Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde.
Herausgegeben
von
I3r. Hubert EriTiisch,
K. Archivrat.
Dreizehnter Band.
Dresden 1892.
Wilhelm Baensch, K. S. Hofveilagsbuchhandlung-.
Das Neue Archiv für Sächsische Geschichte und iVlter-
tuDLskunde, welches im Auftrage der Künigiichen Staats-
regierung- und des Königlichen Altertumsvereins heraus-
gegeben wird, erscheint in vierteljährlichen Heften, von
denen je vier einen Band von ungefähr 22 Bogen bilden.
THt GETTY CENTER
LI8RABY
Inhalt
Seite
I. Das Verzählen. Ein Beitrag zur Gescliiclite des
Strafverfahrens gegen Abwesende. Vom Heraus-
geber 1
II. Mitteilungen zur sächsisch - thüringischen Ge-
schichte aus den Handschriften der alten Schnee-
berger Lyceumsbibliothek. Von Oberlehrer Dr.
Eduard Hejdenreich in Schneeberg .... 91
III. Das Geburtsjahr und der französische Ver-
niählungsplan der Margarete von Sachsen, späte-
ren Gemahlin Johann Ciceros. Von Archiv-
sekretär Dr. Woldemar Lippert in Dresden . lOS
IV. David Schirmer. Ein sächsischer Dichter 1623
bis 1686. Von Gymnasiallehrer Dr. Reinhard
Kade in Dresden 117
V. Zur Geschichte der Goldschmiedekunst in Sach-
sen. Von Dr. E. Wernicke, Sekretär des kgl.
Heroldsamts in Berlin 132
VI. Kleinere Mitteilungen 142
I.Zwei erzgebirgische Franziskaner - Formulare.
Von Dr. Eduard Heydenreich in Schneeberg. S. 142.
2. Ein Brief aus dem Lager l)ei Frag vom 1 H. Mai
1757. Von Lic. Dr. Georg Bucbwald, Diakouus in
Zwickau. S. 144.
Litteratur 150
VII. Die Zerstörung der Burg Bohnau bei Zittau
durch die oberlausitzischen Sechsstädte (1399).
Von Prof. Dr. Hermann Knotlie in Dresden . 177
VIII. Moritz von Sachsen 1547— 154S. Von Ober-
lehrer Dr. S. Ilsleib in Leipzig 188
IX. Schweizer Soldtruppen in kursächsischen
Diensten 1656 — 1681. Von Oberstlieutenant
a. D. A. von Welck in Basel 221
X. Das Ohronicon Citizense des Benediktiner-
mönches Paul Lang im Kloster Bosau und
die in demselben enthaltenen Quellen. Ein Bei-
trag zur Historiographie des 16. Jahrhunderts.
Von Gymnasiallehrer Dr. K. E. Heiniann
Midier in Prenzlau . 279
lY Inhalt:
Seite
XL Kleinere Mitteilungen 315
1. Zur Ueschichte des Klosters Uybiu im 15. Jahr-
hundert. Von Pastor Sauppe in Lückendorf bei
Zittau. S. 315. 2. Kleinigkeiten aus Kurfürst
Augusts Regierungszeit. Von Archivrat Dr. Th.
Distel in Dresden. S. 322. 3. Leipzigs Bankerott
und die Schweden in Leipzig seit 1642. Von Bib-
liothekar Dr. E. Kroker in Leipzig. 8. 341. 4. Die
älteste Schulordnung der Kreuzschule zu Dresden.
A'om Herausgeber. S. 34(1
Litteratur 348
Register 361
Besproeliene Schriften.
Max, Herzog zu Sachsen, Die staatsrechtl. Stellung der Olier-
lausitz (Erinischl 348
Becker, .Johann Hoft'mann (Ermisch) .350
Brockhaus Konversations -Lexikon (Ermisch) 169
Cod. diplomat. Saxoniae regiae s. Ermisch.
Däbritz, Zur Ueschichte der Katecheten- und Kinderlehrerschulen
in der Diöcese Grimma (Gr. Müller) 158
Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Freiberg Bd. III (.Schum) . 150
Fricke, Aus dem Feldzuge 1866 (Knothe) 161
Goetz, Maximilians Wahl zum römischen Könige (Wolf) . . . 352
Gurlitt, Kunst und Künstler am Vorabende der Reformation
(Schumann) 155
Haun, Bauer und Gutsherr in Kursachsen (Knothe) 160
Kämmel & Leipoldt, Schul Wandkarte und Handkarte zur (Teschichte
der wettin. Lande (Lippert) 153
Richter, Fr., Der Luxemburger Erbfolgestreit (Lippert) . . . 351
Sclmrtz, Der Seifenbergbau im Erzgebirge (Ermisch) .... 161
— Die Pässe des Erzgebirges (E. Ö. Schulze) 163
Steche, Beschreib. Darstellung der älteren Bau- und Kunst deuk-
mäler des Königreichs Sachsen. Heft 13 — 15 (A. Schultz) 167
Trefttz, Kursachsen und Frankreich 1552—1557 (Wolf) . . . 157
I.
Das Verzählen.
Ein Beitrag zur Geschichte des Strafverfahrens
gegen Abwesende.
Von
Hubert Ermiscli.
Wie überhaupt die sächsische Eechtsgeschichte grofse
Lücken aufzuweisen hat, so gehört insbesondere die Ge-
schichte unseres älteren Strafrechts zu den bisher noch
so gut wie gar nicht behandelten Gebieten. Teilweise
erklärt sich dies daraus, dafs uns nur dürftige Quellen
darüber zu Gebote stehen. Aber unter ihnen befinden
sich doch zwei Rechtsdenkmäler, die unfraglich eine über
die Grenzen der Landesgeschichte weit hinausgehende
Bedeutung haben: das Freiberger Stadtrecht ^) und das
Verzählbuch des Freiberger Ratsarchivs -). Die Be-
arbeitung des letzteren für den Codex diplomaticus Saxo-
niae regiae gab den Anlafs zu der nachstehenden Ab-
handlung, die, zunächst für die Emleitung zu dem
betreifenden Bande unseres Urkundenwerks bestimmt,
unter den Händen für diesen Zweck zu umfangreich ge-
worden ist.
Der Gegenstand, mit dem sie sich befalst, ist einer
^) Herausgegeben von Ermiscli, Urkundenbuch der Stadt
Freiberg III (Cod. dipl. Sax. reg. II, 14. Leipzig 1891), 1 ff. Eine
Sonderausgabe erschien Leipzig 1889.
-) Herausg. von Ermisch a. a. 0. III, 177 ft'.
Neues Archiv f. 8. G. u. A. XIII. 1. 2.
2 Hubert Ermisch:
der interessantesten in der Geschichte des Strafrechts
und hat neuerdings verschiedene, mehr oder weniger tief
eindringende Darstellungen gefunden'^), die jedoch Einzel-
forschnngen noch keineswegs als überflüssig erscheinen
lassen.
„Es gab eine Zeit im deutschen Strafverfahren, in
welcher das Verfahren gegen Abwesende fast das regel-
mäfsige Strafverfahren genannt werden konnte"*). Zur
Erklärung dieser auf den ersten Blick auffallenden Er-
scheinung dienen verschiedene Umstände. Das Verfahren
gegen den auf frischer That oder unmittelbar nach der-
selben ergriffenen Verbrecher war im Mittelalter ein so
summarisches, dais seine schnelle Verurteilung und Be-
strafung aulser Frage stand; da das Gefängnis nicht als
Strafmittel galt, so drohte ihm stets Lebens- oder Leibes-
strafe. Andrerseits aber war selbst bei den schwersten
Verbrechen ein gütlicher Vergleich mit dem Geschädigten
nicht ausgeschlossen; wenn auch schon das, was Tacitus
über das älteste Strafrecht der Germanen überliefert
hat, zeigt, dals man keineswegs die Verletzung der Ge-
samtheit, die in jedem Verbrechen liegt, verkannte, so
trat diese Erkenntnis doch, entsprechend den noch wenig
ausgebildeten Staatsbegriffen der Zeit, zurück vor dem
Gedanken an die Verletzung des Einzelnen. Es mulste
also dem Verbrecher vor allem darauf ankommen, Zeit
zu gewinnen. Das geschah, wenn er ziniächst die Flucht
ergriff. Diese wurde durch die grolse Zahl kleiner, von
einander unabhängiger Gerichts- und Herrschaftsbezirke
sehr erleichtert ; zudem fehlte es an wirksamen polizeilichen
Mafsnahmen zur Ergreifung des Flüchtigen. So folgte der
That fast immer das Entweichen aus dem Gerichtsbezirke;
die freiwillige Verbannung, der sich der Thäter unterwarf,
verlor durch die Aussicht auf spätere Versöhnung mit dem
Verletzten viel von ihrem Schrecken. Unter solchen Um-
ständen war ein regelmälsiges Verfahren gegen den ab-
wesenden Verbrecher ein Bedürfnis; es hatte nicht etwa
^) A. F. B. Bienko, De proscriptione secundum foutes juris
Saxonici medii aevi commentatio. Dissert. inaug. (Regiraonti
Pr. 1867). Hugo Meyer, Das Strafverfahren gegen Abwesende
(Berlin 1869) S. 60 ff. F. Frensdorffs Einleitung zu Francke,
Das Verfestungsbuch der Stadt Stralsund (Hansisclie (xeschichts-
quellen Bd. I. Halle 1875). J.W. Planck, Das deutsche Gerichts-
verfahren im Mittelalter II (Braunschweig 1879), 289 ff'.
'; Meyer a. a. O. S. 1.
Das Verzählen. 3
bloLs die Bedeutung' einer prozessualischen Zwang-sraals-
regel, sondern bezweckte die Verm^teilung des Abwesenden
zur Strafe wegen des begangenen Verbrechens. Auf diese
Weise entwickelte sich der Verfestungs- und Achtsprozels
des Mittelalters, der in Freiberg eine ganz eigenartige
Ausbildung gefunden hat.
Über Alter, Bedeutung und Verbreitung des Wortes
vorczehi (verceln, vorczelin und ähnlich, praet. vorczalte,
part. vorczalt) hat neuerdings F. Frensdorff eingehend
gehandelt-'); seine erschöpfenden Ausführungen lassen
eine Zusammenstellung der Belege für das Vorkommen
des Wortes als überflüssig erscheinen. Zuerst begegnet
es uns wohl im Heliand {tvena fartalda man v. 5562);
hier und sonst in der nicht -juristischen Litteratur des
früheren Mittelalters in der allgemeinen Bedeutung „zu
einer Strafe verurteilen". Erst seit der Mitte des
13. Jahrhunderts ist es in juristischen Quellen nachweis-
bar und zwar einmal in der Urkundensprache des Reichs-
rechts, dann in einigen niederrheinischen Rechtsdenk-
mälern, endlich in Obersachsen , Mähren und Böhmen;
ursprünglich und abgesehen von späteren Veränderungen
der Bedeutung bezieht sich der Ausdruck hier überall
auf das Strafverfahren gegen Abwesende und entspricht
in der Hauptsache dem Verfesten der niedersächsischen
Rechtsquellen. Die Ableitung von „Zahl" (ahd. sala,
mhd. zxd) ist zweifellos*^); neben der BeÄewtimg niimenis
hatte dieses Wort bekanntlich auch die Bedeutung sermo,
Rede (vergl. „erzählen"), besonders gerichtliche Rede,
und an diese Bedeutung ist wohl bei der Ableitung „ver-
zählen" vorzugsweise zu denken').
Die ausgedehnteste Anwendung findet der Ausdruck
„Verzählen" in den Rechtsquellen der Stadt Freiberg*^),
^) F. Frensdorff, Recht und Rede; in „Historische Aufsätze
dem Andenken an Georg Waitz gewidmet" (Hannover 188f)) S. 460 ti'.
*') Wir geben daher der Form „verzählen" mit Grimm (Rechts-
altcrl inner S. 881) den Vorzug vor der namentlich durch Klotz seh
eingel)ürgerten ¥ovm\ „verzellen".
^) Frensdorff a. a. ü. S. 458 f. 475 f.
*) Vereinzelt ist es uns auch in andern ohersächsischen Städten
begegnet; so in Dresden um 1438 (Item Hauck ist komen und
hrocht in die achte von Kuncze Bescli umme eyn heynschrottichte
■wunde, die lier yin gcsla(jin Itot und corczeltistalz weid (ilz denin
4 Hubert Ermisch:
und lediglich auf diese wird sich unsere Untersuchung
beschränken^).
Dabei wird es sich sowohl für die Erläuterung der
technischen Bedeutung des Wortes in der Freiberger
Rechtssprache als auch für die Darstellung des gesamten
Verfahrens, seine Veranlassungen und seine Wirkungen,
empfehlen, die älteren Rechtsdenkmäler der Stadt, in
denen der Begriff des Verzählens uns viel schärfer ent-
gegentritt, vor allem das um die Wende des 13. und
14. Jahrhunderts entstandene Stadtrecht, von den spä-
teren, unter denen in erster Linie das Verzählbuch steht,
zu trennen.
Was die Terminologie anlangt, so entspricht im
Stadtrecht und in gleichzeitigen Urkunden das Verzählen
offenbar genau dem Verfesten des Sachsenspiegels und
anderer Rechtsquellen; ja die Ausdrücke verceln und
vervesten wechseln sogar zuweilen ^^). Spätere Belege
für das Vorkommen von „Verfesten" in Freiberger Rechts-
quellen fehlen. Als Synonym mit verceln verwenden das
Stadtrecht und das Verzählbuch an der hurger hrif brengen
gerichte gelegin sint. Alt-Drescluer Statltbucli im Hauptstaatsarchiv
zu Dresden fol. 23 1>), in Grimma 1400 (Conr. Schindeler ist uz den
reihten vorczalt iimme II ivayne myd treten u. s w. Grimm.
Stadtb. 1372 ff. fol. 13), in Frauenstein 1430 (Ab eyn hnrgermeyster
mit rathe seyner eydgnoßin ymandiß icht hyße, daz nucz unnde
frome brechte unnßernn gneydigen hernn ader unnßer stnd gmeyn
unnd icer sich doivider seczte unnde daß nicht thun wolde , den
magk eyn burgermeyster mit rathe seyner eydgnoßin dorumbe
straffen alzo mit vorczelnn auß der stad ader nicht auß seynem
hauiie zcu gehnn, her hette denne daß vorioandelth, daz her unge-
horßam gewest loere dem burgermeyster unnd den burgern. Frauen-
steiner Stadtb. im H.-St.-A. zu Dresden fol. 2. Item der kren-
czelmecher hat yn broch gehat mit den burgern der ist zo schioer
geivesth daß sy yn vorzcelth habenn auß der Stadt ebd. am Ende),
in Zwickau 1397 ( . . . daz wir . . . Heinriche Caldenkuchen vor-
schriben und vortzalt haben umme daz er meyneyde an ge-
richte gestvorn hat etc. Lib. proscript. im Ratsarcbiv zu Zwickau
fol. 10''), 1424 (man hat Jörgen Wittrich von der Sittaw von der
stad vorczalt eyn iar Liber proscript. fol. 121j vergl. fol. 18. S. a.
Klotz seh, Das Verzellen S. 168). Vergl. auch: Andr. Fleischer
und Georg Frundt sein noch ordenung dez recht auß der acht
getzalt wurden (1525), Dresdner Gerichtsbuch 1517—1537 fol. 125''-
") Vergl. besonders J. Fr. Klotzsch, Das Verzellen, nach
seiner Bedeutung aus der alten Hechts- Verfassung untersucht und
durch Urkunden erläutert (Dresden 1765).
^0) vervesten, vergl. St.-R. Kap. XXVI § 1. XXVIII § 3. 8.
uze der veste lazin, Urk. von 1.305 im Prb. Urkundenbuch I, 45, 39.
der vorveste ebd. 43, 41. 44, 15.
Das Verzählen. 5
oder schriben^'^), an den hrief setzen'^'-); der Ausdruck
wird später zu erklären sein. Im Verzählbuch wird ferner
vielfach die Acht (achte, oclite) als völlig gleichbedeutend
mit Verzähl ung gebraucht'^). Lateinisch wird das Ver-
zählen mit proscrihere wiedergegeben, ebenso wie das Ver-
festen ^^).
Dals „Verzählen" in den jüngeren Quellen auch die
Bedeutung von „Verweisen" hat und mit entsprechenden
Ausdrücken wechselt, werden wir weiter unten zu er-
wähnen haben,
A. Das Verzählen uach dem Freiberger Stadtrecht.
1. Voraussetzungen.
Die Verfestung trat nach dem sächsischen Land-
recht'"') nur bei Verbrechen ein, die an Hals und
Hand gingen. Auch im Freiberger Stadtrecht gehören
fast alle Fälle, in welchen dem abwesenden Beklagten
die Verzählung angedroht wird, in diese Kategorie. Es
sind folgende: Totschlag und kampere^*^) Wunden (St.-R.
Kap. V § 16 — 18. XXIII § 1. XXVII § 5. XXX
§ 6 vergl. ÜB. I, 43 f.); Heimsuchung d. h. mit Totschlag
") z. B. St.-R. Kap. XXI § 2. XXVII § 6.
^-) Sehr oft im (älteren)Vei'zählb. ANo. 4. 8. 10. 13-15. 20. 22 u. ö.
Im Verzählbuch B zuerst in No. 274; hier und später fast aus-
schliefslich dann, wenn die Verzählung von Privaten, sehr selten
(z. B. No. 369), wenn sie vom Rate ausging.
^■'') in die achte bringen, thun Verzählb. B 442. 469. 490.
578. 609. 619. 895. 897. 909. 968. 971. in die achte bringen und an
den brief setzen laßen 485. 490. 496. 504. 989. 1115. in die ochte
und an den brief brengen 608. vorechten und vorczeln A 9. Auch
hier handelt es sieh fast durclnvcg um Fälle, in welchen die Ver-
zählung von Privaten ausging. Über den unterschiedslosen Gebrauch
von Acht und Verfestung vergl. Bienko, De proscriptione S. 82;
Planck, Gerichtsverfahren II, 291.
^') Verzählb. B No. 834—854. proftrribere : virczelen, verbannen
Gloss. Lat.-Teut. (bei Haltaus S. 1916). Dieffenbach, Gloss. Lat.-
Germ. 467. Vergl. Fiensdorff a. a. 0. S.47I und in Hausischen
Geschichtsquellen I, XiV f.
^^) I, 68 § 1 (II, 45). Vergl. Rechtsbuch nach Distinctionen IV,
20 dist. 4. Nach Lübischera Hechte war die Verfestung dagegen
auch bei Vergehen möglich, die mit geringerer Strafe bedroht
waren, vergl. Frensdorff, Hans. Gcschiohtsqu. 1, XXXII.
''') d. h. solche Wunden, bei denen der Beweis dei- That durch
gerichtlichen Zweikampf zu führen Avar, kampfwürdige, schwere
Wunden (nnqeh tif und geledes lang s. Rechtsb. nach Dist. TV, 5
dLst. 1).
6 HiiLert Enniscli :
oder schwerer Verwundung verbundener Hausfriedens-
bruch (St.-R. Kap. XXVIII § 8); Raub und Diebstahl
(ebenda Kap. XXI § 2. 3); Entführung einer Jungfrau
wider deren Willen (ebenda Kap. V § 7). Ebenso drohte
ohne Zweifel die Verzählung auch jedem andern Ver-
brecher, dem Lebens- oder Leibesstrafe in Aussicht stand.
Auch denjenigen, der für einen wegen solcher Verbrechen
Angeklagten Bürgschaft geleistet hatte, traf die Ver-
zählung, wenn weder der Beklagte noch er selbst sich
stellten (Kap. V § 18); denn er hatte dieselbe Strafe zu
gewärtigen, wie der Verbrecher, wenn er einvaldikliche
gebürgt d. h. nicht ausdrücklich ein Eigen oder Erbe be-
zeichnet hatte, mit dem er bürgen wolle; war letzteres
der Fall, so verfiel nur dieses Besitztum, während er
selbst der Bürgschaft ledig Avar (Kap. V § 16 — 17.
XXVIII § 8), es lag also zum Entweichen kein Grund vor.
In allen diesen Fällen erfolgte die Vermählung iif den
hals (Kap. V § 7. 16 — 18. XXVIII § 8. XXX § 6)
d. h. den in der Verzählung Ergriffenen traf die Todes-
strafe (s. S. 21). Im Gegensatz zum Verzählen if/ cZen ImU
kennt aber das Stadtrecht auch eine Verzählung uf dl
huze (Kap. XXX § 6); dieselbe trat ein wegen volleist
d. h. Hilfeleistung bei einem Verbrechen, einer Handlung,
welche nicht mit Leibes- und Lebensstrafe bedroht war^^).
Die zweite Voraussetzung der Verzählung war die
Erhebung einer Anklage, wie ja überhaupt der ältere
deutsche Strafprozeß eine Verfolgung der That ohne vor-
herige Anklage nicht kennt. Die Klage wird erhoben
durch den Geschädigten selbst (z. B. Kap. XXI § 1.
XXVin § 9) oder, wenn dieser verwundet ist, durch
sein Gesinde oder seine Angehörigen (Kap. XXVII § 2.
5. 7 ff.) oder endlich, wenn es sich um einen verwun-
deten oder getöteten Fremden oder um einen Einheimischen
handelt, der keine Angehörigen hat, die für ihn Klage
erheben können, durch den Richter (Kap, XXX § 1—4),
der aber dann selbstverständlich beim weiteren Verfahren
nicht selbst als Richter auftreten, sondern einen anderen
Richter an seine Stelle setzen muls (Kap, XXX § 5).
Bei der Klage waren der Name des Verbrechers und sein
^'') Vergi. Kap. II § 2, wonach zur Büi'gschaft nmme volleist
unde umme vride, umme schult iinnd itmme allerlei eide unde bicieht
der Besitz von Erbzinsgütern genügt, während zu der um Totschlag
und Kamperwunden nur der Besitzer von .. Erh und Eigen", d. h.
ziust'reieu Gütern, berechtigt ist.
Das Yerzählon. 7
Verbreclien ausdrücklich zu bezeichnen (Kap. XXI § 1.
XXVII § 5. XXVIII § y. XXX § 5); war ersterer
nicht bekannt, so wurde eine Frist für seine Ermittelung
gewährt (Kap. XXVII § 1). Die Helfer des Ver-
brechers {sin wirecJite volleist Kap. XXVII i^ 2)
brauchten nicht genannt zu werden^*). Die Einleitung
dieser Klage gegen einen AbAvesenden durch das „Ge-
rücht" '•') scheint in Freiberg nicht üblich gewesen zu sein
(vergl. z. B. Kap. XXI).
Die dritte und wesentlichste Voraussetzung der Ver-
zälilnng war das Ausbleiben des Beklagten; es
niulste festgestellt werden, dafe er sich der gerichtlichen
Verantwortung entzogen habe. Dabei kann man ein ein-
facheres und ein umständlicheres Verfahren unterscheiden.
Das erstere trat bei handhafter That ein-"). Wird z. B.
eine Jungfrau entführt und ereilen die „mit Gerichte"
nachsetzenden Angehörigen das flüchtige Paar, so soll
der Kichter die Jungfrau vor zwei ihr nicht verwandten
Zeugen fragen, ob die Entführung mit ihrer Einwilligung
stattgefunden habe oder nicht. Im ersteren Falle sind
beide freizulassen; im letzteren aber ist der Entführer
ohne weiteres Verfahren mit dem Schwerte zu richten
oder, wenn er entwichen ist, zu verzählen: da darf man
nicht keiner ander heivisunge zu, wen iz der ricliter ge-
Jwrt hat unde di zivene erhafte man (Kap. V § 7). Die
förmliche Verzählung fand übrigens auch in diesem Falle
wohl erst an dem nächsten der drei-^) wöchentlichen
Dingtage statt; so ist zu erklären, wenn von dem Falle
die Rede ist, dais der Entwichene sich dem Gerichte
stellt oder ergriffen wird, e he verzalt ivirdit, an dem
anderen tage, an deme dritten oder an dem vir den tage
(Kap. V § 8). — Ein entsprechendes Verfahren mag auch
bei andern Verbrechen eingetreten sein, wenn der auf
handhafter That ertappte Missethäter entfloh; doch er-
wähnt das Stadtrecht nur dieses einen Falles.
Lag keine handhafte That vor, so mulste man dem
Beklagten vor allem Gelegenheit geben, sich dem Ge-
richte zu stellen, ihn vorladen. Was die Form der
Ladung anlangt, so scheidet das Stadtrecht genau die
Fälle, die an Hals und Hand gehen, von den geringeren.
IS) Vergl. Meyer, Strafverf. S. 68. Frensdorff a. a. 0. S. XCV.
1") Vergl. Planck 11. 304.
2") Verii-l. Bionko S. 8 ff.
21 1 Vergl. Kap. XXXI i; 1.
8 Hubert Ennisch:
Während bei Klagen wegen geringerer Sachen solche,
die in Freiberg im eigenen oder in gemietetem Hause
wohnten oder wenigstens Grundbesitz daselbst hatten,
wenn sie auch außerhalb der Stadt in einem Umkreise
von 4 Meilen lebten, ferner Haussöhne und Dienst-
boten von Ansässigen nur mittels Vor gebots d.h. einer
durch den Büttel der Person des Beklagten übermittelten
Vorladung zu Dinge gebracht werden durften, einmal weil
die Beklagten in der Regel leicht erreichbar waren, dann
weil der Besitz eine ausreichende Bürgschaft für ilir Er-
scheinen vor Gericht bot (vergl. z. B. Kap. II § 3. 14.
VIII § 1. XXXIII § 5), hatte bei Klagen, die an Hals
und Hand gingen, das einfachere Heischen oder Ein-
heischen--) statt (Kap. II § 3. 13 f. V § 19. XXI
§ 1. XXVII § 5. XXVIII § 9. 11. XXX § 5), das
auf Nichtansässige auch bei geringeren Sachen Anwendung
fand (Kap. XXX § 5. XXXIII § 7). Das Verfahren
war dabei folgendes. Der Geschädigte oder sein Ver-
treter, der im nächsten Dinge nach der That oder in
einem wegen derselben berufenen aulserordentlichen
Dinge -■^) seine Klage gegen den Verbrecher dem Richter
vorgetragen hatte, bat um ein Urteil, ob man die Be-
schuldigten ineischen solle. Nach bejahender Antwort
heischte der Büttel sie etwa mit folgenden Worten: Ich
eische in NN. umme den roiq) oder umme di dube, di
den vride gebrochen haben, zu einem male, zume andern
male, zume dritten m,ale (Kap. XXI § 1 vergl. XXVIII
§ 9. XXX § 5). Unmittelbar darauf folgte die eben-
falls durch den Büttel zu stellende Frage, ob jemand für
das Erscheinen des Beklagten Bürgschaft leisten wolle:
Ich bite in zu borge (Kap. XXX § 5 vergl. XXI § 1.
XXVIII § 9). Findet sich ein Bürge, der zur Bürg-
schaftsleistung rechtlich befähigt ist, d. h. Eigen und Erbe
in Freiberg besitzt (Kap. II § 1) oder durch dessen
Bürgschaft sich der Kläger für befriedigt erklärt, so
nimmt das Gericht die Bürgschaft an (man gibet si zu
borge uf ir recht Kap. XXI § 1)^^). Das Honorar des
Büttels für diese Bemühungen betrug, wenigstens in
späterer Zeit, 2 oder 4 Heller, je nachdem es sich um
22) Irrtümlich ist es, wenn üseubrüggen, Hausfrieden S. 28f.
das Einlieischen für gleichbedeutend mit Verhaftung erklärt.
23) A^ergl. Kap. XXXI § 2. ÜB I, 92.
21) Vergl. Bienko S. Hü.
Das Vcizälilen. 9
die Einheiscliung von Ansässigen nncl Bürgern oder von
Fremden liandelte-"')- Nach erfolgter Heischnng bescliied
der Vog-t Kläger nnd Beklagten in das nächste Ding:
(Kap. XXI § 1. XXVII § 5). In diesem wiederholte
sich die Klage und die dreimalige Heischung. Erschien
der Beklagte auch jetzt nicht, so erfolgte seine Ver-
zählung (Kap. XXI § 2. XXVII § 5. XXVIII § 11.
XXX § 6).
Die Eigentümlichkeit der Heischnng war also, dafs
der Person des Beklagten eine Vorladung gar nicht über-
mittelt wurde; es wäre dies schon deshalb schwierig ge-
wesen, weil.. es sich meist um flüchtige Verbrecher han-
delte; die (JfFentlichkeit des Verfahrens berechtigte zu
der Voraussetzung, dafs die im Dinge vorgetragene Klage.
Heischung und Ausbietung zur Bürgschaft auf irgend
welche AVeise dem Kläger bekannt werden würden. Aus
ähnlichen Gründen war auch nach anderen deutschen
Rechtsquellen die persönliche Vorladung des Beklagten
nicht durchaus erforderlich-*^). Wenn dagegen anderwärts
die Heischung als eine Form vorkommt, durch welche
die Abwesenheit des vorgeladenen Beklagten fest-
gestellt wird-'), so bildete sie in Freiberg gerade den
Gegensatz zum Vorgebot, trat nur dann ein, wenn dieses
nicht erfolgte. Eine weitere Eigentümlichkeit des Frei-
berger Verfahrens ist, dals der ausbleibende Beklagte
bereits im zweiten Dinge verzählt wird; sonst ist es all-
gemein üblich, ihm drei, selbst vier Termine zu setzen,
bevor die Strafe des Ungehorsams eintritt-").
Dals der Beklagte nicht blofs dingflüchtig geworden
sei, sondern auch das Gerichtsgebiet verlassen habe-^j,
ist nicht die notwendige Voraussetzung der Verzählung.
Audi gegen denjenigen leitete man das Verfahren ein,
welcher zwar nicht innerhalb der 4 Bänke d. h. an Ge-
richtsstelle erschien, aber in der Nähe derselben sich
aufhielt und auf die Klage nicht antwortete : stet he Joch
vorme dinge unde sivifjet also lange, daz man vingere
25) ÜB. I, 12(i ij 20.
26) Verg-1. Planck 1, 29H.
•") P^benda I, 851.
-*) Sachs. Lamlrecht I, 67 § 1. Goslariscln^ Stiitnten (lioninsf;-.
von 0. Göschen, Berlin 1840) .S.'56, 30 if. Eechtsl). nach Distinct.
IV, 20 dist. 1. Meyer, Strafverfahren S. 66 f. Planck I, 351 f.
II, 293.
•2'0 Wie dies für Lübeck Frensdorff a. a. 0. S. XL f. feststellt.
10 Hubert Ermisch:
mide jungen uf in irliebit'^^), he mac zit rechte keinen
Vormunden me gehaben (Kap. XVIII § 1). Es ist aber
wolil an zunehmen, dals er den drohenden Gefahren sich
in der Regel durch die Flucht entzog, bevor die Ver-
zählung rechtskräftig geworden war, wenn er es nicht
vorzog, noch während des Dings oder doch an demselben
Tage dem Gerichte sich zu stellen. —
Der Kläger hat endlich vor der Verzählung einen aller-
dings sehr erleichterten Beweis des Verbrechens zu
erbringen. Nach dem Sachsenspiegel-^^) war, wenn der auf
handhafter That ertappte Verbrecher flüchtig wurde, das
Gerücht zu erheben und durch den Kläger der Beweis mit
6 Zeugen (selbsiebent) zu führen. Das Freiberger Stadt-
recht erwähnt des Gerüchts gegen den flüchtigen Verbrecher
überhaupt nicht und begnügt sich bei Diebstahl, Raub und
Heimsuchung mit dem Zeugnis von zwei unbescholtenen
ansässigen „Nachbarn"""-), die im zweiten Dinge nach
Wiederholung der Klage und der Einheischung auf die
Frage des Richters einvaldikliche d. h. ohne Eid auszu-
sagen haben, dals ihnen das am Kläger begangene Ver-
brechen bekannt sei (Kap. XXI § 2. XXVIII § 11).
Dals bei Entführung die Aussage der Entführten mit dem
Richter und zwei Zeugen zu beweisen war (Kap. V § 7),
wurde oben bereits bemerkt. Bei Klagen um Wunden und
Totschlag wird ein derartiger Beweis nicht erwähnt; nur
sollten (drei) Boten die Wunde „besehen und besagen"
d. h. ihre Kampf Würdigkeit feststellen (Kap. XXIII § 1.
XXVII § 5. XXVIII § 8. XXX § 6); denn nur wegen
„kamperer" Wunden erfolgte Verzählung.
Dafs auch das spätere Verfahren den Beweis des
Verbrechens verlangte, ergiebt sich aus der sehr häufigen
Erwähnung desselben im Verzählbuch ^^).
ä^) Wenn Bienko S. 23 diese Wendung nicht auf die Ver-
zählung lieziehen will, so wird niemand, der den Sprachgebrauch
des Freiberger Stadtrechts kennt, ihm darin beipflichten können.
^^) Säclis. Landrecht I, 70 § 3, vergl. Rechtsbuch nach
Distinct. lY, 28. Bienko S. 24.
32) Über den Begriff der Nachbarn vergl. St.-R. Kap. XXVIII
§11: ivo si gesezzen sint in der virden oder in der sechsten gassen,
daz lieizen alliz nakebur.
'^'^) als er beivieste vor den burgern, also das hewyst wart
vor den biirgern, als er derczügit, ercziigit, deriviset hat u. dergl.
mehr z. B. Verzählb. A 64. 65. 84. 87. B 12. 39. .52 u. ö. alse
sie das mit hederleiithen vor den burgern beivicst hat A 61. Beweis
..mit den Nachl'nrn" B 55. 73. 465 u. ö , mit dem Stadtvogt 456.
895. teste et sciente magistro civium et duobus juratis 841.
Das Verzählen. H
2. Verfahren.
Für die Kenntnis des eigentlichen Yerzählungsakt es ^^)
ist unser Stadtrecht eine wichtige Quelle. Nachdem im
zweiten Dinge die Klage und Heischung wiederholt und
der erwähnte Beweis durch den Kläger geführt ist,
bittet dieser um ein Urteil: ui man im na zu rechte
richten salle. Das Urteil lautet: mit vingeren itnde mit
Zungen. „Also seil der volt gehlten allen den, di in dem
dinge sint. So sal ein iklich man ufrccken einen vinger
zu rechte, ande daz heizet verzalt mit vingern unde mit
Zungen'' (Kap. XXI ^ 2 vergl. XXVII § 5. XXVIII
§ 11). Die Formel „mit Fingern und mit Zungen" ist
beim Achtsverfahren nicht ungewühniich""'). In Goslar
sollten die innerhalb der Bänke Anwesenden mit eren
vingheren upstippen '^^) ; nach dem Rechtsbuch nach Distink-
tionen (IV, 20 § 1 ) hatten sie, wie beim Eide;^'}, zwei Finger
zu erheben"^); in Freiberg aber wurde, wie es scheint,
nur ein Finger ausgestreckt.
Was bei dieser symbolischen Handlung gesprochen
wurde, erfahren wir nicht. Da die Verzählung nicht blofs mit
Fingern, sondern auch „mit Zungen" geschah, so ist doch
kaum anzunehmen, dals sie in tiefem Schweigen vor sich
gegangen sei; und doch ist es in hohem Grade auffällig,
dals das Stadtrecht, das den Vorgang sonst so ausführ-
lich schildert, einer vom Richter vor- und von den An-
wesenden nachzusprechenden Achtsformel'^^) mit keinem
Worte gedenkt. Dals eine solche sonst in sächsischen
Städten gebräuchlich war, ersehen wir aus einer Dresd-
ner und einer Chemnitzer Achtsformel aus dem Anfange
des 16. Jahrhunderts"^).
"^) Bienko S. 27 lt. Plauck II, 304 ff.
3») Verftl. Sachs. Landiecht II, 4 ij l : utlaten mit vingere unde
mit tungen. Klotzsch, Verzelleu S. 98 ff.
"") Gosl. Statuten, herausg. v. Göschen S. .^7, 11.
3') Planck IL 34.
^^) So auch nach Chemnitzer und Dresdner Formeln s. N. 40.
39) Vergl. Grimm, Rechtsaltertümcr S. 39 ff". Mever, Straf-
verf. S. 71. Planck IJ, 30«.
^*') Alte Willkür der Stadt Dresden, Fassung- von ca. 1512
(Ratsarchiv C. XVI, 53 e): VorJcundigiw p in die (icJit. Der rivhter
sali aufstehn mit seinen scho]}pen und sali sprechen : Allen den
recht üb ist die heben die rechten zioene eides/inger au ff' und
sprechen mir nach Alhier in disen gerichten ist N. N. mit rechter
clagen vorvestent umb den mortli, den er begunsi hat an N. JS',
12 Hubert Ennisch:
Im Auscliliisse an das Erheben von Fingern und
Zungen liefe der Kläger nunmehr durch besondere Ur-
teile die Rechtsfolgen feststellen, die wir sogleich näher
zu betrachten haben werden. Schließlich soll er hesefcen
'uiit dem ricJdere und mit den dlncivarten , daz di Jute
also sine vergalten sint umme den roup oder unime di
dube uf iren hals d. h. er soll Richter und Dingwarten
ausdrücklich auf den Vorgang aufmerksam machen, um
denselben ihrem Gedächtnis einzuprägen und sich ihr
Zeugnis über den Akt der Verzählung zu sichern^^) (Kap.
XXI § 2).
Völlige Rechtskraft gewann die Verzählung durch
das Richten mit Fingern und Zungen noch nicht. Er-
schien der Beklagte während des Dinges, in welchem
über ihn gerichtet worden war, so galt er als nicht ver-
zählt, und das gewöhnliche Verfahren fand statt. Er-
schien er zwar nicht während des Dinges, wohl aber an
demselben Tage vor Sonnenuntergang und setzte Bürgen
dafür, dafs er dem Kläger antworten wolle, so galt er
zwar gleichfalls noch nicht als verzählt; doch traf ihn
einer der Rechtsnachteile, die dem Verzählten drohten:
er verlor das Recht, sich vor Gericht durch einen Vor-
mund vertreten zu lassen^-).
Hiernach ist anzunehmen, dafs frühestens am Tage
nach dem Richten mit Fingern und Zungen die Fort-
setzung des Verzählungsverfahrens stattfand. Bisher hatte
sich dasselbe im Dinge, vor Richter und Dingwarten, ab-
gespielt; sollte die Verzählung volle Rechtskraft gewinnen,
so bedurfte es auch der Mitwirkung des Rates, der nach
dem Stadtrechte bereits „die höchste und grölste Gewalt
und Gerichte hatte" (Kap. XLVIII § 1). Man mulste
den Verzählten „an der Bürger Brief bringen".
Zu diesem Zwecke hatte der Richter zunächst dem
Rate eine förmliche Mitteilung zu machen: so sal der
und ist mit gericht erlanget ane Widerrede, des ich eyn gezeuge
seyn ivill mit den schojtpen und allen disen dingpfliclt,tigen und die
gegemvertig seint. Denselbigen N. N. kundige ich in die achte in
der stat weichhilde, auch so neme ich yn seinen freunden und er-
laube yn seinen feinden und kundige sein weih ziv ivitbe und seine
Idnder zue loesen also lange biß er seines rechtes wider bekommet.
Die Cheranitze]' Aclitsformel habe ich in den Mitteilungen des Ver-
eins für Chemnitzer Gesch. VII (Chemnitz 1891), 27 mitgeteilt.
Vergi. auch ßechtsb. nach Dist. IV, 20 dist. 1.
") Vergl. Planck I. 331.
*'-) Vergl. unten S. 23.
ö
Das Verzählen. 13
richter vor di bürgere tretin, da di meiste menie der bür-
gere si, und sprechen: „Mir ist luizzentlicli, daz der man
umme roub ader umme dube also vor mir verczalt ist,
daz man in nn zu rechte an den brief setzin sal und
mach" (Kap. XXI § 3).
Nach dem Sprachgebrauch des Stadtrechts, das unter
bürgere fast durchweg den Rat versteht, haben wir diesen
Satz*-^) wohl nicht auf eine öffentliche, etwa auf dem
Markte oder in der Kirche erfolgende Bekanntmachung
der Verzählung zu beziehen, sondern lediglich auf eine
Mitteilung an den Rat; darauf deuten auch die auf die
Eintragung in der Bürger Brief bezüglichen Schlulsworte.
Allerdings lassen die Rechtswirkungen der Verzählung
es als erforderlich erscheinen, dals jedermann die Ver
zählten kannte ; aber in älterer Zeit, als der gröiiste Teil
der Gerichtsinsassen sich, noch persönlich im Dinge ein-
fand, machte ohne Zweifel die öffentliche Vornahme des
Aktes der Verzählung eine besondere Publikation des-
selben entbehrlich. Später war eine solche üblich; ein
interessantes Beispiel dafür, dals man in Ausnahmefällen
aus persönlichen Rücksichten von der öffentlichen Be-
kanntmachung absah *^), bietet eine dem Anfange des
16. Jahrhunderts angehörige Notiz des Verzählbuches ^"'*).
War der Rat so amtlich benachrichtigt, so war es
seine Aufgabe, die Verzählten in das hierfür bestimmte
Buch eintragen zu lassen. Dasselbe heilst im Stadtrecht
durchweg der burger brief : auch im Verzählbuch ist die
Bezeichnung brief die gewöhnliche**^). Eine solche Ein-
tragung Geächteter teils in die auch anderen Zwecken
dienenden Stadtbücher, teils in besondere xlchtbücher,
libri proscriptionmn oder wie sie sonst heilsen, war ziem-
lich allgemein üblich*^). Auch in sächsischen Städten
*ä) Derselbe ist übrigens, wie wir aus dei' handschriftl. Llber-
lieferung- des St.-R. entnehmen können, ein allerdings Avohl noch
dem ersten Viertel des 14. Jahrli. angehöriger Zusatz zu der ältesten
Textgestalt des St.-R.
^) Vergl. Francke, Verfestungsbuch von Stralsund No. 454.
'*^) fol 85*^: Der junge Hans Alnpeck am margkte und Paul
Trener seynclt bis auf die aneu-eysung vorczalt wurden. Die vor-
czelung wardt ine heymlichen angesaget und ine zu gute nicht
aufhentlich ausschreiben lassen.
^") Vergl. hierüber und über die Bezeichnungen catalogus truf-
fatorum, schwarzes Register Uß. III, XXXIV f.
^■'j Vergl. Budde, Rechtlosigkeit S. Ifi3 f. Üsenbrüggen,
Hausfrieden S. 52 Homeyer, Die Stadtbücher des Mittelalters
S. 32. Bienko, De proscriptione S. 39 f. Frensdorfl' a. a. 0.
14 Hubert Ermisch:
kommt beides vor: wir wissen namentlich, dafs es in
Dresden^^), Leipzig^^), Chemnitz besondere Verfestungs-
bücher gegeben hat. Erhalten aber hat sich davon mit
Ausnahme eines nur wenige Einträge enthaltenden, 1535
„vernewerten" Chemnitzer Achtbuches ohne erhebliclien
Wert''"; nur das stattliche Verzählbuch der Stadt Erei-
berg, und schon dieser Umstand mulste uns bestimmen,
es im Urkundenbuche seinem vollen Wortlaute nach zum
Abdruck zu bringen. Der Grund, warum so viele der-
artige Bücher zu Grunde gegangen sind, ist wohl einfach
der, dals an ihre Erhaltung sich weitaus nicht die In-
teressen knüpften wie an die Erhaltung derjenigen Bücher,
welche privatrechtliche xlbmachuugen betrafen; ja es
mochte eher wünschenswert erscheinen, die Zeugnisse
früherer Vergehen, wenn dieselben gesühnt oder sonst
erledigt waren, aus der Welt zu schaffen, und so scheint
vielfach bei_ der Anlage eines neuen Verzählbuches das
alte unter Übertragung der noch giltigen Verzählungen
in jenes vernichtet worden zu sein'^).
Welche Gestalt in der ältesten Zeit der „Bürger
Brief" hatte, wer die Eintragungen bewirkte und unter
welchen Formalitäten diese geschahen, darüber giebt
S. XIII f. XXVIII. Planck II, 201. Frauenstädt, Blutrache
und Todschlagsühne S. VII. — A'ollständig veröifentlicht sind ein Ver-
festuugsbuch der Stadt Stralsund (vergl. oben N. 3) und ein Liegnitzer
Verfestungsbuch (C. J. Schuchard, Die Stadt Liegnitz S. 153 11'.).
Über Achtbücher zu Wismar, Rostock, Braunschweig vergl. Frens-
dorff S. XIV, das schwarze Buch zu Riga Bunge, Riga S. 318-,
über ein Breslaiier Achtbuch.1332— 1.549 Frauenstädt in der Ztschr.
f. Strafrecht X, 2 ff . ; über Ächtungen in Signatiu'lnichern von Jauer
1381 -- 1412 Ztschr. d. Vereins f. schles. Gesch. IX, 100 ff', (vergl. die
A^ermerke über die Eintragung Geächteter auf Wachstafeln ebd. 97 ff'.),
im OJmützer Stadtl)uch Bischoff, Sitzungsber. der philos.-histor. Kl.
der kaiserl. Akad. LXXXV, 308 ff., den über proscriptionum zu Prag
Röfsler, Deutsche Rechtsdenkm. I, L f. LX, ein Görlitzer Acht-
buch Lausitzer Magazin X.Y, 134 vergl. 319, ein Augsburger Acht-
buch Ztschr. d. histor. Vereins für Schwaben u. Neuburg IV, 3,
160 ff. u. dergl. m.
*^} 1492 wird hier ein achtbuch erwähnt, vergl. 0. Richter,
Verfassungsgesch. von Dresden S. 154.
■^f) Im ältesten Leipziger Stadtbuche war eine Abteilung für
die proscripti bestimmt, vergl. diese Ztschr. X, 178 f. Ein späteres
liber proscriptionum (1493) nennt das ebenda S. 182 beschriebene
Stadtbuch II fol. 88 b.
50) Vergl. Er misch, Das Chemnitzer Achtbuch: Mitteilungen
des Vereins für Chemnitzer Geschichte VII (Chemnitz 1891), 23 ff.
■") Vergl. ÜB. III, XXXA\ XXXVII.
Das Verzählen. 15
unser Stadtrecht keine Aufklärung. Wenn der Richter
zum Beweise der Verzählung einer Person den ganzen
Brief laut vorlesen liefe (Kap. XYIII § 3), so lälst
dies vermuten , dafs er von nur geringem Umfange
war. vielleicht aus einem einzelnen Pergamentblatte be-
stand. Wie das uns vorliegende Verzählbuch durchweg
von der Hand des jeweiligen Stadtschreibers geführt
wurde '^), so war es ohne Frage auch dieser, der bnrger
schriber, der die Namen der Verzählten und ihre Ver-
gehen in den Brief eintrug'^'"). Wie das ganze Verfahren,
so setzte auch die Eintragung in den Brief wohl durch-
weg einen Antrag des Klägers voraus; der Kläger war
es, der den Verzählten durch Vermittelung des Richters
„an der Bürger Brief brachte" (Kap. XXI § 2).
Der Zweck der Eintragung in der Bürger Brief war
lediglich die Erleichterung des Beweisverfahrens. Zwar
konnte jede im Dinge vorgenommene Handlung, also auch
jede Verzählung, durch das Zeugnis des Richters und
eines Ding warten bewiesen werden (Kap. XIII § 1).
Aber eines solchen Zeugenbeweises bedurfte es nicht,
wenn der Name des Verzählten „an dem Briefe" stand;
der Beweis dieser Thatsache genügte vollkommen. Während
andere Beurkundungen wie auch die Einträge in die
Stadt- und Gerichtsbücher in älterer Zeit lediglich zum
mündlichen Zeugnis verhelfen sollten und daher die
Zeugen namhaft machten, die bei einer Handlung zu-
gegen gewesen, war der „Bürger Brief" an sich selbst
Zeugnis genug ; wir haben in demselben eines der frühe-
sten Beispiele des reinen Urkundenbeweises. Eine Ein-
tragung von Zeugen der Verzählung konnte daher unter-
bleiben und unterblieb auch stets. — Im einzelnen werden
wir auf das Beweisverfahren noch zurückkommen.
3. Wirkungen.
Was die Wirkungen der Verzählung anlangt, so steht
das Freiberger Stadtrecht im allgemeinen auf dem Stand-
punkt des Sachsenspiegels, der bekanntlich kurz dahin
pi'äzisiert wird: Vestinge nimt dem manne sin lif, of he
hegrepen wert dar binnen, unde nicht sin recht, svo lange
Jie daran ist'''^). Wir verstehen diese Worte dahin, dafs
^^) ÜB. III, xxxvn f.
^*) VerQ'l. über seine sonstigen Obliegenheiton ebd. XI ff.
5*) Säciis. LiUidreeht III, Ü3 ^ 3.
16 Hubert Ermisch:
die Verfestung- zwar friedlos, aber nicht völlig rechtlos
macht ^•^).
Insbesondere zieht die Verzählung in Freiberg nicht
die Konfiskation des Vermögens nach sich^'*^). Das Stadt-
recht (Kap. I § 20) bestimmt:
Tut ein mau einen schaden, wi groz he ist, oder verlusit des
herren hulde, daz he iutwichen muz, waz der erbis unde gutis lezet,
daz ist zu rechte siner luisvroweu unde siner kindere; daz inmac in
niman genemeu noch versprechen nach der stat recht, weder herre
noch ratgebeu. Haben aber di bürgere icht zu im zu sachene, di
bliben dabi mit rechte. Hat ouch imant uf in icht irteidinget vor
gerichte umme schult oder umrae phauduuge wizzentlichen dem rich-
tere und den dincwarten, deme sal der richter helfen phandis oder
sal in wisen an sin erbe mit rechte.
Also das Gut, das einer zmiicklälst, der wegen eines
Vergehens gegen die Stadt oder die Landesherren „ent-
weichen mufs" d. h. doch wohl verzählt wurde, fällt seinen
rechten Erben heim ; selbst der Landesherr kann es ihnen
nicht entziehen. Ansprüche der Stadt an dasselbe bleiben
in Kraft; auch andere vor Gericht erstrittene Forderungen
konnten ebenso geltend gemacht werden, als wenn der
Verzählte anwesend wäre.
Dem entspricht es, wenn auch der Verzählte das
Recht behielt, seinerseits privatrechtliche Ansprüche gegen
andere geltend zu machen: umme schult unde umme ge-
lubde sal man im anhverten zu rechte (Kap. XLIX § 18);
ein Recht, von dem er allerdings persönlich keinen Ge-
brauch machen konnte, ohne sich den schlimmsten Folgen
auszusetzen; wohl aber vermochten es an seiner Stelle
seine Rechtsnachfolger im Besitze des Vermögens zu
thun. Ungünstiger gestellt war in dieser Hinsicht der
im Kirchenbanne Befindliche, dessen Lage sonst der des
Geächteten sehr ähnlich war: ihm brauchte man auch
auf Klagen um Schuld und Gelübde nicht zu antworten
(Kap. XLIX § 19).
Hatte somit die Verzählung keine vermögensrecht-
liche Wirkung, so traf sie dagegen um so schärfer die
Person des Verzählten. Er gehörte nicht mehr zu den
erhaften litten, verlor sein „Echt und Recht": er konnte
kein giltiges Zeugnis vor Gericht ablegen'^') (Kap. II § 3.
55) Vergl. Bienko S. 55 ff. Frensdorff S. XX. Planck
II, 299.
50) Wie dies im lübischen Rechte der Fall war, vergl. Frens-
dorff S. XX f. XXXII f.
•-) Yergl. Planck II, HO.
Das Verzählen. 17
VIII § 4. XII § 1 veifil. XIII § 1. XXIX § 1.
XXXII § 17. XLIX § 41), selbstverständlich auch
keine Bürgschaft übernehmen, nicht als Vorsprecher oder
Vormund im Gerichte auftreten, noch sonstige bürgerliche
Rechte ausüben.
Vor allem aber hatte er keinen Anspruch auf den
allen anderen Bürgern zustehenden Rechtsschutz inner-
halb des Stadtgebietes; er genols nicht den Stadtfrieden,
man konnte an ihm keinen Friedebruch begehen. Das
Stadtrecht unterscheidet zwischen schweren Friedens-
brüchen (Totschlag und kampere Wunden), bei denen der
Beweis mittels gerichtlichen Zweikampfs, und leichten
Friedensbrüchen, bei denen der Beweis mit mindestens
2 Zeugen zu führen war; in beiden Fällen braucht man
einem Verzählten nicht zu antworten. Wohl kann der-
selbe wegen einer ihm zugefügten Verwundmig Klage
erheben und den Thäter einheischen lassen; auch wird
der letztere, wenn er sich nicht im Dinge einfindet, ebenso
verzählt, als ob er gegen jemanden gefrevelt hätte, der
Echt und Recht behalten hat. Erscheint aber der Be-
klagte im Dinge, erbietet sich rechtzeitig zum Beweise,
dals der Kläger an der Bürger Briefe stehe, und ver-
mag diesen Beweis zu führen, so braucht er keine Ant-
wort um den Friedensbruch zu geben (Kap. XXVI § 1. 2).
Ebenso ist es, wenn ein Verwandter des Getöteten oder
Verwundeten die Klage erhoben hat; gelingt der Beweis,
dals der letztere oder auch der, der für ihn klagt, ver-
zählt ist, so braucht der Beklagte nicht zu antworten,
und der Kläger verfällt aulserdem in die Bulse von
60 Schillingen, die jeden betrifft, der eine begonnene
Klage nicht durchzuführen vermag (Kap. XXVI § 3. 4.
XXVII § 12). Endlich befreit der Nachweis der Ver-
zählung auch dann von der Pflicht, sich auf die Klage
einzulassen, wenn der Richter dieselbe für den Verletzten
erhoben hat (Kap. XXX 5^ 10). In allen diesen Fällen
kommt es darauf an, dalis der Beklagte sich rechtzeitig
zum Beweise erboten habe d. h. bevor er das Gericht um
Boten zum kämpf liehen Grulse, zu der mit dreimaligem
Zetergeschrei einzuleitenden förmlichen Kampfklage, ge-
beten hat ; hat er dies gethan, so wird angenommen, dafs
er sich auf den gerichtlichen Zweikampf einlassen wolle,
und eine nachträgliche Berufung auf den Brief hat keinen
Erfolg mehr (Kap. XXVI i^ 2 vergl. XXVII § 12). Audi
bei geringeren Friedensbrüchen wird der Kläger durcli
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIII I. •>. 2
18 Hubert Ermiseh:
den Nachweis, dals er selbst oder einer seiner Zeugen
am Briefe stehe, sachfällig und es trifft ihn die Bulse
von 60 Schillingen (Kap. VIII § 4).
Die weitei'en Wirkungen der Verzählung betreifen
namentlich die rechtliche Stellung des Verzählten dem Klä-
ger gegenüber, der ihn „an den Brief gebracht hatte". Die
Anschauung, dafs ein schwerer Friedensbruch ebenso ein
Verbrechen gegen die Gesamtheit als eine Verletzung
des Geschädigten bedeute, drang, wie wir schon be-
rührten und wie sich auch aus der Notwendigkeit der
Klagestellung durch den Geschädigten oder einen Ver-
treter desselben ergiebt, nur langsam durch; lag doch
nach Freiberger Stadtrecht sogar die Vollstreckung des
ausgesprochenen Todesurteils dem Kläger ob, ein deut-
licher Beweis dafür, dals sich die Begriffe der Strafe
und der Rache noch nahe berührten-^*). Der Verzählte
war des Klägers Verzählter "'**); seine Festnahme war
Sache des Klägers, nur er durfte sie vornehmen. Aber
wie man klagte „über sinen dtp unde der landhUe dtp"
(Kap. XIX § 2 vergl. XX § 1. 2), so war die Gesamt-
heit verpflichtet, dem Kläger bei Ergreifung des Ver-
zählten behilflich zu sein. Namentlich durfte niemand
den Verzählten durch Aufnahme in sein Haus schützen.
Diese Rechts Wirkungen des Verzählens liefs sich
der Kläger, nachdem mit Fingern und Zungen gerichtet
war, durch drei Urteile des Gerichts ausdrücklich fest-
stellen.
Seine erste Frage lautete: tver si (die Verzählten)
after dem tage liuset oder höret ir keinen, ivi im der zu
rechte bestanden si. Darauf entscheidet das Gericht:
iver si hiise oder hove after dem tage, der si desselben
bestanden, des auch jene bestanden sint, he wolle si denne
zu rechten teidinqen stellen (Kap. XXI § 2. ebenso
XXVII § 5. XXVIII § 11). Die blofse Aufnahme eines
Verzählten und die AVeigerung, ihn auf Verlangen des
Klägers dem Gerichte zu stellen, zog also dieselbe Strafe
■'^») Kap. XIX § U. XX § 6. XXII § 4. XXYIII § 14. Vergl.
Frauenstädt, Blutrache uufl Tort^clilagsühue S. 99 f. Dafs man
(loch auch bei dieser merkwürdigeu Einrichtung den öffentlichen
Chai-akter der Strafe nicht ganz verkannte, darauf deutet die Be-
stimmung hin, dafs der Auswärtige, der als Kläger obgesiegt, seinen
Dieb zwar mit in seine Heimat nehmen, aber Bürgen für die Voll-
streckung der Strafe setzen mufste, vergl. St. R. Kap XIX i< 14.
■'■*} daz (U inte diso sine rerzalten sinf (Kap. XXI i; 2).
Das Verzählen. 19
nach sich, die dem Verzählten drohte, wenn er ergriffen
wurde, d. h. die Todesstrafe, oder die Verzählung im Falle
der Flucht*"-). Der Einwand, man habe um die Ver-
zählung nicht gewulst, schützte schwerlich vor Strafe;
wohl um ihm zu begegnen, wurde im Anfange des
15. Jahrhunderts ausdrücklich statutarisch festgesetzt:
Da sal nymand den andern husen, lierhergen adir Jiofen,
er weis unde uil en denne entiverten czu rechten tei-
dingen (ÜB. I, 127 § 9, vergl. III, 474 § 33. 34).
Weit milder ist m diesem Falle der Sachsenspiegel,
nach welchem der, welcher einen Verfesteten tuetenlike
herbergt und speiset, nur in das Gewette verfällt, und
Unkenntnis auch vor dieser Strafe schützt ''^). Dals man
in Städten strenger verfuhr, war eine Folge des in ihnen
herrschenden höheren Friedens; auch in Stralsund"^), in
Goslar*^-') und an anderen Orten traf den, der einen Ver-
festeten aufnahm, dieselbe Strafe wie diesen''*).
Dafs den Verzählten im eigenen Hause sein Haus-
friede geschützt habe, wie dies anderswo der Fall war*^^),
ist für Freiberg kaum anzunehmen; wenigstens wii'd man
Mittel und Wege gefunden haben, diesen Schutz wir-
kungslos zu machen, wie man auch das Asylrecht der
Kirchen und Klöster zu umgehen wufste •'*').
'^) Verzählung des Ulricli Snj'der wegen Aufnahme seines
verzählten Sohnes, s. Verzälüb. B No. 947; von zwei Personen,
Aveil sie einem Verzählten weggehulffen haben A No. 18.
*") Sachs. Landrecht III, 23, vergl. aber auch die strengern Bestim-
mungen über die Aufnahme eines Friedensbrechers in eine Burg II,
72 § 1. Es ist bezeichnend, dafs in das Rechtsbuch nach Distink-
tionen, welches das in sächsischen Städten geltende Recht geben
will, die erstere Bestimmung des Ssp. nicht Aufnahme gefunden hat,
wohl aber (VI, 4 dist. 1) die zweite. Vergl. Osenbrüggen, Haus-
frieden S. 54. John. Das Strafrecht in Norddeutschland zur Zeit
der Rechtsbücher I. 131. 235 f. Tlanck 11, 296.
62; Vergl. Frensdorff S. LV.
63) Gosl. Stadtrecht S. 59, 29.
^) Dagegen setzten z. B. die Statuten der Stadt Grimma (1372)
nur eine Geldbufse auf Belierbergung, Speisung oder Fiirdei'ung eines
Verfesteten (Lorenz, Grimma S. 475), entsprachen also dem Sach.sen-
spiegel.
0.^) Vergl. Grimm, Rechtsaltertümer S. 891. Osenbrüggen
S. 26 f.
6") Vergl. den Befehl Kurf. Friedrichs an den Rat zu Freiberg
vom 2. Novemljer 1475 wegen des in das Franziskaneikloster ge-
flüchteten Philipp Gorteler: der Rat solle die Seinen ins Kbister
schicken und darauf achten lassen, dafs dem G. weder Nahrung ge-
reicht nocii Knbi' und Siblnf verstattet werde; dann werde er bald
sich ergeben. Uli. 1, 3S9.
2'
20 Hubert Ermiscli:
So entsprach die Verzäliluiig- in ihrer Wirkung' durchaus
der Verweisung' aus dem Stadtgebiet, wenngleich das
Stadtrecht sie als solche nirgends bezeichnet.
Der Kläger stellte dann die weitere Urteilsfrage:
ah he ir keinen ansichtic iveräe after dem tage, tri oder
mit iveme he si nfhalden sulle? worauf die Antwort
lautete : mit alle den, die vride unde gnade haben tvollen.
Die Ergreifung des Verzählten stand also zunächst
nur dem Kläger zu. Wenn freilich jedermann ihm dabei
behilflich sein mufste, so ist die Wirkung nicht wesent-
lich verschieden von der einer allgemeinen Friedlos-
erklärung.
Die dritte Urteilsfrage endlich war: ah he si uf-
halden icolle unde si sich iveren, ah he oder kein sin
vrunt oder kein sin helfer keinen vride an in gebrechen
muge? die Antwort darauf: das: after dem tage he noch
kein sin vrunt keinen vride an im gehrechen muge, icolle
he in volhrengen, als reclit si.
Hierdurch wurde eigentlich nur etwas Selbstver-
ständliches ausdrücklich festgestellt; denn auch andere
als der Kläger konnten an dem Verbrecher keinen Friede-
bruch begehen, wie schon oben ausgeführt wurde. —
Gelang dem Kläger die Festnahme des Verzählten,
so war die Lage des letzteren eine sehr üble, da es sich
nunmehr nur um den Beweis der Verzählung, nicht um
den der That handelte; was diese anlangte, galt der Er-
griffene als bereits überführt.
Das Stadtrecht schildert eingehend das Verfahren
gegen den wegen Diebstahls oder ßaubes Verzählten;
ohne Frage wurde ebenso verfahren, wenn die Verzählung
aus irgend einem anderen Grunde erfolgt war. Der
Kläger bringt den Ergriffenen zu Haus und Hof des
Richters, erbietet sich nach kurzer Darlegung des Sach-
verhalts zum Beweise der Verzählung und verlangt die
Gefangenhaltung des Verzählten bis zum nächsten Dinge;
diese muis ihm gewährt werden, einen Bürgen darf der
Verzählte nicht stellen. Der Richter bescheidet hierauf
beide in das nächste Ding (Kap. XXTI § 1); länger als
bis zum nächsten Dinge soll niemand, der auf den Hals
gefangen sitzt, warten (Kap. XIX § 4). Wie bei dem
Verfahren gegen den auf handhafter That ergriffenen
Dieb oder Räuber beginnt der Kläger im Dinge mit dem
Antrage auf Vorführung des Verhafteten. Aber während
der auf frischer Tliat Ergriffene mit dreimaligem „Ge-
Das Verzählen. 21
schrei" vorgeführt wurde (Kap. XIX § 5. 6. XX § 2),
eine Formalität, durch die man die That gewissermalsen
bis in das Gericht verlängern, in das Gericht bringen
wollte*^'), erfolgte die Überführung des Verzählten aus
der Haft in das Gericht ohne Geschrei und mithin auch
ohne die Boten, die der Richter sonst behufs Ableguug
von Zeugnis über das Geschrei dem Kläger mitgab ; denn
es bedurfte keines Beweises der handhaften That (Kap.
XXII § 2). Ist der Verzählte, dem man die Hände
auf den Rücken binden kann, anwesend, so giebt der
Kläger nochmals eine Darstellung der Vorgänge, die zur
Verzählung geführt haben, erbietet sich zum Beweise der
Verzählung, falls der Beklagte ihm nicht glauben will
(so teil he in volhrengen mit der hur(/er hrive als recld
ist), und bittet für den Fall, dals ihm der Beweis gelinge,
um ein Urteil: ui lie im zu rechte bestanden si. Dieses
Urteil lautet in jedem Falle"^) auf Lebensstrafe: vindet
man in aii der hiirger brive, daz he sin verzalter si innme
eine dube oder umme einen raup, als he sich vermezzen
hat, daz he im zu rechte bestanden si mit deme halse
(Kap. XXII § 3).
Das BcAveisverfahren beginnt mit der Urtelsfrage
des Klägers: irer im zu rechte des brifes yehelfen sidleY
worauf geteilt wird: daz sidle der richter tim. Die Vor-
legung des Briefes kann sofort *''^) geschehen. Ist dies
nicht möglich, so werden die Parteien zum nächsten
Dinge beschieden. Der Kläger lälst durch Urteil fest-
stellen, dals es ihm unschädlich sei, wenn der Richter,
obwohl von ihm gemahnt, ihm doch bis zum nächsten
Dinge nicht „des Briefes gehilft" ; in diesem Falle wird
den Parteien ein anderer Tag beschieden. Der Verzählte
wird inzwischen wieder in Haft gebracht (Kap. XXII
§ 3 vgl. XVIII § 2. XXVI § 3. XXVII § 12).
Wird der Richter rechtzeitig d. h. am Tage vor dem
nächsten Dinge (des tages alsc he des anderen ia(/es vol-
Immen sal Kap. XVIII § 2. XXVI § 4) vom ' Kläger
gemahnt, so muls er seinerseits den Bürgermeister mahnen,
dals er den Brief zu Dinge bringe (Kap. XVIII § 2).
ß') Planck I, 762 ft'. Über den sehr weiten Bciiiift' der liand-
haften That im Freiherger St.-li. s. v. Kries, Der ]5e\veis im Straf-
prozefs des Mittelalters (Weimar 1878) S. 171 ff.
«^) Vergl. Sachs. Landrechtl, 68i;5. Frensdorff S.XNlii.Lli.
"") binnen dinges Kai). ^XTT t^ .". ab hc iz da nicht gefiin
mac -Kap XXVi ij ;3.
22 Hubert Ermiscli:
Wird der Brief vorgelegt, so soll ihn der Richter laut
lesen lassen (Kap. XVIII § 3); die Parteien können,
wenn sie wollen, zu dieser Verlesung Boten bitten, die
dann über den Inhalt ein giltiges Zeugnis ablegen können.
Steht in dem Briefe, dafs der Beklagte des Klägers Ver-
zählter wegen Raubes oder Diebstahls sei, so braucht man
nur noch durch Urteil des Büttels die Art der Hin-
richtung bestimmen und dieselbe vollstrecken zu lassen
(Kap. XXII § 4).
So genügte also der einfache Beweis der Verzählung
zur Verurteilung des ergriffenen Verzählten oder richtiger
,.zur gerichtlich ausgesprochenen Ermächtigung des Klägers
zur Vollstreckung des früher bereits provisorisch aus-
gesprochenen Toclesurteils" '^").
Ebenso war der Beweis mit dem Briefe zu führen,
wenn man dadurch der Verpflichtung zur Antwort wegen
Tötung oder Verwundung entgehen (Kap. XXVI § 3. 4.
XXVII § 12) oder wenn man dem Beklagten das Recht,
sich durch einen Vormund vertreten zu lassen, entziehen
wollte (Kap. XVIII § 2. 3); in diesen Fällen handelte
es sich nur darum, dals der Name des Betreffenden in
dem Briefe stand , auf die näheren Umstände kam es
nicht an.
Gelang es nicht, den angebotenen Beweis mit dem
Briefe zu führen, sei es weil der gesuchte Name sich im
Briefe nicht fand oder sei es auch nur, weil durch Schuld
des Klägers (insbesondere wegen nicht erfolgter Mahnung
des Richters) der Brief nicht rechtzeitig zu Dinge kam,
so erreichte der Beweisführer nicht l)loIs dasjenige nicht,
was er erstrebte — die Bestrafung des Verzählten oder
Befreiung von der Pflicht ihm zu antworten oder den
Verlust des Vormunds — , sondern mulste wohl stets auch
dem Richter hülsen. Handelte es sich um eine Kampf-
klage, der sich der Beklagte durch den Nachweis der
Verzählung des Gegners entziehen wollte, so betrug diese
Bufse 4 Schillinge (Kap. XXVII § 12). Wie hoch sie
in anderen Fällen war, giebt das Stadtrecht nicht an;
wahrscheinlich trat dann, wenn der Kläger den Beweis
der Verzählung nicht zu führen vermochte, die Bulse von
60 Schillingen ein.
Das Stadtrecht gedenkt, wie bereits oben erwähnt
wurde, mehrmals des Falles, dals einer, der an der burger
™) Planck II, 301.
Das Verzälileii. 23
hrive stet umme sine unvuge, aus einem anderen Grunde
als dem seiner Verzälilung freiwillig als Kläger oder
Beklagter vor Gericht erscheint. Bei den schweren
Folgen, die ihn treffen mutsten, wenn derjenige, dessen
Verzählter er war, die Gelegenheit benutzte, um ihn
festzunehmen, ist dies auffallend; wir müssen entweder
annehmen, dafs dem Verzählten manchmal freies Geleit
zugestanden wurde '^), oder dafs der Urheber der Ver-
zählung durch Entfernung, Krankheit oder Tod an der
Ergreifung des Verzählten behindert war.
Aber auch in diesen Fällen trafen den Verzählten
gewisse Rechtsnachteile. Dafs man ihm auf Klagen
wegen leichten oder schweren Friedensbruches nicht zu
antworten brauchte, wurde oben bereits erwähnt. Eine
weitere wichtige Folge der Verzählung, die selbst dann
eintrat, wenn die Eintragung in der Bürger Brief noch
nicht erfolgt war (s. o.), war der Verlust des Vor-
munds (Kap. XVIII § 1 — 3. XXVI § 5. 6. XXVII
§ 6). Besonders bei Klagen um Totschlag oder Wunden
war es nach den sehr eigentümlichen Bestimmungen des
Freiberger Stadtrechts von der grölsten Bedeutung, wenn
der Beklagte sich durch einen Vormund vertreten lassen
konnte; denn der Eineid des A'oimunds befreite ihn von
der Pflicht, dem Klägei- kämpf lieh zu antw^orten. Da
nun auch Frauen als Vormünder zulässig waren, wenn
sie den Beklagten „in ihrem Brote hergebracht" hatten
d. h. seine Ernährerinnen waren, und da Frauen bei der
Eidesleistung stets Holung hatten, also einen formell un-
giltigen Eid eigentlich gar nicht leisten konnten, so war
die Stellung eines Vormunds vielfach ein sicheres Mittel,
einer Klage wegen schweren Friedensbruchs zu entgehen
(Kap. XXIII). Diese Bestimmung, zu der mir eine
Parallele nicht bekannt ist, nmiste offenbar zu argen
Milsbräuchen führen, und es ist daher sehr begreiflich,
dafs sie später aufgehoben wurde '^)
Andere Nachteile trafen den Verzählten beim ge-
richtlichen Zweikampfe. Unser Stadtrecht ist eine
der interessantesten Quellen für dieses letzte der Gottes-
urteile, das sich bis in das spätere Mittelalter, ja darüber
'») Vergl. Planck TI, ;d»7.
'-) Dui'ch eine von don Landesliorreii am fi. März 137;^ bestä-
tigte Willkür: Auch sal kein man unibe toylshijv, unibe wunden
adir iimbe kn/nrn vrcde l'cync niayt adcr tcip zcu kri/nem Vormunden
kysen. Uß. 1, 94.
24 Hubert Ermiseh:
hinaus erbalten hat. Bei einem schweren Friedenshrnche,
der einen Totschlag oder eine einste VerAVundung' zur
Folge gehabt, stand zwar (wenn es nicht, was wohl meist
der Fall war, zum Sühneverfahren kam, vergl. Kap. XIV.
XV, oder der Thäter entfloh) dem A'erletzten oder seinem
Vertreter, wie es scheint, stets auch die „siechte klage",
die einfache Friedensklage frei (Kap. XXX § 3 vergl.
Kap. XXVII § 1.4), bei welcher der Beweis der Tliat
durch den Kläger und zwei Zeugen zu führen war (Kap.
VIII); aber dabei verfiel der Beklagte nur in eine mäisige
Geldbulse, und das entsprach in den meisten Fällen nicht
dem Reclitsbewulstsein des Klägers; daher Avurde diese
Form der Klage Avohl nur dann gewählt, wenn wegen
irgend welcher Formfehler die Kampf klage unmöglich
geworden. Denn der „ Kampf esgrufs" Avar das eigent-
liche Recht des Klägers bei schweren Friedensbrüchen.
Über das Verfahren im einzelnen, Avelches das Stadtrecht
Kap. XXVII sehr eingehend darstellt, ist hier nicht zu
handeln; wir erwähnen nur kurz, dals rechtzeitige Klage
beim Untervogt (Kap. XXVII § 1) , die Einheischung
des Thäters (ebenda § 5), die Besichtigung der Wunde
durch gerichtliche Boten und deren Zeugnis über ihre
Kampf Avürdigkeit , die Setzung von Bürgen durch den
Beklagten (ebenda § 7), die Erhebung des Geschreis, auf
Avelches die nochmalige förmliche Klage nebst dem Erbieten
zum Beweise durch Kampf folgte (ebenda § 11), und der
BeAveis der formellen Giltigkeit des Geschreis durch
7 Schreileute (ebenda § 13. Kap. XXX § 11. 12) die
wesentlichsten Voraussetzungen des BeAveises durch Zwei-
kampf Avaren. Der Verzählte hatte als Beklagter schon
bei diesem vorbereitenden Verfahren gewisse Nachteile;
abgesehen davon, dals er, wie Avir sahen, sich nicht durch
einen Vormund vertreten lassen konnte, brauchte der
Kläger ihm gegenüber keine Schreileute^ (Kap. XXVI
§ 5. 6), d. h. der BeAveis der handhaften That war ihm
erlassen. Bei dem eigentlichen Kampfe hatte er keinen
vorworchten (Kap. XXVI § 5. 6) d. h. er konnte nicht,
was eigentlich beiden Parteien zustand, einen (gewerbs-
mäfsigen) Kämpfer als Vertreter stellen'-'), sondern mulste
persönlich kämpfen. Endlich hatte er auch keinen griz-
warten ßonmtregerp'^); es waren dies die Sekundanten,
'3) Vergl. Kap. XXX § 11. Sachs. Landrecht I, 48 § 3.
■'*) Über rlie Thätig'keit des grizwarten vergl. St.-R. Kap. XXVII
§ 17. 18.
Das Verzählen. 25
die jedem der beiden Kämpfer zur Seite standen, ihren
„Baum trugen" d. li. eine Stange, durch deren A'orstolsen
der Kampf unterbrochen wurde; dieselben hatten das
Eecht, den Kämpfer dreimal vor einem tötlichen Stiche
oder Schlage zu beschützen. Die Lage des Verzählten
beim Kampfe war also eine erheblich ungünstigere als
die seines Gegners. Unterlag er aber (Kap. XXVI
§ 5. 6), so traf ihn in jedem Falle die Todesstrafe, die
sonst dem besiegten Beklagten nur dann drohte, wenn
es sich um einen Totschlag handelte, während auf Ver-
wundung nur Verlust der Hand stand (Kap. XXVII § 19).
Als Kläger bei der Kampfklage konnte der Ver-
zählte nur in Frage kommen, wenn auch sein Gegner am
Briefe stand; sonst genügte der Nachweis der Verzählung,
um den Gegner von der Pflicht der Antwort zu befreien :
denn an einem Verzählten konnte man ja keinen Frieden
brechen (s. o.). Standen aber Kläger und Beklagter am
Briefe, so hatten sie auch beide „Briefesrecht" d. h. keinen
Vormund, keine Schreileute, keine Yorworchten und keine
Grieswarten, und dem Unterliegenden ging es stets an den
Hals (Kap. XXVI § 6) — also selbst dann, wenn er
der Kläger war, in welchem Falle sonst nur eine Bufse
entrichtet wurde (Kap. XXVII § 19). —
Der Bereich, innerhalb dessen die Verzählung galt,
ist ohne Frage das Gebiet des Stadtgerichts d. h. nicht
blols die Stadt, sondern auch die sie umgebenden Berg-
baubezirke. Denn diese gehörten zur Stadt; auch dort
war der Rat die oberste Behörde (Kap. XLVIII § 1);
w^er in Freiberg ansässig war, hatte auch die Rechte
des Ansässigen auf dem Gebirge (Kap. II § 10) und
dergleichen mehr-'). So war hisbesondere das Stadt-
gericht auch für die Bergleute kompetent: Klagen gegen
Ansässige mulsten sie in der Stadt vorbringen und eben-
dort auf Klagen dieser antworten (Kap. II i; 10. 11);
der Stadt richter zwingt Zeugen, die auf dem Gebirge
ansässig sind, zum Erscheinen (Kap. XXIX § 4. XXXVII
§ 7). Die Gerichtsbarkeit des Bergmeisters und der Berg-
richter, seiner Vertreter für entferntere Bergwerke, war
auf privat- und strafreclitliche Fälle beschränkt, die un-
mittelbar mit dem Beigbau zusammenhingen; so hatte er
auch über Frevel, welche sich bei einem im Betriebe befind-
■'■•) Vergl. die Zu.sammen.^^tellimgen UT?. IT, XXXT. Ennisili.
Das Sachs. Bergrecht des Mittelalters S. XXXIX.
26 Hiibert Ermiscli:
liehen Bergwerke in der Grube, an der Hängebank oder
in den Kauen ereigneten , zu richten (Kap. XXXVII
§ 1—3). Entzogen sich in diesen Fällen die Schuldigen
dem Richter, so erfolgte auch im Berggerichte ihre Ver-
zählung; auch dort gab es einen „Brief", an welchen sie
gesetzt wurden. Aber die Verzähl ung hatte zugleich für
die Stadt Geltung (vergl. Kap. XVIII § 1). Die Namen
der Verzählten waren „mit der Schrift" dem Rate mit-
zuteilen, und dieser liels sie an den Bürger Brief setzen"").
Ganz unerörtert lälst das Stadtrecht die Frage, in
welcher Weise man sich aus der Verzählung ziehen konnte.
Dafs dies möglich war, unterliegt keinem Zweifel und
wird durch die spätere Praxis bewiesen. Wir kommen
weiter unten auf diesen Punkt zurück. ■ —
So trat in der Entstehungszeit des Stadtrechts (Ende
des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts) die Verzählung
in Freiberg, entsprechend der Verfestung gleichzeitiger
Rechtsquellen, nur bei schweren Verbrechen ein, war
aber dann nicht blols eine prozessualische Zwangsmafs-
regel gegen den dem Gerichte sich entziehenden Be-
klagten oder eine Strafe der contumacia, sondern geradezu
eine Verurteilung des abwesenden und als überführt
geltenden Thäters oder kam wenigstens in der Wirkung
einer solchen vollkommen gleich").
Auf demselben Standpunkte steht eine in mehr als
einer Beziehung interessante Willkür des Freiberger
Rates vom 24- Juni 1305^^). Die Kodifikation des Stadt-
rechts, mit der man um 1294 begonnen hatte, mochte um
diese Zeit ihren Abschluls erreicht haben ^■'), als aulser-
ordentliche Verhältnisse, ohne Frage Folgen der damaligen
Fremdherrschaft, zu einer Reihe von Ausnahmemalsregeln
nötigten. Geschworne Ratleute waren damals wegen
ihrer Treue gegen die Landesherren und die Stadt ver-
räterisch ermordet worden. Um Frevelthaten der Art vorzu-
beugen, wurde ein ausnahmsweise strenges Verfahren gegen
solche, welche ein Mitglied des Rates verwunden oder
töten würden, eingeführt. Wer wegen einer solchen That ver-
'«) Bergrecht A § 3. Klotz seh S. 45 f. versteht die Stelle
falsch. Das Verzahlbuch bietet ver.schiedene Beispiele, z. B. B
No. 161. 442.
") Vergl. Meyer, Strafverfahren gegen Abwesende S. 82.
Planck II, 291.
'^) ÜB. I, 43.
'■■') Erniisch, Das Frb. Stadtrecht S. XVIIl.
Das Verzählen. 27
klagt wurde, hatte — ebenso wie der Verzählte (s. S. 128)
— keinen Vormund; er durfte ferner keinen Bürgen
stellen. Der Beweis durch Zweikampf, das regelmälsige
Verfahren bei Klagen um Wunden und Totschlag, war
nicht nötig; eine AViderrede (Verteidigung) des Beklagten
fand nicht statt. Der Kläger überführte ihn vielmehr
mit dem blolsen Eide, bei welchem ihm sogar Formfehler
nicht schaden konnten und zu dem er mithin keine Boten
behufs Ablegung eines Zeugnisses über die formelle
Griltigkeit brauchte. So war die Verurteilung des Be-
klagten, wenn er im Gericht erschien, schlechterdings
sicher; die Strafe aber, mit der er bedroht wurde,
war stets, auch bei Verwundung, auf die sonst nur der
Verlust der Hand stand, die Todesstrafe. Stellte sich der
Thäter nicht — und er wird unter diesen Umständen
dies sicher freiwillig nie gethan haben — , so wurde er
„nach der Stadt Recht" verzählt und zwar auf hundert
Jahre und einen Tag, eine Frist, die in Freiberger Rechts-
quellen hier zuerst angegeben wird^^"); er soll binnen
dieser Zeit nhnnwr genade vindin noch uze der veste
gelasin iverden ivedir von uns und von allin den, die
nach uns gestuorne werden, binnen hnndirt jaren: also
eine Aufhebung der Verzählung, die sonst wohl häufig
vorkam, vielleicht die Regel bildete, war ausgeschlossen.
Beachtenswert ist ferner, dals im Gegensatz zu dem, was
wir oben über die vermögensrechtlichen Folgen der Ver-
zählung sagten, in diesem Falle eine Konfiskation des
Vermögens mit ihr verbunden war:
Waz oiu'h derselbe vorveste hinrlir ime lezit in dei' stat an
eig'in, an erbe, an varndir halie adir nffe gebii'ge adir in Imttin adir
wa he iz hat, da daz gerichte in die stat gehorit, daz sal der stat
czu Vriberc sin. Unde waz he lehengutis hat, daz sal sinen herrin
ledic sin, von den he iz hat. Desselbin gutis uiugin die geswornin
bürgere des totiu adir des wundin mannis kindin adir sinem wibe
gebiu, wi vil .si wollin, daz stet an in.
Während sonst allein der Kläger berechtigt war,
seinen Verzählten festzunehmen, wird in unserem Falle
jedem, der den A'erbrecher lebend oder tot einbringt oder
"ihn tötet, die hohe Belohnung von 'M) Mark ausgesetzt.
Erschlugen oder verwundeten der angegriffene Ratsmann
oder seine Helfer den „Anfertiger" oder dessen Helfer, so
brauchten erstere auf keine Klage deswegen zu ant-
worten, wenn der Ratmann die Sache auf seinen FAd
^'•) Sie kommt aucli sonst vor, s. unten S. .^5.
28 Hubert Ermiscli:
imlim, vielmehr mulsten die verwundeten Angreifer bei
Lebensstrafe Stadt und Land räumen, bis sie der Eat
mit Einwilligung des Angegriffenen zurückrief. Diese
Strafe des Versuchs dürfen wir vielleicht für den ersten
Fall einer Stadtverweisung im Gegensatz zur Verzählung
ansehen. — An Belegen dafür, dals diese Bestimmungen
jemals in Anwendung gekommen sind, fehlt es ganz; sie
mügen wohl bald, nachdem durch die Rückkehr des recht-
mäfsigen Herrschers geordnete Zustände in Freiberg ein-
getreten waren, in Vergessenheit geraten sein.
B. Das Verziilileu iiacli den späteren Freiberger
Quellen.
So gut Avir über das Verzählen in seiner älteren
Form durch die eingehenden Bestimmungen des Stadt-
rechts unterrichtet sind, so fehlt es uns doch völlig an
Beispielen von Anwendung dieser Bestimmungen. Es
mag dies damit zusammenhängen, dals die grofse Feuers-
brunst, welche Freiberg am 17. März L375 heimsuchte,
auch das Dinghaus und wahrscheinlich die in demselben
aufbewahrten Bats- und Gerichtsbücher zerstörte*^); das
älteste ..vorhandene Stadtbuch beginnt mit dem Jahre
1378. Über die Zeit nach diesem Jahre stehen uns um-
gekehrt nur wenig statutarische Nachrichten, aber eine
um so reichere Fülle von Belegen für die Praxis zu
Gebote.
Diese Belege bietet uns das im 3. Bande des Frei-
berger Urkundenbuchs abgedruckte Verzähl buch der
Stadt Freiberg^-). Da wir über seine äulsere Form
in dem Vorberichte zu jenem Bande ausführlich gehandelt
haben, so beschränken wir uns hier auf wenige Be-
merkungen. Das Buch zerfällt in zwei ungleiche Teile.
Der erste, von mir mit A bezeichnet, ist als ein um 1423
angefertigter Auszug aus einem älteren Verzählbuch an-
zusehen, das bald nach jenem Stadtbrande angelegt und
wohl nach Überschreibung der noch nicht erledigten Ver-
merke in das neu angelegte Buch vernichtet worden sein
mag; die 108 Einträge dürften sämtlich in die Zeit von
ca. 1375 — 1405 zu setzen sein. Der zweite Teil besteht
*i) ÜB. I, 94. III, XXX f. Ermisch, Freiberger Stadtrecht
S. LXTII. f.
*'-) Ich eitlere die beiden Teile desselben mit A mid B.
Das Verzählen. 29
aus Originaleinträgen, die anfangs undatiert sind, während
später durch Beifügung der jeweiligen Bürgermeister meist
eine ziemlich genaue Zeitbestimmung möglich gemacht
ist. Diese Einträge beginnen um 1404 und reichen bis
etwa 1472; es sind bis dahin nicht weniger als 1874
Nummern. Dann folgen nach einer grölseni Lücke, die
vielleicht darauf deutet, dafs um 1472 ein neues Yerzähl-
buch angelegt wurde, noch 126 Einträge aus den Jahren
1505 — 1517, die wir in unsere Ausgabe nicht mit auf-
genommen haben, weil sie aulserhalb der Zeitgrenze des
Urkundenbuchs liegen.
Vergleichen wir diese Quelle mit den einschlagenden
Abschnitten des Stadtrechts, so zeigt sich auf den ersten
Blick eine sehr erhebliche Verschiedenheit zwischen den
Bestimmungen dieses letzteren und der im späteren Mittel-
alter geübten Praxis: eine Verschiedenheit sowohl hin-
sichtlich des Anwendungsgebietes der Verzählung, das
sich bedeutend erweitert hat, als hinsichtlich ihrer Wir-
kungen, die offenbar viel milder geworden sind. Wie
sich der Begriff des Verzählens in verhältnismälsig kurzer
Zeit so gewandelt hat, vermögen wir im einzelnen nicht
nachzuweisen. Aber als eine wesentliche Ursache dieser
Wandlung glauben wir die Vermischung der Verzählung
mit einer anderen strafrechtlichen Institution, mit der
Strafe der St adtver Weisung, bezeichnen zu können.
Auf diese und die mit ihr in nahem Zusammenhange
stellende Urfehde müssen wir daher zunächst eingehen,
bevor wir unsere Untersuchung fortsetzen.
1. Stadtverweisung und Urfehde.
Die Stadtverweisung"^-') war ein in den Städten
namentlich während des späteren Mittelalters häufig an-
gewandtes Strafmittel für gröisere wie für geringere Ver-
brechen. Sie war also im Grunde durchaus verschieden
von der Verzählung oder Verfestung. Was bei der Ver-
weisung selbständige Strafe war, die Entfernung aus dem
Stadtgebiet, war bei der Verzählung, bei der es sich um
eine über den Abwesenden verhängte Strafe handelte,
die vollstreckt wurde, sobald man ihn ergriff", lediglich
eine Folge dieses Kontumazialurteils, ja ein Mittel, der
Strafe zu entgehen. x\ber die nächsten Wirkungen der
^3) Vcrgl. Frensdovff S. LXXXIX ff. Frauenstädt iinlcr
Ztsehr. f. Strafrechtswis.senschai'r, X, J6 ff.
30 Hubert Ermisch:
Verweisung' und der Verzählung waren dieselben, und es
ist daher wohl begreiflich, dals es an Verwechslungen
zwischen beiden nicht fehlte^*).
Ein Beispiel für die Anwendung der Verweisung als
Strafe haben wir in Freiberger Quellen bereits aus dem
Jahre 1305 nachgewiesen*"*). Unser Verzählbuch enthält
neben den wirklichen Verzälilungen abwesender Beklagter
und ungesondert von ihnen auch zahlreiche Verweisungen
und Urfehden *^) ; andere sind in die Stadtbücher ein-
getragen worden, ohne dals ein bestimmter Grund er-
kennbar wäre, aus welchem die Eintragung hier oder
dort erfolgte. Eine Verweisung und keine Verzählung
liegt ohne Frage vor, wenn die Formeln lauten : NN. hat
vorstvoren di stat (daz lant, gehirye u. dgl.)^') oder di
hurger (und der ohirste voit) haben voritiset, haben lassen
vorivisen, uß der stat wisen und ähnlich*^), haben di stat
vorsaget^^), NN. sal die stat mgden^^), rewmen^^). In
allen diesen Fällen war die Stadtverweisung eine Strafe
gegen anwesende Verbrecher, wie sich schon aus dem
Eide ergiebt, mit dem sie versprechen müssen, die Stadt
nicht wieder zu betreten^-). Mit diesem Eide ist meistens
das Gelöbnis der Urfehde verbunden.
Die Urfehde^^) (urfede, orvede, urfride, orvrede)
war das eidliche Versprechen, sich für erlittenes Gefäng-
^) Vergl. 31 e y e r , Strafverf. S. 64. B i e n k o S. 75 ff. F r e n s -
dorff S. XXIII f. XC. Planck II, 309 f.
*•') Oben S. 28. Ein nocb älteres Beispiel aus unserer Gegend
bietet eine Bündnisurkunde der Reichsstädte Altenburg-. Chemnitz
und Zwickaa von 1290 oder 1291 (Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, 3); Si
quis Omnibus Ms contraire jrresnmpserif, a loco suo et civitate
tarn diu proscribi (lebet, qiiousque ab ejusdem loci judice et consu-
libus rcvocetur.
^•5.1 Genau ebenso der Rostocker Über proscript. Mecklenb. Ur-
kundenbuch V. XV, das Stralsunder Verfestungsbuch Freus dorff
S. XV.
87) A 83. 86. 92. B 372. 566 (vergl 967). Stadtbuch II (im
Frbg. ÜB. III) No. 49. 51. 57. 104.
»^) A 7. B 212. 240 367. 368. 423. 509. 510. 515. Stadtb. II
No. 351.
s») Stadtb. II No. 375. 403.
9«) B 228.
"1) B 1642 (vergl. ÜB. I, 44).
»2) Wenn es einmal heifst: N. N. ist von der statt entrvichen
(B 511), so bedeutet das wohl heimliche Flucht, die durch die Ein-
trngung ins Verzählbuch in Stadtverweisung verwandelt wurde.
"■') Vergl. Frensdorff S. XVU ff.
Das Verzählen. 31
nis^*) oder sonstige Strafe^') nicht rächen zu wollen. Sie
wurde daher auch dann gelobt, wenn jemand imschuldig
in Haft gesessen hatte '"'**j. Nicht blofs in diesen Fällen,
sondern auch in vielen anderen, in welchen der Urfehde
eine Begnadigung vorangegangen war, blieb der Schwö-
rende in der Stadt'*'); in anderen ist die Begnadigung
ausdrücklicli hervorgehoben"*^) oder man kann sie daraus
schlielsen, dals die Verweisung nicht ausgesprochen ist ^");
es kommt wolil vor, dals der Betreffende sich gleichzeitig
zu Leistungen für die Stadt verpflichten muiste, z. B. zu
Heerfahrtsdiensten ^*^'*) oder zu Zahlungen ^''^).
Besonders häufig aber wurde Urfehde geschworen
bei Verweisung aus der Stadt ^*'"-), der dann wohl regel-
mälsig eine Haft vorhergegangen war. Die betreffenden
Einträge erwähnen entweder ganz kurz die Thatsache,
dals der Betreffende „orfede", „rechten urfede" geschworen
habe, oder geben die Formeln, unter denen dies geschehen,
mehr oder weniger vollständig an^^'^). Auch wurden wohl
Abschriften der ausgestellten Urfehdebriefe in die Stadt-
bücher aufgenommen ^'^^j. In allen Fällen wurde die Ur-
fehde nicht blols der Stadt, in deren Gefängnis der
Schwörende gesessen , und ihrem Gebiete, sondern auch
den Landesherren als der Gerichtsherrschaft gelobt.
91) A 53. B. 1865. Stadtb. II No. 67. 181. 324. 351. 357. 358.
374. 538 u. ö.
"•■*) z. B. Stadtb. III No. 7.
9ö) Stadtb. II No. 413. 516.
^'i sed non debet vitare civitatem Stadtb. II No. 375.
98) z. B. ebd. 324. 374.
»9) z. ß. B. 1865. Stadtb. I No. 72. Stadtb. II No. 107. 254.
^'^) z. B. Stadtb. II, 181 ; vergl. die Anmerkungen zu B 1013. 1031.
i"i) Stadtb. [I No. 78 (?).
J02) z. B. A 83. 86. 92. B 228. 240. 372. 423. 566. 967. 1539.
1642. Stadtb. II No. 51. 57. 104. 351. 375. 448. 449.
'^^) Z. B. A92: das sie nymant mit iv orten noch mit weryken
darumbe vordenjjken ivollen. B 372: gesworn eynen rechte urfede im-
sern herren und allen iren landen unde luten nymmer kein argis zu
gesachen noch gedenken also von des urhabis ivegen u. s. w. B 967 :
also daz sie iveder unser hern, alle ire landt, unser stat Fribcrgk unde
ire ymvoner nymmer gethnn tvollen nach sie yefeden mit teerten 'nach
mit ivercken unde globet sich noch diesim heutigen tage von der stat
wenden tvollen u. s. w. B 1642 : alle, die eyn der stat unde czu
der stat gehören, unde alle die, die her eyn rordechtcniß unibe der
Sachen ivllten kette, sie nymmermehr zu gefeden noch en kein argis
zu thim, sunder die sache vor eyne gancze gerichte sacke zu halden
unde yn arge nymmermekr zu gedengken .
'■"1) Stiidtl..' r. Xo. 324. 351. 375.
32 Hubert Ennisch:
Regelmäfsig ist mit dem Gelöbnis der Urfehde die
Stellung von Bürgen verbunden, die ebenfalls Urfehde
schwören. Ihre Zahl schwankt sehr; die höchsten Zahlen,
die mir begegnet, sind IS^*^"'), 11^"*^}, 10'""); meist sind
es weniger, einmal sogar schwört mit dem V^erwiesenen
nur einer (wohl sein Bruder), dals er im Fall des Bruches
der Urfehde 30 Schock Groschen an den Eat und 30 an
die Landesherren zahlen wolle ^*''').
Wer die gelobte Urfehde brach, hatte wohl regel-
mäßig sein Leben verwirkt und wurde, wenn er sich der
Strafe entzog, auf den Hals verzählt^"'*). —
Die Verweisung wurde selten allein vom Rate ver-
hängt; in der Regel wird der Mitwirkung des obersten
Vogtes oder Hauptmanns, des Vertreters des Landes-
lierrn, gedacht"*^) ; manchmal erscheint sie auch als eine
von den Landesherren allein ausgehende Strafe, die der
Rat nur registrierte und dadurch zur Vollstreckung
brachte ^^^). Meistens trat sie an die Stelle einer Leibes-
strafe, hatte also die Bedeutung einer Begnadigung; so
wenn der gefangene Dieb'^-), dem nach dem Stadtrecht
der Galgen gebührte, oder der Mörder ^^■^) verwiesen
wurden. Ln Urfehdeeide wird wohl auch ausdrücklich
der Charakter der Verweisung als eine Begnadigung
hervorgehoben; so bekennt Matthis Legeier, der wegen
einer Beleidigung des Rates gefangen sals, darumbe sie
mich an mynem liebe tvoldin gestraffit haben, dafs der
Rat die Strafe umbe bete ivillen myner hern und friinde
in gnade geivand und mich uz und von der stat Frieberg
umbe solche myne boßheit vonvieset habin^^^). So kommen
Verweisungen wegen der mannigfachsten Vergehen vor;
es hat kein Interesse, sie einzeln aufzuzählen.
Die Fälle, die wir bisher erwähnten, sind sämtlich
solche, in denen es sich zweifellos um eine Strafe gegen
^ö») ß 18^5. Unter ilmen ist Jac. Hartuscli, der Grundherr
von Pretschendorf, ans welchem Dorfe der Missethäter wahrsclieiu-
lich stammt; dieser hat aber nur mit underscheit glohet, das em
sollich globde nicht zu schaden kommen solle.
'*Ö Stadtb. II No. 375.
10') Ebenda No. 57.
10^) Ebenda No. 490.
10») A iS3.
"0) Beispiele s. u. S. 40.
ii>) z. B. B 372. Stadtb. II No. 481.
"2j B 212. 368. 967. Iä39.
"3) A 83.
1'^ Stadtb. II No. 351, äbnlicli No. 375.
Das Verzählen. 38
im Gericht anwesende, vielfach sogar in der Haft des
Kats befindliche Übelthäter handelte; damit stimmen die
gebrauchten Formeln völlig überein. Indes ist nicht
selten auch dann thatsächlich die Stadtverweisung ge-
meint, wenn von einem Verzählen des Verbrechers die
Rede ist. Darauf deutet schon die Verbindung beider
Ausdrücke: Die burger haben laßen vorczeln und ^iß der
stad ivisen (A 7), Jiaben vorczalt und voriueist (B 184.
185) ; doch könnte man diese Einträge dahin verstehen
wollen, dals die Verweisung hier die gegen einen Ab-
wesenden verhängte Strafe sei. Völlig klar, dals es sich
um eine gegen den Anwesenden gerichtete Strafe handelt,
ist es aber, wenn ein auf handhafter That ergriffener
Beutelschneider aus Stadt und Land ewiglich „vorczalt"
wird, nachdem ihm die Ohren abgeschnitten worden sind
(B 177); oder wenn ein vormals Verzälilter, der das
Weichbild betreten hat, nunmehr nach geleisteter Urfehde
auf 4 Meilen von der Stadt vercmlt wird (B 178), oder
wenn die Bürger Hans Tathan wegen Schmähungen
gegen die Stadtobrigkeit, die er selbst vor dem Rate
eingestanden hat, verzählen lassen (B 60).
Eine Reihe von anderen Fällen, in denen es sich
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um eine Verzählung im
Sinne des Stadtrechts , sondern um eine Strafe gegen
Anwesende, eine Verweisung, handelt, ergiebt folgende
Beobachtung.
Bei der Verzählung des Stadtrechts wurde weder
ein Gebiet angegeben, innerhalb dessen sie gelten
sollte — als solches sah man wohl das des Stadtgerichts an
(s. 0. S. 25) — , noch eine Zeitdauer, weil die Verzählung,
wenn nicht gütliche Vereinbarungen stattfanden, nur
durch Ergreifung und Hinrichtung des Klägers ihr Ende
fand. Bei der Verweisung dagegen wurde häufig das
Gebiet und ab und zu auch die Zeitdauer bezeiclniet''").
So kommt eine Verweisung auf eiup. Meile vor'"'); be-
sonders häufig ist die Verweisung auf 4 Meilen von der
Stadt"'): dieses Gebiet galt als deren nähere Umgebung,
was sich auch darin zeigt, dals die innerhalb desselben
"''•) Analogien bei Oseubrüggen. Hausfrieden S. i'(j.
"6) Stadtb. II No. 49.
"') A92. B 184. 185. 212. 240 42:3. 509. 967. 1539. Stadt 1.. II
No. 104. 4();5. Eiunial wird dem auf vier Meilen Verwiesenen iler
Aufenthalt in Sayda ansdrücklirh i^rstnttet. i'lid, No. :?■')].
Neues .Vichiv f. !^. Li. u. A. Xlll. 1. ,'. 3
34 Hubert i^rmisch:
Wohnenden nach Stadtrecht (Kap. III § 4 vergl. V § 39)
nicht als Gäste in gerichtlicher Beziehung- zu behandeln
waren. Ferner finden sich Verweisungen aus Stadt und
Land (A 86), aus „unser Herren Land und Gebirge"
(A 83 vergl. Stadtb. 11 No. 51), aus Stadt, Fliege der
Vogtei und Gebirge (B 372), aus „alle unser Herren
Land und Gebiete" (B 566) und dergleichen mehr. Ebenso
aber kommen im Verzählbuche auch häufig Entferinings-
angaben vor, wenn von „Verzählung" die Rede ist; so
lielsen die Bürger verzählen auf eine Meile von der Stadt
(B 205), auf zwei (B 252), drei (B 1329. 1330), meist
aber auf vier Meilen (B 163. 201. 210. 224. 364. 524.
984. 1036. 1098, 1325); auch einmal auf zwanzig Meilen
(B 1531), was natürlich nicht wörtlich zu verstehen ist.
