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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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.;1 


Neues  Archiv 


für 


Sächsisclie  Geschichte 

imd 

Alterthumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrath. 


Siebenter    Band. 


Dresden  1886. 
Wilhelm  Baensch  Verlagshandlung. 


rrlEGEITY  CENTER 


Inhalt. 


Seit«» 

I.  Moritz   von   Sachsen   gegen   Karl  V.    1552.    Von  Ober- 
lehrer Dr.  S.  Issleib  in  Bautzen 1 

n.  Zur  Entstehungsgeschichte  der  städtischen  und  adeligen 
Patronatstellen  in  den  sächsischen  Landesschulen  unter 
besonderer  Berücksichtigung  der  Freistellen  des  Geschlechts 
von  Schönberg  in  der  Landesschule  St.  Afra  zu  Meissen. 
Vom  Präsidenten  der  Oberrechnuugskammer  B.  v.  Schön- 
berg in  Dresden ßO 

in.  Das  Zinnerrecht  von  Ehrenfriedersdorf,  Geyer  und  Thum. 

Vom  Herausgeber 94 

IV.  Aus  Daniel  Naubitzers  Autobiographie.    Ein  Beitrag  zur 
Kulturgeschichte    des    16.   Jahrhunderts.     Von    Dr.    M. 

Baltzer  in  Danzig 111 

V.  Name,  Alter  und  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz.  Von 
Direktor  Fr.  Ohnesorge  in  Sebnitz 118 

VI.  Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Vita  Bennonis  Misnensis. 

Von  Geh.  Staats archivar  Dr.  R.  Doebner  in  Berlin     .     .  131 
Vn.  Kleinere  Mittheilungen 145 

1.  Ein  hussitischer  Spion.  Von  Rathsarchivar  Dr.  O. 
Richter  in  Dresden.  S.  145.  —  2.  Zur  Geschichte  der 
Luxemburger  Streitigkeiten.  Von  Dr.  Ludwig  Schmidt 
in  Dresden.  S,  146.  —  3.  Spuren  Meister  Arnolds 
von   Westfalen.      Von   Dr.    0.    Richter.     S.    148.    — 

4.  Eigenhändige  Schriftstücke  Luthers  und  Melanch- 
thons.    Von   Ai-chivrath   Dr.  Th.   Distel  in   Dresden. 

5.  150.  —  5.  Zm-  Entstehungsgeschichte  des  Testa- 
mentes Melchior  v.  Osses.    Von  demselben.  S.  153.  — 

6.  Zu  den  Puuktierbüchern  des  Kurfüi'sten  August. 
Von  demselben.  S.  154.  —  7.  Weihnachtsgeschenke 
fiir  die  Kinder  des  Kurfüi-sten  August.  Von  dem- 
selben. S.  155.  —  8.  Zu  den  Verhandlungen  Wallen- 
steins  mit  den  Schweden  und  Sachsen  1633.  Von 
Prof.  Dr.  Gaedeke  in  Dresden.  S.  156.  —  9.  Irrthümer 
in  den  Mandaten  vom  7.  August  1734  und  16.  Sep- 
tember 1746.  Von  Archivrath  Dr.  Distel.  S.  162.  — 
10.  Tanz  um  einen  Ochsen.    Von  demselben.     S.  163. 

Literatur 164 


IV  Inhalt. 

Seite 

VIII.  Ekbert  II.  Markgraf  von  Meissen.    Von  Dr.  Paul  Rock- 
rohr in  Halle 177 

IX.  Die  Ki-agensche  Fehde.  Von  Prof.  Dr.  Hermann  Knothe 
in  Dresden 216 

X.  Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterlichen  bis 
in  die  neuere  Zeit.  Von  Wirkl.  Geh.  Kath  und  Oberhof- 
meister A.  von  Minckwitz  in  Dresden 235 

XI.  Aus  den  Papieren  des  kursäohsischen  Generallieutenants 
Haus  Georg  von  Arnim  1631—1634.  (GräÜ.  Arnimsches 
Familienarchiv  zu  Boitzenburg).     Von  Prof.  Dr.  Arnold 

Gaedeke  in  Dresden 278 

XII.  Die    einstigen   Malereien    in    der    Augustusburg.      Von 

Pfarrer  C.  Freyer  in  Schellenberg       297 

Literatur 327 

Register 340 


Besprocliene  Schriften. 


Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.    2.   u.  3,  Heft  (G. 

Müller) 166 

Burkhardt,  Stammtafeln  der  crnestinischen  Linien  des  Hauses 

Sachsen  (Ermisch) 327 

Friedrich,  Album  des  Gymnasiums  zu  Zittau  (Knothe).    .     .     .  330 

Knothe.   Die  Stellung  der  Gutsunterthanen  in  der  Oberlausitz 

(Ermisch) 328 

Krause,  Der  Briefw(;chsel  des  Mutianus  Rufus  (G.  Müller)  .     .  169 
Lehmann,  Dei-  polnische  Resident  Bercnd  Lehmann  (Ermiscli)  .  165 
Mitzschke,  Martin  Luthei',   Naumburg  a.  d.  Saale  und  die  Re- 
formation (G.  Müller) 328 

Mothcs,  Baugeschichte  der  St.  Marienkirche  zu  Zwickau  (Schu- 
mann)     331 

Richter,  Lebenserinnerungen  eines  deutschen  Malers  (Schumann)  170 
Schnorr  v.  Carolsfeld,  Briefe  aus  Italien  (Schumaim)    ....  333 

Schumann,  Barock  und  Rococo  (Alwin  Schultz) 164 

Steche,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.  Heft  VI ,  VII. 
(Alwin  Schultz) 331 

Wustmann,  Aus  Leipzigs  Vergangenheit  (Distel) 165 


I. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.    1552'). 


Von 

S.  Issleil). 


VV  ährend  Kaiser  Karl  V.  in  Innsbruck  verweilte  und 
seinen  bekannten  dynastischen  und  konziliaren  Plänen 
nachhing,  den  französischen  Feindseligkeiten  in  Italien 
zu  begegnen,  die  Niederlande  zu  schützen  und  die  Türken 
zurückzuhalten  suchte,  erhob  sich  in  Deutschland  der 
Kriegssturm,  welcher  den  gefangenen  Landgrafen  Philipp 
von  Hessen  befreien  und  die  Wohlfahrt  der  deutschen 
Nation  befördern  sollte. 

Man  ma««'  über  die  Haltung  des  Kurfürsten  Moritz 
von  Sachsen  im  Jahre  1551  und  anfangs  1552  verschieden 
urtheilen;  nothwendig  aber  war  sie.  Seine  schwierige 
Lage  zwang  zur  Vorsicht  und  Täuschung,  zu  wohl- 
berechneten Schwankungen  und  zur  wohldurchdachten 
Ausnutzung  aller  Verhältnisse. 

So  kam  es,  dass  er  zur  Zeit  der  Belagerung  Magde- 
burgs als  Feldherr  des  Kaisers  und  Reiches  ein  kaiser- 
feindliches Bündnis  aufrichtete  und  dann  unmittelbar 
nach  der  Einnahme  dieser  Stadt  infolge  des  Lochauer 
Zerwürfnisses  und  der  französischen  finanziellen  Kargheit 
sich  erbot,  auf  Wunsch  des  Kaisers  nach  Innsbruck  zu 
kommen.  Die  kaiserliche  Forderung,  vorher  das  Kriegs- 
volk  zu   bezahlen   und    zu    trennen,    gab    ihm    wiederum 


^)  Die  Arbeit  schliesst  sich  eng  an  die  in  dieser  Zeitschrift  YI, 
flg.  veröffentlichte  an. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VII.    1.  2.  1 


2  S.  Issleib: 

wegen  des  herrschenden  Geldmangels  den  besten  Vor- 
Avand,  seine  Reise  von  Woche  zu  Woche  hinauszuschieben 
und  Frankreichs  verzögerte  EntSchliessungen  abzuwarten. 

Dem  Kaiser  augenscheinlich  willfährig  traf  er  gemäss 
der  Reichstagsbeschlüsse  Anstalten,  wie  Kurbiandenhurg, 
AVürttemberg  und  andere  Keichsstände,  das  Konzil  zu 
beschicken.  Zwei  Käthe  reisten  nach  Trient,  um  sicheres 
Geleit  für  die  Theologen  zu  erwirken,  und  diese  selbst 
rückten  im  Januar  1552  bis  Nürnl)erg  und  dann  bis 
Augsburg  vor,  um  auf  Befehl  sclmell  weiter  ziehen  zu 
können.  AVährend  dann  der  Kurfürst  die  Verhand- 
lungen mit  Frankreich  energisch  zu  einem  Endergebnis 
drängte,  bemühte  er  sich  gleichzeitig  neben  dem  kaiser- 
lichen Kriegskommissar  von  Schwendi  und  dem  Reichs- 
zahlmeister Haller  Geld  zur  Bezahlung  des  magdebur- 
gischen Kriegsvolkes  aufzutreiben"'). 

Ende  Januar  1552  wurden  die  Reiter  und  die  ober- 
ländischeri  Knechte  um  Mühlhausen  bezahlt''),  aber  sofort 
wieder  bis  Fastnacht  in  Bestallung  und  Wartegeld  ge- 
nommen; die  niederländischen  Knechte  dirigierte  man 
nach  Göttingen  zu,  bezahlte,  so  weit  das  Geld  reichte, 
und  nahm  die  meisten  Hauptleute  in  Verspruch.  Die 
dem  Kurfürsten  von  neuem  verpflichteten  Reiter  und 
Knechte  wurden  grösstentheils  in  den  kurfürstlichen 
Amtern  eingelagert;  die  übrigen  suchte  man  in  die  Hände 
des  Landgrafen  Wilhelm  von  Hessen  zu  spielen.  Da 
König  Ferdinand  um  die  sächsischen  Reiter  werben  liess, 
zeigte  der  Kurfürst  neben  Herzog  Georg  von  Mecklen- 
burg Neigung  zur  Theilnahme  am  Türkenkriege. 

Auch  die  Reise  nach  Innsbruck  wurde  vorbereitet. 
Am  1.  Februar  verliess  Dr.  Franz  Kram  Dresden,  um 
über  Nürnberg  vorauseilend  die  kurfürstliche  Ankunft 
am  kaiserlichen  Hofe  zu  melden  und  Quartier  zu  be- 
stellen. Zur  selben  Zeit'')  brachen  der  Kanzler  Dr.  Mord- 
eisen und  Christof  von  Carlowitz  mit  dem  Hofmarschall 
und  dem  Hofgesinde  in  der  Richtung  nach  Regensburg  auf. 


-)  Loc.  9152,  Magdeburgisclie  Belagerung  VI,  Bl.  150  fiir.; 
vergl.  A.  von  Druffel,  Briefe  und  Akten  etc.  II,  No.  916  ög. 
Indem  der  Kurfürst  20000  Gulden  vorstreckte,  kamen  allmählich 
gegen  8O00O  Gulden  zusammen. 

'^j  Es  gesi  hah  durch  Hans  von  Diskau  und  Georg  von  Altensee 
genannt  Wachtmeister. 

■')  Loc.  v»H5,  Einigt'S  zur  Geschichte,  die  Befreiung  des  Land- 
grafen Philipp  betreffend  1551,  Bl.  92  flg. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  3 

Nun  erliielt  der  Kurfürst  am  3.  Februar  —  noch  in 
Dresden  verweilend  -=-  vom  Landgrafen  Wilhelm  die 
Nachricht  über  den  glücklichen  Abschluss  der  Verhand- 
lungen am  französischen  Hofe  und  eine  Einladung  nach 
Friedewalde.  Sofort  war  er  entscldossen^  die  kaiserlichen 
Vertröstungen  hintanzusetzen,  nach  Hessen  zu  kommen 
und  die  Heinrich  U.  gemachten  Zusagen  zu  halten.  Dem- 
ungeachtet  aber  zog  er,  die  Reise  zum  Kaiser  gleichsam 
antretend,  nach  Chemnitz  und  Hess  von  da  (am  5.  Fe- 
bruar) die  Räthe  Mordeisen  und  Carlowitz  durch  Adam 
von  Seidlitz'')  auffordern,  über  bedenkliche  Reden  des 
kaiserlichen  Hofmarschalls  Böcklin,  welche  derselbe  wider 
Erwarten  namentlich  in  den  Seestädten  geführt  haben 
sollte,  fleissig  nachzudenken  und  gute  Kundschaft  ein- 
zuziehen, wie  weit  dem  kaiserlichen  Hofe  zu  trauen  sei 
oder  nicht.  Um  dasselbe  thun  zu  können,  wollte  er 
selbst  kürzere  Tagereisen  anstellen  und  mehrere  Tage 
später  in  Landshut  mit  ihnen  zusammentreffen.  Darauf 
ritt  er  mit  wenigen  Getreuen  mehr  bei  Nacht  als  bei  Tag 
nach  Friedewalde  in  Hessen  und  verhandelte  vom  11.  bis 
14.  Februar  mit  dem  französischen  Bevollmächtigten,  mit 
dem  Landgrafen  Wilhelm,  dem  Markgrafen  Albrecht  etc. 

Das  war  klar,  fand  in  Friedewalde  keine  Verständigung 
statt,  dann  setzte  der  Kurfürst  trotz  aller  Bedenklichkeiten 
die  angetretene  Reise  zum  Kaiser  fort.  So  aber  kehrte  er 
in  sein  Land  zurück.  Am  20.  Februar  befand  er  sich  wie- 
der in  Leipzig,  Hess  in  aller  Eile  einen  Landtag  berufen, 
hörte  des  Fürsten  von  Anhalt  Bericht  über  eine  Sendung 
an  die  Ernestiner  und  zeigte  Mordeisen  und  Carlowitz 
an,  dass  ihn  wichtige  Ursachen,  Anzeigen  und  Warnungen 
zur  Rückkehr  bewogen  hätten'').  Von  Landshut  aus 
sollten  sie  an  den  kaiserlichen  Hof  ziehen,  die  Gründe, 
weshalb  die  Reise  unterbrochen  worden  sei,  anzeigen  und 
um  Erledigung  des  Landgrafen  bitten,  oder  schriftlich 
die  Rückkehr  rechtfertigen  und  die  Bitte  vorbringen. 
Auf  alle  Fälle  sollten  sie  dringend  um  die  Befreiung  des 


**)  Loc.  9145,  Hessische  entledigung  I,  Bl.  180;  Druifel  II, 
No.  970.  Seidlitz  traf  die  Käthe  in  Regensbiirg.  Lanz,  Corre- 
spondenz  des  Kaisers  Karl  V.  III,  92. 

•')  Loc.  9146,  Hessische  entledigung  IV,  Bl.  73  flg.;  D  ruffei  11, 
No.  904,  941,  1000,  1009.  Unter  anderem  sollte  gesagt  worden  sein: 
Käme  der  Kurfürst  zum  Ratfzahn  (Kaiser),  so  würde  man  ihn  beim 
Kopfe  halten  und  darnach  mit  den  anderen  bald  fertig  werden. 
Böcklin  entschuldigte  sich  später,  und  der  Rath  Hamburgs  suchte 
ihn  zu  rechtfertigen.     Loc.  9145  1,  Bl.  219  üg.;   Druffel  H,  No.  1321. 

1* 


4  S.  Issleib: 

Landgrafen  anhalten.  In  einer  Nachschrift  wurde  em- 
pfohlen; sich  schriftlich  an  den  Kaiser  und  an  (iranvella 
zu  wenden  und  dann  ungesäumt  zurückzukehren').  Auf 
der  Heimreise  aber  sollte  Carlowitz  den  König  Maximilian 
aufsuchen,  alle  Umstände  entschuldigen,  gehiissige  Nach- 
reden entkräften,  etAva  vorhandenes  Misstrauen  beseitigen 
und  versichern,  der  Kurfürst  werde  sich  den  früheren 
Verabredungen  gemäss  treu  erzeigen^). 

Am  23.  Februar  hatte  der  Kurfürst  in  Dresden  eine 
zweistündige  Unterredung  mit  dem  Grafen  Albrecht 
Schlick,  welcher  von  Berlin  aus  auf  der  Heimreise  an  den 
königlichen  Hof  begriffen  war'').  Eingehend  auf  die  um- 
laufenden Kriegsgerüchte  gestand  der  Kurfürst  zu,  dass  er 
Leute  in  Bestallung  und  mit  etlichen  Fürsten  ein  gewisses 
Einvernehmen  habe;  aber  einen  Bund  stellte  er  in  Abrede. 
Er  wünschte  dringliche  Verwendung  König  Ferdinands 
für  den  gefangenen  Landgrafen.  Bleibe  der  Kaiser  wie 
bisher  unzugänglich,  erklärte  er,  dann  müsse  er  dem 
Landgrafen  Brief  und  Siegel  halten  und  dies  durch  seine 
Einstellung  in  Kassel  offen  an  den  Tag  legen.  Schlick 
versprach,  innerhalb  14  Tagen  bis  3  Wochen  eine  könig- 
liche Antwort  zu  übersenden^''). 

Ende  Februar  erfuhr  der  Kurfüist,  dass  der  hessische 
Landesausschuss  —  der  Landtag  wurde  nicht  einberu- 
fen-^■'^)  —  für  ein  Unternehmen  zu  Gunsten  des  gefangenen 
Landesherren  vielen  guten  Willen  zeigte^').     Es  traf  auch 


')  Von  Landshut  aus  schrielien  Mordeisen  und  Carlowitz  (am 
25.  Februar)  in  ausführlicher  Weise  an  den  Kaiser,  Lanz  111,92,  105. 
Granvella  erwiderte  (am  4.  März),  dass  kein  Urund  zum  Misstraaen 
vorhanden  sei.  Die  Erledijjung  des  Landgrafen  hänge  nur  an  der 
persönlichen  Ankunft  des  Kurlürsten  und  an  der  Feststellung  der 
^Sicherheiten".  Die  Käthe  soUtcui  den  Kurfürsten  zur  Ausfahrung 
seiner  Reise  bewegen.  Druffel  11,  No.  1053. 
8)  Loc.  yU5  1,  Bl.  197. 

ö)  Druffel  II,  No.  1006  und  1016.     Mit    Schlick    war   Böcklin 
in  Berlin,  No.  994. 

10)  Loc.  9145  1,  Bl.  164;  Druffel  II,  No.  1018.  Die  kurfürst- 
lichen lläthe  Komerstadt  und  Ernst  von  Miltitz  redeten  mit  Schlick 
vertraulich  über  den  Kriegshandel  und  betheuerten,  dass  sie  weder 
viel  noch  wenig  gewusst  hätten,  auch  nie  um  Itath  getragt  worden 
seien. 

")  Ranke  V,  166  (4.  Auflage)  nach  Rommel  I,   547. 

^'^)  Die  Hessen  hielten  fiir  gerathen,  sich  des  Eichst'eldes  und 
Herzog  Heinrichs  von  Braunschweig  zu  vergewissern.  Durch  die 
Städte  Braunschweitr,  Goslar,  Lüneburg,  Hildesheim  etc.  sollte  dem 
Herzog  eine  Lrille  auf  die  Nase  gesetzt  werden,  darauf  er  wider 
Willen  sehen  und  eingehaltener  sein  müsse. 


Moritz  von  Sachsen   "esren  Ivnrl  V.     155 


e" 


die  längst  Yerubieclete^^)  und  nun  für  den  Torgauer  Land- 
tag berechnete  scliarfe  Einmahnung  in  Sachsen  ein.  In 
derselben  verwies  Landgraf  Wilhelm  auf  die  früheren 
Anhalteschreiben  und  auf  die  wiederholten  Vertröstungen. 
Die  kurfürstliche  Rückreise  schien  ihm  nicht  geeignet, 
die  Befreiung  des  Vaters  7A1  befördern.  Ernstlich  for- 
derte er  daher,  der  Kurfürst  solle  sich  den  6.  März  un- 
Aviderruflich  in  Kassel  einstellen,  widrigenfalls  werde  er 
ihn  als  ehr-  und  treulosen  Mann  vor  Gott  und  aller  Welt 
beschreien  und  ausrufen.  Eine  gleiche  Einmahnung  wurde 
an  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  gesendet. 

Am  28.  Februar  trat  der  sächsische  Lan(|^tag  in 
Torgau  zusammen ^^).  Die  kurfürstliche  „Vorlage"  be- 
handelte die  Religionsfrage,  die  L'rungen  mit  den  Erne- 
stinern,  die  landgräfliche  Sache  mid  die  Türkennoth. 

Li  betreff  der  Religionsangelegenheit  forderte 
der  Kurfürst  den  Rath  der  Landstände,  ob  die  bis  Augs- 
burg' vorg-erückten  Theologen  nach  Trient  ziehen  sollten 
oder  nicht.  Es  sei  zu  erwägen,  dass  weder  die  Reassump- 
tion der  bisherigen  Trientischen  Dekrete,  noch  die  Unter- 
werfung des  Papstes  unter  das  Konzil,  noch  die  Befreiung 
der  Geistliclieu  von  den  Pflichten  gegen  den  Papst  wäh- 
rend der  Konzilverhandlungen,  noch  genügendes  Geleit 
erlangt  worden  sei  etc.  Hinsichthch  der  Irrungen  mit 
den  Vettern  in  Weimar  sollten  die  Stände  ihre  „Bedenken" 
äussern,  denn  trotz  aller  Erbietungen  werde  ihm  der  Han- 
del so  weitläufig  gemacht,  dass  er  kein  Ende  zu  erreichen 
wisse.  Die  landgräfliche  Sache  wurde  mit  grösster 
Ausführlichkeit  vom  Tage  zu  Halle  an  bis  zur  unter- 
brochenen Reise  zum  Kaiser  behandelt.  Am  Schlüsse  der 
Darlegung  erklärte  der  Kurfürst:  abermals  eingemahnt 
müsse  er  sich  ehrenhalber  einstellen.  Herzog  Augustus 
sei  bereit,  während  seiner  Abwesenheit  die  Regierung 
und  den  Schutz  des  Landes  zu  übernehmen.  Da  es  in  so 
unruhigen  Zeiten  die  Nothdurft  erfordere,  an  eine  mög- 
liche Landesbeschwerung  zu  denken,  so  sollten  die  Stände 
berathschlagen,    wie   jede    Gefahr    defensive    abgewendet 

18)  Druffol  II,  No.  904. 

")  Loc.  9355,  Handlungen  auffm  Landtage  zu  Torgaw,  So  Mon- 
tag nach  Estomihi  ("28.  Februar)  1552  gehalten.  Siehe  Falke  in 
den  Mittheilungen  des  K.  S.  Alterthumsvereins  XXII,  110  Hg.  Der 
Landtag  wurde  deshalb  so  schleunig  zusammen  berufen,  damit  er 
weder  von  kaiserlicher  noch  königlicher  Seite  beeinflusst  werden 
könne.  Heinrich  von  Plauen,  Grosskanzler  von  Böhmen  uud  Burggraf 
von  Meissen,  beabsichtigte  Agitationen.     Druffel  II,  Xo.  1029,  lO.SS. 


6  S.  Issleib: 

werden  könne.  Die  Türkennotli  stellte  der  Kurfürst 
für  den  Sommer  in  Aussicht  und  verlangte  deshalb  Er- 
legung des  gemeinen  Pfennigs^'')  und  widerstandsfähige 
Besetzung  der  Landesfestungen. 

Die  Ivandstiinde  hielten  das  zugesendete  Geleit  des 
Konziles  für  genügend  und  baten,  die  Theologen  nach 
Trient  ziehen  zu  lassen;  denn  fordere  sie  der  Kurfürst 
zurück,  dann  heisse  es,  man  getraue  sich  nicht,  die  Lehre 
auf  Grund  der  heiligen  Schrift  zu  vertheidigen,  und  die 
Verdannnung  der  augsburgischen  Konfession  werde  er- 
folgen. Da  sich  die  anderen  evangelischen  Stände  nach 
dem  Kurfürsten  gerichtet  und  Gesandte  nach  Trient  ge- 
schickt hätten,  so  sei  es  unverantwortlich,  wenn  durch 
Sachsen  die  Religion  gefährdet  und  das  christliche  Werk 
gehindert  werde.  Sei  aber  eine  Empörung  im  lieiche  zu 
befürchten,  dann  sollten  die  Theologen  nicht  nach  Trient 
geschickt  und  zu  Märtyrern  gemacht  werden;  doch  sollten 
sie  ihre  Konfession  an  das  Konzil  senden  und  ihr  Nicht- 
erscheinen entsclnddigen.  Mit  den  Hei'zögen  von  Weimar 
sollte  Herzog  Augustus  die  Verhandlungen  fortsetzen  und 
zu  glücklichem  Ende  führen.  Des  gefangenen  Landgrafen 
wegen  sollte  der  Kurfürst  nur  im  Einverständnisse  mit 
dem  gleichverpflichteten  Kurfürsten  von  Brandenburg 
handeln.  Sie  selbst  wollten  um  Aufschub  der  Einstellung 
in  Hessen  anhalten  und  beim  Kaiser  um  Befreiung  des 
Landgrafen  nachsuchen.  Li  ernstester  Weise  warnten  sie 
vor  Krieg  und  Gewaltthätigkeit.  Weder  durch  die  Hessen 
noch  durch  Geächtete  solle  sich  der  Kurfürst  zur  Feind- 
seligkeit gegen  den  Kaiser  bewegen  lassen^").  Hinsicht- 
lich der  Besetzung  der  Festungen  verwiesen  sie  auf  die 
hohen  Kosten  und  warnten  vor  der  Einlagerung  von  un- 
chriötlichen  und  zuchtlosen  Söldnern.  Sie  empfahlen 
Vertheidigung  der  Festungen  durch  zuverlässige  Land- 
sassen mit  so  viel  redlichen  Kriegsknechten,  dass  man 
derselben  stets  mächtig  sein  könne. 

Im  Laudtagsabschiede  (am  9.  März)  verkündete  der 
Kurfürst,  dass  die  letzte  Konzilsitzung  bereits  den  19.  März 

1*^)  Fünf  Gulden  vom  Tausend.  Der  Kaiser  hatte  am  18.  Ja- 
nuar 1552  die  Erlegung  des  gemeinen  Pfennigs  gefordert  und  einen 
Reichstag  nach  Ulm  auf  den  18.  März  ausgeschrieben.  Loc.  10189, 
Kaiserlich  angesetzter  Tag  zu  Ulm,  VA.  1  und  Loc.  9155,  Aus- 
schreiben 1552,  Bl.  22  flg. 

^ö)  Vergleiche  Melanchthons  Rathschlag  und  Bedenken  an  den 
Kurfürsten  von  der  Expedition  wider  Kaiser  Karl  V.  bei  Hort- 
leder II.  5,  2,  1288. 


Moritz  von  Sachsen  fiesen  Karl  Y.     1552.  7 

stattfinden  solle  und  Reassumption  und  Unterwerfung  des 
Papstes  unter  das  Konzil  scliwerlich  zu  erreichen  sei. 
Da  die  Württemberger  und  andere  schon  heimgekehrt 
seien  und  das  Konzil  wegen  der  Kriegsunruhen  leicht 
gestört  werden  könne,  so  dürfe  man  die  Theologen  nicht 
in  Gefahr  bringen.  Sie  sollten  aber  ihre  Konfession  nach 
Trient  schicken  und  ihre  Rückkehr  entschuldigen.  Die 
Verhandhuig  mit  den  Vettern  in  Weimar  solle  fortgesetzt 
werden.  In  der  handgräflichen  Sache  müsse  er  trotz  der 
Kriegsunruhen  seine  Ehre  bedenken  und  hoffe,  dass  der 
Kurfürst  von  Brandenburg  seine  Verpflichtung  gleichfalls 
beachten  werde.  Er  gestatte  Verwendung  _  für  den 
Schwiegervater  beim  Kaiser  und  wolle  mit  ihnen  den 
Aufschub  der  Einstellung  in  Kassel  zu  erreichen  suchen. 
Bezüglich  der  Festungen  sei  die  Sicherheit  des  Landes 
zu  bedenken.  Er  verlange  pünktliche  Erlegung  der 
Tranksteuer  und  Bereitschaft  zu  Ross  und  Fuss.  In  seiner 
Abwesenheit  wünsche  er  Gehorsam  gegen  den  Bruder, 
sonst  sehe  er  sich  gezwungen,  gebührliche  Wege  einzu- 
schlagen. 

Nun  wurden  die  Theologen  zurückgerufen^')  und 
eine  Deputation  an  den  Kaiser  und  König  Ferdinand 
abgefertigt^*).  Bereits  am  4.  März  wandten  sich  die 
Landstände  an  Landgraf  Wilhelm,  warnten  vor  Krieg 
und  baten  in  betreff  der  Einstellung  um  Frist  bis  nach 
erfolgter  Verständigung  mit  dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg und  nach  erfolgter  Fürbitte  beim  Kaiser.  Allein 
der  Landgraf   bestand    (am  7.  März)   unwiderruflich    auf 


")  B r  e  t  s  c  h n  ei  d  e  r,  Corpus  ReformatorumVII,  91 0, 930  flg.,  962. 

^8)  Loc.  91 4f),  Einiges  zur  Geschichte,  die  Befreiung  des  Land- 
grafen Philipp  betreffend,  1551/2,  Bl.  27,  Loc.  914fi,  Hessische  ent- 
ledigung IV,  Bl.  .3,  27,  32,  39.  46,  272  flg.;  D  ruf  fei  IF,  No.  1118, 
1292,  IHIO.  Der  Kaiser  empfing  die  Gesandten  Mitte  April  in 
Innsbruck.  Sie  waren  beauftragt,  um  die  Befreiung  des  Landgrafen 
zu  bitten  und  anzuzeigen,  dass  der  Kurfürst  sich  in  Kassel  einstellen 
müsse.  Herzog  Augustus  wolle  die  Regierung  übernehmen  und  sich 
gegen  jedermann  still  und  friedlich  verhalten.  Der  Kurfürst  sei 
gebeten  worden,  während  seiner  Einstellung  mit  anderen  nichts 
gegen  den  Kaiser  zu  unternehmen.  Geschehe  dies,  so  möge  der 
Kaiser  mit  dem  jungen  Fürsten,  der  in  fremder  Gewalt  nach  dem 
Willen  anderer  leiten  müsse,  gnädige  Geduld  tragen  und  seine  That 
weder  dem  Herzog  Augnstus,  noch  der  sächsischen  Landschaft  ent- 
gelten lassen.  Zur  Ausrüstung  des  Türkenzuges  wollten  sie  behilf- 
lich sein  und  hofften,  der  Kurfürst  werde  in  eigner  Person  gegen 
die  Türken  ziehen.  Der  Kaiser  möge  eine  Sendung  an  den  ge- 
fangenen Landgrafen  erlauben  um  über  die  Mittel  und  Bedingungen 
zur  Befreiung  mit  ihm  zu  reden  etc. 


8  S.  Issleib: 

der  Einstelluno;  und  erwartete  des  Kurfürsten  unverzüff- 
liehen  Aufbruch  nach  Kassel.  Übel  zufrieden  zeigten 
darauf  die  Landstände  (am  9.  März)  die  Abfertigung- 
vertrauter  Personen  an  den  Kaiser  und  König  Ferdinand 
an,  erneuerten  ihre  Bitte  vom  4.  März  und  ermahnten 
aufs  Höchste,  den  Kurfürsten  während  seiner  Einstellung 
zu  nichts  zu  bewegen,  was  gegen  den  Kaiser  gerichtet 
sei  und.  was  seine  Person  und  sein  Land  gefährden  könne  "^). 

Kurfürst  Joachim  von  Brandenburg  Hess  infolge 
der  eingetroffenen  scharfen  hessisclicn  tlinmahnung  in 
Torgau  melden'-''),  dass  König  Ferdinand  die  baldige 
Befreiung  des  Landgrafen  in  Aussicht  gestellt  habe.  Der 
Kurfürst  solle  nicht  durch  einen  Krieg  die  landgräfliche 
Gefangenschaft  beschwerlicher  machen;  er  wolle  darauf 
dringen,  dass  der  Kaiser  den  Landgrafen  freigebe  oder 
in  seine  Hände  stelle.  Darauf  entgegnete  Kurfürst  Moritz : 
wenn  er  (Joachim)  sich  mit  Brief  und  Siegel  verpflichte, 
den  Landgrafen  erledigen  oder  wenigstens  in  seine  Hände 
bringen  zu  wollen,  so  erscheine  es  für  ihn  rathsam,  die 
Verpflichtung  gegen  den  Kaiser  höher  als  alles  andere 
anzuschlagen,  sich  in  keinerlei  Weise  vom  Kurfürsten 
abzusondern  und  jede  Kriegsrüstung  zu  vermeiden.  Um 
des  Friedens  willen  eilte  nun  Kurfürst  Joachim  selbst 
nach  Torgau "^)  und  erbot  sich,  falls  ein  ..Anstand"  von 
6  Wochen  bewilligt  und  sofortige  Abrüstung  nach  er- 
folgter Befreiung  des  Landgrafen  zugesichert  werde,  zum 
Kaiser  oder  zum  König  Ferdinand  zu  reisen.  Kurfürst 
Moritz  war  gewillt,  vom  Landgrafen  Wilhelm  Stillstand 
und  Urlaub  zu  erbitten.  Nach  Berlin  zurückgekehrt,  theilte 
dann  Joachim  (am  IL  März)  laut  erhaltener  Nachricht 
mit"'-),  dass  der  Kaiser  den  Kurfürsten  INToritz  noch  in 
Innsbruck  erwarte.  Wolle  er  aber  die  Befreiung  des 
Landgrafen  mit  Gewalt  ertrotzen,  dann  sei  der  Kaiser 
entschlossen,  denselben  „in  zweien  Stücken"  zuzuschicken. 
Beharrlich  mahnte  er  vom  Kriege  ab. 

An  den  Kaiser  hatte  sich  Kurfürst  Moritz  bereits  am 
1.  März   gewendet-'^),    seine  Rückkehr    entschuldigt    und 

^9)  Loc.  7281,  Französische  Verbumlnisse,  Bl.  180;  DruffelTI, 
No.  1120. 

-0)  Loc.  9145  I,  Bl.  203  flg.;  Druffel  II,  No.  1026.  Kurfürst 
Joachim  erhielt  wie  Kurfürst  JNIoritz  eine  zweite  dringende  und 
ehrenrührige  Einmahnunc,  Lanz  III,   148. 

-1)  Loc.  9146  IV,  Bl.  184;    Druffel  II,   No.  1093,  1115,  1162. 

")  Loc.  9145  I,  Bl.  211 ;    Druffel  II,  No.  1088  mit  Anmerkung. 

"^)  Loc.  9146  IV,  Bl.  113,  152,  162,  Loc  9355,  Handlungen  auffra 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  9 

inständig  um  Befreiung  des  Schwiegervaters  gebeten. 
Darauf  erfolgte  eine  abermalige  Einladung  nach  Inns- 
bruck (8.  März).  Der  Kurfürst  sollte  sich  auf  kaiserliche 
Treue  und  Glauben  mehr  als  auf  der  Leute  Reden  und 
Geschrei  verlassen  und  kein  INlisstrauen  hegen -^). 

Um  rasche  Verwendung  für  den  Landgrafen  gebeten, 
ging  König  Ferdinand  ohne  weiteres  den  Kaiser  bittweise 
an  und  fertigte  sofort  wieder  den  zugereisten  Grafen 
Schlick  nebst  Otto  von  Neideck  in  Pressburg  am  4.  März 
nacli  Torgau  ab,  um  anzuzeigen,  dass  er  vom  Kaiser 
gnädige  Antwort  erwarte.  Da  kein  Bündnis  bestehe,  so 
möge  der  Kurfürst  zur  Verhütung  allen  Unheiles  mit 
seinen  Verwandten  wieder  abrüsten,  Empörung  vermeiden, 
geeignete  Massregeln  gegen  die  Türken  treffen  und  zum 
Kaiser  reisen,  der  sich  gewiss  gnädig  erzeigen  werde. 

Ehe  Schlick  und  Neideck  in  Torgau  eintrafen,  hatten 
die  sächsischen  Landstände  neben  Herzog  Augustus  schon 
an  König  Ferdinand  gesendet'"').  Die  Instruktionen  für 
die  sächsischen  Abgeordneten  und  die  Beantwortungen 
der  königlichen  Werbung  stimmen  im  ganzen  überein. 
Überall  wird  die  kurfürstliche  Rückkehr,  die  Nothwendig- 
keit  der  Einstellung  in  Kassel,  die  Befreiung  des  Land- 
grafen, die  friedliche  Gesinnung  Herzog  Augustus'  und 
die  Bereitwilligkeit  zur  Theilnahme  am  Türkenkriege 
behandelt.  Nach  der  Einstellung  wollte  Kurfürst  Moritz 
beim  jungen  Landgrafen  um  Urlaub  anhalten,  damit  er 
selbst  oder  der  Kurfürst  von  Brandenburg  zum  Kaiser 
reisen  könne.  Falls  der  Stillstand  verweigert  werde, 
wünschte  er  eine  Unterredung  mit  König  Maximilian 
oder  eine  Zusammenkunft  Maximilians  mit  Herzog 
Augustus  etc. 

Über  die  neuesten  Verhältnisse  am  1.  März  be- 
nachrichtigt, war  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig 
bereit'-*^);    mit    Herzog    Augustus   gute   Nachbarschaft    zu 


Landtage  zu  Torgau  etc.,  Bl.  1.S8,  Brief  vom  1.  März  bei  Hortleder 
(1645)  il,  5,  1,  1283.  Brief  vom  8.  März  bei  Langenn  II,  335. 
Druffel  If,  No.  1053  und  1088. 

-^)  Loc.  9146  IV,  Bl.  134;  Druffel  II,  No.  1056,  vergleiche 
1060,  dann  No.  1056,  Anmerkung  3  und  No.  1111. 

-5)  Loc.  9146  IV,  Bl.  17,  32,  140-  Druffel  II,  No.  1090,  1095, 
1102,  1111,  1112.  Herzog  Augustus  hob  hervor,  dass  er  in  keiner 
Praktik  und  in  keinem  Bündnisse  stehe. 

-6)  Loc.  9145  I,  Bl.  282  flg.,  Briefe  vom  7.  März  bis  11.  April, 
Loc.  7280,  Instructiones  1552,  Bl.  90  flg.;  Druffel  11,  No.  1071, 
1077,  1100,  1114. 


10  S.  Issleib: 

halten,  zum  Kaiser  zu  senden  oder  selbst  zu  ihm  zu 
reisen  und  als  Unterhändler  zu  dienen,  auch  neben  Moritz 
und  anderen  Fürsten  für  den  gefangenen  Landgrafen 
Bürgschaft  zu  leisten.  Vertrauensvoll  nahm  er  das  kur- 
fürstliche Erbieten,  zwischen  ihm  und  den  braunschwei- 
gischen  Junkern  verhandeln  zu  wollen,  an  und  bat  in- 
ständig, sich  durch  sie  nicht  gegen  ihn  verhetzen  zu  lassan. 

An  Johann  Friedrich  den  Mittleren  wurde  am  12.März 
die  im  Februar  erbetene  „Drangschrift"  gesendet'"^).  Die- 
selbe behandelte  die  hessische  Verpflichtung,  das  Ver- 
hältnis zu  Frankreich,  das  Vorhaben  der  Verbündeten 
und  die  zeitweilige  Übertragung  der  kurfürstlichen  Re- 
gierung an  Herzog  Augustus.  Johann  Friedrich  sollte, 
sofern  ihm  an  der  Befreiung  seines  Vaters,  an  der  Er- 
haltung der  wahren  christlichen  Religion  und  der  deut- 
schen Freiheit  gelegen  sei,  frei  und  offen  erklären,  ob 
er  in  Person  mit  zu  Felde  ziehen,  oder  Kriegsvolk  stellen, 
oder  Geld  erlegen,  oder  andere  Hilfe  gewähren  und  sich 
mit  seinen  Landständen  gegen  Herzog  Augustus  und  die 
kurfürstlichen  Unterthanen  freundlich  erzeigen  wolle. 
Als  Bundesmitglied  sollte  er  aller  Freundschaft,  Hilfe, 
Rettung  und  gütlicher  Beilegung  der  „Irrungen"  gewärtig 
sein.  Ausserdem  wollte  der  Kurfürst  auf  Wege  denken, 
welche  ihm  volle  Sicherheit  garantieren  würden.  Am 
15.  März  erwiderte  Johann  Friedrich,  dass  er  über  diese 
hochwichtige  Sache  mit  seinen  Landständen  in  wenigen 
Tagen  in   Weimar  berathen  werde. 

Auf  den  Markgrafen  Hans  achtete  Kurfürst  Moritz 
in  jener  Zeit  wenig,  doch  erlaubte  er  Herzog  Johann 
Albrecht  von  Mecklenburg,  mit  ihm  auf  Grund  des 
Lochauer  Vertrages  zu  verhandeln"-'^).  Vom  Herzog 
Albrecht  von  Preussen  aber  verlangte  er  Beitritt  zum 
Bunde  und  Bundeshilfe'-"). 

Infolge  ergangener  Sendungen  (vom  8.  März)  ^*^) 
liefen  von  der  Rigierung  des  Herzogthums  Lüneburg 
und  von  den  Ständen  des  Eichsfeldes  friedliche  Ver- 
sicherungen ein.  Die  Seestädte  Lübeck,  Hamburg,  Bremen 
und  Lüneburg  gaben  die  Erklärung  ab,  nicht  Gegner 
des  Kurfürsten  sein  zu  wollen.     Willig  nahmen  die  Städte 

-'')  Loc.  9155,  Assecurationes  etc-,  Bl.  10  flg. 
-^)  Loc.  7277,  Marggraffen  Johaniisen  lieiulel  etc.,   1548 — 1553, 
Bl.  37;  Druffel  II,  No.  110,3. 

-")  Loc.  9145  I,  320;    Druffel  II,   No.  1147. 
80)  Loc.  72«0,  Instructiones  1552,  Bl.  21,  90  flg. 


Moritz  von  Saclisen  gegen  Kavl  V.     1552.  11. 

ßraunsclnveig',  Goslar,  Erfurt  etc.  den  entboteneu  kur- 
fürstlichen Schutz  an"'^). 

Was  Markgraf  Albrecht  betrifft'^-),  so  klagte  er  anfangs 
März  wiederholt  über  grosse  Geldnoth  und  bat  den  Kur- 
fürsten um  60  000  Gulden.  Gleich  Wilhelm  von  Hessen  und 
Hans  von  Heideck  trieb  er  zu  raschem  Aufbruche  und 
schnellem  Angriffe.  Tadelnd  sprach  er  sich  über  den 
Herzog  von  Württemberg  aus,  welcher  durch  sein  ganzes 
Verhalten  das  gemeine  Werk  mehr  hindere  als  fördere '"'). 
Wenig  Vertrauen  hatte  er  zu  Kurpfalz,  zu  Bayern,  zu 
den  rheinischen  Erzbischöfen  etc.  ■^^).  Die  feindlichste 
Gesinnung  hegte  er  gegen  die  Bischöfe  von  Würzburg 
und  Bamberg.  Weit  gemässigter  als  er  waren  Kurfürst 
Moritz  und  Landgraf  Wilhelm,  beide  einig,  von  den  Bi- 
schöfen die  in  Friedewalde  vereinbarte  „Versicherung" 
womöglich  in  Güte  zu  erlangen'^'^). 

^Nachdem  Kurfürst  Moi'itz  den  Landtao;  entlassen, 
die  wichtigste  Korrespondenz  erledigt,  alle  erforderlichen 
Anordnungen  in  betreff  der  Landesregierung  und  der 
Besetzung  der  Festungen  Magdeburg,  Wittenberg,  Dresden, 
Leipzig,  Grimma,  Pirna  und  Zwickau  mit  seinem  Bruder 
Augustus  (am  13.  März)  verabredet  •^'^)  und  eine  Kriegs- 
steuer für  die  Unterhaltung  des  zur  Beschützung  des 
Landes  verordneten  Kriegsvolkes  dem  Adel^^j  und  den 
Städten  (am  14.  März)  auferlegt  hatte,  brach  er  am 
15.  März  in  Torgau  auf,  um  sich  einzustellen,  oder  in 
Wahrheit,  um  den  Kriegszug  gegen  den  Kaiser  zu  be- 
ginnen. 

"1)  Loc.  9U5  I,  bl.  .397,  611;  D  ruf  fei  II,  No.  1100,  vergl. 
Mo.  1149.  Landgraf  Wilhelm  suchte  sich  zur  selben  Zeit  gegen  die 
Grafen  von  der  Wetterau  und  gegen  Frankfurt  a.  Main  zu  decken. 

^•-)  Ebenda  Bl.  420  flg.,  492,495;  Druffel  II,  No.  1047-1120. 

^^)  Herzog  Christof  war  von  Friedewalde  ans  um  ein  Darlehen 
von  60000  Gulden  angegangen  worden.  Loc.  7281,  Französische  Ver- 
bnndnisse,  Bl.  141  Üü;.;"  Druffel  II,  No.  986,  1004/5,  1047. 

"^)  über  die  vier  rheinischen  Kurfürsten  siehe  Loc.  9145  I, 
Bl.  521,  529,  Loc.  9146  IV,  Bl.  175,  177;  Druffel  II,  No.  1105, 
1145,  III,  418. 

"^)  Hier  sei  erwähnt,  dass  der  Bruder  des  Landgrafen  Wilhelm 
am  6.  März  als  Geisel  in  Basel  eintraf,  Herzog  Christof  von  Meck- 
lenburg aber  erst  später  anlangte;  daher  verzögerte  sich  die 
Lieferung  des  französischen  Geldes.  Loc.  7281,  Französische  Ver- 
bundnisse, Bl.  180,  188,  Loc.  9145  1,  Bl.  495;  Druffel  II,  No.  1073, 
1101,  1120. 

"•^j  Loc.  9155,  Besetzung  der  Festungen   im  Lande,  Bl.  89  flg. 

^'^)  Der  Adel  sollte  monatlich  die  Hälfte  des  auf  12  Gulden 
berechneten  Ritterdienstes  erlegen. 


12  P.  Issleib: 

In  Heirenbreitungen,  Salzungen,  Schmalkalden  und 
Avn.-^tadt'''^)  hatte  sicli  unterdessen  das  Krieirs volle  ver- 
saniraelt,  um  auf  Befehl  nach  dem  Stifte  Würzbiirg  vor- 
zurücken und  den  Pass  am  Maine  einzunehmen.  "\A^illielm 
von  Hessen  setzte  sich  mit  seinen  Reitern  und  Knechten 
und  dem  „Reu'imente"  Keifenbergs  nach  Franken  in  Be- 
wegung ■"^).  Herzf)g  Johann  Albreclit  von  jMecklenburg 
rüstete  sich  zur  Reise  nach  dem  Süden,  Graf  Christof  von 
Oldenbui'g  war  zum  Vormarsche  aus  Niedersaohsen  be- 
reit""'), und  König  Heinrich  H.  von  Frankreicli  richtete 
seinen  Zug  nach  dem  Rheine.  Markgraf  Albrecht  erölfnete 
das  Kriegsgetümmel,  indem  er  an  der  Spitze  von  unge- 
fähr 100  Reitern  nach  Donauwörth  eilte  und  die  auf  dem 
dortigen  Musterplatze  zusammengelaufenen  Knechte  aus- 
einandertrieb ").  Alle  Welt  war  voll  gespannter  Erwartung 
und  banger  Befürchtung! 

Der  Kaiser  befand  sich  damals  in  der  peinlichsten 
Lage.  Die  Nachricht,  der  Kurfürst  von  Sachsen  habe 
auf  seiner  Reise  nach  Innsbruck  König  Ferdinand  in 
Prag  besuchen  wollen  und  sei  dann,  da  derselbe  schon 
nach  Wien  aufgebrochen  sei,  nach  Wasserburg  zum 
König  IMaximilian  und  zum  Herzog  von  Bayern  geritten 
und  gleich  darauf  zurückgekehrt,  versetzte  ihn  in  die 
grösste  Aufregung.  Er  hegte  Misstrauen  und  Argwohn 
gegen  den  Bruder  und  Neffen  und  hatte  vorübergehend 
beide  im  Verdachte,  sie  seien  mit  dem  Kurfürsten  ein- 
verstanden^^). Allein  in  höchster  Noth  und  verzweifelter 
Finanzlage,  ohne  „Reichsvorrath",  den  die  Belagerung 
Magdeburgs  verzehrt  liattC;  ohne  Kredit  und  Truppen 
konnte  er  den  Bruder  nicht  entbehren.  Er  suchte  Rath 
und  Beistand,  gestattete  zur  Rettung  des  Hauses  Habs- 
burg schleunige  Verhandlung  mit  den  Empörern  und 
überliess  seiner  Einsieht,  alle  feindlichen  Beschuldigungen 
zu  widerlegen  und  die  Gegner  zu  beschwichtigen,  zu 
trennen  oder  hin>aihalten.  Hinsichtlich  des  gefangenen 
Landgrafen  wollte  er  keine  Schwierigkeit  mehr  machen^"'). 


38)  Loc.  9145  r,  Bl.  467,  509;  Druffel  II,  No.  1089,  1094. 

''")  Zugleich  befahl  er  Kassel,  Giesseii  und  Ziegenhain  zu  be- 
festigen.    Ebenda  lil.  426;   Druffel  II,  No.  1150. 

•*<*)  Mit  ihm  stand  der  Kurfürst  in  Verhandlung. 

")  Loc.  9145  I,  Bl.  506;  Druffel  II,    No.  1131/2,  vergl.  1151. 

'■-)  Druffel  II,  No.  1022,  1124;  Lanz  III,  97,  107,  König 
Maximilian  lehnte  am  1.  März  ein  Einverständnis  mit  Moritz   ab. 

'^)  Schnell  wandte  er  sich  an  Herzog  Albrecht  von  Bayern 
und  Christof  von  Württemberg,  an  die  vier  rheinischen  Kurfürsten, 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  13 

Sobald  der  Kaisei'  Verhandlung  bewilligt  hatte,  be- 
auftragte^^) König  Ferdinand  den  ürosskanzler  von  Böh- 
men, Heinrich  von  Plauen,  nach  Sachsen  zu  eilen,  den  Kur- 
fürsten um  Einstellung  seiner  Rüstungen  zu  ersuchen  und 
unter  umständen  eine  Zusammenkunft  zu  vereinbaren, 
auch  Markgraf  Albrecht  womöglich  zur  gemeinsamen 
Besprechung  einzuladen. 

In  grosser  Eile  reiste  Heinrich  von  Plauen  (am  13.  März) 
von  Prag  aus  über  Pirna  und  Dresden  nach  Leipzig^'^), 
wo  der  Kurfürst  eben  von  Torgau  aus  eingetroffen  war. 
Diejenigen,  welche  seine  Ankunft  (am  lÖ.  März)  sehr 
ungern  sahen,  suchten  den  Kurfürsten  zur  schleunigen 
Weiterreise  zu  bewegen.  Allein  Kurfürst  Moritz  hörte 
den  Grosskanzler  und  verabredete  mit  ihm  eine  Zusammen- 
kunft mit  König  Ferdinand,  welche  den  4,  April  in  Linz 
stattfinden  sollte*'^).  Stillstand  bewilligte  er  nicht,  da 
nach  seiner  Angabe  die  Kriegsrüstung  nicht  in  seiner 
Gewalt  liege.  Jedoch  hoffte  er  nach  seiner  Einstellung 
den  Schwager  zu  bewegen ,  dass  er  Urlaub  bewillige, 
Verhandlung  gestatte  und  während  derselben  sich  jeder 
Kriegshandlung  enthalte.  Er  versprach,  den  Frieden  be- 
fördern zu  wollen,  damit  die  Macht  der  Christenheit  gegen 
die  Türken  ziehen  könne.  König  Ferdinand  sollte  seinen 
Sohn  Maximilian  als  erwünschte  Vertrauensperson  mit 
nach  Linz  bringen.     Kurfürst  Joachim  von  Brandenburg 


au  den  Erzbischof  von  Salzburg  etc.,  um  ihre  Treue  zu  erhalten, 
und  hottte  Markgraf  Hans  von  Küstrin  und  andere  zu  gewinnen. 
Druffel  II,  No.  1067/S,  1070,  1146. 

*^)  Am  11.  März  von  Presburg  aus.  Loc.  9U6  IV,  Bl.  168  flg.; 
Druffel  II,  No.  1024,  1U91,  1109,  1117. 

^■')  Loc.  9145  I,  Bl.  401,  403  und  9146  IV,  Bl.  172  flg.;  Druf- 
fel II,  Ko.  1107,  1124,  1128/9.  Von  Landshut  nach  Dresden  zurück- 
gekehrt, überschickte  Christof  von  Carlowitz  dem  Kurfürsten  (am 
15.  März)  ein  Schreil)en  König  Maximilians  und  flehte  auf  das  aller- 
unterthänigste  und  demüthigste,  Heinrich  von  Plauen  zu  erwarten 
und  zu  vernehmen.  Aut  Wunsch  des  Kurfürsten  wollte  er  selbst 
nach  Leipzig  kommen.  König  Maximilian  versicherte  in  seinem 
Briefe  treue  Freundschaft,  doch  sollte  sich  der  Kurfürst  von  Leuten, 
die  allein  ihren  Vortheil  suchten,  nicht  zu  weit  führen  lassen. 

''ö)  Heinrich  von  Plauen  konnte  Wien  als  Ort  der  Zusammen- 
kunft nicht  durchsetzen,  der  Kurfürst  schlug  Regensburg  vor.  Als 
Linz  vereinbart  war,  musste  der  Grosskanzler  zugestehen,  dem 
Kurtursten  bis  ßegensburg  entgegenkommen  zu  wollen.  Niemand 
hatte  geglaubt,  dass  er  so  viel  erreichen  würde.  Räte  und  (Jnter- 
thanen  frohlockten  und  hofl'tcn,  noch  werde  alles  wieder  gut  werden. 
"Weiteres  über  Heinrich  von  Plauen  siehe  bei  Druffel  II,  No. 
1155—1201. 


14  S.  Issleib: 

und  Markgraf  Albrecht  wurden  zur  Linzer  Zusammen- 
kunft eing'eladen'*').  —  Zu  beachten  ist,  dass  Kurfürst 
Moritz  zur  selben  Zeit  (am  16,  März)  den  französischen 
Bevollmächtigten  ermunterte,  König  Heinrich  II.  zum 
raschen  Zuge  nach  dem  Rheine  anzutreiben^^). 

Dem  Kaiser  dankte  der  Kurfürst  am  17.  März^'*) 
für  die  in  Aussicht  gestellte  sicliere  Befreiung  des 
Schwiegervaters  und  hoffte,  dass  er  die  ihm  vom  Schwager 
vorläufig  verweigerte  Frist  zur  Reise  nach  Innsbruck 
noch  für  sich  oder  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  er- 
langen werde.  Um  Weiterungen  zu  vermeiden,  sei  er 
auf  dem  Wege,  sich  im  Namen  Gottes  einzustellen  und 
als  ehrliebender  Fürst  seiner  Verschreibung,  Obligation 
und  Verpflichtung  naclizukommen.  Der  Kaiser  möge 
ermessen,  wie  besclnverlich  es  sei,  Gemahl  und  Kind, 
Land,  Leute  und  getreue  Unterthanen  zu  vei'lassen  und 
sich  in  fremde  Hand  und  Gewalt  zu  begeben.  Nie  habe 
er  sich  vorgenommen,  gegen  des  Reiches  Oberhaupt  zu 
handeln.  Betage  ihn  der  Landgraf,  dann  wolle  er  mit 
dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  nach  Innsbruck  kommen 
und  dann  gegen  die  Türken   zu  Felde  ziehen. 

Am  17.  März  nachraittaijs  3  Uhr  verliess  Kurfürst 
Moritz  Leipzig'").  In  Weissenfeis  verabschiedete  er  sich 
von  Seinem  Bruder  Augustus  und  zog  dann  in  drei  Tagen 
über  Weimar ^^),  Sehmalkalden''-),  Meiningen,  Meirich- 
stadt'"') bis  Münnerstadt.  Da  Landgraf  Wilhelm  noch 
nicht  eingetroffen  war,  ritt  er  ihm  (am  21.  März)  bis 
Bischoisheim  entgegen.  Nach  seiner  Ankunft  (am  23.) 
ritt  er  mit  ihm  über  Münnerstadt  nach  Schweinfurt  und 
nahm    die    Stadt    (am  24.)  ein.     Während    der    dortigen 

■")  Driiffel  II,  No.  1133  und  1152;  Loc.  9146  IV,  Bl.  181. 
Von  Halle  aus,  wo  er  seinen  Sohn  Friedrich  (am  18.  März)  als 
Bischof  einführte  (No.  1110),  erklärte  Karfürst  Joachim,  am  4.  April 
in  Linz  sein  zu  wollen. 

'■')  Loc.  '.)145  I,  Bl.  491,  Loc.  7281,  Französische  Verbundnisse, 
Bl.  17«;  Druffol  II,  No.  1121. 

'")  Der  B.rief  ist  Antwort  auf  das  kaiserliche  Schreiben  vom 
8.  März.     Lanz  III,  128;  Langenn  II,   .338. 

•■")  Loc.  9145  I,  Bl.  618  und  Loc.  8678,  Hof-  und  Haushaltung 
des  Chnrfürsten  Moritz;  Tagebuch  Sebottendorfs,  Druffel  II, 
No.  1214  und  III,  356. 

•'■')  Hier  schrieb  er  am  19.  März  an  die  vier  rheinischen  Kur- 
fdrstcn  wegen  der  angebotenen  Vermittelung,  Loc.  9146  IV,  Bl.  175  flg. 
Druffel  II,  No.  1145.  • 

'■•-)  Druffel  II,  No.  11Ü.5,  S.  280  unten. 

ö")  In  Melridistadt  traf  er  am  20.  März  einen  Theil  seiner 
Reiter  und  Knechte. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  15 

dreitägigen  Rast  wurden  Reiter  und  Knechte  (19  Fähn- 
lein) gemustert  und  andere  dringende  Geschäfte  erledigt. 

Zunächst  vollzog  der  Kurfürst  (am  24.  März)  früherer 
Verabredung  gemäss  seine  Einstellung  in  aller  Form''^). 
In  dem  dabei  überreichten  Schreiben  sprach  er  die  Hoff- 
nung aus,  dass  der  Schwager  nunmehr  jeden  Verdacht 
fallen  lassen,  ihn  zu  nichts  Beschwerlichem  drängen  und 
die  gelindesten  und  bequemsten  Wege  zur  Befreiung  des 
Vaters  einschlagen  werde.  Bestimmten  Meldungen  nach 
wolle  der  Kaiser  dieselbe  nicht  weiter  hinausschieben  und 
habe  bereits  König  Ferdinand  Verhandlung  überwiesen. 
Der  Kurfürst  von  Brandenburg  sei  zufolge  der  in  Torgau 
abgegebenen  Erklärung  bereit,  persönlich  zum  Könige  zu 
ziehen.  Auch  ihm  möge  gestattet  werden,  die  königlichen 
Gesandten  am  1.  April  in  der  Gegend  von  Regensburg 
treffen,  die  Bedingungen  der  Verhandlung  hören  und 
dann  unter  Umständen  mit  dem  Könige  zusammenkommen 
zu  können.  Als  ehrliebender  Kurfürst  werde  er  seiner 
Obligation  nachsetzen  und  alle  Mühe  auf  Erlangung  eines 
beständigen  Friedens  verwenden.  Man  könne  um  so  mehr 
auf  ein  gutes  Ende  hoffen,  da  sich  auch  die  rheinischen 
Kurfürsten  zur  Verhandlung  erboten  hätten.  Über  den 
vom  Könige  Ferdinand  geforderten  Stillstand  möge  sich 
der  Landgraf  erklären. 

In  seiner  schriftlichen  Erwiderung  dankte  Landgraf 
Wilhelm  für  die  Einstellung  des  Kurfürsten  und  gab  zu 
erkennen,  dass  er  durch  des  Kaisers  Verhalten  gezwungen 
worden  sei,  bei  in-  und  ausländischen,  doch  christlichen 
Potentaten  und  Fürsten  Hilfe  zu  suchen.  Der  Kurfürst 
sehe,  wie  weit  die  Sache  gediehen  sei  etc.  Werde  der 
Vater  befreit,  so  sei  ihm  Verhandlung  über  die  Abrüstung 
recht.  Wisse  auch  der  Kurfürst  sicher  und  gewiss,  dass 
die  Befreiung  unverzüglich  und  ohne  Entgelt  erfolgen 
solle,  so  wolle  er  ihn  nicht  hindern,  zur  Verhandlung  zu 
ziehen;  doch  müsse  er  seine  Obligation  unverbrüchlich 
halten.  Allerdings  könne  er  mit  seinen  Bundesgenossen 
inzwischen  nicht  still  liegen  und  feiern,  da  das  Kriegs- 
volk grosse  Kosten  verursache',  er  sei  jedoch  gewillt, 
niemanden  ohne  Grund  zu  beschweren'''^). 


^)  Dieser  Akt  verdient  besonders  hervorgehoben  zu  werden. 
Der  Kurfürst  kam  damit  seiner  hallischen  Verptiichtung  endlich  nach 
und  rettete  Ehre,  Treue  und  Glauben. 

5°)  Man  erkennt  leicht,  dass  beide  Schreiben  für  den  König 
berechnet  waren. 


16  S.  Issleib: 

Darauf  zeigte  der  Kurfürst  König  Ferdinand  an"^), 
dass  er  den  Landgrafen  in  Schweinfurt''")  getroffen  und 
ihm  das  königliche  Anerbieten  raitgetheilt  liabe.  Aus 
der  Antwort  des  Schwagers  „und  sonst  befinde  er,  dass 
sich  derselbe  des  Vaters  langwieriger  Gefängnis  und  anderer 
zugefügter  Schädigungen  und  Bedrängnis  halben  mit 
in-  und  ausländischen,  doch  christlichen  Potentaten  etwas 
weit  eingelassen  habe".  Indessen  sei  zu  hoffen,  dass  sich 
der  Landgraf  billig  finden  lassen  werde.  Unter  Wahrung 
seiner  Obligation  wolle  er  den  10.  oder  IL  April  nach 
Linz  kommen  und  bitte  den  König,  bestimmt  zu  erscheinen, 
sonst  seien  andere  Verwickelungen  zu  besorgen,  üer 
gefangene  Schwiegervater  möge  inzwischen  Avenigstens  in 
des  Königs  Hand  gestellt  werden,  um  sich  mit  ihm  unter- 
reden zu  können.  Gott  wisse,  schloss  er,  mit  welchem 
Herzeleid  er  die  bevorstehende  Unruhe  erfahren  habe! 
Er  wünsche  nur  von  seiner  Verpflichtung  befreit  zu  werden 
und  hoffe  dabei  auf  des  Königs  gnädige  Unterstützung''^). 
Vor  seinem  Aufbruche  aus  Schweinfurt  versicherte  der 
Kurfürst  nochmals  (am  27.  März)"^),  nach  Linz  kommen 
zu  wollen;  über  eine  Verspätung  von  vier  bis  fünf  Tagen 
sollte  der  König  kein  Missfallen  tragen. 

An  den  Kaiser  schrieb  er,  dass  er  nach  seiner  Ein- 
stellung nur  mit  grosser  Mühe  Urlaub  zur  Zusammenkunft 
mit  dem  Könige  erlangt  habe.  Weil  die  kaiserliche  Er- 
klärung des  gefangenen  Landgrafen  halben  schon  an 
König  Ferdinand  gesendet  sei,  so  habe  er  nicht  um 
Urlaub  zur  Reise  nach  Innsbruck  angehalten  und  hoffe, 
Entschuldigung  zu  finden.  Der  gefangene  Landgraf  möge 
an  einen  Ort  gebracht  werden,  wo  man  sich  mit  ilnn 
unterreden  könne;  denn  er  habe  die  meiste  Gewalt  über 
den  Sohn,  der  sich  mit  anderen  etwas  weit  eingelassen 
habe,  so  dass  zu  befürchten  sei,  er  selbst  (MoritzJ  werde 
während  seiner  Einstellung  zu  Dingen  gezwungen,  die  er 
viel    lieber    unterliesse.     Er    wünsche  Frieden    und    Ver- 


f"")  Die  beiden  Schreibon  legte  er  bei.  Am  25.  März  schrieb 
er  auch  an  Heinrich  von  Plauen,  dass  er  den  7.  oder  8.  A^iril  in 
Kegensburg  zu  sein  gedenke.     Druffel  II,  No.  1171. 

'■'")  Nicht  in  Schnialkalden.  Drufi'el  II,  No.  1155,  S.  280  unten. 

''*)  Zuletzt  theilte  er  mit,  dass  er  des  Königs  Aufforderung  an 
Markgrafen  Albrecht  gesendet  habe.  Dieser  traf  den  26.  März  in 
Schweinturt  ein. 

i^o)  Loc.  91 45  II,  Bl.  8,  LS  (Bl.  8  ist  B'erdinauds  Schreiben  vom 
1.  April);  Druffel  U,  No.  1176  und  1198. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V,    1552.  17 

Wendung  des  Kriegsvolkes  gegen  den  Erbfeind  des 
christlichen  Glaubens^*')  etc. 

Von  Schweinfurt  aus  wurde  die  Einstellung  des 
Kurfürsten  von  Brandenburg  noch  bis  zum  24.  April 
vertagt;  dafür  aber  sein  Erscheinen  in  Linz  auf  das 
Bestimmteste  erwartet**').  An  Markgraf  Hans  schrieb 
Kurfürst  Moritz^-),  dass  er  „mit  ungefiedertem  Pfeile  im 
Werke  sei  fortzuziehen  und  im  Namen  Gottes  seiner 
Bewilligung,  wie  sich  gezieme,  nachzusetzen".  Zaudern 
nütze  nichts,  denn  wenn  die  Sache  übel  ergehe,  so  werde 
„jeder  in  gleichem  Bade  schwitzen  und  ausgerieben  wer- 
den. Der  Herr  wolle  Augen  und  Herzen  verleihen". 
Herzog  Albrecht  von  Bayern '^■^)  wurde  aufgefordert,  die 
Wohlfahrt  aller  deutschen  Stände  zu  bedenken,  sich  als 
Freund  zu  verhalten  und  womöglich  als  Unterhändler 
gebrauchen  zu  lassen;  den  Bischof  von  Bamberg  ging 
man  um  (xeld  an,  und  mit  Würzburger  Gesandten  wurde 
über  eine  Kapitulation  verhandelt*^^). 

Da  König  Heinrich  H.  von  Frankreich  sein  Aus- 
schreiben**^) an  die  Stände  des  heiligen  römischen  Reiches 
schon  seit  etlichen  Tagen  hatte  verbreiten  lassen,  so 
hielten  auch  die  Bundesfürsten  nicht  mehr  zurück,  ihr 
gemeinsames  Ausschreiben  der  Öffentlichkeit  zu  übergeben. 
An  dieses  schloss  sich  dann  ein  Ausschreiben  des  Mark- 
grafen und  eine  landgräfliche  Verwahrungsschrift  gegen 
den  Kaiser  an. 

Heinrich  II.    verkündigte,    dass    er    auf   göttliche 


*"^)  Nach  Beseitigung  aller  Mängel  wollte  er  das  Konzil  noch 
besuchen  lassen. 

öl)  Loc.  9146  IV,  Bl.  194;  Druffel  If,  No.  1170. 

"'-)  Herzog  Augustus'  Sekretär  zu  Weissenfeis  Simon  Rost 
wurde  beauftragt,  den  markgrätlichen  Sekretär  Johann  Füss  über 
den  Erfolg  der  englischen  Werbung  in  Merseburg  zu  hören. 
Druffel  ir,  No.  11(54. 

«3)  Loc.  9145  I,  ßl.  520;  Druffel  II,  No.  1169. 

'5^)  Loc.  9145  I,  Bl.  597  und  9146  IV,  Bl.  217  flg.,  237;  Druf- 
fel II,  No.  1135,  1161,  1182;  III,  No.  1163,  S.  365  üg.  Würzburg 
verptlichtete  sich,  den  Krieg  in  jeder  Beziehung  zu  begünstigen  und 
60000  fl.  zu  leihen.  Bamberg  wollte  höchstens  etliche  Tausend 
Gulden  vorstrecken. 

''^')  Über  das  königliche  Ausschreiben,  datiert  Fontainebleau 
am  3.  Februar  1552,  und  über  das  der  Bundesfürsten  wurde  in 
Friedewalde  weitläufig  verhandelt.  Man  vergleiche  über  die  Aus- 
schreiben Loc.  9145  1,  Bl.  298,  426,  698,  Loc.  9142,  Johann  Fried- 
richs Custodie  und  Erledigung  etc.,  Bl.  177;  Druffel  II,  No.  991, 
1106,  ll.Sl  S.  259,  1142,  1148,  1150,  1159,  1181,  1185,  1187  S.  305, 
1197,  1201,  1203,  1205  und'Lanz  III,   155. 

Neues  Archiv  f.  .S.  G.  u.  A.     VII.  1.  2.  2 


18  S.  Issleib: 

Eiiifjebuno;  hin  mit  deutsclien  Fürsten  und  vortiefflicheu 
Leuten  nach  viclialtiger  Khige  über  unerträgliche  kaiser- 
liche Tyrannei '*''),  über  Servitut  und  drohendes  Verderben 
ein  Bündnis  geschlossen  habe,  und  dass  er  für  alle  Mühen, 
Gefahren  und  Unkosten  keinen  andern  Nutzen  oder  Ge- 
winn als  Freiheit  der  deutschen  Nation*''),  ewige  Dank- 
barkeit und  einen  unsterblichen  Namen  suche.  Alle 
Stände  des  Reiches  sollten  aus  der  erbärmlichen  und  be- 
schwerlichen Dienstbarkeit,  überdies  Herzog  Johann 
Friedrich  der  Altere  und  Landgraf  Philipp  von  Hessen 
aus  ihrer  langwierigen,  harten  und  unfürstlichen  Haft 
befreit  werden.  Als  allerchristlichstcr  König  wollte  er 
vor  allem  die  Prälaten,  Abte  und  geistlichen  Stände  in 
Schutz  und  Schirm  nehmen,  sofern  sie  sich  gegen  ihn 
und  seine  Bundesverwaudten  in  gebührlicher  und  noth- 
dürftiger  Weise  erklären  würden.  Feinde,  Gegner  und 
Anhänger  des  Kaisers  sollten  mit  Feuer  und  Schwert 
verfolgt  werden. 

Die  Bundesfürsten  sprachen  in  ihrem  Ausschreiben 
vom  Religionsdrucke,  von  der  Gefangenschaft  des  Land- 
grafen und  vom  elenden  Zustande  des  Reiches.  Mit 
Frankreich  und  andern  Freunden  verbündet,  wollten  sie 
die  Befreiung  des  Landgrafen  und  Herzog  Johann  Fried- 
richs suchen  und  die  alte  Libertät  des  geliebten  Vater- 
landes retten*''^).  Mar  kgraf  Albrecht  wandte  sich  nur 
an  die  weltlichen  Stände  des  Reiches,  nannte  sich  Helfer 
der  Bundesfürsten  und  kündigte  einen  Kampf  an  gegen 
alles,  „was  dem  heiligen  Reiche  zuwider  sei  und  allen 
Ständen  zu  ahnden  gebühre".  Er  klagte  über  das  Konzil, 
über  die  verkümmerten  Reichsfreiheiten  und  über  die 
Krebsschäden  der  Reichstage,  auf  denen  die  Geistlichkeit 
durchweg  dominiere.  Jeder  müsse  die  t'bel  zu  beseiti- 
gen helfen.  Deutschland  solle  nicht,  wie  man  erdichte, 
fremden  Nationen  preisgegeben,  sondern  von  drückender 
Knechtschaft  befreit  werden.  Weil  die  höchsten  und 
vornehmsten  Bischöfe  und  Prälaten  meistens  die  Ursache 
zu    beschwerlichen    Unterdrückungen    und   Praktiken   im 


*"•)  Eine  Anzahl  Anklagen  gegen  Kaiser  und  König  wurden 
aufgezählt. 

ö')  Deutsche  und  Franzosen  hätten  gemeinsamen  Ursprung; 
Deutschland  sei  für  die  ganze  Christenheit  eine  Vorburg  gegen  die 
Türken. 

oä)  Vergleiche  D  ruf  fei  II,  No.  1203,  Kaiser  Karl  V.  an  die 
vier  rheinischen  Kurfürsten,  am  2.  Aprit 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Kail  V.     1552.  19 

Reiche  gewesen  seien,  so  dürfe  es  niemand  verargen,  wenn 
die  Fürsten  des  Reiches  die  übermässige  und  unerhxubte 
Gewalt  der  Geistlichen  nothgedrungen  schwächen  und 
brechen  würden.  Die  Stifter  sollten  keineswegs  ausgerottet 
und  dadurch  der  Adel  geschädigt  werden;  aber  Refor- 
mation derselben  sei  nöthig*'^)  etc.  Landgraf  Wilhelm 
führte  in  seiner  Verwahrungsschrift  (vom  9.  April)  das 
Elend  seiner  Familie  und  des  hessischen  Landes  vor, 
gedachte  der  Tage  von  Halle,  der  kurfürstlichen  Ver- 
pflichtungen, der  Einmalmungen ,  der  Vereinigung  mit 
christlichen  Potentaten  und  Fürsten  zur  Befreiung  des 
Vaters  und  Avid errief  die  in  Halle  vollzogene  kaiserliche 
Kapitulation''^). 

Am  27.  März  brachen  die  Bundesfürsten  in  Schwein- 
furt auf  und  rückten  über  Kitzino;en  nach  Rotenburo;  ob 
der  Tauber  vor,  wo  die  markgräflichen  Reiter  und  Knechte 
zu  den  sächsischen  und  hessischen  Heerhaufen  stiessen. 
Dann  ging  der  Zug  über  Dinkelsbühl  und  Nördlingen. 
Am  letzten  März  wurde  Donauwörth ' ')  genommen  und 
vom  frühen  Morgen  des  l.  April  an  Augsburg^-)  um- 
lagert. In  Oberhausen  vollzog  der  Kurfürst  am  4.  April 
die  Kapitulation,  hielt  tags  darauf  mit  allen  kriegerischen 
Ehren  Einzug  und  nahm  beim  alten  kaiserfeindlichen 
Bürgermeister  Herbrot  Quartier.  Dann  sandte  er  einen 
fröhlichen  Gruss  in  die  Heimath  an  den  Bruder'^),  an 
die  Gemahlin  und  Schwägerin  voll  zuversichtlicher  Hoff- 
nung^ künftig  noch  mehr  Sieg  und  Glück  mit  Hilfe  des 
Allmächtigen  zu  erlangen. 

Es  ist  wohl  möglich,   dass  die  Augsburger,    wie   ge- 


'^^)  fias  hiess  Kampf  des  weltlichen  Fürstenthums  und  des 
Adels  gegen  das  Pfaffenthum. 

™;  Der  Vater  rieth  am  16.  März  auf's  höchste  vom  Kriege 
ab.  Darauf  legte  Landgraf  Wilhelm  am  8.  April  in  Augsburg  die 
Gründe  dar,  welche  ihn  bewogen  hätten  das  Schwert  zu  ergreifen, 
und  erklärte,  dasselbe  nur  nach  erreichter  Befreiung  des  Vaters 
niedei legen  zu  wollen.  Inständig  bat  er,  ihn  bis  dahin  mit  Bitten 
und  Vorstellungen  gnädig  zu  verschonen.  Lanz  III,  127;  Rommel, 
Philipp  der  Grossmüthige  III,  .376.  König  Ferdinand  forderte  den 
gefangenen  Landgrafen  am  1.  Ap.il  auf,  den  Sohn  zum  \Yaffenstill- 
stand  zu  Gunsten  der  Verhandlungen  zu  ermahnen. 

•1)  Druffel  II,  No.  1190/1. 

"■-)  Log.  7280,  Instructiones  etc.,  El.  60,  7.3,  78  und  Loc.  9145 
I,  Bl.  618,  642,  647;  Druffel  II,  No.  1195,  1211,  1214/5,  19,  21,  22. 

"3)  Augustus  ermunterte  am  13.  April,  kecklich  fortzufahren, 
flugs  auf  die  Pfaft'en  zu  klopfen  und  sich  nicht  durch  gute  Worte 
aufhalten  zu  lassen.     Loc.  9145  I,  Bl,  613. 

2* 


20  S.  Issleib: 

sagt  wurde '^),  ein  geheimes  Einverständnis  mit  den  Fürsten 
im  voraus  gehabt  haben;  jedenfalls  kam  den  Verbündeten 
zu  statten,  dass  die  Stadt  seit  1547  den  Druck  des  kaiser- 
lichen Regimentes  in  religiösen  und  weltlichen  Dingen 
am  meisten  empfunden  hatte.  Jetzt  fielen  wieder  alle 
seit  dem  schmalkaldischen  Kriege  getroffenen  kaiserlichen 
Einrichtungen.  In  Augsburg  wurde  klar,  dass  die 
Bundesfürsten  nicht  nur  auf  Befreiung  des  Landgrafen, 
sondern  auch  auf  völlige  Abänderung  der  damaligen 
kaiserlichen  Regierung  ausgingen.  Gerade  die  beiden 
jugendlichen  Fürsten,  Moritz  und  Albrecht,  welche  des 
Kaisers  Macht  in  Deutschland  so  wesentlich  gefördert 
hatten,  begannen  die  spanische  Herrschaft  wieder  zu 
brechen. 

Der  „Vorstreich"  war  geglückt.  Siegreich  stand  der 
31jährige  sächsische  Kurfürst  im  Mittelpunkte  Schwabens 
in  der  Stadt  der  deutschen  Reichstage,  des  deutschen 
Grosshandels  und  des  evangelischen  Glaubensbekenntnisses. 
Hilflos  dagegen  sass  der  Kaiser  in  Innsbruck,  zu  Friedens- 
verhandlungen und  Bewilligungen  geneigt,  um  die  Wogen 
des  Sturmes  zu  brechen  und  die  gefährdete  Krone  zu 
retten.  Alle  Mittel  versagten,  und  alle  Feinde  erhoben 
sich  ^% 

Rastlos  arbeitete  der  Kurfürst  in  Augsburg,  weitere 
Anhänger  zu  gewinnen  und  dem  Kaiser  möglichst  grossen 
Abbruch  zu  thun.  Eifrig  bemühte  er  sich,  Kurpfalz  und 
Württemberg  in  die  Bundesgenossenschaft  hineinzuzielien 
und  suchte  am  7.  April  in  Fürstenfelde  den  Herzog  von 
Bayern  für  das  Kriegsunternehmen  und  für  die  bevor- 
stehenden Linzer  Verhandlungen  günstig  zu  stimmen"^). 
Die  rheinischen  Kurfürsten  sollten  vermitteln  und  die  nord- 
deutschen Seestädte  offen  zum  Bunde  übertreten.  Allein 
hier  sei  bemerkt:  weitreichende  Sympathien  haben  die 
Bundesfürsten  in  Deutschland  nicht  gefunden  "^}.  Die 
Verbindung   mit  Frankreich   erregte   doch   vielfach  Miss- 


'*)  Vergleiche  Druffel  II,  No.  1175,  1190;  Ranke  V,  168 
(4.  AuHage). 

""')  Der  Kaiser  fürclitcte  überfallen  zu  werden  und  plante,  sich 
zum  Bruder  oder  nach  Italien,  Spanien,  den  Niederlanden  zurück- 
zuziehen. Druffel  II,  No.  1217,  122(),  12.38,  12G9;  Lanz  ill,  126  flg. 
Über  seinen  Fluchtversuch  am  6.  April  nach  Mitternacht  siehe 
Druffel  II,  No.  1470;  Ranke  V,  174  (4.  Auflage). 

'«)  Loc.  9146  IV,  Bl.  240;  Druffel  II,  No.  1204,  12.31,  12.32;  III, 
No.  132-.',  S.  .31)4. 

")  Vergleiche  Liliencron,  Historische  Volkslieder  IV,  693  flg. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  21 

trauen  und  Anstoss.  Die  meisten  Fürsten  sassen  still 
oder  trieben  Schaukelpolitik;  keiner  traute  dem  andern. 
Mit  Recht  sagte  Markgraf  Albrecht:  „Wanns  wohl  ginge, 
wollten  sie  dabei  sein,  wanns  übel  ging,  wie  die  ärgsten 
Feinde  verfahren".  Des  Reiches  Trübseligkeit,  welche 
die  religiösen  Kämpfe,  die  Regierungsweise  Karls  V.,  die 
Interessenpolitik  der  Fürsten  imd  Stände  und  die  miss- 
lichen sozialen  Yerhältnisse  geschaffen  hatten,  trat  nackt 
zu  Tage.  Wie  berechtigt  war  der  bittere  Vorwurf  des 
Kurfürsten  Moritz  am  Tage  seines  Einzuges  in  Augsburg, 
dass  er  „bei  Fremden  und.  Ausländern  geneigteren  Willen, 
mehr  Beifall  und  Förderung  finde,  als  bei  seinen  eigenen 
Leuten,  die  doch  billig  treulicher  zu  ihm  setzen  sollten"  '^). 

Nicht  pochend  auf  den  Einzelerfolg,  sondern  die  Ge- 
samtlage und  den  Wechsel  des  Glückes  in  Betracht  ziehend, 
behielt  Kurfürst  Moritz  die  Friedensverhandlungen  im 
Auge  und  stellte  trotz  Einspruchs  des  Landgrafen,  des  Mark- 
grafen und  des  französischen  Bevollmächtigten^^)  dem  König 
Ferdinand  seine  sichere  Ankunft  in  Linz  von  neuem  in 
Aussicht.  König  Heinrich  11.^*^)  benachrichtigte  er  über 
den  Erfolg  im  Oberlande,  über  die  Lage  des  Kaisers, 
über  die  weiteren  Kriegspläne  und  über  die  dem  römi- 
schen Könige  bewilligte  Verhandlung,  welche  womöglich 
im  Beisein  des  Orators  Fresse  stattfinden  solle.  Zu  einer 
Sendung  nach  England  erbat  er   seine  Unterstützung^^). 

In  Augsburg  trafen  auch  Magister  Burkhardt  und 
Eberhard    von    der   Thann   von  Weimar    aus    ein^'),    um 


'8)  Im  Briefe  an  Augiistus  vom  5.  April.  Vergleiche  Loc.  91 45 
I,  Bl.  6-?l,  Loc.  10  479,  Steuern  etc.,  Bl.  1  tig. ;  Druffel  II,  No.  1275, 
1286.  Der  sächsische  Ritteradel  wollte  nichts  zur  Unterhaltung  der 
Reiter  und  Knechte  in  den  Festungen  gehen. 

™)  Fresse  wurde  sehr  beschwerlich,  indem  er  allzuscharf  be- 
tonte, König  Heinrich  II.  gäbe  das  Geld  zum  Kriege;  Loc.  9145  II, 
Bl.  29  und  9146  IV,  Bl.  250;  Druffel  II,  No.  1228,  1231,  1241,  1264, 
S.  .368. 

80)  Loc.  9145  II,  BL  68. 

81)  Loc.  9145  I,  Bl.  696.  England  war  gewillt,  die  evangelische 
Lehre  zu  schützen,  nicht  aber  die  Libertät  der  Deutschen  zu  unter- 
stützen. 

82)  Sie  waren  am  25.  März  abgesandt  worden.  Eberhard  von 
der  Thann,  Amtmann  von  der  Wartburg,  hatte  früher  zu  den  Ver- 
mittelungsversuchen  Herzogs  Augustus  und  des  Markgrafen  Hans 
hilfreiche  Hand  geboten;  Loc.  9155,  Assecuration,  Bl.  14  flg.,  23,  30. 
Am  Tage  nach  der  Ankunft  der  weimarischen  Räthe  in  Augsburg 
langte  auch  die  vom  29.  März  datierte  Antwort  des  Herzogs  und 
seiner  Landstände  auf  des  Kurfürsten  „ürangschrift"  ein,  wonach 
wegen  der  Wittenberger  Kapitulation,  wegen   der  Gefahr  für   den 


22  S.  Issleib: 

zum  begonnenen  Werke  Glück  zu  wünsclien ,  Herzog 
Johann  Friedrich  des  Mittleren  Neigung-  zur  Theilnahme 
zu  versichern  und  sein  ernstliches  Bedauern  zum  Aus- 
druck zu  bringen,  dass  er  sich  infolge  der  Gutachten 
und  Rathschläge  seiner  Theologen  und  Landstände  nicht 
persönlich  einlassen  könne.  Aber  der  Kurfürst  möge 
fortfahren,  Gott  werde  Sieg  verleihen.  Dem  Herzog  möge 
er  lathen,  wie  er  sich  von  seiner  Verpflichtung  gegen  den 
Kaiser  befreie,  wie  des  Vaters  Erledigung,  der  Eintritt 
in  das  Bündnis,  die  Wiedererwerbung  der  sächsischen 
Gesamtbelehnung  und  die  Ersetzung  der  verlorenen  Lande 
zu  erreichen  sei  etc. 

Kurfürst  Moritz  erwiderte  am  IL  April  in  Thann- 
hausen  ziemlich  kühl  und  bedauerte,  dass  die  Vettern 
der  Bereitwilligkeit  Frankreichs  und  der  Bundesfürsten, 
den  Vater  zu  befreien,  so  wenig  entgegenkämen  und  auch 
die  günstige  Gelegenheit  zur  Verhandlung,  welche  sich 
in  Linz  darbieten  werde,  verscherzten.  Eberhard  von 
der  Thann  ^•')  glaubte  darauf,  seinen  Herrn  auffordern 
zu  können,  den  Bundesfürsten  näher  zu  rücken  und  zur 
Befreiung  etwas  zu  thun.  Demuth  und  Gehorsam  gegen 
den  Kaiser  nütze  nichts,  und  Kurfürst  Moritz  verlange 
von  seinen  Vettern,  „wollten  sie  mit  geniessen,  so  sollten 
sie  auch  mit  schiessen".  Armutii  hindere  nicht,  man 
möge  eben  nach  Kräften  helfen  und  dem  Glücke  die 
Thüre  öffnen.  Den  Bundesfürsten  sei  nicht  unbekannt, 
dass  der  gefangene  Vater  öfters  den  Eintritt  in  das 
Bündnis  verboten  habe.  Kurfürst  Moritz  habe  auch  einen 
Artikel  aus  dem  Schreiben  einer  Person  vom  kaiserlichen 
Hofe  vertraulich  vorgelesen,  wonach  der  gefangene  Herzog 
beim  Kaiser  allerlei  Ansuchen  des  Krieges  halben  thue 
und  dadurch  ledig  zu  werden  hoffe  ^').     Ln  Lager  herrsche 


gefangenen  Vater  und  Landesfürsten,  wegen  der  Mittellosigkeit  und 
Ohnmacht  des  Herzogs  und  des  Landes  jede  Mitwirkung  am  Kriege 
abgelehnt  wurde. 

^■')  Sclireiben  vom  LS.  April  aus  Nördlingen,  Loc.  9142,  Johann 
Friedriclis  Custodie  und  Erledigung  etc.  1550 '52,  Bl.  119  tig.,  177; 
Druffel  ir,  No.  1287,  vergl.  No.  1159. 

^')  Der  Kaiser  hatte  durch  dritte  Hand  anfragen  lassen,  was 
man  von  Johann  Friedrich  gegen  seine  Befreiung  erwarten  könne. 
Zu  allem  bereit,  wollte  er  am  kaiserlichen  Hofe  bleiben,  in  kaiser- 
liche Dienste  treten,  seine  Freunde  beeinflussen,  den  Feinden  Kitt- 
meister entziehen,  die  Leute  in  A^erwirrung  setzen  und  Herzog 
Augustus  mit  seinem  IJruder  entzweien  etc.  Schon  hatte  er  einige 
Rätbe,  darunter  Erasraus  von  Minckwitz,  aus  Weimar  zu   sich  ent- 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  23 

der  Verdaclit,  man  wolle  seine  Befreiung-  weit  melir  dem 
Kaiser  als  den  Bundesfürsten  verdanken,  und  dringe  daher 
um  so  ernster  auf  eine  bestimmte  Erklärung.  Deshalb 
möge  der  Herzog  darauf  bedacht  sein,  dass  er  sich  nicht 
zwischen  zwei  Stühlen  niedersetze  und  das  Gewisse  mit 
dem  Ungewissen  verliere  etc. 

Nachdem  am  9.  April  Herzog  Johann  Albrecht  von 
Mecklenburg  in  Augsburg  eingetroffen  war,  erfolgte  am 
10.  der  Aufbruch  nach  Ulm*^'*},  und  da  die  Stadt  ihre 
Übergabe  verweigerte,  begann  am  12.  die  Beschiessung. 
Neu  bürg  ^*^)  an  der  Donau  wurde  am  13.*^)  genommen 
und  zur  Freude  der  Unterthanen  dem  vertriebenen  Herzog 
Ottheinrich  und  nunmehrigen  Bundesfürsten  wieder  ein- 
geräumt. 

An  den  Verhandlungen  mit  Ulm,  die  erfolglos  blieben, 
nahm  der  Kurfürst  nicht  mehr  theil,  sondern  ritt  nach 
Donauwörth,  um  tags  darauf  zu  Schiff  die  Reise  nach 
Linz  fortzusetzen***).  In  Regensburg  begrüsste  ihn,  wie 
in  Leipzig  verabredet  war,  Heinrich  von  Plauen,  und  in 
Passau  gesellte    sich  der  Bischof   und    Herzog    Albrecht 


boten.  König  Ferdinand  rieth  dem  Kaiser,  Johann  Friedrichs  Be- 
freiung nicht  zu  beeilen,  sich  über  sein  künftiges  Yerhalten  hin- 
länglich zu  versichern  und  den  Erfolg  der  Linzer  Verhandlungen 
abzuwarten  etc.  Druffel  11,  No.  1221,  1238,  1311,8.409;  LanzIII,  163. 

*'^)  Vergleiche  Druffel  II,  N'o.  1264,  S.  366  Postscriptum. 

«ö)  Loc.  8502,  Churfürst  Moritz'  Schriften  an  Augustus  1546/52, 
Bl.  123. 

*■')  An  demselben  Tage  forderte  der  Kurfürst  aus  dem  Feldlager 
vor  Ulm  den  Markgrafen  Hans  von  Küstrin  und  Herzog  Albrecht  von 
Preussen  wiederum  zur  Bundeshilfe  auf,  Loc.  9145  J,  Bl.  332  flg., 
342;  Druffel  II,  No.  1281. 

**)  Der  französische  Orator  Presse  begleitete  ihn  nicht.  Nur 
mit  grosser  Mühe  hatte  sich  der  Kurfürst  den  Bundesfürsten  ent- 
wunden. Während  von  ihnen  die  Reise  nach  Linz  heftig  widerrathen 
■wurde,  gaben  sich  König  Ferdinand,  Herzog  Albrecht  von  Bayern, 
der  kaiserliche  Gesandte  Walter  von  Hirnheim,  der  kurbranden- 
burgische  Rath  Adam  Trott,  dazu  Mordeisen  und  Carlowitz  alle 
Mühe,  um  die  Zusammenkunft  in  Linz  zu  stände  zu  bringen.  Car- 
lowitz schrieb  am  11.  April,  er  hoffe  nicht,  dass  sich  der  Kurfürst 
dermassen  werde  binden  lassen,  dass  er  seiner  nicht  mehr  mächtig 
sei  und  nach  anderer  Leute  Gerede  und  Gutdünken  leben  müsse. 
W^äre  dies  der  Fall,  so  solle  es  ihm  treulich  leid  thun,  die  Zeit 
erlebt  zu  haben,  wo  sich  ein  so  mächtiger  Kurfürst  anderen  muth- 
willig  unterwerfe,  denen  er  billig  Mass  geben  sollte.  Vereitelung 
der  Zusammenkunft  sei  erschrecklich,  von  seinem  Oberlehnsherrn 
Geiseln  zu  fordern,  ungebräuchlich'  und  von  der  Einwilligung  eines 
französischen  Gesandten  abzuhängen,  unglimpflich  etc.  Loc.  9145  II, 
Bl.  33—64,  9146  IV,  Bl.  250  flg.;  Druffel  II,  NTo.  1241—1309. 


24  S.   Issleib: 

von  Bayern  hinzu.  Am  18.  April,  naclnnittags  5  Uhr, 
traf  der  Kurfürst  mit  seinen  Gefälirten  in  Linz  ein,  wurde 
vom  Könige  Ferdinand  und  seinen  beiden  Söhnen,  König 
Maximilian  und  Erzlierzog  Ferdinand,  am  Donauufer 
freundlich  empfangen,  auf  das  Schloss  geführt  und  „ganz 
herrlich  und  wohl  traktiert"**^). 

Gleich  am  andern  Tage  (19.  April)  Legannen  die 
Verhandlungen,  an  denen  König  Ferdinand  und  seine 
beiden  Söhne,  Kurfürst  Moritz,  Herzog  Albrecht  von  Bayern 
und  der  Bischof  von  Passau""),  ausserdem  die  kaiserlichen 
Käthe  von  Rye  und  Schwendi,  vier  königliche  und  mehrere 
kurbrandenburgische  Käthe,  Mordeisen  und  Carlowitz 
und  der  bayerische  Rath  Hund  theilnahmen'*'). 

Kurfürst  Moritz  forderte  Befreiung  des  Landgrafen 
und  Abstellung  aller  hessischen  Beschwerden,  Freiheit 
der  Religion  und  der  deutschen  Nation,  Aufrichtung  eines 
allgemeinen  Friedens,  Amnestie  für  die  Theilnehmer  am 
Kriegszuge  und  für  die  im  schmalkaldischcn  Kriege  Ge- 
ächteten, sowie  Begnadigung  der  vertriebenen  braun- 
schweigischen  Junker.  Die  Freilassung  des  Landgrafen 
sollte  umgehend  erfolgen  und  der  Religion  halben  kein 
Reichsstand  Gefahr  oder  Überfall  zu  besorgen  haben, 
sondern  gemäss  dem  Reichstagsabschiede  zu  Speier  1544 
friedlich  leben  können.  Das  Interim  sollte  fallen  und  der 
Zwiespalt  der  Religion  durch  ein  Nationalkonzil  oder 
Colloquium  beseitigt  werden.  In  den  allgemeinen  Frieden 
sei  Frankreich  einzuschliessen,  damit  die  Christenheit  zur 
Ruhe  komme  und  ihre  Kraft  gegen  die  Türken  verwenden 
könne  etc. 

König  Ferdinand  zeigte  sich  den  Forderungen  des 
Kurfürsten  willfährig,  so  dass  dieser  am  23.  April  seinem 
Bruder  Augustus  hocherfreut  schreiben  konnte,  er  hoffe 
„zu  erlangen,  was  der  ganzen  Christenheit  nützlich  und 
allen  deutschen  Fürsten  rühmlich  sei,  ja  was  zuvor  nie- 
mand vermuthet  habe".''').  Indessen  die  Religionsfrage 
und  der  geforderte  Vertrag  mit  Frankreich   veranlassten 


89)  Loc.  9155,  Assecuration  etc.,  Bl.  45,  48;  Drnffel  11,  No.  131.S. 

'*<')  Kurfürst  Joachim  hatte  sich  Kraukhoits  halber  entschuldigt. 

"')  Von  den  Abgeordneten  Herzogs  Augustus  und  der  kur- 
sächsischen Landstände  waren  Abraham  von  Einsiedel,  Heinrich 
von  Ebeleben  etc.  zugegen. 

»-)  Loc.  8502,  Churfiirst  Moritz'  Schriften  an  Augustus  1546—52, 
Bl.  1.35,  vergl.  Loc.  9155,  Assecuration,  Bl.  45,  Zeitung  aus  Linz 
vom  25.  April;  D  ruf  fei  II,  No.  1336. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.    1552.  25 

eine  Sendung  an  den  Kaiser^").  Dann  erklärte  König 
Ferdinand  (am  27.  April):  falls  die  Bundesfürsten  vom 
Kriege  ablassen,  ihr  Bündnis  aufgeben,  die  unterworfenen 
Stände  und  Städte  aller  auferlegten  Pflichten  entledigen 
und  das  Kriegsvolk  beurlauben  und  vom  Zuzüge  zum 
französischen  Könige  abhalten  würden ^^),  dann  sollte  der 
Landgraf  14  Tage  nach  der  Abrüstung  in  Köln  auf 
freien  Fuss  gesetzt  werden.  Und  damit  jeder  Zweifel 
schwinde,  wolle  er  den  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
Brandenburg  Sicherheit  in  bester  Form  geben.  Kein 
Stand  des  Reiches  sollte  der  Religion  wegen  beschwert 
und  auf  einem  Reichstage  sollte  berathen  werden,  ob  d'.e 
streitigen  Religionsfragen  nochmals  auf  einem  Konzile^') 
oder  auf  einer  allgemeinen  Reichsversamnilung  zu  erörtern 
und  zu  vergleichen  seien.  Die  Beschwerden  über  die 
kaiserliche  Regierung  und  über  die  Misssfände  im  Reiche 
sollten  dann  auch  erwogen  und  möglichst  beseitigt 
werden.  Hinsichtlich  des  allgemeinen  Friedens  sollte  der 
Kurfürst  die  französischen  Friedensbedingungen  einfordern, 
überreichen  und  kaiserliche  Antwort  entgegennehmen. 
Amnestie  wurde  bewilligt,  aber  Hans  von  Heideck,  Reifen- 
berg, Schärtlin  etc.  sollten  sich  vor  der  Befreiung  aus 
der  Acht  verpflichten,  nicht  gegen  Kaiser,  König  und 
Reich  ferner  zu  dienen.  Auch  die  braunschweigischcn 
Junker  sollten  zu  Gnaden  angenommen  und  mit  Herzog 
Heinrich  verglichen  werden. 

Wie  zu  erwarten  war,  machte  Kurfürst  Moritz  allerlei 
Ausstellungen,  und  da  er  sich  nicht  für  ermächtigt  hielt, 
im  Namen  seiner  Bundesgenossen  bindende  Erklärungen 
abzugeben,  so  bat  er  um  eine  neue  Zusammenkunft,  zu 
welcher  noch  einige  Kurfürsten  und  Fürsten  zugezogen 
werden  sollten.  Die  HeraufFührung  des  gefangenen  Land- 
grafen aus  den  Niederlanden  an  den  königlichen  Hof 
sah  er  für  überaus  nützlich  und  förderlich  an. 

König  Ferdinand  wich  einem  zweiten  Verhandlungs- 


^^)  Schwendi  eilte  nach  Innsbruck.  Ferdirand  Hess  den  Kaiser 
auffordern,  möglichst  zu  rüsten,  die  Gefahr  sei  noch  nicht  gehoben, 
man  habe  es  mit  zweideutigen  Leuten  zu  thun.  Da  Ulm  sich  so 
gut  gehalten  habe,  solle  er  alles  aufbieten,  um  Augsburg  wieder 
zu  gewinnen.  Inzwischen  wolle  er  mit  dem  Kurfürsten  und  Mark- 
grafen Albrecht  verhandeln,  Druffel  II,  No.  1335. 

0^)  Der  Kaiser  erwartete,  dass  Kurfürst  Moritz  und  Landgraf 
Wilhelm  nöthigenfalls  ansehnliche  Reiterdienste  leisten  würden. 

ö5)  Es  wurde  zugegeben,  dass  das  Konzil  zu  Trient  die  „ge- 
hoffte Frucht"  nicht  getragen  habe. 


">{")  S.  Issleib: 

tage  niclit  aus,  suclite  aber  vor  allem  einen  Waffenstill- 
stand zu  erlangen,  welcher  sofort  beginnen  und  bis  zur 
Kückkelir  der  Fürsten  in  ihre  Residenzen  dauern  sollte. 
Ohne  Aveiteres  war  der  Kurfürst  gewillt,  den  zur  Ver- 
handlung ziehenden  Fürsten  schriftliche  Versicherung  und 
in  der  Nähe  des  Feldlagers  lebendiges  Geleit  zu  geben, 
auch  bis  zum  11.  oder  12.  Mai  bei  seinen  Mitver- 
wandten einen  Waftenstillstand  von  etwa  14  Tagen  bis 
3  Woclicn  durchzusetzen.  Schliesslich  einio-te  man  sich, 
dass  die  weiteren  Verhandlungen  den  26,  Mai  zu  Passau 
beginnen  sollten.  Darauf  zeigte  König  Ferdinand  an, 
dass  er  die  vier  rheinischen  Kurfürsten,  den  Erzbischof 
von  Salzburg,  die  Bischöfe  von  Fiichstädt^")  und  "\A''ürz- 
burg,  Markgraf  Hans  von  Küstrin,  Herzog  Christof  von 
Württembei'g,  Wilhelm  von  Jülich,  Heinrich  von  Braun- 
schweig und  Pliilii-p  von  Pommern  berufen  wolle  Die 
Entscheidung  über  die  Herauftuhrung  des  Landgrafen 
an  den  königlichen  oder  kaiserlichen  Hof  verschob  er 
nach  Passau,  räumte  aber  kraft  kaiserlicher  Vollmacht 
ein,  dass  jeder,  welcher  mit  einem  kaiserlichen  oder 
königlichen  Erlaubnisbriefe  vor  der  Königin  ]\Iaria  er- 
scheine, den  Landgrafen  sprechen  dürfe'*')-  Da  inzwischen 
bekannt  geworden  war,  dass  König  Heinricli  H.  nicht 
nur  ^^'elsch-Brabant  und  Hennegau '■'^)  mit  starker  Heeres- 
raacht  angegrifFt-n,  sondern  auch  in  Lothringen  Metz, 
Toul  und  Verdun  eingenommen  habe  und  sich  nach. Speier, 
Hagenau  oder  Strassburg  wende,  so  wurde  Kurfürst  Moritz 
beauftragt,  den  französischen  König  von  jeder  ferneren 
Vergewaltigung  und  Feindseligkeit  abzuhalten.  Nach 
längerer  mündlicher  Verständigung  über  den  Waffen- 
stillstand''''), über  das  Geleit  etc.  vereinbarte  man  am 
30.  April  den  Linzer  Abschied ^"^^. 


"•*)  Auch  der  Kardinal  von  Trient  kam   in  Frage. 

''")Lanz  III,  171,  179  und  Lanz,  Staatspapiere  etc.  494. 
Landpruf  Pliilipp  iiatte  am  Iti.  Ai)iil  Köniir  FtM'dinaud  um  IJefreiung 
gebeten  und  Moritz  nebst  "Wilhehn  vom  Kriege  abfjemabnt.  Ver- 
gleiche Anmerkung  70,  dann  Loc.  9145  II,  Bl.  73;  Druf  tel  II,  No.  1320. 

s'^)  Loc.  9145  II,  Bl.  81  und  110,  850?,  Handschreiben  Chur- 
fürsten  Moritz  etc.,  Bl.  135;  Dmlfel  H,  No.  1315,  1328,  133(5,  1347. 

"")  Der  Wattenstillstand  sollte  Verlegung  des  Lagers  grstatten. 
Ürufiel  III,  No.  1322,   S.  411. 

1*^0)  Hervorzuheben  ist,  dass  .in  Linz  Johann  Friediich's  Be- 
freiung nicht  beantragt  wurde.  —  Über  die  rheinischen  Kurfürsten 
und  ihren  Verbandlungstag  zu  Oberwesel  vom  23.  bis  27.  April 
vergleiche  Druf  fei  II,  No.  1333  und  TU,  No.  1334,  S.  416  flg. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  27 

Ehe  der  König  aber  die  Stadt  verliess  ^*"),  ersuchte 
er  am  2.  Mai  den  oefangenen  Landgrafen^''-),  seinen  Sohn 
vom  Kriege  abzumahnen  und  zur  Annahme  des  Waflen- 
stillstandes  anzuhalten.  Gleichzeitig  kündigte  er  ihm  die 
Ankunft  von  vier  Gesandten  der  Kurfürsten  von  Sachsen 
und  Brandenburg,  des  Landgrafen  Wilheha  und  der 
hessischen  Landschaft  an  und  bat  die  Konigin-Schwester 
Maria,  den  vier  Abgeordneten  Zutritt  und  Unterredung 
vor  Zeugen  oder  allein,  zusammen  oder  einzeln  zu  ge- 
statten ^"^^). 

Von  Linz  aus  gab  Kurfürst  Moritz  seinem  Bruder 
Augustus  Befehl ^"^),  den  Unterhalt  für  4400  Knechte  aus 
den  Ämtern  einzutreiben,  die  Ritterschaft  zur  Erlegung 
einer  monatlichen  Kontribution  von  4  oder  3  Gulden  für  ein 
Pferd  anzuhalten ■^*''^)  und  den  drei  Landesbischöfen  für 
den  Genuss  des  Friedens  und  des  Schutzes  die  Unter- 
haltung von  1000  Knechten  aufzuerlegen,  ausserdem  etliche 
hessische  Räthe  zu  sich  zu  bescheiden  und  mit  ihnen  für 
den  Fall  der  Noth  Anordnungen  zur  gegenseitigen  Landes- 
vertheidigung  zu  treffen^"*').  Zu  Gunsten  des  Leipziger 
Marktes  sollte  er  für  die  Sichej'heit  der  Strassen  sorgen, 
auf  Magdeburg  Acht  haben,  keine  Unruhe  im  Erzstifte 
um  sich  greifen  lassen  und  den  neuen  Erzbischof  Fried- 
rich von  Brandenburg  in  allen  Stücken  an  ihn  verweisen^'''). 
Die  Gemahlin  benachrichtigte   er   (am  29.   April) ^'*^)    von 

^01)  Am  SO.  April  gab  er  Markgraf  Albrecht  zu  erkennen, 
dass  ihm  der  Kaiser  jährliche  Pension  oder  Dienstgeld  geben  und 
zur  Abtragung  seiner  Schulden  beisteuern  wolle,  wenn  er  vom  Kriege 
ablasse  und  die  Irrunt!  mit  Würzburg  beilege.     Loc.  9145  II,  Bl.  178. 

10-)  Lanz  III,  187,  188  und  Druffel  II,  No.  1H73.  Maria 
sollte  Adam  Trott  mit  besonders  gnädiger  Aufmerksamkeit  begegnen. 

103)  Kuifürst  Moritz  beauftragte  am  12.  Mai  von  Gundeltingen 
aus  Dr.  Franz  Kram,  von  Marburg  (wo  er  weilte)  nach  Mecheln  zu 
reisen  und  zu  verhandeln.  Landgraf  Philipp  erfuhr  erst  jetzt  vom 
französischen  Bündnisse. 

101)  Loc.  8502,  Churfürst  Moritz'  Schriften  an  Augustus  1546— 
1552,  Bl.   127  flg. 

105)  Widerspenstige  sollte  er  ohne  weiteres  gefangen  setzen 
und  ihre  Namen  ihm  zuschreiben. 

looj  Vergleiche  Loc.  9U5  I,  Bl.  456  und  621,  Loc.  7281,  Fran- 
zösische Yerbuiidnisse,  Bl.  180;  Druffel  II,  1072,  112(»,  1286,  1507. 

10'')  Kurfürst  Joachim  hatte  am  18.  März  die  Einführung  des 
Sohnes  als  Erzbischof  von  Magdeburg  in  Halle  vorgenommen, 
Druffel  II,  No.  1115  und  1.S40. 

lO'')  Loc.  8408,  Churfürst  Moritzens  meistentheils  eigenhändige 
Schreiben  an  seine  Gemahlin  1547—53,  Bl.  23.  Später  hatte  Agnes 
grosse  Lust,  nach  Süddeutschland  zu  kommen,  aber  der  Kurfürst 
rieth  ab  (Bl.  29). 


28  ^'  Issleib: 

den  LinziT  Verhandlung-en  und  theilte  vor  allem  mit,  man 
wolle  den  Vater  befreien  und  die  kaiserliche  Regierung 
in  Zukunft  so  anstellen,  dass  die  Deutscken  bei  der  alten 
löbliclien  Freiheit  gelassen  würden  und  „nicht  den  Pfaffen 
und  den  Spaniern  unter  den  Füssen  liegen  diirften"  etc. 
Er  hegte  „Hoffnung"  zu  einem  ewigen  Frieden  in  Deutsch- 
land und  wollte  viel  lieber  daheim  sein  und  gute  Tage 
haben,  ala  in  der  Irre  umherschwärmen  etc.  In  Summa: 
es  müsse  in  zwei  Monaten  längstens  Frieden  werden  oder 
Deutschland  müsse  zu  Grunde  gehen". 

Nach  der  Rückkehr  von  Linz  nach  Augsburg ^''^) 
ersuchte  der  Kurfürst  den  König  von  Frankreich  um  seine 
Friedensbedingungen.  In  ausführlicher  Weise  beleuchtete 
er  die  vom  Könige  Ferdinand  im  Namen  des  Kaisers 
zu  Linz  gemachten  Zugeständnisse  und  Zusagen  und  ge- 
dachte der  Folgen,  welche  die  Zurückweisung  aller  ge- 
botenen Vortheile  haben  könnte.  Dringend  ging  er  den 
König  an,  die  günstige  Gelegenheit  zum  Fiieden  nicht  zu 
verachten  und  wohl  zu  bedenken,  dass  das  Kriegsglück 
unstät  und  wandelbar  sei.  Und  wenn  man  den  Kaiser 
im  Sacke  habe,  meinte  er,  so  könne  man  nicht  mehr  er- 
langen als  die  Linzer  Erbietungen"").  An  demselben  Tage 
forderte  er  den  Markgrafen  Albrecht  auf"),  den  Waffen- 
stillstand zu  bewilligen,  den  Tag  von  Passau  zu  beschicken 
und  nichts  gegen  Nürnberg  und  Würzburg  vorzunehmen. 
Dann  leitete  er  die  Verhandlungen  mit  den  berufenen 
oberdeutschen  Städten  und  Ständen  eln^^')  und  begab 
sich  ins  Feldlager  bei  Gundelfingen. 

Dem  Kriegsvolke  war,  wie  schon  angedeutet  wurde, 
die  Einnahme  Ulms  nicht  geglückt.  Als  die  Linzer  Ver- 
handlungen (am  19.  April)  begannen,  zogen  die  Truppen 
davon.  Mit  dem  Landgrafen  entzweit,  schlug  Markgraf 
Albrecht  die  Richtung  Geislingen,  Ellwangen,  Lichtenau, 
Nürnberg  ein  und  begann  mit  seinen  Knechten  ein  wüstes 
Treiben.  Land^^raf  Wilhelm  rückte  im  Donaugebiete 
über  Ehingen,  Obermarchthal,  Mengen  und  Pfullendorf 
nach    Stockach    vor,    nahm    hier    das    von    Schaff'hausen 

lo»)  Loc.  9145  ir,  Bl.  180,  184,  191.  Das  Schreiben  ist  in  Lands- 
hut entworfen  und  in  Augsburg  am  .3.  Mai  ausgestellt  worden. 

'■"■)  Ernstlich  erinnerte  er  an  des  Königs  öffentliches  Aus- 
schreiben. Heinrich  II.  war  mit  den  Linzer  Verhandlungen  höchst 
unzufrieden  und  zog  Ende  Mai  aus  der  Umgegend  von  Speier  zurück. 

"1)  Loc  9145  II,  Bl.  241. 

"2)  Loc.  7280,  Instructiones  1552,  BL  63  flg.;  D  ruf  fei  II, 
No.   1389,  1428. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  29 

kommende  französische  Geld  und  dio  Geiseln  in  Empfang- 
und  marschierte  wieder  rückwärts  über  Salmansweiler, 
Ravensburg,  Biberach,  Laupheim,  Leiplieim  und  bezog 
am  1.  Mai  das  erwähnte  Feldlager  bei  Gundclfingen  an 
der  Donau  ^^■^). 

Hier  nun  setzte  Kurfürst  Moritz  durc]\,  dass  der 
Schwager  einen  vierzehntägigen  Waffenstillstand  vom 
26.  Mai^^^),  dem  Anfangstermine  der  Passauer  Verhand- 
lungen, an  bewilligte.  Jede  feindliche  Massregel  gegen 
den  Kaiser,  den  König  oder  gegen  einen  Reichsstand 
sollte  während  dieser  Zeit  unterbleiben  ^^-^),  vorausgesetzt, 
dass  auch  der  Kaiser  nichts  Feindliches  unternehmen  und 
das  Kriegsvolk  nicht  weiter  über  das  Gebirge  heraus- 
führen werde.  Walter  von  Hirnheim,  welcher  dem  Kur- 
fürsten von  Linz  aus  gefolgt  war,  überbrachte  König 
Ferdinand  die  kurfürstliche  und  landgräfliche  Erklärung"'''). 
Der  Beitritt  des  Markgrafen  Albrecht  zum  Waffenstillstand 
konnte  wegen  seiner  Abwesenheit  nicht  gewährleistet  wer- 
den"'). Am  10.  Mai  Hessen  dann  der  Kurfürst  und  der 
Landgraf  den  vom  Könige  Ferdinand  nach  Passau  ge- 
ladenen Kurfürsten  und  Fürsten  Handschreiben ^^'^j  aus- 
fertigen, in  welchen  sie  völlige  Sicherheit  durch  die  vom 
Kriegsvolke  besetzten  Gebiete  versprachen  und  lebendiges 
Geleit  in  der  Nähe  des  Lagers  anboten.  Darauf  wandten 
sie  sich  (am  12.  Mai)  mit  den  Truppen  südlich  über 
Ichenhausen,  Babenhausen,  Mindelheira,  Kauf  heuern,  Ros- 
hampton  nach  Füssen,  um  noch  vor  Beginn  des  Waffen- 
stillstandes und  der  Passauer  Verhandlungen  die  bei  Reutte 
angesammelten  Knechte  auseinander  zu  treiben,  die  Ge- 
birgspässe zu  sperren  und  womöglich  den  Kaiser  in  Inns- 
bruck zu  überfallen. 

Inzwischen    war    König     Ferdinand    am    8.  Mai    in 
Innsbruck   eingetroffen,   um    mit    dem  Kaiser    für  Passau 


"3)  Loc.  9145  IF,  Bl.  110  flg.,  Loc.  9155,  Assecuration  etc., 
Bl.  45  flg.;  D ruffei  If,  No.  1H47,  1H65  und  das  Tagebuch  Se hotte n- 
dorfs,  abgedruckt  bei  Druffel  III,  No.  1085,  S.  35ti  flg. 

"^)  Nicht  vom  11.  oder  12.  Mai  an,  wie  in  Linz  vorläufig  ver- 
abredet war.  Am  26.  Mai  liefen  auch  die  drei  ersten  Monate  des 
Bündnisses  mit  Frankreich  ab. 

ii5j  "W'echsel  des  Lagers  war  gestattet. 

"ö)  Loc.  9145  II,  Bl.  2.32-,  Drutfel  II,  No.  1405. 

1")  Der  Markgraf  wollte  sich  über  Friedstaud  und  Geleit  mit 
dem  König  von  Fra^nkreich  verständigen.  Über  seine  Haltung  siehe 
Loc.  9145  II,  Bl.  243  flg.  und  Loc.  8502,  Moritz'  Schreiben  an  Au- 
gustus  Bl.  146;  Druffel  II,  No.  1386,  1387,  1390,  1403  u.  a. 

"«)  Loc. 9145  II,  Bl.  202,  219,  223  flg.;  Druffel  II,  No.  1392,  1398. 


30  S.  Issleib: 

Rückspraclie  zu  nelniien.  Die  gerliifie  Aussiclit  auf  Frieden 
mit  den  Türken  bewofj  ihn,  die  Verständigung  mit  den 
deutschen  Fürsten  zu  befürworten.  Auch  der  Kaiser 
wünschte  die  dem  Hause  Habshurg  erwachsene,  schwere 
Gefahr  zu  bestehen  und  die  Empörung  zu  dämpfen  ;  aber 
zu  einem  Vertrage  mit  fol<>en.schweron  Zuireständnissen 
war  er  trotz  aller  Mittel-  und  Hilflosigkeit  nicht  geneigt. 
Der  erste  Schrecken,  welchen  das  unerwartete  Kriegs- 
getüminel  eingejagt  liatte,  war  üb -rwund.'n,  und  die 
Hoffnung  wuchs,  das  französische  Bündnis  sprengen,  die 
Bundesfürsten  entzweien  und  weiteren  Anhanges  berauben, 
Geld  und  Truppen  zusammenbringen  und  der  schwierigen 
Lage  Herr  werden  zu  können.  Nach  allen  Seiten  hatte 
er  Unterhandlungen  angeknüpft  und  im  gefangenen  Herzog 
Johann  Friedrich  glaubte  er  eine  verwerthbare  Waffe 
gegen  Kurfürst  Moritz  zu  besitzen.  Vorläufig  aller- 
dings musste  er  nothgedrungen  die  in  Linz  begonnenen 
Verhandlungen  in  Passau  weiter  führen  lassen,  um  Zeit 
zu  gewinnen;  aber  für  den  Fall  der  Erfolglosigkeit  sollte 
die  Acht  auf  das  Haupt  des  Kurfürsten  niederfallen  und. 
Johann  Friedrich  sollte  die  Exekution  vollziehen.  Die 
nothigen  Schritte  erfolgten. 

Während  der  Anwesenheit  König  Ferdinands  in 
Linsbruck  fanden  sich  eines  Tages  Granvella  und  Seid 
beim  alten  Kurfürsten  ein^^'*),  zeigten  an,  dass  ihm  der 
Kaiser  auf  Verwendung  des  römischen  Königs,  des  Prin- 
zen von  Spanien,  der  Königin  Maria,  der  Herzöge  von 
Pommern  und  Cleve  Freiheit  verspreche,  und  eröffneten 
weiter:  führe  der  Passauer  Tag  zum  Frieden,  so  werde 
er  sich  verpflichten  müssen,  bei  den  früheren  Verträgen 
und  Verbindlichkeiten  zu  bleiben;  komme  es  aber  zu 
keiner  Verständigung,  dann  sei  der  Ivaiser  entschlossen, 
die  Acht  über  Kurfürst  Moritz  zu  verhängen  und  ihm 
(Johann  Friedrich)  das  Kurfürstenthum  und  die  Kurwürde 
wieder  zu  übertragen,  sofern  er  die  Kurlande  auf  eigne 
Kosten  einnehmen  und  erobern  wolle.  Zugleich  fragten 
die  kaiserlichen  Räthe,  wie  viel  Reiter  und  Knechte  er 
mit  Hilfe  seiner  Söhne  und  Freunde  dazu  aufbringen 
könne,  welchen  Anhang  er  im  Lande  des  Kurfürsten  be- 

"")  Loc.  9142,  Joliaiin  Friedriclis  Custodie  und  Erledigung  etc., 
lil.  227  tlg.  Es  verh:indelten  noch  ausser  Granvella  und  Seid, 
Heinrich  von  Plauen,  Hans  lloffmann  und  der  kuiserliche  Sekretär 
Uhernburger  mit  Joliann  Friedrich.  Vergleiche  W.  Wenck,  Chur- 
liirst  Moritz  und  die  Ernestiner  etc.  in  den  Forschungen  zur  deut- 
schen Geschichte  XII  (1872),  36. 


Moritz  von  Saebscii  gegen  Karl  V.     1552,  31 

sitze,  auf  welche  Weise  er  mit  Herzog  Augustus  zu  handeln 
und  wie  er  Böhmen,  Brandenburg,  Braunschweig,  Pommern, 
Anhalt,  Jülich,  die  Harzgrafen,  das  Erzstift  Magdeburg, 
die  Stifter  Halberstadt,  Münster  etc.  zur  Unterstützung 
heranzuziehen  gedenke.  Johann  Fiüedrich  erwiderte, 
bevor  er  nicht  als  freier  Mann  versucht  habe,  was  von 
Verwandten  und  Freunden  zu  erwarten  sei,  könne  er  sich 
zu  nichts  verpflichten.  Indessen  kaiserlichem  Befehle 
zufolge  sei  er  geneigt,  die  Achtsexekution  vorzunehmen. 
Gegen  Verpfändung  von  Annaberg,  Marienberg,  Buch- 
holz, Gottesgabe  etc.  möge  ihm  der  Kaiser  200000  Kronen 
vorstrecken,  um  innerhalb  dreier  Monate  2000  Reiter  und 
10000  Knechte  gegen  die  Feinde  aufzubringen  etc. 

Eben  damals  langte  Erasmus  von  Minckwitz  aus 
Weimar  an,  um  mit  Kath  und  That  beizustehen^-'^).  Von 
ihm  erfuhr  der  Herzog  Genaueres  über  das  Verhalten 
des  Sohnes  und  über  die  Sendung  Burkhards  und  Eber- 
hards von  der  Thann  an  den  Kurfürsten.  Er  hörte 
weiter  von  Thann's  Aufforderung,  sich  mit  den  Bundes- 
fürsten einzulassen,  und  vernahm,  dass  die  eilig  zusammen- 
berufenen Grafen  und  der  Standeausschuss  nach  einigem 
Widerstände  gerathen  hätten,  wiederum  an  den  Kurfürsten 
Moritz  und  an  den  König  von  Frankreich  zu  schicken 
und  zu  verhandeln.  Fügen  wir  hinzu:  während  darauf 
Minckwitz  nach  Innsbruck  zog,  reisten  von  der  Thann 
und  Burkhard  zum  zweiten  Male  nach  Süddeutschland, 
um  den  Kurfürsten  im  Feldlager  aufzusuchen.  Als  sie 
aber  von  seiner  Anwesenheit  in  Linz  erfuhren,  zogen  sie 
nach  der  Pfalz,  um  dann  jenseit  des  Rheines  den  König 
von  Frankreich  anzusprechen.  Ja  infolge  der  Meldung 
aus  Linz,  dass  dort  des  gefangenen  Vaters  mit  keinem 
Worte  gedacht  worden  sei,  trat  Johann  Friedrich  der 
Mittlere  die  Reise  zu  den  Bundesfürsten  in  eigner  Person 
an,  sah  sich  aber  schon  am  ersten  Tage  in  Ichtershausen 
genöthigt,  wieder  umzukehren.  Denn  sobald  der  Vater 
von  Minckwitz  die  eben  angedeuteten  Nachrichten  erhalten 
hatte,  sandte  er  unverzüglich  (am  18.  Mai)  Georg  von 
Amsdorf  mit  einem  Briefe  ab,  worin  er  ermahnte  und 
drohte,  sich  in  keinerlei  Weise  mit  den  Gegnern  zu  ver- 
ständigen, und  kündigte  seine  Befreiung  auf  das  Be- 
stimmteste an.  Er  hoffte  schon  auf  freiem  Fusse  zu  sein, 
wenn  sein  Brief  überreicht  werde.     Daraufhin  kehrte  Jo- 


120)  Siehe   Anmerkung   84    und    Loc.  9142,    Johann    Friedrichs 
Custodie  und  Erledigung  etc.  Bl.  152  tig. 


32  S.  Issleib: 

liann  Friedrich  nach  Weimar  zurück,  rief  Burkhard  und 
von  der  Thaun  lieini  und  beeilte  sich;  den  erzürnten  Vater 
zu  besänftigen-^-^). 

Während  dieser  Vorgänge  in  Innsbruck  und  Weimar 
langte  Kurfürst  Moritz  am  Ib.  Mai  in  Füssen  an,  um  die 
Alpenpässe  zu  verlegen  und  womöglich  den  Kaiser  ge- 
fangen zu  nehmen  ^-').  Da  der  Waffenstillstand  erst  in 
acht  Tagen  begann,  so  beeilte  er  sich,  diese  Frist  aus- 
zunutzen und  griff  sofort  das  kaiserliciie  Lager  bei  Reutte 
an.  Die  „Vorwacht  wurde  abgetrieben"  und  das  Kriegs- 
volk nach  zweimaligem  Widerstände  zum  Weichen  ge- 
bracht. Gegen  1000  Mann  wurden  erschossen,  erstochen 
und  gefangen  genommen;  die  anderen  zogen  sich  nach 
der  Ehrenberger  Klause  zurück^-';). 

Ein  Theil  der  kurfürstlichen  Truppen  umging  nun 
in  der  Nacht  auf  hohen  und  ungewöhnlichen  Wegen  und 
Stegen  die  Klause  und  stellte  sich  im  Rücken  auf.  Früh- 
morgens am  19.  Mai  rückten  die  Verbündeten  von  zwei 
Seiten  ge'gen  die  Feinde  vor.  Der  Pass  Avurde  erstürmt 
und  die  Klause  zerstört,  die  Schanzen  zerrissen  und  die 
drei  vorhandenen  Blockhäuser  verbrannt.  Das  Schloss 
Ehrenberg  musste  kapitulieren,  blieb  jedoch  als  Eigenthum 
König  Ferdinands  unbesetzt  und  unangetastet.  Von  den 
dreizehn  bekämpften  Fähnlein  ergaben  sich  neun,  die 
vier  anderen^  darunter  ein  italienisches,  entkamen.  Gegen 
30  Geschütze  und  andere  Beute  fiel  in  die  Hände  der 
Sieger.  Alle  Gefangenen  mussten  schwören ,  sich  in 
Innsbruck,  Scliwaz  und  Hall  bis  auf  weiteren  Bescheid  ein- 
zustellen; doch  sollten  sie  nach  altem  deutschen  Kriegs- 
gebrauche und  nicht  nach  der  eingerissenen  spanischen 
Kriegsart^-'')  behandelt  werden^-"'). 

In  den  fröhlichen  Berichten  des  Kurfürsten'-")  wurde 

^"')  Eberhard  von  der  Thann  reichte  darauf  eine  Verantwortung 
ein,  Loc  9142,  Johann  Friedrichs  Custodie  und  Erleditfung  etc.  lil.  130. 

^-2)  David  Schönherr,  Der  Einfall  des  Churfürsten  Moritz 
von  Sachsen  in  Tirol  1552  (1868). 

'-*)  Die  nächste  Umjjebung  der  Klause  war  längst  ausgekund- 
schaftet worden,  Loc.  9155,  Anschlag,  wie  die  Ehrenberger  Klause 
zu  erobern  sei,  vom  19.  Miirz  1552;  D ruffei  II,  No.  1422. 

^-^)  Die  spanische  Kriegsweise  auferlegte  den  Gefangenen  unter 
anderem,  zeitlebens  nicht  wieder  gegen  den  Sieger   zu   kämpfen. 

'-'")  Moritz'  Proklamation,  Loc.  9145  II,  Bl.  294,  338;  Druffel  II, 
No.  1427.    Hans  von  Diskau  verhandelte  mit  den  gefangenen  Knechten. 

^■-''')  Am  19.  Mai  sandte  der  Kurfüi'St  einen  ausführlichen  Be- 
richt an  den  Herzog  von  Preussen  und  ersuchte  ihn,  auf  den  Mark- 
grafen Hans,  welcher  mit  dem  Kaiser  verhandele,  nun  nicht  länger 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.    1552.  33 

die  Einnahme  der  Ehrenberger  Klause  als  eine  solch' 
herrliche  Viktoria  hingestellt,  bei  der  jedermann  gesehen, 
dass  Gott  geholfen  habe,  sonst  wäre  es  unmöglich  ge- 
wesen, in  solch'  grossem  Gebirge  und  solch'  befestigter 
Gegend  den  Feind  zu  schlagen  und  das  Volk  wie  die 
Gemsen  über  die  hohen  Steinklippen  in  die  Blockhäuser 
zu  jagen. 

Die  Einnahme  der  Klause  war  ohne  Zweifel  von 
hoher  Bedeutung;  bis  zur  Brennerstrasse  beherrschten 
jetzt  die  Bundesiürsten  Süddeutschland.  Durch  die  Er- 
stürmung der  Ehrenberger  Klause  ist  Moritz  von  Sachsen 
in  der  That  berühmt  geworden. 

Am  20.  Mai  beriethen  die  Fürsten,  ob  sie  „den  Fuchs 
in  seiner  Spelunke  suchen"  sollten.  Das  Kriegsgiück 
ermuthigte  zum  Aufbruche  nach  Innsbruck^'-").  Zuvor 
jedoch  wandte  sich  Kurfürst  Moritz  aus  dem  Feldlager 
bei  Reutte  (am  21.  Mai)  au  König  Ferdinand  ^■-^),  meldete 
die  Einnahme  der  Ehrenberger  Klause  und  erklärte,  nichts- 
destoweniger den  Passauer  Tag  besuchen  und  allen  mög- 
lichen Fleiss  anwenden  zu  wollen,  um  den  Kriegs-  und 
Reichsbeschwerden  abzuhelfend"-^).  Da  er  aber  nicht 
wisse,  ob  der  Kaiser  wegen  des  Vorfalles  an  der  Klause 
noch  gesonnen  sei,  den  Verhandlungstermin  und  den 
WafFeustillstaud  einzuhalten,  so  bitte  er  bis  zum  23.  Mai 
um  Verständigung  darüber  in  Innsbruck. 

Gedenken  wir  hier  kurz  des  Kaisers  und  seiner  Lage! 
Sobald  am  19.  Mai  nachmittags  3  Uhr^"'*^)  die  Erstürmung 
der  Ehrenberger  Klause  in  Innsbruck  gemeldet  Avorden 
war,  ging  er  mit  König  Ferdinand  zu  Rathe,  und  beide 
beschlossen,  angesichts  der  drohenden  Gefahr  nach  Bruneck 
abzureisen.  Von  da  wollte  dann  der  König  nach  Passau 
ziehen  und  mit  den  anwesenden  Fürsten  verhandeln,  selbst 
dann,  wenn  die  Verbündeten  ausbleiben   würden. 

In  jenen    unruhigen    Stunden  des   19.  Mai,    während 


zu  sehen,  sondern  sich  zu  dein  von  Gott  beschützten  Werke  zu 
thun.  Verspätung  sei  mehr  als  Übereilung  zu  scheuen.  Frankreich 
und  die  andern  Stände  blickten  eürig  auf  die,  welche  sich  am  Bunde 
betheiligen  wollten.  Der  Herzog  möire  Geld  erlegen  etc.,  Loc.  9145  I, 
Bl.  347,  357;  Drutfel  II,  No.  1424,^1476. 

^-')  Von  Meuterei  der  Knechte  erzählen  nur  Zeitungen! 

i"s)  Loc.  9145  II,  Bl.  288  flg. 

^-**)  Immer  suchte  der  Kurfürst  daran   festzuhalten, 
er  habe   sich   einstellen  müssen   und  werde 
nach  dem  Willen  anderer  zu  handeln. 

130)  D ruffei  II,  No.  1423. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VII.  1.  2. 


34  S.  Issleib: 

der  Vorbereitung  zur  Flucht,  schlug  auch  für  Joliann 
Friedrich  die  Befreiungsstunde '■'^').  Nachdem  sich  König 
Ferdinand  in  einem  kleinen  Lustschlosse  des  königlichen 
Gartens  mit  ihm  unterredet  hatte,  nahten  um  6  Uhr  nach- 
mittags Granvella  und  Heinrich  von  Plauen  nebst  zwei 
anderen  kaiserlichen  Räthen  und  verkündigten  ihm  das 
Ende  seiner  Gefangenschaft.  Durch  Handschlag  und 
fürstliche  Zusage  aber  musste  er  sich  verpflichten,  dem 
Hoflager  des  Kaisers,  so  lange  es  für  gut  angesehen  werde, 
ungezwungen  zu  folgen  ■*''-).  Abends  neun  Uhr  verliessen 
dann  der  Kaiser  und  König  Ferdinand  beim  Scheine 
brennender  Windlichter  Innsbruck,  zogen  eine  Zeit  lang 
südlich  auf  der  Brennerstrasse  dahin  und  bogen  darauf 
nach  Bruneck  ab.  Die  Flucht  von  Innsbruck  war  wohl 
Karls  V.  tiefste  Erniedrigung! 

Von    Bruneck    aus    entsandte   König    Ferdinand   am 

22.  Mai  an  den  Kurfürsten  Moritz  Dr.  Zasius  mit  einer  über- 
aus vorwurfsvollen  Instruktion  wegen  der  Kriegshandlung 
gegen  sein  Land  und  seine  Unterthanen  und  wegen  der 
Verfolgung  des  kaiserlichen  Bruders.  Und  als  das  von 
Reutte  am  21,  Mai  entsendete  kurfürstliche  Schreiben  am 

23.  anlangte,  da  wiederholte  er  in  seiner  eiligen  Er- 
widerung ^'^■')  die  Vorwürfe  und  betonte  vor  allem,  dass 
der  Kaiser  schon  lange  vor  Beginn  des  Krieges  mit  seinem 
Hoflager  in  Innsbruck  gewesen  sei,  und  dass  er  ihn  als 
Bruder  nicht  habe  vertreiben  können.  Derselbe  habe  aus 
freiem  Entschlüsse  die  Grafschaft  Tirol  verlassen^'"*),  und 
demnach  sei  das  Kriegsvolk  zurückzuführen.  Wegen 
Mangels  an  Proviant  warnte  er  vor  weiterem  Vorrücken 
und  erklärte  die  Person  des  Kaisers  für  unerreichbar. 
Indem  er  ausserdem  zu  bedenken  gab,  dass  eine  Ver- 
folgung des  Kaisers  bis  zum  Tage  des  \A'^afFenstillstandes 
die  gütliche  Handlung  eher  hindere  als  fördere,  zeigte  er 
seine  unmittelbar  bevorstehende  Reise  nach  Passau  an,  er- 
neuerte das  früher  zugeschickte  Geleit  und  versicherte,  dass 
der  Waffenstillstand  unverbrüchlich  gehalten  werden  solle. 

^")  Loc.  9142,  Johann  Friedrichs  Custodie  und  Erledigung  etc., 
Bl.  18.3  flg. 

^"-)  Melchior  von  Osse  berichtet  in  seinem  Handelbuch:  „Jo- 
hann Friedrich  ward  zu  Innsbruck  losgegeben  und  durch  König 
Ferdinand  selbst  losgezählt".  Man  brauchte  seine  bisherige  Wache 
zur  Deckung  der  Flucht. 

^33)  Loc.  9145,  II,  Bl.  288;  Langen  n  II,  .352. 

^^')  Bruneck  gehörte  dem  Kardinal  von  Trient,  Ranke  V,  177 
(4.  Auü.) 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  35 

Mittlerweile  rückte  der  Kurfürst  am  23.  Mai  in 
Innsbruck  ein.  Alles,  was  kaiserlicli  und  spanisch  war, 
gab  er  den  Söldnern  preis,  das  königliche  Schloss  da- 
gegen und  die  königlichen  Unterthanen  Hess  er  schonen. 
Dr.  Zasius  wurde  freundlich  aufgenommen  und  gnädig 
gehört  ^■").  Der  Kurfürst  bedauerte  die  Kriegshandlung 
bei  der  Ehrenberger  Klause  und  gab  vor,  dass  er  von 
der  Anwesenheit  königlicher  Truppen  nichts  gewusst  und 
nur  die  kaiserlichen  unter  Walter  von  Hirnheim  gesucht 
habe.  Zum  Vorrücken  nach  Innsbruck  sei  er  besonders 
durch  die  Franzosen  gezwungen  worden.  Der  Passauer 
Tag  sollte  besucht,  das  Kriegsvolk  zurückgeführt  und 
der  Waffenstillstand  innegehalten  werden  ^■^*^). 

In  diesen  Tagen  fasste  der  Kaiser  die  Verwendung 
Johann  Friedrichs  schärfer  in's  Auge.  Ein  „Bedenken^ 
vom  23.  Mai,  welches  der  Befreite  „dem  kaiserlichen 
Sekretär  Obernburger  in  die  Feder  diktierte",  gewährt 
einen  tiefen  Einblick  in  die  Verhandlungen^'^').  Der  Kaiser 
sollte,  sobald  in  Passau  nichts  ausgerichtet  werde,  die  in 
dem  Ausschreiben  erhobenen  Anklagen  der  Bundesfürsten 
durch  eine  Gegenschrift  widerlegen.  Ausserdem  sollte  er 
sofort  und  ohne  Einschränkung  die  evangelische  Lehre 
und  lutherische  Predigt  dulden  und  gestatten,  durch 
Wiedereinsetzung  des  Kurfürsten  Hermann  von  Köln, 
den  Vorwurf,  als  schwäche  und  kränke  er  die  deutsche 
Freiheit,  zurückweisen  und  alle,  welche  sich  der  Religion 
und  Rebellion  wegen  vergangen,  besonders  aber  Herzog 
Albrecht  von  Preussen  begnadigen;  denn  habe  dieser 
nichts  mehr  zu  befürchten  und  Averde  sein  Vertrag  mit 
Polen  anerkannt,  so  wende  er  sich  gewiss  mit  seinem 
künftigen  Schwiegersohn  Johann  Albrecht  von  Mecklen- 
burg von  den  Gegnern  auf  die  kaiserliche  Seite.  Vor 
der  Exekution  der  Acht  seien  der  König  von  Frankreich 
und  die  Bundesfürsten  jedoch    (laut    kaiserlicher  Kapitu- 

1^5)  Druff  el  II,  1438.  Auf  Anrathen  des  Statthalters  und  der 
„Regenten"  in  Innsbruck  \\rurden  „etliche  harte  Worte"  der  Instruk- 
tion beim  Vortrage  weggelassen. 

'■5")  Das  Kriegsvolk  verliess  Innsbruck  am  26.  Mai,  blieb  bis 
zum  31.  in  Füssen  und  zog  dann  langsam  den  Lech  entlang  nach 
Donauwörth  zu. 

"^j  Loc.  9142,  Johann  Friedrichs  Custodie  und  Erledigung  etc., 
Bl.  183,  291.  Der  Herzog  hatte  neun  Tage  vorher  (14.  Mai)  etliche 
Artikel  übergeben,  aber  bis  dahin  keinen  Bescheid  empfangen. 
Vergleiche  W  Wenck,  Churfürst  Moritz  und  die  Ernestiner  etc.  43; 
D  ruf  fei  II,  No.   1153,  54,  71,  87,  95  und  III,   No.  1436,  S.  437  flg. 


36  S.  Issleib: 

lation)  nur  mit  deutschen  Truppen  aus  dem  Felde  zu 
treiben.  Bewillige  der  Kaiser  100000  Kronen,  dann 
wolle  er  in  drei  Monaten  auf  zwei  Musterplätzen  möglichst 
viele  Reiter  und  drei  Regimenter  Knechte  (30000  Mann) 
zusaramenl)ringen,  Kundschafter  unterhalten,  und  unter 
den  feindlichen  Truppen  Meuterei  stiften.  Mit  der  obersten 
Kriegsleitung  wünschte  er  König  Ferdinand  oder  Maxi- 
milian betraut  zu  sehen.  Des  Landgrafen  Gefangenschaft 
sollte  niclit  weiter  verschärft  werden  und  seine  Befreiung 
am  Ende  des  Krieges  zur  gelegenen  Zeit  gegen  genügende 
Garantie  erfolgen.  Die  kursächsischen  Länder  sollten  nach 
ausgesprochener  Acht  nur  an  ihn,  seine  Söhne  und  seinen 
Bruder,  als  den  wahren  Agnaten,  vergehen  werden,  und 
nur  er,  niemand  anders,  sollte  mit  Herzog  Augustus  und 
seinen  Landständen  verhandeln  dürfen.  Sei  der  Kaiser 
mit  König  Ferdinand  geneigt,  gegen  Verpfändung  der 
ernestinischen  Länder  200000  Kronen  zu  leihen,  so  erbiete 
er  sich,  nach  Vertreibung  des  Kurfürsten  Moritz  vom 
Kriegsschauplatze  die  Acht  zu  vollziehen  und  des  Vetters 
Länder  auf  eigene  Kosten  einzunehmen  etc.  —  Welch' 
bedeutende  Forderungen  und  weitreichende  Anliegen! 

Als  in  den  letzten  Maitagen  der  Kaiser  von  Bruneck 
über  Lienz  nach  Villach  in  Kärnthen  zog,  begann  der 
Waffenstillstand,  und  der  Tag  von  Passau,  durch  welchen 
die  Stadt  in  diu  Reihe  der  im  Zeitalter  der  Reformation 
berühmt  gewordenen  Orte  trat,  nahte ^"^^j.  Ende  Mai  ver- 
sammelten sich  König  Ferdinand^"'*),  Kurfürst  Moritz  und 
Herzog  Georg  von  Mecklenburg,  Herzog  Albrecht  von 
Bayern,  der  Erzbischof  von  Salzburg  und  der  Bischof  von 
Eichstädt.  Ausserdem  fanden  sich  die  Räthe  des  Kaisers 
ein  und  die  Abgeordneten  der  Kurfürsten,  der  Herzöge 
von  Württemberg,  Jülich,  Braunschweig  und  Pommern, 
des  Markgrafen  Hans  von  Küstrin^^"),  des  Landgrafen 
Wilhelm  und  des  Bischofs  von  Würzburg.  König  Hein- 
rich IL  von  Frankreich   war   durch    Fresse,   Bischof  von 


"8)  Loc.  809:?,  Passauische  Handlung  1552;  Loc.  9145  III,  Bl.  30, 
Mordeisens  Registratur  über  die  Passauische  Handlung. 

^^")  König  Maximilian  blieb  in  Wien,  um  Massregeln  gegen 
die  Türken  zu  ergreifen;  Loc.  9146  IV,  Bl.  1  und  2;  Druffel  II, 
No.   1468,  1477,  1505. 

i'O)  Der  Markgraf  entschuldigte  sein  Wegbleiben  mit  Krankheit 
und  mit  dem  zugeschickten  ungenügenden  Geleit.  Die  ,, Versicher- 
ung" der  Bundesfürsten  aber  war  für  alle  gleich  ausgestellt. 
Loc.  7277,  Markgrafien  Johannsen  hendel  etc.,  Bl.  45;  LanzIII,  213. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552,  37 

Bayonne,  vertreten^^^).  Landgraf  Wilhelm  und  Johann 
Albrecht  von  Mecklenburg  blieben  beim  Heere ^*-),  Mark- 
graf Albrecht  suchte  Nürnberg,  Würzburg  und  Bamberg 
zu  harten  Verträgen  zu  zwingen. 

Die  beiden  Hauptpersonen  der  Passauer  Tage  waren 
König  Ferdinand  und  Kurfürst  Moritz.  Dieser  vertrat 
die  Bundesfürsten ;  ihm  gegenüber  standen  die  kaiserlichen 
Räthe  und,  wie  allgemein  angenommen  wurde,  auch  König 
Ferdinand  als  Vertreter  des  Kaisers.  Auf  den  Titel 
Unterhändler  und  Vermittler  ^^''j  macliten  die  versammelten 
Stände  Anspruch  und  verlangten  demgemäss  die  Fest- 
stellung der  Geschäftsordnung^^^). 

Die  Verhandlungen  begannen  am  1.  Juni  und  nahmen 
zunächst  drei  volle  Wochen  in  Anspruch  ^^^).  Als  Unter- 
lage diente  der  Verbündeten  Antwort  auf  die  zu  Linz 
übergebene  königliche  Resolution.  Darnach  sollte  des 
Landgrafen  Erledigung  am  Tage  der  Beurlaubung  des 
Kriegsvolkes  und  nicht  14  Tage  später  erfolgen.  Der 
Religion  halben  sollte  niemand  beschwert  und  für  Friede 
und  Recht  der  Reichstagsabschied  zu  Speier  1544  mass- 
gebend sein.     Nicht  auf  dem  Konzile  zu  Trient  oder  auf 


1^1)  Heinrich  II.  zeigte  sehr  wenig  Neigung  zum  Frieden.  Seine 
ziemlich  vorwurfsvolle  Antwort  vom  LS.  Mai  auf  Kurfürst  Moritz' 
Brief  vom  3.  Mai  (Anmerkung  109)  findet  sich  bei  Langenn  I,  5-2-4. 

"•-)  Mit  aller  Entschiedenheit  protestierte  Landgraf  Wilhelm 
von  vornherein  gegen  einen  Abschluss  ohne  Zustimmung  Heinrichs  II. 
und  gegen  die  Befreiung  des  Vaters  erst  nach  Beurlaubung  des  Kriegs- 
volkes. Hinsichtlich  Frankreichs  stimmten  ihm  Herzog  Johann 
Albrecht  von  Mecklenburg  und  Markgraf  Albrecht  zu.  Loc.  9U5  II, 
Bl.  .348,  in,  Bl.  6  (Instruktion  für  die  Räthe,  Innsbruck  am  25.  Mai). 
Druffel  II,  No.  1446.  Dagegen  ermahnte  Landgraf  Philipp  den 
Sohn,  den  Vertrag  mit  dem  Kaiser  anzunehmen  und  seine  Befreiung 
ohne  Frankreich  durchzusetzen,  Kurfürsten  Moritz  in  allen  Stücken 
zu  folgen  und  die  Trennung  von  Frankreich  durch  das  Versprechen, 
das  geliehene  Geld  zurückzahlen  zu  wollen,  zu  vollziehen,  Lanz  HI, 
197.  Diesen  Brief  (vom  23.  Mai)  sandte  Landgraf  Wilhelm  nicht 
an  Moritz  und  entschuldigte  sein  Verhalten  damit,  dass  die  harte 
Gefangenschaft  den  Vater  zu  einem  solchen  Schreiben,  durch  dessen 
Befolgung  sie  ehrlos  würden,  getrieben  habe;  Loc.  9146  IV,  Bl.  23; 
Druffel  II,  No.  1417. 

1*3)  Die  Ir.struktionen  der  württerabergischen  und  kurpfälzischen 
Gesandten  empfahlen,  sich  mit  Bayern,  Jülich,  Pommern  und  Branden- 
burg in's  Einvernehmen  zu  setzen  und  ein  möglichst  einheitliches 
Vorgehen  der  weltlichen  Fürsten  zu  betonen.  Druffel  11,  No.  1435/7. 

1^)  Die  Stände  setzten  durch,  dass  sie  abgesondert  berathen 
und  beschliessen  durften. 

1*5)  Als  Kurfürst  Moritz  auf  Antrag  König  Ferdinands  erschien, 
ging  ihm  derselbe  bis  in  das  Vorgemach  entgegen  und  führte  ihn 
ein  „mit  freundlichem  Reden  und  Lachen".  D  r  uff  e  1 III,  No.  1447,8.476. 


38  S.  Issleib: 

einem  Reiclistage,  wo  die  Stände  der  augshurgisclien  Kon- 
fession die  Minderzahl  bildeten,  sondern  auf  einer  all<;e- 
meinen  Nationalversammlung  sollten  die  religiösen  Irrungen 
verglichen  werden ;  falls  aber  keine  Einigung  erfolge, 
sollte  doch  jedermann  im  Frieden  leben  können.  Des 
Reiches  Libertät  sei  herzustellen  und  der  französische  Ora- 
tor  Fresse  um  des  allgemeinen  Friedens  willen  zu  hören. 
Der  Kaiser  möge  alle  Geächteten  begnadigen,  die  braun- 
schweigischen  Junker  restituieren  und  den  Kriegsver- 
wandten Amnestie  gewähren. 

Die  Ileichsbeschw erden  oder  gravamina  waren  in 
einem  besonderen  Schriftstücke  zusammengestellt,  dessen 
Einleitung  ebenso  wie  der  Inhalt  selbst  Beachtung  ver- 
dient. Da  hiess  es :  „Das  heilige  römische  Reich  deutscher 
Nation  ist  ein  freies  Reich  und  keiner  anderen  Nation 
unterworfen.  Es  hat  durch  Wahl  der  Kurfürsten  und 
Fürsten  mit  der  ganzen  Christenheit  ein  weltliches  Haupt 
zum  Kaiser,  der  in  Reichssachen  nach  der  goldenen  Bulle 
und  nach  dem  löblichen  Herkommen  mit  Willen,  Wissen 
und  Rath  der  Stände  und  besonders  der  Kurfürsten  re- 
gieren soll".  Auch  Karl  V.,  hiess  es  weiter,  habe  sich 
zur  Zeit  der  Walil  verpflichtet,  das  Reich  und  seine 
Glieder  bei  diesen  und  anderen  Freiheiten,  Hoheiten, 
Würden  und  Gerechtigkeiten  und  die  Kurfürsten  bei 
ihrer  Präeminenz  und  Wahlfreiheit  bleiben  zu  lassen. 
Seit  etlichen  Jahren  aber  werde  die  Freiheit  beeinträch- 
tigt. Ausdrücklich  sei  der  Kaiser  verpflichtet,  alle  kaiser- 
lichen, köniolichen  und  Reichsämter  mit  o-eborenen  Deut- 
sehen  zu  besetzen;  allein  Fremdlinge  hätten  die  Regierung 
aller  Reichssachen,  sowie  die  Verwaltung  der  Kanzlei 
und  der  Reichssiegel,  die  doch  von  alters  her  den  drei 
geistlichen  Kurfürsten  gebühre,  an  sich  gebracht.  Nach 
der  goldenen  Bulle  solle  in  wichtigen  Dingen  nichts  ohne 
die  Kurfürsten  gehandelt  werden ;  allein  der  Kurfürsten- 
rath  sei  missachtet  und  hintangesetzt  worden.  Man  gehe 
damit  um,  die  Wahlfreiheit  der  Kurfürsten  einzuschränken 
und  eine  Erbmonarchie  aufzurichten.  Auf  den  Reichs- 
tagen werde  die  Autorität  des  Kurfürstenrathes  verletzt 
und  die  freie  Abstimmimg  der  Stände  beeinträchtigt;  man 
errege  unter  den  Ständen  Widerwillen  und  benachtheilige 
sie;  ja  die  Kurfürsten  müssten  Versaminluugstage  zur 
Erörterung  der  Reichsbeschwerden  scheuen.  Die  kaiser- 
lichen Hofbeamten  erlaubten  sich  Eingriffe  in  die  Erz- 
und    Unterämter,    in    die    kurfürstlichen    und    fürstlichen 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V,     1552.  39 

Gefälle  etc.  Durcli  Annalnne  von  Appellationen  schmälere 
das  Reicliskannnergericht  die  Präerainenz  und  Freiheiten 
der  Kurfürsten  und  Fürsten.  All<2;emein  herrsche  die 
Klage,  dass  viele  Reichsstände  in  ihren  Obliegenheiten 
wenig  Schutz  fänden.  Oft  sei  beim  Kaiser  und  den 
kaiserlichen  Käthen  kaum  Audienz  für  die  deutschen 
Angelegenheiten  zu  erhalten.  Langsam  erfolge  jeder 
Bescheid  und  wegen  Unkenntnis  der  deutschen  Sprache 
auch  ungründlich ;  schwierig  und  nur  mit  grossen  Kosten 
seien  Erlasse  aus  der  Reichskanzlei  zu  haben.  Allen 
Deutschen  sei  der  Kriegsdienst  ausserhalb  des  Reiches 
gegen  das  alte  Herkommen  verboten;  aber  der  Kaiser 
habe  ohne  Bewilligung  der  Reichsstände  fremdes  Kriegs- 
volk in  das  Reich  geführt  und  daselbst  im  Frieden  unter- 
halten. Die  neue  Kammergerichtsordnung  sei  beschwer- 
lich und  bedürfe  der  Revision  etc.  etc. 

Da  die  Passauer  Stände  die  im  Reiche  herrschenden 
Übelstände  kannten  und  selbst  empfunden  hatten,  so 
wurde  die  kurfürstliche  Beschwerdeführung  allerseits  bei- 
fällig aufgenommen.  Ehe  man  sich  aber  in  die  über- 
gebenen  kurfürstlichen  Schriften  vertiefte  und  sie  mit  der 
von  Seid  überbrachten  kaiserlichen  Erklärung  verglich, 
wurde  erörtert,  ob  der  französische  Orator  zu  hören  sei 
oder  nicht ^^*').  Kurfürst  Moritz  trat  für  die  Audienz  ein, 
König  Ferdinand  dagegen  lehnte  sie  im  Sinne  des  Kaisers 
dreimal  ab,  da  Fresse  nicht  nach  Passau  eingeladen  sei 
und  mit  ihren  Verhandlungen  nichts  zu  thun  habe;  zuletzt 
stellte  er  den  Ständen  anheira,  ihn  zu  hören  oder  zurück- 
zuweisen. Nach  erfolgter  Erwägung,  dass  die  erbetene 
Audienz  dem  Völkerrechte  zufolge  nicht  leicht  abzuschlagen 
sei,  und  dass  die  Ablehnung  derselben  den  französischen 
König  hart  verletzen,  dem  Reiche  schaden  und  die  Frie- 
densverhandlungen stören  könne,  bewilligten  die  Stände 
Gehör,  legten  aber  die  zugestellte  Werbung  des  Orators 
dem  Könige  mit  der  Erklärung  vor,  ohne  ihn  keine  Ant- 
wort ertheilen  zu  wollen.  Darin  waren  doch  alle  einig, 
den  französischen  Einfluss  möglichst  fernzuhalten.  Nur 
zu  bald  fühlte  Fresse  seine  völlige  Zurücksetzung;  für 
seine  Sicherheit  fürchtend ^^^),  entwich  er  (am  9.  Juni) 
in    das  Kriegslager    der  Bundesfürsten,    ungeachtet   der 


1*6)  D  ruf  fei  II,  No.  1489;  Lanz  III,  223. 
1-1')  Vielleicht  erfuhr  er,  dass  der  Kaiser  den  Befehl   gegeben 
hatte,  ihn  -womöglich  festzunehmen.     Lanz  III,  237. 


40  S.  Issleib: 

kurfürstliclien  Vertröstung,  cla8S  man  ihm  nach  Erledigung 
der  beschwerhchsten  Artikel  gewiss  eine  zufriedenstellende 
Antwort  geben  werde. 

Am  Pfingstfeste  den  5.  Juni  früh  5  Uhr  begann  die 
Borathung    über    die    Befreiung    des    Landgrafen.      Die 
Stände    stimmten    dem    kurfürstlichen  Antrage    zu,    dass 
der  Landgraf  am  Tage  der  Beurlaubung  des  Kricgsvolkes 
befreit  werden   solle;   denn   seine  Gefangenschaft  sei   der 
Hauptgrund  des  Krieges  und    seine  Befreiung  werde  den 
Frieden     im    Reiche    zweifellos    zur    Folge    haben.     Von 
lästiger   Verpflichtung    frei,    würden    die  Kurfürsten    von 
Sachsen   und   Brandenburg    um    so   williger    dem   Kaiser 
und   dem    lleiche    dienen  etc.     Indessen    die    kaiserlichen 
Räthe  hielten  daran  fest,  dass  der  Landgraf  erst  14  Tage 
nach  der  Beurlaubung    des  Kriegsvolkes   erledigt  werden 
solle;  sie  bewilligten  auch  nicht,   dass  derselbe  am  Tage 
der  Entlassung  des  Kriegsvolkes  in    die  Hand   des  Kur- 
fürsten  von  Köln   oder  des  Herzogs  von  Jülich   gestellt 
und   14  Tage  später,  wenn  alle  hessischen  Angelegenheiten 
geordnet   worden    seien,    freigegebc>n  werde.     Darauf  bot 
König  Ferdinand    dem   Kurfürsten    von  Sachsen  Asseku- 
ration  für  die  Befreiung  des  Landgrafen  an,  zunächst  in 
seinem,    seiner  Söhne    und    aller    nach  Passau    geladenen 
Fürsten    Namen "^)    und    dann,    als    die    Gesandten    sich 
ohne    besondere   Vollmachten  nicht   einlassen   wollten,    in 
seinem  und  seiner  Söhne  Namen.     Vergebens!     Kurfürst 
Moritz  glaubte  den  kaiserlichen  Räthen  nicht  weichen  zu 
dürfen.     Eine  Privatverhandlung  zwischen  ihm,  Albrecht 
von  Bayern   und   dem  Bischöfe  von  Passau    führte    nach 
langer  Hin-  und  Herberathung  dahin,    dass  der  Kurfürst 
seine  Mitverwandten  zur  Bewilligung  eines  weiteren  drei- 
wöchentlichen Anstandes  vom  12.  Juni  an  bewegen  wollte; 
nach  Abhandlung  aller  Punkte  sollte  dann  die  Beurlaubung 
des  Kriegsvolkes  und  die  Befreiung  des  Landgrafen  gleich- 
zeitig am    3.  Juli   stattfinden.     Darauf   baten    die   beiden 
Vermittler  König  Ferdinand,  zuzustinmien  und  des  Kriegs- 
volkes wegen  kein  Misstrauen  zu  hegen,  besonders  wenn 
er  mit  dem  Kurfürsten  über  einen  Türkenzug  verhandelet^''). 

"ä)  Herzog  Albrecht  von  Bayern  und  der  Bischof  von  Passau 
stimmten  zu. 

119)  Ferdinand  wollte  durchaus  verhindert  wissen,  dass  das 
Kriegsvolk  Heinrich  II.  zuziehe.  Dringend  forderte  er  auch  Auf- 
hebung des  mit  Frankreicli  geschlossenen  Bündnisses.  Kurfürst 
Moritz  erbot  sich,  darüber  eine  dem  Hauptvertrage  zugefügte  Bei- 
obligation zu  geben. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  41 

Tnzwisclien  aber  hatte  sich  König  Ferdinand  den  kaiser- 
lichen Käthen  genähert  und  hielt  mit  ihnen  an  den  14  Tagen 
hinsichtlich  der  landgräflichen  Befreiung  fest.  Des  Kaisers 
Wunsch  und  Wille  sei,  gab  er  an,  dass  es  mit  dem  Kriegs- 
volke nicht  vrieder  wie  vor  JMagdeburg  gehe.  Um  jedoch 
die  Verhandlungen  nicht  nutzlos  zu  verschleppen  oder  zu 
stören,  schlug  er  am  7.  Juni  vor,  den  unerledigten  Punkt 
einstweilen  zu  verlassen,  über  die  anderen  Artikel  schlüssig 
zu  werden  und  dann  alle  Vereinbarungen  dem  Kaiser 
zu  übersenden  und  dessen  letzte  Erklärung  einzuholen. 

Da  dieser  Vorschlag  keinen  erheblichen  Widerspruch 
fand  und  Kurfürst  Moritz  eine  siebentägige  Verlängerung 
des  ablaufenden  Waffenstillstandes  bewilligte,  so  wurden 
die  Verhandlungen  über  die  weiteren  Vertragsartikel 
vorgenommen. 

Hinsichtlich  der  Punkte  Religion,  Friede  und  Recht 
kam  es  zu  den  wiclitigen  Beschlüssen,  die  darauf  hinaus- 
liefen, dass  zwischen  dem  Kaiser,  dem  römischen  Könige 
und  allen  Ständen  der  deutschen  Nation  —  katholischen 
und  evangelischen  —  beständiger  Friede  herrschen  und 
gleiches  Recht  für  alle  gehandhabt  werden  solle.  Der 
Religion  wegen  sollten  alle  Reichsstände  auf  einem  Reichs- 
tage berathen,  ob  ein  General-  oder  Nationalkonzil,  eine 
allgemeine  Reichsversammlung  oder  ein  Colloquium  im 
Stande  sein  möge,  den  bestehenden  Zwiespalt  zu  schlichten. 
Der  Friede  aber  sollte  auch  dann  Bestand  haben,  falls 
keine  religiöse  Einigkeit  erzielt  werde. 

Weiter  einigte  man  sich,  die  Reichsbeschwerden  auf 
den  nächsten  Reichstag  zu  verschieben.  Dem  französischen 
Gesandten  sollte  eine  Antwort  nachgeschickt  av erden,  welche 
keine  Störung  der  Verhandlungen  verursache ;  aber  über 
die  Privatforderungen  König  Heinrichs  H.  sollte  Kurfürst 
Moritz  des  Kaisers  Resolution  einholen.  Im  Namen  des 
Kaisers  gestand  König  Ferdinand  Aussöhnung,  Restituier- 
ung und  Begnadigung  der  Geächteten^"'"),  Vertriebenen ^■^^) 
und  am  Kriege  Betheiligten  zu.  Kommissare  sollten  zwi- 
schen Herzog  Heinrich  und  den  braunschweigischen  Jun- 
kern verhandeln. 


150)  ^^tij.  nennen  Heideck,  Reifenberg,  Schärtlin,  Reckerod, 
Graf  Christof  von  Oldenburg,  Graf  Albrecht  von  Mansfeld  und  Söhne. 

"1)  Pfalzgraf  Ottheinrlch,  Fürst  Wolf  von  Anhalt,  die  braun- 
schweigischen Junker  etc.  Die  württembergische  Angelegenheit 
wurde   zurückgewiesen,    da  König   Ferdinand   mit   Herzog    Christof 


bereits  in  Unterhandlung  stand. 


42  S.  Issleib: 

Oboleicli  Kurfürst  Moritz  bereits  am  14.  Juni  in  das 
Feldlager  zurückkehren  wollte,  blieb  er  doch  schliesslich, 
bis  man  alle  Artikel  behandelt  und  in  einer  Scln-ift  an 
den  Kaiser  zusammengestellt  hatte ■■''*-').  Am  22.  Juni  bat 
ihn  König  Ferdinand  in  Gegenwart  des  Herzogs  von 
Bayern,  den  Abmachungen  für  sich  und  seine  Bundes- 
genossen endgiltig  zuzustimmen;  allein  er  erkhärte,  seine 
Mitverwandten  ebenso  wie  der  König  den  Kaiser  noch- 
mals hören  zu  müssen.  Darauf  ersuchte  ihn  Ferdinand 
inständig,  nach  der  Rückkehr  aus  dem  Lager  keine  neuen 
Artikel  vorzubringen  und  die  Antwort  der  Verbündeten 
vor  der  Mittheilung  der  kaiserlichen  Resolution  vorzu- 
legen ■'■'''').  Auf  dringend  anhaltendes  Verlangen  bewilligte 
der  Kurfürst  Waffenstillstand  bis  zum  3.  Juli,  ja  er  ge- 
stand zuletzt  Verlängerung  desselben  bis  zum  18.  Juli  zu, 
vorausgesetzt,  dass  der  Kaiser  den  Waifenstillstand  halte, 
die  Friedensverhandlungen  fortgesetzt  und  der  Landgraf 
am  genannten  18.  Juli  zu  Rheinfels  auf  freien  Fuss  gesetzt 
werde.  Mit  dem  Versprechen,  in  zehn  Tagen  wieder  ein- 
zutreffen, verliess  er  am  24.  Juni  Passau. 

Wie  oft  hatte  der  Handel  geschwankt  und  wie  oft 
waren  die  Dinge  „wunderlich  duicheinander  gelaufen ^■'^). 
Die  Privatsachen  hatten  zuweilen  weit  mehr  als  die  allge- 
meinen eine  Verständigung  erschwert.  Nun  war  man  doch 
vorläufig  soweit  gekommen,  dass  die  Vertragsartikel  an  den 
kaiserlichen  Hof  und  in  das  Kriegslager  wanderten,  um 
angenommen  oder  verworfen  zu  werden  ^■^■'').     König  Fer- 


^^-)  Allerseits  gebeten,  ersuchte  er  den  Markgrafen  Albreclit,  von 
seiner  Feindseligkeit  gegen  Nürnberg,  Würzl.urg  und  Bamberg  ab- 
zulassen und  den  Frieden  befördern  zu  helfen.  Vertraulich  rieth 
er,  den  Bogen  nicht  allzuhoch  gegen  Nürnberg  zu  spannen  und  mit 
lüOOOO  Gulden  zufrieden  zu  sein.  Loc.  üi^a  IV,  Bl,  137  tlg.;  Druf- 
fel  II,  No.   1510,  15?i9;  IIF,  No.  IUI,  S.  477  unten. 

^''2)  Druffel  II,  No.  15(!3.  Kurfürst  Moritz  wünschte  am 
18.  Juni,  dass  man  den  Vertrag  dem  Kaiser  einfach  zur  Katitikation 
und  Siegelung  übersende,  oder  die  ganze  Handlung  solle  hinfällig 
sein.  Er  selbst  wollte  mit  einer  Kopie  des  Vertrages  in's  Lager 
reiten,  die  kaiserliche  Eiklärung  erwarten  und  dann  günstigenfalls 
mit  seinen  Verbündeten  den  Vertrag  ohne  fernere  Disputation  und 
Grübelei  annehmen  etc. 

i5i)  Loc.  8093,  Passauische  Handlung  1652,  Bl.  4  und  8502, 
Handschreiben  des  Churfürsten  Moritz  an  Augustus,  Bl,  161.  Am 
13.  Juni  schrieb  der  Kurfürst  dem  Bruder:  „I>ie  Vertragshandlung 
stehet  noch  allhie  auf  der  Wage,  kann  sobald  zurückgehen  als  vor 
sich".     Druffel  II,  No.  I.'i24,  1545. 

155)  Am  23.  Juni  schickte  Moritz  dem  Bruder  einen  Auszug 
der  l'assauer  Vereinbarunger  mit  der  Bitte,  denselben,  da  die  Sachen 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  Y.    1552.  43 

dinand  und  die  kaiserlichen  Rätlie  verliehlten  sich  keinen 
Augenblick  die  Schwierigkeiten,  auf  welche  die  Passauer 
Beschlüsse  beim  Kaiser  und  Granvella  stossen  würden, 
und  Kurfürst  Moritz  war  auf  einen  schweren  Kampf  im 
Lager  gefasst.  Ein  gereizter  Briefwechsel  hatte  sich 
zwischen  ihm  und  seinem  Schwager  entsponnen,  dessen 
Avir  kurz  gedenken  müssen  ■^*'"). 

Gleich  am  Anfange  der  Verhandlungen  theilte  Land- 
graf \A'ilhelm  im  höchsten  Vertrauen  mit^'"''),  dass  er  von 
vielen  Personen  hohen  und  niederen  Standes  erfahren 
habe,  der  Tag  von  Passau  sei  „auf  nichts  anders  denn 
auf  Betrug  angesetzt",  damit  der  Feind  inzwischen  rüsten, 
sie  entzweien  und  schwächen  könne.  Auch  erzälile  man 
viel  von  einem  pfäffischen  Anschlag  ^"^^),  Der  Kurfürst 
solle  nicht  zu  viel  trauen  und  dem  Doktor  Kramtsvogel 
(Kram),  Carlowitz^'^^)  und  anderen  nicht  soviel  glauben. 
Hinter  allen  Vorschlägen  stecke  Falschheit. 

