  vom  Standpunkt  des  altklassischen  Philologen, 
vornehmlich  des  Gräcisten.  Wenn  der  Historiker  auch 
viele  nützliche  Nachweisungen  hier  finden  kann,  so  kommt 
er  doch  sehr  zu  kur^,  er  vermisst  mitunter  das  wichtigste. 
Ein  Prinzip  der  Anordnung  dieser  bunten  Notizensamm- 
lung habe  ich  nicht  auffinden  können,  deshalb  unterlasse 
ich  es,  über  die  einzelnen  Abteilungen  der  Schrift  zu 
sprechen.  O.  H.-E. 

197.  In  den  SB.  der  Wiener  Akademie,  Philos. -Histor. 
Kl.  CLXI,  7  gibt  Eduard  G  o  1 1  o  b  die  Geschichte  und 
eine  kurze  allgemeine  üebersicht  über  den  Hss.- Bestand 
der  Biblioteca  Rossiana  (des  Commend.  Gian  Fran- 
cesco de  Rossi  zu  Rom),  die  jetzt  Sr.  M.  dem  Kaiser  von 
Oesterreich  gehört  und  sich  im  Jesuitenkolleg  in  Wien  (XIII. 


Nachrichten.  587 

Lainz)  befindet.  L.  Bethmann  gab  im  Archiv  XII  Verzeich- 
nisse von  Hss.  eines  Canonico  Rossi  und  eines  Commend. 
Rossi  zu  Rom.  Gollob  stellt  nun  fest,  dass  von  den  123 
von  Bethmann  verzeichneten  Hss.  dieser  angeblichen  zwei 
Besitzer  sich  120  in  der  Bibl.  Rossiana  befinden,  gibt  die 
heutigen  Signaturen  und  zuweilen  einige  nähere  Angaben 
über  diese  Hss.,  die  er  sämtlich  verzeichnet.  Die  An- 
gaben Bethmanns  über  die  beiden  Besitzer  sind  ihm  un- 
erklärlich, und  ebenso,  wie  ich  hinzusetze,  die  Bemerkung 
im  Archiv  XII,  409,  dass  sich  die  Hss.  beider  Verzeich- 
nisse später  in  der  Propaganda  fidei  befanden,  wo  ich  sie 
1891  vergebens  gesucht  habe ;  im  Frühjahr  1895  habe  ich 
dann  6  von  diesen  Hss.,  namentlich  zwei  Riccobald  -  Hss. 
(vgl.  N.  A.  XI,  280  f.),  in  Wien  benutzt,  als  sie  noch  im 
Jesuitenkolleg  in  der  inneren  Stadt  sich  befanden,  unter 
denen,  die  diese  Hss.  in  Wien  vor  1895  benutzten,  wäre 
noch  Prof.  E.  Mühlbacher  zu  nennen,  der  aus  der  alten 
Hs.  von  Moissac  VIII.  144  ein  Gedicht  herausgab. 

O.  H.-E. 

198.  In  den  Analecta  Bollandiana  XXVIII,  fasc.  4, 
417 — 475  beschrieb  Albert  Poncelet  die  hagiographi- 
schen  Hss.  der  Nationalbibliothek  zu  Turin 
und  verzeichnete  mit  bekannter  Sachkenntnis  und  Sorgfalt 
deren  Inhalt.  Er  hat  die  Arbeit  schon  im  Jahre  1Ö02, 
noch  vor  dem  Brande  dieser  Bibliothek  gemacht  und  gibt 
jetzt  bei  jeder  Hs.  an,  ob  sie  in  dem  Turiner  Inventar 
der  nach  dem  Brande  erhaltenen  Hss.  vorkommt,  ob  und 
wie  sie  beschädigt  ist.  Glücklicher  Weise  sind  die  meisten 
Hss.,  die  Heiligengeschichten  enthalten,  erhalten  und  zum 
grössten  Teil  nicht  zu  sehr  durch  Feuer  oder  Wasser  ver- 
dorben. Es  sind  auch  wieder  einige  unbekannte  Stücke 
aus  diesen  Hss.  beigefügt,  doch  keine,  die  Geschichte  des 
Mittelalters  betreffen.  Dagegen  hat  Herr  A.  Poncelet 
ebenda  S.  416  eine  ganz  kurze  Erzählung  über  Ueber- 
tragung  von  Reliquien  des  h.  Arnulf  im  Jahre  1103 
im  Kloster  Crepy-en-Valois,  die  in  der  Gallia  chri- 
stiana  schon  benutzt  ist,  aus  einer  Hs.  der  Bibl.  Mazarine 
herausgegeben.  O.  H.-E. 

199.  In  den  Etudes  Franciscaines  XXI  (1909),  62— G4 
beschreibt  A.  G.  L  i  1 1 1  e  zwei  von  ihm  aus  der  Bibliothek 
des  Sir  Phillips  (n.  811  und  207)  erworbene  mittelalterliche 
Hss.  zur  Franziskane  r-  Ordensgeschichte.         E,  M. 

200.  In  den  Etudes  des  pöres  de  la  compagnie  de 
Jesus  CXVI  (1908),  94—115    veröffentlicht  J.  Doize  an- 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  38 


588  Nachrichten. 

lässlich  des  zweihundertsten  Todestages  Mabillons  einen 
Artikel  über  die  Gelehrtenarbeit  der  Benediktiner 
des  heil.  Maurus.  E.  M. 

201.  Die  Quellenstudien  aus  dem  bist.  Seminar  der 
Universität  Innsbruck  zeigen  in  dem  ersten  bisher  er- 
schienenen Heft,  wie  der  Herausgeber  W.  Erben  auf  einem 
der  Hauptgebiete  seiner  wissenschaftlichen  Tätigkeit,  der 
Erforschung  des  Kriegswesens  der  mittleren  und  neueren 
Zeit,  seine  Schüler  zu  weiterer  fruchtbringender  Forscher- 
arbeit anregt.  In  der  ersten  Arbeit  (Die  Linzer  Hs.  des 
deutschen  Vegez)  bringt  J.  K.  M  a  y  r  wertvolle 
Texte  einer  älteren  und  jüngeren  Wagenburgordnung,  von 
denen,  nach  seinen  Ausführungen,  die  erste  vor  1427,  die 
zweite  um  die  Mitte  des  15.  Jh.  entstanden  ist,  ferner  den 
Wortlaut  einer  Stadt  Verteidigungsordnung,  die  ebenso  wie 
eine  bereits  früher  bekannte  Stadtverteidigungsordnung  des 
Nürnberger  Archives  wahrscheinlich  von  Johann  Glöckner 
bald  nach  1434  verfasst  ist.  In  dem  zweiten  Aufsatz  unter- 
sucht A.  Philipp  Ueberlieferung  und  Datierung  der 
Grottkauer  Einung  der  Fürsten  und  Stände  Schle- 
siens, die  er  im  Gegensatz  zum  bisherigen  Zeitansatz  (zu 
1421)  in  das  Jahr  1427  verlegt.  Doch  erscheinen  ihm 
Artikel  11 — 16  und  der  Schlusspassus  (Artikel  17)  als  un- 
organische Zusätze,  'welche  nur  zufällig  und  äusserlich  mit 
dem  Vorigen  verknüpft  sind'.  Das  erste  Kapitel  betrifft 
Bartholomäus  Scultetus  (1540  — 1614)  und  seine  Annales 
Gorlicenses,  in  denen  der  Text  der  Einung  überliefert  ist; 
in  den  Beilagen  folgt  eine  Wiedergabe  dieses  Textes  und 
eine  Uebersicht  der  von  Jecht  aus  den  Annales  Sculteti 
geschöpften  Briefe  und  Urkunden  der  Jahre  1419  bis  1437 
nach  der  in  der  Hs.  eingehaltenen  Ordnung.  H.  H. 

202.  In  den  Mem.  de  l'acad.  de  Vaueluse  VIII  (1908), 
27 — 58  behandelt  E.  Duprat  die  politische  Geschichte 
von  Avignon  in  der  Zeit  von  406  —  879.  Ein  zweiter 
Aufsatz,  ebenda  VIII,  373  —  405.  IX  (1909),  1—50.  105— 
168,  ist  der  älteren  Kirchengeschichte  gewidmet.  Er  be- 
spricht darin  die  unglaubwürdigen  Legenden  der  heil. 
Martha,  der  die  Christianisierung  Avignons  ums  Jahr  48 
zugeschrieben  wird,  und  des  heil.  R  u  f  u  s  ,  der  im  J.  70 
dessen  erster  Bischof  gewesen  sein  soll ;  ferner  die  Bischofs- 
liste bis  zum  10.  Jh.,  welche  durch  die  Legenden  und 
Urkunden  umfassende  gelehrte  Fälschertätigkeit  des  im 
17.  Jh.  lebenden  Polycarpe  de  la  ßiviere  in  seinen  hslichen 
Annales  entstellt  ist;   durch  ihn  sind  von  den  im  Anhang 


Nachrichten.  589 

abgedruckten  zwölf  Stücken  neun  gefälscht,  darunter  je 
eine  Urkunde  Dagoberts  vom  J.  639,  Karls  Martell  vom 
J.  739  und  Karls  des  Grossen  o.  J.  E.  M. 

203.  In  den  Mem.  de  la  soc.  des  lettres,  sciences  et 
arts  de  l'Avejron  XVI  (1900—1905,  erschienen  1906)  han- 
delte M.  Constans  über  die  Grafen  von  Toulouse 
und  Rouergue  unter  Karl  dem  Kahlen.  E.  M. 

204.  Seine  lateinische  Dissertation  von  1898  über  das 
erste  Herzogshaus  von  Oberlothringen  hat  E..  Parisot 
zu  umfangreicher  Ausführung  in  den  Mem.  de  la  soc. 
archeol.  Lorraine  et  du  musee  bist.  Lorrain,  4.  serie,  VII 
(1907),  151—428  und  VIII,  1—265  erweitert,  und  diese 
Aufsätze  sind  dann  als  Buch  Les  origines  de  la  Haute- 
Lorraine  et  sa  premiere  maison  ducale  (Paris,  Picard  1909) 
erschienen,  das  mit  derselben  Sorgfalt  und  Gründlichkeit 
gearbeitet  ist,  wie  seine  Geschichte  Lothringens  unter  den 
Karolingern,  freilich  auch,  ebenso  wie  jenes,  einen  spezifisch 
lothringischen  Standpunkt  der  Betrachtungsweise  zu  wahren 
versucht  (vgl.  besonders  S.  456  ff.  den  Exkurs:  La  Lotha- 
ringie  formait-elle  encore  en  959  un  royaume  autonome, 
distinct  de  l'Allemagne?).  Eine  Einzelkritik  des  Buches 
und  seiner  Ergebnisse  ist  hier  natürlich  nicht  am  Platze 
(nur  gegen  die  Namen  Charles  le  Gros  und  Henri  l'Oise- 
leur  soll  Dümmlers  Protest  wiederholt  werden) ;  es  ist  hier 
vielmehr  nur  auf  die  urkundlichen  Beilagen  aufmerksam 
zu  machen:  7  Nummern  (davon  3  aus  der  lateinischen 
Dissertation  wiederholt)  von  949  an;  darunter  n.  7  ein 
Originalbrief  Dietrichs  IL  von  M ü m p e  1  g a r d 
an  den  Erzbischof  H  i  1 1  i  n  von  Trier.  Besonderes  Inter- 
esse verdient  n.  2,  die  von  Ottenthai  Reg.  S.  75,  n.  148 
besprochene,  angeblich  vom  König  beglaubigte  Tausch- 
Urkunde  aus  dem  Kloster  St.  Martin  zu  Metz  von  965, 
über  die  Parisot  in  einem  eigenen  Exkurs  S.  491  ff.  han- 
delt. Das  angebliche  Or.  befindet  sich  doch  in  Nancy;  es 
stammt,  wie  das  beigegebene  Facsimile  zeigt,  aus  dem  Ende 
des  11.  oder  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jh.;  Königs-  und 
Kanzlerunterschrift  sind  einem  Ottonischen  Or.  (wohl  vom 
Jahre  947)  nachgezeichnet  (lässt  sich  der  Schreiber  noch 
bestimmen?).  P.  greift  bei  dieser  Sachlage  auf  die  von 
Ottenthai  abgelehnte  Erklärung  zurück,  dass  eine  echte 
Privaturkunde  von  965  mit  dem  Eschatokoll  eines  Diploms 
von  947  zusammengeschweisst  sei,  und  zwar  sei  dies  ver- 
mutlich zwischen  1147  und  1149  geschehen,  zur  Zeit,  da 
das    Kloster    mit   Heinrich    von    Arlon    wegen     des     ein- 

38* 


590  Nachrichten. 

getauschten  Gutes  im  Streite  lag:  die  Tauschurkunde 
sollte  durch  diese  Verbindung  mit  dem  Eschatokoll  eines 
Diplomes  höhere  Beweiskraft  erhalten.  Auffällig  bleiben 
aber  bei  dieser  Erklärung  das  gleiche  Tagesdatum  (24.  Fe- 
bruar) der  Tauschurkunde  und  des  Diploms  sowie  der 
Ortsname  (Aachen)  in  der  Datierung  der  ersteren,  der  viel 
besser  zu  der  letzteren  passt.  H.  Br. 

205.  G.  Freiherr  Schenk  zu  Schweinsberg  be- 
handelt unter  dem  Titel  'Genealogische  Studien  zur  Reichs- 
geschichte' in  dem  Archiv  für  Hessische  Geschichte  und 
Altertumskunde  N.  F.  VI,  465—493  (1909)  als  Fortsetzung 
einer  in  derselben  Zeitschrift  N.  F.  III,  349  —  377  (1904) 
veröffentlichten  Abhandlung  die  Abstammung  des  Hauses 
Nassau.  E.  P. 

206.  Die  Schrift  von  Friedrich  Stieve,Ezzelino  (III.) 
von  Romano  (Leipzig  1909)  ist  eine  Erstlingsarbeit,  als 
Heidelberger  Dissertation  verfasst.  Sie  ist  fleissig  gearbeitet 
und  hat  auch  das  Verdienst,  dies  und  jenes  richtig  gestellt 
zu  haben,  aber  sie  lässt  doch  manches  zu  wünschen  übrig. 
Die  Quellenkenntnis  und  -Benutzung  ist  nicht  tadellos, 
die  Uebersicht  über  die  Hauptquellen  in  der  Einleitung 
recht  dürftig.  Um  nur  einiges  anzuführen :  Was  soll  es 
besagen,  wenn  S.  4  das  Chron.  Estense  eine  'Schwester- 
schrift' der  Ann.  S.  lustinae  genannt  wird?  Diese  sind 
einfach  in  jenem  massenhaft  ausgeschrieben.  S.  121,  N.  23 
wird  angeführt:  'Franc.  Pip.  und  Riccob.  Ferr.  in  wört- 
licher Uebereinstimmung'  und  ähnlich  öfter,  aber  Riccobald 
war  allein,  am  wenigsten  erst  an  zweiter  Stelle  zu  nennen, 
denn  die  Uebereinstimmung  kommt  daher,  dass  Francisc. 
Pipin.  dessen  Pomerium  viel  ausgeschrieben  hat.  Die  kleine 
Cremonesische  Chronik,  die  S.  125,  N.  24  zitiert  wird,  steht 
SS.  XXXI.  Die  Cronica  Minor  (zu  zitieren  nach  SS,  R.  G., 
Mon.  Erphesfurt.)  spricht  nicht  von  'Selbstmord'  Ezzelins, 
wie  St.  den  Reg-  Imp.  nachschreibt,  sondern  sagt  überein- 
stimmend mit  Ann.  Foroiul.,  dass  er  keine  Nahrung  nehmen 
wollte  und  auf  diese  Weise  'se  interfecit'.  Man  hat  nicht 
mehr  Ann.  veteres  Mutinensium  und  Chron.  Mutinense 
nach  Muratori  SS.  XI  und  XV,  sondern  Alessandro  Tas- 
soni,  Giov.  da  Bazzano  und  Bonif.  Morano  in  Cronache 
Modenesi  und  Petrus  Cantinelli  und  Matheus  de  Griffonibus 
nach  der  neuen  Ausgabe  von  Muratoris  SS.  zu  zitieren  u.  s.  w. 
Manche  Nachlässigkeiten  und  sehr  viele  Druckfehler  nimmt 
man  in  einer  Erstlingsschrift  schon  in  Kauf,  aber  un- 
zulässig ist  das  stete  Zitieren  von  Quellen  ohne  jede  Seiten- 


Nachrichten.  591 

oder  Kapitelangabe,  das  geht  unter  Umständen  an  bei 
Annalen,  aber  was  macht  man  mit  Zitaten  wie  'Galv. 
Flam.',   'Salimb.'?  O.  H.-E. 

207.  In  der  Einleitung  zu  seinem  Buche  über  'Floris  V. 
Graaf  van  Holland  eu  Zeeland,  Heer  van  Friesland  1256 
—  96',  Gent  1907  (Univ.  de  Gand,  Recueil  de  travaux  publ. 
p.  la  Fac.  de  phil.  et  de  lettres  34:)  gibt  H.  Obreen  eine 
ausführliche  Uebersicht  über  die  urkundlichen  und  chroni- 
kalischen Quellen  zur  Geschichte  seines  Helden.  In  einer 
Beilage  handelt  er  über  die  von  Floris  und  seinen  Vor- 
gängern gebrauchten  Jahresanfänge.  A.  H. 

208.  Ein  recht  anschauliches  Lebensbild  der  Königin 
Elisabeth  von  Ungarn,  der  Mutter  Ladislaus'  Postu- 
mus,  mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Beziehungen 
zu  Oesterreich  in  den  Jahren  1439 — 1442  gibt  E.  Durst 
im  Jahresbericht  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  in  Böhm. 
Leipa  1906  —  07  und  1907 — 08.  Die  Literatur  ist,  soviel 
man  aus  der  Uebersicht  am  Schluss  ersieht,  nur  bis  c.  1890 
berücksichtigt.  B.  B. 

209.  Mit  schlesischer  Ortsnamenforschung  — 
Hodorph  -  Hundorf  (?),  Lichtewerden,  Urlich  —  beschäftigt 
sich  ein  Aufsatz  von  H.  W  o  1  f  in  der  Zeitschrift  für  Ge- 
schichte und  Kulturgeschichte  Oesterreichisch- Schlesiens 
Jahrg.  III,   154.  B.  B. 

210.  H.  Stein,  La  mort  de  Childeric  IL  (Moyen 
Age  XXI,  1908,  p.  297—309)  erklärt  S.  307  ff.  die  'Lau- 
conis  Silva',  in  welcher  der  König  nach  der  Continuatio 
Fredegarii  c.  2  (SS.  R.  Merov.  II,  169)  ermordet  wurde, 
nach  dem  Vorgang  von  Lebeuf  durch  Lognes  (dep.  Seine- 
et-Marne,  arr.  Meaux,  cant.  Lagny)  in  der  Nähe  von  Chelles. 
Die  Bestattung  Childerichs,  seiner  Gattin  und  seines  Sohnes 
in  Ronen,  von  der  die  2.  Vita  Audoini  berichtet,  be- 
streitet er  S.  301  ff.  im  Hinblick  auf  die  Wiederauffin- 
dung ihrer  Reste  in  Saint-Germain-des-Pr^s  im  Jahre  1656, 
über  die  er  aus  Ms.  fran9ais  18816  der  Nationalbibliothek 
einen  neuen  Bericht  mitteilt.  W.  L. 

211.  Vincenzo  Ussani  behandelt  in  den  von  E.  Monaci 
herausgegebenen  Studj  romanzi  VI,  1909,  p.  177 — 193,  die 
im  10.  Jh.  geschriebene  Turiner  Hs.  Lat.  A.  216  (früher 
D.  IL  10),  welche  die  Wunderbücher  Gregors  von  Tours 
und    das    erste    Buch    der    metrischen   Vita    Martini    des 


592  Nachrichten. 

V  e  n  a  11 1  i  u  s  F  o  r  t  u  n  a  t  ii  s  in  derselben  Weise  enthält 
wie  die  Pariser  Hs.  n.  2204  (la  bei  Krusch,  SS.  R.  Merov. 
I,  462)  und  einen  ihr  ähnlichen,  aber  unabhängigen  Text 
der  ersten  Hss.- Klasse  Gregors  darbietet;  einige  Kollations- 
probeii  veranschaulichen  die  Art  der  Hs.,  die  jetzt  kürzer 
auch  von  A.  Poncelet,  Analecta  Bollandiana  XXVIII,  418 
beschrieben  worden  ist.    Vgl.  oben  n.  198.  W.  L. 

212.  In  der  Sammlung  der  Geschichtsschreiber  der 
deutschen  Vorzeit  ist  in  dritter  Auflage  (Bd.  X)  I  s  i  d  o  r  s 
von  Sevilla  Geschichte  der  Goten,  Vandalen  und  Sueven 
nebst  Auszügen  aus  der  Kirchengeschichte  des  B  e  d  a 
Venerabilis  erschienen ,  bearbeitet  von  D.  C  o  s  t  e , 
der  auch  schon  die  Uebersetzung  in  zweiter  Auflage  ge- 
macht hatte.  Die  dritte  Auflage  ist  natürlich  bedeutend 
verbessert,  da  sie  auf  Grundlage  der  neuen  Ausgabe  von 
Isidors  Werken  in  MG.  Auct.  antiq.  XI  gearbeitet  werden 
konnte.  0.  H.-E. 

213.  Man  ist  im  allgemeinen  wohl  darüber  einig, 
dass  die  Vita  Goaris  (SS.  R.  Merov.  IV,  402  ff.)  zwar 
für  die  Sittengeschichte  des  8.  Jh.  nicht  geringes  Interesse 
bietet,  dass  ihr  Inhalt  im  übrigen  aber  wertlos  ist;  schon 
die  Art  der  darin  berichteten  Wunder  verbietet  es,  sie 
ernst  zu  nehmen.  Hauck  (Kirchengeschichte  Deutsch- 
lands I^,  201)  sieht  darin  'ein  Beispiel  durchgeführter  Sa- 
tire', und  Krusch,  der  zum  ersten  Mal  die  ursprüngliche, 
robe  Form  der  Quelle  zugänglich  gemacht  hat,  hat  darin 
die  gegen  den  Trierer  Bischof  gerichtete  Spitze  und  den 
Anlass  der  Erfindung  in  dem  Streit  zwischen  Trier 
und  dem  Kloster  Prüm  um  den  Besitz  von  St.  Goar  in 
der  Zeit  Pippins  erkannt.  Zu  dieser  ablehnenden  Beur- 
teilung der  in  der  Vita  berichteten  Dinge  scheint  mir  aufs 
beste  die  Tatsache  zu  passen,  dass  —  Wilhelm  Busch  den 
Stoff  seiner  vielumstrittenen  Satire  aus  der  Zeit  des  Kultur- 
kampfes, des  'Heiligen  Antonius  von  Padua',  zum  grossen 
Teil  der  Vita  Goaris  (anderes  der  Vita  Maximins  von  Trier) 
entnommen  hat,  worauf  J.  Hofmiller  in  den  Süddeutschen 
Monatsheften  V,  1908,  S.  424,  hingewiesen  hat.  Ganz 
anders  urteilt  J.  D  e  p  o  i  n,  der  im  ersten  Abschnitt  seiner 
'Etudes  Merovingiennes'  (Revue  des  etudes  historiques, 
Juli  und  August  1909)  das  urteil  von  Krusch  widerlegen 
und  der  Quelle  reichen  geschichtlichen  Ertrag  entnehmen 
will.  Nach  ihm  ist  Goar  schon  508  gestorben  und  sein  Leben 
unmittelbar  darauf  geschrieben  worden.  Der  König  Sige- 
bert,   unter   dem  Goar  nach  der  Vita  stirbt  und  in  dessen 


Nachrichten.  593 

Zeit  dort  auch  der  famose  Bischof  Rusticus  von  Trier  ge- 
setzt wird ,  ist  nach  Depoin  keiner  der  Merowinger  des 
6.  und  7.  Jh.,  sondern  der  durch  die  Sehlacht  bei  Zülpich 
bekannte  Ripuarierkönig  Sigebert  der  Lahme,  der  somit 
nicht  nur  über  Cöln,  sondern  auch  über  Trier  und  Metz 
geherrscht  hat,  und  König  Childebert,  Chlodwigs  Sohn, 
unter  dem  Goar  an  den  Rhein  kommt,  ist  jenes  Sigebert 
bisher  unbekannter  Bruder  und  Vorgänger,  sein  Vater  Chlod- 
wig nicht  etwa  der  Gründer  des  Fränkischen  Reiches,  son- 
dern ein  bisher  ebenfalls  unbekannter  Bruder  des  Mero- 
wingischen  Ahnherrn  Merowech  und  der  Begründer  des 
Ripuarischeu  Königshauses,  dessen  Geschichte  sich  so  er- 
staunlich erweitert.  Depoin  entgeht  durch  diese  willkür- 
lichen Vermutungen  aufs  schönste  der  Klippe,  an  der  die 
Vita  Goaris  immer  gescheitert  ist  und  scheitern  wird:  dass  man 
Chlodwigs  Sohn  Childebert  ohne  Zweifel  auf  Childebert  I. 
(511—558),  also  jenen  Sigebert  auf  Sigebert  I.  (561  —  575) 
beziehen  muss,  zu  dessen  Zeit  ein  Bischof  Rusticus  in  der 
für  Jahrzehnte  gut  bezeugten  Trierer  Bischofliste  gar  keinen 
Platz  findet.  Ein  Gegenstück  zur  Geschichte  des  Rusticus 
und  damit  eine  Bestätigung  für  seinen  frühen  Ansatz  der 
Vita  Goaris  sieht  Depoin  in  der  Geschichte  von  Remigius' 
Zeitgenossen  Genebaud  von  Laon  —  er  weiss  nur  nicht, 
dass  diese  erst  von  Hinkmar  von  Reims  herstammt  (Vita 
Remigii  c.  16,  SS.  R.  Merov.  III,  300  ff.).  Als  Quelle  für 
das  5.  Jh.  dient  ihm  u.  a.  die  zwischen  der  Mitte  des 
12.  und  14.  Jh.  entstandene  Aufzeichnung  über  die  An- 
fänge von  Erfurt  (Holder -Egger,  Monumenta  Erphesfur- 
tensia  S.  415  f.).  Am  meisten  verblüfft  freilich  die  Deu- 
tung der  schönen  Geschichte  von  dem  drei  Tage  alten 
Findelkind,  das  auf  Goars  Gebet  hin  zu  reden  beginnt  und 
die  Vaterschaft  des  Bischofs  an  den  Tag  bringt.  Depoin 
findet  dafür  eine  sehr  natürliche  Erklärung;  Goar  könnte 
ja  —  Bauchredner  gewesen  sein:  'il  eüt  realise  fort  aise- 
ment  le  miracle  de  faire  dire  quatre  mots  ä  un  enfant  de 
trois  nuits,  il  n'aurait  eu  nulle  peine  ä  lui  faire  tenir  de 
bien  plus  longs  discours',  eine  Erklärung,  die  ganz  neue, 
wenn  auch  an  längst  überwundene  Zeiten  des  Rationalis- 
mus erinnernde  Aussichten  für  eine  zukünftige  Erläuterung 
von  Wilhelm  Busch  eröffnet  ^1 


1)  Ich  benutze  die  Gelegenheit  zum  Hinweis  auf  einen  Anklang 
der  Vita  Goaris  an  ein  von  Baunister  im  .Journal  of  theological  studies  V 
(1904)  aus  einer  Reichenauer  Hs.  des  beginnenden  9.  Jh.  veröffentlichtes 
Bruchstück  eines  Irischen  Sakramentars.    Vgl.  die  Vita  c.  1  (p.  411,  10) : 


594  Nachrichten. 

In  einem  2.  Abschnitt  sucht  Depoin  darzulegen,  dass 
Gregor  von  Tours  seine  Erzählungen  über  die  früheren 
Merowinger  grossenteils  dem  ihm  verwandten  Herzog  Gun- 
dulf  verdanke,  der  581  fünf  Tage  bei  dem  Bischof  geweilt 
hat  (Hist.  VI,  11);  ein  Beweis  wird  auch  hier  nicht  er- 
bracht, dagegen  mancher  Irrtum  ausgesprochen,  wie  Depoin 
denn  in  der  Hss. -Klasse  B  trotz  der  Ausführungen  von 
Arndt  den  ursprünglichen  Text  Gregors  sieht  und  den 
Angaben  einer  wertlosen  Vita  Gundulfs  von  Maastricht 
(AA.  SS.  lulii  IV,  160,  §4;  vgl.  Bibl.  hag.  Lat.  n.  3711) 
vor  Gregor  den  Vorzug  gibt.  W.  L. 

214.  In  den  beiden  letzten  Jahrgängen  1907  und  1908 
der  Zeitschrift  'La  Province  du  Maine'  nimmt  G.  Busson 
noch  einmal  zu  einigen  Fragen  der  von  ihm  mit  heraus- 
gegebenen Actus  pontif.  Genom,  in  urbe  deg.  das 
Wort:  XV,  343.  390;  XVI,  69.  128.  166,  im  besonderen 
über  den  heil.  Turibius:  XVI,  171.  204.  221.  Der  andere 
Herausgeber  A.  Ledru  beendigt  in  XV,  20.  49.  97.  122. 
148.  227.  262  seinen  N.  A.  XXXIV,  240,  n.  39  bereits  er- 
wähnten Aufsatz  über  den  heil.  Bertrand,  Bischof  von 
Le  Maus.  E.  M. 

215.  In  der  Biblioteca  d.  Soc.  stör.  Subalpina  XXXIV,  4 
behandelt  E.  Patrucco  sehr  ausführlich  'I  Saraceni 
nelle  Alpi  occidentali  e  specialmente  nel  Piemonte', 
indem  er  zuerst  alle  Quellenstellen  in  extenso  aneinander- 
reiht, dann  die  sarazenischen  Spuren  in  Sprache  und  Tra- 
dition verfolgt  und  endlich  eine  Darstellung  versucht,  die 
der  Natur  der  Sache  nach  nicht  viel  über  die  kritische 
Erörterung  einzelner  Punkte  hinauskommt,  vor  allem  zur 
Geschichte  der  Hauptniederlassung  Fraxinetum,  die  nicht 
sicher  zu  bestimmen  ist,  da  sich  35  Lokalitäten,  deren 
Namen  darauf  zurückgehen,  nachweisen  lassen.        E.  C. 

216.  'Le  Probleme  des  premiers  eveques  de  l'eglise 
de  Tongres'  behandelt  G.  M  o  u  c  h  a  m  p  im  Bull,  de  la 
soc.  d'art  et  d'hist.  de  Liege  XV,  133  sqq.  Er  bespricht  die 
Bischofsliste  der  Gesta  episcoporum  Leodiensium  Heriger s 
und  A  n  s  e  1  m  s.  Nach  ihm  wurde  das  Bistum  in  der 
2.  Hälfte    des    2.  Jh.    von   einem   Maternus    gegründet,    in 


'terribilis  cognitor  secretorum  caelestium,  praescius  futurorum 
visionum  interpres',  und  Bannister  ja.  63 :  'qui  et  celestium  secre- 
torum interpres  et  divinorum  consiliorum  capax  iam  in  hoc  mundo 
esse  promeruit  angelorum  comes'. 


Nachrichten.  595 

dem  er  mit  der  Tradition  am  wahrscheinlichsten  den  gleich- 
namigen 3.  Bischof  von  Trier  wiedererkennt.  A.  H. 

217.  W.  Biereje,  Beiträge  znr  Geschichte  Nord- 
albingiens  im  10.  Jh.,  Plön  in  Holstein  1909,  erörtert 
nochmals  eine  Reihe  vielbehandelter  Fragen  aus  diesem 
Gebiet,  für  die  das  Material  vorwiegend  die  Geschicht- 
schreiber Adam  von  Bremen  und  H  e  1  m  o  1  d  liefern ; 
so  u.  a.  im  3.  u.  4.  Kapitel  Otto  I.  und  seine  Beziehungen 
zum  dänischen  Reiche  und  die  Entstehung  der  Bistümer 
von  Dänemark  und  in  Oldenburg  und  deren  erste  Bischöfe. 
Daneben  ist  viel  nordisches  Material  herangezogen,  so  in 
Kap.  I.  über  Schleswig  und  seine  Herrscher  zu  Beginn 
des  10.  Jh.  und  Kap.  II.  über  den  Dänenzug  Heinrichs  I. 
und  Olafs  Geschlecht.  Ich  möchte  hier  nur  eine  quellen- 
kritische Bemerkung  machen.  Auf  S.  59  f.  bespricht  und 
verwertet  der  Verf.  eine  bereits  von  Wigger  (B.  nennt  den 
bekannten  und  verdienten  mecklenburgischen  Forscher  fast 
stets  Wiggers)  herangezogene  Stelle  der  Ann.  Hirsaugienses 
des  Trithemius  (St.  Gallen  1690  I.  105).  Wäre  es  von  vorn- 
herein vorsichtiger,  auf  solche  Quelle  zu  verzichten  —  zu- 
mal wenn  man  die  von  B.  nicht  berücksichtigte  folgende 
Wundergeschichte  heranzieht  — ,  so  ergibt  sich  das  als 
notwendig  aus  der  Parallelstelle  der  Chronica  monast. 
Hirsaug.  desselben  Trithemius  (Opera  ed.  Freher  II,  p.  35) : 
'968  .  .  Fuerunt  tarnen  ex  institutione  Meginradi  scho- 
lastici  .  . ,  e  quibus  .  .  Eginardus  in  quadam  ecclesia  Saxo- 
niae  episcopus  factus  est'.  Hier  heisst  der  Mann  'Eginar- 
dus' statt  'Egwardus',  hier  weiss  Trith.  noch  nichts  von 
dem  Bistum  Schleswig  noch  von  dem  Jahre  965.  Die 
Stellen  gehören  zu  den  vielen  von  Silbernagel,  Trithemius 
1.  Aufl.  1868.  S.  162  ff.  verzeichneten,  in  denen  der  Ge- 
schichtsfälscher seine  erfundenen  Nachrichten  aus  der 
älteren  Chronik  in  den  jüngeren  Annalen  noch  weiter  ver- 
mehrt und  ausgeschmückt  hat.  Zu  den  allgemeineren  Re- 
sultaten des  Verf.  denke  ich  an  anderem  Orte  Stellung  zu 
nehmen.  B.  Schm. 

218.  A.  Gaudenzi,  'II  codice  Vaticano  del  monastero 
di  Acereta'  (Studi  medievali  III,  301 — 312),  bringt  einiges 
Neue  zur  Lebensgeschichte  des  Petrus  D  a  m  i  a  n  i  und 
publiziert  aus  Cod.  Vat.  Ottob.  339  eine  kurze  metrische 
Vita  des  Heiligen.  R.  S. 

219.  Auf  die  Vollendung  des  grossen  Werkes  von 
Meyer  von  Knonau    'Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches 


596  Nachrichten. 

unter  Heinrich  IV.  und  Heinrich  V.'  mit  dem  Erscheinen 
des  siebenten  Bandes  (1909),  der  die  Jahre  1115  bis  1125 
behandelt,  können  wir  hier  nur  kurz  hinweisen;  zu  er- 
Vi'ähnen  ist  aber,  dass  er  im  II.  Exkurs  darlegt,  wie  Ekke- 
hard  von  Aura  in  seiner  Erzählung  der  Geschichte  Hein- 
richs V.  von  der  grössten  Ergebenheit  gegen  diesen  Herr- 
scher allmählich  zur  Kühle  und  dann  zu  voller  Abneigung 
übergeht.  M.  v.  K.  bezeichnet  als  Grund  dieser  Sinnes- 
änderung die  Aufstellung  des  Gegenpapstes  Burdinus  im 
J.  1118.  Der  III.  Exkurs  bringt  ein  Verzeichnis  von  ur- 
kundlich bezeugten  Verleihungen  von  Gütern  und  Rechten 
durch  Heinrich  V.  0.  H.-E. 

220.  Das  bedeutende  Buch  von  Erich  Caspar 
'Petrus  diaconus  und  die  Monte  Cassineser  Fäl- 
schungen' (Berlin  1909,  284  u.  XI  S.)  beruht  auf  ein- 
gehenden Studien  von  Hss.  und  Urkunden,  die  der  Verf. 
zu  Monte  Cassino  und  Hom  angestellt  hat,  es  ist  kaum 
möglich  seinen  reichen  Inhalt  hier  in  Kürze  vollständig 
anzugeben  und  St'ellung  dazu  zu  nehmen.  Auf  das  erste 
hübsche  Kapitel  über  die  Geschichte  von  Monte  Cassino 
und  die  Entwickelung  der  wissenschaftlichen  Studien  dort 
im  11.  und  12.  Jh.  folgt  ein  Kapitel  über  die  von  Petrus 
geschriebenen  Hss.,  seinen  Lebenslauf  und  seine  wichtigsten 
Arbeiten,  wobei  manche  frühere  Annahmen  richtig  ge- 
stellt werden,  namentlich  sicher  mit  Recht  die  Briefe  der 
Oheime  und  des  Schwagers  des  Petrus,  die  seine  vornehme 
Abkunft  bestätigen  sollen,  als  von  ihm  gefälscht  verworfen 
werden.  Dann  beginnt  die  Untersuchung  der  einzelnen 
Arbeiten  mit  der  der  im  Ortus  et  vita  sanctorum  Casin. 
enthaltenen  Heiligenleben,  wobei  dargelegt  wird,  wie  die 
Fähigkeit  des  Petrus  zu  fälschen  durch  fortgesetzte  Uebung 
allmählich  wuchs.  Es  wird  festgestellt,  dass  eine  von  ihm 
überlieferte  Vita  Aldemarii  nicht  von  ihm  herrührt, 
höchstens  von  ihm  leicht  stilistisch  geändert  ist,  während 
eine  zweite  Vita  von  ihm  umgearbeitet  ist,  wobei  er 
Aldemars  Lebenszeit,  der  zu  Ende  des  10.  Jh.  lebte,  um 
1070  ansetzte,  da  er  ihn  mit  einem  später  lebenden  Manne 
gleiches  Namens  verwechselte.  Besonders  interessant  ist 
das  IV.  Kapitel  über  das  riesige  Bündel  der  immer  ge- 
waltiger anschwellenden  Fälschungen,  durch  die  Placidus, 
der  von  Gregor  I.  erwähnte  Schüler  des  heil.  Benedikt,  zu 
einem  Heiligen  ersten  Ranges  erhoben  werden  soll.  Ich 
glaube,  es  ist  hier  der  versuchte  Beweis  gelungen,  dass 
das  ganze  dahingehörige  Bündel  des  Registrum  S.  Placidi, 


Nachrichten.  597 

die  angeblich  von  Gordia nus  und  Stephanus  Aniciensis 
verfassten  Vitae  Placidi,  die  Placidns- Chronik,  die  Briefe, 
durch  die  diese  Fälschung-en  gestützt  werden  sollen,  ebenso 
wie  die  Vita  Placidi  im  Ortus,  in  der  durch  nachträgliche 
Rasuren  und  Einfügungen  auf  die  späteren  Fälschungen 
hingedeutet  wird,  von  Petrus  herrühren.  Es  folgt  die  Be- 
handlung der  sonst  noch  im  Eegistrum  S.  Placidi  ent- 
haltenen Heiligenleben,  der  Nachweis  der  Fälschung  der 
angeblich  von  einem  Mönch  Paulus  verfassten  Vita  Gebi- 
zonis  durch  Petrus  und  Darlegung  von  deren  Verhältnis 
zur  älteren  von  Petrus  im  Ortus  geschriebenen  Vita  des- 
selben, (ein  Grund  zur  Annahme  einer  älteren,  vor  Petrus 
existierenden  Vita  des  Mannes  scheint  mir  nicht  vor- 
zuliegen, die  Notiz  im  Liber  illustrium  virorum  über  eine 
solche  muss  andere  Erklärung  finden),  der  Nachweis  der 
Quellen  der  Passio  Dionisii  etc.,  Demetrii  etc.,  die  im  An- 
hang des  Buches  zuerst  herausgegeben  ist.  Demetrius  ist 
der  Bruder  des  Dionysius  Areopagita,  er  erleidet  mit  seinen 
Genossen  das  Martyrium  in  Casinum  und  wird  dort  be- 
stattet, das  war  der  Zweck  dieser  albernen  Petrus -Fäl- 
schung. Der  dann  folgenden  Kritik  der  Schriften  über 
den  Abt  Martin  von  MonteMassico  kann  ich  frei- 
lich nicht  mehr  voll  zustimmen :  Neben  der  im  Registrum 
S.  Placidi  überlieferten  Vita  dieses  Mannes,  die  zweifellos 
von  Petrus  verfasst  ist,  will  C.  auch  eine  ausserhalb  der 
Petrus -Hss.  überlieferte,  erst  neuerdings  bekannt  gewordene 
(vgl.  N.  A.  XXXII,  523,  n.  40),  in  barbarischem  Latein 
geschriebene  Schrift ,  als  deren  Verfasser  ein  Diakon 
Adalbert  genannt  wird,  dem  Petrus  zuschreiben.  Der  Be- 
weis dafür  scheint  mir  nicht  nur  nicht  erbracht,  sondern 
missglückt  und  die  Behauptung  sehr  unwahrscheinlich. 
Petrus  soll  das  barbarische  Latein  absichtlich  künstlich 
hergestellt  haben,  aber  in  seinen  übrigen  Fälschungen  hat 
er  so  etwas  nicht  für  notwendig  gehalten,  und  man  sieht 
bei  ihm  keinen  Anlass  zu  dieser  Fälschung,  wenn  er 
Adalbert  nicht  als  alten  Zeugen  zitieren  wollte,  was  er 
nicht  getan  hat.  Niemals  würde  er  bei  seinem  reichen 
Quellenmaterial  einen  Papst  des  8.  Jh.  ürban  genannt 
haben,  der  in  der  Zeit  nicht  existiert  hat,  wie  es  Adalbert 
tut.  Da  wäre  leicht  mehr  zu  entgegnen.  —  Wichtig  wäre 
die  folgende  Kritik  der  Vitae  Äthan  asii  episcopi 
Neapolitani  ,  wenn  sie  begründet  wäre.  C.  hat  eine 
modern  überlieferte  Vita  des  Mannes  gefunden,  die  er  im 
Anhange  herausgegeben  hat.  Diese  hält  er  für  die  älteste 
und  originale,  sie  sei  von  Petrus  selbst  in  der  im  Registrum 


598  Nachrichten. 

S.  Placidi  überlieferten  Vita  überarbeitet,  diese  dann  ent- 
weder von  Petrus  selbst  oder  von  einem  andern  Manne 
(dann  -wieder  mit  Benutzung  der  angeblich  ältesten)  in  der 
in  SS.  Lang,  herausgegebenen  überarbeitet.  Diese  Beweis- 
führung muss  ich  völlig  ablehnen :  ich  halte  es  nicht  für 
möglich ,  dass  die  modern  überlieferte ,  ganz  farblose, 
nüchterne  Vita,  in  der  alle  charakteristischen  Einzelheiten 
beseitigt  sind,  Quelle  für  die  letztgenannte,  höchst  un- 
geschickte, aber  lebhafte  Darstellung-  gewesen  ist,  ich  bin 
überzeugt,  dass  man  bei  der  bisherigen  Ansicht  stehen 
bleiben  muss,  dass  die  in  SS.  Lang,  herausgegebene  die 
ursprüngliche  ist,  dass  Petrus  diese  überarbeitet  hat.  Die 
neugefundene,  in  Lektionen  geteilte,  ist  meiner  Ansicht 
nach  aus  der  ersten  zu  bekanntem  Zweck  exzerpiert.  Der 
Beweis  dafür  wäre,  glaube  ich,  nicht  schwer  zu  führen.  — 
Es  folgt  ein  Kapitel  über  die  Fälschungen,  die  erweisen 
sollen,  dass  die  Gebeine  des  h.  Benedikt  sich  ganz  oder 
wenigstens  zum  grossen  Teil  in  Monte  Cassino,  nicht  in 
St. -Benoit-sur -Loire  (Fleury)  befinden,  und  man  darf  hier 
für  erwiesen  halten,  dass  die  Epitome  chronicorum  Casi- 
nensium,  die  unter  dem  Namen  des  Anastasius  geht,  von 
Petrus,  wie  man  schon  früher  vermutete,  verfasst  ist,  ebenso 
die  falschen  Papsturkunden,  die  Wunder  des  h.  Benedikt 
bezeugen.  Dass  aber  auch  die  neugefundene  Trans- 
latio  S.  Benedicti  (vgl.  N.  A.  XII,  131  fE.)  von  ihm 
herrühren  soll,  wie  C.  zeigen  will,  könnte  ich  höchstens 
für  möglich  halten,  bewiesen  zu  sein  scheint  es  mir  nicht. 
Von  den  Heiligengeschichten  der  nahe  bei  Monte  Cassino 
gelegenen  Stadt  Atina,  von  denen  einige  Petrus  nach 
seiner  eigenen  Angabe  verfasst  hat,  ist  das  meiste  verloren, 
von  den  erhaltenen  Quellen  sind  nach  C.  die  angeblich 
von  dem  Erzbischof  Atenulf  von  Capua  geschriebene  Passio 
Nicandri  et  Marciani  und  der  frühere  fabelhafte  Teil  des 
Chronicon  Atinensis  ecclesiae  auch  von  Petrus 
verfasst,  die  von  dem  Bischof  Leo  von  Atina  angeblich  ge- 
schriebene Passio  S.  Marci  episcopi  von  ihm  überarbeitet. 
Um  hier  unbedingt  zustimmen  zu  können  oder  etwas  ab- 
zulehnen, müsste  man  die  Untersuchung  selbst  von  neuem 
machen.  Eine  bisher  unbekannte  Fassung  der  Acta  Ni- 
candri  et  Marciani,  die  älter  als  Petrus  ist,  ist  hierzu  aus 
einer  Hs.  des  11.  Jh.  im  Anhang  herausgegeben.  —  Das 
vorletzte  Kapitel  ist  eins  der  wichtigsten  und  inhalt- 
reichsten des  Buches ,  es  charakterisiert  und  kritisiert 
Petrus'  Tätigkeit  als  Fortsetzer  und  Interpolator  der 
Klosterchronik  des  Abtes  Leo,    behandelt  dann  das  grosse 


Nachrichten.  599 

Urkunden -Registrum  des  Petrus  und  die  Fälschungen 
darin,  die  von  Petrus  herrühren,  und  die  schon  vor  ihm 
vorhanden  waren.  Bei  dieser  Gelegenheit  erst  werden  auch 
die  von  Petrus  gefälschten  Urkunden  aus  dem  Registrum 
S.  Placidi  besprochen,  die  mit  den  Placidus  -  Fälschungen 
zusammenhängen  und  sie  stützen  sollen,  sie  sind  mit  Aus- 
nahme der  Tertullus- Urkunde  (vgl.  N.  A.  XXXIV,  198  ff.) 
im  Anhange  herausgegeben.  Auch  wird  die  Tätigkeit  des 
Petrus  als  Sachwalter  seines  Klosters  behandelt,  die  Fäl- 
schungen, die  er  als  solcher  ausheckte,  um  die  Oberhoheit 
von  Monte  Cassino  über  Glanfeuil  zu  erweisen  (zwei  sind 
im  Anhang  herausgegeben),  mit  denen  er  den  Erfolg  er- 
reichte, dass  Papst  Anaklet  II.  Glanfeuil  in  der  Tat  dem 
Abt  von  Monte  Cassino  unterstellte,  und  dann  der 
Höhepunkt  seiner  Tätigkeit,  seine  Verhandlungen  vor 
Kaiser  Lothar  III.  im  Interesse  seines  Klosters,  die  mit 
der  Verleihung  des  grossen  Privilegs  des  Kaisers  für  das 
Kloster  endeten.  Dieses,  das,  wie  C.  bemerkt,  von  Petrus 
selbst  verfasst  ist,  auf  den  von  Petrus  gefälschten  Vor- 
urkunden basiert  und  auf  seine  Legenden -Fälschungen 
Bezug  nimmt,  ist  zum  ersten  Mal  gut  im  Anhang  heraus- 
gegeben, dort  ist  auch,  was  ebenfalls  besonders  dankens- 
wert ist,  des  Petrus  Altercatio  pro  cenobio  Casinensi, 
d.  i.  die  (natürlich  höchst  willkürliche  und  zum  grossen  Teil 
frei  erfundene)  Darstellung  seiner  Verhandlungen  vor  dem 
Kaiser  Lothar,  die  er  fast  ganz  in  die  Fortsetzung  der 
Klosterchronik  aufgenommen  hat,  und  seiner  Disputation 
mit  einem  Cisterziensermönch ,  von  der  er  nur  einen 
kleineren  Teil  der  Klosterchronik  einverleibt  hat,  nach 
einer  modernen  Hs.  vollständig  herausgegeben.  —  Das 
letzte  Kapitel  charakterisiert  Petrus  als  'literarische  Per- 
sönlichkeit' und  als  Mensch,  wobei  betont  wird,  dass  er 
durch  und  durch  Italiener  ist.  Gewiss  ist  er  das,  nament- 
lich in  seiner  Eitelkeit  und  der  Lust  zum  Fabulieren,  in 
der  aus  dem  früheren  Mittelalter  namentlich  Johannes 
Codagnellus  von  Piacenza  ihm  nahe  steht.  Dass  er  auch 
schon  Züge  des  Renaissance -Menschen  zeigt,  möchte  ich 
freilich  weniger  zugeben. 

Aus  der  kurzen  Skizzierung  des  Inhalts  ist  ersichtlich, 
von  welcher  Bedeutung  das  Buch  ist,  es  ist  ein  vortreff- 
licher Führer  durch  den  Ungeheuern  Wust  von  Fälschungen 
des  Cassineser  Mönches,  der  so  lange  die  historische  Wahr- 
heit in  dunkle  Dunstwolken  gehüllt  hat,  aber  noch  niemals 
im  Zusammenhange  geprüft  ist,  und  fördert  deren  Er- 
kenntnis   und    Kritik    in    ganz    hervorragender    Weise,    es 


600  Nachrichten. 

steckt  eine  gewaltige  Arbeit  in  dem  Buche.  Ist  der  Verf. 
unter  dem  Eindruck  der  enormen  Fälschertätigkeit  des 
Mannes  zu  -weit  gegangen  und  hat  ihm  auch  ein  oder  das 
andere  Stück  zugeschrieben,  das  ihm  tatsächlich  nicht  zu- 
gehört, so  wird  der  Wert  der  tüchtigen  Arbeit  doch  da- 
durch nicht  wesentlich  beeinträchtigt.  O.  H.-E. 

221.  Mit  Petrus  diaconus  von  Monte  Cassino 
beschäftigen  sich  zwei  Aufsätze  in  den  Rendiconti  del  E. 
Istituto  Lombardo  di  scienze  e  lettere,  ser.  II,  vol.  42: 
G.  Mercati,  II  liber  Tieol  oraßjuwv  di  Dardano  tradotto  anti- 
camente  in  Latino?  (p.  149 — 156;  Nachtrag  p.  316  f.)  wirft 
die  Frage  auf,  ob  eine  solche  Uebersetzung  entsprechend 
einer  Nachricht  des  Petrus  in  Ms.  Cassinese  n.  257  exi- 
stiert habe.  Ebenda  p.  318  —  323  gibt  P.  Bonfante, 
Sui  libri  iuris  civilis  di  M.  Terenzio  Varrone,  Erörterungen 
über  dieses  verlorene  Werk  gleichfalls  nach  einer  Notiz 
des  Petrus  in  derselben  Hs.  Beide  kommen  zu  dem  Re- 
sultat, dass  an  Fälschung  oder  Missverständnis  des  Petrus 
hier  nicht  zu  denken  sei.  B.  Schm. 

222.  In  der  Revue  historique  t.  CII,  fasc.  1,  35  —  45 
untersucht  Louis  H  a  1  p  h  e  n  die  zahlreichen  Biographien 
von  Thomas  Becket,  Erzbischof  von  Canterbury,  in 
Bezug  auf  ihre  Abhängigkeit  zu  einander;  er  stellt  neue 
Ansichten  darüber  auf  und  begründet  sie.  O.  H.-E. 

223.  G.  B.  Siragusa  gibt  im  Bulletino  dell'  Istituto 
storico  Italiano  XXX  (1909),  41 — 48  einige  Nachträge  und 
Berichtigungen  zu  seiner  Ausgabe  des  Petrus  de  Ebulo 
(vgl.  N.  A.  XXXIV,  245).  R.  S. 

224.  Im  zweiten  bis  vierten  Fascikel  des  II.  Bandes 
des  Archivum  Franciscauum  historicum  gab  P.  Saturnin 
Mencherini  die  Konstitutionen  des  Generalkapitels 
von  Perpignan  1331  heraus,  die  eine  neue  Gesetz- 
gebung des  Ordens  darstellen,  indem  sie  viele  neue  Be- 
stimmungen treffen,  namentlich  über  die  Aufnahme  in  den 
Orden,  von  den  Konstitutionen  früherer  Generalka23itel 
vieles  weglassen ,  dagegen  viel  aus  päpstlichen  Erlassen 
aufnehmen.  Im  dritten  Heft  gab  P.  Ferdinand  M'''.  [De- 
lorme]  ab  Araules  zwei  Kataloge  der  General- 
minister  der  Minoriten  heraus;  der  erste  bis  1378  ist 
zum  grössten  Teil  aus  dem  MG.  SS.  XXXII,  653  ff.  heraus- 
gegebenen Kataloge  exzerpiert,  hat  aber  Zusätze ;  der  zweite 
bis  1318  aus  einer  Hs.  von  Grenoble  ist  original,  sein 
Verfasser   ist  den  Spiritualen,    also  auch  den  Generalmini- 


Nachrichten.  601 

Stern  Johann  von  Parma  und  Michael  von  Cesena  abgeneigt. 
Fr.  Bliemetzrieder  edierte  da  S.  441^ — 446  einen  sehr 
interessanten  Brief  des  Minoriten  Petrus,  Infanten  von 
Aragonien,  an  den  Kardinal  und  früheren  Minoriten 
Bertrand  Atgerii,  der  für  Clemens  VII.  eingetreten  war, 
über  die  legitime  Wahl  des  Papstes  ürbanVI.  Im 
IV.  Heft  S.  561—574  gab  P.  Paulus  Sevesi  15  Erlasse 
der  Päpste  Innocenz  IV.,  Alexander  IV.  und  ü"  r  - 
banIV.  aus  den  Jahren  1245  —  1262,  betreffend  die  Mai- 
länder Ordensprovinz  der  Minoriten  und  meist  an  den 
Mailänder  Provinzialminister  gerichtet,  und  S.  613  —  625 
P.  Hieronymus  Goyens  das  Speculum  imperfectionis,  das 
heisst  eine  Schrift  über  Schäden  und  Fehler,  die  sich  im 
Minoritenorden  im  15.  Jh.  bemerkbar  gemacht  haben,  des 
Br.  Johannes  Brugman  heraus.  Das  III.  und  IV.  Heft 
brachte  auch  wieder  Fortsetzungen  des  Compendium  chroni- 
corum  des  Br.  Marianus  von  Florenz.  Noch  manche 
andere  Aufsätze  beider  Hefte,  die  für  uns  von  geringerem 
Interesse  sind,  werden  hier  nicht  erwähnt.  O.  H.-E. 

225.  Das  Buch  von  E.  de  Moreau  S.  J.,  L'abbaye 
de  Viller  s-en-Brabant  aux  XII.  et  XIII.  siecles 
(Bruxelles  1909)  ist  eine  gründliche,  sorgfältige,  mit  ge- 
sunder Kritik  und  umfassender  Literaturkenntnis  geschrie- 
bene Arbeit.  Das  erste  Buch  behandelt  die  Geschichte 
des  Klosters  im  12.  und  13.  Jh.,  das  zweite  das  religiöse 
Leben  daselbst  (Asketismus,  Mysticismus,  Beziehungen  zu 
heiligen  Frauen,  namentlich  der  heil.  Hildegard,  wissen- 
schaftliche Studien),  das  dritte,  bedeutendste  und  sehr 
lesenswerte,  behandelt  den  Güterbesitz  und  die  Einkünfte 
der  Abtei,  deren  wirtschaftliches  Aufblühen  und  den  Ver- 
fall. Für  dieses  Buch  konnte  der  Verf.  namentlich  die  von 
ihm  früher  gelieferte  Ausgabe  des  Polyptichon  von  Villers 
(vgl.  N.  A.  XXXIV,  307,   n.  213)  verwerten. 

In  der  Einleitung  gibt  der  Verf.  eine  gründliche 
Studie  über  die  Gesta  sanctorum  Villa riensium, 
die  Chronica  Villa  riensis  monasterii  und  deren 
Quellen,  namentlich  über  die  in  Villers  geschriebenen  Bio- 
graphien. Die  Abfassung  der  Gesta  setzt  er  mit  Eecht, 
abweichend  von  G.  Waitz,  dem  Herausgeber  der  Gesta  und 
der  Chron.  in  MG.  SS.  XXV,  erst  in  das  Ende  des  13.  oder 
den  Anfang  des  14.  Jh.;  er  zeigt,  dass  das  Stück,  das 
Waitz  als  Continuatio  I.  von  dem  vorhergehenden  Werk 
abtrennte,  noch  vom  Verfasser  des  ganzen  Buchs  herrührt, 
bezweifelt  auch  —  wohl  mit  Recht  — ,   ob  das  von  Waitz 


602  Nachrichten. 

als  Continuatio  II.  bezeichnete  Stück  von  neuem  Verfasser 
geschrieben  sei,  bemerkt,  dass  bis  1333  sich  die  Gleich- 
zeitigkeit eines  Erzählers  nicht  nachweisen  lasse.  Er  weist 
auch  nach,  dass  ein  Kapitel  der  Gesta  sowohl,  wie  ein 
Stück  der  Chronica  Plagiat  aus  dem  Exordium  magnum 
ord.  Cisterciensis  sind,  so  dass,  was  hier  von  anderen  Per- 
sonen erzählt  wird,  dort  auf  einen  Abt  und  Prior  von  Vil- 
lers übertragen  ist.  Dem  Buch  ist  eine  archäologische 
Studie  von  E.  M  a  e  r  e  über  die  Kirche  und  das  Kloster 
von  Villers,  deren  schöne,  noch  erhaltene  Ruinen  berühmt 
sind,  beigefügt.  O.  H.-E. 

226.  In  den  Mem.  de  la  soc.  acad.  de  St.-Quentin  XV 
(Jahrg.  1901—4,  erschienen  1907),  240—243  druckte  Emm. 
L  e  m  a  i  r  e  einen  auf  einen  Volksaufstand  zu  S  t.  -  Q  u  e  n  t  i  n 
im  ersten  Drittel  des  14.  Jh.  bezüglichen  Bericht.      E.  M. 

227.  In  der  Revue  Benedictine  XXV  (1908),  334—357 
ediert  und  erläutert  D.  ürsmer  Berliere  drei  unbekannte 
Traktate  über  den  Flagellantismus  des  Jahres  1349 
aus  einer  Hs.  des  Hospitals  zu  Cues.  E.  M. 

228.  G.  S  m  e  t  s  ,  La  chronique  de  D  i  n  o  C  o  m  - 
pagni  (Lüttich  1909),  Separatdruck  aus  der  Revue  de 
l'universite  de  Bruxelles  1908 — 1909)  hat  im  Anschluss  an 
Untersuchungen,  die  in  meinem  Seminar  im  Winter  1905 
auf  1906  angestellt  sind,  die  Dinofrage  noch  einmal  in 
ihrem  vollen  Umfange  aufgenommen  und  ist  zu  dem  Er- 
gebnis gekommen,  dass  an  eine  absichtliche  Verfälschung 
des  uns  in  der  Ashburnham-Hs.  überlieferten  Textes  nicht 
zu  denken  ist.  Dino  hat,  wie  S.  ausführt,  gegen  das  Ende 
seines  Lebens  wahrscheinlich  eine  üeberarbeitung  seiner 
Chronik  vorgenommen,  diese  aber  nicht  mehr  zu  Ende  ge- 
führt ;  sein  hinterlassenes  Manuskript  wies  Wiederholungen, 
Lücken,  Widersprüche  auf,  wie  sie  noch  jetzt  vorhanden 
sind.  Indem  nun  der  erste  Kopist,  der  Dinos  eigene 
Handschrift  vor  sich  hatte,  hie  und  da  solche  wirkliche 
oder  vermeintliche  Mängel  seiner  Vorlage  zu  beseitigen 
versuchte,  habe  er  sich  Ergänzungen  und  Aenderungen  er- 
laubt, die  unglücklich  waren  und  der  modernen  Kritik  An- 
stoss  gegeben  haben.  Einen  grossen  Teil  der  gegen  die 
Chronik  erhobenen  Anklagen  entkräftet  Smets  ferner  da- 
durch, dass  er  in  völlig  schlagenden  Parallelen  aus  modernen 
Memoiren  ganz  ebenso  schwerwiegende  Verschweigungen 
und  Irrtümer  hinsichtlich  eigener  Erlebnisse  ihrer  Verfasser 
nachweist,   wie  sie  bei  Dino   zum  Verdacht  der  Fälschung 


Nachrichten.  603 

Anlass  gegeben  haben.  Die  Benutzung  Villanis  und  anderer 
Autoren  in  unserer  Dinochronik  stellt  S.  in  Abrede;  die 
üebereinstiniinungen  mit  dem  Anonimo  Fiorentino  führt 
er  darauf  zurück,  dass  der  Dante -Kommentator  aus  Dino 
geschöpft,  daneben  aber  noch' eine  andere  Quelle  benutzt 
habe.  Hinsichtlich  der  letzteren  Fragen  und  einiger  anderen 
Einzelheiten  können  Zweifel  bleiben ;  im  ganzen  aber  er- 
scheint mir  Smets  Lösung  des  Problems  durchaus  annehmbar, 
und  sie  befriedigt  jedenfalls  mehr  als  Scheffer -Boichorsts 
letzte  Annahme  einer  bizarren  und  launenhaften  Inter- 
polation, die  um  so  unwahrscheinlicher  wird,  je  mehr  man 
ihr  bis  in  ihre  letzten  Konsequenzen  nachgeht.       H.  Br. 

229.  Das  österr.  historische  Institut  in  Eom  gibt  in 
freier  Folge  Publikationen  aus  dem  Gebiete  der  mittleren 
und  neueren  Geschichte  heraus,  die  den  Rahmen  eines 
Aufsatzes  überschreiten,  wegen  ihres  fachwissenschaftlichen 
Inhaltes  aber  nicht  leicht  einen  Verleger  finden  können. 
Der  erste  bisher  vorliegende  Band  (Wien  u.  Leipzig  1909) 
bringt  ungedruckte  Texte  und  Untersuchungen  zur  literari- 
schen Polemik  zu  Beginn  des  grossen  abendländi- 
schen Schismas  von  Fr.  Bliemetzrieder.  Die 
Texte  stammen  aus  den  Archiven  und  Bibliotheken  von 
Eom,  Paris,  Wien,  Ronen,  Basel  und  Merseburg  und  sind 
mit  Ausnahme  der  Epistola  concordiae  Konrads  von 
Gelnhausen  noch  nicht  vollständig  gedruckt.  Das  erste 
Stück  ist  die  kgl.  Antwortnote  der  Regierung  Frankreichs 
an  die  Gesandten  der  Kardinäle,  die  eine  Darstellung  der 
Verhandlungen  der  Prälatenversammlung  zu  Paris  im  Sep- 
tember 1378  enthält.  Es  folgen  der  Traktat  des  Kardinals 
Petrus  Flandrin  über  die  Frage  der  Gültigkeit  der 
Wahl  des  Papstes  Urban  VI.  (1378)  und  seine  Replik 
auf  die  Dubia  des  Erzbischofs  Petrus  Tenorio  von  Toledo 
vom  Februar  1380.  Den  vierten  Teil  bildet  ein  Traktat 
des  Kardinals  Petrus  Amelii  aus  der  zweiten  Hälfte 
1379,  der  nach  Ansicht  des  Herausgebers  gegen  die  Epistola 
brevis  des  Konrad  von  Gelnhausen  gerichtet  ist.  Dem- 
gegenüber stellt  die  Epistola  concordiae,  die  in  doppelter 
Fassung  überliefert  ist,  die  Antwort  des  Mainzer  Dom- 
propstes dar.  H.  H. 

230.  A.  Seifert  macht  in  den  Mitteilungen  des 
Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen,  Jahrg. 
XLVIII  (1909),  28  ff.  aufmerksam  auf  einen  in  der  Biblio- 
thek des  Konvents  der  Kapuziner  in  Saaz  in  lateinischer 
Sprache  abgefassten  Dialog  (geschrieben  um   1724),   betref- 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  39 


604  Nachrichten. 

fend  den  Familiennamen  des  h.  Johann  von  Nepomuk 
(t  1393,  März  20/21).  Der  Lehrer  vertritt  die  Ansicht,  dass 
Johann  'Welflin',  der  Schüler,  dass  er  'Hasil'  geheissen 
habe.  .  B.  B. 

231.  In  der  Neubearbeitung  von  Muratoris  SS.  rerum 
Ital.  als  t.  VIII,  parte  II  ward  in  der  71.  Lieferung  die  Vicen- 
tiner  Chronik  des  Antonius  Godius  (de  Godis,  de 
Gudis),  die  nur  bis  zum  Jahre  1260  erhalten  ist,  von  Gio- 
vanni S  o  r  a  n  z  o  herausgegeben,  der  in  der  Vorrede  nach- 
weist, dass  der  Verfasser  nicht  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  14.  Jh.,  wie  man  früher  glaubte,  gelebt  hat,  dass  er 
1438  gestorben  ist.  Natürlich  ist  das  kleine  Buch,  soweit 
es  erhalten  ist,  in  dem  das  meiste  aus  Gerardus  Maurisius 
und  den  Ann.  S.  lustinae  Patav.  entnommen  ist,  fast  ohne 
Wert,  aber  die  Herausgeber  dieser  Sammlung  verschmähen 
es  ja,  wie  ich  schon  öfters  bemerkte,  dem  Benutzer  durch 
den  Druck  darzulegen ,  was  aus  bekannten  Quellen  ent- 
lehnt ist,  wodurch  diese  Ausgaben  fast  unbenutzbar  werden. 
Der  hier  gebotene  Text  ist  entsetzlich  fehlerhaft,  für  ihn 
kommt  wahrscheinlich  nur  eine  Hs.  des  15.  Jh.  (A)  in  Be- 
tracht. Der  Herausgeber  hält  zwar  noch  zwei  Hss.  des 
17.  Jh.  von  jener  für  unabhängig  und  glaubt  sie  für  die 
Textherstellung  benutzen  zu  können,  setzt  aber  ihre  Les- 
arten doch  äusserst  selten  ein,  und  die  eine  von  diesen  ist 
unsinnig  ('reverentes'  S.  12  Z.  31  für  das  richtige  'reveren- 
das'  A).  Die  so  zahlreichen  Unmöglichkeiten  des  Textes 
lässt  der  Herausgeber  unbeachtet,  die  Variantenangabeu  im 
kritischen  Apparat  müssen  oft  falsch  oder  unvollständig 
sein,  stimmen  auch  öfter  mit  den  Angaben,  die  er  in  der 
Vorrede  über  sie  macht,  nicht  überein.  Auf  den  Text 
folgen  wie  bei  Muratori  und  in  den  Hss.  die  Verzeichnisse 
Vicentiner  Adelsfamilien.  Das  beste  an  dieser  Ausgabe 
sind  die  Indices,  die  überhaupt  in  den  Ausgaben  dieser 
Sammlung  gut  und  reich  sind.  O.  H.-E. 

232.  Im  Bull,  de  la  comm.  roy.  d'hist.  (de  Belgique) 
1906,  p.  568  sqq.  handelt  H.  Nelis  über  das  Verhältnis  der 
Chronik  des  E  d  m  o  n  d  De  D  y  n  t  e  r ,  Sekretärs  Philipps 
des  Guten  von  Burgund,  zu  der  um  1430  entstandenen 
Portsetzung   der  Brabautsche  Yeesten    des  Jean  Boendale. 

A.  H. 

233.  Im  Pasc.  72  der  neuen  Ausgabe  von  Muratoris 
SS.  rerum  Ital.  ist  die  noch  von  dem  Herausgeber,  dem 
verstorbenen    Giuseppe   Mazzatinti    verfasste    Vorrede 


Nachrichten.  605 

zu  den  sogenannten  Annales  Forolivienses 
(t.  XXII,  p.  11;  vgl.  N.  A.  XXIX,  518,  n.  25)  und  das  von 
einem  andern  »Gelehrten  bearbeitete  Register  erschienen, 
und  damit  ist  die  Ausgabe  dieser  Kompilation,  die  ja  für 
das  13.  Jh.  nur  dürftiger  Auszug  aus  der  Chronik  des  Pe- 
trus Cantinelli  ist,  beendet.  Mazzatinti  möchte  in  der  Vor- 
rede eher  Johannes  als  Jacobus  de  Moratinis  von  Forli  für 
ihren  Verfasser  halten.  O.  H.-E. 

234.  Im  Archiv  f.  d.  Gesch.  des  Hochstifts  Augs- 
burg I,  91  ff.  bespricht  A.  Schröder  'Quellen  zur 
Geschichte  des  Bischofs  Friedrich  von  Zollern'  (1486 — 1505), 
nämlich  (S.  97  ff.  zum  ersten  Mal  gedruckte)  'Denkwürdig- 
keiten', die  selbständig  neben  dem  schon  bekannten  Tage- 
buch seines  Hofkaplans  stehen  und  dem  mehrfach  in  ihnen 
genannten  Sekretär  der  bischöflichen  Kanzlei  Andreas 
Drechsel  (f  1491/92)  zuzuweisen  sind,  und  den  Pane- 
giricus  sowie  die  Threnodia  des  Wolfgangus  Pontimontanus 
(Bruckberger),  die  1504  bei  Albert  Küne  in  Memmingen 
im  Druck  erschienen.  E.  C. 

235.  Hermann  D  i  e  m  a  r  hat  sich  ein  grosses  Ver- 
dienst erworben,  indem  er  die  Chroniken  des  Wigand 
Gerstenberg  von  Frankenberg ,  d.  h.  die  Landes- 
chronik, die  Eegententafel  und  die  Stadtchronik  von  Fran- 
kenberg, für  die  Hist.  Kommission  für  Hessen  und  Wal- 
deck herausgab.  Für  die  Landes-  und  Stadtchronik  lagen 
die  von  Wigand  eigenhändig  geschriebenen  Originalhss. 
vor,  nur  für  die  kürzeren  Partien,  die  auf  verlorenen  Blät- 
tern dieser  Hss.  standen,  mussten  andere  herangezogen 
werden.  Wir  können  hier  den  starken  Band  von  479  Seiten 
Text  und  97  Seiten  Einleitung  nicht  eingehend  besprechen, 
wohl  aber  den  Dank  aussprechen  für  die  mühselige  und 
entsagungsvolle  Arbeit,  die  hier  geleistet  ist,  es  ist  nicht 
nur  fleissige  und  sorgfältige,  sondern  auch  tüchtige  und 
umsichtige  Arbeit  gewesen.  In  der  Einleitung  hat  er 
Leben  und  Schriften,  Handschriften  und  Drucke  eingehend, 
besonders  ausführlich  aber  die  Quellen  Wigands  und  vor 
allem  die  verlorenen  Quellen,  besonders  die  beiden  ver- 
lorenen hessischen  behandelt.  Ob  freilich  sein  Erklärungs- 
versuch, dass  Wigand  nicht  die  Chronik  des  Johann  Riedesel 
selbst  ausgeschrieben  habe,  sondern  dass  diese  nur  in  der 
anonymen  hessischen  Chronik  benutzt  und  zitiert  gewesen, 
Wigand  also  die  Nachrichten  Johanns  nur  durch  diese 
erhalten  hätte,  zutrifft,  muss  ich  dahingestellt  sein  lassen. 
Sicher  ist,  dass  Wigands  Berichte  wegen  seiner  verlorenen 

39* 


606  Nachrichten. 

Quellen  schon  für  das  14.  Jh.  von  Wert  sind.  Einen  kleinen 
Nachtrag  zur  Quellenfrage  gebe  ich,  indem  ich  bemerke, 
dass  das  Geschichtchen,  das  bei  Saladins  Tod  erzählt  wird 
(S.  145),  wohl  sicher  aus  Vinc.  Bellovac.  Spec.  Hist.  XXX,  54, 
der  es  aus  Helinand  entlehnt  hat,  stammt,  da  D.  bemerkt, 
er  wüsste  nicht,  wo  es  stehe.  Freilich  ist  es  in  viele  Chro- 
niken übergegangen.  Auch  handschriftliches  und  archi- 
valisches  Material  hat  der  Herausgeber  zur  Lösung  der 
Quellenfragen  und  zur  Lebensgeschichte  Wigands  heran- 
gezogen. Eine  Urkunde  von  1497  und  ein  Brief  Wigands 
von  1517  sind  der  Ausgabe  beigegeben,  ferner  5  Licht- 
drucktafeln von  Bildern  aus  den  Originalhss.  der  Landes- 
und Stadtchronik.  O.  H.-E. 

236.  In  seinem  'Essai  d'une  analyse  des  Commentarii 
sive  Annales  rerum  Flandricarum  (Annales  Flandriae 
1561)  de  Jacques  de  Mejere,  I.  partie:  Examen  des  sources 
des  Annales  Flandriae',  Gent  1908  (Univ.  de  Gand,  Recueil 
de  trauvaux  publ.  p.  la  Fac.  de  phil.  et  lettres  37)  weist 
V.  F  r  i  s  gegenüber  der  herrschenden  Meinung  nach,  dass 
Meyere  fast  ausschliesslich  aus  auch  uns  bekannten  Werken 
schöpft,  dabei  aber  öfter  beachtenswerte  Lesarten  aus  ver- 
lorenen Hss.  mitteilt,  üngedruckt  sind  von  seinen  Quellen 
bisher  die  'Cronike  vom  Viaenderen'  im  Ms.  437  der 
OefPentl.  Bibl.  zu  Brügge  (1336  —  90)  und  die  Aufzeich- 
nungen im  Ms.  433  der  Univ. -Bibl.  zu  Gent  (2.  Hälfte  des 
15.  Jh.);  unbekannt  oder  verloren  nur  3:  ein  libellus  des 
Diakons  Thomas  von  Bergues- St.-Winnoc  über  die  Zerstö- 
rung seines  Klosters  1383,  'Annales  Hollandiae'  aus  der 
1.  Hälfte  des  15.  Jh.  und  eine  Brügger  Chronik  derselben 
Zeit.  A.  H. 

237.  Die  Abhandlung  von  R.  de  Urena  'Una  edi- 
cion  inedita  de  las  leges  Gothorum  regum  preparada  por 
Diego  y  Antonio  de  Covarruvias  en  la  segunda  mitad  del 
siglo  XVI.'  ('Discursos  leidos  ante  la  Real  Academia  de  la 
Historia  en  la  recepciön  publica  de  Rafael  de  Urefia  y 
Smenyand',  Madrid  1909)  erbringt  den  interessanten  Nach- 
weis, dass  in  den  codd.  Matritenses  12  909  und  772  (früher 
Bibl.  Nac.  D  50;  bei  Zeumer  V  17)  eine  von  den  Brüdern 
Covarruvias  im  16.  Jh.  verfasste,  aber  nicht  publizierte 
Edition  der  Leges  Visigothorum  enthalten  ist.  Die 
codd.  Matrit.  12  924  (früher  Ff.  103;  bei  Zeumer  V  18)  und 
7656,  dem  18.  (nicht  16.)  Jh.  augehörig,  bieten  unvoll- 
ständige Abschriften  des  cod.  12  909.  M.  Kr. 


Nachrichten.  607 

238.  Unter  dem  Titel  'Hodere,  Kok,  Hauding'  wendet 
sich  in  den  Bijdr.  voor  vaderl.  geschied,  en  oudheidk.  IV. 
E.,  D.  VIII,  186  ff.  W.  L.  Van  Helten  gegen  die  oben 
n.  63  erwähnten  Aufstellungen  von  J.  H.  G  o  s  s  e  s  ,  der 
darauf  ebd.  S.  195  ff.  entgegnet.  A.  H. 

239.  Den  'uuinileodi'  des  bekannten  Kapitu- 
lares  hat  kürzlich  Wilhelm  U  h  1  ein  dickes  Buch  ge- 
widmet (Winiliod.  Teutonia,  Arbeiten  zur  germanischen 
Philologie,  Bd.  5.  Leipzig,  Avenarius,  1909,  VII  u.  427  S.). 
Zwar  nur  einen  Torso,  jedoch  einen  aus  Marmor  schmeichelt 
er  sich  errichtet  zu  haben.  Sein  Bau  hält  aber,  weil  er 
auf  lauter  unbewiesenen  oder  willkürlichen  Annahmen  be- 
ruht, keiner  Prüfung  Stand.  Unbewiesen  ist  die  Behaup- 
tung, 'winiliod'  könne  nicht  den  Sinn  von  Liebeslied  ge- 
habt haben ,  denn  das  mhd. ,  im  Aussterben  begriffene, 
daher  meist  nur  noch  in  volkstümlicher  Dichtung  auf- 
tretende Masc.  und  Fem.  'wine'  trage  den  Nebenbegriff 
des  untergeordneten  in  sich,  die  Wiedergabe  des  Fem. 
durch  'Geliebte,  Gattin'  sei  darum  mindestens  recht  gewagt 
(S.  6.  8.  9.  15).  Indessen  überträgt  der  wenig  ältere  Notker 
ungescheut  'marita',  'coniux'  mit  'uuinia'  (Mart.  Cap.  693,  21. 
799,  11).  Auch  dass  der  'geselle'  während  des  ganzen  Mittel- 
alters nur  eine  männliche  Person  bezeichnet  habe  (S.  73), 
widerlegt  ein  Blick  in  das  Mhd.  Wb.  2,  2,  30'"^.  Um  nun 
für  'winiliod'  eine  Grundbedeutung  anderer  Art  zu  kon- 
struieren, wird  weiter  willkürlich  angenommen,  in  den 
Klöstern  habe  man  sich  für  jedes  dort  betriebene  Hand- 
werk eine  besondere  Gattung  von  Berufsliedern  zu  denken 
(S.  64).  Ohne  dass  inzwischen  auch  nur  der  Schatten  eines 
Beweises  dafür  beigebracht  wäre,  wird  S.  66  fortgefahren: 
'die  Entstehung  klösterlicher  Berufslieder  ist  somit  ge- 
sichert, oder  doch  mindestens  sehr  wahrscheinlich  gemacht', 
und  S.  72  geschlossen :  'jeder  Stand  hat  seine  Leiden  und 
Freuden,  jeder  Stand  ist  aber  auch  verliebt.  So  kommt 
es,  dass  jedes  Berufslied  zumeist  auch  gleichzeitig  ein 
Liebeslied  darstellt  .  .  .  jeder  Stand  ist  aber  nicht  nur 
verliebt,  sondern  auch  durstig.  Daher  sind  viele  Berufs- 
lieder zugleich  Trinklieder'.  Beeinflusst  von  Büchers  Schrift 
über  Arbeit  und  Rhythmus  gelangt  auf  diese  Weise  der 
Verf.  dazu,  'winiliod'  als  gemeinsames  Arbeitslied  oder  ge- 
meinsames Erwerbslied  zu  fassen  (S.  105)  und  es  dann  von 
dem  Verbum  'winnan'  herzuleiten:  über  das  einfache  n 
setzt  er  sich  S.  112  rasch  mit  den  Worten  hinweg:  'Könnte 
es  nicht  vielleicht  doch  nur  ein  Zufall  sein,  dass  die  Hss. 


608  Nachrichten. 

des  Kapitulars  und  der  Glossen  stets  übereinstimmend  die 
Schreibung  'wini-'  darbieten?  Wer  bürgt  uns  denn  für  die 
Einheitlichkeit  der  Karolinger  Orthographie?'  So  besagt 
nun  der  einschlägige  Passus  des  Kapitulares  nach  ühl 
(S.  96.  165)  folgendes:  'und  auf  keine  Weise  sollen  sie  dort 
Winnelieder  aufzuzeichnen  oder  etwa  gar  aufzuführen  sich 
unterstehen.  Und  es  ist  Bericht  zu  erstatten  über  ihre 
Bleichsucht,  damit  durch  den  Aderlass  Vorbeugungsmass- 
regeln dagegen  getroffen  werden  können'.  Alle  Gattungen 
volkstümlicher  Lyrik  umfasst  also  das  'winiliod' :  damit  er- 
hält der  Verf.  Gelegenheit,  den  ganzen  Inhalt  seiner  Zettel- 
kästen mit  tausenden  von  Titeln  über  den  bestürzten  Leser 
auszuschütten.  Diese  Sammlungen  mögen  ihn  nahezu 
15  Jahre  (S.  424)  beschäftigt  haben;  das  Buch  selbst  aber 
ist  so  rasch  hingeschrieben  worden,  dass  mitunter  der 
folgende  Bogen  dem  vorangehenden  widerspricht.  S.  288 
wird  das  Wort  'Lied'  mit  Ivco  in  Zusammenhang  gebracht 
und  dazu  bemerkt :  'ich  vermag  augenblicklich  nicht  zu 
übersehen,  ob  und  wo  dieser  Deutungsversuch  bereits  aus- 
gesprochen ist'.  S.  299  dagegen  zeigt  sich,  dass  Kögel 
längst  die  gleiche  Vermutung  gehegt  hatte.  S.  60  heisst 
es,  im  4.  Bande  meiner  Glossensammlung  scheine  'winiliod' 
nicht  vorzukommen  (in  den  von  ihm  genannten  Registern 
durfte  freilich  Uhl  es  nicht  suchen),  während  S.  297,  aller- 
dings vermittelt  durch  ein  Buch  Linnigs,  mehrere  Belege 
beigebracht  werden.  Ueberhaupt  weiss  der  Verf.  mit  Glossen 
wenig  Bescheid,  sonst  wäre  nicht  S.  297  dem  aus  Graff 
entnommenen  'huorwini  scenicus'  die  Note  beigesetzt  wor- 
den :  'wie  kommt  der  Schauspieler  (denn  das  ist  doch  wohl 
'scenicus')  in  diese  Rolle?  Sollte  hier  an  den  Lustknaben 
zu  denken  sein?'  'Cenicos'  nicht  'scenicos'  steht  überall 
in  den  Salomonischen  Glossen  (Ahd.  GH.  4,  46,  7.  135,  21. 
169,  11);  diese  haben  es  den  Aldhelmglossen  (2,  22,  43) 
entlehnt.  Dort  ist  es  allerdings  aus  'cenitos'  =  'ciuaedos 
entstellt,  aber  der  Glossator  leitete  'cenicos'  von  'caenum' 
ab  und  übersetzte  wörtlich  'hurwine',  zu  'horo'  (Kot)  ge- 
hörig.    Das  Wort   hat   also  mit  'wine'  nichts   zu  schaffen. 

E.  St. 

240.  Ein  Aufsatz  aus  dem  Nachlass  von  J.  Kelle 
unternimmt  eine  neue  Deutung  des  oft  behandelten  c.  19 
im  Edictum  legationis  v.  J.  789  (MG.  Capitularia  I,  63): 
'winileodos'  erklärt  er  als  'plebei  psalmi',  Hymnen, 
deren  Singen  und  Verbreiten  den  Nonnen  verboten  worden 
sei,  und  die  Worte :    'de  pallore  earum'  (d.  h.  der  Kloster- 


Nachrichten.  609 

frauen)  'propter  sanguinis  minuationem'  versteht  er  als 
Ankündigung  eines  Verbots,  das  mit  dem  Aderlassen  seitens 
der  Nonnen  sich  befasst  habe  (SB.  der  kaiserl.  Akad.  der 
Wiss.  in  Wien,  Philos.-histor.  Klasse  CLXI,  Abt.  9);  vgl. 
N.  A.  XXXIII,  570,  n.  213  (Jostes).  A.  W. 

241.  Nur  ganz  kurz  kann  an  dieser  Stelle  auf 
E.  Mayer,  Italienische  Verfassungsgeschichte 
von  der  Gothenzeit  bis  zur  Zunftherrschaft  I.  II  (Leipzig, 
Deichert  1909)  hingewiesen  werden.  Wie  frühere  Werke 
des  Verf.  ist  auch  dies  durch  umfassende  Kenntnis  der 
Quellen  ausgezeichnet,  aber  auch  hier  erheben  sich  gegen 
die  Interpretation  und  Verwertung  derselben  vielfach  schwere 
Bedenken.  Wenn  man  sich  dem  Verf.  also  auch  nicht 
unbedenklich  als  Führer  anvertrauen  darf,  so  ist  doch  eine 
grosse  Zusammenfassung  gerade  auf  diesem  so  zersplitterten 
Gebiet  mit  Dank  und  Freude  zu  begrüssen.  E.  C. 

242.  In  der  Revue  des  etudes  juives  L  (1905), 
p.  LXXXI  — CXI  handelte  Th.  Rein  ach  über  Ago- 
,bards  Stellung  zu  den  Juden.  Ebenda  LV  (1908),  1—36. 
221—243.  LVIII  (1909).  75  —  105  veröffentlicht  J.  Regne 
Studien  über  die  Lage  der  Juden  in  N  a  r  b  o  n  n  e  vom 
5.  — 14.  Jh.  In  den  bisher  vorliegenden  Kapiteln  behandelt 
er  die  Konziliengesetzgebung  der  Westgothenzeit  über  die 
Juden,  die  Karolingerherrschaft,  darunter  besonders  vier 
Urkunden  Karls  des  Einfältigen,  und  die  Beziehungen  der 
Vizegrafen  zu  ihrer  Judenschaft  in  der  Kapetingischen  Zeit. 

E.  M. 

243.  K.  G.  Hugelmann  behandelt  im  ersten  Teil 
seiner  Arbeit  'Die  deutsche  Königswahl  im  Corpus  iuris 
canonici'  (Gierkes  Untersuchungen  98)  die  im  Corpus  iuris 
canonici  und  der  Glosse  niedergelegten  Anschauungen,  im 
zweiten  untersucht  er  den  tatsächlichen  Einliuss  des  kanoni- 
schen Rechts  auf  die  Gestaltung  der  deutschen  Königswahl, 
wobei  er  besonders  auf  die  electio  comniunis,  die  Ent- 
stehung des  Kurfürstenkollegs,  das  Majoritätsprinzip  und 
die  unitas  actus  eingeht.  Ich  bedauere,  dass  der  Verf. 
ausser  der  Glosse  nicht  auch  andere  kanonistische  Quellen 
herangezogen  hat;  so  hätte  der  Kommentar  Innocenz'  IV. 
über  die  Dekretale  'Venerabilem'  eingehende  Berücksichti- 
gung verdient.  Den  Ergebnissen  H's.  kann  ich  im  wesent- 
lichen nicht  zustimmen  (einem  früheren  Aufsatze  H's.  bin 
ich  bereits  in  dieser  Zeitschrift  XXXII,  762  entgegen- 
getreten). Wenn  er  meint,  Innocenz  III.  habe  in  der  ge- 
nannten Dekretale  zwischen  'regnum'  und  'Imperium'  keinen 


610  Nachri  chten . 

Unterschied  gemacht,  so  widerspricht  dem  schon  der  vor- 
letzte Satz  dieses  Stückes  selber.  Hier  befiehlt  der  Papst 
dem  Adressaten,  dem  Herzog  von  Zähringen,  sich  von  Phi- 
lipp völlig  loszumachen  ohne  Rücksicht  auf  einen  ihm 
'ratione  regni'  geleisteten  Treueid.  Denn,  da  Philipp 
'quantum  ad  obtinendum  inij)erium'  als  unwürdig  ver- 
worfen ist,  darf  ihm  in  keiner  Beziehung  ein  Eid  gehalten 
werden.  Die  Approbation  des  Papstes  betrifft  also  die 
deutsche  Königswahl  nur  insofern,  als  sie  zugleich  eine 
Wahl  zum  römischen  Kaiser  ist.  Das  Imperium  ist  dem 
Papste  direkt,  das  Pegnum  nur  indirekt,  'ratione  peccati', 
unterworfen.  Auch  kann  ich  mich  H's.  These,  lunocenz 
habe  in  der  Dekretale  bereits  ein  ausschliessliches,  nicht 
nur  bevorzugtes  Wahlrecht  einzelner  Fürsten  statuiert  und 
damit  die  Herausbildung  eines  engeren  Wählerkreises 
zweifellos  befördert  (S.  67  ff.  168  f.  177),  nicht  anschliessen, 
da  mir  hier  ein  Missverständnis  H's.  vorzuliegen  scheint. 
Hinsichtlich  der  Ausführungen  des  zweiten  Teiles  kann 
ich  in  der  Hauptsache  auf  meine  in  den  'Historischen  Auf- 
sätzen Karl  Zeumer  zum  60.  Geburtstag  als  Festgabe  dar- 
gebracht'  (Weimar  1910)  S.  349  ff.  erschienene  Abhandlung 
'Kurrecht  und  Erzkanzleramt  im  13.  Jh.'  verweisen.  Er- 
gänzend möchte  ich  dazu  bemerken,  dass  mir  jetzt  auf 
Grund  des  von  H.  selbst  (S.  150,  N.  3)  angeführten  Mate- 
rials die  Funktion  eines  einzigen  Elektors  bei  den 
Königswahlen  vor  1198  nur  als  ein  exzeptionell,  nämlich 
bei  Designationen,  angewandter  Brauch  erscheint.  Daher 
erklärt  sich  auch  sein  Auftreten  im  Jahre  1220.  Ganz 
unabhängig  davon  ist  die  im  Jahre  1257  vollzogene  Re- 
zeption der  kanonistischen  'electio  per  unum'.  Keinesfalls 
kann  man,  wie  H.  es  tut,  unter  Hinweis  auf  jenen  Brauch 
die  Lehren  von  Bresslau  und  v.  Wretschko  über  den  Einfluss 
kanonischen  Rechts  auf  die  Königswahl  bekämpfen. 

M.  Kr. 

244.  Unter  dem  Titel  'Qu'  est-ce  qu'un  homme  lige?' 
handelt  im  Bull,  de  la  classe  des  lettres  de  TAcad.  Roy. 
de  Belgique  1909,  p.  46  sqq.  H.  Pirenne  über  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  dieses  Wortes.  Nach  ihm  wurden  als 
"homines  ligii'  ursprünglich  unfreie  Leute  bezeichnet,  und 
zwar  im  besondern  in  Flandern  diejenige  Gruppe,  die  in 
Deutschland  als   die   der   'ministeriales'   bekannt  ist. 

A.  H. 

245.  M.  C  o  n  r  a  t  handelt  in  eingehender  Unter- 
suchung  über   einen  'Arbor  iuris  des  früheren  Mittel- 


Nachrichten.  611 

alters  mit  eigenartiger  Komputation',  den  der  Cod.  Vatic. 
Lat.  1352  s.  XI.,  auf  fol.  62  eingeschoben,  enthält  (Aus 
dem  Anhang  zu  den  Abhandlungen  der  Königl.  Preuss. 
Akademie  der  Wissenschaften  vom  Jahre  1909).         E.  P. 

246.  Im  Archivio  storico  per  le  prov.  Napol.  XXXIV, 
432  sqq.  beginnt  A.  de  Francesco  unter  dem  Titel  'Ori- 
gini  e  svilupjDO  del  feudalismo  nel  M  o  1  i  s  e  703 — 
1071'  eine  ausführliche  verfassungs-  und  wirtschafts- 
geschichtliche Studie,  für  die  ihm  zunächst  die  Urkunden 
und  Nachrichten  des  Chronicon  Yulturnense  das  Material 
liefern.  E.  C. 

247.  Die  Frage :  Ist  der  Sachsenspiegel  ur- 
sprünglich in  lateinischer  Sprache  verfasst  ?  erörtert 
F.  Philipp!  im  3.  Heft  des  XXX.  Bandes  der  Mit- 
teilungen des  Instituts  für  Oesterr.  Geschichtsforschung 
S.  401  —  411  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  diese 
Frage  zu  verneinen  sei.  Richtig  ist,  dass  der  ursprüng- 
liche lateinische  Text  nicht  erhalten  ist,  und  ebenso,  dass 
der  deutsche  Text  keine  Spuren  der  lateinischen  Vorlage 
erkennen  lässt,  sondern  durchaus  den  Eindruck  eines 
deutschen  Originalwerkes  macht.  Dem  gegenüber  aber 
steht  die  bestimmte  Aussage  des  Verfassers  des  Eechts- 
buches  in  den  berühmten  Sätzen  der  gereimten  Vorrede: 
'Nu  danket  al  gemeine  |  Dem  von  Valkensteine,  |  Der  greve 
Hoyer  ist  genant,  |  Daz  an  diütisch  is  gewant  |  Diz  buch. 
Durch  sine  bete  |  Ejke  von  Repgowe  iz  tete.  |  üngerne 
er'z  aber  an  quam.  \  Do  er  aber  vornam  So  groz  dar  zu  des 
herren  gere,  |  Do  ne  hatte  her  keine  were :  |  Des  herren 
liebe  in  gare  verwan,  |  Daz  her  des  buches  began.  |  Des 
ime  was  vil  ungedacht,  |  Do  her'z  an  latin  hatte  gebracht  | 
Ane  helphe  und  ane  lere :  ]  Do  ducht  in  daz  zu  svere,  | 
Daz  er'z  an  dütisch  wante.  |  Zu  lest  er  doch  genante  1  Des 
arbeites  unde  tete  |  Greven  Hojeres  bete'. 

Dieser  Text  ist  völlig  klar  und  keineswegs,  wie  Phi- 
lippi  meint ,  widerspruchsvoll ;  wenn  man  ihn  nur  so  ver- 
steht, vfie  er  verstanden  werden  muss  und  bisher  auch 
stets  verstanden  worden  ist.  Mit  aller  Deutlichkeit  und 
starkem  Nachdruck  sagt  Eike,  dass  es  ihm  schwer  ge- 
worden sei,  das  ursprünglich  lateinisch  verfasste  Werk  ins 
Deutsche  zu  übertragen.  Mit  Unrecht  bestreitet  der  Verf., 
dass  der  zweimal  gebrauchte  Ausdruck  'an  dütisch  wenden' 
auf  eine  Uebersetzung  zu  beziehen  sei  und  dass  die  Wen- 
dung 'daz  her  des  buches  began'  sich  auf  die  deutsche 
Bearbeitung  beziehen  könne,  wenn  eine  lateinische  bereits 


612  Nachrichten. 

vorhanden  gewesen  wäre.  Zur  Heilung  der  vermeintlichen 
Verderbnis  des  Textes  will  Philippi  nun  emendieren:  'Des 
ime  was  vil  ungedacht,  Daz  her'z  an  latin  hatte  gebracht 
Ane  helphe  und  ane  lere :  Do  ducht  in  daz  zu  svere.  D  o 
er'z  an  dütisch  wante,  Zu  lest  er  doch  genante  Des  arbeites 
.  .  .'.  Dieser  Text  scheint  mir  sehr  viel  schlechter  zu  sein 
als  der  überlieferte !  Wie  schleppt  der  Satz  'Do  ducht  in 
daz  zu  svere'  nach  !  und  das  'doch'  bleibt  ganz  ohne  Be- 
ziehung. Methodisch  aber  dürfte  es  überhaupt  unzulässig 
sein,  an  einen  so  vielfach  und  sicher  überlieferten  Text 
sich  mit  blosser  Konjekturalkritik  heranzuwagen.  Wir 
müssen  daran  festhalten :  Der  Wortlaut  steht  fest.  Der 
Sinn  ist  unzweifelhaft ,  und  wir  müssen  uns  damit  ab- 
finden. Ist  denn  aber  die  Annahme,  dass  Eike  ursprüng- 
lich einen  lateinischen  Text  verfasst  hatte,  so  ganz  un- 
wahrscheinlich? Gewiss  merkt  man  dem  deutschen  Texte 
die  üebersetzung  aus  dem  Lateinischen  nicht  an.  Und 
doch  liegt  in  dem  umfangreichen  Teile  von  II ,  66  bis 
III,  3  unzweifelhaft  die  Bearbeitung  eines  lateinischen 
Landfriedenstextes  vor.  Wenn  aber  Philippi  es  für  so 
sehr  unwahrscheinlich  hält,  dass  damals  ein  junger  vor- 
nehmer Laie  in  Sachsen  die  lateinische  Sprache  erlernt 
habe,  so  muss  man  ja  doch  auch  bei  seiner  Emendation 
und  Interpretation  annehmen,  dass  Eike  so  viel  Latein 
verstanden  haben  müsste,  um  auf  den  Gedanken  kommen 
zu  können,  sein  Buch  lateinisch  abzufassen.  Ich  gedenke, 
auf  den  Gegenstand  noch  an  anderem  Orte  zurückzu- 
kommen. K.  Z. 

248.  F.  Kern,  Die  Bestechung  K.  Adolfs  von 
Nassau  (=  Analekten  zur  Geschichte  des  13.  und 
U.  Jh.  II),  Mitt.  des  Inst.  f.  Oesterr.  Gesch.  XXX,  423 
—  443,  führt  den  überzeugenden  Nachweis,  dass  Adolf  in 
der  Tat  durch  französisches  Geld  von  seinem  Bündnis  mit 
England  abgebracht  worden  ist.  Hauptstütze  des  Beweises 
ist  die  erst  von  Schwalra  in  ihrer  vollen  Bedeutung  er- 
kannte Denkschrift  des  Musciatto  Eranzesi  von  ca.  1298 
(Const.  III,  n.  645),  welche,  allerdings  in  etwas  versteckter 
Form,  die  gezahlten  Bestechungssummen  angibt.  Daneben 
sind  die  Nachrichten  der  Chronique  Normande  und  ihrer 
Ableitungen,  denen  in  diesem  Zusammenhange  eine  höhere 
Bedeutung  zukommt,  als  man  bisher  annehmen  wollte, 
geschickt  verwertet.  R.  S. 

249.  In  Folge  eines  unliebsamen  Versehens  ist  eine 
vor    längerer   Zeit   erschienene   wichtisre    Arbeit    bisher   in 


Nachrichten.  613 

unseren  Nachrichten  noch  nicht  besprochen  worden.  In 
den  'Quellen  und  Forschungen  heraus^,  vom  Preuss.  hist. 
Institut'  IX  (1906),  316—378  hat  H.  Otto  die  Eide  und 
Privilegien  Heinrichs  VII.  und  Karls  IV.  für  die 
römische  Kirche  im  Zusammenhang  untersucht  und  dem 
bisher  bekannten  Material  eine  Reihe  -wichtiger  Inedita 
hinzugefügt.  Zur  Geschichte  der  Krönung  Heinrichs  VII. 
steuert  Otto  ein  von  ihm  gefundenes  Schreiben  Papst 
Clemens'  V.  bei  (Anh.  n.  1;  wiederholt  MG.  Const.  IV, 
n.  810);  das  von  Schwalm  aufgefundene  im  Okt.  1310  ent- 
standene Memoriale  des  Papstes  über  Rudolfs  Krönung 
(jetzt  Const.  IV,  n.  455)  ist  eingehend  gewürdigt.  Sämt- 
liche im  ersten  Teil  der  Arbeit  besprochenen  Aktenstücke 
sind  jetzt  in  Const.  IV.  publiziert  (vgl.  besonders  n.  796  £E.). 
—  Die  zahlreichen  Inedita  zur  Geschichte  Karls  IV. 
können  hier  einzeln  nicht  aufgeführt  werden ;  als  die 
wichtigsten  seien  die  Instrumente  über  die  Approbation 
Karls  und  über  die  von  seinen  Prokuratoren  im  Nov.  1346 
geleisteten  Eide  genannt.  Karl  hat  seine  am  22.  April  1346 
ausofefertigten  Promissionen  für  die  römische  Kirche  im 
Laufe  der  nächsten  Jahre  nicht  weniger  als  dreimal  wieder- 
holen müssen.  Das  komplizierte  Verhältnis  der  darüber 
ausgestellten  zahlreichen  Urkunden  hat  Otto  zum  ersten 
Male  richtig  dargestellt;  nur  hätte  S.  331  auf  das  Mandat 
vom  4.  Dez.  1346  verwiesen  werden  müssen,  durch  welches 
Geraldus  de  Magnaco  die  Vollmacht  zur  Entgegennahme  der 
Eide  Karls  erhielt  (Theiner  II,  174,  n.  170;  künftig  Const. 
VIII,  n.  149).  Pur  die  Eegesten  Karls  gibt  die  Arbeit 
einige  Berichtigungen :  B.-H.  314  und  333  (letzteres  der 
berüchtigte  Brief,  durch  den  Karl  seinen  Königstitel  als 
abhängig  vom  römischen  Stuhle  anerkannt  haben  soll)  sind 
ganz  zu  streichen;  B.-H.  775  scheint  mit  774  identisch 
zu  sein.  R.  S. 

250.  Der  umfangreiche  Aufsatz  von  W.  Stechele 
'England  und  der  Niederrhein  bei  Beginn  der 
Regierung  König  Eduards  III.  (1327—1337)'  (Westdeutsche 
Zeitschrift  XXVII,  98—151.  441—473)  gibt  eine  gewandt 
geschriebene,  auf  sorgfältiger  Benutzung  des  weit  ver- 
streuten Quellenmaterials  aufgebaute  Darstellung  der  Ent- 
stehung des  englisch -deutschen  Bündnisses  gegen  Philipp  VI. 
Der  Verf.  beschränkt  sich  nicht  auf  eine  Schilderung  der 
Beziehungen  Eduards  zu  den  niederrheinischen  Fürsten; 
auch  die  Verhandlungen  mit  den  Habsburgern  und  mit 
Ludwig  dem  Bayern,  die  Ernennung  Eduards  zum  Reichs- 


614  Nachrichten. 

vikar  erfahren  die  gebührende  Berücksichtigung.  Leider 
hat  sich  über  den  interessanten,  aber  nur  durch  dürftige 
Andeutungen  der  Quellen  bekannten  Plan,  dem  englischen 
Könige  bei  Ludwigs  Lebzeiten  das  römische  Königtum  zu 
übertragen,  näheres  nicht  ermitteln  lassen  (S.  446).  Recht 
gut  ist  der  Gedanke,  das  bekannte  Schreiben  Benedikts  XII. 
von  1337  Nov.  6,  durch  das  Philipp  vor  der  Gefahr  des 
englisch -deutschen  Bündnisses  gewarnt  werden  sollte,  auf 
Informationen  zurückzuführen,  die  der  Papst  durch  Walram 
von  Köln  erhielt  (S.  463).  Von  den  Beilagen  ist  nament- 
lich n.  II  beachtenswert,  die  in  Tabellenform  veranschau- 
licht, welche  Kosten  England  für  die  Gewinnung  deutscher 
Verbündeter  aufwandte.  Eine  Fortsetzung  der  wertvollen 
Arbeit  bis  zur  Widerrufung  des  Vikariats  (1341)  ist  sehr 
zu  wünschen.  R.  S. 

251.  Der  Aufsatz  von  E.  Bourquelot  über  Jo- 
hann von  Jan  dun  (1280?  — 1328),  seinen  Geburtsort, 
seine  Werke,  den  'Defensor  pacis',  seine  Beziehungen  zu 
Ludwig  dem  Bayern  und  seinen  Tod,  in  der  Revue  bist. 
Ardennaise  XV  (1908),  233  —  250,  beruht  im  Wesentlichen 
auf  N.  Valois'  Arbeit  (vgl.  N.  A.  XXXIV,  259,  n.  81). 

E.  M. 

252.  F.  Vigener,  Kaiser  Karl  IV.  und  der 
Mainzer  Bistumsstreit  (1373  —  1378)  (Westdeutsche 
Zeitschr.  Erg. -H.  14,  1908)  schildert  in  geschmackvoller 
und  gründlicher  Darstellung  den  reichsgeschichtlich  höchst 
wichtigen  Kampf  Adolfs  von  Nassau  und  Ludwigs  von 
Meissen  um  den  Mainzer  Stuhl.  Von  besonderem  all- 
gemeinem Interesse  ist  die  Vertiefung  und  Verfeinerung, 
die  das  politische  Charakterbild  Karls  IV.  durch  V's.  Aus- 
führungen gewinnt.  Ob  V's.  Auffassung  der  Wahl  Wenzels 
(S.  97)  der  von  Zeumer  (Goldene  Bulle  S.  195  f.)  ver- 
tretenen Anschauung  gegenüber  zu  halten  ist,  erscheint 
mir  fraglich.  Auf  weitere  Einzelheiten  der  Arbeit,  für  die 
die  noch  unveröffentlichten  Materialien  zu  dem  von  V.  be- 
arbeiteten 2.  Bande  der  neuen  Mainzer  Regesten  ausgiebig 
benutzt  sind,  kann  hier  nicht  eingegangen  werden.  5  Ur- 
kunden, darunter  3  Gregors  XL,  eine  Karls  IV.  sind  bei- 
gegeben. R.  S. 