Ferner wird verzählt von der stad und von dem iveig-
büde (B 1656), von der stad und von unser herren gehirge
(B 258, ähnlich 1128. 1572), in dem ivighäde, in dem lant-
gerichte unde uff aller unser hern gehirge (B 328j, aus
Stadt- und Landgericht fB 121), uff der stad gerichte
und des spetals gerichte (B 191), ujf allen gutern des
spetals (B 578). '
In allen oder doch den meisten angeführten Fällen
darf man wohl annehmen, dals es sich nicht um Ver-
zählungen im Sinne des Stadtrechts , sondern um Ver-
weisungen handelt; die Möglichkeit, dals solche auch über
abwesende Beklagte verhängt wurden, ist ja allerdings
nicht .ausgeschlossen.
Ähnlich ist es, wenn eine bestimmte Dauer angegeben
wird. Wir finden einmal eine Verweisung auf 6 Jahre
(Stadtb. II No. 449). Ebenfalls als Verweisungen müssen
die Verzählungen auf Jahr und Tag gelten, die einige
Male vorkommen, meist mit Angabe des Bereichs, inner-
halb dessen sie gelten sollen (B 1098. 1329. 1572) i^^).
In einem Falle, in welchem ein bereits Verzählter, der
ohne Erlaubnis in die Stadt gekommen, nunmehr auf Jahr
und Tag verzählt wird (B 1375), erscheint dies, wie
sonst die Verzählung auf 4 Meilen (B 178), als eine Ver-
schärfung der gewöhnlichen Verzählung, deren Dauer
hiernach in der Regel eine kürzere war.
^'^) Vergl. auch eine um 1480 entstandene Willkür , nach
welcher jeder, der die Gelegenheit, einen Mörder zu ergreifen oder
einen Mord zu verhindern, versäumt, ein Jahr aus der Stadt verczalt
sein soll. ÜB. I. 640.
Das Verzählen. 35
Ziemlich häufig sind Verweisungen auf ewig"^)
(nymmvr dorijn czu komen, ctvifjlidien, dy iveijh er lehit
u. dergl.j. Eine Verzähking auf hundert Jahre und einen
Tag, ein oft vorkommender Ausdruck^-"), der in der be-
liebten Redeweise deutscher Eechtsquellen den Begriff
des Ewigen umschreibt, kommt schon, wie wir oben sahen,
in einer Urkunde von 1305 und dann in der Polizeiord-
nung von etwa 1480 vor^-^); in beiden Eällen wird der
flüchtige Mörder damit bedroht, es handelt sich also um
eine wirkliche Verzählung, die als unwiderruflich hin-
gestellt werden soll. Im Verzählbuch finde ich nur ein
Beispiel flu' diese Redewendung (B 1531).
Eine eigentümliche Anwendung des Ausdrucks ver-
czeln mag bei dieser Gelegenheit noch angeführt werden.
Wegen Beleidigung des Rates und des Stadtvogts lassen
die Bürger einmal den Peter Koler auf das Meilsnische
Thor verzählen und wegen eines ähnlichen Falles den
Mattis Wayner auf das Erbische Thor (B 32. 40). Dals
es sich um Frevler handelte, die sich in den Thorturm
geflüchtet und von hier aus dem Gericht nicht gestellt
hatten, ist gewils nicht wahrscheinlich; vielmehr scheint
mir auch in diesem Falle die Verzählung mit der Ver-
weisung sich zu berühren und der Eintrag auf eine Haft
von unbestimmter Dauer d. h. bis zur Zahlung einer an-
gemessenen Buise zu deuten '").
Auch aulserhalb Freibergs wurde im späteren Mittel-
alter verzählen und verweisen als gleichbedeutend ge-
braucht. Eine landesherrliche Urkunde für Zwickau vom
7. März 1463^-=^) bestätigt eine städtische Willkür, nach
welcher man den, der sich des Bruches eines Ehever-
1"^) B 312. 423. 566. 1237. (Hier ist dem Eintrag über die Ver-
zählung- Trebels nachträglich der Satz hinzugefügt worden: Der ist
vorvvist ewiglichen.)
120) Grimm, Kechtsaltertümer S. 225. Osenbrüggen, Haus-
frieden S. 56. Planck II, 309 f. A>rgl. Reehtsb. nach Dist. V,
27 d. 2. Ein Beispiel aus Leipzig (1361) Cod. dipl. Sax reg. II 8
38, vergl. II 5, 52. Nach dem ungedruckten Zwickauer Stadtrecht
von 1348 fol. 31'' soll der Meineidige 100 Jahre und 1 Tag räumen,
„darnach mag er wol wider buiger werden, hat es im got beschert,
ob er wil."
i-'j ÜB. I, 640.
1-"^) Auch nach dem un^cdrucktcn Zwickaucr Stadtrocht
soll der, welcher zu wachen und zu zirkeln versäumt, 5 Schilling
Heller geben und 8 Tage auf einem Thore liegen , daz er nyinndr
davon sol kumen, uf tvdchcm tor in di bunjer heisen.
12-i) Klotz seh, Das Verzellen S. 16S tf.
36 Hnbeit Ermisclir
Sprechens schuldig machte, von der Stadt vorczelen sollte
uf zcelien m/jlen ewiclichen ane edle r/na de iryder inczu-
komen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dals es sich
liier nicht um eine Verfestung, sondern um eine Ver-
weisung handelt, und so ist die Stelle bisher auch stets
verstanden worden'-^).
Dafs man sich gleichwohl eines Unterschieds zwischen
Verzählen und Verweisen noch am Ende des 15. Jahr-
hunderts bewulst war, lälst ein beachtenswerter Prozels
erkennen, auf den wir schliefslich noch in Kürze ein-
gehend-'^). Hermann von Weilsenbach war im Jahre 1488
vom Rate der Stadt Freiberg verzählt worden, weil er
am S. Thomas Abend ein „Fals mit Feuer" auf seinem
Haupte in der Nähe des Schulhauses und des Hauses
von Jörg Alnpeck umhergetragen, also gegen die noch
im Jahre 1487 eingeschärften feuerpolizeilichen Vor-
schriften des Rates verstolsen hatte ^^"). Er hatte sich
dadurch in seiner Ehre gekränkt gefühlt und bei Herzog
Georg Beschwerde erhoben. Der Rat verteidigte sich:
das sollich ir fhun nit zu eyner voriveißunge gescheenn
unnd das sie hemeltenn Herman nicht vonveißt halenn,
sundern auß alte?' hcfraghunge gewonnheit unnd her-
komenn, das sie gedachten Herman vorzcalt in heken-
nenn gestandemi, sollicJie vorzcelunge nicht darumhe ge-
thann, das es Herman vonn Weissenhach seinen eren
ader gelimpf zu nahe ader zu vorklegnunge sein solle,
nachdem sie yn vorschy^mer zceit erbarnn unnd merck-
lichen ijersonenn, der ouch etdiche vom adel gewest, der-
gestalten gehanndelt unnd nyhe vorstandenn, das sich die-
selbenn in der iceiße, das es irenn eren zu nahen sein
solle, angetzogenn ader heclagt hettenn, unndivustenn ouch
vonn gedachtem Herman vonn Weissennhach nicht anders
danne als vonn einem frommen edelman. Darauf ent-
schied der Herzog : das gedachter Herman von Weissenn-
hach in . . . unnser stat Freihergk der gethanen vorczelung
halhenn frey ane vorhinderunge gleich einem andern
frommen edelmanne in zcymlicher unnd geburlicher weise
seinen handell unnd ujcindell hdbenn unnd gebruchenn
'^) Tob. Schmidt; Zwickaiier Cliroiiik II, 216. Klotzscb
S. 73 f. Herzog, Chronik von Zwickau II, 125. Vergl. auch den
Vermerk aus dem Frauensteiner Stadtb. oben S. 4.
125) Stadtb. III (ßatsarchiv Freiberg) fol. 42. 3L ö 11 e r . Theatr.
Freib. chron. II. 129. Klotzsch S. 30 ff. 16.5 ff.
12«) Vergl.' IIB. I. 125 fij 5\ III, 473 (4j 25).
Das Verzählen. 37
nmge. Dieser Vorgang ist deshalb interessant, weil er
einerseits zeigt, dals man noch damals offiziell die Ver-
weisung von der Verzähliing unterschied, dals die letztere
aber, ganz im Gegensatz zu der Auffassung des Stadt-
reclits, als eine leichte, durchaus nicht ehrenrührige Polizei-
mafsregel galt, die Verweisung jedoch als eine Strafe,
welche die Ehre des Betroffenen kränkte.
2. Voraussetzungen und Verfahren.
Dafs trotz dieses Festhaltens an einem Unterschiede
zwischen Verzählen und Verweisen die strafrechtliche
Praxis beides vermischte, dürfte sich aus dem Vor-
stehenden vollkommen klar ergeben. Es ist unmöglich,
diejenigen Fälle, welche eine über den anwesenden Be-
klagten verhängte, wenn auch nicht als ehrenrührig gel-
tende Verweisung enthalten, von denen zu scheiden, welche
eineVerfestung des dingflüchtigenVerbrechers aussprechen ;
die kurzen Angaben lassen nur selten mit Sicherheit er-
kennen, ob das eine oder das andere vorliegt^-'). Darauf
wird unsere weitere Darstellung Rücksicht zu nehmen
haben.
Trat in der Begel auch später das Verzählungs-
verfahren nur dann ein, wenn sich der Betreffende dem
Gerichte bez. der ihm drohenden Polizeistrafe entzog, so
kann doch das Ausbleiben des Beklagten nicht mehr als
notwendige Voraussetzung gelten.
Während ferner die Verzählung nach dem Stadt-
rechte , abgesehen von einer einzigen Ausnahme (S. G),
nur bei Verbrechen erfolgte, die an Hals und Hand gingen,
wurde sie später in ausgedehntester Weise auch bei Ver-
gehen angewandt, die lediglich mit ]^>ulsen bedroht waren.
Zwar fehlt es auch an Verzählungen wegen schwerer
Friedensbrüche keineswegs ; aber es ist bezeichnend, dals
der Ausdruck „Acht" hier mehr und mehr den Ausdruck
„Verzählen" verdrängt. Weitaus die meisten Fälle jedoch,
welche das Verzählbuch erwähnt, sind solche, bei denen
es sich um eine Verletzung der biiigerlichen Pflichten, der
Autorität des Stadtregiments, um Übertretung von Polizei-
vorschriften und dergleichen handelt. Die städtischen
Willküren, die im Anfange des 15. Jahrluniderts erlassen
'") Die Abwesenheit des Beklagten winl z. B. hervorgehoben
A i;i 4R. B (i71 ; vergl. auch flic zahlreiclicn Fülle von V(M-zählun<i-
wegen Nichtantwortens vor Gericht (unten 8. (ib f.).
38 Hubert Ermiscli:
wurden, bedrohen z. B, mit Verzälilung den, der in der
Stadt mit Pfannen leuchtet und Flachs dörrt, der Welt-
liche in weltlichen Sachen vor das geistliche Gericht
ladet, den Schmied, der den Sinder auf die Stralse
schüttet, den, der fremdes Bier einführt, den Brauer, der
die städtischen Brauvorschriften übertritt ^■-^). Aber dafs
sie gerade diese Fälle hervorheben, ist nur ein Zufall;
das Verzählbuch selbst beweist, dafs alle Vergehen gegen
die Stadt, kleine wie grolse, zur Verzählung führen
konnten, ebenso auch Vergehen gegen die Landesherr-
schaft und ihre Beamten, Bergwerksvergehen , kurz alle
Verstöfse gegen die öftentliche Ordnung, gleichviel ob
sie polizeilichen oder kriminellen Charakter trugen.
Wir geben unten eine Zusammenstellung, die den Beweis
hierfür erbringt.
Damit hängt ein weiterer Unterschied zusammen.
Während nach dem Stadtrecht eine Verzählung nur dann
eintrat, wenn der Geschädigte oder sein Vertreter gericht-
liche Klage erhob, also auf Privatklage '-^), erscheint im
Verzählbuch in weitaus den meisten Fällen der Rat der
Stadt Freiberg als derjenige, der „verzählen läfst"; die
von Privaten ausgehenden Verzählungen, die in den älteren
Abschnitten des Buches noch ziemlich häufig sind, werden
immer seltener und hören um 1443 ganz auf^'^*^).
Für die Verzählung auf Privatklage lauten die For-
meln: NN. hat laßen vorczeln (z. B. A 2. 5. 11. 24—34.
B 214), an den hrief setzen (z.B. A 4. 10. 75. B 274 f.
und fast regelmäfsig von 300 an), hat vorcmlt (z- B. A
73. 74. 108. B 126. 131), let verczelen (z. B. B 7. 16. 22.
66), hat in die achte bracht (z. B. B 619. 968. 989}, hat
yn die ochte bracht und an den brieff lassen seezen
(B 1115). Auch dann hat wohl eine Privatklage vor-
gelegen, wenn es (z. B. B 95) heifst: Die Imrger lassen
verczeln uff dy bicße Kasp. Beruirsdorf umme dry clayen
unde umme den frede von Pe. Schyckels tvegen des
czolners (vergl. B 182. 428. 854). Meist sind es schwere
oder leichte Friedensbrüche, Totschlag, Wunden, Frevel-
klagen, bei denen dem Privatkläger die Einleitung des
Verfahrens überlassen blieb und der Rat nur dann die
128) Yergi. Uß. I, 125 l§ 5. 6. 10). 127 .§ 6). 129.
^-"j Auch im Stralsunder Lib. proscript. erfolgt die Veifestung
meist auf Privatklage; nur ausnahmsweise erhebt die Stadt selbst
Klage. Frensdorff S. XLII f.
'••'0 Der letzte Fall ist B 1115.
Das Yerzälileu. 39
Initiative ergriff, wenn das Verbrechen an besonders be-
friedeten Orten stattgefnnden hatte; nur selten erfolgte
die Verzählung auf Privatantrag, wenn es sich um Nicht-
erfüllung eines Gelöbnisses, besonders eines Zahlungs-
versprechens (B 68. 287. 294. 295. 345. 376. 481. 482.
559), um Nichträumung eines dem Kläger gerichtlich
zugesprochenen Hauses (B 506) , um Verweigerung der
gerichtlichen Antwort (B 398. 400. 495) und dergleichen
handelte, weil in diesen und ähnlichen Fällen zugleich
eine Verletzung der Autorität des Rates vorlag, vor dem
das Gelöbnis abgelegt, von dem der Eäumungsbefehl, der
Befehl zur Antwort und dergleichen ausgegangen war
und daher in der Regel der Rat das Vergehen verfolgte;
diesem gebührte die Bulse für die Unbotmälsigkeit des
Beklagten, nicht dem Kläger, der lediglich die Erfüllung
des Versprechens verlangen konnte, während bei Erevel-
klagen u. dergl, neben dem Gerichte der Kläger zur Er-
hebung von Bulse berechtigt war, der Rat aber leer
ausging.
Wenn der oberste Vogt (B 155. 156), der Stadtvogt
(B 365), der Richter von Falkenberg (B 119) wegen
Totschlag und Wunden verzählen lassen, so ist wohl an-
zunehmen, dals dieselben in Vertretung des Verletzten
Klage erhoben haben (s. o. S. 6).
Meist aber beginnen die Einträge im Verzählbuch
mit den Worten: Die hurger (unser kern, mine herren)
hahin laßin rorczeln, laßen vorcsehi, setzen an den hrieff,
cives proscribunt u. dergl. m., und dann ist wohl in der
Regel — denn manchmal mag eine Privatklage auch
dann vorgelegen haben, wenn sie nicht ausdrücklich er-
wähnt ist — anzunehmen, dafs der Rat das Verfahren
einleitete; und in der That handelt es sich fast durchweg
um eine Verletzung seines obrigkeitlichen Ansehens, um
Ungehorsam gegen seine Gebote, Nichtausführung vor
ihm abgelegter Versprechen u. dergl. Dahin gehört auch
der Bruch des Friedens an solchen Orten, die als be-
sonders befriedet galten, wie das Rathaus, das städtische
Weinhaus, das Frauenhaus ; auch Hausfriedensbrüche, ja
nach und nach den Bruch des städtischen Friedens über-
haupt rechnete man dazu. Selbst wegen Diebstahls er-
folgte schon nach den frühesten Einträgen die Verzähl-
ung durch den Rat (A 20. 23. B 694. 1354. 1679). Die
Autorität des Rates scheint also mehr und mein- die
Privatklage zurückgedi^ängt zu haben; man zog die An-
40 Hubert Erraisch:
zeige beim Rate dem gerichtlichen Verfahren vor^-^^);
auch der Beweis wurde daher fast immer im Eate
geführt.
Erschien durch das Verbrechen nicht blols die Auto-
rität des Rates, sondern auch die des Landesherrn ver-
letzt, so erfolgte die Verzählung durch den Rat im
Auftrage des Landesherrn ^"^) und unter Mitwirkung
landesherrlicher Beamten. Zu dieser Mitwirkung war in
erster Linie der Obervogt, der spätere Hauptmann, als
der erste landesherrliche Beamte der Stadt berufen.
In den Jahren 1369—1380, in welchen die Münzmeister
den maisgebenden Einfluls auf die Besetzung des Rates
hatten'-'-'), waren diese auch bei der Verzählung beteiligt;
so verzählen die Bürger einen Gotteslästerer „von der
Markgrafen, von der Münzmeister und von der Stadt wegen"
(A 57); wegen Bruch des Burgfriedens lassen der Rat,
der Münzmeister und die Amtleute von unsern lierren
wegin (A 63), wegen eines Hausfriedensbruchs die Münz-
meister, die Bürger und das Gericht (A 54) verzählen.
Später ist es der Obervogt, der sehr oft gemeinschaftlich
mit dem Rate, niemals aber allein eine Verzählung ver-
anlafst; in den wenigen Fällen, wo der Mitwirkung des
Rates nicht gedacht wird, dürfte der Vogt wohl als Privat-
kläger aufzufassen sein (B 155. 156. 971). Eine Ver-
zählung durch den Rat und den obersten Vogt (den
Hauptmann, das oberste Gericht) oder durch den Rat
von des obern Vogtes wegen (B 460. 999. 1422. 1570),
mit Willen (B 1036) oder mit Wissen des obersten
Vogts (B 1325. 1329. 1330) erfolgte aus sehr verschiede-
nen Ursachen. Zur Erklärung mag angeführt werden,
dals einmal 5 Eheleute wegen Besuchs des Frauenhauses,
also Übertretung einer Ratswillkür^'^*) durch den Rat und
gleich darauf wegen groben Unfugs im Frauenhause noch-
mals „von des Hauptmanns und der Bürger wegen" ver-
zählt Averden (B 1016. 1017). Ähnlich ist es, wenn mehrere
^^*) also daz vor den rat komen ist mit ciute.r kunischaft
B 143- 145, vergl. 149. 159 u. ö.
1*2) Vergl. die in mehrfacher Hinsicht wiclitige Urknnde
Friedrichs des Freidigen von 1294 Mai 27: Vorwirket sich ymand
gein uns, daz loolle wir jagen unde teidingen nach irnie rate
(ÜB. I, 38) und dazu B 37ü: darumbe ym unsere gnedigen Jierren
mid einandir dii straffunge zcugeleit habin mid gutem rate.
1.S3) Vergl. ÜB. II, 30. 31. 35. 38. 42.
'»"j Vergl. ÜB. I, 119. 127 § 10.
Das Verzählen. 41
Personen „von des Hauptmanns wegen" verzählt werden,
weil sie nächtlicher Weile Leute ans ihrer Wohnung-
„ausgeheischen" habe (s. u. S. 58), und dann nochmals „von
des Kates wegen" _wegeii Nachtgeschreis. In beiden Fällen
lag sowohl eine Übertretung städtischer Satzungen als
eine Verletzung der landesherrlichen Gerichtsbarkeit vor.
Gleiche Gründe sind wohl stets anzunehmen, auch wo
der Eintrag es nicht erkennen läfst^''^"*). Schon erwähnt
haben wir, dals in zahlreichen Fällen, in denen nach-
weislich eine Verweisung, keine Verzählung stattfand, der
Mitwirkung des Vogtes gedacht wird'"'"); auch in den oben
angeführten Beispielen ist der Grund der Mitwirkung des
Obervogtes vielleicht vielfach darin zu suchen, dafs es
sich um Verweisungen handelte.
Einmal kommt eine Verzählung durch den Landvogt,
den Richter des in der nächsten Umgebung der Stadt
belegenen Landgerichtsbezirkes^^'), vor. Der Rat liels
einen gewissen Andr. Moler wegen unbescheidenen Be-
nehmens in Gegenwart eines liatsmitgliedes und der
Weigerung Bürgen zu setzen verzählen; oucli hat ijh der
lanifoyf lassen rercsdn innle dy selbe, saclie uf sinen hals,
alc injt uvser herren Jantgeridd ivendet (B 121). Wir
bemerkten bereits oben (S. 34), dali? es auch hier sich
wohl um eine Verweisung handelt.
Dafs der Bergmeister und die Bergrichter Verzähl-
ungen, die in ihren Gerichten ^"^) ausgesprochen waren,
in das städtische Verzählbuch eintragen liefsen, wurde
bereits S. 26 angeführt. Einen Einblick in das Verfahren
gestattet B 442: Der hergmeister hat hekant in dem
rate, das Pe. Platener yn die achte hrocJit hat den jungen
Heim: MarsscJialJv mit allem rechten umhe toden; des hat
Fe Platener och in der hürger buch lossen seczen iimbe
denseUiiyen toden. Ebenso sind die Verzählungen durch
den Bergrichter bez. Bergmeister und die Schöffen vom
Kürschenberge (A 18), zu Siebenlehn (A .'37. 413) zu ver-
stehen; meist erscheint der Bergmeister allein als der,
135) veryl. A 93. ß 11. 132. 28.n. :«0. 324. 326. 327. 330. 369.
409. 460. 874. 999. 1017. 1022. 1146. 1295 1422. löTO. 16fiK. 1830.
1838. 1872.
'-") z. B. B 1K4. IKä. 201. 205. 210. 212. 224. 240. 252. 364. .'{(iK
423. 1036. 1325. 1329. 1330. 1580.
137) Vergl. über .seine Stellung Stadtrecht Kap. XXXIX.
'^'') Vergl. B 161: Der hrrfpueistcr hat lassen vorczchi in
dem bergtjerichte Andr. Brunstor/f u. s. w.
42 Hubert Ermisch:
von dem die Verzälilung ausgeht (A 16. 17. 40. 41.
ß 161. 194. 217. 334. 335. 442. 484. 1484), einmal auch
der Zehntner (A 45). Überall sind es Vergehen, deren
Aburteilung zur Kompetenz des Berggerichts gehörte. —
Das ganze Verfahren, das der Verzälilung voran-
ging, spielte sich nach dem Stadtrecht im Dinge ab. Vor
dem Richter war die Klage anzubringen; im Gericht er-
folgte die Einheischung des Beklagten, die Beweisführung
des Klägers und das Richten mit Fingern und Zungen; nur
die Eintragung hi der Bürger Brief war die Sache des Rates.
Dals all den zahlreichen Verzählungen, die uns das Ver-
zählbuch überliefert, ein so umständliches Verfahren vor-
angegangen, erscheint höchst unwahrscheinlich. Wo eine
Privatklage vorlag, ist es freilich stets anzunehmen; das
Verzählbuch braucht dann mit Vorliebe den Ausdruck
„Acht", mit dem wohl der Begriff des gerichtlichen Ver-
fahrens verbunden war. Einmal heilst es ausdrücklich,
Benisch Greiffe habe den Steffan Heidenrich wegen Ermord-
ung seiner Erau nach der scheppen orfel ivnde tdlunge
nach statrechte in die Acht gebracht ^■^■'). Der Beweis
der erfolgten Verzählung war dann durch das Zeugnis
des Stadtvogts im Rate zu führen '^'^).
Wo aber die Verzählung vom Rate ausging, da
dürfte auch das ihr vorangehende Verfahren, das wohl
in der Regel summarischer war als das Verfahren nach
dem Stadtrecht, grölstenteils im Rate stattgefunden haben.
Statt der Klage vor dem Richter war wohl eine Be-
schwerde beim Rate die Einleitung. Das Vorgebot ge-
schah durch den Rat, wenn der Beklagte vor dem Rate
erscheinen sollte; sollte er vor Gericht antworten, so lud
ihn der Vogt von der Imrger vegen vor. Überall, wo
von einer solchen Vorladung die Rede ist, erscheint die
Verzählung als Folge des Ungehorsams gegen das Gebot
des Rates, nicht eigentlich als Folge des Vergehens,
wegen dessen die Vorladung erfolgt Avar: ein wesent-
licher Unterschied gegen die frühere Auffassung, der es
uns als wahrscheinlich erscheinen lälst, dals auch dann
ein Verfahren im Rate und nicht im Gerichte erfolgte,
wenn wegen ungehorsamen Ausbleibens im Gerichte
verzählt wird. Der Beweis des Vergehens wird durchAveg
im Rate geführt.
"») B 1649, vergl. aucli Stadtb. II No. 470.
"'^j (las beivist ist vor tms mit eyme gesivorn stadvoytte B 456.
Das Verzählen. 43
Über den eigentlichen Verzählungsakt entlialten
unsere Quellen nichts näheres; wir wissen nicht, ob auch
später in der vom Stadtrecht vorgeschriebenen feierlichen
Form über den Angeklagten mit Fingern und Zungen im
Dinge, also vor Richter und Schöffen, gerichtet wurde
oder ob es einer solchen Förmlichkeit nicht bedurfte.
Bei der häufigen Anwendung der Mafsregel ist das
letztere wohl wahrscheinlicher. Die gewöhnliche Formel
Die hurger hcdieii lassen veraelen deutet freilich darauf
hin, dals der Rat die Verzälilung zwar veianlalste, aber
nicht selbst vornahm ; doch kommt es ja oft genug vor,
dals alte Formeln beibehalten werden, auch wenn sie
ihren Sinn verloren haben, und zudem findet sich auch
oft die Wendung: Die hunjer liuhen verczult.
Die Eintragung in das Verzählbuch erfolgte jeder-
zeit eigenhändig durch den Stadtschreiber^").
3. Bedeutung und Wirkungen.
Bevor wir auf die Wirkungen der Verzählung in
ihrer späteren Form eingehen, müssen wir zunächst die
erheblichste Umbildung, die der Begriff' im Laufe der Zeit
gefunden hat, hervorheben.
Nach dem Stadtrecht war die Verzählung ein gegen
den Abwesenden ausgesprochenes Todesurteil, das voll-
streckbar wurde, sobald der flüchtige Verbrecher ergriffen
wurde. Im Verzählbuch tritt diese Bedeutung nur selten
und nur in seinen älteren Teilen hervor^^^). Eine wesent-
lich andere Auff'assung bekunden dagegen einige der
oben schon erwähnten Willküren. Wer fremdes Bier
schenkt oder einführt, soll den Bürgern von jedem Fasse
1 Schock hülsen adder alzo lange von der stad vorczalt
sien, his her daz gelt gegeben hat und an der hurgcr
holde komc'^*^). Der Brauer, der die von ihm beschworenen
Vorschriften über das Brauen der Bürger übertritt, soll
1 Mark dem Rate geben; /tat er nicht zeit gehen, so
1") Verg-l. ÜB. III, XXXVIl f.
"-) Bcsoiulcrs deutlich A 13: Die bnrgcr hoben an den brüff'
lassin setzen Meyncr Tufel, darimihe daz im unser herre der
niarcgrafe vor recht bescheiden hatte von ber(]irvrfikcs ivegen nnde
das er nicht quam unde im wart lyp undc gut vorteilt. 7i\\ be-
merken ist dabei, dafs eine Verteilung des Gutes in älterer Zeit
nicht stattfand, s. o S. Iß.
'"j ÜB. I, in § 6.
44 Hubert Eiinisch:
sal er vorczalt seyn, Ms er das gelt gehiP^^). Das Ver-
zählen erscheint hier also als ein Mittel, die Zahlung
der verwirkten Bulse zu erzwingen, oder als eine bei
Zahlungsunfähigkeit an Stelle der Bulse tretende Strafe,
wie sonst wohl auch das Stellen an den Pranger oder
das Setzen auf die „Schuppe" (den Schandkorb), das dem
im Frauenhause ertappten Ehemanne für den Fall der
Zahlungsunfähigkeit angedroht wird^*'^). Die Wirksam-
keit dieser bequemen Zwangsmalsregel mochte sich so
gut bew^ähren, dais man sie bald bei allen möglichen Über-
tretungen städtischer Gebote anwandte, gleichviel ob die
Ratswillküren die Höhe der Bufse bestimmten oder ob
dieselbe dem Ermessen des Rates (bez. unter Mitwirkung
der landesherrlichen Beamten) überlassen blieb; man setzte
einfach den BuMälligen , wenn er sich nicht stellte und
und sofort die Bufse erlegte, in der Bürger Brief und
überlieis es ihm, sich mit der Stadt über die Bedingungen
zu einigen, unter denen die Verzählung aufgehoben werden
konnte.
Diese Bedeutung macht es erklärlich, wenn ein und
dieselbe Person wegen verschiedener Vergehen kurz hinter
einander zwei- oder dreimal verzählt wird, was nach dem
Stadtrecht keinen Sinn gehabt hätte ^^''); der Betreffende
hatte dann eben zwei- oder dreimal Bulse zu zahlen.
Wenn es bei einer Verzählung mehrerer Personen wegen
Frevels im Frauenhause heilst, sie hätten ander unfuge
mehr begangen, den man en yczund nicht henen^iet,
sundern ernoch wH gedencken (B 1017) oder wenn eine
Verzählung wegen verschiedener Bergvergehen mit den
Worten schlielst: item umhe ander sacJie mehr, die man
liernoch muntlichen wil vorc^eJen^*'^) (B 1127), so ist dies
auch wohl so zu verstehen, dafs diese sonstigen Ver-
gehen dann zur Sprache gebracht und bestraft werden
sollen, wenn die ausdrücklich angeführten gesühnt sind.
144) ÜB. I, 129.
"■^) ÜB. I, 119. 127 § 10, vergl. III, 474 § 35. Dafs nach dem
Verzälübuch auch in diesem Fall Verzählnng- eintrat, s. \\. S. 82.
140) Vergi. B 582 n. 583, 706 n. 729 (andcrivcyt), 753 n. 754,
auch die oben angeführten Fälle 1016 u. 1017, 1570 u. 1571. Eine
dreifache Verzählung 455, 462,471; am Kande: primum, secundum,
tertium.
''■') Doch wohl hier s. v. a. erzälilen. Von einem ,, mündlichen
Verzählen" im Gegensatz zum schriftlichen, das Bursiau in den
Mitteil, des Freiberger Alterturasvereins T, HO nach dieser Stelle nn-
pimmt, ist sonst nichts bekannt.
Das Verzählen. 45
Ohne Frage hat in weitaus den meisten Fällen, die
das Verzählbiich enthält, die Verzähluiig diese Bedeutung-
einer Exekutivmalsregel und ist also ein Verbot des
Autenthalts in der Stadt bis zur Leistung gewisser Ver-
bindlichkeiten und besonders bis zur Zahlung einer bereits
feststehenden oder noch festzusetzenden Bulse^^^j. Strich
das Verzählen im Sinne des Stadtrechts den Betroffenen
definitiv aus der Zahl der Bürger und liels ihm nur die
Hoffnung, durch ausnahmsweise Begnadigung wieder in
dieselbe aufgenommen zu werden, so hielt das spätere
Verzählen ihm die Rückkehr offen, sobald er sich der
Strafe für sein Vergehen unterwarf. Letzteres geschah
jedenfalls meist sehr bald nach der Verhängung der die
ganze bürgerliche Existenz in Frage stellenden Malsregel,
oft vielleicht bevor sie überhaupt in AVirksamkeit ge-
treten war. So ist das Verzählen eine Stadtverweisung,
deren Dauer von dem Verhalten des Verzählten abhing;
die Verwechselung mit der eigentlichen Verweisung, die
stets für einen bestimmten Zeitraum erfolgte und daher
recht wohl als eine schärfere Strafe gelten konnte (s. o.
S. 37), lag daher sehr nahe. Eine Verzählung im älteren
Sinne, die eine wirkliche Ergreifung des Verzählten zum
Ziele hatte, hat man wohl nur in den immer seltener
werdenden Fällen anzunehmen, in denen eine Friedens-
bruchsklage durch Private erhoben wurde.
Die ]-echtlichen Wirkungen der Verzählung er-
geben sich teilweise schon hieraus. Über .die im Stadt-
recht erwähnten prozessualischen Nachteile, die den Ver-
zählten trafen, erfahren wir aus dem Verzählbuch nichts;
doch mögen sie teilweise wenigstens fortbestanden haben.
Die wesentlichste Folge der Verzählung ist das Verbot des
Aufenthalts in der Stadt. Am Empfindlichsten traf das-
selbe natürlich denjenigen, der in der Stadt seinen ge-
wöhnlichen Wohnort hatte; aber auch gegen Auswärtige,
namentlich Bewohner benachbarter Dörfer, wurde sehr
oft die Verzählung angewandt'*''), einmal sogar (A 75)
"«) So erklärt richtig Bienko S. 79, wälireml Ivlotzsch
S. 81 if. ineint, dafs <ler Verzählte am Orte bleiben luid nur gewisse
bürgerliche Rechte nicht ausüben durfte.
1'") So werden verzählt l'ersunen aus Rcrtliclsdoit (B 103Ü).
Biebersteiu (fi. 795. 97()), l'.obritzsch (18. 1B7), Bräuusdorf(.ö74), Colm-
nitz (735), Erbisdorf (1019. 1103), Falkenberg (44. 1585), Grols-
hartinannsdort'(971), Ileinrichsdorf'=Kruniinenhennersd()rf(.'}29), Hilbers-
dorf (840), Langeuau (759. 17(ir)\ Lolstiitz (730), St. Michaelis (703),
46 Hiibert Ermisch:
gegen „die Richter und Gemeine[n] in den Dörfern zcii
den dryen syden" (auf drei Seiten von Freiberg?).
Wer einen Verzählten aufnalim, verfiel, wie nach
dem Stadtrecht, ebenfalls der Verzählung (B947); doch
liels man wohl in solchen Fällen Gnade für Recht er-
gehen ^■^"). Als der landesheiTÜche Mllnzmeister Stelfan
Glasberg im Jahre 1465 zwei Münzer, die der Rat wegen
Unfugs verzählt hatte, in das Schlots hatte kommen und
dort arbeiten lassen, stellte ihn der Rat darüber zur
Rede, und er verstand sich zu einer Entschuldigung ^■^^).
Wenn einmal zwei Personen verzählt wurden, Aveil sie
einen Verzählten „weggeholfen", zur Flucht verhelfen
hatten (A 18), so handelte es sich wohl dabei um einen
Fall, bei dem die Ergreifung des Verzählten beabsich-
tigt war.
Was stand aber dem Verzählten selbst bevor, wenn
er widerrechtlich, d. h, ohne sich durch das Erbieten zur
Bulszahlung die Erlaubnis dazu ausgewirkt zu haben,
die Stadt betrat?
Wir erwähnten oben, dalis nach dem Stadtrecht die
Verzählung in der Regel auf den Hals lautet und nur
in einem Falle ein VerzäUen auf die Bufse vorkommt.
Dieser Unterschied ist im Verzählbuch noch weiter aus-
gebildet; häufig, aber freilich bei weitem nicht immer,
ist bei den einzelnen Einträgen angemerkt, ob die Ver-
zählung auf den Hals oder auf die ßulse ging.
Was die Verzählung auf den Hals^''-) anlangt, so
finden wir dieselbe nur selten in Fällen, wo die Ver-
Niederschöna (727. 1485), Reinsberg (616), Klein- und Grofsschirma
(114.987), Seif ersdorf (1204) , Walthersdorf (760), Wegefahrt (725.
1068), Weigmaunsdorf (213), Weifseuborn (219), Wingendorf (86);
auch aus entfernten Orten wie Nofsen (536) und den bei Nofsen ge-
legenen Dörfern Hirschfeld (1777) und Deutschenbora (1631), Oederan
(1295), Rofswein (233.352), Graupen (643.1678), Halle (875). In
nianclien dieser Fälle mag der Ortsname nur die Herkunft des Be-
treffenden andeuten und sein regelmäfsiger Aufenthalt Freiberg ge-
wesen sein (z. B. bei Peter Koch von Aufsig, der in Freiberg schofste
B 1090); meist aber ist dies nicht der Fall.
150) vergl. Stadtbuch I No. 22.
151) Stadtbuch II No. 485.
152) uff' sinen hals, uf ire helse, super collum (B 841 — 844. 854),
häufig affter (itff'ter) des tages uff' sinen hals, afftermals u. s. h.
(154 — 156. 1.59—161), aff'ter Jnite clisen tag, affter hüte u. s. h. (1176.
1177. 1180. 1181); corrnmpirt: aff'ter sich hüte u. s. h. (1362. 1365.
1375. 1376 u. ö.); gekürzt: after dieses tages etc., aff'ter dieses etc.,
aff'ter etc.
Das Verzählen. 47
Zählung von Privaten ausging-; so bei Totsclilag (A 25—31.
B 165), schweren -Wunden (A 11. B 456. 90D), Not-
zucht (A 34), wo die Verzähhmg auf den Hals durch-
aus dem Stadtrecht entspricht, ausnahmsweise auch bei
einer blolsen Drohung (A 33). Regel ist sie dagegen,
wenn der Rat, der Obervogt oder sonst eine obrig-
keitliche Person die Verzählung aussprechen lassen.
Es deutet dies ohne Zweifel auf einen erheblichen Um-
schwung in den rechtlichen und sittlichen Anschauungen
hin; während das Stadtrecht den gefangenen Verzählten
dem Kläger zur Hinrichtung überwies, wurde später nur
der Obrigkeit das Recht über Leben und Tod zuerkannt,
ihr allerdings in sehr ausgedehntem Malse; denn Ver-
zählungen „auf den Hals" werden wegen aller möglichen
Vergehen, von den schwersten bis zu den leichtesten,
verhängt, während nur sehr selten und nur in der früheren
Zeit der Rat „auf die Bufse" verzählen lälst (B 87. 95.
98. 282. 285).
Dagegen ist die Verzählung uff die huße^'"'^) das
Gewöhnliche, wenn sie von Privaten ausgeht. Es handelt
sich dabei in der Regel um Klagen wegen Friedensbruchs
und Wunden (s. u. S. 56).
Wenn sehr oft nicht angemerkt wird, ob die Ver-
zählung auf den Hals oder ob sie auf die Bulse ging, so
liegt es nahe, auch diesem Schweigen eine Bedeutung
beizulegen ; man könnte ja meinen, dals der Zusatz uf
den hals eine Verschärfung der gewöhnlichen Verzählung
bedeute und dals da, wo dieser Zusatz fehlt, eine Ver-
zählung auf die Bulse anzunehmen sei. Allein das wäre
entschieden irrig ; auch bei schweren Verbrechen ist nicht
selten der Zusatz uf den hcds ausgelassen^'^), und in
vielen Fällen kann man leicht nachweisen, dals wegen
desselben Vergehens bald uf den hals bald ohne diesen
Zusatz verzählt wird^-^'^). Allerdings liels man bei Ver-
gehen, wo die Verzählung lediglich den Charakter des
gerichtlichen Zwangsmittels hatte und wohl niemand
ernstlich an eine Hinrichtung des ergriffenen Verzählten
dachte, z. B. bei Nichterfüllung eines vor dem Vogte oder
^•''^) umme III klagen und uff dy bwesen (B 7) ist wohl irr-
tümlich; ebenso B 278: nnih III frevelclagen uff den fride.
154) Verg-1. z. B. A 47 (Ermordung einer Frau), A 50 (Notzucht),
A 4. 20. 23 und namentlich A 13, wo besonders bemerkt wird, dafs den
Verzählten Gut und Leib verteilt sei.
1.^5) Y^,i,„,i j, |. ^ 24 mit 25 -B 1 , B 2ö und 59, 694 und 1354 u. s. w.
48 Hubert Ermisch:
Rate abgelegten Zahlungsversprecliens oder bei Nicht-
räumimg eines Hauses, den bedrohlichen Zusatz besonders
gern fort; allein dals auch dann die vom Rate ausgehende
Verzählung eine Verzählung auf den Hals war, dafür
lassen sich verschiedene Beispiele an führen ^■''*^). Die Aus-
lassung der betreffenden Formeln bedeutet also wohl nichts,
als dals der Stadtschreiber sich seine Arbeit etwas er-
leichtert hat^''), weil man auch ohne den Zusatz wuIste,
welche Wirkung die Verzählung im einzelnen Falle hatte :
dals sie in der Regel auf den Hals ging, wenn der Rat,
auf die Bufse, wenn ein Privater sie veranlaßt hatte.
Aulserdem können wir aus der nachlässigen Behandlung
der Formel noch schlielsen, dals ihre Bedeutung in späterer
Zeit nicht mehr sehr grols war; gewils wurde nur noch
selten nach ihrem Wortlaut verfahren.
Für die Hinrichtung eines auf den Hals Verzählten
bietet das Verzählbuch nur ein Beispiel. Dem Kunczel
Brwne, der verzählt worden war, weil er „einer Frauen
des Nachts in ihr Haus wollte laufen und sie übel be-
handelte mit Worten", lielsen die Bürger dorumme unde
156) B 71. 218. 222. 231. 1157. 1182. 1198. 1203. 1222. 1245.
1858 u. ö.
1"'") Dafs für Zufüg-uug oder Auslassung des Zusatzes nur die
Willkür der einzelnen Stadtschreiber mafsgebend war, ergiebt folgende
Beobachtung. Im Verzählbuch A enthalten von 64 Verzählmigen
dui'ch den Rat 22 den Zusatz ttf den hals; von B4 Verzählungen
durch Private gehen 13 nf den hals, 16 uf di biize; von 6 Verzäh-
lungen durch Bergmeister und Bergrichter geht 1 uf den hals. Alle
übrigen haben keinen Zusatz. Der erste Schi-eiber von B (No. 1 — 108)
läfst in den ersten 30 Nummern den Zusatz stets aus, fügt ihn aber
dann oft hinzu ; von 97 Verzählungen durch den Rat sind 46 , von
11 durch Private 3 ohne Zusatz. Die drei folgenden Hände (No,
109 — 143, 144—192, 193—225) lassen nur ausnahmsweise (im Ganzen
in 19 Fällen) den Zusatz aus, wähi'end der nächste Schreiber (No.
226 — 425) ihn ungefähr ebenso oft ausläist als zufügt. Seine 3 Nach-
folger (No. 426 — 480) haben nur 2 Verzählungen als ufdeti hals gehend
bezeichnet, alle übrigen sind ohne Angabe; ebenso verhält sich der
überhaupt mit dem Papier sehr sparsame Paul Lindner (No. 481 —
1152), der von 646 Verzählungen durch den Rat und 26 durch Pri-
vate jmr 55 bez. 12 mit dem entsprechenden Zusatz versehen hat.
Ganz entgegengesetzt verfahren seine Nachfolger; die 215 Einträge
des Heinr. Siez (No. 1153—1360) und die sich daran anschliefsenden
(No. 1361— 67) lauten mit Ausnahme von dreien „auf den Hals". Casp.
Ludwig (No. 1368— 1563) hat zwar in 79 von 196 Fällen die Formel
ausgelassen, dafür aber Paul Weigkarth (No. 15H4— 1723) nur in 22 von
160 und die letzten beiden Schreiber (No. 1724—1873) gar nur in 3 von
149 Fällen. Bei den Einträgen aus dem 16. Jahrh. fehlt die Formel
nf den hals stets.
Das Verzählen. 49
anders dornodi sipien hojjp ahcluvu-en (B 39). Hier haben
wir es doch wohl mit der Bestrafung eines Verzählten
zu thun, der während der Verzählung ergriffen worden
war. Anders liegt die Sache in dem zweiten Falle einer
Hinrichtung, den das Verzählbuch erwähnt. Gabriel
Wolf gang hatte um 1431 die Stadt durch Fehde und
Raub geschädigt und das Geleit und gütliche Stehen, das
die Landesherren gemacht, mit AVorten und Werken ge-
brochen (B 859); wenn ihm dafür sein Haupt abgehauen
wird, so geschah dies „von Empfehlunge unser gnädigen
Herren, so als er ihr Geleit gebrochen hätte"; dals er
verzählt gewesen, ist aus dem Eintrage, der die Klage-
punkte besonders ausführlich aufzählt, nicht zu ersehen.
Dafs auch in anderen Fällen der verzählte Frevler,
der in der Stadt ergriffen wurde, dem Tode verfiel, ohne
dals ein Eintrag in das Buch gemacht wurde, ist wohl
anzunehmen. Noch häufiger freilich mag eine Milderung
der Strafe eingetreten sein. So wurde der wegen Spiels
und andern Unfugs verzählte Köler von Gablenz, den
die Bürger ergriffen und in der Stadt Gefängnis gebracht
hatten mtd irolden mit ym recht hcgcnujen haben, auf
Fürbitte biderber Leute gegen Urfehde begnadigt (Stadtb.I
No. 24). Nickel Stoleck, der wegen Unfugs im Frauen-
hause auf den Hals verzählt (B 1368) und trotzdem in die
Stadt gekommen war, wurde auf Jahr und Tag verzählt
(B 137.5), also verwiesen, was in diesem Falle als Ver-
schärfung der einfachen Verzählung erscheint (s. o. S. 34).
Ähnlich ist es, wenn Hans Keiner der Krämer, der vor-
her auf die Bulse verzählt war (B 75), wegen frevent-
lichen Betreten des Weichbildes nunmehr auf 4 Meilen
verwiesen wird und Urfehde schwijren muls (B 178).
Aber auch das Umgekehrte findet sich: die der Stadt
verwiesene Anna Kneuzelin, die ohne Erlaubnis von
Hauptmann und Rat zurückgekehrt ist, wird auf den
Hals verzählt (B 1580).
In den meisten Fällen wurde die Verzählung, wenn
sie nicht auf eine bestimmte Zeit lautete, also eigentlich
eine Verweisung war, durch einen Vergleich zwischen
den Parteien bez. dem Rate und dem Verzählten be-
endet'•^'*). Letzterem gewährte man, um einen solchen
1.^8) Vergl. H. Meyer. Strafverf. S. 77 ff. Bicukd S. 0(5 If.
F r 8 n s «1 0 )• f f S. X X X VI. F r a u e n s t ä d t S. 102 ff.
Neues Ariliiv L S. (;. ii. A. Xlll. 1. •»'.
50 Hubert Ermisch:
Vergleich zu ermöglichen, eine zeitweilige Aufhebung der
Verzählung, freies Geleit in die Stadt ^'^*').
So wurden Klagen wegen Wunden und Totschlag
sehr häufig gütlich beigelegt; schon das Stadtrecht
(Kap. XIV. XV) enthält eingehende Bestimmungen für
derartige Sühnen, und die Stadt- und Gerichtsbücher
bieten manche Beispiele ^*^^'), die allerdings meist nicht er-
kennen lassen, ob der Sühne eine Verzählung vorherge-
gangen ist oder nicht. Bei einem 1392 errichteten Ver-
gleich zwischen Henschel Nuwendorf und Paul von Bu-
dissin, der den Sohn des ersteren schwer verwundet hatte,
wird festgesetzt, dals dieser, wenn er sich weitere Frevel
gegen Nuwendorf oder die Seinen zu Schulden kommen
lasse, „sein Verzählter in gleicher Weise sein solle, als er
es zu der Zeit war, als die Sache berichtet wurde."
(Stadtb. I No. 80). Im Jahre 1436 berichtet sich Nickel
Kluge mit dem Schneider Starke, den er wegen zweier
Frevelklagen in die Acht gebracht hat „auf die Bulse"
(B 968); es wird dabei für den Fall weiterer Vergehen oder
Verleumdungen des Starke gegen Kluge und sein Weib fest-
gesetzt, dals letzterer dann vorberurte unde berichte sacke
mit nochvorJauffener eyne mit der andern ivol furdern möge
(Stadtb. II No. 240). In diesen beiden Fällen ist von
einer Bulszahlung nichts in das Stadtbuch eingetragen.
Wo die Verzählung vom Rate ausging, da legte dieser,
wenn der Missethäter wieder „an der Bürger Huld"
kommen wollte ^**^), manchmal Verpflichtungen zum Kriegs-
dienst^"-) oder andere Leistungen an die Stadt ^**") als Sühne
^^^) Ein lutercessionsscbreiben des Kurfürsten Ernst und des
Herzogs Albrecht für Nigkel Bottener d. d. 1470 Aug. 23 ersucht den
Rat zu Freiberg, den Genannten, der zu Frbg. einen Mord begangen
habe und sicJi deßhalben mit gerichte und ivu das sust not thut gerne
gutlichen entrichten und vertragen wolle, zu geleiten und zu Rich-
tung kommen zu lassen, Or. im Ratsarchiv zu Freibg. (K. 2). Ein
Schreiben des Rates zu Chemnitz an den zu Freiberg, den Valien
Thobel , der unrechtmäfsiger Weise als Bürge für Frauenstein ver-
zählt worden sei, zu Geleite kommen zu lassen, d. d. 1478 Mai 9, Oi".
in der Ponickauschen Bibl. zu Halle Mscrpt. bist. 28 fol. 30.
i«0) Stb. I, 42. II, 101. 113. 114. 154. 271. 289. 298. Gerichtsb.
I No. 130. 166 u. ö.
161) Vergl. ÜB. I, 127 {5 6.
^*'") B 1013: Itemremissa pcna suh tali condicione, quod dchet
famulari civitati in expedicionibus, cum deposcetur. B 1031: Oben
berurte schuld haben en die burger gelassen, daz sie donoch yn die
herfardt czihen unde es umbe die stat iveder vordinen wollen als hoch
als das vorczelegeld (s. u.) anlanget. Vergl. auch Stb. II No. 4, 96. 181.
'«») So eine Kalklieferung B 978 (Note).
Das Verzählen. 51
auf. Dem Peter Koler, der wiederholt wegen Spiels und
andern Unfug's verzählt worden war^*^^), wurde auf Für-
bitte angesehener Männer die Eückkehr unter der Be-
dingung gestattet, dals er, wenn er nochmals spielen
oder sich an einem Spiel beteiligen würde, in jedem
Falle die hohe Bulse von 20 Schock der Stadt erlegen
und eine Fürbitte ausgeschlossen sein sollte (Stb. I
No. 154.) In der Regel war es jedenfalls eine Geld-
leistung, durch welche die Aufhebung der Verzählung
bewirkt wurde. Zu der Zahlung der Bulse, mit der das
betreffende Vergehen bedroht und deren Nichtleistung
oft die Ursache der Verzählung war, der Befriedigung'
der Forderung, deren Erfüllung gelobt war u. dergl. m., trat
noch ein besonderes Strafgeld, das ausschlielslich für die
Entlassung aus der Verzählung entrichtet werden muiste.
Dieses Strafgeld, das anderwärts als Achtschatz, Acht-
schilling , Friedepfennig ^'^•'•) , denarii truphatorii^*^*"') be-
zeichnet wird,hieisin Freiberg das V er zähl gekP'"). Ver-
merke über die gänzliche oder teilweise Zahlung des-
selben sind hie und da den Einträgen des Verzählbuchs
beigefügt ^*^^). Auch die gezahlte Summe ist aus diesen
oft schwer lesbaren Randbemerkungen zuweilen ersichtlich.
Dabei kommen besonders oft Beträge von 14 bez. 7 Groschen
vor (B 22. 28. 1210; 57. 1012. 1130. 1169. 1322. 1572),
was auch in den Einträgen aus der Zeit zwischen 1507
und 1515 als die regelmälsige Höhe des ganzen oder
halben Verzählgeldes erscheint, und Beträge von 8 Groschen
(B 65. 881. 884. 898. 907. 1166. 1328), daneben aber auch
andere Summen ^*^''), die meist wohl als Teilbeträge an-
zusehen sind. Zuweilen wird auch ein Termin für die
Zahlung des Verzählgeldes bez. des Restes beigefügt'^"),
besonders oft bei den Einträgen aus dem 16. Jahrhundert,
16*) Stb. I No. 24.
185) H. Meyer, Strafverfahren S. 78.
18») Pauli, Abhandlungen a. d. Lüb. Rechte II § 13. Vergl. auch
Ztschr. f. d. Kulturgesch. II. F. II, 766.
107) Vergl. die Noten zu B iOiJJ u. 1422 sowie die Notizen auf dem
vorderen Umschlag des X'erzählbuchs (UP.. 111, XXXVI). Dedit \'^
verzelgelt (1510) Verzähllmch fol. 82 h, ähnlich fol. 8ö.
»"») B 1214: dedit. B 1176. 1178. 1313: dedit pecunlam. B
1175: preeedens commissum est solutum. B 701. 732. 750. 814. 822.
916. 1044: dedit, dederuvt parfem.
>»») X yr.: B 10.1271. XI f (jr. : B 1011. 3 ijr.: B lOlö.
6 gr.: B 1036. IT sexag. (?): B 1167. 4 qr. 10 hl.: B 1211.
1'") B 536. 1020. 1211.
52 Hubert Ermiscli:
in denen anch vielfach Bürgen für die Zahlung des Geldes
genannt werden. Bezog der Verzählte eine Besoldung
aus städtischen Mitteln, so zog man wohl von dieser das
Verzählgeld ab (z. B. B 136. 379j. Bisweilen wurde die
ytrafsumme ganz oder teilweise erlassen "\), manchmal
mit dem Zusatz, dais im Wiederholungsfalle der Betrag
nachträglich zu zahlen sei^^"^). Die Strafgelder wurden in
die leider nicht mehr vorhandenen städtischen Bechnungs-
bücher eingetragen ''■^). Den ganzen Vorgang nannte man
satisfactio'^'^^).
Die Tilgung des Eintrages im Verzählbuche erfolgte
'einfach durch Ausstreichen desselben oder der Namen
derjenigen, die sich von der Verzählung befreit hatten.
Wenn hie und da einer dem Stadtschreiber zu zahlenden
Summe von 4 Groschen gedacht wird^'"'), so war dies
wohl eine Gebühr für die Tilgung. In einzelnen Fällen
wird die Tilgung nachträglich für kraftlos erklärt ^'*^),
vielleicht weil sie irrtümlich erfolgt war oder weil der
Verzählte seiner Verpflichtung nicht nachkam.
4. Die Delikte im Verzählbuch.
Nach unsern bisherigen Ausführungen wird es nicht
auffallend erscheinen, wenn die Zahl der im Verzähl-
buch erwähnten Delikte eine aulserordentlich grolse ist.
Wurde doch die Malsregel der Verzählung im späteren
Mittelalter im weitesten Umfange, bei den schwersten
Verbrechen wie bei den leichtesten Vergehen, angewandt.
Gerade dies giebt dem Verzählbuch neben der rechts-
geschichtlichen auch eine nicht zu unterschätzende sitten-
geschichtliche Bedeutung, und eben dieser Umstand ver-
anlalst uns, über die bunte Menge der Straffälle eine
nach gewissen Gesichtspunkten gruppierte Übersicht zu
geben. Wir fassen dabei zunächst diejenigen Fälle zu-
sammen, in denen das ältere und jüngere Recht noch
am meisten übereinstimmen, die Delikte gegen Person
und Eigentum, die Friedensbrüche und was damit zu-
'■") Dedit VII gr. et aliud dimissum est B 1170, ve.rgl. 1735.
1'-) Dedit VII gr. d(ominis) et domini dimiserunt sibi VII
(jr. et si inposterum magis fecerit, quod tiinc debet dare in totum
B 1210.
"■'') ut patei in registro perceptorum B 1018 vergi 1044.
1'*) B 661. 1018.
'"■') B 1130. 1211.
1™) Non debet esse deletum B 680. 738.
Das Verzäliku. 53
sammenliäiigt, dann die Vergehen gegen die Religion und
die Landesherren, denen sich die Bergwerks vergehen und
die Vergehen gegen das Gericht anschlielsen , und be-
handehi zuletzt die breite Masse der Vergehen gegen
die Stadt, den Rat und seine Gebote.
a) Vergehen gegen Person und Eigentum.
Wir sahen oben , dafs das Stadtrecht die schweren
Friedensbrüche, die an Hals und Hand gehen, von den
leichteren scheidet und nur bei den ersteren die Ver-
zählung eintreten liefe. Zu ihnen gehören vor allem
Totschlag und schwere Wunden. Wie nach dem
Stadtrecht, so erfolgte auch nach dem Verzählbuche die
Verfolgung dieser Verbrechen nur auf vorhergegangene
Klage, die in der Regel der nächste Verwandte des Ermor-
deten oder Verwundeten (A 2. 24-28. 77. 80. B 237. 480.
496. 609. 1649), manchmal auch, wenn es sonst an einem
geeigneten Kläger fehlte"'), der oberste Vogt (B 155.
156), der Stadtvogt (B 365) oder im Berggericht der
Bergmeister (A 16) erhob; also der Gedanke der Blut-
rache, auf dem schlielslich die Ächtung wegen Tot-
schlags und Wunden beruhte"*^), war noch in voller
Kraft. Ein merkwürdiges Beispiel, wie sich die ganze
Familie des Ermordeten gewissermalsen in die Verfolgung
der Mörder teilte, bieten die Verzählungen des Peter
Greich und seiner Genossen wegen Ermordung des Lorenz
Lutze (A 24—32). Statt der älteren Formel {N. N. hat
lassen verczelen) kommt mehr und mehr die eine Ver-
wechselung mit der Verweisung ausschliefeende Acht-
formel (lad in die ocJitc hravht) auf und ist von etwa
No. 500 an ausschliefelich in Gebrauch; man empfand
wohl den Unterschied, den die strafrechtliche Praxis
zwischen der Acht als Rest der alten Vei-zählung und
ihrer neueren Form machte. Vielleicht hängt damit
auch der auffallende Umstand zusammen, dals die Ver-
zählungen wegen IMords und schwerer Wunden fast
ausschliefelich im Verzählbuch A und im ersten Drittel
des Verzählbuchs B vorkommen""); da nicht anzunehmen
ist, dafe die Verbrechen später seltener wurden, so
i"j Vergl. oben S.
''S) Frauon.stiidt, Blulraclio und Toil'^HilnüsüliiH^ S. 100 ff.
i'ö) AusnahiiR'ii bilden B 8iJ4. 9U'J. 9ö3. Kilü.
54 HuLert Ermiscli:
möchten wir fast glauben, dafs seit etwa 1427 ein be-
sonderes Achtsbuch neben dem Veizälilbuch geführt
worden sei, das sich aber nicht erhalten hat.
Was speziell die Tötung anlangt, so ist eine Unter-
scheidung zwischen totslac (so meistens), mort (A 24.
B 1649) und mortslac (B 365) wohl kaum anzunehmen.
Die Verzählung erfolgte stets „auf den Hals" ; auch wo
der Zusatz fehlt, ist es wohl der Fall. Einmal kommt die
Verweisung eines Totschlägers, die wohl als Begnadigung
aufzufassen ist, vor (A 83).
Bei Verwundungen unterscheidet auch das Verzählbuch
zwischen schweren und leichten Wunden. Erstere heilsen
in älterer Zeit wie im Stadtrecht Immpere ivunden'^^^) \
als der Ausdruck unverständlich wurde, weil der Zwei-
kampf als Beweismittel überhaupt verschwand, trat an
seine Stelle die Bezeichnung o f fen e Wunde^^^) im Gegen-
satz zu Blutrun st. Die Zahl der Wunden wurde mit
wenigen Ausnahmen (z. B. B 428. 909) genau angegeben ;
selbst dann, wenn eine der Wunden den Tod herbei-
geführt hatte, wurde nicht allein wegen des Totschlags,
sondern auch wegen der sonstigen Wunden geklagt und
verzählt (z. B. B 156: um 21 Wunden und einen Tod-
schlag, B 397: umhe eine offene ivunde uncle eynen
todslmj, vergl. B 641). In solchen Fällen wurde natürlich
auf den Hals verzählt, sonst aber im Gegensatz zum
Stadtrecht meist ^^-) auf die Bulse. — Eine Verzählung
wegen lemde, Lähmung, die wohl der offenen Wunde
gleichkam, begegnet uns nur einmaP^'^).
Aulser dem Thäter wurden auch seine Helfer, die
„Folgen und Gefährten", wegen „Volleist" ^^*) verzählt
und zwar stets, soweit der entsprechende Zusatz vorhanden,
auf die Bulse, ganz wie im Stadtrecht (Kap. XXX § 6).
Auch hier ging eine Klage des Verletzten vorher ^^■^).
180) A2. 25—31; spcäter(c. 1447) noch einmal Stadtb. II No. 359.360.
isi) Auch nur wunde z. B. B IH. 428.
i»2) Ausnahmen B 456. 854. 909.
183) B 428; vergl. Stadtb. II No. 359.
18^) imibe folieist des totslages A 17. umhe eyne folieist A
32. 78. 79. 81. B 239. umbe ein folieist an eim toden B 238. umbe
folge eyner offen ivimden A 68. als voUjer des totslages B 496.
darumhe daz er eyn folge unde eyn geferte ys gewest an eyme toten
B 53. also wegen imd geferten an derselben ivunden B 549. als
umbe folgen unde geferte B 989. umbe fulge unde gefertige B 1076.
^^■') Nur einmal läfst der Rat verzählen B 53. Der Verzählung
auf Antrag des Bergmeisters A 17 war wohl eine Verzählung im
Berggericht vorhergegangen.
Das Verzählen. 55
Endlich mag hier noch die Verzählung- des N. Lant-
voit erwähnt werden, der sich für Geld anheischig gemacht
hatte, eine Frau zu ermorden (A 47).
Für leichtere Friedensbrüche (mit icorten, mit
siozene, mit hantslane, mit ronfene, mit mezzerruckene,
ivi daz ist, ane ininden, di da Immper sin Stadtr.
Kap. VIII § 1) braucht das Stadtrecht den Ausdruck
vride (z. B. Kap. II § 2. 3. 13. VIII. XXIV. XLIX § 31)
und rechnet die Klagen deswegen zu den siechten dagen
(XLIX i^ 31 vergl. XXVII § 1. 4. XXX § 3); der
Beweis wurde nicht durch Zweikampf, sondern durch
Zeugen geführt, und die Strafe, die den schuldigen Be-
klagten traf, bestand in einer Geldbulse, die zu zwei
Dritteln dem Richter und zu einem Drittel dem Kläger
gebührte (Kap. VIII § 2—4). Eine Verzählung wiegen
solcher Friedensbrüche kannte man in älterer Zeit nicht.
Später schied man schärfer zwischen der schlichten
Klage und der Frevelklage^^*^), wie man mm die
Klagen wegen geringerer Friedensbrüche nannte, und
wandte auch bei dieser in ausgedehntem Malse die Ver-
zählung an. Die Ausdrücke w^echseln; man verzählte
um frevildagen, um dagen, iim frevel (B 158), um frevil-
dagen uff den frede (B 909), um dagen umme frede
(B 74. 75) oder uff den fride (B 278. 590), um dagen
umid den fride (A 68. 69 vergl. B 66. 95. 103. 242),
um dagen und den frevel (B 246), um freveldagen die
den fride und frevel anlangen (B 469). Geringere Ver-
letzungen, zu denen es bei solchen Händeln kam, wurden
wohl nur ausnahmsweise im Verzählbuche angemerkt
{umbe eyne hlutrunst A 68. 76. 108. B 236), während
eigentliche Wunden stets notiert werden; so finden sich
zahlreiche Verzählungen wegen einer oder mehrerer
Wunden und Frevelklagen. Die Zahl der Frevelklagen,
welche zu der Verzählung geführt hatten, wird meist ^^')
genau angegeben ; es sind ihrer bald eine (B 29. 260), bald
zwei (A 68. 69. 90. B 236. 242 u. ö.), sehr oft drei (A 73.
76. 102. B 16 u. ö), aber auch noch mehr bis zu acht (B 301),
neun (B 157), ja selbst siebzehn (B 334); es ist dabei
daran zu erinnern, dals das Stadtrecht (Kap. XLIX
§ 31) die Klagen um den Frieden ausdrücklich von der
180) Vere-1. die Vorsprcdioiitaxp von 143fi fü?.. T. 153 f.).
'8^) Unbestimmt z. B. B BUT. 909. 953. 971.
56 Huliert Eriniscli:
Bestimmung ausnimmt, nach welcher in einem Dinge nur
drei schlichte Klagen vorgebracht werden dürfen.
Auch die Frevelklagen erhob, soweit wir es ver-
folgen können, stets der Geschädigte'^^). Den Rat finde
ich nur in drei Fällen als den bezeichnet, von dem die
Verzählung ausgegangen sei, und von diesen erklärt sich
der eine dadurch, dals es sich um eine Verletzung des
städtischen Zöllners handelt (B 95, vergl. 384 428). Die
Verzählung um Frevel erfolgte wohl durchweg auf die
Bulse; es ist mir nicht ein einziger Fall von Verzählung
auf den Hals wegen einer Frevelklage ohne Konkurrenz
eines andern Vergehens vorgekommen.
Den Verzählungen wegen Frevelklagen stehen sehr
nahe die zahlreichen Verzählungen und Verweisungen
wegen Real- und Verbalinjurien, Drohungen, Ver-
leumdungen und Verspottungen, aus denen wir nur wenige
Beispiele herausgreifen. Da wird Timel verzählt, weil
er des Hirten Sohn geschlagen und ihm aus einer Flasche
mireyne trinkin gegeben hat (B 1287), Helwigs Sohn
mit seinen Helfern, weil sie einen Bauerjungen geschlagen
und ihm Kirschen genommen haben (B 1573), Joe. Krewel,
weil er den Herrn Anark von Waidenburg mit Frevelworten
in seiner Herberge oherfaven hat (B 1597), Pe. Koler
und Hans Dytrich, weil sie einander gedroht haben, einer
wolle den andern „erbelos machen und aus der Stadt
spielen" (B 13), Lor. Zcerler, weil er Gäste, die in
ihre Herberge gehen wollten, mit blolsen Messern be-
droht hat (B 1351), Stralle der Häuer, weil er Bobricz
vor seinem Hause „Lauser dy hurre(?)" geheilsen
(B 1567), Crondel, weil er „Lieder auf die Leute ge-
dichtet und gesungen'' ^^») (B 1383), Pa. Keubeler,
weil er „von Wollfe in der Engengasse solle gesungen
haben" (B 1742) u. dergl. m. In mehreren Fällen ist
die Verleumdung ehrbarer Frauen und Jungfrauen der
Grund der Bestrafung (B 20. 163. 639. 651. 820. 1159).
Auch die sonderbare Verzählung von Mich. Donner und
Hans Cluge , welche mittenander getruncken haben lint-
kauff', daz eyner den andern, tvo er yn anqiveme, ir-
morden welle (B 529), gehört wohl hierher; die beiden
scheinen einen förmlichen Vertrag mit einander gemacht
188) Wo die Verzählung vom Bergmeister ausging (A 16. B 334.
335), war ein Verfahren im Berggericht vorhergegangen.
ISO) Vergl. die Urfehde des Ha Boher, der vf N. Man lider
getickt und gesungen hat Stadtb. II No. 448.
Das Verzählen. 57
ZU haben (das Trinken des Leinkaufs gehörte zum x4.b-
schluls eines Kaufgeschäfts^'*"), dals sie sich gegen-
seitig nach dem Leben stehen wollen. Erschwerend
wirkte es, wenn die Beleidigung des Nachts (z. B. A 61.
B 1567) oder unter Verletzung des vom Landesherrn
B 1363) oder vom Rate (B 1184) gewährten Geleits
oder in Gegenwart von obrigkeitlichen Personen (z. B.
B 1461. 1493. 1646) erfolgte; doch gehört letzteres
eigentlich zu den weiter unten zu erwähnenden Ver-
gehen gegen den Rat. Li allen diesen und ähnlichen
Fällen ging die Verzählung vom Rate aus'"^); vor ihm,
nicht im Dinge, mochten derartige Beschuldigungen er-
hoben werden und im Rate war auch der Beweis zu
führen (vergl. A 61. B 159. 186. 188. 205). Es kann
also zweifelhaft sein, ob wir die Gegenstände nicht in
die Zahl der weiter unten zu erwähnenden Polizei-
vergehen zu setzen hätten, wie wir es mit den zahlreichen
Bestrafungen wegen nächtlichen Unfugs thun.
Wir erwähnen schlielslich noch einige Fälle des
(lualifizierten Friedensbruches. Vor allem ist der Haus-
friede besonders geschützt; das eigenmächtige^''-) Ein-
dringen in ein fremdes Haus gilt als besonders strafbar.
Den Begriff, den das Stadtrecht mit der „Heimsuchung"
verband (s. o. S. 5 f.), finden wir zwar im Verzählbuch
nicht; auch der Ausdruck erscheint nirgends. Dagegen
sind die Fälle sehr häutig, in denen Personen verzählt
werden , weil sie andern ihren hnsfrede gebroclien
(z. B. B 76), geivalt und frevel hegangen liabin an eym
besessen manne und an seynem husfryde i z. B. A 93),
einen oJnl gehandelt halx'ii yn synen vier pheln (B 97.465),
einem frevelicJi in sein hus lifjfcn (z. B. A 65) u. ä.; bald
handelt es sich nur um Schmähungen (z. B. B 12. 54.
1352], bald um Verwundungen (z. B. A 84. B 269. 1321.
1333) oder um Sachbeschädigung (B 1622). Auch hier
wird es besonders hervorgehoben, wenn der Frevel bei
Nacht geschehen ist (z. B. B 34. 874. 991. 1143. 1420.
hie nacht heslossener tJn'tr A 56). Hans Sechsheller wurde
bestraft wegen Hausfrieden.'<bru<'hs am eignen Vater
(B 447), Nickel Ijodwig wegen Hausfriedensbruchs an
seinem Wirte, bei dem er wohl als Hausgenosse, Mieter,
liw) vergl. ÜB. III, L.
'"') Eine Ansnahnie, macht .\ 8!^
'"^) ane (d. h. ohiiej (jericIUc U ö'JÜ.
58 Hubert Ermisch:
wohnte (B 1143). Auch das Schiefsen durch eine Wand
des Hauses (A 54), das Hauen, Stechen, AVerfen in das
Haus (B 169. 252. 860. 1349. 1688. 1689. 1762), das
Ötolsen in die Fenster (B 1073), das Hauen in die Thüre
^B 1202. 1778) galt als Hausfriedensbruch. Wer vor
ein Haus lief, dort schmähte und mit Hausfriedens-
bruch drohte (B 39. 215. 235), war gleichfalls strafbar;
besonders häufig sind die Fälle des „Ausheischens" aus
dem Hause, womit in der Regel Beleidigungen, Drohungen
und Milshandluiigen verbunden waren (A 99. B 10. 31.
73. 93. 94. 105. 145. 169. 1196. 1422. 1433. 1570 u. ö.).
Entstand in einem Hause, in dem feiler Trank war d. h. der
Reiheschank stattfand, ein „Gestofse", so sollte dies nach
dem Stadtrecht iKap. J^ XVIII § 5) nicht als Heim-
suchung gelten; dafs man solche Rücksichten auch später
nahm, darauf deutet der Zusatz zur Verzählung des
Andr. Bauch wegen Hausfriedensbruchs an Merten
Keuschberg: und lud docli den tag keijne zceclie do
grJ/abt (B 1872^. — In allen Fällen des Hausfriedens-
bruchs war der Beweis „mit den Nachbarn" (vergl.
Stadtrecht Kap. XXVIII § 3) vor dem Rate zu führen
(vergl. A 56. 93. B. 12. 52. 54. 93 u. ö.) und ging die
Verzählung von diesem aus, manchmal unter Mitwirkung
der landesherrlichen Oberbeamten [z. B. A 54. 93. B 252.
269. 874).
Wie die Privathäuser, so genossen auch die öffent-
lichen Gebäude einen besonderen Frieden, namentlich das
Wein haus, in welchem der Rat seine Weine und
fremde Biere unterbrachte und verschenken liels, und
das Frauen haus.
Aufserordentlich zahlreich sind die Vergehen im
Weinhause, deren das Verzählbuch gedenkt. Dabei wird
bald nur allgemein angegeben , dals einer umbc unfuge
(z. B. A 97. B 417), weil er im Weinhause geunfuget
und unhescheidenUch gelebt Jiahe (z. B. B 80. vergl. 63),
weil er ein orhah in dem tuinhase liot geliahen (B 51. 88.
479. 494. 607) verzählt worden sei, bald werden die Delikte
näher bezeichnet (z B. Unfug mit Worten B 179. 528. 713.
726, Gotteslästerung B 483, Raufen und Schlagen B 63. 241.
1438, Verwundung B 50. 872. 884, Bedrohung B 62. 101.
463 u. dergl. m.). Der vom Rate angestellte Schenke
(meist „Weinschenk", doch auch „der Bürger Bierschenk"
B 37. 354 genannt) bedurfte natürlich besondern Schutzes
gegen den Übermut seiner Gäste, wenn er z. B. solchen,
Das Verzählen. 59
die nächtlicherweile eindrangen, keinen Wein geben wollte
(B 64) ; grober Unfug gegen ihn und seine Frau (B 201.
642. 643. 680. 701. 807. 1046. 1303. 1723. 1763) wie
gegen „der Stadt Dienerinnen" im Weinhause (B 901.
958; vergl, 241. 1205. 1236) kam oft genug vor. Auch
wer das Weinhaus verliels, ohne zu bezahlen (an des
irmsditnglxcn dang B 304, umhereit B 642. 800. 926.
1141, darumbe daz er dem tvinschcnkin schuldig ist und
nicht heczaJt B 1251), wurde verzählt.
Ebenso notwendig war ein besonderer Friede im
Frauenhause ^^'') , das ebenso wie das Weinhaus als
städtisches Institut galt. Viele Personen wurden ver-
zählt, weil sie daselbst geunfugt (z. B. B 120. 216. 418.
659), unbescheidenlich oder frevelich gelebt (B 81. 439),
unfiir getrieben (B 1368), geu-aldinhergct haben (B 1217).
Wo die Vergehen näher bezeichnet werden, da sind es
meistens Mifshandlungen der „freien Frauen" (z. B.
B 117. 224. 461. 524. 646. 1332. 1375) oder ihrer
„Meisterin" (B 1013; vielleicht ist auch die Krewelynne
B 1671 für eine solche zu halten).
Die Namen der im Wein- und Frauenhause Ver-
letzten sind oft nicht angegeben, weil es offenbar eines
Strafantrags nicht bedurfte. Denn hier begangene Frevel
galten als Verletzung der städtischen Freiheit (vergl.
B 884), als Vergehen gegen den Rat {hat der burger
nicht 'geschont z. B. A 97. B 64. 117. 120. 179. 3Ö2\
Von ihm ging also die Vei'zählung aus, hie und da (z. B.
B 1017) unter Mitwirkung der landesherrlichen Beamten,
und war stets eine Verzählung auf den Hals. —
Nur wenige Beispiele der Verzählung wegen Not-
zucht und Entführung kommen vor (A 5. 34. 50
vergl. B 510) ; in den beiden letztgenannten Fällen ist es
der Rat, in den ersten die Verletzte bez. ihr Dienst-
herr — denn dafür ist doch wolil Reinfr. Grolse zu
halten — , von denen die Verzählung, die aber auch in
diesen Fällen auf den Hals lautet, ausging. —
Auch Raub und Diebstahl, die nach dem Stadt-
recht zu den schweren Friedensbrüchen gehörten , bei
denen V^erzählung ehitrat, werden auffallend selten im
Verzählbuch erwähnt. Heinrich Vogelsberg läist den
Conrad Fasold an den Brief setzen, weil er ihn beraubt
hat (A4): der einzige Fall, in welchem die Verzählung
1!«) Vei'o-l. V. Poseni-Klett in v. Weber.s Archiv f. d. Sachs.
Gesch. XII, 73 ff.
(jO Hubert Ermiscli:
des Räubers vom Gescliädigten ausging. Als ein Ritter
vom Stegreife erscheint Taubenheim, der wegen zahl-
reicher Räubereien voreclit und rorczalt wird , A 9). Wie
dieser, so hatten es auch die Brüder Kogeler haupt-
sächlich auf Pferde abgesehen (A 23). Die Räubereien
des Cunczsche und Kogilsberg, bei denen es auch zu
Totschlägen kam, wiu'den dadurch besonders erschwert,
dals sie im Geleit geschahen (B 864). Hentzschel Em-
merich wurde verzählt, weil er Freiberger Bürger um
Geld an Räuber verraten hatte (A 48). Wenn mehrfach
Personen verzählt werden, die anderen (jeiveyelogit haben
(A 55. 75. B 280. 409. 487. 497. 500. i059. 1146. 1336.
1337), so dachte man dabei, wohl nicht an Raub, sondern
an heimliches Auflauern, Überfälle (oft hie nacJ/t z. B.
409. 487) in der Absicht, an jemanden einen groben
Fiiedensbruch zu begehen.
Eine einzige Verzählung iinihe chibe kommt vor
(A 20) ; wir schliefsen ihr einige Fälle von Garten- und
Felddiebstahl (B 694. 1354, vergl. 1811, auch 568. 576)
und von unberufenem Fischen in fremdem Fischwasser
(B 1679) an. Ergriffene Diebe, denen nach dem Stadt-
recht der Strang gebührte, wurden zuweilen zu ewiger
Verweisung begnadigt (B 212. 368. 967. 1539), ebenso
einer, den man dabei ergriffen hat, dafs er bütel ahege-
snyten hat (B 177) ; diesem wurden vorher die Ohren ab-
geschnitten, die einzige Verstümmelungsstrafe, die unser
Buch erwähnt.
Auch von Betrug finden sich nur wenige Fälle.
Wir können et\Aa dahin rechnen, wenn die Schifer-
bartynne verzählt wird, darumhe daz sie hijer hole und
fordert das andern lueten und luanne man die darumhe
manet, so uissen sie davon nicht, und uanne die Inte,
zu (d. h. von) den sie das hier holt, [sie darumhe an-
sprechen (^)J, so leuJient sie des (B 1209). Auch die nicht
seltenen Fälle von Zechprellerei (beim Reiheschank) ge-
hören hierher, so wenn Puchel und Fabian Clugenickel
verzählt werden, weil sie dei» ivirthe onhereit sein aus-
gegangen (B 1709); das „unbereite Ausgehen-' erscheint
als der Kunstausdruck für solche Vergehen ^"^) (B 1138.
1175. 1278. 1324. 1805. 1844).
^^'^) Deutlicher in eiuein Falle von 1.505: das sie bei/ Ciintz
Gramer zu bir qewest und die zceche nicht bezcnlten. verzählb.
fol. 76 b cf. fol. '78.
Das Verzählen. Ql
Es mag- liier auch erwähnt werden, dals mehrfacli
Dienstboten verzählt werden, weil sie den Dienst wider
Willen des Herrn verlassen (ß 1313. 1647. 1648) oder
trotz des vor dem Rate abgelegten Gelöbnisses nicht
angetreten haben (B 1713). Noch häufiger verzählt
der Rat solche, welche die Ausführung von Arbeiten für
die 8tadt (namentlich an den Festungswerken, vergl.
B 47. 778) übernommen, auch wohl bereits Geld dafür
erhalten haben und ihrer Verpflichtung dann nicht nach-
gekommen sind iB 513. 681. 703. 778. 839. 1804. 1806,
vergl. a. 1387) oder andere zu solchen Vergehen ver-
leitet haben (B 47. 674. 681. 839).
b) Vergehen gegen die Religion, die Landesherren,
den Bergbau, das Gericht.
Den Vergehen gegen die Obrigkeit stellen wir die-
jenigen gegen Gott und die Kirche voran, die von be-
sonderem sittengeschichtlichen Interesse sind. Sittlich-
keitsvergehen erschienen doppelt strafbar, wenn sie in
einer heiligen Nacht d. h. der Nacht vor einem Feier-
tage, stattgefunden hatten; so wurden zwei Personen ver-
zählt, weil sie in der Nacht von Sonnabend zu Sonntag bei
einer Hure ergriifen worden „und Gottes und ihrer ehelichen
Weiber nicht geschont hatten" ( A 91). Joe. Spetener verfiel
in Strafe, weil er //n JwiJgen neckten eine Hure in sein
Haus geführt (B 78), Joe. Hone und die „Kulechte Kete",
weil sie hivreit und hafferie in heiligen Nächten ge-
trieben (B 91), der Brauer Brumpnicz, weil er am
Pfingstabend allerhand Unfug gegen das Frauenhaus be-
gangen (B 553 j. Der Verweisung eines Mannes, der
am Osterabend im Frauenhause gelegen und dann am
Ostertage das Abendmahl genommen hat, gedenkt Stadt-
buch II (No. 57). Andere wurden wegen Zechens und
unziemlicher Worte am Karfreitage bestraft (B 1448).
An einen Unfug, der namentlich während der Fastnachts-
zeit im Mittelalter gar nicht selten erwähnt wird, er-
innert die Verzählung mehrerer Personen, welche iinscrs
lierrcn fjotis bilde in vorspöttenißc ro)i gasten zu gassoi
getragen /idbei/ und mit lucuichcn siucliche ivortcn vor-
spotteti (A 57), wohl auch die einiger andern, welche
jieg nacht vilge (Vigilien) halten gelungen und ha/x-n
onciemelicJi gei-ichreg gctrrJti^i (B 1761). Auch noch einige
andere Fälle von Gotteslästerung weiden ciwälint ( H 483.
62 Hubert Ermisch:
1022). Gar nicht selten sind Milshandlungen und Be-
leidigungen von geistlichen Personen (ß 671. 746 819.
1172. 1177. 1214. 1630); es kommt sogar vor, dafs die-
selben in der Kirche geschmäht werden (B 247). So
wird Hans Berbener der Stadt verwiesen, weil er in der
Kirche zu Unser Lieben Frauen erklärt hatte , er tliue
den Prediger, der eben den Bann über ihn ausgesprochen,
ebenfalls in den Bann (B 1325). Geistliche waren wohl
auch die Kollektoren der 1427 gegen die Hussiten
ausgeschriebenen allgemeinen Steuer, die „Aufheber des
Geldes wider die Ketzer", wegen deren Schmähung Joh.
Copian verzählt wird (B 672). Im Zusammenhang damit
mag erwähnt werden, dafs einige Jahre vorher die
Musuterin ausgewiesen wurde, weil sie unhristenlich mit
den keti'ern uß- und yngeczogen ist (B 515). Zwei
Frauen werden verzählt wegen Beleidigung der Nonnen
im Jungfrauenkloster (B 1267. 1852). Wenn Tosscheinckel
und Jorge Melczer verzählt werden, weil sie die heterinnen
an ir hetlie den Imntslegern (Schindern) (jefjlichet haben
(B 610), so dürfen wir das vielleicht auf die Beginen oder
Polternonnen beziehen, jene halb geistliche Genossenschaft
für Krankenpflege, Beerdigungen u. dergl., welche die für
ihre Zwecke erforderlichen Gelder zu sammeln pflegten.
Endlich mag noch auf einige Fälle von allerhand Unfug
auf den Kirchhöfen, in den Kirchen (B 1108. 1370. 1460.
1462) und in der mit der Marienkirche verbundenen
Schule (B 478. 581, vergl. 1036) hingewiesen werden.
Vergehen gegen die Landesherren werden selten
erwähnt ^•'■"'). Hierher gehören die Verzählungen wegen
freventlichen Bruches des landesherrlichen Burgfriedens
(A 63) und des landesherrlichen Geleites (B 1363), die Aus-
weisung von zwei Personen wegen Frevels am Hofe des
Markgrafen Wilhelm (B 364^. Häufiger sind Beleidigungen
der landesherrlichen Amtleute (B 258 644. 799. 870 u. ö.,
falsches Zeugnis vor den Amtleuten B 1128), wie des
obersten Vogtes oder Hauptmannes (B 77. 79. 262. 1371.
1382 u. ö.), des Münzmeisters (B 1174. 1309. 1718), des
Bergmeisters (B 676. 710. 838. 990 u. ö.), des Zelmtners
(B 161. 323). Auch nächtlicher Unfug gegen landes-
herrliche „Söldner und Diener" wird erwähnt (B 11).
Kraft des Bergregals war der Landesherr Obereigen-
^"5) Über die Mitwirkung landesherrlicher Beamten in solchen
Fällen s. o. S. 40 f.
Das Verzählen. 63
tümer aller Bergwerke und deshalb gehören auch die
B e r g w e r k s V e r g e h e n hierher. Wie die oberen Berg-
beamten, so wurden auch die Hutleute (B 500. 1127)
und insbesondere die Bergrichter und Bergschötfen gegen
Beleidigungen, Mifshandlungen und Widersetzlichkeiten
geschützt (A40. B 622. 695. 777. 794. 841. 1000. 113.3)
und in ihrer Gegenwart oder im Berggericht begangener
Unfug gestraft (A 37. 43. B 217). In diesen Eällen
und in vielen andern, in denen der Bergmeister als der-
jenige erscheint, der die Verzählung veranlafste , war
dieselbe wohl zunächst im Berggericht ausgesprochen
und dann erst dem Rate notifiziert worden ^^*^). Ein
gleiches Verfahren ist z. B. anzunehmen, wenn Meyner
Tafel verzählt wird, der auf die Citation des Landes-
herrn „von Bergwerks wegen" nicht gekommen und deshalb
verurteilt worden war (A 13). Mehrfach wird wegen „Un-
fugs auf dem Berge" verzählt (z. B. B 140. 194 vergl. 9).
Interessanter sind einige Einzelfälle. Bürger und Amt-
leute lassen Slicher und Küttener verzählen, weil sie „eine
Einung gemacht haben unsern Herren und dem Berg-
werk zu schaden" (A 35), den Hensel Kremser wegen
„unnützer Rede dem Bergwerk zu schaden" (A 58), Symon
Drystich, weil er bauende Gewerke bedroht und im Be-
triebe der ihnen geliehenen Gruben gehindert hat unsern
herren zu schaden (B 258j, den Bauer Fleck, weil er
eine Kaue zu Frankenstein abgebrochen und nebst an-
derem zur Grube gehörigen Gezäh weggeführt hat (B 86),
den Jac. Weter, weil er ohne Erlaubnis Ronbaum, Leiter
und Pfähle in der Stadt Stollen genommen hat (B 1413).
Welzel wird durch den Zehntner verzählt, weil er nicht,
wie er gewillkürt hat. vor den Amtleuten erschienen ist,
um sich wegen gestohlenen Erzes zu verantworten (A 45).
Andere werden bestraft wegen betrügerischer Hand-
lungen beim Erzverkauf (B 1572), wegen Versäumnis
der verdingten Bergarbeit (B 868), weil sie sich cor-
hamuer genant, koste vom hoffe gefordert und hinden
noch enjjhremdet haben (B645); Ha. Summer, weil er unter
dem Vorgeben, ein Tiefstes im Kippersberge sinken zu
wollen, Steuer (Unterstützung aus der landesherrlichen
Kasse) erhoben und dann jene Arbeit nicht ausgeführt
hat (B 484), N. Hoffemann, weil er von seinen Gewerken
14 Tage lang Kost gefordert und in dieser Zeit nur
i90j Vergl. S. 41 f. und die dort gegebenen Beispiele.
04 Hubert Einiisch:
3 Schichten g-earbeitet hat (B 1056) , drei Personen,
weil sie hie außer hern (jelde unde stewre e/jn durcJislack
zum Roten Crucze yeinacht, den roiieiukent unde furder
nach 4 niarg zcu Steuer von den anvptJeuthen gefurdert
haben, daz sie den d'urcJisIag mochten volbrengen (B 1127).
Eine besondere Grnppe bilden die Vergehen
gegen das G-ericht, die wir hier anschlielsen, obwolil
sie ebensogut in das nächste Kapitel zu bringen wären.
Denn das Gericht war ohne Frage landesherrlich; aber
der Rat hatte schon sehr früh einen wesentlichen Anteil
an seiner Verwaltung, der dann, was hier nicht weiter
zu verfolgen ist, fortwährend wuchs. Namentlich be-
stellte der Rat seit ältester Zeit den üntervogt (später
Stadtvogt oder schlechthin Vogt genannt), der bereits
im Stadtrecht als der eigentliche Richter erscheint; zwar
hatte auch der vom Landesherrn ernannte Obervogt (der
spätere Hauptmann) umfassende gerichtliche Befugnisse,
übte sie aber thatsächlich immer wenigei- aus, bis er
schlielslich blolser Administrativbeamter wurde. Mehr-
fach ist von den Vögten (B 90. 189. 1384j oder den Ge-
richten (B 1264. 1504. 1547; die gerichte der voite und
hurger 320) in der Mehrzahl die Rede. Das Gericht des
obersten Vogts wird aber nur einmal ausdrücklich er-
wähnt (B 1362). Um so häufiger kommen Verzählungen
wegen Vergehen gegen das eigentliche Stadtgericht, das
Gericht des üntervogts, Stadtvogts oder Vogts vor; sie
gehen durchweg vom Rate aus, wenn auch zuweilen
(B 285. 327. 369. 412) unter Mitwirkung des obersten
Vogts: war doch auch die Autorität des Landesherrn
durch derartige Vergehen verletzt worden.
Betrachten wir nunmehr die einzelnen Fälle. Be-
kanntlich herrschte im Dinge ein besonderer Friede,
der bei Hegung desselben ausdrücklich geboten wurde.
Das Stadtrecht gedenkt der Hegung nur bei den drei jähr-
lichen „Vardingen", der späteren Form der uralten echten
Dinge; bei diesen verwirkte Bulse, wer den Frieden mit
Worten, das Leben, wer ihn mit Werken brach
(Kap. XXXII § 9). In späterer Zeit tritt ein Unter-
schied zwischen Vardingen und andern Dingen nicht
mehr hervor; jedes Ding galt als ein gehegtes. „Unding-
liches" und frevelhaftes Reden, Scheltworte u. dergi. vor
gehegter Bank wurden bestraft (B 192. 230 320. 552.
1194), besonders wenn die Beleidigung sich gegen den
Richter und die Schöffen richtete (A 22. B 40 45. 150.
Das Verzählen. 65
412. 1193. 1617). Wie alle andern Stadtbeamten (s. ii.),
so genols der Stadtvogt auch anfserlialb des Dinges be-
sondern Scbutz gegen Beleidigungen und Verleumdungen
(B 116. 176. 615 u. ö.), namentlich iu Gegenwart des
Bürgermeisters und Rates (B 1179. 1247. 1575) und bei
Amtshandlungen z. B. Pfändungen ( B 774), Verbüi^gungen
(B 1317); als Beleidigungen galten auch Vergehen und
„unpflegliche" Eeden iu seiner Gegenwart ( A 72. B 1012.
1065. 1329).
Der Richter durfte bekanntlich kein Urteil teilen
(Stadtrecht Kap. XXXII § 2); dies war Sache der Beisitzer.
Das Stadtrecht kennt kein geschlossenes Schötfenkolleg;
der Richter konnte seine Urteilsfrage an jeden richten,
der sich innerhalb der vier Bänke befand ^^"). Erst seit
dem Anfang des 15. Jahrhunderts wurde jährlich eine
bestimmte Anzahl von Schöffen, die von vier bis auf
sieben stieg, gewählt. Diese ständigen Urteiler waren
nunmehr ebenfalls gegen Beleidigungen besonders ge-
schützt (B 245. 571. 620. 793. 891. 1417), namentlich in
ihrer amtlichen Thätigkeit: wenn man sie „strafte an
ihrer Aussage" (B 601, vergl. 1390) oder wenn sie einer
beschuldigte, das sie im die ortel anders geteilt sidden
haben, wen sie die bürgei' in dem rathe gelert haben
(B 431). Letzteres bezieht sich darauf, dals die Schöffen
in Zweifelsfällen sich an den Rat als die letze Quelle
des geltenden Rechts zu wenden und von diesem Be-
lehrung zu erbitten hatten ^^^). Auch wenn die Partei
das Urteil der Schöffen strafte, entschied der Rat;
im Jahre 1383 wird ein Bürger auf den Hals verzählt,
weil er freventlich gesprochen, die Bürger hätten ihm
ein Urteil 2:u Imrz geteilt (Stadtb. I No. 39). Die
Verzählung des Franz Becker, der gesagt hatte, sein
Schwager „krieche den Schöffen nach, darum dals sie
ihm teüen, was er will" (B 652), gehört auch in diesen
Zusammenhang.
Endlich war auch die Beleidigung des Gerichts-
dieners, des Büttels oder Fronboten strafbar (B 1300.
1450. Unfug in seinem Hause B ()7. 77), besonders wenn
er im Dienste war (B 234. 1410. 1516).
Häufig sind Verzählungen wegen Ungehorsams
gegen das Gericht oder den Vogt (B 357. 444.
197) Vergl. ÜB. II, XXXIII.
^"^) Vergl. ebenda.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. .\II1. 1. V.
66 Hubert Ermisch:
448. 462 u. ö.) und wegen Widersetzlichkeit gegen das
Gericht ^®^) (darumhe das er sich gerichtis gewert hat
A 104. B 30. 111. 162 u. ö. das' er sicJi wedersessigli ge-
macht dem gerichte 1134. 1538). Diese Widersetzlichkeit
bestand oft in der Weigerung, Bürgen zu setzen ( A 51.
72. B 25. 121. 122. 1067 u. ö.j, was als besonders straf-
bar galt, wenn die Bürgensetzung vorher vor dem Stadt-
vogt gelobt worden war (B 460. 706. 724. 752. 987),
oder Pfand zu geben (B 134. 349. 392. 1066. 1407 u. ö.)
oder das gerichtlich gewonnene Pfand auszuantworten
(B 310); im Zusammenhang damit weisen wir hier auf.
Verzählungen wegen Entwendung von Pfändern (B 627
695. 698. 744. IUI, vergl. 604) und von gerichtlich ver-
botener Habe (B 593, wohl auch 669), wozu auch der
Ausschank gerichtlich mit Arrest belegten Bieres gehört
(B 403), und auf die Verzälilung des Reyfer, der
unpfandeliche pfand yn die hang zu pfände gesand hat
nemelichen 1 hl. pro qiiinque grossis (B 791 ). Ein Fall der
Widersetzlichkeit gegen das Gericht, der nur bei Aus-
wärtigen vorkommen konnte, war der des Fahrens und
Reitens aus dem Kummer, dem über Fremde oft gericht-
lich verhängten Arrest auf ihre Güter und besonders
auf Pferde und Wagen (B 817? 1164. 1208. 1232.
1491 u. ö., vergl. 599. 1545); gegen ungerechten Kummer
wurde dagegen der Fremde geschützt (so ist wohl B 501.
502 zu verstehen).
Sehr häufig sind Verzählungen Avegen Verweigerung
der gerichtlichen Antwort. Nach dem Stadtrecht war
solche, wie wir oben sahen, die Voraussetzung jeder Ver-
zählung; dals dies später nicht mehr der Fall, dals mit-
hin die Abwesenheit des Beklagten keineswegs nötig
war für seine Verzälilung, beweist das Vorkommen der
hier zu erwähnenden Fälle. Der Gegenstand, wegen
dessen der Beklagte antworten sollte, wird durchweg
nicht angegeben; es handelte sich wohl lediglich um
privatrechtliche Klagen und Polizeivergehen, da bei
schwereren Straffällen stets der Grund der Verzählung
bezeichnet wird. Das Vorgebot zur Antwort erfolgte
meist durch den Vogt „von der Bürger wegen", seltener
durch Gericht und Bürger (B 878. 911. 923. 964. 980;
1^) Das Stadtrecht bedrohte diese, wenn der Richter zugegen
war, mit Lebensstrafe (Kf^P- XXXIII § 19). Eine Urfehde wegen gro-
ber Widersetzlichkeit gegen die landesherrl. (TerichteStadtb. II No. 324.
Das Verzählen. 67
V071 der hürger und des ohern voits wegen 1695), noch
seltener durch das Gericht (B 1233) oder durch den
Vogt allein (B 1311), wobei man sich wohl ebenfalls den
Rat als Auftraggeber zu denken hat; übermittelt wurde
das Yorgebot jedenfalls ebenso wie früher durch den
Fronboten. Wer nach erfolgtem Vorgebot die Antwort
weigert, sei es, dafs ihn der Kläger überhaupt nicht vor
Gericht (vor Recht) bringen kann (B 221. 299), sei es,
dafs er sich zwar im Gericht einfindet, aber dem Kläger
nicht Rede steht -'"^j, wird verzählt, besonders wenn er
etwa vorher vor dem Richter „bei dem höchsten Rechte",
„bei der höchsten Bulse" oder „bei einem Verzählen"
gelobt hat zu antworten (B 15. 106. 250. 369. 396.
398 u. ö.). Dasselbe Schicksal trifft den, der dem Ge-
richte oder dem Vogte entläuft (B 263. 355. 738. 1365.
1467. 1710. 1800), wobei man nicht immer an eigentliche
Dingflucht, d. h. eigenmächtiges Entweichen von Ge-
richtsstelle während der Gerichtsverhandlung -'^M zu
denken braucht, da man unter „Gericht" auch den
Richter allein, wenn er Amtshandlungen vornahm, ver-
stand. Ein ähnliches Vergehen liegt bei solchen vor,
die verzählt werden, weil sie des Gerichts nicht heiten
(d. h. warten) wollten (B 986. 999. 1140. 1162j.
Ungehorsam gegen Gericht und Rat war es, wenn
der, dem ein Haus oder Hof oder sonstiges Grundstück-"")
wegen Schulden (B 231. 506. 842) oder als verfallenes
Pfand (B 837) gerichtlich ^°'') abgewonnen war, dasselbe
auf ein wohl stets zugleich vom Rat und vom Gericht -"■*)
ausgehendes Gebot (vergi. B 24. 174 284. 466 u. ö.)
nicht räumte-"'^); mit wenigen Ausnahmen (B 174. 506)
war es dann der Rath, der die Verzählung veranlalste.
200) Vergl. Planck II, 314 ff. Meist ist nicht zu erkennen, ob
das eine oder das andere der Fall, z. B. B 6. 98. 125. 189. 282. 1315
und sehr oft.
2"n Planck 11. Bio.
202) Eine Fleischbank B 695, eine Hütte B 736, ein Erbe in
Bobritsch B 18; die öbirmasse an einem Hause B 317. 318.
-**'') als sii das mid rechte irfordirt haben B 353. mit recht
angeivunnen B 525. mit gerichte irstandenTi 1203. de jnre et ciribus
B 847. 849.
-0^') Beide Faktoren wirkten auch wolil da zusammen, wo es
heifst, es sei die Räumung von der Bürger wegen (B 35. 225. 264
u. ö.) oder von (lerichts wegen (B 198. 220, 317 u. ö.) geliotcn
worden; meist ist gar nicht bemerkt, von wem das (lebot der Räu-
mung ausging (15 18. 38. öH. 71 u. ö.).
•-"•') Vorgl. Stadtrecht Ka].. V 5< 20.
68 Hubert Ermisch:
Die Verzälilung wegen Verletzung eines vor Rat oder
Gericht abgelegten Grelöbnisses werden wir unten er-
wähnen. —
An die Stelle des gerichtlichen Austrags von Streitig-
keiten aller Art trat häufig der aulsergerichtliche Ver-
gleich, die Richtung durch ratlnte , wie das Stadtrecht
(Kap. XIV. XV) die Schiedsmänner bezeichnet. Diese
Vergleiche wurden meist vor dem Rate, oft auch von
dem Rate (von Amtleuten und Bürgern B 567) abge-
schlossen und fanden Aufnahme in die Stadtbücher, in
denen sie in grolser Zahl überliefert sind. Verzählt
wird, wer verspricht, sich wegen einer Sache zu „richten"
und es dann nicht thut (B 455. 574. S69. 1367. 1795j,
den für diesen Zweck angesetzten Tag nicht besucht
(B 931), das vereinbarte „gütliche Stehen" nicht hält
(B 603), vor allem aber die gemachte Richtung bricht
(A 55. B 385. 467. 567 579. 1100 u. ö.), ebenso wer
eine gütlich beigelegte Sache verniiivet, indem er gericht-
liche Klage deswegen erhebt (B 370. 636. 921. 979?).
Die gewillkürten Ratleute, deren Zeugnis vor gehegter
Bank als entscheidend galt, durfte man nicht „strafen
an ihrem Bekenntnisse" (B 96). —
Gegen die Einmischung fremder Gerichte in
die städtische Gerichtsbarkeit war der Rat sehr em-
pfindlich. Was das Hofgericht des Landesherrn anlangt,
so hatte schon Markgraf Heinrich der Erlauchte im
Jahre 1255 bestimmt, dals alle in Freiberg und auf den
Bergwerken vorkommenden Rechtsfälle lediglich vom
Vogte und Rate zu entscheiden seien und dafs er nieman-
den solcher Sachen wegen vor sein Hofgericht ziehen
woUe^'**'), und dem entsprechend verbot das Stadtrecht
(Kap. XXXIV § 4) bei 10 Mark Strafe jedem, dem
nicht in der Stadt das Recht versagt worden sei, bei
Hofe zu klagen. Unser Verzählbuch enthält nur einen
hierher gehörigen Fall; Jorge Titze, der mit Hertrich
in Streit wegen der Bezahlung von Malz geraten war,
wurde verzählt, weil er sich nicht auf einen Vergleich
vor dem Rat einlassen, sondern „sich der Sachen an
unsere gnädigen Herren" berufen wollte, „das wider der
Stadt Recht ist" (B 1171). Wir gedenken hier auch
der Verzählung des Hans Bartel wegen Verleumdung
des Rates: das im des rechten nicht gegelien möge unde
sein wyp müsse zceter schryen übir ungerichte (B 283).
208; Uß. I, 15 vergi. 38.
Das Verzählen. 69
Häufiger scheinen Konflikte mit den geistlichen Ge-
richten gewesen zu sein. Auf solche Fälle bezieht sich
eine im Anfange des 15. Jahrhunderts gegebene Willkür,
nach welcher bei einem Verzählen niemand, der weltlich
ist, wegen weltlicher Sachen „laden" solle '-^'); dals hier
eine Ladung vor geistliche Gerichte gemeint ist, versteht
sich von selbst und wird ausdrücklich bezeugt durch die
Polizeiordnung von 1487 "■'"^j. Auch entsprechende landes-
herrliche Verordnungen muls es gegeben haben (vergl.