Als  darauf  Kurfürst  Moritz  nach  Zurückweisung  der 
Warnungen  und  Verdächtigungen^*'*')  über  die  gepflogenen 
Verhandlungen,  über  die  vom  Könige  Ferdinand  gefor- 
derte Trennung  von  Frankreich ^*^^)  und  über  die  ge- 
wünschte Beurlaubung  des  Kriegsvolkes  zu  Gunsten  des 
Türkenkrieges  berichtete,  da  erinnerte  Landgraf  Wilhelm 
vorwurfsvoll  und  leidenschaftlich^*^')  an  die  durch  Hand- 
schlag bekräftigte  Verpflichtung  gegen  Heinrich  IL  und 
forderte,  als  Biedermann  zu  handeln  und  nicht  siegellos, 
treulos  und  meineidig  zu  werden.  Eher  wünsche  er,  der 
Erdboden  gehe  unter,  als  dass  sie  beide  solche  Schande 
auf  sich  laden  sollten.     Er  (Moritz)  möge    sich   der   ehr- 

noch  auf  der  Wage  stünden,  für  sich  zu  behalten  und  nicht  weit 
aus  der  Hand  zu  geben,  den  Leuten  den  Teufel  schwarz  genug  vor- 
zubilden und  das  Kriegsvolk  bis  zur  Ratifikation  zusammenzuhalten. 
Loc.  8502,  Handschreiben  an  Augustus  und  Loc.  9146  IV,  Bl.  227; 
Druffel  II,  No.  1582. 

i^'^)  In  den  Briefen  des  Landgrafen  kommen  Ausdrücke  und 
Redewendungen  vor,  die  den  höchsten  Grad  des  Unanständigen 
erreichen. 

1")  Briefe  von  Landsberg  am  Lech  und  von  Egweil  (2. — 10.  Juni) 
Loc.  9146  IV,  Bl.  54,  134;  Druffel  II,  No.   1490,  1501,  1520. 

158)  Dagegen  erhielt  Granvella  Nachricht,  der  Kurfürst  habe 
600  Reiter  in  der  Nähe  von  Passau  zu  einem  Anschlage  gegen  den 
König  und  die  Stände  verborgen. 

159)  Beide  galten  für  gut  kaiserlich. 

160)  Am  10.  Juni  schrieb  er:  auf  Treue  und  Glauben  sei  er 
in  Passau  und  habe  noch  keine  Untreue  gemerkt. 

löi)  Siehe  Anmerkung  119. 

"2)  Loc.  9146  IV,  Bl.  171,  188,  214;  Druffel  II,  No.  1551,  1565. 


44  S-  Issleib: 

losen  Handlung  in  Passau  entsclilagen  und  zum  Kriegs- 
volke  kommen.  Emsig  rüste  der  Feind  allerorten.  In 
Summa:  die  Handlung  zu  Passau  sei  nichts  als  Betrug, 
um  sie  von  Frankreich  zu  trennen,  untereinander  zu  ent- 
zweien und  dann  desto  besser  aufzufressen.  Moritz  solle 
zurückkelircn;  dem  Feinde  rechtschaffen  ins  Herz  ziehen 
und  mit  Ernst  angreifen.  Er  selbst  sei  nicht  gesonnen, 
sich  im  Rücken  Frankreichs  zu  vertragen ;  zur  langen 
Verhandlung  werde  auch  der  König  kein  Geld  geben. 
Der  Kurfürst  werde  sehen,  was  geschehe,  wenn  man  das 
Kriegsvolk  vor  Abschluss  des  Vertrages  laufen  lasse. 
Habe  man  dem  Gegner  den  Pelz  einmal  recht  ausge- 
klopft, dann  werde  er  alles  wohlfeiler  geben  etc. 

Weiter  theilte  der  Landgraf  am  19.  Juni  ^'"'■")  neben 
Johann  Albrecht  von  Mecklenburg,  Pfalzgraf  Otthein- 
rich und  den  Franzosen  mit,  sie  seien  aus  hohen  Ursachen 
in  das  Bisthum  Eichstädt  gezogen ^''^)  und  gedächten  nach 
fünf  Tagen  dem  gemeinen  Werke  zum  Besten  zu  han- 
deln, es  treffe  gleich  Bayern,  Württemberg,  Mainz,  den 
römischen  König  u.  a.  Auch  die  Treue  des  Kriegsvolkes 
solle  erprobt  werden,  um  zu  ermitteln,  wer  für  oder  gegen 
sie  sei.  Da  der  Kurfürst  sich  durch  gefährliche  Handlung 
hinhalten  lasse,  so  müssten  sie  ihre  Ehre  und  Nothdurft 
bedenken. 

In  geharnischten  Erwiderungsschreiben  •^^■''*)  erinnerte 
der  Kurfürst  an  seinen  treuen  und  äussersten  Fleiss  und 
betonte  warnend,  dass  sie  den  Kaiser  doch  noch  nicht 
im  Eisen  hätten  und  von  ihm  erzwingen  könnten,  was 
sie  wollten.  Als  nächster  Blutsverwandter  habe  er  sich 
keineswegs  solcher  anzügigen  und  ehrenrührigen  Schriften 
imd  solcher  spitzigen  und  scliimpflichen  Stichworte  ver- 
sehen; zu  solchen  Ermahnungen  sei  der  Landgraf  zu 
jung  und  unerfahren  etc.  Was  er  des  Vaters  Erledigung 
halben  gehandelt,  das  habe  er  treuherzig  in  guter  Meinung 
imd  pflichtschuldig  gethan.  Wolle  aber  der  Schwager 
die  Befreiung  hindern,  so  müsse  er  solches  dahinstellen. 
Was  er  sonst  gethan,  das  sei  allein  zur  Erhaltung  der 
wahren  christlichen  evangelischen  Lehre  und  der  alther- 
gebrachten, löblichen  deutschen  Freiheit,  zur  Aufrichtung 


103)  Loc.  9146  IV,  Bl.  232;  D ruffei  II,  No.  1567. 

i<")  Der  Bischof  war  in  Passaii,  sein  Gebiet  durfte  also  nicht 
bötrötGi)  wcrclGii« 

lö'^)  Loc.  9146  IV,  190,  234,  241',  Druffel  II,  No.  1557  (vergl. 
1562),  1578,  1588. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  45 

eines  beständigen  Friedens  und  zur  Ausrottun^^  allen  Miss- 
trauens,  in  Summa:   zur  Beförderung   der  Wohlfahrt  des 
geliebten  Vaterlandes  deutscher  Nation  geschehen.    Könne 
der  Landgraf  auch  das  nicht  leiden,  dann  möge    er  hin- 
fahren und  den  Leuten  folgen,  die  schon  vorher  fast  zum 
Verderben  gerathen  hätten.     Werde    es  gut,    so   wolle   er 
sehen;  fahre  man  aber  den  Karren  in  den  Dreck,  so  dürfe 
man   ihn   nicht    anklagen  etc.     Die  Führung    des  Kriegs- 
volkes habe  er  nicht  übernommen,  um  sein  eigenes  Vater- 
land zu  verheeren   und   zu   verderben.     Frankreich   habe 
die  Verpflichtung,  am  24.  Mai  das  Geld  für  drei  folgende 
Monate  zu  erlegen,  das  sei  nicht  geschehen.     Bis  zur  Stunde 
wisse  er  nicht,  wo  Stumpf  und  Stiel  sei.     Unschwer  werde 
erkannt,  wie  man  den  Vertrag   zu   lialten    gedenke;   man 
wolle  nur  sehen,  wie  sich  die  Dinge  anliessen.     Er  fordere 
Bezahlung    und    wolle    wissen,    wie    man    zu  Frankreich 
stehe,  es  werfe  darüber  den  Rüssel  auf,  wer  wolle.     Feld- 
herr des  Kriegsvolkes  sei  er  und   niemand   anders.     Der 
französische  Orator  möge   mit  solchem  Ernst  und  Fleiss, 
wie  er  sich   fremder    Händel   unterziehe,    die   rechtzeitige 
Bezahlung  befördern.     Er  erwarte,  dass  die  Obristen  und 
das    Kriegsvolk    den    geleisteten    Eid    ehrlich    und    nach 
deutschem  Brauche    halten    würden.     Auch    die    Fürsten 
möchten  sich  nicht  unterstehen,   gegen  ihn    etwas  Feind- 
liches   vorzunehmen.      Geschehe    etwas    Ungereimtes,    so 
werde  er  seine  Nothdurft  bedenken  etc.     Hierauf  erklärte 
Landgraf  Wilhelm,   er   habe    keine    besondere  Lust   zum 
Kriege    und   wolle    sich  nicht   verhetzen    lassen,    sondern 
gebührlich  erzeigen. 

Der  Briefwechsel  beider  dauerte  bis  zur  Ankunft  des 
Kurfürsten  im  Feldlager  (am  26.  Juni)^*'*'').  Sobald  dann 
der  Landgraf  die  Passauer  Beschlüsse  kennen  lernte, 
m'ässigte  er  seine  Leidenschaft.  Nur  war  ihm  unklar, 
wie  die  Bewilligung  des  französischen  Königs  und  die  Rück- 
kehr des  Bruders  aus  Frankreich  erlangt  werden  könne. 
Daher  legte  der  Kurfürst  dem  Orator  Fresse  an's  Herz, 
die  Sache  dahin  zu  richten,  dass  zwischen  dem  König 
und  ihm  die  angeknüpfte  Freundschaft  erhalten  bleibe. 
Glimpflich  wollte  er  sich  mit  Heinrich  H.  auseinander- 
setzen;   aber  niemand  sollte  ihm  nachsagen  können,  „der 


"6)  Selbst  Moritz'  Gattin  Agnes  ermahnte  den  Bruder  zum 
Frieden  am  .3.  Juli  aus  Dresden,  Loc.  8498,  Moritz'  Handschreiben 
an  seine  Gemahlin  1547—53,  Bl.  28. 


46  S.  Issleib: 

Franzosen  wegen  habe  er  sein  Vaterland  zu  Grunde  ge- 
richtet und  mit  den  Türken  stehe  er  im  Einverständnisse"^*^'). 

Berücksichtigen  wir  hier  folgendes.  Seit  der  Flucht 
von  Innsbruck  nach  Villach  betrieb  Karl  V.  mit  zäher 
Energie  allerorten  Rüstungen.  Kaiserliche  Befehle  ^"*^) 
bevollmächtigten  Konrad  von  Hanstein,  Philipp  von  P^ber- 
stein  u.  a.,  Kriegsvolk  zu  werben  und  allen  gehorsamen 
Reichsständen  gegen  die  französischen  Konspirationsver- 
waudten  Beistand  zu  leisten.  Ein  hoher  Erlass^**")  gebot 
ausserdem  allen  Unterthanen  des  Reiches,  die  kaiserlichen 
Obristen  auf  alle  Weise  zu  unterstützen.  Kraft  kaiser- 
licher Machtvollkommenheit  wurden  alle  von  den  Bundes- 
fürsten und  ihrem  Anhange  aufgedrungenen  Obligationen 
für  hinfällig,  null  und  nichtig  erklärt.  Man  bemühte  sich, 
die  Städte  Strassburg,  Ulm^'*'),  Regensburg,  Nürnberg, 
Würzburg,  Frankfurt  etc.  in  der  Treue  zum  Kaiser  zu 
erhalten  und  Augsburg  wieder  zu  gewinnen.  Die  See- 
städte, Herzog  Heinrich  von  Braunschweig,  Markgraf 
Hans  von  Küstrin  wurden  eifrig  umworben  und  die 
Stände  in  Passau  vertraulich  angegangen^''). 

Überdies  war  neben  dem  Kaiser  Herzog  Johann 
Friedrich  seit  dem  27.  Mai  in  Plänen  gegen  den  Vetter 
unermüdlich  thätig^'").  Indem  er  aller  Welt  seine  Be- 
freiung anzeigte,  bat  er  jedermann  um  Geld  und  Hilfe. 
Strassburg,  Ulm,  Augsburg,  Nürnberg  etc.  wurden  zur  Er- 
legung der  80,0ÜÜ  Gulden,  welche  die  oberländischen  Städte 
1546  im  Feldlager  zu  Giengen  zur  Wiedereroberung  der 
von  Moritz  besetzten  Kurlande  bewilligt  hatten,  ersucht. 
Erasmus  von  Minckwitz  eilte  nach  Venedig,  um  etliche 
Tausend  Dukaten  aufzutreiben^"'^).     An  Herzog  Albrecht 

^*'")  Über  Dr.  Zasius'  Anwesenheit  und  Ausspäherei  im  Lager 
siehe  Druffel  II,  No.  1618  flg. 

1«^)  Druffel  II,  No.  1531. 

10»)  Ebenda  No.  1499. 

!"•>)  Loc.  914ß  IV,  131.  282;  Druffel  II,  No.  1624. 

1"')  Druffel  II,  No.  1.378  (vergl.  1691),   147G  flg. 

1"-)  Loc.  9142,  Johann  Friedrich's  Custodio  und  Erledigung  etc., 
.  Bl.  196  flg.;  Druffel  II,  No.  1453  flg. 

!"■')  In  Venedig  war  kein  Geld  aufzubringen.  Man  sah  gern, 
wenn  der  Kaiser  etwas  geschwiiclit  wurde,  und  die  „Kaufleute  im 
deutschen  Hause"  neigten  zu  Moi-itz  Minckwitz  beklagte,  dass  der 
Kurfürst  überall  seine  „Verräther"  habe.  —  Hier  sei  bemerkt,  dass 
es  nicht  lohnt,  auf  den  Briefwechsel  des  Kurfürsten  mit 
Herkules  von  Ferrara  einzugehen.  Diese  italienische  Freund- 
schaft hat  die  deutschen  Verhältnisse  nicht  beeinflusst,  Loc.  8499, 
Ferrair,  Herzog  Herkules  von  Ferrair  Schreiben  an  Moritz  1548 — 53. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.    1552.  47 

von  Bayern,  Christof  von  Württemberg,  Markgraf  Hans  etc. 
ergingen  Hilfsgesuche^'^).  In  Passau  suchte  man  für 
Johann  Friedrich  Stimmung  zu  machen,  im  Lager  der 
Bundesfürsten  zettelte  man  Praktiken  an,  nach  Nürnberg 
wurde  ein  gegen  den  Markgrafen  Albreclit  ermuthigendes 
Schreiben  geschafft  und  der  bekannte  Praktikant  und 
AVerbeobrist  Chius  Berner  erhielt  Aufträge,  Truppen  zu 
werben.  Wenn  der  Passauer  Vertrag  nicht  zu  stände 
kam,  dann  hoffte  Johann  Friedrich,  den  Kaiser  zur 
Wiederanerkennung  des  schraalkaldischen  Bundes  zu 
bewegen,  um  Hessen,  Brandenburg,  Nassau  und  Jülich, 
Herzog  Augustus  von  Sachsen,  Albrecht  von  Preussen, 
Erich  von  Braunschweig  und  die  sächsischen  Städte  (auch 
Magdeburg)  gegen  Moritz  zu  vereinigen. 

Bald  hörte  man  auch  von  der  Ansammlung  ansehn- 
lichen Kriegsvolkes  um  Asch  äffen  bürg,  Frankfurt  am  Main, 
Eegensburg,  um  Köln,  Paderborn  und  Höxter,  in  Schle- 
sien, Böhmen,  Salzburg  und  am  Bodensee:  überall,  wne 
es  hiess,  zu  Gunsten  des  bedrängten  Kaisers  und  des  alten 
Kurfürsten.  Es  rüsteten  Markgraf  Haus,  Kurfürst  Joachim 
und  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig.  Indem  man  auf 
ein  Zusammenwirken  dieser  Fürsten  mit  dem  Obristen 
von  Hanstein,  welcher  von  Aschaffenburg  und  Frankfurt 
aus  Hessen  bedrohte,  lossteuerte,  hoffte  der  kaiserliche 
Hof,  die  „verzweifelten  Leute",  welche  den  Lärm  in 
deutscher  Nation  angefangen  hätten,  sollten  den  am  Kaiser 
verübten  Schimpf  bald  bereuen  müssen. 

Zieht  man  dies  alles  in  Betracht,  so  wird  das  Ver- 
halten des  Landgrafen  Wilhelm  erklärlich.  Von  vielen 
Vorgängen  unterrichtet,  drängte  er  stürmisch  zum  Ab- 
bruche der  Passauer  Verhandlungen  und  zur  energischen 
Fortsetzung  des  Krieges^"),  während  Kurfürst  Moritz 
zunächst  für  den  Frieden  eintrat  und  jedes  fernere  Un- 
wetter womöglich  abzulenken  suchte.  Mit  gezücktem, 
siegreichem  Schwerte  in  der  Hand  beurtheilte  Landgraf 
Wilhelm  alles  vom  Kriegslager  aus;  der  Kurfürst  sah 
auf  die  Verhältnisse,  wie  sie  ihm  hauptsächlich  in  Passau 
erschienen  waren.  Nicht  nur  den  Kaiser  glaubte  er  be- 
rücksichtigen zu  müssen,  sondern  auch  die  vermittelnden 


1"^)  Druffel  II,  No.  1458,  U87,  15U. 

^"')  Auch  den  Markgrafen  Albrecht  war  die  Passauer  Verhand- 
lung ein  Ärgernis,  denn  der  Kaiser  wolle  mittlerweile  nur  auf  die 
Beine  kommen ;  wenig  neigte  er  zur  Aussöhnung  mit  Karl  V.,  Loc. 
9146  IV,  Bh  261  flg.;  Druffel  II,  No.  1605,  1607,  1614,  1644. 


48  S-  Issleib: 

Reiclisstände,  welche  doch  weit  mehr  zum  Frieden  als 
zum  Kriege  neigten.  Einmüthig-  hatten  sie  sich  dahin 
ausgesprochen,  keinen  Ki'ieg  in  Deutschland  ferner  dulden 
zu  wollen.  Wie  gefährlich,  wenn  Moritz  ihre  Gunst  — 
in  fast  allen  Punkten  standen  sie  auf  seiner  Seite  —  ver- 
scherzte und  auf  Wunsch  und  Willen  des  leidenschaft- 
lichen Schwagers  den  Krieg  rücksichtslos  wieder  anfachte; 
wie  vorthcilhaft  dagegen,  wenn  der  Kaiser  die  Friedens- 
bemühungen aller  raissachtete  und  durch  verletzende 
Unnachgiebigkeit  den  Kampf  von  neuem  verschuldete. 
Daher  blickte  Moritz  zur  erhobenen  Friedenspalrae  empor 
und  schaute  nieder  nach  dem  gesenkten  Schwerte.  Nahm 
der  Kaiser  den  Vertrag  an,  dann  hiess  er  den  Frieden 
willkommen,  verwarf  er  ihn,  dann  ging  Deutschland  dem 
Entscheidungskampfe  entgegen  ^^'^). 

Mittlerweile  verlor  er  nichts  aus  dem  Auge.  Rastlos 
thätig  zog  er  jeden  Umstand  in  Betracht  und  erwog 
alles  nach  dem  möglichen  Vortheil  oder  Nachtheil;  er 
b.ifahl,  verordnete,  suchte  anzuspornen  und  zu  verhüten. 
Mit  Ernst  und  Strenge  sollte  Herzog  Augustus  die  Kur- 
lande regieren,  bis  zum  Frieden  das  Kriegsvolk  zusam- 
menhalten und  im  Falle  wirklicher  Noth  Hessen  mit 
lOUO  Reitern  zur  Hilfe  ziehen^^").  Wegen  der  Rüstungen 
in  Böhmen  beruhigte  er  und  warnte,  durch  Irrthum  nicht 
aneinander  zu  gerathen,  weil  die  Truppen  um  Eger  nur  de- 
fensive gegen  den  Markgrafen  Albrecht,  von  dem  es  licisse, 
er  rücke  von  Nürnberg  gegen  Böhmen  vor,  versammelt 
worden  seien •'^'^).  Die  Belagerung  und  Einnahme  Goslars 
durch  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig  erschien  ihm 
eher  vorthcilhaft  als  nachtheilig,  das  werde  ihni;  meinte 
er,  „die  sächsischen  Städte  fein  zujagen'"''').  Weiter  nahm 
er  an,  dass  Markgraf  Hans  im  Interesse  des  Bundes  rüste, 
„da  es  aber  gleich   anders  gemeint   sei",    schrieb   er,    „so 


1™)  Im  Locat  9155  liegt  des  Kurfürsten  und  seiner  Kriegs- 
verwandten gestellte  Entschuldigung  und  Verwarnungsschrift,  welche 
ausgehen  sollte,  wenn  der  Passauer  Vertrag  nicht  erfolgt  wäre. 

^")  Loc.  8502,  Handschreiben  des  Churiürstcn  Moritz  an  Au- 
gustus, Bl.  157,  KU-,  Druffel  II,  No.  15U7,  1545.  Unterstützt  von 
hessischen  Landsassen  und  drei  Geschwadern  markgrätiicher  Keiter 
wurde  Christof  von  Oldenburg  gegen  Hanstein  verwendet. 

'■"«)  Loc.  9146  IV,  131.  249,  Loc.  8502,  Handschreiben  etc.,  Bl.  173; 
Druffel  II,  No.  1589,  1598  und  1G08.  Mitte  Juni  hatte  der  Mark- 
graf mit  Nürnberg  einen  Yertrag  geschlossen,  No.  1564/5. 

1™)  Loc.  9146  iV,  Bl.  134,  160/4,  198,  200,  227;  Druffel  II, 
No.  1520  tlg. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  49 

könne  aus  flieser  A^'^olke  so  gar  gross  Wetter  nicht  er- 
folgen" ^^«). 

Im  Heerlager  nun  einigte  sich  der  Kurfürst  mit  dem 
Landgrafen  Wilhelm  daliin,  dass  dieser  in  Rücksicht  der 
Türkennoth  den  Vertrag  annehmen  wollte,  wenn  die  Be- 
freiung des  Vaters  den  24.  Juli  sicher  erfolgen  solle,  wenn 
alle  mit  König  Ferdinand  vereinbarten  Artikel  klar  und 
bestimmt  beibelialten  würden  und  den  Bundesfürsten  ge- 
stattet  bleibe,  Heinrichs  II.  Zustimmung  zum  Vertrage 
einzuholen  ^^^^j.  Dann  eilte  er  wieder  nach  Passau  und 
traf  daselbst  am  2.  Juli  abends  ein.  Am  andern  Morgen 
früh  7  Uhr  lanote  die  kaiserliche  Resolution  neben  Briefen 
an  den  König,  an  die  kaiserlichen  Räthe  und  an  die 
Stände  an. 

König  Ferdinand  hatte,  unterstützt  durch  die  kaiser- 
lichen Räth.e,  inständig  gebeten,  die  Passauer  Beschlüsse 
ohne  Änderung  anzunehmen.  Er  hatte  auf  die  gefähr- 
deten katholischen  Kirchen fürsten  hingewiesen  und  die 
Besorgnis  ausget-prochen,  alle  Stände  der  augsburgischen 
Konfession  möchten  sich  den  Bundesfürsten  anschliessend 
wenn  der  Vertrag  der  Religion  wegen  scheitere.  Die 
Erfahrung  zeige,  dass  man  gegen  die  neue  Lehre  mit  dem 
Schwerte  nichts  ausrichte  etc.^*^-). 

Allein  der  Kaiser  war  nicht  zu  bewegen,  einen  be- 
ständigen Frieden  zu  gewähren,  weil  dann  die  Empörer 
der  verdienten  Strafe  entgehen  würden.  Um  Zeit  für  die 
begonnenen  Rüstungen  zu  gewinnen,  muthete  er  König- 
Ferdinand  zu,  laut  früherer  Vollmacht  für  seine  Person 
Frieden  zu  schliessen,  ohne  ihn  zu  binden.  Den  Ständen 
rieth  er,  die  Geoner  weit  mehr  als  ihn  zum  Frieden  zu 
ermahnen  und  des  Reiches  Autorität  ungeschwächt  zu 
erhalten.  Seinen  Kommissaren  befahl  er,  falls  Friede  ge- 
schlossen werde,  die  Stände  um  Beistand  gegen  Frankreich 
anzugehen  ^^■').    Das  übersandte  Passauer  Aktenstück  wollte 


^80)  Loc.  9145  I,  Bl.  .346,  9U6  IV,  Bl.  227;  D ruffei  11, 
No.  1554,  1582,  1670.  Markgraf  Hans  verhandelte  einerseits  mit  dem 
Kaiser  über  Pension  und  Kriegsditnste,  andererseits  brachte  er  beim 
Kurlürsten  die  schon  mehrfacli-  nachgesuchte  Erklärung  über  das 
Detensivbündnis  in  Erinnerung  und  bat,  von  seiner  Meinung  über 
Religion,  Reform  des  Kammergerichtes  etc.  nicht  abzulassen. 

^si)  Druffel  Ilf,  No.  14n,  S.  526,  5.31.  Heinrich  II.  wollte 
seine  Irrung  mit  dem  Kaiser  den  Passauer  Ständen   anheimstellen. 

18-2;  Lanz  III,  305  Hg. 

i*ä)  Gegen  sie  äusserte  er  sich,  König  Ferdinand  scheine  nicht 
offen  zu  verfahren. 

Neues  Archiv  f.  S.  G    u    A.     VII.  1.  2.  4 


50  S.  Issleib: 

er  nicht  als  einen  Vertragsentwurf  ansehen,  sondern  viel- 
mehr als  ein  Protokoll  oder  als  ein  Konzept,  das  niuunehr 
zur  Grundlaoe  eines  Vertrages  dienen  könne  etc.  Des 
Landgrafen  Befreiung  sollte  nicht  vor  der  Trennung  des 
Kricgsvolkes  oder  vor  dem  Eintritte  desselben  in  die  könig- 
lichen Dienste  erfolgen.  An  der  Ausschliessung  Frank- 
reichs vom  Vertrage  hielt  er  fest.  Durch  klare  und  be- 
stimmte Ausdrücke;  welche  weder  Deutungen  noch  Aus- 
flüchte zuliessen,  sollten  sich  die  Bundesfüisten  zur  Ab- 
dankung der  Truppen  und  zum  Austritte  aus  dem  fran- 
zösischen Bündnisse  verpflicliten.  Die  Religionsangelegen- 
heit wollte  er,  mit  Vorbehalt  aller  kaiserliclien  Autorität, 
noch  einmal  an  den  Reiclistag  bringen,  aber  von  Be- 
willigung eines  dauernden  Friedens  wollte  er  nichts  wissen, 
weil  er  sonst  die  Ketzereien  dulden  müsse,  selbst  wenn 
er  wieder  stark  genug  sei,  sie  zu  bekämpfen  und  die 
Einheit  der  Christenheit  herzustellen.  Lieber  wollte  er 
Deutschland  verlassen,  als  sich  in  religiösen  Dingen  mit 
öewissensskrupeln  beladen.  Den  Wünschen  der  Deutschen 
setzte  er  seine  geistlichen  Pflicliten  als  Kaiser  entgegen. 
Die  erhobenen  Beschwerden  verschob  er  auf  den  Reichs- 
tag etc. 

Unter  solchen  Umständen  zögerte  König  Ferdinand, 
die  kaiserliche  Resolution  vorzulegen,  und  begnügte  sich 
mit  der  Anzeige,  dass  der  Kaiser  unerwartete  Schwierig- 
keiten in  den  Weg  gelegt  habe  Ungeachtet  dringlicher 
Geschäfte  in  seinen  Erblanden  wollte  er  aber  zum  Bruder 
eilen,  mündlich  verhandeln  und  in  acht  Tagen  zurück- 
kehren. Der  Kurfürst  sollte  den  Verzug  entschuldigen, 
in  Passau  bleiben,  oder  ins  Lager  reiten  und  seine  Mit- 
verwandten zur  Geduld  ermahnen;  alles  sollte  bis  zum 
24.  Juli,  dem  vom  Kurfürsten  beantragten  Schlusstermine, 
verrichtet  sein.  Er  wollte  Verhandlung  der  Stände  mit 
Frankreich  befürworten ;  allein  die  Annahme  des  Vertrages 
sollte  nicht  an  Heinrichs  II.  Zustimmung  gebunden  sein. 

Heftig  beschwerte  sieh  Kurfürst  jMoritz  über  die  ver- 
letzende kaiserliche  Resolution,  bedauerte  des  Königs  un- 
genügende Vollmacht,  stellte  alle  Dinge  Gott  anheim  und 
wollte  an  der  Fortsetzung  des  Krieges  und  an  der  künf- 
tigen Zerrüttung  des  Reiches  schuldlos  sein.  Unmöglich 
könne  er  ferneren  Waffenstillstand  bewilligen,  versicherte 
er,  oder  dafür  bürgen,  dass  seine  Mitverwandten  bei  der 
letzten  Resolution,  die  nur  infolge  der  Vertröstung  auf 
gute  kaiserliche  EntSchliessungen  hin,  abgerungen  worden 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Kail  V.     155 2.  51 

sei ,  stehen  bleiben  würden.  Im  Lager  wollte  er  des 
Kaisers  endglltige  Bewilligung  erwarten  ;  abermalige  Rück- 
kelir  nach  Passau  hielt  er  für  zu  beschwerlich.  Wieder- 
holt wies  er  jede  Verantwortung  übler  Folgen  von  sich 
ab,  und  weigerte  sich,  unter  so  ungünstigen  Verhältnissen 
nähere  Erklärungen  über  den  Markgrafen  Albrecht  und 
über  die  Stellung  der  Bundesgenossen  zu  Frankreich  abzu- 
geben^^^).  Feierlichst  ersuchte  er  die  Stände,  sich  wie 
wahre  Mitglieder  des  deutschen  Reiches  zu  verhalten  und 
sich  nicht  gegen  ihn  bewegen  zu  lassen ;  er  werde  ihnen 
alle  Freundschuft  erzeigen. 

Infolge  dieser  kurfürstlichen  Haltung  erachtete  der 
König  seine  Reise  zum  Kaiser  für  zwecklos,  und  erst 
dann  nahm  er  den  Reiseplan  wieder  auf,  als  der  Kurfürst 
nach  längerer  Unterredung  zugestand,  bei  seinen  Mitver- 
wandten die  Annahme  des  Vertrages  in  der  festgesetzten 
Form  durchsetzen  zu  wollen,  falls  der  Kaiser  demselben 
simpliciter  et  praecise  zustimme. 

Darauf  reiste  der  Kurfürst  in  aller  Frühe  des  5.  Juli 
in  das  Lager  ab.  Gleichen  Tages  vereinbarten  die  Stände 
ein  Schreiben  an  den  Kaiser,  worin  sie  auf  das  Unter- 
thänigste  vnn  Annahme  des  Vertrages  baten.  Am  6.  Juli 
jagte  dann  der  römische  König  auf  einer  Eilpost  nach 
Villach,  und  Abgeordnete  der  Stände  begaben  sich  zu 
den  Kriegsfürsten,  um  einen  weiteren  achttägigen  Waffen- 
stillstand zu  erbitten. 

In  Villach^*'")  bot  König  Ferdinand  (vom  8.— 10.  Juli) 
alle  Mittel  auf,  den  Wiederausbrucli  des  deutschen  Krieges 
zu  verhindern.  Die  Annahme  der  meisten  Punkte  setzte 
er  auch  durch;  allein  in  einigen  richtete  er  nichts  aus. 
Standhaft  erklärte  Kaiser  Karl  V.  lieber  zu  Grunde  gehen 
als  sein  Gewissen  beschweren  und  seine  Pflicht  versäumen 
zu  wollen.  Religionsfrieden  bewilligte  er  nur  bis  zum 
künftigen  Reichstage,  nicht  weiter,  und  strich  aus  dem 
Vertragsentwurf  die  Worte,  dass  die  zwiespältige  Religions- 
sache allein  auf  gütlichem  Wege  zum  Austrage  zu  bringen 
sei.  Über  die  „Beschwerden"  sollte  in  seiner  Gegenwart 
und  unter  seiner  persönlichen  Mitwirkung  auf  dem  Reichs- 
tage verhandelt  werden. 

Am  Vd.  Juli  spät  abends  nach  Passau  zurückgekehrt, 


^^)  iCönig  Ferdinand  wollte  wissen,  ob  Markgraf  Albrecht  den 
Vertrag  auch  annehmen  und  Landgraf  Wilhelm  seine  Bewilligung 
durchaus  von  Frankreichs  Zustimmung  abhängig  machen  werde. 

18')  La  uz  III,  .S58  flg. 


4* 


52  S.  Issleib: 

zeigte  König  Ferdinand  tags  darauf  an^^^),  dass  der  Kaiser 
die  beiden  Punkte  über  Religion  und  Reiclisbeschvverden 
nur  in  veränderter  Form  angenommen  habe,  und  schlug 
vor,  die  Bundesfürsten  in  Eile  zu  ersuchen,  den  Vertrag 
nach  dem  Willen  des  Kaisers  anzunehmen  ^^^).  Da  die 
Stände  grössere  Nachgiebigkeit  erwartet  hatten,  so  fragten 
sie  am  15.  Juli  beim  Könige  an,  ob  er  noch  einen  „Neben- 
befehl" habe.  Allein  er  antwortete,  an  der  kaiserlichen 
Resolution  könne  er  keinen  Buchstaben  ändern ;  doch 
habe  er  soviel  gemerkt,  dass  der  Kaiser  der  Religion 
wegen  keinen  Krieg  anfangen  und  keinen  Stand  des 
Reiches  mit  Gewalt  von  seinem  Glauben  abbringen  wolle  •^^^). 

Nachdem  noch  einige  kleine  Abänderungen  durch- 
gesetzt worden  waren,  wurde  der  Vertrag  am  16.  Juli 
angenommen  und  in  drei  Reinschriften  für  den  Kaiser, 
für  die  Bundesfürsten  und  für  die  Mainzer  Kanzlei  ge- 
bracht. Im  Entwürfe  eines  Schreibens  an  den  Kurfürsten 
stand  zunächst  die  verbindliche  Zusage,  dass  die 
Stände  auf  dem  nächsten  Reichstage  des  dauernden  Frie- 
dens halben  derselben  ^leinung  Avie  in  Passau  sein  und 
bleiben  wollten.  Indessen  auf  beharrlichen  Wunsch  des 
Königs  wurde  dieser  Satz  in  die  allgemeine  Ver- 
tröstung umgewandelt,  dass  die  Passauer  »Stände  auf  dem 
künftigen  Reichstage  alles,  was  zur  Aufrichtung  und  Erhal- 
tung eines  beständigen  Friedens  dienlich  sei,  mit  höchstem 
Fleisse  befördern  wollten.  Der  Kurfürst  sollte  ihrem  Bei- 
spiele folgen,  die  kaiserlichen  Änderungen  nicht  anfechten 
und  mit  seinen  Verbündeten  den  Vertrag  annehmen. 

Unverzüglich  wurden  darauf  Adam  Trott  ^^^)  und  der 
clevische  Hofmeister  Wilhelm  von  Neuhofcn  genannt  Ley 
in  das  Lager  abgefertigt  und  tags  darauf  (17.  Juli)  folgte 
Heinrich  von  Plauen  mit  dem  unterschriebenen  und  be- 
siegelten Vertrage  und  mit  dem  kaiserlichen  Entwürfe 
zur  Ratiiikation  des  Vertrages.  Am  18.  Juli  lehnte  König 
Ferdinand  eine  Antwort  auf  das  Schreiben  des  fran- 
zösischjen  Orators  vom  29.  Juni  ab,  da  es  der  Kaiser  für 
unnöthig    erachte,    sich    mit    Heinrich   II.    als    Friedens- 


*^)  Den  Räthen  befahl  der  Kaiser,  alle  Gegner  zum  Yertrage 
zu  verpflichten,  oder  seine  Verbindlichkeit  höre  auf. 

^^"^j  Kurfürst  Moritz  war  nicht  wieder  in  Passau,  vergleiche 
Ranke  V,  196  (4.  Aufl.). 

188)  D ruffei  II,  No.  1654/9. 

18»)  Log.  914.5  III,  Bl.  490,  504;  Loc.  10041,  Verschiedene 
Schriften  etc. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.    1552.  53 

brecher,  Scliürer  des  Türkenkrieges  und  Belästiger  der 
deutschen  Nation  weiter  einzulassen  ^^'^).  In  diesen  Tagen 
gab  Karl  V.  kund  ^^^),  dass  die  Befreiung  des  Landgrafen 
erst  nacli  der  Annahme  des  abgeänderten  Vertrages  er- 
folgen solle,  gab  der  Königin-Schwester  Maria  Weisung, 
den  Gefangenen  bis  auf  weiteres  wohl  zu  verwahren  und 
liess  Heinrich  von  Plauen  beauftragen,  binnen  acht  Tagen 
eine  Erklärung  der  Bundesfürsten  durchzusetzen. 

Mittlerweile  war  Kurfürst  Moritz  im  Lager  bei  Mer- 
gentheim im  Gebiete  des  Deutschmeisters  angelangt,  und 
da  der  Kaiser  keinen  wahren  Ernst  zum  Frieden  zeigte 
und  alle  möglichen  Vortheile  ausbeutete,  so  glaubte  auch 
er  auf  seinen  Nutzen  sehen  zu  müssen.  Kriegsmuthig 
richtete  er  sein  Hauptaugenmerk  auf  Frankfurt  als  den 
wichtigsten  kaiserlichen  Musterplatz.  Wie  im  Mai  bei 
Reutte,  so  sollten  jetzt  hier  die  versammelten  Knechte  in 
alle  Winde  getrieben  werden.  Alle  Truppen  der  Bundes- 
fürsten wurden  dahin  dirigiert.  'NA'ährend  sich  Markgraf 
Albrecht  und  Christof  von  Oldenburg ^^'^)  von  Aschaffen- 
burg aus  über  Seligenstadt  Frankfurt  näherten  und  am 
19.  Juli  bis  an  die  Stadtthore  heranstürmten,  rückte  der 
Kurfürst  über  Bischofsheim ^^■^)  und  Obernburg  nach  der 
Mainebene  vor  und  eröffnete  am  20.  Juli  den  Angriff 
gegen  die  Reichsstadt.  An  demselben  Tage  wurde  Herzog 
Georg  von  Mecklenburg  tödlich  verwundet ^^^),  und  Kur- 
fürst Moritz  soll,  als  er  die  Übergabe  der  Stadt  forderte, 
die  bittere  Antwort  bekonmien  haben,  er  möge  erst  fromm 
werden  und  die  Judasfarbe  ablegen.  Frankfurt  war  mit 
Proviant,  Geschütz  und  Munition  reichlich  versehen,  und 
muthio-  hielt  das  kaiserliche  Kriegsvolk  Stand.  Weil  es 
den  Bundesfürsten  an  Belagerungsmitteln  fehlte,  so  wurden 
die  Nachbarfürsten,  die  Pfalzgrafen,  der  Bischof  von  Würz- 
burg u.  a.  um  Geschütz  und  Pulver  ersucht.  An  Kur- 
pfalz,  Jülich,  Köln,  Mainz  und  Trier  erging  (am  23.  Juli) 
die  Anfrage,  wessen  man  sich  zu  ihnen  versehen  solle. 
Um  angeblich  Geld  und  Geschütze  aufzutreiben,    verliess 


19«)  Loc.  91  J=5  III,  Bl.  4G7,  502  ;  D  r  ii  f  f  e  1 III,  No.  1447,  S.  526  u.  539. 

191)  Lanz  III,  379  flg.  Der  Kaiser  befand  sicli  am  17.  Juli 
auf  der  Rückreise  nach  Deutschland  in  Lienz. 

192)  Loc.  9145  in,  Bl.  483  flg.  und  9146  IV,  Bl.  30G   flg. 

19»)  Von  hier  aus  forderte  er  am  12.  Juli  Memmingen  auf,  die 
päpstlichen  Pfaffen  abzuschaffen  und  die  verjagten  evangelischen 
Prediger  zurückzurufen.  Loc.  9145  II,  Bl.  417,  111,428;  Druffel  II, 
No.  IßSl,  ]fi47. 

19*)  Siehe  Druffel  III,  No.  1447  S.  517. 


54  S.  Issleib: 

Markgraf  Albrecht  das  Frankfurter  Gebiet  und  rückte  nnt 
seinem  Heerliaufen  in  die  Stifter  Mainz,  Worms  und  Speier  ^  **'•). 
In  Wahrheit  wollte  er  wohl  ein  Zusammentreffen  mit  den 
Abgeordneten  aus  Passau  vermeiden,  welche  am  24.  Juli 
abends  nahten   und    am    andern   Morgen  gehört   wurden. 

Ihre  Eröffinmgen  befriedigten  keineswegs^'""*).  Land- 
graf Wilhelm  wurde  iieftig  erregt,  und  Kurfürst  Moritz 
führte  ernstliche  Beschwerde  namentlich  über  den  ab- 
geänderten Rcligionsartikel.  Nachdrücklich  forderte  er, 
der  Kaiser  solle  bei  der  Linzer  Zusage  bleiben  und  inner- 
halb eines  halben  Jahres  vor  allem  der  Religion  und 
Beschwerden  wegen  einen  Reichstag  berufen.  Der  Punkt, 
welcher  Frankreich  betreffe,  sei  gar  schimpflich  gestellt 
und  gebe  des  Kaisers  Geniüth  deutlich  zu  erkennen    etc. 

Ungeachtet  des  um  Frieden  bittenden  Vaters^"') 
zögerten  Moritz  und  Wilhelm,  den  Vertrag  anzunehmen. 
Der  junge  Landgraf-"*^)  forderte  am  26.  Juli  den  Kur- 
fürsten von  Brandenburg  auf,  sich  in  vierzehn  Tagen 
einzustellen,  da  die  Passauer  Handlung  nichts  als  eitel 
Betrug  und  Gerede  sei,  und  Moritz''''*)  ersuchte  den  Herzog 
von  Preussen,  seiner  Verpflichtung  nachzukommen  und 
den  Markgrafen  Hans  von  weiteren  Ausflüchten  abzu- 
halten'-*"*). Heinrich  von  Plauen,  Adam  Trott  und  die 
anderen  hatten  einen  schweren  Stand. 

Sollte  aber  Kurfürst  Moritz  der  beiden  abgeänderten 
Artikel  und  Frankreichs  wegen  einen  Krieg  auf  Leben 
imd  Tod  wagen,  sollte  er  Aclitserklärung-*")  und  Johann 
Friedrichs  Wiedererliebnng  zum  Kurfürsten  über  sich 
ergehen  lassen,  die  Befreiung  des  Landgrafen  und  die 
durch  lange  Verhandlungen  errungenen,  nicht  unbedeu- 
tenden Zugeständnisse  wieder  auf  das  Spiel  setzen?  Eben 


lö^)  Über  seine  Verhandlungen  mit  Kurpfalz,  "Württemberg  und 
Bayern  siebe  Loc.  9146  lY,  Bl.  3.36,  353,  .358  flg.  Druffel  II, 
No.  1673,  1670  flg. 

1»«)  Druffel  II,  No.  1692,  1694. 

'0^)  Schreiben  vom  1.  Juli,  Loc.  9146  IV,  Bl.  276;  vergleiche 
Druffel  II,  Xo.  1622. 

188)  Loc.  9146  IV,  Bl.  356  flg. 

i"")  Loc.  7277,  Marggraffen  Johannsen  hendel  etc.,  Bl.  45; 
Druffel  II,  No.  1678. 

200)  Landgraf  Wilhelm  erzählte  Dr.  Zasius,  dass  Markgraf  Hans 
der  erste  Urheber  des  Bundes  gewesen  sei;  allein  da  man  nicht 
gleich  alle  Dinge  durcbaus  nach  seinem  Kopfe  habe  richten  wollen, 
sei  er  ausgerissen  etc.     Druffel  IT,  No.  I(i91. 

-Ol)  Die  Achts-  und  Exekutoiialbriefe  gegen  die  Kriegsfürsten 
und  ihre  Helfer  waren  schon  ausgefertigt.    Druffel  II,  No.  1704, 


Moritz  von  Satliscn  gegen  Karl  Y.     1552.  55 

zur  recliten  Zeit  erreichte  ihn  des  Herzogs  von  Bayern 
ireiindschaftliche  Bitte,  die  Sache  zu  gutem  Frieden  zu 
richten-**-).  Infolge  dieser  und  anderer  Einwirkungen 
erkUirte  Moritz  am  31.  Juli,  im  besten  Vertrauen  zu  König 
Ferdinand  und  den  Passauer  Ständen  den  Vertrag  an- 
nehmen inid  vollziehen  zu  wollen. 

Es  geschah  am  1.  August  zu  Rödelheim  bei  Frank- 
furt ;  mit  ihm  unterzeichneten  Landgraf  ^A'illielm  und 
Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg-**'^).  Am  fol- 
genden Tage  wurde  dann  festgesetzt-"*],  dass  der  Land- 
graf am  IL  oder  12.  August  zu  Rheinfels  befreit  und 
die  kaiserliche  Ratifikation  am  15.  August  in  Donauwörth 
überreicht  werden  solle.  Mit  Beginn  des  Friedens,  am 
3.  August,  sollte  das  Kriegsvolk  das  Frankfurter  Lager 
verlassen  und  nach  der  Donau  vorrücken  '-**').  Der  Kur- 
fürst erklärte  sich  bereit,  König  Ferdinand  zu  Gefallen 
in  Person  gegen  die  Türken  zu  ziehen,  wenn  der  Vetter 
Johann  Friedrich  bis  zu  seiner  Rückkehr  aus  Ungarn 
am  kaiserlichen  Hofe  gehalten  werdC;  oder  wenn  er  bis 
zum  14.  August  eine  Versicherung  ausstelle,  dass  er  nebst 
seinen  Söhnen  nicht  gegen  die  Wittenberger  Kapitulation, 
noch  gegen  die  später  erfolgte  kaiserliche  Deklaration, 
noch  gegen  die  am  kaiserlichen  Hofgerichte  erkannten 
Urtheile  handeln,  noch  etwas  gegen  die  kurfürstlichen 
Lande  vornehmen  wolle. 

Sichtlich  erfreut  über  den  Ausgang  der  Verhandlungen, 
ersuchte  König  Ferdinand  am  6.  August'-*^*')  den  Kaiser, 
die  schleunige  Befreiung  des  Landgrafen  zu  befehlen,  den 
Vertrag  zu  ratifizieren  und  bezüglich  Johann  Friedrichs 
geeignete  Schritte  zu  ihun.  Dann  entliess  er  am  8.  Au- 
gust die  Stände  zu  Passau -*''^). 

Vergessen  Avir  nicht  zu  bemerken,  dass  Markgraf 
Albrecht  den  Passauer  Vertrag  nicht  annahm  und  die 
Verbindung  mit  Frankreich  aufrecht  erhielt.    Zornig  nannte 

202)  Brief  vom  26.  Juli,  Loc.  9145  III,  Bl.  518. 

203)  Loc.  9145  III,  151.  543,  57J/9  ;  Druffel  II,  No.  1698  und 
III,  No.  1640,  S.  648;  Lanz  III,  409.  Ranke  V,  198  giebt  den 
29.  Juli  an  (4.  Aufl.). 

2W)  Durch  eine  „Caution"  und  einen  „Nebenvertrag". 

205)  Am  3.  August  meldete  Kurfürst  Moritz  seiner  Gemahlin 
die  Annahme  des  Vertrages  mit  dem  Wunsche:  Gott  gebe,  dass  er 
gehalten  werde.  Bald  hoffte  er  bei  ihr  zu  sein;  doch  müsse  er  noch 
ein  trübes  Wetter  klar  machen  helfen.  Loc.  8498,  Churfürst  Moritzens 
Schreiben  an  seine  Gemahlin,  Bl    26. 

206)  Loc.  9153,  Assecuration  etc.,  Bl.  67;  Lanz  III,  422,  430  flg. 

207)  Mordeisen  und  Carlowitz  riethen  dem  Kurfürsten,  an  den 


56  S.  Issleib: 

er  den  Kurfürsten  einen  Judas  und  Ileldeck  einen  ehr- 
losen Bösewicht.  Durch  Praktiken  brachte  er  es  dahin, 
dass  das  Keifenbergische  Regiment  sich  beim  Aufbruche 
aus  dem  Lager  vor  Frankfurt  von  den  sächsischen  und. 
hessisclien  Trn.ppen  trennte  und  dass  viele  Knechte  auf 
freiem  Felde  davonliefen""'^). 

Eineij  Bruch  mit  Frankreich  suchte  Kurfürst  Moritz 
zu  vermeiden,  weil  sonst  der  Kaiser  wenig  oder  nichts 
lialten  werde-""*}.  Als  die  für  die  Annahme  des  Vertra<j;es 
entscheidenden  Gründe  gab  er  Heinrich  If.  die  sichere 
Befreiung  des  Landgrafen  und  die  Türkennoth  an.  Gern 
wollte  er  sich  mit  ihm  bei  günstiger  Gelegenheit  über 
ein  weiteres  und  gründliches  Verständnis  vergleichen. 
Ein  aufgestelltes  Verzeichnis  über  die  Bundesleistungen 
bezweckte,  dem  Könige  zu  veranschaulichen,  wie  weit 
Moritz  dem  Bündnisse  nachgekommen  sei,  was  er  erreicht 
habe  und  noch  zu  vollziehen  gedenke  und  wozu  er  ausser- 
dem erbötig  sei.  Ln  Namen  der  Bundesfürsten  und  der 
ganzen  Nation  dankte  er  für  die  zur  Errettung  der  deut- 
schen Freiheit  dargebotene  Hllfe-^"*)- 

Als  der  Kaiser  von  der  Annahme  des  Vertrages  ge- 
hört hatte,  war  er  unentschlossen,  ob  er  die  Ratifikation 
ausstellen  solle.  Das  Bündnis  der  Gegner  war  gelöst, 
die  Einigkeit  der  Fürsten  dahin  und  die  Forderung,  auch 
Markgraf  Albrecht  müsse  den  Vertrag  anerkennen,  nicht 
erfüllt'-'^).  Dazu  kam,  dass  Herzog  Heinrich  von  Braun- 
schweig gegen  den  Vertrag  protestierte  und  den  Kurfürsten 
von  Sachsen  als  Kommissar  in  Sachen  der  braunschwei- 
gischen  Junker  verAvarf.  Überdies  hob  sich  sein  kaiser- 
liches Ansehen,  und  die  Streitkräfte  wuchsen.  Daher  liess 
er  dem  Bruder  Ferdinand  eröffnen-'-):  er  sehe  jetzt  die 
Möglichkeit,  den  gehorsamen  Ständen  Hilfe  zu  gewähren; 
allzudrückend  seien   die   Passauer   Bedingungen   und   der 


Kaiser  zu  senden  oder  zu  schreiben  und  sich  des  tüiegszngos  halben 
zu  entschukligen,  auch  den  königlichen  Käthen  und  der  königlichen 
Kanzlei  eine  „Verehrung"  zu  geben.     Loc.  9115  III,  Bl.  520  Hg.,  ö.3(>. 

-"■')  Herzog  Angustus  erhielt  Befehl,  in  Thüringen  auf  die 
Flüchtlinge  zu  fahnden  und  sie  an  die  Bäume  zu  hängen,  Loc.  8502, 
Handschreiben  an  Angustus,  Bl.  177/8. 

-ö»J  Loc.  7281,  Französische  Verbundnisse  etc.,  ßl.  195,  202  flg.; 
D  ruffei  II,  No.  17.S7,  III,  No.  1700,  S.  555  flg. 

-^'')  Der  König  bedauerte  zwar  der  t'ürsten  Eile  zum  Vertrage, 
doch  wollte  er  iu  seiner  guten  Gesinnung  zur  Erhaltung  und  Be- 
schirmung der  deutschen  Freiheit  verharren. 

-'!)  Druffel  II,  No.  1745. 

-'-}  Lanz  III,  425,  439,  448,  465. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.     1552.  57 

Kurfürst  sei  nocli  im  Stande,  den  Vertrag  nicht  zu  halten. 
Wer  stehe  dafür,  dass  er  nicht  wiederum  einen  Streich 
spiele  wie  vor  Magdeburg;  der  Königin  Maria  befahl  er  am 
8.  August,   die  Befreiung    des  Landgrafen  zu  verzögern. 

Über  das  Verhalten  des  Kaisers  gerieth  König  Fer- 
dinand in  die  peinlichste  Verlegenheit.  Er  beschwor  ihn, 
den  Vertrag  zu  ratifizieren,  und  betheuerte,  seine  Besorg- 
nisse seien  unbegründet,  da  das  Kriegsvolk  bereits  ihm 
(Ferdinand)  geschworen  habe.  Des  Kurfürsten  Hilfe 
könne  er  nicht  mehr  entbehren,  und  Bruch  des  Vertrages 
werde  ihm,  seinem  Hause  und  seinen  Ländern  zum  Ver- 
derben gereichen.  Nicht  minder  Avie  Ferdinand  wurde 
Königin  Maria  betroffen.  Als  der  letzte  kaiserliche  Be- 
fehl bei  ihr  eintraf,  war  der  Landgraf  schon  der  Kerker- 
haft in  Meeheln  entlassen  und  befand  sich  in  Brüssel,  um 
die  letzten  Sicherheiten  zu  gewährleisten. 

Heinrich  von  Plauen  sah  sich  genöthigt,  dem  Kur- 
fürsten von  Passau  aus  am  IL  August  anzuzeigen "'^■^), 
dass  wegen  eines  Missverständnisses  die  Befreiung  des 
Landgrafen  am  bestimmten  Termine  nicht  erfolgen  könne; 
doch  eile  er  ungesäumt  zum  Kaiser,  um  weitere  Ver- 
zögerung zu  verhüten,  und  hoffe  trotzdem  noch  den  13. 
oder  14.  August  in  Donauwörth  einzutrelTen. 

Sofort  erwachte  im  Kurfürsten  das  grösste  Miss- 
trauen. „Ganz  bekümmerten  Gemüthes",  voll  Unmuth  und 
Erbitterung  schrieb  er  an  Mordeisen  und  Carlowitz,  an 
den  Landgrafen  Wilhelm,  an  den  Kurfürsten  von  Branden- 
burg und  König  Ferdinand  (am  15.  August),  dass  der 
Landgraf  durch  spanischen  Missverstand  in  die  Custodien 
gekommen  sei  und  ungeachtet  des  klaren,  verständlichen 
Vertrages  wider  Treue,  Ehre,  Recht  und  Billigkeit  auf 
falsche  betrügerische  Weise  noch  länger  daiün  gehalten 
werden  solle.  Da  sich  schon  beim  ersten  und  vornehm- 
sten Vertragsartikel  spanische  Untreue  zeige,  so  könne 
erkannt  werden,  was  die  Kaiserlichen  in  den  andern, 
meist  auf  Schrauben  gesetzten  Punkten  thun  wollten.  Er 
fürchtete  Beschwerden,  Bedrängnis  und  Gewalt. 

Indessen  den  Bemühungen  Heinrichs  von  Plauen  und 
Albrechts  von  Bayern  gelang  es,  den  Kaiser,  welcher  in 
München  verweilte,  zur  Ratifikation  des  Vertrages  zu 
bew^egen.     Am  16.  August  erhielt  Königin  Maria  Befehl, 


213)  Loc.    9145    III,  Bl.    587,  591,  600,   607,    620;  Druffel  II, 
Xo.  1734/5;  Lanz  III,  456. 


58  S.  Issleib: 

die  Freihissiing"  des  Landgrafen  zu  Leschlcunigen,  und 
Heinrich  von  Plauen  eilte  nach  Donauwörth^  wo  dann 
die  letzten  Verhandlungen  am  19.  August  stattfanden.  Der 
Landgraf  sollte  den  2.  September  in  Rheinfels  auf  freien 
Fuss  gestellt  werden -^^).  Tags  darauf  verliess  Kurfürst 
Moritz  Donauwörth  und  ritt  in  die  Heimath,  um  vor  dem 
Tiirkenzuge  noeh  einen  Landtag    in  Dresden    abzuhalten. 

Am  27.  August  Avurde  Herzog  Johann  Friedrich  in 
Augsburg  vom  Kaiser  zu  Gnaden  angenommen  und  gänz- 
lich freigesprochen.  jNlit  Ehren,  Titeln,  Wappen,  Gerech- 
tigkeiten etc.  von  neuem  ausgestattet,  erliielt  er  als  Herzog 
von  Sachsen,  Landgraf  von  Thüringen  und  Markgraf  von 
Mcissen  die  Landestheile  und  Ansprüche,  welche  die 
Wittenberger  Kapitulation  seinen  Söhnen  und  Erben  ein- 
geräumt hatte.  Alle  Ernestiner  fanden  Aviederum  Auf- 
nahme In  die  sächsische  Gesamtlehnschaft,  und  die  alte 
Erbverbrüderung  zwischen  Sachsen  und  Hessen  blieb 
unangefochten.  Der  Kaiser  gestattete  den  Wiederaufbau 
der  Festung  Gotha  und  versprach,  nichts  gegen  die  Reli- 
gion vorzunehmen'-^'^). 

Die  vom  Kurfürsten  Moritz  geforderte  Assekuration 
stellte  Johann  Friedrich  am  31.  August  aus.  Darin  ver- 
pflichtete er  sich,  die  Wittenberger  Kapitulation  bis  auf 
die  des  Kaisers  Person  betreffenden  und  wieder  aufge- 
hobenen oder  veränderten  Artikel  zu  halten,  gegen  die 
Vettern  nichts  heimlich  oder  öffentlich  anzustiften  oder 
vorzunehmen  und  binnen  drei  Monaten  die  von  seinem 
Bruder  Johann  Ernst  und  seinen  Söhnen  ratifizierte,  vom 
Herzog  Wilhelm  von  Jülich,  Franz  Otto  von  Lüneburg, 
Philipp  von  Pommern  und  Markgraf  Hans  von  Küstrin 
verbürgte  Sicherheit  an  den  kaiserlichen  Hof  zu  senden-^**). 
Dagegen  sollten  Moritz  und  Augustus  binnen  drei  Mo- 
naten zusagen  und  vom  Kurfürsten  von  Brandenburg, 
Herzog  Albrecht  von  Bayern,  Christof  von  Württemberg 
und  Heinrich  von  Plauen  verbürgen  lassen,  dass  Johann 
Friedrich  bei  der  abgeänderten  Wittenberger  Kapitulation 
bleiben  und  darüber    hinaus    in    keiner  Weise    beschwert 


-^*)  Eine  schriftliche  Kaution  verpflichtete  die  Bundesfürsten, 
deui  Vertrage  ebenso  nachzusetzen  als  ob  die  Befreiung  am  11.  oder 
12.  August  erfolgt  sei  etc. 

215)  Urkunde  No.  11457;  Loc.  9142,  Johann  Friedrichs  Custodie 
und  Erledigung  etc.,  Bl.  298,  303,  349  flg.:  Lanz  III,  480. 

-1'*)  In  der  Urkunde  No.  11458  ist  statt  Philipp  von  Pommern 
Hans  Albrecht  von  Mecklenburg  aufgezählt,  vergl.  No.  11480. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  Y.     1552,  50 

oder  vergewaltigt  werden  solle"'').  Vertreter  der  beiden 
sächsischen  Landschaften'-'^)  sollten  innerhalb  der  be- 
stimmten Frist  durch  gegenseitige  Verschreibungen  die 
fürstlichen  Assekurationen  im  Namen  der  gemein:n  Land- 
stände bekräftigen.  Die  ,Ji'iungen"  der  Vettern  sollten 
durch  eine  kaiserliche  Kommission,  aus  obengenannten 
fürstlichen  Bürgen  zusammengesetzt,  auf  Grund  der  Nauni- 
burger  Verhandlungen  (1551)  binnen  Jahresfrist  rechtlich 
oder  gütlich  beigelegt  werden  etc. 

Inzwischen  führte  Kurfürst  Moritz  seinen  zusamnien- 
berufenen  Landständen-'")  alle  Ereignisse  vom  Toi  gauer 
Landtage  an  bis  zum  Passauer  Vertrage  vor,  zeigte  an, 
was  er  ausser  der  Befreiung  des  Landgrafen  -"-")  in  be- 
treff der  Keligion,  der  deutschen  Freiheit,  der  Begnadig- 
ungen etc.  erreicht  habe,  verkündigte  seinen  Entschluss, 
mit  König  INIaximilian  nach  Ungarn  gegen  die  Türken 
ziehen  zu  w^ollen  und  verhandelte  dann  über  Erlegung 
des  gemeinen  Pfennigs,  über  Schuldentilgung  etc.  Die 
Bewilligungen  der  Landstände  zeigten,  dass  sich  zwischen 
dem  Landesfürsten  und  den  Unterthanen  endlich  ein  ver- 
trauensvolles Verhältnis  Bahn  zu  brechen  begann.  Jeder- 
mann erkannte  die  grosse  That  des  kühnen,  jugendlichen 
Kurfürsten  an. 

Während  darauf  die  befreiten  Fürsten,  Landgraf 
Philipp  und  Herzog  Johann  Friedrich,  anfangs  September 
in  die  Heimath  zurückkehrten"--^),  ritt  Kurfürst  Moritz 
nach  Wien,  um  gegen   die  Türken    zu  Felde    zu    ziehen. 

So  endete  der  Kriegszug  des  Kurfürsten  Moritz  von 
Sachsen  gegen  Kaiser  Karl  V.  1552-"). 


21'')  Nach  mancherlei  Einwendungen  stellte  Kurfürst  Moritz  die 
Gegenversicherung  am  ib.  September  in  Wien  aus,  Loc.  9155,  Asse- 
curationen etc.,  Bl.  73,  Urkunde  No.  11458. 

-1*)  Von  jeder  Landschaft  drei  Grafen  und  Herren,  zehn  Vor- 
nehme vom  Adel  und  drei  Stadtbürger. 

-19)  Loc.  g.'iöS,  1)  Handlung  so  auf  dem  Landtage  zu  Dresden 
in  der  Wochen  nach  Bartholomey  (24.  August)  1552  gehalten  etc., 
2)  Dressdnische  Landtagshandlung  1552. 

-0)  Für  Johann  Friedrich  den  Älteren  von  Weimar  konnte  er 
nach  seiner  Aussage  deshalb  nicht  eintreten,  weil  sich  vor  allem 
Markgraf  Hans  wieder  abgetrennt  habe. 

-1)  Loc.  9142,  Johann  Friedrichs  Custodie  und  Erledigung, 
Bl.  112;  Loc.  9145  III,  Bl  687. 

-2)  Die  Kosten  desselben  wurden  auf  639  189  Gulden  6  Batzen 
7V2  Pfennig  berechnet,  Loc.  10939,  Kriegsrechnung  etc.  1552. 


II. 

Zur  Entstehungsgeschichte  der  städtischen  und 
adeligen  Patronatstellen   in    den  sächsischen 

Landesschulen 

unter    besonderer    Berücksichtigung    der   Freistellen    des 
Geschlechtes  von  Schönberg  in  der  Landesschule  St.  Afra 

zu  Meissen. 

Von 

Bernhard  von  Schönberg. 


Die  Entstehung  der  städtischen  und  adeligen  Frei- 
stellen in  den  sächsischen  Landesschulen  hat  zwar  bereits 
in  der  so  verdienstlichen  Gesciiichte  der  Landesschule 
St.  Afra  zu  Meissen  von  Theodor  Flathe  eine  akten- 
mässige  Darstellung  gefunden ;  immerhin  aber  konnte  dies, 
der  Natur  der  Sache  nach,  nur  innerhalb  der  durch  den 
Gegenstand  des  Buches  gesteckten  Grenzen  geschehen. 
Wenn  indes  jene  Entstehungsgeschichte  auch  nach  an- 
deren Richtungen  hin  mehrfach  ein  allgemeines  Interesse 
bietet,  so  dürfte  es  sich  rechtfertigen,  dieses  Gebiet  zum 
Gegenstande  einer  besonderen  Untersuchung   zu   machen. 

Dabei  tritt  zunäclist  als  der  leitende  Gesichtspunkt 
hervor,  dass  ein  grosser  Theil  der  kirchlichen  Stiftungen 
namentlich  des  späteren  Mittelalters  ihrem  eigentlichen 
Wesen  und  thatsächlichen  Zwecke  nach  unter  den  Begriff 
von  Familienstiftungen  fiel. 

Sind  hierzu  im  weiteren  Sinne  schon  alle  Stiftungen 
zu  rechnen,    welche    ausschliesslich   zm-  Beförderung   des 


Bernhard  von  Schönberg:    Zur  Entstehnngsgeschithte  etc.     (]] 

Sccleulieiles  einzelner  oder  sämtlicher  Faniilienangeliö- 
riger,  oder  auch  nur  zur  periodischen  Auffrischung  der 
pietätvollen  Erinnerung  an  solche,  oder  zur  Hebung  des 
äusseren  Einflusses  und  Ansehens  des  Geschlechtes  dienen 
sollten :  so  ganz  besonders  solche  Stiftungen,  welche  neben 
der  Erfüllung  gottesdienstlicher  oder  seelsorgerischer 
Zwecke  gleichzeitig  der  materiellen  Versorgung  von  Fa- 
milienangehörigen gewidmet  waren,  zumal  wenn  dieser 
Zweck  in  dem  Vorbehalte  des  Patronat-  oder  Ver- 
leihungs-Rechtes eine  dauernde  Sicherstellung  fand. 

Der  Gesichtspunkt  der  Familien  Stiftung  machte 
sich  nun,  als  zur  Zeit  der  Reformation  die  Nothwendig- 
keit  herantrat,  über  die  Güter  der  Klöster  und  anderer 
kirchlicher  Stiftungen  Verfügung  zu  treffen,  hauptsächlich 
in  Bezug  auf  die  Nonnenklöster  und  auf  die  unter 
weltlichem  Patronatrechte  stehenden  Altarlehen 
geltend. 

Die  ersteren  kommen  insofern  in  Frage,  als  damals 
ganz  allgemein  die  Unterbringung  von  Töchtern  in  einem 
Kloster  gegen  entsprechende  Mitgift  —  bei  dem  Nonnen- 
kloster zu  Freiberg  z.  B.  scheinen  500  Rheinische  Gulden 
üblich  gewesen  zu  sein  —  als  die  angemessenste  Art  der 
Versorgung  nächst  der  Verheirathung  angesehen  wurde, 
und  daher  das  Vermögen  vieler  Nonnenklöster  haupt- 
sächlich aus  derartigen  Stiftungen  entstanden  war. 

Als  solche  Klöster  sind,  nächst  den  Klöstern  zu  Leip- 
zig, Sornzig  und  Döbeln,  insbesondere  in  Beziehung  zum 
Geschlechte  von  Schönberg  die  Klöster  zu  Seusslitz, 
Riesa,  Grossenhain,  Niratschen  und  zum  heiligen  Kreuz  bei 
Meissen  zu  nennen  ;  der  meisten  Beliebtheit  aber  erfreute 
sich  bei  diesem,  wie  bei  anderen'  Adelsgeschlechtern  seit 
dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  das  unter  der  Regier- 
ung der  Priorin  Barbara  Schröter  aus  sehr  unbefrie- 
digenden Zuständen  zu  grossem  Ansehen  erhobene  Jung- 
frauenkloster zu  Freibero;.  Im  Jahre  1506  hatte  dasselbe 
44  geweihte  Jungfrauen,  13  eingesegnete  ungeweihte 
Jungfrauen  und  10  Laienschwestern ^).  Aus  dem  Gc- 
schlechte  von  Schönberg,  welchem  die  letzten  4  Prio- 
rinnen entstammten,  werden  in  dem  Visitationsprotokolle 
vom  29.  Januar  1542")  7  Nonnen  namhaft  gemacht. 


^)  Vergl.  Urk.  vom   12.  Dezember  1506  im   Cod.  d.  Sax.  r.  II, 
12,  459,  No.  680. 

2)  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  12,  521,  No.  737. 


62  Bernliard  von  Schöiiber? 


b  • 


Hierin  findet  es  seine  naturgemässe  ErkUirun<r,  wenn 
die  LandötJlude,  als  die  Kloster^üter  säkularisiert  und 
zum  grössten  Theile  zu  kirchlichen  und  Schulzwecken 
verwendet  wurden,  auf  den  Landtagen  von  1547  und 
1553  darauf  antrug-en,  dass  aus  den  Überschüssen  zwei 
günstig  gelegene  Klöster  dazu  eingerichtet  werden  möch- 
ten, um  darin  arme  Jungfrauen  vom  Adel  in  ihrer  Jugend 
zur  Zucht  und  Lehre  zu  halten  und  zu  erziehen,  dann 
aber  angemessen  auszustatten  und  zu  versorgen,  und  zwar 
100  zu  Freiberg  und  60  zu  Langensalza'').  Die  Ver- 
handlungen endeten  damit,  dass  der  Kurfürst  August 
unter  dem  1.  Oktober  1555  die  Einrichtung  von  3  Jung- 
frauenschulen —  zu  Freiberg  für  40,  zu  Mülilberg  für  40 
und  zu  Langensalza  für  30  Personen  —  anordnete''). 
Zu  völliger  und  bleibender  Ausführung  aber  gelangte  die 
Anordnung  nicht.  Anderwärts  entstanden  so  die  welt- 
lichen Stifte  für  adelige  Fräuleins. 

Handelte  es  sich  in  Bezug  auf  die  Nonnenklöster 
mehr  um  Erwägimgen  der  Billigkeit,  so  wurden  da- 
gegen Rechtsansprüche  aus  dem  Patronatrechte  über 
Pfründen  abgeleitet  und  fanden  auch  zunächst  in  der 
Instruktion  des  Kurfürsten  Johann  für  die  Kirchen- 
visitatoren  vom  16.  Juni  1527 -^j  eine  Anerkennung  und 
Berücksichtigung  wenigstens  insofern,  als  danach  zwar 
ira^  allgemeinen  die  bisherigen  Einkünfte  der  Pfarren, 
geistliehen  Stiftungen  und  Bettler-Klöster  zur  Unterhalt- 
ung der  Pfarren  und  der  damit  eng  verbundenen  Schulen 
verwendet  werden  sollten,  hierbei  jedoch  hinsichtlich  der 
Patrone  derjenigen  geistlichen  Lehen  oder  Vikarien,  welche 
von  einzelnen  Personen  vom  Adel,  von  Bürgern  oder 
Anderen  zu  verleihen  waren,  ausdrücklich  bestimmt  wurde: 

Damit  sie  der  Prärogativen,  so  ihnen  von  wegen  des  iuris 
patronatus  zuständig,  niclit  ffänzlieb  entsetzt  werden,  so  l)edenken 
Wir,  ob  sicb's  schicken  wollte,  dass  allewege  der  dritte  Theil  von 
sokdien  Leben  der  besonderen  Personen  —  Edelleute  oder  Burger  — 
vorbelialten  und  in  den  gemeinen  Kasten  verordnet  würde,  damit, 
so  der  Patron  in  unvorsebnlicbe  Armuth  fiele,  dass  ihm  derselbige 
dritte  Theil  alsdanu  zu  seiner  und  der  Seinen  Unterhaltung,  bis 
dass  sicb's  zur  Besserung  mit  ihm  schickte,  oder  zur  Ausstattung 
einer  Tochter,  oder  einem  Sohne  zum  Studio  auf  eine  Anzahl  Jahre 
gelassen  werde. 

^)  Vergl.  Mittheilungen  des  Sachs.  Alterthurasvereins  XXII,  80. 

*)  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  12,  5.30,  Xo.  75.5. 

")  Richter,  Evangelische  Kirchenordnungen  des  16.  Jahr- 
hunderts I,  77,  und  Gross  mann.  Die  Visitationsakten  der  Diöcese 
Grimma,  S.  10  üg. 


Zur  Eiitstehungsgescliiclite  der  Patronatstellen  etc.  63 

Die  Visitationsordnung  des  Herzogs  Heinricli  vom 
27. Februar  1537  enthielt  zwar  ganz  ähnliche  Bestimmungen; 
doch  ergaben  sich  hinsichtlich  der  Verfügung  über  die 
erledigten  gcistliclu'n  Güter  sehr  bald  Differenzen  mit  den 
Landständeu,  welche  begründete  Ursache  zu  haben  glaub- 
ten, in  dieser  Beziehung  eine  Mitwirkung  und  ein  Kon- 
trolrecht  sich  zu  sichern.  Dementsprechend  beantragten 
sie  in  der  Präliminarschrift  des  im  Jahre  1539  zu  Chem- 
nitz abgehaltenen  Landtages^'): 

Vor  das  Achte:  Weil  allen  Ständen  und  sonderlich  denen  von 
der  Ritterschaft  an  den  Bisthümern,  Stiftern,  Klöstern  und  Komthur- 
häusern  nicht  wenig  gelegen,  in  Ansehung,  dass  sie  und  ihre  Vor- 
fahren, wie  solclis  E.  F.  G,  seihst  bekannt,  dieselbigen  erstlich 
stiften  und  in  Aufnahme  bringen  helfen,  auch  die  Ihrigen  bis  dahin 

nothdürftig  und  ehrlich  darin  haben  unterbringen  können, 

so  bitten  wir  untcrthäniglich,  E.  F.  G.  wolle  mit  denselbigen  His- 
thümern,  Stiftern,  Klöstern,  Konithurhäusern  und  ihren  allerseits 
zugehörigen  Gütern   ohne    Wissen    und   Rath   gemeiner  Landstände 

keine  Änderung  vornehmen, E.  F.  G.  wolle  auch  weiter 

denen  vom  Adel,  welche  Klöster  ur.d  Stifter  unter  ihrer  Obrigkeit 
und  Schutz  haben,  die  Verwaltung  und  Bestellung  derselben  bleiben 
und  darin  keinen  Einhalt  thun  lassen;  gleichergestalt  wolle  es 
E.  F.  G.  Denjenigen  auf  dem  Lande  und  in  Städten,  so  Pfarren 
oder  Altarlehen  zu  verleihen  haben,  halten  und  ihnen  auch  darin 
keinen  Eingritf  thun  lassen. 

Diesen  Vorschlägen  entsprechend  wurde  die  Ver- 
waltung der  erledigten  geistlichen  Güter  in  Thüringen 
und  Meissen  schliesslich  mittels  einer  feierlichen  Erklärung 
(„Reverses")  des  Herzogs  vom  7.  August  1540  an  die  zu 
Leipzig  versammelten  Stände  geordnet. 

Der  Herzog  erkennt  darin  an,  dass,  weil  solche  Klöster 
und  Gestifte  zur  Ehre  Gottes  und  zur  Hilfe  der  Armen 
aufgerichtet  und  also  Gott  zugeeignet  seien,  ihm  und 
seinen  Erben  das  Recht  zu  ewigen  Zeiten  nicht  zustehe, 
dieselben  zu  anderem  Nutzen  zu  wenden  und  gebrauchen 
zu  lassen.  Und  weil  solche  Klöster  und  Gestifte  nicht 
allein  von  seinen  Vorfahren,  sondern  auch  von  derselbigen 
Unterthanen  aller  Stände  aufgerichtet  und  zusammen- 
getragen seien,  habe  er  mit  der  Landschaft  und  seinen 
getreuen  Unterthanen  beschlossen,  dass  nun  liinfür  zu 
ewigen  Zeiten  bei  ihm,  seinen  Erben  und  Nachkommen 
die  Güter  aller  Klöster  und  geistlichen  Stiftungen  in 
Thüringen   und   Meissen    bei    einander    gehalten    werden 


«)  Die  betreffenden  Verhandlungen  wörtlich  in  Sammlung  ver- 
mischter Nachrichten  zur  Sächsischen  Geschichte  (von  Grundig 
und  Klotz  seh)  VI,  105  flg. 


54  Bernhard  von  Schöiiberg: 

und  am  Eigentluime  imverniindert  bleiben,  auch  zu  keinem 
andern  Zwecke  als  zur  Ehre  Gottes^  zu  Hilfe  der  Armen 
und  Trost  gemeiner  Landschaft  gebraucht  werden  sollten. 
Damit  dies  um  so  sicherer  unverbrüchlich  und  zu  ewigen 
Zeiten  also  gehalten  werde,  wolle  er  genehmigen,  dass  die 
Verwaltung  durch  Sequestratoren  aus  der  Landschaft, 
und  zwar  zwei  aus  der  Kitterschaft  und  einen  von  den 
Städten  im  Lande  Meissen  gewählte  und  vom  Landes- 
herrn bestätigte  Personen,  wess  Standes  die  seien,  geführt 
werde.  Die  verordneten  vSequestratoren  sollen  von  den 
Verwaltern  jährlich  Rechnung  anhören,  wozu  der  Landes- 
lierr  einen  oder  mehrere  Käthe  verordnen  wird,  und  über 
ihre  etwaigen  Erinnerungen  und  Ausstellungen  der  ge- 
meinen Landschaft  Bericht  erstatten. 

Als  jedoch  Herzog  Moritz,  welcher  nebst  seinem 
Bruder  August  die  Mitvollziehung  dieses  Reverses  ver- 
weigert hatte,  am  18.  August  1541  zur  Regierung  ge- 
langt war,  bezeichnete  er  es  in  seiner  Proposition  für  den 
auf  den  18.  November  1541  nach  Dresden  einberufenen 
Ausschusstag  der  Landstände,  nachdem  er  sich  darin 
missbilligend  über  die  bisherige  uneinträgliche  Verwaltung 
der  erledigten  geistlichen  Güter  ausgesprochen,  als  das 
zweckmässigste,  dieselben  zu  verkaufen").  Die  noch 
in  den  Klöstern  befindlichen  Mönche  und  Jungfrauen  solle 
man  darin  lassen  und,  wo  ihrer  nur  noch  wenige  seien, 
in  ein  gemeinsames  Kloster  thun,  bis  sie  absterben;  „doch 
dass  sie  sich  unserer  christlichen  Religion  gleichmassig 
verhalten  und  die  Missiiräuche,  so  sie  bis  anher  gebraucht, 
gänzlich  abstelleten".  In  solcher  Weise  würde  man  an 
jährlicher  Nutzung  über  50U00  Gulden  bekommen,  dass 
man  davon  die  Geistlichkeit,  Prediger  und  Priesterschaft 
unterhalten  könne,  ohne  damit  die  armen  Unterthanen  zu 
beladen  oder  zu  beschweren. 

So  könnte  man  auch  davon  verordnen  eine  Unterhaltung  der 
Schulen,  Lehre  und  Kinderzucht,  dass  armer  Leute  Kinder  wohl- 
gezogeu  und  gelernt  würden,  auch  Etliche  ausserhall)  und  inner- 
halb Landes  unterlialten  würden,  desgleichen  arme  Kinder  aus- 
gestattet und  den  Armen  dürftige  Almosen  gegeben  und  geholfen 
werde.  Das  ist  der  Klöster  erste  Ankunft  und  Gerechtigkeit,  dass 
sie  zur  Zucht  und  Lehre  gestiftet  sind.  Wenn  man's  nun  wiederum 
dahin   richtet,   so  kann   man's  mit  Gott  und  Recht  erhalten.     "Was 


')  Vergl.  (aitsser  der  oben  Anm.  0  angeführten  Quelle)  für  die 
Verhandlungen  der  Landstände  während  der  Kegierungszeit  des  Kur- 
fürsten Moritz  auch  die  Abhandlungen  von  J.  Falke  in  den  Mit- 
theilungen  des  K.  S.  Alterthumsvereins  XXI,  58  Üg.,   XXIl,  77  üg. 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  Patronatstelleu  etc.  65 

nun  über  solche  Verordnung  jährlichen  Einkommens  überblieben, 
das  möchte  man  hinterlegen,  Uns  selbst  und  Land  und  Leuten  zum 
Besten,  oder  dass  man  dasselbige  übrige  Geld  jährlich  nehme  und 
Land  und  Leute,  wo  die  versatzt  wären,  damit  löste,  dass  mit  der 
Zeit  die  Hilfe  und  Steuern  also  von  den  Landen  möchten  abgewendet 
werden,  was  ohne  das  nicht  geschehen  kann.  Solch  Vornehmen, 
wie  oben  angezeigt,  das  halten  Wir  für  christlich,  göttlich  und 
gleich  (billig),  und  begehren  derohalben  von  euch,  dass  ihr  Uns 
auch  hierinnen  wollet  berathen  sein,  und  wo  ihr  einigen  bessern, 
nutzeren  Weg  wüsstet,  so  wollet  ihr  ihn  Uns  anzeigen,  auf  dass 
dasjenige  hierinnen  vorgenommen,  das  da  seliglich,  und  unserer 
christlichen  ludigion  nicht  zuwider  gehandelt  werde. 

Der  ständische  Ausscliuss  erkannte  es  in  seiner  Ant- 
wort zunächst  dankend  an,  dass  der  Herzog  sich  geneigt 
erklärt  habe,  die  erledigten  geistlichen  Güter  zu  Gottes 
Ehre  und  zu  Erhaltung  christlicher  Lehrer,  Pfarrer  und 
Seelsorger,  zum  Trost  der  Armen,  auch  E.  P.  G.  und 
derselben  Landschaft  zum  Besten  gebrauchen  und  an- 
wenden zu  lassen. 

Und  dieweil  dieselbigen  Güter  ihrer  ersten  Stiftung  halben 
und  nach  Meinung  der  Stifter  und  der  Anderen,  durch  deren  Fleiss 
und  Mühe,  auch  milde  Almosen  sie  gemehret  und  gebessert,  dahin 
geörtert,  dass  sie  vornehmlich  zu  Gottes  Ehre  und  Lob  und  zu 
rechtschaffener  christlicher  Lehre  und  Trost  der  Armen  gemeint: 
so  haben  wir  hiebevor  und  ietzo  nichts  Christlicheres  und  Besseres 
erachten  können,  denn  dass  dieselbigen  Güter,  wenn  da  die  ver- 
ledigt,  nicht  in  Eigennutz  gewandt,  sondern  zu  den  obgemeldten 
göttlichen,  gütigen  und  milden  Sachen   gekehrt,   und   die  Übermass 

E.  F.  Gn.  und  gemeiner  Landschaft  zu  Gute  und  Trost  in  fürfallenden 
Nothsachen  zu  gebrauchen  hinterlegt  werde,  welches  denn  auch  E. 

F.  G.  Herr  Vater  hochlöblicher  Gedächtnis  erwogen  und  bedacht 
und  solche  Verordnung  derselben  Güter  halben  Inhalts  S.  F.  G. 
gnädig  gegebener  Vorschreibung  bei  S.  F.  G.  Lebetagen  auch  gnä- 
diglich  gemacht. 

Mit  dem  Vorschlage  des  Verkaufes  der  Güter  da- 
gegen vermochte  der  Ausschuss  nicht  sich  zu  befreunden, 
bezeichnete  vielmehr  es  als  räthlich,  dass  man  vor  der 
endgiltigen  Beschlussf'assimg  „sich  der  Güter  Gelegenheit 
gründlich  erkundige;  was  sie  ertragen,  und  wie  hoch  sie 
um  einen  ßesclieid  ausgethan  werden  können".  P^inst- 
weilen  möge  man  es  noch  einige  Jahre  mit  der  Verpacht- 
ung versuchen  und  die  Güter  dem  Herzoge  wie  den 
Ländern  zum  Trost  und  inhalts  der  Versclireibung  des 
Herzogs  Heinrich  bei  einander  behalten. 

Hiernächst  kam  der  Ausschuss  auf  die  schon  früher 
von  den  Mitgliedern  der  Ritterschaft  wie  von  den  Städten 
erhobenen  Beschwerden  zurück,  dass  man  ihnen  bei  der 
Visitation  das  Patronatrecht  über  Altarlehen,  welches  ihre 
Vorfahren  und  sie  selbst  gehabt,    habe    nehmen   wollen, 

Kcues  Aicliiv  f.  S.  Ci.  u.  \.     VII.   1.  2.  5 


QQ  Bernhard  von  Sdiönberg: 

während  ihnen  docli  dieses  Recht  um  deswillen  zustehe, 
weil  sie  oder  ihre  Vorfahren  und  Befreundeten  (Ver- 
wandten) dieselbigen  Lehen  gestiftet. 

Demnach  ist  unsere  unterthänige  Bitte,  E.  F.  G.  wollten 
Jedermann,  der  Altarlehon  zu  verleihen  hat,  es  sei  auf  dem  Lande 
oder  in  Städten,  bei  ihrer  Leihung  und  Gerechtigkeit  bleiben  lassen, 
dass  sie  die  verleihen  mögen  nach  ihrer  besten  Erkenntniss  zu 
Nothdurft  ihrer  armen  Freunde,  Hospitalen  armer  Leute  oder  zur 
Kinderlehr  und  nicht  zum  Messehalten  oder  unchristlichem  Missbrauch. 

Der  Herzog  verblieb    in    seiner    Antwort^)    bei    der 

Ansicht,  dass  der  Verkauf  der  Güter  einen  besseren  und 

sicheren    Nutzen    bringen     werde,     als    die    angerathene 

Verpachtung,  wollte  aber  dennoch   auf   den  Wunsch   der 

Landstände  bei  den  von  diesen  vorgeschlagenen  Personen 

Verfügung  thun,  dass  sie  die  Güter  besichtigen  und    den 

Verkaufswerth  sowie  die  Nutzungen  veranschlagen  sollten. 

Auch  solle  allen  bisherigen,  Verwaltern    dieser  Güter   die 

Rechnung  abgenommen,   wegen    der  Inventarien   Bericht 

eingezogen  und  wegen  Verwendung  der  Güter  und  ihrer 

Nutzungen  weiteres  mitgetiieilt,    die   Güter  aber  zu  nichts 

anderem    als    zu   christlichen   milden   Sachen   angewendet 

und  der  Überschuss  dem  Lande  zu  Gutem  und  Trost  in 

vorfallenden  Nothsachen  gebraucht  werden. 

Soviel  das  ins  patronatus  der  Altarlehen  anbelangt,  haben 
Wir  oftmals  hiebevor  bericht  empfangen,  dass  solcher  Lehen  Ein- 
kommen zu  Unterhaltung  der  Kirchendiener  geordnet,  derhalben 
durch  diesen  (den  von  den  Ständen  vorgeschlagenen)  Weg  die  Ver- 
ordnung Unsers  lieben  Herrn  und  Vaters  seligen  christlicher  Visi- 
tation zerrüttet  würde  und  die  Versehung  der  Kirchendiener,  Pfarrer 
und  l'rediger  in  andere  Wege  geschehen  müsste,  dazu  denn  Unsers 
Erachtens  schwerlich  zu  kommen.  Wüsstet  ihr  Uns  aber  dazu 
andere  Wege  anzuzeigen,  die  wollen  Wir  vermerken  und  Uns  darauf 
mit  fernerer  und  gebulirlicher  Antwort  vernehmen  lassen. 

Der  Ausschuss  wiederholte  in  seiner  Duplik  die  Bitte, 
von  dem  Verkaufe  der  geistlichen  Güter  zur  Zeit  ab- 
zusehen, vielmehr  es  zunächst  mit  der  Verpachtung  auf 
einige  Jahre  zu  versuchen  oder  den  Ausschuss  des  künf- 
tigen Landtages  die  iSache  weiter  erwägen   zu  lassen. 

Soviel  das  ius  patronatus  anlangt,  wollen  E.  F.  G.  wir  in 
aller  Unterthänigkeit  nicht  verhalten,  dass  den  Ständen  die  Ver- 
ordnung der  Visitation  halber  höchlichst  beschwerend  gewest,  und 
hat  ihme  (sich)  Niemand  seine  Leiliung,  die  ihm  aus  seiner  Eltern 
oder  Freunde  (Verwandten)  Stiftung,  aus  fürstlicher  Belehnung,  zum 
Theil  auch  aus  Erkaufen  vor  Gott  und  Kecht  gebührt,  benehmen 
und  an  andere  Ende  wenden  wollen  lassen.  Derwegen  auch  E.  F.  G. 
Herr  Vater  zu  Chemnitz  den  Landstunden  gnädigUch  zugesagt,  dass 


8)  H.-St.-A.,  Kopial  13,  Bl.  320  flg. 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  l'atronatstellen  etc.  67 

einem  Jeden  sein  ins  patronatus  bleiben  solle,  darum  E.  F.  G.  wir 
nochmals  unterthäiiig  bitten;  und  können  die  Pfarrherren,  Prediger 
und  Seelsorger  aus  dem  Einkommen  und  Nutzungen  der  Kloster- 
güter vermöge  E.  F.  G.  uns  beschehenen  Vortrages  und  unseres  darauf 
erfolgten  Rathschlages  versehen  werden. 

Nachdem  der  Herzog  in  seiner  Antwort  der  geist- 
lichen Güter  halben  dem  Antrage  des  Ausschusses  ent- 
sprechend nach  Einsendung  der  Verzeichnisse  über  den 
Umfang  und  Werth  der  Güter  weitere  Erwägung  und 
Verhandhmg  mit  dem  einzuberufenden  neuen  Landtage 
zugesagt  hatte,  kam  der  x\usschuss  in  einer  anderweiten 
Eingabe  nochmals  auf  die  Altarlehen  zurück,  indem  er 
dabei  namentlich  hervorhob,  dass  es  sich  hier  um  wohl- 
erworbene liechte  handele,  deren  die  Inhaber  mit  Fug 
nicht  entsetzt  werden  könnten. 

Und  wissen  auch  nochmals  E.  F.  G.  unserm  Gewissen  auch 
der  Lehre  des  Evangelii  nach  nicht  zu  ratheu,  dass  der  Bestellung 
der  Pfarrer  und  Prediger  oder  anderer  Kircheuämter  halben  Je- 
mandes wohlhergebrachte  Gerechtigkeit  wider  seinen  Willen  sollte 
eingezogen  und  verweigert  werden.  Derhalben  ist  unsere  unter- 
thänige  Bitte,  E.  F.  G.  wollte  nachmals  gnädiglich  bewilligen,  dass 
wir  bei  unserer  Gerechtigkeit,  die  uns  auf  unsere  Altarlehen  ver- 
möge der  Rechte  zuständig  und  unseres  Verhoffens  der  Lehre  der 
heiligen  Schrift  unabbriichlich,  gnädiglich  bleiben  lassen. 

Dabei  hoben  die  Stände  noch  besonders  hervor,  dass 
sie  nicht  gemeint  seien,  das  Einkommen  von  den  Altar- 
lehen zu  eigenem  Nutzen  zu  gebrauchen,  sondern  erbötig, 
dasselbe  —  doch  ohne  Abbruch  ihrer  rechtmässigen  Ge- 
rechtigkeit —  zu  christlichen,  geistlichen  und  milden 
Sachen  zu  verwenden. 

Der  Herzog  erklärte  darauf  im  Landtagsabschiede, 
dass  er  die  Angelegenheit  der  erledigten  geistlichen  Güter 
dem  demnächst  nach  Leipzig  auszuschreibenden  Landtage 
anderweit  vorlegen  wolle. 

Aber  der  Altarlehen  halben  lassen  Wir  es  bei  Unseren  vori- 
gen Anzeigen,  können  aber  leiden,  dass  Uns  mit  der  Zeit  ein  Ver- 
zeichniss  solcher  zugestellt  werde.  So  haben  Wir  Uns  auch  leicht- 
lich  zu  erkundigen,  was  Unsere  Torfahren  gestiftet,  und  wie  viele 
Thumereien  und  Lehen  im  Laude  Wii-  zu  verleihen,  damit  euere 
Freunde  oftmals  von  Unseren  Vorfahren  aus  Gnaden  belehnet  sein. 
Und  hätten  eures  Rathes  halben,  den  ihr  Uns  bei  eurem  Gewissen, 
auch  der  Lehre  des  Evangelii  nach  in  dieser  Sache,  die  ihr  solcher 
eurer  Lehen  halber  unerfordert  an  uns  habt  gelangen  lassen,  anders 
denn  geschehen  nicht  wisset  anzuzeigen,  wohl  ein  Bedenken  zu 
haben;  Wir  wollen  ihn  aber  dahin  verstehen,  dass  er  zu  eurer  Noth- 
durft  gut  gemeint  sei,  und  darum,  wenn  Uns  das  Verzeichniss  zu- 
gestellet  und  Wir,  wie  hoch  die  Klostergüter  sich  erstrecken,  be- 
richtet worden,  wollen  Wir  Uns  Unserem  vorigen  Erbieten  nach 
unverweislich  vernehmen  lassen. 


68  Bernhard  von  Scliönberg  : 

Auf  Verlangen  des  Herzogs  trat  im  Jahre  1542  der 
engere  Ausschuss  der  Stände  mit  den  von  ihm  verord- 
neten Käthen  zu  erneuten  Verhandlungen  über  die  aus 
dem  Patronatrechte  an  Altarlehen  abgeleiteten  Ansprüche 
zusammen,  bei  welchen  es  schliesslicli  gelang,  einen  ge- 
eigneten Vermittelungsweg  zwischen  den  divergierenden 
Interessen  ausfindig  zu  machen.  Wir  erkennen  dies  aus 
der  herzoglichen  Proposition  für  den  auf  den  13.  Januar 
1843  nach  Dresden  zusammenberufenen  grossen  Ausschuss- 
tag ^),  in  welchem  der  Herzog  den  Plan  zur  Errichtung 
von  drei  neuen  Schulen  zu  Meissen,  Merseburg  und  Pforta 
bei  Naumburg  (offenbar  in  Anlehnung  an  die  Bischofs- 
sitze) mit  230  Freistellen  entwickelte,  von  denen  76  Stellen, 
auch  nicht  mehr  noch  weniger  denn  der  ganzen  Summe 
dritter  Thell,  adeligen,  100  Stellen  städtischen  und  die 
übrigen  landeslierrlichen  Patronats  sein  sollten. 

Der  Ausschuss  erklärte  sich  im  allgemeinen  zu- 
stimmend, beantragte  jedoch,  dass  zu  Vollziehung  dieses 
Werkes  den  dazu  verordneten  fürstlichen  Käthen  einige 
von  den  Landständen  aus  ihrer  Mitte  Gewählte  beige- 
geben werden  möchten,  sowie  dass  diejenigen  Personen 
und  Geschlechter  auf  dem  Lande  und  in  den  Städten, 
welchen  das  Patronatreclit  über  einzelne  der  hierzu  ver- 
wendeten Altarlehen  zugestanden  habe,  zur  Ausgleichung 
einen,  oder  nach  Verhältnis  der  Lehen  auch  mehrere 
aus  ihrem  Geschlechte  oder  sonst  in  die  Schulstellen  oder 
Stipendien  zu  ernennen  haben  sollten. 

Der  Herzog  antwortete,  dass  er  zwar  Bedenken  trage, 
gegen  jedes  Altarlehen  zur  Ausgleichung  des  Patronat- 
rechtes  eine  Stelle  in  den  neuen  Schulen  einzuräumen, 
da  mehrere  Lehen  gar  zu  gering  seien ;  docii  wolle  er 
auf  ein  Lehen  von  30  Gulden  jährlichen  Einkommens 
die  Benennung  eines  Knaben  gestatten,  nur  müsse  der- 
selbe auch  zu  der  Schule  geschickt  sein  und  solle  mit 
den  anderen  gleich  oehalten  werden. 

Die  zwischen  dem  iirossen  Ausschusse  und  den  landes- 
fürstlichen Rätlien  —  unter  welchen  auch  der  spätere 
Oberhauptmann  des  Erzgebirges  Wolf  von  Schönberg 
auf  Neusorge  etc.  sich  befand  —  schliesslich  getroffenen 
Vereinbaiungen  fanden  ihre  Sanktion  in  dem  Artikel 
„Von  dreien  neuen    Schulen"  der   Neuen  Landesordnung 


ö)  H.-St.-A.    Lof,    9.S53,     „Handhmg   mit   dem   grossen  Aus- 
schuss etc.  1543",  Bl.  .^b. 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  Patronatstellen  etc.  69 

des  Herzogs  Moritz  vom  21.  Mai  15-1:3,  die  drei  Schulen 
zu  Meissen,  Merseburg^")  und  zur  Pforten,  wie  auch 
andere  Artikel  betreffend  ■^•^). 

„Und  nachdem  zu  Anrichtung  einsmals  und  darnach  zu  Unter- 
haltui'g  dieser  Schulen  auch  der  Zula?e  derer  Kirchen-  und  anderen 
Schulendienern  und  der  Universität  jährlich  eine  stattliche  Summe 
Geldes  vonnöthen,  und  Wir  im  Anfange  Unserer  Recrierung  vieler 
Stifter  und  Klöster  Güter  in  Unseren  Landen  verledigt  befunden, 
und  sich  dero  noch  mehr  seit  der  Zeit  verledigt,  haben  Wir  mit 
Rath  und  Vorwissen  des  grossen  Ausschusses  beider  Unserer  Lande, 
Düringen  und  Meissen,  verordnet,  dass  solcher  verledigter  Klöster, 
Gestifte  und  Stiftungen  Güter  und  Einkommen  zu  solchen  Schulen, 
Unterhaltung  der  Kirchendiener  und  Besserung  unserer  Universität, 
wie  obgemeldt,  soviel  die  Nothdurft  erfordert,  in  Ewigkeit  sollen  ge- 
brauchet werden.   —    —     —    —    —    —    —    —    —    —    —     — 

Als  auch  Etliche  von  der  Ritterschaft  eines  Theils  derer  geist- 
lichen Lehen  in  Stiften  und  Pfarren  zu  verleihen  gehabt,  die  zu 
Unterhaltung  derer  Kirchen-  und  Schulendiener  in  Städten  oder 
auch  zu  denen  Stipendien,  die  Wir,  Unsere  Erben  und  Nachkommen 
verleihen,  gebrauchet  werden:  haben  Wir  mit  dem  grossen  Aus- 
schuss  Unserer  Lande  beschlossen,  dass  ein  Jerler  von  der  Ritter- 
schaft, der  ein  geistlich  Lehen,  das  nicht  zu  einer  Pfarre  geschlagen, 
die  da  von  ihm  zu  Lehen  rühret,  und  dreissig  Gulden  Einkommens 
hat,  zu  verleihen  berechtiget,  einen  Knaben  in  der  dreien  Schulen 
einer  soll  zu  benennen  haben.  —    —    —    —    —     —    —     —     — 

Und  damit  ein  Jeder  wisse,  in  welche  Schule  er  und  seine 
Lehnserben  zu  benennen  habe,  soll  er  nach  Dato  dieses  Unseres 
Ausschreibens  binnen  fünf  Wochen  das  Lehen,  so  er  zu  leihen,  auch 
wie  viel  es  Einkommens  hat,  wo  die  Zinsen  stehen,  und  wie  viele 
deren  garghaftig,  anzeigen:  dann  wollen  Wir  ihm  vermeLlen,  in 
welche  Schule  er  soll  die  Benennung  zu  thun  haben.  Welcher  aber 
der  Zeit  nichts  anzeigen  wird,  der  soll  hernach  ferner  nicht  ge- 
höret werden. —    —    —    —    —    —     —    —    —    —    —    —    — 

Als  Wir  Uns  auch  mit  dem  Ausschuss  Unserer  Lande  ver- 
glichen, dass  der  dritte  Theil  derer  Knaben  der  ganzen  Summe  aus 
dem  Adel  sein  soll,  nämlich  76,  lassen  Wir  es  dabei  bewenden;  wo 
sich  aber  die  Zahl  derer  Lehen,  die  sie,  wie  obgeraeldt,  zu  verleihen 
gehabt,  höher  würde  erstrecken,  so  soll  die  Zahl  derer  Lehen  er- 
höhet und  je  auf  30  Gulden  Einkommens  ein  Knabe  in  die  Schule 
benennet  werden,  damit  sich  Niemand  in  Unseren  Landen  zu  be- 
klagen, als  würde  ihm  etwas  von  dem  iure  patronatus  entzogen". 

Die  Frage  wegen  des  Verkaufes  der  erledigten  geist- 
lichen Güter  blieb  hierbei  unberührt:  offenbar,  weil  es 
dem  Herzoge  niclit  gelungen  war,  die  Zustimmung  der 
Landstände  zu  erlangen.  Derselbe  entschied  sich  infolge 
dessen  —  vielleicht  auch  weil  der  ihm  bisher  entgegen- 
gesetzte   Widerstand    an    Energie  nachgelassen   hatte  — 


i*')  Bei  der  Ausführung  trat  an  die  Stelle  der  in  Aussicht   ge- 
nommenen Schule  zu  Merseburg   die  Landesschule   zu  Grimma. 
")  Cod.  Aug.  I,  1.3. 


70  Bernhard  von  Schönberg: 

zu  selbstständigem  Vorgehen  in  dieser  Angelegenheit, 
wovon  er  die  Stände  nachträglich  durch  den  interessanten 
Rechenschaftsbericht  vom  23.  Januar  1544^-)  in  Kenntnis 
setzte.  Insoweit  danach  die  betheiligten  geistlichen  und 
Schulanstalten  anstatt  mit  dem  sequestrierten  Grundbesitze 
selbst  vielmehr  mit  dem  daraus  erlangten  Erlöse  an  Ka- 
pital ausgestattet  wurden,  gereichte  ihnen  dies  nicht  immer 
zum  Vortheile-^^). 

Als  sehr  glücklich  dagegen  darf  die  Ijösung  be- 
zeichnet werden,  welche  der  Frage  der  Altarlehen  ge- 
worden war,  insofern  die  städtischen  und  adeligen  Pa- 
tronatstellen  bis  auf  den  heutigen  Tag  als  eine  höchst 
segensreiche  Einrichtung  sich  bewährt  haben. 

Zunächst  freilich  setzten  sich  die  bisherigen  Verhand- 
lungen um  die  Anerkennung  des  Rechtes  selbst  noch 
längere  Zeit  in  Kämpfen  um  den  Umfang  des  Rechtes 
fort.  Für  diese  Kämpfe  sind  die  um  die  von  Scliön- 
berg'schcn  Freistellen  in  der  Landesschule  St.  Afra  zu 
Meissen  geführten  besonders  charakteristisch  und  auch 
für  die  übrigen  Betheiligten  typisch.  Wenn  daher  die 
nachstehende  Darstellung  im  wesentlichen  auf  die  Ver- 
handlungen über  die  Ansprüche  der  Schön  berge  sich  be- 
schränken kann  imd  wird,  so  erscheint  es  im  Interesse 
des  Verständnisses  nothwendig,  ihr  zunächst  einige  genea- 
logische Notizen  und  sodann  eine  Zusammenstellung  der 
hier  speziell  in  Frage  kommenden  Stiftungen  vorauszu- 
schicken.   

Das  Geschlecht  von  Schönberg  Meissnischen 
Stammes  hatte  sich  bereits  zu  Anfange  des  14.  Jahr- 
hunderts in  drei  Hauptäste,  nämlich  den  (Roth-)Schön- 
berger,  den  Purschensteiner  und  den  Zschochauer 
Hauptast  gespalten,  von  denen  der  zweite  im  Jahre 
1735  und  der  dritte  im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts 
ausgegangen  sind. 

Der  Schönberger  Hauptast  verzweigte  sich  um  die 
Mitte  des  15.  Jahrhunderts  in  zwei  Linien,  an  deren 
Spitze  je  ein  Bruder  der  Bischöfe  Caspar  von  Schön- 
berg und  Dietrich  von  Schönberg  steht,  nämlich 
Hanns  von  Schönberg  auf  Sachsenburg,  der  Ahnherr 
des  im  Jahre  1727  ausgestorbenen  Stoiber ger   Haupt- 

^-)  Abgedruckt  in  (Grundig  und  Klotzsch)  Sammlung  ver- 
mischter Nachrichten  VI,  141  tli^. 

1»)  Vergl.  z.  B.  Flathe,  St.  Afra,  S.  36  und  44. 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  Patronatstellen  eic.  71 

Zweiges,  sowie  des  Saclisenburger  Hauptzweiges  — 
welcbem  letzteren  u.  a.  auch  die  im  nachstehenden  ge- 
nannten Güter  (Ober-)Schönau,  Limbach  bei  Chemnitz, 
Börnchen,  Stadt  Haynichen  und  Neusorge  bei  Franken- 
berg angehörten  — ,  und  Nicol  von  Schönberg  auf 
(Rotli-)Sch()nberg-,  Reinsberg,  WilsdrufF,  Limbach  bei  Wils- 
druff,  Neukirchen  und  Krummenhennersdorf,  der  Ahnherr 
des  im  Jahre  1651  ausgestorbenen  Schönberger  Haupt- 
zweiges sowie  des  Reinsberger  Hauptzweiges.  Die 
zur  Zeit  lebenden  Schönbero-e  g-ehören  somit  theils  — 
und  zwar  ihrer  überwiegenden  Mehrzahl  nach  —  dem 
Reinsberger  Hauptzweige,  theils  dem  Sachsenburger 
Hauptzweige  des  Schönberger  Hauptastes  an^^). 

Über  die  hier  in  Frage  kommenden  Altarlehen  von 
Schönberg'schen  Patronates  ist  zur  Zeit  folgendes  bekannt : 

1.  Die  Laurentius -Yikarie  zu  Meissen. 

Am  24.  Oktober  1471  ^■^)  verkündet  der  Meissner 
Bischof  Dietrich  von  Schönberg  (56),  dass  sein  verstor- 
bener Bruder,  Bischof  Caspar  (55),  von  seinem  väterlichen 
Vermögen  und  mit  diesem  gemeinsam  ihr  Bruder,  der 
gestrenge  Ritter  Nicol  (57)  zu  Reinsberg  gesessen, 
ferner  ilire  Neffen,  die  Gebrüder  Caspar  (71)  und  Hein- 
rich (69)  zu  Sachsenburg  gesessen  ^'^),  hiernächst  Adelheidis 
von  Schönberg  zu  Sayda,  Witwe  des  gestrengen  Ritters 
Siegfried  von  Schönberg  (75)  zu  Purschenstein  und  Sayda, 
ausserdem  der  Archidiakon  von  Nisan  und  Domherr  zu 
Meissen  Johannes  von  Harras,  endlich  er  selbst,  als  er 
noch  Dompropst  war,  einen  neuen  Altar  mit  einer  ewigen 
Vikarie  zu  Ehren  des  h.  Laurentius  in  der  Domkirche  zu 
Meissen  gestiftet  haben,  und  dass  die  Dotation  dieser 
Vikarie  mit  Einkünften  und  Zinsen  nunmehr  zum  Ab- 
schliisse  gebracht  sei. 


")  Vergl.  die  dem  II.  Bande  der  Geschichte  des  Geschlechtes 
von  Schönberg  (von  Bernhard  von  Schönberg)  beigegebene 
Stammtafel.  Um  die  Persönliclikeit  der  im  nachstehenden  aufge- 
führten Mitglieder  des  Geschlechtes  genau  festzustellen  und  ins- 
besondere Verwechselungen  zwischen  Gleichnamigen  vorzubeugen, 
ist  jedesmal  die  Nummer  beigefügt,  mit  welcher  der  Betreffende  in 
der  Stammtafel  bezeichnet  ist. 

15)  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  3,  210,  No.  1158. 

lö)  Söhne  des  Ritters  Hanns  von  Schönb  erg  (53)  zu  Sachsen- 
burg. Die  Herrschaft  Stolberg  gelangte  erst  nach  Ausfertigung 
der  obigen  Urkunde  —  am  li.  Februar  1-173  —  in  den  Besitz  des 
Heinrich  von  Schönberg  (69). 


72  Beniliartl  von  Schönberg: 

Der  Vikar  oder  dessen  Kapellan  hat  täglicli  eine 
Messe  zu  lesen  und  für  die  Stifter  sowie  für  alle  Ver- 
storbenen aus  dem  Gescld echte  von  Schönberg  zu  beten, 
überdies  eine  Tag  und  Nacht  brennende  Lampe  bei  dem 
Altar  zu  unterhalten  und  an  die  anderen  ewigen  Vikare 
der  Domkirche  jährlich  2  Schock  zu  zahlen,  dagegen  aber 
mit  diesen  an  allen  Vertlieilungen  von  Präsenzgeldern 
theilzimehraen.  Der  Vikar  soll  auf  einer  bestätigten  Uni- 
versität bis  zur  Erlangung  des  Grades  eines  Magisters 
oder  eines  Doctors  oder  eines  Baccalaureus  in  einem  der 
beiden  Rechte  studiot  haben.  Bischof  Dietrich  bestätigt 
diese  Stiftung  sowohl  als  gemeinsamer  Testamentsvoll- 
strecker der  Stifter,  als  auch  als  Mitstifter  mit  allen  daran 
geknüpften  Bedingungen  kraft  seines  bischoflichen  Amtes, 
verleiht  den  hierzu  bestimmten  Zinsen  alle  Rechte  der 
Kirchengüter  und  verfügt,  dass  der  Vikar  des  Laurentius- 
Altars  allen  übrigen  ewigen  Vikaren  gleichberechtigt 
sein  soll. 

Das  Verleihungs-  oder  Patronatrecht  soll  im  Sinne 
der  Stifter  immer  dem  Ältesten  aus  dem  Geschlecht  derer 
von  Schönberg  des  Reinsberger  sowie  des  Sachsen- 
burger (und  Stoiberger)  Hauptzweiges,  nach  deren  etwai- 
gem Aussterben  aber  dem  Altesten  derer  von  Schönberg 
des  Purscliensteiner  Hauptastes  zustehen,  und  von  diesen 
auf  den  Ältesten  des  Geschlechtes  oder  Namens  von 
Schönberg  unabhängig  vom  Stammhause  übergehen,  nie- 
mals aber  mit  den  Stammgütern  irgendwie  ver- 
äussert  oder  verkauft  werden  dürfen,  sondern 
vielmehr  auf  immerwährende  Zeit  bei  dem  Ge- 
schlechte von  Schönberg  verbleiben. 

Collationem  vero  sive  ins  patroiiatus  dictae  vicariae  iuxta 
meutern  fniulatorum  pertiiiere  volnmiis  semper  ad  seniorem  ex  ^e- 
nealogia  ipsorum  de  Schoid)eri'k  in  lleinsperpk,  Saclisinberifk,  Schon- 
bergk  et  Nenkiixhen  liabitantinni.  Si  vero,  qnod  dens  avertat, 
omnes  de  hac  Ince  niigrarent,  ad  seniorem  illoruni  de  Schonbergk 
in  Bnrsenstein,  al)  Ulis  vero  ad  seniorem  de  Schonbersk  de  illa  ge- 
nealogia  sive  nomine  Schonbergensium  ubicnnqne  habitantinm  de- 
volvi  volnnins,  nee  volnmus  dictum  ins  patronatns  cnm  bonis  liere- 
ditariis  qnovis  modo  alienari  ant  vendi,  immo  in  perpetunm  apud 
genealogiam  illorum  de  Schonbergk  permanere  debere. 

Die  Verleihung  soll  dergestalt  erfolgen,  dass  die 
Vikarie  bei  eintretender  Vakanz  zuerst  und  vor  allen  an- 
deren einem  Angehörigen  des  Geschlechts  von  Schönberg 
und  nicht  einem  anderen,  dafern  aber  in  diesem  Ge- 
schlcchte  eine  geeignete  Persönlichkeit  nicht  vorhanden 
ist,    einem    Angehörigen    des    Geschlechtes    von  Heynitz, 


Zur  Entstehungsgeschiclite  der  ratronatstelleii  etc.  73 

falls  auch  liier  ein  Geeigneter  nicht  vorhanden ,  einem 
aus  dem  Geschlechte  von  Karas  und  unter  der  gleichen 
Eventualität  einem  aus  dem  Geschlechte  von  Honsberg 
und  danach  immer  wieder  einem  aus  dem  nächstberech- 
tigten Gesclilechte  zu  übertragen  ist.  Die  Reihenfolge 
der  genussberechtigten  Geschlechter  stimmt  mit  den 
vier  Ahnenwappen  am  Grabdenkmale  des  Bischofs  zu 
Meissen  überein. 

Der  unter  den  Stiftern  mit  aufgeführte  Johannes 
von  Harras  —  wahrscheinlich  ein  Bruder  oder  Neffe  der 
Adelheidis  von  Schönberg  geb.  von  Harras  zu  Sayda  und 
jedenfalls  ein  naher  Verwandter  der  Stifter  —  stand  im 
engsten  Freundschaftsverhältnisse  zu  Bischof  Caspar,  wie 
folgende  Stelle  in  dessen  Testamente  ^'j  beweist : 

Cum  mihi  familiarissimus  dominus  Johannes  de  Harra  meciim 
per  spatiosum  tempns  in  servitio  apud  me  die  noctuque  in  singulis 
nieis  necessitatibus  perseveranter  stetisset,  fideliter  famulatus  fuisset, 
qui  etiam  fidelis  in  omnibus  sibi  commissis  usque  in  finem  reper- 
tus  est. 

Er  wurde  in  der  Parochialkirche  zu  Stolpen  (Joch- 
grim)  begraben,  und  Bischof  Dietrich  von  Schönberg 
stiftete  daselbst  laut  Urkunde  vom  1.  Januar  1472^^) 
zwei  Schock  Freiberger  Groschen  als  Jahreszinsen  von 
56  Schock  15  Groschen  Hauptsumme  zu  einer  Antiphonie 
für  sein,  des  Stifters,  seines  Bruders  Caspar,  seiner  Vor- 
gänger und  Nachfolger,  sowie  des  Johannes  von  Harras 
Seelenheil. 

Zu  Anfange  des  Jahres  1479  war  Georg  von  Schön- 
berg —  wahrscheinlich  der  spätere  Domherr  zu  Naum- 
burg aus  dem  Hause  Zschochau  (146)  —  Inhaber  der 
Vikarie^^).  Am  7.  Januar  1540-**),  desgleichen  in  der 
S.  80  erwähnten  Anmeldungsschrift  vom  9.  Juli  1543 
wird  als  solcher  Joachim  von  Schönberg  —  wahr- 
scheinlich der  spätere  Besitzer  von  Gelenau,  Thum  und 
Niederzwönitz  (119)  —   genannt. 

2.   Die  Michaelis-Yikarie  zu  Meissen. 

Laut  Urkunde  vom  19.  September  1454-^)  wies  der 
Meissner  Propst  Dietrich  von  Schönberg  (56)  -zur  Dotation 

1'')  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  3,  145,  No.  1058. 

IS)  Grundmanns  Cod.  dipl.  (ManuscriptdesH.-St.-A.)  IX,  5097. 

lö)  Cod.  d.  Sax.  r.  11,  3,  '?52,  No.  1217  und  1218. 

20)  H-St.-A.,  Acta  visitationis  1540,  Bl.  67. 

25)  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  3,  117,  No.  1026. 


7J:  Bernhard  von  Schönberg: 

des  von  ihm  mit  Genehmigung  seines  Bruders,  des  Bi- 
scliofs  Caspar  (55),  zu  Ehren  des  Erzengels  Micliael  im 
Dome  zu  Meissen  gestifteten  Altars  und  der  damit  ver- 
bundenen Vikarie  12  Schock  guter  Freiberger  Groschen 
jährliche  Zinsen  an,  welche  er  wiederkäuflich  für  216  Schock 
gleicher  Münze  erworben  hatte. 

Nachdem  der  Stifter  Bischof  geworden,  bestätigte  er 
am  6.  Januar  1465-"-)  diese  Stiftung  eines  neuen  Altars 
zur  rechten  Seite  der  letzten  Säule  sowie  einer  immer- 
währenden Vikarie,  deren  Inhaber  als  das  Auge  des 
Propstes  oder  Präcentor's  zu  bezeichnen  sei,  indem  er 
zugleich  spezielle  Bestimmungen  über  die  Obliegenheiten 
des  Vikars  (zu  Avelchen  die  persönliche  Residenz  gehört) 
und  über  dessen  Stellung   zu  den    übrigen  Vikaren    traf. 

Das  Kollaturrecht  sollte  zunächst  dem  Stifter  selbst  für 
seine  Lebenszeit^  nach  seinem  Tode  aber  seinem  Bruder 
Nicol  (57)  und  nach  dessem  Tode  den  männlichen  welt- 
lichen Nachkommen  (ad  heredes  masculos  saeculares)  sowohl 
Nicols,  als  auch  des  bereits  verstorbenen  Bruders  Hanns 
(53),  und  zwar  jedesmal  dem  Altesten  so  lange  zustehen, 
als  überhaupt  männliche  Naclikommen  aus  diesen  Linien 
(de  parentela  illorum)  vorhanden  sein  würden.  Nach  dem 
etwaigen  Erlöschen  dieser  Linien  im  Mannsstamme  sollte 
das  Patronatrecht  auf  die  Brüder  Bernhard  (106)  und 
Caspar  (107)  zu  Purschenstein  und  ihre  männlichen  Nach- 
kommen, sowie  die  übrigen  männlichen  Angehörigen  des 
Geschlechtes  übergehen. 

Die  Ausübung  dieses  Rechtes  habe  in  der  Weise 
stattzufinden,  dass,  wen  der  Propst  zu  Meissen  selbst 
oder  bei  dessen  Abwesenheit  sein  Vertreter  als  passend 
und  geeignet  zu  jener  Vikarie  unter  den  Kapellanen  der 
Meissner  Domkirche  auswählen  und  dem  Nicol  von  Schön- 
berg, als  dem  derzeitigen  Ältesten,  nach  dessen  Tode 
aber  dem  jeweiligen  weltlichen  Altesten  unter  den  koUatur- 
berechtigten  Nachkommen  (praefato  Nicoiao  fratri  nostro, 
nunc  seniori,  et  eo  defiincto  altert  seniori  heredi  saecidari) 
schriftlich  vorstellen  würde,  diesen  der  weltliche  kollatur- 
berechtigte  Alteste  sofort  dem  Dekan  der  Meissner  Stifts- 
kirche schriftlich  zur  Livestitur  zu  präsentieren  gehalten 
sein  solle.  Dafern  der  Alteste  von  dieser  Vorschrift  ab- 
weichen würde,   solle  er    damit  jedesmal   von   selbst    des 


22)  Cod.  d.  Sax.  r.  IT,  3,  161,  N'o.  1076. 


Zur  Entstehunffsgescliiclite  der  Patronatstelleii  etc.  75 


"a 


Verleiliungsreclites  verlustig  sein,  welches  für  dieses  Mal  in- 
soweit auf  den  Hauptmann  zu  Stolpen  überzugehen  habe. 
Dem  letzteren  solle  auch  das  Patronatrecht  nach  dem 
etwaigen  Aussterben  des  Geschlechtes  von  Schönberg 
zustehen. 

Mittels  Urkunde  vom  7.  Aug.  1470 ■-■^)  verordnete  der 
Bischof  noch  eine  wesentliche  Vermehrung  der  Einkünfte 
dieses  Altars. 

3.    Die  Erasmus-Präbende  im  KoUegiatstifte  zu 

Würzen. 

Die  Stiftungsurkunde  über  die  Errichtung  des  Altars 
des  heiligen  Erasmus  in  der  Stiftskirche  zu  Würzen  ist 
bis  jetzt  nicht  aufzufinden  gewesen.  Die  Thatsache  der 
Stiftung  aber  ergiebt  sich  aus  der  im  nachstehenden 
auszugsweise  wiedergegebenen  Urkunde  vom  11.  März 
1470-^). 

Der  Meissner  Bischof  Dietrich  von  Schönberg  (56), 
der  Meissner  Offizial  und  Wurzener  Dekan  Georg  Wecker- 
ling  und  der  ^A^urzener  Domherr  Johann  Vogel,  als 
Testamentsvollstrecker  des  Archidiakons  zu  ISIisan  und 
Domherrn  zu  INleissen  Johannes  von  Harras,  begrün- 
den in  Ausführung  seines  letzten  Willens,  nach  welchem 
seine  Verlassenschaft  zu  seinem  und  des  Meissner  Bischofs 
Caspar  von  Schönberg  (55)  Seelenheil  verwendet  werden 
soll,  mit  Einwilligung  des  Wurzener  Domkapitels  eine 
neue  Präbende  oder  Domherrnstelle,  mit  welcher  sie  den 
von  ihnen  zu  Ehren  des  heiligen  Erasmu.s  errichteten  Altar 


veremigen. 


Das  Kollaturrecht  soll  zunächst  dem  Bischof  Diet- 
rich, nach  dessen  Tode  aber  den  Schönbergen  aus 
den  Häusern  Reinsberg,  (Roth-) Schönberg,  Neukirchen  und 
Sachsenburg  (ad  strenuos  de  Schonherg  in  Heinsberg, 
Schonberg,  NeuJcirch  et  in  Sachsenberg)  dergestalt  zustehen, 
dass  immer  der  Alteste  unter  ihnen  (senior  inter  illos) 
diese  Präbende  einem  aus  dem  Geschlechte  von  Schön- 
berg und  nicht  einem  anderen,  so  lange  unter  den  Ge- 
schlechtsangehörigen    einer     die     erforderlichen     Voraus- 


23)  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  3,  196,  No.  1134. 

21)  Gedruckt  bei   Christian  Schöttgen,  Historie  der  Stifts- 
stadt Würzen,  S.  165. 


76  Bernhard  von  Scliönberg: 

Setzungen  erfüllt  oder  erlangen  kann,  zu  verleihen  hat. 
Nach  dem  etwaigen  Ausgange  dieser  Linien  soll  das 
Patronatrer-ht  auf  die  von  Scliönberg  aus  dem  Hause 
Purschenstein,  und  zwar  wieder  auf  den  Altesten  und 
mit  der  gleichen  Einschränkung,  nach  deren  Abgange 
aber  auf  den  Hauptmann  zu  Stolpen  übergehen. 

Der  Inhaber  der  Erasmus-Präbende,  Andreas  Braxa- 
toris;  bekannte  sich  für  sich  und  seine  Nachfolger  zu  den 
aus  der  Stiftungsurkunde  sich  ergebenden  Verpflichtungen 
mittels  Urkunde  vom   \2.  Dezember  1471-"'). 

Am  folgenden  Tage  -**)  beurkundet  das  Domkapitel 
zu  M^urzen  die  Annahme  von  15  Schock  Groschen  als 
Stiftung  des  Bischofs  Dietrich  von  Schönberg  (56) 
zu  einem  im  Chore  der  Stiftskirche  zu  Würzen  zu  feiern- 
den Anniversarium  für  seinen  Bruder  Bischof  Caspar  (55) 
und  alle  seine  Vorfahren  aus  dem  Geschlechte  von  Schön- 
berg. Vielleicht  war  auch  diese  Stiftung  der  Erasmus- 
Präbende  inkorporiert. 

4.    Die  Laurentius-Präbende  im  Kollegiatstifte  zu 

Würzen. 

Die  Stiftungsurkunde  ist  ebenfalls  bis  jetzt  nicht  auf- 
zufinden gewesen.  Wir  erfahren  daher  von  der  Stiftung 
nur  indirekt  durch  eine  Urkunde  vom  12.  Dezember  1470'-' ), 
in  welcher  der  Inhaber  der  Laurentius-Präbende  zu  Würzen, 
Domherr  Nikolaus  Gentzsch,  bekennt,  dass  nach  Mass- 
gabe einer  vom  Bischof  Dietrich  von  Schönberg  (56) 
be"Tündeten  und  bestätigten  Stiftung  er  und  alle  seine 
Nachfolger  verpflichtet  sind,  zwei  Anniversarien  zum 
Seelenheile  des  Meissner  Domherrn  Johannes  von  Harras 
und  des  Meissner  Bischofs  Caspar  von  Schönberg  (55), 
sowie  aller  ihrer  Vorfahren  und  aller  Verstorbenen  aus 
beiden  Geschlechtern  abzuhalten.  Über  die  Einkünfte 
der  Präbende  gleichwie  über  das  Kollaturrecht  fehlen 
uns  urkundliche  Nachweise.  Schö  ttgen"-^)  führt  die  Lau- 
rentius-Präbende unter  denjenigen  auf,  welche  unmittelbar 
vom  Bischöfe  verliehen  Avurden.  Wäre  dies  richtig,  so 
würde  die  Stiftung   hier  nicht  weiter   In  Frage  kommen. 


25)  Gm  11(1  mann 's  Cod.  dipl.  IX,  5095  b. 

28)  Ebendas.  IX,  5090. 

-")  Abgedruckt  bei  Schöttgen,   Stiftsstadt  Würzen,  S.  163, 

28)  Stiftsstadt  Wnrzeii,  S.  174. 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  Patronatstellen  etc.  77 

5.   Die  Yikarie  des  lieiligen  Kreuzes  in  der  Stifts- 
kirche zu  Würzen. 

Nach  Schöttgen""^)  gehörte  zu  den  11  Vikarien  der 
Domkirche  zu  "Würzen  auch  die  Vikarie  8.  Crucis,  welche 
„der  Älteste  derer  von  Schönberg  auf  Limbach"  zu  ver- 
leihen hatte. 

Als  Stiftungsurkunde  ist  jedenfalls  eine  Urkunde  vom 
14.  April  1466''-')  zu  betrachten,  in  welcher  der  Ritter 
Caspar  (71)  und  Heinrich  (69),  Gebrüder  von  Schönberg 
zu  Sachsenburg,  bekennen,  dass  sie  mit  Einwilligung  des 
Ritters  Nicol  von  Schönberg  (57)  zu  Reinsberg,  als  Mit- 
belehnten, 22  Rheinische  Gulden  gut  an  Golde  und  schwer 
genug  an  Gewichte  als  jährliche  Zinsen  von  440  Rheini- 
schen Gulden  Hauptsumrae  aus  den  Einkünften  ihrer 
Stadt  Haynichen  zu  einer  ewigen  Predigerei  in  der  Dom- 
kirche zu  Wui'zen  gestiftet  haben.  Die  bischöfliche  Be- 
stätigungsurkunde ist  bis  jetzt  nicht  aufzufinden  gewesen. 
Jedenfalls  ist  darin  das  Patronatrecht  dem  Altesten  der 
Schönberge  des  Sachsenburger  (und  Stoiberger)  Haupt- 
zweiges vorbehalten  gewesen.  Limbach  bei  Chemnitz 
gehörte  zu  Schöttgens  Zeit  zu  dem  Grundbesitze  des 
Sachsenburger  Hauptzweiges. 

6.    Die  Sigismund-Präbende  im  Kollegiatstifte  zu 

Freilberg. 

Der  Meissner  Bischof  Caspar  von  Schönberg  (55) 
erneuert  mittels  Urkunde  vom  20.  Juni  14(31'^^)  auf  Bitten 
des  Domherrn  zu  Meissen  und  Archidiakons  zu  Nisan, 
Johannes  von  Harras,  als  Inhabers  des  Altars  des  heiligen 
Sigisuiund  in  der  Marienkirche  zu  Freiberg,  alle  von 
den  Vorgängern  des  Bischofs  für  diesen  Altar  ausgestellten 
Urkunden,  nachdem  die  Originale  derselben  zu  Grunde 
gegangen  sind,  unter  Aufführung  aller  einzelnen  Einkünfte 
des  Altars.  Zugleich  trifft  derselbe  Bestimmungen  über 
die  Verpflichtungen  des  Altaristen.  Das  Kollaturrecht 
soll,  gewissermassen  nach  Erbrecht,  ihm,  dem  Bischof,  und 
seinem  Bruder  Nicol  (57),  sovyie  dessen  direkter  Descen- 
denz,  und  zwar  immer  dem  Altesten  (semper  ad  senio- 
rem),  zustehen. 

2»)  Stiftsstaclt  Würzen,  S.  205. 

^^)  Abgedruckt  in  Schäfers  Sachsenchronik  II,  47. 
21)  Abgedruckt  in  Wilisch's   Kirchenhistorie   der  Stadt  Frei- 
berg, Urkundenb.  ö.  51  und  im  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  12,  213,  No.  3l8. 


78  Bernhard  von  Schönberg: 

Der  Sigismund- Altar  war  somit  eine  ältere  Scliön- 
berg'sche  Stiftung,  deren  Genuss  damals  dem  Johannes 
von  Harras  übertragen  war;  doch  sind  auf  ihn  auch  die 
Einkünfte  aus  dem  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
von  Nicol  Monhaupt  gestifteten  Andreasaltar  in 
der  Frauenkirche  zu  Freiberg  übergegangen  •^■-). 

In  der  Urkunde  des  Meissner  Bischofs  Johann  V. 
wegen  Erhebung  der  Freiberger  Marienkirche  zu  einem 
Kollegiatstift  vom  14,  August  1480  ^'^J  wird  unter  anderen 
eine  Stiftung  der  Brüder  Caspar  von  Schönberg  i^71j  zu 
Sachsenburg  und  Heinrich  von  Schönberg  (69j  zu  Stol- 
berg, ferner  der  Brüder  Dietrich  von  Schönberg  (72)  und 
Hanns  von  Schönberg  (73)  zu  Reinsberg,  endlich  Caspars 
von  Schönberg  (107)  auf  dem  Purscheustein  zu  einer  mit 
dem  Sigismund  -  Altar  verbundenen  Präbende  gedacht, 
deren  Einkünfte  60  Gulden  jährlicher  Zinsen  betrugen. 
Hinsichtlich  des  Patronatrechtes  wird  bestimmt,  dass  das- 
selbe dem  Ältesten  aus  den  genan^nten  Häusern  (dem 
senior  noh'dium  de  Schonnenberg,  qui  de  prefatis  domibus 
sint)  zustehen  solle.  Damit  stimmt  eine  Urkunde  vom 
9.  Juni  lö26'^^J  überein,  laut  welcher  Caspar  (87)  und 
Friedrich  (92)  zu  Stolberg,  Antonius  (99)  zu  (Roth-) 
Schönberg,  Caspar  (95)  und  Wolf  (94)  zu  Sachseuburg, 
Caspar  (142)  auf  dem  Purschensteiu;  Lorenz  (101), 
Hanns  (102),  Peter  (103),  Nicol  (104)  und  Caspar  (105) 
zu  Reinsberg,  Hanns  (122)  und  Heinrich ■^■^)  zu  (Ober-) 
Schönau,  Gebrüder  und  Vettern  von  Schönberg,  als  Pa- 
trone und  Lehnherren  der  Präbende  des  heiligen  Sigis- 
mund das  derselben  inkorporiert  gewesene  Haus  an  das 
Domkapitel  verkaufen  und  über  die  Verwendung  des 
Erlöses  zu  Gunsten  der  Stiftung  Bestimmung  treffen. 

7.    Der  Elisabeth-Altar  im  Johannes-Hospital  bei 

Freiberg. 

Auch  hier  fehlen  die  Stiftungs-  und  die  Bestätigungs- 
urkunde.    Die  Existenz   dieses  Altars   wird    zuerst  durch 


32)  Cod.  d.  Sax.  r.  11,  12,  81   und  88,  No.  101  und  114. 

83)  Ebendas.  5.35,  No.  760. 

3-1)  Auszug  ebendas.  619,  No.  852. 

35)  Ein  Angehöriger  des  Hauses  Schönau  mit  Namen  Hein- 
rich ist  von  damals  nicht  bekannt.  Wahrscheinlich  hat  Heinrich 
von  Schön  berg  (90)  auf  Zweitschen  als  Vormund  der  niinderjäh- 
rigeu  Brüder  des  Hanns  (122)  die  Urkunde  vollzogen. 


Zur  Entstehungsgeschichte  ilei'  Patvonatstellon  etc.  79 

zwei  Urkunden  vom  7.  und  8.  Juni  1482  "*')  bezeugt, 
laut  welcher  Johannes  Geylenaw,  Altarist  der  heiligen 
Elisabeth  in  der  Pfarrkirche  St.  Johannis  des  Hospitals 
vor  Freiberg,  200  und  100  Rheinische  Gulden  gegen 
13  Gulden  (5  silberne  Groschen  und  6  Pfennige,  bezieh- 
ungsweise 6  Gulden  IH  silberne  Groschen  und  Ü  Pfennige 
jährlicher  Zinsen  ausleiht.  Dass  der  Altar  eine  Schön- 
berg'sche  Stiftung  mit  Vorbehalt  des  Patronatrechtes  war, 
geht  aus  der  untenstehenden  Anmeldungsschrift  vom 
26.  Juli  1543  hervor  (vergL  S.  81). 

Vielleicht  war  dem  Altar  auch  das  im  Testamente 
des  Bischofs  Dietrich  von  Schönberg  (56)'^")  bei  der  Zu- 
sammenstellung seiner  geistlichen  Stiftungen  mit  folgenden 
Worten  aufgeführte  Anniversarium  inkorporiert  worden: 
Item  in  hospitali  extra  Freiherg  awüversarium.  cum  miss/'s 
et  vigiUis.  Diese  letztere  Stiftung  ist  am  26.  Juli  1456 
erfolgt  und  betrug  damals  32  Groschen  jährlicher  Zinsen"'*^). 

8.    Das  Altarlehen  zu  Döbeln. 

Unsere  Kenntnis  davon  beschränkt  sich  zur  Zeit  auf 
die  Anmeldungsschrift  vom  26.  Juli  1543  (vergl.  unten 
S.  81),  da  sonstige  urkundliche  Nachweise  bis  jetzt  nicht 
aufzufinden  gewesen  sind. 


Die  infolge  der  neuen  Landesordnung  vom  21.  Mai 
1543  bei  dem  verordneten  Ausschusse  eingegangenen  An- 
meldungen und  die  darüber  an  den  Herzog  erstatteten, 
übrigens  lediglich  auf  die  Zusammenstellung  der  verschie- 
denen Ansprüche  ohne  Beifügung  eines  Gutachtens  sich 
beschränkenden  Berichte  sind  uns  in  einem  Aktenstücke 
des  Hauptstaatsarchivs '^^j  aufbewahrt.  Von  Seiten  der 
Schön  berge  beginnen  diese  Verhandlungen  mit  der 
folgenden,  zunächst  gegen  die  festgestellte  Präclusivtrist 
von  5  "Wochen  gerichteten  Eingabe^*')  vom  30.  Juni  1543: 

Durchlauchtiger  hochgeborner  Fürst.  Euern  Fürstlichen  Gna- 
den sind  unser  unterthänige  schuldige  und  ganz  gehorsame  Dienste 

36)  Cod.  d.  Sax.  r.  II,  12,  316,  No.  476. 
s'')  Ebendas.  II,  3,  233. 

3*)  Ebendas.   II,    12,   209,   No.  .30.3,   und  Grundmanns    Cod. 
dipl.  Vil,  2006  und  VIII,  5027;  desselben  Collect.  II,  36  und  54. 
^^)  Loc.  1045,  Die  neuen  Schulen  belangend,  1543. 
*o)  A.  a.  ü.  Bl.  93. 


8Q  Bernhanl  von  Schönberg: 

zuvor  bereit.  Gnädiger  Fürst  und  Herr:  Nachdem  E.  F.  G.  in  Derselben 
Auschreyl)en  jünirsten  ausgangen  angezeigt,  welcher  Gestalt  die  von 
der  Ritterschaft  Knuben  in  die  Schulen,  davon  in  demselben  Aus- 
schreiben Meldung  beschieht,  zu  benennen  sollen  haben,  doch  dass 
E.  F.  G.  binnen  fünf  Wochenn  die  Lehen,  so  dieselben  von  der 
Ritterschaft  zu  leihen,  und  wie  viel  die  Einkommens  haben,  und  wo 
die  gelegen,  schriftlich  angezeiget,  und  mit  fernerem  Inlialt;  Dieweil 
aber  diese  mehr  denn  eines  Orts  gelegen,  auch  vor  der  Zeit  mit 
etlichen  anilere  Wege  gesucht  worden,  indem  durch  die  Besitzer 
derselben  die  Einkomen  nimmer  etliche  viel  Jahre,  anderer  Orten 
dan  erster  Stiftung  zu  empfahen  verändert,  die  Briefe  auch  der- 
selben Stifte  etliche  noch  nicht  itzund  bei  Händen,  eins  Theils  auch 
verbrannt,  doraus  wir  in  so  Eile  in  notturtftigen  Bericht  nicht  kommen 
mögen:  Bitten  derhalben  underthänigklich,  zwischen  hier  und  Mi- 
chaelis gnädig  Geduld  zu  haben,  damit  wir  mitteler  Zeit  der  Dinge 
in  genügsame  Erfahrung  kommen  mochten.  Das  um  E.  F.  G.  under- 
thäniglich  zu  verdienen  sind  wir  getlissen.  Dat.  Sonnabend  nach 
Petri  et  Pauli  im  1543.  Jahr.  E.  F,  G. 

underthänige 
gehorsame 
Die  von  Schonbergk. 

Hierauf  erfolgte  jedoch  am  8.  Juli  1543  die  nach- 
stehende abfällige  Bescheidung"): 

Lieben  Getreuen.  Wir  haben  euer  Schreiben,  darinnen  ihr 
bittet,  d;iss  Wir  euch  zu  Erkundung  der  Lehen,  die^  ihr  hin  und 
wider  zu  verleihen  habt,  auch  zu  Benennung  der  Knaben  in  die 
neuen  Schulen  bis  auf  Michaelis  Zeit  und  Frist  geben  wollten,  ver- 
nommen. Nun  habt  ihr  zu  bedenken,  da  Wir  euch  solche  Erstreck- 
ung der  Zeit  thiin  solten,  dass  es  dadurch  bei  Andern  eine  Ein- 
frung^-),  auch  Zerrüttung  der  fürgenommeneu  Schulen  macheu 
wollte;  Darum  lassen  Wir  es  bei  Unserem  bcschehenen  Ausschreiben 
noihmals  bleiben  und  wollten  euch  Solches  hinwieder  nicht  vor- 
halten.    Datum  Dresden,  Sonntags  Kiliani  Anno  etc.     XLIH. 

Nunmehr  zeigte  Friedrich  von  Schönberg  (72)  zu 
Stolberg  „als  itzigcr  Zeit  der  Eldiste  in  der  von  Schon- 
bergk Geschlecht"  unter  dem  9.  Juli  1543'''')  an,  dass 
„wir  von  Schonbergk  und  allewege  der  Eldiste  unter  uns, 
mehrere  Thumereien,  Vicarien  und  Lehen  zu  verleihen 
haben";  welche,  soweit  sie  ihm  zur  Zeit  bekannt,  in  dem 
beigeiügten  Verzeichnisse  aufgeführt  seien.  Dieses  Ver- 
zeichnis beschränkt  sich  auf  die  Vikarie  Sancti  Laurentii, 
„welche  Joachim  von  Schonberk  geliehen,  der  sie  im  Ge- 
brauch hat",  und  das  „Lehen  zu  Döbeln,  welches  itzet 
Herr  Georg  Reinel  (liemel?),  Vicarius  zu  Zeitz,  zu  Ge- 
brauch hat". 


")  A.  a.  0.  m.  62  b. 

'-)  Einführung  —  Neuerung,  welche   anderen   zum  Nachtheile 
gereiclit,  nachtheiliges  Präjudiz,  Beeinträchtigung. 
'■JJ  A.  a.  0.  Bl.  95. 


Zur  Eiitstchnngsgeschichte  der  ratronatstellen  etc.  81 

Als  Einkommen  wird  angegeben:  bei  der  Laurentius- 
V^ikarie  100  Gulden  jährlicher  Zinsen  und  überdies  4  Gulden 
15  Groschen  y  Pfennige  ZinS;  welcher  vom  Kapitel  zu 
Freiberg  zu  zahlen,  aber  wenigstens  während  der  Besitz- 
zeit Joachims  von  Schönbero-  nicht  gezahlt  worden  war: 
bei   dem  Lehen   zu  Döbeln   32  Gulden  jährlichen  Zinses. 

Was  die  Thumerei  zu  Würzen,  welche  dem  Vetter 
des  Doctor  Kommerstädt  geliehen,  desgleichen  die  Thu- 
merei zu  Freiberg,  „die  allewege,  wie  obsteht,  der  Eldiste 
von  Schonberck  zu  verleihen  hat",  an  Einkommen  oder 
Zins  haben,  wisse  er,  Friedrich  von  Schonberck,  nicht, 
habe  auch  keinen  Brief  und  Verzeichnis   darüber. 

Es  gebe  auch  noch  mehr  Lehen,  deren  Verleihung 
den  von  Schönberg  zustehe;  er  wisse  aber  zur  Zeit  nicht, 
wie  gross  ihr  Einkommen,  und  wo  sie  allenthalben  ge- 
legen, habe  sich  auch  darüber  also  in  der  Eile  nicht  zu 
erkundigcui  vermocht  und  bitte  derhalben,  eine  kleine  Zeit 
gnädiglich  sich  gedulden  zu  wollen,  damit  er  zunächst 
darüber  weiteren  Bericht  von  seinen  Vettern  einholen 
könne. 

Was  ihm  hierauf  geantwortet  worden,  ergiebt  sich 
aus  dem  Eingange  seiner  anderweiten  Eingabe  vom 
26.  JuU  1543^^}: 

Durchleucliter  hochgeborner  Fürst,  gnediger  Herr.  E.  F.  G. 
seiiit  unser  underthänig  und  ganz  gettisseu  Dienst  zuvor  bereit. 
G.  Fürst,  Das  E.  F.  G.  gnediglich  Geduld  zwischen  des  und  Micha- 
elis solten  gehabt  haben,  E.  F.  G.  Anzeigung  der  Lehen,  so  wir  die 
von  Schonbergk  zu  vorleihen  und  der  Stift'te,  so  von  unsern  Vor- 
fahren aufgerichtet,  zu  thun,  hetten  wir  undertheniglicb  vorhoii't. 
Demnach  aber  E.  F.  G.  hirinnen  Bedenken  gehabt,  hab  E.  F.  G. 
ich  Friderich  von  Hchonbergk  zu  Stolberg  vor  wenig  Tagen  einer 
Vicarey  zu  Meissen,  eines  Altars  zu  Dobeln,  dero  beider  Einkommen 
sich  in  I<^XXXV  Ü.  erstrecken  thut,  und  einer  Thumerey  zu  Würzen 
Bericht  gethan.  Und  ferner  E.  F.  G.  Gehorsam  zu  leisten,  haben 
wir  von  öchonberg  alle,  so  viel  mnglich  in  Eile  uns  allenthalben 
an  unsern  Briefen,  so  der  noch  vorhanden,  und  Gopialen  ersehen 
und  erfunden,  das  wir  die  von  Schonbergk  zu  Schonbergk  und 
Reinsbergk  ein  Lehen  in  der  Thumkirchen  zu  Freiberg  sancti  Si- 
gismundi  genannt,  zu  dem  etzlich  viel  Zinse  im  Dorft'  Lichtenberg, 
auch  bei  Caspar  Thelern  zu  Hockendorf  und  zu  Wilsdorf,  welche 
noch  ganghaftig,  vorordent,  und  durch  Bischof  Casparn  confirmirt, 
auch  eines  im  weiten  Spital  zw  Freiberg  Sant  Elisabeth  genennet, 
derhalben  Caspar  Freiberger  noch  itzicher  Zeit  dem  Rath  Zinse 
gibt,  zu  vorlcihen  haben  solten.  Und  wiewol  wir  derhalb  dem 
Burgermeister  zu  Freiberg  unib  nottorfl'tigen  Bericht  geschriben, 
so  ist  uns  doch  von  einem  Rath  doselbst,  als   sie  derhalben   nichts 


■*^;  A.  a.  ü.  Bl.  94. 

Neues  Archiv  f.  S.  (!.  u.   A.     VII.  1.  2. 


82  Bernhard  von  Schönberg: 

l'mulen,  Antwort  geben.  Dieweil  al)er  iler  Ratli  des  gantzen  Thnm- 
stifts  und  ancU^rer  Stift  zu  Freiberg  Einkomnu-u  innen  lial)en,  auch 
aller  derselbigen  Briefe  und  Triviiegia  ihnen  übergeben  und  be- 
hendet,  so  werden  E.  E.  G.  Zweiftels  ohn  auf  Derselbigen  ernstlies 
Erfordern  und  Vorschaffen  derselbigen  zweier  Lehen,  uns  denen 
von  Schonbergk  zustendig,  der  auch  eines  etwan  unlang  von  unsern 
Vettern  und  liruder  Lorenz  von  Schonbergk  seligen  verligen,  guten 
Uericlit  bekommen.  Über  das  seint  von  unßern,  der  von  Schonbergk, 
Vorfahren  aller  Urte  vielerlei  einzel  Gestifte,  als  Messen,  Lol)gesänge 
und  Jahrgedäcbtnus,  aufgerichtet,  und  mit  Zinsen  begäbet. 

Als  derartige  Einzelstiftangen  werden  aufgeführt: 
200  Schock  und  oO  Groschen  in  das  Kloster  Altzelle; 
22  Schock  Groschen  dem  Kloster  St.  Afra;  IG  Schock 
und  12  Groschen  dem  Barfüsser-KIoster  zu  Freiberg; 
15  Schock  Groschen  dem  Kloster  zu  Alt-Dresden  ;  15 Schock 
Groschen  dem  Kloster  zu  Beutitz;  30  Schock  Groschen 
dem  Kloster  zu  Seusslitz ;  14  Schock  Groschen  dem  Kloster 
zu  Grossenhain ;  15  Schock  Groschen  dem  Kloster  zu  Len- 
geufeld;  13  Schock  Groschen  dem  Kloster  zu  VValdheiin; 
1  Schock  und  40  Groschen  dem  Kloster  zu  Döbeln; 
33  Schock  Groschen  dem  Hospital  bei  Freiberg;  1  Schock 
Groschen  jährlichen  Zinses  dem  Kloster  zum  heiligen 
Kreuz  vor  Meissen. 

Der  Gesamtbetrag  dieser  Einzeigestifte  sei  nach 
billiger  Rechnung  auf  392  Schock  Groschen  an  Zinsen 
oder  1120  Gulden  Hauptsumme  (Kapital)  zu  veranschlagen. 

Wenn  nun  unter  den  beiden  Lehen  zu  Freiberg  ohne 
Zvi'eifel  keines  unter  30  oder  40  Gulden  Einkonnnens 
gehabt  habe,  so  werde  dem  herzoglichen  Ausschreiben 
zufolge  die  Zahl  der  Knaben,  welche  die  von  Schönberg 
zur  Schule  zu  benennen  haben,  imter  sieben  nicht  sein. 
Und  da  überdies  aus  dem  Gesamtkapital  der  Einzeln- 
stiftungen gegen  60  Gulden  jährlicher  Zinsen  zu  erlangen 
seien,  so  würden  darauf  hin  dem  Geschlechte  noch  „zwei 
Jungen  zur  Schule  zu  benennen"  zuzulassen  sein. 

Das  Geschlecht  beanspruchte  demnach  im  Ganzen 
9  Stellen. 

Über  den  weiteren  Verlauf  der  Verhandlimgen  sind 
schriftliche  Aufzeichnungen  nicht  auf  uns  gekommen. 
Wir  können  daher  die  dabei  getroffenen  Feststellungen, 
iiainentlich  soviel  die  Zahl  der  den  Betheiligten  zuge- 
billigten Stellen  betrifft,  nur  aus  späteren  diesbezüglichen 
Bemerkungen  seh  Hessen.  Voraussetzlich  waren  diese  Ver- 
handlungen wenigstens  bis  zu  einem  vorläufigen  Ab- 
schlüsse noch  vor  dem  Erlasse    der  Stiftungsurkunde  für 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  Patronatstellen  etc.         83 

die    Landesschule    zu    Meissen    am    23.  Januar   1544*") 
gediehen. 

Dass  indes  die  im  Jalire  1543  erfolgten  allgemeinen 
Feststellungen  noch  vieles  im  einzelnen  zu  ordnen  übrig 
gelassen  hatten,  ergiebt  sich  aus  der  nachstehenden  Ant- 
wort des  grossen  Stände- Ausschusses  auf  die  darin  er- 
wähnte Proposition  des  Kurfürsten  August  (6.  Dez.  1549)^*^). 

Din-chlauchtigster,  Hochgeborner  Churfürst,  Gnecligster  Herre. 
Ewer  Churiurstlichen  Gnaden  übergebene  Proposition  haben  wir 
mit  unterthenigstem  Gehorsam  entpfangen  und  daraus  den  gnedigen 
^Villen,  Fleiss  und  Neigung,  die  E.  Churf.  G.  zu  derselben  Land- 
schaft Untertanen  und  den  aufgerichten  Schulen  traget,  gespuret, 
des  wir  uns  kegen  E.  Churf.  G.  billich  und  in  ünterthänigkeit  be- 
dancken.  Haben  uns  auch  in  den  vorgelegten  Kechnungen  der 
beiden  Verwalter  zu  Meissen  und  Pforten  auch  des  Procurators  der 
geistlichen  Lehen  zu  Meissen,  derer  wir  sie  aller  quittirt  befinden, 
nach  möglichem  Fleiss  ersehen  und  dieselben  erwogen,  auch  zum 
Theil  weitern  Bericht  davon  angehört. 
u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Wir  bitten  auch  ganz  unterthänigst,  weil  durch  solche  E. 
Churf.  G.  Zulage  viel  eine  grössere  Anzahl  Knaben  in  der  Schulen 
können  erhalten  werden,  dann  in  der  Confirmation  ausgedruckt,  E. 
Churf.  G.  wolle  solche  neue  Zulage,  das  die  bey  dieser  Schulen  zu 
ewigen  Zeiten  bleiben  möge,  gnediglichen  bestettigen  unnd  confir- 
miren,  auch  doneben  vorschaffen,  dass,  lauts  der  ersten  ausgekun- 
digten  Ordenung^'j,  allezeit  der  dritte  Theil  der  Knaben  von  der  vom 
Adel  Kinder  darein  genommen  werden,  weil  dieselben  ir  Jus  patro- 
natus  der  geistlichen  Lehen,  vornemlich  darzu  folgen  haben  lassen, 
ötellen  auch  in  keinen  Zweifel,  weil  solchs  zu  der  Ehre  Gottes, 
Erhaltung  und  Auferziehung  der  Kirchendiener,  auch  Beförderung 
der  Regiment  und  zu  Nutz  E.  Churf.  G.  Landen  und  Unterthanen 
gereichet,  E.  Churf.  G.  werden  sich  hierin  gnediglich  erzeigen. 
u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Es  kommet  uns  auch  glaublichen  vor,  daß  Er  Johan  Roßbach 
in  Einnehmung  der  Knaben,  welche  die  von  Adel  in  die  Schulen 
zu  Meissen  zu  presentiren  haben,  sich  zu  viel  maln  beschwerlichen 
und  unwillig  ertzeigen  soll.  Wan  aber  solchs  E.  Churf.  G.  Gemuth 
und  meinung  nit  ist,  so  bitten  wir  ganz  underthänigst,  E.  Churf.  G. 
wolle  ihme  davon  abzustehen  ernstlich  undersagen  lassen,  oder  aber 
gnedigst  vorstatten,  das  wir  solchs  mit  ihm  selbst  reden  mögen.  — 

Datum  Dreßen  Mittwoch  nach  Nicolai  Anno  etc.  XLIX. 

Aus  dem  Entwürfe  zur  Antwort  des  Kurfürsten  ge- 
nügt es,  folgende  Stellen  hervorzuheben: 

Unser  gnedigster  Herre,  der  Churfürst  zu  Sachsen,  ist  bedacht, 
ein  endlich  "Erbregister  alles  Einkommens  und  Zugehorung  der 
Schulen  machen  zu  lassen,  welchs  man  hinforder  bey   allen   Rech- 


«)  Vollständig  bei  Th.  Flathe,  St.  Afra,  S.  426. 
■*»)  Akten  desH.-St.-A.  Loc.  10407,  „Das  Schulamt  zuMeissen  etc. 
betr.,  1645—1709",  Bl.  89  flg. 
■*^)  Vergl.  oben  S.  69. 


6 


* 


^S4  l!(  riiliard  von  Schönberg: 

nunjTcMi  nins;  L'elu'auclHMi,  uml  solclis  soll,  so  viel  möglich,  utV  die 
iietiiste  ^Vall)lu•gisvet•l^llung  fertig  werden, 
u.  s.  w.  n.  s.  \v. 
Mit  Einnehraung  der  Knaben  in  die  Schulen  hatt  es  diese  Ge- 
legenheit, daß  die  Vorwalter  ohne  Befehl  niemandts  einnehmen 
dilrffen,  doch  wollen  sein  Chnriürstlich  Gnad  mit  ihnen  vorfngen, 
(las  Derjenigen  Knaben,  die  Recht  zu  nominiren  haben,  auf  devsel- 
bigen  Schrift  hinfnro  angenommen  sollen  werden  ;  es  soll  sich  aber 
auch  keiner  anmaßen,  zu  nominiren,  der  es  nit  Fug  hatt. 

Im  Zusammenhange  hiermit  steht  der  Antrag  in  der 
Schrift   des  Torgauer   Landtages    vom   25.   Juni   1555  ^'^). 

Daneben  bedenken  wir,  dass  solch  Einkommen  (der  Schulen) 
in  ein  ordentlich  Verzeichniss  gebracht  und  aufs  Neue  bestätigt, 
auch  eine  Anzahl  der  Knaben  namhaftig  gemacht,  und  wie  viele  ein 
jedes   Geschlecht  Knaben   in    die   Schule  soll  zu    benennen  haben. 

Der  Landtagsabschied  ^")  ertheilte  hierauf  im  Artikel 
„Schulen"  folgende  Zusicherung: 

^^'iewohl  auch  Unser  freundlicher  lieber  Bruder  verordnet, 
wie  viel  Knaben  vom  Adel  und  sonst  in  jetzliche  Schule  eingenom- 
men, auch  Avelcher  Gestalt  solche  Einnehmung  geschehen  soll;  Weil 
aber  dennoch  mit  denen  vom  Adel  wegen  ihrer  Stiftungen,  gehabten 
Lehen,  Lehnsgerechtigkeit  und  iuris  patronatus  noch  zur  Zeit  nicht 
alier  Ding  Vorsehung  geschehen,  wie  es  mit  Einnehmung  ihrer 
Knaben  und  Stipendien  gehalten  werden  soll,  auch  sonst  derhalben 
allerlei  Unrichtigkeit  bisher  fürgefallen:  als  wollen  Wir  zu  förder- 
licher Gelegenheit  mit  Rath  derer  zu  diesem  Unseren  Ausschreiben 
Verordneten  von  Unserer  Landschaft  verordnen  und  Abtheilung 
machen,  wie  es  allenthall)en  mit  Kinnehmung  solcher  Knal)en  und 
Stipendiaten  soll  gehalt(;n  werden,  damit  sich  billig  niemand  der 
Ungleichheit  halben  noch  sonst  zu  beschweren  habe. 

Als  Frucht  der  Thätigkeit  der  dementsprechend  mit 
der  weiteren  Ordnung  der  Angelegen) leit  beauftragten 
„Hof-  und  Landräthe"  ist  ein  Eeskript  vom  ^^1.  Juli 
1557  ■'••')  zu  betrachten,  in  welchem  der  Kurfürst  u.  a.  sagt: 
\Vir  wollen,  dass  es  in  Unserer  neuen  Schule  zu  Meissen  mit 
Einnchmung  iler  Knaben  bis  zu  endlicher  VoUziehurg  der  Funda- 
tion gehalten  werden  soll,  wie  folgt: 
u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Die  von  Adel  sollen  aus  ihren  Geschlechtern  zu  benennen 
haben  21  Knaben,  nämlich 

()  die  von  Schonbergk  zu  Reinsberg, 
2  die  Schonberge  zur  Neuen  Sorge, 
u.  s.  w.  u.  s.  w. 


•**)  Bl.  102  der  in  Anm.  46  angezogenen  Akten. 

•'")  Ausschreiben  etlicher  Artikel  etc.  vom  1.  Oktober  1555  im 
Cod.  Aug.  I,  «. 

•'•')  Akten  des  ll.-St.-A.  Loc.  10407,  Des  durchlauchtigen  hoch- 
geborenen Fürsten  und  Herren,  Herrn  Morit/,en  zu  Sachsen  etc. 
dreien  Schulen  etc.  betr.  1543,  Bl.  45  tig. 


Zur  KiitsU.'liiuigsgc'ScliiLhte  dvv  l'atiuiialsit'lloii  etc.  ;>5 

Und  soll  solcher  rnsevcr  Ordmuig  bis  zu  endlicher  VoUzieluuig 
der  Fundation  und  Unserem  ferneren  ScbaiTen  mit  Fleiss  nachge- 
gangen  M'erden   und   ihr  gehorsame   und    -willige  Folge   gescliehen. 

Dieses  Reskript  stellt  sich  aber  wieder  als  ein  nur 
provisoi'isches  schon  durch  die  Worte  dar  „bis  icu  end- 
licher Vollziehung  der  Fundation",  und  es  scheint  daher 
nur  zur  vorläufigen  Nachachtung"  für  den  Schulverwalter 
bis  zum  endgiltigen  Austrage  der  Sache  bestimmt  gewesen 
zu  sein.  Dass  dasselbe  nicht  das  Resultat  einer  Verein- 
barung mit  den  Landständen  verlautbarte,  ergiebt  sich 
schon  an  der  darin  aufgeführten  Zahl  der  Schönberg'schen 
Freistellen  gegenüber  sowohl  der  oben  S.  81  erwähnten 
Anmeldung  vom  26.  Juli  1543,  als  auch  den  thatsächlichen 
Anführungen  in  der  sofort  Aviederzugebenden  Beschwerde 
der  Schönberge  vom  Jahre  1561.  Noch  bestimmter  aber 
geht  dies  aus  der  im  obigen  Re&;kript  enthaltenen  Ein- 
schränkung des  Kollaturrechts  auf  die  Benennung  von 
Angehörigen  des  kollaturberechtigten  Geschlechtes  hervor, 
welche  auch  in  dem  nachstehenden  Reskripte  an  den  Ver- 
walter in  der  Schule  zu  Meissen  vom  18.  April  1558''^) 
festgehalten  wird: 

Lieber  Getreuer.  Was  Hanß  von  Honsberg  für  sich  und  von 
wegen  seiner  Brüder  und  Vettern  an  Unsere  Regierung  hat  gelangen 
lassen,  das  hast  du  aus  Inliegendem  zu  vernehmen. 

Ob  es  nun  wohl  an  dem,  dass  das  Geschlecht  der  von  Hons- 
berg hinfiibro  zweene  Knaben  in  Unsere  Schule  zu  Meissen  zu 
benennen  haben  soll,  so  sollen  doch  dieselben  ihres  Stammes  und 
Namens  sein.  Da  sie  dir  nun  solche  zweene  Knaben  angeben  und 
dieselben  im  E.xamen  bestehen  werden,  auch  zwo  Stellen  ledig  sind, 
so  beffebren  Wir  hiermit  befehlende,  du  wollest  sie  beide  einnehmen 
und  wie  sich  gebührt  unterhalten. 

Würden  sie  dir   aber  solche   zweene  angeben,   so   nicht  ihres 
Geschlechtes    und  Namens,    so  wollest    du    dieselben    kratt    voriges 
und  dieses   Unseres  Befehles   nicht    annehmen,    sondern    ihnen    die 
neben  Yermeldung  der  Ursache  wieder  heimschicken. 
Daran  beschieht  Unsere  Meinung. 

Einen  ganz  ähnlichen  Fall  behandeln  die  Akten  des 
Finanz-Archivs  Rep.  XXIII  No.  22  „Schule  Meissen,  dreier 
Knaben  Stellen,  so  die  von  Schönbergk  darin  haben,  be- 
treffend". 

Sie  beginnen  mit  einem  Briefe  Georg  Marschalls  zu 
Ozdorf  von  1561,  Montag  nach  vocem  iucunditatis  (12.  i\Iai), 
dem  Ehrenvesten  und  Gestrengen  Wolf  von  Schönberg  (127), 
Oberhauptmann  des  Gebirgischen  Kreises,  Wolf  von  Schön- 
berg (121)  zu  Schönau,  Christof  von  Schönberg  (130)  auf 

•■'1)  H.-St.-A.,  Copial  No.  279,  lil.  88  b. 


86  Bernhard  von  Schönberg: 

SaclisenLurg  und  Moritz  vonScliünberg(124)  zum  Börnichen 
sämtlich  und  sonderlich  zu  Händen''-),  worin  er  denselben 
mitthcilt,  dass  der  Vorsteher  der  Fürstenschule  zu  Meissen 
sich  weitere,  seinen  von  ihnen  zu  einer  Schönberg'schen 
Freistelle  präsentierten  Sohn  ohne  Genehmigung  des  Kur- 
fürsten aufzunehmen,  weil  ihm  der  Kurfürst  vor  kurzem 
befohlen  habe,  dass  er  von  den  Geschlechtern,  welche 
Patrönatrechte  hätten,  keinen  Knaben  annehme,  der  nicht 
desselbigcn  Geschlechtes  sei.  Darauf  folgt  der  Entwurf 
eines  Schreibens  der  Sachsenlnirger  Schönberge  (an  den 
Schulverwalter,  ohne  Datum),  welches  folgendermassen 
anfängt: 

Ihr  werdet  Euch  ohne  Zweifel  zu  bescheiden  haben,  dass  wir, 
die  von  Schonberg  vom  Hause  Sachsenbnrg,  drei  Knaben  in  die 
Fürstenschule  gegen  Meissen  eine  lange  Zeit  her  und  fortan,  so  oft 
sich  derselben  Stellen  eine  verlcdigen  thut,  zu  benennen  und  über- 
schicken berechtigt. 

Die  Antwort  ist  in  den  Akten  nicht  vorhanden;  doch 
ergiebt  sich  der  Inhalt  aus  dem  nachstehenden  Entwürfe 
zu  einer  Eingabe  an  den  Kurfürsten  (ohne  Datum) : 

n.  s.  w.  u.  s.  w. 

Darauf  haben  wir,  die  von  Schönherg  zu  Schönberg,  Heinsberg 
und  Sachsenburg,  damals  so  viel  dargethan,  dass  von  beiden  Häusern 
Schönberg  und  Heinsberg  sechs  Knaben  und  dann  von  dem  Hause 
Sachsenburg  drei  Knaben  in  die  Schule  gegen  Meissen  zu  nominieren 
nach  Inhalt  Kurfürst  Moritz's,  seliger  Gedächtniss,  ßefehligs,  welcher 
anno  1548  gegeben  und  mit  E.  F.  G.  Händen  unterschrieben'''')  be- 
fuget, haben  auch  dieselben  Knaben  bisher  in  der  Schule  gehabt, 
und  ist  von  dem  Verwalter  der  Schule  zu  Meissen  keine  ^Yeigerung 
niemals  gegen  uns  vorgenommen. 

Nachdem  aber  etliclie  Stellen  von  den  unseren  sich  erledigt 
und  andere  Knaben  von  uns  in  die  Schule  zu  verordnen  fürgenom- 
nien,  so  ist  uns  durch  den  jetzit^en  Verwalter  zugeschrieben,  dass 
er  von  E.  F.  G.  der  Schulen  halber  befehligt,  wie  er  sich  mit  Ein- 
nehmung der  Knaben  forthin  verhalten  soll,  nach  Inhalt  angelegten 
Zettels. 

Dieweil  dann  der  Verwalter  bisher  in  Weigerung  gestanden, 
die  Knaben  ausserhalb  unseres  Geschlechtes  in  die  Schule  auf-  und 
einzunehmen,  ungeachtet  dass  Kurfürst  Moritz's,  hochlöbl.  seliger 
Gedächtniss,  der  dreier  Schulen  ausgegangene  Ordnung  und  Befehlig 
obgemeldt  keine  Meldung  darvon  thut,  wir  es  auch  in  Anschickung 
der  Knaben  in  die  Schulen  bis  anlier  anders  hergebracht  hal)en: 
Als  bitten  E.  V.  G.  wir  unterthänigst,  Sie  wollten  noch  gnädigst 
schaffen  und  dem  Verwalter  befehlen  lassen,  dass  uns,  denen  von 
Schönberg    von  obernannten    drei  Häusern,    die   neuen   Knaben    in 


^'-)  Es  handelte  sich  also  um  die  Stellen  des  Sachsenburger 
Ilauptzweiges. 

^''^)  Dieser  auch  sonst  mehrfach  angezogene  Befehl  ist  aufialliger 
Weise  nirgends  aufzutinden  trewcsen. 


Zur  Entsteluingsgeschiclite  der  Patronatstellen  etc.  87 

derselben  Schule  gegen  Meissen  auf  unser  Ansuchen  eingenommen 
werden,  damit  ausserhalb  unseres  Geschlechtes,  unsre  augebornen 
Freunde,  armen  Kirchendiener  und  unserer  ünterthanen  iunder, 
wie  bisher  geschelien,  zu  Gottes  Ehre  und  diesem  Lande  zu  Nutz 
gefördert  möchten  werden.  Und  wollen  hiermit  zum  unterthänigsten 
gebeten  haben,  E.  F.  G.  wollten  uns  dazu  nidit  mcdir  dringen  lassen, 
ddss  wir  ausserhalb  unseres  Geschlechtes  niemauds  zu  l)c;nennen 
haben  sollten,  in  Betrachtung,  dass  wir  von  unsrem  Geschlecht  der 
dreier  Häuser  gar  viel  stattlicher  Lehen  und  geistlicher  Güter  hier- 
gegen abgetreten,     u.  s.  w.    u.  s.  av. 

Darauf  erging  fulgendo  Verfügung-  an  den  Schul- 
verwalter (das  Konzept  ist  ohne  Datum): 

"Wann  sich  auch  zutraget,  dass  sich  Stellen  verledijren,  oder 
die  sechs  Jahre  ihre  Endschaft  erreichen,  und  die  vom  Adel,  auch 
die  Städte  und  Flecken,  welchen  inhalts  dieses  Unsres  Verzeich- 
nisses"^') die  Benennung  zusteht,  hätten  dieselben  aus  dem  Geschlechte, 
noch  die  Städte  aus  den  Städten  und  Flecken  mit  Knaben,  welche 
in  denselben  gezogen,  nicht  zu  ersetzen:  so  wollest  du  solches  jedes- 
mal berichten  und  darauf  Unsers  Bescheides  «gewärtig  sein,  wer  an 
die  ledigen  Stellen,  bis  sie  aus  dem  Geschlechte,  auch  den  Städten 
und  Flecken  wieder  ersetzet,  angenommen  werden  soll. 