253.  'Die  rechtliche  Lage  der  Juden  im  Rhein- 
land während  des  14.  Jh.  im  Hinblick  auf  das  kirchliche 
Zinsverbot'  behandelt  A.  K  o  b  e  r  in  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  XXVIII  (1909),  243—269.  Ein  1321—24  gegen 
einen    Baseler  Juden   geführter  Prozess,    dessen    Akten   im 


Nachrichten .  615 

Anhang  des  Aufsatzes  ediert  sind,  zeigt  in  typischer  Weise 
die  Ausführung  der  von  Johann  XXII.  gegen  das  Zins- 
nehmen der  Juden  erlassenen  Verordnungen.  Ein  zweiter 
Anhang  bringt  einige  Auszüge  avis  Kölner  Schreinsbüchern. 

E.  S. 

254.  Den  zwei  ersten  Bänden  der  ausgezeichneten 
Ausgabe  der  niederösterreichischen  Weis- 
t  ü  m  e  r  von  G.  W  i  n  t  e  r  ist  nunmehr  der  dritte  gefolgt 
(Wien  und  Leipzig  1909).  Er  enthält  das  Quellenmaterial 
für  das  Viertel  ob  dem  Wienerwald.  Zur  Hälfte  gehört 
es  dem  15.  Jh.  an,  nur  selten  gehen  die  Aufzeichnungen 
bis  ins  14.  Jh.  zurück.  Der  vierte  Bd.,  dessen  Erscheinen 
in  absehbarer  Zeit  zu  gewärtigen  ist,  soll  die  Publikation 
zum  Abschluss  bringen.  H.  H. 

255.  Otto  Oppermann  vollzieht  in  seinen  be- 
achtenswerten 'Untersuchungen  zur  Geschichte  von  Stadt 
und  Stift  Utrecht'  (Westdeutsche  Zeitschrift  f.  Gesch. 
u.  Kunst  XXVII,  185  —  263.  XXVIII,  155  —  243)  eine 
scharfe  Scheidung  zwischen  fränkischer  und  sächsischer 
Eeichsverwaltung  und  sucht  hieraus  die  Gegensätze  des 
Verfassungslebens  in  Utrecht  zu  erklären.  Im  Einzelnen 
kann  hier  auf  die  Ergebnisse  dieser  Arbeit  nicht  ein- 
gegangen werden.  Hervorheben  möchte  ich  nur,  dass  Verf. 
S.  251  im  Anschluss  an  die  von  mir  gegebene  Bewertung 
der  Textesformen  der  Lex  Salica  mit  Eecht  betont,  dass 
in  den  ersten  vier  Paragraphen  des  Titels  'de  alodis'  nicht 
vom  Mobiliarvermögen,  sondern,  im  Gegensatz  zu  dem  in 
letzten  Paragraphen  behandelten  Salgut ,  vom  allodialen 
bäuerlichen  Grundbesitz  die  Eede  ist,  'alodis'  hier  also 
nicht  Fahrhabe  bedeuten  kann.  Ferner  ist  zu  bemerken, 
dass  O.  (S.  202)  das  Diplom  Heinrichs  V.  von  1122  = 
St.  3179  und  in  einem  besonderen  Exkurs  (XXVIII,  233  ff.) 
das  Diplom  Heinrichs  IV.  vom  2.  Mai  1064  =  St.  2645 
als  Fälschungen  zu  erweisen  sucht.  Vier  Urkunden  des 
Stadtarchivs  aus  dem  13.  Jh.  sind  dem  Exkurse  angehängt. 
Der  Schluss  der  bis  gegen  Ende  des  13.  Jh.  geführten 
Untersuchungen  steht  noch  aus.  M.  Kr. 

256.  In  den  Münsterschen  Beiträgen  zur  Geschichts- 
forschung N.  F.  XVIII  handelt  B.  Frie  über  die  Ent- 
wickelung  der  Landeshoheit  der  Minden  er 
Bischöfe  (Münster  1909).  Da  es  den  Bischöfen  nicht 
gelang,  in  grösserem  Umfange  Frei-  und  Gografschaften 
zu  erwerben  und  sie  den  Einfluss  konkurrierender  Gewalten 
in   ihrem   Sprengel   nicht   unterdrücken   konnten,    hat   das 


616  Nachrichten. 

Fürstentum  niemals  dieselbe  Ausdehnung  und  Bedeutung 
wie  andere  westdeutsche  Hochstifter  erlang-t.  Späterhin 
vermochte  es  sich  nur  durch  seine  engen  Beziehungen  zu 
Braunschweig  zu  halten.  Dagegen  war,  wie  die  in  der 
gleichen  Sammlung  als  Heft  XXII  erschienene  Arbeit  von 
J.  T  i  g  g  e  s  über  di6  Entwickelung  der  Landeshoheit  der 
Grafen  von  Arnsberg  dartut,  die  regsame  Tätigkeit 
dieser  Grafen,  ihr  Gebiet  entgegen  den  Bestrebungen  der 
Kölner  Erzbischöfe,  die  ihre  westfälische  Herzogsgewalt 
geltend  zu  machen  suchten,  in  ein  abgeschlossenes  Terri- 
torium zu  verwandeln,  vielfach  vom  Erfolg  gekrönt,  bis  im 
Jahre  1368  der  letzte  Graf  seinen  Besitz  an  das  Erzstift 
verkaufte.  Ueber  die  staatsrechtliche  Natur  der  Grafschaft 
sind  jetzt  noch  die  beachtenswerten  Ausführungen  von 
H.  C.  Kaiisch  in  den  Historischen  Aufsätzen  Karl  Zeumer 
zum  sechzigsten  Geburtstag  dargebracht  (Weimar  1910), 
S.  604,  N.  3  zu  vergleichen.  M.  Kr. 

257.  Den  Beschluss  der  eindringenden  Untersuchung 
von  E.  E,  i  e  h  m  e  über  'Markgraf,  Burggraf  und  Hochstift 
M  e  i  s  s  e  n  '  (Mitteilungen  des  Vereins  f.  Gesch.  d.  Stadt 
Meissen  VII,  429—483;  vgl.  N.  A.  XXXIII,  573  f.,  n.  221) 
bilden  Ausführungen  über  das  Verhältnis  des  Markgrafen 
zum  Hochstift  Meissen,  das  trotz  seiner  Reichsunmittelbar- 
keit  und  trotz  vielfacher  Privilegierung  und  mancher  Er- 
folge im  einzelnen  nicht  zur  vollen  Landeshoheit  durch- 
dringen konnte,  sondern  gleich  dem  Burggrafenamt  in 
wesentlichen  Beziehungen  dem  Markgrafen  untergeordnet 
blieb.  M.  Kr. 

258.  Die  eingehenden  Darlegungen  über  die  Berg- 
regalitäts  -  Rechte  der  Breslauer  Fürstbischöfe  über  die 
Goldbergwerke  bei  Zuckmantel  von  B.  König 
in  der  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kulturgeschichte 
Oesterreichisch- Schlesiens,  IV.  Jahrg.,  S.  57  ff.  führen  das 
Thema  bis  in  das  18.  Jh.,  greifen  aber  auch  zurück  auf 
die  Verhältnisse  seit  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jh.  Das 
Zuckmantier  Gebiet  mit  der  Feste  Edelstein  kam  1477 
durch  Kauf  von  dem  Hz.  Heinrich  d.  A.  von  Münsterberg 
an  B.  Rudolf  von  Breslau,  wurde  dem  Fürstentum  Grottkau- 
Neisse  einverleibt,  die  herzoglichen  Hoheitsrechte  übten, 
die  Fürstbischöfe  aus.  B.  B. 

259.  Im  14.  Heft  der  Prager  Studien  aus  dem  Ge- 
biete der  Geschichtswissenschaft  (1909),  herausg.  von 
H.    Bachmann   und  Werunsky,    behandelt   Dr.   F.   B 1  o  eh 


Nachrichten.  617 

die  Eutwickelung  des  Königlichen  Heim  fallsrechtes 
im  böhmisch -mährischen  Landrecht,  zurückgreifend  bis  in 
die  Mitte  des  12.  Jh.  oder  Ende  desselben,  denn  die  an 
erster  Stelle  angeführte  Urkunde  von  1142  (bzw.  1142 — 
1148)  war  m.  E.  nicht  einzubeziehen.  Die  Erwähnung  des 
Herzogs  bei  dieser  Schenkung  an  Kloster  Sedletz  erklärt 
sich  nicht  aus  dessen  vermeintlichem  Heimfallsrecht,  sondern 
weil  es  sich  um  ein  Kloster  handelt.  B.  B. 

260.  R.  F.  K  a  i  n  d  1  s  'Studien  zur  Geschichte  des 
deutschen  Rechts  in  Ungarn  und  dessen  Neben- 
ländern' (Archiv  f.  Oest.  Gesch.  XCVIII,  387—470)  be- 
handeln zunächst  den  Einfluss  des  süddeutschen  (öster- 
reichischen) Stadtrechts,  neben  dem  auch,  durch  schlesische 
Ansiedler  vermittelt,  besonders  im  Norden  magdeburgisches 
Recht  sich  geltend  macht,  das  aber  später,  seit  dem 
14.  Jh.,  von  dem  süddeutschen  Rechte  verdrängt  wird. 
Auch  der  Einfluss  deutschen  Landrechts,  sächsischer  und 
schwäbischer  Herkunft,  ist  ersichtlich,  und  ebenso  drang 
zugleich  mit  der  Niederlassung  deutscher  Ritter  auch 
deutsches  Lehenrecht  in  Ungarn  ein.  Im  Besonderen  be- 
handelt K.  dann  noch  'Wallfahrten  nach  Rom  und  Aachen 
als  gerichtliche  Sühne  nach  deutschem  Stadtrechte  in 
Ungarn'.  Eine  wertvolle  Beigabe  zu  seinem  Aufsatz  bildet 
eine  Reihe  meist  ungedruckter  deutscher  Urkunden  s.  XV. 
und  XVI.  aus  der  Walachei  und  Moldau  (vornehmlich  aus 
dem  Bistritzer  Stadtarchiv),  die  von  der  Bedeutung 
deutschen  Rechts  und  deutscher  Kultur  auch  in  diesen 
Landen  Zeugnis  ablegen.  M.  Kr. 

261.  In  der  Festschrift  zum  50jährigen  Jubiläum 
der  historischen  Gesellschaft  des  Kantons  Aargau  (=  Aar- 
govia  Bd.  XXXIII)  handelt  l)  Walter  Merz  über  'Bürger- 
recht und  Hausbesitz  in  den  argauischen  Städten'  (S.  1 — 
15);  5)  in  der  Abhandlung:  'Der  Argau  nach  dem  Habs- 
burgischen Urbar'  (S.  115 — 177)  kommt  Hans  N  ab  holz 
zu  dem  Schluss,  'dass  die  Wurzeln  der  Landeshoheit  in  den 
öffentlich  rechtlichen  Befugnissen  des  Grafenamtes  und 
nicht  in  der  Grundherrschaft  zu  suchen  sind'.  8)  Für  das 
mittelalterliche  Windisch  ergeben  sich  einzelne  Notizen  in 
der  sehr  reich  illustrierten  Arbeit  von  Samuel  H  e  u  - 
b  e  r  g  e  r  :  Aus  der  Baugeschichte  Vindonissas  und  vom 
Verlauf  ihrer  Erforschung  (S.  263—367).  J.  W. 

262.  Im  2.  und  3.  Heft  des  XVII.  Bandes  (1907)  der 
Revue    Bourguignonne    gibt    E.    Champeaux    die  Ver- 


618  Nachrichten. 

Ordnungen  der  Herzoge  von  B  u  r  g  u  n  d  über  die 
Justizverwaltung  des  Herzogtums  heraus.  Sie  sind  erlassen 
von  den  Herzogen  Philipp  dem  Kühnen,  Johann  ohne 
Furcht,  Philipp  dem  Guten  und  Karl  dem  Kühnen  und 
entstammen  der  Zeit  von  1370 — 1474;  den  Anhang  bildet 
eine  König  Ludwigs  XI.  v.  J.  1481.  Der  über  300  Seiten 
umfassenden  Ausgabe  geht  eine  noch  längere  Darstellung 
über  die  Entstehung  und  Entwickelung  des  burgundischen 
Parlamentes  vom  11.  bis  15.  Jh.  voran  und  folgt  ein 
alphabetisches  Register.  E.  M. 

263.  Die  Beiträge  zur  Geschichte  Dortmunds  und 
der  Grafschaft  Mark  XVII,  354—358  (1909)  bringen  in 
einer  Mitteilung  von  K.  Rubel,  'Die  Westhofener 
Reichsleute'  zwei  Urkunden  von  1337  und  1352  über  die 
Rechtsverhältnisse  der  Reichsleute.  E.  P. 

264.  Zwei  Aufsätze,  der  eine  von  P.  B  ä  d  e  k  e  r  : 
'Richter  und  Gericht  im  alten  D  o  r  t  m  u  n  d ',  der 
andere  von  A.  M  e  i  n  i  n  g  h  a  u  s  :  'Die  Dortmunder  Stadt- 
richterlinie', sind  in  den  Beiträgen  zur  Geschichte  Dort- 
munds und  der  Grafschaft  Mark  XVII,  217—276  und  277 
—319  (1909)  enthalten.  E.  P. 

265.  Als  nützliche  Arbeit  notieren  wir  die  Münsterer 
Dissertation  (1909)  von  Hermann  Nottarp:  Die  Ver- 
mögensverwaltung des  münsterischen  Domkapitels  im 
Mittelalter,  die  auch  in  der  (Westfäl.)  Zeitschrift  f.  vaterl. 
Gesch.   u.   Altertumsk.    LXVII,    Abt.  1    erscheint. 

O.  HE. 

266.  In  der  von  der  Badischen  histor.  Kommission 
herausgegebenen  Sammlung  der  Oberrheinischen 
Stadtrechte  enthält  das  8.  Heft  der  I.  Abt.  (Frän- 
kische Rechte),  bearbeitet  von  Carl  Koehne,  das  für  die 
Würzburgische  Stadt  Grünsfeld  und  die  Mainzischeu  Städte 
Neidenau  und  Osterburken  vorhandene  Material,  nur  von 
der  letztgenannten  ein  eigentliches  Stadtrecht  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.,  sonst  werden  von  den  Landes- 
herren verliehene  Stadtordnungen,  Urkunden  über  einzelne 
Rechtsverhältnisse,  Ratsverordnungen  gegeben,  für  Grüns- 
feld von  1441,  für  Osterburken  von  (1401)  1409  an,  für 
Neidenau  beginnt  das  Material  erst  mit  dem  J.   1530. 

O.  H.-E. 

267.  In  der  Zeitschr.  des  Ferdinandeums  für  Tirol 
und  Vorarlberg  III.  Folge,  52.  Heft,  1  ff.  bespricht  und 
publiziert  F.  Kogler  die   älteren  Stadtrechtsquellen 


Nachrichten.  619 

von  Kitzbühel.  Die  älteste  Verleihung,  durch  die 
Herzog  Ludwig  II.  von  Oberbayern  den  Ort  mit  dem 
Stadtrecht  von  München  bewidmet,  gehört  in  das  Jahr  1271, 
ausführliche  Sa^tzungen  der  Bürger  sind  aus  den  Jahren 
1353  und  1354  erhalten.  H.  H. 

268.  In  dem  Anhange  zu  seinem  Aufsatz  'Zur  Ge- 
schichte der  rheinischen  Pfalzgrafschaft  VI.  Die  pfalz- 
gräflichen Gerechtsame  in  Zülpich  bis  zum  19.  Jh.'  (West- 
deutsche Zeitschrift  f.  Gesch.  u.  Kunst  XXVIII,  270  ff.) 
behandelt  H.  Schwarz  die  Entstehungszeit  der  sieben 
Weistümer  von  Zülpich  und  Mersburden ,  ins- 
besondere Entstehung  und  Bedeutung  des  alten  Zülpicher 
Schöffenweistums,  das  z.  T.  noch  der  ersten  Hälfte  des 
13.  Jh.  zuzuweisen  ist.  Das  gleiche  gilt  von  dem  Zülpicher 
Marktrecht,  während  die  übrigen  Satzungen  dem  14.  und 
15.  Jh.  angehören.  M.  Kr. 

269.  In  dem  bereits  1905  in  Lille  und  Paris  er- 
schienenen Buche  'La  hierarchie  episcopale,  pro- 
vinces,  metropolitains,  primats  en  Gaule  et  Germanie  742 
— 882  (Mem.  et  trav.  publ.  par  des  professeurs  des  facultes 
cathol.  de  Lille  I,  8^  XV  u.  350  S.)  schildert  E.  Lesne 
die  Wiederherstellung  der  erzbischöflichen  Verfassung 
durch  die  Reformen  des  Bonifatius  und  Pippins,  die  Zu- 
stände unter  Karl  dem  Grossen  und  Ludwig  dem  Frommen, 
ferner  Hinkmars  Wirken  als  Vorkämpfers  der  Metro- 
politanrechte ,  den  Widerstand  der  Suffragane  und  die 
Entstehung  der  falschen  Dekretalen,  deren  Urheber  er  in 
Ebos  Klerikern  erblickt ;  in  einem  Anhange  sucht  auch  er 
nachzuweisen ,  dass  Hinkmars  Capitula  presbyteris  data 
vom  1.  Nov.  852  Pseudoisidor  bereits  benutzen.  Ein 
ausführliches  Register  ist  beigegeben.  E.  M. 

270.  Eine  Arbeit  von  A.  Grein  acher  behandelt 
'Die  Anschauungen  des  Papstes  Nikolaus  I.  über  das 
Verhältnis  von  Staat  und  Kirche'  (Abhandlungen  zur 
mittleren  und  neueren  Geschichte  herausg.  von  G.  von 
Below,  H.  Finke,  F.  Meinecke,  Heft  10).  Die  für  die 
Darstellung  belangreichen  Quellenzeugnisse  sind  darin 
sorgsam  zusammengetragen.  E.  P. 

271.  Im  Archiv  für  katholisches  Kirchenrecht 
LXXXIX,  606—611  (1909)  handelt  G  i  1 1  m  a  n  n  über  'Die 
simonistische  Papstwahl  nach  Huguccio'.  E.  P. 

272.  Die  Instructiones  et  constitutiones  des  Kano- 
nisten    und    Bischofs    von    Mende    Wilhelm    Durand 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  4.Q 


620  Nachrichten. 

Speculator,  eine  zwischen  1292  und  1296  verfasste  Samm- 
lung von  Verordnungen  und  Ratschlägen  für  den  Diözesan- 
klerus,  waren  bisher  nur  durch  einen  Frühdruck  überliefert. 
Jetzt  hat  J.  Berthele  in  dem  Dorf  Cessenon  (Departe- 
ment Herault)  eine  vom  Verfasser  eigenhändig  überarbeitete 
Hs.  gefunden.  In  den  Mem.  de  la  section  des  lettres  de 
l'acad.  de  Montpellier,  2.  serie,  III  (1900—1907)  1—148 
hat  er  eine  Ausgabe  veranstaltet  und  ihr  vier  Seiten  der 
fls.  in  Abbildungen  beigegeben.  E.  M. 

273.  üeber  die  Publikation  der  im  Armutsstreit  1323 
ergangenen  Extravagante  Johanns  XXII.  'Cum  inter 
nonnullos'  handelt  E.  G  ö  1 1  e  r  in  der  Römischen  Quartal- 
schrift XXII  (1908),  Gesch.  S.  143—147.  R.  S. 

274.  Aus  der  Schule  von  Aloys  Schulte  ist  die 
Untersuchung  von  Wilhelm  Feister  über  Stand  und 
Herkunft  der  Bischöfe  der  Kölner  Kirchenprovinz 
im  Mittelalter  hervorgegangen  (Weimar  1909,  109  S.,  ein 
Teildruck  als  Bonner  Dissertation).  Die  steigende  Be- 
deutung des  Hochadels  und  der  mit  dem  Wormser  Kon- 
kordat einsetzende  Sieg  der  Territorialität  sind  überzeugend 
nachgewiesen.  'Es  gibt  kaum  ein  westfälisches  Grafen- 
geschlecht, das  im  12.  und  13.  Jh.  nicht  einen  seiner 
Söhne  auf  dem  Stuhle  eines  der  sächsischen  Bistümer  ge- 
sehen hat'  (S.  102).  Der  Schwabe  Benno  II.  von  Osnabrück 
war  innerhalb  dieser  Kirchen  pro vinz  wohl  der  letzte  Bischof 
von  unfreier,  ministerieller  Herkunft.  M.  T. 

275.  Unter  Bezugnahme  auf  die  von  A.  Schulte  ge- 
gebenen Anregungen  handelt  H.  v.  B  r  u  i  n  i  n  g  k  in  den 
SB.  der  Gesellschaft  f.  Gesch.  u.  Altertumsk.  der  Ostsee- 
provinzen Russlands  a.  d.  J.  1908  S.  72  —  90  über  'Die 
Geburtsstands  Verhältnisse  in  den  livländischen  Do-m- 
kapiteln  und  Klöstern'.  M.  Kr. 

276.  Einem  Aufsatz  in  der  Walhalla  V,  81 — 154  über 
Otto  von  Lonsdorf,  Bischof  von  Passau  (1254 — 1265), 
über  den  er  schon  eine  1903  erschienene  Monographie  ge- 
schrieben hat,  zu  der  hier  Berichtigungen  und  Ergänzungen 
gegeben  werden  sollten,  hat  Ulrich  S  c  h  m  i  d  folgende 
Beilagen  beigegeben :  I.  Aufzeichnung  über  das  Recht  der 
Ministerialen  der  Passauer  Kirche  von  1256,  die  in  den 
Monumenta  Boica  herausgegeben  war.  II.  Die  von  Preger 
früher  edierten ,  kulturhistorisch  sehr  interessanten  Auf- 
zeichnungen über  kirchliche  Missbräuche.  III.  und  IV. 
Kirchliche  Statuten   der   Bischöfe  Otto   und  Wichard  von 


Nachrichten.  621 

Passau.  Aber  diese  Ausgaben  sind  zum  grössten  Teil  ganz 
unzulänglich,  nicht  nur  durch  massenhafte  Druckfehler 
entstellt.  O.  H.-E. 

277.  Max  Brennich  stellt  in  der  Greifs  walder 
Dissertation  Yon  1908  'Die  Besetzung  der  Reich  sab  teien 
in  den  Jahren  1138 — 1209'  im  ersten  Teil  in  chronologi- 
scher Eeihenfolge  zusammen,  was  wir  über  die  Wahlen 
und  Investituren  von  Aebten  und  Aebtissinnen  in  den  ein- 
zelnen Klöstern  wissen.  Mehr  hätte  es  sich  wohl  empfohlen, 
die  Wahlen  in  jedem  einzelnen  Kloster  zusammen  zu  be- 
handeln, man  hätte  dann  besser  überblicken  können,  wie 
es  in  jeder  einzelnen  Abtei  dabei  in  der  Zeit  zugegangen 
sei.  Im  zweiten  Teil  zieht  er  dann  aus  den  festgestellten 
Einzelfällen  seine  Schlüsse  darüber,  wie  es  bei  den  Wahlen, 
der  Bestätigung,  Investitur  und  Weihe  hergegangen  sei. 
Man  kann  nicht  sagen,  dass  sich  dabei  viel  allgemein  gül- 
tiges ergibt,  manches  bleibt  hypothetisch.  Im  Schluss- 
kapitel wird  die  Einflussnahme  der  staufischen  Herrscher 
und  Ottos  IV.  zu  den  Bischofs-  und  Abtwahlen  sehr  kurz 
und  doch  auch  recht  dürftig,  namentlich  was  Heinrich  VI., 
Philipp  und  Otto  anbetrifft,  erörtert.  0.  H.-E. 

278.  In  gutgeschriebener  und  aufschlussreicher  Einzel- 
untersuchung behandelt  die  Göttinger  Dissertation  von 
L.  Arbusow  'Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens 
zum  Ablasshandel  seit  dem  15.  Jh.'  (Riga,  1909, 
112  S.).  M.  T. 

270.  Aus  Anlass  der  500- Jahrfeier  des  am  18.  Januar 
1409  erschienenen  Dekrets  von  Kuttenberg,  durch 
welches  König  Wenzel  IV.  der  tschechischen  Nation  bei 
der  Prager  Universität  bei  allen  Wahlen  und  Rechtshand- 
lungen drei  Stimmen  zuspricht,  ist  (in  tschechischer  Sprache) 
eine  kleine  Sammelschrift  von  Vorträgen  und  Aufsätzen 
von  vier  Professoren  der  Prager  tschechischen  Universität 
erschienen  u.  d.  T.  'Das  Kuttenberger  Dekret'  (Prag  1909, 
72  S.).  W.  N  o  V  o  t  n  y  gibt  eine  Darstellung  der  Organisa- 
tion der  Prager  Universität  von  ihren  Anfängen  mit  be- 
sonderer Hervorhebung  der  Unterschiede  gegenüber  ins- 
besondere Paris.  In  Prag  haben  ursprünglich  die  einzelnen 
Nationen  keine  eigentliche  nationale  Bedeutung;  die  Uni- 
versitätsnationen setzen  sich  aus  Zugehörigen  verschiedener 
Länder  zusammen.  Die  ersten  Gegensätze  und  Kämpfe 
unter  den  Nationalitäten  entstanden  in  den  sogen.  Kol- 
legien ;    eine  besondere  Stärkung   gewann  die  tschechische 

40* 


622  Nachrichten. 

Nationalität  im  J.  1403  durch  die  Gründung  des  Kol- 
legiums der  tschechischen  Nation.  Die  natürliche  Ent- 
wickelung  des  tschechischen  Elements  an  der  Prager  Uni- 
versität, nicht  zuletzt  gefördert  durch  das  Aufkommen 
anderer  deutscher  Universitäten  (Wien,  Heidelberg,  Köln, 
Erfurt),  die  Stellungnahme  zum  Wiklefismus,  die  Persönlich- 
keit Hussens  erklären  den  weiteren  Gang.  In  kurzer  Ueber- 
sicht  verfolgt  N.  auch  die  Geschichte  der  Prager  Uni- 
versität bis  ins  19.  Jh.  —  Es  charakterisiert  den  Gegensatz 
der  Auffassungen,  wenn  man  bei  N.  (S.  23)  liest:  'Ich 
sage  nichts  neues,  wenn  ich  konstatiere,  dass  das  Kutten- 
berger  Dekret  das  Wesen  der  Universität  in  nichts  ge- 
ändert hat,  die  Universität  vorher  nicht  deutsch,  hernach 
nicht  tschechisch  geworden  ist,  sondern  vorher  und  nachher 
lateinisch  geblieben  ist' ;  —  während  K.  K  r  o  f  t  a  un- 
mittelbar nach  den  Einleitungsworten  schreibt :  '(Durch  das 
Kuttenberger  Dekret)  hat  sich  der  Charakter  und  das 
Wesen  dieser  hohen  Schule  wesentlich  geändert;  aus  einem 
internationalem  Institut,  das  nur  örtlich  mit  diesem  König- 
reich und  dessen  Hauptstadt  verknüpft  war,  wurde  ein 
Landesinstitut  und,  was  wichtiger  ist,  ein  national  tschechi- 
sches Institut'.  Hier  und  dort  die  Ausführungen  N's.  durch 
einzelne  statistische  Angaben  ergänzend,  wandelt  dieser 
zweite  Aufsatz  im  wesentlichen  dasselbe  Thema  in  anderer 
Form  ab,  schliesst  aber  mit  1409  ab.  —  Kürzer  hat  sich 
J.  S  u  s  t  a  gefasst ,  die  allgemeinen  Gesichtspunkte ,  die 
tieferen  Gründe  und  das  innere  Werden  des  Kuttenberger 
Dekrets  besonders  hervorhebend,  indem  er  darin  gleichsam 
den  Abschluss  des  Kampfes  des  nationalen  und  staatlichen 
Gedankens  mit  dem  mittelalterlichen  Universalismus  er- 
blicken möchte.  —  Im  letzten  Aufsatz  behandelt  dann 
noch  G.  Friedrich  die  Ueberlieferung  dieser  Urkunde. 
Das  Original  ist  verloren.  Auch  ein  Statutenbuch  der  Uni- 
versität, in  welches  das  Dekret  am  29.  Sept.  1409  ein- 
getragen worden  war,  ist  nicht  mehr  erhalten.  Nach  dieser 
Abschrift  im  verlorenen  Statutenbuch  ist  ein  heute  im 
Universitätsarchiv  erhaltenes  Notariatsinstrument  auf  Ver- 
langen Hussens  1414  Sept.  18  angefertigt  worden.  Von 
diesem  Exemplar  liegt  der  Abhandlung  eine  sehr  gute 
phototypische  Nachbildung  bei.  Ausserdem  kennt  man  noch 
vier  Abschriften.  Der  Text  ist  schon  mehrfach  gedruckt; 
F.  bietet  einen  genauen  Abdruck  auf  Grund  der  gesamten 
bisher  bekannten  Ueberlieferung,  ferner  auch  den  Wort- 
laut des  Notariatsinstrumentes.  B.  B. 


Nachrichten.  623 

280.  Der  II.  Band  des  Archivs  für  Urkuudenforschting 
enthält  S.  167  —  326  einen  bedeutenden  Aufsatz  von 
M.  T  a  n  g  1  unter  dem  Titel  'Forschungen  zu  Karolinger- 
Diplomen'.  Er  zerfällt  in  zwei  Teile,  in  deren  erstem  der 
Verf.  Nachträge  zu  seinem  früheren  Aufsatz  über  T  i  r  o  - 
nische    Noten    in    Karolinger  -  Urkunden    (vgl.    N.    A. 

XXXIII,  251,  n.  72),  zum  Teil  neue  Lesungen  nach  den 
Originalen  gibt  und  sich  mit  den  Einwendungen  aus- 
einandersetzt, die  von  anderer  Seite  gegen  einzelne  Lesungen 
und  die  Folgerungen  über  die  Einrichtung  der  Kanzlei, 
die  er  aus  den  tironischen  Vermerken  gezogen  hat,  ge- 
macht wurden.  Der  zweite,  weit  umfangreichere  Teil  be- 
handelt die  Osnabrücker  Fälschungen:  Nach 
einer  Einleitung,  in  der  T.  die  wesentlichen  Ergebnisse 
seiner  früheren  Arbeiten  über  die  gefälschten  Gründungs- 
urkunden   der    anderen    sächsischen   Bistümer   (vgl.    N.  A. 

XXXIV,  568  f.,  n.  327)  mitteilt,  wird  hier  der  Beweis  ge- 
liefert, dass  alle  8  Osnabrücker  Karolinger -Diplome  und 
zwei  Ottos  I.  um  das  Jahr  1076  von  dem  Bischof  Benno  II. 
von  Osnabrück,  was  schon  Wilmans  behauptet  hatte,  ge- 
fälscht seien,  um  in  dem  Zehntenstreit  mit  dem  Kloster 
Corvey  obzusiegen;  das  Verhältnis  der  Fälschungen  zu  ein- 
ander wird  dargelegt  und  die  echten  Diplomen  angehörigen 
Bestandteile  der  gefälschten  Urkunden  herausgeschält  und 
somit  werden  auch  positive  Ergebnisse  und  verwertbare  Ur- 
kunden-Teile gewonnen.  Auf  Einzelheiten  der  schwierigen 
und  verwickelten,  Inhalt-  und  Ergebnisreichen  Unter- 
suchung können  wir  hier  nicht  eingehen,  der  Beweis  und 
die  Darlegungen  über  die  einzelnen  Urkunden  scheinen 
mir  vollkommen  überzeugend.  In  dem  Schlusskapitel  wird 
nun  das  wenige  zusammengestellt,  das  wir  über  die  An- 
fänge des  Bistums  Osnabrück  wirklich  wissen,  nachdem 
der  Wust  der  Fälschungen  beseitigt  ist.  Hier  wird  nun 
zu  beweisen  versucht,  dass  auch  der  gefälschte  Brief  des 
Bischofs  Egilbert  von  Osnabrück  an  den  Erzbischof  Willi- 
bert von  Köln  (und  dessen  Antwort),  von  denen  der  Chro- 
nist Ertmann  Bruchstücke  erhalten  hat,  und  auch  die 
Papstgeschichte  des  sog.  Pseudoliutprand  von  Benno  ver- 
fasst  sind.  Es  muss  zugegeben  werden,  dass  die  Briefe 
und  eine  Stelle  im  Pseudoliutprand  mit  den  Urkunden- 
Fälschungen  im  engsten  Zusammenhange  stehen,  aber  der 
versuchte  Beweis,  dass  jene  auch  von  Benno  herrühren, 
scheint  mir  weniger  zwingend.  Dass  er  auch  die  Briefe 
gefälscht  haben  könnte,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  nur  ver- 
misst   man   bei   ihm   einen    Beweggrund   dieser  Fälschung, 


624  Nachrichten. 

da  nicht  wohl  anzunehmen  ist,  dass  er  auch  die  Briefe 
der  Synode,  welche  den  Zehntstreit  entscheiden  sollte, 
vorgelegt  hat,  er  hätte  damit  schwerlich  etwas  erreichen 
können.  Gegen  seine  Autorschaft  des  Pseudoliutprand 
spricht  entschieden,  wie  T.  das  selbst  hervorhebt,  die 
Stelle  über  die  Verleihung  von  Zehnten  an  das  Kloster 
Corvey,  während  die  unmittelbar  folgende  Stelle  über  Ver- 
leihung von  Zehnten  an  Hersfeld  sehr  wohl  von  ihm  her- 
rühren könnte,  die  Worte  'honorificatae  ecclesiae  et  hono- 
rificandae  a  Deo  Hersveldensi'  enthielten  dann  eine  Freund- 
lichkeit gegen  Abt  Hartwig  von  Hersfeld,  der  ebenso  wie 
Benno  ein  treuer  Anhänger  K.  Heinrichs  IV.  war. 

O.  H.-E. 

281.  Die  Arbeit  von  Fr.  J.  Bendel:  Die  älteren 
Urkunden  der  deutschen  Herrscher  für  die  ehemalige 
Benediktinerabtei  Werden  a.  d.  Ruhr  (Bonn  1908)  be- 
handelt die  Gesamtheit  der  dem  Stifte  verliehenen  Diplome. 
In  der  chronologischen  Reihenfolge  werden  die  Texte  neu 
abgedruckt,  woran  sich  jedesmal  die  Untersuchung  der 
einzelnen  Urkunde  schliesst.  Beigegeben  sind  der  Schrift 
vier  etwas  verkleinerte,  recht  gut  ausgeführte  Fac- 
simile -Tafeln  der  DD.  Karls  266,  Heinrichs  II.  9,  Hein- 
richs III.,  Stumpf  Reg.  2164.  2165.  Das  wesentlichste 
Ergebnis  seiner  Untersuchungen  betrifft  die  ältere  Gruppe 
von  Urkundenfälschungen ;  entgegen  der  bisherigen  An- 
schauung bestreitet  er,  trotz  der  Beteiligung  einer  Kanzlei- 
hand im  Eschatokoll  des  DH.  II.  9,  dessen  Originalität 
und  verlegt  die  Gesamtheit  der  falschen  Karolingischen 
und  Ottonischen  Diplome  nicht,  wie  bisher,  in  den  An- 
fang, sondern  in  die  zweite  Hälfte  des  11.  Jh.  Dies  Re- 
sultat bedarf  noch  in  mancher  Beziehung  einer  Nach- 
prüfung, die  ich  mir  auf  Grund  wiederholter  Einsicht- 
nahme der  Diplome  im  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  noch 
vorbehalten  möchte.  H.  W. 

282.  In  einer  trefflichen  diplomatischen  Untersuchung 
handelt  W.  Erben  über  die  grosse  Arn  olf -Fälschung 
für  Salzburg,  Mühlbacher  1851  (1802)  und  die  mit  ihr 
in  engem  Zusammenhang  stehenden  Diplome  DO.  II.  165. 
275.  DO.  III.  1  ('Karolingische  und  Ottonische  Besitz- 
bestätigungen für  das  Erzstift  Salzburg',  Innsbrucker  Fest- 
gruss,  von  der  phil.  Fakultät  dargebracht  der  50.  Ver- 
sammlung deutscher  Philologen  und  Schulmänner  in  Graz). 
Zweifel ,  die  jüngst  Widmann  gegen  die  Zuverlässigkeit 
der    Ottouen- Diplome    erhoben    hatte,    werden    schlagend 


Nachrichten.  625 

zurückgewiesen.  Mit  gleicher  Beweiskraft  wird  gegen 
Jaksch  DO.  II.  165  bereits  als  Nachurkunde  der  Arnolf- 
Fälschung  gesichert.  Auch  die  Scheidung  der  Fälschung 
in  zwei  Ausfertigungen,  von  denen  uns  nur  eine  noch  er- 
halten ist,  während  gerade  die  zweite,  längst  verlorene, 
den  jüngeren  abschriftlichen  üeberlieferungen  und  den 
Nachurkunden  als  Vorlage  diente ,  scheint  mir  das  Rich- 
tige zu  treffen.  Als  Entstehungszeit  der  Fälschung  kom- 
men nur  wenige  Jahre  (970  —  977)  und  innerhalb  dieser 
Grenze  fast  sicher  nur  das  Jahr  977  in  Betracht.  Zu 
gleichem  Ergebnis  war  auch  ich  ganz  unabhängig  von 
Erben  gelangt.  Der  Versuch  aber,  den  Mittelsmann  zur 
Herstellung  der  Fälschung  in  dem  Kanzleischreiber  HA. 
zu  suchen,  kann  wohl  nur  beanspruchen,  als  eine  vielleicht 
mögliche  Vermutung  in  Erwägung  gezogen  zu  werden. 

M.  T. 

283.  'lieber  die  Essener  Urkunde  König  Ottos  I. 
vom  15.  Januar  947 '  handelt  in  den  Beiträgen  zur  Ge- 
schichte von  Stadt  und  Stift  Essen  XXX,  93  —  108  (1909) 
E.  G  i  e  s  e.  Die  Bedeutung  der  Urkunde  DO.  I.  85  wird 
erörtert  und  ihr  Inhalt,  besonders  die  vorkommenden  Orts- 
namen, im  einzelnen  erläutert.  Die  Echtheit  der  Urkunde 
wurde  ursprünglich  von  Sickel  angezweifelt,  der  sie  aber 
später,  nach  Wiederauffindung  der  Urkunde  Ottos  II.  von 
973  (DO.  II.  49),  deren  Vorurkunde  sie  darstellt,  anders 
beurteilte.  So  hielt  auch  v.  Ottenthai  die  Echtheit  für 
gesichert,  und  dieser  neueren  Meinung  schliesst  sich  G. 
im  wesentlichen  an.  Einige  Auffälligkeiten  des  Diploms 
beruhen  darauf,  dass  es  zum  weitaus  grössten  Teile  Em- 
pfängerausfertigung ist.  E.  P. 

284.  Die  Göttin ger  Dissertation  von  O.  C  u  r  s : 
'Deutschlands  Gaue  im  zehnten  Jh.  Nach  den 
Königsurkunden'  (1908)  enthält  im  ersten  Teil  ein  alpha- 
betisches Verzeichnis  der  in  den  Diplomen  der  sächsi- 
schen Kaiser  vorkommenden  Gaunamen ;  in  einem 
zweiten,  systematischen  Teil  werden  die  Namen  und  Be- 
zeichnungen der  Gaue,  die  Grafschaften,  die  Verleihung 
von  Grafschaften  und  Wildbännen  behandelt.  Beigegeben 
wird  eine  Gaukarte  mit  Namenverzeichnis.  Der  Wert  der 
nützlichen  Arbeit  wird  etwas  beeinträchtigt  dadurch,  dass 
die  neueren  Arbeiten  zu  den  Diplomen  nicht  immer  be- 
rücksichtigt zu  sein  scheinen.  So  fungieren  als  Quellen- 
stellen noch  die  modernen  Fälschungen  von  Schott. 

H.  W. 


626  Nachrichten. 

285.  Im  Archiv  für  Urkundenforsehung  II,  491  ff. 
weist  E.  Müller  nach,  dass  das  DR.  II.  256'',  das  wir 
bereits  in  der  Ausgabe  auf  eine  karolingische  Vorlage,  und 
zwar,  wie  N.  A.  XXII,  158  f.  bemerkt  war,  auf  ein  Diplom 
Ludwigs  d.  Fr.  oder  eine  spätere  Bestätigung  davon,  zu- 
rückgeführt hatten,  die  nächste  Verwandtschaft  mit  dem 
Immunitätsprivileg  Ludwig  I.  für  Viviers  (Mühlbacher, 
Eeg.'^  585)  aufweist.  Dies  ist  wichtig,  weil  es  nun  höchst 
wahrscheinlich  wird,  dass  Hildesheim  bereits  im  Som- 
mer 815,  ungefähr  gleichzeitig  mit  der  Ausstellung  des 
Diploms  für  Viviers,  Immunität  erhalten  hat,  womit  der 
terminus  ante  quem  für  die  Gründung  des  Bistums  ge- 
wonnen ist.  An  diesen  Beweis  knüpft  M.  nun  aber  Er- 
örterungen über  das  von  ihm  neu  abgedruckte  Hildes- 
heimer  Urkunden-Verzeichnis  aus  der  Zeit  Bischofs 
Bernward,  über  einige  andere  Diplome  Heinrichs  II.  und 
über  die  Gründung  von  Kloster  Steterburg,  die  ich  zumeist 
für  wenig  geglückt  halte,  und  deren  Ergebnisse  ich  grossen- 
teils  sehr  bestimmt  ablehnen  muss ;  ich  behalte  mir  ihre 
eingehendere  Besprechung  für  eine  andere  Gelegenheit  vor. 

H.  Br. 

286.  Die  Arbeit  von  J.  Kai Ib runer  'Zur  älteren 
Geschichte  der  Pfarre  Krems'  (Jahrbuch  f.  Landeskunde 
von  Niederösterreich  1909  S.  1  ff.)  ist  eine  ausführliche  histo- 
risch-kritische Untersuchung  des  falschen  Diploms  Hein- 
richs III.  für  die  Kirche  von  Krems  (St.  2447)  und 
gelangt  bei  umsichtiger  Heranziehung  des  einschlägigen 
Quellenmaterials  im  einzelnen,  wie  mir  scheint,  zu  wohl 
begründeten  Ergebnissen.  Es  steht  nun  sicher  fest,  dass 
St.  2447  ein  Machwerk  des  13.  Jh.  ist  und  dass  seine  Ent- 
stehung nichts  gemein  hat  mit  der  Fälschung  der  österr. 
Freiheitsprivilegieu.  K.  weiss  es  avich  sehr  plausibel  zu 
machen,  dass  das  Spurium  aus  Revindikationsbestrebungen 
des  Bistums  Passau  und  der  Pfarre  Krems  hervorgegangen 
ist,  die  in  einem  Lehensrevers  Herzog  Friedrichs  von  1241 
in  bezug  auf  Krems  deutlichen  Ausdruck  finden.  Eine 
wahrscheinlich  echte  Urkunde  der  Bürgerschaft  von  Krems 
aus  dem  Jahre  1250,  in  der  St.  2447  bereits  erwähnt  wird, 
gibt  einen  terminus  ad  quem  für  den  Bestand  der  Fäl- 
schung. —  Am  Schlüsse  folgt  eine  autotypische  Reproduk- 
tion der  Urkunde,  die  eine  Nachprüfung  der  Erörterungen, 
soweit  sie  rein  diplomatischer  Natur  sind,  gestattet. 

H.  H. 

287.  In  dem  Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  lothring. 
Geschichte  und  Altertumskunde  XXI,  91  ff.  veröffentlichte 


Nachrichten.  627 

ich  erstmals  eine  Urkunde  der  Kaiserin  Agnes  für. 
das  Maria -Mag-daleuenstift  zu  Verdun  vom  19.  Oktober 
1059  nach  dem  Original  in  der  Stadtbibliothek  zu  Reims. 
In  der  Eeichskanzlei  geschrieben ,  ist  sie  die  einzige  in 
Form  eines  Diploms  ausgestellte  Urkunde  einer  deutschen 
Kaiserin,  die  wir  bisher  aus  dem  11.  Jh.  kennen;  das  im 
18.  Jh.  noch  vorhandene  Siegel  —  von  der  Grösse  der 
Kaisersiegel  —  ist  leider  jetzt  verloren.  H.  Br. 

288.  In  den  Beilagen  zu  einem  Aufsatz  von  J.  de 
Chestret  de  Haneffe  im  Bulletin  de  l'institut  archeo- 
logique  Liegeois  XXXVIII,  114  sqq.  werden  u.  a.  das  D. 
Heinrichs  IV.  Stumpf  Reg.  2889*  und  die  Urkunde 
Bischof  Heinrichs  I.  von  L  ü  1 1  i  c  h  ,  betr.  Donceel  von 
1084,  nach  der  gefälschten  Urschrift  (vgl.  Bresslau  N.  A. 
XXXIV,  409  fe.)  wieder  abgedruckt.  H.  W. 

289.  Der  fünfte  Bericht  von  H.  Simonsfeld  über 
Urkunden  Friedrichs  I.  in  Italien  (SB.  der  Kgl.  Bayer. 
Akademie  der  Wiss.,  Phil. -philol.  u.  bist.  Kl.  1909,  7.  Ab- 
handlung) informiert  über  die  Archive  und  Bibliotheken 
von  Ascoli  Piceno,  Fabriano,  Fermo,  Forli,  Gubbio,  Jesi, 
Matelica,  San  Severino  und  Savignano  di  Romagna.  Es 
folgen  noch  Beilagen,  in  denen  S.  auf  Deperdita  Fried- 
richs I.  für  Bobbio  und  Padua  aufmerksam  macht,  da- 
gegen ein  Deperditum,  das  man  für  Matelica  annahm,  mit 
St.  4435  identifiziert.  Die  vierte  Beilage  enthält  ungedruckte 
Urkunden  für  Fermo  (darunter  eine  des  EB.  Christian  von 
Mainz),  die  fünfte  bringt  den  Druck  des  Notariatsinstru- 
mentes von  1200,  in  dem  Johannes  Codagnellus  als  nota- 
rius  erwähnt  wird  (vgl.  loh.  Codagnelli  Ann.  Plac.  recogn. 
Holder- Egger  p.  VIII).  —  Zu  den  für  St.  4433  angeführten 
Ueberlieferungen  füge  icb  ein  notarielles  Vidimus  von  1501 
aus  dem  Kommunalarchiv  von  Ascoli  Piceno  hinzu,  das 
wegen  der  genauen  Beschreibung  der  heute  verlorenen 
Goldbulle  von  Wichtigkeit  ist.  H.  H. 

290.  Einem  dringenden  Bedürfnis  kommt  das  Buch 
von  Fritz  C  u  r  s  c  h  m  a  n  n  entgegen  'Die  älteren  Papst- 
urkunden  des  Erzbistums  Hamburg'  (Hamburg  und 
Leipzig,  Voss,  1909,  4t^,  129  S.  und  10  Lichtdruck -Tafeln). 
Das  Hauptverdienst  der  Arbeit  ruht  in  der  umfassenden 
Heranziehung  und  Sichtung  der  handschriftlichen  Ueber- 
lieferung  und  der  sorgsamen  Prüfung  des  Formulars  und 
der  Zergliederung  der  Fälschungen  nach  ihren  Quellen. 
Willkommen  ist  auch  der  zuverlässige  Abdruck  der  Texte, 


628  Nachrichten. 

obwohl  hier  vom  Standpunkt  der  Editionstechnik  manches 
einzuwenden  wäre.  Bei  den  Urkunden  Gregors  IV.  und 
Nikolaus'  I.  (n.  1  und  4),  bei  denen  C.  zwei  und  drei  ver- 
schiedene Ueberlieferungen  scheidet,  wird  jeder  Benutzer 
bedauern,  dass  C.  die  Texte  nach-  und  nebeneinander  ab- 
druckte, ohne  die  entlehnten  und  selbständigen  Teile  durch 
verschiedenen  Druck  kenntlich  zu  machen.  Ausser  dem 
Privileg  Clemens'  II.,  das  seit  langem  und  allgemein  für 
echt  galt,  und  dem  Leos  IX.,  dessen  Echtheit  P.  Kehr 
erwiesen  hatte,  tritt  C.  überzeugend  auch  für  die  Echtheit 
'der  Vorurkunde  Johanns  XV.  n.  18  ein.  Wenn  er  aber 
einen  gleichen  Rettungsversuch  auch  bei  den  Urkunden 
Gregors  IV.  und  Nikolaus'  I.  in  ihrer  Ueberlieferung  bei 
Caesar,  Triapostolatus  septentrionis,  unternimmt,  so  kann 
ich  ihm  hierin  unmöglich  folgen.  An  die  Echtheit  von 
Privilegien,  die,  nachdem  sie  bereits  zur  Poenformel  ge- 
langt waren,  wieder  mit  der  Pallien  -  Arenga  'Si  pastores 
ovium'  anheben,  werde  ich  nun  und  nimmer  glauben,  und 
die  Gründe,  mit  denen  C.  diese  von  ihm  selbst  als  auf- 
fällig und  ganz  vereinzelt  erkannte  Erscheinung  gutartig 
zu  erklären  sucht,  haben  auf  mich  keinen  Eindruck  ge- 
macht. Die  Urkunde  Nikolaus'  I.  trägt  überdies  schon 
dadurch  den  Stempel  der  Fälschung  an  sich,  weil  in  4a 
und  5,  was  C.  übersehen  hat,  eine  Wendung  aus  der  be- 
rüchtigten gefälschten  Gründungsurkunde  Karls  d.  Gr.  für 
Bremen  sich  findet  'et  quia  casus  praeteritorum  nos  cautos 
faciunt  in  futurum'  (vgl.  DK.  245,  MG.  DD.  Karoi.  I,  346 
Z.  18),  ein  Satz,  der  in  dieser  Fälschung  wie  das  meiste 
Uebrige  wahrscheinlich  wörtlich  schon  aus  Halberstadt  be- 
zogen war.  Ich  stehe  andererseits  nicht  an,  den  Abschnitt 
'Die  Urkunden  über  ßamelsloh'  (S.  87 — 100)  als  besonders 
gelungen  und  überzeugend  hervorzuheben.  Die  Fälschungen 
sind  nicht  einheitlich  entstanden,  sondern  verteilen  sich 
nach  C.  auf  5  verschiedene  Zeitpunkte,  die  er  folgender- 
massen  ansetzt:  1)  Zu  Ausgang  des  9.  Jh.  (888  —  909), 
Fälschung  der  Urkunde  Ludwigs  d.  Fr.  Mühlbacher  928 
(899)  in  der  ersten  jetzt  bekannten  Fassung.  2)  Um  das 
J.  1000,  Fälschung  der  Urk.  Ludwigs  d.  D.  M.  1372  (1333), 
der  Bulle  Nikolaus'  I.  C.  5  und  Verunechtung  von  DO.  I. 
18.  3)  1055 — 1085  und  innerhalb  dieser  Zeit  wahrscheinlich 
in  den  Anfängen  des  Erzbischofs  Liemar  (seit  1072),  Fäl- 
schung einer  Urk.  Sergius'  III.  4)  1122 — 1123,  12  Papst- 
urkunden und  ausserdem  die  weitere  Verfälschung  der  Ur- 
kunde Ludwigs  d.  Fr.  5)  1133  oder  unmittelbar  vorher, 
3    Papsturkunden,    Sergius  IL,    Leo  IV.    und    Hadrian   IL 


Nachrichten.  629 

Der  wesentliche  Unterschied  von  der  bisherigen  Annahme 
besteht  darin,  dass  die  Abschnitte  der  Fälschung  weiter 
auseinander  gerückt  werden  und  dass  gerade  der  Mann 
vollständig  entlastet  erscheint,  auf  den  man  bisher  mit  dem 
Finger  weisen  zu  können  glaubte,  Erzbischof  Adalbert  von 
Hamburg -Bremen.  Ob  diese  Aufstellungen  C.s  richtig 
sind,  ist  mir  noch  sehr  zweifelhaft;  für  den  wichtigsten 
Abschnitt,  den  vierten,  in  den  C.  die  Entstehung  des 
grössten  Teils  der  Fälschungen  setzt,  möchte  ich  dies 
sogar  bestimmt  bestreiten.  Der  terminus  ad  quem  ist 
durch  die  Ueberlieferung  gesichert;  einzelne  der  Urkunden 
stehen  bereits  in  dem  1125  abgefassten  Codex  Udalrici 
und  im  Codex  Vicelini,  den  der  Bremer  Domherr  Vicelin 
für  den  Abt  Hamuko  von  Abdinghof  (1114 — 1142)  mit 
Erlaubnis  seines  Erzbischofs  Friedrich  (f  1123)  anlegte. 
Weshalb  aber  das  Wormser  Konkordat  durchaus  den  ter- 
minus a  quo  bilden  muss,  leuchtet  mir  nicht  ein;  es  ist 
im  Gegenteil  höchst  unwahrscheinlich,  dass  die  Anlage  des 
Codex  Vicelini  gerade  erst  in  das  letzte  Jahr  (1123)  des 
Jahrzehnts  1114 — 1123  gefallen  sein  und  dass  einzelne  der 
Fälschungen  schon  im  ersten  oder  höchstens  zweiten  Jahr 
ihres  Bestehens  den  Weg  zu  Udalrich  von  Bamberg  ge- 
funden haben  sollten.  Der  Anfangstermin  liegt  möglicher- 
weise weit  vor  1122,  und  die  ganze  Untersuchung  bedarf 
hier  noch  ernster  Ueberprüfung.  Die  gefälschten  Königs- 
urkunden für  Bremen -Hamburg  hat  C.  zusammenhängend 
nicht  untersucht,  aber  zur  Kritik  einzelner  von  ihnen,  wie 
der  schon  genannten  Urkunden  Ludwigs  d.  Fr.  und  Lud- 
wigs d.  D.  schätzenswerte  Beiträge  geliefert.  Alles  in 
allem  eine  erfreuliche  Förderung  der  Forschung,  aber 
selbst  in  den  Grundzügen  noch  keine  abschliessende  Lösung 
der  alten  und  verwickelten  Streitfrage.  M.  T. 

291.  In  den  Bijdr.  tot  de  gesch.  van  het  hertogd. 
Brabant  1909  S.  379  f.  veröffentlicht  J.  B.  S  t  o  c  k  m  a  n  s 
nach  dem  Kapitels  -  Kartular  die  Bulle,  mit  der  Eugen  III. 
dem  Bischof  von  Cambrai  die  von  Konrad  III.  gewährte 
Freiheit  von  dem  'gavalum'  (so !)  des  Grafen  von  Flandern 
bestätigt,  Paris,  'kal.  lunii'  =  1.  Juni  1147.  Das  Stück 
ist  bereits  besser  nach  dem  Original  bei  Pflugk-Harttung, 
Acta  I,  194  gedruckt,  mit  'non.  lunii'  =  5.  Juni  1147, 
Jaffe-L.  9074.  Statt  'Guido  pbr.  card.  S.  Gorgonii'  lies 
'G.  pbr.  Card.  S.  G  r  i  s  o  g  o  n  i'.  A.  H. 

292.  Folgende  Einzeldrucke  von  Papst  Urkunden 
sind    aus    französischen    Zeitschriften   zu    verzeichnen :    Lu- 


630  Nachrichten. 

eins  III,  13.  Mai  1182  oder  1183  für  das  Priorat  Rethel, 
ed.  G.  Eobert,  Eevue  hist.  Ardennaise  XV  (1908),  222  sqq. 

—  Gregor  IX.,  26.  Aug.  1237,  ed.  L.  Guiraud,  Mem. 
de  la  soc.  archeol.  de  Montpellier,  2.  serie,  III  (1907),  195  sqq. 

—  Clemens  VI,  3.  Sept.  1350,  ed.  J.  Lestrade,  Eevue  de 
Comminges  XXII  (1907),  41  sq.  —  Sixtus  IV.,  6.  Okt.  1477, 
ed.  Ed.  Albe,  Bull,  de  la  soc.  scientif .,  bist,  et  archeol. 
de  la  Correze  XXX  (1908),  307  sqq.  E.  M. 

293.  25  unedierte  Urkunden  P.  Gregors  IX.  aus 
den  Jahren  1227 — 1235  publiziert  A.  Ferretto  im  Gior- 
nale  storico  e  letterario  della  Liguria  IX  (1908),  121 — 147. 

E.  S. 

294.  P.  J.  Goetschalckx  teilt  in  den  Bijdr.  tot 
de  gesch.  van  het  hertogd.  Brabant  1909  S.  382  eine  ürk. 
P.  Martins  IV.  für  die  Abtei  St.  Michael  in  Antwerpen 
von  1282  mit.  A.  H. 

295.  Im  Bulletin  de  la  Comm.  roj.  d'hist.  (de  Bel- 
gique)  LXXVIII,  142  sqq.  behandelt  Em.  Fairon  'ün 
pro] et  de  demembrement  du  diocese  de  Liege  propose 
par  les  Brabancons  en  1332  et  1336'  und  teilt  dabei  u.  a. 
mehrere  Stücke  aus  den  Eegistern  Johanns  XXII. 
von  1332  u.   1333  mit.  A.  H. 

296.  Aus  den  Eegistern  Clemens'  VI.  teilt 
U.  Berliere  in  den  Ann.  du  cercle  archeol.  de  Mons 
XXXVI,  264  sqq.  ein  das  Stift  Sart-les-Moines  betreffendes 
Stück  vom  26.  März  1352  mit.  A.  H. 

297.  In  den  Anal,  pour  serv.  ä  l'hist.  eccl.  de  la 
Belgique  XXXV,  36 1  sqq.  teilt  V.  Barbier  aus  den  Ee- 
gistern Innocenz'  VI.  fünf  Stücke  von  1356  u.  1357  mit, 
die  die  Einsetzung  des  Abts  Hermann  von  Grandpre  be- 
treffen. A.  H. 

298.  Aus  den  päpstlichen  Sekretregistern  veröffent- 
licht K.  H.  Schäfer  in  der  Eömischen  Quartalschrift 
XXII  (1908),  146—153  zwei  Urkunden  zur  Geschichte  der 
deutschen  Dominikanerprovinz  im  14.  Jh. 
Sie  betreffen  einen  Konflikt  mit  dem  Ordensgeneral. 

E.  S. 

299.  In  den  Etudes  des  peres  de  la  compagnie  de 
Jesus  CXI  (1907),  467—484.  639—654  behandelt  J.  Doize 
die  Finanzen  des  päpstlichen  Stuhls  in  avigno- 
nesiscber  Zeit.  E.  M. 


Nachrichten.  631 

300.  In  den  Mem.  de  l'acad.  de  Vaucluse,  2.  serie,  VII 
(1907)  331—363  veröffentlicht  P.  Pansier  einen  Aufsatz 
über  'Guilhem  Vial,  fustier,  fournisseur  du  pape  et  de  nos 
seigneurs  les  cardinaux  (1351 — 1388)',  in  dem  er  Auszüge 
aus  dem  Pechnungsbuche  der  von  diesem  gelieferten  Waren 
aus  der  Zeit  von  1365 — 1371  und  Pegesten,  Urkunden  und 
Aktenstücke  von  1351—1397  druckt.  E.  M. 

301.  Die  1909  erschienene  zweite  Abteilung  des 
Westfälischen  Urkundenbuchs  enthält  die  Urkunden  (sehr 
viele  nur  in  Regestenform)  des  Bistums  Münster  der 
Jahre  1310 — 1316  bearbeitet  von  Archivrat  P.  Krumb- 
holtz.  O.  H.-E. 

302.  Im  Bull,  de  la  soc.  d'art  et  d'hist.  de  Liege 
XVI,  1  sqq.  und  449  sqq.  stellt  E.  Schoolmeesters  Pe- 
gesten des  Pobert  von  Thourotte,  Bischofs  von  L  ü  1 1  i  c  h 
1240 — 46  zusammen  und  druckt  dabei  zum  ersten  Mal  eine 
grosse  Anzahl  Urkunden  desselben  ab.  A.  H. 

303.  Jos.  H  alkin  und  C.  G.  Pol  and,  Pecueil 
des  chartes  de  l'abbaye  de  Stavelot-Malmedy,  Bru- 
xelles  1909,  I.  Band,  haben  sich  an  einen  Stoff  gewagt, 
zu  dessen  Bewältigung  ihre  Kenntnisse  nicht  hinreichten. 
Der  Band  vereinigt  das  bisher  zerstreute  Urkundenmaterial 
der  alten  Ardennen  -  Stifter  bis  1200,  und  die  handschrift- 
lichen Forschungen  haben  einzelne  bisher  unbekannte 
Stücke  ans  Licht  gebracht,  aber  die  dürftige  und  gänzlich 
rückständige  historische  Einleitung  und  die  zumeist  aus 
Pardessus  abgeschriebenen  kritischen  Bemerkungen  zu  den 
alten  Stiftungsbriefen  verraten  eine  solche  Unkenntnis  der 
fränkischen  Quellenforschung  und  der  historischen  For- 
schungsmethode überhaupt,  dass  man  eigentlich  den  Mut 
der  Herausgeber  bewundern  muss.  Dem  nur  in  mittel- 
alterlichen Kopialbüchern  erhaltenen  und  von  Kopisten 
überarbeiteten  und  teilweise  auch  verfälschten  Urkunden- 
material standen  sie  völlig  hülflos  gegenüber,  und  von  der 
feineren  Kritik,  der  Verbesserung  des  Formulars  aus  ein- 
wandfreien Quellen  u.  s.  w.  ist  überhaupt  keine  Pede.  Die 
Begründung  meines  Urteils  muss  ich  mir  für  eine  andere 
Gelegenheit  vorbehalten.  Die  Kollationen  sind  im  All- 
gemeinen zuverlässig.  B.  Kr. 

304.  Ausführliche  'Notes  pour  servir  ä  l'histoire  des 
paroisses  qui  dependaient  de  l'abbaye  de  Saint-Trond' 
veröffentlicht  G.  Simenon  im  Bull,  de  la  soc.  d'art  et 
et  d'hist.  de  Liege  XVII,  1  sqq.      Er   gibt   darin   zunächst 


632  Nachrichten. 

eine  Uebersicht  der  Kirchen  und  Benefizien,  die  vom  Abt 
zu  vergeben  waren,  und  behandelt  dann  eingehend  die  ein- 
zelnen Kirchen  und  ihre  Geistlichen.  Er  teilt  dabei  u.  a. 
eine  ürk.  des  Kardinallegaten  C(onrad)  von  Porto  und 
S.  ßufina  für  den  Abt  von  St.  Trond  mit,  'Datum  Bunne 
XII.  kal.  lunii'  {=  21.  Mai),  die  aber  nicht,  wie  er  meint, 
'vers  1223',  sondern  nach  dem  Itinerar  Konrads,  der  erst 
im  Frühjahr  1224  zum  Legaten  ernannt  wurde,  nur  zu 
1224  gesetzt  werden  kann.  Da  Konrads  Aufenthalt  in 
Bonn  durch  Reg.  imp.  V,  n.  10009 f.  für  den  21.  Juni  d.  J. 
bezeugt  ist,  so  steckt  vielleicht  auch  in  der  Monatsangabe 
ein  Fehler.  A.  H. 

305.  Dem  lehrreichen  Aufsatze  von  Fr.  Grimme 
über  den  Trierer  Erzbischof  Jakob  von  S  i  r  c  k  und 
seine  Beziehungen  zur  Metzer  Kirche  (Jahrbuch  der  Ge- 
sellschaft für  lothring,  Geschichte  und  Altertumskunde 
XXI,  108  ff.)  sind  drei  Urkunden  vom  J.  1455  beigegeben, 
die  sich  auf  seine  Ernennung  zum  Koadjutor  des  Metzer 
Stiftes  beziehen.  H.  Br. 

306.  Den  IV.  Bd.  (Paris  1903—1905)  der  Mettensia, 
Mem.  et  doc.  publ.  par  la  soc.  nation.  des  antiq.  de  France, 
bildet  die  von  P.  Marichal  besorgte  Ausgabe  des  im 
J.  1461  angelegten  Chartulars  des  Bistums  Metz,  des 
sog.  3.  'registre  des  fiefs  (ßibl.  nat.,  ms.  Lat.  10  021)'.  Der 
V.  Bd.  (1906—1908)  enthält  Versuche  der  Wiederherstellung 
der  beiden  älteren  Chartulare,  eine  ausführlich  auf  die 
Archivgeschichte,  die  Inventare  und  die  Kanzleiregister  ein- 
gehende Einleitung,  ein  chronologisches  Gesamtverzeichnis 
(die  Hauptmasse  der  Urkunden  setzt  mit  dem  13.  Jh.  ein) 
und  ein  langes  alphabetisches  Register  zum  Ganzen. 

E.  M. 

307.  In  der  Revue  d'Alsace,  5.  serie,  IX  (1908),  318 
— 353  veröffentlicht  Ed.  G  a  s  s  e  r  einen  Aufsatz  über  die 
Abtei  M  a  s  m  ü  n  s  t  e  r  in  den  Vogesen.  Er  druckt  darin 
die  Urkunde  Ludwigs  des  Frommen  M.  776  (751),  von 
deren  grober  Fälschung  er  keine  Ahnung  hat,  nach  be- 
kannter Ueberlieferung  neu,  aber  schlecht,  ferner  eine 
solche  Bischof  Liutolds  von  Basel  von  1241,  und  eine  der 
Katharina  von  Burgund,  Herzogin  von  Oesterreich,  von 
1410.  E.  M. 

308.  Die  den  zwei  letzten  Heften  der  Zeitschr.  f.  d. 
Gesch.  des  Oberrheins  (N.  F.  Bd.  XXIV)  beigegebenen 
Archivberichte   betreffen   das   Roth  von  Schrecken- 


Nachrichten.  633 

steiniscbe  Archiv  zu  Billafingen,  das  Mentzingeusche  Archiv 
zu  Hug-stetten  bei  Freiburg  und  das  Gemeindearchiv  von 
Rust  (BA.  Ettenheim).  Die  Zahl  der  mittelalterlichen  Ur- 
kunden (vom   14.  Jh.  an)  ist  nicht  gross.  H.  H. 

309.  Barthel  Heine  mann  bringt  üeissig  gearbeitete 
und  sauber  durchgeführte  Beiträge  zum  Urkundenwesen 
der  Bischöfe  von  Konstanz  im  13.  Jh.  (Abhand- 
lungen z.  mittleren  u.  neueren  Gesch.,  herausgegeben  von 
Below,  Finke,  Meinecke,  Berlin,  Rothschild,  1909,  14.  Heft, 
111  S.).  Da  das  erhaltene  Urkundenmaterial  für  die  frühere 
Zeit  auffällig  gering  ist,  setzt  die  Untersuchung  erst  mit 
1189  ein.  Bedeutende  Schwierigkeiten  bereitete  die  grosse 
räumliche  Zersplitterung  der  Bestände;  doch  hat  der  Verf. 
den  grössten  Teil  der  Originale  selbst  geprüft.  Auf  eine 
Geschichte  der  Kanzlei  (der  Notar  Heinrich  in  den  70er 
Jahre'n  des  13.  Jh.  war  zugleich  einer  der  ersten  in  Deutsch- 
land nachweisbaren  öffentlichen  Notare)  folgt  eine  durch 
eine  Reihe  von  Facsimiles  dankenswert  erläuterte  Schei- 
dung der  Schreiber  und,  wie  heutzutage  selbstverständlich, 
der  Kanzlei-  und  Empfängerausfertigungen.  Päpstliche  Ein- 
flüsse scheinen  bei  den  Konstanzer  Urkunden  geringer  ge- 
wesen zu  sein  als  bei  denen  manches  anderen  Territoriums; 
doch  hätte  man  hierüber  eine  zusammenfassende  Erläute- 
rung wohl  gewünscht.  Im  Anhang  handelt  H.  über  Kon- 
rad von  Mure  als  Urkundenschreiber  (S.  106)  über  das 
bischöfliche  Archiv  (S.  107)  und  über  Fragmente  eines 
Rechnungsbuches  des  Konstanzer  Propstes  Heinrich  von 
Klingenberg  (S.  108),  die  er  aus  dem  Texte  der  Perga- 
mentstreifen zusammenstellte,  an  denen  die  7  Siegel  einer 
Urkunde  von  1278  Mai  9  hingen.  M.  T. 

310.  Die  Freiburger  Dissertation  von  E.  Fleig: 
Handschriftliche,  wirtschafts-  und  verfassungsgeschichtliche 
Studien  zur  Geschichte  des  Klosters  St.  Peter  auf  dem 
Schwarzwald  (1908)  bietet  eine  neue  Ausgabe  des  Rotulus 
Sanpetrinus  mit  dem  'Versuch',  die  darin  enthaltenen 
undatierten  Urkunden  und  Traditionen  chronologisch  zu 
ordnen.  H.  W. 

311.  Eine  Freiburger  Dissertation  von  J.  Enderle 
bringt  zwei  Kapitel  einer  grösseren  Arbeit  'Studien  über 
den  Besitz  des  Klosters  St.  Blasien  von  seinen  Anfängen 
bis  ins  14.  Jh.'  Sie  betreffen  die  Anfänge  des  Klosters 
und  seinen  unmittelbaren  Besitz  bis  ins  14.  Jh.  Die  Sorg- 
falt der  Arbeit  lässt  von  dem  Ganzen  das  Beste  hoffen. 

H.  H. 


634  Nachrichten. 

312.  Von  der  durch  die  Badische  hist.  Kommission 
veranstalteten  Ausgabe  von  Abbildungen  der  Siegel  der 
Badischen  Städte  liegt  nun  ein  drittes  Heft  mit 
den  Siegeln  der  Städte  in  den  Kreisen  JFreiburg,  Villingen 
und  Lörrach  vor  (Heidelberg  1909).  Die  Reproduktion  er- 
folgte auf  Grund  von  Zeichnungen,  die  F.  Held  besorgt 
hat;  die  Erläuterungen  stammen  für  die  Kreise  Villingen 
und  Lörrach  von  F.  F  r  a  u  k  h  a  u  s  e  r ,  für  den  Kreis  Frei- 
burg von  A.  K  r  i  e  g  e  r.  H.  H. 

313.  Leben  und  Wirken  des  Bischofs  Heinrichs  I. 
von  Bamberg  hat  Oskar  Kreuzer  in  einer  gründlichen 
und  verdienstvollen  Monographie  behandelt.  Nachdem  er 
zuerst  in  dem  Programm  des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Schwein- 
furt 1901  'Regesten  des  Bamberger  Bischofs  Heinrichs  I. 
von  Bilversheim,  1242 — 1257'  vorangeschickt  hatte,  Hess  er 
in  3  Abteilungen  die  Darstellung  folgen  (Heinrich  I.  von 
Bilversheim,  Bischof  von  Bamberg  1242  — 1257',  Programm 
des  Kgl.  Neuen  Gymnasiums  in  Bamberg,  1907.  1908.  1909), 
die  auf  umsichtiger  Quellenbenutzung  aufgebaut  ist  und 
neben  Ausblicken  auf  die  Stellung  des  Bischofs  in  der 
Reichspolitik  vor  allem  die  Geschichte  des  geistlichen 
Territoriums  und  die  Kenntnis  genealogischer  Zusammen- 
hänge fördert.  Ein  eigener  Exkurs  des  letzten  Beitrags 
handelt  'über  die  Münzberechtigung  des  Hochstifts  Bam- 
berg in  Kärnten'.  M.  T. 

314.  In  der  Walhalla,  Bücherei  für  Vaterländische 
Geschichte  u.  s.  w.  heransg.  von  ü.  Schmid  III,  219  ff. 
publiziert  J.  Wiedemann  eine  bisher  im  Wortlaut  un- 
bekannt gebliebene  Urkunde  des  Bischofs  Konrad  II I. 
von  Regensburg  vom  19.  Febr.  1187  nach  dem  Ori- 
ginal. Sie  besitzt  Interesse  durch  den  nachträglich  hinzu- 
gefügten Zusatz  über  die  Belehnung  K.  Friedrichs  I. 
mit  dem  erledigten  Lehen  des  Burggrafenamts.  Unter  den 
Zeugen  dieser  Uebertragung  ist  zu  dem  Titel  'cancellarius 
sacri  palatii'  der  Name  unausgefüllt  geblieben.  —  Ebenda 
S.  222  f.  publiziert  U.  Schmid  eine  Bulle  Gregors  IX. 
vom  23.  Dez.  1233  für  den  Propst  von  Schussenried  mit 
beigegebenem  Facsimile.  Auf  den  S.  225  u.  229  druckt 
derselbe  noch  zwei  Privaturkunden  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  13.  Jh.  H.  W. 

315.  Vom  Urkundenbuch  der  Stadt  und  Landschaft 
Zürich,  bearbeitet  von  (f)  J,  E  s  c  h  e  r  und  P.  Schweizer, 
ist  die  erste  Hälfte  des  VIII.  Bandes  (1304 — 1308)  erschienen. 

H.  H. 


Nachrichten.  635 

316.  Das  dritte  Heft  der  Fortsetzung  der  Archiv- 
Berichte  aus  Tirol  (Mitteilungen  der  dritten  (Archiv-)  Sek- 
tion der  K.  K.  Zentral -Kommission  zur  Erf.  u.  Erh.  der 
Kunst-  und  historischen  Denkmale  Bd.  VII;  vgl.  oben 
S.  304,  n.  113)  bringt  ein  Verzeichnis  der  Archivalien 
des  Gerichtsbezirkes  Kitzbühel  von  F.  K  o  g  1  e  r.  Die 
Hauptmasse  des  IJrkundenmaterials  gehört  dem  15.  Jh.  an, 
doch  reichen  einzelne  Bestände  bis  ins  13.  Jh.  zurück. 
Reichhaltig  ist  das  Stadtarchiv  von  Kitzbühel.  H.  H. 

317.  Quintillo  Perini,  La  contea  di  Nomi  (Ro- 
vereto  1909),  behandelt  die  Geschichte  der  in  Südtirol  im 
Lagarinatal  belegenen  Landschaft  Nomi  mit  Benutzung 
ungedruckter  Urkunden,  von  denen  hier  nur  ein  S.  15  f. 
herausgegebener  V  e  r  t  r  a.  g  zwischen  Aldrighetto  di  Castel- 
barco  und  dem  Herzog  Friedrich  von  Oesterreich- 
Tirol  vom  12.  Nov.   1416  zu  erwähnen  ist.  H.  Br. 

318.  In  der  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kultur- 
geschichte Oesterreichisch- Schlesiens  werden  die  Regesten 
der  Urkunden  nachfolgender  Städte  verzeichnet :  Jägern- 
dorf  seit  926  (?)  in  Jahrg.  I,  112  von  E.  Rzehak, 
Freistadt  und  Jablunkau  seit  1447  (bzw.  1560)  in 
Jahrg.  II,  103  von  Popiolek,  Burg  und  Stadt  G  r  ä  t  z 
a.  d.  Mohra  seit  1031  mit  verbindendem  Texte  und  kriti- 
schen Bemerkungen  in  Jahrg.  III,  65  von  E.  Rzehak, 
Oderberg  seit  1426,  Schwarzwasser  seit  1482  in 
Jahrg.  III,  97  von  Popiolek;  die  älteren  Urkunden 
von  Bielitz  seit  1312  werden  wörtlich  wiedergegeben 
in  Jahrg.  III,  146  von  Gorge;  die  Geschichte  von 
Wockendorf  behandelt  ebenda  S.  107  ff.  K.  M.  Schneider. 

B.  B. 

319.  Eine  interessante,  sehr  inhaltreiche  Bauurkunde 
betreffend  den  Glockenturm  auf  der  Insel  Frauenwörth, 
ausgestellt  von  Elspet  Aebtissin  zu  Chiemsee  vom  J.  1395, 
lesen  wir  in  den  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Bene- 
diktiner- und  dem  Cistercienser- Orden  Jahrg.  XXX  (1909), 
S.  451,  veröffentlicht  von  M.  G  e  r  t  r  u  d  i  s.  B.  B. 

320.  Unter  dem  Titel  'Misnensia  im  Archiv  der  Stadt 
Mühlhausen  in  Thüringen'  publiziert  K.  v.  Kauf fun gen 
in  den  Mitteilungen  des  Vereins  f.  Gesch.  d.  Stadt  Meissen 
VII,  490  —  499  einige,  z.  T.  noch  ungedruckte  Urkunden 
zur  Meissnischen  Geschichte  des  14.  und  15.  Jh.      M.  Kr. 

321.  Im    33.  und  34.  Bericht    der   wissenschaftlichen 
Gesellschaft  Philomathie  in  Neisse  (1904—08)  teilt  Unter- 
Neues  Archiv  etc.   XXXV.  41 


636  Nachrichten. 

lau  ff   Eegesten    über   'Neisser  Urkunden   im  Diözesan- 
archiv  zu  Breslau'  (vom  Jahre  1298  an)  mit.  M.  Kr. 

322.  In  der  Zeitschrift  Oberschlesische  Heimat  V,  3, 
S.  121—129  zeigt  Konrad  Wutke,  dass  die  Angabe  einer 
gefälschten  Urkunde  von  Leubus,  Herzog  Boleslaw  I. 
von  Schlesien  habe  an  einer  Heerfahrt  K,  Heinrichs  VI. 
in  der  Lombardei  Teil  genommen,  die  man  für  wahr  ge- 
halten hat,  zu  verwerfen  ist  und  legt  die  Entstehung  der 
falschen  Nachricht  dar.  O.  H.-E. 

323.  In  den  Mitteilungen  des  Westpreussischen  Ge- 
schichtsvereins Jahrgang  VIII,  35 — 38  handelt  P.  Simson 
über  '  D  a  n  z  i  g  und  das  Ablassgeld  für  das  Baseler 
Konzil'  unter  Mitteilung  einer  Urkunde  des  Deutsch- 
ordenshochmeisters vom  4,  Juni  1448.  M.  Kr. 

324.  In  den  Beiträgen  zur  Geschichte  Dortmunds 
und  der  Grafschaft  Mark  XVII,  1—64  (1909)  veröffentlicht 
El  o  t  h  e  r  t  eine  Studie  :  'Die  Westfalen  in  Danzig.  Ein 
Stück  mittelalterlicher  Kolonialgeschichte'.  Im  Anhange 
sind  eine  Anzahl  Urkunden  des  14.  und  15.  Jh.  abgedruckt. 

E.  P. 

325.  Ueber  'Die  Verschwörung  von  Segewold  (1316)', 
eine  Episode  in  dem  Kampfe  des  Deutschordens  mit  dem 
Erzbischof  von  Riga  um  die  Herrschaft  in  Livland, 
handelt  J.  H  a  1 1  e  r  in  den  Mitteilungen  aus  der  livländi- 
schen  Geschichte  XX,  126 — 168  auf  Grund  zweier  Akten- 
stücke des  Vatikanischen  Archivs,  deren  Wortlaut  im  An- 
hang mitgeteilt  wird.  M.  Kr. 

326.  Einen  kulturgeschichtlich  interessanten  Aufsatz 
veröffentlichte  E.  P  i  c  a  r  d  in  den  Mem.  de  l'acad.  des 
Sciences,  arts  et  belies  -  lettres  de  Dijon  X  (1905/6),  307 — 439 
über  den  Marstall  Philipps  des  Kühnen,  Herzogs 
von  Burgund.  Er  beruht  hauptsächlich  auf  den  herzog- 
lichen Eechnungen ;  es  werden  darin  zahlreiche  Aktenstücke 
abgedruckt  und  das  Reitersiegel  des  Herzogs  samt  Rück- 
siegel abgebildet.  E.  M. 

327.  In  den  Gedenkschriften  des  Oudheidskund. 
Kring  van  Dendermonde,  2.  Reihe,  XII,  310  wird  die 
'Eedaflegging  van  Maria  van  Burgondie  als  vrouwe  van 
Dendermonde'  20.  April  1477  abgedruckt.  A.  H. 

328.  P.  Gautier,  Etüde  sur  un  diplöme  de  Robert 
le  Pieux  (Moyen  Age  XIII,  1909,  225—285)  erweist  unter 
Beigabe  von  Facsimiles   in   eingehender  Untersuchung   die 


Nachrichten.  637 

ünechtheit  der  Urkunde  K.  Eoberts  v.  Frankreich 
für  Saint-Benigne  in  Dijon  von  1015  Jan.  25,  die  auch 
bisher  schon  teils  angezweifelt,  teils  verworfen  war.  Er 
setzt  die  Fälschung  in  das  Jahr  1066  und  bringt  sie  in 
Zusammenhang  mit  der  Fälschung  einer  Urkunde  Karls 
d.  Kahlen  von  869  Juli  21,  einer  solchen  des  K.  Eudolf 
von  925  Mai  30,  zweier  Bullen  Benedikts  VIII.  von  1012 
Nov.  30  und  einer  undatierten  Urkunde  Herzog  Eoberts  I. 
von  Burgund.  Die  Texte  dieser  Fälschungen  gelangen  im 
Anhang  zum  Abdruck.  M.  T. 

329.  Im  Bulletin  de  la  soc.  de  l'histoire  de  Paris 
XXXVI,  69  sqq.  werden  sieben  Diplome  französischer 
Könige  (1140 — 1207)  zum  ersten  Male  gedruckt,  darunter 
eine  Urkunde  der  Königin  Adela  (Mutter  Philipps  II. 
August)  von  1201.  —  Ebenda  S.  90  ff.  druckt  und  erläutert 
E.  P.  ein  Diplom  Kg.  Ludwig  VII.  von  1156/7  für  St.-Cjr 
nach  dem  Original.  H.  W. 

330.  Seinem  Buche  'La  Provence  du  1.  au  12.  siecle, 
Etudes  d'histoire  et  de  geographie  politique  (Mem.  et  doc. 
publ.  par  la  soc.  de  l'ecole  des  chartes  VIII,  Paris  1908, 
531  SS.)  gibt  G.  de  Manteyer  eine  chronologische  Ab- 
handlung über  die  Jahresbezeichnungen  in  der  königlichen 
Kanzlei  und  9  Privat-  (Grafen-)  Urkunden  aus  dem  Ende 
des  10.  und  dem  Anfang  des  11.  Jh.  bei.  E.  M. 

331.  Das  von  J.  Guiraud  bearbeitete  Cartulaire 
de  N  o  t  r  e  -  D  a  m  e  de  P  r  o  u  i  1 1  e  ,  (2  Bde.,  gr.  4*^, 
CCCLII,  286  -f-  355  SS.,  Paris,  Alph.  Picard  et  Fils,  1907), 
ist  nicht  der  Abdruck  eines  alten  Kopialbuchs,  sondern 
ein  'cartulaire  artificiel',  ein  Urkundenbuch  im  deutschen 
Sinne.  Dass  darin  die  auf  die  Klostergeschichte  bezüg- 
lichen Urkunden  nicht  nach  ihrer  zeitlichen  Folge  ge- 
ordnet, sondern  in  18  sachliche  und  örtliche  Abteilungen 
gegliedert  sind,  ist  ein  Mangel,  dem  die  beigegebene  Zeit- 
tafel nicht  vollkommen  abhilft.  So  bilden  die  Papst- 
urkunden eine  geschlossene  Gruppe  von  68  Stücken  aus 
der  Zeit  von  1215  bis  1323,  die  sich  an  die  Gründungs- 
urkunde für  den  heil.  Dominicus  v.  J.  1206  anschliesst. 
Es  folgen  die  Grafen-  und  Königsurkunden,  letztere  von 
1226  bis  1332  (und  im  Anhang  eine  Karls  VII.  von 
1425/6);  dann  die  Dominikanerordenssachen  von  1258  bis 
1844,  welche  die  Beziehungen  dieses  ältesten  Klosters  zum 
Gesamtorden  und  zu  andern  Konventen  desselben  be- 
treffen.    Im  zweiten  Bande  schliessen  sich  an  die  Gelübde- 

41* 


638  Nachrichten. 

Urkunden  in  zwölf  geographisch  geordneten  Abteilungen 
die  auf  das  Kloster  und  seine  einzelnen  Besitzungen  be- 
züglichen Stücke  an,  die  bis  zum  J.  1346  (die  des  Anhangs 
bis  1427)  reichen.  Ausführliche  Personen-  und  Orts- 
verzeichnisse zu  den  548  Nummern  beschliessen  den  Band. 
Die  Einleitung  des  ersten  Bandes  bildet  eine  sehr  um- 
fangreiche Abhandlung  über  das  Albigensertum  im  Lande 
Languedoc  im  12.  und  13.  Jh.,  auf  die  hier  nicht  ein- 
gegangen werden  kann ;  zu  vergleichen  ist  die  ausführliche 
und  sachkundige  Besprechung  von  Ach.  Luchaire  im 
Journal  des  Savants,  Nouv.  serie  VI  (1908),  17  sqq.  Sehr 
viel  bequemer  wäre  die  Benutzung  des  Urkundenbuchs  ge- 
worden, wenn  man  dasselbe  in  einem  Bande  vereinigt  und 
der  Darstellung  den  andern  zugewiesen  hätte;  das  Stärke- 
verhältnis der  Bände  wäre  dabei  dasselbe  geblieben.  Vor- 
züglich ist  die  Druckausstattung  des  wertvollen  Werkes. 

E.  M. 

332.  In  der  Eevue  hist.  et  archeol.  du  Maine  LXIII 
(1908),  32.  145.  289  sqq.  LXIV,  18.  132.  246  ff.  LXV  (1909) 
48.  226.  330  sqq.  veröffentlicht  L.  Gelier  Regesten  der 
Bischöfe  von  L  e  M  a  n  s  bis  zum  Ende  des  13.  Jh.       E.  M. 

333.  In  den  Mem.  de  la  commission  des  antiquites 
du  dep.  de  la  Cote-d'Or  XIV,  103—112  druckte  und  be- 
sprach E.  F  y  o  t  zwei  Aktenstücke  des  Jahres  1433,  die 
sich  auf  einen  Anschlag  des  Günstlings  Karls  VII.  von 
Frankreich,  Georgs  de  la  Tremoille,  gegen  den  burgundi- 
schen  Kanzler  Rolin  beziehen.  E.  M. 

334.  In  den  Memorie  storiche  Forogiuliesi,  Anno  V, 
fasc.  1,  13 — 16  gab  P.  S.  Leicht  zwei  Urkunden  vom  Jahre 
1183  heraus,  die  sich  auf  eine  vom  Patriarchen  Gottfried 
von  Aquilej  a  für  den  Kaiser  Friedrich  geleistete 
Zahlung  beziehen.  Der  Empfänger  der  Zahlung  ist  ein 
Sohn  des  Jakob  Isembard  von  Pavia,  der  mehrfach  als 
Geschäftsträger  des  Kaisers  für  diesen  geleistete  Zahlungen 
entgegen  nimmt;  vgl.  LL.  Const.  I,  n.  308.  310.  311. 

Ebenda  S.  17 — 32  erläuterte  Agostino  Diana  die 
römisch -rechtliche  'oblatio  libelli',  die  in  einer  dort  ab- 
gedruckten Urkunde  von  Ende  Sept.  1190  vorkommt  über  eine 
Gerichtsverhandlung,  welche  in  Sachen  eines  Rechtsstreites 
zwischen  dem  Archidiakon  und  Propst  von  Aquileja 
vor  demselben  Patriarchen  stattfand,  als  er  gerade  im  Be- 
griff war  zum  Papst  und  König  (Heinrich  VI.)  abzureisen. 

0.  H.-E. 


Nachrichten.  639 

335.  Aus  einer  ehemals  dem  bekannten  Geschicht- 
schreiber von  Aquileja  de  Rubeis  gehörigen  Hs.  gab  Giu- 
seppe Bragato  in  demselben  Heft  dieser  Zeitschrift  S.  79 
— 84  Regesten  von  Urkunden  aus  Aquileja  heraus,  die 
mit  1257  beginnen,  in  diesem  Hefte  bis  1296  reichen.  Die 
Fortsetzung  folgt  in  späterem  Heft.  Hierbei  sei  auch 
notiert  eine  Urkunde  von  1242  über  einen  Rechtsstreit 
über  den  Besitz  eines  Knechtes,  die  Ant.  Battistella 
ebenda  S.  78  f.  herausgab.  O.  H.-E. 

336.  Unter  dem  Titel  'Nuovi  documenti  Viscontei 
tratti  dair  archivio  di  stato  di  Venezia'  gab  Mario  Brü- 
nett! im  Archivio  storico  Lombardo,  serie  quarta,  Anno 
XXXVI,  fasc.  23,  p.  1  —  90  14  Urkunden  zur  Geschichte 
der  Söhne,  besonders  Karl  und  Mastinus,  und  Enkelkinder 
des  von  Gian  Galeazzo  abgesetzten  Herren  von  Mailand 
Bernabö  Visconti  aus  den  Jahren  1383  — 1423  heraus 
und  entwickelte  die  politischen  Verhältnisse,  auf  die  durch 
diese  Dokumente  neues  Licht  fällt,  besonders  das  Ver- 
hältnis der  genannten  Visconti  zu  Gian  Galeazzo  und  den 
Herzogen  von  Bayern.  O.  H.-E. 

337.  Der  43.  Band  der  'Biblioteca  della  societä 
storica  Subalpina'  enthält  mehrere  kleine  Urkundenbücher. 
Das  erste ,  eine  von  Erwig  G  a  b  o  1 1  o  herausgegebene 
Sammlung  der  Urkunden  von  Gassino,  beginnt  mit  einem 
wenig  befriedigenden  Abdruck  der  Urk.  Arduins  St.  1849 
=  DArd.  10,  die  trotz  Holtzmanns  Ausführungen  hier 
wieder  zu  1004  angesetzt  ist ;  einige  rechtsgeschichtlich 
nicht  uninteressante  Privaturkk.  des  11.  Jh.  schliessen  sich 
an.  Aus  der  zweiten  von  G.  F  r  o  1  a  bearbeiteten  Samm- 
lung, dem  'Cartario  di  S.  Maria  di  Belmonte  e  di 
S.  Tomaso  di  Buzzano',  ist  der  Druck  einer  Urk.  Niko- 
laus' IL  1059  Dez.  30  (J.-L.  n.  4422;  Or.  in  Cherasco)  zu 
notieren.  R.  S. 

338.  Gerolamo  Biscaro  handelte  im  Archivio  storico 
Lombardo,  serie  IV,  Anno  XXXVI,  fasc.  22,  p.  297—314 
über  die  Schlacht  von  Carcano  1160,  in  der  K.  Fried- 
rich I.  von  den  Mailändern  geschlagen  wurde,  anlässlich 
eines  Fundes.  In  einer  Privilegienbestätigung  des  Gian 
Galeazzo  Visconti  für  die  Leute  von  Erba  und  Orsenigo 
vom  J.  1386  findet  sich  ein  Auszug  einer  Urkunde  der 
Konsuln  von  Mailand  von  1160  Aug.  30,  in  denen  die 
Leute  von  Erba  und  Orsenigo  für  die  Hülfe,  die  sie  bei 
der  Belagerung  von  Carcano  und  in  der  Schlacht  geleistet 


640  Nachrichten. 

haben,  von  allen  Steuern  und  Zöllen  befreit  werden.  Diesen 
interessanten  Auszug  druckte  B.  ab.  Calco  und  Corio  haben 
ihn  gekannt. 

Herr  B.  sagt,  dass  er  noch  die  Ausgabe  der  Annales 
Mediolanenses,  nicht  die  meinige  der  Gesta  Federici  I.  in 
den  Scriptores  rerum  Germanic.  zitiert,  weil  diese  nicht  in 
den  SS.  der  MG.  erscheinen  wird.  Dazu  ist  zu  bemerken, 
dass  es  doch  Grundsatz  ist,  stets  die  letzte  Ausgabe  zu 
zitieren,  wenn  diese  besser  als  die  früheren  ist,  ferner 
dass  wir  durch  die  Neuausgaben  in  den  SS.  rerum  Ger- 
manic. eben  ungenügende  ältere  Ausgaben  in  den  MG.  SS. 
ersetzen  wollen,  dass  nun  jene  allein  benutzt  werden  sollen. 

0.  H.-E. 

339.  Beachtenswerte  Erläuterungen  zu  der  höchst 
merkwürdigen,  unverkennbar  an  altrömische  Formulare  an- 
knüpfenden Fassung  der  von  Schiaparelli  aufgefundenen 
langobardischen  Urkunden  des  8.  Jh.  aus  der  Diö- 
zese Piacenza  (oben  S.  310,  n.  139)  geben  N.  Tamassia 
und  P.  S.  Leicht  in  den  Atti  des  R.  Istituto  Veneto  di 
scienze,  lettere  ed  arti  LXVIII,  857  sqq.  H.  Br. 

340.  Im  Jahre  1907  wurde  in  Bologna  eine  Kommis- 
sion für  die  Geschichte  der  Universität  Bologna  begründet, 
welche  die  Studi  e  Memorie  per  la  storia  dell'  Universitä  di 
Bologna  herausgibt  und  jetzt  (Bologna  1909)  den  ersten 
Band  eines  Chartularium  studii  Bononiensis  hat 
erscheinen  lassen.  Der  Band  ist  bearbeitet  von  Luigi 
N  a  r  d  i  und  Emilio  0  r  i  o  1  i  und  mit  einem  Vorwort  von 
dem  Sekretär  der  Kommission,  Albano  So  r  belli,  ver- 
sehen. Die  Urkunden  sind  zum  Teil  im  vollen  Wortlaut 
abgedruckt,  zum  grossen  Teil  werden  nur  Auszüge  oder 
ßegesten  geboten,  da  im  wesentlichen  nur  das  gegeben 
werden  soll,  was  sich  auf  Professoren,  Studenten  und  über- 
haupt auf  das  Studium  bezieht.  Die  Urkunden  werden  in 
5  Abteilungen  zusammengefasst,  nämlich  solche  aus  dem 
Registro  grosso  (ältestem  Kopialbuch  der  Stadt)  1189  — 
1278,  aus  dem  Registro  nuovo  (dem  jüngeren  Kopialbuch) 
1203  —  1447,  Prozesse  und  Urteile  nach  Originalen  und 
Abschriften  1204 — 1272,  aus  dem  Archive  der  Dominikaner 
von  St.  Johannes  Bapt.  (jetzt  im  Staatsarchiv  zu  Bologna) 
1159.  1214  — 1499,  aus  dem  Archive  der  Augustiner -Ere- 
miten zu  St.  Jakob  (jetzt  im  Staatsarchive)  1271 — 1457. 
Am  Schlüsse  folgt  ein  chronologisches  Verzeichnis  aller 
Stücke.     Die   älteren   und  wichtigeren  Urkunden    aus    den 


Nachrichten.  641 

beiden  Registern  waren  zum  grossen  Teil  schon  von  Savioli 
oder  Sarti  herausgegeben.  0.  H.-E. 

341.  Im  Archivio  storico  Lombardo,  serie  IV,  anno 
XXXVI,  fasc.  22,  p.  315  —  386  steht  der  Schlussteil  des 
N.  A.  XXXIV,  299  f.,  n.  192  .erwähnten  Aufsatzes  von 
Giovanni  Collino:  La  guerra  Veneto -Viscontea  contro 
i  Carraresi  nelle  relazioni  di  Firenze  e  Bologna  (1388). 

O.  H.-E. 

342.  In  Quellen  u.  Forschungen  aus  Italien.  Archiven 
u.  Bibliotheken  XII,  271  ff.  setzt  F.  Schneider  unter 
dem  Titel  'Toscanische  Studien  IV'  seine  interessanten 
Veröffentlichungen  teils  völlig  unbekannter,  teils  in  Fickers 
Regesten  nur  zitierter  Eeichssachen  fort.  Es  sind  27  Stücke 
aus  den  Jahren  1240  — 1250,  der  Amtszeit  Pandulfs  von 
Fasanello  und  Friedrichs  von  Antiochien  zugehörig,  zu- 
meist aus  dem  Sieneser  Archiv  stammend.  Von  besonderem 
Interesse  ist  bei  einzelnen  Stücken  die  praktische  Verwer- 
tung des  römischen  Rechts,  die  in  der  Einleitung  ausführ- 
lich und  sachkundig  erläutert  wird.  Zu  beanstanden  ist 
nur  auf  S.  275  der  Ausdruck  'Ungehorsams-  oder  Hoch- 
verratsdelikt', da  man  mit  ersterem  üblicherweise  vielmehr 
das  Delikt  des  gerichtlichen  Ungehorsams,  die  'contumacia', 
bezeichnet.  E.  C. 

343.  Vierunddreissig  Urkunden  und  Aktenstücke  zur 
Geschichte  der  Universität  Pisa  aus  den  Jahren  1343 — 
1564  hat  Carlo  Fedeli  1908  in  seinen  Documenti  pontifici 
riguardanti  l'universitä  di  Pisa  veröffentlicht,  die 
seither  in  den  Verlag  von  Löscher  &  Comp,  in  Rom  über- 
gegangen sind.  Beigegeben  sind  auf  10  Tafeln  in  Licht- 
druck die  Gründungsurkunde  und  eine  Anzahl  der  wich- 
tigsten Schriftstücke  des  Werkes.  L.  v.  E. 

344.  In  der  Revue  des  etudes  juives  L  (1905),  129 — 
135  gab  A.  A.  B  e  r  n  a  r  d  y  16  Schriftstücke  der  zweiten 
Hälfte  des  15.  Jh.  zur  Geschichte  der  Juden  in  der  Re- 
publik  San  Marino   heraus.  E.  M. 

345.  In  der  Viertel] ahrsschrift  für  Sozial-  und  Wirt- 
schaftsgesch.  1909  S.  486  ff.  veröffentlicht  L.  M.  Hart- 
mann eine  interessante  Urkunde  aus  A  m  a  1  f  i  vom 
J.  1009,  aus  der  wir  erfahren,  dass  der  Herzog  Sergius  IL 
von  Amalfi,  sein  Grossvater  und  sein  Vater  bei  einem 
Saraceneneinfall  gefangen  genommen  waren;  da  Sergius' 
Grossvater  Manso  1004  gestorben  ist,  muss  dieser  Einfall 
vor  1004  stattsrefunden  haben.    Wenn  nun  aber  H.  ihn  mit 


642  Nachrichten. 

dem  durch  die  Intervention  der  Normannen  bekannten 
Saracenenangriff  auf  Salerno  in  Verbindung  bringen  und 
diesen  mit  Amatus  und  seinen  Ableitungen  ins  Jahr  1000 
verlegen  will,  so  kann  ich  dem  durchaus  nicht  zustimmen; 
denn  der  Angabe  des  Amatus  ist  die  der  verlorenen  Ba- 
renser  Annalen,  aus  denen  Lupus  protosp.  und  der  Anon. 
Barensis  schöpfen,  m.  E.  durchaus  vorzuziehen:  sie  setzen 
die  Belagerung  Salernos  ins  Jahr  1016.  Und  gar  nicht 
vermag  ich  der  Auffassung  Hartmanns  beizutreten ,  dass 
'Lupus  u.  A.'  deshalb  das  Jahr  1016  eingesetzt  hätten,  'weil 
durch  die  Einfügung  der  Erzählung  von  der  Einladung,  die 
an  die  Normannen  in  ihre  Heimat  ergangen  sein  soll,  das 
erste  Erscheinen  der  Normannen  bei  der  Belagerung  von 
Salerno  mit  der  Hülfe ,  welche  andere  Normannen  dem 
Melus  16  Jahre  später  brachten,  künstlich  in  einen  ursäch- 
lichen Zusammenhang  gebracht  wurde'  u.  s.  w.  Lupus  und 
der  Anon.  Barensis  wissen  ja  gar  nichts  von  dem  Erscheinen 
der  Normannen  bei  Salerno  oder  von  einer  au  sie  er- 
gangenen Einladung:    beides  erzählt  ja  gerade  Amatus. 

H.   Br. 

346.  In  der  Bibliotheque  de  l'ecole  des  chartes 
LXX,  313—334  berichtet  L.  Auvray  über  die  Hs.  302  der 
Stadtbibliothek  zu  Perugia,  auf  deren  Bedeutung  zuerst 
Bethmann  aufmerksam  geworden  war.  Die  ersten  zwei 
Quaternionen  enthalten  Briefe  Gregors  IX.,  doch  so, 
dass  der  Text  nicht  von  der  ersten  auf  die  nächste  Lage 
hinüberreicht,  sondern  eine  Lücke  unbekannten  Umfangs 
aufweist.  Der  zweite  Teil  der  Hs.  enthält  die  Formular- 
sammlung des  Richard  von  P  o  f  i.  Auvray  hält,  wovon 
ich  nicht  überzeugt  bin,  den  ersten  Teil  für  Bruchstücke 
aus  dem  offiziellen  Register  Gregors  IX.  Von  den  83 
Schreiben  sind  71  bisher  unbekannt;  manche  unter  ihnen 
bieten  wichtige  Ergänzungen  zu  unseren  Epistolae 
saec.  XIII.  und  verlangen  dringend  nach  Volldrucken  an 
Stelle  der  meist  kurzen  Eegesten,  die  Auvray  von  ihnen 
mitteilt.  M.  T. 

347.  Arturo  S  e  g  r  e  hat  im  Archivio  storico  Italiano, 
Serie  V,  t.  XLIII,  disp.  I  (1909),  p.  27—95  22  Briefe  des 
Christoforus  von  Piacenza,  Prokurators  Lud- 
wigs IL  Gonzaga,  des  Herrn  von  M  a  n  t  u  a  ,  am  päpst- 
lichen Hof  in  Avignon,  aus  den  Jahren  1371 — 1376  an 
seinen  Herrn  nach  den  im  Archiv  Gonzaga  befindlichen 
Originalen     herausgegeben.        Die     Depeschen     sind     von 


Nachricliten.  643 

grösstem  Interesse,  sie  sind  voll  der  wertvollsten  poli- 
tischen Nachrichten  nnd  erweitern  die  Kenntnis  dieser 
Epoche  in  bedeutendem  Masse.  O.  H.-E. 

348.  Einen  Traktat  des  Kardinals  Elziarius  de 
Sabrano  über  Urbans  VI.  Wahl  (Sept.  1378)  druckt 
Fr.  Bliemetzrieder  aus  cod.  Lat.  62  der  Bibl.  des 
Merseburger  Domkapitels  und  cod.  Lat.  594  der  Bonner 
Univ.  -  Bibl.  in  den  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem 
Benediktiner-  und  dem  Cistercienser- Orden,  Jahrg.  XXX 
(1909),  295  ab.  B.  B. 

349.  Er.  Bliemetzrieder  veröffentlicht  in  den 
Anal,  pour  serv.  ä  l'hist.  eccl.  de  la  Belgique  XXXV,  377  sqq. 
aus  einer  Baseler  Hs.  die  'Epistola  et  appellacio  cleri 
Flandrensis'  gegen  die  Bedrückungen  des  Papstes  Cle- 
mens VII.  von  1379.  A.  H. 

350.  In  einem  Aufsatz  'Das  Fragment  der  Epistola 
concordiae  K  o  n  r  a  d  s  von  Gelnhausen  im  Cod.  XI. 
C.  8  (jetzt  2032)  der  Prager  Universitätsbibliothek'  in  den 
Mitteilungen  des  Vereines  für  Greschichte  der  Deutschen 
in  Böhmen  Jahrg.  XLVIII  (1909),  18  ff.  setzt  sich 
Fr.  Bliemetzrieder  mit  den  darüber  bisher  ge- 
äusserten Ansichten  von  Lindner,  H.  Kaiser  und  A.  Kneer 
auseiüander  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  1.  dieses 
Fragment  mit  dem  Begleitschreiben  zur  selben  Epistola  an 
Kurfürst  Euprecht  von  der  Pfalz  im  cod.  Palat.  592  — 
dessen  Edition  angekündigt  wird  —  in  eine  Linie  zu 
stellen,  also  als  ein  Stück  des  Begleitschreibens  zur 
Epistola  an  König  Wenzel  von  Böhmen  aufzufassen ; 
2.  als  dessen  Entstehungszeit  1380,  eher  noch  1381  an- 
zunehmen sei.  B.  B. 