B 92). Mehrfach werden Personen verzählt, die dieses
Gebot übertreten, „weltliche Sache geistlich gemacht"
(B 3. 41. 42. 92. 1042) oder wegen einer vor dem Stadt-
gericht entschiedenen Sache jemanden in den Bann ge-
bracht haben (B 26). —
. Einige vereinzelte Fälle von A^ergehen gegen das
Geiicht mögen hier angeschlossen werden. Paul
Meuschener wird verzählt, weil er Kerbener czu eyde
(lehalden hat iinde siist ridt den svlicppen irtrert tverv
worden (B 522); d. h. wohl, weil er eine eidUche Aus-
sage des Klägers oder Beklagten in einem Falle, der
durch Gerichtszeugnis zu entscheiden gewesen wäre,
veranlalst hat; Paul Glasesetzer, weil er sich tvef/efertiget
macJite unde arme luthe czu rechten notrechten dringen ivolde
und doch, nicht sich hernoch ivegfertigete (B 605), d. h. unter
dem fälschlichen Vorgeben einer bevorstehenden Reise
das für solche Fälle vorgesehene abgekürzte Verfahren
erlangte -'^^). Auch die Verzählungen wegen eines falschen
Bekenntnisses (A 21) und wegen Meineids (A 8. 10. 15.
B 184. 185) können wir hier anführen.
c) Vergehen gegen Stadt und Rat.
Eine nicht geringe Anzahl der in den vorstehenden
Abschnitten aufgeführten Vergehen, insbesondere die
Vergehen gegen das Gericht, sind zugleich Vergehen
gegen die Stadt, Verletzungen der Autorität des Rates
und würden daher ebensogut hier ihren Platz finden
können. Allein eine streng logische Scheidung der ein-
zelnen Delikte, wie sie die heutige Strafrechtswissen-
2""J ÜB. I, 125 § H.
208) Uß. ill, 473 § 22.
209) Vergl. Stadtrecht III § 3, Zusatz 2 § 1 2. 1 3 Dazu V 1 a u <■ 1<
II, 44 (Note 6).
70 Hubert Enniscli:
Schaft kennt, lag jener Zeit sehr fern, und so müssen
auch wir uns bescheiden, den Stoff im G-rofsen und
Ganzen zu gruppieren.
In Freiberg wie anderswo galten als die wichtigsten
Bürgerpflichten das Zirkeln und Wachen, das Heer-
fahrten, das Schossen. Ihre Verletzung konnte zur
Verzähluug führen.
Was die militärischen Pflichten anlangt, so hatten die
Bürger und alle, die „zu der Stadt Handlung pflegten"
(B 917), in regelmäßigem Turnus den nächtlichen Wach-
und Patrouillendienst persönlich oder durch Vertreter zu
leisten. Wer auf Gebot des Rates nicht zirkelte (B 49.
65. 319. 346. 499. 541. 547) oder wachte (B 454. 917.
1426), wurde bestraft, ebenso wer sich Vergehen dabei
zu schulden kommen liels: so finden wir Verzählungen
wegen Unfugs und Nachtgeschreies beim Zirkeln (B 521.
1095), wegen Holzdiebstahls während desselben (B 612),
wegen Zuspätkommens zur Wache vor dem Thore
(B 1359). Einer, der zirkeln soll, Avird verzählt, weil
er, da er in das Frauenhaus kommt, nicht weiter gehen
will (ß 313), andere, weil sie sich in einer Mühle aufs
Heu legen, statt zu zirkeln (B 1696).
Besondere Aufmerksamkeit verlangte die Thor-
wache. Wenn der damit Beauftragte das Thor nicht
rechtzeitig schlofs (B 1203), schlief oder unachtsam war
(B 1683. 1684, vergl. 1400), so wurde er bestraft.
Steffen Leineweber wird verzählt, weil er gelegentlich
der Wache die Leisten auf dem Thorhause abgerissen
hatte (B 1465). Auch Asman Schuwart und Zschindefus,
die auf dem Meilsnischen Thore „mit Spiel geunfugt"
und der Stadt Geräthe zerschlagen, zerworfen und zer-
brochen haben, mögen diesen Frevel gelegentlich der
Thor wache verübt haben (B 112). Der junge Peter
Becker hat sich geweigert, den Thorschlüssel zu „halten",
ihn dem Büttel, als dieser ihn brachte, nachgeworfen
und auf Befehl des Bürgermeisters den Ratsdienern
nicht aufschlielsen wollen (B 17). Nickel am Ende und
N. Behems Knecht haben cmi tortcarten einen landes-
herrlichen Boten nicht eingelassen, der dem Münzmeister
einen wichtigen Brief zu überbringen hatte (B 912); der
Schuster Fischer hat ansälsige Amt- und Ratleute nicht
ohne „Schätzung und Trankgeld" einlassen wollen (B 675).
Bei Kriegszügen des Landesherrn hatten die Städte
bestimmte Mannschaften zu stellen. In der Zeit des
Das Verzählen. 71
A^erzählbuches leisteten die Bürger ihre He erfahrt s -
pflicht meist nicht persönlich, sondern riisteten besoldete
Schützen aus. Wer dies auf Befehl des Rates nicht thut
(B 831. 876. 955. 1003. 1443. 1470) oder den ihm auf-
erlegten Beitrag zur Haltung eines Pferdes nicht ent-
richtet (B 721) oder sich weigert, sein Heerfahrts-
gerät — das bekanntlich jeder Bürger besitzen mulste —
zu einer Heerfahrt dem Rate zu leihen (B 914), war
strafbar. Kramp wurde um 1421 verzählt, weil er „Ge-
sellen, die gegen Hux ziehen sollten", aufwiegelte
(B 416), N. Ulrich (um 1441), weil er (jeschiclde sclmczen
von eyme tfciyne getrchen hat unde ungeschickte von em
selber als Trchil diu-vh vorff'elspels iiffyesaczt hat (B 1086);
ein mir unverständlicher Eintrag. Waren genug tüchtige
Söldner vorhanden, so wurden die minder „Rüstigen"
zurückgestellt; so ging es (um 1433) dem Hans Golswin,
der „gewonnen Avar, dals er in die Heerfahrt ziehen
sollte", und der dann freventlicherweise sein Heerfahrts-
gerät in Meilsen versetzte, daz -is die, vor die her czilien
sulde, selber musten iveder losen (B 907). Auf der Heer-
fahrt selbst wurde natürlich streng auf Disciplin gehalten
und Ungehorsam gegen den Rat und die von ihm ge-
setzten Hauptleute bestraft (B 1. 929. 1357). Auch die
Verzählung von zwei Personen, weil sie „in Herren- und
Landes-Not ungehorsam gewesen" (B 582) — es war
das Hussitenjahr 1426 — , können wir hier erwähnen.
In des Rates Rüstkammer lagen zahlreiche grölsere
und kleinere Schulswaffen, die in älterer Zeit der
städtische „Schulsmeister" zu liefern und in Stand zu
halten hatte -^*'). Später wird einmal der Rothgielser
verzählt, quod noluit niaylstro civi/am ex parte civitatis
aptare diias jnxides dumtaxat in foraminibus, quod piossent
sagittare (B 844). Aus diesem Waifenvorrat verlieh man
nicht selten einzelne Stücke an Bürger, deren Heerfahrts-
gerät zur Ausrüstung eines Schützen nicht ausreichte -^') ;
die Deinhartin wird verzählt, weil sie der Stadt eine
Büchse nicht zurückgegeben hat (B 7()6).
Unter den finanziellen Bürgerpflichten ist die Schois-
pf licht die wichtigste-'-). Nicht selten sind Verzäh-
lungen wegen Nichtentrichtung des Geschosses, denen
gewöhnlich ein ein- oder mehrmaliges Gebot des Rates
"0) UB. I, 97. 99. 10.5. 111.
2") Vergl. z. B. Stadtl.. TT No. 547.
-'-) Vergl. Stadtrecht Kap. IV.
s
72 Hubert Ermisch:
vorhergegangen war (B 450. 464 657. 689. 783. 1008.
1704 u. ö.); auch Widersetzlichkeit bei Pfändung wegen
des Geschosses wird bestraft (B 411, vergl. 348}. Her-
vorgehoben mag die Yerzähhuig des ehemaligen Zehntners
N. Emmerych werden, den die Bürger bei Landgraf
Balthasar verklagt hatten, weil er kein Geschofs geben
wollte; er wandte ein, seine Eltern hätten nie Geschols
gegeben — beanspruchte also wohl für sein Grund-
stück die Eigenschaft eines Freihofes — und drohte:
„griffen die Bürger über in das Seine, so wolle er ihnen
wieder in das Ihre greifen, sollte es auch seinen Hals
kosten" (A 49).
Hauptsächlich um der Schofs- und Wachtpflicht
willen hielten die Bürger darauf, dalis wüste Häuser bald
wieder besetzt würden '^^•^i, und bestraften denjenigen, der
ein Haus abbrach und das Gelübde, es wieder zu bauen,
nicht hielt (B 883). Auch das Verbot, ohne Genehmi-
gung des Rats.. Zinsen auf Grundstücke aufziuiehmen'-^"*),
wegen dessen Übertretung Paul Nail und Fritze verzählt
werden (B 1702 , hing damit zusammen.
Eine weitere Einnahmequelle des Rates war der Zoll,
von dem jedoch die Bürger für ihre Bedürfnisse befreit
waren -^■'*); es fehlte nicht an Streitigkeiten zwischen
solchen und dem Zöllner (B 1207), Wegen „Verfahrens"
des Zolles werden daher in der Regel nur solche ver-
zählt, die nicht Bürgerrecht haben, besonders Auswärtige
(B 1223. 1703. 1711. 1777. 1782. 1851, vergl. 1406).
Milsbrauchten aber Bürger ihre Zollfreiheit dazu, das
Gut von Zollpflichtigen frei einzuführen (B 1211), oder
führten sie gekauftes Gut unverzollt wieder aus (B 1837),
so waren sie strafbar.
Eine sowohl von Einheimischen als von Auswärtigen
zu zahlende Abgabe war das Wegegeld, dessen Er-
hebung wohl meist auch dem Zöllner übertragen war
(B 1207, vergl. 44. 114) und dessen Hinterziehung eben-
falls bestraft wird (B 44. 114. 922. 982).
Auch andere Beeinträchtigungen des städtischen
Vermögens und Einkommens kommen vor. So lassen
die Bürger wiederholt Personen verzählen, die der Stadt
geschuldete Summen nicht bezahlen (B 142. 563. 813.
213) Vei-o-l. die Willkür von 1435 ÜB. I, 151.
214) Yei.gi. UB. I, 125 § 13.
2^5) Stadtrecht Kap. XL § 2—6 vergl. 18. 19. Vergl. den Zolltarif
ebenda Zusatz 1 (bes. § 31).
Das Verzählen. 73
1181) oder anvertraute städtische Gelder nicht dem
übergeben, dem sie zukommen (B 1701 ?). Der Läufer
Lorber wird verzählt, weil er um eynerley botschaft cziveij
Ion genomen hat (B 773). Vergl. auch oben S. 61.
Eine Willkür verbot, Beile, Messer und andere
Werkzeuge, mit denen man dem Spital (oder der Stadt)
am Holze schaden könne, in den Spital wald zu tragen
und Lehm auf dem Ziegelanger zu graben-^*"'). Dem
entsprechen Yerzählungen wegen Holzhauens im Spital-
walde (B 25G. 1250, vergl. 1855) und wegen Grabens
von Erde und Lehm bei der Ziegelscheune (B 1650.
1774); auch Entwendung von Holz aus der letzteren
kommt vor (B 1775).
Einen breiten Raum nehmen im Verzählbuche die
Vergehen gegen die städtische Obrigkeit ein.
Sehr zahlreich sind die Verzählungen wegen Beleidigung,
Bedrohung oder Verleumdung des Rates (A 67. B 32.
60. 79. 89. 90 und oft), des Bürgermeisters (B 336. 351.
782. 881. 978. 1769), einzelner Ratsmitglieder (B 72.
137. 732. 1031. 1204. 1673 u. ö., Hausfriedensbruch
A 36. B 739. 808 u. ö.'i oder städtischer Beamten, wie
des Stadtschreibers (B 324. 586), des Spitalmeisters
(B 325), des Rohrmeisters (B 537), des geschwornen
Wagemeisters (B 557. 1260), der Gassenschöffen (B 1039^
der geschwornen Handwerksmeister (A 52. 59. B 58.
149. 167 u. ö.), des Zöllners (A 1. B 1207. 1295. 1463.
1782. 1813 u. ö.) und seiner Frau, die ihn wohl oft in
seinem Amte unterstützte (B 1406. 1483. 1819. dy zolle-
rynn meyn liern dienpvynn 1411), des Stadtknechts
(B 371. 1388. 1502. 1560), der Stadtdiener und Stadt-
boten (A 60. B 33. 406. 440. 507. 771. 802. 848. 1072.
1373. 1386. 1387. 1391. 1409. 1563. 1677). N. Haulauls
und Lochberg werden verzählt, weil sie Paul Grauel
und Puchel vorc^irrer und vorretJier geheissen haben, das
.sie der stat dicner werden irollen (B 1776), Pe. Hanyke
wegen Unfugs an der Hüterin des Stadtviehs, womit
sich die Verzählung des Hans Ruxoff zusammenstellen
läist, der „der Stadt Gebot nicht gehalten und Kühe
aufgenommen hat zu hüten" (B 1641). Die Bürger, welche
zeitweilig den Dienst als Zirkler (A 1. B 8. 446. 491.
1018 u. ö.) oder Thorwächter (B 305. 315. 649 V 1355)
versahen, wurden ebenfalls gegen Unbill geschützt.
216
') ÜB. 1, 127 § 11.
74 Hubert Ermisch:
Auch befreundeten Städten und deren Boten durfte
niemand zu nahe treten; so wird Grossei verzählt, weil
er ,, etliche Wort auf die von Brüx sollte geredet haben"
(B 1403\ Bartel Lomatsch, weil er „der von Halle Boten
vor der ßatstube übel gehandelt hat" (B 359).
Wie in diesem letztern Falle, so wird auch in vielen
andern bereits erwähnten oder noch zu erwähnenden
hervorgehoben, dals der Unfug im Rathause "^') oder in
Gegenwart von Ratspersonen verübt war; die darin
liegende Nichtachtung des Rates, der Umstand, dafs
man der hmyej' iiicJd (/c.'^cJ/onf habe, galt als erschwerend.
So finden wii- zahlreiche Bestrafungen wegen Unfugs
und unbescheidener Worte im Rathause oder in der
Ratsstube (B 23. 438. 451. 624. 693. 731 u. ö.), vor
dem Bürgermeister (B 1513. 1662), dem Rate (A 71.
88. 94. B 82. 124. 160, 286 u. ö.), einigen (B 143) oder
einem Mitgliede desselben (B 1005. 1202\ wegen Messer-
ziickens (A 6. 12. 62. B 1011. 1754), Drohungen und
Milshandlungen im Beisein des Rates (A 3. B 118. 1646)
u. dergl. m. Während der Ratssitzungen herrschte wohl
ein besonderer Friede; Joe. Mewschein wird verzählt,
weil er einen geschlagen und wol getvust hat, das der
radt didjen gesessen hi lieimliche ding, da handeln ivllich
vortragen sulde sein (B 1518). AVer in Gegenwart von
Ratleuten einen Lügen strafte (B 453. 1493. 1629), war
ebenso strafbar, wie der, der selbst unwahre Aussagen
vor dem Rate machte (B 166. 168. 564. 603. 733).
Namentlich Ungehorsam gegen den Rat und seine
Diener war sehr häufig der Anlafs der Verzählung-^-).
Oft wird nicht angegeben, worin dieser Ungehorsam be-
stand (A 89. B 347. 420. 430 u. ö.). In andern Fällen
erfolgte die Bestrafung, weil die (wohl nur ausnahms-
weise z. B. B 21. 1169 drei Mal wiederholte) Vorladung
der Bürger (z. B. A 70. B 175. 180. 312 u. ö.) oder des
Bürgermeisters (B 708. 718. 1161) nicht befolgt worden
w^ar (auch die Verleitung hierzu war strafbar B 1139)
oder weil der Delinquent das Rathaus verlassen hatte,
obwohl ihm ausdrücklich befohlen war , dort zu bleiben,
etwa bis eine Richtung zustande gebracht oder eine Ab-
2^') Über den auf gleichen Gründen beruhenden besonderen
Frieden im Weinhause und Frauenhause s. o. S. 58 f.
2^*) Vergl. dieVerfestung des, der dem Rate tvederstrevich ist,
in Goslar (Gosl. Statuten ed. Göschen ßO, 37). Auch den oben S. 4
angeführten Fall aus Frauenstein.
Das Vei'zählen. 75
bitte geleistet war (A 38. B 30. 48. 204. 487. 551)
11. der gl. m.
Hierher gehört auch der überaus häufige Fall der
Verzählung wegen Nichterfüllung eines vor dem Rate
oder dem Vogte abgelegten Gelöbnisses, dessen Inhalt
sehr oft nicht angegeben ist (ß 222. 300. 377. 449 u. ö.).
Manchmal handelte es sich um das Versprechen, vor dem
Rate zu erscheinen und dort zu antworten (Ä 39. 42.
B 153. 229, 1720), wobei auch wohl die gestellten Bürgen
mit verzählt werden (B 1767). Meistens aber sind es
Zahlungsversprechen. Es war sehr gewöhnlich und
kommt auch in den Stadtbüchern '-^■') sehr oft vor, dals
der Schuldner seinem Gläubiger vor dem Rate, dem
Vogte oder dem Bürgermeister die Zahlung einer Summe
an einem bestimmten Termine hi eimc vorczdn („bei dem
höchsten Rechte", „bei Schuld und Landrecht" u. dergl. m.)
gelobte '-'■^•'). Diese Verzählung wegen Schulden, die in
dem alten Rechte des Gläubigers auf die Person des
Schuldners wurzeln niag--^), kommt fast auf jeder Seite
des Verzählbuchs vor, so dals wir davon absehen können,
Beispiele zu geben. In der Regel wird dabei des Zah-
lungsversprechens , dessen Verletzung ja der eigentliche
Grund der Verzählung war, gedacht; aber auch, wo dies
nicht der Fall, wo einer nur deswegen verzählt wird,
weil er nicht bezahlt hat [z. B. B 1564, 1565, 1568 u. ö.),
ist ein solches Gelöbnis vorauszusetzen. Zu beachten
ist, dafs in der Regel die Verzählung vom Rate ausgeht
rAusnahmen : B 68. 287. 294. 295. 345. 376. 481. 482.
559) und auf den Hals lautet („auf die Bufse" nur
B 87).
d) Übertretung von Polizeiverordnungen.
Unter den Fällen des Ungehorsams gegen den Rat
sondern wir diejenigen zu einer besondern Gruppe aus,
die wir heute als Polizeiveigelien bezeichnen würden und
bei denen das bequeme Verfaliren des Verzählens in sehr
ausgedehntem Malse zur Anwendung kam.
-'•') z. B. Stadtb. 1 No. 1 15. 11 No. 55. 64. 98. 137. 182, 209 u. ö.
Crerichtsb. I No. 61. 63, 70. 118 u. ö.
--«) Verg-1. damit Tlensl.T, Institut. 1, 103 f.
221) Vergl. Stadtreclit Kap. 11 t^ 8. 9. V § 30. 32. XXXlll t; 16.
XXXVI § 2, Vergl. über den meteban des Magdcbur£?or Rechts J ' 1 a iw 1<
11, 250.
76 Hubert Ermisch:
Gehen wir von der H a n d el s - und G e \v e r b e p o 1 i z e i
aus Schon früh regelten Polizeiverordnungen den Markt-
verkehr. So lange das Marktzeichen, der „Wusch", aus-
gesteckt war, durfte niemand, der nicht mit der Stadt
schoiste und Rechts pflegte, auf dem Markte kaufen-^-).
Wer etwas zum Verkauf nach Freiberg brachte, dem
sollte keiner seine Waren im Grolsen (nn sampnus-
lamff(') abkaufen, bevor er nicht ZAvei Tage damit
zu Markte gestanden hatte ---^j; daher wurde Gabr. Voit
verzählt, weil er ein Fuder Kirschen gekauft hatte,
bevor sie zu Markt gekommen waren (B 1549). Häufig
kommen Yerzählungen wegen Vorkaufs, Aufkaufs oder
„Unkaufs" -■-^) vor, unter welcher Bezeichnung man alle
Manipulationen zusammenfalste, die zur Verteuerung der
Marktartikel führten (B 378. 443. 780. 916. 1204. 1229.
1327. 1736); wo die Waren genannt werden, um die
es sich handelte, da sind es Lebensmittel oder sonstige
Verbrauchsgegenstände (Bier und Brot B 747. 915, Korn
B 151, Hafer B 654, Gerste B 1827, Mohn B 1581,
Erbsen B 1282, Stroh, Milch u. a. 1743, Honig B 1334,
Butter und Käse B 1638. 1698. 1801, Wilpret A 98.
B 863. Vögel B 405, besonders oft Fische B 360. 361.
572 ? 976. 1281. 1286. 1600. 1613. 1764, Obst B 362.
1549. 1574, Eisen B 1132. 1744, Schufen (?) B 1616).
Namentlich waren es Wiederverkäufer, die davon be-
troffen wurden; so wurde z. B. Lor. Frowyn verzählt,
weil er, n-enne iclit Jieryn hroclit ivart an iviliwete iinde
fischen ader andern dingen, daz zcMfert, en daz abeJioiift
unde furder vorunkanft ader sust hie czeit unde ußhockt
unde unhauft macht, daz sust wol Imuflich gegeben
icorde (B 954). Die Höker und Hökerinnen durften
nicht unter den Bäuerinneu sitzen -^■'^) (B 1801), nicht
auf dem Markte einkaufen--'^); später wurde ihnen auch
der Bierschank untersagt-'-^).
Von einzelnen Marktvergehen nennen wir noch die
Feilhaltung von Töpfen an verbotener Stelle (B 1035),
222) UB. I, 125 § 11 vergl. III, 472 § 11.
228; ÜB. I, 125 §"l2 vergl. III, 472 § 7. Ausgeschlossen war nur
Gretreide, dessen Einliauf durch die Bäcker und Mälzer ührigens auch
Beschränkungen unterlag, vergl. Stadtrecht Kap. XLII § 12.
224) Yergi. UB. I, 127 § 13. III, 471 § 5.
225) UB. I, 127 § 12. III, 472 § 6.
22«) IIB. I. 129.
227) ebenda 156.
Das Verzählen. 77
den Kauf und die Wegführung- eines Wagens mit Krebsen
(B 1643), den Kauf von zwei Hasen um den wohl un-
gehörigen Preis von 22 Groschen (B 1785), den Verkauf
unrechter Kohlen (B 1482), Sehr frevelhaft war es,
dals zwei Kaufleute die grolsen Heringe ausgesucht und
nach auswärts gesandt, die kleinen aber in Freiberg
verkauft hatten; sie wurden verzählt und mit ihnen die
Gattin des einen, die zum Schaden den Spott gefügt
und gesagt hatte: „Neüi, die Bürger allhier essen nicht
die grolsen Häringe, sondern wenn die von Sayda die
grolsen guten Häringe essen, so müssen sie hier den
Dreck essen" (B 488. 489).
Strafbar war auch derjenige, der ungeaichtes oder
zu kleines Gemässe brauchte oder andere zu Verwen-
dung von solchem veranlalste [B 1114. 1327. 1682), wer
die ßatswage, auf der grölsere Lasten gewogen werden
mulsten, umging (so ist wohl B 1401 zu verstehen, viel-
leicht auch 1405;.
Unter besonderer Aufsicht stand der Salzverkauf,
an den sich infolge der Regalität des Salzes eigen-
tümliche Rechtsverhältnisse knüpften. Eine Abgabe
von demselben war durch einen gewissen Borto, der
sie als landesherrliches Lehn besals, bereits 1279 . an
das Hospital gekommen; dann war 1318 der Stadt
das Recht der divisiones et mensurationes salis que
vulgär Her stramen nu'}wu])antur bestätigt worden--^;.
Der Salzverkauf fand nur an besonderen Stätten
und gegen eine teils dem Hospital teils der Stadt zu-
stehende Abgabe, deren Nichtentrichtung zur Verzählung
führen konnte (B 591. 1803), statt; die konzessionierten
Verkäufer aber galten als verpflichtet, die Stadt mit
Salz zu versorgen (B 1674).
Nur der Bürger war zum Betriebe von Handwerk
und Handel berechtigt; wer ohne Bürgerrecht hanfinoK/c
trieb--''), war strafbar (B 1341. 1551. 1558, vergl. 1437
und 1610, wo doch wohl vom Bechverkauf ohne Bürger-
recht die Rede ist). Zum Betriebe eines Handwerks
war aber weiterhin die Aufnahme in eine der wohl schon
seit dem 13. Jahrhundert in Freiberg bestehenden In-
nungen erforderlich; wer arbeitete, ohne ihnen anzu-
228) UB. I, 26. ^2.
-•-9) Dasselbe bedeutet doch wohl, wenn es von einem heifst, er sei
nicht Mitbürger und gebrauche der Stadt doch ane rot und recht
B r)94 vergl. 577.
78 Hubert Ermisch:
gehören, wurde bestraft (vergl. B 1243. 1441. 1442?).
Die für die Aufnahme in die Innung zu entrichtenden
Aufnahmegebühren fielen teilweise an den Rat "^*') ; wenn
der Klingenschmied Brunouwer u. a. deswegen verzählt
wird, weil er den Bürgern ihre Gerechtigkeit nicht giebt
(B 1310), so möchten wir das auf eine Hinterziehung
dieser Gebühr deuten. Solche, die nf //rem liantwercke
hinder dem, rate und lianhverckmeistern nuive Satzungen
machen (B 822), es }j7i ir innunge nicJi.t noch geJieisse
der hurger halden (B 908), werden ebenfalls verzählt;
auch ein Fleischerknecht, der ivider das hantkwerg der
fleischer gethan Jiat unde sich noch yerer gewonheit nicht
gehalden hat (B 1843\
An der Spitze der Innungen standen die jährlich
wechselnden Innungsmeister ^■^'). Wie sie dem Rate zu
Gehorsam verpflichtet waren (vergl. B 1180. 1385. 1582),
so hatten die Innungsgenossen ihnen zu gehorchen. So
wurden um 1472 sämtliche Schlosser mit Ausnahme der
Handwerksmeister wegen Ungehorsams gegen die letztern
verzählt; es hatte dies die Auflösung der Innung zur
Folge (B 1866). Worin der Ungehorsam bestand, ist
hier und sonst sehr oft nicht angegeben (B 244. 288.
322. 1154 u. ö.); wo wir es erfahren, da handelt es sich
um nicht erfüllte Zahlungsversprechen (B 1434. 1435.
1439}, Widersetzlichkeit gegen auferlegte Bufsen (B 1396),
um Fortbetrieb des von den Meistern gelegten Hand-
werkes (B 1356), um unerlaubte Annahme von Lehr-
lingen (B 1468) und um mannigfache Übertretungen der
Vorschriften wegen der Beschaffenheit und des Preises
der Waren. So wird die Herstellung und der Verkauf
von nicht vorschriftsmäfsiger Leinwand (B 421), von
„ungerechtem", „sträflichem" Tuch (A 7. 14. B 1167. 1168.
1261. 1614) bestraft; N. Holt wird verzählt, weil er die
tueise ivolle nicht den meistern geireist hat, uff das man
gm, spynnlon gesaczt hette (B 1416), der Böttcher Balth.
Schindler, weil er wider Willen der Meister Holz kauft
(B 1741), ein ander Mal weil er einen Reifen um 2
neue Heller (also wohl zu teuer?) angelegt (B 1821),
Rebental, weil er zwei Kuffen um 20 Gr. (B 1788),
Merten Jachen, weil er ein Hufeisen um 12 neue Heller
230) Vergl. Stadtrecht XLII § 1. XLIII §2. XLIV § 1. XLV
§ 1. XLVI § 1.
231) Yergl die Verzeichnisse derselben seit 1379 ÜB. III, 432 ff.
Das Verzählen. 79
gegeben hat (B 18-22). Die Schmiede durften keine
Messer anfertigen (B 1156), die Messerschmiede keine
fremden Messer feilhalten-^-') (B 1395 vergh 1425). Be-
sonders aber sah man den Bäckern und Fleischern auf
die Finger. Wir finden Verzählungen wegen Ungehor-
sams beim Backen (B 1632), insbesondere wegen Backens
von zu kleinem Brote (B 1501. 1786), wegen Verkaufs
von Brot aus der Stadt gegen das Gebot des Rates
(B 748), wegen Verkaufs von schlechtem Fleische (A 87),
von Kuhdärmen statt Schweinsdärmen (B 830), wegen
Übertretung der vom Rate gesetzten -•^^) Fleischpreise
(B 1780. 1781) und sonstiger Verkaufsvorschriften (B 1784:
Verzählung eines, der einen Kalbskopf nicht allein, son-
dern nur mit einem Viertel Fleische zusammen verkaufen
will), wegen Unfugs beim Hausschlachten '^•^^) (B 866).
Auswärtige Fleischer, die ihre besonderen Bänke hatten -•''''),
wurden bestraft, wenn sie, entgegen der Vorschrift, nur
am Sonnabend feilhalten zu dürfen-''"'^), in der Woche
Fleisch einführten und verkauften (B 1124), ungerechtes,
(nidit recht bereitetes, unheipiemes) Fleisch feilhielten
(B 213. 233. 1074) oder auch finniges Fleisch nach aus-
wärts verkauften (B 1779), statt es in den eigens für
solches bestimmten Bänken zum Verkauf zu bringen-"").
Auch der Verkauf von ungesundem (torrecht) Vieh unter
den Bänken war stratT)ar (1312). —
Wie der Betrieb eines Handwerks, so stand auch
das wichtige Brau- und S c h a n k r e c h t nur den Bür-
gern zu. Nach den spätem Bestimmungen '•^•^^) hatte der
Bürger, welcher ein eigenes Haus besals, die volle, der,
welcher ein Haus gemietet hatte, eine beschränkte Brau-
gerechtigkeit-•^^j. Daher wurde N. Koler verzählt, w^eil
er gebraut hat „und hat nicht eignes Hauses" (B 1265),
und Andr. Trenkner, weil er ohne Bürgerrecht gebraut,
geschänkt und Handlung getrieben hat (B 1341). Die
232) vergl. Stadtrecht Zusatz 6 J? 2.
2''3} Vergl. Stadtreclit Kap. XLIII § ?,.
234) Vergl. die Vorschriften darüber ÜB. I, 125 § 10. 126 § 22.
III, 472 § 12.
235) macella carnificum extraneorimt ÜB. 1, 74.
2«ß) Stadtrecht XLIII § 9.
2Ü7) Vergl. ebenda § 4.
23^) Nach dem Stadtrecht Kap. IV i< Vi durfte auch füi' Nicht-
ansäfsige gemälzt vverdeu; somit waren in älterer Zeit wohl auch
diese nicht ganz ausgeschlossen von der P.rauherechtignng.
-«') ÜB. I, 154.160.
80 Hubert Ermisch:
Zahl der Biere, die jeder Bürger brauen durfte, ihre
Qualität und Quantität wurde von Zeit zu Zeit fest-
gesetzt-^"). Um die Einhaltung dieser Bestimmungen
kontrollieren zu können, war es Vorschrift, dals jedes
gebraute Bier dem Rate angemeldet und hier aufge-
schrieben wurde; der Brauberechtigte, der ohne Vor-
wissen des Rates brauen, wie der Brauer, der die ge-
brauten Biere nicht aufschreiben liels, wurden verzählt
(B 879. 1230. 1445). Später gab der Rat dem sich melden-
den Brauberechtigten ein Brauzeichen, ohne welches
niemand brauen durfte und das nach dem Brauen zurück-
gegeben werden mulste (B 1625 — 1627). Wer sein
Zeichen einem andern gab, statt selbst zu brauen, war
ebenso strafbar, als der, der es annahm und darauf
braute (B 1601. 1602. 1661). Nur innerhalb bestimmter
Monate durfte gebraut werden-^';; wer diese Frist nicht
einhielt, wurde verzählt (B 61. 1119). Geringes Bier,
sog. Kesselbier, durfte man nur auf besondere Erlaubnis
des Rates brauen-^-) (B 1419). Zur Beobachtung aller
dieser Vorschriften mulste sich der Brauer eidlich ver-
pflichten; die Verletzung dieser Pflicht wird 1414 mit
einer Strafe von einer Mark und event. der Verzählung
bis zur Zahlung dieser Strafe bedroht ^*-^) (B 1116. 1117).
Der gleichen Strafe verfiel der Brauer, der „unterstiefs"
d. h. heizte und Wasser aufgofs, bevor zur Frühmette
geläutet war'-*^); daher die Verzählung von Brauern,
welche hie tage (B 1037), zu heczyfe (! B 1258), rur czwen
(B 1062), zu XI (B 1507) untergestofsen und Wasser
aufgegossen hatten. Endlich wurden Brauer bestraft,
wenn sie gegen die Vorschrift-^') zwei Braupfannen
führten (B 363).
Ebenso war den Mälzern, deren Gewerbe mit dem
der Brauer eng zusammenhing, verboten, zweier Malz-
häuser (Darren) zu warten ^'^'^). Wie die Übertretung
dieser Vorschrift (B 538. 632. 634), so war auch das
verbotene Mälzen von Hafer -'*') Anlafs zur Verzählung
(B 975).
240) Vermerke darüber UH. 1, 119. 124 § 1. 129. 154 156. 160.
2*1) Vero-l. ÜB. I, 124 i; 1. 7.
-■*-) Vergl. ebemla 160.
24!!) Yergi. ebenda 129.
2«) Ebenda.
2«) ÜB. I, 124 § 2. 129.
2*«) ÜB. I, 124 § 3.
2*') Ebenda.
Das Verzählen. 81
Das Ausschroten des gebrauten Bieres aus den
Kellern zum Beliule des Verscliankes, das sogenannte
Schrotamt, war von Alters her eine Einnahmequelle
der Stadt'-"**); es wurde daher von besondern Bier-
schrötern besorgt, die, wenigstens in späterer Zeit, ihr
Amt vom Rate gegen eine gewisse Abgabe pachteten -''■').
Wer ,,in ihr Gedinge griff" und selbst Bier schrotete,
war strafbar (B 611).
War die städtische Tranksteuer, wie man etwa die
Schrotabgabe bezeichnen kann, berichtigt und das Bier
nicht etwa mit Gericht verboten (B 403), so verschänkte
es der Brauberechtigte, wobei er selbstverständlich rich-
tiges Mals haben ;Verzählungen Avegen zu kleinen Maises
B 404. 426. 429. 927. 928. 9,36) und den vom Rate fest-
gesetzten Preis innehalten muliste; wenn die Alexiussin
ein Mals Bier um zwei Pfennige gab und deshalb ver-
zählt wurde (B 1823), so lag wohl ein Vergehen letzterer
Art vor.
Verboten war dagegen die Einfuhr und der Aus-
schank fremden Bieres -■*"); wer solches ohne Erlaubnis
des Rates in die Stadt einführte (selbst wenn es für ein
Kloster bestimmt war B 1660), einlegte und verschänkte,
hatte ein Schock für jedes Fafs zu hülsen oder wurde
bis zur Zahlung dieser Bulse verzählt (vergl. A 64. 100.
106. B 70. 865 1001. 1041). Auch den traf Strafe, der
von der Einfuhr fremden Bieres erfuhr und es unterliels,
dem Rate Anzeige zu erstatten (B 1129). Ebenso war
der Ausschank von Wein an eine besondere Genehmi-
gung, für die der Rat wohl den sog. seczeivein^''^) zu
erhalten hatte, und an einen bestimmten vom Rate ge-
setzten Preis gebunden (B 1131).
Der Deutsche hat es stets geliebt, bei Bier und
Wein die Zeit zu A'ergessen; so war es denn nicht un-
begründet, wenn die Obrigkeit sich verpflichtet fühlte,
ihn daran zu erinnern. In Freiberg wurde im Jahre
1442 die Polizeistunde eingeführt: niemand sollte länger
als bis 7 Uhr im Sommer und bis 9 Uhr im Winter in
fremden Häusern bei Bier und Wein sitzen dürfen; ein
Glockenzeichen forderte zum Heimweg auf. Nur im
218J Vergl. die allerdings viclfacli nicht mehr ausreichende Schrift
von J. F. Klotz seh, Das Schrotamt (Dresden 1766).
249) Veröl. ÜB. III, 460 ff.
250) ÜB. I, 127 5^ 6.
"-">') ÜB. T. 12«. ?. III, 473 § 28.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. XIII. 1. 'i. 6
82 Hubert Ermisch:
städtischen Weiiihaiise, wo füi^ Aufsicht gesorgt war, durfte
man länger verweilen'-'"-). Dals diese weise Malsregel
keineswegs allen gefiel, geht aus den starken Ausdrücken
hervor, mit denen N. Haupt diejenigen schmähte, die „zu
der Glocke gewillt hatten" (B 1347). Der Rat liefe ab
und zu durch den Stadtvogt und andere städtische Diener
nächtliche Revisionen vornehmen ; es kam dann wohl
vor, dafe die Wirte ihre Thüren zuschlössen und die
Gäste zum Hinterpförtchen hinaus liefeen (B 1345), wofür
sie dann freilich ebenso verzählt wurden, wie die, welche
gegen den Willen des Wirtes im Hause blieben (B 1709
vergl. 1720).
Damit sind wir auf das Gebiet der Sittenpolizei
gekommen. Des städtischen Frauenhauses gedachten wir
bereits oben -■''•^). Ehemänner, welche dasselbe besuchten,
sollten 1 Mark leisten oder im Nichtvermögensfalle am
Pranger stehen oder auf die Schuppen gesetzt werden -'^*);
auch mehrere Verzählungen aus diesem Grunde kommen
vor (B 781. 1016. 1030, auch wohl 229). Aufeerhalb des
Frauenhauses ihrem Gewerbe nachzugehen , war den
freien Frauen untersagt ; daher wurden verschiedene Weibs-
personen wegen unzüchtigen Lebens verwiesen oder ver-
zählt (B 226. 600. 1751, vergl. auch 984. 1655) und ebepso
ging es ihren Zuhältern und denen die „büferie"' (hugerie
B 776) hegten (B 367. 389. 509. 511. 600. vergl. 871. 1670.
1728). Liefe sich eine freie Frau im Bierhause blicken, so
sollte sie nach der Polizeiverordnung von 1487 in die
Schuldkammer gesetzt werden -■'■^) ; dafe sie es auch früher
♦ thaten, beweist die Verzählung des Trebel, der eine freie
Frau im Weinhause geschlagen hatte (B 1237). — Auch
zwei Verzählungen wegen Bigamie (ß 426.510) mögen
hier erwähnt werden -''''').
Gegen die alte deutsche Leidenschaft des Spiels
wandte sich bereits das Stadtrecht, indem es die Höhe
des Einsatzes bestimmte und Maferegeln gegen die Aus-
beutung von Haussöhnen traf '-''^); spätere Polizeiordnungen
252) ÜB. I, 165. III, 474 § 30. Über Vergehen im städtischen
Weinhause s. o. S. 58 f.
253) S. 59. Vergl. auch S. (Ü.
25^) ÜB. I, 119. 127 i< 10. Später wurde die .Strafsumme erhölit
ÜB. III, 474 § 35.
255) ÜB. III, 475 § 4ii.
256) Ein weiterer fall Stadtb. II No. 448. Notzucht, Entfüh-
rung s. 0. S. 59.
257) Stadtrecht Kap. V i< 9—12. XLIX i; 47.
Das Verzählen. 83
verschärften diese Vorscliriften -^^ k Dem entspricht es,
wenn das Veizählbuch mehrere Fälle aufführt , in denen
wegen unerlaubten Spiels (B 11^3. 1409), wegen Hegung
von Spiel und Spielern (B 224. 276. 312) und wegen
Nichtzahlung der für Spielvergehen verhängten Bulse
oder Nichtbefolgung des Vorgebots vor den Rat zur Ver-
antwortung wegen solcher Vergehen (A 105. B 312. 342)
gestraft wurde.
Die zahlreichen Verzählungen wegen Unfugs auf den
Stralsen, ungewöhnlichen Geschreis (B 1432) , Erregung
von Aufläufen (B 1101) u. dergl. m. gehören auch noch ins
Gebiet der Sittenpolizei. Zwei Personen wurden verzählt,
weil sie gegen der Herren Gebot auf der Pauke geschlagen
haben (B 1399). Interessant ist, dals 1429 eine Frau,
genannt die „Brud", verzählt wird, weil sie auf dem Felde
ohne Grund gerufen habe: „Flieht, flieht, sie kommen,
sie sind im Tiefen Grunde" — was in jener Zeit der
Hussitengefahr einen grolsen Schreck verursacht haben
mag (B 740). Aulserordentlich zahlreich sind die Ver-
zählungen wegen Nachtgeschreis und mannigfachen
nächtlichen Unfugs -•^•^) (B 132. 486. 534. 587. 589 u. sehr oft).
Dies führt uns auf das Gebiet der Sicherheits-
polizei hinüber, die dem Rate bei dem gewaltthätigen
Geiste jener Zeit viel zu schaifen machte. Das Stadt-
recht gestattete das Waffen tragen innerhalb der
Stadt nur gewissen obrigkeitlichen Personen"-*'"); es setzt
dies voraus, dals es den andern Bürgern, die aulserhalb
der Mauern Waifen führen durften'-*'^), nicht erlaubt
war. Um 1413 wurde das Tragen ,, ungerechter Wehre''
d. h. von Spielsen, Schwertern, Armbrüsten, langen Mes-
sern, „dicken Schebelingen", Beilen, Barten und allen
eine bestimmte Länge überschreitenden Waffen, auch von
zwei Messern ausdrücklich verboten-"-). Vogt und Rat
machten zuweilen Umgänge nach verbotenenWaffen, nahmen
fort, was sie davon auffanden, oder beschieden ihre Be-
sitzer zur Ablieferung der AVaffen auf das Rathaus. Mat.
Hotenner wurde verzählt, weil er „unbescheiden Wort
redete in Gegenwart des Bürgermeister und der Bürger
258) UB. I, 126 § 3. 207. HI, 47! i; 1.
250) Vergl. UB. 1, 12« t; 2. III, 474 i; 31.
200) vergl. Stadtrecht Kap. XXXVU i< 1. 9. XXXYIH i; I.
XXXIX t? l. XL § 1. Vergl. UB. I, (55.
2»') Stadtrecht Kap. XXXVII i? 10. XXXIX 5< 6.
2«2) UB. I, 127 § 4. Vcrpl. III, 471 J; 2; an letzterer Stolle ist
das Verzeichnis der i,mortlichon (icAvclire- noch erheblich länger.
6*
84 Hul)ert Erinisch:
und des Vogts, da sie umgingen nach Messern und
Schwertern" (B 19 vergl. 1389j. Wer „ungerechte Wehre'"
(lange Messer, Armbrüste, Schwerter, Beile B 1047.
1052. 1058. 1060. 1078. 1107. 1108. 1110. 1200. 1259. 1284.
1322, pfafoysen B 1283, zcerper B 1329. 1330, zwei
Messer B 84) auf der Strafse führte oder auf Befehl
nicht ablieferte, wurde verzählt (B 1020. 1049. 1089.
1135. 1140. 1271).
Aus sicherheitspolizeilichen Gründen erklärt sich
auch das schon oben S. 19 erwähnte Verbot des Hausens
und Hofens freradei" Leute, dessen Übertretung einige
Male erwähnt wird (B 14, yergl. 1733. 1789); kulturge-
schichtlich interessant ist die Verzählung einer Frau, die
ihr Haus an „Sterczer" d. h. Gaukler, fahrende Leute-*^'^)
vermietet hatte (B 1721). Von den Folgen der Ax\f-
nahme Verzählter war bereits die Rede. Die Aufnahme
Gebannter muMe schon deswegen als eine Schädigung
der Stadt gelten , weil sie die Einstellung des Gottes-
dienstes zur Folge hatte (B 1706. 1707); darum w^urde
auch N. Heinze verzählt, weil er gelobt hatte, sich aus
dem Banne zu w^ii^ken, und dies dann nicht that (B 139).
Endlich mag hier noch die Verzählung einer grölseren
Anzahl von Personen erw^ähnt werden, die „neue Brüder-
schaft gemacht hatten, dannen der Stadt grolser Schaden
entstehen mochte" (B 814).
Was die Baupolizei anlangt, so bestimmt das
Stadtrecht , wie weit der Hausbesitzer auf die Gasse
hinaus bauen darf und welche Verpflichtungen er seinem
Nachbar gegenüber hat; ferner, dais „unrechte Bauten"
d. h. dem Rechte widerstreitende Anlagen, die den Nach-
bar schädigen , auf Verlangen desselben jederzeit zu be-
seitigen seien ; das dabei zu beobachtende Verfahren stellt
es ausführlich dar-*^^). Nur wenige Einträge unseres
Buches erinnern hieran. Paul Stregis wird verzählt, weil
er ein Haus in der Fischergasse auf Befehl des Rates
nicht abgebrochen, Heinr. Snyder, weil er unrechten Bau
nicht abgethan hat (B 265. 267), endlich Hoppe, weil er
uf dy gemeyne cm tuissen (des Rats) yepauet hat (B
1430). Auch die Verzählung des Petir Rouber, der eine
prifefe yehuet hat über einen Schacht, der vff den stallen
gehet (B 338), erwähnen wir hier, obwohl die Mitwirkung
203) Vergl. ÜB. III, 474 § 34.
-«') Stadtrecht Kap. I §'32—84. Y i; 21.
Das Verzählen. 85
der (Berg-) Amtleute bei der Verzähliuig die Sache eher
als ein Bergwerksvergehen erscheinen lälst.
Andere baupolizeiliche Bestimmungen hängen mit
der Feuer Ordnung zusammen, deren hohe Wichtigkeit
die grolsen Stadtbrände des 14. Jahrhunderts in nur zu
deutlicher Weise gelehrt hatten. Die wichtigste Mafs-
regel wäre die Ersetzung der Holz - und Fachwerkbauten
durch steinerne Häuser gewesen ; allein ist auch ein der-
artiges Bestreben z. B, darin bemerkbar, dals der Rat
gelegentlich jemandem gegen das Versprechen, sein Haus
in bestimmter Frist steinern bauen zu wollen, die verwirkte
Strafe erliefs (Stadtb. II No. 135), so waren die Vermö-
gensverhältnisse der Einwohner doch nicht der Art, dais die
Physiognomie der Stadt sich rasch hätte verändern können;
Steinhäuser gehörten während des ganzen Mittelalters
zu den Seltenheiten. So galt es denn durch polizeiliche
Maisregeln dem Ausbruche eines Feuers möglichst vor-
zubeugen. Vor allem sollte man die Feuerstätten gut
verwahren. Niemand durfte brauen, der nicht eine
Feuermauer und einen Korb um die Esse hatte "-"''). Die
feuerpolizeiliche Aufsicht führten (spätestens seit 14o9)
die Gassenschöppen ; Aver auf ihren oder des Rats Befehl
„ungewerliche Feuerstätten" nicht besserte (B 677. 1038.
1097), seine Feuermauer nicht in baulichem Wesen hielt
(B 1419), überhaupt unvorsichtig mit Feuer umging
(B 173.508 545. 1155), wurde bestraft. So auch Assmann
Junger, weil er nicht, wie ihm von den Gassenschöppen
geboten, Holz fortgeschafft (B 1039), Heinr. Grosse, weil
er Kohlen in seine Kammer getragen hatte (B 1240);
in beiden Fällen war dadurch Feuer entstanden. Wie
das Flachsdörren -*'*^), so war auch das Dörren von Holz
über dem Feuer verboten (B 1040). Nicht selten werden
solche bestraft, die auf dem Markte oder sonst an un-
geeigneten Stellen in der Stadt Feuer gemacht (B iiH:i.
9()1. 1241. 1289 1293. 1452) oder in unvorsichtiger Weise
mit Lichten (B 546, vergl. 628) oder Strohwischen (B 606)
geleuchtet hatten -''") ; ja einer wird verzählt, weil er auf
seinem Haupte ein brennendes Fais vom Markte bis in
die \Veingasse getragen haf-"'^) (B 1276). Für fahrlässige
2ß5) UB. I, ]ßo.
20«) UB. I, 125 i< 5. Vergl. 111, 473 i; 25.
-'") Verbot des Leuchtens mit Pfannen UB. 1, 125 § 5. Vergl III,
473 ij 25.
''^^) Ein ähnliches Vergehen s. oben 8.
86 Hubert Ermisch:
Brandstiftimg-, die in manchen der erwähnten Fällen vor-
lag, ist wohl aiicli das Vergehen des Bäckers Lorenz
Lange zu halten, der „Feuer unter den Brodbänken ge-
macht hat, dafs das fürder entbrannt ist" (B 962); da-
gegen scheint eher vorsätzliche Brandstiftung vorzuliegen,
wenn der Glöckner von St. Nicolaus und sein Knecht
verzählt werden, weil sie ,,den Thurm zu St. Mclaus
möcliten verbrannt haben, hätten das Gott und fromme
Leute nicht bewahrt und geläutet" (B 136), und Hans
Jenichen, weil er das Frauenhaus angezündet hat (B 678).
War irgendwo Feuer ausgebrochen, so waren der
Hausbesitzer und, sein Gesinde bei einer Mark Strafe
verpflichtet, dasselbe zu beschreien, bevor es über das
Dach kam "-''**) ; doch wurde das oft unterlassen, wohl aus
Furcht vor Bestrafung der Fahrlässigkeit oder weil
brennende Häuser sofort niedergerissen wurden (B 5.
17L 458. 1077. 1093. 1097. 1188. 1189. 1224—1236. 1239.
1372. 1402). Aber auch falscher Feuerlärm wurde be-
straft (B 673),
Zur Hilfeleistung bei Feuersnot war jedermann ver-
pflichtet ^'"). Daher wurden um 1422/25 mehrere verzählt,
die bei einer sonst nicht bekannten „grolsen Feuersnot"
nicht hatten arbeiten wollen (B 505), und ebenso Michel
Reuber und sein Weib, die ihrem eignen Hauswirte nicht
hatten helfen wollen (B 635).
Die Stralsenpolizei machte weniger zu schaifen.
Wie es um die Reinlichkeit der Stralsen stand, ergiebt
sich daraus, dafs Markgraf Heinrich der Erlauchte im
Jahre 1259 dem Hospital den Mist, der auf dem Markte
gesammelt wurde (ßwumi qitud coUigitur in foro Vriherc),
zum Geschenk machte -^^). Das Stadtrecht (Kap. I § 34)
bestimmte, dafs jedem Hausbesitzer der Mist vor seinem
Hause bis mitten in die Gasse gehöre, verlangte aber
auch, dafs er den Weg vor seiner Thüre bessern solle,
ah he iz verniar. Ebensowohl feuer- als stralisenpolizei-
licher Art war die Bestimmung, dafs die Schmiede den
Sinder nicht auf die Strafse werfen sollten -'^), die 1487
dahin erweitert wurde, dafsjeder seinen Abraum aus der
-ö») ÜB. I, 127 S 8. III, 473 i; 2H.
-™) UE. I, 124 i; 4. III, 478 tj 2!». Insljesondere der Päfhter
des Schrotamts, der zugleich die Aufsicht über die städtische Was-
serleitung hatte, ebenda 464.
2^1) ÜB. I, 17.
272) ÜB. I, 125 § 10.
Das Yerzälileii, 87
Stadt ZU entfernen habe ^'^^). Das Verzälübuch enthält
nur zwei Fälle von Verunreinigung- der Stralsen durch
Unflath (B 1665. 1850). Wegen Zerhauens der Steige
d. h. wohl der Treppen, die aus den niedern in die höhern
Stralsen führten, wurde AValther von Geier (B 1798)
verzählt.
Häufiger kommen Yerzählungen vor wegen ver-
schiedener Frevel an der städtischen Röhrwasserleitung
(A 107. B 382. 475. 516. 1353. 1829) und an den Brunnen,
unter denen namentlich der „Steinhorn" hervorgehoben
wird (B 514. 517. 1055); auf die Reinhaltung der letztern
wurde streng gehalten, namentlich war es verboten in
ihnen zu watschen '-^'') (B 1301. 1373. 1427) oder zu baden
(B 1756).
Ebenso war die Verunreinigung des Stadtgrabens
(B 257) und das Fischen in demselben ohne Genehmigung
des Rats (B 1540) sowie Beschädigungen anderer Teile
der Stadtbefestigung, wie des Zwingers, der Thore und
Türme (B 1678. 1680. 1708. 1730. 1824) strafbar. Un-
verständlich ist mir die Verzählung von Alexius Sohn,
der „die thole uff dem i-othuse derwurffen hätte" (B 1615).
So wirft unser Verzälübuch in die mannigfachsten Ver-
hältnisse des bürgerlichen Lebens Streiflichter; bei der
Dürftigkeit der uns sonst überlieferten Quellen über die
Kulturzustände unserer Heimat im Mittelalter schien
eine eingehendere Bearbeitung desselben eine Pflicht zu
sein, der sich sein Herausgeber nicht entziehen durfte.
C. Das Ende des Verziihleiis.
Unser Verzählbuch wurde etwa bis 1468 (B 1865) regel-
mäfsig fortgeführt; die letzten 9 Einträge gehören zwar
wahrscheinlich in spätere Jahre (so B 1866 ins Jahr 1472?),
aber wir gehen wolil nicht fehl, wenn wir annehmen, dals,
obwohl das alte Verzählbuch noch Raum genug bot, doch
um 1468 ein neues angelegt wurde. Dieses hat sich
nicht erhalten ; es reichte vielleicht bis 1505. Dann er-
innerte man sich wieder des alten Buches und benutzte
es in den Jahren 1505 — 1517 zur Eintragung der
Verzählungen ; diese 126 Nummern hat unsere Ausgabe
nicht mit aufgenommen. Nach 1517 ist mir kein weiterer
273) UB. III, 472 § U).
2'*; UB. I, 135 § 17. III, 473 g 20.
88 Hnljert Ermisch:
Fall einer Verzählmig' bekannt; aber das liegt nur daran,
dals spätere Aufzeichnungen nicht erhalten sind, denn
das Institut des Verzählens selbst dauerte , wie wir aus
der gleich zu erwähnenden Verordnung des Herzog Hein-
rich von 1525 sehen, auch später noch fort.
Obwohl Klagen bei Hofe nur im Falle der Rechts-
verweigerung gestattet waren (oben S. 68), lälst es sich
doch begreifen, dafs hie und da bei den Landesherren
Beschwerde gegen den Freiberger Rat wegen erfolgter
Verzählung geführt wurde. Eine solche hatte z. B.
Andr. Erbesesser um 1414 erhoben ■-^^) ; wahrscheinlich
ohne Aveiteren Erfolg, als dals die Bürger die Thatsache
der Beschwerdeführung, (larcoi er yn uminilkli iietan hat.,
(la.i sie voll iiii unhiUichcn lulen, in ihr Stadtbuch ein-
trugen, um ihrer gelegentlich eingedenk zu sein. Als im
Jahre 1475 Hans Gerhart und Paul Weibe, die, so weit
sich aus dem ziemlich unklaren Schriftstücke entnehmen
lälst, wegen Vorenthaltung gewisser Erbstücke verzählt
worden waren , sich an die Landesherren wandten , er-
suchten diese den Rat, bis zur Hinkunft landesherrlicher
Räte die Verzählung aufzuheben und ihre Klage ruhen
zu lassen -'") ; es geschah dies jedoch in so schonender
Form, dals man das Bestreben die althergebrachten Ge-
wohnheiten der Stadt nicht zu verletzen deutlich erkennt.
Auch in dem oben S. 36 erwähnten Falle des Hermann von
Weilsenbach wurde im Prinzip dem Rate Recht gegeben.
Weniger schonend verfuhr Herzog Heinrich. Wie
er 1517 nachdrücklich für die Berechtigung einer Be-
rufung an den Herzog eintrat -"') , so scheint er auch in
den uns angehenden Teil der städtischen Strafrechts-
pflege Eingriffe gemacht zu haben. Auf eine Supplika-
tionsschrift des Rates, die neben andern auch diesen Punkt
betraf, entschied er am 30. Juli 1525 folgendermalsen :
Dritten die verweisteii personell belangende, ist pillich, das iin.ser
und unser vorordentten retlie befhelich darinnen vorhaltten , so viel
immer möglich uutzucht gestraift und abgewandt, auch tugent mit
gepurlicher forderunge vergleichet. So tragen wir doch gut wissen,
das ir niemandes ferner vortzelen nach voriveysen möget, dan
^'^^) Stadtbnch II No. .58. Sie könnte sich auf die im Verzäbl-
liuch B unter Ko 175 cder 189 vermerkten Verzäblungen beziehen.
-■"■') Schreiben des Kurf. Ernst und Herz. Albrecht an den Rat
zu Freiberg d d. 1475 Nov. 4: Or. im Ratsarchiv zu Freiberg, gedr.
Klotz seh, Das Verz eilen S. 124 f.
2'^) Vergl. sein Schreiben von 1517 Juni 30 bei Schott, Samml.
zu den deutschen Land- und Stadtrcchtrn ITT. 96. Er misch. Das
Freiberger Stadtrecht S. LXXIl.
Das A'erzähloii. 89
euch gerichtc und gebiettc vorliehen. Waii demselbig'Cii also uocli-
gegangeu. durffet ir derwegen bey uns keiner beschwerde ader Un-
gnade befharen u. s. w. ""'^)
Wenn Klotzscli und nach ihm andere '^ ''•') aus dieser Ver-
ordnung ein völliges Verbot der Verzählung haben heraus-
lesen wollen, so beruht das auf einem offenbaren Milsver-
ständnis der oben hervorgehobenen Stelle. Dem Rate
wurde vielmehr nur untersagt, über die Grenzen seines
Gerichtsgebietes hinaus zu verweisen. In früheren Zeiten
kam dies oft vor (oben S. 33 f.); jedoch erfolgte in fast
allen derartigen Fällen die Verweisung unter Mitwirkung
des Obervogts oder anderer landesherrlicher Beamten.
Vielleicht hatte sich der Rat angemalst ohne eine solche
Mitwirkung Vei'weisungen auszusprechen, die über seinen
Gerichtsbezirk hinaus wirken sollten; gegen derartige
Mißbräuche wandte sich Heinrichs Verordnung, das eigent-
liche Verzählen aber liels sie unberührt.
Es lälst sich jedoch nicht leugnen, dals im IG. Jahr-
hundert das Verfahren des älteren Rechts gegen Ab-
wesende, das nicht blols in Freiberg, sondern auch ander-
wärts Entartungen zeigte, auf mancherlei Bedenken stiels.
So heilst es z. B. in einer Abhandlung „Procels von der
Acht", die der 1535 bei Melchior Lotter in Leipzig ge-
druckten Ausgabe des Sachsenspiegels -^*^) angehängt ist:
Denn ans dem Mifsbraucb, das man mit der vortestuiig also
leicht ist umbget>angen nnd die lewt uff unschlilsliche vvan und sus-
pitiun ohne alle vorgehende Ladung etc. . . . geechtiget, ist herge-
flossen, dals die vorfestnngen seyn yn grol'se vorechtung gef'nrt.
Das Eindringen des römischen Rechts, die neuen
strafrechtlichen und strafprozessualischen Grundsätze,
welche die Halsgerichtsordnimg Karls V. einführte, und
der Umstand, dals auch in der städtischen Verwaltung
mehr und mehr der Einflufs gelehrter Juristen sich geltend
machte, wirkten zusammen, um eine Einiichtung zu ver-
drängen, die in Freiberg Jahrhunderte lang als ein be-
sonderes Vorrecht der Stadt angesehen und hochgehalten
wurde. AVie so manche alte Rechtsgewohnlieit. verschwand
das Verzählen aus dem Rechtsleben des Volkes, ohne
dals es je durch einen bestimmten Akt abgeschafft worden,
ja ohne dals man den Zeitpunkt seines Aufhörens genau
-'®) Ol', auf Pap. im Ratsarcbiv zu Freiberg (K. 2).
2'9) Klotzsch, Das Verzellen S. 125 f. lUirsian. Mittb. des
Freiberger Altertunisvereins I. 29. Ben sei er, Gesch. I''rcilien;s
S. 384 ;«8.
-«Oj Aaa 11. Angeführt bei Uieuko a. a. U. S. 8.
90 Hubert Ermisch: Das Verzählen.
angeben könnte. Als Kurfürst August durch seine Kon-
stitutionen (1572; dem Freiberger Stadtrecht die Axt an
die Wurzel legte, wurde wohl längst nicht mehr verzählt;
sonst wäre doch vielleicht in den langjährigen Verhand-
lungen, durch welche der Rat sein altes Eecht zu schützen
suchte-*^), auch diese Eigentümlichkeit der Freiberger
Gerichtspraxis zur Sprache gebracht worden. Nur eine
Seite des Verfahrens , der eigentliche Achtsprozefs , der
auch sonst in Sachsen üblich war, hat sich noch länger
erhalten; auf seine spätere Entwicklung einzugehen, ist
jedoch nicht unsere Aufgabe.
2N1) Verg-1. Ermisch, Das Freiberger Stadtrecht S. LXXV it.
II.
Mitteilimgeu zur sächsisch -tliüriugisclieu
Geschichte ans den Handschriften der alten
Schneeberger Lycenmsbibliothek.
Von
Eduard Heydenrekli.
Die alte Schneeberger L5^ceumsbibliotliek besitzt eine
stattliche iinzahl Handschriften historischen, juristischen,
pädagogischen, philologischen und theologischen Inhaltes.
Bisher wurden dieselben in einem Anbau der St. Wolf-
gangskirche aufbewahrt; für künftige Zeiten aber ist
ihnen in den neuen Gymnasialräumen eine freundlichere,
zu häufiger Benutzung einladende Aufstellung vorbelialten.
Ihr teilweise sehr massiver Einband erinnert an die Zeiten
des Mittelalters, in denen dieselben mit Ketten angebunden
wurden und als ein kostbarer Schatz dem Besitzer ge-
sichert blieben.
Die einzelnen Sammelbände, welche meist im Folio-,
seltener im Quart- oder Oktav -Format gebunden sind,
vereinigen Manuskripte von sehr verschiedener Schrift
und Ausstattung und sehr verschiedenem wissenschaft-
lichen Werte in sich.
Infolge der Feuersbrünste, von denen die Stadt
Schneeberg wiederholt heimgesucht worden ist, hat sich
keine zuverlässige Nachricht darüber erhalten, ob diese
Handschriften bereits vor der Reformation durch die
Mönche, welche in Schneeberg verkehrten^), oder erst in
^) Melzev, Clironik von Schneeberg- S. 204. Lelnnann,
Chronik der Bergstadt Schneeberg III, 85.
92 E. Heyflenreich :
späterer Zeit durch Kauf oder Schenkung auf das hiesige
Gebirge gelangten und dem alten Lyceum überwiesen
wurden. Ein im Jahre 1597 aufgenommenes „Vorzeichnus
der Buchere, so inn die Schul gehörige" registriert aulser
einigen anderen Manuskripten „eczliche geschriebene
buchere allerley Materien, grols vnd Klein, Item Oben
vifme Bucher Kasten seindt gestanden 37 stuck Allerlei
Alte papistische gedruckte vnd zum Theil geschriebene
buchere in 4" vnd Octavo, so nicht sonderlichen vffge-
zcichnet wordenn " - j .
Es ist denkbar, dals ein Teil der Schneeberger
Lyceum shandschriften einst dem berühmten Verfechter
der päpstlichen Rechte Johann v. Torquemada gehört
hat. Melzer berichtet an einer wiederholt nachgeschrie-
benen") Stelle seiner Chronik*): der katholische Pfarrer
Johann Bischoff zu Sclmeeberg, welcher 1494 seinem
Vorgänger Peter Iltner v. Weyda im Amte folgte, habe
in solchem Ansehen gestanden, „dals auch ein Cardinal
Johannes de Turri cremata, Cardinalis S. Sixti Papae, ihn
besuchet und bey seinem Abzug etliche Bücher in die
alte Bibliothec verehret hat". Torquemada latinisierte
nämlich seinen Namen, nannte sich in allen seinen Schriften
Johannes de Turre cremata und führte als Kardinal enien
brennenden Turm im Wappen. Unter den Büchern, die
er geschenkt haben soll, können recht wohl auch Manu-
skripte verstanden werden, da für den ungenannten Ge-
währsmann jener Notiz bei Melzer der Unterschied
zwischen gedruckten und geschriebenen Büchern gleich-
giltig sein mochte. Eine Stütze findet diese Vermutung
darin, dals Turrecrematas Psalmenerklärung, welche durch
Kürze und das Gewicht der den Psalmtexten unmittelbar
angeschlossenen oder eingefügten Glossen sich auszeichnet''),
gegenwärtig dem Handschriftenbestand des Schneeberger
-) ..Inveiiüiiiuin der Pfarr- und Spital- Kirchen, des Custodis,
der Pfarr, der Scluübuchere , der kirclien Gesang Buclier vnd der-
gleichen Auögerichtet Anno 1597." Im Schneeberger Eatsarchiv,
dessen Benutzung ich der Liberalität des Herrn Bürgermeisters
Dr. von Woydt verdanke, unter der Bezeichnung G II 3, vergl. be-
sonders Blatt 7 ff.
^) Schaarschmidt, Versuch einer Geschichte der Schnl-
bibliothek zu Schneeberg (Progr. Schneeberg 1813) S. 19. Stade,
Geschichte des Lyceums zu Schneeberg I (1877), 9.
■*) Melzer,' Chronik von Schneeberg S. 202.
•'^) Steph. Lederer, Der spanische Kardinal Johann von Torque-
mada (Freiburg 1879) S. 265.
Aus Sclineeberg-er Handschriftou. 9B
Gymnasiums angehört''). Dem Kardinal lag es auch
näher als manchem anderen, die gegenwärtig ebendaselbst
vorhandene Handschrift honen confessorani des Andreas
Hispanus') zu schenken. Denn damit ist der Zeitgenosse
und Landsmann Turrecrematas Andreas de Escobar^)
gemeint, der an den Konzilien von Konstanz und Basel
teilnahm und ein vielgesuchter theologischer Eatgeber der
Kurie war''). Aber freilich von einem Besuche Turre-
crematas nach 1494 kann nicht die Rede sein, denn die
Aufschrift seines Grabes besagt: „Hie quiescit D. Joannes
de Twrre cremata naüojie His-panus episcopits Sabinus
S. R. E. cardhialis S. Sixti qni ohiit XXVI Sept. A. D.
3ICCCCLXVIir'"). Nun wurden zwar die Schnee-
berger Erze noch zu Lebzeiten Turrecrematas fündig;
denn bereits 1453 wird urkundlich bezeugt, dais sich
etwas .,nff dem Sneherge Ine Zackkoiv eroivget Jiahe, das
dannelioffenlich were geivynhafft zcu icerden"^^). Allein
Torquemada sah Deutschland zum letzten Male Ende der
30er Jahre, als er den Fürstenkonventen von Nürnberg
und Mainz als päpstlicher Theologe beiwohnte. Von
einer Reise desselben nach Schneeberg ist auch dem ver-
dienstvollen Biographen Torquemadas, Herrn Pfarrer
Dr. Lederer, wie derselbe die Güte gehabt hat mir brief-
lich mitzuteilen, nichts bekannt. Wenn also die Nach-
richt bei Melzer nicht vollständig auf Irrtum beruht, so
kann nur so viel als möglich gelten, dals ein Teil der
vorhandenen Manuskripte dem Kardinal ehedem gehörte
und später — wahrscheinlich aus dritter Hand — in
Bischoffs Besitz und durch diesen nach Schneeberg kam.
Drei Bände des gegenwärtigen Bestandes, welche die
Nummern IX, X und XXI tragen, enthalten an ihrem
Ende den Namen von Wolfgang Kraus, welcher 1509
sein Amt als katholischer Pfarrer in Schneeberg antrat,
von Melzer S. 202 als „Egranus Canonicus Frihergensis
et Wurzensis" bezeichnet wird und 1537 in Freiberg
ö) Jo. de Turre crematix Cardiiialis expositio super psaltei'iuiii,
Band XXIV, Blatt 1—1 l:i.
') Band XXIV, Blatt ;i20 tf.
®) Fabricius, Biblioth. lat med. et inf. aet. I, 93 f.
") Finke, Forsclmngcn und (Quollen zur Geschichte des Knn-
stanzer Konzils (Paderborn 188Ü) S. \m.
1*') Jac. Quetif und Jac. Ecliard, Scriptores Braedicatoruin
I, 888 b.
") Er misch, Das sächsische Bergrecht des Mittelalters
(Leipzig 1887) S. CL.
94 E. Heydeureicli :
starb. Vorbesitzer des gegenwärtig mit No. XVI be-
zeichneten Bandes scheint Johann Zympel gewesen zu
sein^-). Den Folianten No. XIX hatte, wie ein auf dem
Holzeinband aufgeklebtes Blatt Papier besagt, der Fran-
ziskaner Georgius Zügner aus Zwickau gekauft de uno
sacerdote secidari qui vocahatur Symon. — Die alte
Lyceumsbibliothek wurde anfangs in der Schule unter-
gebracht, im Jahre 1614 aber in das Gemach über der
Sakristei der St. Wolfgangskirche verlegt, wo sie vor
Feuersgefahr gesichert war.
Von den städtischen Behörden in Schneeberg ver-
anlafst, unterzog sich Herr Professor Dr. Weicker aus
Zwickau 1883 der Mühe, die Bibliothek neu zu ordnen ^■^)
und einen kurzen Handschriftenkatalog anzulegen. Der-
selbe beschränkt sich , wie dies bei der Beschaffenheit
der Sammelbände niemand anders erwarten wird, auf
eine ungefähre Übersicht des Inhaltes und begnügt sich
wiederholt mit allgemeinen Angaben wie „Betrachtungen
theologischen Inhaltes" , „Handschrift juristischen Inhaltes" ,
„Legendarium", „Predigten" und dergleichen. Bei dieser
Gelegenheit hat Herr Professor Dr. Weicker auch eine
neue Numerierung der Handschriften nach römischen Ziffern
vorgenommen, welche an Stelle der alten Bibliotheks-
signaturen mit arabischen Ziffern getreten ist.
Die genauere Prüfung der Handschriften, mit welcher
die Leitung des Schneeberger Gymnasiums mich beauf-
tragte, ergab, dals dieselben wertvoller sind, als bisher
angenommen wurde ^^). Denn sie enthalten aufser anderem
nicht nur einige bisher unbekannt gebliebene Nachrichten
zur Geschichte der sächsischen Lande, sondern auch
interessante und zum Teil noch ungedruckte Texte zur
'G^
Kircheno-eschichte Deutschlands und Italiens vor der Re-
^Ö
formation^'').
1-) Ein in diesem Bande lose inliegendev, alter halber Bogen
Papier, von dem es allerdings nicht feststeht, ob er grade zu diesem
und nicht etwa zu einem anderen Bande gehört, trägt die Eintragung:
„Dni Joannis Zcympels fuit."
1») Schneeberger Ratsarchiv Acta B VII a No. 32. Über die
vorausgegangene Verwaltung der Bildiothek vergl. auch Schnee-
berger Ratsarchiv Acta G II No. 104.
^*) Vergl. z. B. Schaarschraidt, Versuch einer Geschichte
der Schulbibliothek zu Schneeberg (181B) S. 20.
^■'■') Nähere Mitteilungen hierüber in der Festschrift tavc Ein-
weihung des neuen Schneeberger Gymnasialgebäudes.
Aus Schneebergcr Handschriften. 95
1. Dietrich von Apolda.
Der im 15. Jahrhundert von sehr verschiedenen
Händen geschriebene Sammelband XV (früher No. 201),
dessen Inhalt im Katalog als ein theologischer bezeichnet
und mit den Worten „Legendarium in verschiedenen Ab-
sätzen, Predigten, physiologische „Probleme" näher an-
gegeben ist, enthält unter der Überschrift De sanda
Elyzaheth fol. 143—154 auf 41 Kolumnen einen geschicht-
lichen Text in lateinischer Sprache ohne weitere Angabe
des Verfassers oder der zu Grunde liegenden Quellen.
Es ist dies aber eine teils kürzere teils längere Bearbei-
tung des Lebens der Landgräfin Elisabeth von Thüringen,
welches Dietrich von Apolda im 1.3. Jahrhundert schrieb
und das lange Zeit die Grundlage aller späteren Bio-
graphien dieser Heiligen geblieben ist. Wenn nun auch
insbesondere nach der Untersuchung von Wegele^'') nicht
geleugnet werden kann, dals die üppig wuchernde Sage
in der Dietrichschen Schrift bereits einen breiten Baum
einnimmt, so gehört dieselbe doch zu den wichtigsten
Quellen über die Landgräfin^"). Bei dem noch immer
recht fühlbaren Mangel einer guten Ausgabe^*) ist aber
ein neues handschriftliches Material erwünscht. Ein
solches liegt in der Schneebergcr Handschrift vor.
Zum Beweise, dals der namenlose Text der alten
Schneebergei' Lyceumsbil)liothek der des genannten Do-
minikanermönches ist, mag der Anfang folgen, wie er
auf Blatt 143 unter Weglassung der praefatio lautet.
Um das Verhältnis zu denjenigen Handschriften, deren
Lesarten bisher von Canisius in seiner Ausgabe und
von Mencke^-'j veröffentlicht shid, anzudeuten, füge ich die
abweichenden Lesarten derselben unter dem Texte hinzu :
^'') V. Wegele, Die heilige Elisabeth von Thüringen, in der
Histor. Ztschr. V (1861), ;351 ff.
") Vergl. Wencic, Die Entstehung der Reinhardsbrninier
Geschichtsbücher (1878) S. 8 ff. — Mielke, Zur Biographie der
heiligen Elisabeth (Rostocker Dissertation 1888) S. 3l tt'.; auch
Wattenbach, Deutschlands üeschichtsquellen II (5. Auti.), 3BH.
'^^) Eine solche ist (vergl. Wenck, Entstehung der Keinhards-
brunncr Geschichtsb. 8. 10) für die ]\Ionnnienta (lennaniac von dem —
inzwischen verstorbenen — Konsistoiialrat Kanke in Marburg vor-
bereitet worden, aber bis jetzt nicht ersdiiciien.
"^) (Janisius, Thesaurus nionumentoruni ecclesiast. et histor.
sive lectiones anti(|uae ed. Basnage IV, ] 16 ff'. — Mencke, Script,
rer. Germ. II. 1987 ff
9() E. He.ydenreich :
Eo tempore, quo Pliilii)pus , Swevonim dnx . frater Heiiirici
quoiidam -*^j imperatoris, et Otto, Heiniiei quoudam Eavarie et Saxoiiie
ducis filins, a principibus coutencione^V electi, quis eorum arcem Romani
obtiiieret imperii, ho.stiliter et periculose--) disceptabaiit, erat in
Alemauia priuceps illustris valde Herniaiiiius Tliuringie lantgravius
vir utique streunuus et acer in liostes, Ottokari regis Bohemie conso-
brinus, qui prefatos imperatores nunc istum minc illum"'*) promoveus
ac provocans alternatim exacerbavit et contra se in prelium excitavit-^).
In hnjus pallacio et farailia fuernnt sex viri milites'-'') non intimi
ingenio excellentes honestate morum virtuosi cantilenarum confectores
snmmi ceitatim sua studia-") efferentes. Habitabat tune in partibus
Ungarie in terra, que septeni castra vocatur, nobilis quidam et dives
triiira miliam niarcarum annuatim '-'') habens censum vir pbilosophus
litteris et studiis secnlaribus a primeva etate -■*) inbutus nigromancia
et astronomie-") nihiloniinus eruditus. Hie magister Clingisore'^'^)
nomine adducidicandas''') predictorum virorura canciones in Thuringiara
per volnntatem et beneplacitum prineipum est adductus. Qui ante-
quam ad lantgravium introisset nocte quadani in Ysenaco*') sedens
in area hospicii sui astra magna, diligencia intuitus est. Tnnc roga-
tus a1) hiis, qui aderaut, si*^^) qua secreta perspexisset, ediceret,
respondit: Noveritis, quod liac nocte uascitur regis Ungarie filia, que
Elizabeth nuncupatur^^) et erit sancta tradeturque priucipis^'») filio
in uxorem, de cujus sanctitatis preconio exultabit et exultabitur
omnis terra. Ecce! (pii per Balaam ariolum incarnaeionis sue pre-
nuneiavit misterium, ipse per liunc preelecte sue famule Elizabeth
predixit nomen et ortum. ßegnahat tunc in Un2;aria Andreas rex
diviciis clarus et potencia. cui^'') uxor Gerdrudis nomine nobilissimi
ducis Carintie lilia ut preraonstratum ^''j a domino peperit tiliam
sui generis*^*) decns. Que in Christo regenerata Elizabeth nomen
accepit anno dominice incarnaeionis MCfiVII.
Der weitere Text der Schneeberger Handschrift
unterscheidet sich von dem bei Canisius Aveseutlich da-
durch, dafs zahlreiche, bei diesem abgedruckte theo-
logische Betrachtungen in jener fehlen. Hinter den
Worten auf Blatt 153 „quasi suaviter obdormiens incli-
nato capite expiravit sicque a dolore mortis extranea
occurrentibus (et comitantibus C) angelis et sanctorum
choris ad sidera evolavit (ad regna evolavit sidera C)"
-°) quondam fehlt bei (J[anisiusJ.
-*) contentiose C.
-") periculose et hostiliter C.
-^) So auch C; nunc illum nunc istum M[encke].
21) concitavit C
2'^) milites nataliciis C. -") sua certatim studia C.
-■') annnum C. -'^) a primevo etatis C; optime M.
-") nigromantiae et astronomiae scientiis C.
^'') Clyncsor C; Clinsor M. ^') Richtiger: adjudicandas C.
32) Ysenach C. «») ut si C.
^•^) nuncnpabitur C. '^■'') hnjus principis C.
^^) cujus C. '*'') praemonstratum fuerat C.
^^) generis sui C.
Aus Schneeberger Handscliriften. 97
folgt ohne Andeutung eines neuen Anfanges mit den
Worten „Äffuit in Ret/nnarsburn tunc temjwris cum beata
migravit (ad dominum) Elizabeth f rater quidam" ein
Abschnitt, der mit unwesentlichen stilistischen Abweich-
ungen in Kollars Analecta Vindobon. I, 896 f. unter
dem Titel ,;de viro religioso cui in die mortis sue beata
Elizabeth apparuit-' und in Menckens Script, rer. germ.
II, 2004 f. unter dem Titel „de viro religioso cui beata
Elyzabeth in morte apparuiP- abgedruckt ist.
Darauf wird in unserer Handschrift (Bl. 153 b) durch
die Worte ,p)ost solempnem translacionem ipsius^J^, welche
bei Canisius und Mencke nicht stehen, der Übergang
gewonnen zu den folgenden Worten „die sequenti ajyerto
sarcofago" etc. d. i. zu einer Erzählung, die nicht weiter
durch Überschrift kenntlich gemacht, bei Canisius aber
S. 151 f. „De sacro oleo quod de ossibus sanctae Eliza-
beth emanavit" und bei Mencke S. 2006 „De oleo quod
de sacrosanctis ossibus efnanavit" überschrieben ist.
Der hierauf Blatt 153b folgende Abschnitt ist weder
an den genannten Orten noch bei Struve, Acta litteraria
ex manuscriptis erutall, 1, 1 ff. gedruckt, wo acht neue
Kapitel zu Dietrichs Biographie sich finden. Auch wird
diese Geschichte weder in dem ältesten Bericht über die
heilige Elisabeth und die an ihrem Grabe geschehenen
Wunder erwähnt, welcher von Henke ■^■') zum ersten Mal
veröffentlicht ist, noch in dem Briefe*^), welchen Konrad
von Marburg behufs ihrer Kanonisation an Papst
Gregor IX. gerichtet hat. Ebensowenig kommt eine
Irmgard von Mansfeld in den Eeinhardsbrunner Ge-
schichtsbüchern vor^^). Dieses Ineditum lautet:
Matrona (luedam nobilis Irmegardis plena bonis operibus et elemo-
sinis commorans in castro Seburc soror videlicet honorabilis Bertoldi
comitis majori« de Mansfelt fimdatons ceiiobii saiictimonialinm in
Elpbede audiens famam beate Elizabfth ft signorum que ad sepulcruni
crescebant mirabili devocione provocata in bonore ejiisdem obiit et ipsa
ad visitanduui sepubTum ejn.s. Cuiuque illnc pervenisset, supcryenit
eciam vir quidam gestans in uhiis infantnluni cecum natuni, cui nee
sedes erat oculorum, quem buic niatrone reverende consignavit igno-
»») Henke, Konrad von Marburg (1861) S. 53 ff.
'") Abgedruckt in Leonis AUatii 2?',«,«/xr« (Köln 1653)
S. 269 sqq.
*i) Annales Reinbardsbrunnenses, berausgcg. von Wegele 1854.
Eine Dienerin der Elisabetb, Irmengard. begegnet im libellns de dictis
quatuor ancillarum. vergl. Boerner, Zur Kritik der (^uillen für die
(Jesch. der beil. Elisabeth, Neue.s Archiv d. Ges. f. ältere deutsche
Üeschichtsknnde XTTl (1888), 433 ff.
Neues Archiv 1. S. t:. u. A. Xlll. 1. '<;. '
98 E. Heydenreich :
rans, qiienam ipsa esset, petens instanter, ut ipsnm teneret, donec
rediret de foro. Quem illa ut erat plena caritate benigne suscepit
et more gerule ipsum secum ad sepulcrum sancte Elizabeth detulit.
Et ecce incidit nienti ejus, ut puero a sepe dicta Elizabeth dei
famula inpetraret lumen oculorum donari; sed et suborta est ex
huniana fragilitate quedam diftidencia, qua estiniabat nequaquara
tante sanctitatis preconium meruisse illani quam quondam viderat
secularibus actibus choree et similium desevisse. Attamen mox de
tali cogitacione redarguente eam de conscieutia sua penitens vice
versa retractare cepit, que, quanta et qualia postmodum in pauper-
tate despecta et similibus pro amore domini volnntarie pertulisset,
quibus non solum preteritas vauitates diluisse, set et insuper graciam
omnipotentis dei posset meruisse ; cum devocione magna et fide plena
sociatis sibi pkmmis utriusque sesus hominibus probis et devotis
esorabat dominum, quod per merita sibi dilecte Elizabeth ipsum
infantem oculorum lumine dignaretur nmnerare; Omnibus itaque
divinam clemenciam cum desiderio iuvocantibus ceperuut repente
loca oculorum pueri cum quodam fragore audientibus omnibus scindi ad
modumdurissimi pergameni cepitque puer voce magna ejulatum emittere.
Quam ammiracione nobilis illa et deo devota matroua respiciens
vidit ipsum habentem oculos griseos grandos et multum claros. Quod
videutes presentes dominum deum in sua famula collaudabant. Set
cum oculos apertos teneret puer, ipsos nee hunc nee illuc ad videndum
convertere sciret, acceperuut testam ovi ipsamque sursum et infra
coram oculis ejus duceutes ipsi pretendebant . quousque puer visum
post eam convertere didicit sicque deinceps usque ad finem vite sue
claro visu letabatur. Pater vero pueri rediens a foro cum infantem
suum reposceret, letus reperit oculorum lumine mirabiliter ditatum,
quem antea doluerit miserabiliter cecum natuni. Venerahilis vero
hec et devota domina Irmegardis comitissa, hujus colendi miraculi
testis egregia, postmodum in cenobio beate dei geuitricis in Ro-
charsdorff in conventu sanctimonialii;m ordinis Cisterciensium conversa
morabatur laudabiliterque vivens inibi vitam fiuivit.
Mit den hierauf folg-eiiden Worten „in Strigouiensi
etiam civitate" beginnt ein neuer Abschnitt , der aber
weder durch Einrücken einer neuen Zeile, noch durch
eine Überschrift kenntlich gemacht ist. Es ist dies die
Erzählung bei Mencke a. a. 0. S. 2006, wo sie die Über-
schrift trägt: De puella mortna meritis heatae Elijsaheth
resuscitata. Die Abweichungen des Schneeberger Textes
sind für diese Gescliichte nicht wesentlicher Natur. Der
Schlufs desselben lautet:
Gavisi sunt ergo nimis uterque parens nichilominus puellam
suscitatam in Martburgk cum oblacionibus deferentes. Deinde leti
ad propria redierunt. Puella vero cum adolevisset, cum filia regis
Ungarie in Bawariam duci transmissa est. [Tandem ducis et ducisse )
interventu in Ratispona in cenobio sanctimonialium de ordine predi-
catorum recepta materque et priorissa sororum ibidem eftecta in
virgiuitate et eximia sanctitate jocundum et mirabile domino exhibuit
famulatum.
Hiermit endet der Schneeberger Text des Dietrich
von Apolda. Derselbe ist bis jetzt gänzlich unbekannt
Aus Sclmeeberger Handschriften. 99
geblieben. Auch Justi'*-) und "Walther*"), der nach
Lorenz^*) die weitaus vollständigste Zusammenstellung
über die Litteratur zur heiligen Elisabeth bietet, er-
wähnen die Schneeberger Handschrift nicht.
2. Nicolaus Baumgärtel.
Der aus 262 Blatt in 4** bestehende Handschriften-
band No. XII enthält eine bis jetzt verschollen ge-
bliebene kirchenrechtliche Arbeit. Unter dem, auf den
Rand des ersten Blattes eingetragenen Wunsche Veiii
sande sinritus befindet sich zunächst ein Register mit
der Unterschi^ift auf Blatt 50: „Explicuerunt inicia ca-
pit'iäorum decreti cum suis autoritatibus completa in
Kempnicz et scrij^ta per me fratrem Nicolaum Baium-
gertel anno domini 1478." Der Text selbst ist alpha-
betisch nach Überscliriften geordnet: Aron, Abbates,
Abbatissa, Abel, Aborsus, Abraham, Abrogatio, Abso-
lutio u. s. f. Durch gelelirte Verweise werden die ein-
zelnen Sätze begründet, z. B. unter der Überschrift
visitare die folgenden über Kirchenvisitation auf Blatt 256 :
Visitare debent episcopi dyoceses suas ant per se aut per alios
dumniodo ipsi sint impediti. Item yisitando debent inqiüi-ere de vita
clericorum et de ornatu ecclesiarum et de reparationibus ubi aliqua
sunt fracta. Item debent visitando Status laycorum videre, si in
fide sint stabiles, si diversa crimina sicut homicidium adnlteriuui
periurium et fonsilia fugiant et resurrectionem credant. Item visi-
tando non debent cum gravamine sive cum moderacione exquirere. . .
Item omni anno tenetur episcopus semel dyocesin suam visitare.
Item visitando temporale Stipendium pro suo obsequio potest reci-
pere. Item episcopus si non visitat loco visitacionis procuraciones
non recipiat vel exigat. Item episcopi visitandi et exhortandi yracia
quotiens necessitas exigit possunt monasteria religiosorum non
exempta visitare. Item visitando non debent visitandos crudeliter
desevire. Item in visitacione de dubiis debent coram senioribus in-
quirere. Item uni visitatori plures ecclesie visitande comniitti
possunt. Item episcopi ytalici immediate ad curiam Romanam ex-
spectantes de anno in annura limina apostolormn petere Petri et
Pauli et Romanam curiam visitare tenentur vel per litteras de impo-
tentia se excusantes.
Die mit der erwähnten Stelle des Blattes 50 über-
einstimmende Unterschrift auf Blatt 262 „Explicit mar-
garitlia juris per me fratrem Nicolaum Baivmgertel'ordinis
*2) Justi in seiner Biographie der heil. Elisabeth S. IX f.
■*«) Walther, Litterar. Handb. f. Hessen S. 37 und 2. Supple-
ment S. 21 f.
**) Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen II (U. Aufl.), 94,
Anm. 3.
100 E. Heydenreich :
minorum terminarium pro tempore Kempnicii suh incar-
nacionis doniini anno 1478 In die sandi Gorgonn martiris
etc.'' bietet eine erwünschte Notiz zur Chemnitzer Ge-
schichte. Der Name Baunigarte ist in den Chemnitzer Ur-
kunden nichts Seltenes^'), aber Nicolaus Baumgärtel un-
belegt. Die Stiftung eines Franziskanerklosters in Chemnitz
erhält zwar erst 1485 die päpstliche Bestätigung^*^), doch
lassen sich seine Anfänge bis 1481 verfolgen^'), und die
Möglichkeit ist nicht ausgesclilossen , dals ein Franzis-
kaner bereits 1478 in Chemnitz sich aufhielt, um jene
Stiftung vorzubereiten. Auch könnte man Baumgärtel
für den Terminar eines auswärtigen Franziskanerklosters
halten; urkundlich kommen in Chemnitz nur Terminare
aus Grimma (Augustiner Eremiten) und Freiberg (Domi-
nikaner) vor. Nahe liegt auch die Annahme, dals Baum-
gärtel von einem fremden Franziskanerkloster nach
Chemnitz gesandt war, um fällige Zinsen einzutreiben;
Chemnitz hatte Zinsen oder Renten zu zahlen an die
Franziskaner in Torgau, Dresden und Freiberg.
3. Andreas Rüdiger von Görlitz.
Die archivalischen Aufzeichnungen über die Ge-
schichte der Universität Leipzig im 15. Jahrhundert,
welche Bruno Stübel 1879 herausgegeben hat, sind ziem-
lich sparsam^^). Aus dem Jahre 1461 , in welches das
gleich zu besprechende Gutachten des Andreas Rüdiger
fällt, enthält das Urkundenbuch der Universität Leipzig
nur ein einziges Aktenstück über die Türkengefahr*'').
Auch die Forschungen Zarnckes'^") kommen für das
*5) Er misch, Urkundenbuch der Stadt Chemnitz (Cod. diplom.
Saxon. reg-. II, 6) S. 485.
■»ö) A. a. 0. S. 416.
*'') A. Sammler, Das Franciskauerkloster in Chemnitz: in
den Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte I (1876), 153.
Aucli die folgenden Angaben verdanke ich l)rieflichen Mitteilungen
des Herrn Realschuldirektor Dr. Mating- Sammler in Werdau.
"**) Stübel, Urkundenbuch der Universität Leipzig von 1409
bis 1555 (Cod dipl. Saxon. reg. II, 11). — D robisch, Beiträge zur
Statistik der Universität Leipzig innerhalb der ersten hundertund-
vierzig Jahre ihres Bestehens : Berichte über die Verhandlungen der
Kgl Sachs. Gesellsch. d. W. II, 71.
4») Stübel a. a. 0. No. 122_, S. 142 f.
^°) Zarncke, Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der
Universität Leipzig in den ersten 150 Jahren ihres Bestehens: Ab-
handlungen d. K. S. Ges. d. W. III, 509—922, vergl. bes. 891.
Aus Sckneeberger Handschriften. 101
15. Jalirlmiidert zu dem Ergebnis, dals die Geschiclite der
Vorgänge an der Universität in jener Zeit stets nur
lückenhaft bleiben wird. Einen freilich sehr kleinen Bei-
trag zur Ausfüllung dieser Lücken bietet der XVII. Band
der Schneeberger Lyceumsbibliothek.
Aus dem Vorworte''^) zu dem in diesem Band Blatt
360—366 eingetragenen articuli in quibus magister non
tenetur commitnifer sehen wir, dafs venerahilis et egregius
vir sacre theologice ])rofessor dominus atque doctor Andreas
de Görlitz , wie der Verfasser dieser articuli an deren
Ende genannt wird, von dem Cistercienserkloster Altenzelle
aus gebeten wurde, über gewisse dogmatische Gegen-
stände ein Gutachten abzugeben. Er entsprach dieser
Bitte nach Blatt 366 b ad singidarem instaarationcm
presentis prioris de Vetere Cella Sande Marie JoJtannis
Schröter de Hirszhergk anno domini MCCCCLXI.
Aus dem Catalogus illustrium sive ecclesiasticorum
scfiptorum qui in Lipzensi Academia a fundatione studii
usque praesens ad aevum claruere'-), den man dem Wim-
pina zuschreibt'*'^), ergiebt sich, dals der vollständige
Name jenes berühmten Mannes Andreas Küdiger von
Görlitz Avar. Derselbe ward 1465 bezeichnet als „lerer
der heiigen schrifFt und thumherr zcu Myssen"''^), gehörte
schon längere Zeit der Universität an und starb 1495'''').
Die in der Schneeberger Handschrift enthaltenen
articuli des Andreas Rüdiger, welche mit einer sehr
kleinen Schrift und sehr gehäuften Abbreviaturen zu
Papier gebracht sind, waren bisher völlig unbekannt.
Wenigstens werden sie in dem genannten (Jatalogus,
welcher S. 40 f. die wissenschaftlichen Arbeiten dieses
^') Dieses Vorwort lautet auf Blatt 360 a folgendermafsen :
Quia i)etistis, veneral)ili,s pater, ut cetera puncta et articnlos, in
quibus ]iiagister sententiarum coraniuniter non tenetur, niotiva et
rationes portentatas a doctoril)US sub compendio in unura reducerem,
non potui nee deliui ejus frustrare desidcrium , cujus bencliciuni et
liumanitatem ])li'i-uinqui; snscepi. Igitur ut cupiditatem meani, qua
vobis satisfacere desidero, intellegeretis , assumo oruis et aggredior,
quod optatis; l)i'evitei' ponani que superficiar et cursorie in scriptis
doctornm recolo me legisse plena, namque dictorum articulornni reso-
lutio diligenteui et longani exigit inquisitioneni, quam liic sub con-
pendio ponere curavi.
^2) Ausgabe von Merzdorf, S. 40.
■'^) Zarncke a. a. 0. 8. 526.
■'^) 8t übel a. a. 0. S. 164, 37.
■^■^ Znviifl<e a. a. 0. S 58R. 745. 751, 764. — Oatalogus
illustrium No. XXVIII.
102 E- Heydenreich :
Gelehrten zusammenstellt, nicht genannt. Diese articuli
zerfallen in vier Abteilungen. Die erste derselben, der
ein besonderer Titel nicht beigegeben ist, besteht aus
5 Artikeln; die articuli secundi sententiarum sind ihrer
drei, die articuli tertii sententiarum ihrer zwei, die quarti
ihrer zehn, also sind es im Ganzen 20 Artikel. Dals
der Name desjenigen, welcher 1461 in Altenzelle Prior
war , Johann Schröter von Hirschberg lautete , konnte
aus den bisherigen Veröftentlichungen über dieses be-
rühmte Cisterzienserkloster'"') nicht ersehen werden. Denn
eine vollständige Beamtenreihe für Altenzelle ist nur
hinsichtlich der Äbte veröffentlicht worden •'^'). In den
gedruckten Urkundenauszügen des Jahres 1461'^'^) aber
begegnet nicht der Name eines Altenzeller Priors; nur
ein Unterprior Johannes wird in einer Urkunde vom
25. Februar 1461 genannt. Dagegen erscheinen 28. März
1460 der Prior Johannes und 26. April 1465 der Prior
Johannes Eapeh '*'*).
Die Beziehungen des Klosters Altenzelle zur Uni-
versität Leipzig datieren schon seit dem Jahre 1411, in
welchem der Abt Johannes zu Cisterz und die Vorsteher
des Generalkapitels auf Bitten der Markgrafen Friedrich
und Wilhelm an der neuerrichteten Universität eine
Stiftung machten und den Abt zu Altenzelle mit der
Ausführung beauftragten*^'^). Auf einen geistigen Ver-
kehr zwischen Altenzelle und der Universität Leipzig
um die Mitte des 15. Jahrhunderts deutet nicht allein
das Gutachten des Andreas Rüdiger von Görlitz, sondern
auch die Leipziger signatura promotorum in theologia,
welche von Brieger in der Einladuugsschrift zur Feier
des Reformationsfestes und des Rektor wechseis 1890
veröffentlicht worden ist^^).
4. Zur Bücherkunde des Mittelalters.
Die Mönche, denen wir die Niederschrift der im
Vorstehenden mitgeteilten Nachrichten verdanken, be-
safsen, wie aus den Sammelbänden der Schneeberger
^«) Beyer, Altzelle S. 87 ff. 691 ff. Vergl. meine Geschichte
des Kirchspieles Leubnitz S. 24 f.
•") Beyer a. a. 0. S. 61 ff. ^s) Beyer a. a. 0. S. 691 f.
69) Beyer a. a. 0. S. 693. ß») Stübel a. a. 0. S. 8 f.
^') Brieger, Die theologischen Promotionen auf der Universität
Leipzig 1428—1539 S. 9.
Aus Schneeberger Handschriften. 103
Lj^ceiimsbiblioüiek hervorgeht, wenigstens teilweise eine
recht achtungswerte Bücherkenntnis. Besonders inte-
ressant ist in dieser Beziehung Band IX Blatt 300—306.
Hier trägt der Schreiber die ihm bekannten Bücher nach
Titel, Anfangs- und Schlulisworten ein*^-). Von den
Autoreu des alten Rom kennt er Plinius , Valerius
Maximus, den Valerius ad Eufinum, Macrobius, Cicero,
Boetius, Seneca. Von den meisten dieser Schriftsteller,
die er in eben dieser Reihenfolge behandelt, weils der
Schreiber ehie große Anzahl Werke anzugeben; besonders
lang ist das Verzeichnis, welches mit libri Senece über-
schrieben ist. Dals es namentlich Kirchenväter sind, deren
Werke er nennt, entspricht seinem Stande. So kennt er
z. B. Augustin, Hieronymus, den heiligen Beruhard,
Anselm u. s. w.
Auch von den Dichtern des Altertums und des
Mittelalters enthalten die Schneeberger Handschriften
Proben. Alanus ab insulis z. B. wird nicht allein in
diesem Bücherverzeichnis genannt, sondern ist auch in
Band XXIII Blatt 14 f. mit einer Probe vertreten,
welche dem 9. Kapitel des 5. Buches des Anticlaudianus
angehört *^^). Ein den Frauziskanerorden und seine An-
schauungen sehr charakterisierendes Gedicht auf den
heiligen Franziskus reiht sich einer groisen Reihe von
Kopien von allerhand Franziskaner-Urkunden und Nach-
richten an. Mehrfach finden sich ferner lateinische Ge-
dichte auf die Jungfrau Maria.
Wenn wir in dem erwähnten Bücherverzeichnis die
Katalogisierung irgend einer bestimmten Bibliothek vor
uns haben sollten, worüber Anhaltepunkte in der Hand-
schrift freilich nicht gegeben sind, so würde dasselbe
eine Ergänzung bieten zu dem Werke von Becker:
Catalogi bibliothecarum antit^ui. Bonn. 1885.
5. Musikgescliichlliches.
Ein für die Geschichte der sächsischen Handschriften
folgenschweres Verhängnis war die Geldnot des 30jährigen
Krieges. Grolse Massen von beschriebenem Pergament,
"2) Band IX, Blatt 300 a: „Notandum quod libros originaliuiu
sanctorum ac doctorum quoad primordia et iines ac per aliaiii lil)ro-
rum niateriani hie siguare curaveram, iit, si aliuin oceurrerent,
facilius posset eos cngTinscere et serurius allegare."
'■'■'') Vergl. rabricius, Biblioth. lat. med. et inlim. aetatis 1, 3(3.
104 E. Heydenreich :
Bücher aller Art und Noten in Handschriftenform wurden
an Buchbinder und andere Leute für einen Spottpreis
verkauft, teils in grölseren Partien, teils in einzelnen
Bogen und nicht nur in die Nachbarschaft, sondern auch
in entfernte Ortschaften. So sind in Freiberg allein in
den beiden Jahren 1644 und 1645 über 90 Pfund Pergament
auf solche Weise weggeschleudert worden *^^).
Auch die Stadt Sclmeeberg, und insbesondere die
alte Lyceumsbibliothek enthält, gleich dem benachbarten
Lölsnitz'^'*), manchen interessanten Rest mittelalterlicher
Musik«**). Das Totenregister 1642—1683 der St. Wolf-
gangskirche ist mit einem Teile der Sequenz de dedica-
tione Ecclesiae = Psallat ecdesia von Notker Balbulus
vom Jahre 887 eingebunden. Bücher der alten Lyceums-
bibliothek enthalten aulser anderem in grofsen, schön
geschriebenen Lettern mit farbigen Liitialen und in der
Schrift des 15. Jahrhunderts unter der Überschrift Ad
matutinas Hymnus einen Lobgesang zum Frühgottes-
dienst, welcher von Gregor I. für die Sonntage I und II
quadragesimae ad nocturnum vorgeschrieben ist •"''). Da
jedes Stück der altrömischen Liturgie mit einem Melodie-
körper belegt war, so gehört auch die dem Inkunabel-
band XXXI angebundene vorreformatorische , mit zalil-
reichen Abkürzungen geschriebene Handschrift, zu welcher
die Noten als bekannt vorausgesetzt werden, zu dem
musikgeschicJitlichen Teil der Schneeberger Lyceums-
bibliothek ; zahlreiche mit roter Tinte eingetragene, musi-
kalische Kunstausdrücke, wie Magnificat primo tono,
antipliona, resjjonsormm u. s. w., erweisen die Hand-
schrift als ein Bruchstück eines Breviar oder Hymnariums,
das alle zur Vesper und Mette gehörigen Stücke enthält
zum Unterschied von dem Missale, in welchem nur die
^) Näheres darüber habe ich im Neuen Archiv für ältere
deutsche Grescliichte V, 210 ft. mitgeteilt.