Die  Kollaturberechtigten  gaben  sich  indes  damit 
nicht  zufrieden  und  erlangten  schliesslich  die  Anerkennung 
ihres  guten  Rechtes  durch  die  Dazwischenkunft  des  Tor- 
gauer  Landtages  vom  Jahre  1565''). 

In  den  von  diesem  dem  Kurfürsten  überreichten 
„Landgebrechens-Artikeln"  vom  29.  September  1565  heisst 
es  unter  der  Überschrift 

Neu  aiifgericlitetc  Schulen: 

So  Einer,  so  Knaben  zu  benennen,  dieselbige  aus  seinem  Ge- 
schleclit  nicht  haben  mag,  will  ihm  Andere  an  derer  Stat  zu  be- 
nennen nicht  gestattet  werden.  Pieweil  aber  dasjenige,  so  zu  Unter- 
haltung solcher  Knaben  gebraucht,  von  unsern  "Vorfahren  des  mehren 
Theils  crestiftet,  sind  zu  E.  Churf.  G.  wir  der  unterthenigsten  Hoft- 
nung,  E.  Churf.  G.  werden  gnädigst  verschaffen,  dass  denjenigen, 
denen  die  Benennung  gebührt,  in  Mangelung  ihres  Geschlechts 
Andere  anzugeben  und  darein  zu  befördern  haben.  Denn  obwolil 
seit  dem  zuletzt  gehaltenen  Landtage  Etliche  der  Unsern  Knaben, 
so  ihre  Freunde  gewesen,  angegeben,  so  haben  sie  es  doch  nicht 
erlangen  mögen. , 

Die  Resolution  des  Kurfürsten  lautete: 

Derer  von  Adel  halben,  so  aus  ihrem  Gesclilechte  Knaben  zu 
benennen,  haben  Wir  Uns  jüngst  dahin  erklärt  und  erboten,  "\Vie- 
wol  "^'ir  es  dafür  hielten,  dass  diejenigen,  welchen  in  den  aufge- 
richten  Fürstenschulen  ihres  Geschlechts  Knaben  zu  benennen  durch 


•"■>*)  In  den  Akten  nicht  enthalten. 

*'^)  Vergl.  Akten  des  H.-St.-A.  Loc.  9.S56,  Landtagshandlung  zu 
Torgau  auf  den  23.  September  1065  betr. 


88  Bernhard  vun  Schönberg: 

Unsern  geliebtenn  Bruder  und  Uns  nachgelassen,  daran  billich  Ge- 
nüge haben  sollten,  dass  es  bei  ihren  Sölinen  und  Vettern  bliebe, 
so  lültten  Wir  Uns  doch  auf  Ansuchen  der  von  der  Ritterschaft  zum 
ofternial  gnädiglicli  erzeiget,  wolten  Uns  auch  nach  Gelegenheit 
der  Personen,  so  Uns  angegeben  werden,  furder  gnädiglich  zu  vor- 
halten wissen.     Dabey  lassen  Wir  es  auch  noclmials  bleiben.  —  — . 

Bei  der  in  Aussicht  gestellten  ^gnadenweisen  Gewähr- 
ung dessen,  was  sie  als  ein  wohlerworbenes  Recht  be- 
anspruchen konnten,  begnügten  sich  indes  die  Landstände 
nicht,  Avorauf  sie  denn  endlich  folgendes  Anerkenntnis 
erlangten: 

Auf  euer  abermals  übergebene  x\rtikel  der  Landgebrechen, 
Avollen  W'ir  endlichen  willig  geschehen  lassen  und  deretwegen  ge- 
bührliche Verordnung  thuii,  wie  auf  itzlichen  Artikel  volget,  niluilich: 

Schuleu. 

Wir  sind  gnädigst  zufriden,  dass  die  Geschlechter,  so  Knaben 
in  Unsere  Schulen  zu  benennen  haben,  dasselbige  ohne  Unterschied 
tbun  mögen,  und  sollen  die  von  ihnen  angegebenen  Knaben  in  die 
Schule  angenommen  werden,  obgleich  die  benannten  Personen  ihres 
Geschlechts  nicht  wären. 

Nunmehr  «ielano-te  auch  die  Beschwerde  der  Sachsen- 
burger  Schönberge  von  15G7  zur  Erledigung  mittels  des 
folgenden    Reskripts    an    den    Verwalter    der    Schule    zu 

Meissen^"): 

Lieber  Getreuer.  Ob  Wir  Uns  wohl  der  vorigen  Unserer 
Schulen  aufgerichten  Ordnung  zu  erinnern  wissen,  wie  es  mit  Ein- 
nehmung der  Knaben  in  Unserer  Schulen  zu  Meissen  gehalten 
werden  solle,  so  haben  W^ir  doch  auf  underthänigstes  Ansuchen  des 
Geschlechtes  von  Schonnbergk  der  dreier  Häuser  Sachssenburgk, 
Reinsbergk  vnnd  Schonnbergk  ihnen  zur  Gnaden  bewilligt  und  nach- 
gelassen: Wann  solch  Geschlecht  von  Schonnbergk  unter  ihren 
Kindern  nicht  Knaben  hätte,  so  zum  Studiren  geschickt,  dass  sie 
an  derer  Statt  Andere  vom  Adel,  ihre  Blutsfreunde  oder  sonsten 
frommer  Leute  Kinder  an  der  von  Schonnberg  Stellen,  doch  mit 
Unserer  Bewilligung,  um  bemeldte  Unsere  Schule  zu  benennen  haben 
sollen.  W^ie  denn  auch  itzo  zweene  Baltzor  von  Rechenbergs  Söhne 
und  des  Pfarrers  zu  Königsfeld  Sohn  unteithenigst  verbeten,  weil 
ihrer  Stellen  viere  ledig  gegen  Uns,  dass  die  eingenommen  werden 
mochten.  Da  nun  bemeldes  Geschlecht  von  Schonnbergk  solche 
Stellenn  furder  aus  ihren  Kindern  nicht  zu  erfüllen  haben  würde, 
und  sie  würden  andere  ihre  Blutsfreunde  bei  dir  angeben,  so  be- 
fehlen Wir  dir,  du  wollest  uns  solclies  mit  Benennung  derselben 
Knaben  zu  erkennen  geben,  und  da  befunden,  dass  es  solcher  Leute 
Kinder,  so  in  solcher  Unserer  Schule  einzunehmen  und  zu  dulden, 
und  sie  wären  der  Schulen  Ordnung  nach  darzu  auch  geschickt  und 
tüchtig,  so  wollen  Wir  geschehen  lassen  und  dir  darauf  befeien, 
dass  dieselben  au  der  Biren  Stätte    eingenommen    und    gleich    den 


•"•')  Akten  des  H.-St.-A.  Loc.  10405  „Copial  der  ausgegangenen 
Bcfeblich  u.  s.  w.  1568—1573",  Bl.  .3  flg. 


Zur  Entsteluuigsgescliichte  der  Patroiuitstcllcn  etc.  89 

audeni  uiulorlialten  werden.  Wie  Du  es  denn  itzo  mit  obbemeldten 
dreien  auch  also  balten  und  die  einnehmen  und  Uns  alsdann  be- 
richten wirst,  wann  sie  die  dahin  abfertigen  und  senden  wollen,  was 
vor  Knaben  an  der  vorigen  Stellen  bisher  und  nocli  darinnen  unter- 
halten, und  wann  derselben  Zeit  aus  sein  wird.  Hieran  etc.  Datum 
Dreßden,  den  20.  Februarii  1568. 

Als  darauf  der  Scliulverwalter  Gi-egor  Seidendorf  in 
einem  Berichte  vom  12.  März  1568  unter  Bezugnahme 
darauf,  dass  9  Freistellen  der  Edelleute,  einschliesslich 
3  Schönberg-'sche.  bereits  in  der  bi.sherig'en  Weise  besetzt, 
und  kurfürstliche  Gnadenstellen  nicht  frei  seien,  um  Ver- 
lialtungsmassgaben  bat,  erhielt  er  umgehend  den  Befehl, 
in  die  betreffenden  Freistellen  die  von  den  kollaturbe- 
rechtigten  Geschlechtern  präsentierten  Knaben,  dafern  sie 
das  Examen  bestehen  würden,  einzimehmen  und  die  der- 
zeitigen Inhaber  bis  zu  einer  anderweiten  Vakanz  aus  der 
Schule  zu  beurlauben. 

Dagegen  blieb  es  zur  Zeit  noch  bei  der  Einschränk- 
ung des  Koliaturrechtes,  welche  die  Schulordnung  von 
1602  (XIX,  4)  folgendermassen  darstellt: 

Wo  sie  (die  vom  Adel)  aber  keinen  ihres  Geschlechts  haben, 
und  deroweiien  solch  Beneficium  ihrer  Freunde  oder  der  PastoriuTi 
Söhnen  wollten  zukommen  lassen,  sollen  sie  solchs  zuvor  Uns  be- 
richten und  Unsern  Consens  nnd  Befehl  darüber  erwarten. 

Diese  Einschränkung  Avard  erst  durch  den  Land- 
tagsabschied von  1692"'')   in  folgenden  Worten  beseitigt: 

Wir  sind  damit  gnädigst  zufrieden,  dass  wegen  Präsentation 
der  Knaben  in  die  Landesschnlen,  weil  nunmehr  dieselben  wiederum 
in  Stand  gesetzet,  nnd  die  Unterhaltung  zureichet,  die  Städte  und 
Andere  bei  ihrem  Herkommen  und  Ersetzung  der  Stellen  sowohl 
als  Präsentation  gelassen  werden. 

Die  Zahl  der  Schönberg'schen  Freistellen  hat  sich 
insofern  vermindert,  als  nach  Ausweis  der  im  Schul- 
archive zu  Meissen  befindlichen  Rechnungen  die  Freistellen 
des  Sachsen  bürg  er  Hauptzweiges'^*^)  von  Michaelis 
1615  an,  gleich  der  Freistelle  des  im  Jahre  1614  er- 
loschenen Geschlechtes  von  Karas,  in  kurfürstliehe 
Gnadenstellen  verwandelt  w^orden  sind,  welche  sich  damit 
von  vier  auf  sieben  erhöhten.  Irgend  welche  darauf  be- 
zügliche Vei'handlungen  haben  sich  im  Hauptstaatsarchiv 
nicht  auffinden  lassen;  auch  das  Meissner  Schularchiv 
enthält  hierüber  nichts,  da  eine  vor  ohngefähr  4U  Jahren 


■'^')  H.-St.-A.  Loc.  9.^.93  „Landtagssachen  ao.  1692,  Vol.  2,  Bl.  307b. 
Vergl.  auch  PMathe,  St.  Afra,  S.  91. 

5«)  Die  Zahl  derselben  wird  vom  Jahre  1574  an   entgegen  den 


Anführungen  S.  8G  stets  auf  2  angegeben. 


QQ  Bernhard  von  Schönberg: 

aiisgefülirte  INIakiilicrunii:  inlt  den  älteren  Akten  o-ründlich 
anfgeräunit  hat.  Vielleicht  darf  verinuthct  werden,  dass 
der  Kurfürst,  nachdem  er  am  3.  Januar  1610  das  Kittcr- 
o;ut  Ncusorgc  und  am  16.  März  1610  die  Herrschaft 
Sachsenburg  erworben,  im  Zusammenhange  hiermit  den 
Sachsenburger  HauptzAveig  zur  Abtretung  auch  jener  Frei- 
stellen bewogen  hatte. 

Die  6  Freistellen  des  Rcinsbergcr  Hauptzweiges 
dagegen  sind  bis  auf  die  Gegenwart  unverändert  geblieben. 

Dass  das  Kollaturrecht  über  die  adeligen  Freistellen 
niemals  die  Eigenschaft  eines  auf  einem  Rittergut  haften- 
den Realrechtes  gehabt  hat,  sondern  stets  als  dem  be- 
treffenden Geschlechte  selb  st,  beziehungsweise  einem 
besonderen  Zweige  desselben  zuständig  angesehen  Avorden 
ist,  lässt  sich  hinsichtlich  des  Geschlechtes  von  Schönberg 
von  den  oben  wiedergegebenen  Stiftungsurkunden  an  ül)er 
die  Einga])en  Friedrichs  von  Schönberg  (92)  zu  Stolberg 
hinweg  bis  zu  dem  kuifürstlichen  Reskript  vom  7.  August 
1595  (vergl.  unten)  verfolgen,  und  ist  noch  später  Aviederholt 
durch  Entscheidungen  des  Oberkonsistoriums  als  Aufsichts- 
behörde, hinsichtlich  sowohl  der  Bärcnstein'sclien  Stelle 
vom  Jahre  1720"'''\  als  auch  einer  Schönberg'schen  Stelle 
vom  29.  Juli  1825''^')  ausdrücklich  anerkannt  worden. 

In  Bezug  auf  die  Ausübung  des  Kollaturrechtes  stellt 
der  nachstehende  Bericht  des  Rektors  und  Schulverwal- 
ters zu  Meissen  vom  20.  Juli  1595*")  das  Herkommen  fest: 

So  ist  es  auch,  G.  F.  u.  II.,  bishero  unter  denen  vom  Adel, 
so  in  dieser  uns  befohlenen  Schule  Stellen  zu  ersetzen  haben,  als 
denen  von  Schönberg,  Schleinitzen,  Miltitzen,  Honsbergen,  Karassen, 
Zieglern,  Karlowitzen,  rtiugeii,  Lattichen,  Bärensteinen  und  Anderen, 
bishero  also  bräncddicli  gewesen,  auch  uo^h  unter  ihnen  also  gehalten 
wird,  dass  die  Ältesten  im  Geschlecht  die  Knaben  zu  nomiiüeren 
haben;  doch  da  es  mit  ihrem  Geschlecdit  nicht  geschehen  kann,  dass 
sie  mit  Churfürstlichem  Consens  anderer  Leute  Kinder  darein  be- 
fördern. 

Der  Administrator  Friedrich  Wilhelm  reskribierte 
hierauf  unter  dem  7.  August  1595: 

Weil  es  denn,  wie  euch  selbst  wisslich,  jederzeit  also  gehal- 
ten worden,  dass  die  Ersetzmig  der  Stellen  ein  jedes  Geschlecht  zu 
benennen  allewege  mit  des  Ältesten  Vorwissen  und  Bewilligung  er- 
folgt ist,  so  lassen  wir  es  dabei  auch  nachmals  bewenden. 


59)  Vergl.  Fiat  he,  St.  Afra,  S.  90. 

"")  H.-St.-A.  Loc.  1817:  Akten,  die  von  Schönberg'schen  Frei- 
stellen bei  der  Landesschule  zu  Meissen  lietr.,  Bl.  U. 

"')  Akten  des  H.-St.-A.  LoclOlüfi  „Schriften,  die  Churfürstlichen 
drei  Schulen  etc.  betr.  1594 '9",  Bl.  Sfi  flg. 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  Patronatstellen  etc.  91 

Wir  st(^ssen  also  hier  auf  eine,  wenn  auch  zunäclist 
noch  äusserst  cinfaclic,  k<n'porative  Organisation  der 
Atlol.sgcschlecliter ,  die  sich  bei  näherem  Einlachen 
als  nicht  uusschlicsc^lich  auf  den  hier  fraiilichen  Zweck 
beschränkt  darstellt;  vielmehr  lassen  sich  Spuren  einer 
solchen  Organisation  noch  weiter  zurück  und  in  weiterem 
Umkreise  verfolgen. 

Als  der  wesentlichste  Gegenstand  ihrer  Wirksamkeit 
erscheint  anfänglich  die  Sicherung  der  Familiengüter  durch 
die  die  Lelmsuccession  regelnden  „Erbvereinigungen", 
welche  auf  der  Grundlage  der  diesbezüglichen  Autonomie 
des  Adels  nicht  bloss  eine  allgemeine  Lehnfolge-Ordnung 
für  die  Familie  feststellten,  sondern  auch  in  mehreren 
Fällen  die  Ausschliessung  danach  an  sich  Successions- 
berechtigtcr  von  der  Succession  im  Falle  der  Verweigerung 
des  Beitrittes  zu  dem  Familienstatut  und  die  Aufnahme 
aller  IMitglieder  des  Geschlechtsverbandes  in  die  gesamte 
Hand    bei    der  Erwerbung  neuer  Lehngüter  anordneten. 

Fürmliche  Korporations-Statuten  adeliger  Geschlechter 
sind  aus  der  Zeit  vor  dem  16.  Jahrhundert  nicht  auf  uns 
gekommen,  mit  Ausnahme  des  Auszuges  aus  dem  Statut 
des  Geschlechtes  von  Watzdorff  vom  Jahre  1394'*"-). 

Die  im  16.  Jaiirhundert  hervortretenden  Rückwii-k- 
ungen  der  damaligen  Übergangszeit  hatten  das  Bedürfnis 
einer  entsprechenden  Erweiterung  der  Wirksamkeit  der 
Familien  verbände  hervorgerufen,  welche  nunmehr,  nächst 
der  Sicherung  der  Familiengüter,  in  der  Regel  noch  die 
Erhaltung  und  Kräftigung  der  ritterlichen  Gesinnung  in 
ihrer  ursprünglichen  idealen  Auflassung,  gute  Kinder- 
erziehung, sorgsame  Hauswirthschaft,  gegenseitige  ma- 
terielle Unterstützung  in  Unglücksfällen,  festen  verwandt- 
schaftlichen Zusammenhalt,  Erledigung  von  Streitigkeiten 
zwischen  den  Mitgliedern  vor  einem  Schiedsgerichte  nach 
den  hergebrachten  deutschrechtlichen  Anschauungen  (in- 
teressante Vorschriften  in  letzterer  Beziehung  enthält  u.  a. 
die  Pflug'sche  Geschlechtsordnung  vom  30.  April  1571), 
Bestimmungen    über   Aufrechterhaltung    und   Schutz    des 


''-)  Gedruckt  in  der  Dissertation  „De  statutis  et  iudiciis  gcnti- 
liciis  nobilium  mediatorum  in  Germania,  speciatim  in  Saxonia"  von 
A.  F.  A.  von  Watzdorft'  und  F."W.  L.  von  Beulwitz,  Leipzig,  1774,  S.  .39 
und  der  von  "Watzdorff  sehen  Geschlechtsgeschichte  vom  Jahre  1872 
Ö.  ^i:  (ohne  Angabe  der  Quelle),  wobei  noch  ilie  nurhezeichnete  Ge- 
schlechtsgeschichte, jedoch  ebenfalls  ohne  Angabe  der  Quelle,  Ge- 
schlechtstage vom  Jahre  U-12,  1483,  1495  und  1502  aufführt. 


92  Bernhard  von  Schunborg: 

Oeschlcclitswappens,  das  Verbot  unebenbürtiger  Ehen  und 
Ähnliches  (z.  B.  bei  den  Btinau  das  Verbot,  die  Söhne  anders 
als  Heinrich,  Rudolf  luid  Günther  taufen  zu  lassen)  umfasste. 

Die  ältesten  uns  erhaltenen  Geschlechtsordnungen 
aus  dieser  Übergangszeit  sind,  soweit  bekannt,  die  der 
Geschlechter  von  Watzdorff  von  1544,  Montags  nach  Petri 
Pauli  und  vom  16.  Miirz  1626*''"'),  von  Pünau  vom  11.  Juni 
1650,  in  welcher  auf  eine  im  Jahre  1632  vei'brannte  Gc- 
schlechtsordnung  vom  Jahre  1517  Bezug  genommen 
wird'''),  von  Heynitz  von  1553  am  Dienstag  nach  Simonis 
und  Judä "'•'),  von  Ende  von  1557  Montags  nacli  Ursula 
Virginis,  unter  Bezugnahme  auf  „unserer  Vorfahren  seel., 
auch  unsere  jüngst  erneuerte  Vereinigung" "''),  Pflug  vom 
30.  April  1571,  13.  Dezember  1608,  13.  August  1629, 
14.  Februar  1666,  3.  und  4.  Juli  1704"'). 

Landesherrliche  Bestätigung  ist  u.  a.  zu  den  Ge- 
schlechtsordnungen der  Watzdorff',  Bünau  und  Pflug  er- 
theilt  worden. 

Die  Schönberge  errichteten  erst  unter  dem  26.  Ok- 
tober 1675  eine  Geschlechtsordnung.  Wenn  darin  nirgends 
Bezug  auf  ältere  Vereinbarungen  genommen  wird,  so  ist 
hieraus  nur  so  viel  zu  folgern,  dass  ältere  auf  diesen 
Gegenstand  bezügliche  Schriftstücke  in  dieser  Familie 
niciit  abgefasst  worden  sind  oder  zur  Zeit  der  Errichtung 
der  Geschlechtsordnung  nicht  mehr  bekannt  Avaren.  Auf 
eine  schon  im  Mittelalter  thatsächlich  bestehende  korpo- 
rative Organisation  dagegen  lässt  schon  das  bis  in  das 
14.  Jahrhundert  zurück  zu  verfolgende  Zusammenwirken 
sämtlicher  Faniilienglieder  zur  Erhaltung  der  Familien- 
güter (namentlich  durch  Aviederholte  Anerkennung  und 
Erneuerung  der  gesamten  Hand)  schliessen,  welches  sich 
als  charakteristisches  Merkmal  durch  die  von  Schön- 
berg'sche  Geschlcchtsü'eschichte  hindurch  zieht. 

Über  die  einschlagenden  Rechtsverhältnisse  verbreitet 
sich  im  allgemeinen  die  in  Anmerkung  62  bezeichnete 
Dissertation.  Besonders  hervorzuheben  ist ,  dass  auch 
solchen  Geschlechtsverbanden,  für  deren  Statuten  die 
landesherrliche  Bestätigung    nicht   eingeholt   worden   war 


"^)  Abgedruckt  in  der  Anni.  {)2  bezeichneten  Dissertation,  S,  40  flg. 
^^)  Abgedr.  in  Valentin  Künig's  Genealog.  Adelshist.  II,  202. 
''■')  Abgedr.  ebendas.  III,  477. 
««)  Abgedr.  ebendas.  I,  321. 

"')  Erwähnt  und   bezw.   abgedr.   in   der   Anm.  62   bezeichneten 
Dissertation,  S.  75  flg. 


Zur  Entstehungsgeschichte  der  ratronotstollcu  etc.  93 

(und  zu  diesen  gehörte  u.  a.  die  von  Scliönberg'sclie 
Geselileclitsordnung-),  von  den  zuständigen  Gerichten  stets 
die  Eigenschaft  als  juristische  Person  zuerkannt  wurde. 
Eine  derartige  Anerkennung  ist  z.  B.  nachweisbar  dem 
von  Schönberg'schen  Geschlechtsverbande  während  des 
ganzen  18.  Jahrhunderts  Seiten  des  erbländischen  Lelin- 
hofes  zu  theil  geworden"^). 

Als  Vertreter  des  Geschlechtes  werden  in  den  älteren 
Geschlechtsordnungen  stets  die  zwei  „Altesten"  oder  „der 
Alteste"  u'enannt,  ohne  dass  in  den  Geschlechtsordnuno-en 
aus  der  1.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  über  die  Art  der 
Bestellung  etwas  gesagt  würde.  Ob  also  das  Alter  un- 
bedingt, oder  —  was  aus  praktischen  Gründen  wahrschein- 
licher —  neben  dem  Alter  noch  andere  Verhältnisse  be- 
dingend waren,  lässt  sich  nicht  mehr  entscheiden.  Die 
Pflugk'sche  Geschlechtsordnung  vom  30.  April  1571  be- 
stimmt nur:  „Und  damit  alle  Dinge  desto  besser  und 
ordentlicher  hervoher  gehen,  wollen  wir  zweene  Eltiste 
aus  unserem  Geschlecht  ordnen".  Erst  die  Geschlechts- 
ordnung vom  13.  Dezember  1608  bestimmt  in  §  10  aus- 
drücklich, es  sollten  die  Geschlechtsältesten  „nach  Anzahl 
der  meisten  Stimmen  gewählt,  jederzeit  aber  mehr 
auf  der  Personen  Geschicklichkeit  und  Qualitäten,  als  auf 
ihr  Alter  gesehen  werden".  Alle  späteren  Geschlechtsord- 
nungen enthalten  ähnliche  Bestimmungen,  indem  sie  (mit 
Ausnahme  der  dem  19.  Jahrhundert  angehörigen,  welche 
auf  die  im  studentischen  Verbindungswesen  und  auch  sonst 
überlieferte  lateinische  Bezeichnung  „Senior"  zurückgreifen) 
an  dem  Worte  „Altester"  festhalten. 

Immerhin  also  dürfte  so  viel  feststehen,  dass  bei  der 
Ordnung  des  Patronatrechtes  über  die  Freistellen  in  den 
Landesschulen  das  Wort  „Altester"  in  demselben  Sinne 
gebraucht  worden  ist,  wie  in  den  gleichzeitigen  Geschlechts- 
ordnungen, nämlich  in  der  mittelalterlichen,  durch  Luthers 
Bibelübersetzung  auf  uns  gekommenen,  und  zum  Theil 
—  beispielsweise  bei  den  Innungen  —  noch  jetzt  bräuch- 
lichen Bedeutung  als  „Vertreter"  oder  „Vorsteher".  Wo 
somit  eine  statutarische  Vertretung  eines  kollatur- 
berechtigten  Geschlechtes  existiert,  würde  diese  —  be- 
ziehungsweise mit  Ausschluss  der  etwa  einem  nicht  kollatur- 
berechtigten  Zweige  angehörigen  Mitglieder  —  als  zur 
Ausübung  des  KoUaturrechtes  berufen  zu  betrachten  sein. 

«■>)  Yergl.  die  Akten  des  Lehnhofs  über  das  Rittergut  Bärenstein. 


III. 


Das  Zinner  recht  von  Ehrenfriedersdorf, 
Geyer  und  Thum, 


Von 

H.  Ermiscli. 


Die  Quellen  zur  älteren  Geschichte  des  sächsischen 
Bergrechts,  über  deren  wichtigste,  die  in  Freiberg  ent- 
standenen Rechtsaufzeichnungen ,  wir  an  dieser  Stelle 
früher  geliandelt  haben'),  sind  nicht  so  zahlreich,  als  dass 
nicht  jede  von  ihnen  sorgfältige  Beachtung  verdiente. 
Dürfte  schon  deswegen  die  Mittheilung  des  nachstehend 
von  uns  veröffentlichten,  bisher  unbekannten  Weisthuras 
gerechtfertigt  erscheinen,  so  veranlasst  uns  zu  einer 
solchen  noch  ganz  besonders  der  Umstand,  dass  dasselbe 
unsers  Wissens  überhaupt  die  älteste  deutsche  Rechts- 
aufzeichnung ist,    die  sich    auf  den   Zinnbergbau   bezieht. 

Bis  in  das  13,  Jahrhundert  wurde  Deutschland,  wie 
es  scheint,  ausschliesslich  von  England  aus  mit  Zinn  ver- 
sorgt. Ein  englischer. Geschichtschreiber -j  tlieilt  mit,  dass 
im  Jahre  1241  auch  in  Deutschland  Zinn  in  grosser  Menge 


')  W.  Herr  mann  nnd  II.  Ermisch,  Das  Freiberger  Berg- 
recht, in  dieser  Zeitschrift  III,  118  flg.  Der  in  der  nächsten  Zeit 
erscheinende  2.  Band  des  Freiberger  Urknndenbuchs  (Cod.  dipl. 
Abth.  11,  Bd.  13)  bringt  eine  uene  Ausgabe  dieser  Kechte. 

-)  Eodemqne  anno  (1241)  inventnm  est  stangniim  in  Alemannia 
]iriniuni  et  purissimnm,  copiosius  quam  in  partibus  Angliae.  Quod 
ab  initio  mundi  antea  nisi  tantiim  in  (lornubia  aliquo  loco  non  legitur 
fuisse  repertum.  Et  ideo  precium  ejus  in  Anglia  propter  copiam, 
redundantem,  quam  in  Angliam  transmisit  Alemannia,  fuit  minora- 
tum  et  vilificatum.  Matthaei  Parisiensis  Chronica  majora  ed. 
H.  R.  Luard  IV  (London  1877),  151. 


H.  Ermisch :   Bas  Zinnerrecht  von  Elirenfriedersdorf  etc.     95 

,und  von  ausserorclentlicliei'  Güte  entdeckt  worden  sei; 
eine  Nachricht;  die  wohl  mit  Recht  auf  die  nordböhmisclien 
Zinndistrikte  bei  Graupen  bezogen  wird"').  Bevor  von 
hier  aus  in  den  nördlich  angrenzenden  Gebieten  der 
J\Iark  Meissen  die  reichen  Zinnlagerstätten,  die  noch  heute 
nicht  erschöpft  sind,  aufgefunden  wurden,  entwickelte  sich 
in  einer  anderen  Gegend  des  Erzgebirges,  in  der  Herrschaft 
Wolkenstein,  ein  reger  Bergbau  auf  Zinn. 

Die  frühesten  Nachrichten  über  den  Betrieb  von 
Bergwerken  in  der  Herrschaft  Wolkenstein  stammen  aus 
dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts.  Unark  von  Waiden- 
burg, der  damalige  Besitzer  der  Herrschaft,  schenkte 
durch  Urkunde  vom  13.  Januar  1293  dem  Nonnenkloster 
zu  Nimptschen  bei  Grimma  den  Haldenzehnten  (decimam 
que  in  vidgari  berchczende  nominatur)  von  allen  seinen 
Bergwerken  in  der  Herrschaft  Wolkenstein  (in  montlhus 
nostris  in  Wolkenstein)*).  Welche  Metalle  damals  hier 
gewonnen  wurden,  ergiebt  sich  nicht  aus  dem  Wortlaut 
der  Urkunde,  wohl  aber,  dass  der  Zehnte  von  den  in 
den  Halden  sich  auffindenden  Erzen  nicht,  wie  sonst  in 
der  Mark  Meissen')^  den  Markgrafen  in  ihrer  Eigenschaft 
als  Inhaber  des  Bergregals^  sondern  den  Grundherren, 
den  Herren  von   Waiden  bürg,  zustand. 

Im  Laufe  des  14.  Jahrhunderts  entstanden  Streitig- 
keiten  zwischen  den  Herren  von  Waidenburg  und  den 
Markgrafen  wegen  der  beiderseitigen  Kechte  an  den  Berg- 
werken, die  ihren  Abschluss  in  den  Rezessen  vom  13.  Juni 
1377  und  vom  lü.  Oktober  1407  fanden'');  ein  dritter 
Rezess  vom  1.  Juni  1429^)  ist  eine  fast  wörtliche  Wieder- 
holung des  letztern. 

Aus  diesen  Rezessen  ersehen  wir,  dass  zur  Zeit  ihrer 
Abfassung  in  der  Herrschaft  Wolkenstein  sowohl  auf 
Zinn^J  als  auf  Silber,  ja    sogar   auf  Gold'')  Bergbau  ge- 

•^)  Ha  11  wich,  Geschichte  der  Bergstadt  ü raupen,  S.  4  üg. 

*)  Original  im  H.-St.-A.  zu  Uresden  No.  1411b,  gedruckt  u.  a. 
in  (Klotzsch  und  Grundig)  Sammlung  vermischter  Nachrichten 
zur  Sachs.  Geschichte  VIII,  102.  Vergl.  Cod.  dipl.  II,  13,  39.  Über 
die  Bedeutung  von  berchczende  vergl.  ebenda  1. 

■')  Vergl.  die  im  Cod.  dipl.  11,  13,  1  tig.  zusammengestellten 
Urkunden  über  die  Verleihung  des  Haldeiizehnten  an  JSimptschen 
(1241—1308). 

ß)  Zuletzt  gedruckt  Cod.  dipl.  II,  13,  39.    71. 

•')  H.-St.-A.  Cop.  42,  fol.  45  b. 

*)  ßeyer,  Zinn  (Berlin  ifeSl)  S.  59,  hat  dies  merkwürdiger 
Weise  überselien. 

")  Der  ßezess  von  1377  trifft  Bestimmungen  für  den  Fall,  dass 


9(3  II.  Krmisch: 

trieben  wurde.  Sehr  heaclitenswcrtli  ist,  dass  die  An- 
sprüche der  Landesherren  sich  nur  auf  die  Edchnetalle 
erstrecken;  während  die  Ziinibergwerke  mit  ihrem  ganzen 
Ertrage  unbeanstandet  den  Grundherren  überlassen  bleiben. 
Auf  allen  Silber-  und  Goldgängen  ^"')  sollten  die  Mark- 
grafen alle  Rechte  haben,  die  ihnen  das  Freiberger  Berg- 
recht zuspricht:  die  Anstelliuig  der  Bergmeister  und  übri- 
gen Amtleute,  das  Gericht  auf  den  Bergwerken,  in  den 
Hütten  und  sonstigen  zu  jenen  gehörigen  Gebäuden,  die 
Verleihung  aller  Gruben;  auch  sollte  alles  gewonnene 
Silber  (und  Gold )  nur  in  die  landesherrliche  Münze  nach 
Freiberg  gebracht  und  durch  die  landesherrlichen  Amt- 
leute daselbst  angekauft  werden").  Dagegen  traten  die 
Markgrafen,  abgesehen  von  andern,  nicht  hierher  gehören- 
den Zugeständnissen,  von  dem  ihnen  als  Regalherren  ge- 
bührenden Zehnten  1377  die  Hälfte,  1407  sogar  zwei 
Drittel  an  die  Grundherren  ab,  und  zwar  durch  clez  scha- 
dia  lotllen,  den  icir  (die  Herren  von  Waidenburg)  an 
vnserm  czeneivercke  nemyn,  und  zur  Förderung  des  Silber- 
bergbaues. Worin  diese  Schädigung  des  Zinnbergbaues 
besteht,  erfahren  Avir  aus  einer  späteren  Stelle  des  Re- 
zesses, nach  welcher  Zinngänge,  die  mit  Silbergängen 
zusammentrafen,  nicht  eher  betrieben  werden  durften,  als 
bis  dieser  Betrieb  ohne  Störung  des  Silberbergbaues  mög- 
lich war'-). 

Es  ergiebt  sich  hieraus  vollkommen  deutlich,  dass 
die  Zinnbergwerke  nicht  dem  landesherrlichen  Regal 
unterworfen  waren,  sondern  sich  im  Eigenthum  der  Grund- 
herren  befanden. 


„ein  Goldwerk  aufstünde";  nach  der  Urkunde  von  1407  scheint  dieser 
Fall  eiuLfctretcn  zu  sein.  Sehr  ergiebijr  ist  der  Goldbergbau  jeden- 
falls hier  wie  überhaupt  in  der  Mark  Meissen  nicht  gewesen. 

^'^)  Der  Kezess  von  1377  hat:  uf  allin  silbirgcngen  und  bcrc- 
wcrckru,  der  von  1407;  uff'  allen  golt-  und  silbergengen.  Dass  man 
aber  auch  in  der  älteren  Urkunde  unter  hcrctverckin  nicht  die  Zinn- 
bergwerke verstehen  darf,  ergiebt  der  ganze  Zusammenhang  der 
Urkunde,  welche  den  Zinngängen  eine  Sonderstellung   einräumt. 

^')  Vergl.  Freiberger  Bergrecht  A  §  9,  B  §  2,  36  und  Stadt- 
reclit  ('ap.  XXXVII  §  rJ  (bei  Schott,  iSammlungen  zu  den  deut- 
schen Land-  und  Stadtrechten  III,  2G(;). 

1-)  Were  daz  zcenegenge  gyngen  an  dy  silliirgenge,  alzo  daz 
man  dy  zcenegenge  an  der  silbergenge  schadin  nicbt  geerbeyten 
mochte,  so  suUen  dy  zcenegenge  sUlle  legin  unde  daz  silberwerc  sal 
vor  sich  geen  biz  alz  lange,  daz  man  dy  zcenegenge  an  schadin  der 
silbergenge  geerbeytin  mag.  Vergl.  dazu  Beyer,  Otia  metallica  II 
(1751),  264  flg. 


Das  Ziiinenecht  von  EhrenfriodersJorf,  Geyer  uud  Thum.    97 

Ebenfalls  in  Ihrer  Eigcnscluift  als  Grundlierren  liatten 
die  Herren  von  Waidenburg  in  Übereinstimmung  mit  den 
Satzungen  des  Freiberger  Bergrechts^")  auch  auf  den 
Silberbergwerken  und  in  den  bei  denselben  entstehenden 
Ortschaften  die  Zinsen  von  Fleischbänken,  Brotbänken 
und  Badestuben^  den  Zoll  und  die  Einkünfte  aus  dem 
Schrotamt  ^^),  auch  die  sonst  den  Landeslierren  zustehen- 
den Hüttenzinsen ^■*).  Hauptsächlich  zur  Förderung  dieser 
Einkünfte  versprachen  die  Markgrafen,  binner  einer  halben 
Meile  von  ^^'olkenstein  und  Ehreufriedersdorf  —  die 
Urkunde  von  1407  fügt  Thum,  Geyer  und  Zschopau  hinzu, 
Ortschaften,  die  also  erst  zwischen  1377  und  1407  ent- 
standen waren  oder  doch  einige  Bedeutung  erlangt  hatten^") 
—  keinen  freien  Markt  zu  gewähren,  ausser  wenn  sich 
dies  als  durchaus  nothwendig  herausstellen  sollte. 

Von  dem  in  Ehrenfriedersdorf  und  sonst  auf  dem 
Gebiete  der  Herren  von  Waidenburg  gewonnenen  Zinn 
erhoben  die  Markgrafen,  wenn  dasselbe  durch  ihre  Ge- 
biete geführt  wurde,  einen  Zoll  von  anfangs  einem,  später 
einem  halben  Gulden  für  den  Zentner.  Im  Jahre  1401 
verzichtete  Markgrat  Wilhelm  auf  diesen  Zinnzoll,  wo- 
gegen sich  die  Herren  von  Waidenburg  verpflichteten, 
dass  drei  Jahre  lang  alles  gewonnene  Zinn  ausschliess- 
lich an  den  Markgrafen  zum  Preise  von  4  Schock  und 
32  Meissner  Groschen  für  den  Zentner  verkauft  werden 
sollte;  an.  die  „Zinner"  d.  h.  die  Gewerken  der  Zinnberg- 
werke, die  „Flosser"  und  „Schmelzer"  d.  h.  diejenigen, 
welche  die  Aufbereitung,  Schmelzung  und  sonstige  Ver- 
arbeitung des  Zinnes  besorgten,  ergingen  die  entsprechen- 
den Befehle^'). 

Im  Jahre  1439  verkauften  die  Herren  von  Walden- 


>«)  A  §  9,  B  §  36. 

")  Yergl.  über  dasselbe  J.  F.  Klotz  seh,  Das  Schrotamt. 
Dresden  176(5  (.besonders  S.  45  üg.) 

^■'')  Yergl.  Freiberger  Bergrecht  B  §  43.  Vielleicht  muss  mau  unter 
dem  huttenzcins  der  Urk.  nicht  den  Zins  von  Schmelzhütten,  sondern 
eine  Abgabe  von  Marktbuden  (vergl.  census  casarum  in  foro  aiinuali 
Cod.  dipl.  II,  12,  77),  der  sonst  Budenzins  heisst,  verstehen.  Ein 
ähnlicher  Rezess  mit  den  Reussen  von  Plauen  von  1404  setzt  an 
die  Stelle  des  Hültenzinses  holcenczins,  also  einen  Zins  von  Markt- 
ständen, spricht  jedoch  auch  die  Zinsen  von  Schmelzhütten  den 
Reussen  zu.     Cod.  dipl.  II,  13,  67. 

1**)  Vergl.  Falke,  Geschichte  der  Bergstadt  Geyer,  in  den  Mit- 
theilungen des  Königl.  Sachs.  Alterthumsvereins  XV,  2  flg. 

")  Gr.  Perg.  von  1401  Januar  9.  im  H.-St.-A.  Dresden  No.  5147. 

Neues  .\rcliiv  f.  S.  C.  u.  A.  VII.  1.  2.  7 


98  H,  Erraisch: 

bürg  das  Schloss  Scharfenstein  mit  den  'drei  'Dörfern 
Elirenfriedersdorf,  Tlium  und  Geyer  an  den  Freiberger 
Münznieister  Liborius  Scnl'tleben,  seinen  Bruder  Konrad 
und  Steftan  Glasberg.  In  Ehrenfriedersdorf  bestand  da- 
mals eine  Zinn  flösse^**),  in  welcher  das  gesamte  im 
Gebiete  der  Herren  von  Waidenburg  gewonnene  Zinn 
verarbeitet  und  in  verkaufsfähigen  Zustand  gebracht 
wurde;  auch  später  durfte  dies  nach  den  Bestimmungen 
des  Kaufkontraktes  ausschliesslich  hier  geschehen^'*). 

Von  dem  Hechte  des  Wiederkaufs,  welches  sich  die 
Herren  von  Waidenburg  auf  sechs  Jahre  vorbehalten 
hatten,  machten  sie  keinen  Gebrauch.  Für  diesen  Fall 
sollte  nach  der  landesherrlichen  Bestätigungsurkunde  über 
den  Verkauf-")  den  Markgrafen  oder  jedem,  dem  diese 
es  erlauben  würden,  die  Lösung  des  »Schlosses  um  die 
Verkaufssumme  ein  halbes  Jahr  lang  frei  stehen.  In  der 
That  üclangte  im  Laufe  der  nächsten  Jahre  die  Herr- 
Schaft  Scharfenstein  mit  den  Zinnbergwerken  in  den  Besitz 
des  Kurfürsten  Friedrich  von  Sachsen;  der  Zeitpunkt  des 
Erwerbs  ist  nicht  genau  festzustellen,  doch  ergiebt  sich 
aus  den  noch  zu  erwähnenden  Schriftstücken  mit  Sicher- 
heit, dass  der  Kurfürst  im  Jahre  1446  bereits  Besitzer 
war.  Nach  dem  Wortlaute  einer  am  11.  Oktober  1456 
ausgestellten  Verzichtsurkunde  des  Anarg  von  Waiden- 
burg, von  der  uns  übrigens  nur  ein  Konzept  vorliegt"-^), 
scheint  der  Kurfürst  das  Schloss  noch  bei  Lebzeiten  des 


^ä)  Eine  Flösse,  ist  „bey  Ziniistcin  -  Schmelz  -  Hütten  ein  von 
Steinen  gemachtes  Behältniss  wie  ein  Gerinne,  darinnen  das  in 
jriossdn  Stücken  geschmelzte  Zinn  wieder  iliessend  gemacht  wird, 
damit  das  döniichte  nnd  unartige  davon  geschieden  werden  und 
man  das  geflossene  gattern  und  in  Ballen  machen  könne".  Hertt- 
wig,  Berghuch  S.  136. 

"')  Was  ouch  von  czehinwercken  ufT  unsirn,  unser  manne  ader 
undirsessen  guttern  icczund  gefellit  adir  sich  hernoch  doruHe  machen 
wurde,  das  czeliin  sal  man  in  die  flösse  gein  Ernfridistorti"  hrengcn 
unde  antworten  ungeverlichen  unde  sust  nyrgend  anders,  das  man 
denne  den,  die  das  so  doryn  hrengen  werden,  mit  allir  erbeit  be- 
reiten unde  außrichten  sal.  Sie  sullen  oucli  dovon  thun,  was  sich 
geboret,  unde  wer  das  nicht  tete  unde  des  so  mit  redelichkeit  ubir- 
komeu  wurde,  mit  dem  sal  man  is  lialden,  als  sicli  das  gehöret, 
dorczu  wir  en  ouch  czu  den,  die  so  doran  vorbrechin,  hclflen  sullen. 
Kaufurkunde  der  Herren  Heinricli  ;  und  Anark  von  Waidenburg 
d.  d.  14.S9  Mai  10.  Or.  Perg.  im  H.'-St.-A.  zu  Dresden  No,  6525. 
Mehr  über  den  Inhalt  bei  Falke  a.  a.  0.  .">  flg. 

-")  ür.  Perg.  von  1439  Mai  11,  II.-St.-A.  No.  6526. 

-1)  Ebendas.,  Wittenb.  Archiv,   Oerter:    Scharfenstein,   Bl.  1. 


Das  Zinnerrecht  von  Ehrenfriedersdorf,  Geyer  und  Thuna.    99 

Liborius  von   Senftlebeii;    der    1442   oder  1443  starb  ^■^), 
an  sich  gebracht  zu  haben. 

Dies  sind  die  dürftigen  Nachrichten,  die  uns  über 
die  älteste  Geschichte  des  Zinnbergbaues  um  Ehrenfrie- 
dersdorf, Geyer  und  Thum  vorliegen.  Über  die  Rechts- 
verhältnisse desselben  enthalten  sie  nur  sehr  wenig.  Zu 
einer  schriftlichen  Fixierung  des  Gewohnheitsrechtes,  das 
sich  hier  ausgebildet  hatte,  gaben  äussere  Verhältnisse 
den  Anlass. 

Einige  Jahre  vor  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts 
wurden,  wohl  von  Graupen  aus,  auf  dem  Gebiete  der 
Herren  von  Bernstein  in  der  Gegend  des  jetzigen  Alten- 
berg reiche  Zinnlagerstätten  entdeckt"-"^).  Hier  suchten 
die  Landesherren  von  vorn  herein  den  Grundherren 
gegenüber  die  aus  der  Regalität  der  Bergwerke  fliessenden 
Rechte  geltend  zu  machen.  Seit  1446  fanden  Verhand- 
lungen statt,  welche  die  Regelung  der  Rechtsverhältnisse 
in  den  neu  entdeckten  Bergrevieren  zum  Zwecke  hatten. 
Die  früheste  Kunde  über  diese  Verhandlungen  enthält 
ein  undatiertes  Schriftstück,  das  auf  der  Rückseite  die 
Aufschrift  Bemistein  trägt  und  etwa  in  den  November  1446 
gehört"^).  Es  enthält  Vorschläge  über  verschiedene 
Punkte,  wegen  welcher  mit  den  Gewerken  der  neuen 
Bergwerke  verhandelt  werden  sollte,  und  rührt  vermuth- 
lich  von  einem  landesherrlichen  Beamten  oder  einem 
andern  des  Bergbaues  kundigen  Manne,  der  zu  Rathe 
gezogen  worden  war,  her.  Wir  ersehen  daraus,  dass  man 
auf  die  in  Ehrenfriedersdorf,  Geyer  und  Thum  bestehen- 
den Einrichtungen  zurückgriff ;  und  obwohl  es  in  mancher 
Hinsicht  vielleicht  näher  gelegen  hätte,  die  in  Graupen 
geltenden  Gewohnheitsrechte  "■**)  auf  die  neuen  Bergreviere 
zu  übertragen,  ist  es  doch  völlig  begreiflich,  dass  man  sich 


-*)  Nach  den  Münzmeisterrechnungen,  vcrgl.  Cod.  dipl.  II,  13, 
Anhang  I  (besonders  Rechn.  73). 

"")  Die  Zeit  hat,  gegenüber  älteren  irrthümlichen  Nachrichten, 
zuerst  0.  Voigt  im  „Boten  vom  Geising"  1882,  No.  97  richtig  an- 
gegeben. 

-^)  H.-St.- A.  Dresden,  Wittenb.  Archiv,  Bergwerkssachon  Kaps.  IV 
Bl.  3.  Die  Zeit  lässt  sich  aus  dem  unten  S.  101  erwähnten  Dorsal 
schliessen. 

-■'")  Eine  Aufzeichnung  derselben  gab  es  damals  wohl  noch 
nicht.  Die  erste,  nur  bruchstückweise  bekannte  Graupener  Berg- 
ordnung ist  von  1464,  vergl.  Hallwich  a.  a.  0.,  S.  35  flg.  und 
Beilagen,  S.  21. 


100  H.  Ermisch: 

lieber  au  die    inländisclieu  Reclitsgewolmheiten   anscliloss. 

So  beo'inut  das  Schriftstück   mit  den  Worten  : 

Wer  die  vorwesuuge  der  guter  iiiul  bergwerg  von  meiiis  lierren 
wegen  wirdt  ufiieinen,  das  der  die  also  utnenie,  als  der  bergk 
uLigernffeu  und  begritten  ist  nach  allem  rechte  und  gewon- 
heit  des  bergwerkes  Erfridestorff  und  Gyer  etc. 

Dieser  anzustellende  landesherrliche  Beamte,  der  die 

Aufsicht  über  die   neuen  I^ergbaubezirlvC   zu    führen   hat, 

solle  den  Gewerken  sagen: 

Solche  ußsaczunge  und  gerechtickeit  des  borgen,  der  molen 
und  hutten  wil  yn  meins  herren  gnade  stevcken  mit  solchen  ge- 
richten  und  gewunheiten  des  bergwcrckcs  h  rfriderstortV  und  G^er 
etc.,  mit  einem  frien  marckte,  mit  der  kirchen,  mit  der  badestuben, 
mit  andern  frieheiten,  die  vorczeiten  Erfriderstorff  und  Gyer  auch 
nicht  haben  gehabt  etc. 

Neben  verschiedenen  anderen  Gegenständen,  welche 
den  Gewerken  vorgetragen  werden  sollten,  wird  dann 
der  Wage  gedacht,  die  der  Landesherr  einrichten  wolle; 
dagegen  räth  der  Verfasser  des  Aufsatzes^  die  Flösse  und 
die  Zeichnung  des  Zinns  mit  einem  bestimmten  Zeichen 
einstweilen  nicht  zu  l)erühren,  uf  das  iiuoi  sie  (die  Ge- 
werken) icczund  mit  gehjmjpphi'n.  mögen  anhrengen,  führt 
aber  für  den  Fall,  dass  man  doch  die  Anlage  einer  landes- 
herrlichen Flösse  in  die  Verhandlungen  hineinziehen  wolle, 
verschiedene  Gründe  an,  die  für  eine  solche  geltend  ge- 
macht werden  könnten.  Nehmen  die  Verhandlungen  einen 
günstigen   Verlauf,  so  solle  man  versuchen, 

ab  man  mit  ircm  czen  und  mit   irer   woge   und   mit   soldier  ingabe 
am  czentner  111  pfd.  mochte  bestheen  glich  Erfriderstortt'. 

Das  Schriftstück  schliesst  mit  den  Worten: 

Ab  sie  aller  sachen  nicht  wolden  vorkoren  noch  vorwillen,  so 
sind  sie  mit  der  holdunge  daryn  zcu  breiigen,  geschiet  die  als  oben 
vo[rJmeldet  ist,  das  der  berg  und  alle  yre  gerechtickeid  ires  berg- 
werks  ist  beruften  und  nßgesaczt  glich  dem  bergwercke  Erfriders- 
tortt' und  Gyer,  do  ist  flöße  und  wage  und  czeichen  ander  Sachen 
meher,  die  meinem  herren  zcu  nutze  und  Ironien  qwemeii.  __ 

Eben  dieses  Schriftstück  hat,  wie  uns  scheint,  den 
ersten  Anlass  gegeben  zu  einer  Aufzeichnung  der  in 
EhreniViedersdorf,  Geyer  und  Timm  geltenden  Rechte,  die 
in  demselben  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Auf  eine 
Anfrage  des  Kurfürsten  ertheilte  wohl  eben  der  unge- 
nannte Autor  jenes  Gutachtens  Auskunft  über  die  Ver- 
fassung der  dortigen  Bergwerke.  Der  betreifende  Aufsatz 
liegt  uns  in  zwei  wörtlich  gleichlautenden  Abschriften 
vor;  die  eine  derselben  ist  der  oben  erwähnten  Nieder- 
schrift   am   Sclilusse   (von  anderer   Hand)    beigefügt,    die 


Das  Zinnerrecht  von  Ehrenfriedersdorf,  Geyer  und  Timm.   101 

andere-^)  trägt  auf  der  Rückseite  den  von  einer  g-leich- 
zeitigen  Kanzleihand  geschriebenen  Vermerk :  Copia  die 
hergicercke  zum  Bernstein,  Eri\fri(lestorß  und  Geyer  an- 
langende presentatmn  Turgaio  2«  post  Barhnre  1446 ;  sie 
wurde  also  am  5.  Dezember  1446  dem  Kurfürsten  zu 
Torgau  überreicht.  Das  Schriftstück  beginnt  folgender- 
massen: 

Gnediser  über  herro.  Also  pfleget  man  is  zu  halden  in  der 
flöße  zu  Erbirstorff,  als  liirnacli  geschriben  steet.  Czum  ersten  was 
zcehens  in  myns  herren  flöße  gehört,  davon  gibt  man  drye  pfunt 
uffs  fuer  von  ye  dem  czentener.  Darnach  gibt  man  von  ie  dem 
rzentener  funff  bertichte  grosschin  zu  czehendeu,  wenne  mvns 
herren  gnade  solcdie  gerechtickeit  genymmet.  So  sal  man  myns 
herren  gnade  ader  sinen  ami^tlnten  kouffmansgut  geben  uß  der  flöße, 
do  eyn  ydermann  den  andern  mitte  beczalen  mag  und  geweren. 
Darnach  gibt  der  kouftman  myns  herren  gnade  von  ie  dem  czen- 
tener eynen  halben  groschen  zu  gleite.  Auch  ffibt  der  kout^'- 
man  eynen  halben  groschen  zu  gißgelde  dem  floßmeister.  Auch 
had  recht  Erberstorff  gewichte  der  czentener  zcwelff  pfund  und 
hundert.  Auch  haben  die  von  Erbirstorft' eynen  gesworen  bergmeister 
zu  iren  bergwerken,  der  danne  gancze  macht  had  von  myns  gne- 
digen  herren  wegen  die  bergwerg  zu  vorlihen  und  syn  vreies.  "^Ab 
ymand  zcweytrechtig  wurde,  das  der  bergmeister  nicht  entseczen 
konde,  so  syn  ym  vier  gesworn  zu  stuwer  gegeben,  die  ym  solchen 
irrthum  sollen  helffen  slichten.  Auch  sollen  dieselben  bergmeister 
und  gesworn  den  berg  in  achte  haben,  das  nymand  dem  andern  sal 
zu  schaden  hauwen,  das  des  bergwercks  schade  were  etc.  Ouch  so 
ist  Erbirstorfi"  mit  eynem  solchen  begnad,  das  sie  dem  bergwercke 
zu  gute  eynen  frien  marckt  haben.  Auch  sind  die  bergwerck  also 
ußgesaczt,  das  sie  aller  rente  und  aller  dinste  frye  sollen  sin. 

Auf  die  weitere  Frage  der  Landesherren,  wohin  die 
Flösse  und  der  Markt  für  die  neu  entdeckten  Bergbau- 
distrikte gelegt  werden  könnten,  wird  dann  im  folgenden 
das  Städtchen  Geising  in  Vorschlag  gebracht;  auch  wird 
empfohlen;  es  möchten  statt  3  Pfund,  wie  in  Ehrenfrieders- 
dorf, nur  2  Pfund  vom  Zentner  uffs  fuwer  d.  h.  als  Lohn 

-^)  H.-St. A.Dresden.  Wittenb. Arch.  Bergwerkssachen, Kaps. IV, 
Bl.  5.  Dass  das  „Erbistorff'',  von  dem  hier  die  Rede  ist,  nichts 
anderes  als  Ehrenfriedersdorf  bedeuten  kann,  ergiebt  sich,  wie  ich 
neuerdings  laut  gewordenen  Zweifeln  gegenüber  ausdrücklich  her- 
vorheben möchte,  mit  vollkommener  Sicherheit  aus  der  oben  ange- 
führten Dorsalnotiz  wie  ans  dem  ganzen  Zusammenhange.  Ähnliche 
Namensformen  finden  sich  übrigens  durchaus  nicht  selten  für  das 
gewöhnlichere  Ernfridistortf  oder  Krfriderstorff  u.  ä.,  z.  H.  a-  a.  0. 
Kaps.  IV,  Bl.  1?,  Kaps.  V,  Bl.  .32  b,  64:  Erbirsdorf,  Kaps.  IV,  Bl.  101 : 
Erbirsdortf  unde  Geyer,  Bl.  15:  Irfersdorf,  Kaps.  V,  Bl.  1.39b:  Y.r- 
fersdorff;  Orig.  No.  5147:  Erferstorff.  Dazu  Möller,  Theatrum 
Freiberg,  chron.  I,  28;  der  Name  des  „Erbischen'' Thors  in  Freiberg 
ist  freilich  nicht  hiermit  in  Zusammenhang  zu  bringen,  sondern  von 
Erbisdorf  bei  Freiberg  herzuleiten:  vergl.  Pfotenhauer  in  den 
Mittheilungen  de?  Freibergor  Alterthumsvereins  VT,  P25. 


102  H.  Ermisch: 

für  das  Sclimclzen  gegeben  werden,  timb  desuillen  das  is 
den  czehennern  nicht  dcste  irschregltcher  icere;  ebendes- 
wegen solle  auch  der  bisherige  Zehnte,  4  Groschen  vom 
Zentner,  beibehalten,  nicht  der  höhere  Zehnte,  der  bei  den 
älteren  Zinnbergwerken   üblich    war,    eingeführt   werden. 

Über  den  weiteren  Verlauf  der  Verhandlungen  führen 
wir,  da  eine  eingehendere  Geschichte  des  Altenberger 
Zinnbergbaues  unsere  Aufgabe  nicht  ist,  nur  an,  dass 
Hans  von  Bernstein  der  Jüngere  am  16.  Dezember  1446 
ein  Viertel  seiner  Herrschaft  Bärenstein,  jedoch  ausschliess- 
lich der  Gruben  imd  Schächte,  die  er  selbst  baute  oder 
an  denen  er  Theilc  hatte,  dem  Kurfürsten  verkaufte'') 
und  dass  auch  ein  aus  dem  Jahre  1448  herrührender 
Entwurf  einer  Zinnerordnung  für  den  Bärenstein -^)  auf 
die  Ehrenfriedersdorfer  Rechte  verweist.  Hier  wird  vor- 
geschlagen, man  solle  jedem,  der  gebaut  habe  und  noch 
bauen  werde,  alle  Freiheit  geben,  wie  die  von  Ehren- 
friedcrsdorf  haben;  ferner:  man  solle  eme  flöße  hestellen 
(dße  zcii  Ernfrldesdorff,  doryn  man  das  zcehen  sul  ant- 
wurtten  und  gefloset  icerden  u.  s.  w. 

Einen  vorläufigen  Abschluss  erreichten  die  Verhand- 
lungen durch  das  kurfürstliche  Privilegium  vom  19.  No- 
vember 1451 '-''),  durch  welches  „die  Zinner  gemeinlich 
auf  dem  Geusing"  mit  einem  freien  Markt  und  mit  Stadt- 
recht begnadet  werden.  Wegen  der  landesherrlichen  Flösse, 
gegen  welche  die  Zinner  den  lebhaftesten  Widerstand  ge- 
leistet zu  haben  scheinen,  wird  hier  bestimmt: 

Auch  sullen  und  wallen  wir  sie  mit  keyner  flösse  beswercn, 
die  amptlutc  und  geswoninen  des  berges  wurden  dannc  irkeuneu, 
das  es  der  meher  mennyge  nucz  were  und  das  czyun  der  üosse 
nicht  enperen  konde. 

Wie  in  Ehrenfriedersdorf,  so  sollten  auch  auf  dem 
Geising  die  Zinner  freies  Holz  haben,  dafür  aber  von 
jedem  Zentner  Zinn  den  Landesherren  5  bärtichte  Groschen 

27)  Or.  Perg.  H.-St.-A.  Dresden  No.  6959. 

-^)  Ebenda  Wittenb.  Arcliiv,  Kaps.  IV,  VA.  2;  eine  Absclirift 
(ebenda  Loc.  4491,  Ordnungen,  Mandata  und  Bedenckeu  etc.  1448  bis 
1ti66,  fol.  1)  bat  die  Aufschrift:  VcrczcichnuiKjc  die  bergioerckc  zcu 
Bcruatcin,  Ernfridcsdorff  und  Gycr  berurende  geschcen  zcum  Bern- 
utein  in  biiiveßcn  cm  Caspars  von  Schonberg  techant  zeit  Missen, 
ern  Heim:  von  Bunaw  zcum  Weisenstein  und  er  Jo.  Magdfeburf/sJ 
canzlers  an  unser  libenfrauwen  abend  visitacionis  anno  etc. XL  Vlll" 
(1448  Juli  1). 

"')  Ebenda  Cop.  44,  fol.  31.  Entwürfe  und  Konzepte  ebenda 
Wittenb.  Arch.,  Bergwerkssacben  Kaps.  IV,  fol.  ßb.  und  Orter: 
l.rusing,  Bl.  1,  2. 


Das  Zinnerrecht  von  Ehrenfricilersdorf,  Geyer  uml  Timm.    103 

als  Zehnten  reicLcn.  Der  Kaufmann  sollte  für  das  gleiclic 
Quantum  1  bärticliten  Groschen  zu  Geleite  und  \/o  Groschen 
als  „Waggeld"  d.  h.  für  das  Wägen  des  Zinns  geben. 
Alle,  die  erhcschaßt  adder  teil  an  czyncwercken,  an  liutten 
und  an  mtden  haben,  sollen  den  Bergrichtern  und  den 
Schoppen  auf  dem  Berge  zu  Recht  stehen.  Endlich  sollen 
die  Zinner  gemeinschaftlich  mit  den  landesherrlichen  Amt- 
leuten vier  bei'gwerkskundige  Männer  wählen,  die  ver- 
eidigt werden  und  in  allen  Bergsachen  ihren  Rath  er- 
theilen  sollen;  was  sie  mit  den  Amtleuten  beschliessen, 
soll  gehalten  werden. 

Sämtliche  Einrichtungen,  die  für  den  Zinnbergbau 
in  den  neu  entdeckten  Revieren  getroffen  wurden,  be- 
ruhten in  der  Hauptsache  auf  den  Ordnungen,  die  in 
Ehrenfriedersdorf,  Geyer  und  Thum  galten.  So  ist  es 
denn  begreiflich,  dass  die  1446  crtheilte  Auskunft  über 
die  letzteren  schon  deswegen  nicht  genügend  erschien, 
weil  sie  eine  amtliche  Giltigkeit  nicht  in  Anspruch  nehmen 
konnte.  Um  eine  zuverlässigere  Basis  für  die  Kenntnis 
des  Ehrenfriedersdorfer  Gewohnheitsrechts  zu  erlangen, 
forderte  Kurfürst  Friedrich  11.  die  Richter,  die  Schoppen 
und  die  ältesten  Zinner  zu  Ehienfriedersdorf,  Geyer  und 
Thum  auf,  bei  dem  Eide,  den  sie  dem  Landesherrn  ge- 
leistet hatten,  Auskunft  zu  geben  über  „Ordnung  und 
Aussetzung  der  Gerechtigkeit  der  Zinnwerke,  wie  das  ihre 
Alteltern  vor  ilmen  gehalten  und  gebraucht  und  so  an 
sie  gebracht  hätten  und  wie  sie  selbst  es  hielten  und  ge- 
brauchten". Diese  authentische  Auskunft  übersandten  die 
Befragten  unter  dem  Siegel  des  Hauptmanns  Hans  Schocher 
und  des  Richters,  der  Schoppen  und  der  Gemeinde  zu 
Ehrenfriedersdorf  am  „Dienstage  in  vigilia  Katherine" 
1451  dem  Kurfürsten  "**). 

Bekanntlich  bezeichnet  man  derartige  in  feierlicher 
Form  abgelegte  Erklärungen  rechtskundiger  Männer  über 


^)  Eine  Abschrift  —  denn  es  fehlen  die  Siegel  —  ebenda 
Wittenb.  Arch.  Bergwerkssachen,  Kaps.  IV,  Bl.  6.  Im  Datum  scheint 
ein  Fehler  zu  sein;  die  vigilia  Katherine  (Nov.  24)  tiel  1451  auf 
^Mittwoch.  Vielleiclit  hat  der  Schreiber  aus  Versehen  den  Kalender 
des  vorhcrgehiinden  Jahres  benutzt,  was  zuweilen  vorkommt;  oder 
die  Jahreszahl  ist  falsch  und  die  iiuskunft  wurde  schon  1450  ertheilt. 
Dazu  würde  auch  der  auffallende  Umstand  passen,  dass  sich  un- 
mittelbar an  das  fragliche  Schriftstück  von  derselben  Hand  geschrie- 
bene Notizen  anschliessen,  die  man  als  Entwurf  zu  der  oben  be- 
sprochenen Urkunde  von  1151  Nov.  19  für  den  Gcising  anzusehen  hat. 


104  n.  Ernu5cli: 

das,  was  Rechtens  ist,  als  Weis  thü  m  er'").  Jakcib  Grlniin, 
dem  man  eine  grosse  Sammlung  dieser  Rcchtsquellen 
verdankt,  Iiat  behauptet,  dass  es  in  Meissen  wie  in  allen 
alten  Slavcnländcrn  an  Weisthümern  ganz  fehle"'-);  doch 
trifft  dies  selbst  dann  schwerlich  zu,  wenn  die  Behaupt- 
ung auf  Dorfweisthümer  beschränkt  wird.  Die  Fixierung 
des  Berggewohnheitsrechtes  erfolgte,  wie  in  anderen  Theilen 
Deutschlands"''^),  so  auch  in  Meissen  sogar  in  der  Regel 
auf  dem  AVegc  des  Weisthums.  Wenn  zu  einer  Zeit, 
in  welcher  ein  geschriebenes  Stadt-  und  Bergrecht  zu 
Freiberg  schwerlich  existierte,  Markgraf  Heinrich  der  Er- 
lauchte am  6.  Juli  1255  dem  Rathe  und  den  Bergleuten 
daselbst  alle  Rechte  bestätigt,  qualm  habuerunt  temporihus 
patris  nostri  et  qualia  Uli  viginü  quatuor  de  Vriherc  (d.  h. 
der  Ratli)  suo  juraniento  et  ßdelitate,  qna  nohis  tenentur, 
ausi  fuerint  ohtinere''*),  so  wies  er  sie  selbst  auf  den  Weg 
des  Weisthums  hin  und  erkannte  die  Rechtsverbindlich- 
keit der  auf  diesem  Wege  gefundenen  Satzungen  an. 
Der  im  14.  Jahrhundert  vollendeten  Codification  des 
Freiberger  Bergrechts  gingen  zweifellos  zahlreiche  der- 
artige Befragungen  von  Rechtskundigen  voravis;  die  älteste 
in  Freiberg  entstandene  bergrechtlichc  Aufzeichnung,  die 
wir  als  Bergrecht  A  bezeichnet  haben,  gestattet  uns  einige 
recht  interessante  Einblicke  in  die  Entstehungsgeschichte 
dieses  Rechts:  sie  enthält  nämlich  in  Frageform  eine  ganze 
Anzahl  ungelöster  bergrechtlicher  Kontroversen,  über  die 
offenbar    noch  Weisthümer   eingeholt  werden  sollten""')- 

Das  einzige  wirkliche  sächsische  Bergrechtsweisthum 
aus  dem  Mittelalter  aber,  das  uns  bekannt  geworden  ist, 
ist  das  Weisthum  über  die  Rechte  der  Zinner  in  Ehren- 


■^^)  Vergl.  z.  B.  Stobbe,  Geschichte  der  deutschen  Rechts- 
quellen I,  274  flg. 

■'-)  ürimm,  Rechtsalterthümer,  S.  XI. 

"'')  So  sind  die  ältesten  Aufzeiclniungen  bergrechtlichen  Cha- 
rakters, die  bisher  in  Deutschland  bekannt  geworden  sind,  die  Tri- 
dontiner  Uergoidnungen  von  1208  und  1218,  Weisthümer.  Vergl. 
V.  Sperges,  Tyrol.-Bergwerksgeschichte  (Wien  17G5)  S. 267, 272.  Von 
andern  Bergweisthümern  nenne  ich  hier  nur  das  Goldberger  Gold- 
lecht  aus  dem  14.  Jahrhundert  (vergl.  Steinbeck,  Geschichte  des 
sclilesischen  Bergbaues  I,  84  flg.),  das  Diessclmuther  Bergweisthum 
von  1.S72  (Zeitschr.  für  Bergrecht  XIII,  74  flg.).  das  Bergrecht  zu 
Call  und  Gressenich  von  1492  (Grimm,  Weisthümer  IF,  796),  das 
Bergweisthum  zu  Schleiden  von  1547   (ebenda  II,  572). 

«*)  Cod.  dipl.  If,  12,  15.     Vergl.  dazu  diese  Zeitschr.  Ilf,  142  flg. 

■'-')  Näheres  darüber  in  dieser  Zeitschrift  III,  146  flg. 


Das  Ziniierrcclit  von  Ehronfrieilersilorf,  Geyer  uml  Timm.  105 

friedei'sdorf,  Geyer  und  Timm.  Wir  thcilen  seinen  Wort- 
laut am  Schlüsse  vollständig  mit,  sclnckcn  ihm  aber  noch 
einige  erläuternde  Bemerkungen  voraus. 

Wie  das  Freiberger  Bergrecht''^),  so  geht  aucli  unsere 
Ordnung  von  den  Voraussetzungen  der  Bergbaufreiheit 
und  eines  Obereigenthums  des  Landesherrn  an  den  Mi- 
neralien ■ —  das  wir  hier  indes  vielleicht  eher  auf  den 
Erwerb  der  Herrschaft  Scharfenstein  als  auf  den  Besitz 
des  Bergregals  zurückzuführen  haben  —  aus.  Jeder,  der 
Erzlagerstätten  auffand,  war  zur  Anlage  eines  Zinnberg- 
werks berechtigt,  wenn  er  die  landesherrliche  Genehmigung 
dazu  eingeholt  hatte.  Die  Ertheilung  derselben,  die  Ver- 
leihung, war  wie  in  Freiberg'")  Sache  des  vom  Landes- 
herrn angestellten  Bergmeisters  (§  1).  Das  bei  der  Ver- 
leihung anzuwendende  Mass  war  die  Wehre,  eine  Ein- 
heit von  zwei  Lehen  d.  h.  eine  Fläche  von  14  Lachter 
Länge  und  7  Lachter  Breite  ■^^). 

Nun  waren  aber  die  Zinnlagerstätten  verschiedener 
Art:  entweder  fanden  sich  die  Erze  in  Seifen  d.  h.  sie 
bildeten  durch  Verwitterung,  Ab-  und  Zusammenschwemm- 
ung  entstandene  Ablagerungen  an  der  Gebirgsoberfläche, 
oder  sie  waren  Klüfte  d.  h.  Gänge  von  geringer  Mäch- 
tigkeit. Die  Verleihung  war  eine  verschiedene,  je  nach- 
dem man  sich  „auf  Kluftwerk"  oder  „auf  Seifenwerk" 
beleihen  Hess. 

Im  ersteren  Falle  sollte  zur  Fundgrube  d.  h.  zu  der- 
jenigen Grube,  durch  welche  die  Erzlagerstätte  entdeckt 
worden  war  und  von  der  aus  der  Finder  sich  beleihen 
liess,  ein  Grubenfeld  von  2  Wehren  und  dazu,  wenn  der 
Finder  es  verlangte,  noch  eine  3.  Wehre  vermessen  wer- 
den. Jeder  folgende,  der  auf  demselben  '  Gange,  soweit 
er  noch  unverliehen  war,  ein  Zinnbergwerk  anlegen  wollte, 
erhielt  nur  zwei  Wehre  zu  einer  Grube  (§  2).  Handelte 
es  sich  jedoch  um  einen  „Hauptschacht"  oder  ,.Haupt- 
stollen",  d.  h.  um  einen  Scliacht  oder  Stollen,  der  meh- 
reren Gruben  Vortheil  brachte,  so  war  die  Zahl  der  zu 
vermessenden  Wehre  dem  Ermessen  der  Herrschaft 
anheimgestellt  (§  3).  Im  Übrigen  war  hinsichtlich  der 
Stollen  bestimmt,    dass    die   Durchführung    eines    solchen 


3«)  Vergl.  diese  Zeitschrift  III,  123. 

3^)  Vergl.  Freiberger  Stadtrecht  Cap.  XXXVII    §  12    (Schott 
a.  a.  0.  in,  26())  und  Bergrecht  ß  §  3. 

■''^)  Yeith,  Deutsches  Bergwörterbuch,  S.  566. 


IQQ  H.  Erraisch: 

durch  ein  fremdes  Zinnbcr^^werk  fijcstattet  werden  musste, 
jedoch  ohne  Beschädigung  des  letzteren  (§  4)''"). 

Für  den  Abbau  von  Seifen  brauchte  man  eine  be- 
deutend grössere  Oberfläche^");  daher  sollten  zu  einem 
IIaui)tstoUen  auf  Seifenwerk  15  Wehre  gemessen  wer- 
den (§  5). 

Das  Honorar  des  Bergmeisters  für  die  Verleihung 
betrug  2  Groschen  für  die  Wehre.  Folgte  der  Verleihung 
die  Vermessung  des  Grubenfcldes^^),  so  hatte  der  Bcrg- 
mcister  daran  „seine  gewöhnliche  Gerechtigkeit"  (§  1), 
d.  h.  wahrscheinlich  so  viel,  als  ihm  nach  dem  Freibcrger 
Bergrecht  zustand,  Ucämlich  4  Schillinge'-). 

Sowohl  Kluftwerk  als  Seifenwerk  galt,  wenn  der 
Betrieb  sechs  Wochen  lang  eingestellt  war  ^•''),  als  auflässig 
und  der  Bergmeister  konnte,  falls  er  nicht  Frist  gegeben 
hatte,  die  betreflfenden  Bergwerke  andern  verleihen;  doch 
schützte  die  Gewerken  eines  Seifenwerks  der  Wassermangel, 
der  den  Betrieb  unmöglich  machte,  vor  dem  Verlust  ihres 
Hechts  (§  6).  Bauten  mehrere  Gewerkschaften  auf  ge- 
meinschaftliche Kosten  einen  Stollen,  so  durften  sie  darum 
doch  die  Gruben,  denen  der  Stolle  zu  Gute  kommen 
sollte  und  von  welchen  sie  das  zum  Stollenbau  nöthigc 
Wasser-  oder  Stollengeld  gaben,  nicht  liegen  lassen,  sonst 
fielen  dieselben  ins  Freie  (§  10).  Wer  den  Betrieb  seines 
Bergwerks  so  lange  einstellen  wollte,  bis  er  seine  Vorräthe 
an  Zwittern  und  Steinen  verarbeitet  hatte,  musste  sich 
hierzu  vom  Bergmeister  Frist  geben  lassen  (§  1 1). 

Beim  Betriebe  selbst  sollte  darauf  geachtet  werden, 
dass  derselbe  in  vorschriftsmässiger  Weise  erfolge.  Es 
war  streng  verboten,  „die  Tiefsten  zu  versetzen  oder  zu 
verStürzen";  d.  h.  das  taube  Gestein  in  den  Gruben  zu 
lassen,  statt  es  zu  Tage  zu  fördern  und  auf  die  Halden 
zu  stürzen.  Niemand  sollte  ferner  „Striffen,  Strossen  und 
Bergvesten",  d.  h.  diejenigen  Gesteinsmassen,  welche  man 
stehen  Hess,   um  dem   Grubenbau    die  nöthigc  Festigkeit 


^^)  Vergl.  Iglauer  Bergrecht  §  7.     Freiberger  Bergrecht  B  §  10. 

'")  Technische  Details,  die  ich  hier  der  Kürze  halber  auslasse, 
vergl.  bei  Veith  a.  a.  0.  S.  441. 

")  Vergl.  diese  Zeitschrift  lll,  124  flg. 

'2)  Freiberger  Bertrrecht  B  5;  17. 

•*'')  In  derselben  Frist  fielen  nach  dem  älteren  Freiberg(!r 
Bergrecht  (A  t<  21)  Erbstollen,  nach  dem  Tglaner  Bergrecht  (t^  9) 
sowohl  F.rbstoilcn  als  gemessene  Berge  ins  Freie,  während  dos 
jüngere  Freiberger  Eecht  für  erstere  eine  achttägige  (§  12),  für  letz- 
tere, wie   das   ältere,   eine  dreitägige  Frist  setzt  (A  §  12,  B  §  17). 


Das  Zinnerrecht  von  Ehrenfriedersdorf,  Geyer  und  Thum.  107 

zu  t:;cbcn,  ohne  besondere  Gcnelimigung  des  Bergmeisters 
ausbauen'").  Ebenso  war  es  bei  Seifenwerken  verboten, 
das  (gestaute)  Wasser  ohne  vorherige  Genehmigung  des 
Bergmeisters  und  der  Zinner  in  die  Stollen  zu  leiten  (§  7). 

An  der  Spitze  der  Verwaltung  stand  ausser  dem 
landesherrlichen  Hauptmann  (§  7)  der  ebenfalls  vom 
Landesherrn  ernannte  Bergmeister,  der  zu  dem  Freibcrger 
Bergmeister  in  keinem  Verhältnis  der  Unterordnung  ge- 
standen zu  haben  scheint.  In  manchen  Sachen  war  er 
an  den  Rath  der  ältesten  Zinner  gebunden  (vergl.  §  4,  7). 

Er  hatte  auch  die  Gerichtsbarkeit  (mit  vier  Ge- 
schworenen, vergl.  oben  S.  101)  wahrzunehmen.  In  dieser 
Hinsicht  herrschte,  wie  in  Freiberg ^■^),  in  den  Zinnberg- 
werken und  in  allen  zu  ihnen,  gehörigen  Gebäuden  ein 
besonders  hoher  Friede,  dessen  Übertretung  schwer  bestraft 
wurde  (§  8).  Bei  Streitigkeiten  wegen  der  Anrechte  an 
Gruben  wurden  Kläger  und  Beklagter  „verbürgt  auf  Wette 
und  Busse";  der  Unterliegende  musste  4  Schock  der  Herr- 
schaft und  2  Schock  dem  Gewinnenden  zahlen  (§  9). 
Der  Arbeiter  konnte  wegen  schuldigen  Lohnes  das  vor 
Hütten  und  Mühlen  liegende  Zinn,  bevor  es  in  die  Wage 
kam,  mit  Beschlag  belegen  (§  12)^*^). 

Über  die  Flösse  und  die  Wage  äussert  sich  die  Will- 
kür nur  ganz  kurz.  Das  dorthin  gebrachte  Zinn  sollte 
nicht  eher  weggeführt  werden,  als  bis  die  dem  Landes- 
herrn gebührenden  Abgaben,  der  Zehnte  (von  den  Zin- 
nern\  das  Geleite  und  Waggeld  (von  den  Kaufleuten) 
entrichtet  worden  war.  Näheres  enthält  der  oben  S.  101 
mitgeth eilte  Aufsatz.  — 

Über  die  spätere  Geschichte  des  Bergbaues  ura  Ehren- 
friedersdorf, Geyer  und  Timm  fliessen  die  Nachrichten 
recht  spärlich;  ich  habe  keinen  Anlass,  dieselbe  hier  zu 
verfolgen^').  Eine  weitere  Aufzeichnung  des  hier  gel- 
tenden Gewohnheitsrechts  habe  ich  nicht  auffinden  können; 
auch  sind  mir  landesherrliche  SpezialVerordnungen  für 
die  hier  behandelten  Gegenden,    wie    sie    in   den  Jahren 


")  Ähnliche  Bestimmungen  wurden  wiederholt  in  Freiberg  ge- 
troffen; vergl.  Cod.  dipl.  II,  13,  113,  174  u.  ö. 

'■"')  Vergl.  namentlich  die  Freiberger  ßerggeriehtsordnuug  im 
Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  13,  299  tig. 

*")  Ganz  ähnliche  Bestimmungen  enthält  das  Iglauer  Berg- 
recht §  21  und  danach    das  Freiberger  Bergrecht  B  §  35. 

■*■')  Das  Brauchbarste,  was  neuerdings  darüber  geschrieben 
worden,  bei  Falke,  Ueschichte  der  Bergstadt  Geyer  a.  a.  U. 


108  ^^-  Ermisch: 

1489,  1491,  1503  u.  ö.  für  die  Altenberger  Reviere  er- 
lassen wurden  ^^),  nicht  bekannt  geworden.  Die  grosse 
Bergordnung,  welche  Herzog  Georg  am  5.  Februar  1509 
für  die  benaclibarten  Bergwerke  von  Annaberg  erliess 
und  die  in  wenigen  Jahren  die  Bedeutung  eines  allgemein 
geltenden  Landesgesetzes  erlangte^''),  hat  auch  in  Ehren- 
friedersdorf,  Geyer  und  Timm  der  Weiterentwickelung 
besonderer  Rechtsgcwohuheiten  eine  Grenze  gesetzt. 


Beilage. 

So  uiul  der  hocligeborne  furste  und  herre,  her  Fridorich,  hertzog 
zcu  Sachsen,  des  heiligen  Komischon  richs  ertzniarschalgk,  lantgrave 
in  lloringen  und  marggrave  zcu  Myssen  etc  ,  unser  gnedigor  lieber 
herre,  mit  seyiien  schrift'ten  und  seyiien  gnaden  amptleuthen  uns 
richter  und  scheppeu  und  die  eldisten  czynner  zcu  Erfridestorff, 
Geyer  und  Thum'  hat  laßen  ersuchen  und  vormanen  bey  unsern 
eyden,  das  wir  seynen  gnaden  in  schrifft  zcu  verstehen  geben  suUen 
ordenunge  und  ußsatzunge  der  fzynwergke  gerechtikeith,  wie  das 
unser  alteldem,  got  seligen,  vor  uns  gehalden,  gebrauchet  haben 
und  alzo  an  uns  bracht,  das  wir  dann  auch  alzo  halden  und  ge- 
bruchen,  in  massen  wir  das  hirnach  setzen  etc. 

§  1.  Uff  das  erste  hat  unser  gnediger  herre  eynen  geswornen 
hergkmeister,  der  hat  macht  unsers  gnedigen  hern  fryhes  zcu  ver- 
leyeu  eynem  ydermenigklichen,  der  czynwergk  bauwen  und  ui^'nemen 
wil,  clorttwergk  adder  uff  seyfeuwergk,  y  eyne  were  vor  czwene 
groschen.  Wurde  man  begern  snüre  und  niajße  zcu  messen,  daran 
hat  der  bergkmeistere  seyne  gewonliche  gerechtikeith. 

§  2.  Item  eyn  fiindgrube  uff  clufftenwergk  sal  haben  czwey 
were.  Begert  der  fiiider  an  dem  bergkmeister  das  dritte,  domit  sal 
man  yn  begnoden  umb  des  fundes  willen.  Were  dann  nach  der 
i'undgruben  bauwen  weide  und  czynwergk  uönemen,  dem  sal  man 
vorleycn  tzwey  were  zcu  eyner  gruben,  alzo,  das  die  gebauwet  und 
gcarbeith  werde,  als  recht  ist. 


o 


§  3.  Item  wer  eynen  houbtschacbt  mit  eynem  houbtstoUen 
bauwen  weide,  das  stehet  zcu  der  herschafft  gnade,  waß  und  wie 
vil  were  man  om  darzcu  vorleyen  wil  etc. 

§  4.  Item  ab  eynigem  not  seyn  wurde  eynen  Stollen  zcu  liolen 
und  muste  das  thun  durch  eyncs  andern  mannes  czynwergk,  das  muß 


'■^j  Verd.  F.  A.  Schmid,  Diplomat.  Beiträge  zur  Sächsischen 
Geschichte  I,  57  tlg. 

''")  Vergl.  Ac'henbach,  Das  deutsche  Bergrecht  I,  44. 


i/t 


Das  Zinüerreclit  von  Ehrenfriedei'sdorf,  Geyer  und  Thum.  109 

man  yiii  gönnen  und  gestathen  dein  ane  schaden  durch  seyn  czyn- 
wergk  nacli  anewisnnge  und  irkentiiiße  des  bergknieisters  und  der 
eldisten  czynner. 

§  5.  Item  unser  aide  gewonheith  und  recht  biß  herkommen 
ist,  also  das  eyn  ytzlicher  houbtstolle  uff  seytl'enwergk  sal  haben 
lufftzen  wer,  die  sal  der  bergkmeister  ordentlichen  nachcynander 
messen  umb  seyne  gerechtikeith  eynem  ydermann,  der  das   begert. 

§  6.  Ouch  ist  unser  aide  gewonheith  und  recht,  welch  czyn- 
wergk  ufi'  clufftenwergk  drey  virtzehen  tage  nicht  bauwhafftigk  ge- 
halden  wurde,  der  bergkmeister  magk  das  eynem  andern  vorleyen 
vor  der  hern  fryhes,  sundern  er  hette  dann  dem  czynwergk  trist 
gegeben,  das  mochte  er  zcu  hulffe  nemen.  Desgleichen  auch  uff 
seyffenwergke  ußgedruckt,  ab  dem  seyffen  wasser  gebrechen  wurde, 
das  wer  auch  seyn  behelff,  das  er  das  nicht  vorliesen  moclite  adder 
konde. 

§  7.  Wir  halden  auch  uff,  unserra  bergkwergk,  das  unser 
houbtmann  zcu  allen  elichen  dingen  hertlichen  leßet  vorbieten  und 
gebieten  bey  vormeidunge  unsers  gnedigen  hern  hertzogen  ungnade, 
das  nymaiith  die  tyffsten  vorsetzen  adder  vorstortzen  sulle,  striffen, 
Strossen,  bergkvesten  nyniand  nßliauwen  sulle,  hynder  dem  geswor- 
nen  bergkmeister.  Welcher  das  überkommen  wurde,  das  er  eyn 
sulchs  ane  laube  eynes  bergkmeisters  gethan  liette,  dem  magk  unser 
houbtmann  zcu  leibe  und  gut  griffen.  Ouch  thar  nymand  das  wasser 
laßen  uftgehen,  es  wurde  dann  erkanth  von  dem  l)ergkmeister  und 
t^ynern. 

§  8.  Wir  halden  auch  in  unsern  czynwergken  in  kauwen, 
hutton,  mulcn,  in  der  wage  und  so  weyth  der  liergkmeistere  len- 
schafft  gethan  hat,  großer  fryunge.  Weich  man  die  ubertrethe,  der 
wurde  gestroffet  von  unserm  amptmann  nach  vorlauffuuge  der  that, 

§  9.  Item  welch  man  dem  andern  insprache  thut  yn  seym 
czynwergk,  dy  pfleget  man  zcu  verbürgen  uff'  die  wette  und  büße, 
das  seyn  sechs  schogk,  vier  schogk  tler  herschafl't,  tzwey  schogk 
der  gowergken,  die  gerecht  bleyben,  dy  muß  gener  geben,  der  in 
ungerechtikeith  funden  wirth,  sundern  man  wil  ym  gnade  thun. 

§  10.  Wir  halden  auch  in  unsern  bergkwergken,  ab  etzliche 
czynwergk  eynen  stellen  bedorfien,  den  wir  bauwen  und  darzcu 
treiben  mußen  mit  gemeynem  gelde,  so  sollen  wir  gleichwol  die 
czynwergk,  davon  wir  wasser -adder  stollengelt  geben,  nach  nottorfft 
bauwen  unserm  gnedigen  hern  an  seynem  tzenden  und  uns  zcu 
gewyn.  Welcher  das  nichteu  thet,  so  wurde  der  gesworne  bergk- 
meister das  vorleyen  als  vor  unsers  gnedigen  hern  fryhes. 

§  11.  Item  ab  eyner  tzwitter  adder  steyn  vor  hatten  adder 
mulen  hette  und  wer  in  meynunge  seyn  czynwergk  in  gewern  zcu 
behalden,  wiewol  er  das  nicht  erbeithe,  und  das  sal  er  thun  mit 
willen  und  wißen  eynes  geswornen  bergkmeisters,  wie  lange  ym  der 
irist  gibt. 

§  12.  Item  auch  ist  unser  gewonheith  und  vor  alder  her- 
kommen, das  eyn  ytzlich  erbeiter  umb  seyn  vordinte  Ion  magk  vor- 


110   H.  Ermisch:  Das  Zinnerrecht  von  Ehrenfriedersdorf  etc. 

knnimern  czynn  vor  hntten  und  iniilen,  er  das  es  in  die  wage 
kommetli,  das  tliar  nymand  liyiiweg  fiiren,  dem  erbeiter  sey  dann 
ußrichtunge  gethan  umb  seyn  Ion. 

§  KS.  Item  wer  tzynn  in  unser  fioße  und  in  die  wage  brenget, 
der  thar  es  nicht  nemen  adder  wegkfuren,  er  habe  dann  tzenden, 
gleith  und  waggelt  gegeben  und  vorricht. 

Sulche  obcnvormelte  gerechtikeith  und  aide  gewonheitli  haben 
nnser  alteldern  uff  uns  bracht,  so  lialden  wir,  das  auch  alzo  noch 
heuwte  bey  tage.  Und  das  sulche  bekentnilJe  und  schrillt,  alzo  wir 
von  geheiße  und  entpfelunge  wegen  unsers  guedigen  Lern  warhafltig 
mit  unserra  wißen  und  willen  hir  schritftlichen  gegeben,  haben  wir 
dem  gestrengen  Hanßen  Schocher,  unserm  houbtmann,  und  die 
crsamen  richter,  scheppen  und  die  gemeyne  zcu  Erfridestorff  gebeten 
ir  ingesigel  zcu  bekentniße  uff  disse  czedel  zcu  drucken,  unscbede- 
lichen  yn,  iren  erben  und  nochkommen,  das  wir  dann  andern  czynnern 
zcu  Erfridestorff",  Geyer  und  Thum  ytzunt  mit  gebruchen.  Geben 
am  dinstage  in  vigilia  Katherine  anno  domini  etc.  quinquagesimo 
primo. 


IV. 

Aus  Daniel  Naubitzers  Autobiographie. 

Ein  Beitrag  zur  Kultiirgeschiclite  des  10.  Jahrhimderts. 

Yon 

M.  Baltzer. 


Für  die  Gescliiclite  der  Kultur,  zumal  der  sozialen 
Verhältnisse,  ist  es  ebenso  wichtig,  die  Lebensumstände 
vieler  jener  mittelmässigen  Existenzen  zu  kennen,  deren 
Biographien  nicht  geschrieben  zu  werden  pflegen^),  als 
die  der  grossen  Männer.  So  dürfen  wir  auch  für  die 
nachstehenden  autobiographischen  Aufzeichnungen  aus 
dem  16.  Jahrhundert,  die  ein  litterarisch  unbekannter 
sächsischer  Theologe  in  eines  seiner  Bücher"-)  eingetragen 
hat,  Aufmerksamkeit  erbitten. 

Unseres  Autors  Vater,  Andreas  N.,  war  der  Sohn  des 
RathsmüUers  Johannes  Naubitzer  zu  Mittweida.  Nach- 
dem er  die  Schule  in  seiner  Vaterstadt  und  zu  Zwickau 
besucht  hatte,  kam  er  am  8.  Oktober  1551  nach  Witten- 
berg, wo  er  einige  Tage  darauf  solito^)  more  a  depositore 
Luca  Schaubio  tractatus  et  a  heanismo  ab  solutus  inque 
album    studiosorum  jyraestito   iuramento    a  magnifico   viro 


1)  Paulsen  in  Sybels  Hist.  Ztschr.  N.  F.  IX,  424. 

-)  Petrus  Albinus  Newe  Meysnische  ClironicaWittenberg  1080,4"; 
jetzt  auf  der  Grossherzogl.  Bibl.  zu  Weimar,  deren  Vorstand  H.  Dr.  R. 
Kühler  mich  durch  freundlichste  Unterstützung  zu  Dank  verpflichtete. 

•')  Mit  dem  AVortlaut  ist  auch  Interpunktion  und  Orthographie 
beibehalten;  von  Abkürzungen:  D.  —  doctor  oder  dominus,  Q.  = 
Gräflich,  H.  =  Herr,  M.  =  magister,  R.  =  reverendus,  p.  =  post, 
S.  T.  =  sacra  theologia,  ©  =  dominica. 


112  M.  Baltzer: 

rectore  academlae  d.  Paulo  Ebero'^)  receptiis  fuit.  Ilahu/'f 
inier  (dios  'praecepiorem  domtaimi  Phdippum  Alelanclitoiieni 
cuius  fuit  frequens  auditor,  id  quod  eius  testantur  anno- 
tata,  quae  ex  ipsius  ore  excepit  calamo.  Anno  lü04  3.  dieiulü 
suscepit  officinm  raiitoris  in  oppido  Silesiae  Liihd,  lö  die 
])Ost  valedixit  acadeinlae  Wittehenjinisi,  et  hinc  26  die  iidii 
cum  suppellect'd.e  Liibham  venu,  Spartam'')  naciam  orna- 
turus.  1555  20.  März  ward  er  iiteris  senaius  legitime 
vocatus  ad   officium  haccalaureatus  in  schola  Mithceidensi. 

,,Nach  dorne  elir  gaiitzcr  18  Jalir  fuugendo  officio  Baccalau- 
reatus  in  pulvere  scliolastico  desiulirct,  Und  darneben  in  seinem 
eiLMieui  erkauften  Ileuslein  der  hürtrerliidieu  nalirung'^)  geptieget,  Und 
die  Mutter  auch  Zugleich  die  iSlilgdleinsehule  mitt  gehalten,  Jst  ehr 
anno  Christi  1573,  an  Stadt  des  selig  abverstorbenen  Herren  Caspar 
llöpncrs')  gewesenen  Diaconi  stelle  Vom  erbarn  rath  Zur  Mittweida 
Vociit  worden.  8  die  Fehrnarii  ist  ehr  gen  Wittenbergk  Zur  Ordina- 
tion gezogen  Und  den  14.  Von  1).  Widebramo")  neben  andern  Zwejen 
Von  12  Uhr  ahn  bis  auf  halbweg  .">  iiin  seinem  Hause,  die  Weil 
ehr  ettwas  schwach  gewesen,  exaniiniret  Und  den  15.  ordiniret  worden. 
21.  rediit  Mittweidani.  Und  hatt  Zum  ersten  mahl  den  24.  nottaufen 
müssen." 

Am  23.  Oktober  1589,  am  Tage  nach  seinem  Tode, 
sclirieb  Pastor  Joachlmus  Franck  den  Amtsbrüdern  in 
der  Nachbarschaft  (David  Köler  in  Ottendorf,  Valentin 
Büttner  in  AUmittweichi,  David  Lindner  in  Frankenau, 
Michael  Vollrat  in  Erlau,  Wolfgang  Schinnann  in  Kingethal, 
Philipp  Petsch  in  Kossaii,  nnd  Jacob  Tröltzsch  in  Seifers- 
bach'): 7it  pro  more  huclcntis  usurpato  exuvias  Andreae  Nau- 
hilzeri  ad  locum  sepulturae  destiuatum  dejjortare  digncmini. 

Unsres  N.  Mutter  Ursula;  zu  deren  Stiefvater,  dem 
Mittweidaer  Stadtsclireiber  Erasmus  Hausmann,  Andreas 
N.  am  1.  Juni  1555  den  Pastor  Franciscus  Grosse  und 
den  Weinschenk  Valtten  Schoppen  ausgeschickt  hatte,  „die 
Jungfrawen  Ihme  ehrlich  Unndt  ehlich  Zu  Werben",  mid 
die  am  26.  August  ihm  vermählt  worden  war,  starb  1599, 
„nachdem    sie  gantzer  4ü   Jahr   daselbsten   die   Megdlein 


•^)  Förstemann,  Album  acad.  Viteb.  S.  275:  unter  den  gratis 
inscripti  von  1551  Andreas  ^'au(■ius  (statt  Nauicerus)  Mitwedensis. 
223:  Jjucas  Schaubius  Boniensis.  Ülier  Eberus  professor  phisices:  Neue 
^littheil.  des  thür.  sächs.   \'er.  XI,  113. 

•'')  Dies  damals  beliebte  Wort  z.  13.  auch  in  Adr.  Beiers  Selbst- 
biographie Ztschr.  d.  Ver.  f.  thür.  Gesch.  X,  329. 

^)  Vergl.  Heiland,  Progr.  des  Gymn.  zu  AVeimar  1859  p.  20  n.  5. 

')  Dietmann  (Die  der  augsburg.  Confess.  zugethane  l'riester- 
schaft  des  Kurfürstenthums  Sachsen  I,  292)  kennt  von  den  hier 
erwähnten  Geistlichen  in  jNlittweiila  und  dessen  Umgebung  nur 
Naubitzer,  Uöpner,  Köler,  auch  den  gleich  zu  erwähnenden  Grosse. 
Über  Widebram  ebenda  IV,  53. 


Aus  Daniel  Naubitzers  Autobiographie  etc.  113 

schule  mit  grossen  lob,  rühm,  Unnd  nutz  gehaltten". 
Ihr  Vater  war  M.  Johannes  Odtr  alüis  Memminger  a 
yatria,  quondam  njjpidani  ludi  in  urhe  Grirmna  moderator, 
natione  Suevus,  oriJindus  ex  urhe  Memminga,  vir  Hehraeae 
linguae  peritissimus.  Denn  die  Memminger  Schule  war 
berühmt^). 

Unser  Autor,  am  30.  September  1560  als  viertes  von 
12  Kindern  geboren,  erzählt  von  sich: 

„Anno  etc.  72  3  die  Aprilis  zum  ersten  mahl  communiciret 
Anno  etc.  T-t  hatt  mich  M.  Wolfgangk  Stolbergk  Schulmeister") 
adhibiret  ad  personam  Sibyllae  uxoris  Danielis  proiecti  in  speluncam 
leonuni  in  actione  Comoediae'").  2i  Februarii."  Am  29.  September  1574, 
„a  parentibus  per  litteras  Torgam  versus  domino  M.  Christophoro  Oratio 
8  coUegae  scholae  ibidem  commendatus  et  ex  patria  missus  sum  cum 
seniorii^d.i.Jieschützcr)  Caspare  Catzschiociveetbono  viro  ad  uberiorem 
Studiorum  culturam,  translatusque  ibidem  sum  in  secundam  clussem. 

Innerhalb  Wenig  tagen  hernach  bin  ich  Von  M.  Christophoro 
Grafio  belördert  worden  Zu  Jobst  Möllern  Zuckermachern  auf  der 
Breittengassen  Zum  paedagogo  seiner  Zweyer  Söhulein  als  Jodoci, 
Ijnndt  Johcinnis  Ernesti"). 

Anno  etc.  7  7.  27.  Martii  in  primam  translatus  fui  classem. 
Eodem.  7  die  Maii  contuli  mo  ad  paedagogiam  Bartholomaei  Fritz- 
schii  prope  niacellum  habitantis. 

Anno  etc.  78.  23  die  Julii  Witebergae  in  aedibus  viduae  Sal- 
liachianae  prope  monasterium  sitis  deposui  cornua  beanismi  soius, 
depositore  Laurentio  Cnidio  Franco.  Interfuere  depositionis  actui 
M.  lialthasar  Dremmer  Mittw.  M.  Johannes  Eberhardt'-j,  qui  me 
absolvit  a  beanismo,  et  multi  alii  Studiosi.  Sequenti  die  receptus 
sum,  praestito  pnus  luramento,  in  album  studiosorum  Witebergensium, 
a  magnitico  et  nobili  viro  D.  Joachime  a  Beust^^J,  iuris  utriusque 
doctore,  qui  mihi  peculiare  et  Depositionis  et  inscriptionis  commu- 
nicavit  testimoniuni". 

N.  Hess  sich,  wie  es  scheint,  inscribieren,  ohne  die 
Universität  wirklich  zu  beziehen  ^^).  Denn  am  8.  Sep- 
tember 1578  nahm   ihn 


*)  Vergl.  über  sie  Neue  Jahrbücher  f.  kl.  Philog.  und  Pädagogik 
122,  225. 

")  Einen  Vorgänger  dess.,  Oberndörffer,  nennt  N.  ludirectorl559. 

^")  Gedruckt  ist  eine  dramatische  Bearbeitung  der  Geschichte  Da- 
niels im  Theatrum  diabolorum,  Frankfurt  a./JNl.  1587,  vergl.  Hei- 
land, Progr.  des  Gymn.  zu  "Weimar  1858  p.  4. 

")  Über  die  classes  und  die  paedagogi  vergl.  Paulsen,  Gesch. 
des  gelehrt.  Unterrichts  (Leipzig  1884)  S.  225  tig. 

^'-)  Wohl  der  1585  an  der  Pest  gestorbene  Superintendent  zu 
Herzberg,  vergl.  Bü  lau,  Die  luther.  Geistlichkeit  Sachsens  (Mittheil. 
der  Dtsch.  Ges.  zu  Leipzig  IV,  107). 

^*)  Vergl.  Förstemann,  Lib.  decan.  facult.  theol.  acad.  Viteb. 
S.  52  u.  Muther,  Zur  Gesch.  d.  Rechtswiss.  u.  d.  Univers,  in  Deutschi. 
S.  109. 

")  Gersdorf,  Mittheil.  d.  Dtsch.  Ges.  zu  Leipzig  V,  95  tig. 
Paulsen  m  Sybels  Hist.  Ztschr.  N.  F.  IX,  292. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A,    VII.  1.  2.  8 


114  M-  15altzer: 

„M.  Michaelis  Bohomus  Uuliroctor  Torgensis'"')  in  actione  tra- 
goeiliae  de  Jephtlia  ex  iiuHciim  11  cap.  ad  pcrsonam  nuncii  clau- 
dicantis'").  Eodcm  4  Octobris  hin  ich  von  Burtel  Fritzschen  ah- 
getretten,  liahe  mich  consilio  domini  Kectoris  hegchen  Zu  Herren 
Valentino  Weishansen  Dennenievckern  Churi'.  Siiclisischen  Wundarztto 
inn  der  Schlossgassen  auf  II.  Magistri  Georgii  Listhenii  ^')  Churf. 
H.  Hot'epredigers  Umhgesetzten  Hause,  liahe  drey  Ziemlich  erwach- 
sene Knaben,  Und  eine  Tochter  Benignom  Zu  instituiren  gehabt. 
Anno  etc.  80  22  die  Fehruarii  hatt  M.  iMichael  Böhm  Kector  Comocdiam 
Almansoris^^)  agirt,  darinnen  Ich  personam  Christi  habe  lühren  müssen. 
Eodem  25  die  Junii  transmisso  mihi  a  patre  Electorali  niandato 
pro  inmetrando  stipendio  in  Academia  Lipsensi :  7  die  Julii  post 
ornatus  testimonio  domini  M.  Michaelis  Bohemi  Kectoris,  quoil  alibi 
invenire  est"'),  Lipsiam  profectus  sum,  exhibitoque  niandato  Elec- 
torali R.  R.  viris  dominis  I).  D.  Theologiae  Nicoiao  Selneccero  Za- 
chariae  Schiltero-")  etc.  examin atus  fui  30  die  Julii  a.  M.  Albino 
GreiÜenbergero  alumnorum  Electoralium  praeceptore.  Finito  exa- 
mine  sequenti  die  1  Augusti  receptus  sum  in  coenaculo  a  clarissimo 
viro  Zacharia    Schiltei-o    s.    T.    doctore    in    nuraeruni    alumnorum. 

Eodem  9  die  Augusti  Torgae  publice  congregatis  omnibus 
discipulis,  et  praeceptonbiis  in  maiori  iudi  lectorio  habui  orationem 
valedictoriam  de  Gratitudine  (quam  alibi  consulas):  dehinc  peculiari 
quadam  oratiuncula  valedixi  smgulis  praeceploribus  videlicet:  Do- 
mino M.  Micliaeli  Bohemo  Kectori  M.  Johanni  ^YanckeUo  Conrec- 
tori-'),  M.  Danieli  Burchhardo,  Michaeli  Vocto  cantori-'-)  et  reliquis 
Baccalaureis:  tandem  transmissa  mea  supellectile  Lipsiam  versus 
per  rhedarium  eodem  die  patriam  petii. 

Binn  also  fast  gantzer  sex  Jahr  ein  Torgischer  paedagogus 
Und  discipulus  gewesen  bey  4  Unterschiedlichen  Herren,  bey  Wel- 
chen ich  neben  meiner  paedagogia  Vielerley  Hausarbeit,  Und  Pilche- 
ley-")  habe  miissen  thun  Unnd  Verrichten,  also  das  ich  habe  müssen 
mitt  Johst  Zuci-:ermachern  ettlich  mahl  Zu  raercktcn  Ziehen,  Und 
gleichsam  sein  Kraniknecht  sein.  Zu  Wittenheigk,  Zu  Hertzbergk, 
Jeßen,  Brettin  etc.     Und  schlage  dabey  ausstehen:  Bey  Hanß  Schu- 


^■')  Vergl.  das  Gymuas.  Progr.  v.  Torgau  1850. 

1")  In  Jephthes  sive  votum  tragoedia  authore  Georgio  Bncha- 
nano  Lutetiae  1557  —  die  deutsche  Übers,  zitiert  Gottsched  Nöthig. 
Vorrat  S.  116  —  und  in  der  Schultragödie  Jephthias  (Progr.  des 
Progymnas.  zu  Andernach  187G)  ist  der  auftretende  nuncius  nirgend 
als  claudicans  bezeichnet. 

^')  Dietmann  a.  a.  0.  I,  135.S. 

'^)  Vergl.  0.  Francke,  Terenz  u.  die  lat.  Schulkomödio  i?,8. 

'")  Unser  Band  weist  es  nicht  auf,  dafür  das  am  8.  April  l;")'.)? 
für  N.  s  Bruder  Johannes  (geb.  1576)  in  Grimma  ausgestellte  Ab- 
gangszeugnis. 

-'•)  Gcrsdorf  a.  a.  0.  40. 

-'}  "Wohl  der  von  G  roh  mann,  Annalen  der  Univ.  Wittenberg 
II,  210  und  Dietmann  a.  a.  ü.  IV,  9'J5  erwähnte,  der  IGKJ  als 
Professor  historiae  zu  Wittenberg  starb. 

--)  Progr.  des  Gymn.  zu  Torgau  1870  S.  16.  Ein  Epigramm 
auf  Vocti  tabula  musica  in  Joh.  Claii  Ilertzbergensis  Varior.  carinin. 
lib.  quinque  Gorlicii  1568. 

-•')  Bächeln  =  sich  abmühen.  Schmeller,  Bayrisches  Wörter- 
buch und  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  s.  v. 


Aus  Daniel  Naubitzeis  Autobiographie  etc.  115 

knechte  dem  Lohgorbor  Vorm  Lcipzisclien  thnre  habe  ich  offtmahls 
müssen  getrettcne  Leder  im  Schuebkarn  aus  der  Gerliergassen  rauf 
Vorm  öpittalthor  anheim  führen,  Unnd  im  Lohhause  treiben  helffen. 
Bey  Bartel  Fritzschen,  ^Yclc]ler  järlich  ein  8  oder  U  Gebrewe  hier 
gethan,  habe  icli  müssen  ein  Meltzor  Unnd  Brewgehülfe  sein,  Unnd 
manchen  Sonnabendt  [Und  nach  dem  Brewen]-')  ettliche  40  Zubber 
Waßer  auf  der  Achseln  Zum  bade  tragen,  darneben  auch  sönsten 
oftmahls  bis  Lin  die  sinckende  nacht  mitt  hier  Und  Wein  holen 
AVie  ein  Hausknecht  aufwartten.  Bey  Valtten  Weishansen  Wundt- 
artzten  bin  ich  Zwar  Wohl  mitt  Hausarbeit  an  meinen  studiis  nicht 
gehindert  Worden,  sondern  habe  meiner  Knaben  mit  der  institutione 
privata  in  peculiari  musaeo-"')  fleißig  abwartten.  Und  Wenn  Wir  oft 
gaste  gehabt,  Viel  aufwartten  müßen  in  multam  noctem,  habe  ihme 
auch  gar  Viel  artzney  Kunststücke  bey  nacht  ausschreiben,  Undt 
Ihn  auch.  Wenn  ehr  entweder  auf  die  Trinckstubbe  oder  sönsten 
Zu  den  Nachebarn  Zum  abendttrunck  gangen,  Und  gerne  lange 
geseßen  hatt,  heimholen  müßen-"). 

Habe  mich  aber  allerseidts  bey  Ihnen  also  gehalten,  das  sie 
mich  lieb  gehaltten.  Und  nicht  gerne  Von  sich  gelaßen. 

Eodem  19  die  Augusti  veni  Lipsiam  cum  mea  supellectile,  et 
statim  accessi  magnificum  ac  doctissimum  virum  Dominum  M.  Jo- 
hannem  Albinum  Coburgcnsem'-')  Academiae  L.  tum  temporis  Rec- 
torem  et  poetices  Professorem  publicum,  qui  me,  praestito  prius 
iuramento,  in  album  studiosorum  recepit,  cui  solvi  pro  inscriptione 
grossum  angelicum '-■").  Hinc  oblata  domino  M.  Albino  Greiften bergero 
Electoralium  alumnorum  Praeceptori-'^)  Obligatione  a  senatu  Mitt- 
weideusi  mihi  communicata,  10  hora  in  consueto  coenaculo  5  men- 
sae-'")  commessoribus  adhibitus  fui,  seniori  Johanne  Hippio:  adiunc- 
tiisque  contubernalis  docto  et  pacifico  adolescenti  Friderico  Losano^^) 
Bitterfeldensi  in  conclavi  anteriori  superioris  tabulatus  novi  aediticii 
in  coUegio  Paulino  iuxta  scalam  versus  aream. 

4  die  üctobris  una  cum  aliis  10  alumnis  praestiti  raeum  Jura- 
mentum  speciale  coram  Domino  Zacharia  Schiltero  S.  T.  Doctore 
Procancellario." 

N.  hat  am  14.  Juli  1582  „me  ordrne  sie  tangente 
Lipsiae  in  aede  Paulina  hora  12  meridiana  prima  vice 
concionem  de  Evangelio  Luc.  5"  gehalten,  andere  in  den 
folgenden  Jahren'^-}. 


-*)  Die  Worte  in  [  ]  nachgetragen. 

"'■)  Dieser  Ausdruck  auch  in  der  Jahresrechnung  eines  jena- 
ischen stud.  iur.  von  1590,  Ztschr.  des  Ver.  f.  thür.  Gesch.  und 
Altertli.  III,  227. 

''*>)  Der  H.  Chirurgus  hat  dafür  N.  „ein  gcfehrlich  apostema 
gratis  geheilet",  12.  März  1580. 

-')  Gersdorf  a.  a.  0.  S.  40. 

-^)  In  der  Leipz.  Matrikel  v.  1580  unter  den  Misnenses:  Daniel 
Naubizenis  Mittwedensis  .3  g.  6  d. 

-")  Über  dies  Amt  Zarncke,  Urkundl.  Quell,  z.  Gesch.  d.  Univ. 
Leipzig  S.  689. 

"•^j  quintae  raensae. 

"1)  von  Lösau  (n.  ö.  Weissenfeis)? 

'•^•)  Auch  Adrian  ßeiers  Selbstbiographie  berichtet  über  seine 
Predigten.    Ztschr.  d.  Ver.  f.  thür.  Gesch.  X,  327. 

8* 


116  M.  Baltzer: 

1585  ,,18  die  Julii  in  officiiia  typograpliica  Georgii  Defiieri  sus- 
cepi  ofticinm  correctoris.  1'6  die  öepieinljris:  iiixihum  ineuiu  et 
periciiliun  varium  propter  pestom'-';  grassantom  Lipsiae,  et  Mitt- 
weidae.  Anno  etc.  86:  consilio  lt.  viri  doraiui  JNl.  (jeorgii  Jnsti 
Diaooni-'')  ad  D.  Ji^icolai  et  coinmeiulatioiie  D.  U.  Tlieologonim 
Academiae  Lipsensis,  praesertini  i).  ISicolai  Selnecceri  protectus  sum 
iSonnewaldam  •■■'')  petitiim  ibi  otlicuun  iiulimoderatons:  16  die 
!Sept.  25  die  habe  ich  nomine  ilhistris  ac  Generosi  Uomini,  Otthonis 
coniitis  Solmensis  doiniiü  m  Mmtzenbergk,  Und  SonnewaUlt  nucii 
m  der  Soiniewaldisclieii  Amptstuben  durcli  den  Edlen  11.  llemriclien 
V.  Eckersbergk  G.  Sollmischeii  Aniptraan,  Und  den  Kibfni  li. 
(junradt  Fritzschen  Aniptschößenv'";  um  gegenwarth  des  Ehre  Wür- 
digen H.  Jobann  Stegmaiis  Eastoris  Zum  öchiilmeisterauipt  beydes 
mündlich,  Undt  schneftlich  bestellen,  Unndt  vociren  lassen.  l'J,  die 
Üctobris  l)in  ich  Jjipsiae  a  magnitico  viro  domino  Zacharia  fcSchiltero 
ö.  T.  Doctore,  et  lacultatis  theologicae  Uecauo,  so  wohl  auch  voi 
M.  Georgio  liachmanno  '''j  alumnoriini  Electoralium  pnvato  prae 
ceptore  dona  pace  Vom  Oburf.  stipendio  losgezehlet,  et  honesta 
testiniünio''"j  diinittiret  worden,  quod  consuli  potest  alibi. 

16  Octobris  als  "^0  ©  p.  trinitatis  bin  ich  initt  meuieni  siipel- 
lectile  Zu  öonnewalde  angezogen  Zu  Verwalttnng  des  Schulmeister- 
Und  Stadtschrciberaiupts. 

Vom  17  üctobris  ahn  bis  aufn  26  tag  Novembris  bin  ich 
G  Wochen   langk  bey  11.  Johann  Sutorio  Diacono  Zu   tisch   gangen. 

JSach  deine  icli  ettliche  Privates  discipulos  Uuib  folgenden 
Advent  angenommen,  bin  ich  loco  didactn  Zu  ihrer  eitern  tisch 
gangen  die  Woche  durch  alle  tage  an  einen  sunderlichen  ortb""j. 

Anno  87.  mense  Julii  m  patria  petii  consilium,  et  consensu  i 
parentis  de  ducenda  uxore'"). 

24.  bey  Hedwigen  Öalomonis  Hasens  Bürgers,  Unnd  Stadt- 
schreibers sehligenn  hinderlaßenen  Widwen  Zu  bonnewalde,  paren- 
tis, pastoris  et  nouilis  ab  Eckersbergk  consilio  ehrliche  ansuchung  Unnd 
Werbung  selber^')  Von  lerne  gelnan  Umo  Ihre  tochiur  Gunigundam. 

21  tagk  Augusti  Montag  Vor  bartholouiaei  celebravi  nita  spon- 
salia  Mein  Freywerber  ist  gewesen  der  Ehre  Würdige  H.  Johan 
IStegman  Pastor."     Am  24.  Ukt.  war  die  Hochzeit. 

„Am  27.  Hec.  Soniiewaldae  primam  habui  concionem  ex  Gen.  3 
Semen  muliens  andiente  seniore  Gomitissa  Agnete. 

Anno  etc.  89.  2  tagk  ©  Oculi  ist  subita  mutatio  novi  Calen- 
darii  Zu  Sonnewalde  angangen. 


'^•^)  Vergl.  oben  S.  11.3  N.  12.     ■^')  Dietmann  a.  a.  0.  II,  180. 

'•^'')  nordl.  von  Kottbus.     '"'j  Einnehmer  des  Schosses. 

"j  Gcrsdor  fa.  a.  U.  S.  128.     Kreyßig,  Afraner-Albnm  S.  45. 

"^)  Solche  litterae  testimoniales  im  libellus  lorniularis  JSr.  80 
bei  Zarncke,  Urk.  Quellen  S.  616.  Das  Wittenbergcr  Zeugnis  lur 
seineu  liruder  ..Andreas  vom  28.  Ajiril  1578  thcilt  N.  mit. 

'■'■■')  Vom  Übergang  aus  Schul-  m  ll.ithsstellen,  von  der  Ver- 
köstigung der  Lehrer:  Heiland,  Progr.  des  Gymn.  zu  Weimar 
1859,   S.  21   üg. 

^'')  Von  Kurfürst  Christian  I.,  dessen  genealogia  et  res  gestae 
N.  den  familiengeschichtlichen  Notizen  voran  gehen  lässt,  rühmt  er, 
dass  der  Kurturst  bei  der  Heirath  die  lieben  Eltei'n  handeln  lassen. 

•*^;  Vergl.  oben  des  Andreas  N.  Verfahren   bei  der  Werbung. 


Aus  Daniel  Naubitzers  Autobiographie  etc.  117 

Anno  etc.  00  23  die  Octobris  ist  mein  Weib  «auf  cen  ITofe  ge- 
zogen Zur  künftigen  Amme  fies  Frewleins  Annae  Ottiliens'-\ 

Anno  etc.  91  23  novembris  ist  sie  Wider  abgetretten,  TTnd  Zu 
mir  kommen.  Und  habe  also  bey  lebetagen  meines  lieben  Weibes 
ein  gantz  .Tahr  lan?  Und  1  Monath  müssen  ein  Widwer  sein. 

Anno  etc.  93  Vocatns  siim  12  die  Mali  ad  Diaconatnm  Sonne- 
waldensen  locn  domini  Johan:  Sutorii,  aspirantis  ad  Parocbiam 
Gosmariensem'^). 

20  die  Maii  Lipsiae  examinatus:  et  sequenti  21  die  ordinatus 
sum  ad  sacrosanctum  ministerinm. 

5  die  iunii  ab  vigilia  festi  Pentecostes  Zum  ersten  I)eicht  ue- 
seßen,  seqnnnti  festo  Zum  ersten  mahl  das  Ampt  gebaltten,  Und 
die  erste  Mittagspredifft  getban. 

Anno  etc.  94  1  die  Jannarii  Wesen  meines  Straffampts  Über 
das  7  gebotb  Vom  Amptschösser  Cunrad  Fritzschen  Verfolgung  aus- 
gestanden. 

Anno  etc.  95.  5  tag  .Tunii  als  den  .5  ©  p.  Trin.  der  Cantorev 
ans  liebbabung  Und  befördernngr  der  lieben  Mnsicae,  anf  jährigk 
empfangnes  Crentzlein  ein  Viertteil  Bier  Zum  besten  geben  "). 

13  tas;  Octobris  Heinrich  Wienolden  Parricidam  nach  Über- 
reichten Abendtmabl  als  den  ersten  armen  Sünder  ad  locum  supp- 
licii  solus  consolando  comitiret. 

Anno  etc.  96.  18  tagk  Aprilis  an  Stadt  des  Schwachen  Pastoris 
Jobannis  Stegmanni  aufm  Schloss  Saal  ex  libro  Ruth  in  presentia 
illustriura  et  nobilinm  personarnm  eine  tanfpredigt  gethan,  Und  das 
Junge  Herrlein  Pbilinpum  Otthonem  tretaufft.  anch  Vor  der  G. 
Taftel  Hieronymo  Lücken  etc.  mnßen  das   geschenke  Werben. 

Anno  etc.  98  niense  Febrnario  andere  Verfolgung  Wecren  des 
Straffampts  der  trotteslesterungk  halben  Von  aulicis  H.  a.  A.  et  H.  R. 
Verbnm  veritatis  fuit  mihi  verbiim 
persecutionis  et  mortis  tribulationis. 

N.  hat  zweimal  durch  Strafpredigten  Anstoss  ge- 
r-eben  und  sicli  Verfolgung  zugezogen,  darum  rühmt  er, 
Kurfüi'st  Christian  I.  habe  wohl  leiden  können,  „das  man 
Ungeschewott  Und  ohn  einig  ansehen  der  personen  aller- 
ley  sünd  Unnd  laster  strafftte". 

Nach  der  im  vorigen  Jahrhundert  abgefassten  Pa- 
rochialclironik  von  Weisstropp  (n.  w.  Dresden)  ist  N.  dort 
1600  Pfarrer  geworden'^')  und  1631  gestorben.  Da  er 
jedoch  die  Dauer  seiner  Ehe  auf  46  Jahr  32  Wochen 
angiebt,  muss  er  1634  erlebt  haben. 

*2)  Geb.  1591,  gest.  Iß12. 

*^)  In  der  Niederlausitz.  Sutorii  loco  war  N.  auch  Schulmeister 
in  S.  geworden. 

■")  Krentzlein  als  Preis  des  Gesanges  1553  in  Wittenberg,  s. 
Lubekus'  Tagebuch,  Neue  Mitth.  Xi,  il6. 

■*•'')  Vergl.  Kreyssip,  Album  der  evangel.  luther.  Geistlichen 
in  Sachsen  (Dresden  1883)  S.  r.?,3.  Über  den  Unterschied  von  Diakonat 
und  Pfarramt,  Bülau  a.  a.  0.  S.  7. 


V. 

Name,  Alter  und  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz. 

Von 

Fr.  Ohnesorge. 


Lber  das  Alter  und  den  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz 
ist  nichts  Zuverlässiges  bekannt.  Über  ihren  Namen  be- 
richtet Götzinger^):  „Der  Name  dieser  Stadt  wird  in  den 
alten  Zeiten  auf  verschiedene  Art  geschrieben.  Bald 
heisst  er  in  den  alten  Urkunden  Sehenitza  und  Sabeniza, 
bald  Sebennitzs  und  Seheniz,  bald  Zäbnicz,  heutiges  Tages 
aber  Sehniz.  Die  Bedeutung  dieser  Benennung  habe  ich 
nie  erforschen  können,  ohngeachtet  ich,  da  es  ein  sorbisches 
Wort  ist,  der  wendischen  Sprache  Kundige  darum  be- 
fragt habe.  Der  Verfasser  der  Hamburgischen  historischen 
Remarques  (ein  gewisser  Lehmann  aus  Bischofsvverda) 
will  zwar  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  dieser  Be- 
nennung angeben.  Er  sagt  nämlich ,  Sebnitz  sei  ein 
böhmisches  Wort  und  bedeute  so  viel  als  eine  Mörder- 
grube". Mit  Recht  weist  Götzinger  diese  bodenlose 
Deutung  zurück.  Im  übrigen  zeigt  seine  Mittheilung, 
dass  die  von  ihm  befragten  Kenner  der  wendischen 
Sprache  in  der  Etymologie  wenig  bewandert  waren. 
Heut  zu  Tage  ist  es  keinem  gebildeten  Slaven  zweifel- 
haft, dass  der  Name  Sebnitz,  alt  Zabeniza,  von  Zaba, 
Frosch,  herkommt,  ein  Stamm,  welcher  naclnveislich 
zahlreichen  slavischen  Ortsnamen  in  Deutschland  und 
Österreich  zu  Grunde   liegt.     Götzinger   führt  von  diesen 


')  Götzinger,  Geschichte  und  Beschreibung  des  knrsächsischen 
Amtes  Hohnstein,  insbesondere  der  Stadt  Sebnitz  (1786)  S.  102. 


Fr.  Ohiiesorge:  Name,  Alter  und  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz.    119 

nur  Sehenico  in  Dalmatien  und  Seehnitz  in  Schlesien  an. 
Wenzel  Krolmus,  Avelcher  Zehniza  als  Froschbach  deutet^), 
nennt  noch  ein  Zehnice  am  Strela-Flusse  in  Böhmen. 
Ausserdem  giebt  es  vier  Zahno ,  drei  in  Posen  und  eins 
in  Galizien,  Zahiczyn  und  Zahikoiv  m  Posen,  Zahiuki  in 
Ost-Preussen ,  zwei  Zahitz  (d.  h.  Zahiec)  in  Anhalt  und 
im  Mansfeldischen ,  Zahnica  ^  in  Galizien ,  und  ein  ,  in 
Fabianswalde  umgetauftes  Zahiniec  oder  Zdbieniec  in 
Schlesien. 

Der  letzte  Name  ist  wahrscheinlich  auch  die  ursprüng- 
liche Form  des  Namens  Sebnitz,  dieser  nichts  weiter,  als 
das  der  deutschen  Zunge  mundrecht  geraachte  Zahiniec. 
Da  nun  Zahiniec  oder  Zahieniec  einen  Ort  bedeutet,  wo 
Frösche  ausgebrütet  werden,  so  ist  der  Froschbach  des 
Wenzel  Krolmus  eine  ganz  annehmbare  Verdeutschung 
von  Sebnitz.  Doch  könnte  der  Name  der  Stadt  auch 
von  einem  andern  Zahiniec  oder  Zahinel-,  böhmisch  Zahinec 
herkommen,  welches  Froschkraut  bedeutet,  worunter  das 
bekannte  Alisma  Piantasro  zu  verstehen  ist.  Dann  würde 
Sebnitz  einen  Tümpel  bedeuten,  in  welchem  viel  Alisma 
wachst,  und  etwa  mit  „Froschlöffel wiese"  oder  „Frosch- 
löffelthal" wiederzugeben  sein.  Dann  könnte  der  Name 
zuerst  von  dem  Thale  auf  den  Bach  und  später  von 
diesem  auf  den  Ort  übertragen  sein.  Hierfür  würde  der 
Sprachgebrauch,  der  Sebnitz  stets  mit  dem  Artikel  ver- 
bindet (in  der  Sebnitz),  einen  gewissen  Anhalt  bieten. 
In  jedem  Falle  rührt  der  Name  Sebnitz  von  der  natür- 
lichen Beschaffenheit  des  Thaies  und  des  Wassers  her, 
und  es  fällt  mit  dieser  Ableitung  Götzingers  Vermuthung, 
dass  die  Sorben,  die  er  für  die  Gründer  der  Stadt  hält, 
den  Namen  aus  Dalmatien  mitgebracht  haben. 

Die  Ableitung  des  Namens  von  zaha  macht  es  auch 
wahrscheinlich,  dass  die  Stadt  Sebnitz  ihren  Namen  von 
dem  Bache  erhalten  hat.  So  nahm  Schöttgen  an,  während 
Götzinger")  sich  für  das  Gegentheil  entscheidet:  „Denn, 
Aväre  das  erste,  so  müsste  der  Bach  von  seinem  Ursprung 
an  den  Namen  der  Sebnitz  führen.  Sie  wird  aber  erst 
von  dem  Ort  an  so  genannt,  wo  sich  die  Wilmsdorfer 
und  Lobendauer  Bäche,  aus  denen  sie  besteht,  und  die 
auch    von    den    Orten    den    Namen    haben,   mit    einander 


2)  Neues  Lausitzer  Magazin  XVI  (1838),  164.  Ebenso  Mik- 
losich,  Die  slavischen  Ortsnamen  II,  122.  Hey,  Die  sla vischen 
Ortsnamen  des  Königreichs  Sachsen  S.  55. 

«)  A.  a.  0.   106  flg. 


"120  Fr.  Ohnesorge: 

vereinigen;  und  dieses  gescliieht  ohnweit  der  Stadt,  grade 
da,  wo  Sachsen  und  Böhmen  grenzen.  Sie  verliert  auch 
diesen  Namen  Avieder,  sobald  sie  mit  der  Polenzbach  zu- 
sanimenflicsst,  und  nimmt  den  Namen  der  Lachsbacli  an." 

Diese  Ben;ründimg  kann  ich  als  stichhaltig  nicht 
anerkennen.  Dass  fliessende  Gewässer  von  ihrer  Mündung 
zur  Quelle  hinauf  den  Namen  wechseln,  zumal  an  solchen 
Stellen,  wo  mehrere  Wasserläufe  von  annähernd  gleicher 
Stärke  sich  vereinigen,  kommt  so  oft  vor,  dass  es  auch 
bei  der  Sebnitz  nicht* auflallen  kann  und  hieraus  nichts 
gefolgert  werden  darf  für  Beantwortung  der  Frage,  ob 
der  ()rt  dem  Bache  den  Namen  gegeben  oder  zu  danken 
habe.  Gegen  Götzingers  IMeinung  spricht  ausserdem 
c^erade  das  Beispiel  der  Quellbäche  und  des  Mündungs- 
baches, welches  er  anruft.  Denn  die  beiden  Quellbäche, 
welche  sich  an  der  Landesgrenze  vereinigen,  heissen 
keineswegs  die  Lobendau  und  die  Wölmsdorf  (oderAA'ilms- 
dorf),  sondern  man  nennt  sie  Lobendauer  Bach  und 
Wölmsdorfer  Bach*).  Da  sagt  es  der  Name  selbst,  dass 
er  nur  von  den  Orten  hergenommen  und  nicht  eigentlicher 
Bachname  ist.  Ganz  anders  steht  es  mit  der  Sebnitz. 
Ja,  hiesse  diese  „Schnitzer  Bach",  dann  wäre  die  Sache 
klar  in  Götzingers  Sinne.  Aber  das  ist  nicht  der  Fall, 
sondern  der  Bach  heisst  die  Sebnitz  und  wird  höchstens 
daneben  noch  Sebnitzbach  genannt.  Also  ist  mit  der 
Analogie  der  Quellbäche  nichts  bewiesen.  Dagegen  spricht 
der  Name  des  Unterlaufs  im  Tiefen  Grunde  direkt  gegen 
Götzingers  Anschauung.  Denn  was  von  der  Sebnitz  gilt, 
müsste  doch  auch  vom  Lachsbach  gelten.  Kann  Sebnitz 
nur  dann  echter  Bachnahme  sein,  wenn  er  bis  zur  Quelle 
hinaufreicht,  so  dürfte  der  Name  Lachsbach  überhaupt 
nicht  vorhanden  sein.  Denn  er  reicht  noch  weniger  bis 
zur  Quelle  hinauf  und  ist  doch  echter  Bachnahme.  Einen 
Ort,  nach  dem  er  heissen  könnte,  giebt  es  nicht. 

Übrigens  ist  es  auch  noch  sehr  fraglich,  ob  der 
Name  Sebnitz  immer  erst  an  der  jetzigen  Landesgrenze 
begonnen  hat.  Klar  ist  so  viel,  dass  die  beiden  Quell- 
bäche der  Sebnitz  ihre  jetzigen  sogenannten  Namen  nicht 
früher  gehabt  haben  können,  als  die  Dörfer  Lobendau 
und  Wölmsdorf   vorhanden    Avaren.     Nun    soll    aber    der 


■')  Der  Name  „Wölmsbach"  in  der  neuen  sächsischen  General- 
stabskarte ist  eine  Erfindung  der  Neuzeit,  entnommen  der  Wölms- 
dorler  Fhirkarte  von  184.S.  Diesen  Namen  verurtheilt  schon  der 
richtige  alte  Dorfname  „Wilmannsdorf". 


Name,  Alter  und  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz.  121 

Lobendaucr  Racli  früher  aucli  Zalilwasser"^)  geheissen 
liaben.  Es  liegt  also  die  Annalnne  nalio,  dass  der  andere 
Quellbacli,  der  bei  Rölirsdorf  oberhalb  Hainspach  ent- 
springt und  der  auch  von  beiden  der  stärkere  ist,  den 
Namen  l^ebnitz  bis  zur  Quelle  geführt  habe.  Diese  An- 
nahme erhält  in  zwei  alten  Zeugnissen  eine  schwer 
wiegende  Unterstützung.  Das  eine  ist  ein  Rezess")  Georgs 
des  Bärtigen  von  1532,  welcher  verfüii't:  ,,Die  von  Schleinitz 
sollen  denen  von  der  Sebnitz  das  Flössen  auf  der  Scbnitz- 
bach.  in  Massen  sie  es  zuvor  gehabt,  bis  Wilmannsdorf 
und  Einsiedel  nachlassen."  Das  andere  Zeugnis  ist  die 
auch  von  Götzinger  erwähnte  Grenzurkunde  vom  7.  Mai 
1241'),  nach  welcher  die  eine  Grenzlinie  zwischen  den 
Gütern  des  Bisthums  Meissen  und  des  Königs  von  Böhmen 
geht  (von  Wilthen  her  auf  einem  Steige)  usque  in  Seheni- 
znm,  in  locum  uhi  mansit  antiquitus  heremita.  Von  diesem 
Einsiedler  hat  das  böhmische  Grenzdorf  Einsiedel  den 
Namen  erhalten.  Dasselbe  liegt  aber  nicht  mehr  an  der 
vereinigten  Sebnitz,  sondern  nur  an  ihren  beiden  Quell- 
bächen. Welcher  von  beiden  nun  die  hier  bezeichnete 
Seheniza  ist,  darüber  darf  man  wohl  der  Tradition  das 
Wort  gönnen,  welche  noch  jetzt  in  Einsiedel  besteht  und 
die  Klause  des  alten  Einsiedlers  an  den  Wölmsdorfer 
Bach  verlegt,  und  zwar  an  die  Forellenmühle  unter 
Siebers  Anbau*). 


5)  Worbs,  Neues  Archiv  für  die  Geschichte  Schlesiens  und  der 
Lausitzen  11  (1824\  .344. 

6)  Eine  (im  Jahre  1700)  beglaubisfte  Abschrift  im  Hauptstaats- 
arohiv  zu  Dresden.  Loc.  4511.  Dio  in  dem  Kurf.  Sachsen  befind- 
lichen Eisenhammer  Vol.  II,  Bl.  18  flg.  (Hl.  20  b). 

")  Podex  diplomaticus  Saxoiiiae  reffiae  IT.  1,  109.  Götziufter 
datiert  diese  Urkunde  nach  Schöttsens  Vorgänge  von  1228,  Wovbs 
(Neues  Archiv  IF,  .S19)  sosiar  von  121.3.  Das  hat  darin  seinen  Grund, 
dass  die  Grenzstreitigkeiten  nach  ihrer  ersten  Fntscheidnng  im 
Jahre  1213  sich  erneuerten,  und  noch  zweimal,  1228  und  1241,  die 
Grenzakta  von  1213  bestätio-t  wurde. 

s)  Neuerdings  wird  bisweilen  die  Yermuthung  ausgesnrochen, 
der  Spitzberg  bei  Ober -Einsiedel.  welcher  ein  Kreuz  auf  seinem 
Gipfel  trägt,  sei  der  "Wohnort  des  Einsiedlers  gewesen,  und  deshalb 
werde  noch  jetzt  am  Trinitatis-Sonntatre  dort  dns  Bergfest  gefeiert. 
Dem  widerspricht  ein  alter  Kenner  der  Orts -Überlieferung,  Herr 
Bürgermeister  Sieber  in  Einsiedel,  auf  das  Bestimmteste.  Das  Berg- 
fest bestehe  erst  etwa  seit  1840,  angeregt  vom  Bürgermeister  Meier 
in  Neudörfel,  das  Kreuz  aber  habe  sein  (Siebers)  eigner  ürgross- 
vater  Hentschel  in  Neudörfel  zuerst  errichtet.  Allerdings  füürt 
nicht  Nieder-  sonder  Ober-Einsiedel  den  Einsiedler  im  Gemeinde- 
siegel; und  der  Spitzberg  wird  im  Atlas  Saxonicus  mit  „Wallfahrt" 


122  Fr.  Ohiiesorge: 

Diese  Übereinstimmun^j;  beider  Urkunden  lefft  es 
niilie,  auch  die  Karto^rapliie  zu  Ratlie  zu  ziehen.  Wenig 
Gewiclit  mag  es  haben,  wenn  Götzinger  selbst  seiner 
Beschreibung  der  säclisischen  Schweiz  eine  Karte  beigiebt, 
welclie  den  Hainspach-Wühnsdorfer  Bach  zwischen  beiden 
Dörfern  „Sobnitz-Bach"  nennt.  Auch  Brock's  „Topo- 
grapliischer  Phxn  der  Umgegend  von  Dresden  und  der 
sächsischen  Schweiz",  welcher  den  Bacli  zwisclien  Wöbns- 
dorf  und  Einsledel  als  „Schnitz -Bach"  bezeichnet,  mag 
nicht  entscheiden.  Oeder,  Oberrcit  und  die  ältere  General- 
stabskarte schweigen  ganz,  wälirend  die  neue  General- 
stabskarte den  unzulässigen  „Wölmsbach"  der  Wölras- 
dorfer  Flurkarte  übornommon  hat.  Dagegen  ergiebt  eine 
imbefangene  Betrachtung  des  iVtlas  Saxonicus,  dass  dessen 
Verfasser,  P.  Zürncr,  den  ganzen  Hainspacli-Wölmsdorfer 
Bacli  als  Schnitz  angesehen  hat.  FreiHch  hat  er  die  Be- 
zeichnung „Sebnitz  Fl."  nach  seiner  Weise  nur  einmal 
gesetzt;  und  zwar  beim  Ulbersdorfer  Raubschloss.  Aber 
er  unterscheidet  durch  flussartige  Zeichnung  mit  mehreren 
Parallellinien  den  auch  thatsächlich  stärkeren  Wölms- 
dorfer  Bach  ganz  entschieden  von  dem,  nur  mit  einer 
Ijinie  bezeiclmeten  Lobcudauer  Bache,  dessen  Quellbäche 
am  Buchberge  als  Zahhvasser  und  Ilonigwasser")  be- 
zeichnet werden.  Da  an  dem  llussartig  gezeichneten 
Ilainspachcr  Bach  der  Name  fehlt,  so  ist  klar,  dass  nach 
der  Absicht  des  Zeichners  für  diesen  der  weiter  unten 
stehende  Name  „Sebnitz  Fl."  mit  gelten  soll. 

Demnach  ist  mit  ziemlicher  Siciierheit  anzunehmen, 
dass  im  Mittelalter  und  bis  in  die  neue  Zeit  hinein  der 
Name    Sebnitz    den    Bach    bis    zur    Hainspacher    Quelle 


bczeiclinet.  Dennoch  luvt  Herr  Sieber  jedenfalls  Recht.  Schon  der 
Wassermangel  machte  den  Spitzberg  unceeignet  zur  Einsiedelei. 
Dort  hiUto  der  Eremit  für  jeden  Trnidc  eine  Thalfahrt  von  20  Minnten 
nothig  g(!lial)t. 

"j  Der  Name  Ilonigwasser  beruht  vielleicht  auf  einem  Lese- 
fehler. Im  Volksmuiid(!  heisst  es  jetzt  llemigtwasser,  auf  der  neuesten 
Schulkarte  in  der  Schule  zu  Hilgersdorf  Ileimigtwasser,  auf  der 
bühniischen  (icneralstabskarte  von  1873  No.  Ta  ITämigs  Teich  Flössel. 
Der  Name  /ahlwasser  ist  heut  zu  Tage  unterhalb  Hilgersdorf  nirgends 
mehr  zu  finden,  und  auch  für  den  Quellbach  ist  er  den  Leuten  im 
Oberdorfe  minder  geläntig,  als  das  Hemigtwasser.  Nach  Worbs, 
Neues  Archiv  II,  ",U  hat  der  Name  Zahlwasser  noch  zu  Anfang 
dieses  Jahrhunderts  für  den  ganzen  Lobendauer  Dach  gegolten. 
Und  das  ist  wohl  auch  Zürners  Meinung,  da  er  für  diesen  keinen 
besondern  Namen  setzt.  Jedenfalls  ist  das  Zahlwasser  der  Haupt- 
bacli,  da  es  reichlich  doppelt  so  stark  ist,  wie  das  Hemigtwasser. 


» 


Name,  Alter  und  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz.  123 

liinauf  bezciclmct  hat^").  Dies  Ergebnis  ist  freilich  ohne 
Gewicht  für  die  von  Götzinger  angeregte  Frage,  da  ja 
auch  der  von  der  Stadt  übertragene  Name  dem  Rache 
bis  zur  Quelle  beigelegt  werden  konnte.  Nur  hat  diese 
Übertragung  keine  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  da  selbst- 
verständlich der  Bach  älter  ist,  als  der  Ort,  und  auch 
der  Name  Froschbach  für  den  Bach  besser  passt,  als  für 
die  Stadt.  Götzinger  hat  sich  wohl  nur  durch  Unkennt- 
nis dieser  Bedeutung  des  Namens  verleiten  lassen,  in  dem 
dalmatischen  Sebenico  den  Ursprung  des  Stadtnamens 
Sebnitz  zu  sehen.  Wollte  aber  noch  jemand  an  der 
Möglichkeit  zweifeln,  dass  eine  Stadt  wie  Sebnitz  nach 
einem  so  unbedeutenden  Bache  genannt  Avorden  wäre, 
so  sei  ihm  nur  das  Beispiel  von  Meissen  angeführt,  welches 
nach  dem  Zeugnis  Thietmars")  seinen  Namen  von  einem 
noch  kleineren  Bache  erhalten  liat. 

Die  Untersuchung  über  die  Bedeutung  und  erste 
Verwendung  des  Namens  Sebnitz  ist  wichtig  für  die 
Frage  nach  dem  Alter  der  Stadt.  Hat  Götzinger  Kecht, 
so  ist  das  erste  Vorkommen  des  Namens  für  den  Bach 
auch  ein  Beweis  für  das  Bestehen  der  Stadt.  Ini  andern 
Falle  muss  man  sich  nach  andern  direkten  Zeugnissen 
umsehen. 

Die  älteste  unmittelbare  Erwähnung  der  Stadt  Sebnitz 
findet  sich  streng  genommen  erst  in  einer  Urkunde  vom 
Jahre  1451^-).  Da  wird  die  Stadt  Sebnitz  als  Bestand- 
theil  der  Herrschaft  Wildenstein  genannt,  welche  durch 
Tausch-  und  Kaufvertrag  von  ihrem  bisherigen  Besitzer, 
dem    böhmischen   Herrn   Albrecht    Bircke  von  der   Duba 


1")  Ob  auch  bis  zur  Mündung  hinab,  das  ist  fradich.  Der 
Lachsfang  des  Unterlaufes  hat  diesem  wohl  schon  früh  seinen  Namen 
eingetragen.  Doch  ist  der  deutsche  Name  Laclisbach  gewiss  jiiiigcr 
als" der  slavische  Sebnitz.  Zürner  (Atlas  Saxonicus)  kennt  den 
Namen  Lachsbach  nicht.  Und  da  er  die  Sebuitz  stärker  zeichnet, 
als  die  Polenz  und  in  der  Benennung  beide  als  Sebnitz  Fl.  uud 
Polenz  B.  unterscheidet,  so  ist  klar,  dass  er  den  luibenannten  Unter- 
lauf der  Sebnitz  zureclniet.  Es  tragt  sich,  ob  mit  Recht.  Die 
Petrische  Karte  von  Sachsen  nennt  den  Unterlauf  „Polenz  Fluss". 
Das  ist  ein  Selbst- Widerspruch ;  denn  sie  giebt  oberhalb  die  Xamen 
Sebnitz  Fluss  und  Polenzer  Bach  sogar  ausgeschrieben  ,  macht  also 
den  Fluss  zun\  Nebentluss  des  Baches. 

»)  Thietmar  1,  9  (Mon.  Germ.  bist.  SS.  IIl,  739). 

1'-)  Mitgetheilt  in  Gautsch.  Älteste  Geschichte  der  Sächsischen 
Schweiz,  S.  107  —  109,  nach  einer  alten  .Abschrift  im  Hauptstaats- 
archiv. 


124  Fr.  Ohnesorge: 

auf  Tollensteln,  an  den  Kurfürsten  Fricdricli  IT.  von 
Sachsen  abgetreten  wurde. 

Ein  älteres  Zeugnis,  als  für  die  Stadt,  giebt  es  für 
die  Kirclie  und  Pfarre  zu  Sebnitz,  nämlicli  in  der  Matrikel 
des  Bistliums  Meissen  vorn  Jahre  1346.  In  dieser  wird 
eine  Sedfs  Hoenstein  et  Sahenitz  angeführt,  zu  welcher 
die  10  Kirchen  zu  Hohnstein,  Sebnitz,  Schluchenau, 
Lichtenhain ,  Nixdorf,  Neustadt,  Lobendan,  Schönau, 
Ulbersdoif  und  Schandau  <i"chörten  ^■■).  Deranach  hatte 
also  1346  Sebnitz  gleich  Löbau,  Görlitz,  Bischofswerda, 
Canienz  u.  s.  w.  einen  Erzpriesterstuhl,  der  allerdings 
nicht,  wie  bei  jenen  Orten,  nach  Sebnitz  allein,  sondern 
zugleich  nach  Hohnstein  benannt  wurde.  Diese  Doppel- 
benennung lässt  sich  wohl  so  erklären,  dass  der  Sitz  des 
Archipresbyters  für  den  Bezirk  von  Hohnstein  nach 
Sebnitz  verlegt  worden  ist.  Dies  .nimmt  auch  Frind") 
ohne  weiteres  an,  indem  er  von  dein  „Dekanate  Hohen- 
stein  (später  Sebnitz)"  spricht.  Der  Grund  der  Verlegung 
Avar  wohl  die  für  den  Bezirk  nicht  sehr  günstige  Lage 
von  Hohnstein  an  dessen  äusserstem  Ende.  Doch  konnte 
dieselbe  auch  wieder  nicht  gut  früher  geschehen,  als  bis 
Sebnitz  ein  Ort  von  einiger  Bedeutung  geworden  war. 
Mithin  ist  anzunehmen,  dass  Sebnitz  um  1346  sclion  eine 
Stadt  war ,  und  dass  es  hinter  Hohnstein .  Neustadt, 
Schandau  und  Schluckenau  nicht  zurückstand.  Hierfür 
aber  haben  wir  in  der  Matrikel  des  Bisthums  sogar  einen 
Massstab,  nämlich  in  dem  Bischofszins,  der  für  Sobnitz 
6  Mark  betrug,  neben  5  Mark  für  Neustadt,  4  für  Holin- 
stein,  3  für  Schluckenau,  2  für  Schandau.  Daraus  scheint 
hervorzugehen,  dass  um  1346  Sobnitz  der  bedeutendste 
Ort  des  ganzen  Bezirks  von  Hohnstein  bis  Schluckimau 
gewe!=en  ist. 

Wie  lange  vor  1346  Sebnitz  diese  Bedeutung  gehabt 
hat,  darüber  gestattet,  nur  der  Umstand  eine  Vermuthung, 
dass  die  Scdes  nicht  einfach  nacli  Sebnitz  genannt,  sondern 
diesem  Namen  Hohnstein  als  früherer  Wohnsitz  des  Erz- 
priesters vorangestellt  wird.  Daraus  scheint  hervorzu- 
irehcn,  dass  die  Verleji'ung  der  Sedes  erst  vor  kurzer 
Zeit  geschehen  war.  Vermutlilich  war  man  noch  so  an 
die  alte  Bedeutung  Ilohnsteins  als  Sitz  des  Erzpriesters 
gewöhnt,    dass   die    Matrikel   dieser    Gewohnheit   gerecht 


^'■^)  ('odex  diplom.  Saxon.  reg.  I,  1,  221. 

")  Frind,  Kirchengeschichte  von  Böliraen  I,  ."8, 


Name,  Alter  und  Ursprung  clei-JStadt  Sebnitz.  125 

werden  inusste  mit  der  Doppelbenennuiig-  Iloeusfein  et 
ibabemtz,  in  welcher  erst  das  alte  Herkominen  und  dann 
das  neue  Recht  zur  Geltung  kam.  Demnach  darf  man 
wohl  annehmen,  dass  die  Verlegung  des  Krzpriesterstuhles 
von  liohnstein  nach  Sebnitz  noch  kein  Menschenalter  vor 
lii46  geschehen  sein  dürfte.  Und  hierauf  fussend,  könnte 
man  vielleicht  weiter  folgern,  dass  auch  die  Bedeutung 
von  Sebnitz  und  seine  Eigenschaft  als  Stadt  keine  zwei 
Menschenalter  über  die  Autstellung  iler  Matrikel  zurück- 
gehen Avird.  Denn  sonst  hätte  seine  günstige  zentrale 
i^age  die  Verlegung  der  Sedes  vielleicht  sclion  früher 
herüeiitihren  können. 

Dies  Vielleicht  giebt  keine  Gewissheit.  Wir  müssen 
uns  aber  mit  ihm  begnügen,  so  lange  es  an  älteren 
Zeugnissen  für  das  Bestellen  der  Stadt  Sebnitz  fehlt. 
Dass  die  Urkunde  von  V'Z^l  kein  Zeugnis  für  die  Stadt 
ist,  das  ist  bereits  erörtert;  ob  ein  Zeugnis  gegen  ihre 
iiixistenz,  das  bedarf  noch  einer  näheren  Erwägung. 

Durch  diese  Grenzurkunde  vom  7.  Mai  1241/ ')  wurden 
Streitigkeiten  über  die  Grenzen  zwischen  den  bischöflich 
meissnischen  Stiftsgütern  und  denen  der  Krone  Böhmen 
beigelegt.  Da  die  Stiftsgüter  nicht  alle  unter  einander 
zusammenhingen,  so  wurden  sechs  verschiedene  Komplexe 
einzeln  umgrenzt,  ein  königlicher  und  fünf  biscböt liehe. 
Von  diesen  sechs  Komplexen  reichen  der  dritte  und  der 
vierte  von  forden  her  an  die  Sebnitz,  welche  dabei  ab- 
wechselnd üebniza  und  tiabniza  genannt  wird.  Der  vierte 
Komplex,  der  dem  Könige  zugesprochen  wird,  erreicht 
augenscheinlich  die  untere  Sebnitz.  Der  dritte  dagegen, 
welcher  hier  in  Frage  kommt,  erstreckt  sich  von  iSorden 
her  an  die  obere  Sebnitz.  Seine  üstofrenze  ist  die  bereits 
erwähnte,  welche  von  Wilthen  her  auf  einem  i-*fade  an 
die  Sebnitz  geht,  an  den  Ort,  wo  vor  Alters  ein  Ein- 
siedler gehaust  hat.  Die  westliche  Grenze  berührt  Diemen 
{JJymlnj,  die  Wesenitz  (  Wazovnizam)  bei  Neukirch  (j\'uen- 
kiichenj,  dann  l'izow  und  einen  Berg  Bicchowagora  (d.  h. 
Buchbergj,  steigt  abinde  iisque  ad  summäatem  montis, 
unde  oritur  rivus  Welewiza  et  Zalatwina,  abinde  in  Seb- 
nizam  et  i^er  ascensiini  ejus  ad  locum  heremitae  praedicii, 
d.  h.  von  da  zum  Giptel  des  Berges,  wo  der  Bach  Wete- 
loiza   und   Zalatwina^^)  entspringt,  von  da  an  die  Sebnitz 

'■')  Codex  diplom.  Saxon.  reg.  II,  1,  109. 
^"j  Uie  Zalatwina  ist  zweifellos  das  Zahlwasser.    Zalata  heisst 
üold,  Zalatwina  also  üoldbach,  das  Zalilwasser  aber  entspringt  nach 


126  f'r.  Ohnesorge : 

und    diese    liinauf   bis   zum  Orte    des   vorerwälinten    Ein- 
siedlers. 

Die  Stelle  nun,  wo  diese  Westgrenze  die  Sebnitz  er- 
reicht, ist  unbedingt  ol)erhalb  der  Stadt  zu  suchen,  gleich 
viel,  ob  dieselbe  damals  schon  vorhanden  war,  oder  nicht. 
Denn  sonst  hätte  die  grössere  Hälfte  des  Stadtgebietes 
und  namentlich  das  Rittergut  Neitberg  zu  den  Gütern 
des  Bistiuuns  Meissen  gehört.  Das  ist  höchst  unwahr- 
scheinlicli,  da  Stadt  und  Rittergut  Bestandtheile  der 
lierrschalt  \\'ildenstein  waren.  Wenn  dies  auch  erst 
für  (las  Jahr  1451  bezeugt  ist,  so  fehlt  doch  jeder  Grund 
fiir  die  Annahme,  dass  1241  (oder  1213)  dies  Gebiet  der 
toten  Hand  gehört  hätte.  Es  ist  ja  bekannt,  wie  fest 
die  Kirche  von  je  her  zu  halten  wusste,  was  sie  einmal 
besass.  Verkäute  kamen  da  selten  vor;  über  solche  Aus- 
nahmen aber  wurden  Urkunden  ausgestellt,  die  jeden 
Zweifel  beseitigten.  Die  Herrschaft  Wildenstein  ist  aller- 
dings erst  1410'')  entstanden,  mid  zwar  durch  Erbtheilung 
der  Herrschaft  Hohnstein,  welche  1353  als  lichnbesitz 
der  Berka  von  der  Duba  angeführt  wird.  Im  Jahre  1241 
befand  sich  das  Hohnsteiner  Gebiet  wohl  im  Besitz  des 
Königs  von  Böhmen.  Denn  der  schon  erwähnte  vierte 
Ivomplex,  der  dem  Könige  zugesprochen  wird,  scheint 
(bei  aller  Ungenauigkeit  des  Ausdrucks)  die  ganze  Ge- 
gend östlich  von  der  Polenz  bis  an  die  bischöfliche 
VVestgrenze  des  dritten  Komplexes  umfasst  zu  haben. 
AVenn  diese  Westgrenze  auch  vom  Buchberge  und  der 
Welewizaquelle  einen  ziemlich  grossen  Sprung  bis  an 
die  Sebnitz  macht,  vermuthlich,  weil  es  auf  dieser  Strecke 
keine  Streitigkeiten  zu  schlichten  gab,  so  lässt  sie  sich 
doch  mit  ziemlicher  Sicherheit  als  die  jetzige  Landes- 
grenze vom  Hochwald  bis  Sebnitz  nachweisen.  Denn 
nachdem  die  Könige  später  die  Plerrschaft  Hohnstein  zu 


Ziinier  in  der  Goldgrube.  Die  Welewiza  ist  das  Hemigtwasser 
(Ilämigs  Toichtiüssel).  Welew  ist  ein  kleiner  Teich,  eine  l'fützo, 
wie  sie  in  den  tschechischen  Gegenihni  JJöhniens  ausser  dem  Dorl- 
teiche  noch  bei  den  einzelnen  Häusern  zu  sein  ptiegt,  zur  Tränke 
für  das  Vieh,  besonders  die  Enten  und  üänse.  Welowiza  heisst, 
also  etwa  Teichwasser.  Worbs  Ansieht,  dass  für  Welewiza  Weseniza 
zu  hisen  sei,  ist  unhaltbar.  Die  Wesenitz  heisst  in  der  Urkunde 
Wazovniza ,  Wazouniza,  Wazow(e)niza.  Die  übereinstimmende 
Schreibung  der  Welewiza  in  4  Urkunden,  auch  bei  der  Wieder- 
hiluug,  schliesst  den  Gedanken  an  einen  Schreibfehler  aus.  Der 
Buchowagora  ist  sieher  der  Buehberg,  nicht  der  Falkenberg. 
")  Vergl.  Knothe  in  dieser  Zeitschrift  II,  199  tig. 


Name,  Alter  und  Ursprung  der  Stadt  Sebiiitz.  127 


Leim  ausgctluiii  liattcn^  und  zwar  1353  zuerst'^)  an  einen 
Berka  von  der  Diiba,  ging  sie  durcli  die  Tauscli-  und 
Kaufvertrügc  von  1443  und  1451  in  den  Besitz  Saclisens 
über,  wenn  auch  als  böhmisches  Lehn;  und  aus  diesem 
Privatbesitz  entwickelte  sich  schon  lange  vor  Aufhebung 
des  Lehnsverhaltnisses  je  länger  je  mehr  ein  staatlicher 
Besitz ,  Avährend  ein  Oleiches  mit  den  benachbarten  Be- 
sitzungen des  Bisthums  nicht  gesclielien  konnte;  diese 
vielmehr  in  dem  alten  Verbände  blieben. 

Dies  voraiisgesetzt;  ist  die  Stelle,  wo  die  bischöfliche 
Westgrenze  die  Sebnitz  erreicht,  vom  Marktplatz  der 
Stadt  Sebnitz  nur  lU  Minuten  entfernt,  und  von  dem 
früheren  oberen  Ende  der  Stadt  bei  der  Hammermühle 
keine  ö  Minuten.  Sollte  da  nicht  eine  Bezugnahme  auf 
die  so  nahe  gelegene  Stadt  in  der  Urkunde  erwartet 
werden?  Der  Ort  war  viel  deutlicher  bestimmt,  wenn  es 
hiess:  ahinde  in  Sebnizam  supra  urbeni.  Muss  man  aus 
dem  Fehlen  dieser  oder  einer  ähnlichen  Angabe  nicht 
schliesseu;  dass  der  Ort  Sebnitz  zu  derjenigen  Zeit,  wo 
die  Grenzkommission  ihre  Aufnahmen  für  die  Urkunde 
von  1241  vornahm,  d.  h.  im  Jahre  1213,  überhaupt  noch 
nicht  vorhanden  war?  Die  Vermuthung  liegt  allerdings 
nahe;  ein  sicherer  Schluss  ist  aber  schon  deshalb  nicht 
möglich,  weil  die  Grenzbestimmung  der  Urkunde  sich 
hier  etwas  kurz  fasst. 

Fragen  wir  nun  nach  den  ersten  Bewohnern  von 
Sebnitz,  so  lässt  zunächst  der  slavische  Name  auch  eine 
slavische  Gründung  vermuthen.  Eine  solche  aber  würde 
wieder  ein  höheres  Alter  des  Ortes  voraussetzen,  da  die 
Slaven  hier  die  alten  Bewohner  des  Landes  waren,  die 
Deutschen  dagegen  spätere  Einwanderer.  Ein  sicliercr 
Beweis  für  slavische  Gründung  ist  aber  der  vom  Bache 
hergenommene  Name  nicht.  Ist  doch  auch  Meissen  eine 
deutsche  Gründung  trotz  seines  slavischen  Namens. 

Über  die  Art,  Avie  Sebnitz  entstanden,  berichtet 
Götzinger^'*J:  „Einer  Tradition  zufolge  hat  Sebnitz  aus 
"14:  Bauerngütern  bestanden,  ehe  sie  Stadt  ward.  Dies 
ist  nicht  ganz  unwahrscheinlich.  Denn  die  in  der  Stadt 
Weichbild  gelegenen  Felder  und  Wiesen  sind  seit  un- 
denklichen Zeiten  in  24  Erben  eingetheilt."  Diesem  Be- 
richt ist  noch  hinzuzufügen,  dass  diese  Eintheilung  noch 


")  Ibidem  194. 

1'')  GOtziuger,  Gescliiclite  und  Ucsclireibung  etc.  S.  lOß. 


128  Fr.  Ohnesorge: 

jetzt  bestellt;  aucli  heute  noch  weiss  der  Feklbesltzer, 
welchciu  Erbe  sein  Grundstück  zugehört.  Die  sämtUclien 
Erben  bilden  lange  Streifen  von  nuissiger  Breite,  welche 
sich  über  die  Berge  fortzielien.  Zwisclien  ihnen  befinden 
sich  abwechselnd  je  ein  Gras-  oder  Steinrand  und  ein 
Feldweg ,  sodass  immer  zwei  Erben  zusanunen  einen 
Feldweg  haben.  So  ziehen  sich  die  Feldwege,  soweit 
die  Unebenheit  des  Bodens  die  Einhaltung  der  geraden 
Linie  zuUisst,  parallel  über  die  Höhen  fort. 

Das  deutet  augenscheinlich  auf  eine  deutsche  An- 
siedelung. Slaven  wären  schon  gar  nicht  im  Stande  ge 
wesen,  mit  ihrem  leichten  Ftiugiiaken,  dem  Radio,  den 
schweren  Lehmboden  unserer  Berge  umzuackern.  Sie 
nahmen  immer  nur  ebenen  und  leicliteu  Boden  in  Kultur, 
\\  ald  und  Gebirge  mieden  sie,  allen  Unebenheiten  wüchen 
sie  aus.  Ihre  Ansiedelungen  in  Sachsen  liegen  in  den 
Ebenen ,  in  den  breiten  und  bequemen  Jb  lussthälern. 
Grundverschieden  von  der  deutschen  Art  des  Haufen- 
dorfes, das  sich  regellos  lang  am  Bache  hinzog,  war  auch 
ihre  Ortsanlage;  grundverschieden  insbesondere  ihre  Flur- 
eintheilung,  in  der  man  die  parallelen  Feldwege  der 
deutschen  Hufen  vergeblich  suchen  würde.  Diese  parallelen 
i^'eldwege,  hier  zwar  nicht,  wie  in  HertigswalUe,  immer 
nur  zu  einem  Bauerngut  gehörig  und  nach  Bequemlich- 
keit über  die  Felder  sich  hinauf  schlängelnd,  sondern; 
wie  in  Ulbersdorf,  je  zwei  ^Nachbarn  gemein  und  die 
gerade  Grenzlinie  einiialtend,  hier  aber,  wie  dort,  endlich 
auf  den  Grundstücken  verscliwindend,  ohne  sich  zu  ver- 
einigen, —  sie  sind  neben  den  Steinrändern  der  Grenzen, 
die  freilich  jetzt  mehr  und  mehr  beseitigt  werden,  und 
neben  der  am  Bache  lang  hingestreckten  Lage  des  Ortes 
das  untrügliche  Zeugnis,  dass  Schnitz  eine  deutsche  An- 
siedelung ist,  herrührend  aus  der  Zeit  der  deutschen 
Kolonisation  in  dem  wieder  eroberten  Slavenlande""J. 
Eine  andre  Tradition  entlehnt  Gotzinger  den  schon  oben 
genannten  Hamburgischcn  Remarques,  „es  habe  in  ur- 
alten Zeiten,  da,  wo  jetzt  die  Stadt  liegt,  ein  berühmtes 
Forsthaus  gestanden,  bei  welchem  sich  mehrere  angebaut. 
Die  Stadt  habe  daher  noch  jetzt  einen  Hii'sch  im  Wappen, 
und    der     Bürgerschaft    sei     deswegen     die    Niederjagd 


-")  Vergl.  S.  Rüge,  Die  Dorfanlage  und  Flurvortheilung  bei 
Germanen  und  Slaven,  ui  iS'o.  7  und  8  von  „Über  iJerg  und  Thal, 
Organ  des  üebirgsvereins  f.  d.  säclis.-böbm.  Schweiz."    (1878). 


o 


Name,  Alter  und  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz.  129 

erlaubt" -^).  Götzinger  verwirft  diese  Nachricht,  die  er 
auch  aus  der  mündlichen  Überlieferung  kannte,  als  eine 
„blosse  Tradition,  die  sich  in  der  Stadt  vom  Vater  zum 
Sohn  fortpflanzt,  und  von  Beweis  ganz  leer  ist".  Die 
Tradition  ist  indes  als  historische  Quelle  nicht  ganz  zu 
verachten.  Sie  ist  oft  im  Stande,  wo  jede  historische 
Kunde  schweigt,  Jahrhunderte  hindurch  Thatsachen  ge- 
treu zu  übermitteln,  falls  nur  der  Faden  niemals  ab- 
gerissen ist.  Letzteres  ist  oft  bei  Familientraditionen  der 
Fall,  wo  vorzeitiges  Absterben  einzelner  Generationen 
störende  und  entstellende  Unterbrechungen  verursachen 
kann.  Bei  einer  Ortstradition  liegt  diese  Gefahr  weniger 
vor.  Auch  ist  nicht  einzusehen,  worin  der  einfache  Be- 
richt, ein  bestimmtes  Haus  sei  das  älteste  des  Ortes,  und 
sei  ursprünglich  ein  Forsthaus  gewesen,  von  untreuer 
Überlieferung  hätte  entstellt  werden  können;  etwas  Fabel- 
haftes enthält  er  gewiss  nicht.  Der  Glaube  an  das 
Sebnitzer  Forsthaus  aber  lebt,  unerschüttert  von  Götzingers 
Missachtuüg  und  dem  hohen  Ansehen  seines  Buches  bei 
den  Bewohnern  der  Stadt,  in  der  Ortsüberlieferung  noch 
heute  fort;  auf  das  Bestimmteste  wird  seine  Stelle  in  der 
Hertigswalder  Strasse  bezeichnet,  und  nur  bedauert,  dass 
dies  alte  Wahrzeichen  der  Stadt  1857  abgebrochen  worden 
ist,  um  einem  grossen  Neubau  Platz  zu  machen'--). 
Götzingers  widei'williges  Zeugnis  für  die  sorgfältige  Er- 
haltung dieser  Überlieferung  spricht  schwerlich  gegen 
ihre  Glaubwürdigkeit.  Ausserdem  erklärt  das  „Forsthaus 
in  der  Sebnitz",  wie  es  nach  hiesigem  Sprachgebrauch 
heissen  musste,  nicht  nur  den  Hirsch  im  Stadtwappen, 
sondern  auf  die  natürlichste  Weise  auch  den  Übergang 
des  slavischen  Namens  auf  den  später  entstandenen  deut- 
schen Ort.  Für  das  Forsthaus  war  die  obige  Bezeichnung 
im  Laufe  der  Zeit  bereits  zum  Ortsnamen  „die  Sebnitz"-'^) 
erhärtet,  als  sich  das  Bauerndorf  beim  Forsthause  an- 
siedelte. Auch  das  zu  diesem  noch  jetzt  gehörige  grosse 
Gartengrundstück  inmitten  der  Stadt  kann  wohl  einer 
Försterei  angehört  haben. 

Sollte   aber   ein    solches   Forsthaus  wirklich  der  Ur- 
sprung des  Ortes  gewesen  sein^  so  ist  anzunehmen,   dass 


21)  Götzinger,  a.  a.  0.  103.  104. 

")  Eine  Abbildung  des  abgebrochenen  Hauses  ist  im  Besitz 
des  Herrn  Adolf  Hesse  iu  Einsiedel,  und  seit  kurzem  eine  Kopie 
derselben  in  dem  meinigeu. 

-*)  So  sagt  man  hier  noch  jetzt. 

Neues  Archiv    f.  S.  G.  ii.  A.     VII.  1.  2.  9 


130     Fr.  Ohnesorge:  Name,  Alter  niul  Ursprung  der  Stadt  Sebnitz. 

dies  Haus  zu  der  Zeit,  wo  die  sachlichen  AufsteUungen 
für  die  Grenzurkunde  von  1241  gemacht  wurden,  schon 
vorhanden  war.  Demi  was  von  der  weit  hinaufreichenden 
Stadt  «^ilt,  dass  man  ihre  Erwälmung  in  der  Urkunde 
erwarten  sollte,  das  trifft  bei  den)  einzelnen  Hause  weniger 
zu,  auch  wenn  es  nicht  von  der  Grenze  her  unsichtbar, 
von  Berg  und  Wald  verdeckt  gelegen  hätte. 

Aus  diesen  Untersuchungen  ergiebt  sich  mit  mehr 
oder  weniger  Wahrscheinlichkeit  folgendes  über  den  Ur- 
sprung unserer  Stadt. 