351.  E.  Wolkans  Ausgabe  der  Briefe  des  E  n  e  a  s 
Silvius  Piccolomini  schreitet  rüstig  vorwärts,  so- 
dass schon  heute  auf  ihre  Fortsetzung  (über  den  ersten 
Teil  vgl.  N.  A.  XXXV,  315,  n.  154)  verwiesen  werden 
kann.  Sie  umfasst  im  ganzen  118  Briefe  aus  den  Jahren 
1443  bis  1445,  derart  dass  solche  ohne  Datum  (n.  106 — 
118)  an  den  Schluss  der  Edition  gestellt  sind.  Es  sind 
Schriftstücke  von  der  Hand  des  Eneas,  die  er  im  amtlichen 
Auftrage  verfasste,  also  auch  solche,  die  z.  B.  König 
Friedrich  III.  oder  Kaspar  Schlick  als  Aussteller  nennen. 
Die  äussere  Einrichtung  der  Ausgabe  ist  die  ihrer  früheren 
Abteilung  geblieben,  immerhin  finden  sich  ihr  beigefügt 
eine    Vergleichstafel   mit    den    älteren  Ausgaben   und    den 


644  Nachrichten. 

Reg-esten  von  G.  Voigt,  sodann  ein  Orts-  und  Personen- 
register für  beide  Teile.  Auf  den  sachlichen  Inhalt  der 
Briefe  ist  hier  nicht  einzugehen,  nur  dem  Wunsche  Aus- 
druck zu  geben,  dass  sie  nicht  allein  eifrige  Fortführung, 
sondern  auch  Benutzung  erfahren  möchte.  (Der  Brief- 
wechsel des  Eneas  Silvius  Piccolomini.  I.  Abteilung : 
Briefe  aus  der  Laienzeit  (1431 — 1445).  2.  Band:  Amtliche 
Briefe.  Wien,  G.  Holder  1909,  216  S.;  a.  u.  d.  T. :  Fontes 
rerum  Austriacarum,  II.  Abt.,  62.  Bd.).  A.  W. 

352.  Unter  den  74  Beilagen  des  Buches  'La  maison 
d'Armagnac  au  XV.  siecle  et  les  dernieres  lüttes  de  la 
feodalite  dans  le  midi  de  la  France'  von  Ch.  S  a  m  a  r  a  n 
(Mem.  et  doc.  publ.  par  la  soc.  de  l'ecole  des  chartes  VII, 
Paris  1907,  XXI  und  523  SS.)  befinden  sich  auch  (n.  20 
und  21)  zwei  Schreiben  Papst  Pins'  IL  aus  den  Jahren 
1459  und  1460  in  der  Angelegenheit  des  skandalösen  In- 
cestes  des  Grafen  Johann  V.  von  Armagnac  mit  seiner 
Schwester  Isabella,  zu  dessen  Rechtfertigung  der  Eeferen- 
darius  curiae  Ambrosius  von  Cambrai  mit  Hülfe  des  Neffen 
des  Papstes  Calixt  III.,  ßodrigo  Borgia,  durch  den  päpst- 
lichen Schreiber  Johann  von  Volterra  eine  angebliche 
Dispensbulle  Calixts  III.  hatte  fälschen  lassen,  die  auf 
Pius'  IL  Veranlassung  vermittelst  der  Register  entlarvt 
wurde.  E.  M. 

353.  In  den  Beilagen  zu  seinem  Aufsatz  über  die 
Stände  der  Grafschaft  Venaissin  druckt  J.  G  i  r  a  r  d 
u.  a.  eine  Supplik  der  Stände  an  den  Papst  oder  das 
Baseler  Konzil  vom  Jahre  1432  und  ein  Breve  Pius'  IL 
vom  14.  Dez.   1463.  E.  M. 

354.  W.  Brandes  hatte  sich  in  seinen  Ausführungen 
über  die  Anfänge  der  lateinischen  Rhythmik  u.  a.  auch  auf 
einige  Grammatikerzitate  gestützt.  W.  Meyer  geht  in 
seiner  äusserst  scharfen  Erwiderung  'Die  drei  Arezzaner 
Hymnen  des  Hilarius  und  etwas  über  Rythmus', 
Nachr.  d.  Kgl.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  zu  Göttingen  1909 
S.  373  ff.  über  die  sonstige  Beweisführung  kurz  hiuAveg 
und  beschränkt  sich  darauf  nachzuweisen,  dass  sämtliche 
Zeugnisse  der  Grammatiker  über  Rhythmus  mit  der  mittel- 
lateinischen Rhythmik  nicht  das  geringste  zu  tun  haben, 
sondern  die  [xelr],  die  griechischen  Lyriker  und  lyrischen 
Partien  der  Dramatiker,  angehen.  (Der  erste,  der  die  mittel- 
alterliche sogenannte  rhythmische  Dichtung  mit  diesem 
Namen  bezeichnet,    ist  Beda).     Wenn  einmal  einer,   Pa- 


Nachrichten.  645 

laemon,  an  seine  Darlegungen  die  Worte  knüpft  'ut  puta 
veluti  sunt  cantica  poetarum  vulgarium',  so  bleibt  er  doch 
damit  innerhalb  des  Herrschaftsgebietes  der  Quantität. 
Als  Anhang  folgen  die  'Aeusserungen  antiker  Grammatiker 
über  Rhythmus',  39  Nummern.  Der  zweite  Teil  behandelt 
in  der  gewohnten  Weise  die  Arezzaner  Hymnen,  die  für 
Dichtungen  des  Hilarius  erklärt  werden,  und  im  Anschluss 
an  den  dritten,  der  in  quantitier enden  troch.  Septenaren 
gebaut  ist,  aber  die  erste  Vershälfte,  den  troch.  Dimeter, 
stets  in  zwei  Dipodien  zerschneidet,  über  die  Caesur  des 
troch.  Dimeters  und  die  Arten  der  rhythmischen  trochae- 
ischen  Achtsilber  der  älteren  Zeit.  K.  Str. 

355.  In  der  Byzant.  Zeitschr.  XVIII,  309  ff.  ver- 
öffentlicht P.  Maas  mit  zwei  italienischen  Gelehrten 
M  e  r  c  a  t  i  und  G  a  s  s  i  r  i  'Gleichzeilige  Hymnen  in  der 
Byzantinischen  Liturgie',  die  bei  den  sonstigen  vor- 
wiegend ungleichzeiligen  Formen  besondere  Beachtung  ver- 
dienen. Hier  interessiert  I,  6  Asiat  cpcjovo-g  ovoavie,  denn 
die  Aehnlichkeit  mit  gewissen  frühmittellateinischen  Hym- 
nen drängt  sich,  wie  M.  beuierkt,  geradezu  auf.  Diesen 
Eindruck  hat  er  noch  durch  eine  Uebersetzung  ins  Latei- 
nische verstärkt.  Aber  wie  ist  diese  Aehnlichkeit  zu  er- 
klären? Die  verschiedenen  Möglichkeiten:  Zufall,  Ab- 
hängigkeit des  einen  vom  andern,  werden  abgelehnt  zu 
Gunsten  einer  gemeinsamen  Quelle,  die  Maas  in  jener 
Kraft  sieht,  'die  aus  den  gleichen  neuen  liturgischen  Be- 
dürfnissen auf  der  gleichen  neuen  sprachlichen  Grundlage 
(expiratorischer  Akzent,  Verlust  der  Qnantitätsunterschiede) 
im  Osten  wie  im  Westen  der  christlichen  Welt  ähnliche 
elementare  Formen  mit  Notwendigkeit  schuf  (vgl.  Maas 
ebenda  XVII,  245).  Aber  es  ist  denn  doch  auffallend, 
dass  dieser  Hymnus  in  der  byzant.  Liturgie  so  vereinzelt 
dasteht,  und  die  Uebereinstimmung  mit  der  frühmittel- 
lateinischen Hymnendichtung,  die,  wie  M.  selbst  hervor- 
hebt, vier  Strophen  vor  der  Doxologie  bevorzugt,  wird 
dadurch  auch  nicht  erklärt.  Sollte  nicht  doch  vereinzelte 
Nachbildung  eines  lat.  Hymnus  vorliegen?  Trotz  der  ge- 
wichtigen Gegengründe,  die  vorgetragen  werden,  erscheint 
mir  diese  Erklärung  die  probabelste  zu  sein.  K.  Str. 

356.  Unter  der  Ueberschrift  'Dies  irae'  handelt  Karl 
Strecker,  ausgehend  von  einem  alten  unbekannten, 
sehr  verdorbenen  Rhythmenfragment  über  die  zahlreichen 
älteren  Rhythmen,  die  das  jüngste  Gericht  behandeln, 
ihre  Verwandtschaft  unter  einander,  ihre  Abhängigkeit  von 


646  Nachrichten. 

einander  und  von  Ephrem.    (Zeitschrift  für  Deutsches  Alt. 
LI,  227—255).  O.  H.-E. 

357.  In  den  Studi  storici  XVIII,  fasc.  2,  p.  201—207 
gibt  A.  Crivellucci,  Una  poesia  di  Paolo  diaeono  at- 
tribuita  a  Paolino  d'Aquileia,  andere  Lesungen  oder  Kon- 
jekturen zu  dem  von  Karl  Neff,  Die  Gedichte  des  Paulus 
diaconus  (Quellen  und  Untersuchungen  .  .  begr.  von  Traube 
III,  4)  im  Anhang  IX  erstmalig  veröffentlichten  Gedicht 
'Perge,  libelle  mens'.  Nach  seiner  Vermutung  ist  es  nicht 
von  Paulinus  von  Aquileia,  sondern  von  Paulus 
diaconus  verfasst,  im  Jahre  782,  als  er  sich  zur  Eeise 
ins  Frankenreich  anschickte,  um  die  Befreiung  seines 
Bruders  zu  erlangen,  und  ist  an  Herzog  Arichis  und  seine 
Gemahlin  Adelberga  gerichtet.  B.  Schm. 

358.  Die  Carmina  Mutinensia  haben  die 
Lokalhistoriker  in  den  letzten  Jahren  vielfach  beschäftigt. 
Ihnen  reiht  sich  jetzt  Giulio  B  e  r  t  o  n  i  mit  einer  inter- 
essanten kleinen  Schrift  an  'II  Ritmo  delle  scolte  Mode- 
nesi'  in  Atti  e  Memorie  della  R.  deput.  di  storia  patria 
per  le  prov.  Modenesi,  serie  V,  vol.  VI,  Modena  1909. 
An  die  Tatsache  anknüpfend,  dass  V.  11 — 16  notorisch 
interpoliert  sind,  wie  schon  der  Befund  der  Hs.  zeigt, 
scheidet  er  eine  ganze  Reihe  von  Interpolationen  aus: 
V.  18  — 19  (falscher  Reim!)  und  31  —  34  wurden  um 
881  interpoliert,  die  Stücke  'Confessor  Christi'  um  900, 
der  Einschub  aus  Liv.  V,  47  nach  900.  Die  Aus- 
führungen sind  sehr  scharfsinnig,  aber  m.  E.  zu  künstlich, 
um  überzeugend  wirken  zu  können.  Sehr  dankenswert 
sind  die  zwei  beigegebenen  Tafeln.  Dass  V.  11 — 16  nicht 
dazu  gehören,  sieht  man  auf  den  ersten  Blick,  ich  verstehe 
nicht  recht,  warum  Traube  sie  überhaupt,  wenn  auch  in 
Klammern,  in  den  Text  aufgenommen  hat.  K.  Str. 

359.  Im  vorigen  Heft  S.  320  f.,  n.  165  hatte  ich, 
ohne  der  Sache  weiter  nachzugehen,  die  Richtigkeit  von 
Fr.  Patettas  Ergänzungen  der  Inschrift  von  Cittanova 
bezweifelt,  weil  sie  dem  rhythmischen  Charakter  des  Er- 
haltenen durchaus  widersprächen ;  ich  hatte  dabei  über- 
sehen, dass  die  Zeilen  schon  von  W.  Meyer  als  rhythmische 
Hexameter  registriert  waren.  P  a  t  e  1 1  a  hat  dann  ein 
zweites,  dickes  Buch  erscheinen  lassen,  Studi  storici  e  note 
sopra  alcune  iscrizioni  medievali,  Modena  1907,  und  teilt 
darin  S.  315  mit,  dass  G.  Bertoni,  Süll'  iscrizione  di  Citta- 
nova,   Modena  1908    seine   Ergänzungen    als    'ancor    meno 


Nachrichten.  647 

fortunato  dei  mei  predecessori'  bezeichnet  und  selbst  die 
Zeilen  zu  rhythmischen  Hexametern  ergänzt  habe.  Diese 
Kritik  hat  P.  sehr  übel  genommen  und  erwidert  in  scharfer 
Weise,  wobei  die,  allerdings  in  die  Augen  springende,  ün- 
haltbarkeit  von  Bertonis  Vermutungen  dargelegt  wird. 
Ob  wir  es  mit  rhythmischen  Versen  zu  tun  hätten,  will 
er  —  unberechtigter  Weise  —  unentschieden  lassen. 
Wenn  sie  als  solche  aufzufassen  sind,  so  glaubt  er,  an 
seinen  früheren  Ausführungen  festhaltend,  dass  nicht  nur 
die  letzten  Silben  jedes  Hexameters  verloren  gegangen 
seien,  sondern  in  jeder  Reihe  zwei  Verse  gestanden 
hätten.  Doch  wird  dadurch  die  Schwierigkeit  der  Er- 
gänzung nicht  beseitigt.  In  einem  andern  Kapitel  wird 
eine  neue  Ausgabe  der  Carmina  Mutinensia  von 
Bertoni  wenig  glimpflich  behandelt.  Aus  dem  sonstigen 
reichen  Inhalt  des  Bandes  erwähne  ich  Kap.  2  L'iscrizione 
sepolcrale  di  Azone  mit  Appendix  I — III  u.  a.  m.     K.  Str. 

360.  Der  gut  orientierende  kritische  Aufsatz  von 
Ph.  Ch.  Allen,  Mediaeval  latin  lyrics  in 
Modern  Philology  V  u.  VI  ist  jetzt  mit  dem  vierten  Teile, 
der  Nachträge  und  Exkurse  bringt,  zu  Ende  geführt. 

K.  Str. 

361.  Auf  die  Feier  des  50  jährigen  Bestehens  des 
historischen  Vereins  des  Kantons  St.  Gallen,  dessen  Prä- 
sident der  um  die  schweizerische  Geschichtsforschung 
hochverdiente  Hermannn  Wartmann  ist,  hat  Joh.  Egli  den 
Liber  benedictionum  Ekkeharts  IV.  nebst  den 
kleineren  Dichtungen  aus  dem  Cod.  S.  Gall.  393  zum 
ersten  Mal  vollständig  herausgegeben  und  erläutert  (Mit- 
teilungen zur  vaterländischen  Geschichte  XXXI  =  IV, 
F.  1).  Der  Herausgeber  verdient  in  reichem  Masse  Dank 
und  Anerkennung,  dass  er  die  mühevolle  und  entsagungs- 
reiche Arbeit  unternommen  hat,  die  Hs.  des  Dichters,  die 
durch  vielfältige  Rasuren  und  Aenderungen  schwer  lesbar 
geworden  war,  zu  entziffern,  die  verschiedenen  von  Ekke- 
hart  versuchten  Fassungen  zu  erforschen  und  die  Verse  in 
der  Gestalt  vorzulegen,  in  der  sie  des  Dichters  Reinschrift 
geboten  haben  würde.  Mit  beharrlichem  Fleiss  hat  er  die 
Quell-  und  Parallelstellen  aus  der  Vulgata,  den  klassischen 
Schriftstellern,  der  hagiologischen  und  liturgischen  Literatur 
(besonders  Hymnen  und  Sequenzen)  beigebracht  und  die 
kulturhistorisch  interessanten  benedictiones  ad  mensas 
durch  einen  sehr  ausführlichen  sachlichen  Kommentar  dem 
Verständnis  erschlossen.     Die  Einleitung   gibt   nicht   bloss 


648  Nachrichten. 

eine  Würdigung  der  Verdienste  und  Werke  dieses  St. 
Gallischen  Lehrers,  sondern  an  Hand  der  von  Ekkehart 
mit  Notizen  versehenen  Handschriften  entsteht  eine  Dar- 
stellung des  ßildungsstandes  und  Wissensumfauges,  die 
man  damals  in  St.  Gallen  erwerben  konnte.  Dass  einzelnes 
zu  ■weitläufig,  anderes  zu  knapp  oder  gar  nicht  behandelt 
ist,  lässt  sich  bei  einer  Erstausgabe  entschuldigen ;  z.  B. 
sind  die  meisten  Belegstellen  für  die  Sprichwörter  aus  den 
Casus  genommen ;  die  ganz  kurzen  Bemerkungen  über  die 
Sprache  Ekkeharts  basieren  mehr  auf  jenem  prosaischen 
Werk  als  auf  den  hier  veröffentlichten  Versen,  über  deren 
Formen  der  Herausgeber  allzuwenig  sagt.  Auf  zwei  von 
den  3  beigegebenen  Tafeln  sind  die  mit  Neumen  ver- 
sehenen Strophen  der  Ekkehart  sehen  Uebersetzung  des 
E  a  t  p  e  r  t  sehen  G  a  1 1  u  s  liedes  nachgebildet,  dessen  Zeilen- 
und  Strophenbau  Wilhelm  Meyer  kürzlich  in  den  Göt- 
tinger Nachrichten  1908  S.  45 — 58  erklärt  hat.  Der  von 
Egli  zweimal  erwähnte  C  o  m  p  u  t  u  s  von  Ekkeharts  Lehrer 
N  o  t  k  e  r  ist  ausser  in  dem  vergriffenen  Einsidler  Programm 
abgedruckt  bei  Piper,  Nachträge  zur  älteren  deutschen 
Litteratur  S.  312  —  318  nach  einer  von  Steinmejer  in 
München  gefundeneu  Hs. ;  eine  aus  St.  Gallen  stammende 
Abschrift  des  XL  Jh.  enthält  die  s.  Z.  von  Büdinger  be- 
handelte Sammelhs.  C  176  der  Zürcher  Kantonsbibliothek. 

J.  W. 

362.  Aus  dem  Palpanista  des  dem  13.  Jh.  angehörigen 
westfälischen  Dichters  Bernhard  von  der  Geist, 
welches  Gedicht  in  18  Hss.  und  3  alten  Drucken  vorliegt, 
hat  Hans  Richter  in  den  Hansischen  Geschichtsblättern, 
Jahrg.  1909,  2.  Heft,  S.  475—481  ein  Stück  von  67  Versen, 
das  städtisches  Leben,  eine  Trink-  und  Prügel -Scene  in 
einem  Weinhause  behandelt,  nach  der  ältesten  Hs.  ab- 
gedruckt und  erläutert,  aber  der  gegebene  Text  ist  nicht 
ganz  fehlerfrei,  das  sinnstörende  Komma  aber  in  V.  541 
zwischen  'cruor  fusus'  doch  wohl  nur  durch  Druckfehler 
hineingekommen.  O.  H.  -  E. 

363.  Eine  Darstellung  der  Lebensgeschichte  des 
Johannes  de  Garlandia  fehlte  bisher,  darum  ist 
ein  Aufsatz  von  E.  H  a  b  e  1  in  den  Mitteilungen  der  Ge- 
sellschaft für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte 
1909  sehr  nützlich  'Johannes  de  Garlandia,  ein  Schulmann 
des  13.  Jh.'.  Die  wichtigsten  Daten  seines  Lebens  werden 
festgestellt  und  dann  seine  poetischen  Werke  sowie  seine 
zahllosen  Schul-   und   Lehrbücher   besprochen.     Veranlasst 


Nachrichten .  649 

ist  diese  Arbeit  durch  Habeis  Ausgabe  des  Cornutus:  'Der 
deutsche  Cornutus.  I.  Teil.  Der  Cornutus  des  Johannes 
de  Garlandia,  ein  Schulbuch  des  13.  Jh.,  Berlin,  Mayer  u. 
Müller'.  K.  Str. 

364.  Dem  Mönchshof  bei  Manebach  und  seinen  Be- 
ziehungen zum  'tugendhaften  Schreiber'  ist  eine 
kleine  Untersuchung  von  H.  Hess  in  den  Mitteilungen 
der  Vereinigung  für  Gothaische  Geschichte  und  Altertums- 
forschung, Jahrg.  1908/9  S.  97 — 101  gewidmet,  die  sich  be- 
sonders mit  der  Persönlichkeit  des  'tugendhaften  Schreibers', 
des  ßitters  und  Minnesängers  Heinrich  von  Weissensee, 
der  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jh.  mehrere  Jahrzehnte 
der  landgräflich  -  thüringischen  Kanzlei  vorstand ,  be- 
schäftigt. E.  P. 

365.  In  der  Zeitschrift  für  Deutsches  Altertum 
Bd.  LI,  143 — 156  führt  in  einem  Aufsatz  über  'Erfurter 
Dichter  des  13.  Jh.'  Edward  Schröder  aus,  dass  Eber- 
n  a  n  d  ,  der  Erfurter  Dichter  von  'Heinrich  und  Kuni- 
gunde',  in  der  Tat  ein  Bürger  war,  wie  G.  Priest  in  seiner 
Dissertation  über  diesen  Mann  (vgl.  N.  A.  XXXIII,  274  f., 
n.  147)  annahm,  dass  er  wahrscheinlich  zu  identifizieren 
ist  mit  Ebernandus  luvenis  (dem  Stammvater  der  Erfurter 
Bürgerfamilie  'Jung'),  der  in  Urkunden  von  1212 — 1217 
erscheint.  Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  weist  Seh.  auch 
den  Dichter  der  'Frauenzucht'  S  i  b  o  t  e  Erfurt  als  seiner 
Vaterstadt  zu  und  handelt  über  die  wahrscheinliche  Heimat 
des  von  Rudolf  von  Ems  erwähnten  und  im  Wartburg- 
kriege auftretenden  Dichters  B  i  t  e  r  o  1  f,  freilich  ohne  da 
zu  einem  sicheren  Ergebnis  zu  kommen.  O.  H.-E. 

366.  In  einem  äusserst  lichtvollen  Akademievortrag, 
gehalten  1905,  'über  den  Prosadialog  Der  Ackermann  von 
Böhmen',  aber  erst  jetzt  in  völlig  umgearbeiteter  Form 
'Ueber  den  Satzrhythmus  der  deutschen  Prosa'  er- 
schienen, gibt  K.  B  u  r  d  a  c  h  reiche  Belehrung  über  die 
Entwickelung  des  Stiles.  'In  dem  Italien  des  ausgehenden 
11.  Jh.  liegen  die  Wurzeln  der  literarischen  und  gram- 
matischen Ausbildung  der  modernen  europäischen  National- 
sprachen'. Der  grundlegende  Unterschied  zwischen  der 
modernen  deutschen  und  der  mittelhochdeutschen  Sj)rache 
ist  weniger  in  Lauten  und  Formen,  er  ist  in  der  Syntax, 
insbesondere  in  Wort-  und  Satzstellung  und  Satzbildung 
zu  suchen.  Dieser  Aufschwung  geschah  auf  Grund  einer 
unerhörten  Verfeinerung  des  rhythmischen  Satzbaues,  einer 


650  Nachrichten. 

sorgfältigen  Durchbildung  des  rhythmischen  Satzschlusses, 
über  dessen  Entwickelung  das  nötige  mitgeteilt  wird.  In 
dem  mit  Spannung  zu  erwartenden  zweiten  Teile  wird  die 
Frage  behandelt  werden,  wann  der  Kursus  in  die  deutsche 
Schriftsprache  eintrat.  K.  Str. 

367.  Im  Archivio  storico  Italiano,  serie  V,  t.  XLIII, 
disp.  1  (1909),  p.  96 — 110  handelt  Augusto  ßeccaria 
über  den  Plan  der  Ausgabe  einer  Sammlung  sämtlicher 
italienischer  Inschriften  des  Mittelalters  und 
entwickelt  zum  Schluss  das  Programm  einer  Sammlung  der 
Inschriften  von  Florenz,  die  von  ihm  und  anderen  Floren- 
tiner Gelehrten  vorbereitet  wird.  0.  H.-E. 

368.  In  den  Atti  e  memorie  della  R.  deput.  di  stör. 
patr.  per  le  provincie  di  Romagna,  III.  ser.,  vol.  XXVII, 
fasc.  1 — 3,  p.  62 — 70  erörtert  F.  Lanzoni,  II  primo 
vescovo  di  Comacchio,  den  viel  und  in  sehr  ver- 
schiedenen Lesungen  herausgegebenen  Text  einer  Inschrift 
in  Comacchio  und  zieht  die  historischen  Folgerungen  aus 
seiner  Lesung.  B.  Schm. 

369.  Gustav  Schnürer  hat  in  den  Collectanea 
Friburgensia  fasc.  19  (N.  F.  fasc.  10,  Freiburg  1909)  das 
Nekrolog  des  Cluniacenser  Priorates  München- 
w  i  1  e  r  bei  Murten  in  der  Schweiz  sorgfältig  heraus- 
gegeben. Es  ist  zu  Beginn  des  12.  Jh.  von  einer  un- 
bekannten Frau  Elsendis  angelegt,  im  12.  und  13.  Jh.  dann 
um  nahezu  ebensoviel,  als  der  ursprüngliche  Bestand  be- 
trug, vermehrt  worden.  Im  15.  Jh.  sind  nur  noch  wenige 
Notizen  hinzugefügt.  Die  bestimmbaren  Personen  sind  in 
den  Anmerkungen  identifiziert,  alle  Namen  in  das  Register 
aufgenommen  worden.  In  der  Vorrede  wird  eingehend 
über  das,  was  wir  von  der  Geschichte  des  Priorates  wissen, 
und  die  Hs.  des  Nekrologs  gehandelt.  Beigegeben  ist  das 
Martyrolog  des  Stiftes  und  drei  Traditionsnotizen  und 
einige  andere  kleinere  Stücke  aus  derselben  Hs.  Von  den 
letzteren  nenne  ich  einen  neuen  Text  der  kurzen  Prophe- 
zeiung auf  den  Kreuzzug  des  Königs  Ludwig  IX.  von 
Frankreich,  die  schon  durch  vierfache  Heb  erlief  erung  in 
zwei  Rezensionen  bekannt  war,  und  einen  ebenfalls  schon 
aus  anderer  Ueberlieferung  bekannten  angeblich  in  Jeru- 
salem vom  Himmel  gefallenen  Brief  des  Herrn.       0.  H.-E. 

370.  Osw.  V.  Zingerle  hat  in  einem  eigenen  Bande 
82  mittelalterliche  Inventare  aus  Tirol  und  Vorarl- 
berg  herausgegeben   (Innsbruck    1909).     Die   kultur-  und 


Nachrichten.  651 

sprachgeschichtlich  wichtigen  Verzeichnisse  gehören  alle 
dem  15.  Jh.  an  und  stammen  mit  wenigen  Ausnahmen 
aus  dem  Innsbrucker  Statthalterei- Archiv.  Personen-  und 
Orts-,  Wörter-  und  Sachen- Verzeichnis  machen  fast  die 
Hälfte  des  Bandes  aus.  H.  H. 

371.  Im  Bulletin  de  la  soc.  de  l'histoire  de  Paris 
XXXVI,  79  sqq.  druckt  und  erläutert  L.  Le  vi  Ilain  ein 
Verzeichnis  der  Einkünfte  der  mensa  von  S  t.  -  D  e  n  i  s 
aus  der  Zeit  Hilduins  (832)  nach  dem  beschädigten  Original. 

H.  W. 

372.  Im  XLV.  Bd.  der  Verhandlungen  des  historischen 
Vereins  für  Niederbayern  beendigt  Th.  Mayer  die  Publi- 
kation der  zwei  Passauer  Mautbücher  aus  den 
Jahren  1400—01  und  1401—02  (vgl.  oben  S.  324,  n.  176) 
und  fügt  Erläuterungen  über  das  Passauer  Niederlagsrecht, 
über  Handel  und  Maut  von  Passau  hinzu.  H.  H. 

373.  In  der  Revue  Bourguignonne  XVII  (1907),  19  — 
104  veröffentlicht  L.  S  t  o  u  f  f  die  Rechnungen  über 
den  oberelsässischen  Besitz  der  Katharina,  Tochter 
Herzogs  Philipp  des  Kühnen  von  Burgund,  Witwe  Herzogs 
Leopold  des  Stolzen  von  Oesterreich,  aus  den  Jahren  1424 
—1426.  E.  M. 

374.  Von  den  Beiträgen,  mit  denen  sich  eine  neue 
Zeitschrift,  das  'Archiv  für  die  Geschichte  des  Hochstifts 
Augsburg '  (im  Auftrage  des  histor.  Ver.  Dillingen  herausge- 
geben von  Prof.  Dr.  Alfred  Schröder,  1909)  recht  empfehlend 
einführt,  kommen  ausser  der  oben  n.  234  erwähnten  Arbeit 
für  uns  hauptsächlich  zwei  in  Betracht :  M  i  e  d  e  1 ,  Be- 
siedelungsgeschichte  des  Amtsbezirks  Schwabmünchen  (I, 
1 — 22)  und  Riedner,  'Besitzungen  und  Einkünfte  des  Augs- 
burger  Domkapitels  um  1300'  (I,  43 — 90.  Hier  wird  aus 
einer  Hs.  des  Bayr.  Reichsarchivs  in  München  ein  Urbar 
des  Domkapitels  aus  dem  ersten  Jahrzehnt  des  14.  Jh.  ab- 
gedruckt und  sachkundig  erläutert).  M.  T. 

375.  'Die  wirtschaftsgeschichtlichen  Quellen 
des  Stiftes  Niederaltaich'  führt  uns  Herzberg- 
Fränkel  in  schwieriger,  ergebnisreicher  und  in  diesen 
Ergebnissen  überzeugender  Forschung  vor  (Mitteil.  d.  In- 
stituts f.  Oesterr.  Geschichtsf.,  VIII.  Ergänzungsband, 
1.  Heft,  1909,  S.  1—130).  Wir  lernen  auf  diesem  Gebiete 
den  unermüdlichen  Sammeleifer  des  Abtes  Hermann 
von  Altaich  (1242 — 1273)  erst  recht  kennen,  den  wir  bisher 
einseitig  fast  nur  als  Chronisten   beachtet  hatten.     H. -Fr. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  42 


652  Nachrichten. 

untersucht  vor  allem  die  jetzt  im  Wiener  Staatsarchiv  als 
Cod.  581  verwahrte  Hs.  Hermanns;  er  weist  nach,  dass 
ihre  beiden  Teile  ganz  verschiedene  Werke  sind,  die  stoff- 
lich   und    zeitlich    scharf    auseinander    rücken.      Auf    den 

1.  Teil,  das  'Merkbuch'  oder  den  'Codex  hirsutus',  wie 
man  ihn  in  Altaich  selbst  benannte,  folgte  zunächst  die 
Anlage  des  grossen  Urbars,  das  im  Cod.  CM  39  des 
Münchener  Reichsarchivs  vorliegt,  und  erst  gegen  Ende 
der  Abtzeit  Hermanns  (1272)  die  Neuredaktion  des  Urbars, 
die  den  2.  Teil  der  Wiener  Hs.  ausmacht.  In  gleicher 
Weise  wird  die  dieses  Wirken  Hermanns  fortsetzende  Tätig- 
keit des  Abtes  Wernhard  (1289  — 1317)  gewürdigt.  Als 
Beilagen  werden  knappe  tabellarische  Zergliederungen  des 
Inhalts  der  Wiener  und  Münchener  Hs.  gegeben.  H.-Fr. 
hat  seine  Untersuchung  als  unerlässliche  kritische  Vorarbeit 
für  eine  Darstellung  der  Wirtschaftsgeschichte  dieses  be- 
deutenden Klosters  angestellt,  die  er  selbst  zu  bieten  ge- 
denkt. Er  fordert  aber  zugleich  dringend  eine  kritische 
und  geschlossene  Neuausgabe  dieser  ganzen  Ueberlieferungs- 
gruppe,  indem  er  die  in  jeder  Hinsicht  unzulängliche  und 
überdies  an  7  Stellen  zersplitterte  Ausgabe  von  Chmel  mit 
vollem  Recht  als  unbrauchbar  erklärt.  Als  kleinen  Ab- 
leger seiner  Untersuchung  hat  H.-Fr.  in  Bd.  XXX,  337 — 344 
über  ein  in  der  Münchener  Hs.  enthaltenes  'Niederaltaichi- 
sches  Formelbuch'  gehandelt;  2  für  den  kanonischen  Zivil- 
prozess  wichtige  Stücke   sind  hier  im  Wortlaut  mitgeteilt. 

M.  T. 

876.  Aus  der  Aktenserie  'Ambaxiatorum  expensae 
1367 — 1403'  des  Staatsarchivs  in  Genua  publiziert  F.  Ga- 
botto im  Giornale  storico  et  letterario  della  Liguria  IX 
(1908),  5 — 37  die  Rechnungen  zweier  genuesischer 
Gesandtschaften  des  14.  Jh.  Die  erste  ging  1367  an  die 
Visconti,  die  zweite  1368  an  K.  Karl  IV.  nach  Lucca. 
Aufgabe  dieser  zweiten  Gesandtschaft  war  es,  vom  Kaiser 
die  Ernennung  des  Dogen  zum  Reichsvikar  über  Genua 
zu  erbitten.  R.  S. 

377.  In  denHansischeuGeschichtsblättern,  Jahrg.  1909, 

2.  Heft,  S.  432 — 454  hat  Karl  Kunze  die  von  einem  Teil- 
nehmer aufgestellte  Rechnung  der  Kosten  einer  Ge- 
sandtschaft der  Hansa  von  Köln  nach  Brügge  im 
J.  1425  herausgegeben.  Es  ist  dies  die  Zweitälteste  der 
im  Kölner  Stadtarchiv  erhaltenen  derartigen  Rechnungen 
und  besonders  reichhaltig,  daher  auch  recht  ergiebig  für 
Wirtschafts-  und  Kulturgeschichte.  O.  H.-E. 


f 


Nachrichten.  653 

378.  Im  II.  Jahresbericht  der  K.  K.  Staatsrealschule 
in  Pola  publiziert  A.  G  n  i  r  s  aus  dem  Fragment  eines 
Eechnungsbuches  s.  XV.  des  Landesmuseums  von 
Görz  eine  Abrechnung  über  Ausgaben  und  zugehörige 
Einnahmen  für  das  Söldneraufgebot  Friedrichs  III. 
im  Krainer  Krieg  1442 — 43.  H.  H. 

379.  In  den  SB.  der  Wiener  Akademie,  Philos.-Histor. 
Kl.  CLXI ,  5  gibt  Kurt  Käser  ein  Verzeichnis  der  in 
Wiener  Archiven  befindlichen  Oesterreichischen 
Urbarien  mit  allen  notwendigen  und  erwünschten  An- 
gaben. Es  sind  darin  fast  alle  heutigen  deutschen  Kron- 
länder Oesterreichs ,  am  stärksten  natürlich  Nieder-  und 
Ober-Oesterreich  vertreten.  O.  H.-E. 

380.  Einen  Beitrag  zur  Kritik  des  Martyrologium 
Hieronyminianum  gibt  F.  S  a  v  i  o  ,  Ün  santuario 
poco  noto  di  Roma  e  il  martirologio  Geroniminiano  (Nuovo 
Bulletino  di  archeologia  cristiana,  Anno  XV,  n.  1  —  3, 
p.  5  — 17).  Es  handelt  sich  um  den  Bericht  des  Hieron. 
zum  4.  Juni  und  benachbarten  Tagen ,  nachgeprüft  an 
neueren  Ausgrabungen.  B.  Schm. 

381.  Dom  Chr.  Baur,  'St.  Jean  Ohrysostome  et  ses 
Oeuvres  dans  l'histoire  litteraire',  Löwen  u.  Paris  1907 
(Univ.  de  Louvain,  Eecueil  de  travaux  publ.  p.  les  membres 
des  conf.  d'hist.  et  de  phil.  18)  ist  hier  zu  nennen,  da  er 
die  Kenntnis  des  Kirchenvaters  in  der  griechischen  und  in 
der  lateinischen  Kirche  durch  das  ganze  Mittelalter  ver- 
folgt, nicht  nur  in  der  theologischen,  sondern  auch  in  der 
historischen  Literatur,  freilich  wohl  ohne  Vollständigkeit 
zu  erreichen.  Den  Hauptteil  des  Buches  nehmen  ein  um- 
fangreiches Verzeichnis  der  Ausgaben  von  des  Chrysostomos 
Werken  und  eine  referierende  Uebersicht  der  ihn  betref- 
fenden Schriften  ein.  A.  H. 

382.  Sehr  nützlich  für  das  Verständnis  mancher  früh- 
mittelalterlichen Quelle  ist  die  neue  Ausgabe  der  Hispe- 
rica  Famina  von  F.  C.  H.  Jenkinson  (Cambridge 
1908),  der  die  bisher  an  verschiedenen  Orten,  vor  allem 
von  Mai,  Stowasser  und  Zimmer  veröffentlichten  Stücke 
dieser  seltsamen  Literaturgattung  und  die  verwandten 
Sprachdenkmäler  in  einem  handlichen  Bande  vereinigt  und 
ihre  Benutzung  durch  ein  Wörterverzeichnis  erleichtert 
hat,  das  sicherlich  oft  gute  Dienste  leisten  wird,  wenn  der 
Herausgeber  auch  auf  Erläuterung  und  Erklärung  des 
Wortschatzes  verzichtet  hat.    Die  Heimat  ist  nach  den  Dar- 

42* 


654  Nachrichten. 

legmigen  der  Einleitung  (S.  XI)  Irland,  nicht  das  südwest- 
liche Britannien,  wie  Zimmer  angenommen  hatte.  Zu.  den 
Quellen,  welche  den  Einfluss  der  Hisperica  Famina  ver- 
raten, füge  ich  die  Briefe  Columbans  (ed.  Gundlach, 
MG.  Epist.  III,  154  ff.)  hinzu,  in  deren  drittem  p.  164,  37 
unzweifelhaft  im  Hinblick  auf  die  Hs.  von  Fleming  ('tu- 
this')  'tithis'  oder  'tethis'  statt  'maris'  zu  lesen  ist  (vgl. 
Jenkinson  S.  92  unter  'tithis'  und  die  Ausführungen 
S.  XIX  ff.  über  Gildas);  ebenso  entspricht  das  Wort 
'peltae'  (=  scuta)  des  5.  Briefes  (p.  176,  13)  dem  Sprach- 
gebrauch der  Famina  (p.  38,  117).  Hingewiesen  sei  auch 
auf  die  beigefügten  wohlgelungenen  Schriftproben.      W.  L. 

383.  In  einem  Anhange  zu  seinem  Aufsatz  über  die 
alte  Topographie  von  Monte  Cassino  in  der  Revue  Bene- 
dictine  XXV  (1908),  277—303.  468—497  setzt  sich  G.  Morin 
mit  dem  Buche  von  E.  A.  Low,  Die  ältesten  K  a  1  e  n  d  a- 
r  i  e  n  aus  Monte  Cassino  (Quellen  und  Untersuch, 
zur  lat.  Philol.  des  Mittelalters  III,  3,  München  1908) 
kritisch  auseinander;  einem  Neudruck  der  dem  8.  und 
9.  Jh.  angehörenden  Kaiendarien  fügt  er  ein  viertes  von 
Low  übersehenes  ein  und  berichtigt  in  Anmerkungen  dessen 
irrige  Deutungen.  E.  M. 

384.  Im  neuesten  Heft  des  Philologus  S.  396  macht 
M.  Manitius  auf  den  Donatkommentar  des 
Lehrers  und  späteren  Bischofs  Erchanbert  von  Freising 
aufmerksam,  der  vermutlich  früher  geschrieben  wurde  als 
Hrabans  Grammatik,  wonach  Erchanbert  gewissermassen 
als  der  Begründer  der  grammatischen  Studien  in  Ostfranken 
anzusehen  wäre.  Die  Einleitung  zur  ars  minor  und  maior 
werden  (aus  Clm.  14  846)  mitgeteilt  und  einzelne  Notizen 
zugefügt.  K.  Str. 

385.  Die  Mem.  de  la  soc.  d'emul.  du  Jura,  VIII.  serie, 
II  (1908)  enthalten  S.  1  —  49  einen  Aufsatz  von  P.-A. 
P  i  d  o  u  X  über  das  in  der  Vatikanischen  Bibliothek  be- 
findliche Sacramentarium  des  Erzbischofs  Hugo  des 
Grossen,  die  älteste  liturgische  Hs.  Besan^ons  (1030),  das 
u.  a.  auch  die  älteste  Bischofsliste  enthält.  E.  M. 

386.  In  den  Mem.  de  l'acad.  de  Vaucluse,  2.  serie, 
V  (1907),  115 — 122  beschreibt  P.  Pansier  eine  aus  dem 
Kloster  St. -Andre  de  Villeneuve  stammende,  dem  Ende 
des  11.  Jh.  angehörige  Hs.  medizinischer  Traktate,  die 
einer  ähnlichen  älteren  Monte  -  Cassineser  Hs,  verwandt  ist. 

E.  M. 


Nachrichten.  655 

387.  In  den  SB.  der  Wiener  Akademie,  Philos.-Histor. 
Kl.  CLXIII,  1  vergleicht  Anton  E.  Schönbach  die  zahl- 
reichen Geschichten,  die  von  Caesar  ins  von  Heister- 
bach in  seinen  Werken,  dem  Dialogus  miraculorum,  den 
Homilien  de  infantia  salvatoris  und  den  Fragmenta  mira- 
culorum zweimal  erzählt  werden,  dann  auch  solche,  die  er 
und  Jakob  und  Vitrj  und  Stephan  von  Bourbon  oder  diese 
beiden  allein  erzählen,  stellt  die  sehr  starken  Abänderungen 
fest,  die  bei  der  Wiedererzählung  auftreten,  und  zieht 
daraus  den  Schluss,  dass  solche  Stoffe  von  den  Erzählern 
sehr  frei  behandelt,  je  nach  dem  obwaltenden  Zweck  um- 
gewandelt wurden.  Er  findet,  dass  die  Züge  der  Er- 
zählungen fester  gehalten  wurden,  wenn  sie  an  bestimmte 
Personen,  Orte  und  an  bestimmte  Zeit  gebunden  waren. 

0.  H.-E. 

388.  Der  Aufsatz  von  P.  Perdrizet  über  die  älteste 
Beschreibung  Lothringens,  Mem.  de  la  soc.  d'archeol.  Lor- 
raine et  du  musee  bist.  Lorrain  VIIl  (1908),  389—414,  be- 
handelt das  betreffende  Kapitel  aus  dem  Werke  'De  pro- 
prietatibus  rerum'  des  um  die  Mitte  des  13.  Jh.  schreiben- 
den   Minoriten    Bartholomaeus   Anglicus. 

E.  M. 

389.  F.  Novati,  Di  un'  ars  punctandi  erroneamente 
attribuita  a  Francesco  Petrarca  (ßendiconti  del  R.  istituto 
Lombardo  di  scienze  e  lettere,  ser.  11,  vol.  XLII,  83 — 118) 
beschäftigt  sich  auch  allgemeiner  mit  den  Grundsätzen  der 
Interpunktion  in  Hss.  im  Altertum  und  M. -A.  und  gibt 
Auszüge  aus  verschiedenen  Schriften,  die,  zumeist  in  der 
ars  dictaminis,  auch  die  Interpunktion  behandeln. 

B.  Schm. 

390.  Auf  Grund  der  von  V.  Kybal  besorgten  Edition 
der  Regulae  veteris  et  novi  testamenti  von  Mathias  von 
Janov  hat  A.  Naegle  in  den  Mitteilungen  der  Vereines 
für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen,  Jahrg.  XLVIII 
(1909),  1  ff.  eine  gute  und  anschauliche  Charakteristik  dieses 
den  sogen.  Vorläufern  des  Hussitentums  beizuzählenden 
Mannes  und  seiner  Schrift  gegeben  u.  d.  T. :  'Der  Prager 
Kanonikus  Matthias  von  Janov  auf  Grund  seiner  jüngst 
zum  erstenmal  veröffentlichten  Regulae  veteris  et  novi  tes- 
tamenti'. N.  beweist  auch,  wie  unbegründet  es  ist,  Mathias 
als  einen  Vorläufer  Hussens,  geschweige  Luthers,  als  der 
er  beispielsweise  von  Neander  in  einem  Aufsatz  in  den 
Abhandlungen  der  K.  Akad.  der  Wissensch.  zu  Berlin  1847 


656  Nachrichten. 

hingestellt  wurde,  anzusehen  und  begegnet  sich  hierin  mit 
Loserth  und  Höfler.  B.  B. 


391.  Im  Bulletin  de  la  soc.  d'art  et  d'hist.  de  Liege 
XVII,  385  sqq.  handelt  Dom  Donatien  de  ßruyne  unter 
Beigabe  von  2  Lichtdrucktafeln  über  das  Evangeliar 
von  Maeseyck  aus  dem  8,  Jh.,  die  älteste  Hs.  Belgiens 
mit  Miniaturen.  A.  H. 

392.  Die  Miniaturen  in  der  Hs.  der  Chronik  von 
S.  Vincenzo  al  Volturno  (Cod.  ßarberin.  Lat.  2724) 
behandelt  A.  M  u  fi  o  z  im  Bullettino  dell'  Istituto  storico 
Italiano  (1909),  75  —  90.  Er  findet  in  den  64  Bildern  des 
Codex  die  Hände  von  zehn  verschiedenen  Künstlern ;  die 
Behauptung  Bethmanns  (Archiv  XII,  386),  dass  ein  Teil 
der  Miniaturen  nach  älteren  Vorlagen  kopiert  sei,  bestreitet 
er.     Zwei  Facsimile -Tafeln  sind  beigegeben.  E.  S. 

393.  In  Conference  des  societes  savantes,  litter.  et 
artist.  de  Seine- et- Oise  III  (1907),  173  —  179  handelt 
Beaufils  über  die  Arten  der  Anwendung  des  Goldes  in 
mittelalterlichen  Miniaturen.  E.  M. 

394.  Der  N.  A.  XXXIII,  280,  n.  161  angezeigte 
Aufsatz  von  J.  Berthele  über  eine  angebliche  Papier- 
mühle im  Fluss  Herault  im  Jahre  1189  ist  auch  in  den 
Mem.  de  la  soc.  archeol.  de  Montpellier,  2.  serie,  III  (1907), 
319—334  abgedruckt.  E.  M. 

395.  Ueber  Johannes  Sensenschmid,  einen  be- 
rühmten Buchdrucker  aus  Eger,  geboren  daselbst  zwischen 
1422  und  1432,  gest.  vor  1493,  handelt  unter  genauer  Ver- 
zeichnung seiner  66  Werke,  die  sich  von  1470 — 1490  ver- 
folgen lassen,  K.  S  i  e  g  1  in  den  Mitteilungen  des  Vereines 
für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  Jahrg.  XLVIII 
(1909),  38  fE.  B.  B. 

396.  Im  Nederlandsch  Archievenblad  von  1909  n.  4 
gab  R.  F  r  u  i  n  wieder  Untersuchungen  über  den  J  a  h  r  - 
a  n  f  a  n  g  ,  nämlich  in  Seeland  in  der  Zeit  von  1456  bis 
1534  und  in  dem  zum  Bistum  Lüttich  gehörigen  Teil  von 
Brabant  seit  1333,  er  wies  die  Annahme  zurück,  dass  im 
Bistum  Lüttich  1079  — 1229  die  Indiktion  vom  1.  Januar 
gerechnet  worden  wäre,  während  das  Inkarnationsjahr  mit 
Weihnachten  begonnen  hätte,  gegenüber  der  allgemeinen 
Meinung,  dass  beim  Gebrauch  der  Indictio  Romana  deren 


Nachrichten.  657 

Beginn     mit     dem     Anfang     des     Inkarnationsjahres     zu- 
sammenfiel. O.  H. -E. 

397.  In  'Nouvelles  recherehes  sur  la  Chronologie 
medievale  en  Flandre'  setzt  sich  C.  Callewaert  in  den 
Ann.  de  la  soc.  d'emulation  de  ßruges  LIX,  153  sqq.  weiter 
mit  seinen  Kritikern  auseinander.  Seine  Ergebnisse  für 
die  flandrische  Chronologie  bis  zum  Ende  des  12.  Jh.  sind: 
die  Jahresanfänge  mit  Ostern,  mit  dem  25.  März  und  dem 
1.  März  kommen  nur  als  ganz  seltene  Ausnahmen  vor; 
allgemein  üblich  war  der  Jahreswechsel  nicht  am  1.  Januar, 
sondern  zu  Weihnachten ;  die  neuerdings  von  Acht  (s.  oben 
S.  329,  n.  194)  behauptete  und  von  Callewaert  für  viele 
Fälle  anerkannte  Umsetzung  der  Indiktion  mit  Ostern, 
wenn  man  hier  das  neue  Jahr  begann,  kommt  in  Flandern 
nicht  vor,  wo  wir  sonst  römische,  griechische  und  Beda- 
nische  Indiktion  nebeneinander  treffen;  ausser  der  mit 
dem  1 .  Januar  umsetzenden  römischen  Epakte  kannte  man 
auch  die  vom  1.  September  an  zählende  ägyptische. 

A.  H. 

398.  Dr.  Gustav  Schöttle  in  Tübingen,  dem  wir 
u.  A.  den  Nachweis  der  bisher  ungekannten  Pfennige  der 
Pfalzgrafen  von  Tübingen  verdanken,  hat  kürzlich  wieder 
zwei  Abhandlungen  zur  schwäbischen  Münz- 
geschichte veröffentlicht.  Die  eine :  das  Münz-  und 
Geldwesen  der  Bodenseegegenden  des  Allgäus  und  des 
übrigen  Oberschwaben  im  13.  Jh.  betitelt,  die  in  der 
Wiener  Numismatischen  Zeitschrift,  N.  F.  II.  Band  erschien, 
behandelt  das  Konstanzer  Müuzgebiet  nach  seiner  Ent- 
stehung, seinen  Münzstätten,  Umfang  u.  s.  w.  und  ins- 
besondere die  Münzordnung  vom  J.  1240,  die  zweite,  ein 
Sonderabdruck  aus  der  Geschichte  der  Stadt  Lindau,  be- 
trifft das  Münz-  und  Geldwesen  dieser  alten  Reichsstadt. 
Die  Münzstätte  zu  Lindau  war  königlich  und  blieb  es  bis 
1302,  in  welchem  Jahre  sie  König  Albrecht  I.  an  den 
dortigen  Bürger  Konrad  Holle  verpfändete.  Auf  gleichem 
Wege  erhielt  sie  1315  Winman  Kitzi  von  König  Friedrich 
dem  Schönen.  Von  da  ab  verblieb  die  Ausübung  des 
Münzregals  zu  Lindau  über  ein  Jahrhundert  lang  in  Be- 
sitz der  Familie  Kitzi,  diese  durfte  jedoch  weder  Münzfuss 
noch  Gepräge  ändern.  Beides  wurde  erst  1415  durch 
König  Siegmund  gestattet.  Die  Stadt  erkaufte  zwei  Jahre 
später  das  Münzamt  samt  der  Gold-  und  Silberwage  mit 
allen  Rechten  von  Marquard  Kitzi,  hat  jedoch,  wie  es 
scheint,  erst  seit  dem  J.  1663  gemünzt.  L.  v.  E. 


658  Nachrichten. 

399.  'Umrisse  einer  Münzgeschichte  der  a  1 1 - 
österreichischen  Lande  im  Mittelalter'  veröfiEentlicht 
A.  Luschin  von  Ebengreuth  als  erweiterten  Fest- 
vortrag in  der  Numismatischen  Zeitschrift  N.  F.  IL  Bd. 
1909.  Ein  erster  Abschnitt  behandelt  das  frühe  Mittel- 
alter bis  1150,  in  weiteren  Unterabteilungen  von  je 
50  Jahren  wird  der  Stoff  bis  z.  J.  1500  behandelt.  Jedem 
Abschnitt  ist  eine  Literatur  -  Uebersicht  vorangestellt,  dann 
folgt  die  chronologische  Eeihe  der  Quellenzeugnisse  als 
höchst  willkommene  Regesten  über  die  wichtigsten  Er- 
kenntnisse und  Tatsachen  der  Münzgeschichte,  daran 
schliessen  sich  ausgewählte  Abbildungen  von  Münzen ;  den 
Schluss  macht  eine  Darstellung  der  Münzentwickelung  in 
den  betreffenden  Zeitabschnitten,  die  in  klarem  Fluss  und 
kurzen  Leitsätzen  die  Ergebnisse  fremder,  vor  allem  aber 
führender  eigener  Forschung  zusammenfasst.  Nur  ein 
Meister  des  Stoffes  vermochte  dies  alles  auf  dem  knappen 
Eaum  von  54  Seiten  zusammenzudrängen.  S.  8,  Regest  21 
wird  eine  münzgeschichtlich  wichtige  Stelle  des  Kreuzzugs- 
berichtes Tagenos  aus  der  Hs.  der  Grazer  Universitäts- 
bibliothek mitgeteilt.  M.  T. 

400.  Mit  dem  österreichisch -schlesischen  Münz- 
wesen beschäftigt  sich  ein  Aufsatz  von  E.  R  z  e  h  a  k  in 
der  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kulturgeschichte 
Oesterreich- Schlesiens,  Jahrg.  III,  30.  Im  ersten  Teil 
wird  über  den  Troppauer  Heller  als  schlesische 
Städtemünze  im  15.  Jh.,  im  zweiten  über  die  Jägern- 
dorfer  Groschen  unter  Kg.  Mathias  Corvinus  von 
Ungarn  gehandelt.  Im  ersten  Teil  wird  auch  die  Urkunde 
der  Herzoge  von  Troppau  Wenzel,  Niklas,  Wilhelm  und 
Ernst,  in  der  sie  den  Städten  Troppau,  Leobschütz  und 
Zuckmantel  die  Prägung  der  Hellermünze  übertragen,  dd. 
4.  Okt.  1433  Troppau,  aus  einem  Koj^ialbuch  s.  XVII  ab- 
gedruckt, ebenso  die,  durch  welche  Troppau  und  Leob- 
schütz 1434  sich  dahin  einigen,  dass  die  Münze  aus- 
schliesslich in  Troppau  sein  und  dass  die  Bürger  dieser 
Stadt  drei  Jahre,  die  von  Leobschütz  und  Zuckmantel  zu- 
sammen das  vierte  Jahr  daselbst  prägen  sollen.  Die  drei 
Typen  dieser  Heller  werden  in  guten  Darstellungen  vor- 
geführt. Ebenso  die  Jägerndorfer  Groschen  des  Königs 
Mathias,  die  sog.  'Mathieser',  die  als  halbe  und  ganze 
Groschen   1475  geschlagen  worden  sind.  B.  B. 

401.  Die  Münzen  von  Worms  im  Auftrage  von 
W.  E.  Nebel  bearbeitet  von  Paul  Joseph    ist   der  Titel 


Nachrichten.  659 

eines  Werkes,  das  1906  zu  Darmstadt  in  der  Winterschen 
Buchdruckerei  erschienen  ist  und  den  bekannten  Heraus- 
geber der  Frankfurter  Münzzeitung-  zum  Verfasser  hat. 
Die  münzg-eschichtliche  Einleitung  im  ersten  Viertel  des 
Buches  behandelt  das  Münzrecht,  die  Münzerzeugung 
(Münzer  und  Hausgenossen)  und  die  verschiedenen  Wäh- 
rungen, welche  vom  Mittelalter  bis  in  die  neuere  Zeit  zu 
Worms  üblich  waren.  Dann  folgt  ein  kleiner  urkundlicher 
Anhang  und  hierauf  die  Beschreibung  der  bekannten 
Wormser  Gepräge,  und  zwar  erst  der  kaiserlichen,  dann 
der  bischöflichen  und  zuletzt  der  städtischen  Münzen.  Die 
ältesten  Münzen,  die  der  Verf.  anführt,  sind  Denare  K. 
Ottos  I.,  doch  wird  die  Möglichkeit  zugegeben,  dass  schon 
unter  den  Karolingern  zu  Worms  gemünzt  wurde.  In  der 
Tat  gibt  es  einen  Denar  Karls  d.  Grossen,  den  Prou  n.  941 
unter  den  unbestimmten  Münzstätten  anführt,  der  schon 
für  Worms  in  Anspruch  genommen  wurde.  Er  trägt  auf 
einer  Seite  den  Namenszug  König  Karls,  auf  der  andern 
in  den  Winkeln  eines  Kreuzes  die  Buchstaben  VORM  oder 
AORM.  Die  Zuteilung  dieses  Pfennigs,  von  welchem  der 
Fund  von  Ilanz  eine  Stempelverschiedenheit  brachte,  nach 
Worms  ist  jedoch  bestritten,  da  andere  diese  Buchstaben 
ROMA  auflösen.  L.  v.  E. 

402.  Die  Münz-  und  Geldpolitik  der  Stadt 
B  a  s  e  1  im  Mittelalter  (Tübingen  1907)  behandelt  Bernhard 
Harms  im  23.  Ergänzungsheft  der  Bücherschen  Zeit- 
schrift für  die  gesamten  Staats  Wissenschaften.  Das  Werk 
ist  eine  Vorarbeit  zu  der  vom  Verf.  beabsichtigten  Dar- 
stellung des  Basler  Stadthaushaltes  im  ausgehenden  Mittel- 
alter und  enthält  in  vier  Abschnitten  die  Geschichte  des 
Basler  Münzwesens  im  11  — 13.  Jh.,  die  Verpfändung  der 
erzbischöflichen  Münze  an  die  Stadt,  die  Münzpolitik  der 
Stadt  und  in  systematischer  Zusammenfassung  der  wich- 
tigsten Ergebnisse  Nachrichten  über  Prägekosten,  Schlag- 
schatz, Schrot  und  Korn  und  das  Wertverhältnis  von  Gold 
und  Silber.  L.  v.  E. 

403.  üeber  den  Amtsiegelstempel  des  Komturs 
vom  ehemaligen  Deutsch  -  Ordens  -  Hause  zu  Burow  (bei 
Koswig  in  Anhalt)  handelt  H.  Siebert  in  den  Mittei- 
lungen des  Vereins  für  Anhaltische  Gesch.  u.  Altertumsk. 
XI,  227—229.  M.  Kr. 

404.  Die  Entwicklung  der  Stadtwappen  von 
Troppau  und  Jägerndorf,  deren  erstes  sich  seit  1289,  deren 


660  Nachrichten. 

zweites  seit  1311  verfolgen  lässt,  behandelt  E.  Rzehak  in 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kulturgeschichte  Oester- 
reichisch- Schlesiens,  Jahrg.  III,  84  ff.  In  der  Gründungs- 
geschichte Jägerndorfs  spielt  bekanntlich  eine  falsche,  nur 
in  deutscher  üebersetzung  erhaltene  Urkunde  Kg.  Heinrichs  I. 
dd.  Merseburg  27.  Mai  926,  die  sich  in  den  Turmknopf- 
dokumenten im  J.  1739  vorfand,  eine  Rolle.  B.  B. 

405.  'Das  altdeutsche  Handwerk'  heraus- 
gegeben aus  dem  Nachlass  von  M.  Heyne  (Strassburg 
1908)  enthält  die  ursprünglich  für  den  ersten  Abschnitt 
des  vierten  Buches  der  deutschen  Hausaltertümer  be- 
stimmten Ausführungen  H.'s  über  'Das  altgermanische 
Hausgewerbe  und  seine  Ausbildung  in  der  Zeit  bis  zum 
10.  Jh.',  über  'Ansätze  zu  Grossbetrieben'  und  über  'Un- 
ehrliche Hantierungen'.  Diese  drei,  die  ältere  Zeit  be- 
handelnden, Abschnitte  sind  vollständig.  Dagegen  bricht 
die  an  vierter  Stelle  gegebene  Schilderung  der  Entwicklung 
des  deutschen  Gewerbes  vom  11.  bis  zum  Anfang  des  16.  Jh. 
im  Eingang  der  Grossbetriebe  ab.  Beigegeben  ist  eine 
Lebensskizze  des  Verfassers  von  Edw.  Schröder  und  ein 
Sachregister.  M.  Kr. 

406.  In  seinen  'Vraagstukken  in  de  geschiedenis  van 
Nijmegen's  voortijd',  Gelre,  Bijdr.  en  mededeel.  IX,  1  ff. 
handelt  H.  D.  J.  V  a  n  S  c  h  e  v  i  c  h  a  v  e  n  u.  a.  über  die 
berühmte  Königspfalz  daselbst  und  stellt  unkritisch  die 
Jahre  zusammen ,  in  denen  ein  König  dort  Aufenthalt 
nahm  (bis  zum  J.  1213).  Z.  B.  sind  gleich  unter  Karl  d.  Gr. 
die  Jahre  776,  779,  793,  796,  807,  unter  Ludwig  d.  Fr.  828 
und  unter  Lothar  855,  856  zu  streichen.  Im  besondern 
über  die  Burgkapelle  zu  Nimwegen  spricht  derselbe  ebd. 
X,  67  ff.  A.  H. 

407.  Für  die  Topographie  des  mittelalterlichen  Eom 
zu  beachten  ist  der  Aufsatz  von  R.  Lanciani,  II  ricordo 
della  'domus  aurea'  nella  topografia  medievale  di  Roma 
(Rendiconti  della  R.  accad.  dei  lincei.  Gl.  di  sc.  morali, 
Serie  V,  vol.  XVIII,  p.  224  —  230).  B.  Schm. 

408.  Im  Archiv  f.  d.  Gesch.  des  Hochstifts  Augs- 
burg I,  23  ff.  bespricht  M.  Kemmerich  das  Grabmal 
des  Bischofs  Wolfhard  im  Dom  daselbst,  das  er  der  Zeit 
bald  nach  dem  Tode  des  Bischofs  (f  1302)  zuweist. 

E.  C. 


XL 


Ueber  den  Brief  Kaiser  Ludwigs  IL 
an  den  Kaiser  Basilius  I. 


Von 


Walter  Henze. 


Neues  Archiv  etc.   XXXV.  43 


Jjen  Brief  Kaiser  Ludwigs  II.  an  Basilius  I.  den 
Macedonier,  den  oströmisehen  Kaiser,  (Böhmer- Mühlbacher, 
Reg.  12,  n.  1247  [1213])  hat  uns  der  Mönch  von  Salerno 
in  seiner  Chronik  (MG.  SS.  III,  521—527)  aufbewahrt;  er 
hat  ihn  ohne  Quellenangabe  seiner  Erzählung  der  Ereig- 
nisse in  Süditalien  an  richtiger  Stelle  eingefügt.  Der 
zweite  Teil  des  Briefes  enthält  des  Kaisers  erfolgreiche 
Kämpfe  gegen  die  Sarrazenen,  die  Eroberung  von  Bari 
(2.  Februar  871),  seine  bisherigen  und  seine  geplanten 
Unternehmungen  zur  Befreiung  Süditaliens  von  den  Un- 
gläubigen, wobei  er  der  griechischen  Hülfe,  namentlich  in 
Hinblick  auf  seine  Schwäche  zur  See,  nicht  entraten  zu 
können  meint.  Der  erste  Teil  des  Briefes  ist  eine  Recht- 
fertigung der  karolingischen  Kaiserwürde  gegenüber  der 
ablehnenden  Haltung,  die  Basilius  durch  Versagen  des 
Titels  Imperator,  bzw.  ßaodevg  einnimmt,  ein  interessantes 
Schriftstück,  das  den  Gedanken  von  der  Verleihung  der 
Kaiserwürde  durch  den  Papst,  wie  er  durch  die  seitens 
Papst  Johann  VIII.  erfolgte  Berufung  Karls  des  Kahlen  ^ 
sanktioniert  wurde,  etwa  ein  Jahrzehnt  vorher  zur  Voraus- 
setzung nimmt.  Dass  diese  Auffassung  unter  Johanns  Vor- 
gängern bereits  bestanden  hat,  nimmt  nicht  wunder;  solche 
Gedanken  pflegen  sich  im  Stillen  vorzubereiten  und  zu 
entwickeln,  ehe  sie  ihren  geschichtlichen  Moment  erleben. 
Eher  ist  es  erstaunlich,  im  Kaiser  den  Interpreten  päpst- 
licher Ansprüche  zu  finden.  Selbst  wenn,  was  immerhin 
noch  nicht  als  sicher  anzunehmen  ist,  Ludwig  sonst  päpst- 
lichen Uebergriffen  stets  grundsätzlich  entgegengetreten 
ist,  so  befand  er  sich  in  diesem  Falle  in  eigentümlicher 
Lage :  was  konnte  er  als  Rechtfertigung  seiner  Kaiserwürde 
anführen  ?  Ausser  der  mehr  behaupteten  als  zu  be- 
weisenden Nachfolge  der  alten  römischen  Imperatoren 
doch  nichts  anderes  als  die  päpstliche  Weihe ;  denn  Ludwig 

1)  Migne  CXXVI,  669  (Jaffe,  Beg.  pont.  I-,  3039):  'per  apostolicae 
sedis  Privilegium  cunctorum  favoribus  approbatum  sceptris  imperialibus 
sublimavit  (seil.:  deus  Carolum)'  und  673  (.Jaffe  3040),  sowie  666  (Jaffe 
3088) :  'Augustale  diadema  .  .  .  divinitus  .  .  .  collatum,  per  humilitatis 
nostrae  ministerium'  .  .  . 

48* 


664  Walter  Henze, 

vertrat  erst  die  dritte  Generation  seit  dem  Stifter  dieser 
karolingischen  Würde,  und  so  Hess  sich  aus  seinem  'Erb- 
recht' nur  eine  schwache  Stütze  seiner  Ansprüche  kon- 
struieren, 70  Jahre  nach  der  'Usurpation'  der  Würde  durch 
seinen  Ahn  Karl  den  Grossen.  Hätte  Ludwig  den  Wert 
der  päpstlichen  Weihe  weniger  hoch  eingeschätzt,  so  blieb 
ihm  eigentlich  keine  rechte  Antwort  an  Basilius  übrig. 
Denn  was  bei  Karl  dem  Grossen  wohl  andern  als  den 
Byzantinern  gegenüber  zur  ßechtfertigung  dienen  konnte, 
sein  tatsächlicher  Machtbesitz,  das  konnte  der  im  wesent- 
lichen auf  Italien  beschränkte  Nachkomme  schwerlich  in 
einem  Briefe  ins  Feld  führen,  in  dem  er  zur  Reinigung 
'seines'  Italiens  von  den  Ungläubigen  die  Hülfe  der 
Griechen  nicht  entbehren  zu  können  gesteht.  Da  nun  sein 
Rechtfertigungsschreiben  weniger  der  Initiative  Ludwigs 
entsprungen,  als  vielmehr  durch  ablehnende  Worte  in  dem 
letzten  Briefe  des  Basilius  hervorgerufen  ist,  so  darf  man 
aus  der  Betonung  des  päpstlichen  Ursprungs  der  Kaiser- 
würde einen  Zweifel  an  der  Echtheit  des  Schriftstückes 
nicht  ableiten.  Kleinclauss  tut  das  in  zwei  Artikeln 
(L'empire  carolingien,  in  der  Revue  bourguignonne  XII 
(1902),  447  ff.  und  La  lettre  de  Louis  IL  a  Basile  le 
Macedonien  im  Moyen  Age,  2.  serie,  VIII  (1904),  45—53) 
und  findet,  einmal  misstrauisch  geworden,  noch  eine  Reihe 
von  Punkten,  die  seine  Zweifel  bekräftigen  sollen.  Seine 
Kritiker  (N.  A.  XXVIII  [1903],  771,  n.  381;  Histor. 
Zeitschr.  XCII,  465;  Revue  critique  1902,  p.  448;  Moyen 
Age,  2.  serie,  VIII  (1904),  59)  haben  ihm  ihre  Zustimmung 
versagt,  ebenso  die,  die  sich  in  grösserem  Zusammenhange 
mit  seiner  Auffassung  auseinandersetzen  mussten  (Gay, 
L'Italie  meridionale  .  .  .,  1904,  p.  84  ff.;  L.  M.  Hartmann, 
Geschichte  Italiens  III,  1,  (1908),  306  f.,  Anm.  26  und  vor 
allem  Poupardin  im  Moyen  Age,  2.  serie,  VII  (1903), 
185  ff.). 

Der  Gang  seiner  Darlegungen  ist  folgender :  Der 
Verfasser  des  Briefes  ist  ein  gelehrter  Kleriker,  wahr- 
scheinlich der  päpstliche  Bibliothekar  Anastasius.  Der 
Inhalt  des  Briefes,  der  die  Kaiserwürde  auf  päpstliche 
Verleihung  begründen  will,  verträgt  sich  mit  der  Politik 
Ludwigs  IL  nicht,  entspricht  dagegen  den  etwa  seit  879 
klar  ins  Auge  gefassten  päpstlichen  Machtansprüchen.  Ein 
diplomatischer   Fehler  ^   und    eine    Ungenauigkeit  -   in    den 

1)  'Imperator  augustus'  mit  dem  Zusatz  'Romanorum'.  2)  Kon- 
stantinopel wird  'nova  Roma'  genannt. 


Ueber  den  Brief  Kaiser  Ludwigs  II.  665 

Titulaturen  am  Beginne  des  Briefes  erweisen  ihn  als  nicht 
aus  der  kaiserlichen  Kanzlei  stammend,  historische  Irr- 
tümer betreffs  der  Krönung  der  karolingischen  Kaiser  und 
des  zwischen  Ludwig  II.  und  den  Neapolitanern  im  Jahre 
871  bestehenden  Verhältnisses  machen  ihn  verdächtig.  Das 
Ergebnis  ist:  Anastasius  hat  den  Brief  879  gefälscht  im 
Sinne  der  päpstlichen  Partei  zur  Illustration  des  damals 
von  der  Kurie  vertretenen  Standpunktes  ihrer  Suprematie 
über  das  Kaisertum  und  zur  Empfehlung  des  päpstlichen 
Gedankens,  eine  Einigung  von  ganz  Italien  und  Byzanz 
gegenüber  den  Sarrazenen  herbeizuführen.  Nebenbei  weist 
Kleinclauss  noch  auf  das  Fehlen  der  Quellenangabe  in  der 
Chronik  hin. 

Anzunehmen,  dass  der  Mönch  von  Salerno  den  Brief 
selbst  verfertigt  hat,  verbietet  neben  dem  Ernst  der  Arbeit 
und  der  durchaus  entgegengesetzten  persönlichen  Ansicht 
des  Chronisten  ^  auch  der  unverkennbare  Abstand  des 
grammatisch  viel  korrekter,  stilistisch  recht  gewandt  ge- 
schriebenen Briefes  von  der  Chronik;  zudem  ist  der  Ver- 
fasser des  Briefes  in  die  'Tagesfragen'  in  Konstantinopel 
genau  eingeweiht  und  daran  interessiert.  Bisher  ist  diese 
Ansicht  auch  nicht  aufgestellt  worden.  —  Die  archivalischen 
Quellen  fliessen  dem  Schriftsteller  in  Salerno  und  allen- 
falls noch  in  Amalfi;  tiefer  gehende  Studien  hat  er  nicht 
gemacht,  wie  seine  Mitteilungen  über  seine  Quellen  zur 
Geschichte  Amalfis  dartun  (c.  87,  p.  511).  In  Salerno  oder 
Umgegend  muss  ihm  auch  der  Kaiserbrief  zugänglich  ge- 
worden sein.  An  offizieller  Stelle  mag  er  ihn  nicht  ge- 
funden haben;  das  lässt  sich  vielleicht  aus  dem  Fehlen 
der  Quellenangabe  schliessen.  Aber  Sammlungen,  wie  der 
codex  Casinensis^  353  des  Abtes  Johannes,  hat  es  gewiss 
noch  mehrere  gegeben.  Mehr  als  ein  Grund  liegt  vor,  an 
diesem  Briefe  in  Süditalien  lebhaftes  Interesse  voraus- 
zusetzen. Die  historischen  Berichte  des  2.  Teiles  behandeln 
überwiegend  süditalienische  Ereignisse,  die  Auseinander- 
setzung über  die  karolingische  Kaiserwürde  hat  die  Ge- 
müter dort  auch  später  noch  lebhaft  erregt^;  und  da  der 
Brief,  sofern  er  echt  ist,  sicher  in  Süditalien  geschrieben 
ist,  kann  er  dem  Benediktinermönche  wohl  z.  B.  in 
Salerno,  Amalfi  oder  in  Corpo  di  Cava  in  einer  seinerzeit 
angefertigten  Abschrift  zugänglich  gewesen  sein. 


1)  Vgl.  c.  11,  p.  479.         2)  Bethmann  im  Alten  Arclüv  X  (1851), 
359.        3)  Chron.  Salem,  c.  11,  p.  479. 


666  Walter  Henze. 

Bedenklicher  wären,  wenn  sie  sich  erweisen  Hessen, 
die  historischen  Irrtümer  in  dem  Briefe.  Zunächst:  Ist 
die  päpstliche  Salbung  bei  der  Kaiserkrönung  Karls  des 
Grossen  und  bei  der  Ludwigs  II.  zur  Anwendung  ge- 
kommen? Die  Salbung  der  abendländischen  Kaiser  hat 
Poupardin  (Moyen  Age,  2.  ser.,  IX  [1905],  119—123)  in 
einem  eigenen  Artikel  behandelt,  dessen  Inhalt  ich  bei  der 
Beurteilung  dieser  beiden  speziellen  Fragen  mit  verwerte  ^. 

Dass  bei  der  Kaiserkrönung  Karls  des  Grossen  das 
heilige  Oel  nicht  zur  Anwendung  gekommen  ist,  scheint 
festzustehen  (Poupardin  p.  115.  116);  sicher  ist  seine  An- 
wendung bei  der  gleichen  Zeremonie  an  Karl  dem  Kahlen 
(p.  123.  124).  Die  unctio  ist  jüdisch -christlichen  Ursprungs 
und  eine  kirchliche  Handlung;  sie  ist  der  kirchliche  Be- 
standteil einer  Krönung  (vgl.  MG.  Capit.  reg.  Franc.  II, 
n.  276,  p.  341  oben).  Die  Krönung  Karls  des  Grossen  als 
etwas  Neues,  mag  sie  nun  byzantinisches  Vorbild  nach- 
ahmen oder  nicht,  ist  hier  nicht  beweiskräftig,  und  so 
fällt  die  Aufstellung  Kleinclauss'  (1904,  S.  49.  50),  dass 
die  Salbung,  spezifisch  der  karolingischen  Königskrönung 
eigentümlich,  zum  kirchlichen  Zeremoniell  der  Kaiser- 
krönung nicht  passe.  Eher  lehrt  der  Brief  Nikolaus'  I. 
(Migne  CXIX,  915;  Jaffe,  Reg.  pont.  I^,  n.  2774)  das 
Gegenteil,  und  Kleinclauss  bemüht  sich  (1904,  S.  50, 
Anm.  2)  vergeblich ,  die  unverkennbare  Unterscheidung 
zwischen  'regna'  und  'imperium'  zu  verwischen.  Die  unctio 
darf  bei  einer  genauen  Darstellung  der  ganzen  Zeremonie 
nicht  fehlen,  bei  einem  kurzen  Bericht  kann  sie  sehr  wohl 
als  nur  ein  Teil  des  Ganzen  unerwähnt  bleiben.  Auf 
Grund  dessen  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  die  unctio  unter- 
blieben sei,  ist  unberechtigt,  den  Stellen,  die  sie  bezeugen, 
darum  die  Beweiskraft  abzusprechen  (Kleinclauss  1902, 
S.  393,  Anm.  3)  nicht  angängig.  So  bleibt  das  Zeugnis 
der  Annales  Bertiniani  (ed.  Waitz  a.  850,  p.  38)  für  die 
Salbung  Ludwigs  IL  (Böhmer -Mühlbacher  I^,  n.  1180 
[1145]  a),  das  eher  noch  durch  die  Notiz  z.  J.  844,  p.  30 
eine  Stütze  erhält,  das  des  Nikolaus  -  Brief  es  (s.  o.)  und 
das  des  Chronicon  Venetum  -  (MG.  SS.  VII,  18)  bestehen, 
schliesslich  auch  das  des  Chronicon  Salernitanum  c.  103 
(MG.  SS.  III,  519)3. 


1)  Vgl.  auch  Brunner,  Deutsche  Rechtsgesch.  II-,  89 — 91.  2)  Der 
Fehler:  'in  regem'  kann  im  Zusammenhang  des  Ganzen  keinen  Anstoss 
bieten.  3)  Die   formelhaften  Wendungen,    die  sich   bei   der  Krönung 

Ottos  des  Grossen  (c.  169,  p.  554)  wiederholen,  beeinträchtigen  allerdings 
den  Wert  dieses  Zeugnisses. 


üeber  den  Brief  Kaiser  Ludwigs  II.  667 

Eher  lässt  sich  die  falsche  Behauptung  von  der 
Salbung"  Karls  des  Grossen  in  Ludwigs  Briefe  begreifen. 
Die  unctio  ist  bei  der  Krönung  Karls  des  Grossen  kaum 
zur  Anwendung  gekommen,  sie  gehört  aber  zum  System 
kirchlicher  Krönung,  (vgl.  das  unverdächtige  Zeugnis 
des  Thegan:  MG.  SS.  II,  594,  17)  und  schleicht  sich  des- 
halb hier,  nach  etwa  70  Jahren,  bereits  in  die  Vorstellung 
von  Karl  dem  Grossen  als  dem  'Kaiser  und  dem  Ge- 
salbten des  Herrn'  ein.  Was  beweist  aber  dann  die  offen- 
bar unzutreffende  Behauptung  für  Kleinclauss'  These  ? 
Entweder  hat  sich  Anastasius  (und  mit  ihm  gegebenen 
Falles  LudAvig)  in  gutem  Glauben  befunden:  dann  kann 
der  Brief  ebenso  871  wie  879  verfasst  worden  sein.  Oder 
fälschte  man  hier  die  Tatsachen,  so  musste  man  871  wie 
879  gleichermassen  darauf  rechnen  können,  dass  sowohl 
der  Adressat  als  auch  das  Publikum,  auf  das  die  Fälschung 
etwa  berechnet  war,  nicht  mehr  in  der  Lage  war,  Zweifel 
zu  hegen  oder  gar  zu  begründen.  Also  diese  historische 
Unrichtigkeit  wiegt  871  wie  879  gleichmässig  leicht. 

Die  Richtigkeit  der  Angaben  des  Briefes  über  Ludwigs 
Verhältnis  zu  Neapel  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  871 
zieht  Kleinclauss  in  Zweifel.  Hierzu  haben  Poupardin 
(Moyen  Age,  2.  serie,  VII  (1903),  185  f.)  und  Gay  (a.  a.  O. 
S.  85)  Stellung  genommen. 

Auffallend  milde  und  zurückhaltend  äussert  sich  der 
Kaiser  über  seine  Massnahmen  gegen  Neapel.  Er  behält 
sich,  zunächst  Basilius  gegenüber,  sein  Eigentumsrecht  auf 
diese  Stadt  vor,  lehnt  aber  den  Vorwurf  der  Verwüstung 
neapolitanischen  Gebietes  ab.  Sein  Bestreben  sei  nur  auf 
das  Seelenheil  der  Leute  gerichtet,  das  durch  den  Ver- 
derben bringenden  Umgang  mit  den  Ungläubigen  Gefahr 
laufe,  an  deren  Christenverfolgungen  sie  beteiligt  seien. 
Nach  kurzer  Schilderung  der  Unternehmungen,  mit  denen 
die  Neapolitaner  den  Sarrazenen  Vorschub  leisteten,  be- 
zeichnet Ludwig  sein  Vorgehen  gegen  Neapel  mit:  'mo- 
nuimus'  (vorher :  'nihil  exegimus  nisi  salutem  ipsorum'). 
Diese  ammonitio  habe  so  wenig  gefruchtet,  dass  sie  ihren 
Bischof,  der  sie  in  demselben  Sinne  vermahnt  habe,  ver- 
jagt hätten.  Sollten  sie  halsstarrig  bleiben,  so  'werde'  er 
nunmehr  sie  wie  ihre  Gesinnungsgenossen,  die  Ungläubigen, 
behandeln.  Hier  wiederholt  er  die  Vorwürfe  über  ihre 
Parteinahme  für  die  Sarrazenen  in  heftigerer  Form.  Was 
er  eigentlich  zu  tun  gedenkt,  deutet  er  nicht  an. 

Bischof  Athanasius  weilt  Anfang  871  vertrieben  ausser- 
halb der  Mauern  Neapels ;  vor  seiner  Vertreibung  und  auch 


668  Walter  Henze. 

bis  jetzt  hat  Ludwig  ernste  Schritte  gegen  die  Stadt  nicht 
unternommen.  Er  ist  bisher  so  rücksichtsvoll  geblieben, 
wie  vor  der  Vertreibung  des  Bischofs;  er  hat  es  nur  bei 
Vorstellungen  bewenden  lassen.  Soweit  stimmt  das  Bild 
vollständig,  das  Kleinclauss  (1902,  S.  455.  456)  von  der 
Stellungnahme  des  Kaisers  in  den  Jahren  866  ff.  entwirft. 

Nun  die  Sarrazenen.  Dass  sie  im  Lande  der  Nea- 
politaner sind,  sagt  die  Vita  Athanasii  c.  6  und  7  (MG. 
SS.  rer.  Lang.  p.  446,  24  und  37),  ebenso  das  Chronicon 
Salernitanum  c.  107,  p.  521  ^.  Dass  sie  den  Neapolitanern 
behilflich  sind,  liest  man  in  der  Vita  Äthan,  c.  6,  und 
eine  Hand  wäscht  die  andere.  Worin  die  Gegenleistung 
bestand,  das  lehrt  eben  nur  unser  Brief;  die  Quellen 
fliessen  hier  nicht  so  reichlich,  dass  das  Fehlen  einer  Be- 
stätigung dieser  Nachrichten  ihre  Glaubhaftigkeit  ver- 
dächtigen dürfte.  Die  Ausdehnung  sarrazenischer  Streif- 
züge bis  in  das  Patrimonium  Petri  belegt  zudem  Constaut. 
Porphyr,  de  themat.  II,  62  {jue^oi  'Pco^u)]?)-  Von  einer 
'alliance  en  regle'  (1902,  S.  455)  ist  darum  noch  nirgends 
die  Rede ;  und  wie  weit  die  Neapolitaner  immer  aus  Ueber- 
zeugung  und  nicht  bloss  der  Not  gehorchend  —  sie  hatten 
sich  mit  ihrer  zuwartenden  Politik  gegenüber  dem  Kaiser 
(vgl.  1902,  S.  455)  in  eine  prekäre  Lage  gebracht  —  die 
Sarrazenen  gefördert  haben ,  mag  dahingestellt  bleiben. 
Die  Situation  ist  nach  der  Einnahme  von  Bari  in  Süd- 
italien recht  schwül;  Herzog  Sergius  von  Neapel  ist  viel- 
leicht der  intellektuelle  Urheber  der  bald  über  den  Kaiser 
hereinbrechenden  Katastrophe,  Ludwig  ist,  obwohl  sich  die 
Ursachen  zur  Klage  seit  Athanasius'  Vertreibung  gemehrt 
haben  (s.  die  letzten  Zeilen  des  Briefes  in  dem  Neapel  be- 
treffenden Abschnitte),  immer  noch  zurückhaltend :  genau 
dieses  Bild  spiegelt  der  zwischen  mehr  und  minder 
heftigen  Anklagen,  milder  Auffassung  des  Geschehenen 
und  Androhung  schärferer  Massnahmen  schwankende  -  Ab- 
schnitt des  Briefes. 

Der  geistliche  Redaktor  des  Briefes  —  für  Anastasius 
spricht    hier   wiederum   etwas  ^ :    er   war  im    Auftrage   des 


1)  'Neapolim  Agarenos  suscipiunt  alimentaque  nimirum   illis   prae- 
bunt'.  2)   Dass   die  Anklagen   gegen   die  Neapolitaner   an   zwei   ver- 

schiedenen Stellen  des  Absatzes:  'De  Neapoli'  erscheinen,  dürfte  kaum 
Zufall  sein.  Sie  stellen  am  Ende  die  Neapolitaner  aktiver  dar  als  am 
Anfang.  Der  Wandel,  der  sich  seit  der  Entfernung  des  Bischofs  in  zu- 
nehmender Schärfe  vollzieht,  prägt  sich  auch  in  der  Darstellung  des 
Briefes  aus.  Der  Verfasser  scheint  sehr  gut  orientiert.  3)  Caspar  ver- 
öffentlicht  in:   Petrus  Diaconus   und   die   Monte   Cassineser  Fälschungen 


üeber  den  Brief  Kaiser  Ludwigs  II.  669 

Papstes  Hadrian  nach  der  Vertreibung  des  Bischofs  in 
Neapel  vergeblich  als  Vermittler  tätig  gewesen  (Vita 
Athanasii  c.  7,  MG.  SS.  rer.  Lang.  p.  447,  28)  —  sieht  in 
dem  Verkehr  mit  den  Ungläubigen  die  Quelle  alles  Uebels. 
Dass  es  sich  in  dem  Streite  zwischen  Neffen  und  Onkel 
um  eine  Familienangelegenheit  (1902,  S.  454)  handelt, 
widerlegt  Kleinclauss  selbst  S.  456  oben,  wo  er  den  Streit 
als  politischen  anspricht.  Und  wenn  der  Bischof  das  Ver- 
trauen des  Kaisers  genoss  und  der  Mittelsmann  zwischen 
ihm  und  seiner  Bischofsstadt  war  (Gest.  episc.  Neap.  c.  64, 
Vita  Äthan.  5,  MG.  SS.  rer.  Lang.  p.  435,  1  und  444,  35), 
so  kann  er  es  an  'Ermahnungen',  mit  den  Ungläubigen 
nicht  gemeinsame  Sache  zu  machen,  nicht  haben  fehlen 
lassen. 

Stände  die  Darstellung  von  Ludwigs  Verhältnis  zu 
Neapel  wirklich  zu  der  Lage  im  Jahre  871  im  Wider- 
spruche und  erschienen  die  Zweifel  an  Ludwigs  Salbung 
bei  seiner  Kaiserkrönung  berechtigt,  so  dürfte  man  die 
Echtheit  des  Briefes  allerdings  ernstlich  in  Zweifel  ziehen. 
Die  von  Kleinclauss  aus  den  abweichenden  Titulaturen 
beider  Kaiser  gezogenen  Folgerungen  sind  dagegen  auf 
keinen  Fall  beweiskräftig.  Die  allein  übliche  offizielle 
Bezeichnung  lautete:  'Imperator  Romanus',  nicht  'Roma- 
norum' ^,  wie  der  Brief  sagt.  Ein  Mann  etwa  von  der  Art 
und  der  Stellung  des  Anastasius  wusste  das  ganz  genau  ; 
wollte  er  einen  solchen  Brief  fälschen,  so  tat  er  unklug 
daran,  ihm  das  Zeichen  der  Unechtheit  durch  solche  Un- 
korrektheit  an  die  Stirn  zu  heften.  Er  hat  vielmehr  guten 
Grund  zu  dieser  Abweichung  von  der  amtlichen  Form  und 
zur  Wahl  der  Ausdrücke  'Imperator  Romanorum'  und 
'novae  Romae'  gehabt. 

Das  Antwortschreiben  Ludwigs  setzt  einen  mehr- 
maligen Briefwechsel  voraus  ^.  Den  Brauch  der  byzan- 
tinischen   Kanzlei    kennen    wir    aus    Const.    Porphyr,    de 


S.  220  ff.  eine  bisher  unedierte  kürzere  Fassung  der  Vita  Äthan.,  die  er 
S.  97 — 104  für  die  ursprüngliche  hält,  während  die  MG.  SS.  rer.  Lang, 
veröffentlichte  eine  Fälschung  des  Petrus  Diac.  sei.  Ist  Caspars  Ansicht 
richtig,  was  Holder-Egger  in  dieser  Zeitschrift  oben  S.  597  f.  bezweifelt, 
so  fällt  für  obigen  Hinweis  die  Stütze.  Die  beiden  anderen  Stellen  der 
Vita  Äthan.,  die  ich  hier  angeführt  habe,  finden  sich  dagegen  auch 
in    der  neuen  Vita,    die    eine    davon    (c.  5)    sogar   in   klarerer  Fassung, 

1)  Der  Brief  Karls  des  Grossen,  in  dem  er  sich  der  Form  'Roma- 
norum' bedient  (Kleinclauss  1902,  S.  447),  gilt  übrigens  aus  anderen 
Gründen    für    unecht    (MG.    Dipl.    Karol.    I,    505.    506,    s.    v.    Carolus). 

2)  'quoniam  nos  super  hoc  pulsasti  denuo,  nostrum  denuo  sume  respon- 
sum.  —  secundum  quod  fraternitati  nostrae  repromiseris'. 


670  Walter  Henze. 

cerem.  II,  c.  48,  p.  691,  18 — 2ö);  bestätigt  wird  er  durch 
den  im  Archiv  für  ürkundenforschung  I,  36  ff.  veröffent- 
lichten byzantinischen  Kaiserbrief.  Basilius  nannte  sich 
also  'Pcojuaiwv  ßaodevg,  während  er  Ludwig  als  glya  [tcov 
^gdyycov]  bezeichnet  haben  wird.  Will  sich  Ludwig  ihm 
gleichberechtigt  zur  Seite  stellen,  so  muss  er  gerade  den 
von  Basilius  beanspruchten  Titel  sich  zueignen.  Er  über- 
setzt wörtlich :  'Romanorum  Imperator'  ^  und  verficht  den 
Titel,  den  er  nicht  erst  in  diesem  Briefe  anwendet  (MG. 
SS.  III,  523,  22),  indem  er  den  Vorschlag:  'Francorum 
Imperator'  als  diplomatisch  unmöglich  ablehnt  und  sein 
Kaisertum  als  Fortsetzung  des  alten  Imperium  Eomanum 
bezeichnet  ^  dessen  vielmehr  die  Griechen  verlustig  ge- 
gangen seien.  Wieder  findet  sich  da  die  Form:  'Roma- 
no r  u  m  imperatores  (existere  cessaverunt'). 

Hat  aber  die  Wahl  dieser  Ausdrucksform  den  an- 
gegebenen Zweck,  so  liegt  in  dem  Titel  'novae  Romae' 
System.  'Nicht  wir  sind  die  Eindringlinge,  sondern  Ihr', 
'erst  bestand  unser  Rom,  dann  Euer  Neurom'.  Der  Streit 
um  die  Priorität  zwischen  den  beiden  Hauptstädten  war 
damals  im  Schwange  und  hat  z.  B.  prägnantere  Formu- 
lierung in  den  Anfangsworten  des  Schreibens  des  Ignatius 
an  Papst  Hadrian  II.  gefunden  (Mansi,  Collectio  conc. 
XVI,  204)3. 

So  bliebe  denn  von  den  Kleinclaussschen  Darlegungen 
nur  die  wahrscheinliche  Annahme  bestehen ,  dass  der 
päpstliche  Bibliothekar  Anastasius  der  Verfasser  des 
Briefes  gewesen  ist,  eine  Vermutung,  in  der  übrigens 
Kleinclauss  schon  einen  Vorgänger  in  Gasquet  (L'empire 
byzantin  .  .  .,  1888,  p.  416  Anm.)  hat. 

Aus  Anastasius'  eigenem  Munde*  wissen  wir,  dass  er 
sich  der  griechischen  Sprache  mächtig  fühlt,  ja  sich  auf 
seine  griechischen  Kenntnisse  etwas  zu  gute  tut.    Der  vor- 


1)  Ebenso  Hadrian  II.  an  Kaiser  Michael  (Jafie,  Reg.  pont.  I-, 
2796 ;  Mansi,  Coli.  conc.  XV,  191) :  'in  principio  epistolae  vestrae  ira- 
peratorem  vos  nuncupastis  Romanorum' ;  imperatores  Romanorum  nennen 
sich  die  byzantinischen  Kaiser  Michael  und  Theophilus  selbst  in  ihrem 
Schreiben  an  Ludwig  den  Frommen,  den  'König  der  Franken  und 
Langobarden  und  deren  Kaiser,  wie  er  genannt  wird  (vocato  eorum 
imperatori)' :  MG.  Concilia  II,  475,  30—32.  2)  Hier  läuft  Kleinclauss 
1904,  S.  51  ein  Versehen  unter,  wenn  er  den  Satz :  'a  Romanis  enim  hoc 
nomen  et  dignitatem  assumpsimus'  auf  die  zeitgenössischen  Römer  und 
nicht  auf  die  antiqui  imperatores  bezieht,  auf  deren  Nachfolgerschaft  kurz 
vorher  die   karolingische  Kaiserwürde   begründet   wird.  3)  'Hadriano 

beatissimo   papae   senioris  Romae  Ignatius archiepiscopus 

Constantinopoleos  novae  Romae'.         4)  Migne  CXXIX,  18. 


lieber  den  Brief  Kaiser  Ludwigs  II.  671 

liegende  Brief  weist  (p.  523,  3.  4)  zwei  seltenere  griechische 
Worte  auf:  der  Araberfürst  heisse  nicht  jiQcoToov^ißovXoq, 
sondern  werde  u.  a.  auch  öfter  ägxirog  genannt.  Während 
letzteres  Wort  im  Griechischen  nicht  nachweisbar,  an  eine 
Textverderbnis,  etwa  aus  (XQxovra  (Const.  Porphyr,  de 
cerem.  II,  48),  bei  der  sonst  so  sorgfältigen  Hs.  auch  nicht 
zu  denken  ist  (eher  noch  aus  ägxrjyöv  oder  aus  äQx[ovra 
ägx6]vr(jc>v  ^),  tritt  uns  ersteres  in  der  Litteratur  noch  einmal 
entgegen.  Am  Eande  und  zwischen  den  Zeilen  des  cod. 
Casinensis,  der  die  Historia  tripertita  des  Anastasius  ent- 
hält (Theophanes  ed.  de  Boor  II,  424.  425.  429),  befinden 
sich  eine  Reihe  von  Schollen,  ältester  Herkunft,  meist 
Erklärungen  griechischer  Wörter.  Nun  steht  dort  (de 
Boor,  a.  a.  0.  II,  225,  7  Anm.)  folgende  Notiz:  'proto- 
symbolus  Graece  primus  consiliarius  interpretatur ;  quia 
enim  principem  Saracenorum  Graeci  regem  vocare  refu- 
giunt,  hunc  protosymbolum  vocant  quasi  primum  consilia 
dantem'.  Dieselbe  Notiz  findet  sich  am  Rande  der 
Historia  Miscella,  'welche  in  ihrer  zweiten  Hälfte  den 
Anastasius  fast  mit  der  Treue  einer  Hs.  kopiert'  (de  Boor 
S.  426).  Das  doppelte  Auftreten  dieser  Anmerkung  lehrt 
ihre  Herkunft  aus  einem  gemeinsamen  Archetypus ,  als 
welchen  man  die  Urhs.  der  Chronographia  tripertita  des 
Anastasius  mit  einigem  Rechte  ansprechen  kann.  Eine 
Beziehung  zu  der  Stelle  unseres  Briefes  wird  nunmehr 
nicht  von  der  Hand  zu  weisen  sein,  und  die  Verfasser- 
schaft des  Anastasius  an  unserem  Kaiserbriefe  rückt  damit 
in  helleres  Licht. 

In  diesem  Zusammenhang  sollen  nun  auch  die  in 
den  ersten  Teil  des  Briefes  eingestreuten  beiden  theo- 
logischen Abhandlungen  betrachtet  werden. 

Die  Franken,  so  argumentiert  der  Verfasser  des 
Briefes  S.  524,  9  fE.,  haben  sich  durch  Glaubenseifer  und 
Rechtgläubigkeit  Gottes  Gnade  verdient;  Gott  habe  sie 
deshalb  zur  Nachfolgerschaft  der  imperatores  Romani  be- 
rufen; mangelnde  Rechtgläubigkeit  hat  zur  Verwerfung 
der  Griechen  geführt,  die  sich  auch  in  allem  andern  des 
'römischen'  Elementes  entäussert  haben.  Nach  dieser 
scharfen  Absage  lenkt  der  Verfasser  ein.  Aus  Rom.  11 
quillt  der  Trost:  'non  repulit  Dens  plebem  suam,  quam 
praescivit'.  Zwar  sind  die  Zweige  ausgebrochen,  damit  wir 
aufgepfropft  werden;  doch  beruhigend  klingt   das  Paulini- 


1)  Vgl.  die  Rangordnung  bei  Const.  Porph.  de  cerem.  II,  48. 


672  Walter  Henze. 

sehe  Wort:  'non  enim  nisi  propter  credulitatem  non  rectam 
fracti  sunt,  nos  aiitem  fide  stamus'.  Das  bekannte:  'Wer 
Ohren  hat,  zu  hören,  der  höre!'  fügt  der  Verfasser,  den 
Absatz  schliessend,  hinzu.  Die  Bedeutung  dieses  oft  von 
Christus  angewendeten  Mahnworts  ist  nicht  zweifelhaft: 
'Denke  über  das,  was  Du  gehört  hast,  nach  und  handle 
danach'.  Das  bedeutete  hier :  Beseitige  das  einzige 
Hindernis  zwischen  Gott  und  Dir,  die  'credulitas  non 
recta',  und  folge  unserm  Beispiel,  die  wir  fest  im  rechten 
Glauben  stehen.  Dann  wird,  so  ist  aus  dem  Vorher- 
gehenden ('numquid  sie  offenderunt,  ut  caderent:  absit') 
zu  folgern,  die  Herrschaft  Dir  wiedergegeben  werden.  Wer 
hat  ein  Interesse  daran,  einen  solchen  Wink  zu  erteilen? 
Ludwig,  der  das  Recht  seines  jungen  Kaisertums  erst 
mühsam  erweisen  muss,  sicherlich  nicht.  Wohl  aber  die 
Kirche,  die  damals  dem  Ziele,  die  Griechen  mit  der  Papst- 
kirche zu  vereinigen,  so  nahe  war  wie  nie.  Hier  spricht 
der  Kirchen  Politiker,  der  seine  Sache  neben  der  kaiser- 
lichen verficht  und  aus  verschiedenen  Gründen  nur  an- 
deuten darf,  auch  nur  anzudeuten  braucht,  was  er  meint; 
nicht  ohne  Absicht  macht  er  aus  der  'incredulitas'  der 
Vulgata  eine  'credulitas  non  recta'. 

Noch  an  anderer  Stelle  (S.  522,  19  ff.)  begegnen  wir 
dem  Kleriker  und  Bibelinterpreten :  Da  es  nur  e  i  n  Reich 
im  Himmel  gibt,  —  so  hatte  Basilius  gefolgert,  —  so 
kann  es  auch  nur  ein  Reich  auf  Erden  geben.  Doch, 
wendet  Ludwig  ein,  genügt  die  Einheit  unserer  brüder- 
lichen Liebe  trotz  der  Zweiheit  der  Reiche  entsprechend 
der  Einheit  in  der  Trinität.  Die  Patriarchen,  auf  die  sich 
Basilius  beruft,  haben  auch  nicht  nur  einen  Herrscher 
vorausgesetzt.  Wie  konnte  der  Apostel  (1.  Tim.  2,  2)  sonst 
zur  Sicherung  eines  ruhigen,  gottseligen  Lebens  zum  Gebet 
für  'die  Pursten'  auffordern,  selbst  wenn  sie  die  Kirche 
verfolgten?  Der  Zusatz  von  den  'Kirchen Verfolgern'  findet 
sich  an  der  angezogenen  Stelle  nicht,  drängt  sich  auch 
aus  dem  Sinne  nicht  auf.  Diese  Ausdeutung  des  Begriffes: 
'für  die  Könige  und  alle  Obrigkeit'  macht  der  Schreiber 
des  Briefes  ohne  innere  Nötigung  zum  Zwecke  und  gibt 
damit  dem  Empfänger  zu  denken,  welche  Obrigkeit  wohl 
jetzt  Kirchenverfolger  genannt  werden  könnte;  vgl.  dazu 
den  später  im  Briefe  erhobenen  Vorwurf:  'quae  discrimina 

a   vestratibus  pontifices  Romani   pertulerunt'   und 

aus  dem  Schreiben  Nikolaus'  I.  an  Kaiser  Michael  im 
J.  865  (Jaffe,  Reg.  pont.  I^,  2796;  Migne  CXIX,  958.  959) 
die  Worte :    'imperatores  qui  persecuti   sunt  ecclesiam  Del 


Ueber  den  Brief  Kaiser  Ludwigs  II.  673 

et  maxime  ecclesiam  Eiomanam'.  Diese  malitiöse  An- 
spielung gewinnt  noch  an  Schärfe  durch  die  darauf 
folgende  Steigerung  zu  den  'impii' ;  zudem  ist  die  hier 
angezogene  Jereraiasstelle  ebensowenig  wortgetreu  zitiert 
oder  auch  nur  nachweislich,  wie  oben  der  Zusatz  von  den 
Kirchen  Verfolgern. 

Oben  war  die  Stelle  besprochen  worden,  die  in  vor- 
sichtiger Andeutung  die  Aufforderung  zur  Rückkehr  in 
den  Schoss  der  römischen  Kirche  enthielt,  verbunden  mit 
der  Anspielung  auf  Rückgabe  der  Herrschaft  im  west- 
römischen, älteren  Reiche.  Daran  schliesst  sich  im  Texte 
unmittelbar  die  Behandlung  des  merkwürdigen  'Ver- 
sprechens' an,  Ludwigs  Recht  auf  den  Kaisertitel  ('haec 
appellatio')  anzuerkennen  unter  der  Voraussetzung,  dass  es 
'Gott  gefalle,  unsere  Pläne  zur  Vollendung  zu  bringen'. 
Ludwig  beteuert,  sein  Wort  wolle  er  halten ;  er  bleibe  bei 
dem,  was  er  s.  Zt.  gesagt  habe.  Dann  fährt  er  fort: 
'Aber  so  wie  bis  heut  ich  und  meine  Väter,  wie  klar  er- 
kenntlich ist,  jenen  Titel  nicht  "per  carnem  et  sanguinem", 
durch  unser  Fleisch  und  Blut,  besessen  haben,  ebenso 
verschmähen  wir  auch  in  Zukunft  dessen  auf  diese  Weise 
verdienten  Besitz'.  Man  könnte  bei  der  Frage,  was  'per 
carnem  et  sanguinem'  zu  bedeuten  habe,  zunächst  an  das 
denken,  'was  Du  ererbt  von  Deinen  Vätern  hast',  würde 
aber  mit  der  Ablehnung  des  'Ererbten'  im  Gegensatz  zu 
der  Beweisführung  geraten ,  die  Ludwig  kurz  vorher 
(S.  523,  14/15)  das  nomen  imperatorium  gerade  als  'pa- 
ternum'  bezeichnen  lässt.  Ausserdem  vertrüge  sich  der 
nun  folgende  Gedanke  damit  nicht.  Dieser  gibt  sich  aber 
mit  'etenim'  als  Begründung  des  Voraufgehenden  zu  er- 
kennen. Die  Väter  sind  es,  nicht  die  Söhne,  wie  dreimal 
scharf  hervorgehoben  wird,  denen  die  Karolinger  'honorem' 
oder  'gloriam'  verdanken  wollen.  Folglich  muss  in  dem 
strittigen  Satze  etwa  das  Gegenteil  enthalten  sein;  'per 
carnem  et  sanguinem'  muss  etwa  mit  'per  filios'  identisch 
sein,  was  sprachlich -logisch  unbedenklich  ist.  Einen  Sohn 
hat  Ludwig  IL  nicht,  wohl  aber  hat  Basilius  einen  solchen, 
und  die  Pläne,  die  beide  Kaiser  ('ea  quae  consiliati  sumus') 
mit  ihm  hatten,  sind  uns  bekannt.  Die  eheliche  Ver- 
bindung einer  karolingischen  Prinzessin  mit  dem  Kaiser- 
sohne bildete  schon  lange  Zeit  Gegenstand  diplomatischer 
Verhandlungen  ^.      An    den    glücklichen    Abschluss    dieser 


1)  O.  Harnack,  Die  Beziehungen  des  fränkisch  -  italischen   zu   dem 
byzantinischen  Reiche  S.  77 — 80. 


674  Walter  Henze. 

Verhandlungen ,  an  das  Zustandekommen  der  Heirat, 
knüpft  Basilius  seine  Zustimmung  zur  Anerkennung  des 
Kaisertitels  an  Ludwig  II.,  was  er  mit  um  so  geringeren 
Bedenken  zu  tun  vermochte,  als  dieser  ohne  männlichen 
Erben  war  und  sich  für  seinen  Schwiegersohn  auf  dem 
byzantinischen  Kaiserthrone  alle  möglichen  Aussichten 
boten.  Ludwig  aber  besteht  hinsichtlich  seines  Titels  auf 
seinem  Rechte:  'Was  uns  der  Geber  aller  guten  Gabe  ge- 
währt ,  das  wollen  wir  weder  einem  Sohne  (!)  verdanken 
noch  durch  Vermittelung  eines  Menschen  oder  überhaupt 
aus  Menschenhand  empfangen'. 