^^) Hier kommt insbesondere das Löfsnitzer Amtsgerichtsarchiv
in Betracht, dessen Benutzung ich der Güte des Herrn Amtsrichter
Uaudich verdanke. Insbesondere enthalten die Einbände der Akten-
bände : Kaufbuch Pfannenstiel vom Jahre 1692 ff., Stadtbücher vom
Jahre 1694 ff., 1705 ff"., 1720 ff", mittelalterliche Notenschrift.
*^^) Für die folgenden Notizen hatte ich wiederholt gütige brief-
liche Mitteilungen des Herrn Musikdirektor Prof. Dr. Kade in
Schvi^erin zur Verfügung, wofür ich auch an dieser Stelle meinen
sehr verbindlichen Dank ausspreche.
«') Gedruckt z.B. bei Mone, Latein. Hymnen des Mittelalters
I, 93 und bei Wacker na gel, Kirchenlied I, 71.
Aus Schneeberger Handschriften. 105
liturgischen Gesangsstücke zu den Sonntags- und Feier-
tagsdiensten verzeichnet sind.
Ähnliche Handschriften des Mittelalters erhielten
sich auch in Schneeberg dadurch fragmentarisch, dafs
sie zur besseren Stütze des Einbandes zwischen diesem
und Inkunabeldrucken eingeheftet oder eingeleimt wurden.
So erhielt sich z. B. ein schönes Blatt in Band XXXXI
mit der roten Schrift oben am Rand „Lttdeivici episcoxn
et confessoris" und ein eben solches im Inkunabelband
XXXXII mit der Schlulszeile ..Hermminus TJmringus
me scripsit''.
Auch aus dem 16. und 17. Jahrhunderte haben sich
in Schneeberg Musikalien erhalten, so z. B. „Die deutzsche
Prosa im Advent zu singen Johannis Spangenbergii.
Dominica IV xldventus vnd zwischen 2 Gesetze 1 Ver-
sum ex Cantilena Germanica. Herr Christ der Einig
Gottes Sohn: Als der gütige Gott vollenden wolt, sein
Wort fand Er ein Engel schnell des Name Gabriel."
Am Ende: „Anno christi 1600. 18. Dec." Der Ver-
fasser ist derselbe, dessen Cantiones ecclesiasticae vom
Jahre 1545 nebst der Psalmodia von Lucas Lossius als
Grundpfeiler der protestantischen Liturgie gelten. Die
Eintragung der Spangenbergischen Arbeit in den Papier-
anliang eines Psalmendruckes vom Jahre 1484 ist wahr-
scheinlich von Valentin Koburger geschehen, welcher nach
Lehmanns Chronik in dieser Zeit Kantor zu Schneeberg
war. Von diesem sonst nirgends genannten Tonsetzer
ist dem langjährigen Kenner sächsischer Musikgeschichte,
Herrn Musikdirektor Prof. Dr. Kade, nur ein Tonwerk
bekannt, das handschriftlich in der Ratsbibliothek zu
Zwickau unter folgenden Titel aufbewahrt wird: „Co-
burger, Valentini, Stollbergeusis Cantor: Concertatio mi-
sericordiae et justitiae coram judice Christo. Anno Christi
1590" mit dem deutschen Texte: „Am jüngsten Tage
wird Christus kommen." Dies Werk ist nirgends ge-
druckt. Wenn die Lehmannsche Chronik von Schneeberg
Koburger schon 1589 nach Schneeberg kommen lälst, so
ist dieser Zeitansatz wohl etwas zu früh, da die Be-
zeichnung Stollbergensis Cantor mit der Jahreszahl 1590
sonst nicht stimmen würde.
Der Bestand alter Musikalien war früher erheblich
grijlser als gegenwärtig in Schneeberg. Die früliero Reich-
haltigkeit dieser Schätze wii'd besonders deutlich aus
106 E. Heydem-eich :
dem „Inventarium der Pfarr- und Spital-Kirchen'"'^). In
diesem Aktenstück sind melii-ere Inventarien vereinigt,
welche im 16. und 17. Jahrhundert über Bücher und Mu-
sikalien in Schneeberg- angefertigt wurden. Hier werden
als in Schneeberg vorhanden angegeben Werke von fol-
genden Komponisten: Samuel Capricornus, Valentin Co-
burger, Val. Corvinus, Thomas Crequilo, Adam Czumpel-
zainer Trospergius, Euricius Dedekind, Philipp Dulichius,
Ant. Porinus , Melchior Pranck , Joh. Gabriel , Joh. Gar-
danus, Matthias Gastritz, Joh. Häbler, Andreas Hammer-
schmidt, Jakob Händel, Heinrich Hartmann, Homer Her-
pol, Heinrich Isaak, Abraham Langhans, Orlandus Lassus,
P. Lindner, Michael Lohr, Lucas Lossius, Martin Luther,
Karl Luj'thon, Obricht Popilius, Hieron. Praetorius, Wolfg.
Carl Prügel, Paul Rinander, Petr. de la Rue, Lambert
de Sayne, Abraham Schade, Samuel Scheidt, Heinrich
Schütz, Claudius de Sermisii, Soberger, Horatius Vecchius,
Caspar Vincentius, Melchior Vulpius, Christoph Thomas
Wallisar, Christophorus Walter, Joh. Wanningius, Tobias
Zeuzschner.
Bei dem fortwährenden Verkehre zwischen den bei-
den Bergstädten Schneeberg und Preiberg ist es möglich,
dals manches Tonstück aus Sachsens Berghauptstadt nach
Sclmeeberg gelangte. Denn Preiberg ist seit alter Zeit
durch seine Musik berühmt und enthält noch gegenwärtig
eine grofse Anzahl wertvoller Musikalien aus früherer
Zeit «'■').
6. Lokalgeschiclitliches.
Die Schneeberger Lyceumsbibliothek besitzt auch
Handschriften aus neuerer Zeit. Zu ihnen gehört
der mit Nummer XXXIX bezeichnete Band, welcher
Chorrechnungen enthält. Li den Anhang dieses Bandes
hat der Schneeberger Kantor (vergl. Lehmann, Chronik
von Schneeberg S. 146) Christian Umblaufft den nach-
folgenden Bericht über das Brandunglück des Jahres
1719 eingetragen:
„ In Nomine J esu ! Nachdem der Gerechte Gott am 13. August
1719 des Nachts ein Viertel auf 1 Uhr unser liebes Schneeberg durch
^^) Schneeberger Ratsarchiv G II, 3.
'"*) Vergl. : Die älteren Musikalien der Stadt Freiberg in Sachsen.
Zum ersten Male vollständig bearbeitet und mit einer Einleitung
versehen von Otto Kade. Herausgeg. von Reinhard Kade.
Beilage zu den Monatsheften für Musikgeschichte, Leipzig 1888.
ft
Aus Schneeberger Handscliriften. 107
eine gautz unvermutliete und entsetzliclie Feurs-Brunf^t. welche in
Herr M. Schindlers Arch.-Diac. Hintern Hause, das der Schule gleich
gegenüber gelegen, ausgebrochen und innerhalb 5. bis 6. Stunde die
gantze Wehrte Stadt mit den Kirch-Thuren und der grofsen Kirche bis
aufs Gewöll)e, Schule, Kathhaufs, Hospital und darzu gehörigen Be-
gräbnifs- Kirche, samt allen andern Commun - Gebäuden erbärmlicher
Weise in die Asche geleget, wegen unserer übermächtigen Sünden
heimgesucht und gestraift, und aber besagte Schule auch als bald bey
Anfang das Unglück getroffen hat, alsodafs der Herr Rektor M.
Johann Dopperts Frankofurt, sehr wenig von seiner kostbaren und
schönen Biljliothee salviren können, sondern das meiste davon, wie
auch seine mobilien und die Chor- Bücher der hefftig Avütenden
Flamme schnieitzlich überlassen müssen; als ist gegenwärtiges Chor-
Buch sowohl guter Ordnung wegen als der Posterität zui- Nachricht
neu angeschafft worden, dafs in demselben jedes mahl die Gelder,
welche ostialien, desgl. auf Hochzeiten und von Nahmens-Tägen ge-
wöhnlicher mafsen coUigiret werden, nebst denen darüber gehaltenen
Distributionen eingeführten Gebrauch nach, mögen und sollen ein-
geschrieben werden."
Bei den Feuersbrünsteii , von welchen die Stadt
Schneeberg wiederholt heimgesucht Avorden ist, wurden
auch historisch wertvolle Papiere mit vernichtet. Trotz-
dem enthält das Schneeberger Ratsarchiv, dank der ein-
sichtigen Fürsorge der städtischen Behörden, von dem
Zeitalter der Reformation an noch manches interessante
Aktenstück. Dagegen ergeben die vorreformatorischen
Handschriften der alten Lyceumsbibliothek zur Schnee-
berger Lokalgeschichte nur ganz vereinzelte Beiträge.
ö
IIL
Das Geburtsjahr und der französische Yer-
niählungsplan der Margarete von Sachsen,
späteren Gemahlin Johann Ciceros.
Von
Woltlemar Lippert.
Über das Geburtsjahr Margareteiis, der Tocliter
Herzog Wilhelms von Sachsen und Gemahlin des Kur-
fürsten Johann Cicero von Brandenburg, fehlt in den
genealogischen Werken jedwede Angabe. Eine gelegent-
liche Notiz gewährt jedoch darüber wenigstens annähernde
Auskunft.
Die Ansprüche, die Wilhelm als Gemahl von König
Albrechts IT. Tochter Anna auf Luxemburg besafs und
die er in seiner Jugend mit Waffengewalt, obwohl ver-
geblich, zu behaupten gesucht hatte ^), nahm er nach dem
Tode seines Schwagers Ladislaus (Posthumus) von Böhmen
und Ungarn (23. November 1457) Avieder auf, trat sie
jedoch 1459 ■-) gegen Geldentschädigung an König Karl VII.
von Frankreich ab. Die einzige in Betracht kommende
Darstellung ist die von Werveke"), der von sächsischem
Material die im Ernestinischen Gesamtarchiv in Weimar
') Vergl. Fr. Richter, Der Luxemburger Erbfolgestreit in
den Jahren 1438—1443 (Trier 1889).
-) Nicht 1458, wie C. E. Weisse, Gesch. der kursächs. Staaten
II (Leipzig 1803), 324 (und nach ihm Gretschel I, 322) angeben.
*) N. van Werveke, Definitive Erwerbung des Luxemburger
Landes durch Philipp, Herzog von Burgund, 1458—1462, in der
Zeitschrift Das Luxemburger Land N. F. IV (Luxemburg 1886), 3 flg
Margarete von Sachsen. 109
befindlichen Aktenstücke benutzt, die Dresdner aber,
die ihm für mehrere Punkte genaueren i\.ufsclihils ge-
boten liätten, nicht lierbeigezogen hat. So ist ihm in
den Verhandlungen der eine vorübergehend aufgetauchte
Versuch, Luxemburg durch Heirat an Frankreich zu
bringen, entgangen. Zur Gewinnung des Landes war
eine Vorstufe schon dadurch erreicht worden, dals Karl
auf die Vorstellungen der böhmischen Gesandten hin, die
1457 noch Ladislaus in Sachen seiner Vermählung mit
Karls Tochter an den französischen Hof geschickt hatte ^),
bewogen worden war, Anfang 1458 Schirm und Hut des
Luxemburger Landes zu übernehmen und in der That
einige Städte und Festen Burgund feindlich gesinnter
Herren zu besetzen').
Die geplante Vermählung bezog sich auf Wilhelms
Tochter Margareta und einen Sohn des französischen
Königs; sie sollte wohl im allgemeinen die schon be-
stehenden freundschaftlichen Beziehungen beider Fürsten-
häuser enger gestalten, zugleich aber sollten dieser
Tochter die Ansprüche ihrer Mutter an Luxemburg über-
lassen werden. Der Sohn des Königs ist in den im
ö
^) über diese Gesandtschaft s. Palacky, Gesch. v. Böhmen IV,
1 (Prag 1857), 414 f. 424. AVerveke a. a. 0. 5.
^) Nach Karls Brief an die böhmischen Stände vom 9. Jan.
1458 war es die böhmische Gesandtschaft, die ihn dazn aufforderte,
s. Palacky, Urkundliche Beitr. z. Gesch. Böhmens und seiner
Nachbarländer im Zeitalter Georgs von Podiebrad (Font. rer. Austriac.
XX, 1866) n. 125 S. 122; nach der dem Herzog Wilhelm iiber-
reichten Auseinandersetzung des Dompropstes von Trier, Philipp
von Sierck, und Friedrichs von Clerf, zweier Häupter der Burgund
feindlichen Partei, waren es besonders die luxemburgischen Mit-
glieder jener Gesandtschaft, von denen der Wunsch eines französischen
Protektorates ausging, das währen sollte, bis der rechte König-
Böhmens, der von Luxemburg als Glied der böhmischen Krone auch
als Herr anzunehmen sei, von den böhmischen Ständen gewählt
werde, s. Dresdner Hauptstaatsarchiv, Al)t. Wittenberger Archiv
(abgekürzt H. St. A., W. A.), Luxemburgische Sachen 151. 207,
207'>. Als dann ohne Berücksichtigung des weiblichen Erbrechts
nicht Wilhelm, den sie für den J^estbei'echtigten erklärten, sondern
Georg von Podielirad gewählt wui'de, erkannten diese Ijuxemburger
ihn nicht als ihren rechten Herrn an, sondern eisuchten Karl um
Verlängerung des Schutzes. Nach diesem Schriftstück scheint es
auch, als sei die erste Anregung an Wilhelm, die Rechte Annas
geltend zu machen, von dieser luxeml)urgiscbeii Partei selbst aus-
gegangen, vergl. Bl. 208. Der gröfsere Teil des Landes blicl» iil)rigeiis,
wie (ier Dompropst auch ehrlich eingesteht, in den lläniU'n des
Herzogs von Burgund, den zu verdrängen betiächtlichc Anstrengung
erfordern würde, Bl. 208,
110 W. Lippert:
folgenden zu erwähnenden Aktenstücken, die uns von
diesen Verhandlungen berichten, nicht mit Namen genannt;
es war der jüngste Sohn Karls, Karl von ßerry*^). Un-
mittelbar ehe dieser Heiratsplan auftauchte oder fast
gleichzeitig damit hatte Karl VII. mit diesem Sohne viel
höher strebende Zwecke verfolgt. Er suchte, von den
ei'Wähnten böhmischen Gesandten bewogen, für ihn die
böhmische Krone selbst zu erlangen'). Der König wuIste
aber, dafs Wilhelm mit Ladislaus' Schwester vermählt
war und folglich Anrechte haben könnte ; diese weiblichen
Ansprüche wurden jedoch durch den Gesandten Zdenko
von Sternberg abgeleugnet. Trotzdem scheint Karl ein
gewisses Bedenken in dieser Hinsicht gehabt zu haben,
denn seinem als Wahlagenten nach Prag geschickten
Kammerherrn Dietrich von Lenoncourt, Bailli von Vitry ^),
gab er zugleich den Auftrag zuVerhandlungen mit Wilhelm :
.... sin herre der konig sey uudirwieset uwer gnade [Wilhelm]
habe konig Laszlas seligen swester, die eyn erbe zu sinen gelaszen
konigrichen und landen sin sulle, und mit der ettlich frawlin ader
tochter erczugt; werde er [der Gesandte] nu darinne erlernen, das
die erbschaift wol gegründet sey, so sulle er sich des widirwegs in
uvver gnaden furstenthum fugen, bittende yn uwer tochter und
frewlin zu besehen lassen. Wurden ym danne die gefellig, so sey
der konig in willen und gancz geneygt, sich mit eynem siner sone
zu uwern gnaden durch eyne uwer tochter zu gefruuden, auch furder
zu verbinden, damitt er uwern gnaden biestendig und behulffen
wurde, die angestorben uwer gerechtickeid zu erfordern.
'^) Der älteste Sohn, der spätere Ludwig XI., war damals in
zweiter Ehe mit Charlotte von Savoyen vermählt, die andern Söhne,
Jakob und Philipp waren längst verstorben, Karl hingegen (geboren
1446) stand in einem Alter, in w-elchem die Eltern sich in jenen
Zeiten bereits mit Verheiratungsplänen ihrer Kinder trugen.
') Näheres über diesen Versuch s. Palacky IV, 2 (1860), 29-,
Palacky, Urkundliche Beiträge n. 137 S. 131 und besonders auch
den dritten Bericht der sächsischen Gesandten, von dem Palacky n.
139 S. 134 nur ein kleines Stück gegeben hat. Der weggelassene
Teil (H. St. A. III, 129, Ungarische Sachen, fol. 17 n. 1 Vol. I Bl.
70 1) f.) enthält höchst interessante, sehr oifenherzige Meinungs-
äufserungeu des über seinen Mifserfolg verstimmten französischen
Gesandten in Prag, der die böhmische Botschaft in Frankreich, be-
sonders Herrn Zdenko von Sternberg mit klaren Worten beschuldigte,
Karl VII. durch falsche Vorspiegelungen von dem angeblichen Mangel
jedweder berechtigter Erbansprüche betrogen und zur Thronbewer-
bung für seinen Sohn verleitet zu haben. Daran schliefsen sich
dann die Heiratsvorschläge (s. im folgenden). In derselben Weise
sprach sich Philipp von Sierck einige Wochen später in Koblenz aus,
H. St. A., W. A. Französische Sachen Bl. 29 (Bericht der Gesandten
an Wilhelm über diese Zusammenkunft, s. im folgenden).
8) H. St. A. in, 129 fol. 17 n. 1, Vol. I Bl. 71-, den „Belys"
oder „Bellis" nennen ihn die sächsischen Berichte.
Margarete von Sachsen. Hl
Einer Interpretation bedarf diese Stelle nicht. Die
wahre Absicht des Königs ist darin zwar nicht offen
ausgesprochen, sein Zweck aber dabei war, durch diese
Verbindung den zu erwartenden Widerspruch des säch-
sischen Herzogs gegen die von ihm erhoffte Wahl seines
Sohnes zum Böhmenkönig zu verhüten, indem dann diese
Tochter statt sonstiger Mitgift an Geld oder Land jene
mütterlichen Anrechte erhalten sollte^). Dann wären
ja in dem neuen böhmischen Herrscherpaare allseitige
Forderungen aufs schönste vereinigt und erfüllt gewesen:
dem Erbrecht wäre Genüge geleistet durch die Königin,
dem Wahlrecht der Stände durch die freie Wahl eines
ganz Unbeteiligten und auch dem Staatswohl durch die
versprochenen reichen französischen Geldzuschüsse, die
zum Besten der Krone (zu Wiedereinlösungen und dergl.)
verwendet werden sollten.
Diese Kombinationen Karls VII. vereitelte aber eben
so bitter wie die Erwartungen Wilhelms die Wahl des
„ungläubigen und unchristlichen" Gubernators Georg (wie
ihn der erzürnte französische Botschafter gegenüber den
sächsischen Räten in Prag nannte). Trotzdem sollte
aber die Verbindung mit Wilhelm weiter gefördert werden.
Der Bailli wollte fünf oder sechs Tage nach Wilhelms
Gesandten von Prag abreisen^''); freilich wurde dann aus
diesem Besuch nichts, angeblich wegen notwendiger
Geschäfte, wie der Gesandte selbst dem Herzog schrieb;
wie aber bei den folgenden Koblenzer Besprechungen der
Trierer Dompropst Philipp von Sierck in Lenoncourts
Namen erklärte, hatte diesen von der Reiserichtung nach
Meissen und Thüringen die Besorgnis vor den Böhmen
abgehalten, die etwas von den Verhandlungen gemerkt
**) Es wäre dann also derselbe Ausweg gefunden worden, ura
Aviderstreitende Interessen zu vereinen, der ein Jahr darauf wirklich
gewählt wurde, als Wilhelm die zweite Tochter Katliarina dem
Herzog- Hinko von Münsterberg, dem Sohne des 15(ihmenkönigs
Georg verlobte, veigl. W. A. Luxemburgische Sachen, in dem lit'richt,
den Wilhelm den französischen Gesandten über das Egerer Ab-
kommen mit Geoi'g gab, El. 1H6 .... nos filiam nostram inniorcm
tilio regis predicti (Georgs) desponsamus et siln omne ins, quod
illustri consorti nostre matri sue et nobis respectu eiusdem ad coro-
nam Boheinie ac ad totam Slesiam cum suis attinenciis conpetere
videhatni-, filie ot hercili nostre in doteni dedinnis . . . . ; dasselbe
Schriftstück in deutsclier Übersetzung, iliid. IH. lH9i' und 170.
^*) Bericht der nach Prag; gesandten Räte III, 129 f 17 n. 1,
Vol. I. Bl. 71 b.
112 W. Lippert:
haben künnten "). Der Botschafter hatte Wilhehii ersucht,
seine Gesandten zum Dienstag nach Palmarum (dem
28. März) nach Koblenz zu schicken, als Wilhelm grade
bei seinen hessischen Verwandten in Spangenberg weilte ^-).
Auf des Herzogs Wunsch, in Koblenz bis zum Sonntag
Misericordia domini (16. April) zu warten, versprach
Lenoncourt, seinen Aufenthalt bis zum 17. April zu ver-
längern; doch als Wilhelms Eäte hinkamen, fanden sie
im Auftrag und mit einem Schreiben Lenoncourts den
Dompropst Philipp, mit welchem sie die Unterhandlungen
begannen; hier sei davon nur die Ehesache berührt. In
der Instruktion hatte Wilhelm sie ermächtigt, seine Freude
über diese Herablassung des Königs auszusprechen ^'^) ;
zur Festsetzung der Heimsteuer sollte ein anderer Tag
von beiden Seiten verabredet werden, dann möge Karl
zu Wilhelm und Wilhelm zu Karl Botschafter schicken,
welche die Tochter, bez. den Sohn des Betreffenden
„besehen" sollten; denn Avürde die Besichtigung erst ge-
schehen und die Verhandlungen kämen dann vielleicht
nicht zum Abschlufs, so sei für beide Teile Schmach und
Nachrede zu besorgen ^^). Dieselbe vorsichtige Zurück-
haltung bei allem Eifer für die Sache selbst verrät auch
diexlnweisung, keinesfalls über diese vorbereitenden Schritte
hinauszugehen und auch über die Verhandlungen ein
genaues Protokoll aufzunehmen; denn man müsse sich
mit den Leuten vorsehen, da sie schnellen Sinnes seien
und die Worte umzudrehen Wülsten. Am Schlüsse der
Instruktion (Bl. 28) giebt Wilhelm eine Zusammenstellung
der damaligen Verwandtschaftsverhältnisse der Wettiner,
die wohl berechnet war, den französischen Herren eine
günstige Meinung von der ansehnlichen Machtstellung
der Wettiner zu verschaffen; ganz zuletzt ist dann noch
eine Notiz über die Prinzessin beigefügt: sie sei neun
Jahre alt und heilse Margareta ^•^) ; die Eäte sollen sich
") W. A. Französische Sachen Bl. 25 b und 30.
^2) W. A. Französische Sachen Bl. 25''- Spangenherg im Keg.-
ßez. Kassel, östlich von Melsungen.
'^'^) Französische Sachen Bl. 26 ^ : das sin gnade [der konig von
Franckrich] so demutig were, sich zu uns in vorgemeldter wiese zu
gefninden.
") Französische Sachen Bl. 27 und 27 b.
'^•') Ihre Schwester Katharina, die dann Georgs von Podiebrad
Sühn Hinko von Münsterberg heiratete, damals aber als für einen
Sohn Albrechts von Brandenburg bestimmt erscheint (für Johann,
ihren späteren Schwager, der 1458 von Albrechts Söhnen allein
lebte) ist als die jüngere bezeichnet.
Margarete vou Sachsen. 113
gleichfalls nach Alter und iSTamen des Prinzen (Karl,
b!. üben) erkundigen. Margarete Avar demnach aller
Wahrscheinlichkeit nach 1448 auf 1449 geboren ^*M; jeden-
falls wird diese Ansetzung, die sich auf eine olFiziell ab-
zugebende Erklärung gründet, künftig in Ermangelung
genauerer Kenntnis als Geburtszeit angenommen werden
müssen.
Der von Wilhelm befohlene Bericht ist ihm auch
schriftlich erstattet worden; das auf die Instruktion
folgende Aktenstück bringt denselben^'), in dem wir nun
auch über die Ehesache etwas lesen. War zuerst auf
französischei' Seite der Gedanke als leitend aufgetreten,
durch Erlieiratung der sächsischen Erbansprüche den
etwa erlangten böhmischen Thron zu festigen, so mulste
nun das Streben dahin gehen, wenigstens anderweitigen
Gewinn aus der Ehe herauszuschlagen. Die Mitgifts-
frage, die Wilhelm erst bei einem zweiten Verhandlungs-
tage erledigt haben wollte, wurde von Karls Bevoll-
mächtigtem gleich bei der ersten Zusammenkunft in
Koblenz zur Sprache gebracht. Wenn man für den
Prinzen Karl auch nicht die böhmische Krone selbst hatte
erlangen können, deren Schicksal dann natürlich die
Nebenlande hätten teilen müssen, so wollte man doch
eines der Glieder für sich gewinnen, das von allen
Landen der Wenzelskrone dem französischen König am
gelegensten war: Luxemburg. Das HeVzogtum sollte
Margarete mitbekonnnen, eine recht unsichere Mitgift in
Anbetracht der Macht Philipps von Burgund, dem es
erst abzunehmen war; ihrem Vater suchte man diese an-
gesonnene Preisgebung dadurch annehmbar zu machen,
dafs man ihm Hilfe gegen die Böhmen zusagte ^^). Der
Vorschlag schien für Wilhelm so übel nicht: pars pro
toto! Hingabe von Luxemburg für die Durchsetzung der
Ansprüche auf Böhmen selbst^'*).
i") Wilhelms Ehe mit Anna (gchoien l'i. April 1432 nach K. von
Behr, Genealogie der in Europa regierenden Fürstenhäuser S. 141)
war am 20. Jnni 144H geschlossen worden.
'■') Französische Sachen Bl. 29, 80.
'S) Französische Sachen Bl. 29'': Item er hat anch gesagt
under fylle andern wortten, wafs nuczefs nnd guttefs nnsserm gene-
digen herren darnfs nnd davon knmen mnchte, nemclichcn das er
sein tochter mit dem lande zcu Luczelliuig vorgeben muchte, nnd
auch l)cistant hulftc nnd ratte von nnsserm herren dem knnig vou
Franckriche gescheen nnichte wider die Behenien nnd andere.
'") Warum Wilhelm nicht zum ernsteren Vorgehen gegen
Georg kam, sondern schliefslich nebst seinem Bruder Friedrich unter
Neues Aicliiv f. S. 0. u. A. XIII. ]. •.'. ö
114 W. Lippert:
Dafs dennoch der Heiratsplan sich zerschlug, war
ein Schicksal, das er mit sehr vielen jener schier zahl-
losen, zum Teil nur beabsichtigten, zum Teil auch fest
verbrieften Verlobungen des 14. und 15. Jahi'hunderts
teilt, wo es nur wenigen Prinzessinnen beschieden war,
dem ursprünglich bestimmten Gemahl dereinst auch
wirklich vermählt zu werden -"). Luxemburg konnte also
auf diese Weise nicht an Frankreich kommen; wie es
Karl VII. dann durch Kauf für kurze Zeit an sich
brachte, sein Sohn Ludwig XI. es wieder aufgab und
das vielerstrebte Land nun von Wilhelm und seiner
Gemahlin Anna an Herzog Philipp von Burgund-^)
verkauft wurde, das hat Werveke zwar noch nicht
völlig abschlielsend, aber in den Hauptzügen richtig dar-
gelegt.
Die interessante Übersicht über die Verwandtschafts-
beziehungen der Wettiner zu anderen Fürstenfamilien
lautet:
Vermittlung- des Markgrafen Albrecht Achilles in enge, selbst ver-
wandtschaftliche Beziehungen zum Böhmenkönig trat, das hat ein-
gehend A. Bach mann, Böhmen und seine Nachbarländer unter
Georg von Podiebrad 1458—1461 (Prag 1878) S. 18 f. dargelegt.
Dieser Umschwung in Deutschland selbst machte ein Einschreiten
des französischen Königs zu Wilhelms Gunsten überhaupt unmöglich. —
Jener Gedanke Karls VII., seinen jüngeren Sohn Karl mit Luxem-
burg zu versorgen, scheint auch später, wo von der Ehe mit der
säciisischen Prinzessin schon nicht mehr die Rede war, vorhanden
gewesen zu sein- in einem Briefe, worin Wilhelm den König für
das Eingehen auf die zu Tours im Mai geführten luxemburgischen
Verkaufsverhandlungen dankt, nimmt er Bezug auf Karls Plan,
jenen Sohn dereinst zum Herzog von Luxemburg zu machen, drückt
seine höchste Freude darüber aus und verspricht u)iermüdliche
Förderung, wenn der Sohn in die Gemeinschaft der deutschen
Reichsfürsten aufgenommen würde, s. W. A. Luxemburgische Sachen
Bl. 234. Das Schreiben ist hier undatiert, wird aber auch wie
Bl. 238 in den Juni 14.59 gehören.
-^) Beispielsweise sei darauf hingewiesen, dafs von den im
folgenden erwähnten vier Verlobungen nur zwei in der festge-
setzten Weise ausgeführt wurden. Ein Jahrhundert früher war
auch schon einmal eine französische Heirat im Werke gewesen:
Landgraf Balthasar selbst sollte sich mit der Tochter des Herzogs
Johann von der Normandie, des späteren Königs Johann, vermählen ;
der Plan scheiterte aber eben?o, wie der vorliegende, s. J. G. Hörn,
Lebens- und Heldengeschichte Friedrichs des Streitbaren (Leipzig
1733) S. 44. Über einen andern ähnliclien Versuch l.'iHO s. Wenck,
Die Wettiner im 14. Jahrluuidcrt (Leipzig 1877) S. .'iB.
-^) Philipp stellte dadurch seinen nunmehr fast zwanzigjährigen
faktischen Besitz, zumal es bisher nur ein Pfandbesitz war, auch
von dieser Seite her gegen neue Anfechtungen sicher.
Margarete von Sachsen. 115
Item unnser swager marcgraff Friderich von Brantlemburg
kurfurst had nnnser swester--;.
Item unnser oheymen von Hessen sind unnser swester sone-^).
Item lierczog Ludewig von Beyern had unnsers bruders
tochter^i).
Item marcgraff Albrechts von Brandemburg son sal unnser
jüngste tochter habiu--^).
Item unnsers bruders iungster son sal marcgraff Albrechts
tochter haben -'^).
Item marcgraff All)recht sal unnsers bruders tochter haben-").
Item unnsers bruders eldester son sal herczog Albrechts von
Beyern tochter habiu-'').
Item unnser bruder had des Romischen keysers swester-").
Item so ist unnser gemahel konig Laszlaes seligen swester.
Item wir fursten alle von Sachsen, Miesseu, Doringen, Brand-
[emjburg und Hessen sind mit allin unnsern lannden zusampne ver-
brudert und mit ewiger erbeynunge verbunden und verstiickt, das
w^ir uns in keinen Sachen scheiden lassenn*^*^].
Item ob sie fragen wurden, wie alt unser tochter were, so ist
sie nun iare alt und heiszt Margaretha'^')-
Desglichen fraget auch, wie alt des kouigs son sey und wie
yn heisse.
--) Friedrich IL von Brandenburg war seit 1441 mit Wilhelms
Schwester Katharina verheiratet; für alle diese genealogischen An-
gaben vergl. K. von Behrs Genealogie der in Europa regierenden
Fürstenhäuser 2. Aufl. 1870.
-^) Wilhelms Schwester Anna war seit 14Bß die (lemahlin des
Landgrafen Ludwig I. von Hessen; damals regierten dessen Söhne
Ludwig IL und Heinrich III.; Oheim ist also in der üblichen (ileich-
bedeutung mit Nette gebraucht.
-^) Fi'iedricbs IL von Sachsen Tochter Amalia war seit 14.Ö2
die Gemahlin Ludwigs des Reichen von Bayern-Ijandshut.
-■'') Johann Cicero heiratete aber später nicht diese jüngere
Tochter Wilhelms (hierüber s. Auni. 15), sondern 147H die Margarete
-•*) Friedrichs IL von Sachsen jüngster Sohn Albrecht (der
Beherzte) wurde jedoch statt dessen im nächsten Jahre mit Georgs
von Podiebrad Tochter Zedena vermählt.
'") Albrechts (Achilles) erste Gemnliliu ^largarete von Baden
war im Vorjahre gestorben; er vermählte sich noch im Jahre 1458
12. Nov. in der Tbat mit Fiiedrichs IL von Sachsen Tochter Anna.
28) Friedriclis IL von Sachsen Sohn Ernst heiratete 1460
Elisalieth, die Tocht(!r Albrechts IL von Bayern.
2») Friedrichs IL von Sachsen Gemahlin war seit 1431 Margarete,
die Tochter Ernsts I. von Steiermark und Schwester Kaiser
Friedrichs IlL
»") Am 29. April 1458 traten die Brandenburger der Erbver-
brüderung von Sachsen und Hessen bei, vergl. Bottige r-Fl athe,
Gesch. des Kurstaates und Köniiireiches Sachsen I (Gotha 1SB7), 'MU.
3') Die undatierte Instruktion gehiirt etwa in die zweite Hälfte
des IMärz 1458, denn Georgs am 2. März in Prag erfolgte Königs-
wahl war schon in Thüringen bekannt, wozu doch nicbrcre Tage
gehörten, und die sächsischen Gesandten, die diese liistiuktion er-
hielten sollten bis zum Sonntag (bez. Montag nadi) Misericonlia
domini, 16. (17.) .April, in Kolilcnz simu.
11(3 W. Lippert: Margarete von Sachsen
Nachtrag.
Nach Abschluls obigen Aufsatzes ersali ich, dals von
Behr im Supplement (1890) S. 33 Katharinens Geburts-
tag auf den 18. April 1453 ansetzt; nach gütiger Mit-
teilung hat er das Datum jedoch lediglich R. G. iStillfried,
Stammtafel des Gesammthauses der Hohenzollern (Berlin
1879) entlehnt, dieser fügt aber keinerlei Nachweis bei,
woher dasselbe stammt. Das Monatsdatum kann ja
richtig sein, die Jahreszahl aber schwerlich, denn das
Jahr 1453 ist das Geburtsjahr der jüngeren Tochter;
nun werden beide Schwestern stets als ältere und jüngere
geschieden, können also, da sie nicht als Zwillinge er-
scheinen, nicht im selben Jahre geboren sein. Die durch
seine Bevollmächtigten abgegebene Erklärung des Vaters
selbst muls jedenfalls als malsgebend betrachtet werden.
IV.
David Scliirmer. Ein sächsischer Dichter.
1623 1686.
Von
Reinhard Kade.
Die kleine kultuiliistorisclie Skizze von Paul Lemcke
über David Schirmer in der Wissenschaftlichen Beilage
der Leipziger Zeitung 1885, No. 103 ist der einzige in
der neueren Zeit gemachte Versuch, über diesen Dichter
des 17. Jahrhunderts zu handeln. Freilich, auf mehr als
auf einen schwachen Versuch darf die Arbeit keinen An-
spruch erheben, und so scheint es mir nicht unangebracht,
wenn ich, mit reicherem Material ausgerüstet, nochmals
die Augen auf diesen vergessenen sächsischen Dichter
lenke. Denn mit Unrecht wirft man ihn zu dem alten
Eisen ; auch v. Waldberg sowohl in seinem Buche über
die deutsche Renaissance-Lyrik als auch neuestens in der
Allgemeinen deutschen Biographie (unter Schirmer) spricht
doch nur vorübergehend oder mit sehr geringschätzigen
Worten über Schirniers Können, Nun will aucli ich
diesen Dichterling keineswegs verherrlichen, aber ich
möchte ihn zu seinen rechtmäßigen Ehren bringen und
wenigstens einmal sein Leben klarzustellen versuchen,
das von den hälslichsten Fehlern im einzelnen verwirrt
ist. Dabei will ich mich auf seine eigenen Angaben in
seinen Gedichten stützen , die natürlich in bezug auf
seine zahlreichen Liebesabenteuer nur sehr l)edingten
historischen Wert besitzen. Doch sind geiade bei
Scliirmer klehie Züge des wirklichen Lebens unverkenn-
118 R. K.ide:
bar in die Reime liinein gelaufen und nunmehr zwisclien
den Zeilen herauszulesen. Trotzdem erhellt sich sein
Lebensgang nur in grölsten Umrissen.
Jöcher im Gelehrten-Lexikon, auf das sich meist
alle beziehen, giebt bekanntlich nur an. Schirmer sei ein
deutscher Poete von Freiberg in Meiisen. Wir wissen
es genauer : er war in dem Dorfe Pappendorf bei Freiberg
geboren , welches ein kleines Flülschen , die Striegis,
durcheilt. Er singt selbst davon in dem Gedichte: „der
liebende Dämon an der Strygils"^):
Dainon safs am külileu Strande,
Da der klare Silber -Fhifs
Lieblich beibin fliefseu mufs
Im geliebten Vaterlande.
Auch das Geburtsjahr schwankte. Man nannte ihn
„um 1623" geboren. Ich kann aus dem Kirchenbuche
zu Pappendorf (von 1566 an beginnend) unter dem Jahre
1623 Schirmers Taufzeugnis beibringen:
David filius secuudus jVl. Davidis Scbirmeri Pastor. Papp, et
Jlatris Barbarae natns 29. Maji 4. mane in ipso puncto horae quartae.
Baptizatus 3. Juiiii fer. 3. Pentecost. a Dno. Elia Wagnero , Pastor.
Grossenschirma, Patronis et susceptoribus Dn. Johanne Fausto Prae-
fecto Electorali in Börlen, Dn. Balthasaro Witte Consule in Hainichen
et Dn. Anna Schönlebia Friberg. uxore Wolf Seifrid^:.
Dazu hat der Vater folgendes „Votum xmrentis'^ ein-
tragen lassen-):
Davidem mundo lux nona vigesima JMaji
Dat sacrä Junii tertia lustrat aqua,
Insimul alma Salus niveis bunc suscipit ulnis
Sic pius et sospes vivat, ut ille diu.
0 fiat , fiat. Sic David amabilis audis :
In probitate patri, in pietate deo.
Sein Vater, 1588 geboren und ebenfalls David ge-
heilsen, war, wie wir sahen, Pastor in Pappendorf, dessen
Kirche von den Schweden zerstört, aber von Johann
Georg I. wiederhergestellt wurde. Durch die Gleichheit
des Namens ist nun schon Jöcher irregeleitet worden
und schreibt em Werk dem Sohne zu, das der Zeit nach
dem Vater gehört:
Conditorium saxonicum de novo tabitlis aereis incisum ....
das ist: Kurtze Beschreibung der in Kupffer gestochenen überaus
herrlichen und kunstreichen Begräbniss-Kapelle . . ., so in der Dom-
') Vergl. Rosengebüsche 11.5.
-) Gütige Mitteilung- des Herrn Pastor Freund in Pappendorf.
Ein anderes Quartbuch in Pappendorf auf dem Pfarrarchiv betitelt:
„Pfarrer zu Pappendorf, Biographien von 1450 an" besagt noch, dass
Schirmer verheiratet war mit Anna Maria Leschke aus Dresden 1668.
David Schirmer. 1 1 0
kirchen der alten Häiipt-Bergstadt Frevbergk zu sehen. . Xov dessen
von M. Michaele Hempeln^), der Schulen zu Freybergk gewesen
Rectore, gegeben. Jetzo aber von newen übersehen, vermehret i;nd
in eine richtiiiere Ordnung gebracht von M. David Schirmern, S. 8.
Theol. Studioso. Freybergk. In Vorlegung Melchior Hoffinanns.
1C19. 4. (Freiberg. Altertumsvereins - Bibl. Ba. 12 und Dresd. Bibl.
Hist. Sax. H. 241)^).
Von dem Vater rührt aus dem gleichen Grunde her
das Trauergedicht : „Drohung- thut Gott fürstellen" in
den Threnodiae des Freiberger Domkantors Christoph
Demantius von 1620 (S. 307), wo der Dichter David
Schirmer noch gar nicht lebte. Ebenso stammt vom Vater
das „Cordolium Schirm erianum super obitu viri Samuelis
Wagneri . . 1644" (Freiberger Leichpredigten, Gymnasial-
bibliothek Bd. 5), und auch der Vater ist es, an den An-
dreas Möller, der Freiberger Chronist, zwei lateinische
Briefe richtete (Hamburger Stadtbibliothek, Möllers Brief-
sammlung II No. 177. 178). Unseres David ältester
Bruder Melchior scheint wenig Glück im Leben gehabt
zu haben ; wenigstens klingt ein Lied von ihm sehr weh-
mütig, in dem er den Bruder an das Vaterhaus erinnert
(1651):
Hier, wo der Striegis - Flufs sein strenges Eis durcheilet
Und unser Vater -Feld mit kleinen Fluthen theilet;
Hier wo kein Lorber-Wald begrünte Blätter hegt
Noch sonst ein frischer Ast sich ümb di(! Stirne schlägt:
Da Bruder, leb' ich noch. Wo du mich hast gelassen,
Da miifs ich noch, wie vor, die Einsamkeit iimfassen.
Ein anderer Bruder liiels Georg, wie der Vater
Theolog, ein dritter Samuel, glücklicher Gutsbesitzer.
David kam zunächst auf die Schule nach Freiberg, wo
der thatkräftige Johannes Schellenberg Rektor war
(1603 — 1642), hierauf nach Halle, das er unter dem
Namen DoJnrhora feiert, und wo er den Unterricht des
Rektors Christian Gueintz genols. Schon hier fing er
an zu dichten:
Wie sang der muntre Geist so zierlich schon vor diesen
Dort in Dobrebora, wo bei den g]üneii Wiesen
Die schlanke Saale sich gar oftermals ergeufst
Und durch die Wunderl)urg nüt manchen Strömen fleufst.
Dal's aucli der alte Queintz, das Wunder von den Sciiuleu.
Um seiner Lieder Klang oft pflegte selbst zu buhlen.
^) Rektor 1587— in03. Die von ihm angelegte Schulmatrikel
wurde von mir 188»! in der Freib. Gymiiasialliibliothek wieder auf-
gefunden, nachdem sie lauge Zeit verloren schien.
■^) Darin ein aus 4 grofsen Sektionen bestehender Kupferstich.
Vergl. Steche, Beschreibende Darstellung der IJandenkmiilcr 111
(1884), %.
1-20 K Kade:
So sein Freund Adam Krieger (Elirenged. zu den
Raiitengeb.), Noch ein Paar Dicliterversuche sind uns
aus jener Zeit erhalten. Zunächst: „DiSanders an der
fliefsenden Meilse Lieb- Leid- und Lobsgedichte Als der
hochbelobte Schäfer Thyrsis in den Dobreborischen Feldern
sein Namens-Fest begieng. 1643" (Rosengeb. 135j. Es
sei das, sagt er im Anhang dazu, eine „Anacreontische
Ode nach Art der Griechen und Lateiner gesetzet, unter
welchen der weitgepriesene Poeten -Vater Taubmann ein
Meister ist". Sodann ein anderes Gedicht: des MjTtillo
Frühlings Klaggedichte. 1643 (Rosengeb. 256). Vor
allem aber aus dem letzten Jahre seines Hallischen
Aufenthaltes eine poetische: „Rede über das durch Jesu
Christi Triumph triumphirende und von der Torstensoh-
nischen Belagerung wieder erlösete Freiberg, zu Hall in
dem Gymnasio öffentlich gehalten. 1643" (Rautengeb.
516) •■^). Li überschwenglichen Worten rühmt er den
endlichen Sieg der Freiberger über die Schweden. Von
Halle begab er sich auf die Hochschule nach Leipzig.
Ich rechne ungefähr die Jahre 1644/45—1650 heraus nach
seinen eigenen Beteuerungen, dafs er 5 Winter in Leipzig
sich aufgehalten habe:
Füufmahl hat die Nordenzeit
Hier die Blumen abgemeilit '^).
Er scheint sich hier ganz dem Dichterberuf, ohne ernstere
Studien zu betreiben, hingegeben zu haben, da Adam
Krieger von ihm singt:
Die Linden grünten stets, wann sich sein Ton erhub,
Den er so unvermerkt in ihre Wurzeln gruli.
Sie tragen noch sein Lob in ihrem grünen Laube
Und lassen es allda der Musenschaar zum Raube.
Dazwischen fällt aber eine Reise nach Wittenberg,
wo August Buchner ihn fesselte. Er schrieb hier das
Empfangsgedicht für Johann Georg I. als dieser dorthin
kam, und eine Ode, die vor dem Kurfürsten bei Tafel
abgesungen Avurde. Auch die Umgegend gefällt seinem
dichterischen Gemüte, und entzückt singt er von den
Orten, wo die schwarze Elster in die Elbe fällt:
Wo die Elster ungetrübet
Ihren Schaum der Elbe giebet '')
oder: Dreimal blies den Schaum die Elbe
Zu dem obern Blaugewölbe.
'»^
^) Separatdruck im Freiberger Altertumsverein B. a. 156 a Nr. 10.
«) Rosengeb. 346.
'1 Ebenda 125.
David Scliiimer. 121
Dreimal hüpften Lämmer auf.
Bis der Speckbusch voller Kualleu
Aller Freuden b ei gefallen *).
Eine andere, wolil nur vorübergehende Reise führte
ihn nach Arnsdorf, von wo aus er ein Lied au Johann
Georgs II. jungen Sohn richtete.
Gleichwohl ist damit seine Kenntnis des deutschen
Vaterlands nicht erschöpft. Er kennt die Gegend an der
Neilse. (Der scheidende Seladon an der Neilse, Rosen-
geb. 110.) Er weilt öfter an den Ufern der Mulde und
mufs auch einmal nach Bamberg gekommen sein, von dem
er unter dem Namen des Liebhabers Dämon sagt:
Nachmals bin ich fortgereiset
Zu der weitberühmten Stadt
Die des Berges Xamen hat.
Da der Bembo wird gepreiset,
Bembo, der l)elobte Mann
Der gar artlich spielen kann'^).
Mit dieser Reihenfolge der Städte stimmt es auch
im grofsen und ganzen, wenn er selbst in einem längeren
Gedichte: Coridon an der Mulde (Rosengeb. 127) sagt:
Du, du linder Eiben -Strand
Nahmst mich erstlich von der Hand (= Wittenberg).
Darauf gab ich einen Kufs
Dir, du alter Pleifsenflufs (= Leipzig).
Ich besuchte Jene Stadt, (^ Jena)
Die sich hingesetzet hat,
Wo der Saalstrom rinnet.
Bis ich wieder Abschied nahm
Nach den Meifsner Weiden (= Leipzig).
So seinem Dichterberuf lebend gab er in Leipzig
schon Teile seiner „poetischen Rosengebüsche" heraus.
Die Zueignungsschrift vor dem I.Buch trägt das Datum:
Leipzig den 11. Wintermonds 1043 i"). Er schreibt noch
am 1. Wintermond 1648 ein Sonett an einen Herrn „H. A. M.
in Coburg" und gab — wohl die letzte Fruclit der Ijei[)-
ziger Zeit — das 3. Rosengebüsch des 1. Buches von hier
aus an die Öifentlichkeit (datiert: Leipzig 11. Winter-
monds 1649). Seine Gedichte machten ihn bekannt, so
dafs er schon 1647, als 25jähriger junger Mann, unter
dem Namen „der Beschirmende" in die 4 Jahre zuvor
") Ebenda 126.
") Ebenda 117.
"^) 1654 ist in der Gesamtausgabe von 1657 in Dresden (Dresd.
Bibl. Poet. Ucrm. ."i6i)) ein offcnliMicr Druckfehler statt \M:\. Die
spätem Aullagen erschienen 1Ü5U in Halle, 1053 und I6ri7 in Dresden.
122 R- J^ade:
in Hamburg gegTüiidete „Teutsch gesinnte Genossenschaft"
Aufnahme fand. Nur noch eins bleibt uns aus diesem
Leipziger Aufenthalt zu erwähnen übrig: seine Liebe zu
Marnia, die er in den 60 Sonetten des 3. Rosengebüsches
(1. Buch) besingt und die ihm leider starb. Hier tritt
das wirklich Erlebte ganz sichtbarlich in seine Reimerei
über, man merkt den wärmeren Schlag des Herzens, in
diese Gedichte ist etwas von der Wärme Tibulls zur
Cynthia hineingekommen. Er klagt dem Roseuthal seine
Schmerzen ; ich glaube auch den Namen der Geliebten zu
wissen, sie hiels „Stein"; denn er ruft:
.Stein bist du, liebstes Lieb, und wirst aucb Stein genannt.
Das Herz ist Stein. Der Sinn ist Stein. Das Wort ist Stein ").
So war denn auch sein Ruf und Ruhm nach Dresden
gedrungen, und da man an dem prachtliebenden Hofe auch
der Dichtkunst nicht entraten wollte, so wandte man sich
um Auskunft an August Buchner in Wittenberg, der
sofort David Schirmer, seinen Schüler, empfahl. Johann
Georg I. berief ihn 1650 aus Leipzig, zwar nicht unter
dem Titel eines Hofpoeten und noch ohne feste Anstel-
lung, aber mit den Pflichten eines solchen, in die Residenz,
indem er ihn durch die Entschädigungsgelder für die
gelieferten Festgedichte ziemlich sicher stellte. Schmerz-
lich nimmt Schirmer von Leipzig Abschied. Dem Rosen-
thal, dem Orte seiner Liebesklagen, widmet er noch ein
Madrigal :
An das Leiptzigscbe Rosentlial.
So lafs, 0 Rosentbal
Um deinen Strand die Schatten
Sieb mit den Blumen gatten.
Es füge dir kein Eber Schaden zu.
Kein wilder Bär betrübe dir die Pleifse
DaXs er dir deine Nj'mphen
Nicht störe von der Ruh.
Du bist mir hold gewesen,
Wann ich dii' was von Lielie vorgelesen.
Gehab dicli wohl. Ich muls dich lassen.
Ich mufs nun fort.
Mein Glücke, das mich schien zu hassen,
Zeigt mir noch einen Ort.
Hörst du die Elb und AVeisseritz erklingen,
So denke nach.
Wo ich, wie ich versprach.
Doch deinen Ruhm im Grünen müsse singen ^-).
") Rosengeb. 200.
'-) Vergl. ebenda 352.
David Schirmer. 1:23
Es folgte nun in Dresden die Zeit der Gelegenlieits-
dichtiing-. Dazu boten keine Jabre mehr Anlals, wie
gerade die von 1650 — 1652, die ja die begebnisreicbsten
waren. Verlöbnisse wechselten mit fürstlichen Besuchen,
Beilager mit Feuerwerken ab, Tafelgesänge und Ballette
boten fortwährende Gelegenheit zum Dichten. Schon am
6. März 1650 führte er eine allegorische Dichtung in dem
Kirchsaale aus zum 66. Geburtstage Johann Georg I., in der
die Zeit, Kindheit, Jugend, Mannheit, Alter und Ewig-
keit auftraten. Zur Hochzeit der Herzöge Christian und
Moritz dichtete er schon wieder für das FeuerAverk „auf
dem Münzberg" und am 2. Dezember 1650 brachte er sein
Ballett „Paris und Helena" auf dem Riesensaale ^■^) zur
Aufführung. Bei allen diesen Stücken spielte die Musik
natürlich eine Hauptrolle; ein Aktenstück besagt, es seien
hierbei etliche bestimmte vom Kapellmeister Heinrich
Schützen komponierte Stückchen musizieret worden. Lei-
der besitzen wir diese gerade, wie auch die Musik zur ersten
deutschen Oper „Daphne" von Schütz zu dem Texte
Opitzens, nicht mehr. Um so interessanter ist es, dals
nur Schirmer (Rautengeb. 505) noch die Musik zu einer
Ode für Friedrich Wilhelms von Altenburg Verlobung
aufbewahrt hat. Sie ist zweistimmig mit beziffertem Bass.
In ähnlich fruchtbarer Weise ging es das Jahr 1651
und 1652 durch fort, dann aber lälst die Gelegenheit bis
1663 allmählich mehr und mehr nach. Es ragen aus diesen
vielen wertlosen Machwerken die Ballette heraus, deren
eines „Paris und Helena" von Gottsched (Vorrath 1, 203)
als die erste Dresdner Oper nach der „Daphne" und als
diejenige bezeichnet wird, die zu allen nachmaligen Opern
die Anregung gegeben habe. Sie ist genau beschrieben
bei Fürstenau (Zur Geschichte d. Musik u. d. Theaters z.
Dresden 1, 117 fg.). Der „triumphierende Amor", der
wegen des Todes der Gemahlin Herzog Moritz (am
27. September 1652) nicht aufgeführt wurde, ist noch nicht
besprochen worden und verdient darum ein paar Worte
(Rautengeb. S. 173). Amor tritt auf und triumphiert, dais
ihm die ganze Welt gehöre. lo kommt und beginnt mit
den Nymphen eiu Ballett. Da naht Jujjitcr und erklärt
ihr seine Liebe. Juno bittet den Jupiter um die Hirsch-
kuh, in die Jupiter inzwischen die lo verwandelt hat;
^^) 2. Stockwerk nach der Schlofsstrafse. Das Kartell dazu odrr
die Iiilialtsangabe erschien auch separat beim Hofbnclidrucker Mel-
chior Bergen.
124 R- Kade:
diese wird dem Argus übergeben (I). Pan klagt dem
Merkur seine Liebe zur Syrinx ; sie erscheint, wird aber
vor seinen Blicken in ein Rohr verwandelt, aus dem ihm
Merkur eine Flöte macht (II). luachus sucht die lo und
Jupiter zu befreien. Argus singt ein Lied und schläft
ein (III). Da tötet ihn Merkur. Juno ist anfangs ent-
setzt, doch verwandelt sie auf Jupiters Bitten die lo
wieder zurück. Es schliefst sich ein Ballett der Hirten
und Hirtinnen an (IV). lo wird unter die Götter auf-
genommen, und ein „grand ballet" der Götter und
Göttinnen endigt das Stück. Amor thront währenddessen
in den Wolken (V\
Aufser diesen beiden grölseren Balletten dichtete
Schirmer noch ein „Ballett der Glückseligkeit" (18. März
1653), „des Atlas" (17. März 1653), „der Tugenden und
Laster" (1659) und ein Drama „Liebesspiel der Nymphen
und Satyrn" (vergl. Fürstenau a. a. 0. 132 fg.). In diesen
Balletten liegt der Schwerpunkt Schirmerscher Dichtkunst,
und vergleicht man, was sonst am sächsischen Hofe um
diese Zeit an deutschen Singspielen entstand, so wird
man ihm ein gewisses Lob der Geschicklichkeit nicht
versagen, da sich alles übrige der andern Dichter auf
Übersetzungen aus dem Italienischen beschränkt. Man
denke nur an Ernst Gellers „Arkadischen Hirtenaufzug"
(1653) , der den pastor fido des Guarini übertrug. Erst
später um 1670 fängt Dedekind zu wirken an, bis dahin
bleibt Schirmer der einzige und immerhin glückliche
Hofpoet.
In diese Zeit glücklichen Dichtens fallen auch Schir-
mers „Singende Rosen oder Liebes- und Tugend -Lieder
in die Musik gesetzt durch Philipp Stollen, itzo Ihrer
Durchl des Hrn. Administratoris des Ertz-Bischthumbs
Magdeburg Cammer-Musicum. Dresden. 1654" (Exempl.
Berlin. Bibl. 14, 208). In der Vorrede sagt er: „Unter
anderen hat mir Hrn. Philipp Stollens, wohlbestalten
Teorbistens, sehr liebliche Art sonderlich Wohlgefallen,
dals ich mich endlich erkühnet, ihn hierinnen zu Rate
zu ziehen." Zugleich bittet er den Leser in des Kom-
ponisten Namen, er möchte die Melodeyen nicht so faul
und schläffrig, wie in den gemeinen Schulen zu geschehen
pflegt, herausweinen, herauskeuchen oder sonst ein ab-
scheuliches und heulendes Dehnen der Noten vorstellen
lassen. „Sondern weil sie nach der Kapell-art in etwas
eingerichtet sein, so wollen sie bald mit einem sehnlichen
David Schirmer. 125
Tone oder mit einer frischen Trillung- angebraclit werden,
damit sie ihrer natürlichen Anmuth nicht entbehren müisten.
AViewohl aucli ihr Fnndament eigentlich auf die Theorbe
anzusehen ist, so kann man es auch mit einer Viol de
Gamba ver\Yechsehi." Am Schluls verspricht er „etliche
geistliche Arien", die aber unveröffentlicht geblieben zu
sein scheinen ^*). — So dürftig nun die Melodien ausge-
fallen sind, so hübsch sind gerade in dieser Sammlung
Schirmers die Texte, deren nur einzelne in die späteren
Auflagen der Rosengebüsche Aufnahme gefunden haben.
Ja das Trinklied (Nr. 58) ist gar munter und flott :
Heran, heran
Du Traubenmann.
Du grofser Zecher,
Du .Stürzebecher.
Schenk uns den Wein
Bis oben ein,
Dafs wir im IMeyen
Uns sämtlich freuen.
Ihr andern singt,
Ihr andern klingt,
Dafs in dem Giefsen
Der Wein kann fliefsen.
Singt hier und da
„Di Nellula'-,
Singt alle sclmelle
„ßunda di Nelle".
Rauf auf die Bank,
Das Glas ist blank
Du sollst es haben
I\Iit Bacchus Gaben.
Wer ifst und trinkt
Und tanzt und singt
Dem kann im Sterben
Kein Geld verderben.
Da Schirmer nun so reichlich dichtete und den
Dresdner Hof besang, hoffte er auf definitive Anstellung.
Das schien aber nicht gleich werden zu wollen , so dals
diese Unsicherheit nach 3 Jahren (1053) in ihm den
Wunsch aufkommen liels, sich wieder auf die Universität
zu begeben. Da aber sagte der Kurfürst: „Ich lasse
Euch nicht weg, denn ich kann Euch gebrauchen; ich
will Euch zu einem Manne machen, dals Ihr es mir hier
zeitlich Dank wissen sollt." Es erfolgte wirklich seine
endgiltige Anstellung als Hofdichter mit 218 Thalern Be-
soldung (Reskript vom 20. August 1653. Hauptstaats-
arcliiv). Da heilst es:
Wir bekeunen, dafs Wir Schirmer zu Unserem Diener auf- und
angenommen, dergestalt, dafs er sowohl in poetisclier als ungebundener
Aufsetzung einer oder anderer ihm angegebenen Materien sich un-
verdrossen zu erweisen, dieselben nach seinem besten Verstände aus-
zuarbeiten und sich nach rnserm Befohl und Anordnung jederzeit
aufwärtig und gehorsamst zu l)ezeigen hat
") Vielleicht zielt darauf ein Aktenstück im Königl. llauptstaats-
archiv, worin dem David Scbirnier für Fortsetzung seines „christ-
lichen Ehrenwerks" eine Unterstützung gegeben werden soll.
126 R. Kade:
Das führte 3 Jahre später noch zu etwas weiterem.
Der Bibliothekar Clmstian Brehme wurde 1656 kurfürst-
licher Rat und Bürgermeister und gab aus dem Grunde
das Bibliothekamt ab. Die erledigte Stelle übertrug
man am 11. März 1656 dem David Schirmer mit einer
Besoldung von 100 Gulden (lieskript d. d. Dresden.
11. März 1656. Hauptstaatsarchiv). Von allen Seiten liefen
Gratulationen ein, von Andreas Möller aus Freiberg, aus
Wittenberg von Buchner, von seinem Vater und seinen
Brüdern, die er später alle vereinigt unter dem Titel
herausgab: „Virorum illustri fama decantatorum ad Da-
videm Schirmerum Hermundurum . . . Dresdae 1663."
Es ist zuerst festzustellen, dafs unter seiner Amts-
führung die Benutzung der Bibliothek eine allgemeinere
und ungezwungenere wurde, zu der die unmittelbare kur-
fürstliche Erlaubnis nicht mehr erforderlich gewesen zu
sein scheint. Wir haben die Zettel noch, auf denen
Schirmer die Bücher an vornehme und gewisse (d. i. zuver-
lässige) Leute auslieh. (Bibliothekarchiv Vol. I No. 42.
49.43 Z. 6 : „Dieser Zettel ist richtig und sind die Bücher
zu fodern" [weil noch nicht abgeliefert]. No. 45: „Aus der
Churf. Saechs. Bibliothek hat der bestallte Bibliothecarius
Davidt Schirmer, Fuggers Buch von der Stüterey mit
illuminierten Bildern in braun Leder gebunden und grau
auf dem Schnitt in Fol. auf begehren abfolgen lassen und
soll solches unverletzt ehestens wieder eingeschickt werden.
Dresden 5. Oktober 1665 . . . Götz". — No. 22-25:
„4 Zettel über zurückgelieferte und ausgeliehene Bücher
aus des Bibliothekars Schirmer Zeit.")
Schirmer erkannte ferner die Ungenauigkeit des alten
Katalogs und wünschte einen neuen; er beantragte die
Einsetzung einer Kommission. Er drang 1662 auf ein
geräumigeres Lokal und auf Anstellung eines Aufwärters,
wovon ihm nur die letzte Bitte sich erfüllte. Aber er
besafs nicht genug eigenen Trieb, diese Arbeit eines
neuen Katalogs, die eines Mannes Kräfte nicht überstieg,
selbst zu unternehmen. Die Bibliothek besals höchstens
7000 Bände, so dafs die Herstellung einer annehmbaren
Ordnung möglich war. Dazu war er nicht genauer
wie seine Vorgänger im Ausleihen, Einfordern, Auf-
zeichnen der Bücher, gewils weil ihn seine poetischen
Nebenarbeiten zu viel in Anspruch nahmen. Nur aber
durch die peinlichste Gewissenhaftigkeit begründet sich
die Würde eines Bibliothekars. Er konnte das Dichten
David Schirmer. 127
lüclit lassen. Seine Rauten gebüs che führen allerdings
nur Gedichte bis 1663 auf; aber wir wissen, dafs er noch
1675 „der edlen Tugenden immer blühenden Rosenkranz
für Maria Elisabeth Kottin" dichtete (Königl. Bibliothek),
und vor allem , dals er eine Übersetzung von Georg
Arnolds Leben des Kurfürsten Moritz verfertigte ^■').
..Ich will — so sagt er in der Voi'rede mit trefflichen Worten —
dei' Hoffnung leben, Ew. Churf. Durchl. werden an meiner Übersetzung
ein gnädiges Vergnügen haben. Hoher prächtiger Art zu reden,
habe ich n)ich Inllig nicht befleifsigen wollen, weil die Historien nicht
so wohlredend als deutlich wollen beschrieben sein. Denn ihr Nutz
rühret nicht von (Trofssprechen, sondern von dem Verstände und der
AVahrheit derselben her ; wer jenem nachfolget und dieses unterläfst,
der scheinet mehr einer Finsternifs als der hellen Sonne ähnlich zu
sein. Mehr will ich nicht anführen, als dafs die Historien mir für-
kommen, als ein hocherbautes und mit Fenstern geziertes Haus.
Die darinnen wohnen, sind die gegenwärtige Welt, die vorübergangen,
die vorlauö'ene, und die wir von ferne kommen sehen, die sind die-
jenigen Leute, welche wir die Nachkommen nennen. E. Ch. D. lassen
vor diese so mühsame Arbeit, die ich an dieses Werk gewendet,
dero hohen Gnade mich gnädiges befohlen sein und l)ieten mir dero'
gnädigste Hände, dafs icli in denen Originibus Saxonicis oder von
dem Anfange und Ursprünge der Sachsen des hochgelahrteu Georgii
Fabricii, so er in Latein beschrieben, fortfahren und wie ich sie in
das Deutsche zu übersetzen angefangen, also auch unter dero hoher
kurfürstlicher Gnade glücklich vollenden möge. David Schirmer.
Dresden d. 27. Martii, an welchen der seligst verblichenen kgl.
Majestät in Dänemark das castrum doloris in der heil. Sophienkirche
aufgerichtet worden. 1670." Der Titel lautet: „Des durchl. Herrn
Moritzens . . . Lebenslauft' mit sonderliarcm Fleifs erstlich lateinisch
beschrieben von George Arnolden . . . izo aber auf Churf. gnädig-
sten Befehl in's Teutsche gebracht durch David Schirmer, . . .
l)ibIiothecarium."
So führte denn diese Vernachlässigung seines eigent-
lichen Amtes zur endlichen Entlassung, die schon im
Jahre 1683 erfolgte, und Trier bekam Schirmers Amt.
Der Defekten hatten sich immer mehr herausgestellt, so
dals Trier ein Gesuch eingab, Schirmern zur Rechenschaft
zu ziehen (Bibliotheksarchiv I, 40):
Bei vorhabender Aui'ricditung des Inventarii über die Churf.
Library ereignen sich der Defekten, dergleichen unlängst ein sprcinien
überreichet, im Fortgang nach und nach mehr. Es sind aber solche
1-^) Es existieren 3 Handschriften davon auf der königl. lUljliothek:
K. 28; J. 117b-, und J. 117a. Davon luit die erste den volL^^tändigen
Titel; die zweite ist eine moderne Abschrift; die dritte ist die älteste,
gleichwohl aber kein Autograph. — Auch Jöclier citiert diese Über-
setzung. Daneben noch „Nili yüldene Sprücli" und "Sh: de Calieres
„Glück tugentbafter Leute-' und die „eifersüclitige Celndvte" aus dem
Französischen. Diese sowie „Naeviisermonesconvivales t'trdinandill."
vnn Scbirmet- ül)ersetzt halie ich nirgends auftreDicn kimncu.
128 • R- Karle:
Defekten nicht nacli Besag der voi'liandenen alten ßüclierverzeieh-
nisse, sondern nur als es die niutilirten Opera selbst weisen, auf-
notirt. Welche Mängel alle nach und nach stückvveis bei Churf.
Saechs. Kammer schriftlich zu bemerken, auch allemal Ant- und Ge-
genantwurt auf solche Weis zu erstatten, ist weitläuftig und zugleich,
da Herr Schirmer oft mit einem Wort den darauf eiforderten Be-
richt ertheilen kann, unnöthig. Daher ein kürzerer Weg wäre, wenn
sich gedachter Herr Schirmer zu gewissen Zeiten ein und das ander
mal auf Churf. Bibliothek zu freundlicher Unterredung einfinden und
über vorfallender Xothdurft Bescheid geben möchte. Diente auch dem
Bibliothecario, zu seiner unter Händen habenden Arbeit, eine Copie
von der specification ausstehender Bücher, so in Churf. Kammer Herr
Schirmer eingegeben zu haben, in seinem Memorial erwähnet.
Diese Anschuldigungen wollte Scliirmer nicht auf
sich sitzen lassen und schrieb nun jenes denkAvürdige eigen-
händige Memorial vom 10. Dezember 1683, das den ganzen
Mann so gut charakterisiert, dalsiches, zum ersten Male
vollständig, hier zum Abdruck bringen will, zumal es erst
1886 — also 300 Jahre später — wieder aus dem Anti-
quariat von O. A. Schulz in Leipzig für die Königl.
Bibliothek zurückerworben worden ist:
Schirmer, David, wegen der Defekten. Durchleuchtigster Chur-
fürst gnädigster Herr. Es wehre zu wünschen, dafs Sr. Churf. Durchl.
Bibliothek noch in dem Zustande zu finden wäre, wie sie anfangs
bei dero Aufrichtung zu befinden. Weil aber seit Churf. Augusti
Zeiten, als ersten Stifters derselben, keine Revision vorgegangen und
also der alte Katalogus ^'') sehr unrichtig worden . als hat die fast
hundertjährige Zeit viel verursacht, dafs etliche Defekten darinnen
anzuheften sein müssen. Zu dem kommt noch, dafs derselbigen Vor-
steher und BiI)liothecarii nicht so grofsen Fleifs bei derselben ange-
wendet, dieweil man nicht einmal wahre Nachricht haben kann, wie
sie theils geheifsen und wer sie theils gewesen. Ew. Churf. Durchl.
Herr Vater glorwürdigsten Andenkens hab ich oftermals mündlich
über Nienborgen ^■') klagen hören; der hat wie die Churfürstlichen
Worte waren, die Bibliothek ganz in ürund verderbet und so ver-
wahrloset, dafs viel schöne Bücher bei seiner Zeit daraus kommen
seind. Nach diesem ist Christian Brehme, hernach Bürgermeister in
Dresden, Bibliothecarius worden, welcher wegen seiner Ratsgeschäfte
sich derselbigen nicht eifrig angenommen und die Bücher, so er etwa
herausgegeben und mit Bleireifs auf kleine schedulas aufgezeichnet,
die man auch fast nicht mehr recht lesen kann, wie die Beilagen
seiner eigenen Hand ausweisen. Bei diesen Zeiten bin ich, auf Vor-
schlag des weitberühmten Professoris zu Wittenberg, Augusti Buchneri
sei. , von E. Ch. I). von der Universität Leipzig hierher gnedigst er-
fordert worden und weil meine wenige Poesie, doch ohne meinen
Ruhm zu sagen, in ziemlichen Beruf kommen war, seind mir aller-
hand theatralische Sachen an Opern, Balletten auf dem Theatro, dem
^'*) Derjenige vom Grafen Joh. Andr. Schlick und dem Dr. Siegen
und Roeling. 1595. 2 Bde.
") Bibliothekar seit IHll ; 1638 entlassen. Vergl. Ebert, Gesch.
d. Königl. Bibl. zu Dresden S. 36.
David Schirmer. 129
Rieseusohle und bei dem Feuerwerk zu verfertigen gnädigst anver-
traut worden, wie E. Ch. D, sich noch selbs dessen gnädigst erinnern
und meine gedruckte poetische Rautengeljüsche solches genügsam be-
zeugen werden. Als ich mich aber von hier wiederumb auf die
Universität begeben wollte, sagte E. Ch. D. Herr Vater, damals
Churprinzliche Diu'chl., zu mir: „Ich lasse Euch nicht weg, denn ich
kann Euch gebrauchen, ich will Euch zu einem Manne machen, dafs
Ihr es mir hier zeitlich Dank wissen sollt." Hierauf wurde mir eine
Hofbestallung von 218 Thlrn. ausgeantwortet und 3 Jahr hernach,
als Christian Brehme abgedanket hatte, ist vou E. Churf D. Gross-
Herrn -Vater Churf. Joh. Greorg I. durch den Geh. Secretarium Eeich-
brodt noch eine Bestallung, jedoch mir ganz unwissend, ausgeaut-
wortet und mir das Bibliothekariat gnädigst aufgetragen worden.
Und weil E. Ch. D. Grolsherr Vater und Herr Vater wohl wufsten,
wie es mit dem Oatalogo der Bibliothek bewandt , haben sie diese
Clausul der Bestallung einverlei1)en lassen: ,,Und soll er an niemand
anders, als au unserm Oberliofprediger Dr. AVellern seinen Oberin-
spektoru der Bibliothek gewiesen sein und weil der alte Catalogus
und Curatorium der Bibliothek ganz unrichtig, soll ihm nach bevor-
stehender Revision ein neuer aiisgeantwortet -werden, nach welchem
er sich richten soll-', wie dasConcept bei der Churf. Saechs. Rentkammer
bezeugen und daselbst noch zu ünden sein wird. Auf diese gnädigst
versprochene Revision habe bei E. Ch. I). Herrn Vater, nunmehr
Churfürsten, so wohl mündlich als schriftlich offtermalen ich unter-
thänigste Ansuchuug gethau und endlich so viel erhalten, dals E.
Ch. D. höchstseliger Hr. Vater damals die Anstalt gemacht, dafs : ein
Geheimbde Rath, ein Hofrath, der Oberhofprediger, als Oberinspektoi-,
zweene Secretarii, nebenst zweenen Copisten darzu erkieset worden.
Da aber die Revisores verlanget, sie möchten mittags traktiei'et und
auf der Bibliothek gespeiset werden und es an die Churf. Kammer
gebracht worden, hat sie dieses abgeschlagen mit dem Vorwand , es
wehre solcher Aufgang nicht vorhanden und daher ist dieses hoch-
nötige Werk in das Stocken gerathen und bis daher gänzlich unter-
blieben. Aus diesem allen können E. Ch. D. ermessen und vermerken,
dafs ich die Delekten des alten unrichtigen Katalogs zu verantworten
und zu ersetzen niclit so hastig künne angestrenget werden, sintemal
E. Ch. D. Bibliothek ich, zeit meines Dienstes nicht deterioriret, son-
dern vielmehr vermelioriret und bis auf eine grofse Summe Bücher ver-
mehret habe. Was aber bei meinem lUbliothekariat von der gnädiü-sten
Herrschaft ist herausgenommen und was auch vornehmen und andern
angesessenen Hei'rn und Freunden vcilielien wordt^n , werden meine
2 Vorzeichnisse, so durch E. Ch. D. Rentmeister Zcschauen (V), dero
hochbestallten Cammerdirectori , dem von Böse , aus meinen Händen
überreichet worden, ein gnädigstes und verhoffentlich Churf. gütiges
Vergnügen haben. Auf das eingegebene Specinien oder Specilication
defectuum, der theologischen Folianten, antworte icli nach meinem
Wissen und Gewissen also: (folgen Notizen über Ausleihungen).
So viel habe auf den ersten Punkt der gnädigsten Rescripte ich un-
terthänigst und gehorsamst antworten sollen. Den andern aber in-
gleichen voizuiiehmen , wollen E. Ch. 1). gnädigst mir armen, alten
und kranken Diener bifs morgen, Dienstags, Frist verstatten, weil
meine von einem jehliehen Schlagtlusse herrührende annocli ürofse
Unpälslichkeit und heftiger Hauptschmerz mir alles auf einmal zu
berichten nicht zulassen wollen. E. Ch. D. befehl ich dem Aller-
höchsten zu allem AVohlergelien , midi armen, verbissenen Diener
Neues Archiv f. S. G. u. A. XlII. 1. 2. 9
130 B. K-adc:
aber zu dero Gnade. David Scliirmer, alter Diener nnd Bibliothe-
carius, meines Alters im bl. Jahre ^^). Siyu. Dresden. 10. Dec. I(i83.
Drei Jahre später gab er — wahrscheinlich nochmals
interpelliert — ein Verzeichnis (Bibl. Arcliiv I, 43), wo-
rauf er bemerkte, was nach seinem Wissen an Büchern
noch ausstand. Darunter die Angabe: „David Schirmer,
aetat. 64" ^^) und die lateinischen Verse:
Affixi lecto scripsit manus aegre dolentis,
Cum corda servet teque tuorumque deus.
Das sind die letzten Zeilen von Schirmers Hand.
Wann er gestorben, wissen wir nicht. Gewils noch 1086.
Diese ziemlich unglückliche Beamtenlaufbahn hat
seinen Dichterruhm nicht beeinträchtigen können, den wir
ihm ebensowenig wie Gervinus herabsetzen, noch wie
Förster (Bibl. deutscher Dichter XIII) über Gebühr ver-
gröfsern dürfen. Es war eine unendlich dürftige, unter
den Schlägen des Dreilsigj ährigen Krieges kümmerlich
sich fristende poetische Zeit; das muls auch Schirmern
entschuldigen und ihm eine historisch- ruhige Würdigung
sichern. Er beherrscht zahlreiche Eormen der Dichtkunst,
er spricht Erlebtes und Gedachtes natürlich und geschickt
aus. Er vermeidet bis auf w^enig Stellen widerlichen
Schwulst, neigt öfter zur Trockenheit. Seine Stellung giebt
er sich selbst einmal an: „Ob ich gleich kein Opitz bin, so
haben doch gegenwärtige Lieder noch jederzeit ihre
Maecenaten gefunden, denen sie gefallen haben. Der von
Wolfsberg und Hr. Rudolph werden sich noch unschwer
erinnern, mit was vor Lust sie dieselben, benebenst einer
Violgambe, angehöret haben" (Zueignung von d. Eosen-
geb.). Das war das wichtigste: die leichte Sanglichkeit
seiner Lieder. Philipp Stolle und Adam Krieger -") haben
viele von ihnen komponiert, die sich nun schnell über
Deutschland verbreiteten. Sehr lehrreich ist dafür eine
Stelle aus Georg Schoch's „Neuerbauter poetischer Lust-
nnd Blumengarten, Leipzig 1660":
Hrn. David Schirm ers meines ühralten Freundes sein kaum
ausgeblühtes Rosengebüsche, dessen Avir uns vorweilen in unsern
frölichen Zusammenkünften als einer sonderbahren Gemütlisbelusti-
gung gebraucliten, in was für böse Gesellschaft seind sie in so kurzer
Zeit gerathenV Wie übel und lästerlich seind sie hin und wieder
zerzaust worden? Unter vielen eines zu gedenken: unser gewöhn-
^'^) Auch hieraus ergab sich das Geburtsjahr.
1») Dieser Zettel ist also von 1686.
2<*) Hofkaramermusikus. Grabschrift bei Michaelis, Dresdener In-
scriptionen S. 372.
David Schirmer. 131
liclies Leibstückcben: .Jminer hin, fahr immer hin", darauf wir so
viel hielten : wie geschwind ist es in die Wiederdan (?) gerathen und
so gar gemeine geworden, dals nunmehro kein Schneidergeselle auf
seiner Werkstatt ein paar Strümpfe pflicken oder kein" Schlosser-
junge eine Kanne Bier auf dem Keller holen kann, wenn es nicht
von ihm gesungen oder gepfiffen würde.
Und wie lautete nun jenes Lied:
Immer hin, fahr immer hin
Falscher Sinn
Du sollst mich nicht kränken.
Was mir gar nicht Averdeu kan
Wird von dann
Mein Gemüthe lenken.
Ich weifs meine Zeit
Und ein solches Leid
In den kühlen Wein
Der mir glatt geht ein,
Wohl zu versenken. (Rosengeb. S. 56.)
Immer, wo die besten ihrer Zeit aufgezäht werden,
wird auch Öchirmers Name genannt. Johann Sinapius
(Lobgedicht in poesin Sieberianam) singt:
Was Heinsius erdacht.
Was Opitz aufgebracht,
Was Fleming nachgesungen.
Was Risten wohlgelungen,
Was Tscherning fürgemahlt.
Womit der Clajus prahlt,
Was Dach und Scliirmer sinnen:
Ist Sieber's sein Beginnen.
Gotthilf Treuer (Deutscher Daedalus) stellte sogar
alle poetischen Wörter aus Schirmers Gedichten zusam-
men! Da konnte es nicht fehlen, dals iSchirmer eitel
wurde und sich stolz brüstet:
Denn ich bin dci-, dnicii den der Sachsen schönes Wesen,
AN'as Dichterkunst betrifft, itzt iiocbdeutscli wird gelesen.
Setz, 0 ]\lelpomene, mir auf, als meinen J\ulini.
Den grünen Lorbeerkranz, mein rechtes Eigenthum.
Die Geschichte, die gerechtest(; Richterin, hat ihm
wenigstens ein klein Lorbeerreislein nicht zu versagen
vermocht.
9*
V.
Zur Geschichte der Goldschmiedekimst
iu Sachsen.
Ton
E. Wem icke.
Marc Rosenberg' hat in seinem verdienstliclien
Werke „Der Goldschmiede Merkzeichen" (Frankfurt a. M.,
H. Keller 1890), worin er 2000 facsimilierte Stempel auf
älteren Goldschmiedearbeiten nebst Erklärungen veröffent-
licht , folgende sächsische Städte : Dresden , Freiberg,
Halle, Leipzig, Magdeburg, Torgau, Weimar, Wittenberg,
Zeitz und Zwickau in Betracht gezogen und hierbei
nahezu 40 Meister mit den ihnen zuzuschreibenden Ar-
beiten festzustellen vermocht, zahlreicher Urheberzeichen
nicht zu gedenken, die einer noch ausstehenden oder ganz
einwandfreien Deutung harren.
Während Rosenbergs Werk noch im Druck sich
befand, benutzte ich einen dreitägigen Aufenthalt in Dres-
den, um Rechnungsbücher des Königl. Hauptstaats-
archivs, die Ausgaben für den kurfürstlich sächsischen
Hoflialt betreffend, in der Voraussetzung zu durchmustern,
dals das mir bekannte Rosenbergsche Unternehmen zu
gewissen Nachti-ägen Anlals bieten würde. Nachdem sich
diese Anschauung bestätigt hat, ermangele ich nicht, die
einschlagenden Ergebnisse meiner damaligen, den Zeitraum
von 1624—1652 umfassenden Forschungen nachstehend
bekannt zu geben. Einige Angaben Rosenbergs werden
dadurch teils bestätigt, teils ergänzt, die von ihm namhaft
Zur Greschichte der Goldschmiedekunst. 133
gemachten Goldsclimiedemeister aber um eine nicht zu
verachtende Anzahl ihm unbekannt gebliebener oder ab-
sichtlich (vergl. VorAVort) unterdrückter Künstlernamen
vermehrt. Wo jedoch die anzuführenden Erzeugnisse der
Betrelienden hingewandert sind bezw. aufbewahrt werden,
diese Frage zu beantworten, muls ich Orientierteren wie
Vorständen und Inhabern von Sammlungen um so mehr
überlassen, als die häufig sehr lakonische Fassung der
Quittungen und Beläge nur dem Eingeweihten den rich-
tigen Weg verraten dürfte^).
Als eine selbstverständliche AVahrnehmung möchte
ich es bezeichnen, dals der kursächsische Hof seinen Be-
darf an Kostbarkeiten und Kleinodien nicht allein aus
Werkstätten des eigenen Landes deckte, sondern auch von
— wie es scheint — ständigen Lieferanten an renommierten
Stätten der Goldschmiedekunst bezog. Die Leipziger
Juweliere August Richter, Georg Opitz und Johann Hein-
rich Reinhardt (letzterer möglicherweise ein Nachkomme
des Leipziger Goldschmieds Hans Reinhart, vergl. Rosen-
berg a. a. O. S. 199), von denen schon im Dezember 1650
durch Heinrich von Taube Silberwaren für Dresden er-
handelt worden waren, lieferten im folgenden Jahre einen
raassivgoldenen und geschmelzten Becher mit einem
Deckel, auf drei Löwenklauen stehend, mit 11 Diamanten,
13 Rubinen, 6 „Schmarallen" und einem Saphir versetzt,
einschlieislich des Futterals zum Preise von 480 Thlr.
und wahrscheinlich auch das in Leipzig für 700 Thlr.
angekaufte grofse, aus Nephrit geschnittene Geschirr mit
getriebenem und vergoldetem Silberwerk. Ein eclit-
goldener, geschmelzter Becher* mit 14 Diamanten, eben
soviel Rubinen, 6 Smaragden und einem Saphir, im Werte
von 513 Thlr., wurde am 17. August 1652 von Georg
Opitz bezogen und dem bisherigen Administrator des Erz-
stifts Magdeburg, August von Sachsen. l)ei seinem Abzüge
im Oktober verehrt, während Neujalirsgeschenke für Her-
zog Johann Georg von Sachsen, bestehend in einem Ge-
') Benutzt luid unter den nebenstehenden Abkürzungen angefiihit
wurden folgende Aktensttu-ke : Loc. 8(i95, Berechnung der Edelge-
steine , Kleinoder. (Joldes und güldener Ketten welehes auf
des Durch). Kurfürsten . . . Bevclicli . . . vom I.Jan. Ilil9his Muri
eingenommen und wiedei' ausgegeben (Jür.). J;Oc. sfiiif), Reehnungen
und Belege ülier die von denen (jl(dd- Arbeitern gefertigten Kleinode Ix'tr.
im4:—Hir>i(RB). Loc. H(i9(i, Belegc-Zeddelzur Reclimuige um Ein-
nahme und Ausgabe edeler Gesteine, tCIeiiiiMb'r. Goldes . . . 1(524 — 29
und desgl. 16;JU— l(i.i(i [JiZ).
134 i^. Weniicke:
schirr in Gestalt eines Schiits aus Nephrit mit silberver-
gokletem Fuls und Deckel, zwei silb er vergoldeten Pokalen
von getriebenerArbeit, einem hohen silbervergoldeten Becher
und zwei kleineren ausnahmsweise aus Ihrer Kurfürstlichen
Durchlaucht ,.gTolsem Gewölbe" genommen worden sind.
Während über Beziehungen zu Nürnberger Firmen
(s. unter Laue) nichts Näheres zu ermitteln war, verlautet
über Augsburg, man habe von den dortigen Juwelieren
Michael Spengler und Hans Georg Lauge auf dem Leip-
ziger Ostermarkte eine weilse Flasche und einen durch-
brochenen Korb um ca. 205 Thlr. erworben. — Johann
Weinmann von Hamburg verkaufte 1651 ein diaman-
tenes Kleinod und diverse „Büchsen-Diamanten, woraus
dergleichen Sachen verfertigt werden sollten", um zu-
sammen 5050 Thlr. Von den Hamburger Handelsleuten
Hans Lambrecht und Gerhard Heusch, welche zum Jahre
1652 als Verkäufer einer „Conterfeit-Büxe" mit dünnen
Diamanten pro 280 Thlr. erwähnt werden, ist der Erst-
genannte auch sonst in seiner Heimat bezeugt als Lieferant
kunstvoller, zu Ehrengeschenken für Fürsten und Herren
seitens des Senats von Hamburg bestimmter Gold- und
Silbergeräte. Edelsteine vermittelte der Juwelier Hein-
rich Sivers daselbst wiederholt nach Dresden. — Wegen
Einkäufen in Prag wolle man unter „Seuter" nachsehen.
AVahrscheinlich ist es auch dieser Händler, welcher sich
unterm 26. Oktober 1652 für eine nach spanischem Muster
gearbeitete Kette, die Graf Wallenstein bekommen, 410
Thlr. auszahlen liels.
Die genannten fünf Städte, mit deren Goldschmieden
bezw. Händlern der kursächsische Hof Verbindungen
unterliielt, sind eben diejenigen gewesen, in denen der
betretfende Kunstzweig seiner Zeit ganz besonders blühte.
Beziehungen nach dem Osten haben sich nur insofern
ergeben, als ein Goldschmiedgeselle aus Dresden in
Breslau gearbeitet und ein in Breslau Ausgelernter (s.
Gerlach) am Dresdner Hofe hervorragend Beschäftigung
gefunden hat.
Es folgen nun die einzelnen Meister in alphabetischer
Ordnung.
Blus, Martin, liefert am 11. Okt. 1637 in Sohra
(bei Freiberg): 8 silberne Flaschen, inwendig vergoldet,
für 199 Thlr. 12 Gr.; einen Becher von 2 Mk. 12 Lt. für
33 Thlr. ; 2 goldene Armbänder mit geschnittenen Steinen,
einen Diamantring und einen „Kleinod-K,ing" für bezw.
Zui' Geschichte der (Toklschmiedekun.st. 135
15. 60 und 2 Tlilr. (BZ 1630-6). — Rosenberg- bildet
unter Nr. 630 ein aus den Buchstaben M und B zusam-
raengesetztes Meisterzeiclien ab, das er auf einen im
Beginne des 17. Jahrhunderts thätigen Gohlschmied Michael
Botza zurückzufüln-en sich versucht fühlt. Ebenso gut
Heise sich aber auch der obige Name herauslesen oder
derjenige des später zu behandelnden Martin Borisch.
Born er, Bartholomäus, kurfürstlicher Edelstein-
schneider, urkundet unterm 20. Dez. 1626, daXs auf Befehl
des Oberkämmerers Heinrich von Taube Abraham Schwed-
ler bei ihm habe 5 krystallene Platten kleiner machen
und wieder polieren lassen. Der Arbeitslohn von jeder
betrug 10 Gi*. 6 Pf. Für 6 neue dergl. wurden ihm am
30. Dez. 12 Floren ausgezahlt (BZ 1626 No. 26).
Am 28. Juli 1635 liquidiert er 64 Thlr. für 32 Stück
krystallene „Conterfeit (Confect?)-Blatten".
Auf Befehl Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht hat
er 1636 in ein Uhrgehäuse von Chalcedon 3 Löcher ge-
bohrt, mit Kitt und goldenen „Tibelgen" wieder be-
festigt, wofür er unterm 26. April 2 Thlr. erhielt (BZ).
Eosenberg gedenkt unter No. 1529 eines Strafsburger
Goldschmieds Abraham Berner z. J. 1547, dessen Mono-
gramm er abbildet. Möglicherweise war dieser ein Vor-
fahr des hier Behandelten.
Borisch, Martin, quittiert am 29. Okt. 1628 über 500
Thlr. Aufgeld für 3 Dutzend Schalen, welche künftige
Weihnachten fertig werden sollen (BZ 1628 No. 19). In
No. 21 werden sie bezeichnet als silberne, ganz vergoldete,
gemuschelte, schöne, grolse Confectschalen, auf jeder eine
Figur, von einem Gesamtgewicht von 251 Mk. 14 Lt.
2 Qu. Die von ihm ausgelegten 3022 Thlr. 21 Gr. werden
ihm am 20. Dez. erstattet.
1649 erhält er 51 Fl. 9 Gr. für einen Diamantring,
welchen des Fürsten von Oels Abgesandter, Justus von
Kospoth, wegen überbrachter Gevatterschreiben im Sei)t.
1648 erhalten (Ber. 1649 s. v. Ausgabe -Geld vor und in
den Leipziger Märkten).
Böse, Caspar, zu Leipzig, quittiert am 15. Jan.
1624 über einen bezahlten Saphirring (BZ 1()24). Von
seinem Bruder Paul Böse wird am 18. Okt. 1652 ein
„dreifaches Geschirr mit einem Jäger" erhandelt. (Ber.
1652 Bl. 6()). Aus diesen und anderen Aiifülirnngon
geht hervor, dals die Gebrüder Böse Juweliere und kaum
ausübende Künstler gewesen sind.
136 J^- Weniicke:
Man ist eben zu sehr geneigt, den modernen Begriff
des Wortes „Juwelier" für die frühere Zeit zum Mais-
stabe zu nehmen, die darunter aber einfach Händler ver-
standen zu haben scheint. Solche Gewerbetreibende hatten
übrigens in der Regel mit vielen Schwierigkeiten zu
kämpfen, ehe die eifersüchtigen Goldschmiede in ihre
Niederlassung willigten. So weils ich mich eines Falls
in Freiberg zu erinnern, wo einem Juwelier die Ein-
richtung eines Geschäfts nur unter der Bedingung gestattet
wurde, dals er weder vor seinem Laden, noch am Schau-
fenster Geschmeide ausstelle, sondern einfach vermittelst
eines Täfelchens mit seinem Namen in Goldschrift die
Aufmerksamkeit auf sich ziehe.
Flach, Hans, derzeit in Chemnitz, liquidiert über
585 Thlr. für 4 gelieferte goldene Ketten im Gesamt-
gewichte von 324 Kronen k 38 Gr. und von jeder Kette
18 Thlr. Macherlohn. Die Zahlung erfolgte am 21. Dez.
1629 in Dresden (BZ 1629 No. 27, wo auch ein Siegel
mit der Hausmarke des Meisters). Einen Goldschmied
Sebastian Flach findet man in „Schlesiens Vorzeit"
Bd. IV, 506.
Friedrich, Michael, liquidiert über 14 Thlr. 9 Gr.
für Macherlohn an 2 Leuchtern und 2 Salzfäfschen 1629.
(BZ 1629 No. 35).
Gent seh oder Bentsch, Andreas, Kunststecher,
erhält für Stechen des ganzen kurfürstlichen Wappens
mit Schild und Helm samt dem Titel mit vollkommener
Schrift auf 8 Flaschen ä 2 Fl, , sowie für das Schön-
bergische Wappen auf 2 Flaschen und 6 Becher ä V'» Fl.
Wird bezahlt den 9. Febr. 1628 (BZ 1628 No. 31).^
Gerlach, Wenzel, berechnet 360 Thlr. für ein Hals-
band mit Rubinen 13. Aug. 1649 (RB 1649). Am 12. Dez.
1650 werden ihm 262 Thlr. 6 Gr. für ein gefertigtes
kurfürstliches Bildnis gezahlt (ebd. 1650).
Obgleich der Name Gerlach ein sehr verbreiteter,
auch unter den alten Goldschmieden häufig vorkommender
ist, glaube ich doch den in Rede stehenden Wenzel Ger-
lach mit dem aus Sulau in Schlesien gebürtigen Gold-
schmiedegesellen gleichen Namens für identisch halten zu
dürfen, welcher i, J. 1620 bei Meister Caspar Pf ister
in Breslau gearbeitet hat (Gesellenbuch v. J. 1618 in
Breslau).
Göppert, Anna, Goldschmiedswitwe, liquidiert für
am 23. Juni 1628 für die kurfürstliche junge Herrschaft
Zur (beschichte der {idlil^cliiuinlt'lauist. 137
geliefertes Silberwerk 94 Thlr. 21 Gr. 6 Pf., darunter ist
ein silbervergoldeter „Astbeclier" für 25 Thlr. 8 Gr.
(BZ 1629 No 9).
Michael Güppert (Sohn der vorigen ?) liefert am
23. Juni 1649 1 Paar silberne, ganz vergoldete Fläschchen
um 42 '/.-, Thlr. (Ber. 1649 ff.).
Herneiisen , Johann, quittiert d. d. Dresden 11. Dez.
1637 über eine Abschlagszahlung von 30 Thlr. (von 100
Gldn.) für Einschneiden des kurfürstlichen Wappens in
Edelsteine (BZ 1630—36).
Kauxdorf, Andreas, Goldschmied in Leipzig, liqui-
diert über 120 Thlr. für einen silbervergoldeten Baum mit
drei Äpfeln, wiegt 10 Mk. ä 12 Thlr. (BZ vorliegend
ohne Datum, jedenfalls aber aus d. J. 1628). Rosenberg
unterscheidet S. 201 zwei Meister des Namens.
Kellerthaler, Daniel, erhält am 7. Jan. 1628
3 Thlr. dafür, dals er in 12 silbervergoldete achteckige
Schalen der kurfürstlichen Witwe zu Lichtenberg ihr
Zeichen als eine 8, darüber eine Krone und Jahrzahl hat
puncionieren müssen (BZ 1628 No. 22). Am 10. Jan.
1629 erhält er 24 Thlr. für drei in Silber getriebene
Christkindlein zumAVeihnachtsfeste 1628 (BZ 1(;29 No. 32).
1637 wird er beauftragt, das kurfürstliche Sekret- (Lehns-)
Siegel zu fertigen, wofür ihm 300 Thlr. versprochen werden.
Die letzte Abzahlung erfolgte am 6. Dez. 1637. Er
schneidet auch das geheime Kammersiegel, worauf er am
22. Dez. 20 Thlr. empfängt (BZ 1630-36 No.23tf.).
Rosenberg kennt einen Daniel Kellerthaler nicht,
bildet aber unter No. 622 ein Merkzeichen ab, aus dem
jeder Unparteiische die Buchstaben D. K. herauslesen
wird, wälirend R. einen mir sonst nicht begegneten, 1608
thätigen (Hans) Johann Kellerthaler unterzubringen sucht.
— Dem Goldschmiede Friedrich Kellerthaler werden am
16. Mai 1653 für einen Silberbeschlag an eine Schalmei,
welche der Pfeifer Peter Schanbe bekommen, 28 Fl.
9 Gr. 9 Pf. bezahlt (Ber. 1652 Bl. 109b). Auf diesen
Goldschmied würde auch das von Rosenberg unter Nr. 629
veröffentlichte Meisterzeichen passen, das dort auf einen
Friedrich Klemm bezogen wird.
Kitz k atz, Ruprecht Nikolaus, Münzeisenschneider,
erwähnt im Juli 1625 (BZ 1624).
Klemm, Samuel (aus Freiberg), quittiert 1629 o.T.
über bezahlte 10 Thlr. 3 Gr. für 27 grolse und kleine
Silbergeschirre bezw. Becher, zu renovieren und aus-
138 ß- Wernicke:
zuputzen (BZ 1629 No. 29). Hat 1636 an die silber-
vergoldete Kanne, welche in der Schlolskirche zur Kom-
munion gebraucht wird und wovon die Schnauze ganz
abgebrochen, diese angelötet und das Kultgerät ausge-
putzt und in- und auswendig aufs neue vergoldet, wofür
er am 12. Sept. mit 12 Thlr. 14 Gr. abgelohnt wird. —
Rosenberg kennt diesen Goldschmied nicht, sondern
einen Friedrich Klemm 1638 (vergi. das bei Kellerthaler
Gesagte).
Kramer, Zacharias, erhält am 2. Mai 1630 425
Thlr. für ein goldenes, mit Rubinen besetztes Becherlein
(BZ 1630 No. 25, wo auch das Siegel des Goldschmieds
mit Hausmarke, die aber durchaus verschieden ist von
der eines i. J. 1569 verstorbenen Augsburger Goldschmieds
David Kramer, vergl. Rosenberg S. 19 oben).
Krauls, Heinrich, quittiert am 20. Febr. 1629 über
Empfang von 19 Thlr. für drei silbervergoldete Schäch-
telchen ä 5 Thlr. und Silberbeschlag für ein Pulver-
fläschchen von Elfenbein (BZ 1629 Nr. 61).
Kr e hm an n, Tobias, in Leipzig, liefert im Febr.
1625 lOPaarKrystallplatten, die zum „Conterfeite" sollen
gebraucht werden (BZ 1625 ff.).
Laue, David, Goldschmied in Nürnberg, scheint an
den kurfürstlichen Hof Lieferungen gemacht zu haben,
indem seine Erben im Nov. 1625 (BZ) und zehn Jahre
später im diesbezüghchen Rechnungswesen namhaft ge-
macht werden. BZ 1635 No. 27 bringt das sehi' un-
vollkommen aufgedrückte Siegel des Obigen, wovon sich
nur zwischen den helmzierenden Büffelhörnern des Wap-
pens D. L. erkennen läfst. Der Lihalt des Wappenschil-
des ist nicht mehr wahrnehmbar. - - Dafür hat Rosenberg
mit dem unter No. 1264 wiedergegebenen Meisterzeichen
(geteiltem Schild mit zwei Sternen zu einem) Ersatz ge-
bracht. — Die Namensform Laue, nicht Lauer, dürfte
den Dresdner Archivalien zufolge die malsgebende sein,
um so mehr, als im Verzeichnis der „Goldschmit-Zeichen,
wie sie auf den Nadeln in der Schau (zu Nürnberg) und
in der Laden (der Lmung) sein" zum Jahre 1580 ein
Goldschmied Hans Christoph Laue mit dem Monogramm
H L C verzeichnet steht. — Ein Juwelier Johann Gott-
lieb Laue erhielt übrigens am 6. Mai 1763 in Hamburg
Bürgerrecht (Katalog des dortigen Bürgerbuchs 1670—1767
Litt. H-0).
Zur Geschichte der Goldschmiedekuiist. 130
L IUI den, Heinrich von, Goldschmied, erhält am
10. Jan. 1629 27 Flor. 9 Gr. für drei Dutzend silberne
Schüsseln, drei Dutzend silberne Teller, auf alle das
Schönberger Wappen und Buchstaben gestochen, ausge-
sotten und von neuem zugerichtet (BZ 1629 No. 28).
— Üb die Initiale „L" meinerseits richtig aufgefalst
worden ist, mufe ich einer besonderen Prüfung anheim-
stellen. An Lunden im Norderdithmarschen wird wohl
kaum zu denken sein.
Munter s, Ludwig de. Ein Verzeichnis der Ringe,
welche er zu dem Fürstlich Holsteinischen Beilager ge-
liefert, in BZ 1630—36 No. 3.
Peilsker, Hans, quittiert d. d. Leipzig 1. Okt. 1627
über 100 Thlr. Abschlagszahlung für ein Becken von
60 Mk. Gewicht und weitere 200 Thlr. 1. Okt. 1628
(BZ 1627. 28 , wo auch das nicht mehr genau zu bla-
sonierende Wappensiegel dieses Goldschmieds, dessen
Namensform auf Herkunft aus Niederschlesien schlielsen
läfst).
Peyerle, Hans Georg, erhält 1630 418 Thlr. für
5 diamantene „Tafel-Ringe" (BZ 1630 No. 24).
Pischhäuser, Markus. In den BZ 1628 läM er
sich folgendermalsen aus: ein silbern und vergoldetes
Trinkgeschirr in Gestalt eines Baumes von 22 Mk., tliut
352 Thlr.; item vor das Futter darzu 3 Thlr. und den
Fischer, welcher mich und meinen Gesellen mit obigem
Trinkgeschirr aufm Eibstrom li^runter geführet, 3 Thlr.;
item 8 Tage lang in Torgau stille liegen müssen und mit
meinem Gesellen verzelirt 9 Thlr. Die Erstattung erfolgte
zu Torgau am 18. März 1628.
Putleste(Putlitz?), Joachim. Rosenberg, der ihn S. 153
„Puttlost" und um 1607 thätig gewesen bezeichnet, erwähnt
neben abgebildetem Meisterzeichen „drei Jagdbestecke"
im Besitze des historischen Museums zu Dresden. Eine
Rechnung des P. über Lieferung des Beschlags zu einem
„Wildmesser und Hirschfänger" s. BZ 1624; die liquidierte
Arbeit dürfte auf das Obige sehr wohl zu beziehen sein.
Reils (Reig?), Johann Philipp, wird am 7. Juli 1625
für Lieferung von Diamantringen bezahlt (BZ).
Schwedler, Abraham. Lieferte zunächst: 13 Dia-
mantringe geschnitten und schwarz geschmelzt, wiegen
12^=V], Kronen. Macherlohn: 19 FI. 10 Gr. 6 I^f. 1625.