Sebnitz  hat  seinen  Namen,  welcher  Froschbach  be- 
deutet, von  seinem  Bache,  welcher  1241  zum  ersten  Male 
als  Sehnh:(t  oder  t^ahniza  historisch  erwähnt  wird.  Um 
1213  stand  in  unserm  Thale  wahrscheinlich  nur  ein  ein- 
sames Forsthaus,  und  zwar  in  der  Hertigswalder  Strasse 
Nr.  112.  Bei  demselben  siedelte  sich  bald  nachher  ein 
deutsches  Dorf  von  24  Bauern  an,  Avelches  bei  seiner 
ziendich  ansehnlichen  Grösse  gewiss  gleich  als  Kirchdorf 
gegründet  wurde.  Aus  dieser  Zeit  rührt  also  der  Chor 
unserer  Kirche  her.  Die  günstige  Lage  des  Ortes  Hess 
denselben  rasch  wachsen;  er  erwarb  stadtische  Gerecht- 
same; im  ersten  Drittel  des  14.  Jahrhunderts  erfolgte  die 
Verlegung  des  Erpriesterstuhles  von  Hohnstein  nach 
Sebnitz.  Zuvor  wurde  vermuthlich  die  Kirche  durch 
Anbau  des  Schiffes  vergrössert.  Um  1346  war  Sebnitz 
Sitz  des  Archipresbyters  und  wahrscheinlich  der  an- 
sehnlicliste  Ort  des  ganzen  Kirclienbezirks,  der  10  Pfarr- 
kirchen umfasste.  Im  Jahre  1451  kam  Sebnitz  als  Be- 
standtheil  dei-  Herrschaft  Wildenstein  an  Sachsen. 


VI. 

Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Vita  Bennonis 

Misnensis. 


Von 

R.  Doebner. 


Nach  drei  Richtungen  dürfte  die  im  folgenden  mit- 
getheilte  Korrespondenz  benierkenswerth  sein.  Sie  lässt 
keinen  Z^veifel  mehr  übrig,  wie  es  mit  der  angeblichen 
alten  Vita  Bennonis  steht,  nach  welcher  G.  Waitz,  durch 
Emsers  Hinweis  veranlasst,  suchte^).  Sie  liefert  ferner 
den  Beweis,  dass  im  Kloster  St.  Michael  in  Hildesheira, 
der  Schöpfung  Bischof  Bernwards ,  mittelalterliche  Er- 
zeugnisse einer  Geschichtsschreibung  im  Anfange  des  16. 
Jahrhunderts  nicht  erlialten  waren.  Sie  gewährt  endlich 
lehrreiche  Einblicke  in  die  Entstehungsart  von  Heiligen- 
leben. 

Entnommen  sind  die  folgenden  Aktenstücke  einer 
aus  dem  Michaeliskloster  zu  Hildesheim  stammenden  Pa- 
pierhandschrift im  Staatsarchiv  zu  Hannover  (VI  78).  In 
rothem  Pergamenteinband  enthält  sie  auf  189  beschriebenen 
Blättern  Abschriften  von  aus-  und  eingegangenen  Briefen 
meist    gegen   Ende   des    15.    Jahrhunderts   und    bis    1532 


1)  Göttiuger  Gelehrte  Anzeigen  1856  S.  1898:  „Einer  alten  Vita 
S.  Bennonis  Misnensis,  die  in  Hildesheini  gefunden  sei,  erwähnt 
Emser  in  seiner  Geschichte  desselben  o.  53;  aber  ich  habe  seiner 
Zeit  vergebens  in  Meissen  und  Würzen  nach  einer  solchen  gesucht". 
Vgl.  Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittelalter  II 
(5.  Autl.),  77.  ..  Lüntzel,  Geschichte  der  Diocese  und  Stadt  Hildes- 
lieim  I,  .3?>8.  Über  die  sonstige  Literatur  über  Benno  vgl.  Chevalier, 
Kepertoire  des  sources  historiques  du  moyen  age.  I  (Paris  1877  — 
1883),  262. 

9* 


132  1^-  iJoebiier: 

reichend,  Kopien  einzelner  älterer  Urkunden,  Aufzeich- 
nungen über  den  Güterbesitz  des  Klosters,  Prozesse  des- 
selben und  dergleichen.  Dass  das  Ganze  erst  nach  1521 
zusammengestellt  ist,  ergiebt  die  Erwähnung  auf  fol.  11: 
d.  abbas  Joh.  Loefi  (f  1521'-)  pie  nieniorie.  Die  Ein- 
tragungen der  einzelnen  Stücke  erfolgten  nicht  in  chrono- 
h)gischer  Reihenfolge,  auch  ist  ein  sachliches  Prinzip  bei 
der  Anordnung  nicht  wahrzunehmen. 

Eine  Kritik  der  Quellen  zur  Geschichte  des  h.  Benno 
hat  kürzlich  O.  Langer  geliefert'').  Nach  einer  Übersicht 
über  die  Veranlassimg  der  Vita  Bennonis  und  die  Glaub- 
Avürdigkeit  der  Nachrichten  des  Trithemius  über  Benno 
prüft  er  die  Mitlheilungen  der  Vita  in  Bezug  auf  die 
Wirksamkeit  Bennos  in  Goslar,  Meissen  und  Hildesheim 
an  der  Hand  der  spärlichen  älteren  Quellen  und  gelangt 
zu  dem  Resultate  :  „An  die  Existenz  einer  alten  Vita  ist 
natürlich  nicht  im  Entferntesten  zu  denken.  Hat  man  in 
der  That  in  Hildesheim  etwas  auf  Benno  Bezügliches  ge- 
funden, so  könnte  es  nur  eine  Legende  gewesen  sein,  deren 
Entstehung  in  den  ersten  Jahren  des  16.  Jahrhunderts 
unschwer  zu  erklären  ist". 

Mit  dem  15.  Oktober  1512  beginnt  die  erhaltene 
Korrespondenz  zwischen  Dr.  Johann  Hennig ,  Dom- 
dechanten  in  Meissen,  und  Henning  Rose^  Professen  des 
Michaelisklostcrs  in  Hildesheim.  Wie  jener  neben  Emser 
in  Sachsen  die  treibende  Kraft  bei  der  Kanonisation  war, 
so  erweisen  diesen  die  Briefe  als  diejenige  Persönlichkeit, 
welche  die  Angelegenheit  in  Hildesheim  am  Nachhaltigsten 
förderte.  Von  den  drei  Exemplaren  der  soeben  vollen- 
deten Vita  Emsers_,  welche  Hennig  übersendet,  ist  eines 
für  ihn  bestimmt,  der  an  der  Entstehung  des  Werkes 
einen  besonderen  Antheil  habe.  Wenn  Hennig  ihm  ge- 
genüber unter  Hinweis  auf  die  gemeinsam  mit  Emser  nu 
Jahre  1509  unternommene  Reise  nach  Goslar  den  Punkt 
der  Abstammung  Bennos  von  einem  Grafen  rechtfertigt 
(I),  so  darf  man  wohl  daraus  schliessen,  dass  Rose  eine 
Genealogie  geliefert  hatte,  welche  davon  abwich.  Beruhten 
aber  Roses  Nachrichten  auf  einer  alten  Vita,  dann  hatte 
man  gewiss  keinen  Grund,  von  ihnen  abzugehen.  Wie 
eigenthümlich  man  das  vorliegende  Material  behandelte, 
davon  giebt  ein  drastisches  Beispiel  die  Mittheilung  Hen- 

')  Vergl.  Lüiitzol,  a.  a.  ü.  II,  ÖGO. 

")  Mittheiluugen  des  Vereins  für  Geschiclite  der  Stadt  Meissen. 
I,  .S,  70—95. 


Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Vita  Beniioris  Misnensis.     133 

nigs  (IX)*),  die  römischen  Kardinäle  liätten  Woldcn- 
berg,  well  dies  zu  rauli  und  ungewohnt  für  italienische 
Zungen  klinge,  in  „B^^tenberg"  verwandelt. 

Am  21.  Januar  1515  schreibt  der  Domdechant  von 
Meissen  über  die  Einsetzung  einer  aus  Bischof  Johann 
rn.  von  Naumburg  und  den  Abten  Martin  von  Altzelle 
imd  Anton  von  Kloster  Buch'')  bestehenden  Kommission 
für  Sammlung  weiterer  Nachrichten  über  Benno  und 
fordert  zur  Sendung  von  zwei  oder  drei  Brüdern  des 
Michaelisklosters  nach  Meissen  auf  (II).  Darauf,  dass 
mit  dem  Abte  auch  Rose  komme,  wurde  besonderer 
Werth  gelegt.  Sie  sollen  über  alle  zur  Sache  dienenden 
Chroniken,  Annalen,  Register.  Briefe  und  Zeichen  Zeug- 
nis ablegen.  Jetzt  erst  wird  ein  jüngst  aufgefundener 
Professschein  Bennos  erwähnt,  ferner  ein  altes  Abtsbuch. 
in  welchem  Benno  an  seiner  Stelle  stehe,  und  ein  in 
Hildesheim  aufgefundenes  und  nach  Meissen  übersandtes 
Legenclarium.  Darauf  wird  die  Ankunft  von  di-ei  Brüdern, 
darunter  Henning  Rose,  in  Aussicht  gestellt  (HI).  Sie 
sollen  den  aufgefundenen,  der  Meinung  des  Konvents  nach 
eigenhändigen  Professchein  Bennos  aus  der  Zeit  des  Abtes 
Adalbert  (1030 — 1044)  mitbringen.  Bald  nachher  wurde 
der  Domvikar  Johann  Losse  nach  Hildesheim  gesandt, 
um  von  allen  Urkunden  und  Alterthümern  Einsicht  zu 
nehmen,  auch  von  dem  Platze,  an  welchem  die  Vita  Ben- 
nonis  aufgefunden  sei,  und  von  einem  ebenfalls  zum  Vor- 
schein gekommenen  Bilde  Bennos  (IV,  V),  Er  überbrachte 
das  Schreiben  vom  1.  April  1515  (V)  an  Rose,  welches 
noch  weitere  Mittheilungen  über  das  Erforderliche  ent- 
hält. Mit  der  Abtschronik,  welche  mit  anderen  Papieren 
schon  in  seinen  Händen  sei,  schreibt  Hennig,  sei  er  zu- 
frieden, und  hoffe,  dass  die  päpstlichen  Kommissare  an 
der  Neuheit  der  Schrift  nicht  Anstoss  nehmen  werden, 
freilich  würde  die  durch  Feuer  untergegangene  Chronik 
ganz  andere  Autorität  gehabt  haben.  Der  Vita  Gode- 
hardi  bedürfe  es  nicht.  Im  April  fertigten  darauf  hin 
Abt  und  Konvent  von  St.  Michael  eine  Vollmacht  für  die 
drei  Fratres  Peter,  Henning  und  Hermann  aus  als  ihre 
Prokuratoren  in  der  Kanonisationssache  und  Überbringer 
der  in  dem  Kloster  verwahrten  Zeugnisse  über  das  Leben 
Bennos  (VI).     Ob    die   Reise    nach   Meissen  wirklich    zur 

*)  Vergl.  dazu  Acta  SS.  Jim.  III  S.  158  Note  b. 
')  Vergl.  Machatschek,  Geschichte  der  Bischöfe  des  Hochstiftes 
Meissen  S.  605,  und  unten  VI. 


134  li-  l>oebiier: 

Ausfülirnng  gelangte  oder  welclie  Umstände  liindernd  in 
den  Weg  traten,  geht  aus  der  Korrespondenz  niclit  her- 
vor. Dagegen  setzte  Kose  seine  Ocscliältigkeit  in  Ent- 
deckung der  Spuren  Bennos  mit  Erfolg  fort.  Da  schickt 
er  das  angebliche  Wappen  Bennos  ein  und  erntet  damit 
Beifall  (VII).  In  Meissen  will  man  die  Recherchen  nach 
den  längst  ausgestorbenen  Grafen  von  Wohldenberg  auf- 
genommen haben  und  den  Dechanten  des  Moritzstiftes 
zum  Zeugnisse  über  Bischof  Hezilo,  den  Gründer  dieses 
Stiftes,  veranlassen.  Im  folgenden  Jahre  151G  sah  man 
sich  in  Meissen  genöthigt,  auf  die  Schmähschrift  eines 
Dominikaners  in  Hildeslieim  zu  antworten.  Hier  wünschte 
man  ein  abgekürztes  Leben  Bennos  zu  haben  und  Hennig 
schreibt  über  den  Stand  der  Verhandlungen,  welche  da- 
rüber mit  Emser  gepflogen  wurden  (VIII).  Am  13.  März 
1521  kann  er  die  abgekürzte  Vita  Bennonis  einsenden  und 
kündigt  die  Feier  des  Festes  als  bevorstehend  an  (IX). 
Am  11.  September  schreibt  er  von  der  Vollziehung  der 
Heiligs])rechung  durch  Papst  und  Kaidinäle  (X),  am  1. 
Oktober  1523  über  die  Eintragung  Bennos  in  den  Hei- 
ligenkatalog. Mit  dem  Berichte  Roses*')  über  die  Auf- 
nahme der  dem  Michaeliskloster  verehrten  Reliquien  Ben- 
nos in  Hildesheim  schliesst  die  Korrespondenz. 

I. 

Br.  Johann  Hcnniy,  Domdecliant  zti  Meissen,  an  Hfcnningj 
UfoseJ.  Professen  zu  St.  Michael  in  Ilildesheim  :  berichtet  über  die 
Vollendung  der  Vita  Bennonis  und  danict  für  seinen  Autheil  daran. 

Meissen,  1512,  Oktober  lö. 

[fol.  0:5 b]  S.  P.  Venerabilis   pater  Hemiinge.     Perfecta  est  tandem  vita 

(livi  Bennonis,  ad  quam  vos  non  parvam  adhibuistis  operam  et  dili- 
genciam  per  sollicitaciones  vestras  apiid  dominum  Emserum,  de  qua 
(liaritati  vestre  ingentes  ago  gracias,  nee  vos  moveat,  quod  scrip- 
tum est,  quod  fuerit  lilius  comitis,  quoiiiam  ita  inveuimus  ego  et 
dominus  Ucenciatus  in  monte  sancti  Petri  Goszlarie  ex  antiquissimis 
eorum  lilteris,  addebatque  decanus  ibidem,  quod  pater  ipsius  fuisset 
dictus  eomes  de  \^  oblenberge  et  iubabitasset  castrum  olim  dictum 
Wildenstein  nunc  dcsertum  et  vastatum,  cujus  tamen  reliquio  ad- 
liuc  bodie  patent  forte  ad  unum  miliare  de  Goszlaria.  Nos  tamen, 
quod  illa  ibi  non  eiant  scripta  nee  quisquam  alius  erat,  qui  ejus  rei 
noticiam  baberet,  idcirco  geneab)giam  ejus  quantum  ad  cognomen 
studiose  preterivimus,  cum  parum  ad  rem  faciat.  Magna  enim  pars 
sanctorum  est,  quorum  genus  et  nomen  familie  ignoramus,  cum  tamen 
nomina  eorum  in  celis  esse  scripta  minime  dubitamus.  Mittimus 
autem  in  presenciavum  vobi«  tria  exempbiria,  unum  pro  vobis  singu- 
lariter,  quod  singularem  habuistis  laborem.  unum  pro  reverendo  do- 
mino  vestro  abbate,  cui  nie  plurinuim  commendetis  cum  graciarum 

")  Vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  3.  .lil. 


Akteiistikke  zur  Ucscliiclitu  clor  Vita  Beiiiiuiiis  Misiieiisis.     135 

acfioiie,  ot  uiiiim  jiro  hospite  nostro  doinino  Aiithouio  SiftVidi,  ciii 
similiter  multas  referatis  gracias  et  mille  Salutes.  Ceterum  de  caiioni- 
zacioiie  ipsius  hoc  tempore  propter  assiduos  tunuiltus  bellicos  in 
Italia,  Gallia  et  Germania  certi  nichil  scribere  possnin.  Spero  tarnen 
oinnino,  quod  omnipotens  deus  pia  tidelium  vota  et  honorem  sancti 
sni  pro  ejus  beneplacito  bene  disponet  et  diriget  vos  interim.  Si 
aliquid  amplius  de  divo  Bennone  invenire  aut  usque  exploraro  pote- 
ritis,  rotro  plurimum ,  ut  ad  me  scrihatis,  niercedem  a  deo  exspec- 
taiulo,  qui  est  omniuni  bonorum  operum  retributor.  In  quo  et  feliciter 
valeatis.     Ex  Miszna  XV.  die  üctobris  anno  etc.  XII. 

Johannis  Henning  doctor  decanus  ecclesie  Misznensis. 
V.  et  devoto  patri  d[omino]  H[enningo]  R[ose]   cenobite  monas- 
terii  sancti  Michaelis  in  Hildensem,  fautori  et  amico  charissimo. 

II. 

Hcnnüj  an  lifosej :  fordert  zur  Reise  nach  Meisseti  mit  seinem 
Abte  und  einem  anderen  Klosterbruder  auf  und  berichtet  über  den 
Stand  der  Kanonisation. 

1515,  Januar  21. 

Venerabilis  ac  devote  domine  Henninge,  amice  charissime,  sa-  [fol.  63.J 
Intern  plurimam.  Gratus  michi  fuit  nuncius  vester,  cujus  ego  litteras 
dominis  ac  fratribus  meis  de  capitulo  postquam  legi,  placuit  eis  di- 
ligencia  vestra.  Quare  et  meo  et  illorum  nomine  gracias  vobis  ago 
quam  maximas.  In  quo  autem  statu  causa  divi  ßennonis  nostri  con- 
sistat,  spero,  quod  ex  litteris,  quas  proximis  nundinis  ad  dominum 
abbaten!  vestrum  misi,  intellexeritis.  In  eventum  autem,  quod  ille 
littere  non  essent  rcddite,  scire  debetis,  quod  nuper  obtinuinuis  a 
sanctissimo  domino  nostro  Leone  ultimam  ac  specialem  hujus  rei 
commissionera  hie  ad  partes  suntque  commissarii  nobis  dati  dominus 
episcopus  Numbergensis  et  duo  abbates,  qui  terminum  statuent  post 
festum  passche  in  hac  causa  examinanda.  Ad  quem  terminum  duos 
vel  tres  fratres  ex  monasterio  vestro  citabunt ,  qui  testimonium 
ferant  de  Omnibus  cronicis,  annalibus,  registris,  litteris  et  indiciis 
eis  in  hac  re  notis.  Scripsi  igitur  domino  abbati  vestro  et  adhuc 
rogo,  quod  interim  tres  fratres  ad  hujusmodi  iter  disponat,  ([ui,  cum 
vocati  fuerint,  veniant  expensis  capituli  nostri.  Inter  quos  vos,  ut 
spero,  unus  eritis  portabitisque  vobiscum  cedulas  professionis  jam 
inventas  et  librum  abbatum  monasterii  vestii,  ubi  et  Benno  in  suo 
ordine  habetur,  et  testimonium  dabitis,  quod  über  legende,  quem 
ali(iuando  ad  nos  misistis,  apud  vos  inveutus  sit,  sicut  tuuc  scrip- 
sistis.  Rogo  igitur,  ne  gravemini,  vos  interim  ad  iter  disponere  et 
singula  colligere  huic  cause  necessaria.  Dabimus  vobis  et  sociis 
vestfis,  sive  in  curru  sive  in  equo  veniatis,  liberales  expensas  eundo 
et  redeundo.  De  miraculis  autem  nichil  sitis  soUicitus,  set  console- 
mini  fratres  vestros,  quod  in  illa  die  copiam  miraculorum  magnam 
videbitis  et  audietis  auribus  vestris.  Dominus  licenciatus  Jheronimus 
Eniser  vos  plurimum  salutat  petitque,  ut  sanctum  Bernwardum  pro 
eo  oretis  in  causa,  quam  occulte  ab  eo  desiderat.  Hec  volui  vobis 
pro  consolacione  vestra  spirituali  significare.  Interim  bone  valetc 
lu  Christo.    In  die  sanete  Agnetis  virginis  anno  etc.  DXV. 

Johannes  Henning  doctor  decanus  Misznensis. 
V[enerabili]   ac  religioso  pfatri]   d[omino]   H[enningo]    R[osen] 
professo    monasterii    sancti    Michaelis    Hildensemensis    ordinis  divi 
Benedicti,  amico  et  fautori  charissimo. 


136  R-  Doebiier: 

Cedula  iniposita  et  inclnsa  epistole  prefate. 

Consultavinius  in  capitiilo  nostro,  quod  imiltum  expetliret,  quod 
(loraimis  abbas  vester  in  propiia  persona  veniat.  Quare  rogo,  nt  in- 
stetis  et  sollicitetis  apud  paternitatem  snani ,  ut  vciniat  ipse  et  vos 
et  uRus  alias,  quem  idoneum  rcpntabitis,  cum  scripserimiis  vobis. 
Bene  valete. 

III. 

Johann^  Abt,  und  der  Conmnt  von  St.  Michael  in  Hildesheim 
an  das  Domkapitel  zu  Meissen:  stellen  die  Anlnwft  von  drei  Brü- 
dern des  Klosters  mit  dem  aufgefundenen  Professschein  Bennos  in 
Aussicht. 

UildcsheiiDj  1515,  Januar  25. 
[toi.  62b.]  Oraciones  nostras  cum  prouiptitudine  obsequii  pro  canonisacione 

divi  Bennonis  pro  salute.  Reverendi  ac  venerabiles  viri  ac  domini 
venerandi.  Litteras  vestrarum  dominacionum  vecepimus  cum  gaudio, 
in  quibns  infelligimus  commissarios  deputatos  finales  pro  canonisa- 
cione sancti  Bennonis  presulis  vestri  et  nostri  quondam  sancti 
Michaelis  monasterii  confratris,  nunc  autem  intercessoris  pro  nobis 
ad  deuni.  Et  ex  quo  desideratis  tres  fratres  de  monasterio  nostro 
mittendos  ad  vos,  inter  qiios  et  frater  Henningus  admixtus  esse  de- 
beat,  sicut  scribitis,  tarnen  sub  expensis  et  sumptibus  vestris  etc  , 
reverendi  domini,  quis  in  tam  sancta  et  deifica  non  dicimus  negare 
set  ex  totis  viribus  adjumentum  prebere  non  audeat,  nisi,  quod  absit, 
ex  tote  quis  ad  res  divinas  redderetur  insipidus  et  ab  omnibus  ope- 
ribus  bonis  jejunus  et  indevotus.  Idcirco  predictos  fratres  ad  vota 
reverendarum  vestrarum  dominacionum  post  festum  passclie  niittemus 
ad  vos  in  curru  et  quanto  par(;ius  poterimus  cum  equis,  quia  apud 
nos  fennm  et  avena  propter  descrcscenciam  et  casum  grandinis 
cara  in  foro")  sunt.  Et  si  non  apud  vos  liabebitis  deo  gracias  agere, 
pro  majori  insuper  parte  liabetis  illa,  quo  nol)is  de  tanto  patre  Ben- 
none  constant  uno  dempto.  Qmn  invenimus  adhuc  cedulam,  in  qua 
professionem  suam  fecit  juxta  regulam  sancti  Benedicti  sub  Adelberto 
abbate  nostri  monasterii,  quam  non  dubitamus  manu  propria  scriptam, 
quam  et  prescripti  fratres  afferent  secum  ad  vos.  Quapropter  ro- 
gamus,  ut  ante  festum  passche  rescribatis  nobis  locuni  et  tcmpus, 
quando  et  ubi  fratres  nostri  venient  post  festum  passche,  et  quic- 
quid  in  hiis  et  in  aliis  dominacionibus  vestris  in  complacenciam  fa- 
cere  valeamus  parati  erimus.  Ex  Ilildensem  anno  domini  etc.  DXV. 
conversionis  sancti  Pauli  apostoli. 

Jojiannes  abbas  et  convcntus  totus  monasterii  sancti  Michaelis 
in  Ilildonseni,  vestrarum  dominacionum  pronitissimi. 

Egregiis  viris  ac  dominis  decano   totique    capitulo   solemnis   ec- 
clesie  Misznensis,  dominis  suis  ac  mnjoribus  semper  observandis. 

IV. 

Krcditivschrciben  des  Domkapitels  zu  3Ieisscn  an  Johann,  Alt 
zu    St.  Michael   in   Hildesheim,   für    den    Domvikar    Johann    Los. 

Meissen,  1515^  April  1. 

[fol.  62b.]  Reverende  pater  et  domine  colendissime.     Commisimus  aliqua 

paternitati  vestre  referenda  nostro  nomine  venerabili  domino  Jacobo 
Losz  vicario  ecclesie  nostrc,   ostensori    presencium,   negocium  cano- 


"^  Handschrift :  in  cara  foro. 


Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Vita  Bennonis  Misnensis.     137 

nisacioiiis  divi  patris  Bennonis  olini  episcopi  ecclesie  nostre  concer- 
nencin.  Rogamus  igitur,  ut  paternitas  vestra  sibi  in  hiis,  que  nostrn 
iiouiiue  dixerit  et  proposiievit,  plenam  credencie  fidem  et  in  atrendis 
oportunum  favorem  piostare  v<'lit,  si.  ut  de  paternitate  vestra  jilene 
contidiniiis.  Cui  nos  ad  quevis  obseqnia  paratos  seniper  ofterimus. 
Ex  Miszna  die  solis  prima  niensis  Aprilis  anno  doniini  MDXV. 
Prepositus,  decanus  et  capitulum  ecclesie  Misznensis. 

Kevereiido  patri,  doniino  Johanni  abbaji  mnnasterii  sancti  Mi- 
chaelis in  Hildenseni,  domino  et  patri  nostro  colendissimo, 

y. 

Heniiifi  an  Hose:  informiert  ihn  über  das  bei  der  Heise  nach 
Meissen  Erforderliche. 

Meissen,  1515,  April  1. 

Post  jiigem  complacendi  affectum.   Littt;r;is  vestras,  charissiime  ['ol.64b.] 
in  Cbristo  frater,  pridie  kalendas  Marcii  ex  Miblensem  datas  XXIIII 
die  Marcii  Miszne  suscepi,  in  qaibus  me  redditis  rer(iorem,   litteras 
reverendo  patri  domino  abbati  transraissas  cum  aninii  alacritate  susce- 

pisse.     Super  quibus de  hilari  adventu  vestro  legi  et  releei, 

et,  si  pater  reverendus,  pront  scribitis,  porsonaliter  venire  non  poterit, 
sufficit  ad  presens,  quod  vos  nna  cum  aliis  duobus  deputatis  ad 
diem  per  capitulum  aut  pocius  subcommissarios  apostolicos  assi- 
pnandam  compareatis,  vobiscum  singula,  que  huic  sancto  negocio 
valeant  deservire,  asportando.  Et  placeret,  quod  vos  cum  aliis  de- 
putatis mandatum  sub  forma  protbocoUi  aut  instrumenti  a  reverendo 
patre  et  toto  conventu  aiferatis.  De  cronica  abbatum,  quam  mecum 
una  cum  aliis,  prout  scribitis,  habeo^),  sum  contentus,  sperans,  quod 
novitatem  scripture  commissarii  apostolici  non  repudiabunt,  licet 
illa  ignis  voragine  per  vos  absumpta  lontre  majoris  extitisset 
auctoritatis.  Pro  quo  (ut  timeo)  gravem  intirmitatem  vestram  passus 
estis'')i  tamen  staudum  divi  Bennonis  patrocinio,  ut  credo,  vos 
liberatum  fore.  Vitam  divi  Bennonis  abbreviatam  domino  licenciato 
Empsero  ad  revidendum  dedi,  qui  tempore  suo,  dum  presens  sitis, 
lacius  sese  resolvet.  Qui  injuriam  jam  dndum  factam  ex  (orde 
remisit.  Quare  autem  tot  annis  divus  Benno  nou  potuit  vel  valuit 
canonizari,  masis  divino  quam  humano  judicio  est  reliquendum, 
licet  uon  erronie  occulta  cogitacione  vobis  ipsi  respondistis.  Quod 
et  ego  eciam  verum  censeo,  et  rogo,  quod  tempore  adventus  vestri 
me  de  hoc  informetis.  Yitam  sancti  Godehardi  nou  necessarium 
credo  ad  presens  afferendam,  quia  de  vita  divi  Bennonis  solum  et 
non  sancti  Godehardi  examen  iiistituetur.  Domini  de  capitulis  duobus 
Goszlariensibus,  nnius  in  civitate  et  alterius  in  monte  sancti  Petri 
eciam  binos  et  biuos  ad  terminum  prefixum  sese  missuros  litteris 
suis  spoponderunt,  cum  quibus,  si  libeat,  comitivam  habere  possitis, 
nisi  ad  monasteria  ordinis  vestri  seorsum  velitis  declinari,  quod  arbitrio 
vestro  committere  volo.  Dominus  offi'ialis  prejiositure  Misznensis 
presencium  exhibitor,  vir  bonestus,  nomine  capituli  Misnensis  ad  mo- 
nasterium  vestrum  et  ad  duo  capitula  Goszlarie  cum  quodam  moni- 
torio  insinuando  missus  est,  non  (piod  dubitamus  de  adventu  vestro, 
sed  solum,  ut  forma  commissionis  apostolice  observetur.  Cui^*')  omnia 
monumenta,  antiquitates,  eciam  locum,  ubi  vita  divi  Bennonis  est 
inventa,  ostcndatis,  oro.     Audivi  eciam  ex  vobis  de  quodam  imagine 

®)  Handschrift:  mecum  Labes.    ^)  siel     ^")  Handschrift:   Qui. 


138  K.  r)ool)iier: 

Bemionis,  (piaiii  c.  iaiii  ad  vidcndiiin  sohuii  ciiin  aliis  aniialihiis  et 
codiilis  siie  i)i'oft'Ssioiiis  afforatis,  oro,  et  prefato  domiiio  ofticiali  of- 
Hcia  liuinanitatis  exhibeiulo.  Cum  hiis  in  Cliristo  feliciter  valctc 
Datum  Misziie  dominica  palmaium  anno  domini  etc.  XV. 

Johannes  Henning  doctor  decanus  ecclesie  Miszneiisis. 
Vfencrabili]  et  rellitrioso  f[ratri]  H[enniiigo]  R[osen]    ordinis  s. 
licnedicti  in  monasterio  Hildensenniensi,  amico  singularissimo. 

VI. 

AU  und  Konvent  von  St.  Michael  in  Hildesheim  hevollmächtigcn 
die  I'rofesnen  ilircu  Klosters  l'ctcr,  Henning  and  Hermann  ah  ihre 
Vertreter  bei  den  Kommissaren  der  Kanonisation  Bennos. 

Hildeshciiii,  1515,  A])ril. 
Nos  Johannes  abbas,  llermannus  prior  et  totus  conventus  ino- 
[fol.  '65.]  „asterii  sancti  Michaelis  ordinis  sancti  Benedicti  Ilildensemensis  coram 
vobis  reverendis  in  Christo  patribus  et  dominis  dominis  Johanne  dei 
et   apostoliie    sedis   gracia    episcopo   Nunburgensi,    Martino   Yeteris 
Celle  et  Anthonio  in  ßucha  monasteriorum  Cisterciensiuni  Misnensis 
diocesis  abbatibus  et  in  causa  infrascripta  judicibus  et  commissariis 
apostolicis  subdelegatis  et  subdeputatis  et  quibuscumque  aliis,  ad  quos 
presentes   nostre   littere    pervenerint,    rccognosciraus   et  profitemur, 
([uod  nos  in  loco  nostro  conventuali  solito  et  consueto  ad  actum  in- 
IVascriptum  celebrandum  conventualiter  congregati  omnibus  melioribus 
modo,  via,  jure,   causa  et  forma,  quilius  de  jure  melius  et  efficacius 
potuimus   et   debuimus  ac  ))0ssinms  et  debeamus,  in  procuratores  et 
sindiros  nostros  creavimus,  ordinavimus,  fecimus  et  deputavimus  ve- 
nerabileä  et  devotos  Petrum,  Henningum  et  Ilermannum,  sacerdotes 
dicti  monasterii   et  ordinis  nostri  fratres   et   protessos,  presentes  et 
onus  hujusmodi   sindicatus  in   se   obedienter  suscipientes   specialiter 
et  expresse  ad  coniparendum  vice,  loco  et  nomine   omnium   nostrum 
coram  vobis  dominis  episcopo  et  abbatibus,  judicibus  et  commissariis 
pretatis  et  ad  litteras,  nionicioncm  et  requisicionem  vestras  alias  per 
nos   decretas    et   emanatas   et  contra   nos  executas  in  causa  negocii 
canonisacionis  divi  Bennonis,  dum  vixit,  episcopi  Miszneiisis  litteras, 
scripturas  etjura,  vitam,  mores,  conversacionem  et  miracula  ejusdem 
divi  Bennonistangeutes  et  tangencia,  quas  et  que  in  scrineis  et  custo- 
rtiis  nostri    monasterii    reperimus    et   habemus,   tideliter   exhibenda. 
Insuper  nos  ydeni  Johannes  aldias  et  conventus  communiter  et  divisim 
damus   et   concedimus   dominis   et  fratribus  nostris  l'etro,   Henninao 
et  Hermanno,   sindicis   nostris  supranoniinatis,   vice  et  loco  omnium 
nostrum,  ut  conventum  represeiitancium  in  niemorata  causa  auctori- 
tatem  plenam,  omnimodam  et  licenciani  testandi  et  quotlibet  aliud  ne- 
cessarium  et  licitum  juramentum  prestandi  et  in  eadem  causa  de  et 
super   negocio  privilegii  ac  recognicionis  jurinin  et  aliis  omnibus  et 
shigulis,   super  quibus  eos  per  vos  et  a  vobis   deputandos  contigerit 
inierrogari  sive  examinari,  veritati  testimoniuin  perhibendi  ceteraque 
omnia    et  singula    faciendi,   gerendi   et  exercendi,   que  in  premissis 
necessaria  fuerint  seu  quomodolibet  oportuna,  et  ([ue  nos  ipsi  facere- 
nius  et  facere  i)0ssunuis,  si  premissis  jjresentes  et  porsonaliter  iiiter- 
essemus.     Promittimus  deinceps,   ([uicquid   per  dictos  dominos   con- 
fratres  etsindicos  nostros  actum,  dictum,  gestnm  et  procuratum  fuerit 
in    iiremissis   et   quovislibet   ])remissorum    vice   et    loco    nostris,  nos 
ratum  et  gratuni  habituros.     in  ([uorum  omnium  tidem  et  testimonium 
has  litteras  sigillo  nostro  abbaciali,  quo  in  presenciarum  usi  sumus, 


Aktenstücke  zur  Gesiliiclitc  dor  Vita  Ücnuionis  Misieiisis.      139 

preseiitibus  roboramus  sab  impresso.  Datum  et  actum  in  Hildeiisem 
iu  ilicto  mouasterio  uostro  saiicti  Midiaelis  loco  iiostrn  conveiituali 
sub  anno  domini  millesimo  quingenlesimo  quinto  de.imo  die  vero 
Lune  die  (sie!)  mensis  Aprilis. 

TU. 

Hainig    an   liosc:    dankt  für    Mitthcilunrf   des   WajU^cna  des 

h.  Benno  tmd  berichtet  über  die  erhaltenen  Ablässe  und  den  Stand 

der  Sache  überhaupt.  ^     ,        ,.  ^k 

Meisseii,  lolo,  Juli  lo. 

Eam   quam   sibi  ipsi  velit  salutem  et  oraciones  utinam  devotas  [fol    61.] 
cordialiter  atlert,  lionorabilis  pater  et  frater  religiöse.    Litteras  vestras 
liesterna  luce  ex  manibus  fratris  mei  ad  nie  missas  una  cum  certis 
armis   pictis   et   descriptis   non    sine   anime  alacritate  magna  accepi, 
in  prmiis  gracias  referendo  patri  et  toti  conventui  de  litteris  fraterni- 
tatis  agendn  immoitales.  _  De  armis  veris  divi  patris  Bennonis  niiclii 
magis  placent  illa  cum  capite  masculino  in  sigillo  domini  Conradi  co- 
mitis  de   Woldenberge,  prout  scribitis,   reperta,    que   eciam    magis 
verisimilia  videantur  sigillo  suo  in  archivo  ecclesie  Misznensis  invento 
cum    capite    dumtaxat,    prout    in  signis  argenteis  deauratis  vidistis. 
Quem  autem  colorem  hujusmodi  arma  babeaut,   rogo  instantissime  in 
aliis    monasteriis    diligenter    inquirere    et  eadem  per  expertum   pic- 
torem  depicta  prox'.mo  currentc  nuncio  remittere  velitis.    Quibus  iia- 
bitis    ad  tumulum   prefati   divi  patris   cum   omni   solempnitate  aftigi 
curabo.    Eciam  inquirendum  esset,  an  adhuc  aliquis  superstes  de  illa 
familia   comitum   de  Woldenbergli   existeret,    de   quo   in    monasterio 
monialium,  de  quo  scribitis,  prope  Goszlariam  eciam  interroganduni 
esset  vel  in  aliis  locis,  ubi  videbitur  expedire.     Et  quicquid  tinaliter 
inveneritis,  velitis  utique  me  de  biis  ouinibus  facere  cerciorem.    De 
indulgenciis  a  reverendissimo  domino   episcopo  Misiensi  impetratis 
gracias  ago.    Interea   et  post  discessum  vestrum  eciam  indulgencias 
luijusmodi  a  reverendissimo  domino  episcopo  Vratisslaviensi  expedivi, 
volens  eciam,  quam  primum  dominus  reverendissimus  Moguntinensis 
redierit,   eciam   sollicitare   cum   bona   spe  easdem  indulgencias  tam- 
quam  a  primate  Germanie  largiores  obtinendas.     Quas   extunc  vobis 
et    aliis   jirelatis    communicandas    eciam    transmittere    volo.      Quod 
eciam  in  octava  solempni  patrouorum  vestrorum  vitam  sancti   patris 
nna   cum  miraculis  fecistis  publicari,   rem  ogistis  indubie  deo  omni- 
potenti  acceptissimam  eternaliter  remuncrandam.    Que  qnidem  publi- 
cacio  in    circumjacentil)us    diocesibus  et  provinciis  in  dies  magis  ac 
magis  publice  de  ambone   diligenter  celebratur.    Cujus  racione  pitpu- 
lus  de  longe  et  prope  positus  cum  miraculis  novis  in  dies  coiitluere 
videtur.    Undc  meo  judicio  unum  aliud  examen  pro  eisdem  mira.  ulis 
et  aliis  moniraentis  producendis  necesse  erit  instituendum.      Extunc 
non  inutile  foret,  doniinuui  decanum  sancti  Mauricii  de  Ethilono  co- 
ram  comissariis  apostolicis  de  eo,  quod  scribitis,  tidem  facere  extunc 
comparendi    et  producendi,    alias   soli  relacioni   aut   litteris  modica 
tides  apud  sedem  apostolicam  de  isto  dari  possit.     Alia  adhuc  signa 
scitu  digna  si  occurrant,  velitis  me  de  illis  ad  honorem  divi  Benno- 
nis certificare.     Cum  hiis  in  Christo  feliciter  valete.    Datum  Miszne 
dominica  post  festum  Margarete  virginis  anno  etc.  XV. 

V.   f. 
Johannes  Henning  doctor  decanus  Misznensis. 

V.    fratri    H[enningo]    R[oscn]    monasterii   sancti  Michaelis  in 
Hildeusem  professo,  amico  ac  fratri  charissimo. 


140  R-  Doebner: 


vin. 

Hennig  an  Böse :  schreibt  über  die  Schmähung  eines  Domi- 
nikaners über  Benno,  über  dessen  Wappen  und  eine  kürzere  Form 
der   Vita. 

Meissen,  1516,  Ajnil  13. 

[fol.  65.]  V[enerabili]   et  rellisioso  ffratri]  Hfenningo]  R[osenl  ordinis  s. 

Beiieilicti  in  nioiiasterio  Ilililensemensi  professo,  amico  singularissimo, 
sfalutem]  i)[liu'Lmain]  (l[icit]  cum  utriiistiue  hominis  felicitate.  V[enera- 
bilis]  p'ater]  Ileaninae.  In  causa  denigracionis  f'anie  divi  patris  Ben- 
nonis  per  quendam  fraterculum  nieiidosum  ordinis  predicatornm  con- 
ventus  Hildenseniensis  facte  litteras  excnsacionis  revcrendo  patri  vestro 
abbati  dedi,  quas  quidem  si  quis  legerit  vel  andient  nialiciani  ditti 
fratris  parum  commcndabit.  De  pictnra  autem  et  armoruiu  sancti 
patris  cum  galea  diligenciam  faciatis,  oro.  Qne  quidem  arma  non  sine 
magno  gaudio  ex  marcatore  presenti  snscepi.  Miror  non  parum, 
([uod  clerici  civitatis  Hildensemensis  pariter  et  Carthusienses  vitam 
(livi  Bennionis  cnpiniit  habere  breviorem,  cum  tarnen  pro  sua  sanc- 
titate  amplianda  et  publicanda  magis  bmgior  quam  brevior  esse  de- 
horet,  nee  ])lacet  michi  illa  breviatura  domini  suffraganei.  Cogitabo 
tamcn  cum  tempore  cum  domino  licenciato  Emser,  quatinus  quod- 
dam  compendium  ex  vita  sua,  quanto  brevius  tieri  possit,  colligatur, 
sed  quod  imprimi  debeat.  de  lioc  plene  non  deliberavi.  Et  si  non 
prologum  sive  primam  partem  de  fnndaciono  ecclesie  et  civitatis 
Misznensis  legere  velint,  legant  que  ipsis  magis  grata  erunt.  Trans- 
mitto  tamen  per  presentem  banilum  quandam  breviaturam  seu  com- 
pendium per  me  coUectam  et  faciatis  cum  eodem  sicut  pbxcuerit. 
Cum  hiis  in  Christo  feliciter  vos  et  iVatres  vestros  valere  velim. 
Quibus  me  in  oracionibus  suis  devotis  humiliter  commendo.  Datum 
Miszne  XIII.  die  mensis  Aprllis  anno  domini  etc.  XYI.  Diligenter 
persuasi  domino  Johanni  de  Sleinitz  hospiti  vestro,  quod  eciam  vobis 
scribat,  quod  et  facere  michi  promisit.    Iteriim  valete  felix. 

Johannes  Henning  doctor  decanus  Misznensis. 


IX.! 

Hennig  an  Johann,  Abt  des  MichacUsklostcrs  in  Hihleshcim : 
übersendet  die  abgekürzte  Vita  Bennonis  unter  Hinivcis  auf  eine 
Veränderung  des   Textes. 

Koni,  1521,  März  13. 

[fol.  65. J  Post  bumilem    sui  commendacionem,  reverendissime    pater  co- 

lendissume,  mitto  cum  presenti  tabellario  v[estre]  r[everendis5ime] 
))[atcrnitati]  vitam  beati  Bennonis  hie  Rome  brevissume  conceptam  et 
duplicatam  una  cum  miraculis  per  reverendissimos  douiinos  car- 
dinales  assumptis  et  approbatis,  nee  moveat  p[aternitatem]  v[estram] 
illud  nota  Bultenbcrgcnsis  in  vita  abbreviata,  quod  sie  cardinales 
liic  in  llomana  curia  ordinaverunt  et  assumpscrunt.  Videbatur  enim 
cardirialibus  ille  terminus  Woldenbcrg  valde  crude  et  inconsuete  so- 
nare.  Idcirco  ordinaverunt  in  reuiedium  soni  secundum  linguam 
Italicam  Bnltenberg  pro  Woldenberg.  Festum  autem  sancti  Benno- 
nis post  festa  passchalia  juxta   promissionem   summi  pontificis  cele- 


Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Vita  Bennonis  Misnensis.     141 

brandum")  Rome  spero.    De  eo  autem,  quod  in  Miszua  cum  tempore 
agendum  erit,  pariter  signiticabo.     Interea  me  Vestris  dovotis  oraci- 
onibus  et   beati  Bennonis  precibus  huniiliter  commendo.     Que  feli- 
cissinie  valeat.     Datum  Roma  13  Marcii  anno  vicesimo  primo. 
Johannes  Henning  doctor  decanus  Misznensis. 

Reverendo  patri  et  domino  Johanni  abbati  cenobii  sancti  Mi- 
chaelis in  Hiblenseni  ordinis  sancti  Benedicti,  majori  suo  colendissimo. 

X. 

Hennig  an  Rose:  zeigt  die  erfolgte  Kanonisation  Bennos  durch 
den  Papst  an. 

Meissen,  1521,  September  11. 

S.  p.  d.  Litteras  (sie)  vestras,  carissime  frater,  domino  reverendis-  [fol.  65.] 
simo  episcopo  Misznensi  niissas  ad  meas  pervenerunt  manus,  volens 
reverendum  patrem  defunctum  dominis  canonicis  commendare.  Causa 
canonisacionis  beati  Bennonis  per  papam  et  omnes  cardinales  est 
decreta  et  conclusa,  quod  omnino  debeat  celebrari,  sed  certa  dies 
non  est  assignata.  Hec  vobis  pro  consolacione  et  fratrum  vestrorum 
volui  brevissime  sicrnificare.  Valete  ielix  et  deum  pro  felici  hujus 
canonisacionis  expedicione  diligenter  orate.  Datum  Miszne  die  Mer- 
curii  post  l'estum  nativitatis  Marie  anno  etc.  XXI. 

Johannes  Hennig  doctor  ecciesie  Misnensis  decanus, 

Sacre  religionis  viro  fratri  H[enningo]  R[osen]  monasterii  s. 
M[ichaelis]  in  Hildensem  professo,  fautori  sinceriter  diligendo. 

XI. 

Dr.  Matthäus  von  Grossenhain,  CoUegiat  zu  Leipzig,  an  Rose : 
dankt  für  dessen  Schreiben,  und  stellt  Nachricht  über  das  Fest  der 
Kanonisation  Bennos  in  Aussicht. 

Leipzig,  1523,  September  1. 

Matheus  Haynis  doctor  coUegiatus  Liptzensis  ver.erabili  et  re-  [fol. 93b.] 
ligioso  p[atri]  Henningo  Rosen  in  monasterio  s.  Michaelis  in  Hilden- 
sem agenti,  fautori  singularissimo. 

Salutem  dicit  in  Christo.  Charissime  domine,  pater  relligiose 
Henninge.  Suscepi  ex  presencium  ostensore  et  exhibitore  magistro 
Hennirgo  gratissimo  animo  litteras  paternitatis  vestre  ad  dominum 
decanum  Misznensem,  gernianum  meum,  datas,  quas  nunc  habito 
fideli  nuncio  hodie  ad  Misznam  ti'ansmittam.  Et  quicquid  responsi 
obtinuero  ex  domino  decano,  paternitati  vestre  cum  tempore  signi- 
ticabo et  maxime  futuram  solempnitatem  in  ecclesia  celebrandam  pro 
cauonisacione  beati  patris  episcopi  olim  Misznensis  Bennonis  jam  dei 
gracia  et  unanimi  consensu  cardinalium  per  sanctissimum  dominum 
papam  Adrianum  in  Romana  curia  asscripti  ad  cathalogum  sanctorum, 
de  quo  deo  laus  sit  propter  salutem  fidelium  et  patrie  Misznensis 
honorem  in  secula  seculorum.  Cum  hiis  me  commendo  oracionibus 
vestris  humilime.  Datum  Liptzk  in  die  sancti  Egidii  anno  etc.  vi- 
cesimo tercio. 


")  Handschrift:  celebrandam. 


142  ^   Doebner: 

XII. 

Hciiiiig  (tu  lifoicj :   vcrMtiidigt  die  Aufnahme  Bennos  in  den 
Heilifienkatalofj. 

■^  ^  Melsseii,  1623,  Oktober  1. 

[toi.   Gi').]  Post  jugHin   complacendi   affectiiiii.     Religiöse  frater  et  amice 

cliarissiine.  Litteras  vestras  die  inveiicioiiis  sancti  Stepliaiii '-')  datas 
de  mense  Septembri  Misziie  cum  gratitiidine  suscepi.  Vos  et  totuni 
vestrum  conveiitum  consolando  vere  significo,  saiictum  Jienuoiiein 
quondam  coiigregacionis  vestre  fratrem  et  deiude  predicte  eiclesie 
Misziieiisis  dignissiimun  presulem  ultima  May,  (lue  fuit  dies  iudividue 
et  sancte  Trinitatis,  per  sauctissimum  dominum  iiostrum  Adiiaunm 
papam  cum  magua,  uti  debuit,  solempuitato  in  ecclesia  sancti  Petri 
Korne  «auctorum  <'athalogo  est  publice  et  solernpniter  asscriptus  et 
assiguatus.  Do  quo  deus  omuipoteiis  post  longa  devotorum  snspiria 
eternaliter  sit  lienedictus.  Cujus  in  ecclesia  Misznensi  solcmpuitatem 
illnstrissimus  princeps  et  dominus  üeorgiiis  Saxonie  dux  una  cum 
episcopo  et  capitiilo  decima  sexta  die  mensis  Junii  celebraudam  dc- 
creverunt,  nisi  pestis  et  alia  maxima  occurant  impedinienta.  Fratres 
vestri  in  Christo  det'uncti  aniore  fraternitatis  deo  omnipotenti  pro 
eterna  requie  sint  deo  commendati.  Cum  hiis  me  eciam  toti  con- 
ventui  in  oraciones  vestras  humiliter  coramendo.  Datum  Miszne  in 
die  sancti  Remigii  episcopi,  que  fuit  prima  Octobris  anno  domini  M 
quingentesimo  vicesimo  tercio. 

Johannes  Henningiis  doctor  ecclesia  Misznensis  decanus. 
Sacre   religionis  viro   f[ratri]  II[enningo]  ]I[osenl  cenobii  sancti 
Michaelis  in  Hildensem  ordinis  sancti  Henedicti  prol'esso,  tautori  ac 
IVatri  sincerissimo. 

XIII. 

Arnold,  cpiscojms  Misicnsis  ('^)  und  Weihbischof  von  Hildes- 
he'm,    an  Hermann,   Alt    zu   St.   Michael:    übersendet    lieliqiiien. 

115241'). 

lfol.l"r2.]  Revertjude  pater  et  domine,  seniper  observantissime  preceptor. 

Vestre  reverende  jjaternitati  has  duas  cirothecas  puro  et  simplici 
corde  donando  otl'ero  et  humili  precum  instancia  obsecro  dominum 
meum  prestantissimum,  velit  parvitati  mee  graciose  de  sacraiissimo 
pignore  sancti  Bennonis  presulis  excelientissimis  ad  quantitatem 
dumtaxat  leritis  impartiri.  Quam  particulam  sincerissima  devocione 
circa  cor  meum  gestabo.  lluic  pie  ])eticioni  vestra  reverenda  pa- 
ternitas  queso  annuere  dignetnr.  Pro  cujus  vicissitiuline  morem 
domino  meo  preceptori  semper  colendissimo  paratus  sum  gerere 
liene  valete  in  Christo. 

Arnoldus  Misiensis  episcopns  ac  Hildensemensis  suffragancus, 
vestre  revereiule  paternitatis  servitor  promptissimus. 

12)  August  3. 

!•')  Aus  Hildesheim,  in  seinem  Hause  im  Brühl  1524  März  30 
(feria  4  ta  in  vaschalibns)  datiert  ist  der  in  der  Hundschrift  folgende 
Brief  Bischof  Ar)wlds  an  doiscihcn  Abt  Hermann,  in  ivelchon  er 
itach  Klage)i  über  seine  bedrängte  Lage  fortfahrt:  (^tuorsum  liec 
omnia  in  volucro  repetito,  principio  nimirum  ut  vestra  reverenda  pa- 
ternitas  inedie  mee  dignetur  graciose  lavere  et  quosdam  importunos, 
tem'ces  et  indiscretos  homines  cum  certis  rebus  consecrandis  ad  of- 
ticium  nostrum  pontiticale  dirigere,  maxime  me  quo  ad  sanctorum 
ymagines  indnlgencie  episcopales  contempnantur . 


Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Vita  Bennonis  Misnensis.     143 

XIV. 

Magister  Henning  Pirgallius  an  Rose :  fordert  ihn  auf,  zur 
Feier  der  Translation  der   Gebeine  Bennos  zu  kommen. 

Leii»zig,  1524,  April  22. 

Magister  Henningus  Pirgallius  de  Lypsz  scribit  f[ratri]  H[en- 
iiingoj  K[osenj. 

Salutem  plurimam  dicit.  Charissinie  frater  Henninge.  Ut  nee 
te  nostri  lateant  successus,  accipe,  nos  ventis  foveri  secundis  et 
clemencia  altissimi  sanitale  pristina  spirare.  Ceterum  pollicitacio- 
nibus  tuis  satisfeci  ac  Lune  clarissimi  domini  Jheronimi  Empseri 
lucubracionem  nostrain  exposui,  unde  iion  modicum  salutis  emer- 
surum  spero.  Fnit  enini  idem  rriticus  valde  gavisus  de  inea  pre- 
sencia  seque  sponte  ad  quevis  placita  obtulit.  Et  ante  oinnia  peciit 
te  salutareui  et  summopeie  tuam  in  translacione  divi  Bennonis  exoptat 
presenciam.  Age  itaque,  huc  te  recipias  et  uos  in  collegio  novo 
visitarc  ne  preterniittas.  Moiamur  enim  in  primo  palacio  ad  dextrain, 
ubi  lignea  est  ante  clausura.  Quicquid  enim  potero  ad  dei  sancto- 
rumque  ejus  laudeni  eftieere,  patrabo  quam  lubens,  tarn  etsi  nasutu- 
lorum  tuiba  livore  contabescat.  Vale  ouinium  longissime.  Ex  Lipsico 
rauseo  anno  MDXXIIII.,  X.  kolendas  May. 

Henningus  Pirgallius  tuus. 


XV. 

Rose  an  Matthäus  von  Grossenhain  zu  Leipzig:  berichtet  über 
die  Aufnahme  der  Reliquien  des  h.  Benno  in  Uildesheim 

HiUlesbeim,  1524,  Juli  28. 

Littere    misse     ad    cgregium    doctorem    Mattheum    Haynis   in[fol.ll2b. 
Lypsz  per  f[ratrem]  H[enniiigum]  R[osen]. 

Post  ofticiosam  conimendacionem  oraciones  in  Christo  utinam 
devotas.  Nuper,  egregie  doraine  doctor,  apud  eximium  virum  tratrem 
vestrum  Misznensis  ecciesie  decanum  et  dominacionem  vestram  in 
Miszna  constitutus  et  diversis  occupacionibus  pro  reliquiis  impetrandis 
prepeditus  non,  ut  debui,  sed  prout  potui  grates  pro  beneticiis  ex- 
solvi,  quia,  unde  multa  tribuerem,  non  habui.  Verumtamen  benefi- 
cium  apud  nos  corrunipi  et  consenescere  existimavimus.  Hilari 
namque  fronte  et  voce  jocunda  et  quantocius  gracie  reddcnde  sunt. 
Et  quid  agam.  Pauper  sum  ego  et  inops  a  juventute  mea.  Dens 
igitur  omnipotens  et  retributor  omnium  bonorum  retribuat  domina- 
cioni  vestre  et  omnibus,  qui  nobis  in  via  constitutis  manus  porrexe- 
runt  aüjutrices.  Hiis  habitis  subticere  non  valeo,  excellentissime 
domine  doctor,  quanto  studio,  quanta  denique  jocunditate,  quantave 
reverencia  et  solerapnitate  pro  sacris  reliquiis  mtroducendis  in  Hil- 
densem operam  dedimus.  'i'ota  namque  civitas  nobis  occurrens  con- 
gratulabatur.  Omnis  denique  clerus,  omnes  religiosi,  omnes  cives 
cum  processione  solempni  nos  susceperunt,  et  dominus  noster  abbas 
reliquias  infulatus  in  habitu  solempni  et  sacris  vestibus  suscipiens  et 
civitatem  ab  intra  circueuntes  versus  forum,  tandem  ad  monasterium 
cum  cantu  et  vociferacione  solempni  ad  monasterium  deduxerunt. 
Quid  amabilius,  quid  religiosius,  quid  inquam  melius,  quid  devocius 
possit  accidere  quam  tarn  solempnem  processionem   inspicere   popo- 


144     R'  Doebner:  Aktenstücke  zur  Geschichte  der  Vita  etc. 

Inmque  tarn  devotiim  mauihiis  complosis  deiim  et  sanctiim  iiovmii, 
nostriini  i)»tromiin,  snpplicaiiteni.  Vidi  plerosque  lacriiiiaiites  preyaudio 
in  adveiitn  liujus  sanctissimi,  iiostri  putroni.  Denique  ecclcsiaiu  iii- 
gressi  post  Te  deum  landamus  in  organis  et  per  choros  decantatum 
senno  solempnis  in  arabone  de  adventu  reliquiaram  est  habitus. 
Kogo  igitnr  obnixe,  sapiciitissime  domine  doctor,  iit  suscipiatis  litteras, 
quas  misi  modo,  et,  si  lommode  tieri  poterit,  domino  Joronimo  Enipser 
in  Diesen  ducis  Georgii  secretario  transmittatis  vel  saltem  fratri 
vestro  domino  decano  ad  Misznam,  per  cnjns  manus  domino  Jeronimo 
presontentiir.  Quibus  in  rebns  dominacioni  vestre  iternm  coniplacere 
potuero,  nnnquam  paciar  neglectum.  Salntetnr  eximins  et  reveien- 
dissinins  doniinns  doctor,  i'rater  vester,  dominus  decanns  nomine  meo 
cum  multa  graciarura  accione  etc.  Ex  monasterio  .nostro  sancti 
Michaelis  in  Hildensem  ipso  die  Jovis  post  festum  beate  Marie  Mag- 
daleno  anno  saUitis  inillesimo  quingentesimo  vicesimo  ({uarto. 


vn. 
Kleinere  Mittheilungen. 

1.    Eiu  hussitischer  Spion  1430. 

Von  Otto  Richter. 

Zu  Ende  des  Jahres  1429  hatten  die  Hussiten  die 
meissnischen  Lande  durchzogen  und  mit  Feuer  und  Schwert 
schrecklich  verwüstet.  Im  Sommer  1430  sah  die  geäng- 
stete  Bevölkerung  einem  neuen  Einfalle  der  „verdammten 
Ketzer"  entgegen,  ohne  dass  jedoch  ihre  Befürchtung  sich 
bewahrheitete.  Mehrere  darauf  bezügliche  Schriftstücke 
sind  im  Urkundenbuche  der  Stadt  Dresden  abgedruckt^). 
Denselben  reiht  sich  der  nachstehend  mitgetheilte,  im 
Dresdner  Rathsarchive  vorhandene  Brief  vom  15.  Juli 
1430  an,  worin  die  Landesfürsten  den  Rath  benachrich- 
tigen, dass  ein  hussitischer  Spion  im  Begriff  stehe,  von 
Saaz  aus  die  meissnischen  Lande  zu  durchziehen;  er 
trage  eine  blaue  Kapuze,  eine  schwarze  und  eine  weisse 
Hose,  unter  den  Knien  gebunden,  und  eine  Joppe,  in  der 
er  zwischen  den  Schultern  seine  Briefe  verborgen  halte; 
da  er  durch  lustige  Reden  die  Wachsamkeit  der  Leute 
einzuschläfern  verstehe,  sei  er  besonders  gefährlich,  wes- 
halb man  vor  ihm  Tag  und  Nacht  auf  der  Hut  sein  und 
ihn  zu  ergreifen  suchen  solle.     Der  Brief  lautet: 

Friderich  und  Sigmund  gebrudere  von  gots  gnaden  herczogiu 
zu  Sachzen. 

Liben  getruwen.  Wir  sint  eigintlichin  bericht,  wie  das  die 
vordampten  kecczer  gar  vil  kuntschatt't  mit  heimlichen  boten  in 
unsern  landen  ußrichten  und  nemlichin  iczund  eyn  böte  zcu  Sacz 
sy,  der  sich  hüte  irhebin  und  heruß  in  unsire  lande  noch  kuntschafift 
gehin  solle,  derselbe  böte  yn  vor  vil  heymlichir  kuntschaft't  ußge- 
richtet  habe  und  iczunt  abu-  ußrichten  solle,  davon  uns  und  unsern 
landen  groß  schade  entstehin  mochte.     So  sint  ■n-ir  ouch  bericht,  wy 

M  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  5,  149  tlg.,  vergl.  dazu  154  tlg. 

Keue8  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VII.  1.  2.  10 


J4G  Kleinere  Mittlieilungen, 

(las  derselbe  böte  eyne  blähe  kogil -')  uff  habe  und  zcwu  liosen  an, 
eyno  swarcze  und  eyne  wisse  under  den  knyen  i^ebunden,  und  habe 
sync  brieve  in  der  jopen  zcwisschen  den  schuldem  und  sy  euch, 
als  wir  berichtet  synt,  eyn  goumclman  •),  so  das  ers  den  luten  mit 
wunderlichin  und  gemlichin ')  reden  vorwildern'')  kan,  das  mau  nicht 
achtunp^e  sere  off  yn  habe.  Davon  begern  wir  von  ucli  mit  Hisse, 
das  ir  uff  dy  Strassen  von  stund  bestellit  und  ouch  an  den  torn  tag 
und  nacht  daruff  sehin  und  achtun ge  hal)iu  lasset,  ab  man  den  an- 
körnen und  begriffen  möge,  wanne  das  uns,  unsern  landen  uiul  uch 
grossen  fromen  brengin  wurde,  dorumbe  syt  daran  flissig  und  be- 
stellit ouch,  das  das  heymlichen  gelialden  werde.  Daran  tut  ir  uns 
wol  czu  dancke.  Gegebe«i  zcu  llochlicz  am  sonabinde  noch  Mar- 
garethe  anno  etc.  tricesimo. 

Aufschrift:  Dem  rate  zcu  Dresden  unsern  libeu   getruwen. 

(Siegel  unter  Fapicrdecke  zum   Verschluss  aufgedrückt. J 


2.    Zur  (iescliiclite  der  Liixeinburger  Streitigkeiten 

1440-1443. 

Von  Ludwig  Schmidt. 

Die  Königliche  öftentlichc  Bibliotliek  in  Dresden  be- 
wahrt unter  der  Signatur  F.  172 <'  ein  handscln-iftliches 
Fornielbuch  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert,  welches 
für  die  Geschichte  dieser  Zeit  eine  Reihe  werthvoUer 
Briefe  und  Aktenstücke  enthält''),  trotzdem  aber  bis  jetzt 
nur  zum  geringsten  Theile  bekannt  und  benutzt  worden 
ist').  Für  die  sächsische  Geschichte  ist  darunter^)  von 
Wichtigkeit  ein  interessantes  Schreiben  Kaiser  Friedrichs  III. 
an  den  burgundischen  Herzog  Philipp,  welches  den  Streit 
zwischen  diesem  und  den  beiden  sächsischen  Fürsten 
Kurfürst  Friedrich  dem  Sanftmüthigen  und  Herzog  Wil- 
helm um  Luxemluu'g  betrifft  und  das  ich  hiermit  der 
Öllentlichkeit  übergebe.  Eine  genaue  Übersicht  über 
diese  Vorgänge,  die  hier  nicht  gegeben  werden  kann, 
findet  man    bei    Löher,    Kaiser    Sigmund    und    Herzog 


-)  kogil,  kugel,  gngel  =  Knimzc  liber  den  Kopf  zu  ziehen  am 
Rock  (Lexer). 

•')  goumel,  goumer  =  der  Aclit  giebt  auf  etwas,  Aufseher, 
Aufpasser. 

')  gemelich  =  lustig,  spasshaft,  ausgelassen. 

•'■)  verwildeu  =  entfremden,  verwandeln. 

")  Vergl.  Schnorr  von  Caiolsfeld,  Katalog  der  Handschriften 
der  Königl.  offentl.  Bibliothek  zu  Dresden  I  (1882),  417. 

■^)  Einige  Stücke  hat  Herschel  im  Serapeum  XVII,  XVIII 
(1856,  1857)  herausgegeben. 

")  Bl.  78  b  und  79. 


Kleinere  Mittheilungen.  147 

Philipp  von  Burgund,  im  Münchner  historischen  Jahr- 
buch für  186G  p.  397  flg.,  ßertholet,  Histoire  eccle- 
siastique  et  civile  du  duche  de  Luxemboiu'g  VII  (1743), 
388  flg.,  sowie  besonders  in  den  Regesten  zur  Geschichte 
Luxemburgs  in  den  Publications  de  la  section  historique 
de  l'institut  royal  grand  ducal  de  Luxembourg,  XXVIII 
(1873),  1  flg.  Das  Schreiben  selbst  ist  leider  undatiert 
überliefert;  doch  ist  es  mit  ziemlicher  Sicherheit  in  den 
Juni  1443  zu  setzen,  da  darin  auf  die  Zusammenkunft 
von  Besancon  (November  1442)  als  bereits  geschehen 
und  auf  das  Fest  Johannis  des  Täufers  (24.  Juni)  als 
nahe  bevorstehend  (proxime  futuram)  Bezug  ge- 
nommen wird. 

Fridericus  Romanorum  rex  Philippo  duci  Burgundie. 

Illustris  princeps  consaiiguinee  noster  carissime.  Cum  pridem 
Bisuiitini  essemus"),  inter  alia  que  nostri  tuique  invicem  consiliarii 
commnnicarunt,  etiara  de  Lucemburgensi  ducatu  factum  fait  verbum. 
Nosque  collocutiones  illas  intimare  velle  illustri  Friderico  duci  Sa- 
xonie,  sacri  Imperii  archimarschallo  lantgravioque  Thoringe  ac 
niarchioni  Misnensi  sororio  uostro  carissimo  disposuimus,  sicut  et 
postmodiim  o  vestigio  fecimus.  Sed  quia  dux  ipse  in  longinquis 
part.ibus  et  in  ultimis  terrarum  suarum  finibus  in  praesentiarum 
{sie  cod.;  in  praesentia?)  existit,  responsum  habere  ab  eo  non 
potuimus.  Interea  vero  audivimus  dilectionem  tuam  nonnullas  gentes, 
videlicet  comitem  Rupertum  de  Yirnberg  cum  aliis  certis  tuis  arrai- 
geris  in  ducatum  Lucemburgensem  transmisisse  ad  prosecutionem 
intenti  tui,  idemque  et  praedictum  duceni  Saxonie  pro  parte  sua 
fecisse  percepimus.  Que  res  non  parvam  displicenciam  atque  mo- 
lestiam  nobis  fert  facile  per  tales  vias  guerrarum  oriri  semina  et 
amicabilis  concordie  media  praecludi  posse  timentibus.  Cupientes 
tamen,  quantum  in  nobis  est,  tractatum  ipsum  amicicie  inter  utrumque 
vestrum  querere  ac  super  eo  efficaciter  laborare,  dilectionem  tuam 
hortamur  et  rogamus  attente,  ut  dictum  de  Yirnberg  aliasque  gentes 
tuas  sie  retinere  et  revocare  velis,  ne  ad  aliquam  offensam  pacem 
Lucemburgensem  et  partem  dicti  ducis  Saxonie  procedant,  sed  indu- 
tias  illas  amicabiles,  que  pridem  Francofordie^")  ad  festum  omnium 
sanctorum")  Statute  fuerunt,  sub  eisdem  coudicionibus  et  benevo- 
lentiis  usque  ad  celebritatem  sancti  Jo.  Baptisten-)  proxime  futuram 
teneas  et  ditFeras  nostro  intuitu,  qui  res  libenter  videremus  amica- 
bili  fine  componi.  Simili  autem  modo  scripsimus  praefato  duci 
Saxonie,  neu  minus  eum  quam  te  aditidem  obnixe  exhortantes. 
Quod  si  a  tua  dilectione  et  ipso,  ut  iustum  est  et  ut  spem  gerimus, 
obtentum  fuit  durantibus   eisdem   indiciis   pacis    et    amicicie,   media 


»)  Vom  1.— 9.  November  1442,  siehe  Löher  a.  a.  0.  p.  398—402. 
Regesten  zur  Geschichte  Luxemburgs  No.  185. 

10)  Vergl.  dazu  besonders  das  Schreiben  Philipps  an  Friedrich 
und  Wilhelm  von  Sachsen,  Regesten  zur  Gesch.  Luxemburgs  Mo.  188. 

")  1.  November. 

1-)  24.  Juni. 

10* 


148  Kleinere  Mitthoilungen. 

inter  vos  soUicito  pcrquirenitis  iiiiUis  parcentes  fatigiis  aut  laborihiis, 
ut  stabil!  beiievoleiitie  viiiciilo  iiixta  nostrum  possitis  desiiierium 
satiari.     Datum  .... 

3.   Spuren  Meister  Arnolds  von  Westfalen. 

Von  Otto  Richter. 

Das  Leben  Meister  Arnolds,  des  Erbauers  der  Albrechts- 
burg in  Meissen,  ist  bis  zu  seiner  im  Jahre  1471  erfolgten 
Anstellung  als  Baumeister  der  fürstlichen  Brüder  Ernst 
und.  Albrecht  in  undurchdringliches  Dunkel  gehüllt''"'). 
Jede  Nachricht  niuss  daher  willkommen  sein,  welche  über 
sein  Vorleben  einiges  Licht  verbreiten  kann.  Vielleicht 
vermag  dies  der  unten  abgedruckte  Brief,  der  im  Raths- 
archive  zu  Dresden  aufbewahrt  wird  und  bisher  unbeachtet 
geblieben  ist.  Es  ist  ein  Schreiben  des  Erzbischofs  Fried- 
rich von  Magdeburg  vom  25.  Februar  1459,  worin  dieser 
den  Beistand  des  Rathes  zu  Dresden  gegenüber  dem 
Steinmetzen  „Arnd",  der  ihm  den  Arbeitsvertrag  ge- 
brochen, in  Anspruch  nimmt.  Arnd  habe,  so  schreibt  er, 
den  Umbau  des  Mushauses  am  erzbischöflichen  Schlosse 
zu  Calbe  übernommen  und  den  vereinbarten  Lohn  bis 
auf  ungefähr  3  alte  Schock  Groschen  bereits  empfangen, 
den  Bau  aber  zu  einem  grossen  Theile  unausgeführt  ge- 
lassen. Für  ein  zweites  Gebäude  am  Schlosse,  zu  dessen 
Ausführung  Arnd  gegen  einen  weiteren  Lohn  von  20  alten 
Schocken  sich  verpflichtet  habe,  seien  bereits  bedeutende 
Summen  anf  Abbruchs-  und  Erdarbeiten  verwandt  wor- 
den, und  nun  sei  der  Baumeister  davongegangen.  Auf 
seine  zweimalige  Auftbrderung  schreibe  ihm  dieser,  dass 
er  die  Arbeit  in  Calbe  nicht  vollenden  könne,  da  er  sich 
in  den  Dienst  des  Dresdner  Rathes  begeben  habe.  Der 
Erzbischof  bittet  den  Ruth,  ihm  seinen  entlaufenen  Werk- 
meister nicht  vorzuenthalten,  sondern  denselben  zur  Er- 
iüllung  seiner  älteren  Verpflichtungen  zu  vermögen. 

Dass  Erzbischof  Friedrich  am  Schlosse  zu  Calbe  ge- 
baut hat,  wird  auch  durch  den  Chronisten  bestätigt'^), 
urkundliche  Nachrichten  darüber  sind  aber  weder  im 
Staatsarchive  zu  Magdeburg  noch  im  Stadtarchive  zu 
Calbe  aufzufinden  gewesen.     Von  diesen  älteren  Gebäuden 

'■')  Th.  Distel,  Meister  Arnold,  in  von  Webers  Archiv  für 
die  Sachs.  Geschichte,  N.  F.  IV,  .31.5  tlg.,  V,  282  flg.  und  im  An- 
zeiger für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1882,  No.  2,  Sp.  45  flg. 

*■')  Iliivecker,  Cbronica  und  IJesclireibung  der  Städte  Calbe, 
Aken  und  Wuntzleben.    U.  Ausg.,  Ilalberstadt  1720,  S.  13,  ij.  i;i. 


Kleinere  Mittheilungen.  149 

selbst  ist  auch  so  gut  wie  nichts  mehr  vorlianden,  seitdem 
das  Scliloss  durch  den  Kardinal  Albrecht  und  später 
durch  den  Administrator  Joachim  Friedrich  umfassende 
Umgestaltungen  erfahren  hat'*)- 

Über  den  Aufenthalt  jenes  Arnd  in  Dresden  giebt 
das  urkundliche  Material  nur  geringe  Andeutungen.  Im 
Geschossregister  von  Michaelis  1459  taucht  ein  „Arnult" 
auf,  bei  liorenz  Heyneman  in  der  Wilischen  Gasse  wohn- 
haft und  mit  1  Groschen  halbjährlichem  Geschoss  einge- 
schätzt. Derselbe  ist  als  Aruult,  Arnuld  oder  Arnold 
auch  noch  in  den  folgenden  drei  Geschossregistern  von 
Walpurgis  und  Michaelis  1460  und  Walpurgis  1461  auf- 
geführt, jedoch  ohne  Hinzufügung  eines  Steuerbetrags ; 
in  einem  Heerfahrts-eldreofister  von  1460  ist  er  mit  2  Gro- 
sehen  angesetzt.  Dass  dieser  Arnold  dieselbe  Person  ist 
wie  der  Baumeister  Arnd,  kann  kaum  zweifelhaft  sein, 
da  beide  Namensformen  sich  decken  und  seine  Erwähnung 
in  Dresden  sich  zeitlich  fast  genau  an  das  erzbischöfliche 
Schreiben  anschliesst,  überdies  auch  der  Name  Arnold 
in  den  Geschossregistern  jener  Jahre  weiter  nicht  vor- 
kommt. Der  niedrige  Betrag  von  1  Groschen  halbjähr- 
lichem Geschoss  war  für  Werkleute  ohne  Vermögen  der 
übliche;  wenn  Arnold  seit  1460  kein  Geschoss  mehr  zahlt, 
so  deutet  dies  allerdings  darauf  hin,  dass  er  im  Dienste 
des  Rathes  stand.  Welches  der  Bau  war,  bei  dem  er  in 
Dresden  beschäftigt  wurde,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  er- 
mitteln. Die  hervorragendsten  Bauwerke  der  Stadt  waren 
die  Kreuzkirche  imd  die  Eibbrücke;  an  beiden  wurden 
in  jenen  Zeiten  auf  Kosten  des  Brückenamts  wiederholt 
grössere  Erneuerungs-  und  Umbauten  vorgenommen,  zu 
deren  Leitung  alsdann  ein  Baumeister  jahrelang  angestellt 
war.  Leider  sind  die  Brückenamtsrechnungen  für  die 
Jahre  1459  bis  1461  nicht  erhalten,  aber  aus  der  im 
Hauptstaatsarchive  vorhandenen  Rechnung  von  1462  er- 
giebt  sich,  dass  damals  der  Bau  einer  neuen  Kapelle  an 
der  Kreuzkirche  im  Gange  war.  Als  bauführender  Stein- 
metz wird  darin  ein  „Meister  Peter"  genannt,  der  neben 
einem  Wochenlohn  von  20  Groschen  jährlich  1  Schock 
20  Groschen  zu  einem  „Hofgewand"  und  1  Schock  Groschen 
zu  „Opfergelde"  bezog  und  auch  1467  noch  im  Dienste 
des  Brückenamts  stand.  Allem  Vermuthen  nach  war 
dieser    Bau    vorher    von    Meister  Arnd    geleitet    worden, 

''')  Nach  freimrllicher  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  G.  Hertel  in 
Magdeburg. 


150  Kleinere  Mittlieilungen. 

aber  nur  bis  zum  Jalire  14()1,  seit  welchem,  wie  erwälmt, 
sein  Name  auch  aus  den  Geschossregistern  verschwindet. 
Die  Urkunden  lassen  zunächst  nur  die  Mög-lichkeit 
7Ai,  dass  der  von  Calbe  nach  Dresden  gekommene  ]>:iu- 
raeister  Arnd  der  berühmte  Arnold  von  Westfalen  gewesen 
sei.  Erwägt  man  aber,  dass  es  ein  schi*  auffälliges  Zu- 
samraentreÖcn  sein  würde,  wenn  um  ungefähr  dieselbe 
Zeit  zwei  zur  Ausführung  grosser  Rauten  befähigte  Stein- 
metzen mit  dem  in  unserer  Gegend  nicht  häufigen  Namen 
Arnold  hier  thätic'  trewesen  wären,  so  irewinnt  die  An- 
nähme  der  Übereinstimmung  beider  Personen  viel  Wahr- 
scheinlichkeit.   

Friderich  von  potes  gnaden  erczbischofF  zu  Magdburg  etc. 
Unnserii  gunstigen  willen  zcuvor.  Lieben  bysundern.  Wir  fugen 
ucli  wissen,  das  wir  uns  mit  Arnde  steinmeczen  eyns  gebuwdes,  das 
uns  bereite  vil  gekostet,  vortragen  haben,  unnser  niusbnß  an  unserm 
slos  zu  Calbe,  derwegen  nach  sinem  ratbe  en  teil  zubrocben,  das 
gebuwe  zcu  volbrengenn  ußgesnetten  zcedeln  mit  ym  gemacht  haben, 
er  sin  loen,  ym  davon  von  uns  gered,  er  vaste  uft'genohmen  unnd 
entpfangen  had  biß  utf  drie  aide  schog  nahe.  Aber  desselbgen  ge- 
buwes  ist  nach  eyn  groß  stucke  von  ym  nngemacht  blebeii.  So  hat 
er  nach  eyn  gebuwe  uns  zu  machen  angenohmen,  darvon  wir  ym  zu 
siner  persoen  zwenczig  aide  schog  geben  sollen  unnd  den,  die  ym 
helrten  werden,  sollen  wir  sunderlichen  loenen.  Unnd  haben  daruff 
aber  das  vorgnante  unser  slos  mit  durchbrechen  unnd  vil  erden 
daruß  graben  unde  enweg  füren  lasse  (h,  dasselbge  alle  uns  vil 
gekostet  hat.  Als  ist  uns  nu  derselbge  Arnd  aberunnig  worden 
unnd  sich  zu  uch,  als  wir  vorstellen,  zu  dinste  gethan.  Haben  wir 
ym  zwer  geschrihen  unnd  unser  botschaff  gethan  in  meynunge,  er 
wurde  siner  gelobde  uns  gethan  nicht  vergessen  haben.  Aber  ybe- 
doch  schribet  er  uns  iczund  solliche  arbeit  gancz  abe  unnd  berurt 
under  andern  sinen  worten,  das  er  der  von  uwers  dinstes  wegen 
nicht  geworten  könne.  Als  bitten  wir  in  vließe,  ir  wollet  uns  den- 
selbgen  unnsern  abentrunnen  wergman  nicht  vorentlialden  nach  yn 
wider  uns  vorteydingen,  sundern  yn  anhalden  unnd  vormoget  (!), 
das  er  den  gelobden  uns  gethan  nach  gnng  tliu,  uft'  das  das  wir 
deshalben  fnrder  arbeit,  der  wir  dann  niclil  sparen  wollen,  mochten 
vortragen  bliben.  Geben  zu  Calbe  uff  sontag  oculi  anno  domini  etc. 
L  nono. 

Aufschrift :   Den   erßamen    wiesen   burgcrnieistern    unnd   ratmannen 
zcu  Dresden  unnsern  lieben  bysundern. 

(Steffel  auf  der  Rückseite  unter  Papierdecke  zum  Verschluss 
aufgedrückt.) 

4.    Eigenliiindige  SchrifistiUlvO  Luthers  und 
Melanchthons. 

Von  Theodor  Distel. 

Im  Juli  des  vorigen  Jahres  wurde  von  Seiner  Älajc- 
stät   dem  Könige   von  Sachsen    Seiner   Kaiserlichen   und. 


Kleinere  Mittheiliiiigeu.  151 

Königliehen  Hoheit  dem  Kronprinzen  des  deutschen 
Reiches  und  von  Preussen  eine  in  der  Bibliothek  zu  01s 
aufgefundene  Pergaraentbibel  (Familienbibel  der  Podie- 
brads)  in  zwei  Bänden  vom  Jahre  1541  (AVittenberg, 
Hans  Lufft)^*^)  verehrt,  in  welclier  sich  neben  vielen  ge- 
nealogischen Einträgen^')  auch  folgende  eigenhändige 
Zeilen  Luthers  '^),  denen  leider  jede  Zeitangabe  fehlt ^•'), 
im  ersten  Bande  vorfinden: 

„Johannis  5to.   [Vers  391- 

Suchet  ymi  der  schrifft,  denn  yhr  mehiet  Ihr  habt  das  Ewige 
leben  drinnen.     Und  sie  ists  die  von  mir  zeuget  etc. 

Das  ist 
Weil  wir  selbs  halten  das  die  heilige  Schrifft  sey  Gottes  heilsames 
wort  welchs  uns  ewiglich  kan  selig  machen,  öo  sollen  wir  also 
drinnen  lesen  und  studiren  das  wir  Christum  drinnen  finden  bezeuget 
wie  S.  Paulus  auch  saget  Ro.  X  [Vers  4]  Christus  ist  des  Gesetzes 
ende  und  Ps.  40  [Vers"  9]  Im  Buch  stehet  geschrieben  von  mir  das 
ich  sol  Gott  deinen  willen  thun. 

Wer  nu  nicht  studirt  ynn  der  schrifft  (wie  uns  hir  Christus 
heisst)  der  kan  nichts  wissen  vom  Ewigen  leben  denn  er  lebt  ou 
Gottes  wort  on  welches  die  vernunfft  nichts  kann  vom  ewigen  leben 
recht  dencken  noch  reden. 

Wer  aber  also  drinnen  studirt,  das  er  Christum  nicht  drinnen 
findet  der  kan  das  ewige  leben  nicht  erlangen  ob  er  gleich  viel 
davon  höret -0)  reden  oder  auch  hofiet.  Wie  die  Juden  thun  als'-i) 
s.  Paulus  sagt  Act.  24  [?]  desgleichen  die  Munche  und 
alle  die  so  durch  Werk  wollen  selig  werdenn,  Denn  die 
schrifft  zeuget  von  Christo  das  Allein  der  so  an  yhn  glaubet  selig 
wird.  Isa[ias]  5,  3  [Vers  6]  Gott  hatt  unser  aller  siinde  auf  yhn 
gelegt.     Et  notitia  sui  justificabit  plurimos  etc. 

Martinus  Luther 
m.  prop." 


l^)  Die  in  dem  Texte  befindlichen  Bilder  scheinen  von  Cranach 
dem  Älteren  herzurühren. 

1')  Benutzt  von  Grotefend,  Stammtafeln  der  Schlesischen 
Fürsten  etc.  (Breslau  1875)  Ö.  51,  ein  anderer  Theil  derselben  aus 
dem  II.  Bande  —  Chronicon  Sarense  —  ist  z.  B,  gedruckt  bei 
Dudik,  Forschungen  in  Schweden  für  Mährens  Geschichte  (Brunn 
1852)  S.  381  Üg.,  vergl.  auch  Roepell,  Chron.  dom.  Sarensis  (Bres- 
lau 1854)  Anm.  2.  Eine  Abschrift  der  sämtlichen  Einträge  aus 
der  Bibel  ist  übrigens  im  K.  S.  H.-St.-A.  zurückbehalten  worden. 


von 
dr 

thums  Öls  (Breslau  1779)  S.  83,  weiter  vergl.  auch  S.  532  flg. 

^'■>)  Der  Luther'sche  Eintrag,  welcher  sicher  in  die  Zeit  von 
1541  bis  1546  fällt,  stammt  vielleicht,  wie  die  nachher  mitzutheilenden 
Einträge  Melanchthons  und  Luthers,  aus  dem  Jahre  1543. 

-")  Sinapius  liest  hier  „lernet". 

-1)  Die  gesperrt  gedruckten  Worte  („als  —  werdenn")  fehlen 
bei  Sinapius  gänzlich. 


152  Kleinere  Mittlieilungen. 

Aus  derselben  Bibliothek  stammt  ein  anderes  auf 
Papier  (in  schwarzem  Ledereinband  mit  Goldverzierungen) 
gedrucktes  Exemplar  dieser  Bibel,  welche  in  dem  Besitze 
Sr.  J\]ajcstät  des  Königs  von  Sachsen  verblieben  ist.  In 
dem  ersten  Bande  derselben  befinden  sich  auf  dem  vor- 
gehefteten  Pergamentblatte  die  folgenden  zwei  eigenhän- 
dio-en  P^inträjre  Melanchthons  xmd  Luthers  aus  dem 
Jahre   1548: 

„Hie  est  tilius  mens  dileetus,  liuin;  aiulite. 
Dises  sollen  alle  menschen  vor  allen  dingen  bewarliren,  das 
L'ott  nicht  allein  vns  erschaffen,  sondern  vber  das,  sich  selb  mit 
klaren  gewissen  zewgnis.  mirakeln  vnd  wort  geoffenbart  hatt,  von 
anfang  der  schöpfnng  an  für  nnd  fiir,  dnrch  die  väter,  propheten, 
seinen  son,  vnd  dnrch  die  aposteln,  denn  ehr  will  ein  ewiges  volk 
vnd  kirch  im  menschlichen  geschlecht  haben,  die  yhn  erkenne,  preyse 
vnd  ehre  mit  gehorsam  vnd  anruffen,  vnd  hatt  dise  seine  Offenbar- 
ung vnd  wort  in  gewisse  schrifft  fassen  lassen,  dadurch  will  ehr 
erkant  werden,  vnd  nit  durch  andre  lehr  von  menschen  erricht, 
ehr  hatt  auch  zugesagt,  das  allein  dise  sein  volk  sein  sollen,  welche 
sein  wort  in  diser  schrifft  der  propheten  vnd  aposteln  verfasszt,  in 
christlichem  verstand  annemen  vnd  glewben,  dise  sollen  gewisslich 
glewben,  das  sie  gott  auch  annemen  vnd  erhören  will,  wie  Johannis  15 
[Vers  7]  geschriben  stehet:  So  yhr  in  mir  bleibet  vnd  meine  wort 
in  euch  bleiben,  was  yhr  wolt  das  bittet,  das  wirt  euch  geben  werden. 

1543. 

Philippns  Melanthon." 

Auf  der  Rückseite  des  betreffenden  Pergamentblattes 
folgen  die  an  die  Melanchthonischen  Worte  anknüpfenden 
Zeilen  Luthers  in    zum  Theil   ganz   verblichener  Schrift : 

„Johannis  15  [Vers  7J. 

So  yhr  ynn  mir  bleibet  vnd  meine  wort  ynn  euch 
bleiben,  so  mügt  yhr  bitten  was  yhr  wollet  vnd  es  sol 
euch  widerfaren. 

Das  ist  vnd  heisst  ia  eine  grosse  herrlickeit  vnd  freyheit,  das 
wir  getrost  vnd  kintlich  zu  gott  beten  mugen  vnd  solle  alles  ge- 
wislich  erhöret  sein  wo  wir  zuuor  auch  yhn  vnd  sein  woit  hören 
vnd  da  bey  bleiben.  Vnd  ist  für  uns  ein  schöner  Wechsel:  Hörestu 
mich,  so  höre  ich  dich,  hörestu  mich  nicht,  so  höre  ich  dich  wider 
nicht.     Eins  umbs  ander  wie  du  wilt. 

Wie  unselig  sind  nu  die--)  feinde  oder  vorechter  des  worts 
gottes,  die  haben  keinen  gott,  do  sie  gleich  viel  beten,  so  höret  ers 
doch  nicht  Ps.  18  [Vers  42]  Sie  ruffen  aber  da  ist  kein  helffer  zum 
herrn,  aber  er  höret  nicht. 

Martin  US  Luther.  I).  Manu  ppria. 
1543". 


--)  Diese  fünf  gesperrt  gedruckten  Wörter  sind  fast  gänzlich 
verschwunden,  ihr  Wortlaut  wird  nur  vermuthet. 


Kleinere  i\littlieiluiigen  153 


5.    Zur  Entstelmngsgeschichte  des  Testamentes 
Melchior  von  Osses. 

Von  Theodor  Distel. 

Zwei  Jahre  nach  dem  Regierungsantritte  des  Kur- 
fürsten August  verfasste  Melcliior  von  Osse'-'O  sein  be- 
rühmtes „Testament",  eine  die  gesamte  Staatsverwaltung 
berücksichtigende  Denkschrift.  Zur  Entstehungsgeschichte 
desselben  sei  hier  kurz  folgendes  erwähnt'-^). 

Nach  Osses  Zuschrift  an  August,  welche  sich  vor  dem 
Testamente  in  der  nacherwähnten  Publikation  mit  abge- 
druckt findet,  ist  man  genöthigt,  anzunehmen,  dass  die 
Arbeit  lediglich  auf  einen  vom  Kurfürsten  unterm  16-  Au- 
gust 1555  gegebenen  Befehl  verfasst  worden  sei.  Aus 
einem  Reskripte  Augusts  vom  7.  Juli  genannten  Jahres 
an  diesen  seinen  Oberhofrichter  erfahren  wir  jedoch,  dass 
Osse  die  Sache  bei  August  zuvor  selbst  angeregt  hatte. 
Dasselbe  lautet  also: 

„....  Nachdem  du  iinß  vertreulich  antzaigen  lassen,  das 
du  unß  ettlicher  Sachen,  doran  unß  und  unsern  landen  und 
leutheii  viel!  gelegen,  in  gehainib  zu  berichten  unnd  derhalben  bitten 
lassen,  dich  zum  furderlichsten  selbst  an  unß  zu  beschaiden,  als 
weren  wir  gnedigst  wohl  genaigt  gewesen,  dich  personlich  zu  uns 
zu  erfordern  und  zu  hören.  Dieweill  es  aber  vieler  ungelegenheit 
halben  nit  wohl  fuglich  und  ohne  sonderlich  nachdencken  geschehen 
kann,  als  haben  wir  gegenwerttigen  unsern  rath  und  1.  g.  Dam 
V.  Sebottendorff,  welcher  in  besonderen  gnedigen  gutten  vertrauen 
bei  unß  stehet,  wir  auch  von  ime  wissen,  das  er  verschwiegen,  gegen 
dem  ir  euch  als  der  euch  etwas  mit  schwegerschafft  verwanth  ohne 
schew  eröffnen  möchtet,  zu  euch  abgeferttigt.  Und  begeren  demnach 
gnedigst  an  euch,  do  ir  unß  sachen,  doran  unß  oder  unsern  landen 
und  leuthen  gelegen,  zu  vermelden,  ir  wollet  dieselbigen  gedachtem 


-lä)  Vergl.  v.  Lange nn,  Melchior  von  Osse  (Leipzig  1858). 
Wie  hoch  Osse  von  August  geschätzt  wurde,  entnehmen  wir  dem 
kurfürstlichen  Befehl  an  ihn  vom  20.  Oktober  1554,  in  welchem  es 
heisst:  „weil  ir  ans  langer  erfarung  die  gebreuch  diser  sechsischen 
lande  vor  andern  erfarn,  —  wollet  ir  [die]  acta  mit  vleis  vorlesen 
und  erwegen  und  darauf  ein  urtel  in  unserm  namen  fassen  und 
stellen".  (Dresdener  H.-St.-A.  Cop.  265,  Bl.  571b.)  Das  Konsistorium 
zu  Leipzig  erwähnt  seiner  in  einem  Bedenken  an  den  Kurfürsten 
(30.  März  1571)  als  eines  erfahrenen  und  geübten  Mannes  „sonder- 
lich des  Sachsenrechts  und  des  Landesgebrauchs".  Daneben  wird 
seiner  Rechtsbücher  mit  werthvoUen  Randbemerkungen  gedacht. 
(Ebenda,  Loc.  9703:  Bedenken  1571—1650,  Bl.  36  flg.). 

.;-')  Bedencken  Dr.  Melchior  von  Oßen  etc.  1555,  Loc.  10039. 
Im  Übrigen  vergl.  den  demnächst  in  der  Allgcm.  deutschen  Bio- 
graphie erscheineudeu  Artikel  über  Melchior  von  Osse. 


154  Kleinere  Mittheiliingen. 

unsenn  ratli  mit  allen  umbsteiulen  entdecken  und  uH'enliaron  und  in 
denselben  gar  nichts  bergen  noch  verhaltenn,  sondern  inie  ewer 
üjenmeth  nit  anders  als  gegen  unß  selbst  eröft'nen.  Daraiiff  hat  er 
befelch,  solchs  alles  in  gutter  geheimb  und  unvermerckt  an  unß 
zubringen,  so  wollen  wir  auch  solchen  bericht  und  antzaigungen 
dcrmassen  still  und  verschwiegen  bei  unß  haltcai,  das  ir  darunter 
unverdacht  bleiben  sollet....".     (Dresd.  Il.-St.-A.  ("op.  260,  Bl.  527b.). 

Die  einzige  vollständige  Publikation,  welche  wir  von 
dem  Osse'sclien  Testamente  besitzen,  ist  die  von  Christian 
Thomasius  1717  bewirkte.  Vergleicht  man  dieselbe  mit 
der  im  Königl.  Sachs.  Hauptstaatsarchive  aufbewahrten 
Reinschrift"-^'),  Avelclie,  Avie  aus  einem  dabei  befindlichen 
Zettel  erhellt,  Doetor  Friedrich  Rode'-")  für  den  genannten 
Kurfürsten  angefertigt  hat,  so  sieht  man,  dass  der  Text 
bei  Thomasius  im  ganzen  zuvei'lässig  ist. 

Fände  sich  doch  endlich  auch  ein  Heraut^geber  des 
Osse'schen  Handelsbuches,  dessen  Original  die  Königliche 
öfFentliche  Bibliothek  zu  Dresden  (R.  1)  besitzt! 

6.    Zu  den  rimktierbücliern  des  Kurfürsten  Aui?ust. 

Von  Theodor  Distel. 

In  den  Punktierbüchorn  des  Kurfürsten  August  von 
Sachsen,  über  welche  O.  Richter  in  den  Forschungen  zur 
Deutschen  Geschichte,  Bd.  XX,  S.  15  flg.  eingehend  ge- 
handelt hat,  befindet  sich  unter  dem  11.  Oktober  1576 
(Msc.  der  Königl.  öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden  K.  20, 
Bl.  17  b)  der  folgende  eigenhändige  Eintrag  des  Kur- 
fürsten: „Hat  sych  Cornelyus  von  Ruxleben  über  Paul 
Grobel  eynes  urtels  aus  dem  schepenstull  belernen  lassen 
czu    Leypczick?"     Dahinter    steht    die    Antwort:     „Ja". 

Ich  habe  es  mir  angelegen  sein  lassen,  das  vermeint- 
liche Urtel  zu  finden,  und  habe  es  in  der  That  auch  ge- 
funden. 

Es  ist  nämlich  eine  Abschrift  desselben  aus  dem  be- 
treffenden (leider  nicht  auf  uns  gekommenen)  Bande  der 
Konzeptbücher  der  Schö])pen  zu  Leipzig,  von  dem  Bürger- 


-■'')  Das  Originalmanuskript  befindet  sich  auf  der  K.  oft'.  Bib- 
liothek zu  Dresden  K.  28  (vergl.  K.  28  a,  K.  29  u.  301 

-'■'}  Derselbe  war  Präceptor  der  beiden  Söhne  Osses,  Michael 
Friedrichs  und  Melchiors,  und  hatte  den  schriftlichen  Nachlass  Dr. 
Melchiors  v.  Osse  bis  zu  seinem  Tode  leihweise  inne.  (Dresd.  H.-St.-A.: 
Loc.  8Ü25  „An  Clmrf.  August  etc."  1579  üg.  VA.  U  — G.",  und  Loc. 
7.359  „Amtleute  etc."  1579  flg.     Hl.  79  —  86). 


Kleinere  Mittheiluiigen.  155 

meister  Hieronynius  Rauscher  wohl  bald  nach  dem  11-  Ok- 
tober 1576  mit  noch  zwei  anderen  Urteln  an  den  Kur- 
fürsten fjeschickt  worden.  Rauscher  bemerkt  dazu,  dass 
er  die  Konzepte  nicht  aus  den  Schöppenbüchern  hätte 
schneiden  können,  dieselben  aber  „dermassen  durchstrichen 
unnd  ausgeleschtt"  habe,  „das  man  kein  Avortt  davon 
lesen  kann".  Das  fragliche  Urtel"-')  an  den  Jägermeister 
Cornelius  Ruxleben-*)  lautet  nun  also: 

Unser  freundlich  dienst  zuvorn.  Gestrenger  und  ehrenvhester 
guter  freundt.  Als  ihr  uns  copey  eines  schreiben  beneben  einer 
fragen-'')  zugeschickt  und  euch  des  rechten  darüber  zu  belernen  ge- 
beten habt,  demnach  sprechen  wir  churfurstliche  sechsische  schöppeu 
zu  Leiptzigk  darauff  vor  recht. 

Do  die  zwene  gefangene  Andres  Lindener  und  Georg  Steiner 
nach  inhalt  des  übersandten  schreiben  bekant  betten  oder  nochmals 
bekennen  wurden,  das  sie  auf  anschaffung  des  forstmeisters  Paul 
Grobeis  einen  armen  sunder,  welcher  in  euren  gerichten  geübtes 
diebstals  halben  gerechtfertiget  worden,  am  galgen  beraubet,  ihme 
eine  handt  abgehauen,  dieselb  obgedachten  Paul  Gröbeln  bracht, 
davon  er  den  daumen  genommen  und  die  handt,  damit  es  nicht 
oft'enbar  werden  möchte,  ins  wasser  zuwerft'en  befohlen  und  Lindenern 
derowegen  einen  thaler  gegeben,  so  weret  ihr  wol  befuget,  bemelten 
Gröbeln  solche  der  gefangenen  aussage  vorzuhalten  und  ihnen  darauft" 
mit  seiner  antwort  anzuhören  und  ergehet  alsdann  auft"  seine  gethane 
antwort  in  der  Sachen  ferner  was  recht  is.  Von  rechts  wegen.  Zu 
urkundt  mit  unserm  insiegel^*')  vorsiegelt. 

Die  beiden  anderen  Abschriften  aus  dem  Schöppen- 
buche  sind  nicht  an  Ruxleben  gerichtet;  betreffen  auch 
Gröbel  nicht  direkt.  —  Weshalb  den  Kurfürsten  der 
fragliche  Fall  so  sehr  beschäftigt  hat,  vermochte  ich  leider 
nicht  festzustellen. 


7.    Weilmaclitsgesclienke  für  die  Kinder  des 
Kurfürsten  August.    1565. 

Yon  Theodor  Distel. 

Im  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit 
(Jahrg.  1881,  No.  12,  S.  349  flg.)  brachte  ich  einiges 
über  Spielsachen  für    die  Kinder   des  Kurfürsten  August 


27)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  9665 :  Sammlung  etc.  sub  0  etsub  9  Nr.l. 

2s)  Vergl.  über  ihn  die  angezogeneu  Forschungen  für  deutsche 
Geschichte  a.  a.  0.  S.  20/21. 

''")  d.  d.  Zscbopau,  den  9.  Septbr.  1576,  ebenda  sub  3- 

'^")  Geraeint  ist  das  nach  der  Neubegründung  des  Stuhles  (1574) 
eingeführte,  vergl.  Vogel,  Leipzigische  Annales  (1714)  S.  234,  Fig.  1, 


156  Kleincro  Mittheiluiigen. 

v(>n  Sachsen,  welche  der  Bürgermeister  zu  lieipzig,  Hie- 
ronymus  Rauscher,  besor^^  liatte.  Kürzlich  kam  ich  auch 
im  Köuigl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  auf  ein  Schreiben 
des  genannten  Rauscher,  d.  d.  Leipzig,  5.  November  1565, 
(Loc.  <S529,  Sendbriefi'e  etc.,  Bl.  293),  in  welchem  es 
u.  A.  also  hcissf. 

Zu  bescherung  e.  eh  f.  >j.  herzlibesten  kiiulerleini),  meiner 
jüenediseii  iiimdtt  üben  jungen  berschafi'tt,  liab  ich  allerlei  pu))en- 
werck  kaufftt,  kost  alles  zusannncn  zehen  gülden  zwene  giosclien, 
hab  inn  der  warheit  nix  artigers  noch  saubers  bekomen  kunnen, 
ich  mus  bekennen,  das  es  zum  teil  alber  ding  ist,  es  kost  aber  auch 
(teste  minder,  und  kunnen  kinderlein  bisweilen  an  solchen)  geringen 
ding  wol  so  vil  frende  haben,  als  wann  es  vil  gestünde.  Ich  hab 
noch  ein  par  schöner  reuter  in  bestallung-"),  do  ich  etwas  darzu 
bekomen  kann,  will  e.  eh.  f.  g.  ich  dasselb  hernach  schicken 

Von  den  Kindern  des  Kurfürsten  August  lebten  da- 
mals Elisabeth,  geb.  18.  Oktober  1552,  Christian  (als 
Kurfürst  I.),  geb.  29.  Oktober  1560,  Maria,  geb.  8.  März 
1562  und  Dorothea,  geb.  4.  Oktober  1563. 

8.     Zu  den  Verliiiudlungeii  Walleiisteins  mit  den 
Schweden  und  Sachsen  im  Jalire  1633. 

Von  Arnold  Gaedeke. 

In  meinem  soeben  erschienenen  Buche  „Walleusteins 
Verhandlungen  mit  den  Schweden  und  Sachsen  1631  bis 
1634"-''-)  habe  ich  im  Nachtrage  aus  dem  Frhl.  von  Friesen- 
schen  Familienarchiv  zu  Rötha  ein  (undatiertes)  Akten- 
stück „des  Herzogs  von  Friedtland  postulata  seine  Persohn 
betreffend"  mitgetheilt,  dessen  Datierung  mir  im  Momente 
Schwierigkeiten  zu  bieten  schien.  Als  mir  unmittelbar 
vor  Abschluss  des  Druckes  jene  beiden  Bände  „Briefe 
den  kurfürstlich  Sächsischen  Feldmarschall  von  Arnim 
betreffend"  zu  Händen  kamen,  mussten  diejenigen  Stücke, 
welche  etwa  noch  in  einem  Nachtrage  beigefügt  werden 
sollten,  unverzüglich  abgesendet  werden. 

Aus  einer  späteren  Vergleichung  von  Chemnitz  und 
des  Theatrum  Europaeum  ergiebt  sich  jedoch,  dass  die 
persönlichen  Forderungen  Wallensteins  von  beiden  Schrift- 
stellern wahrend  der  Verhandhmgeu  des  Sommers  1633 
erwähnt  werden. 


'■']  Dieselben  waren  für  den  Kuri)rinzen  bestimmt. 

'-J  Frankfurt  a/M.  Liter.  Anstalt  Ruetten  &  Loening.     1885. 


Kleinere  Mittheilüngen. 


157 


Der  Inhalt  des  Aktenstückes  selbst  gewinnt  dadurch 
an  Bedeutung,  und  um  so  mehr,  als  Emil  Hildebrand  so 
eben  in  Stockholm  unter  Oxenstiernas  Papieren  (der  sog. 
Tidoesammlung)  gleichfalls  ein  Exemplar  der  postulata  mit 
nur  ganz  geringen  Abweichungen  gefunden  hat. 

Ein  Zusatz,  dass  die  beiden  Armeen  bei  Strehlen 
einander  gegenüber  gestanden  hätten,  weist  unzweideutig 
auf  den  Juni  1633  hin.  Ganz  besonders  beachtenswerth 
aber  ist,  dass  der  Wortlaut  der  postulata  bei  Chemnitz 
dem  Exemplar  der  Tidoesammlung  entspricht,  der  Wort- 
laut im  Theatrum  Europaeum  dem  des  Arnimschen  Ex- 
emplars. 

Bei  der  Wichtigkeit  des  Aktenstückes  lasse  ich  (durch 
die  Freundlichkeit  von  Herrn  Dr.  Hildebrand  dazu  in 
den  Stand  gesetzt)  den  doppelten  Wortlaut  folgen. 


Frhl.  T.  Friesensclies  Archiv 
zu  Rötha. 

Des  Herzogs  von  Friedtland  pos- 
tulata  seine  Persohn  betreflend. 

Es  ist  aber  alhier  zu  wißen, 
daß  General  Wallenstein  vor 
übrige  auch  noch  ezliche  andere 
Friedenspunkte  vorgeschlagen,  so 
seine  Persohn  betreffen ;  diese 
seindt  neben  den  übrigen  J. 
Churf.  1).  zue  Sachsen  über- 
sendet worden. 

1.  Wan  er  die  Crohn  Böhmen 
haben  könte,  wolte  er  alle  ver- 
triebene Herrn  undt  anderen  ihre 
guther  wiedergeben,  die  religion 
freylaßen  undt  den  Pfalzgraffen 
restituiren. 

2.  Für  Mechelnburg,  Sagan 
undt  Glogau  undt  seinen  rest,  so 
ihm  der  Keyser  schuldig,  wollte 
er  das  Marggralfthumb  Mähren 
nehmen. 

8.  Weiln  der  Beyerfürst  uif 
den  CoUegialtag  zu  Kegenspurg 
ihn  "helffen  das  Generalat  nehmen, 
wolte  er  ihn  das  versetzte  Landt 
ob  der  Enß  wegnehmen  wegen 
seines  rests. 

4.  Begehrte  er  die  armeen  zu- 
sammen zu  führen,  So  wolle  er 
damit  gesambt  vor  Wien  rücken, 
undt  den  Kaiser  zwingen  solches 
alles  einzugehen. 


Tidoesammlnng. 

Churfuerstliche  postulata. 

Der  keyser  soll  all  seinkrieges- 
volck  außer  Reich  fuehren  und 
abdanckeu. 

Des  Zuspruchs  an  die  Bis- 
tühmber  Magdeburgk  und  Halber- 
stadt fuer  sich  und  sein  söhn 
fuerziehen. 

Die  Catholische  liga  soll  der 
Cron  Schweden  wegen  des  Krieges 
Unkosten  zahlen  undt  durch  an- 
nehmliche mittel  ausser  Reih 
bringen. 

Alle  Jesuiten  auß  seinen  Rath- 
stuben  und  allen  landen  abzu- 
schaffen, wegen  des  Krieges  Un- 
kosten undt  andtern  Schadens  den 
2  Churfuersten  das  gantze  Landt 
Schlesien  abstehen. 

Die  Religion  über  all  frey- 
laßen. 

Wegen  der  tonnen  golt  so  der 
keyser  dem  Churfuersten  schul- 
digk  die  Ül)er  Laußnitz  undt  daß 
halbe  Königr.  Böheimb  erblich 
verlaßen. 

Des  Churfuersten  von  Heidel- 
berg söhn  wieder  einsetzen;  dazu 
soll  ihn  der  Wahlsteiner  zwingen, 
wo  er  nich  will. 


158 


Kleinere  Mittheilungen. 


Churf.  Tostulata. 

Als  mm  diese  puncten  so  Go- 
iierol  VValnstein  vorgesclilajren 
Ihrer  Churf.  Diulil.  zu  Sacliik'n 
undt  liraiulenhur;«;  vorkoiuiiieii. 
haben  dieselben  liiiigegen  nach- 
gesetzte artikiil  zu  einem  Frieden 
proponii't. 

1.  Der  Kaiser  soll  all  sein 
Voli:k  außer  lleich  führen  undt 
al)dancken. 

2.  Des  Znespruchs  an  die  hey- 
den  Histumli  Magdelmrg  undt  Hal- 
berstadt sich  verzeilien. 

ö.  Die  Catholische  Ligia  soll 
der  Crohn  Schweden  alle  Kosten 
zahlen  undt  durch  annenibliche 
mittel  ausser  Reiche  bringen. 

4.  Alle  Jesuiten  aus  seinen 
rathstuben  undt  allen  Läi:dern 
abschaffen. 

5.  Wegen  des  Krieges  Unkos- 
ten undt  schaden  denen  zweyen 
Churfürsten  das  ganze  landt  Schle- 
sien abzustehen. 

6.  Die  Religion  überall  frey 
zu  laßen. 

7.  Gegen  die  8  Tonnen  goldes, 
so  der  Keyser  den  Churfuersten 
schuldig,  die  Ober  Laußniz  undt 
das  halbe  Königreich  Buhmon 
crldich  zu  erlnßen. 

8.  Des  Churfuersten  von  Hey- 
delberg  Sohn  wieder  einsezen, 
dazu  soll  ihn  der  Wallsteiner 
zwingen. 


Wahlsteiners  postulata. 

Weil  er  die  Böhmische  Cron 
haben  will  allen  vertriebenen 
herrn  umt  andern  ihre  gnfher 
wieder  geben,  die  Keligion  frey- 
laßen denpfaltzgraftenrestituiren. 

Fuer  l'ommern,  Mechelburgk, 
Sagan,  Glogau  undt  seinen  liest 
so  ihm  der  Keiser  schuldigk,  das 
Marggrall'thumb  Mehren  haben. 

Weil  Beyerfurst  aufm  llegen- 
spurgischen  Collegialtagk  ihme 
Wahllenstein  heißen  absetzen, 
wollte  er  ihme  die  l'latte  dafuer 
zu  recht  ziehen  undt  ilinie  das 
Versätze  landt  ob  der  Ens  wegen 
seines  Restes  weg  nehmen. 

Er  begehrte  die  Armee  zu- 
sammen, so  wollte  er  damit  ins 
gesampt  fuer  Wien  undt  dem 
Keyser  zwingen  solches  alles  ein- 
zugehen; darnacli  wnerde  es  umb 
seine  Erbleiuler  gelten. 

Die  Batahlie  hat  bey  Strehlen 
kcffen  einander  gehaltten. 


Es  las.sen  sich  meines 
Folgerungen  daran  knüpfen, 
bestätigt,  dass  Chemnitz    sein 


unter  Zuürundeh'trunii 


Erachtens  ganz  bestimmte 
Vor  allem  wird  von  neuem 
berühmtes  Geschichtswerk 
des  i'cicldialtigsten  Aktenmaterials 
vert'asst  liat,  er  erscheint  über  die  Details  der  Verhand- 
lungen ganz  vortrefFlich  unterrichtet.  Auch  hat  er  mit 
nichten  seine  Mittheikmgen  über  die  schlesischen  Ver- 
handhingen dem  Theatrnm  Europaeum^  wie  Ranke  meint, 
entnommen.  Jene  bekannten  sieben  Punkte,  welche  im 
dritten  Bande  des  Theatrum  Europaeum  p.  71  zuerst  an- 
geführt wurden,  befinden  sich  gleichfalls  in  Abschrift 
unter  Oxenstiernas  Papieren  ■'''). 


''^)  Vergl.  Gaedeke,    Wallensteins 
Schweden  und  Sachsen,  S.  o'j.  A. 


Verhandlungen 


mit    den 


Kleinere  Mittheilniigen.  •     159 

Die  angebliche  Äusserung  Wallensteins  zum  Obersten 
von  Fels:  „Da  der  Keyser  nicht  begehrte  Frieden  zu 
machen,  wolte  er  mit  den  Evangelischen  eine  conjunction 
treffen  und  Ihn  zum  teuffel  jagen"''^)  dürfte  sehr  wohl 
einer  bestimmten  Mittheilung  des  Obersten  oder  Thurns 
an  den  schwedischen  Reichskanzler  entnommen  sein,  welche 
Chemnitz  vorgelegen  hat.  Man  vergleiche  doch  die  von 
Hildebrand  herausgegebenen  Aktenstücke  und  Thurns 
jubelnden  Ausruf  einige  Wochen  später:  „E.  Exe.  hegen 
den  wenigsten  Zweifel  nit.  es  ist  geschloßen  den  Keyl'jer 
nach  Spania  zu  jagen""').  Unzweifelhaft  sind  ähnliclie 
Worte  aus  Wallensteins  Munde  gekommen. 

Die  Notiz,  dass  „die  batahlie  bei  Strehlen  kegen  ein- 
ander gehalten  habe,"  zeigt  ferner  klar,  dass  wir  es  hier 
mit  der  gleichzeitigen  Niederschrift  eines  schwedischen 
Offiziers  zu  thun  haben,  welche  Oxenstierna  durch  den 
Höchstkommandierenden  Thurn  gesendet  wurde. 

„Von  dieser  Handlung",  sagt  Chemnitz  H,  13ß  ganz 
richtig,  „ward  dem  Churfürsten  zu  Sachsen  durch  den 
Gen.  -  Lieutenant  Arnheira,  wie  gleichfalls  dem  Herrn 
Reichs -Cantzler  durch  den  Gratfen  von  Thurn  straks 
part  gegeben". 

Schwer  verständlich  erscheint  allerdings  dem  ersten 
Blicke,  dass  Wallenstein  in  seinen  postulatis  dem  Kur- 
fürsten von  Bayern  „das  versetzte  Land  ob  der  Enß" 
wegnehmen  will,  da  dieses  Land  dem  Kaiser  bereits  zurück- 
gegeben und  Maximilian  anderweitig  dafür  entschädigt  ward. 

Indessen  lässt  sich  doch  eine  Erklärung  dafür  finden, 
wenn  man  den  ersten  Artikel  der  postulata,  dass  der 
Pfalzgraf  restituiert  werden  solle,  berücksichtigt.  Wallen- 
stein supponiert  offenbar  für  diesen  Fall  die  Wiederüber- 
antwortung  Oberösterreichs  an  Bayern,  welche  er  nicht 
zugeben  würde. 

Jedenfalls  gewinnt  die  Meinung  an  Wahrscheinlich- 
keit, dass  wir  es  hier  mit  Niederschriften  der  sächsischen 
und  schwedischen  Unterhändler  zu  thun  haben. 

Das  Röthaer  Dokument  ist  —  wie  die  sorgfältigste 
handschriftliche  Vergleichung  ergeben  hat  —  von  der 
Hand  von  Arnims  Sekretär  geschrieben. 

Wenn  die  Abschrift  auch  erst  im  Jahre  1634  ver- 
fasst  worden  ist,  so  zeigt  sie  doch,  welchen  hohen  Werth 
Arnim  auf  das  Aktenstück  selbst  gelegt  hat. 

3^)  Chemnitz  11,  135. 

35)  Gaedeke,  S.  71.    Hildebrand,  S.  46, 


16Ö  Kleinere  Mittheilnngen. 

Für  die  weiteren  Verhandlungen  Wallenstelns  im 
Juli — August — September  1638  ist  ein  1/isIier  ungedrucktes, 
dem  Königl.  Sächsischen  llauptstaatsarchiv  zu  Dresden 
angehöriges  Schreiben  Trzkas  an  Kinsky  erwilhnenswerth. 
Ein  Pass  des  Herzogs  von  Fricdland  für  Kinsky  war 
demselben  beigefügt  •''').  Zur  Erklärung  des  Schreibens 
sei  folgendes  bemerkt. 

Als  die  Verhandlungen  sich  zur  nicht  geringen  Ent- 
rüstung der  Evangelischen  Anfang  Juli  zerschlugen,  machte 
Wallenstein  bekanntlich  sofort  den  vergeblichen  Versuch 
Schweidnitz  zu  überrumpeln. 

Unmittelbar  darauf  hat  er  zu  erkennen  gegeben,  dass 
er  die  Verhandlungen  wieder  aufzunehmen  wünsche.  Man 
bemerkt  ein  gewisses  Missbeliagen  in  des  Herzogs  Briefen, 
dass  er  unter  ziemlich  nichtigem  Vorwande  die  im  Früh- 
jahre so  sorgsam  und  geheim  eingeleiteten  Verhandlungen 
jäh  abgebrochen  hatte.  Am  21.  Juli  versicherte  er  Arnim, 
sich  entschuldigend,  dass  „belangendt  waß  der  Herr  in 
seinem  schreiben  meidung  thut,  als  wenn  wir  uns  bei  den 
jüngsten  tractaten  altcrirt,  kau  sich  der  Herr  versichert 
halten,  das  uns  einige  alteration  nicht  beygefallen,  allein 
weiln  sich  keineswegs  mit  der  armada  aus  Schlesien  zu 
ziehen  und  wier  der  Ohrten  nicht  zu  leben  gehabt,  hatt 
es  anders  als  beschehen  nicht  sein  können.  Betreffendt 
die  vorgehabte  Unterredung  mit  dem  Herrn  Obristen 
Borgstorf,  were  uns  sehr  lieb  gewesen,  das  dieselbe  da- 
malß  ihren  vortgang  erreichet,  zumaln  wier  uns  keine 
andern  gedanken  darum  machen,  den  daß  darbey  nichts, 
alß  waß  zu  facilitir:  und  beförderung  des  hochersprüßlichen 
friedens  werks  gereichet,  würde  seien  vorgebracht  worden ; 
undt  wen  bemelten  Herrn  Boi-fjstorfF  nachmalß  sich  solcher 
wegen  zu  uns  zu  erheben  belieben  solte,  wollen  wir  Ihm 
auf  weitteres  uns  solcher  wegen  zukommendes  auertiment 
alßbaldt  sicheren  Paß  zuzuschicken  nicht  unterlaßen.  Wie 
den  in  allem,  waß  nur  zu  vortsetzung  deßelben  immer 
gedeyen  mag,  Avir  es  an  unser  treweyfrigen  Cooperation 
im  wenigsten  nicht  ermangeln  lassen  werden""').  Als 
Burgsdorf  nicht  kam,  wurde  Wallenstein  unruhig;  er 
wünschte  jetzt  durch  Kinsky  die  verfahrene  Sache  wieder 
ins  Geleise  zu  bringen.  War  er  doch  durch  Schlicks 
Mission   und   Erscheinen    im    schlesischen   Hauptquartiere 


=*'■')  Erwähnt  bei  Heibig,  Wallenstein  und  Arnim,  S.  28. 
=>■)  Wallenstein  an  Arnim,  21.  Juli  Ifi.s.'J.     Halhvich  I,  456. 


Kleinere  Mittheilungen.  161 

soeben  von  neuem  auf  das  Ausserste  erregt  und  verstimmt 
worden.  Am  16.  (26.)  Juli  schrieb  Trzka  folgenden  über- 
aus dringend  gehaltenen  Brief  an  Kinsky,  der  auf  eine 
frühere  Aufforderung  Wallensteins  vom  26.  Juni  (6.  Juli) 
nicht  erschienen  war,  da  ihm  der  Kurfürst  von  Sachsen 
keinen  Urlaub  ertheilt  hatte. 

iir&f  Ad.  Erdm.  Trzlia  au  den  Grafen  Wilhelm  Kinsky,  Juli  1G33. 

(Uliersetzung  aus  dem  Czechischen.) 

A  Mons.  Conte  Kynsky. 

Hochwohlgeborener  Herr  Graff  hochgeehrter  Herr  Schwager. 
Der  P'ürst  lest  demselben  Seine  Dienste  vermelden  und  hetten  gerne 
gesehen,  daß  auf  Hertzog  Frantz  Albrechten  von  Sachßen  Schreiben 
der  Herr  Schwager  zu  ihm  kommen  wehre.  "Weil  es  aber  vielleicht 
auß  wichtigen  Ursachen  damalen  nicht  geschehen  ist,  So  bitten  die- 
selben, Er  wolle  doch  nicht  Unterlaßen  zu  Ihm  zu  kommen,  den 
Er  sich  mit  Ihm  in  allen  wirdt  unterreden  und  wirdt  man  alsdan 
zu  guten  tractaten  einen  anfang  machen  können.  In  fall  der  Herr 
Schwager  nicht  kombt,  ist  alles  zweiflfelhafftig,  daß  was  angefangen, 
viel  weniger  ein  guter  Schluß  zu  erhoffen,  den  der  Fürst  viel  ge- 
nütiges  mit  Ihm  sich  zu  unterreden  das  Er  keinen  anderen  zuver- 
trauen  und  daran  der  gantzen  Christenheit  gelegen.  Er  verlest  sich 
gantz  auf  des  Herrn  Schwagers  Ankunfft,  darumb  Er  auch  gegen- 
wertigen Paß  schicken  thut.  Ich  bitte  für  meine  Person  den  Herrn 
Schwager  umb  Gotteswillen,  wans  immer  möglichen  sein  kan.  So 
wolle  Er  die  reiße  nicht  aufschieben.  Sondern  alle  dienliche  mittel 
mit  aller  ersten  die  vortzusetzen  hierzu  gebrauchen,  den  durch  Ihn 
ein  gross  und  nützliches  werck  verrichtet  werden  kan,  Es  sein  auch 
keine  andern  mittel,  der  Fürst  wil  sich  keinen  liebern  und  andern 
vertrauen  auch  zu  keinen  tractaten  schreiten  als  durch  Ihn.  Der 
Herr  Schwager  kan  ohne  einige  suspicion  dieße  reiße  wohl  richten, 
Vorgebendt  das  er  zu  unsern  alten  Herrn  Vattern  der  sehr  schwer- 
lich krank  und  darnieder  lieget  den  zu  besuchen  verreißet,  dahin  ich 
Ihm  alsdan  entkegen  kommen  wil. 

Datum  Weißeroda  Anno  1633.  Adam  Tertzka. 

Inzwischen  war  Arnim  der  Sache  näher  getreten. 
Am  18.  (28.)  Juli  antwortet  er  dem  Herzog  noch  ziemlich 
kühl,  er  werde  Burgsdorf  schicken,  sobald  dieser  —  was 
in  3  Tagen  zu  erwarten  sei  —  zurückgekehrt  sein  werde'^*). 

Wallen  stein  übersendet  sofort  am  29.  einen  Pass  für 
Burgsdorf  ■'^). 

Am  30.  Juli  verspricht  Arnim  nochmals  Burgsdorfs 
demnächstiges  Eintreffen.  Wallenstein  sagt  am  selbigen 
Tage  zu,  jemand  entgegenzuschicken,  wenn  er  rechtzeitig 
avisiert  werde ^*'). 


38)  Arnim  an  Wallenstein,  18.  (28.)  Juli  1633.     Hallwich  I,  476. 
3»)  Wallenstein  an  Arnim,  29.  Juli  1633.     Hallwich  I,  477. 
■"')  Waüenstein  an  Arnim,  30.  Juli  1633.     Hallwich  I,  479. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VII.    1.  2.  11 


162  Kleinere  Mittheilimgen. 

Als  eine  Verzögerunfi;  eintritt,  schreibt  Trzka  in  des 
Herzogs  Auftrage  an  Herzog  Franz  Albrecht  von  Sachsen- 
Lauenburg,  dass  Wallenstein  nunmehr  mit  Arnim  per- 
sönlich zusammenzukommen  wünsche.  Arnim  erwidert, 
er  wolle  sich  gerne  dazu  bequemen,  sei  aber  „von  einem 
hitzigen  Fieber  belahden",  doch  sei  er  bereit  eine  andere 
Person,  der  der  Herzog  das  Werk  anvertrauen  wolle, 
abzuordnend^). 

Wallenstein  antwortet  an  demselben  Tage,  dass  er 
„gleich  morgen  avich  einzunehmen  entschlossen'*  sei,  Arnim 
aber  übermorgen  empfangen,  bei  „continuirender  leibsun- 
paßlichkeit  aber  den  Grafen  Trzka,  der  innerhalb  zwcyer 
tagen  wieder  ankommen  werde,  zu  ilim  abzufertigen  nicht 
unterlassen  werde"  ^""). 

Am  12.  August  meldet  Arnim  endlich,  dass  Burgs- 
dorf zurück  aber  gleichfalls  erkrankt  sei  und  bittet  tun 
Trzkas  Erscheinen;  sobald  er  hergestellt  sei,  werde  er 
dem  Herzoge  persönlich  aufwarten^"'). 

Am  6.  (16.)  August  hndet  alsdann  die  erste  bedeut- 
same Zusanunenkunft  Arnims  mit  Wallenstein  statt,  welche 
einen  abermaligen  Waffenstillstand  sowie  jene  von  mir 
ausführlich  dargestellten  Verhandlungen  und  Arnims  Reisen 
zu  den  beiden  Kurfürsten  und  zum  schwedischen  Keichs- 
kanzler  nach  Gelnhausen  zur  Folge  hatte. 

Ihre  richtige  Beleuchtung  erhalten  indessen  die  schle- 
sischen  Verhandlungen  erst,  wenn  man  die  spanischen 
Depeschen  und  Schlicks  Mission  genau  dabei  verfolgt. 

9.    Irrtliünier  in  den  Mandaten  vom  7.  Anglist  1734 
und  vom  IG.  September  1740. 

Von  Theodor  Distel. 

In  dem  Generale  vom  IG.  September  1746  (Fortsetzung 
des  Cod.  Aug.  I.  Abth.  Sp.  361)  ist  Avegen  der  Erforder- 
nisse der  Giltigkeit  der  Legate  für  milde  Stiftungen  die 
sinnlose  Stelle  zu  finden :  es  genüge,  Avenn  eine  Disposition 
in  dem  Nachlasse  eines  Gestorbenen  unversiegelt  ge- 
funden Averde.  Nachforschungen  haben  ergeben,  dass  au 
Stelle  des  hier  gesperrt  gedruckten  Wortes  das  Wort 
„unversehrt"  zu  stehen  hat.     Ebenda  Sp.  619  hat  es,  wie 


•*!)  Arnim  an  Wallenstein,  .Sl.  Juli  (10.  August)  16.3.3.  Ilallwicli  1,50.5. 
'2)  Wallenstein  an  Arnim,  10.  August  1633.     liallwich  I,  506. 
■'■')  Arnim  an  Wallenstein,  2.  (12.)  August  1633.    Hallwich  1,  524, 


Kleinere  Mittheilungen.  163 

aus  einem  f^leichzeitlgen  Originaldruek  des  Mandates  vom 
7.  August  1734  erhellt,  Absatz  3  in  der  drittletzten  Zeile 
für  „des  gemeinen  Fusses"  zu  heissen  des  „gemeinen 
Rh  ein  ländischen  Fusses". 

10.    Tanz  um  einen  Ochsen. 

Von  Theodor  Distel. 

Im  König! .  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  (Abth.  XIV, 
Nr.  58,  Bl.  29)  befindet  sich  folgende  beachtenswerthe 
Stelle  aus  dem  Jahre   1431: 

.  .  .  Vortmeer  haben  wir  .  .  .  scheydelewtte  getej'dingt,  das 
die  .  .  .  lewtt  in  dem  dorff  Kossenbode  [Kospuden]")  denn  ochssenn, 
do  man  pfleget  jherlich  umbzcutanzcen,  zcu  Crossen^'')  in  allermaß 
haldtenn  sollenn,  noch  anweysuiig  eyns  voyts  zcu  Crossenn,  den 
ochssen  in  zcunehmen,  und  zcu  dem  tantz  zcugheen,  also  das  vonn 
aldter  gewonheit  vonn  andern  lewtten  in  der  pflege  zcu  Crossenn 
gethan  haben,  und  noch  thuenn.  .  .  . 


")  Rittergut  in  der  Kreishauptraannschal't  Leipzig. 
^■')  Vorwerk  ebenda. 


11 


Literatur. 


Barock  und  Ilococo.  Studien  zur  Baii,c:eschichtc  des  18.  Jahr- 
hunderts mit  besonderem  Bezug  auf  Dresden.  Von  Dr.  Paul 
Schuuiaiui.  Mit  ll  Abb.  Leipzig,  E.  .\.  Seemann.  1885.  inS  SS.  8". 
(A.  a.  d.  T.:    Beiträge  zur  Kunstgeschichte.     Neue  Folge.    I). 

Ks  ist  ein  sehr  erfreuliches  Zeichen  für  die  wissenschaftliche 
Fortbildung  der  Kunstgeschichte,  dass  man  sich  jetzt  auch  mit  der 
Erforschung  der  Kunstperioden  beschäftigt,  die  man  früher  als  jeder 
Untersuchung  für  umverth  ansah.  In  den  älteren  Geschichten  der 
Baul<unst  wird  gewöhnlicli  die  mittelalterliche  Architektur,  die  Periode 
der  italienischen  P'rüh-  und  Hochrenaissance  ausführlich  geschildert, 
dann  aber  folgen  einige  wenige  Bemerkungen  über  die  deutsche 
Benaissancc,  noch  dürftigere  JS'^otizen  über  die  Barock-  und  Rococo- 
kunst,  und  die  Darstellung  wird  erst  dann  wieder  lehrreich,  sobald 
das  Zeitalter  Schinkels  und  seiner  Genossen  erreicht  ist.  Seit 
mehreren  Jahren  beginnt  man  nun  diese  bedauerliche  Lücke  unseres 
Wissens  auszufüllen:  die  Denkmäler  der  deutschen  und  französischen 
Renaissance  werden  wissenschaftlich  erforscht,  die  Monumente  des 
Barock-  und  Rococostiles  wieder  gewürdigt.  Einen  sehr  dankens- 
werthcn  Ijeitrag  zu  diesen  Studien  liefert  die  Arbeit,  die  ich  hier 
anzuzeigen  habe.  Es  ist  keine  sehr  anziehende  Periode  der  Kunst- 
geschichte, die  der  Verfasser  uns  da  vorführt:  die  grossartigsten 
Dresdener  Bauwerke  der  Meister  de  Bodt,  Longuelune,  Pöppelmann 
werden  nur  kurz  erwähnt  und  besprochen,  allein  der  Baumeister 
Krubsacius  und  sein  Kampf  gegen  die  Rococokunst  wird  eingehend 
geschildert.  Interessant  ist  es  diese  Bestrebungen  zu  verfolgen,  da 
sie  mit  die  Grundlage  bilden,  auf  der  der  neue  Aufschwung  der 
Baukunst  unter  Schinkel  basiert  ist.  Bemcrkenswerth  erscheint  auch 
die  Art  und  Weise,  wie  Krubsacius  den  jungen  Goethe  wegen  seiner 
Bewunderung  des  Strassburger  Münsters  zur  Rede  stellt  und  aus- 
schilt. 

Das  'l'hema,  das  der  Verfasser  gewählt,  ist,  wie  schon  l)emerkt, 
nicht  übermässig  ergiebig:  der  Meister  Krubsacius  ist  ein  pliantasie- 
loser,  pedantischer  Künstler,  dessen  Leistungen  scll)st  dem  Verfasser 
kaum  Bewunderung  abgewinnen  können.  Um  so  verdienstlicher 
ersclieint  die  einem  sclieinbar  so  undankbaren  StoÖe  gewidmete 
Arbeit,  die  von  den  tüchtigen  und  gründlichen  Studien  wie  von  der 
vortrefflichen  Scliulung  des  Verfassers  Zeugnis  ablegt.  Wir  können 
nur  wünschen,  dass  unter  den  jüngeren  Kunstlüstorikern  sich  eine 
grössere  Zahl  der  Erforschung  unserer  noch  immer  so  arg  vernach- 
lässigten heimathlichen  Kunstgeschichte  widmen  mögen. 

Prag.  Alwin  Schultz. 


Literatur.  165 

Ans  Leipzigs  Vergangenheit.  Gesammelte  Aufsätze  von  Gustav 
Wustmann.     Leipzig,  Fr.  Wilh.  Grunow.     1885.  VI,  472  SS.     8«. 

Als  No.  3  der  Schriften  des  Vereins  für  die  Geschichte  Leip- 
zigs veröfHentlicht  der  Archivdirektor  G.  Wustmann  in  Leipzig  fol- 
gende fünfzehn  Aufsätze:  Aus  der  Baugeschichte  Leipzigs,  Luther 
in  Leipzig,  Cranachs  Sterbender  im  Leipziger  Museum,  Hans  Krell 
der  Fürstenmaler,  die  Leipziger  Goldschmiede  Hans  Reinhart  der 
Ältere  und  der  Jüngere,  Kunst  und  Künstler  Leipzigs  in  der  Barock- 
zeit, verbotene  Bücher,  Dodsley  und  Compagnie,  das  Stammbuch 
eines  Leipziger  Studenten,  Goethiana,  die  Leipziger  Stadtmnsikanten, 
vom  Thomaskantorat,  der  Bürgermeister  Müller,  das  Rosentbal, 
endlich  Lauchstädt,  ein  Modebad  der  Tieipziger  im  18.  Jahrhundert. 
Eline  stattliche  Reihe  allerliebster  Beiträge  zur  Geschichte  Leipzigs 
während  der  letzten  vier  Jahrhunderte,  die  sämtlich  in  populärem 
Tone  gehalten  und  dabei  doch  fleissig  und  inhaltlich  gediegen  sind. 
Auf  dieselben  im  Einzelnen  hier  einzugehen  würde  natürlich  zu  weit 
führen,  zumal  die  meisten  schon  seit  längerer  oder  kürzerer  Zeit 
bekannt  waren.  Folgendes  habe  ich  jedoch  besonders  im  Hinblick 
darauf,  dfvss  der  Verfasser  in  der  Vorrede  sagt,  er  habe  es  an  Nach- 
trägen und  Verbesserungen  bei  der  abermaligen  Veröftentlirhung 
seiner  Arbeiten  nicht  fehlen  lassen,  anzumerken: 

S.  12  lies:  Städtebuch  von  Braun  und  Hogenberg. 

S.  26  hat  es  für  Strehlen  „Strehla"  zu  heissen. 

S.  60  ist  als  Gegner  Luthers  der  Dominikaner  M.  Petrus 
Sylvius  aus  Forst(a)  genannt,  während  Peter  Eisenberg  damit  ge- 
meint sein  dürfte  (vergl.  v.  Weber's  Archiv  N.  F.  IV,  187). 

S.  120  tigd.  Hier  wären  die  Nachrichten  in  dieser  Zeitschrift 
V,  .H37,  insbesondere  die  früheste  Thätigkeit  Krells  in  seiner  Ge- 
burtsstadt Freiberg  zu  berücksichtigen,  sowie  die  neuerdings  in 
Dresden  aufgefundenen  drei  Portraits  Krells  (vergl.  Wustmann  S.  124)') 
zu  erwähnen  gewesen  (Zeitschrift  für  Museologie  1882,  No.  12). 
Dass  Wustmann  Krell,  bezw.  sogar  Tizian  nicht  mehr  das  Portrait 
des  Kurfürsten  Moritz  in  der  Aula  der  Fürstenschule  zu  Meissen 
zuzusihreiben  versucht,  kann  nur  irebilligt  werden. 

S.  .S12  hätten  noch  weitere  ältere  Nachrichten  aus  dem  Leip- 
ziger Rathsbuch  über  die  Stadtpfeifer  mitgetheilt  werden  können, 
so  z.  B.  die  I,  267  b  zu  lesende  Notiz  vom  Jahre  1489. 

Zu  S.  427  flg.  sei  darauf  hiugewien,  dass  Burkhardt  zur  Ge- 
schichte der  Theaterleitung  Goethes  einen  Artikel  in  den  Grenzboten 
(H.  1  V.  1884  S.  68  tlg.)  verötl'entlicht  hat,  welcher  auch  Neues  über 
das  Lauchstädter  Theater  enthält. 

Leider  befinden  sich  in  dem  Wustmann'schen  Buche  viele 
Druckfehler. 

Dresden.  Theodor  Distel. 

Der  polnische  Resident  Berend  Lehmann,  der  Stammvater  der 
israelitischen  Reliirionsgemeinde  zu  Dresden.  Von  seinem  Ur-Ur- 
Urenkel  Emil  Lehmann.  Dresden  und  Leipzig,  E.  Pierson.  1885. 
75  SS.     b'\ 

Die  Geschichte  der  Juden  in  Dresden,  die  neuerdings  0.  Richter 
(Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Dresden  S.  226  flg.)  in  kurzen  Um- 
rissen dargestellt  hat,  erfährt  durch  das  uns  vorliegende,  auf  üeissigen 

')  Krell  wurde  damals  von  Moritz  nicht  nach  Dresden,  sondern 
nach  Freiberg  geschickt. 


166  Literatur. 

archivalisclien  Stiuliun  berulieiuk  Scliriftchen  eine  dankenswertho 
Bereicherung.  Der  Mann,  mit  dem  sieh  dasselbe  befasst,  ist  bisher 
trotz  der  eintiussreiehen  und  verdienstliehen  Thätigkeit,  die  er  ent- 
faltet hat,  kaum  beachtet  worden;  selbst  israelitische  Geschiehts- 
werke,  wie  die  Geschichte  der  Juden  von  Grätz,  gedenken  seiner 
nur  in  wenigen  Zeilen.  IJerend  Lehmann,  geb.  IfiGl  zu  Halberstadt, 
war  einer  der  bedeutendsten  Banquiers  seiner  Zeit.  Durch  grosse 
Vorschüsse,  aber  auch  durch  geschickte  diplomatische  Verhandlungen 
bei  verschiedenen  Gelegenheiten  hatte  er  sich  in  hohem  Grade  die 
Gunst  Friedrich  August's  I.  erworben;  derselbe  hat  ihn  sogar  zu 
seinem  Residenten  im  idedersäclisischen  Kreise  ernannt,  eine  Stell- 
ung, über  deren  Bedeutung  der  Verfasser  sich  wohl  etwas  eingehen- 
der hätte  verbreiten  sollen.  Lehmann  wandte  seine  reich(;n  Mittel 
und  den  grossen  Eintiuss,  den  er  hier  wie  an  andern  Höfen  — 
namentlich  in  Berlin  —  besass,  dazu  an,  um  seinen  damals  noch 
sehr  bedrängten  Glaubensgenossen  materielle  und  moralische  Unter- 
stützung in  überaus  freigebiger  Weise  zu  gewähren.  So  Hess  er 
z.  B.  im  Jahre  lß9G  eine  Talnnulausgabe  herstellen,  die  ihn  !^<)  000  'I'ha- 
1er  gekostet  haben  soll,  stiftete  er  ferner  das  noch  jetzt  bestehende 
Lehrinstitut  für  Talmudstudien  (die  Clauss)  in  Iliilberstadt.  Vor 
allem  aber  hat  er  eine  ganze  Reihe  jüdischer  Gemeinden  begründet, 
darunter  auch  die  in  Dresden,  über  die  sich  der  Verfasser  ein- 
gehender verbreitet.  Seit  fast  200  Jahren  waren  Juden  in  Dresden 
nicht  geduldet  worden;  der  Stadtrath,  die  Kaufmannschaft,  die  In- 
nungen, die  Stände,  das  Oberkonsistorium,  ja  selbst  der  Geheime 
Rath  thaten  auch  jetzt  alles,  was  sie  konnten,  um  die  Niederlassung 
von  Juden  zu  hindern:  und  trotzdem  gelang  es  der  zähen  Energie 
Lehmanns,  sein  Ziel  zu  erreichen;  er  erhielt  1708  einen  Schutzbrief, 
wonach  ihm  und  seinen  Angehörigen  —  ein  Begriff,  der  überaus 
weit  gefasst  wurde  —  der  Aufenthalt  in  Dresden  erlaubt  wurde; 
1711  wurde  der  Gottesdienst  gestattet,  171.5  die  Genehmigung  zur 
Anlegung  eines  Kirchhofs  ertheilt.  1717  kaufte  Lehmann  das  ,,Post- 
haus"  auf  der  Pirnaischen  Gasse  (Landhausstrasse  7),  richtete  es 
mit  wahrhaft  fürstlicher  Pracht  ein  und  legte  dort  das  erste  bedeu- 
tende Wechselgeschäft  Dresdens  an;  sein  Sohn  iührte  dasselbe, 
gerieth  aber  bald  nach  des  Vaters  Tode  (17.^0)  in  Konkurs. 
Dresden.  Ermisch. 

Beiträge  zur  sächsischen  Kircheiigeschichfe,  herausgegeben  im 
Auftrage  der  „Gesellschaft  für  sächsische  Kircheiigeschichte"  von 
Franz  Dibelius  und  Gotlhard  Lecliler.  Zweites  und  drittes  Heft. 
Leipzig,  Johann  Aml)rosius  Barth.  1883  und  1885.  356  und 
150  SS.     8". 

Dem  am  Schlüsse  der  Besprechung  des  ersten  Heftes  (N.  A.  f. 
S.  G.  n.  A.  IV,  1883,  S.  267)  ausgesprochenen  Wunsche,  dass  die 
weiteren  Beiträge  der  Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte 
aleich  viel  belehrendes  und  anregendes  bringen  möchten,  kommen 
die  vorliegenden  zwei  Hefte  nach,  die  sich  durch  Mannigfaltigkeit 
des  Stoffes,  wie  eine  auch  für  weitere  Kreise  bestimmte  Darstellung 
auszeichnen.  Letzteres  tritt  gleich  in  der  Einleitung  des  zweiten 
Heftes  (S.  1—32)  hervor,  in  welcher  Kahnis  „die  geschichtlichen 
Wendepunkte  der  evangelisch-lutherischen  Landeskirche  des  König- 
reichs Sachsen"  in  der  dem  Verfasser  eigenen  klaren  und  pointierten 
Weise  von  der  Reformationszeit  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein,  zum 
Tlieil    auf  Grund    seiner  reichen    Lebenserfahrung   behandelt.     S.  4 


Literatur.  167 

zitiert  er  ein  hartes  Wort  Luthers  üher  die  Wenden:  „von  allen  die 
ärgste   ist  fast  die  Nation   der  Wenden,    da    uns   Gott   einp:eworfen 

lifit Wenn  ein  böser  Volk  denn  die  Wenden,  so  müsste  das 

Evangelium  dort  aufgegangen  sein".  Vergleicht  man  damit  Luthers 
sorgsame  Rücksichtnahme  auf  dieses  Völkchen,  wie  sie  sich  in  der 
wendischen  Lutherbioo;rapliie  von  Jury  Jakub,  Pr.  Marczin  Luther. 
Jeho  ziwenje  a  jeho  skutki.  WBudyschinje,  2.  Aufl.  (1883),  S.  130, 
ausgesprochen  findet,  so  erscheint  es  als  eine  ansprechende  Aufgabe 
fiir  einen  wendischen  Theologen,  das  Verhältnis  Luthers  zu  den 
AVenden  eingehender  zu  untersuchen. 

Durch  das  Lutherjuhilänm  veranlasst  bilden  Arbeiten  über  den 
der  Reformator  und  sein  Werk  den  Hauptgegenstand  der  vorliegenden 
Hefte.  Hierher  gehört  in  erster  Linie  die  Studie  von  F.  Dibelius, 
„Luther  in  Dresden"  (Heft  U,  S.  .315— .354),  welche  insofern  von  be- 
sonderem Werthe  ist,  als  Verfasser  in  derselben  ein  noch  wenig  be- 
rücksichtigtes Gebiet,  das  kirchliche  Leben  in  Dresden  am  Ende  des 
15.  und  Anfang  des  10.  Jahrhunderts,  mit  frischen  Farben  schildert. 
Auf  Grund  des  gedruckten  Materials,  wie  der  dem  Raths-  und 
Hauptstaatsarchiv  entlehnten  Nachrichten  wird  ein  anschauliches 
Bild  der  Kirchen  und  Gottesdienste,  der  Klöster  und  der  Geistlichkeit, 
des  religiösen  und  sittlichen  Volkslebens  in  kräftigen  Strichen  ent- 
worfen. "  Verfasser  tritt  für  eine  dreifache  Anwesenheit  Luthers  in 
Dresden,  im  Zusammenhange  mit  seiner  inneren  Entwickelung  ein: 
1.^16,  1Ö17,  1518.  Letztere  Frage  erörtert  noch  einmal  Seifert 
(Heft  HL  S.  145— 1.50):  „Hat  Luther  1517  oder  1518  in  Dresden  ge- 
predigt?" Nachdem  bereits  Kolde,  Martin  Luther,  L  382,  Anm.  zu 
S.  200  Luthers  Predigt  in  presden  (wie  statt  des  dort  stehenden 
Leipzig  zu  lesen  ist)  in  Übereinstimmung  mit  Köstliu  auf  den 
25.  Juli  1518  verlegt  hatte,  kommt  Seifert  zu  dem  Schlüsse,  dass 
„Tjuthers  bisher  angenommener  zweiter  und  dritter  Aufenthalt  in 
Dresden  zusammenfallen". 

Daneben  ist  Leipzig  mehrfacli  bedacht.  Im  II.  Heft  S.  45 — 53  be- 
spricht Seifert  die  Frage:  „Wo  hat  Luthm-  am  Pfingstsonntage  1539 
in  Leipzig  gepredigt?"  Er  giebt  hier  die  Übersetzung  des  von  Kolde 
in  den  Analecta  Lutherana  S.  339  flg.  abgedruckten  Schreibens  von 
Dr.  Justus  Jonas  an  Georg  von  Anhalt,  wonach  die  Frage  nun  end- 
giltig  zu  Gunsten  der  Thomaskirche  entschieden  wird.  Durch  einen 
werthvollen  Fund  Wustmanns  wird  dieses  Resultat  bestätigt.  Lechler 
eröffnet  das  III.  Heft  (S.  1—24)  mit  einer  sachlich  und  methodisch 
fesselnden  Arbeit:  „Die  Vorgeschichte  der  Reformation  in  Leipzig", 
welche  als  abschliessend  bezeichnet  werden  darf.  Indem  Verfasser 
die  evangelische  Bewegung  in  Leipzig  unter  Herzog  Georg  unter 
sorgfältiger  Beachtung  des  Details  und  mit  feiner  Empfindung  für 
das  stille  Wirken  verfolgt,  theilt  er  dieselbe  in  4  Perioden  ein: 
1519 — 1522,  in  welcher  vereinzelte  Sympathien  auftauchen,  1522 — 1524 
die  Zeit  des  Handelns,  1524—15.32  die  Zeit  stiller  Ausdauer  bei 
evangelischer  Gesinnung,  von  da  an  folgten  die  schwersten  Bedräng- 
nisse. Verfasser  konnte  bei  der  Darstellung  eine  Anzahl  werthvoller 
Dokumente  benutzen,  namentlich  den   köstlichen  Bericht  Fröscheis. 

Zur  Lutherforschung  bringt  noch  einen  weithvollen  Beitrag 
Georg  Buchwalds  Veröffentlichung  einer  Deutrouominmvorlesung 
Luthers  vom  Jahre  1523  (Heft  IIT,  S.  111—144),  welche  aus  den 
Schätzen  der  Zwickauer  Rathsschulhibliothek  stammt.  Hierher  ge- 
hört auch  der  den  gewöhnlichen  Umfang  weit  übersteigende  Artikel 
Georgs  von  Hirschfeld   (Heft  II,  S." 80-31 5),  welcher  „die  Be- 


168  Literatur. 

zieluiiifreu  Liitliers  und  seiner  Gomablin,  Katharina  von  Bora,  zur 
Familie  von  Ilirschfeld"  darstellt,  mit  einer  genealofrisciien  Einleitung 
über  die  Familie  von  HirscldVld  und  manclierlid  interessanten  Epi- 
soden, z.  B.  der  Wallfahrt  Bernhards  von  llirsclifeld  zum  heiligen 
Grabe  (S.  2S0— 309).  Zur  Kelbrmationsgeschichte  der  Lausitz  bringt 
mancherlei  Knothe,  „Die  Erzi)riester  in  der  Überlausitz",  an- 
sprechend durch  die  Knappheit  der  Darstelluvig  (Heft  11,  S.  33 — 44). 

Aus  dem  16.  zum  17.  Jahrhundert  leiti^t  über  Königsdörffer, 
«Memorabilia  der  Kirchfahrt  Langhennersdorf  bei  Freiberg-*  (Heft  II, 
S.  54 — 85).  Diese  Veröft'eutlichnng  zeigt,  wie  viel  Material  noch  in 
den  Pfarrarchiven  schlummert  und  welch  werthvoUe  Beiträge  das- 
selbe zur  üeschichte  des  kirchlichen  Lebens  bietet.  S.  56  ist  eine 
interessante  Persönlichkeit  erwähnt,  Mag.  Balthasar  Kademann,  der 
später  Hofpredicrer  in  Dresden  war  und  1607  als  Superintemlent  in 
Pirna  starb.  Wenn  derselbe  in  der  Visitation  als  ein  „gelehrter, 
geschickter,  der  lateinischen,  griechischen  und  ebreischen  Sprache 
wohl  erfahrener  Mann"  geschildert  wird,  so  findet  das  seine  Be- 
stätigung durch  ein  Exemplar  von  Georg  Fabricius  rerum  Misn. 
libr.  VIT  der  königl.  öfl'entl.  Bibliothek  zu  Dresden,  in  welches 
Kademann  eine  Reihe  klassischer  S^nüche  eingeschrieben  hat.  Vergl. 
liber  ihn  Heckel,  Chronik  von  Bischofswerda  S.  100;  J.  Chr.  Stern, 
Lebensbesclireibungen  derer  Herren  Pastorum von  Bischofs- 
werda S.  57;  Frenckel,  Diptycha  Ossitiensia  S.  151  tig.  Ist  dies 
übrigens  derselbe,  den  Schubart  (Gesch.  d.  Gymn.  zu  Budissin  I,  8) 
als  Rektor  erwähnt?  In  dieselbe  Zeit  führt  Förster,  „Sächsische 
Verordnungen  früherer  Zeit  gegen  den  Kleider-Luxus,  aus  urkund- 
lichem Material  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  zusammengestellt", 
indem  er  zeigt,  wie  der  llath  von  Halle  vergeblich  cregun  das  Ein- 
drängen ausländischer  und  besonders  französischer  Trachten  eifert. 
Es  ist  ein  beachtenswerthes  Seitenstück  zu  den  an  dieser  Stelle 
(Bd.  V,  S.  260)  besprochenen  Arbeiten  von  Bartsch  (Annaberger 
Programme). 

Das  18.  Jahrhundert  vertritt  Mensel  mit  einer  Studie  über 
„die  Einwanderung  böhmischer  Brüder  in  Grosshennersdorf  bei 
Herrnhut  in  Sachsen"  (Heft  III,  S.  39—93).  Auf  Grund  von  nnge- 
druckten  Briefen  und  Tagebüchern,  die  sich  theiis  im  Original,  theils 
in  Kopien  im  Grosshennersdorfer  Pfarrarchiv  tindcni,  bietet  er  dem 
Leser  eine  ])ackende  Schilderung  der  Drangsale  der  wegen  ihres 
Glaubens  Vertriebenen.  S.  63  weicht  Verfasser  in  der  Beurtlieilung 
des  Charakters  von  Liberda  wie  der  Behandlung  desselben  durch 
die  Regierung  von  der  Darstellung  ab,  welche  IJark  in  dieser  .Z'eit- 
schrift  (Bd.  III,  S.  <>)  auf  Grund  von  Dokumenten  des  llauptstaats- 
archivs  in  Dresden  giebt.  Hark  erzählt:  „Nach  Heidenreichs  und 
Essenius'  Bericht  an  die  Geheimen  Räthe  vom  28.  März  1733  hatte 
die  vorläufige  Untersuchung  ergeben,  dass  Liberdas  Vergehen  mehr 
auf  Einfalt  als  bösen  Absichten  beruhten.  Gleichwohl  schlug  das 
geh(;ime  Konsilium  dem  König  am  4.  ,'\pril  vor,  weder  die  Unter- 
suchung fortzusetzen,  weil  sie  zu  viel  Kosten  verursache,  noch  auch 
den  Verhafteten  freizulassen;  er  könne  sonst  leicht  die  Oberlausitzer 
Böhmen  in  neue  Unruhe  bringen  und  sie  wieder  zum  Abzug  bewegen. 
Bäthlicher  erscheine  ihnen,  ohne  die  Sache  auf  ferneres  Erkenntnis 
auszustellen,  Liberda  sofort  auf  einige  Zeit  und  bis  zu  weiterer  Ver- 
ordnung in  das  Zucht-  und  Armenhaus  nacli  Waldheim  bringen  und 
allda  mit  Armenkost  zu  versorgen,  auch  zuüleich  zu  convenabler 
Arbeit  anhalten  zu  lassen.    Dieser  Vorschlag  fand  Beifall  ur.d  wurde 


Literatur.  169 

aiisjreführt".  Auch  scheint  nach  Hark  das  hcärtere  Cefängnis  (Mensel 
S.  6»)  nicht  so  schlimm  gewesen  zu  sein,  denn  im  Herbst  besuchte 
ein  Herrnhuter  Bekannter  Liberda  und  fand  ihn  „sehr  aufgeräumt" 
(Hark  a.  a.  0.). 

Schliesslich  ist  die  Geschichte  unseres  Jahrhunderts  vertreten 
durch  die  pietätvolle  Monographie  Woldemar  Schmidts:  „Zum 
Gedächtnis  Dr.  Georg  Benedikt  Winers".  Als  Frucht  eingehender 
Studien  bietet,  der  Verfasser  werthvolle  Beiträge  aus  der  Jugend, 
der  schriftstellerischen  und  akademischen  Thätigkeit  des  Mannes, 
,.der  einen  ganz  besonderen  Zug  zu  ihrer  Vergangenheit  hatte,  ein 
Repräsentant  der  oltsächsischen  Schulbildung  war  und  vielleicht  der 
oeiientendste  Vertreter  der  grammatisch-historischen  Auslegung  seiner 
Zeit".  Verfasser,  sonst  mit  der  neutestamentlichen  Exegese  und 
praktischen  Theologie  beschäftigt,  hat  sich  hier  zum  eisten  Male 
der  sächsischen  Gelehrtengeschichte  zugewendet.  Möchten  wir  ihm 
noch  oft  auf  diesem  Gebiete  begegnen !  Möchte  es  ferner  den 
Herausgebern  der  Beiträge  gelina-en,  immer  so  tüchtige  Arbeiten  zu 
gewinnen,  wie  diese  Hefte  enthalten! 

Dresden.  Georg  Müller. 

Der  Briefwechsel  des  Mntianus  Rufus.  Gesammelt  und  bearbeitet 
von  Dr.  Carl  Krause,  Professor  am  herzoglichen  Prancisceum  iu 
Zerbst.  Kassel,  A.  Freyschmidt  (^Komm ).  1885.  1.3,  LXVIH, 
700  SS.     8«. 

Wenn  der  Briefwechsel  des  16.  Jahrhunderts  die  ergiebigste 
Quelle  für  die  Zeitgeschichte  darstellt,  so  gilt  dies  besonders  von 
der  Korrespondenz  Mutians,  der  alle  literarische  Thätigkeit  ableh- 
nend von  seiner  Tranquillitas  aus  einen  lebhaften  brieflichen  Verkehr 
mit  seinen  zahlreichen,  einflussreichen  Freunden  unterhält.  Liebe 
und  Hass,  Freude  und  Bangen,  Selbstbewusstsein  und  Schmeichelei 
treten  offen  zu  tage,  die  ganze  literarische,  humanistische  und  theo- 
logische Bewegung  findet  eine  ausgedehnte  Besprechung.  Wenn 
uaturgemUss  Thüringen  die  HaUiptroUe  spielt,  so  findet  sich  doch 
auch  zur  Geschichte  der  humanistischen  Bewegung  in  Leipzig  viel 
schönes  Material,  das  zu  bekannten  Nachrichten  in  Beziehung  tritt. 
Sollte  die  Berufung  des  Mosellanus  durch  den  „heros  quidam  Booe- 
mus  TcSv  ■Ko\Mipi]ii.iT(xi^''  (S.  600)  nicht  die  Folge  einer  Ablehnung 
durch  Crocus  sein,  welche  in  einer  Bittschrift  der  Artistenfakultät 
(Cod.  dipl.  sax.  reg.  11,  11,  406  flg.)  gewünscht  wird  und  dieses 
Schriftstück  dadurch  eine  sicherere  Datierung  bekommen?  Ausser 
Mosellanus  ist  Crocus  und  Aesticampianus  mehrfach  vertreten.  Hat 
sieh  demnach  der  Herausgeber  den  Dank  des  Lesers  durch  den 
dargebotenen  Stoö  gesichert,  so  noch  besonders  durch  die  Methode 
der  Bearbeitung.  Gegen  t50  Briefe,  zum  grossen  Tlieile  zum  ersten 
Male,  werden  auf  Grund  von  Handscliriften  in  Frankfurt,  München, 
Basel  und  Meiningen  geboten;  ihre  Datierung  und  Kommentierung 
ist  mit  grosser  Sorgfalt  und  einer  staunenswerthen  Literaturkenntnis 
vollzogen.  Zu  S.  658  Anm.  7  (Bernhard  der  Hebräer)  ist  noch  zu 
bemerken,  dass  dies  Bernhard  Ziegler  ist,  der  am  2.3.  Mai  1521  mit 
Mosellanus  und  anderen  eine  Beschwerde  über  die  Doktoren  der 
Theologie  bei  dem  Rathe  zu  Leipzig  einreiclit;  vergl.  Cod.  dipl.  S.  r.  11, 
11,  4.38  flg.  Am  1.  Juni  1542  wird  nochmals  von  Herzog  Moritz 
„dye  lectionn  der  hebreyschenn  spräche  dem  wirdigen  unserem  lieben 
andechticren,  hern  Bernharden  Zigelern.  .  ."  übertragen,  da  er  sich 
„über  diser  vorordnunge  iun  der  hebreyschen  sprachen  zcu  lesenn 
nicht  wegeron  könne   (a.  a.  0.  S,  551,  vergl.   auch  S.  572  und  604). 


170  Literatur. 

Drei  Register  erleiditern  den  Gebrauch  des  Buches.  Das  erste 
bietet  eine  Vergleicluinff  der  Nummern  des  Frankfurter  Codex  mit 
denen  ilor  Aussähe,  das  zweite  die  alphabetische  und  chronolosische 
Keilienfolge  der  Briefe,  das  dritte  das  überaus  reichhaltige  Namen- 
register. Zu  S.  690  a  Georg,  Herzog  von  Sachsen  ist  S.  609  hin/n- 
zufügen,  wo  Z.  10  flg.  dieser  mit  den  Worten:  „Princens  delector 
tenacior  est  quam  fuit"  gemeint  ist.  Die  Stelle  ist  insofern  bemer- 
kenswerth,  als  hier  zum  ersten  Male  vou  einem  der  Humanisten  ein 
ungünstiges  Urtheil  über  den  lange  Zeit  von  ihnen  cefeierten  und 
erst  später  denselben  untreu  gewordenen  Fürsten  ausgesprochen  wird. 

Dresden.  Georg  Müller. 

Lcbenserinnorungen   eines    deutschen    Malers.     SelbsthioLn-nphie 

nebst  Tagebuchiiiederscliriften  und  Briefen  von  Ludwig:  Richter. 

Herausgegeben    von    Heinrich   Richter.     Zweite    .Auflace.    Frank- 
furt a.  M  ,  Johannes  Alt.     I88ß.     VH,  472  SS.     8«. 

Seit  Rietschels  Selbstbiographie  ist  kein  so  köstliches  Künstler- 
buch erschienen,  als  diese  Erinnerungen  des  gemüthreichsten  aller 
deutschen  Künstler  dieses  Jahrhunderts.  Einen  schöneren  Absihluss 
konnte  der  Meister,  dessen  gemüthsinnijje  Blatter  ihren  Weg  zu 
Haus  und  Herzen  fanden,  soweit  die  deutsche  Zunge  klingt,  seinen 
(jaben  nicht  verleihen,  als  uns  diesen  Einblick  zu  verleihen  in  sein 
Lehen,  das  reich  an  äusseren,  reicher  aber  noch  an  inneren  Erleb- 
nissen war.  Richter  schildert  seine  Schicksale  von  der  frühesten 
Kindheit  an  bis  zum  Jahre  1847  ziemlich  ausführlich;  der  Tod  hat 
ihn  gehindert,  über  seine  weiteren  Erlebnisse  und  Arbeiten  in  noch 
einem  Kapitel  zu  berichten  und  dann  in  einer  Schlussbetrachtung 
die  Summe  seiner  gesamten  Lebenserfahrungen  zu  einer  Art  künst- 
lerischem und  religiösem  Glaubensbekenntnis  zusammenzufassen. 
Eine  Reihe  von  Auszügen  aus  seinen  Tagebüchern  und  Briefen 
ersetzen  diesen  Mangel  nur  einigermassen.  Obgleich  somit  das  Werk 
keinen  vollen  Ahschluss  hat,  so  macht  doch  das  Vermäclitnis  des 
theueren  Yerstorbenen  einen  vollen  harmonischen  Eindruck:  eine 
gefestigte  Lebensanschauung,  auf  innigste  und  überzeugunj.'Streue 
Frömmigkeit  aufgebaut,  durchzieht  alles,  was  Richter  schreibt.  Sein 
kluges  Auge,  seine  sichere  Hand  offenbaren  sich  in  allen  den  Schil- 
derungen von  Ereignissen  und  Persönlichkeiten,  an  denen  das  Buch 
so  reich  ist.  Bei  aller  Milde  des  Urtheils  weiss  der  Meister  zu 
rechter  Zeit  treffende  satirische  Bemerkunsren  einzullechten,  die 
um  so  weniger  verletzen  können,  als  Richter  gegen  sich  selbst 
von  gleicher  Wahrheit  und  über  die  Grenzen  seines  Könnens  na- 
mentlich als  Lehrer  völlig  klar  war.  Wie  oft  hat  er  den  Schülern, 
die  alles  gelernt  hatten,  was  bei  ihm  zu  lernen  war,  gesagt,  dass 
sie  nun  zu  weiterem  Studium  nach  München  oder  Düsseldorf  gehen 
möchten,  um  den  Forderungen  der  Neuzeit  gerecht  werden  zu  können! 
Kunstgeschichtlich  werthvoll  ist  Richters  Buch  besonders  wegen  der 
Schilderung  jener  denkwürdigen  Zeit  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts-, 
wo  die  deutsche  Kunst  sich  in  Rom  aus  ihrer  Erstarrung  zu  neuem 
Leben  emporraffte,  wo  ein  Overbeck,  Veit,  Schnorr,  Koch  u.  a. 
kämpften,  um  den  Staub  akademischer  Antikensäle  von  sich  zu 
schütteln  luid  den  nutzlosen  Kram  alter  verblasster  Kunstregeln 
aus  sich  heraus  durch  etwas  Neues,  Lebensvolles  zu  ersetzen.  P'ür 
Richter  selbst  war  ja  seine  italienische  Reise,  der  mehr  als  ein 
Drittel  seiner  Aufzeichnungen  gewiduiet  sind,  ein  Bad  der  Wieder- 
geburt.    Denn  in  Dresden  war  in  der  Zeit,  in  welche  seine  Jugend- 


Literatur'.  171 

und  Lehrzeit  fiel,  weniger  als  nichts  zu  lernen.  Die  Schilderung, 
welche  er  von  diesem  Kunstelende  und  ihren  Trägern,  vor  allem 
dem  alten  Manieristen  Zingg  entwirft,  ist  geeignet,  uns  die  innigste 
Theilnahme  mit  dem  jungen  aufstrebenden  Künstler  einzutlössen, 
dem  der  Horizont  von  allen  Seiten  zugebaut  war.  Mit  vollem  In- 
teresse folgen  wir  ihm  daher  in  seinem  Erdenwallen,  in  seiner  stets 
aufwärts  gehenden  Entwickelung,  bedauern  mit  ihm  gescheiterte 
Hotinungen  und  freuen  uns  an  den  erreichten  Zielen.  Die  Be- 
scheidenheit und  Anspruchslosigkeit,  mit  der  er  seine  künstlerischen 
Erfolge  schildert,  könnte  fast  seine  grossen  Verdienste  übersehen 
lassen.  Im  Grunde  verdankt  er  aber  doch  alles,  was  er  ist,  sich 
selbst.  Ohne  Zweifel  haben  ihm  die  deutschen  Romantiker  manche 
Anregung  gewährt;  dass  er  sich  aber  von  ihren  Verirrungen  fern 
hielt,  dass  er  uns  wieder  lehrte,  aus  dem  heimischen  Boden  künst- 
lerische Kraft  zu  saugen,  das  müssen  wir  allein  seiner  eigenen 
eesunden  Anschauung  und  seinem  künstlerischen  Genius  zuschreiben. 
Ludwig  Richter  ist  der  Mann,  der  sächsische  Eigenart  nach  ihrer 
liebenswerthen  Seite  hin  voll  zum  Ausdrucke  gebracht  hat.  Ihn 
dürien  wir  in  einem  Athemzuge  mit  Adolf  Menzel  und  Moritz  von 
Schwind  nennen.  An  schlichter  Treue  und  seelenvoller  Anmuth 
übertriftt  er  sie  beide,  und  das  ist  auch  der  Ton,  der  uns  aus  seiner 
köstlichen  Biographie  entgegenklingt  und  sie  zu  einem  wahren 
Haus-  und  Familienbuche  im  echten  Sinne  des  Wortes  macht. 
Dresden.  Paul  Schumann. 


Übersicht   über    neuerdings    erschienene  Schriften   und 
Aufsätze   zur   sächsisch  -  thüringischen  Geschichte   und 

Alterthumskunde. 


Bachmann,  Adolf.  Briefe  und  Acten  zur  österreichischen  Geschichte 
im  Zeitalter  Kaiser  Friedrich  IH.  (A.  u.  d.  T.:  Fontes  rerum 
Austriacarum.  U.  Abth. :  Diplomataria  et  Acta.  XLIV.  Bd.).  Wien 
1885.     XXXVI,  712  SS.     8». 

Blochmann,  C.  F.  Eud.  Karl  Justus  Blochmann.  Ein  Bild  seines 
Lebens  und  Wirkens,  unter  Benutzung  der  hinterlassenen  Schriften 
entworfen  und  bei  der  Säkularfeier  seines  Geburtstages  seinen 
Schülern  und  Freunden  dargeboten.  Dresden,  Tittmann.  1886. 
VII,  63  SS.     8". 

Böhmert,  Vikt.  Der  Pfarrer  von  Eosswein.  Ein  Lebensbild.  Gotha, 
F.  A.  Perthes.     1886.     XI,  110  SS.     8". 

Bohne,  Hcriti.  Wold.  Das  Informationswerk  Ernst  des  Frommen 
von  Gotha.  [Leipziger]  Inaugural  -  Dissertation.  Leipzig  1885. 
64  SS.     8». 

Bornhak.  Die  Entwicklung  der  sächsischen  Aratsverfassnng  im  Ver- 
gleich mit  der  braudenburgischen  Kreisverfassung:  Preussische 
Jahrbücher  Bd.  LVI  (188'>).     S.  126—140. 