Trifft  meine  Deutung  der  kaiserlichen  'Pläne'  auf  das 
Heiratsprojekt  das  Richtige,  so  Hessen  sich  daraus  für  die 
Verfasserschaft  des  Anastasius  weitere  Schlüsse  ziehen :  Mit 
Ludwigs  Tode  musste  dieser  Plan  für  die  Byzantiner  gegen- 
standslos werden,  und  so  gut  der  kaiserliche  Empfänger 
im  J.  871  die  Andeutungen  verstehen  konnte  und  sollte, 
so  zwecklos  und  unverständlich  waren  sie  im  J.  879.  Ferner 
musste  der  Mann,  der  dies  schrieb,  nicht  nur  Ludwig  II. 
nahe  stehen  und  in  seine  Pläne  und  seine  Stimmung  ein- 
geweiht sein,  sondern  auch  mit  Byzanz  enge  Fühlung 
haben,  so  dass  er  vollen  Verständnisses  für  seine  An- 
deutungen sicher  sein  konnte.  Die  Wahl  des  Ausdrucks: 
'per  carnem  et  sanguinem'  (Ludwigs  Tochter  und  Basi- 
lius' Sohn)  ist  äusserst  geschickt;  er  wird  nur  von  Ein- 
geweihten verstanden  und  ist  doch  völlig  eindeutig.  Die 
vorher  eröffnete  Aussicht  auf  die  Wiedererlangung  der 
Herrschaft  im  Abendlande  durch  die  geplante  Heirat 
knüpft  sich  an  die  Bedingung  der  Rückkehr  zur  Einheit 
der  Kirche,  selbstverständlich  unter  der  Herrschaft  des 
Papstes.  Kirchliche  und  dynastische  Interessen  treten  hier 
in  engster  Verbindung  auf.  Das  alles  führt  fast  mit  Not- 
wendigkeit auf  Anastasius,  der  im  J.  870  als  kaiserlich- 
päpstlicher Abgesandter  zur  Förderung  des  Heiratsplanes  in 
Constantinopel  weilte  ^.    Die  für  die  damalige  Zeit  von  ihm 


1)  Anastasius,  Interpret,  syn.  VIII.  generalis,  praefatio  (Migne 
CXXIX,  17) :  'accidit  me  .  .  .  missum  a  Ludovico  piissimo  imperatore 
.  .  .  ferentem  etiam  legationem  ab  apostolicis  meritis  decorato  praesulatu 
vestro  causa  nuptialis  commercii,  quod  efficiendum  ex  filio  imperatoris 
ßasilii  et  genita  praefati  ....  Augusti  ab  utraque  parte  sperabatur  simul 
et  parabatur.  In  tarn  enim  pio  negotio,  et  quod  ad  utriusque  imperii 
unitatem,  imo  totius  Christi  ecclesiae  libertatem  pertinere  procul  dubio 
credebatur'  ....  Sagt  hier  nicht  Anastasius  deutlich,  das  Endziel  seiner 
Mission  sei  gewesen :  ein  Reich  und  eine  Kirche  ?  Und  ist  nicht  der 
kaiserliche  und  der  päpstliche  Auftrag  als  identisch  und  mit  'causa  nup- 
tialis commercii'  bezeichnet? 


Ueber  den  Brief  Kaiser  Ludwigs  II.  675 

betonte  Bereitwilligkeit  beider  Parteien  ist  inzwischen  auf 
karolingischer  Seite  erheblich  geringer  geworden,  wie  unser 
Brief  zeigt,  während  man  auf  päpstlicher  Seite  von  dem 
869  anerkannten  Ignatius  auch  noch  die  Beseitigung  der 
letzten  Beschwerden,  Bulgarien  betreffend,  zu  erhoffen  be- 
rechtigt war.  Durfte  man  879  von  Photius  noch  die  gleiche 
Erwartung  hegen  ? 

Das  Heiratsprojekt  und  die  daran  geknüpfte  An- 
erkennung des  karolingischen  Kaisertitels  wird  auffallend 
zurückhaltend,  diskret  behandelt:  'ea  quae  consiliati  sumus; 
de  consilio,  quod  asseris'.  Auf  karolingischer  Seite  herrscht 
wohl  kaum  grosse  Begeisterung  dafür.  Erst  am  Schlüsse 
kontrastiert  der  deutliche  Ausdruck  'a  filio'  mit  dem  son- 
stigen Halbdunkel.  Auch  er  soll,  meine  ich,  nicht  un- 
nötig deutlich  sein.  Im  Gegensatze  zu  'pater  luminum' 
einerseits  und  abgetrennt  von  'per  hominem  aut  ab  homi- 
nibus'  liegt  für  ihn  noch  eine  Nebenbedeutuag  nahe,  die 
wohl  beabsichtigtes  Wortspiel  ist.  Der  zum  'pater  luminum' 
in  Gegensatz  gestellte  'filius'  könnte  auch  Christus  sein ; 
und  wer  erklärt,  was  er  von  Gott  dem  Vater  empfangen 
habe,  wolle  er  nicht  von  dem  Sohne  annehmen,  der  bekennt 
sich  zur  ursprünglichen  Passung  und  Deutung  des  Aposto- 
licums  und  entzieht  in  dem  gerade  damals  brennenden 
Streite  über  das  'filioque'  den  Griechen  ihren  heftigsten 
Beschwerdepunkt. 

Ob  die  Verfasserschaft  des  Anastasius,  deren  Wahr- 
scheinlichkeit ich  mit  diesem  Aufsatze  vergrössert  zu  haben 
hoffe,  je  strikte  bewiesen  werden  kann,  ist  zweifelhaft. 
Vielleicht  könnte  eine  sprachliche  Studie  hier  noch  manchen 
Hinweis  geben.  Eine  solche  möchte  ich  mir  nach  Er- 
scheinen der  zum  Vergleich  nötigen  Briefe  in  der  Abteilung 
Epistolae  der  MG.  vorbehalten. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  die  textkritische  Untersuchung 
einer  Stelle  angefügt,  die  inhaltlich  zu  den  obigen  Aus- 
führungen in  Beziehung  steht. 

An  drei  Stellen  erwähnt  der  Brief  die  Vorfahren 
Ludwigs  II.  und  ihr  Recht  auf  die  Kaiserwürde.  Einmal 
wird  der  'abavus  Carolus  Magnus'  als  der  'imperator  et 
Christus  domini'  bezeichnet  (S.  523,  33),  sodann  wird  der 
Einwand  (S.  523,  14),  der  Kaisertitel  sei  nicht  'paternum', 
mit  dem  Hinweis  auf  den  'avus',  also  auf  Ludwig  L,  ab- 
gewiesen ,  dessen  Würde  schon  'paternum'  gewesen  sei. 
Schwierigkeiten  macht  die  dritte  Stelle  (S.  522).  Pertz  gibt 
mit  Benutzung  einer  Textveränderung  der  zweiten  Hand, 
deren  Tätigkeit  er  im  allgemeinen  als  wertlos  erkannt  hat, 


676  Walter  Henze. 

lind  durch  Einschiebung  eines  'per'  den  folgenden  Text: 
'cum,  quantum  ad  lineam  generis  pertinet,  non  sit  novum 
vel  recens,  quod  iam  ab  avo  nostro,  non  iam  usurpatione 
(vel:  usurpatore),  ut  perhibes,  set  Dei  nutu  et  ecclesiae 
iudicio  summique  praesulis  per  impositionem  et  unctionem 
manus  obtinuit',  ohne  damit  einen  grammatisch  lesbaren 
Satz  zu  erzielen.  Man  müsste  zur  Annahme  eines  dem 
Stile  des  Verfassers  widerstrebenden  Anakoluths  seine  Zu- 
flucht nehmen  oder  an  den  Ausfall  einiger  Worte  hinter 
'perhibes'  denken.  Nun  ist  aber  die  Emendation  'usur- 
patione' oder  'usurpatore'  paläographisch  unzulässig.  Wie 
eine  zum  Zweck  der  Neuherausgabe  dieses  Briefes  in  den 
MG.  vorgenommene  Revision  des  Textes  auf  Grundlage 
einer  Photographie  des  den  Brief  enthaltenden  Teiles  des 
cod.  Vatic.  5001  mich  lehrt,  ist  der  Eaum  zwischen  'usurpa' 
und  'e'  so  klein,  dass  kaum  für  einen  Buchstaben  Platz 
ist,  sondern  wohl  nur  das  spatium  zwischen  zwei  Worten 
darin  zu  erkennen  ist.  Ueber  dem  e  steht  ein  Haken,  der 
entsprechend  der  Gepflogenheit  des  Codex  das  e  =  'est'  zu 
lesen  lehrt.  Damit  ist  ein  Teil  des  für  'quod  iam  ab  avo 
nostro'  unentbehrlichen  passiven  Verbums  gefunden,  und 
'usurpa  =  usurpatum'  bietet  den  anderen  Teil  dazu.  Ueber 
dem  a  scheint  mir  eine  Wellenlinie  nach  links  hinauf- 
zugehen, das  Zeichen,  das  oft  für  Konjugationsendungen 
(für  -'tum'  im  besonderen  kann  ich  es  nicht  belegen)  als 
Abkürzung  gebraucht  wird ;  doch  vermag  ich  das  Vorhanden- 
sein dieser  Linie,  die  freilich  auch  durch  die  Rasur  des 
Korrektors  gelitten  haben  könnte,  nicht  zweifelsfrei  zu  ver- 
sichern. Nun  lautete  der  Text  folgendermassen :  'quod 
iam  ab  avo  nostro  non  usurpatum  est,  ut  perhibes ;  set  Dei 
nutu  et  ecclesiae  iudicio  summique  praesulis  impositionem 
et  unctionem  manus  obtinuit'.  Die  Stellung  des  'manus' 
bleibt  sonderbar;  das  Subjekt  zu  'obtinuit'  ergibt  sich 
zwanglos  aus  'avo  nostro'.  Wer  ist  der  'avus'  ?  Man 
braucht  den  Ausdruck  nicht  zu  pressen  und  kann  in  ihm 
den  Ahn,  also  Karl  den  Grossen,  sehen.  Näher  liegt, 
schon  mit  Rücksicht  auf  den  Zusatz:  'quantum  ad  lineam 
generis  pertinet',  die  Beziehung  auf  Ludwig  L,  und  diese 
ist  ganz  einwandfrei  (vgl.  S.  667,  Poupardin  im  Mojen  Age, 
2.  Serie,  IX  [1905],  117  sq.). 


Xll. 


Studien  zu  Oosmas  von  Prag. 

n. 


Von 


Bertold  Bretholz. 


Neues  Archiv  etc.   XXXV.  44 


III.  1    Das  Todesjahr  des  Prager  Bischofs  Gebhard. 

Die  Mehrzahl  der  Forscher  nimmt  mit  Palacky  (Ge- 
schichte Böhmens  I,  321  N.)  an,  dass  Cosmas  nicht  einmal 
das  Todesjahr  seines  eigenen  Bischofs,  den  er  doch  so  sehr 
verehrte,  dessen  Kaplan  er  vielleicht  gewesen,  richtig  be- 
halten und  überliefert  habe  ^.  Nach  seiner  Angabe  wäre 
nämlich  Bischof  Gebhard  -  Jaromir  am  26.  Juni  1090  ge- 
storben; allein  Palacky  meinte  unter  Beibehaltung  des 
Tagesdatums  das  Jahr  auf  1089  zurückverlegen  zu  müssen 
und  zwar  aus  folgenden  Gründen.  Cosmas  erzählt  unter 
der  leitenden  Jahreszahl  'Anno  dom.  ine.  1090.'  zuerst  den 
Wiederausbruch  des  Streites  zwischen  dem  Bischof  und 
seinem  Bruder  König  Wladislaw  von  Böhmen  wegen  des 
Olmützer  Bistums  und  wie  sich  jener  entschlossen  habe, 
nach  Eom  zu  gehen,  um  sich  über  dieses  dem  apostolischen 
Stuhle  zugefügte  Unrecht  zu  beschweren.  Gebhard  nahm 
—  so  erzählt  Cosmas  dann  weiter  —  um  nach  Rom  zu 
kommen,  seinen  Weg  zunächst  über  Ungarn,  erkrankte  dort, 
wurde   nach  Gran   gebracht  und  verschied  daselbst^.     Pa- 


1)  Vgl.  oben  Bd.  XXXIV,  653  ff.  2)  Es  genügt  hier  wohl  auf 

Bachmann  als  den  letzten  Bearbeiter  der  Geschichte  Böhmens  hin- 
zuweisen, der  I,  271  als  Todesdatum  den  26.  Juni  1089  bezeichnet,  unter 
Berufung  auf  Grandaurs  Bemerkungen  in  den  Geschichtsschreibern  der 
deutscheu  Vorzeit  S.  144,  N.  1,  der  aber  nichts  anderes  über  die  Jahi-es- 
zahl  sagt,  als  zuerst  Palacky  a.  a.  0.,  nach  ihm  Köpke  in  den  SS. 
IX,  96,  n.  2,  ebenso  Emier  in  den  Font.  rer.  Boh.  II,  123,  Meyer  v. 
Knonau  in  den  Jahrbüchern  unter  Heinrich  IV.,  Bd.  IV,  298,  u.  a.  Die 
Cosmas'sche  Jahreszahl  1090  haben,  ohne  aber  ihren  von  Palacky  ab- 
weichenden Standpunkt  zu  motivieren,  beibehalten  Schlesinger,  Geschichte 
Böhmens  (1870)  S.  85,  Tomek,  Gesch.  Böhmens  (1865)  S.  58,  Büdinger, 
Ein  Buch  ungarischer  Geschichte  (1866)  S.  78;  vgl.  dazu  S.  77,  Anm.  2. 
Auch  0.  Langer,  Bischof  Benno  v.  Meissen  (Mitt.  f.  Gesch.  d.  Stadt  Meissen 
I,  Heft  5,  S.  38)  findet  Palackys  Aenderung  der  Chronologie  Cosmas'  unver- 
ständlich. 3)  II,  41 :  'rex  (Wratizlaus)  .  .  .  iterum  subintronizat  capellanum 
suum  nomine  Wezlonem  in  territorio  Moraviensi  episcopum.  Quo  in  facto 
palam  se  fecit  notabilem,  non  solum  sprevisse,  quod  ipse  coram  impera- 
tore  et  eins  episcopis  collaudaverat,  ut  unus  foret  uterque  episcopatus, 
verum  etiam  papae  Clementis  violasse  Privilegium,  quo  eiusdem  terminos 
episcopii  roboraverat.  Hanc  ut  apploi'aret  apostolico  iUatam  ecclesiae 
iniusticiam,  praesul  Gebhardus  iturus  erat  Romam,  sed  .  .  .  prius  adit 
antiquum  amicum  Wladizlaum  regem  Pannonicum  .  .  .  inscius  heu  fatum 

44* 


680  Bertold  Bretholz. 

lacky  behauptet  nun:  'Jaromir  (Gebhard)  hat  nicht  noch 
1090  zu  Clemens  nach  Rom  reisen  wollen  können,  da  dieser 
schon  1089  von  dort  verdrängt  worden  war'  und  nimmt 
daher  an,  dass  Cosmas  'den  Tod  Jaromirs  .  .  .  um  ein 
Jahr  zu  spät  angesetzt  hat'. 

Es  ist  allerdings  richtig,  dass  P.  Clemens  III.  gegen 
Ende  des  Jahres  1089  vor  Urban  II.  hatte  aus  Rom 
weichen  müssen;  er  hat  sich  dann  1090  zuerst  in  Ravenna, 
dann  in  Oberitalien  aufgehalten  und  ist  im  Januar  1091 
nach  Rom  zurückgekehrt.  Es  ist  ferner  nicht  unmöglich, 
dass  man  auch  in  Prag,  insbesondere  in  der  Umgebung  des 
Bischofs  Gebhard,  als  dieser  sich  im  Frühjahr  1090  auf  die 
Reise  machte,  gewusst  hat,  dass  P.  Clemens  III.  nicht  in 
Rom  weilte.  Nun  sagt  aber  Cosmas  auch  nicht  ausdrück- 
lich, dass  sich  Gebhard  zum  Papste  Clemens  nach 
Rom  begeben  wollte,  sondern  ohne  Nennung  des  Papstes, 
dass  er,  um  sich  über  die  Verletzung  des  ihm  verliehenen 
Privilegs  vor  dem  'apostolicus'  zu  beklagen,  die  Reise  nach 
Rom  antrat.  Wenn  man  berücksichtigt,  dass  Gebhard  zu- 
erst zu  König  Ladislaw  von  Ungarn  ging,  der  als  Gegner 
K.  Heinrichs  IV.  ein  entschiedener  Anhänger  des  anti- 
kaiserlichen Papstes  Urban  II.  war,  dann  ist  es  zunächst 
keineswegs  entschieden,  dass  sich  Gebhard  damals  an  Cle- 
mens III.  wenden  wollte ;  vielleicht  wollte  er  sein  Glück 
beim  Gegenpapst  Urban  II.,  dem  Gönner  des  Ungarnkönigs, 
versuchen.  Allein  wir  wollen  von  dieser  entfernteren  Mög- 
lichkeit ganz  absehen  und  tatsächlich  mit  Palacky  an- 
nehmen, dass  unter  dem  'apostolicus'  Clemens  III.  gemeint 
sei,  der  eben  damals,  als  Bischof  Gebhard  die  Romfahrt 
antrat,  gar  nicht  in  Rom  zugegen  war,  und  weiter  voraus- 
setzen, dass  man  hiervon  in  Prag  Kenntnis  haben  mochte. 
Hätte  Cosmas  die  betrefiEende  Stelle  gleichzeitig  nieder- 
geschrieben, so  würde  er  sich  vielleicht  anders  und  deut- 
licher ausgedrückt  haben,  als  es  in  Wirklichkeit  bei  ihm 
zu  lesen  ist.  Allein  Cosmas  hat  sein  zweites  Buch  lange 
nach  1090  verfasst,  und  unter  Berücksichtigung  dieser  Tat- 
sache entbehrt  denn  doch  jene  Wendung  mit  der  örtlichen 
Bestimmung  Roms  als  Zielpunkt  einer  Reise  zum  P.  Cle- 
mens der  grossen  Bedeutung,  die  ihr  Palacky  zugeschrieben 
hat.     Cosmas   sagt:    Gebhard    sei   im  Begriffe  gewesen  (zu 


sibi  iam  superesse  propinquum.  Nam  prima  die,  qua  regem  adiit,  nimiam 
corporis  incidit  molestiam  et  quia  prope  urbem  erat  Strigoniam,  illuc 
mittit  eum  rex  navigio  .  .  .  septima  die  iam  advesperascente,  sol  lulii 
senas  qua  tangit  luce  kalendas  .  .  .  Gebeardus  .  .  .  migravit  ab  isto'. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.    II.  681 

P.  Clemens)  nach  Rom  zu  gehen,  ohne  zu  bedenken  oder 
ohne  zu  wissen,  dass  er  ihn  damals  nicht  in  Rom,  sondern 
in  einer  anderen  Stadt  Italiens  angetroffen  hätte.  Cosmas 
ist  in  der  Angabe  des  Reiseziels  seines  Bischofs  ungenau, 
aber  deshalb  muss  noch  seine  Chronologie  nicht  falsch 
sein.  Ich  meine,  es  besteht  kein  zwingender  Grund,  ledig- 
lich wegen  des  Ausdrucks  'nach  Rom'  Cosmas  eines  chrono- 
logischen Irrtums  zu  zeihen,  der  im  Hinblick  auf  die  Be- 
ziehungen Cosmas'  zu  Bischof  Gebhard  sehr  schwer  in  die 
Wagschale  fiele. 

Palacky  allerdings  meinte  diesen  Vorwurf  um  so 
leichter  erheben  zu  können,  weil  er  Cosmas'  Daten  auch 
im  nächstfolgenden  Kapitel  für  falsch  und  fehlerhaft  er- 
achtete und  sie  korrigieren  zu  müssen  glaubte. 

Kapitel  43  des  II.  Buches  beginnt  mit  den  Worten : 
'Eodem  anno,  XV.  Kai.  Maii,  IUI.  feria,  in  secunda  eb- 
domada  paschae'  sei  die  St.  Veitskirche  in  Prag  abgebrannt 
u.  s.  w.  Da  unmittelbar  vorher,  am  Schlüsse  von  Kap.  42 
die  Bemerkung  steht,  dass  nach  Bischof  Gebhards  Tod 
(26.  Juni  1090)  zu  seinem  Nachfolger  Cosmas  (nicht  mit 
dem  Chronisten  identisch)  am  4.  März  (IV.  Non.  Martii) 
1091  gewählt  worden  sei,  so  ist  mit  'eodem  anno'  zu  Be- 
ginn des  Kap.  43  gleichfalls  das  Jahr  1091  gemeinte 

Nun  hat  Palacky  ganz  richtig  wahrgenommen,  dass 
die  verschiedenen  Angaben:  'XV.  Kai.  Maii',  d.  i.  17.  April, 
'IUI.  feria',  d.  i.  Mittwoch  und  'in  der  zweiten  Woche  nach 
Ostern'  nicht  zum  Jahr  1091  stimmen,  ebensowenig  zu 
einem  der  nächst  vorangehenden  oder  nachfolgenden  Jahre. 
Irgend  ein  Fehler  in  der  handschriftlichen  Ueberlieferung 
liegt  vor,  obwohl  die  Hss.  im  wesentlichen  übereinstimmen. 
Eine  Emendation  ist  notwendig;  Palacky  hat  sie  in  dem 
Sinne  durchgeführt,  dass  er  einfach  'XV'  vor  'Kai.  Maii' 
gestrichen  hat,  'wo  dann  alles  aufs  Jahr  1090  richtig  über- 
eintrifft', wie  er  sich  1.  c.  p.  321,  N.  125  ausdrückt.  Nur 
muss  dann,  wie  es  auch  Palacky  getan  hat  und  worin  wir 
Späteren  ihm    bis   nun   gefolgt  sind,    alles   was  Cosmas  in 


1)  Ich  bemerke,  dass  diese  Kapiteltrennung  bei  'Eodem  anno  .  .  .' 
eine  reine  Willkürlichkeit  der  Editoren  ist.  Von  den  Cosmas  -Hss.  deu  ten 
nur  einige  durch  rote  oder  farbige  Anfangsbuchstaben  Kapitelbeginn  an, 
stimmen  aber  durchaus  nicht  mit  einander  überein.  An  dieser  Stelle,  wo 
die  Editoren  Kap.  43  beginnen  lassen,  hat  überhaupt  keine  einzige  Hs. 
eine  Initiale  oder  sonst  eine  Andeutung,  dass  gerade  hier  ein  Abschnitt 
zu  machen  sei,  sondern  um  einen  Satz  früher:  'Post  cuius  obitum  a.  d. 
i.  MXCI.  im.  Non.  Martii  Cosmas  electus  est  .  .  .',  was  viel  richtiger 
ist,  da  hiermit  die  Geschichte  eines  neuen  Jahres,  1091,  beginnt. 


682  Bertold  Bretholz. 

den  Kap.  41 — 49  zu  1090  und  1091  erzählt,  um  ein  Jahr 
zurückverlegt  werden.  Cosmas  hätte  also  wieder  einmal 
einen  heillosen  chronologischen  Wirrwarr  angerichtet,  hätte 
nicht  gewusst,  wann  sein  Bischof  gestorben,  wann  dessen 
Nachfolger  gewählt,  wann  das  Veitsmünster  niedergebrannt, 
wann  Wratislaws  Sohn  ßoleslaw  gestorben,  wann  der  Feld- 
zug nach  Mähren  unternommen  worden,  u.  s.  w.,  u.  s.  w. 
Hierbei  wäre  noch  die  Eigentümlichkeit  zu  betonen,  dass 
Cosmas  alle  diese  Ereignisse  auf  Jahr  und  Tag  bestimmt : 
Bischof  Gebhard  starb  am  26.  Juni,  Cosmas  wurde  gewählt 
am  4.  März,  das  Münster  brannte  ab  am  17.  April,  Boleslaw 
starb  am  11.  August,  die  Belagerung  Brunns  fällt  vor  und 
nach  dem  11.  Juli  1091.  Die  Tagesdaten  acceptiert  man, 
nur  die  Jahre  sollen  falsch  sein,  und  trotz  so  zahlreicher 
Angaben  hätte  Cosmas  seinen  Irrtum  nirgends  selbst  wahr- 
genommen. 

Es  gibt  aber,  wie  ich  glaube,  eine  einfachere  Lösung, 
um  die  Widersprüche  in  der  einen  Angabe :  'Eodem  anno 
(seil.  1091)  XV.  Kai.  Mail,  IUI.  feria,  in  secunda  ebdomada 
paschae'  zu  beseitigen,  als  die  von  Palackj  vorgeschlagene, 
nämlich:  indem  man  'XV.'  in  'IX.'  verbessert.  'IX.  Kai. 
Mali',  d.  i.  der  23.  April,  fiel  im  Jahre  1091  auf  einen 
Mittwoch  und  in  die  zweite  Woche  nach  Ostern.  Diese 
Annahme  scheint  mir  schon  deshalb  jener  Palackys  vor- 
zuziehen, weil  es  wahrscheinlicher  ist,  dass  in  irgend  einer 
Urhs.  IX.  zu  XV.  verschrieben  wurde,  als  dass  man  zwi- 
schen 'Eodem  anno'  und  'Kai.  Maii'  die  Ziffer  XV.  irrtüm- 
lich eingeschoben  habe.  Fehler  in  Hss.,  die  durch  Ver- 
lesung und  Verschreibung  insbesondere  römischer  Ziffern 
entstehen,  sind  noch  immer  verständlicher,  als  unmotivierte 
Einfügungen. 

Die  Sache  liegt  also,  um  es  kurz  zusammenzufassen,  hier 
f olgendermassen :  Wir  müssen  die  Zeitbestimmung  bei  Cosmas 
II,  43:  'Eodem  anno  (1091)  XV.  Kai.  Maii,  IUI.  feria,  in  se- 
cunda ebdomada  paschae'  für  jeden  Fall  richtigstellen.  Pa- 
lacky  tat  es  durch  Streichung  von  'XV.'  vor  'Kai.'  und  Korri- 
gierung von  1091  in  1090;  ich  ändere  bloss  'XV.'  in  'IX.',  lasse 
aber  die  Jahreszahl  1091  zu  recht  bestehen,  weil  gar  kein 
Grund  vorliegt,  dieses  von  Cosmas  überlieferte  Datum  zu 
ändern.  Dass  sich  in  eine  etwas  komplizierte  Tages- 
bezeichnung, die  nach  Monats-,  Wochen-  und  Pestkalender 
bestimmt  erscheint,  frühzeitig  ein  Fehler  eingeschlichen 
hat,  der  in  allen  uns  heute  erhaltenen  Hss.  gleichmässig 
wiederkehrt,  ist  nicht  sonderlich  auffallend.  Dagegen 
möchte  es  doch  merkwürdig  erscheinen,    dass  Cosmas  eine 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.    II.  683 

ganze  Reihe  von  Ereignissen  so  besonderer  Art  zu  falschen 
Jahren  gestellt  und  berichtet  habe.  In  einem  solchen  Fall 
den  Autor  zu  korrigieren,  wird  man  sich  doch  erst  be- 
müssigt  sehen,  wenn  man  ganz  bestimmte  Anhaltspunkte 
hat,  dass  wenigstens  eines  dieser  Ereignisse  in  ein  anderes 
Jahr  fallen  müsse,  als  Cosmas  angibt,  wenn  man  wahr- 
nimmt, dass  seine  Ansätze  absolut  unhaltbar  sind.  Das 
trifft  hier  gewiss  nicht  zu.  Im  Gegenteil ;  wir  kommen 
geradezu  in  eine  chronologische  Kollision,  wenn  wir,  wie 
es  bis  nun  geschehen  ist,  mit  Palacky  'alle  Daten  mit 
"eodem  anno"  nicht  zu  1091,  sondern  zu  1090'  gehörend 
ansehen  wollten.  Es  würde  nämlich  dadurch  die  Ge- 
schichte des  Jahres  1091  bei  Cosmas  überhaupt  ent- 
fallen, wie  es  denn  auch  in  der  Darstellung  bei  Palacky 
und  ebenso  bei  Bachmann  u.  a.  wahrzunehmen  ist.  Die 
Schwierigkeiten  zeigen  sich  auch  im  einzelnen.  Cosmas 
sagt,  wir  haben  es  bereits  erwähnt,  am  Ende  von  Kap.  42, 
dass  Gebhards  Nachfolger  am  4.  März  1091  gewählt 
worden  sei;  Palacky  korrigiert  (1.  c.  p.  326):  1090.  Cosmas 
sagt  dann  weiter  in  Kap.  49,  dass  dieser  neugewählte 
Prager  Bischof  am  1.  Januar  1092  zu  Kaiser  Heinrich  IV. 
nach  Mantua  kam  und  dort  belehnt  wurde.  Indem  Pa- 
lacky an  diesem  zweiten  Datum  nichts  ändert,  konstatiert 
er  das  lange  Intervall  von  22  Alonaten  zwischen  Wahl 
und  Bestätigung  und  sucht  nun  nach  Erklärungen  für 
diesen  'langen  Verzug'.  Er  glaubt  sie  ja  auch  zu  finden, 
allein  begründet  sind  sie  nicht,  sondern  beruhen  auf 
blossen  Vermutungen.  Derer  sind  wir  aber  überhoben,  wenn 
wir  an  Cosmas'  Chronologie  festhalten. 

Und  noch  eine  kleine  Erwägung  darf  in  diesem  Zu- 
sammenhang gemacht  werden.  Es  wurde  bisher  allgemein 
angenommen,  dass  Cosmas  bei  der  feierlichen  Belehnung 
des  neuen  Prager  Bischofs  in  Mantua  im  Januar  1092  zu- 
gegen war;  die  Art  seiner  Darstellung  spricht  jedenfalls 
dafür,  insbesondere  auch  die  Bemerkung  zu  Beginn  des 
Kap.  50,  dass  die  Nachricht  von  König  Wratislaws  am 
14.  Januar    1092^   erfolgtem  Tode  'ihnen   zu    Ohren   kam'. 


1)  Bei  dieser  Jahreszahl  verteidigt  Palacky  (1,  c.  p.  327,  n.  130) 
die  Cosmas'sche  Ueberlieferung  gegenüber  der  Dobner'schen  Annahme, 
dass  das  richtige  Todesjahr  Wratislaws  1093  sein  müsse.  Dobners  Gründe 
waren,  wenn  wir  ihnen  auch  nicht  beistimmen,  gewiss  nicht  unbedacht. 
Er  verwies  1.  auf  die  für  Wratislaws  Lebensgeschichte  und  insbesondere 
auch  sein  Lebensende  nicht  belanglose  Quelle  der  Ann.  Pegavienses,  die 
den  Tod  bestimmt  zum  J.  1093  setzen,  denn  er  konnte  nicht  wissen,  dass 
der  Pegauer  Annalist  den  Satz  betreff  Todesjahr  und  Todesart  Wratislaws 


684  Bertold  Bretholz. 

Trifft  dies  zu,  dann  wäre  es  aber  erst  recht  unwahr- 
scheinlich, dass  er  die  Ereignisse  von  1089  bis  1091  nicht 
hätte  richtig  datieren  können,  dass  er  vergessen  hätte,  ob 
zwischen  Wahl  und  Belehnung  seines  Bischofs  10  oder 
22  Monate,  seit  Gebhards  Tod  IV?  oder  2V2  Jahre  ver- 
strichen wären.  Auch  sagt  er  (Kap.  42),  dass  die  Wahl 
des  Bischofs  Cosmas  (4.  März  1091)  geschehen  sei  unter 
der  Eegierung  Kaiser  Heinrichs,  der  zu  jener  Zeit  die 
Eeichsangelegenheiten  in  Longobardien  erledigte.  Es  ist 
immerhin  eher  anzunehmen,  dass  diese  Notiz  zum  Jahr  1091 
gehört,  da  Heinrich  IV.  mitten  in  seinem  norditalischen 
Siegeszug  stand,  als  zum  Jahr  1090,  in  dem  er  überhaupt 
erst  zu  Beginn  des  Monats  April  nach  Italien  kam. 

Nach  allen  diesen  Erwägungen  wird  man  wohl  sagen 
dürfen :  Cosmas'  Zeitangaben  für  die  Ereignisse  der  Jahre 
1089 — 1091  in  den  Kapiteln  41  —  49  des  zweiten  Buches 
sind  bis  auf  die  kleine  Korrektur  zu  Beginn  zu  Kap.  43, 
wo  statt  'XV.  Kai.  Maii'  —  'IX.  Kai.  Mail'  zu  lesen  ist, 
richtig,  bedürfen  keiner  Reduktion  um  ein  ganzes  Jahr, 
wie  auf  Palackys  Autorität  hin  bis  nun  zumeist  angenommen 
wurde. 

IV.    Zur  Geschichte  der  Cosmas  -  Handschriften. 

Als  Marquard  Freher  im  Jahre  1602  in  seinem  Sammel- 
bande 'Herum  Bohemicarum  scriptores'  ^  an  erster  Stelle 
(p.  1 — 14)  die  'Chronica  Bohemorum  Cosmae'  edierte  und 
hiermit  wenigstens  ein  Bruchstück  dieses  Autors  zum  ersten 
Male  zum  Druck  brachte,  deutete  er  mit  keinem  Worte 
an,  was  für  eine  Hs.  ihm  zur  Verfügung  gestanden  habe. 
Erst  Franz  Mone  stellte  im  Jahre  1820  anlässlich  der  Be- 


(Sturz  vom  Pferde)  wörtlich  aus  Ekkehard  von  Aura  übernimmt,  der  den 
böhmischen  Verhältnissen  doch  nicht  so  nahe  stand,  dass  wir  seinen 
chronologischen  Angaben  mehr  glauben  müssten  als  Cosmas;  2.  darauf, 
dass  Cosmas  in  das  Todesjahr  "Wratislaws  eine  Sonnenfinsternis  verlegt, 
die  nach  Bernold  von  St.  Blasien  tatsächlich  am  23.  September  (einem 
Freitag)  1093  stattgefunden  hat.  Palacky  meint,  dass  die  Nachricht  von 
der  Sonnenfinsternis  bei  Cosmas  interpoliert  sei ;  sagen  wir  vielleicht  all- 
gemeiner, es  sei  ein  an  unrichtige  Stelle  geratenes  Einschiebsel,  denn  die 
Kunde  von  der  Sonnenfinsternis  hat  Cosmas  nicht  aus  eigener  Wahr- 
nehmung, sondern  erst  später  gelegentlich  gehört  und  in  seinem  Buche 
zu  vermerken  für  gut  befunden.  1)  Der  vollständige  Titel  lautet :  Rerum 
Bohemicarum  antiqui  scriptores  aliquot  insignes ,  partim  hactenus  in- 
cogniti.  —  Ex  bibliotheca  c.  v.  Marquardi  Freheri,  consiliarii  Palatini.  — 
Hannoviae.  Typis  "Wechelianis  apud  Claudium  Marnium  et  heredes 
loannis  Aubrii.  MDCU. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.    II.  685 

Schreibung  der  damals  in  der  öffentlichen  Bibliothek  zu 
Strassburg  befindlichen  Hss.  fest,  dass  der  im  Codex  n.  88 
enthaltene  Cosmas -Text  Frehers  Vorlage  gebildet  haben 
dürfte;  denn  Hs.  und  Druck  boten  das  gleiche  mit  dem 
Jahre  1086  abbrechende  Fragment  des  ganzen  Werkes  ^ 
Ebenso  konstatierte  C.  M.  Engelhard,  als  er  1825  als  erster 
und  letzter  eine  Kollationierung  der  Strassburger  Hs.  mit 
dem  Freher'schen  Text  vornahm,  ihre  auffallende  Ueberein- 
stimmung  -. 

Nicht  so  ganz  zurückhaltend  war  Freher,  als  er  schon 
1607  die  zweite  Ausgabe  des  Cosmas  veranstaltete^.  Er 
bezeichnet  sie  als  Frucht  seiner  böhmisch -polnischen  Reise, 
auf  der  er  während  eines  kurzen  Aufenthaltes  in  Prag  zum 
ersten  Male  eine  Cosmas  -  Hs.  mit  dem  vollständigen  Text 
zu  Gesicht  bekam*.  Doch  sagt  er  auch  in  diesem  Falle 
nicht,  in  welcher  Bibliothek  ihm  'der  glückliche  Zufall' 
dieses  'denkwürdige  Monument',  wie  er  sich  ausdrückt,  in 
die  Hände  geführt  hat,  noch  bietet  er  auch  nur  die  ober- 
flächlichste Beschreibung  der  Hs.  selbst.  Wiederum  erst 
nach  geraumer  Zeit,  erst  im  Jahre  1796,  konnte  Joseph 
Dobrowsky  es  nachweisen ,  dass  der  Text  der  zweiten 
Freher'schen  Ausgabe  aus  dem  im  Jahre  1648  von  den 
Schweden  aus  Prag  nach  Stockholm  weggeführten  be- 
rühmten Codex  'Gigas  librorum'  genommen  sei^.  Es  ist 
auch  gut  zu  verstehen,  dass  man  dem  gelehrten  Fremden 
in  Prag  von  den  Hss. -Schätzen  gerade  dieses  durch  Grösse 
und  Originalität  besonders  hervorstechende  Stück  vorlegte, 
in  dessen  mannigfaltigem  Inhalt  Freher  alsbald  den  für 
ihn    interessantesten   Abschnitt,    die    vollständige   Chronik 


1)  Car.  Dümge  et  Franc.  Mone,  sociorum,  adnotationes  de  codici- 
bus  manuscriptis  historicis  et  anecdotis  in  itinere  brevi  Alemannico 
repertis,  im  Archiv  f.  alt.  deutsche  Geschichtskunde  I,  392:  Cosmae 
Pragensis  Chronicon  Boemorum.  Cod.  membran.  saec.  XII.  vel  ut  serius 
XIII.  fol.  (Inter  codd.  bibl.  publ.  Argentinensis   n.  88).  2)  Die  Kol- 

lation gehört  dem  Apparat  der  Monumenta  Germaniae  an.  Bekanntlich 
ist  diese  Hs.  im  Jahre  1870  durch  Brand  zu  Grunde  gegangen.  3)  U. 
d.  T. :  Cosmae  Pragensis  ecclesiae  decani  Chronicae  Bohemorum  libri  III. 
—  Hannoviae.  Typis  Wechelianis  .  .  .  MDCVII.  —  Eine  unveränderte 
Neuausgabe  erschien  dann  1621.  4)  In  der  Dedikation  an  Peter  Wok 

von  Rosenberg  liest  man:  '.  .  .  gaudeo,  quod  dum  in  regia  urbe  Praga 
diversor,  memorabile  istud  monumentum  indigenae  vetustatis  in  manus 
meas   bona   fortuna   detulit'.  5)    J.   Dobrowsky,   Litterarische   Nach- 

richten von  einer  .  .  .  Reise  nach  Schweden  und  Russland.  Prag.  1796. 
Dort  lesen  wir  S.  38 :  'Ich  habe  aber  bald  bemerkt,  dass  der  Text,  den 
Freher  1607  in  Scriptores  rerum  Bohemicarum  herausgegeben,  aus  diesem 
alten  Codex  genommen  sey  .  .  .'. 


686  Bertold  Bretholz, 

des  Cosmas,  die  ihm  bis  dahin  nur  aus  einem  Fragment 
bekannt  gewesen  war,  entdeckte. 

Die  Anregung,  die  Freher  durch  die  Herausgabe  des 
Geschichtswerkes  und  durch  den  ausdrücklichen  Appell 
nach  anderen  Cosmas -Hss.  zu  suchen,  gegeben  hat  ^,  wäre 
sicherlich  in  den  Gelehrtenkreisen  Böhmens  auf  frucht- 
baren Boden  gefallen,  wenn  nicht  allzubald  die  Zeit  völ- 
liger litterarischer  und  wissenschaftlicher  Brache  über 
Böhmen  hereingebrochen  wäre. 

Nur  einen  einzigen  bescheidenen  Versuch,  einen  ersten 
Anfang,  sich  im  Anschluss  an  Freher  mit  Cosmas  und 
dessen  handschriftlicher  Ueberlieferung  zu  beschäftigen, 
können  wir  nachweisen.  Er  geht  aus  von  Paul  Gessenius, 
der  an  der  Prager  Hohen  Schule  in  den  ersten  Jahren  des 
17.  Jh.  das  Bakalariat  erlangt  und  zunächst  in  Schlan  und 
Prag  als  Lehrer  gewirkt  hatte,  worauf  er  eine  Anstellung 
als  Ratschreiber  in  der  Prager  Neustadt  erhielt.  In  die 
Wirren  des  Jahres  1619  verwickelt  musste  er  Böhmen  ver- 
lassen, ist  dann  eine  Zeit  lang  in  Holland  nachweisbar, 
lebte  noch  1632,  bleibt  aber  von  da  an  verschollen'-. 

Gessenius  ist  in  der  böhmischen  Litteratur  bisher 
bekannt  durch  kritische  Ausgaben  mehrerer  Quellen,  der 
Maiestas  Carolina,  die  er  1617  in  Hanau,  des  Dalimil,  den 
der  1620  in  Prag  drucken  liess.  Man  weiss  auch,  dass  er 
aus  der  Bibliotkek  des  Carolinum  in  Prag  Hss.  entlehnt 
hat^.  Gessenius  besass  ein  Exemplar  der  ersten  und  zweiten 
Freher'schen  Cosmas- Ausgabe,  die  er  nebst  anderen  Druck- 
werken seinem  Exemplar  der  'Scriptores  rerum  Germani- 
carum,  studio  atque  opera  Erpoldi  Lindenbrogk'  (1609)  bei- 
binden liess.     Dieser  Band  mit  dem  Eigentumvermerk  'Ex 


1)  In  der  erwähnten  Dedikation:  '.  .  .  daturus  etiam  porro  magis 
operam,  si  quis  me  publicae  utilitatis  studiosus  (quod  spero)  aliis  exem- 
plaribus    iuvare   voluerit'.  2)    Vgl.   J.    Jungmann,    Historie   literatury 

ceske  [Geschichte  der  böhm.  Litteratur] ,  1849 ,  S.  574 ;  J.  Jirecek, 
Rukovet  k  dejinäm  literatury  ceske  [Handbuch  zur  Geschichte  der  böhm. 
Litteratur],  1875,  S.  319.  3)  Vgl.  J.  A.  Hanslick,  Geschichte  und  Be- 
schreibung der  Prager  Universitätsbibliothek,  1851,  S.  35,  Anm.  2.  — 
Der  richtige  und  genaue  Wortlaut  in  den  Acta  collegii  Carolini  (A.  14.  a), 
p.  62,  lautet:  '29.  VII bris.  In  praesentia  M.  D.  Prorectoris  Nicolai  Al- 
berti  ä  Kamenek,  cl.  d.  Campani,  cl.  d.  Ziabonii  dominus  Paulus  Gessinius 
Not.  U.  P.  ex  bibliotheca  usui  accepit  libros  quatuor:  1)  Lib.  in  4'^,  de 
vita  S.  Adalberti,  Vencesilai,  Ludomülae,  Basilii,  Aegyptiacae  Mariae 
m.  s.  p. ;  2)  Itid.  in  4°,  in  cuius  frontispicio  posita  est  epistola  äcad. 
Oxoniensis  ad  acad.  Prag.  m.  s.  p. ;  3)  Cod.  membran.  continens  Chro- 
nicon  de  imperatoribus  et  papis  scriptus  ad  Carolum  IV.;  4)  In  fol. 
membran.  continens  Historiam  Romanam'. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.     II.  687 

libris  Pauli  Gessenii  Pragensis  1612'  befindet  sich  heute 
in  der  k,  k.  Studienbibliothek  in  Olmütz  (Sign.  XXXIX. 
b.  19),  dahin  er  aus  dem  aufgehobenen  Karthäuserkloster 
Königsfeld  bei  Briinn  gekommen  zu  sein  scheint  ^. 

Auf  der  leeren  Rückseite  des  Titelblattes  der  Aus- 
gabe von  1607  hat  nun  Gessenius  eigenhändige  Aufzeich- 
nungen gemacht,  die  man  als  kleine  Vorarbeiten  zu  einer 
Cosmas -Ausgabe  ansehen  darf:  biographische  Bemerkungen 
über  den  Autor,  kritische  Glossen  über  die  Chronik, 
Charakteristik  des  Inhalts,  des  Stils,  der  Schreibweise  u.  a.  m. 
Ueberdies  hat  er  am  Blattrand  und  zwischen  die  Zeilen 
abweichende  Lesarten  und  naheliegende  Verbesserungen 
eingetragen,  teils  nach  Dubravius'  Historia  Boiemica,  deren 
Ausgabe  von  1602  von  Thomas  Jordanus  gleichfalls  in 
diesem  Sammelband  vorkommt,  teils  nach  drei  Cosmas- 
Hss.,  die  Gessenius  gekannt  hat.  Zwei  dieser  Hss.  benennt 
er  als  Codex  Rosinianus  und  Codex  Carolinus,  die  dritte 
zitiert  er  unter  der  Sigle  'CC  Aus  den  von  Gessenius 
notierten  Lesarten  sowie  aus  einigen  handschriftlichen  Er- 
gänzungen am  Schluss  ersehen  wir  mit  voller  Sicherheit, 
dass  der  Codex  Rosinianus  identisch  ist  mit  der  Cosmas- 
Hs.,  die  heute  in  der  Gersdorff 'sehen  Bibliothek  in  Bautzen 
erliegt,  der  Codex  Carolinus  mit  jener  in  der  Dresdener 
Königlichen  Bibliothek  und  Codex  CC  mit  Codex  n.  508 
[Rec.  1544]  der  Hof  bibliothek  in  Wien  -.  Dass  diese  zuletzt 
genannte  Hs.  aus  Prag  nach  Wien  gekommen  ist,  ist  seit 
langem  bekannt;  aber  auch  die  beiden  anderen  Codices 
lagen  damals  in  Prag,  denn  mit  dem  Beinamen  'Carolinus' 
bezeichnet  Gessenius  eine  Hs.  der  Prager  Universitäts- 
bibliothek und  mit  'Rosinianus'  eine  Hs.  der  in  Prag  auf- 
gestellten ehedem  Rosenbergischen,  zu  seiner  Zeit  bereits 
Königlichen  Bibliothek. 

Wäre  Gessenius  dazu  gekommen,  auf  dieser  erweiterten 
handschriftlichen  Grundlage  eine  Cosmas -Edition  zu  ver- 
anstalten, so  hätte  sie  zweifellos  den  Freher' sehen  Text  bei 
weitem  in  Schatten  gestellt.  Allein,  wie  schon  bemerkt: 
Inter  arma  silent  musae.    Gessenius,  der  Böhmen  verlassen 


1)  Ich  danke  den  Hinweis  auf  diesen  Band  Prof.  V.  Novotny  in 
Prag.  2)  An  einer  anderen  Stelle,  auf  dem  leeren  Blatt  vor  der  Historia 
Boliemica  des  Dubravius  kopierte  Gessenius  den  'Sermo  de  s.  Ludmilla, 
desumtus  ex  fasciculo  sermonum  festivalium  codicis  Carolini'  mit  dem 
Incipit:  'Puit  in  provincia'.  Mit  diesem  Fasciculus  ist  nach  Font.  rer. 
Bohem.  I,  p.  XV,  sub  n.  VII  (VI)  Codex  X,  B,  12  der  Prager  Universi- 
tätsbibliothek gemeint. 


688  ^  Bertold  Bretholz. 

musste,  fand  nicht  so  bald  einen  Nachfolger;  die  Hss.- 
Schätze  der  heimischen  Bibliotheken  schlummerten  weiter, 
soweit  sie  nicht  verschleppt  worden  sind,  wofür  gerade 
die  Cosmas-Ueberlieferung  ein  treffendes  Beispiel  darbietet, 
da  vier  Hss.,  die  zu  Beginn  des  17.  Jh.  noch  in  Prag  lagen, 
mittlerweile  in  vier  verschiedene  Orte  gewandert  sind. 

Die  Cosmas  -  Forschung  des  18.  Jh.  ging  wiederum 
von  Deutschland  aus  und  setzte  dort  ein,  wo  sie  zu  Beginn 
des  17.  Jh.  stehen  geblieben  war.  Als  J.  B.  Mencken  im 
Jahre  1728  seinen  I.  Band  der  'Scriptores  rerum  Germani- 
carum,  praecipue  Saxonicarum'  herausgab,  nahm  er  den 
Freher'schen  Text  der  zweiten  Ausgabe  von  1607  wörtlich 
auf,  nur  gab  er  ihm  einen  umfangreichen  Notenkommentar 
von  Chr.  Gottl.  Schwartz,  Professor  zu  Altdorf,  bei^. 
Schwartz,  'Altdorfensis  acaderaiae  lumen  et  decus  eximium' 
war  es  auch,  der  Mencken,  wie  dieser  in  der  Vorrede  (sub 
XVII)  bemerkt,  zum  Neudruck  der  selten  gewordenen 
Freher'schen  Edition  veranlasste.  Bezüglich  der  Hs.,  die 
Freher  benutzte,  macht  übrigens  Mencken  in  diesem  Zu- 
sammenhang die  unrichtige  Bemerkung:  'usum  fuisse  eodem 
codice,  quem  adhuc  hodie  extare  Pragae  apud  rev.  Patres 
Soc.  lesu  comperimus',  in  dem  auch  'Benessii  a  Weidmühl 
Vita  Caroli  IV.  Imp.'  enthalten  sei,  deren  Veröffentlichung 
Mencken  als  dringend  bezeichnet  '^. 

Wenige  Jahre  nach  dem  Erscheinen  dieser  dritten 
Cosmas -Edition  wurde  Mencken  auf  den  in  der  Dresdner 
Bibliothek  befindlichen  Codex  mit  dem  Cosmas -Text  auf- 
merksam und  überzeugte  sich,  dass  dieser  'tam  luculentus, 
tarn  ab  edito  diversus'  sei,  dass  er  im  III.  Bande  seiner 
Scriptores  (1730)  p.  1771  — 1808  wenigstens  die  von  ihm 
durchgeführte  Kollation  zum  Abdruck  brachte.    Allerdings 


1)  Der  Titel  lautet:  'Cosmae  Pragensis  ecclesiae  decani  Chronicae 
Bohemorum  libri  III,  .  .  .  opus  ad  exemplar  Freherianum,  quod  Hanoviae 
typis  Wechelianis  a.  MDCXVII.  (Druckfehler  statt  MDCVII.)  prodiit, 
recusum  et  nunc  a  viro  doctissimo  novis  notis  illustratum'.  Schwartz' 
Namen  findet  sich  dann  in  der  Praefatio.  S.  auch  Archiv  f.  ä.  d.  G. 
I,  392  f.  2)    In  Prag  bei   den  Jesuiten,   d.  h.   im  Collegium  Clemen- 

tinum,  war  einstmals  die  schon  genannte  Wiener  Cosmas -Hs.  n.  508,  die 
aber  keine  Vita  Caroli  IV.  enthält.  Die  Chronik  des  Benesch  von 
Weitmül,  in  deren  viertes  Buch  Kaiser  Karls  IV.  Selbstbiographie  fast 
vollständig  aufgenommen  ist,  ist  heute  nur  durch  eine  einzige  Hs.  über- 
liefert, die  in  der  Bibliothek  des  Prager  Domkapitels  liegt,  aber  keinen 
Cosmas -Text  enthält.  Es  ist  aber  heute  auch  sonst  keine  Cosmas -Hs. 
bekannt,  in  der  die  Chronik  des  Benesch  oder  die  Vita  Caroli  IV.  ent- 
halten gewesen  wäre. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.    II.  689 

beurteilte   er   diese   dem    13.  Jh.  angehörige  Hs.   irrig   als 
'membrana  autori  fere  coaeva'. 

Und  nun  erst,  nach  dieser  abermaligen  Anregung  er- 
wachte auch  in  Böhmen  das  Interesse  an  den  heimischen 
Geschichtsquellen.  Vornehmlich  waren  es  die  reichen 
Schätze  der  Prager  Metropolitanbibliothek,  die  nach  Ver- 
öffentlichung verlangten.  F.  A.  Pelzel  und  J.  Dobrowsky 
nahmen  die  Aufgabe  auf  sich,  'Scriptores  rerum  Bohemi- 
carum  e  bibliotheca  ecclesiae  metropolitanae  Pragensis' 
herauszugeben,  deren  erster  Band  auf  Kosten  des  Dom- 
kapitels im  J.  1783  erschien  und  mit  der  Chronik  des 
Cosmas  begann  ^.  Dieser  neuen  (4.)  Ausgabe  war  die  Hs. 
der  Metropolitanbibliothek  zu  Grunde  gelegt,  mit  berück- 
sichtigt wurden  ausser  den  älteren  Editionen  zwei  Hss., 
ein  Codex  Brzewnoviensis  im  Kloster  Brewnow  bei  Prag 
saec.  XVI,,  und  der  schon  erwähnte  Codex  Vindobonensis 
saec.  XIII.,  der  früher  im  Jesuitenkolleg  Clementinum  in 
Prag  gelegen  hatte.  Die  Einleitung  zu  dieser  Edition, 
p.V — XL,  an  sich  für  die  Cosmas -Forschung  von  grossem 
Belang,  gab  nicht  nur  genaue  Hss.-Beschreibungen,  sondern 
machte  auch  auf  einige  verschollene  oder  damals  uner- 
reichbare Cosmas -Hss.  aufmerksam,  von  denen  die  gelehrten 
Autoren  Kenntnis  erhalten  hatten.     Es  waren  dies: 

1.  die  drei  Cosmas -Chroniken,  die  der  Prager  Dekan 
Plychta  auf  Befehl  Kaiser  Karls  IV.  nach  Neplachs  An- 
gabe 'a  tineis  et  antiquitate  putrefactas  ...  in  membranis' 
abgeschrieben  haben  soll-; 

2.  die  Hs.  in  der  Bibliothek  des  Bohuslaw  von  Hassen- 
stein, die  im  Jahre  1570  beim  Brande  von  Komotau  zu 
Grunde  gegangen  ist; 

3.  ein  Codex  Carloviensis,  der  1465  dem  Augustiuer- 
kloster  in  Prag  geschenkt  worden  war,  und  den  auch 
Bonaventura  Piter,  der  bekannte  Prälat  und  Historiker  des 
mährischen  Klosters  Raigern  (f  1764),  noch  benutzte  und 
exzerpierte  ^ ; 

4.  der  von  Prag  nach  Stockholm  entführte  Pergameut- 
codex,     dessen    Cosmas -Text    Pelzel  -  Dobrowsky    für     un- 


1)  Der  vollständige  Titel  dieser  Ausgabe  lautet:  'Cosmae  ecclesiae 
Pragensis  decani  Chronicon  Bohemorum,  ad  fidem  codicis  ms.  bibliothecae 
capituli  ecclesiae  metropolitanae  Pragensis  recensitum,  cum  aliis  codicibus 
tarn  manuscriptis  quam  irapressis  coUatum'.  2)  Die  Notiz   findet   sich 

aber  nur  in  der  sogen.  Wokaun-Hs. ;  der  Name  Plychta  ist  Dobner'sche 
Kombination,  in  der  Hs.  steht  P.  Lych  decanus;  vgl.  Font.  rer.  Bohem. 
m,  469,  Anm.  z,  3)  Es  ist  einigermassen   rätselhaft,    dass   diese  Hs. 


690  Bertold  Bretholz. 

bekannt  hielten,  weil  sie  damals  noch  nicht  wissen  konnten, 
dass  er  in  Frehers  zweiter  Cosmas- Edition  vorliege^.  Sie 
berufen  sich  auf  Magnus  O.  Celsius  in  Historia  Biblioth. 
Stockholm,  p.  42. 

Eine  planmässige  Cosmas -Forschung  schien  dann  mit 
der  Begründung  der  Monumenta  Germaniae  und  der 
Schaffung  ihres  Organs  'Archiv  für  ältere  deutsche  Ge- 
schichtskunde' beginnen  zu  sollen,  da  Cosmas'  Chronik  von 
Anbeginn  zu  jenen  Quellenschriften  gerechnet  wurde,  die 
in  die  Monumenta  aufzunehmen  seien  und  Dobrowskj  für 
die  Herausgabe  dieses  Werkes  wie  überhaupt  aller 
Bohemica  in  Aussicht  genommen  war-.  Allein  Dobrowskj 
kam  nicht  zur  Durchführung  des  von  ihm  gefassten  Planes. 
Die  Aufgabe,  über  Cosmas  und  sein  Werk  eine  erste 
kritische  Studie  zu  liefern,  die  über  das  hinausging,  was 
zuletzt  Dobner  und  Pelzel  -  Dobrowskj  geschrieben  hatten, 
fiel  daher  Franz  Palackj  zu,  als  er  1830  seine  'Würdigung 
der  alten  böhmischen  Geschichtsschreiber'  verfasste  ^.  Er 
hat  hier  (S.  4  —  6)  auch  eine  üebersicht  der  ihm  bekannt 
gewordenen  Hss.  geboten  und  führte  insgesamt  an: 

1.  Die  Strassburger  Hs.,  mit  Hinweis  auf  die  Notiz 
im  'Archiv'  I,  392; 

2.  die  Stockholmer  Hs.,  mit  Hinweis  auf  Dobrowskj, 
Reise  nach  Schweden*; 

3.  die  Dresdner  Hs.,  die  ihm  aus  Menckens  Varianten- 
apparat bekannt  war; 

4.  die  Wiener  Hs.  und 

5.  die  Prager  Hs.,  die  beide  von  Pelzel  -  Dobrowskj  in 
den  'Scriptores'  benutzt  worden  waren; 


zur  Zeit  Pelzeis  als  verloren  gfalt,  dass  Emier  1874  ihr  Vorhandensein  in 
der  Prager  erzbischöflichen  Bibliothek  konstatierte,  dass  sie  seither  aber, 
wie  wir  noch  hören  werden,  wieder  verschollen  ist.  Köpke  (1851)  be- 
merkte :  'At  oblivione  obrutus  codex  in  nescio  cuius  monasterii  aut  biblio- 
thecae  latebris  inventorem  exspectat'.  1)  Bei  Pelzel  -  Dobrowsky  heisst 
es  p.  V:  Freher  habe  1607  den  Cosmas  ediert  'e  codice  quodam,  quem 
Pragae  nactus  erat' ;  vgl.  auch  p.  XXIV — XXVI  die  eingehenderen  Be- 
merkungen über  die  Freher'schen  Cosmas  -  Editionen.  2)  Vgl.  Archiv 
I  (1819),  105.  109 ;  IV  (1822),  35.  3)  Als  Vorläufer  des  Palacky'schen 
"Werkes  ist  zu  betrachten  J.  Meinerts  Aufsatz  'Die  böhmischen  Geschichts- 
schreiber des  ersten  Zeitraumes'  in  '.Tahrbb.  der  Literatur'  XV  (Wien 
1821,  Juli  —  Sept.),  Anzeigeblatt  S.  27 — 43,  mit  einer  Charakteristik  des 
Cosmas,  die  Palacky  in  seiner  Arbeit  mehrfach  zitiert  und  benutzt  hat, 
und  Anführung  von  bereits  sieben  Cosmas  -  Hss.  {=  Palacky  1 — 6  und  8). 
4)  Palacky  kennt  und  erwähnt  auch  schon  die  'treue  Abschrift'  des  Stock- 
holmer Codex  in  der  Wiener  Hofljibliothek  n.  7391  (Rec.  1213). 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.    II.  691 

6.  die  Brünner  Hs.,  eigentlich  Mähr.  Trübauer  Hs., 
auf  die  zuerst  J.  G.  Meinert  im  Archiv  für  Geographie, 
Historie,  Staats-  und  Kriegskunst  herausg.  von  Hormayr, 
1819,  S.  65  ff.  aufmerksam  gemacht  hatte; 

7.  die  Eaudnitzer  Hs.,  die  Palackj  im  J.  1826  auf- 
gefunden hatte; 

8.  die  Brewnower  Hs.,  die  Pelzel  -  Dobrowsky  schon 
erwähnt  hatten. 

Palacky  war  es  auch,  der  im  J.  18J:3  zuerst  Kunde 
gab  von  der  Erwerbung  einer 

9.  Cosmas -Hs.  durch  die  Universitätsbibliothek  in 
Leipzig;  und  fast  gleichzeitig  meldeten  Schaf arik  das  Vor- 
handensein einer 

10.  Cosmas -Hs.  in  der  Gersdorff'schen  Bibliothek  in 
Bautzen  und  Kaubek  den  Fund  einer 

11.  Cosmas-Hs.  in  der  Budweiser  Dechantei^ 

Als  Rudolf  Koepke  im  Jahre  1851  im  IX.  Bande  der 
'Scriptores'  Cosmas  neu  bearbeitete  und  edierte,  konnte  er 
das  bis  dahin  bekannt  gewordene  Material  an  Cosmas- 
Hss.  nur  um  zwei  ziemlich  belanglose  Stücke  vermehren, 
u.  zw.  um 

12.  Die  Münchener  Hofbibliothek-Hs.,  und 

13.  Die  zweite  Wiener  Hofbibliothek-Hs.  n.  7391, 
von  deren  Existenz,  wie  früher  erwähnt  wurde,  aber  auch 
schon  Dobner  und  Palacky  Kenntnis  hatten.  Durch  das 
Buch  von  K.  A.  Barack,  Die  Hss.  der  f ürstlich  -  f ürsten- 
bergischen  Hofbibliothek  in  Donaueschingen  (Tübingen 
1865,  S.  481)  erfuhr  man  von  der  Existenz  der 

14.  Donaueschinger-  oder  Eürstenberger  Cosmas-Hs., 
die  dann  Josef  Emier  ebenso  wie  die  von  ihm  wieder- 
gefundene 

15.  Hs.  der  fürsterzbischöflichen  Bibliothek  in  Prag, 
den  alten  Codex  Carloviensis,  bei  seiner  Edition  des  Cosmas 
in  den  Fontes  rer.  Bohem.  II  (1874)  zum  ersten  Male  be- 
rücksichtigte. 

Die  Zahl  von  fünfzehn  Cosmas -Hss.,  die  seit  der 
ersten  Freher- Edition  aufgedeckt  worden  sind,  ist  heute 
nicht  mehr  intakt.  Zu  allererst  ging  zu  Grunde  die 
Strassburger  Hs.,  also  diejenige,  die  am  frühesten  entdeckt 


1)  Vgl.  wegen  9  — 11:  Abhandlungen  der  k.  böhm.  Gesellschaft 
der  Wissenschaften,  V  Folge.  I  von  den  J.  1837  —  1840,  Prag,  1841, 
S.  18;  Archiv  f.  alt.  d.  Geschichtskunde  VIU  (1843),  282  [von  G. 
H.  Pertz]. 


692  Bertold  Bretholz. 

worden  war,  nämlich  beim  Bombardement  der  Stadt  am 
24.  —  27.  August  1870,  das  die  kostbare  städtische  Biblio- 
thek zerstörte.  Man  vermisst  weiter  den  Codex  Carlo- 
viensis,  wiewohl  ihn  Emier  gesehen  und  benutzt  zu  haben 
behauptet  ^.  Und  schliesslich  fehlt  dermalen  die  Hs.  in 
Brewnow,  laut  einer  mir  vom  dortigen  hochw.  Herrn  Prior 
P.  Marian  Jos.  Holubec  0.  S.  B.  am  6.  Mai  1905  zu- 
gekommenen Nachricht. 

Man  darf  sich  nicht  scheuen,  seiner  Verwunderung 
offen  Ausdruck  zu  geben,  dass  es  heutzutage  in  einer 
Stadt  wie  Prag  geschehen  kann,  dass  Hss.  von  solchem 
Wert,  wie  es  jedes  Cosmas- Exemplar  ist,  die  nachweislich 
1871  noch  von  Emier  benutzt  worden  sind,  spurlos  ver- 
schwinden, und  möchte  nur  wünschen,  dass  sie  recht  bald 
wieder  gefunden  würden. 

V.    Die  Brünner  Cosmas  -  Handschrift. 

Als  Köpke  und  nach  ihm  Emier  ihre  Cosmas- 
Editionen  besorgten,  zitierten  beide  in  der  Uebersicht  der 
erhaltenen  Hss.  unter  der  Signatur  '5'  einen  'Codex 
Brunnensis  chart.  fol.  saec.  XV,  hodie  asservatus  in  Museo 
Franciscano',  der  sich  aber  damals  gewiss  nicht  unter  den 
handschriftlichen  Beständen  des  Brünner  Franzensmuseums 
befand  und  richtiger  als  verschollen  hätte  bezeichnet 
werden  müssen'-.  Die  wenigen  Worte,  die  man  über 
diesen  Codex  bei  Köpke  und  Emier  liest,  beruhen  auf  der 
Beschreibung,  die  Palacky  in  'Würdigung  der  alten 
böhmischen  Geschichtsschreiber'  S.  5  und  11 — 13  geboten 
hatte.  Doch  hat  auch  Palackj  die  Hs.  nie  selber  ein- 
gesehen noch  auch  gekannt,  sondern  er  entnahm  wiederum 


1)  Die  Mitteilung,  dass  die  Hs.  vermisst  werde,  stammt  von  dem 
fürsterzb.  Arcliivar  Franz  Tischer  in  Prag  vom  8.  Juni  1903;  Herr  Hofrat 
Prof.  A.  Bachmann  hatte  die  Güte  mich  am  11.  Mai  1905  zu  benach- 
richtigen, dass  er  auch  1899  und  1900  sich  vergeblich  bemüht  habe, 
diese  Hs.  zu  Gesichte  zu  bekommen.  Alle  Antworten  auf  meine  An- 
fragen an  die  Prager  Bibliotheken,  ob  die  Hs.  nicht  aus  dem  Nachlasse 
Emiers,  der  sie  wahrscheinlich  im  Prager  Stadtarchiv  benutzte,  in  eine 
andere  Bibliothek   geraten   sei,   lauteten   negativ.  2)   Es   ist   mir  un- 

verständlich, wieso  Emier  in  der  (tschechisch  geschriebenen)  Einleitung 
zu  seiner  Cosmas  -  Edition  in  den  Fontes  rer.  Bohem.  II,  18  sagen  konnte: 
'Bei  dieser  Ausgabe  hielten  wir  uns  im  wesentlichen  an  den  Text  Köpkes, 
verglichen  ihn  aber  noch  einmal  mit  allen  den  Hss.,  die  Köpke  nicht 
direkt  benutzt  hat,  sowie  mit  jenen,  die  bisher  nicht  bekannt  waren. 
Das  sind  hauptsächlich  die  Hss.  des  Prager  Kapitels,  von  Brewnow, 
Raudnitz,  Donäueschingen,  Brunn  .  .  .'.  Dass  dem,  was  den  Brünner 
Codex  anlangt,   nicht  so  sein  kann,  beweisen  die  weiteren  Ausführungen. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.    II.  693 

seine  Daten  wörtlich  einem  Aufsatz  J.  G.  Meinerts  'Die 
Tribauer  Handschrift'  im  Archiv  für  Geographie,  Historie, 
Staats-  und  Kriegskunst,  herausg.  von  J.  Hormayr,  1819 
(S.  65—66.  90  —  92.  101 — 103),  sowie  einem  zweiten  des- 
selben Autors  in  den  'Jahrbüchern  der  Literatur'  (s.  oben 
S.  690,  Anm.  3). 

Meinert  hatte  die  Hs.  im  Oratorium  der  Pfarrkirche 
zu  Mährisch  -  Trübau  im  Jahre  1819  entdeckt  und,  da  eben 
damals  auf  Anregung  des  Landesgouverneurs  Grafen  von 
Mittrowsky  das  Franzensmuseum  in  Brunn  gegründet 
worden  war,  den  Wunsch  ausgesprochen,  dass  diese  Hs. 
'aus  dem  Dunkel  ihres  bisherigen  Aufenthaltes  in  diesen 
lichten,  dem  Manne  vom  Fache  zugänglicheren  Mittelpunkt 
und  Tempel  wissenschaftlicher  Landschätze  übertragen 
werde'.  In  Wirklichkeit  kam  die  Hs.  aber  nur  aus  einem 
Versteck  in  ein  anderes.  Denn  Graf  Mittrowsky  hatte  in 
nicht  ganz  unbegründeter  Voraussicht,  dass  das  Franzens- 
museum in  jener  Zeit  vielleicht  doch  nicht  so  ganz  als 
Tempel  der  dort  hinterlegten  Raritäten  angesehen  würde, 
wie  andere  wertvolle  Archivalien  \  so  auch  dieses  Buch  in 
seine  Privatbibliothek  nach  Schloss  Wiesenberg  (Nord- 
mähren) gebracht,  über  deren  Inhalt  und  Wert  man  bis 
vor  kurzem  nichts  bestimmtes  wusste ''.  Mittrowskys 
Sammlung  wurde  1899  auf  meine  Anregung  von  der 
Stadt  Brunn  für  deren  Archiv  erworben;  eine  mährische 
Bibliothek,  in  der  sich  ein  Cosmas -Exemplar  und  ver- 
schiedene andere  Moravica,  die  lange  Zeit  als  verschollen 
galten,  wiederfanden,  glaubte  ich  dem  Lande  erhalten  zu 
müssen.  Nach  Brunn  kam  also  diese  Cosmas -Hs.  erst  im 
Jahre  1899  mit  der  gesammten  Wiesenberger  Bibliothek 
und  zwar  nicht  ins  Franzensmuseum  oder  in  das  Landes- 
archiv, welche  beide  Institute  den  Ankauf  ablehnten, 
sondern  in  das  Brünner  Stadtarchiv^. 

Diese  Papierhs.  in  Folio  (24  cm  hoch,  29  cm  breit,  10  cm 
dick),  mit  286  Blättern,  in  starke,  mit  gepresstem  braunem 


1)   Vgl.    ß.   Bretholz,    Das    mährische   Landesarchiv    (1908)    S.    1. 

2)  Zibrts  Bibliografie  I  (1900),  214  wiederholte  nicht  einmal  das  wenige, 
was  d'Elvert  über  diese  Bibliothek  in  seiner  Historischen  Literatur- 
geschichte von  Mähren  und  Oesterr.  -  Schlesien  (1850)  S.  498  mitgeteilt 
hat;  er  Hess  sich  wahrscheinlich  durch  ihn  verleiten  zu  glauben,  dass  die 
Sammlung     von    Wiesenberg     nach    Grossherlitz    gebracht    worden    sei, 

3)  Wenn  Meinert  in  dem  genannten  Aufsatz  in  den  Jahrbüchern  der 
Literatur  sagt,  dass  diese  Cosmas -Hs.  'jetzt  des  Franzensmuseums  in 
Brunn'  sei,  so  lebte  er  eben  in  dem  Glauben,  dass  seinem  Wunsche 
Rechnung  getragen  worden  sei;  vielleicht  war  auch  der  Codex  ganz 
vorübergehend  dort. 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  45 


694  Bertold  Bretholz. 

Leder  überzogene  Holzdeckel  gebunden,  mit  gut  erhaltenen 
Messingecken  und  Schliessen  versehen,  besteht  aus  fol- 
genden Stücken. 

1)  'Incipit  Über,  qui  "Romulum"  intitulatur,  eo  quod 
de  gestis  Romanorum  tractat,  editus  ad  instantiam  stre- 
nuissimi  et  spectabilis  militis  domini  Gomety  Yspany  de 
Albornotio.  Benenutus  de  Ymola'  (die  letzten  drei  Worte 
in  eigener  Zeile  mit  roter  Tinte).  Vorangeht  ein  alpha- 
betischer Namensindex.     Fol.  1—7,  8—186^. 

2)  Eine  Chronik  nach  den  sieben  Zeitaltern ;  das  letzte 
mit  der  üeberschrift :  'Cronica  incipit  a  summis  ponti- 
ficibus.  Septima  etas'.  Daran  schliesst  sich  ohne  Unter- 
brechung eine  Beschreibung  Roms.     Fol.  187 — 194''',  Sp.  1. 

3)  Die  Chronik  des  Cosmas  mit  der  Üeberschrift: 
'Incipit  prohemium  in  cronicam  Bohemorum'.  Fol.  194^, 
Sp.  2— 239^  Sp.  1. 

4)  Die  Chronik  des  sogen.  Pulkawa  in  100  Kapiteln, 
beginnt:  'Capitulum  de  nomine  unde  Slovani  sive  ßoemi 
venerunt  et  unde  dicuntur'.     Fol.  239^  Sp.  2—284",  Sp.  1. 

5)  Nach  der  Urkunde  'Nos  Alexander  Philipp!  regis 
Macedonum  .  .  .  illustri  prosapie  Sclavorum  et  lingue 
eorum  pacem  .  .  .  anno  ab  urbe  condita  CCCLXV  chro- 
nistische Notizen  (eine  böhmisch -mährische  Chronik  nannte 
sie  Meinert)  von  1344 — 1439),  aber  nicht  in  chronologischer 
Folge.     Fol.  284^   Sp.  2  — 286\ 

Der  zvs^eispaltig  geschriebene  Text  des  ganzen  Buches 
zeigt  einen  und  denselben  kräftigen  Zug,  nur  das  Pro- 
oemium  zum  I.  Buch  des  Cosmas  auf  fol.  194"^,  Sp.  2  ist 
von  anderer  Hand  etwas  später  nachgetragen.  Das  Wasser- 
zeichen des  Papiers  ist  durchwegs  eine  Wage  im  Kreis. 
Auf  dem  ersten  und  dann  auf  jedem  zwölften  Blatt,  also 
fol.  1,  13,  25,  37  .  .  .  sind  am  oberen  Rand  von  einer  Hand 
saec.  XV.  die  Lagenziffern  1 — 24  angebracht,  nur  die  Zahl 
17  steht  auf  f.  191,  also  auf  dem  zehnten  Blatt  nach  dem 
richtig  mit  Lage  16  signierten  Blatt  181,  weil  zwischen 
fol.  186  und  187  zwei  Blätter  herausgeschnitten  sind; 
ebenso  sind  am  Schluss  der  Hs.  mehrere  Blätter,  ob  be- 
schrieben oder  leer  lässt  sich  nicht  entscheiden,  heraus- 
gerissen. 

Die  Hs.  ist  inhaltlich  in  mehrfacher  Hinsicht  nicht 
ohne  Interesse. 

Die  kleine  böhmisch -mährische  Chronik  hat  zwar 
schon  Meinert  a.  a.  O.  ediert,  doch  ist  seine  Behauptung 
nicht  zutreffend,  dass  sie  beinahe  wörtlich  aus  dem  zweiten 
Fortsetzer   des  Pulkawa,    wie    er  von  Dobner,    Monumenta 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.     II.  695 

IV,  126  — 136  bekannt  gemacht  wurde,  genommen  sei. 
Viele  dieser  kurzen  Notizen  zeigen,  wenn  sie  auch  nichts 
wesentlich  neues  bringen,  eine  selbständige  Fassung,  so 
beispielsweise  die  über  König  Wenzels  Tod  1419,  u.  a.  m. 
Der  Pulkawa-Text  unserer  Hs.  wurde  für  die  Edition 
dieser  Quelle  in  den  Fontes  rer.  Bohem.  V.  nicht  benutzt^; 
er  ist  übrigens  mit  jenen  der  sogen,  ersten  Rezension  nah 
verwandt  und  steht  am  nächsten  dem  der  Hs.  n.  199  der 
Breslauer  Stadtbibliothek  vom  Jahre  1467,  ist  aber  älter. 
Für  eine  Neuedition  dieser  Quelle  muss  somit  die  Brünner 
Hs.  berücksichtigt  werden. 

Die  Chronik  nach  den  sieben  Weltaltern  ist  zwar 
belanglos,  allein  die  ihr  angefügte  Rombeschreibung  immer- 
hin als  eine  neue  Fassung  der  verschiedenen  als  'Mirabilia 
Romae'  oder  'Breves  Notitiae'  bekannten  mittelalterlichen 
Rombeschreibungen  beachtenswert. 

Die  Fassung  unserer  Hs.  beginnt  ohne  jede  Ueber- 
schrift  mit  einem  Abschnitt  betitelt  'Conditores  urbis  Rome' 
von  Janus  bis  auf  Romulus,  daran  sich  die  folgenden  An- 
gaben anschliessen,  die  einigermassen  an  den  Text  der 
Mirabilia  anklingen,  den  H.  Jordan,  Topographie  der  Stadt 
Rom  im  Altertum  II  (1871),  607  ediert  hat: 

'Muri  Rome  in  circuitu  et  ambitu  eorum  continent  XXII 
miliaria  exceptis  Transtiberis  et  civitate  Leonina.  —  Turres 
murorum  sunt  CCCLXI.  —  Castella  Rome  erant  XLVIII. 
—  Propugnacula  murorum  XVI'"IX°'. 
Die  weiteren  Abschnitte  tragen  die  Ueberschrif ten :  'Porte 
Rome.  —  Vie.  —  Arcus  triumphales.  —  Terme.  —  Palacia. 

—  Theatra.  —  Pontes  supra  Tiberim.  —  Angulie.  —  Fora. 

—  Equi.  —  Templa.  —  Cimiteria'. 

Nun  folgt  die  Beschreibung  der  Regionen,  deren  erste 
hier  schon  den  Namen  'Porta  Capena',  deren  8.  'Forum 
Magnum',  9.  'Palacium  Magnum',  11.  'Piscina  Publica', 
12.  'Aventinus'  heisst,  während  10  und  13  keinen  Namen 
führen 2.  Als  'Regiones  extantes'  werden  aufgezählt:  'Regio 
Moncium,  Trivy,  Columpne,  Campimartis,  Pontis,  Aremilie, 
S.  Eustachy,  Pinee  (alt  'Chacchii'),  Campitolli,  S.  Angeli, 
Rippe   und  Regio  Transtiberim'.     Den   nächsten  Abschnitt 


1)  Hier  sagt  Emier  im  Gegensatz  zu  jener  Bemerkung,  die  ich 
oben  S.  692,  N.  "2  angeführt  habe,  ausdrücklich :  'Bezüglich  der  Hs.  des 
Franzensmuseums  in  Brunn  überzeugte  sich  Herr  .J.  Müller,  dass  sie 
dahin  von  Trebitsch  (soll  wohl  heissen  Trübau)  nicht  gegeben  wurde, 
wie  es  hätte  sein  sollen'.  2)  Ich  beziehe  mich  hier  auf  die  betreffenden 
Ausführungen  von  Jordan  1.  c.  S.  315  ff. 

45* 


696  Bertold  Bretholz. 

bilden:  'Mulieres  clare  ßome'  von  Gaia  Cirilla  bis  auf 
'Faustina  augusta  .  .  .  mandato  Antonii  dea  adorata  est'. 
Unmittelbar  an  diesen  Schlusssatz  fügt  sich  ein  umfang- 
reiches Verzeichnis  der  'Indulgencie  urbis  Rome',  be- 
ginnend : 

'Item  notandum  est,  quod  in  Eoma  sunt  CCCC  et 
LVII  ecclesie,  inter  quas  sunt  Septem  ecclesie  pre  aliis 
privilegiate  gratia  et  sanctitate,  que  dicuntur  esse  regales, 
quia  a  summis  pontificibus  et  imperatoribus  sunt  constructe 
et  maxime  divine  gratie  cumulate'. 

Nach  einem  Verzeichnis  der  Kardinäle,  dann  der  in 
Eom  befindlichen  Abteien  und  einigen  Notizen  über  die 
Ausdehnung  Italiens  lesen  wir:  'Omnia  superius  scripta 
sunt  scripta  in  studio  rev.  domini  domini  de  Ursinis.  In 
camera  paramenti  ipsius  domini  Cardinalis  mirifico  opere 
depicte  sunt  XII  sibille,  que  sie  dicuntur  de  adventu  Christi'; 
es  folgt  ihre  Aufzählung  mit  dazugehörigen  Weissagungen. 
Damit  schliesst  auf  F.  194"',  Sp.  1  dieser  Teil  der  Hs. 
Ihm  voran  geht  das  umfangreichste  Stück,  das  'Romulum'. 

Es  ist  eine  ausführliche  römische  Geschichte  in  elf 
Büchern  von  der  Gründung  der  Stadt  bis  auf  die  Zeiten 
Kaiser  Sigmunds  fortgeführt  mit  einer  Einleitung,  die  über 
die  Abfassung  des  Werkes  einigen  Aufschluss  bietet.  Sie 
lautet : 

'Liber  primus  tractat  et  continet  gesta  Romanorum 
ab  urbe  condita  usque  ad  urbem  liberatam  a  regibus.  — 
Capitolum  primum,  in  quo  aperitur  intencio  libri  cum 
commendacione  prefati  domini. 

"Principibus  placuisse  viris  non  ultima  laus  est",  in- 
quid  Oracius  in  epistolis  suis.  Haue  auctoritatem  secutus 
illustrium  ßomanorum  regum,  consulum  ac  imperatorum 
non  omnia  quidem,  sed  [que]  memorabilia  fore  crediderim 
inclita  gesta,  luculento  Latino  humili  stilo  et  sermone  ma- 
terno  sine  ulla  rhetoricorum  pompa  verborum,  brevi  volu- 
mine, quantum  materie  qualitas  patitur,  instancia  strenuis- 
simi  militis  domini  Gomecij  de  Albornocio  Yspani  \  cuius 
mandatis   prius    sibi   dilectus   quam  cognitus  nequeo  refra- 


1)  S.  die  Bemerkung  bei  Chevalier,  Repertoire  des  sources  histori- 
ques  du  moyen  äge,  Sp.  121 :  'Albornoz  (Gomez  d')  neveu  du  preced. 
(i.  e.  Albornoz  Gilles  -  Alvarez,  Carillo  d'),  senateur  de  Rome,  f  ä  Anagni 
1:377  aoüt  12.  Baluze,  Vitae  pap.  Aven.  (1693)  I,  1440  f.  —  Bei  Baluze 
wird  wegen  einiger  Lebensdaten  verwiesen  auf  Codex  epistolarum  Gre- 
gorii  XI.  und  auf  die  "Vita  des  Kardinals  Aegidius  Albornotii,  verfasst 
von  Genesius  Sepulveda. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.     II.  697 

gari.  Quem  iani  pluribus  triumphis  clarissimis  celebratum, 
quia  armorum  sollercia  distrahit,  militaris  alligat  disciplina, 
rei  publice  cura  sollicitat  utilius  gubernande,  amenissime 
necnon  opulentissime  Bononie  civitatis,  cuius  habenas  regit, 
prudens  et  providus  gubernator  et  quam,  sonantibus  undi- 
que  bellorum  fragoribus  guerrarum  turbine  oppressam, 
revocata  patria  libertate  iam  dudum  suis  propulsa  de  laribus 
spectabili  virtute  sua  potenter  erexit,  nobilissimorum  histori- 
corum  obscuritati  sedulitati  studii  invigilare  non  valens, 
invitus  quodammodo  pertrahor  ad  scribendum,  iuvenilis 
etatis  imbecillitate ,  cui  plurimum  ignorantia  solet  esse 
cognita,  sed  propiciante  deo  maturitate  animi  roboranda 
famosissimos  hystoriarum  auctores  et  si  non  quo  ad  stilum, 
quo  ad  effectum  saltem  posseteuus  imitatus  ;  potissime  Titum 
Livium,  Augustinum  de  civitate  dei,  Valerium  Maximum, 
Salustium,  Suetouium,  Helium  Spartianum,  Helyum  Lam- 
pridium,  lulium  Capitollium  (sie),  Lucium,  Florum,  lusti- 
num,  Lucanum,  Orosium,  Entropium  aliosque  quam  plures. 
Non  iguarus  presens  opusculum  minus  sapere  nulla  cou- 
ditum  rhetorice  dulcedinis  suadela,  michi  tamen  sufficiat 
pref ati  domini  satisf acere  votis ;  quod  si  f ortasse  prolixiorem 
vagabitur  viam,  veniam  ex  hoc  merebitur,  quoniam  multa 
et  magna  impossibile  est  breviter  explicare,  et  quia  obscu- 
ritas  est  amica  quam  plurimum  veritati'. 

Das  erste  Buch,  dessen  Ueberschrift  schon  angeführt 
ist,  umfasst  29  Kapitel. 

Buch  II,  'continens  gesta  consulum  et  tribunorum 
usque  ad  urbem  captam  per  Gallos',  42  Kapitel. 

Buch  III,  'continens  gesta  Eomanorum  ab  urbe  recu- 
perata  a  Gallis  usque  ad  bellum  Punicum',  27  Kapitel. 

Buch  IV,  'continens  gesta  secundi  belli  Punici  usque 
ad  tempus  quo  Capua  dedit  se  Anibali',  30  Kapitel. 

Buch  V,  'continens  gesta  secundi  belli  Punici  a  rebel- 
lione  Capue  usque  ad  tempus  quo  Scipio  ivit  Yspaniam', 
38  Kapitel. 

Buch  VI,  'continens  gesta  secundi  belli  Punici  a  tem- 
pore quo  Scipio  factus  est  consul  usque  ad  bellum  Mace- 
donicum',  49  Kapitel. 

Buch  VII,  'continens  gesta  belli  Macedonici  et  alia 
gesta  Eomana  usque  ad  tempora  luly  Cesaris',  32  Kapitel. 

Buch  VIII,  'continens  gesta  Gay  luly  Cesaris  usque 
ad  tempora  Octavy  qui  dictus  est  Cesar  Augustus',  56  Ka- 
pitel. 

Buch  IX,  'continens  gesta  Cesaris  Augusti  et  aliorum 
decem   imperatorum    qui    successive   secuntur',    30  Kapitel. 


698  Bertold  Bretholz. 

Buch  X,  'contineus  gesta  cesarum  ab  Adriano  usque 
ad  Constantinum',  42  Kapitel. 

Buch  XI,  'continens  gesta  cesarum  a  Constantino  us- 
que ad  Sigismundum',  73  Kapitel. 

In  einer  zweiten  Hs.  des  Romulum,  die  ich  kenne 
und  die  sich  in  der  Olmützer  Studienbibliothek  sub  sign. 
II,  58    befindet  ^,    lesen    wir    am   Schluss    des    10.  Buches : 

'Ea  que  secuntur  (also  Buch  XI)  scripta  sunt  de  libro 
lo.  de  Crivellis,  quem  de  imperatoribus  conscripsit  tempore 
domini  Martini  pape  V.  satis  breviter  et  concordat  ut  plu- 
rimum  cum  Francisco  Petrarca  in  libello,  quem  fecit  et 
appellavit  Augustalem ;  et  principium  habens  in  alio  libro 
usque  ad  hunc  passum  etc.'  und  am  Schluss  des  11.  Buches 
findet  sich  die  Unterschrift :  'lohannes  de  Crivellis  scriptor 
apostolicus  se  ipsum  ad  pedum  oscula  beatorum'  -. 

Der  'Liber  Augustalis',  mit  dem  das  vorliegende  Werk 
'Romulum'  in  Zusammenhang  gebracht  wird,  ist  nach  der 
Angabe  von  O.  Lorenz,  Deutschlands  Geschichtsquelleu  im 
Mittelalter  11^  291,  N.  1  'in  zahlreichen  Hss.'  bekannt^. 
Freher-Struve  hat  ihn  in  Rerum  Germanicarum  scriptores 
II  (1717),  1 — 21  ediert,  ohne  Anführung  von  Hss.  Dieser 
Liber  Augustalis  ist  mit  dem  11.  Buch  des  Romulum,  wie 
es  in  der  Brünner  und  Olmützer  Hs.  vorliegt,  nahe  ver- 
wandt, nur  dass  die  meisten  Kaiserbiographien  des  Romulum 
ausführlicher,  inhaltsreicher  sind  und  anders  stilisiert  er- 
scheinen, so  dass  man  den  Eindruck  gewinnt,  das  elfte 
Buch  des  Romulum  sei  eine  erweiterte  Bearbeitung  des 
Liber  Augustalis.     Das   grosse  Werk   'Romulum'   des  Ben- 


1)  Diese  Hs.,  die  den  Romulum  -  Text  ganz  ebenso  bietet  wie  die 
Brünner  Hs. ,  enthält  dann  auch  noch  in  gleicher  Weise  die  Chronik  von 
den  7  Zeitaltern  und  die  Rombeschreibung  (also  fol.  187 — 194'*',  Sp.  1 
der  Brünner  Hs.),  allein  anstatt  Cosmas  folgt  dort:  'Apulei  Platonici 
Madaurensis  Metamorfoseos  libri  XI,  Floridum  libri  IV,  De  deo  Socratis' 
und  'Oracio  Heligabali  Romanorum  imperatoris  habita  in  concione  ad 
meretrices',  mit  der  Schlussbemerkung :  'Leonardus  Aretinus  recreandi  in- 
genii  causa  ridens  ludensque  dictavit,  unde  severiores  rogat  ne  legant, 
urbaniores  ne  efferant'.  —  Damit  schliesst  diese  Olmützer  Romulum -Hs. 
2)  Chevalier  1.  c.  1074:  'Crivelli  (Jean),  de  Milan,  oü  chan.,  archidia. 
d'Aquilee,  abrev.  apost.,  f  1432  juil.  28'.  3)  Vgl.  Potthast,  Bibliotheca 
historica  medii  aevi  I,  145,  s.  v.  Benevenutus  de  Rambaldis;  die  dort 
angefülirte  Münchener  Hs.  (Hofbibliothek  n.  313)  hat  das  Explicit :  'Finit 
feliciter  libellus,  qui  dicitur  Augustalis,  continens  sub  compendio  brevem 
descriptionem  omnium  augustorum  a  primo  Cesare  usque  ad  ultimum,  ad 
illustrem  Nicolaum  marchionem  Estensem  Kalendis  lanuarii  intrante  novo 
anno  CCCLXXXVll.  per  Benevenetum  de  Ymola,  egregium  hystoriarum 
receptatorem  et  sollempnissimum  autoristam.    Amen,  amen'. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.     II.  699 

venuto  da  Imola  (f  1391)  ist  bisher  nur  in  einer  Ausgabe 
in  italienischer  Sprache  bekannt,  die  1867  ff.  Giuseppe 
Guaterri  u.  d.  T.  'II  Romuleo  di  Mess.  Benvenuto  da 
Imola,  volgarizzato  nel  buon  seculo  e  messo  per  la  prima 
volta  in  luce  dal  dott.  G.  G.'  in  Collezione  di  opere  in- 
edite  o  rare  dei  primi  tre  secoli  della  lingua,  publicata 
per  cura  della  E.  Commissione  pe'  testi  di  lingua  nelle 
provincie  dell'  Emilia  XXI  u.  XXII. 

In  der  Einleitung  werden  (S.  XVII)  Hss.  des  lateini- 
schen Originals  in  der  Laurenziana  erwähnt;  aus  einer 
derselben  (LXVI,  29)  druckte  Bandini  im  Catalogus  codicum 
Latinorum  bibliothecae  Mediceae  Laurentianae  (Florenz 
1774  ff.)  II,  802  das  Prooemium  unvollständig  ab.  Für 
lateinische  Hss.  vgl.  auch  Bradley,  Dict.  miniat.  (1889)  III, 
117 — 119^.  Sowohl  in  der  italienischen  üebersetzung,  wie 
wahrscheinlich  auch  in  den  lateinischen  Hss.  der  Lauren- 
ziana umfasst  das  Romulum  nur  10  Bücher,  und  nach  dem 
von  Bandini  angeführten  Explicit  auch  diese  nicht  in  dem 
Umfang  wie  die  beiden  Hss.  in  Brunn  und  Olmütz. 

In  keinem  der  bisher  besprochenen  Bestandteile 
findet  sich  irgend  ein  Hinweis  auf  die  Provenienz  unserer 
Hs.  Einen  Anhaltspunkt  hierfür  bietet  erst  der  Cosmas- 
Text,  der  auf  den  Romulum  und  die  Chronik  der  sieben 
Zeitalter  mit  der  angegliederten  Notitia  urbis  Romae 
folgt.  Der  Cosmas -Text  in  dieser  Hs.  an  sich  ist  minder- 
wertig, durch  zahlreiche  Schreibfehler,  Wort-  und  Satz- 
auslassungen verderbt;  im  übrigen  gehört  er  zu  jener 
älteren  Klasse,  die  ihre  Hauptvertreter  in  den  Cosmas -Hss. 
von  Leipzig,  Bautzen,  Strassburg  und  Dresden  hat,  am 
nächsten  steht  er  der  Bautzener  Hs.  Wie  alle  anderen 
Ueberlieferungen  berichtet  auch  diese  Hs.  zum  J.  1115 
den  Tod  Udalrichs,  des  Teilfürsten  von  Brunn,  und  im 
Anschluss  daran  den  schon  früher  (1112)  erfolgten  Tod 
seines  Bruders  Lutold,  sowie  den  Uebergang  der  von  ihnen 
verwalteten  zwei  mährischen  Westprovinzen,  Brunns  und 
Znaims,  an  Sobieslaw,  den  Bruder  des  böhmischen  Herzogs 
Wladislaw,  da  die  direkten  Erben  Udalrichs  und  Lutolds 
noch  minderjährig  waren.  Darnach  folgt  aber  —  nach  der 
üblichen  Kapiteleinteilung  in  Kap.  41  des  III.  Buches  — 
eine  längere  Einschaltung,  die  in  keiner  der  übrigen  Hss. 
vorkommt,  gewiss  auch  nicht  zum  ursprünglichen  Cosmas- 


1)  Diese  Nachweise  verdanke  ich  der  liebenswürdigen  Unterstützung 
des  Herrn  Professors  Dr.  "W.  Weinberger  in  Brunn  auf  Grund  seiner 
Nachforschungen  in  den  "Wiener  Bibliotheken. 


700  Bertold  Bretholz. 

Text  gehört,  sondern  lediglich  ein  Plus  unserer  Hs.  dar- 
stellt. Diese  Einfügung  betrifft  die  in  der  mährischen 
Geschichte  lange  Zeit  so  sehr  vermisste  Gründungsurkunde 
des  von  üdalrich  und  Lutold  gestifteten  Benediktiner- 
stiftes Trebitsch. 

Noch  Dudik  musste  in  seiner  Geschichte  Mährens  II 
(1863),  567  schreiben:  'Um  das  Jahr  1109  ward  im  Iglauer 
Kreise  diese  dritte  klösterliche  Stiftung  in  Mähren  durch 
ihr  (d.  i.  Udalrichs  und  Lutolds)  beiderseitiges  Bemühen 
in  einem  öden,  vom  Rufe  gefährlicher  Räuberbanden  er- 
füllten Walde  an  dem  Flusse  Iglawa  erbaut  und  reichlich 
dotirt  .  .  .  Leider  dass  uns  die  Geschichte  des  Trebitscher 
Klosters  fast  ganz  unbekannt  geblieben  ist.  Wie  über  das 
Leben  der  Stifter,  so  ist  auch  über  ihre  Stiftung  ein 
wenigstens  bis  jetzt  undurchdringlicher  Schleier  aus- 
gebreitet'. Und  Wolny,  der  beste  Kenner  der  älteren 
kirchlichen  Literatur  Mährens ,  konnte  in  seiner  kirch- 
lichen Topographie  von  Mähren,  II.  Abt.,  Brünner  Diöcese, 
III  (1860),  147  von  Trebitsch  nur  berichten:  'Bekanntlich 
hat  man  über  diese  sonst  so  reiche  Abtei  .  .  .  nur  spär- 
liche und  meist  aus  fremden  Quellen  fliessende  Nach- 
richten, weil  ihr  Archiv  höchst  wahrscheinlich  verloren 
ging  und  die  angeblich  schon  im  12.  Jh.  begonnenen  und 
bis  in  das  15.  Jh.  fleissig  fortgesetzten  Annalen  derselben, 
welche  noch  Pessina  für  den  Mars  Moravicus  (1677)  be- 
nutzte, bisher  nicht  entdeckt  werden  konnten.  Sie  soll 
von  den  Brüdern  Ulrich  Fürst  von  Brunn  (f  1115)  und 
Lutold  von  Znaim  (f  1]12)  zur  Ehre  der  Mutter  Gottes 
gestiftet  worden  sein  und  wurde,  wie  man  dies  erst  im 
Jahre  1197  verlässlich  erfährt,  zugleich  mit  reichem  Besitz 
bedacht  .  .   .'. 

Diese  Lücke  wird  durch  die  in  den  Cosmas-Text 
unserer  Hs.  eingefügte  Abschrift  der  Gründungsurkunde 
eiuigermassen  ausgefüllt.  Die  Urkunde  ist  ausgestellt  von 
Üdalrich  oder,  wie  er  hier  heisst,  Dedalricus,  bezeichnet 
die  Gründung  als  in  'media  silva  Trebecensi'  geschehen, 
erwähnt  die  reiche  Ausstattung  mit  Aeckeru ,  Weiden, 
W^iesen,  Wäldern,  Pflügern,  Rindern,  Schafen,  Schweinen, 
Zugvieh  und  anderen  Notwendigkeiten  und  führt  die  dem 
Kloster  geschenkten  ungemein  zahlreichen  Dorfschaften 
namentlich  auf.  Der  Text  der  ursprünglichen  Urkunde 
wird  aber  unterbrochen,  indem  auch  gleich  die  späteren 
Begabungen,  wie  von  Üdalrich  und  Lutold,  so  von  ihren 
Nachfolgern  aufgezählt  werden.  Erst  dann  folgt  die 
Schlussforme],  in  welcher  Abgaben  der  abhängigen  Bauern- 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.     II.  701 

Schaft  für  andere  als  Klosterzwecke  verboten  werden.  Eine 
Datierung  trug  die  Urkunde  ursprünglich  nicht,  aber  der 
Kopist  konstatierte,  dass  der  Anfang  dieser  Schenkungen 
in  das  Jahr  1101  falle  und  dass  die  Kirche  am  10.  Juli 
1104  vom  Prager  Bischof  Herrmann  geweiht  worden   sei^ 

Da  diese  Gründungsurkunde  nirgends  anders  über- 
liefert ist,  so  kann  sie  wohl  nur  im  Kloster  selber  nach 
dem  Original  in  diese  Hs.  eingetragen  worden  sein;  nirgends 
anders  als  in  Trebitsch  selbst  würde  man  das  Interesse 
gehabt  haben,  noch  im  15.  Jb.  die  uralte  Gründungsurkunde 
in  einem  Cosmas -Text  an  ganz  verständlicher  Stelle  ein- 
zufügen und  zu  verewigen.  Wir  stossen  somit  auf  Spuren 
einer  wissenschaftlichen  Tätigkeit  in  diesem  Benediktiner- 
kloster, die  bis  nun  ganz  unbekannt  waren,  von  denen 
auch  Pessina  keinerlei  Ueberlieferung  besass.  Man  ver- 
fügte noch  im  15.  Jh.  über  fremde  und  einheimische 
Chroniken,  die  man  in  einen  Band  zusammenzuschreiben 
für  gut  befand.  Die  weiteren  Schicksale  dieser  Hs.  lassen 
sich  dann  zwar  nicht  urkundlich  nachweisen,  aber  mit 
ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  kombinieren. 

Für  die  Niederschrift  unserer  Hs.  ist  das  Jahr  1439, 
das  in  der  böhmisch -mährischen  Chronik  noch  erwähnt 
ist,  der  terminns  a  quo,  der  auch  aus  den  allgemeinen 
politischen  Verhältnissen  dieses  Klosters  sich  verstehen 
lässt.  Für  Trebitsch  begann  nach  einer  mehrhundert- 
jährigen Periode  des  Glanzes  zu  Beginn  der  Hussitenkriege 
die  erste  Phase  des  Niedergangs;  in  den  Jahren  c.  1425 
bis  1431  war  das  Kloster  in  hussitischem  Besitz,  wurde 
aber  wieder  befreit.  Die  Verwüstungen  aus  dieser  Zeit, 
die  wohl  auch  den  Bücherbestand  betrafen,  waren  wohl  die 
Ursache,  dass  man  die  Lücken  wieder  ausfüllte,  und  diesem 
Aufschwung  verdankt  auch  unsere  Hs.  ihre  Entstehung. 
Aber  mit  dem  Jahre  1468,  mit  dem  Beginn  der  Kämpfe 
zwischen  den  Königen  Mathias  von  Ungarn  und  Georg 
von  Böhmen  brach  neues  Unglück  über  das  Kloster  herein, 
unter  dem  es  zwar  nicht  sofort  zusammenbrach,  von  dem 
es  sich  aber  nicht  mehr  erholte;  1490  ging  der  Kloster- 
besitz und  das  Kloster  selbst  als  Pfandschaft  in  den  Besitz 
des  mächtigen  Wilhelm  von  Bernstein  über.  Die  Wan- 
derung der  Hs.  von  Trebitsch  nach  Mährisch -Trübau 
dürfte  am  ehesten  in  das  Jahr  1551    fallen.      Damals    soll 


1)  Die  Einschiebung  des  späteren  Zuwachses  und  die  zeitliche 
Schlussbemerkung  erklären  sich  wohl  aus  Notizen,  die  auf  dem  Original 
selber  standen  imd  vom  Kopisten  mit  abgeschrieben  wurden. 


702  ßertold  Bretholz. 

Arkleb  von  Boskowitz,  Herr  auf  Trübau  und  zeitweiliger 
Besitzer  von  Trebitsch ,  die  katholischen  Geistlichen, 
darunter  auch  14  Benediktiner,  den  üeberrest  des  Kon- 
ventes, vertrieben  haben  ^  Ihre  Bücherschätze  wird  er 
sich  um  so  lieber  angeeignet  haben,  als  er  in  Trübau  die 
berühmte,  von  Ladislaw  von  Boskowitz  (1485  — 1520)  ge- 
schaffene Bibliothek  besass,  die  auf  diese  Weise  noch  ein- 
mal eine  reiche  Vermehrung  erfuhr^.  In  der  Zeit  des 
dreissigj ährigen  Krieges  verfiel  aber  die  Schlossbibliothek, 
die  mittlerweile  samt  der  Herrschaft  Trübau  von  den 
Bosko witzern  an  die  Zierotins  übergegangen  war,  der  Kon- 
fiskation wegen  des  Verdachtes  akatholische  Werke  zu 
enthalten.  Sie  wurde  dem  katholischen  Pfarrer  in  Trübau 
zur  Zensur  übergeben  ^  der  dann  einen  kleinen  Teil, 
darunter  auch  unsere  Hs.  für  wertvoll  genug  erachtete, 
vor  dem  Feuerbrande  zu  schützen  und  in  einem  Gewölbe 
der  Kirche  aufzubewahren,  wo  sie,  wie  eingangs  erwähnt 
wurde,  Meinert  im  Jahre  1819  ausgrub. 

Die  Geschichte  dieser  Hs.  lässt  sich  somit  in  trockenen 
Jahreszahlen  folgendermassen  übersehen  : 

1)  C.  1439—1468  im  Benediktinerkloster  Trebitsch 
geschrieben. 

2)  1551  (wenn  nicht  vielleicht  schon  zwischen  1485 
und  1520)  in  die  Boskowitz'sche  Bibliothek  nach  Mährisch- 
Trübau  gebracht. 

3)  1639  der  Pfarrkirche  in  Mähr. -Trübau  zur  Zensur 
übergeben. 

4)  1819  in  dem  Oratorium  dieser  Kirche  von  dem 
mährischen  Geschichtsforscher  J.  G.  Meinert  aufgefunden. 

5)  1821  anstatt  in  das  Franzens -Museum  in  Brunn, 
in  die  Mittrowsky'sche  Schlossbibliothek  in  Wiesenberg  in 
Mähren  übertragen  und  seither  verschollen. 

6)  1899  mit  der  gesamten  Wiesenberger  Bibliothek 
von  der  Stadt  Brunn  angekauft  und  dem  Brünner  Stadt- 
archiv einverleibt. 


1)  Vgl.  Wolny,  Kirchl.  Topographie  von  Mähren,  Brünner  Diöcese 
III  (1860),  154,  N.  4.  2)  Vgl.  M.  Grolig,  Die  Bibliothek  des  Ladislaus 
V.  Boskowitz  in  Mährisch  -  Trübau,  Wien  1904.  —  Die  Möglichkeit,  dass 
schon  der  Gründer  der  Bibliothek  irgendwie  in  den  Besitz  von  Hss.  des 
Trebitscher  Klosters  gekommen  sei,  ist  nicht  ganz  ausgeschlossen,  scheint 
mir  aber  nicht  sehr  wahrscheinlich.  3)  Sie  trägt,  wie  auch  die  übrigen 
Bücher,  die  dem  Pfarrer  übergeben  wurden,  auf  dem  1.  Blatt  den  Ver- 
merk: 'Ecclesiae  b™ae  Virginis  Civitatis  Triboviensis  in  Moravia.  1639', 
der  aber  später  zum  Teil  radiert  und  mit  den  Worten:  'Vinginado 
Febbrifianino  (?)  Mercatore'  überschrieben  ist. 


Studien  zu  Cosmas  von  Prag.    II.  703 


Anhang. 