— Ein Kleinod, wie eine sechseckige Rose formiert, ist
140 E. Wernicke:
ganz von neuem bossiert; sind darin versetzt 43 Diamanten,
wiegt an Gold 33'/^ Kr.; drei schwarz geschmelzte Ringe,
in jedem eine schöne groise Diamant -Tafel versetzt.
Macherlohn 45 Thlr. Bezahlt 28. Aug. 16:25 (BZ).
Die Kosten seiner Lieferungen an den Hof betrugen 1634
466 Thlr. 12 Gr. 9 Pf. Über Abschlagszahlungen quittiert
am 11, Juni 1649 im Namen der Erben Abraham Schwedler
d. J. Ein Brief Johann Georgs d. d. Kalkreut 18, Okt.
1648 bezeichnet den Verstorbenen als „Hofgoldarbeiter"
(RB 1634 ff. Bl. 3).
Seutter, Martin, kaiserlicher Hof- Silberhändler in
Prag , reicht unterm 16. Nov. 1652 Rechnung ehi
über eine 120 Kronen Aviegende goldene Kette (RB).
Die Grabstätte eines Christoph Seuter von Hamburg und
seiner Ehefrau Margareta, geb. Hagedorn, in Nürnberg
(1667) ist beschrieben in „Norischer Christen -Freyd- Höfe-
Gedächtnis". Nürnberg 1682 No. 2129.
Weinolt, Tobias. Wird am 13. Okt. 1636 bezahlt
für verschiedene Arbeiten für den Kurfürsten, darunter
„eine silberne Soldaten- Jungfrau (Minerva?) gefärbt und
wiederum gemacht" (BZ 1630 — 36). Ein Christoph
Weinhold aus Dresden arbeitete 1618 als Geselle bei
dem Goldschmiede Veit Koch in Breslau (vergl. Wenzel
Gerlach).
Weilshun, Nikolaus. Zuerst erwähnt in einem
„Memorial" d. d. Dresden 23. Aug. 1651 (RB). Im Juni 1652
bekennt der Maler Valentin Wagner für ein Paar kleine
gemalte kurfürstliche Bildnisse von Herrn Goldschmied
N. Weilshun 10 Thlr. erhalten zu haben. Weilshun be-
stätigt dies folgendermalsen : Ihrer Kurfürstlichen Durch-
laucht und Dero herzliebsten Frau Gemahlin Bildnisse
dem Maler Wagner malen lassen, so dem Landgrafen
aus Hessen zukommet, leget' ich aus (RB). — „Ein
Halsband von 37 Smaragden, daran der h. Geist in Tauben-
gestalt, ist den 26 Dez. 1651 von Nik. Weilshun pro
180 Thlr. zu notwendigem Bedürfen erkauft worden."
Desgleichen von ebendemselben um 200 Thlr. eine goldene
Schleife, mit Diamanten und Rubinen versetzt (RB).
Im Okt. 1652 erhielt Weifshuhn 60 Thlr. für eine „Con-
terfact-Büxe, darauf zwei Friedensbildnisse mit Blu-
menwerk geschmelzet, und darüber eine Schleife mit
einem Saphir und Rubin, welche Herzog Johann Georgs
Fräulein an dero Namenstage präsentirt" (Ber. v. 10. Nov.
1652 ab).
Znr C-reschicbte der Goldschmiedekmist. 141
Zilie ke, Paul, Juwelier, erhält am 21. Juli 1049
50 Thlr. für eine silberne, sauber gestochene Kanne (RB).
NachBer. vom Nov. 1652 Bl, 981» bekam derselbe — dort
als Goldschmied bezeichnet ■ — für eine Erbsenkette von
26^/2 Ki'onen, mit welcher der niederländische Maler
Anselm von Hülle im Jan. d. J. ausgezeichnet worden
war, 45 Thlr.
VI.
Kleinere Mitteilungen.
1. Zwei erzgebirgische Fraiiziskanerfornmlare.
Mitgeteilt von Eduard Hey d eure ich.
Bei der AVichtigkeit , welche der Franziskanerorden
für die Geschichte nicht nur der Städte Freiberg-, Chem-
nitz, Zwickau und Schneeberg, sondern des ganzen Erz-
gebirges im Mittelalter gehabt hat, ist der Wortlaut
zweier vor kurzer Zeit in Schneeberg gefundener mittel-
alterlicher Formulare dieses Ordens von Interesse.
Das eine derselben enthält ein Gelöbnis, welches bei
der Aufnahme abzulegen war, und ist im fünften Band
der alten Lyceumshandschriften erhalten, welche 1614 in
einem Anbaue der Schneeberger St. Wolfgangskirche auf-
gestellt und dadurch vor den damals häufigen Feuers-
brünsten gesichert wurden. Dieser Band, dessen Vor-
besitzer nicht zu ermitteln ist, ist infolge Vertrages
zwischen der Stadt Schneeberg und dem königl. säclis.
Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichtes
gelegentlich der Neuerrichtung des gegenwärtigen Schnee-
berger Gymnasiums an die Bibliothek des letzteren abge-
treten worden. Die Schrift, mit weicher das Gelöbnis
Blatt 189a hinter der Unterschrift: „Explicit regula et
vita fratrum et sororum de penitentia" mit veränderter
Tinte eingetragen ist, ist flüchtig und reich an Abkür-
zungen.
Das Gelöbnis hat folgenden Wortlaut:
„Icli biuder N adder swister des dritten ordins sancti Fraucisci
globe gote und der liben juncf'rawen Marien und dem Üben herrn
Sancto Fraucisco uud allen heiigen und den vater, al meine lebetage
Kleinere Mittoiliing-eu. 143
zu halden den dritten orden Sancti Francisci der brüder vnd der
swestern von der dritten regel, den orden der do bestetiget und lie-
festent ist von unserm heilgeu vater dem bal)iste Nicoiao und daz
her gesatzt hat an d^-sem leben daz wil ich wirken und thun mit
guten trawen in gehorsam und globe daz ich noch nimmer gescheyden
wil von disea orden, ich kenne den zu eynen hocheren leben kommen
mit der giu^den des heiigen geistes. Amen."
Ein solches Gelöbnis wurde nach Verlauf eines Probe-
jahres von sog.Tertiariern d. h. denjenigen Ordensmitgliedern
abgelegt, welche nicht in ein Kloster traten, sondern in ihren
weltlichen Lebensverhältnissen blieben. AVenn sie, wie dies
auch das Ende des vorliegenden Gelöbnisses erweist, der
Sitte nach versprachen, im Orden zu bleiben und nicht
aus demselben wieder auszutreten, so pflegten sie den
Vorbehalt zu thun, es sei denn um Mönch oder Nonne
zu werden. Kamen sie aber „zu einem höheren Leben
mit der Gnade des heiligen Geistes", so wurden sie fratres
primae regulae d. i. eigentliche Franziskanermönche (fratres
minores) oder sorores secundae regulae d. i. Ciarissen.
Aulser den mittelalterlichen Handschriften, über deren
wissenschaftliche Bedeutung Referent an anderer Stelle
sich geäulsert hat^), hat sich in Schneeberg noch eine
Zahl zum Teil sehr stattlicher Inkunabeln erhalten. AVäh-
i'end durch den oben erwähnten Vertrag die meisten
Handschriften der Gymnasialbibliothek und nur die rein
theologischen Manuskripte der Bibliothek der St. Wolf-
gangskirche zugewiesen sind, hat nur ein klenier Teil der
Inkunabeln in dem neuerbauten G^^mnasialgebäude Auf-
stellung gefunden. Zu diesen gehört ein Leipziger Druck
vom Jahre 1497 „impressa Lipsigck per Baccalarium
wolfgangum Monacensem''. Derselbe führt den Titel:
„Confessionale domini Antonini archiepiscopi Florentini".
Wie häufig bei alten Sammelbänden von Handschriften
oder Drucken sind pergamentene Manuskriptfragmente
als Stütze der Buchbinderarbeit verwendet. Auf den bei-
den Innenseiten des Holzeinbandes war je ein alter gedruck-
ter Zettel vom Jahre 1490 aufgeklebt, dessen durchschim-
mernde Buchstaben und Abbreviaturen den Forschungs-
trieb anregten. Meinem Kollegen, Herrn Gymnasiallelirer
Zürn in Sclmeeberg, gelang es, die beiden aufgeklebten
und nur auf einer Seite bedruckten Papiere derartig los-
zulösen, dafs jede Beschädigung der alten Druckschrift
^) Festschrift des Königl. Clymnasiums zu Schncelierg 1891,
S. 40 ff. und oben S. 91 fgg.
144 Kleinere Mitteilungen.
vermieden wurde. Wie in der Ratsbibliothek zu Zwickau
auf dieselbe Weise kürzlich interessante Funde gemacht
wurden, so auch hier : die beiden Drucke sind auf gelbem
Papier ohne Verlust auch nur eines Buchstabens erhalten
und vollständig übereinstimmend. Der Wortlaut dieses
Formulars lautet:
In cliristo deo deuotis (der übrige Raum der ersten Zeile ist leer ge-
lassen) Frater Erhardus Meltzer Guardianns conventus Czwickaviensis
immeritns Sa | Intern et gracie incrementa in domino seinpiterna piis
vestris petitionibus cum ad salutem anime | pertineant inclinatus
Deuotionemque quam ad ordinem sancti patris nostri Francisci
geritis in | domino commendans ac vicissitudiuibus salutaribns reconi-
pensare desiderans Avictoritate ße ] uerendi patris nostri prouincialis
ministri mihi in liac parte specialiter indulta Vos | ad vniuersa nostre
religionis suftragia in vita recipio pariter et in raorte Concedens |
vobis presentinm teuere plenam participationera Missarum. vigiliarum.
orationum. ieiunio | rum Castigationum ac aliorum omnium bonoram
operum que per fratres nostri munasterii | domino digne fannxlantes
operari diguabitur dementia saluatoris Adijciens singulariter | quod
cum obitus vest (folgt kleine Lücke) predicto mouasterio fuerit nunciat
(folgt kleine Lücke) pro vobis talia ordina | Inmtur defunctorum
suftragia qualia pro fratribus nostri ordiuis ab antiquo con | sueuimus
ordinäre. Insuper et animas (folgt gröfsere Lücke) | Et omnium pro-
genitorum ad memorata recipio suftragia defunctorum Datum Czwickauie
I Anno domini Millesimo quadringentesimo Nonagesimo.
Der Aussteller dieses Formulars war der Gardian
des Zwickauer Franziskanerklosters Erhard Meltzer.
Die Personen ; die in den zur Ausfüllung leergelassenen
Raum der ersten Zeile eingetragen wurden (nach deren
Numerus und Genus sich dann auch die Ausfüllung der
kleineren Lücken richtete), erhielten mit diesem Schein
die Teilnahme „an allen guten AVerken, deren Ausführung
durch die Brüder uuseres Klosters, welche dem Herrn
würdig dienen, die Gnade des Heilandes gestatten wird"-).
2. Ein Brief „aus dem Lager bey Praj^" vom 16. Mai 1757.
Mitgeteilt von G. Buch wähl.
Unter den preulsischen Musquetieren , welche vom
Februar bis in den April 1757 in Zwickaulagen, befand sich
auch ein gewisser August Fr. Lange, der bei dem Kasten-
knecht Job „bey der Unterkirche im Quartier'' lag. Es
knüpfte sich zwischen dem Kriegsmanne, der schon in
-) Vergl. ähnliche Brüderschaftsbriefe Cod. dipl. Sax. reg. II, 6,
448. 12, 387.
Kleinere Mitteihmgeii. 145
der Schlacht bei Lobositz mitofekämpft hatte, und seinem
Wirte ein Freundschaftsverhältnis, von dem der im Fol-
genden abgedruckte Brief Zeugnis ablegt.
Der leider nicht ganz unverletzt erhaltene Brief kam
in die Hände des Zwickauer Rektors M. Clodius, der ihn
mit dem Bleistiftvermerk versah:
„Der Verfasser dieses Briefes ist Aug. Fr. Lange, ein Musquetier
beym i'erilinandschen Braunschweigischen Regiment, geschrieben den
16. May bey Prag an den Kastenknecht Job bey der Unterkirche,
bey welchem Er im Quartier gelegen. Annotavit M. Cl. Rect. den
25. May 1757. Zur Bibliothec ins M. S. C. Archiv."
König Friedrich begann in der zweiten Hälfte des
April 1757 den Feldzug, indem er in drei Haupt- und
zwei Nebenkorps nach Böhmen rückte. Unser Brief-
schreiber befand sich bei der von Moritz von Anhalt-
Dessau befehligten Heersäule, die zur Rechten des Königs
marschierte ^).
Meine Hülfe steht im Nahmen des Herrn , der Himmel und
Erde gemacht hat !
Geehrter Herr Job, meine treugesinnte Liebe, die ich jederzeit
aufrichtig gegen ihm geheget habe, auch anitzo an dem Tag zu legen
und mein gehabtes Versprechen, ein vollkommenes Genüge zu leisten,
so kau ich nicht unterlafsen, ein Handschreiben an ihn abzustatten,
Avorinnen ihm einige Relationes von dem Ausmarsch aus Zwickaxi
vom 10. April bis ultimo Mai avertiren werde, wenn er sich indefsen
mit seiner lieben Ehegattin noch wohl befindet, soll es mir höchst
erfreulich zu vernehmen seyn, was mich anbetrifft, bin ich noch wohl
auf: für welche grofse Gnade und wunderbahre Beschirmung meines
Leibes und Lebens wieder meine Feinde dem allerböchsteu Gott nicht
Dank genug abstatten kau und dahero wohl die höchste Ursache habe
und auch die erheblichsten Beweggründe in meinem Hertzen ver-
spühre, mit jauchzendem Munde und frolockendem Heitzen anszu-
ruffen: 0 dafs ich tausend Zungen hätte und einen tausendfachen
Mund und stimmte damit in die Wette aus allertiefsten Herzensgrand
ein Loblied nach dem andern au von dem, was Gott an mir gethan.
Erstlich melde ich ihm, weil wir den 10. April aus Zwickau
marschierten, lautete es unserer Aussage nach, wir sollten nach
Eger marschieren, also marschirten wir i;nserer Marsch-Rutho nach
auf Schönfelfs, den 11. auf Lehmbach 2), den 12. durch Rei-
chenbach nach Plauen. Da haben v,'ir einen Ruhetag gehabt.
Unser und das Kalck st einsehe Reginumt führten die seh wehre
Artillerie bey uns und der Priutz Ferdinand von Hause^) war
unser Commandeui'. Der Fürst Moritz aber ging mit 7 Battaillou
Grenadier und mit 2 Frey-Battaillon, die in Reichenbach gestanden
1) Vergl. nachden Ki'iegsjahre 17n6, 1757, 1758 in Deutschland.
Aus dem Nachlasse Johann Ferdinand Huschbergs mit Ergänzungen
herausgegeben haben. Heinrich Wuttke. Leipzig. I85H. S. 141 ff.
-) Limbach:
"') Gemeint Prinz Fcrdin-xnd von Brauuschweig.
Neues Archiv f. !>. (i. u. A. XIII. 1. 2. lO
146 Kleinere Mitteihiugeii.
haben, nebst den Scitischen Husaren an die Egersche CTrenze
und liefsen einige Dörfer in Böhmen plündern , blofs der Ursache,
den Feind ein Blendnifs zu spiehlen, als wenn die ganze Armee nach
Eger marschiren sollte, wie aber die Plünderung geschehen, mar-
schirte der Prinz auf das geschwindeste mit denen Grenadieren und
Husaren wieder aus der Eg ersehen Grenze ab, und wir marschirten
aus Plauen den 14. nach Falckenstein, den 15. durch Auer-
bach nach Neu Städte 1. Da lag noch Schnee bis an die Knie,
wo wir durch marschiren mufsten. Da bekam ich Zwickau noch
einmal zu sehen. Da hatten wir einen Ruhetag. Da stofsen die
Grenadier, die Frey Battaillons nebst denen Husaren wieder an
uns. Den 17. des Sonntags marschirten wir aus Neustädtel des
Morgens um V^^ Uhr aus und kamen durch Schneeberg, durch
Lösenitz, durch Zwönitz, durch Elterlein und marschirten
von des Morgens '/,2 4 Uhr an bis des andern Morgens um H Uhr, da
kamen wir erst nach Buchholz ins Quartier zu liegen. Da mufsten
wir die gantze Nacht und den ganzen Tag durch das Gebürge und
Schnee marschiren. Wir wären wohl eher nach Buchholz gekom-
men, aber die schwere Artillerie konnte die Berge nicht gut ran-
komnien , und also mufsten wir auch alle Augenblicke stille stehen,
selbige Nacht gingen aus Ungeduld 96 Mann fort, von unsrer Com-
pagnie deserteurten selbige Nacht 6 Mann , lauter grofse Kerls, aus
dem ersten Gliede. Da lagen wir selbigen Tag stille. Den 19.-
marschirten wir dui'ch Annaberg und kamen in Marienberg zu
liegen. Da versammelte sich das ganze Chor, welches Fürst Moritz^;
coramandirte. Es lagen 29 Battaillone nebst der ganzen Beckerey
darin, welches 400 Beckknechte ausmachten. Eine Compagnie bekam
3 Häuser, wo wir drein zu liegen kamen. 2 Stunden hinter Ma-
rienberg an Böhmischen Grentzeu, war ein Verhau, worzu 600
Arbeitsleute commandirt waren denselben Weg zu räumen, aber nicht
eher, bis wir ausmarschirten. In Marienberg hatten wir einen
Ruhetag. Den 21. marschirten wir um 4 Uhr aus, nahmen die 600
Mann mit, welche den Verhau auf das allergeschwiudeste wegräumen
mufsten. 2 Stunden vorher aber waren Pandui'en und Husaren da-
gewesen recognosciren , weil sie aber den Verhau noch zugestopft
linden, denken sie nicht, dafs der Preufse so bald kommen wird,
sondern setzen sich ins Wirthshaufs und besaufen sich recht voll.
Das war das erste böhmische Dorf, Nahmens Grimma^). Da be-
kamen wir 19 Panduren; denn sie hatten sich noch gar wehren wollen
nach ihrer Art, weil die andern aber Allarm hören, springen 15 Pan-
duren in die Kirche sich zu verstecken, wir erfuhren es aber gleich
und bekamen sie auch gefangen, also bekamen wir den 1. Tag in
Böhmen gleich 34 Gefangene. Hinter dem Dorffe schlugen wir also
unser Lager auf. Den 22. marschirten wir bis nach Commettau. . . . ")
Den 24 durch Dux und schlugen da unser Lager auf
linker Hand Teplitz. Den 25. marschirten wir nach Willheimiene'')
rechter Hand Lobositz über unsern alten Wahlplatz. Da konnte
man noch die Löcher sehen, wo sie begraben worden sein in der
vorigen Battaille. Hinter Schirkowitz schlugen wir unser Lager
auf. Da stofs unser Chor zu Königs Armee, um 6 Uhr rückten wir
^) Prinz Moritz von Anhalt-Dessau,
^) Krima? •
<*) 3 Zeilen im Manuskript zerfressen.
') Wellemin?
Kleinere Mitteihiiig-en. 147
ins Lag-er und denselbigen Abend um 9 Uhr mufsten wir wieder auf-
lirechen, mit Königs- Armee an den EgerHuls. Beym Dorffe Padit,
da kamen wir des Morgens um 4 ULir hin, da musten wir schitt-
hrlicken schlagen über die Eger, anders konnten wir- nicht rüber.
Denn über der Eger stunde die Oesterreichische Armee, sobald sie
nur uns gewahr nahmen, dafs wir auffmarschirten zur Battaille, da
liefen sie fort und wollten uns nicht sehen, worüber unser König
sehr erzürnt war und sagte: „Wenn die Hunde nicht stehen wollen,
will ich sie alle in die Lufft sprengen." Also weil sie liefen und
wir vor grofser Müdigkeit ihnen nicht nachfolgen konnten, musten
wir unser Lager aufschlagen am Dorfe Worsowit, rechter Hand
dem Städtgen Laune, wir hatten solche saiire Märsche gehabt, dafs
wir fast hinriehlen, wie die Fliegen. Denn der König war gar zu
hitzig, man sollte kaum glauben, dafs ein Mensch so viel ausstehen
könnte, mit solcher schwehren Last Tag und Nacht zu marschiren,
und nichts als Wafser und Brod und man könnte sich nicht mahl
in Wafser satt trincken. Da bekamen wir doch mahl einen Ruhetag.
Den 29. marschirten wir bis Jocowitz. Den 30. seyn wir marschirt
eine Stunde hinter Budiu. Da bekamen wir der Österreichischen
ganzes Magazin, 96C0O Brodte, 68000 Fäfser Mehl, ohne was Stroh
und Heu gewesen ist.
Den 1. Mai, des Sonntags, seyn wir marschirt bis Durso, ein
Dorff 2 Meilen von Prag. Da hatten die Oesterreicher auch in
Lager gestanden, weil wir aber hinkamen, zogen sie gleich hinter
Prag Den 2. marschirten wir vor Prag und nahmen den weisen
Berg in Besatzung. Weiter konnten nun die Oesterreicher nicht
kommen, als hinter Prag. Des Fürst Moritz sein Chor jagte sie
von Lobositz vor sich her, der König kam von Drefsden durch
Böhmen mit einer Collonne, der Prinz von Beyern kam durch
den Lei trae ritz er Creyfs mit einer Collonne, der Greneralfeldmar-
schall Schwerin kam mit einer Armee von Schlesien durch Böhmen,
der General AVinterfeld hatte sich vor Mähren gezogen und kam
durch Böhmen mit einer Collonne, also hatten wir sie alle vor uns
hergetrieben, und waren also völlig hinter Prag von uns umringt,
dafs sie gar niclit weiter konnten. A\'ir lagen stille bis den 5. IMai
und ruheten uns etwas aus.
Den 5. Mai des Morgens musten wir mit dem König hinter
Prag marschiren. Da stofs unsere gantze Armee zusammen, also
dafs wir 186 000 Mann starck waren. Da wurde befohlen, dafs von
der gantzen Armee alle Wagen und alle Kutschen, die die Ofriciere
bey sich hatten, hinter der Armee halten sollten. Da merkten wir
gleich, dafs wir den Morgen drauf battailliren würden, untei- der Zeit
liatten sich die Oestreiclier aber ganz gewaltig auf ihre Berge ein-
geschautzt. Den 6. Mai des Morgens iv.Vi 7 Uhr musten wir vor die
Front, sie waren U/» Stunde von uns, wir stunden aber in einem
tiefen Grund, wie es "aber um V2IO Uhr kam, da lingen sie schon
mit Canonen an auf uns lofszufeuern, sie waren 29.5 000 Mann starck
und liatten 40 Sclianzcn und in einer jeden Sclianze 36 Canonen,
wir musten aliei' dunli ein Doif maiscliiien. wo eine .so ongi^ Dedle
war, dafs nur immer 2 Mann konnten gdii'u und so wie wir lieiaus
kamen, schofsen sie uns alle zu schänden. In Prag waren aber
20000 Mann, die wollten einen Ausfall tlinn und uns in Rücken
kommen. Da musten 6 Regimenter vom recliten Flüi;fl ülier der [!]
sich an Prag rausch wcnckcn. Das war Königs Guarde, Kalck-
stein. , wir Moritz, Knohlocli., Warllicn und Asseburg.
lU*
148 Kleinere Mitteihmg-en.
Regiment, wir ß Regimenter kamen dichte an Prag an zu stehen.
Das Canonenfeuer dauerte his um 1 Uhr, deun sie hatten 4 Tretten
und wenn wir ein Treffen aus der Schanze verjagt hatten, so stunde
das andere Treffen wieder in ihrer völligen Schanzen gerüstet und
sie schofsen lauter Ohardätschen aus ihren Canonen, und aus den
kleinen Gewehren^)
und mit den kleinen Gewehren durften wir gar nicht feuern und sie
hatten bey einem jeden Regimente 10 Canonen ohne die sie in ihren
Schanzen hatten, er kann sich vorstellen: sie haben bald so viel
Canonen als Mannschaffteu gehabt und wir musten die Berge so ge-
fährlich ran klettern und durften nicht teuren, nun kann er sich fur-
stellen, was vor Volck von uns gehlieben ist. 4 Grenadierbattaillone,
ein jedes ist 800 Mann starck, nehmlich das Moring. , das Kaiische,
das Butkammerische, das Ingerslebische Battaillon, da seyn von einem
jeden Battaillon nach 18. — 20. — 11. 16 Mann noch am Leben und
gar kein Officier mehr davon am Leben, das Prinz Würtem-
bergische, das Schwerinische^ das Winterfeldische, das
Itzenblitzische Regiment seyn gantz totaliter geschofsen worden.
Die Regimenter nebst denen Battaillon en seyn acurat auf ihre Schan-
zen los gekommen, darum seyn so viel darvon geblieben. Wie wir aber
den Berg ran kommen und waren 30 Schritt von sie, da gaben wir
3 Salven auf sie mit kleinem Gewehr, da war aber keine Gnade und
Barmherzigkeit vor sie , sie wollten zwar aus der Schanzen nicht
heraus , aber unsre Wuth und Tapferkeit war so beherzt , dafs wir
sie in ihren eignen Schanzen mit den Paguonetten todt stachen und
was noch lebte , schlugen Avir mit dem GewehrColben todt. Unsere
Cavallerie aber jagte den rechten Flügel zwischen uns durch, es
waren 3 Regimenter: 1. die Guarde Chor, 2. die Gens de Armes,
3. die Leib-Carrobinier, und auf die Oestreichische Infanterie lofs
und trennten gleich 8 Regimenter von ihrer Armee ab und 6 Regi-
menter hauten sie totaliter in die Pfanne, es sah erbärmlich aus, wo
die niedergehauen waren, wir seyn bis über die schuhe im Blute ge-
badet, weil sie nun retirirt, so zog ihr rechter Flügel ins Gebürge
hinter Prag fort, welchen der König mit Cavallerie nebst etlich
Battaillon Grenadieren gleich nachsetzte und noch 4 Regimenter von
sie nebst ihrer ganzen Kriegs - Calse gefangen bekam. Ihr lincker
Flügel aber, 40000 Mann starck, die konnten vor unserer Cavallerie
nicht durch, sondern musten nach Prag und so seyn 60000 Mann
anjetzo in Prag. Geblieben seyn von uns 6 Generale Nahraens
1. Generalfeldmarschall Schwerin, 2. General Graf Heririt von
Wessel, 3. Prinz Holstein von den Dragonern, 4. General Zastro,
'■>. General Knobeloch, 6. General Ascharmo. Der General Winter-
feld ist tödtlich blefsiert. Gemeine seyn von uns auf dem Platz
geblieben 8000 und 10 000 Mann blefsiert, auch seyn 16 Obristen von
uns todt geschossen. Von den Kayserlichen seyn geblieben auf dem
Platz 12000 Mann und 18000 Mann blefsiert, von beyden selten
machen sie 50 000 Mann aus. Was vor Ofliciere von den Kayserlichen
geblieben seyn, weifs man noch nicht recht, so viel ist aber gewifs,
dafs der Generalfeldmarschall von Braune tödtlich blefsiert ist.
Erbeutet haben wir 200 Canonen aus ihren Schanzen, die sie nicht
mit fortbringen konnten, 2nO Standarten und Fahnen, der ganzen
österreichischen Cavallerie ihre Zelte und ihre völlige Equipage,
denn sie waren etwas faul gewesen, denn wie unsere Cavallerie auf
S)
^) 2 Zeilen im Manuskript zerfressen.
Kleinere Mitteilungen. 149
sie lofs attaqniret, liegen sie noch in den Zelten und hatten nicht
einmahl die Stiefeln anziehen können. In der Battaille haben wir
12000 Mann ge.sunde Leute gefangen bekommen und 4000 Mann, weil
ihnen der König nachgesetzt hatte, nebst der ganzen Kriegs-Cafse,
ohne die Blelsierten, die haben wir auch alle bekommen, anfänglich
haben wir viel Volk verlohren, aber weil sie an zu retiriren fungen,
da haben wir sie mit ihren eignen Canonen todt geschofsen. Mein
lieber Herr Job , das ist so eine jämmerliche und erbärmliche ßat-
taille gewesen, die kein Mensch denken kann, auch kein Mensch
wieder erleben wird, er kann es sich leicht vorstellen, wo 50000
Mann allein bleiben, er kann gewifs glauben, dafs wir immer in Blut
haben baden müfsen, so viel Menschen und Pferde, die todt gemacht
worden seyn. Denn die AVagen von der Armee die haben ganzer
14. Tag und Nacht stehen müfsen, ehe sie die Blefsierten von dem
Wahlplatz halten Aveggeltracht. Das war nun von der Battaille ge-
meldet worden. Jetzo stehen Avir nu noch vor Prag, da seyn 60000
Mann darein, das haben wir ganz umringt und haben dem Feind
auch schon mit Sturmlaufen die 4 Hauptschanzen weggenommen und
werfen schon lauter feurige Kugeln und Bomben in die Stadt, worauf
sie sich auch hatten schon ergeben wollen, aber die 60000 Mann
sollen frey ohne KriegsGefangene herausmarschiren. Das Avill aber
unser König nicht, sondern Tiefs von frischem wieder feuern, des
Nachmittags halten wir B Stunden mit Feuern ein, dafs die Todten,
die davor 1 »leiben, begraben werden können. Wir müfsen alle Nacht
in die Aprosche und bleiben viel Leute von uns, so viel kann ich
ihm zur gewifsen Nachricht melden, dafs wir Prag bald bekommen
Averden und die 60000 Mann, die darinne seyn, seyn sclion so gut
als unser, als wie die sächsische Armee, die übrigen seyn aber alle
zusammen zerstreut wir
Prag einhaben, werden wir wohl nach Wien gehen.
Aus dem Lager bey Prag
den 16. May 1757.
Litteratur.
Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im Auftrage der Königlich
Sächsischen Staatsregieriing herausgegeben von Otto Posse und
Hubert Ermisch. Zweiter Haupttheil, XIV. Bd. : Urkundenbuch der
Stadt Freiberg in Sachsen, herausgegeben von Hubert Erniisch.
III. Bd. Mit 2 Tafeln. Leipzig, (iiesecke & Devrient. 1891. LXIV
und 688 SS.
Mit diesem seinen Vorgängern ebenbürtigen Bande hat das
Freiberger Urkundenbuch seinen Abschlufs gefunden. Urkunden im
engeren Sinne enthält derselbe freilich in ganz geringem Umfange;
nur ein Nachtrag an solchen findet sich auf S. 477 — 483, darunter
allerdings einzelne bemerkensw^erte Stücke, wie die Aufzeichnung
über die Unterwerfung der Stadt unter König Wenzel von Böhmen
vom Jahre 1298. Dafür führt uns der vorliegende Band mitten hinein
in die Fülle hochwichtiger Kechtsdenkmäler, deren sich die Stadt
Freiberg zu erfreuen hat. Wäre ein Freiberger Urkundenbuch ohne
dieselben vollständig gewesen? So scheint sich wohl der Herausgeber
bei Beginn seiner Arbeit gefragt zii haben; ich für meinen Teil möchte
wenigstens nicht, dafs diese Frage von ihm verneint worden wäre,
und ich hoffe mit dieser Ansicht durchaus nicht allein zu stehen.
Die erste und hervorragendste Stelle unter diesen rechts-
historischen Quellenmaterialien nimmt natürlich das Freiberger Stadt-
recht ein. Bei aller Bedeutung desselben und der trefflichen Be-
handlung, die ihm bei der Herausgabe zu Teil geworden ist, kaun
ich diesem Teile des Urkundenbuches hier nur wenige Worte widmen ;
ich habe ja bereits der Sonderausgabe des Stadtrechtes, die Ermisch
bei Gelegenheit des Wettiner Jubiläums dem Urkundenbuche voraus-
schickte, in diesen Blättern (XI, 1B2) ausführlich gedacht; es bleibt
nur höchstens daran zu erinnern übrig, dafs E. in richtiger Erkenntnis
der Sachlage und vorsichtiger Selbstbeschränkung nicht die ganze
Einleitung der Sonderausgabe, sondern nur die wichtigeren Teile
derselben hier im Vorberichte wieder zum Abdruck gebracht hat.
Auf die Wiedergabe des Stadtrechtes folgt einmal die des sog.
Verzählbuches und sodann die der Freiberger Stadtbücher. Haben
sich auch in anderen sächsischen und deutschen Städten ähnliche
Aufzeichnungen wie ersteres unter dem Namen Verfestungs- und
Achtbücher oder libri proscriptionum erhalten, so sind aus dem übrigen
Deutschland bisher nur zwei, aus Sachsen noch gar kein ähnliches
Stück in aller Vollständigkeit an die Öffentlichkeit gelangt. Wie
der Ausdruck „Verzählen" in Freiberg für das in Rede stehende
Litteratur. 151
Yerfabi'en selbst eine besondere, eigenartige Bedeutung erlangt hat,
so bieten die 1874 im Verzählbuch verzeichneten Fälle allerhand
merkwürdige Anhaltspunkte, an denen sich einerseits eine Wandlung
der Einrichtung zu milderer Ausgestaltung, andererseits mancherlei
bemerkenswerte Souderbildungen des sächsischen Strafreclits und
Strafverfahrens verfolgen lassen. Der Herausgeber behält es sich
vor, uns demnächst hierül)er an anderer Stelle ^) eine Sonderdarstellung
zu liefern; so interessant dieselbe an sich schon zu werden verspricht, so
kann ich doch den Wunsch nicht unterdrücken, dafs er bei dieser
Gelegenheit auch die einzelnen Anlässe, die zum Verzählen führten,
vom raoralstatistischen Standpunkte aus würdigen undbeleuchten möchte.
Schon beim Durchblättern des vorliegenden Abdruckes wird man inne,
wie wichtige Aufschlüsse für die Erkenntnis und Beurteilung des
gesellschaftlichen Verkehrslebens in einer mittelalterlichen Stadt und
der die Bürgerkreise beherrschenden Anschauungen hier verborgen
liegen. Leider scheinen die verhängten Bestrafungen nicht in frühere
Zeit als bis in die siebenziger Jahre des 14. Jahrhunderts zurückzu-
gehen und auch dieser ältere Teil liegt wohl nicht in gleichzeitiger
Aufzeichnung vor, sondern ist erst zwischen 1413 und 1423 auf ein Mal
aus einem älteren, später vernichteten Bande ausgezogen worden;
erst von letzteren Jahren ab bis zum Ausgange des Mittelalters haben
wir es mit einer ganz authentischen Quelle zu thun. Dafs bei ähn-
lich gestalteten Eintragungen nicht immer der volle Wortlaut gegeben
ist, sondern Verweisungen und Kürzungen stattgefunden haben, ist
aus berechtigten Sparsamkeitsrücksichten geschehen.
Aus ähnlichen, gleichfalls durchaus zubilligenden Gründen hat
der Herausgeber auch beim Alidruck de)' vier ältesten Stadtbücher
sich Weglassungen erlaubt und mehifach den Text des Originales durch
Auszüge ersetzt. Die Stadtbücher reichen ebenfalls nicht über 1378
zurück, und über das Verfahren, wie es vor diesem Jahre gehalten
wurde, fehlt es in Folge des Brandes, von dem die Stadt 1375 heim-
gesucht wurde, an jeglichem zuverlässigen Anhaltspunkte. Dagegen
gehen die erhaltenen Bände mit ihren Mitteilungen in ununter-
brochener Reihenfolge bis weit in das 16. Jahrhundert hinein. In
buntem Wechsel finden wir hier Eintragungen vom verschiedensten
Umfange und Werte; Aufzeichnungen über „die Geschäfte der
städtischen Verwaltung in weitestem Umfange" wechseln in mannig-
facher Weise mit Zeugnissen über „Privatgeschäfte aller Art, die vor
dem Rate verlautbart wurden"; alles in allem genommen stehen wir
vor einer reichen Fundgrulie für mittelalterliche Rechts- und Wirt-
schaftsgeschichte. In der Zeit von 1409 bis 1415 liat man ülirigens in
Freiberg den Versuch gemacht, die Aufzeichnungen über die wichtige-
ren, in ihren Folgen länger nachwirkenden Angelegenheiten von den
Einträgen über Geschäfte von vorübergehender Bedeutung zu trennen,
doch hat man seit dem zuletzt genannten Jahre beides wiodei- in
einen Band vereinigt und das für die Vermerke erstcrer Art benutzte
l)ucli zur A^erzeichnung der jeweiligen Batsmitglieder, Hiindwerks-
oberiueister und Schöffen, sowie als Matrikel für die neuaufgenonnnenen
lUiiger verwendet. Audi hieraus durften Jlitteiluugen in einem
Fi'eiberger Urkundenbuche nicht fehlen. Denudcli ist hiermit der
Reichtum der alten Bergstadt an solclien Quellen nicht ersc]iöi)ft-.
vielmehr giebt es aufserdcm für die Zeit von 14(>f) bis 1507 nodi
ij Vergl. oben S, 1 t'gg. (Änm. d. Red.).
153 Litteratur.
sieben sog. Gerichtsbücher mit lauter Anfzeiclmungeii über Eigentums-
und Besitzübertragungpu unbewegliclier Güter, die nach altem
sächsischen Rechte ursprünglich vor dem versammelten Gerichte,
später vor dem Richter oder dem Geiichtsschreilter stattzuiinden
pflegten. Ermisch hat aus denselben zwar für die Ausgabe nur eine
Auswahl getroffen, die ungefähr den fünften Teil des ganzen Um-
fanges ninfaist, doch kann man Ijei E."s bekannter Gewissenhaf-
tigkeit und fachmännischer Erfahrung sicher sein, dafs nichts, was
für ernstere Forschungen Wert haben dürfte , uns vorenthalten ge-
blieben ist Eine Übersicht über die Art der einzelnen Rechtsge-
schäfte und der bei denselben zur Anwendung gekommenen Grund-
sätze hat der Herausgeber auch hier nicht lieigefügt, sondern die
Ausnutzung der von ihm gebotenen Materialien nach dieser Seite hin
den Juristen vom Fach überlassen. Möchten sich die letzteren diesen
Wink nicht entgehen lassen: ihre Forschungen auf jenem Gebiete
des mittelalterlichen Lebens bedürfen noch mancher Vervollständigung
und Ergänzung.
Auf diese unmittelbaren Quellenüberlieferungen folgen endlich
noch in vier Anhängen die Bürgeraufnahmelisten von 1378 — 1485,
die Freiberger Ratslinie von 1223 — 1485, eine Übersicht über die
Verpachtung der Ämter von 13'59— 1486 und eine Freiberger Polizei-
ordnung von 1487. Der Übersichtlichkeit wegen sind die hierauf
bezüglichen Notizen aus den voraufgehenden Aktenmaterialieu aus-
geschieden luid hier zu besonderen Zusammenstellungen vereinigt.
Weicht dies A^erfahreu auch etwas vom Herkommen ab, so gewährt
es doch für das Stuflium der Freiberger Verhältnisse entschieden
grofse Vorteile.
Wie all diese Quellen .. entstanden und in welchem Zustande
sich die handschriftlichen Überlieferungen derselben heut zu Tage
befinden, das ersieht man aus dem dem Ganzen voraufgehenden, mit
bekannter Sorgfalt und Liebe zur Sache. .gearbeiteten Vorberichte.
An der Spitze desselben wird aufserdem ein Überblick über die Thätig-
keit der Freiberger Stadtschreiber gegeben und der verdienstliche
Versuch gemacht, die Reihenfolge der einzelnen Pei'sönlichkeiten,
die dies Amt inne hatten, sowie die Dauer ihrer Amtswirksamkeit
seit den ältesten Zeiten kritisch festzustellen. Ebenso folgt zu har-
monischer Abrundung des Bildes, welches dieser Band von den inneren
Verhältnissen Freibergs geben soll, am Schlüsse des Vorberichtes
noch eine zwar knappe, aber überaus gediegene Skizze der Ent-
wicklung, die sich in der dortigen Ratsverfassung seit dem Bestehen
der Stadt bis zum Jahre 1500 vollzogen hat.
Die letzten 200 Seiten des Bandes sind den Registern zu diesem,
wie zu seinen beiden Vorgängern gewidmet. Schon der Umfang
dieser Beigabe, deren Herstellung eine unsägliche Mühe wie nicht
minder grofse Selbstverleugnung erfordert, spricht dafür, dafs hier alles
geschehen ist, um jedem Benutzer die Handhabung des Werkes nach
allen erdenklichen Richtungen liin zu erleichtern. Aufser dem \'er-
zeichnis der Personen- und Ortsnamen treffen wir dies Mal auch auf
ein Sach- und Wortregister, welches zugleich die Stelle eines Glossars
vertritt. Das ist eine erfreuliche Neuerung, deren Einführung der
Herausgeber nicht erst so ausführlich zu begründen brauchte. Wie
ein solches Verzeichnis eigentlich bei keinem Urkundenbuche fehlen
sollte, so war die Beifügung desselben hier bei dem grofsen Schatze
des Freiberger Bergrechtes an eigenartigen Ausdrücken mehr als
geboten. Den grolsen Schwierigkeiten, die sich gerade durch letzteren
Litteratur. 153
Umstand ergeben mufsten, zu begegnen, hat sich Ennisch nach Rat
lind Hülfe eines Fachmannes auf sprachlichem Gebiete umi;esehen und
einen solchen in der Person des Oberlehrers Beriit in Leipzig
zum gedeihlichen Al)schlusse seines A\'erkes gefunden. Sollte übel-
wollende kritische Kleinkrämerei hier doch einzelne Versehen und
Mängel nachweisen wollen und können, so mag sie es immei'hin thun,
sie wird die gute Meinung, deren sich Ermischs frühere und neueste
Leistungen l)ei der wissenschaftlichen AVeit zu erfreuen haben, nicht
um das geringste Titelchen zu mindern im Stande sein. Im (Gegen-
teil werden alle Forscher mit besonderer Freude und Befriedigung
von dem Schlufsworte des Vorberichtes, wonach Ermisc.h jetzt nach
Abschlufs des Freiberger Urkundenbuches seine Kräfte der L Haupt-
abtheilung des Cod. dipl. Sax. reg. zuwenden will, Kenntnis nehmen.
Möchte es uns beschieden sein, auch auf diesem Gebiete in nicht allzu
ferner Zeit gleich ausgereifte Früchte der Forscherthätigkeit und
des Herausgebergeschickes Ermischs, wie sie im Freiberger Urkunden-
buche vorliegen, kennen zu lernen!
Kiel. W. Schum.
Sclmlwandkarte zur (iteschichte der wettinisclieu Lande. Ent-
woifen und gezeichnet von Prof. Dr. Otto Kaemuicl und Dr. («ustav
Leipoldt. Vier Blätter mit einem Begleitwort (Textheft) für den
Lehrer (12 SS. S»), Dresden. Albin Huhle (Karl Adler). 1891.
Handkarte zur (iJescliiclite der wettiuischen Lande. (Von denselben
Herausgebern im gleichen Verlag.) 8 SS. 8" und 1 Karte.
Die Entwicklungsgeschichte der wettinischen Lande bietet der
historischen Kartoaraphie eine sehr schwierige Aufgabe, da sich der
Machtbereich der Wettiner auf eine beträchtliche Zahl vcm (iebieten
erstreckte und den mannichfachsteu Schwankungen unterworfen war
sowohl durch den ständigen Wechsel von Gewinn und Verlust wie
durch die übei'reiche Spaltung in Seitenlinien. Alles das ist genau
und übersichtlich nur in einem historisclien Atlas darzustellen; jeder
Versuch, die ganze Entwicklung auf einem Blatt darzubieten, ist
überhaupt ein Ding der Unmöglichkeit. So kann auch der in vieler
Hinsicht recht anerkennenswerte Versuch von Adolf Brecher,
Darstellung der Gebietsveränderungen in den Ländern Sachsens und
Thüringens vom 12. Jahrhundert bis heute (Berlin, Dietrich Reimer,^
1888) nicht als völlig gelungen betrachtet werden, trotzdem er auf
seinem Blatt 5 Karten vereinigt. K. und L. haben sich ihre Aufgabe
zum Teil leichter, zum Teil schwerer gemacht: leichter, indem sie
auf die Darstellung dci- gesamten Veränderungen verzichten und nur
das Wichtigste geben, auch die ernestinischen Wandlungen nicht he-
rücksichtigen ; schwerer, indem sie alles auf einer Karte mit nur
einem Nebenkärtchen erledigen wollen. Bei der Besprechung können
beide Ausgaben zusammengenommen werden, da die Handkarte nur
eine Reduktion der Sclndwnndkarte ist; auch der erläulcnide Text
stimmt meist Avörtlich überein. Die Karte soll nicht faclihistorischen
Zwecken dienen, sondern weiteren Kreisen den nötigen Aufschlufs
bieten und in erster Linie dem L'nterricht in sächsischer (lescbichte
zu gute kommen, der ja höchst erfreulicher A\'eise seit einigen .labren
endlich anzufangen scheint, ein wenig mehr Beachtung zu rinden.
Bei solchem Zwecke war eine. Auswahl nur des Wichtigsten von
selbst geboten; auch manche Äufscrlichkeiten (inden dadurch ihre
154 Litteratur.
Erklärung, so die grofsen Punkte zur Bezeichnung der Orte, wobei
aber doch mit weniger Willkür hätte verfahren werden sollen. Sollen
die Punkte der heutigen Bevölkerungszilt'er entsprechen? (dann müfste
aber Zittau gröfser sein als Bautzen, Freiberg grölser als Meifsen,
Gera gröfser als Weimar, Guben und C'ottbus gröfser als Sorau und
Sagan und so fort für alle Landesteile) oder der historischen Be-
deutung? (dann stände aber Altzelle über Nossen und Rofswein,
Herrnhut über Bernstadt, Henneberg über Ostheim, Reinhardsbrunn
über Friedrichroda u. a. , von Dutzenden anderer, die gleichwichtig'
sind, abgesehen, z. B. Freiberg und Chemnitz). Die den Orten bei-
gefügten Zahlen über Gründung, erstes Vorkommen, denkwürdige
Ereignisse sind ein lobenswerter Gedanke, dem man nur eine reich-
lichere Anwendung wünscht; denn der Osten, vor allem die Nieder-
lausitz ist ganz ungenügend bedacht, obwohl, gerade in diesen Slaven-
Jändern solche Beifügung interessant wäre. Überhaupt ist die Nieder-
lausitz zu dürftig behandelt; viel Ortsnamen wird dieser Karte niemand
wünschen, doch wo solche grofse Flächen leer stehen, sollten wenigstens
einige Namen, die geschichtlich wichtig gewesen sind, wie Peitz,
Golfsen, besondei's aber das bekannte Stift Neuzelle und Luckau,
einer der Hauptorte des Landes, nicht fehlen. . Das Physische tritt
natürlich auf dieser Karte zurück, dennoch ist es zu billigen, dafs
die Gebirge in zarter, nicht störender Weise schattiert sind. Von
Einzelheiten liefse sich noch verschiedenes rügen, was hier zu weit
führen würde; nur beispielsweise sei erwähnt, dafs das Gebiet von
Ziegenrück-Ranis keineswegs, wie die blaue Farbe ausdrücken soll,
„dauernd ernestinisch" war, sondern es gilt hierfür dasselbe wie für
den nördlich anstofsenden Aveimarischen Gebietsteil des alten Neu-
städter Kreises; während aber hier auf der Handkarte und im Text
zu beiden Karten S. 9 bez. 6 (wo es aber 1567 statt 156K heifsen
mufs) beigefügt ist, wann dieses Gebiet albertinisch war, fehlt für
den heute zur Provinz Sachsen gehörigen Südteil des Neustädter
Kreises (Ziegenrück) jeder derartige Vermerk, so dafs man hiernach
annehmen müfste, er sei von einem der ernestinischen Staaten an
Preufsen gekommen. Hinsichtlich der technischen Ausführung ist
der grofsen Wandkarte zwar das Lob besonderer Eleganz nicht zu
erteilen, doch genügt sie einfachen Ansprüchen; bei der kleinen Hand-
karte hingegen mufs nicht die Herausgeber, wohl aber die herstellende
Offizin und den Verlag entschiedener Tadel treffen wegen des zum
Teil recht schlechten Farbendrucks. Die Grenzlinien (Ref. hat
mehrere Exemplare vor Augen gehabt) haben sich vielfach beim Zu-
sammenfalten der in 8*^ gebrochenen Karte auf dem gegenüber befind-
lichen Teil des Blattes abgedruckt und bieten so nicht blofs einen
unschönen Anblick, sondern sogar ein stellenweise recht störendes
Durcheinander von Linien. Wohl ist der Preis gering, doch dafs
selbst für geringes Geld ganz unvergleichlich Besseres in technischer
Hinsicht geliefert werden kann, lehrt Brechers Karte. Die Aus-
stellungen, die zu machen waren, sollen aber nicht abhalten, dei'
Freude Ausdruck zu verleihen, dafs überhaupt der Plan gefasst wurde,
Schule und Haus mit den Grundzügen der territorialen Entwicklung
der sächsischen Heimat einigermafsen vertraut zu machen; bierfür
gebührt den Herausgebern gewifs Dank. Vielleicht hätte es sich
mehr empfohlen, statt einer grofsen Karte vier Karten von je Vi
der jetzigen Gröfse auf demselben Blatt zu bringen, auf ihnen aber
nicht wechselnde Zustände durch mancherlei Farben, Linien und
Schraffierungen darzustellen, sondern einfach den jeweiligen Zustand
Litteratur. 155
einer bestimmten Zeit. Dabei würden natürlicb manch ei-lei Ver-
änderungen, die gerade zwischen die dargestellten Zeitpunkte fielen,
nicht zur Darstellung gelangen, doch Vollständigkeit ist ja hier
auch nicht erstrebt ; es stände dann aber wenigstens für einzelne be-
merkenswerte Zeitpunkte das Bild dem Schüler oder Laien klar und
fest vor Augen, und das wäre ein aufserordentlicher Gewinn. Die
Erklärung, wie sich ein Kartenbild aus dem andern entwickelte,
würde ja der Unterricht oder ein Beiheft geben, wie ja auch die
jetzige Karte ohne solche Erläuterung dem mit dem Stoff nicht Ver-
trauten vielfach unverständlich bleibt. Wegen einer dabei vielleicht
befürchteten Verteuerung sei abeimals nur auf Brecher verwiesen,
der sogar 5 Karten und 4 Schlaclitfelder bringt. Als solche Zeit-
punkte könnte man etwa zur Darstellung wählen 1. den Zustand
beim Tode Heinrichs des Erlauchten 1288, 2. bei der Leipziger
Teilung 1485, 3. l)eim Tode Augusts 1586, 4. unter der Regierung
Friedrich Augusts III (1.); auf die Angabe der heutigen Grenzen
verzichtet man gern, denn die hat jeder zur Hand. Die historische
Kartographie Sachsens ist überhaupt ein Arbeitsfeld, auf dem noch
viel zu thuu ist; hoffentlich fördert die von Thudichum angeregte und
für Sachsen vom k. sächs. Altertumsverein und dem Dresdner Verein
für Erdkunde in Angriff genommene Herstellung historischer Grund-
karten das Studium der historischen Geographie, um auf dieser Grund-
lage dereinst die Zusammenstellung eines zuverlässigen Atlas der
wettinischen Lande zu ermöglichen.
Dresden. W. Lippert.
Kunst lind Künstler am Vorabende der Reformation. Ein Bild
aiis dem Erzgebirge. Von Cornelius (Jurlitt. Mit IH Abbil-
dungen. Halle, Max Niemeyer (Komm.). iSHO, 155 SS. 8". (A. u.
d. T. : Schriften des Vereins für Reforraationsgeschichte, 7. .Jahr-
gang. 4 Stück.)
Der Verfasser giebt in diesem Buche einleitend in zwei Kapiteln
ein anschauliches und anziehendes Bild des Erzgebirges und der
dort im 15. Jahrhunderte herrschenden Kulturverhältnisse. Alsdann
kommt er in einem längeren Abschnitt auf den Profanstil der Spät-
gothik zu sprechen und der zweite Hauptabschnitt ist der Annen-
kirche zu Annaberg, mit ihr dem erzgebirgischen Kirchenban über-
haupt, gewidmet. In kuiturgeschichtlicher Beziehung sind hier
namentlich die Schilderixngen des Hüttenwesens wichtig, das auf
den Hüttentag(^n zu Regensburg und Torgau 14H3 durch Aufstellung
einer Hüttenordnung neu gekräftigt werden sollte. Es handelte sich
bei diesem höchst bemerkenswerten Vorgehen, wie Gurlitt wabrsihein-
lich macht, um den ersten Versuch, Übelstände in dem vcifallcnden
Hüttenwesen durch eine gröfsere Einigung zu beseitigen. Als Folge
dies(!r B>estrebungcn bezeichnet Gurlitt den diuni erst erwachenden
Ruiimsinn unter den Künstlern, der auf eine Hrlialtung ihres Namens
dringt und ihre Persönlichkeit mehr und melir in den Vorderiinuid
schiebt. Ein hervorragender Zeuge dieses neu erwachten Imlividua-
lismus ist Arnold von Westiihaleu. der l)ekanute Erltauer der
Albrecht.slmrg in Meifsen, des llanjitteils am Schlosse Ixochsburg und
einiger kleinerer Bauten. Aniohl erselieiiit in (iuilitts Dar.xtelluiiy
in scharfem Lichte. Er sagt da u. a. S. 5Q: „In dem Meifsiier
Schlosse herrscht ein Geist der Selliständigkeit und des Individualis-
156 Litteratur.
mus, wie in keinem anderen deutschen Werke jeuer Zeit, es ist ein
erstes mächtiges Auftreten der Renaissance, ehe deren Formen
diesseits der Alpen bekannt wurden, ein wunderbares Denkmal dafür,
dafs die Gotik aus sich selbst heraus neue Formen zu einer Zeit an-
strebte, als Italiens Boden seinen Söhnen die Formen des alten Uonis
wiedergab, dafs sich das Mittelalter aus sich selbst heraus
den Garaus zu machen begann, ehe die antiken (Tcbilde
Einflufs gewannen."
,,Was Arnold liaut, ist selten oder nie foi'm vollendet, aber stets
eigenartig. Er ist ein Mann des Kampfes, der vordrängenden Selbst-
ständigkeit, eine gewaltige Kraft, nicht aber eine in sich beruhigte
Künstlernatur. Sein AVollen war gröfser als sein Können: wollte
er doch das schwerste, was sich je ein, Künstler zur Auf-
gabe gestellt hat: den Bruch mit der Überlieferung und
die Geburt, nicht die "Wiedergeburt einer neuen Bau-
kunst!" Als Merkmale dieser Reform, die nicht von der Renaissance
abhängt, sondern ihr voran und parallel geht, bezeichnet Gurlitt das
Fehlen aller Merkmale der Gotik am Äufseren des Baues, also der
Strebepfeiler (die in das Innere gezogen sind), der Spitzbogen —
die Fenster sind im Vorhangbogen geschlossen — , des Masswerks,
der Knaggen, Kreuzblumen, der Fialen, der senkrechten Mauerein-
teilung (die Flächen sind vielmehr kräftig in wagrechten Linien
eingeteilt). Endlich verweist Gurlitt auf die berühmte Treppe des
Schlosses. Gurlitt geht wohl zu weit, wenn er sagt, man habe Arnold
von Westfalen bis heute noch nicht zu würdigen verstanden. Man
lese nur die Würdigung in Dohmes Geschichte der deutschen Bau-
kunst. Indefs wollen wir gerne zugeben, dafs Gurlitt seine Gestalt
noch plastischer herausgearbeitet hat. — Die gleichen Bestrebungen
wie in der Profanarchitektur findet Gurlitt auch in den erzgebirgischeu
Kirchenbauten gegen Ende des 1.5. Jahrhunderts. In verschiedener
Hinsicht entwickeln sich die Kirchen lange vor Luthers Auftreten
zu Saalbauten, zu Predigrkirchen : namentlich werden die Strebe-
pfeiler in das Innere der Kirchen gezogen, die dadurch gewonnenen
Räume als Kapellen verwerthet, darüber die vorher nur als Schmuck-
form vorhandenen Emporenanlagen stark ausgebildet und als Aufent-
haltsort für die zuhörende Gemeinde ausgenützt. — Gurlitt zieht
aus diesen Thatsachen den Schlufs, dafs die Gotik noch kurz vor
ihrer Ablösung durch die Renaissance Keime getrieben habe, die eine
neue nationale Entwicklung der Baukiinst ermöglicht hätten. .Die
Spätgotiker sind die Meister, die aus dem alten Stile nach einem
unbekannten neuen hindrängten, die Renaissance gab dem Streben
nur den formalen Ausdruck. . . Es wäre ganz verkehrt, die Spät-
gotik für den Stil der Rechtglänbigkeit imd die Renaissance für den
der Häresie zu erklären . . . Nicht Renaissance und Reformation
sind eins, sondern Renaissance und Humanismus. Ein grofser Nach-
teil für die ])rotestantische Baukunst war, dafs in ihr die Renaissance
über die Anfänge selbständiger Neugestaltung siegte, d. h. dafs man
nur zu bald geneigt war, die Form für das Wesentliche zu nehmen,
die der Spätgotik innewohnenden Gedanken aber für nebensächlich
zu halten." — Mögen wir nun eine nationale Renaissance der deut-
schen Baukunst auf Grund jener noch unklaren Bestrebungen der
Spätgotiker für möglich halten oder mögen wir glauben, dafs die
thatsächliche Wiedergeburt erst durch den Einflufs der italienischen
Renaissance ermönliclit wurde, in jrdem Falle sind Gurlitts Aus-
führungen anregend und lehrreich. Ob jene Gedanken der Spätgotiker
Litteratnr. I57
auch noch für unsere Zeit fruchtbar sein können, wie Grurlitt wünsclit,
dürfte eine nicht zu ferne Zukunft lehren. Wir wollen zum Sclilufs
nur noch bemerken, dafs durch Gurlitts Darstellung- die von Steche
im 4. Hette des Inventarisationswerkes (Annaberg) in einigen Punkten
ergänzt wird. Gurlitt hat in dem besprochenen Werke einen wert-
vollen Beitrag zur vaterländischen Kultur- und Kunstgeschichte ge-
liefert.
Dresden. Paul Schumann.
Knrsachseu und Frankreich. 1552 — 1557. Von Dr. Joh. Trefttz.
Leipzig, Fock. 1891. 164 SS. 8".
Das reiche Material, welches das Dresdner Hauptstaatsarchiv
für die Geschichte des Kurfürsten August enthält, ist fast voll-
ständig noch unbearbeitet. Namentlich sind die aufserdeutscheu Be-
ziehuugeu Augusts bis jetzt auffallend vernachlässigt worden, obgleich
man sich sonst mit den Verhältnissen zwischen den deutschen und
aufserdeutscheu Protestanten vielfach beschäftigt hat. Der Grund
liegt einerseits darin, dafs Kursachsen in diesen Verhandluugeu
hinter Pfalz, Württemberg und Hessen zurücktritt, andererseits
August den aufserdeutscheu Beziehungen wenig Aufmerksamkeit
widmete. Doch ist gerade tue französische und niederländische Politik
des Kurfürsten August trotz ihrer Inhaltlosigkeit und ihrer geringen
Ergebnisse sehr charakteristisch für den Mann, der 30 Jalire lang
die deutschen Verhältnisse wesentlich beeinÖufst hat.
Mit dem vorliegenden Buch eröffnet der Verfasser seine Studien
über die Beziehungen Sachsens zu Frankreich. Nur wer wie Referent
sell)st Einblick in die unübersehbaren einschlägigen Aktenmassen
des sächsischen Hauptstaatsarchivs genommen hat, kann ilie Mühe
und Sorgfalt der Arbeit ermessen. Die Genauigkeit der Angaben
scheint mir manchmal fast zu weitgehend; solche ausführliche Be-
schreibungen von Aktenstücken, wie z. B S. 54 Anm. 2, S. 56
Anm. 2, S. 68 Anm. 3, haben in Darstellungen der neueren Gescliichte
doch nur ausnalimsweise einigen Wert. Auch in der eigentlichen
Erzählung wären stellenweise Kürzungen am Platze gewesen; die
leitenden Gesichtspunkte würden dadurcli präziser liervorgetreten sein.
Der Verfasser behandelt die kursäclisische Politik von 1552 1557.
d. h. das Ende des Kurfürsten Moritz und den Anfang der Regierung
Augusts. Diese Begrenzung des Themas halte ich für nicht sehr
glü(;klich. Otfcnbar ist T. durch die interessanten Aufschlüsse, welche
das von Druffel veröffentlichte, aber noch lange niclit genug ver-
wertete Material bot, und diirch seine eigenen archivalischen l<]iit-
deckungen dazu geführt worden, der mauricianischen Politik nicht
nur eiuleitungsweise zu gedenken. Dadurch geht aber die Einiieit-
lichkeit der Arlieit notwendig verloren. Denn die französische Politik
der beiden sä(;hsischen Biüder ist ja, wie der Verfasser selbst aus-
führt, eine vollständig entgegengesetzte. Moiitz hatte 1552 zwar
den Kaiser niedergeworfen und den Aufstand durch den PassauiM-
Vertrag siegreich beendigt, Aber er mufste doch gegebenenfalls
die Rache KarN fiiirhten uud suchte daher diesen durcli seine fi'aii-
zösischen Beziehungen in Schach zu lialt(.'u. Es kam dazu, dafs er
seine Aufgabe noch keineswegs für abgeschlossen hielt, sondern
weitei'e Angiiffe gegen die Sinnier, l)es(inders Anscliläge auf die
158 Litteratur.
Niederlande plante und dazu des französischen Geldes bedurfte. So
sehen wir, wie im wesentlichen der Kurfürst sich um die Freund-
schaft König Heinrichs II. bemüht und dieser je nach den Umständen
zurückhaltender oder entgegenkommender ist. Das ändert sich mit
einem Schlage durch die Schlacht bei Sievershausen. August erstrebt
vor allem die Konsolidierung der Verhältnisse und wird hierdurch
an die Seite der Habsburger, der Gegner seines Bruders, geführt;
den französisclieu Zettelungeu steht er im Interesse des Friedens
kühl oder gar feindlich gegenüber. Von Bemühungen um Heinrichs
Freundschaft ist keine Rede mehr; der König ist es jetzt, der immer
wieder die Initiative ergreift, dessen Gesandte jedoch von August
nur mit nichtssagenden Redensarten abgespeist werden.
Infolge dieses Gegensatzes zerfällt die Arbeit in zwei heterogene,
ziemlich unvermittelt neben einander stehende Teile. Der Verfasser
hätte besser in der Einleitung kiu'z die Verhältnisse zwischen Moritz
und Frankreich seit dem Passauer Vertrag geschildert und in der
eigentlichen Abhandlung die französische Politik Augusts unter
Vermeidung unnötigen Details noch einige Jahre über 1557 hinaus-
geführt. Das hätte umsomehr gelohnt, weil, wie der Verfasser selbst
zugesteht, die Beziehungen Augusts zu Frankreich in den ersten
Jahren sehr unbedeutend sind, später aber reger werden. Indessen
wird hoffentlich der Verfasser seine erfolgreich begonnenen Studien
fortsetzen. Wir möchten in diesem Falle eine Bitte aussprechen.
In Arbeiten, die sich zum grofsen Teil auf diplomatische Korrespon-
denzen und so gut wie gar nicht auf Schriftsteller stützen, treten die
Persönlichkeiten fast immer hinter den Verhandlungen zurück.
Dieser Mangel haftet den meisten Darstellungen der deutschen
Geschichte der Gegenreformation an. Im vorliegenden Falle würde
das Material günstig liegen. Die Männer, die zwischen Paris und
den deutschen Höfen hin- und herreisen, wie der ßheingraf oder
Virail oder Mannsfekl, kehren in den Verhandlungen immer wieder.
Sollte es nicht möglich sein , diese Leute auf Grund des vorhandenen
Materials genauer ins Auge zu fassen, ihr Streben und Wirken zu
schildern und so einen festen Punkt in dem Wirrwar der schleppenden
und ergebnisarmen Verhandlungen zu gewinnen? Auf diese Weise
würden manche interessante Erscheinungen der deutschen Geschichte
des späteren 16. Jahrhunderts besser beleuchtet werden.
Dresden. Gustav Wolf.
Zur (iescliichte der ehemaligen Katecheten- und Kinderlehrer-
scliulen in der Diözese Grimma. Ein Beitrag zur Schulgeschichte
Sachsens. Von Oberlehrer Dr. Hermann Dähritz: Bericht über
die Königl. Seminare I. und II. zu Grimma. (Grimma 1891). 8".
S. 1—96.
Dafs das Archiv der Superiatendentur Grimma ül)eraus wert-
volles Material zur Geschichte des kirchlichen Lebens in Sachsen
enthält, dafür hat Superintendent Dr. Grofsmann seinerzeit den Beweis
geliefert durch die Veröffentlichung der Visitationsakten vom Jahre
1529. Eine Fülle wichtiger Nachrichten aus den Aktenbeständen
der genannten Diözese bietet auch die vorliegende Arbeit, welche
sich mit einem für die Geschichte des sächsischen Volksscliulwesens
sehr wichtigen Abschnitte beschäftigt. Waren doch die Katecheten
Litteraüxr. 1 59
und Kinderlehrer bestimmt, den Übergang- von den bescheidenen
Anfängen der Volksschule zu ihrer Entwicklung in unserem Jahr-
hunderte zu bilden. Ursprünglich war in der Regel nur in dem
Kirchdorfe ein Schulmeister, Kustos, Kirchner oder Glöckner. Frei-
lich nicht immer; dann mufste der Pfarrer den Dienst selbst ver-
richten, wie dieses z. B. von Ragewitz (S. 6) ausdrücklich bei einer
Verhandlung über Annahme eines neuen Küsters noch im Jahre 1574
bezeugt wird. Vergl. dazu auch Loc. 1991 : Visitation der Superin-
tendentur Grimma 1574. Bl. 429 * (Königl, Hauptstaatsarchiv in
Dresden). Besonders bei Gelegenheit der Visitationen wurde der
Untersuchung des Zustandes und der Hebung dieser Schulen die
gröfste Sorgfalt zugewendet. Wie ernst es die kursächsische Regie-
rung damit nahm, und wie sehr sie zu verhüten bemüht war, dafs
die Visitationen blofse Form würden, geht bezüglich Grimmas aus
einem Aktenstücke des hiesigen Königl. Hauptstaatsarchivs hervor.
Als nämlich im Jahre 1578 der Superintendent Martin Reinhard die
Visitation nicht sorgfältig genug behandelt und u. a. die Schulver-
hältnisse und persönlichen Nachrichten über die Lehrer wenig be-
rücksichtigt hatte, wurde ihm ein energischer Verweis zu teil. Vergl.
Loc. 2002: Extrakt aus der Visitation der ins Konsistorium Leipzig
gehörigen Superintendenturen. Anno 1578 Bl. 60 ff. und besonders
ßl. 65 und Loc. 1989: Extrakt aus der Visitation der ins Konsisto-
rium zu Leipzig gehörigen Superintendenturen. Anno 1578. Wie
alle diese Bemühiingen der Regierung oft vergeblich waren und auf
die Hoffnungen der Lehrer bittere Enttäuschungen folgten, davon
geben die obenerwähnten Verhandlungen aus dem Jahre 1574 zahl-
reiche Belege. Als aber nach Beendigiuig des Dreifsigjährigen Krieges
und im Beginne des vorigen Jahrlninderts einzelne Filialdörfer und
gröfsere Orte eine eigene Schule zu haben wünschten , da machten
sich oft längere Verhandlungen nötig. Schien doch dieses Begehreu
mit den alten Vorrechten der Kirchschullehrer in Widerspruch zu
stehen. Daher ist in der Regel die erste von den Behörden auf-
gestellte Bedingung, dafs der Schulmeister für den Ausfall an Schul-
geld entschädigt werden soll. Aufserdem wird verlangt die Be-
schaffung eines geeigneten Schulraums , die Sicherung eines genü-
genden Einkommens und die Wahl der Persönlichkeit durch die
Ortsobrigkeit, während der Gemeinde nur das votum negativum zu-
steht. Auch stand der neue Lehrer dem bisherigen Schulmeister
nicht gleich, er durfte nicht den Titel Schulmeister fülu-en, und die
Konfirmation mit den sich daran knüpfenden Rechten wurde ihm
zunächst nicht zu teil. Die letztere veranlafste übrigens eine Reihe
von Anträgen und Erwägungen seitens der Stände wie der Regierung,
über welche Referent an anderer Stelle zu handeln gedenkt. Der
Kinderlehrer wurde in seltenen Fällen von der Gemeinde, sondern
in der Regel nur von einzelnen Vätern angenommen, war also eine;
Art Privatlehrer oder SammelschuUehrer. Oft wurde er nur von den
vermögenden Bauern unterJialten , während die ärmeren Bewohner
trotzdem ihre Kinder zur Kirclischule schickten. — Verfasscj- hat
den Stoff fleifsig gesammelt und geschickt verarbeitet. Es ist zu
wünschen, dafs er seine Studien auf diesem Gebiete fortsetze. Ist
doch zur Kenntnis der Entstehung des .sächsischen Volksschulwesens
die Veröffentlichung des in den einzelnen l'farr- und Superintendentur-
archiven lagernden Materials unbedingt nötig.
Dresden. Georg M ü 1 Icr.
lÜO Litteiatur.
Bauer und (intshoiT in Kursaclison. Schilderuiii^ der ländlichen
Wirtschaft und Veifassiing im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Von
Dr. Friedr. Job. Hauu. Strafsburg, Träbner. 1892. XI, 220 SS.
8". (A. u. d. T. : Abhandlungen aus dem staatswissenschaft-
lichen Seminar zu Strafsburg i./E., herausg'egel)en von G. F. Knapp.
Heft IX.)
Wie schon aus dem Titel sich ergiebt, ist die vorliegende Arbeit
in dem staatswissenschaftlichen Seminar zu Strafsburg entstanden,
indem der Leiter desselben, Professor Knapp, den Verfasser auf
Joh. (jrottlieb Klingner 's „Sammlungen zum Dorf- und Bauren-
ßechte" (Leipzig 1749, 4 Bde.) aiifmerksam gemacht hatte. Das reiche,
in diesem Werke angesammelte Material au Urkunden, Urbarien,
Proze.ssakten etc. aus früheren Zeiten, sowie die Darstellungen
Klingner"s aus der Zeit, in der er selbst lebte, hat nun der Verfasser
nach den Gesichtspunkten der heutigen Nationalökonomie geordnet
und so eine interessante Schilderung der gesamten um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts in Kursachsen bestehe aden ländlichen Wirt-
schafts- und Verwaltungsverhältnisse gegeben. Er sagt selbst, dafs er
sich hierbei fast lediglich auf die Klingnersche Vorarbeit beschränkt habe,
und allerdings hätte er das Mateiial aus den öffentlichen und Privat-
archiveu Sachsens noch wesentlich vervollständigen und so.eine weit
gröfsere Anzalü von einzelnen Rittergütern und ganzen Ämtern in
den Kreis seiner Untersuchung ziehen können. Wie Klingner, be-
handelt auch er nur die älteren, längst schon völlig deutsch gewor-
denen Landschaften des ehemaligen Kursachseu, nicht aber auch
die Lausitzen, welche doch damals auch bereits längst zu Sachsen
gehörten. In diesen beiden Ländern bestanden neben deutschen viel-
fach auch noch altslavische Verhältnisse fort ; für sie sind daher die
in dem vorliegenden Buche gegebenen Schilderungen nicht zutreffend
(vergl. meine Schrift: „Die Stellung der Gutsuuterthanen in der Ober-
lausitz zu ihren Gutsherrschaften." Dresden 188ö). Der Verfasser
will auch „keine geschichtliche Darstellung der Entwicklungsstufen"
geben, obgleich sich nur aus ihr das Verhältnis zwischen Bauer und
Gutsherrn zu einer bestimmten Zeit vollständig begreifen läfst,
sondern Avill dem Leser nur einen deutlichen ,. Einblick in das länd-
liche Leben der damaligen Zeit" vermitteln. — Innerhalb der so ge-
zogenen Grenzen stellt er nun in einer bei knappester Form doch
durchaus anschaulichen Weise, in einzelne Kapitel wohlgeordnet, all
die verschiedenen Beziehungen zwischen der bäuerlichen Bevölkerung
und den Gutsherrschaften dar Scharfe und treffende Delinitionen
der einzelnen Ausdrücke, Begriffe, Rechte, Gewohnheiten etc., ge-
schickte Einordnung der unzäbligen Einzelheiten unter die betretfen-
den Kapitel und eine möglichste Glätte des Stils zeichneu die Arbeit
vor anderen ähnlichen vorteilhaft aus. Wer sich je mit den ein-
schlagenden Fragen zu beschäftigen hat, wird in dem Buche ein
reiches, wohlgeordnetes Material voriinden.
Da es uns hier an Raum gebricht, auf einzelnes einzugehen,
führen wir nur kurz die Einteilung des Ganzen an. I. Kapitel :
Rügen und Dorfordnungen; Doi fverfassung ; die Nachbarschaft (d.h.
die eigentlichen Bauern): die übrigen Einwohner; Dorf Verwaltung;
Flurverfassung; Hufenrichter .und Hegebürgen; die Flur; Viehhaltung;
die AUmend ; Wiesen ; Ackerwirtschaft. II. Kapitel : Das Rittergut
in Sachsen; Ursprung und Entstehung; Umfang; Gutsverwaltung;
Schäfereien; Ackerwirtschaft. III. Kapitel: Die ländlichen Neben-
.gewerbc; Mühlenbetrieb ; Brauereibetrieb. IV. Kapitel: Gutsherrlich-
Litteratur. IGl
bäuerliche Verhältnisse; Servituten; Gerichtsbarkeit-. Erbhuldigunf;' ;
bäuerliche Besitzverhältuisse; Abgaben; Dienste; der Bauernaufstand
von 1790.
Dresden. Hermann Knothe.
Ans (lern FeWznge 18(i6. Briefe aus dem Felde und Predigten und
Reden im Felde. Von Prof. Dr. Fricke. Leipzig, Friedrich
Richter. 1891. VT, 248 SS. 8o.
Der als akademischer Lehrer wie als Kauzelredner gleich aus-
gezeichnete Prof. Fricke in Leipzig veröft'entliclit jetzt, nach 25 .Jahren,
aufgefordert von vielen, die Briefe, welche er während des Krieges
von 1866, wo er Feldpropst der königlich sächsischen Armee war,
an seine Frau geschrieben, und eine Anzahl Predigten und Reden,
welche er teils in Kirchen oder Lazarethen, teils aber auch unter
freiem Himmel vor Abteilungen der sächsischen Truppen gebalten
hat. Von so vielen Seiten aus man jenen Feldzug schon eingehend
behandelt hat, eine Darstellung der seelsorgerischen Wirksamkeit,
Avie sie an den Krankenbetten der Lazarethe, bei Austeilung des
heiligen Abendmahles, bei Feldgottesdiensten und an den Gräbern
gestorbener Sachsen geübt worden ist, nebst den damit verbundenen
Anstrengungen, Ansteckungsgefahren, alter auch mit ihrem Segen,
ist uns noch nicht bekannt geworden. Die Briefe, oft in fliegender
Eile und unter den erschwerendsten Umständen in elenden Dorfhütten
geschrieben, schildern die persönlichen, auch für den sächsischen Feld-
propst oft recht unliebsamen Erlebnisse des Verfassers, zumal auf
der Flucht nach der Schlacht bei Königgrätz, sodann aber auch die
leibliche und geistige Pflege der sächsischen Verwundeten und Kranken
in und um Wien, sowie die aufopfernde Thätigkeit der dabei be-
schäftigten Ärzte, Schwestern und Geistlichen. Obgleich der Ver-
fasser oft auch mit höchstgestellten Persönlichkeiten in Berührung
kam, so streift ei- nur selten die politischen Fragen, höchstens zu
der Zeit, wo es sich um die Zukunft Sachsens und um die Bestim-
mungen des mit Preufsen abzuschliel'scndcn Friedens handelte. Die
Predigten und Reden, Casualreden eigentümlichster Art, von denen
mehrere sofort in Tausenden von Exemplaren gedruckt und an die
Soldaten verteilt worden sind, erweisen in ihrer jetzigen Zusammen-
stellung den Verfasser aufs neue als den hochbegabten, die Worte
der Schrift mit ergreifender Anwendung auf die jedesmaligen Um-
stände auslegenden, bald tröstenden, l)ald ermunternden christlichen
Prediger. Wer an jenem Kriege selbst teilgenommen oder aus ii-g(!iid
welchem Grunde noch jetzt ein besonderes Interesse an demselben
hat, wird das Buch gewifs nicht ohne Befriedigung aus der Hand legen.
Dresden. Hermann Knothe.
Der Seifenborglmii im Frzf^obirf^o und die Walensagen. Von
Dr. llcinricli Schnrlz. Stuttgart. J. Engelhnrn. IWto. 8<! SS.
8". (A. u. d. T. : Forscliungim zur deutschen Landes- und N'olks-
kunde, im Auftrage der Centralkoiumission für wissenschaflliclie
Landeskunde von Deutschland herausgegeben von A. Kirchhofl'.
Bd. V Heft 3.)
Der Bergbau hat auf die wirtschaftlicln u und damit aurli auf
Neues Archiv f. S. G. ii. A. XUl. 1. 'i. H
162 Litteratur.
die politischen Geschicke iinsers Landes einen so hervorragenden
Einfiufs ansgeübt, dafs eine wissenschaftlichen Anforderungen durch-
aus entsprechende Geschichte desselben dringend zu wünschen wäre.
Aber es ist das eine Aufgabe, deren Lösung eine Vereiniglang von
naturwissenschaftlichen, technischen, natioualökonomischen und histo-
rischen Kenntnissen verlangt, wie sie sich nur selten bei einem
Einzelnen finden wird; nur ein Zusammenwirken verschiedener
Kräfte verspricht hier Erfolg — und wann wird sich ein solches
ermöglichen lassen? Einstweilen müssen wir für jeden Beitrag dank-
bar sein, so auch für den vorliegenden, wenngleich seine Ergebnisse
nur mehr oder weniger unsichere Vermutaugen sind. Schurtz hat
sich an die schwierigste aller Fragen gemacht, an die Frage nach
den frühesten Anfängen unseres Bergbaues.
Er geht aus von den zahlreichen vorgeschichtlichen Bronze-
funden. Während einer der beiden Bestandteile der Bronze, das
Kupfer, ein sehr verbreitetes Metall ist, kommt der andere, das Zinn,
in Europa nur selten vor. Für die Frage, woher es die Römer und
Griechen bezogen haben , wäre auf die Untersuchungen Blümners
(Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen
und Römern IV, 81 ff.) zu verweisen gewesen. Schon hier wird
Britannien als das Land genannt, das in historischer Zeit weitaus
das meiste Zinn nach den klassischen Ländern geliefert habe. Eben-
so beherrschte im Mittelalter England fast allein den Markt, bis um
die Mitte des 13. Jahrhunderts die nordböhmischen und meiisnischen
Ziimdistrikte ihm anfingen Konkurrenz zu machen. Schurtz sucht
nun wahrscheinlich zu machen, dafs der Zinnbergbau in diesen
Gegenden viel älter ist, als man bisher annahm. Seine früheste
Form ist die des Seifenbergbaues, und es kann wohl nicht zweifel-
haft sein, dafs schon lange vor Aufzeichnung der ersten Nachrichten
diese primitivere Art der Zinngewinnung ausgeübt worden ist. Was
der V'erfasser über die Technik und die Geschichte der Zinnseifen
im Erzgebirge mitteilt, beruht meist auf Quellen des 16. Jahrhunderts
und noch späterer Zeit, und diese Quellen sind teilweise nicht eben
die zuverlässigsten; hier würden ihm archivalische Forschungen eine
bessere Grundlage gegeben haben, wie er das schon aus meinem ihm
entgangenen Aufsatze über das Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf,
Geyer und Thum (in dieser Zeitschr. Band VTI) hätte entnehmen
können, in welchem auch die falsche Angabe über das Anfangs-
jahr des Altenberger Bergbaues (1458) widerlegt ist. Was die
Eibenstocker Zinnbergwerke anlangt, die der Verfasser nach
Albinus, Melzer und Körnera Bockauischer Chronik mit besonderer
Vorliebe behandelt, so mag auf eine allerdings ziemlich unklare
Notiz in einer Handschrift des Freiberger Bergrechts hingewiesen
werden, die anzudeuten scheint, dass schon Ende des In. Jahrhunderts
in der .rohaungeorgenstadter Gegend Seifenbergbau getrieben wurde
(Cod. dipl. Sax. reg. IL 13, XXI). Auch die Nachrichten über die
Goldwäschen im Erzgebirge hätten sich wohl aus archivalischen
Quellen noch vermehren lassen. Immerhin vermögen wir auf diesem
Wege die Geschichte unseres Bergbaues nicht über das Ende des
12. Jahrhunderts zurück zu verfolgen.
Der Verfasser schlägt nun andere Wege ein, um in die graue
Vorzeit einzudringen. Er untersucht die nicht blos im Erz- und
Fichtelgebirge, sondern auch im Harz, in den Alpen vielver-
breiteten Sagen von goldsuchenden Walen und Venedigern. Die
eigenartige Litteratur, die sich an ihren Namen knüpft, die band-
Litteratur. 163
schriftlich und gedruckt viel — bis iu unser Jahrhundert hinein —
verbreiteten ,, Walenbücher", Anw^eisungen, wie und wo mau nach
Gold suchen soll u. dgl. m., erweisen sich bei näherer Betrachtung
als wertlos für den Zweck des Verfassers; es sind „zusammen-
getragene Notizen phantastischer Metallsucher, die durch allerlei
irrtümliche Voraussetzungen, UnvoUkommenheit der mineralogischen
Kenntnisse und die trügerischen Aussagen der Wünschelrute ver-
leitet wurden, in tauben Gesteinen geheimnisvolle Schätze zu ver-
muten" — „ein Gegenstück zu der unübersehbaren, aber hohlen
alchimistischen Literatur", j^ber viel älter und viel wertvoller sind
die Walensagen. Der Verfasser findet in ihnen uralte mj'thologische
Anklänge, die teils an die germanische Götterlehre, teils an die
finnischen Zvvergsagen (Venedigermännlein) gemahnen; und wenn
nicht auch slavische und keltische Beziehungen nachweisbar sind,
so liegt das wohl nur an der Dunkelheit der Mythologie dieser
Stämme. Diese Beobachtungen führen den Verfasser nun weiter zu
dem Versuch, bei den Slaven, Germanen, Kelten, ja selbst bei den
Finnen einen vorgeschichtlichen Zinnbergbau nachzuweisen; haupt-
sächlich sind es sprachliche Untersuchungen, Ortsnamendeutungen
u. s. w., die ihm die Belege liefern müssen. Auf dieses Gebiet
können wir dem Verfasser nicht folgen ; es ist Sache des Linguisten,
zu beurteilen, ob die Ableitungen richtig und die darauf gebauten
Schlüsse möglich sind. Dafs das Resultat der ganzen Untersuchung
ein überaus unsicheres ist, mit dem der Historiker recht wenig an-
zufangen vermag, das fühlt der Verfasser wohl selbst, wenn er
schliefslich sein Resultat in die vorsichtigen Worte zusammenfafst :
„Es hindert uns nichts zu glauben, dafs der Zinnbergbau des Erz-
gebirges älter ist, als es nach dem Zeugnis der Chronisten scheint ;
es ist somit auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dafs unter
dem Namen der Walen oder Venediger sich ältere bergbautreibende
Völker — Wenden, Kelten oder Finnen — verbergen. Gegen diese
Ansicht spricht freilich, dafs die prähistorischen Funde im höheren
Erzgebirge äufserst geringfügig sind und dafs ebenso von Spuren
der Zinnschmelzung wenig zu entdecken ist. Vielleicht aber dürfen
wir — was auch die Walensagen andeuten — an eine Ausfuhr der
ungeschmolzenen Erzkörner nach Süden denken, von wo das Zinn
(mit Kupfer legiert) in Gestalt bronzener Waften und Geräte nach
Germanien zurückkehrte. Damit würde denn auch die Beobachtung
übereinstimmen, dass die Walensagen im Fichtelgebirge meist auf
alte Zinnseifen verweisen."
Dresden. H. Ermisch.
Die Pässe des Erzjfcbirges. Von Dr !!(-inr. Scliiirlz. Mit einer
Karte. Leipzig, J. .). Weber. IHHI. 64 SS. S'>.
Der Verfasser findet die Bedingungen der Erzgebirgspässe
..mehr in anthropogeographischen als in orographischcii Zuständen"
gegeben derart, dafs besonders durch die vorliegendi'n Städte „ans
einer Fülle möglicher Strafsen bestimmte (iruppen ausgeschieden und
vorwiegend entwickelt" wurden.
Daraus ergiebt sich ihm die Sondcruiig der Pässe in die von
Dresden, Frcibcrg, Chemnitz und Zwickau. Im (Jcgcnsatz zu den
modernen Verkehrswegen liebten die alten Strafsenziige die Jliiluii
zwischen den Wasserläufen und teilten sirli, nach Böhmen liiual)-
steigend, in fiu'inliclie Strafsciiliündcl.
11*
164 Litteratur.
Der Verfasser bezeichnet seine Arbeit, die offenbar mit Liebe
lind deshalb fesselnd nnd anregend geschrieben ist, als „eine Ab-
handlung geographischen Inhalts mit starkem Betonen des historisch
Gegebenen". Letzteres legt uns einige Bemerkungen nahe.
Die Annahme, Heruler seien 494 durch Böhmen längs der Elbe
nach Dänemark gezogen (S. 7), gehört, abgesehen von der unhalt-
baren clu'onologischen Bestimmung, in das reich angebaute Gebiet
der grundlosen in majorem Slavorum gloriam aufgestellten Behaup-
tungen, die man ohne Nachprüfung nicht wiederholen sollte. Sie will
die slawische Einwanderung in die Eibländer um die Mitte des
5. Jahrhunderts beweisen. Die zu Grunde liegende Stelle bei Procop,
Gothenkrieg II, 15, berechtigt zu dieser Auffassung nicht im mindesten.
Der fragliche Teil der Heruler trennte sich von der Hauptmasse erst,
als diese vor den Gepiden weichend die Donau in der Belgrader
Gegend überschritt, und es bot sich wegen der feindlichen Gepiden
und Langobarden kein anderer Weg, als die Donau abwärts und dann
an den Karpathen hin zum Quellgelnet der Weichsel. So „berührten
sie auch alle Stämme der Sklavenen der Keihe nach'', denn diese
safsen nach Jordanes (Getica V, 34) links von den Gepiden von der
unteren Donau an nordöstlich der Karpathen bis zur Weichsel.
Die Heruler durclizogen dann „ein Aveitgedehntes wüstliegendes Land"
bis zu den Warnen in Mecklenburg, das „Mauringaland, Land wild-
wuchernder Grasnarbe". Diese Angabe Procops beweist also gerade,
dafs die Gebiete von der mittleren Oder bis zur Elbe von den deut-
schen Stämmen verlassen und von den Slaven damals (um 508—512)
noch nicht besetzt waren.
Der Annahme (S. 8 flg.), „der wichtigste Ort, der Böhmen das
unentbehrliche Salz lieferte", sei Halle a. d. S. gewesen, fehlt für
das frühere Mittelalter (und gar erst für die Kelten- und Hermun-
durenzeit!) jede Grundlage. Albinus' Landchronik (1589) kann man
doch unmöglich als Quelle für jene Zeit anziehen. (S. 11 führt aller-
dings der Verfasser wiederum Albinus [und sogar eine Bockauische
Chronik von 1763] als Gewährsmann dafür an, dafs die von ihm an-
genommenen Bewohner des Erzgebirges in den älteren Perioden bis
zur Entdeckung der Silbererze besonders durch Viehzucht sich nährten
und dafs also weitausgedehnte Weidegründe im Walde sich fanden.)
Kaiser Arnulfs Forderung an den Bulgarenfürsten Wladimir be-
züglich der Salzsperre richtete sich zunächst gegen die Mährer,
deren Fürst Swatopluk allerdings auch Böhmen beherrschte. (Ann.
Fuld. ad 892: „ne coemptio salis inde Moravanis daretur." Böhmen
bezog sein Salz in erster Linie von ßeichenhall her auf dem altbe-
rühmten goldenen Steig Passau- Prachatitz. Wie bedeutend der Salz-
handel überhaupt hier im Süden auf der Donau war, zeigen die sogen,
leges portorii vonliaffelstätten903 — 906(Monum. German. Leg. III, 480).
Späterhin (1130) werden auch Salztransporte auf dem Grenzsteig an
der Trstenica (Leitomischl-Zwittau) erwähnt, vielleicht aus dem 1136
zuerst genannten Wieliczka kommend. Salzzufubr durch Wagen über
das Erzgebirge war bis ins 12. Jahrhundert bei der Beschaffenheit
der dortigen Wege kaum möglich. Alle Quellen wissen bis dahin
nur von Grenzsteigen, Pfaden, semitae, die selbst für Reiter höchst
beschwerlich waren. Erst seit dem Beginn des Bergbaues and später
unter Ottokar II , Wenzel IL und den Luxemburgern wurden die
Verkehrsstrafsen mit den Nachbarländern verbreitert und in eigent-
liche Fahrstrafsen umgewandelt. Selbst der hochwichtige Pracha-
titzer Salzsteig bot nur für 2 Säumer (equi honusti, qui saumer di-
Litteratm-. 165
cuntnv) Eaiim — Noch 1361 heifst es von der Avichtigen Sti'afse
Gubel-Zittau, sie soll wegsam gemacht und verbreitert werden, so
weit man einen gröfseren Stein, den man gerade noch mit der Hand
erfassen kann, nach rechts und links zu werfen vermag. — Der über
Weitra führemle Beheimsteg nach Niederösterreich erscheint erst
Ende des 12. Jahrhunderts als Pehaimstralse.
Der Verkehr nach Norden bewegte sich zunächst hauptsächlich
auf der Elbe, die auch stromauf weit mehr befahren Avurde, als der
Verfasser annimmt (S. 15), — Schon 98o wird dem Bischof von
Meifsen der ElbzoU zwischen Beigern und Meifsen, auf- und abwärts,
von allen Handeltreibenden überlassen. 99:5 wird verfügt über den
Zoll in Lutomiricz und Na vsty super Albiam (Leitmeritz und Aufsig).
Bei Gründung des KoUegiatstiftes in Leitmeritz um 1057 wird (neben
der via per silvam Hulmez) die Schiiffahrt auf der Elbe, stromauf luid
stromab, besonders hervorgehoben. Es werden unterschieden naves
magnae, mediocres, parvae und naviculae minimae. Als Gegenstände
des Handels treten Salz und Wein, als Vermittler desselben Graeci
(Griechisch-Orthodoxe) und Judaei hervor. — Kloster Platz tauscht um
1183 ein Dorf ein für seineu schon 1146 besessenen Teil am Salzzoll in
Tetschen, weil der Zollertrag (in natura gegeben) infolge der Unsicher-
heit der Strafsen auf dem Transport zum Kloster oft verloren ging. —
Die Prämonstratenser von Strahow dürfen (1226) ein Schiff zollfrei per
Albiam in Swrbiam educere und reducere mit Salz u. a. beladen. —
Auch das Holz, das sie Elbe und Eger abwärts führen, bleibt zoll-
frei. 1274 ist von Schiffen, die Salz und Heringe nach Melnik bringen,
die Rede. Aus sächsischen Urkunden erfahren wir über den Salz-
handel nach Böhmen erst um das Jahr 1292, als die Bürger von
Frohse, Schönebeck, Kalbe und Barby den Bischof Withego von
Meifsen baten, es bezüglich ihres Handels in Pirna — Verkauf voii
Salz und Einkauf von Holz — bei alter Gewohnheit zu lassen. Seit
Ende des 12. .Jahrhunderts mag man bei Verbreiterung und Besserung
der Wege angefangen haben, das Salz über das Erzgebirge auf Wagen
nach Böhmen einzuführen, obwohl die 1274 Brüx gewälirte depositio
salis sich nicht auf dorther kommendes Salz zu beziehen liraucht.
Dafs „die wichtigsten Strafsen" vom Bernsteinlande zum 31ittcl-
meer „insbesondere durch die Pässe des Kiesengebirges" gefühlt
(S. 10). dürfte dem Verfasser nicht ganz leicht werden nachzuweisen.
Die von einigen dem sogen, polnischen Steig (Nachod— Glatz) l)eige-
legte Wichtigkeit läfst sich für jene Zeit bezweifeln. Über das
Riesengebirge im engeren Sinne führte weder Weg noch Steg. Sobeslav
mufste sich 1110 mit unsäglicher Mühe — Martinus Gallus vergleicht
den Zug mit Hannibals Alpenübcrgang — dort eine Strafse bahnen,
zu deren Schutz er dann später die; Bui'g Hostin-Hradec (Arnau)
anlegte.
Die Ansicht des Verfassers, das Erzgebirge sei auch in den
älteren Perioden seiner Geschichte bewohnt gewesen (S. 11. 18 u. ö.),
können wii- nicht teilen. Slawische ( )rtsbenennungen beweisen ohne
chronologische Sidierung bei dei- slawischen Nationalität der An-
wohner und der böhmischen Einwanderung Ende des Mittelalters )ind
später für die Zeit des Anbaues gar nichts, zumal gewil's auch <lie
Rodungen von Norden her vielfach mit slawischen Arbeitern und
Zinsleuten unternonuncn sind oilcr ducli nacliweislich slawische Namen
erhielten. Slawische Bejicnnungen von Gewässern, Bergen und ein-
zelnen auffalleuden Lokalitäten, zumal in der Nähe der Stralsenzüge,
wo schon leichtere Orientierung sie wünschenswert erscheinen liefs,
166 Litteratur.
setzen ebensowenig Avie unsere Flur- und Forstnamen geordnete
menschliche Siedelungen voraus, konnten aber wohl auf spätere, selbst
deutsche Niederlassungen übertragen werden (Meifsen!). Ohne
chronologische Bestimmung schwebt hier, wenn sich nicht etymo-
logisch relative Altersgruppen ergeljen, alles in der Luft. — Sämt-
liche Quelleiiberichte über Heereszüge, Grenzen, nennen niemals einen
bewohnten Ort im höheren Gebirge, bis ins 12. Jahrhundert; nur
an den Endpunkten der „seinitae-' erscheinen urbes terminales, Burgen
und Ortschaften. Alle Quellen dagegen wissen nicht genug zu er-
zählen von den schrecklichen Wildnissen, von den unsäglichen Schwie-
rigkeiten, die von den Durchziehenden überwunden werden müssen.
Von Böhmen aus — und die böhmische Herrschaft erstreckte sich oft
und lange weit über die eigentliche Grenze, die media silva, hinaus —
wurde lange Zeit nicht einmal Holzschlag, viel weniger Rodungen und
Siedelungen im Greuzwalde geduldet. Besondere Wächter (chodove,
sträze) waren mit der Durchführung dieser Verbote und mit der
Kontrolle über die einzelnen Grenzpassanten beauftragt. Im Brünner
Privileg heifst es z. B. noch 1229: nullus de illis, qui custodiunt
silvam, debet spoliare aliquem in via vel in foro, nisi tunc illum
spoliet, quando invenit arborem secantem. — Leider liat der Verfasser
— nicht zum Vorteil seiner Arbeit — die Erben-Emlersche Urkunden-
und Regestensammlung gar nicht lienutzt. Bezüglich der Handels-
beziehungen Zwickaus mit Böhmen, für welche der Verfasser S. 54
Hinweise vermifst, ist ihm eine wichtige Urkunde völlig entgangen.
Im Jahre 1118 (Cod. dipl. Sax. I, 2, 53) urkundet nämlich Bischof
Dietrich von Naumburg über die Übertragung der von der Gräfin
Bertha gegründeten Pfarrkirche „in territorio Zcwickaw" an Kloster
Bosau. Die Dotation bestand aufser den vorgeschriebenen 2 Mausen
aus dem teloneum Bohemicum, der 12 Pfund jährlich trug uud den
das Kloster 1145 gegen 2 Dörfer, Thechebodiz und Rodowe,
tauschte. Das Land ist zum Teil noch nicht kultiviert, die Parochie
ist „intra praefatos limites construenda". Bei der Angabe der Grenzen,
die nach Posse (Die Markgrafen von Meifsen S. 235) mit denen des
Zwickauer Vogteibezirkes tibereinstimmen, kommt kein einziger Ort-
schaftsname vor.
Dasselbe ist der Fall in einer Urkunde von 1144 (Cod. dipl.
Sax. I, 2, 176), welche der Kirche zu Hürgel lüö Königshufen im
Pleifsener Walde auf beiden Seiten der Mulde zuweist. Auch hier
ist alles noch im Werden begriffen. Übrigens hätte der Verfasser
auch diese Urkunde wegen der darin erwähnten „semita Bohemica"
nicht unbeachtet lassen sollen. Eine ,,via vetus" erwähnt ferner die
Urkunde vom 15. April 1146 (Cod. dipl. Sax. I, 2, 192), die uns eben-
falls den Anbau in den Gauen Plisna und Geraha in seiner Ent-
wicklung zeigt. Es ist also durchaus irrig, wenn der Verfasser aucli
für die Zwickauer Gegend und noch höher hinauf S. 55 eine „sehr
frühe und nicht ganz spärliche" Bevölkerung annimmt. Nach allem,
was wir bisher aus Urkunden und sonstigen Quellen entnehmen können,
kann von festangesessener nennenswerter Bevölkeiung im höheren Ge-
birge vor den Rodungen des 12. und besonders des 13. Jahrhunderts
nicht die Rede sein. So erklärt es sich auch, dafs der umfangreiche
Landbesitz Hersfelds zAvischen Zschopau und Striegis in Hersfeld
selbst so in Vergessenheit geraten konnte und bei der Dotierung Alt-
zelles 1162 (auch hier 800 kaum erst gerodete Hufen) gar nicht respek-
tiert wurde. — Wird doch selbst in dem ca. 10 Quadratraeilen grofsen
Gau Dobna ei'st 1122 in dem vicus Plauen die erste Kirche errichtet,
Litteratur. 107
und in dem üaiizeu Gau treten uns nur 3 Ortsnamen, Plauen,
Chrieschwitz und Zobern, entgegen. Auch hier kann die Bevölkerung,
den urkundlichen Nachrichten zufolge, nur eine sehr spärliche ge-
wesen sein noch iai l;i. Jahrhundert. — Die Vermutung, dals Saida eine
Zollstätte gewesen (S. 28), wird bestätigt durch ein Diplom von 1287
(Emier II, 604). Den Zollzehnt hatte Kloster Ossegg inne.
Die Annahme eines besondern Priesterstandes, der ,.nach slawischer
Sitte" das Clericht und zum Teil den Zoll in Händen gehabt, wider-
spricht der neueren Forschung (vergl. Krek, Einleitung zur slawischen
Litteratur-Geschichte, 2. Aufl., 1887). Nur bei den Polaben zwischen
unterer Elbe und (_)stsee hat sich, wahrscheinlich durch den Kampf
mit den christianisierenden Deutschen, eine solche Priesterschaft heraus-
gebildet. Bei den Tschechen und Sorben findet sich keine Spur
davon. Die Ableitung des Namens Kämmerswalde von komora =
Gericht scheint uns sehr kühn, und was der Hinweis auf das Frei-
l)erger Zollhaus „camera juxta valvam" hier soll, verstehen wir nicht.
Hält der Verfasser camera, Kammer, Kämmerei für Lehnwörter, von
komora = Gericht abgeleitet"? —Wenn der Verfasser in der jetzigen
deutschen Benennung des schlesischen Komorowitz: Mückendorf,
eine Stütze für seine Ansicht zu finden glaubt, jenes mit komora =
Gericht, dieses mit mike -= Priester in Zusammenhang bringt, so müssen
wir gestehen, dal's wir auf diese Pfade ihm nicht zu folgen vermögen.
Koraafi, komor, heilst Stechmücke, so ergiebt sich Mückendorf als
einfache Übersetzung. — Auch Mochowe erinnert den Verfasser an
„mike" (S. 33), uns zunächst an mok, moca, moker, nafs, sumpfig
(oder mucha. Fliege? In Schlesien Mochau aus Muchowo). Ebenso
gezwungen erscheint uns die Ableitung des Namens Birkwitz von
bjerka, Steuereinnehmer. Übrigens war die Besteuerung der Flufs-
ü'bergänge nicht nur bei den nördlichen Wenden üblich (S. 22), sondern
überall, ist es sogar in Gestalt des Brücken- und Überfahrgeldes
noch jetzt.
Dresden. E. O. Schulze.
IJesclireibeudc Darstellung der älteren Itau- und Kunstdenk-
miilor des Königreicbs Sachsen. Auf Kosten der K. Staats-
regierung herausgegeben vom K. Sächsischen Alterthuinsverein.
13. und U. Heft: Amtshauptmannschaften Glauchau und Rochlitz.
15. Heft: Amtshauptmannschaft Borna. Bearbeitet von Dr.
R. Steche. Dresden, in Commission bei C. C. Meinhold & Söhne.
1890, 1891. 4H, 135, 121 SS. 8".
Es ist in dieser Zeitschrift wiederholt von mir auf die Vortrett-
lichkeit des Stecheschen Werkes liingewicsen worden. Auch die
vorliegenden Hefte zeugen wiederum von der Gewissenhaftigkeit der
Arl)eit, welche Steches Leistung als mustergültig für alle Monuraental-
Statistiken erscheinen läfst.