Buchioald,  G.  Noch  eine  Bemerkung  zu  dem  Streite  Luthers  mit 
den  Wittenberger  Stiftsherreu  1.52.3  —  24:  Theologische  Studien 
und  Kritiken.    Jahrgang  lfc85.     S.  555—560. 


1J2  Literatur* 

Uicffenhach,  Fcrd.  r)ie  kiirsäclisisclie  Politik  in  der  l'eriotle  vom 
westplialischen  Frieden  bis  zum  Frieden  von  Nymwegen:  Wisseii- 
schaftliclie  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1885.  No.  84,  85. 
S.  4'*7— 500,  ÖO.Ö— ."iOT. 

Distel,  Thecd.  Elf  kriminalistisch(!  Mitteilnngen  r.us  dem  k.  s. 
Ilaiiptstaatsarchiv  [1494— 1  «04]:  Zeitschrift  der  Savignystiftnng 
VT  (1885).    Germ.  Abth.    S.  184—189. 

—  Gutachten  der  .Turistenfakultät  zu  Leipzig  über  einen  Bauer, 
Avelcher  „ungebeicbtet"  das  Sakrament  empfangen  wollte  (lä2.S); 
ebenda  S.  189  flg. 

—  Nachrichten  über  den  Schöffenstuhl  zu  Geithain  (1377  flgil.): 
Zeitschrift  der  Savignystiftnng  VI  (1885).  German.  Abth.  S.  190  Hü. 

—  Kleine  Nachrichten,  lietreffond  Kikc  von  Repcowe:  ebenda  S   192. 

—  Zur  Bicuraphie  der  Dichterin  Marianne  von  Ziegler  |aus  Leipzig]: 
Archiv  für  Literaturgeschichte  Bd.  XIV.     S.  103—105. 

—  Wer  war  der  Lehi-er  des  [kursächsischen  Hof-]  Malers  Cyriacns 
Köder V  Kunstchronik  (Beibl.  zur  Zeitschr.  für  bildende  Kunst). 
Jahrgang  XX  (1885).     Sp.  431. 

—  Das  Altarbild  in  der  Schlosskapelle  zu  Moritzburg:  ebenda  Sp.  099. 

—  Nachricht  über  den  kaiserl.  Hofmaler  Johann  von  Ach  1552 — 1(515 
[und  seine  sächs.  Schüler]:  ebenda  Jahrg.  XXI  (1886).    Sp.  137. 

—  Zwei  bisher  unbekannte  |  sächsische!  Plattnernamen  1572:  Zeit- 
schrift für  Museologie     Jahrgang  VHI  (1885^.    No.  65.    S.  116. 

—  Empfehlung  des  Malers  Heinrich  Peters  aus  Lübeck  an  den  Kur- 
fürsten  .August  (15.08):  ebenda. 

—  Jagdbeute  der  Kurfürsten  August  und  Friedrich  August  I.  (1559, 
15K3.  1728):     Waidmann.     Jahrgang  XYI.     No.  37  (Beilage). 

—  Jagdbeute  des  Kurfürsten  Johann  Georg  IL  vom  14.  Juli  bis  25. 
August  1676:    ebenda  Jahrsang  XVII.     No.  19.     S.  176. 

Ehses,  Steph.  Landgraf  Philipp  von  Hessen  und  Otto  von  Pack. 
Eine   Entgegnung.     Freiburg  i.  B.,  Herder.     1886.     IX,   164  SS. 

Erlecke,  All).  Patriotische  Geschichte  des  Königreichs  Sachsen  und 
der  sächsisch -thüringischen  Lande  von  den  ältesten  Zeiten  bis 
zur  (jegeuwart.  Nach  archivalischen  Quellen  volksthüuiliih  be- 
arbeitet. Mit  Illustrationen  etc.  Heft  1.  2.  Chemnitz  u.  Leipzig, 
Schmeitzner.     (1886).     S.  1—96.     8". 

Freytcui,  E.  R.  Dr.  Johannes  Edler  von  der  Planitz:  Wissensch. 
Beilage  zur  Leipziger  Zeitung.     1885.     No.  91.     S.  541—544. 

Gurlitt,  C.  .Aus  den  sächsischen  Archiven:  Goldschmiede  des  16.  Jahr- 
hunderts. Kunstgewerbcblatt.  Jahrgang  II  (1886)  Heft  1.  S.  19— 21. 

Jac()hi\  IL  Von  der  erzsebiruischen  Eisenindustrie:  Wissenschaftl. 
Beilage  der  Leipziger^Zeitung...   1886.     No.  2.     S.  9—12. 

Jentsch.  Der  Name  Dresdens:  Über  Berg  und  Thal.  Jahrgang  VIII 
(1885).     No.  11.     S.  .377. 

Kirchhof}',  Alhr.  Die  Entwickelung  des  Buchhandels  in  Leipzig  bis 
in  das  2.  Jahrzehnt  nach  Einführung:  der  Reformation.  Eine  ge- 
schichtliche Skizze.    Leipzig,  Kirclihotl'&Wigand.    188\  88  S.  8». 

Knothe,  Herrn.  Die  Stellung  der  Gutsunterthanen  in  der  Oberlausitz 
zu  ihren  Gutsherrschaften  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Ab- 
lösung der  Zinsen  und  Dienste:  Neues  Lausitzer  Magazin.  Bd. 
XLXI.     S.  159— ."08.     (Auch  separat  erschienen.) 

A'och,  Aus  Leipzigs  Vergangenheit:  Grenzboten.  Jahrg.  1885.  No.  48. 
S.  434—438. 

Krause,  Carl.  Melanchthoniana.  Regesten  und  Briefe  über  die 
Beziehungen  Philipp  Melanohthons  zu  Anlialt  und  dessen  Fürsten. 


Literatur.  173 

Aus  dem  gedruckten  Briefwechsel  und  den  Handschriften  zu- 
sammengestellt und  in  Verbindung  mit  einigen  anderen  Stücken 
herausgegeben.  (Glückwunsch-Schrift  zur  Säkularfeier  des  Des- 
sauer Doppelgymnasiums).     Zerbst  1885.     X,  185  SS.     S^. 

Leinche,  Paul.  Ein  vergessener  sächsischer  Dichter  [David  Schirmer]: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1885.  No.  103. 
S.  629—631. 

Lobe,  E.  Die  oberste  Finanzkontrolle  des  Königreichs  Sachsen  in 
ihrer  organischen  Entwicklung  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die 
Gegenwart:    Finanz-Archiv.    Jahrgang  II  (1885).    Bd.  2.  S.  1 — 127. 

L.,  Gr.  Eine  handschriftliche  Langensalzaer  Chronik:  Jahrbücher 
für  die  deutsche  Armee  und  Marine.  Bd.  LYI  (1885).  S.  82—98, 
215—230. 

Mitzschlie,  Faul.  Martin  Luther,  Naumburg  a.  '3.  und  die  Reforma- 
tion. Festschrift  zur  Begrüssung  der  Versammlung  vormaliger 
Schüler  des  Naumburger  Domgymnasiums  etc.  Naumburg  a./S., 
J.  Domrich.     1885.     3«  SS.     8^ 

Mothes,  0.  Baugeschichte  der  St.  Marienkirche  zu  Zwickau.  Aus 
„Zwickauer  Tasreblatt  und  Anzeiger".  Zwickau,  Konegen.  1885 
106  SS.     16^'. 

—  Alterthümer  in  Zwickau  und  Umgegend:  Archiv  für  kirchliche 
Kunst.     X,  S.  1. 

[v.  Eabenhorst.J  Der  Antheil  der  Kurfürstlich  Sächsischen  Truppen 
an  der  Erstürmung  von  Prag.  25,  '26.  November  1741.  Nach  den 
Akten  des  Haupt-Staatsarchivs  zu  Dresden  bearbeitet  von  einem 
Kgl.  Sachs.  Generalstabs-Offizier.  Mit  3  Skizzen:  Kriegsgeschicht- 
liche Einzelschriften,  herausgegeben  vom  Grossen  Generalstabe. 
Hei't  7  (1886).     S.   1  —  43. 

Bosenberg,  Marc.  Der  neue  Katalog  des  Grünen  Gewölbes:  Kunst- 
gewerbcblatt.     Jahrgang  I  (1885).     S.  183—187. 

Schmidt,  Gust.  Päbstliche  Urkunden  und  Regesten  aus  den  Jahren 
1295—1352,  die  Gebiete  der  heutigen  Provinz  Sachsen  und  deren 
Umlande  betieöend.  (A.  a.  d.  T. :  Geschichtsquellen  der  Provinz 
Sachsen  und  angrenzender  Gebiete.  Herausgegeben  von  der 
Historischen  Commission  der  Provinz  Sachsen.  21.  Band.)  Halle, 
Hendel.     1886.     XII,  491  SS.     S''. 

[Schmkdel,  E.]  Die  ältesten  Nachrichten  über  den  Marktflecken 
Burkhardtsdorf.     [1885.]     16  SS.     8«. 

SchuDiann,  Paul.  Barock  und  Rococo.  Studien  zur  Baugeschichte 
des  18.  Jahrhunderts  mit  besonderem  Bezug  auf  Dresden.  Mit 
11  Abbild.     Leipzig,  E.  A.  Seemann.     1885.     133  SS.     8". 

Steche.,  R-  Über  ältere  Bau-  und  Kunstwerke  in  den  Amtshaupt- 
mannschaften Höha  und  Chemnitz:  "Wissenschaftliclie  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.     1885.     No.  105.     S.  645—648. 

—  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
des  Königreichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  K.  Staatsregierung 
herausgegelien  vom  K.  Sächsischen  Alterthumsverein.  Sechstes 
Heft:  Amtshauptmannschaft  Flöha.  Dresden,  C.  C.  Meinhold  u. 
Söhne.     1886.     88  SS.     8". 

Wustmann,  Gr.  Leipziger  Schlosserarbeiten  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts: Kunstgewerbeblatt.  Jahrgang  H  (1886).  Heft  5.  S.  91—94. 

Frhr.  v.  Zedtivitz,  Arthur.  [Die  Wappen  der  im  Königreich  Sachsen 
blühenden  Adelsfamilien]:  Dresdener  Residenz-Kalender  für  1886, 
S.  157—164. 


174  Literatur. 

Zernin,  GebJt.     Eriiineriiiigen  an  Josef  Tichatscliok :    Wissensdiaftl. 

Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     ]88ß.     No.  11.     S.  6l — 6;;. 
Aus  dem  Leben  des  weiland  kursäclisischen  Generals  der  Infanterie 

V.    Liiult:     Jahrbücher   für   die    deutsche   Armee    und    Marine. 

Bd.  LVII  (1885).     S.  186—192. 


Mitteilungen  des  Altertumsvereins  zu  Plauen  i.  V.  Fünfte  Jahres- 
schrift auf  das  Jahr  1884—85.  Herausgegeben  von  Joh.  Müller. 
Plauen  1885.     8'\ 

Inhalt:  Joh.  Müller,  Urkunden  und  Urkundenauszüge  zur 
Geschichte  Plauens  und  des  Vogtlandes.  C.  v.  R|aab],  Nach- 
richten über  Falkenstein  i.  Y.  bis  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts. 
Joh.  Müller,  Ein  Diebsprozess  zu  Plauen  im  Jahre  1548. 

Müteilunffen  des  Geschichte-  und  Altertumsforschenden  Vereins 
zu  Eisenberg.     1.  Heft.     Eisenberg  188().     8". 

Inhalt:  Mag.  Adami  Gschwendii  Lycci  Christianei  quondam 
Rectoris  Memorabilia  Eisenbergensia.  Nachrichten  aus  der  Zeit 
von  Mich.  167(3  bis  Ende  1<380  betreffend  Herzog  Christian  zu 
Eisenberg  und  den  Schlossbau  daselbst  auf  üvund  von  Rechnungen. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  A}ihuUische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde.   Bd.  IV,  Heft  5.     Dessau  1885.     8''. 

Inhalt:  Zahn,  Die  Stadt  Aken  a.  d.  Elbe  unter  dem  aska- 
niscbeu  Herrscherhause.  Suhle,  Die  Stadt  Bernburg  im  dreissig- 
jährigen  Kriege.  Sello,  Das  Halberstädter  Schlummerlied. 
Hos  aus.  Zustände  in  Dessau  und  Wörlitz  im  Oktober  und  No- 
vember 1806.  Stenzel,  Der  Münzfund  von  Kleinnuihlmgen. 
Ragotzky,  Ein  Stammbuchblatt  Fr.  (Christians  I.  von  Anhalt- 
Bernburg. 

Dasselbe.     Bd.  IV,  Heft  6.    Dessau  1885.    8". 

Inhalt:  Ho  saus,  Geistliche  Gedichte  aus  dem  ersten  Jahr- 
zehnt des  16.  Jahrhunderts.  Wäschke,  Volksgeographie.  IIo- 
säus,  Gustav  Hugo  und  Philipp  Buttmann  in  Dessau.  Zahn, 
Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze:  Wanderungen  zu  den  Kirchen 
Anhalts  im  Mittelalter.  Sc  hoch,  Chronologische  Darstellung  der 
Entstehung  des  Wörlitzer  Gartens.  Schulze,  Noch  einmal  der 
Name  Mägdesprung.  Warum  wir  bisher  „Köthen"  geschrieben 
haben. 

Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde. N.  F.  Bd.  IV  (der  ganzen  Folge  Bd.  XJI).  Heft  3 
und  4.     Jena  1885.     8^ 

Inhalt:  Karstens,  Sächsisch-Hessische  Beziehungen  in  den 
Jahren  1524,  1525  und  1526.  Ein  er  t,  Der  grosse  Brand  zu 
Arnstadt  (1581).  Anemüller,  Zur  Geschichte  des  Leutenberc-er 
Dominikanerklosters.  Dobenecker,  Konig  Rudolfs  I.  Friedens- 
l)olitik  in  Thüringen.  Miszellen  (Zwei  Brieie  der  Frau  Gross- 
lierzogin  Maria  Paulowna  von  Sachsen.  Dobenecker,  Berich- 
tigungen und  Zusätze  zu  B.  Schmidt,  Urkundenbuch  der  Vögte 
von  Weida,  Gera  und  Plauen). 


Berichtigung'  zu  Bd.  VI. 

Seite  309  Zeile  14  von  unten  lies  begrebnuß.    Seite  314  Zeile  5  lies 
1595;  Zeile  9  lies  Schneeweiß.     Seite  315  Zeile  8  lies  deß  wichtigen. 


Preisaiisschreibuiiff. 


Der  „Verein  für  (Teschichte  der  Deutschen  in  Böhmen"  zu 

Prag  schreibt  einen  Preis  im  betrage  von  900  ti.  ö.  W.  d.  i.  neun- 
hundert (iulden  öst.  W.  aus  für  die  erscböpfende  Lösung  folgender 
zwei  Aufgaben:  1.  Es  ist  der  Nachweis  zu  erbringen,  ob  der  um 
Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts  zu  Neuhof  l)ei  Fulda  als  praefectus 
urbis  (Amtmann)  angestellt  gewesene  Herr  Johann  Wilhelm  Kekule 
ein  Nachkomme  der  altböhmischen  liitterfamilie  Kekule  von  Strado- 
nitz  ist,  oder  nicht.  2.  Geschichte  der  Familie  Kekule  von  Stradonitz 
—  Der  erste  Theil  der  Preisaufgabe  ist  der  wesentlichste  und  für 
den  Erwerb  des  ausgesetzten  Preises  Bedingung.  —  Die  an  die  Ge- 
schäftsleitung des  „Vereines  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen" 
in  Prag,  Aunaplatz  188-1.,  einzusendenden  Arbeiten  dürfen  keinen 
Autorenuamen  tragen,  sondern  müssen  mit  einem  Motto  versehen 
sein,  welches  auch  ein  dem  Manuskripte  beiliegendes  Couvert,  dessen 
Inneres  die  genaue  Adresse  des  Verfassers  enthält,  auf  der  Aussen- 
seite  zu  tragen  hat.  Der  Einsendungstermiu  erstreckt  sich  bis  zum 
1.  Januar  1887;  die  Entscheidung  über  die  Preiszuerkennung  er- 
folgt bis  zum  1.  Februar  1887.  Als  Preisrichter  fungieren:  a)  Der 
Ausschuss  des  Vereins,  b)  der  Gustos  des  Archivs  und  der  genea- 
logischen Abtheilung  des  Vereins,  c)  Herr  Stephan  Kekule,  Sekond- 
Lieutenant  im  Feld-Artillerie-Regiment  No.  15  zu  Strassburg  i.  E.  — 
Die  preisgekrönte  Arbeit  wird  in  der  Zeitschrift  „Mittheilungen" 
des  „Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen"  publiziert. 

Prag,  17.  Februar  1886. 

Der  Ausschuss  des 

„Vereins  für  («eschichte  der  Deutsclien 

in  Böhmen." 


Unter  dem  Titel  Sang  und  Klang'  im  Saclisenland  beab- 
sichtigt die  Renger'sche  Buchhaudlniig  (Gel)hiirdt  &  Wilisdi)  in 
Leipzig  eine  Sammlung  spezifisch  sächsischer  Volkslieder  zu 
veranstalten.  Die  Leitung  dieses  verdienstvollen  Unternehmens  ist 
dem  Herausgeber  des  erzgebirgischen  Jahrbuches  ^Glückauf-',  Hugo 
Rösch  (Marienberg  i.  Erzgeb.),  übertragen,  welchem  auch  be- 
züglich der  illustrativen  Ausstattung  des  Buches  tüchtige  Kräfte 
zur  Seite  stehen.  Es  sollen  sowohl  alte  (historische),  wie  neuere 
Produkte  unserer  —  an  manchen  Orten  leider  im  Aussterben  he- 
grirtenen  —  Volkspoesie  in  Betracht  gezogen  und  dabei  vorwie- 
gend der  erzgebirgische,  lausitzer  und  vogtländische 
Dialekt  berücksiclitigt  werden.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  der 
Heraustreber  hierbei  die  Mithilfe  und  Mitarbeiterschaft  des  Publi- 
kums in  Berechnung  zu  ziehen  hat,  soll  anders  das  Werk  seine 
Bestimmung  erfüllen :  eine  möglichst  vollständige  Blüthenlese  des 
liesten  unseres  heimis(;hen  Volksgesanges  zu  geben  —  unseres 
heimischen,  denn  Saciisen  birgt  in  seinen  Grenzen  einige  der 
wenigen  Oasen,  wo  die  wundersame  Blume  des  deutschen  Volks- 
liedes noch  wurzelt  und  blüht.  Es  ergeht  daher  an  alle 
Freunde  ihrer  Heimath  hierdurch  die  Aufforderung  zur 
Mitarbeiterschaft  und  man  bittet,  diesbezügliche  Anerbietungen 
etc.  an  die  oben  mifgetlieilte  Adresse  des  Herausgebers  gelan<ren 
zu  lassen.  Dieses  Ersuclien  richtet  sich  vorwiegend  an  die  Redak- 
teure der  Provinzialblätter,  an  Geistliclie  und  Lehrer,  an  Biblio- 
thekare (historische  Lieder  aus  Chroniken!),  an  Reservisten  und 
Landwelnleute  (Soldaten-  und  Regimentslieder!),  an  Studenten  und 
Schüler,  an  Forstbeamte,  wie  an  alle  Leute,  die  mit  dem  Volke  leben 
und  verkehren.  Jeder  Beitrag,  auch  der  scheinbar  unbede.ntendste, 
ist  willkommen.  Bekanntlich  ist  das  anscheinend  Werthlose  in 
Wirklichkeit  oft  von  grösster  "Wichtigkeit.  Die  Beigabe  von  Melo- 
dien, soweit  diese  vorhanden,  wird  noch  mit  ganz  besonderem  Danke 
begrüsst. 


VIII. 


Ekbert  IL,  Markgraf  von  Meissen. 


Von 

Paul  Rockrohr. 


Als  Ekbert  I.,  Markgraf  von  Meissen^),  am  11.  Januar 
1068  gestorben  war,  liinterliess  er  zwei  unmündige  Kinder, 
Gertrud  und  Ekbert,  von  denen  dieser  ihm  als  Ekbert  11. 
in  seinen  sämtlichen  Besitzungen  nachfolgte")>  Da  Ekbert 
noch  in  zu  jugendlichem  Alter  stand  —  er  mochte  viel- 
leicht sieben  Jahre  zählen")  — ,  so  leitete  jedenfalls  seine 
Mutter  Irmgard  im  Verein  mit  den  Vertrauten  ihres  ver- 

^)  Yergl.  über  denselben  meine  Dissertation:  Die  letzten 
Brnnonen,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  deutschen  Reiches  unter 
Heinrich  IV.  (Halle  a.  d.  S.  1885),  an  welche  sich  der  nachstehende 
Aufsatz  unmittelbar  anschliesst. 

-)  Böttger,  Die  Brunonen,  S.  585  (und  mit  ihm  Posse,  Die 
Markgrafen  von  Meissen  und  das  Haus  Wettin  bis  zu  Konrad  dem 
Grossen,  S.  161),  ist  der  Ansicht,  dass  Heinrich  das  Erbe  Ekberts 
nach  dem  Tode  des  Vaters  insofern  geschmälert  habe,  als  er  den 
Komitat  in  den  Gauen  Valothungen,  Äringen  und  Guddingen  einem 
Grafen  Friedrich  und  seinem  Sohne  Konrad  übergeben  habe.  Er 
folgert  dies  lediglich  aus  einer  Urkunde  vom  5.  August  1068  (Stumpf, 
Die  Reichskanzler,  No.  2716;  gedr.  bei  Lüntzel,  Die  ältere  Diöc. 
Hildesheim,  S.  366),  in  der  Heinrich  den  Komitat  in  diesen  Gauen, 
qtum  Fridericus  ejusque  füius  Counradus  comites  ex  regali  potestate 
in  beneficium  habuerunt,  der  Hildesheimer  Kirche  unterordnet.  Abge- 
sehen davon,  dass  dann  die  beiden  Grafen  den  Komitat  kaum  ein 
halbes  Jahr  iune  gehabt  hätten,  warum  können  sie  nicht  neben  den 
Brunonen  in  den  genannten  Gauen  Grafenrechte  besessen  haben? 
Ein  Vergleich  der  uns  bekannten  Ortschaften  in  diesen  Gauen  ver- 
bietet nicht  unsere  Annahme,  und  ein  Blick  in  die  Urkunden  jener 
Zeit  überzeugt  uns,  dass  sich  pagus  und  comäatus  fast  nie  decken, 
sondern  dass  meist  mehrere  Grafen  zugleich  in  einem  Gaue  Avalteten. 

*)  Vergl.  F.  Hultsch,  Die  Kämpfe  um  das  Meissner  Land 
unter  König  Heinrich  IV.,  S.  8,  Anm.  2.  (Festprogramm  der  Kreuz- 
schule zu  Dresden.    1878.)    Posse   a.  a.  0.  S.  160,  Anm.  21. 

Neue«  Archiv  f.  S.  (J.  u.  Ä.    VlI.   3.  4.  12 


178  1**^"^  Rockrohr: 

storbenen  Gemahls  die  Regierung-.  Irmgard  wird  sicli 
zu  ihrer  Schwestertochter  Bertha,  der  Gemahlin  König 
Heinrichs  IV.,  begeben  haben,  in  deren  Begleitung  sie 
im  Jahre  1071  im  Juni  erwähnt  wird^).  Ja  es  ist  höchst- 
wahrscheinlich, dass  Heinrich  IV.  anfänglich  selbst  die 
Vormundschaft  über  seinen  jugendlichen  Verwandten  über- 
nahm', jedenfalls  wuchs  er  unter  den  Augen  des  Königs 
auf,  dem  natürlich  viel  daran  liegen  musste,  sich  in  seinem 
nächsten  Verwandten  eine  Stütze  zu  erziehen'^).  Heinrich 
hegte,  wie  wir  aus  dem  Verlaufe  der  Geschichte  ersehen 
werden,  immer  eine  grosse  Zuneigung  und  fast  allzu- 
blindes Vertrauen  zu  Ekbert,  auch  dann  noch,  als  er  dessen 
Unzuverlässigkeit  zu  wiederholten  Malen  bitter  hatte  er- 
fahren müssen. 

Urkundlich  erwähnt  finden  wir  unsern  Ekbert  als 
marchio  in  einer  Urkunde  vom  4.  Dezember  1069'')  so- 
wie in  der  schon  erwähnten  vom  11.  Dezember  1071,  in 
welcher  Heinrich  und  seine  Gemahlin  Bertha  zum  Seelen- 
heile Ekberts  I.  mehrere  Güter  stiften.  Vielleicht  war 
schon  damals  Ekberts  Mutter  nicht  mehr  am  Hofe,  da 
eine  solche  Urkunde,  wenn  man  die  letzten  Pläne  Ekberts  I. 
erwägt,  sie  immerhin  schmerzlich  hätte  berühren  müssen, 
und  namentlich  ihre  Nichte  Bertha  schwerlich  in  ihrer 
Gegenwart  als  Fürsprecherin  fungiert  hätte").  Bestimmt 
sehen  wir  sie  bereits  1073  in  Italien,  wo  sie  über  einen 
Theil  ihres  Erbgutes  verfügt^). 


^)  Ann.  Saxo  1071  (Mon.  Genn.  SS.  VI,  698):  Adfuit  eciam 
praeclara  regina  Berta  cum  matertera  sua  Immula  seu  Irniingarcla 
marchionissa. 

''')  Wie  nahe  Ekbert  seinem  Vetter  stand,  beleuchtet  die  Ur- 
kunde vom  3.  April  1086  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  345):  Ekbertnm 
.  ..  receptum  omnino  sicut  filium  amplexi  sumus,  und  ferner:  adop- 
tivus  ille  noster  filius  Ekbertus,  quasi  ex  ipso  dileccionis  nostri 
sinu  prosiliens.  Eine  Vormundschaft  von  Seiten  Dedis  von  der 
Ostmark  ist  schon  von  Böttger  (S.  590)  zurückgewiesen,  wenn  auch 
nicht  mit  ihm  daran  zu  denken  ist,  class  Heinrich  seinen  jungen 
Verwandten  habe  adoptieren  wollen. 

6)  Stumpf,  No.  27.S0. 

')  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I,  1,  334.  Vergl.  meine  oben  angeführte 
Dissertation  S.  33,  Anm.  3.  Im  Jahre  1074  erscheint  Ekbert  I.  als 
Vogt  von  Gandersheim.    Vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  337. 

*)  Terraneo,  La  Principessa  Adelaide,  II,  321.  Die  letzte 
Urkunde,  die  wir  von  Ekberts  Mutter  kennen,  ist  vom  Dezember  1077 
(das.  S.  328);  bereits  am  29.  April  1078  weüte  sie  nicht  mehr  unter 
den  Lebenden,  wie  dies  eine  Urkunde  Adelheids:  pro  remedio  animae 
Iramillae  quondam  germanae  meae  (das.  S.  331)  beweist.  Vergl. 
Bre  ssl  au,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches  unter  Konrad  II.,  I,  378. 


Ekbert  II.,  Markgraf  von  Meissen.  179 

Als  Irnig-ard  den  königlichen  Hof  verliess,  scheint 
auch  Ekbert  sich  weniger  am  Hofe,  als  auf  seinen  Be- 
sitzungen aufgehalten  zu  haben,  wo  der  Einfluss  seiner 
Landsleute  sich  gar  bald  zeigen  sollte.  Dies  ersehen  wir 
aus  den  Ereignissen  des  Jahres  1073.  Heinrichs  Verhält- 
nis zu  den  Sachsen  war  ein  anderes  geworden;  schon  im 
Jahre  1069  hatte  Heinrich  mit  dem  Markgrafen  Dedi 
von  der  Ivausitz,  der  noch  im  hohen  Alter  Ottos  von 
Schweinfurt  ehrgeizige  Witwe  Adela  heirathete  und 
Lehen  beanspruchte,  die  ihm  nicht  zukamen,  zu  kämpfen 
gehabt  und  war  dabei  unterstützt  worden  von  Dedis 
eigenem  Sohne,  der  mit  den  Plänen  seiner  Stiefnuitter 
wenig  einverstanden  sein  mochte.  Nur  mit  bedeutenden 
Schmälerungen  an  Hab  und  Gut  konnten  Dedi  sowie 
sein  Schwiegersohn  Graf  Adalbert  von  Ballenstädt  die 
Gnade  des  erzürnten  Königs  wieder  erlangen '^j.  In  dem- 
selben Jahre  hatte  Otto  von  Nordheim  sein  Herzogthum 
Bayern  verloren -^^j;  in  seinen  Sturz  ward  auch  Herzog 
Magnus  verwickelt,  der  bitterste  Feind  Adalberts  von 
Bremen,  der  ein  Jahr  später  wieder  am  Hofe  seinen  für 
Sachsen  unheilvollen  Einfluss  gewann  ^^).  Mit  Unruhe 
sahen  die  sächsischen  Fürsten,  wie  energisch  Heinrich 
ihrem  Drange  nach  Selbständigkeit  und  ihrer  Ländergier 
auf  Kosten  der  Krone  entgegentrat,  wie  er  dem  Beispiele 
Adalberts  folgend,  gewaltige  Burgen  in  Sachsen  und 
Thüringen  neben  den  ihrigen  errichtete,  um  sein  Recht 
zu  wahren,  Heinrich  wollte  dem  rechtlosen  Zustande  ein 
Ende  machen  und  die  ihm  während  seiner  Minderjährig- 
keit entrissenen  Reichsgüter  und  Gerechtsamen  wieder  in 
seine  Gewalt  bringen.  Aber  er  ging  zu  weit,  wenn  er, 
beeinflusst  durch  Adalbert,  auch  daran  dachte,  die  aus- 
gedehnten Güter  und  Rechte  des  Ottonischen  Herrscher- 
hauses in  Sachsen  als  dem  Reiche  zustehend  einzufordern. 
Und  doch  waren  es  rein  persönliche  Interessen,  die  den 
Anlass  zur  Verschwörung  gaben  und  die  Anstifter  der- 
selben, den  Billunger  Hermann  sowie  die  beiden  Bischöfe 
Bucco  von  Halberstadt  und  Hezilo  von  Hildesheim,  zum 


»j  Lambert  a.  1069  (Mon.  Germ.  SS.  V,  174  tlg.).  Über 
die  Nachrichten  der  ann.  Altah.  1069  vergl,  Mehmel,  Otto  von 
Nordheim  (Gott.  Diss.  1870),  S.  46  flg. 

^**)  Das  Nähere  siehe  bei  Vogel  er,  Otto  von  Nordheim  (Gott. 
Diss.  1880),  S.  12  flg. 

")  Daselbst  und  Mehmel  a.  a.  0.  S.  85  flg.  Lindner,  Anno  II, 
S.  68.   G  r  ü  n  h  a  g  e  n ,  Adalbert  von  Hamburg  (Leipzig  1854),  S.  1 74  flg. 

12* 


180  Paul  Rockrohr: 

Aufstande  trieben.  Ihnen  gelang  es  zunächst,  Otto  von 
Nordheini  zu  gewinnen  '-),  bald  traten  auch  die  Bischöfe 
von  IVIagdeburg,  Merseburg,  Minden,  Paderborn,  Meissen, 
sowie  Udo  von  der  Nordmark,  Pfalzgraf  Friedrich  von 
Goseck,  Adalbert  von  Ballenstädt,  Dedi  von  der  Lausitz, 
seine  Neffen  Dietrich  und  Wilhelm  und  andere  zu  ihnen 
über^'^).  Auch  Ekbert  finden  wir  unter  den  Verschwore- 
nen^^); es  kann  uns  nicht  Wunder  nehmen,  dass  die  Um- 
gebung des  Knaben  durch  die  Theilnahme  solcher  Männer, 
die  theils  die  alten  Freunde  und  nächsten  Verwandten 
des  Vaters,  alle  aber  Landsleute  und  zumeist  Gcbiets- 
nachbaren  waren,  deren  Interessen  mit  denen  des  Knaben 
aufs  engste  verknüpft  waren,  bewogen  wurde,  sich  mit 
dem  Knaben  ebenfalls  gegen  Heinrich  zu  erheben. 

Da  so  viele  Fürsten  und  namenthch  Otto  von  Nord- 
heim an  der  Spitze  der  Verschwörung  standen,  gelang  es, 
auch  das  gemeinfreie  Volk  der  Sachsen  zum  Aufstande 
zu  bewegen,  das,  eifersüchtig  auf  seine  Freiheit  und  seine 
Rechte,  sich  leicht  einreden  Hess  —  soweit  es  den  könig- 
lichen Burgen  anwohnte,  musste  es  ja  auch  wirklich 
manchen  harten  und  ungewohnten  Druck  erdulden  — , 
der  König  wolle  es  arg  besteuern  und  knechten. 

Zwar  der  Plan,  durch  einen  Handstreich  auf  Goslar 
und  dann  durch  eine  Belagerung  der  Harzburg  sich  des 
Königs  Person  zu  bemächtigen,  misslang.  Aber  Heinrich 
fand,  wenn  es  ihm  auch  gelungen  Avar,  zu  entfliehen, 
dennoch  nicht  die  Unterstützung  bei  den  anderen  Fürsten 
des  Keiches,  die  er  erwartet  hatte.  Die  Herzöge  von 
Bayern,  Schwaben  und  Kärnthen  hatten  die  Sachsen  durch 
die  Anklage  Regingers  abwendig  gemacht;  aber  auch  die 
Vasallen  von  Lothringen,  ferner  von  Mainz,  Köln  imd 
anderen  Diözesen  fehlten,  als  Heinrich,  der  vielen  erfolg- 
losen Unterhandlungen  müde,  mit  einem  Avenig  kriegs- 
tüchtigen Heere* nach  Sachsen  einrückte,  um  seine  be- 
drohten Burgen  zu  retten.  Den  Sachsen  gegenüber  zu 
unmächtig,  musste  sich  Heinrich  zu  den  Bedingungen  ent- 
schliessen,  die  ihm  die  sächsischen  Fürsten  zu  Gerstungen 
stellten '•''):   er   musste  sich  verpflichten,   seine  Burgen   zu 


'2)  Lambert  a.  a.  0.,  berichtigt  durch  Süden  dort,  Reg.  111,26. 

>^)  Lambert  a.  1073  (Mou.  Germ.  SS.  V,  190). 

")  Daselbst:  Eraiit  in  ea  conjuratioiie  ....  Egbertus  marchio 
Thuringorum,  piier  adhuc  infra  militares  aiinos. 

>»)  Ausser  den  oben  (S.  179,  Anm.  9— 11)  angeführten  Werken 
vergl.  namentlich  Giesebrecht,  Deutsche  Kaiserzeit  III,  279  flg. 


Ekbert  IL,  Markgraf  von  Meissen.  181 

brechen,  auf  die  Einzieliung  der  Reichsgüter  und  Zehnten 
zxi  verzichten,  Otto  Bayern  zurückzugeben,  den  Sachsen 
Amnestie  zu  ertheilen. 

In  Goslar   sollte  auf  einem  allgemeinen  Fürstentage 
der  Vertrag    endgiltig   bestätigt   werden.     Als  nun  Hein- 
rich sein  Heer,  dem  namentlich  alle  Verpflegung  mangelte, 
entlassen  hatte  und  sich  überzeugte,  dass  die  Verhältnisse 
doch  lauge  nicht  so  ungünstig  waren,   wie  man  sie  ihm 
hingestellt   hatte,    dass   namentlich    sein  Lieblingssitz,  die 
Feste  Harzburg,    sich   noch    lange    hätte    halten   können, 
da   zögerte    er   doch,    den    Vertrag    endgiltig    zu    unter- 
zeichnen; allein  fast  mit  Gewalt  nöthigte  man  den  König, 
der  jetzt    in    Goslar   ohne  Heer    den  Sachsen   gegenüber- 
stand, in    die   Gerstunger   Bedingungen   zu  wiUigen.     Es 
scheint,  dass  es  hier  weniger  Otto  von  Nordheim  und  die 
Fürsten  waren,  die  wie  zu  Gerstungen  die  Bedingungen 
stellten ,  sondern  dass  die  niederen  Vasallen  und  die  Ge- 
meinfreien, über  welche  die  Fürsten  die  Herrschaft  bereits 
verloren  hatten,  die  Sprache  führten.    Zu  dieser  Annahme 
berechtigt    uns  der  Vergleich    der  jetzigen   modifizierten 
Bedingungen   mit    denen  von    Gerstungen.     Es   kam    den 
Sachsen  in  Goslar  vor  allem  darauf  an,  dass  die  Burgen 
—  und  zwar  sofort  —  gebrochen  werden  sollten,  während 
Heinrichs    Diplomatie    zwei    wichtige    Zusagen    erlangte, 
nämlich,    dass    auch    die    Thüringer    und    Sachsen    ihre 
Herrenburgen,   welche   zur  Zeit   seiner  Regierung  erbaut 
wären,  gleichermassen  zerstörten,  dass  er  ferner  zwar  in 
Jahresfrist   Otto    Genugtluiung  leisten    wolle,    aber   nicht 
unbedingt,  sondern  nach  dem  Richterspruche  der  Fürsten^ 
wobei  also  Weif  und  Rudolf  von  Schwaben  ein  gewich- 
tiges   Wort   mitzusprechen   hatten.      Hatte  so    schon    das 
Volk    seine  Übermacht    gezeigt,    so    sollte  die    Schwäche 
seiner  Fürsten  diesem  gegenüber  noch  deutlicher  werden, 
als  Heinrichs  Burgen  gebrochen  wurden.     Die  entfesselte 
Wuth    des    grossen   Haufens    begnügte   sich   nicht  damit, 
die  prächtige  Harzburg  samt  allen  Gebäuden  bis  auf  den 
Grund  zu  zerstören,  sondern  sie  schändete  auch  die  Kirche 
daselbst  und  streute  in  roher  Weise  die  Gebeine  der  Toten 
umher;  selbst  die  Gräber  von  des  Königs  Sohn  und  Bruder 
wurden  nicht  verschont. 

Doch  nun  kam  auch  für  Heinrich  der  Tag  der  Ver- 
geltung: seine  Boten  flogen  durch  das  Reich  und  ver- 
kündeten von  den  Greueln,  die  die  Sachsen  begangen. 
Die    süddeutschen  Fürsten  waren  empört,   dass  die  säch- 


182  Pa"l  Rockrohr: 

sisclien  Herren  nur  an  sich  bei  jenem  Vertrage  zuGerstimgen 
gedacht  und  sie  im  Stiche  gelassen  hatten;  Herzog  Weif 
konnte  es  Heinrich  nur  Dank  wissen,  dass  er  auf  dem 
Goslarer  Tage  den  Ansprüchen  Ottos  auf  Bayern  entgegen- 
getreten war,  und  Rudolf  von  Schwaben  wollte  den  treu- 
losen Fürsten  in  Sachsen  zeigen,  dass  er  doch  nicht  der 
Mann  war,  dem  man  heute  Anerbietungen  machen  konnte 
und  welchen  man  morgen  achtlos  bei  Seite  schob. 

So  rüstete  man  von  allen  Seiten,  um  Heinrich  Truppen 
zuzuführen.  In  Sachsen  selbst  war  längst  die  Einigkeit 
geschwunden,  die  anfänglich  geherrscht  hatte.  Volk  und 
Fürsten  misstrauten  einander.  Namentlich  der  besonnene 
Dedi  von  der  sächsischen  Ostmark,  dessen  Alter  wenig 
den  Anstrengungen  des  Krieges  gewachsen  war,  hatte 
sich  von  den  Übrigen  getrennt  und  seit  dem  Gerstunger 
Tage  dem  Könige  zugewandt  ^^).  Auch  Westfalen  und 
der  nicht  unbedeutende  Burgbezirk  Meissen,  wo  der  Burg- 
graf Biukhard,  einer  der  vertrautesten  Anhänger  Hein- 
richs, seinen  Eintluss  geltend  machte,  waren  dem  Auf- 
stande entgegen-^'). 

lö)  Lambert  a.  1075  (Mon.  Germ.  SS.  V,  219.  23'$.) 
^'j  Bruno  de  bello  Saxonito  c.  .39  (Sclmlausf^abe):  Hiiu-  vero 
non  iiisi  Saxouiae  vix  tertiam  partem  inveuiunt,  quia  omnes  Westfali 
et  omnes  circa  Misnam  liabitantes,  regis  auro  corrupti,  a  nobis  de- 
fecerunt.  Die  Nachrichten  Lamberts  und  Brunos  sind,  wie  wir 
aus  dem  Vorgehen  Heinrichs  ersehen,  parteiisch  und  unwahrschein- 
lich. Ganz  Meissen  kann  man  unter  omnes  circa  Misnam  habitantes 
nicht  verstehen,  wie  man  bisher  angenommen  (so  noch  Posse, 
Markgrafen,  S.  173).  Das  Verhalten  Heinrichs  Ekbert  gegenüber 
zeigt  uns  deutlich,  dass  dieser,  bez.  die  ihn  beeinflussende  Um- 
gebung, ihm  auch  nach  dem  Gerstunger  Tage  feindlich  gegenüber- 
stand wie  die  übrigen  Fürsten.  Wenn  Bruno  später  einmal  von 
Ekbert  sagt,  er  habe  stets  die  Partei  Heinrichs  verfochten  (q\>i 
Saxonibus  miUum  fecerat  auxilium,  sed  regi,  utpote  valde  pio])in- 
quo  genero,  toto  animo  favebat),  so  ist  dies  eine  tendenziöse  Ent- 
stellung, um  das  Verfahren  Heinrichs  als  ein  ungerechtes  im  ge- 
hässigsten Lichte  zu  zeigen.  Ekbert  hat  sich  stets  blutwenig  um  das 
valde  inopinquo  genere  bekümmert.  Die  Urkunden  aus  dem  Jahre 
1074,  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  338,  die  für  die  Verbindung  Ekberts 
mit  Heinrich  zeugen  könnten,,  sind  unecht,  vergl.  Posse,  Mark- 
grafen, S.  175,  Anm.  (55.  —  Über  die  Machtstellung  der  Burg- 
grafen von  Meissen  siehe  T.  M  ä  r  c  k  e  r ,  Das  Burggrafthum  Meissen 
(Leipzig  1842),  S.  34  flg.  Vergl.  v.  Posern-Klett,  Zur  Ge- 
schichte der  Verfassung  der  Markgrafschaft  Meissen  (Leipzig  1863), 
S.  3:  „Gewichtige  Gründe  sprechen  dafür,  dass  der  Burgbezirk 
Meissen  aus  den  in  der  Hand  des  Königs  zurückgebliebenen  Kesten 
mehrerer  Burgwartsbezirke  gebildet  wurde."  —  Burkhard  stand 
nicht  unter  dem  Bischöfe,  sondern  unmittelbar  unter  dem  Könige. 
Vergl.  Waitz,  Verfassuugsgesehichte,  VII,  52,  Anm.  2. 


Ekbert  IL,   Markgraf  von  Meissen.  183 

Ekbert  dagegen  und  sein  Anliang  traten  nicht  offen 
für  den  König  ein,  darum  sollte  auch  ihn  zuerst  die 
Strafe  des  Königs  treffen,  der  durch  die  Schlacht  an  der 
Unstrut  im  Juni  1075  die  sächsisclien  Waffen  besiegt 
hatte.  Um  nun  die  Sachsen,  deren  Fürsten  und  berittene 
Vasallen  sich  in  jener  Schlacht  fast  alle  durch  die  Flucht 
gerettet  hatten,  völlig  niederzuwerfen,  galt  es  zunächst, 
sich  der  östlichen  Marken  zu  versichern.  Heinrich  glaubte, 
sein  persönliches  Eingreifen  werde  hier  genügen,  um  die 
wichtige  Mark  Meissen  dem  Aufstande  zu  entziehen. 
Darum  rückte  er  im  September  desselben  Jahres  mit 
einem  Heereszuge  des  Herzogs  Wratislaus  von  Böhmen  in 
die  Mark  ein,  wo  ihm  Meissen,  da  Burkhard  hier  herrschte, 
willig  die  Thore  öffnete^^).  Bischof  Benno,  der  Burkhard 
manche  schwere  Stunde  bereitet  haben  mochte,  musste 
zuerst  die  Hand  des  Königs  fühlen;  er  wurde  in  Haft 
genommen   und  an  seinem  Vermögen  gestraft^"). 

Von  Meissen  aus  nun  versuchte  Heinrich  weiter  vor- 
zudringen ,  aber  es  war  sein  Fehler,  dass  er  statt  deutscher 
Scharen  Truppen  der  den  Deutschen  und  namentlich  den 
Sachsen  höchst  verhassten  Böhmen  bei  sich  hatte;  diese 
hausten  im  Lande,  ohne  dass  es  Heinrich  verhindern 
konnte,  nach  altgeM'ohnter  Weise,  weithin  kündigte  die 
Flamme  der  brennenden  Dörfer  den  Bewohnern  das  Her- 
annahen der  wilden  Scharen  an"°).  Inzwischen  aber 
war  es  der  Umgebung  Ekberts,  den  Heinrich  wohl  durch 
gütliches  Zureden  für  sich  hätte  gewinnen  können,  den 
es  aber  aufs  höchste  erbittern  musste,  dass  Heinrich  ihn 
durch  die  zuchtlosen  Scharen  der  Böhmen  zur  Unter- 
werfung zwingen  wollte,  gelungen,  ihre  Vasallen  zusammen- 
zubringen; unterstützt  von  den  benachbarten  Fürsten 
rückten  sie  mit  grosser  Hecresmacht  Heinrich  entgegen. 
Auf  eine  grössere  Schlacht  gar  nicht  vorbereitet,  musste 
der  König  sich  eilends  nach  Böhmen  zurückziehen,  Burk- 


")  Lambert  a.  1075  (Mon.  Germ.  SS.  V,  252). 

lö)  Vorsichtig  und  parteiisch  drückt  sich  hier  Larabert  (ebendas.) 
aus:  episcopo  civitatis  ipsius  comprehendit,  omiiia,  quae  ejus  erant, 
diripuit,  hoc  solo  reum  majestatis  eum  adjudicans,  quod  toto  tem- 
pore belli  Saxonici  nullos  ad  eum  servatae  erga  rem  publicam  fidei 
indices,  nuiicios  vel  litteras  destinasset. 

20)  Über  die  Raubsucht  und  Verwilderung  der  böhmischen 
Scharen  vergl.  Palacky,  Geschichte  von  Böhmen,  I,  314  flg.  Floto, 
Heinrich  IV^,  I,  13  flg. 


J^34  ^^^^  Rockrohr: 

liard  seinem  Schicksale  überlassend"').  Seinen  Vetter  aber 
strafte  er  für  seinen  Widerstand  dadurch ,  dass  er  ihm 
einen  Theil  seiner  AUode  absprach,  die  er  dem  getreuen 
Ulrich  von  Godesheim  verlieh"--). 

Von  Böhmen  ging"  Heinrich  nach  Regensburg,  wo 
er  Wratislaus  mit  der  Ostmark  belehnte. 

Im  Oktober  nämlich  war  Dedi  nach  langer  Krank- 
heit gestorben;  zwar  hatte  er  einen  Knaben  hinterlassen, 
den  seine  Mutter  Adela  noch  vor  des  Vaters  Tode  und 
wohl  auf  dessen  Anregung  als  Geisel  an  den  Hof  Hein- 
richs sandte.  Allein  Heinrich,  dem  es  vor  allem  darum 
zu  thun  war,  im  Osten  Sachsens  eine  feste  Stütze  zu 
haben,  gab  die  Lausitz,  da  die  Mark  Meissen  vorläufig 
ihm  verloren  war,  dem  getreuen  Wratislaus  von  Böhmen 
zu  Lehen'").  Wenn  ihm  auch  Dedi  persönlich  seit  seiner 
Unterwerfung  unverbrüchliche  Treue  gehalten,  d.  h.  eben 


"»)  Die  Schildeiuiig  des  Rückzuges  Heinrichs  klingt  bei  Lam- 
bert recht  unwahrscheinlich;  ausserdem  hat  sie  in  ihren  Grund- 
zügen  eine  verdächtige  Ähnlichkeit  mit  der  von  Heinrichs  Rück- 
züge im  Jahre  1076.  —  Giesebrecht  a.  a.  0,  S.  320  und  mit  ihm 
Posse,  Markgrafen,  S.  17G  glauben,  dass  dieser  Einfall  Heinrichs  in 
Meissen  keinen  anderen  Zweck  gehabt  habe,  als  die  sächsisch- 
thüringischen Marken  gegen  einen  Angriff  des  Polenherzogs  zu 
sichern,  welcher  die  „A(lela  bei  ihrem  masslosen  Ehrgeize  unschwer 
auf  seine  Seite  ziehen"  konnte.  Allein  bei  dem  Charakterstolz 
Adela's  wie  Ekberts  ist  schMerlich  anzunehmen,  dass  sie  beide  die 
Absicht  gehabt  hätten,  sich  unter  den  Schutz  des  Polen  zu  stellen, 
um  nur  nicht  Heinrich  gehorchen  zu  müssen.  Wie  gross  die  Ver- 
achtung und  der  Stolz  nicht  nur  gerade  der  Sachsen,  sondern  auch 
der  übrigen  Deutschen  den  Polen  und  Böhmen  gegenüber,  diesen 
„Barbaren",  waren,  erhellt  zur  Gentige  aus  Lamberts  Worten  zum 
Jahre  1077  (Mon.  Germ.  SS.  V,  255):  Dux  Polenorum,  qui  per 
multos  iam  annos  regibus  Teutonicis  tributariiis  fuerat,  cuinsque 
regnum  iam  olim  Teutonicorum  virtute  subaclum  fuerat,  repente 
in  superbiam  elatus  diadema  imposuit.  Quae  principes  graviter 
affecere,  sibique  invicem  succensebant,  quod  potentiam  opesque 
barbarorum  in  tantum  aluissent,  ut  iam  tcrtio  dux  Boemicus  regnum 
Teutonicuni  ferro  et  igne  populabundus  peragrasset,  et  nunc  dux 
Polenorum  in  ignominia  regni  Teutonici  contra  leges  ac  iura  maio- 
rum  regium  nomen  regiumque  diadema  impudeus  affectasset.  Vergl. 
ütto's  von  Xordheim  Erbitterung,  (juod  (a  rege)  plus  spei  ac  iiduciae 
ponatur  in  milite  Boemico  quam  in  Teutonici  exercitus  robore. 

■")  Bruno  c.  56:  Ekkiberti  denique  marchionis  possessiones 
prius  invadit  casque  Othelrico,  cuidam  de  suis  consiliariis,  donavit. 
l)a  wir  dieses  invadit  jedenfalls  mit  dem  Einfalle  Heinrichs  in 
Meissen  zu  identificieren  haben,  so  lagen  auch  die  AUode  in  der 
Mark,  vielleicht  im  Burgbezirk  Meissen,  wo  allein  der  König  noch 
Macht  hatte. 

'")  Lambert  a.  1075  (Mon.  Germ.  SS.  V,  233). 


Ekbert  II.,   Markgraf  von  Meisseii.  185 

nichts  gegen  ihn  untcrnoninicn  liatte  "*) ,  so  konnte  er 
dies  um  so  weniger  von  dessen  Witwe,  der  ehrgeizigen 
und  leidenschaftlichen  Adela,  erwarten,  deren  ganzes 
Verhalten  bisher  ihm  deutlich  bewies,  wie  wenig  er  auf 
ihre  Treue  bauen  konnte.  Auch  hatte  ihm  sein  jugend- 
licher Vetter  Ekbert  gezeigt,  wie  gefährlich  es  war,  wenn 
ein  Knabe,  beeinflusst  durch  seine  sächsische  Umgebung, 
in  diesen  wichtigen  Marken  herrschte. 

Während  so  das  Kriegsglück  Heinrichs  im  Osten 
entschieden  im  Nachtheil  war,  gelang  es  ihm,  den  mäch- 
tigsten und  einflussreichsten  Führer  des  Aufstandes,  Otto 
von  Nordheim,  durch  seine  Unterhandlungen  zu  gewinnen; 
indem  ihm  Heinrich  die  Statthalterschaft  in  Sachsen  ver- 
sprach, gab  er  sich  dem  Könige  zum  Schein  in  Haft'-''), 
Durch  sein  Vorgehen  bewogen  unterwarfen  sich  zugleich 
mit  ihm  am  22.  Oktober  zu  Gerstungen  die  übrigen 
aufständischen  Fürsten  und  Grafen.  Auf  diese  Weise 
war  Meissen  isoliert ,  und  es  schien  nur  eine  Frage  der 
Zeit,  wann  auch  dieses  Land  völlig  zum  Gehorsam  zurück- 
kehren werde. 

Inzwischen  aber  war  Heinrich,  zum  Theil  auch  über 
die  zu  lange  Haft  dieser  Fürsten  und  zwar  besonders  der 
Bischöfe,  mit  der  römischen  Kirclie  in  Konflikt  gerathen. 
Am  24.  Januar  1076  setzte  Hoinrich  zu  Worms  Gregor  VH. 
ab  im  Vertrauen  darauf,  dass  es  nur  eines  Schreibens 
bedürfe,  um  den  mächtigen  Priester  in  den  Staub  zu 
stürzen"*^).  Gregor  antwortete  unerschrocken  mit  dem 
Banne  über  den  König,  über  Siegfried  von  Mainz  und 
alle  die,  welche  aus  freien  Stücken  das  Absetzungsdekret 
unterschrieben  hätten.  Nichts  konnte  den  drei  süddeutschen 
Fürsten  Rudolf  von  Schwaben,  Weif  von  Bayern,  Berthold 
von  Kärnten,  nichts  den  Sachsen,  deren  Führer  immer 
noch  in  der  Gefangenschaft  waren,  willkommener  sein. 
Zwar  hatte  der  König  Otto  von  Nordheim  freigelassen, 
um  mit  seiner  Hilfe  die  Verhältnisse  in  Sachsen,  welche 
nach  der  Gefangennahme  der  Fürsten  sich  keineswegs 
besserten,  zu  ordnen.  Allein  er  folgte  nicht  dessen  Rathe, 
der  Gewalt  zu  entsagen  und  mit  Milde  und  Gnade  die 
Dinge   zu  ordnen,    d.  h.    nachzugeben'-').     Heinrich   ver- 

^*)  Lambert  a.  1075  (Mon.  Germ.  SS.  V,  233):  tametsi  marchio 
intemeratam  semper  erga  regem  tidem  servasset. 
•^■')  Vergl.  Vögele  r  a.  a.  0.  S.  83. 
28)  Giesebrecht  a.  a.  0.  S.  352  flg. 
"]  Lamberta.l076(Mon.Geim.SS.  V,244flg)  Bruno  c.  82— 84. 


186  Paul  Rockrohr: 

stand  es  nun  einmal  niclit,  dies  starre^  trotzige  Volk  zu 
behandeln,  da  er  zu  sehnell  und  hart  gegen  dasselbe  vor- 
ging. So  erhob  sich  das  freie  Volk  der  Sachsen,  auf  dem 
die  königliche  Steuer  schwer  lastete,  gar  bald  von  neuem 
und  ZAvar,  wie  uns  Lambert  berichtet,  diesmal  aus  freien 
Stücken  und  nicht,  wie  im  Jahre  1073,  auf  listiges  Zu- 
reden der  Fürsten  hin. 

Heinrich  sah  sich  bald  genöthigt,  zunächst  die  säch- 
sischen Fürsten  aus  der  Haft  zu  entlassen,  doch  mussten 
sie  ihm  schwören,  Sachsen  zu  beruhigen.  Allein  er  ver- 
darb es  sofort  wieder  mit  ihnen,  indem  er  es  versuchte, 
mit  Gewalt  das  Volk  zu  bezwingen  und  zwar  mit  Hilfe 
der  Barbaren,  der  Böhmen.  Von  Ekberts  Markgrafschaft 
Meisseu  aus  wollte  Heinrich  mit  böhmischen  Truppen 
seine  Operationen  beginnen,  die  Fürsten  und  Otto  von 
Nordheim  sollten  von  Westen  her  einbrechen;  allein*  die 
Vasallen  der  einzelnem  Fürsten  waren  wenig  geneigt,  dem 
Könige  zur  Bezwingung  des  eigenen  Landes  zu  Hilfe  zu 
ziehen,  und  Otto  von  Nordheim,  der  vermittelnd  zwischen 
dem  Volke  und  dem  Könige  stehen  und  so  selbst  an 
Macht  und  Ansehen  in  Sachsen  gewinnen  wollte,  war  aufs 
höchste  erbittert,  dass  Heinrich  die  verhassten  Böhmen 
entbot  und  denselben  mehr  traute,  als  ihm,  dem  Statt- 
halter*^). 

In  der  sichern  Erwartung,  sich  im  Herzen  von 
Sachsen  mit  den  Scharen  Ottos  und  der  andern  säch- 
sischen Grossen  vereinigen  zu  können,  war  Heinrich  in 
Meissen  eingefallen  und  ohne  erheblichen  Widerstand  zu 
finden  bis  an  die  Mulde  vorgedrungen,  überall  Besatzungen 
in  die  festen  Plätze  werfend.  Wie  früher,  so  machten 
auch  jetzt  die  Böhmen  ihrem  Rufe  alle  Ehre  und  ver- 
heerten das  Meissner  Land  mit  Feuer  und  Schwert.  Hier 
aber  an  der  Mulde,  die  ihm  den  Übergang  wehrte,  er- 
kannte Heinrich,  dass  ihn  die  sächsischen  Fürsten  im 
Stich  gelassen;  statt  ihrer  Vasallen  erschienen  die  Söhne 
des  Grafen  Gero,  Dedi's  Neffen,  welche  mit  7000  Keitern 
Ekbcrt  zu  Hilfe  geeilt  Avaren,  und  geboten  dem  weitern 
Vordringen  der  Böhmen  ein  Halt.  Gedeckt  durch  die 
stark  angeschwollenen  Fluthen  der  Mulde  zog  sich  Hein- 
rich wieder  nach  Böhmen  zurück.  Ekbert  jedoch  ging, 
sobald  der  Fluss  passierbar  geworden,  über  denselben  un(l 
nahm  sein  ganzes  Land  wieder  in  Besitz,    indem   er  alle 

**)  Vergl.  oben  S.  löi  Amii.  21  den  Schluss. 


Ekbert  IL,  Markgraf  von  Meissen.  187 

festen  Plätze,  in  denen  die  fremden  Besatznmgen  lagen, 
mit  stürmender  Hand  einnahm  und  sie,  um  sich  gegen 
alle  weiteren  Angriffe  zu  sieliern,  mit  eigenen  Besatzungen 
versah-^).  Dass  es  ihm  so  schnell  gelang,  die  Böhmen 
zu  vertreiben,  lag  wohl  auch  an  der  opferwilligen  Unter- 
stützung der  gesamten  deutschen  Bevölkerung^*^),  welche 
das  Joch  des  Böhmen  nur  gezwungen  ertragen  hatte  und 
nun  ihren  jungen  Markgrafen  mit  aller  Macht  unterstützte. 
In  der  Stadt  Meissen  selbst  erhob  sich  ein  Aufstand  der 
Bürger  gegen  den  königstreuen  Burkhard,  welcher  dabei 
erschlagen  wurde^^).  So  war  nun  wieder  ganz  Meissen 
in  den  Händen  Ekberts;  auch  die  Lausitz  wird  jetzt 
wieder  befreit  worden  sein,  wenn  sie  überliaupt  wirklich 
in  die  Hände  des  Böhmenkönigs  gelangt  ist.  Ekbert 
aber  ging  nun,  um  sich  für  Heinrichs  zweimaligen  Ein- 
fall in  sein  Land  zu  rächen,  seinerseits  zum  Angriffe 
gegen  den  König  vor,  indem  er  sich  zur  Partei  der  süd- 
deutschen Herzöge  schlug  und  zu  Forchheim,  Avährend 
Heinrich  in  Italien  weilte,  am  15.  März  1077  nach  der 
Absetzung  des  Saliers  den  Herzog  Rudolf  von  Schwaben 
zum  Könige  wählte'^"). 

Heinrich  war  auf  die  Nachricht  von  den  Forchheimer 
Vorgängen  hin  sofort  von  Italien  aufgebrochen  und  durch 


2»)  Lambert  a.  1076  (Mon.  Germ.  SS.  V,  250):  Ecbertus 
marcbio,  puer  loiige  adbiic  iiifra  militares  aiinos  (sie!  Vergl.  die 
Steigerung  zum  Jahre  1073  oben  S.  180  Anm.  14),  ubi  priuuim  decres- 
centibus  aquis  fluvius  factus  est  transmeabilis,  adiunctis  sibi  Saxo- 
nibus,  Misinen  perrexit,  omniaque  castella,  quibus  diix  Boemicus 
praesidia  imposuerat,  admota  militari  manu  recepit,  suosque  milites, 
qui  deinceps  contra  omnem  irruptioiiem  indefessi  excubarent,  imposuit. 

^^)  War  auch  die  Grundschicht  der  Bevölkerung  eine  slavische, 
so  sassen  doch  auch  zahlreiche  deutsche  Kolonisten  im  Lande,  und 
namentlich  in  und  um  den  zahlreichen  Burgwarten  sassen  deutsche 
Yasallen. 

^1)  Hierher  gehört  offenbar  die  Nachricht  bei  Bruno  c.  80 : 
Burchardus  Misnensis  praefectus,  dum  in  quadam  sua,  cui  praeerat, 
urbe  ab  urbanis  invaditur,  equo,  cui  insidebat,  frustra  calcaribus 
vulnerato  fugere  molitur.  Moritur  ergo  cum  magno  animae  suae 
periculo,  quia  saepe  consensum  praebuit  periculoso  saevissimi 
regis  consilio. 

3")  Giese brecht  a.  a.  0.  IL,  434  flg.  Dass  auch  Ekbert  in 
Forchheim  anwesend  war  und  Rudolf  wählte,  erkennen  wir  aus  der 
Urkunde  vom  30.  Oktober  1077:  Ekbertum  quondam  marchionem, 
qui  nos  integro  regno  privare  laborabat.  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  339.) 
Vergl.  die  Urkunde  vom  1.  Februar  1089:  Egbertus,  dum  in  nostram 
depositionem  consilium  et  auxilium  dedit.  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  L 
1,  349.) 


188  Paul  Rockrohr: 

Kcärntcn  nacli  Süddeiitscliland  gezogen,  wo  er,  unterstützt 
besonders  durch  die  Bischöfe  daselbst,  bald  festen  Fuss  fasste. 

In  Ulm  ächtete  er  sodann  die  Rebellen,  namentlich 
die  drei  süddeutschen  Herzöge,  die  er  nach  alamannischem 
Rechte  ihrer  Güter  ledig  sprach.  Auch  Ekbert,  gegen 
den  Heinrich  besondern  Zorn  hegte,  traf  die  Reiehsacht; 
gerade  in  ihm,  seinem  nächsten  Blutsverwandten,  hatte  er 
eine  Stütze  zu  finden  gehofft;  hätte  er  ihm  auch  ver- 
zeihen können,  dass  er  für  seine  sächsischen  Interessen 
das  Schwert  zog  und  mit  den  Waffen  in  der  Hand  seine 
Lande  gegen  die  verwüstenden  Scharen  der  Böhmen 
vertheidigt  hatte,  so  war  er  um  so  mehr  erbittert,  dass 
es  Ekbert  gewagt,  ihn  vom  Throne  zu  stossen  und  dem 
Banner  des  Gegenkönigs  zu  folgen.  Darum  wurde  er 
jetzt  durch  ein  Fürstengericht  seiner  sämtlichen  Lehen 
für  verlustig  erklärt''"). 

Wratislaus  von  Böhmen,  der  Heinrich  stets  treu  ge- 
blieben, erhielt  jetzt  neben  der  Lausitz  auch  die  Mark 
Meissen  zum  Lehen^*),  während  von  den  westlichen  Be- 
sitzungen der  Komitat  im  Gaue  Staveren  der  Utrechter 
Kirclie  zugesprochen  ward'^"). 

Über  die  übrigen  Lande  seines  Vetters  behielt  sich 
dagegen  Heinrich  alle  weitere  Entscheidung  vor. 

Während  Heinrich  so  in  Süddeutschland  seine  Gegner 
verdrängte,  war  Rudolf  nach  Norddeutschland  gezogen, 
wo  er  an  den  Sachsen  eine  trefi'liche  Stütze  gewann. 


'''*)  Lex  est  et  jus  gentium  iuimicos  regis  aperte  depreliensos 
aperte  communem  regni  persecutioiiem  pati,  ut,  sicut  perjiirii  in- 
famia  sunt  exleges ,  ita  bonorum  suorum  omnium  fiant  exheredes. 
(Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  .339.) 

•**)  Lambert  lässt  scbon  im  Jahre  107G  beim  zweiten  Einfalle 
Heinrichs  in  Meissen  Ekbert  seines  Landes  verlustig  gehen,  allein 
der  Zusammenhang  daselbst:  weil  Heinrich  auf  seiner  Flucht  aus 
Meissen  dem  Böhmen  die  Mark  verliehen,  darum  ging  Ekbert 
seinerseits  zum  Angrift"  vor  und  eroberte  seine  Burgen  wieder, 
ferner  der  Zusatz:  mirantibus  cunctis,  quod  regem  nee  aetatis  nee 
propinquitatis  respectus  ab  hac  injuria  revocasset,  machen  diese 
Nacliricht  unwahrscheinlich.  Lambert  folgert  die  Übertragung 
der  Mark  an  Wratislaus  nur  daraus,  dass  Heinrich  böhmische  Be- 
satzungen —  deutsche  Heiter  waren  dem  Könige  nur  wenige  ge- 
folgt —  in  die  festen  Plätze  gelegt  hatte.  Nach  Bruno  c.  36  hätte 
Heinrich  sogar  schon  1074  dem  Bölimen  Misnam  civitatem  cum  Om- 
nibus ad  eam  pertiuentibus  versprochen,  um  ihn  zum  Feldzuge  gegen 
die  Sachsen  zu  gewinnen! 

■''•'')  Unde  de  bonis  justo  judicio  sibi  ablatis  beato  Martino  spe- 
ciali  Trajectensis  ecclesie  patrono  comitatum  quendam  de  Stavero 
in  proprium   tradendo  firmavimus.     (Cod.  dipl.  Sax.  reg.   I.  1,  339.) 


Ekbert  IL,  Markgraf  von  Meissen.  189 

Rudolf  suchte  sich  vor  allem  mit  den  von  Süden  her 
anrückenden  Scharen  Welfs  und  Bertholds  zu  vereinen 
und  die  vertriebenen  Bischöfe  in  ihre  Sitze  zurück  zu 
führen;  so  kam  es  am  7.  August  1078  zu  der  blutigen 
Schlacht  bei  Meirichstadt  an  der  Streu.  Wir  finden  die 
sächsischen  Grossen  alle  mit  in  Rudolfs  Heere,  auch 
Ekberts  Scharen  werden  nicht  gefehlt  haben.  Otto  von 
Nordheim  siegte,  aber  es  wurden  Wezel  von  Magdeburg 
erschlagen,  Herzog  Magnus  und  Werner  von  Merseburg 
ausgeplündert,  Graf  Hermann  und  Adalbert  von  Worms 
gefangen"^).  Heinrich  versuchte  nun  durch  Unterhand- 
lungen die  Rebellen  zu  entzweien  und  namentlich  in 
Sachsen  eine  Partei  zu  gewinnen.  An  Geschenken  und 
Versprechungen  liess  er  es  nicht  fehlen.  Hierdurch  be- 
wirkte er  am  10.  Februar  1079  zu  Fritzlar  jene  Verhand- 
lungen, die  uns  deutlich  zeigen,  wie  abhängig  Rudolf 
von  den  Sachsen  war").  Dass  die  Unterhandlungen  nicht 
so  resultatlos  verliefen,  wie  uns  Bertholds  parteiischer 
Bericht  es  darstellt,  sollte  sich  bald  zeigen. 

In  Westfalen  wurde  der  Abfall  von  Rudolf  bald  so 
bedeutend,  dass  er  mit  Heeresmacht  dahin  ziehen  musste, 
um  sich  das  Land  zu  erhalten  ^^).  Auch  im  mittleren 
Sachsen  regte  es  sich ;  zuerst  waren  es  hier  Herzog  Magnus 
und  sein  Oheim  Hermann,  die  den  Gegenkönig  verliessen. 
Graf  Hermann  war  von  Heinrich  ohne  Lösegeld  entlassen 
worden;  nur  das  Versprechen  musste  er  geben,  nicht  wieder 
die  Waffen  gegen  Heinrich  zu  erheben"^*).  Aber  auch 
Ekbert  schwankte,  ob  er  noch  weiter  für  Rudolf  fechten 


3«)  Berthold  a.  1078  (Mon.  Germ.  SS.  V,  367  flg.).  Bruno 
c.  96 — 102.  "Waltram,  (über  de  unitate  ecclesiae  conservanda, 
Schulansgabe,  Hannover  1883.  Der  Kürze  halber  eitlere  ich  nach 
dem  angenommenen  Verfasser  Waltramus  von  Naumburg)  II  c.  16. 
Die  Gefangennahme  Hermanns  berichtet  Ekkehardi  chronikon  univ. 
1078  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  203). 

3')  Berthold  a.  1079  (Mon.  Germ.  SS.  V,  310 flg.).  Vergl.  S.  316: 
Roudoltus  rex  ante  septuagesimam  expeditionem  in  regem  Heinricnm 
accelerare  deliberat.  Quod  dura  ille  primum  comperit,  non  ex  sua 
sei  ex  optimatum  suorum  persona  legatos  quasi  pro  pace  quantula- 
cumque  ad  invicem  componenda  ad  optimatcs  Saxonum  dirigebat. 
Quo  audito  Saxones  in  brevi  eis,  utpote  tam  dulcissime  blandientibus, 
nimium  creduli  facti,  expeditionem  inceptam  in  primis  domino  suo 
dissuadebant. 

3»)  Ann.  Saxo  a.  1079  (Mon.  Germ.  SS.  V,  717).  Ann.  Otten- 
burani  1079  (Mon.  Germ.   SS.  V,  7). 

^^)  Bert  hold  a.  1080  (Mon.  Germ.  SS.  V,  325). 


190  Paul  Rockrohr: 

sollte""^).  Er  hatte  nun  Jahre  lang  für  den  Gegenkönig 
und  gegen  Heinrich  gestritten,  ohne  viel  davon  zu  ge- 
winnen. Meissen  war  ihm  abgesprochen,  und  wenn  er  es 
aucli  noch  behauptete,  so  hatte  er  doch  alle  Kräfte  auf- 
zubieten, um  die  Angriffe  der  Böhmen  abzuwehren.  Ebenso 
ging  es  ihm  mit  seinen  westlichen  Besitzungen,  wo  er  mit 
Konrad  von  Utrecht  um  Staveren  zu  kämpfen  liatte.  Ver- 
geblich versuchte  er  hier  den  Hildesheimer  Bischof  Udo, 
welcher  im  August  1079  auf  Hezilo  gefolgt  war,  zu  ge- 
winnen, ihm  gegen  Utrecht  beizustehen.  Auch  sonst  fand 
er  keine  Unterstützung,  um  sich  seine  Besitzungen  zu  er- 
halten '^).  Da  Ekbert  so  nicht  einmal  seine  Verbündeten 
unterstützen  mochten,  auf  der  andern  Seite  aber  ihm 
Heinrich  Gnade  und  Restituicrupg  in  seinen  sämtlichen 
Besitz  anbot,  so  lässt  es  sich  leicht  erklären,  dass  Ekbert, 
dem  es  stets  vor  allem  darauf  ankam,  seinen  Besitz  un- 
gefährdet zu  erlialten,  insgeheim  zu  Heinrich  übertrat^"'). 
Zugleich  mit  ihm  verliess  auch  Adela,  deren  Tochter  Oda 
Ekbert  geheirathet  hatte "*'^),  und  die  die  Lausitz  für  ihren 
Sohn  Heinrich  verwaltete,  die  Partei  Rudolfs. 

Daneben  waren  es  noch  andere  von  den  sächsischen 
Grossen,  die  mit  Heinrich  in  Unterhandlungen  traten,  so 
Widekind,  Wiprecht  von  Groitsch,  der  .Pflegesohn  Udos 
von   der  Nordmark,   und    selbst  Dietrich   von  Kamburg, 


'**^)  Noch  am  2.5.  März  1079  tiiulen  Mir  Ekbert  am  Hofe  Kudolfs 
zu  Quedlinburg,  wo  dieser  zum  Seeleuheile  Ekbertsl.  Güter  der  Meiss- 
ner Kirche  stiftet.     Vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  340. 

''^)  Dies  erkennen  wir  aus  einem  undatierten  liriefe  Konrads 
an  Udo,  worin  er  diesem  dankt,  dass  er  Ekbert  nicht  gegen  Utrecht 
unterstützt  habe:  Ex  literis  tuis  iam  certior  de  tua  tide,  primum 
de  Omnibus  charitati  tuae  gratias  ago,  quia  verbis  meae  legationis 
satis  rcspondisti  pro  voto,  precipue  quod  marchio  E(cbertus)  in  sua 
spe  frustrabatur,  dum  te  irustra  dando  et  pollicendo  in  meam,  ut 
ait,  controversiam  soUiciture  nitebatur.  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  H-11.) 
Über  die  Abfassungszeit  vergl.  die  zum.,Theil  einander  gegenüber- 
stehenden Ausführungen  von  Böttger  S.  G07;  Giesebrecht  111, 
1172;  Posse  S.  185,  Anm.  W.  Da  Ekbert  am  27.  Januar  1080 
oflen  zu  Heinrich  überti-at,  muss  der  betreftende  Brief  vor  dieser 
Zeit  abgefasst  sein. 

■'-)  Ebenda:  Quod  autem,  sicut  mandasti,  omnes  vos  inquietat 
ad  meam  oppressionem  et,  nisi  acquiescatis,  suam  vobis  minatur 
subtrahere  tidelitatera,  huic  certe  est,  quia  iam  affectavit  sibi  viam 
et  accessum  ad  gratiam  domini  nostri  regis. 

^3)  Berthold  a.  1080  (Mon.  Germ.  SS.  V,  326):  Adela,  gener- 
que  suus  marchio  Eggebertus  confoederati.  Vergl.  ann.  Saxo  a.  1062 
(Mon.  Germ.  SS.  VI,  oyS):  Odam  accepit  Ecbertus  marchio  junior  de 
Bruneswic,  et  hec  sine  liberis  obiit. 


Ekbert  II.,  Markgraf  von  Meissen.  191 

der  einst  mit  seinem  Bruder  den  Aufstand  vom  Jahre  1076 
begonnen ^^).  Heinrich  konnte  sich  rühmen,  fast  alle 
Sachsen  habe  er  für  sich  gewonnen^'').  Im  Vertrauen  auf 
diese  seine  Unterhandlungen  sammelte  Heinrich  Weih- 
nachten 1079  sein  Heer;  König  Wratislaus  hatte  ihm 
wieder  in  eigener  Person  seine  Reisigen  zugeführt.  Nun 
suchte  sich  Heinrich  mit  den  sächsischen  Grossen,  die  er 
gewonnen,  zu  vereinigen;  allein  nur  Widekind,  Wiprecht 
und  Dietrich  gelang  es,  vor  der  Entscheidung  zu  Heinrich 
zu  stossen''*^). 

Dagegen  verhinderten  die  Sachsen  die  Vereinigung 
des  Grafen  Hermann  und  des  Herzogs  Magnus  mit  Hein- 
rich, indem  sie  sich  mit  ihrer  ganzen  Übermacht  auf  sie 
warfen  und  sie  zur  schleunigen  Rückkehr  zwangen^'). 
Auch  Ekbert  konnte  nicht  leicht  vom  Heerbanne  Rudolfs 
loskommen,  hatte  er  doch  vorher  zu  offen  mit  seiner  An- 
erkennung Heinrichs  gedroht,  als  dass  man  bei  dem  all- 
gemeinen Abfalle  nicht  auch  auf  ihn  hätte  argwöhnisch 
werden  müssen. 

Erst  kurz  vor  der  Schlacht  gelang  es  ihm,  sich  von 
den  Sachsen  zu  trennen;  da  er  jedoch  nicht  wusste,  von 
Avelcher  Seite  der  König  nahte  ^^),  er  aber  vor  allem  das 
Schicksal  Hermanns  und  Magnus'  vermeiden  musste,  so 
besetzte  er  zugleich  mit  der  Markgräfin  Adela  einige  feste 
Plätze  in  der  Nähe  der  Unstrut,  wo  der  Kampf  sicli  zu- 
sammenzog, um  so  Heinrich  zu  erwarten*^). 


**)  Siehe  unten  Anm.  46. 

45)  Berthold  a.  1079  (Mon.  Germ.  SS.  V,  323). 

•*")  Bruno  c.  117:  Heiuricus  Saxoiies  raulta  promittendo  divi- 
serat,  ut  non  diu  aute  diem  proelii  Widekin,  Wiprecht,  et  Theoderi- 
cus  Geronis  tilius,  cum  multis  a  Saxonibus  ad  hostes  transirent. 

■*■')  Bert  hold  a.  1080  (Mon.  Germ.  SS.  V,  325):  Magnus  ac 
Herimannus  fidem  et  auxihum  quam  ipsi  iam  antea  regi  ßoudolfo 
iureiurando  contra  omnes  sibi  adversantes  contirmaverunt,  perfidi 
plurimum  infringentes,  coUectis  Omnibus,  quos  poterant,  addere  se 
t'raudulenter  ante  inceptum  bellum  praedicto  tj'ranno  pertemptabaut; 
set  a  quibusdam  Saxonum  primatibus  illorum  perfidiam  explorantibus 
mox  repulsi  ac  refugati,  vix  domum  ab  eis  salvi  se  proripiebant. 

*^)  Dass  die  Sachsen  nicht  wussten,  von  welcher  Seite  der 
König  herankam,  geht  aus  dem  Verlaufe  der  Schlacht  hervor. 

^^)  Berthold  a.  a.  0.:  Eadem  clandestina  perfidiae  coniuratione 
ipsi  cum  suis  Omnibus  marchionissa  Adala,  generque  suus  marchio 
Eggebertus  confoederati,  post  eventum  belli  fronte  satis  aperta,  qui- 
busdam ürmissimis  castellis  militum  suorum  subsidiis  derepente 
occupatis,  regi  suo  pervicaces,  apostatae  rebellabant.  Bertholds 
Bericht  wird  ergänzt  durch  Bruno  c.  117:  Heinricus  Saxones 
diviserat,    ut  Ekkibertus    marchio    cum    sua    legione    neutrae    parti 


192  P^"^  Rockrohr. 

Inzwischen  gelang  es  Heinricli,  die  feste  Stellung 
Otto's  von  Nordheim,  der  das  erste  Treffen  führte,  zu 
umgehen  und  das  zweite  Treffen  unter  Rudolf  plötzlich 
im  Kücken  anzugreifen.  Herzog  Wratislaus  führte  selbst 
seine  böhmischen  Keiter  heran  und  erbeutete  die  könig- 
liche Lanze  Rudolfs.  Schon  war  das  ganze  Treffen  des- 
selben aufgerollt,  als  Otto  von  Nordheim  seine  Scharen 
heranführte  und  den  Königlichen  den  Sieg  entriss. 

Während  nun  Heinrich,  dem  nur  eine  entscheidende 
Schlacht  in  Sachsen  die  Oberhand  sichern  konnte,  nach 
Mainz  und  von  da  nach  Süddeutschland  zog,  um  dem 
Bannstrahle  Gregors  entgegen  zu  treten  und  ein  neues 
Heer  zu  sammeln,  wandte  sich  Rudolf  mit  aller  Macht 
gegen  Ekbert,  dessen  Abfall  durch  die  Schlacht  bei  Flarch- 
heira  offenbar  geworden,  und  die  anderen  abtrünnigen 
Grossen;  er  ächtete  sie  und  versprach  ihre  Besitzungen 
denen,  die  sich  dieselben  erobern  wollten.  Ekbert  musste 
nun  seine  feste  Stellung  bei  Flarchheim  verlassen  und 
zog  sich  unter  hartnäckigen  Kämpfen  in  seine  Mark  zu- 
rück, wo  er  wie  Adela  und  Wiprecht  von  Groitsch  an 
Böhmen  einen  sicheren  Halt  fanden.  Aber  die  Verbindung 
mit  seinen  übrigen  Grafschaften  und  Besitzungen  war  ihm 
einstweilen  durch  Rudolfs  Anhang  in  Mittelsachsen  ab- 
geschnitten*^").    Noch  im  Oktober   desselben  Jahres  kam 


accedens,  non  longe  a  proeliantibus  leiitus  sederet,  eventum  belli 
dubius  expectans,  ut  cui  parti  victoria  cederet,  ei  congratulando 
sociiis  acoederet.  Bruno  bcurtheilt  hier  aus  ünmuth,  dass  Ekbert 
nicht  fiir  Rudolf  iu  der  Schlacht  mitgetochten,  seine  Beweggründe 
falsch;  er  widerspricht  sich  auch  selbst:  Ekbert  spielt  nach  ihm 
beim  Kampfe  den  Zuschauer,  um  dann  zum  Sieger  überzugehen;  die 
Schlacht  gewinnen  die  Sachsen  (Ihinricus  fugae  se  commcndavit) 
und  doch  tritt  Ekbert  für  Heinrich  ein!  Floto  11,  216,  Posse 
S.  181  folgen  liier  dem  Urtheile  Brunos.  Eigenthümliche  Ansichten 
hat  wieder  Böttger  S.  GK],  Anm.  798.  —  Aus  Berthold:  quibus- 
dam  castellis  dertjiente  occupatio  und  dem  Vergleich  mit  Bruno 
geht  auch  hervor,  dass  diese  festen  Plätze  beim  Schlachtfelde  lagen 
und  nicht  in  Meissen,  wie  Gie  sehr  echt  III,  489  will.  Posse 
S.  187  lässt  uns  hier  im  Unklaren. 

^'«)  Allerdings  berichtet  Berthold,  König  Rudolf  —  der  ja 
bei  ihm  stets  der  victor  gloriosus  ist  —  habe  alle  Abtrünnigen 
unterworfen  (Mon.  Germ.  SS.  V,  325):  Quos  (Eggebertum,  ceteros 
confoederatos)  denique  omnes  suam  ad  deditionem  in  breyi  coegit  et 
hoc  non  absquc  illorum  dampnis  hisque  non  minimis.  Quippe  milites 
illorura  ipsis  disirahens,  sibique  ad  iuratos  cum  bonis  illorum  recipiens 
praedia  beueficia  marchiasque  illorum  aliis  ea  percupientissime  peten- 
tibus  et  acceptantibus  largiens,  ij)sos  de  loco  ad  locum  regia  maie- 
statc  fugans  et  persequens  et  omnimodis  subiciens,  tarn  multifaria 


Ekbert  IL,  Markgraf  von  Meissen.  1.93 

ilmen  Heinrich  zu  Hilfe,  indem  er  in  Thüringen  einbrach. 
Er  wollte  eigentlich  Ekbert  und  Wratislaus  mit  ihren 
Scharen  erwarten,  die  vom  Osten  heranzogen,  und  zog 
ihnen  daher  von  Erfurt  aus  entgegen.  Allein  an  der 
Elster  verlegte  ihm  Otto  von  Nordheim  den  Weg.  So  kam 
es  am  15.  Oktober  daselbst  zur  Schlacht.  Wie  in  den 
früheren  Kämpfen,  so  war  es  auch  hier:  die  Reiter  Hein- 
richs siegten  im  ersten  Anlaufe,  dann  aber  brachte  Otto 
von  Nordheim  mit  den  sächsischen  Fussstreitern ,  die  er 
durch  abgesessene  Reiter  verstärkt  hatte,  den  Kampf  zum 
Stehen,  welcher  schliesslich  mit  ^ner  Niederlage  Heinrichs 
endete.  Aber  einen  ungeheuren  Vortheil  hatte  dem  Könige 
das  Schlachtenglück  gebracht.  Rudolf  von  Schwaben  war 
nicht  mehr;  Reiter  des  Königs  hatten  ihm  gleich  beim 
Beginne  der  Schlacht  die  Todeswunde  beigebracht^). 
Auch  war  der  Verlust  Heinrichs  nicht  so  bedeutend,  da 
die  Reiter  dem  Fussvolke  Otto's  hatten  entrinnen  können. 
So  gelang  es  ihm  bald,  sein  Heer  zu  sammeln  und  mit 
den  Vasallen  aus  Böhmen  und  Meissen  zu  vereinen.  Er 
gl9,ubte,  da  Rudolf  gefallen,  Sachsen  führerlos  zu  finden 
und  hoffte,  das  Land  sich  baldigst  zu  unterwerfen;  aber 
Otto  von  Nordheim  trat  ihm  gerüstet  entgegen.  Auch 
Verhandlungen  führten  zu  keinem  Ziele  ^").  Heinrich  ver- 
liess  nun  Deutschland ,  um  in  Italien  seinem  Papste  Geltung 
zu  verschaffen  und  Gregor  zu  vertreiben.  Auf  dem  Wege 
dahin  hielt  er  in  Regensburg  Hoftag,  wo  auch  Ekbert 
und  Wratislaus  anwesend  waren.  Ekbert  und  Heinrich, 
Adelas  Sohn,   erhielten    die  Bestätigung  ihres  vollen  Be- 


eos  eoarctavit  et  huniiliavü  acerbitate,  quoadicsque  re  ijosa  experti 
sunt,  quam  stuUum  atque  dampnosissimum  sit,  regi  ac  domino  suo 
quomodolibet  gratis  ac  fraudiilenter  recalcürare.  Sic  post  prae- 
clictum  quod  cum  Heinrico  gessit  maximum  bellum,  victor  gloriosus 
rediens  Goslariam,  dehinc  liis  iion  parum  minoribus  adusque  quadrage- 
simam  soUioitus  laboraverat  tot  rebellium  et  adversantium  sibi  belli- 
cosis  motibus,  donec  eos  sibi  subactos  deditiosque,  prout  oportuerat, 
perdomuit.  —  Allein  gerade,  wenn  Berthold  etwas  verhüllen  will, 
macht  er  solche  Phrasen  wie  hier.  Ausserdem  finden  wir  im  Oktober 
desselben  Jahres  Ekbert  im  Besitze  seiner  Mark.  Vergl.  Bruno 
c.  121:  Alii  vero  credebant,  quod  (rex)  ideo  regiones  ülas  peteret, 
quia  Misnensium,  pro  quibus  legatos  miserat,  auxilium  speraret. 

^'^)  Giese brecht  a.  a.  0.  III,  517  flg.  Die  annales  Pegavienses 
bringen  von  diesem  Jahre  an  auch  uns  interessierende  Nachrichten; 
allein,  da  sie  chronologisch  verwirrt  und  in  Bezug  auf  ihre  Glaub- 
haftigkeit wenigstens  für  unsere  Geschichte  mehr  als  zweifelhaft 
sind,  habe  ich  von  ihrer  Heranziehung  absehen  müssen. 

52)  Bruno  c.  125  flg. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VII.   3.  4.  13 


194  P3,ul  Rocki-ohr: 

sitzes,    während   Wratislaus    mit   Österreich    entschcädigt 
wurde '^^). 

Die  Sachsen  aber  zogen,  als  Heinrich  durch  seinen 
Zug  nach  Italien  Deutschland  entblosst  hatte,  nach  Süd- 
deutschland, wobei  sie  Ostfranken  arg  verheerten.  Bei 
Bamberg  einigten  sich  die  Scharen  der  Sachsen,  die  zu- 
meist aus  bischöflichen  Vasallen  bestanden,  mit  Weif  und 
den  übrigen  Süddeutschen.  Nach  langem  Schwanken, 
weil  die  Fürsten  einander  die  Wahl  nicht  gönnten,  erhob 
man  den  Grafen  Hermann  von  Luxemburg  zum  Gegen- 
könig. Noch  konnte  die  eigentliche  Krönung  desselben 
verhindert  werden,  wenn  es  den  Anhängern  Heinrichs 
gelang,  Otto  von  Nordheim  zu  gewinnen,  welcher  gegen 
die  Wahl  eines  Gegenkönigs  gewesen  war  und  überhaupt 
seine  Lande  frei  von  jeglichem  Einfluss  königlicher  Macht 
wissen  wollte. 

Otto  näherte  sich  Ekbert  und  seiner  Partei;  die 
Unterhandlungen  waren  im  vollen  Gange.  So  verging 
der  Sommer,  und  fast  ganz  Sachsen  wurde  durch  seine 
Unbeständigkeit  erschüttert.  Schon  war  Otto  auf  dem 
Wege,  die  letzten  Hindernisse  der  Vereinigung  mit  dem 
Salier  zu  beseitigen,  da  stürzte  sein  Pferd  auf  ebener 
Erde;  Otto  wurde  so  schwer  verletzt,  dass  er  fast  einen 
Monat  sich  nicht  bewegen  konnte.  Das  galt  nach  dem 
Glauben  seiner  Zeit  für  ein  Fingerzeig  Gottes,  und  die 
sächsischen  Priester  und  Bischöfe  verstanden  es,  dies 
„Gottesurtheil"  auszubeuten.  Es  gelang  ihnen,  Otto  von 
einer  Verbindung  mit  Heinrich,  gegen  den  er  nun  so 
lange  und  so  erfolgreich  gestritten,  dessen  Erfolge  er  in 
Sachsen  stets  vernichtet,  abzubringen.  Er  versprach  seinen 
Landsleuten  aufs  neue,  dass  er  stets  in  Treue  und  Ein- 
tracht mit  ihnen  ausharren  werde '^*). 

Hermanns  Anerkennung  durch  Otto  von  Nordheim 
war  von  den  schwerwiegendsten  Folgen;  nicht  nur,  dass 
Hermann  jetzt  Norddeutschland  geöffnet  wurde,  auch 
Ekbert  sah  sich  gezwungen,  Otto's  Beispiele  zu  folgen.  — 

Ekbert  war  von  Rudolf  abgefallen,  weil  dieser  ihn 
nicht    geschützt    hatte    gegen   Utrecht   und  Böhmen,    mit 


'■>3)  Urkunde  vom  18.  März  1081,  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  341. 
Die  Urkunde  lässt  Ekhert  als  Besitzer  der  Mark  Meissen  erkennen. 
Vergl.  die  Äclitungsurkunden  a.  a.  ü.  343  tig.  und  349,  in  denen 
der  völligen  Restituierung  Pikberts  in  seinen  Besitz  Erwähnung  ge- 
than  wird ;  dazu  Posse,  Markgrafen,  S.  188  tig.,Gieseb recht  III,  526. 

f^)  Bruno  c.  131. 


Ekbert  II.,  Markgraf  von  Meisseu.  195 

denen  er  schwer  um  seine  Besitzungen  zu  kämpfen  liatte. 
Heinrich  hatte  ilim  Gnade  gewährt,  hatte  die  Acht  über 
ihn  zurückgenommen  und  ihm  den  vollen  Besitz  seiner 
Güter  zuerkannt.  Aber  er  konnte  ihm  keine  weitere 
Hilfe  leisten  gegen  Rudolf,  der  ihn  nach  der  Schlacht  bei 
Flarchheim  bedrängte.  Der  unerwartete  Tod  des  Gegen- 
königs hatte  ihn  davor  bewahrt,  seinen  Übertritt  zu  Hein- 
rich vielleicht  bitter  bereuen  zu  müssen.  Ekbert  war 
durch  die  eigenthümliche  Lage  seiner  Besitzungen,  die 
durch  ganz  Norddeutschland  zerstreut  sich  vom  äussersten 
Osten  zum  fernsten  Westen  erstreckten,  unter  allen  säch- 
sischen Grossen  stets  am  meisten  gefährdet.  Kämpfte  er 
mit  seinen  Landsleuten  gegen  Heinrich,  so  hatten  Fries- 
land und  Meissen  den  ersten  Angriff  der  Königlichen  zu 
erleiden,  war  er  mit  Heinrich  im  Bunde,  so  verlor  er 
durch  die  Sachsen  die  Verbindung  dieser  beiden  Marken. 
Auch  jetzt  war  er  in  gleich  misslicher  Lage.  Dem  neuen 
Gegenkönige  war  es  gelungen,  sich  Eingang  in  Sachsen 
zu  verschaÜen,  und  er  musste  als  Verfechter  seiner  Inter- 
essen auch  Ekbert  feindlich  bekämpfen,  dem  weder  Hein- 
rich, der  in  Italien  weilte,  noch  Wratislaus,  der  mit  Mark- 
graf Liutpold  um  den  Besitz  Österreichs  schwere  Kämpfe 
zu  bestellen  hatte,  Hilfe  bringen  konnten.  So  fand  es 
Ekbert  für  klug,  sich  einstweilen  den  Verhältnissen  zu 
beugen  und  Hermann  anzuerkennen*"^);  er  hatte  dabei 
doppelten  Vortheil:  auf  der  einen  Seite  behielt  er  seine 
eigenen  Besitzungen  ungefährdet,  da  Heinrichs  Partei 
augenblicklich  zu  schwach  war,  auf  der  andern  konnte 
er  bei  seiner  Macht  unter  dem  unmächtigen  Hermann'*^) 
eine  bedeutende  Rolle  spielen  und  hatte  die  beste  Gelegen- 
heit, zu  verhindern,  dass  weder  Hermann  zu  mächtig 
wurde,  noch  einer  seiner  Landsleute  sich  über  ihn  erhob. 
So  lange  Otto  von  Nordheira  lebte,  konnte  allerdings  Ekbert 
noch  zu  keinem  rechten  Einfluss  in  Sachsen  kommen,  da 
dieser  „das  Haupt  aller"  war  und  durch  seine  Autorität 
jegliche  Spaltung  und  allen  Streit  hinderte.  Im  Vertrauen 
auf  ihn  konnte  Hermann  sogar  Sachsen  sich  selbst  über- 
lassen und  sich  im  Jahre  1083  zu  einer  Romfahrt  rüsten, 
um  Gregor  zu  Hilfe  zu  kommen.  Schon  wollte  er  von 
Schwaben  aus   über   die  Alpen  in  die  Lombardei  ziehen, 


^^)  Posse,  Markgrafen,  S.  190,  verkennt  hier  Ekberts  Stellung. 
°'*)  Wie   abhängig  Hermann  von  den  sächsischen  Grossen  war, 
siehe  unten  S.  196,  Aum.  59. 

13* 


196  Paul  RockroLr: 

als  er  die  Nachricht  empfing-,  dass  Otto  von  Nordheim 
am  11.  Januar  gestorben  sei''').  Es  war  ein  lierber  Schlag 
für  den  Liixemburo-er.  Hermann  kannte  zu  out  die  Vor- 
hältnisse  in  Sachsen,  um  nicht  zu  wissen,  was  auf  dem 
Spiele  stand.  Nur  durch  seinen  eiligen  Marsch  nach 
Sachsen,  wo  er  im  April  schon  in  Goslar  Hof  hielf'^), 
verhinderte  er,  dass  diejenigen,  welche  sich  für  Heinrich 
erklären  wollten,  schon  jetzt  von  ihm  abfielen.  Hier  in 
Sachsen  war  es  hauptsächlich  ein  Mann,  der  unerschütter- 
lich zum  Kampfe  gegen  Heinrich  entschlossen  blieb  und 
lieber  im  Elend  verderben  wollte,  als  den  gcbaimten 
Heinrich  anerkennen:  Bischof  ßucco  von  Halberstadt. 
Ihm  zur  Seite  stand  der  Erzbischof  Hartwig  von  Magde- 
burg. Hermann  selbst  hatte  so  gut  wie  keine  Macht;  er 
sah  sich  geringschätzig  behandelt  von  den  stolzen  Grossen 
der  Sachsen,  die  an  seiner  Stelle  das  Wort  führten,  so 
Ekbert  und  die  Söhne  Ottos  von  Nordheim'***).  Böttger 
liat  ganz  Recht,  wenn  er  (S.  623)  sagt:  „Egbert  wich, 
als  die  Wahl  des  Luxemburgers  unvermeidlich  geworden 
war,  nicht  von  der  Seite  dieses  Scheinkönigs,  dessen 
Scepter  er  faktisch  mitführte,  damit  derselbe  zu  keiner 
wirklichen  Macht  gelange",  aber  Ekbert  that  dies  nicht, 
wie  Böttger  meint,  aus  Freundschaft  und  Treue  zu  seinem 
königlichen  Vetter  Heinrich,  dem  er  geschworen  hatte, 
Thüringen  und  Sachsen  zu  erhalten,  sondern  er  handelte 
so  lediglich  aus  eignem  Interesse,  weil  er  glaubte,  bei 
dieser  Lavierpolitik  die  meisten  Vortheile  zu  erringen. 
Ekberts  Vorbild  war  Otto  von  Nordheira;  wie  dieser 
strebte  er  danach,  anstatt  des  Königs  in  Sachsen  die 
erste  Stelle  einzunehmen.  Darum  hütete  er  sich  wohl, 
irgend  etwas  Thatsächliches  für  Hermann  auszuführen 
und  der  Partei  Heinrichs  empfindlich  zu  schaden.  Es 
konnte  kommen,  vAe  es  wollte:  erlangte  Hermann  das 
Übergewicht,  so  war  er  eben  sein  Bundesgenosse,  gelang 
es  aber  Heinrich,  seine  Gegner  in  Italien  zu  Boden  zu 
werfen  und  als  victor  gloriosus  nach  Sachsen  zu  kommen, 
so  konnte  er  sich  immer  damit  entschuldigen,  dass  er, 
dessen  Besitzungen  mitten  in  Sachsen  lagen,  nur  ge- 
zwungen zu  Hermann  übergetreten  sei  und  dabei  Heinrich 


»>')  Ann.  Saxo  1083  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  721).  Bernokli  chron. 
a.  108.3  (Mon.  Germ.  SS.  V,  4.37). 

öS)  Stumpf  No.  2998. 

ö")  Über  Hermanns  Stellung  vergl.  Waltram  II  c.  15,  16. 
Vergl.  Ekkeh.  chron.  a.  1082  (Mon.  Genn.  SS.  VI,  205). 


Ekbert  IL,  Markgraf  von  Meissen.  197 

mehr  genützt  denn  geschadet  habe.  So  hatte  er  im  Jahre 
1082 ,  als  er  Hermann  auf  einem  Zuge  gegen  Westfalen 
begleitete^  diesen  bewogen,  von  einer  Belagerung  des 
königstreuen  Bischofs  Benno  von  Osnabrück  in  der  Iburg 
abzustehen'^*').  Ja,  Udo  von  Hildesheim  trat  infolge 
dessen  heimlich  auif  die  Seite  Heinrichs ^^).  Damit  hatte 
sich  Ekbert  auch  bei  der  königlichen  Partei  ein  Verdienst 
erworben,  von  dem  er  in  Zukunft  noch  einmal  Gebrauch 
machen  konnte.  Wenn  schon  jetzt,  da  Heinrich  mit  seinen 
Getreuen  in  Italien  weilte,  viele  in  Sachsen  des  Luxem- 
burgers überdrüssig  waren,  so  wankte  die  Treue  gegen 
diesen  noch  mehr,  als  Heinrich  im  Juni  1084  selbst  nach 
Deutschland  kam.  Es  war  ihm  nicht  gelungen,  Gregors 
starren  Sinn  zu  beugen,  aber  er  hatte  ihn  aus  Rom  ver- 
trieben und  seinen  Papst  Clemens  HL  daselbst  eingesetzt. 
Als  er  in  Köln  das  Weihnachtsfest  feierte,  strömten  von 
allen  Seiten  ihm  Anhänger  zu^-);  und  aus  Sachsen  waren 
schon  längst  Boten  gekommen,  die  ihn  baten,  den  Wirren 
daselbst  ein  Ende  zu  machen ^'^j.  Zwar  die  Verhandlungen, 
die  am  20.  Januar  zu  Gerstungen  zwischen  beiden  Parteien 
stattfanden,  führten  noch  zu  keinem  Ziele,  da  Heinrich 
auch  Unterwerfung  unter  seinen  Papst  von  den  Bischöfen 
verlangte,  diese  dagegen  an  seiner  Exkommunikation 
durch  Gregor  festhielten.  So  schied  man  von  einander, 
ohne  eine  Annäherung  erreicht  zu  haben,  wie  es  ja  zu- 
meist geschieht,  wenn  religiöse  Streitfragen  als  Waffen 
der  Politik  benutzt  werden.  Am  folgenden  Tage  kam  es 
unter    den    Sachsen    selbst    zu    hellem    Streit.     Udo   von 


ßo)  Ann.  Yburgenses  1082  (Mon.  Germ.  SS.  XVI,  437):  Ex- 
peditio  Herimanni  regis  contra  Westfalos  . . .  domnum  etiam  Bennonem 
supra  castrum  (Iburgense)  obsidere  nisus  est,  nisi  instantia  Ecberti 
marchionis  et  üdonis  episcopi  Hildenesheimensis  ob  antiquam  ami- 
citiam  domni  Bennonis  desisteret. 

öl)  Vita  Bennonis  (Mon.  Germ.  SS.  XII,  75) :  Erant  in  exercitu 
Hildesimensis  episcopus  Udo,  et  Ekbertus  marchio,  summi  viri  etc., 
qui  ejus  (Bennonis)  petiere  colloquium  pro  certo  spondentes,  se  illum 
ad  deditionis  assensum  facillinia  persuasione  flexuros.  Gratanter 
itaque  ab  eo  recepti.  cum  secretius  cum  illo  raulta  conferrent,  tandem 
res  in  contrarium  cedit,  ut  qui  eo  venerant,  ut  ad  regem  suum  Her- 
mannum  illum  converterent,  imperatori  potius  sese  fidelitatem  velle 
jurare  ejus  sunt  oratione  perducti.  Sehr  gewagt  ist  die  Folgerung, 
die  Posse  (Markgrafen  S.  190)  daraus  zieht:  ,Jm  wesentlichen  hatte 
es  Hermann  dem  Einflüsse  des  Markgrafen  Ekbert  zu  danken,  dass 
auch  Bischof  Benno  von  Osnabrück  insgeheim  zu  ihm  übertrat  (1082)." 

62)  Ann.  Saxo  1085  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  721). 

oä)  Epist.  Henrici  imp.  ad  R.  Babenberg.  episc.  (Mon.  Germ. 
Legg.  TI,  54). 


198  Paul  Rockrohr: 

Ilildcslicim  und  seine  Anhänger,  deren  Beziehungen  zii 
Heinrich  nicht  unbekannt  geblieben  waren,  wurden  zur 
Rechenscliaft  gefordert;  von  hitzigem  AYortgcfecht  kam 
es  zum  wirklichen  Kampf.  Dietricli  von  Kathelenburg 
und  sein  Vetter  wurden  erschlagen,  Bischof  Udo  und  sein 
Bruder  entronnen  kaum  dem  Tode"*).  So  endete  die  Ver- 
sammlung, an  die  sich  so  grosse  Hoffnungen  geknüpft 
hatten,  und  die  man  eröffnet  hatte  „zur  grossen  Freude 
der  Laien,  deren  Blut  in  so  vielen  Schlachten  unnütz 
vergossen  war"**'^).  Noch  einmal  traten  die  sächsischen 
Bischöfe  in  der  Osterwoche  zu  Quedlinburg  zusannnen, 
wo  der  päpstliche  Legat  Otto  von  Ostia  den  Bann  er- 
neuerte; auch  Hermann  mit  den  sächsischen  Grossen,  so 
Ekbert  und  den  Söhnen  Otto's  von  Nordheim,  war  an- 
Avesend. 

Die  sächsischen  und  thüringischen  Grossen  hatten 
einen  grossen  Theil  des  Kirchengutes  an  sich  gerissen; 
jetzt  sollten  sie  es  wieder  herausgeben.  Allein  der  Legat 
musste  hören,  jetzt  habe  man  keine  Zeit  zu  solchen 
Dingen""). 

Nichts  kann  die  Stellung  Ekberts  und  der  andern 
mehr  charakterisieren  als  dieses  Konzil. 

Immer  mehr  inusste  Hermann  von  Luxemburg  em- 
pfinden, wie  der  Boden  unter  ihm  wich.  Udo  von  Hil- 
desheim hatte  sich  in  Fritzlar  dem  Kaiser  unterworfen 
und  dieser  hatte  iimi  eidlich  zugeschworen,  er  wolle  alle 
Sachsen,  die  ihn  anerkennen  würden,  bei  ihren  alten  Rechten 
lassen,  welche  sie  seit  Karl  dem  Grossen  besässen.  Es 
war  kein  Wunder,  dass  auf  diese  Bedingungen  hin  die 
Sachsen  in  hellen  Haufen  zur  Partei  des  Kaisers  über- 
traten^^).    Der    Quedlinburger  Versammlung     antwortete 


'^')  Ver^l.  V.  Berger,  De  luiitate  ecclesiae  conservaiitUi.  Hall. 
Diss.  1874.  S.  13  flg.  Ausser  Waltram  11  c.  18  vergl.  anii.  Saxo 
(Mon.  Germ.  SS.  VI,  721).   Ekkoh.  chroii.  (Mon.  Germ.  SS.  Y,  206.) 

"^)  Waltram,  ebcndas. 

68)  Waltram.  II  c.  22.  Beniokli  ehren.  (Mon.  Germ.  SS.  V, 
442.)  Die  Anwesenheit  Ekberts  erhellt  aus  Bcrtholdus  Constant. 
(Erath,  Cod.  dipl.  Quedlinburgensis  S.  77). 

"")  Ann.  Saxo  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  722):  Udo  Hildinsheimensis 
episcopus  sacramentnni  ab  Heinrico  accepit,  si  Saxones  ad  eum  con- 
verterentur  eunniue  paterno  uti  regno  paterentur,  numquam  ins 
hujusmodi  ipse  eis  infringeret,  quod  a  tempore  expugnatoris  eorum 
Karoli  aptissimum  honestissimumque  habuerant,  ut  si  quisquam 
suorum  cum  aliquo  de  Saxonibus  contra  legem  ageret,  ipse  a  die 
facte   sibi   proclamationis   infra  sex  septimanas  digua  illud  emenda- 


Ekbert  II.,  Markgraf  von  Meisseii.  199 

Heinrich  vierzehn  Tage  später  durch  das  Konzil  zu 
Mainz"^).  Sodann  traf  er  seine  Rüstungen,  Sachsen  endhch 
seinem  Willen  zu  unterwerfen,  im  Vertrauen  darauf,  dass 
bei  seinem  Erscheinen  die  Mehrzahl  die  Fahnen  Her- 
manns verlassen  würde^^).  Neben  Udo  gewann  nament- 
lich Abt  Hartwig  von  Hersfeld  viele  für  Heinrich.  Das 
Aussehen  Sachsens  bekam  eine  ganz  veränderte  Gestalt. 
Durch  viele  Versprechungen  Heinrichs  angelockt,  war 
man  einstimmig  der  Ansicht,  Heinrich  werde  mit  Un- 
recht den  Grenzen  des  Landes  fern  gehalten;  sei  doch 
kein  Grund  mehr  übrig,  ihn  zu  bekämpfen,  da  man  er- 
reicht habe,  weshalb  man  das  Schwert  gezogen;  Heinrich 
werde  es  nicht  wagen,  jemals  wieder  ihre  Landesgesetze 
zu  brechen,  da  er  die  sächsische  Macht  zur  Genüge 
kennen  gelernt  habe"^).  Vergebens  arbeiteten  Erzbischöfe 
und  Bischöfe  dieser  Stimmung  entgegen,  sie  predigten 
tauben  Ohren. 

Es  war  im  Anfang  Juli,  als  Heinrich  nun  selbst  mit 
seinem  Heere  nach  Meissen  kam,  wo  sich  alsbald  die 
Sachsen  und  Thüringer  unterwarfen,  gemäss  den  Ver- 
sprechungen, die  ihnen  der  Kaiser  durch  seine  Getreuen 
gegeben.  Von  fast  allen  verlassen,  mussten  Hermann 
und  die  beiden  Bischöfe  Bukko  und  Hartwig  über  die 
Elbe  zum  Dänenkönig  Knut  II.  fliehen. 

Dagegen  war  Ekbert  ruhig  im  Lande  geblieben,  im 
Vertrauen  auf  seine  zweideutige  Haltung,  die  er  bisher 
bewiesen;  es  gelang  ihm,  sich  vor  Heinrich  zu  recht- 
fertigen, indem  er  es  so  darzustellen  wusste,  dass  er  nur 
der  Noth  gehorchend  auf  Seiten  Hermanns  gestanden, 
,  dass  er  aber  in  Wirklichkeit  stets  die  Partei  Heinrichs 
vertreten  habe.  Ekbert  brauchte  sich  mithin  nicht  zu 
„unterwerfen",  sondern  sobald  Heinrich  Sachsen  betrat, 
begrüsste  ihn  Ekbert  als  seinen  alten  Freund  und  Bundes- 


tione  conponeret.  Juraveruut  qiioque  alii  eins  primati  et  episcopi, 
iit  si  Heinricus  hoc  statutum  umquam  postponeret,  ipsi  nuUum  sibi 
supplementum  contra  Saxouiam  essent.  Episcopus  mox  in  sua  re- 
versus,  coupatriotis  quod  sibi  iuratiim  est  promittendo,  multos  con- 
ciliaverat  parti  cui  ipse  accessit. 

ß«)  Waltram  II  c.  19.  Vergl.  Ekkeh.  thron.  (Mon.  Germ.  SS.  VI, 
205);  Bernoldi  chron.  (Mon.  Germ.  SS.  V,  443);  Sigeberti  chrou. 
(Mon.  Germ.  SS.  VI,  365.) 

69)  Ann.  Saxo.  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  723.) 

™)  Waltram  II  c.  28. 


200  Paul  Reckrohr: 

genossen,  dem  er  seit  1080  nie  gescliudet,  sondern  in 
politischer  Beziehung"^)  nur  genützt  habe.  AVir  wissen 
nicht,  wie  weit  die  Bedingungen  gingen,  die  Ekbert 
durch  Udo  und  Hartwig  gennicht  waren,  aber  jedenfalls 
ist  kein  Grund  vorhanden,  Ekbert  schon  beim  Einzüge 
des  Kaisers  verrätherische  Pläne  und  luimtüekische  Ab- 
sichten unterzuschieben,  und  es  war  nichts  weniger  als 
Verstellung,  als  er  Heinrich  als  seinen  Herrn  und  Freund 
begrüsste'-). 

Heinrich  wähnte  das  ganze  Sachsenland  völlig  unter- 
worfen, darum  entliess  er  sein  Heer  und  schaltete  und 
waltete  wie  in  einem  völlig  friedlichen  Lande.  Wie  in 
den  Jahren  1073  und  1075,  so  begann  er  auch  jetzt  in 
die  Verhältnisse  einzugreifen ;  gar  vieles  Reichsgut  mochte 
in  den  langen  Jahren  des  Aufstandes  theils  erledigt,  theils 
in  unrechte  Hände  gelangt  sein.  Hatte  Heinrich  auch 
den  sich  Unterwerfenden  versprochen,  sie  in  ihren  Lehen 
zu  belassen  und  ihnen  den  Besitz  zu  garantieren,  den  er 
ihnen  durch  die  Acht  abgesprochen,  so  konnte  er  doch 
beim  besten  Willen  nicht  allen  zugleich  gerecht  werden, 
zumal  er  darauf  bedacht  sein  rausste,  namentlich  denen, 
die  ihm  stets  treu  geblieben,  ihre  Rechte  zu  wahren  und 
ihre  Treue  zu  belohnen.  So  kam  es  zu  manchen  Güter- 
veränderungen,  über  die  ihre  ehemaligen  Besitzer  aufs 
höchste  erbittert  werden  mussten.  Vor  allem  aber  war 
Heinrich  schwerlich  gewillt,  das  Kirchengut,  dass  die 
sächsischen  Grossen  in  den  Tagen  der  Misswirthschaft  an 
sich  gerissen,  ihnen  zu  belassen  und  alle  die  Belehnungen, 

■'^)  In  kirchlicher  Beziehung  dagegen  scheint  Ekbert  stets 
Gregors  Partei  verfochten  zu  haben;  vergl.  Waltram  II  c.  35:  iam  non 
poterit  ei  (Egberto  mortuo)  prodesse  sutis  Gregorius.  Vergl.  oben 
S.  198,  Anni.  m. 

'2)  Nur  der  ann.  Saxo.  spricht  von  einem  anfänglichen  Wider- 
stände Ekberts:  a.  1085  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  723):  Heinricus  Saxo- 
niam  intravit,  eamque  vastavit,  Ecberto  niarchione  sibi  repugnante. 
Allein  er  verwirrt  hier  die  Nachrichten,  indem  er  den  spätem  Auf- 
stand damit  konfundiert.  Alle  andern  Quellen  wissen  nichts  von 
einem  Widerstände:  Ann.  Ratisb.  (Mon.  Germ.  SS.  XIII,  49):  Im- 
perator in  eadem  aestate  ad  Saxones  cum  exercitu  perveniens, 
honorifice  ab  eis  cum  omni  deditione  susceptus  est.  Vergl.  Waltram 
II  c.  28  und  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I,  1,  340:  Qui  (Egbertus)  verbis  paci- 
ficis  amiciim  mentitus  fuit.  Diese  Urkunde  vom  Jahre  1089,  die 
Ekberts  ganzes  Verhalten  von  1073  an  kurz  rekapituliert,  sagt:  quia 
mox  ut  Saxoniam  de  Roma  revertentes  intravimus,  eundem  marcnio- 
nem  tanto  crudeliorem,  quanto  occuHiorem  inimicum  invenimus. 
Daraus  geht  auch  hervor,  dass  Ekberts  Verhalten  1080—1085  nicht 
als  eigentlicher  Abfall  betrachtet  wird. 


Ekbert  TL ,  Markgraf  von  Meissen.  201 

die  Rudolf  und  Hermann  sicli  angemasst  hatten ,  zu 
sanktionieren.  Unklugerweise  ging  Heinricli  zu  ge- 
waltsam hierbei  zu  Werke  und  verdarb  es  so  in  kurzer 
Zeit  mit  fast  sämtlichen  Fürsten  Sachsens.  Denn  wenn 
es  auch  den  meisten  dieser  Herren  gleichgiltig  sein 
mochte,  wenn  der  Kaiser  römisch  gesinnte  Bischöfe  ent- 
setzte und  ihm  ergebenen  Klerikern  ihre  Stühle  übergab, 
so  konnten  sie  es  doch  nicht  verwinden,  dass  ihr  eigener 
Besitz  geschmälert  werden  sollte"^).  Die  Sachsen  ver- 
standen die  Versprechungen  Heinrichs  eben  so,  dass  er 
sie  in  dem  ungeschmälerten  Besitze  aller  Güter,  die  sie 
bei  seinem  Eintritte  in  Sachsen  besessen  hätten,  belassen 
wolle,  während  Heinrich  alles  unrechtmässig  erworbene 
Gut  einforderte.  Vielleicht  hatten  Udo  und  Hartwig  in 
ihi-em  Eifer,  die  Sachsen  für  ihren  Herrn  zu  gewinnen, 
weitgehendere  Versprechungen  und  Zusagen  gemacht,  als 
Heinrich  bestimmt  hatte.  So  waren  in  kurzer  Zeit  die 
sächsischen  Grossen  aufs  höchste  erbittert  auf  Heinrich, 
der  ihnen  wortbrüchig  erscheinen  musste,  und  beschlossen, 
das  verhasste  Joch  wieder  abzuschütteln.  Auch  Ekbert 
fand  nicht,  was  er  erwartet  hatte,  und  stellte  sich  in  die 
Reihe  der  Unzufriedenen,  deren  rasch  um  sich  greifender 
Verschwörung  er  das  rechte  Haupt  gab"^).  Bereits 
zwei  Monate    nach  Heinrichs   Einzug    erhoben    sich    fast 


"•")  Ami.  ßatisb.  (Mou.  Germ.  SS.  XIIT,  49):  Verum  dum  per 
aliquot  menses  pacifice  cum  multa  gloria  apud  illos  fuisset  et  quo- 
rundam  consilio  exercitum  repatriare  permisisset,  quosdam  presidatus 
inter  ipsos  absque  eorum  consensu  permutare  voluit.  Principibus 
ero;o  illis  coiisentientibus  in  Saxonia  pontificatus  sibi  adversantibus 
episcopis  auferens  et  ei  subditis  clericis  tribuens,  dum  seculares 
potestates  vellet  similiter  permutare,  sensit  prope  omnes  principes 
Saxonicos  adversum  se  coniurare.  Hac  pro  causa  coactus  est,  oc- 
culte  ingloriosus  cum  suis  reverti  in  Franciam,  auxie  volens  cele- 
riter  remeando  devastare  cum  exercitu  Saxonum  provintiam. 

'^)  Sigeberti  chron.  a.  1085  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  .365):  Impe- 
rator Saxones  aggreditur;  illi  pacem  petunt  et  irapetrant,  pacti  ut 
Omnibus  pro  hac  rebellione  proscriptis  sua  restituantur.  Quod  quia 
factum  non  est,  iterum  rebellant,  incentore  pre  cunctis  Egberto  co- 
miti,  imperatoris  consanguineo.  Vergl.  Ekkeh.  chron.  a.  10S5.  (Mon. 
Germ.  SS.  VI,  206).  Waltram  II  c.  28.  Ann.  Aug.  (Mon.  Germ. 
SS.  III,  131).  Alle  drei  gehen  auf  die  Beweggründe  nicht  ein,  wie 
Sigeb.  chron.  und  die  ann.  Ratisb.  — Floto,  Heinrich  IV.  II,  316; 
Giesebrechtlll,  613  flg. ;  Posse  S.  193  beurtheilen  hier  Ekbert  unge- 
recht, indem  sie  beide  letztgenannte  Quellen  zu  vrenig  berück- 
sichtigen und  zu  viel  Gewicht  legen  auf  die  Ächtungsurkunden,  die 
zwar  die  nackten  Thatsachen  richtig  bringen,  aber  ihre  Motive  na- 
türlich parteiisch  auslegen. 


202  Paul  Rockrohr: 

silnitHclie  Sacliscn  wie  mit  cinein  SclilaiiC  mit  jrewaffnotor 
Hund  gegen  den  nichts  ahnenden  König;  ja  selbst  ein 
Anschlag,  wenn  auch  niciit  gerade  auf  sein  Leben,  so 
doch  auf  seine  Fi'eiheit,  war  im  Werke''').  Nur  durch 
schnelle  Flucht  konnte  Heinrich  sich  seinen  erbitterten 
Gegnern  entziehen,  während  Hermann  mit  Bucco  und 
Hartwig  triumpliierend  wieder  in  Sachsen  einzogen'"). 

Bald  hatte  Heinrich  wieder  ein  Heer  versammelt, 
mit  dem  er  im  Anfange  des  Jahres  1086  von  Franken 
aus  zunächst  in  Thüringen  einbrach ;  in  den  ersten  Tagen 
des  Februar  Hess  er  zu  Wechuiar  an  der  Unstrut  Ekbert 
durch  ein  Ftirstengericht,  in  welchem  zum  Theil  dessen 
eigene  Landsleutc  sassen''),  ächten  und  ihm  seine  sämt- 
lichen Lehen  absprechen.  Von  diesen  Besitzungen  erliielt 
der  treue  Konrad  von  Utrecht,  dem  schon  1077  Staveren 
zugesprochen  gewesen  war,  den  Komitat  in  den  Gauen 
Ostergo  und  Westergo''^).  Von  da  aus  rückte  Heinrich 
sengend  und  brennend  bis  zur  Bode  vor;  aber  seine 
eiligst    zusammengerafften''^)  Scharen    waren    dem  Heere 


""')  Die  Ächtungsurkuiiden  vom  Jahre  1086  und  1089  betonen 
ausdrücklich  diese  Ansdiläge:  nou  solum  honorem,  sed  etiam  vitam 
nostram  impuiiiiarc  conatns  est  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  .344); 
non  solum  exinanire  dignitatem  nostram,  sed  et  vitam  nostram  mo- 
liebatur  extinguere  (a.  a.  0.  .345);  dum  nos  nil  mali  timentes  im- 
paratos  occidere  voluit  (a.  a.  0.  .349).  Allein  wie  dieselbe  Urkunde 
zeigt,  verstand  man  übertreibend  unter  einem  bewaftneten  Aufstände 
gegen  den  König  zugleich  die  Absicht,  ihn  zu  töten:  Elkbertus, 
dum  in  nostram  et  depositionem  et  mortem  consilium  et  auxilium 
Saxonibus  et  aliis  nos  i)ersequentibus  dedit.  Diese  Worte  bezieben 
sich  aber  auf  die  Jahre  vor  1080,  wo  wir  doch  Ekbert  keinen  Mord- 
anschlag vorwerfen  können. 

"•')  Waltram  II  c.  28.  Bernoldi  chron.  (Mon.  Germ. 
SS.  V,  444). 

"')  Tarn  Saxones  quam  Turingi  cum  ceteris  principibus  ipsum 
sicut  manifestum  bestem  persequendum  consuerunt  (Cod.  dipl.  I.  1, 
.344).  Da  Wechmar  ganz  nahe  bei  Gleichen,  Kkberts  Burg,  lag,  ist 
es  höchst  wahrscheinlicli,  dass  das  Gericht  auf  dessen  eignem  Grund 
und  Boden  stattfand. 

'•*)  Cod.  dipl.  I.  1,  :;44;  vergl.  a.  a.  0.  349.  Posse,  Markgrafen, 
S.  194  meint,  lleinrich  habe  Ekbert  erst  auf  seinem  Rückzuge  ge- 
ächtet, allein  Cod.  dipl.  I.  1,  349  heisst  es  ausdrücklicli:  Saxoniam 
intraturi  prius  Duringiam  intravimus,  ubi  principes  Ecberti  omnia 
bona  nostre  majestati  adiudicaverunt. 

■'^)  Ebendas. :  velociter  collecto  exercitu.  Ferner  ann.  Ratisb. 
(Mon.  Germ.  SS.  XIII,  49):  anxie  volens  celeriter  remeando  devastare 
Saxonum  provintiam. 


Ekbert  II.,  Markgraf  von  Meisseii.  203 

Ekberts  gegenüber  zu  sclnvacli;  um  mit  Erfolg  in  Sachsen 
eindringen  zu  können**"). 

Heinrich  sah  sich  gezwungen,  für  jetzt  von  der 
Unterwerfung  Sachsens  abzustehen,  zumal  da  die  Ver- 
hältnisse in  Süddeutschland  dringend  seine  Anwesenheit 
erheischten.  Schon  am  3.  April  finden  wir  ihn  in  Re- 
gensburg, wo  er  von  Ekberts  Lehen  auch  den  Jsselgo 
an  Bischof  Konrad  übertrug'^^).  Nun  ging  auch  Ekbert, 
welcher  jetzt  unbestritten  in  Sachsen  das  Heft  in  den 
Händen  hatte,  zum  Angrifte  vor,  indem  er  sich  mit  Herzog 
Weif  und  den  Schwaben  verband.  Bei  Pleichfeld  kam 
es  am  11.  August  zur  Schlacht,  wo  Heinrichs  ungeübtes 
Heer  den  ritterlichen  Vasallen  der  Aufständischen  erlagt-). 
Dadurch  fiel  auch  Würzburg,  das  Heinrich  hatte  ent- 
setzen wollen,  und  der  greise  Adalbero  konnte  nach  fast 
zehnjährigem  Exil  wieder  in  sein  Bisthum  zurückkehren. 
Fast  ein  Jahr  verstrich  noch  mit  fruchtlosen  Unterhand- 
lungen zwischen  Heinrich  und  den  ßebellen,  die  ihren 
Sieg  so  schlecht  ausgenutzt  hatten.  In  Sachsen  begannen 
zuerst  wieder  die  Kämpfe. 

Mit  Besinn  des  Sommers  1087  fiel  Wratislaus,  welcher 
1086  von  Heinrich  die  Königskrone  empfangen  hatte,  m 
die  Mark  Ekberts   ein^-^),    wo    er  bis    Äleissen    vordrang 


SO)  Beriiolcli  chron.  a.  1086  (Moii.  Germ.  SS.  V,  444):  Heinricus 
contra  Saxones  exercitum  6.  Kai.  Febr.  promovit.  Seil  Saxones  ei 
cnm  magna  multitudiue  obviam  venientes  inacte  eum  repedarc  com- 
pulerunt.  Unwahrscheinlich  sagt  Waltram  11  c.  28:  imperator,  qui 
usque  ad  Botam  fluvium  cum  exercitu  suo  tunc  peragraverat  utro- 
rumque  provinciam,  composita  pace  iuxta  conditiones,  quas  principes 
utriusque  aequas  et  utiles  iudicasseut,  discessit  inde  propter  instantem 
quadragesimam.  Dies  soll  doch  nur  die  Erfolglosigkeit  des  könig- 
lichen Zuges  verdecken.  Auch  sonst  finden  wir  bei  Waltram  das  Be- 
streben, Heinrichs  Niederlagen  zu  verhüllen,  vergl.  II  c.  16.28.  Was 
soll  namentlich  der  Frieden  bedeuten,  dessen  Bedingungen  aequae 
et  utiles  genannt  werden ,  da  doch  die  principes  auf  sächsischer 
Seite  vor  allen  der  eben  geächtete  Ekbert  sowie  Hermann  samt  den 
Bischöfen  waren.  Ferner,  wenn  die  Fastenzeit  die  P'eindseligkeiten 
aufheben  sollte,  so  konnte  dies  Heinrich  schon  in  Wechmar  9  Tage 
vorher  wissen.  Wenn  man  gerade  auf  diese  Worte  Waltrams  gestützt 
hat  behaupten  wollen,  der  Gottesfrieden,  der  ja  übrigens  für  den 
Kaiser  selbst,  wenn  er  einen  Aufruhr  niederschlagen  wollte,  keine 
bindende  Kraft  hatte,  sondern  nur  für  die  Fehden  galt,  wäre  da- 
mals bereits  tief  ins  Volk  gedrungen,  so  halte  ich  diese  Behauptung 
für  verfehlt. 

8')  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  345. 

82)  Vergl.  Giesebrecht  III,  619. 

»»)  Cosmae  chron.  Bohem.  a.  1087  (Mon.  Germ.  SS.  IX,  93). 


204  Paul  Rockrohr: 

und  in  der  Nälic  dieser  Stadt  seine  Trutzfeste  Guozdek, 
die  ihm  Ekbert  in  den  frülieren  Kämpfen  zerstört^*), 
wieder  aufbaute.  Zwar  erlitt  sein  Solm  Bretislaus  bei 
einem  Streifzuge  durch  Ekberts  eisengepanzerte  Reiter 
eine  Niederlage,  aber  Wratislaus  behauptete  sich  doch  im 
östlichsten  Theilc  der  Mark,  im  Milzener  Lande  und  im 
Gaue  Nisaui. 

Inzwischen  gelang  es  auch  Heinrich,  der  trotz  aller 
Niederlagen  unermüdlich  war,  neue  Kräfte  heranzuziehen, 
ein  Heer  zusammenzubringen,  mit  dem  er  zuvörderst 
Hermann  und  die  Sachsen  unterwerfen  wollte-  Er  hatte 
diesmal  eine  andere  Taktik  eingeschlagen,  die  besseren 
Erfolg  versprach.  Während  er  selbst  durch  Thüringen 
zog  und  sengend  und  brennend  der  Aufständischen  Güter 
verheerte^'^),  drang  gleichzeitig  Wratislaus  vom  Osten  her 
in  die  Mark  ein,  um  die  festeste  Stütze  Hermanns  und 
den  bedeutendsten  Gegner  unter  den  Sachsen,  Ekbert, 
von  zwei  Seiten  zu  fassen.  Aus  Heinrichs  ganzem  Han- 
deln geht  hervor,  dasß  er  seinen  Vetter  nicht  zum  Ver- 
zweiflungskampfe, dessen  Ausgang  ein  ganz  unberechen- 
barer, der  jedenfalls  aber  höchst  blutig  sein  musste, 
zwingen,  sondern  dass  er  ihn  durch  die  Verwüstung 
seiner  Besitzungen  und  durch  Unterhandlungen  dahin 
bringen  wollte,  dass  er  sich  von  Hermann  trennte  und 
sich  ihm  unterwürfe.  Hatte  er  dies  erreicht  —  und  Hein- 
richs kranker  Körper  ^^)  war  der  Anstrengung  eines 
langwierigen  Feldzugs  nicht  gewachsen  — ,  so  fiel  die 
Macht  Hermanns  von  selbst  zusammen,  vmd  er  konnte 
sich  dann  mit  allen  Kräften  auf  den  Süden  werfen,  um 
die  Weifen  zu  beugen.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  Heinrich  selbst  unter  der  Hand  seinem  Vetter  seine 
Gnade  entbieten  Hess  und  ihm  die  Rückgabe  seiner 
sämtlichen  Güter  versprach,  wenn  er  sich  selbst  unter- 
werfe und  auch  die  übrigen  aufständischen  Grossen  der 
Sachsen,  auf  die  ja  Ekbert  den  grössten  Einfluss  besass, 
ebenfalls  zu  ihm  zurückführe.  Jedenfalls  kam  es  zu 
Unterhandlungen  zwischen  Heinrich  und  Ekbert,  welche 
die  Fürsten  vermittelten,  die  sich  im  Gefolge  des  Königs 


*')  Vergl.  Böttger,  Bruiionen  S.  (i39  tig.  Posse,  Mark- 
grafen, S.  206  flg. 

»"•)  Ann.  Aufi.  (Mon.  Genn.  SS.  III,  .32). 

8ö,  Bernoldi  ehren,  a.  1087  (Mon.  Germ.  SS.  V,  44.5):  Hein- 
rieus,  licet  infirmus,  expeditionem  in  Saxoniam  cum  Beheimensibus 
promovit. 


Ekhert  IT.,  Marl<graf  von  Meissen.  205 

befanden^').  Damit  aber  nicht  Heinrich,  wie  im  Jahre 
1085,  nach  der  Unterwerfung  von  neuem  in  die  säch- 
sischen Verhältnisse  eingreife  und  zwar  diesmal  —  be- 
lehrt durch  den  damaligen  Aufstand  —  an  der  Spitze 
seiner  Truppen,  so  stellte  Ekbert  seinerseits  die  Bedin- 
gung, Heinrich  müsse  sein  Heer  aus  Sachsen  führen*"^). 
Erst  als  dieses  erfüllt  war,  unterwarf  sich  Ekbert  zu 
Hersfeld  dem  Kaiser  und  verpflichtete  sich  durch  die 
heiligsten  Eidschwüre,  sowohl  selbst  stets  treu  zu  Hein- 
ich zu  halten    als  auch  die  übrigen  noch  aufständischen 


r 


6* 


Sachsen  zur  Unterwerfung  und  Einigung  unter  Heinrichs 
Scepter  zu  bewegen. 

Heinrich  setzte  ihn  nun  völlig  wieder  in  seinen  Be- 
sitzstand ein,  indem  er  ihm  auch  die  Komitate,  welche 
er  bereits  seinen  Getreuen  verliehen,  wieder  zusprach,  ja 
er  gab  ihm,  um  ihn  für  die  gebietende  Stellung,  welche 
er  unter  Hermann  inne  gehabt,  zu  entschädigen  und  es 
ihm  möglich  zu  machen,  die  Rebellen  zur  Treue  gegen 
Heinrich  zurückzuführen,  dieselbe  Stellung  eines  Reichs- 
verwesers für  Sachsen  und  Thüringen,  wie  sie  einst  Otto 
von  Nordheim  durch  Heinrich  übertragen  war^®). 

Allein  vergebens  sollte  Heinrich  auf  die  Schwüre 
seines  jugendlichen  Verwandten  gebaut  haben;  er  erfüllte 
sein  Versprechen    ebenso    wenig,   wie   es   einst  Otto  von 


*')  Egbertus  per  principes  nostros   nobis    manclavit  etc.     (Cod. 
dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  349). 

**)  Nach  Waltram  II  c.  33:  iure  iuraiido  promisit  imperatori, 
ut  si  vellet  inde  exercitum  reducere,  sese  deditionem  facturum  esse. 
Leider  ist  auf  die  Quellen,  die  hierbei  in  Frage  kommen  (Waltram; 
ann.  Aug.;  Bernoldi  chron.),  kein  Yerlass.  Während  die  ann.  Aug. 
(Mon.  Germ.  SS.  III,  32)  erzählen,  praegrandi  exercitu  sei  Heinrich 
in  Thüringen  eingedrungen,  berichtet  Bernold  (Mon.  Germ.  SS.  V, 
445):  Heremannus  eum  (Heinricum)  cum  tanta  multitudine  Saxonum 
insecutus  est,  ut  facillime  ipsum  cum  Omnibus  suis  obtineret,  si  neu 
dolo  Eggiberti  comitis  evasisset.  Dagegen  behauptet  Waltram.  II  c  33, 
die  Rebellen  hätten  keinen  Widerstand  gewagt:  cum  non  auderent 
Saxones  atque  Thuringi  oft'erre  ei  occasionem  pugnandi.  Vielleicht 
lag  es  in  der  Beschafienheit  des  königlichen  Heeres  selbst  (mangelnde 
Yerptiegung,  Unlust  der  milites ,  gegen  die  Sachsen  zu  kämpfen, 
wenn  schon  Unterhandlungen  zum  Ziele  führten),  dass  Heinrich  ge- 
zwungen war,  es  so  bald  zu  entlassen.  Wenigstens  wäre  es  mehr 
als  Vertrauensseligkeit  und  Nachgiebigkeit  von  Seiten  Heinrichs 
gewesen,  wenn  er  ein  tüchtiges  Heer  bei  sich  gehabt  hätte,  aber  auf 
Wunsch  Ekberts  Sachsen  verlassen,  ja  sein  Heer  aufgelöst  und  erst 
dann  die  Unterwerfung  des  Rebellen  angenommen  hätte, 
s»)  Waltram  ebendas.     Cod.  dipl.  I.  1,  349. 


206  Paul  Rockrohr 


Nordheim  gethan.  Kaum  liatte  Heinrich  Sachsen  ver- 
lassen, als  auch  schon  Ekbert  sein  Bund  und  seine 
Unterwerfung  reuten'"*).  Und  zwar  waren  es  seine  alten 
Verbündeten,  die  Bischöfe  Bucco  von  Halberstadt  und 
Hartwig  von  Magdeburg,  die  ihn  Heinricli  abwendig 
machten.  Es  hätte  vielleicht  nicht  einmal  der  2;länzenden 
Uberredungsgabe  eines  Bucco  bedurft,  in  dem  leiden- 
schaftlichen, unbesonnenen  Ekbert,  dem  wie  seinem  Vater 
nur  allzusehr  die  Gabe  der  kühlen,  ruhigen  Überlegung 
mangelte,  das  Vertrauen  zu  seinem  Vetter  zu  erschüttern, 
wenn  die  Bischöfe  nur  darauf  hinwiesen,  Avie  Heinrich, 
wenn  er  erst  alle  seine  Feinde  bezwungen,  doch  in  Sachsen 
genau  wieder  so  auftreten  und  seine  Rechte  geltend 
machen  werde,  wie  er  es  wiederholt  in  den  vergangenen 
Jahren  gethan,  wenn  sie  gerade  an  Heinrichs  treusten 
Anhängern,  an  Konrad  von  Utrecht  und  König  Wratislaus 
von  Böhmen  zeigten,  wie  oft  Heinrich  an  ihnen  seinen 
Versprechungen  untreu  geworden  war!  Auch  kannten 
die  beiden  Bischöfe  am  besten  die  hochfahrenden  Pläne 
des  ehrgeizigen  jungen  Fürsten,  welcher  selbst  am  liebsten 
die  Köuigskrone  statt  Hermanns  getragen  hätte.  Darum 
machten  sie  ihm  jetzt  selbst  Aussichten  auf  die  Krone 
des  Luxemburgers  und  boten  ihm  ihre  Unterstützung  an. 
Es  war  eine  That  der  Verzweiflung,  die  die  Bischöfe  zu 
diesem  Versprechen  trieb;  denn  sie  fühlten  sich  verloren, 
sobald  auch  Ekbert  zu  den  Fahnen  des  Saliers  schwur. 
Dieser  Eidbruch  ist  der  dunkelste  Fleck  in  dem  Leben 
des  wilden,  grundsatzlosen  Jünglings;  er  war  es  auch, 
der  der  Grund  zu  seinem  Sturze  wurde. 

Heim-ich  hatte  sein  Heer  schon  aufgelöst,  als  er  die 
Treulosigkeit  seines  Vetters  erfuhr,  und  musste  daher  für 
jetzt  abstehen,  den  Abfall  zu  rächen. 

Allein  Ekbert  sollte  sich  in  seinen  stolzen  Hoffnungen 
ebenso  getäuscht  sehen,  wie  er  seinen  König  getäuscht 
hatte.  Hartwig  und  Bucco  konnten  und  wollten  auch 
nicht  ihr  Verspreclien  erfüllen.  Ihnen  war  es  nur  darauf 
angeivummen,  Ekbert  für  den  Augenblick  von  der  Partei 
des  Kaisers  zu  trennen;  aber  der  wankelmüthige,  herrsch- 
süchtige Jüngling  mochte  ihnen  noch  weniger  zum  Herrscher 


"")  Ebendas. :  At  ille  statim,  ut  de  Saxonia  exivimus,  ad  anti- 
quam  perfidiam  revertitur.  Wenn  Waltram.  II  c.  33  sagt:  postera 
die  legatos  suos  ad  imperatorcni  rcmisit,  qui  dicereiit,  tidem  se  uon 
posse  solvere  etc.,  so  ist  dies  jedenfalls  rlietorisclie  Übertreibung. 


Ekhert  IL,  Markgraf  von  Meissen.  207 

taugen  als  Hermann^  unter  dessen  schwachem  Reghnente 
sie  durch  ihre  Klugheit  geherrscht  und  erlangt  hatten, 
was  sie  wollten.  Wie  wenig  es  ihre  Absicht  war,  ihn 
auf  den  Thron  zu  erheben,  sehen  wir  aus  dem  auffallen- 
den Umstände;  dass  gerade  in  dieser  Zeit  beide  Bischöfe 
mit  dem  Böhmenkönige,  dem  erbittertsten  Feinde  Ekberts, 
unterhandeln^^).  Auch  waren  die  sächsischen  Grossen 
wenig  geneigt,  einen  ihrer  Landsleute,  dessen  Machtstellung 
sie  so  schon  neideten,  als  ihr  Haupt  anzuerkennen  und 
für  ihn  das  Schwert  zu  ziehen®'-).  Ekbert  sah  bald,  dass 
die  Bischöfe  ihn  betrogen  hatten.  Er  schäumte  vor  Wuth, 
dass  auch  dann,  als  Hermann  von  Luxemburg  Sachsen 
verlassen  und  die  Krone  niedergelegt  hatte,  weder  die 
Bischöfe  noch  die  sächsischen  Grossen  Anstalten  trafen, 
für  ihn  einzutreten.  Darum  warf  er  sich  zunächst  auf 
Bucco,  dessen  gleissende  Worte  ihn  zumeist  verführt  hätten, 
und  dem  er  nicht  mit  Unrecht  die  grösste  Schuld  bei- 
mass;  er  sollte  zuerst  seine  Rache  fühlen.  Um  jedoch  so 
nicht  zwischen  zwei  Feuer  zu  kommen,  sandte  er  Boten 
an  den  Rhein  zum  Kaiser,  dem  er  selbst  jetzt  seine  Unter- 
werfung anbot  und  Geiseln  für  sein  Verhalten  gab.  Ohne 
jedoch  die  Rückkehr  seiner  Boten  abzuwarten®'^),  fiel  er 
plötzlich  mitten  während  des  Gottesfriedens  in  das  Halber- 
städter Gebiet  ein  und  verheerte  es  grausam  mit  Feuer 
und  Schwert.  Es  kam  durch  Vermittelung  der  sächsichen 
Grossen,  die  noch  mit  Ekbert  zuletzt  auf  Seiten  Her- 
manns gestanden,  zu  einem  Waffenstillstände,  um  in  Goslar 
über  den  Übertritt  zu  Heinrich  zu  verhandeln.  Alle  waren 
für  den  Frieden  mit  dem  Kaiser,  nur  Bucco  blieb  un- 
beugsam. So  zerschlugen  sich  die  Verhandlungen;  allein 
bald  verbreitete  sich  die  Kunde  von  Buccos  Hartnäckig- 


"1)  Pez,  Thesaurus  anecdotorum  VI,  No.  81. 

»2)  BernoUli  chron.  1088  (Mon.  Germ.  SS.  V,  447):  Heremannus 
rex  nativitatem  Domini  in  Saxonia  celebravit,  ubi  et  Eggibertus 
comes  se  reguum  afiectare  manifestavit,  sed  incassum,  nam  principes 
regui  ei  assentire  uoluerunt. 

^■')  Waltram  II  c.  35:  episcopi  eum  fefellerunt,  non  ei  donantes 
regnum  quod  promiserunt;  quapropter  secessit  a  parte  eorum  et 
societate  et  iterum,  datis  obsidibus  atque  iuramentis,  contirmavit 
pactum  pacis  et  fidei  cum  imperatore.  Interea  contigit  hoc  quod 
supra  diximus,  quia  tunc  occisus  est  ille  Burcardus  Halberstatensis 
episcopus  a  suis  populavibus.  Hieraus  geht  deutlich  hervor,  dass 
Ekbert  nicht  die  Autwort  des  Kaisers  vom  Rheine  her  empfangen 
bez.  auf  sie  gewartet  und  dann  erst  gegen  Bucco  gekämpft  haben 
kann. 


208  Paul  Rockrolir: 

keit  unter  dem  Volke,  das  des  verlieerendon  Krieges  müde 
seine  Friedenswünsche  durcli  den  Biscliof  vereitelt  sah. 
Es  kam  zu  einem  Aufstande  der  Bürger  noch  in  derselben 
Nacht  (5.  April),  wobei  der  greise  Bischof  erschlagen 
wurde ^^).  „Heinrich  verlor  in  Burkard  seinen  gefähr- 
lichsten Feind  in  Sachsen.  Seit  dieser  Zeit  war  niemand 
mehr  so  beredt  und  einflussreich,  um  das  Volk  in  blassen 
gegen  den  Kaiser  erregen  zu  können"""').  Nach  seinem 
Tode  traten  nun  die  Reste  der  antikaiserlichen  Partei,  die 
schon  vorher  den  Frieden  gewünscht,  zu  Heinrich  über, 
so  vor  allem  die  Bischöfe  von  Zeitz,  von  Merseburg  und 
Magdeburg.  Heinrich  nahm  sie  nicht  nur  in  Gnaden  auf, 
sondern  gab  ihnen  auch  ihre  Bisthümer  zurück,  obgleich 
dieselben  seit  dem  Mainzer  Konzil  längst  von  Anhängern 
des  Kaisers  und  seines  Papstes  besetzt  waren.  Während, 
noch  Benno  von  Meisscn  1086  sich  nicht  nur  dem  Kaiser, 
sondern  auch  dessen  Papste  hatte  unterwerfen  müssen"*'), 
nuichte  der  Kaiser  jetzt  den  übergetretenen  Bischöfen  ein 
wichtiges  Zugeständnis:  er  verlangte  nur  Anerkennung 
seiner  Person,  dagegen  Hess  er  ihnen  in  kirchlichen  Fragen 
freie  Hand.  Auch  Urban  H.  schlug  eine  versöhnlichere 
Politik  ein,  indem  er  die  Bischöfe  nicht  hinderte,  mit 
dem  geächteten  Kaiser  zu  verkehren,  sofern  sie  nur  ihn 
als  rechtmässigen  Papst  anerkannten.  So  war  es  Hart- 
wig von  Magdeburg  möglich,  treu  bei  Heinrich  auszu- 
harren und  doch  gegen  den  Gegenpapst  Wibert  mit  allen 
Mitteln  zu  kämpfen"^). 


»*)  Waltram  H  c.  .35;  Aventin.  anii.  Boic.  lib.  V,  .360  und 
aim.  Saxo  a.  1088  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  724)  sind  namentlich  heran- 
zuziehen. Die  Quelle  des  ann.  Sa.\o  ist  sein-  gefärbt.  Ekbert  trift't 
an  dem  Tode  Buccos  absolut  keine  Schuld;  vergl.  Waltram:  Bur- 
cardus  occisus  est  a  suis  populaiibus,  non  id  agente  marchione,  sed 
tamen  hoc  factum  ipso  approbante.  Dieses  haben  Giesebrecht  III, 
025,  Büchner,  Bucco  von  Ilalberstadt  (Schweriner  Gymnasialprogr. 
1870),  S.  23  und  Posse,  S.  199  zu  wenig  beachtet.  Ausserdem  irren  sie, 
wenn  sie  aus  Stnm  pf  No.  2893:  qui  (Egbertus)  episcopum  et  alios 
clencos  trucidavit,  folgern,  Ekbert  habe  Bucco's  Tod  verschuldet, 
denn  dieser  episcopus  ist  Bischof  Burkhard  von  Lausanne,  der  bei 
Gleichen  Weihnachten  1088  fiel. 

»5)  Stenzel,  Gesch.  der  fränk.  Kaiser  I,  532. 

«ß)  Waltram  II  c.  25. 

"')  Vergl.  Si  eher.  Die  Haltung  Sachsens  gegenüber  Heinrich  IV. 
(Bresl.  Diss.  1883).  Die  Nachrichten  über  Hartwig  bei  Waltram 
sind  alle  einer  sorgfältigen  Kritik  zu  unterwerfen,  da  sie  der  bitterste 
Hass  gegen  den  Erzbischof,  welchem  Waltrams  Abt  Hartwig  von 
Hersfeld  hatte  weichen  müssen,  diktiert  hat. 


Ekbert  II.,  Markgraf  von  Meissen.  209 

Im  Hochsommer  1088  kam  endlich  Heinrich  selbst 
nach  Sachsen,  um  die  arg  zerrütteten  Verhältnisse  in  dem 
Lande,  in  welchem  nun  15  Jahre  lang  der  Bürgerkrieg 
gewüthet  hatte,  zu  ordnen.  Von  allen  Seiten  scharten 
sich  seine  Getreuen  um  ihn;  nicht  nur  die  Bischöfe  finden 
wir  in  Heinrichs  Umgebung,  sondern  auch  die  sächsischen 
Grossen  wie  Herzog  Magnus,  Graf  Siegfried,  der  Sohn 
Ottos  von  Nordheim,  ferner  der  Markgraf  von  der  Nieder- 
lausitz Heinrich,  der  Sohn  Dedis  und  Adelas,  welcher 
jetzt  als  treuster  Anhänger  Kaiser  Heinrichs  erseheint, 
und  andere  erkannten  freiwillig  Heinrich  als  ihren  Herrn 
an.  Vor  allem  war  es  Heinrich  nun  darum  zu  thun,  end- 
lich sein  Verhältnis  zu  seinem  Vetter  Ekbert  zu  regeln ^^). 
Ekbert  war  nicht,  wie  die  anderen  Grossen,  beim  Einzüge 
Heinrichs  erschienen,  um  ihn  zu  begrüssen.  Wir  haben 
oben  gesehen,  wie  Ekbert,  um  sich  gefahrlos  an  Bucco 
von  Halberstadt  rächen  zu  können  und  nicht  gegen  zwei 
Feinde  zugleich  fechten  zu  müssen,  Boten  zum  Kaiser  an 
den  Rhein  gesandt  hatte,  um  diesem  seine  Unterwerfung 
anzubieten.  Allein  Heinrich  war  nicht  gewillt,  dem  treu- 
losen Vetter,  der  seine  heiligsten  Eidschwüre  zu  Hersfeld 
für  nichts  geachtet  hatte,  das  Streben  nach  der  Krone  un- 
gestraft hingehen  zu  lassen.  Darum  lud  er  ihn  zur  Recht- 
fertigung an  den  Hof  nach  Quedlinburg.  Ekbert  jedoch 
erwartete  nicht  viel  Gutes  von  einer  Rechtfertigung,  die 
ihn  sich  wegen  seines  Vertragsbruches  rechtfertigen  hiess, 
und  wo  im  Fürstengericht  voraussichtlich  zumeist  Lands- 
leute Sassen,    also    sächsische  Fürsten   und   Bischöfe,    die 


ö8)  Waltram  berichtet,  Ekbert  habe  im  Anfange  des  Jahres 
1088,  als  er  Bucco  seine  Rache  empfinden  lassen  wollte,  mit  Hein- 
rich Frieden  geschlossen  (siehe  oben  S.  207,  Anm.  93:  confirmavit 
pactum  pacis  et  fidei  cum  imperatore),  sei  dann  aber  wieder  von 
ihm  abgefallen  (cum  iterum  marchio,  reus  totius  violatae  fidei  et 
pacis,  secessione  occultissime  coUoquiis  bellum  renovasset).  Allein, 
da  die  Ächtungsurkunde  vom  1.  Februar  1089,  welche,  wie  schon 
erwähnt,  uns  genau  den  ganzen  Verlauf  der  Aufstände  und  Unter- 
werfungen Ekberts  erzählt,  von  einer  Unterwerfung  und  Begnadigung 
desselben  nach  dem  Hersfelder  Abfalle  nichts  weiss,  so  müssen  wir 
Waltram  dahin  berichtigen,  dass  Ekbert  zwar  seine  Unterwerfung 
anbot,  Heinrich  aber  erst  in  Sachsen  die  näheren  Bedingungen  der 
Unterwerfung  bestimmen  wollte,  indem  er  ihn  nach  Quedlinburg 
lud.  Sieb  er  (S.  44)  sucht  diesen  Umstand,  dass  die  Urkunde  von 
einem  Vertrage  zwischen  Ekbert  und  Heinrich  nichts  weiss ,  so  zu 
erklären,  dass  er  willkürlich  behauptet,  Heinrich  habe  diesen  letzten 
Vertrag  selbst  gebrochen  und  iffn  darum  auch  in  der  Urkunde  ver- 
schwiegen ! 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VIL  3.  4.  14 


210  Paul  Rockrohr: 

tliells  iliiu  durch  sein  treuloses  Scliwanken  zwischen  beiden 
Parteien  und  durch  sein  herrisches  Auftreten  verfeindet 
waren,  tlieils  auch  selbst  sich  Hoffnungen  auf  seine  reichen 
Lande  raacliten"**).  Daher  zog  Ekbert  es  vor,  auszubleiben; 
hochfahrend  erkannte  er  nicht  einmal  die  Berechtigung 
einer  gericlitlichen  Untersucliung  an,  gescliweige  denn, 
dass  er  um  Verzeihung  und  Mitleid  gefleht  hätte^*"').  Nun 
folgte  Heinrich  dem  Drängen  der  Fürsten  und  liess  die- 
selben in  Quedlinburg  über  den  treulosen  Vetter  zu  Ge- 
richt sitzen.  Siegfried  und  Heinrich  von  der  Lausitz 
erkUirten  Ekbert  für  einen  Reiclisfeind,  sprachen  dem 
Geächteten  seine  sämtlichen  Besitzungen  ab  und  über- 
antworteten sie  dem  Kaiser  ^"^).  Ihrem  Spruche  schlössen 
sich  die  übrigen  Fürsten  an.  Noch  immer  hoffte  Heinrich 
von  Ekbert,  dem  er  auch  jetzt  noch  in  übergrosser  Milde 
und  Nachsicht  das  Erbe  seiner  Väter  erhalten  wollte,  er 
werde  reuig  zu  ihm  zurückkehren;  ungern  nahm  er  von 
der  Hoffnung  Abschied,  noch  einmal  in  Ekbert  eine  feste 
Stütze  im  Osten  zu  haben  und  mit  seinem  starken  Arme 
die  Grossen  niederzuhalten.  Er  wusste  wohl,  dass  auf 
die  anderen  sächsischen  Fürsten,  die  jetzt  so  eifrig  auf 
die  Achtung  Ekberts  drangen,  um  sich  in  dessen  reichen 
Besitz  zu  theilen,  ebenso  wenig  ein  Verlass  war,  wenn 
die  Noth  an  den  Mann  kam.  Darum  hielt  er  noch  die 
Achtserklärung    zurück    und    schickte    sich    zunächst    an, 


"•*)  Dies  erkennen  wir  aus  dem  Vorgeben  der  sächsischen 
Fürsten.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  .S4;t:  Nam  Sigefridus,  üttonis 
quondam  dncis  filius,  Egbertnni  ut  publicum  regni  liostem  et  doniini 
sui  iinperatoris  inimicnm  persequendum  judicavit.  Henricus  autem 
marchio  suique  oquales  raarchia  aliisque  suis  privari  debere  bouis 
Egbertum  eundem  judicaverunt.  Heinrich  von  der  Lausitz  empfing 
dann  auch  wirklich  die  Mark  Meissen. 

^"^)  Ebendas. :  Ekbertum  fugientem  nee  pro  iustitia  nee  pro 
misericordia  satisfacere  volentem. 

'Ol)  Da  nach  den  ann.  s.  Disibodi  a.  1089  (Mon.  Germ.  SS. 
XVII,  9)  Heinrich  Mitte  August  begann,  die  Burgen  Ekberts  zu  be- 
lagern, so  muss  das  Fürstengericht  im  Beginne  dieses  Monats  statt- 
gefunden haben.  Nach  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  .347  (No.  159)  wäre 
allerdings  sowohl  Heinrich  noch  am  10.  August  in  Mainz  als  auch 
Ekbert  damals  sein  Verbündeter  gewesen;  allein  trotz  aller  Aus- 
führungen von  Posse,  Markgrafen,  S.  200,  Anm.  140  kann  ich  sie 
mit  Gie  sehr  echt  III,  1174  ebensowenig  für  echt  halten  wie 
Stumpf  No.  2891  (Lepsius  Gesch.  d.  Bisch,  von  Naumburg  I,  2.S.'})  und 
No.  2892  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  .348).  Da  noch  Weihnachten  1088 
die  Belagerung  von  Gleichen  währte,  braucht  man  nicht  anzunehmen, 
dass  Heinrich  die  ganze  Zeit  selbst  im  Lager  daselbst  geweilt  habe. 


Ekbert  IL,  Markgraf  von  Meissen.  211 

Ekberts  Burgen  7A\  belagern,  um  den  Trotz  des  Gebannten 
zu  brechen ^^■-). 

Die  Belagerung  der  festen  Burg  Gleichen  bei  Erfurt 
leitete  Heinrich  selbst.  Allein  Ekbert  vertraute  noch  ein- 
mal auf  das  Waffenglück,  das  ihn  noch  nie  verlassen 
hatte,  und  stellte  sich  an  die  Spitze  seiner  kriegserprobten 
Schar,  die  er  für  den  Fall  des  ungünstigen  Ausganges 
seiner  Unterhandlungen  mit  dem  Kaiser  schon  längst  ge- 
sammelt"'^). Zunächst  hatte  Ekbert  in  seiner  Mark  gegen 
die  Böhmen  zu  kämpfen,  die  sich  seit  dem  Jahre  1087 
im  Osten  derselben  festgesetzt  hatten.  Hier  war  es  ihm 
gelungen,  die  Trutzfeste  Guozdek  zum  zweitenmale  zu 
zerstören  und  die  Böhmen  so  aus  der  Nähe  Meissens  zu 
vertreiben,  sodass  Wratislaus  gezwungen  war,  die  Feste 
auf  einem  gesicherteren  Orte  —  der  also  wohl  seinem 
Lande  näher  lag  —  wieder   aufzubauend"^).     Sodann  er- 


i*'2)  Sed  nos  adhuc  exspectautes  castella  ejusdem  Egberti  obse- 
dimus  magis  respectu  ad  nos  eum  recolligendi,  quam  de  nobis 
repellendi  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I,  1,  349). 

^03)  Ann.  Aug.  (Mon.  Germ.  SS.  III,  133):  Ekkepertus  in  Sa.xonia 
clam  turba  congregata  non  modica.  Jedoch  zeigen  sich  die  Aunalen 
hier  nicht  besonders  unterrichtet,  und  können  sie  einfach  aus  dem 
Überfalle  bei  Gleichen  gefolgert  haben,  Ekbert  habe  heimlich 
seine  Truppen  gesammelt. 

^^)  Cosmae  chron.  Bohem.  (Mon.  Germ.  SS.  IX,  94):  Interea 
contigit,  ut  iterum  rex  Wratizlaus  Zribiam  cum  suo  exercitu  intraret, 
quo  praedictum  castrura  Guozdec  in  alium  firmiorem  locum  transfei-ret. 
Bernold  a.  (1088)  Mon.  Germ.  SS.  V,  448)  berichtet  noch  für  diese 
Zeit,  dass  Ekbert  den  Kaiser  bei  der  Belagerung  einer  Feste  an- 
gegriften  und  ihn  gezwungen  habe,  auf  einen  Berg  (mons)  zu  fliehen. 
Nach  zweitägiger  Belagerung,  nachdem  er  bereits  die  Reichsinsignien 
verloren,  sei  er  dann  genöthigt  worden,  den  Bann  des  Papstes  an- 
zuerkennen und  um  Absolution  zu  bitten,  darauf  im  Frieden  entlassen. 
Trotzdem  bereits  Pertz  daselbst  Anm.  98  und  Giesebrecht  III, 
1174  diese  eigenartige,  an  sich  schon  unverkennbar  den  Stempel 
der  Unwahrheit  tragende  Nachricht  als  auf  einer  Verwechselung  mit 
Heinrichs  Niederlage  bei  Gleichen  beruhend  zurückgewiesen  haben, 
nimmt  sie  Posse,  Markgrafen,  S.  199  wieder  auf.  Dass  übrigens 
dabei  Heinrich  aus  der  belagerten  Feste  getlohen  wäre  (Saxones 
[Heinricum]  de  obsidione  cujusdam  munitionis  fugarunt)  und  Ekbert 
ihm  die  Reichskleinodien  zurückgegeben  hätte,  wie  Posse  behauptet, 
berichtet  Bernold  nicht.  Auf  Bernold  fussen  die  ann.  Otteu- 
burani  1088  (Mon.  Germ.  SS.  V,  8).  Die  ann.  S.  Disibodi  (Mon.  Germ. 
SS.  XVII,  9)  brauchen  nicht  als  dritter  Beleg  für  diese  Nachricht 
zu  gelten:  a.  1089.  Henricus  rex,  memor  injuriae,  quam  sibi  Egge- 
bertus  marchio  anno  praeterito  apud  Merseburg  fecerat,  ...  Glico 
castrum  in  vigilia  assumptionis  sanctae  Mariae  obsidione  circum- 
vallarat.  Da  dies  am  14.  August  1088  geschah,  ist  annus  praeteri- 
tus  1 087,  also  damit  der  Bruch  des  Hersfelder  Vertrages  gemeint. 

14* 


212  r'aul  Rockrohr: 

schien  er  plötzlicli  mit  seinen  Reisigen  vor  Quecllinbiirg, 
wo  des  Kaisers  Braut  und  Schwester  sich  aufhielten,  und 
verwüstete  die  Umgegend  mit  Feuer  und  Scliwert. 
Heinrich  entsandte,  um  beide  Frauen  besorgt,  Hartwig 
von  Magdeburg  mit  einem  bedeutenden  Theile  seines 
Heeres,  um  Quedlinburg  zu  entsetzen.  Kaum  hatte  Ekbert 
durch  seine  Spione,  vielleicht  verrätherisehe  Geistliche  in 
Hartwigs  Heere  selbst^^''),  das  Herannahen  des  Erzbischofs 
erfahren,  als  er  schleunigst  mit  seinen  Reitern  —  den 
Hartwig  auf  Umwegen  vermeidend  —  nach  Erfurt  auf- 
brach. Am  Abend  des  24.  Dezember  langte  er  vor  seiner 
Feste  Gleichen  an;  Heinrich  hatte  nicht  nur  durch  die 
Absendung  Hartwigs  sein  Heer  bedeutend  verringert, 
sondei'n  auch  eine  grosse  Anzahl  der  Vasallen  des  hei- 
ligen Festes  wegen  entlassen^*'''). 

Während  man  im  Lager  sich  zur  Feier  der  Geburt 
des  Herrn  rüstete  und  im  Himmel  und  auf  Erden  das 
Lied  erklang'**'):  Ehre  sei  Gott  in  der  Höhe  und  Frieden 
auf  Erden  und  den  Menschen  ein  Wohlgefallen  1,  dröhnte 
drausscn  der  Boden  von  dem  Hufschlage  der  feindlichen 
Rosse. 

Wie  ein  gewaltiger  Sturmwind  stürzte  sich  der  junge 
Markgraf,  den  Seinen  voran,  auf  die  Kaiserlichen'"**). 
Zwar  wurden  seine  ordnungslos  heranstürmenden  Reiter 
von  der  Lagerwache  eine  Zeit  lang  aufgehalten,  allein 
Ekbert  stellte  bald  das  Treffen  wieder  her  und  drang 
nun  in  das  Lager  ein'*''*),  mit  ihm  sein  Genosse,  der  ju- 
gendliche Lothar  von  Supplinburg.  Bis  tief  in  die  Nacht 
hinein  dauerte  der  erbitterte  Reiterkampf.  Die  Kaiser- 
lichen, obwohl  zumeist  nur  halb  bewaffnet,  wie  gerade 
ein  jeder  in    der  Verwirrung   sich   hatte   rüsten    können, 

In  welchem  Zusammenhange  der  Name  Mersehurg  zu  dem  Hers- 
l'elder  Vertragsbruclie  steht ,  vermag  ich  allerdings  ohne  Willkür 
nicht  zu  erklären,  aber  ebensowenig  passt  der  Name  zu  ßernolds 
Bericht,  denn  es  giebt  keinen  mens  in  der  Nähe  von  Merseburg 
ausser  dem  Burgfelsen  selbst. 

^o-')  Berno'ldi  ehren.  (Mon.  Germ.  SS.  V,  448):  Eggebertus  a 
quibusdam  religiosis  confortatus  ....  Waltram  bezichtigt  (II  c.  35) 
aus  blindem  lluss  Hartwig  dieses  Verrathes.  Obwohl  man  längst 
diese  Nachricht  als  unwahr  erkannt  hat,  findet  sich  dieselbe  wieder 
bei  Posse,  Markgrafen,  S.  201. 

^^)  Ekkeh.  chron.  (Mon.  Germ.  SS.  YI,  207):  cum  magna  pars 
primatum  ob  diem  fcstum  jam  abiret. 

10')  Waltram  II  c.  35. 

108)  Ann.  S.  Disibodi  (Mon.  Germ.  SS.  XVII,  9). 

10«)  Walt r am  II  c.  35.  Ekkeh.  chron.  (Mon.  Germ.  SS.  VI,  207). 


Ekbert  IT.,  Markgraf  von  Meissen.  213 

wehrten  sich  tapfer.  Bischof  Burkhard  von  Lausanne, 
der  das  kaiserliche  Banner  führte,  fand  wacker  fechtend 
den  Heldentod"*^);  Erzbischof  Liemar  von  Bremen  und 
Graf  Berthold  wurden  gefangen^ ^^).  Mit  Mühe  entrann 
Heinrich  selbst  dem  Tode  oder  der  Gefangenschaft;  in 
Bamberg  erst  konnte  das  so  blutig  unterbrochene  Fest 
gefeiert  werden,  still  und  ernst,  wie  es  die  Manen  der 
Gefallenen  erheischten^^'^).  In  Regensburg  vollstreckte  so- 
dann Heinrich  den  Spruch  des  Quedlinburger  Gerichtes. 
Konrad  von  Utrecht  erhielt  nun  endlich  Ekberts  friesische 
Besitzungen  „für  alle  Ewigkeit",  wie  die  Urkunde  vom 
1.  Februar  1089  besagt"'').  Heinrich  von  Eilenburg,  der 
Markgraf  der  Niederlausitz,  erhielt  Ekberts  Mark  Meissen^  ^^} ; 
Wratislaus  von  Böhmen  wurde  durch  den  östlichen  Theil 
derselben,  in  welchem  die  slavische  Bevölkerung  noch 
am  meisten  vorherrschen  mochte,  entschädigt;  doch  ver- 
waltete dasselbe,  die  sogenannte  Oberlausitz  mit  den 
Gauen  Nisani  und  Budessin,  ein  deutscher  Graf,  Wiprecht 
von  Groitsch,  des  Böhmenkönigs  Schwiegersohn^^''*).  Es 
war  eine  einsichtsvolle  Politik  Heinrichs  IV.,  die  Mark 
Meissen  sächsischen  Grossen  und  nicht  den  Böhmen  zu 
geben;  denn  damit  hätte  er  sofort  die  Sachsen  wieder  in 

110)  AiiD.  Aug.  (Mou.  Germ.  SS.  III,  133).  Ekkeli.  chron.  a.  a.  0. 
Vgl.  Stumpf  No.  2893. 

111)  Ann.  Saxo  (M.  G.  SS.  VI,  726).     Ann.  Stad.  (ebd.  XVI,  316.) 

112)  Bernoldi  chron.  (Mon.  Germ.  SS.  V,  448). 

113)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  349:  Ille  vero  (Egbertus)  appo- 
suit  iniquitatem  super  iniquitatem  ausus  contra  nos  leva,re  gladium, 
et  erecto  vexülo  nos  impugnando,  quod  Dens  permisit,  in  nos  et  in 
nostros  commisit,  qui  etiam  episcopum  et  alios  clericos  trucidavit, 
quod  iäm  non  tantummodo  bonis  suis,  sed  etiam  vita  privari  meruit. 
Unde  auferentes  ei  omnia  bona  sui  sine  spe  recuperandi  comitatum, 
quem  Egberto  juste  ablatum  sancto  Martino  Trajectensi  dedimus, 
sancto  Martino  injuste  ablatum  Egberto  reddidimus,  wunc  et  in  eter- 
mim  Egberto  justissime  ablatum  .  . .  Conrado  tradidimus,. 