Die  Gründungs  Urkunde   des  Klosters  Trebitsch 

in  Mähren   nach    der    Cosmas-Handschrift   im 

Brunn  er    Stadtarchiv. 

[Fol.  234].  Sed  quia  venit  nobis  mencio  de  supradicto 
duce,  videlicet  Udalrico*  et  fratre  eins  Lutoldo,  necesse 
est,  ut  pauca  de  multis  eorum  laudabilia  facta  enumeremus. 
Hü  gloriosissimi  duces  vere  et  hodie''  [fol.  234"]  haud 
plangendi,  nam  discrecionis  quante  in  divinis  legibus  et 
humanis  iudiciis  aut  quam  largi  datores  elemosinarum  et 
quam  pii  fautores  ecclesiarum  fnerint,  testatur  eorum  auc- 
toritas  in  privilegio  Trebecensis  ecclesie,  cuius  forma  hec  est: 

In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis.  Udalricus'* 
dei  gracia  id  quod  est.  Prudencia  antiquorum  sapientvim 
et  consuetudo  obtinuit,  ut,  si  quisquam  cuiuslibet  persone 
in  propria  patria  quid  stabilire*^  velit,  quidve  stabile  fore 
decreverit,  id  sub  principum  et  episcoporum  atque  abbatum 
omniumque  comitum  ceterorumve  nobilium  testimonio 
debeat  memorie  commendare  et  sub  huiusmodi  cirographo. 
Quam  consuetudinem  considerans,  ego  üdalricus*^  hoc 
scriptum  fieri  postulavi  ad  recordacionem  et  confirmacionem 
presentis  temporis  et  futuri.  Omnibus  ergo  Christianis 
presentibus,  absentibus  et  futuris  notum  esse  desidero,  quod 
ego  pro  eterne  retribucionis  munere  cum  meo  dilecto  fratre, 
videlicet  Lutoldo  principe,  monasterium  domiao  cooperante 
construximus  in  honore  salvatoris  domini  nostri  lesn 
Christi  et  sancte  ac  gloriose  semper  virginis  Marie  geni- 
tricis  dei  et  domini  nostri  lesu  Christi,  situm  in  media 
Silva  Trebecensi,  secundum  prefatam  consuetudinem,  idque 
uterque  dotavimus  iuxta  nostrum  posse  agris,  pascuis, 
pratis,  silvis,  aratoribns,  bobus,  ovibus,  porcis,  iumentis  et 
ceteris  subsequentibus  necessariis. 

Hec  sunt  nomina  villarum,  quas  dedimus  deo  et 
sancte  Marie  in  obsequio  ibi  deo  serviencium  fratrum,  que 
cognominantur :  Drinovici  cum  vinea  et  cum  cultore  vinee 
et  cum  tabernario,  Mladcouici,  Sedice  locum  in  luco  prope 
castrum  Bren  sancti  Benedicti,  Ribnik,  Cahouici,  forum 
Pravlou  cum  thabernarys  et  theoloneum  usque  ad  con- 
finium  Boemicum,  Leckouici,  Qlauane,  Klilohouici,  Omici 
cum  vinea,  Tuchssici   cum  vinea,   Redcouici,   Lasseuo,    Ra- 


a)    'Dedalric-'    Hs. ,   wie   bekanntlich    oft   'ü'    in   'de'   verlesen   ist. 
b)  'hodis'  Hs.         c)  Danach  'fecit'  durchgestrichen. 


704  ßertold  Bretholz. 

potici,  Sudici,  Quassouici,  Hekkartici,  ßacouo,  Yuance, 
Studlenec,  Komissiii  cum  foro  et  thabernarjs,  Nesseuo, 
Gothsalcouici,  Kozlane,  Malissici,  Grideborici,  Radmire, 
Igotici,  Babici,  Zmirk,  Brod,  Nemoyovici,  Hozthacou,  Do- 
brutoys,  Naramce,  Naboru,  Lagmo,  Trmaua,  Lubane,  Wa- 
hotici,  Krisanouo,  Beztbucici,  Nagradouo,  Nazoholi,  Dobr- 
chouici,  Hecleuici,  Aldiconici,  Wiprehtici,  Stibouo,  Hlu- 
mane,  Koiatino,  VIII  forum  ßrnen  et  tbabernarium,  centum 
denarios  a  moneta  ad  capellam  saiicti  Benedict!  XXVI. 

Postquam  vero  beate  memorie  Udalricus  dux  migravit 
a  seculo,  fily  superstitis  Bratizlay  fulgente  potencia  be  ville 
addite  sunt  pro  anima  Rudolplii  comitis:  Brestani  cum 
Omnibus,  quod  debent  rustici,  Malomirici,  Bznatici,  Smi- 
louiei,  Nebouidi. 

Post  obitvim  Wratizlai  additum  est  Nmecino.  Ipse 
vero  dux  Udalricus  pro  paupertate  novelli  populi,  qui  tunc 
in  eadem  solitudine  locabantur,  VI  nummos  pro  decima- 
cione  instituit. 

Dux  vero  Lutoldus  eidem  monasterio  ex  reditibus 
suis  bas  villas  obtulit:  Micapi,  Cracouici,  Prelscici,  Cretes, 
Starice,  Rascouici,  Pozdatici,  Ocrasseuici,  Cemire,  Pohuizdi, 
Graykouici,  Gripouici,  Kobirz,  Kosuhouici. 

Post  obitum  autem  supranotati  ducis  filius  eins  Con- 
radus  dux  bas  addidit  villas :  Dalessice,  Hermanice,  Stru- 
pessin,  Nouoluski,  Caknouo,  Sedlatino. 

Hec  omnia  ea  condicione  deo  et  sancte  Marie  obtu- 
limus,  ut  nulla  posteritas  nostri  generis  nullaque  potestas 
secularis  a  rusticis  ecclesie  datis  de  iure  terre  quicquam 
exigat,  sed  in  usus  ibidem  famulancium  pro  futuro*^  ipsa 
ecclesia  cuncta  perpetuo  obtineat. 

Hec  autem  ceperunt  facere  ab  anno  MCI*^,  quando 
post  obitum  Bratizlay,  qui  expulerat  eos  de  Moravia,  et 
ßoriuoy  locato  in  Boemia,  iterum  rebabuerunt  eam  et  in 
primis  edificaverunt  ecclesiolam  sancti  Benedict!  in  media 
Silva  locatisque  fratribus  nigri  ordinis,  ut  predictum  est, 
multa  bona  contuleruut  eis.  Quam  ecclesiolam  dedicat 
Hermannus  Pragensis  episcopus  anno  MCIIII.  VI.  Idus  lulii. 

a)  'futura'  Hs. 


XIII. 


Aus  dem 
Certamen  anime  desRaimundus  Astucus. 


Von 


Jakob  Werner. 


JJer  Widerspruch  gegen  die  hauptsächlich  von  Giese- 
brecht  und  Straccali  vertretene  Ansicht,  dass  die  Goliarden 
oder  Vaganten  die  Verfasser  der  nach  ihnen  benannten 
Dichtungen  seien,  wird  immer  lauter  ^.  Er  gründet  sich 
u.  a.  darauf,  dass  der  Ausdruck  'goliardus'  seinem  ur- 
sprünglichen Sinne  nach  einen  Parasiten  und  Spassraacher 
bezeichne '.  Eine  Stütze  für  diese  Anschauung  bietet  eine 
invectio  contra  goliardos  aus  der  Mitte  des 
XIII.  Jh.,  in  der  weder  vom  Vortrag  noch  von  der  Ab- 
fassung von  Gedichten  durch  die  Goliarden  die  Rede  ist. 
Diese  Strafrede  entnehme  ich  dem  Certamen  anime 
des  Eaimundus  Astucus  in  der  Hs.  1008  der  Stifts- 
bibliothek von  St.  Gallen-^. 

Als  Besitzvermerk  stehen  auf  der  ersten  Seite  der  Hs. 
(=^  S.  7)  von  einer  Hand  des  16.  Jh.  die  in  einander  ver- 
schlungenen Buchstaben  CM  und  die  Angabe  Bibliothecae 
Mejssonnierianae  L.  L.  D.  Ein  voranstehendes  Papierblatt, 
das  jedenfalls  schon  im  15.  Jh.  dazugehörte,  zeigt  (S.  5) 
neben  einer  mit  'Titulus  huius  libri'  beginnenden  Ein- 
leitung und  einem  leonininischen  Vierzeiler :  'Multum  deliro, 
si  cuique  placere  requiro'  ^,  eine  spätere  Zuschrift:  'D.  Perold, 
olim  lesuita,  nunc  ecclesie  Christi  apud  Mömpel[gard] 
Nitiobrig.  orthodox.  Minister  dono  dedit  Bartolomeo  Scho- 
bingero  Sangallensi  yihuoycp  1598'.  Französischen  Ursprung 
erweist  auch  die  Schrift  mit  dem  unten  gebogenen  r 
nach  o,  p  und  b.  Die  Beschreibung  bei  Scherrer,  Ver- 
zeichnis S.  383  ist  dahin  zu  ergänzen,  dass  S.  7 — 98  und 
S.  99  —118  zwei  für  sich  bestehende  Pergamenthss.  sind: 
die  erste  besteht  aus  drei  unbezeichneten  Lagen;  die  erste 
von  7,   die  übrigen  von  je  8  Doppelblättern,  die  ungefähr 


1)  Vgl.  Wilh.  Meyer,  Nachrichten  der  Göttinger  Ges.  der  Wiss. 
1907,  S.  76  und  88.  —  Franc.  Novati,  A  ricolta,  p.  6:]  (Neudruck  seiner 
Abhandlung:  I  Goliardi  e  la  poesia  lat,  medievale).  2)  S.  Santangelo, 
Studio   sulla   poesia   goliardica    (1902)    p.    18  —  39.  3)    Herrn   Stifts- 

bibliothekar Dr.  Fäh  spreche  ich  hier  öffentlich  für  seine  Gefälligkeit 
meinen  Dank  aus.  4)  Auch  bei  Jul.  "Wegeier,  Philosophia  patrum- 
(1872)  n.  1042.  —  Hch.  Bebel's  proverbia  germanica  v.  W.  H.  D.  Suringar 
(1879)  S.  371. 


708  Jakob  Werner. 

155  mm  hoch  und  110  mm  breit  sind.  Die  Liniatur  misst 
11  X  6  cm;  jede  Seite  hat  36  Zeilen,  für  die  mit  Braun- 
stift Linien  gezogen  sind.  Je  drei  senkrechte  Linien  bilden 
rechts  und  links  die  Grenzen  für  die  Textzeileu,  deren 
Anfangsbuchstaben  auf  der  mittleren  senkrechten  Linie 
stehen ;  nicht  überall  sind  die  Zeilenanfänge  rot  gestrichelt. 
Die  Verse  sind  in  der  Caesur  oder  dem  Sinne  nach  meist 
mit  .  oder  !  abgeteilt ;  die  gleichen  Zeichen  stehen  hinter 
den  Versen  auf  einer  Linie  unter  einander  und  zwar  wird  ! 
als  Reklamant  für  nicht  mit  dem  Versende  abgeschlossene 
Sätze  gebraucht.  Die  einzelnen  Kapitel  haben  die  Ueber- 
schriften  in  Rot  und  abwechselnd  blaue  und  rote  Initialen. 
Als  bemerkenswert  erscheint  die  hier  und  da  vorkommende 
Schreibung  'üü  (tüüs,  serüüs'  u.  s.  w.)  neben  dem  gewöhn- 
lichen ii. 

Eigentliche  Fehler  weist  der  Text  nicht  auf,  so  dass 
man  die  Hs.  wohl  für  das  Original  halten  darf:  daher 
kommt  es  auch,  dass  keine  der  Anmerkungen  den  Ver- 
fasser erwähnt.  Erst  durch  das  'Explicit  certamen  anime 
R.  astuci'  (S.  95)  und  den  Anfang  der  darauf  folgenden 
'epistola  de  consolatione  conposita  ab  eodem : 
Que  sibi  permittit  deus  edere  carmina  mittit 
Petro  Ramundus,  cui  monstrat  urania  mundus'  .  .  . 
ergibt  sich  als  Verfasser  Rai  mundus  Astucus;  seine 
Schularbeit  (V.  2:  'dicta  Scolaris')  widmete  er  dem  Erz- 
bischof von  Narbonne,  Petrus  A  melius  (V.  9  f.).  der 
nach  Gallia  Christiana  (1739)  VI,  65—71  von  1226—1245 
residierte.  Da  die  Eroberung  von  Valencia  im  Jahr  1238 
erwähnt  wird  (V.  13  ff.),  so  fällt  die  Abfassung  des  Ge- 
dichtes in  den  Zeitraum  von  1238 — 45;  der  Dichter  könnte 
also  kurz  vor  1220  geboren  sein.  Näheres  ist  über  ihn 
nicht  bekannt,  wenn  er  nicht  mit  dem  Hist.  litt,  de  la 
Erance  XXVIII,  462  f.  erwähnten  Raimond  de  Clermont 
identifiziert  werden  darf,  dem  Verfasser  eines  in  Hexa- 
metern gereimten  Gedichtes  über  die  Dekretalen,  das 
nach  Haureau  a.  a.  0.  zwischen  1234  und  1299  verfasst 
sein  muss. 

Wenn  auch  die  Schularbeit  über  das  'certamen 
anime'  an  Wert  weit  hinter  der  bekannten  Leistung  des 
St.  Galler  Klosterschülers  Ekkehart  zurücksteht,  so  gibt 
sie  doch  ein  Bild  von  den  metrischen  Uebungen,  die  im 
13.  Jh.  in  den  Schulen  üblich  waren,  und  gestattet  zu- 
gleich einen  kleinen  Einblick  in  den  Lehrstoff,  der  für  den 
heranwachsenden  Klerus  bestimmt  war.  Denn  wir  dürfen 
das  nicht  sehr  umfangreiche  Gedicht  wohl  als   einen  Ver- 


Aus  dem  Certamen  anime  des  Raimundus  Astuciis.     709 

such  betrachten,  ein  kleines  Lehrbuch  der  Moral  für  den 
Unterricht  junger  Geistlicher  zu  schaffen,  worin  der  Ver- 
fasser einen  beschränkten  Stoffkreis  zur  Behandlung  aus- 
gewählt hat.  Der  Einfluss  der  Schule  zeigt  sich  auch 
darin,  dass  dem  Dichter  oft  Wendungen  aus  klassischen 
Dichtern  (meist  Ovid)  einfliessen.  Daneben  bemüht  er 
sich,  in  die  Form  seiner  Darstellung  einige  Abwechselung 
zu  bringen:  er  schreibt  nach  der  Mode,  also  gereimte 
Hexameter;  er  glaubt  sogar,  neue  Formen  desselben  (V.  21: 
'metrorum  novorum')  vorzutragen.  Der  Dichter  verwendet 
meist  Doppelleoniner  (sog.  unisoni  ^) ;  doch  wird  deren 
Fluss  bald  mehr  bald  weniger  durch  einzelne  Leoniner, 
reimlose  und  gereimte  Distichen  oder  andere  Reimpaare 
unterbrochen;  es  gibt  auch  Abschnitte,  in  denen  die  Einzel- 
leoniner  überwiegen,  doch  kommen  auch  Tiraden  von  4 — 
6  Zeilen  vor,  z.  B.  2453  —  56,  S.  718.  2482—87,  S.  719. 
Es  finden  sich  Cruciferi: 

V.  721  f. :   Sicut  in  estate       nocuum  fundit  draco  virus, 

Sic  et  homo  dirus       malus  est   in   prosperitate ; 
oder  V.  2474  f.,  S.  719. 

Collaterales  z.  B.  1604  f.: 

Mentem  Sublimat       studium  super  astra  levando, 

Purgat  et  elimat       carnem  domat  extenuando. 
Trinini   salientes   mit   jambischem   Reim   V.  763  f.: 

Predo  boves       predatur,  oves,       animalia  bruta; 

Cuncta  rapit,       sine  lege  capit       maiora  minuta ; 
V.  2443  f.  S.  718;  mit  spondeischem  und  jambischen  Reim 
V.  853  f.,  S.  715  oder  mit  verschobenem  Reim:  V.  1185  f.: 

Non  patiens,       sed  vim  faciens       miser  esse  probatur; 

Sustinet  hie  sapiens,       scelus  insipiens       operatur; 

oder  1671  f.: 

Aures  obstruitis,       decus  aufugitis       studiorum: 

Non  patet  invitis,       quam  deseritis,       via  morum. 
Tripertiti    dactylici   disiuncti   sind   V.  739  f. : 

Te  miser  aspice,       corrige,  profice,       vivere  si  vis; 

Celica  respice,       terrea  despice       plena  nocivis. 
Einsilbige    Schlusswörter    sind    ziemlich    selten;     sie 
stehen    meist    in    Verbindung    mit    einem    zweiten    Mono- 
syllabum:    V.    856:    'pr^cio   res';    2096:    'hoc   thus' ;    2498: 


1)  In  der  Benennung  folge  ich  der  bahnbrechenden  Arbeit  von 
Wilh.  Meyer  in  Göttingen:  Radewins  Theophilus  und  die  Arten  der  ge- 
reimten Hexameter  (1873 ;  jetzt  in)  Gesammelte  Abhandlungen  z. 
mittellat.   Rythmik  I,  79—97. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  46 


710  Jakob  Werner. 

'cor  des'.  Fünf-  und  viersilbige  Schlusswörter  hat  der 
Dichter  nicht  gemieden ;  sonderbarerweise  sind  sie  in  den 
einzelnen  Leoninern  häufiger  als  in  den  Reimpaaren. 
Hiatus  ist  sehr  selten:  ich  habe  nur  2115:  'Seu  edus'  be- 
merkt; Beispiele  von  Elision  sind  mir  nicht  aufgefallen. 
Sehr  stark  vertreten  sind  in  der  ersten  Vershälfte  die 
spondäischen  Füsse,  was  mit  dem  leoninischen  Reim  zu- 
sammenhängt, bei  dem  die  stricta  consonantia  ^  wie  'pelagus' 
gegen  'fägus'  eigentlich  eine  Ausnahme  bildet.  Die  Reime 
sind  zweisilbig  und  durchweg  rein ;  'antiquas' :  'mendicas' 
spricht  nicht  dagegen.  Im  gleichen  Abschnitt  werden  die 
gleichen  Reimsilben  sehr  selten  wiederholt.  Von  444  Reim- 
stellen reimen  156  auf  e  -f-  ^i  ^9  auf  a  -{-  x;  78  auf 
i  -|-  x;  73  auf  o  -j-  x;  58  auf  u  -|-  x.  Häufig  ist  die  sog. 
Caesurverlängerung,  von  der  sogar  die  Infinitivendung  -re 
oft  getroffen  wird.  Prosodische  Abweichungen  sind  nicht 
zahlreicher  vorhanden  als  in  anderen  mittellateinischen 
Gedichten :  -ndo  findet  sich  im  I. — IV.  Fuss  (Wilh.  Mejer, 
Ges.  Abhandl.  I,  76);  äc  vor  Vokalen  z.  B.  855,  3236; 
schwere  Fälle  sind  V.  857:  'üsüram',  V.  830:  'involücrum'. 

Qui  ceptum  prestas,       des  finem,  trina  potestas! 

Incipit  certamen  anime. 

Qui  contemplaris       patrie  -  iubar  et  meditaris 
Gaudia,  scrutaris       nova:  suscipe  dicta^  Scolaris! 

Lector  discrete!       fugias  figmenta*  poete! 
Que  saciant  bene  te,       carmina  sacra  mete^! 

5  Moribus  insiste!       viciisque  studendo  resiste! 
Motibus  obsiste  ^       pravis !  bonus  est  labor  iste. 

Invocacio   ad  archiepiscopum  Narbonensem. 

Princeps  virtutum!       fidei  memorabile  scutum, 
Moribus  imbutum,       quem  vita  facit  bona  tutum. 

Presul  Petre  ^  bone !       pacis  fideique  patrone ! 
10  Urbs  bona  Narbone       te  preminet  opilione! 


1)  Vgl.  "Wilh.  Meyer,  Ges.  Abhandl.  zur  mittellat.  Rythmik  I,  83. 
2)  Glossen  über  dem  Text  oder  am  Rande :  'i.  e.  paradisi'.  3)  Materia 
huius  libri  est  pugna  spiritualis ;  lob :  vita  hominis  militia  est  super 
terram ;  Gregorius :  absque  labore  certaminis  non  est  palma  victorie. 
finis    et    utilitas    est    ipse    triumphus    et    merces    triumphi    vita    eterna. 

4)  'fimenta'    Hs.      Psalm.    (118,    85):    'Narraverunt    iniqui    fabulationes'. 

5)  i.  e.   coUige.  6)    i.  e.    repugna,  7)    Mittit   opus    Petro  Araelio 
archiepiscopo  Narbonensi. 


Aus  dem  Certamen  anime  des  Raimundus  Astuciis.     711 

Extirpas  hereses,       vir  in  omni  docmate  preses! 
Cui  bonus  et  pius  es,       ad  nulla  decencia  deses. 

Est  per  te  capta^       regio  bona,  dulcis  et  apta; 
Que  fuit  invalid a,       valitura  Valentia-  fiat! 
15  Quid  valeat  valida       crux  venerando  sciat! 

Dat  Sacra  gaudia       parta  Valentia       terra  valoris ; 
Omnibus  hanc  pia       summa  potentia       protegat  horis! 

Muniat  et  mundet!       ibi  copia  pacis  abundet! 
Hanc  ut  fecundet,       doctrina  salutis  inundet ! 

20  Lux  prelatorum  I       renovans  bona  gesta  priorum 
Istam  metrorum       brevitatem  sume  novorum ! 

Hoc  opus  emenda!       quia  vix  opus  est  sine  menda; 
Addas  addenda         removens  que  sunt  removenda! 

Nach  der  'Invocacio  ad  deum',  die  mit  dem  Verspaar: 

33  Donans  de  petra       torrentem,  qui  regis  ethra, 
Tu  me  de  faretra       cordis  fac  promere  metra! 

schliesst,  folgen  zuerst  kürzere  Abschnitte  von  wenigen 
Versen  'de  trinitate,  de  incarnatione  domini'  u.  s.  w.  Auf 
S.  17  beginnt  die  Behandlung  des  eigentlichen  Themas 
mit  der  'cohortatio  ad  pugnam,  de  pugna  contra 
demones  (S.  19ff. :  V.  418  —  531),  de  pugna  contra  carnem' : 
im  Verlaufe  werden  die  verschiedenen  Tugenden  ('de 
patientia,  de  laude  paupertatis'  u.  s.  w.)  und  Laster  ('de 
vicio  gule ,  de  labore  libidinosi')  besprochen ,  einzelnen 
Ständen  ('de  malis  pastoribus,  de  fraudibus  mulierum') 
wird  ihr  Sündenregister  vorgehalten,  um  sie  zur  Frömmig- 
keit und  tugendhaftem  Leben  zu  ermahnen;  den  Schluss 
bilden  die  Kapitel  'de  penis  reproborum,  de  premiis  electo- 
rum'.  Das  ganze  Gedicht  besteht  aus  3123  Zeilen^  und  einem 
angehängten  Trostschreiben  von  115  Versen.  Dem  'Explicit 
epistola  de  consolatione'  sind  drei  durch  §  bezeichnete  Sprüche 
angehängt,  die  wahrscheinlich  vom  Verfasser  des  vorher- 
gehenden Stückes  stammen ;  der  erste  ist  stark  rhetorisch : 

Vives  absque  dolis,       si  nummos  querere  nolis; 

Nam  neque  nummicolis       contingunt  gaudia  solis^. 

Absque  gravaminibus       vives,  si  culmina  nolis; 

Nam  neque  principibus       contingunt  gaudia  solis*. 


1)  quam  cum  rege  Aragonum  adquisivit.  2)  civitas  est  et  terra. 
8)  Bis  S.  20  hat  der  Verfasser  reichliche  Belegstellen  aus  der  Bibel  und 
den  Kirchenvätern  auf  den  Rändern  beigefügt.  4)  Vgl.  Hör.  Ep.  I.  17,  9 : 
'Nam  neque  divitibus  contingunt  gaudia  solis'. 

46* 


712  Jakob  Werner. 

Von  etwas  späterer  Hand  sind  beigefügt  auf  S.  15  der  be- 
kannte Vierzeiler  über  Adam  und  Christus : 

'Arbore  sub  quadam       dictabat  clericus  Adam'  ^  u.  s.  w. 

S.  35  :    Cum  fex,  cum  limus,       cum  res  vilissima  simus, 
Uude  superbimus  ?       in  terram  terra  redimus  ^. 
Si  tibi  gratia,       si  sapientia       formaque  detur, 
Destruit  omnia,       sola  superbia       si  comitetur. 

S.  65:  Invectio    contra    goliardos. 

Rura  tibi,  mannus^       domus,  esca,  pecunia,  pannus 
Deficiunt:  annus       abit;  hostis  es,  immo  tyrannus. 

Turpis  es  et  lentus;       te  frigidus  et  violentus 
2080  Excruciat  ventus:       fluxit  tua  grata  iuventus. 

Corpore  detecto       plerumque  iaces  sine  tecto 
In  terre  lecto,       resonas*  male  ventre  refecto. 

Corporis  et  mentis       —  utriusque  malum  cupientis  — 
Crimina,  que  sentis,       pertranseo  more  tacentis. 

2085  Non  urbs  sive  pagus       retinent  te  nee  cava  fagus, 
Non  plaga,  non  pelagus :       degis  in  orbe  vagus. 

Discolor  ut  pardus       pungis  sterilis  quasi  ^  cardus ; 
Ad  potum  tardus       non  es,  cum  sis  goliardus. 

Verbum  divinum,       qui  potas  ante  caminum, 
2090  Respuis  et  dominum,         venerans  super  omnia  vinum. 

Passurus  clades       aliis  potare  suades ; 
Vino  sepe  mades,       deficiendo  cades. 

Potibus  intentus       homo  fetidus  et  temulentus 
Es  circunventus  ^,       tibi  noxius  et  truculentus. 

2095  Quando  docet  doctus,       doctrinam  caumate  coctus 
Despicis  indoctus:        tua  mens  non  percipit  hoc  thus. 

Oscula  materna       fugis  et  documenta  paterna; 
Deseris  eterna       bona  pro  brevitate  moderna  ^. 

Vilis  et  ignotus,       ab  utroque  parente  remotus, 
2100  Nudus  et  illotus       stas  in  putredine  totus. 


1)  Bei  Haureau,  Melanges  poet.  d' Hildebert  p.  173  hat  das  Stück 
noch  zwei  Verse   mehr.  2)   Diese   zwei  Verse   mit  zwei  anderen  ver- 

bunden siehe  N.  A.  XXXI,  579.  3)    Darüber  die  Glosse  'palafredus'. 

4)  Das  8  am  Schluss  auf  Rasur ;  vielleicht  stand  'resonans'  da.        5)  'pungis 
sterilis  quasi'  auf  Rasur.         6)  So  die  Hs.         7)  'moderna'  auf  Rasur. 


Aus  dem  Certameij  anime  des  Raimundus  Astucus.      713 

Per  mare,  per  terras       quasi  pauper  inutilis  erras 
Non  metuens  guerras,        cum  sepe  palacia  verras. 

Spernens  antiquas       mulieres  queris  iniquas ; 
Curvus  mendicas,        solitus  consumere  micas. 

2105  Gaudes  in  Bacho ;       vis  vinci ;  cerne,  quis  a  quo 
Vinceris;  in  stomacho       sonitu  vexaris  opaco. 

Arboris  aut  turris       umbram  petis,  ad  mala  curris ; 
Luden s  cum  scurris       passim  sine  lege  ligurris. 

Corpus  in  obscuris       miser  igne  libidinis  uris ; 
2110       Contemptor  iuris       absque  rubore  ^  furis. 

Vix  ^  es  ieiunus ;       das  damnum  pluribus  unus  ^ ; 
Stas  importunus,       dum  speras  sumere  munus. 

Si  tua  damna  notes,       anime  vis  perdere  dotes; 
Pronus  es,  ut  potes       quidquid  habere  potes. 

2115  Petes  seu*  edus,       nee  es  istrio  nee  citharedus; 
Perfidus  et  fedus       non  horres  frangere  fedus. 

Plebi  carnali       presumis  obesse;  sodali 

Dans  exempla  mali       vis  quasi  porcus  ali. 

Spargitur  ad  multa       sine  preside  mens  tua  stulta, 
2120  Cogitat  inculta,        quod  obest  ratione  sepulta. 

Optima  ^  docmata       spernis,  apostata,       dicta  priorum; 
Dante  deo,  data       perdis  aromata,       munera  morum  ^. 

Potibus  ac  escis       nimis  insistendo  senescis; 
Plenus  torpescis       et  facta  decentia  ®  nescis. 

2125  Multos  pervertis       foribus  festinus  apertis; 
Sopitus  stertis:       dolor  est  tua  vita  disertis. 

Laudas  indignos       doctus  palpare  malignos, 
Irridens  dignos,       ausus  reprobare  ^  benignos. 

Factus  es  enormis,       satur  inter  dolia  dormis; 
2130  Est  caro  deformis       tua,  vestis  curta,  biformis, 

Qui  bene,  qui  caute,       poteras  qui  vivere  laute, 
Defluis  incaute:       ratis  es  sine  remige^^  naute. 


1)  'dolore'  durch  Punkte  getilgt,  darüber  'rubore'.         2)  'Vis'  Hs. 
3)    'unum'  durch  Rasur   zu  'unus'  verändert.  4)    'seu'  auf  Rasur   von 

anderer  Hand,    +    am   Rand   von    erster   Hand.  5)    'Optima',    a   auf 

Rasur.        6)  'Munera  dante  deo  data,  perdis  aromata  morum'.        7)  Aus 
'escas'  korr.  8)    'decentia',  a  auf  Rasur.  9)    'ausus  reprobare'  auf 

Rasur.         10)  'ratis  es  sine  remi-'  auf  Rasur. 


714  Jakob  Werner. 

Te  cecidissse  gemens       et  queque  superflua  demens 
Sis  bonus  et  clemens       turgida  membra  premens ! 
2135  Te  semper  vehemens       dolor  urgeat  ob  mala,  que  mens 
Concepit  demens ;       suffer  et  esto  tremens ! 

Aufer  honus  prisce       macule,  flens  et  resipisce! 
Perpetuam  glisce       vitam ,  bene  vivere  disce ! 

Quidquid  obest^  adimens       caveat  discreta  mori  mens 
2140       Peccatum  perimens,       spe  comitante  timens. 

Ad  deceptricem       non  accedas  meretricem ! 
Commaculatricem       tangere  sperne  picem  ! 

Vestis  amans  cultum,       promptissima  pingere-  vultum, 
Stulta  sequens  stultum       nocet  uxor  adultera  multum. 

2145  Hiis  qui  sunt  casti       requiem  ^,  pie  Christe,  parasti ! 


4 


Corde  dole  tristi,       quia  lapsus  es  et  cecidisti, 
Gracia  te  Christi       vocitat,  quam  deseruisti. 

Si  sapiens  esses,       prelatis  sponte  subesses; 
2150  Multum  prodesses,        bona  si  faceres  nee  obesses. 

Collige  —  ne  cesses  —       estivo  tempore  messes 
Tu  tibi^  prodesses,       aliis  quoque,  si  probus  esses. 

Cura  malum  nolle       tua  sit,  nee  tangere  molle ! 
Arma  precum  tolle !       virtutum  lumine  polle ! 

2155  Crebro  delinquis  *',       tua  nee  peccata  relinquis  ^' : 
Dimittes,  inquis'',       penis  cruciande,  propinquis^! 

Quidquid  contingat,       tua  menbra  ^  modestia  cingat ! 
Linguam  restringat,       ut  non  mendacia  fingat. 

2160  Dum  potes,  evade       fugiens  a  perpete  clade! 
In  lacrimando  made^!         celer  ad  celestia  vade 

S.  30.  Invectio    contra   usurarios. 

828  Est  dolus  usura,       quam  damnant  optima  iura; 

Est  anime  funus       fenus,  damnabile  munus. 
830  Ducit  ad  involucrum       funestum  fenebre^  lucrum. 


1)   Aus  'abest'  korr.  2)   Das   zweite    e   auf  Rasur.  3)    Aus 

'regem'   korr.    durch    Radieren   und    übergeschrielienes   i.  4)    Da   der 

ganze  Abschnitt  aus  Verspaaren  besteht,  muss  hier  eine  Zeile  ausgefallen 
sein.  5)  'tibi'  auf  doppelt  so  grosser  Rasur.  6)  '-mq-'  an  allen  vier 
Stellen.  7)  'mbra'  über  der  Zeile  zugefügt.  8)  '-o  made'  auf  Rasur. 
9)  Aus  'funebre'  korr. 


Aus  dem  Certamen  anime  des  Raimundus  Astucus.     715 

Dives  in  usuris       curas  studet  addere  curis : 
Congregat  —  et  nescit  —        alienis ;  vix  requiescit ; 
Inmensas       fugit  expensas;       quod  in  horrea  ponit, 
Heres  exponit       auctoris       et  eius  amoris 
835  Oblitus ;       fruges  penitus       consumere  natus 
Indomitus       spargit  reditus,       vastare  paratua. 

Mens  oblita  deum  patrem  sibi  sufficientem 
Que  non  sufficiunt  querere  vana  studet. 

Dives  crudelis       res  cuiuscumque  fidelis 
840  Nequiter  adquirit;       pro  paucis  multa  requirit; 

Estuat  ad  questum       faciendo  dolum  manifestum. 

Lucrum  congestum       non  mitigat  ^  illius  estum. 

Nummos  enumerat       lucrumque  dari  sibi  sperat; 

Mulcet  debentem       locupletem,  torquet  egentem. 
845  Deceptor  verbum       mollit,  cor  celat  acerbum. 

Dulcis  credendo       furit  improbus  in  repetendo; 

Pacta  facit  stricta,       seducit  per  sua  dicta 

Creditor  usuras       exercendo  nocituras. 

Quem  dolus  excecat       malus,  omni  tempore  peccat. 
850  In  tenebris  pannos,       qui  consenuere  per  annos, 

Venditor  ostendit       ac  ad  tempus  breve  vendit. 

Plus  quam  deberet,       lucris  mens  eius  adheret: 

In  multis  rebus,       in  pluribus  et  speciebus 

Fallit  in  obscuris       spreto  moderamine  iuris. 
855  Tamquam  predones       per  falsas  venditiones 

Nunc  mercatores       vendunt  nimio  precio  res: 

Verbo  detractant  ^       usuram  mentemque  retractant, 

Cum  sit  in  omne  genus       iam  detestabile  fenus, 

In  fenus  latrant       peioraque  fenore  patrant; 
860  Crimina  maiora       faciunt  vitando  minora. 

Inter  vendentes       fraudes  regnant  et  ementes; 

Iuris  contractus       vertunt^  in  criminis  actus: 

Principio  blandi       pro  spe  nummos  numerandi 

Fraude  ligant  stultos,       ponunt  in  retia  multos; 
865  Cartas  conficiunt  —  dolus  et  simulatio^  fiunt  — 
Fratres  decipiunt,       sepe  nocere  sciunt. 

Carte  scribuntur,       mendaces  efficiuntur; 

Frans  perpetratur;       petitur,  quod  non  numeratur; 

Carte  delende       retinentur  non  retinende  ^; 
870  Qui  persolvuntur       iterum  nummi  repetuntur; 


1)  'mittigat'  Hs.  2)  'detractrant'  Hs.  3)  'vertunt'  auf  Rasur,  aber 
von  gleicher  Hand.  4)  Die  Silbe  'sim-'  auf  Rasur  von  gleicher  Hand, 
5)  '-ende'  auf  Rasur  von  gleicher  Hand. 


I 


716  Jakob  Werner. 

Ponitur  in  cartis,       ne  quem  numeratio  partis 
Liberet  a  solido :       ligat  ouines  ceca  cupido. 
Non  intellecta  fatuns  suffragia  iuris 
Lingua  lectoris  accelerante  sinit. 

875  Quis  mercatorum       posset  figmenta  malorum, 

Fraudum  mille  modos,       latitantes  promere  nodos? 
Fallunt  fallentes,       falluntur  decipientes 
Ponderibus,  numeris:       miscent  mendatia  veris. 
Est  melius  falli  quam  fallere,  set  studiose 

880  Mens  circunspecta  ^  vitat  utrumque  malum. 
Nullius  est  laudis  pollutus  crimine  fraudis: 
Contra  fas  plenam       qui  querit  habere  crumenam,  j 

Decidet  in  penam,       regionem  perdet  amenam.  I 

Pro  lucro  modico       vetito  deus  equus  iniquo 

885  Equa  flagella  parat,        quem  sepe  monendo  vocarat. 
Quid  nunc  ditari  -,       populari  laude  beari, 
Hie  sublimari       valet  et  semper  cruciari? 

S.  32:      Inveetio  contra  lusores. 

Vitandum  ludum       docuit  sapientia  dudum : 

Ludus  enim  diras       homines  invitat  ad  iras, 
890  Fallit  et  incendit,       pro  quo  lusor  sua  vendit. 

Pro  ludi  scelere       plures  homines  periere ; 

Sunt  facti  fures       pro  ludi  turbine  plures: 

Ludi  iactura       ludentura  pectora  pura 

Efficit  impura,       quibus  est  seducere  cura. 
895  Ludus  egestatem  ^       parat  et  parit  anxietatem, 

Ledit  honestatem,       premit  irapietas  pietatem. 

Lusor  lucra  volens       merito  perdit  sua  nolens; 

Suffert  damna  prius,       qui  res  male  gestit  alius : 

Credens  lucrari       propriis  solet  evacuari. 
900  Lusor  inardescit       perdens,  aliena  capescit; 

Damnum  procurat,       irascitur  et  male  iurat: 

Lusor  delusus       animam,  res,  corpus  in  usus 

Prodigit  illicitos       renuens  audire  peritos : 

Insipiens,  sapiente  putans  sapientior  esse, 
905       Docti  docma  viri  mente  furente  fugit. 

Lusor  pro  ludo       mendieat  corpore  nudo, 

Carcere  quem  crudo       tenet  anxia  sollicitudo. 

Amittit  numerum       lusor  ludendo  dierum  : 

Tempora  non  iterum       redeunt,  ut  copia  rerum. 


1)  So  die  Hs.         2)  'dictari'  Hs.,  c  auspunktiert.         3)  Aus  'egen- 
tatem'  korr. 


Aus  dem  Certamen  anime  des  Raimundus  Astiicus.     717 

910  Tempora  preterita       temere  deperdita:       nemo 
Forte  quis  amissas  res  rehabere  potest. 

Improba  lusorum       spes  votum  fallit  eorum : 

lacturam  geminat,       pro  lucris  damna  propinat. 

Inter  ludentes       et  ludum  conspicientes 
915  Est  sermo  multus,       risus  ^  cum  murmure  stultus, 

Garrulus  insultus,       iniuria,  preda,  tumultus. 

Lucem  lusores       perdunt  et  lucis  honores : 

Culpe  cultores       non  cessant  perdere  mores. 

Mentibus  indoctis       rumpendo  silentia  noctis 
920  Ludunt  sepe  rei,       quibiis  est  lux  curta  diei. 

Ludnnt,       in  ludo  colludunt,       arte  dolosa 
Ignaros  ludi  ludificare  student, 

Quidquid  habent  seque       devastant  nocte  dieque: 

Propria  consumunt       et  consumendo  resumunt. 
925  Spe  restaurandi       deperdita  sepe  nefandi, 

Dum  spoliare  putant,       spoliantur;  tempora  mutant 

Et  loca,  prodesse       quasi  possint  hec  vel  obesse ; 

Infringunt  pacta       communi-  federe  facta. 

Perdentes       stringunt       dentes,       mendatia  fingunt; 
930  Que  sunt  vera,  negant,       a  se  bona  cuncta  relegant. 

Dum  temere  ludunt,       ad  ludi  iurgia  trudunt 

Ludere  nolentes,       nisi  ludant,  despicientes ; 

Laudant  ludentes       ludi  laudes  recolentes. 

Ad  mala  precipites       faciunt  insurgere  lites. 
935  Non  contemplantur  ^,        non  pugnant,    non   operantur; 

Non  compunguntur,       nee  passis  compatiuntur ; 

Crimina  non  plorant,       sed  multiplicare  laborant. 

Non  est  ludendum,       set  ^  in  hac  brevitate  dolendum : 

Nunc  est  spargendum,      post  mortem  sparsa  metendum. 

S.  75.    Exortatio    ad   mulieres   fugiendas^ 

Delicias       homo  despicias,       si  vivere  queris! 
2430  Blandicias       ac  spurcicias       fugias  mulieris ! 

Si  foveam  queris       mulieris,  ab  hoste  teneris ; 
Si  semel  obtuleris       te  sibi,  sponte  peris. 

Forma  puellaris       gemmis  circundata  claris 
Eete  fit  ignaris       animabus,  noxia  caris. 

2435  Sollicitatores       Veneris  paciendo  labores, 
Pecis  amatores       perdunt  virtutis  odores. 

1)  Aus  'mersus'  durch  Radieren  korr.  2)  'comuni'  Hs.  8)  'comt-' 
zu  'cont-'  korr.  4)  's;'  Hs.  5)  'fugiendas'  nachträglich  mit  schwarzer 
Tinte  zugefügt. 


718  Jakob  Werner. 

Damni  doctrices       et  fraudis  sunt  meretrices^ 
Sollicitatrices       putredinis  et  monitrices. 

Sunt  mortis  memores       mulierum  concubitores, 
2440  Ne  Venus  inmemores       faciat  sentire  dolores. 

Decipulam  ^  Veneris       fuge,  colloquium  mulieris ! 
Hec  si  respueris,       pacificatus  eris. 

Cur  sequeris       venam  Veneris,       moriture  viator? 
Quid  teneris       membris  frueris,       fetoris  amator? 

2445  Te  solum  soli       mulieri  credere  noli ! 

Non  debet  recoli       femina  plena  doli. 

Sub  scorti  latere       noli,  vir  honeste,  latere! 
üt  fex  in  latere  ^,       sie  est  dolus  in  muliere. 

Si  cupiens  vadis       mulieris  sub  iuga  cladis, 
2450       Te  viciis  tradis :       sepe  ruendo  cadis. 

Interius       velut  exterius       si  forte  videres 
Limpidius,       fatuas  cicius       fugeres  mulieres. 

Expedit,  ut  mutes       vitam,  terrena  refutes, 
Femineasque  cutes       semper  obesse  putes. 
2455  Sectans  virtutes       meretrices  nolo  salutes : 

Has  stercus  reputes!       sunt  absque  salute  salutes. 

O  quam  felices       sunt,  qui  renuunt  meretrices, 
Ac  infelices       multiplicare  vices. 

Serve  dei  veri!       si  queris  victor  haberi, 
2460  Subtrahe  te  Veneri!       sis  ignotus  mulieri! 

Carnis  candorem,       peregrinum  forte  ruborem, 
Marcentem  florem       fugias,  qui  non  dat  odorem. 

Noli  ridere,       dormire,  loqui,  residere, 
Pergere,  concinere       cum  multivola^  muliere. 

2465  Oscula,  contactum,       mulieris  respue  pactum: 

Femina  —  vas  fractum  —       Veneris  desiderat  actum. 

Es  procul  a  luce       Veneri^  famulando  caduce; 
Captus  ab  hoste  truce       cecus  es  absque  duce  •". 

Te  non  concedas       mulieri,  nee  sibi  credas, 
2470  Nee  secum  comedas,       sed  ab  eius  amore  recedas ! 

1)  '-es'  auf  Rasur.  2)  Von    späterer  Hand    auf  leergelassenem 

Raum  nachgetragen.  3)  Anspielung  auf  das  alte  Sprichwort:  'laterem 
lavare' ;  vgl.  Anal,  hymnica  -  Dreves  XXI,  n.  224,  1  £f. :  'Qui  servare 
puberem,  Vagam  claudere  studet,  lavat  laterem'.  4)  Aus  'multimoda' 
durch  Rasur  korr.  5)  Aus  'Veneris'  durch  Rasur  korr.         6)  Den  be- 

kannten Bibelspruch  (Matth.  15,  14)  hat  er  so  umgebildet: 


Aus  dem  Certamen  anime  des  Raimmidus  Astucus.     719 

Nil  peragas  secnm,       nee  eam  consistere  tecum 
Umquam  permittas,        nee  ad  hostem  munera  mittas! 
Que  movet  ad  Venerem,        vitare  stude  mulierem ! 

Rumpere  vis  o  qui       mulieris  retia  prave, 
2475  De  muliere  cave       eum  muliere  loqui! 

Sentinam  sentina  trahit,  mulier  mulierem, 
Consortem  eonsors:  munere  eapta  capit. 

Munera  sepe  petens       procul  absit  femina  fetens, 
Instans  et  repetens       et  repetendo  metens! 

2480  Que  mores  resecat  res  ^  est  secura :  securim 
Femineam  voeem  spernere,  nolle  sequi. 

Non  cum  mendaee       maneas  muliere  rapaee ; 
Hae  in  fornace       rapieris  ab  igne  vorace. 
Pulsa  fallaee,       eupida  meretrice  loquace 
2485      Cum  virtute  iaee,       siste,  quiesce,  taee ! 
A  sue  mordaee,       tibi  earne  cavens  ab  edaee 
Celebs  in  paee       vive  deoque  plaee ! 

Qui  semel  ae  iterum  capitur  laqueis  mulierum, 

Vastator  rerum       vix  sentit  damna  dierum ; 

2490  In  tenebris  seelerum  iubar  odit  cernere  verum, 

Se  lacerat  miserum  medicum  fugiendo  severum. 

Contemptor  procerum  grave  cor  gerit,  ad  bona  serum. 

Vulnus  id  bausterum  deeet  ungere,  pungere  clerum : 

Det  vas  sincerum  spirituale  merum ! 

2495  Sunt  nece  peiora       meretrieis  menbra  decora: 
Sis  memor  absque  mora,       quia  fetent  inferiora. 

Si  pius       et  scius       es,  carnales  respice       sordes! 
Impius       inseius       es,  si  sordi  nobile       cor  des. 

Ob  res  illieitas       deus  excussit  sodomitas 
2500  Ac  alios  multos       eterna  morte  sepultos. 
A  domino  celi       missus  cibus  est  Danieli, 
Quem  lacerare  bonum       timuerunt  ora  leonum. 
Testes  antiqui,       sibi  mendaces  et  iniqui, 
Castam  destruere       Susannam  non  potuere. 
2505  Immaculatorum       sors  pro  mercede  laborum 
Semper  erit  plena,       iocunda,  suavis,  amena. 


Cum  cecus  cecum       presumit  ducere  secum, 
Si  ducens  male  cum       ducto  sunt,  est  satis  equum. 
Andere  Fassungen  s.  Rom.  Forsch.  XXVI,  177,  n.  54.  1)  Nach  'res' 

ist  ein  Wörtchen  ausradiert.    Vor  dem  Vers  steht  ein  kritischer  Strich. 


XIV. 


Bericht 

über  die 

Totenbücher  Nieder-Oesterreichs. 


Von 


Adalbert  Fr.  Fuchs. 


Im  Juni  1907  habe  ich,  da  in  Folge  des  grossen 
ümfanges  der  in  der  alten  Passauer  Diözese  vorhandenen 
Totenbücher  eine  Teilung  der  Arbeit  geraten  erschien,  den 
sehr  ehrenvollen  Auftrag  der  Bearbeitung  der  Nekrologien 
des  östlichen  Teiles  derselben  seitens  der  Zentraldirektion 
der  Monumenta  Germaniae  in  Berlin  übernommen,  der 
heute  die  Erzdiözese  Wien  und  die  Diözese  St.  Polten  um- 
fasst  und  sich  mit  dem  heutigen  Nieder  -  Oesterreich 
identifizieren  lässt. 

Vor  allem  galt  es  nun  nicht  bloss  über  die  Menge 
von  Totenbüchern,  sondern  auch  über  deren  jetzigen  Auf- 
bewahrungsort Klarheit  zu  gewinnen,  weshalb  nicht  nur 
die  entsprechende  Literatur  heranzuziehen  war,  sondern 
vor  allem  eine  umfassende  Korrespondenz  an  alle  jene 
öffentlichen  und  privaten  Archive  und  Bibliotheken  ge- 
richtet werden  musste,  um  mich  zunächst  ausreichend  zu 
orientieren.  Freilich  ergab  die  Korrespondenz  nicht  ein 
allseitig  befriedigendes  Resultat,  da  sich  herausstellte,  dass 
von  einer  Reihe  von  heute  noch  bestehenden  Stiftern  und 
Klöstern  die  Nekrologien  leider  ganz  oder  grösstenteils 
verloren  gegangen  waren,  während  von  den  meisten  auf- 
gehobenen Klöstern  und  Stiftern  die  Nekrologien  entweder 
verloren  oder  verschollen  sind.  Es  mag  vielleicht  ein  oder 
der  andere  günstige  Umstand  noch  manches  derselben 
einst  zu  Tage  fördern.  Jedoch  glaube  ich  alles,  was  mir 
erreichbar  war,  sorgsam  einbezogen  zu  haben. 

Anschliessend  an  diese  Korrespondenz  unternahm  ich 
dann  an  jene  grösseren  Bibliotheken  und  Archive,  von  wo 
ich  über  das  Vorhandensein  der  Nekrologien  bereits  unter- 
richtet war  oder  wo  ich  doch  solche  vermutete,  in  den 
Jahren  1907  — 1909  umfassende  Reisen,  die  mich  nicht 
bloss  in  die  Lage  setzten,  eine  Reihe  von  bisher  un- 
bekannten Hss.  aufzufinden,  sondern,  was  noch  weit  wert- 
voller ist,  durch  Autopsie  und  Vergleichung  festen  Boden 
bei  der  Behandlung  der  Texte  zu  gewinnen. 

So  ergab  sich  denn  trotz  manches  Unerfreulichen  im 
Grossen  und  Ganzen  die  befriedigende  Tatsache,    dass   ab- 


724  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

gesehen  von  den  beklagenswerten  grossen  Verlusten  heute 
doch  noch  ein  ziemlich  umfangreiches  Material  an  Toten- 
büchern vorliegt,  die  speziell  dem  Boden  Nieder -Oester- 
reichs  als  des  östlichen  Teiles  der  alten  Passauer  Diözese 
angehören.  Allerdings  erscheint  dies  in  Anbetracht  der 
Tatsache  erklärlich,  dass  gerade  dieses  Land  und  speziell 
Wien  als  Hauptstadt  eine  überaus  ansehnliche  Zahl  von 
grösseren  Stiftern  der  alten  grossen  Orden ,  wie  Bene- 
diktiner, Chorherren,  Cistercienser,  Praemonstratenser, 
Karthäuser  (Männer-  und  Nonnen  Stifter)  und  auch  eine 
beträchtliche  Anzahl  von  hervorragenden  Klöstern  der 
Mendikantenorden  aufwies,  deren  Zahl  allerdings  seit 
Josef  II.  stark  verringert  wurde. 

Ich  gestehe  es  hier  sehr  gerne,  dass  ich  ausser  den 
öffentlichen  besonders  in  privaten  Archiven  und  Biblio- 
theken ein  rühmenswertes  Entgegenkommen 
fand  und  dass  speziell  seitens  der  Stifter  und  Klöster 
meine  Arbeit  eine  überaus  verständnisvolle  Förderung 
fand,  welche  ich  wohl  nicht  als  Erster  hier  rühme,  sondern 
die  auch  noch  künftige  Forscher  und  Gelehrte  in  höchst 
anerkennenswerter  Weise  kennen  zu  lernen  Gelegenheit 
haben  werden.  Ich  benutze  die  jedesmal  im  Prooemium 
der  behandelten  Nekrologien  gebotene  Gelegenheit,  um 
den  einzelnen  Herren  Stiftsprälaten,  Kloster- 
vorständen, Bibliothekaren  und  Archivaren 
den  geziemenden  Dank  hierfür  zu  sagen.  Aber  nichts- 
destoweniger will  ich  auch  an  dieser  Stelle  allen  Herren, 
die  mir  in  so  wertvoller  Weise  ihre  guten  Dienste  an- 
gedeihen  Hessen,  gemeinsam  meinen  tiefst  gefühlten  Dank 
abstatten. 


Erzdiözese  Wien. 

üeberblicken  wir  die  grosse  Anzahl  von  Stiftern  und 
Klöstern,  welche  gerade  in  Wien  selbst  einst  bestanden, 
so  tritt  uns  die  auffallende  Tatsache  vor  Augen,  dass  von 
denselben  nur  verhältnismässig  wenige  mittelalterliche 
Nekrologien  auf  uns  gekommen  sind.  Die  weitaus  grössere 
Anzahl  derselben  ist  heute  als  verloren  oder  verschollen 
anzusehen.  Allerdings  kann  man  der  Vermutung  Eaum 
geben,  dass  ein  oder  das  andere  in  die  Hände  und  den 
Besitz  privater  Sammler,  wie  sie  ja  eine  Weltstadt  stets 
in  grosser  Zahl  aufweist,  gekommen  und  — ■  unbekannt 
wo  —  aufbewahrt  wird.     Allein   sollte    auch    durch  Zufall 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       725 

später  etwas  auftauchen,  meine  obige  Behauptung  wird 
dadurch  keineswegs  aufgehoben  werden. 

Die  Ursache  dieses  misslichen  Umstandes  mag  in 
erster  Linie  darin  zu  suchen  sein,  dass  die  Nekrologien 
vor  allem  liturgischen  Zwecken  dienten.  Sie  wurden 
doch  einzig  zu  dem  Zwecke  angelegt,  um  die  Namen  der 
Brüder,  Mönche  und  Nonnen  des  eigenen  Klosters,  der 
konfoederierten  Klöster  und  aller  Wohltäter,  die  sich  durch 
mehr  oder  minder  ansehnliche  Widmungen  um  die  geist- 
lichen Häuser  verdient  gemacht  hatten,  in  der  Erinnerung 
festzuhalten,  damit  sie  alljährlich  am  respektiven  Todes- 
tage im  Chore  bei  der  Prim  u.  z.  bei  der  Commemoratio 
mortuorum  durch  Verlesung  in  Erinnerung  gebracht  und 
ihrer  im  darauf  sich  anschliessenden  Gebete  gedacht 
werden  konnte.  Es  erhellt  daraus  zur  Genüge,  dass  der 
Zweck  der  Nekrologien  kein  historisch  wissenschaftlicher, 
sondern  ein  rein  liturgischer  war,  der  es  auch  mit  sich 
brachte,  dass  man  sich  bei  der  Eintragung  der  Namen,  um 
Raum  zu  ersparen,  wenigstens  im  11.  — 13.  Jh.  auf  die 
möglichst  kurze  Fassung,  d.  i.  Eintragung  der  Namen  und 
des  Charakters  und,  wenn  es  gut  ging,  auch  noch  des 
Klosters  oder  Wohnortes  beschränkte.  Beginnen  die 
nekrologischen  Noten  im  14.  Jh.  langsam  beredter  zu 
werden,  so  entwickeln  sie  sich  im  15.  Jh.,  besonders  im 
Ausgange  desselben  zu  grosser  Weitschweifigkeit,  welche  in 
den  folgenden  Jahrhunderten  anhielt.  Vor  allem  werden 
da  eine  Reihe  von  Epitheta  ornantia  den  Namen  hervor- 
ragender Persönlichkeiten  vorangesetzt.  Auch  die  Würdi- 
gung der  Verdienste  der  Verstorbenen,  sowie  fromme 
Wünsche  für  das  Wohlergehen  und  die  Glückseligkeit  im 
Jenseits  finden  sich  sehr  häufig  an  die  Notizen  an- 
geschlossen. 

War  nun  ein  solches  Nekrologium  in  Bezug  auf  den 
Raum  verbraucht,  so  dass  weitere  Eintragungen  keinen 
Platz  mehr  fanden,  oder  drängten  andere  Umstände  zur 
Neuanlage  eines  solchen,  so  wurde  in  dasselbe  zumeist  von 
dem  früheren  ein  Grundstock  von  Notizen  und  Namen, 
zumeist  der  besonders  hervorragenden  Männer  oder  Frauen 
für  jeden  einzelnen  Tag  herübergenommen,  dessen  Umfang 
sich  je  nach  dem  Orte  und  Nekrologium  sehr  verschieden 
gestaltete.  Bestenfalls  wurde  das  vorausgehende  N.  in 
seinem  ganzen  Umfange  kopiert.  In  den  weitaus  meisten 
Fällen  wurden  nur  einige  und  zwar  die  hervorragendsten 
Persönlichkeiten,  als  Bischöfe,  Aebte,  Pröpste,  Aebtissinnen, 
besonders  hochstehende  Wohltäter,  z.  B.  die  Landesfürsten, 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  47 


726  Adalbert  Fr.   Fuchs. 

hohe  Adelige,  städtische  Patrizier,  in  das  neuangelegte  N. 
übertragen.  In  weiteren  Fällen  finden  sich  bei  jedem 
Tage  nur  einige  wenige  oder  gar  nur  eine  nekrologische 
Notiz  in  das  neue  N.  übernommen.  Da  nun  das  alte  N., 
wenn  das  neue  im  Chore  in  Gebrauch  kam,  ausser  Ge- 
brauch gesetzt  war  und  abgesehen  von  dem  rein  litur- 
gischen Zwecke,  dem  es  bisher  ausschliesslich  diente,  in 
den  Augen  der  Mönche  der  Folgezeit  keinen  anderen  mehr 
hatte,  und  selbst  zu  diesem  nicht  mehr  verwendet  wurde, 
so  ist  es  wohl  erklärlich,  wenn  man  das  nun  ausser  Ge- 
brauch stehende  N.  nicht  mehr  mit  jener  Sorgfalt  wie 
bisher  hütete,  so  dass  es  im  Laufe  der  Zeiten  häufig  ver- 
loren ging.  Manchmal  mochte  eine  zeitweilige  Finanznot 
eines  Klosters  es  verursacht  haben,  dass  praktisch  angelegte 
Mönche  späterer  Zeiten  geleitet  vom  rein  realistischen 
Standpunkte  derartige  ihnen  nun  wertlos  erscheinende 
Hss.  zerschnitten  und  in  Einbänden  als  Deckblätter  ver- 
wendeten oder  die  einzelnen  Folien  reskribierten  und  für 
neu  angelegte  Hss.  oder  für  Urkunden  gebrauchten.  Auch 
die  Sorglosigkeit  der  Folgezeit  mag  in  manchen  Klöstern 
den  Verlust  vieler  wertvoller  Hss.  verschuldet  haben. 
Nicht  minder  dürften  die  Zeiten  der  Eeformation,  wo 
zahlreiche  Klöster  von  Mönchen  und  Nonnen  entleert 
waren,  die  Türkenkriege,  ja  vielfach  vielleicht  erst  die 
Klosteraufhebung  am  Ende  des  18.  Jh.,  wo  zahlreiche 
Pergamenthss.  von  unverständigen  Händen  dem  Gold- 
schläger etc.  überliefert  wurden,  denselben  herbeigeführt 
haben. 

Nichtsdestoweniger  blieb  uns  dennoch  ein  überaus 
wertvoller  Schatz  von  nekrologischen  Hss.  entweder  ganz 
oder  in  Bruchstücken  erhalten.  Da  sind  es  vor  allem  die 
Monumenta  Habsburgica,  welche  in  erster  Linie 
unter  den  Wiener  Nekrologien  in  Betracht  kommen,  die 
uns  die  Todesdaten  der  Mitglieder  des  Hauses  Habsburg 
genau  vermitteln.  Sie  sind  uns  in  3  Hss.  der  k.  und  k. 
Wiener  Hofbibliothek  erhalten,  die  unabhängig  von  ein- 
ander die  verstorbenen  Habsburger  verzeichneten  und  zwar: 

1)  Codex  1903  auf  Perg.  in  Kl. -4^  das  Brevier  eines 
Gaminger  Kartäusers  enthaltend.  Demselben  geht  ein 
Kalendar  voraus.  Auf  fol.  la  finden  sich  nun  die 
nekrologischen  Noten  verzeichnet ,  welche  sich 
auf  die  Todestage  der  Stifter  der  Gaminger  Kartause  und 
deren  Familie  beziehen.  Das  Blatt  wurde  beim  Einbinden 
am  linken  Rande  beschädigt,  weshalb  nicht  alle  Worte 
aussreschrieben  erscheinen.      Ich    bezeichne    dieselben   zum 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       727 

Unterschiede  von  den  anderen  als  Notae  de  inclita   stirpe 
Habsburgica. 

2)  Ein  Necrolog-inm  reichend  bis  in  die  Mitte 
des  14.  Jh.,  das  die  verstorbenen  Habsburger  bis  dahin 
enthält,  ist  in  Codex  7.  241  auf  fol.  4 — 5  enthalten.  Es 
ist  dies  eine  Papierhs.  aus  dem  18.  Jh.  und  stellt  sich  als 
eine  Abschrift  aus  einer  älteren  Vorlage  dar.  Da  sich  in 
demselben  auf  fol.  1  —  3  ein  Register  der  Urkunden  des 
aufgehobenen  Klarissenklosters  in  Wien  vorfindet,  so  ist 
wohl  keineswegs  daran  zu  zweifeln,  dass  die  Vorlage  dieses 
N.  im  selben  Kloster  einst  verfasst  und  aufbewahrt  wurde. 
Eine  weitere  Abschrift  findet  sich  in  Codex  7.  243  in  4^ 
auf  Papier  der  Wiener  k.  und  k.  Hofbibliothek  fol.  167 — 
169,  welche  noch  die  Hände  der  Vorlage  unterscheidet, 
indem  sie  nach  dem  1344  verstorbenen  Herzog  Friedrich 
vermerkt:  'Recentiore  aliquantum  calamo  sequentia  ad- 
duntur'. 

3)  Ein  zweites  N.  des  Hauses  Habsburg  enthält 
Codex  7.  243  der  Wiener  k.  und  k.  Hofbibliothek  in  4*^ 
auf  Papier  auf  fol.  170 — 176  in  deutscher  Sprache,  welches 
sich  als  eine  Abschrift,  die  aus  den  Kollektaneen  des 
Jesuiten  Leopold  Fischer  stammt,  darstellt  und  nach  dem 
deutschen  Sprachgebrauche ,  welcher  noch  ziemlich  gut 
konserviert  erscheint,  auf  eine  Hs.  als  Vorlage  hinweist, 
die  in  der  Mitte  des  16.  Jh.  verfasst  sein  mochte. 

Unter  den  Wiener  Klöstern  ist  wohl  das  Minoriten- 
kl oster  der  Konventualen  das  reichste  an  Nekrologien, 
welches  zu  Ende  des  18.  Jh.  aufgehoben  wurde  imd  einst 
bei  der  Kirche  zum  hl.  Kreuze  am  Minoritenplatz  existierte. 
Die  nekrologischen  Denkmäler  setzen  sich  aus  3  ver- 
schiedenen Hss.  zusammen. 

1)  Das  Necrologium,  welches  einst  von  Hieronymus 
Pez  in  Scriptores  rer.  Austriac.  II,  472  ff.,  wenn  auch  text- 
lich vielfach  ungenau,  veröffentlicht  wurde,  findet  sich  in 
dem  Perg.  -  Codex  in  Folio  enthalten,  der  zur  Zeit  in  der 
Bibliothek  des  Minoritenklosters  in  Wien,  VIII.  Bez., 
Aiserstrasse  aufbewahrt  ist.  Derselbe  dürfte  bei  der  Auf- 
hebung des  Konventes  am  Minoriten platze  in  das  vor- 
benannte Kloster  übertragen  worden  sein ,  da  ihn  die 
Ueberschrift  am  vorderen  Deckblatte  dem  'Conventus 
fratrum  minorum  ad  s.  Crucem  Viennae'  vindiziert.  Die 
Hs.  mit  schöner  Deckenpressung  auf  dem  Ledereinbande 
trägt  2  Signaturen,  die  ältere:  1,  die  jüngere:  A,  besteht 
aus  51  Folien  und  hat  zur  Grundlage  ein  Linienschema, 
welches  mit  dem  Braunstifte  gezogen  aus  Horizontallinien 

47* 


728  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

und  Vertikallinien  als  Randlinieu  besteht.  Das  Tages- 
datum und  die  Heiligenfeste  erscheinen  mit  roter  Tinte 
eingetragen ,  worauf  die  nekrologischen  Notizen  mit 
schwarzer  Tinte  geschrieben  folgen.  Die  Hs.  wurde  1360 
— 1370  von  einer  sorgfältigen  Hand  angelegt,  welche  einen 
beträchtlichen  Grundstock  von  nekrologischen  Noten  gleich- 
zeitig verzeichnete,  weshalb  die  Vermutung  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen  ist,  dass  dem  Autor  ein  älteres  N.  vorlag, 
aus  welchem  er  geschöpft  hat,  das  aber  heute  nicht  mehr 
vorhanden  ist.  Das  N.  ist  auf  fol.  1 — 43  enthalten.  Auf 
je  einer  Seite  sind  2 — 4  Tage  verzeichnet.  Nur  auf  fol.  44 
finden  sich  die  Kopien  von  3  Urkunden,  welche  Jahrtags- 
stiftungen zum  Gegenstande  haben.  Das  N.  enthält 
zahlreiche  Jahrtage  verzeichnet,  weshalb  man  es  auch  als 
über  anniversariorum'  bezeichnen  könnte.  Es  wurde  von 
individuellen  Händen  fortgesetzt. 

2)  In  demselben  Codex  sind  auf  fol.  45  —  51  die 
Notae  necrologicae  de  sepulturis  apud 
patres  Minores  enthalten.  Auch  diese  sind  1360 — 
1370  von  der  gleichen  Hand  wie  das  N.  (vgl.  1)  verfasst 
und  von  einigen  Händen  des  14.  Jh.  fortgesetzt.  Dasselbe 
veröffentlichte  gleichfalls  Pez  a.  a.  O.  II,  510  ff.  Es  ent- 
hält die  genauen  Angaben  über  die  Begräbnisplätze  der 
einzelnen  in  der  Minoritenkirche  zum  hl.  Kreuze  am 
Minoritenplatze  in  Wien  bestatteten  Persönlichkeiten. 
Jedenfalls  wurde  diese  Hs.  als  den  praktischen  Bedürf- 
nissen nicht  vollends  entsprechend  angesehen,  da  schon 
kurze  Zeit  darauf  um  1380  eine  Neubearbeitung  derselben 
unternommen  wurde,  deren  Hs.  zur  Zeit  im  Niederöster- 
reichischen Landesarchive  unter  der  Signatur  Manuskripte 
444  aufbewahrt  wird.  Es  ist  dies  der  'Liber  sepul- 
c  r  o  r  u  m'. 

3)  Dieser  stellt  sich  in  der  Anlage  als  eine  sehr 
sorgfältige  Arbeit  dar,  welche  c.  1380  in  einem  Pergament- 
codex in  Folioformat  auf  53  Folien  niedergelegt  ist.  Er 
kam  nach  der  Aufhebung  des  Klosters  am  Minoritenplatze 
in  das  Kloster  in  der  Aiserstrasse  und  von  da  durch  eine 
höchst  sonderbare  Verkettung  der  Umstände  aus  dem 
Nachlasse  Linds  in  das  Niederösterreichische  Landesarchiv. 
Das  Linienschema  ist  mit  braunem  Stifte  gezogen.  Die 
Ueberschriften,  sowie  auch  die  Anfangsbuchstaben  jeder 
Note  sind  mit  roter  Tinte  eingetragen.  Die  Hs.  weist  je- 
doch einen  seltenen  und  ausserordentlich  wertvollen  Vorzug 
dadurch  auf,  dass  sie  zumeist  am  linken,  zuweilen  wohl 
auch    auf   dem    rechten   Rande    das    Wappen    des   jeweilig 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       729 

verzeichneten  Beerdigten  in  Farben  sorgfältig  gemalt  ent- 
hält. Nur  wenige  Wappen  von  Persönlichkeiten,  die  erst 
im  16.  Jh.  starben  oder  doch  in  demselben  verzeichnet 
wurden,  sind  ohne  Farben  gezeichnet.  Auch  für  freien 
Raum  zu  späteren  Nachträgen  ist  reichlich  gesorgt,  die 
auch  in  der  Folgezeit  in  grosser  Zahl  von  wechselnden 
Händen  eingetragen  wurden. 

Dieser  'Liber  sepulcrorum'  hat  einen  noch  grösseren 
Wert  als  die  Notae  necrologicae,  zumal  er  uns  nicht  bloss 
die  Feststellung  der  in  der  Minoritenkirche  vorhandenen 
Gräber  und  Grabdenkmäler  ermöglicht  —  fanden  ja  ge- 
rade hier  eine  grosse  Reihe  von  hervorragenden  Adels- 
geschlechtern ,  zahlreiche  vornehme  Wiener  Patrizier- 
familien ihre  letzte  Ruhestätte  — ,  sondern  auch  durch 
die  in  Farben  gemalten  Wappen  der  Heraldik  wesentliche 
Dienste  leistet.  Man  wird  es  deshalb  wohl  begreiflich 
finden ,  dass  ich  es  mir  sehr  angelegen  sein  Hess ,  die 
Wappenabbildungen  unter  Wiedergabe  der  Tinkturen  durch 
die  bekannten  heraldischen  Mittel  auch  in  meine  Publi- 
kation aufzunehmen,  da  sie  ja  dadurch  nur  gewinnen 
konnte. 

Die  Anlage  sowohl  der  Notae  als  des  Liber  ist  nach 
topographischen  Gesichtspunkten  durchgeführt,  indem  die 
Gräber,  die  an  einer  und  derselben  Stelle  angebracht  sind, 
in  ihrer  Reihenfolge  verzeichnet  erscheinen.  Eine  nicht 
gerade  geringe  Anzahl  von  Noten  fallen  ins  13.  Jh.,  ob- 
wohl der  weitaus  grösste  Teil  dem  14.  Jh.  zuzuweisen  ist. 
Es  scheint  deshalb,  dass  dasselbe  diese  Art  des  Begräb- 
nisses in  Wien  in  Schwung  brachte.  Weitere  an  Zahl 
ziemlich  ansehnliche  Begräbnisse  erfolgten  im  15.  und 
16.  Jh.  Aber  selbst  diese  dem  Ausgange  des  Mittelalters 
und  Beginn  der  Neuzeit  angehörigen  Notizen  bleiben  für 
die  Geschichte  Wiens  und  Niederösterreichs  von  hervor- 
ragendem und  bleibendem  Werte.  Hieronymus  Pez  und 
Karl  Lind  erkannten  denn  auch  folgerichtig  den  hohen 
Wert  dieser  eigenartigen  Geschichtsquellen  und  wurden 
dadurch  zu  deren  Bearbeitung  und  Herausgabe  veranlasst, 
wenn  sie  auch  hier  und  da  an  einzelnen  Mängeln  leiden. 
Lind  besonders  hat  uns  in  seiner  Ausgabe  des  Liber 
sepulcrorum  in  den  Berichten  und  Mitteilungen  des  Wiener 
Altertumsvereines  XII,  52  — 114  zugleich  mit  dem  Texte 
desselben ,  der  bis  dahin  in  der  literarischen  Welt  un- 
bekannt war,  sehr  sorgsame  heraldisch  richtige  Abbildungen 
der    gemalten   Wappen    an    den    betreffenden    Stellen    ge- 


730  Adalbert  Fr.   Fuchs. 

bracht  und  dadurch  der  heraldischen  Wissenschaft  einen 
wertvollen  Dienst  erwiesen. 

Da  sich  auf  meinen  Antrag  auch  die  Zentraldirektion 
der  Monumenta  Germaniae  entschloss,  in  die  von  ihr  ver- 
anstaltete Ausgabe  der  NN.  der  Passauer  Diözese  die 
Wappenabbildungen  aufzunehmen,  so  trat  uns  der  Wiener 
Altertumsverein  in  äusserst  anerkennenswerter  Weise  die 
Clich^s,  die  seit  Linds  Publikation  noch  in  seinem  Besitze 
sind,  zur  Eeproduktion  ab.  Nur  einzelne  wenige,  im  ganzen 
8  Cliches,  welche  entweder  unterdessen  verloren  gegangen 
sind ,  oder  deren  Abbildungen  Lind  übergangen  hat, 
mussten  neu  angefertigt  werden.  Hierdurch  hat  sich  der 
Altertumsverein  in  Wien  gerechten  Anspruch  auf  An- 
erkennung erworben,  weshalb  ich  auch  an  dieser  Stelle 
dieses  wohlwollende  Entgegenkommen  seitens  desselben 
besonders  würdigen  und  hervorheben  will. 

Ausser  den  Minoritenkonventualen  kommen  jedoch 
auch  die  Minoritenobservanten  (Franziskaner)  in 
Betracht,  wie  sie  in  Wien  und  in  den  österreichischen 
Erbländern  durch  Johannes  Kapistran  eingeführt  wurden. 
Diese  führten  dort,  wo  uns  NN.  vorliegen,  dieselben  in 
Form  von  Annalen,  indem  sie  die  Verstorbenen  in  der 
Reihenfolge  der  Todesjahre  unter  Ausserachtlassung  der 
jeweiligen  Todestage  aufzeichneten.  Wenn  auch  diese 
Aufzeichnungen  erst  dem  Ausgange  des  Mittelalters  an- 
gehören ,  so  kann  doch  ihre  Bedeutung  nicht  geleugnet 
werden,  da  sie  als  Mendikanten  der  neu  aufstrebenden 
Observanz  nach  der  Regel  des  hl.  Franciscus  die  Gunst 
der  Herrscher  aus  dem  Hause  Habsburg  gewannen,  welche 
ihre  Gewissensräte  nun  mit  Vorliebe  aus  ihrer  Mitte 
wählten.  Offenbar  wurde  auch  dadurch  ihre  rasche  Ver- 
breitung in  Oesterreich  sehr  gefördert,  da  wir  ja  in  wenigen 
Jahrzehnten  eine  ganze  Reihe  von  neugegründeten  Fran- 
ziskanerkonventen finden. 

Diese  Observanten  führten,  wie  aus  einer  Angabe  des 
verdienstvollen  Autors  P.  Placidus  Herzog  in  der  Cosmo- 
graphia  Austriaco - Franciscana  S.  182  hervorgeht,  einen 
annalenmässigen  Katalog  über  die  Verstorbenen  der  ganzen 
Provinz,  der  diesem  noch  vorgelegen  haben  muss,  da  er 
aus  demselben  schöpfte.  Da  er  uns  aber  heute  nicht  mehr 
vorliegt,  wenigstens  trotz  gewissenhafter  Nachsuche  nicht 
mehr  entdeckt  werden  konnte,  so  sehe  ich  mich  genötigt, 
jene  Teile,  die  in  Herzogs  Werk  für  meine  Arbeit  in  Be- 
tracht  kommen,    aus    dessen  Werke    als   Necrologium   der 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       731 

österreichischen  Minoritenobservantenprovinz 
zum  Abdrucke  zu  bringen. 

Ausser  diesem  sind  noch  zwei  andere  Hss.  in  Be- 
tracht zu  ziehen,  von  welchen  eine  in  der  Bibliothek  des 
Franziskanerklosters  (früher  im  Archiv)  in  Wien  I,  Singer- 
strasse aufbewahrt  wird,  während  sich  eine  zweite,  welche 
aus  dem  aufgehobenen  Observantenkloster  in  Eggenburg 
stammte,  noch  vor  kurzer  Zeit  im  Besitze  des  Herrn  Dr. 
Oskar  Barons  von  Mitis  befand,  aber  durch  Veräusserung 
in  die  Hand  eines  mir  unbekannten  Privaten  kam.  Erstere 
ist  eine  Papierhs.  in  Folio  mit  26  Folien  in  Pergament- 
umschlag, die  um  das  Jahr  1583  in  der  Form  von  Annalen 
von  einer  Hand  angelegt  wurde.  Das  Schema  ist  auf  der 
Aversseite  miiy  blinden  Linien  in  zwei  Kolumnen  her- 
gestellt. Der  Autor,  der  jedenfalls  aus  einer  älteren  Vor- 
lage als  Quelle,  die  aber  vom  Provinznekrolog  unbedingt 
verschieden  war,  geschöpft  hat,  hat  hier  die  Abfassung 
eines  N.  der  Minoritenobservanten  im  Kloster  des  hl.  Theo- 
bald  und  Bernhardin  ausserhalb  des  damaligen  Wien  vor 
Augen.  Er  setzte  seiner  Arbeit  eine  kurze  Biographie  des 
Begründers  der  Observanz  des  hl.  Johann  Kapistran  und 
seiner  Genossen  voran,  schloss  daran  die  Reihe  der  Ver- 
storbenen der  Observanz  bis  zum  Jahre  1479  ohne  Angabe 
der  Todesjahre.  Von  da  an  führt  er  nun  das  N.  in  der 
Form  von  Annales  necrologici  weiter,  wo  die  Verstorbenen 
ohne  Angabe  des  Todestages  in  den  einzelnen  Todesjahren 
verzeichnet  erscheinen.  Das  Werk  reicht  bis  1583,  wo  es 
angelegt  wurde ,  zumal  der  Schriftcharakter  darauf  hin- 
weist. Das  zweite  N.  der  Observanten  in  Eggenburg  liegt 
uns  leider  heute  nicht  mehr  vor,  obwohl  mit  Bestimmtheit 
anzunehmen  ist,  dass  es  sich  in  den  Händen  eines  privaten 
Sammlers  befindet.  Es  war  nach  einer  gütigen  Mitteilung 
des  Herrn  Barons  von  Mitis,  dessen  Abschrift  ich  auch  in 
meiner  Ausgabe  folge,  auf  einem  Pergamentrottel  ge- 
schrieben und  umfasste  die  Zeit  von  1491 — 1583.  Gerade 
der  letztere  Teil  desselben,  umfassend  die  Jahre  1551 — 
1583,  der  sehr  verwischt  und  darum  schwer  leserlich  ist, 
fällt  für  die  Zwecke  unserer  Arbeit  weg.  Die  Anlage  ist 
gleichfalls  die  der  Annales  necrologici,  wobei  ebenfalls  nur 
die  Todesjahre  ohne  die  Todestage  Berücksichtigung 
fanden.  Obgleich  es  mir  also  unmöglich  war,  das  Original 
einzusehen,  so  konnte  ich  doch  auf  Grund  einer  sorg- 
fältigen Abschrift,  die  mir  Herr  Dr.  0.  Baron  von  Mitis 
bereitwilligst  zur  Verfügung  stellte ,  dasselbe  in  die 
Nekrologienausgabe  einbeziehen. 


732  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

Wesentlich  genauer  geführt  erscheinen  die  Nekro- 
logien  der  beiden  Doniinikanerkonvente  in  Wien 
und  R  e  t  z ,  deren  Anlage  und  Erhaltung  wohl  eine  eigen- 
artige genannt  werden  muss.  Beide  sind  in  sogenannten 
hölzernen  Büchern  eingetragen,  von  denen  das  Wiener 
noch  vollständig  in  seiner  Ursprünglichkeit  erhalten  ist, 
während  vom  ßetzer  die  einzelnen  Tafeln  bereits  heraus- 
genommen und  in  der  Klosterbibliothek  aufbewahrt  sind. 
Fassen  wir  zunächst  das  Wiener  !Nt  ins  Auge,  so  stellt 
sich  vor  allem  das  Hauptmerkmal  vor  Augen,  dass  es  auf 
hohen  und  breiten  Holztafeln  aufgetragen  ist,  welche  mit 
Pergament  überzogen  und  in  einem  in  die  Maner  des 
Kreuzganges  an  der  Aussenseite  der  Kirche  eingelassenen 
hölzernen  Schranke  so  angebracht  sind,  dass  rechts  und 
links  je  5  Halbtafeln  wie  Buchblätter  beweglich  eingefalzt 
sind.  Die  Eintragungen  sind  von  einer  Hand  im  Jahre 
1681  begonnen,  reichen  bis  1410  zurück  und  sind  dann 
von  individuellen  Händen  bis  1901  weitergeführt.  Offenbar 
lag  dem  Autor  ein  älteres  Verzeichnis  vor.  Die  Anlage 
ist  in  der  Form  von  Annalen  durchgeführt,  wobei  jedoch 
die  Todestage  keineswegs  vernachlässigt  wurden.  Auf  der 
ersten  Halbtafel  ist  als  passende  Einleitung  ein  Gemälde, 
das  das  jüngste  Gericht  darstellt,  vorangestellt. 

In  ganz  gleicher  Weise  erscheint  das  sogenannte 
hölzerne  Buch  des  Retzer  Dominikanerkonventes 
abgefasst,  wenngleich  die  Tafeln  heute  aus  dem  Schranke 
herausgenommen  sind.  Dieselben  sind  jedoch  schon  sehr 
wurmstichig.  Der  Arbeit,  die  bis  zum  18.  Jh.  auf  Per- 
gament und  von  da  an  auf  Papier  geschrieben  ist,  wird 
vom  Autor,  der  sie  um  das  Jahr  1513  begonnen  und  ohne 
Zweifel  aus  einer  älteren  Quelle  als  Vorlage  schöpfte,  auf 
der  ersten  Tafel  das  Gemälde  eines  Totenkopfes  mit  Ara- 
besken verziert  vorangestellt.  Darauf  folgen  kurze  Mit- 
teilungen über  die  Geschichte  des  Dominikanerordens,  über 
die  Gründung  des  Konventes  und  die  Stifterfamilie,  der 
Grafen  von  Hardegg,  Burggrafen  von  Magdeburg.  Erst 
hieran  schliesst  sich  auf  der  ersten  Halbtafel  ein  Prioren- 
katalog  mit  dem  jeweiligen  Sterbedatum,  worauf  das  Ver- 
zeichnis der  verstorbenen  Mönche  in  Annalenform  mit 
Angabe  des  Todestages  folgt.  Der  Autor  beruft  sich  selbst 
in  der  Praefatio  auf  ein  altes  Martyrologium,  aus  welchem 
er  die  Notizen  über  die  Stifterfamilie  entnommen  hat. 
Offenbar  war  dies  eine  alte  Hs.  zum  liturgischen  Gebrauche, 
wo  am  Rande  den  einzelnen  Tagen  des  Martyrologiums 
nekrologische    Noten    beigesetzt    waren.      Die    Arbeit    des 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       733 

Autors  wurde  dann  vom  Jahre  1524  an  von  individuellen 
Händen  fortgesetzt.  Im  Verzeichnisse  der  verstorbenen 
Mönche  wird  jedes  Jahr  mit  'Anno  domini'  in  roter  Tinte 
vorangesetzt,  worauf  die  einzelnen  Namen  mit  schwarzer 
Tinte  eingetragen  sind. 

Beide  Nekrologien  sind  seiner  Zeit  von  Dr.  Sebastian 
Brunner,  wenn  auch  öfter  ungenau,  in  seiner  Schrift  'Der 
Prediger  -  Orden  in  Wien  und  Oesterreich'  herausgegeben 
worden.  Der  Retzer  Konvent  besass  ausserdem  noch  ein 
Necrologium ,  in  dem  ausser  den  Todestagen  der  Stifter 
auch  deren  Anniversarien  verzeichnet  waren.  Dieses  lag 
im  18.  Jh.  einst  noch  dem  gelehrten  St.  Pöltener  Chorherren 
Raimund  Duellius  vor,  der  es  auch  in  seinem  Werke 
'Miscellaneorum  liber  II'  auf  S.  170  ff.  veröffentlichte. 
Dasselbe  muss  jetzt  als  verschollen  gelten,  da  es  mir  trotz 
eifriger  Nachforschungen  nicht  gelang,  es  zu  Gesicht  zu 
bekommen. 

Wertvolle  nekrologische  Denkmäler  liegen  uns  von 
dem  aufgehobenen  Chorherrenstifte  St.  Dorothea 
vor,  und  zwar  ein  Necrologium  und  Annales  necrologici, 
welche  beide  bisher  unediert  blieben.  Das  N.  wird  im 
Archive  des  Chorherrenstiftes  Klosterneuburg  in  der  Ab- 
teilung :  Dorotheaarchiv  unter  der  Signatur :  'Ladel  Y 
n.  24'  aufbewahrt  und  ist  eine  Hs.  in  4^  auf  Pergament, 
die  insoweit  beschädigt  ist,  als  von  den  27  Folien  2  Blätter, 
die  die  Tage  vom  31.  August  bis  zum  20.  September  ent- 
halten, ferner  jene  Blätter,  welche  die  Monate  November 
und  Dezember  enthalten ,  fehlen.  Der  Einband  ist  in 
Pergament  hergestellt.  Die  Hs.  wurde  von  einer  Hand 
um  1440  angelegt,  welche  einen  ziemlichen  Grundstock 
von  nekrologischen  Notizen  aus  einer  uns  nicht  mehr  er- 
haltenen Vorlage,  etwa  einem  mit  nekrologischen  Notizen 
versehenen  Kaiendare,  herübergenommen  hat,  und  von 
zahlreichen  abwechselnden  Händen  bis  ins  17.  Jh.  fort- 
gesetzt wird.  Der  Hs.  liegt  ein  Linienschema  zu  Grunde,  das 
aus  Horizontal-  und  Vertikallinien  besteht  und  auf  jeder 
Seite  einige  Querrubriken  herstellt,  in  denen  die  ein- 
zelnen Tage  Aufnahme  finden  sollten.  Die  Folien,  auf 
welchen  die  Monate  November  und  Dezember  ver- 
zeichnet waren,  fehlten  sicherlich  schon  im  17.  Jh.,  da 
rückwärts  der  Hs.  ein  Anhang  von  Papierfolien  bei- 
geschlossen ist,  auf  welchen  von  verschiedenen  Händen  des 
17.  Jh.  nekrologische  Noten  derselben  Zeit  verzeichnet 
sind.  Dem  Codex  ist  ausserdem  ein  Martyrologium  und 
eine  Regel  des  hl.  Augustin  beigebunden,  welche  auf   den 


734  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

eminent  liturgischen  Zweck,  den  die  Hs.  hatte,  deutlich 
wie  in  vielen  anderen  Fällen  hinweisen. 

Während  jedoch  das  N.  auch  die  Verstorbenen  der 
konfoederierten  Stifter  berücksichtigte  und  verzeichnete, 
liegt  uns  in  den  Annales  necrologici  desselben 
Stiftes  eine  Arbeit  vor,  welche  bloss  die  verstorbenen 
Chorherren  des  eigenen  Stiftes  enthält.  Diese  sind  in  der 
Göttweiger  Hs.  auf  Papier  in  Kl. -4°  n.  497,  XV  Miscel- 
lanea  erhalten,  welche  ausserdem  noch  Abschriften  von 
Wahlakten  der  Pröpste  und  von  sonstigen  Akten  und 
Urkunden  enthält,  die  sich  auf  die  Geschichte  der  Stifter 
St.  Dorothea  in  Wien  und  Rothenmann  in  Steiermark  be- 
ziehen. Diese  Annales,  welche  man  etwa  auch  als  Series 
professorum  bezeichnen  könnte,  da  sie  auch  eine  Reihen- 
folge der  Stiftsprofessen  darstellen,  bei  der  öfter  die  An- 
gabe der  Todesjahre  und  Tage  neben  den  sonst  vermerkten 
Professjahren  vermisst  wird,  sind  von  zwei  verschiedenen, 
zeitlich  jedoch  nicht  weit  von  einander  abstehenden  Händen 
verfasst,  von  denen  die  erste  in  der  Zeit  des  ausgehenden 
Mittelalters  den  ersten  Teil  der  Eintragungen  bis  1503 
besorgte,  während  die  zweite  die  Nachträge  bis  1507  als 
Fortsetzung  beifügte. 

Ein  günstiger  Zufall  hat  uns  offenbar  auch  die 
nekrologischen  Denkmäler  des  Cistercienserinnen- 
klosters  zu  St.  Maria  Magdalena  vor  dem 
Schottentore  in  Wien  erhalten.  Die  Hs.  auf  Pergament 
in  Klein -Folio  auf  38  Folien  befindet  sich  jetzt  im  Besitze 
Sr.  Excellenz  des  Herrn  Grafen  Hans  Wilczek  in  der 
Bibliothek  der  Burg  Kreuzenstein  bei  Korneuburg  als 
Codex  n.  28  001.  Durch  die  besondere  Güte  Sr.  Excellenz 
wurde  mir  derselbe  nach  Brunnkirchen  überlassen,  so  dass 
mir  Müsse  und  Gelegenheit  zur  Autopsie  und  Text- 
bearbeitung hinreichend  geboten  war.  Die  einstige  Zu- 
gehörigkeit desselben  zu  obenbezeichnetem  Kloster  geht 
aus  der  Aufschrift  auf  fol.  la  hervor:  'Das  puech  gehört 
czu  Sand  Maria  Magdalen  vor  Schottentor  czu  Wien'  etc. 
Derselbe  enthält  auf  fol.  1 — 31a  das  Necrologium,  auf 
fol.  31b  —  34  a  die  annalenmässig  verzeichneten  nekro- 
logischen Notizen,  auf  fol.  35a  —  37b  den  Anniversarien- 
katalog. 

Diese  Hs.  wurde  im  Jahre  1452  angelegt,  weshalb 
sowohl  das  N.  als  die  Notae  necrologicae  von  der  ersten 
Hand  bis  zu  diesem  Jahre  geführt  erscheinen.  Dem  N. 
liegt  ein  Linienschema  zu  Grunde,  das  aus  braunen  Linien 
besteht.      Die    Monatsüberschriften,    sowie    die    grösseren 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       735 

Heiligenfeste  sind  mit  roter  Tinte,  die  übrigen  Feste,  die 
Sonntagsbnchstaben  in  Majuskel,  der  römische  Kalender 
und  die  Epakten  mit  schwarzer  Tinte  eingetragen ,  an 
welche  sich  ein  leergelassener  Raum  in  der  Breite  von 
6  Horizontallinien  für  die  nekrologischen  Noten  anschliesst, 
die  von  wechselnden  Händen  bis  in  die  Mitte  des  16.  Jh. 
fortlaufend  mit  schwarzer  Tinte  verzeichnet  sind.  Auf  je 
einer  Seite  sind  6  Tage  verzeichnet.  Nur  wenige  Ein- 
tragungen sind  der  ersten  Hand  zuzuweisen. 

Anders  geartet  ist  die  Anlage  der  Notae  necro- 
1  o  g  i  c  a  e  ,  die  gleichfalls  ein  Linienschema  zur  Grundlage 
haben,  das  mit  brauner  Tinte  gezogen  ist.  Dieselben  sind 
auf  fol.  31b  —  34a  ohne  Beisetzung  der  Jahreszahlen  nach 
Art  von  Annalen  eingetragen  und  zwar  auf  fol.  31b  —  32  a 
die  vor  1452  verstorbenen  Nonnen  des  Klosters,  deren 
Namen  offenbar  aus  einem  älteren,  vermutlich  auch 
annalenmässig  geführten  Verzeichnisse  als  Vorlage  ab- 
geschrieben sind.  Daran  schliesst  sich  ein  Verzeichnis  der 
Pröpste,  der  Confessarii  (Beichtväter)  des  Klosters,  der 
Wohltäter  aus  dem  Hause  Habsburg  und  der  übrigen 
Stifter  und  Wohltäter  desselben  in  chronologischer  Reihen- 
folge. Jedenfalls  sind  auch  diese  von  der  Hand  des  Autors 
aus  einem  älteren  uekrologischen  Verzeichnisse  kopiert  und 
dann  fortgesetzt  worden.  Auf  fol.  33  a  —  34a  sind  dann 
die  nach  1452  verstorbenen  Nonnen  bis  1545  eingetragen, 
und  zwar  erfolgte  diese  Aufzeichnung  etappenmässig,  in- 
dem eine  Hand  von  c.  1464,  eine  weitere  von  c.  1510  und 
eine  dritte  von  c.  1545  die  bis  zu  ihrer  Zeit  Verstorbenen 
nachträglich  aufzeichnet. 

Auf  fol.  35a  —  37b  folgt  dann  der  Anniversarien- 
katalog dieses  Klosters,  welcher  im  Jahre  1514  von  einer 
Hand  offenbar  nach  einem  älteren  Verzeichnisse  hergestellt 
und  in  der  Folgezeit  von  weiteren  Händen  fortgesetzt 
wurde.  Auch  diesem  liegt  ein  mit  brauner  Tinte  ge- 
zogenes Linienschema  zu  Grunde.  Alle  oben  aufgeführten 
nekrologischen  Denkmäler  sind  bisher   unediert   geblieben. 

Sehr  beklagenswert  ist  wohl  der  Verlust  des  ältesten 
N.  des  ßenediktinerstiftes  der  Schotten  in 
Wien,  von  dem  uns  heute  nur  mehr  ein  Abdruck  vorliegt, 
den  der  verdiente  Melker  Benediktiner  Hieronymus  Pez 
in  seinen  Scriptores  rerum  Austriac  I,  700  f.  brachte  und 
dabei  einen  Codex  zu  Grunde  legte,  welcher  damals  in 
der  Bibliothek  des  jetzt  aufgehobenen  Benediktinerstiftes 
Klein  -  Mariazeil  aufbewahrt  war.  Im  Prooemium  hierzu 
erwähnt    derselbe,    dass    sein   Bruder,    der   gelehrte  Melker 


736  Adalbert  Fr.   Fuchs. 

Benediktiner  Bernhard  Pez  davon  Kenntnis  erlangt  habe, 
dass  sich  ein  anderer  Codex  mit  einem  Necrologium  des 
Schottenstiftes  damals  in  der  k.  und  k.  Hofbibliothek  in 
Wien  befinde,  der  allerdings  heute  als  verschollen  gelten 
muss.  Das  von  Pez  edierte  N.  hat  aber  bedeutend  früher, 
nämlich  im  Jahre  1584,  durch  Johannes  Rasch  (er  selbst 
nennt  sich  Rassius,  Pez  bezeichnet  ihn  richtiger  als  Raschius) 
unter  dem  Titel  'Mortilogus  capituli  Scotensis  et  anni- 
versarii  monasterialis,  calendarium  defnnctorum'  seine  Ver- 
öffentlichung gefunden  und  stimmt  fast  vollständig  mit 
Pez'  Ausgabe  überein,  sodass  die  Annahme  naheliegt,  dass 
beiden  ein  und  dasselbe  Ms.  vorlag.  Allerdings  muss  diese 
Hs.  in  ihrem  Inhalte  sehr  mager  gewesen  sein,  da  sich 
fast  ausschliesslich  nur  die  Todestage  von  österreichischen 
Herzogen  und  Stiftsäbten  verzeichnet  finden.  Neben 
diesem  N.  müssen  im  Schotten  stifte  im  Mittelalter  eines 
oder  mehrere  N.  geführt  worden  sein,  welche  aber  heute 
ebenso  wie  das  uns  im  Druck  vorliegende  verloren  ge- 
gangen sind.  Heute  liegen  uns  noch  zwei  N.  vor,  die  im 
17.  Jh.  verfasst  und  durch  das  18.  Jh.  geführt  wurden, 
die  aber  leider  für  die  Ausgabe  der  Monumenta  Germaniae 
belanglos  sind,  da  sie  zwar  die  Todestage  der  mittelalter- 
lichen Stiftsäbte  aber  sehr  willkürlich  an  Tagen  ver- 
zeichnen, wo  es  gerade  dem  Autor  geeignet  erschien,  so 
dass  dadurch  keinesfalls  die  wirklichen  Todestage  der- 
selben festgelegt  sind. 

Das  nur  im  Drucke  noch  erhaltene  Schottennecro- 
logium  findet  für  das  15.  Jh.  einigermassen  eine  Ergänzung 
durch  die  nekrologischen  Noten,  welche  im  Codex  405  der 
Bibliothek  desselben  Stiftes  auf  Papier  in  Kl. -8^  in  rotem 
Ledereinbande  (Signatur:  55,  G,  16)  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  15.  Jh.  auf  fol.  99  b  — 101  von  einer  Hand  im  Jahre 
1468  eingetragen  sind;  es  sind  da  die  Todestage  einzelner 
Aebte  und  der  Professen  vom  Jahre  1426  an  aufgezeichnet. 
Diese  nekrologischen  Notizen  sind  bisher  unediert  ge- 
blieben. 

Von  grossem  Werte  und  Bedeutung  ist  wohl  das  N. 
des  einstigen  Kollegiatkapitels  an  der  Kirche 
zu  Alienheiligen  in  Wien,  späteren  Domkapitels 
zu  St.  Stephan,  welches  im  Archive  des  heutigen  Metro- 
politankapitels  ohne  Signatur  aufbewahrt  wird  und  mir  auf 
Beschluss  des  hochw.  Metropolitankapitels  vom  Archivare, 
dem  Herrn  Praelaten  Dr.  Ferd.  Wimmer,  zur  Bearbeitung 
in  Wien  überlassen  wurde.  Dasselbe  ist  bisher  unediert 
geblieben,  stellt  sich  als  eine  Pergamenths.  in  Gross -Folio 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       737 

auf  38  Folien  in  einem  Ledereinbande  dar  und  geht  nach 
einer  alten  Kapitelüberlieferung  auf  den  Stifter  des  Dom- 
kapitels Herzog  Rudolf  IV.  selbst  zurück,  der  die  Hs.  an- 
legen liess  und  bei  der  Stiftung  dem  Kapitel  gewidmet 
haben  soll,  eine  Ueberlieferung,  die  übrigens  auch  durch 
die  Zeit  der  ersten  Eintragungen  eine  nachträgliche  Be- 
gründung gewinnt. 

Dem  N.  gehen  auf  der  Innenseite  des  vordem  Deckels 
auf  dem  daselbst  angeklebten  Folium  einige  nekrologische 
Notizen  voran,  die  ich  im  Drucke  dem  N.  vorangestellt 
habe.  Das  N.  ist  auf  Grund  eines  Kaiendars  angelegt, 
das  durch  ein  Schema  so  angeordnet  ist,  dass  der  römische 
Kalender,  die  Heiligenfeste  und  Sonntagsbuchstaben  in 
einer  mittleren  Kolumne  verzeichnet  sind,  die  in  der  Mitte 
eines  jeden  Foliums  durch  vertikale  Randlinien  abgegrenzt 
erscheint,  während  links  und  rechts  davon  je  eine  breite 
Kolumne  zur  Eintragung  von  uekrologischen  Notizen  frei 
geblieben  ist.  Für  jeden  Monat  ist  eine  Seite  verwendet 
und  da  wiederum  zumeist  die  rechte  Kolumne,  während 
sich  in  der  linken  Kolumne  seltener  und  fast  nur  immer 
dann,  wenn  rechts  bereits  der  Raum  zu  enge  war,  Notizen 
eingetragen  finden.  Nur  wenige  nekrologische  Noten 
stammen  von  der  ersten  Hand,  die  die  Hs.  um  1365  an- 
gelegt hat.  Die  meisten  fallen  erst  in  eine  spätere  Zeit, 
stammen  von  abwechselnden  Händen,  welche  offenbar 
immer  die  eines  Kapitulars  war,  und  reichen  bis  ins 
16.  Jh.  An  das  N.  schliessen  sich  Notizen  über  die  an  das 
Kapitel  zu  leistenden  Zinse,  eine  Series  der  installierten 
Domherren,  Statuten  des  Domkapitels  und  Urkunden  über 
Besitzerwerbungen ,  die  sicherlich  kein  geringeres  histo- 
risches Interesse  beanspruchen  als  das  N.  selbst. 

Als  letztes  mir  vorgelegenes  nekrologisches  Denkmal 
aus  Wien  reihe  ich  noch  eine  nekrologische  Notiz 
über  die  im  Jahre  1-436  in  Wien  an  der  Pest  verstorbeneu 
Doktoren  und  Professoren  der  Wiener  Universität  ein,  welche 
im  Codex  4497  der  Wiener  k.  und  k.  Hofbibliothek  auf 
Papier  in  8°  aus  dem  15.  Jh.  aufgezeichnet  ist.  Derselbe 
enthält  auf  354  Folien  dogmatische  Vorlesungen,  die  in 
der  ersten  Hälfte  des  15.  Jh.  geschrieben  sind,  denen 
diese  bisher  unedierte  Notiz  eingefügt  erscheint. 

Als  die  weitaus  wertvollsten,  vollständigsten  und  in- 
haltreichsten stellen  sich  jedoch  die  nekrologischen  Denk- 
mäler des  Augustinerchorherrenstiftes  Kloster- 
neuburg dar,  die  mit  einziger  Ausnahme  des  von  Dr. 
Hartmann  Zeibig  im  Archive  für  Kunde  österr.  Geschichts- 


738  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

quellen  VII,  269  ff.  veröffentlichten  N.,  dem  übrigens,  wie 
uns  unsere  Untersuchung-  zeigen  wird ,  eine  weniger  be- 
achtenswerte Hs.  zur  Edition  vorlag,  bisher  völlig  unediert 
g-eblieben  sind.  Der  Wert  dieser  NN.  wird  durch  den 
g-ünstigen  Umstand  noch  besonders  erhöht,  dass  sie  mit 
einziger  Ausnahme  des  ältesten  N.  vollzählig  und  in  un- 
unterbrochener Reihenfolge  uns  erhalten  sind.  Auch  die 
ganze  Anlage  als  Codices  in  Folio  und  die  sorgfältige 
Führung  weist  in  unwidersprochener  Weise  auf  die  grosse 
Sorgfalt  hin,  die  man  gerade  diesen  einst  rein  liturgischen, 
nun  aber  historisch  so  bedeutungsvollen  Hss.  zuwendete. 
Es  mag  dies  auch  mit  ein  Beweis  für  den  guten  Geist 
sein ,  der  im  Mittelalter  und  später  diese  Kanonie  an- 
dauernd beherrschte. 

Das  älteste  uns  erhaltene  N.  dieses  Stiftes  liegt  im 
Codex  ms.  79  der  Stiftsbibliothek  auf  Perg.  in  Folio  vor 
und  ist  auf  fol.  77' — 108  enthalten.  Demselben  geht  ein 
Martyrologium  voraus,  ein  Umstand,  der  auch  wie  zu  vielen 
anderen  Malen  auf  den  rein  liturgischen  Zweck  dieser  Hs. 
hinweist.  Sie  wurde  unter  Zugrundelegung  eines  Kaiendars 
in  den  ersten  Jahrzehnten  des  14.  Jh.  verfasst  und  weist 
einen  nicht  unbeträchtlichen  Grundstock  von  älteren 
nekrologischen  Noten  auf,  welche  vom  Autor  jedenfalls 
aus  einem  älteren  N.  herübergenommen  wurden,  das  heute 
als  verloren  gelten  muss ,  zweifellos  das  älteste  N.  des 
Stiftes  war  und  die  Zeit  von  der  Gründung  des  Stiftes  bis 
in  den  Beginn  des  14.  Jh.  umfasst  haben  mochte.  Wir 
werden  mit  der  Annahme  nicht  fehlgehen,  dass  der  Raum- 
mangel in  dieser  Hs.  für  weitere  Einträge  die  Neuanlage 
des  uns  im  Codex  79  vorliegenden  N.  notwendig  machte. 
Wie  der  Grundstock  der  aus  demselben  übernommenen 
Notizen  erkennen  lässt,  mag  sie  sehr  reichhaltig  ge- 
wesen sein. 

Alle  Klosterneuburger  NN.  sind  derart  angelegt,  dass 
die  zahlreichen  Einträge  in  zwei  Kolumnen  untergebracht 
sind,  wovon  die  erste  die  Fratres  und  Sorores,  die  zweite 
die  Familiäres  enthält.  Möglicherweise  hat  sich  diese 
schematische  Behandlung  des  nekrologischen  Stoffes  auch 
schon  auf  das  erste  nun  verlorene  N.  erstreckt. 

Codex  79  weist  auf  jeder  Seite  ein  Linienschema 
auf,  das  zwei  Kolumnen  enthält,  welche  durch  eine  mittlere 
schmale,  mittels  zweier  Yertikallinien  hergestellte  Kolumne 
getrennt  sind.  Jede  dieser  Kolumnen  hat  oben  die  Ueber- 
schrift  in  roter  Tinte  und  zwar  die  linke:  'Fratres  et 
sorores',    die   rechte:    'Familiäres   nostri'.      Links   sind    die 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       739 

Sonntagsbuchstaben ,  der  römische  Kalender  und  die 
Heiligenfeste  mit  roter  Tinte  eingetragen.  Die  Arbeit 
der  ersten  Hand  ist  durch  eine  Reihe  von  wechselnden 
Händen  bis  in  den  Beginn  des  15.  Jh.  fortgesetzt  worden, 
wenngleich  man  ohne  weiteres  hervorheben  muss,  dass  nur 
eine  geringe  Anzahl  von  Notizen  in  das  15.  Jh.  fällt. 
Von  den  Noten ,  die  fast  ausschliesslich  mit  schwarzer 
Tinte  niedergeschrieben  sind,  sind  nur  einige  wenige,  welche 
besonders  hervorragende  Persönlichkeiten  betreffen,  mit 
roter  Tinte  verzeichnet.  Nicht  blos  die  Arbeit  der  ersten 
Hand  ist  als  eine  sehr  reinliche  und  sorgfältige  zu  be- 
zeichnen, sondern  auch  deren  Fortsetzung  durch  spätere 
Hände  ist  entschieden  sorgsam  durchgeführt. 