Heft 1 -.1 (Amtshauptmann.schaft Zwickau) ist schon früher (XI, 1 70)
angezeigt und besprochen worden; icli möclite aber, ehe ich (lie Fort-
setzungen ins Auge fasse, noch einmal auf den von Michael Wolgemut
für die Marienkirche in Zwickau gemalten Altar zurückkommen, da ich
der Erklärung, welche Steche von der Darstellniigder h. Sippe giebt, nicht
ganz beizuidlichten vermag. Zumal .scheint es mir sehr fraglich, oli „die
übrigen trachtlich freiei- behandelten Männerliiinren wohl wdtlicli
(vielleicht als die oben genannten vier bei der Bestellung Malsgeben-
168 Litteratur.
den) aufzufassen sind". ]\Iöglich, wenn auch nicht zu erweisen, ist
es wohl, dafs eine gewisse Porträtähnlichkeit angestrebt Avurde,
aller jedenfalls haben die Männergestalten ihre wohlbegründete Be-
deutung. Hinter der Maria Cleophae (links) steht Alphaeus, ihr
Gemahl, hinter der Maria Salome Zebedaeus; die beiden Männer
rechts von der h. Anna sind Joachim und Cleophas; neben der h.
Anna links ist jedenfalls Joseph dargestellt — die Züge verraten auf-
fallende Ähnlichkeit mit den Josephsbilderu des Rogier van der Weyden
— ; hinter Joseph steht dann der dritte Gemahl der h. Anna, Salome.
Unter den iin 1.3. Heft besprochenen Denkmälern ist besonders
hervorzuheben das Grabdenkmal des Hugo von Schönburg if 1566)
in der Kirche zu Waidenburg, ein ausgezeichnetes Werk des Dresdner
Bildhauers Christoph Walther, das augenscheinlich in der Art der
italienischen Prachtnionumente der Fi'ührenaissance entworfen ist.
Auch in dem 14. Heft wird eine vorzügliche Arbeit Walthers, das
Altarwerk von Penig, besprochen. Es wäre sehr zu wünschen, dafs
der Verfasser seine Studien über diesen interessanten Meister zu-
sammengefafst bald den Freunden der deutschen Kunst zugänglich
machte. Besonderes Interesse erregt der Abschnitt über die Denk-
mäler von Rochlitz und vor allem sind die Mitteilungen über die für
die Kunstgeschichte des Mittelalters so wertvollen Skulpturen von
"Wechselburg hoch anzuschlagen. Der Verfasser geht aber wohl ab-
sichtlich der doch so überaus wichtigen Frage aus dem Wege, was
diese Denkmäler durch die in der neueren Zeit veranlafste Renovierung
gelitten haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind dieselben so
überarbeitet worden, dafs sie nicht mehr als unverfälschte Werke des
dreizehnten Jahrhunderts angesehen werden dürfen; der Verfasser
scheint dies selbst zuziagestehen, da er ältere vor der verhängnisvollen
Renovierung angefertigte Abbildungen benützt; dafs die alte wohl-
erhaltene Bemaiung der Kreuzesgrappe durch modernen Anstrich
vernichtet worden ist, erfahren wir nur beiläufig. Wie gesagt, es
wäre sehr gut gewesen, wenn alle die Schädigungen, welche diesen
Kunstwerken zugefügt worden sind, von einem so berufenen Kenner,
wie Steche dies ist, genau dargelegt worden wären.
Es liegt in der Natur einer solchen Arbeit, dafs nicht alle Ab-
schnitte derselben gleich reich an interessanten Mitteilungen sind.
So bringt das 1.5. Heft wohl ganz wichtige Nachrichten über romanische
und gotische Kirchen, weltliche Baudenkmäler u.s. w., ülier die Menge
der in Sachsen noch erhaltenen geschnitzten Altäre des Mittelalters
und ähnliche Denkmäler; von Monumenten ersten Ranges wird jedoch
nur eins in diesem Hefte besprochen: das Grabmal des Grafen
AViprecht von Groitzsch (f 1124). aus der ehemaligen Klosterkirche
in die Laureutiuskirche zu Pegau übertragen. Es gehört dies Werk
mit zu den vorzüglichen Leistungen der sächsischen Bildhauerschule
aus dem Beginne des dreizehnten Jahrhunderts. Allein so hoch der
Kunstwert dieses Grabmales auch angeschlagen werden mag, noch
viel gröfser ist seine Bedeutung für die Geschichte der Tracht in den
ersten Dezennien des 13. Jahrliunderts. An keinem andern plastischen
Denkmal jener Zeit ist der Besatz der Kleider mit edelsteinge-
schmückten Borten, wie derselbe im Nibelungenliede geschildert ist,
sichtbar gemacht; bei diesem Bildwerk sehen wir den Halsausschnitt
und das Bruststück des Rockes mit farbigen in Glasflüssen nachge-
bildeten Edelsteinen besetzt. Auch der Schildrand ist mit solchen
Steinen verziert. Ich glaube der Verfasser des hier besprochenen
Werkes würde sich alle, die für mittelalterliche Sittengeschichte
Litteratur. 169
Interesse Laben, zn gvöfstem Danke verpflichten, wollte er eine diesem
Denkmale gewidmete Studie veröffentlichen und dieselbe wenn mög-
lich noch durch eine farbige Abbildung erläutern.
Prag. Alwin Schultz.
Brockliaus KouYersatioiis- Lexikon. 14. vollst, neu bearbeitete
Auflage. In 16 Bänden. Erster Band (A — Astrabad). Mit 71
Tafeln und 97 Textabbildungen. Leipzig , Berlin und Wien.
F. A. Brockhaus. 1892. 1018 SS. 8".
Eine Anzeige der neuen Auflage des Brockhaus'schen Konver-
sations-Lexikons wird man an dieser Stelle nicht erwarten. Wenn
wir gleichwohl der darin enthaltenen Artikel zur sächsischen G-eschichte
mit einem Worte gedenken, so geschieht es des grofsen Einflusses
wegen, den bei dem Maugel einer zugleich guten und volkstümlichen
Landesgeschichte ein so verbreitetes encyklopädisches Werk not-
wendig auf die Anschauungen weiter Kreise über die vaterländische
(xeschichte aixsüben mufs. Im vorliegenden Bande kommen nur wenige
Artikel (Agricola — Albert — Albrecht— Altenberg — Altenburg
— Amalie) in Betracht. Erfahren wir aucli leider die Namen ihrer
Verfasser nicht, so sind die knappen, aber in den Hauptsachen aus-
reichenden Angaben doch offenbar von kundiger Hand geschrieben.
Die Litteraturangaben am Schlüsse lassen erkennen, dafs ü))erall die
wichtigsten Werke benutzt sind; bei Allirecht dem Entarteten wäre
Wegele, Friedrich der Freidige, nachzutragen. Eingehendere Einzel-
studien erwartet man nicht; wenn z. B. dem Verfasser entgangen ist,
dafs das Jahr 1458 nicht mehr als Anfangsjahr des Altenberger Berg-
Iiaues gelten kann (vgl. dieses Archiv Vtl, 99), so wird man ihm
kaum einen Vorwurf daiaus machen können. Mehrere Versehen
enthält der Artikel Altenzelle; es würde dem Verfasser schwer Averden-
nachzuweisen, dafs „die schon im 14. Jahrhundert blühende Kloster,
schule die erste bedeutende sächsische Bildungsanstalt gewesen sei",
da wir vor 1400 gar nichts (vgl. .Tob. ]\Iüller in dieser Zeitschr. A^III, 34)
und aus dem 15. Jahrhundert auch nicht eben viel über die Altzeller
Schule wissen. Auch die Notizen zur Altzeller Historiographie sind
verwirrt; nur das sog. Chronicon Vet. -Cell, majus hat Opel (Mitt.
der deutscheu Gesellsch. I, 2) unter dem nicht glücklich iiewählten
Titel Anuales Vet.- Cell, herausgegeben, wiihreiKl das Chron. V. -C.
minus ebenfalls als Annales Vet.-Cell. im 16 Bande der Scriptores der
Mon. Germ, histor. steht. Endlich ist die „Fürstenkapelle" 1787
nicht restauriert, sondern erljaixt woi'den.
Dresden. H. Ermisch.
Durch die Redaktion der Grenzboten ist uns ein in .labry-. 1S92
Bd. I No. 11 (S. 544—547) erscliienener kleiner Aufsatz von K. I'.runs
in Torgau: „Zeichnet Stammbäume" mit der Bitte um Abdruck
übcrsandt worden. Obwohl wir dieser Bitte Avegen Mangels au Raum
und in Rücksicht auf die speziellen Zwecke unserer Zeitschrift nicht
entsprechen können, nehmen Avir doch gern die Gelegenlieit wahr, um
auf den von einem Juristen gesclniebeueu beherzigensAverten Artikel,
der aus praktischen Avie idealen Gründen die Anlegung von F a m i 1 i e n-
170 Litteratur.
stai>iml)äuraen aneiiipüelilt, aufmerksam zu machen. Ist flocli in
der That die so weit verbreitete Unwissenheit über die eigenen
Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse in jeder Hinsicht sehr be-
dauerlich, selbst abgesehen von den üblen Folgen, die sie zuweilen
nach sich ziehen kann. — Im Zusammenhange damit mag auf einen
A'om Amtsrichter Georg Conrad in Neidenburg verfafsten Ai;fruf:
„Sorgt für die Erhaltung der Familiennachrichten!" hin-
gewiesen werden, der aus dem Neidenburger Kreisblatt im Deutschen
Herold Bd. XXIII (1892) No. 2 S. 27 wieder abgedruckt worden ist;
als Mittel zur Erhaltung von Familiennachrichten bringt er die An-
legung von Aktenstücken bez. Mappen für jedes Familienmitglied in
Vorschlag — ein einfaches Verfahren, das allerdings für viele nicht
neu sein wird. j^ -o
ö
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschiclite und Altertumskunde*).
Arras, P. Aus dem Tagebuche eines sächsischen Artilleristen:
Wöchentl. Beil. zu den Bautzner Nachrichten. 1891. No. 3 — 5.
7—12. 15. S. 11 f. 15 f. 18 f. 26 f. 3Ü f. 34. 39. 43. 47. 58—60.
— Zwei Ablafsbriefe für die Marien- und Marthenkirche zu Bautzen
(1494): ebenda No. 50 S. 199 f.
— Drei urkundl. Beiträge zu dem Streite zwischen Bautzen und
Kamenz über den Salzmarkt (1506): Neues Lausitz. Magazin.
Bd. LXVII (1891). S. 240-246.
Baumgärtel. Die älteste Karte der Oberlausitz : ebenda S. 247— 250.
— Die Bautzener Wasserkünste : Wöchentl Beilage zu den Bautzner
Nachrichten. 1891 No. 9 f. S. 35 f. .39 f.
— Die ältesten Feuerordnungen Bautzens : ebenda No. 27 — 31. S. 107 f.
Ulf. 115 f. 119 f. 124.
Bär, A. Der Tauf- oder Heidensteiu bei Lauterhofen: Glückauf!
Organ des Brzgebirgsvereins. Jahrg. 11 (1891). S. 24—26.
Beck, Martin. Sächsische und Thüringische Städte in einem Keise-
führervon 1671: Wissenschaft!. Beilage der Leipz. Zeitung. 1891.
No. 123 f. S. 489-496.
/^v. Carloivitz, O. R.J Nachträge zur Familien-Geschichte aus dem
Archiv der Familie von Carlowitz bis zum 13. Dezember 1891.
Dresden, Rammingsche Buchdruckerei. 1891. 72 SS. 8".
*) Der Herausgeber bittet angelegentlich die Herren Verfasser,
Verleger und Redakteure, durch Zusendung der neu erschienenen
Publikationen auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte, besonders
solcher, die leicht der Beachtung entgehen, wie Gelegenheitsschriften,
Programme, kleinere Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften, zur
Vollständigkeit der bibliographischen Übersichten beitragen zu wollen.
Litteratur. 171
Distel, Th. Ein Gedicht Ulrich Königs: Yierteljahrsschrift für Lit-
teraturgeschichte. IV (1«H1). S. 578— 5H:^.
— BestaUungsdekret für Handels Vater zum Sachsen -AVeifsenfelsi-
schen Leibchirurgen (l(i88): Monatshefte für Musikgeschichte.
Jahrg. XXIII (1891). S. 109 f.
— Ein kursächsischer JMusikus [Corn. Hermann] als lateinischer
Dichter (1W6): ebenda Jahrg. XXIV (189-!). S. la.
— Therese Mengs und ihre Corregiokopien in Dresden: Zeitschrift
für bildende Kunst N. F. II (1891). S. ;<i79 f.
— Ein Schreilien des Mitregenten Friedrich August II. zu Sach-
sen, Zeichnungen zu Dante betr : ebenda N. F. III (1891/9;^). S. 47.
— Weidmännisches unter Kurfürst August zu Sachsen: AVeidmann.
XXIII (1891/9;:!). S l;U.
— Jagdgeschichtliche Findlinge: ebenda S. 16(1.
— Eine Kopie des Krell'schen ]\Ioiitzporträts von Heinrich Gödiug
auf dem Königsteine: Pirnaer Anzeiger. 1891. Nr. 190. S. (i.
— Die Harmonika am kursächsischen Hofe: ebenda Xr. 2.öO. S. 5.
— Eine Reforraationsmedaille vom Jahre 18.30 als Corpus delicti:
Blätter für Münzfreunde. 189:2. No. 179. Sp. 1711 f.
Dreher. Das Auerthal in Vergangenheit und Gegenwart: Glückauf!
Organ des Erzgebirgsvereins. Jahrg. 11 (1891). S. 9;5 — 99.
103—108.
Erbstein, J. Ein Wolkensteiner Brakteat der Herren von Waldeu-
burg: Aus Dresdner Sammlungen. Heft 4 (1891). S. 8 — 14.
— Der breite Gemeinschaftsthaler des Kurfür.sten Friedrich des
Weisen von Sachsen und seines Bruders, des Herzogs Johann,
von 1.0:2.3 und deren Buchholzer Dickthaler von l'ri't: ebenda
S. 17— ;a.
— Der Leipziger Thaler Herzog Georgs zu Sachsen von 1532:
ebenda S. 22 — 2.5.
— Der Sächsische Gemeinschaftsthaler von 1542 mit des Herzogs
Moritz Bildnis im Federhute : ebenda S. 2(>— 32.
— Ein Goldgulden des Kurfürsten Moritz von Sachsen vom Jahre
1548: ebenda S. 32— .37.
( — ) Neuere Porträtmedaillen des Sächsischen Königshauses: ebenda
S. 81 f.
Franz, Paul. Der sächsische Prinzenrauh im Drama des sechzehn-
ten Jahrhunderts. Inaugural-Dissertation u. s. w. Marl)urg. 1891.
.36 SS. 4".
Frhr.v. Gablenz, Heim: Zur Geschichte der v. Gablenz: Viertel-
jahrssohrift für Wa])pen-. Siegel- und Familienknnde. Jahrg. XIX
(1891). S. rx24— ö.3().
Gehiniich, Ernst. Das ländliche Schulwesen des Erzgebirges im
1 6. Jahrliundei't. Ein Beitrag zur Schulgesdiichte Sachsens : Wissen-
schaft!, licilage der Leipz. Zeitung. 1892. Nu. 9. S. 3.3— .3ti.
Geß, Fei. Ein Gutachten Tetzels nebst anderen Briefen und In-
struktionen den Ablafs auf St. Annaberg betr. ir)l()/17: Zeitschrift
für Kirchengeschicbte Bd. XII (1891). S. 5.34—5(12.
— Herzog Georg, Kurfürst Joachim I. und Kardinal Albrecht: obouda
Bd. XIII (1.S!I2). S. 119 125.
— Bittschreiben Michel Blums in Leipzig an Herzog Georg vom
25. Nov. 1525: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhamlels.
XV (189;2). S. 310-312.
173 Litteratur.
Glitsch, A. Versuch einer Geschichte der liistorischen Samnihing'en
/Archiv, Bibliothek, (jemäldesammlung') der Brüder- Uni tat. Herrn-
hut, Unitätsarchiv. 1891. 40 SS. 8»
H., J. Sächsische Adeltänze im 1(). und 17. Jahrhundert: Wissen-
schaft!. Beil. der Leipz. Zeitung. 1891. No. l.il. S. 5^!;3 f.
-ff., M. Das Lauenthor und die Lauengasse: Wöchentl. Beilage zu
den Bautzener Nachrichten. 1891. iNo.-;i5. S. 100.
Haun, Friedr. Joh. Bauer und Gutsherr in Kursachsen. Schil-
derung der ländlichen Wirtschaft und Verfassung im Ki., 17. und
18. Jahrhundert, (a. u. d. T. Abhandlungen aus dem staatswissen-
schaftl Seminar zu Strafsburg. Heft IX). Strafsburg, Trübner.
189:<!. XI, 2-21 S8. 8».
Frhr.v. Hausen, Clemens. Vasallen-Geschlechter der Markgrafen zu
Meifsen, Landgrafen zu Thüringen und Herzoge zu Sachsen bis
zum Beginn des 17. Jahrhunderts (Forts.): Vierteljahrsschrift für
Wappen-, Siegel- und Familienkunde. Jahrg. XIX (1891). S. o93
bis 464. Jahrg. XX (189:2). S. 73—149.
Heintze, J. Johann Friedrich Böttger als Chemiker: Meifsner Tage-
blatt. 1891. No. :<!44. (Auch separat.)
Henbner, J. L. Kurze Geschichte der Parochie Mylau. 2 Aufl.
mit Fortsetzung der Geschichte der Parochie bis zum Jahre 1890
besorgt von Ludw. Schlag. Mylau 1890. III, 104 SS. 8».
Heyäenreich , Ed. Die geistigen Bestrebungen der Residenzstadt
Dresden und ihrer Umgebung zur Zeit Winckelmanns : Wissen-
schaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1891. No. 101. S. 401—404.
— Aus der Geschichte des alten Schneeberger Lyceums : ebenda No. 129.
S. 51.3 f.
— Kurze Geschichte des Schneeberger Lyceums: Festschrift des
Königl. Gymnasiums mit Realklassen zu Schneeberg. (Schnee-
berg 1891.) S. III— X.
— Mitteilungen aus den Handschriften der alten Schneeberger Ly-
ceumsbibiiothek : ebenda S. 40—48.
Holzhaus, A. Unser Erzgebirge in schwerer Not, ein Städtebild
aus dem dreifsigjährigen Kriege: Glückauf! Organ des Erzge-
liirgsvereins. Jahrg. 11 (1891). S. H7— 70. 85—81. 91—93.
Kade, Reinhard. Winckelmann in Dresden: Dresdner Anzeiger.
1891. No. 843. S. 37 f.
Kaemmel, Otto. Grundzüge der Sächsischen Geschichte für Lehrer
und Schüler liüherer Schulen. Dresden, Alw. Huhle. 1892. IV,
72 SS. (und eine Karte). S».
Kirchhoff\ Albr. Christoph Birck, Buchbinder und Buchführer in
Leipzig 1534—1578: Archiv für Geschichte des Deutschen Buch-
handels XV (1892). S. 11— H2.
— Die kaiserlichen Bücher-Privilegien in Sachsen: ebenda S. 73—102.
— Lesefrüchte aus den Akten des städtischen Archivs in Leipzig.
VI. Miscellen zum Buchhandels-Recht und -Brauch: ehenda S. 189
bis 297 vergl. 322 f.
— Censorenüberhebung in Sachsen 1705: ebenda S. 315—317.
— Moritz Georg Weidmann und Peter Schenck: ebenda S. 317 f.
— Kalenderprivilegien: ebenda S. 318.
— Einführung von Schulbüchern: ebenda S. 320—322.
Kirchhoff, Alfr. Die territoriale Zusaunuensetzung der Provinz
Sachsen (mit Karte"): Archiv für Landes- und Volkskunde der
Provinz Sachsen. Jahrg. I (1891). S. 1—18.
Litteratur. 173
KHx-Kamens, F. F. Albreclit Adolpli Tjevin v. Metzsch . K. S.
Major. Originalbriefe aus den Jahren 1809 und 1812: Wissen-
scliaftl. Beil. der Leipz. Zeitung. 1891. No. 121. S. 481—484.
Knothe , H. Die Hunde in den Rechtsaltertümern der Oberlausitz:
Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXYII (1891). S. 234-:<!4u.
— Zur ältesten Geschichte der Pfarrei Grottau : Mittheil, des Nord-
böhm. Excursions-Clubs. Jahrg. XIY (1891). S. 289—291.
— Die alte Landstralse von Zittau bis Ostritz vor sechzig Jahren:
Zittauer Nachrichten und Anzeiger. 1891. No. 284—286.
Köhler, E Ein uralter erzgebirgischer Erwerbszweig [Köhlerei]:
Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. Jahrg. 11 (1891). S.W)
bis 6.-3.
Korscheit, G. Die Tage vor, während und nach der Schlacht bei
Bautzen: Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXVII (1891). S. 203—223.
Krnber, F. E. Wie ein erzgebirgisches Kirclidorf [Oberpfannenstiel]
entstand: AVissenschaftl. Beil. der Leipz. Zeitung. 1892. No. 19.
S. 73-75.
Kühnel, F. Die slavisclien Orts- und Flurnamen der Oberlausitz
(Fortsetzung): Neues Lausitz. Magazin. Bd. XL VII (1891). S. 43
bis 126.
G-raf V. Leiningen, A. Schöneck und seine Bewohner im vorigen
Jahrhundert: Wissenschaft!. Beil. der Leipz. Zeitung. 1891. No. 104.
S. 413 f.
Liersch, C. Nachrichten über Tracht und Sitten der Slaven und
Germanen aus dem 6. Jahrh. n. Chr.: Jhtteilungen der nieder-
lausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Altertumskunde. Bd. II.
Heft 2 (1891). S. 1.54—161.
Lindner, Felix. Bostocker Findlinge [u. a. Gedichte des kursächs.
Hofpoeten Ulr. König] : Vierteljahrsschrift für Litteraturgescbichte.
Bd. IV (1891). S. 582-593.
lAppert, Wold. Markgraf Wilhelm von Meifsen und Elisabeth von
Mähren : Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen
in Böhmen. XXX (1892). S. 93—127. 303—306.
Lfungwijtz , H. Beiträge zur Geschichte des Erzgebirges: Anna-
berger Wochenblatt. 1891. No. 251.
Frhr. v. Mansberg, Eich. Die Grafschaften Eochliz und Groitsch
im Gaue Chutizi (Schlufs) : Wissenschaftl. Beil. der Leipz. Zeitung.
1891. No. 99. S. .393-396.
MeUer. Geschiclite der Kii-che von Alt- und Neugersdorf. Zur Jubel-
feier des 150jälirigen Bestehens der jetzigen Kirche am 23.
und 24. September 1888. (Neugersdorf, Teller cSl Bofsberg.)
18 SS. 8«.
Meyer, F. Herrn. Das Verfahren gegen J ohann Gottlieb Gleditsch :
Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels. XV (1892).
S. 318 f.
Meyer, E. Geschichtliches des Dorfes Strehlen : Dresdner Anzeiger.
1892. No. 365.
Müller, Georg. Melanchtlions EntAvurf zu einem Briefe Kurfürst
Augusts an die Königin Elisalietli: Zeitschrift für Kirclienge-
schichte. Bd. XII (1H91). S. ()21-621.
Müller, Gustav. Dresdner Bildhauer. IX [Gottfr. KnöftlerJ : Dresdner
Anzeiger. 1892. No. 4. S. 37.
— Das Altarbild in der Kreuzkirche: ebenda No. 5.3. S. 17.
174 Litteratur.
V. Mülverstedt , G. A. Ein verscliolleiies Aclelgesclilccht der Ober-
lausitz in Preufsen. Nebst einigen Gedanken über die Nationali-
tät alter oberlausitz. Adelsgeschlechter: Neues Lausitz. Magazin.
Bd. LXVII S. 147-192.
Needon, K. Heimische Flurnamen: Wissenschaftl. Beil. der Leipz.
Zeitung. 1891. No. VZO. S. 477- 4T9.
Neefe, Konrad. Eine Erinnerung aus dem alten Dresden (Signal-
geben und Instrumentalmusik der Nationalbürger- und Konimunal-
garde in Dresden): Dresdner Anzeiger. 1892. No. 70 f.
Nestler, M. J. Körnerberg und Schillerhaus in Loschwitz bei Dres-
den. Chrouikartig geschildert und als ein Beitrag zur Lokalge-
schichte der unmittelbaren Umgebung von Dresden herausg.
Dresden, G. Goldstein. 1891. 4;^ SS. 8».
Neuhauer, E. Die Wahl des Herzogs August von Sachsen zum
Koadjutor des Erzstifts Magdeburg im Dezember 1625 : Neue Mit-
teilungen a. d. Gebiet histor.-antiquar. Forschungen. Bd. XVIII
(1891). S. 1—22.
Neumeister. Die .Jagdliste des sächsischen Kurfürsten Johann
Georg II. : Dresdner Anzeiger. 1892. No. 7.3. S. H9 f.
Nitzsche, H. W. Der grofse Npnnenfrafs im Voigtlande zu Ende
des vorigen Jahrhunderts: Österreich. Forstzeitung. Jahrg. 9
1891). S. 167 f. 175 f. 181 f. 187 f.
Oertcl, Gr. Zum Gedächtnisse Johann Georg des Dritten: Wissen-
schaftl. Beil. der Leipz. Zeitung. 1891. No. 109. S. 433-486.
Pilh. Georg. Fehden und Räubereien im 15. Jahrhunderte (Schlufs) :
Über Berg und 'J'hal. Jahrg. 14 (1891). S. 173-175.
— Die Schlösser Helfenberg und Schönfeld: ebenda S. 198—201.
PföschelJ. Langenwolmsdorf zm- Zeit des 30 jähr. Krieges (Vortrag) :
Beilage zum Stolpener Volksfreund. 1891. No. 13 — 15.
Richter, Otto. Dresdner Strafsenansichten vom Jahre 1678. Nach
Gabriel Tzschimmers Kupferwerk „Die dui'chlauchtigste Zusammen-
kunft". Mit Einleitung und Erläuterungen. Für seine Mitglieder
herausgegeben vom Verein für Geschichte Dresdens. Dresden,
Lichtdruck von Stengel & Markert. 1892. 18 Bll. qu. fol. u.
21 SS. fol.
Rüge, S. Der Winterberg: Über Berg und Thal. Jahrg. XV (1892).
No. 23. S. 21.5—219. 227-2.33.
S. Die Lauengasse zu Bautzen : Wöchentl. Beilage zu den Bautzener
Nachrichten. 1891. No. 24. S. 95 f.
Scheuner R. Brakteatenfuude in der Oberlausitz (mit 1 Tafel):
Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXVII (1891). S. 193—201.
— Ein Groschenfund in der Oberlausitz : Zeitschrift f. Numismatik,
herausg. von v. Sallet. Bd. XVII (1891). S. 287—289.
Schleusner, G. Zu den Anfängen protestantischen Eherechts im
16. Jahrhundert. Mitteilungen aus gleichzeitigen Akten. IV.
Entscheidungen des Wittenbergei- Konsistoriums: Zeitschrift für
Kirchengeschichte. Bd. XIII (1892). S. 130-162.
Schmoller, G. Die geschichtliche Entwickelung der Unternehmung.
IX. Die deutsche Bergwerksverfassung 115U — 1400. X. Desgl.
1400—1600: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volks-
wirtschaft im Deutschen Reiche. Jahrg. XV (1891). S. 660—710.
963—1029. [Betrifft namentlich den sächs. Bergbau.]
Sehnecke, Rieh. Dresden und seine öffentlichen Gebäude und Denk-
mäler auf Münzen und Medaillen: Aus Dresdner Sammlungen.
Heft 4 (1891). S. 74—80.
Litteratur. 175
Schulte, W. Eine Reise durch .Sachsen vor neunhundert Jaliren:
Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1892. No. 14. S. ö.'j
bis 56.
Schurig, E. Die Dresdner Wachtparade, eine historische Skizze:
Der Kamerad. Jahrg-. XXX (189:i). No. ;>— 4.
Schivarz, Sehald. Anfänge des Städtewesens in den Elb- und Saale-
gegeuden: Leipzig, Fock. 1892. 5(i SS. 8".
Seelig, Th. Festzeitung zur Feier des .öo jährigen Bestehens der
Haidemühle. Dresden (1891). 8 SS. 4».
}•. Seidlitz, W. Die Spitznersche Sammlung Altmeifsener PorzeUane:
Kunstchronik. Neue Folge. Jahrg. II (1891). Sp. .356— 3«1.
875—380. 4U8f.
Siegel, Eduin. Zur Geschichte des Posamentiergewerbes mit beson-
derer Rücksichtnahme auf die erzgebirgische Posamentenindustrie.
Nach zahlreichen gedruckten und handschriftlichen Quellen. Mit
18 Abbildungen. Annaberg, Graser. 1892. ¥111,126 88.8".
Siegert, Gust. Bilder aus der Heimatsgeschichte Leipzigs. Für
Schule und Haus Leipzig, R. Voigtländer. 1891. 45 SS. 8".
Sperling, Oscar. Herzog Aibrecht der Beherzte von Sachsen als
Gubernator Frieslauds. Abhandlung zu dem Jahresberichte des
Königl. Gymnasiums zu Leipzig auf das Schuljahr 1891/92. Leip-
zig 1892. 52 SS. 40.
Steche, B. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der Königl.
Staatsi'egierung herausgegeben vom Königl. Sachs. Altertumsver-
eine. Fünfzehntes Heft: Amtshauptmannschaft Borna. Dresden,
C. C. Meinhold & Söhne (Komm). 1891. 121 SS. 8". ,
Tetzner, F. Die Entstehung der ältesten sächsischen Schulen im
1.3. und 14. Jahrhundert: AVissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung.
1891. No. 114. S. 453-455.
Theile, F. Das Dehn-Rothfelser Denkmal: Über Berg und Thal.
Jahrg. 14 (1891). S. 201—204.
Türke. Sachsens mächtigste Orgel, ein Kleinod in der Kirche zu
St. Marien in Zwickau: Sächsische Schnlzeitung. 1891. No. 32 f.
39 f. S. 394— .396. 406-408. 484 f. 500-504.
Vetter, Pmil. Luther, Jonas und Melauclithou an Herzog Heinrich
von Sachsen (Wittenberg 25. Nov. 1539): Zeitschrift für Kirchen-
geschichte. Bd. XII (1891). S. 620 f.
Voigt, Friedr. Alb. Die ältesten Herren von Droyfsig. Nach archiva-
lischen Quellen bearbeitet: Vierteljahrsscbrift für Wappen-, Siegcl-
und Familienkunde. Jahrg. XIX (1891). S. 79-320.
Wilsdorf, Oscar. Gräfin Cosel. Ein Lebensbild aus der Zeit des
Absolutismus. Nach historischen (Jucllen bearbeitet. Dresden
und Leipzig, Minden. 189:i. 78 SS. 8".
fWunder, H.J Die Ecce der Fürsten- und Landesschule Grimma in
den Jahren 189o und 1891. XlTl. Heft des Giimmaischcn Ecce.
Grimma. 1891. 71 SS. 8".
Wuttke -Biller, Hob. Eine kursächsische Valvation der Schrecken-
berger von 1622: Ans Dresdner Sammlungen. Heft 4 (1891).
S. 50—68.
FrJir. V. Zedtwitz. Arthur. | Die \Vai)pcn der im Königreich Saclisen
blühenden Adelsfamilien: Frhr. Lcuckart v. W'eifsdorf - v.Nitsch-
witz]: Dresdner Residenz-Kalender für 1892. S. 175-186 mit 6
^rafeln.
176 Litteratur.
r. Zöltoii'Sld, Stcmisl. Die Finaiizeu des Herzogtums Warsclian
(18ü(>— 1815) vorzugsweise nach archivalischen Quellen bearbeitet.
Zweites Bändchen. Posen 1892. V, 117 SS. 8'^ und 7 Tabellen.
Die Dreikönigskirche (in Dresden-Neustadt): Dresdner Anzeiger.
1891. No. 34:^ S. 29.
Das sächsische Sandsteinbrechergewerbe: Wissenschaft!. Beilage der
Leipz. Zeitung. 1892. No. 16 f. S. Hl— «.3. (i;V-68.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. Bd. III
Heft 1. Meifsen, Mosche (Komm.). 1891. S. 1—156. 8».
Inhalt: Mann, Die Verlegung der Leipziger Universität nach
Meifsen. Wolf, Die Meifsner Ofeniudustrie. Leicht und
Granz, Meifsner Inschriften und Abzeichen. Loose, Die Topo-
graphie der Stadt Meifsen (mit 2 Plänen).
Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein mit Bildern aus Frei-
herger Vergangenheit. HeraiTSgegeben von Heinrich Gerlach..
27. Heft: 1890. Freiberg i./S., Gerlach"sche Buchdruckerei. 1891.
XVI, 104 SS. 8".
Inhalt; J. A. Fr. Lingke, Die Familie Lingke, ein altes Frei-
berger Patrizier-Geschlecht. Hey den reich. Ein Humanist des
16. Jahrhunderts üjjer die Freiberger Sage vom ungeratenen
Sohne. Nebst einem Anhang. R. Kade, Wolfgang Leopold, ein
Freiberger Kind, der Erzieher des Herzogs Christoph von Mecklen-
burg 1552. H. Gerlach, Der 800jährige Bleibarren im Frei-
berger Altertums-Museum. Derselbe, Freiberger Bauchronik.
Knebel, Karl Theodor Körner in Freiberg.
VII.
Die Zerstörimg der Burg Eoliiiau bei Zittau
durch die oberlausitzischen Seclis-
städte (1399).
Von
Herinauu Kiiothe.
Oft schon und mit besonderer Vorliebe ist die Zer-
störung der „Raubburg-" Rohnau von den oberlausitzischen
Historikern erzählt worden. Infolge von Benutzung wei-
teren Quellenmaterials lälst sich aber jetzt von den darauf
bezüglichen Einzelheiten ein noch anschaulicheres Bild
entwerfen, und durch Einordnung in den Gang der lang-
jährigen politischen Streitigkeiten zwischen den verschie-
denen Grliedern des Luxemburgischen Königshauses gegen
Ende des 14. Jahrhunderts gewinnt jene einzelne Begeben-
heit auch eine allgemeinere Bedeutung.
Die Burg Eohnau bildete seit ältester Zeit den
Mittelpunkt einer gleichnamigen Herrschaft, deren Haupt-
ort Hirschfelde an der Neilse war, urid zu der aulserdem
die Dörfer Dittelsdorf, Rosenthal, Schlegel, Burkersdorf
auf dem linken, Seitendorf, Dornhennersdorf, Türchau,
Reichenau, Markersdorf und Lichtenberg auf dem rechten
Ufer des Flufses gehörten. Ihre Gründung und ihren
Namen (Rouoav, Ronaw) verdankt sie jedenfalls einem
der zahlreichen Nachkommen des altczechischen Edeln
Hron, die sich nach ihren Besitzungen verschieden be-
nannten. Derselben Linie, wie Rohnau, geliiU'te auch die
dicht angrenzende, noch Aveit umfangreichere Herrschaft
Neues Archiv f. S. U. u. .\. XUl. i. 4. lü
178 Hermann Knothe:
Zittau, und nach dieser wurden ihre Besitzer, seitdem sie
in der Geschichte auftreten, zuerst „Herren von Zittau",
später nach ein er anderen Herrscliaft „Herren von L e i p a "
genannt. Immer blieben die beiden Herrschaften Zittau
und Rohnau vereinigt, auch dann, als sie 1319 Heinrich
von Leipa an König Johann von Böhmen abgetreten
hatte. Seitdem war Rohnau bis gegen Ende des 14. Jahr-
hunderts eine 1 a n d e s h e r r 1 i c h e B u r g , welche von „Kastel-
lanen" oder „Burggrafen" gehütet und nebst den zuge-
hörigen Ortschaften, soweit diese nicht an ritterliche
Vasallen zu Lehn vergeben oder an geistliche Stifter
„geeignet" waren, verwaltet wurde.
Der „Bnrgstall" Rohnau, wie er in den Urkunden
heifst, war ein weniger auf Wohnlichkeit, als auf Festig-
keit und Sicherheit berechneter Bau. Er sollte sowohl
die von Görlitz über Rosenthal, als die von Friedland
über Seitendorf nach Hirschfelde und weiter nach Zittau
führende Strafse beherrschen und schützen. Er erhob
sich mitten aus dem dichten Walde auf einem rings von
Thalsenkungen abgegrenzten Hügel, Ein tiefer, von einer
1 — 1 ^,'2 Ellen starken Mauer, umschlossn er Wallgraben
zog sich rings um die Burg. Über ihn führte von Süden
her eine Zugbrücke in den SchloMof, den eine zweite,
noch höhere, 2 — 3 Ellen starke und mit Brustwehren,
sowie mit einem Wachtturm versehene Mauer umgab.
Dieser Schlolshof, 210 Ellen lang und 92 Ellen breit,
enthielt aulser mehreren nur aus Holz aufgeführten Neben-
gebäuden, als den Pferdeställen und Vorratshäusern ver-
schiedener Art, nur ein einziges, auf den Fels gebautes,
viereckiges Hauptgebäude mit zum Teil 4 Ellen dicken
Mauern. Die Fenster waren der grölseren Sicherheit
wegen erst in bedeutender Höhe angebracht; wenigstens
zeigen die noch stehenden Ruinen der Hauptmauer selbst
in einer Höhe von 12=^4 Ellen noch keine Spur von den-
selben. Ein 75 Ellen tiefer, in den Fels gearbeiteter
Ziehbrunnen mit noch jetzt 30 Ellen Wasserstand ver-
sorgte die Burg und ihre Bewohner reichlich mit Wasser.
Von einem gegen Süden gelegenen Vorwerk (Underronoiv)
aus wurden die zugehörigen Felder bewirtschaftet; an
diese Felder schlois sich eine Schäferei, aus welcher
später das Dorf Scharre (Sdierre) entstanden ist. Hier
mündete der einzige von der Burg ausgehende Fahrweg
auf die von Seitendorf nach Hirschfelde führende Strafse,
während man auf einem steilen Reitwege von der Burg
Die Zerstörung der Burg Rolmau bei Zittau. 179
hinab an die nalie Neifse und mittels einer Furt unweit
der ebenfalls zur Burg g-ehörigen Hirscbfelder Mühle
schnell auch auf die Strafse von Görlitz nach Hirschfelde
gelangen konnte.
Mit dieser Burg und den freilich nur noch wenigen
unmittelbar unter den Landesherren stehenden, d. h. nicht
verlehnten, geeigneten oder verpfändeten Resten der Herr-
schaft Rohnau belehnte nun 1389 König Wenzel von
Böhmen Herrn Anshelm von Rono w auf Sandau, stam-
mend aus einer Nebenlinie der einstigen Herren von Leipa.
So gehörte seitdem die Burg Ronow einige Jahre lang
wieder einem Herrn von Ronow, einem Nachkommen
ihres Erbauers. Wie schon früher bei Kaiser Karl IV.,
so stand „Herr Anshelm" auch bei dessen Söhnen, König
Wenzel und besonders bei Herzog Johann von Görlitz,
in hoher Gunst. Letzterer, dem nach des Vaters Tode
auch die Niederlausitz zugefallen war, hatte ihn 1380
zum Landvogte dieses Landes, 1386 auch zu seinem Mar-
schall gemacht und übertrug ihm 1391 die Landvcgtei
in seinem Herzogtum Görlitz. Aber auch König Wenzel
verpfändete 1390 ihm und seinem Bruder Przedebor für
vorgestreckte 930 Schock Groschen die Landvogtei in
dem Weichbild Zittau, zu welchem Rohnau gehörte, und
gestattete ihm, auch den schon von Karl IV. um 830
Schock Groschen verpfändeten Zoll zu Zittau nebst ^/^
vom Erbgericht dieser Stadt an sich zu bringen; ja er
schenkte ihm 1394 sogar das „Kaiserhaus" zu Zittau,
bisher das Absteigequartier der Landesherren. So war
Anshelm jetzt Vogt zu Görlitz und zu Zittau und
residierte bald auf seiner Burg Rohnau, bald auf seinem
Kaiserhaus in Zittau, hielt „Tage" ab zu Hirschfelde
und Ostritz, erteilte Lehen und führte Kriegszüge gegen
störrische oder räuberische Rittersleute. Die Burg Rohnau,
so wenig Gelais und häusliche Bequemlichkeit sie bieten
mochte, war jetzt die landvogteiliche Residenz für zwei
Weichbilde geworden. 139;^ hielt daselbst Anshelms
Gemahlin ihr Wochenbett ab, bei welcher Gelegenheit
ihr der Görlitzer Rat Bier und Wein zur Verehi-ung
sendete. Nach ihrem Tode hielt Anshelm 1395 anderweit
Hochzeit in Zittau in Gegenwart des Adels von beiden
AVeichbilden , sowie des Bürgermeisters von Görlitz und
der Ratsherren von Zittau. Bald darauf aber zog er
wieder auf seine Burg Rohnau.
Da fiel er plötzlich, noch in demselben Jahre, bei
12*
180 Hermann Knothe:
König Wenzel in Ungnade. Man kennt nicht die nähere
Veranlassung; es fehlen leider von Mitte 1390 bis Mitte
1398 die Görlitzer „Ratsrechnungen", die wichtigste
Quelle für die innere Geschichte der Oberlausitz, ja zum
Teil selbst Böhmens und der Niederlausitz, in jener Zeit.
Wahrscheinlich hatte er in den immer schärfer sich ge-
staltenden Zerwürfnissen zwischen König Wenzel und
dessen Bruder, Johann von Görlitz, zu letzterem gehalten.
Der König nahm ihm die Zittauer Landvogtei und setzte
(24. Oktober 1395) einen anderen Landvogt ein. Als
nun bald darauf (1. März 1396) Herzog Johann plötzlich
starb und dessen Herzogtum Görlitz an den König fiel,
verlor Anshelm von Bonow auch diese Vogtei. Da durfte
er wohl mit Recht auch um seine Burg und Herrschaft
Rohnau besorgt sein. Er verkaufte sie eiligst an
Hinko (IL) Berka von der Duba, Herrn auf Hohn-
stein bei Stolpen, neuerdings Landvogt der Nieder-
lausitz ^), welche nach Herzog Johanns von Görlitz Tode
Markgraf Jost von Mähren, Vetter des Königs Wenzel,
an sich gebracht hatte. Nach der Niederlausitz, wo
ihm noch von früher her die Herrschaft Lieberose ge-
hörte, begab sich jetzt auch Herr Anshelm und ward
seitdem der eifrigste und erfahrenste Parteigänger des
Markgrafen Jost. Die Ansprüche übrigens, welche er
noch an der Landvogtei und dem Erbgericht Zittau be-
safs, mufste auf des Königs Befehl diese Stadt ablösen
(8. August 139G) und den beiden Brüdern von Ronow
die oben erwähnten 930 und 870 Schock Groschen aus-
zahlen oder bis auf weiteres wenigstens die jährlichen
Zinsen davon entrichten. So gelangte Zittau in den
Besitz dieser wichtigen Rechte und Einnahmequellen.
Obgleich unmittelbar nach Herzog Johanns von
Görlitz Tode König Wenzel mit seinem ehrgeizigen und
ränkesüchtigen Vetter, dem Markgrafen Jost, in bestem
Einvernehmen zu stehen schien, trat doch alsbald die alte
Zwietracht zwischen ihnen wieder zu Tage. Berka, Josts
Landvogt in der Niederlausitz, hatte die jetzt ihm ge-
hörige Burg Rohnau mit seinen eignen Leuten, wohl
Niederlausitzern, besetzt. Diese hatten nun nach
^) Nicht an Markgraf .Tost; wenigstens bekannte Berka den
21. Dezember 1399, daft er dem Anshelm von Ronow noch 2oO Srhock
üroschen (also doch wohl für Rohnau) schuldig sei. Über diesen
Berka vergl. diese Zeitschr. 11, 196.
Die Zerstönmg der Burg Tlolmau bei Zitta\i. 181
Art des damaligen iiiederlausitzisclien Adels gelegentlich
auch einen „Zugriff" auf die mit Kaufmannsgut beladenen
AVagen der Zittauer und Gürlitzer an dem steilen Rosen-
tlialer Berge, den sie passieren mufsten, getlian. Schon
den 11. November 1396 setzte König Wenzel die Sechs-
städte davon in Kenntnis, dafs sowohl Markgraf Jost,
als „der von Hohnstein" d. h. Berka, ,,gar in Ungutem
von ihm (dem Könige) geschieden und seine Feinde ge-
worden seien". Und da er wohl unterrichtet sei, dals
die genannten Herren von dem Burgstall Rohnau aus
Lande und Städte auf den Stralsen zu leidigen meinten,
wie besonders Zittau geklagt habe, so habe er seinem
Landvogt über die Oberlausitz, Heinze Pflug (auf Raben-
stein) befohlen, Rohnau in seine (des Königs) Hände
zu bringen. Daher gebiete er hiermit sowohl den
Mannen als den Sechsstädten bei Strafe an Leib und
Gut, auf Ermahnung des Landvogts sofort zu Fufs und
zu Rofs, mit allen „Forschen"'-) und Handwerkern auf
zu sein und ihm die Burg unterthänig machen zu helfen.
— Wir erfahren nicht, weshalb es damals zu einem solchen
allgemeinen Aufgebot gegen Rohnau noch nicht gekom-
men ist.
Die Differenzen aber zwischen König Wenzel und
Markgraf Jost dauerten fort, und in der Niederlausitz
herrschte infolge derselben allgemeines Zerwürfnis. Die
Städte daselbst wünschten wieder mit Böhmen vereinigt
zu werden; der Adel dagegen hielt es mit dem Mark-
grafen. Schon sollte ein böhmisches Heer unter Mark-
graf Prokop, dem Bruder von Jost, welcher aber auf
Seite König Wenzels stand, den niederlausitzischen Städten
zu Hilfe kommen und sie wieder an die Krone Böhmen
bringen helfen. Schon war dieses Heer bis in das Weich-
bild Zittau vorgerückt; aber die oberlausitzischen Städte,
obgleich gut königlich gesinnt, fürchteten mit Recht den
Durchzug der zügellosen Truppen durcli das Land. Nach
wiederholten Verhandlungen mit Prokop gelang es ihnen auf
einem Tage zu Hirschfelde (Woche vor dem 13. Juli 1390) •'),
2) D. h. Burschen, jungen Leuten.
") Die (rörlitzer Ratsrcciinungen , denen wir die mei.'^ten der
nachstehenden Einzelheiten zu entnehmen geliabt haben, verzeichnen
jeden Sonnabend die Ausgaben, web'hc sicli wiiliren(l der ganzen
Woche notwendig gemacht haben. Daher kann nur die Woclie, in
welcher, nicht der bestimmte Tag, au welchem sich eine Begebenheit
zugetragen hat, augegeben werden.
182 Hermann Knothe:
ilin durch Zusicherung „eines kleinen Gekles'* (näm-
lich von 20 Schock Groschen) dahin zu bringen,
„dals er das Land räumete", und als er nun in der
That über Lauban nach Schlesien abzog, sendeten sie
Boten an den Eat zu Lauban, „dafs sie sich vorsehen
sollten''.
Noch hatten bisher die Oberlausitzer in den Händeln
zwischen König AVenzel und seinem Vetter Jost nicht
offen Stellung genommen. Die Nötigung dazu brachten
endlich die Wirren in der Niederlausitz. Von dem dor-
tigen Adel sträubte sich nur Hans von Hakenborn
auf Priebus, Markgraf Jost als seinen Landesherrn an-
zuerkennen. Da „entsagten" ihm (Woche vor dem 2. No-
vember) Herr Johann von Kotbus und Herr Anshelm von
RonoAV und zogen sofort mit Heeresmacht gegen ihn.
Schnell ward das offene Städtchen genommen und ver-
brannt. Aber in dem festen Schlosse hielt sich Hakenborn
mit seiner schwachen Besatzung noch tapfer gegen die
„Bestürmung" der Feinde. Dieser Hakenborn nun hatte
sich längst schon mit den oberlausitzischen Sechsstädten
„verbrieft". Er sendete daher jetzt Boten um schleunige
Hilfe. Görlitz hatte ihm schon seinen „Büchsenmeister"
nebst einigen „Büchsen" (Kanonen) und Pulver, sowie
auch Pfeile und Häringe zugeschickt. Es wufste ihm
jetzt auch noch glücklich zwei Wagen mit Brot, Fleisch,
Bier, Schmalz, Speck und Pfeilen zukommen zu lassen.
Da schrieb denn aber auch sofort (Woche vor dem 9. No-
vember) der niedei'lausitzische Landvogt Berka an die
Oberlausitzer, der von Hakenborn beschädige Markgraf
Jost'sLand und Leute; die Oberlausitzer aber „thäten ihm
Hilfe dazu und förderten des Markgrafen Räuber. Ob
sie dies lassen wollten oder nicht?" Er bat um Antwort.
Die Städte hielten sich durch die „Verbriefung" mit
Hakenborn zur Hilfeleistung verpflichtet, und so antwor-
teten sie Berka, dals man Hakenborn helfen wolle. Einst-
weilen „tröstete man" diesen und liefe ihm durch Boten
sagen, „dafs er sich feste hielte". Auf einem Tage zu
Löbau erklärte sich auch der Landvogt Pflug für eine
„Heerfahrt nach Priebus". Allein nur die Städte
waren dazu bereit; der Adel versagte seine Teilnahme.
Er hatte soeben erst den Landvogt beim Könige verklagt,
so dafe derselbe sich von den Städten Zeugnis über seine
Amtsführung hatte erbitten müssen. Vorsichtiger Weise
holte der Vogt schnell noch die Genehmigung des Königs
Die Zerstörung der Burg Rohuau l)ei Zittiin. 183
zur Heerfahrt*) ein und betrieb zugleich eifrig eine „Eini-
gung"' mit Markgraf AVilhelm von Meilsen, dem Schwager
von Jost, zu Aufrechthaltung des Landfriedens, welche
auch (18. Dezember 1398) zu Stande kam.
Diese offene Unterstützung des von Hakenborn von
Seiten der Sechsstädte wirkte nun aber sofort auch zurück
auf das Verhalten der niederlausitzischen Besatzung in
der Burg Rohnau. Wir finden es begreiflich, das die-
selbe jetzt aufs neue die ihrem Markgrafen feindlich ge-
sinnten Zittauer auf den Stralsen zu berauben suchte,
wobei diese natürlich sich zur Wehre setzten. Da berief
(Woche vor dem 14. Dezember 1398) der Rat zu Zittau
eiligst einen Städtetag nach Löbau, ,,da sie grofse Not an-
rührte von Herrn Anshelm, der ihnen Scheltbriefe
gesendet hatte". Es werden Vorwürfe und Drohungen ge-
wesen sein wegen ihres Verhaltens gegen Rohnau. Man
beschlofs, den König sofort von dieser Einmischung des bei
ihm ohnehin schleclit angeschriebenen einstigen Besitzers
der Burg in Kenntnis zu setzen und sich vorsichtiger
Weise Verhaltungsmaisregeln von ihm zu erbitten. Zwar
nicht von dem schwer zugänglichen Könige, aber von
Markgraf Prokop, als seinem bevollmächtigten Landes-
verweser von Böhmen, erfolgte unter dem 23. Dezember
die erbetene Antwort. Derselbe befahl dem Adel sowohl,
als den Sechsstädten, „da ihm berichtet worden sei, wie
etliche des Königs Mannen und Bürger von dem Schlosse
Rohnau aus geschossen, gefangen, beraubt und beschädigt
worden und hernachmals gröfsere Schäden von demselben
Schlosse zu besorgen seien, dafs sie, wenn sie es ver-
mögen, dasselbe Schlols Rohnau gewinnen, wie sie
es vermögen, und ob ihnen Gott hülfe, dals sie es ge-
winnen, es brechen und gründlich zerstören und
alles, was sie auf dem Schlosse und in den Vorwerken
finden, nehmen und sich zu der Zugehörung halten sollten
zu des Königs Händen, besonders die Stadt Zittau, in
deren Vogtei dasselbe Schlols mit seinen Zugehörungen
gelegen sei".
Hiermit lag der ausdrückliche Befehl zur Zerstörung
■*) Die höchst interessante Rechnung über die genau spezifi-
zierten Ausgaben der Stadt (uirlitz für diese „cxpeditio in Prrl»us"
ist nach den ßatsreclmungen abgedruckt im N. Ijausitz. Magazin 1H44,
29H ff. Es fehlen dal )ei weder Butter, Käse, Wein, Bier, Erbsen,
Rinder, noch Schüsseln, Tisch- und Handtücher, Kerzcnliditer, Köclie.
sogar ..rteifer" d. h. Spiellcute.
184 Hermann Knothe:
des zumal für Zittau längst schon gefährlichen Schlosses
vor. Kaum war derselbe angelangt, so versuchte Zittau,
als „besonders" hierzu aufgefordert, auch ganz allein mit
seiner Bürgerschaft einen Angriff auf dasselbe. Wir er-
fahren dies nur aus der kurzen Notiz der Görlitzer Rats-
rechnungen, dafs der Rat von Görlitz (Woche vor dem
4. Januar 1399) einen Boten nach Priebus an Hakenborn
sendete, „als die Zittauer Rohnau berannt hatten,
dafs er sich die Weile vorsehe". Allein die Zittauer hatten
ihre eigene Kraft überschätzt. Es bedurfte der vereinigten
Macht der Sechsstädte (denn auf eine Mitwii'kung des
Adels war nicht zu rechnen), um die feste Burg zu er-
obern. Sofort berieten sich in Ostritz Ratsherren von
Zittau und Görlitz, „wie sie die Ding an wollten greifen
mit dem Hause Rohnau". Auf einem Tage zu Löbau,
auf welchem auch der Landvogt zugegen war, „hielt mau
einen gemeinen Rat, wie stark jede Stadt vor Rohnau
ziehen sollte". Die Ausführung der beschlossenen Heer-
fahrt folgte auf dem Fufse. Schon im Laufe der nächsten
Woche (vor dem 11. Januar) liels sich der Ratsherr Claus
Heller, der also jedenfalls das Görlitzer Kontingent be-
fehligte, zuerst „mehr Breter" (zum Schutze gegen die
Pfeile der Belagerten oder vielleicht auch gegen den
Schnee und die Kälte des harten Winters), sodann auch
noch mehr Mannschaft nachsenden. Nur Görlitz besals
auch bereits „Büchsen" zur Beschiefsung der Mauern
mit Steinkugeln ■'). Im übrigen aber zielte man mittels
Armbrust und Pfeil auf jeden einzelnen Mann, der sich
etwa an den Luken und Fenstern der Burg blicken liels.
Die Sage berichtet, dafs besonders ein Rittersmann
darin lange Zeit die Erstürmung verhindert habe. Da
soll sich ein guter Schütz von den Städtern den Augen-
blick ersehen haben, wo jener sich unweit eines Fensters
den Halskoller anschnallte. Als er gefallen, war der
Widerstand der Belagerten gebrochen. Der Hauptangriff
muls von Südosten her erfolgt sein; dort fand man noch
vor einigen Jahrzehnten Pfeilspitzen von verschiedener
Gröfse und Form. Der Befehl, „das Schlofs zu brechen
und gründlich zu zerstören", wurde von den Städtern
nach altgewohnter Praxis wörtlich vollzogen. Von dem
^) Ostern 1399 erhielt der Büchsenmeister Heinrich für das An-
richten „der Büclisen vor Priebiis und Rohnau" seinen Lohn und
Geld lur Kupfer.
Die Zerstörung- der Burg Rohnau lici Zittau. 185
Schicksal der Besatzung- erfahren wir niclits. Aber die
Gebäude wurden erst ausgeplündert, dann ausgebrannt
und endlich von den mitgebrachten Maurern und sonstigen
Gewerken kunstgerecht niedergelegt. Sie mögen Mühe
genug dabei gehabt haben schon mit den doppelten Ring-
mauern; die oben erwähnte, noch jetzt 12 -'/^ Ellen hohe
Frontmauer des Hauptgebäudes haben sie aber nicht zu
brechen vermocht. Die sonstigen, anfangs herumliegenden
Steine sind später großenteils zimi Aufbau der Häuser
in dem nach und nach sich bildenden Dorfe Rohnau
verwendet worden. Eine Woche, etwa vom 4. — 11.
Januar 1399, hatte die Belagerung gewährt. In Görlitz
gab man „den gesetzten Wächtern die Woche, die-
weil man vor Rohnau war, mehr denn andere AVochen
18 Groschen".
Wenn man Rohnau ' später in der Regel als eine
„Raub bürg" bezeichnet hat, so hat man allerdings
insofern Recht, als in der That innerhalb der Jahre
1396 — 1398 von der niederlausitzischen Besatzung der-
selben gelegentlich auch Beraubungen oberlausitzischer
Kaufleute verübt worden sind. Aber wir glauben, in
dem Bisherigen erwiesen zu haben, dals es wesentlich
politische Gegnerschaft war, welche dazu Anlafs gegeben
hatte.
Die gefährliche Burg war also jetzt zerstört. Abei-
die Sechsstädte waren sofort auch besorgt wegen der
möglichen Folgen. Auf jenem Tage zu Löbau, wo der
Zug gegen dieselben beschlossen wurde, „einigte" man
sich auch schon, „dals man Markgraf Jost schriebe, wie
das Haus Rohnau verfehmt gewesen sei, dals er nicht
unmuthig wäre ; denn die Städte seien von den Zittauern
angeiufen worden". Man betrachtete also Rohnau als
eine eigentlich zwar dem Landvogte des Markgrafen, in
Wirklichkeit aber diesem selbst zuständige Burg. Man
hielt es darum für nötig, sich bei ihm wegen der beab-
sichtigten Zei-störung derselben im voraus zu entschuldigen
und zwar damit, dafs sie „verfehmt" gewesen sei. Kaiser
Karl IV. hatte 1355 den Seclisstädten die Ermächtigung,
ja den ausdrücklichen Auftrag erteilt, „Höfe oder Vesteu,
die kundlicli bescliuldigt wären böser Sachen und Dinge,
zu brechen und zu brennen""). Das summarische Reclits-
**) Knotlie, Reclitögcscüichte der überlausilz S. 87. 'M.
186 Hermann Knothe:
verfahren gegen dergleichen Burgen, nämlich die Anklage
durch eine der Städte, die Beratung über die Schuld
durch die Gesamtheit derselben und den Beschluls der
Bestrafung, bezeichnete man auch in der Oberlausitz als
„den Fehm" oder „das Fehmgericht*'. Die Handhabung
dieses Gerichts lag, wenigstens anfangs, dem kaiserlichen
Befehle gemäi's, lediglich in den Händen der Städte.
Ihre Besorgnis vor den Folgen der Zerstörung von
Rohnau war in der That eine wohlbegründete. Alsbald
erhielten sie nicht blols die Nachricht, dals Markgraf
Jost mit Heeresmacht bei Luckau stehe und „die Städte
beschädigen wolle"; sondern in der Woche vor dem
18. Januar 1399 brachte Herr Wentsch von Donyn aus
dem Hause Grafenstein, damals auf Tschocha gesessen
und königlicher Rat'), „Briefe von dem Könige,
dals man Rohnau nicht brechen solle". Sogleich beriet
man daher in Löbau, „wie man es damit halten wolle".
Jedenfalls hatte Jost auf die Kunde, dafs man Rohnau
belagern wolle, sofort Boten nach Prag gesendet und
von dem wankelmütigen Könige den Widerruf des eben
erst erteilten Befehls erwirkt. Aber auch Haken born
schickte jetzt wieder um Hilfe, „da man Priebus aufs
neue überfallen wolle". Oberlausitzische Späher mulsten
in der Niederlausitz auskundschaften, „wie es um den
Markgrafen wäre mit der Samenung zu Luckau". Der
Landvogt Pflug aber übernahm es, die Städte beim
Könige persönlich zu entschuldigen. Er brachte gute Bot-
schaft von Prag zurück und für die Stadt Zittau einen
speziell an sie gerichteten Brief des Königs vom
6. Februar 1399 folgenden Inhalts: „Liebe Getreue, Als
man euch vorgelegt hat, dals Wir gar sehr in ITnmuthe
hätten das Fällen des Hauses zu Rohnau, so wilset, dals
Wir etwas | das '?] wohl verstehen, dafs ihr das in Bestem
gethan habt. Darum wollen Wir das gegen euch gnädig
halten, wiewohl ihr das ohne unser Geheils gethan habt."
Nach Priebus hatte man in der That von Görlitz
aus aufs neue Hilfe gesendet. Es waren daselbst einzelne
„Gesellen" gefangen, aber auch der Büchsenmeister Hein-
rich an Kopf und Bein verwundet worden. Das Schlois
Priebus hatte sich abermals wacker gegen die Feinde
gehalten. Als nach deren Abzüge Hakenborn (Woche
') Über denselben vergl. von Weber's Archiv f. d. sächsische
(ieschichte. Neue Folge I, 223 flg.
Die Zerstörung der Burg Rohiuu bei Zittau. 187
vor dem 22. Februar) persönlich nach Görlitz kam, „hatte
er keinen Pfennig- und mochte nicht auskommen; da
mulste man ihn mit den Seinen aus der Herberge lösen''.
Auch mit dem Landvogt Berka, der also die Ober-
lausitz wegen der Zerstörung von Rohnau bedroht haben
muls, war ein „Friede", d. h. ein Waffenstillstand, abge-
schlossen worden. Als aber besonders der oberlausitzische
Landvogt Pflug denselben „aufsagen'- wollte (wir erfahren
nicht Aveshalb), so beschlols man (Woche vor dem 17. Mai )
vorher zum Könige zu schicken, „seine Meinimg darauf
zu hören", und als der Landvogt bereits drängte, „auf
zu sein gegen Herrn Birke", und „wie stark man wollte
sein" (wahrscheinlich zu einem Zuge gegen Hohnstein),
so baten ihn jetzt die Städte, mit der Aufsage zu ver-
ziehen und die xlntwort des Königs abzuwarten. Da
nun aber auch im Königreich Böhmen neue Unruhen aus-
gebrochen waren, so ward endlich „der Zug wendig"
(Woche vor dem oL Mai).
Wir haben diese Unruhen und die neuen Streitig-
keiten zwischen Markgraf Jost und König Wenzel und
dessen Bruder, König Siegmund von Ungarn, hier nicht
Aveiter zu verfolgen und erwähnen nur noch, dals bei
einer endlichen Aussöhnung Wenzel (14. September 1401)
seinem Vetter Jost die Niederlausitz aufs neue, aber nur
auf Lebenszeit, überlassen und ihm wegen Rohnau
8000 Schock Groschen und bis zur einstigen Auszahlung
dieser Summe die jährlichen Zinsen im Betrage von 800
Schock versprechen mulste. Von diesem Gelde wird
wohl der Markgraf auch Hinko Berka auf Hohnstein für
den Verlust von Rohnau entschädigt haben.
Moritz von Sachsen 1547—1548.
Von
S. Ifsleib.
Naclidem die Wittenberger Kapitulation am 19. Mai
1547 zwischen Kaiser Karl V. und dem gefangenen Herzog
Johann Friedrich zum Abschluss gebracht worden war,
wurden am 1. Juni zwischen diesem und seinem Vetter
Moritz von Sachsen die „Überweisungsbriefe'") ausge-
tauscht, welche, gemäls dem Vertrage, die in Betracht
kommenden Unterthanen beider wechselseitig an den
andern als den neuen Erbherrn und Landesfürsten ver-
wiesen. Als dann der jugendliche Albertiner auf Befehl
des Kaisers am 4. Juni im Feldlager und in Wittenberg
als Kurfürst von Sachsen ausgerufen worden war, nahm
er die Stadt in Besitz und liels auf dem Schlosse von
Seiten der Bürgerschaft die Huldigung vollziehen. Wenige
Tage später durchzogen etliche seiner Räte und Befehls-
haber die einzelnen Ämter, um die neuen Unterthanen
in Eid und Pflicht zu nehmen-). Diejenigen vom Adel,
welche sich weigerten, der Vorladung zu folgen, verfielen
in Strafe, indem ihre Schlösser und Güter solange in
Beschlag genommen wurden, bis sie die Lehnshuldigung
geleistet hatten. Auch die ehemaligen Räte und Diener
Johann Friedrichs sahen sich durchweg genötigt, in die
^) Dresden, Loc. 9141, Churfürstlirh sächsische Handlung- 1547
Bl. 17. Loc. 9147, Liquidationshandluny zu Zeitz 1547 Bl. 60.
^) Dresden, Loc. 9142, Capitulation ingl. die Ueberweisung und
Huldigung etc. 1547 Bl. 8 flg.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 189
Dienste des neuen Landesherrn zu treten. Darauf berief
der Kurfürst seine alten und neuen Stände samt den an-
gesehensten Theologen'^) zum ersten gemeinsamen Landtag
nach Leipzig, um mit ihrer Hilfe die noch erregten Ge-
müter zu beruhigen, die neuen Verhältnisse zu befestigen
und die allgemeinen Landes- und Kirchenangelegenheiten
zu ordnen^).
In der Proposition oder Vorlage vom 14. Juli be-
richtete Kurfürst Moritz über das verflossene Kriegsjahr
vom Landtag zu Chemnitz an bis zu den jüngsten tief-
eingreifenden Ereignissen und betonte, dafs er alle Befelile
des Kaisers mit Wissen und Willen seiner treuen Stände
übernommen und ausgeführt und sich zu, nichts anderem
verpflichtet habe. Jedermann sollte die Überzeugung ge-
winnen, dals es nicht des Kaisers Absicht gewesen sei,
die christliche Religion mit dem Schwerte zu vertilgen. Li-
dem er die Ansicht vertrat, dafs der Krieg nicht zu
umgehen gewesen sei, dankte er allen Unterthanen und
besonders der Ritterschaft für die mannhafte Treue im
Felde. Allerdings habe er sich, sagte er, eines solchen
weitläufigen Kampfes nicht versehen, und er habe nichts
mehr begehrt, als sein ererbtes Land friedlich zu be-
sitzen. Um das Vertrauen der alten Unterthanen zu
befestigen und das der neuen zu erwerben, gab er die
Versicherung, dafs er geneigt sei, mit Gottes Hilfe fried-
lich und wie es einem christlichen Kurfürsten gezieme,
zu regieren und bei der wahren Religion gemäfs der
augsburgischen Konfession zu bleiben. Die Universitäten
in Wittenberg und Leipzig und die vor kurzem gegrün-
deten Schulen wollte er erhalten und jederzeit mit ge-
lehrten Leuten versehen, damit Gottes Wort, gute Künste
und ehrbare Sitten gelernt würden. Alle Vierteljahre
sollte in Leipzig ein aus geschickten und erfahrenen Rittern
und Gelehrten zusammengesetztes Hofgericht gehalten
3) Fürst Georg von Aiihiilt, Ivoadjutur von ]\lorseburg, brachte
Philipp Melanclitlion, welcher bis dahin in Weimar gewesen war, mit.
*) Loc. 9354, Handlung auf dem Landtage zu TiCipzig, 1547.
Vergl. 1. Joh. Falke, Mitteilungen des Königl. Säidis. Altert ums-
vereinsXXi] (1872), 77 flg. S. 8!i und 95 nnten gehören znm Land-
tage 1548. 2. Gründlicher und warhalftiger Lerieht aller Kathschlegund
antwort, so die Theologen zu \\'ittcnl)erg und andere darzu erforderte
anff den Landtegen und andern Versandungen etc. Durch Georgen
Rhawen seligen Erben. Anno 1559 Jil. 61.
190 S. IMeib:
werden, damit jedermann zu seinem Rechte komme ''^).
Stets gedachte er für E,uhe und Sicherheit im ganzen
Lande zu sorgen und alle Strafsen zu Gunsten des fried-
lichen Handels und Wandels von „Plackerei und ßaub
zu säubern." Am Herzen lag ihm aber auch die schlag-
fertige Bereitschaft gegen jeden feindlichen Angriff. In-
dem er sich der Gnade und Gunst des Kaisers und Königs
rühmte, erklärte er, dals er nicht gesonnen sei, beiden
irgend welche Ursache zur Ungnade zu geben. Mit allen
Nachbarfürsten wollte er im Frieden leben ; bald hoffte
er auch in gute Beziehungen mit den Söhnen Herzog
Johann Friedrichs treten zu können. Auf alle Weise
wollte er die Wolilfalu't des Hauses zu Sachsen befördern.
Unter den kurfürstlichen Landständen, welche teil-
weise noch völlig unter dem mächtigen Eindruck des
jüngsten Krieges und seiner folgenschweren Neuerung
standen, herrschte ziemlich erregte Stimmung, und erheb-
liche Meinungsverschiedenheiten traten scharf zu Tage.
Viele der alten und neuen Unterthanen standen einander
zu fremd gegenüber, um eine rasche Verständigung zu
ermöglichen; überdies erschwerten stark betonte ständische
Sonderinteressen die wünschenswerte Einhelligkeit über
wichtige allgemeine Fragen.
Während die höheren Stände, die Grafen, Herren und
Prälaten, eine vorsichtige und vornehme Zurückhaltung be-
obachteten, traten die Ritterschaft und die Städte eifrig in
alle Erörterungen ein. Die Bischöfe von Meifsen und Naum-
burg enthielten sich, dem sonst üblichen Geschäftsgange zu-
wider, jeder schriftlichen Teilnahme und gaben nur mündliche
Erklärungen und Gutachten ab. Sie machten geltend, dais
sie nach althergebrachtem Rechte nicht verpflichtet seien,
auf dem Landtage zu erscheinen; doch wollten sie sich
diesmal dem Schutze und dem allgemeinen Besten des
Landes nicht entziehen*^).
Durchmustert man die Landtagsakten der zehntägigen
Beratungen, so ergiebt sich in kurzem Folgendes.
Zunächst legten die Landstände das Hauptgewicht
auf das religiöse Bekenntnis und auf alle kirchlichen An-
gelegenheiten. Gelehrte und gottesfürchtige Männer sollten
'^) In der Kur zu Sachsen sollte auch ein regelniäfsiges Hof-
gericht zusammengesetzt werden.
*») Julius Pflug, Bischof von Naumburg, sprach mit Kurfürst
Moritz über die kirchlichen und religiösen Angelegenheiten und ge-
dachte dem Kaiser eine Gedenkschrift darüber zu überreichen.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 191
Rat lialten und Achtnng- darauf geben, dafs alle Geistlichen
das Wort Gottes gemäls der augsburgischen Konfession
rein, einträchtig und frei vom eignen Gutdünken predigten,
Streit und Zank vermieden und sich aller aufwiegelnden
und unbotmäfsigen Reden enthielten. Jeder Obrigkeit
sollte es gestattet sein, den Pfarrherren und Predigern
auf dem Lande jede Unschicklichkeit im Guten zu unter-
sagen und unter Umständen das Einschreiten der Superinten-
denten gegen sie zu veranlassen. Man verlangte für die
Geistlichen ein genügendes Auskoramen, welches auch recht-
zeitig zu entrichten sei. Dürftiges Einkommen solle
durch eine jährliche Zulage vom Ertrage der geistlichen
Güter aufgebessert werden. Für die Kinder armer
Pfarrer und Prediger bat man um Unterstützungen, da-
mit sie ein Handw^erk oder andere „ziemliche Sachen"
erlernen könnten. Allgemein war man für möglichste
Förderung der Schulen. Man bat den Kurfürsten, dals
er in herkömmlicher Weise alle Jahre vier Mitglieder
der Landstände neben vier kurfürstlichen Räten verordne,
um über die Schulen eingehende Erkundigungen ein-
zuziehen und die Rechnungen über das Einkommen der
geistlichen Güter zu prüfen"). Von dem Überschusse der
Erträge sollten arme Jungfrauen vom Adel erzogen und
erhalten werden.
Der Kurfürst teilte mit, dals er den Koadjutor zu
Merseburg, Fürst Georg von Anhalt, und etliche Super-
intendenten bereits zu sich beschieden habe, um ihren
Rat in allen kirchlichen und geistlichen Dingen zu hören
und demgemäis zu verfügen. Für die Prüfung der Rech-
nungen über „die geistlichen Güter, für die Entfernung
voi-handener Übelstände in den Schulen und für die Er-
ziehung und Ausstattung armer adliger Jungfrauen sollte
Sorge getragen werden. Die Gründung einer neuen Schule
im kurländischen Gebiete wurde in Aussicht genonnnen.
Hinsichtlich der Universitäten klagten die Stände
darüber, dais die Professoren vielfach durch andere Ge-
schäfte von ihren Vorlesungen abgehalten würden. In
'') Herzog- lleiuiich hatte alle geistlichen Güter (IrnLandständen
anheimgestellt. Seine beiden Söhne Moritz nnd Angnst stinuiiten dem
nicht zii; doch verwendeten sie die erledigten Lehen des Bistums
Meifsen auch nicht zu ihrem eigenen Nutzen, sondern zu Stiiiendicn
und zu anderen guten Zwecken und liefsen den Ständen Bericht er-
statten und liechnung vorlegen.
192 S. Ifsleib:
solcher Zeit gingen dann die Schüler in dei- Irre und
blieben im Studium zurück. Darum sollten die Professoren
mit fremden Dingen verschont bleiben und ihren Vor-
lesungen obliegen. Zwar konnte der Kurfürst den Beweis
erbringen, dals von den Gelehrten der Hochschule durch-
weg nur Juristen und von diesen auch nur wenige aufserhalb
der Stadt in kurfürstlichen Diensten gebraucht worden
seien ; doch war er gewillt, die Störung der Vorlesungen
in Zukunft möglichst vermeiden zu lassen. Besonderen
Dank sprachen die Landstände dafür aus, dafs jährlich
vier Hofgerichte in Leipzig abgehalten werden sollten;
aber sie baten, das neue Hofgericht wieder genau nach
der löblichen alten Hofgerichtsordnung, welche einst mit
Hat der „Landschaft" aufgerichtet worden sei, einzurichten
und alle üblen Gewohnheiten fernzuhalten. Nach einigem
Widerstreben versprach der Kurfürst, aulser dem Hof-
richter nicht acht, sondern wie früher zwölf Beisitzer
zu ernennen.
Der Punkt über Frieden und Schutz des Landes
gegen jeden Feind gab besonders den neuen Ständen
Veranlassung, den Kurfürsten zu ersuchen, stets des
alten Gebrauches und Privilegs im Hause zu Sachsen
eingedenk zu sein, wonach der Landesfürst ohne Rat,
Wissen und Willen der Landstände keinen Krieg führen
solle. Dringend wünschten alle, dals die gehässigen
Disputationen und unschicklichen Predigten über den letzten
Krieg verboten würden. Für die Gefangenen, welche
wegen verdrielislicher Worte und Thaten verhaftet worden
waren, bat man um Freiheit und Zurückgabe der ein-
gezogenen Güter, Schlösser und Häuser '^). Man erkannte
das Bestreben des Kurfürsten an, die Gnade und Gunst
des Kaisers und Königs erhalten zu wollen und hoffte,
dafs er weder ein Bündnis noch eine Kriegsrüstung zum Scha-
den des Landes eingehen werde. Die Erneuerung der
alten Bündnisse und Erbeinigungen mit den benachbarten
Fürstenhäusern erschien höchst dienlich zur Erhaltung des
Friedens. Wegen der Kosten sollte das geworbene fremde
Kriegsvolk beurlaubt werden, da die Stände bereit seien,
im Falle der Not an die Beschützung des Landes Leib
und Vermögen willig daranzusetzen. Es wurde vorge-
^) Dresden, Loc. 9142. Das schwarze Buch enthält die Prozesse
gegen Bürger von Aunaberg, Dresden, Döbeln, Freiberg, Chemnitz,
Leipzig, Meifsen, Naumburg etc. vom 23. August 1547 an.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 193
schlageil, alle Ämter, besonders die an den Grenzen mit
Amtsleuten und Reisigen stärker als bisher auszustatten,
um Stralsenraub und Plackerei zu unterdrücken.
Kurfürst Moritz versicherte, dafs er sich wie früher
ohne Wissen seiner getreuen Stände weder in ein Bünd-
nis noch in eine Kriegsrüstung einlassen wolle; doch
hielt er die Wahl eines landständischen Ausschusses für
zweckmäfsig, um denselben in gefahrvollen Tagen schnell
zu berufen und zu befragen. Unmöglich könne das ge-
worbene Kriegsvolk umgehend beurlaubt werden, denn es
sei noch grölstenteils in Böhmen und helfe dem König;
Wittenberg müsse einstweilen besetzt bleiben, da die Zu-
sammenrottung der Kriegsknechte in Norddeutschland zur
gröfsten Vorsicht mahne. In der Hoffnung, dals die Unter-
thauen sich bereitwillig gebrauchen lassen würden,, wollte
er eine stattliche Zahl Reiter in den einzelnen Ämtern
aufbringen und fürstlich besolden, um die Grenzen zu
überwachen, die Stralsen zu säubern und friedliche Ord-
nung aufrecht zu erhalten. Für die Zeit der Not aber
sollten die Stände Geld bewilligen, um schnell rüsten und
Reiter und Knechte besolden zu können; denn ohne Geld
sei keine Kriegsmannschaft zu gewinnen ; er selbst wolle
sich mit seinem Hofgesinde in Bereitschaft halten. Ob
Wittenberg künftig Festung bleiben oder geschleift werden
solle, gab er dem Rate der Landstände anheiin; auch
begehrte er, darauf bedacht zu sein, wie die entstandenen
Kriegskosten bezahlt werden möchten.
Auf manche unangenehme Erfahrung des letzten
Jahres gestützt, wiesen die Landstände die Wahl eines
neuen Ausschusses zurück. Aber sie fanden sich darein,
dals der Kurfürst das geworbene Kriegsvolk noch eine
Zeitlang im Dienste behielt. Um den Sold zu bestreiten
und die Kriegsschuld zu decken, bewilligten sie die Trank-
steuer auf weitere zwei Jahre; doch sollte diese Steuer
auch von den Unterthancn der Bischöfe, Grafen und
Herren, sowie vom Kurfürsten selbst mit getragen werden.
Die früher zugestandene Bausteuer blieb bis auf weiteres").
Dem Ermessen des Landesherrn überliels man die Ent-
scheidung über die Festung Wittenberg; allein man er-
0) Der Kurfür.st liefs den üblichen 8teuerrevcrs, wonacli die
Abgaben als vorübergehende, freiwillige Hilfe betrachtet wurden, am
23. Juli ausstellen.
Neues Arcliiv f. S. CJ. u. A. XIII. 3. 1. 13
194 S- Ifsleil):
mahnte zur gröfsteii Sparsamkeit wegen der erlittenen
Kriegsscliäden.
In einer besonderen Schrift waren die „Landesge-
brechen" zusammengestellt, gegen welche man Abhilfe
oder Linderung suchte. Man empfahl möglichste Schonung
und Unterstützung aller im Kriege geschädigten Unter-
thanen. Die Wiederaufrichtung der alten guten Landes-
polizei wurde durchaus gewünscht. Man forderte scharfe
Verbote und Erlasse gegen Gotteslästerung, unmälsige
Feste, Wucher und Kleiderluxus, Allgemein wünschte
man die Erhaltung und Aufbesserung der Konsistorien,
und eine höhere Besoldung der Pfarrer wurde für nötig
gehalten. Gründliche Kirchen Visitationen schienen ge-
boten und strengere Überwachung der Geistlichen in
Bezug auf ihren Lebenswandel. Der Adel sollte nicht
mit leichtfertigen Dirnen haushalten, damit nicht die un-
ehelichen Kinder, wenn sie des Schildes und Helmes teil-
haftig würden, ehrliche adlige Geschlechter in Schimpf
und Nachteil brächten. Man vermilste die Handhabung
ö
des Rechtes nach althergebrachter Gewohnheit. Ein
'ö
genügend besetzter kurfürstlicher Hofrat sollte alle
Streitigkeiten schneller und billiger wie seither schlichten.
Beantragt wurde eine genaue Abgrenzung der höheren
und niederen Gerichtsbarkeit und eine zuverlässige Ord-
nung der Gerichtskosten. Überaus notwendig erschien
es, dafs das Sachsenrecht gemeinverständlich gemacht,
genügend erklärt, von Fremdwörtern gereinigt und richtig
verdeutscht werde. Das Oberhofgericht und die Schöppen-
stühle sollten einerlei Eecht sprechen, um widerwärtige
Urteile zu vermeiden. Die Doktoren der Rechte suchte
man wie die Ärzte an eine bestimmte Taxe zu binden.
Man bestand darauf, dafs ehrlose und anrüchige Personen
von allen Ämtern ausgeschlossen und leichtfertige, mut-
willige Ankläger streng bestraft werden mülsten. Es
wurde gebeten, die Ritterschaft nicht aulser Landes zu
gebrauchen und die Schriftsassen mit Neuerungen von
Seiten der Amtsherren zu verschonen. Alle kurfürstlichen
Beamten sollten sich jedes Eingriffes in die Gerechtsame
des Adels und der Städte enthalten. Man führte Be-
schwerde über die Anmalsung der reisigen Knechte und
über die hohe Lohnforderung des Gesindes. Um gegen
den lästigen Ungehorsam ankämpfen zu können, sollte
kein Dienstgesinde ohne Absagebrief des letzten Herrn
angenommen werden. Allgemem geltend machte man das
Moritz von Sachsen 1547—1548. 195
Bedürfnis nach möglichst gleichem Gewicht, Ellen- und
Klaftermais. Zu Gunsten der heimischen Tuchmacher
und Handwerker verlangte man ein Verl3ot gegen die
Ausfuhr der Schafwolle und der rauhen Schaffelle und gegen
den Verkauf derselben auf nicht „gefreiten Märkten"^*').
Man forderte eine Ermälsigung des hohen Salzpreises
und begehrte eine neue Jagd-, Holz-, Wald- und Gewerbe-
ordnung.
Kurfürst Moiitz wollte alle Beschwerden und Ge-
brechen sorgfältig erwägen und nach Gebühr, Billigkeit
und Möglichkeit abstellen. Er war bereit, die Ordnungen
und Gesetze gegen Gotteslästerung, Wucher, Luxus etc.
erneuern, die kirchlichen Angelegenheiten gründlich
prüfen, die Milsstände des Gerichtswesens beseitigen
und das sächsische Recht verständlich ausüben zu lassen.
Alle eingeschlichenen schädlichen Neuerungen sollten ent-
fernt und die alten Rechte des Adels und der Städte
erhalten werden. Die Übelstände des adligen Ehe-
lebens aber verwies er wie die Taxe der Juristen, An-
wälte und Ärzte auf den Reichstag. In nahe Aussicht
stellte er die Veröffentlichung einer neuen Gesinde-, Ge-
werbe-, Markt-, Jagd-, Holz-, Mafs- und Gewichtsordnung.
Mit den anwesenden Theologen trat der Kurfürst
am 18. Juli in Verhandlung. Frei und offen erklärte er
ihnen, dals er bei der reinen Lehre bleiben und sich den
papistischen Milsbräuchen nicht anhängig machen wolle;
er habe als christlicher Kurfürst die PÜicht, das Wort
Gottes und die Diener desselben nach Vermögen zu be-
fördern und alle Studien und gelehrten Leute in Schutz
und Schirm zu nehmen. Wie in den vorhergehenden
Jahren, so ging er damit um, eine gleichförmige Kirchen-
ordnung für das ganze Land einzurichten und ein allge-
meines Kirchengebet einzuführen, damit nicht einer dieses,
der andere jenes thue und halte, gleich als ob nicht alle
zusammengehörten. Die Theologen versprachen, dafs auch
sie bei der christlichen und reinen Lehre, wie sie in den
sächsischen Kirchen gepredigt und gelehrt werde, bleiben
und überall Eintracht erhalten wollten. Vor allem sei
es nötig, dals die beiden Universitäten in Leii)zig und
Wittenberg der Studien halber wieder ehigerichtet und
lö) Die Bauern im Umkreise von Alteuburj^- sollten vom Zwange
befreit worden, dafs sie das lietreide nnd alle Fcldfriiclitc nur in
dieser Stadt verkaufen dürften.
13*
196 S. Tfsleib:
die Konsistorien zu Merseburg, Meifsen und "Wittenberg
beibehalten würden "). Die Superintendenten sollten auf
die reine Lehre und auf die Ceremonien in den Kirchen
fleifsig Achtung geben, damit in den vornehmsten Städten
Gleichheit herrsche und über geringfügige Ungleichheiten
nicht gezankt werde. Auf Wunsch des Kurfürsten über-
gaben die Theologen eine Schrift über die Gleichheit der
Ceremonien oder Kirchengebräuche, worin sie auf die
Leipziger Gutachten in den Jahren 1544 und 1545 zurück-
gingen. Weil aber der Reichstag zu Augsburg bevor-
stand, so unterliels man einstweilen die Veröffentlichuug
des Buches. Besser wäre es allerdings gewesen, wenn
dieselbe damals erfolgt wäre; dann hätte man später
nicht sagen können, „es seien die Handlungen von den
Adiaphoris oder Kirchenbräuchen erst nach des Interims
Publikation vorgenommen worden und man habe damit
den Papisten hofiren w^ollen".
Unmittelbar nach dem Landtage wurde der neue
Kurstaat in fünf Kreise geteilt und an die Spitze der-
selben Oberhauptleute oder Kreishauptleute gestellt. Der
Kurkreis stand unter Sebastian von Wallwitz , der
thüringische Kreis unter Georg Vitzthum von Eckstädt,
der Leipziger oder osterländische Kreis unter Asmus von
Könneritz, der Gebirgskreis unter Heinrich von Gersdorf
und der Meilsnische Kreis unter Ernst von Miltitz.
Gleichzeitig richtete der Kurfürst einen neuen Hofrat
ein, welcher alle Justizsachen, die täglich aus den fünf
Kreisen eingingen, ungehindert und rasch entscheiden
sollte. Eine neue Kanzleiordnung vom 5. August^-)
setzte den Geschäftsgang dieser Behörde genau fest
und bestimmte die Kosten für die verschiedenen Urteile
und Entscheidungen. Der kurfürstliclie Kanzler war
Vorstand des Hofrates, neben ihm standen die Räte ;
für jeden Kreis gab es einen Sekretär und etliche Schreiber.
Der Botenmeister nahm alle Briefe in Empfang und ver-
teilte sie an die Eäte. Besondere Sekretäre lagen den
Lehns- und Kirchensachen ob.. Zu Diensten des Kur-
fürsten stand ein Geheimsekretär. Der Kanzler oder
auch der Geheimsekretär hatte dem Landesherni täglich
") Im Oktober 1547 konnten die Vorlesungen m Wittenberg
und Leipzig wieder beginnen; in Wittenberg lebrte wie frülier
Philipp Melanchthon, in Leipzig Joachim Camerarius.
'-) Dresden, Loc. iOOÖl, Cantzley-Ordmmgen Bl. 17.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 197
ein- oder zweimal üher fürstliche und auswärtige Ange-
legenheiten, über „Briefe zu eigenen Händen", über Kund-
schaften, neue Zeitungen etc. Bericht zu erstatten.
Als Kurfürst Moritz sich anschickte, den Reichstag
zu besuchen, übertrug er seinem Bruder Herzog August
die Regierung und ordnete an, wie alles während seiner
Abwesenheit zu halten sei^'^). Von den beauftragten
Räten sollten stets drei neben dem Kanzler in Torgau
anwesend sein, um mit dem Herzog zu beraten und zu
beschließen. Alle Briefe und Befehle gingen im Namen
und mit dem Siegel des Bruders aus. Strenge Weisung
erlegte auf, sofort gegen alle Praktiken und Eingriffe der
Bischöfe und Domherren von Meilsen und Naumburg in
die bestellende Kirchenordnung vorzugehen, dagegen alle
Prediger, Pfarrer und Kirchendiener zu schützen, die
Zusammenkünfte und Visitationen der Superintendenten
zu erleichtern, den herkömmlichen Gottesdienst aufrecht-
zuerhalten und unsittliche Geistliche abzusetzen. Der
kurfürstlichen Gemahlin sollte es an nichts gebrechen,
und der neuen „Ordnung im Frauenzimmer" sollte allent-
halben nachgegangen werden. Die Silberkammer hatte
wie die Bergwerke Ernst von Miltitz zu überwachen.
Kurfürstlicher Hofrichter war Dr. Melchior von üsse.
Religiöse Streitigkeiten sollten derKoadjutor vonMerseburg,
Fürst Georg von Anhalt, und Philipp Melanchthon schlichten.
Die Sorge für die Universitäten, Schulen und Stipendien
war Dr. Komerstadt auferlegt. Die Oberhauptleute der
fünf Kreise hatten Befehl, allerorten gute Kundschaft
einzuziehen und für Ruhe und Sicherheit einzutreten.
Im Falle der Not sollte Herzog August mit den Räten
zu Torgau unverzüglich König Ferdinand von Böhmen
und den Kurfürsten von Brandenburg oder die Regierungen
beider um Rat und Hilfe angehen. Über alle wichtigen
Dinge war nach Augsburg zu berichten.
Am 10. August verliefs der Kurfürst Torgau und traf
vier Tage später in Hof mit Markgraf Johann Georg
von Brandenburg, dem Sohne Kurfürst Joachim II., zu-
sammen. Nach einem Besuche beim Herzog von Bayern
und beim gefangenen Schwiegervater Philipp von Hessen
in Donauwörth ritt er am 1. September mit stattlichem
Gefolge zur Eröffnung des Reichstages in Augsburg ein.
^3) Loc. 10041, Clmrfürst Moiitz heiini>elassene Instruction etr.
Torgau, 1. August 1547 (Original).
198 S- Iftleili:
Moritz hatte einst in Naumburg zum Herzog von
Alba gesagt, der bevorstehende Reichstag werde kurz
sein und sich von allen früheren dadurch unterscheiden,
dals auf demselben mehr geboten als beraten werde'*).
Derartig aber gestalteten sich die Dinge keineswegs.
Der Kaiser hatte die Absicht '■'), seine bessernde
Hand an alles zu legen, was seit 30 Jahren in Unord-
nung geraten war. Der Sieg über die Schmalkaldener
sollte wesentlich mit dazu beitragen, um alles „von Grund
aus-' in Angrift' zu nehmen und zum Wohle des Reiches
durchzuführen. Alle bisherigen Leistungen seiner Regierung
schienen ihm „Flickwerk" zu sein. Jetzt wollte er sich
mit den Ständen des Reiches über die Religion, über das
Konzil und über die geistlichen Güter samt der bischöf-
lichen Jurisdiktion, über Gehorsam und Ruhe, Friede und
Recht, Schutz und Sicherheit, über Kammergericht und
Polizeiordnung, über Reiclisanschlag und Türkensteuer,
über Münzeinheit und allgemeine Gebrechen verständigen^®).
Dabei stiels er jedoch auf gröfseren Widerstand als er
erwartet hatte.
Es ist nicht unsere Aufgabe, allen Reichstagsver-
handlungen nachzugehen, wohl aber zu zeigen, welche
Stellung Kurfürst Moritz zu einzelnen Avichtigen kaiser-
lichen Vorlagen eingenommen hat.
Die protestantische Religion zu vernichten und die
der Altgläubigen wiederherzustellen, hätte der Stimmung
des Kaisers ganz entsprochen; allein selbst in jener sieg-
reichen Zeit fehlte ihm dazu die Kraft und Macht. Weil
ihm der religiöse Zwiespalt als die eigentliche Wurzel
und die wahre Ursache des gesamten Unfriedens und
aller Unruhen im Reiche erschien, so wollte er ihn mög-
lichst schnell beseitigen. Nun hielt er das Konzil zu
Trient für den sichersten und christlichsten Weg zur reli-
giösen Wiedervereinigung und verlangte daher von allen
Reichsständen eine bedingungslose Unterwerfung unter
dasselbe. Auch wollte ei" bis zum Ende des Konziles
für seme Person ohne Zutlmn des Papstes oder der all-
gemeinen Kirchenversammlung den religiösen Zuständen
in Deutschland „Mals geben".
„XfJ.U,iO jjV
14) A. von D ruf fei, Briefe und Akten I, 67.
iR) Wien, Reiclistassakten 21 I. Reichstag von Augsburg 1547
bis 1548. I. Vorgäugiges.
Iß) Dresden, "Loc. 10186, Propositiou zu Augsburg am 1. Sej)-
tember 1547.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 199
Von seinem protestantischen Standpunkte aus gab
Kurfürst Moritz '') zu, dals der religiöse Zwiespalt durch
ein allgemeines freies christliches Konzil oder durch eine
Nationalversammlung, so wie es die Stände der augs-
hurgischen Konfession immer gewünscht hätten, beigelegt
werden müsse. Die Fortsetzung des Trientiner Konzils
aber erschien ihm höchst bedenklich, weil es der Papst,
der doch einem Konzile unterworfen sei, berufen und als
Präsident geleitet habe, und weil man dort ohne Beisein
und Mitwirkung der evangelischen Stände bereits über
etliche Hauptartikel der christlichen Lehre Beschlufs ge-
falst habe. Seiner Auffassung entsprach es, dafs der
Kaiser als Advokat der christlichen Kirche ein allge-
meines freies und christliches Konzil mit Bewilligung der
gesamten abendländischen Christenheit in deutscher Nation
abhalte oder eine Nationalversammlung berufe und die
Stände der augsburgischen Konfession wie alle anderen
einlade und sicher geleite, damit sie Gehör finden und
Rede stehen, auch mit beratschlagen und mit beschlielsen
könnten. Die Beschlüsse des Trientiner Konziles sollten
für ungiltig erklärt, alle streitigen Punkte von neuem
gottselig und christlich gemäfs der heiligen Schrift ver-
handelt, alle Irrlehren und Mifsbräuche abgeschafft und
eine allgemeine Reformation an Haupt und Gliedern voll-
zogen werden. Der Papst dürfe weder Richter noch
Präsident des neuen Konziles sein. Auf eüie solche all-
gemeine oder nationale Kirchenversanmilung wollte der
Kurfürst unbedenklich gelehrte und friedliebende Männer
schicken. Mittlerweile sollten gottesfürchtige Schrift-
gelehrte von beiden Teilen in gleicher Anzahl zusammen-
kommen und durch friedliche Religionsgespräche dem
Konzile oder der Nationalversammlung vorarbeiten ; oder
der Kaiser sollte drei weltliche und drei geistliche Fürsten
mit geeigneten Theologen zur christlichen Vergieichung
der Streitpunkte zusammenberufen.
Karl V. hielt aber an der Fortsetzung des Trientiner
Konziles fest; doch war er gewillt, die Stände der augs-
burgischen Konfession sicher zu geleiten, damit sie zur
Verhandlung gezogen würden. Alles sollte gottselig und
christlich nach der göttlichen und der alten Väter Schrift
") Anm. 16 Bl. 72; Loc. 91 II Chnrfür.stl. .sächs. TTaiKllnnq: etc.
1547 Bi. 44, 51, 53 flg.
200 S. Ifsleib:
lind Lehre vorgenommen und eine christliche und nütz-
liche Reformation der Geistlichen und Weltlichen durch-
gesetzt werden. In der kaiserlichen Audienz am 18. Ok-
tober erinnerte der Kurfürst den Kaiser vertraulich an
die Versprechungen und Zusicherungen, die er ihm und
seinen IJnterthanen hinsichtlich der Religion gegeben habe
und bat inständig, von ihm nicht mein- zu verlangen, als
was er mit Gott und gutem Gewissen verantworten könne
und im kurfürstlichen Rate bereits eingeräumt habe;
unmöglich dürfe er die Gewissen der Seinen beschweren.
Sofort versicherte der Kaiser, dafs er sich in allem christ-
lich verhalten und hinsichtlich des Trientiner Konziles
nicht einmal den Papst ansehen wolle ; Gottes Ehre allein
solle bedacht werden. Niemand werde Ursache zur Klage
haben, und auch der Kurfürst möge ihm vertrauen. Dieser
jedoch erklärte, dafs er nur das, was der heiligen Schrift
gemäfs sei, bewilligen könne und nichts anderes.
Indessen wurde Moritz neben Brandenburg und Pfalz
im Kurfürstenkollegium wie die übrigen Protestanten in
den beiden anderen Kollegien von den Altgläubigen mehr-
fach überstimmt. Bald konnte der Kaiser dem Papst
anzeigen lassen, dafs die Stände des Reiches sich dem
Konzile zu Trient unterworfen hätten. Anfangs November
reiste der Kardiualbischof von Trient Christof Madrucci
nach Rom, um im Namen des Kaisers und Reiches die
Zurückverlegung des Konzils von Bologna nach Trient
zu fordern.
Der Gedanke, dafs die Wiederaufnahme der Konzil-
geschäfte sich lange verzögern und die Entscheidung in
Religionssachen erst nach Jahren erfolgen könne, veran-
lagte den Kaiser, darauf bedacht zu sein, den kirchlichen
Verhältnissen in Deutschland einstweilen (interim) „Mafs
zu geben".
Die ersten Andeutungen zu diesem Interim enthielt
bereits die Reichstagsvorlage ; aber erst im November
trat das kaiserliche Vorhaben mehr in den Vordergrund.
Wie andere Reichsfürsten, so hielt es auch Kurfüi'st
Moritz für christlich und gut, Mittel und Wege zu finden,
welche dem religiösen Zwiespalte im Reiche Einhalt thim
möchten; er wollte aber unter keinen Umständen dem
Kaiser die Sache vor irgend welcher offenen und näheren
Erklärung anheimgeben. Mit rechtem Nachdrucke sprach
er aus, dals man nicht aus den Grenzen des Reichsab-
schiedes von Speier 1544 schreiten dürfe, wo die Be-
Moritz von Sachsen 1547—1548. 201
Avilligimg eines allgemeinen, freien und christlichen Kon-
ziles als der beste und äulserste Weg zur religiösen Ver-
ständigung angesehen worden sei. Allein die Mehrheit
des Kurfürstenkollegiums entschied sich ohne weiteres
dafür, den Kaiser um seine Erklärung anzugehen, wie
er dem religiösen Zwiespalte im Reiche abzuhelfen ge-
denke. Etliche Male entwickelte der Kurfürst seine
Ansicht dahin, dafs jede Änderung in der Religion vor
der Entscheidung eines allgemeinen, freien und christlichen
Konziles oder einer Nationalversammlung Unruhe, Auf-
stand und Empörung in Deutschland hervorrufen und be-
sonders den gemeinen Mann in der Meinung bestärken
werde, dafs der Kaiser den letzten Krieg gegen den
evangelischen Glauben geführt habe. Auch gab er den
guten Rat, man möge sich mit den Zusicherungen be-
gnügen, dafs die Stände der augsburgischen Konfession
auf alle Neuerungen vor der Hand verzichten, keine
Wiedertäufer und lästigen Sekten dulden, keine Bücher
religiösen Inhaltes ohne Bewilligung der Landesfürsten
oder ohne Prüfung durch gelehrte Geistliche veröffent-
lichen, keine Scheltworte auf den Kanzeln und keine
unnötigen Disputationen zulassen, keine Kloster- oder
Stiftsgüter angreifen sollten etc. Indessen der Kurfürst
blieb mit seinen Gesinnungsgenossen in der Minderheit.
Die Mehrheit der Eeichsstände, vor allem das Fürsten-
kollegium, überliefe es dem Kaiser, einstweilen religiöse
Ordnung im Reiche zu treffen.
Im Zusammenhang damit stand die Frage über die
geistlichen Güter und über die bischöfliche Jurisdiktion.
Auch da wollte Kurfürst Moritz Duldung für alle be-
stehenden Verhältnisse bis Ende des Konziles oder der
Nationalversammlung ; denn der Ertrag von den Klöstern
und geistlichen Gütern werde zur Unterhaltung der Kirchen
und Schulen, zu Stipendien und anderen milden und nütz-
lichen Zwecken verwendet. In dieser Sache wurde er
nicht nur vor dem Kaiser ernstlich vorstellig, sondern er
beauftragte auch den Kardinalbischof von Trient vor
seiner Abreise nach Rom, dafe er den Papst um Nach-
sicht und Geduld, um Begnadigungen und Privilegien
bitte, damit vorläufig jedermann unangefochten bleibe'**).
*'*) Während des Reichstages trat Moritz iiiclit nur iiiil dem
Kardinal ('liristof von Trient, sondern ancli inii dem Kardinal Ottci
von Augsburg in ein näheres Verhältnis. Den Sühn Karls iil. von
202 S. IMeib:
Entschiedene Verwahrung legte der Kurfürst vor
Kaiser und Reich gegen die Bischöfe von Meilsen und
Naumburg ein, als sie im Fürstenrate Sitz und Stimme
beanspruchten ^''). Klar erwies er, dals sie seit langer Zeit
nicht mehr für freie Reichsstände gehalten, sondern in
Reichssachen durch den weltlichen Schutzfürsten ver-
treten worden seien.
Bekannt sind weiter die Bestrebungen des Kaisers,
einen neuen Bund, ähnlich dem alten schwäbischen, zu
begründen und möglichst auszudehnen. Alle Reichsstände
Avurden aufgefordert beizutreten. Kurfürst Moritz -'*) wurde
ganz besonders umworben und in die kaiserlichen Pläne
hineingezogen; doch war er entschlossen, sich nicht all-
zuweit einzulassen, weil er die sichtlich angestrebte Be-
vorzugung der geistlichen Stände und die Hinzuziehung
der burgundischen Länder, die leicht in einen Krieg mit
Frankreich verwickeln konnten, für bedenklich und ge-
fährlich hielt. Mutig suchte er zu verhüten, dafs der
neue Bund die landesfürstliche Gewalt oder die alte Erb-
einiguug der Häuser Sachsen, Brandenburg und Hessen
oder die Vorzüge des sächsischen Rechtes und viele andere
Privilegien beeinträchtige. In anderen Punkten, Avelche
den Landfrieden, das Kammergericht, die Polizeiordnung '-^),
die Türkenhife etc. betrafen, schlois er sich im ganzen
den allgemeinen Kundgebungen an. Bei der Beratung
über die „Reichsanschläge" (Reichssteuer) aber forderte
er volle Berücksichtigung der neuen sächsischen Landes-
verhältnisse.