1")  Dass  Heinrich  von  Eilenburg  erst  nach  dem  Überfall  bei 
Gleichen  mit  Meissen  belehnt  sein  kann,  lehrt  die  eben  angezogene 
Urkunde;  urkundlich  finden  wir  Heinrich  den  14.  Febr.  1090  im  Besitze 
dieser  Mark.  Vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reff.  1. 1,  354  (N".  165).  Danach  ist  die 
Nachricht  der  ann.  S.  Disibodi  a.  1089  (Mon.  Germ.  SS.  XVII,  9): 
Henricus  marchiam  orientalem  ei  auterens,  Henrico  cuidam  contulerat, 
zu  beurtheilen.  Vergl.  auchWenck:  De  Henrico  I.  comment  V,  7. 
Die  Bemerkung  bei  Waitz,  Verfassungsgesch.  VII,  91,  wonach  Ekbert 
eine  Zeit  lang  im  Besitze  der  Niederlausitz  gewesen  wäre,  beruht 
auf  Verwechselung  der  Mark  Meissen  (marchia  Orientalis  zu  Thüringen) 
mit  der    Niederlausitz  (marchia  orientalis  zu  Sachsen). 

115)  Vergl.  L.  Giesebrecht,  Wend.  Gesch.  II,  153.  Posse, 
Markgrafen,  S.  206  Hg. 


214  Paul  Rockiohr: 

die  Arme  Ekberts  getrieben,  die  jedem  eher  das  Land 
gönnten  als  den  verhassten  Slavcn'^").  Um  jedoch  aucli 
Ileinrich  von  Eilenburg  nicht  zu  mächtig  werden  zu 
lassen  und  andere  Ansprüche  zu  befriedigen,  trennte  der 
Kaiser  die  Merseburger  Mark  ab  und  gab  sie  den  Grafen 
aus  dem  Hause  von  Stade"'). 

Nach  Heinrichs  Abzüge  warf  sich  Ekbert  auf  seine 
früheren  Verbündeten,  die  ihn  dann  alle  verlassen  und 
die  Acht  über  ihn  ausgesprochen  hatten.  Zunächst 
wandte  er  sicli  gegen  Hildesheim;  es  entwickelte  sich 
eine  heftige  Fehde  mit  Bischof  Udo,  dem  die  übrigen 
Grossen  verblendeter  Weise  nicht  zu  Hilfe  kamen.  Mit 
Feuer  und  Schwert  verwüstete  er  die  Umgegend  der 
Stadt,  die  er  jedoch  nicht  einzunehmen  vermochte.  Da- 
gegen gelang  es  ihm,  den  Bischof  selbst  zu  fangen ;  er 
gab  ihn  erst  frei,  als  er  ihm  versprach,  die  Stadt  zu 
überliefern,  und  Geiseln  stellte.  Aber  der  Bischof  brach 
das  erzwungene  Gelöbnis;  vergebens  nun  Hess  Ekbert 
voll  Zorn  einem  der  Vergeiselten  das  Haupt  abschlagen, 
die  Stadt  öffnete  ihm  nicht  die  Thore"^).  Darauf  stürzte 
sich  Ekbert  auf  Heinrich  von  Eilenburg,  der  ihm  jetzt 
Meissen  streitig  machte.  Allein  hier  verliess  ihn  zum 
ersten  Male  das  Schlachtenglück,  er  erlitt  eine  vollstän- 
dige -Niederlage,  die  meisten  seiner  Mannen  fielen  in  der 
Schlacht;  nur  mit  wenigen  gelang  es  ihm,  sich  durch- 
zuschlagen"'*). Seitdem  irrte  Ekbert  unstät  im  Laude 
umher;  die  Hand  aller  Fürsten  war  jetzt  gegen  ihn,  der 

"")  Aus  diesem  Grunde  gab  Heinrich  die  Mark  nicht  dem 
Böhmen,  aber  nicht,  wie  Posse  S.  205  will,  weil  die  Treue  des 
Königs  Wratislaus  ihm  verdächtig  erschienen  wäre. 

"•)  Noch  1081  erscheint  Ekbert  im  Besitze  dieser  Mark,  vergl. 
Cod.  dipl.  Sax.  reg.  I.  1,  .S41;  urkundlicli  erscheint  erst  Udo  III.  und 
zwar  den  23.  Septbr.  1105  im  Besitz  der  Mark  Merseburg.  Vergl. 
Posse,  Markgrafen  155,  201.  Nur  können  die  Grafen  von  Stade 
nicht  schon  in  Quedlinburg,  wie  Posse  will,  sondern  erst  ebenfalls 
nach  Weihnachten  1088  die  Belehnung  empfangen  haben,  wie  aus 
Cod.  dipl.  1,  1,  349  erhellt. 

"■*)  Die  Nachrichten  sind  zusammengestellt  von  Böttger, 
Brunonen,  S.  6ü8,  .\nm.  913.  Seine  sonstigen  Ausführungen  sind 
aber  gerade  hier  ganz  unbrauchbar. 

''")  AValtram  II  c.  35:  cum  ipse  Henricho  alteri  Saxonum 
marchioni  arnia  intulisset,  plurimis  suorum  amissis  victus  de  praelio 
aufugit.  Die  ann.  Ottenburani  (Mon.  Germ.  SS.  V,  8)  und  Bernoldi 
chron.  (Mon.  Germ.  SS.  V,  449)  berichten  auch  für  dieses  Jahr  1089 
von  einem  Zuge  Heinrichs  nach  Sachsen,  weichen  aber  von  einander 
ab.  Was  an  der  Sache  wahres  ist,  können  wir  nicht  beurtheilen, 
da   wir    beide    Quellen    nicht    durch    andere    controUieren    können. 


Ekbert  IT.,  Markgraf  von  Meissen.  215 

sich  in  den  Kampf  gegen  alle  gestürzt  liatte.  Wie  Ernst 
von  Schwaben,  Giselas  unglücklicher  Sohn,  so  endete  auch 
der  Urenkel  dieser  Kaiserin,  der  letzte  Spross  aus  ihrer 
ersten  Ehe,  von  fast  allen  verlassen,  ein  Friedloser,  der 
sich  scheu  vor  seinen  Verfolgern  bergen  musste.  Ina 
Soramer  1090  am  dritten  Juli  ereilte  ihn  sein  Geschick, 
als  er,  vor  einem  Unwetter  flüchtend,  im  Thale  der 
Selke  in  einer  Mühle  rastete.  Hier  holten  ihn  seine  Verfolger, 
denen  man  sein  Versteck  verrathen,  ein^'-^) ;  nach  verzweifelter 
Gegenwehr  sank  der  letzte  der  Brunonen  unter  den  tötlichen 
Streichen  der  Feinde,  die  ihm  das  Haupt  zerschmetterten. 


Vielleicht  unternahm  Heinrich  den  Zug,  um  Udo  von  Hildesheim  zu 
Hilfe  zu  kommen ,  kehrte  aber  auf  dem  Wege  dahin  um ,  als  er 
Ekberts  Niederlage  erfahren  hatte. 

1-*')  Chron.  Sampetrinum  S.  11:  Ekkibertus  marchio  iuxta  aquam 
quae  diciter  Selicha  in  molendino  quodam  miserabiliter  interfectus 
occubuit  (Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  I.  Halle  1870). 
Annales  Ottenb.  (Mon.  Germ.  SS.  VH,  9):  Egbertus  marchio,  in  mo- 
lendinam  fugiens  imbrem,  occisus  est.  Waltram  H  c.  35:  deinde 
cum  fuissent  manus  omnium  principum  Saxoniae  contra  eum  et 
mauus  eins  contra  omnes,  postremo  miserabiliter  occisus  est,  pro- 
ditus  in  quodam  tugurio,  ut  non  dicam  id  quod  verius  est,  in  mo- 
lendino. Sonst  finden  wir  den  Tod  Ekberts  noch  verzeichnet  mit 
mehr  oder  weniger  Abweichungen,  in:  ann.  Hildesh. ;  Ekkeh.  chron.; 
Bernoldi  chron.;  ann.  Pegav.;  chron.  epp.  Hildesh.;  ann.  Saxo; 
chron.  Halberst. ;  bist,  de  landgrav.  Thuringiae;  chron.  rhythm. 
Brunsv.  Am  ausführlichsten  ist  die  vita  Heinrici  (Mon.  Germ.  SS.  XII., 
274  flg.).  Böttger,  Brunonen,  S.  669  flg.  und  Posse,  Markgrafen, 
S.  208  ög.  folgen  dieser  phantasievollen,  romanhaften  Erzählung. 
Der  Verfasser  verwechselt  hier  vieles  miteinander,  so  die  Be- 
lagerung der  Stadt,  offenbar  Quedlinburg,  die  ins  Jahr  1088  gehört? 
denn  1090  war  Ekbert  völlig  isoliert.  Auch  die  übrige  Darstellung 
leidet  an  manchen  Schwächen.  Der  Verfasser  der  Vita  will  gerade 
am  Tode  der  Gegeukönige  deutlich  „den  Finger  Gottes"  zeigen. 
So  lässt  er  auch  den  Luxemburger  durch  die  Hand  eines  Weibes 
sterben ,  im  Anschluss  an  die  biblische  Erzählung  vom  Tode  des 
Abimelech.  Vergl.  A.  Busson,  Zur  Vita  Heinrici  imperatoris 
(Mitth.  des  östr.  Inst.  III,  386).  Für  eine  Darstellung  von  Ekberts 
Tode  ist  die  Vita  nicht  zu  verwerthen.  —  Über  den  Todestag 
Ekberts  siehe  Böttger,  Brunonen  681,  Anm.  917.  —  Seine  letzte 
Ruhestätte  fand  Ekbert  in  Braunschweig,  wo  seine  Gebeine  in  dem 
von  ihm  gestifteten  Kloster  St.  Cyriaci  beigesetzt  wurden;  vergl. 
Böttger,  S.  682,  Anm.  918,  919,  920.  —  Nicht  ungerecht  urtheilt 
Waltram  im  Jahre  109.^  von  dem  erschlagenen  Markgrafen  (II.  c.  34) : 
Fortasse  nobilissimus  ille  adolescens  adhuc  viveret  et  occisus  non 
esset,  si  iuxta  id  quod  iuraverat  imperatori  fidelis  esset  et  pacificus 
extitisset;  et  si  eidem  imperatori  juramenta  sua  servassent  prin- 
cipes  regni,  certe  non  fuisset  facta  divisio  regni,  et  non  essent  in- 
testina haec  bella,  unde  admodum  destructa  est  ecclesia  pariter  et 
res  publica.  Sed  propter  transgressionem  juramentorum  facta  sunt 
haec  omuia,  et  ille  marchio  occisus  est  infidelitatis  causa. 


IX. 

Die  Kragensche  Fehde. 

Von 
Ueriiiaim  Knotlie. 


rvin  1510  in  Schlesien  verübter  Strassenraub  erlangte 
nach  lind  nach  nicht  nur  in  der  Oberlausitz,  sondern  in 
allen  an  dieselbe  grenzenden  Ländern  eine  ganz  be- 
sondere Berühmtheit  und  hatte  zumal  für  Görlitz  und  die 
übrigen  Sechssfädte  eine  Menge  sehr  ernster  Verwickelungen 
zur  Folge.  In  der  unter  anderem  daraus  hervorgegangenen 
„Kragenschen  Fehde"  spiegelt  sich  ein  gut  Theil  deutscher 
Kulturverhältnisse  aus  der  Zeit  unmittelbar  vor  der  Re- 
formation ab,  sodass  eine  aktenmässige^)  Darstellung  dieser 
Fehde  und  ihrer  Anlässe  vielleiclit  aucli  für  weitere  Kreise 
nicht  ohne  Interesse  sein  dürfte. 

Auf  der  grossen  Handelsstrasse  von  der  Obcrlausitz 
nach  Schlesien  und  Polen  und  zwar  zwischen  Naumburg 
am  Queiss  und  Bunzlau,  bei  der  Birkenbrücke,  war  am 
7.  Mai  1510  eine  Anzahl  Frachtwageu,  welche  werth volle 
Waren  von  Nürnberg  her  nach  Krakau  führen  sollten, 
überfallen  und  völlig  ausgeraubt  worden.  Ihre  Ladung 
bestand   einmal  in  ganzen  Stücken  kostbarer  Stoffe,    als 

1)  Die  Görlitzer  Stadtanualen  des  gleichzeitigen  Stadt- 
schreibers Johann  Hass  (abgedruckt  in  N.  Script,  rer.  Lns.  III  u.  IV) 
enthalten  darüber  nicht  nur  ausführlichen  Bericht,  sondern  zum 
grossen  Theil  den  Wortlaut  der  in  dieser  Angelegenheit  gewechselten 
Schreiben.  Diese  Angaben  werden  vervollständigt  durch  ein  Akten- 
stück des  Hauptstaatsarchivs  zu  Dresden,  Loc.  971.3:  „Den  Strassen- 
räuber  Hanns  Maxen  und  andere  Gefangene  betreff.,  1516,  1.516". 
Wir  enthalten  uns  speziellerer  Zitate  aus  diesen  beiden  Hauptquellen. 


Hermann  Knothe:  Die  Kragensche  Fehde.  217 

Sammet,  gelbem  Damast,  rotliem  Atlass  und  anderen 
Seidenzeugen,  Scliarlachtuch,  Saffian,  Federschmuck, 
Fuchspelzen  und  fertigen  Kleidungsstücken,  welche  sämt- 
lich von  Krakauer  Handelsleuten  eingekauft  worden  waren, 
sodann  aber  in  zwei  grossen  Silberbarren  („Kuchen"),  in 
Perlen,  goldenen  und  silbernen  Trinkgefassen  („Stücken"), 
welche  dem  Könige  Siegmund  von  Polen  selbst  gehörten. 
Der  Gesamt  wer  tli  ward  auf  13000  fl.  geschätzt. 

Dieser  König  Siegmund  war  von  1504 — 1506,  wo  er 
seinem  Bruder  Alexander  auf  dem  ])olnischen  Thron  folgte, 
Landvogt  der  Oberlausitz  gewesen  und  richtete  nun,  mit 
den  Verhältnissen  dieses  Landes  wohl  vertraut,  sofort  an 
die  Stadt  Görlitz,  durch  deren  Weichbild  die  Räuber  ge- 
zogen sein  mussten,  das  Ansuchen,  „den  Thätern,  deren 
Behausern,  Helfern  und  Förderern  nachzuspüren"  und 
ihm  und  seinen  Unterthanen  zur  Wiedererlangung  des 
geraubten  Gutes  behilflich  zu  sein. 

Seit  Mitte  des  14.  Jahrhunderts,  wo  die  häufigen 
Strassenräubereien  ritterlicher  Mannen  in  der  Oberlausitz 
die  freien,  d.  h.  königlichen  Städte  des  Landes  zum  Ab- 
schlüsse des  sogenannten  Sechsstädtebundes  (1346)  ge- 
nöthigt  hatten,  waren  es  wesentlich  diese  Seclisstädte, 
welche,  von  Kaiser  Karl  IV.  mit  den  weitgehendsten 
Vollmachten  dazu  ausgestattet,  im  allgemeinen  Literesse 
des  Handels  und  Verkehrs  über  die  „Reinheit  der  Strassen" 
wachten  und  zu  diesem  Zwecke  alle  „Strassenplacker", 
sowie  diejenigen,  welche  dieselben  „hauseten  und  hoften", 
mit  rücksichtsloser  vStrenge  verfolgten.  Noch  1501")  hatte 
König  Wladislaus  von  Böhmen  und  Ungarn,  ein  anderer 
Bruder  des  Königs  Siegraund  von  Polen,  dies  Strassen- 
mandat  den  Sechsstädten  aufs  neue  eingeschärft  und  ihnen 
ausdrücklich  befohlen,  nicht  bloss  „die  Placker  und  Strassen- 
räuber  zu  verfolgen,  sondern  auch  den  Wirth  und  den 
Gast  nach  Verdienst  zu  rechtfertigen". 

Der  Rath  zu  Görlitz  ermittelte  alsbald,  dass  ein 
gewisser  Heinrich  Kragen,  schon  bekannt  als  ein  „ver- 
mehrter Strassenräuber",  der  Anstifter  und  Führer  auch 
jenes  Raubes  an  der  Birkenbrücke  gewesen,  und  dass 
er  samt  seinen  Gesellen  von  Christoph  von  Kottwitz  auf 
Sänitz  (nördlich  von  Rothenburg  an  der  Neisse)  im 
Görlitzer  Weichbild  auf  diesem  „Ritte"  mit  Speise  und 
Trank  versorgt  worden  sei. 


■^)  Oberlaus.   Urkunden -Verzeichnis  III,  57  f. 


218  Hermann  Kiiothe: 

Und  so  vcrliielt  es  sich  in  der  Tliat.  Die  nach- 
maligen Bekenntnisse  des  an  dem  Raube  betheiligten 
Hans  von  Maxen  berichten  ausführlich,  wie  diese  „Nohme*' 
geplant  und  ins  Werk  gesetzt  worden  war.  Ein  Kund- 
schafter hatte  zu  Königsbrück  jene  polnischen  Fuhrleute 
auf  dem  Nachtquartier  getroffen,  ilire  Ladung,  sowie  die 
von  ihnen  einzuschlagende  Koute  in  Erfahrung  gebracht 
und  war  mit  dieser  Botschaft  schleunigst  nach  Spremberg 
in  der  Niederlausitz  geritten,  in  dessen  unmittelbarer 
Nähe  alle  die  Raubgenossen  theils  ansässig  waren,  theils 
sich  vorübergehend  aufiiielten.  Da  war  denn  vor  allem 
Heinrich  Kragen,  stammend  aus  einem  ritterlichen 
Geschlecht,  das  sich,  weil  nach  keiner  Ortschaft  benannt, 
des  erst  später  allgemein  üblichen  von  des  Adels  nicht 
bediente.  Er  war  ein  „Harzländer",  d.  h.  sein  Vater, 
Heinrich  Kragen  der  ältere,  besass  ein  Gut  zu  Kloster 
Mansfeld.  Sein  Bruder,  Ernst  Kragen,  aber  war  auf 
Domsdorf  (westlich  von  Spremberg)  gesessen,  und  bei 
diesem  hielt  sich  Heinrich  vornehmlich  auf.  —  Da  war 
ferner  Hans  von  Maxen,  stammend  aus  dem  Hause 
Bullendorf  (nördlich  von  Friedland  in  Böhmen),  gesessen 
auf  Drebkau  (nordwestlich  von  Spremberg),  ferner  Hans 
Greiffenhain  auf  Schiida  (südlich  von  Spremberg), 
welches  damals  noch  zur  Niederlausitz  gehörte'^),  und 
Caspar  Ruprecht,  ein  böhmischer  Edelmann  aus  der 
Nähe  von  Jungbunzlau,  ein  Bruder  des  am  böhmischen 
Hofe  sehr  einflussreiclien  Dr.  Ruprecht,  ausserdem  noch 
mehrere  Leute  niederen  Standes.  Zusammen  zehn  Pferde 
stark,  ritten  die  Genossen  von  Drebkau  aus  über  Muskau 
zunächst  bis  Sänitz,  wo  sie  in  einem  Walde  Rast  machten 
und  sich  von  der  Frau  des  ihnen  befreundeten,  aber  eben 
abwesenden  Christoph  von  Kottwitz  Bier,  Brot  und 
Hafer  erbaten  und  willig  erhielten.  Dann  eilten  sie  weiter 
imd  legten  sich  am  frühen  Morgen  bei  der  Birkenbrücke 
vor  Bunzhiu  in  den  Hinterhalt,  bis  der  erwartete  Waren- 
transport anlangte.  Die  Fuhrleute  wurden  überfallen,  die 
Wagen  „aufgehauen"  und  darauf  in  der  Heide  der  Raub 
zu  gleichen  Tlieilen  getheilt.  Von  dem  erbeuteten  Silber 
allein  kamen  auf  jedes  Pferd  gegen  130  fl.  Dann  trennten 
sich  die  Genossen  und  suchten  nun  ihren  Raub  theils  zu 
verbergen,  wozu  sich  besonders  „Pfaffen"  in  Dörfern  wie 
in  Städten  willig   hergaben,  theils  nach  und  nach  zu  ver- 


'')  Kiiothe,  Geschichte  des  Oberlausitzer  Adels,  550. 


Die  Kragensche  Fehde.  219 

kaufen.  Ein  Judo  zu  Hoyersweide  brachte  eine  Quantität 
jener  Stoffe  an  sicli,  und  alsbald  trug'  z.  B.  eine  Müllers- 
tochter einen  Rock  aus  dem  geraubten  „Scharlach". 

Kragen  selbst  hatte  sich  nach  dem  böhmischen  An- 
theil  von  Oberullcrsdorf  (südöstlich  von  Zittau)  zu  Caspar 
von  Kottwitz,  dem  Bruder  Christophs,  begeben,  mit 
dessen  Frau  er,  wie  man  sagte,  intime  Beziehungen  unter- 
hielt. Hier  nun  wurde  er  von  den  nach  allen  Seiten  hin 
ausgesendeten  Spähern  der  Görlitzer  „verkundschaftet". 
Sofort  beschloss  der  Ratli,  wie  das  königliche  Strassen- 
mandat  es  gebot,  nicht  nur  nach  dem  Strassenplacker, 
sondern  auch  nach  dessen  Wirthen  zu  greifen.  Am  4.  Juli 
1510  spät  abends  sendete  er  40  Mann  zu  Ross  und  30 
Trabanten  auf  Wagen  unter  Anführung  eines  Rathsherrn 
nach  Ullersdorf.  Am  frühen  Morgen  langten  wenig- 
stens die  Reiter  daselbst  an.  Kragen  hatte  die  Nacht 
nicht  auf  dem  herrschaftlichen  Hofe,  sondern  in  der 
Scheune  eines  Bauern  geschlafen.  Geweckt  durch  die 
Hufschläge  der  ankommenden  Reiter,  beziehentlich  durch 
das  Bellen  seines  Hundes,  entkam  er  noch  rechtzeitig  in 
blossem  Hemde.  Hierdurch  war  allerdings  der  Haupt- 
zweck der  ganzen  Expedition  verfehlt.  Die  Görlitzer 
nahmen  Kragens  Kleider,  Pferd,  Schmuck  und  sonstige 
Habe  an  sich.  Auch  Caspar  von  Kottwitz  war  zufällig 
nicht  anwesend.  Man  erfuhr,  dass  er  nach  Bullendorf 
geritten  sei,  zog  ihm  entgegen  und  führte  alsbald  ihn  sowie 
Kragens  Diener,  Martin  Kaiser,  gefesselt  mit  sich  nach 
Görlitz.  —  In  derselben  Nacht  war  aber  auch  ein  anderer 
Rathsherr  mit  40  Knechten  zu  Fuss  und  einigen  Reitern 
nach  Sänitz  ausgerückt,  hatte  am  Morgen  daselbst 
Christoph  von  Kottwitz  und  etliche  seiner  Bauern  auf- 
gegriffen und  sie  in  gleicher  Weise  nach  Görlitz  abgeführt. 
Zufällig  befanden  sich,  eben  als  die  einen  wie  die  anderen 
Gefangenen  daselbst  eingebracht  wurden,  der  Burggraf 
Nikolaus  von  Dohna  auf  Grafenstein,  zu  dessen  Herrschaft 
der  böhmische  Antheil  von  Oberullcrsdorf  gehörte,  und 
andere  vornehme  Herren  aus  Böhmen  in  der  Stadt  Görlitz. 
Sofort  begaben  sie  sich  vor  den  eben  versammelten 
Ältesten-Ausschuss  des  Rathes  mid  stellten  an  denselben 
„das  Ansuchen  und  freundliche  Begehr",  da  Caspar  von 
Kottwitz,  ein  böhmischer  Landsasse  und  Lehnsmann  des 
von  Dohna,  .,rait  gewaltiger  That"  aus  dem  Lande  Böhmen 
nach  Görlitz  geführt  worden  sei,  so  möge  man  denselben 
an   seineu   Lehnsherrn    oder    an    die   für   die  Dauer  der 


220  Hermann  Kiiotlie: 

Abwesenlieit  von  König  Wladislaiis  in  Ungarn  eingesetzten 
Statthalter  Böliniens  nach  Prag  ausantworten;  dort  werde 
jedem,  der  Ansprüche  an  den  Gefangenen  zu  niaclien 
liabe,  zu  seinem  Rechte  geholfen  werden.  In  der  That 
I Kitte  sich  der  Rath  durch  den  bewaffneten  Einfall  nach 
IJllcrsdorf  und  durch  die  Abfülirung  des  von  Kottwitz 
nach  Görlitz  eines  Eingriiis  in  die  Landeshoheit  des 
Nachbarstaates  schuldig  gemacht.  Er  suchte  sein  Vor- 
gehen mit  dem  dringlichen  Gesuche  des  Königs  von  Polen 
und  mit  der  Verpflichtung  zu  Reinhaltung  der  Strassen  zu 
entscluddigen  und  versprach,  nach  gemeinschaftlicher  Be- 
schlussfassung in  voller  Rathssitzung  dem  Burggrafen 
schriftliche  Antwort  zukonmien  zu  lassen.  —  Allein  schon 
Avenige  Tage  darauf  (12.  Juli)  wurden  die  Gebrüder  Kott- 
witz nach  angestelltem  ])einlichen  Verhör  und  erfolgtem 
Geständnisse  von  dem  Görlitzer  Gericht  zum  Tode  ver- 
urtlieilt,  auf  den  Richtplatz  geführt,  daselbst  „beschrien", 
dass  sie  Strassenr'auber  gehauset,  beziehentlich  mit  Speise 
und  Trank  gefördert  hätten,  und  darauf,  als  Edelleute, 
mit  dem  Schwerte  hingerichtet. 

Diese  allzu  „geschwinde"  Justiz  verwickelte  nun  zu- 
nächst die  Stadt  Görlitz  in  eine  Reihe  sehr  verdriesslicher 
Händel.  Zuerst  (18.  Juli)  ersuchte  der  königliche  Haupt- 
mann zu  Böhmisch-Bunzlau,  unter  dessen  Jurisdiktion 
der  böhmische  Antheil  von  Oberullersdorf  stand,  schrift- 
lich den  Rath ,  derselbe  möge  sich  doch  „wegen  der  Ge- 
fiingenen,  ob  sie  auch  schuldig  wären,  ja  nicht  übereilen" — 
und  Caspar  von  Kottwitz  war  damals  bereits  nicht  mehr 
am  Leben.  —  Auch  der  Landvogt  der  Oberlausitz, 
Siegmund  von  Wartenberg  auf  Tetschen,  also  selbst  ein 
böhmisclier  Herr,  bisher  in  Schlesien  abwesend,  zürnte 
bei  seiner  Rückkehr  dem  Rathe  wegen  der  in  seiner  Ab- 
wesenheit so  sichtlich  beschleunigten  Exekution.  Es  war 
für  Görlitz  von  grosser  Wichtigkeit,  sich  vor  allem  gegen- 
über dem  Landvogte,  als  dem  königliclien  Statthalter  im 
Lande,  zu  rechtfertigen.  Zu  diesem  Zwecke  ward  der 
ebenso  geschäftskundige  als  redegewandte  Oberstadt- 
schreiber Johann  Hass  nach  Bautzen  entsendet.  Derselbe 
setzte  dem  Landvogte  auseinander  die  Menge  der  jüngst 
wieder  verübten  Strassenräubereien,  die  alte  Verpflichtung 
der  Sechsstädte,  die  Strasse  rein  zu  halten,  die  Drohung 
der  Schlesier,  sonst  andere,  gesichertere  Strassen  mit  ihren 
Warentransporten  einzuschlagen,  das  Ansuchen  des  pol- 
nischen  Königs,    ihm  und   den   Seinigen   wieder   zu   dem 


Die  Kragensche  Fehde.  221 

ihnen  geraubten  Gute  zu  verhelfen,  endlich  die  Nothwen- 
digkeit,  mit  den  eingefangenen  Förderern  der  ßäuber 
schnell  zu  verfahren,  damit  die  mächtige  Verwandtschaft 
derselben  den  Landvogt  nach  seiner  Rückkehr  nicht  erst 
behelligen  möge.  Herr  Siegmund  von  Wartenberg  nahm 
die  wohlgesetzte  Rechtfertigungsrede  sehr  kühl  auf:  er 
Hess  durch  seinen  Hofrichter  dem  Görlitzer  Abgesandten 
antworten,  er  wolle  die  Entschuldigung  des  Rathes  „in 
seinen  Würden  lassen":  allerdings  aber  sei  er  bereits 
nicht  nur  von  den  Verwandten  der  Kottwitze,  sondern 
auch  von  der  gesamten  Ritterschaft  des  Landes,  ja  so- 
gar von  auswärtigen  vielfach  mit  der  Versicherung 
angegangen  worden,  dass  jene  Brüder  unschuldig  hinge- 
richtet worden  seien;  man  Avolle  dies  rechtlich  gegen  die 
von  Görlitz  „erklagen".  Daher  solle  sich  denn  der  Rath 
auf  nächstem  Landtage  öffentlich  deshalb  verantworten.  — 
Sogar  Heinrich  Kragen  selbst  hatte  es  gewagt,  sich  bei 
dem  Landvogt  schriftlich  zu  beschweren,  dass  die  von 
Görlitz  auf  ihn  eingefallen  seien  und  ihn  seiner  Habe  be- 
raubt hätten;  er  verlangte  daher  von  denselben  200  fl. 
Schadenersatz  und  vom  Landvogt  die  Ansetzung  eines 
Rechtstages,  auf  welchem  er  sich  unter  sicherem  Geleite 
gegen  die  nur  auf  die  Aussage  seines  Dieners  sich  grün- 
denden Beschuldigungen  der  Görlitzer  verantworten  wolle. 
Auf  dieses  Verlangen  Kragens  war  der  Landvogt  aller- 
dings nicht  eingegangen. 

Allein  auch  noch  von  anderer  Seite  drohte  Ver- 
wickelung. Da  die  Görlitzer  Reiter  Caspar  von  Kottwitz 
und  Kragens  Knecht  zwischen  UUersdorf  und  Bullen- 
dorf,  d.  h.  auf  dem  Gebiete  der  ebenfalls  zu  Böhmen  ge- 
hörigen Herrschaft  Friedland  aufgegriffen  und  nach  Gör- 
litz weggeführt  hatten,  so  erklärte  jetzt  Herr  Ulrich  von 
Biberstein,  als  deren  Besitzer,  er  werde  wegen  solches 
Eingriffes  in  seine  „Freiherrschaft"  bei  den  Statthaltern 
zu  Prag  rechtliche  Klage  anstellen,  umsomehr,  da  sich 
Görlitz  bei  Gelegenheit  eines  früheren  ähnlichen  Handels 
(1483*)  schriftlich  verpflichtet  habe,  Bibersteinsche  Unter- 
thanen  künftig  jedesmal  nach  Friedland  zu  rechtlicher 
Aburtheilung  auszuantworten.  Erst  bei  dem  wiederholten 
Versuche  des  Rathes,  durch  Abgesandte  mit  dem  von 
Biberstein  eine  gütliche  Verständigung  herbeizuführen, 
erklärte  sich  letzterer  bereit,  von  seiner  Klage  abzustehen, 


*)  Kiiothe,  Rechtsgesdiichte  der  Überlausitz,  169. 


222  Hermann  Knothe: 

wenn  er  von  Görlitz  10  000  Schock  Groschen  Russe  er- 
liiehe,  auf  welche  ganz  übermässige  Forderung  die  Abge- 
ordneten natürlich  nicht  einzuirehen  vermochten. 

Das  Schlimmste  aber  war,  dass  sich  Görlitz  durch 
die  gewaltsamen  Einfälle  zu  Sänitz  und  Ullersdorf  gegen 
einen  erst  kürzlich  von  König  Wladislans  von  Böhmen 
erlassenen  Rechtspruch  vergangen  hatte.  Seit  vielen 
Jahren  klagte  die  gesamte  Kitterschaft  der  Oberlausitz 
neben  vielen  anderen  Beschwerden  über  die  Rücksichts- 
losigkeit und  Härte,  mit  welcher  die  Sechsst'adte  und  zu- 
mal Görlitz  theils  die  Obergerichtsbarkeit  innerhalb  ihrer 
Weichbilde  ausübten,  theils  die  ihnen  übertragene  Rein- 
haltiuig  der  Strassen  handhabten.  Nach  langem,  beider- 
seits mit  grosser  Erbitterung  geführtem  Prozess  hatte 
König  Wladislaus  (26.  Febr.  1510)  zu  Kuttenberg  per- 
sönlich in  dieser  Angelegenheit  entschieden''),  wenn  ein 
Strassenräuber  bei  einem  Edelmanne  befunden  werde  und 
auf  ergangene  Aufforderung  „gutwillig  herunterkomme", 
so  solle  der  Edelmann  ihn  verlaürgen  dürfen,  dass  er  sich 
binnen  sechs  Tagen  selbst  ins  Amt  stellen  werde;  nur 
dann,  wenn  derselbe  nicht  gutwillig  herabkomme,  dürfe 
man  ebenso  nach  dem  VVirthe  wie  nach  dem  Gaste 
trachten.  Und  Görlitz  hatte  in  offener  Missachtung  dieses 
königlichen  Rechtspruches  und  der  dem  Adel  hierdurch 
zuerkannten  Rechte  die  Gebrüder  Kottwitz  auf  offener 
Landstrasse  ergreifen  und  wenige  Tage  darauf  sofort  hin- 
richten lassen.  Mit  grosser  Besorgnis  musste  es  daher 
jetzt  der  rechtlichen  Verantwortung  einmal  zu  Bautzen 
vor  dem  zürnenden  Landvogte  gegenüber  der  erbitterten 
Ritterscliaft,  sodann  zu  Prag  vor  den  dem  Adel  natür- 
lich gewogenen  Statthaltern  gegenüber  den  Herren  von 
Grafenstein  und  Friedland,  endlich  in  Ofen  vor  dem  Kö- 
nige selbst  entgegensehen. 

In  dieser  kritischen  I^age  kam  es  dem  Rathe  zu 
Görlitz  vor  allem  darauf  an,  sich  für  alles  in  dieser  An- 
gelegenheit bereits  Geschehene  und  noch  ferner  zu  Unter- 
nehmende der  Zustimmung  und  gemeinsamen  Vertretung 
von  Seiten  der  übrigen  Sechsstädte  zu  versichern. 
Hierdurch  ward  für  den  bevorstehenden  Rechtstag  zu 
Bautzen  die  eine  der  beiden  landständischen  Stimmen  im 
voraus  zu  Gunsten  von  Görlitz  gesichert.  Wie  schon  so- 
fort nach    Gefangennahme    der   Kottwitze  zu  deren  pein- 


^)  Knothe,  llechtsgeschichte  der  Oberlausitz,  172. 


Die  Kragensche  Fehde.  223 

lichem  Verliöre  Abgeordnete  der  übrigen  Städte  nach 
Görlitz  entboten  worden  waren,  so  wurde  (31.  Juli)  auf 
einem  Städtetage  zu  Löbau  beschlossen,  dass  eine  jede 
Stadt  eine  festgesetzte  Anzahl  von  Landreitern  zur  Rein- 
haltung der  Strassen  innerhalb  ilires  Weichbildes  unter- 
halten solle.  Hierdurch  erwies  man  dem  Könige  gegen- 
über den  Eifer,  dem  von  ihm  erlassenen  Strassenmandat 
nachzukommen.  Sodann  aber  galt  es,  dem  in  Ungarn 
weilenden  Könige  selbst  sobald  als  möglich  den  ganzen 
verdriesslichen  Handel  persönlich  vorzutragen.  Dann 
durfte  Görlitz  hoffen,  der  bei  weitem  bedenklicheren  Ver- 
antwortung in  Bautzen  und  Prag  vielleicht  ganz  zu  ent- 
gehen, durfte  die  gesamte  Korporation  der  Sechsstädte 
hoffen,  vielleicht  eine  Abänderung  des  für  sie  so  un- 
günstigen Kuttenberger  Spruchs  auszuwirken.  Mit  dieser 
wichtigen  diplomatischen  Sendung  nun  wurden  die  beiden 
Oberstadtschreiber  von  Bautzen  und  von  Görlitz,  Ma- 
gister Nikolaus  Hausmann  und  Magister  Johann  Hass, 
beauftragt. 

Sorgenschweren  Herzens  traten  sie  (den  27.  Aug.  1510) 
die  weite  Reise  nach  Ungarn  an.  Sie  hatten  die 
Weisung  erhalten,  den  noch  viel  weiteren  Weg  dahin  über 
Krakau  einzuschlagen,  um  zuvor  dort  bei  dem  ihnen 
von  früher  her  wohlbekannten  und  ihnen  stets  wohl- 
gesinnten König  Siegraund  von  Polen  vorzusprechen  und 
ihn  um  einflussreiche  Empfehlungsbriefe  an  seinen  Bruder, 
König  Wladislaus,  zu  ersuchen.  In  der  That  ward  es 
dem  gewandten  Johann  Hass  bei  der  sofort  gewährten 
Audienz  (6.  Septbr.)  nicht  schwer,  König  Siegmund,  dessen 
Ansuchen  an  Görlitz  nach  dem  Raube  an  der  Birkenbrücke 
den  Anlass  zu  all  den  späteren  Verwickelungen  gegeben 
hatte,  zur  Ausfertigung  der  erbetenen  Schreiben  zu  be- 
stimmen. Das  eine  befürwortete,  dass  die  von  Görlitz  in 
dieser  ganzen  Angelegenheit  vor  keinen  anderen  Richter, 
als  vor  den  böhmischen  König  selbst  gestellt  werden 
sollten;  und  allerdings  hatten  sie  schon  früher  (1498*^) 
von  Wladislaus  ein  Privilegium  erwirkt,  wonach  sie  „in 
Sachen,  Begnadigungen,  Privilegien,  Freiheiten  und  Alt- 
herkommen oder  ihre  Ehre  und  Glimpf  belangend",  von 
dem  oberlausitzischen  Landvogte  und  dessen  Rechtsent- 
scheidung  an  den  König  selbst,  als  ihren  natürlichen 
Erbherrn,  sollten  appellieren  dürfen.    Ein  zweites  Sclireiben 


^)  Knothe,  Rechtsgeschiclite  der  Oberlausitz,  161. 


224  Hermann  Knothe: 

Könis:  Sieii'miinds  befürwortete,  dass  Könis  Wladislaus 
seinen  Statthaltern  in  Böhmen  anbefehlen  möge,  die 
etwaige  Klage  Ulrichs  von  Biberstein  nicht  anzunehmen, 
sondern  sie  ebenfalls  an  den  König  selbst  zu  verweisen. 
Ein  drittes  Schreiben  unterstützte  das  Gesuch  der  Sechs- 
städte, den  für  die  Sicherheit  der  königlichen  Strassen 
so  nachtheiligen  Kuttenberger  Spruch  aufzuheben  oder 
doch  abzuändern.  Ebenso  schrieb  der  polnische  König 
an  den  Ritter  Ulrich  Schaft"  auf  Greifenstein  in  Schlesien, 
er  möge  doch  zwischen  dem  von  Biberstein  und  dem 
Rathe  zu  Görlitz  vermitteln,  und  an  Biberstein  selbst,  er 
solle  sich  dem,  was  Schaff  ihm  mittheilen  werde,  förder- 
lich erzeigen. 

Von  König  Siegmund  hatten  die  Oberlausitzer  Ab- 
geordneten also  alles  erreicht,  was  sie  irgend  gewünscht; 
voll  guter  Hoffnung  zogen  sie  nun  von  Krakau  über  das 
Gebirge  weiter  nach  Ungarn;  sie  trafen  König  Wladis- 
laus in  Neitra.  Der  allzeit  gütige  und  gern  jedermann 
gefällige  König  konnte  zwar  in  die  Aufhebung  des  eben 
erst  gefällten  Spruches  zu  Kuttenberg  nicht  gut  willigen ; 
aber  er  erliess  den  Befehl  an  die  Statthalter  zu  Prag, 
wenn  die  von  Görlitz  wegen  ihres  Einfallens  in  das 
Königreich  Böhmen  sollten  verklagt  werden,  so  solle  die 
Klage  nirgend  anders  als  bei  dem  Könige  selbst  ange- 
stellt werden.  So  hatte  wenigstens  Görlitz  erreicht,  was 
es  begehrte;  es  konnte  jetzt  weder  in  Bautzen,  noch  in 
Prag,  sondern  bloss  vor  dem  Könige  persönlich  verklagt 
werden,  und  an  dem  königlichen  Hoflager  waren  zu  allen 
Zeiten  auch  noch  andere  Einflüsse  als  das  strenge  Recht 
massgebend.  Mit  diesem  höchst  günstigen  Ergebnisse  der 
Reise  langten  (20.  Oktober  1510)  die  beiden  Stadt- 
schreiber nach  einer  Abwesenheit  von  fast  zwei  Monaten 
wohlbehalten  wieder  in  Görlitz  an. 

Inzwischen  hatte  infolge  der  Vermittlung  Ulrich 
Schaffs  auch  der  von  Biberstein  seine  Forderung  für 
den  Einfall  in  seine  Herrschaft  von  10000  Schock  auf 
2000  ermässigt,  welche  Görlitz  in  der  That  zunächst  ihm 
verzinsen  musste.  Jetzt  durfte  der  Rath  es  auch  wagen, 
den  in  UUersdorf  gefangenen  Diener  Kragens,  den 
man  bisher  in  Haft  gehalten,  um,  wenn  nöthig,  durch 
seine  Aussage  die  getroffenen  Massnahmen  noch  nach- 
träglich zu  rechtfertigen,  endlich  hinzurichten.  Abermals 
in  Gegenwart  von  Abgeordneten  der  übrigen  Städte  wurde 
Martin  Kaiser  nochmals  „peinlich  angegriffen",  d.h.  mittels 


Die  Kragensche  Fehde.  225 

der  Folter  gefragt,  „auf  was  er  endlich  bleiben  und  sterben 
wolle",  und  tags  darauf  (9.  November  1510)  mit  einer 
Kette  an  den  Galgen  gehängt. 

Im  Frühling  151 1  (um  Lätare,  80.  März)  kam  König 
Wladislaus  einmal  auf  kurze  Zeit  aus  Ungarn  nach 
Breslau.  Sofort  suchte  die  oberlausitzische  Ritterschaft 
die  Städte  unter  anderem  auch  wegen  der  Hinrichtung 
der  Kottwitze  vor  ihm  persönlich  zu  verklagen  ;  allein  es 
gelang  den  Städten,  zuerst  den  Rechtstag  hinauszuschieben 
und  endlich  vom  Könige  das  Versprechen  zu  erwirken, 
dass  sie  wegen  dieser  ganzen  Angelegenheit  überhaupt 
nicht  mehr  sollten  behelligt  werden.  So  durften  sie  sich 
denn  jetzt  der  frohen  Hoffnung  hingeben,  dass  die  immer- 
hin sehr  verdriessliche  Sache   nun   definitiv  abgethan  sei. 

Allein  sie  sollte  noch  ein  ernstes  und  langes  Nach- 
spiel haben.  Heinrich  Kragen  hatte  sich  nach  dem  Über- 
fall zu  Ullersdorf  mit  Hans  von  Maxen  nach  Kloster 
Mansfeld  zu  seinem  Vater  begeben.  Dort  hatten  sie  den 
Winter  hindurch  von  ihrem  Raube  an  der  Birken  brücke 
gelebt  und  Pläne  geschmiedet,  wie  sie  sich  an  den  ober- 
lausitzischen  Sechsstädten  rächen  könnten.  Im  Frühling 
1511  waren  sie  wieder  nach  der  Niederlausitz  zu  Ernst 
Kragen  nach  Domsdorf  geritten  und  hatten  hier  beschlossen, 
den  Städten  offene  Fehde  anzusagen.  Alsbald  waren 
hierfür  auch  noch  eine  Anzahl  ritterlicher  Mannen  aus 
der  Niederlausitz  nebst  ihren  Knechten  angeworben.  Zu- 
sammen V6  Pferde  stark  zogen  sie  zunächst  in  die  Heide 
bei  Forst.  Hier  schnitzte  sich  Kragen  selbst  aus  Holz 
eine  Art  Petschaft,  mit  welchem  er  den  Fehdebrief  be- 
siegelte. Es  galt  nun,  denselben  auch  sicher  den  Städten 
zustellen  zu  lassen.  Als  die  Bautzner  Handelsleute,  wie 
üblich,  auf  die  Messe  zu  Frankfurt  an  der  Oder  (13.  Juli) 
zogen,  wurden  sie  bei  Pforten  in  der  Niederlausitz  von 
Kragen  überfallen,  beraubt  und  zu  dem  eidlichen  Ver- 
sprechen gezwungen,  dass  sie  den  Fehdebrief  persönlich 
Görlitzer  Bürgern  einhändigen  wollten.  Wenn  sie  es 
nicht  thun  würden,  drohte  Kragen,  so  werde  er  ihnen 
später  Hände  und  Füsse  abhauen.  In  Guben  trafen  die 
Bautzner  mit  Görlitzer  Handelsleuten  zusammen  und 
übergaben  diesen  das  verhängnisvolle  Schriftstück  (21. 
Juli),  welches  sofort  nach  Görlitz  an  den  Rath  befördert 
wurde.  An  diesen  nämlich  war  es  gerichtet,  weil  derselbe 
auf  Kragen  selbst  eingefallen  sei,  ihm  das  Seinige  ge- 
nommen und  seinen  Diener  hingerichtet  habe.     Aber  zu- 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VII.  3.  4.  15 


226  Hermann  Knothe: 

gleich  allen,  welche  Görlitz  beiständig  gewesen  seien, 
nämlich  den  Städten  Bautzen,  Kamenz,  Lauban,  Löbau 
und  allen  ihren  Unterthanen,  sagten  Kragen  und  Maxen 
nebst  ihren  Helferslielfern  „offenbare  Fehde  an  mit  Mord, 
Raub  und  Brand  und  allerlei  Beschädigung,  die  Menschen- 
list erdenken  oder  ersinnen  mag". 

Dem  Rathe  zu  Görlitz  konnte  diese  freche  Fehde- 
erklärung nur  erwünscht  sein.  Durch  dieselbe  mussteu 
die  Übergriffe,  die  er  sich  etwa  bei  der  Verfolgung  der 
Strassenräuber  und  deren  Helfer  hatte  zu  Schulden  kom- 
men lassen,  für  alle  Freunde  des  Friedens  und  der  ge- 
setzlichen Ordnung  nachträglich  als  völlig  gerechtfertigt 
erscheinen.  Sie  gew^ährte  aber  zugleich  auch  die  Berech- 
tigung, fortan  niclit  bloss  gegen  Kragen  selbst  und  seine 
Genossen,  sondern  auch  gegen  alle  den^n  zahlreichen 
Freunde  unter  dem  Oberlausitzer  Adel  nach  Fehderecht 
vorzugehen.  Und  da  Kragen  seine  Fehde  auch  auf  die 
übrigen  Sechsstädte  ausgedehnt  hatte,  so  stand  jetzt  eine 
völlig  organisierte  Verfolgung  der  Strassenräuberei  durch 
das  ganze  Land  in  sicherer  Aussicht.  Die  Anzahl  der 
von  jeder  einzelnen  Stadt  zu  haltenden  Reisigen  wurde 
daher  sofort  erhöht,  so  dass  seitdem  z.  B.  Bautzen  an  40, 
Görlitz  sogar  50  —  70  Pferde  mehrere  Jahre  hindurch 
fortwährend  auf  den  Beinen  hatte.  Vor  allem  aber  erwies 
sich  durch  diese  Fehdeankündigung  der  Kuttenberger 
Spruch  aufs  neue  als  ungenügend  für  den  Schutz  der 
königlichen  Strasse. 

Auf  einem  nächsten  Landtage  zu  Bautzen  (28.  Juli) 
Hessen  nun  die  Städte  vor  dem  Landvogte  und  der  ver- 
sammelten Ritterschaft  den  Kragenschen  Fehdebrief  ver- 
lesen und  baten  vorsichtig  den  Landvogt  um  dessen  Rath 
und  Beistand.  Zugleich  aber  erklärten  sie,  da  sie  von 
Kragen  zur  Fehde  genöthigt  worden  seien,  so  würden 
sie  nun  auch  ihrerseits  nicht  nur  den  Fehdern  selbst^ 
sondern  auch  allen  deren  „Helfern  und  Helfershelfern, 
allen  denjenigen,  welche  dieselben  mit  Vorschub,  Be- 
hausung, Rath,  Essen  und  Trank  förderten",  nach  Leib, 
Leben  und  Gut  trachten;  jedermann  möge  sich  also  vor 
Schaden  hüten.  —  Dem  Landvogt  und  der  Ritterschaft 
kam  diese  Fehde  sehr  ungelegen.  Erstercr  gab  statt  des 
erbetenen  Rathes  und  Beistandes  zunächst  eine  aus- 
weichende Antwort  und  sagte  erst  auf  einem  folgenden 
Landtage  (7.  Aug.)  seine  Hilfe  zu.  Der  Adel  aber  ver- 
schob auch  da  noch   seine   Erklärung,  —  Auch   Zittau, 


Die  Kragensche  Fehde.  227 

welches  in  dem  Fehdebriefe  nicht  namhaft  gemacht  worden 
war,  schloss  sich  nach  einigem  Zaudern  freiwillig  den 
übrigen  Seehsstädten  an.  Und  so  beschlossen  diese  auf  einem 
Städtetage  zu  Löbau  (5.  September),  aller  Orten,  zumal 
auch  in  der  Niederlausitz,  öffentlich  ausrufen  zu  lassen, 
wer  ihnen  Kragen  oder  Maxen  lebendig  einliefern  oder 
so  verkundschaften  würde,  dass  dieselben  ergriffen  werden 
könnten,  der  solle  300  fl.,  wer  aber  den  einen  oder  an- 
deren tot  einbrächte,  200  fl.  erhalten. 

Bei  einer  solchen  Fehde  war  es  bekanntlich  von 
Seiten  der  Fehder  keineswegs  darauf  abgesehen,  sich  in 
offenem  Kampfe  mit  dem  Gegner  zu  messen,  sondern 
lediglich  darauf,  demselben  soviel  Schaden  als  möglich 
zuzufügen.  So  suchte  denn  im  vorliegenden  Falle  Kragen 
mit  seinen  Genossen  wesentlich  nur  Bürger  der  Sechs- 
Städte  zu  überfallen,  um  ein  möglichst  hohes  Lösegeld 
von  ihnen  zu  erpressen,  ferner  Warentransporte  ober- 
lausitzischer  Handelsleute  zu  berauben,  endlich  in  die 
entweder  den  Kommunen  oder  einzelnen  ihrer  Bürger  ge- 
hörigen Dörfer  einzufallen,  das  Vieh  und  die  sonstige  Habe 
der  Bauern  mitzunehmen,  die  Dörfer  selbst  aber  darauf 
in  Brand  zu  stecken.  So  gab  also  die  Fehdeerklärung 
den  Fehdern  das  Recht  zu  offenem  Strassenraube  und 
zwar  imbeschadet  ihrer  ritterlichen  Ehre.  Wald  oder 
Gebüsch  gab  es  damals  noch  allenthalben,  um  sich  theils 
zu  kurzer  Rast  zu  verstecken,  theils  Tage  lang  auf  die 
Lauer  zu  legen.  Späher  boten  sich  genug  an,  um  gegen 
geringe  Vergütung  einzelne  Personen  oder  ganze  Wagen- 
züge zu  verkundschaften.  Arme  Bäuerlein  traf  man  über- 
all auf  den  Feldern,  welche  gegen  Versprechungen  oder 
Drohungen  Speise  und  Trank  in  dem  nächsten  Orte  ein- 
kauften und  in  den  Wald  brachten.  Den  gemachten 
Raub  verbargen  später  Pfaffen  auf  den  Dörfern  und 
kauften  Juden  in  den  Städten.  Mit  einem  Theile  der 
erbeuteten  Stoffe  erwarben  sich  die  ritterlichen  Räuber 
leicht  auch  die  Gunst  schöner  Frauen  und  Mädchen. 

Zunächst  beabsichtigte  Kragen  (6.  November  1511), 
das  Görlitzer  Rathsdorf  Hänichen  (nordwestlich  von 
Rothenburg  an  der  Neisse)  auszubrennen.  Allein  vom 
Rathe  vorsichtigerweise  dahin  gelegte  Fusskuechte  ver- 
hinderten mit  Büchsenschüssen  den  nächtlichen  Überfall.  — 
Nach  der  Leipziger  Ostermesse  1512  lauerte  er  nebst 
Maxen  und  anderen  zwischen  Königsbrück  und  Kamenz 
einem    Zuge    von   21  Wagen   Oberlausitzer    Handelsleute 

15* 


228  Hermann  Knothe: 

auf;  allein  der  Rath  von  Kamenz  hatte  denselben  eine 
Bedeckung-  von  Heitern  und  Fussknecliten  entgegenge- 
schickt; so  wagte  Kragen  diesmal  keinen  Überfall,  plünderte 
aber  dafür  auf  dem  Heimwege  zwei  Kamenzer  Raths- 
dörfer,  Liebenau  und.  (Klein-?)  Grä beben,  aus  und 
zündete  sie  an,  wobei  drei  Bauersleute  verbrannten  und 
einer  erschlagen  ward.  Von  dem  Feuerschein  herbei- 
geführt, jagten  die  Reiter  der  Kamenzer  und  ebenso  der 
Bautzner  den  Räubern  den  grössten  Tlieil  ihrer  Beute 
wieder  ab,  —  Im  Herbste  desselben  Jahres  wurden  bei 
Kunnersdorf  (nordwestlich  von  Kamenz)  von  der  Jagd 
heimkehrende  Kamenzer  Bürger  von  Kragen  überfallen 
und  „mit  Eiden  bestrickt",  dass  sie  das  ihnen  auferlegte 
Lösegeld  nacli  Zescha  („Sessze",  nördlich  von  Neschwitz) 
bringen  Avollten.  —  Bei  einer  anderen  „Nohme"  unweit 
Koitsch  (westlich  von  Kamenz)  wurden  Görlitzer  Kauf- 
leuten   ihre  Waren    theils   geraubt,    theils   verbrannt. 

Aber  nicht  bloss  an  einzelnen  Bürgern  der  Sechsstädte 
wollte  man  sich  rächen;  man  beabsichtigte  Kamenz  und 
Bautzen  selbst  in  Brand  zu  stecken,  sowie  die  aus- 
gedehnten und  werthvollen  Görlitzer  Heiden  abzubrennen. 
Ein  aus  Kamenz  vertriebener  Bürger,  Marcus  SchleifFe'), 
bot  seinen  Beistand  an,  wenn  man  dieser  Stadt  Schaden 
zufügen  wollte.  So  plante  man,  wenigstens  die  Vorstädte 
derselben  „abzubrühen".  Ein  „Schreiber",  d.  h.  Schul- 
meister, zu  Ortrand  erbot  sich,  in  Kragens  Diensten  sich 
in  alle  beliebigen  Städte  auf  Kundschaft  zu  begeben,  da 
auf  ihn  doch  nicht  leicht  jemand  achten  werde.  —  Nach 
und  nach  aber  beschränkte  man  sich  nicht  mehr  darauf, 
Bürger  und  Unterthanen  der  oberlausitzischen  Sechsstädte 
zu  beschädigen,  mit  denen  man  mindestens  in  Fehde  stand. 
Bald  wurden  auch  Leipziger,  desgleichen  schlesisciie  und 
polnisclie  Kaufleute  beraubt,  dem  Albrecht  von  Schreibers- 
dorf ein  Dorf,  Namens  Truppen  (nördlich  von  Königs- 
warthe),  abgebrannt  und  in  Guben  die  Vorstadt  ange- 
zündet, weil  ein  Anschlag  auf  Görlitzer  Messkaufleute 
fehlgeschlagen  war. 

Wohl  wäre  es  unmöglich  gewesen,  dass  eine  Hand 
voll  Räuber  und  Mordbrenner  Jahre  lang  mit  solchem 
Erfolge  hätte  ihr  Wesen  treiben  können,  wenn  dieselben 
nicht  ihre  sicheren  Zufluchtsorte  gehabt  hätten  in  den 
Höfen,  ja  auf  den  festen  Schlössern  des  Adels,  zumal  in 


')  Vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  7,  Vorberioht  S.  XVIII. 


Die  Kragensche  Fehde.  229 

der  südliclieu  Niederlausitz  und  deren  nächster  Nachbar- 
scliaft.  Als  solche  bezeichnet  Maxen  in  den  vor  seinem 
Tode  abgelegten  Geständnissen  vor  allen  die  adligen 
Güter  bei  Spremberg,  sowie  die  Schlösser  Senftenberg, 
Mückenberg,  Elster  werde,  Jüterbock  auf  sächsischem  Ge- 
biete. Ja  als  Theilnehmer  an  dem  einen  oder  anderen 
„Ritte"  führt  er  viele  Namen  aus  den  bekanntesten  und 
geachtetsten  Geschlechtern  jener  Gegenden  auf.  Das  da- 
mals allverbreitete  Sprichwort  über  die  Niederlausitz 
schien  auf  Wahrheit  zu  beruhen:  „Wenn  man  auch 
Karthäuser  darein  säte,  es  gehen  Keiter  (d.  h.  Strassen- 
räuber)  auf".  —  Aber  auch  bei  dem  oberlausitzischen 
Adel  fand  Kragen  mit  seinen  Gesellen  vielfach  sicheren 
Unterschlupf  oder  stille  Konnivenz,  ja  entschiedene  Sym- 
pathien. So  sehr  hatten  die  langjährigen  Streitigkeiten 
zwischen  Ritterschaft  und  Städten  in  diesem  Lande  bei 
ersterer  das  Gefühl  für  Recht,  Gesetz  und  Ordnung  ver- 
dunkelt, dass  sie  in  den  adligen  Räubern  lediglich  ihre 
Standesgenossen  und  Gegner  der  Städte  erblickte.  So 
fand  Kragen  in  Hoyerswerde  wie  in  Pulssnitz  Aufnahme, 
und  der  Burggraf  Jone  von  Dohna  auf  Königsbrück 
Hess  ihn  einst  sogar  unmittelbar  unter  seinen  Augen  ruhig 
einen  Raub  vollführen.  Vom  Schlosse  zu  Elsterwerde 
aus  hatten  Kragen  und  Maxen  einen  Kundschafter  nach 
Grossenhain,  als  der  letzten  meissuischen  Stadt  an  der 
Strasse  nach  Schlesien  geschickt.  Eines  Tages  sagte  der- 
selbe einen  Transport  von  mehreren  Wagen  mit  Sammet, 
Mechler  Tuchen,  Seidenstoffen  und  Pelzwerk  an.  Sofort 
eilten  die  Räuber  nach  Königsbrück,  legten  sich  in  den 
Hinterhalt,  hielten  (18.  Oktober  1511)  die  Wagen  an  und 
sendeten  darauf  einen  Boten  an  Jone  von  Dohna  mit  der 
Weisung,  „er  solle  sich  der  Sache  nicht  annehmen  und 
nicht  Verhinderung  thun,  sonst  werde  man  ihm  das  Städt- 
lein abbrennen".  Vergebens  begehrten  die  eigenen  Leute 
des  Burggrafen,  den  Strassenraub  verhindern  zu  dürfen; 
vergebens  machte  der  Bürgermeister  von  Königsbrück 
seinem  Erbherrn  die  herbsten  Vorwürfe,  falls  er  geschehen 
lasse,  was  ihm  selbst,  seinen  Kindern  und  der  ganzen 
Stadt  „zu  ewiger  Schande  und  böser  Nachsage"  gereichen 
müsse;  vergebens  bat  Dohnas  Gemahlin  Kragen,  von  dem 
Raube  abzustehen;  der  Gutsherr  stand  dabei,  verkehrte 
freundlich  mit  Kragen  und  Hess  den  Raub  geschehen. 
Als  nun  auf  einem  nächsten  Landtage  die  Städte  ihn 
deshalb    verklagten,   versprach    zwar    der    Landvogt,    er 


230  Hermann  Krotlie: 

wolle  ihn  Vorbescheiden,  aber  der  anwesende  Adel  zog 
es  vor,  die  Thatsachen  selbst  in  Zweifel  zu  ziehen. 

Es  lag  auf  der  Hand,  dass  dieser  fortgesetzten  Strassen- 
räuberei  kein  Ende  gemacht  werden  konnte,  wenn  die 
Städte  die  Räuber  nicht  auch  bis  in  ihre  Schlupfwinkel 
ausserhalb  der  Obcrlausitz  verfolgen,  sie  nicht  auch  auf 
den  Höfen  ihrer  Freunde  in  der  Niederlausitz  und  im 
Meissnischen  aufheben  durften.  Daher  sendeten  sie  schon 
den  19.  Dezember  1511  „eine  werbende  Botschaft"  nach 
Dresden  an  Herzog  Georg  von  Sachsen,  von  dem  es 
bekannt  war,  dass  er  ein  erklärter  Feind  der  Strassen- 
räuber  sei,  freilich  aber  zugleich  eifersüchtig  über  seine 
landesherrlichen  Rechte  wache.  Man  erlangte  von  dem- 
selben nur  die  Zusicherung,  falls  Kragen  oder  die  Seinigen 
die  von  den  Sechsstädten  innerhalb  der  meissnischen 
Lande  beschädigen  sollte,  so  würden  des  Herzogs  Leute 
ihm  nacheilen  und  ihn  greifen;  im  übrigen  werde  der 
Herzog  streng  darauf  achten  hissen,  dass  den  Räubern 
in  seinen  Landen  keinerlei  Behausung  und  Förderung 
zutheil  werde.  Nicht  einmal  soviel  erwirkten  die  Städte 
von  Heinrich  Tiinckel,  dem  Landvogte  der  Niederlausitz, 
auf  einem  Tage  zu  Spremberg  (4.  Januar  1512),  und 
ein  von  König  Wladislaus  erbetenes  Privilegium,  wonach 
sie  Kragen  und  Genossen  bis  in  alle  königlichen  Lande, 
namentlich  bis  in  die  Niederlausitz  hinein  verfolgen  dürften, 
gelangte  bei  einer  Reise  nach  Ofen  auch  nicht  zu  so- 
fortiger Ausfertigung. 

Trotz  alledem  wagten  nun  die  Städte,  ihren  Feinden 
auch  in  den  Nachbarländern  nachzustellen.  Bautzen  und 
Kamenz  hatten  sichere  Kunde  erhalten,  dass  Maxen  sich 
bei  Hans  von  Köckritz  zu  IMückenbcrg  aufhalte.  So 
fielen  sie  mit  gewaffneter  Hand  daselbst  ein.  Maxen  ge- 
lang es,  zu  entwischen;  Köckritz  aber,  der  sich  ebenfalls 
zu  verstecken  gesucht,  wurde  ergriffen  und  in  seines 
Landesherrn,  Herzog  Georgs  von  Sachsen,  „Hand  be- 
strickt". Wirklich  stellte  er  sich  auf  einem  deshalb  an- 
gesetzten Tag  zu  Dresden  (18.  Juli  1512),  und  jetzt  ge- 
währte der  Herzog  den  Städten  in  der  That  das  Recht, 
auf  den  Dörfern  und  in  den  Landstädtchen  seiner  Lande 
ihre  Feinde  suchen  zu  dürfen,  nicht  aber  in  den  Höfen 
oder  Schlössern  des  Adels;  erführen  die  Städte,  dass  ihre 
Feinde  darin  weilten,  so  sollten  sie  die  Höfe  und  Schlösser 
umlagern  und  zu  dem  nächsten  sächsischen  Amtmann 
senden,   der  dann    die  Übelthäter  mit  Beihilfe  der  Städte 


Die  Kragensche  Fehde.  231 

ergreifen  werde.  Bald  darauf  wurde  denen  von  Bautzen 
berichtet,  dass  sich  ein  Hans  und  ein  Otto  von  Gersdorf, 
welche  ebenfalls  an  den  Ritten  Kragens  theilgenommen 
hatten,  zu  Senftenberg,  einer  unmittelbaren  Besitz- 
ung Herzog  Georgs,  und  zwar  bei  dessen  eignem  Amt- 
mann, Wilhelm  von  Schönburg,  aufhielten.  Sie  sendeten 
daher  Reisige  unter  einem  Rathsherrn  dahin  an  den 
Amtmann.  Er  leugnete  die  Anwesenheit  der  Gesuchten. 
Als  diese  aber,  von  ihm  selbst  eiligst  gewarnt,  zu  ent- 
fliehen suchten,  wurden  sie  von  den  Bautzner  Reitern 
ergriffen  und  vor  den  Amtmann  gebracht.  Dennoch 
weigerte  er  sich,  sie  gefänglich  anzunehmen.  So  zog 
denn  abermals  eine  Gesandtschaft  nach  Dresden  zum 
Herzog,  um  den  Einfall  zu  entschuldigen  und  Klage  gegen 
den  von  Schönburg  zu  erheben. 

Längst  schon  hatte  die  sogenannte  Kragensche  Fehde 
ihren  eigentlichen  Charakter  verloren  und  war  wieder 
zum  gemeinen  Strassenraub  geworden,  aus  welchem  sie 
hervorgegangen  war.  Kragen  selbst  übrigens  hatte  sich, 
„um  seinen  Hals  besorgt",  fortgewendet  (1513)  und  sich 
in  die  Dienste  des  Herzogs  von  Lüneburg  begeben,  wo- 
hin auch  wir  ihn  nicht  einmal  historisch  zu  verfolgen 
vermocht  haben.  Hans  von  Maxen  aber  setzte  die 
Strassenräubereien  fort,  bis  einst  auch  seine  Stunde  schlagen 
sollte. 

Schon  seit  1509  stand  Jakob  von  Köckritz  auf 
Elsterwerde  mit  dem  Bischof  von  Meissen,  Johann  VI. 
von  Salhausen,  in  Fehde.  Jetzt  war  er  auch  mit  Caspar 
von  Haugwitz  auf  Niederputzkau  (südöstlich  von 
Bischofs  werde),  einem  Lehnsmanne  des  Bischofs,  wir 
wissen  nicht  weshalb,  in  Händel  gerathen  und  beabsich- 
tigte, diesen  auf  seinem  Hofe  zu  überfallen  und  ausser 
Landes  zu  entführen.  Köckritz  wendete  sich  zu  diesem 
Zwecke  an  Maxen,  er  solle  den  „Anschlag"  zu  dem  Über- 
falle machen.  Derselbe  befand  sich  damals  eben  zu 
Münchengrätz  in  Böhmen.  Schnell  wurden  einige  böh- 
mische Edelleute  und  andere  schon  bewährte  Genossen 
angeworben,  und  so  rückten  denn  Maxen  und  Köckritz 
mit  denselben,  15  Pferde  stark,  über  das  Gebirge  aus 
gegen  Putzkau.  Am  22.  Oktober  1515  morgens  fielen 
sie  in  das  Dorf  ein  und  ritten  sofort  auf  den  herrschaft- 
lichen Hof.  Sie  fanden  Caspar  von  Haugwitz  nicht  an- 
wesend. Während  sie  nun  „alle  Kasten  aufschlugen", 
um  zu  rauben,  eilten  die  Drescher  auf  dem  Hofe  und  die 


232  Ilermaini  Knothe: 

Bauern  des  Dorfes  lierbei  und  schlugen  mit  Spiessen, 
PIcugabeln  und  Drescliflegelii  auf  die  Räuber  los.  In 
dem  Handgemenge  wurden  drei  Bauern,  aber  auch  ein 
böhmischer  Edelmann,  Georg  von  Ragewitz,  erschlagen, 
Jakob  von  Köckritz  schwer  verwundet,  Hans  von  Maxen 
aber  auf  der  Flucht  von  nacheilenden  Reitern  Heinrichs 
von  Schleiuitz  auf  Hohnstein  gefangen  genommen  und  an 
Herzog  Georg  nach  Dresden  eingeliefert. 

Auf  diese  Nachricht  richteten  die  Sechsstädte  sofort 
(2.  November  1515)  das  schriftliche  Gesuch  an  den  Herzog, 
zu  dem  rechtlichen  Verfahren  gegen  „ihren  Feind 
und  gemeinen  Strassenräuber"  zugelassen  zu  werden. 
König  Siegmund  von  Polen  unterstützte  auf  ihre  Bitte 
dies  (iesuch  bei  dem  Herzog  durch  ein  Schreiben  (20.  De- 
zember 1515),  worin  er  hervorhob,  dass  die  Städte  wesentlich 
durch  seine  persönliclicn  Verluste  infolge  des  Raubes  an 
der  Birkenbrücke  in  all  diese  Händel  verwickelt  worden 
seien.  Da  Maxen  auch  auf  dem  Gebiete  des  Bischofs  von 
Meissen,  nämlich  zu  Putzkau,  und  ebenso  in  den  Landen 
Markgraf  Joachims  von  Brandenburg  Strassenraub  geübt 
hatte,  so  wurden  aucli  diese  beiden  Fürsten  von  Herzog 
Georg  veranlasst,  Abgeordnete  zur  Aburtheilung  Maxens 
nach  Dresden  zu  senden. 

Die  oberlausitzischen  Städte  zogen  an  40  Pferde  stark, 
unter  des  Herzogs  sicherem  Geleite,  zu  diesem  llechts- 
tage  in  Dresden  ein.  Sowohl  die  von  Bautzen  als  die 
von  Görlitz  hatten  vorsorglich  ihre  Scliarfrichter  sofort 
mitgebracht.  Maxen  erklärte,  er  wolle  gern  alles  ge- 
stehen; nur  möge  man  ihn  mit  der  peinlichen  Frage,  d.  h. 
mit  der  Folter,  verschonen  So  ward  er  denn  aus  „dem 
Kaiser",  in  welchem  er  bisher  in  Haft  gesessen,  einem 
durch  Nässe,  Schmuz  und  Gestank  gleich  verrufenen  Ge- 
fängnis unter  dem  jetzigen  königlichen  Schlosse,  in  „die 
Schösserei"  gebracht,  welche  sich  ebenfalls  im  Schloss 
imd  zwar  an  der  Ecke  der  Schlossstrasse  und  des 
Taschenberges  befand.  Hier  wurde  er  zwei  Tage  nach 
einander  in  Gegenwart  all  der  verschiedenen  fremden 
Abgeordneten  verhört.  Es  war  ein  stattlicher  Mann, 
„eine  hübsche,  gerade  Person",  wie  ihn  der  mitanwesende 
Görlitzer  Stadtschreiber  Johann  Ilass  schildert.  Die  Ab- 
geordneten befragten  ihn  einzeln  nach  seinen  verschiede- 
nen ßäubereien,  von  der  an  der  Birkenbrücke,  seiner 
ersten,  an  bis  zu  dem  Einfall  in  Putzkau,  und  er  legte 
dabei   jene  offenen,   wohl  protokollierten  Geständnisse 


Die  Kragensche  Fehde.  233 

ab,  denen  wir  einen  guten  Tlieil  unserer  Darstellung;  ent- 
nommen haben.  Darauf  wurde  er  nacli  dem  städtischen 
Gefängnis  im  Rathhause  gebracht.  Am  nächsten  Morgen 
(31.  Januar  1516)  führte  ihn  der  Scharfrichter  von  Bautzen, 
dem  die  Ehre  zutheil  geworden  war,  ihn  hinzurichten, 
erst  an  ein  Fenster  des  Rathhauses,  damit  der  Delinquent 
von  der  Menge  gesehen  werden  könne,  und  „beschrie" 
ihn;  darauf  führte  er  ihn  hinunter  auf  den  Altmarkt  und 
enthauptete  ihn  daselbst.  —  Verwandte  der  Kottwitze, 
welche  sich,  zufällig  oder  absichtlich,  eben  zu  Dresden 
befanden,  hatten  Stricke  an  das  Rathhaus  gehangen  und 
Pamphlete  angeheftet,  in  denen  die  Sechsstädte  „Bluthunde 
und  Henkerswinde"  genannt  wurden,  beides  beliebte 
Schimpfwörter  zu  jener  Zeit.  Die  Städte  nahmen  diese 
Beleidigung  in  der  fremden  Stadt,  in  der  sie  sich  unter 
des  Herzogs  Geleit  befanden,  sehr  übel,  und  jener  Caspar 
Kottwitz  „mit  dem  weissen  Stiefel",  von  welchem  diese 
Beleidigung  ausgegangen  war,  durfte  es  nie  wieder  wagen, 
sich  in  der  Oberlausitz  blicken  zu  lassen. 

Maxen  war  christlich  gestorben.  Auf  spezielles  An- 
suchen des  Bischofs  von  Meissen  (26.  Januar  1516)  war 
weder  „Absolution  noch  sonstige  christliche  Ordnung" 
versäumt  worden.  Daher  wurde  er  auch  in  geweihter 
Erde  bestattet,  und  als  es  sich  darum  handelte,  ihn  wie- 
der ausgraben  zu  lassen,  bat  das  Domkapitel  zu  Meissen, 
dies  nicht  zu  thun,  da  es  Maxens  ganzem  Geschlecht  zu 
Schimpf  und  Schande  gereichen  und  dem  Stifte  am  Ende 
eine  neue  Fehde  zuziehen  möchte. 

Auch  die  übrigen  Raubgenossen  Kragens  und 
Maxens  hatten  fast  alle  ihre  Frevel  in  ähnlicher  Weise 
zu  büssen.  Hans  Greiffenhain  (S.  218)  war  schon 
1511  auf  Antrag  von  Görlitz  in  Berlin  wegen  „Unthat" 
hingerichtet  worden;  sein  Gut  Schiida  fiel  deshalb  an 
den  König  zurück.  Dieselbe  Strafe  hatte  in  dem  damals 
brandenburgischen  Kottbus  1515  auf  Begehr  der  Sechs- 
städte ein  Otto  von  Gersdorf  und  „der  böse  Nickel" 
erlitten.  Das  Haupt  des  Ersteren  war  nach  der  Hin- 
richtung gespiesst  worden.  Martin  Kaiser,  der  Knecht 
Kragens,  war  in  Görlitz,  Melchior  Behm,  der  Knecht 
Maxens,  zu  Glogau  gerechtfertigt,  ein  andrer  Knecht 
Maxens  von  einem  Hans  von  Gersdorf  beim  Theilen  der 
Beute  erschlagen  worden.  Den  Theilnehmern  an  dem 
Überfalle  in  Putzkau  war  es  sämtlich  übel  ergangen; 
Georg  von  Ragewitz  ward  von  den    Bauern    getötet; 


234  Hermann  Knothe:    Die  Kragensche  Fehde. 

ein  gewisser  Scli  warz- Andres,  aus  Kratzau  innveit 
Reiclicnberg,  auf  der  Flucht  gefangen  und  auf  Ansuchen 
der  Städte  darauf  zu  Rumburg  lungerichtet;  Liborius 
von  Kittlitz  sass  damals  noch  gefangen  zu  Prag.  Der 
ebenfalls  von  den  Schleinitzschen  Reitern  aufgegriffene  und 
nach  Dresden  eingebrachte  Siegmund  von  Czyr- 
nowsky  wurde  auf  Bürgschaft  zahlreicher  böhmischer 
Herren  endlich  gegen  Urfehde  wieder  entlassen^).  Jakob 
von  Köckritz  (S.  231)  aber  wendete  sich  an  Herzog 
Georg  mit  dem  öi-suche,  zwichen  ihm  und  dem  Bischöfe 
von  Meissen  endlich  zu  vermitteln.  Nur  Heinrieh  Kragen 
scheint  für  die  oberlausitzischen  Sechsstädte  im  fernen 
Lüneburg  unerreichbar  geblieben  zu  sein. 

Die  Städte  aber  waren  aus  all  den  ernsten  Ver- 
wickelungen und  jahrelangen  Händeln  siegreich  hervor- 
gegangen, und  die  Kragensche  Fehde  hatte  nicht  wenig 
dazu  beigetragen,  dass  bereits  am  17.  September  1514  die 
förmliche  „Retractatio"  des  für  sie  so  ungünstigen  Kut- 
ten berger  Spruches  durch  König  Wladislaus  selbst 
erfolgt  war. 


^)  Hauptstaats-Archiv  Dresden,  Orig.  10135. 


X. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittel- 
alterlichen bis  in  die  neuere  Zeit. 


Von 

A.  von  Minckwitz. 


Dresden,  dessen  früheste  Geschichte  in  jedfer  Hinsicht 
noch  der  Aufklärung  bedarf,  findet  sich  in  urkundlichen 
Nachrichten  zuerst  im  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  als 
Stadt,  demnach  als  ein  mit  Mauern  und  Gräben  um- 
friedigter Ort  erwähnt.  Doch  bezieht  sich  diese  Um- 
wallung nur  auf  den  inneren  Kern  der  jetzigen  Altstadt. 
Im  15.  Jahrhundert  gab  es  ausser  den  Thürraen  der 
damals  vorhandenen  Thore,  des  Seethores,  des  WilsdrufFer 
Thores,  des  Elb-  oder  Brück enthores  und  des  Frauen- 
thores,  noch  wenigstens  14  kleine  Thürme^). 

Nachdem  hierauf  in  den  Jahren  1519—1529  Herzog 
Georg  die  Befestigungen  erweitert  hatte,  indem  er  einen 
Theil  der  Vorstadt,  die  jetzige  Landhaus-  und  Rampesche 
Strasse,    mit   in  die  Befestigung    einzog,   vollendeten   die 

1)  Über  Mauern,  Thore,  Thürme,  deren  Unterhaltung  u.  s,  w. 
vergl.  0.  Richter,  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Dresden 
(Dresden  1885),  S.  5  tig.,  287  flg.  Ausserdem  wurden  für  den  nach- 
stehenden Aufsatz  benutzt:  Hasche,  Diplomat.  Geschichte  von 
Dresden;  Lindau,  Geschichte  von  Dresden;  von  Friesen,  Das 
Defensionswesen  im  Kurfürstenthum  Sachsen,  in  von  Webers  Archiv 
f.  d.  Sachs.  Gesch.  I,  194  flg.;  Dietzel,  Zur  Militär-Verfassung  Kur- 
sachsens im  17.  und  18.  Jahrh.,  ebenda  II,  421  flg.;  Neubert,  Die 
Schützengesellschaften  zu  Dresden,  u.  a.  Die  Hauptquellen  aber  bot 
das  in  ausgedehnter  Weise  herangezogene  Rathsarchiv  der  Stadt 
Dresden  und  das  Hauptstaatsarchiv. 


236  A.  von  Miuckwitz: 

Kurfürsten  Moritz  iiiicl  August  den  Festung^sbau")  und 
gaben  demselben,  nach  dem  vom  Ober-Zeug-  und  Bau- 
meister Caspar  Vogt  entworfenen  Grundriss,  diejenige 
Gestalt,  welche  er  bis  zu  der  im  Anfange  des  laufenden 
Jahrhunderts  stattgehabten  Demolierung  der  Werke  bei- 
behalten hat. 

Alt- Dresden  (die  Neustadt),  dessen  Befestigung  ur- 
sprünglich ebenfalls  in  Aussicht  genommen  worden  war, 
blieb  ein  offener  Ort. 


1.     Die  Bewachung  der  Festung  Dresden 
bis    zur   Errichtung    einer    stehenden    Garnison 

im  Jahre   1587. 

Die  Bewacliung  der  Festung  Dresden  lag  der  Dresd- 
ner Bürgerschaft  ob  und  jeder  selbständige  Einwohner 
hatte  der  Wehrpflicht  zu  genügen.  Stellvertretung  im 
Wachdienste  war  jedoch  zugelassen  und  mag  sogar  die 
Regel  gebildet  haben.  Die  obere  Leitung  aller  die  Wehr- 
verfassung und  im  besonderen  daher  den  Waclitdienst 
betreffenden  Angelegenheiten  ruhte  in  der  Hand  des 
Bürgermeisters  oder  eines  hierzu  geordneten  Mitgliedes 
des  Rathes  und  für  die  Details  sorgten  die  Viertelsmeister, 
da  jedem  Stadtviertel  die  Bewachung  des  ihm  zunächst 
gelegenen  Theiles  der  Stadtmauer  mit  ihren  Thoren  mid 
Thürmen  anvertraut  war'"). 

Während  der  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  aus 
den  Religionswirren  hervorgegangenen  Kriege  und  Fehden 
wurden  zur  Unterstützung  der  Bürgerschaft  entweder 
kurfürstliche  Vasallen  mit  ihren  Knechten  und  Pferden, 
oder  auch  einige  Fähnlein  Landsknechte  nach  Dresden 
gelegt. 

Die  bis  zur  Errichtung  der  stehenden  Besatzung  im 
Jahre  1587  auf  die  Bewachung  der  Festung  bezüglichen, 

2)  Fortgebaut  wurde  an  den  l'estungswerken,  namentlich  durch 
Verstärkung  und  Erhöhung  der  Wälle,  auch  durch  die  Regierungs- 
nachfolger der  Kurfiirsteu  Moritz  uiul  August.  Unter  anderem  Hess 
Kurfürst  Christian  I.  durch  den  Zeug-  und  Baumeister  Paul  Puchner 
die  grosse  Bastei  an  der  Elbe,  wo  sonst  das  Ziegelthor  gestanden, 
errichten. 

^)  Über  die  Pflichten,  welche  der  Dresdner  Bürgerschaft  bei 
Bewachung  der  Festung  oblagen ,  wie  auch  über  die  von  derselben 
zu  auswärtigen  Kriegszügen  zu  leistende  Uceresfolge  vergl.  Rieh ter 
a.  a.  0.  S.  282  flg. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     237 

nur  sehr  vereinzelt  vorkommenden  Nachrichten,  lassen 
sich  in  ahgerundeter  Darstellung  nicht  zusammen  lassen 
und  folgen  hier  in  chronologischer  Ordnung. 

1544  bestimmte  Herzog  Moritz,  als  er  mit  Kaiser 
Karl  V.  ausser  Landes  zog,  wegen  Bewachung  des 
Schlosses  und  der  Festung:  Ernst  von  Miltitz  solle  alle 
Nacht  im  Schlosse  liegen  und  dasselbe  in  guter  Acht 
haben,  zu  rechter  Zeit  auf-  und  zuschliessen  lassen  und 
alle  Nacht  die  Schlüssel  zum  Schlosse  und  zum  Brücken- 
thore  an  sich  nehmen,  auch  die  Wacht  vor  der  Stadt  und 
beim  neuen  Baue  bestellen. 

1547  bedrohte  Kurfürst  Johann  Friedrich  Dresden, 
in  Abwesenheit  des  Herzogs  Moritz,  mit  einem  Überfalle. 
Am  20.  Januar  erhielt  deshalb  der  Rath  zu  Dresden  Ver- 
ordnung, dass  am  26.  Januar  von  der  Bürgerschaft  je 
der  andere  Mann  mit  Harnisch,  langen  Wehren  und  Haken 
(Hakenbüchsen)  persönlich  anzutreffen  sein  solle.  Auch 
wurden  unter  dem  Obristen  Johann  Baptist  Grafen  Lodron 
einige  Fähndel  Landsknechte  in  die  Festung  gelegt;  die- 
selben zogen,  nachdem  Kurfürst  Johann  Friedrich  Dresden 
vergeblich  beschossen  und  sodann  den  Rückmarsch  an- 
getreten hatte,  am  4.  März  wieder  ab. 

Neben  der  Bürgerschaft  übernahmen  nunmehr,  so 
lange  nicht  alle  Gefahr  beseitigt  schien,  vom  Lande  be- 
schriebene kurfürstliche  Vasallen  mit  ihren  Knechten  und 
Pferden  die  Sorge  für  die  Sicherheit  der  Festung'*)  und 
hatten  täglich  viermal  je  zwei  vom  Adel  und  zwei  Bürger 
die  Posten  zu  beschleichen  und  zu  besichtigen,  damit 
rechte  \A''acht  gehalten  werde.  Dieselben  Personen  mussten 
gegenwärtig  sein  beim  Zu-  und  Aufschliessen  der  Thore, 
und  ohne  ihr  Beisein  durfte  während  der  Nacht  niemand 
aus-  und  eingelassen  werden.  Die  Schlüssel  waren  jeder- 
zeit Georgen  von  Carlowitz  zu  überantworten. 

1551  mussten  alle  Bürger,  welche  Pferde  besassen, 
sowie  die  Hausgenossen,  welche  nicht  Bürger  waren,  fünf 


*)  Die  betreifenden  Edelleute  erhielten  Tag  und  Nacht  für  ihre 
Person  und  ein  Pferd  1«  Groschen  und  auf  jeden  reisigen  Diener 
12  Groschen  Auslösung.  In  ähnlicher  Weise  wurden  noch  1576,  als 
Kurfürst  August  zur  Vollstreckung  der  Acht  wider  Herzog  Johann 
Friedrich  nach  Gotha  zog,  Hans  von  Schleinitz  zu  Schleinitz  und 
Bernhard  von  Schönberg  zu  Keichenau  mit  ihren  Knechten  und 
Pferden  zur  Festung  Dresden  geordnet.  Dieselben  waren  bei  einem 
Bürger  oder  im  Gasthofe  zu  verdingen,  hatten  aber  das  Futter  vom 
Hofe  zu  nehmen. 


238  A.  Ton  Minckwitz: 

Tage  lang,  gegen  Lieferung  des  Brotes,  an  den  Festungs- 
werken arbeiten. 

1552,  am  Dienstag  nach  Misericordias  Doraini  (3.  Mai), 
wurde  die  Bürgerschaft  gemustert  und  stellten  sich  in 
235  Gliedern,  jedes  zu  5  Mann,  1175  Mann. 

Am  10.  März  desselben  Jahres  erliess  Kurfürst  Moritz 
eine  Verordnung  an  den  Rath  zu  Dresden,  wie  es  mit  der 
Einquartierung  zu  halten  sei,  wenn  die  Sicherheit  der 
Festung  es  erheischen  sollte,  dieselbe  mit  einigen  Fahnlein 
Landsknechten  zu  belegen'').  Im  Eingang  verspricht  der 
Kurfürst,  diese  Massregel  nur  in  der  äussersten  Noth  zu 
ergreifen.  Für  den  Fall  aber,  dass  das  Einrücken  der 
Landsknechte  sich  nicht  umgehen  lasse,  wurde  folgendes 
bestimmt.  Die  Quartiermeister  und  Fouriere  haben  die 
Einquartierung  im  Einvernehmen  mit  einem  Abgeordneten 
des  Käthes  vorzunehmen.  Die  Häuser  der  Kirchendiener, 
der  Schuldiener  und  der  Rathspersonen,  sowie  diejenigen 
der  Witwen  und  Waisen  bleiben  mit  der  Einquartierung 
verschont  und  werden  die  Quartiermeister  an  solche  Häuser 
Freizeichen  malen").  Dem  Rathe  ist  es  ferner  anheim 
gestellt,  diejenigen  Häuser  zu  befreien,  deren  Besitzer 
sich  zur  Zahlung  einer  genügenden  Entschädigung  ver- 
stehen. Die  Erhebung  des  Geleits  und  der  Accise  ver- 
bleibt ungehindert  dem  Rathe  und  werden  die  Befehls- 
haber darüber  halten,  dass  die  Wache  in  den  Thoren  den 
Leuten,  welche  l^roviant,  Getränke,  Salz,  Holz  und 
sonstige  Waren  zuführen,  nichts  abdringt.  Wein  und 
Bier  zu  schenken  und  einzulegen,  ist  nur  den  hierzu  be- 
rechtigten Bürgern  gestattet.  Was  die  Knechte  verzehren, 
sind  sie  ihren  Wirthen  zu  bezahlen  schuldig  und  haben 
sich  dieselben  jeder  Plünderung  und  Preismachung  zu 
begeben.  Der  Oberste,  den  der  Kurfürst  in  Besatzung 
verordne,  werde  Anweisung  erhalten,  strenge  JVlannszucht 
zu  halten  und  Sorge  dafür  zu  tragen,  dass  die  Knechte 
sich  in  den  Häusern  gegen  den  \Virth  und  die  Seinen 
züchtig  halten,  auch  die  gräulichen  und  erschrecklichen 
Gotteslästerungen    nachlassen.      Wegen  Verwahrung    der 


'')  Gedruckt  bei  Hasche,  Urkuudeiibuch  S.  479. 

")  Diejenigen,  welche  ausser  den  genannten  Personen  Frei- 
häuser in  Dresden  besassen,  sollten  in  Zeit  der  Besetzung  gleiche 
Bürden  mit  den  Bürgern  tragen,  ingleichen  alle  Personen,  welche, 
ohne  Bürger  zu  sein,  in  der  Stadt  wohnten  und  nicht  minder  die- 
jenigen, welche  durch  Flucht  sich  der  Last  zu  entziehen  suchen 
würden. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     239 

Festung  besagt  schliesslich  die  Verfügung,  dass  die 
Schlüssel  des  Stadtthores  sich  in  gemeinsamer  Verwahrung 
des  Obersten  und  des  Käthes  zu  befinden  hätten  und 
neben  des  Obersten  hierzu  verordnetem  Unterbefehlshaber 
auch  ein  Rathsverwandter  zuzuziehen  sei,  wenn  während 
der  Nacht  die  Thore  oder  Pforten  geöffnet  werden  müssten. 

Die  vorstehende  Anordnung  verüberflüssigte  sich  je- 
doch, da  weder  damals  noch  in  der  Friedenszeit,  welche  nach 
dem  Regierungsantritte  des  Kurfürsten  August  den  kriegs- 
bewegten Tagen  des  Kurfürsten  Moritz  folgte,  die  Beleg- 
ung der  Stadt  mit  Landsknechten  sich  erforderlich  machte. 

Aus  dem  Jahre  1555  ist  sehr  interessant  ein  auf 
Erfordern  erstattetes  Gutachten  der  kurfürstlichen  Räthe 
Wolf  von  Schönberg  und  Haus  von  Dieskau  wegen  Er- 
richtung einer  Guarda  in  der  Festung  Dresden.  Dieselben 
erachten  eine  solche  „vor  einen  unnöthigen  Unkosten,  mit 
Anzeige,  do  Jemand  den  Churfürsten,  ihren  gnedigsten 
Herren,  zu  bekriegen  Willens,  dieser  Guardi  halber  es 
nicht  unterbleiben  wurde" ;  es  sei  genügend,  wenn  einer 
fleissigen  vertrauten  Person  auferlegt  würde,  jedes  Mal 
beim  Auf-  und  Zuschliessen  gegenwärtig  zu  sein').  Da- 
neben lassen  sie  sich  nicht  missfallen,  dass  vor  den  Thoren 
zweifache  oder  dreifache  Schläge  gemacht,  Häuslein  daran 
gebaut^  und  Handwerksleute  darein  gesetzt  würden,  mit 
dem  Befehle,  gute  Acht  darauf  zu  geben ^  wer  aus  und 
ein  ritte,  und  dass  man  nach  Gelegenheit  der  Zeit  die 
Schläge  zuhalte  oder  offen  lasse.  Hiernächst  empfehlen 
sie  dem  Kurfürsten,  eine  vertraute  Person  unterhalten  zu 
lassen,  welche  im  Lande  umher  zu  reiten  und  gute  Kund- 
schaft zu  halten  habe,  was,  hin  und  wider,  das  gemeine 
Gerüchte.  Im  Falle  der  Gefahr  könne  man  alsdann,  was 
uothwendig,  förder  bestellen. 

1557,  Mittwoch  nach  Leonhardi  (10.  Nov.),  fand  auf 
der  Elbwiese^)  abermals  eine  Musterung  der  streitbaren 
Bürger  und  Handwerksgesellen  statt  und  waren  1500 
brauchbare  Personen  zur  Stelle. 

Im  Jahre  1560  kommt  zum  ersten  Male  der  Aus- 
druck Befehlshaber  der  Festung  Dresden  vor.    Als  näm- 

')  Nur  für  das  Schloss  Pleissenburg  wurde  damals  eine  Guarda 
von  20  Mann  errichtet  und  selbst  der  Königstein  erhielt  erst  dreissig 
Jahre  später  eine  Besatzung. 

*)  Die  Eibwiese  oder  Mönchswiese,  jetzt  Stallwiese,  erstreckte 
sich  damals  von  der  Bärbastei  bis  an  die  Brücke  und  umfasste  auch 
die  zur  Klostergasse  gehörigen  Gärten. 


240  A.  von  Miiukwitz: 

Hell  im  gedachten  Jahre,  nacli  dem  Ableben  des  Ober- 
Zeug-  und  Baumeisters  Caspar  Vogt,  Hans  von  Dieskau 
zum  Ober-Zeug-  und  Baumeister  und  zugleich  zum  Ober- 
befehlshaber aller  Festungen  im  Lande  bestallt  wurde, 
ordnete  ihm  der  Kurfürst  als  Stellvertreter  in  Behinderungs- 
fällen den  Hauptmann  Melchior  Hauff'  zu.  Insbesondere 
jedoch  sollte  derselbe  die  Festung  Dresden,  ingleichen 
das  Zeughaus  und  den  Festungsfjau  daselbst  in  seinem 
Befehlich  haben"). 

1563  am  31.  Januar  folgte  Hauptmann  Melchior 
Hauff  dem  Hans  von  Dieskau  als  Ober-Zeug-  und  Bau- 
meister, sowie  als  Oberbefehlshaber  aller  Festungen,  mit 
der  angefügten  Bestimmung,  den  wesentlichen  Aufenthalt 
in  seiner  Behausung  zu  Dresden  zu  nehmen^"). 

Zum  Auf-  und  Zuschliessen  der  Thore  erscheinen  seit 
jener  Zeit  und  bis  zur  Errichtung  der  stehenden  Besatzung 
1  Wachtmeister  und  8  alte  Trabanten  im  Ausgabeetat 
der  kurfürstlichen  Kammer. 

1567  am  1.  Mai  wurde  Hauptmann  Jacob  Thalheim 
dem  Ober -Zeug-  und  Baumeister  Melchior  Hauff  beisfc- 
geben,  weil  letzterer  nunmehr  „veraltere"  und  unver- 
mögend werde.  Mittlerweile  hätten  sie  sich  freundlich 
mit  einander  zu  vergleichen  und  beiderseits  auf  des  Kur- 
fürsten Nutzen  und  Frommen  bedacht  zu  sein.  In  der 
Festung  Dresden  sollte  Jacob  Thalheim  unter  den  Thoren 
und  wo  es  sonst  die  Nothdurft  erfordere,  die  Tag-  und 
Nachtwacht,  wie  einem  Hauptmann  gebühre,  bestellen 
und  verordnen. 

Des  Hauptmanns  Melchior  Hauff  geschieht  dann 
ferner  keine  Erwähnung  mehr  und  als  auch  Jacob  Thalheim 


^)  In  der  Bestallung  des  Zeugsclireibers  Veit  Clement  vom 
28.  November  1560  heisst  es :  Er  solle  sich  gehorsamlich  verhalten, 
was  Hans  von  Dieskau,  Über-Zeugmeister,  ingleichen  Melchior  Hauff, 
Unserer  Vestung  Dreßdeu  Hauptmann  und  Mitbefehlshaber  der 
Zeughäuser,  von  unsertwegen  mit  ihm  schaffen  werden. 

'*')  Melchior  Hauffs  Tractament  betrug  jährlich  608  Gülden 
16  Groschen,  nämlich:  410  Gülden  Dienstgeld  und  Pferdesold,  Hafer 
auf  S  Pferde,  Winter-  und  Sommerkleidung,  sowie  das  Kostgeld  auf 
sich  und  seine  Knechte.  Hierüber  war  ihm  bei  Verschickungen  freie 
Zelirung  bewilligt.  Ferner  schenkte  iiim  der  Kurfürst  ungefähr  an 
der  Stelle,  wo  jetzt,  gegenüber  der  reformierten  Kirche,  das  Preuss'sche 
Haus  steht,  einen  bis  an  den  Stadtgraben  reichenden  Raum,  auf 
welchem  er  sich  durch  Hansen  von  Dehn- l\othfelser  ein  Haus  er- 
bauen liess,  mit  der  Inschrift  über  dem  Eingange:  Nächst  Gott  die 
Belagerung  von  Magdeburg.  Hieraus  lässt  sich  schliessen,  dass  er 
bei  dieser  Gelegenheit  sich  besonders  ausgezeichnet  hatte. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     241 

1569  im  November  Bestallung  als  Obrister  von  Haus 
aus  erhielt  ^^),  hatte  der  Hausraarschall  Hans  von  Auers- 
wald  die  Schlüssel  der  Festung-  in  Verwahrung  zu  halten, 
bis  1573  am  31.  Oktober  Georg  von  Zetteritz  zu 
Lortzendorff  zum  Hauptmann  der  Festung  Dresden  er- 
nannt wurde.  Ihm  folgten  im  Jahre  1579  Dietrich  ßulcke 
zu  Lindau  und  1583  am  3.  Juni  der  zeitherige  Trabanten- 
Hauptmann  Christoph  Zaunmacher  als  Hauptleute  der 
Festung  Dresden. 

2.     Die  Besatzung   der  Festung  Dresden  seit 
Errichtung  der  Festungsgarde  im  Jahre  1587  bis 

zum  Jahre  1630. 

Im  Jahre  1587  beschloss  Kurfürst  Christian  L,  die 
Dresdner  Bürgerschaft  gegen  Entrichtung  eines  Geld- 
äquivalents von  der  Verpflichtung,  die  Festung  zu  be- 
wachen, gänzlich  zu  entbinden,  dagegen  eine  Festungs- 
garde als  stehende  Besatzung  ins  Leben  zu  rufen. 

Der  deshalb  durch  die  kurfürstlichen  Kommissare, 
den  Hofmarschall,  Kriegsobristen  Hans  Wolf  von  Schön- 
berg, den  Geheimen  Rath  Hans  Georg  von  Ponikau,  den 
Oberschenken  Christoph  vom  Loss  und  den  Oberküchen- 
meister Hans  von  WolffersdorfF  mit  dem  Rathe  der  Stadt 
Dresden  abgehandelte  Vergleich  vom  4.  Mai  1587  hatte 
nachstellenden  Inhalt. 

Bei  der  bisher  dem  Rathe  zu  Dresden  obgelegenen 
Bestellung  der  Tagewacht  in  den  Thoren  und  sonst  falle 
allerhand  Unfleiss  und  Missbrauch  vor  und  dieselbe  werde 
nicht  mit  hierzu  genugsam  tüchtigen  Personen  versehen, 
wie  es  sich  in  einer  solchen  ansehnlichen  Festung  gebühre. 
Um  dem  abzuhelfen  und  zugleich  der  Bürgerschaft  die 
vielfältigen  Wachtanlagen,  mit  denen  dieselbe  beschwert, 
zu  erleichtern,  hielten  Se.  kurfürstlichen  Gnaden  dafür, 
dass   es   diesem  Werke  am  nützlichsten  und  der  Bürger- 


in) Kurfürst  August  unterhielt  mit  nicht  unbeträchtlichen  Kosten 
eine  Anzahl  von  Obristen,  Rittmeistern  und  Hauptleuten  von  Haus 
aus,  welche  Wartegeld  bezogen  und  im  Falle  des  Erfordernisses 
Kriegsvolk  anzuwerben  hatten.  Dergleichen  Bestallung  übernahm 
Jacob  Thalheim  1569  am  4.  November  als  Hauptmann  und  1575 
am  28.  November  als  Obrist,  letztere  mit  dem  Zusätze,  dass  er  sich 
in  dem  Schlosse  zu  Zwickau  wesentlich  enthalten  und  die  Festung 
daselbst  in  Acht  haben  solle.  Sein  Gehalt  betrug  2000  Thaler- 
groschen. 

Neiios  ArchiT    f.  Ü.  G.  n.  A.    VH.  3.  4.  16 


242  A-  von  Minckwitz: 

Schaft  am  erträglichsten  sein  würde,  wenn  man  sich  einer 
gewissen  Anlage  vergliche,  welche  jeder  Einwohner,  er 
sei  in  dieser  Stadt  ansässig  oder  Hausgenosse,  jährlich 
an  Gelde  zu  entrichten  habe.  Das  Einbringen  der  Anlage 
solle  dem  liatlie  überlassen  bleiben  und  sei  der  Betrag 
an  den  Ort  zu  überantworten,  welchen  S.  kurf.  Gn,  des- 
halb namhaft  maelien  werde.  Soweit  es  zureiche,  wolle 
hiervon  S.  kurf.  Gn.  taugliche  Personen  besolden  und 
durch  dieselben  die  Tagewacht  unter  den  Thorcn,  die 
Wacht  und  Aufsicht  an  den  Schlägen,  sowie  die  Post- 
wacht  versorgen  lassen,  während  den  Aufwand  für  den 
Unterhalt  der  Nachtwächter,  der  Stundenausrufer  und 
des  Nachtrichters  der  Rath  auf  sich  zu  behalten  habe. 
S.  kurf.  Gn.  thue  solchen  Vorschlag  aus  treuer,  wohl- 
wollender Vorsorge  zur  Herbeiführung  heilsamer,  guter 
Ordnung,  ohne  dabei  einen  selbsteignen  Nutzen  zu  suchen, 
indem  sogar  S.  kurf.  Gn.  ein  Ansehnliches  werde  zu- 
büssen  müssen. 

Nach  mancherlei  Einwendungen  habe  sich  der  llath 
endlich  mit  Vorwissen  der  gemeinen  Bürgerschaft  zu 
folgendem  bereit  erklärt.  Von  jedem  Einwohner,  er  sei 
vom  Adel  oder  Bürger,  in  dieser  Stadt  sesshaft  oder 
Hausgenosse,  solle  jährlich  ein  Thaler  Wachtgeld  ein- 
gebracht und  in  zwei  Terminen  zu  Walpurgis  und  Michaelis 
zur  kurfürstlichen  Kammer  abgeführt  werden.  Nur  die 
Kirchen-  und  Schuldiener,  so  auf  den  befreiten  Häusern 
sitzen,  seien  hiervon  auszunehmen^").  Hierüber  wolle  der 
Rath  von  seinem  eignen  Einkonnnen  jährlich  100  Thaler 
erlegen  und  daneben,  nicht  w^eniger  als  bisher,  die  Nacht- 
wächter, die  Stundenausrufer,  den  Nachtrichter  und  zu- 
gehörige Personen  auf  seine  Selbstkosten  unterhalten. 

Gegen  dieses  alles  haben  S.  kurf.  Gn.  bewilligt,  eine 
bes(mdere  Gwardi  guter  tüchtiger  Leute  zu  halten,  mit 
derselbigen  unter  den  Thoren  die  Tagewacht,  die  Schläge- 
wacht  und  die  Postwacht  nach  Nothdurft  bestellen  sowie 
die  zugehörigen  Schreiber  unterhalten  zu  lassen,  auch 
Befehl  zu  thun,  dass  diejenigen,  so  an  den  Schlägen 
sitzen,  auf  die  mit  Gütern  beladenen  Wagen  gut  Acht 
geben  und  keinen  durchlassen,    der  nicht  darzuthun  ver- 

^2)  Nicht  allein  die  landesherrlichen  lläthe  und  Hofdiener  waren 
zur  Zahlung  des  Wachtthalers  gehalten,  sondern  es  wurde  sogar 
zugesagt,  dass  von  den  seitens  der  kurfürstlichen  Kammer  zu  Er- 
weiterungsbauten ausgekauften  Bürgerhäusern  der  Wachtthalcr  ent- 
richtet werden  solle. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     243 

möge,  dass  er  das  ordentliche  Geleite  entrichtet.  So 
Avollen  auch  S.  kurf.  Gn.  über  solche  Gwardi  sonderliche 
Befehlichshaber  verordnen,  nach  welchen  sich  die  Lands- 
knechte mit  der  Wache,  der  Verwahrung  der  Thore,  dem 
Auf-  und  Zuschliessen  derselben  und  sonsten  zu  richten 
haben  mögen  und  der  Rath  damit  ferner  nichts  zu  schaffen 
haben  dürfe. 

Es  solle  auch  gegen  solche  bewilligte  Anlage  hinfür 
das  bisher  zu  unterschiedenen  Zeiten  in  den  Häusern  und 
von  der  Bürgerschaft  geforderte  Wachtgeld  gänzlich  fallen. 
Dagegen  solle  für  den  Fall,  dass  fremde  Herrschaften 
hier  anlangten  und  man  der  Bürgerschaft  zu  derselbigen 
Einzug  in  ihrer  Rüstung  bedürfen  würde,  die  Bürger- 
schaft schuldig  sein,  sich  unweigerlich  dazu  gebrauchen 
zu  lassen  ^^). 

Zum  ersten  Male  liess  der  Rath  der  Stadt  Dresden 
die  hinfort  als  Wachtthaler  bezeichnete  Abgabe  zum  Ter- 
mine Walpurgis  1587  einheben. 

Das  Kommando  über  die  neu  errichtete  Festungs- 
garde ^*),  welche  man  in  der  Regel  im  Gegensatze  zu 
der  Trabanten -Leibguardi,  der  Oberguardi ,  als  Unter- 
guardi  bezeichnete,  wurde  dem  Stadthauptmann  Christoph 
Zaunmacher  aufgetragen  und  verblieb  auch  fernerweit 
mit  der  Stadthauptmannschaft  verbunden. 

Auf  Christoph  Zaunmacher  folgten  als  Stadthaupt- 
leute:  1589  5.  Januar  Hans  Claus  Russwormb,  1591 
6.  Dezember  Gregor  von  Kayn,  1595  6.  Juli  Heinrich 
von  Günterode,  1598  22.  Februar  ad  interira  Christoph 
Zaunmacher,  1600  17.  Januar  Melchior  von  Milkau. 

Im  Jahre  1602  vertraute  hierauf  Kurfürst  Christian  H. 
den  Oberbefehl  über  sämtliche  Festungen,  Besatzungen 
und  Zeughäuser  im  Lande  dem  Obristen  Centurius  Pflugk 
an  und  nach  einer  kurzen  Unterbrechung,  indem  er 
während  der  Jahre  1605  und  1606  seine  Funktionen  an 
den  Schwager  des  Kurfürsten,  Herzog  Ulrich  von  Schleswig- 
Holstein,    als    kurfürstlichen   Generalobristen   hatte    über- 


13)  Bei  der  grossen  im  Verlaufe  des  Jahres  1587  im  ganzen 
Lande  stattfindenden  Musterung  der  Ritterschaft,  der  Bürger  und 
Landleute  zählte  man  in  der  Stadt  und  Festung  Neu -Dresden 
(Altstadt)  1045  und  in  Alt -Dresden  (Neustadt)  421  wehrhafte 
Männer. 

1^)  Über  die  Dienstordnung  für  dieselbe  vom  19.  Mai  1587 
vergl.  Richter  a.  a.  0.  S.  307. 

16» 


244  A.  von  Miiickwitz: 

lassen  müssen,  übernalnn  Obrist  Pfliigk  gedachten  Ober- 
befehl aufs  Neue  mit  beinahe  unbeschränkter  Vollmacht 
1607  am  22.  Oktober. 

Die  Stadthauptleute  folgten  sich  im  Verlaufe  der 
Jahre  1602 — 1607  in  raschem  Wechsel.  Zweimal  lösten 
in  der  kurzen  Zeit  Melchior  v^nn  Milkau  und  Hauptmann 
Barthel  Brand  einander  als  .solche  ab.  1606  erhielt  so- 
dann den  Posten  der  Trabantenhauptmann  Georg  Schubert 
und  am  22.  Oktober  1607,  also  an  deinselben  Tage,  an 
welchem  Centurius  Pflugk  die  erneute  Bestallung  als 
Obrist  über  die  Festungen  und  deren  Besatzungen  em- 
pfing, ernannte  der  Kurfürst  den  Hauptmann  Rudolph 
von  Carlowitz  zum  Stadthauptmanu.  Während  jedoch 
dessen  Vorgängern  bisher  die  Befehle  des  Kurfürsten 
direkt  zugegangen  waren,  sah  sich  derselbe  nunmehr 
dahin  angewiesen,  in  wichtigen  Sachen  sich  bei  dem 
Obristen  Centurius  Pflugk  Raths  zu  erholen. 

Im  übrigen  hatte  der  Stadthauptmann,  seiner  In- 
struktion zufolge,  im  gewöhnlichen  Laufe  der  Dinge,  die 
ihm  vertraute  Festung  in  guter  treuer  Aufacht  zu  halten, 
die  Wachten  sowohl  in  der  Festung  als  in  der  Stadt  und 
in  den  Thoren  durch  die  ihm  untergebenen  Soldaten 
fleissig  zu  bestellen,  die  Schlüssel  zu  den  Thoren  selbst 
zu  sich  zu  nehmen,  die  Thore  zu  rechten  gewöhnlichen 
Zeiten,  wenn  man  sich  noch  besehen  könne,  durch  den 
ihm  zugeordneten  Wachtmeister  schliessen  und  niorgens 
dergestalt  wieder  öffnen  zu  lassen,  damit  die  Einwohner 
und  fremden  durchreisenden  Leute  vorsätzlicher  Weise 
nicht  verzogen  werden  möchten,  übrigens  auch  öfters  beim 
Zu-  und  Aufschlicssen  der  Thore  persönlich  gegenwärtig 
zu  sein.  Bei  nächtlicher  Weile  hatte  er  jedoch  die  Festung 
ohne  besonderen  kurfürstlichen  Befehl,  niemand,  wer  der 
auch  sei,  zu  öffnen.  Ferner  lag  dem  Festungshauptmann 
ob,  Sorge  dafür  zu  tragen,  dass  in  den  Thoren  und  an 
den  Schlägen  die  hierzu  verordneten  Schreiber  einen 
jeden,  zu  Ross,  zu  Wagen  oder  zu  Fuss,  mit  Fleiss  be- 
fragten, wie  sein  Name  heisse,  woher  er  konnne  und  wo 
er  einkehren  werde,  des  Abends  aber  selbst  Kenntnis 
von  dem  Verzeichnis  zu  nehmen.  In  der  Nacht  waren 
am  Stalle  und  am  Rathhause  Schildwachen  zu  stellen. 
Dem  Zeugmeister,  dem  das  Zeughaus  und  die  Artillerie 
in  Befehlich  gegeben,  sollte  der  Stadthauptmann  darin 
keinen  Einhalt  thun,  sondern  wenn  Geschütze  auf  die 
Festung    zu    rücken    sich    nöthig    mache,    mit    demselben 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mitteralterl.  Zeit  etc.    245 

sich    einmüthig  vergleichen,  damit    unter  ihnen,   als  einer 
Herrschaft  Diener,  gut  Einverständnis  stattfinde. 

Der  in  der  Zeit  zwischen  dem  Jahre  1587  und  dem 
Anfange  des  17.  Jahrhunderts  mehrfach  wechselnde  Etat 
der  Festungsgarde  war  im  Jahre  1610  der  folgende: 
1000  Gulden'  Hauptmann  Rudolph  von  Carlowitz;  240 
Gulden  Caspar  Wurzer,  Fändrich;  192  Gulden  Valten 
Preusse,  Leutenampt;  192  Gulden  der  Wachtmeister ;  108 
Gulden  der  Nachtwachtmeister;  144  Gulden  der  Profos; 
96  Gulden  der  Forirer ;  288  Gulden  3  Rottmeister  ä  96 
Gulden;  1152  Gulden  12  gefreite  Knechte  ä  96  Gulden; 
2772  Gulden  42  Doppelsöldner;  2772  Gulden  42  Musch- 
ketirer;  288  Gulden  4  Spielleute;  60  Gulden  der  Stecken- 
knecht; 120  Gulden  3  Provisioner  (Pensionäre);  75  Gul- 
den 9  Groschen  zwei  Wächter  auf  dem  Kreuzthurm.  In 
Summa  9499  Gulden  9  Groschen. 

Der  Aufwand  in  so  beträchtlicher  Höhe  war  selbst- 
verständlich von  dem  Wachtthaler  der  Bürgerschaft  nicht 
zu  bestreiten,  und  um  der  Kammer  die  auf  ihr  ruhende 
kaum  erschwingliche  Ausgabenlast  zu  erleichtern,  be- 
willigten die  Stände  im  Jahre  1610,  zunächst  auf  fünf 
Jahre,  eine  von  den  Städten  aufzubringende  Kontribution 
von  30000  Gulden  zur  Besoldung  der  Festungsgarden  in 
Dresden,  auf  dem  Königstein  und  in  der  Festung  Pleissen- 
burg^-^),  sowie  zur  Besoldung  der  aus  der  Bürgerschaft 
erkiesten,  mit  der  Bedienung  der  Geschütze  betrauten 
Büchsenmeister^"). 

Die  Stadt  Dresden  war  jedoch,  weil  sie  den  Wacht- 
thaler entrichtete,  von  dieser  Kontribution  befreit.  — 

Rudolph  von  Carlowitz  blieb  Stadtliauptmann_  auch 
nach  dem  Ableben  des  Obristen  Centurius  Pflugk^')  und 


^5)  Andere  stehende  Truppen  gab  es  nicht  bis  zum  Ausbruche 
des  dreissigjährigen  Krieges,  mit  Ausnahme  der  zum  persönlichen 
Schutze  des  Ivuifürsten  und  zur  Bewachung  des  Sclilosses  bestimmten, 
aus  der  liurfürstlichen  Kammer  besoldeten  Trabanten -Leibgarde  zu 
Fuss.  —  Die  Besatzungen  zu  Dresden,  auf  dem  Königstein  und  in 
der  Pleissenburg  betrachtete  man  als  unter  ein  Fändel  gehörig, 
und  hatten  die  Hauptleute  des  Königstein  und  der  Pleissenburg 
sich  Rath  und  Anordnung  vom  Stadthauptmann  zu  Dresden  zu 
erholen. 

16)  In  Dresden  waren  deren  sechzig  vorhanden,  mit  jährlichen 
Besoldungen  zwischen  30  und  60  Gulden. 

i'^)  Obrist  Centurius  Pflugk,  die  massgebende  Autorität  in  allen 
militärischen  Angelegenheiten  zu  jener,  dem  dreissigjährigen  Kriege 
unmittelbar  vorhergehenden  Zeit,  starb  auf  seinem  Gute  Gersdorf  bei 
Nossen  1619  am  29.  März. 


246  A.  von  Minckwitz: 

zwar  in  unabhängiger  Stellung,  da  niclit   alsbald    wieder 
ein  Oberbefehlshaber  über  die  Festungen  ernannt  wurde. 

Als  Rudolph  von  Carlowitz  1621  am  24.  Februar 
ebenfalls  verstarb,  ernannte  der  Kurfürst  den  Obristen 
Karl  Khra  (Krähe)  zum  Stadthauptmann  zu  Dresden  und 
zugleich  zum  Oberbefehlshaber  der  Besatzungen  in  sämt- 
lichen Festungen^^). 

In  den  Berichten  des  Obristen  Khra  geschieht  häufig 
der  grossen  Noth  Erwähnung,  in  welcher  sich  die  Sol- 
daten infolge  der  mangelnden  Mittel  zu  ihrer  Besoldung 
befanden.  So  meldet  er  unter  anderem  dem  Kurfürsten 
im  Oktober  1624:  die  Bürger  könnten  und  wollten  an 
Naturalien  nichts  mehr  borgen  und  die  Soldaten  seien, 
wenn  sie  aufziehen  sollten,  genöthigt,  die  Bäuche  mit 
Eicheln,  rohen  Krautstrünken  und  anderer  viehischer 
Speise  zu  füllen,  worauf  der  Kurfürst  anbefahl,  500  Scheffel 
Korn  aus  dem  Magazin  zu  verkaufen,  um  den  Leuten 
eine  Bezahlung  davon  zu  thun. 

Auch  die  Gelder  zur  Bekleidung  der  Garde,  wozu 
von  der  Städtekontribution  sich  jährlich  6000  Thaler 
angesetzt  befanden,  blieljen  häufig  im  Rückstand. 

Die  Montur  bestand  aus  einem  Lederkoller,  einer 
gelben,  schwarz  ausgemachten  Casaque^^),  ledernen  Knie- 
hosen, Schuhen,  gelben  Strümpfen  und  grauen  Filz- 
hüten mit  langer  gelb  und  schwarzer  Feder-*^). 

Das  Fändel  war  roth  und  weiss  mit  einem  schwarzen 
Adler,  der  in  jeder  Klaue  ein  Schwert  hielt. 

3.  Der  Festungshauptmann  und  die  Garde  gegen- 
über  der    Stadt  und   der  Bürgerschaft  von  1587 
bis  zur  Mitte  des  17.  Jahrhunderts. 

In  gewissem  Sinne  betrachtete  man  den  Stadthaupt- 
mann zugleich  als  Oberpolizeimeister.    Nach  dem  Nacht- 


^*)  Den  Oberbefehl  über  die  Zeughäuser  erhielt  der  beim  Aus- 
bruch des  dreissigjährigen  Krieges  zum  Obristen  über  die  Artillerie 
ernannte  Johann  Melchior  von  Schwalbach. 

^^)  Der  Ausdruck  Gasaque,  worunter  man  bald  einen  Waifen- 
rock,  bald  einen  den  Mantel  vertretenden  Surtout  verstand,  wahr- 
scheinlich ein  Mittelding  zwischen  beiden  gedachten  Kleidungs- 
stücken, blieb  bis  zu  den  Zeiten  des  Kurfürsten  Johann  Georg  III. 
in  Gebrauch. 

20)  Die  erste  „gelbe  Liberey"  hatte  Obrist  Centurius  Püugk  im 
Jahre  1610  geben  lassen.' 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     247 

mandate  vom  25.  Januar  1589  hatte  derselbe  nämlich 
zehn  Knechte  aus  der  Festungsgarde  den  vom  Rathe 
zu  bestellenden  Nachtwächtern  zuzuordnen,  um  Ruhe  und 
Ordnung  in  den  Strassen  aufrecht  zu  erhalten-^). 

Am  folgenden  Morgen  war  dem  Stadthauptmann  an- 
zuzeigen, wer  im  Verlaufe  der  Nacht  ins  Gefängnis  ge- 
bracht worden  und  durch  denselben  dem  Kurfürsten  zur 
Einholung  ferneren  Bescheides  die  nähere  Gelegenheit  zu 
vermelden. 

Auf  Zug  und  Wacht,  bei  Feuersgefahr  und  an- 
deren Aufläufen ;  es  sei  bei  Tag  oder  Nacht,  war  der 
Rath  der  Stadt  Dresden  angewiesen,  dem  Stadthaupt- 
raann  allen  gebührlichen  Gehorsam  zu  leisten  und  zu 
erzeigen. 

Die  Auszahlung  des  Soldes  an  die  Festungsgarde 
erfolgte,  weil  solcher  nicht  aus  landesherrlichen  Kassen, 
sondern  vom  Wachtgelde,  beziehentlich  von  der  Steuer- 
kontribution der  Städte,  bestritten  wurde,  durch  einen 
vom  Rathe  deputierten  Kommissar  in  Gegenwart  des 
Stadthauptmanns  oder  eines  seiner  Unterbefehlshaber 
und  eines  Kammerschreibers,  welcher  das  Gegenregister 
führte.  Die  Musterrolle  hatte  der  Musterschreiber  ab- 
zulesen und  ein  jeder  persönlich  seinen  Sold  in  Empfang 
zu  nehmen. 

Hinsichtlich  des  Verhaltens  der  Soldaten  den  Bürgern 
gegenüber  und  umgekehrt,  sowie  hinsichtlich  der  Jnris- 
diktionsverhältnisse  enthält  ein  Mandat  vom  23.  Juli  1610 
ausführliche  Bestimmuno;en : 

1.  Der  Rath  soll  Sorge  tragen,  dass  die  Bürger  nach 
ihrem  Vermögen  den  Soldaten  alle  gebührende  Beför- 
derung thun. 


21)  Im  gedachten  Nachtmandate  (theilweise  gedruckt  bei  Hasche, 
Urkundenbuch  562)  verordnet  der  Kurfürst,  dass  jedermann,  sowohl 
in  den  Häusern,  als  auf  den  Gassen,  sich  ruhig  und  still  verhalte, 
niemand  in  den  langen  Sommertagen  nach  zehn  Uhr,  im  Herbst  und 
Winter  aber  nach  8  Uhr  ohne  Licht  sich  auf  den  Gassen  finden 
lasse  und  noch  viel  weniger  mit  viehischem  Geplärre,  Geschrei  und 
Kumor,  auch  nicht  mit  Saitenspiel  umlaufe  und  die  Leute  beun- 
ruhige oder  denselben  mit  Worten  und  Werken  verdriesslich  falle. 
Wer  aber,  er  sei  vom  Hofgesinde,  der  Btirgerschaft,  Einheimischer 
oder  Fremder,  Ärgernis  anrichte,  solle  unnachlässig  der  Strafe  ver- 
fallen. 


248  A.  von  Minckwitz: 

2.  Den  Bürgern  liegt  die  Verpflichtung  ob,  die  Sol- 
daten gegen  einen  massigen  Hauszins  zu  beherbergen, 
doch  haben  letztere  nichts  zu  fordern,  als  ein  ziemliches 
Losament  und  die  Lagerstatt. 

3.  Befreit  von  der  Einquartierung  sind  die  kurfürst- 
lichen Käthe,  die  Bürgermeister  und  Rathspersonen ,  die 
Kirchen-  und  Schuldiener,  sowie  die  Witwen  und  Waisen. 
Auch  können  diejenigen  Bürger,  welche  ein  vom  Käthe 
für  genugsam  erachtetes  Geldäquivalent  erlegen,  mit  der 
Einquartierung  verschont  bleiben. 

4.  Die  Verpflichtung,  Einquartierung  zu  gewähren, 
beschränkt  sich  auf  die  Person  des  Soldaten  und  hat 
jeder  Knecht,  so  im  Ehestande  lebt,  für  Weib  und  Kinder 
ein  eigen  Losament  zu  beschaffen. 

5.  Jeder  Soldat  soll  gegen  seinen  Wirth  sich  still, 
friedlich  und  schiedlich  verhalten,  demselben,  auch  Seinern 
Weibe,  seinen  Kindern  und  seinem  Gesinde  weder  mit 
Worten  noch  Werken  im  Geringsten  hinderlich  oder  be- 
schwerlich fallen,  und  mit  Feuer  und  Licht  vorsichtlich 
umgehen. 

6.  Insgemein  soll  der  Soldat  sich  zu  niemand  nöthigen, 
der  Hochzeiten,  dazu  er  nicht  geladen,  sich  gänzlich 
äussern,  keiner  Gestalt  beim  Tanze  sich  unter  die  Hoch- 
zeitsgäste mengen,  viel  weniger  aber  mit  Ungestüm  und 
Bedrohungen  Speis  und  Trank  in  Hochzeitshäusern  fordern. 

7.  Und  damit  diese  wohlmeinende  Ordnung  desto 
fester  gehalten,  auch  alle  Konfusion  der  Jurisdiktion, 
Streit  und  Disputat  zwischen  den  Befehlichshabern  und 
dem  Rathe  zu  Dresden  vorgebeugt  werde,  so  sollen  in  den 
Sachen,  welche  das  Kriegswesen  betreffen,  die  Befehlichs- 
liaber  auf  Grund  der  Kriegsartikel  zu  erkennen  und  zu 
strafen  befugt  sein.  Ebener  Maassen  sollen  die  Bürger, 
welche  gegen  einen  Knecht  zu  klagen  haben,  ihre  Be- 
schwerde bei  den  Befehlichshabern  anbringen.  Dahin- 
gegen sollen  die  Befehlichshaber  die  Bürger  in  ihren  Ge- 
ricbtszwang  zu  ziehen  keineswegs  befugt  sein,  dergestalt, 
dass  ein  Soldat,  wenn  er  wider  einen  Bürger  zu  klagen 
hat,  solches  vor  dem  Rathe  anzubringen  und  allda  Ent- 
scheidung zu  gewarten  schuldig  ist.  Die  Untersuchung 
schwerer  Verbrechen,  soweit  sie  nicht  Militärdelicta 
sind,  gehören  einzig  und  allein  vor  den  Rath  und  die 
Gerichte. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     249 

4.  Die  wehrhafte  Bürgerschaft  zu  Dresden  und 
die  zur  Festung  Dresden  geordneten  Landes- 
defensionsfändel     von    1613    bis    zur    Mitte     des 

17.  Jahrhunderts. 

Nach  langwierigen  Unterhandlungen  trat  am  1.  Januar 
1613  die  vom  Obristen  Centurius  Pfiugk,  unter  Mit- 
wirkung der  Obristen  von  Goldstein  und  von  Sclilieben 
entworfene  Landesdefensionsverfassung  ins  Leben. 

Vvas  die  Landesdefension  zu  Fuss,  welche  allein 
hier  in  Betracht  kommt,  angeht,  so  formierte  man  aus 
annähernd  dem  zehnten  Theil  aller  wehrhaften  Einwohner 
der  Städte  und  des  Landes  (abgesehen  von  der  Ritter- 
schaft) 18  Fändel,  jedes  520  Mann  stark,  und  theilte  die- 
selben in  2  Regimenter  ein.  Ausgenommen  von  der  Ein- 
reihung in  diese  beiden  Regimenter  blieben,  als  im  be- 
sondern zur  Dienstleistung  bei  der  Festung  Dresden  be- 
stimmt, sowohl  die  Neu-Dresdner  (Altstädter)  Bürger- 
schaft, als  ein  aus  Alt-Dresden  (der  Neustadt)  und  den 
Dresdner  Vorstädten  305  Mann  stark  grezogenes  Defen- 
sionsfändel.  Von  den  oben  erwähnten  achtzehn  Fändein 
waren  übrigens  zwei  Fändel,  das  Pirnaische  und  das 
Freiberger,  für  den  Nothfall  gleichfalls  zur  Besetzung  der 
Festung  Dresden  geordnet. 

Die  ganze  Landesdefensionsverfassung,  so  richtig 
auch  deren  Grundlage  gedacht  war,  bewäiirte  sich  jedoch 
nicht  in  der  praktischen  Ausführung  und  scheiterte  haupt- 
sächlich daran,  dass  der  friedliche  Bürger  nur  ungern 
den  heimischen  Herd  verliess,  um  in  der  Ferne  die 
Muskete  zu  führen.  Auch  ist  es  nicht  bekannt,  dass  das 
Pirnaische  und  das  Freiberger  Defensionsfändel  zur 
Besetzung  von  Dresden  wirklich  aufgeboten  worden 
sind.  — 

Die  Neu-Dresdner  (Altstädter)  Bürgerschaft  bildete, 
wie  von  Alters  her,  nach  den  Vierteln  der  Stadt  abge- 
theilt,  vier  Fändel""").  Im  April  1618  fand  eine  General- 
musterung derselben  durch  den  Obristen  Centurius  Pflugk 
statt. 

Jedes  Fändel  bestand,  nächst  den  aus  den  Raths- 
verwandten  entnommenen  Befehlshabern,  aus  dem  Fändel, 


")  Ausserdem  hatte  der  Rath  bei  fremder  Herrschaften  Einzug 
und  dergleichen  festlichen  Gelegenheiten  zu  Bewachung  der  Thore  noch 
50  Musketirer  und  50  Hellebardirer  mit  der  Rüstung  und  allem 
Zubehör  zu  bewehren. 


250  A.  von  Minckwitz: 

10  Ronclassirern,  100  Miiskctirern,  105  langen  Spiessern, 
2  Trouimclöclilägern  und  2  Pfeilern. 

Seinem  Musterberichte  fügte  Obrist  Pflugk  das  Pro- 
jekt bei;  durch  den  Rath  aus  der  Neustadt  und  den  zelni 
vorstädtischen  Gemeinden-"^)  über  das  ohnehin  zu  stellende 
Defensionsfändel  von  305  Mann  noch  vier  Fändel^  jedes 
277  Mann  stark,  ausheben  zu  lassen,  um  diese  Mann- 
schaft zur  Bewachung  Alt-Dresdens,  der  Vorstädte  und 
des  Wassers  verwenden  zu  können. 

Nachdem  der  Rath  sein  Einverständnis  liierzu  erklärt 
hatte,  genehmigte  der  Kurfürst  den  gedachten  Vorschlag 
am  25.  Juli  1618. 

Zur  Unterstützung  der  Festungsgarde  im  Wacht- 
dienste  mag  die  Bürgerschaft  vielfach  in  Anspruch  ge- 
nommen worden  sein,  zu  einer  kriegerischen  Aktion  in 
Vertheidigung  der  Stadt  bot  sich  jedoch,  auch  während 
des  Verlaufes  des  dreissigj ährigen  Krieges,  kein  An- 
lass-^). 

5.     Die  Festungsgarde   zu  Dresden  1630  bis  1682. 

Wegen  häufiger  Abwesenheit  des  Stadthauptmanns 
Christen    Khra"'')    war  1623    am  9.  Juni    der   Fähnrich 


-•')  Die  Fischer-,  Rampesche-  und  Borngassen-Gemeinde  in  der 
Pirnaischen  Vorstadt,  die  halb  Eulen-Gasse-,  Hinter  Seeer  und 
Poppitzer  Gemeinde  in  der  See  -  Vorstadt,  die  Fischersdorfer-, 
Gerber-  und  Viehweiden-Gemeinde  in  der  Wilsdrufter  Vorstadt. 

21)  Wer  von  der  Bürgerschaft  zur  wirklichen  Dienstleistung 
aufgeboten  wurde,  hatte  vom  Rathe,  für  Tag  und  Nacht,  4  Groschen 
Auslösung  zu  gewarten.  Mit  Geldstrafe  in  verschiedenen  Abstufungen 
war  jeder  bedroht,  der  entweder  ohne  Sturmhaube,  ohne  Ring- 
kragen, ohne  Brust-  und  Rückenstücke,  ohne  Beintaschen,  ohne 
Kugeln  oder  ohne  Lunte  erschien,  sowie  derjenige,  welcher  seine 
Waffen,  sein  Rappier,  sein  Bandelier  und  sonstige  Ausrüstung  nicht 
in  gutem  Stande  erhielt.  Das  Röcklein  durfte  nur  bei  Regenwetter 
über  den  Waffen  getragen  werden. 

-■')  Bereits  bei  seiner  Ernennung  zum  Stadthauptmaun  hatte 
Obrist  Khra,  der  zugleich  ein  Defensionsregiment  und  seit  1621 
ein  geworbenes  Regiment  zu  Fuss  kommandierte,  erklärt:  er  sei 
von  Jugend  auf  gewohnt,  sich  stricte  nicht  binden  zu  lassen,  son- 
dern allezeit  bedacht  gewesen,  dass  er  in  etwas  seinen  freien  Willen 
haben  möchte.  Er  hege  daher  die  Hoffnung,  dass  es  S.  kurf.  Gn. 
nicht  entgegen  sein  werde,  wenn  er  innerhalb  Landes  seiner  Noth- 
durft  nach  verreise.  Der  Kurfürst  hatte  darauf  geantwortet,  dass 
ihm  zwar  vergönnt  werden  solle,  seiner  Nothdurft  nach  zu  verreisen, 
jedoch  dergestalt,  dass  er  nicht  länger,  als  ein  oder  zwei  Tage  ohne 
Urlaub  von  der  Festung  fern  bleibe  und  auch  dies  nur  bei  guten 
Friedenszeiten  und  wenn  kein  Feindesgeschrei  vorhanden. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     251 

Siegmund  von  Brandenstein  zum  Kapitänlieutenant  und 
sodann  an  dessen  Stelle  Adam  Adrian  von  Wallwitz 
unter  dem  21.  Januar  1630  zum  Hauptmann  über  das 
Stadtfändel  zu  Dresden  oder  die  Unterguardi  bestallt 
worden.  Kurz  darauf,  18.  Juni  1630,  verstarb  Obrist 
CarlKlira,  worauf  Adam  Adrian  vonWalhvitz  ihm  als  Stadt- 
hauptmann succedierte.  Doch  sah  sich  derselbe  seit  dem  No- 
vember 1630,  als,  beim  Wiederausbruch  des  Krieges, 
Obrist  Johann  Melchior  von  Schwalbach  zum  General- 
zeugmeister und  zugleich  in  ähnlicher  AVeise,  wie  früher, 
Obrist  Centurius  Pflugk  zum  Oberbefehlshaber  aller 
Festungen  ernannt  worden  war,  an  dessen  Kommando 
verwiesen. 

In  jene  Zeit  fällt  auch  die  Befestigung  von  Alten- 
Dresden  (Neustadt)  und  der  Vorstädte  durch  schleunigst 
im  August  1632  aufgeworfene,  nach  dem  Osnabrücker 
Frieden  wieder  eins-eebnete  Retranchements  und  erscheint 
seitdem ,  neben  dem  Stadthauptmann  in  der  Festung 
Neu -Dresden,  ein  besonderer  Kommandant  zu  Alten- 
Dresden. 

Nachdem  1635  am  30.  Juni  der  Generalzeugmeister 
von  Schwalbach  verschieden  war,  führte  Adam  Adrian 
von  Wallwitz  das  Festungskommando  in  Dresden  wieder 
selbständig  bis  zu  seinem  Tode   1642    am  16.  September. 

Zum  Oberkommandanten  der  Festung  Dresden  er- 
nannte nunmehr  der  Kurfürst  den  Obristen  Claus  Taube'-*^), 
zugleich  aber  zum  Hauptmann  über  die  Festung  und  das 
unter  des  Festungsobristen  Claus  Taube  gehörige  Stadt- 
Fändel  oder  die  Unterguardi  den  Hauptmann  Georg 
Götze. 

Im  Jahre  1643,  wo  die  Auszahlung  der  vom  Wacht- 
thaler  und  der  Städtekontribution  bestrittenen  Besoldung 
der  Festungsgarde  von  den  mit  der  Verwaltung  ge- 
dachter Steuern  betrauten  Behörden  auf  das  General- 
Kriegszahlamt  überging,  bestand  die  Garde  aus  dem 
Festungshauptmann,  1  Lieutenant,  1  Fähnrich,  1  Regi- 
mentsschultheissen ,  1  Wachtmeister,  1  Waclitmeister- 
lieutenant,  1  Wachtmeister  zu  Alten- Dresden  (Neustadt), 


-^)  Dem  Ansuchen  des  Obristen  Claus  Taube,  auch  den  König- 
stein seinem  Befehle  zu  unterstellen,  konnte  nicht  Folge  gegeben 
werden,  weil  der  Kurfürst  im  Jahre  164:0  dem  Artillerie -Obrist- 
lieutenant  und  Amtshauptmann  zu  Pirna,  Johann  Siegmund  von 
Liebenau,  das  Oberkommaudo  über  den  Königstein  anvertraut  hatte. 


252  A.  von  Miiickwitz: 

1  Naclitwaclitnieister,  1  Mnsterschreibcr,  1  Fourier,  1  Feld- 
sclieer,  1  Frol'os,  1  Gericlitsschreibcr,  1  Stabhalter,  2  Ge- 
richtsgeschworenen,  1  Regimentsdiener,  3  Korporalen, 
4  Trommelschlägern,  3  Pfeifern,  20  Gefreiten  und  228  Ge- 
meinen. 

Die  Kleidung  war  damals  nicht  mehr  gelb  mit 
schwarz,  sondern  roth  mit  gelb  und  kostete  die  Montur 
für  einen  Gemeinen  20  Thlr.  3  Groschen. 

Nach  Beendigung  des  dreissigj ährigen  Krieges  er- 
folgte statt  der  erwarteten  Verminderung  eine  bedeutende 
Erhöhung  des  Etats  der  Festungsgarde,  indem  man  bei 
Entlassung  der  geworbenen  Völker  zwar  nur  ein  kleines 
Kontingent  bei  den  Fahnen  behielt,  dieses  aber  als  Be- 
satzung in  die  festen  Orte  legte.  Der  Stadt  Dresden 
wurden  hiervon  500  Mann  in  einem  unter  des  Stadthaupt- 
raanns  Kommando  verbleibenden  Fändel  zugetlieilt  und 
sah  sich  dieselbe  vor  die  Alternative  gestellt,  zu  den  mo- 
natlich erforderlichen  1872  Thalern  20  Groschen  entweder 
550  Thlr.  IG  Gr.  in  baarem  Gelde  beizusteuern,  oder  den 
472  Gefreiten  und  Gemeinen  nicht  allein  Logiament  und 
Lagerstatt,  sondern  auch  das  Servis  an  Holz,  Licht 
und  Salz  zu  reichen.  Da  der  Stadtrath  sich  für  das 
erstere  entschied ,  hatte  demnach  die  Mannschaft  der 
Festungsgarde  für  ihr  Unterkommen  selbst  Sorge  zu 
tragen. 

Dem  am  3.  August  1654  aus  dem  Leben  geschie- 
denen Obristen  Claus  Taube  folgte  als  Obrister  der  Haupt- 
und  Residenzfestung  Dresden  1654  am  Michaelistage 
der  Obrist  über  die  Artillerie,  Amtshauptmann  zu  Pirna, 
Oberkommandant  der  Bergfestung  Königstein  und  des 
Schlosses    Sonnenstein,    Johann  Siegmund  von  Liebenau. 

Als  derselbe  1Ü71  am  14.  September  verstarb'^), 
übernahm  der  mittlerweile  zum  Obristlieutenant  aufge- 
rückte Stadthauptmann  Georg  Götze  das  Kommando  in 
der  Festung  und  führte  dasselbe  ad  Interim,  bis  der  Kur- 
fürst am  7.  September  1676  den  Generalwachtmeister 
Andreas    von    Schönberg    zum    Oberkommandanten    der 


-'')  Ohrist  Johann  Siegmund  von  Liebenau  zu  Zehista  und 
Struppen,  zugleicli  Oberinspektor  sämtlicher  Fortitikations-.  Schloss- 
und  Zivilgebäude,  sowie  seit  165C)  Kanimerherr,  seit  1662  Kriegs- 
rath,  seit  KWiS  Oberkommandant  über  alle  Festungen  und  deren 
Besatzungen  und  seit  1671  Geheimer  und  Kriegsrath,  hatte  sich  im 
Jahre  16.39  bei  der  Vertheidigung  von  Pirna  und  des  von  den 
Schweden  belagerten  Sonnensteins  besonders  ausgezeichnet. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     253 

Kesidenzfestun«^  Neu-  und  Alt-Dresden,  sowie  der  an  der 
Frontiere  gelegenen  Bergfestung  Königstein  ernannte. 

Obristlieutenant  Götze  erhielt  bei  dieser  Gelegenheit 
den  Charakter  als  Obrisf-^).  Nach  seinem  bereits  im 
Dezember  1676  erfolgten  Ableben  trat  an  seine  Stelle 
unter  Verleihung  des  Obristlieutenants  -  Charakters  der 
zeitheiige  Kommandant  in  Alten  -  Dresden  (Neustadt) 
Obristwachtraeister  Jacob  Levin  von  Böhlau  mit  der 
hinfort  seiner  Funktion  beigelegten  Bezeichnung  als  Unter- 
kommandant der  Festung  Neu -Dresden'-^). 

Hinsichtlich  der  Festungsgarde  hatte  sich  inzwischen 
eine  wesentliche  Veränderung  zugetragen,  indem  1671  im 
Oktober,  wenige  Wochen  nach  dem  Tode  des  Obristen 
von  Liebenau,  das  500  Mann  starke  Fändel  unter  Er- 
höhung des  Etats  auf  600  Mann  in  drei  Fändel  eingetheilt 
worden  war'^"). 

Das  Kommando  der  Garde  hatte  zunächst  Obrist 
Götze  behalten  und  war  sodann  nach  dessen  Tode  samt 
der  von  ihm  bekleideten  Hauptmannschaft  über  die  Leib- 
kompagnie auf  den  Oberkommandanten,  Generalwacht- 
meister von  Schönberg,  übergegangen. 

Hiernächst  erscheint  seit  dem  Jahre  1679  eine  vierte 
Kompagnie  als  Besatzung  von  Alten -Dresden  (der  Neu- 
stadt) unter  dem  Kommandanten  von  Alten -Dresden  als 
Hauptmann. 

Infolge  dessen  war  zur  Zeit  des  Regierungsantritts 
des  Kurfürsten  Johann  Georg  III.  der  Etat  der  Festungs- 
garde der  nachstehende: 

Festuiigsgarde  in  Neu -Dresden  (Altstadt). 

33  Thlr.  8  Gr.  der  Kapitänlieutenant  der  Leibkom- 
pagnie, 48  Thlr.  3  Lieutenants,  48  Thlr.  3  Fähnriche,  18 

28)  Der  altgediente  Kriegsmann  fühlte  sich  schwer  gekränkt, 
dass  er  ünterkommandant  werden  solle,  nachdem  er  fünf  Jahre 
lang  das  Kommaudo  absolut  geführt  habe.  Um  ihn  zu  begütigen, 
beliess  der  Kurfürst  die  Festungsschlüssel  und  die  Fändel  in  der 
Verwahrung  des  zum  Festungsobristen  erklärten  Georg  Götz.  In 
billigen  Dingen  sollte  er  jedoch  vom  Oberkommandanten  depen- 
dieren  und  von  demselben  die  Parole  empfangen.  Auch  hatte  er 
den  Oberkommandanten  Tag  und  Nacht  mit  einer  Schildwache  vor 
dessen  Losament  zu  versehen. 

2*')  Kommandant  in  Alten-Dresden  (Neustadt)  wurde  der  Obrist- 
lieutenant von  Fölkersamb. 

^^)  Die  erste  Musterung  der  neuformierten  Kompagnien  fand 
auf  der  grossen  Bastei  am  Zeughause  statt.  Jede  der  drei  Kom- 
pagnien erhielt  ihr  eignes  Fändel. 


254  A.  von  Miufkwitz: 

Tlilr.  3  Miustori<el.ieil)er,  24  Thlr.  3  Wuditineistcr,  ISTlilr. 
3  Führer,  18  Thlr.  3  Fouricie ,  45  Thh-.  9  Korporale 
k  5  Thh-.,  21  Thlr.  6  TromiDeLschlägcr  a  3  Thlr.  12  Gr., 
21  Thlr.  6  Pfeifer  a  3  Thlr.  12  Gr.,  202  Thlr.  12  Gr. 
54  Gefreite  a  3  Thlr.  18  Gr.,  1757  Thlr.  58G  Gemeine 
h  3  Thlr.  12  Gr.  Hierüber:  250  Thlr.  der  Ober- 
kommandant  Generalwachtineister  von  Schönberg,  100 
Thlr.  der  Unterkommandant  in  Neu -Dresden,  2  Thlr. 
12  Gr.  Zulage  dem  Musterschreiber  bei  der  Leibkora- 
pagnic,   so   zugleich  Secrctarius,    6  Thlr.   der  Feldscheer, 

3  Thlr.  12  Gr.  der  Kegimentstrommelschläger,  12  Thlr. 
der  Regimentsscliulthciss,  4  Thlr.  16  Gr.  der  Gerichts- 
schreiber, 7  Thlr.  der  Profos,  3  Thlr.  12  Gr.  der  Regiments- 
diener.    In  Summa:  2743  Thlr,  monatlich. 

Festuiigsgarde  in  Alten  •  Dresden  (Neustadt). 

50  Thlr.  der  Kommandant  in  Alten-Dresden,  33  Thlr. 
8  Gr.  der  Kapitänlieutcnant,  20  Thlr.  der  Fähnrich, 
(der  Wachtmeister  wird  vom  Käthe  besoldet),  6  Thlr. 
1  Führer,  6  Thlr.  1  Fourier,  6  Thlr.  1  Musterschreiber, 
6  Thlr.    1    Feldscheer,    15  Thlr.   3    Korporale,    14  Thlr. 

4  Spielleute,  67  Thlr.  12  Gr.  28  Gefreite,  58^8  Thlr. 
108  Gemeine,  3 Thlr.  12  Gr.  der  Steckenknecht.  In  Summa: 
815  Tldr.  8  Gr.  monatlich. 

Im  Januar  1682  beschloss  Kurfürst  Johann  Georg  III., 
aus  Anlass  der  Neuorganisation  der  Armee,  die  Festungs- 
garde vollständig  aufzulösen"'')  und  dagegen  acht  Kom- 
pagnien vom  Leibregiment  zu  Fuss  als  Besatzung  nach 
Dresden  zu  verlegen.  Die  zum  Felddienste  tüchtige  Mann- 
schaft der  Garde  wurde  dem  Leibrey,iment   einverleibt. 


•^o 


6.     Kurfürstliche    Verordnung     wegen     des    Auf- 
ziehens der  Wachten  und  der  an  den  hohen  Festen 
abzugebenden  Salutschüsse.      1679. 

1.  Die  Wachten  ziehen  täglich  um  3  Uhr  auf.  Drei 
Züge  der  Trabanten  imd  der  Schweizer'*"),  sowie  eine 
Abtheilung   von   der  Leibkompagnie    zu  Fuss    rücken 


''^)  Gleicherweise  wurde  die  Witteiiberger  Garnison  abgedankt; 
stehende  Besatzung  behielten  nur:  die  Pleissenburg,  der  Königstein, 
der  Sonnenstein,  Stolpen  und  Seuftenberg. 

ä')  Neben  den  Trabanten  hatte  Kurfürst  Johann  Georg  II.  auch 
eingeborene  Schweizer  in  seine  Dienste  aufgenommen.  Dieselben 
wurden  aber  1680  entlassen. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     255 


'ö 


ins    Scliloss.      Eine   Kompagnie   von    der    Untergarde 
und  die   Büclisenmeisterwaclit  marschieren  durch    das 
Schloss   auf  die  Festung   und  lösen  sodann  sämtliche 
Wachten  ab. 
2.    An  den  drei  hohen  Festen,  als  Ostern,  Pfingsten  und 
Weihnachten,  werden  auf  dem  Kreuztlmrm  früh  4  Uhr 
drei    halbe    dreipfündige  Schlangen  scharf  gelöst,   in- 
gleichen drei  Stücke    auf  der  Bergfestvmg  Königstein, 
den  festen  Häusern  Sonnenstein,  Stolpen  und  Senften- 
berg,  auf  den  Festungen  Pleissenburg  und  Wittenberg, 
auf    der    Torgau'schen   Brückenschanze    und    in    den 
Städten    Freiberg    und    Zwickau.      In    Dresden    wird 
sodann  das  Fest  bis  halbweg  5  Uhr  mit  allen  Glocken 
eingelauten.     Halb  sieben  Uhr  ziehen   die  Garden  auf 
und  nehmen  Stellung:  die  Trabanten  und  die  Schweizer 
im    Schlosse,    die    drei    Kompagnien   von    der   Unter- 
garde,   sowie    die    Leibkompagnie   im    Zwinger,    vom 
Goldhause   an  bis  an  das  Schloss,  das  Artilleriefändel 
auf  dem  hohen  Wall,  die  Alten-Dresdner  (Neustädter) 
Garde    auf   der   halben   Bastion    an    der   Schiffmühle. 
Hierauf  wird    dreimal  Salve    gegeben:    a)  vom  hohen 
Wall    mit    drei    halben    Karthaunen    von    der    Unter- 
garde  und   der   Leibkompagnie,   b)    von    der    Bastion 
an    der  SchifFmühle    auch    aus    drei  Stücken  und  von 
der  Alten-Dresdner    Garde,   c)    zu  dreien  Malen  vom 
hohen  Wall  aus  drei  Mörsern  ^■^). 

3.  Am  Neujahrstage,  am  Sonntage  Quasimodogeniti  und 
am  Trinitatisfeste  ziehen  die  Wachten  halb  sieben 
Uhr  auf.  Die  Trabanten  und  die  Schweizer  besetzen 
das  Schloss,  die  teutsche  Leibkompagnie,  die  Unter- 
garde und  das  Alten -Dresdner  Fändel  stellen  sich 
unter  das  Schloss  zwischen  das  Grüne  Thor  und  das 
Stallthor,  das  Artilleriefändel  rückt  auf  den  Wall. 
Hierauf  werden  Salven  gegeben:  a)  aus  drei  halben 
Karthaunen  vom  hohen  Wall  und  dem  Münzberge, 
b)  von  den  fünf  Kompagnien,  c)  aus  den  Mörsern 
auf  dem  hohen  Walle. 

4.  Am  St.  Johannistage  ziehen  die  Garden  um  halb 
sieben  Uhr  auf.  Die  Trabanten  und  die  Schweizer 
besetzen    das   Schloss.      Die    teutsche    Leibkompagnie 


33\ 


,  Aus  dem  128-Pfünder  ein  Feuerballen  mit  Schlägen  und 
Granaten,  aus  dem  96-Pfünder  ein  brennender  Stein,  aus  dem 
64-Pfünder  ein  scharfer  Granat. 


206  -^-  ^0"  Minckwitz: 

und  die  Uutergtirdc  stellen  sicli  unter  dem  Schlosse 
auf.  Das  Artilleriefändel  rückt  auf  den  Wall. 
Während  des  Gottesdienstes  werden  von  den  vier 
Kompagnien,  sowie  auf  dem  Walle  von  der  Artillerie 
aus  drei  halben  Karthaunen  Salven  gegeben:  a)  unter 
den  Worten:  Heilig,  b)  unter  den  Worten:  Täglich 
Herr  Gott  wir  loben  dich,  c)  beim  Amen. 

7.     Die     Landesdefensionsfändel    von    der    Mitte 
des  17.  Jahrhunderts  bis  zum  Jahre  1682. 

Durch  Rezess  vom  25.  Oktober  1663  erfuhr  nach 
fünfzigjährigem  unfruchtbarem  Bestehen  die  Landesdefen- 
sionsverfassung  eine  durchgreifende  Umgestaltung. 

Anstatt  der  19  Fändel,  in  welche,  einschliesslich  der 
zur  Festung  Dresden  geordneten  Fändel  von  Alten-Dresden 
(Neustadt),  Pirna  und  Freiberg,  die  Defensioner  eingetiieilt 
gewesen  waren,  wurden  nunmehr  die  gesamten  wehr- 
pflichtigen Mannschaften  in  6  Fändel,  jedes  500  Mann 
stark,  formiert  und  die  gedachten  Fändel  nach  den  aus- 
schreibenden Städten  Dresden,  Freiberg,  Zwickau,  Leip- 
zig, Wittenberg  und  Torgau  benannt. 

Den  Oberbefehl  über  das  Dresdner,  Freiberger  und 
Zwickauer  Fändel  nebst  der  Hauptmannschaft  über  das 
Dresdner  Fändel''*)  erhielt  der  Obriste  von  Liebenau, 
den  Oberbefehl  über  die  drei  anderen  Fändel  nebst  der 
Hauptmaunschaft  über  das  Leipziger  Fändel  der  General- 
lieutenant Wolf  Christoph  von  Arnim;  nach  des  letzteren 
Ableben  im  Anfange  des  Jahres  1668  übernahm  Obrist 
von  Liebenau  das  Kommando  über  das  gesamte  Landes- 
def ensions  wesen  ■^■'') . 

Allein  eben  so  wenig  wie  die  Defensionsverfassung 
vom  Jahre  1613,  fand  diejenige  vom  Jahre  1663  Anklang, 


^)  Der  Bezirk  des  Dresdner  Fändeis  umfasste  nunmehr  die 
Ämter  Dresden,  Pirna,  Dippoldiswalde,  llohnstein,  Lolmien,  Stolpen, 
Radeberg  und  Moritzljurg  samt  den  in  diesen  Amtern  gelegenen 
Städten. 

'■^■')  Ingleichen  vertraute  der  Kurfürst  nach  des  Generallieute- 
nants von  Arnim  Ableben  das  von  demselben  geführte  Oberkom- 
mando über  die  Festungen  Pleissenburg  und  Wittenberg,  samt  deren 
Besatzungen  dem  Obristen  von  Liebenau  an,  und  da  derselbe  bereits 
Oberkonmiandant  zu  Dresden,  Künigstein,  Sonnenstein  und  Stolpen 
■war,  wurde  er  durch  Patent  vom  2ß.  März  1608  ausdrücklich  als 
Oberbefehlshaber  über  sämtliche  Festungen  im  Laude  und  deren 
Besatzungen  bestätigt. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     257 

sodass  auf  Andringen  der  Stände  des  Landes  der  Kur- 
fürst sich  veranlasst  sah,  die  Wirksamkeit  des  Landes- 
defensionswerkes  durch  Reskript  vom  4.  März  1667  zu 
suspendieren,  mit  dem  Vorbehahe  jedoch,  dass  es  dem 
Landesherrn  jederzeit  anheim  gestellt  sei,  bei  orefahr- 
drohenden  Läufen  auf  Grund  des  Rezesses  vom  25.  Oktober 
1663  das  Aufgebot  erfolgen  zu  lassen. 

8.     Die  Besatzung  von  Dresden  1682  bis  1692. 

1682  am  1.  Februar  rückten  die  zum  Ersatz  der 
entlassenen  Festungsgarde  als  Garnison  bestimmten  acht 
Kompagnien  vom  Leibregiment  zu  Fuss  in  Dresden  ein 
und  erhielten  zu  ihrem  Unterkommen  angewiesen:  der 
Stab  und  zwei  Kompagnien  Neu- Dresden  (die  Altstadt), 
zwei  Kompagnien  Alten- Dresden  (Neustadt),  zwei  Kom- 
pagnien die  Vorstädte  vor  dem  Pirnaischen  Thore  und 
zwei  Kompagnien  die  Vorstädte  vor  dem  WilsdrufFer 
Thore ^*^).  Neu-Ostra  (später  Friedrichstadt)  blieb  wegen 
der  im  Werke  begriffenen  Errichtung  der  Manufaktur 
eximiert. 

Ausser  den  Mitgliedern  des  sitzenden  ßathes  und 
den  Kirchen-  und  Schuldienern  sollte  von  der  Verpflichtung, 
Einquartierung  aufzunehmen,  kein  Hausbesitzer,  welchen 
Standes  oder  welcher  Kondition  er  auch  sei,  Befreiung 
geniessen  und  daher  entweder  auf  Grund  der  am  28.  Ja- 
nuar 1682  publizierten  Ordonnanz  den  Soldaten  Quartier 
und  Lagerstatt  sowie  das  Servis  an  Holz,  Licht,  Salz, 
Pfeffer  und  Essig  gewähren  oder  statt  dessen  ein  vom 
Rathe  festzusetzendes  Geldäquivalent  entrichten '^'^).  Die 
Offiziere    und    die    Unteroffiziere    bis    einschliesslich    der 


^*^)  An  Häusern  zählte  Neu-Dresden  (Altstadt)  damals :  10  kur- 
fürstliche Häuser,  ohne  das  Zeughaus,  das  Kuti'enhaus  und  den 
Zimmerhof,  Gl  adlige  Häuser,  21  geistliche  Häuser,  57  Häuser  von 
Rathspersonen,  Doctoren  juris  und  medicinae,  182  Häuser  der  Hof- 
diener, einschliesslich  der  Konstabier  und  anderer  Militärpersonen, 
222  Häuser  von  Witwen  und  Waisen  und  268  Bürgerhäuser.  Ferner 
befanden  sich  in  Alten -Dresden  (Neustadt)  299  Häuser,  vor  dem 
Pirnaischen  Thore  467  Häuser,  vor  dem  Wilsdruffer  Thore  416  Häuser 
und  in  Neu-Ostra  18  Häuser. 

3')  Der  Soldat,  welcher  nunmehr  die  Ausgabe  für  seine  Quartier- 
miethe  ersparte,  hatte  dagegen  von  seiner  monatlich  3  Thlr.  15  Gr. 
betragenden  Löhnung  12  Groschen  Kleidergeld  inne  zu  lassen. 
Ausserdem  erlitt  jeder  Soldat  an  Abzügen  zu  den  Regimentsunkosten, 
an  Beckengeld  etc.  18  Gr.  9  Pf.,  sodass  er  baar  empfing  2  Thlr. 
17  Gr.  3  Pf. 

Neue»  Archiv  f.  Ö.  G.  u.  Ä.     VII.  3.  4.  17 


258  ^-  ^'on  Minckwitz: 

Sergeanten  erhielten  jedoch  nach  einer,  mit  dem  Rathe 
getroffenen  Vereinbarung,  an  Stelle  des  Quartiers  in  natura, 
von  Seiten  der  Stadt  Quarticrgeld^^). 

Sehr  bereitwillig  zeigte  sich  die  Bürgerschaft  durch- 
aus nicht,  die  Beschwerungen  auf  sich  zu  nehmen,  welche 
diese  Neuerung  in  den  Eiucjuartierungsvcrhältnissen  mit 
sich  brachte,  allein  trotz  aller  Proteste  und  vielfacher 
kommissarischer  Unterhandlungen  beharrte  der  Kurfürst 
doch  auf  seinen  Ansprüchen.  — 

ZumWachtdienst  waren  täglich  erforderlich:  1  Kapitän, 
3  Lieutenants  oder  Fähnriche,  13  Unteroffiziere,  6  Tam- 
bours, 209  Gemeine.  Es  wurden  besetzt:  die  Hauptwache 
durch  1  Kapitän  _,  1  Offizier,  3  Unteroffiziere,  2  Tambours 
und  60  Gemeine  (30  Piquen  und  30  Musqueten) ,  das 
Eibthor  durch  1  Offizier,  2  Unteroffiziere,  1  Tambour 
und  36  Gemeine  (36  Musqueten),  das  Pirna'sche  Thor 
durch  1  Offizier,  2  Unteroffiziere,  1  Tambour  und  30  Ge- 
meine, das  Wilsdruflfer  Thor  durch  1  Feldwebel,  1  Kor- 
poral, 1  Tambour  und  30  Gemeine,  die  llauptwache  in 
Alten-Dresden  (Neustadt)  durcli  1  Feldwebel,  1  Korporal, 
1  Tambour  und  19  Gemeine,  das  Weisse  Thor  durch 
1  Sergeanten  und  17  Gemeine,  das  Schwarze  Thor  durcli 
1  Korporal  und  17  Gemeine.  Von  der  Elbthorwache 
waren  bestimmt  9  Mann  zur  Besetzung  der  Nachtpost 
beim  Giesshause  und  von  der  Pirnaischen  Thorwache 
16  Mann  zur  Besetzung  der  Nachtpost  am  Salomonisthor. 

Die  Thore  wurden  im  Winter  um  4  Uhr,  im  Sommer 
um  7  Uhr  und  in  den  längsten  Tagen  ^2^  Uhr  geschlossen, 
doch  war  Öff'nung  des  Einlasses  gestattet  im  Winter  bis 
7  Uhr,  im  Sommer  bis  10  Uhr.  Bei  Öflfnung  des  Ein- 
lasses hatte  zu  entrichten  ein  Passant  zu  Fuss  1  Groschen, 
zu  Pferd  2  Groschen,  eine  Karosse  8  Groschen,  eine  Land- 
kutsche 12  Groschen  ■''*)•  — 


ää)  Zur  Charakterisierung  der  Zeitverhältnisse  dient  es,  dass 
ein  Hauptmann,  welcher  nach  der  Ordonnanz  Anspruch  hatte  auf 
Stube  und  Kammer  nebst  der  Stallung  für  seine  Pferde,  sich  mit 
einem  jährlichen  Quartiergeld  von  20  Gulden  begnügen  nuisste. 

30)  Die  Abendpost  nach  Leipzig  war  bisher  durch  einen 
Postillon  zu  Pferd,  welcher  das  über  die  Festungsmauer  herab- 
gelassene Felleisen  selbst  in  Fmpfang  nahm,  befördert  worden.  Als 
man  jedoch  im  Juli  168:5  die  reitende  Post  in  eine  fahrende  Post- 
kalesche umwandelte,  hatte  der  Postillon,  samt  den  Passagieren,  in 
seinem  Quartier  in  Alten -Dresden  (Neustadt)  sich  aufzuhalten,  bis 
.hm  das  Felleisen   über  die  Brücke  vom  Führer  zugebracht  wurde. 


riie  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalteil.  Zeit  etc.     259 

Beim  Ausmarsche  der  Armee  zum  Entsätze  von  Wien 
im  Monat  August  1683  wurden  die  in  Dresden  garni- 
sonierendexi  acht  Kompagnien  vom  Leibregiment  be- 
ordert, mit  zu  Felde  zu  gehen,  und  ersetzt  durch  vier 
zum  Leibregiment  neu  angeworbene  Kompagnien,  welche 
auch  nach  Beendigung  des  Feldzuges  als  Garnison  in 
Dresden  stehen  blieben,  während  die  acht  älteren  Kom- 
pagnien des  Leibregiments  Quartiere  in  der  Lausitz 
bezogen. 

Wegen  hochangestiegenen  Alters  resignierte  1685 
am  5.  Dezember  der  Generalwachtmeister  Andreas  von 
Schönberg ^*')  die  Oberkommandantschaft  zu  Dresden  und 
folgte  ihm  in  dieser  Funktion  der  Obriste  über  die  Ar- 
tillerie, auch  Oberinspektor  über  sämtliche  Festungs- 
und Zivilgebäude,  Wolf  Caspar  von  Klengel^^). 

Seiner  Befürwortung  ist  es  wohl  hauptsächlich  zu- 
zuschreiben, dass  der  Kurfürst,  dem  wiederholten  An- 
dringen der  Bürgerschaft  nachgebend,  unter  dem  1.  März 
1686  in  Dresden  wieder  eine  stehende  Besatzungstruppe 
errichten  Hess  und  zwar  unter  denselben  Bedingungen, 
wie  solche  bis  zum  Jahre  1682  obgewaltet,  indem  näm- 
lich die  Stadt  von  Gewährung  des  freien  Quartiers,  be- 
ziehentlich des  Quartier-  und  Servisgeldes  befreit  wurde. 
Die  Soldaten  hatten  sich  nunmehr  wieder  gegen  Bezahlung 
einzumiethen  und  war  dagegen  Quartier-  und  Servisgeld 
von  der  General-Kriegskasse  zu  übertragen. 

Die  Formation  der  Festungsgarde  erfolgte  in  drei 
Kompagnien  zu  1  Hauptmann,  1  Lieutenant,  1  Fähnrich, 
3  Sergeanten,  1  Capitain  d' armes,  1  Fourier,  1  gefreiten 
Korporal,  1  Musterschreiber,  6  Korporalen,  3  Trommel- 
schlägern, 2  Fourierscliützen,  30  Gefreiten  und  150  Ge- 
meinen, letztere  zum  dritten  Theil  Piqueniere  und  zu  zwei 


^)  Generalwachtmeister  von  Schönberg  starb  1688  im  August. 
Die  Erfüllung  der  von  seinem  Sohne  gestellten  Bitte,  nach  Be- 
endigung des  Trauer -Gottesdienstes  in  der  Sophienkirclie  von  der 
Soldatesca  Salven  geben  und  die  Stücke  lösen  zu  lassen,  wurde  be- 
anstandet, da  solches  nicht  gebräuchlich  und  noch  keinem  Kom- 
mandanten widerfahren  sei,  wenn  derselbe  nicht,  wie  es  beim 
Ubristen  von  Liebenau  der  Fall  gewesen,  zugleich  die  Artillerie  be- 
fehligt habe. 

•*^)  Des  Oberkommandos  über  den  Königstein,  welcher  dem 
Generalwachtmeister  von  Schönberg  ebenfalls  zugestanden,  wird 
in  seiner  Bestallung  nicht  Erwähnung  gethan.  Dagegen  behielt 
Kleugel  das  bisher  schon  seit  dem  Ableben  des  ubristen  von  Liebenau 
geführte  Oberkommando  über  den  Souuenstein  bei. 

17* 


260  ^-  ^'0"  Minckwitz: 

Dritteln  Musketiere*^).  Hierüber  gehörten  zum  Stabe 
ausser  dem  Oberkommandanten,  dem  seit  dem  April 
1689  zum  Generalwaclitmeister  beförderten  Obristen  von 
Klengel,  dem  Kommandanton  in  Alten-Dresden  (Neustadt) 
Obristen  von  Fölkersam  und  dem  Stadtmajor  Döring, 
1  Obristwachtmeister,  1  Auditeur,  1  Adjutant,  1  Sekretär, 
1  Garnisonsfeldscheer,  1  Kegimeutstambour,  4  Schalmey- 
pfeifer  und  der  Profos  mit  seinen  Leuten. 

Als  1691  am  10.  Januar  der  Generalwachtmeister  von 
Klengel  verstarb,  trat  an  seine  Stelle  als  Oberkomman- 
dant der  Residenzfestung  Dresden  der  Generalwaclit- 
meister Hans  Rudolph  von  Minckwitz. 

Bereits  im  Anfange  des  folgenden  Jahres  Hess  in  der 
Absicht;  die  stehende  Besatzung  zu  Dresden  wieder  auf- 
zuheben, der  inzwischen  zur  lieffierunji:  orelano-te  Kurfürst 
Johann  Georg  IV.  das  Garnisonsbataillon  des  Generals 
von  Minckwitz  in  ein  Feldbataillon  umwandeln  unter 
Erhöhung  des  Etats  von  drei  auf  fünf  Kompagnien. 

9.     Die  Landesdefcnsionskompaguien 
1682  bis  1692. 

In  Ansehung  der  drohenden  Türkengefahr  begehrte 
Kurfürst  Johann  Georg  III.  im  Jahre  1683  das  Aufgebot 
der  Defensionsmannschaft,  allein  ehe  es  zur  Musterung 
kam,  erfolgte  nach  der  Niederlage,  welche  die  Türken 
mittlei'wcile  vor  Wien  erlitten,  eine  abermalige  Suspension 
des  Defensionswerkes,  und  erst  im  Jahre  1688,  als  der 
Kurfürst  die  geworbene  Mannschaft  ins  Reich  zu  führen 
im  Begriff  stand,  drang  er  von  neuem  auf  dessen  Re- 
aktivierung. 

Im  Verfolg  dessen  Hess  damals  der  Kurfürst  die  sechs 
Defensionskompagnien  in  zwei  Regimenter  formieren"*'') 
und  den  Etat  der  in  Wartegeld  stehenden  Offiziere,  Unter- 
offiziere und  Spielleute  nicht  allein  ergänzen,  sondern 
denselben  auch  bei  jeder  Kompagnie  um  einen  Lieutenant 
vermehren. 


^®)  Die  erste  Kompagnie  war  die  Leibkompagnie  des  Ober- 
kommandanten,  während  die  beiden  anderen  Kompagnien  vom  Obrist- 
waclitmeister,  seit  1689  Obristlientenant  von  Borck,  und  vom 
liauptmann,  seit  1689  Obristwachtmeister  Knoch,   befehligt  wurden. 