Sonderbarer  Weise  wurde  in  Klosterneuburg  um  das 
Jahr  1370,  bestimmt  vor  1374  ein  neues  N.  angelegt, 
welches  uns  in  der  Pergamenths.  626  der  Stiftsbibliothek 
in  Folioformat  auf  fol.  112' — 173  erhalten  ist.  Dass  diese 
vor  1374  angelegt  wurde,  geht  daraus  hervor,  dass  der  am 
20.  Sept.  1374  verstorbene  Otto  von  Tulln  hier  schon  von 
einer  späteren  Hand  nachgetragen  ist.  Die  Anlage  dieses 
sehr  sorgfältig  verfassten  N.  ist  dieselbe  wie  im  Codex  79 
mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass  die  Sonntagsbuch- 
staben abwechselnd  mit  roter  und  blauer  Tinte  geschrieben 
sind.  Die  Hand  des  Verfassers  hat  das  in  Codex  79  ihm 
vorliegende  N.  kopiert,  jedoch  nicht  alle  Eintragungen  des 
Codex  79  herübergenommen.  Das  Linienschema  ist  mit 
brauner  Tinte  gezogen.  Der  Umstand,  dass  auch  hier  ein 
Martyrologium  dem  N.  vorausgeht,  weist  auch  hier  wieder 
auf  den  liturgischen  Zweck  hin.  Unklar  hingegen  er- 
scheint der  Zweck  dieser  Neuanlage  des  N.  überhaupt,  da 
doch  das  ältere  N.  in  Codex  79  trotz  dieser  Neuanlage 
eines  N.  von  wechselnden  Händen  bis  in  den  Beginn  des 
15.  Jh.  fortgesetzt  wurde,  während  gerade  die  Kopie  in 
Codex  626  nur  sehr  wenige  Nachträge  von  späteren  Händen 
aufweist,  obgleich  hinreichend  Raum  hierfür  in  der  Hs. 
geboten  war.  Fast  hat  es  den  Anschein,  dass  dieses  N. 
nicht  für  das  Stift  selbst,,  sondern  für  irgend  einen  Em- 
pfänger bestimmt  war  und  diesem  zu  weiterem  Gebrauche 
dienen  sollte.  Die  sorgfältige  Schrift  und  Anlage  legt 
dies  nahe.  Auch  die  Zeit  der  Abfassung  möchte  fast 
darauf  hinweisen,  dass  es  etwa  für  das  um  diese  Zeit  neu 
gegründete  Kollegiatkapitel  an  der  Kirche  zu  Alienheiligen 
(später  Domkapitel  zu  St.  Stephan)  in  Wien  bestimmt  sein 
mochte,  dass  es  etwa  auf  Wunsch  Rudolfs  IV.  für  dasselbe 
hergestellt    wurde,    aber    dann    aus    unbekannten    Gründen 


740  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

die  Uebergabe  und  Ingebrauchnahme  seitens  desselben 
unterblieb.  Der  um  die  Veröffentlichung  der  Kloster- 
neuburger  Geschichtsquellen  sehr  verdiente  Chorherr  Dr. 
Hartmann  Zeibig  hat  dieses  N.  seiner  Ausgabe  des  Kloster- 
neuburger  N.  zu  Grunde  gelegt,  weshalb  dieselbe  leider 
als  unzureichend  betrachtet  werden  muss. 

Ein  weiteres  für  unsere  Zwecke  sehr  wichtiges  N. 
liegt  uns  in  Codex  80  der  Klosterneuburger  Stiftsbibliothek 
auf  Pergament  in  Folio  vor,  welches  auf  49  Folien  ge- 
schrieben erscheint.  Der  Codex  enthält  neben  dem  Mar-  ■ 
tjrologium  auch  ein  Evangeliar  mit  den  Sonn-  und  Feier-  1 
tagsperikopen,  die  dem  N.  in  der  Hs.  vorangehen,  und  ist, 
soweit  das  N.  in  Betracht  kommt,  im  Jahre  1421,  wie  der 
Autor  selbst  in  einer  kurzen  Einleitung  angibt,  in  der  Art 
angelegt,  dass  die  Noten  des  Codex  79  vorerst  kopiert  und 
dann  von  wechselnden  Händen  bis  ins  17.  Jh.  fortgesetzt 
eingetragen  wurden.  Dieser  Hs.  liegt  das  gleiche  Schema 
wie  in  Cod.  79  zu  Grunde. 

Ein  viertes  N.,  das  aber  für  unsere  Arbeit  und  Zweck 
nicht  mehr  in  Betracht  kommt,  ist  in  Codex  1247  der 
Stiftsbibliothek  erhalten,  im  Jahre  1649  angelegt  und 
stellt  sich  als  eine  Abschrift  des  N.  "in  Codex  80  dar, 
welche  von  1649  an  von  verschiedenen  Händen  originaliter 
weitergeführt  wurde.  Nur  eine  kleine  Neuerung  tritt  uns 
da  entgegen ,  nämlich  die ,  dass  wir  hier  nicht  mehr 
römische,  sondern  moderne  Datierung   angewendet   finden. 

TJeberblicken  wir  das  in  den  3  in  Betracht  kom- 
menden Hss.  uns  vorliegende  Material,  so  muss  man  ge- 
stehen, dass  in  Klosterneuburg  die  Nekrologien  mit  sel- 
tener Beharrlichkeit  vom  Beginne  des  14.  Jh.  bis  in  die 
neueste  Zeit  sorgfältig  geführt  wurden,  ja  Codex  79  lässt 
uns  desgleichen  den  Schluss  auf  eine  sorgfältige  Vorlage 
desselben,  nämlich  das  uns  verloren  gegangene  N.  des  12. 
und  13.  Jh.,  machen.  Alle  NN.  dieses  Stiftes  sind  von 
mir  in  eine  Arbeit  zusammengefasst,  jedoch  so,  das  Codex  79 
der  Kürze  halber  alsA,  Codex  626  als  B,  Codex  80  als  C 
bezeichnet  wird.  Der  Umstand,  dass  die  Hss.  durchaus 
derart  angelegt  sind,  dass  für  spätere  Eintragungen  reich- 
haltiger Raum  vorhanden  war,  lässt  die  Vermutung  zu, 
dass  abgesehen  etwa  von  üngenauigkeiten  des  jeweiligen 
Schreibers  die  meisten  Einträge  an  richtiger  Stelle  ge- 
macht wurden ,  da  durch  den  freien  Kaum  zumeist  die 
Möglichkeit  hierzu  geboten  war.  Nur  selten  dürfte  die 
das  N.  führende  Hand  durch  Raummangel  genötigt  ge- 
wesen sein,  Todesfälle  auf  ein  anderes  Datum  zu  verlegen. 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder- Oesterreichs.       741 

Erst  zu  Ende  des  15.  und  Beginn  des  16.  Jh.  beginnt  der 
sonderbare  Brauch,  dass  wiederholt  an  einem  Tage  eine 
grössere  Anzahl  von  Verstorbenen  eines  Stiftes  von  einer 
Hand  gleichzeitig  eingetragen  ist.  Dies  dürfte  wohl  darin 
seinen  Grund  haben,  dass  der  Rottelträger  des  betreffenden 
Stiftes  nicht  nach  jedem  einzelnen  Todesfalle  von  dem- 
selben behufs  Mitteilung  an  die  konfoederierten  Stifter 
ausgesendet  wurde,  sondern  wegen  der  ansehnlichen  Reise- 
auslagen, die  man  damals  offenbar  stark  in  Erwägung  zog, 
zuweilen  nach  jedem  Jahre,  manchmal  sogar  erst  nach 
Ablauf  von  mehreren  Jahren  mit  dem  Rotulus  abgesendet 
wurde.  Nur  so  ist  es  erklärlich,  wenn  eine  grössere  Reihe 
von  Verstorbenen  bis  zu  6,  8  und  10  von  einer  Hand 
gleichzeitig  an  einem  Tage  verzeichnet  ist.  Jedenfalls 
hat  diesfalls  die  das  N.  führende  Hand  alle  im  Rotulus 
verzeichneten  Todesfälle  einfach  ohne  Rücksicht  auf  die 
sicherlich  darin  auch  angegebenen  verschiedenen  Todestage 
der  einzelnen  Verstorbenen  am  Tage  der  Ankunft  des 
'baiulus'  oder  an  einem  der  nächsten  Tage,  der  für  um- 
fangreichere Einträge  genügend  freien  Raum  darbot,  auf- 
gezeichnet. 

Eine  nicht  unwesentliche  Ergänzung  erhalten  die 
zahlreichen  Klosterneuburger  Nekrologien  durch  die  zwei 
bisher  unedierten  'libri  oblationum  et  anniver- 
sariorum',  von  welchen  der  ältere  in  Cod.  625  der 
Klosterneuburger  Stiftsbibliothek  auf  Papier  in  Gross -4^ 
auf  23  Folien  in  einem  Umschlage  aus  Pergament  ent- 
halten ist.  Diese  Hs.  ist  zu  Ende  des  14.  Jh.  von  sorg- 
samer Hand  angelegt  und  enthält  die  oblationes  und 
anniversaria  auf  einem  mit  brauner  Tinte  gezogenen  Linien- 
schema, in  welchem  links  die  Sonntagsbuchstaben  mit 
schwarzer,  die  Monatsauf  Schriften,  die  römische  Datierung 
und  die  Heiligenfeste  mit  roter  Tinte  geschrieben  sind. 
Für  jeden  einzelnen  Tag  ist  eine  Querkolumne  bereit 
gestellt. 

Bemerkenswert  ist  jedoch  hier  die  Erscheinung,  dass 
schon  kurze  Zeit  darnach,  nämlich  zu  Beginn  des  15.  Jh., 
ein  neuer  'liber  oblationum  et  anniversariorum'  in  Kl. -4° 
verfasst  wurde.  Dieser  wird  heute  als  Hs.  B,  historische 
Denkmale  n.  38,  im  Stiftsarchive  aufbewahrt  und  ist  eine 
Pergamenths.,  die  übrigens  leider  beschädigt  ist,  da  fol.  14 
herausgerissen  ist,  auf  welchem  die  Tage  vom  2. — 15.  Juli 
aufgezeichnet  waren.  Er  erscheint  sehr  sorgfältig  ge- 
arbeitet und  weicht  vielfach  von  Codex  625  ab.  Man 
kann  wohl  annehmen,    dass  sich  der  Autor  hier  zwar  viel- 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  48 


742  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

fach  auf  Codex  625  stützte,  sich  aber  dennoch  von  der 
Vorlage  grösstenteils  unabhängig  hielt.  Was  war  nun  der 
Grund  zur  Abfassung  dieses  Codex?  Wohl  kein  anderer 
als  der,  dass  trotz  der  Sorgfalt  die  Arbeit  in  Cod.  625 
dennoch  unzulänglich  war,  da  nicht  alle  Jahrtage,  die  bis 
dahin  gestiftet  waren ,  ihre  Aufnahme  fanden ,  wodurch 
die  Neuzusammenstelluug  der  Jahrtagstiftungen  und  ge- 
widmeten Oblationes  so  bald  notwendig  wurde.  Dieser 
Umstand  hat  offenbar  den  Autor  der  jüngeren  Hs.  dazu 
bewogen,  sich  nicht  unbedingt  an  die  ältere  Vorlage  zu 
halten. 

Ausserdem  kommen  in  der  Klosterneuburger  Stifts- 
bibliothek noch  4  Hss.  in  Betracht.  Es  sind  dies  durch- 
aus liturgische  Bücher  und  zwar  ein  Missale  und  3  Bre- 
viarien,  welchen  jedesmal  ein  Kalendar  vorausgeht,  in  dem 
sich  nekrologische  Notizen  aufgezeichnet  finden,  welche 
unediert  sind.  So  liegt  in  Codex  967  auf  Pergament  in 
KL- 8*^  das  Brevier  des  Klosterneuburger  Propstes  Simon 
Heundel  aus  der  Mitte  des  15.  Jh.  vor,  in  dessen  Kaien- 
dare auf  fol.  2 — 7  einzelne  Notizen  aus  der  Zeit  von  1440 
— 1450  eingetragen  sind,  welche  Verwandte  und  dem  In- 
haber des  Breviers  offenbar  sehr  nahestehende  Personen 
betreffen.  Ich  führe  sie  der  Kürze  halber  mit  A  ein. 
Nicht  minder  interessant  ist  der  Umstand ,  dass  der 
Codex  609  auf  Pergament  in  K1.-4*'  das  Missale  des  be- 
kannten Humanisten  und  Klosterneuburger  Chorherrn 
Wolfgang  Winthager  mit  einem  vorausgehenden  Kaiendare 
enthält,  auf  dessen  fol.  3  —  8  nekrologische  Notizen 
aus  der  Mitte  des  15.  Jh.  von  der  Hand  Winthagers  ver- 
zeichnet sind ,  die  die  Todestage  einzelner  ihm  nahe- 
stehender Persönlichkeiten  anführen.  Ich  bezeichne  sie 
mit  B.  Als  nächste  Hs.  kommt  Codex  1191  in  Kl. -8^', 
ebenfalls  ein  Brevier,  in  Betracht,  das  auf  fol.  9 — 15  ein 
Kalendar  enthält,  in  dem  sich  einige  Eintragungen  aus 
dem  Beginne  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.  vorfinden,  die 
von  Bedeutung  sind.  Dasselbe  gehörte  dem  Strassburger 
Propste  Petrus  Semler.  Ich  fasse  diese  Notizen  unter  C 
zusammen.  Desgleichen  liegt  uns  in  Codex  1169  auf 
Pergament  in  Kl. -8*^  gleichfalls  ein  Brevier  vor,  in  dessen 
Kaiendare  auf  fol.  1  —  6  nekrologische  Notizen  aus  dem 
Beginne  des  16.  Jh.  eingeschrieben  sind.  Ich  füge  sie 
unter  D,  der  Zusammenfassung  der  Noten  aller  4  Hss.,  ein. 

Kein  Zweifel  besteht  wohl  darüber,  dass  auch  das 
Cistercienserstift  Heiligenkreuz  einst  an 
Nekrologien   reich   war.      Leider   aber    ist    "uns    nur    mehr 


I 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       743 

Weniges  davon  erhalten.  Vom  ältesten  N.  liegen  uns 
heute  nur  noch  einige  Fragmente  vor,  welche  von  Zeiss- 
berg  in  der  Zeitschrift  f.  österreichische  Gymnasien 
XXVIII,  1 — 11  ediert  und  in  einer  gelehrten  Unter- 
suchung als  Reste  des  ältesten  Heiligenkreuzer  N.  an- 
gesprochen worden  sind.  Sie  sind  uns  in  4  Folien  er- 
halten, von  welchen  je  eines  in  den  beiden  Codices  1508 
und  2340  der  Wiener  k.  k.  Hofbibliothek  auf  Per- 
gament vorne  und  rückwärts  als  Schutzblätter  angeklebt 
waren,  heute  aber  losgelöst  sind.  Bedauernswert  ist  nur 
der  Umstand,  dass  sie  bei  dieser  eigenartigen  Verwendung 
arg  beschädigt,  die  einen  am  oberen  Eande,  die  anderen 
am  unteren  Eande  und  am  Seitenrande  beschnitten  wurden. 
Die  4  Folien  erweisen  sich  als  zu  einem  N.  gehörig,  welches 
auf  Pergament  in  Gross -4^  in  der  zweiten  Hälfte  des 
12.  Jh.  verfasst  und  bis  in  die  sechziger  Jahre  des  13.  Jh. 
weitergeführt  wurde.  Die  Aufzeichnungen  rühren  von 
lauter  verschiedenen  Händen  her,  so  dass  eine  erste  Hand 
überaus  schwer  zu  unterscheiden  ist  und  die  Einträge  von 
den  späteren  Händen  von  denen  der  ersten  Hand  kaum 
zu  trennen  sind.  Die  Hs.,  der  ein  mit  brauner  Tinte  ge- 
zogenes Linienschema  zu  Grunde  liegt,  ist  derart  angelegt, 
dass  der  StofE  der  nekrologischen  Notizen  in  4  Kolumnen 
verteilt  wurde,  die  immer  auf  zwei  einander  zugekehrten 
Seiten  aufgetragen  sind,  und  zwar  enthält  die  1.  die 
Monachi  (M.),  die  2.  die  Novitii  (NOV.),  die  3.  die  Fratres 
(FR.),  die  4.  die  Familiäres  (FAM.).  Es  erscheinen  von 
denselben  auf  der  linken  Seite  stets  die  Monachi  und 
Novitii  ohne  Abteilung  eingetragen,  während  auf  der 
rechten  Seite  die  Kolumnen  der  Fratres  und  Familiäres 
durch  Vertikallinien  abgeteilt  sind. 

Jedoch  sind  die  Fragmente  derart  unvollständig,  dass 
von  keinem  Tage  alle  vier  Kolumnen  vorliegen,  sondern 
entweder  nur  die  zwei  ersten  oder  die  zwei  letzten.  Die 
Aufschriften  sind  mit  roter  Tinte  in  Majuskel  hergestellt. 
Die  zwei  Folien  der  Hs.  1508  sind  oben  und  am  rechten 
Rande  beschnitten,  so  dass  vor  allem  da  die  Aufschriften 
fehlen.  Die  zwei  Blätter  der  Hs.  2340  sind  hingegen 
unten  und  am  rechten  Rande  beschnitten,  wodurch  in  der 
Kolumne  der  Familiäres  einige  Notizen  verloren  gegangen 
sind.  Das  N.  muss  37  Folien  umfasst  haben  und  be- 
deutend breiter  gewesen  sein  als  die  beiden  Hss.,  welchen 
die  Folien  beigebunden  wurden.  Es  war  nicht  blos  sorg- 
fältig angelegt,  sondern  auch  geführt.  So  sind  uns  denn 
also  blos  die  Tage  vom  11. —  30.  Jänner,  vom   10.  Februar 

48* 


744  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

—  1.  März,  vom  19.  August  —  7.  September,  vom  28.  Ok- 
tober —  16.  November  und  diese  nur  unvollständig  er- 
halten. Das  N.  mag  ursprünglich  mit  einem  Martyrologium 
zu  einer  Hs.  vereinigt  gewesen  sein. 

Ausser  diesen  Fragmenten  besteht  in  Heiligenkreuz 
nur  mehr  ein  N.  in  einer  verhältnismässig  späten  Be- 
arbeitung in  einer  Hs.,  welche  in  den  Jahren  1628 — 1638 
vom  damaligen  Stiftsprior  Mathias  Graf  von  Palffy  an- 
gelegt wurde.  Demselben  muss  ein  älteres,  uns  verloren 
gegangenes  N.,  welches  von  dem  ältesten,  uns  nur  mehr 
fragmentarisch  erhaltenen  N.  verschieden  war,  zur  Vorlage 
gedient  haben,  aus  welchem  viele  Notizen  in  dieses 
heriibergenommen  wurden.  Dieses  N.  wird  bis  in  unsere 
Zeit  fortgesetzt  und  dient  heute  noch,  wie  mir  von  Dr. 
Florian  Watzl  versichert  wurde,  zum  täglichen  Gebrauche 
im  Chore.  Dieses  N.  zeigt  mit  dem  ältesten  N.  gar  keine 
Berührungspunkte. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  in  der  Zeit  von  c.  1260 
— 1626  blos  eines  oder  mehrere  N.  geführt  wurden  und  im 
Stifte  einstmals  vorlagen.  Es  erwähnt  P.  Jodocus  in  einer 
Aufzeichnung  vom  Jahre  1516,  wie  mir  mein  geehrter 
Freund  Dr.  Florian  Watzl  mitteilte,  ein  Necrologium 
antiquum,  das  aber  von  dem  von  Zeissberg  zuerst  ent- 
deckten N.  antiquissimum  unbedingt  verschieden  sein 
muss.  Da  nun  Prior  Graf  Palffy  erst  1626  sein  N.  an- 
zulegen begann,  um  1516  jedoch  ein  N.  als  antiquum, 
wohl  damals  schon  ausser  Gebrauch  stehend ,  erwähnt 
wird,  so  kann  wohl  die  Annahme  nicht  von  der  Hand  ge- 
wiesen werden,  dass  zwischen  dem  N.  antiquissimum  und 
dem  Palffys  von  1626  zwei  NN.  liegen  müssen,  die  uns 
heute  leider  nicht  mehr  erhalten  sind.  Das  im  Jahre  1516 
erwähnte  N.  antiquum  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
das  zweite  in  Heiligenkreuz  geführte  N.  gewesen  und  mag 
etwa  die  Zeit  von  1260  an  bis  ans  Ende  des  14.  oder 
Beginn  des  15.  Jh.  umfasst  haben. 

Einen  Auszug  aus  dem  N.  des  Priors  Graf  Palffy, 
welches  Georg  Lanz  mit  zahlreichen  gelehrten  Noten  ver- 
sehen im  Archive  für  österr.  Geschichte  LXXXIX,  245  ff. 
veröffentlichte,  enthält  auch  der  Göttweiger  Codex  ms.  29 
(Nekrologiencodex),  der  aber  für  unsere  Ausgabe  belanglos 
erscheint.  Auch  das  Palffysche  N.  hat  eine  Einteilung 
des  nekrologischen  Stoffes  in  4  Kolumnen,  in  deren  1.  die 
Imperatores  und  Reges ,  in  deren  2.  die  Episcopi  und 
Abbates  aufgenommen  sind,  während  in  der  3.  die  Monachi 
und  in  der  4.  die  Laici  aufgezeichnet  sind. 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       745 

Eine  andere  nekrologisehe  Quelle  liegt  uns  in  dem 
'liber  pitantiarum  et  anniversariorum'  vor, 
welcher  als  'Calendarium  S.  Crucis  consolatorium'  um  1688 
von  P.  Georg  Strobl  verfasst  und  dessen  Castrosolium 
S.  Crucis  cenotaphicum  betitelten  Werke  auf  fol.  113' — 
124  als  Anhang  inseriert  wurde.  Diese  Hs.  auf  Papier  in 
Eolio  wird  ohne  Signatur  im  Heiligenkreuzer  Archive  auf- 
bewahrt. Die  Pitanzen  wurden  gleichfalls  von  Lanz  in 
Studien  und  Mitteilungen  des  Benediktiner-  und  Cister- 
cienserordens  XIX,  390  ff.  und  562  ff.  veröffentlicht.  Für 
unsere  Zwecke  kommen  jedoch  nur  die  Anniversarien  in 
Betracht,  zu  deren  Bearbeitung  der  Autor  des  Castrosolium 
P.  Georg  Strobl  offenbar  eine  ältere  Hs.  benutzt  hat. 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  dieser  Forschungen  kurz 
zusammen,  so  stellt  sich  trotz  des  beträchtlichen,  uns  vor- 
liegenden Stoffes  dennoch  die  nicht  zu  leugnende  bedauer- 
liche Tatsache  heraus,  dass  von  einer  ziemlich  grossen 
Anzahl  von  Stiftern  und  Klöstern,  die  in  Wien  und  in 
dem  Bereiche  der  heutigen  Wiener  Erzdiözese  gelegen 
waren,  besonders  von  den  aufgehobenen,  die  Nekrologien 
verloren  gegangen  oder  verschollen  sind.  Ja  selbst  von 
einer  ßeihe  von  heute  noch  bestehenden  Stiftern  mit  Aus- 
nahme von  Klosterneuburg  und  der  Wiener  Minoriten- 
konventualen  sind  sehr  wertvolle  Hss.  in  Verlust  geraten. 
Auch  das  Wiener  erzbischöfliche  Konsistorialarchiv  soll 
einer  gütigen  Mitteilung  des  Herrn  Prälaten  und  Kanzlei- 
direktors Franz  Kornheisl  gemäss  keine  nekrologischen 
Hss.  der  aufgehobenen  Stifter  und  Klöster  enthalten. 
Wohl  verwahrt  die  k.  k.  Hofbibliothek  in  Wien 
mehrere  nekrologische  Hss. ,  aber  auch  hier  scheint  ein 
von  Bernhard  Pez  im  18.  Jh.  noch  gekanntes  N.  der 
Schotten  in  Wien  verloren  gegangen  zu  sein.  Wenigstens 
war  es  für  mich  unauffindbar.  Die  übrigen  öffentlichen 
Archive  und  Bibliotheken  enthalten  mit  einziger  Aus- 
nahme des  Niederösterreichischen  Landesarchives,  in  dem 
der  Liber  sepulcrorum  der  Wiener  Minoriten  aufbewahrt 
wird,  keine  derartigen  Hss. 


Diözese  St.  Polten. 

Günstiger  stellt  sich ,  was  die  nekrologischen  Hss. 
betrifft,  die  Lage  in  dem  Bereiche  dieser  Diözese  dar,  da 
die  alten  Stifter  und  Klöster  ihre  NN.  etwas  besser  er- 
halten  haben ,    wenn   man   auch    hier   das    bedauernswerte 


746  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

Geständnis  machen  muss,  dass  gerade  von  den  ältesten 
und  ersten  NN.  derselben  nur  wenige  und  diese  vielfach 
nur  fragmentarisch  auf  uns  gekommen  sind. 

So  war  zweifellos  das  Benediktinerstift 
Göttweig  einstmals  sehr  reich  an  Nekrologien ,  von 
welchen  nur  mehr  Fragmente  des  ältesten  N.  in  zwei  von 
Codices  abgelösten,  stark  beschädigten  Deckblättern  vor- 
liegen, die  im  Archive  des  Benediktinerstiftes  Melk  zur 
Zeit  aufbewahrt  werden.  Sie  stammen  aus  der  Mitte  des 
12.  Jh.  und  deuten  in  ihrer  Form  darauf  hin,  dass  das  N. 
in  Kl. -4^  angelegt  war.  Demselben  lag  ein  Linienschema 
zu  Grunde,  welches  mit  blinden  Linien  aufgetragen  ist. 
In  dasselbe  waren  links  die  Novilunien  und  die  Wochentags- 
buchstaben mit  schwarzer  Tinte  verzeichnet,  während  der 
römische  Kalender  und  Festkalender  sich  mit  roter  Tinte 
geschrieben  daran  reihen.  An  diesen  schlössen  sich  nun 
die  nekrologischen  Notizen,  für  welche  an  jedem  Tage  ein 
grösserer  Raum  in  der  Breite  des  Foliums  frei  blieb. 
Diese  sind  ohne  jede  Unterscheidung  aufgezeichnet,  so 
zwar  dass  Priester,  Nonnen,  Laienbrüder,  Wohltäter  nach 
der  Reihenfolge  der  Todesjahre  durch  einander  ein- 
geschrieben wurden.  Von  diesen  2  Blättern,  die  auf 
Bücherdeckeln  inwendig  aufgeklebt  waren ,  ist  das  erste 
Blatt,  welches  die  Tage  vom  7. — 18.  September  enthält, 
am  linken  Rande  beschädigt,  so  dass  von  den  ersten  Tagen 
des  Monats  September  und  auch  von  den  späteren  Tagen 
desselben  Monats  Eintragungen  fehlen.  Vom  zweiten 
Blatte  ist  uns  überhaupt  nur  ein  schmaler  Längsstreifen 
erhalten,  auf  dessen  einer  Seite  nur  mehr  die  Novilunien, 
die  Wochentagsbuchstaben  und  die  Datierung  erhalten  sind, 
während  auf  der  anderen  Seite  nur  noch  einzelne  Ein- 
tragungen vorhanden  sind,  deren  zeitliche  Feststellung  nicht 
mehr  möglich  ist. 

Diese  Hs.,  welche  mit  ihren  Noten  nur  bis  zum  Ende 
des  12.  Jh.  reicht,  enthält  einen  nicht  unbeträchtlichen 
Grundstock  von  nekrologisehen  Noten,  die  von  der  ersten 
Hand  eingetragen  sind,  was  darauf  hinweist,  dass  der 
Autor  aus  einem  älteren  N.  schöpfte,  das  entweder  in 
einem  Martyrologium  in  der  Form  von  Randnoten  ver- 
zeichnet war,  oder  aber,  was  wohl  auch  viel  Wahrschein- 
lichkeit für  sich  hat ,  schon  ein  N.  in  aller  Form  war. 
Wenigstens  lässt  die  hervorragende  geistige  und  reforma- 
torische Tätigkeit,  welche  zu  Ende  des  11.  und  zu  Beginn 
des  12.  Jh.  in  Göttweig  entfaltet  wurde  und  von  da  aus 
weite   Kreise   in  Oesterreich   und   ausserhalb   desselben   in 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       747 

seinen  Bereich  zog,  mit  ziemlicher  Gewissheit  darauf 
schliessen,  dass  man  auch  in  liturgischer  Hinsicht  nichts 
verabsäumte,  da  diese  bei  der  Erneuerung  der  Mönchs- 
disziplin doch  in  erster  Linie  stand.  Dass  man  nun  um 
die  Mitte  des  12.  Jh.  ein  neues  N.  hier  anlegte,  mag  viel- 
leicht auf  den  Göttweiger  Abt  Wernher  (1150 — 1155)  zu- 
rückzuführen sein,  welcher  1150  ins  Stift  berufen  wurde 
und  die  damals  gerade  wieder  etwas  in  Verfall  geratene 
Disziplin  wiederherstellte.  Als  Reformator  mochte  er  auch 
die  Neuanlage  des  N.  besorgt  oder  veranlasst  haben. 

Ausserdem  liegt  uns  nur  mehr  das  N.  der  Gött- 
weiger Benediktiner-Nonnen  vor ,  das  um 
1500  im  Auftrag  des  Göttweiger  Abtes  Mathias  I.  verfasst 
und  den  Nonnen  zum  liturgischen  Gebrauche  am  20.  März 
1505  überreicht  wurde.  Diese  Hs.  zeigt  schon  eine  Ab- 
teilung des  nekrologischen  Stoffes,  indem  in  zwei  Kolumnen 
und  zwar  in  der  1.  die  Monachi  und  Laici,  in  der  2.  die 
Sorores  und  Laicae  eingetragen  sind.  Dieser  Codex  wurde 
von  denselben  bei  ihrer  [Jebersiedelung  von  Göttweig  in 
das  Cisterziensernonnenkloster  St.  Bernhard  bei  Hörn  1557 
mitgenommen  und  kam  von  da  nach  der  Auflassung  dieses 
Klosters  in  das  Stift  Altenburg  bei  Hörn,  wo  er  heute 
noch  aufbewahrt  wird.  Die  Hs.  ist  in  Kl. -4°  auf  193 
Folien  verfasst  und  enthält  alle  jene  liturgischen  Auf- 
zeichnungen, welche  für  das  Nonnenkloster  von  Wichtig- 
keit und  Wert  waren,  also  das  Kalendar,  ein  Jahrtags- 
verzeichnis, eine  zusammenfassende  Darstellung  der  Gebets- 
verpflichtungen der  Nonnen  beim  Tode  von  Mönchen, 
Nonnen  und  konföderierten  Persönlichkeiten,  eine  Abschrift 
des  Einkleidungs-  und  Professritus,  ein  Martyrologium  und 
endlich  eine  deutsche  üebersetzung  der  Beuediktinerregel. 
Leider  hat  sie,  die  gewiss  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jh. 
noch  vollständig  war,  seit  dieser  Zeit  durch  eine  bar- 
barische Hand,  welche  fol.  48,  fol.  84—106,  fol.  118—130 
herausschnitt,  um  sie  etwa  zum  Verschliessen  von  Kompott- 
gläsern zu  verwenden,  arg  gelitten.  Jedoch  hat  es  uns  ein 
besonders  günstiger  Umstand  ermöglicht,  das  beschädigte 
N.  zu  ergänzen,  da  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jh.  in  Gött- 
weig eine  Abschrift  desselben  genommen  wurde,  die  in 
Codex  29  des  Göttweiger  Manuskriptenkabinettes  (Nekro- 
logiencodex)  erhalten  ist,  so  dass  der  fehlende  Teil,  das 
ist  die  Zeit  vom  1.  Januar  bis  10.  Mai,  daraus  ergänzt 
werden  konnte. 

Ueber  dieses  N.  habe  ich  schon  bei  der  ersten  Aus- 
gabe desselben  als  Anhang  zu  meinem  Göttweiger  Urkunden- 


748  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

buch  (Fontes  rerum  Austriac.  LV,  849  —  870)  gehandelt 
und  bin  damals  bei  dessen  eingehender  Untersuchung  zum 
Schlüsse  gekommen,  dass  demselben  drei  Nekrologien  vor- 
angegangen sein  müssen  (vgl.  ebenda  S.  868).  Ich  setzte 
damals  ohne  die  von  Keiblinger  zuerst  veröffentlichten 
Fragmente  (Geschichte  des  Benediktinerstiftes  Melk  1, 
1163  — 1165)  näher  identifiziert  zu  haben,  was  übrigens 
auch  Keiblinger  selbst  nicht  vermochte,  das  älteste  N.  als 
bis  in  den  Beginn  des  13.  Jh.  reichend  an,  nahm  für  ein 
zweites  die  Zeit  vom  Beginn  des  13.  bis  zu  Ende  des 
14.  Jh.  in  Anspruch  und  vermutete,  dass  ein  3.  N.  vom 
Ende  des  14.  Jh.  bis  zur  Zeit  der  zwei  Kompilatoren  des 
Nonnennekrologiums,  d.  i.  bis  1500,  denselben  vorgelegen 
war.  Heute  ist  durch  die  genaue  Identifizierung  der  beiden 
Melker  Fragmente  in  dieser  Untersuchung  mit  dem  ältesten 
Göttweiger  N.  schon  ein  fester  Boden  gewonnen,  während 
ich  damals  auf  Konjekturen  angewiesen  war.  Es  deckt 
sich  meine  damalige  Annahme  betreffs  der  Zeitdauer  des 
ersten  und  ältesten  N.  so  ziemlich  mit  der  nun  wirklich 
festgestellten  Zeitdauer  desselben,  wie  die  Fragmente 
zeigen,  da  diese  Hs.  bis  ans  Ende  des  12.  Jh.  tatsächlich 
reichte,  während  ich  seiner  Zeit  auf  Grund  meiner  Kon- 
jekturen ihren  terminus  ad  quem  mit  dem  Beginne  des 
13.  Jh.  annahm.  Betreffs  der  kritischen  Untersuchung  des 
Göttweiger  Nonnennekrologiums  verweise  ich  deshalb  auf 
meine  dortige  Untersuchung.  Gerade  dieser  überaus 
günstige  Umstand  lässt  nun  auch  meine  damaligen  An- 
nahmen betreffs  der  zwei  weiteren  NN.  als  ziemlich  be- 
gründet erscheinen. 

An  dieses  N.  reiht  sich  die  Ausgabe  des  J  a  h  r  - 
tagsverzeichnisses,  wie  dasselbe  in  dem  Codex 
des  Nonnen -N.  enthalten  ist  und  wie  es  von  mir  im  An- 
schlüsse an  das  N.  in  Fontes  rer.  Austriac.  LV,  954  ff. 
veröffentlicht  wurde.  Dass  ich  die  beiden  Melker  Frag- 
mente als  Rest  des  ältesten  Göttweiger  N.  anspreche,  be- 
ruht auf  dem  glücklichen  Umstände,  dass  sich  gerade  in 
den  Noten  der  wenigen  Tage,  die  uns  davon  noch  vor- 
liegen, eine  Reihe  von  Persönlichkeiten  verzeichnet  sind, 
welche  sich  unzweifelhaft  auf  Grund  von  vergleichenden 
Untersuchungen  mit  Hülfe  der  Göttweiger  Traditionsbücher 
als  Göttweiger  Mönche  und  Angehörige  von  Familien  er- 
weisen, die,  wie  z.  B.  die  Herren  von  Kilb,  Minnenpach 
(Imbach),  Zöbing,  Mühlbach  etc.,  mit  dem  Stifte  stets  in 
engster  Beziehung  standen,  so  dass  eine  Zuweisung  an  ein 
anderes    Stift     als    absolut     ausgeschlossen    gelten    muss. 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs,       749 

Durch  den  Umstand,  dass  dieses  N.  schon  bald,  bestimmt 
vor  Schluss  des  Mittelalters,  zerstört  wurde,  wie  die  als 
Schutzdeckel  verwendeten  Fragmente  sicher  beweisen,  wird 
auch  meine  in  Fontes  LV,  868  aufgestellte  Annahme  als 
richtig  erwiesen,  nämlich  dass  die  Kompilatoren  dieses  N. 
nicht  benutzten.  Ich  hatte  allerdings  dort  mich  in  meiner 
Beweisführung  auf  negative  Argumente  stützen  müssen, 
während  jetzt  auch  ein  positives  Moment  hierfür  gewonnen 
ist.  Es  konnte  den  Kompilatoren  nicht  mehr  vorliegen, 
da  es  schon  zerstört  war.  Offenbar  wurden  die  einzelnen 
Namen,  die  in  der  Kompilation  auf  das  erste  N.  hinweisen, 
von  diesem  in  die  späteren  NN.  übernommen,  von  wo  aus 
sie  die  Kompilatoren  allerdings  manchmal  sehr  fehlerhaft 
in  ihre  Kompilation  übertrugen. 

Als  ältestes  uns  vollständig  erhaltenes  N.  haben  wir 
das  N.  des  Ben  ediktin  er  stiftes  Melk  in  Be- 
tracht zu  ziehen.  Dasselbe  ist  im  Codex  486  der  Melker 
Stiftsbibliothek  in  Folio  auf  Pergament  auf  fol.  Ib  —  27a 
erhalten,  der  ausserdem  die  so  wertvollen  Annales  Melli- 
censes  enthält.  Dieses  ist  von  einer  Hand  aus  der  ersten 
Hälfte  des  12.  Jh.  c.  1143 — 1147,  die  auch  an  der  Arbeit 
der  Annales  gleichzeitig  beteiligt  war,  angelegt  und  von 
individuellen  Händen  bis  ins  14.  Jh.  fortgesetzt.  Wohl 
muss  sogleich  betont  werden,  dass  die  Eintragungen  aus 
dem  12.  Jh.  weitaus  zahlreicher  sind  als  die  der  folgenden 
Jahrhunderte ,  was  wohl  auf  die  zeitweilige  Vernach- 
lässigung der  nekrologischen  Eintragungen  in  dieser  Zeit 
schliessen  lässt.  Aus  dem  15.  Jh.  finden  sich  gar  keine 
Einträge,  aus  dem  16.  Jh.  nur  wenige  vor.  Das  N.  ist 
auf  12  auf  einander  folgenden  Seiten  aingelegt,  so  dass  je 
eine  Seite  für  einen  Monat  beansprucht  ist,  und  hat  ein 
Kalendar  zur  Grundlage,  das  am  linken  Bande  eingetragen 
ist,  während  rechts  daran  sich  die  Noten  schliessen.  Das 
Linienschema  ist  blind  aufgetragen.  Das  Kalendar  ver- 
zeichnet die  Epakten,  den  römischen  Kalender  (diesen  rot 
geschrieben),  die  Sonntagsbnchstaben  und  die  Heiligenfeste. 
Von  den  Sonntagsbuchstaben  ist  A  stets  rot  geschrieben. 
Im  Kaiendare  finden  sich  auch  einige  Noten  über  den 
Beginn  der  Jahreszeiten  etc.  mit  roter  Tinte  geschrieben. 
Die  Hs.  ist  eine  sehr  sorgfältige.  Ueber  einzelnen  Noten 
des  12.  und  13.  Jh.  sind  von  späteren  Händen  über  der 
Zeile  ergänzende  Vermerke  nachgetragen.  Einzelne  nekro- 
logische Noten  hervorragender  Persönlichkeiten  sind  gleich- 
falls mit  roter  Tinte  geschrieben.  Die  Anlage  der  Hs. 
fällt   in   die  Regierungszeit   des  Melker  Abtes  Erchanfried 


750  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

und  es  liegt  nahe,  mit  der  Anlage  des  fast  gleichzeitigen 
Göttweiger  N.  eine  zeitliche  Beziehung  herzustellen,  so 
dass  beide  etwa  auf  eine  gemeinsame  Anregung  zurück- 
zuführen sein  mögen.  Sonderbarer  Weise  führt  dieses  N. 
fast  nur  Melker  Mönche  und  Nonnen ,  sowie  Wohltäter 
dieses  Stiftes  an.  Da  es  mit  den  Annales  zusammen  in 
einer  Hs.  erscheint,  so  scheint  hier  das  historische  Interesse 
bei  dessen  Abfassung  die  Hauptrolle  gespielt  zu  haben, 
was  sich  auch  aus  einem  anderen  Momente,  über  das  wir 
bald  handeln  werden,  ergibt.  Dieses  N.  wurde  zuerst  von 
dem  berühmten  Melker  Benediktiner  Hieronymus  Pez  in 
seinen  Scriptores  rer.  Austriac.  I,  304  ff.  veröffentlicht. 

Dass  obiges  N.  jedoch  nicht  das  eigentliche  im 
liturgischen  Gebrauche  stehende  ist,  beweisen  nur  zu 
deutlich  die  Fragmente  eines  anderen  fast  gleichzeitigen 
N.,  die  als  einzelne  Folien,  welche  einst  als  Deckblätter 
in  Codices  eingeklebt  waren  und  von  dort  abgelöst  wurden, 
nun  teils  in  der  Stiftsbibliothek,  teils  im  Stiftsarchive  auf- 
bewahrt werden.  Erstere  wurden  von  Dr.  Odilo  Holzer 
im  Jahresberichte  des  Melker  Gymnasiums  XXXXVI 
(1896),  50  ff.,  letztere  von  P.  Ignaz  Keiblinger  in  seiner 
Geschichte  des  Benediktinerstiftes  Melk  I,  1160  ff.  ver- 
öffentlicht. Dieses  N.  war  auf  Pergament  in  Kl. -4*^  um 
1160  verfasst  und  hatte  nach  dem  Bestände  der  Fragmente 
zu  schliessen  ursprünglich  einen  Umfang  von  118  Folien. 
Die  Anlage  war  derart,  dass  jede  Seite  durch  zwei 
romanische  Halbbogen  oben  und  durch  eine  schmale 
mittlere  Kolumne  und  2  Vertikallinien,  die  an  die  Bogen 
sich  anschliessen,  in  zwei  Kolumnen  abgeteilt  ist  nach  Art 
der  romanischen  Doppelfenster,  also  in  gewisser  Hinsicht 
ein  Schema  in  architektonischer  Gestaltung  zu  Grunde 
liegen  hat.  In  jeder  dieser  Kolumne  ist  nun  Raum  für 
die  Noten  je  eines  Tages  geschaffen,  so  dass  auf  je  einer 
Seite  zwei  Tage  zur  Darstellung  gelangen. 

Diese  Anlage  erinnert  einigermassen  an  die  alten 
Diptychen,  welche  auf  zwei  einander  gegenüberstehenden 
Seiten  die  Namenseintragungen  enthalten,  wenn  auch  die 
Faltung  der  Folien  der  Kommodität  halber  unterblieb. 
Auch  hier  tritt  uns  die  so  oft  beobachtete  Tatsache  ent- 
gegen, dass  von  der  Hand  des  Autors  ein  ganz  beträcht- 
licher Grundstock  von  nekrologischen  Noten  eingetragen 
ist,  der  jedenfalls  aus  einer  älteren  Vorlage  übernommen 
wurde.  Es  beweist  dies  sehr  deutlich,  dass  auch  in  Melk 
schon  vordem  fortlaufende  nekrologische  Aufzeichnungen 
gemacht  wurden,  die  der  Autor   dieses  N.   als  Quelle   und 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       751 

Vorlage  reichlich  benutzte.  Ob  wir  es  nun  in  dieser  uns 
nicht  mehr  überlieferten  Vorlage  mit  einem  Martjrologium 
mit  nekrologischen  Randnoten,  mit  einem  ausgesprochenen 
Nekrologium  oder  mit  einem  Kaiendare,  in  das  solche 
Noten  aufgenommen  wurden,  zu  tun  haben,  das  müssen 
wir  wohl  dahingestellt  sein  lassen.  Wohl  spricht  die 
kurze  Zeit  seit  der  Einführung  des  Benediktiner -Ordens 
in  Melk  bis  zur  Neuanlage  des  fragmentarisch  erhaltenen 
N.,  nämlich  zirka  80  Jahre,  wenigstens  dagegen,  dass  ein 
mit  hinlänglichem  Räume  ausgestattetes  N.  vorgelegen 
hatte.  Anderseits  spricht  der  Umfang  des  Grundstockes 
der  von  der  Hand  des  Autors  verzeichneten  Namen  fast 
gegen  die  Annahme  eines  Martyrologiums  mit  Randnotizen 
als  Vorlage,  da  diese  für  ein  Martjrologium  fast  schon  zu 
zahlreich  erscheinen.  Es  wäre  höchstens  an  die  Art  der 
Ausstattung  eines  solchen  zu  denken,  wie  es  uns  in  dem 
von  mir  neu  festgestellten  Mondseer  Martjrologium  in  der 
k.  k.  Hofbibliothek  in  Wien  mit  nekrologischen  Randnoten 
vor  Augen  tritt. 

Die  Hs.  wurde  dann  von  verschiedenen  Händen  bis 
ins  13.  Jh.  fortgesetzt  und  mit  dem  13.  Jh.,  obgleich,  wie 
die  Fragmente  zeigen,  an  jedem  Tage  noch  genügend 
Raum  für  weitere  Eintragungen  vorhanden  war,  dennoch 
aufgegeben.  Jedenfalls  wurde  da  ein  neues  N.  angelegt, 
das  dann  die  nekrologischen  Noten  der  Folgezeit  aufnahm, 
da  nicht  anzunehmen  ist,  dass  man  in  Melk  von  da  an 
kein  N.  mehr  geführt  hätte,  während  in  anderen  Stiftern 
gerade  aus  der  nächsten  Zeit  sehr  reichhaltige  NN.  heute 
noch  im  Originale  vorliegen.  Durch  die  gewiss  an- 
zunehmende Neuanlage  wurde  das  nun  fragmentarisch 
erhaltene  N. ,  das  einzig  nur  dem  liturgischen  Zwecke 
diente,  ausser  Gebrauch  gesetzt,  was  auch  sicherlich  den 
Grund  zu  seiner  späteren  Zerstörung  bot.  Dass  ferner  in 
Melk  speziell  während  des  15.  Jh.,  wo  daselbst  ein  so 
überaus  reges  geistiges  und  monastisches  Leben  herrschte, 
das  sich  als  Melker  Reform  auch  auf  die  anderen  Bene- 
diktinerstifter ausbreitete  und  hervorragende  Geistesmänner 
als  Hauptvertreter  derselben  hervorrief,  kein  N.  geführt 
■worden  sein  sollte,  wenn  auch  im  ältesten  N.  gerade  aus 
diesem  Jh.  nekrologische  Notizen  gänzlich  fehlen,  kann 
unter  gar  keinen  Umständen  angenommen  werden.  Wir 
werden  uns  also,  da  uns  diese  Hss.  heute  nicht  mehr  vor- 
liegen, darauf  beschränken  müssen,  sie  als  verloren  zu 
betrachten. 


752  Adalbert  Fr.   Fuchs. 

Von  hohem  Alter  ist  desgleichen  das  im  Codex  491 
der  k.  k.  Hofbibliothek  in  Wien  auf  Pergament  in 
Gross -8*^  in  einem  einfachen  Ledereinbande  aus  neuerer 
Zeit  uns  erhaltene  N.  des  aufgehobenen  Chorherren- 
stiftes St.  Andrä  a.  d.  Traisen,  wenn  wir  auch 
hier  uns  von  der  Annahme  ferne  halten  müssen,  als  läge 
uns  in  demselben  das  älteste  N.  dieses  Stiftes  vor.  Das- 
selbe ist  von  einer  Hand  nach  der  Mitte  des  13.  Jh. 
c.  1260 — 1270  auf  18  Folien  angelegt.  Das  Pergament  ist 
zum  Teile  reskribiert  und  lässt  noch  recht  gut  das  alte 
Linienschema  darauf  wahrnehmen.  Das  N.,  das  sehr  sorg- 
fältig geschrieben  ist,  beweist  durch  den  ziemlich  umfang- 
reichen Grundstock  von  nekrologischen  Notizen,  welche 
der  Autor  selbst  eintrug,  dass  er  ein  älteres  N.  zur  Vor- 
lage hatte,  das  uns  allerdings  verloren  gegangen  ist.  Da 
von  der  Gründung  dieses  Stiftes  bis  zur  Anlage  des  noch 
vorhandenen  N.  mehr  als  ein  Jahrhundert  verflossen  ist, 
so  lässt  sich  annehmen,  dass  etwa  Eaummangel  im  ältesten, 
nun  verlorenen  N.  die  Ursache  der  Neuanlage  gebildet 
haben  mochte.  Die  Hs.  ist  dann  von  individuellen  Händen 
bis  ins  15.  Jh.  fortgesetzt.  Allerdings  muss  man  gestehen, 
dass  der  Zuwachs  an  nekrologischen  Noten  in  den  fol- 
genden Jahrhunderten  ein  verhältnismässig  geringer  war, 
ein  Umstand,  der  zur  Genüge  auf  die  in  dieser  Zeit  in 
St.  Andrä  herrschende  Nachlässigkeit  oder  • — -  milder  ge- 
sagt —  andauernde  Sorglosigkeit  betreffs  der  Evidenz- 
haltung des  N.  schliessen  lässt. 

Die  Hs.  des  N.  weist  wiederholt  sinnstörende  Lese- 
fehler des  Autors  auf,  welcher  seine  Vorlage  oft  fehlerhaft 
und  unrichtig  las.  Derselben  ist  ein  Kalendar,  wie  ge- 
wöhnlich, zu  Grunde  gelegt,  das  links  die  goldene  Zahl 
und  den  römischen  Kalender  mit  roter  Tinte  geschrieben 
enthält,  worauf  der  Heiligenfestkalender  und  die  nekro- 
logischen Noten  in  schwarzer  Tinte  folgen.  Nur  einige 
wenige  Noten  sind  mit  roter  Tinte  geschrieben,  die  selbst- 
redend Eintragungen  von  Personen  von  hoher  Bedeutung 
betreffen.  Die  Aufschrift  eines  jeden  Monates,  die  zugleich 
auch  die  Zahl  der  Tage  und  die  Mondzahl  angibt,  ist 
gleichfalls  mit  roter  Tinte  hergestellt.  Die  Hs.  hatte  einen 
vorwiegend  liturgischen  Charakter,  wie  sich  aus  den  dem 
N.  nachfolgenden  Gebeten  bei  der  Einkleidung  von  Chor- 
frauen, 'benedictiones  ad  indumenta  monialium',  ergibt. 

Eine  Abschrift  dieses  N.  findet  sich  auch  in  Cod.  7455 
der  Wiener  Hofbibliothek  auf  Papier  in  8^  fol.  1—29  vor, 
welche   aus   dem    18.   Jh.   stammt.      Diesem   ist   auch    das 


Bericht  über  die  Totenbüeher  Nieder -Oesterreichs.       753 

Calendarium  Alberti  plebaui  in  Waldcbirchen  beigebunden. 
Da  der  hochverdiente  Dr.  A.  von  Meiller  im  Archive  f. 
österr.  Geschichtsquellen  XIX,  397  fiE.  nur  sehr  spärliche 
Auszüge  aus  dem  N.  veröffentlicht  hat,  so  kann  man  mit 
gutem  Rechte  behaupten,  dass  dasselbe  eigentlich  grössten- 
teils unediert  ist. 

An  dieses  N.,  welches  ich  als  A  bezeichne,  schliesse 
ich  unter  B  einzelne  nekrologische  Noten  an,  die 
aus  einem  neueren  N.  stammen,  das  uns  in  der  Papierhs. 
in  Folio  erhalten  ist,  welche  im  Archive  des  Stiftes  Her- 
zogenburg ohne  Signatur  aufbewahrt  wird.  Dieses  N. 
wurde  in  den  Jahren  1724 — 1726  angelegt  und  ist  betitelt: 
'Necrologium  seu  elenchus  quotidianus  defunctorum  vel 
defunctarum  ex  canoniis  et  monasteriis  cum  canonia  ad 
S.  Andream  eis  Trasenam  confoederatis'.  Jedenfalls  sind 
in  dieses  aus  einer  älteren,  uns  jetzt  verlorenen  Vorlage 
aus  dem  Ende  des  Mittelalters  einzelne  Noten  aufgenommen 
worden,  die  für  unsere  Arbeit  noch  in  Betracht  kommen. 
Nur  haben  wir  in  diesem  N.  schon  die  Wirkungen  der 
wissenschaftlichen  Fiktion  vor  Augen,  die  die  Pröpstereihe 
des  Stiftes  St.  Andrä,  das  doch  erst  um  1150  gegründet 
wurde,  weiter  hinaufschraubt  und  deshalb  fingierte  Namen 
von  Pröpsten,  die  nicht  existierten,  zu  einer  Zeit,  da  das 
Stift  noch  gar  nicht  gegründet  war,  sogar  aus  dem  Beginne 
des  11.  Jh.  ungescheut  aufführt,  wie  z.  B.  als  erster  Propst 
Otto  t  26.  I.  1032,  als  2.  Propst  Babo  f  11.  I.  1052,  als 
dritter  Propst  Hugo  f  18.  I.  1070,  als  4.  Propst  Kalochus 
t  22.  I.  1090,  während  am  23.  I.  der  1178  verstorbene 
1.  Propst  Gottschalk  als  der  1.  Propst  des  Stiftes  seit  der 
Stiftung  durch  Walther  bezeichnet  wird.  Da  man  Walthers 
von  Traisma  Stiftung  nicht  gut  weiter  zurückverlegen 
konnte,  so  wurde  einfach  ein  mehr  als  hundertjähriger 
Bestand  der  Stiftung  vordem  angenommen  und  man 
statuierte  hierzu  eine  Reihe  von  Pröpsten,  die  man  sonder- 
barer Weise  alle  im  strengsten  Wintermonate  Jänner  ver- 
storben sein  Hess.  Vor  einem  voreiligen  historischen  Ge 
brauche  dieser  Noten,  die  auf  reiner  Fiktion  beruhen,  sei 
hier  abermals  gewarnt,  sowie  ich  in  der  Textausgabe  in 
der  Anmerkung  darauf  aufmerksam  mache. 

Ein  bisher  unbekanntes,  unediertes,  aber  doch  nicht 
unwichtiges  N.,  respektive  Notae  necrologicae  der 
eiste  rciensernonnen  von  St.  Bernhard  bei 
Hörn  bietet  die  Hs.  der  Wiener  Hofbibliothek  1226  auf 
Pergament  in  Gross- 4°  auf  173  Folien,  die  eine  Psalmen- 
erklärung  aus    dem    Anfange   des    12.  Jh.,    ferner  Brevier- 


754  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

teile  aus  dem  14.  Jh.  enthält,  die  dem  Codex  beigebunden 
sind.  Auf  fol.  1 — 6  steht  ein  Kalendar  aus  dem  Beginne 
des  13.  Jh.,  in  welchem  vom  Ende  des  13.  Jh.  bis  ins  Ende 
des  15.  Jh.  von  wechselnden  Händen  nekrologische  Notizen 
verzeichnet  sind.  Eine  erste  Hand  Hess  sich  hier  gar  nicht 
festhalten,  da  alle  Eintragungen  von  verschiedenen  Händen 
gemacht  sind. 

Ein  äusserst  reichhaltiges  und  darum  sehr  wertvolles 
N.  ist  uns  im  Cistercienserstifte  Lilienfeld 
erhalten.  Dasselbe  wurde  seiner  Zeit  von  meinem  hoch- 
verehrten Lehrer  seligen  Angedenkens  Dr.  Heinrich  Ritter 
von  Zeissberg  in  Fontes  rer.  Austriac.  XLI  herausgegeben 
und  mit  einer  weit  ausgreifenden  Einleitung,  sowie  zahl- 
reichen erklärenden  Anmerkungen  in  sehr  verdienstlicher 
Weise  versehen.  Nur  in  einzelnen  Fällen  liegen  uns  Lese- 
fehler vor.  Die  Hs.  auf  Pergament  in  Kl. -Folio,  welche 
vor  zirka  30  Jahren  von  dem  hochverdienten  Archivare 
P.  Paul  Tobner  aufgefunden  wurde  und  seitdem  im  Stifts- 
archive aufbewahrt  wird,  ist  in  Quaternionen  auf  118  Folien 
angelegt,  denen  gegenwärtig  23  Papierblätter  vorgebunden 
sind.  Der  Einband  in  Schweinsleder  wurde  1639  besorgt 
und  trägt  die  Aufschrift  des  damaligen  Abtes:  'C.  S.  A. 
C.'  =  Cornelius  Strauch  abbas  Campililiorum.  Die  Hs. 
war  ursprünglich  grösser  und  wurde  beim  Einbände  an 
den  Rändern  nicht  unwesentlich  beschnitten,  so  dass  da- 
durch eine  Reihe  von  Randnotizen  teilweise  beschädigt 
wurden.  Das  N.  umfasst  117  Folien.  Ausgefallen  davon 
ist  das  1.  Folium,  welches  die  ersten  beiden  Kolumnen  der 
Tage  1. —  3.  Jänner,  nämlich  die  Monachi  und  Moniales, 
umfasste,  ferner  ^/g  Sexternio,  welcher  die  3.  und  4.  Ko- 
lumne der  Tage  vom  10. — 12.  Dezember,  nämlich  die  Con- 
versi  und  Familiäres,  umfasste,  ferner  die  Tage  vom  13. — 
31.  Dezember  vollständig  enthielt.  Vermutlich  fehlten 
diese  Folien  schon  zur  Zeit  des  Abtes  Kornelius  Strauch, 
jedenfalls  aber  lagen  sie  Hanthaler  nicht  mehr  vor. 

Die  Hs.,  welche  mit  einem  Linienschema,  bestehend 
aus  30  Horizontallinien  auf  jeder  Seite,  ausgestaltet  ist,  ist 
derart  eingerichtet,  dass  je  3  Tage  auf  zwei  einander  gegen- 
überliegenden Seiten  behandelt  erscheinen,  der  nekrologi- 
sche StofE  in  4  Kolumnen  verteilt  ist,  so  dass  auf  je  einer 
Seite  zwei  Kolumnen  behandelt  sind,  die  oben  mit  einem 
Rundbogen  abgeschlossen  sind,  der  in  der  Mitte  und  an  den 
zwei  Rändern  mit  3  Türmchen  verziert  ist.  Die  Farben, 
mit  welchen  dieselben  hergestellt  sind,  wechseln  und  zwar 
rot,  blau,  gelb,  braun  und  grün.    Links  in  der  ersten  Ko- 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       755 

lumne  sind  das  römische  Tagesdatum  mit  roter  Tinte,  die 
Wochentagsbuchstaben  abwechselnd  mit  roter  und  blauer 
Tinte  in  Majuskel  geschrieben,  worauf  die  Novilunien  folgen. 
Der  noch  übrige  Teil  derselben  ist  für  die  Mönche  be- 
stimmt, während  die  2.  Kolumne,  wenigstens  soweit  sich 
die  Teilung  des  Stoffes  durch  die  erste  Hand  erkennen 
lässt,  für  die  Eintragung  der  Moniales  reserviert  gewesen 
zu  sein  scheint.  Jedoch  haben  die  späteren  Hände  diese 
Scheidung  nicht  mehr  beibehalten,  sondern  Monachi  und 
Moniales  ohne  Rücksicht  auf  die  Kolumnenüberschrift 
durcheinander  eingetragen,  weshalb  auch  in  der  Ausgabe 
diese  Unterscheidung  fallen  gelassen  werden  musste.  Die 
3.  Kolumne  ist  für  die  Conversi,  die  4.  für  die  Familiäres 
bestimmt.  Jeder  neue  Monat  beginnt  mit  einer  neuen  Seite 
und  wird  mit  der  Initiale  Kl.  eröffnet,  die  abwechselnd 
rot  oder  blau  gezeichnet  ist  und  fast  über  die  ganze  Seite 
herabreicht. 

Die  erste  Hand  des  Autors  ist  deutlich  erkennbar 
und  zeichnet  sich  durch  Reinheit  und  Schönheit  der  Schrift 
aus.  Nur  sind  deren  Eintragungen  mit  blasser  Tinte  aus- 
geführt. Der  Autor  hat  die  Hs.  nach  der  Mitte  des  13.  Jh. 
c.  1270  angelegt.  Da  er  nun  einen  ziemlichen  Grundstock 
von  nekrologischen  Notizen  für  jeden  Tag  verzeichnet,  so 
ist  der  Schluss  naheliegend,  dass  ihm  irgend  ein  nekrolo- 
gisches Verzeichnis,  entweder  ein  mit  nekrologischen  Rand- 
noten versehenes  Martjrologium  oder  ein  Kalendar  mit 
solchen,  vorlag,  in  dem  die  Verstorbenen  seit  der  Gründung 
des  Stiftes  verzeichnet  waren,  das  uns  aber  leider  nicht 
mehr  erhalten  ist.  Jedenfalls  dürften  wir  es  in  der  ver- 
loren gegangenen  Vorlage  kaum  mit  einem  Necrologium 
zu  tun  haben,  da  kaum  anzunehmen  ist,  dass  so  bald  nach 
der  Gründung  (c.  1202),  wenn  damals  schon  ein  N.  an- 
gelegt worden  wäre,  schon  c.  1270  ein  neues  N.  notwendig 
geworden  wäre. 

Kurze  Zeit  nach  der  Anlage  wurde  das  N.  von  einer 
zweiten  Hand  fortgesetzt,  die  noch  vor  dem  Ende  des 
13.  Jh.  tätig  war,  neue  Noten  hinzugefügt  und  frühere, 
stark  verblasste  Noten  des  Autors  mit  schwarzer  Tinte 
nachgefahren  und  so  deutlich  gemacht  hat.  Die  zweite 
Hand  war  aus  derselben  Schule,  aus  der  die  erste  Hand 
hervorging.  Schon  diese  berücksichtigte  die  Unterschei- 
dung der  Kolumnen  der  Monachi  und  Moniales  nicht  mehr, 
worin  ihr  die  verschiedenen  späteren  Hände  folgten. 
Uebrigens  korrigierte  die  zweite  Hand  auch  einzelne  von 
der  ersten  Hand  gemachte  Fehler.    Die  ferneren  von  wech- 


756  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

selnden  Händen  gemachten  Eintragungen  sind  durchaus 
nicht  immer  streng  chronologisch  geschehen,  sondern  wieder- 
holt sind  von  späteren  Händen  Noten  aus  späterer  Zeit  vor 
solchen,  die  zeitlich  bedeutend  früher  fallen,  verzeichnet 
worden,  wenn  es  der  Raum  gestattete.  Dieser  Umstand 
lässt  es  überhaupt  wiederholt  sehr  zweifelhaft  erscheinen, 
ob  die  Namen  der  Verstorbenen  tatsächlich  an  dem  Tage 
eingetragen  wurden,  an  welchem  sie  aus  dem  Leben  schieden. 
Auch  nicht  alle  Wohltäter  des  Stiftes  erscheinen  verzeichnet, 
ja  es  fehlen  sogar  manche  von  denen,  die  sich  im  Stifte 
ein  anniversarium  gestiftet  haben.  Einzelne  Notizen  dürften 
in  späterer  Zeit  ausradiert  worden  sein,  da  sonst  die  zahl- 
reichen Rasuren  unerklärlich  wären.  Nebst  vielen  Mönchen 
wurden  sogar  manche  Aebte  nicht  eingetragen,  was  wohl 
deutlich  darauf  hinweist,  dass  die  Führung  des  Nekrolo- 
giums  zu  Zeiten  eine  weniger  sorgfältige  war.  Nicht  selten 
kommt  es  vor,  dass  an  einem  Tage  eine  ganze  Reihe  von 
Mönchen  eines  und  desselben  Klosters  eingeschrieben  ist. 
Diese  auffallende  Tatsache  kann  wohl  nur  dadurch  erklärt 
werden,  dass  das  betreffende  Kloster  nicht  nach  jedem 
Todesfalle,  sondern,  um  Unkosten  zu  ersparen,  erst  nach 
einer  Reihe  von  Todesfällen  den  baiulus  mit  dem  Rotulus 
an  die  konfoederierten  Klöster  und  Stifter  abfertigte,  wo 
dann  die  jeweilige  das  N.  führende  Hand  nicht  die  sicher- 
lich im  Rotulus  genau  verzeichneten  Todestage  der  ein- 
zelnen Verstorbenen  beachtete  und  jeden  derselben  an 
seinem  Todestage  verzeichnete,  sondern  einfach  alle  im 
Rottel  stehenden  Verstorbenen  am  Tage  der  Ankunft  des 
baiulus  oder  an  einem  der  nächsten  Tage,  der  mehr  freien 
Raum  bot,  eintrug.  Bemerkenswert  ist  wohl  der  Umstand, 
dass  uns  diese  Tatsache  erst  zu  Ende  des  15.  und  Beginn 
des  16.  Jh.  aufstösst,  also  zu  einer  Zeit,  da  die  wirtschaft- 
liche Lage  der  meisten  Klöster  in  Folge  des  allgemeinen 
wirtschaftlichen  Niederganges  eine  ungünstige  war,  was 
auch  die  Sparsamkeit  derselben  in  den  Kosten  des  baiulus 
ganz  gut  erklärt. 

Vielfach  kommt  es  im  Lilienfelder  N.  auch  vor,  dass 
sich  Namen  von  Mönchen  zu  verschiedenen  Tagen  von  der 
gleichen  Hand  verzeichnet  vorfinden,  was  sich  etwa  da- 
durch erklären  lässt,  dass  z.  B.  die  das  N.  führende  Hand 
nach  Abschluss  der  Gebetsverbrüderung  diese  Namen  ein- 
fach aus  einem  übersendeten  nekrologischen  Verzeichnisse 
oder  Kaiendare  oder  sonstwo  herübernahm.  Eine  Reihe 
von  Eintragungen  des  18.  Jh.  wurden  unter  absichtlicher 
Nachahmung  des  Schriftcharakters  des  13.  und  14.  Jh.  von 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       757 

der  Hand  des  gelehrten,  aber  leider  nicht  sonderlich  ge- 
wissenhaften Lilienfelder  Cisterziensers  P.  Chrjsostomus 
Hanthaler  wohl  in  fälschender  Absicht  gemacht.  Dieses 
N.  ist  offenbar  das  älteste,  das  als  solches  in  diesem  Stifte 
angelegt  wurde. 

Auf  fol.  118  ist  der  Liber  confoederatorum 
von  einer  Hand  des  15.  Jh.  aufgezeichnet.  Er  ist  mit 
einer  üeberschrift  in  roter  Tinte  eingeleitet,  woran  sich  die 
anderen  Einträge  mit  schwarzer  Tinte  in  der  Weise  an- 
schliessen,  dass  immer  nur  ein  Name  eine  Zeile  einnimmt. 
Nur  die  Frauen  sind  immer  beim  Namen  des  Mannes  auf- 
gezeichnet. Dieser  Aufzeichnung  liegt  ein  Linienschema 
bestehend  aus  39  Horizontallinien  und  2  Vertikallinien  zu 
Grunde.  Auch  dieser  wurde  von  Zeissberg  abgedruckt  (vgl. 
a.  a.  0.  S.  186  fE.). 

Eine  Tabula  anniversariorum,  die  auf  Papier 
geschrieben  in  der  Stiftskirchensakristei  zu  Lilienfeld  auf- 
bewahrt wird  und  aus  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jh.  stammt, 
geht  offenbar  in  ihren  älteren  Teilen  auf  ein  älteres  Ver- 
zeichnis zurück.  Sie  wurde  von  dem  Archivare  P.  Paul 
Tobner  in  dessen  Werke  'Grabsteine  und  Grabdenkmale  in 
der  Kirche  und  im  Kreuzgange  des  Stiftes  Lilienfeld' 
S.  137  ff.  veröffentlicht. 

Ein  sehr  wertvolles  und  überaus  reichhaltiges  N.  weist 
auch  das  aufgehobene  Chorherrenstift  St.  Polten 
auf,  welches  uns  in  einem  Pergamentcodex  in  Kl. -4'^  mit 
der  Signatur:  A  nr.  6  in  der  bischöflichen  Alumnats- 
bibliothek in  St.  Polten  erhalten  ist.  Die  Foliierung  ist 
«ine  neuere  und  dürfte  wohl  auf  Dr.  Theodor  Wiedemann 
zurückzuführen  sein,  welcher  das  N.  teilweise  auch  mit 
kritischen  Anmerkungen  versehen,  wenn  auch  nicht  gerade 
mustergültig,  in  Fontes  rer.  Austriac.  XXI,  441  ff.  zuerst 
publizierte.  Das  N.,  dem  ein  Kalendar  zu  Grunde  liegt, 
ist  auf  177  Seiten  angelegt.  Die  römische  Datierung  und 
vom  Festkalender  sind  die. höchsten  Feste  mit  roter  Tinte 
geschrieben,  während  die  anderen  nur  mit  schwarzer  ein- 
getragen sind.  Auf  jeder  Seite  sind  zwei  Tage  verzeichnet. 
Die  Hs.  ist  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  14.  Jh.  angelegt 
und  dann  von  wechselnden  Händen  bis  zum  Ende  des 
17.  Jh.  fortgesetzt.  Die  Anlage  erfolgte  ohne  Teilung  des 
-Stoffes  und  ist  eine  sehr  reinliche,  zweckmässige  und  über- 
sichtliche. Zu  wiederholten  Malen  sind  an  einzelnen  Tage 
Vermerke  über  Anniversarien  aus  dem  14.  Jh.  eingetragen, 
welche  aber  im  15.  Jh.  radiert  wurden,  um  neuen  Ein- 
tragungen Platz   zu   machen.     Die   Hand   des   Autors   hat 

Neues  Archiv  etc.    XXXV.  49 


758  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

einen  nicht  unbeträchtlichen  Grundstock  von  nekro- 
logischen Notizen  verzeichnet,  was  wohl  auch  hier  mit 
ziemlicher  Gewissheit  darauf  hinweist,  dass  demselben  ein 
älteres  N.  als  Vorlage  diente,  aus  der  er  sie  schöpfte,  die 
aber  verloren  gegangen  ist.  Wir  haben  es  hier  also  nicht 
mit  dem  ältesten  N.  dieses  Stiftes  zu  tun,  weshalb  auch 
die  aus  einem  früheren  N.  übernommenen  Noten  unsere 
Hs.  um  so  wertvoller  machen.  In  den  Eintragungen, 
welche  nach  dem  Autor  von  wechselnden  Händen  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  besorgt  wurden,  wechseln  auch 
die  Tinten.  Es  finden  nämlich  ausser  der  schwarzen  auch 
die  rote,  blaue,  gelbe  und  grüne  Tinte  Anwendung.  Leider 
ist  die  Hs.  heute  nicht  mehr  vollständig,  da  3  Folien, 
welche  die  12  Tage  vom  14.  bis  25.  Juni  incl.  enthalten, 
herausgeschnitten  sind.  Dies  war  schon  zur  Zeit  der 
Edition  Wiedemanns  der  Fall,  die  hier  schon  eine  Lücke 
aufweist. 

An  die  Hs.  schliesst  sich  ein  Verzeichnis  der  mit  dem 
Stifte  konföderierten  Stifter  und  Klöster  an.  Den  Ab- 
schluss  bilden  vollständige  Kopien  von  zwei  Urkunden 
1)  vom  Jahre  1305,  2)  vom  21.  März  1320,  welche  jedoch 
von  Dr.  Josef  Lampel  in  dessen  Urkundenbuche  des  Chor- 
herrenstiftes St.  Polten  bedauerlicher  Weise  völlig  über- 
gangen sind,  obwohl  sie  für  ihn  ohne  Schwierigkeit  auf- 
findbar gewesen  wären.  Da  sie  eines  grösseren  historischen 
Interesses  durchaus  nicht  entbehren ,  so  wären  sie  als 
höchst  erwünschte  'Nachträge'  seinerseits  an  geeigneter 
Stelle  gewiss  sehr  am  Platze.  Ich  will  hier  nur  pflicht- 
gemäss und  unter  Beobachtung  gewohnter  Loyalität  darauf 
aufmerksam  gemacht  haben,  ohne  diesem  Autor,  dem  dies 
in  erster  Linie  zukommt,  vorgreifen  zu  wollen. 

In  den  Beginn  des  14.  Jh.  fällt  auch  die  Anlage  des 
uns  erhaltenen  N.  des  Benediktinerstiftes  Klein- 
Mariazell,  welches  uns  in  der  Pergament -Hs.  in  Kl. -4*^ 
unter  der  Signatur:  921,  E,  2  iij.  der  Bibliothek  des  Stiftes 
Melk  erhalten  ist.  Es  ist  auf  fol.  113 — 138  dieses  Codex 
geschrieben,  der  ausserdem  noch  das  Martyrologium  und 
die  Benediktinerregel  enthält  und  so  wieder  auf  den  aus- 
gesprochen liturgischen  Zweck  hinweist,  dem  auch  das  N. 
zu  dienen  hatte.  Die  heute  noch  vollständig  erhaltene  Hs. 
ist  derart  angelegt,  dass  auf  jeder  Seite  7  Tage,  also  eine 
Woche,  unter  einander  verzeichnet  sind,  für  die  7  Quer- 
kolumnen durch  Linien  ausgespart  sind.  Jede  Seite  trägt 
ein  einfaches  Linienschema,  das  aus  je  zwei  rechten  und 
einer    linken   Vertikallinie    als    rechten   und   linken   Rand- 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs.       759 

linien  hergestellt  ist,  in  das  dann  durch  Horizontallinien 
die  7  Querkolumnen  eingezeichnet  sind.  Die  Monats- 
überschriften sind  rot  geschrieben.  Am  linken  Rande  sind 
die  Sonntagsbuchstaben  mit  schwarzer  Tinte,  die  römische 
Datierung  mit  roter,  darauf  folgend  die  Heiligenfeste 
wieder  in  schwarzer  Tinte  eingetragen,  von  denen  nur  die 
höchsten  Feste  rot  geschrieben  sind.  Die  nekrologischen 
Noten  sind  fast  durchweg  schwarz  geschrieben.  Nur 
einige  wenige,  welche  Persönlichkeiten  von  hervorragender 
Bedeutung  betreffen,  sind  rot  verzeichnet. 

Das  N.,  welches  sich  im  Ganzen  als  eine  ziemlich 
sorgfältige  Arbeit  darstellt,  ist  besonders  von  der  ersten 
Hand  sehr  sorgsam  und  reinlich  angelegt  worden,  die  einen 
wenn  auch  nicht  besonders  grossen  Grundstock  von  nekro- 
logischen Notizen  aus  einem  älteren,  uns  jetzt  verloren 
gegangenen  N.  in  ihr  neu  angelegtes  übertrug.  Da  die 
Anlage  unseres  N.  in  den  Beginn  des  14.  Jh.  fällt,  so 
kann  wohl  mit  ziemlicher  Gewissheit  angenommen  werden, 
dass  in  Klein -Mariazell  ein  älteres,  uns  nun  verlorenes, 
ziemlich  reichhaltiges  vor  demselben  geführt  wurde,  welches 
möglicher  Weise  bis  in  die  Zeit  der  Gründung  des  Stiftes 
im  Jahre  1136  zurückging  und  etwa  die  Zeit  von  1136 — 
1300  umfasste.  Dennoch  hat  unser  Klein -Mariazeller  N. 
einen  nicht  zu  unterschätzenden  Wert  für  die  voraus- 
gehenden Jahrhunderte,  für  die  der  von  dessen  Autor 
übertragene  Grundstock  von  nekrologischen  Notizen  in 
Betracht  kommt.  Seit  der  Anlage  erscheint  die  Arbeit 
der  Führung  des  N.  eine  ziemlich  regelmässige  bis  ins 
16.  Jh.  gewesen  zu  sein.  Nur  haben  die  einzelnen 
Schreiber  nicht  immer  die  chronologische  Reihenfolge  ein- 
gehalten, sondern  einzelne  Noten  auch  an  Stellen  ver- 
zeichnet, wo  sich  gerade  Raum  darbot,  zumal  sie  durch 
die  Enge  des  verfügbaren  Raumes  vielfach  dazu  gezwungen 
waren.  Das  N.  wurde  seiner  Zeit  von  dem  Melker  Bene- 
diktiner P.  Vincenz  Staufer  in  den  Studien  und  Mit- 
teilungen aus  dem  Benediktiner-  und  Cistercienserorden 
I.  und  II.  Bd.,  teilweise  mit  erläuternden  Anmerkungen 
versehen,  zuerst  herausgegeben. 

Weniger  erfreulich  hingegen  steht  es  betreffs  der 
Erhaltung  der  Nekrologien  in  dem  von  Heiligenkreuz  aus 
besiedelten  Cistercienserstifte  Zwettl.  Das 
von  Linck  noch  in  seinen  Annales  Claraevallenses  unter 
dem  Namen  'Mortilogium  commune'  erwähnte  alte  N., 
welches  ihm  sicher  noch  vorlag,  muss  heute  als  verschollen 
gelten,  ja  es  lässt  sich  selbst  die  Zeit  kaum  genau  namhaft 

49* 


760  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

machen ,  in  der  diese  unersetzliche  Hs.  verloren  ging. 
Dennoch  sind  uns  einige  wenige,  wenn  auch  an  Umfang 
geringe,  nekrologische  Denkmäler  erhalten,  welche  auch 
in  diesem  Stifte  auf  die  rege  Sorgfalt  hindeuten,  welche 
den  nekrologischen  Aufzeichnungen  des  Mittelalters  zu- 
gewendet wurde. 

Vor  allem  kommen  da  einige  Codices  der  Zwettler 
Stiftsbibliothek  in  Betracht,  in  denen  sich  solche  Eintra- 
gungen finden.  Besonders  beachtenswert  erscheint  da 
Codex  84  auf  Pergament,  auf  dessen  Folien  1  —  9  das 
Zwettler  Kalendar  enthalten  ist,  in  welchem  von  zwei  ver- 
schiedenen Händen  in  der  Zeit  um  1200  mehrere  nekrolo- 
gische Noten  eingetragen  sind,  welche  bisher  nicht  ver- 
öffentlicht wurden.  Mit  diesen,  die  ich  unter  A  zusammen- 
fasse, verbinde  ich  jene  Eintragungen  von  verschiedenen 
Händen,  welche  die  Todestage  einzelner  Stiftsäbte  betreffen 
und  die  am  Rande  des  im  selben  Codex  auf  fol.  10  — 122 
enthaltenen  Martyrologiums  gemacht  sind.  Sie  fasse  ich 
unter  B  zusammen.  Diese  Hs.  wurde  bald  nach  1173  an- 
gelegt und  stand  im  Chore  bis  1720  im  täglichen  Gebrauche. 
Das  hatte  nun  zur  Folge,  dass  von  einzelnen  Händen  aus 
privatem  Interesse  am  Rande  desselben  einzelne  von  1304 
an  bis  ins  17.  Jh.  reichende  nekrologische  Notizen  ver- 
zeichnet wurden.  So  vermerkt  die  erste  Hand  den  Todes- 
tag des  Abtes  Ebro  (f  lo04)  und  trägt  auch  den  des  grossen 
Zwettler  Abtes  Bohuslaus  (f  1258)  nach.  Bei  diesen  im 
Martjrologium  gemachten  Eintragungen  bleibt  es  wohl  sehr 
zweifelhaft,  ob  sie  sich  auf  den  Tag  beziehen,  an  dem  sie 
verzeichnet  sind,  oder  auf  dessen  tagsvorher  erfolgende 
Proklamation,  da  im  Chore  das  Martyrologium  eines  jeden 
Tages  immer  am  Vortage  zur  Verlesung  kommt.  Ein  nicht 
uninteressantes  Beispiel  hierfür  ist  zweifellos  der  Todestag 
des  Zwettler  Abtes  Johannes,  welcher  nach  dem  Martjro- 
logium am  25.  März  1474  verstorben  ist,  während  Linck 
seinen  Todestag  unter  Berufung  auf  das  verloren  gegangene 
Mortilogium  Zwetlense  commune  mit  dem  24.  März  1474 
angibt.  Dieser  Fall  weist  darauf  hin,  dass  diesfalls  das 
Datum  der  Proklamation  des  Martyrologiums  das  richtige 
ist.     Jedoch  sind  diese  Einträge  keineswegs  zahlreich. 

Weiter  erscheinen  im  Calendarium  Zwetlense  in  Co- 
dex 84,  der  ausser  dem  Martyrologium  auch  noch  eine  aus 
dem  12.  Jh.  stammende  Cistercienserregel  enthält,  eine 
Reihe  von  Eintragungen,  die  von  abwechselnden  Händen 
des  14.  und  15.  Jh.  ohne  Rücksicht  auf  eine  chronologi- 
sche Ordnung  gemacht  sind  und  grösstenteils  mit  der  Con- 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       761 

tinuatio  Zwetlensis  IV.  übereinstimmen.  Diese  kannte 
schon  Linek  und  benutzte  sie  in  seinen  Annales  Clarae- 
vallenses.  Sie  gab  schon  Hieronjmus  Pez  in  seinen  Scrip- 
tores  rer.  Austriac.  I,  öiS  ff.  heraus,  während  v.  Fräst  im 
Archiv  für  Kunde  österreichischer  Geschichtsquellen  I 
(1849),  381  Berichtigungen  hierzu  veröffentlichte.  Neuer- 
dings wurden  sie  in  MG.  SS.  IX,  689  unter  genauer  Be- 
obachtung der  zeitlichen  Folge  der  einzelnen  Notizen  her- 
ausgegeben, welcher  Edition  auch  ich  folge. 

Neben  diesen  nekrologischen  Quellen  kommen  noch 
zwei  Verzeichnisse  (Kataloge)  der  verstorbenen  Mönche  in 
Betracht,  von  welchen  das  ältere  in  das  14.  Jh.  fällt  und 
in  Codex  72  der  Stiftsbibliothek  auf  Pergament  in  grösserem 
Formate  als  Deckblatt  angeklebt  war,  aber  von  dem  ver- 
dienstvollen Archivare  P.  Benedikt  Hammerl  losgelöst 
wurde.  Es  war  Linck  unbekannt  und  blieb  bisher  unediert. 
Dieses  chronologische  Verzeichnis  enthält  von  einer  Hand 
aus  der  Mitte  des  14.  Jh.  Aufzeichnungen  der  von  1325 — 
1348  der  Eeihe  .nach  verstorbenen  Mönche  des  Stiftes, 
welche  selbstredend  aus  einer  älteren  Quelle,  einem  bereits 
vorliegenden  älteren  Verzeichnisse  geschöpft  wurden.  Das- 
selbe wurde  dann  von  individuellen  Händen  bis  c.  1390 
fortgesetzt.  Ein  weiteres  interessantes  Verzeichnis,  das 
zwar  gleichfalls  unediert  ist,  aber  schon  von  Linck,  der  es 
als  'Mortilogium  antiquum  monachorum,  respective  conver- 
sorum'  oder  auch  anders  als  'Catalogus  monachorum  mor- 
tuorum'  zitierte,  benutzt  wurde,  liegt  uns  in  der  Pergament- 
Hs.  5  derselben  Bibliothek  in  grösserem  Formate  auf  fol. 
263^  und  264  vor  und  zwar  sind  auf  fol.  263^  die  verstor- 
benen Mönche,  auf  fol.  264  die  verstorbenen  Konversen 
eingetragen.  Die  Hand,  welche  in  4  Kolumnen  den  Ka- 
talog anlegte,  gehörte  dem  Ende  des  14.  oder  Beginn  des 
15.  Jh.  an  und  trug  die  früher  verstorbenen  Mönche  und 
Konversen  von  1324  an  nach.  Ihre  Arbeit  wird  dann  von 
individuellen  Händen  bis  zirka  1450  fortgesetzt.  Auch  der 
Verfasser  dieses  von  mir  als  B  bezeichneten  Catalogus,  der 
seine  Arbeit  offenbar  aus  privatem  Interesse  ausführte, 
schöpfte  unzweifelhaft  aus  einem  älteren  uns  verlorenen 
Verzeichnisse,  das  aber  von  der  Vorlage  des  älteren  Kata- 
logs, den  ich  als  A  bezeichne,  unbedingt  verschieden  war, 
da  sonst  einige  Abweichungen  nicht  recht  erklärlich  wären. 

Dieser  Umstand  beweist  zur  Genüge,  dass  in  Zwettl 
seit  dem  Beginne  des  14.  Jh.  mehrere  solche  chronologi- 
sche Arbeiten  über  die  Verstorbenen  des  Stiftes  offenbar 
aus   privatem   Interesse    geführt   wurden,    die    dann  in  der 


762       .  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

Folgezeit  anderen  Mönchen  die  Grundlage  dazu  boten,  diese 
Arbeiten  zu  kopieren  und  weiterzuführen.  Ich  habe  der 
Uebersichtlichkeit  halber  die  beiden  Verzeichnisse  unter  A 
und  B  in  Spaltendruck  nebeneinandergestellt.  Zu  beson- 
derem Danke  verpflichtete  mich  bei  meiner  Bearbeitung 
dieser  nekrologischen  Monumente  mein  Freund,  der  ver- 
dienstvolle Stiftsarchivar  und  Bibliothekar  P.  Benedikt 
Hammerl. 

Auch  von  der  Kartause  Gaming  sind  uns  nekro- 
logische Monumente  im  Codex  12  811  der  Wiener  k.  k. 
Hofbibliothek  in  Kl.-i^  auf  Papier  auf  fol.  139^—148 
erhalten  und  zwar  auf  fol.  139^ — 144  das  Nekrologium, 
welchem  ein  Kalendar  zu  Grunde  liegt.  Dieses  wurde  von 
dem  Kartäuser  Fr.  Wilhelm  von  Landshut  verfasst,  wie  er 
selbst  auf  dem  Deckblatte  des  hinteren  Einbanddeckels 
vermerkt:  'fr.  Wilhelmus  de  Lantzhueta,  compilator  h(uius) 
libri'.  Jedenfalls  hat  er  aus  einem  älteren  N.  geschöpft, 
das  sich  auf  ein  Kalendar  stützte.  Auf  fol.  144*^  war  dann 
eine  Series  professorum  verzeichnet,  die  desgleichen  von  der 
Hand  Wilhelms  von  Landshut  begonnen  und  von  verschie- 
denen Händen  des  15.  Jh.  fortgesetzt  wurde.  Diese  führt 
auf  2  Kolumnen  die  Namen  der  Gaminger  Prioren  auf, 
wie  sie  Wilhelm  von  Landshut  aus  dem  Codex  privilegio- 
rum  unter  Angabe  nicht  bloss  der  Jahre,  sondern  auch  der 
Folien,  wo  sie  sich  vorfinden,  zusammengestellt  hat.  Auf 
fol.  145  b  —  146  b  sind  die  Gaminger  Kartäuser  zusammen- 
gestellt mit  Angabe  des  Einkleidungsjahres  nach  der  Er- 
innerung des  Fr.  Wolfgang  senior  und  dann  von  anderen 
Händen  fortgesetzt.  Auf  fol.  147  a  folgen  dann  die  Namen 
der  Konversen  in  Gaming  gleichfalls  mit  Angabe  des  Ein- 
kleidungsjahres und  -tages.  Da  aber  in  allen  diesen  Reihen 
(Serien)  die  Todestage  nicht  angegeben  erscheinen,  so  fielen 
sie  für  unsere  Arbeit  ausser  Betracht  und  wurden  deshalb 
nicht  einbezogen. 

Auf  fol.  147b  sind  auf  2  Kolumnen  die  Anniver- 
saria  eingetragen,  welche  gleichfalls  von  Wilhelm  von 
Landshut  aus  einem  älteren  Verzeichnisse  übertragen  sind. 
Jedoch  sind  sie  nicht  mehr  vollständig,  da  das  folgende 
Blatt  148  herausgerissen  ist.  In  dieser  Hs.  sind  am  rück- 
wärtigen Deckblatte  auch  noch  die  Geburtstage  einer  Reihe 
von  Persönlichkeiten  der  Familie  von  Zinzendorf  von  1460 
— 1484  angegeben,  worauf  die  Historiker  resp.  Genealogen 
hiermit  hingewiesen  werden. 

Einige  nekrologische  Notizen  enthält  übrigens 
auch    der    Codex    1895    der    Wiener    k.    k.    Hofbibliothek 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder -Oesterreichs,       763 

in  Kl. -4*^  aus  dem  14.  Jh.,  in  welchem  das  Brevier  eines 
Gaminger  Kartäusers  vorliegt,  dem  auf  fol.  1  —  6  ein  Ka- 
lendar  aus  dem  Ende  des  14.  Jh.  vorausgeht.  In  diesem 
sind  oifenbar  aus  Privatinteresse  die  Todestage  der  Stifter 
und  des  Priors  Ortolf  verzeichnet.  Dass  diese  Hs.  un- 
bedingt einem  Gaminger  Kartäuser  gehörte,  geht  aus  dem 
Umstände  unzweifelhaft  hervor,  dass  in  dem  Kaiendare  am 
13.  Oktober  die  'Dedicatio  ecclesie'  als  Hauptfest  ver- 
zeichnet ist,  welches  denn  auch  tatsächlich  der  Tag  der 
Einweihung  der  Klosterkirche  zu  Gaming  war. 

Wenn  auch  in  späterer  Abschrift,  liegen  uns  nekro- 
logische Monumente  von  der  Kartause  Aggsbach  an 
der  Donau  vor  und  zwar  in  Codex  871  (rote  Nummer)  des 
Göttweiger  Manuskriptenkabinettes  auf  Papier  in  Folio 
auf  fol.  23  —  25,  welche  von  einem  Aggsbacher  Kartäuser 
im  18.  Jh.  offenbar  nach  einem  älteren  N.  hergestellt  ist. 
Freilich  liegt  hier  nicht  etwa  eine  Kopie  des  ursprünglichen 
N.  vor,  sondern  die  Hs.  bietet  nur  Exzerpte  aus  demselben. 
Ausserdem  finden  sich  darin  Materialien  für  die  Geschichte 
der  Kartausen  Aggsbach,  Gaming  und  Mauerbach,  so  dass 
man  ohne  weiteres  annehmen  darf,  dass  es  einzig  nur  das 
historische  Interesse  war,  welches  zu  dessen  Abfassung 
führte. 

Annales  necrologici  liegen  uns  ferner  in  einem 
Codex  des  Seitenstettener  Archives  (früher  stand  er  in  der 
dortigen  Bibliothek)  auf  Papier  in  Kl. -4*^  in  Ledereinband 
vor,  die  um  1660  von  dem  Gaminger  Kartäuser  Johannes 
Prosper  verfasst  sind.  Die  Hs.  kam  vermutlich  geschenk- 
weise in  das  Benediktinerstift  Seitenstetten.  Der  Verfasser 
gesteht  in  der  Praefation  selbst  die  Benutzung  älterer 
Quellen.  Offenbar  waren  es  zumeist  Gaminger  Quellen- 
schriften, die  ihm  vorlagen.  Der  Codex  wurde  dadurch 
beschädigt,  dass  an  mehreren  Stellen  Folien  heraus- 
geschnitten sind,  jedoch  so,  dass  die  Hs.  dadurch  inhalt- 
lich keinen  Schaden  nahm.  Ausser  diesen  Annales  necro- 
logici von  Aggsbach  sind  noch,  was  auf  den  universellen 
Charakter  nekrologischer  Aufzeichnungen  der  Kartäuser 
überhaupt  schliessen  lässt,  Annales  necrologici  fundatorum 
et  benefactorum  ordinis  Cartusiani  und  Annales  ordinis 
Cartusiani  enthalten,  welche  aber  für  den  Bereich  meiner 
Arbeit  ausser  Betracht  fallen  und  sonst  einmal  von  mir 
an  passender  Stelle  veröffentlicht  werden  sollen. 

Beklagenswert  ist  es  ferner,  dass  uns  vom  Benedik- 
tinerstifte Altenburg  nicht  mehr  das  alte  N.  oder 
eines  derselben  vorliegt,    sondern   nur  mehr  eine  Kompila- 


764  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

tion,  welche  um  das  Jahr  1760  auf  Papier  in  Folio  her- 
gestellt wurde  und  in  der  Stiftsbibliothek  unter  der  Signatur: 
VII  n.  199  aufbewahrt  wird.  Dessen  Verfasser  hat  jedoch 
unzweifelhaft  aus  einem  älteren  N.  als  Vorlage  geschöpft 
und  zwar  muss  dies  ein  N.  gewesen  sein,  welches  bis  ins 
16.  Jh.  herabreichte,  das  er  exzerpierte,  während  er  ein 
anderes,  welches  von  da  an  bis  ins  18.  Jh.  reichte,  wie  es 
den  Anschein  hat,  ziemlich  genau  kopierte.  Für  meine 
Arbeit  kommen  nur  die  Exzerpte  aus  dem  älteren  N.  in 
Betracht. 

In  gleicher  Weise  müssen  wir  den  Verlust  der  alten 
Herzogenburger  NN.  sehr  bedauern,  da  sie  gerade 
wegen  der  Nachbarschaft  zu  dem  Stifte  St.  Andrä  jeden- 
falls für  die  Kontrole  des  uns  noch  vorliegenden  St.  An- 
dräer  N.  von  grösster  Wichtigkeit  und  Bedeutung  wären. 
Jedoch  liegt  uns  heute  noch  eine  Kompilation  dieses  Chor- 
herrenstiftes aus  dem  Jahre  1777  in  einer  Papierhs,  auf 
Folio  in  zwei  Bänden  in  Ledereinband  der  dortigen  Prae- 
latur  vor,  welche  sich  als  'Continuatio  necrologii  seu 
elenchi  quotidiani  defunctorum'  bezeichnet.  Jeder  Band 
enthält  ein  Halbjahr.  Jedem  Tage  ist  ein  eigenes  Blatt 
zugewiesen  und  jede  Seite  in  zwei  Spalten  abgeteilt,  wo- 
von die  erste  die  Verstorbenen  'ex  Confoederatis'  enthält, 
die  zweite  den  Verstorbenen  'ex  Nostris'  reserviert  ist.  Im 
ersten  Bande  finden  sich  nun  in  der  zweiten  Spalte  fast 
an  jedem  Tage  Eintragungen  unter:  'Ignoto  die',  was  wohl 
nicht  ganz  richtig  ist  und  nach  meinem  Dafürhalten  eher 
'ignoto  anno'  heissen  sollte.  Der  Verfasser  dieses  N.  hat 
gleichfalls  aus  einem  älteren  N.,  das  heute  verloren  ist, 
geschöpft,  aber  bedauerlicher  Weise  bei  der  Eintragung 
der  Todestage  der  Pröpste  vielfach  grosse  Willkür  geübt, 
so  dass  seinen  Angaben  durchaus  nicht  immer  Glauben 
beigemessen  werden  kann. 

Auch  betreffs  des  aufgehobenen  Chorherrenstiftes 
Dürnstein  sind  wir  leider  auf  das  jedenfalls  nur  aus- 
zugsweise von  Duellius  in  seinen  Miscellaneorum  liber  I, 
164:  ff.  veröffentlichte  N.  angewiesen,  da  das  Original- 
Necrologium  heute  nicht  mehr  vorliegt.  Desgleichen  sind 
auch  die  ältesten  Nekrologien  des  Benediktinerstiftes  Seiten- 
stetten  heute  nicht  mehr  erhalten  und  das  jetzt  noch  vor- 
liegende im  dortigen  Stiftsarchive  aufbewahrte  N.,  welches 
im  18.  Jh.  verfasst  ist,  reicht  in  seinen  Eintragungen  nicht 
vor  das  16.  Jh.  zurück.  Wir  vermissen  ferner  schmerzlich 
die  Nekrologien  der  Praemonstratenserstifte  Geras  und 
teilweise  auch  von  Pernegg.    Das  Geraser  N.  muss  noch 


Bericht  über  die  Totenbücher  Nieder  -  Oesterreichs.       765 

im  18.  Jh.  vorhanden  gewesen  sein,  da  der  Geraser  Prae- 
monstratenserchorherr  Alram  in  seinen  handschriftlich  uns 
erhaltenen  Aufzeichnungen  über  die  Stiftsgeschichte  das- 
selbe benutzt  hat.  Ausserdem  fehlen  uns  die  Nekrologien 
des  aufgehobenen  Chorherrenstiftes  Waldhausen,  des  auf- 
gehobenen Cistercienserstiftes  Säusenstein  und  des  auf- 
gehobenen Nonnenklosters  Erla,  der  aufgehobenen  Domini- 
kanernonnenklöster Tulln  und  Imbach  und  einiger  anderer 
kleiner,  weniger  bedeutender  Klöster, 

Als  Nachträge  bringe  ich  das  Necrologium  der 
Martinsbruderschaft  in  Judenburg  in  Steier- 
mark, das  in  Codex  7  243  der  k.  k,  Hofbibliothek 
in  Wien  auf  Papier  in  KL -4°  auf  fol.  189  —  196  erhalten 
ist.  Es  ist  dies,  wie  sich  deutlich  erkennen  lässt,  eine  Ab- 
schrift aus  einer  älteren  Vorlage,  die  von  einer  Hand  des 
18.  Jh.  gemacht  wurde.  Daran  schliessen  sich  die  An- 
nales necrologici  des  Chorherrenstiftes  Rothenmann 
in  Steiermark  in  der  einstigen  Salzburger  Erzdioezese,  welche 
eigentlich  eine  Series  professorum  darstellt  und  im  Codex 
497  (rote  n.)  des  Göttweiger  Manuskriptenkabinettes  auf 
Papier  in  Kl. -4^  von  einer  Hand  aus  dem  Ende  des  15.  Jh. 
verfasst  ist.  Dieser  Codex  enthält  ausserdem  die  Annales 
necrologici  des  Stiftes  St.  Dorothea  in  Wien  und 
überdies  noch  Akten  der  Geschichte  der  beiden  Stifter.  Des- 
gleichen füge  ich  ein  N.  der  Chorfrauen  von  Voran  in 
Steiermark  in  der  alten  Salzburger  Erzdioezese  an,  das  zu 
Beginn  des  16.  Jh.  verfasst  ist  und  uns  im  Codex  582  der 
Wiener  k.  k.  Hof  bibliothek  in  Kl.  -  4*^  auf  Pergament 
vorliegt.  Diese  Hs.  ist  insofern  beschädigt,  als  das  erste 
Blatt  fehlt,  auf  dem  die  Tage  vom  1. —  8.  Jänner  incl.  ver- 
zeichnet waren. 

Auch  die  Fragmente  eines  N.  eines  unbekannten 
Klosters  bringe  ich  im  Anhange,  die  auf  2  Folien  im 
Codex  684  auf  Pergament  der  Wiener  k.  k.  Hof- 
bibliothek in  Folio  aus  dem  12.  Jh.,  welcher  einst  dem 
Stifte  Göttweig,  wie  das  Bücheranathem  besagt,  gehörte 
und  die  Werke  des  hl.  Hilarius  von  Poitiers  enthält,  er- 
halten sind.  Obgleich  die  Tabulae  codicum  dieser  Biblio- 
thek nach  Denis  sie  als  'Necrologium  in  Gallia  inchoatum, 
in  Gottwico  continuatum'  bezeichnen,  so  entspricht  dies 
meines  Erachtens  keineswegs  der  Wirklichkeit.  Ich  ver- 
mute vielmehr,  dass  diese  2  Blätter,  die  ein  kleines  Format 
darstellen  und  der  Hs.  rückwärts  beigebunden  sind,  einem 
N.  eines  oberitalienischen  Klosters  entstammen.  Da  sie 
nur  zwei  willkürliche  Eintragungen  von  je    einem  verstor- 


766  Adalbert  Fr.  Fuchs. 

benen  Göttweiger  und  Melker  Mönche  enthalten,  die  offen- 
bar aus  Privatinteresse  eingezeichnet  wurden,  so  kann  man 
wohl  schwerlich  behaupten,  dieses  N.  wäre  in  Göttweig- 
fortgesetzt  worden.  Daran  schliesse  ich  die  Fragmente 
eines  unbestimmbaren  N.,  die  sich  in  Codex  15  Oi7  der 
Wiener  k.  k.  Hofbibliothek  in  Kl.  -  4*^  auf  Pergament 
vorfinden.  Es  sind  dies  nämlich  nur  2  Folien  eines  N., 
das  in  Gr.-8^,  wie  es  scheint,  abgefasst  war.  Diese  2  Blätter 
stellen  ein  im  12.  Jh.  verfasstes  Kalendar  dar,  worin  dann 
im  13.  und  14.  Jh.  nekrologische  Notizen  gemacht  wurden. 
Diese  Hs.  muss  einem  Kloster  der  alten  Salzburger  Erz- 
diözese angehört  haben.  Desgleichen  nahm  ich  in  den 
Anhang  auch  nekrologische  Notizen  auf,  welche  einem 
Kaiendare  des  Codex  12  785  der  Wiener  k.  k.  Hof- 
bibliothek  auf  fol.  1 — 6  beigefügt  sind.  Dieses  stammt 
aus  dem  14.  Jh.,  in  das  im  Laufe  desselben  Jh.  eine  Eeihe 
von  nekrologischen  Noten  verzeichnet  wurden.  In  diesem 
Codex  ist  auf  dem  vorderen  Deckblatte  der  Vermerk  mit 
der  Ueberlieferung  niedergeschrieben,  dass  der  Abt  von 
Viktring  ihn  in  der  Kirche  's.  Ruperti  in  Monte'  zugleich 
mit  Eeliquien  der  Heiligen  aufgefunden  hat. 


XV. 


Miscellen. 


Hinkmariana  im  Cod.  Paris.  Sangerm.  12445. 

Von  Max  Conrat  (Colin). 

Der  Inhalt  des  Cod.  Lat.  12445  der  Pariser  National- 
bibliothek (=  S.  Germ.  366)  saec.  IX/X  ist  bei  Haenel 
Lex  Romana  Visigothorum  p.  LXXXVI,  390  besonders  ein- 
gehend angegeben.  Bei  dieser  Beschreibung,  der,  von  den 
römischrechtlichen  Partien  abgesehen,  der  Index  der  Hs. 
zu  Grunde  liegt,  kommt  indessen  insbesondere  die  Be- 
ziehung, in  der  einzelne  Stücke  des  Codex  zu  den  Schriften 
des  Hinkmar  von  Rheims  (Migne,  Patrol.  Lat.  CXXV  und 
CXXVI)  stehen,  nicht  zu  ihrem  Recht.  Denn  gewiss  hat 
sich  der  Schriftsteller  von  den  römischrechtlichen  Partien 
der  Hs.^  für  seine  Verwertung  des  Liber  decimus  sextus 
des  Codex  Theodosianus  ^  eines  Auszugs  der  Art,  wie  er, 
nebst  einem  Anhang,  hier  und  in  dem  Cod.  Berol.  Phillips. 


1)  Die  Angaben  bei  Haenel  sind,  was  die  Texte  aus  dem  Codex 
Theodosianus  und  aus  den  Novellen  anlangt,  überholt  durch  Mommsen. 
Theod.  I,  1,  p.  LXXXVIII  u.  LXXXIX,  und  P.  Meyer,  Legeä 
Novellae  p.  LVIII  u.  LIX.  Ich  lasse  hiermit  eine  genauere  als  die 
Haenelsche  Beschreibung  folgen.  Römischrechtliches  findet  sich  an  ver- 
schiedenen und  zwar  den  folgenden  Stellen  der  Hs. :  1)  f.  187^  —  202^ 
der  im  Text  genannte  Auszug  des  Liber  decimus  sextus ,  nebst  An- 
hang. Nämlich  sieben  ersten  Sirmondischen  Konstitutionen  und  ein 
Appendix  aus  dem  Breviar  (C.  Th.  9,  1,  1  u,  3—11  cum  Interprett.  [vor 
Const.  6  Nov.  Mart.  1  Interpr.]  u.  1,  1,  1  u.  2  cum  Interprett.  Ferner 
von  Nov.  Val.  unter  der  Rubrik  'De  episcopali  iudicio  et  de  diversis 
negotiis'  Interpr.  [nicht  die  des  Breviars]  und  Text  von  12,  1,  §  1 — 7;  8,  1 
cum  Interpr.;  12,  1  die  authentische  Interpr.).  2)  f.  210'^  —  214»  Texte 
aus  dem  Breviar  cum  Interprett.  C.  Th.  2,  26,  1.  Nov.  Val.  8,  1  u,  2 
(fehlen  im  Breviar,  Ziffer  nach  Ed.  P.  Meyer).  Paul.  Tit.  5,  4  u.  5  und 
15—19.  C.  Th.  4,  14—16.  3)  f.  2161^— 220'\  Gleichfalls  Texte  aus  dem 
Breviar  cum  Interprett.  C.  Th.  11,  14.  Paul.  5,  34—39.  C.  Th.  9,  29,  3. 
11,  11,  1;  3;  4.  C.  Th.  4,  16—20.  4)  f.  234»  Br.  Nov.  Val.  12,  pr.  1  u. 
2   cum  Interpr.,  und  f.  237»  Ep.  lul.  866   u.  511.  2)    Einige  Texte 

schöpfte    Hinkmar    aus    der    Quesnelschen    oder    einer    ihr    verwandten 
Sammlung  (vgl.  N.  A.  XXIV,  351). 