Nachdrücklich widersprach er auiserdem einem auf
Anregung des Kaisers von mehrei-en Reichsständen ein-
gebrachten Vorschlage über eine allgemeine und bestän-
Savoyen, Eraaimel Philibert, unterstützte er beim kaiserlichen Hofe
in Angelegenheiten seines Hauses und verdiente sich den Dank des
Vaters. Loc. 8498, Allerlei Eürstenbriefe etc. Bl. 22; v. Langenu,
Christof von Carlowitz S. 165.
>3) Loc. 10186, Propositiou zu Augsburg 1547—1548 Bl. 323,
9141, Chui'fürstlich-sächsische Handlung etc. — Der Kurfürst besorgte,
dafs sich nach dem Beispiele der Bischöfe etliche Grafen und die Ver-
treter der Äbtissin von Quedlinbiirg auf dem Keichstage einfinden
würden.
20) Loc. 9141, Churfürstlich sächsische Handlung etc. Bl. 36.
^^) Eingedenk der Laudtagsverhandlungen stellte Moritz den
Antrag, dafs uneheliche Kinder von allen Ritterlehen, sowie von der
Ehre des Schildes, Helmes und Dienstes ausgeschlossen werden sollten.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 203
(lige Reiclismünze ■-■-). Zwar war er völlig davon über-
zeugt, dafs die deutschen Münzverliältnisse kaum trauriger
sein konnten und eine zweckmälsige Neuerung höchst
wünschenswert erschien ; der Reforraentwurf jedoch war
wenig günstig, und die Annahme desselben mulste zweifel-
los die gute sächsische Münze, sowie den gewinnreichen
sächsischen Bergbau, den blühenden Handel und gewerb-
lichen Verkehr hochgradig benachteiligen. Überdies durfte
der Kurfürst zufolge alter herkömmlicher Verpflichtungen
ohne Wissen und Willen seiner Landstände keine Münz-
veränderung vornehmen. Grund genug für ihn, um nach
Kräften in der Opposition gegen die erörterten Münz-
vorschläge zu verharren und den Reichsständen seinerseits
die Annahme des sächsischen Münzwesens angelegent-
lichst zu empfehlen -••).
Der vorsichtigen Natur des jugendlichen Kurfürsten
entsprach es, wenn er Ende November vom Kaiser einen
mehrwöchentlichen Urlaub erbat, um in der Heimat seine
Räte und die vornehmsten Vertreter seiner Landstände
über die wichtigsten Punkte der kaiserlichen Vorlage um
Rat zu fragen. In den letzten Dezembertagen -^) Avaren
seine Vertrauten um ihn in Torgau versammelt und er-
klärten sich einhellig einverstanden mit seiner bisherigen
Haltung auf dem Reichstage. Freimütig ermunterten sie
ihn, auch ferner ohne Wanken den Standpunkt zu be-
haupten, den er in der religiösen Frage eingenommen
habe. Nur ein freies, christliches und unparteiisches Konzil
in deutscher Nation oder eine Nationalversammlung sollte
er bewilligen-'*). Da die Religion Gottes Ehre, den lieiligen
22) Loc. 1018fi, Proposition und Roichstaii: zn Anasimrff 1547
bis 1548 Bl. 29; 9141, Churfürstlicli sächsische Handluni? I.'i47 \\\. -.W,
28, 67 flg. — Am 27. Oktober berieten die erfahrensten s<ächsischen
Räte in Oschatz über das Münzwesen. Alles lief daranf hinans:
Gnte Münze lielebe Handwerk, Handel und Üergbau, sclilrchte >Münze
schädige den Verkehr und alle staatlichen und volkswirtschaftliclicn
Verhältnisse ; sie l)eeinträchtigc das füi'stliche Einkommen und treffe
Kapital, Zinsen und Renten.
-") Schlierslich zeigte die Reichstagsiiiehrheit Noiguntr dafür,
dafs die Keiclismüiizen nach säcjisischem Korn gcscliliigun werden
sollten. König Ferdinand wollte sich mit Kurfürst Moritz, dem Krz-
bischof von Salzburg und dem (irnfen von Mansfeld verbinden; allein
die anderen J^ergwerksherren kämiiften dagegen an.
-^) Loc. 9141, Churfürstlich sätihsische Handlung etc. 1547 Bl. 14,
Torgau, 27. JJezember.
-•'') In Folge dessen verlangte der Kurfürst von den Witten-
berger Theologen ein „Bedenken des Konzils halben".
204 S. ITsleib:
christliclien Glauben und der Seelen Seligkeit betreife,
so müsse man zuletzt Gott mehr als der weltlichen Obrig-
keit gehorchen. Unter keinen Umständen sollte er eine
kaiserliche Ordnung annehmen, welche „mittlerweile" bis
zur Entscheidung des Konziles oder der Nationalver-
sammlung die kirchlichen Verhältnisse regeln wolle ; denn
im sächsischen Lande werde die reine Lehre nach der
heiligen Schrift gelehrt und gepredigt, und der Kaiser
habe sowohl dem Kurfürsten als auch den Landständen
die schriftliche Zusage gegeben, dals sie bis zum Konzil
bei ihrer christlichen Religion bleiben sollten. Ingleichen
sei jeder Veränderung in Betreff der geistlichen Güter
und Jurisdiktion vorzubeugen. Kein kaiserliches Bündnis
sei anzunehmen, welches die alten Erbeinigungen und die
Verträge mit den Nachbarfürsten aulser Kraft setze
und viele andere schwierige Verhältnisse mit sich bringe.
Mit guten Gründen widerriet man, der vorgeschlagenen
Münzordnung zuzustimmen oder dem vom König Ferdinand
und dem Erzbischof von Salzburg angeregten Münzverein
beizutreten. Als vollständig berechtigt erkannte man den
kurfürstlichen Protest gegen die Bischöfe von Naumburg
und Meilsen wegen des Sitzes im Fürstenrat an. Hin-
sichtlich der „Reichsanschläge" stimmte man der kurfürst-
lichen Forderung um billige Berücksichtigung der neuen
sächsischen Landesverhältnisse zu, damit die Reichslasten
gleichmälsig verteilt würden. Offen tauschte man die
Meinungen aus über den mit den Ernestinern begonnenen
Liquidationshandel, über die gegen das geächtete Magde-
burg einzuschlagenden Maisnahmen und über alle übrigen
Landesangelegenheiten. Lisofern der Kurfürst seine wei-
teren Schritte nach dem Gutachten seiner Vertrauens-
männer richtete, hatten die Beratungen in Torgau an-
sehnliche Bedeutung.
Als Kurfürst Moritz abermals genaue Verfügungen
über die Regierung seines Landes am 21. Januar 1548
in Torgau -'^) getroffen und die Theologen angewiesen
hatte, sich für ein Kolloquium auf dem Reichstage be-
reit zu halten, reiste er wiederum nach iVugsburg.
Dort setzte zunächst der Kaiser nach eingeholter Zu-
stimmung der Kurfürsten-') die feierliche Belehnung
^^) Loc. 10041, Kurfürst Moritz heimg-elassene Instruktion etc.
2') Loc. 9B07, Wie Kurfürst Moritz zu Sachsen mit der Kur
belieben etc. 1547 — 1.548. Über die Belehnungsfeicrlicbkeit selbst
siehe v. Langenn, Moritz, Herzog und Kurfürst von Sachsen I, 389.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 205
Moritzens zur Verlierrlichnng seines (des Kaisers) Ge-
burtstages auf den 24. Februar an. Öffentlich unter
freiem Himmel wurde der wichtige Akt in aller Förmlich-
keit würdig und prunkvoll vollzogen. Vorher vereinbarte
man, dafs das Burggrafentum Magdeburg und das Grafen-
geding zu Halle in herkömmlicher Weise an Moritz ver-
gabt werden solle unter der Bedingung, dafs er ernst-
lichen Fleils auf die Vollziehung der gegen Magdeburg
ausgesprochenen Acht verwende. Sein Bruder, Herzog
August, sollte hinsichtlich der Anwartschaft auf die Kur-
würde und auf alle anderen damit verbundenen Reichs-
lehen und Regalien den Söhnen und dem Bruder Johann
Friedrichs vorgezogen werden ; doch hatte er Verzicht auf
die weltliche Verwaltung des Bistums Merseburg zu
leisten. Beiden Brüdern und ihren Nachkommen gewährte
der Kaiser das Schutzrecht über die Stifter Meifsen,
Merseburg und Naumburg ; aber sie sollten die Bistümer
als Reichslehen bei ihren Privilegien lassen und die Stifts-
güter von den Bischöfen zu Lehen nehmen-^). Eine Ent-
scheidung über die Rechte der Ernestiner auf die sächsische
Gesamtlehnschaft behielt er sich bis auf weiteres vor;
ihren neuen Lehnsbrief sollten Moritz und xA.ugust vor
der Ausfertigung einsehen und begutachten dürfen. Zuletzt
wurde Moritz ersucht, sich in Rücksicht auf die ansehnliche
Begabung und bevorstehende Belehnung der ihm einst
verschriebenen kaiserlichen Jahrespension zu entäulsern^'').
Im Hauptlehnsbriefe vom 24. Februar mit dem goldenen
SiegeP*^) bestätigte der Kaiser, dais er Moritz und August
mit der Kurwürde, dem Kurfürstentum, dem Erzmarschall-
amte, dem Herzogtum Sachsen und den anderen Fürsten-
tümern, Grafschaften und Herrschaften im Beisein von
fünf Kurfürsten und vielen geistlichen und weltlichen
Fürsten des Reiches „öffentlich in der kaiserlichen Ge-
zierde unter den Fahnen" belehnt habe^^). Er erkannte
2**) Bald beschAverte sich liiscliof Johann von Mcifscn üher die
Einschränlanig" seiner Anitshandhuii;- nnd Lehnsfreihcit etc. Loc. 10186,
Eeichstagshäudel zu Augsburg 1547 — 1548 Bl. (iö.
~^) bas Original der kaisei'liclien Ycrschreibung durfte er gegen
Ausstellung eines Reverses elirenhalber belialten. Siehe Georg
Voigt, Moritz von Sachsen 1541 — 1547 S. 5(?.
3") Dresden, Urkunde 11339, Loc. 10186, Reichstagshändel zu
Augsburg 1547 — 1548 El. 35, 46, 55.
^^) Moritz forderte nun, .loliann Friedrich solle zur Herausgabe
aller Urkunden über die sächsische Kur, insonderheit der goldenen
Bulle angehalten werden.
206 S. IMeib:
die Erbansprüclie beider auf alle ernestinisclien Be-
sitzungen an; behielt sich jedoch die Entscheidung über
die Rechte der Vettern auf das sächsische Gesamtlehen
ausdrücklich vor. .. Im Mai stimmten die fünf Kurfürsten
urkundlich der Übertragung der sächsischen Kur auf
Moritz und seinen Bruder samt der Nachkommenschaft
bei. Der Erzbischof von Mainz jedoch beanspruchte einen
Revers, welcher ihm die geistliche Gerichtsbarkeit und
Obrigkeit über Erfurt und andere thüringische Orte
sicherte. Ein kaiserliches Dekret vom 28, Mai verfügte,
dals die Grafen von Schwarzburg ihre Lehen beim Kur-
fürsten von Sachsen suchen sollten, und ein oifener Brief
von demselben Tage gab allen Reichsständen die feierliche
Belehnung Herzogs Moritz mit der sächsischen Kurwürde
kund.
Inzwischen waren die Reichstagsverhandluugen lang-
sam vorwärts geschritten, und die Religionsfrage hatte
sich aller Gemüter bemächtigt'*"). Die kaiserliche Sendung
nach Rom war milsglückt und hatte einen offenen Bruch
zwischen den beiden höchsten Gewalten der Christenheit
veranlalst. Um so eifriger falste der Kaiser das nächste Ziel
ins Auge, den religiösen Zustand des Reiches einstweilen
so zu gestalten, dafs alle deutschen Stände bis zur Ent-
scheidung des Religionsstreites auf dem Konzile „gottselig
und christlich nebeneinander leben" könnten; denn ohne
einige Vergleichung in der Religion sei kein äulserlicher
beständiger Frieden zu machen. Im Januar 1548 baten
ihn die Reichsstände, Mittel und Wege dazu anzuzeigen ■^'^).
Darauf trat er mit dem Antrage an sie heran, eine kleine
Zahl geschickter, erfahrener und gottesfürchtiger Personen
zu wählen, die vor seiner selbständigen Entscheidung
nochmals mit etlichen der Seinen beraten sollten. Die
geistlichen Kurfürsten und die altgläubigen Fürsten waren
dafür, dals man dem Kaiser alles anheimstelle, während
die protestantischen Kurfürsten und Fürsten sich zur
Wahl geeigneter Personen bereit erklärten. Durch die
Mehrheit aber gedrängt, änderten sie schliefslich ihre
Meinung und gaben an, es sei ihnen auch recht, wenn der
Kaiser die Personen selbst wähle. In Folge dessen bildete
Karl V. im Februar wii'klich einen Religionsausschuls
^-) Ranke V, 25. Vergl. Georg Beutel, Über den Ursprung
des Augsburger Interims (Dissertation 1888).
3^) Loc.^101 86, Propositiou zu Augsburg 1547—1548 Bl. 283, 287 flg.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 207
aus Männern beider Parteien; allein der Versuch, sich
zu verständigen, milslang. Auf Rat sehies Bruders
Ferdinand wählte nun der Kaiser drei Männer, Julius
Pflug, Bischof von Naumburg, Michael Heiding, W'^eih-
bischof von Mainz, und Johannes Agricola, Hofprediger
Joachims II. von Brandenburg, welche seinen kirchen-
politischen Plan verwirklichen und den gangbaren Mittel-
weg zwischen Katholiken und Protestanten ohne Schädi-
gung der Hierarchie auffinden sollten.
Julius Pflug, welcher dem Kaiser nach dem schmal-
kaldischen Krieg eine politisch - kirchliche Denkschrift
überreicht hatte, zeichnete die Grundzüge des Entwurfes
auf und suchte als altgläubiger Bischof in evangelischen
Landen die Interessen beider Religionsparteien mafsvoll
abzuwägen. Seine beiden Helfershelfer bemühten sich,
ihn nach der einen oder anderen Seite hin zu unterstützen.
Bei allen früheren ausgleichenden Versuchen Avar es
den Protestanten immer darauf angekommen, ihre Auf-
fassung von der Rechtfertigung, vom Abendmahl, von der
Priesterehe und von einigen anderen Punkten zu behaupten.
Dem mufste auch jetzt Rechnung getragen werden. Da-
her verwiesen die drei kaiserlichen Bevollmächtigten ohne
weiteres die Priesterehe und das Abendmahl unter beider-
lei Gestalt auf das Konzil. Die Lehre aber vom
Sündenfall, von der Rechtfertigung, von der Kirche, von
den Sakramenten und von den Ceremonien zogen sie in
den Bereich ihrer Arbeit. Obgleich sie in allen Punkten
die protestantische Anschauung berücksichtigten, so zeigte
doch schlielslich der Entwurf so ziemlich die alte Kirche
mit ihrem Glauben und Gottesdienst. Die Durchsicht
und Prüfung vollzogen der kaiserliche Beichtvater Soto,
der Spanier Malvenda und der Hofprediger König
Ferdinands =^^). Alsdann legte der Kaiser den Entwurf
Mitte März den protestantischen Kurfürsten i m G e h e i m e n
zur Durchsicht und zur Annahme vor.
In der festen Überzeugung, dals das Interim
für alle Reichs st an de Geltung haben sollte, nahmen
die Kurfürsten von der Pfalz und Brandenburg den
„einstweiligen Ratschlag" an ; Kurfürst Moritz aber ver-
hielt sich ablehnend. Eingedenk der letzten Beratungen
■■''•) Das Buch war ähnlich der Sclnifl, welche der Kaiser auf
dem Reichstag- zu Augsburg 1541 vorlegen liels.
208 S. Ifsleib:
mit seinen Vertrauten in Torgau wies er die vorgelegte
Einigungsformel zurück und wollte sich auf nichts ein-
lassen. Da luden ihn die beiden genannten Kurfürsten
auf Befehl des Kaisers und Königs zu sich ein und nötigten
ihn im Beisein etlicher Räte zu einer vertraulichen Aus-
sprache. Man hat dann mehrere Tage ernstlich ver-
handelt"'^}. Moritz zeigte an, dals die ßeligionssache nicht
mir ihn, sondern auch seine Unterthanen betreffe; ohne
Rat seiner Theologen und ohne Zustimmung seiner Land-
stände könne er nichts bewilligen. Vor dem Kriege habe
der Kaiser ihm in Regensburg durch König Ferdinand
mündlich und später ihm und seinen Landständen schrift-
lich zugesagt, dals er sie nicht von ihrer Religion ab-
bringen wolle. Li Folge dessen habe er allen seinen
Unterthanen versprochen, sie in ihrem christlichen Glauben
zu schützen bis zur Entscheidung eines allgemeinen freien
christlichen Konziles. Zwar willigte er ein, dals der
kaiserliche Ratschlag verlesen werde, um Bedenken da-
gegen zu erheben; doch sollte alles unverbindlich sein,
die Beratung mit seinen Landständen behielt er sich vor.
Darauf wurde ein Artikel nach dem andern besprochen.
Als er zuletzt auf seiner Meinung bestand, dafs er die
Formel nicht annehmen könne, sagten die beiden Kui'-
fürsten: er müsse sie hier in Augsburg bewilligen, sonst
verursache er grolse Zerrüttung im Reiche; denn das
Interim solle „durchaus gehen" und von allen Ständen
gehalten werden. Widersetze er sich der Annahme,
so werde es ihm zu Ungnaden und seinem Lande zum
Nachteil gereichen. Ungern wollten sie dem Kaiser von
seiner Weigerung Anzeige erstatten. Alle Einwendungen
gegen den Entwurf sollte er schriftlich zusammenfassen
und vorlegen lassen, damit man sich darüber an Ort und
Stelle vergleichen könne. Dieses Ansinnen lehnte Moritz
ab, weil er und seine Räte der Sachen nicht kundig ge-
nug seien; doch äulserte er unter anderem, dals Messe
und Kanon mit der im „Vorschlage" aufgestellten Lehre
von der Rechtfertigung im Widerspruch stünden, und dafs
den Sakramenten, der Firmung und der Ölung zuviel
Kraft zugeschrieben würde. Was er und seine Land-
3'"') Loc. lOlSß, Reichstag-shändel zu Augsburg 1547—1548 Bl. 253 ;
10297, Interim Augustanuin 1548 Bl. (S, 78, 223. Verhandhmgen am
17., 19., 20. März, dann mit dem Kaiser am 24. März Bl. 257. Siehe
Ranke, Zeitalter der lieformation VI, 276.
Moritz vou Sachsen 1547—1548. 209
stände mit Gott und gutem Gewissen tlmn könnten, das
solle geschehen, vorausgesetzt, dafs das Interim von
allen Reichs ständen bewilligt, angenommen und ge-
halten werde. Für nötig und nützlich hielt er ein
Religionsge sprach, zu welchem er gottesfürchtige und
friedliche Gelehrte schicken wollte ■^''); die beiden Kurfürsten
sollten es allen Ernstes beim Kaiser und König bean-
tragen.
Unmittelbar darauf stellte Moritz König Ferdinand
vor, welche grolse Unruhen in Deutschland und auch in
Böhmen entstehen würden, wenn man die Unterthanen
von ihrem Glauben abbringen wolle, ohne vorher noch
einmal verständige und gelehrte Theologen von beiden
Parteien gehört zu haben. Allein der König war wenig
zugänglich und liefs bald den Kurfürsten Melanchthons
wegen verwarnen und sagen: der Kaiser sei mit dem-
selben übel zufrieden, weil er gegen ihn geschrieben habe.
Und da er noch nicht ausgesöhnt sei, so wäre zu besorgen,
dals seine Auslieferung eines Tages befohlen werde.
Darum erscheine es gut, wenn ihn der Kurfürst hinweg-
brächte. Moritz nahm jedoch seinen Wittenberger Professor
aufs beste in Schutz und liels dem König durch Dr. Fachs
und Christof von Carlowitz versichern, dafs er gerade
durch Melanchthon seine Kirchendiener in guter Zucht
und Ordnung zu erhalten und eine Reformation zu er-
möglichen hoffe. Überdies sei ihm bestimmte Nachricht
überbracht worden, dals der Kaiser nach dem Kriege
vorgehabt habe, ihn durch ein Stipendium zu gewinnen,
um ihn über die strittigen Artikel der Religion zu hören.
Dadurch sei er bewogen worden, dem Gelehrten in seinem
Lande Geleit und Sicherheit zu gewähren. Keineswegs
habe er besorgt, dals es nun dahin kommen werde. Der
König möge Melanchthon beim Kaiser entschiildigen und
ihn auch für seine Person auiser Verdacht lassen.
Trotz dieser Verwendung gab doch der Kurfürst
Befehl, dais Dr. Komerstadt den Wittenberger Professor
einige Tage den Augen der Welt entrücke").
'"') Sofort gab erBefohl, dieWittenlierger Theologen Mclanclitlion,
Kreuzig-er und Meier sollten mit Pt'eftinger aus Leipzig nach Zwickau
eilen, damit sie Augsburg etwas näher seien, falls es zum lleligions-
gespräch komme, oder falls er ihres Rates schleunigst bedürfe.
"■'j Ehe die Weisung in Wittenberg anlangte, war Melanchthon
mit den anderen Theologen a\if der Reise nach Zwickau. In liriefcn
Komerstadfs an den Kurfürsten hiefs Melanchtlmn nur der „Mann".
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIII. 3. 4. 14
210 S. Ksleib:
Am 24, März wurde Kurfürst Moritz zum Kaiser
befohlen und ihm in Gegenwart des Königs und der Kur-
fürsten von Pfalz und Brandenburg durch den Vize-
kanzler Dr. Seid eröffnet, dafs seine Weigerung, das
Interim anzunehmen, befremde. Der Kaiser erinnere sich
wohl, dafs er ihm und seinen Unterthanen zugesagt habe,
die Eeligion nicht mit Gewalt oder mit dem Schwerte
zu vertilgen, sondern auf gebührlichem Wege zu christ-
licher Vergieichung zu bringen. Dieses Versprechen schliefe
aber das Interim nicht aus; denn zum Teil habe sich
seine damalige Zusage auf die Reichsabschiede bezogen,
nach denen ein freies, ordentliches, christliches Konzil
oder eine Nationalversammlung oder ein Reichstag christ-
liche Wege zur Vergieichung seien. Nun hätten sich
alle Stände auf diesem Reichstage über das Interim ver-
glichen, weil sich das Konzil verzögern werde. Der Kaiser
handle also seiner Zusage gemäls und ersuche den Kur-
fürsten, der ihm erzeigten grofsen Gnade und Beförderung
eingedenk zu sein, sich mit den Reichsständen zu ver-
ständigen und keine Irrung im Reiche zu veranlassen.
Friedfertigkeit werde ihm zu Ruhm, Ehre und allem
Guten gereichen.
Kurfürst Moritz wiederholte, was er vor wenigen
Tagen den Kurfürsten von Brandenburg und Pfalz an-
gezeigt hatte und beteuerte, dafs er ohne Rat seiner
Gelehrten und ohne Bewilligung seiner Landstände keine
Religionsveränderung zugestehen dürfe; er habe seinen
Unterthanen zugesagt, sie in ihrer Religion bis zur Ent-
scheidung durch ein allgemeines freies christliches Konzil
zu schützen. Und da der Kaiser diese Zusage durch
eine gnädige Zuschrift bekräftigt habe, so hätten sie sich
im letzten Kriege gegen die kaiserlichen und königlichen
Feinde gebrauchen lassen. Er bat um Urlaub, damit er
ehrenhalber mit seinen Landständen über das Interim
beraten könne. Für seine Person wollte er alles, was zu-
lässig sei, bewilligen ; gleiche Nachgiebigkeit hollte er bei
seinen Unterthanen voraussetzen zu dürfen, da sie stets
bereit gewesen seien, dem Kaiser in allem, was ohne Ver-
letzung der Gewissen möglich sei, Gehorsam zu leisten.
Der Kaiser liels wiederholen, dafs er sich seiner Zu-
sage und seiner Zuschrift wohl bewufst sei; weil aber
alle Reichsstände in die Vergieichung durch ein
Interim eingewilligt hätten, so wäre das ein christlicher
Weg gemäls der Reichsabscliiede. Darum wünsche er,
Moritz von Sachsen 1547—1548. 211
dafs der Kurfürst die übergebenen Vorschläge gutwillig
annelime und keinen Zwiespalt verursache. Was alle
Stände gutheifsen und thun würden, könne er nicht ver-
Aveigern. Die Bedenken wegen seiner Theologen und
Landstände seien zu verwerfen; im Reiche sei es also
Herkommen, dals alle Unterthanen die Beschlüsse der
Reichsstände halten müisten. Es verkleinere sein kur-
fürstliches Ansehen, wenn er die Seinen um Rat an-
gehen wolle, und für den Kaiser wie für die Reichs-
stände sei es unleidlich, einen solchen Brauch auf-
kommen zu lassen. Es scheine nicht geraten, die
Theologen zu fragen, denn sie gerade hätten den Kaiser
aufs Heftigste angegriffen; vor allem möchte Philipp
Melanchthon, welcher schon Johann Friedrich in seinem
Ungehorsam bestärkt habe, sich unterstehen, auch ihn zu
verführen; er befehle, denselben zu überantworten. Der
Kurfürst solle sich auch nicht von seinen Räten abhalten
lassen, in das Interim einzuwilligen, sonst werde der
Kaiser veranlafet, gegen diese vorzugehen.
Moritz erklärte, dafs er das, was die Reichsstände ein-
hellig bewilligten, nicht ändern könne. Da er aber die be-
wulste Zusage seinen Unterthanen mit kaiserlicher Zustim-
mung gethan habe, so liege die Sache für ihn ganz
anders als für die anderen Kurfürsten und Fürsten,
welche an kein Versprechen gebunden seien. Niemand ver-
führe ihn, weder seine Theologen noch seine Räte. Er denke
allein an seine Ehre ; denn was er zugesagt habe, das sei
er schuldig zu halten. Obgleich er für seine Person, wie
seine anwesenden Räte keine grolsen Bedenken gegen die
Interimsvorschläge habe, wenn sie von allen Reich s-
ständen einhellig angenommen würden, so wolle
es ihm doch nicht gebühren, ohne Wissen seiner Land-
stände zu handeln. Inständig bat er um Aufschub der
Saclie und um gnädige Berücksichtigung seiner Ehre.
In Ansehung seines bisherigen Gehorsams möge ihn der
Kaiser zu keinem Schritte gegen sein Versprechen zwingen ;
denn er könne sich zu nichts verstehen, wenn er nicht
Treue und Glauben verletzen woUe.
Indem er seine Theologen und besonders Melanchlhou
in Schutz nalun, sagte er, dals in seinem Lande keine
Angriffe gegen den Kaiser geduldet worden seien. Tief
betrübe ihn, dals gerade Melanchtlion so sehr angeklagt
erschehie. Der Kaiser möge die Anscbuldigungen nach-
sichtsvoll beurteilen und genaue Erkundigungen enizii^hcn
14*
212 S. Ifsleib:
lassen, vor allem des Buches halber, welches Philipp ge-
schrieben haben solle. Vielleicht finde er dann, dals man
zu viel berichtet habe^^^j. Hätte Johann Friedrich
auf Melanchthon gehört, dann würde es mit ihm nicht
so weit gekommen sein. Mit gutem Gewissen versicherte
er, dals Philipp ein gottesfürchtiger, friedliebender und
gelelirter Mann sei, der zu Wittenberg und in den Nach-
barländern gute Zeremonien erhalten und Zwiespalt ver-
hütet habe. Durch ihn gerade hoffe er eine christliche
Vergleichung zu ermöglichen. Der glaubwürdige Bericht,
dals der Kaiser ihn für ein Stipendium ausersehen, habe
ihn bewogen, deu Gelehrten an sich zu ziehen. Uner-
wartet erfahre er nun, dafs Melanchthon dem Kaisej- so
zuwider sei. Nach der königlichen Warnung vor einigen
Tagen habe er ihm anzeigen lassen, dals es schwer
falle, ihn gegen den Kaiser zu schützen. Ob nun Philipp
sich noch in seinem Lande aufhalte, wisse er nicht. Unter-
thänigst aber ersuchte er den Kaiser um Nachsicht und
Geduld.
Als darauf der Kurfürst das kaiserliche Gemach ver-
liefs , folgte König Ferdinand und verkündigte , dals
er sich beim Kaiser für Melanchthon verwendet habe.
In Augsburg solle man nun seiner nicht mehr gedenken,
doch möge ihn Moritz in seinem Lande dulden; jedenfalls
werde er sich wohl und recht halten. Um die Hauptsache
aber, fuhr der König fort, komme der Kurfürst nicht
herum; denn was alle Stände bewilligten, das
müsse auch er annehmen.
Nochmals eriimerte Moritz an die Zusage in Regens-
burg, dafs er selbst dann nicht gefährdet werden solle,
wenn auf dem Konzile ein, zwei, drei oder vier Artikel
nicht verglichen werden könnten. Endlich einigte man sich
daliin, dals der Kurfürst, wenn alle Reichs stände das
Interim zugestehen würden, im Reichsrate keine Irrung durch
offenen Widerspruch veranlassen,sondern seinerseits erklären
wolle, dafs er zwar in dieser Sache seiner Unterthanen
nicht mächtig sei, doch hoffe er, sie würden wohl ein-
sehen, dals er den Beschluls aller anderen Fürsten und
Stände nicht abändern könne. Damit war der König
zufrieden, und der Kaiser schien die kurfürstliche Er-
^^) Über dieses Buch handelt Gründlicher und wahrhafftiger Be-
richt aller Ratschleg uud Antwort etc. Bl. 86.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 213
kläriing für eine vollkommene Einwilligung zu hallen. Der
erbetene Urlaub zur Heimreise wurde verweigert.
Während nun Karl V. die geistlichen Kurfürsten
sowie die angesehensten geistlichen und weltlichen Fürsten
um ihre Zustimmung zu dem Interimsvorschlag anging''"),
liefs Kurfürst Moritz den Entwurf in aller Eile abschreiben
und an Dr. Komerstadt schicken mit der Weisung, dafs
Melanchthon und die andei'en Theologen ein Gutachten
darüber abgeben sollten.
Am 30. März^*^*) traf Dr. Komerstadt mit Philipp
Melanchthon iii Altzella bei Nossen zusammen, wo der
grofse Gelehrte den kaiserlichen „Ratschlag" über das
Interim durchlas und einige Bedenken dagegen nieder-
schrieb. Da Komerstadt das Gutachten „kurz und dunkel"
fand, so dafs sich der Kurfürst und seine Räte in
Augsburg nicht leicht darnach richten • könnten , so
schrieb er selbst seine Bedenken, wie er meinte, ver-
ständlicher als Melanchthon, nieder und gab sie ihm zu
lesen. Dieser aber sagte, damit werde der Sache auch
nicht geholfen, und sclmeb ein zweites Gutachten klarer
und ausführlicher als das erste. Komerstadt prüfte das-
selbe, fügte einige Bemerkungen hinzu und schickte alles
zusammen über Zwickau^^) nach Augsburg. Im Begleit-
schreiben führte er aus, dafs es nötig sei, sowohl die an-
gesehensten Theologen als auch die vornehmsten Räte
und Vertreter der Landstände schnell zu einer Beratung
über den wichtigen Gegenstand zusammenzufordern, was
dann für gut angesehen werde, das würden alle auch den
Landständen gegenüber mit verantworten helfen. Dr.
Philipp müsse auf alle Fälle dabei sein, weil die Theologen
ohne ihn nichts thun oder zugestehen würden. Soviel er
erkenne, sei Melanchthon der Ansicht, dals man in allem
3") Am 26. März widersetzte sich Markg-raf Hans von Küstrin
der Annahme des Interim und erinnerte gleichfalls an die kaiser-
liche Zusage vor seiner Dienstbestallung, dafs er wie ütoritz bei seiner
Religion bleiben solle. Endlich wollte er sich so verhalten wie alle
anderen Stände der augsburgischen Konfession.
•^0) Dresden, Loc. 10297, Interim Augustanum 1548 Bl. 58 flg.
Melanchthon war damals mit den anderen Theologen auf der
Reise nach Zwickau. In Altcuburg holte ihn ein Eilliote ein und
meldete von der kaiserlichen Uagnade. Aufgefordert zog er mit ül)er
Rochlitz nach Altzella, während die übrigen ihren Weg nach Zwickau
fortsetzten.
») Siehe Anm. 36 u. 40.
214 S. Ifsleib:
nachgeben solle, was man mit dem guten Willen der
Unterthanen vergleiclieu könne; alles übrige möge man
einem reclitscliaffenen Konzile anheimstellen. Niemanden
solle man zwingen, sonst würden grolse Unruhen, Ge-
fahren und Verfolgungen entstehen^-). Melanchthon er-
biete sich, zur Einigkeit zu raten und mehr nachzugeben
als irgend ein anderer, damit der Friede erhalten bleibe.
Viel lieber wolle er sterben als die Ursache zu Zwiespalt,
Aufruhr und Kampf sein.
Von Altzella fuhi- Komerstadt mit Dr. Philipp nach
Meifsen und liels ihn von da nach Wittenberg zurück-
ziehen*'^). Der Gelehrte war sehr traurig und bekümmer-
ten Gemütes. Das Buch über das Interim wollte ihm
gar nicht gefallen; je länger er darüber nachdachte, um
so trüber sah er die Sache an. Wenn man dagegen
schreibe, klagte er, werde eine grofse Disputation erregt,
und wenn man es mit Gewalt einführe, sei das grölste
iJbel zu besorgen. Komerstadt wünschte, dals der Kur-
fürst einen Trostbrief an Philipp schreiben lasse, damit er
nicht allzu niedergeschlagen bleibe.
Sobald Kurfürst Moritz den Vorschlag seines treuen
Rates gebilligt hatte, berief Komerstadt die Theologen,
welche in Zwickau weilten, samt Melanchthon und einige
weltliche Eatgeber nach Altzella. Mit Eeclit meinte er,
die Theologen würden weniger furchtsam und bedenklich
sein, wenn Männer wie der alte Georg von Carlowitz und
andere bei ihnen wären. Der Kaiser sollte von dieser
Zusammenkunft in Kenntnis gesetzt werden, weil sie doch
nicht ganz geheim bleibe ; besser sei es, man wisse davon,
dann habe die Sache kein böses Ansehen, und man ver-
meide allerlei Furcht und Argwohn.
Von Annaberg aus schrieb Komerstadt in jenen Tagen
an den Kurfürsten: er habe gesehen, dafs die Bergleute
die Hände emporgehoben und Gott gebeten hätten, er
Avolle ihren Landesherrn bei seinem heiligen Worte er-
*2) Viele Prediger würden in die See- und sächsisclien Städte
flüchten und „ein mächtig Geschrei erheben, man sei von der wahren
üeligiou abgefallen".
■*^) Unterdessen war die Nachricht vom 25. März aus Augsliurg
eingelaufen, dafs Moritz zufolge königlicher Verwendung den Gelehrten
in seinem Lande dulden dürfe. Demnach ist Melanchthon gar nicht
in Sicherheit gebracht worden. AVährend der ßeise von Wittenberg
nach Zwickau wurde er in Altenburg aufgefordert, zu Komerstadt
nach Altzella zu kommen etc.
Moritz von Saelispii 1547—1548. 215
halten und ihm gnädig beistehen. Darum sei es nötig,
mit Rat und Willen der Unterthanen, besonders der Ge-
lehrten und Vornehmsten der Landstände die wichtige
Sache zu verhandeln.
Vom 19. bis 24. April fanden die Beratungen über
die kaiserlichen Vorschläge zum Interim in Altzella statt ^*).
Die Theologen*'') gaben zu, dals viele Ungleichheit in
den Kirchen der evangelischen Länder herrsche und eine
Einheit wahrhaft uotthue; aber sie hielten die Interims-
frage für so wichtig, dafs man nichts übereilen dürfe und
alle Stände der augsburgischen Konfession um Rat fragen
müsse ; es handle sich um Gottes Ehre und um das Seelen-
heil der Menschen. Ohne Neigung zu Streit und Zank
schritten sie an ihre Aufgabe; je tiefer sie jedoch ein-
drangen, um so mehr überzeugten sie sich davon, dafs
man mit grofser Vorsicht zu Werke gehen müsse. Das
„augsburgische Buch" erschien ihnen nicht leicht ver-
ständlich und voll verborgener List. Kaum wollten sie
es wagen, dem Kurfürsten einen Rat zu erteilen. Man
war sich dessen wohl bewufst, dafs an seiner Antwort
vor Kaiser und Reich viel gelegen sei; offen sprachen sie
aus, dafis alle Nationen auf ihn sehen würden ^'^). Trotz
rühmlicher Mäfsigung zeigten sie doch soviel Mannesmut,
dafs sie gleich an dem Lehrstück von der Rechtfertigung
starken Anstofs nahmen. Wer möchte es ihnen verargen,
wenn sie erklärten : es sei ein listiger Betrug , indem
man sage, der Glaube sei eine Vorbereitung zur Gerechtig-
keit, darnach sei der Mensch gerecht durch die Liebe,
durch eigne Tugenden und durch gute AVerke etc. In
solcher Fassung verwarfen sie den Lehrsatz rundweg;
denn niemand solle und düi^fe das Evangelium vom Glauben
ändern, wodurch Christi Verdienst erniedrigt werde.
Duldsam gegen den Artikel über die Kirche und den
Papst wollte man selbst den Bischöfen gehorchen, weini
sie die alten Mifsbräuche nicht wieder einführen würden.
Mafsvoll erwies man sich gegen die sieben Sakramente, gegen
viele Zeremonien und Feste , auch gegen die Fasten und
") Gleichzeitig wurde in Freiberg die Münzfrage erörtert.
''•^) Kaspar Creuziger, Georg Meier, Joliann Pfefflnger, Philipp
Melanchthon.
'"*) Moritz war jetzt Tjandcsherr von Wittenberg, der Heimat
des Protestantismus ; deshalb mufsteu die lilicke der gesamten evan-
gelischen Welt auf ihn gerichtet sein.
216 S. Ifsleib:
gegen andere kirchliche Ordnnngen. Mit aller Entschieden-
heit aber bekämpfte man den gesamten Heiligendienst,
die Seelen- und Privatmesse und alle öffentlichen Miis-
bräuche. Nicht mit Unrecht bemerkte man, dais äufser-
liche Zeremonien das gemeine Volk heftiger aufregten als
unsichtbare Dinge; selbst gottesfürchtige Leute würden
daran schweren Anstofs nehmen und schlielslich im Herzen
Widerwillen gegen die Religion überhaupt empfinden.
Es drängte sich den versammelten Theologen die Über-
zeugung auf, dafs der Entwurf zum Interim ein „geflicktes
Ding" sei, welches Gutes und Böses durcheinander menge
und mit Sophisterei spiele, gleich als handle man mit
Kindern, die es nicht merken könnten. Um die Verant-
wortung der wichtigen Angelegenheit nicht ganz auf sich
zu laden, baten sie den Kurfürsten, er solle sich mit dem
Kurfürsten von Brandenburg in Einvernehmen setzen und
auch den Fürsten Georg von Anhalt, sowie Dr. Eisleben
(Agricola), Sturm und Bucer um ihre Meinung fragen.
Die weltlichen Ratgeber ersuchten den Landesherrn
um einen Befehl an die Theologen, dais sie alle Artikel,
welche der göttlichen Schrift entgegen seien und ge-
ändert werden mülsten, zusammenstellen sollten. Dann
möge er allen Eleils darauf verwenden, dafs diese unver-
glichenen Artikel durch Religionsgespräche, oder auf einer
Nationalversammlung, oder auf einem allgemeinen Konzile
erörtert, oder auch von den Theologen aller Stände der
augsburgischen Konfession beraten und in einer einträch-
tigen Schrift dem Kaiser überreicht würden zu dem Zwecke,
dafs er die Vorschläge zum Interim mildern und mäfsigen
lasse.
Wohl von Komerstadt beeinflufst schrieb Melanchthon
am 28. April jenen bekannten, offenbar bedauernswerten
Brief an Christof von Carlowitz, in welchem er seme eigene
Friedfertigkeit Luthers Streitlust entgegenstellte und klein-
mütig den hohen Standpunkt, welchen er einst neben dem
verstorbenen Freunde eingenommen hatte, aus den Augen
verlor.
Unterdessen hatten in Augsburg die kurfürstlichen Erz-
bischöfe, die Bischöfe und die altgläubigen Fürsten dem
Kaiser erklärt, dafs die Schrift über das Interim, abgesehen
vom Abendmahl und der Priesterehe, den christlichen Lehren
im ganzen entspreche, aber es sei unnötig, dieselben den
Reichsständen insgesamt vorzulegen; sie selbst wollten
bei ihrem Glauben bleiben. Der Kaiser sollte die Gewissen
Moritz von Sachsen 1547—1548. 217
der katholischen Stände nicht besdnveren, sonst sei Auf-
ruhr, Empörung und Abfall von der alten Religion zu
befürchten, und man bekenne dann stillschweigend, dais die
Abtrünnigen bis dahin unbillig verfolgt worden seien. Es
sei eine edle Aufgabe, wenn er die anderen Stände be-
wegen könne, von ihren Irrlehren, auch von der augs-
burgischeu Konfession abzulassen und die Schrift ül3er
das Interim anzunehmen und öffentlich zu bekennen. Aus-
drücklich sei jedoch zu gebieten, dals kein Altgläubiger
irgend welche Veränderung in seiner Religion vornehmen
solle. Man sprach geradezu dem Kaiser die Befugnis
ab, einstweilige Anordnung für die Katkoliken zu treffen.
Augenscheinlich war des KaisersLage höchst schwierig ;
denn nach allen voraufgegangenen Verhandlungen konnte
er das Interim den altgläubigen Reichsständen nicht er-
lassen, wenn er es den Protestanten auferlegen wollte.
Schon mehrfach aber hatte er fast Unmögliches ermög-
licht ; so schlug er auch damals ein ungewöhnliches Ver-
fahren ein.
Am 15. Mai nachmittags 3 Uhr^') versammelte er
die Reichsstände in seiner Behausung. Sein Neffe, Erz-
herzog Maximilian, sprach in seinem Namen einige ein-
leitende Worte über das Interim und begehrte Gehör und
Gehorsam. Darauf wurde die Vorrede des Buches als
Vorlage verlesen. In kurzen Sätzen erinnerte sie an jene
dem Kaiser dargebotene Heimstellung, in religösen Dingen
einstweilen Mals zu geben, und bot einige, doch ziemlicli
verhüllte Aufklärung über die Entstehung der Schrift.
Dann wurden die Altgläubigen ermahnt, an den Ordnungen
und Satzungen der allgemeinen christlichen Kirche treu
und beständig festzuhalten; die Protestanten dagegen
sollten entweder zum alten Glauben zurückkehren oder
sich dem „Ratschlage" gemäls verhalten. x411en Ständen
wurde es zur Pflicht gemacht, um des Friedens willen
das Interim gutwillig zu dulden, es weder anzufechten
noch dagegen zu schreiben, zu lehren oder zu predigen,
sondern geduldig und gehorsam die Entscheidung des
allgemeinen Konzils zu erwarten. Ohne Verlesung wurde
die Annahme des Buches unverweilt verlangt. Der Kaiser
und der König bliel)en auf ihren Stühlen sitzen, während
Bl. 280 flg.
") Loc. 10186, Keichstagshändel zu Augsburg 1547—1548
218 S. Ifsleib:
alle Stände im Saale nach Kollegenschaften zusammen-
traten. Vor den Augen der Majestäten beriet man eine
Stunde, und mancher Widerspruch wurde laut. Kurfürst
Moritz erklärte seinen Mitkurfürsten, dals er nicht in
das Interim einwilligen könne, sondern es aus Gründen,
welche der Kaiser kenne, vorher seinen Landständen vor-
legen müsse. Als man ihn nach längerer Gegenrede über-
stimmte, unterliefs er zwar die öffentliche Protestation,
doch beliielt er sich besondere Verwahrung vor dem
Kaiser vor. Ganz aufgebracht war er darüber, dals
das Interim nur für die Protestanten und nicht auch
für die Katholiken Geltung haben sollte ^^). — Da kein
Widerspruch offen durchdi^ang, so verkündigte zuletzt der
Kurfürst von Mainz als Erzkanzler beiden Majestäten
den Gehorsam des Reiches und bat um Zulassung der
Abschrift des kaiserlichen „Ratschlages". Darauf zeigte
Erzherzog Maximilian an, der Kaiser habe die Bewilligung
der Stände in Gnaden angenommen und werde ihrer
Bitte willfahren. Am folgenden Tage wurde das Interim
in den drei Reichsräten verlesen und ohne Beratung und
Umfrage abgeschrieben.
Obgleich Moritz zufolge seiner Erklärung im Kur-
fürstenrate gleich am 16. Mai eine förmliche Protestation
gegen das Interim aufsetzen liefs ^^ ), so konnte er das Schrift-
stück erst am 18, Mai dem Kaiser in der gewährten
Audienz überreichen'^"). Mündlich wie schriftlich gab er
seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dals das Interim
nur den Protestanten auferlegt werden solle. Ihm erschien
das für seine Person höchst beschwerlich und in Rück-
sicht auf seine Unterthanen ganz unverantwortlich. Dann
werde das Interim, meinte er, nicht allenthalben ein ruhiges
und friedliches Zusammen wohnen im Reiche begünstigen.
Er wollte mit seinen Unterthanen die Schrift erAvägen
und tlmn, was mit gutem Gewissen geschehen könne, so
dafs der Kaiser befinden werde, man sei in seinem Lande
zu Frieden, Ruhe und Einigkeit geneigt.
Bereit, die übergebene Protestationsschrift zu er-
■'*) Die Reformationsfonnel, welche der Kaiser nach dem Interim
zur Beratung brachte, Avar für die katholische Geistlichkeit bestimmt.
'1») Loc. 10297, Interim Augustanum 1348 Bl. 238, 241, 254 flg. ;
10186 Reichstagshändel etc. Bl. 282 tig.
^") Am 16. Mai bewilligte der Kaiser kein Gehör, am 17. ritt
er sehr früh von dannen und kam erst ganz spät zurück.
Moritz von Sachsen 1547—1548. 219
wägen und zu beantworten, spracli der Kaiser sein Be-
fremden darüber aus, dafs der Kurfürst mit der Absiebt
urazugeben scbeine, sieb von den anderen Eeiclisständen
zu trennen.
"Während einer längeren Unterredung mit König
Ferdinand wurde dann Moritz zu der Erklärung genötigt,
dafs er sieb für seine Person, wenn er nicbt an die seinen
Untertbanen gegebene Zusage gebunden sei, jnit dem
Kaiser wobl zu vergleicben wissen werde. Diese Äufserung
Wulste Karl V. ni der letzten Audienz am 24. Mai so
zu deuten, als verzicbte Moritz auf seinen erhobenen Ein-
spruch und sei für seine Person mit ihm ganz einver-
standen'^^). Gleicbsam zur Beruhigung des Kurfürsten
wurde der Nachweis geführt, dals die Schrift über das
Interim fast durchweg bis auf die beiden Artikel über
Abendmahl und Priesterehe mit der Lehre der altgläubigen
Eeichsstände übereinstimme ; daher sei es unnötig gewesen,
sie ihnen aufzuerlegen. Vor allem wisse nun jedermann,
betonte der Kaiser mit Nachdruck, dals er die Religion
nicht mit Gewalt ausrotten wolle, sondern eine friedliche
Vergleichung mit Wissen und Willen aller Reichsstände
suche. Er werde mit Wohlgefallen hören, wenn der Kur-
fürst seinen Widerspruch völlig fallen lasse und seine
Untertbanen zu schuldigem und billigem Gehorsam anhalte.
Trotzdem Moritz seine Neigung zum Frieden und zum
christlichen Vergleiche beteuerte, so behauptete er dennoch
seinen früheren Standpunkt und blieb dabei, dals er ohne
seine Landstände nichts bewilligen könne ; doch wollte er
nach Möglichkeit darauf bedacht sein, dals man in allem,
was vor Gott zu verantwoilen sei, dem Kaiser willigen
Gehorsam leiste und jeden neuen Zwiespalt verhüte.
Darauf sprach der Kaiser nochmals die Erwartung aus,
dals der Kurfürst mit seinen Untertbanen dem Beschlüsse
des Reichstages willig nachgehen werde. Zuletzt legte
er ihm die Vollziehung der gegen Magdeburg ausge-
sprochenen xVcht dringend ans Herz und gewährte den
erbetenen Uilaub in die Heimat.
Einige kurfürstliche Räte blieben zurück, um bis zum
'ö^
•'■'*) In diesem Sinne spracli sich der Kaiser dann gegen Maik-
s>Taf Hans von Brandcnbnrn-Kiistriii und andnrc Fürsten ans. Dresden
Loc. 10:^97, Jnt. donicst. 1. Interim und Handlung- zu i\Ieifsen etc.
Bl. 361. Markgraf Hans an Kurfürst Moritz, Küstriu, 26. .Juni
1548 (Original).
320 S- Ifsleib: Moritz von Sachsen 1547—1548.
Schlüsse des Reichstages auszuharren. Die Müuzordnuug
Avurde nicht erledigt'^^), und die neue Bundesordnung
mufete vertagt werden. Dagegen wurde der allgemeine
Landfrieden erneuert und die Besetzung des Kammer-
gerichts dem Kaiser völlig anheimgestellt. Eine strenge
Polizeiordnung gal) jeder Obrigkeit weitgreifende Rechte
gegen Schmähschriften und billigte eine scharfe Zensur
gegen Bücher und sonstige Drucksachen. Burgund oder die
gesamten Niederlande erhielten als besonderer Kreis den
Schutz des Reiches, ohne an die Ordnungen und Satzungen
desselben gebunden zu sein'^-^). Die Stände bewilligten
in der Hohe eines ganzen Römerzuges gemäls der Ab-
schätzung von 1521 einen „Reichs Vorrat" oder eine Reichs-
kriegskasse zur Sicherung des Friedens und der Ruhe im
Reiche. Man gewährte aulserdem eine Unterstützung von
500 000 Gulden zur Deckung der Reichsgrenze gegen die
Türken.
So setzte der Kaiser auf dem „geharnischten Reichs-
tage" von 1547 — 1548 mehr durch als auf den früheren
und rückte der Ausführung seiner grofsen Pläne bedeutend
näher. Für die evangelischen Stände aber bildete es ein
wahres Verhängnis, dals das Interim durch die Aufnahme
in den Reichsabschied vom 30. Juni Reichsgesetz wurde.
^^) Für alle Reichsstände, welche Münzregalien besafsen, wurde
ein Münztag auf den 2. Februar 1549 zu Speier anberaumt.
■'^) Der ßegent hatte Sitz und Stimme im Eeichsrate wie ein
Erzherzog von Österreich.
IX.
Schweizer Solcltnippeu in kursächsisclien
Diensten 1656—1681.
Von
A. von Welck.
Die Mitte des 15. Jahrhunderts kann als der Zeit-
punkt betrachtet werden, von Avelchem aus die Schweizer
begannen, gegen Soldgewährung in ausländische Kriegs-
dienste zu treten. Dals schon vorher und zwar bereits
nach den glücklichen und ruhmvollen Kämpfen gegen
Österreich im 14. Jahrhundert kriegs- und beutelustige
Schweizer als „Reisläufer" unter fremden Fahnen ihr
Glück suchten und dort mit Freuden aufgenommen wur-
den, ist bekannt; aber es hatten diese Erscheinungen mit
dem 150 Jahre später beginnenden Anwerben eidgenössi-
scher „Kriegsvülker" auf Grund förmlicher Verträge
noch nichts zu thun.
Die erste Nation, welche sich die kriegerischen Vor-
züge der Schweizer zu Nutze zu machen verstand, war
die französische. Die Schlacht bei St. Jacob am 2G. August
1444, in welcher 1900 Schweizer gegen das 30 bis
40000 Mann starke französische Söldnerheer unter dem
Dauphin kämpften und mit ihrem Blute die Rettung des
Vaterlandes erkauften, liels Karl Vll. den Wert solcher
Kriegertugend wohl erkennen, und nachdem er bereits
durch den Frieden von Ensisheim (8. Oktober 1444) in
nähere Beziehungen zu den acht Kaiiloiu'n getreten war,
schlols sein Nachfolger, Ludwig XL, im Jahre 1474 einen
222 A. von Welck:
förmliclien Bundesvertrag mit ihnen ab, der den Charakter
eines Offensiv- und Defensivbiindnisses trug^).
Der König- verpflichtete sich in demselben , den
Schweizern in allen Kriegen — namentlich gegen den
Herzog Karl von Burgund — Hilfe zu leisten und ihnen
jährlich 20000 Franken auszahlen zu lassen, Avohingegen
die Eidgenossen sich anheischig machten, dem Könige so
viele Mannschaften, als ihnen möglich sei, zur Verfügung
zu stellen, falls sie nicht selbst in einen Krieg verwickelt
seien. Jeder Mann sollte einen monatlichen Sold von
4^/2 Rhein. Gulden erhalten. Die Zahl dieser Hilfstruppen
wurde vorläufig auf 6000 Mann festgestellt.
Noch in demselben Jahre, 1475, kam es auf Betreiben
Ludwigs XI. — um der wachsenden Macht des Herzogs
von Burgund ein Gegengewicht zu schaffen — zu einem
Vertrage zwischen dem Hause Österreich und der Schweiz,
welcher am 30. März zu Konstanz abgeschlossen wurde
und die Bezeichnung der „ewige Friede" erhielt. Nach
demselben „soll aller Groll abgethan, Handel und Wandel
freigegeben, kein Teil den Feinden des andern Duichpals
noch Aufenthalt gewähren, und in Kriegsfällen gegen-
seitige Hilfe geleistet werden".
Trotz dieser Verträge lag es zwei Jahre später den
Eidgenossen allein ob, die mächtigen Schaaren des Herzogs
von Burgund zu bekämpfen und dessen Macht in den
Schlachten bei Granson, Murten und Nancy zu ver-
nichten.
Mit diesen Waffenthaten war aber auch der Kriegs-
ruhm der Schweizer für alle Zeiten festgegrüudet und
sie bildeten von nun an einen mächtigen und oft Aus-
schlag gebenden Faktor in den Heeren der kriegführenden
Parteien.
Von den Festsetzungen des oben erwähnten Vertrags
zwischen Frankreich und der Schweiz machte Ludwig XI.
zum ersten Male im Jahre 1480 offiziellen Gebrauch, in-
dem er von den Eidgenossen auf den Tagsatzungen von
Luzern — im Februar und Juli 1480'-) — ein Hilfskorps
von 6000 Mann verlangte und endlich auch zugestanden
^) Staats- Archiv Bern: Bundbucli II, 45. Abgedruckt in der
amtlichen Saiuralnng der älteren Eidgenössischen Abschiede (= E. A.)
Bd. II Beil. 53. Eidgen. Erklärung d. d. 26. Oktober 1474; KönigL
Erklärung d. d. 2. Januar 1475.
-) E. A. III» No. 60. Ebenda No. 77 lit. d.
Schweizer Soldtrnppen 1656—1681. 22B
erhielt^). Dasselbe ging unter Hubert von Diesbach von
Bern aus ab und langte im Septembei' im Lager von
Pont de l'Arclie in der Normandie an. Dort hatte der
König 10000 Mann Fufsvolk, 2500 Pioniere und 1500
Reiter vereinigt zu dem Zwecke, dieselben von den
Schweizern in den bei ihnen gebräuchlichen Waffenübungen
und taktischen Evolutionen ausbilden zu lassen.
Nach Beendigung dieser zur vollen Zufriedenheit
des Königs verlaufenen Instruktion'*) wurden die Schweizer
reich beschenkt wieder entlassen; nur 200 Mann blieben
zurück, aus welchen eine Leibgarde für den Dauphin ge-
bildet wurde ; aus ihr entwickelte sich nach und nach die
spätere „Garde des Cent-Suisses".
Wir finden hier in Frankreich in diesen cent hommes
de guerre Suisses (wie sie ursprünglich hiefsen) das erste
Beispiel der für die Schweizer so charakteristischen Ver-
wendung als fürstliche Haus- und Gardetruppe ; ein Bei-
spiel, dem bald von anderen Höfen gefolgt ward. Zuerst
war es Papst Julius II., der 1505 eine Schweizer Leib-
garde errichtete, und binnen kurzem folgten die übrigen
italienischen Fürsten und die päpstlichen Legaten. Die
Zahl dieser Garden betrug meist 50 — 100 Mann, während
sich ihre Kleidung und Bewaffnung mehr oder weniger
der von den französischen Cent-Gardes adoptierten alten
Schweizer Tracht anschlofs. Allerdings wurde dieselbe in
luxuriösester Weise hergestellt.
Die erste Erwähnung von Schweizergarden bei
deutschen Fürsten finden wir in dem Begehren des
Pfalzgrafen Otto Heinrich bei Rhein, der im Jahre 1577
um eine Leibgarde von 12 oder 14 Trabanten bittet •'').
Es scheint aber, dafs dieses bescheidene Gesuch abschläg-
3) E. A. IIP No. 78 lit. a— d und No. 79 lit. b.
*) Wie lange diese Instrnktion gcwäiirt hat, liifst sicli nidit.
genau feststellen. Nach Jahns, Hceresverfassnng und Vülker-
leben, Berlin 1885, hätte der Aufenthalt der Schweizer ein Jahr
gewährt; wir haben diese bestimmte Angabe nirgends begründet ge-
funden. May, Hist. milit. des Suisses II, 502 (Bern 1772), spricht
nur von einem Monat. Die z.uverlässigste Quelle bietet wohl Fiefve,
Hist. des troupes etrangeres au service de France (Paris 1854) 1, 48:
„Quand le roi eut trouv6 la le^on süffisante, il paya les Suisses
genereusement, en retint un cei'tain nombre pour former une com-
pagnie de sa garde qui prit quinzc ans idus tard Ic nom de Cent
Suisses, et congedia le reste."
'■') St.-A. Basel E. S G":
224 A. von Welck:
lieh bescliieden wurde, während sein zweiter Nachfolger,
Johann Casimir (1576 — 92), besseren Erfolg erzielte*^).
Ziemlich gleichzeitig erscheint auch am Hofe des
Herzogs von Lothringen bereits eine Schweizergarde.
100 Jahre später — 1696 — entschlols sich Kur-
fürst Friedrich III. von Brandenburg zur Errichtung
einer derartigen Haustruppe und beauftragte den Oberst
und General- Adjutanten Imbert Rolas de ßosey mit den
bezüglichen Unterhandlungen, nachdem er von Cleve aus
d. d. 15. August das schriftliche Ersuchen an die evange-
lischen Kantone gerichtet hatte, ihm die benötigten Leute
zur Errichtung einer „distinguierten" Leibgarde zu stellen,
und zwar in der Stärke von 104 Köpfen inclusive 24
Mann prima plana^). Die Bemühungen des Oberst Eosey
waren erfolgreich und die Kantone erklärten in einem
Schreiben vom 1. Dezember ihre Bereitwilligkeit.
Zwei Jahre später — 1698 — wurde diese Garde
noch um 20 Mann vermehrt, jedoch im Jahre 1713 be-
reits wieder aufgelöst und abgedankt.
Gehen wir nun von der Errichtung dieser Branden-
burgischen Schweizergarde um 40 Jahre zurück, so
finden wir, dals auch der Kurfürst von Sachsen die
erforderlichen Scluitte that, um die Anwerbung, zunächst
nur emiger weniger „Personen", kurze Zeit später aber
einer vollständigen Kompagnie von den evangelischen
Kantonen als Leibgarde bewilligt zu erhalten.
Es handelte sich anfänglich nur um 20 Mann, welche
der Trabanten-Leibgarde einverleibt Averden sollten. Diese
zählte nur 50 Köpfe und konnte ihren Dienstobliegen-
heiten nicht mehr genügen, da ihr die Bewachung des
Innern sämtlicher königlicher Schlösser zufiel.
Der Kurfürst Johann Georg I. übertrug im Jahre
1656 die Einleitung der erforderlichen Schritte seinem
Sohne, dem Kurprinzen, der seinerseits wieder den
Kommandanten der Kompagnie „Einspänniger"^), Isaac
de Maguy**), einen gebornen Schweizer, im Monat Juli
«) E. A. IV Abth. III.
''j St.-A. Basel E. 8 Dl Prima plana: der Stab, nach heu-
tigem Sprachgebrauch; die hierzu gehörigen Personen waren auf der
ersten Seite der Musterrolle verzeichnet.
®) „Einspännige", „Einspänner", auch „Hoffahne" (unter diesem
letzteren Namen schon zu Kurfürst Moritz' Zeit) waren Edelleute
ohne Ijerittene Knechte.
^) Über Isaac de Magny ist es uns nicht gelungen, genaue
Personal -Nachrichten zu erlangen, da die Familien- Archive und
Schweizer Sokltnippeii 1650-1081. 225
1656 beauftragte, nacli der Schweiz zu reisen, um diese
Anwerbung- an Ort und Stelle zur Auslührung zu bringen.
Magny begab sich zu dem Zwecke nach Basel und
überreichte in der Ratssitzung vom 23. August (2. Sep-
tember n. St.) ein vom 16. (26.) Juli datiertes Schreiben des
Kurprinzen^*'). In demselben Avird das Ersuchen aus-
gesprochen, dem Abgesandten bei der Anwerbung von
„zwanzigk Personen" „alle Gunst und befördersamen
Willen zu erweisen" und ihm freien „Pass und repass"
zu erteilen.
Dieses Schreiben wurde in der gedachten Rats-
sitzung „abgelesen" und die Ratsherren Johann Stähelin
und Benedict Socin^^) beauftragt, sich mit Magny ins
Einvernehmen zu setzeu^"^). Über die mit demselben ge-
pflogenen Verhandlungen berichteten die beiden Ratsherren
in der Sitzung vom 27. August (6. September), worauf
die Werbung bewilligt wurde ^■^).
Man darf annehmen, dafs unmittelbar nach dieser
Genehmigung die Anwerbung effektuiert und die Leute
nach Sachsen geführt, dort aber in die „Leibgarde der
sonstigen Papiere während der französischen Revolution verbrannt
sind. Über die Familie giebt das Dictionaire von Grillet, einige
Auskunft. Diesellie heifst eigentlich de Constantin. Ein Zweig
derselben nannte sich nach dem der Familie gehörigen und in
Savoyen gelegenen Dorfe Magny: „de Constantin de la maison de
Magny" und später kurz : „de Magny". Diesen Namen führt sie
nocü jetzt. Die — unseres Wissens — letzten Nachkommen der-
selben bewohnen jetzt das Schlofs Chäteaufort, Canton de Ruft'ieux
in Savoyen.
^"j St.-A. Basel Acta St. 90 F. No. 12. Diese Anwerbung
vom .Tu 1 i 1656 haben wir nirgends erwähnt gefunden. Auch Schuster
und Francke, üeschichte der Sachs. Armee (Leipzig 1885) I, 83
bezeichnet als erste Anwerbung von Schweizern die im Oktober
desselben .Jahres stattfindende (s. u.)
^^) Benedict Socin, geb. 1594, gest. 1664. Hervorragender
Staatsmann Basels, der im .Jahre 1600 auch zum Olterstzunftmeister
erwählt wurde. Siehe Neue Folge der Baslerischen Beiträge zur
vaterländischen Geschichte (Basel 1889) JIP, 33 ft'.
^^) Basler Kaths-l^rotokoll von Samstag den 23. August (2. Sep-
tember) 1656.
'3) Basler llaths-Pi'otokoU vom 27. August (0. Septeml)or) 1056:
Sächsischen Chur-i'riuzl. Leibguardi. Beide H. Stchelin und Socin haben
Ihres Berichtens bey dem Sächsisch, (iuardihaubtmann von Dresden
relation gethan mit vermelden dafs Fjr mehrere anzahl zu werben
nicht befehligt seye, als 20 Mann darunder ein Trominelschlegm', ein
Pfeyffer und 2 Corporate, so Er damit alliier aufklinmmen kliönno,
begehre Er die sonsten oder andei'u ortheii nicht zuwcrlien. (_ist
Ihme die Werbung diser 20 Mann bewilligt, uiul sollen beide II.
Deputirte dem Haubtraann solches anzeigen.)
Neues Archiv f. S. (1. u. A. XUI. 3. -1. 15
226 A. von Welck:
Trabanten" eingereiht wurden, welche demnach nun —
inklusive der prima plana — 70 Mann zählte.
Noch in demselben Jahre — am 8. (18.) Oktober —
rief der Tod den Kurfürsten nach einer langen und
sorgenschweren Regierungszeit ab, und sein ältester Sohn
folgte ihm auf dem Throne als Johann Georg II.
Trotz der Pietät, welche der junge Fürst dem An-
denken und den Grundsätzen seines sehr sparsamen Vaters
entgegen zu bringen geneigt war, der auch in seinem
Testamente seine Söhne ganz besonders zur äulsersten
Sparsamkeit — namentlich im Hofhalte — ermahnt
hatte, erschien ihm doch die Unzulänglichkeit der Haus-
truppe — auch nach der Vermehrung um die 20 Schweizer
— so unzweifelhaft, dals es eine seiner ersten Regierungs-
handlungen war, den Oberstlieutenant de Magny abermals
nach der Schweiz zu entsenden zum Zwecke der An-
werbung einer gröfseren Anzahl eidgenössischer Unter-
thanen, aus denen eine eigene Schweizer-Leibgarde
gebildet werden sollte. Um mit grölserer Aussicht auf
Erfolg vorgehen zu können, sollte sich Magny diesmal
nicht nur an Basel, sondern auch an die Kantone Bern
und Zürich wenden. Er reiste am 24. Oktober (3. No-
vember) von Dresden ab und erhielt je ein kurfürstliches
Handschreiben an die genannten drei Kantone einge-
händigt^^), desgleichen eine „Kapitulation"^-), nach welcher
er „in denen zuhöchst gedachten Ihrer Churf. Dchlt.
Leib-Compagnie an Schweitzern gnädigst begehrenden
Völckern tractiren und dieselben so fort commandiren soll".
Wir ersehen aus dieser Kapitulation, welche Magny
den Kantonen vorlegte, dafs 1 Lieutenant, 1 Fähnrich,
2 Wachtmeister, 3 Korporale, 2 Trommelschläger und
2 Pfeifer anzuwerben waren und die Höhe des ihnen
zugesagten Soldes, aber sie enthält auffallender Weise
keine Angabe über die Zahl der anzuwerbenden Mann-
schaften. Vermutlich wollte der Kurfürst in dieser Be-
ziehung dem Magny die Hände nicht binden'").
Im November traf Magny in Basel ein und legte
dem Rate das Schreiben des Kurfürsten vor, welches
") St.-A. Basel St. 96. F. No. U. (Auch St.-A. Zürich Acta
Sachsen.)
^^) Ebenda. Unten Anlage I.
^^) Über die spätere Fassung der Kapitulation und ihre in den
Anmerkungen zu Anlage I wiedergegebeuen Abweichungen s. unten
(Note 23).'
Schweizer SoMtruppen IßöÖ— 1G81. 227
in der Sitzung vom 22. November (2. Dezember) „abge-
lesen" wurde. Das Resultat der Beratung- war, dalis
man eine Anwerbung von 25 Mann bewilligte, zugleich
aber den Wunsch aussprach, dals „da über etlich Jahre
einer oder der andere seinen Abschied begehrte, Ihme
solch nicht zu ferweigern und etwas schrifftliches in die
Hand bringen mögen" ''j.
Wahrscheinlich begab sich Magny von Basel aus zu-
nächst nach Bern, ohne dafs sich dies konstatieren lielse.
Anfangs Dezember war er aber in Zürich und brachte
dort seine Wünsche vor, welche ebenfalls Gewährung
seitens des ßates fanden. Schon in diesem Falle zeigt
es sich aber, dals Zürich mit ganz besonderer Vorsicht
handelte und für das moralische und physische Wohl
seiner Untert hauen besorgt war. Die Regierung empfahl
nämlich zunächst dem Überstlieutenant de Magny den
Züricher Bürger Johann Caspar von Escher als Lieutenant
zu der neuen Schweizergarde zu bestellen und sicherte
so den Angeworbenen die Fürsorge und den Schutz eines
einflulsreichen Mitbürgers; nächstdem aber übergab sie
dem kurfürstlichen Werber zwei Schreiben für seinen
Souverän, von denen das eine^^) die gewöhnlichen Höf-
lichkeitsbezeugungen (auch Kondolenz anlälslich des Hin-
scheidens des kurfürstlichen Vaters), das zweite''*) aber
eine warme Empfehlung für Escher und für seine „mit-
habende Manscbaft" enthält. Von Escher heilst es:
„Sonderlicli aber wirf ermelter Lütenant Escher, als der
by uns eines alten woladenlichen geschlechts und her-
kommens auch das umb unser Freyes Regiment wolver-
dient nach der prattic die er albercit in dem Kriegs-
wesen erlanget, auch syner sonst anwohnenden fynen
fugenden und (ßialiteten sich verhoftentlich dergestalt be-
tragen, dals üw. Cuhrfrl. Dcht. von selbsten anlaas und
ursach bekommen werdent nit allein an ihnen sich gne-
digst zu vernügen" etc.
Nicht zufrieden liiermit entwarf aber der Rat zu
Zürich eine „Ordonanz" für die „Churfürstl. Sächsischen
Völckher", nach welcher sie sich zu richten hatten-'*), und
erteilte endlich dem Lieutenant Escher eine spezielle
") Basler Rats-Protokoll vom 22. Novcinl)er l(i5(i.
1») St.-A. Zürich Acta Sadiscii, d. d. 10. Dezember KInö.
19) Ebenda.
20; St.-A. Zürich Acta Sachsen. Unten Anlage II.
15*
228 A. vou Welck:
„Anleitung, wessen Er b}- syner stell nnder Ihr Cuhrfrl.
Dclit. in Saxen Leib-guardie wol zu gewahren-^).
Diese beiden Schriftstücke sind von hohem Interesse
und dürften als wertvolle Beiträge zur Zeit- und Sitten-
geschichte zu betrachten sein.
Die Werbung ging in Zürich sehr schnell von
statten, denn die verschiedenen Schreiben des Rates
Zürich sind bereits vom 10. (20.) Dezember datiert.
Wie viel Mannschaften dieser Kanton stellte, ist nicht
ersichtlich; in dem an den Kurfürsten gerichteten
Schreiben ist nur gesagt, man habe die Werbung „bis
uff anbegerte Zahl" bewilligt. Noch vor Jalu^esschlufs
trafen die Schweizer in Sachsen ein, was daraus hervor-
geht, dals ein Etat der Schweizer-Leibgarde von Ende
1656 existiert und zwar nach folgender Stärke:
1 Hauptmann mit monatlich 100 Tlialern
1 Lieutenant ,, „ 50 ,,
1 Fähnrich „ „ 30 „
1 Wachtmeister „ „ 20 „
1 Yoifähnrich „ „ 15 „
3 Korporals „ ,. ä 15 ,,
3 Trommelschläger „ ,- 7 •,
3 Pfeifer ,, „ „ 7 „
6 Gefreite „ ,, ,, 7 ,,
108 Schiltmänner ,, „ „ 6 ,,
128 Mann 992 Thaler.
Es werden also jetzt exkl, der prima plana im Ganzen
etwa 88 Mann angeworben worden sein, denen die 20
bereits in Sachsen befindlichen nur zugeteilt wurden, und
der Monat Dezember 1656 ist demnach als der Zeitpunkt
der Errichtung der Schweizergarde festzustellen, die mit
kurzen Unterbrechungen mehr als 150 Jahre — Avenn
auch in späterer Zeit nicht von National-Schweizern ge-
bildet — einen Bestandteil der sächsischen Armee bildete.
Vergleicht man den obigen Etat mit der Kapitulation
vom 24. Oktober (3. November) 1656 (Anlage I), so be-
merkt man, dals die ursprünglichen ßesoldungssätze eine
ganz wesentliche Erhöhung erfahren hatten-'-). Die Kapi-
-^) Konzept elienda. Unten Anlage III.
--) Ein Irrtum möge an dieser Stelle berichtigt werden: in
offiziellen sächsischen Quellen und danach auch in Schuster und
Francke, Geschichte der Sachs. Armee, findet sich die Angabe,
dafs diese im Jahre 1(356 angeworbene Kompagnie Schweizergarde
aus Deutschen bestanden, aber Schweizer Tracht getragen
habe. Dies ist falsch; die Werbungen wurden in der Schweiz aus-
geführt, deren Bewohner — namentlich der nördlichen Kantone —
aber damals auch vielfach Deutsche genannt wurden.
Schweizer Soldtiuppen 1656—1681. 229
tulation wurde daher einer Uniarbeit iiiig unterworfen; in
dieser Form ist sie uns in zwei Abschriften erhalten-'^).
Wenn wir die Errichtung der »Schweizergarde auf den
Monat Dezember 1656 feststellten, so muls ausdrücklicli be-
tont werden, dafs die Leibgarde oder „Ober-Guardia" der
Trabanten in ihrem Bestände dadurch nicht alteriert wurde,
sondern neben der Schweizergarde fortbestand. Über
diesen Punkt begegnet man mehrfach irrtümlichen An-
gaben. So heilst es in der „kurzen Geschichte der
Sächsischen Armee", welche den zu Ende des vorigen
Jahrhunderts zuerst in Druck erschienenen Ranglisten
vorgesetzt ist, bezüglich der Schweizergarde: „Die Zeit
der Errichtung dieser Garde ist nicht zu bestimmen. Sie
wurde ehemals Fufstrabanten genannt, den 1. Januar
1698 ganz reduziert und 1699 am 1. November wieder
hergestellt. Seit 1726 führt dieses Korps den Namen
„Schweizer Leibgarde" u. s. w. Und bei Schuster und
Francke-^) ist gesagt: „Fulstrabanten, 1656 als kurfürst-
liche Haustruppe errichtet. Später Leibgarde zu Fuss,
Schweizergarde und Trabantengarde genannt. 1698 auf-
gelöst, 1699 wieder errichtet (120 Mann stark), 1725
Schweizer Leibgarde genannt".
Wir finden also in beiden Schriften eine Vermengung
der Trabanten und der Schweizergarde, die thatsächlich
nicht bestand. Während die letztere erst im Jahre 1656
formiert Avurde, ist es richtig, dals sich die Zeit der Er-
richtung der Trabantengarde nicht feststellen lälst. Jeden-
falls ist ihr Ursprung aber in das frühe Mittelalter zurück-
zuführen. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts werden wieder-
holt „Trabanten" in der unmittelbaren Umgebung der
sächsischen Fürsten erwähnt und eine förmliche, aus
Trabanten gebildete „Leibwache" finden wir zuerst unter
Herzog Georg dem Bärtigen (1500 — 1539)-'').
Dafür, dals auch nach der Errichtung der Schweizer-
garde — 1656 — die Trabantengarde noch neben ihr
fortbestand, sprechen verschiedene offizielle Schriftstücke.
So fand z. B. am 7. (17.) April 1657 die Musterung der
2') iJresducr Hauptstaatsarcliiv Loc. 1154. Die Errichtung
zwey Schweitzer Heginieuter 1701 ff. Bl. 77. — Loc. 1152. Die Leib-
Garde-Trabanten zu Fufs l)etr. 1612 ff. Bl. 1 '' '.
") A. a. 0. III, Anhan(,r 16.
2.5) Vcro-l. auch Gretschcl, Geschichte des sächsischen Volks
und Staates (Leipzig IHVi) I, 596. — G. Voigt, Moritz von Saclisi-n
(Leipzig 1876) S. 47. — K.A. Müller, Forschungen auf dorn Gebiet
der neuereu Geschichte (Dresden und Leipzig lS:jB) II, 26 u. a.
230 A. von Welck:
Leibgarde der Trabanten unter dem Hauptmann Sigismund
von Pflugk statt, und das königliche Hauptstaatsarchiv giebt
zu verschiedenen Zeiten ihren genauen Etat an-'^). Auch
die alten Ranglisten dokumentieren den Bestand der
Trabanten-Leibgarde mit ihren besonderen Hauptleuten bis
zum Jahre 1725, mit einer kurzen Unterbrechung vom
Juli 1698 bis November 1699, und erst vom Jahre 1725
an findet die Umwandlung derselben in die neu formierte
Schweizergarde statt.
Die neu angeworbene Schweizergarde wurde nach
Feststellung ihres Etats (S. 228) in eine Kompagnie for-
miert, zu deren „Hauptmann" Oberstlieutenant de Magny,
zu deren Lieutenant aber Johann Caspar Escher aus
Zürich bestellt wurde.
Über die Uniformierung und BewaflFnung dieser
Schweizergarde, welche, wie wir sehen werden, nach
wenigen Jahren um eine zweite Kompagnie vermehrt
wurde, liegen aus dieser Zeitperiode keine offiziellen Nach-
richten vor. May-') sagt, dals Zusammensetzung, Uniform
und Bewaffnung der kurfürstlich sächsischen Schweizer-
garde genau diesen Verhältnissen bei der 1696 vom Kur-
fürsten von Brandenburg angeworbenen Schweizergarde
entsprochen habe, deren Beschreibung in dem genannten
AVerke voransteht und folgendermalsen lautet-^):
„Ell 1696 les cantons protestaiis accorderpiit ä Frederic III. une
garde Suisse de 125 homnies, qui eut pour premier capitaiiie, Imbert
ßolaz, seigiieur du Rosey, de Rolle, cautoii de Benie. Cette
compaguie, outre le capitaiue, etait composee d"uii lieutenaut, d'un
sous-lieiitenant, d'un enseigne, d'nn fourrier, de quatre sergens, de
qnatre caporaux, d'un secretaire, d'un Chirurgien, de quatre trabans
servant au logis du capitaine, de quatre tambours, d'un fifre, d'un
prevöt et de 100 soldats factiounaires. Cette troupe avait pour uni-
forme des pompoints et des hauts de cbausses k l'antique, jauues et
bleu de ciel, un chapeau en barette avec des plumes de la couleur
des pourpoints, une fraise et des souliers ä rosette, de la couleur des
pourpoints. Cette garde Suisse, annee d'une hallebarde et d'une
longue epee ä garde et ä poignee de cuivre dore, fut reformee" etc.
Ebenso wie ein Blick auf den Etat der sächsischen
Schweizergarde (S. 228) zeigt, dafs die Stärkeverhältnisse
nicht genau übereinstimmen, ebenso lälst sich konstatieren,
dals die Unifoimierung derselben der hier für die Bran-
2«) H.-St.-A. Loc. 431. Bd. 5.
-■') May , Histoire militaire de la Suisse (Lausanne 1788) VII, 491.
28) Ebenda 457.
Schweizer Sokltruppen 1656—1681. 231
deiiburgisclie Garde angegebeiieii nicht entsprach-"). Man
findet nämlich im Theatr. Europ. ein paar Angaben über
die Uniformierung der sächsischen Schweizergarde, die als
zuverlässig betrachtet werden dürfen'^"). Als sich der
Kiufürst im Frühjahr 1G58 zur Kaiserwahl nach Frank-
furt a. M. begab, begleiteten ihn nach Sitte der Zeit dahin
auch neben dem sonstigen glänzenden Gefolge seine Leib-
garden; unmittelbar vor dem Kurfürsten ritten „Hieronimus
Sigmund Pflug, Trabantenhauptmann und Cammerjunker,
und Hr. Isaac de Magu}', Schweitzerhauptmann, Cammer-
junker und Oberstlieutenant", neben ihm aber „zur rechten
Hand 12 Trabanten in gelb und schwarzer Liberey und
gelbeuFedern auf den Hüten, und zur linken zwölf Schwei-
zer m gelben Naccarafarben-^^) und schwarzer Kleidung
und naccarafarben Federn auf den Hüten, bevderseits in
6 Gliedern, je zween und zween neben einander". Ob
die gesamte Schweizergarde mit in Frankfurt war, oder
nur diese hier genannten 12 Mann, ist nicht zu ersehen.
— Acht Jahre später — 1666 — als Kurprinz Johann
Georg mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Anna Sophia
von Dänemark, seineu feierlichen Einzug in Dresden hielt,
hatte die „Teutsche Leibguardie" in rot und gelber
Liberey die Eibbrücke besetzt. Auf der Schlolsgasse
stand die Leib - Kompagnie der „rothen Schweitzer"
bis an das Schlofsthor, woselbst die „gelben Leib-
guarden an Schweitzern" und Trabanten aufwarteten.
Schlielslich heilst es: „Und weil nunmehr diese gantze
Zug-Ordnung geendigt, folgte deroselben allgemählich die
Teutsche Leib-Guarde z. F., darauff die rothe Schweitzer-
Compagnie" u. s. w."-).
Man darf aus diesen Angaben als bestimmt annehmen,
dafs die erste, 1856 formierte Kompagnie (Hcllebardiere)
als Grundfarbe gelb trug, während die zweite im Jahre
1661 noch angeworbene i\Iusketier-Kom])agnic (s. u.)
rote Uniformen erhielt. Bestätigung lindet diese An-
nahme auch in dem später (S. 246) erwähnten Scln-eiben
des Oberwachtmeisters Fäsch aus Dresden, der die Helle-
bardier-Kompagnie als die „gelbe Companey" bezeichnet.
-") Auch die Unifdrmierunjf der l)riindenl)urgischen Schweizer-
gardo war anders als hier angegcl)en. Ihre Gruiidfarheii waren blau
und rot.
3") Theatnim Europaeum VIII, 332 11.
'") Soll wohl hei fscn: i;(dl) und naccara. Naccara= karminrot.
'-) Theatnnn EuropaeMiii X. 173.
232 A. von Welck:
Bezüglich des Schnittes stimmten die Uniformen dei
Schweizergarden aller Nationen mehr oder weniger über-
ein: geschlitztes Wamms und Kniehose; dazu Barett,
Krause, Schuhe und Strümpfe, und an Waffen: Hellebarde
und langer Degen. —
Johann Caspar Escher scheint der ihm durch das
Züricher Schreiben gewordenen warmen Empfehlung Ehre
gemacht und bald die Gunst des Kurfürsten erworben zu
haben. Es gelang ihm hingegen nicht, sich mit seinem
Vorgesetzten, dem Hauptmann de Magny, auf guten Fuls
zu stellen. Dies mag auch der Hauptgrund gewesen sein,
weshalb Escher bereits zu Anfang des Jahres 1658 das
Gesuch an den Kurfürsten richtete, ihn des Dienstes zu
entlassen oder den Hauptmann de Magny von der
Schweizergarde zu versetzen. Diesen Wunsch erfüllte
zwar der Kurfürst nicht, er verlieh ihm aber den Titel
als Kapitän -Lieutenant, erhöhte sehie Besoldung und
stellte ihm auch in Aussicht, dafs er ihn bald beurlauben
werde.
Alles dies erfährt man aus einem Briefe, den Escher
am 8. (18.) Mai 1658 von Frankfurt a. M. aus, w^o er
sich zu der oben erwähnten Kaiserwahl im Gefolge des
Kurfürsten befand, an seinen Vetter, den Bürgermeister
Waser, nach Zürich schrieb •^■^). — Abgesehen von den
darin behandelten persönlichen Verhältnissen Eschers,
bietet dieser Brief besonderes Interesse wegen der Er-
wähnung des bekannten Vorfalles zwischen dem Kurfürsten
Karl Ludwig von der Pfalz und dem kurbayrischen Ge-
sandten Dr. Oexel während der Sitzung des Kurfürsten-
Kollegiums am 7. (17.) Mai, w^elcher damit endete, dals
der Pfalzgraf dem bayrischen Bevollmächtigten das
Tintenfafs an den Kopf warf-^*).
Nach der am 18. (28.) Juli stattgehabten Wahl des
Erzherzogs Leopold zum Kaiser kehrte der Kurfürst
nach Sachsen zurück und mit ihm auch Escher. Er hielt
aber nur noch kurze Zeit aus und es scheint neben seinen
Differenzen mit Magny, der bereits in dem Brief vom
^'•^) St.-A. Zürich Acta Sachsen.
^*) Eacher schreibt: „Sousten ist die Zeit her (obglich der
Churfürst alle Tag in die Session fahrend) noch nit vil neures passiert
und gehandlet worden, gestei-n hat Chur- Pfalz wegen des Vicariats-
streits dem Churpejerischen abgesanten in voller Session ein Tinten-
fafs in den Kopf gesclnnisseu, dorffte wol wüeste hendel abgeben, so
pejern auch endtpündtlich sein wolte" etc.
Schweizer Soldtruppen 1656—1681. 233
8 (18.) Mai ausgesprochene Wunsch „seine Fortune zu
suchen" und in französische Dienste zu treten, mafsgebend
gewesen zu sein. Anfangs Dezember 1658 kehrte Escher
nach Züricli zurück mit einem sehr schmeichelhaften
Eekommendationsschreiben des Kurfürsten d. d. Dresden
1. (11.) Dezember 1658-''), in welchem gesagt ist, dals
derselbe ihn „für jezo auf sein unterthänigstes anhalten
zu fernerer fortsetzung seiner wolilfahrt in gnaden dimittirt"
habe.
Gleichzeitig mit der Entlassung Escher's, der sich
nach seiner Vaterstadt Zürich zurück begab, wurden
unter dem 1. (IL) Dezember 1658 neue Bestimmungen
erlassen, unter welchen die Dienstleistung der Schweizer
von nun an stattzufinden habe, und dadurch die Kapitu-
lation vom 24. Oktober (3. November) 1656 in einer
Weise abgeändert, die später Veranlassung zu vielfachen
Miisverständnissen und Klagen bot. Dieser neue „Aus-
satz und Begriff, welcher gestalt der Durchleuchtigste
Churfürst zu Sachssen und Burggrafif zu Magdeburgk etc.
es bey Sr. Churf. Durchl. Scliweitzer- Leib -Garde von
dato an der Mannschafft und des Tractaments halber,
gehalten wissen wollen"-'"), belälst die Stärke der Kom-
pagnie und die Höhe der Besoldungssätze genau dem
Etat von Ende 1656 (S. 228) entsprechend; anstatt aber,
dals die bisher gültige Kapitulation vom 24. Oktober
(3. November) 1656 (Anlage No. I) in ihrem Punkt 7 die
Bestimmung enthielt : „Auch sollend dieselben frey quartier
. . . . haben", ist hier davon nichts gesagt, sondern
nach der Bezifferung des Soldes heilst es : „Darfür sind
sie schuldig, ihnen dals Quartier alhier zu Drelsden selbst
zu schaffen. Auf der Reifse aber wollen Churf. Durchl.
sie mit freien Logier und einer Zuliulse wie bilshero auch
Järlich oder so offt Churf. Durclil. dero Leuthe kleiden.
Beider Officiren und Gemeinen durch die gantze Com-
pagn. jedem ein Kleid geben und reichen lassen."
Wohl möglich ist es, dals infolge dieser Nichtge-
währung des freien Quartiers ein Teil der Schweizer um
ihre Entlassung baten; jedenfalls entstanden Vakanzen
im Etat der Garde, und der Kurfürst entsendete im Mai
des folgenden Jahres — 1659 — den Oberstlieutenant
8ö) St.-A. Züricli Acta Sacliscii.
36) K. S. n,-St.-A. Loc. 115.1. Die Errichtung- zwey Schweitzer
Regimenter 1701 fl. Bl. 78.
234 A. von Welck:
de Magny nach Basel, um daselbst die in Abgang ge-
kommene Anzahl zu ergänzen. Er erhielt eine vom
1. (11.) Mai datierte Kapitulation"^) mit, welche sich be-
züglich der Etatstärke und der Besoldung dem Etat von
Ende des Jahres 1656 abermals anschliefst und mithin
dem üben erwähnten „Aussatz" vom 1. (11.) Dezember 1658,
hingegen noch die weiteren Bestimmungen enthält: „Nebenst
versprochener Kleydung und wenn einer krankh oder in
Herrendienst schadhafft, nothwendige Medicamenta, auch
auf der Eeyfsen gleiche Kost als wie die Trabanten und
im übrigen Ihren Sold monatlich richtig". Wir ersehen
also, dafs freie Arzneimittel zugesagt wurden, dafs aber
auch in dieser Kapitulation, wie bereits in dem „Aussatz",
von der Gewährung freien Quartiers nicht die
Rede ist.
Über die Anwesenheit Magny's in Basel zum Zwecke
dieser Werbung und infolgedessen auch über einen Er-
folg derselben liegen keine Nachrichten vor. Es darf
aber wohl angenommen werden, dafs es zu keiner An-
werbung kam, da der Kurfürst bereits im Herbst des-
selben Jahres Magny ein viertes Mal nach der Schweiz
entsendet und zwar an die drei Kantone Basel, Bern
und Zürich. Magny wurde durch ein kurfürstliches
Schreiben d. d. Freiberg, 18, Sept. 1659-^^) beglaubigt,
in dem es heifst: „Alls ersuchen wir Sie hiermit auch
für izo obgenanten, Unserem Hauptmanne zu schleuniger
Erlangung derer noch bedürfenden Personen Ihrer Nation
allerdings geneigten AVillen zuerweisen" etc. Es handelte
sich ßlso um eine Ergänzung der bestehenden Kompapnie.
Im Übrigen wurde die Kapitulation vom 1. Mai als Basis
der Unterhandlungen angenommen.
Während das Basler Staatsarchiv auch über diese
erneute Mission Magny's keine Auskunft giebt, werden
sowolü in Bern, als auch in Zürich darauf bezügliche
Korrespondenzen aufbewahrt. Der erstere Kanton ant-
wortete dem Kurfürsten bereits am 20. (30.) Oktober,
dafs die Werbung genehmigt werde und man bereit sei,
„Deroselben Abgeordneten Guardihaubtmann undCammer-
Junckherr Hr. Obristlieutenant de Magny, deme wir
dann als Einer von denen Unseren herkommenden Persohn
von guter condition ohne das gewogen sind, in seiner
"') St.-A. Züricli Acta Sachsen, d. d. 1. Mai 1655).
«'^) St.-A. Zürich Acta Sachsen. St.-A. Bern L^ S. 509.
Selnveizer Soldtnxppeu 1656—1681. 235
obliegenden Verrichtung- alle begehrte Befürdernuls wieder-
fahren zu lassen" etc.^*^). Zürich, wolün, Magny zuletzt
kam, bedurfte anscheinend reiflicher Überlegung, und
wir finden hier wieder bestätigt, was wir schon bei der
ersten Anwerbung vom Jahre 165G zu bemerken Veran-
lassung hatten, dafs dieser Kanton mit grolser Vorsicht
und besonderer Sorgfalt die Interessen seiner Unterthanen
wahrte. Erst am 28. November (8. Dezember) entschlofs
man sich zu einer Antwort an den Kurfürsten^"), in
welcher es u. a. heilst: „wolten wir von dessentwegen
einiches bedenckhen tragen, hierin geneigt und gutwillig
zu willfahren". Trotzdem aber wurde die Werbung auch
hier genehmigt und der Wachtmeister Eeichel beauftragt,
die Angeworbenen sicher nach Sachsen zu transportieren,
wozu ihm Pafs und Reiselegitimation ausgestellt wurde.
Längere Zeit fehlen nun speziellere Nachrichten über
die Schicksale der Schweizer in Sachsen; nur aus dem
Jahre 1660 bewahrt das Staatsarchiv Zürich*^) das Original
eines Entlassungsscheines für einen Gefreiten -Korporal
der Schweizer Leibgarde, Namens Hanns Strumpf, den
wir um deswillen erwähnen, weil derselbe vom Kurfürsten
eigenhändig unterschrieben ist. Wir glauben hierin
einen Beweis erblicken zu dürfen für das ganz spezielle
Interesse, welches der Kurfüi'st seiner Schweizergarde
zuwendete. So befindet sich auch bereits aus dem Jahre
1659 ein Schreiben des in kursächsischen Diensten stehen-
den Wachtmeisters Lindinge (?) aus Zürich hi dem dasigen
Archiv*"-), in welchem derselbe um „Recommandation" zum
Zwecke seines Avancements bittet und erzählt, dals sich
der Kurfürst sehr eingehend und gnädig mit ihm unter-
halten habe über seine früheren Erlebnisse u. dgl. m.
Man darf hieraus schliefsen, dals später vorkonnnende
Fälle von schlechter Behandlung, über welche sich Teile
der Schweizergarde beschwerden, den Intentionen des
Kurfürsten entschieden zuwider liefen. —
Mit dem Jahre 1661 tritt die Geschichie der
Schweizergarde insofern hi ein neues Stadium, als der
Kurfürst sicli entschlols, noch eine zweite l\(im]»agiile zu
formieren, und zwar sollte dieselbe aus „Muscjuetieifu"
bestehen, während die bereits 1656 angeworbene Kom-
39) St.-A. Bern L- S. 513.
*<>) St.-A. Zürich Acta Saclisen, d. d. 28. November 1659. Konzept.
*i) Ebenda d. d. 14. .linii KKiO.
'»•■') Ebenda d. d. 1. Februar 1659.
236 A. von Welck:
pagnie von mm an als „Hellebardier"- Kompagnie bezeich-
net wird. Wir linden wenigstens diesen Namen erst
von jetzt an, wäln-eud bis dahin in allen offiziellen
Schriften, die uns vorlagen, nur im Allgemeinen von der
„Schweizer" oder auch „Eidgenössichen Leibguardie" die
ßede Avar. Es kounnt aber in den nächsten Jalu-eu
für die Hellebardier - Kompagnie auch die Bezeichnung
„Schweizer Trabanten", für die Musketier - Kompagnie
die Bezeichnung „Leib-Kompagnie" vor.
Der Kurfürst erteilte zum Zwecke dieser xlnwerbung
abermals dem Oberstlieutenant de Magny Befehl, in Basel,
Bern und Zürich die erforderlichen Schritte zu thun, und
bevollmächtigte ihn mittelst eines an die drei Kantone
gerichteten Schreibens, d. d. Dresden 1. Juni 1661, in
welchem gesagt ist: „Wir seindt abermahls gnädigst ent-
schlossen, einige Anzahl Musquetierer der Nation Schweizer
zu Unserer Leib - Compagnie bestellen und werben zu-
lassen" etc/"').
Eine Angabe über die gewünschte Zahl fehlt*"^), ebenso
ist von einer besonderen Kapitulation nicht die Rede, so
dals angenommen werden muls, dais die früheren Be-
dingungen wieder als Basis galten.
Am 17. (27.) Juli wurde das kurfürstliche Schreiben
in der Ratssitzung zu Basel vorgelegt und der Ober-
zunftmeister „Sotzin" beauftragt, dem Magny anzuzeigen,
dafs „Willfahr erzeigt werden solle".
Magny leitete die Verhandlungen mit Bern und Zürich
von Basel aus, und wenn er auch als Grund hierfür Un-
wohlsein angiebt, so scheint doch thatsächlich ein hoher
Grad von Becpiemlichkeit mitgewirkt zu haben ; wenigstens
wird es ihm später zum ernsten Vorwurf gemacht, dals
er nicht persönlich in Bern und Zürich war. Trotz der
früheren Diiferenzen verschmähte er nicht, zur Führung
der Verhandlungen in Zürich die Beihilfe des Johann
Caspar Escher, der zu der Zeit dort aufhältlich war, in
Anspruch zu nehmen, indem er ihm allerdings gleichzeitig
die Mitteilung machen konnte, dafs der Kurfürst beab-
sichtige, ihn — Escher — an die Spitze dieser neu
anzuwerbenden Musketier - Kompagnie zu stellen. Am
11. (21.) Juli, also jedenfalls unmittelbar nach seiner An-
*3) St.-A. Zürich Acta Sachsen. St.-A. Basel St. 96. St -A.
Bern L^ S. 519.
"•*"') Auf dem Umschlage des Züricher Exemplars befindet sich
die Registraturbcmei'kuug, dafs 40 Musketiere begehrt werden.
Schweizer Soldtmppen 1656—1681. 237
kiinft in Basel, schrieb Magnj^ über diese Angeleg-enheit
an den Bürgermeister Waser in Zürich und teilte ihm
mit, dals er selbst wegen Unwohlseins nicht nach Zürich
kommen könne, dals er aber Escher, den der Kurfürst
zum Kapitän - Lieutenant der gedachten Kompagnie be-
stellt., habe, mit der Anwerbung beauftraget'^).
Über die Führung der Verhandlungen in Bern fehlen
die Unterlagen; doch wurde hier ebenso wie in Basel
und Zürich die AVerbung genehmigt.
Bern richtete ein darauf bezügliches Schreiben an
den Kurfürsten d. d. 27. Juli (6. August)^*'), in welchem
es heilst: „. . . Inmassen Dero Ehren Abgeordnetem vor-
gedacht, sonders gern zugelassen biss in fünffzig vor-
gedachter Männer auch ein mehrers hinder uns zewerben
und abezefüehren" etc. Man ersieht also hieraus auch die
Zahl der dort Angeworbenen.
Zürich, welches erst unter dem 12. (22.) August
seinem Einverständnis in einem an den Kurfürsten ge-
richteten Schreiben Ausdruck giebt^'), benutzt gleich-
zeitig diese Gelegenheit, um den Hauptmann J. C. Escher,
der also nun zum zweiten Male in sächsische Dienste
tritt, von neuem aufs wärmste zu empfehlen.
Als Zeitpunkt der Errichtung dieser zweiten Kom-
pagnie giebt die „Geschichte der sächsischen Armee" ^^)
den Monat September 16G1 an und fügt hinzu, dals Etat
und sonstige Verhältnisse unbekannt seien. Da, wie wir
eben sahen, in Bern 50 Mann, in Zürich 40 Mann ange-
worben wurden, so darf man wohl den ursprünglichen
Etat auf 130—140 Köpfe inkl. prima plana annehmen.
Einige Jahre vorgreifend, sei erwähnt, dals Ende 1G66
der Etat der unter Hauptmann de Magny stehenden
Hellebardier-Kompagnie auf 132 Mann, der von Haupt-
mann Escher befehligten Musketier-Kompagnie aber auf
200 Mann angegeben wird''').
In dem folgenden Jahre — 1G62 — führt sich Magny
abermals schriftlich iu der Sclnveiz ein, diesmal aber
nicht als Anwerber von Söldnern, sondern als Diplomat;
er schreibt nämlich an je eine einflulsreiche Persönlich-
keit in Basel, Bern und Zürich und jedenfalls auch Schall-
'•■) St.-A. Zürich Acta Saclisci), d. d. 11.. Juli Kidl.
'") Bern, Extract aus (leinTcütschciiMissiveu-Buch JS'u.XXli'oI.ü.
*') St.-A. Züricli Acta Sachsen, d. d. 12. Ang-ust 16G1.
^^) Schuster und Fraucke a. a. 0. S. 84.
^0) Ehenda S. Bü.
238 A. von Welck:
hausen — worüber aber die Unterlagen fehlen — und
fragt ün angeblichen Auftrage des Kurfürsten zunächst
unter der Hand an, ob diese vier evangelischen Kan-
tone gewillt seien, in ein Bündnis mit Sachsen ein-
zutreten. Nach Basel richtet er diese vom 13. (23.) Januar
16G2 datierte Anfrage an den ihm aus früheren Jahren be-
kannten Oberzunftmeister Benedict Socin''"*), welcher nicht
verfehlt, das betreffende Schreiben dem Rate vorzulegen.
Dieser, nicht wissend, dals sich Magny in gleicher Weise
an die drei anderen Kantone gewandt hatte, schickte an
diese das Magny'sche Schreiben — vom 18. (28.) Februar
— und bat um Mitteilung, was sie zu antworten ge-
dächten, wenn das gleiche Anerbieten etwa auch an sie
heranträte, „weil dann dils eine sach von hoher impor-
tantz"^^) sei.
Von den weiteren Folgen dieses Antrages, den Magny
hier stellt, ist nichts bekannt ; nur das Antwortschreiben
von Bern an Basel ist erhalten ; es verweist auf die Not-
wendigkeit, solch' wichtige Angelegenheit reiflich zu über-
legen und zu beraten^-). Auf den nächsten eidgenössischen
Tagsatzungen wird aber die Sache nicht erwähnt, und da
auch das Hauptstaatsarchiv zu Dresden keine Unterlagen
zu dem Vorgehen Magny's bietet, dieser selbst auch, als
er im folgenden Jahre wieder längere Zeit in der Schweiz
verweilte, so viel man weife, auf diese wichtige Ange-
legenheit nicht zurückkam, so will es nicht unmöglich
scheinen, dals derselbe aus eigener Initiative handelte und
sich diese diplomatische Stellung anmafiste, um für spätere
Werbevcrhandlungen sehier Person eine besondere Wich-
tigkeit beizulegen.
Aber auch für seine Stellung in Sachsen selbst er-
schien es Magny wahrscheinlich wünschenswert, auf die
eine oder andere Art sich in der Gunst des Kurfürsten
besonders festzusetzen. Sein Verhältnis zu seinem Lands-
mann Escher nämlich ebensowohl wie das zu seiner ihm
untergebenen Hellebardier - Kompagnie verschlechterte
ß*') St.-A. Zürich Acta Sachsen d. d. 18. Februar 1662. Unten
Anlage IV. Nach der in Zürich befindlichen Abschrift, da das
Original in den Basler Akten fehlt. Das nach Bern gerichtete
Schreiben Magny's — Name des Adressaten unbekannt — befindet
sich daselbst St.-A. Loc. L^. Es ist noch höflicher und devoter abgefafst
als das obige, vom 12. Januar datiert und mit Magny's Unter-
schrift versehen.