^^)  Zu  des  Obristen  Georg  Rudolph  von  Minckwitz  Regiment 
gehörten  die  Kompagnien  Dresden,  Freiberg,  Zwickau,  zu  des  Obristen 
Ilans  Oeorg  von  Krosigk  Regiment  die  Kompagnien  Leipzig,  Witten- 
berg, Torgau. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     261 

Nächstdem  wurde  angeordnet,  den  zur  Musterung, 
sowie  zur  wirklichen  Dienstleistung  erforderten  Defen- 
sionern  täglich  2  Groschen  Auslösung  zu  reichen,  wie 
nicht  minder  die  gesamte  Mannschaft  mit  grauen  roth 
aufgeschlagenen  Röcken  zu  versehen**). 

Um  den  solchergestalt  erwachsenen,  nicht  unerheb- 
lichen Kostenaufwand  zu  bestreiten,  war  statt  der  par  tete 
der  dienstpflichtigen  Mannschaft  aufzubringenden  12  Gro- 
schen in  Zukunft  1  Thlr.  7  Gr.  zu  erheben. 

In  der  That  fanden  hierauf  im  Juli  1691  mit  vier- 
tägigem Exerzieren  verbundene  Musterungen  der  Defen- 
sionsmannschaft  statt*'),  und  1694  im  April  erhielten  200 
Defensioner  Befehl,  zur  Verstärkung  der  Garnison  in 
Dresden  einzurücken;  dieselben  wurden  aber  bald  wieder 
entlassen.  Bis  zum  Jahre  1697  erfolgte  sodann  kein 
neues  Aufgebot. 

10.     Die    Dresdner    Bürgerschaft   von    der    Mitte 
bis  zum  Schlüsse  des  17.  Jahrhunderts. 

Die  Dresdner  Bürgerschaft  blieb,  wie  zeither,  auch 
nach  Erlass  des  im  Oktober  1663  abgeänderten  Landes- 
defensionsrezesses  von  der  Einreihung  in  die  Defensions- 
fändel  eximiert. 

Von  einer  Dienstleistung  der  wehrhaften  Bürger 
während  der  hier  in  Rede  stehenden  zweiten  Hälfte  des 
17.  Jahrhunderts  ist  keine  andere  Nachricht  auf  unsere 
Tage  gekommen,  als  dass  bei  Einzügen  fremder  Fürst- 
lichkeiten und  anderen  festlichen  Gelegenheiten  deren  Mit- 
wirkung beansprucht  wurde.  Die  Bürgerschaft,  befehhgt 
vom  Bürgermeister  und  eingetheilt  nach  den  vier  Vierteln 
der  Stadt  in  vier  Kompagnien  Bürger  und  eine  Kompagnie 
Hausgenossen,  erschien  dann  in  gelben,  schwarz  verbrämten 
Röcken  und  bewaffnet  mit  Musketen  und  Feuerröhren**'). 


**)  Das  aus  dem  Hauptzeughause  zu  liefernde  Obergewehr  so- 
wohl, als  die  neu  anzuschaffende  Montur  hatten  die  Ortsobrigkeiten 
in  Verwahrung  zu  nehmen  und  nur  benöthigten  Falles  zur  Musterung 
oder  zur  Dienstleistung  den  Leuten  zuzustellen. 

*s)  Die  Aufforderung  an  die  Defensionsmannschaft,  sich  zu 
stellen,  erging  durch  die  Käthe  der  sechs  ausschreibenden  Städte. 
Die  Musterung  der  Dresdner  Kompagnie  erfolgte  durch  den  Obristen 
von  Minckwitz  am  7.  und  U.  Juli  bei  Pirna  und  bei  Dresden. 

■*")  Eine  sechste  Kompagnie  pflegten  Schanzgräber  zu  bilden 
in  grauen  Röcken  und  Bauerhüten,  ausgerüstet  mit  Spitzhauen, 
Schaufeln,  Hebebäumen,  Grabscheiten  und  ßadehauen. 


262  ^-  ^on  Minckwitz: 

Die  Offiziere^  bei  jeder  Kompagnie  ein  Hauptmann,  ein 
Lieutenant  und  ein  Fändricli,  waren  Rathsverwandtc  oder 
Viertelsmcister,  von  denm  die  ersterrn  gelbe  Ecliarpen, 
die  letzteren  rotlie  Ecliarpen  trugen.  Jede  Kompagnie 
hatte  ihr  eigenes  Fändel,  welches  der  Landesherr  gab^'). 
Als  im  Jahre  1(587  zum  Empfange  eines  füi-stlichen 
Gastes,  nebst  der  gesamten  Garnison,  auch  die  Bürger- 
sciiait  sich  unter  Waffen  /ai  stellen  beordert  wurde,  Hess 
Kurfürst  Johann  Georg  III.  derselben  nach,  in  ilirer  täg- 
lichen Kleidung  zu  erscheinen,  weil  die  bisher  getragenen 
Bürgerröckchen  zu  kurz  und  zu  altmodisch  sich  aus- 
nehmen würden,  doch  solle  auf  Neuanschaffung  derselben 
nach  geeignetem  Muster  Bedacht  genommen  werden. 

11.  Die  Besatzung  von  Dresden    1692  bis  1708. 

1692  am  4.  Mai  erging  Ordre,  dass  das  Bataillon 
von  Minckwitz,  nachdem  der  Kurfürst  willens  sei,  das- 
selbe in  der  Garnison  zu  Dresden  durch  einige  Kom- 
pagnien vom  Leibregiment  ablösen  zu  lassen,  sich  bereit 
halten  solle,  anderweit  Quartiere  zu  beziehen***).  Der 
Ausmarsch  verzögerte  sich  jedoch  noch  um  mehrere  Wochen 
und  erfolgte  erst  am  18.  Juli.  Denselben  Tag  rückten 
sieben  Kompagnien  vom  Leibregiment  zu  Fuss  in 
Dresden  ein.  —  Die  Mannschaften  hatten  sich  gleich  der 
bisherigen    Garnison    einzumiethen*")    und    erhielten    da- 

'")  Die  Fändel  ■waren:  beim  ersten  Viertel  schwarz,  gelb  ein- 
gefasst,  mit  dem  E,autenkran/,e,  den  Knrschwertern  nnd  dem  Kur- 
hute; beim  zweiten  Viertel  gelb,  roth  und  weiss  eingefasst,  mit  dem 
Meissnischen  schwarzen  Löwen ;  beim  dritten  Viertel  blau,  roth  ein- 
gefasst,  mit  dem  gekrönten  roth  und  weissen  Löwen  der  Landgraf- 
schaft Tliüringen;  beim  vierten  Viertel  rotli,  mit  des  Burggrafthunis 
Magdeburg  weissen  halbem  Adler  und  drei  weissen  Balken ;  bei 
den  Hausgenossen  gelb,  schwarz  eingefasst,  mit  dem  Rautenkranze, 
den  Kurschwertern  und  dem  Kurhute  auf  der  einen,  sowie  mit  des 
llathes  zu  Dresden  Wappen  auf  der  anderen  Seite. 

■*8)  Am  .5.  Juli  fand  in  Gegenwart  des  Kurfürsten  die  Musterung 
der  fünf  Kompagnien  statt  und  besetzte  während  der  Dauer  der- 
selben die  Bürgerschaft  die  Thore  der  Stadt. 

'»)  Dem  an  den  Kath  zu  Dresden  deshalb  ergangenen  Reskripte 
zufolge,  beabsichtigte  der  Kurfürst,  um  die  Bih-gerschaft  der  Ein- 
quartierung zu  überheben,  für  die  Garnison  Baracken  bauen  zu 
lassen,  wozu  unter  Berufung  auf  eine  zu  Zeiten  des  Kurfürsten 
Johann  Georg  III.  ertheilto  Zusage  der  Rath  ein  erhebliches  bei- 
steuern sollte.  Das  Projekt  scheiterte  aber  an  der  Verweigerung 
der  begehrten  Zubusse.  Im  Mai  1C99  wurde  sodann,  mit  nicht 
besserem    Erfolge,    der    Rath    aufgefordert,    vorschussweise  zur  Er- 


Pie  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     263 

gegen  Quartier-  und  Scrvisgeld  aus  der  General-Kriegs- 
kasse. 

1693  am  1.  Mai  übertrug  der  Kurfürst  nach  Er- 
nennung des  General  Wachtmeisters  von  Minckwitz  zum 
Gouverneur  zu  Leipzig"'**')  das  Oberkommando  in  der 
Haupt-  und  Residenzfestung  Dresden  dem  im  folgenden 
Jahre  zum  Generallieutenant  beförderten  Generalwacht- 
meister Cuno  Christoph  von  Birkholz. 

Nachdem  hierauf  1694  im  Januar  8  Kompagnien 
vom  Regiment  von  Birkholz  die  in  Dresden  stehenden 
Kompagnien  der  Leibgarde  zu  Fuss  abgelöst  hatten^^), 
rückten  im  Mai  1695  wieder  1476  Mann  von  der  Leib- 
garde zu  Fuss  zur  Garnison  in  Dresden  ein  und  waren 
dieselben,  trotz  des  lebhaften  Einspruches  des  Stadtrathes, 
mit  Quartier  und  Lagerstatt,  sowie  mit  Servis  zu  ver- 
sehen, indem  der  Zustand  der  General-Kriegskasse  nicht 
gestattete,  den  hierfür  gewährten  Zuschuss  fernerweit  zu 
bestreiten.  Jeder  Hausbesitzer  konnte  sich  jedoch  durch 
Entrichtung  des  bisher  ex  cassa  an  Quartier-  und  Servis- 
geldern  gereichten  Betrages  von  der  Einquartierung  be- 
freien. 

Die  Übernahme  der  polnischen  Königskrone  durch 
Kurfürst  Friedrich  August  und  die  hierdurch  bedingte 
Berufung  der  Armee  zu  kriegerischer  Wirksamkeit  ver- 
fehlte nicht,  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  die  Dresdner 
Besatzungsverhältnisse  auszuüben. 

Zunächst  erging  im  September  1697  Befehl,  die  in 
Dresden,  Wittenberg  und  der  Pleissenburg  liegende,  zum 
Aufbruche  nach  Polen  beorderte  Soldatesca  durch  De- 
fensioner  abzulösen^^),  imd  gleichzeitig  wurde  dem  Ge- 
nerallieutenant von  Birkholz,  welcher  den  Oberbefehl 
über  die  gesamte  in  Sachsen  verbleibende  streitbare  Macht 


bauung  von  „Cazernen"  längs  der  Alten -Dresdner  (Neustädter) 
Courtineu  8000  Thaler  aufzubringen,  welche  derselbe  durch  An- 
sammlung des  Wachtthalers  wieder  restituiert  erhalten  sollte. 

^)  Zu  gleicher  Zeit  verlieh  der  Kurfürst  das  Bataillon  des 
Generals  von  Minckwitz,  welches  nach  dem  Abmärsche  von  Dresden 
Quartiere  im  Erzgebirge  bezogen  hatte,  dem  Obristen  Grafen  Dohna. 

'^i)  Die  1692  in  Dresden  eingerückten  sieben  Kompagnien 
waren  im  Frühjahr  1693  mit  ins  Feld  marschiert  und  durch  fünf 
andere  Kompagnien  der  Leibgarde  ersetzt  worden. 

52)  Nach  dem  Abmärsche  der  Leibgarde  zu  Fuss  auf  das 
Rendez-vous  der  Truppen  bei  Guben  bis  zum  Eintreifen  der  Defen- 
sioner  versahen  Rekruten  und  Abtheüungen  durchmarschierender 
Regimenter  den  Wachtdienst  iu  Dresden. 


264  -A-.  von  Minckwitz: 

übernahm,  die  bisher  den  Gelieiraen  Kriegsräthen  zu- 
stellende Disposition  über  die  beiden  Defensionsregi- 
menter  aufgetragen.  Die  in  Garnisonen  verlegten  De- 
fensioner  erhielten  Sold  und  Verpflegung  gleich  den 
geworbenen  Soldaten'''^).  Nach  Dresden  kamen  zur  Be- 
satzung 600  Mann  von  des  Christen  von  Rodewitz  Re- 
giment'''^). 

Am  15.  Dezember  1697  ernannte  der  König  den 
Oberkommandanten  zu  Dresden  und  Obristen  der  Leib- 
garde zu  Fuss,  Generallieutenant  Cuno  Christoph  von 
Birkholz,  zum  General  der  Infanterie,  sowie  ferner  1698 
am  6.  Mai  in  besonderer  Anerkennung  der  geleisteten 
treuen  Dienste  zum  Gouverneur  und  Oberkommandanten 
der  Festungen  Neu-  und  Alten- Dresden,  auch  Königstein 
und  Sonnenstein'^'*). 

1698  am  4.  Juli  lösten  acht  Kompagnien  von  den 
unter  dem  Kommando  des  Herzogs  Ferdinand  Wilhelm 
von  Würtemberg  in  sächsische  Kriegsdienste  überlassenen 
dänischen  Truppen  die  in  Dresden  als  Garnison  stehenden 
Defensioner  ab,  marschierten  aber  bereits  im  Juni  1699 
wieder  aus,  worauf  zwei  Bataillone  des  aus  Polen  zurück- 
kehrenden Regiments  von  Röbel  zur  Garnisonierung  nach 
Dresden  beordert  wurden.  Da  dieselben  jedoch  vor  an- 
fangs Juli  nicht  eintreffen  konnten,  musste  inzwischen 
die  Dresdner  Bürgerschaft  nebst  einer  in  Eile  zusammen- 


^^)  Auf  Antrag  des  Geheimen  Kriegsraths  wurde  diese  Bestim- 
mung im  Januar  1(598  dahin  modifiziert,  dass  jeder  Offizier  über 
das  ihm  aus  der  Steuer  zu  gewährende  Wartegeld  einen  Zuschuss 
aus  der  General-Kriegskasse  zu  empfangen  habe,  so  dass  sein  Trak- 
tament  V4  des  Traktaments  eines  Offiziers  bei  der  Miliz  betrüge. 
Jedem  Unteroffizier  sollte  über  sein  Wartegeld  aus  der  Defensions- 
Kreiskasse  1  Thaler  Zulage  und  jedem  Gemeinen,  der  nichts  als 
die  Quatember-Freiheit  geniesse,  eine  Löhnung  von  P/o  Thalern 
monatlicli  gegeben  werden. 

'^)  Das  'im  Jahre  1689  dem  Obristen  Georg  Rudolph  von 
Minckwitz  verliehene  Defensionsregiment  (die  Kompagnien  Dresden, 
Freiberg  und  Zwickau)  hatte  im  März  1693  der  Obrist  von  Nostitz 
uiul  1697  im  Frühjahr  der  Obrist  von  Rodewitz  erhalten. 

^'^')  Dem  Gouverneur  von  Dresden  standen  auch  ausserhalb 
seines  militärischen  Wirkungskreises  in  Beziehung  auf  polizeiliehe 
und  namentlich  baupolizeiliche  Bestimmungen  sehr  ausgedehnte  Be- 
fugnisse zu.  Allmählich  beschränkten  sich  dieselben  jedoch  durch  die 
im  Verlaufe  der  Jahre  in  der  Organisation  der  Behörden  einge- 
tretenen Veränderungen.  Vergl.  darüber  Hasche,  Beschreibung 
von  Dresden  II,  600  tig. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.    265 

gebrachten  Abtheilung  von  Defensionern  den  Waclitdienst 
versehen. 

Im  April  1700  kehrte  sodann  das  Regiment  Röbel 
wieder  nach  Polen  zurück,  und  zur  Besetzung  von 
Dresden  wurden  aufs  Neue  800  Mann  Defensioner  auf- 
geboten'^^). 

Theils  aber  stellten  sich  dieselben  sehr  unvollständig, 
theils  musterte  von  den  erschienenen  Leuten  General  von 
Birkholz  bei  den  im  Mai  und  November  stattfindenden 
Besichtigungen'^'^)  eine  grosse  Anzahl  als  untüchtig  aus, 
worauf  ein  strenges  Mandat  wegen  Ergänzung  der  man- 
gelnden Mannschaft  erging.  Allein  ehe  ein  Erfolg  hier- 
von zu  erwarten  stand,  entliess  man  die  Defensioner  im 
November,  wogegen  das  Regiment  von  Neitzschitz  in 
Dresden  einrückte. 

Im  Dezember  1700  starb  General  von  Birkholz  und 
unter  dem  15.  Januar  1701  folgte  ihm  der  zum  General- 
Feldzeugmeister  beförderte  Generallieutenant  Otto  Christian 
Graf  ZinzendorfF  als  Gouverneur  und  Oberkommandant 
der  Festungen  Dresden^  Königstein  und  Sonnenstein,  so- 
wie als  Oberkommandant  der  gesamten  Landrailiz. 

Vom  April  1701,  wo  das  Regiment  Neitzschitz  wieder 
ausmarschierte,  standen  Defensioner,  vom  Juli  1701  bis 
Juni  1702  neun  Kompagnien  vom  Regiment  Pistoris, 
dann  wieder  Defensioner,  zur  Garnison  in  Dresden'^^). 

Aus  jener  Zeit  rührt  das  Anerbieten  des  Unter- 
kommandanten in  Neu- Dresden  (Altstadt),  Generalmajors 
Georg  Friedrich  von  Birkholz  her,  ein  Bataillon  zur  be- 
ständigen Garnison  in  Dresden  aufzurichten,  um  den 
vielfachen  Inconvenienzen  Abhilfe  zu  schaffen,  welche  der 
beständige  Wechsel  der  Garnison  mit  sich  bringe.  Der 
König  erklärte  sich  hiermit  auch  einverstanden,  docli 
unterblieb  die  Ausführung  jedenfalls  in  Ermangelung  der 
nöthigen  Geldmittel  und  dauerte,  wie  in  den  letztver- 
flossenen  Jahren,   der    unablässige   Wechsel    in    der    Be- 


^ö)  Im  Mai  1700  vermeldete  General  von  Birkholz  dem  Rathe 
zu  Dresden,  dass  der  König  die  Kleidung  der  Defensioner  sowohl 
in  Farbe  als  in  Fagon  ändern  zu  lassen  beabsichtige  und  solle 
nächstens  das  Modell  übersendet  werden. 

•'■')  Auch  die  Dresdner  Bürgerschaft  musterte  General  von 
Birkholz  im  Frühjahr  1700. 

^^)  1703  am  1.  Januar  wurde  Dr.  Bartholomäi  als  Garnisons- 
medicus  angestellt.  Für  die  Kur  und  freie  Darreichung  der  Me- 
dizin an  die  Unteroffiziere  und  Mannschaften  erhielt  er  monatlich 
100  Thaler. 


266  '^-  ^'0"  Miiickwitz: 

Satzung  von  Dresden  fort''").  Bald  garnisonierten  hier 
auf  längere  oder  kürzere  Zeit  Komnumdos  in  Sachsen 
anwesender  Regimenter,  bald  hielten  unter  Betheiligung 
der  stark  in  Anspruch  gcnoiunienen  Dresdner  Bürger- 
schaft die  zur  Dienstleistung  erforderten  Defensioner  die 
Thore  und  Wachtposten  besetzt. 

Allgemach  versagte  jedoch  der  Mechanismus  des 
Landesdefensionsrezesses  seinen  Dienst.  Die  Defensioner 
begannen  mehr  und  mehr  den  so  häufig  wiederholten  Auf- 
geboten sich  zu  entziehen,  und  bei  den  herrschenden 
politischen  und  finanziellen  Wirren  sahen  die  Behörden 
sich  ausser  Stande,  den  dringenden  Anmahnungen  des 
Generals  Grafen  Zinzendorff,  die  erforderliehe  Mannschaft 
zu  stellen,  Nachdruck  zu  geben. 

Ohnehin  kehrten  nach  dem  Altranstädter  Frieden 
die  Truppen  aus  Polen  nach  Sachsen  zurück,  und  vom 
Frühjahr  bis  zum  Herbst  1707  standen  in  Dresden  die 
Trünimer  von  beinahe  sämtlichen,  allerdings  in  ihrem 
Sollbestande  äusserst  reduzierten  Infanterieregimentern, 
nämlich  in  Neu- Dresden  (Altstadt):  die  Garde  zu  Fuss 
und  die  Hausartillerie -Leibkompagnie,  in  Alten -Dresden 
(Neustadt):  ein  Bataillon  ßeibnitz,  ein  Bataillon  Droste 
und  einige  Mannschaften  vom  Regiment  Wackerbarth, 
in  den  zehn  Gemeinden  vor  dem  Pirnaischen  und  Wils- 
drufler  Thore:  die  Regimenter  Königin,  Kurprinz,  Fürsten- 
berg, Wostromirski  und  hierüber  3  Artilleriekompagnien, 
die  Pontoniers  und  Mineurs. 

Doch  wurde  nach  dem  Abzug  der  Schweden  aus 
Sachsen  im  Oktober  1707  der  grösste  Theil  dieser  Truppen 
in  andere  auf  das  ganze  Land  repartierte  Quartiere  verlegt. 

12.     Die   Besatzung  von  Dresden  1708  bis  1717. 

1708  am  1.  Januar  übernahm  an  Stelle  des  in 
den  Ruhestand  tretenden  General- Feldzeugmeisters  Otto 
Christian  Grafen  Zinzendorff  die  Funktion  als  Gouverneur 
und  Oberkommandant  zu  Dresden,  sowie  des  König- 
steins und  Sonnensteins  der  General  der  Kavallerie  Jacob 
Heinrich  Graf  Flemming,  welcher  alsbald  beantragte, 
Dresden  wieder  mit  einer  stehenden  Garnison  zu  versehen. 


■'»)  I70(i  am  25.  Jimi  trafen  1500  Mann  Russen  bei  Dresden 
ein  und  schlugen  ihr  Lager  vor  dem  schwarzen  Thore  au  der  Elbe 
auf,  zogeu  aber  im  September  wieder  ab. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     267 

Anfangs  war  man  zweifelhaft,  ob  die  hierzu  nöthige 
Mannschaft  angeworben  oder  den  Defensionern  entnommen 
werden  solle,  doch  fiel  die  Entscheidung  zu  Gunsten  des 
letztgedachten  Modus  aus  und  bildete  dies  die  hauptsäch- 
liche Veranlassung  zu  einer  vollständigen  Neugestaltung 
des  Landesdefensionsvvesens. 

Nachdem  nämlich  bereits  im  Jahre  1705,  dem  Prin- 
zipe  der  Defensionsverfassung  entgegen,  die  Hälfte  der 
Defensioner,  also  1500  Mann,  in  einem  Regiment  unter 
dem  Kommando  des  Obristen  von  Seyfertitz  zusammen- 
gestellt worden,  das  Regiment  an  den  Rhein  marschiert, 
in  Hagenau  in  französische  Gefangenschaft  gerathen,  aber 
1707  in  die  Heimath  zurückgekehrt  war,  Avurde  durch 
Verordnung  vom  24.  April  1708  der  Landesdefensions- 
rezess  vom  Jahre  1663  für  alle  Zeiten  aufgehoben^''), 
Avogegen  jedoch  der  König  die  Stellung  derjenigen  1500 
Defensioner,  welche  1705  nicht  mit  ins  Reich  marschiert 
waren,  zur  Formierung  eines  Dresdner  Garnisonsregi- 
mentes, sowie  zu  deren  Ausrüstung  die  Entrichtung  eines 
■»■Beitrages  von  20  Thalern  für  jeden  Mann  der  übrigen 
dienstpflichtigen  Defensionermannschaft  begehrte.  Das 
aus  gedachten  1500  Mann  in  drei  Bataillonen,  jedes  Ba- 
taillon zu  fünf  Kompagnien,  errichtete  Regiment,  welches 
den  Garnisonsdienst  nicht  allein  in  Dresden,  sondern 
auch  auf  der  Festung  Königstein  und  den  festen  Häusern 
Sonnenstein  und  Stolpen  zu  versehen  hatte,  verlieh  der 
König  unter  dem  2.  Juni  1708  dem  Gouverneur  General 
Grafen  Flemming. 

Der  Etat  des  Regiments  war  der  nachstehende: 

Der   Stab:    1  Obrist,    der   General    Graf   Flemming, 
1  Obristlieutenant,    2   Majors    in   Dresden,    1  Major    auf 


öo)  Die  Ritterpferdregiraenter  blieben  bestehen.  Zum  Ersatz 
der  Landesdefensionsregimenter  liess  der  König  im  Juli  1710 
Kreisregimenter  errichten,  in  welche  die  gesamten  jungen  Mann- 
schaften zwischen  20  und  40  Jahren  einzureihen  waren.  Dieselben 
sollten  durch  Offiziere  und  Unteroffiziere  in  Abtheilungen  zu  50 
Mann  einexerziert  werden.  Die  Kreisregimenter  erhielten  die  Be- 
stimmung, eventuell  in  Garnisonen  oder  bei  Grenzpostierungen  Ver- 
wendung zu  linden.  Auch  nach  Dresden  wurden  zeitweilig  Ab- 
theilungen derselben  kommandiert  und  unter  auderm  rückten  im 
Jahre  1716,  als  von  der  Garnison  250  Mann  nach  der  Grenze  mar- 
schiert waren,  an  deren  Stelle  250  Mann  Landmiliz  ein,  welche  nur 
in  leinene  Kittel  gekleidet  am  17.  August  zuerst  die  Wachen  bezogen. 
Die  Kreisregimenter  wurden  1717  ihrer  Dienstleistung  enthoben, 
später  aber  wieder  aufgerichtet  und  haben  bestanden  bis  zur  Zeit 
des  siebenjährigen  Krieges. 


268  A.  von  Miuckwitz: 

dem  Königstein,  1  Major  auf  dem  Sonnenstein,  1  Regiments- 
quartierraeister,  1  Regimentssclmltheiss,  1  Regiments- 
uktuar,  2  Adjutanten,  1  Regimentsfeldscheer  mit  6  Ge- 
sellen, 1  Feldsclieer  auf  dem  Königstein,  1  Feldschecr 
auf  dem  Sonnenstein,  1  Profos  mit  seinen  Leuten,  6  Hautbois. 

Bei  15  Kompagnien  —  nämlich  der  Leib-  (Grenadier-) 
Kompagnie  des  Generals  Grafen  Flemming,  den  Kom- 
pagnien des  Uuterkommandanten  in  Neu -Dresden  (Alt- 
stadt) Generallieutenants  Wostromirski,  des  Konnnan- 
danten  in  Alten -Dresden  (Neustadt)  Generalmajors  von 
Borck,  des  Kommandanten  vom  Königstein  Generalmajors 
von  Ziegler,  des  Kommandanten  vom  Sonnenstein  Obristen 
Knoch,  des  Obristlieutenants  Hildebrand,  den  zwei 
Majors-  und  sieben  Kapitänskompagnien  — :  15  Kapitäns, 
4  Stabskapitäns,  13  Premierlieutcnants,  15  Souslieute- 
nants,  3  Fähnriche,  30  Sergeanten,  15  Fouriere,  3  Fahnen- 
junker, 60  Korporale,  3  Querpfeifer,  30  Tambours,  240 
Gefreite  und  1260  Gemeine,  letztere  mit  einem  Trakta- 
mente  von  monatlich  2  Thlr.   16  Gr. 

Die  Offiziere  sowohl  als  die  Mannschaften  hatten 
sich  selbst  einzumiethen,  erhielten  aber  Quartier-  und 
Servisgeld. 

Von  den  drei  Bataillonen,  in  welche  die  15  Kom- 
pagnien eingetheilt  waren,  befehligte  das  erste  der  Obrist- 
lieutenant  Hildebrand,  das  zweite,  zu  welchem  die 
Königsteiner  Kompagnie  gehörte,  der  Generallieutenant 
Wostromirski,  das  dritte,  zu  welchem  die  Sonnensteiner 
Kompagnie  gehörte,  der  Generalmajor  von  Borck. 

Infoloe  einer  1709  am  28.  Dezember  vom  König 
mit  dem  Grafen  Flemming  abgeschlossenen  Kapitulation, 
erhöhte  derselbe  den  Etat  seines  Regimentes  auf  18  Kom- 
pagnien und  im  Frühjahr  1711  liess  Graf  Flemming 
hierzu  abermals  6  Kompagnien  anwerben.  Die  nunmehr 
vorhandenen  24  Kompagnien  wurden  jedoch  in  zwei  Re- 
gimenter formiert,  von  denen  das  eine  (nachmals  Regiment 
Graf  Waekerbarth)  Quartiere  in  der  Lausitz  angewiesen 
erhielt,  sodass  zur  Besatzung  von  Dresden  mit  dem  König- 
stein   und    Sonnenstein    nur    12    Kompagnien    verblieben. 

Wegen  der  Dauer  der  Dienstzeit,  zu  welcher  die  im 
Jahre  1708  eingereihten  Defensioner  verpflichtet  sein  sollten, 
war  offenbar  kein  bestimmtes  Abkommen  getroffen  worden, 
doch  geht  aus  einem  im  Juni  1710  ergangenen  Reskripte 
hervor,  dass  man  eine  vierjährige  Dienstpflicht  voraus- 
setzte,   und   in    der    That    erfolgte    im    Jahre    1712    die 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     269 

Entlassung  der  Defensloner,  worauf  die  Kapitäns  ihre 
Kompagnien  durch  Anwerbung  ergänzten,  ohne  dass  die 
Einreihung  von  Defensionern  oder  sonst  vom  Lande  zu 
stellenden  Mannschaften  fernerweit  in  Kede  kam. 

Jedenfalls  aus  Anlass  der  im  Verlaufe  des  letzt- 
gedachten Jahres  erfolgten  Ernennung  des  Grafen  Flem- 
ming  zum  General- Feldmarschall  überliess  derselbe  unter 
dem  1.  Januar  1713  das  Gouvernement  zu  Dresden  nebst 
dem  hiervon  dependlerenden  Oberkommando  über  den 
Königsteiu,  den  Sonnenstein  und  das  Garnisonsregiment 
dem  General  der  Kavallerie  Leberecht  Gottfried  Jahnus 
von  Eberstett. 

Nach  dem  gegen  Ende  des  Jahres  1716  beendeten 
Pazifikati onslandtage  zu  Warschau  und  der  im  Verfolge 
desselben  eintretenden  bedeutenden  Reduktion  der  säch- 
sischen Armee,  erging  unter  dem  25.  April  1717  Befehl, 
auch  das  Garnisonsregiment,  dessen  Fahnen  und  Waffen 
der  Gouverneur  an  das  Hauptzeughaus  abzuliefern  hatte, 
zu  entlassen.  Beibehalten  wui'den  der  Gouvernements- 
adjutant, der  Stadtmajor,  der  Garnisonsprediger,  sowie 
der  Garnisonsmedikus,  und  neu  hinzu  trat  ein  Platz- 
major. 

13.  Die  Dresdner  Garnison  seit  dem  Jahre  1717. 

Zum  Ersatz  des  reduzierten  Garnisonsregiments 
rückten  zunächst  im  April  1717  die  Regimenter  Wacker- 
barth und  Seissan,  im  November  aber  an  deren  Stelle 
die  beiden  Regimenter  Garde  zu  Fuss  als  Festungs- 
besatzung in  Dresden  ein,  und  Inhalts  eines  an  den  Ge- 
neral-Feldmarschall Grafen  Flemming  gerichteten  könig- 
lichen Reskriptes  sollten  hinfür  die  Regimenter  Infanterie 
alljährlich  sich  in  diesem  Dienste  ablösen*^). 

Eine  Änderung  hierin  fand  zwar  bald  insofern  statt, 
als  die  im  Jahre  1729  errichtete  Leib  -  Grenadiergarde, 
mit  der  Bestimntiung,  am  Garnisonsdienste  Theil  zu  nehmen, 
beständige   Quartiere   in  Dresden   angewiesen   erhielt,  im 

ßi)  Die  Errichtung  des  Lustschlösser-Bataillons  im  Jahre  1723 
übte  keinen  Einfluss  auf  die  Dresdner  Garnisonsverhältnisse,  da 
die  vier  Kompagnien  dieses  Bataillons  nur  zur  Besetzung  eles  Ja- 
panischen Palais  in  Dresden,  sowie  der  Schlösser  Pillnitz,  Moritzburg 
und  Wermsdorf  (Hubertusburg)  bestimmt  waren.  Im  königlichen 
Schlosse  versah  den  Herren-Wachtdienst  die  Garde  du  corps  und 
den  übrigen  Schlosswachtdienst,  bis  zu  ihrer  Auflösung  im  Jahre 
1813,  die  Schweizer  Leibgarde. 


270  A.  von  Miiickwitz: 

Übrigen  bewahrte;  jedoch  die  Anordnung  wegen  des 
jährlichen  Abwechseins  der  Feldregivnenter  im  Garnisons- 
dienste, nur  durch  aussergewöhnliche  Vorfallenheiten 
unterbrochen,  ihre  Geltung  bis  in  die  neuere  Zeit'*"-). 

Auch  nach  der  im  Jahre  1809  anbefohlenen  Auf- 
hebung der  Eigenschaft  Dresdens  als  Festung,  sowie  nach 
der  im  Jahre  1820  erfolgten  Reduktion  der  Leib-Grenadier- 
garde auf  eine  nur  mit  dem  Schlosswachtdienst  betraute 
Gardedivision ^'^j  versahen  dann  fernerweit  von  Zeit  zu 
Zeit  sich  ablösende  Infanterieregimenter  den  Garnisons- 
dienst. Grössere  Stabilität  trat  erst  seit  dem  Jahre  1831 
ein  und  ereignete  sich  in  den  letzten  fünfzig  Jahren  nur 
seltener  Wechsel  unter  den  zur  Garnisonierung  in  der 
Residenz  kommandierten  Regimentern. 

Zur  Zeit  stehen  hierselbst  im  beständigen  Quartier: 
von  der  Infanterie  die  beiden  Grenadier-Regimenter,  das 
Schützenregiment  und  das  zweite  Jägerbataillon,  sowie 
von  anderen  Truppenabtheilungen,  welche  am  Wacht- 
dienste  keinen  oder  unwesentlichen  Theil  nehmen:  das 
Garde  -  Reiterregiment,  acht  Feld  -  Artilleriebatterien,  das 
Pionierbataillon  und  das  Trainbataillon. 

14.   Einquartierungs  V  erhältn  i  sse 
seit   dem  Jahre   1717. 

Die  Einquartierungsverhältnisse  im  18.  Jahrhundert 
und  im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  anbelangend,  so 
waren  die  bereits  aus  der  Zeit  des  Kurfürsten  Johann 
Georg  III.  herrührenden  Projekte  zur  Kasernierung,  selbst 
nach  dem  im  Jahre  1732  in  der  Neustadt  unternommenen 
Bau  einer  Kaserne,  nicht  zur  Ausführung  gekommen  und 
die  Benutzung    der  letzteren  anderen  Zwecken  gewidmet 


"-)  Der  tägliche  Wachtbedarf  berechnete  sich  1725  bei  einer 
Stärke  der  Garnison  von  1626  Mann  auf  461  Mann,  17.36  bei  einer 
Stärke  der  Garnison  von  2934  Mann  auf  525  Mann.  In  der  Zeit 
zwischen  1736  und  1763  stieg  der  Bedarf  sogar  auf  661  Mann,  in- 
dem nicht  allein  die  üeneräle  und  Keginientskommandanten,  son- 
dern auch  die  Minister  und  hohen  Ilofchargen  Scliildwachen  bean- 
spruchten. Nach  dem  siebenjährigen  Kriege  wurden  41  Wacht- 
posten eingezogen,  trotzdem  waren  täglich  noch  449  Mann  zum 
Wachtdienste  erforderlich  und  halten  dieselben  109  Posten,  ein- 
schliesslich 7  Nachtposten,  zu  besetzen. 

"^j  Die  Gardedivision  wurde  im  Jahre  1848  aufgelöst  und 
geben  nunmehr  die  in  Dresden  garnisonierenden  Infanteriereginienter 
die  zur  Besetzung  der  Schlösser  zu  Dresden  und  Pillnitz  erforder- 
liche Wachtmanuschaft. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     271 

worden.  Von  der  zunächst  für  die  in  Dresden  garni- 
sonierenden  Infanterieregimenter  geforderten  Natural- 
einquartierung  blieb  die  Stadt  zwar  später  befreit,  da- 
gegen hatte  jedes  Haus  einen  anselmHchen  Beitrag  zur 
Serviskasse  zu  entrichten**^).  Mit  Ausnahme  der  Leib- 
Grenadiergarde,  welche  Quartiergeld  empfing  und  selbst 
für  ihr  Unterkommen  Sorge  zu  tragen  hatte,  wurde  die 
Mannschaft  seitens  der  Behörde  eingemiethet  und  der 
Miethzins  aus  der  Serviskasse  bestritten. 

Erst  aus  Anlass  der  eingreifenden  Veränderungen, 
welche  die  neue  Oroanisation  der  Armee  im  Jahre  1810 
herbeiführte,  trat  man  der  Idee  der  Kasernierung  wieder 
näher  und  einige  Jahre  später  fand  sich  endlich  die  Neu- 
städter grosse  Kaserne  ihrer  ursprünglichen  Bestimmung, 
die  in  Dresden  garnisonierenden  Infanterieregimenter 
aufzunehmen,  zugeführt.  Nicht  minder  wurden  in  beiden 
Theilen  der  Stadt  auch  andere  Baulichkeiten  zu  Kaser- 
nierungszwecken  eingeräumt. 

Seit  dem  Jahre  1874  begann  sodann  der  Bau  der 
stattlichen  Kasernen,  welche  nunmehr  den  Höhenrand  des 
rechten  Eibufers  krönen. 

15.   Die  wehrhafte  Dresdner  Bürgerschaft 
seit  dem  Jahre  1717. 

Die  Dresdner  Bürgerschaft  wurde,  nach  Aufhebung 
des  bisher  zwischen  Neu-  und  Alt-Dresden  hinsichtlich 
der  zu  stellenden  Mannschaft  obwaltenden  Unterschiedes, 
im  Jahre  1719  in  einem  Regiment  zu  1322  Mann  neu 
formiert  und  am  22.  August  gedachten  Jahres  dem  Gou- 
verneur General  Grafen  Wackerbarth  vorgestellt.  Obrist 
des  Regiments  war  der  älteste  Bürgermeister  Vogler,  die 
Stellen  als  Obristiieutenant  und  Major  bekleideten  die 
beiden  anderen  Bürgermeister  (Consules)  Stefigen  und 
Wörmuth,  als  Kapitäns  fungierten  Rathsmitglieder,  als 
Lieutenants  die  Viertelsmeister  und  als  Fähnriche  die  an- 
sehnlichsten Bürger.  Zum  Stabe  gehörten  ausserdem 
2  Adjutanten  und  6  Hautbois.  Eingetheilt  war  das  Re- 
giixient  in  drei  Bataillone,  jedes  zu  4  Kompagnien.  Die 
Montur,  wofür  jeder  Mann  5  Thaler  10  Groschen  zu  ent- 
richten hatte,  bestand  in  einem  weissgrauen  Rock  (Surtout) 

^)  Vor  dem  siebenjährigen  Kriege  war  monatlich  18  Groschen 
pro  mille  des  Hauswerthes  zu  entrichten.  Nach  dem  Kriege  wurde 
dieser  Betrag  auf  1  Thaler  erhöht,  bald  aber  wieder  abgemindert. 


272  A.  von  Minckwitz: 

mit  rotlien  Aufsclilägen.  Die  Strümjtfe  waren  rotli,  die 
Hüte  mit  schwarz  und  gelbem  Bande  statüert  und  mit 
Gallonen  eingefasst*'*). 

Der  König,  welcher  dem  Regiment  sechs  mit  dem 
kurfürstlichen  Wappen  geschmückte  Fahnen,  sowie  die 
später  an  das  Hauptzeughaus  wieder  abzuliefernden  Waften 
gab,  besah  selbst  auf  den  Feldern  zwischen  der  Pirna- 
schen  Vorstadt  und  dem  grossen  Garten  das  bei  dieser 
Gelegenheit  vom  Gouverneur  General  Grafen  Wackerbarth 
befehligte  Regiment. 

Dasselbe  paradierte  zunächst  bei  dem  am  2.  Sep- 
tember aus  Anlass  der  Vermählung  des  Kurprinzen  statt- 
findenden Einzüge. 

Später  geschieht  dann  des  Regiments  in  so  ausführ- 
licher Weise  nicht  mehr  Erwähnung,  allein  nicht  nur  bei 
allen  in  der  Residenz  sich  ereignenden  öffentlichen  Fest- 
lichkeiten erschien  die  wehrhafte  Bürgerschaft  in  Waffen, 
sondern  es  wurde  deren  Dienstleistung  auch  jederzeit  in 
Anspruch  genommen,  wenn  infolge  kriegerischer  Ereignisse, 
bei  Mobilmachungen  oder  beim  Ausrücken  der  Truppen 
ins  Übungslager  ein  Ersatz  der  Garnison  vollständig 
oder  theilweise  sich  erforderlich  machte*'*').  So  ist  es 
unter  anderem  bekannt,  dass  am  2.  September  1756  nach 
dem  Ausmarsche  der  Garnison  in  das  Lager  von  Struppen, 
die  Bürger  die  Thore  und  Wachten  besetzten,  von  denen 
sie  am  6.  September,  nach  erfolgter  Ablösung  durch  in- 
zwischen eingerückte  preussische  Grenadiere,  mit  klingen- 
dem Spiele  imd  fliegender  Fahne  wieder  abzogen. 

Im  Jahre  1809,  als  die  gesamte  Armee,  einschliess- 
lich der  in  Dresden  garnisonierenden  Regimenter,  Sachsen 
verliess,  um  an  dem  österreichisch-französischen  Kriege 
an  der  Donau  Theil  zu  nehmen,  wurde  aus  der  Scheiben- 
schützeugilde  und  dem  Kerne  der  Dresdner  Bürgerschaft 


•"*)  Die  statt  der  Gallonen  vorgescblagene  goldene  Schnur  fand 
der  in  die  Kommission  z\u-  Einrichtung  der  ßürgermontur  kom- 
mandierte Obrist  von  Hildebrand  zu  schneiderhaft.  Die  rothen 
Strümpfe  wurden  auf  Wunsch  der  Betheiligten  bewilligt ,  nachdem 
zuerst  weisse  Gamaschen  in  Vorschlag  gekommen  waren.. 

^)  In  den  Jahren  1780  —  1792  fanden  alljährlich  Übungslager 
der  gesamten  Armee  statt,  meist  bei  Dresden,  Leipzig,  Riesa,  Mühl- 
berg oder  Grossenhain.  Wenn  aus  solchem  Anlasse  auch  die  in 
Dresden  liegenden  Regimenter  mit  ausrückten,  pflegten  täglich 
5  Sergeanten,  15  Korporale,  4  Tambours  und  126  Mann  von  der 
Bürgerschaft  den  Wachtdienst  zu  übernehmen.  Ein  Bürger  als 
Stadtadjutant    hatte  die  Wachten   zu  vertheilen   und    zu  visitieren. 


Die  Besatzung  zn  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     273 

eine  Nationalgarde  gebildet,  welcher  sich  auch  eine  Ab- 
theilung berittener  ßürgergensdarmen  anschloss*^').  Die 
Nationalgarde,  deren  feierliche  Verpflichtung  am  29.  Ok- 
tober 18U9  vor  dem  Rathhause  stattfand,  leistete  in  den 
folgenden  Kriegsjahren  durch  Besetzung  der  Wachtposten, 
Transporte  von  Militäreftekten,  Patrouillen  nnd  die  Über- 
nahme anderer  dergleichen  Obliegenheiten  wesentliche 
Dienste. 

Im  Verfolge  der  in  Dresden  entstandenen  Unruhen 
vollzog  sich  im  Jahre  1830  die  Auflösung  der  National- 
garde, indem  dieselbe  in  der  neu  errichteten  Kommunal- 
garde aufging. 

Als  letztere  beim  Ausbruche  des  Mal- Aufstandes 
1849  zur  Aufrechterhaltung  der  Ordnung  sich  als  unge- 
nügend erwies,  wurde  am  9  August,  unter  Suspension 
ihrer  zeitherigen  Dienstleistung,  deren  Reorganisation  an- 
geordnet. Der  Entwurf  zu  einer  neuen  Formation  in 
5  Bataillonen,  das  Bataillon  zu  500  Mann,  war  auch  im 
November  vollendet,  allein  ins  Leben  ist  das  Institut  einer 
Bürgerwehr  nicht  wieder  getreten. 


Anlage  A. 


"ö* 


Die  Wohnung  der  Stadtkommandanten.        ' 

Über  die  Wohnungsverhältnisse  des  Stadtkomman- 
danten reichen  die  Nachrichten  zurück  bis  zum  Anfange 
des  17.  Jahrhunderts. 

Einem  bei  Gelegenheit  der  Ernennung  Rudolphs 
von  Carlowitz  zum  Stadthauptmann  an  die  Rentkammer 
unter  dem  22.  Oktober  1607  erlassenen  Reskripte  zufolge, 
sollte  zwar  das  Quartiergeld  in  seiner  Besoldung  von 
jährlich  1000  Gülden  mit  inbegriffen  sein,  allein  die  vor- 
handenen Quellen  ergeben,  dass  er  trotzdem  schliesslich 
doch  freie  Wohnung  in  dem  Hause  genass,  welches  jetzt 
die   Nummer  1    am    Jüdenhofe   führt,    nachdem    dasselbe 


"■')  In  der  Militär- Rangliste  von  181.3  findet  sich  ein  Bericht 
über  die  Errichtung  der  Nationalgarde,  und  auch  die  später  er- 
schienenen Militär- Ranglisten  enthalten  bis  zum  Jahre  1830  jeder- 
zeit den  Etat  der  National-Garde. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  VII.  3.4,  18 


274  ^-  ^f'n  Mhickwitz: 

ohnehin  der  Dresdener  Besatzungstnippe  „zur  Unter- 
bringung des  Fändeis,  der  Waffen,  Rüstungen  und  der 
linderen  zum  Regiment  gehörigen  Sachen",  sowie  zu 
Expeditionen  für  Erledigung  der  bei  der  Kommandantur 
vorfallenden  Geschäfte  überlassen  worden  war. 

Hundert  Jahre  blieb  von  diesem  Zeit})unkte  an  das 
gedachte  Haus,  unter  der  Benennung  Regimentshaus,  die 
Dienstwohnung  des  jeweiligen  Kommandanten,  beziehent- 
lich, seit  1698,  Gouverneurs  der  Stadt  und  Festung 
Dresden«^). 

Als  sodann  im  Jahre  1712  der  Generalfeldmar- 
schall Graf  Flenmiing  die  Gouverneursstelle  resignierte, 
der  König  ihm  jedoch  die  Fortdauer  des  Genusses  der 
freien  Wohnung  im  Regimentshause  bewilligte,  wurde 
seinem  Nachfolger,  dem  General  Jahnus  von  Eberstett, 
ein  Quartiergeld  von  monatlich  100  Kaisergulden  aus- 
geworfen *"'). 

Nach  des  Generals  Jahnus  von  Eberstett  im  Jahre 
1718  erfolgten  Ableben  behielt  der  neu  ernannte  Gou- 
verneur,  der  Ober-Land-  und  Hauszeugmeister  General 
Graf  Wackerbarth,  seine  bisherige  Wohnung  in  dem  von 
ihm  am  Zeughause  erbauten  Palais  bei,  und  am  25.  Sep- 
tember gedachten  Jahres  überbrachte  dahin  die  Garnison 
ihre  Fahnen,  sowie  eine  Abordnung  des  Rathes  die  Thor- 
schlüssel. 

Das  Regimentsliaus  am  Jüdenhofc  betreffend,  so 
Hess  der  König,  nachdem  der  Generalfeldmarschall 
Graf  Flemming  gegen  anderweite  Entschädigung  auf  die 
freie  Wohnung  daselbst  verzichtet  hatte,  einen  Theil  der 
Kunst-  und  wissenschaftlichen  Sammlungen  hier  unter- 
bringen, und  im  Jahre  1729  schenkte  Se.  Majestät  dem 
Direktor  der  gedachten  Sammlungen  und  Galerien,  dem 
Oberkannnerherrn  General  Grälen  Friesen,  das  Haus  am 
Jüdenhofe  erb-  und  eigenthümlich. 

Infolge  dessen  trat  dasselbe  im  Jahre  1734,  als 
General  Graf  Friesen,  nach  dem  Ableben  des  General- 
feldmarschalls   Grafen    Wackerbarth,    den    Gouverneurs- 


**8)  Täglich  stellte  sich  die  Wachtparade  auf  dem  Jüdenhofe 
vor  dem  Regimentshanse.  Reilien  in  das  Pflaster  eingelassener 
heller  Steine  dienten  zur  Erleichterung  des  Alignements. 

^ö)  General  Jahnus  von  Eberstett  ermiethete  das,  vermuthlich 
auf  der  Seegasse  gelegene,  Einsiedeische  Haus. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     275 

posten  übernahm,  wieder  in  seine  alten  Rechte  als  Regi- 
mentshaus, allein  nur  vorübergehend'"),  denn  von  den 
nächsten  Nachfolgern  des  Grafen  Friesen  als  Gouverneurs 
von  Dresden  wohnte  Graf  Rutowski  in  seinem  eignen 
Hause  auf  der  Kreuzgasse '^)  und  der  Chevalier  de  Saxe 
in  dem  von  den  Erben  des  Grafen  Wackerbarth  erkauften 
Palais  am  Zeughause. 

Seit  dem  Jahre  1770,  nach  der  Resignation  des 
Chevaliers  de  Saxe  auf  den  Gouverneursposten,  erhielten 
hierauf  die  Gouverneurs  General  Graf  Baudissin  und 
General  Riedesel  Freiherr  zu  Eisenbach  ein  am  Altmarkte 
neben  dem  Rathhause  liegendes  Gebäude  unter  der  Be- 
zeichnung als  Koramandantenhaus  zur  Dienstwohnung 
überwiesen''-^),  während  deren  Nachfolger  General  von 
Pfeilitzer  genannt  Frank  und  General  von  Reitzenstein 
wieder  das  Palais  am  Zeughause  bezogen,  nachdem  der 
Kurfürst  dieses  Palais,  welches  aus  dem  Besitze  des 
Chevaliers  de  Saxe  in  den  des  Herzogs  von  Kurland  über- 
gegangen war,  im  Jahre  1796  von  der  Prinzessin  Marie, 
Tochter  und  Erbin  des  Herzogs  von  Kurland,  erkauft 
und  zur  Wohnung  des  Gouverneurs  bestimmt  hatte. 

Nach  dem  im  Jahre  1813  erfolgten  Ableben  des 
Gouverneurs  General  von  Reitzenstein  diente  das  Palais 
als  Lazareth,  und  im  Jahre  1815  wurde  es  der  medizi- 
nisch-chirurgischen Akademie  für  ihre  Zwecke  überlassen. 
Der  im  Jahre  1815  zum  Gouverneur  von  Dresden  ernannte 


™)  Die  Sammlungen  wurden  damals  meist  im  Zwinger  unter- 
gebracht. Nach  dem  Tode  des  Grafen  Friesen  besass  das  Haus 
am  Jüdenhof'e  der  Konl'erenzminister  Graf  Hennicke,  später  dessen 
Schwiegersohn,  der  Oberkonsistorialpräsident  von  ßerlepsch,  und 
verblieb  dasselbe  seitdem  im  Privatbesitze.  Während  des  sieben- 
jährigen Krieges  wohnten  sowohl  der  preussische,  als  nach  ihm  der 
österreichische  Kommandant  von  Dresden  im  ehemaligen  Regiments- 
hause. 

■'i)  Das  Palais  des  Grafen  Rutowski  lag  an  der  Ecke  der 
Kreuzgasse  und  Weissen  Gasse.  Dasselbe  hatte  elf  Fenster  Front 
in  der  Kreuzgasse  und  erstreckte  sich  durch  die  Hälfte  der  Weissen 
Gasse  bis  in  die  Frohngasse.  An  den  Hofraum  schloss  sich  ein 
Garten  mit  Orangerie,  Grotten  und  Fontänen.  In  dieser  Gestalt 
erbaut  und  hergestellt  wurde  das  Palais  nebst  Zubehör  im  ersten 
Drittel  des  18.  Jahrhunderts  vom  Oberkammerherrn  Grafen  Vitzthum. 

■^2)  Das  Kommandantenhaus  lag  in  der  Richtung  nach  der 
Löwen-Apotheke  zu,  in  einer  Front  und  unter  einem  Dache  mit 
dem  Rathhause.  Gleich  letzterem  besass  es  einen  Altan  mit  dem 
Ausblicke  auf  den  Altmarkt. 

18» 


276  A-  ^^^  Mintkwitz: 

Kabinetsminister     Generallieutenant    von  Cerrini     erhielt 
Quartiergeld. 

Dagegen  bewohnten  die  Gouverneurs  Generallieute- 
nant von  Zeschau  und  Generallieutenant  von  Gablenz 
die  zweite  Etage  im  Blockliause'^^),  welche  der  Komman- 
dant der  Neustadt  bis  zu  der  im  Jahre  1809  erfolgten 
Einziehung  dieser  Stelle  inne  gehabt  hatte. 

Nach  des  Generallicutenants  von  Gablenz  im  Jahre 
1843  erfolgten  Ableben  ermiethete  diese  Etage  der  Kriegs- 
minister General  von  Nostitz- Wallwitz,  sowie  nach  ihm 
1846  der  Kriegsminister  General  von  Oppell. 

Im  Mai  1849  befand  sich  das  Kriegsministerium, 
sowie  das  Hauptquartier  der  zur  Bekämpfung  der  In- 
surrektion bestimmten  Truppen,  daher  auch  die  Wohnung 
des  interimistischen  Gouverneurs,  Generalmajors  von 
Schulz,  im  Blockhausc,  und  seit  dem  1.  Juni  gedachten 
Jahres  bewohnte  miethweise  die  zweite  Etage  der  interi- 
mistische Gouverneur,  Generalmajor  von  Maugold. 

1851  28.  April  erfolgte  die  Verlegung  des  Kriegs- 
ministeriuras  in  das  Blockhaus,  worauf  die  interimistischen 
Gouverneurs  C^uartiergeld  erhielten,  bis  endlich  am  14.  Ja- 
nuar 1869  die  zu  diesem  Behufs  erkauften  Quandt'schen 
Häuser  No.  10  und  11  der  grossen  Klostergasse,  nächst 
dem  Generalkommando  der  Armee,  der  Stadtkomman- 
dantur zu  Geschäftsräumen  sowie  zur  Wohnung  für  den 
Kommandanten  von  Dresden  überwiesen  wurden. 


'^)  Das  Blockhaus  wurde  vom  Kurfürsten  Joluuin  Georg  III. 
statt  eines  aus  der  Zeit  des  Kurfürsten  Moritz  lierrülirenden,  dem 
Verfalle  aber  entgegen  gehenden  Triumphbogens  im  Jahre  1683 
auf  der  Brücke  angelegt.  Dasselbe  enthielt  eine  Wachtstube,  sowie 
die  Wohnung  des  Brückenzolleinnehmers  und  war  mit  fünf  Kanonen 
besetzt.  Nachdem  sodann  infolge  des  Umbaues  der  Brücke  die 
Entfernung  des  Blockhauses  nöthig  geworden,  übertrug  sich  dessen 
Name  auf  ein  im  Jahre  17:^2  an  der  Stelle  des  jetzigen  Blockhauses 
auf  dem  Grund  und  Boden  von  zwei  erkauften  Bürgerhäusern  auf- 
geführtes Gebäude,  welches  man  anfänglich  als  Pyramiden-Gebäude 
bezeichnete,  weil  es  nach  dem  Projekte  des  Königs  eine  siebenzig 
Ellen  hohe  Pyramide  tragen  sollte.  Erst  im  Jahre  1749  nach  einem 
als  Neubau  zu  betrachtenden  Umbau  erfolgte  die  Verlegung  der 
bisher  auf  dem  Marktplatze  befindlichen  Hauptwache  in  das  i5lock- 
haus  und  seit  17.52,  wo  man  eine  zweite  Etage  aufsetzte,  wohnte 
daselbst  der  jeweilige  Kommandant  der  Neustadt.  Ausserdem  be- 
fanden sich  zu  jener  Zeit  im  Blockhause  die  Expeditionen  des 
Gouvernements  und  der  Baukommission,  die  Wohnungen  mehrerer 
der  beim  Gouvernement  angestellten  Subalternen,  die  Gouvernements- 
Kriegsgerichte,  sowie  die  Zeichnenstube  der  Ingenieur-Offiziere. 


Die  Besatzung  zu  Dresden  von  der  mittelalterl.  Zeit  etc.     277 

Anlage  B. 

Die  Hauptwachen. 

Die  älteste  bekannte,  nur  aus  Holz  und  Facliwerk 
errichtete  Haupt  wache  in  der  Altstadt  stand  auf  dem 
Neumarkte.  Im  Mai  1715  wurde  dieselbe  durch  ein 
steinernes  Gebäude  ersetzt  und  kamen  aus  diesem  Anlass 
mehrere  Schwibbogen  des  Frauenkirchhofes  in  Wegfall*). 

Bei  dem  Bombardement  von  Dresden  durch  die 
Preussen  im  Juli  1760  ging  auch  die  Hauptwache  zu 
Grunde,  worauf  man  das  neue  Wachtgebäude  nicht  wieder 
auf  der  früheren  Stelle,  sondern  in  dem  zwischen  der 
Augustusbrücke  und  dem  Zwinger  gelegenen  sogenannten 
italienischen  Dörfchen  aufführte.  Die  vordere  Fagade  des 
ziemlich  langgestreckten  zwei  Gestock  hohen  Gebäudes 
zeigte  nach  Analogie  der  ein  Jahrzehnt  früher  entstan- 
denen Neustädter  Hauptwache  eine  Reihe  offener  Arkaden. 

In  den  Jahren  1830  bis  1832  erfolgte  sodann  zwischen 
Schloss  und  Zwinger  die  Erbauung  einer  neuen  Haupt- 
wache,  welche  am  3.  Dezember  1832  zum  ersten  Male 
bezogen  wurde. 

Ausser  der  Schlosswache,  der  Hauptwache  und  den 
Thorwachen  bestanden  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  in  der  Altstadt  noch  zwei  Wachen:  1.  die 
Wache  am  Taschenberge  und  2.  die  sogenannte  Galerie- 
wache, deren  Wachtgebäude  ungefähr  an  der  Stelle  der 
jetzigen  Hauptwache  lag. 

Bei  dem  im  Jahre  1750  stattfindenden  Umbau  des 
Galeriewachtgebäudes  wurde  die  Taschenbergwache  mit 
der  Galeriewache  vereinigt  und  hat  die  letztere  bestanden 
bis  zur  Abtragung  der  Festungswerke  im  Jahre  1810. 

In  der  Neustadt  stand  die  Hauptwache  auf  dem 
Marktplatze,  bis  im  Jahre  1749  das  nach  erfolgtem 
Umbau  der  Eibbrücke  1732  aufgeführte  Blockhaus  zur 
Hauptwache  eingerichtet  wurde. 


'*)  Die  Hauptwache  hatte  ausser  dem  rez-de-chaussee,  in  dem 
sich  die  "Wachtstuben  befanden,  und  dem  zu  Gefängnissen  einge- 
richteten Souterrain  zwei  Etagen.  Die  erste  Etage  enthielt  ausser 
der  "Wohnung  des  Platzadjutanten  Verhörzimmer  für  die  Kriegs- 
und Staudgerichte.  In  der  zweiten  Etage  wurde  der  Gottesdienst 
für  die  Garnison  abgehalten.  Eine  sehr  ausführliche  Beschreibung 
des  Hauptwachgebäudes  enthält  das  Werk  Iccander's :  Das  auf 
dem  höchsten  Gipfel  der  Yollkomraenheit  prangende  Dresden. 


IX. 

Aus  den  Papieren  des  kur sächsischen 
Generallieutenants  Hans  Georg  von  Arnim. 

1631—1634. 

(Gräflich  Arnim'sches  Familienarcliiv  zu  Boitzenburg.) 

Von 

Arnold  Gaedeke. 


Mit  dem  Aufschwünge,  welchen  in  letzter  Zeit  die 
Wallcnsteinforschung  unstreitig  genommen  hat,  ist  eine 
wesentlich  modifizierte  Auffassung  der  Schuldfrage  Hand 
in  Hand  gegangen.  Auf  die  werthvoUen  Publikationen 
Hildebrands  in  Stockholm^)  und  die  Arbeit  des  Ver- 
fassers dieser  Zeilen'-)  ist  ein  umfangreiches  zweibändiges 
Werk  Anton  Gindelys  gefolgt''),  welches  Wallensteins 
Emporkonnuen  im  kaiserlichen  Dienste  und  sein  erstes 
Generalat  unter  Aufschluss  neuer  Quellen  behandelt. 
V^'^enn  man  dem  gelehrten  Verfasser  auch  vielleicht 
nicht    in    allen    Punkten    und    Konsequenzen    zustimmen 


1)  E.  Hildebrand,  Wallenstein  und  seine  Verbindungen  mit 
den  Sciiweden.  Aktenstücke  aus  dem  Schwedischen  Reichsarchiv 
zu  Stockholm.     Frankfurt  a.  M.  1885. 

-)  A.  Gaedeke,  Wallensteins  Verhandlungen  mit  den  Schwe- 
den und  Sachsen.  1631  —  1634.  Mit  Akten  und  Urkunden  aus  dem 
Königl.  Sachs  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.     Frankfurt  a.  M.  1885. 

")  A.  Gindely,  Wallenstein  während  seines  ersten  Generalats 
im  Lichte  der  gleichzeitigen  Quollen,  lf.25— 16.50.  Bd.  1  u.  2. 
Prag  u.  Leipzig  1886. 


Arnold  Gaedeke:    Aus  den  Papieren  des  Gen.  v.  Arnim.    279 

wird,  in  den  meisten  Fällen  wird  man  sicli  der  Wucht 
der  neuen  Thatsachen  und  Aktenstücke  nicht  verschliessen 
können. 

Die  Auffassung,  welche  ich  an  der  Hand  de;-  im 
schwedischen  Reichsarchiv  entdeckten  Dokumente  über 
die  Verhandlungen  Wallensteins  in  den  Jahren  1631 — 1634 
gewinnen  zu  müssen  glaubte,  ist  vielfacher  Anerkennung, 
daneben  jedoch  auch  vereinzelten  einschränkenden  Ur- 
theilen  begegnet.  Ist  es  doch  schwer,  mit  einer  fest- 
gewurzelten Ansicht  zu  brechen^  noch  schwerer,  ein  früher 
ausgesprochenes  Urtheil  modifizieren  zu  müssen. 

Mit  besonderer  Genugthuung  begrüsse  ich  deshalb 
eine  Mittheilung  Irmers  in  Sybels  historischer  Zeitschrift 
(Band  20,  Heft  2),  dass  wir  der  Publikation  eines  bestäti- 
genden Tagebuches  und  zahlreicher  Konzepte  aus  der 
Gesandschaf tskanzelei  Nicolais,  des  schwedischen  Resi- 
denten in  Dresden,  entgegenzusehen  haben. 

Eine  von  mir  letzthin  unternommene  Durchforschung 
der  Arnim'schen  Familienpapiere  hat  dagegen  für^  die 
Geschichte  der  Verhandlungen  Wallensteins  zu  meinem 
Bedauern  nur  sehr  geringe  Resultate  ergeben. 

Das  Gräflich  Arnim'sche  Archiv  zu  Schloss  Boitzen- 
burg bei  Prenzlau  in  der  Uckermark  war  allerdings 
anfänglich  für  die  Geschichte  des  bekannten  Kriegsmannes 
ein  sehr  reichhaltiges. 

Zwei  genaue  Verzeichnisse  geben  uns  noch  heute 
Kunde  von  dem,  was  die  Feldkanzelei  des  kursächsischen 
Oberkommandierenden  etwa  enthalten  hat.  Das  eine  Ver- 
zeichnis entstammt  der  Zeit  des  30jährigen  Krieges  selbst, 
als  Arnim  seine  Papiere  seinem  Stammsitze  einverleibte, 
das  andere  ist  weit  später  gefertigt,  als  bereits  einiges 
Aktenmaterial  verloren  gegangen,  indessen  das  meiste 
doch  noch  erhalten  war. 

Im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  ist  nun  das  Gräfliche 
Familienarchiv  leider  mehrmals  —  und  wie  es  scheint 
auch  durch  Unredlichkeit  niederer  Beamten  —  werth- 
voller  Bestände  beraubt  worden. 

Den  ersten  und  bedeutendsten  Raub  hat  Fr.  Foerster 
seiner  Zeit    erworben    und    veröff'entlicht*).     Derselbe  ist 


*)  Fr.  Foerster,  Albrechts  von  Wallenstein,  des  Herzogs 
von  Friedland  und  Mecklenburg,  ungedruckte,  eigenhändige  ver- 
trauliche Briefe  und  amtliche  Schreiben  aus  den  Jahren  1627  bis 
1634  etc.     Bd.  1—3.     Berlin  1828  u.  1829. 


280  Arnold  Gaedeke: 

somit  wenigstens  der  Wissenschaft  erhalten  und  zugänglich 
gemacht  worden. 

Eine  zweite  Veruntreuung  scheint  in  den  sechziirer 
Jahren  stattgefunden  zu  haben,  da  eine  Anzahl  von 
Schreiben  aus  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1634, 
welche  im  zweiten,  späteren  Boitzenburger  Kataloge  sogar 
mit  Inhaltsangabe  angeführt  und  zum  Theil  auch  von 
Kirchner'"')  benutzt  und  erwähnt  werden,  heute  nicht 
mehr  vorhanden  sind.  Es  muss  als  ein  glücklicher  Zufall 
bezeichnet  werden,  dass  wenigstens  einige  derselben  uns 
in  den  Hauptsätzen  durch  Kirchners  Sclirift  erhalten 
worden  sind.  Es  ist  daher  nur  eine  kleine  Anzahl  bis- 
her unbekannter,  von  Kirchner  auch  wohl  nicht  ver- 
standener Schreiben  imd  (durch  Mäuse  zerfressener) 
Schriftfragmente,  welche  hier  zum  Abdruck  gelangen. 
Vornehmlich  sind  es  Briefe  Thurns  an  Arnim  und  einige 
Schreib  n  Arnims  an  Wallenstein,  durch  deren  Inhalt 
die  von  Hildebrandt  und  mir  gewonnene  Auffassung 
lediglich  bestätigt  wird. 

Seiner  ExccUenz  dem  Herrn  Grafen  von  Arnim  aul' 
Boitzenburg,  diesem  durch  seine  wissenschaftlichen  In- 
teressen und  wahre  Liberalität  allgemein  bekannten  hohen 
Beamten  und  Grundherrn,  kann  ich  auch  an  dieser  Stelle 
für  die  unermüdliche  Liebenswürdigkeit  und  entgegen- 
kommende Bereitwilligkeit,  mit  welcher  mir  sämtliche 
Familienpapiere  unterbreitet  wurden,  nur  den  verbind- 
lichsten und  wärmsten  Dank   abstatten*^). 

1631.  Aus  dem  Jahre  1631  ist  nur  ein  Schreiben 
Thurns  an  Arnim  bemerkenswerth.  Thurn  hatte  im  Herbst 
des  Jahres  1631  eine  gemeinsame  Aktion  mit  Wallenstein 
in  Böhmen  betrieben.  Zum  grossen  Leidwesen  des  alten 
böhmischen  Emigranten  iiatte  Gustav  Adolph  die  von 
Wallenstcin  verlangte  Truppenhilfe  von  12  000  Mann 
seines    westlichen    Siegeszuges    wegen    ablehnen    müssen. 

Graf  Thurn  hatte  sieh  alsdann  von  dem  Schweden- 
könige,   da  er  den  Sachsen  und  Arnim   die  Besitznahme 

"')  Kirchner,  ßchloss  Boitzenburg  u.  seine  Besitzer.  Berlin  1800. 

")  Als  Unikum  möchte  ich  hier  hervorheben,  dass  es  mir  ge- 
stattet war,  zwei  verschlossene  und  wohlversieselto  Briefe  an  Arnim 
und  Walleustein,  welche  niemals  abgegeben  worden  sind,  zu  öffnen. 
Leider  waren  dieselben  gleicligiltigen  Inhalts,  das  Schreiben  an 
Wallenstein  war  czechisch  geschrieben  und  aus  dem  Jahre  1027. 
Wahrscheinlich  sind  beide  Briefe  aus  Versehen  zwischen  die  Akten 
der  FcUlkanzelei  gerathcn. 


Aus  den  Papieren  des  kursächs.  Geu.  Lts.  von  Arnim.       281 

Böhmens  nicht  zugestehen,  sondern  ihnen  Schlesieii  als 
Besitzobjekt  zuweisen  wollte,  nach  Dresden  schicken 
lassen,  mit  der  Vollmacht,  an  der  böhmischen  Grenze 
einen  ^A'^erbeplatz  zu  errichten  und  wenn  möglich  beim 
Kurfürsten  von  Sachsen  die  Unterstellung  einiger  tausend 
Mann  zu   betreiben. 

Statt  dessen  aber  schloss  sich  der  Kurfürst  der 
Ansicht  Arnims  an.  dass  man  selbst  die  entblösste  mili- 
tärische Lage  Böhmens  zu  einem  Einmärsche  benutzen, 
sich  Prags  bemächtigen  und  mit  Wallenstein  in  direkte 
Verhandluno-en  treten  müsse.  In  diese  Zeit  fallen  dann 
die  Verhandlungen  Wallensteins  mit  Arnim  unmittelbar 
vor  Wiederübernahme  des  Generalats. 

Man  liess  Thurn  sächsischerseits  in  Unkenntnis,  bis 
der  Einmarsch  erfolgt  war.  Dieser  war  um  so  mehr  er- 
bittert, als  er  sich  bei  Seite  geschoben,  zugleich  aber  die 
Hoffnungen  der  Emigranten,  welche  Rache  zu  nehmen 
gedachten,  getäuscht  sah.  In  dieser  Stimmung  schrieb  er 
an  Arnim  einen  überaus  gereizten  Brief,  in  welchem  er 
an  das  „eigene  Handschreiben"  Gustav  Adolphs  erinnert, 
und  dass  es  dem  Könige  obliegen  werde  „zu  anthen, 
solt  wider  solche  zuesag  und  Versicherung  ain  Widriges 
von  E.  E.  Armee  beschehen".     (Nr.  1  der  Aktenstücke.) 

1632.  Im  Januar  1632  fand  auf  Wallensteins  Befehl, 
der  erkrankt  war,  in  Aussig  eine  Zusammenkunft  Arnims 
mit  Trzka  statt,  über  deren  Ergebnisse  wir  uns  bis  vor 
kurzem  noch  mehr  wie  über  den  Inhalt  der  Kaunitzer 
Entrevue  vom  November  1631  zwischen  Arnim  und 
Wallenstein  im  Dunkeln  befanden.  Aus  jenem  bei  Hilde- 
brand veröffentlichten  Berichte  Nicolais  vom  30.  Dezember 
1631  ging  nur  hervor,  dass  der  Herzog  von  Friedland 
Arnim  von  seiner  Absicht,  das  Gcneralat  von  neuem  zu 
übernehmen  und  von  den  Gründen,  welche  ihn  dazu 
bewogen,  unterrichtet  habe.  Arnim  machte  hierüber  dem 
schwedischen  Residenten  die  eingehendsten  Mittheilungen, 
dass  alles  auf  gutem  Wege  gewesen,  aber  durch  die 
Indiskretion  und  Unvorsichtigkeit  Thurns  und  der  alten 
Gräfin  Trzka  interrumpiert  worden,  und  der  Herzog  schon 
um  sich  zu  salvieren  das  Generalat  habe  annehmen  müssen, 
dass  er  aber  obtestando  per  omnia  sacra  des  Schweden- 
königs Freund  bleibe  und  der  Kaiser  wohl  erfahren  solle, 
dass  er  einen  Kavalier  beleidigt  habe,  etc.  Die  vorlie- 
genden Aktenstücke  bestätigen  erstens,  dass  sich  Wallen- 


282  Arnold  Gaedeke: 

stein  und  Trzka  vor  der  Kaunitzer  Ziisaninienkunft  sehr 
weit  mit  den  Gegnern  des  Kaisers  eingelassen  haben 
müssen.  Thurn  schreibt,  Trzka  habe  in  Prag  abermals 
Hoffnung  gegeben,  dass  Wallenstein  seine  Zusage  und 
sein  Wort  nicht  vergessen  werde.  Ferner  hat  Trzka 
erklärt,  dass  Wallenstein  kein  anderes  Mittel  gehabt,  als 
die  Sache  auf  solchen  Weg  zu  bringen,  die  Armee  an  sich 
zu  bringen,  er  werde  sich  stark  genug  machen,  ohne 
Hilfe  die  Sache  also  auszuführen,  er  werde  später  ab- 
danken und  zur  protestantischen  Partei  übertreten. 
Thurn  ist,  wie  mau  sieht,  über  den  Ausgang  empört,  er 
spricht  von  einem  Schandfleck,  von  Treu  und  Ehrver- 
gessenheit, die  Gott  nicht  ungestraft  lassen  werde.  (Nr. 
2,  3  und  4  der  Aktenstücke.) 

Es  folgt  eine  Attestation  des  Kurfürsten  für  Arnim. 
Arnim  war  der  Unterhandlungen  mit  Wallenstein  im 
Frühjahr  1632  wegen  bekanntlich  bei  den  Schweden  in 
so  üblen  Verdacht  und  Misskredit  gerathen,  dass  Gustav 
Adolph  beim  Kurfürsten  von  Sachsen  durch  einen  eigenen 
Gesandten  (Sohns)  darüber  bittere  Beschwerde  führen 
liess.  Arnim  rechtfertigte  sich  alsdann  mündlich  und 
sogar  durch  eine  eigene  Druckschrift.  Um  ganz  sicher 
zu  gehen,  da  ihm  der  Einmarsch  in  Böhmen  auch  als 
eine  eigenmächtige,  den  Schweden  feindliche  Handlung 
vorgeworfen  wurde,  liess  er  sich  vom  Kurfürsten  eigens 
bezeugen,  dass  der  Einmarsch  auf  den  ausdrücklichen 
Befehl  seines  kurfürstlichen  Herrn  erfolgt  sei.  (Nr.  5 
der  Aktenstücke.)  Wie  erbittert  Arnim  durch  die  schwe- 
disclien  Bemühungen,  ihn  zu  verdächtigen,  geworden  war, 
zeigt  ein  Konzept  von  seiner  Hand.  Er  gedachte  mit 
Wallenstein  noch  einmal  wegen  des  Friedens  Verhand- 
lungen anzuknüpfen,  dass  dieselben  den  Schweden  nicht 
günstig  sein  sollten,  lehrt  der  Satz:  „Allein  ich  sehe  daß 
unter  dem  praetext  anmuthige  practica  einer  algemeinen 
freiheit  in  gewissens  und  weltlichen  sachen,  sich  mechtige 
interponeuten  finden,  deren  actiones  von  diesem  scopo 
sehr  weit  aboriren".  (Nr.  6  der  Aktenstücke.)  Das 
Schreiben  ist  wahrscheinlich  nie  abgesendet  worden,  da 
Gustav  Adolph  inzwischen  sich  bei  den  Erklärungen 
des  Kurfürsten  beruhigt  und  Arnim  Versicherungen  seines 
vollen  Vertrauens  hatte  zugehen  lassen. 

1633.  Auch  aus  diesem  Jahre  liegen  nur  wenige 
Schreiben  vor.  _Am  9.  Juli  schreibt  Gallas   im  Auftrage 


Ans  den  Papieren  des  kursächs.  Gen.-Lts.  von  Arnim.      283 
Wallensteins      dem     sächsischen     Oberkoramandierenden 


j 


dass,  obwohl  die  Verhandlungen  ihren  Fortgang  nicht 
erreicht,  der  Herzog  nichtsdestoweniger  Arnims  guter 
Freund  verbleibe,  nachdem  Arnim  vorher  dem  Herzoge 
mitgetheilt  hatte,  dass  er  beim  Kurfürsten  nichts  weiteres 
habe  ausrichten  können.     (No.  7  und  8  der  Aktenstücke.) 

Die  ersten  Verhandlungen  hatten  sich  trotz  aller 
Hoffnungen  Thurns  und  der  Evangelischen  zerschlagen, 
da  die  Spanier  soeben  W^allenstein  anscheinend  sehr  ent- 
gegen gekommen  waren  und  bezüglich  E'erias  weitgehende 
Zugeständnisse  gemacht  hatten.  Die  gute  Stimmung 
Wallensteins  sollte  bekanntlich  nicht  von  langer  Dauer 
sein.  Sclilicks  Mission  ins  schlesische  Feldlager  alterierte 
ihn  aufs  Höchste  und  veranlasste  ihn,  die  Verhandlungen 
im  August  von  neuem  aufzunehmen.  Wie  ernst  es  ihm 
diesmal  war,  lehren  die  Aktenstücke.  Der  Kurfürst  von 
Sachsen  war  über  den  Einfall  und  die  Mordbren- 
nereien Plolcks  überaus  aufgebracht,  aber  die  Propo- 
sitionen des  Herzogs  waren  so  weitgehend,  die  Trappen 
wurden  aus  den  ei'oberten  Orten  so  rasch  zurückgezogen, 
dass  es  sich  der  Kurfürst  „wohl  gefallen  Hess",  und 
Arnim  meinte,  „es  werde  keine  grosse  difficultet  haben, 
sondern  des  Herzogs  Vorschläge  wurden  ihren  effect  er- 
reichen".    (No.  9  der  Aktenstücke.) 

Aus  einem  zweiten  Schreiben  von  Gallas  an  Arnim 
geht  hervor,  dass  Wallenstein  schliesslich  ganz  mit  der 
Reise  Arnims  zum  schwedischen  Reichskanzler  einver- 
standen war,  denn  er  schreibt  „dass  der  Herzog  Arnim  zu 
der  Reise  viel  Glück  wünsche')".  (No.  10  der  Aktenstücke.) 

Es  scheint  aber,  dass  Wallenstein  zuerst  (im  August) 
die  Schweden  am  liebsten  von  den  Verhandlungen  aus- 
geschlossen hätte,  denn  Thurn  schreibt  bezeichnend,  die 
ersten  Gedanken,  so  der  Generalissimus  gehabt,  sind  diese 
gewesen  und  glaube  noch  in  seinem  Herzen,  sich  Frank- 
reichs und  Schwedens  zu  entschlagen  und  sich  nur  mit 
den  beiden  kurfürstlichen  Armeen  zu  vereinigen  und 
das  Römische  Reich  in  seinen  vorigen  Zustand  zu  setzen, 
also  die  schwedische  Conjunction  aufzulösen  und  Frank- 
reich die  Thür  zu  weisen.  Thurn  bezweifelt,  dass  auf 
diesem  Wege  der  Frieden  möglich  sein  werde,  man  werde 
aus  dem  Reif  in   den  Schnee   fallen,   Arnim  möge   dem 

')  Foersters  Bemerkung  a.  a.  0.,  III,  67  ist  mir  unverständ- 
lich, da  sich  der  Herzog  am  7.  September  gar  nicht  bei  Steinau, 
sondern  bei  Schweidnitz  befand. 


284  Arnold  Gaedeke: 

schwedischen  Reichskanzler  allen  Skrupel  nehmen  und 
den  französischen  Gesandten  zufrieden  zu  stellen  suchen. 
Dann  gab  der  Herzog  nach  und  Thurn  verhandelt,  doch 
etwas  verstimmt  bei  der  Mission  übergangen  zu  sein,  mit 
den  Sicbenbüroeru.  Dass  Wallenstein  mit  Schlick  ein 
sehr  heftiges  Rencontre  gehabt  hat,  zeigt  ein  Schreiben 
Thurns.     (Nr.  11,  12  und  13  der  Aktenstücke.) 

Erst  als  Wallenstein  sah,  dass  er  seines  Heeres  nicht 
so  mächtig  war,  als  er  gemeint  hatte,  und  als  abermals 
ein  Schreiben  Thurns  von  den  Kaiserlichen  aufgefangen 
worden  war,  kam  ihm  der  Gedanke  die  Vereinigung  der 
Heere  noch  zu  verschieben  und  sich  durch  einen  Überfall 
des  Feindes  in  Wien  zu  rehabilitieren.  Er  nahm  zum 
Vorwande  des  Bruches,  dass  man  gemeinsam  die  Schweden 
aus  dem  Lande  werfen  müsse.  Der  Sieg,  den  er  bei 
Steinau  erfocht,  sollte  sich  indessen  von  den  verhängnis- 
vollsten Folgen  für  seine  eigene  Zukunft  erweisen. 

1634.  Die  Katastrophe  vom  25.  Februar  1634  be- 
reitete sich,  wie  wir  genau  verfolgen  können,  bereits  im 
Dezember  1633  vor.  Als  Trautmannsdorff  mit  Wallen- 
steins  ablehnender  Antwort  von  Pilsen  zurückkehrt,  ist 
der  Kaiser  bereits  entschlossen,  seinen  Generalissimus 
abzusetzen.  Nur  um  einen  Eklat  zu  vermeiden,  schickt 
er  Quiroga  zu  Wallenstein  und  lässt  ihm  die  freiwillige 
Resignation  nahe  legen.  Schon  vorher  aber  nehmen  die 
Ereignisse  in  Pilsen  einen  für  das  Haus  Osterreich  be- 
drohlichen Charakter  an.  Als  der  Kaiser  trotz  der  Ab- 
lehnung seitens  des  Herzogs  und  seiner  Obersten  den 
„ernstlichen  Befehl"  ertheilt,  gegen  Regensburg  und  den 
Herzog  von  Weimar  vorzurücken,  womit  die  verschleierte 
Drohung  einer  Absetzung  bereits  verbunden  wai%  war 
Wallensteins  Autorität  und  Stellung  im  Heere  zum  ersten 
Male  ernstlich  bedroht.  Der  Herzog  war  sofort  entschlossen, 
sich  einer  zweiten  Absetzung  mit  Hilfe  seiner  ihm,  wie 
er  meinte,  blind  ergebenen  Armee  im  Verein  mit  den 
Evangelischen  zu  widersetzen  und  den  Frieden  sowie  die 
Befriedigung  seiner  territorialen  Ansprüche  zu  erzwingen. 

Mitte  Dezember  1633  werden  die  erforderlichen 
Schritte  von  Trzka  eingeleitet.  Am  26.  Dezember  ergeht 
die  Einladung  an  Arnim,  am  27.  knüpft  Kinsky  durch 
Thurn  mit  den  Schweden  an.  Aber  das  verscherzte  Ver- 
trauen ist  nicht  so  schnell  wieder  hergestellt.  Arnim 
war    durch    die    üblen   Erfahrungen   des   Vorjahres   sehr 


Aus  den  Papieren  des  kursächs.  Gen.-Lts.  von  Arnim.      285 

vorsichtig,  zum  Unlieile  des  Herzogs  fast  zu  vorsichtig 
geworden.  Die  veränderte  Lage  in  Wien  war  ihm  nicht 
bekannt.  Nur  mit  Mühe  Hess  er  sich  zu  neuen  Ver- 
handkmgen  bestimmen. 

Seine  Antwort  an  Wallenstein  ist  sehr  kühl  gehalten, 
er  betont,  dass  man  auf  beiden  Seiten  genügend  und  auf 
das  Genaueste  instruiert  sein  müsse,  damit  ohne  Aufent- 
halt abgeschlossen  werden  könne.    (No.  14  der  Aktenstücke.) 

Als  die  Nachrichten  hnmer  dringender  werden  und 
Oberst  Schlieff  wie  Herzog  Franz  Albrecht  mit  gutem 
Gewissen  betonen  können,  dass  es  diesmal  Ernst  sei,  ja 
als  der  Kurfürst  selber  schreibt,  jetzt  sei  zu  sehen,  was 
Wallenstein  im  Sinne  habe,  es  sei  hohe  Nothdurft,  dass 
Arnim  selber  komme  und  mit  ihm  schliesse,  „Kombt  in 
Gottes  Namen,  ich  warte  Eurer  mit  Verlangen^)",  ver- 
langt Arnim  bei  der  Wichtigkeit  der  Sache  die  genaueste 
Willensmeinung  des  Kurfürsten,  um  nicht  etwa  später 
desavouiert  zu  werden.  Es  ist  von  Interesse  aus  einem 
Entwürfe  Arnims  zu  sehen,  auf  welche  Vorschläge  des 
Herzogs  in  Pilsen  er  gefasst  sein  zu  müssen  glaubte. 
„Da  ich  spühren  würde,  heisst  es,  dass  etwa  der  Herzog 
zu  Frideiand  von  I.  Kays.  Mayt.  disgoustirt  und  die 
gentzliche  resolution  gefaßet,  sich  an  denselben  und  dem 
Hause  Österreich  zu  rechen  und  sein  vohrhaben  wider 
derselben  und  den  Hauß  Oesterreich  gerichtet,  wie  ich 
mich  darin  erzeugen  sollte^)".     (No.  15  der  Aktenstücke). 

Von  hoher  Bedeutung  sind  dann  zwei  im  Original 
nicht  erhaltene  Schreiben  des  Herzogs  Franz  Albrecht 
von  Sachsen-Lauenburg  an  Arnim,  deren  theilweise  Kennt- 
nis wir  Kirchner  zu  verdanken  haben  und  welche  bisher 
von  niemand  beachtet  worden  sind.  Sie  enthalten  die 
schwerwiegendsten  Sätze.  Am  4./ 14.  Januar  schreibt  der 
Herzog:  „Rächen  will  er  sich  am  Kaiser,  das  ist  gewiß, 
die  Sachen  sind  fiex,  erfahre  jetzt  alleweile  Mehreres  von 
Schlieff,  der  Kaiser  und  C hur fu erst  (von  Bayern) 
sollen  weg  etc.^*^)".  Und  am  18.  Januar:  „Ich  lobe 
alles  dieses,  was  sie  thun,  wäre  ich  aber  in 
kaiserlichem    Dienst,    so    thäte    ich    es    in    Ewig- 

ä)  Kurfürst  Johann  Georg  von  Sachsen  an  Arnim,  11.  Jan.  1G34, 
vergl.  Kirchner,  S.  271. 

8)  Die  spätere,  endgültige  Fassung  siehe  bei  Ranke,  Wallen- 
stein, S.  .353. 

^<*)  Herzog  Franz  Albrecht  von  Sachsen-Lauenburg  an  Arnim, 
4./14.  Januar  1634,  bei  Kirchner,  S.  272. 


286  Arnold  Gaedeke: 

keit  nicht;  die  saclien  stehen  so  fiex  als  zu  wünschen, 
es  mangelt  nur  E.  E.,  dass  die  ihm  die  Anleitung  geben, 
wie  man  dem  Faß  den  Boden  vollends  einstoßen  muß ;  er 
ist  jetzt  so  tief  darin,  als  er  kommen  kann;  mit  Schweden 
und  Frankreich,  hat  er  noch  nichts  tractirt,  will  sich  an 
die  Churfuersten  halten;  zu  Hofe  sind  sie  in  solchen 
Aengsten,  dass  unaussprechlich  ist,  es  darf  von  den  Offi- 
zieren nunmehr  keiner  nach  Hofe".  Und  schliesslich 
etwas  prahlerisch  und  siegesgewiss:  „Der  Kaiser  gebe 
acht  auf  sich,  wir  haben  nichts  zu  besorgen  ^^)". 

Auftauender  Weise  berichtet  hier  Franz  Albrecht 
sogar,  dass  man  dem  Herzog  nicht  allein  die  Armee  habe 
aus  den  Händen  bringen  wollen,  sondern  „ihn  gar  begehrt 
zu  vergeben"  (vergiften). 

Wallenstein  gab  übrigens  damals  selbst  zu,  dass  er 
es  nach  dem,  was  gewesen  sei,  Arnim  nicht  verdenken 
könne,  dass  er  so  sicher  in  seinen  Sachen  gehe  ^'-). 

Als  dann  wider  Erwarten  die  Offiziere  vom  Herzog 
abfielen  und  die  Armee  durch  kaiserliches  Patent  an 
G alias  und  Piccolomini  gewiesen  wurde,  wird  die  Stimm- 
ung weniger  zuversichtlich. 

In  dem  letzten  Schreiben  des  Herzogs  Franz  Albrecht 
aus  Regensburg  vom  24.  Februar  werden  wir  durch  die 
Worte  „will  mich  vorsehen,  denn  sonst  möchten  mich 
seine   Widorwertigen  ertappen^'')"    eigenthümlich   berührt. 

Es  klingt  wie  eine  Vorahnung.  Am  Tage  darauf 
werden  Wallenstein,  Trzka,  Kinsky  und  Ihlow  ermordet, 
am  29.  Avird  der  Herzog  bei  Tirschenreuth  von  Butlers 
Dragonern  gefangen  genommen  und  mit  den  Leichen 
seiner  Freunde  von  Eger  fortgeführt. 


Aktenstücke. 

No.  1.     [1631.J 

H.  M.  Thuru  an  Arnim  (eigenhändig). 

IIooL   Edler    lierr  Feldtmarschalkh,  vielgeliebter   Herr.      Zue 

dießem  allen,  was  zue  der  Ehre  Gottes   und  algemainen  Wolstandt 

und   Einfbirung    der    Armen   "Verfolgten    und    bedrängten    So   Gott 

glaubn   und   guettes  gewißen   erhalten,    wol   der  Almechtige   E.  E. 

1')  Herzog  Franz  Albrecht  von  Sachsen-Lauenburg  an  Arnim, 
18.  Januar  1634,  vergl.  Kirchner,  S.  273. 

12)  Ibidem. 

'3)  Herzog  Franz  Albrecht  von  Sachsen-Lauenburg  an  Arnim, 
24.  Februar  1034,  vergl.  Kirchner,  S.  278. 


Aus  den  Papieren  des  knrsächs.  Gen.-Lts.  von  Arnim.     287 

Hende  "Werk  seinen.  Die  gehaimnus  und  gedankhen  meines  herzen 
Sein  Ihr  Ghfstl.  Dl.  eröffnet  worden,  hett  Ich  anch  Sien  und  Meinung 
erfüllen  khuennen  ,  wolt  Ich  gebürlich  volzogen  haben.  Bien  von 
Ihr  Churf.  Dl.  gnedig  tractirt  worden ,  oder  umb  alles  was  Ich  ge- 
betten,  wie  guett  nue  glich  es  auch  fhiier  Ihr  Dl.  Ist  geweßen,  war 
mir  abgeschlagen  und  dieses  Vornemen  Ihn  Böhem  ganz  hinterhalten 
worden;  hett  mich  bedunkhen  laßen.  Man  solt  Ihr  Khunigl.  Mait. 
angesehen  haben,  die  Alianz  so  zwischen  beiden  herren  Brüdern 
gemacht  wegen  guetter  vertreilich  Correspondeiiz  nit  verhalten  haben, 
zue  communiciren. 

Biett  mein  hcrr  Feldtmarschalkh,  er  wol  Heren  Obersten  Leite- 
nampt  Stainegkher  freundlich  und  Lieb  habendt  anhören,  wail  man 
mir  es  vileich  nit  vergunt  hatt,  geheime  und  vertrauliche  Antwort 
geben.  Ob  Ihr  Chfstl.  Dl.  Vorhabens  sich  des  Khönigkreichs  Böhem 
zu  bemechtigen,  Oder  nuer  auf  die  Granz  zu  ruegkhen  und  der 
soldadesca  Ihn  Contentament  zu  geben  sich  zu  bereichen.  Whe 
uns  Erlichen  Leithen,  So  vor  der  Christlich  Religion  so  viel  auß- 
gestanden,  solu  auf  solche  Avais  beraubt  und  das  schöne  Khönigk- 
reich  verwist  werden.  Hett  man  mit  mir  In  diesem,  Alß  wie  es  mir 
von  Ihrer  Khunigl.  Mait.  beuelh  worden,  underredung  gepflogen.  So 
hett  man  auf  ain  solchen  Formb  ghen  können,  der  Gott  gefaln  hett, 
Ihr  Khunigl.  Mait.  und  Ghurfstl.  Dl.  zur  höchsten  Wolffarth.  Die 
Armen  und  Verzagten  wehren  zue  den  Ihrigen  khoinen,  die  Gotloßen 
Landts  Verrather  gestrafft  und  die  Tironnen  undergedruckt. 

E.  E.  Ist  wißent,  win  weitt  sich  Ihr  Khunigl.  Mait.  mit  Aignen 
Handtschreiben  aingelaßen  und  versprochen ;  Solt  wider  solche 
zuesag  und  Versicherung  ain  Widriges  von  E.  E.  Arme  beschehen, 
das  wiertt  den  Khuenig  obliegen  zue  anthen. 

Haldt  mein  herr  Feldmarschalkh  so  fhuer  Christlich  Erlich 
und  Redlich ,  Er  wiertt  mit  seinen  Willen  nit  ain  consentiren,  das 
wier  Verfolgte  und  Verzagte,  so  Gott  treu  geblieben,  soln  der  Hof- 
nung,  so  uns  Gott  sehen  laßen,  selten  auf  solche  wais  endtsezt 
werden.  Alspalt  Ich  von  den  herrn  Antwort  hab ,  wiel  Ich  zue 
Ihrer  Khunigl.  Mait.  meinen  Allergn.  Khuenig  verraißen.  Verblaib 
E.  E.  getreuer  Freundt  Dienstschuldig 

H.  M.  G.  V.  Thurn. 

P.  S.  Des  herrn  von  Rupach  schreiben  hab  Ich  auß  Irthumb, 
wail  es  mir  geben,  eröfinet.  Bitt  E.  E.  umb  Verzeihung.  Suplicir 
auch  daneben.  Es  wiert  der  Erliche  Liebe  herr  General  Wacht- 
meister z  Bubna  mit  E.  E.  etwas  nöttigs  und  vertraulichs  Reden. 
Mein  herr  Feldmarschalkh  wiertt  Ihn  mit  Freundlichkeit  und  Lieb 
hörren  und  wie  seinen  aignen  Herzen  trauen. 

No.  2.    [1632,  Jan.] 

H.  M.   Thurn  an  Arnim  (eigenhändig). 

HochgeEhrtter  herr  Feldtmarschalkh.  Agentliche  und  gewiße 
Zeuttung  hab  Ich,  das  der  Fuerst  von  Walstein  das  Generalat  an- 
genommen, welches  Ich  urthel  das  es  deswegen  beschehen,  damit 
des  Kayßers  Sohn  nit  darzue  khomnie,  Feldherr  zue  sein.  Die 
Ungern  sind  Ihn  völligen  anzueg,  und  leicht  zue  gedenkhen,  nit 
werden  feyern.  In  des  Feindts  Landt  zue  ruekhen,  das  Ihrige  zue 
verschonen,  daher  der  E'uerst  von  Walstein  ain  guettes  theils  Volkh 
auß  Schlesien  abfordert  und  denselben  bies  auf  20000  Maun  wiel  zue 


?,S8  Arnold  Gaedeke: 

coniiingini,  Den  Ungern  endtgogen  zu  schicklien,  zue  (lesen  haubt 
ist  Ihn  Vorschlag  der  Oberst  Kraz.  Auf  dies  ist  siech  auch  zue 
verlassen,  das  übgcdachte  des  Keyßers  General  nach  Tabor  den  Weg 
genommen  und  die  Versamblung  des  Kliriegs  Volckh  alda  halten 
wiel,  und  weil  Ihnen  den  Keyserischen  vieleicht  ordentlicher  bewuest, 
das  General  Tilly  geschlagen  und  Ehr  geschoßen  auch  wher  ge- 
blieben, alß  wier  alhier,  wie  ich  aus  meinen  Auis  hab  vernomen 
und  darin  sehen  khönnen. 

Auß  solch  ursach  wierth  der  Fuerst  von  Walstein  etlich  taußent 
Man,  welches  resoluirt  nach  der  Tonau  schiekhen,  Ihr  Kunigl. 
Maytt.  progress  so  viel  muglich  zue  verhindern.  Mit  den  Uelierrest, 
wie  groß  der  Ist  khan  ich  nit  vergewißen,  damit  er  Ihn  Bobem 
blaibt,  wierth  mir  aber  Ihn  khur/en  unverborgeu  sein.  Das  ver- 
sprech  ich  aber,  das  der  herr  Feldtmarschalkh  bey  den  Fuersten 
von  Walstein  Ihn  großer  Lieb  und  Gnaden,  auch  ein  großes  vertrauen 
Ihn  sein  Persohn  gestölt  ist. 

Es  khoramen  ghen  Jiräßen  so  viel  abgeschmahe  Zeuttungen, 
so  Ich  Selbsten  gestern  gehörtt,  das  einem  der  Magen  whe  thuet, 
haben  Ihren  Ursprung  von  den  fuernemen  verschiedenen  des  Feindts 
Trometer  auch  den  gefangenen,  so  lautter  Rodomondates  von  den 
Feinden  hörren  solches  unter  uns  zue  spargiren,  darauf  man  nit 
zue  fueßen  halt. 

Dies  werde  ich  mein  Allergn.  Khönig  bey  tag  und  Nacht  zue 
schraiben,  ain  wachsames  Aug  zu  haben  auf  des  von  Walstein  Volkh, 
die  verhofite  Vertröstung  geben,  das  mein  liochgeEhrtter  herr  Feldt- 
marscdialkh  nunmehr  auch  die  Versamblung  des  Kriegs -Volkh  ver- 
ordnet und  nach  Verleihung  göttlicher  gnaden  das  Ihrige  thuen 
werden.  Where  ich  gesund  und  wolauf  wuerde  Ich  ein  Mehreres 
und  außführlicher  redden.  Was  Icli  Herrn  Graf  Trzka  werde 
schraiben,  wiel  Ich  mein  Herrn  Feldtmarschalkh,  wie  es  siech  ge- 
buertt,  zu  leßen  geben.     Verbleib  dienstwilig 

H.  M.  G.  V.  Thurn. 

No.  3.    [1G32,  Jan.] 

H.  M.  Thurn  an  Arnim,  über  den  Inhalt  eines  Briefes  an  Terzka 

(eigenhändig). 

Herrn  Feldtmarschalkh  zue  ersehen  schickh  Ich  die  Wißen- 
schaft  zu  haben,  was  hern  Graf  Trzka  Ich  hochnöttig  achte  zu 
schreiben,  mit  ganz  runden  und  khnrzen  wortten. 

Dies  was  durch  herrn  Graf  Trzka  auß  geheis  und  befelich 
dem  herrn  Raschln  anbeuohlen  und  ohn  das  gebuerende  Orth  referirt 
worden,  hab  Ich  zuer  Verwunderung  Ihn  l'rag  von  herrn  Gräften 
vermerkht  sein  guettes  gedachtnus,  das  er  sich  nit  allein  zue  dem- 
selben bekhent,  sondern  auch  etlicher  Sachen  sich  erinert,  so  der 
Obgedaclite  Raschln  vergeßen. 

Der  herr  Graf  hat  auch  guette  und  gleichsamb  gewiße  Ilofnung 
geben,  das  .die  ansehliche  l'ersohn  [Wallenstein]  Ihrer  Zusag  und 
wortt  nit  vergeßen  wiertt,  sondern  denselben  ain  geniegen  thuen, 
dabei  angehengt,  wen  da  ain  Mangel  solte  erscheinen,  das  doch  der 
herr  Graf  wolte  das  seinige  thuen;  unot  die  außfuehrliche  wortt  zu 
verzellen.  Nuen  begher  Icii  nichts  mher  alß  wahres  Ja  oder  Nein 
zuer  Nachricht;  Gott  wierth  sein  vorgesetztes  Werkh  außfhueren, 
das  khan  weder  Teufel  noch  sein  Anhang  wehren,  man  khan  zuem 
segen  Gottes  oder  Fluech  greiffen. 


Aus  den  Papieren  des  kursächs.  Gen.-Lts.  von  Arnim.      289 

No.  4.    [1632.  ?] 

IL  M.  Timm  an  Arnim  (eigenhändig). 

HochgeEhrter  herr  Feldtraarsclialkli  neben  Wunschung  eines 
glücklichen  fröhlich  Morgen  auch  Erbittung  einen  freundtl.  Dienst. 
Wundt  mich  nit,  das  mein  herr  Feldtmarschalkh  sich  in  das  ver- 
dunkelte schreiben,  so  an  herrn  Graf  Terzska,  siech  nit  baldt  hett 
fienden  khönnen,  den  es  aber  angeth  und  siech  khan  erinern,  was 
er  Ihn  Namen  des  principals  [Wallensteins]  gereth  und  tractirt,  auch 
fbuer  seine  Persohn  selbst  zu  Prag  muentlich  versprochen  In  bei- 
weßen  Herrn  z  Bubna,  und  herrn  ßaschin.  Mein  herrn  Feldt- 
marschalkh desto  bößer  darin  zue  helffen,  ghe  Ich  denselben  auf- 
recht und  redlich  untber  die  Augen  unverborgen,  das  Trczka  starkhe 
unzwaitiiche  Hofnung  geben,  der  principal  werde  Ihn  seinen  hohen 
Versprechungen  nichts  ermangeln  lassen,  Er  bette  kein  anders 
mittl  gehabt,  derselb  Herr,  alß  die  sach  auf  solchen  Weg  zu  richten, 
die  Arme  an  sich  zu  bringen.  Er  wberde  siech  starkh  genueg 
machen,  Ohu  ainige  hielf  die  sach  also  außzufhueren.  Auch  diese 
Wortt  vermeldt,  wen  ja  der  principal  nianeoireu  solt,  So  wol  er 
abdankhcn  bey  dem  Keyßer  undt  zue  unserer  Parthei  tretten,  unot 
alle  Umbstendt  zu  verzellen. 

Daher  hab  Ichs  fhuer  hochnöttieg  erkhendt  diese  verblimbte 
herrn  Trczka  aber  m'oI  bekannte  Prag  aufzugeben ,  was  man  siech 
zue  versehen,  ob  sie  Ihn  der  Warheit  stehen  wollen,  aber  Hünen 
selbst  den  scbandttlekh  anhenkhen,  der  Treu  und  Ervergeßenheit, 
welche  Gott  nimmermehr  ungestrafft  wiertt  laßen,  Ohn  Ehr  Guett 
Leib  und  Leben.  Sein  sie  Feindt,  so  khan  man  sich  darnach 
richten,  Bleiben  sie  Freundt,  so  werden  sie  es  genießen.  Bey  dießer 
absendung  hab  Ich  guettes  Mittl  von  allerlei  guette  und  gruntliche 
Anis  zu  bekhomen,  Mein  herrn  Feldtmarschalkh  alles  treulich  zue 
offenbabren.  Bedankh  mich  auf  das  allerhöchste,  das  E.  L.  Ihr 
Churf.  Dht.  mein  gnedigsten  Hern  wollen  die  gerechte  und  billiche 
sach  des  Herrn  Raschln  auf  das  püst  vortragen,  daher  Ich  nit  kan 
zwaifeln,  das  dero  hocliansebliche  Autoritet  und  gerechte  sach  solte 
nit  gewerlichen  bescheid  erlann;en,  Bitte  mein  herrn  Feldtmarschalkh 
mich  damit  zu  Erfreuen.  Verbleib  mit  dienstbetlißenen  herzen  ganz 

willig  •  H.  M.  G.  V.  Thurn. 

>'o.  5.    [1632.J 

Kurfürstliche  Attestation  für  Arnim  (Original). 

Der  Durchlauchtigste  Hochgeborene  Churfuerst  zue  Sachßen  etc. 
etc.  erklehrct  sich  hiermit,  daß  S.  Cb.  D.  sich  gantz  woU  erinnern, 
wie  sie  ungefehr  den  12  Octobris  verwichenen  16.31  Jahres  Ihren 
Rittmeister  Fr.  Wilh.  Vitzthumb  von  Eckstadt  aufgetragen,  dero 
Feldtmarschall  Hans  George  von  Arnimb  zue  hinterbringen,  daß 
Ihr  Churf.  Durchl.  ernste  Befehlicb,  daß  er  sich  alsofort,  wan  er 
die  öhrter  in  der  Oberlaußnitz  besetzet,  mit  den  üeberrest  der  armee 
nach  dem  Königkreich  Böhmen  wenden,  daßelbst  aller  mugklicbkeit 
nach  sich  bemühen  soll,  damit  die  besten  päße  und  wollgelegene 
örter  er  sich  lieniächtigen  könne,  dieselbe  woll  besetzen  undt  zue 
Ihrer  Churf  Durcbl.  Dienst  manuteniren  undt  erhalten,  undt  dießem 
allem  unsaumblichen,  wie  einem  getreuen  Diener  solliches  woll 
anstehet,  mit  fleiß  nachkommen  soll.    Weil  er  dan  nun  diesem  also 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  n.  A.    VJI.  3.  4.  19 


290  Arnold  Gaedeke: 

gehorsamblich  nachgelebet  und  der  vielgütige  Gott  zue  seinem  Vor- 
nehmen glücklichen  snccess  verliehen,  wollen  wihr  ihme,  so  deßwegen 
ihm  etwas  anderes  solte  imputiret  und  beygemeßen,  oder  einige 
gefahren  zugefüget  werden,  in  allem  gnedigsten  schütz  leisten, 
Uhrkundtlichen  haben  wihr  dieses  zue  seinem  gezeugknusse  und 
Sicherheit  mit  eigenen  banden  unterschrieben. 

Johan  George  Churfürst. 

No.  6.    [1632.1 

Arnim  an  Wallenstein  (Concept,  ei()enhändig). 
Durchlauchtigster  Ilochgebohrener  Fürst.  E.  f.  gn.  Seind  meine 
untertenige  und  gehohrsambste  Dienste  beuohr,  gnediger  Her. 
Ich  habe  mihr  nicht  allein  zum  öfteren  erinnert,  Waß  E.  f.  gn. 
(mit  mihr  zu  Caunitz  geredet,  durch  den  heren  graflf  Tirtzka  wider- 
holet, undt  entliche  auff  I.  Kay.  May.  allergnedigsten  befehligk)") 
zu  anfangs  Selbsten  persohnlicn  und  heruacu  durch  den  heren  Graff 
Tirtzka  mit  mihr  vertraulich  communiciren  laßen,  entlich  ferner 
auf  expressen  befelig  I.  Kay.  May.  mitt  mihr  geredet.  Sondern  mich 
auch  darüber  erfreuet,  daß  dieselben  zu  wiederbringung  einer  alge- 
meinen und  sicheren  ruhe  im  hl.  Römischen  Reiche  so  sorgfeltig, 
Wodurch  den  auch  gewiß  E.  f.  gn.  sich  einen  unsterblichen  rühm 
bey  der  posteritet  zu  wege  bringen  würden.  Weil  den  die  liebe 
zum  Vaterlande  mich  dazu  dränget,  anebenst  den  vielfeltigen  gnaden, 
so  zuvohr  dißen  von  E.  f.  gn.  Ich  entpfangen  mir  erinnert,  so  be- 
zeuge Ich  mitt  gott,  wie  hoch  begierig  ich  gewesen,  E.  f.  gn,  loeb- 
liche  und  tapffere  Intention  so  wil  meiner  Wenigkeit  nach  Ich  dabey 
tuhn  kann,  hette  secundiren  wollen.  Wie  sinistre  es  aber  aufge- 
nommen, vleicht  auch  von  ezlichen  malitioso  gedeutelt,  wirdt  E.  f.  gn. 
woll  bekant  sein,  weßwegen  ich  genotdrenget,  mich  des  Werkes 
zu  eußern  und  durch  vieleley  wege  der  boßen  nachrede  und  argwöhn 
zu  entbrechen,  daß  sollte  nuhn  auch  ferner  mich  billig  noch  zurücke 
halten,  allein  Ich  sehe,  daß  unter  dem  praetext  anmutige  practica 
einer  algemeinen  freiheit  in  gewißens  und  weltlichen  sachen  sich 
mechtige  interponenten  finden,  deren  actiones  von  diesem  Scopo 
sehr  weit  aboriren.  Da  E.  f.  gn.  nuhr  nachmalen  bey  ihrer  vorigen 
resolution  verbleihen,  würde  Ich  mich  sehr  glücklich  schetzen,  (alle 
daßienige  waß  dazu  undt  zu  E.  fürstl.  gn.)"). 

No.  7.    [1033.1 

Arnim  an  Wallenstein  (Concept,  eigenhändig). 
E.  fürstl.  gn.  Seindt  meine  untertenige  gehohrsame  Dienste 
bevohr.  Gnediger  Her.  Waß  E.  f.  gn.  des  Stilstandes  halben 
zwischen  der  Kaiserlichen  und  Cuhr  Sächsischen  armee  bey  mihr 
vohr  Erinnerung  getahn,  habe  S.  G.  I).  meinen  gnedigsten  Herrn 
Ich  alsofort  verlesen  laßen.  E.  f.  gn.  seindt  meine  wenigen  ge- 
dancken  hirin  zulir  genüge  bekant,  vermagk  dal)ey  aber  nichts  mehr 
zu  tuhn,  alß  so  weit  meinen  rationibus  Staat  gegeben.  Dieweyll  den 
nuhn  I.  C.  D.  Erklerung  nochmalen  darauf  beruhet,  es  bey  deme, 
weßen  sie  gestriges  tages  sich  kegen  dero  geheimbte  rehte  in  dißen 
puncto  erkleret,  verbleiben  zu  laßen,  hat  voher  dißmahl  weiter 
nichts  bey  derselben  können  erhalten  werden.     Were   es  aber  noch 

")  Die  eingeklammerten  Worte  sind  durchstrichen. 


Aus  den  Papieren  des  kurfürstl.  Gen.-Lts.  von  Arnim.      291 

müglich,  daß  die  Kaiserlichen  herrn  subdelegirten  zur  subscription 
der  abgeredten  puncten  zu  disponiren,  Ob  es  gleich  mit  dem  reservat 
das  es  alles  zu  beiderseitg  hohen  principalen  ratification  außgesetzt, 
geschehe,  wollte  Ich  hoffen,  I.  C.  D.  wurden  sich  doch  noch  entlichen 
zu  einem  anderen  bewegen  laßen,  etc. 

No.  8.    1633,  Jnli  9. 

Oallas  an  Arnim  (Original). 

Wohlgeborner  Herr  Herr,  Insonders  hochgeehrter  Herr  General 
Lieutenant.  E.  E.  Schreiben  habe  ich  durch  gegenwärtigen  Trom- 
peter zu  recht  empfangen,  und  seines  Inhalts  zu  Gnügen  vernommen, 
auch  davon  I.  F.  Gn.  Herrn  Generalissimo  Herzog  zu  Meklenburg, 
Friedland  etc.  gebürende  unterthenigste  relation  gethan.  So  viel 
nun  den  Stillstand  der  Waffen  betrifft,  wollen  I.  F.  Gn.  es  bei  dem 
beruhen  lassen,  was  bereits  geschrieben  ist,  haben  mir  daneben  in 
Gnaden  aufgetragen  und  anbefohlen,  E.  E.  Dero  fürstlichen  Gruss 
zu  vermelden,  und  obwohl  die  tractateu  ihren  Fortgang  nicht  er- 
reicht, sie  nichts  desto  weniger  nach  als  vor  dero  guter  Freund 
verbleiben  thäten.  Welches  E.  E.  ich  also  hiemit  zu  Wiederautwort 
unangefügt  nicht  lassen  sollen,  und  verbleibe  Ihro  daneben  zu  all 
angenehmer  verraögsamer  Diensterweisung  vorderst  erbötig  und 
bereit.    Dat.  im  Feldlager  bei  Schweidnitz  den  9.  Juli  A,  1633. 

E.  E.  dienstwilliger  Knecht 
M.  Gallas. 
No.  9.    [1633.] 

Arnim  an  Wallenstein  (Concexit^  eigenhändig). 
Durchlauchtiger  hochgebohrener  Fürst.  Gnediger  Her.  Waß 
E.  f.  gn.  in  einem  und  andea'n  vertraulich  mitt  mihr  communiciret, 
auch  S.  Ch.  D.  zu  Sachßen  meinem  gnedigsten  herrn  untertenigst 
zu  hinterbringen  begeret,  dehme  Bin  ich  also  nachkommen.  Habe 
zwahr  S.  C.  D.  zu  anfangs  wegen  des  schleunigen  Überfalles  und 
übler  proceduren  des  H.  felttmahrschalcks  Holeken  sehr  alterirt 
gespühret,  Wie  Ich  aber  derselben  E.  f.  gn.  loebliches  anerbieten 
referiret,  Sie  auch  auß  den  effect,  daß  daß  Kaiserliche  Volck  auß 
dero  lande  wider  zurücke  gangen,  den  Ernst  in  dißen  Sachen  ge- 
spühret, haben  Sie  sich  solches  wolgefallen  laßen,  vermerke  auch 
soviel,  wan  ich  nuhr  vom  H.  Reichs  Cantzler  Ochsenstirn  wieder 
zurückgekommen  und  deßen  gedancken  hierin  vernomen,  daß  es 
keine  große  difficultet  haben  werde,  sondern  woll  deme,  waß  wegen 
der  einigung  der  Armeen  und  sonsten  von  E.  f  gn.  vohrgeschlagen, 
seinen  effect  auff  gewiße  maße  erreichen  mochte.  Dieweil  aber  der 
H.  Reichs  Cantzler  noch  nicht  so  gahr  nahe  dieser  örter,  befürchte 
Ich  meine  Zurückkunft  sich  umb  ein  tagk  oder  etzliche  langer  alß 
abgeredet  beverweilen  dürffte,  zweiffie  nicht  E.  f.  gn.  sich  solches 
nicht  widerlich  werden  laßen,  Insonderheit  Wan  meine  guete  Ver- 
hoffen alle  Sachen  zum  gueten  Ende  gerichtet. 

No.  10.    [1633  August.] 

Gallas  an  Arnim  (Original). 

Wohlgeborener  Herr  Herr,  Insonders  hochgeehrter  Herr  General 

Lieutenant.    E.  E.  Schreiben  haben  der  herr  Generalissimus  zu  recht 

empfangen,  undt  daraus  dero  intention  sowol  die  zu  Papier  gesetzte 

Puncten  alß  vorhabende  rayß  betreffendt  mit  mehrerem  verstanden. 

19* 


292  Arnold  Gaedeke: 

Aldieweile  dan  liochgedachter  I.  F.  Gn.  wegen  Ihres  conti- 
nuirenden  podagrischen  Zustandts  selbst  zai  schreiben  nicht  ver- 
mögen, nndt  dahero  mir  die  gehörige  antwort  darauf  zu  fertigen 
befohlen,  Alß  soll  E.  E.  ich  disem  zn  folge  unangedoutet  nicht 
laßen,  daß  so  viel  die  vohrgeschlagene  puncta  anlanget  I.  F.  Gn. 
E.  E.  iiitention,  daß  Sie  dieselben  zu  Papier  bringen  wollen,  auß 
angeführten  motiven  vor  guet  und  löblich  befinden,  und  versichere 
Sie  hingegen,  daß,  waß  von  Ihrer  Seyten  theilß  selbst  persönlich, 
theilß  durch  mich  abgeredet  worden,  demselben  unfehlbar  nachk- 
gekoniben  und  gewürige  würkliche  folge  geleistet  werden  solle. 
Daß  aber  zu  maturirung  dißes  hocliangelegenen  Werks  E.  E.  sich 
ohne  Verzögerung  auf  die  rayß  zu  begeben  Vorhabens,  thun  I.  F.  Gn. 
derselben  hierzu  viel  glück  verwüntschen,  undt  Ich  vor  meine 
Persohn  verbleibe  E.  E.  zu  erweisung  beliebiger  Dienste  stets 
willig.     E.  E.     Dienstwilligster  H.  M.  Gallaß. 


No.  11.    [1633.1 

H.  M.   Thtirn  an  Armin  (eigenhändig). 

Hoch  p]dler  herr  General  Leutenanipt.  Was  Ich  gegen  Euer 
Excelenz  gemelt  hab,  was  die  ührsadi  das  nit  nominirter  sthett  In 
der  verfasten  scbrift't  Kiiunigkraich  Frankhraich  und  Schweden  auch 
Holondt,  das  khan  Ich  noch  in  meinen  Herzen  nit  guet  noch  sicher 
befinden,  Es  wierth  aucli  khunfftig  übel  gedait  und  verstanden 
werden.  Den  weil  es  aufrichtig,  redlich  und  wol  gemaint  ist,  sol 
man  desen  khein  scheuch  sorg  und  furcht  haben.  Die  ersten  ge- 
dankhen,  so  der  General issimo  Herzog  von  Friedlandt  gehabt,  seindt 
dießc  geweßen  und  glaub  noch  Ihn  dem  Herzen,  siech  Frankhraich 
und  Schweden  zue  endtschlagen,  siecli  mit  baiden  Churfürstl.  Dunli- 
leichtigkheitten  Armeen  zue  coniungirn  und  das  Römisclie  Keich 
Ihn  vorigen  standt  zue  seezen,  daraus  der  schlnes  zue  machen. 
Schwedischen  coniunction  heraus  zu  waißen  und  Frankhraich  die 
Thuer  zu  waißen.  Ob  nun  das  zue  einem  algemainen  guetten 
Frieden  gelangen  wiertt,  das  wuerth  die  Zeit  mit  sich  bringen,  das 
wier  auß  den  Reif  Ihn  Sehne  fiellen. 

Was  gegen  Ihr  F.  Gn.  herr  Feldtmarschalkh  herr  Graf  Schlickh 
gereth,  Ist  aines  Tlions;  Dir  f.  Gn,  haben  schön  und  anschlich 
geantwortet;  Gott  mieste  strafien,  wen  man  ain  solches  Scliemlmb- 
stuekh  ohn  Schweden  erweißen  wolt,  deren  Khnenig  sein  Bluedt 
hatt  vergoßen,  dem  Römischen  Reicli  zu  helflfen.  Wie  lobwirdig 
Euer  Excelenz  auf  solchen  schlag  gereth,  Ist  unoth  zu  repetiren, 
laß  es  aucli  darbai  verbleiben.  Es  ist  gar  zue  generaliter  gesetzt. 
Die  Churfuersten  sampt  den  alienirten  Ihr  Churf.  D.  in  Sachßen 
haben  siech  noch  so  dick  nit  verknuepft  mit  dem  Khönigraich 
Schweden  und  mit  Frankraich  und  Holondt  siech  nichts  aingelaßen 
wen  ain  löblicher  Herr  nit  wolle  auf  (jott  das  Euamgelische  und 
Wolstandt  des  Algemainen  sehen,  khöntte  siech  wol  loßwirkhen, 
desen  gluekh  Lol)  uiul  wolfarth  wurde  schlecht  sein. 

Dießes  khöntte  und  wurde  Chur  Brandenburg  nit  thuen  wollen 
und  khönnen.  Die  Welt  lobt  Ihn  sospeti  respeti  et  dispeti,  Ich 
auch  nit  so  eloquent  bien,  dieße  sach  ainzubilden  das  es  treulich 
und  ungeferlich  von  der  andern  Seithen  gemaint  ist.  Euer  Excelenz 
khienens  aber  durch  Ihren  von  Gott  hochbegabten  verstandt,  die 
sach  wol  Ihr  Excelenz  hern  Reichs  Cauzler  allen  scrupel  benemen 
und  on  main  maßgebung  den  herrn  französischen   abgesandten   con- 


Aus  den  Papieren  des  kursächs.  Gen.-Lts.  von  Arnim.      293 

tentaraent  geben.  Der  70jährige  Man  Ist  außgeschloßen  auß  ainer 
untichtig  ursach  des  schraibens,  Ist  es  Ihn  solcher  importanz,  so 
darf  der  50  jährige  nit  schonnen ;  beßer  die  Räch  ergehen  laßen, 
jez  alß  khuenft"tig.  Herr  General  Wachtmeister  z  Bubna  geschieht 
gerath  so  vieler  und  grues  alß  mir,  der  siech  desen  nit  lamentirt. 
Ich  wiel  Euer  Excelenz  vor  aller  weldt  mit  Mundt  und  meinem 
leben  vertheidigen,  das  sie  es  euffrig  herzlich  und  vernuniftig  die 
sach  gefhirt,  und  das  der  stilstant  unumbgenglich  geschehen  mueßen. 
Khonnen  Euer  Excelenz  nuer  in  dißen,  was  ich  monir,  helffen  auß 
seiner  dexteritet,  haldt  Ichs  fuer  guett.  Verbleib  Euer  Excelenz 
dienstbeflißener  mit  treuen  H.  M.  G.  v.  Thurn. 

No.  12.    [1633.] 

H.  M.  Thurn  an  Arnim  (eigenhändig). 

Hoch  Edler  Herr  General  Leitenampt.  Gott  Segne  Euer  Ex- 
celenz hende  Werkh.  Schiekh  das,  was  sie  begert  haben.  Das 
Creditif  Briefl,  so  Herr  Ragozi  geben,  Ist  khuerz  doch  krefftig  Wortt, 
Eurer  Excelenz  woUens  leßen,  der  Abgeordente  wahr   ain  tapferer 

Soldat,  auch  Ihn  vielen  tractaten  geprauchet,  auch  Jezundt  zu , 

mit  dem  Kayßer  vorgangen.  Die  üngrische  hielf  khombt  unfelbar. 
So  Gott  dies  Jez  vorgehende  Werkh  versigeldt,  So  wher  es  unnott; 
doch  von  fragen  verlirt  man  nichts,  wie  man  sich  darin  verhalten 
sol,  den  Ihr  Anzueg  kan  on  Leith  und  Leith  verderben  nit  abghen, 
was  Ihr  f.  gn.  d.  Generalissimo  darin  fhier  guedt  ansehen.  Ob 
man  wol  Ihrer  hielf  wie  Ich  darfier  haldt  nit  bedai-f.  So  mießen  sie 
doch  Ersucht  werden,  Ansehliche  gesandte  sicherlich  durchzubringen, 
damit  sie  als  Confoederirte  den  tractaten  khöntten  beiwohnen,  Ihr 
Gluekh  und  wolffardt  helften  zun  guettem  Endt  zu  bringen  und  Ihn 
die  desiderirte  Alianz  mit  Frankhreich,  Schweden,  Churf.  Durch- 
lechtigkeiten,  dem  Römischen  Reich  siech  mit  ainzuverleiben.  Weil 
mich  alß  ain  Bevolmachtigung  dem  guetten  Rath  und  Willen  noch 
Ihn  die  sach  zu  schickhen  wißen,  Biett  Euer  Excelenz  bei  solcher 
presentirter  ocasion  mich  Ihr  f.  d.  dem  Generalissimo  auf  das  schönste 
bevelhen  Euer  Excelenz  dienstbeflißener  mit  treun 

H.  M.  G.  V.  Thurn. 

No.  13.    Liegnitz,  1633  Sept.  1. 

H.  M.  Thurn  cm  Arnim  (Original,  eigenhändig). 

Hoch  Edler  Herr  General  Leutenampt.  GeEhrtter  geübter  herr 
und  freundt.  Von  Euer  Excelenz  hab  Ich  2  vertrauliche  Briefl 
empfangen  und  alles,  was  Sie  darin  begeren,  Erkehne  Ich  mich 
schueldich.  Wen  Euer  Excelenz  auch  Ihr  F.  G.  Paß  ertheillen,  so 
solen  und  mißens  die  Schwedischen  nit  dificultiren;  was  aber  ain 
Capitan  auf  den  Sandt  sol  gereth  haben ,  der  wierth  Citirt  gehört 
und  judicirt  werden,  die  execution  sol  folgen. 

Die  Walischen  haben  ein  Sprichwort  Servir  e  non  agradir  c'e  una 
cossa  de  morir.  Wie  treulich  herzlich  und  Eifrig  wolbedechtiglich 
Euer  Excelenz  die  sach  geführeth,  Ist  Gott  bewuest,  und  vor  der 
Weldt  wiel  Ich  es  rbuemen.  Der  Stilstand  wierth  von  den  Einfel- 
tigen,  alß  man  mir  gesagt,  übel  verstanden.  Ich  hette  mich  Euer 
Excelenz  Comando  ganz  undterworffen  und  angenomen  worden. 
Bekehne  es  mit  Lieb  vertrauen  und  gutte  afection,  Trost  mich  des. 


294  Arnold  Gaedeke: 

das  Gott  den  Sachen  einen  solchen  anßschlag  wiert  geben,  das  der 
stilstandt  wird  geriral)t,  das  Werkh  gelobt  und  der,  so  darin  gcarbeit, 
gelibt  werden. 

Verbleibe  Euer  Kxcelenz  dieststhuldig  mit  trenn 

Lignicz  den  1  September  1633.  H.  AI.  G.  v.  Thurn. 


No.  U.    I1634.J 

Arnim  au   Wallcnstein  (Concept,  eigenhändig). 

E.  fürstl.  gn.  Seindt  meine  untertenige  undt  gehorsame  Dienste 
bevohr,  gnedigster  Her.  Daß  E.  fürstl.  gn.  zu  anfaßung  eines  be- 
stendigen aufi'iclitigen  undt  cliristlichen  friden  gute?  vertrauen 
wiedernnib  aufgerichtet  uii<Uer  Vohrhauung  aller  gefohrlichen  niachi- 
nationen  damit  dem  verderblichen  Kriege  gesteuert  und  dakegen 
das  Reich  wiedernnib  in  sicJiere  Ruhe  gesetzet  werden  mochte  vorige 
fridens  tractaten  nicht  allein  zu  reassutniren  sondern  nach  muchlig- 
keit  zu  maturiren  gemaiiiet,  dcßen  erfreue  ich  mich,  undt  ist  nicht 
zu  zweiffein,  daß  der  vielgtitige  Gott  solchen  getreuen  eifer  sich 
wirdt  in  gnaden  gefallen  lassen  und  dazu  solchen  succurs  verleihen, 
daß  E.  fürstl.  gn.  zu  derselben  loeblichen  Intention  und  ihrer  ge- 
treuen Vohrsorge  halben  einen  unsterbliclien  rühm  bey  der  posteritet 
davontragen  werden ,  welches  E.  fürstl.  gn.  zu  dießem  angehenden 
Neuen  Jahre  Ich  von  hertzen  wil  gewünschet  haben. 

Wie  nun  eines  jeden  getreuen  patrioten  Schuldigkeit  erfordert, 
E.  fürstl.  gn. ,  nach  muchlichkeit,  liierin  an  der  handt  zu  gehen, 
So  wiel  ich  auch  meines  teiles  daliin  eußerst  bemühet  sein ,  damit 
durch  keinen  merklichen  Verzug  dießes  heilsahme  Wergk  gesperret, 
wie  denn  zu  dem  Ende  aufl'  S.  Cahrfstl.  gn.  zu  Sachßen  meines 
gnedigstcn  Herrn  P>laubnuß  Ich  mich  alsofort  auf  den  Wegk  zu 
E.  fürstl.  gn.  gemachet.  Allein  sehe  ich  gerne  daß  man  beiderseitz 
Cubrfstl.  mit  solcher  intruction  erscheinen  mochte,  damit  bey  den 
tractaten  keine  fernere  Information  oder  Weiter  Erholungk  Ihrer 
1).  D.  befeligk  von  noten,  sondern  ohne  langen  aufenthalt  zu  dem 
gewünschten  schluß  desto  eher  gelanget  werden  knnte.  Weßwegen 
dem  also  hochnötig  befunden  mitt  S.  Cuhrf.  I).  zu  Brandenbnrgk 
dieße  sache  grüntlich  zu  commnniciren,  womit  vor  nichts  gestehmet 
werden  soll,  In  deßen  S.  fürstl.  gn.  herr  Felltmahrschalkh  vermocht 
dieße  reiße  zu  E.  fürstl.  gn.  auf  sich  zu  nehmen  undt  hievon  sat- 
sahmen  bericht  zu  tnhn.  VerhofTe  K.  fürstl.  gn.  ilirer  beywonenden 
hohen  discretion  nacli  sell)sten  befinden  werden,  daß  dießes  zu 
schleunigster  Vortsetzung  des  Wergkes  gereichet,  und  den  Verzug 
von  mir  nicht  ungnedig  vormerken  werden. 

No.  15.    flß34.] 

Entwurf  zu  einer  Anfrage  Arnims  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen 

f eigenhändig). 

Ob  vohrdessen,  ehe  der  anfangk  zu  den  tractaten  gemacht,  Ich 
von  dem  herzöge  begehren  sollt,  mihr  die  Volmacht  von  Ihrer  Kays. 
Mayt.  vohrzuzeigen.  Da  ich  aber  vernehme,  daß  dieselbe 
nicht  vorhanden  oder  der  Herzog  in  seinem  Nahmen 
tractiren  wollte,  wie  Ich  mich  in  deme  zu  verhalten; 


Aus  den  Papieren  des  kursäclis.  Gen.-Lts.  von  Arnim.      295 

Wan  der  Herzog  zu  Fridland  limitatam  potestatera  tractandi, 
Er  aber  darüber  schreiten  auch  edtwas  anders,  alß  die  h.  Rehte 
sich  vergleichen  konten,  mit  mihr  schließen  weite,  wie  Ich  mich 
darin  zu  verhalten; 

In  Fall  er  aber  gantz  keine  Vollmacht,  sondern  vohr  seine 
persohn  tractiren  wollte,  waß  alß  dan  zu  tuhn; 

Da  ich  spühren  würde,  daß  edtwa  der  Herzog  zu  frideland  von 
Ihr.  Kays.  Mayt.  disgoustirt,  (und  die  gentzliche  resolution  gefaßet 
sich  an  denselben  und  dem  Hauße  Oesterreich  zu  rechen)^'*)  und 
seine  vohrhaben  wider  denselben  und  den  Hauß  Oesterreich  ge- 
richtet, Wie  ich  mich  darin  erzeugen  sollte; 

(Wan  ein  schluss  geraachet,  Ob  ich  denselben  zuforderst  S. 
Cuhrf.  D.  zu  verlesen  überschicken  oder  wan  er  meiner  Instruction 
gemeß  erhalte  Ich  nuhr  alßballt  vollnzihen  dorffte; 

Ob  Ich  darauflf  zu  bestehen  daß  der  herzog  zu  fridelandt  sich 
verobligiren  sollte  die  ratification  von  Ihr.  Kays.  Mayt.  und  den 
Catholischen  zu  verschaffen)  ^^); 

Wie  man  sich  der  Obligation  zu  vergleichen,  daß  beider 
parteyn  consens  und  ratification  herauß  gebracht. 

ündt  da  er  sich  erbieten  würde,  solches,  wo  es  anders  nicht 
geschehen  koute,  mit  Gewalt  der  Waffen  zu  erzwingen  und  dakegen 
S.  Cuhrf.  D.  wider  alle  diejenigen,  so  sich  dem  Vergleich  opponiren 
wollten,  sich  zu  einem  gleichen  zu  obligiren  suche,  wie  weitt  hierin 
zu  gehen. 

(Wan  er  vleicht  begehrte,  daß  bey  den  Evangelischen  zufor- 
derst die  Einwilligungk  heraußgedrungen  und,  da  die  außwertigen 
sich  opponiren  würden,  dieselben  auß  dem  Reiche  geschafl't  werden 
sollten,  Ob  nicht  viel  mehr  auf  dießer  seite  darauff  zu 
bestehen,  daß  der  Catholische  Consens  zum  ersten  verlanget 
und  alß  dan)  15) 

Bei  wehme  zuforderst  auff  der  approbation  zu  dringen  und, 
da  er  abermahl  begehren  würde  die  frembde  auszuschaffen,  Ob  nicht 
darauff  zu  bestehen,   daß  erstlich  der  Catholische  Consens  erfolge. 

No.  16.     [1634.J 

Aus  dem  Verzeichnisse  des  handschriftlichen  Nachlasses  des  Herrn 
Feldmarschalls  in  kaiserlichen  Diensten  Johann  George  von  Arnim. 

B.  Militaria  lö). 

14.  Jauuar.  Franz  Albrecht  Herzog  zu  Sachsen  an  Arnim. 
Der  Herzog  von  Friedland,  welcher  vom  Kayserlichen  Hofe  verweise 
erhalten  wegen  Regeusburg,  daß  er  solches  nicht  entsetzet,  ist  mehr 
als  je  geneiget  des  Churfürsteu  Wünsche  zu  genügen,  will  sich 
an  dem  Kaiser  rächen  und  beabsichtigt  auf  Berlin  zu  mars(-hieren 
um  mit  dem  von  Arnim  Unterredung  zu  halten.  Franz  Albrecht 
will  den  Versuch  macheu  vom  Herzoge  von  Friedland  die  Heraus- 
gabe von  Frankturth  und  Wuerzburg  zu  erlangen.  Schließlich  wird 
dringend  um  die  Rückkehr  von  Arnim  gebeten. 

17.  Jaunar.  Abschrift  eines  Schreibens  des  Franz  Albrecht 
Herzogs  von  Sachsen  an  den  Churfürsten  von  Sachsen,  üebersendet 
eine  Erklärung  von  mehreren  Kayserlichen  Staabs-Officieren,  welche 

15)  Die  eingeklammerten  Worte  sind  durchgestrichen. 
1^)  Ich  füge  au  dieser  Stelle   ein   kurzes   Stück   des   zweiten 
boitzenburger  luhaltsverzeichnissea  des  Jahrea  1634  (oben  S.  279)  bei. 


296      Arnold  Gaedeke:  Ans  den  Papieren  des  Gen.  v.  Arnim. 

sich  vereiniget  haben,  sobald  der  Herzog  von  Friedland  durch  die 
wider  ihn  erliobenen  Kabalen  sich  genöthiffet  sehen  sollte,  das 
Commando  niederzulegen,  ihn  nie  zu  verlaßen,  sondern  treulich 
bei  ihm  auszulialten. 

18.  Januar.  Herzog  Franz  Albrecht  an  Arnim,  erzählet  dem- 
selben die  Vereinigung  der  Kayserlicheii  Offiziere  wider  die  Ab- 
setzung des  Herzoges  von  Friedland  und  wie  überhaupt  die  Sachen 
mit  ihm  stehen. 

29.  Januar.  Herzog  Franz  Albrecht  aii  Borgsdorf,  giebet 
Nachricht  vom  guten  Stand  der  Sachen  ferner  daß  man  den  von 
Arnim  sehnlichst  zurück  verlange  und  daß  er  selbst  am  Fieber 
erkranket  seye. 

2.  Februar.  Herzoe  Franz  Albrecht  an  Arnim,  berichtet  wie 
er  beim  Herzoge  von  Friedland  in  Pilsen  sehr  freundlich  empfangen, 
denselben  Tag  aber  am  Fieber  erkranket  ist. 

8.  Februar,  Herzog  Franz  Albrecht  an  Arnim,  Yersicherungen 
wie  sehnlich  er  in  Pilsen  vom  Herzoge  von  Friedland  und  Grafen 
Tertzky  erwartet  werde,  Versicherung  vom  guten  Stande  der  Dinge, 
ferner  -Nachrichten  wie  übel  Wallenstein  beym  Kayserlichen  Hofe 
angeschrieben  und  dringendste  Bitte  um  schleunigste  ankunft  des 
Generals  in  Pilsen. 

18.  Februar.  Franz  Albrecht  an  Arnim,  Herzog  von  Friedlandt 
wünschet  immer  dringender  die  Ankunft  des  Generals;  Altringer 
ist  von  Friedland  nach  Pilsen  berufen,  derselbe  weigert  sich  jedoch 
zu  kommen,  weshalb  Gallas  ihm  entgegen  gesendet,  Deodati  ist 
ohne  Befehl  nach  üesterreich  mars('hierct,  Friedland  hegt  Misstrauen 
gegen  Piccolomini,  Es  zeiget  sich,  daß  nicht  alle  es  mit  der  Partei 
des  Friedlandt  halten.  Friedlandt  beabsichtiget  sich  bei  Prag  zu 
concentriren.  Er  wünschet,  dass  von  selten  Arnims  einige  tausend 
Pferde  an  der  böhmischen  Grenze  gesammelt  werden,  um  dem  Herzog 
im  Nothfall  kräftig  unterstützen  zu  können.  Hatzfeld  und  Colloredo 
sind  von  Friedlandt,  weil  er  sie  nicht  trauet,  al)berufen  und  dem 
SchaÖ'gotsch  das  Commando  übergeben  und  demselben  befohlen 
worden,  sich  in  der  Mark  und  Schlesien  zu  überzeugen,  wer  es  mit 
ijim  hält.  Friedland  beabsichtiget  ernste  Fehde  allen  denen,  welche 
es  mit  dem  Altringer  halten.  Friedland  hat  Franz  Albrecht  be- 
stimmt zum  Herzog  Bernhardt  zu  reisen  um  auch  diesen  zu  ge- 
winnen. Friedlandt  bittet,  daß  die  Sächsische  Garnisonen  in  Schlesien 
mit  Schaflfgotsch  in  gutes  Vernehmen  treten  möchten. 


XII. 

Die  einstigen  Malereien  in  der  Augustusburg. 

Von 

C.  Freyer. 


Wer  die  infolge  ihrer  eigentliüniliclien  I^age  an  den  ver- 
schiedensten Orten  des  Sachsenlandes  sichtbare  Augustus- 
burg in  ihrer  leidlich  erhaltenen  äusseren  Gestalt  und 
ihrem  grenzenlosen  innern  Verfall  näher  kennen  gelernt 
hat,  mag  wohl  fragen,  was  einst  nach  ihrer  Erbauung 
(1568 — 72)  reichlich  anderthalb  Jahrhundert  lang  Tausende 
und  aber  Tausende  von  nah  und  fern  zu  ihrer  Besich- 
tigung herbeizog,  warum  kein  gelehrter  Reisender  sie 
unbesucht  Hess,  wodurch  das  kurfürstliche  Schloss  „der- 
massen  erhoben  war,  dass  es  seinesgleichen  ausser  Dressden 
fast  nicht  im  Lande  hat".  Gewiss  war  der  auf  kahlem,  von 
allen  Seiten  sc) i wer  zugänglichem  ßergesgipfel  an  Stelle 
der  1547  durch  Blitzschlag  zerstörten  kursächsischen  Burg 
Schelleuberg^j  in  noch  nicht  4  Jahren  errichtete  Bau,  der 
alle  Kräfte  der  Gegend  nordwärts  bisRochlitz,  südwärts  bis 
Schwarzenberg  angespannt"')  und  den  geschäftlichen  Ruin 
des  treuverdienten,  hochbetagten  Meister  Lotter  aus  Leipzig 
mit  herbeigeführt  hatte,  an  sich  schon  der  Bewunderung 
werth.  Avich  der  auf  dem  Berge  befindliche,  85  Lachter 
(ca.  170  m)  tiefe,  grösstentheils  in  „überaus  hartes  Gestein" 
getriebene    Brunnen    mit    seinem    reichen   Wasservorrath 


1)  Als  Reichslehen  war  dieselbe  am  5.  April  1324  an  den  Mark- 
grafen Friedrich  von  Meissen  gelangt;  vergl.  die  Lehensurknnde  des 
Königs  Ludwig  IV.  von  diesem  Datum,  Or.  im  H. -St. -A.  Dresden 
No.  2304. 

^)  Baugeschichtc  in  dem  unten  zu  erwähnenden  Manuskript 
M.  Hermanns  und  bei  Wustmann,  Lotter  (Leipzig  1875). 


298  C-  Freyer: 

und  den  ungeheueren  Kosten  seiner  Herstellung  —  72  000 
rhein.  Gulden  —  forderte  das  Staunen  der  Fremden 
heraus,  vollends  wenn  sie  vernahmen,  wie  zwei  andere 
kostspielige  Versuche,  das  edle  Nass  von  den  nahen  Wald- 
kirchener  Höhen  und  aus  der  Zschopau  auf  den  dürren 
Felskegel  zu  schaffen,  vergeblich  gewesen  und  auch  der 
dritte  nur  durch  die  zäheste  Ausdauer  des  Brunnen- 
meisters ■^),  der  schliesslicl»  mit  eigenem  Gelde  fortarbeitete, 
gelungen  sei.  Dazu  veranlasste  der  patriotische  Sinn  und 
die  Liebe  zum  angestammten  Herrscherhause  viele  Sachsen, 
die  Stätte  zu  schauen,  wo  ihre  Fürsten,  voran  der  all- 
verehrte „Vater  August",  Monate  liindurch  weilten,  um 
sich  von  den  Regierungsgeschäften  zu  erholen  und  dem 
edlen  Waid  werk  obzuliegen.  Bergesluft,  Waldesduft,  köst- 
liche Rundsicht  auf  die  blauen  Höiien  und  blühenden 
Thäler  des  Erzgebirges  pflegte  man  damals  auf  dem 
Schcllenberg  noch  nicht  zu  suchen.  —  Aber  eben  die  in 
der  Augustusburg  gehaltenen  Hoflager ^),  davon  das  längste 
und  glänzendste  unter  Johann  Ueorg  I.  vom  28.  August 
bis  22.  Oktober  1651,  schon  der  vom  Erbauer  August 
im  April  1567  an  seinen  Schösser  „uffm  Schellenpergk" 
erlassene  Befehl,  dass  „zur  Zierde  des  Landes"  ein  neues 
Schloss  erbauet  werde,  lassen  vermuthen,  die  innere  Aus- 
stattung des  letzteren  werde  der  grossartigen  äusseren 
Anlage  entsprochen  haben.  Jene  war  es  niclit  zum 
wenigsten,  welche  weit  und  breit  von  sich  reden  machte 
und  dem  Kaiser  Maximilian  H.  die  Äusserung  enth)ckt 
haben  soll :  er  könne  nicht  sagen ,  dass  dieses  Haus  an 
Zierden,  so  einem  Fürsten,  ja  wohl  Kaiser  und  Könige  wohl 
anstehen,  in  etwas,  auch  im  Geringsten,  mangeln  könne. 
Oft  ist  beklagt  worden,  dass  keine  vollständige  zu- 
verlässige Beschreibung  des  Innern  des  Schlosses  aus 
seiner  Glanzzeit  vorhanden  sei.  Mit  Recht,  denn  die 
Wohnung  samt  ihrer  P^inrichtung  bildet  das  Kleid  ihres 
Insassen,  in  dem  sich  sein  Geist  und  seine  Art,  Sitte  und 
Bildung  seiner  Zeit  ausprägt,  sonderlich  dann,  wenn  er 
in  der  Ausschmüciiung  weder  durch  Rücksicht  auf  die 
erforderlichen  Geldmittel  beschränkt,  noch  durch  das  stete 
Anschauen  fal)rik-  und  schab lonenmässiger  Erzeugnisse 
von  Kunst   und   Handwerk   in  seinem  Geschmack   beein- 


3)  Der  Name  ist  nicht  sicher  festzustellen. 
*)  Journale  hierüber  tuid  über  alle  Hofgottesdieuste  in  einer 
Matrikel  des  alten  Schelleübeiger  Pfarrarchivs. 


Malereien  in  der  Augustusburg.  299 

trächtigt  ist.  Von  einem  Charakter,  wie  Kurfürst  August 
war,  bei  seiner  Sorge  für  das  Kleine,  sogar  Kleinliche, 
die  den  Baumeister  so  vielfältig  hemmte,  dürfte  man  er- 
warten, viele  Züge  seines  Bildes  in  seiner  toten  häuslichen 
Umgebung  wiederzufinden,  noch  dazu  in  jenen  Tagen,  wo 
das  Familienleben  ganz  anders  gefestet  war  denn  jetzt,  die 
Heimstätte  eine  weit  höhere  Bedeutung  besass,  das  greif- 
bare Geräth  und  sichtbare  Bild  vielfältig  die  Stelle  der 
abstrakten  Schrift  und  des  blassen  Gedankens  vertrat. 

Beschäftigt  mit  Nachsuehungen  zur  Geschichte  Schel- 
lenbergs fand  Verfasser  bereits  1879  zu  seiner  Freude  im 
alten  Pfarrarchiv  gedachten  Ortes  ein  dreibändiges  Manu- 
skript eines  gelehrten  Vorgängers,  des  Schlosspredigers 
M.  Ernst  Hermann  (f  1732),  betitelt:  Chronicon  Augusto- 
burgense,  das  ist  Augustusburgische  Chronik  und  Be- 
schreibung des  Kurf.  Sachs.  Jagdhauses  Augustusburg  — 
sicher  eine  Frucht  Jahrzehnte  langen  Fleisses,  vollendet 
1725,  gewidmet  dem  König  August  H.,  der  dazu  die 
Erlaubniss  mündlich  gegeben  und  die  Förderung  des 
Druckes  versprochen  hatte.  Warum  letzterer  nicht  erfolgte, 
lässt  sich  nicht  mehr  ersehen.  Vielleicht  erschien  das 
„Büchlein"  von  243  eng  beschriebenen  Bogen  iür  den 
beabsichtigten  Zweck  doch  zu  umfangreich.  Genug  — 
die  Schrift  blieb  wenigstens  glücklicherweise  erhalten. 
Dass  sie  die  einzige  Darstellung  eines  Augenzeugen  von 
dem  ist,  was  einst  die  Räume  des  Schlosses  während 
dessen  grosser  Zeit  zu  sehen  gaben  —  der  siebenjährige 
Krieg  machte  allem  Glanz  für  immer  ein  Ende  —  ver- 
leiht der  Arbeit  ihren  Werth'^).  Unter  Benutzung  dieses 
Manuskripts  und  anderweiten  Materials  aus  alten  Akten, 
Kirchenbüchern  und  dergleichen  entstand  durch  Schreiber 
dieses  bald  ein  neues  Werkchen  über  die  Augustusburg 
und  ihre  Geschicke  bis  auf  die  Gegenwart,  das  gleich 
dem  Chronicon  —  geschrieben  blieb,  im  Vorjahre  aber 
Herrn  Prof.  Dr.  Steche  zu  bedingungs weiser  Benutzung 
für  die  Abfassung  des  einschlagenden  Artikels  in  Heft  6 
der  „Bau-  und  Kimstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen" 
überlassen  ward. 

Der  ehemalige  Bilderschmuck  im  Schlosse,  der  hier 
lediglich  in   Betracht   kommen  soll,   gewährt  bei  seinem 


^)  J.  E.  V.  Schütz,  Histor.  Ökonom.  Beschreibung  von  dem 
Schloss  und  Amte  Augustusburg  (Leipzig  1770),  kennt  die  Burg  nur 
in  ihiem  verwüsteten  Zustande. 


300  C.  Freyer: 

Reichthuni  und  seiner  Mannigfaltigkeit  einen  liochinteres- 
santen  Einblick,    ebenso    in    die   Eigenart    des    Erbauers 
August,  wie  in  die  Kultur-  und  Sittengeschichte  des  aus- 
gehenden   16.    Jahrhunderts.      Des    Kurfürsten    kräftiges 
Selbstbewustsein,    seine    Anhänglichkeit    an    den    Kaiser, 
seine  Frömmigkeit,  seine  Gex*echtigkeitsliebe,    seine  haus- 
backene derbe  Art,   der   Umgebung  Anstand   und  Moral 
beizubringen,   finden  in  demselben   lebendigen  Ausdruck. 
Aber    von    den     bemalten    Decken    und    Wänden    herab 
sprechen  auch  der  geschichtliche  Sinn,  die  religiösen  Be- 
wegungen, die  humanistischen  Bestrebungen,  das  Familien- 
und  Volksleben,  die  rauhen  Sitten,   die  naive  Sittlichkeit 
und  straffe  Zucht,  der  erfrischende  deutsche  Humor  jener 
Tage,  die  für  unser  Sachsen  so  gesegnete  waren  und  un- 
vergessliche    bleiben.     Dem   Leser    sei   überlassen,    diese 
Einzelzüge  des  Gesamtbildes,  das  sich  vor  unsern  Augen 
aufrollen    wird,    selbst    aufzufinden,    während    wir    einen 
Rundgang  durch  die  Haupträume  der  Burg  machen,  die 
Kirche  ausgeschlossen,  deren  Malereien  noch  vorhanden  sind. 
Wir   begeben    uns    durch   das    breite  Hauptportal  in 
den  kreuzförmigen  Hof  und  wenden  uns  links   nach  dem 
ersten  der  vier  Hauptgebäude  des  Schlosses:  dem  Linden- 
hause,  so  genannt  von   der  vor  jenem  stehenden,  dieses 
beschattenden  mächtigen  Linde.    Es  enthält  die  Wohnung 
der   kurfürstlichen  Familie,   im    untersten  Stock    die   des 
Kurfürsten.     Die  Decken  des  Wohn-  und  Schlafzimmers 
zeigen  im  Halbkreis  Szenen,  welche  die  Heldenthaten  des 
Herzog  Moritz  in  Ungarn  verherrlichen.    An  einer  Wand 
des  zweiten  Gemachs  ist  Augusts  Bild  in  halber  Mannes- 
grösse     befestigt.      Er    trägt    den    Streithammer    in    der 
Rechten,  vermuthlich  zum  Hinweis  auf  seinen  im  Auftrag 
des    Kaisers    und    im    eigenen    Interesse   unternommenen, 
siegreich  durchgeführten  Kampf  gegen  die  „Grumbachische 
Rotte",  von  dem  überhaupt  der  ganze  Bau  ein  sichtbares 
Zeugnis    sein   soll.**)     Sieben   Wandbilder    auf  Siebpapier 
in    Holzrahmen    mit    erklärenden    lateinischen    Inschriften 
imd  der  Jahreszahl   1560  versetzen  in  das  römische  Altcr- 
thum   zurück.     Sie    stellen    dar:   eine  Schlacht  im    fi'eien 
Felde,    das   dem  Mars  und   der  Venus  geheiligt  ist,   ein 
Treffen  der  Reiterei  und  des  Fussvolkes,  ein  Wettrennen 
zu  Pferde  bei  den  Circensischen  Spielen,  eine  Hoftafel  des 
römischen  Kaisers,    ein   Tanzhaus    auf   der  Bastei   einer 


")  Nach  derGedächtnisschrift  im  Grundstein  bei  Hermann  a.  a.O. 


Malereien  in  der  Augnstusbnrg.  30t 

Festung,  eine  zu  Wasser  und  zu  Lande  belagerte  und 
eroberte  Stadt,  das  erste  Fus&turnier  bei  den  Marsspielen. 
Von  besonderer  Schönheit  und  hohem  Alter  ist  das  auf 
eine  Holztafel  geraalte  Kruzifix  mit  Maria  und  Johannes. 
—  Drei  grössere  Deckengemälde  in  dem  nahen  Wohn- 
zimmer der  Kurfürstin  sind  wieder  dem  Andenken  an 
Moritz's  Ungarnkrieg  gewidmet.  In  der  Gemskammer 
des  anderen  Stockes  tritt  uns  Meister  Reinecke  in  ver- 
schiedenen Stellungen  und  Beschäftigungen  entgegen. 
Das  Gruppenbild:  ein  Fuchs  im  päpstlichen  ürnat  predigt 
salbungsvoll  einer  Schar  begierig  lauschender  Gänse,  reizt 
unwillkürlich  zum  Lachen.  —  Den  Kurprinzen  erinnert 
ein  Gemälde  auf  Leinwand  in  seinem  Vorgemach  an 
einen  Jagdtriumph  seines  Vaters:  das  Bildnis  eines  grossen 
Hirsches,  den  dieser  erlegte.  Eine  Tafel  in  dem  neben 
dem  Thiere  stehenden  Baum  berichtet:  „Diesen  Hirsch 
hat  mein  G.  Herr  Churfürst  zu  Sachsen  geschossen  auf 
der  Weydenhanischen  Heyden  am  Ditzengrunde  beim 
Schwinderle,  hat  gewogen  7  Ctr,  5  Pfund*'  u.  s.  w.  Hinter 
den  nun  folgenden  beiden  Gemächern  der  Kurprinzessin 
führt  eine  Kammer  in  die  Affenstube,  wo  wir  allerhand 
närrische  Aufzüge  von"  Affen  schauen;  der  drolligste  ist 
eine  in  Kostümen  musizierende  Affenkapelle,  in  ihrer  Mitte 
ein  ernster,  kunsteifriger  Vierhänder  mit  dem  Notenblatt 
in  der  rechten  Pfote  als  Dirigent. 

Der  dritte  Stock  birgt  den  vielgenannten  Vogel-  oder 
Kaisersaal,  welcher  als  Paradesaal  dient.  Ein  riesiges 
Deckengemälde  bewahrt  das  Gedächtnis  einer  auf  dem 
Schloss  zu  Ehren  Kaiser  Maximilian  H.  veranstalteten 
Reiherbeize,  als  der  hohe  Herr  mit  vier  Söhnen  und  zwei 
Töchtern,  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg,  Herzog  von 
Brieg,  Fürsten  von  Anhalt  u.  a.  im  April  1575  von  Dres- 
den aus  die  Augustusburg  besuchte.  Dem  Eingang  gegen- 
über zwischen  zwei  Fenstern  stehen  Gast  und  Wirth  als 
Zuschauer  der  Jagd,  auf  der  um  die  Decke  laufenden 
obern  Tribüne  Hofherren  und  Jäger,  als  Anführer  der 
letzteren  „Tzschopeuhans",  Wildmeister  von  Zschopau 
(Hans  Weber),  einen  Falken  auf  der  Hand  tragend ,  auf 
der  untern  „das  Frauenzimmer",  als  dessen  Belustiger 
„Klaus  Narr",  der  bekannte  (1515  verstorbene)  Spass- 
macher');  der  Falkenstoss  nimmt  den  mittelsten  Raum  ein. 


')  Vergl.  über  ihn  Schnorr  von  Carolsfeld  im  Archiv  für 
Litt.-Gesch.  VI,  277  flg. 


302  C.  Freyer: 

Den  Rahmen  um  das  Bild  stellen  38  Wappen  kurfürst- 
licher Besitzungen  vor,  mit  den  Namen  versehen,  den 
Anfang  macht  C.  Sachsen,  den  Beschluss  H.  Leuch- 
tenburg. 

Die  den  Saal  umgebenden  Gemächer  werden  von 
dem  „Churfürstlichen  Frauenzimmer"  bewohnt.  Sollen 
die  im  Hauptraum,  der  Turteltaubenstube,  und  den  an- 
stossenden  Kammern  aussen  dicht  vergitterten  Fenster 
ohne  „Schieblinge"  einen  Verkehr  der  Hofdamen  mit  den 
Kavalieren,  die  auf  der  rings  um  das  Schloss  laufenden 
„Galerie"  sich  ergehen,  verhindern,  so  verfolgen  die  Bilder 
in  den  fünf  Gelassen^)  offenbar  den  Zweck,  den  weib- 
lichen Sinn  auf  Höheres  zu  lenken,  die  Moral  zu  fördern 
und  von  Untugenden  abzuschrecken.  Merkwürdig  nur, 
dass  die  Stoffe  dazu  nicht  nur  der  heiligen  Schrift,  son- 
dern auch  —  den  Dichtungen  Ovids  entnommen  sind. 
Die  Reihenfolge  ist  diese: 

Das  Chaos  vor  der  Schöpfung. 

Unterschrift:*)    Genesis  ara  Ersten  thut  man  lesen 

Was  im  Anfang  der  Welt  ist  gewesen. 

Es  war  alles  finster  und  löhr, 

Der  Geist  des  Herrn  schwebt  darinnen  her. 

Die  Schöpfung  der  Thiere. 

Ovid.  am.  I.    Ehe  Jupiter  den  Menschen  schuf, 

Macht  ihm  zuvor  der  Thierlein  genug, 
Ueber  alles  der  Mensch  soll  sein  ein  Herr, 
Was  da  ist  auf  Erden  und  im  Meer. 

Die  Schöpfung  Adams. 

Ovid.  am.  I.     Hie  wird  geschafien  des  Menschen  Bild, 
Aufrichtig,  freundlich,  gut  und  mild, 
Dass  er  den  Himmel  soll  vermehren, 
Die  Thiere  ihn  viel  Gutes  lehren. 

Die  Schöpfimg  der  Eva  aus  des  Mannes  Kippe. 

Gott  nahm  ein  Kibbe  aus  Adams  Leib, 

Und  schuf  daraus  Evam,  sein  AVeib. 

Der  Mensch  sein  fleisch  sah  gehn,  that  anschawen, 

Er  gab  sie  ihm  zu  einer  Hansfrawen. 

Das  Verbot  Gottes  an  die  ersten  Menschen:  unter 
einem  Baume  steht  neben  Adam  und  Eva  der  Herrgott. 
(Die  Unterschrift  felilt.) 


8)  Hiernach  die  Angabe  Steches  in  „Bau-  u.  Kunstdenkm."  VI, 
37  zu  berichtigen. 

")  Leider  hat  Hermann  die  alte  Schreibweise  bereits  nach  der 
seiner  Zeit  geändert. 


Malereien  in  der  Augustusburg.  303 

Adam    und    Eva    essen  von    der  verbotenen  Frucht, 

ihre  Austreibung  aus  dem  Paradies. 

Überschrift:     Kein  listiger  Thier  war,  denn  die  Schlang, 
Darnmb  kam  sie  zum  Weib  gegang, 
Sprach,  solt  euch  diese  Frucht  nicht  gedeyn, 
Ich  weiss  ihre  Kraft  und  Tugend  fein, 
Esset,  sprach  sie  ohn  allen  Spott, 
So  werdet  ihr  gleich  dem  ewigen  Gott. 

Unterschrift:   Nach  solchem  grossen  Fall  und  Mord 

Hörten  sie  im  Garten  des  Herren  Wort, 
A'dam  wolt  daran  keine  Schuld  nit  han 
Und  sprach:  das  Weib  hat  es  gethan, 
Das  Weib  entschuldigt  sich  dieser  That 
Und  sprach:  die  Schlang  gab  mir  diesen  Kath. 

Der  ersten  Menschen  saure  Arbeit:    Adam  gräbt  mit 

einem  Spaten,  Eva  liest  Wacken  und  Steine  ab. 

Unterschrift:   Die  eiserne  Zeit  hereiner  drang. 

Da  man  denn  nicht  mehr  sang  und  sprang, 
Koben  und  Plündern  war  da  gemein, 
Der  Ackerbau  gab  Nutzung  klein. 

Jupiter  kommt  in  Lykaons  Haus. 

Jupiter  fuhr  von  Himmels  Thron, 
Kam  ins  Haus  zu  Lykaon, 
Zu  erfahrn  seine  grosse  Untrew, 
Die  er  gebraucht  durch  Mörderey. 

Kain  erschlägt  seinen  Bruder  Abel. 

Überschrift:     Zween  Brüder  alleine  in  der  Welt 
Opfern  dem  Herrn,  wie  Moses  meld, 
Cain  brachte  von  Früchten  der  Erden, 
Abel  desgleichen  von  seinen  Heerden, 
Gott  sähe  Abels  Opfer  gnädig  an 
Darumb  Cain  in  Zorn  entbrann. 

Unterschrift:   Cain  Zorn  wuchs  immer  fort, 

Endlich  er  seinen  Bruder  ermordt. 
Gott  sprach:  wo  ist  der  Bruder  dein, 
Cain  antwortt:  soll  ich  sein  Hüter  seyn, 
Der  Herr  verflucht  ihm  sein  Leben, 
Kein  Vermögen  soll  ihm  der  Acker  geben. 

Die   Riesen    stürmen    den   Himmel    mit    Felsstücken 

und  werden  vom  Blitz  zu  Boden  geschlagen. 

Zu  Trotz  die  Riesen  allgemein 
Wolten  nehmen  den  Himmel  ein, 
Jesus  schlug  sie  herunter 
Mit  einem  Blitz  und  Donner. 

Jupiter  speist  bei  Lykaon,  der  ihm  Menschenfleisch 
vorsetzt,  dieser  wird  in  einen  Wolf  verwandelt,  sein  Haus 
angezündet. 

Lykaon  speist  Menschen  Fleisch  und  Blut, 
Das  brachte  Jupiter  gross  Unmuth, 


304  C.  Freyer: 

Sein  Haus  vei-brannte  mit  Feuer, 
Zum  Wolf  ward  Lykaon  ungeheuer. 
Deukalion  und  Pyrrlia  knieen  betend  vor  dem  Themis- 
tempel. 

Ovid.  libr.  I.,  XITII.   Deukalion  und  Pyra  auf  der  Welt  allein, 
Baten  die  (rotter  säml)tli(li  insgemein, 
Die  Göttin  Timis  sie  bald  lehrt, 
Wodurch  menschlich  Geschlecht  würd  gemehrt. 

Noah  lind  seine  3  Söhne  samt  ihren  Weibern  opfern 
nach  der  Sintfluth  (hinter  ihnen  kniet  der  «Kurfürst  mit 
seiner  Gemahlin). 

Als  in  der  Sündfluth  Gott  ersäuft  der  Mensclien  Kinder, 
Die  aller  Bosheit  voll  und  recht  verstockte  Sünder, 
Hat  Noah  sein  Gebet  und  Opfer  zugericht. 
Auf  welches  Opfer  Gott  auch  mit  Gnaden  sieht. 

Deukalion  und  Pyrrlia  werfen  Steine  hinter  sich,  aus 

denen  Knaben  und  IMäg'dlcin  werden. 

Sie  -würfen  die  Steine  hinter  sich  ins  Feld, 
Bald  wird  draus  eine  neue  Welt, 
Knaben  und  auch  Mägdlein  schon. 
Wie  sie  droben  gemahlet  stobn. 

Phöbiis  erschiesst  mit  dem  Pl^^il  die  Scldange  Python. 

Da  das  Wasser  war  vergangen. 

Wuchsen  hernacher  viel  Wurme  und  Schlangen, 

Pliöbus  mit  seinem  Bogen  erschoss 

Python  den  Wurm  lang  und  gross. 

Die  Sodomiter  wollen  Lots  Haus  stürmen,  werden 
mit  Blindheit  geschlagen,  die  Stadt  geht  durch  Fcuor 
unter. 

Die  schändliche  Sodomitische  und  böse  Rott', 

Liefen  hart  an  den  IVommen  Loth, 

Gar  sehr  den  Herren  das  verdross, 

Schlug  sie  mit  Blindheit  Klein  nnd  Gross. 

Phöbus  will  die  Daphne  erjagen,  die  in  einen  Baum 

verwandelt  wird. 

IMiöbns  läuft  behend  uml  geschwind 
Nach  Daphne,  dem  schönen  Kind, 
Er  trug  in  der  Hand  seinen  Bogen, 
Zum  Baum  ward  sie  vor  seinen  Augen. 

An  der  Thüre  zur  Ti'eppe  in  den  vierten  Stock  (wohl 
über  der  Thüre)  ist  eine  deutliche  Warnung  an  die  Damen 
vor  Verletz.ung  der  TIausordmmg  angebracht:  das  Bild 
der  Kurfürstin,  welche  auf  die  im  Zinuner  Befindlichen 
schaut,  ob  sie  sich  gut  verhalten,  bei  ihr  steht  eine 
Frauensperson,  die  einen  Pferdefuss  auf  der  Achsel  hält. 
Gleicher  Strafe  hat  sich  jede  Sünderin  zu  gewärtigen. 


Malereien  in  der  Augustusburg.  305 

Aus  dem  Lindenhause  gelangen  wir,  durch  den  Thor- 
bau und  an  der  Kurfürstin  Apotheke  vorübergehend, 
in  das  Sommerhaus,  das  seiner  kühlen,  nordwestlichen 
Lage  wegen  für  den  Aufenthalt  der  Herrschaft  während 
der  heissen  Jahres-  und  Tageszeit  bestimmt  ist.  Nur  der 
Tanzsaal  im  dritten  Stock  trägt  an  der  Decke  über  dem 
hängenden  „Musikantenchor"  ein  grosses  Bild:  Phaeton 
auf  dem  Sonnenwagen  mit  dem  Dreigespann  daherstür- 
mend.  Die  ursprünglich  ringsum  durch  Holzralimen  an 
Wänden  und  Schwibbogen  befestigten  lebensgrossen  Bild- 
nisse sächsischer  Fürsten  und  Fürstinnen  sind  bei  dem 
vorübergehenden  Einfall  der  kaiserlichen  „Crabaten"  zer- 
hauen und  zerstochen  und  deshalb  entfernt  worden. 

Eine  Treppe  führt  herab  in  den  einen  Stock  tiefer 
liegenden,  langgestreckten  Fürstensaal,  der,  zum 
Sommerhause  gerechnet,  die  obere  Verbindung  desselben 
mit  dem  „Hasenhause"  herstellt.  Hier  ist  das  Geschichts- 
und Ahnenbuch  der  Sachsenfürsten  vor  uns  aufgeschlagen. 
In  doppelten  Reihen  schauen  35  edle  Pierren,  in  lialber 
Mannesgrössc  gemalt,  auf  uns  hernieder.  Von  ihren  Be- 
sitzungen, Würden  und  Ehren  zeugen  die  ihnen  beige- 
gebenen Wappen  und  Kleinodien,  von  ihren  Bestrebungen, 
Thaten  und  Leiden  berichten  die  Unterschriften.  Weit 
lebendiger  prägt  sich  jedem  Beschauer  die  grosse  Ver- 
gangenheit der  Herrscherfamilie  durch  die  Bilder  ein,  als 
durch  die  dürren  Ziffern  und  die  trockenen  Aufzählungen 
mancher  Bücher,  in  den  Landeskindern  weckt  die  Be- 
trachtung Stolz  auf  ihre  Fürsten  und  stärkt  ihre  Vater- 
landsliebe. Bewunderung  erregen  Macht  und  Grossthaten 
der  einen,  herzliches  Mitleid  die  traurigen  Geschicke  der 
andern.  Wie  aus  jener  Welt  herüber  erzählt  jeder  seinen 
Lebenslauf,  Und  der  die  Züge  dieser  Grossen  der  Erde  aus 
noch  halb  sagenhaften  Zeiten  bis  auf  August  herab  mit  Far- 
ben auf  Holztafeln  festgehalten,  Lukas  Kranach  d.  J.,  bürgt 
dafür,  dass  die  Gesichter  derer,  die  er  kannte,  sprechend 
ähnlich,  derer,  die  längst  dahingegangen,  entsprechend 
ihrem  Charakter  und  Schicksal  sind.  Raum  für  viele 
Nachfolger  ist  gelassen,  aber  das  letzte  Bild,  das  Johann 
Georgs  I.,  bei  seinen  Lebzeiten  gemalt,  fand  nach  seinem 
Tode  bereits  keine  Unterschrift  mehr.  Die  Augustusburg 
verlor  aus  verschiedenen  Gründen  die  Gunst  ihrer  Besitzer. 