770  Max  Conrat  (Cohn). 

160  vorliegt^,  bedient 2.  Die  Beziehung  geht  aber  weiter. 
Es  ist  nämlich  das  von  f.  204*  zweite  Kolumne  bis 
f.  208*  zweite  Kolumne  reichende  Stück  eine  Hinkmarsche 
Schrift,  nämlich  der  bei  Migne  CXXV,  1060  sqq.  als  'Expositio 
('ad  Carolum  regem  pro  ecclesiae  libertatum  defensione') 
secunda  cui  titulus :  Rotula'  abgedruckte  Traktat.  Zwischen 
einem  weiteren  Stück  (f.  185^ — 187^),  einem  Tractatus 
anonymi  de  coniugio  et  viduis,  wie  es  in  der  Beschreibung 
bei  Haenel  heisst,  und  einer  Schrift  des  Hinkmar,  dem  im 
Jahre  860  abgefassten  Gutachten  über  die  Ehescheidung 
des  Königs  Lothar  (Migne  CXXV,  623—772),  besteht  nun 
aber  schliesslich  ein  Verhältnis,  das  sich  nicht  mit  einem 
Worte  charakterisieren  lässt.  Hinkmars  Schrift  enthält 
bekanntlich  Erörterung  und  Beantwortung  der  Hinkmar 
aus  den  Kreisen  der  Bischöfe  vorgelegten  Fragen  und  Be- 
denken und  zwar  in  der  Gestalt,  dass  sich  der  Interrogatio 
die  Responsio  des  Verfassers  anschliesst:  zwischen  dem 
Traktat  und  den  Responsionen  zu  Interrogatio  IV  und  V 
existiert  dann  jene  Beziehung,  die  ich,  soweit  mich  meine 
auf  der  Nationalbibliothek  gemachten  Notizen  hierzu  in 
Stand  setzen,  im  folgenden  darlegen  will. 

Eine  Vorstellung   vom  Inhalt  der   zwei  Responsionen 
gewähren  die  Schlussworte  der  vierten  Responsio  Hinkmars 


1)    Eine    Darstellung    des    Auszugs    (inclusive    die    Sirmondischen 
Konstitutionen)  bei  Mommsen   p.  XC  u.  XCI.  2)  Vgl.  N.  A.  XXIV, 

349  fl".  Die  Annahme  gründet  sich  darauf,  dass  die  sämtlichen  in 
Frage  kommenden  Texte  (vgl.  S.  769")  des  Liber  decimus  sextus  in  dem 
Auszuge  vorkommen  und  sich  aus  seiner  Benutzung  die  merkwürdige 
Inskriptionenversetzung,  die  die  Zitate  Hinkmars  charakterisiert,  erklärt. 
Auch  begreift  sich  dann,  dass  Hinkmar  (CXXV,  402)  einen  Text  aus  dem 
fünften  Titel  (Const.  1)  mit  'In  libro  decimo  sexto  Theodosianae  legis 
capite  (=  titulo)  quarto'  zitieren  konnte,  da  im  Auszuge  der  fünfte  Titel 
(De  haereticis)  die  vierte  Stelle  einnimmt.  Die  gleichen  Erscheinungen 
mögen  freilich  auch  in  dem  in  Cod.  Oxon.  des  Breviars  aufgenommenen 
Auszug  begegnen  (bei  Mommsen  p.  XC):  diesem  fehlt  aber  der  Anhang 
und  es  scheint,  dass  Hinkmar  auch  ihn  benutzt  hat.  Die  hier  auftretende 
Folge  Br.  C.  Th.  9,  1,  5  u.  Nov.  Mart.  1  Interpr.  (vgl.  S.  769'),  die  Novelle 
mit  dem  Zusatz  'Secundum  has  leges  decrevit  Carthaginense  concilium 
capitulum  XXX',  findet  sich  nämlich  ganz  annähernd  auch  im  Conc. 
Duciacense  vom  J.  871  (Responsa  episcoporum  c.  7,  Mansi  XVI, 
651),  dessen  Ausführungen  offenbar  von  Hinkmar  beeinflusst  sind,  ja 
nicht  selten  Text  aus  Hinkmar  (z.  B.  Mansi  XVI,  657  =  Migne 
CXXV,  1055;  Mansi  p.  652  =  Migne  CXXVI,  576)  wörtlich  herüber- 
nehmen. Dass  auch  die  eigentümliche  Zitierweise  von  Br.  Nov.  Val. 
12,  1  Interpr.  bei  Hinkmar,  CXXVI,  446,  —  nach  Ed.  Migne  'In  capituli 
interpretatione  edicti  Valentiniani  de  episcopali  iudicio,  posteriore  videlicet 
constitutione'  —  mit  der  Stellung  der  authentischen  Breviarinterpretation 
im  Anhange  zum  Auszug  (vgl.  S.  769')  zusammenhängt,  glaube  ich  nicht. 


Hinkmariana  im  Cod.  Paris.  Sangerm.   12445.  771 

—  'ecce  quibus  modis  sociantur  coniugia  vel  contubernia 
usurpantur'  —  und  die  Interrogatio  V:  'qualiter  vel  pro  quibus 
rebus  secundum  auctoritatem  inita  coniugia  separari  valeant 
et  sine  quibus  separari  non  debeant,  et  si  post  disiunctionem 
vir  aut  femina  uterque  vivens  ad  aliam  debeat  copulam 
aspirare,  vel  si  pari  iudicio  quiscunque  eorum  in  coniugio 
peccans  debeat  iudicari'.  Diese  Aeusserungen  können  aber 
zugleich  als  Inhaltsangabe  unseres  Traktats  gelten,  wie  ja 
auch  die  Schlussworte  der  vierten  Responsio  im  Traktat  sich 
wiederholen,  es  aber  statt  der  genannten  Worte  der  Inter- 
rogatio heisst:  'sequuntur  autem  modi  quibus  debeant  vel 
soleant  dissociari'.  Hierin  ist  jedoch  die  Beziehung  der 
beiden  Schriften  nicht  beschlossen.  Vielmehr  kehrt  ganz 
überwiegend  der  Text  des  Traktats  in  Hinkmars  nur  um- 
fangreicheren Ausführungen  wörtlich  wieder,  sodass  auch 
von  einem  Abdruck  abgesehen  werden  kann,  bezw.  muss. 
Fünf  Abschnitte  lassen  sich  unterscheiden  ^,  von  denen  die 
drei  ersten  mit  Text  der  Responsio  zu  Interrogatio  IV  über- 
einstimmen, indem  Abschnitt  1  sich  mit  der  Partie  'Qualiter 
coniugium  iniri  debeat  —  satis  superque  ista  sufficiunt' 
deckt  (Migne  CXXV,  648  f.),  Abschnitt  2,  aus  einer  Dekre- 
tale Leos  I.  (Jaffe,  Reg.'  n.  544),  dem  Hinkmarschen  Stücke 
'Igitur  si  quis  filiam  suam  —  profectus  est  honestatis' 
(Migne  p.  650)  entspricht  und  Abschnitt  3  den  Text  von 
dem  Satze  'Sed  et  .  .  de  multinubis  in  concilio  Neocaesariensi 
capite  tertio  ita  scriptum  est'  ab  bis  zum  Schluss  ('contu- 
bernia usurpantur')  wiedergibt  (Migne  p.  050).  Hiernach 
setzt  Abschnitt  2  mitten  in  der  von  Hinkmar  selbst  voll- 
ständig wiedergegebenen  Dekretale  Leos  ein,  während  auch 
der  Einsatz  insofern  von  Hinkmar,  soweit  der  Drack  ein 
Urteil  gestattet,  abweicht,  als  es  dem  Originaltext  ent- 
sprechend, statt  des  Hinkmarschen  'Igitur  si  quis  filiam 
suam'  heisst:  "^Igitur  cuiuslibet  loci  clericus  si  filiam  suam'. 
Auch  Abschnitt  3  gibt  einen  kürzeren  Einsatz,  nämlich  bloss 
'Sed  et  de  multinubis  in  concilio  Neocaesariensi  capite  tertio 
ita  scriptum  est'  (statt  zwischen  'Sed  et'  und  'De'  die 
Worte  'quia  extra  ordinarios  ordo  non  praetermittit  eccle- 
siae,  quin  aut  resipiscentes  recipiat  aut  contemnentes 
abiciat')  und  lässt  später  'Quae  hie  ponere  non  necessarium 
ducimus'  fehlen.  Der  vierte  Abschnitt  mit  dem  bereits 
erwähnten  Einsatz  'Sequuntur  autem  modi  quibus  debeant 


1)  An  der  Spitze  steht  von  jüngerer  Hand:   'quid   sit   legale   con- 
iugium vel  quid  non'. 


772  Max  Conrat  (Cohn). 

vel  soleant  dissociari',  der  unserer  Schrift  eigentümlich  ist, 
lässt  in  vier  bezifferten  Kapiteln  Text  folgen,  der  in  ße- 
sponsio  V  wiederkehrt.  Er  entspricht  den  folgenden  Partien 
des  Hinkmarschen  Textes  (Migne  p.  650 — 652).  Erstes  Kapitel 
(I)  =  'Primo  qui  secundum  evangelicam  admonitionem  — 
coniugium  dicitur'.  Zweites  Kapitel  (II)  =  'Secundo  aeque 
secundum  evangelicam  veritatem  causa  fornicationis.  Unde 
in  concilio  Africano  —  ad  poenitentiam  redigantur.  Item 
in  concilio  Eliberatino  —  necessitas  infirmitatis  dare  com- 
pulerit'.  Drittes  Kapitel  (III)  =  'Si  quacunque  de  causa 
rationabiliter  (fehlt  bei  Hinkmar  [Ed.  Migne])  dissocientur  — 
illiciti  consortii  fuisse  detegantur'.  Viertes  Kapitel  (IUI) 
=  'In  concilio  Agathensi'  (bei  Hinkmar  [Ed.  Migne]  Cap.  25 
'concilio  Agathensis')  'De  his  qui  sine  causa  uxores  suas 
relinquunt  —  accipiant  communionem'.  Es  bleibt  dann 
noch  der  fünfte  Abschnitt,  der  indessen  ganz  unabhängig 
von  Hinkmar  ist.  Er  schliesst  sich  mit  den  folgenden 
Worten,  die  gleichzeitig  auch  den  Inhalt  charakterisieren, 
an:  'quia  vero  hec  qualiscumque  conpactio  non  solum 
communi  consensu  licentiose,  immo  fideiussorum  obstric- 
tione  sub  obtentu  religionis  propter  habitus  religiosi  ad- 
sumptionem  dispacta  est,  quid  de  huiusmodi  sacrae  diffi- 
nitiones  decernant,  licet  ipsi  melius  noveritis,  conscribimus'. 
Es  werden  dann  die  folgenden  Texte,  unter  bezüglicher 
Quellenangabe,  ein-  und  aufgeführt.  1)  'In  concilio  carta- 
ginensi  cap.  CIIII.'  'De  viduis  quae  professa  continentia 
velate  sunt  ita  scriptum  habetur'  ('Sicut  bonum  est  castitatis 
praemium  —  omnes  episcopi  subscripserunt')  (4.  Konzil 
vom  J.  436:  vgl.  Mansi  III,  959).  2)  'Simmacus  quoque 
papa  in  decretis  ad  Cessarium  episcopum  cap.  IUI  ista  de- 
cernit  dicens'  ('Neque  viduas  ad  nuptias  transire  patimur  — 
diuturna  observatione  permanserint)  (Jaffe  ßeg.-  n.  764). 
3)  'Demonstrans,  qualiter  intelligi  debeat,  quod  Gelasius 
cap.  XXI.  in  decretis  de  viduis  dixerat  et  quidam  minus 
prudenter  advertere  soleant  .  neque  enim  sedes  apostolica 
sibi  ipsi  potest  esse  contraria'.  Der  in  Bezug  genommene 
Text  des  Gelasius  ist  Jaffe-  n.  636.  4)  'Sicut  idem  Sim- 
macus ad  Aeonium  scribit  episcopum  inter  alia'.  ('Quanta 
enim  vicariis  beatissimi  petri  apostoli  —  faciat  rata  esse 
quae  gesserit')  (Jaffe-  n.  754).  5)  'In  concilio  Toletano  sub 
Sisenando  rege  cap.  LVI.  ita  scriptum  habetur'  ('Duo  sunt 
genera  viduarum  —  postea  castitatis  propositum  abiecerunt') 
(4.  Konzil  vom  J.  633:  Mansi  X,  632).  6)  'Item  in  alio 
concilio  Toletano  sub  Chintilano  rege  cap.  VI.'  ('Proclivis 
cursus  est  —  superiori  sententia  condemnentur')  (6.  Konzil 


Hinkmariana  im  Cod.  Paris.  Sangerm,   12445.  773 

vom  J.  638 :  Mansi  XI,  665).  7)  'Item  in  Toletano  concilio 
sub  Recensvindo  principe  cap.  V  ('Omnes  femine  quae  iam 
in  Präteritum  —  sub  aerumnis  arduae  paenitentie  maneant 
relis^ate')  (10.  Konzil  vom  J.  656:  Mansi  XI,  36).  8)  'Item 
in  canonibus  Turonensis  ecclesiae  cap.  XXI.  ad  locum' 
('Excludantur  excusationis  adinventiones  —  excommuni- 
catum  se  esse  cognoscat')  (Konzil  von  Tours  vom  J.  567 : 
MG.  Concilia  I,  121  sqq.).  9)  'Item  in  canonibus  Parisiacis 
cap.  V.'  ('Sacrarum  etiam  virginuin  neque  per  raptum  — 
extraneus  in  perpetuo  anathemate  feriatur')  (Konzil  von 
Paris  556  ~  573  :  MG.  p.  141).  10)  'Hanc  synodum  inter 
ceteros  sanctus  quoque  Germanus  confirmavit  episcopus  in 
concilio  Aurelianensi  cap.  XVI.  (lies  'XIX')  ('De  raptu  vir- 
ginura  consecratarum  seu  in  proposito  sub  defensione  vi- 
ventium  —  anno  integro  pacem  ecclesiasticam  non  babebit') 
(Konzil  von  Orleans  vom  J.  538:  MG.  p,  73).  Der  Ab- 
schnitt schliesst  mit  den  folgenden  Worten:  'similiter  et 
in  aliis  canonibus  de  huiusmodi  causa  multoties  incultum 
(lies  'inculcatum'  vgl.  z.  B.  Migne  CXXV,  655)  habetur, 
quae  ob  prolixitatem  hie  adunare  omisimus,  praesertim  cum 
ista  satis  abundeque  sufficiant'. 

Wie  erklärt  sich  nun  das  beschriebene  Verhältnis,  das 
zwischen  unserem  Traktat  und  Hinkmars  Schrift  besteht? 
Hat  ersterer  aus  Hinkmar  geschöpft  oder  umgekehrt  Hink- 
mar  für  seine  Responsionen  den  Traktat  verwertet,  freilich 
schwerlich  in  unserer,  sondern  in  einer  älteren  Hs.  ?  Hat 
also  Hinkmar,  soweit  er  mehr  enthält,  den  Traktat  ergänzt, 
wo  er  aber  von  ihm  abweicht,  verändert,  während  der 
fünfte  Abschnitt  ungenutzt  blieb ,  oder  hat  umgekehrt 
der  anonyme  Verfasser  den  Hinkmar  zusammengestrichen, 
bezw.  bearbeitet,  den  fünften  Abschnitt  aber,  sei  es  auch 
nach  einer  Vorlage,  hinzugefügt?  Ein  Ergebnis,  dass 
Hinkmars  Responsionen  unser  Traktat  zu  Grunde  liegt, 
wäre,  meine  ich,  von  nicht  geringem  Interesse,  immerhin 
erschiene  auch  die  Feststellung,  dass,  offenbar  nicht  lange 
nach  ihrer  Abfassung,  Text  aus  Hinkmars  Schrift  mit 
anderem  Text  zu  einem  Traktat  verschmolzen  worden  ist, 
nicht  ganz  bedeutungslos.  Es  dünkt  mir  sehr  schwierig 
eine  Entscheidung  zu  treffen.  Dass  im  dritten  Abschnitt 
des  Traktats,  worauf  bereits  hingewiesen  ist,  in  dem  Hink- 
marschen Satze  'Rapiuntur  quoque  contra  fas  et  iura 
viduae  vel  virgines  ac  sanctimoniales,  unde  medicinae  sacris 
designantur  canonibus ,  quae  hie  ponere  non  necessarium 
ducimus'  die  Schlussworte  'Quae  hie  ponere  non  necessa- 
rium  ducimus'  fehlen,    entspricht  vollkommen    dem   Sach- 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  50 


774  Max  Conrat  (Cohn). 

verhalt,  da  sich  der  fünfte  Abschnitt  damit  beschäftigt: 
sie  können  aber  ebenso  gut  von  dem  Verfasser  des  Traktats 
gestrichen  als  von  Hinkmar,  der  den  fünften  Abschnitt 
nicht  hat,  beigefügt  sein.  Für  die  Annahme  der  Abhängig- 
keit des  Traktats  von  Hinkmar  darf  man  sich  schwerlich 
auf  den  Umstand  berufen,  dass  Verkürzung  einer  Vorlage 
ein  wahrscheinlicherer  Sachverhalt  ist,  als  die  Erweiterung, 
ebensowenig  darauf,  dass  Hinkmar  sonst  unvermutet  zu 
einem  Autor,  der  sich  fremder  Federn  bedient,  gestempelt 
wird.  Erheblicher  fällt  für  diese  Lösung  ins  Gewicht,  dass 
der  Verfasser  des  Traktats  im  zweiten  Abschnitt  von  der 
Dekretale  Leos  nur  die  zweite  Hälfte  aufnimmt,  sodass 
Hinkmar,  der  sie  vollständig  gibt,  sie  hätte  ergänzen  müssen, 
was  jedenfalls  eine  ungewöhnlichere  Art  der  Ergänzung 
als  mittels  eigener  Zutaten  darstellt.  Die  Gründe,  die  für 
die  Ableitung  des  Hinkmarschen  Textes  aus  dem  Traktat 
sprechen,  wollen  mir  indessen  schwerwiegender  erscheinen. 
Es  ist  einmal  der  Umstand,  dass  sich  der  fünfte  Abschnitt, 
der  doch  nicht  aus  Hinkmar  entlehnt  seih  kann ,  wie  er 
sich  als  Fortsetzung  der  vorhergehenden  Partien  ausgibt, 
auch  in  seinem  Inhalt  und  in  seiner  Darstellungsweise  dafür 
gelten  darf  ^.  Es  wird  sich  sodann  schwerlich  bestreiten 
lassen,  dass  in  dem  vierten  Abschnitt  nicht  allein  äusser- 
lich  durch  die  Kapitelteilung,  sondern  auch  in  der  Dar- 
stellungsweise die  Disposition,  die  in  einer  Scheidung  des 
Stoffes  in  vier  Punkte  besteht,  schärfer  in  die  Erscheinung 
tritt,  als  bei  Hinkmar,  obschon  er  die  gleiche  Stoff- 
verteilung   im    Auge    hat^.      Schliesslich    lässt    sich    auch 


1)  Der  Verfasser  spricht  in  der  Mehrzahl  ('conscribimus',  'omisimus'), 
wie  in  dem  mit  Hinkmar  gemeinsamen  Texte.  Hier  und  dort  die  gleiche 
Redeweise  (Abschnitt  5  zum  Schluss  :  'cum  ista  satis  abundeque  sufficiant' ; 
Abschnitt  1,  mit  Hinkmar,  zum  Schluss :  'satis  superque  ista  sufficiunt'). 
Uebereinstimmung  in  der  Zitierweise  (Abschnitt  5 :  'Symmachus  quoque 
papa  in  decretis  ad  Caesarium  episcopum  cap.  IUI.  ista  decernit  dicens' ; 
andererseits  Abschnitt  1 :  'beatus  Siricius  papa  in  decretis  ad  Himerium 
Tarraconensem  episcopum  capitulo  quarto  ita  dicit',  mit  Hinkmar.  Ab- 
schnitt 5 :  'Item  in  canonibus  Parisiacis  cap.  V.'  und  'Item  in  canonibus 
Turonensis  ecclesiae  cap.  XXI.  ad  locum' ;  andererseits  Abschnitt  1 :  'Ex 
concilio  Ancyrano  capite  decimo'  und :  'sed  et  sanctus  Evaristus  papa  Ro- 
manus quartus  a  beato  Petro  in  decretalibus  ad  locum  ita  scribit',  beides 
wie  bei  Hinkmar).  Gleiche  Lexikologie  (Abschnitt  5 :  'sacrae  diffinitiones' ; 
andererseits  Abschnitt  1 :  'sanctorum  diffinitiones',  wie  bei  Hinkmar').  2)  Von 
den  vier  Punkten  bez.  der  Erörterung  der  vier  'Modi  quibus  (coniugia)  debeant 
vel  soleant  dissolvi'  tritt  der  erste  und  zweite  Punkt,  im  Traktat  und  bei 
Hinkmar  übereinstimmend,  an  ersterer  Stelle  verschiedene  Kapitel  bildend, 
deutlich  hervor  ('Primo  .  .  amore  fit  salutis  aeternae ;  Secundo  aeque 
secundum  evangelicam  veritatem  causa  fornicationis').     Der   dritte  Punkt 


Hinkmariana  im  Cod.  Paris.  Sangerm.   12445.  775 

der  Sachverhalt,  dass  Abschnitt  2  mit  'Igitur  cuiuslibet 
loci  clericus  si  filiam  suam  viro  habenti  concubinam  in 
matrimonio  dederit',  statt  'Igitur  si  quis  filiam  suam'  u.  s.  w. 
des  Hinkmar  in  der  Ed.  Migne,  den  authentischen  Text 
aufgenommen  hat,  am  füglichsten  aus  der  Priorität  des 
Traktats  erklären. 


ist  der  Sachverhalt:  'Si  quacunque  de  causa  rationabiliter  dissocientur', 
der  vierte  ('In  concilio  Agathense')  'De  his  qui  sine  causa  uxores  suas 
relinquunt  (ita  scriptum  est') :  so  nach  dem  Traktat,  wo  daraus  Kapitel  3 
und  4  entstehen.  Hinkmar  hat  ofienbar  dieselbe  Verteilung  im  Auge : 
im  Druck  der  Ed.  Migne,  wo  das  'Si  quacunque  de  causa  dissocientur' 
mit  den  vorangehenden  Worten :  'Sub  una  iudicii  divini  lege  tenentur'  zu 
einem  Satz  zusammengezogen  ist  und  diesem  fälschlich  das  Ansehen  eines 
wörtlichen  Zitats  aus  den  zuvor  angeführten  Texten  (Innocenz  ad  Ex- 
superium,  Jaffe-  n.  293;  'Augustinus  in  libro  de  decem  chordis'  [Sermo 
IX],  Migne  XXXVIII,  75 ;  Hieronymus  in  epistola  ad  Oceanum  de  morte 
Fabiolae  [Epist.  LXXVII],  Migne  XXII,  691)  gegeben  ist,  kommt  es 
freilich  nicht  zum  Ausdruck.  Doch  fehlt  bei  Hinkmar,  wenigstens  in 
Ed.  Migne,  bezüglich  des  dritten  Modus  das  Wort  'Rationabiliter',  zu 
'dissocientur',  das  gleichsam  das  Punctum  saliens  der  Verteilung  ist.  Ea 
kann  schliesslich  aber  noch  darauf  hingewiesen  werden,  dass  sich  bei 
Hinkmar  in  Folge  der  Häufung  des  Stoffes  die  Disposition  dem  Leser 
nicht  so  leicht  eröffnet  wie  im  Traktat. 


50" 


Ueber   eine  neue  Widukind- Handschrift. 

Von  Oswald  Holder  -  Egger. 

Bisher  waren  uns  drei  Hss.  von  Widukinds  ßerum 
Saxonicarum  libri  tres  erhalten,  jetzt  ist  eine  vierte  auf- 
getaucht: das  ist  ein  Glücksfall,  den  man  kaum  zu  hoffen 
gewagt  hätte,  der  alle  die,  welche  an  der  Historiographie 
des  deutschen  Mittelalters  wahren  Anteil  nehmen,  mit 
ganzer  Freude  erfüllen  muss ,  denn ,  abgesehen  von  dem 
Gewinn,  der  durch  die  neue  Ueberlieferung  dem  Texte 
dieses  köstlichen  Werkes  erwächst,  wird  die  Hoffnung  be- 
lebt, dass  noch  manche  schmerzlich  vermisste  Handschrift 
wiedergefunden  werden  mag. 

Die  neue  Hs.  hat  sich  zu  London  im  Besitz  einer 
englischen  Dame  befunden,  ist  mit  mehreren  anderen  Hss. 
aus  dem  Besitz  derselben  Dame,  die  jetzt  aber,  wie  ver- 
sichert wird,  keine  Hss.  mehr  hat,  am  10.  Dezember  1909 
zu  London  von  der  Firma  Sotheby,  Wilkinson  and  Hodge 
versteigert^  und  von  dort  ist  sie  zu  Ende  des  Jahres  1909 
an  die  Königliche  Bibliothek  zu  Berlin  gelangt,  die  man 
herzlich  dazu  beglückwünschen  darf,  diesen  Schatz  gerettet 
und  mit  ihm  ihren  jetzt  schon  so  stattlichen  Besitz  an 
lateinischen  Hss.  bereichert  zu  haben. 

Der  Codex  ist  ein  sehr  unansehnlicher  Band  in  kleinem 
Quartformat  von  nur  ISYa  cm  Blatthöhe,  llVs  cm  Breite, 
in  neuerem,  geschmacklosem  Einband,  der  wohl  dem  18.  Jh. 
angehört.  Auf  der  Innenseite  des  Vorderdeckels  ist  ein 
Ex  -  libris  (Wappen)  aufgeklebt  mit  dem  Aufdruck  'Sir  James 
Colquhoun  of  Luss^  Bar*'.     Derselbe  Name  'JaColquhoun' 


1)  In  dem  Auktions  -  Kataloge  dieser  Firma  von  demselben  Tage 
ist  die  Widukind  -  Hs.  S.  39  unter  n.  326  aufgeführt.  2)  Luss  ist  ein 
Kirchspiel  in  der  schottischen  Grafschaft  Dumbarton.  Von  der  Familie 
Colquhoun  sind  bekannter  Patrick,  geboren  1745  in  Dumbarton,  gest. 
1820,  der  über  Volkswirtschaft  geschrieben  hat,  und  sein  Enkel,  der 
Jurist  Sir  Patrick,   geb.  1815,   gest.  1891.     Ueber  Sir  James  wird  man 


Ueber  eine  neue  Widukind  -  Handschrift.  777 

steht  schon  darüber  und  wieder  auf  einem  vorgebundenen 
Papier- Schmutzblatt  geschrieben:  'Sir  James  Colquhoun'. 
Darunter  'Rosidlm(?)-Luss',  darunter  'The  Elms -Parkstone', 
alle  diese  Bemerkungen  wohl  von  der  Hand  des  Besitzers 
der  Hs.  Die  Hs.  enthält  49  pergamentene  Textblätter, 
ausserdem  ein  Vorsatz-  und  Schluss- Pergament -Blatt,  die 
beide  sicher  von  den  bei  dem  neuen  Einbände  beseitigten 
Vorder-  und  Hinterdeckeln  abgelöst  sind,  da  man  erkennen 
kann,  dass  sie  mit  den  Rückseiten  ehedem  aufgeklebt  waren 
und  dass  sie  mit  dem  Lagenbestande  der  Hs.  nicht  zu- 
sammenhängen. Auf  dem  Vorsatzblatt  findet  sich  oben 
eine  Rasur  von  ungefähr  einer  Zeile,  von  dem,  was  da- 
stand, ist  nichts  mehr  zu  sehen,  so  gründlich  ist  radiert. 
Es  ist  wohl  sicher,  dass  da  ein  Vermerk  über  den  früheren 
Besitzer  der  Hs.  gestanden  hat.  Einige  Zeilen  tiefer  steht 
von  einer  Hand  des  15.  (allenfalls  des  14.  Jh.)  geschrieben: 

'Windichinus  monachus  corbeiensis  de  gestis  Saxonum 
1.  III'.  und  am  Schluss  von  Widukinds  Werk  f.  39^  hat 
dieselbe  Hand  bemerkt:  'Explicit  windichinus  de  gestis 
saxonum'.  Auf  dem  Vorsatz  -  Blatt  steht  etwas  unter  der 
ersten  Notiz  noch  folgender  Vermerk  von  der  Hand  des 
Johannes  Trithemius : 

Codex  ioannis  tritemii  abbatis  monasterii  sancti  iacobi 
apostoli  prope  wircipurg. 

Auf  dem  Schluss -(Deckel) -Blatt  steht  ebenfalls  von 
seiner  Hand  folgender  Vermerk: 

Anno  domini.  w.  2d.  rb.  tercio  id.  octobris.  ego  ioan- 
nes  tritemius  abbas  pro  isto  codice  dedi  abbati  et  monas- 
terio  diui  (es  folgen  griechische  Buchstaben,  die  keine 
Worte  und  keinen  Sinn  ergeben,  also  ein  Kryptogramm) 
opuscula  sancti  Anselmi.  consenserunt  abbas.  prior,  et  se- 
niores. 

Was  bedeutet  zunächst  die  durch  kleine  lateinische 
Buchstaben  und  die  arabische  Zahl  2  ausgedrückte  Jahr- 
zahl? Die  Notiz  scheint  nach  den  Schriftzügen  gleich- 
zeitig mit  der  von  Johannes  von  Trittenheim  auf  dem 
Vorsatz  -  Blatt  geschrieben  zu  sein.  Als  er  diese  schrieb,  war 
er  schon  Abt  von  St.  Jakob,  was  er  im  Jahre  1506  wurde, 
also  müsste  die  Schluss -Notiz  zwischen  diesem  und  seinem 
Todesjahre  1516  geschrieben  sein,  aber  welches  von  diesen 
Jahren  durch  das  Kryptogramm  ausgedrückt  sein  soll,   ist 


später  Notizen  sammeln  können,  womit  ich  mich  jetzt  nicht  befasst  habe. 
Er  selbst  oder  ein  anderer  reisender  Schotte  oder  Engländer  wird  die  Hs. 
in  Deutschland  gekauft  haben. 


778  Oswald  Holder  -  Egger. 

mir  unerfindlich.  An  dem  längeren  griechischen  Krypto- 
gramm haben  sich  die  Herren  Professor  M.  Tangl  und 
Dr.  R.  Salomon  und  ich  vergeblich  abgemüht:  ich  ver- 
mute, dass  es  nie  enträtselt  werden  wird  ^,  weil  es  keinen 
Sinn  ergeben  soll,  ich  glaube,  dass  hier  ein  Schwindel 
vorliegt,  den  man  diesem  Herrn  Abt  wohl  zutrauen  kann. 
Wenn  er  die  Hs.  auf  legalem  Wege  erworben  hat,  wozu 
das  Versteckspielen  mit  der  Jahrzahl  und  dem  Namen 
des  Klosters,  von  dem  er  die  Hs.  erhalten  haben  will? 
Warum  ist  der  Name  dieses  Klosters  auf  dem  Vorsatz- 
Blatt,  wie  ich  vermuten  musste,  so  sorgfältig  ausradiert? 
Wenn  er  dagegen  die  Hs.  geliehen  erhalten  hatte  und  sie 
dann,  wie  z.  B.  die  von  Hartmann  Schedel  entliehene^, 
als  gute  Beute  betrachtete  und  zurückbehielt,  so  hatte  er 
wohl  Grund,  ein  solches  Tauschgeschäft  zu  fingieren,  na- 
mentlich wenn  er  etwa  wirklich  Anselms  Werke  gegen  ein 
anderes  Aequivalent  einem  Kloster  überlassen  hatte.  Da 
das  Kryptogramm  für  uns  unlesbar  war,  habe  ich  es  auf 
einer  Lichtdruck -Tafel  diesem  Bericht  beigegeben:  mögen 
Andere  versuchen  zu  enträtseln ,  was  uns  nicht  gelungen 
ist,  ich  würde  dem,  der  ihm  eine  einleuchtende  Deutung 
abzugewinnen  vermag,  überaus  dankbar  sein.  Wenn  nun 
nicht  etwa  wider  Erwarten  die  Lesung  des  Kryptogramms 
doch  noch  gelingt,  wissen  wir  leider  nicht,  aus  welchem 
Stift  die  Hs.  stammt,  soviel  ist  aber  sicher,  was  ohnehin 
schon  anzunehmen,  dass  sie  in  Deutschland  geschrieben 
ist,  Pergament  und  Schriftcharakter  ist  deutsch,  die 
Schriftart  scheint  mir  Nord-  oder  Mitteldeutschland  anzu- 
gehören, ich  entsinne  mich,  ganz  ähnliche  Schrift  in  Hss. 
aus  diesem  Gebiete  gesehen  zu  haben,  wenn  ich  auch  nicht 
mehr  sagen  kann,  in  welchen  Hss.  ich  sie  fand. 

Vor  dem  Beginn  des  Widukind  -Textes ,  der  in  der 
Hs.  keine  Ueberschrift  hatte,  hat  Trithemius  f.  1  oben 
geschrieben :  'Windekindi  monachi  Corbeiensis  de  origine 
et  gestis  Saxonum  ad  Mechtildem  monialem  filiam  Ottonis 
primi,  et  sunt  libri  tres.     Claruit  anno  Domini  DCCCCL'. 


1)  Das  ist  mir  schon  mehr  Ueberzeugung  als  Vermutung,  und  diese 
gründet  sich  darauf,  dass  eine  grosse  Anzahl  Buchstaben  des  griechischen 
Alphabets  in  dem  Kryptogramm  überhaupt  nicht  erscheint,  dagegen 
mehrfach  die  gleiche  oder  wenig  veränderte  Buchstabenfolge.  Mir  scheint, 
es  wäre  ganz  unmöglich,  eine  hier  passende  Lösung  zu  finden,  auch  wenn 
einige  Zeichen  non  valentia  wären.  Fände  aber  Jemand  doch  eine  Lösung 
und  Lesung,  so  würde  ich  das  dankbar  anerkennen.  2)  Vgl.  C.  "Wenck, 
Die  Entstehung  der  Reinhardsbrunner  Geschichtsbücher  S.  115;  N,  A. 
XIX,  156.  XXI,  246. 


yintjQ  cJomini.  ^v. 2.c/.r^  h^rrO  ti^ och 
hrif.  i!^  iocn777e0  h^fvrtittis  t^ßc^spro 


Handschrift  der  Berliner  König].  Bibliothek 
Schlußblau  (f.  50). 


Ueber  eine  neue  Widukind  -  Handschrift.  779 

Er  muss  eine  Widukind -Hs.  schon  lange  vor  dem  Jahre 
1506  gekannt  haben,  schon  in  dem  1494  in  letzter  Re- 
daktion vollendeten  Werk  de  scriptoribus  ecclesiasticis  ^ 
hat  er  einen  Artikel  über  Widukind,  den  er  zum  grössten 
Teil  aus  Sigeberts  Schrift  de  scriptoribus  ecclesiasticis 
c.  129  entlehnte,  aber  er  sagt,  dass  die  Historia  Saxonum, 
wie  er  das  Werk  mit  Sigebert  nennt,  'Ab  exordio  Saxonum' 
beginnt,  dass  sie  drei  Bücher  enthält,  was  er  beides  bei 
Sigebert  nicht  fand,  und  er  gibt  die  Anfangsworte  des 
Werkes:  'Flore  virginali  cum  ma[iestate]'  an.  Am  Schluss 
sagt  er,  wie  in  der  mitgeteilten  Ueberschrift :  'Claruit  sub 
Ottone  Imperatore  primo.  Anno  Domini  150'  (was  na- 
türlich Druckfehler  für  950  ist).  Er  nennt  ihn  hier  und 
auch  in  der  Monast.  Hirsaugiensis  Chronica-,  wo  er  die 
Angaben  des  ersten  Werkes  mit  zum  grössten  Teil  schwindel- 
haften Zusätzen  wiederholt,  'Windichinus'  genau  wie  der 
Schreiber  in  der  oben  mitgeteilten  Notiz  des  Vorsatz - 
Blattes  und  in  der  Unterschrift,  während  er  in  den  Aus- 
gaben "^  von  Sigeberts  Werk  'Windichindus'  genannt  wird. 
Wenn  wir  auch  noch  keine  kritische  Ausgabe  des  Werkes 
besitzen,  so  wird  doch  diese  Namensform  richtig  wieder- 
gegeben sein,  da  Sigebert  in  der  Chronik^  die  Form 
'Guindichiudus'  hat,  sicher  ist  das  anlautende  d  der  End- 
silbe, das  gerade  bei  Trithemius  und  in  der  Hs.  fehlt, 
authentisch.  Man  wird  danach  doch  vermuten  dürfen, 
dass  es  eben  die  neu  gefundene  Hs.  war,  die  er  vor  1494 
und  doch  wohl  schon  mehrere  Jahre  früher  gekannt  hat, 
dann  wird  es  um  so  wahrscheinlicher,  dass  er  sie  schon 
damals  entliehen ,  nie  zurückgegeben  hat  und  sich  nun 
erst  nach  1506  veranlasst  fühlte,  durch  eine  schwindelhafte 
Bemerkung  deren  legalen  Besitz  zu  behaupten.  Denkbar 
wäre  es  ja  auch,  dass  er  die  Hs.  für  das  Kloster  Sponheim, 
dessen  Bibliothek  er  so  sehr  bereicherte,  erworben  und  dass 
er  sie  mitgenommen  hätte,  als  er  von  dort  fortging,  und 
ebendeshalb  nun  erst  seine  trügerische  Bemerkung  eintrug. 
Die  49  Text -Blätter  der  Hs.  bestehen  aus  sieben 
Lagen  von  verschiedenem  Umfange:  die  erste  (f.  1 — 8)  hat 
8,  die  zweite  (f.  9—14)  6,  die  dritte  (f.  15—22)  und  vierte 
(f.  23  — 30)  wieder  8,  die  fünfte  (f.  31—35)  nur  5,  die 
sechste  (f.  36—41)  6  und  die  siebente  (f.  42—49)  8  Blätter. 
Die  Lasren  sind  mit  Ausnahme    der  dritten   und  siebenten 


1)    lohannis  Trithemii   opera   historica   I    (Francofurti  1601),  260. 
2)   Ebenda   11,   31.    82.  3)   Miraeus,  Bibliotheca  ecclesiastica   p.  149. 

4)  SS.  VI,  351  Z.  60. 


780  Oswald  Holder  -  Egger. 

durch  die  Kustodenzahlen  I,  II,  IUI,  V,  VI  auf  dem 
unteren  Eande  der  Schlussblätter  bezeichnet.  Der  ganze 
Codex  ist  von  einer  Hand  in  der  zweiten  Hälfte  des 
13.  Jh.  in  33  Langzeilen  auf  jeder  Seite  geschrieben.  Zwar 
scheint  der  Schriftcharakter  recht  oft  zu  wechseln,  doch 
kommt  das  daher,  dass  der  Schreiber,  wenn  er  an  einem 
Tage  zu  schreiben  beginnt,  zunächst  kleiner  und  zier- 
licher schreibt,  im  Verlauf  der  Arbeit  aber  die  Schrift- 
züge grösser  werden,  wie  man  das  ja  oft  genug  in  Hss. 
beobachtet.  Auf  der  Schlussseite  der  dritten  Lage  f.  22'*' 
sind,  wie  gewöhnlich,  33  Zeilen  auf  der  Seite  geschrieben, 
es  ist  dann  aber  noch  in  fünf  Zeilen  in  viel  kleinerer 
Schrift  unten  der  Schluss  des  Kapitels  II,  28  von  'custo- 
die  mancipatione'  an  hinzugefügt,  während  die  folgende 
Seite  f.  23  mit  Kap.  II,  29  beginnt.  Aus  dieser  Beob- 
achtung sollte  man  schliessen,  dass  die  einzelnen  Lagen, 
wie  so  oft,  an  verschiedene  Schreiber  nach  vorher  be- 
stimmter Einteilung  gegeben  worden  seien,  doch  trifft  das 
nicht  zu,  die  vierte  Lage  ist  wie  die  folgenden  von  der 
früheren  Hand  geschrieben,  wahrscheinlich  hat  der  Schreiber 
irrig  die  vierte  Lage  mit  Kap.  29  begonnen,  ohne  den 
Schluss  von  II,  28  auf  f.  22^  geschrieben  zu  haben,  den 
er  dann  dort  nachtrug,  denn  man  bemerkt,  dass  er  auf 
f.  23  nach  einer  Pause  mit  kleinerer  Schrift,  wie  oben 
bemerkt,  zu  schreiben  wieder  begonnen  hat.  Der  Schreiber 
war  ein  Mann,  der  von  dem  Text,  den  er  abschrieb,  wenig  oder 
garnichts  verstanden  hat,  er  macht  die  unsinnigsten  Wort- 
trennungen ^,  zieht  Worte,  namentlich  Präpositionen  zu  dem 
folgenden  Wort,  wie  er  sie  ebenso  oft  falsch  von  ihm 
trennte,  ungehörig  zusammen,  begeht  Fehler,  wie  sie  einem 
verständnisvollen  Schreiber  nicht  zuzutrauen  sind  -,  sehr 
oft  hat  er  aber  seine  Fehler  gleich  selbst  oder  doch  kurz 
darauf  nach  der  Vorlage  verbessert.  Man  weiss  jedoch, 
dass  die  unwissenden  Schreiber  keineswegs  die  schlechtesten 
sind,  weil  sie  um  so  getreuer  nachmalen,  und  das  trifft 
auch  hier  zu.  Die  Interpunktion,  zu  der  nur  der  Punkt 
verwandt  wird,  ist  freilich  durchaus  schlecht,  sie  fehlt 
eben  so  oft,  wo  sie  nach  mittelalterlicher  Weise  stehen 
sollte,  als  sie  an  falschen  Stellen  gesetzt  ist. 


1)  Z.  B.  'ß  nici  e  =  perniciem,  se  curiorem,  omnimo  dis,  per  fidia, 
materialico  erceri'  (im  Text  des  Honorius)  u.  s.  w.  2)  Wie  'plais'  für 
'paleis',  'plaudern'  für  'paludem'  ötter,  'acculatis'  für  'accusatis',  'cu  dux- 
erunt'  für  'conduxerunt',  'nudique'  für  'undique',  um  nur  dies  wenige 
anzuführen. 


Ueber  eine  neue  Widukind  -  Handschrift.  781 

Die  ersten  39  Blätter  enthalten  das  vollständige  Werk 
Widukinds  mit  Kapitelverzeichnissen  vor  jedem  Buch, 
hinter  den  Vorreden.  Der  Text  schliesst  auf  f.  39^  wie 
der  bekannte  mit  den  Worten  'ac  g-loriosa  seclis  relinquens 
monimenta'.  Die  Bücher,  die  Vorreden,  die  Kapitelver- 
zeichnisse haben  keine  üeberschriften  und  Unterschriften, 
es  sind  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Buch  zwei  Zeilen 
leer  gelassen,  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Buch  aber 
gar  kein  freier  Raum,  nur  Absatz.  Alle  Kapitelzahlen, 
sowohl  in  den  Kapitelverzeichnissen  wie  im  Text  der  Bücher 
fehlen,  vielleicht  sollten  sie  rot  ergänzt  werden,  denn  auch 
die  mit  Minium  einzusetzenden  Initialen  der  Vorreden, 
Kapitelverzeichnisse,  aller  Kapitel  fehlen,  nicht  nur  im 
Widukind,  sondern  auch  in  den  auf  ihn  folgenden  Stücken. 
Nur  für  die  Kapitel  I,  2—6.  8.  11—13.  17.  18  ist  kein  Absatz 
gemacht,  aber  auch  da  für  die  einzusetzende  Initiale  in 
der  Zeile  Raum  frei  gelassen,  später  findet  sich  fast  stets, 
mit  wenigen  Ausnahmen,  bei  Kapitelanfang  Absatz.  Am 
Anfang  der  Bücher  ist  für  besonders  grosse  Initialen  Raum 
leer  gelassen.  Die  Initialen  waren  wohl  überall  klein 
schwarz  am  Rande  vorgeschrieben,  aber  nur  noch  selten 
vorhanden,  meist  wohl  bei  dem  neuen  Einband  am  Rande 
abgeschnitten,  wobei  auch  einige  am  Rande  ergänzte  Worte 
beschädigt  sind,  es  findet  sich  mit  Ausnahme  der  von 
Trithemius  eingesetzten  Unterschrift  kein  Rot,  keine  andere 
Farbe  in  der  Hs. 

Nach  dem  Schluss  des  Widukind -Textes  auf  f.  39^*' 
oben  folgt  nach  zwei  Zeilen  Zwischenraum  ohne  Ueberschrift 
ein  Stück  beginnend  mit  den  Worten  '(c)onstantinus  ^  ita- 
que  princeps  principum'  bis  f.  43  'pessima  morte  extermi- 
nati  sunt'  aus  der  Schrift  Summa  gloria  des  Honorius 
Augustodunensis  -  c.  17^ — '^30  und  32  (c.  31   fehlt). 

Danach  folgen  einige  Traktate,  stets  ohne  Üeber- 
schriften, die  aufzufinden  ich  mich  nicht  viel  bemüht  habe. 
Zunächst  ohne  jeden  Zwischenraum  ein  aus  drei  Kapiteln 
bestehendes  Fragment,  f.  43 — 43^,  aus  des  Honorius  Augu- 
stodun.  Schrift  Scala    coeli  maior  c.  6  —  9,  Migne,    Patrol. 


1)  Initiale  fehlt,    c    klein   am  Rande.  2)   MG.    Libelli   de   lite 

III,  71  sqq.  3)    In   c.  18,   Lib.  II,  72   Z.  9   finden  sich  in    dieser  Hs. 

einige,  hier  gesperrte,  Worte  mehr,  die  man  fast  für  original  halten 
könnte:  'Ad  regem  ergo  pertinent  sola  secularia,  ad  sacerdotes 
autem  sola  spiritalia  iudicia'.  Ausser  einigen  weggelassenen 
Worten  und  einigen  lächerlichen  Schreibfehlern,  die  auch  die  Verständnis- 
losigkeit  des  Schreibers  zeigen ,  wie  'finem'  für  'fidem',  'tenarum'  für 
'penarum',  'prelia'  für  'predia',  ist  der  Text  nicht  schlecht. 


782  Oswald  Holder  -  Egger, 

Lat-  CLXXII,  1233  sq.,  das  beginnt:  '(O)mnia  que  forma- 
liter subsistunt  in  hoc  mundo  sunt.  Nusquam  autem  le- 
gitur,  quod  uspiam  terrarum  bestia  X  coruna  habens  rep- 
periatur,  ut  in  Daniele  legitur'.  Es  schliesst  mit  der 
Frage :  'Similiter  gaudia  in  spiritu  visa  utrum  sunt  vera 
gaudia  an  falsa'? 

Es  folgt  f.  43'''  —  45"^  obne  Zwischenraum  eine  Erzäh- 
lung von  der  Frau  des  Guarinus  de  Longo -ponte,  die,  weil 
sie  glaubte,  dass  eine  Frau  von  einem  Manne  nur  ein  Kind  em- 
pfangen könne,  sieben  Söhne  gebar,  von  denen  sie  sechs 
ertränken  lassen  wollte,  aber  der  Vater  rettete  sie  und  ver- 
heiratete seine  Söhne  mit  den  sieben  Töchtern  eines  Juden. 
Das  Stück  beginnt:  (c)um  omnipotens  conditor  nature  iura 
ipsius  inmutando  in  adsuetis  mirabilior  appareat,  opere 
precium  est  mirabile  quoddam  qualicumque  stilo  memorie 
mandare.  Inter  Gallie  urbes  Parisius  civitas  situ  loci, 
cultu  regio  habetur  inclita.  In  hac  vir  prevalide  potentie 
Guarinus  de  Longo -ponte  fuit'.  Schliesst:  'que  cui  vult 
miseretur,  quem  vult  exaltat'. 

Nach  einer  Zeile  Zwischenraum  folgt  f.  45"^' — 46^  ein 
Bruchstück  eines  Traktates  in  Briefform,  den  man  'De  con- 
tinentia  clericorum'  benennen  könnte.  Wäre  er  bekannt, 
so  müsste  er  eigentlich  in  den  Libelli  de  lite  herausgegeben 
sein,  doch  habe  ich  ihn  dort  nicht  gefunden.  Das  Bruch- 
stück beginnt:  '(d)e  presbiteris;  inquid,  qui  se  a  parte  re- 
proba  libidinis  conversatione  deo  reprobabiles  exibent,  te- 
nendum  ^  est  quod  apostolica  -  Providentia  ecclesiastico 
iustoque  rigore  constituit'.  Schliesst:  'Potui  plura  de 
scriptis  patrum  hiis  inserere,  sed  quia  epistolaris  brevitas, 
que  iam  se  nimis  extendi  reclamat,  non  consensit,  simpli- 
citer,  quid  de  interrogatis  sentirem,  paternitati  vestre  in 
lusum  ^  exposui'. 

Danach  wieder  ohne  Zwischenraum  f.  46'^  —  48  ein 
Traktat  über  Beichte,  der  beginnt:  '(d)e  confessione  sal- 
vator  in  ewangelio  leprosis,  cvim  sui  corporis  curationem 
ab  eo  peterent,  precepit  dicens:  Ite,  ostendite  vos  sacer- 
dotibus'.  Schluss:  'Quod  ipse  prestare  dignetur  qui  pro 
nobis  dignatus  est  crucis  inproperia  portare.  Amen'.  Da- 
nach f.  48  —  49  eine  Predigt:  '(F)ratres  dilectissimi,  quam 
sanctus,  quantus,  quam  venerabilis  sit  dies  dominicus,  nemo 
explicare  valet'.  Schluss:  'Qui  cum  patre  et  spiritu  sancto 
vivit  et  regnat  in  secula  seculorum'.     Endlich  f.  49  —  49^: 


1)  'tenendus'  Hs.  2)  'aplica'  Hs.  3)  So,  wie  es  scheint,  die 

EnduDg  'us'  korrigiert.     Es  dürfte  'usum'  zu  lesen  sein. 


Ueber  eine  neue  Widukind  -  Handschrift.  783 

'(A)ugustinus.  In  quodam  loco:  Interrogo  vos,  fratres  vel 
sorores,  dielte  michi,  quid  vobis  plus  esse  videtur,  verbum 
dei,  an  corpus  Christi'.  Schliesst  unvollständig^:  'Unde 
et  locus,  in  quo  crucifixus  est  dominus  noster,  Calvaria'. 
Also  die  folgenden  Blätter,  wohl  mindestens  eine  ganze 
Lage,  fehlen,  es  folgt  das  vom  Eückendeckel  losgelöste 
Blatt,  auf  dem  die  Notiz  des  Tritheraius  steht. 

Man  sollte  zunächst  vermuten,  die  noch  gefundene 
Hs.  sei  eine  derjenigen,  von  deren  früherer  Existenz  wir 
Kunde  hatten,  und  doch  trifft  das  nicht  zu.  Die  drei 
bisher  vorhandenen  Hss.  vertreten,  wie  bekannt,  drei  be- 
sondere Rezensionen  des  Werkes,  die  sich  durch  ganz  ver- 
schiedene Texte  in  der  Erzählung  vom  Verrat  des  Erz- 
bischofs Hatto  von  Mainz  (I,  22)  und  in  dem  Bericht 
über  den  Zug  Ottos  I.  nach  Frankreich  (III,  2),  dann  durch 
einige  Auslassungen  und  Zusätze  von  einander  unter- 
scheiden. Es  sind  die  Dresdener  (A),  die  Londoner  (B  l) 
und  die  von  Monte  Cassino  (C).  Dazu  tritt  aber  die  editio 
princeps  von  Martin  Frecht,  die  nach  einer  recht  guten, 
bisher  verschwundenen,  Hs.  der  B- Rezension  (B  2)  gemacht 
ist.  Die  neue  Hs.  gehört  aber  durchaus  der  C- Klasse  an. 
Sie  bietet  sowohl  I,  22  wie  III,  2  den  Text  der  Hs.  von 
Monte  Cassino  und  hat  I,  22  wie  diese  den  eingeschobenen 
Satz  'Is,  ut  ferunt  —  credimus',  sie  hat  wie  diese  die  Kapitel- 
verzeichnisse vor  jedem  Buch,  wenn  auch  wie  im  Text 
auch  hier  die  Kapitelzahlen  fehlen,  sie  hat  da,  wo  C  stärker 
von  A.  B  abweicht,  den  C-Text,  wie  II,  16:  'imperio,  in- 
quit,  tibi  regali  denuntio  teste  populo'  -,  am  Schluss  des 
Prologs  zum  zweiten  Buch :  'qua  est  conscriptum'  mit  C 
gegen  'qua  est  inceptum'  A.  B  1.  2,  II,  39:  'Carlomannum' 
gegen  richtig  'Karolum'  A.  B  1.  2,  das  Kapitel  III,  15  be- 
ginnt erst  mit  dem  Worte  'Edictumque'  wie  C  ^,  und  mit 
III,  24  beginnt  ebensowenig  wie  in  C  ein  neues  Kapitel, 
in  III,  69:  'oppressos'  mit  C  gegen  'afflictos'  B  1.  2  und 
'circumventos'  A*;  es  fehlen  wie  in  C  die  Schlussworte 
von  III,  49  'Nam  ipsi  —  reservat!'.  Nur  I,  22,  wo  in  der 
letzten  Ausgabe  der  SS.  rerum  Germ.  S.  31  überflüssiger 
Weise  eine  Sternnote  gesetzt  ist,  hat  die  Hs.  wie  B  2  'post 


1)  Oder  vielmehr  wohl  dieses  Stück  reicht  nur  bis  Mitte  von 
f.  49'*' :  'ut  videam  voluntatem  domini',  und  dann  beginnt  ein  neues  mit 
den  Worten :  '(I)urare  est  a  malo',  das  am  Ende  der  Seite  unvollständig 
schliesst.  2)  Vgl.    die  editio  quarta  der  SS.  rerum  Germ,  von  K.  A. 

Kehr   S.  69,    N.  *.  3)   S.  95   Z.  1.  4)    S.  84,   N.  k   hat   die  Hs. 

wie  C  'ibi',  das  also  nicht  erst  in  C  hinzugefügt  ist. 


784  Oswald  Holder  -  Egger. 

tertium  diem  defecisset'  gegenüber  B  1  'diem  post  tertium 
defecisset'  und  C:  'diem  postremum  defecisset'.  Das  be- 
weist aber,  dass  hier  gar  nicht  verschiedene  Lesart  der 
Rezensionen,  sondern  in  der  Hs.  von  Monte  Cassino  einfach 
Verderbnis,  in  B  2  und  der  neuen  Hs.  leichte  Wortumstel- 
lung vorliegt,  auf  die  auch  verschiedene  Schreiber  unab- 
hängig von  einander  leicht  kommen  konnten  ^,  die  Text- 
Lesart  ist  die  richtige,  da  sie  durch  B  1.  C  (in  der  Wort- 
stellung) geboten  die  ungewöhnlichere  ist,  auf  die  ver- 
schiedene Schreiber  eben  nicht  verfallen'-. 

Die  Hs,  ist  sonach  mit  C  2  zu  bezeichnen  ^  und  so 
nenne  ich  sie  fortan.  Sie  hat  auch  eine  grosse  Menge  un- 
richtiger Lesarten  mit  der  Hs.  von  Monte  Cassino  gemein, 
oft  fehlen  die  in  dieser  Hs.  weggelassenen  Worte  auch  in 
ihr  ^,  aber  noch  viel  öfter  stehen  in  C  2  in  C  fortgelassene 
Worte  ^  und  die  grosse  Masse  der  Verderbnisse  von  C, 
welche  Hs.  bekanntlich  sehr  viele  Fehler  hat,  ist  in  C  2 
vermieden*':  darin  besteht  der  grosse  Wert  der  neuen  Hs., 
dass  wir  mit  ihrer  Hülfe  die  Lesarten  einer  viel  älteren 
und  viel  besseren  Hs.  als  C,  der  Mutterhs.  von  C  und  C  2, 
feststellen  können,  einer  Hs.,  die  sicher  schon  im  10.  Jh. 
geschrieben  war,  da  C  schon  aus  dem  Anfang  des  11.  Jh. 
stammt,  während  B  1  und  A  erst  in  dem  12.,  oder  letztere 
gar  erst  zu  Anfang  des  13.  Jh.,  geschrieben  sind.  Auch 
diese  Hs.  hatte  ja  freilich  schon  ihre  Mängel,  wie  das 
oben  gegebene  Verzeichnis  der  in  C  und  C  2  fehlenden 
Worte  zeigt,  aber  sonst  sind  diesen  beiden  Hss.  gemein- 
same Fehler  doch  selten.  Weichen  ihre  Lesarten  auch 
öfter  von  dem  in  der  letzten  Ausgabe  festgestellten  Texte 
ab,  so  wird  man  da  doch  stets  neu  zu  erwägen  haben,  ob 
nicht    eben    sie    doch    das    ursprüngliche    bieten    und    in 


1)  Daher  hat  sie  auch  Frutolf,  was  natürlich  für  die  Textherstellung 
garnichts    bedeutet.  2)    Noch    ausdrücklich   will    ich    doch    bemerken, 

dass  die  Hs.  I,  35  wie  B  1.  2.  C  'Gana',  nicht  die  Korrektur  von  A 
'Kietni'  hat.  3)  Also  C  jetzt  eigentlich  C  1,  ich  behalte  hier  aber  die 
Sigle  C  bei.  4)  So  fehlen  die  Worte,  wie  in  C,  SS.  rer.  Germ.  ed.  4. 

p.  1,  N.  n,  p.  19,  N.  k,  p.  24,  N.  e,  p.  36,  N.  h,  p.  38,  N.  f,  p.  44,  N.  c, 
p.  45,  N.  m,  p.  48,  N.  a.  u,  p.  59,  N.  d,  p.  67,  N.  p,  p.  69,  N.  d,  p.  72, 
N.  k,  p.  73,  N.  a,  p.  100,  N.  n,  p.  109,  N.  e.  q,  p.  112,  N.  m.  u. 
5)  Ich  führe  hier  nur  Stellen  an,  an  denen  in  C  mehrere  Worte  oder 
ganze  Wortreihen  (nicht  nur  einzelne  Worte)  ausgefallen  sind,  die  in  C  2 
stehen:  S.  10,  N.  a,  S.  32,  N.  g,  S.  41,  N.  c,  S.  49,  N.  f,  S.  50,  N.  a 
(hier  fehlt  'et',  aber  'regibus'  steht  in  0  2),  S.  63,  N.  d,  S.  70,  N.  n, 
S.  94,  N.  m,  S.  109,  N.  k,  S.  111,  N.  u,  S.  121,  N.  o.  6)    So  z.  B. 

S.  19,  N.  b  nicht  'patratis'  wie  C,  sondern  'peractis'  mit  den  übrigen 
Hss.,  S.  70,  N.  b  'prebebat',  nicht  'preberet'  wie  C,  u.  s.  w. 


lieber  eine  neue  Widukind  -  Handschrift.  785 

manchen  Fällen  wird  man  das  entschieden  bejahen  müssen. 
Wenn  z.  B.  S.  5,  N.  5  C.  C  2  'tradit'  haben,  wo  'accipit'  ^ 
vorhergeht,  gegen  'tradidit'  A.  B  1.'2,  so  möchte  man  jenes 
gern  vorziehen,  wenn  S.  19,  N.  o  B  2.  C.  C  2  'vindicabo' 
bieten  gegen  'vindicando'  A.  B  1,  so  wird  man  sich  auch 
gern  für  jenes  entscheiden,  zumal  'purgabo  hoc  scelus 
meum,  vindicabo  dominum  meum'  nachdrücklicher  klingt. 
S.  20,  N.  k  wird  man  'ingrueret'  einsetzen  müssen,  wenn 
das  auch  weniger  gut  ist,  da  so  B  2.  C.  C  2  und  ursprüng- 
lich auch  B  1  haben,  was  hier  dann  zu  'ingruerit'  verändert 
ist,  und  so  A.  Wenn  C  S.  30,  N.  g  'duriorem  Collum', 
C  2  'duriolem'  hat  gegen  'durius'  A.  B  1.  2,  so  kann  man 
doch  nicht  zweifeln,  dass  die  Mutterhs.  von  C.  C  2  schon 
'duriorem'  hatte  und  wird  annehmen  müssen,  dass  der 
grammatische  Fehler  schon  im  Original  stand,  denn  welcher 
Schreiber  verändert  das  richtige  'durius'  in  'duriorem'  ? 
Umgekehrt  ist  die  Korrektur  der  Hss.  A.  B  aber  ganz  er- 
klärlich, und  ähnliche  Sprachfehler  finden  sich  im  Widu- 
kind-Text  öfter.  S.  106,  N.  g  hat  'erat',  das  in  A.  B  1. 
C.  C  2  fehlt,  sicher  nicht  im  Original  gestanden,  während 
dessen  Ergänzung  in  B  2  (der  ed.  princ.)  und  durch  einige 
Benutzer  des  Widukind  nahezu  selbstverständlich  ist.  Da- 
gegen wird  man  Bedenken  tragen  müssen  S.  109,  N.  e 
'loricae'  aus  dem  Texte  zu  entfernen,  obgleich  es  in  B  1.  2 
C  1.  2  und  Ann.  Saxo  fehlt  und  nur  in  A,  bei  Frutolf  und 
in  den  Ann.  Magd,  steht,  denn  erstens  ist  diese  Ergänzung 
nicht  so  leicht  zu  machen  und  zweitens  hat  doch  auch  an 
anderer  Stelle  A  die  ursprüngliche  Lesart  gegen  die  Mehr- 
zahl der  anderen  Hss.  bewahrt.  Die  merkwürdigste  Stelle 
in  der  Beziehung  ist  S.  104,  N.  e,  wo  A.  B  2  das  sicher 
ursprüngliche,  weil  grammatisch  falsche,  'arsa'  haben, 
während  B  1.  C.  0  2  und  Ann.  Magd,  'concremata'  bieten. 
Es  ist  ja  möglich,  dass  diese  Korrektur  neben  'arsa'  auch 
schon  im  Original  stand,  aber  da  Frutolf  'exusta  est'  und 
Ann.  Saxo  'incensa  est'  bieten,  so  sollte  man  glauben,  dass 
auch  sie  noch  in  ihren  Hss.  'arsa'  lasen  und  nun  selbst- 
ständig, aber  verschieden  besserten. 

Bestätigt  C  2  zuweilen  die  Lesarten  von  C  als  original, 
so  entscheidet  es  oft  mit  andern  Hss.  gegen  0.  Haben 
S.  5,  N.  d  Bl.  C:  'Actumque  est  foedus',  A:  'Initumque', 
B2.  C2:  'Ictumque',  so  wird  man  doch  diese  Lesart  jetzt 
einsetzen   müssen.     Auch  S.  17,    N.  c   neigt   sich   jetzt   die 


1)  Hier  'accepit'  B  2.  C  2. 


786  Oswald  Holder  -  Egger. 

Wagschale  zu  'victoriae'  gegen  'victoria'  A.  C,  da  B 1.  2. 
C2  'uictorie'  haben.  S.  59,  N.  n  steht  'nos'  nur  in  Bl,  es 
ist  in  C  übergeschrieben,  da  es  aber  in  A,  B2.  C2  fehlt, 
wird  es  fallen  müssen.  Haben  S.  97,  N.  c  B  2.  C  'Eae',  A 
'Hec',  Bl  'Hae',  C2  'He',  so  wird  man  auch  mehr  geneigt 
sein,  jetzt  'Hae'  aufzunehmen.  S.  98,  N.  e  hat  auch  C  2 
mit  A.  B2  'quam  quod',  so  dass  man  das  in  B  1.  C  fehlende 
'quod'  wohl  wird  einsetzen  müssen.  Der  simple  Schreiber 
von  C  2  hat  an  manchen  Stellen  die  originalen  Lesarten 
bewahrt,  wo  die  meisten  andern  abirrten,  so  S.  13,  N.  p 
das  originale  'diffusos  scapulas  cesarie',  das  ja  auch  ur- 
sprünglich in  C  stand,  aber  ein  Leser  hat  da  wie  die 
Schreiber  von  A  und  B  1  an  dem  seltenen  griechischen 
Accusativ  Anstoss  genommen  und  geändert.  So  hat  C  2 
S.  15,  N.  i  richtig  'quam  duri',  wo  C  'quandiu',  B  2  'quam- 
diu'  bieten.  S.  79,  N.  g  hatte  B  1  allein  richtig  'quoniam', 
A  und  C  'quo',  B  2  'Quomodo'.  Dazu  habe  ich  in  der  Note 
bemerkt,  es  werde  im  Original  'quo'  (die  alte  Abkürzung  für 
'quoniam',  wofür  man  später  'qm'  schrieb)  gestanden  haben, 
und  so  hat  C2!  S.  102,  N.  r  hat  C  2  mit  C.  (B  1)  die  alte 
Eorm  'itiner'  bewahrt,  S.  125,  N.  h  das  sonderbare  'funxit' 
mit  C. 

Besonders  wichtig  wird  C2  natürlich  für  die, Kapitel- 
verzeichnisse, die  nur  in  C.  C  2  stehen  und  dann  nach  dem 
Schlüsse  der  Hs.  A  (III,  69),  namentlich  für  die  Partie, 
die  in  B  1  fehlt  (III,  73 — 75),  da  ein  Blatt  ausgeschnitten 
ist,  für  welche  also  bisher  nur  B2.  C  vorlagen.  Da  ent- 
scheidet C2  S.  124,  N.  i.  m  mit  B2  für  'praecedit'  und 
'cantatricibus'  gegen  C,  und  S.  123,  N.  i  ist  mit  Bl.  2.  C2 
'nuntiabant'  zu  schreiben  gegen  C  'nuntiant'.  Natürlich 
habe  ich  nur  einige  Beispiele  zur  Charakterisierung  der 
neuen  Hs.  angeführt,  ohne  die  Stellen  erschöpfen  zu  wollen, 
für  die  ihre  Lesarten  von  Wichtigkeit  sind. 

Die  Orthographie  der  Hs.  des  13.  Jh.  weicht  natürlich 
insofern  von  der  ursprünglichen  ab,  dass  sie  stets  einfach 
e  für  ae,  oe,  §  hat,  sonst  kann  man  nicht  sagen,  dass  sie 
sehr  modernisiert  ist,  der  ungebildete  Schreiber  hat  sogar 
sehr  oft  gute  alte  Namensformen  von  Personen  und  Orten 
bewahrt  ^,  wenn  auch  manche  ihm  geläufigere  Personen- 
namen eine  jüngere  Form  erhalten  haben.  Er  hat  gewiss 
nicht  selten  Worte  und  Wortreihen  weggelassen,  er  hat 
sehr  viele,    oft  lächerliche,    Schreibfehler   begangen,    aber 


1)  S.  1  der  Ausgabe  hat  C  2  die  Form  'Widuchindus',  S.  38  zuerst 
(N.  h)  'windukind',  nachher  wie  der  Text  'widukindi'. 


Ueber  eine  neue  Widukind- Handschrift.  787 

der  Schaden  ist  gering-,  er  ist  nur  deshalb  als  solcher  zu 
rechnen,  als  man  den  Apparat  einer  neuen  Ausgabe  mit 
dem  Ballast  dieser  Fehler  einmal  wird  belasten  müssen, 
man  kann  sie  aber  auch  entlasten,  indem  man  eine  be- 
trächtliche Anzahl  von  Lesarten  der  Benutzer  streicht,  die 
in  der  letzten  Ausgabe  gar  zu  reichlich  angeführt  sind, 
obgleich  sie  in  den  meisten  Fällen  für  die  Textherstellung 
garnicht  in  Betracht  kommen. 

Noch  eine  auffallende  Erscheinung  in  der  Hs.  ist  zu 
erwähnen:  In  den  Kapiteln  II,  11  (f.  18^)  und  II,  23  —  28 
(f.  21"^' — 22^*^)  waren  eine  Anzahl  Worte  von  dem  Schreiber 
weggelassen  und  für  sie  Raum  frei  gelassen.  Da  das  nur 
an  diesen  Stellen  geschehen  ist,  wird  man  annehmen,  dass 
da  die  kopierte  Hs.  durch  Feuchtigkeit  oder  eine  andere 
Einwirkung  beschädigt  war.  Nur  in  II,  11  sind  die 
fehlenden  Worte  'geuehardus,  ob  cuius,  inuitus'  sämtlich 
richtig  mit  ganz  blasser  Tinte  viel  später,  doch  wohl  erst 
im  15.  Jh.,  von  einer  Hand  ergänzt  worden,  aber  der 
fehlende  Namen  war  von  anderer  Hand,  doch  wohl 
schon  früher,  aber  auch  erst  im  15.  Jh.,  mit  'gewe*hdus' 
(so!)  am  Rande  ergänzt,  vmd  dieselbe  Hand  ergänzte  weiter 
unten  am  Rande  die  Worte  'Rex  at  (autem)',  die  im  Texte 
fehlten,  für  die  aber  kein  Raum  freigelassen  war.  Das 
konnte  nur  mit  Hülfe  einer  andern  Widukind- Hs.  be- 
werkstelligt werden,  denn  der  Gevehardus  kommt  im  ganzen 
Werk  sonst  nicht  vor,  und  diese  Namensform  stand  nur 
in  der  verlorenen  Hs.  B  2,  und  auch  die  andern  Er- 
gänzungen Hessen  sich  doch  nicht  so  ganz  leicht  durch 
Konjektur  richtig  finden.  Es  stellt  sich  also  die  auf- 
fallende Tatsache  heraus,  dass  man  im  15.  Jh.  da,  wo  sich 
die  Hs.  befand,  wenigstens  zu  einer  Zeit  eine  zweite  Wi- 
dukind-Hs.  zur  Verfügung  hatte. 

Nicht  selten  hat  C  2  auch  unrichtige  Lesarten  mit 
Hss.  anderer  Rezensionen,  nicht  mit  C,  bald  mit  A,  bald 
mit  einer  von  beiden  oder  beiden  B-Hss.  gemein,  wie  ja 
auch  die  übrigen  Hss.  zuweilen  in  Fehlern  mit  einander 
übereinkommen.  Das  kann  natürlich  nur  durch  Zufall  er- 
klärt werden. 

Wir  wissen,  dass  ausser  der  Frechtschen  Hs.  noch 
zwei  andere ,  heute  verlorene  Widukind  -  Hss.  existiert 
haben.  Die  eine  befand  sich  1516  in  dem  Kloster  Neu- 
werk bei  Halle  ^,  da  aber  Trithemius  schon  1516  starb,  ist 
es    ausgeschlossen,    dass    diese    mit    der    neu    gefundenen 


1)  Archiv  V,  525  f. 


788  Oswald  Holder  -  Egger. 

identisch  sein  kann  ^.  Die  andere  will  der  berücbtigte  J. 
F.  Falke  besessen  haben,  was  man  nur  deshalb  schwer  be- 
zweifeln kann,  weil  Grupen  erklärt,  die  Hs.  gesehen  zu 
haben.  Sie  soll  dem  Kloster  Corvey  selbst  gehört  haben. 
Falke  hat  auch  einige  angebliche  Lesarten  dieser  Hs.  an- 
geführt, die  K.  A.  Kehr  in  seiner  Ausgabe  sämtlich  wieder- 
holt hat.  Sie  machen  keineswegs  einen  Vertrauen  er- 
weckenden Eindruck  und  gar  wenige  stimmen  mit  C  2 
überein.  S.  21,  N.  a  bat  Falke  'Suevi',  aber  C  2  mit  C 
'Suuaui'.  Ebenda  N.  b  hat  C  2  freilich  mit  A.  C  die 
richtige  Lesart  'Transbadani',  die  auch  Falke  angibt.  S.  51, 
N.  b  will  Falke  als  Name  des  uns  durch  Runenstein  be- 
kannten dänischen  Fürsten  in  seiner  Hs.  'Chnutam'  ge- 
funden haben,  was  nicht  sehr  glaublich  ist,  die  Form 
scheint  eher  erfunden  zu  sein,  indem  F.  irrig  an  einen 
König  Knud  dachte,  C  2  hat  'chunpä'  (für  'chnupam'). 
Aber  ich  brauche  die  Lesarten  von  C  2  und  Falke  nicht 
weiter  zu  vergleichen,  denn  dieser  gibt  (S.  26,  N.  n — r, 
S.  27,  N.  a.  b.  d  und  S.  90,  N.  a  —  d.  g)  auch  Varianten 
zu  Stellen  an,  die  nur  in  der  Rezension  B,  nicht  in  C.  C  2 
stehen.  Hatte  Falke  also  eine  Hs.,  so  war  sie  eine  der 
B- Klasse,  nicht  die  des  Trithemius,  von  der  er  auch  nicht 
sagen  konnte,  dass  sie  aus  Corvey  stammte,  da  er  in  ihr 
keinen  Hinweis  darauf  gefunden  hätte.  Dass  die  Hs., 
welche  Grupen  gesehen  hat,  doch  vielleicht  diese  gewesen 
ist,  kann  man  freilich  bestimmt  nicht  leugnen^,  dann  hat 
aber  Falke  greulich  geschwindelt,  da  er  fast  garkeine 
ihrer  wirklichen  Lesarten  anführte  ^  und  sogar  solche  von 
Stellen,  die  garnicht  in  ihr  standen.  Warum  er  das  getan 
haben  sollte,  ist  freilich  ganz  unerfindlich. 


1)  Auch  scheint  wenigstens  die  Neuwerker  Hs.  noch  Thietmars 
Chronik  und  anderes  enthalten  zu  haben,  also  eine  sehr  grosse  Hs.  ge- 
wesen zu  sein.  Freilich  könnte  das  'Ibi  habetur'  der  a.  a.  0.  mitgeteilten 
Notiz  so  gedeutet  werden,  dass  es  nicht  heissen  sollte :  'In  derselben  Hs. 
steht',   sondern  nur:   'Zu  Neuwerk   befindet   sich    auch'.  2)    Dies   mit 

Rücksicht  auf  S.  38,  N.  1,  wozu  vgl.  oben  S.  786,  N.  1,  3)  Noch  zwei 
Beispiele  will  ich  geben :  S.  68,  N.  v  will  Falke  in  seiner  Hs.  die  Namens- 
form 'Haaldus'  gefunden  haben,  C  2  hat  'ad  aldus'  mit  falscher  Wort- 
trennung. S.  60  hat  die  Hs.  wie  der  Text  'Elmeri',  Falke  N.  p  aber 
'Helmeri',  was  keine  Hs.  bietet. 


Zu  den  Teilnehmerlisten  des  Protokolls  über  den 
letzten  Tag  des  Laterankonzils  von  1112. 

Von  Otto  Schumann. 

Das  Protokoll  über  die  Verbandliino-en  des  letzten 
Tages  des  Laterankonzils  von  1112  (23.  März),  abgedruckt 
von  Weiland  in  den  MG.  Const.  I,  570  —  573,  entbält  zn- 
näcbst  einen  kurzen  Beriebt  über  die  Hauptpunkte  der 
Verbandlungen ,  das  vom  Papste  abgelegte  Glaubens- 
bekenntnis und  den  Besebluss  der  Verdammung  des  In- 
vestiturprivilegs von  1111.  Darauf  folgt  die  Liste  derer, 
die  an  den  Verbandlungen  teilgenommen  baben,  und  am 
Schlüsse  werden  die  Verfasser  des  Protokolls  vermerkt. 

Die  Teilnehmer  sind  in  vier  Abteilungen  aufgeführt : 
Erzbischöfe,  Bischöfe  (voran  die  Kardinalbischöfe) ,  Kar- 
dinalpriester ^,  Kardinaldiakone.  Bei  der  Liste  der  Kar- 
dinalpriester hat  nun  der  Herausgeber  der  Constitutiones, 
der  im  übrigen  den  Text  gegenüber  dem  teilweise  ganz 
sinnlosen  Abdruck  bei  Pertz  (Leges  II,  2,  181)  sehr  wesent- 
lich verbessert  hat,  durch  eine  verfehlte  Interpunktion  den 
ursprünglichen  Sinn  in  irreführender  Weise  entstellt.  Doch 
ist  eine  Emendation,  wie  ich  zu  zeigen  hoffe,  unschwer 
durchzuführen. 

Die  Aufzählung  der  Teilnehmer  beginnt-  folgender- 
massen: 

'Archiepiscopi  qui  cum  suis  suffraganeis   interfuerunt 

hü  sunt:    lohannes  patriarcha  Veneticus' (folgen 

die  übrigen  Namen). 

'Episcopi   vero :    Centius   Sabinensis et   alii 

fere  C  episcopi.  Bruno  Signinus  et  lohannes  Tusculanus 
episcopi,    cum   essent   Eome,    illa   die    concilio   non    inter- 


1)    Sie  werden  in  den  meisten  Hss.  als  'cardinales'  schlechthin  be- 
zeichnet, während  die  Kardinaldiakone  nur  'diaconi'  heissen. 

Neues  Archiv  etc.   XXXV.  51 


790  Otto  Schumann. 

fuerunt ;  qui  postea  lecta  dampnatione  pravilegii  consen- 
sernnt  et  laudaverunt'. 

Fast  genau  derselbe  Vermerk :  'cum  essent  Rome,  illa 
die  concilio  non  interfuerunt ;  postea  lecta  dampnatione 
nefandi  pravilegii  consenserunt  et  laudaverunt'  findet  sich 
auch  am  Schlüsse  der  nunmehr  folgenden  Liste  der  Kar- 
dinalpriester. Das  hat  Weiland  verleitet,  den  Yermerk 
auf  diese  ganze  Liste  zu  beziehen  und  demgemäss  folgender- 
massen  zu  interpungieren : 

'Cardinales    vero    —    Bonifacius   tituli   Sancti   Marci, 

Robertus  tituli  Sancti  Eusebii (folgen  die  weiteren 

Namen) Vitalis  tituli  Sancte  Balbine,  Petrus  tituli 

Sancti  Sjsti  et  Albericus  tituli  Sancte  Savine  cardinales  — 
cum  essent  Rome' etc. 

Danach  wären  alle  diese  Kardinalpriester  am  letzten 
Tage  dem  Konzil  fern  geblieben.  Das  ist  an  sich  schon 
unwahrscheinlich,  ja  ganz  unmöglich.  Abgesehen  davon 
erscheinen  die  Kardinalpriester  'Robertus  tituli  S.  Eusebii' 
und  'Gregorius  tituli  SS.  Apostolorum'  weiter  unten  unter 
denen,  die  das  Protokoll  verfasst  haben,  müssen  also  bei 
den  Verhandlungen  zugegen  gewesen  sein.  Dasselbe  gilt 
von  dem  Kardinalpriester  'Divizo  tit.  S.  Martini',  der  mit 
Bischof  Girard  von  Angouleme  nach  dem  Bericht  der 
Gesta  episcoporum  et  comitum  Engolismensium  ^  auf  ge- 
meinsamen Beschluss  der  Versammlung  an  Heinrich  V. 
geschickt  wurde,  um  ihm  den  Beschluss  des  Konzils,  die 
Verdammung  des  'pravilegium',  zu  verkündigen. 

Die  Interpunktion  Weilands  ist  demnach  unhaltbar, 
und  es  leuchtet  ohne  weiteres  ein,  dass  der  Vermerk  'cum 
essent  Rome'  etc.  sich,  ebenso  wie  im  voraufgehenden  Ab- 
schnitt nur  auf  Bruno  von  Segni  und  Johann  von  Tus- 
culum,  so  hier  nur  auf  die  letzten,  und  zwar  mindestens 
die  letzten  zwei  der  aufgezählten  Kardinalpriester  beziehen 
kann.  Darauf  lässt  auch  schliessen,  dass  hinter  dem  letzten 
Namen  noch    einmal    das  Wort  'cardinales'  wiederholt   ist. 

Wo  findet  nun  der  Einschnitt,  der  folglich  in  der 
Reihe   der  Kardinalpriester  zu   machen   ist,   seine   Stelle? 


1)  SS.  XXVI,  823:  'Placuit  .  .  papae  et  toti  concilio,  quatenus 
Girardus  .  .  .  cum  quodam  cardinale  Diviciaco  ad  imperatorem  dirigeretur', 
(Waitz  hält  ebda.  n.  1  'Diviciaco'  für  einen  Ortsnamen,  etwa  Deutz.  Ueber 
die  knappe,  aber  doch  vollkommen  ausreichende  Zeit  für  die  Gesandt- 
schaftsreise des  Kardinals  Divizo  und  die  Bedeutung  der  in  einem 
Synodalprotokoll  vereinzelten  und  auffälligen  Beifügung  der  "Worte  'cum 
essent  Rome'  werde  ich  an  anderer  Stelle  eingehend  handeln. 


Zu  den  Teilnehmerlisten  des  Protokolls  u.  s.  w.        791 

Darauf  weist  uns  die  Lesart  der  Ausgabe  des  Baluze, 
bezw.  der  ihr  zu  Grunde  liegenden  Hs.  (4  bei  Weiland); 
diese  hat  hinter  dem  vorletzten  Namen,  Petrus,  ein  'vero' 
eingeschoben.  Zweifellos  ist  dies  die  richtige  Lesung,  und 
der  Einschnitt  gehört  demnach  zwischen  den  drittletzten 
und  zweitletzten  Namen  der  Liste  ^. 

Die  ganze  Teilnehmerliste  lautet  dann  folgender- 
massen : 

'Archiepiscopi  qui' 

'Episcopi^  vero' 

'Cardinales  vero:  Bonifacius  tit.  S.  Marci,  .  .  .  [folgen 
die  übrigen  Namen  bis:]  .  .  .  Vitalis  tit.  S.  Balbine. 
(Petrus  vero  tituli  Sancti  Systi  et  Albericus  tituli  Sancte 
Savine  cardinales,  cum  essent  Rome,  illa  die  concilio  non 
interf uerunt ;  postea  lecta  dampnatione  nefandi  pravilegii 
consenserunt  et  laudaverunt)'. 

'Diaconi  vero :    lohaunes   abbas   Sublacensis 

Theobaldus,  Roscemannus'. 

'Hü  omnes  ^  in  dampnatione  predicti  pravilegii  con- 
senserunt cum  abbatibus  et  innumerabili  multitudine  tam 
clericorum  quam  laicorum'. 

Die  beiden  Vermerke  betr.  die  Kardinalbischöfe  und 
Kardinalpriester,  die  erst  nachträglich  ihre  Zustimmung 
gaben,  sind  offensichtlich  nachträglich  in  das  Protokoll 
eingefügt. 


1)    Dass   gerade   4   das   sicher  gleichfalls   echte    'cardinales'   hinter 
dem  letzten  Namen  nicht  hat,  ist   unwesentlich.  2)  Vor  'episcopi'  ist 

besser  ebenfalls  ein  Absatz  zu   machen.  3)  "Weiland   bezieht   das    'hü 

omnes'  nur  auf  die  diaconi,  doch  gehört  es   zweifellos   zur   ganzen  Liste. 


51" 


Register. 

Bearbeitet  von  Ernst  Müller. 


A. 

Aargau  617. 

Ablassgeld  636. 

Ablasshandel  621. 

Acta  regum  Bohemiae  selecta  306 ; 
S.  Sebastiaui  221  ff. 

Actus  pontificum  Cenomannis  in 
urbe  degentium  511.  513.  594. 

Adalbero,  Hzg.  von  Kärnten  102. 

Adalbert,  Eb.  von  Hamburg-Bremen 
629. 

Adam  von  Bremen  276.  ö95. 

de  Adam  s.  Salimbene. 

Adela,  Kgin.  von  Frankreich,  Urk. 
637. 

Aderlass  608  f. 

Kg.  Adolf  von  Nassau  612.  614. 

Afralegende  271  f. 

Aggsbach ,  Kartause ,  Nekrologien 
763;  ÜB.  305. 

Agnes,  Gem.  K.  Heinrichs  III., 
Urk.  627. 

Agobard,  Eb.  von  Lyon  609. 

Alarich  I.,  Kg.  der  Westgoten  s. 
Breviarium. 

Alba  310. 

Albericus  de  Rosciate  284. 

Albertus  de  Bezanis  3  f. 

Albigenser  638. 

d'Albornoz,  Gromez,  römischer  Se- 
nator 694.  696  f. 

Albrecht  IV.,  Burggraf  von  Nürn- 
berg 292. 

Album  Beige  de  diplomatique  326  ff. 

Aldemarii  Vitae  596. 

P.  Alexander  II.  s.  Urkk. 

P.  Alexander  IV.  s.  Urkk. 

Alexandri  epistola  ad  Aristotelem 
324  f. 


Alfred .  Kg.  von  England ,  Dicta 
424  ff. 

alodis  615. 

Altaich  s.  Niederaltaich. 

Altenburg  l)ei  Hörn,  Benediktiner- 
stift, Necrologium  763  f. 

Altercatio  pro  cenobio  Casinensi 
auctore  Petro  diacono  599. 

Amam  641  f. 

S.  Amandus,  Vitae  4. 

Amelii  s.  Petrus. 

Amelius  s.  Petrus. 

Ammerschweier,  Stadtarchiv  302. 

P.  Anastasius  II.  351. 

Anastasius,  päpstlicher  Bibliothekar 
12.  664  ff. 

V.  Andlaw,  Archiv  s.  Freiburg  i.  Br. 

St.  Andrä  a.  d.  Traisen,  ChorheiTen- 
stift,  Necrologium  752  f. 

Andrea  Gatari  286. 

Angeln  s.  Lex  Anglorum. 

Angelsachsen  325;  Annalen  .885. 
417.  419.  422. 

Angouleme,  B.  Girard. 

Anna,  Hzgin.  von  Kärnten  (Urk.) 
306. 

Annalen  des  Kl.  St. -Denis  19  X.  1. 
—  S.  Angelsachsen,  Flandern, 
Oesterreich. 

Annales  Austriae  5;  Forolivienses 
605  ;  Fuldenses  276 ;  Gorlicenses 
588 ;  Hirsaugienses  des  Trithemius 
595 ;  S.  lustinae  Patav.  590.  604 ; 
Marbacenses  280 ;  Sangallenses 
maiores  58  ff. ;  Wintonienses  886 
N.  1.  2.  419;  Xantenses  et  Veda- 
stini  4.  263. 

Annatenverzeichnis  der  ßeimser 
Kirchenprovinz  309. 

de  Annoniaco  s.  Johannes  Porta. 


Register. 


793 


Anonj'mus  Mellicensis  563.  568  ff. 

Ansbach,  Kl.  277. 

Anselm  s.  Gesta    episcop.  Leodiens. 

Antiphonar  328. 

Antiquitates  12. 

Antonius  Godius  604. 

Antwerpen,  Abtei  St.  Michiels  308. 

Apuleius  im  MA.  318. 

Apulien  285. 

Aquileja ,  Patriarchat  638 ;  Ur- 
kunden 639.  —  Patriarch :  Gott- 
fried. —  S.  Paulinus. 

Aquino  290. 

Aragonien,  Infant  Petrus. 

arbor  iuris  610  f. 

Archive,  Archivberichte  =  Inven- 
tars s.  Ammerschweier ,  Assisi, 
Avignon,  Brixen,  Frankfurt  a.  M., 
Freiburg  i.  Br.,  Hopfgarten,  Kitz- 
bühel, Laisackerhof,  Lienz,  Lüb- 
benau, Mailand,  Monferrato,  Mühl- 
hausen i.  Th.,  München,  Nieder- 
österreich, Oberrhein,  Oesterreich, 
Prutting,  Rattenberg,  Tirol,  Vati- 
kan ,  Windisch  -  Matrei.  —  Vgl. 
auch  Handschriften. 

Kg.  Arduin,  Urk.  689. 

Arezzo,  Hymnen  644  f. 

Argenteuil,  Priorat  31  N.  1.  34.  — 
Prior :  Manasserus, 

Arles,  B.  Caesarius. 

Armagnac,  Grafen  von  644. 

Armutsstreit  v.  .1.  1323:  620. 

Arnold  von  Auch,  päpstlicher  Käm- 
merer 299. 

Arnold  von  St.  Emmeram  277. 

Arnsberg,  Grafschaft  616. 

H.  Arnulf  587. 

K.  Arnulf,  Urk.  624  f. 

St.  Arnulf  in  Metz,  Kl.  326. 

Assisi,  Archiv  283. 

Atergau  266. 

Athanagild,  Kg.  der  "Westgoten  39. 

Athanasius,   ß.    von   Neapel    667  ff. 

—  S.  Vita. 

Atina  598.   —   Atinensis   martyr    s. 

S.  Secundinus. 
Atlas,  historischer  s.  Oberösterreich. 
Attila  369  f. 
Auch  s.  Arnold. 
Audoini  Vita  II.  591. 
Augsburg,  Domkapitel  (Urbar)  651. 

—  Bischöfe  :      Friedrich      von 
Zollern,  Wolfhard. 

Augustiner  -  Kongregationen  295. 


Augustinus   783 ;    Quelle   des  Bene- 

dictus  Lev.  471.  516. 
Augustinus  Triumphus  8. 
Aura,  Ekkehard  s.  Frutolf. 
Ausonius  316. 
Auspicius  316  f. 
Autun  s.  Hispana,  Honorius. 
Auxerre,  B.  Germanus. 
Avignon  588  f. ;   päpstliches  Archiv 

299  f. 

B. 

Baden,  Städtesiegel  634. 

Baiern ,  Hzg.  Tassilo.  —  S.  Lex 
Baiuwariorum,  Oberbaiern. 

Balderich,  B.  von  Lüttich  (Urk.) 
308  f. 

Baldricus  =  Graf  Lambert  II.  von 
Löwen  (Urk.)  307  f. 

Balduin  (II.)  v.  Wenden,  Eb.  von 
Bremen  268. 

Balduin,   Abt   von  St.  Edmund  21. 

Bamberg,  Hochstift  634;  Visions- 
und Wundergeschichte  276.  — 
B.  Heinrich  I. ;  Kleriker  Udalrich. 

Bartholomäus  Anglicus  655. 

Bartolomeo  Gatari  285  f. 

Basel,   Münz-  und  Geldpolitik   659. 

—  Bischöfe:    Berthold,    Liutold. 

—  S.  Konzilien. 

K.  Basilius  I.  12.  661  ff. 

Baudemund  4. 

Baudonivia,  Nonne  221. 

Beauvais,  St.  Lucian  40  N.  2.  50. 

Bebenburg  s.  Lupoid. 

Becket  s.  Thomas. 

Beda     Venerabilis     333  f.     377  f. ; 

Kirchengeschichte  333.  373.  564  f. 

568  ff.  592 ;  Martyrolog  274.  333. 
Beichte,  Traktat  782. 
Belgien,  Urkundenwesen  326  ff. 
Belmonte,  S.  Maria  di  639. 
H.  Benedikt  von  Nursia  317.  597  f. 
Benedikt  Biskop  349. 
P.  Benedikt  VII.,  Urk.  296  f. 
P.  Benedikt  VIII.,  Urkk.  637. 
P.  Benedikt  XII.,  Schreiben  614. 
Benedictus  Levita  6  f.  105  ff.  433  ff. ; 

Quellenverzeichnis    des    2.    Buchs 

532  ff 
Benediktbeuren ,    Kl.     313.     —     S. 

Carmina. 
Benediktiner,   Klöster  im  Lodesani- 

schen  267  ;   Kongregationen   295 ; 

vgl.  Mauriner  -  Kongregation. 


794 


Register. 


St, -Benigne  in  Dijon,  Kl.  637. 

Benno  11.,  B.  von  Osnabrück  623  f. 

St.  -  Benoit  -  sur  -  Loire  (Fleury),  Kl. 
598. 

Benvenuto  da  Imola  694.  699. 

Benvenutus  de  S.  Georgio  288. 

Bergregal  616. 

Bern,  Geschichtsquellen  304. 

Bernhard,  Hzg.  von  Braunschweig 
202  ff. 

Bernhard  von  der  Geist  648. 

St.  Bernhard  bei  Hörn,  Cistercienser- 
nonnen,  Necrologium  753  f. 

Berthold,   Hzg.  von  Zähringen  298. 

Berthold,  B.  von  Basel  (Urkk.)  302. 

H.  Bertrand,  B.  von  Le  Mans  594. 

Besangon,  Erzbistum  654.  —  Eb. 
Hugo  der  Gr. 

Bestattung  159  f. 

Bestialität  175. 

de  Bezanis  s.  Albertus. 

Biandrate,  Grafen  288. 

Bibel,  Quelle  des  Benedictus  Lev. 
532  f.  537  f. 

Bibliotheken  586;  Biblioteca  Ros- 
siana  586  f.  —  S.  Handschriften, 
Rom. 

Bibliothekskataloge,  mittelalterliche 
Deutschlands  264. 

Biel,  Gabriel  (Brief)  582  ff. 

Bielitz  685. 

Bilger,  E.  9. 

Bingen  s.  Hildegard. 

Bischöfe,  Hierarchie  619;  Kriegs- 
dienst 480  ff. ;  Kölner  Kirchen- 
provinz 620.  —  S.  Episkopal- 
system. 

Biterolf,  Dichter  649. 

St.  Blasien,  Kl.  683. 

Bobbio,  Kl.  (Inventare)  323. 

Böhmen,  Herzogs-  und  Königsurkk., 
306,  s.  Konstanze,  Wenzel  IV.; 
Landrecht  617;  Ortsnamen  267. 

Böhmer,  J.  Er.  302. 

Boemuud  II.,  Eb.  von  Trier  295. 

Boleslaw  I.,  Hzg.  von  Schlesien  636. 

Bologna  641.  697;  Bistum  578; 
Chroniken  285;  Universität  574; 
Urkundenbuch  640. 

H.  Bonifatius  267;  Briefe,  Quelle 
des  Benedictus  Lev.  537.  539; 
Statuta  119  ff. 

P.  Bonifatius  IV.  362;  Dekret  375. 

Bordeaux,  B.  H.  Severin. 

Bosau  s.  Helmold. 

Boselli  311. 


Boulogne,  Graf  Philipp. 

Bourges,  Ostertafel  49. 

Braga,  B.  Martin. 

Brandenburg ,    Bistum     9 ;     Mark, 

historische  Volkslieder  6. 
Braunschweig,   Herzoge :    Bernhard, 

Friedrich ,     Heinrich    der    Löwe, 

Heinrich,  Otto. 
Bremen,    Erzb. :  Adalbert,   Balduin, 

Otto     von    Braunschweig ;    Dom- 

scholaster  Adam;  Domherr  Vicelin. 
Breslau,  Fürstbistum  616. 
Bresslau,  H.  3.  6.  10. 
Bretholz,  B.  5. 
Breuil  s.  Guillaume. 
Breviarium  Alarici  873  f. 
Brevier  317. 
Briefe  s.  Codex  epistolaris,  Epistola, 

Epistolae,    Papstbriefe,   Urkunden 

und    im    übrigen    die    Schreiber- 
namen. 
Briord    (Dep.    Ain)    an   der   Rhone, 

Grabschrift  41  f. 
Brixen ,    Dekanat-    und   Pfarrarchiv 

305. 
Brunn,  Teilfürst  Udalrich. 
Brüssel,  Pfarrkirche  St.  Michael  und 

Gudula  807  f. 
Brugman,   Br.  Johannes,   Speculum 

imperfectionis  601. 
Brunner,  H.  3.  6. 

Bruno,  Kardinalb.  von  Segni  789  f. 
Bullenschrift,  neuzeitliche  300. 
Burchard,   B.   von  Würzburg,  Vita 

277. 
Burckard  s.  Johannes  B. 
Burghausen,  Vertrag  292. 
Burgund ,      Herzogtum      618.      — 

Herzoge :     Philipp     der     Kühne, 

Robert    I. ,     Katharina ,     Maria ; 

Kanzler  Rolin. 
Buzzano,  S.  Tomaso  di  639. 
Byzanz,  Liturgie  645. 

C. 

P.  Calixt  II.,  Dekret  396  f. 

P.  Calixt  III.  644. 

Cambrai,  Bistum  629. 

Canones  -  Sammlung   des   B.  Martin 

von  Braga  404.  —  S.  Dekretalen, 

Hispana. 
Canterbury,     Erzbistum    375.     378. 

391    N.   3.    410.    419  ff.    —    Eb. 

Thomas  Becket.  —  S.  Kl.  Christ 

Church. 


Register. 


795 


Capodistria,  Bistum  296. 
Carcano,  Schlacht  bei  639  f. 
Carmina    Burana    322 ;    Mutinensia 

320  f.    646  f.     —     S.    Gedichte, 

Lieder. 
Carrara,  Chronik  285  f. 
Caesarius,  B.  von  Arles,  Vita  221  £F. 
Caesarius  von  Heisterbach,  Dialogus 

miraculorum,  Homiliae  de  infantia 

salvatoris,  Fraomenta  miraculorum 

655;  Vita  s.  Elisabeth  und  Sermo 

de  translatione  b.  Elisabeth  281  ff. 
Caspar,  E.  12. 
Cassiodorius ,      Historia      tripartita, 

Quelle   des   Benedictus  Lev.   537. 
Celano  s.  Thomas. 
Ceolfrid,    Abt  von  Wearmouth   und 

Jarrow  349.  377. 
Certamen     anime     des     Raimundus 

Astucus  705  ft". 
Chacimilliers  s.  Mathieu. 
Charderich,    Abt  von  St.  -  Denis  34. 
Kg.  Charibert  I.  37.  39  f. 
Kg.  Charibert  II.  37.  43. 
Chaumont,  St.  Peter,  Prior  Nicolaus. 
Chelles,  Aebtissinnen :  Gela,  Helvide, 

Helvise,  Mathilde. 
Chiemsee,  Aebtissin  Elspet. 
Kg.  Chüdebert  I.  37  ff.  40  f.  593. 
Kg.  Childebert  II.  37.  40  f. 
Kg.    Childebert   III.    32   N.    1.    .35. 

38.  40  N.  2.  47  f. ;  Ürk.  48. 
Kg.  Childebert,  Sohn  Grimoalds  d.  A. 

38.  43  ff. 
Kg.  Childerich  II.  38.  44  ff.  591. 
Kg.  Childerich  III.  38.  51  ff. 
Kg.  Chilperich  I.  37.  39.  41. 
Kg.     Chilperich     II.     20.     38.     41. 

49  f. 
Chirihheim  (Kirchen  in  Baden)  276. 
Kg.  Chlodomer  37. 
Kg.  Chlodwig  I.  21.  34.  37  f. 
Kg.  Chlodwig  II.  20.  38.  44  f. 
Kg.  Chlodwig  III.  20.  35.  38.  47  f. 
Kg.  Chlothar  I.  37.  39. 
Kg.  Chlothar  II.  20.  37.  41  f. 
Kg.  Chlothar  III.  20.  38.  45  ff. 
Kg.  Chlothar  IV.  38.  50. 
Choisy  -  au  -  Bac  (Dep.  Oise),  Kl,  48. 
Chorbischöfe  478  ff. 
Christ    Church,   Kl.    in   Canterbury, 

Mönch  Eadmer. 
Christian  I.,  Eb.  von  Mainz  (Urkk.) 

299.  627. 
Christoforus     von    Piacenza    (Urk.) 

642  f. 


Chrodechildis,  Gem.  Kg.  Chlodwigs  I, 
34. 

Chrodechildis ,  Gem.  Kg.  Theude- 
richs III.  34. 

Chroniken:  Chronik,  Österreich, 
von  den  95  Herrschaften  6 ;  nach 
den  sieben  Weltaltern  695  f.  698 
N.  1 ;  von  München  303 ;  von 
S.  Vincenzo  al  Volturno  656.  — 
Chroniken  von  Bologna  285; 
deutsche  6.  586;  Italiens  im  MA. 
270 ;  des  Kl.  Ribnitz  286  f.  — 
Chronica  monast.  Hirsaug.  des 
Trithemius  595;  mon.  Villariensis 
601  f.  —  Chronicon  Ati- 
nensis  ecclesiae  598  ;  Estense  590 ; 
Salernitanum  663.  665  f.  668 ; 
Suevicum  universale  s.  Epitome 
Sangallensis  ;  Trunchiniense  288  ; 
Wirziburgense  60  ff.  —  C  r  o  n  a  c  a 
Carrarese  285  f. ;  delle  tribolazioni 
284.  —  S.  Compendium,  Corpus, 
Epitome  chronicorum,  Geschicht- 
schreiber, Historia,  Scriptores, 
Weltchronik  und  im  übrigen  die 
Verfassernamen. 

Chronologie  s.  Zeitrechnung. 

Chrysostomos  s.  H.  Johannes. 

Cittä  di  Castello  297. 

Cittanova,  Inschrift  321.  646  f. 

P.  Clemens  (III.)  s.  Wibert. 

P.  Clemens  III.  680  f. 

P.  Clemens  V.,  Schreiben  613. 

P.  Clemens  VI.,  Urk.  630. 

P.  Clemens  VII.  314  (Schreiben).  643. 

Clementis  s.  Matthäus,  Odo. 

Codagnellus  s.  Johannes. 

Codex  diplomaticus  regni  Croatiae, 
Dalmatiae  et  Slavoniae  306;  epi- 
stolaris  des  Johann  von  Jenstein, 
Eb.  von  Prag  314;  Udah-ici  629; 
Vicelini  629. 

Collectio  s.  Hispana, 

Colonna  s.  Jakob. 

Colquhoun,  Familie  776  f. 

H.  Columban  274  f.;  Briefe  654; 
Vita  221  ff. 

Comacchio,  Inschrift  650. 

Compagni  s.  Dino. 

Compendium  chronicorum  des  ßr. 
Marianus  von  Florenz  284.  601. 

Computus  Notkers  des  Deutschen  648. 

Concilia  3.  7.  —  S.  Konzilien,  Kon- 
zilsakten. 

Constantius ,  Vita  Germani  episc. 
Autissiodor.  221  ff. 


796 


Register. 


Constitutiones  et  Acta  ijublica  3.  5. 

7.  586. 
Continuatio  Fredegarii  591. 
Corbie,  Abt  Girard. 
P.  Coi-nelius  366  ft". 
Corpus    chronicorum    Bouonieusiuni 

285. 
Corvey,  Kl.  84.  623  f.  —  S.  Widu- 

kind. 
Cosmas,  B.  von  Prag  681  ff. 
Cosmas  von  Prag,  Chronik  5.  677  ff. ; 

Hss.  684  ff. ;  Fortsetzungen  278. 
Cremona,    Bischöfe :    J  ohann,    Liud- 

prand. 
Crepy  -  en -Valois,  Kl.  587. 
de  Crivellis,  Johannes  698. 
Cronaca  s.  Chroniken. 


D. 

Kg.  Dagobert  I.    34.   37.    41  ff.   — 

S.  Urkk. 
Kg.  Dagobert  II.  37.  43  fi". 
Kg.  Dagobert  III.  32  X.  1.  38.  47  ff. 
Dalmatien,  ÜB.  306. 
P.  Damasus  338  (Brief) ;  Gedichte  350. 
Damiani  s.  Petrus. 
Dänemark  595. 
Dante,  Monarchia  8.  293. 
Danzig  636. 

Datarie,  päpstliche  301. 
Decreta  s.  Dekretalen  und  PP.  Boni- 

fatius  IV.,  Calixt  U.,  Gregor  VII., 

Nicolaus  II.,  Urban  II. 
Deditio  83  N.  2. 
Defensor  pacis  614. 
Dekretalen    772;   Quelle   des   Bene- 

dictus    Lev.    534  f.    538.    —    S. 

Decreta. 
Denar  289. 

Dendermonde  s.  Maria  von  Burgund. 
St. -Denis,    Kl.    651;    Annalen    19 

N.  1 ;  Nekrologien  17  ff.  —  Aebte : 

Charderich,  Dodo,  Gauslinus,  Hil- 

duin,  Hugo,  Odo,  Suger,  Wilhelm. 

—    Prior    Thibaud.    —    Mönche 

21  ff. 
Desiderata  276. 
Determinatio  compendiosa  de   iuris- 

dictione  imperii  8.  263. 
Deusdedit  513  X.  6. 
Deutschland,     Gaue     625.     —      S. 

Chroniken ,      Germania ,      Recht, 

Reichstagsakten . 


Deutschorden  621.  636;  Hochmeister- 

Urk.  636;    Siegelstempel  659,    — 

Vgl.  Mergentheira. 
Dichter  s.  Erfurt,  Gedichte,    Poetae 

und  die  einzelnen  Xamen. 
Dichtungen    s.    Ekkehart    IV.    von 

St.  Gallen,  Suchenwirt. 
Dicta  Aelfredi  regis  424  ff. ;  abbatis 

Pirminii,    Quelle    des   Benedictus 

Lev.  537. 
Dieustrechte  7.  9. 
'Dies  irae'  645  f. 
Dietrich  I.,  Hzg.  von  Oberlothringen 

75  f. 
Dietrich  II.  von  Mümpelgard  589. 
Dietrich  von  Wettin  93  ff. 
Dietrich,  Abt  von  St. -Trond  576. 
Mag.  Dietrich  von  Echternach  574  ff. 

579  ff. 
Dijon,    Kl.    St.  -  Benigne    637;    St. 

Stephan  (Urkk.)  309. 
Dino  Compagni  602  f. 
H.   Dionysius,    B.    von    Korinth    22. 

—  S.  Vita. 
Dionysius  Exiguus,  Ostercyclus  49. 
Diplomata  Karolinorum  9f. ;  regum 

et   imperatorum    Germaniae    saec. 

XI.  10.  586 ;  saec.  XII.  10.  —  S. 

Kaiserurkk.,  Königsurkk.,  Ottonen, 

Urkunden. 
Diplomatik     s.     Album ,     Dorsual- 

notizen,  Imbreviaturen,  Papsttum, 

Urkundenwesen. 
Distelmeier ,      Christian ,      branden- 
burgischer Kanzler  5. 
Divizo ,     Kardinalpriester     von     St. 

Martin  790. 
Dodo,  Abt  von  St. -Denis  35. 
Dominici   de  Gravina  Chronicon   de 

rebus  in  Apulia  gestis  285. 
H.  Dominicus  637. 
Dominikaneroi-den  286.  630.  637. 
Donatkommentar  des  B.  Erchanbert 

von  Freising  654. 
Dorsualnotizen  der  italienischen  No- 

tariatsurkk.  311  f. 
Dortmund ,     Richter     und     Gericht 

618. 
Douzy  s.  Konzilsakten. 
Drechsel,  Andreas  605. 
Dürnstein ,    Chorherrenstift ,    Xecro- 

logium  764  f. 
Durand  s.  Wilhelm. 
Dynter  s.  Edmond. 


Register. 


797 


Eadmer,  Mönch  in  Christ  Chiirch  in 

Canterbury   386  N.  3.    391   N.  4. 

396  N.  4.  410  f.  420  f. 
Eberbach,  Kl.  ö72  f. 
Ebernand  von  Erfurt  649. 
Ebo     von     Reims ,     Apologeticum, 

Quelle  des  Benedictus  Lev.  492  f. 
Ebulo  s.  Petrus. 
Echteruach,  Kl.,  Liber  aureus  576.  — 

Mönch  Mag.  Dietrich. 
Edictum  legationis  v.  J .  789  :  607  £f. 
Edmond  de  Dynter  604. 
St.  Edmund,  Abt  Balduin. 
Eduard  III.,  Kg.  von  England  613  f. 
Eggenburg ,     Observanten ,     Necro- 

logium  731. 
Egilbert,   B.  von  Osnabrück  (Brief) 

623  f. 
Egloffstein  s.  Johann. 
Ehe ,    Trennung    146.    174.    182  f. ; 

Verbot  146.  174.  —  S.  Tractatus. 
Ehwald  12. 

Eike  von  Repgow  611  f. 
Einhard,  Vita    Karoli  Magni    381  f. 

384  f.  406  f.  417. 
Ekkehard  v.  Aura  s.  Frutolf. 
Ekkehart  IV.    von  St.  Gallen  647  f. 
H.  Elisabeth  293.  —  S.  Vita. 
Elisabeth,  Kgin.  von  Ungarn  591. 
Elsass  s.  Oberelsass,  Theoderich. 
Elspet,  Aebtissin  zu  Chiemsee  (Urk.) 

635. 
Elziarius  de  Sabrano,  Kardinal  643. 
H.  Emmeram,  angebliches  Grab  277. 
St.     Emmeram       zu      Regensburg, 

Mönch  Arnold. 
Eneas    Silvius    Piccolomini,    Briefe 

315.  643  f.  —  S.  P.  Pius  IL 
England     613  f. ;     Hss.    des    Liber 

pontificalis     333  ff.     —     Könige: 

Alfred,    Eduard  III.,   Heinrich  I. 
Ennodius  531.  ♦ 

Enthaltsamkeit  der  Kleriker,  Traktat 

782. 
Enzykliken  v.  J.  1252:  301. 
Episkopalsystem  des  Benedictus  Lev. 

452  ff.  458. 
Epistola   Alexandri   ad   Aristotelem 

324  f. ;  Sidonis  5.  263. 
Epistolae  11  f.  —  S.  Briefe. 
Epitome    chronicorum    Casinensium 

598 ;  Sangallensis  59  ff. 
Erchanbert,  B.  von  Freising  654. 
Erchenrad,  B.  von  Paris  23. 


Erfurt,  Dichter  649. 

Ernst,  Hzg.  von  Schwaben  73  ff.  102  f. 

Essen,  Kl.  625. 

Este,  Chronicon  590. 

St.  Euchar  in  Trier,  Abt  Gottfried. 

P.  Eugen  III.,  Urk.  629. 

P.  Eugen  IV.,  Originalregister  309. 

Eugenia  s.  Passio. 

Eugippius,  Vita  Severini  273. 

Evangeliar  von  Maeseyck  656. 

Evesham,  Kl.  378.  419. 

Exkommunikation  187  f. 

Ezzelin  (III.)  von  Romano  590  f. 

F. 

Fälschungen  s.  Legenden-, Urkunden- 
fälschungen, Siegel. 

Fakenham  s.  Nicolaus. 

Falke,  J.  F.  788. 

Famina  Hisperica  653  f. 

Fastenzeiten  137  ff. 

Fastlinger  12. 

Fermo,  Urkk.  627. 

Ferrara  s.  Riccobald. 

FeugneroUes  s.  Philipp. 

Fieschi,   Privilegiensammlung  299  f. 

Firmung  130. 
I  Flagellantismus  602, 
{  Flandern,  Annalen  des  Jacques  de 
Meyere  606;  Kartulare  (Ver- 
zeichnis) 309;  Klerus  643;  Tuch- 
industrie 269 ;  Zeitrechnung  329. 
657.  —  Graf  Theoderich. 

Flandrin,  Petrus,  Kardinal,  603. 

Fleury   (St. -Benoit-sur- Loire)    598. 

Flodoard  von  Reims  566. 

Florenz  641,  —  S.  Gesta,  Marianus. 

Floris  V.,    Graf   von    Holland    und 
Seeland,  Herr  von  Friesland  591. 

Fontes  iuris  Germanici  antiqui  8.  263. 

Forli,  Annalen  605. 

P.  Formosus  386  fi".  419  f. 

Formula     aV)renuntiationis ,     Quelle 
des  Benedictus  Lev.  150. 

Formulae ,     Quelle    des    Benedictus 
Lev.  481  f.  487.  516. 

Formelbuch,   Formularsammlung   s. 
Niederaltaich,    Richard   von   Pofi. 

Francesco  Petrarca  312. 

Franciscus  Pipinus  590. 

Franken  s.  Lex  Salica. 

Frankenberg,  Chronik  605. 

Frankfurt  a.  M.,   Stadtarchiv  301  f. 

Frankreich ,    Könige :    Lothar,    Phi- 
lipp II.,  VI.   —   Königsurkunden 


798 


Register. 


637 ;  s.  Karl  der  Einfältige,  Rudolf, 

Robert,   Ludwig  VII.,  Adela.  — 

S.  Mönchswesen. 
Franziskanerorden  283 f.,  587.  600 f.; 

Generalkapitel      von      Perpignan 

600.  —  Vgl.  Minoriten. 
Frauenwörth  635. 
Fraxinetum  594. 
Frechulf  von  Lisieux  564. 
Fredegarii  contiuuatio  591. 
Freiburg  i.  Br..  v.  Andlawsches  Archiv 

302. 
Freiburg  (Schweiz)  324. 
Freising ,     Privaturkunde    52  f.    — 

Bischöfe:  Erchanbert,  Otto. 
Freistadt  635. 
K.    Friedrich  I.    232  f.     244.    634 ; 

Siegel  252  N.  2.  253.  —  S.  Urkk. 
K.  Friedrich  II.  310;  Siegel  254  f.; 

Urk.  299. 
K.  Friedrich  III.  586.  653;  Urk.  643. 
Friedrich,    Hzg.  von   Braunschweig 

201  ff. 
Friedrich  II.,  Hza".von  Oberlothringen 

75  ff. 
Friedrich ,     Hzg.     von    Oesterreich- 

Tirol  635. 
Friedrich,   Burggraf  von   Nürnberg 

218. 
Friedrich  I.,    Eb.    von  Köln  (Brief) 

312  f. 
Friedrich  III.  von  Saarwerden,   Eb. 

von  Köln  268. 
Friedrich   v.    Zollern,   B.    v.    Augs- 
burg 605. 
Friesen ,    Gesch.    und    Rechtsgesch. 

290.  607;    Kirche    S.  ölichele    in 

Rom  301;  Tuche  269. 
Friesland,  Herr :  Floris  V. 
Frutolf-Ekkehard  6.  596. 
Fuchs,  A.  Fr.  12. 
Fürstenurkunden  302. 
Fulda,  Annalen  276. 
Fussfall  des  Kaisers  292. 


O. 

Gailesvinda,  westgotische  Prinzessin, 
Gem.  Kg.  Chilperichs  I.  39. 

Galeazzo  Gatari  285  f. 

St.  Gallen  58  ff.  103  f.;  Annalen 
58  ff. ;  Epitome  59  ff. ;  Privaturk. 
52  f.  ;  Urkundenbuch  303.  — 
Mönche:  Ekkehart  IV.,  Notker, 
Ratpert. 


Gallus,  Name  274  f. 

Galluslied  Ratperts  648. 

Gaming,  Kartause,  Nekrologien  762  f. 

Garlandia  s.  Johannes. 

Gaspare  Pontani,  Diario  Romano 
285. 

Gassino,  Urkk.  639. 

Gatari  s.  Andrea,  Bartolomeo,  Ga- 
leazzo. 

Gaue  Deutschlands  625. 

Gauslinus,  Abt  von  St.  -  Denis  25. 

Gebhard,  B.  von  Prag  679  ff. 

Gebhardt  6. 

Gebizonis  Vitae  597. 

Gedichte  s.  Carmina,  P.  Damasus, 
Dichter,  Dichtungen,  'Leda',  Lie- 
der, Lyrik,  Modena,  '0  Roma  uo- 
bilis',  Poetae,  Rhythmen,  Volks- 
lieder, Waltharius. 

Geismar,  Scliloss  211  ff. 

Geist,  Bernhard  von  der  648. 

Geistliche,    Standesverhältnisse   620. 

—  S.  Klerus. 

Gela,  Aebtissin  von  Chelles  34. 

P.  Gelasius  IL  395  f.  411  f.  —  S. 
Urkk. 

Geldgeschichte  Basels  659;  Schwa- 
bens 657. 

Gelnhausen,  Urk.  291.  —  S.  Konrad. 

Gembloux,  Mönche:  Guibert,  Sige- 
bert. 

Genealogie,  Studien  zur  Reichs- 
geschichte 590. 

Sainte-Genevieve,  Kl.  31  N.  2.  38. 

—  Abt  Stephan. 
Genua  652. 

Georg  de  la  Tremoille  638. 

St.  Georgenberger  Kartular  306. 

de  S.  Georgio  s.  Benvenutus. 

Geras,  Prämonstratenserstift,  Nekro- 
logien 764  f. 

Gerhard,   Mönch  in  Reichenau  312. 

Gericht  in  Dortmund  618 ;  s.  Send- 
gericht*. —  Jüngstes  Gericht, 
Rhythmen  645  f. 

Gerichtsurkunden  in  Toscana  297. 

Gerichtsverfassung  und  Verfahren  in 
den  alten  Vierteln  des  Landes  ob 
der  Enns  266. 

St. -Germain -des -Pres,  Kl.  31  N.  2. 
38.  46.  295. 

Germania  sacra  264.  266. 

Germanus ,  B.  von  Auxerre ,  Vita 
221  ff. 

Gerstenberg,  Wigand  605  f. 

Gertrud,  Aebtissin  von  Nivelles  44. 


Register. 


799 


Geschichtschreiber    des    Mittelalters 

269  f. ;  der  deutschen  Vorzeit  592. 

—  S.  Italien,  Scriptores. 
Geschichtsquellen   s.   Bern,    Görlitz, 

Kartäuserorden,  Mecklenburg. 
Gessenius,  Paul  686  ff. 
Gesta      episcoporum      Leodiensium 

594  f. ;    Florentinorum    4 ;    sanc- 

torum   Villariensium    601  f. ;    Sil- 

vestri  227  f. 
Giebichenstein  85. 
Gildas  654. 
Giornale    storico     della     letteratura 

Italiana  264. 
Girard,  B.  von  Angouleme  790. 
Girard,  Abt  von  Corbie  23. 
Girardi  s.  Petrus. 
Gisela,  Schwester  Karls  des  Grossen 

(ürk.)  33  f. 
Gisilbert  von  Mons  327. 
Glanfeuil  599. 
Glöckner,  Johann  588. 
Glossario  medievale  Ligure  267. 
Glossarium,    Quelle   des   ßenedictus 

Lev.  507  N.  1. 
H.  Goar  592  f. 
Godius,  Antonius  604. 
Göding,  Grüudungsurk.  307. 
Görlitz,    Annalen    588;    Geschichts- 
quellen 287  f. 
Goliardeu  707.  712  S. 
Goslar,  Ratsverordnungen  293. 
Goten  s.  Westgoten. 
Gotskircher,  Sigmund  286. 
Gottfried,  Patriarch  von  Aquileja  638. 
Gottfried,    Abt   von   St.    Euchar   in 

Trier  580  f. 
Gottfried,   Propst   von   Rupertsberg 

574  f.  578  f. 
Göttweig,    Benediktinerstift,   Nekro- 

logien  746  ff. 
Grabschriften  der  Päpste  350  ff.   — 

S.  Briord. 
Gradenigo  s.  Pietro. 
Grätz  a.  d.  Mohra  635. 
Grauert  8. 

Gravina  s.  Dominicus. 
P.    Gregor    I.    317.    361  f.    425  f. ; 

Dialoge   221  ff.    372  f.   381   N.  1 ; 

Vita  334.  —  Vgl.  Sacramentarium. 
P.  Gregor  II.  404. 
P.  Gregor  VII.  326  (Brief),  Dekrete 

391  f. 
P.  Gregor  IX.,  Urkk.  630.  634.  642. 
P.  Gregor  XL,  Urk.  614. 
Gregor  von  Tours  591  f.  594. 


Griechen  367. f. 

Grimoald  d.  A.,  Hausmeier  38.  43  ff. 

(Urk.). 
Grottkau,  Einung  588. 
Grünsfeld  618. 

Guarinus  de  Longo -ponte  782. 
Guibert,  Mönch  von  Gembloux  578  ff. 
Guilhem  Vial    631. 
Guillaume  de  Breuil  285. 
Gumbert,  Gründer  des  Kl.  Ansbach, 

Vita  277. 
Kg.  Guntram  37.  40. 
Güterbock,  Br.  14. 


H. 

Habsburg,  Haus,  Xekrolosien  726  f.  — 
S.  Kg.  Rudolf. 

P.  Hadriau  I.  .384  f.  406  f. 

P.  Hadrian  IV.  232  f.  244. 

Hagiographie,  Hss.:  Rom  271,  Turin 
587:  Jahresbericht  270. 

Hamburg.  Erzbistum(Papsturkunden) 
627  fi".  —  Eb.  Adalbert. 

Handschriften  :  Altenburg  bei  Hörn, 
Stiftsbibl.  747.  764 ;  Bautzen,  Gers- 
dorffsche  Bibl.  687.  691.  699; 
Berlin,  Kgl.  Bibl.  769  f.  776  ff. ; 
Bonn,  Univ.-Bibl.  643;  Brewnow, 
Kl.  689.  691  f. ;  Brügge,  öffentl. 
Bibl.  606;  Brunn,  Stadtarchiv 
691  ff.;  Brüssel  572.  576.  579; 
Budweis.  Dechautei  691;  Cam- 
bridge, Univ.-Bibl.  334  ff.  892 
N.  1.  410.  420.  424 ff.;  Cheltenham 
286 ;  Donaueschingen,  Hof-  Bibl. 
691  f.;  Dresden,  Kgl.  Bibl.  687  f. 
690.  699;  Florenz,  Bibl.  Lauren- 
ziana  699,  Riccardiana  284;  St. 
Gallen,  Bischöfl.  Ordinariat  286, 
Stiftsbibl.  707  f. ;  Gent  277,  Univ.- 
Bibl.  606 ;  Göttweicr,  Manuskripteu- 
kabinett  734.  744.' 747  f.  763.  765 ; 
Graz,  Univ.  -  Bibl.  658 ;  Heiligen- 
kreuz 744,  Archiv  745 ;  Herzogen- 
burg, Prälatur  764,  Stiftsarchiv 
753  ;  Jena  280  f. ;  Klosterneuliurg, 
Stifts  -  Archiv  733  f.  741  f.,  Stifts- 
Bil)l.  738  ff. ;  Kreuzenstein  (Burg), 
Bibliothek  734  f. ;  Leiden  341  N.  2. 
403  N.  2.  405;  Leipzig,  Univ.- 
Bibl.  575.  691.  699;  Lilienfeld, 
Kirchensakristei  757,  Stiftsarchiv 
754 ;  Linz  588 ;  London,  Britisches 
Museum  6.  220  N.  5.  335  f.  377  f. 


800 


Register. 


380.  383  N.5.  385.  389  N.  2.  398  ff. 
419  f.  423  N.  1.  427  ff. ;  Madrid 
328.  606;  Mainz,  Stadtbibl.  582; 
Melk,  Stiftsarchiv  746.  750,  Stifts- 
Ijibl.  749 f.  758 f.;  Merseburg,  Dom- 
kapitelbibl.  643 ;  Monte  Cassino  654. 
671;  München,  Hofbibl.  691.  698 
N.  3,  Reichsarchiv  652 ;  Münster, 
Staatsarchiv  629  (Codex  Vicelini) ; 
Nordkirchen  281  f. ;  Olmütz,  Stu- 
dienbibl.  698  f. ;  St.-Omer  380  N.  1 ; 
Oxford  300.  334.  351  N.  1.  374; 
Paris  220  N.  4.  281.  352  f.  355. 
592,  Nationalbibl.  7.  275.  403. 
405.  414  f.  .591.  769  ff.;  Perugia, 
Stadtbibl.  642 ;  St.  Polten,  bischöfl. 
Alumnatsbibl.  757;  Prag  573, 
Domkapitelbibl.  (Metropolitan- 
bibl.)  688  fi'.,  fürsterzbischöfl.  Bibl. 
689  N.  3.  691  f.,  Univ.-Bibl.  643. 
687;  Raudnitz  5.  691  f.;  Rom  271, 
Bibl.  Vallicellana  300,  Vaticana 
279.  451  N.  1.  507  N.  1.  ,595.  611. 
656. 676  ;  Seitenstetten,  Stiftsarchiv 
763  f. ;  Stockholm  685.  689  f. ; 
Strassburg,  öffentl.  Bibl.  685.  690 ff. 
699;  Trier,  Stadtbibl.  220  N.  5; 
Turin,  Nationalbibl.  587.  591  f. ; 
Venedig,  Bibl.  Marciana  380  N.  1 ; 
Verdun  351  N.  1.  355  f.;  Wien 
328.  358  N.  6,  Bibl.  des  Franzis- 
kanerkl.  731,  k.  k.  Hofbibl.  687  ff. 
726  f.  737.743.  751  ff'.  762  f.  765  f., 
des  Minoritenkl.  727  f.,  Rossiana 
(Jesuitenkolleg  in  Lainz)  586  f., 
Archiv  des  Metropolitankapitels 
736  f.;  Niederösterreichisches  Lan- 
desarchiv 728,  Staatsarchiv  652; 
Zürich,  Kantunsbibl.  648 ;  Zwettl 
284,  Stiftsbibl.  760  ff.  —  S.  Neu- 
werk. 

Handschriftenkunde  586. 

Handwerk,  altdeutsches  660;  Ge- 
nossenschaften s.  Mailand. 

Hansa,  Geschichte  652;    Name  301. 

Hanthaler,  P.  Chrysostomus  757. 

Hardenberg  s.  Heinrich. 

Harlebeke,  Kirche  307. 

Hartwig,  Abt  von  Hersfeld  624. 

Hausmeier,  Urkunden  s.  Grimoald 
d.  Ä.,  Pippin  d.  M.,  Karl  Marteil. 

Hausruck  266. 

Hauthaler,  W.  4. 

Havelberg,  Bistum  9. 

Heiligenkreuz,  Cistercienserstift,  Ne- 
krologien  742  ff. 


Heiligenleben  s.  Vita. 

Heimfallrecht  617. 

K.  Heinrich  II.,    Bulle    248    N.  1; 

Vita  276.  —  S.  Urkk. 
K.  Heinrich  III.  88 ;    Siegel  259  ff. 

297.  —  S.  Urkk. 
K.  Heinrich  IV.,    Siegel    261  f.    — 

S.  Urkk. 
K.  Heinrich  V.  596.  790;  Urk.  615. 
K.  Heinrich  VI.,  Siegel  253  f.,  Urk. 

297. 
K.  Heinrich  VII.   613 ;   Archiv  236. 

243  f. ;    Herrschaftsverhältnisse   in 

Italien  268;  Urk.  613. 
Heinrich  I,,  Kg.  von  England  396. 

428  ff. 
Heinrich  der  Löwe  291  f. 
Heinrich,    Hzg.    von    Braunschweig 

202  ff. 
Heinrich,  Graf  von  Waldeck  201  ff. 
Heinrich  I.,  ß.  von  Bamberg  634. 
Heinrich   I.,    B.    von    Lüttich    627 

(Urk.). 
H.  Heinrich  IL  Zdik,  B.  von  Olmütz 

267. 
Heinrich,  B.  von  Orleans  23. 
Heinrich  von  Hardenberg  324. 
Heinrich  von  Klingenljerg  6.33. 
Heinrich  von  Langenstein  572  ff. 
Heinrich  von  Weissensee  649. 
Heisterbach  s.  Caesarius. 
Hellmann  12. 

Helmold,  Slavenchronik  5.  263.  595. 
Helvide,  Aebtissin  von  Chelles  24  N 1. 
Helvise,  Aebtissin  von  Chelles  24  N.  1 . 
Hennegau,  Herrschaften  308. 
Henze  12. 

Heriger  s.  Gesta  episcop.  Leodiens. 
Hermann  IL,   Landgraf  von  Hessen 

201  fl". 
Hermann,  Abt  von  Altaich  651  f. 
Hermann  von  Reichenau  58  ff. 
Herrscherj  ahre,  vereinfachte  52  f. 
Hersfeld,  Kl.  624;  Abt  Hartwig. 
Herzogenburg,    Chorherrenstift,  Ne- 

crologium  764. 
Hessel,  A.  10. 

Hessen,  Landgraf  Hermann  IL 
Hierarchie,  bischöfliche  619. 
H.  Hieronymus    425  ff.,    Brief   336. 

338;   Quelle    des  Benedictus  Lev. 

521.  —  S.  Martyrologium. 
Hilarius  614  f. 
Hildegard  von  Bingen,  Aebtissin  von 

Rupertsberg ,    Lebensbeschreibun- 
gen 572  ff. 


Register. 


801 


Hildesheim,  Bistum  10.  (Urkunden- 
verzeichnis) 020. 

Hilduins  Vita  Dionysii  .382.  417. 

Hillin,  Eb.  von  Trier  589. 

Hinkmar,  Eb.  von  Reims  .325.  564  f. 
593.  619.  769  ff.;  Briefe  12;  Gut- 
achten über  die  Ehescheidung  des 
Kg.  Lothar  II.  770 ff.;  Rotula  770; 
Vita  Remigii  373. 

Hirsch,  H.  11. 

Hirschau,  Kl.,  Annalen  und  Chronik 
des  Trithemius  595. 

Hispana  466  ff. ;  H.  Gallica  467  ff.; 
H.  G.  Augustodunensis  467  ff.  — 
Vgl.  Dekretalen. 

Hisperica  Famina  653  f. 

Historia  Mauriniacensis  monasterii 
278  ff. ;  de  preliis  325. 

hgberch  280. 

Hofmeister,  A.  5. 

Hofrechte  7.  9. 

Hohenburg,  Kl.  280  f. 

Holder -Egger,  0.  3  f.  14. 

Holland ,  Graf  Floris  V.  —  S.  Kg. 
"Wilhelm. 

homines  ligii  610. 

P.  Honorius  I.  375  (Brief) ;  Inschriften 
359  f.  362  f.  366. 

Honorius  Augustodunensis  781  f. 

Hopfgarten,  Gerichtsbezirk,  Archive 
.305. 

P.  Hormisdas  360.  371.  373  (Brief). 

hostis  =  Heer  273. 

Hrabanus  Maurus  318.  325. 

Hugo  der  Gr.,  Eb.  von  Besangen 
654. 

Hugo,  Eb.  von  Sens  24  N.  1. 

Hugo  IV.,  Abt  von  St.-Denis  33. 

Hus  622. 

Hymnen  817.  644  f.  —  'S.  Arezzo, 
Repertorium. 


I.  J. 

Jablunkau  635. 

Jacques  de  Meyere  606. 

Jägerndorf  635 ;  Groschen  658 : 
Wappen  659  f. 

Jahresanfang  656  f.  —  S.  Herrscher- 
jahre. 

Jahresbezeichnungen  637. 

Jakob  Colonna,  Kardinal  284. 

Jakob  von  Sirck,  Eb.  von  Trier  632. 

Jakob  de  Varagine  283. 

St.  Jakob  zu  Lüttich,  Kl.  308  f. 


Jandun  s.  .Tohann. 
Janov  s.  Matthias. 
Jarrow,     Kl.     377.    419.     —     Abt 

Ceolfrid. 
Jenstein  s.  Johann. 
Jerusalem,  Reich  268. 
.lesus,  Kürzungsform  328. 
Imbreviaturen  311  f. 
Imola  s.  ßenvenuto. 
P.  Innocenz  III.  22. 
P.  Innocenz  IV.  301  ;  Urkk.  601. 
P.  Innocenz  VI.,  Urkk.  630. 
Inschriften  s.  Cittanova,  Comacchio, 

Grabschriften ,      P.    Honorius    I., 

Italien,     Modena,    Pavia,     Rom. 

P.  Symmachus. 
Interpunktion  655. 
Inventare  aus  Kl.  Bobbio  323;  mittel- 
alterliche aus  Tirol  und  Vorarlberg 

650  f.  —  S.  Archivinventare. 
Investiturprivileg  v.J.  1111:  789  ft\ 
Investiturstreit    in    der    Normandie 

427  ff'. 
P.  Johann  I.  371. 
P.  Johann  III.  371  f. 
P.  Johann  VII.  3(53  f. 
P.  Johann  VIII.,  Register  12. 
P.  Johann  XV.,  Brief  .389. 
P.     Johann    XXII.  ,     Extravagante 

620;  Urkk.  630. 
Johann,   Kardinalb.    von    Tusculum 

789  f. 
.Johann,  B.  von  Cremona  310. 
Johann  II.,  El),  von  Mainz  195  ff. 
Johann  von  Jenstein,  Eb.  von  Prag 

314. 
Johann  von  Victring  5.  263. 
Johann  von  Egloffstein,   Dompropst 

von  Würzbui'g  200  f. 
Johann  IL,  Burggraf  von  Nürnberg 

292. 
lohannis  Burckardi   Liber  notarum 

285. 
H.  Johannes  Chrysostomos  653. 
Johannes  Codagnellus  599.  627. 
lohannes  de  Crivellis  698. 
loliannes  de  Garlandia  648  f. 
.Johann  von  .landun  614. 
H.  Johann  Kapistran  730  f. 
H.  Johann  von  Nepomuk  603  f. 
lohannes  Porta  de  Annoniaco  5  f. 
.Johann  von  Trittenheim  s.  Trithemius. 
Jonas,  Vita  Columbani  221  ff.  274  f. 
Jonas   von  Orleans,   De  Institutione 

laicali  182  f.  528  f. 
Jordanus  von  Osnabrück  8.  284. 


802 


Register. 


Iren  316  f. 

Irland  274 f.;  Sakramentar  593  N.  1. 

Isidor  von  Sevilla  511 ;  Etymologiae 
319  f.  328.  485;  Gesch.  der  Goten, 
Vandalen  und  Sueven  592 ;  De 
rerum  natura  312 ;  Sententiae 
221  ff.  477.  489 ;  Synon.  486. 

Italien,  Chroniken  270;  Geschicht- 
schreiber des  12.  und  13.  Jh. 
277;  Inschriften  650;  historische 
Litteratur  s.  Giornale ;  Notariats- 
urkunden 811  f. ;  Verfassungsgesch. 
609.  —  Kg.  Arduin.  —  S.  K. 
Heinrich  VII.,  Normannen,  Pie- 
monte. 

Itinerare  des  MA.  324. 

Juden  523.  582.  609.  614  f.  641. 

Judenburg  in  Steiermark,  Nekro- 
logium  der  Martinsbruderschaft 
765. 

Julian  von  Toledo  4. 

lulianus  Pomerius,  De  vita  contempl., 
Quelle  des  Benedictus  Lev.  482  f. 

S.  Justina  zu  Padua  s.  Annales. 

Justizverwaltung  im  Herzogtum 
Burgund  618. 

K. 

Kaiser  s.  Fussfall. 

Kaiserkrönung  665  ff. 

Kaisersiegel  246  ff.  —  S.  die  Kaiser- 
namen. 

Kaiserurkunden  302.  304.  —  S. 
Diplomata,  Urkunden. 

Kaiserwahlen  der  Stauferzeit  291.  -^ 
S.  Königswahl. 

Kaiserwürde,  Karolingische  663  ff. 

Kaiendarien  s.  Monte  Cassino. 

Kalendarium  necrologicum  fratrum 
Minorum  conventus  in  Goerlitz 
288. 

Kanonensammlung  s.  Dekretalen, 
Hispana. 

Kapistran  s.  Johann  K. 

Kapitularien  als  Quelle  des  Bene- 
dictus Levita  535  f.  539.  —  S. 
Edictum. 

Kardinäle  789  ff.  —  S.  Bruno,  Divizo, 
Elziarius,  Jakob  Oolonna,  Johann, 
Konrad,  Petrus  Amelii,  Petrus 
Flandrin,  Petrus  Girardi. 

Karl  Martell  50  f. ;  Urk.  589. 

K.  Karl  der  Grosse  325.  384  f. 
406  f. ;  Bestattung  276 ;  Vita  s. 
Einhard.  —  S.  Urkk. 


K.  Karl  der  Kahle,  Urk.  637. 

K.  Karl  IV.  313.  614.  652 ;  Bericht 
über  seine  Krönung  5  f. ;  Bullen- 
stempel 256  N.  1  ;  Eide  und 
Privilegien  für  die  römische 
Kirche  613;  ßegesten  541  ff. ; 
Selbstbiographie  688.  —  S.  Urkk. 

Kg.  Karl  der  Einfältige  von  West- 
franken, Urk.  609. 

Kärnten  634;  Herzoge:  Adalbero, 
Anna. 

Karolinger,  Urkunden  9  f.  623  ff.,  s. 
Frankreich,  Hausmeier,  Urkunden. 
—  S.  Kaiserwürde  und  die  Haus- 
meier- und  Königsnamen. 

Kartäuserorden ,  Geschichtsquellen 
763. 

Kartulare  s.  Flandern,  St.  Georgen- 
berg, Metz,  Parc,  St.  Peter. 

Kasimir,  Hzg.  von  Polen  93  ff. 

Katharina  von  Burgund,  Hzgin.  von 
Oesterreich  632  (Urk.).  651. 

Kiburg  s.  Werner. 

Kirche,  Römische  613 ;  Zustände  im 
Mittelalter  295  f. 

Kirchen,  Ort  in  Baden  276. 

Kirchenraub  482  ff.  506  f. 

Kirchenrecht  s.  Recht. 

Kirchheim  im  Elsass  276. 

Kitzbühel,  Stadtrechtsquellen  619 ; 
Gerichtsbezirk,  Archivalien  635. 

Klarissenregel,   Regensburger  325  f. 

Klein  -  Mariazeil ,  Benediktinerstift, 
Necrologium  758  f. 

Klerus,  Enthaltsamkeit  (Traktat)  782; 
Flanderns  643.  —  S.  Geistliche. 

Klingenberg  s.  Heinrich. 

Klosterneuburg ,  Augustinerchor- 
herrenstift, Nekrologien  737  ff. 

Köln ,  H.  Ursula  -  Kirche  und  St. 
Pantaleon-Kl.  326 ;  Kirchenprovinz 
620.  —  Erzb.:  Friedrich  I.,  III., 
Severin. 

Königsurkunden  304.  —  S.  Böhmen, 
Diplomata,  Frankreich,  Ungarn, 
Urkunden. 

Königswahl,  deutsche  291.  609  f. 

Kollegien  an  der  Universität  Prag 
621  f. 

Konfirmation  (Firmung)  130. 

K.  Konrad  II.  70  ff. ;  Siegel  250 
N.  2.  259.  —  S.  Urkk. 

Kg.  Konrad  III.,  Urkk.  10. 

Konrad ,  Kardinallegat  von  Porto 
und  S.  Rufina,  Urk.  632. 


Register. 


803 


Koni'ad  III. ,  B.  von  Regensburg. 
Urk.  634. 

Konrad  von  Gelnhausen,  Dompropst 
von  Mainz  603.  643. 

Konrad  Heinrich  von  Wesel  814. 

Konrad  v.  Megenberg  8. 

Konrad  von  Mure  323.  633. 

Konrad  v.  Scheiern,  Urk.  297. 

K.  Konstantin  IV.,  Brief  376. 

P.  Konstantin,  Brief  378. 

Konstanz,  Münzgebiet  657 ;  Bischöfe, 
Urkundenwesen  633.  —  Propst 
Heinrich  von  Klingenberg. 

Konstanze,  Kgin.  von  Böhmen,  Urk. 
307. 

Konzilien,  Basel  315.  636.  644; 
Lateran  (1112)  789  ft'. 

Konzüsakten  277  f. ;  Quelle  des 
Benedictus  Lev.  533  f.  538 ;  des 
6.  allgemeinen  v.  J.  680 :  375  f. ; 
des  römischen  v.  .1.  721 :  378  f. 
404 ;  von  Douzy  v.  J.  871 :  770  X.  2. 

Korinth,  B.  H.  Dionysius. 

Koser,  R.  3.  14. 

Krammer,  M.  7  £f. 

Krems,  Pfarre  626. 

Kremsmünster,  Kl., Stiftungsurk.  .305. 

Kreuzfahrt  des  Landgrafen  Lud- 
wig III.  von  Thüringen  6. 

Kriegsdienst  der  Bischöfe  480  ff. 

Kroatien,  ÜB.  306. 

Krusch,  Br.  3  f. 

Kunegundis,  Gem.  K.  Heinrichs  II., 
Vita  276. 

Kurfürstenkolleg  609  f. 

Kürzungsform  für  Jesus  328. 

Kuttenberg,  Dekret  621  f. 


Lagny,  Abt  Roger. 
Laieninvestitur  427  £f. 
Laisackerhof,  Adelsarchiv  302. 
Lambert  II.,  Graf  von  Löwen  307  f. 
Lambert     von     St.  -  Omer ,     Liber 

floridus  277.  334  f.  380  N.  1.  415. 
Land  ob  derEnns,  Gerichtsverfassung 

und  Verfahren  266. 
Landeshoheit  615  ff. 
Landrechte  s.  Böhmen,  Mähren. 
Langenstein  s.  Heinrich. 
Langobarden,  Privaturkk.  310  f.  640. 

—  S.  Lombarden, 
Languedoc  638. 
Laterankonzil  v.  J.  1112:  789  £f. 


Lauconis  silva  591. 

Lausitz  93  ff. 

'Leda,  die  moderne'  (Gedicht)   322. 

Legenda  Aurea  des  .Takob  de  Vara- 
gine  283. 

Legenden  s.  Afralegende,  H.  Severin. 

Legendenfälschungen  im  St.  Me- 
dardus-Kl.  bei  Soissons  10;  des 
Petrus  diaconus  599. 

Leges  3.  6  ff .  586.  —  S.  Lex. 

Lehnsverzeichnis  Heinrichs  von 
Hardenberg  324. 

Lehnswesen  611.. 

Leitmeritz ,  Kollegiatkirche ,  Stif- 
tungsurk. 306  f. 

P.  Leo  I.  350  f.  369  f. 

P.  Leo  III.  385  f. 

Leopold,  Hzg.  von  Oesterreich,  Urk. 
302. 

Levison,  W.  4. 

Lex  Anglorum  et  Werinorum  6 ; 
Baiuwariorum  6  Quelle  des  Bene- 
dictus Lev.  501  f. ;  Salica  7.  288  ff. ; 
Saxonum  6 ;  Visigothorum  606, 
Quelle  des  Benedictus  Lev.  535. 
539. 

Liber  Augustalis  698  f. ;  Pontificalis 
4.  333  ff. 

Lieder ,  historische  in  deutscher 
Sprache  6;  mittellateinische  322 f.; 
unanständige  in  der  Kirche  157 
N.  2.  165.  —  S.  Galluslied,  Lyrik, 
Volkslieder. 

Lienz,  geistliche  Archive  304  f. 

Ligurien  s.  Glossario. 

Lilienfeld,  Cistercienserstift,  Nekro- 
logien  754  ff. 

Lille,  Kapitel  von  St.  Peter  309. 

Limoges,  Kathedrale,  Necrologium 
40. 

Lindau,  Münz-  und  Geldwesen  657. 

Linz,  Diözese,  Nekrologien  12. 

Linzgau  302. 

Lisieux  s.  Frechulf. 

Litteratur,  historische  Italiens  s. 
Giornale. 

Litteraturkataloge  563. 

Liturgie,  byzantinische  645. 

Liudprand  von  Cremona  565  f. 
Liutold,  B.  von  Basel  (Urk.)  632. 
Livland  636 ;  Domkapitel  und  Klöster 

620. 
Lochner  6. 
Lodi  s.  Benediktiner. 
Lombarden  310.  —  S.  Langobarden. 
Longo -ponte  s.  Guarinus. 


804 


Register. 


Lonsdorf  s,  Otto. 

K.  Lotbar  I.  39.  291. 

K.  Lothar  JIL  599;  Siegel  253.  — 
S.  Urkk. 

Kg.  Lothar  II.,    Ehescheidung^   770. 

Lothar,  Kg.  von  Frankreich  (954 — 
986)  46. 

Lothringen  655 ;  Weistümer  293.  — 
S.  Kg.  Lothar  II.,  Oberlothringen. 

Löwen,  Graf  Lambert  II. 

Lübbenau,   Schlossarchiv   und  -Bib- 
liothek 5. 

Lucca  70  f.  —  S.  Tholoraeus. 

P.  Lucius  III.,  'Crk.  630. 

Luditz  293. 

K.  Ludwig  I.,  der  Fromme,   Siegel 
248  N.  L  —  S.  Urkk. 

Kg.  Ludwig  der  Deutsche,  Urk.  628  f. 

K.  Ludwig  II.,  Brief  12.  661  ff. 

K.  Ludwig  IV.  der  Baier  586.  613  f. 

Ludwig  VII.,    Kg.    von  Frankreich. 
Urk.  637. 

Landgraf   von    Thü- 


Laudgraf   von    Thü- 


Ludwig    III. , 

ringen  6. 
Ludwig    IV. , 

ringen  268. 
Lüttich,    Bistum    630.    —   Bischöfe: 

Balderich  ,    Heinrich    I. ,    Robert 

von  Thourotte.   —   S.    Gesta,    St. 

Jakobski. 
Lupoid  von  Bebenburg  8.  292.  294  f. 
Lutold,  Teilfürst  von  Znaim  ()99  f. ; 

Urk.  708  f. 
Lj'on,  Eb.  Agobard. 
Lyrik  ,      historisch  -  politische      des 

13.  Jh.  6 ;  lateinische  des  MA.  647. 

—  S.  Lieder. 


Mabillon  295.  588. 

Mähren,  Landrecht  617. 

Maeseyck,  Evangeliar  656. 

Magdeburg,  Eb.  Wichmann. 

Magnoald,  Abt  von  Tussonval  34. 

Mailand  639  f. ;  Handwerksgenossen- 
schaften (Statuten)  304 ;  Staats- 
archiv 309  f. 

Mainz  582. 584  f. ;  Bistumsstreit  582  ff. 
614.  —  Erzb. :  Bonifatius,  Chri- 
stian I.,  Johann  IL;  Dompropst 
Konrad  von  Gelnhausen. 

Malmedy,  Kl,  s.  Stablo. 

Malmesbury,  Kl.  377.  419.  —  S. 
Wilhelm. 


Manasserus  (Manasses),  Prior  von 
Argenteuil  34. 

Manegold,  Graf  102  f. 

Le  Maus,  Bistum  10:  Bischofsregesten 
638.  —  Bischöfe :  H.  Bertrand, 
H.  Turibius.  —  S.  Actus. 

Marbach,  Kl.,  Annalen  280. 

Maria  von  Burgund,  Frau  von  Den- 
dermonde  636. 

Marianus  de  Florentia  284.  601. 

IMarianus  Scotus  566  f. 

San  Marino  641. 

Marlenheim  im  Elsass  276. 

Marnay,  Prior  Philipp. 

Marsilius  von  Padua  8. 

H.  ^Nfartha  588. 

H.  IMartin,  Vita  591  f. 

P.  IMartin  IV.  s.  Urkk. 

P.  Martin  V.,  Bulle  .309. 

Martin,  B.  von  Braga  404. 

Martin,  Abt  von  Monte  Massico  597. 

St.  Martin,  Kl.  zu  Metz  589  f. 

St.  Martin  in  Rom,  Kardinalpriester 
Divizo. 

Martyrologium  Hieronymianum  653. 
—  S.  Beda,  Xotker. 

Masmünster,  Kl.  632. 

Mathieu  des  Chacimilliers,  Prior  von 
Reuilly  27. 

Mathilde,  Aebtissiu  von  Chelles  24 
X.  1. 

Matthaeus  Clementis  314. 

Matthaeus  Palmerius,  Liber  de  tem- 
poribus  285. 

Matthias  von  .Tanov  655. 

St.-Maur-les-Fosses,  Abt  Yulfei'ius. 

Mauriner  -  Kongregation  588. 

Mauritius,  B.  von'Paris  (Brief)  309. 

Mautbücher  s.  Passau. 

Mecklenburg,  Geschichtsquellen286  f. 

St. -Medardus-Kl.  bei  Soissons  48; 
Urkunden-  und  Legendenfälsch- 
ungen 10. 

Medizinische  Traktate  654. 

INIegenberg  s.  Konrad. 

Meissen  635 ;  Bistum  256  f.  (Ur- 
kundenfälschungen) 616. 

Melania  d.  J.,  Vita  221  ff. 

Melk,  Benediktinerstift,  Nekrologien 
749  ff.  —  S.  Anonvmus. 

Memleben,  Kl.  256  f. 

Mende,  B.  Wilhelm  Durand. 

Mercien,  Kg.  Offa. 

Mergentheim .  Deutschmeister  und 
Stadt  als  Empfänger  von  Urkk. 
Kaiser  Karls  IV.  545  fi'. 


Register. 


805 


Merowinger ,  Chronologie  15  ff.  — 
S.  Urkk.  und  die  Königsnamen. 

Merseburg,  Frieden  90  ff. 

Mesko,  Hzg.  von  Polen  90  ff. 

Messe,  Quelle  des  Benedictus  Lev. 
128  f. 

Methode,  historische  269. 

Metz,  Bistum  219.  632  (Kartulare). 
—  B.  Theoderich  III.  —  S.  St. 
Arnulfski.,  St.  Martinski. 

Meyer,  Heinrich  6. 

Meyer,  Hermann  8. 

Meyer,  P.  Johannes  286. 

Meyere  s.  Jacques. 

Michel,  H.  6. 

St.  Michiels  zu  Antwerpen,  Kl.  308. 

Milly  s.  Thibaud. 

Minden,  Fürstentum  615  f. 

Miniaturen  328  f.  656. 

Ministerialen,  Recht  620. 

Minoriten 284:.  600 f.;  Generalminister 
600  f.  —  S.  Franziskaner,  Kalen- 
darium. 

Minoritenobservanten,  Provinz  Oester- 
reich ,  Necrologium  730  f.  —  S. 
Eggenburg,  Wien. 

Mirabilia  ßomae  694  ff. 

Mittellatein.  Lieder  322 f.  —  S.Lyrik. 

Modenä,  Gedichte  und  Inschriften 
320  f.  646  f. 

Mönchswesen  in  Frankreich  295. 

Moldau  617. 

Molise  611. 

Monasticon  metropolis  Salzburgensis 
antiquae  264  ff. 

Monferrato,  Archiv  310. 

Mons  s.  Gisilbert. 

Monte  Cassino ,  Fälschungen  des 
Petrus  diaconus  596  ff. ;  Hs.  me- 
dizinischer Traktate  654;  Kalen- 
darien  654 ;  Klosterchronik  598  f. ; 
Placita  291. 

Monte  Massico,  Abt  Martin. 

Monumenta  Habsburgica  726  f. ;  pa- 
laeographica  326. 

Morigny,  Kl,  Chronik  278  ff. 

Mosbach  267. 

Müh] hausen  in  Thüringen,  Stadt- 
archiv 635. 

Müller,  E.  9  f. 

Mümpelgard  s.  Dietrich  II. 

München,  Stadtarchiv  und  -Chronik 
303. 

Münchenwiler,  Cluniacenser  -  Priorat 
bei  Murten  in  der  Schweiz,  Ne- 
crologium  650. 

Neues  Archiv  etc.    XXXV. 


Münster,  Bistum  631 ;  Domkapitel 
618. 

Münzbereehtigung  des  Hochstifts 
Bamberg  in  Kärnten  634. 

Münzgeschichte :  Basel  659 ;  Oester- 
reich  658;  Oesterreichisch- Schle- 
sien 658;  Schwaben  657;  "Worms 
658  f.  —  S.  Denar,  Jägerndorf. 

Muratoris  Rer.  Ital.  SS.,  Neuausgabe 
285  f.  604. 

Mure  s.  Konrad. 

Murten  99  ff. 


N. 

Namur  308  f. 

Nanthilde,  Gem.  Kg.  Dagoberts  I.  34. 

Narbonne  609.  — Eb.  Petrus  Amelius. 

Narses  371  f. 

Nassau,  Haus  590.  —  S.  Kg.  Adolf. 

Nationen  an  der  Universität  Prag 
621  f. 

Neapel  665.  667  ff.  —  B.  Athanasius. . 

Neidenau  618. 

Neisse  636. 

Nekrologien  12 ;  Niederösterreichs 
721  ff.  —  S.  Aggsbach,  Altenburg, 
St.  Andrä,  St.  Bernhard,  St.-Denis, 
Dürnstein ,  Eggenburg,  Gaming, 
Geras,  Göttweig,  Habsburg,  Hei- 
Hgenkreuz,  Herzogenburg,  Juden- 
burg, Kalendarium,  Klein -Maria- 
zeil, Klosterneuburg,  Lilienfeld, 
Limoges,  Linz,  Melk,  Minoriten- 
observanten, Münchenwiler,  Passau, 
St.  Polten ,  Premontre ,  Racine, 
Retz,  Rothenmann,  Seitenstetten, 
Vorau,  "Wien,  Zwettl. 

Nepomuk  s.  H.  Johann  von  N. 

Neujahrsspiel  von  Sens  323. 

Neumünster,  Propst  Sido. 

Neuwerk  bei  Halle,  Kl.  (Widukind- 
Hs.)  787  f. 

Nibelungenlied  321  f. 

P.  Nicolaus  I.  619 ;  Briefe  s.  Urkk. 

P.  Nicolaus  IL,  Dekrete  890  f.,  Urk. 
639. 

Nicolaus,  Prior  von  St.  Peter  in 
Chaumont  25. 

Nicolaus  de  Fakenham  283. 

Niederaltaich,  Formelbuch  652;  wirt- 
schaftsgeschichtliche Quellen  651  f. 
—  Abt  Hermann. 

Niederösterreich ,  Staatsarchiv  (Ur- 
kundenverzeichnis) 305 ;  Toten- 
bücher 721  ff. ;  "Weistümer  615. 

52 


806 


Register. 


Niederrhein  613  f. 

Nienburg,  Kl.  256  f. 

Nimwegen,  Königspfalz  und  Burg- 
kapelle 660. 

Nivelles,  Aebtissinnen :  Gertrud,  Wul- 
fetrude. 

Nomi,  Grafschaft  635. 

Nordalbingien  595. 

Nordeuropa  276. 

Noricum  s.  Severin. 

Nonnandie,  Investiturstreit  427  flf.  — 
Hzg.  Robert. 

Normannen  6-42;  Herrschaft  in  Unter- 
italien und  Sizilien  277. 

Notariat  633.  —  Urkunde,  italienische 
311  f. 

Noten,  tironische  9.  328.  623. 

Notitia  (des  Jordanus  von  Osna- 
brück?) 8.  284. 

Notker  der  Deutsche  von  St.  Gallen, 
Computus    648;    Martyi-olog   275. 

Notmesse  169  ff. 

Noyon,  Bischofssitz  4. 

Nürnberg  315  f.  —  Burggrafen :  Al- 
brecht IV.,  Friedrich,   Johann  II. 

Nursia  s.  H.  Benedikt. 

Nuwenburg,  Schloss  211  ff. 


O. 

Oberacht  291  f. 

Oberbaiern,  Herzoge  299. 

Oberelsass  651. 

Oberlothringen,  erstes  Herzogshaus 
589  f.  —  Herzoge:  Dietrich  I., 
Friedrich  II. 

Oberösterreich,  historischer  Atlas  266. 

Oberrhein.  Archivberichte  302.  632  f. ; 
Stadtrechte  618. 

Oblatio  libelli  638. 

Oderberg  635. 

Odo  Clementis,  Abt  von  St.  -  Denis, 
Eb.  von  Ronen  22. 

Oesterreich,  Annalen  5.  62 ;  Chronik 
von  den  95  Herrschaften  6 ;  Münz- 
gesch.  658;  Staatsarchive  304; 
Urbare  323.  —  Herzoge :  Frie- 
drich, Leopold,  Rudolf  IV.,  Katha- 
rina. —  S.  Land  ob  der  Enns,  Mi- 
noritenobservanten ,  Niederöster- 
reich, Oberösterreich. 

Oesterreichisch-Schlesien  635;  Münz- 
wesen 658. 

Offa,  Kg.  von  Mercien  (Urk.)  33. 

Olmütz,  ß.  H.  Heinrich  II. 


St.-Omer  s.  Lambert. 

Oppenheim,  Vertrag  195  ff. 

Ordericus  Vitalis  393  N.  4.  394 
N.  3. 

Orden  s.  Franziskaner,  Kartäuser, 
Klarissen,  Minoriten,  Minoriten- 
observanten ,  Prämonstratenser, 
Prediger. 

Orleans,  Bischöfe :  Heinrich,  Jonas, 
Theodulf. 

'0  Roma  nobilis'  (Gedicht)  821. 

Ortsnamen  im  südlichen  und  süd- 
westlichen Böhmen  267. 

Ortsnamenforschung  Schlesiens  591. 

Orvieto,  Beamte  312. 

Osnabrück ,  Bistum  ,  Urkundenfäl- 
schungen 10.  623  f.  —  Bischöfe : 
Benno  II.,  Egilbert;  Scholasticus 
Jordanus. 

Osterburken  618. 

Ostercyclus  des  Dionysius  49,  des 
Victorius  49. 

Osterstil  in  Flandern  329.  657. 

Ostertafel  von  Bourges  49. 

V.  Ottenthai,  E.  3.  10. 

Otto  8. 

K.  Otto  I.,  Siegel  257  f.  —  S.  Urkk. 

K.  Otto  II..  Siegel  und  Urkunden 
256  ff.  —'s.  Urkk. 

K.  Otto  III.,  Bulle  258  N.  2.  —  S. 
Urkk. 

Otto,  Hzg.  von  Polen  93. 

Otto  von  ßraunschweig ,  Eb.  von 
Bremen  202  ff. 

Otto  von  Freising,  Chronik  5,  Bilder 
dazu  280  f.;    Gesta  Friderici  281. 

Otto  von  Lonsdorf,  B.  von  Passau 
620  f. 

Ottonen,  Diplome  624  f.  —  S.  Urkk. 
und  die  Königsnamen. 

Ovid  im  MA.  318. 


P. 

Padua,  juristische  Fakultät  313;  S. 
Justina  (Annalen)  604.  —  S. 
Marsilius,  Rolandin. 

Palaeographie  s.  Album ,  Bullen- 
schrift, Kürzungsform,  Miniaturen, 
Monumenta. 

Palmerius  s.  Matthaeus  P. 

Palpanista  Bernhards  von  der  Geist 
648. 

Panico,  Grafen  von  312. 

Papiermühle  656. 


Register. 


807 


Papstbriefe  im  Archiv  von  Assisi 
288  f.  —  S.  Papsturkunden,  Re- 
gister, Urkunden. 

Päpste,  Grabschriften  350  ff. 

Papstgeschichte  s.  Liber  Pontificalis, 
Pseudoliutprand. 

Papstkataloge  380  ff.  400  ff.  415  ft\ 
421. 

Papsttum :  Avignonesisches  Archiv 
299  f.;  Bullenstempel  301;  Da- 
tarie 301  ;  Diplomatik  300  f.  ; 
Finanzen  630 ;  Kanzlei  301 ;  Kurie 
313  f. ;  Register  12.  309.  —  Biblio- 
thekar :  Anastasius  ;  Kämmerer : 
Arnold   v.  Auch.   —   S.  Salbung. 

Papsturkunden  301.  306.  630.  637. 
641 ;  des  Erzbistums  Hamburg 
627  ff. ;  Fälschungen  des  Petrus 
diaconus  598.  —  S.  Bullenschrift, 
Enzykliken,  Papstbriefe,  Privile- 
giensammlungen, Urkk. 

Papstwahl  619. 

par  litterarum  232  ff. 

Parc,  Kl.  (Kartulare)  308. 

Paris,  Notre-Dame  31  N.  2.  — 
Bischöfe:  Erchenrad,  Mauritius. 

P.  Paschalis  II.  395.  407  ff.  427  ff. 
—  S.  Urkk. 

Passau,  Mautbücher  324.  651 ;  Bistum 
620  f. ;  Nekrologien  12.  721  ff.  — 
B.  Otto  von  Lonsdorf. 

Passio  Eugeniae  221  ff". 

St.  Paul  in  Kärnten,  Kl.  265. 

Paulinus  von  Aquileja  646. 

H.  Paulus,  Gebeine  367  ff. 

P.  Paulus  I.  383  (Brief).  406. 

Paulus  diaconus  275  f.  646. 

Pavia  71 ;  Inschrift  356. 

Pavo  (des  .Tordanus  von  Osnabrück?) 
8.  284. 

Pelagius  325. 

Pereis,  E.  11. 

Perpignan  ,  Franziskaner  -  General- 
kapitel 600. 

St.  Peter  auf  dem  Schwarzwald,  Kl. 
(Rotulus)  303.  633. 

Petrarca,  Francesco  312. 

H.  Petrus,  Gebeine  367  ff. 

Petrus  Amelii,  Kardinal  603. 

Petrus  Amelius,  Eb.  von  Narbonne 
708.  710  f. 

Petrus  Damiani  595. 

Petrus  diaconus  von  Monte  Cassino 
596  ff.  600. 

Petrus  de  Ebulo  600. 

Petrus  Flandrin,  Kardinal  603. 


Petrus  Girardi,  Kardinal  314. 

Petrus,  Infant  von  Aragonien,  Minorit 
(Urk.)  601. 

Pfalzgrafen  bei  Rhein:  Ruprecht  II., 
Kg.  Ruprecht,  Ruprecht  Pipan. 

Philipp  II.  August,  Kg.  von  Frank- 
reich 22. 

Philipp  VI.,  Kg.  von  Frankreich  613  f. 

Philipp  der  Kühne,  Hzg.  von  Bur- 
gund  636. 

Philipp,  Graf  von  Boulogne  21. 

Philipp  von  FeugneroUes,  Prior  von 
Mamay  26. 

Piacenza,  Bistum  310.  640.  —  S. 
Christoforus. 

Piccolomini  s.  Eneas  Silvius. 

Piemonte  594. 

Pietro  Gradenigo,  Doge  von  Venedig 
(Schreiben)  313. 

S.  Pietro  di  Castelletto  al  Cervo, 
Kl.  312. 

Pinnow  6. 

Pipinus,  Franciscus  590. 

Pippin  d.  M.,  Hausmeier  (Urk.)  47  f. 

Kg.  Pippin,  Regierungsepoche  51  ff. 

Pisa,  Universität  641. 

P.  Pius  II.,  Schreiben  644.  —  S. 
Eneas  Silvius  Piccolomini. 

H.  Placidus  596  f. 

Placita  7 ;  Monte  Cassineser  291. 

Piatina,  Privilegiensammlung  299  f. 

St.  Polten,  Nekrologien  des  Chor- 
herrenstiftes 757  f. ;  der  Diözese 
12.  721.  745  ff. 

PoenitentialeVallicellanum  II.,  Quelle 
des  Benedictus  Lev.  537.  —  S. 
Pseudo  -  Theodor,  Theodor. 

Poetae  Carolini  12.  —  S.  Dichter, 
Dichtungen,  Gedichte,  Rhythmen 
und  im  übrigen  die  Dichternamen. 

Pofi  s.  Richard. 

Polen,  Feldzug  v.  J.  1032 :  90  ff.  — 
Herzoge:  Kasimir,  Mesko,  Otto. 

Polycarpe  de  la  Riviere  588  f. 

Pomerium  des  Riccobald  von  Ferrara 
590. 

Pomerius  s.  Julianus. 

Pontani  s.  Gaspare  P. 

Pontificale  296;  Quelle  des  Bene- 
dictus Lev.  539. 

Porta  de  Annoniaco,  Johannes   5  f. 

Porto,  Kardinalb.  Konrad. 

Prämonstratenser  298.  313. 

Prag,  Universität  621  f.  —  Bischöfe 
(Erzb.) :  Cosmas,  Gebhard,  Johann 
von  Jenstein;  Dekan  Cosmas. 


52* 


808 


Register, 


Predigerorden  286. 

Predigt  über  Sonntagsheiligung  782. 

Premontre,  Kl.,  Necrologium  323. 

Priester,  Strafgewalt  161. 

Privaturkunden  634.  637.  639.  — 
S.  Preising,  St.  Gallen,  Lango- 
barden, Weissenburg  und  die  Aus- 
stellernamen. 

Privilegiensammlungen  des  Fieschi 
und  Piatina  299  f. 

Prophetieen  650. 

Prosa  s.  Satzrhythmus. 

Prouille,  Kl.  Notre-Dame,  ÜB.  637  f. 

Provence  637. 

Provinzialsynoden  s.  Salzburg. 

Prozess  Heinrichs  des  Löwen  291  f. 

Prüm  s.  Regino. 

Prutting,  Pfarrarchiv  303. 

Pseudo-Ambrosius,  Quelle  desBene- 
dictus  Lev.  498. 

Pseudoisidor  374  f.  378  f.  467  ff. 
511  ff.  619;  englische  Hss.  421. — 
S.  Dekretalen. 

Pseudo  -  Leonis  IV.  Homilia  (aucta), 
Quelle  desBenedictusLev.537. 539. 

Pseudoliutprand  623  f. 

Pseudo  -  Theodori  Poenitentiale, 
Quelle  des  Benedictus  Lev,  536. 

Pulkawa  694  f. 


Q. 

Quatemberfasten  137. 
Quellenkritik  57. 
St.-Quentin  602. 


R. 

Racine,  Dom  R.  Fl.,  Necrologium 
15  ff. 

Radegundis,  Vita  221  ff. 

Raimundus  Astucus  705  ff. 

Ranshofen  am  Inn,  Augustiner-Chor- 
herrnstift, Traditionscodex,  305. 

Ratpert,  Mönch  in  St.  Gallen,  Gal- 
luslied  648. 

Rattenl^erg,  Stadt-  und  geistliche 
Archive  305. 

Rechnungen,  Rechnungsbücher  631. 
652  f. 

Recht,  deutsches  in  Ungarn  617;  s. 
Dienstrechte,  Fontes,  Ministerialen, 
Stadtrechte.  —  Kanonisches  582. 
609  f.  619  f.  652;  s.  Zivilprozess. 
—  Römisches  641.  769  f.;  Quelle 


des  Benedictus  Lev.  535,  538;   s. 
Breviarium  Alarici. 
Reformacio  Predigerordens  286. 
Regensburg,  Klarissenkl.  325.  —  B. 
Konrad    III.    —    S.    St.    Emme- 
ramskl. 
Regesten  s.  Le  Maus. 
Regino  von  Prüm  565. 
Register   P.  Johanns  VIII.    12;    P. 

Eugens  IV.  309. 
Registrum  S.  Placidi  596  ff. 
Reichenau,K1.58ff.  102  ff.  — Mönche: 

Gerhard,  Hermann. 
Reichsabteien  621. 
Reichsgeschichte  s.  Genealogie, 
Reichsleute,  Westhofener  618. 
Reichstagsakten,  Deutsche  193  ff. 
Reichsverwaltung  615. 
Reims  566 ;  Kirchenprovinz  (Annaten- 
verzeichnis)  309.    —    Erzb. :    Ebo, 
Hinkmar,  Remigius.  —  S.  Flodoard. 
Reinhardsbrunn,  Kl.,  Urkk.  10. 
Remigius,  Eb.  von  Reims,  Vita  378, 
Repertorium  hymnologicum  277. 
Repgow  s.  Eike, 
Retz,     Dominikaner ,      Necrologium 

732  f. 
Reuilly,  Prior  Mathieu. 
Rheinland  614  f.  —  S.  Niederrhein, 

Oberrhein,  Pfalzgrafen. 
Rhythmen  12.  644  f.  —  S.  'Dies  irae', 

Gericht. 
Rhythmus   De   Asia   et  de   universi 

mundi  rota  12.  318  ff'. 
Ribnitz,  Kl.  (Chroniken)  286  f. 
Riccobald    von   Ferrara,    Pomerium 

590. 
Richard  von  Pofi  642. 
Richenberg,  Kl,,  Urkk.  10. 
Riviere  s.  Polycarpe. 
Robert,   Kg.   von   Frankreich,  Urk. 

637. 
Robert  I.,   Hzg.  von  Burgund,  Urk. 

637. 
Robert,    Hzg.    von    der    Normandie 

427  ff. 
Robert,  Graf,  Urk.  307. 
Robert  von  Thourotte,  B,  von  Lüttich 

631. 
Roger,  Abt  von  Lagny  25, 
Rolandin  von  Padua  277. 
Rolin,  burgundischer  Kanzler  638. 
Rom,  Beschreibung  (Mirabilia)  694  ff. 
698  N.  1 ;  Bibliotheken  271 ;  Frie- 
senkirche   S.  Michele  301;  christ- 
liche Inschriften  im  Vatikan  u,  a. 


Register. 


809 


Kirchen  350  ff. ;  Topographie  660 ; 

St.  Peters  -Tor  359.  —  Senator  Al- 

bornoz.  —   S.  Kirche,   Konzilien, 

Konzilsakten,    St.  Martin,  Recht, 

Romulum,  Vatikan. 
Romano  s.  Ezzelin. 
Romulum  694.  696  ff. 
Rosciate  s.  Albericus, 
Rosenberg,  Hermann  582. 
Rothenmaun    in    Steiermark,    Chor- 

herrenstift,Annales  necrologici  765. 
Rotulus  Sanpetrinus  303.  633. 
Ronen,  Eb.  Odo. 
Rouergue,  Grafschaft  589. 
Kg.  Rudolf  von    Habsburg   323  ff. ; 

Siegelstempel  253. 
Rudolf,   Kg.  von  Frankreich,    Urk. 

637. 
Rudolf  IV.,    Hzg.    von    Oesterreich 

737.  739. 
S.  Rufina,  Kardinalb.  Konrad. 
Rufinus,  Historia  ecclesiastica,  Quelle 

des  Benedictus  Lev.  537. 
H.  Rufus  588. 
Rupertsberg,  Kl.  574  N.  2.  —  Aebtissin 

Hildegard   von  Bingen ;    Pröpste : 

Gottfried,  Volmar. 
Kg.  Ruprecht  von  der  Pfalz  195  ff. 

200  ff. 
Ruprecht  II.  von  der  Pfalz  195  ff. 
Ruprecht  Pipan  von  der  Pfalz  195  ff. 


Saarwerden  s.  Friedrich  III. 

Saaz  in  Mähren,  Kirche  307. 

Sabrano  s.  Elziarius. 

Sachsen,  Bistümer  (Urkk.)  10;  s. 
Hamburg,  Hildesheim,  Osnabrück. 
—  S.  Lex. 

Sachsenspiegel  611  f. 

Sacramentarium  Gregorianum  325 ; 
des  Eb.  Hugo  des  Gr.  von  Be- 
sancon  654;  irisches  593  N.  1. 

Salbung,  päpstliche  bei  der  Kaiser- 
krönung 666  f. 

Salerno  642.  —  S.  Chroniken. 

Salfranken  s.  Lex  Salica. 

Salimbene  de  Adam  4.  277. 

Salomon,  F.  7  f. 

Salomon,  R.  7  f. 

Salzburg,  Amandus -Tradition  4;  Erz- 
bistum 295  (Provinzialsynoden). 
624  f.  (LTrkuudenfälschungen) ;  Mo- 
nasticon  264  ff. ;  Taiding'e  293. 


Samanek,  V.  11. 

sanctus,  Wortbedeutung  270  f. 

Sarazenen  663.  665.  667  ff. ;  in  Amalfi 
641  f. ;  in  Piemonte  594. 

Sardinien  267. 

Satzrhythmus  der  deutschen  Prosa 
649  f. 

Sazawa,  Kl.  278. 

Schedel,  Hartmann  778. 

Scheiern  s.  Konrad. 

Schisma,  das  grosse  abendländische 
283.  313.  603. 

Schlesien,  Fürsten  und  Stände  588; 
Ortsnamenforschung  591.  —  Hzg. 
ßoleslaw  I.  —  S.  Oesterreichisch- 
Schlesien. 

Schleswig,  Bistum  595. 

Schmeidler,  B.  4  f.  263. 

Schneider,  F.  5.  12. 

Schwaben ,  Münzgeschichte  657 ; 
Städte  299  ;  Weltchronik  55  ff.  — 
Hzg.  Ernst. 

Schwabmünchen,  Amtsbezirk  651. 

Schwalm,  J.  3.  7  f. 

Schwarzburg,  Grafen  316. 

Schwarzwasser  635. 

Schweiz,  Bündnisse  303. 

V.  Schwerin,  A.  Freiherr  6. 

V.  Schwind  6. 

Scriptores  4  ff.  263.  586 ;  rerum  Ger- 
manicarum  3  ff.  263 ;  rerum  Me- 
rovingicarum  3  f.  —  S.  Actus,  An- 
nalen,  Chroniken,  Epitome,  Ge- 
schichtschreiber ,  Geschichtsquel- 
len, Gesta,  Historia,  Muratori  und 
im  übrigen  die  Verfassernamen. 

Scultetus,  Bartholomaeus  588. 

H.  Sebastianus  s.  Acta. 

Seckel,  E.  6  f. 

S.  Secundinus  martyr  Atinensis  271. 

Seeland,  Graf  Floris  V. 

Seemüller,  J.  6. 

Segewold,  Verschwörung  636. 

Segni,  B.  Bruno. 

Seitenstetten,  Benediktinerstift,  Ne- 
crologium  764. 

Sendgericht  293. 
!  Seneca  im  MA.  318. 
i  Seus,  Neujahrsspiel  323;  Eb.  Hugo. 

Sensenschmid,  Johannes  656. 

P.  Sergius  I.  (Brief)  377  f. 

H.  Severin,  B.  von  Bordeaux,  Vita 
272  f. 

H.  Severin  von  Köln,  Legende  272  f. 

H.  Severin,  Apostel  von  Noricum, 
Vita  273. 


810 


Register. 


Sevilla  s.  Isidor. 

Sextus     Pythagoricus ,     Sententiae , 

Quelle   des   Benedictus  Lev.    474. 

521. 
Sibote,  Dichter  649. 
Sido,  Propst  von  Neumünster  5.  263. 
Siegel  der  Badischen  Städte  634.  — 

Fälschungen  252  ff. ;  Stempel  659. — 

S.  Kaisersiegel. 
Kg.  Sigbert  I.'  37.  40.  598. 
Kg.  Sigbert  11.  37.  41. 
Kg.  Sigbert  III.  37.  43  f. 
Sigebert  von   Gembloux,   Liber   de 

scriptoribus  ecclesiasticis  563ff.779. 
K.  Sigmund  324. 
H.  Sigolena  219  ff. 
P.  Silvester  I.,  Gesta  227  f. 
P.  Silvester  II.  389. 
Silvius  s.  Eneas. 
V.  Simsen,  B.  3  f. 
Sirck  s.  Jakob. 
P.  Siricius  425  ff. 
P.  Sixtus  IV.,  Urk.  630. 
Sizilien  s.  Normannen. 
Slaggert,  Lambert  287. 
Slavonien,  ÜB.  .306. 
Soest,  Fehde  6. 
Soissons  s.  St.-Medardus-Kl. 
Sonntagsheiligung  143  f.  163  ff. ;  Pre- 
digt 7S2. 
Speculum     imperfectionis     des     Br. 

Johannes  Brugman  601. 
Sponheim,  Kl.  779. 
Stablo,  Kl.,  ÜB.  631. 
Stadtrechte  von  Kitzbühel  619 ;  des 

Oberrheins  618. 
Stadtverteidigungsordnungen  588. 
Standesverhältnisse   von   Geistlichen 

620. 
Statuta  Bonifatii  119  ff. 
Stein  am  Rhein  302. 
Steingaden,  Kl.  313. 
Stenographie  328.  —  S.  Noten. 
P.  Stephan  III.  381  ff.  405 ;  Briefe  s. 

Urkunden. 
P.  Stephau  IV.  384.  406. 
Stephan,  Abt  von  Ste.-Genevieve,  B. 

von  Tournai  (Brief)  309. 
Steterburg,  Kl.  626. 
Stilgeschichte  270. 
Stilus  curie  parlamenti  des  Guillaume 

de  Breuil  285. 
Strafgewalt  der  Priester  161. 
Strecker,  K.  12. 
Suchenwirt,  Dichtungen  6. 
Suger,  Abt  von  St.-Denis  18.  31  N.  2. 


Sulpicius  Severus  221  ff. 

P.  Symmachus,    Inschriften    351  ff. 

365  f. 
Syno(Je    s.    Konzilien,    Konzilsakten, 

Salzburg. 


T. 

Tänze  in  der  Kirche  156  N.  4.  165. 

Tageno  658. 

Taidinge,  Salzburgische  293. 

Tangl,  M.  3.  7.  9  ff .  14. 

Tassilo,  Hzg.  von  Baiern,  Urk.  305. 

Taufzeiten  131  f.  141  f. 

Tegernsee,  Kl.  313.  326. 

Theoderich  vom  Elsass,  Graf  von 
Flandern  281. 

Theoderich  III.,  B.  von  Metz  (Urk.) 
299. 

Theodor!  Poenitentiale,  Quelle  des 
Benedictus  Lev.  536.  539. 

Theodulti  Aurelianensis  Capitulare 
primum,  Quelle  des  Benedictus 
Lev.  450  f.  471. 

Kg.  Theudebald  37  f. 

Kg.  Theudebert  I.  37  f. 

Kg.  Theudebert  II.  37.  40. 

Kg.  Theuderich  I.  37  f. 

Kg.  Theuderich  IL  37.  40  f. 

Kg.  Theuderich  III.  20.  34.  38.  46  f. 

Kg.  Theuderich  IV.  20.  35.38.  50  f. 

Thibaud  von  Milly,  Prior  von  St.- 
Denis  22  f. 

Thidreksage  321  f. 

Tholomeus  von  Lucca,  Annalen  4; 
Determinatio  compendiosa  de  iuris- 
dictione  imperii  u.  a.  Traktate  8. 
263. 

Thomas  Becket,  Eb.  von  Canterbury 
600. 

Thomas  von  Celano  283. 

Thourotte  s.  Robert. 

Thüringen,  Landgrafen:  Ludwig III., 
IV.;  H.  Elisabeth. 

Tirol ,  Archivberichte  304  f.  635 ; 
Inventare  650  f.  —  Hzg.  Frie- 
drich. 

Toledo  s.  Julian. 

Tongern,  Bistum  594  f. 

Toscana  641:  Gerichtsurkk.  297. 

Totenbücher  s.  Nekrologien. 

Totenfeier  159  f. 

Toulouse,  Grafschaft  589. 

Tournai,  B.  Stephan. 

Tours,  B.  Gregor. 


Register. 


811 


Tractatus  anonymi  de  coniugio  et 
viduis  770  ff". ;  anooymus  de  ori- 
gine  ac  translatione  et  statu  ßo- 
mani  imperii  263 ;  de  praerogativa 
Romaui  imperii  8.  284. 

Tractatus  de  iure  imperii  saec.  XIII. 
et  XIV.  selecti  7  f. 

Traditionen    633.    —    S.  Ranshofen. 

Translatio  s.   Benedicti  598. 

Traube  -  Bibliothek  18  f. 

Trebitsch,  Kl.  700  ff. 

Tremoille  s.  Georg. 

Trier ,  Domkapitel  (Urkundenver- 
zeichnis)302. — Erzb. :  Boemundll., 
Hillin,  Jakob  v.  Sirck.  —  S.  St. 
Eucharius  -  Kl . 

Trithemius,  Johannes  ,")95.  777  ff. 

Troclaris,  Kl.  219.  231. 

St.-Trond,  Kl.  31  N.  2.  307.  575  ff. 
631  f.  —  Abt  Dietrich. 

TropjDau,  Heller  658;  Herzogsurk. 
658;  Wappen  659  f. 

Trunchiniense  chronicon  288. 

Tuchindustrie  269. 

Tugendhafter  Schreiber  649. 

Turibius,  B.  von  Le  Mans  594. 

Turin ,  Nationalbibliothek ,  hagio- 
graphische  Hss.  587. 

Tusculum,  B.  Johann. 

Tussonval,  Abt  Magnoald. 


Udalrich  von  Bamberg,   Codex  629. 
Udalrich.  Teilfürst  von  Brunn  699  f., 

Urk.  703  f. 
Uhlirz,  K.  5. 
Ungarn,  Königsurkk.  306.  —  Kgin. 

Elisabeth.  —  S.  Recht. 
Universitäten,  Nationen  621  f.  —  S. 

Bologna,  Padua,  Pisa,  Prag,  Wien. 
Unteritalien  s.  Normannen. 
P.  Urban  II.    392  ff.    (Dekrete    und 

Brief).  680. 
P.  Urban  IV.,  Urk.  601. 
P.  Urban  VI.    313  f.    601.  603.  643. 
Urbarien  323.  —  S.  Augsburg,  Nieder- 

altaich,  Oesterreich. 
Urkunden  (auch  Briefe) :  Königs- 

urkunden:     Dagobert  I.     41  f. 

296.     589;     Childebert    III.     48; 

Karl   der  Grosse  277.  296.  384  f. 

406  N.  12.  419.  589.  624;   Gisela, 

Schwester    Karls    des    Gr.    33  f. ; 

Ludwig  der  Fromme  9.  628  f.  632; 


Ludwig  der  Deutsche  628  f. ;  Lud- 
wig IL  (Brief)  12.  661  ff'.;  Karl 
der  Kahle  637;  Arnulf  624  f.; 
Otto  I.  9.  623.  625.  628;  Otto  IL 
256  ff.  624  f.;  OttoIIL256f.  297. 
624  f.;  Heinrich  IL  297.  624.  626; 
Arduin  639;  Konrad  IL  10.  297. 
586;  Heinrich  III.  10.  298.  624. 
626;  Agnes  627;  Heinrich  IV. 
826.  615.  627;  Heinrich  V.  615; 
Lothar  312.  599;  Konrad  III.  10; 
Friedrich  I.  10.  291.  298  f.  310. 
627 ;  Heinrich  VI.  297 ;  Friedrich  11. 
299;  Heinrich  VIL  613;  Karl  IV. 
8.  302.  541  ff.  613;  Wenzel  .302; 
Friedrich  III.  643.  —  Papst- 
urkunden: Damasus  338;  Zosi- 
mus  403  f. ;  Hormisdas  373 ;  Ho- 
norius  I.  375;  Sergius  I.  377  f.; 
Konstantin  378;  Stephan  III.  382. 
405;  Paulus  I.  S83;  Nicolaus  I. 
11.  628.  666.  672;  Benedikt  VII. 
296  f.;  Johann  XV.  389;  Bene- 
dikt VIII.  637 ;  Nicolaus  IL  639 ; 
Alexander  IL  391 ;  Gregor  VII. 
326;  Urban  IL  393  ff.;  Paschal  IL 
296.  408  N.  7.  409  ff.  427  ff.;  Ge- 
lasiusll.  396.  412.  421;  Eugen  III. 
629;  Lucius  IIL  630;  Gregor  IX. 
630.  634,  Briefe  642;  Innocenz  IV. 
601 :  Alexander IV.  .302.  601 ;  Urban 
IV.  601;  Martin  IV.  308.  630;  Cle- 
mens V.  613;  Johann  XXIL  630; 
Benedikt  XII.  614;  Clemens  VI. 
630;  Innocenz  VI.  630;  Gregor  XL 
614;  Clemens  VIL  314;  Martin  V. 
309 ;  Pius  IL  644,  s.  Eneas  Silvius 
Piccolomini;  Sixtus  IV.  630.  — 
S.  Acta,  Briefe,  Epistolae,  Fürsten- 
urkk.,  Gerichtsurkk. ,  Hausmeier, 
Kaiserurkk. ,  Kartulare ,  Königs- 
urkk. ,  Notariatsurk. ,  Papsturkk., 
Privaturkk.  und  im  übrigen  die 
Aussteller-  und  Empfängernamen. 

Urkundenbücher  s.  Aggsbach,  Bo- 
logna, Dalmatien,  St.  Gallen,  Kroa- 
tien, Prouille,  Slavonien,  Stablo, 
Westfalen,  Württemljerg,   Zürich. 

Urkundenfälschungen  s.  Hamburg, 
St.  Medardus-Kl.,  Meissen,  Mem- 
leben,  Nienburg,  Osnabrück,  Salz- 
burg, St.-Valerj-,  Werden. 

Urkundenwesen  Belgiens  326  ff. ;  der 
Bischöfe  von  Konstanz  633. 

Utrecht,  Stadt  und  Stift  615;  Bistum 
und  Domkapitel  297  f. 


812 


Register. 


V. 

St.-Vaast,  Kl,  Annales  4.  263. 

Vaganten  707.  712  ff.  • 

Valencia  708.  711. 

St.  -Valery,  Kl.  296  f. 

Varazze  s.  Jakob  de  Varagine. 

Vatikan,  Archiv  300;  Inschriften 
350  ff. 

Vegetius,  deutsch  588. 

Venaissin,  Grafschaft  644 

Venantius  Fortunatus  221.  318; 
Schrift  über  den  H.  Severin  von 
Bordeaux  272  f. ;  metrische  Vita 
Martini  591  f. 

Venedig  313.  —  Doge  Pietro  Gra- 
denigo. 

verbosari  (-re)  154  N.  5. 

Verdun,  Maria -Magdalenenstift  627. 

Versus  de  vita  Vicelini  5.  263. 

Vial  s.  Guilhem. 

Vicelin,  Domherr  in  Bremen,  Versus 
de  vita  5.  263;  Codex  029. 

Vicenza,  Chronik  604. 

P.  Victor  III.  392. 

Victorius,  Ostercyclus  49. 

Victring  s.  Johann. 

P.  Vigilius  374. 

Villers  -  en  -  Brabant ,  Kl.  (Chronik 
und  Gesta)  601  f. 

S.  Vincenzo  al  Volturno,  Chronik  656. 

Visconti  284.  639.  641.  652 ;  Urkk.  11. 

Vita,  Vitae :  Aldemarii  596 ;  Amandi 
4;  Athanasii  episcopi  Neapolitani 
597  f.  668  f. ;  Audoini  591 ;  Bur- 
chardi  episc.  Wirziburg.  277;  Cae- 
sarii  episc.  Arelat.  221  ff. ;  Colum- 
bani  221  ff.  274  f. ;  Dionysii  382 
N.  1.  3.  417;  Elisabeth  281  ff.  284; 
Gebizonis  597 ;  Germani  episc. 
Autissiodor.  221  ff. ;  Goaris  592  f. ; 
Gregorii  I.  papae  334;  Gumberti 
fundatoris  monasterü  Ansbach  277 ; 
Heinrici  II.  imp.  et  Kunegundis 
276 ;  Hildegard  von  Bingen  572  ff. ; 
Karoli  M.  s.  Einhard ;  Martini 
591  f.;  Melaniae  iunioris  221  ff; 
Radegundis  221  ff. ;  Remigii  373 ; 
Seveiins  von  Bordeaux  272  f. ; 
Severins  von  Köln  272 f.;  Severins 
von  Noricum  273 ;  Sigolenae 
219  ff. ;  Wandregiseli  ahbatis  229  ff. 
—  S.  Acta,  Legenden,  Passio, 
Translatio,  Versus. 

Volkslieder,  historische  der  Mark 
Brandenburg  6. 


Volmar,  Propst  von  Rupertsberg 
571  N.  4.  573.  579  f. 

Vorarlberg,  Inventare  650  f. 

Voran  in  Steiermark ,  Chorfrauen- 
stift, Necrologium  765. 

Vulferius ,  Abt  von  St.  -  Maur  -  les 
Posses  23. 

W. 

Wagenburgsordnung  588. 

Walachei  617. 

Waldeck,  Graf  Heinrich. 

Wallfahrten  617. 

Waltharius  321  f. 

Wambae  historia  4. 

Wandregiseli  abbatis  Vita  229  ff. 

Wappen  659  f.  728  ff. 

Warnen  s.  Lex  Anglorum  et  We- 
rinorum. 

Wearmouth,  Kl.  377.  419.  —  Abt 
Ceolfrid. 

Weissenburg,  Kl. ,  Privaturkunden 
52  f. 

Weissensee  s.  Heinrich. 

Weistümer  293 ;  Niederösterreichs 
615;  von  Zülpich  019. 

Weif,  Graf  72  f.  75  ff. 

Weltchronik,  schwäbische  55  ff. 

Wenden  s.  Balduin. 

Kg.  Wenzel  313  f. ;  Urk.  302. 

AVenzel  IV".,  Kg.  von  Böhmen,  Urk. 
621  f. 

Werben,  Gerichtstag  92  ff. 

Werden  a.  d    Ruhr,  Kl.  624. 

Werminghoff,  A.  3.  7.  11. 

Werner,  J.  12. 

Werner  von  Kiljurg  82  f.  89  f. 

Wesel  s.  Konrad  Heinrich. 

Wessex,    Diözesen    386  ff.    417.  419. 

Westfalen  in  Danzig  636.  —  ÜB.  031. 

Westgoten,  Gesetze  000 ;  s.  Brevia- 
rium  Alarici.  —  Könige :  Athana- 
gild ,  Wamba,  Prinzessin  Gaile- 
svinda. 

Westhofen,  Reichsleute  018. 

Wettin  s.  Dietrich. 

Wibel,  H.  10. 

P.  Wibert,  Clemens  (IIP)  391  ff. 

Wichmann,  Eb.  von  Magdeburg  208. 

Widukind  von  Corvey  507  f. ;  Hs. 
770  ff. 

Wien,  Biblioteca  Rossiana  im  Je- 
suitenkolleg zu  Lainz  580  f ;  Bis- 
tum 260;  k.  k.  Ministerium  des 
Innern,    allgemeines   Archiv    (In- 


Register. 


813 


ventar)  304 ;  Nekrologien  der  Erz- 
diözese 12.  721  ff. ;  der  Stifter  und 
Klöster  :  Klarissen  727  ;  Minoriten- 
konventualen  727  ff. ;  Minoriten- 
observanten     731 ;     Dominikaner 

732  f. ;    Chorherren    St.  Dorothea 

733  f. ;  Cistercienserinnen  St.  Maria 
Magdalena  734  f. ;  Benediktiner- 
Schotten  735  f. ;  KoUegiatkapitel 
zu  Allenheiligen  (Domkapitel  zu 
St.  Stephan)  736  f. ;  der  Univer- 
sität 757. 

Wilhelm,  F.  8. 

Kg.  Wilhelm  von  Holland,  Siegel- 
stempel 253  N.  1. 

Wilhelm   Durand   Speculator   619  f. 

Wilhelm  III.,  Abt  von  St. -Denis 
34. 

Wilhelm  von  Malmesbury,  Gesta 
regum  Anglorum  374  ff.  380  ff. 
398.  409  ff.  413  N.  11.  414  N.  1. 
418  f.  421  N.  2.  422  ff.  427. 

Wilhelm  s.  Guillaume. 

Winchester  s.  Annales. 

Windisch  617. 

Windisch  -  Matrei ,  Gerichtsbezirk, 
Archive  304  f. 

uuinileodi  607  ff. 

Wipo  6.  55  ff. 

Wirtschaftsgeschichte  s.  Niederal- 
taich. 

Wockendorf  635. 

Wolfhard,  B.  von  Augsburg,  Grab- 
mal 660. 

Worms,  Münzen  658  f. ;  Peterskirche 
328. 

Wucherverbot  163. 

Württemberg,  Empfänger  von  Urkk. 
K.  Karls  IV.  544  ff.  —  ÜB.  303. 


Würzburg,  Bistum  und  Domkapitel 
201 ;  Chronik  60  ff.  —  B.  Bur- 
chard;  Dompropst  Johann  von 
Egloffstein. 

Wulfetrude,  Tochter  Grimoalds  d. 
Ä.,  Aebtissin  von  Nivelles  44  f. 

H.  Wynfrith  s.  Bonifatius. 


X. 

Xanten,  Annalen  4.  263. 


Y. 

York,  Erzbistum  383.  396  N.  5.  411. 
419.  421. 


Z. 

Zähringen,  Hzg.  Berthold. 

Zdik  s.  H.  Heinrich  II. 

Zeitrechnung  s.  Flandern,  Herrscher- 
jahre, Jahresanfang,  Jahresbezeich- 
nungen, Osterstil,  Ostertafel,  Oster- 
cyclus. 

Zeumer,  K.  3.  6  ff. 

Zinsverbot  163.  172  f.  614  f. 

V.  Zinzendorf,  Familie  762. 

Zivilprozess,  kanonischer  652. 

Znaim,  Teilfürst  Lutold. 

Zollern  s.  Friedrich. 

P.  Zosimus  403  f.  (Brief). 

Zuckmantel,  Goldbergwerke  616. 

Zülpich  619. 

Zürich,  ÜB.  303  f.  634. 

Zwettl,  Cistercienserstift,  Nekrologien 
759  ff. 


Verzeichnis  der  Verfasser 

der  in   den  Nachrichten   erwähnten  Bücher   und  Aufsätze. 
[Die  Ziffern  gehen  auf  die  Nummern  der  Nachrichten]. 


Agnelli,  G.  10. 

Albe,  Ed.  292. 

Albert,  P.  P.  13. 

Allen.  Ph.  Ch.  .860. 

Anger,  D.  79. 

ab  Araules,  P.  F.  Ma.  [Delorme]  224. 

Arbusow,  L.  278. 

Aubert,  F.  53. 

Auvray,  L.  346. 

Babudri,  Fr.  84. 
Bachmann,  A.  43. 
Bädeker,  P.  264. 
Balzani,  U.  24. 
Bannister  213  N.  1. 
Barbier,  V.  297. 
Bastgen  101. 
Battistella,  A.  335. 
Baumgarten,  P.  M.  96. 
Baumgartner,  E.  48. 
Baur,  D.  Chr.  381. 
Beaufils  393. 
Beaunier  79. 
Beccaria,  A.  367. 
Beer,  R.  189. 
Bendel,  Fr.  J.  172.  281. 
Berliere,  D.  U.  227.  296. 
Bernardy,  A.  A.  344. 
Berthele,  J.    272.  394. 
Bertoni,  Gr.  145.  358. 
Besse,  J.-M.  79. 
Biereye,  W.  217. 
Bihl,  M.  48. 
Bihlmeyer,  H.  25. 
Biscaro,  G.  .338. 

Bliemetzrieder,    Fr.    48.    149.    150. 
152.  158.  224.  229.  348.  349.  350. 
Bloch,  F.  259. 
Bloch,  H.  68. 


Blume,  Cl.  160. 
Beer  168. 

Bone.Ui,  Gr.  59.  191. 
Bonfante,  P.  221. 
Bour,  R.  S.  185. 
Bourquelot,  E.  251. 
Brackmann,  A.  6. 
Bragato,  G.  335. 
Brandes.  W.  156.   157. 
Brennich,  M.  277. 
Bresslau,  H.  195.  287. 
V.  Bruiningk,  H.  275. 
Brunei,  Cl.  85. 
Brunetti,  M.  336. 
de  Bruyne,  D.  D.  391. 
Butler,  P.  109. 
Burdach,  K.  366. 
Bussen,  G.  214. 


Callewaert,  C.  194.  397. 

Capasso,  C.  51. 

Caspar,  E.  220. 

Cauchie,  A.  140. 

Gelier,  L.  332. 

Chalandoö,  F.  40. 

Champeaux,  E.  262. 

Chapman,  J.   182.  , 

de  Chestret  de  Haneffe,  J.  288. 

Chevalier,  U.  41. 

Chiapelli,  L.  77. 

Chroust  187. 

Cipolla,  C.  148.  174. 

Collino,  G.  341. 

Conrat,  M.  245. 

Constans,  M.  203. 

Coppieters  Stochove,  H.  46. 

Coste,  D.  212. 

Courtot,  P. -L.  193. 

Crivellucci,  A.  357. 


Verzeichnis  der  Verfasser. 


815 


Curs,  0.  284. 
Curschmann,  Fr.  290. 

Delehaye,  H.  26. 
Depoin,  J.  213. 
V.  Destouches,  E.  107. 
Diana,  A.  .334. 
Diemar,  H.  235. 
Doize,  J.  200.  299. 
Dubrulle,  H.  133. 
Dupont,  R.  131. 
Duprat,  E.  202. 
Durst,  R.  208. 

Egli,  J.  361. 
Elter,  A.  179. 
Enderle,  J.  311. 
Erben,  W.    282. 
Escher,  J.  110.  315. 
Eubel,  K.  48. 

Fairon,  Em.  295. 
Fayen,  A.  135. 
Fedeli,  C.  343. 
Ferrant,  J.  124. 
Ferretto,  A.  293. 
Fleig,  E.  105.  310. 
de  Francesco,  A.  246. 
Frankhauser,  F.  312. 
Frie,  B.  256. 
Friedrich,  Cl.  119.  279. 
Fris,  V.    60.  236. 
Frola,  G.  337. 
Fruin,  R.  396. 
Fuchs,  A.  116. 
Fumi,  L.  136. 
Fyot,  E.  333. 

Gabotto,  E.  337. 

Gabotto,  F.  376. 

Gallet-Miry  190. 

Gasser,  Ed.  307. 

Gassiri  355. 

Gaudenzi,  A.  140.  218. 

Gautier,  P.  328. 

Gerola,  G.  138. 

Gertrudis,  M.  319. 

Giese,  R.  283. 

Gillmann  271. 

Girard,  J.  353. 

Gnirs,  A.  378. 

Göller,  E.  273. 

Goetschalckx,  P.  J.  128.  294. 

Gollob,  E.  197. 


Golubovich,  H.  48. 
Gorge  318. 

Gosses,  J.  H.  63.  89.  238. 
Goyens,  P.  H.  224. 
Greinacher,  A.  270. 
Griname,  Fr.  305. 
Gritzner  74. 
Groh,  Fr.  17. 
Gualandi,  E.  143. 
Güterbock,  F.  69. 
Guiraud,  J.  331. 
Guiraud,  L.  292. 

Habel,  E.  363. 
Vander  Haeghen,  V.  38. 
Halkin,  J.  303. 
Haller,  J.  325. 
Halphen,  L.  222. 
Hampe,  K.  45. 
Harms,  B.  402. 
Hartmann,  L.  M.  345. 
Hasack,  M.  33. 
Heinemann,  B.  309. 
Held,  F.  312. 
van  Helten,  W.  L.  238. 
Henniges,  D.  48. 
Herzberg  -  Fränkel  375. 
Hess,  H.  364. 
Hessel,  A.  195. 
Heuberger,  S.  261. 
Heymann,  E.  71. 
Heyne,  M.  405. 
Hilka,  A.  180. 
Hille,  J.  76. 
Hilliger,  B.  61. 
Höfer,  H.  186. 
Hölscher,  U.  75. 
Hofmiller,  J.  213. 
Hoppe,  W.    16. 
Hornung,  Tb.  27. 
Hübner,  K.  80. 
Huet,  G.  162. 
Hugelmann,  K.  G.  243. 
Huyskens,  A.  47. 

Jecht,  R.  58. 
Jenkinson,  F.  0.  H.  .382. 
Joseph,  P.  401. 
Jung,  R.  100. 
Jusselin,  M.  132. 

Kaindl,  R.  F.  260. 
Kalisch,  H.  C.  256. 
Ivalll)runer,  J.  286. 
Käser,  K.  175.  379. 


816 


Verzeichnis  der  Verfasser. 


V.  Kauflfungen,  K.  320. 
Kelle,  J.  240. 
Kemmerich,  M.  87.  408. 
Kern,  F.  248. 
Klimesch,  J.  M.  9. 
Kober,  A.  253. 
Koehne,  C.  266, 
König,  B.  258. 
Kogler,  F.  267.  316. 
Krabbo,  H.  36. 
Krammer,  M.  3. 
Krenzer,  0.  313. 
Krieger,  A.  312. 
Krofta,  K.  279. 
Ki-umbholtz,  R.  301. 
Kunze,  K.  377. 

Lampel,  J.  116. 

Lanciani,  R.  407. 

Lanzoni,  F.  368. 

Ledru,  A.  214. 

Lehmann,  P.  56. 

Leicht,  P.  S.  334.  339. 

Leidinger,  Gr.  94. 

Lemaire,  Emm.  226. 

Lemmens,  L.  48. 

Lesne,  E.  269. 

Lestrade,  J.  292. 

Levillain,  L.  371. 

Levison,  W.   28. 

Lindner,  P.  7. 

Lippi,  S.  11. 

Little,  A.  G.  199. 

Lopez,  A.  48. 

Luschin  von  Ebengreuth,  A.  399. 

Maas,  P.  158.  159.  355. 
Maere,  R.  225. 
Manara,  F.  192. 
Manitius,  M.  384. 
de  Manteyer,  G.  330. 
Des  Marez,  G.  126. 
Marichal,  P.  306. 
Mayer,  E.  241. 
Mayer,  Th.  176.  372. 
Mayr,  J.  K.  201. 
Mazzatinti,  G.  233. 
Medin,  A.  54. 
Mehring  106. 
Meininghaus,  A.  178.  264. 
Meli,  A.  73. 
Mencherini,  P.  S.  224. 
Mercati,  G.  221.  355. 
Merkel,  J.  21. 
Merz,  W.   261. 


Meyer,  F.  E.  108. 
Meyer,  H.  70.  78. 
Meyer,  W.    169.  170.  354. 
Meyer  von  Knonau,  G.  219. 
Miebach,  A.  20. 
Miedel  374. 
Mirot,  L.  44. 
Mitterwieser,  A.  107. 
Monchamp,  G.  216. 
Monticolo,  G.  191. 
de  Moreau,  E.  225. 
Morin,  G.  181.  383. 
V.  Mülinen,  W.  F.  111. 
Müller,  E.  285. 
Mulder,  W.   50. 
Muüoz,  A.  392. 
Muratori,     Rer.     Ital.     SS., 
bearbeitung  52.  231.  233. 

Nabholz,  H.  261. 
Naegle,  A.  390. 
Nardi,  L.  340. 
NeHs,  H.  125.  188.  232. 
Nottarp,  H.  265. 
Novati,  F.  92.  389. 
Novotny,  V.   42. 
Novotny,  W.    279. 

Obreen,  H.  207. 
Oppermann,  ü.  255. 
Orioli,  E.  340. 
v.  Ottenthai,  E.  113. 
Otto,  H.  95.  249. 

Pansier,  P.  300.  386. 
Pardi,  G.  144. 
Parisot,  R.  204. 
Pascal,  C.  161. 
Patetta,  Fr.  165.  359. 
Patrucco,  E.  215. 
Pelster,  W.   274. 
Perdrizet,  P.  388. 
Perini,  Q.  317. 
Peyron,  P.  98. 
Philipp,  A.  201. 
Philippi,  F.  247. 
Picard,  E.  326. 
Pidoux,  P.-A.  385. 
Pirenne,  H.  22.  188.  244. 
Plüss,  A.  111. 
Pösinger,  B.  115. 
Poncelet,  A.  41.  198.  211. 
Popiolek  318. 
Poupardin,  R.  30.  (329). 


Neu- 


Verzeichnis  der  Verfasser. 


817 


Priest,  Gr.  M.  35. 
Prou,  M.  83. 

Redlich,  0.  113. 

Regne,  J.  242. 

Reichert,  ß.  M.  55. 

Reimers,  H.  97. 

Reinach,  Th.  242. 

Ricci,  F.  62. 

Richter,  H.  362. 

Riedner,  0.  27.  374. 

Riehme,  E.  257. 

Rietschel,  S.  64, 

Robert,  G.  292. 

Roethe  167. 

Roland,  C.-G.  130.  303. 

Romano,  G.  88. 

Rossi,  G.  12. 

Rothert  324. 

Rubel,  K.  263. 

Rüegg,  F.  177. 

Rzehak,  E.  318.  400.  404. 

Salomon,  R.  81. 

Samanek,  V.    19. 

Samaran,  Ch.  352. 

Sant'  Ambrogio,  D.  141. 

Savio,  F.  380. 

Scandone,  F.  65. 

Schäfer,  K.  H.  82.  298. 

V.  Schenk  zu  Schweinsberg,  G.  205. 

Scherlen,  A.  102. 

van  Schevichaven,  H.  D.  J.  406. 

Schiaparelli,  L.  1.39. 

Schiess,  T.  109. 

Schiffmann,  K.  117. 

Schillmann,  F.  95. 

Schlenz,  J.  121. 

Schmeidler,  B.  2.  39. 

Schmid,  U.  276.  314. 

Schmitt,  Chr.  14. 

Schmitz,  F.  72. 

V.  Schneider,  E.  106. 

Schneider,  F.  2.  86.  342. 

Schneider,  K.  M.  318. 

Schnürer,  G.  369. 

Schönach,  L.  120. 

Schönbach,  A.  E.  184.  887. 

Schöttle,  G.  398. 

Schoolmeesters,  E.  302. 

Schröder,  A.  234. 

Schröder,  E.  365.  405. 

Schubert,  H.  188. 

Schulz,  M.  23. 

Schwalm,  J,  195. 


Schwarz,  H.  268. 
Schweizer,  P.  110.  315. 
SeemüUer,  J.  195. 
Segre,  A.  347. 
Seifert,  A.  122.  230. 
Sepulcri,  A.  67. 
Sevesi,  P.  P.  224. 
Siebert,  H.  403. 
Siegl,  K.  395. 
Simenon,  G.  304. 
Simonsfeld,  H.  147.  289. 
V.  Simson,  B.  2. 
Simson,  P.  323. 
Siragusa,  G.  B.  223. 
Smets,  G.  228. 
Smiciklas,  T.  118. 
Sommerfeldt,  G.  151.  155. 
Soranzo,  G.  231. 
Sorbelli,  A.  340. 
Stapper,  R.  183. 
Starzer,  A.  114. 
Stechele,  W.    250. 
Stein,  H.  210. 
Stein,  W.    99. 
Stieve,  Fr.  206. 
Stockmans,  J.  B.  291. 
Stouff,  L.  373. 
Strecker,  K.  163.  164.  356. 
Strnadt,  J.  8. 
Susta,  J.  279. 
Suttina,  L.  66. 

Tamassia,  N.  339. 
Tangl,  M.  280. 
Techen,  Fr.  57. 
Tigges,  J.  256. 
Tocco,  .F.  49. 
Tolomei,  G.  54. 
Torelli,  P.  93.  137. 
della  Torre,  A.  142. 
Treixier,  G.  123. 
Tumbült,  G.  108. 

Uhl,  W.   239. 
Unterlauff  321. 
de  Urena,  R.  237. 
üssani,  V.    211. 


Valat,  G.  184. 
Vannerus,  J.  90. 
Verriest,  L.  129. 
Vigener,  F.  252. 
Villetard,  H.  171. 
Vivanet,  F.  11. 


818 


Verzeichnis  der  Verfasser. 


van  Waefelghem,  R.  127.  173. 
Wagner,  P.  166. 
Wagner,  R.  18. 
Weber,  G.  A.  37. 
Weinberger,  W.    196. 
Wentzcke,  P.  34.  91. 
Wibel,  H.  195. 
Wiedemann,  J.  314. 


Winter,  G.  254. 
Wolf,  H.  209. 
Wolkan,  R.  154.  351. 
Wutke,  K.  322. 

Zak,  A.   15. 
Zimmer,  H.  29. 
V.  Zin^erle,  0.  370. 


Die  Chiffren 
unter  den  Nachrichten  dieses  Bandes  haben  folgende  Bedeutuns:: 


A. 

H. 

Adolf  Hofmeister. 

H.W. 

Hans  Wibel. 

A. 

W. 

Albert  Werminghoff. 

J.W. 

Jakob  Werner. 

B. 

B. 

Berthold  Bretholz. 

K.  Str 

.     Karl  Strecker. 

B. 

Kr. 

Bruno  Krusch. 

K.  Z. 

Karl  Zeumer. 

B. 

Schm.     Bernhard  Schmeidler. 

L.   V. 

E.      Arnold    Luschin    Ritter 

E. 

C. 

Erich  Caspar. 

von 

Ebengreuth. 

E. 

M. 

Ernst  Müller. 

M.  Kr 

.     Mario  Krammer. 

E. 

P. 

Ernst  Pereis. 

M.  T. 

Michael  Tangl. 

E. 

St. 

Elias  Steinmeyer. 

0.  H. 

-E.      Oswald   Holder -Egger. 

H. 

Br. 

Harry  Bresslau. 

R.  S. 

Richard  Salomon. 

H. 

H. 

Hans  Hirsch. 

W.  L. 

Wilhelm  Levison. 

Berichtigung. 

S.  782,  Z.  3  lies:  cornua  (statt  coruna) ;  Z.  25  lies:  (d)e  presbiteris, 
inquid  (mit  Komma  statt  Semikolon). 


Nachtrag  zu  S.  778. 

In  dem  Moment,  da  der  Band  abgeschlossen  werden 
soll,  teilt  mir  der  Bibliothekar  an  der  Königlichen  Biblio- 
thek zu  Berlin  Herr  Dr.  E.  Jacobs  mit,  dass  es  ihm  mit  Hülfe 
von  loannis  Trithemii  Polygraphiae  libri  VI  (1518)  gelun- 
gen ist,  das  Kryptogramm  auf  der  beigegebenen  Tafel  mit 
der  Notiz  des  Trithemius  zu  lösen.  Die  Jahreszahl  ist 
danach  1492,  der  Name  des  Klosters:  'Pantaleonis  in  Co- 
lonia'.     Nähere  Angaben  bleiben  vorbehalten. 

0.  H.-E. 


DD  Gesellschaft  für  Jü.tere 

2  Deutsche  GescMchtslrirode   imr 

G32  Beförderung  einer  Gesarsn- 

Bd,35  tausgabe  der  Quellcnnchriften 

Deutscher  Geschichten  des 

Mittelalters 
Neues  Archiv 


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