Der  Neffe,  nach  anderer  Meinung  der  Enkel  Witte- 
kinds Ludoif  I.  wird  als  der  Stammvater  des  „Hauses 
Sachsen"  angesehen. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    VII.  3.  4.  20 


300  C.  Preyer: 

H.  Leutolff  der  Erste.     (Überschrift.) 

Träfijt  Mütze  mit  Kleinod,  in  der  Linken  ein  Wappen: 

weisses  Rösschen  im  rothen  Felde. 

Unterschrift:"')  Hertzog  zu  Sachsen  macht  mich  ehe 
Ludwig  der  König  Germania 
Nach  Gotts  Geburt  Acht  luiudert  Jahr 
Und  Zwei  und  Viertzig,  da  die  Schar 
Der  Nortmann  grossen  Mord  begieng. 
Zu  Rom  viel  Ileiligthumb  ich  empfieng, 
Zu  Gandersheini  man  es  noch  hat, 
Das  Closter  stifft  ich  mit  der  Stadt. 

H.   Bruno. 
Wappen  und  Mütze  wie  vorher,  dazu  goldene  Hals- 
kette, rothen  Leibrock,  weissen  Mantel    mit  blauen  Auf- 
schlägen. 

Ich  baut  von  erst  Brunnschweigk  die  Stadt, 
Die  ihren  Namen  von  mir  liat. 
Den  Heyden  war  Ich  gantz  gefehr, 
Bezwanngk  mit  macht  der  Dehnen  beer, 
Mit  mir  verdarb  in  Wassers-Fluet 
Zween  BischoS  und  zwelf  Graven  guet, 
Gar  schier  das  ganntz  beer  inn  gemein, 
Gott  woll  unns  allen  gnedig  seyn. 

H.  Otto  M. 
Kleidung  und  Wappen  wie    vorher,  letzteres   in   der 

Rechten. 

Des  Reichs  Beschirmer  man  mich  nanndt, 
Die  Wenden  icli  mit  meiner  handt 
Bezwanng  und  bracht  ins  Reichs  Gewalt, 
Fürn  halben  Kayser  mann  mich  zalt, 
Des  Reiches  Macht  mann  mir  vertraut. 
Die  Assen  borg  vorerst  ich  baut, 
Conradt  der  Rrst  durch  mich  erwarb 
Das  Reich,  da  Kaiser  Ludwig  starb. 

König  Heinrich. 

Blauen  Bund  auf  dem  Haupte,  Kurrock,  in  der  Rech- 
ten das  Szepter,  in  der  Linken  das  Wappen:  schwarzer 
Adler,  auf  dessen  Brust  das  weisse  Ross  im  rothen  Felde. 

Ganntz  Sachssen,  Döring,  Ilessen-Landt 
Am  Reinstrolim  stund  in  meiner  hanndt, 
Wendt,  Dehn,  Sorb,  Behem,  Marconiann, 
Delmantz  macht  ich  mir  untherthan, 
Den  Ungarn  lag  ich  ol)  mit  macht, 
König  Conraden  ich  Vorjagt, 


'ö)  Die  Unterschriften  bei  v.  Schütz  a.  a.  0.  sind  aus  Hermann, 
der  hier  die  alte  Schreibweise  beibehält,  abgeschrieben,  modernisiert 
und  fehlerhaft. 


Malereien  in  der  Augustusburg.  307 

Das  Reich  nach  ihm  ich  erst  besass, 
Das  vor  kein  Sachss  nit  würdig  wass. 

H.  Herman  (Billung). 

Unter  dem  rotlien  Kurhut  mit  Edelsteinen  eine  rothe 
Quastenmütze,  blau  und  goldfarbigen  Leibrock,  in  der 
Rechten  das  Wappen:  weisses  Ross  im  rothen  Felde, 
daneben  ein  blauer  Löwe  inmitten  zehn  rother  Rosen- 
blätter. 

Einn  Edelmann  von  Stubockelhorn, 
Was  ich  vonn  schlechten  Stamm  gebohrn, 
Kannst,  Tugend,  Redlichkeit  mich  bracht 
Dass  Otto  mich  einn  Fürsten  macht, 
Zu  Sachssen  Lüneburgk  vorwahr 
Das  Schloss  und  Closter  bauet  ich  dar, 
War  Sieghafift,  gestrenng  in  aller  Thadt, 
Otto  der  Gross  mich  darumb  begnadt. 


-n' 


H.  Benno. 

Rothe  Mütze,  goldene  Halskette,    blauen  Mantel  mit 

weissem  Kragen,  in  der  Rechten  das  vorige  Wappen. 

Zu  Sachssen  Grosshertzog  ich  wurdt, 
Alss  man  bald  nach  Gottes  Geburt 
Neunhundert  Drei  und  Achtzig  dar, 
Die  Wemiden  umb  mich  alle  Jahr 
Hielt  ich  in  fried  und  ganntzen  hüen, 
Dass  keiner  wieder  mich  dorf  thüen, 
Otto  der  Annder  mich  bestedt. 
Wie  der  Erst  meinem  Vater  thet. 

H.  Bernhard. 

Blau  und  rothen  Kurhut,  rothen  Kurrock  mit  weissem 

Halsgebräm,  in  der  rechten  das  vorige   Wappen. 

Grossfürst  was  ich  in  Sachssen, 
Der  Geitz  was  ganntz  in  mich  gewachsen, 
Die  Wennden  schätzt  ich  da  vorwar, 
Dass  sie  den  Christenglauben  gar 
Verliessenn  unnd  vorkertenn  sich. 
Wieder  den  keyser  setzt  ich  mich. 
So  bald  nund  ich  genadt  begert, 
Heinrich  der  heylich  mich  der  gewert. 

H.  Ortolph. 
Schwarzen  Kurhut  mit  Edelsteinen  und  weisser,  blauer 
und  rother  Feder,    2   goldene  Halsketten,  blauen  Mantel 
mit  goldbrokatenen  Aufschlägen,  das  frühere  Wappen. 

Mein  Vater  thet  dem  Reich  gewalt. 
Desselben  ich  hernach  entgalt, 
Die  Wennden  nahmen  überhanndt, 
Verderbten  Nord-Albinger  Lanndt, 
Und  alles  was  do  Christen  was, 

20* 


308  C.  Freyer: 

Ermordten  sie  durch  Neidt  \uid  Hass, 
Kein  keyser  mir  zu  hülfe  kam 
Deshalb  ich  grossen  Schaden  nahm. 

H.  Magnus. 

Blaue    Mütze    mit    einer    weissen    und    zwei    gelben 

Federn,    blauen  Leibrock,  rothen  Mantel,    in  der  Linken 

das  gezogene  Schwert,  dabei   das  Wappen:    weisses  Ross 

im    rothen  Felde,    dabei    ein  blau   und    weiss    gefeldertes 

Quadrat. 

Bey  meiner  Zeit  die  Christenheit 
Durchs  Wenndisch  Lanndt  liedt  hertzeleidt, 
Gotschalck  der  Fürst  empfieng  den  todt, 
Die  Priesterschaft  hett  grosse  Not, 
Rassborg,  Hamborg  und  Oldenborgk, 
Bistumb  Schlesswig  und  Meclilenborgk, 
Die  theten  sie  in  grunndt  verheeren, 
Das  mocht  ich  leider  nicht  erwehren. 

H.  Lothar  der  Ander. 

Krone,  Halskette,  gelben  Harnisch,  schwarzes  Schwert, 

rothen  Mantel,  in  der  Rechten  das  Szepter,  in  der  Linken 

den    Reichsapfel,    dabei    das    Wappen:    weisses    Ross    in 

rothem  Felde,  Hirschgeweih   und  Doppeladler   in  gelbem 

Felde. 

Zu  Supplinburg  einn  Grave  was  Jch, 
Heinrich  der  Vierdt  der  würdigt  mich, 
Mit  Chur  und  Reichs  Gerechtigkeit, 
Heinrich  den  Fünften  ich  bestreit, 
Beim  Welphischholtz  siegt  ich  ilim  an 
Erwarb  nach  ihm  des  Reiches  Krohii, 
Viel  grosser  That  mit  kleiner  Macht 
Ich  oft  mit  Gottes  hülf  vollbracht. 

H.  Heinrich  der  Welph. 
Grüne    Mütze    mit     weisser    Verbrämung     und    drei 
Kleinodien,  grünem  Mantel  mit  gelben  Aufschlägen,  gol- 
denes   Kleinod    an    der    Halskette,    in    der    Rechten    ein 
Schwert,  in  der  Linken  das  Wappen  wie  bei  Magnus. 

Hertzog  zu  Baiern  was  ich  geborn, 
Do  Lüder  Keyser  ward  gekorn 
,  Gab  er  mir  auch  das  Sachsner  Lanndt, 

König  Conrado  thet  das  anndt, 
Schickt  Marggraf  Albrecht  wieder  mich, 
Doch  blieb  icli  Herr  gcwaltiglich, 
In  beiden  Lanndt  bei  meinem  Lebenn, 
Zu  Qvedlinburg  ward  mir  vergeben. 

H.  Heinrich  der  Leo. 
Weissgraue  Mütze  mit  einem  Kleinod,  Panzer,  rothen 
Mantel,  in  der  Linken  eine  blaue  Fahne,  in  der  ein   Leo- 


Malereien  in  der  Anjfustnsburg.  309 

pard,  zur  Linken  das  Wappen  des  Magnus,  zur  Rechten 

ein  zweites:  zwei  gelbe  Leoparden  in  rotliem  Felde. 

Vonn  der  Ell)  biss  an  den  Rheiun, 
Vonn  Hartz  biss  an  die  See  was  mein, 
Zum  Glauben  ich  die  Wennden  bracht, 
Bayern-Lanndt  besass  Ich  mit  Macht, 
Der  Kayser  mich  der  Ehrnn  enntsetzt, 
ßraunschweig,  Lüneburg  blieb  mir  zuletzt, 
Mein  Geschlecht  besitzt  noch  heut  die  Lanndt, 
Reichard  der  König  auss  Enngelandt 
Zween  Leopard  mir  zum  Wappen  gab, 
Da  ich  beraubt  was  Ehren  und  hab. 

H.  Bernhard. 
Goldene  Rundsclmur  um  das  Haar,  doppelte  goldene 
Halskette,  blauen  Mantel,  rothe  Müffchen  an  den  Händen, 
zur  Rechten  das  Wappen:  in  schwarz-weissem  Felde  zwei 
rothe  aufrecht  gekreuzte  Schwerter,  in  goldenem  Felde 
den  Rautenkranz  über  fünf  schwarzen  Balken. 

Der  Erste  Keyser  Friederich 

Mit  Chur  und  Schwert  begäbet  mich, 

Durch  Ballenstedt  den  Krauntz  mir  gab^i), 

Zwey  Schwert  das  Marschall- Ambt  bedeuten. 

Die  Weundischen  Heyden  auszureutten. 

Bei  Wittenberg  siegt  ich  Ihnn  an, 

Das  Lanndt  zur  Chur  ich  do  gewann. 

H.   Albrecht    der   Erste. 
Barett,  Halskette,  Marderschaube  auf  den  Schultern, 
voriges  Wappen  in  beiden  Händen  haltend. 

Do  der  Kayser  zog  über  Meer, 

Do  führt  ich  weisslich  der  Christen  beer. 

Die  Sonnenstadt  ich  do  beraubt  ^% 

Und  bracht  mit  mir  Sankt  Barbarn  Haupt, 

Zu  Gommern  hielt  ich  das  in  acht. 

Und  ward  von  dann  in  Preussen  bracht. 

Zu  Wittenberg  erst  ich  residiert, 

Mein  Weib  das  Closter  da  fundiert, 

Darin  man  noch  begraben  find 

Sechs  Churfürstn,  die  meins  Gblüte  sind. 

H.   Albrecht    der   Ander. 
Kopfbund  mit  Federbüschen,    doppelte   grosse  Hals- 
kette,  blau  und  rothen  Rock,  in   der  Linken  das  vorige 


")  Anspielung  auf  die  bekannte  Sage,  dass  der  Kaiser  auf  dem 
Reichstag  zu  Würzburg  den  ßautenkranz  von  seiner  Schulter  auf 
den  Askanierschild  geworfen,  wodurch  jener  in  das  Sachsenwappeu 
gekommen. 

1^)  Heliopolis  in  Egypten. 


310  C.  Freyer: 

Wappen,  aber  darin  noch  den  einfachen  Adler  und  drei 

rothe  Zeichen. 

Keyser  Rudolph  die  Pfaltz  ran-  gab, 
Die  Grafschaft  Brehn  mit  aller  hab, 
Zu  seiner  Tochter  Frau  Agneten, 
Dass  ich  die  Chur  möcht  bass  vortreten, 
Dieweil  er  hett  des  Reiches  Macht, 
Magdeburg  mich  von  Acken  jagt, 
An  Ehrenn  und  Trew  sie  sich  entsetzt, 
Ihren  Herrn  sie  in  todt  verletzt. 

Rudolph  der  Erste. 
Rothen  Mantel    mit  gelben  Aufschlägen,    Gürtel    mit 
Quasten,    in    der   Linken   den  Kurhut,    zur   Linken    das 

vorige  Wappen. 

Vor  Borag  ich  einen  Streit  gewann, 
Denn  von  Magdeburg  siegt  ich  an, 
Fieng  Hundert  Vier  und  Zwantzig  Mann, 
Die  andern  blieben  auf  dem  Plan, 
Umb  Gattersleben  was  der  Hass, 
Carle  der  Vierdt  berichtet  das. 
Zu  Prag,  do  Er  das  Reich  besass. 
In  Gnadenn  Er  meinn  nie  Vergass. 

H.   Rudolph. 
Hut    mit    Kleinod    und    Federbüschen,   grün -gelben 
Leibrock,  grosse  goldene  Halskette,  im  rechten  Arm  den 
Degen,    in    der   Linken   das   vorige  Wappen   (drei   rothe 
halbe  Cirkul  darin)  *=0. 

Nach  Ritterschaft  bracht  Tugend  mich 

Zu  Konig  Philipp  von  F>anckreich, 

Den  schwerlich  zu  derselben  Fahrt 

Von  Enngelanndt  König  Eckhard") 

Bekriegt,  der  gab  mir  da  zu  Lohn 

Einn  blutigen  Dorn  vonn  Jliesus  Krön, 

Tnn  eines  Königs  Bild  vormacht, 

Den  ich  gen  Wittenberg  do  bracht. 

Mit  andern  heiligthumb  gar  Vielmehr, 

Inn  Gott  und  aller  heiligen  ehr. 

Den  Stifft  ich  da  von  erst  fundiert, 

Friedrich  der  drit  Ihn  hat  eomiliert''^). 

H.  Wentzeslaus. 
Weissen   Kurhut,    gelben    Leibrock,    die  Rechte  auf 
die  Linke  gelegt,  zur  Rechten  das  vorige  Wappen. 
Vor  Beinen  ich  des  Stifftes  Mann 
Erschlug  und  Weveling  gewann. 


")  Jedenfalls  die  früheren  „drei  rothen  Zeichen",  Wappen  der 
Grafsch.  Brene. 
")  Eduard. 
1»)  Kumulirt? 


Malereien  in  der  Aiigustusburg.  311 

Albrecht  mein  Ohm  zur  selben  stunndt, 
Vor  Rickling  ward  in  todt  Verwunndt, 
Darurab  Lüneburg  meinn  aygen  wardt 
Mit  all  dem,  was  dorzu  gehört, 
Ohn  Zell,  das  ich  belegt  zu  hanndt, 
Dafür  ward  mir  der  todt  bekanndt 

H.   Rudolph   der   dritte. 
In  ähnlicher  Kleidung,  neben  ihm  das  vorige  Wappen. 
Von  Magdeburg  Bischof  Albrecht, 
Mir  Boltzig,  Rabenstein  belegt, 
Den  jagt  ich  davon  mit  unfueg, 
Ein  Thurm  zu  Schweinitz  mir  erschlug 
Mein  beyde  Söhne  zu  einer  fahrd, 
Vor  Fritzlar  ich  gefangen  wardt, 
Do  ich  inn  geleyd  von  Frankfurt  riedt, 
An  mir  hielt  Meiutz  seinn  glauben  nit. 

H.   Albrecht   der   dritte. 

Goldene    Haarrundschnur    mit    Stirnkleinod,    gelben 

Rock,  rothe  Schärpe,  in  der  Linken   das  vorige  Wappen. 

Fast  schwere  Krieg  mein  Bruder  hett, 
Die  Er  sieglich  vorfüeren  thet, 
Doch  hat  das  Lanndt  genommen  ab, 
Dass  ich  selb  vierd  lebt  kleiner  habi«), 
Zur  Locha  bracht  mich  Feuersnot 
Gehlings  erschreckens  inn  den  tod, 
Und  starb  ohn  Erben  allzuhanndt, 
Ans  Reich  fiel  da  der  Sachsen  Lanndt. 

H.   Friedrich   der   Erste. 
Ähnliche  Kleidung    wie  vorher,    in    der    Linken    ein 
rothes  Paternoster,  zur  Rechten  das  Kurwappen  mit  dem 
Rautenkranz,    darin  ein   weisser  gekrönter  Löwe,  unter 
dem  ein  schwarzer  Löwe. 

Doringen,  Meissen  unndt  Osterlanndt, 

Landssberg,  Franckenn  sein  herrn  mich  nannt, 

Gen  Leyptzig  die  Universitet 

Bracht  ich,  do  sie  Vortriebenn  het 

Von  Prag  die  Behmisch  Ketzerei, 

Der  wont  ich  stetz  mit  streitten  bey, 

Kayser  Sigmundi  meinn  Dienst  betracht, 

Hertzog  zu  Sachsen  Er  mich  macht, 

H.  Friedrich   der  Ander. 
Rothen   Kurhut,    Stirn-   und    Brustkleinod,    voriges 
Wappen  neben  ihm. 


")  Vix  igitur  famulis  stipatus  quatuor  ibat  Imperii  Albertus 
tanta  columna  sacri.  (Anmerkung  Hermanns,  ohne  Bezeichnung 
der  Quelle.) 


312                                           C,  Freyer:  ] 

I 

Mit  Macht  behielt  ich  Chur  und  Schwerd,  ] 

Auf  alleiin  seiteun  Ich  mich  wehrt, 

Mit  Sieg  die  ßehenieiin  ich  bestritt, 

Die  Mercker  ich  auch  iiiderleydt, 

Meiu  aygen  Bruder  mich  durchacht, 

Den  ich  zu  Freundschaft  wider  bracht, 

Magdeburg  besorgt  meinn  Sieghaft  hanndt,  I 

Dergleich  mich  furcht  Lusatzer  Lanudt.  ' 

H.   Ernst.  ' 

Älmliclie  Kleidung,  in  der  Linken  das  vorige  Wappen.  ! 

Der  dritte  Kayser  I'riederich  i 

Belebend  mich  in  Oesterreich,  | 

Das  Lanndt  mit  unntrew  was  geplagt,  I 

Den  Herrnn  von  Plauen  ich  vorjagt,  ] 
Bracht  Sagen,  Biberstein  an  mich, 

Maximilian  halft  Krönen  mich,  | 

Sixtus  der  vierd  den  Kuss  mir  gab,  | 

Die  Rose  unnds  Creutz  zum  heiligen  Grab.  i 


'ta*^ 


H.    Friedrich    der    Dritte. 

Ähnliclie    Kleidimg    wie    vorher,    in    den    gefalteten 

Händen  ein  Paternoster,  voriges  Wappen. 

Friedrich  bin  ich  billich  genanndt, 

Schönen  Frieden  ich  erhielt  im  Lanndt, 

Mein  Lanndt  ziert  ich  mit  viel  gebew, 

Und  stifit  eine  liohe  Schul  aufs  Neu, 

Zu  Wittenberg  inn  Sachssen  Lanndt, 

Draus  Gottes  Wort  wardt  fern  bekanndt, 

Das  Bäpstlich  Reich  das  stfirtzt  es  nieder, 

Und  brachte  rechten  Glauben  wieder, 

Zum  Kayser  ward  erkohren  ich, 

Des  mein  Alter  beschweeret  sich. 

Dafür  ich  Kayser  Carbi  erweit, 

Vonn  dem  mich  nicht  wandt  Gunst  noch  Geldt. 

H.    Johannes. 

Kleidung  wie   vorher,  in    der  Rechten  das  Schwert, 
voriges  Wappen. 

Nach  meines  lieben  Bruders  Enndt 

Blieb  auff  mir  das  ganntz  Regiment, 

Der  Bawren  Aufruhr  halft'  ich  dempfen,, 

Mehr  mit  Gelindigkeit,  den  mit  Kempfen, 

Der  Rottengeister  feinndt  ich  war, 

Hielt  im  Lanndt  das  Wort  rein  und  klar, 

Und  bekanndt  es  frey  aus  herzen  grunndt, 

Alss  ich  fürn  Kayser  und  Fürstenn  stunndt, 

Die  gülden  Bulle  thet  icli  schützenu; 

Ins  Kaysers  Wohl  wieder  alles  trutzen, 

Dennoch  ich  Gottes  Hulde  genoss, 

Ins  Kaysers  Gnade  meinn  Enndt  beschloss. 


Malereien  in  der  Aiigustnsbnrg.  313 

H.    Hans    Friedrich. 

Kleidung  und  Wappen  wie  vorher. 

Friedlich  regiert  Ich  zehenn  Jahr, 

Darnach  mir  zusties  gross  Gefahr, 

Hertzogk  Heiurichen  vonn  Braunschweig  verjagt, 

Der  den  Schmalkaldischen  Buniidt  plagt, 

Schulenn,  Kirchenn  unnd  Gottes  Wort 

Ich  fördert  hie  unnd  an  anndern  Ordt, 

Enndlich  aber  von  Kayser  Carl  hardt 

Für  Mühlbergk  ich  geschlagenn  wardt, 

Da  wardt  ich  auch  zu  h äfften  bracht, 

Nach  fünnf  Jahren  wieder  ledig  gemacht. 

Die  Warheit  Gottlob  hab  stets  bekannt, 

Biss  an  mein n  Enndt  mich  nicht  gewanndt. 

H.    Alb  recht. 
Rothe  Mütze  mit  schwarzer  Verbrämung,    Halskette 
mit   dem   Ritterorden,    rothen  Leibrock,    in    der   Rechten 
ein  Paternoster,  in  der  Linken  das  Wappen:   weisser  und 
schwarzer  Löwe,  Rautenkranz,  einfacher  Adler. 

Hertzog  Albrecht  zu  Sachsen  ward  Ich  genanndt, 
Bey  Freunnden  und  Feinden  gar  wohl  bekanndt, 
König  Matthias  aus  Ungarn  durch  bedräng 
Zum  Vertrag  mit  Kayser  Friedrich  Jch  Zwang, 
Er  hett  auch  gern  diese  Lanndt  vorherdt, 
Aus  Schlesien,  do  ihm  nicht  hett  gewehrt. 
Wieder  Hertzog  Carln  vonn  Burgunndt, 
Des  Reichs  Faue  Jch  führt,  regiert  den  bund, 
Die  Niederlande  Kaiser  Maximilian, 
Mit  gewalt  Ich  zwang,  kost  manchen  Man, 
Ein  Kriegsfürst  Ich  starb  in  Friseii  Land, 
Mein  titel  war,  des  Reichs  Rechte  band. 

H.    Friedrich. 
Kürass,  Mantel,  Schwert   und  Wappen    wie   vorher. 

In  Polen  hat  mein  Thun,  kein  grosses  Lob  erworben, 
Dieweil  mein  Teutscher  Sinn,  der  Freyheit  nur  gewohnt, 
Drumb  blieb  ich  noch  stets,  von  Eyd  und  Pflicht  verschont, 
Und  bin  wie  ich  gelebt,  mit  Ehr  und  Ruhm  gestorben. 

H.   Georg. 

Schwarzen  Rock,  breite  goldene  Kette,  Schwert  und 

Wappen  wie  vorher. 

Mit  unsers  Vetters  Seligen  enndt 

Das  Glück  in  Friesen  Krieg  sich  wendt, 

Den  Tham  ich  erobert  unnd  schleifft  zu  grund 

Mein  Bruder  zu  Groningen  gross  Gefahr  ausstundt, 

Darumb  der  Krieg  vertragen  wardt, 

Dabey  auch  gedeyn,  heil  unndt  wolfahrt, 

Meiner  treuen  Land  unnd  Leutte  betracht, 


314  C.  Freyer: 

■( 

Schafft  ab  alssbald  alles  kriegs  Pracht,  • 

Mein  Land  in  Fried  regiert  mit  "Weissheit,  !^ 

Mein  Unterthan,  unnd  mit  Gerechtigkeit,  \ 

Meine  Söhne  für  mir  alle  mit  schraertzen,  \ 

Ich  starb  hernach  inn  Leid  meines  hertzen.  I 

H.   Heinrich.  | 

Kleidung  ähnlich,  Wappen  wie  vorher.  ' 

Meins  Bruders  und  seiner  Söhne  abgang 

War  meines  Glücks  und  regierung  anfang, 

Bedacht  ward  mirs  nicht,  aber  doch  beschert,  J 

Was  Gott  unns  gan,  bleibt  unverwert. 

Zum  Herrn  Christ  unnd  der  reinen  lehr 

Hab  mich  bekant  mit  grosser  Gefahr,  j 

Meinn  Regierung  mit  und  von  Gott  ich  anfing,  -j 

Kirchen,  Schulen  thct  reinigen  aller  Ding,  ' 

Vons  Bapsts  greuel  nach  Gottes  Wort,  j 

Das  war  mein  trost  und  trewer  hört, 

Auf  dem  mit  festem  Glauben  mich  wanndt, 

Am  End  zu  Christo  meinem  Ileylanndt. 

H.  Moritz. 
Rothe  Kurmütze   mit    weisser   Verbrämung,    rothen 
Kurrock,   in    der   Rechten    ein    Schwert,   in   der  Linken  i 

das  vorige  Wappen,  in  dem  aber  die  zwei  rothen  Schwerter.  i 

Nach  meines  Vettern  Fall  und  Fanck 

Kaiser  Karl  die  Chur  mir  schannck, 

Eilf  Züge  im  Feldt  hab  ich  vorbracht, 

Wieder  Franckreich  unnd  die  türckisch  macht, 

Auf  teutsche  Freyheit  unnd  Kelligion  j 

Zu  schützen  unnd  meine  Lande  schon,  j 

Den  letzten  Zug,  alss  ich  mit  Sieg  ! 

Marggraf  Albrecht  aus  dem  Feldt  vertrieb,  i 

Durch  einen  Schuss  verwundet  wardt  I 

Darauf  mir  folget  mein  letzte  fardt,  , 

Den  dritten  tag  bey  Pein  im  feldt 

Mein  Enndt  ich  schloss  wie  ein  Christen  heldt.  ^ 

H.  Augustus.  , 

Kleidung  und  Wappen  wie  vorher.  | 

Alss  ich  nach  meines  Bruders  Enndt 

Die  Chur  erbt  und  das  Regiment, 

Fried,  Einigkeit,  Gottes  Ehr  unndt  preiss, 

Gut  Policey  mit  allem  Fleiss  i 

Zu  stift"ten  war  mein  geraüet  und  Arbeit, 

Zu  halten  über  des  Reichs  hoheit,  j 

Dahero  mir  dan  ward  auferlegt,  i 

Durch  Krieg  die  Aechter  räumen  weg,  | 

Dreier  Kayscr  Wahl  hab  ich  vorriebt, 

Kirchen,  Schulen,  Recht  und  Gericht, 


Malereien  in  der  Augustusburg.  315 

Bestallt,  wie  bekandt,  darzu  woll  geben 

Gott  genade,  Seegen  unnd  ein  langes  Leben  ^'^j. 

H.   Christianus   der   Erste. 
Kleidung  und  Wappen  wie  vorher. 

So  bald  sein  Leben  nach  Gottes  Rath 
Churfürst  August  beschlossen  hat, 
Ich  alss  der  Erb  das  Regiment 
Bekommen  hab  in  meine  hendt, 
Welchs  ich  vorwalt  durch  Gottes  gnad 
Sechs  Jahr  an  meins  berrn  Vatters  statt, 
Nach  dem  Pfiuid  das  mir  Gott  vertraut, 
Innerhalb  Zwey  Jahren  ich  hab  erbaut 
Den  Stall  zu  Dressden  mit  allen  ornat, 
Die  Erbe}'nnung  Verneyen  ich  that 
Zwischen  Sachsn  Brandenburg  und  Hessen, 
Mein  Altr  ist  dreissig  und  eins  gewesn. 

H.   Christianus   der   Ander. 
Kleidung  und  Wappen  wie  vorher. 

Alss  mein  herr  Vater  in  Gott  Verschieden, 

Das  Land  erhalten  wurd  in  frieden. 

So  wohl  bey  reiner  Religion, 

In  der  Administration, 

Zehn  Jahr  drauf  führt  ichs  Regiment, 

Des  Kaysers  Rudolph  herz  ich  wandt, 

Dass  durch  die  gantze  Böhmische  Krön 

Er  frey  Hess  mein  Religion, 

Gross  Missverstand  zu  Prag  half  ich  ^*) 

Beylegn,  der  Kayser  belehnte  mich 

Mit  denen  Jülischen  Landen, 

Nun  ruht  mein  Seel  in  Gottes  banden. 

H.  Johann   Georg    der  Erste. 

Kleidung  und  Wappen  wie  vorher. 

Gleichwie  in  deutscher  Art  neben  dem  Ernst  der 
Scherz  liegt,  beide  im  Humor  sich  einigend  und  durch 
diesen  verklärt,  so  grenzt  im  Schlosse  an  den  Fürstensaal 
oder  die  „Stammstube"  das  Hasen  haus.  Fordert  jene 
zu  ernsten  Betrachtungen  auf,  so  lächelt  uns  in  diesem 
der  Schalk  an.  Der  beinahe  völlige  Untergang  der  be- 
rühmten, Geist  und  Witz  sprühenden,  fein  ausgeführten 
„Hasenbilder"  kann  nicht  genug  beklagt  werden.  Dass  wir 
uns  durch  Hermanns  sorgfältige  Beschreibung  wenigstens 


")  Die  Unterschrift  wurde  mit  dem  Bilde  zugleich  gemacht, 
bei  den  folgenden  Fürsten  aber  erst  nach  dem  Tode  den  Bildern 
angefügt. 

18)  Als  Mittelsmann  im  Streit  zwischen  Kaiser  Rudolf  II.  und 
seinem  Bruder  Matthias  1610. 


316  C.  Freyer: 

noch  einen  Begriff  davon  machen  können,  soll  diesem 
immer  gedankt  sein,  wenn  wir  aucli  dafür  halten,  dass 
seine  ganz  allgemeine,  kurze  Andeutung  über  den  Iniialt 
der  93  Gruppenbilder  die  Idee,  welche  zur  Darstellung 
gelangen  soll,  durchaus  nicht  Aviedergiebt''').  Eine  Art 
verkehrter  Welt  nach  ihrer  zunächst  scheinbar  günstigen 
Entwickelung,  aber  ihrem  naturgemäss  folgenden  traurigen 
Untergang  wird  vor  Augen  geführt.  Die  P]manzipation 
von  gottgosetzten  Ordnungen  läuft  nach  kurzem  Bestände 
in  das  schlimmste  Verderben  für  diejenigen  aus,  welche 
sie  unternahmen.  Vielleicht  ist  das  Ganze  nach  der  lehr- 
haften, moralisierenden  Weise  jener  Zeit  eine  drastische 
Auslegung  der  apostolischen  Mahnung:  jedermann  sei 
uiiterthan  der  Obrigkeit,  die  Gewalt  über  ihn  hat,  oder 
nur  des  Schöpferbefehls  an  den  unter  die  Geschöpfe  ge- 
stellten Menschen:  Herrsche  über  sie!  Wir  finden  drei 
Abtheilungen:  1.  die  erfolgreiche  Erhebung  des  Hasen- 
volks gegen  seine  Feinde  (Bild  1—17),  2.  die  Blüthe  des 
Hasenreichs  (Bild  18—67),  3.  der  Untergang  desselben  und 
die  Wiederherstellung  der  alten  Ordnung   (B>ild  68—93). 

Gerichts-  oder  Reichstag  der  Hasen:  an  einer  Tafel 
der  Präsident,  zu  seiner  Rechten  sieben,  zur  Linken  neun 
Beisitzer,  am  Tische  gegenüber  zwei  Schreiber,  rechts 
steht  ein  aufmerksam  hoi-chender  Hund.  (Angeklagter 
oder  Zeuge?) 

Rüstung  zum  Kriege:  ein  Zelt,  darin  Pulver -Säcke 
und  -Haufen,  zwei  Kanonen,  ein  Hase  zu  Pferd,  zwei 
Diener  daneben,  einer  ladet  ein  „Stück",  dabei  ein  Lanzen- 
träger, hinte^r  ihnen  zwei  Trompeter,  vornher  zwei  Jäger 
mit  Hunden-"). 

Überfall  durch  Jäger:  diese  sitzen  in  dem  grossen 
Hasenzelt  an  einem  Tische,  daneben  ein  grosser  Hund  bei 
einem  toten  Hirsch,  zwei  Hunde  würgen  Hasen,  andere 
reissen  aus. 

Auszug  in  den  Krieg:  das  Hasenheer  zieht  mit  Fahnen, 
Spiessen  und  Kanonen  zu  Fuss  und  zu  Ross  über  eine 
lange  Brücke.  Sturm  auf  eine  Stadt,  ein  Hase  brennt 
ein  „Stück"  los. 


^^)  Die  folgende  Deutung,  vergl.  Steche  a.  a.  ü.  S.  40,  ist  le- 
diglich Ansicht  des  Verfassers, 

..-<')  Hermann  scheint  dieses  das  erste  Bild  zu  sein,  wir  halten 
der  Ortlichkeit  nach  jenes  dafflr.  Die  Inhaltsangaben  sind  meist 
vom  Verfasser, 


Malereien  in  der  Augustusbiirg.  317 

Einzug  in  die  eroberte  Jägerstadt  über  eine  steinerne 
Brücke  unter  Vorantritt  von  zwei  Trompetern,  die  eine 
schwarze  Fahne  aufstecken,  während  die  Jäger  eine  grüne 
führen. 

Gefangenführung  der  Jäger:  diese  auf  einem  Schlitten, 
zwei  gefesselt,  daneben  Wächter  mit  Hellebarden  und 
Morgensternen,  dahinter  Schalmeienbläser,  voran  der  Hasen- 
könig mit  halb  weissem  Kopf  und  weissen  Pfoten,  weiss 
und  braunem  Federbusch,  auf  grossem,  braunem  Pferde, 
von  vielen  Trabanten  umgeben. 

Eine  ähnliche  Gefangenführung  grün  gekleideter  Jäger. 

Abstrafung  von  Jägern:  zwei  Hasen  in  Messgewän- 
dern und  Bischofshüten  geleiten  einen  Jäger,  der  am 
Strick  geführt  wird,  zum  Hängen,  ein  Hase  als  Scharf- 
richter auf  der  Leiter  am  Baume,  den  Strick  in  der  Hand. 

Abstrafung  der  Hunde:  Hasen  fahren  einen  Karren 
voll  Hunde  auf  den  Anger,  einer  wird  gestäupt,  einer  ge- 
rädert, einer  gehängt,  zwei  gespiesst,  einer  erstochen,  zwei 
an  Pfählen  gepeitscht,  einer  mit  Pech  begossen,  einer  mit 
dem  Stocke  zerhauen.  Unter  letzterem  steht  George 
Schwalbe.  (?) 

Halsgericht  über  Hunde:  der  Landrichter  mit  dem 
Schwert,  neben  ihm  die  Missethäter,  ringsum  viele  mit 
Spiessen  und  Gewehren  Bewaffnete. 

Jetzt  beginnt  auch  der  Kampf  wider  feindliche  Vögel : 
Fang  der  Habichte  und  Falken  mit  Leimruthen  und  Netzen, 
Abstrafung:  die  in  einem  grossen  Bauer  auf  einem  Schlitten 
zum  Richtplatz  gefahrenen  Vögel  worden  geköpft  und  über 
dem  Feuer  gebraten. 

Erneutes  Streiten  gegen  die  geflügelten  Widersacher 
mit  Spiessen. 

Triumphzug:  die  Hasen  tragen  Vogelköpfe  auf  Spiessen 
und  Stangen  und  ziehen  mit  Fahnen  und  Pfeifen  zu  ihrem 
König,  der  auf  dem  Throne  sitzt, 

Wiederholte  Abstrafung:  ein  Habicht  ist  auf  das  Rad 
gelegt,  einem  werden  die  Flügel  abgehauen,  ein  Hase 
trägt  eine  Leiter,  ein  andrer  einen  Habicht  zu  einem  Pfahl. 

Larapes  Geschlecht  hat  somit  den  Sieg  gewonnen  und 
wir  sehen  es  nunmehr  sich  friedlichen  Beschäftigungen 
hingeben,  vorerst  allerlei  Spielen  und  Festlichkeiten,  so- 
dann den  verschiedenen  Künsten  und  Handwerken.  Diese 
Bilderreihe  beginnt  im  andern  Stock. 

Hasen  stehen  auf  den  Köpfen,  reiten  auf  einander, 
hauen  mit  Schwertern  nach  einer  Krone  auf  einer  Stange, 


318  C.  Freyer: 

treiben  Gaukelei  und  Taschenspielerei,  springen  beim 
Klang  der  Querpfeife  durch  Reifen,  führen  zwei  Bären 
zum  Tanze,  während  ein  Hase  auf  Stelzen  geht,  einer 
trommelt,  einer  Sackpfeife  bläst,  ein  Bär  auf  dem  Kopfe 
steht  und  auf  den  Hintertatzen  einen  ebenso  stehenden 
Hasen  trägt;  sie  haben  sich  auf  einander  gestellt,  eine 
dreistöckige  Pyramide  bildend,  spielen  den  Zeinertanz  (?), 
tanzen  paarweis  nach  der  Trommel,  feiern  eine  Hochzeit: 
einer  als  Bischof  traut  das  Paar,  zwei  Häschen  tragen 
der  Braut  die  Scldeppe,  in  prächtigem  Putz  befinden  sich 
die  männlichen  Gäste  auf  der  einen,  die  weiblichen  auf 
der  andern  Seite,  sitzen  dann  in  bunter  Reihe  an  der 
Hochzeitstafel,  an  der  der  übliche  leere  Stuhl  für  den 
fremden  Gast,  Musikanten  spielen  auf,  der  Kredenztisch 
ist  reich  mit  silbernen  Bechern  geschmückt,  dann  zieht 
die  Gesellschaft  paarweise  aus  dem  Hochzeitshause  zum 
Tanz  auf  das  Rathhaus,  sie  rennen  nach  dem  Ringel,  um 
die  auf  dem  Tische  ausgestellten  goldenen  Becher  zu  ge- 
winnen, halten  Turniere  zu  Ross  und  zu  Fuss,  eine  Maske- 
rade, ein  Schaufechten,  einen  Gottesdienst  in  einer  Ka- 
pelle; ,  wobei  einer  ein  Paternoster  anhängen  hat,  ein 
Wettreiten  vor  einer  grossen  Zuschauermenge,  schiessen 
mit  Armbrüsten  nach  dem  Blatt  auf  der  Strohwand,  mit 
Stücken  und  Büchsen  nach  der  Scheibe,  Erwachsene  nach 
einem  grossen,  Kinder  nach  einem  kleinen  Vogel.  Auch 
der  Jagd  liegen  sie  ob,  dem  Ausschiessen  (Treibjagen) 
und  der  Hirschfeist,  der  Sauhatz,  nach  der  sie  die  er- 
hitzten Hunde  zur  Abkühlung  ins  Wasser  treiben,  dem 
A\'ildcntenfang  im  Schilf,  dem  Vogelfang  mit  Leimruthen 
und  Schlagnetz  auf  dem  Vogclherd,  dem  Rebhühuerfang 
mit  der  gemalten  Kuh  auf  Leinwand,  dem  Fischtreiben 
mit  Vorsetzhamen  und  Wallnetzen.  Die  aus  dem  Wasser 
erlangte  Beute  wird  gewogen,  das  gefrässige  Wildenten- 
volk aus  dem  Schilf  gejagt. 

Des  AVeiteren  erblicken  wir: 

eine  Wochenstube:  die  AVehnmuttcr  badet  das  Neu- 
geborene, ein  Kleines  läuft  im  Rollstuhl,  ein  anderes,  von 
der  Kinderfrau  geführt,  trägt  eine  kleine  Windmühle  als 
Spielzeug  in  der  Pfote; 

eine  Schulstube:  der  Schulmeister  lässt  einige  Schüler 
aufsagen,  etliche  lernen  am  Tische,  einer  bekommt  die 
Ruthe,  indem  ihm  ein  Kamerad  die  Hosen  straff  zieht; 

die  Universität:  Studenten  werden  vom  „Depositor 
deponirt"    und    ihnen    die  Bacchantenzähne    ausgebrochen, 


Malereien  in  der  Augustusburg.  319 

erwerben  durch  Disputationen  die  akademischen  Grade 
der  Magister,  Licentiaten  und  Doktoren; 

die  Betriebsamkeit  des  täglichen  Lebens :  Goldschmiede 
arbeiten  an  Schmuckgegenständen,  Sternseher  blicken 
durch  Teleskope  nach  dem  Himmel,  Arzte  sezieren  einen 
Hasen,  Apotheker  setzen  Klystier,  destillieren  und  brennen 
Wasser,  während  einer  Kräuter  aufschreibt,  Chemiker 
schaffen  am  Probierofen,  wobei  einer  einen  Glaskolben  zer- 
schlagen hat;  Maler  fertigen  Bilder,  Zimmerleute  bauen 
und  heben  ein  Haus,  Gärtner  pflanzen  und  pfropfen  Bäume, 
Schäfer  hüten  die  Herde,  einer  schert  ein  Schaf,  Berg- 
leute haspeln  auf  dem  Schacht  und  laufen  im  Karren, 
Schmelzer  schmelzen  in  den  Hütten,  vor  denen  der  War- 
dein am  Probierofen  sitzt,  Münzer  schlagen  Gold,  der 
Mimzmeister  wägt  Silber  und  Kupfer  ab,  Kaufleute  halten 
neben  dem  Brauiiaus,  wo  der  Böttcher  arbeitet,  Waren 
feil,  Buchdrucker,  Buchhändler  und  Buchbinder,  Bäcker, 
Schuster  und  Schneider  sind  in  der  Werkstatt  thätig, 
Fleischer  führen  einen  Ochsen  zur  Schlachtbank. 

Aber  nun  wendet  sich  das  Blatt. 

Ein  Jäger  schiesst  mit  einem  Blaserohr  einen  Hasen 
in  das  Hintertheil,  ein  zweiter  mit  der  Armbrust  nach 
dem  dahinspazierenden  Lampe.  Ein  Esel  in  einem  Korn- 
felde wird  von  vier  Männern  mit  Netzen  und  vier  Hunden 
umstellt,  d.  h.  die  Schlesier  wollen  aller  Hasen  Mutter 
fangen.  Sieben  Schwaben  halten  an  einem  Spiesse,  um 
dem  Hasen  davor  den  Fang  zu  geben.  Der  letzte  am 
Ende  spricht:  „Gang  aner,  gang  ancr!"  Der  erste  ant- 
wortet: „Auf  meyn  Eyd,  wenn  Du  solt  an  der  Spitze 
stahn,  Du  würdest  nicht  sagen  gang  aner  gang  an." 

Die  Jäger  umstellen  die  Hasen  mit  Netzen,  Kranken 
(Verwundeten?)  wird  vom  Arzt  eingegeben,  eine  Witwe 
wird  geschleiert,  Hasen  fahren  in  zwei  Kähnen,  Wacht- 
posten, Partisanen  tragend,  sind  ausgestellt.  Unterdessen 
richten  die  Jäger  Federlappen  auf  Sieben  Grünröcke 
mit  sechs  Hunden,  deren  einer  seine  abgehauene  Pfote 
vorzeigt,  verklagen  die  Hasen  vor  der  auf  dem  Throne 
sitzenden  Diana,  darauf  ziehen  acht  zu  Fuss  und  einer 
zu  Ross  mit  einundzwanzig  Hunden  und  einem  Wagen 
voll  Jagdzeug  gegen  die  Missethäter  aus.  Diese,  noch 
in  ihren  Anzügen,  werden  von  Hunden  gehetzt,  erschossen, 
gewürgt  und  aufgehängt. 

Der  Bürgermeister  von  Schiida,  am  linken  schwarzen 
Sarametärmel    kenntlich,    trägt   selbdritt   einen  Mann   auf 


320  C.  Freyer: 

einer  Bahre  in  sein  Getreidefeld,  einen  Hasen  ausziijagen, 
jener  soll  ihm  das  Korn  nicht  zertreten. 

Ein  Hund,  auf  einem  andern  reitend,  schleppt  ein 
mit  den  Hinterläufen  ihm  au  den  Schwanz  gebundenes 
Hasenpaar  mit  sich  fort,  zwei  Hunde  tragen  viele  Hasen, 
die  an  einer  langen  Stange  hängen.  Jäger  lassen  Falken 
auf  die  Hasen  fliegen,  von  diesen  fasst  einer  dem  daher- 
reitenden  Hasenkönig  nach  der  Krone.  Damen  zu  Pferde 
jagen  Häsinnen  durch  Habichte  und  Falken.  Beim  Hetzen 
stürzt  ein  Jäger  mit  dem  Koss,  ein  andrer  setzt  einer 
Hasenschaar  nach,  ein  dritter  zu  Fuss  zieht  ein  grosses 
Netz  fest  zu,  in  dem  Hasen  verstrickt  sind.  Hasen  werden 
auch  von  den  beiden  jüngsten  „Herrlein  des  Churfürsten 
August",  die  unter  den  Jägern  mit  abgemalt  sind,  getragen. 
Dreizehn  Hasen  sitzen  im  Stocke,  mau  schneidet  ihnen 
die  Ohren  und  haut  ihnen  die  Vorderpfoten  ab,  ihr  König, 
in  weissem  Gewände,  wird  geprellt,  einer  seiner  Unter- 
thanen  ist  mit  einem  „Stück"  an  den  Hinterläufen  aufge- 
hängt, wieder  einer  ausgespannt,  ein  Jäger  betröpfelt  ihn 
mit  einer  brennenden  Pechfackel,  ein  dritter  wird  von  dem 
nach  ihm  springenden,  an  den  Spannstrick  gebundenen 
Hunde  gerissen.  Sechs  Jäger  und  eine  Frau  verspeisen 
einen  gebratenen  Hasen.  Ein  mit  dem  König  in  das 
Wasser  getriebener  Hase  ersäuft,  jener  stürzt  mit  dem 
Pferde.  Die  Hunde  halten  einen  Triumphzug:  vorn  und 
hinten  Fahnen,  in  der  Mitte,  auf  einem  Hunde  reitend, 
zwei  wt issgekleidete,  gebundene  Hasen  (Königspaar?)  und 
eine  Menge  Gefangener. 

Drei  Köche  streifen  Hasen  und  richten  sie  zu,  fünf 
Stück  haben  sie  als  Vorrath  aufgehangen,  neun  stecken 
an  Spiessrn,  die  von  Hunden  gedreht  werden,  in  der 
Nähe  stehen  fünf  Kessel  und  ein  grosser  Topf  —  gewiss 
zum  Kochen  des  Hasenschwarz.   — 

Wir  kehren  jetzt,  nachdem  wir  die  Hasenbilder  im 
Zusammenhang  betrachtet  haben,  in  den  Saal  des  dritten 
Stocks  zurück.  Er  führt  den  Namen  Venusberg,  ver- 
muthlich  daher,  dass  er  durch  einen  eingebauten  Schwib- 
bogen eine  dunkele,  fensterlose  Hälfte  hat,  deren  Bilder 
auf  künstliche  Beleuchtung  berechnet  sind.  Man  heisst 
jene  auch  „ein  Nachtstück".  In  der  Mitte  des  grossen 
Deckengemäldes  sitzt  Orpheus  mit  der  Harfe  auf  einem 
Eichstamra,  um  ihn  her  stehen  Affe,  Bär,  Elephant,  Hirsch 
und  Füchse,  seinem  süssen  Gesänge  lauschend,  von  dem 
in    der  Nähe  ein   mächtiger  Hirsch    auf  einen  Felsen,    in 


Malereien  in  der  Aiifrustusburg.  321 


■e 


der  Ferne  ein  Bär  unweit  eines  Bienenstocks,  von  dessen 
Bewohnern  urascliwärrat,  festgebannt  ist.  Die  '^'^andge- 
raälde  sind  die  einzigen  landscliaftliclien  Schilderungen  ira 
ganzen  Schlosse.  Der  Sinn  für  Naturschönheiten,  ein 
Eigenthum  hoch  entwickelter  Kultur,  mangelt  noch.  Bi- 
zarre Formen  von  Bäumen,  Bergen  und  Felsen,  Gegenden 
mit  absonderlichen  Bamverken  versehen,  gelangen  nur 
zur  Darstellung.  Am  auffälligsten  wirkt  das  Bild  eines 
mächtigen,  hochgelegenen  Schlosses,  zu  dem  aus  grünenden 
Thale  eine  steile  Brücke  emporführt.  Es  will  scheinen, 
als  hätten  wir  es  hier  mit  Erzeugnissen  künstlerischer 
Pbantasie  zu  thun.  Dem  Künstler  selbst,  Heinrich  Göding 
aus  Braunschweig,  dem  „Maler  des  Schlosses",  begegnen 
wir,  da  er  sein  eigen  Konterfei  im  Saale  angebracht  hat. 
Möglich,  dass  er  damit  überhaupt  seine  Arbeit  auf  der 
Augustusbnrg  beendete.  Er  steht  über  dem  Kamin,  eine 
Tafel  prüfend  vor  sich  hinhaltend,  unten  „im  Kamin"  liegen 
Pinsel  und  Farbennäpfe,  dazwischen  ein  Papagei  in  einem 
Bauer,  der  ihm  vermuthlich  in  dem  einsamen  Gebäude, 
bei  der  durch  das  beständige  Drängen  des  Kurfürsten 
ruhelosen  Arbeit"^)  Gesellschaft  leistete,  im  Winkel  eine 
angelehnte  Leiter,  ihres  Dienstes  nunmehr  ledig. 

Docli  wir  haben  noch  mehr  Gelegenheit,  Gödings 
Geist  und  Geschick  zu  bewundern.  Unter  dem  südlichen 
Thor,  d.  h.  rechts  im  Durchgange,  liegt  die  Amtsstube, 
denn  im  Thor  sollen  Richter  und  Amtleute  sitzen.  (Deu- 
teron. 16,  18).  Die  schönsten  und  ernstesten  Aussprüche 
der  Bibel,  heidnischer  und  christlicher  Weiser  über  die 
Pflege  des  Rechts  predigen  den  Rechtsprechenden  und 
Rechtsuchenden  von  den  Wänden  herab,  theils  in  der 
Spraclie  des  Volkes,  dessen  besondere  Gabe  Herrschen 
und  Gesetzgeben  Avar,  theils  in  deutscher  Zunge.  Die 
Einleitung  zu  den  Inschriften  bildet  der  Spruch: 

0  Richter,  richte  recht,  die  Herren,  wie  den  Knecht, 
Wie  du  wirst  richten  mich,  So  wird  Gott  richten  dich. 

An  Schriftstellen  sind  angeschrieben :  2.  Chron.  19,6; 
Weish.  Sal.  1,  1  u.  15;  6,  1;  Psalm  121,  2;  110  (bez.  111), 
10;  Sprichw.  Sal.  12,  19;  Gal.  2,  17;  dazwischen  Sen- 
tenzen aus  Erasmus :  Sicut  sol  non  alius  est  paiqjeri,  alius 
diviti,  ita  judex  personam  spectare  non  dehet,  sed  rem; 
Seneka:   Qui  statuit  aliquid  parte  inatidita  altera,  aequum 

-1)  G.  malte  sogar  beim  Schein  von  Talglichtern.  W  u  s  t  m  a  n  n , 
Lotter,  S.  64. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    VII.  3.  4.  21 


322  C.  Freyer: 

licet  statuendum  erit,  haiid  aequus  erit;  Hieronynms: 
Nihil  est  ad  defendendum  tutins  puritate,  nihil  ad  dicendum 
fdcilius  veritate ',  Plato :  Scientia,  quae  est  remota  a  justitia, 
calliditas  potius  quam  sapienüa  est  appellanda;  Cicero 
(de  orat.):  In  rebus  magnis  memoria  dignis  consilia  pn- 
rnum,  deinde  acta,  postea  eveiitus  spectantur;  derselbe 
(de  offic.):  In  judicio  gratia  ahsit^  causae  merita  decernan- 
tur;  Isidor:  Ancipitem  diu  delihera  senteniiam ;  Veriuus: 
Quae  pietate  caret,  sententia  saeva  putatur ,  Est  pietas 
cunctis  antefereiida  bonis]  Cassiodor:  Jusiitia  non  novit 
patrem,  non  novit  matrem,  veritatem  novit,  personam  non 
accipit,  Dewn  imitatur. 

Durch  die  einwrestreuteu  Bilder  werden  die  Aus- 
Sprüche  noch  nachdrückliclier  gemacht.  Wir  erbHckcn 
ein  Weib  aus  dein  Volke  in  schwarzem  Kleide,  auf  dem 
Rücken  zwei  in  ein  Tuch  gebundene  Gänse,  mit  der 
Hand  einen  Korb  voll  Eier  vor  sich  hinhaltend;  eins  der- 
gleichen mit  schwarzem  Mäntelchen  angetlian,  in  der 
Linken  eine  Bier-  oder  Schleifkanne  tragend,  hinter  dem- 
selben ein  grosses  altes  Weib,  die  Rechte  über  die  kleinere 
Frau  ausstreckend;  einen  alten  Bauer  in  rothem  „Röckel", 
auf  der  Achsel  einen  Stab,  an  dem  ein  Kober  hängt,  die 
Linke  hat  er  dem  neben  ihm  stehenden  schwarzgekleideten 
Mann  auf  die  Schulter  gelegt,  dei-  sich  zu  ihm  herabbückt 
und  ihm  ins  Gesicht  schaut,  wahrscheinlich  ihm  zuredend; 
einen  Mann,  der  mit  der  Rechten  ein  Kelchglas  hochhält, 
mit  der  Linken  eine  Kette  nachschleppt. 

Sehr  bezeichnend  richten  all  diese  Bittsteller  die 
Gesichter  nach  dem  Sclilosshofe,  von  woher  die  Richter 
kommen.  Im  letzten  Bild  trägt  ein  altes  Weib,  von  zwei 
Mönchen  umgeben,  einen  Korb  auf  dem  Rücken,  ein 
anderes  kniet  vor  dem  Richter  und  schenkt  Branntwein  ein, 
Beischrift:  „Ich  bitt,  wolt  mir  gnädig  seyn,  Schenck  euch 
einen  guten  Branndt-Wein.  —  Gemach  Herr  Merten."") 

Durch  die  Thür  links  im  Tiiordurchgang  betreten  wir 
das  Küchenhaus.  Die  Räume  im  Erdgeschoss,  ausser  dem 
ersten  —  der  Trabantenstube  — ,  gehören  zu  den  beiden 
grossen  Küchen,  der  Kurfürsten-  und  der  Ritterküche, 
die  im  andern  Stock  dienen  llaushaltungsz  wecken. 
(Schneiderei,  Kleider-  und  Kastengemach,  Silberkammer 
und  dergleichen.)  Im  dritten  Stock  befindet  sich  der 
grosse  Speisesaal,  der  reich  bemalt  ist. 

2-)  Diese  Bilder  uiul  Inschriften  wurden  bereits  1707  übertüncht. 


Malereien  in  der  Aiigustusburg.  323 

An  den  Wänden  lesen  wir  Bibelstellen;  deutsch,  aber 
mit  grossen  lateinischen  Buchstaben  geschrieben,  auf 
Massigkeit  ira  Essen  und  Trinken  sicii  beziehend,  als: 
Sirach  36,  21;  37,  32,  33;  Sprichw.  14,  28;  Sir.  31,  30, 
31,  37,  16,  19,  32  und  33,  2»;  30,  27;  31,  22;  Sprichw. 
23,  20  und  21a.  —  Wie  im  Kaisersaal  schmückt  auch 
hier  die  Decke  ein  Wappenkranz,  aber  nicht  zur  Ehre 
des  Hausherrn ,  sondern  zur  Lehre  und  Warnung  den 
Gästen,  insonderheit  wohl  den  Edelknaben,  welche  „auf 
dem  Saal  und  in  den  Nebenzimmern  ihr  logiament  ge- 
habt". Die  Wappen  stellen  nämlich  allerlei  Gerichte  u.  a. 
vor;  fingierte  Adelsnamcn  bilden  die  meisten  Unter- 
schriften. 

Das  erste  —  ohne  Beischrift  —  wird  gebildet  von 
zwei  kreuzweis  liegenden,  gebratenen  Hasen,  umgeben  von 
Brat-  und  Knackwürsten,  einer  Senmielzeile  und  Quark- 
käsen. Die  folgenden  sind:  Zwei  umgestürzte  blaue 
Schüsseln:  Der  von  KargendorfF.  Ein  gespickter  Wild- 
braten mit  einer  Semmelzeile:  Der  von  Fressburg.  Ein 
Schweinskopf  in  einer  Schüssel :  Der  von  Schweins- 
Koppen.  Ein  Schinken,  darin  ein  Messer  steckt:  Der 
von  Schinckendorff.  Ein  Nierenbraten :  Der  Nierenfresser. 
Ein  lebendiges  Schwein,  zwei  Messer  darin  steckend: 
Die  von  Schlaraffen.  Zwei  kreuzweis  liegende  Hechte: 
Der  von  Hechtsberg.  Ein  gespickter  Hase:  Die  von 
Haasenburgk.  Aale  an  Spiessen:  Der  von  Aleshausen. 
Ein  Fischkrug  mit  Weissfischchen:  Die  von  Schmerlingen. 
Eine  grosse  Wurst:  Hans  AV'orst.  Ein  Breitopf:  Fritz 
von  Brei.  Ein  Gänseklein  in  Schüssel:  Die  von  Gänse- 
Kröse.  Eine  Gallerte  in  Schüssel:  Der  aus  der  Galradtei. 
Vogelköpfe  in  Schüssel:  Die  von  Schabantzen.  Ein 
Kalbsgekröse  in  Schüssel:  Der  von  Gelwen-Kröse.  Eine 
LöfFelgans:  Heine  Nimer-sadt.  Zwei  Hände,  ein  Glas 
Bier  haltend:  Jeckel  Werms-Bier.  Ein  Mann,  den  Bart 
mit  dem  Löffel  begiessend:  Die  Bart-Klecker.  Ein  gross- 
mäuliger,  dickbackiger  Mann:  Die  von  Fülschleben.  Ein 
Mann,  der  einen  Teller  ableckt:  Die  Tellerlecker.  Ein  Mann 
beisst  in  einen  Schweinskopf:  Der  von  Füllshausen.  Ein 
spitziges  Weinglas:  Der  von  Weissen  Hosen.  Drei  kleine 
Krüge:  Der  von  Mostheim.  Ein  Mann,  aus  einem  Glase 
in  der  Rechten  trinkend:  Der  von  Knebelsdorfl.  Ein 
Bierkännchen :  Die  von  Bierhagen.  Zwei  kreuzweiss 
liegende  leere  Bratspiesse,  zwei  Buckelgläser  an  Spiessen, 
ein  umgestürzter  Becher,    dreissig  Bratwürste  auf  beiden 

21* 


324  C.  Freyer : 

Seiten,  in  zwei  weissen  Feldern  zwei  gespickte  Wildbraten, 
in  zwei  rothen  eine  Semnielzeile  und  ein  Butterwecken:  Ob 
du  gleich  nicht  gewapnet  bist,  suche  hie  eins,  welches  dir 
eben  ist.  Ein  Kapphahn  in  Schüssel:  Der  von  Kakheim. 
Zwei  gebratene  Fische,  kreuzweis  übereinander:  Der  von 
Fischhausen,  Ein  Osterstriezel  in  Schüssel:  Der  von 
der  Stritzel.  Zwei  Butterwecken  in  Schüssel:  Der  von 
Butters- Wecken.  Vier  Käse  in  Schüssel:  Der  von  Käse- 
berg. Sieben  Quarkkäse  in  Schüssel:  Der  von  Quark- 
hausen. Eine  Schöpskeule  in  Schüssel:  Der  von  Schöps- 
kolben. Eine  gebi-atene  Gans  in  Schüssel:  Die  von 
Gänseheira.  Ein  Eierkuclien  in  einem  Tiegel:  Der  von 
Blinssenburgk.  Ein  Kalbskopf  in  Schüssel :  Das  Angesicht 
aus  Schwaben.  Ein  Schweinsbraten  in  Schüssel:  Der  von 
Schweinsburgk.  Zwei  Messer  und  vier  Löffel,  kreuzweis 
liejrend:  Die  von  Essbrück.  Eine  Schüssel  voll  Neun- 
äugen:  Der  von  Neuaugendorff.  Eine  Pastete  in  Schüssel: 
Der  von  Pastekendorff.  Eine  Suppenschüssel  mit  zwei 
kreuzweis  liegenden  Löffeln:  Der  von  Suppenheim.  Zwei 
Heringe  in  Schüssel:  Der  von  Herings-Nasen.  Ein  Krebs 
in  Schüssel:  Der  von  Krebsscheere.  Ein  Stockfisch  in 
Schüssel:  Der  von  Stockfisch -Walde.  Neun  Eier  in 
Schüssel:  Der  von  Eiersdorff".  Ein  Halbtisch  (?)  in 
Schüssel:  Der  Halbfischer.  Drei  Fische  in  Schüssel: 
Der  von  Fischersdorff*.  Neun  gebratene  Vögel  an  zwei 
kreuz  weis  liegenden  Spiessen:  Der  Vogelbeisser.  Eine 
gekrumt»'  (panierte)  Bratwurst  am  Spiesse  auf  dem  Rost: 
Der  von  Worstendorff.  Ein  Trinkbecher :  Der  von  SaufFen- 
burgk.  Zwei  lange  Buckelgläser,  kreuzweise  übereinander 
gelegt:  Der  von  Weiuhausen.  Ein  Hofmann,  ein  Glas 
auf  dem  Kopfe,  eins  in  jeder  Hand:  Fritz  Nümnier- 
nüchtern.  Ein  grüner  Buckelbecher:  Der  von  Dursten- 
dorfF.  Ein  Handkorb,  darauf  ein  Semmelzopf,  darüber 
kreuz  weis  zwei  Vogelspiesse  mit  elf  gebratenen  Vögeln,  zwei 
doppelt  bedeckte  Schüsseln,  darauf  ein  „Camentgen"  (?), 
zwei  gebratene  Gänse,  in  denen  je  ein  Messer:  Diese 
Wappen  zieren  jeden  wohl,  sonderlich  wenn  Er  essen  soll. 
Ein  Narrenkoj)!'  mit  Schellen:  Die  von  Narretey.  Drei 
Fuchsschwänze:  Die  von  Fuchsschwäntzen.  Ein  neben 
der  Scheibe  vorbei  fliegender  Pfeil:  Die  von  Lügenhausen. 
Eine  Schüssel  Salat,  der  von  dreizehn  Eiern  umlegt  ist: 
Die  von  Salatsburg.  Ein  zerrissener  Rock:  Die  Lappen- 
liäuser.  Ein  mit  aufgesperrtem  Munde  rülpsender  Kopf: 
Der  von  Rültzhausen.     Ein  mit  dem  rechten  Arm  auf  den 


Malereien  in  der  Augustnshnrg.  325 

Tisch  sich  stemmender  Mann :  Die  von  faulen  Pengels- 
dorff.  Eine  blecherne  Laterne,  darin  ein  Licht  von 
Menschenkoth :  Die  Unflatzyaner.  Dies  letzte  Wappen, 
welches  für  das  Wahrzeichen  der  Augustusburg  gehalten 
wird,  bezieht  sich  zweifellos  auf  den  Flazianischen,  Kur- 
sachsen durchtobenden  Religionsstreit  "■^). 

Den  Raum  innerhalb  des  Wappenkreises  nahmen 
sechs  Gruppenbilder  ein. 

Vier  Männer  an  einem  Tische  schlagen  sich  paar- 
weise mit  Fäusten  und  Gläsern,  unter  dem  Tische  Hund 
und  Katze,  ein  altes  Weib  kommt  herzu  und  will  mit 
einem  Besen  unter  die  Streitenden  schlagen.  —  Beischrift: 

Uns  ist  gleich  alss  Hund  und  Katzen, 
Seynd  wir  füll,  so  müssen  wir  Kratzen. 

Bacchus  auf  einem  Fass  reitend,  mit  der  Rechten  sich 
aufstemmend,  in  der  Linken  ein  Glas,  vor  dem  Wagen 
zwei  Männer  mit  Epheukränzen  auf  den  Häuptern,  zwei 
bekränzte  Knaben  mit  Krummhörnern,  zwei  dergleichen 
mit  Geigen  und  Flöten,  hinter  dem  Wagen  ein  Mann  mit 
einem  grossen  Trinkhorn. 

Zwei  Mönche  in  weissen  Kutten,  einer  am  Tische, 
auf  seinem  Rücken  eine  Tasche,  aus  der  ein  Braten 
hervorsieht,  mit  beiden  Händen  einen  Schweinsbraten 
haltend,  von  dem  er  gierig  abbeisst,  der  andere  kauert 
vor  einem  '\\  einfass,  hält  den  Mund  unter  den  Hahn  und 
lässt  sich  den  Wein  hinein  laufen.  —   Beischrift: 

Ich  will  erfüllen  meinen  Kragen 
Und  hätt  ich  eines  Wolfes  Magen. 

Zwei  Männer    sitzen   vor   einem    Bretspiel,    einer  hat 

einen  Wurf  in  der  Hand,  der  andere  eine  Kanne  auf  dem 

Kopfe,   vor    sich    ein    grünes   Buckelglas,   Kelchlein    und 

Stutzchen,  oberhalb  tanzen  zwei  Männer  auf  einem  Tische, 

wozu  ein   geputzter  Affe   geigt,  der   bei    einem    auf  dem 

Kopfe   stehenden,    ein   Glas    Wein    austrinkenden   Manne 

sitzt,    auf  dem  Ofen  sitzend   trinkt    ein  anderer  ein  Glas 

Bier  leer,  in  der  Nähe  treiben  sich  zehn  Maskierte  herum. 

—  Beischrift: 

Beym  Wein  achten  wir  keines  Pfaffen, 
Wir  reissen  Possen  gleich  den  Affen. 


-^)  Vergl.  die  betr.  Kap.  der  Kirchen geschichten  von  Hase, 
Kurtz  u.  s.  w.,  bes.  auch  Distel,  Der  Flacianismus  u.  d.  Schönburgsche 
Landesschule  zu  Geringswalde  (Leipzig  1879). 


32fi  ^'  Freyer:  Malereien  in  der  Augustusburg. 

Zwei  Männer  schlagen  sich  mit  Degen,  einer  hat 
einen  bhitigen  Hieb  auf  dem  Kopfe,  vor  sich  ein  ganzes 
und  ein  zerbrochenes  Glas,  zwischen  die  Fechter  fährt 
einer  mit  dem  Sauspiess,  der  hinten  noch  sitzende  lüftet 
den  Degen,  unter  ihnen  liegt  ein  Lowe.  —  Heischrift: 

Wir  sclilingen  den  Wein  ohn  einiges  Käuen, 
Drunib  werden  wir  grimniic;  gleich  den  Leuen. 

Zu   Unterst    am   Tische    sitzt    ein    Mann    in    weissem 

Gewände  und  hebt   die  Hände  auf,   neben   ihm    liegt  ein 

Schaf.  —  Beischrift : 

Je  völler,  je  frömmer  ich  bin, 
Wie  ein  Schaf  hab  ich  einen  Sinn. 

Fünf  Männer  an  und  bei  einem  Tische,  darauf  zwei 
Gläser  und  Pokale,  einer  schenkt  ein,  der  zweite  jauchzt 
mit  aufgehobenem  Arme,  der  dritte  trinkt,  der  vierte 
schläft,  der  fünfte  übergiebt  sich,  dabei  liegt  eine  Sau.  — 
Beischrift: 

AVir  haben  getrunken  viel  guten  Wein, 
Drumb  reissen  wir  Possen  wie  ein  Schwein. 


Gödings  in  so  kurzer  Zeit  vollbrachte  Schöpfung  hat 
sich,  obwohl  nur  auf  den  Kalk  hingezaubert,  lange  er- 
halten. Nur  im  ersten  und  zweiten  Stock  des  Linden- 
hauses brauchte  1669  der  Hofmaler  Paul  Werner  eine 
Erneuerung  vorzunelnnen.  Unterdess  hatte  jene  ein  Seiten- 
stück in  den  Malereien  des  1608  unter  Christian  IL  be- 
gonnenen, 1630  vollendeten,  gänzlich  verschwundenen 
Fischhauscs  in  den  kurfürstlichen  Teichen  bei  dem  Dorfe 
Hohenfichte  erhalten.  —  ^^'enn  man  jetzt  mit  Schmerz 
die  kümmerlichen  Reste  der  Bilder  betrachtet,  kann 
wenigstens  der  Gedanke  trösten,  dass  ein  freundliches 
Geschick  es  ermöglichte,  den  ganzen  bunten  Schmuck 
des  Schlosses  durch  vorstehende  Beschreibung  im  Geiste 
vor  seinen  Augen  vorüberziehen  zu  lassen. 


Literatur. 


Stammtafeln  der  ernestinischeii  Linien  des  Hauses  Sachsen. 
Quellenmässig  bearbeitet  von  C.  Ä.  fl.  Burkhardt,  Dr.  ph.,  Grossh. 
S.  Oberarchivar  und  Archivrath  und  Herzogl.  S.  Gemeinschaft!. 
Archivar.  Festgabe  zur  Eröffnung  des  Archivgebäudes  am  Karl 
Alexanderplatze  am  18.  Mai  1885.  Weimar,  Druck  von  ß.  Wagner. 
4  Bogen  Querfolio. 

Der  Verfasser,  der  bereits  zur  Neubearbeitung  der  Voigtelschen 
Stammtafeln  durch  L.  A.  Cohn  eine  Anzahl,  allerdings  nur  in  den 
Noten  zu  denselben  verwandter  Beiträge  geliefert,  hat  seit  einer 
langen  Reihe  von  Jahren  eifrig  für  das  uns  hier  vorliegende  Werk 
gesammelt.  Ein  Vergleich  der  Tafeln  mit  ihren  Vorgängern,  unter 
denen  die  genannten  Cohn -Voigtelschen  doch  noch  immer  die  am 
meisten  benutzten  sind,  da  die  seitdem  (1879  —  83)  erschienenen 
V.  Kellerschen  Tafeln  nur  eine  geringe  buchhändlerische  Verbreitung 
gefunden  haben  (auch  B.  scheint  sie  nur  theilweise  zu  kennen), 
zeigt,  dass  seine  mühevolle  Arbeit  keine  erfolglose  gewesen  ist;  die 
Genealogie  des  Hauses  Wettin,  die  zweifellos  in  allen  Theilen  noch 
der  kritischen  Detailuntersuchung  bedarf,  hat  durch  die  Burkhardt- 
schen  Tafeln  eine  höchst  dankenswerthe  Bereicherung  erfahren, 
doppelt  dankenswerth  deshalb,  weil  sie  den  compliziertesten  Theil 
derselben ,  die  verwickelte  Genealogie  der  ernestinischen  Spezial- 
linien  behandelt  und  zwar  in  überaus  praktischer  und  übersichtlicher 
Weise.  Die  Handlichkeit,  auf  die  B,  selbst  mit  Recht  grosses  Ge- 
wicht legt,  ist  hauptsächlich  dadurch  erreicht  worden,  dass  nur  die 
Rufnamen  und  die  absolut  nothwendigen  Daten  (Geburts-,  Todes-  und 
Vermählungstag)  in  die  Tabellen  selbst  aufgenommen,  alle  übrigen 
Angaben  aber  in  die  Noten  verwiesen  wurden.  Diese  letzteren,  die 
reichlich  die  Hälfte  des  \Verkchens  füllen,  legen  von  der  archivalischen 
Findigkeit  und  der  Belesenheit  des  Verfassers  ein  rühmliches  Zeugnis 
ab,  wenn  man  auch  hie  und  da  noch  einen  Nachtrag  zur  Literatur 
machen  könnte  —  schon  die  erschöpfende  Benutzung  des  2.  Bandes 
von  B.  G.  Weinarts  Versuch  einer  Literatur  der  sächs.  Geschichte 
(Neue  Auflage,  Leipzig  1805)  würde  den  Verfasser  auf  mancherlei  auf- 
merksam gemacht  haben  — ,  an  einzelnen  Stellen  auch  eine  aus- 
führlichere Begründung  der  gewiss  durchweg  auf  sorglichen  Er- 
wägungen beruhenden  Abweichungen  von  den  bisherigen  genealogischen 
Arbeiten,  die  namentlich  hinsichtlich  der  älteren  Ernestiner  sehr 
zahlreich  sind,  wünschen  möchte.  Jedenfalls  wird  man  gut  thun, 
sich  künftig  ausschliesslich  an  die  Burkhardtschen  Tafeln  zu  halten, 
wenn  es  sich  um  Spezialfragen  der  ernestinischen  Genealogie  handelt. 


328  Literatur. 

An  die  Noten  schliesst  sich  ein  Verzeichnis  der  hedentendsten 
deutschen  Begräbnisstätten  der  Ernestiner  und  eine  kurze  Übersicht 
über  die  sächsisclien  Landestlieilunfren,  so  weit  sie  für  das  ernesti- 
nische  Hans  in  lietracht  kommen,  an;  in  letzterer  dürfen  wir  wohl 
den  Vorläufer  der  in  dem  Vorwort  in  Aussicht  gestellten  Darstellung 
der  Territorialbildung  des  Grossherzogthums  Weimar  nnd  der  Her- 
zogthümer  begrüssen. 

Dresden.  Ermisch. 

Martin  Luther,  Naumlmrg  a.  S.  und  die  Iteforniation.  Fest- 
schrift zur  Begrüssung  der  Versammlung  vormaliger  Schüler  des 
Naumburger  Domgymnasiums  am  .30.  September,  l.^und  2.  Oktober 
1885  in  Naumburg.  Von  Paul  Mit/schke.  Naumbursr  a.  S.,  Julius 
Domrich.     1885.     .36  SS.     8". 

Naumburg  zog  während  der  Reformationszeit  die  Aufmerksamkeit 
von  ganz  Deutschland  auf  sich  bei  Gelegenlieit  von  Jul.  Pflugs 
und  ISiic.  V.  Amsdorfs  verhängnisvollem  Streit  um  das  Bistlium.  Aber 
auch  sonst  hat  es  mehrfache  nähere  Beziehung  mit  dem  Reformator 
gehabt.  Bereits  1518  berührte  er  wahrscheinlich  auf  der  Reise  nach 
Heidelberg  die  Stadt,  ebenso  1521  auf  der  Fahrt  nach  Worms.  Die 
Frage,  wer  der  Geistliche  war,  der  Luther  das  Bild  Savonarolas 
schickte,  wird  S.  6  u.  7  erörtert,  findet  aber  keinen  sichern  Abschluss. 
Besonders  wichtig  war  Luthers  Anwesenheit  1542.  Ausserdem  be- 
schäftigt er  sich  mehrfach  in  seinem  Briefwechsel  mit  der  Stadt,  dem 
Bischof,  dem  Kanzler,  dem  Pastor  Dr.  Mcdler.  Verfasser  hat  diesen 
Stofl'  zu  einem  für  weitere  Kreise  berechneten  und  anziehenden 
Bilde  verarbeitet,  dessen  Hintergrund  eine  Schilderung  des  kirch- 
lichen Lebens  der  Stadt  im  15.  Jahrhundert  bildet.  Hoftentlich  be- 
gegnet uns  Verfasser,  der  bereits  in  seinen  „Naumburger  Inschriften" 
werthvolles  Material  zur  Geschichte  seiner  Vaterstadt  gesammelt 
hat,  auch  weiter  auf  diesem  Gebiete.  Die  ungedruckten,  in  den  An- 
merkungen angezogenen  Quellen,  namentlich  aus  dem  Ernesfinischen 
Gesamtarchiv  zu  AVeimar,  l)eweisen,  wie  viel  dankbarer  Stoff"  sich 
bietet.     Referent  fügt  noch  zwei  Bemerkungen  bei. 

Erklärt  sich  Luthers  Vertrauen  auf  Pfalzgraf  Philipp,  Bischof 
von  Naumburg  und  Freisingen,  vielleicht  aus  früheren  Beziehungen 
zu  demsell)en?  Vergl.  den  Brief  an  Johannes  Sylvius  Egranus:  l^ri- 
mum  lAacct,  qiiod  ovmia  suh  Judicium  ecciesiae,  imjnimis  ordinarii 
tui  (ut  dicitur)  suhmiUis.  Enders,  Dr.  Martin  Luthers  Briefwechsel 
I,  182.  Ebenda  I,  193  schreibt  Luther  an  Spalatin:  Literas  ad 
illnstrissinmm  Principem  Episcopiim  Noiviburf/ensem  non  potui 
aptitis  quam  per  tc  (lirigere. 

Die  S.  22  Anm.  2  erwälinte  Schulor<lnnng  ist  theilweise  abge- 
druckt in  dem  Progr.  über  die  Volksschulen  und  Bürgerschulen  in 
Naumburg  1865:  „Leges  Discipulorum,  abgedruckt  aus:  der  Stadt 
Naumburg  verneuerte  Schul  -  Ordnung  puldiciret  Im  Jahre  1656. 
Nanmi)urg,  in  Verlegung  Martin  Müllers,  1(;57.'- 

r>resden.  Georg  Müller. 

Die  Stellung:  der  (wut suntortJianon  in  der  Oborlau.sit/  zu  ihren 
Gutsherrscliaften  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Ablösung  der 
Zinsen  und  Dienste.  Von  Dr.  Hcrniaiin  Enotlie.  Von  der  Ober- 
lausitzischon  Gesellschaft  der  Wisser.scbaften  in  Görlitz  gekrönte 
Preisschrift.  (Sep.-Abdr.  aus  dem  Neuen  Lausitz.  Magazin  Bd.  LXI, 
155  flg.)    Dresden,  Warnatz  u.  Lehmann  (Komm.)  1885.    150  SS.  8". 


Literatur.  329 

Das  neueste  Werk,  mit  welchem  uns  der  unermtidliche  Historiker 
der  Oberlaiisitz  beschenkt,  ist  eine  überaus  werthvolle  Gabe,  die  weit 
über  die  zunächst  interessierten  Fachkreise  hinaus  Beachtung  ver- 
dient und  finden  wird.  Die  Geschichte  der  bäuerlichen  Verhältnisse 
in  Deutscliland  gehört  zu  den  schwierigsten  Aufgaben,  welche  die 
junge  Disziplin  der  Wirtbschaftsgescliichte  noch  zu  lösen  hat;  und 
nicht  eher  kann  man  von  einem  allgemeinen  Werke  über  diesen 
Gegenstand  befriedigende  Ergebnisse  hoflen,  bevor  nicht  eine  ganze 
Reihe  bis  in  das  Einzelne  eindringender  Spezialuntersuchungen  das 
Terrain  geebnet  haben.  Besonders  bedarf  es  solcher  noch  für  die 
Gebiete,  wo  die  deutschen  Eroberer  im  10.  und  11.  Jahrhundert  eine 
slavische  Bevölkerung  vorfanden.  Ein  persönlich  freier  Bauernstand 
war  den  Slaven  völlig  unbekannt;  neben  den  mit  weitem  Grundbesitz 
ausgestatteten  Stammeshäuptern  (Königen)  und  einem  kriegerischen 
Adel,  der  die  ilim  überlassenen  Güter  ebenfalls  als  Eigenthum  be- 
sass,  gab  es  mehrere  streng  geschiedene  Klassen  von  Hörigen,  über 
welche  der  Verfasser  bereits  im  J.  Bande  dieser  Zeitschrift  eine  er- 
schöpfende Untersuchung  veröÖentlicht  hat.  Die  Unterwerfung  der 
Slavenländer  unter  deutsche  Herrschaft  schuf  vollkommen  neue  Ver- 
hältnisse. Machte  sie  insofern  der  dinglichen  Freiheit  des  Grund- 
besitzes ein  Ende,  als  alles  Land  fortan  als  Eigenthum  des  deutschen 
Königs  bez.  der  von  ihm  eingesetzten  Landesherren  galt  und  sowohl 
diejenigen  slavischen  Grossgrundbesitzer,  welche  sich  der  deutscheu 
Herrschaft  unterwarfen,  als  auch  die  Deutschen,  welche  die  Besitz- 
nachfolger der  übrigen  slavischen  Edlen  wurden,  ihre  Güter  lediglich 
zu  Lehn  besassen,  so  rief  sie  doch  anderseits  einen  freien  Bauern- 
stand ins  Land:  die  zahlreichen  Einwanderer,  welche  zur  Hebung 
der  Landwirthschaft  aus  den  verschiedensten  Theilen  I'eutschlands 
herangezogen  wurden,  waren  persönlich  frei.  Doch  war  die  Umge- 
staltung der  Verhältnisse  keineswegs  so  durchgreifend,  dass  nicht 
neben  jenen  deutschen  Bauern  noch  eine  zahlreiche  altslavische  Be- 
völkerung geblieben  wäre,  die  allerdings  theilweise  durch  Umge- 
staltung der  slavischen  Dörfer  in  deutscher  Weise  gleichfalls  zu 
persönlicher  Freiheit  gelangte,  theilweise  aber  auch  in  der  alten 
Hörigkeit  verblieb.  So  entwickelte  sich  eine  bunte  Mannigfaltigkeit 
der  Verhältnisse.  In  einzelnen  alten  Slavenländern,  z.  B.  in  Schlesien, 
lassen  sich  diese  Umwandlungen  ziemlich  klar  verfolgen,  weil  uns 
ein  reiches  urkundliches  Material  über  die  Dorfaussetzungen  nach 
deutschem  Kechte  vorliegt;  wo  ein  solches  jedoch  fehlt  wie  in  der 
Mark  Meissen  und  insbesondere  in  der  Oberlausitz,  ist  es  überaus 
schwer,  Klarheit  in  die  Fragen  zu  bringen,  und  es  ist  sehr  begreif- 
lich, dass  die  Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wissenschaften  schon 
wiederholt  (1821,  1822)  die  Geschichte  der  bäuerlichen  Verhältnisse 
zum  Gegenstaude  einer  Preisaufgabe  gemacht  hat,  ohne  dass  dieselbe 
eine  Lösung  gefunden  hätte.  Auch  jetzt  würde,  so  zahlreiche  Ur- 
kunden auch  seitdem  veröffentlicht  worden  sind,  die  wenigstens 
mittelbare  Aufschlüsse  zu  geben  vermögen,  schwerlich  ein  anderer 
der  1883  von  neuem  gestellten  Aufgabe  gewachsen  gewesen  sein,  als 
der  Verfasser,  der  ein  Menschenleben  lang  mit  wahrhaft  deutschem 
Gelehrtenfleisse  das  einschlagende  Material  im  weitesten  Sinne  durch- 
forscht hat.  Seine  Schrift,  eine  höchst  dankenswerthe  Ergänzung 
seiner  1877  erschienenen  Kechtsgeschichte  der  Oberlausitz,  ist  in 
ihrer  Weise  ein  Meisterwerk.  Namentlich  verdient  sie  unsere  Be- 
wunderung, so  weit  sie  die  ältesten  Verhältnisse  des  Landes  betrifft. 
Geringer  waren  die  zu  überwindenden  Schwierigkeiten  bei  Darstellung 


330  Literatur. 

der  späteren  Entwicklung  seit  dem  15.  und  16.  Jahrhundert,  die  all- 
mählich an  die  Stelle  der  erwähnten  Mannigfaltigkeit  der  ßeziehungen 
zwischen  den  ünterthaneu  und  der  Gutsherrschaft  wieder  eine  wenig 
erfreuliche  Gleichförmigkeit  setzte,  indem  der  Zug  der  Zeit  die  per- 
sönliche Freiheit,  die  sich  leider  nicht  urkundlich  naclnveissen  liess, 
mehr  und  mehr  in  Vergessenheit  gcrathen  liess  und  die  gesamte 
häuerliche  Bevölkerung  zu  einer  schwer  lastenden  Leiheigenschaft 
herabdriickte,  die  au  die  altslavischen  Verhältnisse  erinnerte  und 
von  welcher  erst  unser  Jahrhundert  die  Erlösung  brachte;  doch  auch 
in  diesen  Abschnitten  müssen  wir  der  vollkommenen  Sicherheit  in 
der  Beherrschung  des  immer  mehr  wachsenden  Materials  unsere 
vollste  Anerkennung  zollen.  An  Einzelheiten  Kritik  üben  zu  wollen, 
würde  einer  derartigen  Arbeit  gegenüber  fast  vermessen  erscheinen. 
Fände  sich  doch  bald  die  berufene  Kraft,  welche  für  die  übrigen 
Theile  des  Königreichs  Sachsen  die  auch  liier  sehr  verwickelten  ge- 
schichtlichen Verhältnisse  der  biiuerliclicn  Bevölkerung  in  gleich 
vollendeter  Weise  zu  bearbeiten  vermöchte. 

Dresden.  Ermisch. 

Album  des  Oymuasiuins  zu  Zittau.  Zur  Erinnerung  an  die  drei- 
hundertjährige Jubelfeier  der  Bcgrüiulnng  des  Gymnasiums  be- 
arbeitet von  Prof.  Dr.  Oskar  Friedrich,  Konrektor  am  Gymna- 
sium zu  Zittau.     Zittau,  Menzel.    188G.     196  SS.    8". 

Unter  den  verschiedenen  aus  Anlass  des  genannten  Jubiläums 
erschienenen  Festschriften  ist  die  oben  genannte  unstreitig  die  für 
die  Lokal-  und  Personalgeschichte  der  Stadt  Zittau  weitaus  wichtigste, 
wie  sie  denn  auch  die  allergrösste  Mühe  unil  Arbeit  verursacht  hat. 
Sie  enthält  zuerst  ein  lediglich  alphabetisches  Verzeichnis  von  Schüleru 
des  Zittauer  Gymnasiums,  soweit  deren  mit  Sicherheit  ermittelt  werden 
konnten,  von  der  Eröfl'nung  der  .\nstalt  im  Jalire  158C>  an  bis  zum 
Jahre  178H  mit  nur  ganz  kurzen  Angaben  über  Geburtsort.  Zeit  des 
Aufenthalts  auf  dem  Gymnasium  und  etwaige;  spätere  Lebensstellung. 
Es  folgt  sodann  ein  zweites  ebenfalls  alphalietisches  Verzeichnis 
s ä mm t Hoher  Schüler  von  1783  bis  zur  Gegenwart  mit  ausführ- 
licheren, wenn  auch  in  knappester  Form  gehaftenen  biographischen 
Notizen.  Dieser  Abschnitt,  auch  dem  Umfang  nach  der  bedeutendste, 
bildet  unstreitig  den  Schwerpunkt  der  gesamten  Arbeit.  Daran 
schliesst  sich  ein  blosses  Nameusverzeirhnis  aller  seit  1798  aufge- 
nommenen Schüler  auf  Gruinl  der  Inskriptionsbücher,  geordnet  nach 
den  einzelnen  Jahren,  mit  .\ngabe  der  betreffenden  Klassen.  Das- 
selbe giebt  zugleich  einen  Massstab  für  die  jedesmalige  Frequenz 
der  Anstalt  an  die  Hand.  Hierauf  konnnt  ein  Verzeichnis  der  jedes- 
maligen Abiturienten  von  1798  bis  188G.  Wie  sich  aus  den  beiden 
letzteren  jeder  ehemalige  Zittauer  Schüler  diejenigen  ins  Gedächtnis 
zurückrufen  wird,  mit  denen  er  einstmals  zusamnuMi  aufgenommen 
oder  später  zusammen  abgegangen  ist,  so  ündet  zumal  in  dem  zweiten 
Verzeichnis  jeder,  der  daran  ein  Interesse  hat,  nicht  nur  über  alle 
mehr  oder  minder  berühmt  gewordenen  Zittauer,  sondern  auch  über 
ganze  Zittauer  Familien  und  deren  Genealogien  ausführliche  und 
sichere  Angaben.  Den  Schluss  bildet  das  Verzeichnis  der  „Scholarchen" 
oder  Inspektoren,  au  deren  Stelle  später  die  „Mitglieder  der  Schul- 
kommission" traten,  ferner  der  Rektoren,  sowie  sämtlicher  Lehrer, 
sowohl  der  früheren  „lateinischen  Schule"  als  des  daraus  hervor- 
gegangenen Gymnasiums,  von  der  ältesten  Zeit  bis  auf  die  Gegenwart, 


Literatur.  331 

ebenfalls  mit  ausführlichen  biographischen  Notizen.  —  Wir  begrüssen 
daher  diese  Festschrift  als  eine  ebenso  verdienstliche  als  mühsame 
Arbeit. 

Dresden.  Hermunn  Knothe. 

Bescbreibeiule  Darstellung:  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
des  Königreichs  Saclisen.      Auf  Kosten   der   K.  Staatsregierung 
herausgegeben  vom    K.   Sächsischen   Alterthunisverein.      Sechstes 
Heft:    Amtsbauptmannschaft  Flöha.     Siebentes  Heft:    Amtshaupt- 
niannschaft  Chemnitz.      Bearbeitet  von  R.  Steche.      Dresden,    in 
Kommission  bei  C.  C.  Meinhold  u.  Söhne.     1886.     89  u.  62  SS.    &«. 
In  dem  Repertoriuni  für  Kunstwissenschaft  1885  wurden  die  fünf 
ersten  Hefte    dieser  so  überaus   wohlgeUmgenen  Publikation  schon 
eingehend    besprochen,   ihre  Yorzüge   zumal  gegenüber  der  Monu- 
mentalstatistik der  preussischen  Provinz  Sachsen  hervorgehoben,  die 
Knappheit  und  Klarheit  der  Darstellung,   die  Trefflichkeit  der  Ab- 
bildungen  gerühmt.     Diese   Bemerkungen   noch   einmal  hier  vorzu- 
bringen ist  also  überflüssig:  es  genügt  hervorzubel)en,  dass  auch  die 
beiden  zuletzt  erschieneneu  Hefte  gleich  tüchtig  gearbeitet  sind  und 
der  Kunstgeschichte  wiederum   ein   sehr  willkommenes  Material  zu- 
führen.    In  Heft  c>   ist  das  Schloss  Augustusburg  behandelt;   Pläne 
veranschaulichen    die    ursprüngliche    Anlage,    die   noch    erhaltenen 
Reste   der  alten  Pracht;    das  urkundliche  Material   ist  für  die  Dar- 
stellung verwendet.      Auch   die   gothische  Kirche  zu  Ebersdorf  und 
ihre  Kunstdenkmäler,    das  interessante  romanische  Tympanonrelief 
aus  Schloss  Lichtenwalde  werden  dem  Freunde  der  Kunstgeschichte 
manches  Neue  bieten.     In   dem   folgenden  Hefte  7  ist  es  besonders 
die  Schlosskirche  zu  Chemnitz,    welche  die  Aufmerksamkeit  fesselt. 
Die  merkwürdigen  Formen  der  Spätgothik,  die  mit  einer  armseligen 
Originalitätshascherei    entworfen    sind,    kommen    grade    bei    diesem 
Monumente   zum   klarsten  Ausdruck.     Fein  und   elegant  sind  dann 
einige  Proben   deutscher  Frührenaissance,  gleichfalls  aus  Chemnitz 
entnommen. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  nicht  alle  Hefte  ein  gleich  werth- 
volles  Material  bieten  können,  aber  es  ist  doch  sehr  wichtig,  dass 
eben  das  ganze  Land  systematisch  durchforscht  und  dass  mitgetheiit 
wird,  ob  viel,  ob  Avenig  sich  vorfindet.  Dadurch  werden  die  brauch- 
barsten Materialien  zunächst  zu  einer  Kunstgeschichte  Sachsens  zu- 
sammengetragen, und  es  wäre  wohl  zu  wünschen,  dass  eine  solche 
zusammenfassende  Schilderung  der  Vollendung  des  hier  angezeigten 
Werkes  folgt;  es  ^ürde  dies  der  deutschen  Kunstgeschichte  zum 
grössten  Vortheile  gereichen. 

Dem  Bearbeiter  der  Darstellung  gebührt  uneingeschränkte  An- 
erkennung, der  K.  Sächsischen  Regierung  aber  der  wärmste  Dank 
aller  Freunde  der  Kunstgeschichte  für  die  Forderung,  die  sie  diesem 
trefflichen  W^erke  angedeihen  lässt. 

Prag.  Alwin  Schultz. 

Baugeschichte  der  St.  Marieukii'che  zu  Zwickau.     Von  Dr.  0. 

Mothes,    kgl.   Baurath,    Werkmeister   zu   St.  Marien.      Zwickau, 

Kouegen.     1885.     106  SS.     16«. 

Diese  Schrift  erweist  sich  als  ein  unzweifelhafter  Fortschritt 
gegenüber  den  früheren,  die  über  denselben  Gegenstand  geschrieben 
worden  sind.  Verfasser  stellt  auf  Grund  der  eingehenden  Unter- 
suchungen, die  ihm  seine  augenblickliche  Stellung  erlaubte  oder  zur 
Pflicht  machte,  zahlreiche  Angaben  Hildebrandts,  Herzogs  u.  a.  richtig 


33?  Literatur. 

und  bringt  viele  neue  Thatsachen  vor.  Er  hat  allerdings,  wie  er 
selbst  zugesteht,  noch  keine  Zeit  gefunden,  archivarische  Forschungen 
anzustellen  uiul  „besitzt  nicht  die  Anmassnng  zu  glauben,  dass  die 
Resultate  seiner  Untersuchungen  unantastbar  seien."  In  der  That 
bleiben  noch  manche  Punkte  der  Baugeschichte  dunkel.  Nach  dem 
Befunde  des  jetzigen  Zustandes  sind  nach  Mothes  mindestens  neun 
Bauperioden  zu  unterscheiden.  Am  1.  Mai  1118  war  die  erste  Kirche 
bereits  geweiht,  im  Gebrauche,  der  Hauptsache  nach  vollendet  und 
an  die  Benedictiner  des  Klosters  Bosau  übergeben.  Die  Erbauerin 
ist  die  Orilfin  ßertha,  deren  Person  noch  nicht  völlig  klar  gestellt 
ist.  Auch  die  ursprüngliche  Gestalt  dieser  ei'sten  Anlage  ist  unsicher; 
nur  Nachgrabungen  im  Fundamente  könnten  Klarheit  schaffen,  was 
ausser  dem  Langhause  vorhanden  war.  Um  das  Jahr  1270  vermuthet 
Mothes  einen  Thurmbau;  aus  der  Stiftung  eines  heiligen  Kreuzaltars 
(2.  Nov.  1291)  schliesst  er  auf  eine  vorangegangene  Erweiterung  der 
Kirche  an  der  Chorseite.  Die  dritte  Bauperiode  fällt  nach  dem 
Brande  von  1327  oder  1?>28,  wobei  die  Marienkirche  kläglich  ausge- 
brannt war.  Der  Wiederaufliau  begann  bereits  Mitte  Juni  1328,  der 
Altar  konnte  1336  wieder  benutzt  werden,  der  ganze  Bau  scheint 
1348  vollendet  zu  sein.  Dabei  wird  der  Thurm  verstärkt  und  Seiten- 
liallen  werden  angebaut.  Das  Langschiff  bestimmt  Mothes  für  diesen 
Bau  auf  vier  Joche  und  8  m  Weite,  die  Gesammtlichtenbreite  der 
drei  Schiffe  auf  18,70  m,  die  Gesamnitbreite  der  drei  Vorhallen  (die 
im  Westen  etwas  grösser  als  im  Osten  gewesen  sei)  auf  19,12  m. 
Über  die  Grösse  des  Chorbaues  fehlen  Anhaltepunkte  für  Vermuthungen. 
Die  vierte  Bauperiode  fällt  nacdi  dem  Brande  vom  13.  April  1383. 
Damals  oder  schon  vorher  ward  das  Atrium  beseitigt  und  durch  eine 
offene  Vorhalle  für  die  Büsser  ersetzt.  Die  nach  1328  begonnene 
Quadermantelung  des  Thurmes  wurde  fortgesetzt,  die  Strebepfeiler 
wurden  erhöht,  um  dem  Thurme  mehr  Festigkeit  zu  verleihen,  ein 
Wendeltreppenthurm  wurde  neu  angelegt.  Der  Thurm  muss  um 
1390  vollendet  gewesen  sein,  machte  aber  in  der  Folge  mangelnder 
Festigkeit  wegen  mancherlei  Schwierigkeiten.  Die  fünfte  Bauperiode 
nach  dem  grossen  Brande  von  1103  endet  11.30,  doch  fehlte  damals 
noch  der  Helm  des  Thurmes,  was  Mothes  daraus  schliesst,  dass  der 
Thurm  bei  der  Belagerung  durch  die  Hussiten  als  Geschützstand 
benutzt  werden  konnte.  Ausserdem  zeigte  derselbe  in  der  Folge  Kisse, 
die  Seitenhallen  trugen  Interimsdächer,  um  1452  erweist  sich  die 
Kirche  für  die  wachsende  Einwohnerzahl  und  die  vielen  Altäre  zu 
enge,  der  östliche  Tbeil  präsentiert  sich  nicht  sehr  stattlich.  Die 
sechste  Bauperiode  führt  .lobannes  Capistranus  durch  seine  begeist- 
ernden Reden  (1452)  herbei:  man  bcschliesst  eineji  neuen  Chorbau, 
dessen  Gründung  im  Juli  1453  beginnt.  Bereits  1405  (nicht  1470) 
ist  er  im  Mauerwerk  fertig,  wie  aus  der  Stiftung  des  Matthiasaltars 
hervorgeht,  M70  wird  er  geweiht,  am  19.  Oktober  1475  äusserlich 
vollendet  durch  Anl)ringung  eines  vergoldeten  Hahns  auf  dem  An- 
fallspunkte des  Chorschlusses  („uff  unser  Lieben  Frawen  Kirchspitz"). 
Mothes  setzt  auf  diesen  Tag  den  Schluss  der  sechsten  Bauperiode 
und  bestreitet  aus  stylistischen  Gründen  einen  Thurmbau  in  ihr.  Der 
Chor  sah  damals  äusserlich  so  aus,  wie  jetzt,  ,,nur  dass  einige  Strebe- 
pfeiler später  verändert,  ja  verunstaltet  worden  sind".  Nach  der  Vollen- 
dung des  Chorbaues  nimmt  Mothes  einen  Meisterwechsel  an  und  setzt 
die  siebente  Bauperiode  auf  1476— 1506.  In  die  Jahre  1476—78  fällt 
der  Bau  des  Kollers  (colarium  =  der  Raum,  wo  Öl  und  Wein  vor  der 
kirchlichen  Benutzung  durchgeseiht  wurden);  darnach  entstehen  die 


Literatur.  333 

zwei  Hallen  (die  Nord-  und  Stidhalle)  am  Thurme  in  der  "Weise, 
dass  die  beiden  für  den  Bau  angeworbenen  Meister  je  zwei  mächtige 
Mauermassen  (von  2,28— 2,30  m  Dicke)  dem  Schübe  entgegenstemmten 
und  die  Räume  zwischen  diesen  enormen  Pfeilern  gegen  Nässe  be- 
schützten. 1480  stockt  der  Bau,  der  Kölner  Werkmeister  scheint 
infolge  des  sächsischen  Hüttenstreits  den  Bau  verlassen  zu  haben, 
der  andere,  ein  Regensburger,  nimmt  1493  den  Thurmbau  in  Angriff 
und  vollendet  ihn  1500.  —  Im  Jahre  1505  erlangte  der  Rath  das 
zu  einzelnen  Theilen  schon  längst  von  ihm  ausgeübte  Patronat  nun 
endlich  auch  nominell  und  vollständig  und  benutzt  sein  Patronats- 
recht  sofort  zu  einem  vollständigen  Neubau  des  eigentlichen  Kirchen- 
gebäudes. Somit  beginnt  am  Sonntag  Exaudi  1506  die  achte  Bau- 
periode. Zunächst  wurde  die  neue  Aussenmauer  an  der  Nordseite 
in  Angriff  genommen,  ohne  dass  man  an  der  Kirche  selbst  etwas 
weggerissen  hätte.  Dieser  Bau  war  1517  bis  zum  Anschluss  an  die 
Kreuzkapelle  einschl.  Gewölbe  und  Interimsdach  fertig.  In  demselben 
Monate  begann  die  Erweiterung  nach  der  Südseite,  1538  war  die 
Kirche  fertig,  „in  der  Hauptsache  in  gleicher  baulicher  Gestalt,  wie 
jetzt,  in  vielen  Dingen  freilich  weit  schöner,  eins  der  schönsten  Bei- 
spiele der  sächsischen  Gothik,  die  sich  mit  dem  Hüttenstreite  heraus- 
bildete". Die  neunte  Bauperiode  umgrenzt  Mothes  ziemlich  weit, 
nämlich  von  1539 — 1862,  und  sagt,  sie  verdiene  eher  eineRuinierungs- 
periode  genannt  zu  werden.  Die  Mothessche  Darstellung  bringt  für 
diese  Zeit  nicht  viel  neue  Momente  vor.  Wir  verzichten  daher  da- 
rauf, die  Baugeschichte  hier  noch  weiter  wiederzugeben.  Wir  wünschen 
und  hoffen  aber,  dass  über  die  zehnte  Bauperiode,  deren  Leiter  Herr 
Mothes  selbst  ist,  einst  ein  anerkennenderes  Urtheil  gefällt  werden 
möge,  als  über  die  neunte,  und  dass  die  altehrwürdige  Marienkirche 
unter  seiner  Leitung  zu  ihrer  alten  Herrlichkeit  erstehe. 

Dresden.  Paul  Schumann. 

Briefe  aus  Italien  von  Julius  Schnorr  von  Carolsfeld,  ge- 
schrieben in  den  Jahren  1817 — 1827.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
seines  Lebens  und  der  Kunstbestrebungen  seiner  Zeit.  Mit  Porträt. 
Gotha,  Perthes.     1886.     555  SS.  8". 

Wieder  haben  wir  einen  höchst  werthvollen  Beitrag  erhalten, 
der  unser  Bild  einer  der  wichtigsten  Perioden  der  deutscheu  Kunst 
bedeutend  erweitert  und  vervollständigt.  Die  grosse  Zeit,  die  wir 
vor  allem  aus  Cornelius'  Briefen  (herausgegeben  von  Förster)  kannten, 
erfuhr  erst  vor  kurzem  ehie  neue  Beleuchtung  durch  Ludwig  Richters 
gemüthsinnige  Lebenserinnerungen.  Aber  Richter  stand  den  Naza- 
renern,  wie  man  sie  wohl  spöttisch  nannte,  ferner;  Schnorr  gehörte 
zu  ihnen,  als  sie  noch  einig  waren  und  noch  nicht  religiös -dogma- 
tische Tendenzen  die  rein  künstlerische  Seite  ihres  Strebeus  beein- 
trächtigten. Dem  jüngeren  Künstlergeschlechte  darf  man  freilich 
nicht  von  jener  Zeit  im  2.  und  3.  Zehnt  unseres  Jahrhunderts 
reden;  den  meisten  derselben  ist  sie  nur  die  Zeit  der  Verachtung 
und  Unkenntnis  der  Technik.  Indess  oft  genug  möchte  man 
diesen  zurufen :  Etwas  weniger  Technik  und  etwas  mehr  Geist  und 
Begeisterung  wäre  euren  Werken  zu  wünschen.  Die  grossen  Männer, 
denen  die  Geschichte  das  Verdienst  zuschreibt,  die  neue  deutsche 
Kunst  ins  Leben  gerufen  zu  haben ,  besassen  beides.  Welch'  vor- 
nehme grossartige  Künstlergesinnung  spricht  z.  B.  aus  Schnorrs 
Urtheil  über  den  Kunstmäeen  Preuss  (S.  405):  „Er  sieht  den  Künstler, 
der  einmal  eine  gewisse  Geschicklichkeit  erlangt  hat,  wie  einen  Glas- 


334  liiteratnr. 

bläser  au,  der  sein  Rohr  in  die  Masse  taucht,  etwas  Wind  macht, 
und  ehe  man  sichs  versieht,  ein  Gefäss  fertig  hat.  Nun  kommt  es 
darauf  an,  dass  er  die  Ware  liefert,  die  am  meisten  verlangt  wird, 
entweder  Flaschen  oder  Gläser  etc.  Als  ich  ihm  nach  wiederholten 
lästigen  Aufforderungen,  in  der  kurzen  Zeit,  welche  er  hier  zu- 
brachte, ein  Uildchen  zu  malen,  endlich  gerade  heraus  sagte,  ich 
könne  und  wolle  keine  .\rbeit  maclien,  die  mir  nicht  im  Geiste  klar 
geworden  sei,  so  erklärte  er  mir:  dass  ich  ihm  sehr  leid  thue;  ich 
sei  sonst  ein  Mensch  mit  hübschen  .\nlagen  und  mein  Charakter 
habe  etwas  Gemüthliclies  und  Inniges,  ich  leide  aber  an  gewissen 
Ideen  (insofern  ich  nämlich  mich  dagegen  erkläre,  ein  ßild  zu- 
sammenzupfuschen, das  mir  nicht  im  Innern  leliendig  ist),  die  mich 
nothwendig  unglücklich  machen  müsstcn.  .  üit  sind  mir  bestimmte 
Aulforderungen,  in  kurzer  Zeit  etwas  zu  liefern,  sehr  willkommen 
gewesen;  die  Aufforderung,  wenn  sie  von  einem  geistreichen  und 
erregten  JNlanne  ausgeht,  erregt  und  begeistert  leicht  den  Künstler, 
und  es  entsteht  gerade  auf  diese  Weise  oft  das  Beste,  auch  habe 
ich  es  wahrlich  nicht  verschmäht,  mir  etwas  zu  verdienen.  Dieser 
Mann  aber,  der  mir  viel  Zeit  raubte,  durch  sein  niedriges  Geschwätz 
stets  den  Geist  der  Kunst  meilenweit  vorscheuchte,  wollte  mich  von 
meinem  grossen  Karton  Linwcgreissen,  um  ihm  ein  Genrestückchen 
zu  malen."  — 

Es  waren  damals  in  Rom  Männer  versammelt,  die,  um  ihren 
Idealen  zu  leben,  Jahre  lang  um  dürftigen  Lohn  der  hohen  Kunst 
pHegtcn  und  so  sonderbar  es  klingen  mag:  Rom  war  damals  der 
Hanptsitz  deutscher  Kunst.  Man  höre  was  Schnorr  hierüber  (S.  34.S) 
an  Quandt  schreibt:  „Fast  alle  Deutschen,  die  nur  einige  Zeit  sich 
hier  aufhalten,  schliessen  einen  zärtlichen  üund  mit  Kiun,  und  gewiss 
selten  verlässt  es  einer  ohne  Schmerzen,  um  so  mehr,  als  man  hier 
eigentlich  erst  recht  in  das  deutsche  Wesen  hineinkommt,  geschweige 
denn  heraus  (wenn  man  anders  nicht  will).  Denn  wo  rindet  man 
anders  so  viel  treifliche  Deutsche  versammelt  als  gerade  hier?  und 
wo  fühlt  man  sich  mehr  zu  seinen  Landsleuten  hingezogen  als  in 
dem  fremden  Lande?  Wenn  man  den  innerlichen  Zusammenhang  der 
Dinge  betrachtet,  meine  ich  fast,  man  müsse  Rom  zu  Deutschland 
rechnen ;  sind  wir  auch  nur  hundert,  und  jene  Hunderttausende,  das 
eigentliche  wahre  Rom  gehört  doch  uns,"  und  weiter  lesen  wir 
(S.  351  j:  „Obwohl  ich  die  feste  Überzeugung  habe,  es  sei  zu  wün- 
schen, dass  einst  der  Zeitpunkt  komme,  wo  die  deutschen  Künstler 
nicht  mehr  scharenweise  nach  Rom  ziehen,  dass  wir  in  unserem 
Lande  ein  deutsches  Rom  haben  (wie  es  wohl  Köln  einst  gewesen 
sein  mag),  weil  dies  das  einzige  Mittel  ist,  wollen  wir  wieder  eine 
deutsche  Kunst  haben,  so  muss  ich  doch  bekennen,  dass,  wie  die 
Lage  der  Dinge  jetzt  nun  einmal  war,  Rom  dem  Aufblühen  einer 
neuen  deutsehen  Kunst  nicht  nur  niciit  schädlich,  sondern  höchst 
förderlich  war.  Rom  war  wirklich  der  günstigste  Ort,  um  den  deut- 
schen Künstler,  dem  ein  anderer  Sinn  aufging,  in  diesem  sonder- 
baren Zeitpunkte  aufzunehmen.  Das  fremde  Land,  die  fremde  Sitte 
und  Sinnesweise  bleibt  ihm  darum  immer  fremd ,  der  Deutsche  ist 
nie  deutscher  gewesen,  als  er  es  jetzt  hier  ist"  u.  s.  w. 

Die  Jahi-e,  welche  Julius  Schnorr  v.  Carolsfeld  in  Rom  zu- 
gebracht hat,  sind  von  höchster  Wichtigkeit  für  seine  EntwickeUuig 
geworden.  Er  verlebte  hier  die  Zeit  vom  24.  bis  34.  Jahre.  Er 
kam  nach  Rom  mit  Widerwillen  gegen  die  Auffassung  der  Kunst, 
wie  sie  in  Deutschland  herrschte  und  die  vielleicht  am  besten  durch 


Literatur.  335 

Tischbeins   des   Leipziger  Akademiedirektors  Worte   charakterisiert 
wird:    „Ich  weiss  wohl,   wie  ich   malen  soll,    aber  nicht,    was    ich 
malen  soll."    Er  kam  nach  Rom,  getrieben  von  einer  Begeisterung, 
über  deren  Ziel  er  noch  nicht  ganz  klar  war,  er  schied  davon  völlig 
gereift    und    klar   über    seine  Absichten  und  seinen  Standpunkt    zu 
Overbeck  und  Cornelius,    die  Mitbegründer    der  neuen  Kunst,   die 
späterhin    auf  theilweise    anderen  Pfaden   wandelten  als    er   selbst. 
Die  Läuterung  seiner  Ansichten  ist  in  den  zahl-  und  gehaltreichen 
Briefen,  welche   in  solche  an  seinem  Vater  und  solche  an  Künstler 
und  Kunstfreunde  geteilt  sind,    deutlich   zu   verfolgen.     Schloss    er 
sich  anfangs  an  Overbeck  inniger  an,  so  kam  er  allmählich  zur  Er- 
kenntnis,   dass    zwischen    dessen    und    seinen    Anschauungen    eine 
Kluft    bestehe.     Von  den  Nazarenem,   die    schliesslich  in  ihrem 
liekehrungseifer  mehr  der  katholischen  Kirche  als  der  Kunst  lebten, 
schlössen  sich  die  Capitoliner  ab,  deren  Haupt  Schnorr  war  und 
deren  Kreisen   auch  Ludwig  Richter ,    obgleich  Katholik ,   wichtige 
Anregungen    verdankt.      Scharf  wahrt    der    streng    protestantische 
Schnorr     seinen    Standpunkt    jenen    Bekehrern    gegenüber.       Mit 
scharfen  Worten  tadelt   er   seinen  Bruder  Louis,  dessen   Kunst   er 
schwindsüchtig  nennt,  wie  deren  Herrin,  die  Religion   (wie  man  sie 
in  Wien  auffasse);  und  die  bekehrungswuthigen  Nazarener  vergleicht 
er  mit  abgerichteten  Jagdhunden.     Ganz    klar  spricht  er  sich  über 
den   Gegensatz    zwischen    sich    und  Overbeck   in    einem    Briefe    an 
Quandt  von  1826  aus:    „Overbeck  will,  dass  die  Kunst  unmittelbar 
zur  Erbauung  und  Besserung  wirke,    dass  sie   eine  Predigerin   sei. 
Ich  meine,  dass  die  Kunst  mittelbar  auch  dahin  wirke,  aber  dadurch, 
dass  sie  den  Menschen,    indem    sie  ihm  eine  ganz  eigene,  dennoch 
in   ihrem  Wesen    auf  Wahrheit   gegründete    Seite    des   Weltwesens 
eröffnet,  eine  Seite  seines  geistigen  Lebens  anregt  und  entwickelt, 
die  ihn  fähig  macht,  noch  mit  grösserem  Bewusstsein  seine  höchste 
Bestimnuinp;  zu  erkennen  und  ihr  nachzustreben."    Schnorr  empfindet 
daher  an  einem  Bilde  Klöbers,   darstellend  die  Toilette  der  Venus, 
im  Geiste   des  Giulio  Romano,  ungemeines  Wohlgefallen,    während 
Overbeck   den   Gegenstand    schlechthin    verwirft.    —    Nicht    minder 
interessant   ist    es   zu  beobachten,   wie    sich  Schnorr   zu   den  alten 
Kunstwerken  stellt,  die  ihm  in  Italien  entgegen  treten.    So  sagt  ihm 
z.  B.  Rafael  anfangs  nicht  ganz  zu  (S.  32);  er  findet  1817  in  Rafaels 
Bildern    ein    Sueben    nach    Zierlichkeit    und   Anmut    der   Geberde, 
worunter  manchmal  das  innere  Leben  der  Gestalten  zu  leiden  scheine. 
Schon  1818  kommt  er  zu  der  Überzeugung,  dass  man  Rafaels  Werke 
nicht   lange   genug  betrachten    könne,    um  ihre  Vollkommenheiten 
ganz  Zu  verstehen,    1824  fühlt    er    sich  im  Anschauen    der  Sibyllen 
in  Sa.  Maria  della  Pace  tief  gedeinütliigt  und  geht  trostlos  von  dannen. 
Die  AVerke,  die  Schnorr  in  der  behandelten  Zeit  geschaffen  hat, 
sind  bekannt:    es  sind  die  Wallfahrt  oder  der  beilige  Rochus,   die 
Hochzeit  zu  Gana,  die  Fresken   nach  Ariost  in  der  Villa  Massimi, 
die    Entwürfe    zu    den    Odyssee-Fresken    in    München,    die    ersten 
Blätter    der  Bilderbibel.     Unter   welchen   Umständen    sie    alle    ent- 
standen sind,  welche  Wandlungen   mit  ihnen   und   in  Schnorrs  An- 
sichten stattgefunden  haben,  erfahren  wir  in  den  zahlreichen  Briefen 
in    eingehendster  Weise.     Die   Aufeinanderfolge  ist  charakteristisch 
genug,  und  Schnorr    spricht    sich    hierüber    selbst  (S.  525)  deutlich 
aus:    „bei  einer  Selbstprüfiing   habe   ich   wahrgenommen,   dass    die 
romantische   Kunst    mir   immer  fremder    und   fremder    zu   werden 
beginnt;  dass  hingegen  das  Interesse  für  die  allereinfachsten  Gegen- 


336  Literatur. 

stände  der  Urwelt,  wie  das  alte  Testament  und  Homer  sie  uns 
zeigen,  bei  mir  immer  lebendiger  wird;  und  weil  icb  bierin  einen 
ganz  natürlicben  Entwickelungsgang  wabrnebme,  der  den  Ent- 
wickelungen  im  einzelnen  und  ganzen  überliaupt  cntspricbt,  und  weil 
icb  sebe,  dass  gerade  dieser  Entwii  kelungsgang  notbwendig  mit  einem 
wabren  Fortgange  zusammenbimgt,  so  bin  ich  sehr  damit  zufrieden. 
Je  weniger  Beiwerk,  desto  niebr  Wesen,  je  mebr  Ein- 
fachbeit,  desto   grössere   Möglichkeit  der  Echtheit." 

Diese  Andeutungen  genügen  vielleicht  zu  zeigen,  wie  wichtig  das 
vorliegende  Buch  für  die  behandelte  Periode  der  Kunstgeschichte 
ist.  Noch  sei  bemerkt,  dass  wolil  alle  deutschen  Künstler  und  Kunst- 
freunde, die  gleichzeitig  mit  Schnorr  in  Italien  besonders  in  Rom 
waren,  in  den  zahlreichen  Briefen  erwähnt  werden.  Nicht  minder 
begleitet  Schnorr  alle  entstehenden  Kunstwerke,  um  die  er  sich  mit 
Eifer  bekümmert,  mit  seinen  Humerkungen  und  ist,  was  sich  für  die 
Nachwelt  von  grösster  Wichtigkeit  erweist,  sichtlich  bemüht,  den 
Seinen  in  der  Heimath  ein  anschauliches  und  vollständiges  Bild  der 
römischen  Kunstzustände  zu  geben.  —  Erwähnen  wir  schliesslich, 
dass  die  in  musterhafter  Weise  im  vorliegenden  Buche  dargebotenen 
Briefe  uns  einen  Einblick  in  Scbuorrs  sittlichernsten  und  wahrhaft 
edlen  Charakter  gestatten,  der  das  Lesen  derselben  zu  einer  wahren 
Feierstunde  gestaltet,  so  wird  einleuchten,  dass  uns  in  dem  gehalt- 
reichen Werke  ein  Schatz  übergeben  ist,  wie  man  ihn  selten  unter 
den  buchhändlerischen  Veröffentlichungen  autriff't. 

Dresden.  Paul  Schumann. 


Übersicht    über    neuerdings    erschienene  Schriften  und 
Aufsätze    zur    sächsisch  -  thiiringischen   Geschichte    und 

Alterthumskunde. 


Berlit,  G.  Leipziger  Inuungsordnungen  aus  dem  XV.  Jahrhundert. 
Progr.  des  Nicolaigymnasiums  in  Leipzig.     1886.     4(»  SS.  4"\ 

Burlhardt,  C.  A.  IL  Die  Gotbesche  Filialbübne  in  Leipzig: 
Wissenscbaftl.  Beilage  der  Leipz.  Ztg.  1886.   Nr.  44.   S.  261—263. 

Distel,  Th.  Schillers  Witwe  und  der  Buchhändler  S.  Tj.  Crusius 
in  Leipzig:  Arcliiv  für  Litteratnrgeschichto  Bd.  XV  (1886). 
S.  292— 2f)8. 

—  Ein  überaus  seltener  Kupferstich  des  Moritzmonumentes  zu  Frei- 
berg von  Wolf  Meyerpek  (1568):  Kunstchronik  (Beiblatt  zur 
Zeitschr.  f.  bildende  Kunst)  Jahrg.  XXI  (1886).     Sp.  487. 

Edelmann.  Der  Rückgang  des  Landes  Budissin  aus  der  Branden- 
burgischen an  die  Böhmische  Herrschaft  anno  1319:  Neues 
Lausitzer  Magazin.     Bd.  LXII  (1886).     S.  79—87. 

Fischer,  Hans.  Das  Freikorps  des  Herzogs  von  Braunschweig  in 
Zittau,  21.  Mai  bis  6.  Juni  1809.  Aktenniässig  dargestellt. 
Separatabdr.  aus  den  „Zittauer  Nachrichten".  Zittau.  188.">. 
49  SS.  8". 

Friedensburg,  Walter.  Landgraf  Hermann  II.  der  Gelehrte  von 
Hessen  und  Erzbischof  Adolf  1.  von  Mainz  1373—1390:  Zeit- 
schrift des  Vereins  f.  bess.  Gesch.  u.  Landeskunde.  N.  F.  Bd. 
XI   (1885).     S.  1—311. 


Literatur.  337 

Friedrich,  Osk.  Album  des  Gymnasiums  zu  Zittau.  Zar  Erinnerung 
an  die  dreihundertjährige  Jubelfeier  der  Begründung  des  Gym- 
nasiums.   Zittau,  Menzel.    1886.     196  SS.  S^. 

—  Über  die  erste  Einführung  und  allmähliche  Erweiterung  des 
mathematischen  und  naturwissenschaftlichen  Unterrichts  am  Gym- 
nasium zu  Zittau:  Festschrift  zur  dreihundertjährigen  Jubelfeier 
des  Gymnasiums  zu  Zittau  (1886).     S.  25 — 40. 

Gärtner,  Th.   Die  Zittauer  Schule  bis  zur  Gründung  des  Gymnasiums: 

ebenda  S.  1—21. 
Jfenner],  M.    Johann   Georg  von  Arnim,  Kurfürstlich  Sächsischer 

General-Lieutenant:  "Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Ztg.  1886. 

Nr.  65.     S.  385—389. 
Koch,   Jul.    Gründliche   und   ausführliche    Geschichte   Thüringens. 

Gotha,  Gläser.     1886.     IV,  355  SS.  8«. 
König,  Clemens.   Der  Falkenberg  bei  Bischofswerda:  Neues  Lausitzer 

Magazin  Bd.  LXH  (1886).     S.  30—78. 
Korscheit,  G.    Sitten  und  Gebräuche  in  der  Oberlausitz  in  früherer 

Zeit:  ebenda  S.  1—22. 

—  Beiträge  zur  Geschichte  der  Oberlausitzer  Leineuindustrie  zur 
Zeit  ihrer  Blüthe:  ebenda  S.  23—29. 

Lenz,  Max.     Der  Rechenschaftsbericht  Philipps  des  Grossmüthigen 

über  den  Donaufeldzug  1546  und  seine  Quellen.     Marburg,  N.  G. 

Elwert.     1886.     50  SS.  4«. 
V.  Mandelsloh.    Reise    des    Königs   Friedrich  August    von    Sachsen 

nach  Dalmatieu  im  Jahre  1838:    Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz. 

Ztg.    1886.    Nr.  36,  38,  39,  41.     S.  213—216,  225—227,  233—235, 

241—244. 
Martin,  M.     Der    Königsteiner  ßierbandel  und    sein  Niedergang: 

Über  Berg  und  Thal.     Jahrg.  IX.     Nr.  6.     S.  41—43. 
Missbach,  Jul.     Mag.   Wilhelm  Leberecht  Götzinger:    ebenda   Nr. 

8,  S.  57  flg. 
Mitzschlce,  P.    Des  Paulus  Jovius  Chronik  der  Grafen  von  Orlamünde. 

Leipzig,  Robolsky.     1886.     80  SS.  8". 
MoschJcau,  Älfr.     Die  Burg  Carlsfried  bei  Zittau:    Neues  Lausitzer 

Mag.  Bd.  LXII  (1886).    S.  111—129. 
Noack,  Fried.     Die  Exception  Sachsens  von  der  Wahl  Ferdinand  I. 

und  ihre  reichsrechtliche  Begründung.     Jahresbericht  der  Real- 
schule zu  Crefeld.     1886.     31  SS.  4». 
Faul,  Carl.     Die   Christianisierung  des  alten  Meissnischen  Landes: 

Wissenschaftl.    Beilage    der    Leipz.    Ztg.    1886.    Nr.   51—53.     S. 

301—305,  309—315. 
v.  Pausitz,  A.     Bergkloster  Chemnitz,  Schloss  Chemnitz  und  Schloss 

Miramar.     Mittheilungen  aus  7  Jahrhunderten.    Mit  einer  Ansicht 

in  Lichtdruck.     Chemnitz  (Focke).    1886.    29  SS.  8'^. 
Boch'ohr,  Paul.    Die  letzten  Brunonen.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

des  deutschen  Reiches  unter  Heinrich  IV.  (Inaug.-Dissert.)  Halle 

a.  S.  1885.    33  SS.  8°. 
Bossmann,   Wilh.     Mittheilungen   aus   den  Correspondenzen  Adam 

Friedrich  Oesers  und  seiner  Tochter  Friederike:    Wissenschaftl. 

Beilage  der  Leipz.  Ztg.    1886.    Nr.  53,  55,  59,  61.     S.  315-317, 

325—328,  350—353,  363—366. 
Bustier,  Mich.     Das   sogenannte  Chronicon   universitatis  Pragensis. 

Leipzig,  Veit  &  Comp.,    1886.   IV,  44  SS.  8». 
Sauppe.     Geschichte    der  Burg    und   des  Gölestinerklosters   Oybin: 

Neues  Lausitzer  Mag.   Bd.  LXII  (1886).   S.  88—110. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  VII.  3.  i.  22 


338  Literatur. 

[Schnorr  von  Carolsfeld,  Frans.]  Briefe  aus  Italien  von  Julius  Schnorr 
von  Carolsfelil,  geschrieben  in  den  Jahren  1817  bis  1827.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  seines  Lebens  und  der  Kunsbestrobungen 
seiner  Zeit.    Mit  Porträt.    Gotha,  F.  A.  Perthes.  1886.  555  SS.  8". 

Steche,  E.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  K.  Staats- 
regierung herausgegeben  vom  K.  S.  Alterthunisverein.  Siebentes 
Heft:  Amtehauptmannschaft  Chemnitz.  Dresden,  C.  C.  Meinhold 
u.  Söhne.     1886.     62  SS.  8". 

Wilisch,  E.  G.  Zur  Charakteristik  von  Johann  Benjamin  Michaelis: 
Festschrift  zur  dreihundertjährigen  Jubelfeier  des  Gymnasiums 
zu  Zittau  (1886).    S.  41— CO. 

Wolf,  Beruh.  Zur  Geschichte  der  lleformation  in  Annaberg.  Pro- 
gramm des  Kgl.  Realgymnasiums.    Anuaberg  1886.     .30  SS.  4*'. 

Wolfram,  Rob.  Chronik  der  Stadt  Borna  mit  Berücksichtigung  der 
umliegenden  Ortschaften.  Neu  bearbeitet.  Borna  (Schumann). 
1866.     IV,  564  SS.  8«. 

Zöllner,  B.  Zur  Geschichte  der  sächsischen  Baumwollenindustrie: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Ztg.  1886.  Nr.  37.    S.  217—220. 


Mittheüungen ,  Neue,  aus  dem  Gebiete  historisch- antiquarischer 
Forschungen.  Im  Namen  des  mit  der  k.  Universität  Halle- 
Wittenberg  verbundenen  Thüringisch -Sächsischen  Vereins  für 
Erforschung  des  vaterländischen  Äiterthums  und  Erlialtung  seiner 
Denkmale.  Herausgegeben  von  dem  Sekretär  desselben  J.  U.  Opel. 
Bd.  XVIL    1.  2.    Halle  1885.    1886.    8«. 

Inhalt:  J.  0.  Opel,  Mittheilungen  zur  Geschichte  der  Familie 
des  Tonkünstlers  Händel  nebst  einigen  sich  auf  den  letzteren 
beziehenden  Briefen.  G.  Saraii,  Aus  der  Vergangenheit  der 
Parochie  Altranstädt  im  Kreise  Merseburg.  Breymann,  Die 
Marienkirche  zu  Mühlhausen  i.  Th.  Ilortzschansky,  Aus  den 
Pfarrarchiven  der  Provinz  Sachsen.  Grössler,  Der  Name  der 
Gaue  Suovon,  Hassegau  und  Friesent'eld.  Krühne,  Ein  Landfriede 
von  12."4  (?)  und  seine  Benutzung  im  Sachsenspiegel.  Perlbach, 
Fragment  eines  Naumburger  Ani versariums.  Opel,  Zur  deutschen 
Sittenkunde  (1.  Sitten  und  Bräuche  in  der  Stadt  Naumburg  a.  S. 
im  16.  und  17.  Jahrb.).  Sclium,  Urkunde  über  die  Lösung  der 
Stadt  Halle  vom  Interdicte  1.329.  E y  s e  1  e i n ,  Mittheilung  aus  dem 
llalleschen  Studentenleben  im  Anfange  des  18.  Jahrb. 

Mittheilum/en  des  Geschichts-  und  Alterthunisverein s  zu  Leisnig  im 
Königreiche  Sachsen.  7.  Heft.  (Nebst  einer  Ansicht  von  Leisnig.) 
Zusammengestellt  und  im  .Auftrage  des  Vereins  herausgegeben 
von  Dr.  med.  C.  M.  Müller.    Leisnig  1886.    8«. 

Inhalt:  Hingst,  Annalen  des  Klosters  Buch.  Nobbe,  Die 
Ordnung  des  Kirchenwesens  zu  Leisnig  durch  die  kursächsische 
Visitation  von  1529.  Hingst,  Georg  Kümpler,  ein  berühmter 
Leisniger.  Anacker,  Die  gestiftete  Erntepredigt  zu  Leisnig. 
Hingst,  Zur  Gesch.  der  Meline.  Ders.,  Ein  Blick  in  das 
städtische  Verwaltungswesen  Leisuigs  in  der  Zeit  vor  .340  Jahren. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Anhaltische  Geschichte  und  Alter- 
thimskunde.     Bd.  IV,  Heft  7.    Dessau  1886.    8». 

Inhalt:    Blume,  f)ie  Püanzung  des  Christenthums    in  Anhalt, 


Literatur.  339 

Hos  aus,  Nachtrag  zu  den  dem  Fürsten  Magnus  von  Anhalt  zu- 
geschriebenen geistlichen  Gedichten.  Irmer,  Ein  Bericht  über 
die  Schlacht  an  der  Eibbrücke  bei  Dessau  1626.  Wäschke, 
Briefe  der  Fürstin  Johanna  Elisabeth  von  Anhalt -Zerbst  an 
Fräulein  Cardel.  H  osäus,  Elise  von  der  Recke  in  ihren  Bezieh- 
ungen zu  Dessau  und  Wörlitz.  Dietel,  Professor  Heinrich 
Lindner  1800—1861. 

Dasselbe.    Bd.  IV,  Heft  8.     Dessau  1886.    S». 

Inhalt:  Hosäus,  Die  Herzogl.  Sammlung  vaterländischer  Al- 
terthümer  im  Schlosse  zu  Grosskühnau  bei  Dessau.  Eckstein, 
Geschichte  des  Amtes  Gröbzig.  Hosäus,  Ein  Glaubensbekenntnis 
der  Fürstin  Margarete  von  Anhalt.  Ders.,  Elisa  von  der  Recke 
in  ihren  Beziehungen  zu  Dessau  und  Wörlitz  (Fortsetzung). 

Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und  Alterthuins- 
kunde.  N.  F.  Bd.  V  (der  ganzen  Folge  Bd.  XIII).  Heft  1  u.  2. 
Jena  1886.    8*». 

Inhalt:  G.  Richter,  Moritz  Seebeck.  v.  Thüna,  Die  Drei- 
königskapelle in  Saalfeld  und  die  Thun-  (Thüna)sche  Familie. 


22  ■ 


Eegister. 


Ailalbevo,  Bisch,  v.  Würzlmrg  203. 
Adalbert,   Graf  von  Ballenstädt 

179  f. 
Adela,   Gem.  Mkgr.  Ottos,  dann 

Mkgr.  Dedis  179.  184  f.  190  ff. 
Albinus,  Job.,  Prot',  in  Leipzig  115. 
Albrecht  I.,  Herz.  v.  Sachsen  309. 

—  IL,  Herz.  v.  Sachsen  309. 

—  III.,  Herz.  V.  Sachsen  311. 

—  (d.  Beherzte),  Herz.  v.  Sach- 
sen 31.3. 

—  Y.,  Herz,  von  Bayern  17.  20. 
24.  42.  46.  55.  57. 

—  (Alcibiades),  Mkgr.  von  Bran- 
denburg-Culmbach  3.  11  ff. 

—  Herz.  v.  Preussen  10.  47.  54. 
Altenberg  99.  108. 

v.  Altensee,  Georg,  gen.  Wacht- 

.   meister  2. 
Altringer,  Joh.,  kaiserl.  General 

296. 
Altzelle  82. 

—  Martin,  Abt  133.  135.  138. 
V.  Amsdorf,  Georg  31. 
Anhalt  s.  Georg. 
Annaberg  108. 

V.  Arnim,  Hans  Georg,  Foldniar- 
schall  156.  159.  161  f.  278  ff. 

—  Wolf  Chrph.,  Generallieute- 
nant 256. 

Arnoldus  Misiensis  episcopus, 
Weihbischof  z.  Hildesbeim  142. 

V.  Auerswald,  Hans,  Hausmar- 
schall 241. 

Augsburg  2.  19  f. 

August,  Kurf.  von  Sachsen  5  ff. 
47  f.  58.  64.  83  fi.  153  ff.  236  ff. 
298  ff. 

—  II.  s.  Fried r.  August. 
Augustusburg  297  ff. 
Aussig  281. 


Bachmann,  Geo.,  Dr.,  in  Leipzig 

116. 
Ballenstädt  s.  Adalbert. 
Bamberg,  Bischof  11.  17. 
Bärenstein,  Herrschaft  u.  Schloss 

99.  101  f. 
Baudissin,   Graf,  General,  Gou- 
verneur von  Dresden  275. 
Bautzen  225.  228.  232  f. 
Bayern   s.  Albrecht,  Maximilian, 

Weif. 
Benno,  Herz,  von  Sachsen  .307. 

—  Bisch,  V.  Meissen  131  ff'.  183. 
208. 

—  Bisch.  V.  Osnabrück  197. 
Berka  von  der  Duba,  die,  126  f. 

—  Albrecht,  auf  Tollenstein  12.3. 
V.    Berlepsch ,    Oberkonsistorial- 

präsident  275. 
Berner,  Claus,  Obrist  47. 
Bernhard,  Herz.  v.  Sachsen  307. 

309. 

—  Herz.  v.  Weimar  296. 

V.  Bernstein,  die  Herren  99. 

—  Hans  (d.  J.)  102. 

Bertha,  Gem.  Kg.  Heinrichs  IV. 

178. 
Berthold ,  Herz.  v.  Kärnten  185. 

189. 

—  Graf  213. 

V.  Beust,  Joachim,  Dr.  jur.  113. 

Beutitz,  Kloster  82. 

V.  Biberstein ,  Ulrich ,  auf  Fried- 
land 221.  224. 

V.  Birkholz,  Cuno  Chrph.,  General 
und  Kommand.  von  Dresden 
263  ff. 

—  Georg  Friedr.,  Gen.-Maj.  265. 
Böcklin,  kais.  Hofmarschall  3  f. 
Bohemus  (Böhm),  Mich.,  Lehrer 

in  Torgau  113  f. 


Redster, 


341 


V.  Böhlau,  Job.  Jacob  Levin, 
Oberstlieutenant,  Kommand. 
von  Dresden  253. 

Böhmen  s.  Bretislaus,  Wratislaus. 

Boitzenburg,  v.  Arnimsches  Fa- 
milienarcbiv  278  ff. 

V.  Borck,  General  260.  268. 

Brand,  ßartel,  Stadthauptm.  zu 
Dresden  244. 

Brandenburg  s.  Albrecht  Alcib., 
Georg  Wilhelm,  Joachim,  Jo- 
hann. 

V.  Brandenstein,  Sigrad.,  Kapitän- 
lieutenant 251. 

Braunschweig  s.  Erich,  Heinrich. 

Bremen  s.  Liemar. 

Breslau,  Bischof  139. 

Bretislaus  IL,  Herz.  v.  Böhmen  204. 

Bruneck  33  f. 

Bruno,  Herz.  v.  Sachsen  306. 

z  Bubna,  kais.  Generalwacht- 
meister 287.  289.  293. 

Bucco,  Bisch,  v.  Halberstadt  179. 
196.  199.  ,206  f.  209. 

Buch,  Anton,  Abt   133.  135.  138. 

V.  Bünau  92. 

—  Heinr.,  zu  Weesenstein  102. 
Burgsdorf,  Oberst  160  f.  296. 
Burgund  s.  Philipp. 
Burkhard,  Burggraf  von  Meissen 

182  f.  187.  207  f. 

—  Bischof  von  Lausanne  213. 

—  Mag.  21.  31  f. 

Calbe  148.  150. 

V.  Carlowitz,  Chrph.  2  ff.  23  f.  43. 

—  Georg  237. 

—  Rud.,  Stadthauptm.  244  f.  273. 
V.  Cerrini,   Gen.-Lieut. ,  Gouver- 
neur von  Dresden  276. 

Chemnitz,  Landtag  (1539)  63. 
Christian  L,   Kurf.  von  Sachsen 
117.  236.  241.  315. 

—  IL,  Kurf.  von  Sachsen   243. 
315.  326. 

Christoph.Graf  V.Oldenburg  12.53. 

—  Herz.  V.  Württemberg  11.  47. 
Clemens  IIL,  Papst  197. 
Colloredo,  kaiserl.  Feldherr  296. 
Czyrnowsky,  Sgm.  234. 

Dänemark  s.  Knut. 

Dedi,  Mkgr.  der  Ostmark  178. 182. 

—  Mkgr.  der  Niederlausitz  179  f. 
184. 


Defner,   Geo.,    Buchdrucker    in 

Leipzig  115. 
Deodati,  kais.  Feldherr  296. 
V.  Dieskau,  Hans,  kurf.  Rath,  dann 

Ober-Zeug-  u.  Baumeister  2.39  f. 
Dietrich,   Graf,  v,  Kamburg  180. 

186.  190  f. 
Döbeln  61.  79  ff.  82. 
Dohna,  Graf,  Obrist  263. 
V.  Dohna,  Jone,   Burggraf,   auf 

Königsbrück  229. 

—  Nicol.,  Burggraf,  auf  Grafen- 
stein 229. 

Donauwörth  12.  19. 

Döring,  Stadtmajor  260. 

Dresden  82.  145.  148  ff.  232.  Be- 
satzung 235  ff.  Landtag  (1552) 
58  f.  Ausschusstag  (1541)  64  ff. 

Eberhardt,  Job.,  Mag.  113. 

V.  Eberstein,  Philipp  46. 

Eberus,  Paulus,  Prof.  in  Witten- 
berg 112. 

V.  Eckersbergk,  Heinr.,  Amtmann 
in  Sonnewalde  116. 

Ehrenberger  Klause  32  f. 

Ehrenfriedersdorf  94  ff. 

Eichstädt,  Bisthum  44. 

Einsiedel  in  Böhmen  121. 

Eisenberg,  Peter  165. 

Ekbert  I.,  Markgr.  von  Meissen 
177  f. 

—  IL,  Markgr.  von  Meissen  177  ff. 
V.  Ende,  Geschlecht  92. 
England  94. 

Erich,  Herz.  v.  Braunschweig  47. 
Ernst,  Kurf.  von  Sachsen  312. 

Ferdinand  L,  König  2.  8  f.  16.  24  ff. 

—  IL,  Kaiser  157  ff. 
Ferdinand  Wilhelm,    Herz,  von 

Württemberg  264. 

Ferrara  s.  Herkules. 

Flarchheim,  Schlacht  bei  192. 

Flemming,  Graf,  Jac.  Heinrich, 
General,  Gouverneur  v.  Dres- 
den 266  ff.  274. 

v.  Fölkersamb,  Oberst,  Komman- 
dant zu  Altendresden  253. 260. 

Franck,  Joach.,  Pfarrer  zu  Mitt- 
weida  112. 

Frankfurt  53. 

Frankreich  2  ff.  s.  Heinrich. 

Franz  Albrecht,  Herz,  zu  Sachsen- 
Lauenburg  161  f.  285  f,  295  f. 


342 


Register. 


Preiberg  61.  77.  81.  249.  255  f. 

—  Bergrecht  94.  96  f.  104  ft. 
Fresse,  Bischof  v.  Bayonne  30  ff. 
Friedewalde  3. 

Friedrich  III.,  Kaiser  146  i'. 

—  I.,  Kurf.  von  Sachsen  ;',l]. 

—  II.,  Kurt',  von  Sachsen  98  ff. 
108.  124.  14Ö  ff.  31 1. 

—  III.,  Kurf.  von  Sachsen  312. 

—  Herz,  von  Sachsen  313. 

—  Graf  (1008)  177. 

—  V.  Goseck,  Pfalzgraf  180. 

—  Erzbischof  v.  Magdeburg  148. 
150. 

Friedrich  August  I.,  Kurfürst  v. 
Sachsen,  König  v.  Polen  263. 
299. 

Friedrich  Wilhelm,  Herzog  zu 
Sachsen,  Administrator  90. 

Friesen,  Graf,  General,  Gouver- 
neur von  Dresden  274  f. 

v.  Gablenz,  Gen.-Lieut.,  Gouver- 
neur von  Dresden  276. 

Gallas,  M.,  kais.  General  282  f. 
291  f.  296. 

Geising  101  f. 

Georg,  Herz,  von  Sachsen  108. 
121.  142.  230.  232.  234  f.  313. 

—  Fürst  V.  Anhalt  3. 

—  Herz.  V.  Mecklenburg  2.  53. 
Georg  Willielm,  Kurf.  v.  Branden- 
burg 292.  294  f. 

v.  Gersdorf,  Hans  231.  233. 

—  Otto  231.  233. 
Gerstungen  180  ff.  185. 
Gertrud,  Tochter  Mkgr.  Ekbert  I. 

V.  Meissen  177. 
Geyer  94  ff. 
Glasberg,  Steffan  98. 
Gleichen  bei  Erfurt  211  f. 
V.  Godesheim,  Ulrich  184. 
Göding,  Heinr.  321  ff'. 
V.  Goldstein,  Obrist  249. 
Görlitz  217  ff. 
Goseck  s.  Friedrich. 
Goslar  132.  134.  137.  139.   180  f. 
Götze,  Georg,  übrist,  Kouiinand. 

von  Dresden  251  ff. 
Granvella  4.  30.  34.  43. 
Graupen  95.  99. 
Gregor   VII  ,   Papst    185.    192  f 

195.  197. 
Greiffenberger,  Albinus,  Präcep- 

tor  etc.  115. 


Greiffenhain,  Hans,  auf  Schiida 
218.  233. 

Grimma  09.  113. 

Grobel,  Paul,  Fortmeister  154  f. 

Groitsch  s.  Wiprecht. 

Grossenhain  229.  Kloster  61.  82. 

Gundeltingen  28  f. 

v.  Günterode,  Heinr.,  Stadthaupt- 
niann  zu  Dresden  243. 

Guozdek,  Veste  204.  211, 

Gustav  Adolph,  König  v.  Schwe- 
den 280  ff. 

Hadrian  VI.,  Papst  141  f. 

Halberstadt  s.  Bucco. 

rialler,  Reichszahlrastr.  2. 

Hänichen  b.  Rothenl)urg  a.  Neisse 
227. 

V.  Hanstein,  Konrad  46  f. 

V.  Ilarras,  Joh.  71.  73.  75.  77. 

Hartwisr,  Erzbisch,  v.  Magdeburg 
1967  199  ff.  206.  212. 

Harzburg  180  f. 

Hass,  Job.,  Mag.,  Oberstadt- 
schreiber zu  Görlitz  220.  223. 

Hatzfeld  296. 

Hauff,  Melch.,  Ober-Zeug-  u.  Bau- 
meister 240. 

V.  Haugwitz,  Casp.,  auf  Nieder- 
putzkau  231. 

Hausmann,  Nicol.,  Oberstadt- 
schreiber von  Bautzen  223. 

Haynis  s.  Matthäus. 

V.  Heideck,  Hans  11.  25.  56. 

Heinrich  I.,  König  300. 

—  IV.,  König  178  ff. 

—  V.  Eilenburg,  INlkgr.  v.  Meissen 
193.  200  f.  213  f. 

—  (d.  Erl.),  Mkgr.  v.  Meissen  104. 

—  (d.  Fromme),  Herz.  v.  Sachsen 
63.  314. 

—  (d.  Weif),  Herz.  v.  Sachsen 
308. 

—  (d.  Löwe) ,  Herz.  v.  Sachsen 
308. 

—  Herz.  v.  Braunschweig  4.  9. 
40  ff.  56. 

—  IL,  König  V.  Frankreich  3.  12. 
14.  17.  21  ff. 

Hennig,  Job.,  Domdechant  zu 
Meissen  1.S2  ff. 

Ilennicke,  Graf,  Konferenzmi- 
nister 275. 

Herkules,  Herz.  v.  Ferrara  46. 

Hermann,  Graf  189.  191. 


Register. 


343 


Hermann  ßillung,  Herz.  v. Sachsen 
179.  307. 

—  Graf  V.  Luxemburg,  König 
194  ff.  202.  204.  206  f. 

—  Erzbisch,  v.  Köln  35. 
Hermann,  Ernst,  Schlossprediger 

zu  Augustusburg  299  ff. 
Hersfeld,  Hartwig,  Abt  199. 
Hessen,  s.  Philipp,  Wilhelm. 
V.  Heynitz,  Geschlecht  72.  92. 
Hezilo,  Bisch,  v.  Hildesheim  134. 

139.  179.   190. 
Hildebrand,  Obrist  268.  270. 
Hildesheim  177. 
~  Michaeliskloster  131  ff'. 

Adalbert,  Abt  132.  136. 

Loeff,  Joh.,  Abt  132.  136  ff. 

140  f. 

Hermanuus,  Prior  138. 

Hermannus,  Professus  133. 

138. 

Petrus,  Professus  138. 

Rose,  Henning,   Professus 

132  ff 

—  Moritzstift  134.  139. 

—  s.  Hezilo,  Udo. 

V.  Hirnheim,  "Walter,  kais.  Ge- 
sandter 23.  29.  35. 

Hohentichte  326. 

Hohnstein  b.  Stolpeu  124.  126. 

Holck,  kais.  Feldmarschall  283. 
291. 

V.  Honsberg,  Geschlecht  73. 

—  Hans  85. 

Höpner,  Casp.,  Diakonus  in  Mitt- 

weida  112. 
Hund,  bayr.  Rath  24. 
Hussiten  145. 

Jahnus  v.  Eberstett, Leber.  Gottfr., 
General,  Gouverneur  v.  Dres- 
den 269.  274. 

Innsbruck  1  ff'.  29  &. 

Joachim  L,  Kurf.  v.  Brandenburg 
232. 

—  I[.,  Kurf.  V.  Brandenburg  5  ff. 
47. 

Johann,  Kurfürst  v.  Sachsen  62. 
312. 

—  Mkgr.  V.  Brandeuburg-Küstrin 
10.  17.   16  ff. 

—  (VI.),  Bisch.  V.  Meissen  231  ff. 

—  (VII.),  Bisch.  V.  Meissen  141. 

—  {HL),  Bisch.  V.  Naumburg  133. 
135.  138. 


Johann  Albrecht,  Herz.  v.  Meck- 
lenburg 10.  12. 23. 35.  37. 44. 55. 

Johann  Ernst,  Herz.  v.  Sachsen- 
Koburg  58. 

Johann  Friedrich,  Kurf.  v.  Sach- 
sen 237.  313. 

(d.  Mittl.),  Herz.  v.  Sachsen 

237. 

Johann  Georg  I.,  Kurf  v.  Sachsen 
157  ff'.   281  ff.   298.   305.   315. 

IT.,   Kurf.  V.  Sachsen  254. 

III.,  Kurf.  V.  Sachsen  253  fi. 

IV.,  Kurf.  V.  Sachsen  260. 

Chevalier  de  Sa.xe,  Gouver- 
neur V.  Dresden  275. 

Irmgard,  Gem.  Ekberts  I.  von 
Meissen  177  ff". 

Isselgo,  Komitat  203. 

Justus,  Geo.,  Diaconus  in  Leipzig 
116. 

Kamenz  227  f. 

V.  Karas,  Geschlecht  73.  89. 

Karl  V.,  Kaiser  1  ff.  237. 

—  Herz.  V.  Kurland  275. 
Kärnten  s.  Berthold. 
Kassel  5.  8  f. 

V.  Kathelenburg,  Dietr.  198. 

Kaunitz  281  f.  290. 

V.  Kayn,  Gregor,  Stadthauptmann 
zu  Dresden  243. 

Khra,  Karl,  Stadthauptmann  246. 
250  f. 

Kinsky,  kais.  General  160  f.  284. 
286. 

V.  Kittlitz,  Liborius  234. 

Klengel,  Wolf  Kasp.,  General, 
Überkommandant  v.  Dresden 
259  f. 

Knoch,  Obrist  260,  268. 

Knut  II.,  König  v.  Dänemark  19i). 

V.  Köckritz,  Hans,  zu  Mücken- 
berg 230. 

—  Jacob,  auf  Elsterwerde  231. 
233  f. 

Köln  s.  Hermann. 
Kommerstädt,  Dr.  4.  81. 
Königsbrück  227.  229. 
Königsteiu  239.  245.  251.  253  ff". 

264  ff. 
Konrad,  Graf  177. 

—  Bischof  V.  Utrecht  202  f.  206. 
213. 

V.  Kottwitz,  Chrph.  217  ff. 

—  Kaspar  219  ff. 


344 


Reffister. 


Kragen,  Ernst,  auf  Domsdorf 
218.  225. 

—  Heinrich  217  ff. 
Kram,  Franz,  Dr.  2.  43. 
Kranach,  Lucas,  d.  J.  305. 
Kraz,  Oherst  288. 

V.  Krosigk,  Hans  Georg,  Oberst 

2ßO. 
Kurland  s.  Karl,  Marie. 

Lachsbach  120.  123. 
Landesdei'ensionsverfassung249ff. 
Lausanne  s.  Burkhard. 
Leipzig    61.     114    ff.     141.    143. 

154  f.  256. 
LengonfeUl,  Kloster  82. 
Leo  X.,  Papst  134  f.  141. 
Lichtenberg  81. 
V.  Liebenau,  Job.  Siegui.,  Oberst 

251   ff 
Licmar,  Erzbisch,  v.  Bremen  213. 
Linz  13.  16  f.  24  ff. 
Lobendau,  Lobendauer  Bach  1 19  ff. 
Lodron,  Job.  Bapt.,  Graf,  Obrist 

237. 
vomTjOss,  Cbrpb.,  Oberschenk  241. 
Losse,  Job.,  Domvikar  in  Meissen 

133.  136. 
Lothar  (H.),  König  212.  .308. 
Ludolf,  Hrz.  306. 
Luther  150  ff. 
Luxemburg  146  f. 

Magdeburg  1  f.  s.  Friedrich,  Hart- 
wig. 

Magdeburg,  Job.,  Kanzler  102. 

Magnus,  Hrz.  von  Sachsen  179. 
189.  191.  209.  308. 

Mainz,  Erzbischof  139. 

V.  Mangold,  Generalmajor,  Gou- 
verneur von  Dresden  276. 

Marie,  Tochter  des  Hrz.  Karl 
v.  Kurland  275. 

—  Schwester  Karls  V.  26  f.  57. 
Marschall,  Georg,  zu  OtzdorfSöf. 
Matthäus  v.  Giossenbain  (Haynis) 

CoUegiat  zu  Leipzig  141.  143. 
V.  Maxen,  Hans,  auf  Drebkau  218. 

225  ff. 
Maximilian  H.,  Kaiser  4.  9.  12  f. 

24.  298.  301. 

—  Kurf.  V.  Bayern  157  ff. 
Meissen,  Landesschule  zu  S.  Afra 

60  ff.  Kloster  z.  h.  Kreuz  61. 
82.  Dom  71  ff.  80  f. 


Meissen  s.  Adela,Ekbert,  Gertrud, 
Heinrich,  Irmgard,  Oda,  Wilh. 

—  Burggrafen  s.Burkhard,Plauen. 

—  Bistumsmatrikel  124.  15ischöfe 
s.  Benno,  Burkhard,  Johann, 
Schönberg. 

Mecklenburg   s.  Georg,   Johann 

Albrecht. 
Melanchthon,  Phil.  112.  152. 
Meirichstadt,  Schlacht  189. 
Mergentheim  53. 
Merseburg  68  f. 
V.   Milkau,    Joh.   Melch.,    Stadt- 

bauptmann  zu  Dresden  243  f. 
V.  Miltitz,  Ernst  4.  237. 
V.  Minckwitz,  Erasm.  31.  46. 

—  Georg  lludolf,  Oberst  260f.  264. 

—  Hans  iiudolf,  General,  Gouv. 
V.  Leipzig  260  ff. 

Mittweida  111  f.  116. 
Monhaupt,  Nicol.  78. 
Mordeisen,  Dr.,  Kanzler  2  ff.  23  f. 
Moritz,  Kurfürst  v.  Sachsen  1  ff. 
64  ff.  236  ff.  300  f.  314. 

Naubitzer,  Andr.,  Pfarrer  111. 

—  Daniel,  Pfarrer  111  ff. 

—  Johannes,  Pfarrer  111. 
Naumburg  s.  Johann. 

v.  Neideck,  Otto  9. 

Neitperg  bei  Sebnitz  126. 

Neuburg  a.  d.  Donau  23. 

V.  Neuhofen,  Wilh.,  gen.  Ley  52. 

Nicolai,  schwed.  Kesident  in  Dres- 
den 279.  281. 

Niederlausitz  s.  Dedi. 

Nimptschen,  Kloster  61.  95. 

Nordheim  ß.  Otto. 

Nordmark  s.  Udo. 

V.  Nostitz,  Obrist  264. 

v.  Nostitz-Wallwitz,  Gen.,  Kriegs- 
minister 276. 

Nürnberg  2. 

Oberlausitz  216  ff. 

Oda,  Gem.  Ekberts  II.  v.  Meissen 

190. 
Öder,  Joh.  (Memminger),  Lehrer 

in  Grimma  113. 
Oldenburg  s.  Christoph. 
V.  Oppell,  Gen.,  Kriegsmister  276. 
Ortolph,  Herzog  v.  Sachsen  307. 
Osnabrück  s.  Benno. 
V.  Osse,  Melchior  153  f. 
Ostergo  202. 


Register. 


345 


Ostmark  s.  Dedi. 
Ottheinrich,  Pfalzgraf  23.  44. 
Otto,  Herzog  v.  Sachsen  .^06. 
Otto  V.  Nordheim  179  ff. 
Otto  V.  Ostia,  päpstl.  Legat  198. 
Oxenstierna,      schwed.     Kanzler 
283  f.  291  f. 

Passau  26.  29  ff.  36  ff. 

Pfalz  s.  Ottheinrich. 

V.  Pfeilitzer  gen.  P'rank,  General, 

Gouverneur  v.  Dresden  275. 
Ptiug,  Geschlecht  92. 

—  Centurius,  Obrist  243  ff.  249  ff. 
Pforta  bei  Naumburg  68  f. 
Philipp,  Herzog  V.  Burgund  146  f. 

—  Landgraf  zu  Hessen  1.  4  ff. 
Piccolomini  296. 

Pilsen  284  f  296. 

Pirgallius,  Mag.,  in  Leipzig  143. 

Pirna  249.  252,  256. 

V.  Plauen,  Heinr. ,  Burggraf  v. 
Meissen,  böhm.  Grosskanzler 
5.  13.  23.  34.  52.  54.  57  f. 

Pleichfeld,  Schlacht  203. 

Pleissenburg,  Schloss  239.  245. 
254  ti.  263. 

Polen  s.  Friedr.  Aug.,  Siegmund. 

Polenzbach  120. 

V.  Ponickau,  Hans  Georg,  Geh. 
Rath  241. 

Preussen  s.  Albrecht. 

Puchner,  Paul,  Zeug-  und  Bau- 
meister 236. 

Quedlinburg  212. 
Quiroga  284. 

V.  Ragewitz,  Georg  232. 

Ragozi  293. 

Raschin  288  f. 

Rauscher,  Hieron.,  Bürgermeister 

zu  Leipzig  155  f. 
Reifenberg  12.  25. 
Reitzenstein,    General,   Gouvern. 

V.  Dresden  275. 
Reussen  v.  Plauen,  die  97. 
Reutte  29.  32  f. 
Riedesel,    Frhr.,    zu    Eisenbach, 

Gen.,  Gouvein.  v. Dresden  275. 
Riesa,  Kloster  61. 
Rode,  Friedr.,  Dr.  154. 
Rödelheim  bei  Frankfurt  a.  M.  55. 
V,  Rodewitz,  Oberst  264. 
Rom  140  ff. 


Rose  s.  Hildesheim. 

Rudolf  L,  Herzog  v.  Sachsen  310. 

—  n.,  Herzog  v.  Sachsen  310. 

—  HL,  Herzog  v.  Sachsen  311. 
Rudolf  V.  Schwaben  181  ff. 
Rulcke,  Dietr.,  z.  Lindau,  Hauptm. 

d.  Festung  Dresden  241. 
V.  Rupach  287. 
Ruprecht,  Casp.  218. 
Russwormb,  Hans  Claus,  Stadt- 

hauptm.  zu  Dresden  243. 
Rutowski,  Graf,  Gouverneur  von 

Dresden  275. 
V.  Ruxleben,Cornel.,  Jägermeister 

154  f. 
V.  Rye,  kaiserl.  Rath  24. 

Saaz  145. 

Sachsen  s.  Albrecht,  August, 
Benno,  Beruh.,  Bruno,  Christ., 
Ernst,  Friedrich,  Fried.  Aug., 
Heinrich,  Hermann,  Johann, 
Joh.  Ernst.,  Joh.  Friedrich, 
Joh.  Georg,  Magnus,  Moritz, 
Ortolph,  Otto,  Rudolf,  Sieg- 
mund, Wentzeslaus,  Wilhelm. 

Sachsen-Lauenburg  s.  Franz  Al- 
brecht, 

Sänitz  217  ff. 

Schaff,  Ulrich,  a.  Greifenstein  224. 

Schaö'gotsch  296. 

Scharfenstein  98.  105. 

Schärtlin  25, 

Schaube,  Lucas  111  f. 

Schellenberg  297  ff. 

Schilter,  Zachar.  114  ff. 

V.  Schleinitz,  Hans,  zu  Schleinitz 
237, 

—  Joh.  140, 

—  Heinrich,    auf  Hohnsteiu  232. 
Schleswig-Holstein  s,  Ulrich. 
Schlick,  Graf  160.  283  f.  292. 

—  Albr.  4.  9. 

V,  Schlieben,  Obrist  249. 
Schlieff,  Obrist  285. 
Schocher,Hans,  Hauptm.  103.  110. 
V,  Schönberg,  Geschlecht  60  ff.  70  ff. 

—  Andr.,  Gen.,  Kommand.  V.Dres- 
den u.  Königstein  252  ff.  259. 

—  Beruh.,  zu  Reichenau  237. 

—  Caspar,  Bisch,  v.  Meissen  70  ff. 
102. 

—  Dietr.,  Bisch,  v.  Meissen  70  ff, 

—  Hans  Wolf,  Hofmarschall, 
Obrist  241, 


34G 


Register. 


V.  Scliönberg,   Wolf,  kiirf.  Rath 
239. 

V.   Schünburg,    Willi.,    Amtmann 
zu  Senftenberg  231. 

V.  Schreibersdorf,  Albr.  228. 

Sehrohr,  Barbara,  Priorin  z.  Frei- 
berg 61. 

Schubert,  üeorg,  StaJthauptmann 
zu  Dresden  244. 

V.  Schulz,  üeneralmaj.,  Gouvern. 
V.  Dresden  276. 

Schwaben  s.  Rudolf. 

V.  Schwalbach,  Job.  Melch.,  Gen. 
240.  251. 

Schweden  156  ff.  278  ff.  s.  Gast. 
Adolph. 

Schweinfurt  14.  16. 

V.    Schwendi,    kais.    Kriegskom- 
missar 2.  24  f. 

Sebnitz  118  ff".     Bach  119  ff. 

Sechsstädte  217.  222  ff. 

V.  Seidlitz,  Adam  3. 

Seid  30.  39. 

Selneccer,  Nicol.  114.  116. 

Senftenberg  231.  254  f. 

Senftleben,  Konrad  98. 

Senftleben,  Liborius,  Münzmeister 
zu  Freiberg  98  f. 

Seuslitz,  Kloster  61.  82. 

V.  Seyfertitz,  Obrist  267. 

Siegfried,   Graf  (Sohn   Ottos  von 
Nordheim)  209  f. 

Sieguuind ,   Hrz.  v.  Sachsen  145. 

Siegmund,  König  von  Polen  217. 
220.  223  f.  232. 

Solms,  Agnes  Gräfin  116. 

—  Otto  Graf  116. 

Sonnenstein  254  ff.  264  ff'. 

Sonne walde  bei  Kottbus  116  f. 

Sornzig,  Kloster  Ol. 

Spremberg  218.  230. 

Stainegkber,  Obristlieut.  287. 

Staveren,  Gau  188.  190. 

Stegman,  Job.,  Pfarrer  in  Sonne- 
walde 116  f. 
Steiuau  284. 

Stolpen  73.  254  ff".  267. 
Strehlen,  Schlacht  157  ff". 
Sutorius,  Job.,   Diacon  in  Sonne- 
walde 116  f. 

Taube,  Claus,  Obrist,  Kommand. 

V.  Dresden  251  f. 
Thalheim,  Jac,  Hauptm.  240  f. 
V.  d.  Thanu,  Eberhard  21  f.  31  f. 


Tlieler,  Casp.,  zu  Höckendorf  81. 
Thum  94  ff. 

V.  Thum,  Graf  159.  280  ff. 
Torgau  113  f.  250.  Landtage  5  ff. 

84.  87. 
Trautmannsdorff  284. 
Trient,  Konzil  2.  5  ff. 
Trott.  Adam  52.  54. 
Trzka,  Graf  160  f.  281  ff 

—  Gräfin  281. 

Tunckel,  Heinr. ,  Landvogt  der 
Niederlausitz  230. 

Udo,  Graf  der  Nordmark  180. 

—  Bisch.  V.  Meissen  190.  197  ff. 
214  f. 

UUersdorf  bei  Zittau  219. 
Ulm  23.  28. 

Ulrich,  Herzog  zu  Schleswig-Hol- 
stein, Generalobrist  243. 
Urban  II.  Papst  208. 
Utrecht  188.  190.  s.  Konrad. 

Villach  in  Kärnten  36.  51. 

de  Virnberg,  Kupertus  147. 

Vitzthumb  von  Eckstädt,  Fr.  "W., 
Kittmeister  289. 

Vitzthuni,  Graf,  Oberkammerherr 
275. 

Vogt,  Casp.,  Ober-Zeug-  u.  Bau- 
meister 236.  240. 

Wackerbarth, Graf,  General,  Gouv. 
V.  Dresden  269.  271  f.  274  f. 
V.  Waidenburg,  die  Herren  95  ff. 

—  Anarg,  Unark  95.  98. 
Waldheim,  Kloster  82. 
Wallenstein  156  ff'.  278  fl'. 

V.  Wallwitz,  Adam  Adrian,  Stadt- 
luiuptmann  zu  Dresden  251. 

V.  Wartenberg,  Siegmund,  auf 
Tetschen,  Landvogt  d.  Ober- 
lausitz 220  f.  226.  229. 

V.  Watzdorff,  Geschlecht  91  f. 

Weimar,  Herzöge  5  ff.  s.  Bern- 
hard. 

Weistropp  bei  Dresden  117. 

Weif,  Hrz.  V.Bayern  185.  189. 203  f. 

Wentzeslaus,  Hrz.  v.  Sachsen  310. 

Werner,  Paul,  Hofmaler  326. 

Westergo,  Grfsch.  202. 

v.  Westfalen,  Arnold  148  fl'. 

Wettin  siehe  Dietrich,  Wilhelm 
(Meissen,  Sachsen). 

Wibert,  Papst  208. 


Register. 


347 


Wiclebram,  Dr.  112. 

Widekind  190  f. 

Wien  259  f. 

Wildenstein,  Herrschaft  123.  126. 

—  bei  Goslar  1.34. 

Wilhelm,  Graf  (Sohn  d.  Gr.  Gero 
V.  Erehna)  180.  186. 
.    —  (L),  Markgr.  v.  Meissen  97. 

—  (III.),  Hrz.  V.  Sachsen  146  f. 

—  Landgr.  v.  Hessen  2  f.  5.  7  f. 
11  ff. 

Wilsdruff  81. 

Wiprecht  v.  Groitzsch  190  ff.  213. 
Wittenberg  111  ff".  255  f.  26.3. 
Wladislaus,  König  v.  Böhmen  u. 

Ungarn   217.  220.  222  ff.  230. 

234. 
Woldenberg,  Grafen  von  133  f.  139. 

—  Conradus  comes  139. 

V.  Wolffersdorff,  Hans,  Ober- 
küchenmeister 241. 

Wolkenstein,  Stadt  u.  Herrschaft 
95.  97. 

Wölmsdorf  120.  122.  -er  Bach 
119  f. 


Wostromirski,  General,  Unter- 
kommandant V.  Neu-Dresden 
268. 

Wratislaus,  Hrz.  v.  Böhmen  183  ff. 

Württemberg  s.  Christoph,  Fer- 
dinand Wilhelm. 

Würzburg  11.  12.  17.  s.  Adalbero. 

Würzen  75  ff.  81. 

Zahlwasser  121  f.  125. 

Zasius,  Dr.  34  f. 

Zaunmacher,  Christoph,  Hauptm. 
d.  Festung  Dresden  241.  243. 

V.  Zeschau,  Geuerallieuteuant, 
Gouverneur  v.  Dresden  276. 

V.  Zetteritz,  Georg,  z.  Lortzendorf, 
Hauptmann  d.  Festung  Dres- 
den 241. 

V.  Ziegler,  Generalmajor  268. 

Zinzendorff,  Otto  Christian  Graf, 
General,  Kommandant  v.  Dres- 
den 265  f. 

Zschopau  97. 

Zwickau  111.  241.  255  f. 


Officio:    WiHielm  Baensoli.    Dresden. 


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