") St.-A. Schaffhausen Acta Sachsen No. 59, d. d. 18. Februar 1662.
52) St.-A. Basel St. 96. F. No. 12, d. d. 21. Februar 1662.
Schweizer Soldtruppen 1656—1681. 239
sich mehr und melir, und das Jahr lü63 bildet für die
Geschichte der öchAveizergarde insofern eine wichtige
Episode, als in demselben die Klagen und Beschwerden
über Magny zum offenen Ausdruck gelangen. Ob und
inwieweit dieselben ganz berechtigt waren, lälst sich kaum
feststellen. Des Anklagematerials liegt eine Menge vor,
andererseits aber auch manches, was zu Gunsten Magny's
spricht. Jedenfalls gewinnt man durch die zahlreichen
Schriftstücke, welche diese Beschwerden betreffen, einen
interessanten Einblick in die damaligen militärischen Ver-
hältnisse. Die grofee Gewalt, die dem „Hauptmann" über
seine Untergebenen eingeräumt war, wird grell beleuchtet.
Man kann aber auch kennen lernen, welches warme
Interesse der Kurfürst seiner Schweizergarde zuwendete.
In der ersten Hälfte des Jahres 1663 hatte ein Teil
der Mannschaften der Hellebardier- Kompagnie schwere
Anklagen gegen den Hauptmann de Magny vorgebracht
und zwar — wie wir aus einem von Hauptmann Escher
aus Torgau an den Bürgermeister Waser in Zürich ge-
richteten Brief vom 17. (27.) September dieses Jahres ■^=*)
ersehen — in einem an den Kurfürsten pei-sönlich ge-
richteten Schreiben, in welchem sie auch, der üblen Be-
handlung wegen, um ihre Verabschiedung baten. Der
Kurfürst habe sich darauf, schreibt Escher, „sonderlich
bemühet, das wesen zu accomodieren, damit die besten
Kerle bleiben und in's künfftig besser commandirt werden".
Es sei aber Magny gelungen, ihre Entlassung durchzu-
setzen
Der Kurfürst erliefs demzufolge d. d. 10. (20.) Sep-
tember ein Sclireiben an die drei Kantone Basel, Bern,
Zürich'^*) und in wenig veränderter Fassung (insoweit
nicht auf frühere Truppenbewilligungen Bezug genommen
werden konnte) auch an den Kanton Schalfhausen und
entsendete gleichzeitig Magny abermals nach der Scln\ eiz.
Er solle, heilst es in dem kurfürstlichen Schreiben, an
Stelle der früher angeworbenen Schweizer, von denen
„etliche bielsanhcro nicht allehi wieder Ihren Hauptmann,
ohne einige erheliliche Ursach, unverantwortlich aufzu-
lehnen, sondern auch umb erlassung Ihrer Dienste zu
bitten sich unterstanden", andere „kriegsgeübte gute Mann-
^■») St.-A. Zürich Acta Sarlisen.
<■•*) St.-A. Basel St. 96. V. No. 12 (Original). St.-A. SclialV-
hausen, Acta Sachsen No. 102.
240 A. von Welck:
scliafft" von den Kantonen erbitten, und diese möchten
dem Abgesandten „alle gunst und schleunige Beförderung"
erweisen.
Am 13. (23.) September verliefs Magnj^ heimlich
Dresden, da er nicht wollte, dafs von der Neu Werbung
von Schweizern etwas bekannt würde. Er mochte wohl
fürchten, dafs, wie es dann thatsächlich doch geschah,
Klagen an die Kautone gelangten und seine Werbege-
schäfte dadurch mindestens sehr erschwert würden. Er
verbreitete das Gerücht, dafs er sich „in's warme Bad"
begebe und nahm zwei der Kompagnie angehörige Per-
sonen mit: Caspar Eckenstein (derselbe war Schreiber)
und Bulacher.
Seine Abreise und der Zweck derselben wurden aber
trotz aller von ihm angewandten Vorsicht, schnell be-
kannt, denn bereits am 15. (25.) September ging ein Klage-
schreiben von einem Teil der Magny'schen Kompagnie
(22 Basler, 22 Züricher und 23 Berner Unterthanen) an
die betreffenden Kantone ab'^''), in welchem sie sich über
nachstehende Punkte beschweren: 1. dafs ihnen das bei
der Anwerbung versprochene „freie quartier" und jährlich
ein „Lieberey-Kleidt" nicht zu Teil geworden sei; 2. dafs
sie, geringer Ursachen wegen, streng bestraft worden
seien; 3. dafs etliche vor ihnen „ohne Willen und Be-
gehren" verabschiedet worden seien, dafs man ihnen bei
dieser Gelegenheit einen Monat Sold oder das „Lieberey-
Kleidt" abgezogen habe und dafs zwei Züricher „als
Schelmen von der Compagnia gejaget" und ihnen „die
Degen gebrochen" worden. Endlich habe Hauptmann
de Magny dem Musterschreiber Eckenstein unbeschränkte
Vollmacht gelassen, bei Auszahlung des Soldes Abzüge
zu machen, um auf diese Weise die Schulden der Soldaten
bei den Bürgern zu tilgen. Derselbe habe aber mehr-
fach diese Zahlungen nicht geleistet, sondern das Geld
für sich behalten.
Die Beschwerdeführer schreiben nun in weitsdiwei-
figster Weise weiter, dafs sie sich infolge solcher „Tyranney"
zusammen unterredet hätten und dann zu ihrem Haupt-
mann gegangen seien, um sich zu beschweren. Dieser
habe ihnen zunächst erwidert, dafs die bei ihrer Anwer-
^^) St.-A. Zürich Acta Saclisen, d. d. 15. September 1663. Bern
L"- d. d. 18. September 1663. St.-A. Basel St. 96. F. No. 12, d. d.
15. September 1663.
Schweizer Soldtrnppen 1056-1081. 241
billig abgeschlossene Kapitulation, worin ihnen das Quar-
tiergeld versprochen sei, keine Gültigkeit mehr habe, weil
sie seitdem eine neue Kapitulation (vom 1. [11.] Dezember
1658) beschworen hätten. Darauf hätten sie bemerkt,
dals sie zwar von neuem geschworen hätten, dal's ihnen
von einer neuen Kapitulation aber nichts bekannt sei.
Als der Hauptmann sich auf weiteres nicht eingelassen
habe, hätten sie sich bei dem Kurfürsten „unterthänig
supplicando" angemeldet und derselbe habe ihnen einen
Monat Sold und Quartiergeld versprochen. Trotzdem
sei aber Hauptmann Magny zur Auszahlung desselben
nicht zu bewegen geAvesen, und als sie sich noch ein-
mal persönlich zu ihm begeben, habe er ihnen „galgen,
Radt unnd Schwerdt anerbotten, mitt fernerer ahngeheffte-
ter Betrohung, wie dals er dem Ersten, so delswegen wieder
zu ihm kommen, darumb sollicitiren würde, Er Ihme den
Degen durch den Leib stolsen, auch etliche mit Pistolen
nieder zuschiefsen betrohende sich vernehmen lassen, auch
über dils Vielen den Plaz auf dem Neümarkte alhier
gewisen alwo die Ubell: iinndt Milsthätter iustificiret
werden" u. s. w.
Bei der nächsten Soldzahlung hätten sie sich dann
geweigert, den Monatssold anzunehmen, wenn nicht gleich-
zeitig das Quartiergeld ausgezahlt würde, und schliefslich
hätten sie sich nochmals an den Kurfürsten gewendet, der
sie hätte bescheiden lassen, sie sollten den Monatssold
annehmen und würden zu Michaelis für ein halbes Jahr
Quartiergeld ausgezahlt erhalten. Damit aber noch nicht
zufrieden, hätten sie nun auch noch die Entlassung des
Musterschreil)ers Eckenstein verlangt, und auch dies sei
ihnen auf ausdrücklichen kurfürstlichen Befehl und gegen
den Wunsch aller Offiziere gewährt worden.
Trotzdem, dafs nach diesen Angaben alle mehr (»der
weniger berechtigten Wünsche erfüllt wurden, schreiben
die Kläger: „In Summa, es ist nicht aufszusprechen, wie
die Herren Officiere mit uiiIs umbgegangen, unndt unnfs
getribulieret, also, dals es keine Mögligkeidt wai-, uniils
länger unter solchen Joch (welches gleichsam ärger alls
dels Turcken) zu gedulden, sondern, uns ins gesanüjt
resolviret, bey Ihrer Churfürstl. Durchl. den gnedigsten
abschiedt zufordern" etc. Der Kurfürst habe ihnen darauf
zugeredet, sich noch bis Michaelis zu gedulden. Jetzt
schiene es ihnen aber, als sollten neue „Völcker" ge-
worben werden, und sie bäten deshalb ihre übrigkeiten,
Neues AiThiv 1'. S. (i. u. A. Xlll. 3. I.
242 A. von Welck:
sie möchten doch suchen, ihre Lage in Sachsen zu ver-
bessern, da sie sonst nicht weiter dort dienen könnten,
„welches zwart unnsers gnedigsten Churfiirsten unndt
Herrn sehre leidt wehre". Namentlich sei es schlimm,
dafs sie bei der Kompagnie keine deutschen (d. h. Deutsch-
Schweizer) Offiziere hätten, sondern nur „Welsche" und
es ginge so parteiisch her, „weille Leütenant unndt
Fendrich, zween Gebrüder'^'^), unndt der Haubtmann Ihr
Schwager sein thutt." Die Obrigkeiten möchten also doch
dafür sorgen, dals Offiziere ihrer Nation zu der Kompagnie
kämen, dann würden sie gern weiter dienen, „weill wir
mitt Ihrer Churf. Durclil. zu Sachfsen unterthenigst wohl
contend unndt zufrieden unndt Deroselben unterthenigst
zue dienen gerne begehren".
Die Hauptsorge der Beschwerdeführer scheint ge-
wesen zu sein, dals die Kantone neue Truppen bewilligen
und sie infolgedessen entlassen werden möchten.
Zwei Tage später, am 17. (27.) September richtet
Hauptmann Escher über dieselbe Angelegenheit aus Torgau,
wo er sich mit seiner Musketier-Kompagnie im Gefolge des
Kurfürsten befand, einen Brief an den Bürgermeister Waser
nach Zürich, der geeignet ist, etwas mehr Licht über die
Klagen seiner Landsleute zu verbreiten'^'). Als ganz un-
parteiischen Berichterstatter kann man allerdings Escher
auch nicht betrachten, da er bekanntlich schon aus der
Zeit seiner ersten Dienstleistung in Sachsen, wo er unter
Magny stand, diesem feindlich gesinnt war. Der gedachte
Brief Eschers enthält deshalb namentlich auch Klagen
über Magny und die Bitte, es möchte ihm in Zürich, wenn
er wegen Anwerbung dahin käme, „stattlich der Meister-
stecken gewisen werden". Weiter schlägt aber Escher
vor, man möchte doch dem Kurfürsten auf sein Schreiben
vom 10. (20.) September, in welchem er um neue Leute
bittet, antworten, dals man viel lieber eine oder mehrere
Kompagnien mit den dazu gehörigen Offizieren bewilligen
würde, als so „wenig Volk unter die Compagnie, da sie
keinen Officier nit habind". Auf die Sache selbst, d. h.
auf die grölsere oder geringere Berechtigung der Klagen
der Schweizer, geht eigentlich Escher nicht ein ; er schreibt
nur zuletzt: „Gewüls ist's, das die Soldaten zu vil an
'*") Gebrüder von Montet.
•") St.-A Zürich Acta Sachseu d. d. 17. September 1663.
Schweizer Soldtruppen 1656—1681. 243
die sacli gethan, aber der Anfang betreffende, sind si bei
den Haaren zu disen ungüetliclien sacken gezogen worden".
Mittlerweile mögen nun die Beschw^erde führenden
Hellebardiere erfahren haben, dafs Magny wirklich nach
der Schweiz abgereist war, um neue Söldner anzuwerben,
und die Befürchtung, dals sie könnten entlassen werden,
tritt mehr und mehr in den Vordergrund. Infolgedessen
richten sie am 26. September (6. Oktober) eine abermalige
Vorstellung an die Kantone"'^) ; in welcher sie berichten,
dafs sie, sowie die Abreise ihres Hauptmanns nach der
Schweiz zu ihrer Kenntnis gelangt sei, beschlossen hätten,
eine Deputation dahin zu entsenden, um sich zu recht-
fertigen. Sie hätten aber keinen Urlaub erhalten, und
nun bäten sie, die Obrigkeit möchte doch „umb Gottes
Willen, in dieser Sach uns nicht übereylen lassen", sondern
ihnen dazu verhelfen, dafs etliche von ihnen hinaus reisen
dürften, um „Bericht zu thun, damit wir doch entlichen
dieses unerträglichen Jochs der Welschen Officiereu
(welchen keinen Teütschen gut) möchten erledigt werden,
in deme wier sonsten Ihrer Churf. Durchl. weiters zu
dienen willig und bereit sind, weiln Avier iederzeit einen
gnädigsten und wohl meinenden Herrn an ihnen gehabt"
etc. Unterschrieben ist das an Zürich gerichtete Schreiben
von „etzliche zw^antzig", das an Basel gerichtete: „bils
etliche zwantzig" Mann.
Es lälst sich wohl begreifen, dals unter diesen Um-
ständen der Rat zu Basel, wo sich Magny persönlich be-
fand und das Schreiben des Kurfürsten überreicht hatte,
in ernster Verlegenheit war. Auf der einen Seite die
dringende Bitte Magny's, den Wünschen seines Souveräns
nachzukommen, auf der andern Seite das Klageschreiben
der Unterthanen aus Sachsen'^'').
Bürgermeister und Rat wendeten sich deshalb am
3. (13.) Oktober an die Kantone Zürich und Bern''") und
baten um deren Ansicht, indem sie bemerkten, Magny
habe ein Schreiben des Kurfürsten „eingeliefert", in
welchem um die Genehmigung zur Anwerbung „von etwas
wenig Völckheren" gebeten werde. Er sei aber ihrer-
seits „zur Geduld gewiesen worden", bis mau mit den
58) St.-A. Zürich Acta Sachsen. St.-A. T.ascl St. {)(\. V. No. 12.
^"') Oh auch die Klageschrift d. d. ;i(i. Sci»tcnil)or ((>. Oktohor)
hereits eingeganf^'on war, erscheint irai^lich.
«") St.-A. Zürich Acta Sachsen, d. d. ;5. Oktoher KKi:«. St.-A.
Bern L"^ d. eod.
244 A. von Welck:
andern Kantonen darüber konferiert habe, umsomehr,
als kurz zuvor ein Schreiben der bereits in sächsischen
Diensten befindlichen Basler eingegangen sei, „darinnen
sie ob dem üblen und, wie sie es nennen, tyrannischen
Tractament ihrer Ober-Officirer sich auf's höchste und weh-
mütigste erklagen". Die Eidgenossen möchten sich doch
darüber aussprechen, ob es unter diesen Umständen nicht
geraten sei, dals man, vor Genehmigung einer neuen
Anwerbung, wenigstens eine schriftliche Kai3itulation mit
Magny abschlösse, nach welcher künftighin die Ober-
Offiziere nicht mehr allein von „Welschen" sondern von
den „Haupt -Orten" genommen werden sollten. Beide
Kantone beeilten sich mit einer Beantwortung dieser
Anfrage nicht, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil
Magny daselbst noch gar kein Werbebegehren angebracht
hatte. Unter diesen Verhältnissen wäre es immerhin
fraglich gewesen, welches Resultat Magny in Basel er-
zielt hätte wenn nicht nach Ablassung des erwähnten
Schreibens vom 3. (13.) Oktober eine abermalige Zuschrift
aus Dresden eingelaufen wäre von den übrigen Gliedern
der Magny'schen Kompagnie, welche die ganze Angelegen-
heit in einem wesentlich anderen Lichte darstellte *^^). Es
waren dies noch 46 Mann, welche die Beschwerdeschriften
vom 15. (25.) September und vom 26. September (6. Ok-
tober) nicht mit unterschrieben hatten. Sie bezeichnen
die Klagen ihrer Kameraden als vollständig ungerecht-
fertigt, diese selbst aber als Empörer. Das Schreiben ist
vom 29. September (9. Oktober) datiert, ebenfalls an die
Kantone gerichtet und besagt u. a. : „Am allermeisten
aber wird Ihnen (d. i. den Obrigkeiten der Kantone) nicht
un verborgen liegen, was sich bishero by unser Churf.
Ober-Leibguarde der Hallebardirer von etlichen zusammen
gerotteten Mitt Cameraden vor factiones, Revolten und
conjunctiones entsponnen". Es wird alsdann berichtet,
dals eine gerichtliche Untersuchung der Angelegen-
heit durch den Kriegs-Auditeur stattgefunden habe und
dafs sich an dem ganzen Vorgehen nur 67 Mann der
Kompagnie beteiligt, die übrigen 46 Mann aber nichts
davon gewulst hätten, noch „viel weniger in dero An-
schläge willigen wollen" ; sie erklärten vielmehr ausdrück-
lich, dafs sie von diesen Aufwiegelungen „franq und frey
") St.-A. Zürich Acta Sachsen, <\. d. 29. September 1663. Auch
bei Basel und Bern.
Schweizer Soldtrappen 1656—1681. 245
sein" und bäten die Eidgenössische Obrigkeit, sie „wieder
solche Revoltisten und die daraus entstehente böse famam
zuschützen" etc. Unterschrieben ist dieses Schriftstück:
„unterthänige, gehorsambste Diener alls übrige Sechs und
Vierzig Mann von der Churf. Ober - Leibguarde der
Schweitzer Hallbardierer".
Dafs ein so schlauer Kopf und gewiegter Unterhändler,
wie Magny, den Vorteil, den ihm eine derartige Er-
klärung gewähren mufste, nicht unbenutzt vorübergehen
liels, lag auf der Hand, und er vermochte — gestützt auf
diese ihm gewordene reparation d'honneur, deren Abfassung
er übrigens wahrscheinlich nicht ganz fern stand — nun
thatsächlich den Rat zu Basel, ihm die Anwerbung von
40 Mann, und zwar unter Zugrundelegung einer ziemlicli
nichtssagenden Kapitulation, mittels welcher nur die Form
gewahrt wurde, zu gewähren. Die wesentlichsten Punkte
dieser am 15. (25.) Oktober abgeschlossenen Kapitulation,
welche einerseits von Magny, andererseits von den Rats-
herren J. Jacob Burkhard und Hanns Heinrich Zässlin,
sowie von dem Ratsschreiber Conrad Härder unterzeichnet
war, lauteten dahin, dals: 1. die anzuwerbenden Soldaten
lediglich in der kurfürstlich sächsischen Leibgarde „ge-
braucht" werden und die gleiche Besoldung erhalten wie
die bereits dienenden; 2. dafs bei eintretenden Vakanzen
die Offiziersstellen mit „tauglichen Persohnen aufs den
Hauptorthen ersetzt und ergentzt werden"; B. dals die-
jenigen, die um ihre Entlassung einkommen, ihren ehrlichen
Abschied, sowie die Besoldung, die sie auf Grund der
Kapitulation zu fordern liaben, richtig erhalten"-).
Nach dieser glücklichen Erledigung der Geschäfte
m Basel, begab sich Magny nach Schaffliausen, wo er
el)enfalls die Genehmigung zur x\nwerbung erlüelt (die
Zahl ist nicht genannt) und am 19. (29.) Oktober den
betreffenden Vertrag abschloß — gleichlautend mit dem
Basler. Die Soldverhältnissc blieben die gleichen wie in
der Kapitulation vom 1. (11.) Mai 1G59 (S. 284). Trotz
dieser Erfolge in Basel und Schaffhausen ging Magny
weder nach Zürich noch nach Bern, ja es erscheint auf
Grund späterer Korresiiondcnzen sogar fraglich, ob er das
kurfürstliche Schreiben überhaupt nach Zürich schickte.
"-j lu tlea Basler Archiven ist diese Kapitulation nicht inclir
vorhanden, wohl aber im St.-A. Zürich Acta Sachsen, 5. November
l()6o und St.-A. Sehaffhausen Ruhr. Sachsen No. WZ.
246 -^- ^on Welck:
Magny hatte bereits in Basel Kenntnis erhalten, dafs die
Beschwerdeschriften eines grofsen Teiles seiner Kompagnie
auch nach Bern und Zürich gelangt waren; aulserdem
konnte er aber als sicher annehmen, dais Escher ebenfalls
in einer für ihn nicht vorteilhaften Weise in seiner Vater-
stadt Zürich berichtet hal)en würde, und in Bern war er aus
verscliiedenen Gründen, die später berührt weiden, ganz
besonders schlecht angeschrieben. Er durfte also in diesen
beiden Städten kaum auf so erfolgreiche Abwicklung
seines Auftrags rechnen, wie in Basel und Schaffhausen.
Am ersteren Orte waren ihm jedenfalls zwei Umstände
förderlich geAvesen: die langjährige Bekanntschaft mit
den beiden Eatsherren Socin und Stähelin und die Eigen-
schaft seiner beiden Begleiter, Eckenstein und Bulacher,
als Basler; in Schalfliausen aber war er selbst, sowie die
Vorgänge in Sachsen, noch unbekannt — beides im vor-
liegenden Falle für ihn günstig.
Auch in Basel hatte Magn^^ wohl weise gehandelt,
das Eisen zu schmieden, so lange es warm war, denn im
Laufe des Monats Oktober gestalteten sich seine Chancen
entschieden ungünstiger. Zunächst gingen zwei Schreiben
des in sächsischen Diensten befindlichen, bei der Musketier-
Kompagnie stehenden Ober Wachtmeisters Fäsch '''■') ~ eines
geborenen Baslers — ein, von denen das erste, vom An-
fang des Monats, an den Oberzunftmeister Socin, das
zweite aber, vom 20. (30.) desselben Monats, an den Rat
zu Basel gerichtet war*'^). Ist auch nur das letztere
noch vorhanden, so geht doch aus demselben hervor, dais
auch das erstere, übereinstimmend mit dem zweiten ,
das Verhalten der „gelben" (Hellebardier-) Kompagnie
ihrem Hauptmann de Magny gegenüber in Schutz nahm.
Fäsch schreibt, die Leute hätten „die Gewehr nie abge-
legt" (d. h. sich nie des Dienstes geAveigert), „sondern
durch drey underschiedliche suplicationen I. Cliurf. Dclilt.
allen Sachen berichtet unnd ihre BeschAverden eingesetzt
unnd zugleich I. Ch. D. ihre getrüAve Dienst oferirt",
nur hätten sie gern andere Offiziere haben wollen, „die
ihrer Sbrachsind, die besser Avissen, Avie man die Schweitzer
''^) Jeremias Fäsch, geb. 24. September 1606, als Sohn des
Bürgermeisters Rudolph Fäsch, war bei der Anwerbung im Jahre 1659
mit nach Basel gekommen. — Zwei Verwandte von ilim gleichen
Namens, Johann Rudolph Fäsch und Georg Rudolph Fäsch, erlangten
später in Sachsen hohe militärische Stellungen.
0*} St.-A. Basel St. 96. No. 12.
Schweizer Soldtruppen 1^56 — 1681. 247
halten soll". Dafür, dafs Magny kein reines Gewissen
habe, spräche schon seine heimliche Abreise „in ein
Warmbad".
Nächst dem kam aber auch die längst erwartete
Antwort von Zürich'^'') — d. d. 24. Oktober (S.November)
— , in welcher zu grolser Vorsicht gemahnt wird. Zürich
schreibt, die Anfrage vom 3. (13.) Oktober sei eingegangen
und seitdem auch die Klageschreiben der Schweizer aus
Dresden. Bis jetzt habe aber Magu}^ überhaupt in Zürich
noch kein Gesuch um eine neue Anwerbung angebracht.
Sollte dies noch geschehen, so würde man in Zürich ganz
ebensolche Vorsicht und „Consideration" beobachten, wie
in Basel. Man möge sich nur ja in Acht nehmen und
in die aufzustellenden Kapitulationen auch das „gute
Tractement" derjenigen mit aufnehmen, die bereits in
sächsischen Diensten ständen. In jedem Falle er-
schiene es aber ratsam, „under gemeinem naramen" an
den Kurfürsten zu schreiben und ihm die in seinem Dienste
befindlichen eidgenössischen Unterthanen „zu besserer und
wohl ertragenlicheren Haltung" zu empfehlen, was auch
„zu Vermeydung schimpfflich und spöttischen Hinweg-
schickung gereichen und dienen wirt". Es wäre aber
gut, dieses Schreiben nicht durch Magny selbst, sondern
auf anderm sichern Weg zu schicken.
Dieses Schreiben aus Zürich wurde umgehend beant-
wortet'"'). Der Hat zu Basel schrieb, es wäre seit der
Absendung der nach Zürich gerichteten Anfrage vom
3. (13.) Oktober (s. o.) ein Schreiben von 46 Mann der
Hellebardier- Kompagnie, datiert vom 29. September (9. Ok-
tober), eingelaufen (s. o.), in welchem dieselben „ihren
Cameraden rührende Klagten, factionen und Conjurationen
(wie sie selbige nennen) durchaus improbiren , darol)
groises Milsfallen bezeugen und vermelden, dals sie da-
mit gantz nichts zuthun liaben .... wollen". Aus diesem
Grunde und da „Ihr unsei-e g. 1. E. Ihre antwortliche
Erklärung etwas verweilet", da ferner Bern auch nicht
geantwortet habe, hingegen Magny „aber die unserseitige
Resolution eyfrig sollicitirt", so hätte man endlich dem
kurfürstlichen Ansinnen „willfahren erzeigt", die An-
werbung von 40 Mann gestattet, aber mit Magny wegen
des „Tractaments" und wegen „ehrlicher dimission und
»S) Ebenda.
««) St.-A. J3asel St. 96 No. 12, d. d. 28. Oktober 1663.
248 A. vou Welck:
Bezahlung" „etwas Abred pflegen lassen", auch den Kur-
fürsten in einem Antwortsclireiben vom 26. Oktober (5. No-
vember)'"), von der Aufsetzung der Kapitulation benach-
richtigt und ihn um Aufrechterhaltung derselben gebeten.
Hierauf antwortete Zürich am 31. Oktober (10. No-
vember)*'^), dafs mittlerweile das erwähnte Schreiben der
46 Hellebardiere ebenfalls eingelaufen sei. Es sei „eine
grofse WiderWertigkeit, die unbedingt mit synen gebühren-
den Mittlen mueste underbrochen und corrigiert werden,
wie es aber am Besten werde können beschächen, da
stehen wii' noch in gedancken". Basel möchte doch seine
Ansicht aussprechen. Diesem Wunsche wird auch d. d.
5. (15.) November*^") entsprochen, doch kann in der Haupt-
sache nur das früher Mitgeteilte wiederholt werden. Es
wird hinzugefügt, der „widerwertige" Inhalt der beiden
Schreiben der in sächsischen Diensten befindlichen eidgenös-
sischen Söldner vom 26. und vom 29. September, „da
etliche allerhand klagten füehren, andere aber gar wohl
zufrieden zusein bekhenneu", habe sie zwar zum „Nach-
dencken" veranlagt, aber sie hätten schliefslich doch die
Anwerbung von 40 Mann gestattet, eine kurze Kapitu-
lation abgeschlossen, welche in Abschrift beilag, und
an den Kurfürsten das Ersuchen gerichtet, dieselben zu
„placidiren". Wenn aber Zürich und vielleicht auch Bern
— von wo noch immer keine Antwort eingegangen sei
— sich in demselben Sinne gegen den Kurfürsten äufsern
wollten, so „wollen wir solches nicht weniger genehm
halten und die Anstellung dessen Euch unseren g. 1. E.
lediglich überlassen". Es scheint übrigens, dafs man in
Zürich gar nicht zufrieden war mit dem Ausbleiben von
Magny und dals man trotz der Schwierigkeiten, die von
Haus aus den Anwerbungen gewöhnlich gemacht wurden,
ganz gern wieder eine Anzahl junger Leute an das
sächsische Hoflager entsendet hätte. Der Dienst in den
Schweizergarden an fremden Höfen war zu der Zeit
bei den Sölmen der schweizerischen Aristokratie sehr be-
liebt, und namentlich der kursächsische Hof bot so manche
Annehmlichkeiten und Vorteile. Die jungen Leute lernten
die Welt kennen, erhielten Titel und Würden (für Avelche
die damaligen Schweizer durchaus nicht unempfänglich
6') St.-A. Basel St. 96. No. 12.
«8) Ebenda.
«»} St.-A. Züricli Acta Sachsen.
Schweizer SoWtnippen 1656-1681. 249
waren) und machten meistens ancli in pekuniärer Hinsicht
gute Geschäfte. Dafs diese Anschauung die wirklich
herrschende war, finden wir vielfach bestätigt bei Be-
trachtung des damaligen Schweizer Söldnerwesens. Nur
wenige begnügten sicli mit einem fremden Dienste, und
mancher Sohn der Schweizer Berge kehrte gar nicht
wieder, sondern beschlofs seine Tage in hohem Alter im
Auslande, das ihm lieb geworden war. Andererseits bot
aber der fremde Dienst den Regierungen eine will-
kommene Gelegenheit, sich unruhiger Köpfe und lieder-
licher Elemente zu entledigen. Man mufs sich diese Ver-
hältnisse vergegenwärtigen, um zu verstehen, dafs trotz
der Beschwerden der in Sachsen befindlichen Schweizer
und trotz der geringen Sympathien, deren sich Magny
zu erfreuen hatte, doch seine Werbung wieder zu einem
Resultate führte, und dals, wie erwähnt, Zürich gar nicht
zufrieden war mit dem Nichterscheinen des Werbers.
Es erhielt daher auch der „Underschreyber" Hanns Georg
Escher den Auftrag, sich einmal privatim an seinen
Kollegen nach Bern zu wenden und dort anzufragen, ob
Magny daselbst gewesen sei und geworben habe. Es
heilst in diesem Briefe, den Escher an den Stadtschreiber
Rothe nach Bern schrieb'") und welchem die verschiedenen
aus Dresden eingelaufenen Schriften beigelegt waren:
„Aufs den Beylagen hat der Hr. zuvernemmen, wafs von
den Eydtgenössischen Soldaten in Saxen pro und contra
an myn Gn. H. yngelanget und allem empfangenen Be-
richt nach, müssen einem Lobl. Magistrat zu Bern gleiche
Schryben zukommen syn, wie gegen Basseil auch be-
schächen und wylen Hr. de Magny Cuhrf. Sächssischer
Leibguardi-Haubtman sich in der Eidtgenossschafft und
mit Nammen zu Basseil und Schaffhussen befunden, etwas
mehrere Soldaten zu werben, so hat man erwarthet, dass
er auch nacher Zürich kommen werde, und dann wollen
von obbedüthen Differenzien under den Soldaten mit Innne
fründtlich conferieren und reden, AV^len eis aber dalj;
s
ansächen nit hat, dals Er Hr. i\Iagny nacher Zürich
kommen werde" etc., so wird gebeten, verti-aulich mit-
zuteilen, ob die in Abschrift beiliegenden Schriften auch
nach Bern gekommen seien, ob Magny selbst dort war,
um zu werben und was für einen Bescheid man ihm
eventuell erteilt habe.
™) St.-A. Bern L-, d. d. 5. November 1663.
250 A. von Welck:
Hierauf antwortet Rotlie an Esclier am 9. (19.) No-
vember^'), dals Magny die Absicht zu erkennen ge-
geben habe, in Bern Soldaten anzuwerben. Die
„gnädigen Herrn" seien aber der Ansicht gewesen, es
werde damit wohl Zeit haben bis nach dem „Herbst"
(Weinernte). Mittlerweile seien nun die Klageschreiben
aus Sachsen eingelaufen und das Gesuch Magny's sei
deshalb zur „reiferen deliberation" an die „Kriegs Cam-
mer" gewiesen worden. Persönlich sei Magny nicht
in Bern gewesen, „hat auch kein Ansehen, dals er kom-
men werde oder dörffe, denn Imme leicht ein Scliimi)f
begegnen möchte von etliche junge Burgern, die drunden
in Diensten gewesen und sie sein gutes tractament noch
beschmiietzt".
Der Rat zu Bern hatte in der That nach dem Ein-
gang der verschiedenen Schriftstücke aus Sachsen unter
dem 26. Oktober (5. November) 1663 den „Kriegsrat"
oder die „Kriegs Cammer" beauftragt, „über das, von
etlichen in sächsischen Diensten sich aufhaltenden Garde-
soldaten an ihr Gnaden gesandte Klagschreiben ab den
Offizieren, sonderlich dem Hauptmann Magnin" eine Un-
tersuchung einzuleiten '-).
Diese Untersuchung, über welche zwei Dokumente
vorliegen, scheint in der Weise geleitet worden zu sein,
dafs zunächst mehrere noch in Sachsen befindliche Berner
Unterthanen vernommen wurden. Deren Aussagen '■')
enthalten in der Hauptsache die schon bekannten Klage-
punkte; Ort und Datum fehlen dem betreftenden Schrift-
stück. Nach Eingang desselben in Bern Avurden nun ver-
schiedene, früher bei der sächsischen Schweizergarde
gedient habende Männer protokollarisch vernommen —
wahrscheinlich am 22. Januar (1. Februar) 1664. Es
waren dies der Hauptmann Versset (?), Wurstenberger
— „des gleichnamigen Venners von Bern Sohn", — Hans
Rudolph Koller, Heinrich Weber von Aarau, Hehnich
Mathys und Andreas Hermann.
In diesem Protokoll'*), aus welchem auch hervorgeht,
dafs Magny früher in venetianischen Diensten gestanden,
werden ihm direkte Unterschlagungen Schuld gegeben;
so habe er z. B. vom Kurfürsten das Geld erhalten, um
'1) St.-A. Zürich Acta Sachsen.
''^) Berner Rats-Protokoll No. 147 vom 26. Oktober 1663. S. 123.
73) St.-A. Bern L^ S. 577.
'*) Ebenda S. 581.
Schweizer Soldtnippen 1656—1681. 251
jedem Scliweizer jährlich „ein Libereykleid" zu geben,
„aber es habe oift einer drei Jahr daran haben müssen". In
der Hauptsache wiederholen sich die nämlichen Beschwer-
den, welche schon in dem Klageschreiben vom 15. (25.) Sep-
tember 1663 enthalten sind; dieselben richten sich vielfach
auch gegen den oben erwähnten Schreiber Eckenstein.
Am ausführlichsten spricht sich Andreas Hermann"') aus ;
er giebt u. a. das Nachstehende zu Protokoll:
„Alfs Ihnen seehfs gautzer ]\Imiat lang- keine besoldung ge-
flossen, seyend die Soldaten schwüiig und ungedultig worden, unnd
hahind sich mit einandren verbunden, dafs keiner den andren lassen
welle, bils sie bezalt und der Ekenstein abgeschaff'et seye; da habe
Magnie Ihnen allk Rebelies getröüt und den Galgen gezeiget: Woruff
sie sich bey Ir Churfr. Dcht. erklagt der dan verschaffet, dafs Eken-
stein congedirt , und die gelter durch seinen Secretarium Löwe dis-
tribuirt werdent. Alfs nun Magnin solchen ansehen und erfahren
müssen, hat er alsbald Ihrer dreifsig uff einmal abgedankt, mit hin-
derhaltung defs gedachten Reichsorts Monatssoldts, unnd kleidren, und
habe drey, so Inne am einfeltigsten gedünkt, vor ihrer abreifs für
die Stattauditores kommen lassen, imd by beschlossner Thüre Sie
zwingen AvoUen zubekennen, dafs sie alfs Rebellen seyend fortge-
schikt Avorden. Es übervortheile der Magnin gemachter suffotation
nach Ir Clmrf. Dcht. nur in dem, was er an der verglichnen anzahl
guardi Soldaten haben solte , und nit , by zwantzig thusend Reichs-
thaler, damit er aber dises bementelen möge, müssiud seine Soldaten
all Tag auff und abzüchen."
•s
Bestätigt werden diese Klagen durch die Aussagen
eines „In Churf. Dchlt. Bedienten", der auch beifügt,
dals der Kurfürst befohlen habe, dafs die Gelder zur
Bezahlung der Soldaten nicht mehr durch Magny's Hände
gehen sollten, sondern dals ein „gewüsser hooff Secre-
tarius Löwe selbige ufsrichten sollen".
Es wird dem Magny ferner zum Vorwurf gemacht,
dals er sich in einem „gewüssen Schlaghandel mit Major
Basler gar nit Cavallierisch weniger Soldatisch verhalten",
und endlich wird noch erwähnt, „dals er sich seines Na-
ntes beschemet""'').
Alle diese Anschuldigungen wurden nicht allein be-
stätigt, sondern noch wesentlich ernster gestaltet dui'ch
einen Brief, den Escher mittlerweile von Dresden aus
an den Bürgermeister Waser nach Zürich geschrieben
'^^) Derselbe hatte vcrmutlirh als Lieutenant bei der Schweizer-
garde gestanden.
■''') Die Familie hicfs eigentlich de Constantin. Vergl. ol)eii
S. 224 No. 9.
252 A. von Welck:
hatte. Derselbe ist irrtümlich vom 2. (12.) November,
anstatt vom 2. (12.) Dezember 1663 datiert").
Escher schreibt, dafs Magny am 16. (26.) November
wieder in Dresden eingetroffen sei. Als er. Escher, nun
vernommen habe, dafs der „weltbekante Verführer, Liegner
und Betrieger" nicht allein nicht persönlich in Zürich
und Bern gewesen, sondern auch das kurfürstliche „an jeden
Stand besonderbar adressierte" Schreiben „hinderhalten"
habe, habe er sich entschlossen diesen Brief zu schrei-
ben. Man werde in Bern sehr erzürnt auf Magny sein,
weil „vill fornemmer Hern Söhn, die die Zeit her sehr
übel gehalten und ganz malcontent nacher Haus gereist
sind, als des Hern Sekelmeisters Steigers Sohn, einer
Im Hoff, einer v. Graffenried, einer v. Bonstetten und
noch vil andere mehr" schwere Klage führen würden.
Nun sage zwar Magny, die beiden Stände Zürich und
Bern würden leicht zu begütigen sein, „es seige nur umb
ein Churf. Attestation oder Justification Schreiben zu
thun, werde alles wieder gut werden", aber er — Escher —
riete dringend, man möge an den Kurfürsten schreiben,
dafs man sich durch das Verhalten Magny's sehr beleidigt
fühle und die Unterthanen nur im sächsischen Dienste
belassen könne, wenn sie unter Offiziere „von den Stenden,
weliche mit ihren Kopf alles Unreclit zu verandtworten",
gestellt würden. Der Bürgermeister Waser möge nur mit
dem Stand Bern oder persönlich mit Herrn Seckelmeister
Steiger in Korrespondenz treten. Die Züricher und Berner
hätten, als sie erfahren, dals Magny gar nicht in ihrem
Heimatsort gewesen, beschlossen, sofort nach Neujahr,
wenn sie „die neuwen Kleider auf dem Leib haben
werdind", einen deutschen Schweizer als Hauptmann zu
verlangen, oder ihren Abschied einzureichen. Es wäre
zu verwundern gewesen, „wie die etlich und 70 man von
Zürichern, Bernern und Baslern so standhafft ihren Ab-
scheid genommen" und „es vertrusse die gantze Hofstat,
so hübsche abgerichte kerle soltend wech glasen und
andere grobe pflegel angenommen werden", da aber die
40 „Neuen" von Basel einmal dagewesen seien, so sei
nichts übrig geblieben, als sie zu entlassen. „Es ist auch
ein öffentlicher Discurs von vornemmen Cavaliers gehalten
worden, als, es seige nit müglich, das es mit dem Schwei-
tzer Ob. Leut. recht natürlich zugehe, inn demme son
'■j St.-A. Zürich Acta Sachsen d. d. 2. November 1663.
Schweizer Soldtrnppen lO.'ß-lfiSl. 253
Altesse wo der Feier steke, gar wol sehe". Endlich
richtet Escher an den Bürgermeister Waser die Bitte
„zu vermögen, meine gnedigen Hern mich mit sambt den
ihrigen, so auch die H. von Bern ihre officier mit sambt
den irigen, Sy uns nit wollind steken sondern wie bis
dato vetterliche Hilf widerfahren lassen".
Bei dieser Lage der Dinge fand man es nunmehr
doch angezeigt, dieselben auf der nächsten Tagsatzung
in gemeinsame Beratung zu ziehen.
Die evangelischen Orte traten im Januar 1664 zu
dem Zwecke in Baden zu einer allgemeinen Tagsatzung
zusammen und die Klagen der Schweizergardisten sowie
das anscheinend noch immer unerledigte Werbebegehren
des Kurfürsten gegenüber den Kantonen Zürich und
Bern, wurden auf die Tagesordnung gesetzt. Der auf
dieser „Conferenz'' gefafste Beschluls lautet:
„Auf geschehenen Anzng, dafs der Oberstlt. Magny die in
knrsächfs. Diensten stehende Mannschaft dej- IV Städte übel halte,
wird beschlossen , diei's durch ein Schreiben dem Kurfürsten zu
klagen und von ihm Ilemedur zu verlangen. Glarus und Appenzell
wünschen, dafs bei einem etwaigen Aufbruche dahin auch den Ihrigen
Zutritt gestattet werde'"«).
In Befolgung dieses Beschlusses richtete unter dem
20. Februar (1. März) 1664 Zürich, der Vorort der evange-
lischen Kantone, ein Schreiben an die Mitkantone, in
welchem es heifst:
„Tn dem Abscheidt von der jüngsten Badischen Tagsatzung, so
die Evangel. Orth under sich selbsten abgefasset, haben Avir auch
befunden, dafs wegen der Klegten der Eidgenössischen Soldaten inn
Saxen gut und rathsamm erachtet worden, dieselbigen Ihr Churf.
Dchlt. daselbsten <lurch ein fründtliches Schryben anzemelden, und
zu eroffnen, zuevor aber das Concept defs Schryben den Lobl. Evang.
Stetten alfs under deren Nammen dasselbige abgaben solle , nacli-
richtlich communicieren" etc.""').
Beiliegend ging an die Kantone zur Begutachtung
das Konzept eines an den Kurfürsten zu richtenden
Schreibens und eine Zusammenstellung der Klagen der
Soldaten gegen H. de Magny^*^).
Auf der näclisten Gemeineidgenössischen Tagsatzung,
die am 12. (22.) März in Baden stattfand, traten die
'8) E. A. Bd. VI I^ No. 395 c. — Es scheint demnach, dafs die
Klagen der Schweizergardisten nicht sehr tragisch genonnneu wur-
den, oder doch nicht aT)schreckend wii'kten.
™) St.-A. Schaffhausen Acta Sachsen No. 33. St.-A. Bern
L2 S. 589.
^^) St.-A. Schaffhausen Acta Sachsen No. 32.
254 A. von Welck:
evangelischen Orte zur Beratung dieser Angelegenheit zu-
sammen, konnten sich aber nicht einigen. Der betreffende
„Abschied" ^^) enthält darüber die nachstehende Ent-
scheidung: „Dem Entwurf eines Schreibens an den Kur-
fürsten von Sachsen, betreffend die gegen den Oberst-
lieutenant Magn}' erhobenen Klagen, wird von Basel und
Schaff hausen darum nicht beigestimmt, weil sie die Ka-
pitulation mit Magny erneut haben, und nur ein Teil
der Soldaten Klage führe. Infolgedessen wird die Be-
schwerdeschrift nur im Namen Zürichs und Berns ab-
gesandt und demselben die Bemerkung beigefügt, dais
Magn}^ die beiden kurfürstlichen Schriften nicht über-
liefert, hingegen auf Bernischem Territorium ohne zuvor
nachgesuchte Bewilligung Volk geworben habe ; das be-
treffende Schreiben soll aber vor dem Abgange dem
Hauptmann Escher zur Einsicht vorgelegt werden" ^^).
Leider fehlen alle Nachrichten, ob diese Schriftstücke
wirklich an den Kurfürsten abgegangen sind. Dafür,
dals dies geschehen und dafs dieselben auch ihre Wirkung
nicht verfehlten, spricht der Umstand, dals in den nächsten
Jahren keine weiteren Klagen verlauten. Oberst lieute-
nant de Magny verblieb im Kommando seiner Hellebar-
dier-Kompagnie und Hauptmann Escher in dem der Mus-
ketier-Kompagnie. Im Truppenbestand der sächsischen
Armee pro Ende 1666 heilst es: „Schweizer Trabanten:
Oberstlieutenant de Magny 132 Mann. Schweizer Leib-
Compagnie der Musketiere: Hauptmann Escher 200
Mann"^=^).
Es dürfte jetzt angezeigt erscheinen, einen Rück-
blick auf die Klagen und Beschwerden der kurfürstlichen
Schweizergarde, die sich während des Jahres 1663 geltend
machten, zu w^erfen und die Frage zu stellen, ob und
inwieweit dieselben berechtigt erscheinen.
Es liegen zunächst die beiden Schreiben vom 15.
(25.) September und vom 26. September (6. Oktober)
1663 von einem Teil der Magny'schen Kompagnie vor,
nächstdem die beiden Briefe J. C. Eschers vom 17. (27.)
September und vom 2. (12.) November desselben Jahres,
und endlich die Klagen und protokollarischen Verneh-
mungen der Berner Unterthanen. In allen diesen Schrift-
81) E. A. Bd. VI, Abt. II No. 397, lit. f.
8-) Es scheint demnach, dals Escher zu dieser Zeit in Zürich war.
*^) Schuster und Franc ke a. a. 0. I, 86.
Schweizer Sokltruppen 1650—1681. 255
stücken erstrecken sich die Beschwerden in der Haupt-
sache auf nachstehende Punkte:
1 Magny habe bei der Anwerbung freies Quartier
und jährlich „ein Lieberey-Kleidt" versprochen — beides
sei aber nicht gehalten worden.
2. Wenn einer oder der andere bei einem der Offi-
ziere sei „verklagt" worden, so sei er mit strenger Strafe
belegt worden.
3. Es seien etliche von ihnen ohne ihren Willen ver-
abschiedet worden, so namentlich zwei Züricher, denen
die Degen zerbrochen und die von der Kompagnie „ver-
stolsen" Avurden.
Auliserdem habe der Musterschreiber Eckenstein zu
viel Gewalt gehabt und vielfach Löhnungsgelder unter-
schlagen. Wenn sie aber bei den Offizieren ihre Klagen
angebracht hätten, so hätten sie Unrecht bekommen.
Die Behandlung, die sie seitens des Oberstlieutenants
Magny zu erdulden hätten, sei überhaupt eine unwürdige
und eine „Verantworttung" vor dem Kurfürsten sei ihnen
nicht möglich, während die Offiziere den täglichen Zu-
gang zu demselben ex officio hätten.
Als Gegenstück hierzu sagt nun aber die Eingabe
der „46 Mann" vom 29. September (9. Oktober) desselben
Jahres, dals diese Beschwerden ihrer Kameraden ganz
ungerechtfertigt und dafs die betreffenden Kläger „Re-
voltisten" seien. Auch Escher, der als persönlicher Gegner
Magny 's kaum ganz unparteiisch war, giebt zu ,,dafs die
Soldaten zu vil an der Sach gethan haben".
Das Entscheidende scheint uns aber zu sein, dafs
den Schweizergardisten der Zugang zu der Person des
Kurfürsten sehr wohl offen stand und diese Fügiichkeit
auch — wie aus allen Schreiben übereinstimmend her-
vorgeht — in ausgiebiger Weise benutzt wurde. In dem
Klageschreiben vom 15. (25.) September heilst es: dals
sie — die Schweizer — genotwendigt gewesen seien,
sich „supplicando" an den Kurfürsten zu wenden, welcher
daraufhin verordnet habe, ihnen einen Monat Sold und
Quartiergeld auszuzahlen. Später haben sie sich dann
nochmals an den Kurfürsten gewendet, welcher auch ihre
Entlassung aus dem Gefängnis persönlich befahl. Nichts-
destoweniger haben sich dann die Leute abermals be-
schwert, haben sich geweigert, mit Eckenstein „auf-
zuziehen" u. s. w., bis endlich der Kurfürst dessen Ver-
abschiedung angeordnet hat. Auch Escher schreibt am
256 A. von AVelck:
17. (27.) September, dafe die Soldaten dem Kurfürsten
ihre Beschwerden schriftlicli übergeben hätten, und dals
derselbe sich „sonderlich bemüehet habe, das wesen zu
accomodieren''. Das Ohr des Kurfürsten stand also that-
sächlich den Schweizern offen und soweit als möglich
wurde ihren Beschwerden abgeholfen. Dals derselbe aber
auch sonst sein persönliches Interesse an der Schweizer-
garde bethätigte, wurde schon auf S. 235 bemerkt. Ebenso
ist es richtig, worauf die Beschwerdeführer von Magny
hingewiesen wurden, dals die Kompagnie Ende 1658 auf
eine neue Kapitulation verpflichtet wurde, in welcher
von Gewährung von Quartiergeld nicht dießede
war. Endlich dürfte aber als entscheidend zu betrachten
sein, dafs nicht nur in Sachsen selbst die ganze Ange-
legenheit kriegsgerichtlich behandelt wurde (vergl. das
Schreiben der 46 Mann vom 29. September (9. Oktober)
1663, sondern dals auch von Seiten Berns eine kriegs-
gerichtliche Untersuchung eingeleitet wurde, namentlich
gegen Magny, die, anscheinend wenigstens, zu keinem
Resultate führte, denn derselbe blieb noch mehrere Jahre
unbehelligt in sächsischen Diensten. Dafs derselbe aus
seiner Stellung als Schweizer Hauptmann pekuniären
Nutzen zog und in dieser Hinsicht nicht allzu gewissen-
haft verfuhr, erscheint zweifellos; das lag aber in den
damaligen Militärverhältnissen und man konnte ihm daraus
keinen ernsten Vorwurf machen.
Erst im Beginn des Jahres 1667 finden Avir in den
Akten des Basler Staatsarchivs ^^) wieder eine Erwähnung
der Schweizergarde. Der Rat zu Basel richtet nämlich
an den Oberstlieutenant Magny das Ersuchen, den Sohn
ihres „Mitrathsfreündes" Fridrich Bulacher, Lux Bulacher,
zum Fähnrich bei seiner Kompagnie avancieren zu lassen ^■').
Sie wären „von glaubwürdigem Ortt berichtet worden,
dafs der Capit. Lieut. von der Compagnie, in welch der
mehrere Theil Unserer Angehörigen sich befinden , mit
ehistem abdancken, auch an dessen Stell sein Bruder, so
derselben Compagnie Fendrich'^**), ohn Zweifenlich succe-
dirn, hiemit die Fendrichsstelle vacirend werden dörffte".
Da nun Magny bei seiner Anwesenheit in Basel den
jungen Mann sehr gerühmt habe, und da in der „Capi-
«*) St.-A. Basel St. 9ß F. No. 12, d. d. 13. Februar 16H7.
^^) Jedenfalls derselbe Bulacber, der 16(5.3 mit Magny in
Basel war.
^") Die schon erwähnten Brüder Montet.
Schweizer Soldtrnppen 1656—1681. 257
tulatlon und anderen auch dises klärlich versehen, wofern
künfftigs Einer oder der Andere bey diser Schweitzerisch
Leib Guardi befindliche Officirer abgehen oder geändert
würde, dafs alsdann derselben Officirern vacirende hohe
oder nidere stellen mit Bafsler ergäntzt werden sollen",
so hoffe man, dafs er jetzt und künftig danach verfahren
werde.
In dem nämlichen Jahre — 1667 — machte sich noch
eine abermalige Kompletierung der Schweizergarde not-
wendig und zwar betraf dieselbe die Musketier-Kompagnie.
Der Kurfürst beauftragte infolgedessen den Hauptmann
Escher mit den bezüglichen Verhandlungen bei den Kan-
tonen Basel, Bern, Zürich und Schaffhaiisen und be-
glaubigte ihn mittelst eines an diese Kantone gerichteten
Schreibens vom 1. (11.) August 1667, in welchem zugleich
dem Wunsche Ausdruck gegeben wird, die „Schweizer
Leib Compagnie an Musquetieren mit kriegsgeübter Mann-
schafft diser Nation vollents zu compliren" "). Nur von
Basel und Bern liegen zusagende Entscheidungen vor^^);
man darf aber um so mehr annehmen, dals auch die
anderen Kantone die Anwerbung genehmigten, als es in
Bern gewils die meisten Schwierigkeiten zu überwinden
galt. Schaflfhausen hatte sich schon vor 4 Jahren will-
fährig erzeigt, und in Zürich waren dem Hauptmann Escher
in seiner Eigenschaft als Bürger und Glied einer hoch-
angesehenen Familie die "Wege ganz besonders geebnet.
Auf die Länge scheinen sich aber doch die Verhält-
nisse bezüglich Magny's als unhaltbar erwiesen zu haben,
so dals sich der Kurfürst im Jahre 1669 entschlois, die
Musketier -Kompagnie der Schweizergarde aufzulösen,
den Oberstlieutenant Magny zu entlassen und seine —
die Hellebardier- Kompagnie — dem Hauptmann J. C.
Escher zu übergeben*^).
8'') St.-A. Züricla Acta Sachsen. St.-A. Basel St. 96 F. No. 12.
St.-A. Bern L- S. 597. St.-A. Schaffliausen Acta Sachsen
No. 100.
«**) Basler Rats - Protokolle , 4. Septemher 1667. St.-A. Bern,
Extract ans dem Teutschen Missivenhnch No. XXII fol. 500 S. 601
d. d. 29. August 1667.
*") Ein anderer Grund für die Abdankung dieser Kompagnie
ist nicht bekannt. Es mufs liior bemerkt werden, dafs nacli den An-
gaben in den beiden Werken May's, Hist. milit. des Suisses und
de la Suisse (a. a. O.), sowie in Leu's Schweizer- Lexikon, .1. C.
Escher im Jahre 1669 nicht die Schweizergarde übernommen hätte, son-
Neucs Arcbiv f. S. (i. u. A. XIII. 3. 4.
17
258 A. von Welck:
Nähere Nachrichten über diese Vorgänge liegen nicht
vor, auch nicht über die speziellen Gründe zu Magny's
Verabschiedung. Sein Name erscheint seit dieser Zeit
nicht mehr in irgend einem, die sächsischen Militärver-
hältnisse berührenden Schriftstück und die Entlassung
der Kompagnie scheint ohne alle Reibungen vor sich ge-
gangen zu sein.
Magny's Schwager, Montet, verblieb bei der Helle-
bardier -Kompagnie und erhielt später den Titel als Ka-
pitän-Lieutenant.
Über den Etat der Schweizergarde - Kompagnie in
den nächsten Jahren findet man in der „Liste der Säch-
sischen Armee für das Jahr 1676", welche der Rangliste
für das Jahr 1785 beigefügt ist^"), die Angabe: „Schwei-
zer Trabanten 1 Compagnie = 130 Mann", also ziemlich
genau wie im Jahre 1666.
Doch auch die Tage dieser letzten aus Schweizern
bestehenden Abteilung waren gezählt.
Die Anforderungen, die Kurfürst Johann Georg II,
nach dem Ausbruche des Krieges gegen Frankreich —
1673 — an die Steuerkraft seines Landes stellen mulste,
um die dem Reichsheer zuzuführenden Truppen zu unter-
halten, erschienen unter den damaligen Verhältnissen
nahezu unerschwinglich, und nicht allein die Landstände,
sondern die gesamte Ritterschaft gaben auf unzweideutige
Weise ihre Unzufriedenheit zu erkennen. Als demnach
im Jahre 1679 durch den Frieden zu Nymwegen der
Krieg beendigt worden war, erklärte sich der Kurfürst
sofort zu einer namhaften Reduktion der Armee bereit ^^).
dem das „Garde -ßegiment zu Fufs". Spätere Korrespondenzen und
sonstige Schriften, die wir anführen, liefern aber den Beweis, dais
Escher bis 1680 Kommandant der Scliweizergarde war. Das „Chur-
fürstl. Leib-Regiment z. F." aber, von welchem in den bezeichneten
Quellen nur die ßede sein kann, wurde von 1670 — 81 von Oberst
Kufter kommandiert, dessen Nachfolger ein Oberst von Escher war,
aber nicht der bis jetzt genannte Johann Caspar. Vergl. H. v. S.,
Geschichte der beiden K.S.Grenadier-Regimenter. (Dresden 1877).
Anlage I. A^'ergl. auch unten Anlage No. VI.
^) Bachenschwauz, Gesch. und Zustand der kursächs,
Armee 1785. Beil. 2.
"*) Die betreffende Verordnung des Kurfürsten vom 10. Februar
1680 besagt: „Da der allmächtige Gott nach dem langen und be-
schwerlichen Kriege den Frieden geschickt", so wolle der Kurfürst
,,nach dem Beispiele des Kaisers und anderer Potentaten und auf
untertäniges und dringendes Ansuchen der Landstände nun auch iu
Gottes Namen an die Abdankung seiner Truppen gehen".
Schweizer Soldtnippen 1656—1681. 259
Dieselbe hatte wälirend der letzten Jahre aus 5217
Mann Reiterei (inkl. 617 Mann Garde) und aus 7442 Mann
Infanterie (inkl. 796 Mann Garde) bestanden^-). Bereits
im Februar 1680 wurden hiervon 14 Kompagnien Reiterei
und 9 Kompagnien Fufsvolk entlassen, und als im Herbst
desselben Jahres, nach dem am 22. August in Freiberg
erfolgten Ableben Johann Georgs TI, sein Sohn als Johann
Georg III. die Regierung angetreten hatte, wurde nicht
allein die Reduktion der Feldtruppen fortgesetzt, sondern
auch der grölste Teil der kostspieligen Gardetruppen,
und zwar: 30 Mann Leibgarde der Mousquetons, 75 Mann
Kroaten und 130 Mann Schweizer gar de, abgedankt.
Gleichzeitig benutzte aber der mit scharfem militärischen
Blick begabte Kurfürst, der sich von der Unzulänglichkeit
der angeworbenen Truppen während der letzten Kriegs-
jahre überzeugt hatte, diese auf solche Art den Land-
ständen gemachten Konzessionen, um durch Gewährung
der erforderlichen Mittel seinem Lieblingswunsche näher
treten zu können und den ersten Grund zu einer stehenden
Armee zu legen. —
Die Abdankung der letzten Schweizergarde- Kom-
pagnie sollte nicht ohne wesentliche Schwierigkeiten vor
sich gehen, vielmehr zu langwierigen Verhandlungen und
Korrespondenzen Anlals geben. Diese Schwierigkeiten
betrafen in der Hauptsache die Ansprüche von Quartier-
geld, welche die Entlassenen noch zu haben vermeinten.
— Dals der endlichen Rückkehr in die Heimat später
noch andere Verzögerungen bereitet wurden durcli strenge
Quarantänemaferegeln , welche die Schweizer Behörden
wegen der in Sachsen grassierenden Pest für nötig er-
achteten, werden wir weiter unten sehen.
Die Verabschiedung der Kompagnie — deren Haupt-
mann Joh. Caspar Escher sich seit längerer Zeit in der
Heimat befand und das Kommando an den Kapitän-
Lieutenant Montet übergeben hatte — fand Anfang No-
vember durch den kurfürstlichen Kriegskommissar, auch
Reichsquartiermeister und Oberstlieutenant Lenz statt.
Da die Schweizer, wie aus dem unten erwähnten Schrei-
»2) Bachenschwanz a. a. O. 1785. Beil. 2. Hiervou waren
nach derselben Quelle 3400 Reiter und 800 M. Fufsvolk bei der
kaiserlichen Armee und in kaiserlichem Sold. Cxretscliel a.a.O.
II, 510 giebt für das Jahr 1676 die Stärke des säclisischen Heeres
nur zu 2353 ßeiter, .')758 Mann Fufsvolk und etwa InO Mann
Artillerie an.
17*
2G0 A. von Welck:
bell des Kammer- Präsidenten von Bose^^) hervorgeht,
seit vielen Monaten freies Quartier genossen hatten —
was ihnen nach der Kapitulation vom 1. (11.) Dezember
1658 nicht zukam — , so hatte derselbe befohlen, dafs
ihnen nur 7 Monate Sold ausgezahlt, der Betrag für den
achten aber für das genossene freie Quartier zmiickbe-
halten, aulserdem aber zuförderst ihre Schulden von dem
Solde in Abzug gebracht würden. Wegen dieser Maß-
regeln, die als vollständig gerechtfertigt erscheinen und
später auch so von Oberstlieutenaiit Escher bezeichnet
wurden (s. u.), entstand nun grolse Unzufriedenheit. Die
Schweizer verlangten nicht allein noch für den 8., ja
wohl sogar für den 9. Monat Sold, sondern aufserdem
Quartiergelder und „Abdankungsgelder". Oberstlieutenant
Lenz wendete sich deshalb an seinen Vorgesetzten, den
genannten Kammer-Präsidenten von Böse, der ein Schrei-
ben an ihn erliefs, in welchem er sich dahin ausspricht,
dals die entlassenen Schweizer den Sold für den 8. Monat
unbedingt nicht zu beanspruchen hätten; der Oberst-
lieutenant Lenz möge ihnen nur 7 Monate Sold auszahlen,
zuförderst aber die Schulden davon abziehen; für die
Verstorbenen könne die Gage bis zum Tage ihres Todes
verrechnet werden. „Der Hr. Oberist Leutenant Escher
betreffend, wellicher so lang nit im Land gewessen, wirt
seine Besoldungsgelter schon selber zusuchen wüssen".
Sollten die Schweizer mit diesem „raisonables Tracta-
menten" nicht zufrieden sem, so möchte Lenz die Gage
im Amt Dippoldiswalde deponieren und befehlen, dafs die
Leute weder in das „Stättly Darand noch anderen Orthen
eingelassen" würden; nötigenfalls solle man sich ihrer
Personen versichern '■**). Kapitän-Lieutenant de Montet
und Lieutenant von Erlach, die beiden Offiziere, welche
bei der Kompagnie anwesend waren, schickten dieses
Schreiben zur Kenntnisnahme an den Oberstlieutenant von
Escher nach Zürich, was aus einer Bemerkung, welche sich
auf der im Staatsarchive Zürich befindlichen Kopie befindet,
hervorgeht, die lautet: „Das Original dises Schreybens ist
Hern Obristen Leutnant Escher von Hr. Capit. Leut.
Montet und Leut. Erlach aus Saxen in die Schwytz über-
schickt worden."
^^) Christoph Dietrich von Böse der Ältere, von 1680—86 Kam-
mer-Präsident; später unter Avigust dem Starken Minister.
Ol) St.-A. Basel E. 8 C. No. 3, d. d. 28. November 1680. Desgl.
in den St.-A. Zürich und Bern.
Schweizer Soldtruppeii 1656—1681. 201
Die Anspi'üche, welche die Schweizer noch bezüglich
der Besoldung erhoben und die daraus resultierenden Ver-
handlimgen, verzögerten die Rückreise derselben, so dafs
sie erst zu Anfang des Jahies 1681 scheint angetreten
worden zu sein , wie aus einem Beschlufs des llats zu
Zürich vom 20. Januar (1. Februar) 1681 hervorgeht, in
dem es heilst : „Wegen der abgedankten Comp. Hr. Obst.
Leut. Escher's in Sachsen, so zum Theil mit Wyb und
Kindern uff der Heimreils begriffen seyn soll, ward
erkent, Hr. Vogt Vögeli soll uff einen ohnwägsammen
Hoff" als liauls von der Landstrafs ohnfehren vom wasser
ussert Rhyns nachforschung haben die erfahrende Ge-
lägeuheit schleunig benachrichtigen, iudesse by synem
Pafs von dergleichen Lüth niemand hindurchlassen, son-
dern" etc. — es folgen nun noch einige weitere Bestim-
mungen wegen der zu haltenden „purga" und „quaran-
täne" »•^).
Wir begegnen also hier den oben erwähnten Quaran-
tänemalsregeln, die mit ernsten Schwierigkeiten und Un-
annehmlichkeiten für die betr. Kantone verknüpft waren,
namentlich aber für den Vorort Zürich. Ihm lag es
zunächst ob, die entsprechenden Anordnungen zu treffen,
wie man aus dem obigen Eatsbeschlufs ersieht, es scheint
aber auch, dafs sich die Zurückkehrenden in corpore zu-
nächst nach Zürich wenden wollten , um gemeinsam von
dem dort aufliältlichen Escher die — ihrer Ansicht nach —
ihnen noch gebührenden Emolumente zu fordern^'*).
Zürich ordnete, in Befolgung des Beschlusses vom
20. Januar (1. Februar) zunächst an, dafs die Quaran-
täne im „Hof Langenried'-^') gehalten werden solle, falls
der Besitzer es gestatte, worüber der Vogt Vögeli mit
dem „Bauer von Langenried" verhandeln solle ■*'^).
In der Sitzung vom 19. Februar (1. März) wurde
bestimmt, dafs der Vogt Werdemüller zu Eglisau „die
abgedankte Saxische Compagney zugethan geweiste Sol-
daten, so keine Landeskinder, in ihr Heimath, benantlich
die Berner uff Keiliserstuel , die Balsler uff' Lauffenburg,
^^) Manual I des Rats Züi'ich. 16IS1. Sitzung vom 20. Jaiuiar.
^"j Ein Teil der Schweizer blieb vorläufig noch in Sachsen
zurück.
'*■') Der noch jetzt bestehende „Hof Langenried", unmittelbar
an der Grenze zwischen Rofz und dem badisdien Ort Baltersweil.
^^) Manual des Rats Zürich. Sitzungen vom 2. und 12. Fe-
bruar 1681.
262 A. von Welck:
und die Appenzeller ^") uff Rhynau weisen ohne Betretung
Zuriclies Territorium, liierlierwerts Rheins. Die Landes-
kinder aber mit bescheidenlicher Nothwendigkeit an Brot
und etwa einem Trunk in den Langeurieder Hof versor-
gen. Indessen die frembden vor Verflielsuug 2 Monate
wegen ihrer vermeinender Ansprachen Juncker Obst.
Leut. Escher angelangen nit harkommen mögen" ^*'").
In diesen Tagen trafen also die in Sachsen Ent-
lassenen an der Schweizer Grenze ein, und in der Rats-
sitzung vom 21. Februar (3. März) wurden die erforder-
lichen Anordnungen wegen der vorzunehmenden Desin-
fektion getroffen ^"^).
Die beabsichtigte Dirigierung der Nicht-Züricher auf
die verschiedenen Rheinübergänge scheint aber nicht oder
wenigstens nicht vollständig zur Ausführung gekommen
zu sein , denn in dem Sitzungsberichte vom 23. Februar
(5. März) ^02) heifst es:
„Es wird abgelesen die Supplication der Landeskinder von der
abgedankten Sax. Comp, so sich in dem Langenrieder Hof bei Rafftz
aufhalten, die begehrte Besoldung eines restier. Monatssoldes und
ihre Heimlassuug betrfid. Es v^^ird erkannt, dafs die Fremden
in ihre Heimath gewiesen werden sollen, die Züricher aber die
Quarantäne richtig halten müssen. Ob. Ltnt. Escher sagt, dafs er
kein Sold für die Leute erhalten habe ; den ehrlichen Abschied wer-
den sie aber erhalten. Uff erhaltem Bericht aber, dafs Hr. Oberst Ltnt.
und Commissar Lentz selbigen wegen vor etwas Zeit hero genossenen
Quartieren hinderhalten, vrerde Er Juncker Escher bei seiner ohne
das bald vorhemmeuden Reise in Saxen sorgfeltig auf desse Erhe-
bung nachtrachtung haben und alsdann denselben verabfolgen lassen".
Endlich finden wir noch im Sitzmigsberichte vom
26. Februar (8. März)^"-^) die Bemerkung: „Die Kosten
haben im Hof Langenried 10 Reiclistlialer betragen.
Escher soll soviel vom zu erwartenden Sold innebehalten".
Es bezieht sich dies jedenfalls auf die bis dahin dort
verpflegten „Fremden".
Von dem obigen Sitzungsberichte gab der Rat zu
Zürich am 26. Februar (8. März) den Räten zu Basel,
Bern und Schaffhausen Kenntnis ^''^). In Basel wurde die
betreffende Zuschrift in der Ratssitzung vom 2. (12.) März
*") Man möchte hier an eine Verwechselung mit Schaffhausen
glauben.
10^) Manual des Rats zu Zürich. Sitzung vom 19. Februar.
101) Ebenda. Sitzung vom 21. Februar 168L
102) Ebenda. Sitzung vom 23. Februar 168L
103) Ebenda. Sitzung vom 26. Februar 1681.
1«) St.-A. Basel E. 8 C. No. 3.
Schweizer Soldtruppen 165ß— insi. 263
verlesen und beschlossen, „dafs es darbey bleibe" ; „wann
sich der ünsrigen Jemandt anmeldet, wirt man ferneres
rhätig- werden" ^°').
Bern antwortete am 4. (14.) März, indem es sich
bedankt und mitteilt, dals es für die erforderlichen Qua-
rantänemalsregeln bezüglich der Bernischen Unterthaneu
gesorgt habe. Es schliefst :
„Wir ersuchen Euch gleich wohl darbey freündt Eidtgenössisch,
Ihr geruhet den Hr. Ohristeu Lieuten. Escher güetlichen zuvermögen,
besagten den unseren, die Ihme bekandt sein werden, Ihren restiren-
deu Sold sambt dem Abscheidt zukommen zu lassen, undt zwahr
ohne dafs defswegen Sie eine expresse Reise in Eure Unsere V. L.
A. E. Statt mit Kosten thun müessend, weilen es auf eine andere
Weise wohl wirt beschechen können"^"*').
Mittlerweile hatte aber der Rat Zürich den Oberst-
lieutenant Escher aufgefordert, einen ausführlichen Bericht
und ein Gutachten über diese Angelegenheiten und nament-
lich über die Rechtmälsigkeit der Ansprüche der ent-
lassenen Garde-Kompagnie anzufertigen und einzureichen.
Diesem Befehle kam Escher nach und zwar unter
Beifügung des oben erwähnten Schreibens des Kammer-
Präsidenten von Böse, welches ihm, wie bemerkt, zuge-
schickt worden war.
Diese Eingabe Escher's ^'''^) entwirft ein klares und
unparteiisches Bild von den vorliegenden Differenzen.
Er schreibt, dais „die beiden Herren von Bern", Kapi-
tänlieutenant von Montet und Lieutenant von Erlach
(welche bekanntlich bei der Abdankung der Kompagnie
in Sachsen waren) die beste Auskunft würden geben
können. Dieselben würden auch bezeugen, dafs alle in
sächsischen Diensten gewesenen Schweizer Soldaten bis
zum 1. November des vergangenen Jahres ihren Sold stets
richtig erhalten hätten. Die Soldzahlung pro November
habe ihnen allerdings eigentlich noch gebührt, das bei-
liegende Schreiben Bose's enthielte aber den Grund,
warum dieselbe nicht geleistet wurde. Es sei ihm —
Escher — also eine Schuld nicht beizumessen, noch viel
weniger sei aber an ihn eine Forderung zu stellen, da
er der grassierenden Pest wegen, bei der Ab-
105) Basler Rats-Protokolle Bd. 47.
1"«) St.-A. Bern L^ S. 629.
'<>■') St.-A. Zürich Acta Sachsen. Olnie Datum. St.-A. Basel.
Als Beilage zu E. 8 C. No. 2 (siehe Anmerkung No. 108).
264 A. von Welck:
dankiing iiiclit zugegen gewesen sei^*'^). Was
die Forderung von Abdankungsgeldern beträfe, so liefse
sich eine Berechtigung dazu aus der Kapitulation nicht
herleiten, immerhin wolle er versuchen, wenn er naclr
Sachsen käme, ob sich sowohl bezüglich des Monatssoldes
als auch bezüglich dieser Abdankungsgelder etwas erreichen
Heise. Die „Abschiede" wolle er einem jeden in bester
Form zukommen lassen. Die Berner könnten sich aber
dieselben ebenso gut vom Kapitänlieutenant Montet in
Escher's Namen ausstellen lassen. Endlich bittet Escher
der „Lobl. Stand Bern" möge sich doch sowohl bei den
schon genannten beiden Offizieren, als auch bei den andern
Bernern, die in Sachsen gedient hätten, Hauptmann Wolf-
gang von Bonstetten, Steiger, Im Hoff u. a., namentlich
auch bei Herrn Landvogt Beat Fischer, der wiederholt
in Dresden gewesen sei, informieren, ob er — Escher —
nicht stets sein Möglichstes gethan habe „zur Erhaltung
und Vermehrung Lobl. Eidtgenolsschaft Ansehen und
Eeputation", sowie zur „Vernügung Ihr. Churf. Dchlt".
Man möchte ihm also keine Schuld beimessen, und
es schiene beinahe, dals die Soldaten, die ihm für so viele
gehabte Mühe so schlechten Dank Wülsten, diese For-
derungen erst auf der „verdriefslichen Quarantaine ge-
schmidet" hätten. Endlich fügt er noch hinzu, dals, selbst
wenn die Auszahlung des Soldes für die letzten 7 Mo-
nate (siehe das Schreiben Bose's) nicht erfolgt wäre,
man ihm keine Schuld beimessen könne, da die Soldaten
das gezahlte Geld stets „alles in ihre Hüte gestrichen"
hätten, und es sei „nichts en deconte oder Abrechnung
wie in Französischen Diensten oder anderstwo bräuchig
zurückbehalten worden", so dafs also auch die Offiziere
nicht für die richtige Bezahlung der Soldaten Bürgschaft
leisten könnten.
Dieses Schriftstück nebst dem beigefügten Schreiben
Bose's schickte am 25. März (4. April) Zürich in Ab-
schrift an die drei Kantone ^"'■^) und schrieb hierzu, die-
^°^) Er begründet diese seine Abwesenheit in einem späteren
Bericht an die Obrigkeit zu Zürich durch Beilegung eines „Scheines
No. 5", der uiclit mehr vorhanden ist. Doch scheint es hiernach,
dafs er wegen Krankheit nacli der Schweiz gereist war und dafs
dieser „Schein" demnach ein ärztliches Attest war.
10") St.-A. Zürich, Acta Sachsen d. d. 25. März 1681. Konzept.
St.-A. Bern, L- S. 643. St.-A. Basel, E. 8 C. No. 2. St.-A.
Schafthausen, Acta Sachsen No. 18.
Schweizer Soldtmppen 1656—1681. 265
selben wüi'den aus den Beilagen ersehen, wie Escher die
vorliegende Frage beurteile. Sie möchten also ihre betref-
fenden Unterthanen davon abhalten, etwa nach Zürich zu
kommen, um ilire vermeintlichen Ansprüche geltend zu
machen, sondern dieselben „oberkeitlich zu ruhen weisen".
Hingegen werde Escher in den nächsten Tagen nach
Sachsen reisen und das Verlangen des „praetendii-enden
Monat -Solds mit allen ersinnlichen Offlcien anzebringen
und zu der Interessirten Contento bester massen aulsze-
würcken trachten"' "■).
Um vor seiner Abreise nach Sachsen vollständig
orientiert zu sein über die Sachlage und namentlich über
die Vorgänge bei der Abdankung der Kompagnie, bat
Escher den Kapitänlieutenant Moutet, der mittlerweile
auch in der Schweiz eingetroffen war und sich in Servion
bei Vevej' aufhielt, ilim einen ausführlichen Bericht über
diese Vorgänge zukommen zu lassen. Montet kam diesem
Wunsche mittelst eines Schreibens vom 19. (29.) März
nach^"), welches alle Vorgänge bei der Entlassung der
Schweizergarde durch Oberstlieutenant Lenz eingehend
berichtet und als die hauptsächlichsten Forderungen der
Soldaten die nachstehenden bezeichnet:
1. Käme ihnen noch vom Jahre 1679 her eine drei-
monatliche Soldzahlung (im Ganzen 1000 Reichsthaler)
zu, welche der Kurfürst dem Herrn „Leben"''-) zu
leisten befohlen habe. — Aus dem etwas unklaren Schreiben
Montet's scheint hervorzugehen, dals dies für Schulden
innebehalten wurde.
2. Hätten sie den Sold für 9 Monate zu fordern ge-
habt : er sei ihnen aber zunächst nur für 6 Monate, dann
noch für den 7. bezahlt worden. Wegen des 8. — der
bekanntlich für das in natura geleistete Quartier in Ab-
zug kam — hätten sie sich wollen an ihren Haupt-
mann (Escher) wenden, wovon er (Montet) ihnen aber
sehr abgeredet habe. Schliefslich habe der Kommissar
sich erboten, wegen dieses 8. Monats sich noch einmal
in ihrem Interesse an den Kurfürsten zu wenden, was
sie gern acceptierten. „Ayant enfin rendu les armes le
lendemain et dautant que parmi ces dernieres instances,
monsieur le Commissaire oftiit de se charger encor dune
"") Basler Rats -Protokoll No. 55. Sitzung v. Sambstag den
30. Marty Ao. 1681.
1") St.-A. Bern L- S. (535. In französischer Sprache.
"-) Hofsekretär Löwe. Vergl. ProtokuU der Beruer.
266 A. von Welck:
suplication ä S. A. E. pour ce hiiittieme mois, oii axcepta
avec bien de la ioye et du respect ce bon office et luy
remit la suplication a la teste de la compagnie et le
pria fort instament de les avoir en reccommandation. II
promit de bonne grace toutes sortes de bon office a cest
esgard".
Am 30. März (9. April) erhielt Escher diesen Brief
und schrieb am 7. (17.) April, anscheinend unmittelbar
vor seiner Abreise nach Sachsen, an ,, Monsieur le Lieute-
nant" (jedenfalls Lieutenant von Erlach) nach Bern^^'^),
dals eine grofse Anzahl der entlassenen Schweizer bei
ihm gewesen seien und von ihm die Bezahlung des drei-
monatlichen Soldes verlaugt hätten. Er habe ihnen daraaf
nur erwidern können, dals er „selbiges auch gern haben
wolle". Wenn es ihnen jemand schuldig sei, so sei er
es in kehieni Falle, sondern der Kurfüi^st, und er wolle
gern in Sachsen sein Möglichstes thun, um noch etwas
für sie zu erlangen.
Zürich erbat sich nun von BaseP'*) noch die Ab-
schriften der Kapitulationen von 1659 und 1663, jeden-
falls damit Escher dieselben als Unterlagen seiner Ver-
handlungen mit nach Sachsen nehmen könne, und endlich
liegt vom 25. April (5. Mai) eine Mitteilung Zürichs an
Bern vor^^^), dafs, „um weitere Verdriefslichkeiten zu
ersparen" die Zahlung des rückständigen Monatssoldes
mit sechs Reichsthalern seitens des Kantons geleistet wor-
den sei. Aulserdem ersieht man aus dieser Zuschrift,
dafs Escher nun \nrklich nach Sachsen abgereist war.
Ob die andern Kantone dem Beispiel Zürichs, den
Sold für einen Monat zu bezahlen, nachfolgten, ist aus
den Akten nicht ersichtlich.
Oberstlieutenant von Escher wurde zum Zwecke
seiner Mission mit einem an den Kurfürsten gerichteten
Schreiben der Kantone und mit einem desgleichen an den
Oberhofmarschall von Haugwitz^^**) versehen. Er traf
am 15. (25.) Mai im Hoflager zu Torgau ein und hatte am
17. (27.) dieses Monats eine Audienz beim Kurfürsten, in
welcher er sich seines Auftrags entledigte und die Wünsche
"3) St.-A. Bern L^ S. 631.
1'*) Basler Rats - Protokoll No. 55. Sitzung v. Mittwoch d.
13. Aprilis 1681.
"&) St.-A. Bern L^ S. 649.
i'ö) Friedrich Adolf von Haugwitz, geh. 1637. Seit 1680 Oher-
hofniarschall. Stirht 1715. Diese heiden Schreiben fehlen.
Schweizer Soldtruppen 1056—1681. 267
der entlassenen Schweizer aucli mündlich dem Kurfürsten
vortrug. Derselbe empfing ihn sehr gnädig, erteilte aber be-
züglich dieser letzteren eine abschlägliche Antwort, welche
auch bereits am 25. Mai (4. Juni) dem Oberstlieutenant
Escher schriftlich zuging und welche sich darauf gründet,
dals 1. die Schweizer etliche Monate freies Quartier er-
halten und demnach kein Quartiergeld zu beanspruchen
hätten; dafs sie 2. wegen Abwesenheit des Hofstaates
von Dresden mehrere Monate keinen Dienst gethan hätten
und infolgedessen der Abzug des letzten Monatsoldes
gerechtfertigt erscheine, und dals 3. die Gewährung von
Abdankungsgeldern weder in der Kapitulation vorgesehen,
noch _ überhaupt in Deutschland gebräuchlich sei'").
Über die weitere Thätigkeit Escher's während seines
Aufenthaltes in Sachsen, soAvie über die vielfachen Vor-
würfe, die daselbst wider ihn erhoben wurden, und wie
er dieselben entkräftet, giebt der Bericht Auskunft, den
er nach seiner Rückkehr nach Zürich — Mitte August —
an seine Obrigkeit erstattet und der nebst den dazu ge-
hörigen Beilagen zur Kenntnisnahme an die drei Kan-
tone geschickt wurde"-). In Basel ging derselbe bereits
am 20. (30.) August ein, wie das Ratsprotokoll aus-
weist""), während er nach Bern erst 4 Wochen später,
am 19. (29.) September, abgesendet wurde.
Da dieser Bericht gewissermaßen den Abschluls
bildet für die Dienstleistungen der Schweizer in Sachsen
während des 17. Jahrhunderts, so teilen wir ihn als An-
lage V wörtlich mit.
Es geht aus demselben hervor, dafs irgend welches
Recht zu weiteren Forderungen den entlassenen Offizieren
und Soldaten niclit zur Seite stand; Escher hält aber
trotzdem die spätere Erlangung des qu. Monatsoldes, „weil
Ihr Churfürstlich Durchlaucht sich so gnädig erzeigt und
Ihne in synen Diensten wiederum zu accomodieren be-
gehrt", nicht fiir unmöglich. Besonders bemerkenswert
ist der Schlufspassus: „Letstlichen bitet Herr Obei'st-
"'0 St.-A. ■Rern Iß S. 653 d. d. 25. Mai 1681.
"«) St.-A. Bern L- S. 6ö5— 662. Unten Anlage V.
"») Basler Rats -Protokoll No. ,55. 1680 — 82. Sambstags den
20. Augusti Ao. 1681 : „Schreihen von Zürich communicirt die Ori-
ginalbeylagen so der Ihrige Hr. Obrist Lieutenant Escher aufs
Sachsen mitgebracht. Daraufs sich erscheinet, dafs man Ihme den
undergehabten Guarti Soldaten letsten Monat Sold nicht bezahlt,
sondern inubehalten, weilen Sie frey quartier genossen, so man Ihnen
nicht schuldig gewesen."
268 A- '^on Welck:
Leiit. Esclier, das mau doch keine Gleichheit zwüschend
den Teütschen und frautzösischen Diensten machen wolle,
danne in den erstereu der Soldat so woll alfs der Offlcier
synen gewüssen sold flyssig bezeüche, und gar nichts in
deme deconte verblj^be" etc.
Zwischen Zürich und Bern fanden in dieser Zeit
noch verschiedene Korrespondenzen in diesen Sachen statt;
aus einem Schreiben Zürichs vom 19. (29.) September
geht hervor, dals Kapitänlieutenant de Montet sowohl,
wie Lieutenant von Erlach für ihre Person noch Ansprüche
bezüglich ihrer sächsischen Dienstzeit geltend machten ^^'').
Es scheint denselben aber von keiner Seite weitere Folge
gegeben worden zu sein.
Nach der Abreise Escher's aus Sachsen, dürften
wohl auch die letzten, bis jetzt noch in Erwartung ihres
Abschieds daselbst verbliebenen Soldaten der Schweizer-
garde nach ihrem Vaterlande zurückgekehrt sein. Mit der
Entlassung der Escher'schen Kompagnie im Jahre 1680—81
verschwindet für zwei Jahrzehnte die letzte geschlossene
Abteilung Schweizer aus den kurfürstlichen Diensten. Wir
finden sie, die uns bis jetzt nur als Gardetruppen und
am Hoflager begegneten, zu Anfang des kommenden
Jahrhunderts wieder auf dem Schlachtfelde im Kampfe
gegen das Heer Karl's XII.
Auch Hans Caspar Escher scheint, trotz des Wun-
sches des Kurfürsten, nicht wieder nach Sachsen zurück-
gekehrt zu sein^-^). Sein Neffe Hans Heinrich Escher
kommandierte seit 1680 oder 81 das Leibregiment; bereits
1682 gab er aber das Kommando ab an Oberst von Schön-
feld ^^•-).—
Wir beschliefsen diesen Abschnitt mit einer kurzen
Bemerkung üjber die Uniformierung der Leib trab an ten
zu Fufs, die in den folgenden Jahren vielleicht Anlafs
zu den schon erwähnten Verwechselungen zwischen der
Trabanten- und der Schweizergarde bot, können aber
allerdings auch mehr oder weniger nur auf Annahmen
fulsen.
Wahrscheinlich erhielt nämlich die Trabanten-Leib-
garde im Jahr 1681, nach Auflösung der Schweizergarde
(gelbe Kompagnie), deren Uniform, und der Name
120) St.-A. Bern L^ S 6.55.
121) Yergl. über ihn Anlage VI.
^-") Vergl. Winsenscliaftliche Beilage der Leipziger Zeitung
No. 69 vom 26, August 1885.
Sdiweizer Sokltmppeii 1656—1681. 269
Schweizer wurde infolgedessen vielfach — unberechtigter
Weise — auf die Trabantengarde übertragen ; es ist aber
ausdrücklich zu bemerken, dafs nur dem Korps diese Be-
zeichnung zu Teil wurde, während die einzelnen Leute „Tra-
banten" genannt werden. So finden wir im Codex legum
milit. Sax. ^-■^) einen „Bestallungs- und Articuls Brief Chui"
Fürst Joh. Georgens III. zu Sachfsen, worauf die bey
der Chur Fürstl. Schweitzer Garde befindlichen Tra-
banten schweren und sich verpflichten lassen sollen, de
26. April Anno 1684".
Die historischen und Personal -Nachrichten, welche
in den Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts
erschienenen Ausgaben des Bachenschwanz „Geschichte und
gegenwärtiger Zustand der sächsischen Armee" der Rang-
liste der Schweizergarde vorgedruckt sind, sind unrichtig,
sowohl hinsichtlich der „Geschichte", als hinsichtlich der
Namen der „Schweizer Hauptleute", weil ausnahmslos
eine Vermengung der Trabanten mit der Schweizergarde
stattfindet. Wie aus den vorstehenden Aufzeichnungen
zu ersehen, wurde die Schweizer Leibgarde in Sachsen
im Jahre 1656 errichtet und 1680 aufgelöst und Schweizer
Hauptleute waren nur Isaac de Magny und Johann Cas-
par Escher.
Erst im Jahre 1725 wurde eine Schweizergarde wieder
errichtet.
Auf das erneute Auftreten Schweizerischer Sold-
truppen in kursächsischem Dienste in den ersten Jahren
des neuen Jahrhunderts werden wir in einem späteren
Aufsatz näher eingehen.
Anlagen.
No. I. (1656, Oktober 24./Novl)r. 3.)
Vergl. oben S. 226,
Capitulatio nach welcher des Durchlauchtigsten, Hochg-eliohrnen
Fürsten und Herren, Herren Johann Georgens Defs Anderen, Her-
tzogens zu Sachfsen, JüUich, Cleve und Bergk, defs heyligen Römi-
schen Rychs Ertzmarschalls und Churfürstens, Laiidtgraffens in 1 )ii-
ringen, Marggraffens zu Magdel)urgk, (Iraffens zu der Marck und
Kavensbergk , Herrens zu Ravenstein, über Dero Leib-Guardie be-
stelter Hauptman und Cammer Juncker, Isaac de Magny Oberster
^-^) Tobias Benjamin Hoffmann, Codex legum militarium Saxoni-
cus etc. (Dresden T/öü.)
270 A. von Welck:
Leütenant etc. iu denen zuhöchst gedachten Ihrer Churf. Dchlt. Leib-
Compagnie an Schweitzern, gnädigst begehrenden Völckern tractiren
und dieselben so fort commendireu soll.
1. Ist ein Leütenant zu werben, welcher monatlich dreyfsig^^*)
Thaler zugewarten hatt.
2. Ein Fenderich, soll haben zwantzig'-^) Thaler.
3. Zwey 1-") Wachtmeister, einem Jeden monatlichen fünffzehn^-'')
Thaler.
4. Drey Corporalen, einen Jeden monatlichen zehen '-*) Thaler >'-'').
5. Zweyi^") Drommelschläger , und zwey^*^") Pfeyffer, Jedem
monatlichen siben Thaler.
6. Sollen von denen andern zu Dero Leib Gruardie bedürffenden
ein Jeder monatlich sechs Thaler empfahen ^^i).
7. Auch sollend dieselben frey Quartier
8. Kleidung
9. Auff den Reissen Kostgelt oder Speifsung"-)
10. Unnd wann einer krancki^Sj^ dann nothwendige Medicameuta
haben.
IL Ihn mafsen Sy glychsfahls alle monatlich richtigk ihren
Soldt überkommen werden wie dessentwegen bereits anstalt gemacht
worden ^'^*). Signatum Drefsden, am 24t. Octobris, Anno 1656.
(L. S.) Johann Georg Churfürst.
No. II. (1656, Dezember.)
Vergl. oben S. 227.
Project der Ordonnanz für die Churfürstl. Säxischen Völckher.
Es sollen die Herren Officier und Knecht, so von der Statt
Zürich Inn die Churfrl. Sächsische Lybsgwardi werden gegeben, vor
allen dingen dahin sehen, dafs die Ehr Gottes defs Allerhöchsten;
Ihr Churfl. Dchlt. Wirde; der Statt und Kirchen Zürich Ansehen
und rum, wie auch eines Jedefsze zytliche und ewige Wolfahrt an-
gelegenlich werde beobachtet: Welches durch volgende Articul im
Werckh kan erhalten werden.
L Dafs under die Compagnei von Zürich keine andere nit syn
sollend, alfs ehrliche Burger und Landtleüth , und etwann auch von
gemeinen Herrschafften so fehr (sie) dafs die Knecht Evangelisch
sygind.
2. Es soll der Haubtman als Leütenant über difse Knecht haben
ein ordenlichen Rodell, und denselben alle halbe Jahr unseru gfnädigen]
H[erren] ynlifferen, mit andeütung, wie sich der ein und andre
verhalte.
12*) 50 Cop. 125) 30 Cop. 128) Ein Cop. i^^) 20 Cop. i^s) 15 Cop.
129) Ein Vorfähnrich 15 Thlr. (Zusatz) Cop.
"ö) Drey Cop.
i'*') .'^ 6 lautet in Cop: Sollen im übrigen 108 Knechte geworben
werden und ein jeder Mann 6 Thlr. emphahen.
i''2) Für Kostgelt oder Speissung hat Cop: Auslösung gleich
denen Trabanten.
i'^") oder schadhafft Zusatz Cop.
1^*) wie — worden fehlt Cop.
Schweizer Soldtrappen 1656—1681. 271
3. lim der Reifs imd inn den Quartieren da soll allwegen defs
Morgens und Abendts, wie auch vor und nach dem Aefszen das Ge-
bett laut gesprochen werden, allefs mit gebührender Andacht.
4. An den Son- und heiligen Fesstagen zoll mann inn den
quartieren die Zj'th zubringen mit betten, läfsen, singen: 1. mit einem
aldanderen Capütul defs der H. Bibell: 2. mit Widerhollung unsers
Cathechifsmi und der Zeügnufszen.
5. Der Obere - Officier soll versehen syn mit Unserer Eydtg.
Glaubens - Bekaudtnuss : mit der Kirchen -Agend und Bättbuch, mit
dem grofsen Mandath und Ehesatzung und anderen nothwendigen
stuckhen.
6. Die Predigen by denen, die der Augstpurgischen Cofession.
No. III. (1656, Dezember.)
Vergl. oben S. 228.
Anleitung für Hr. Leütenant Escher, Avessen Er by syner stell
under ihr Cuhrfl. Dcht. in Saxen Leib-guardie wol zugewahren.
Die Ihme undergebene soldats anzemanne zu einen christlichen
und fromen lobe : zu brüderlich liebe gegen ein andern : zu alle trüw
redelichkeit und dapferkeit.
Sy allezyt in guter disciplin zehalten und by fürfalleuden Ur-
sachen der mit-burgerlichen aft'ection nit znvergessen. Alle sache
under wegs und by den Säxisch hoff wol zugewahreu, sonderlich
sovil uusern Stand betrifft und denselben aller orten wol recommendiren.
Nach ankunfft by vermelden Saxisch Hoff, desselben beschaffen-
heit in Geist -und weltlich sach sovil müglich eigentlich erkundi-
gen und berichten.
Auch welche Herrn in beiden Stenden in den höchsten ansehen
und was affection Sy zu unsern Stand tragind. Sich versehn mit
derer Eydtgenossischen Republic Simleri '"•'') , auch den mercure
Suisse '"''), daraus unsere Altfordern Thaten auch jüngste sach wesent-
lich auzebringen: dsgl. mit den Scriptis Lutheranorum so zu der
zyt des H. Zwingly alhero kommen, und darus by gutem anlaas er-
scheinen, unsere allerbeste Zuneigiing auch in ßeligionssach.
Er wolle auch gute anstalt mach zu sicheren aiisendung der
brieffe, damit man wichtig und berichtwürdige sache wöchentlich
communiciren und ihme herdurch auch by hoff desto angenehmer
mach könne.
^^•'') Regiment Gemeiner loblicher Eydgenoschaftt : Beschriben
und in zwey Bücher gestellet diii'ch Josiam Simler von Zürych:
Jetzo aber von ueweni übersehen unnd an vilen orten gemehret und
verbesseret. In diseren Bücheron wirt nicht allein beschriben das
Regiment gemeiner Eydgenoschafft in gemein unnd auch der Orten
und Zugewandten insouderheit, sondern es werden erzeilet der
Pündten Ursprung und hci-konimen, auch ihre conditionen und llanpt-
artickel und was sich darauff in einer Eydgenoschafft verlogen lial)e:
und begreyfft also das erste Buch ein sumen der Eydgenossisciien
history von den zweyten König Rudolffen bifs auff das Reych Caroli V.
Getruckt zu Zürych im 1576. Jar.
^^*') Le mercure Suisse par Jean Martin, chez Jean de la
Tovrette. Paris, 1634.
272 A. von Welck :
In glych wolle Er sich auch beflyfsen, was der andern wichti-
ges verlaufft coutinnirelich alher zuberichten, dardurch syneu credit
auch alhir zuerhalden: Insonderheit aber in alle wäg wolge wahren
dessen so unsern Eydtgenössisch. Stand berüre, und man darüber
halten und discurriren möchte.
Des vergangenen Wesens halber wolle Er sich bedienen unsres
Manifests und mengklichen versichern, das wir anders mit ergreyöung
der waaffen nichts gesucht, als den ohnbedingten ßechtsstaud zuer-
halten, wie Er in den Pündten versehen und damit herkommen: das
wir auch glych in anfang des Krieges die vernügliche declaration
zu ohnbedingtem Recht erhalden und daruff der pacification auch
widerumb platz gegeben: das zwahre Bern in etwas by Villemerg ^*'')
überylt worden, aber eine Gottes Hilft, wo der Friden nicht erfolgen
sich wol wider hette revanchiren können, auch syge es zum Theil us
veranlasung der luceruisch underthanen in wehrenden stillstand be-
schehen dem Sy nit wenig schades zugefüge.
Das Zürich nit hundert man in allem verloren, die 5 orte noch
mehreren. Das Zürich uff der 5 orten boden underschidlich art den
Friden gewahrt auch das Thurgäuw und ein Theil der Graftschaftt
Baden allein ingehept, hernachen aber der ursach wider cediret das
die 5 ort auch alles was sy ingehept widerverlassen habend.
Auf dem Umschlag aussenstehend : Concept der Anleitung, so
Hr. Lütenant Escher in particulo von mir übergeben worden d.
10. Dcbr. 16.56.
No. IV. (16G2, Jauuar 13./23.)
Vergl. oben S. 238.
Monsieur
II y a desja quelques annees que S. A. Electie de Saxe par
une singuliere affection a eu la confiance par Tesperance d'une reci-
proque et sincere amitie de Messeigneurs les Cautons Evangeliques
a leur avoir demande des gens de leur nation, pour les employer a son
Service , comme ses premieres gardes de Corps , de sorte que ayant
reconnu toutes les fois quelle ont demande et desires d'avoir du renfort
de leurtroupes, vos Seigneuries se sont tousjours trouves portees de
bonne volonte ä satisfaire aux desirs de ce grand Prince, ce que reco-
gnoissant partir d'une si cordiale et deliberee volonte par une toute
particuliere providence de la Divine Majeste, s'est resolu, constamment
de vouloir recercher une estroite alliance avec les quatre cautons
Evangeliques, surquoy Jay eu ordre expres, d'en escrire par soubsmain
a des Seigneurs particiüiers pour presentir d'eux si la recerche pre-
teudu d'uji si grand Electeur d'Empire pourroit estre accordee , et
que selon cela, Ton peust prendre les mesures, Mons. pour ce subject
jay creu trouver a propos, de vous eu addresser la proposition et la
Vous confier, comme estant un des principaux appuis de la Repu-
blique, pour le soustrint d'mi si grand dessein et de tres haute im-
portance, permettes Mons. que ie vous prie de prendre la peine d'en
^^'^) Die Angelegenheiten von 1656 , welche zur Schlacht bei
Vilmergen führten, waren Streitigkeiten konfessioneller Natur zwischen
den katholischen Kantonen einer- und Bern und Zürich andererseits.
Bei Vilmergen wurden die Berner durch die Katholischen besiegt.
Schweizer SoUltruppen 1656-1681. 2713
faire aupres du Magistrat iiiie proposition secrette, pour a cellc flu
qu' au plus tost par uue favorable Response i"en puisse faire la relatiou
a S. A. Elect'e mou Maistre ile la coramissiou, laquelle il luy a pleu
nie vouloir contier pourtant le tout soubs silence, puis douques nia
(lestinee m'invite a la negociation de cest affaire, Je prie nostre
JSeigneur en vouloir benir les dessins, et les faire reüssir a sa gloire,
pour le bien et l'advautage de nostre chere patrie, et au contentement
de S. A. Electip jnon maistre, laquelle est tellenient iuclinee et portee
de bouue voloote ä l'advantage et interest de toute nostre nation,
que i'espere la cliose reüssissant Ton en aura du contentement de
tous costes.
de Dresde ce IS^e Janvier
1662. (Ohne Unterschrift.)
No. V. (1681, August.)
Vergl. oben S. 267.
Nach demme Herr Oberist Lieutenant Escher zufolg des Hoch
Oberkeitlichen Befelchs sich vor etwas Zyths in Sachsen begeben,
und nunmehr von syner gethanen Reifs widerum glüklich alUiier an-
gelanget, Thuet Er wegen der alda gehabten Verrichtungen, Avie
auch über des Loblichen Stands Bafsel seith seiner Ankunfft einge-
langtes und Ihme communicierten Schrybens, folgenden bericht in
aller undertheuigkeit ablegen:
Erstlichen, das nachdemnie Er den 15»«'° May Ao. 1681 an dem
Chur Säxischen Eoff zu Torgauw angelanget habe Er nith ermanglet
des folgenden Tags darauf by Ihr Exellence Herren Ober Hoff Mare-
chal von Haugwitz gebührend sich anzumelden, und selbigem das
au Ihne addressierte Schryben zuübergeben, Welicher soliches mit
aller Ehrerbietung empfangen, Ihne früudlich bewillkommet, und aller
syner Diensten versicheret, des folgenden Tags darauf seige Er,
durch Hoch WoUermeldteu Herren Ober Hoff Marechal zu der Chur-
fürstlichen audientz geführt, allwo Er nach abgelegten complimenten
syner Churfürstlich durchleucht, das Hoch Oberkeitlich schryben, mit
höchstem respect eiugehendiget, Weliche auch selbiges mit sonderen!
benüegen, und Ehrenbezeigungen gnädigst angenommen, auch \\'eilen
die mitiig mahlzyth verbanden Herren Oberist Leut: Escher mit zu
Ihrer hochfürstlichen Taftelen genommen, und in Währender Zyth,
mit fründlichen discursen, Ihne, Ihrer gegen den Evangelischen
Ständen Loblicher Eydtgnoschaft't Tragender Wohlgewogenheit vor
Jedermänigklich versicheret.
Etweliche Tag hernach hatt Herr Oberist Leut: Escher von
Herren Cammer Director von Bofsen, Churfürstliche gnädige antworth
erhalten, weliche darin bestanden, das Ihr Churfürstlich durchleucht
so woU schrifftlich alfs mündlich, sein anbringen und begehren ver-
nommen, sich auch allerguädigst erklährt, llime alle billiche satis-
faction zugeben, was aber anlangen thucge, den abgezognen munath-
sold, und die Abdanckungs Gelter, Werde Er aus der überschikten
Churfürstlichen gnädigen resolution, Weliche mit Ihr Churf. durchlt.
eigner Hand underschribeu , uud dero Chur Secret bckräfftiget er-
sechen können, die Jenige Uründ, weliche dieselbige bewogen nith
in die bezahluug des verlaugenden mouathsolds ynzuwilligeu, ^Veliche.s
Neues .Vrcliiv f. S. (i. u. A. Xlll. :i. 4. 18
274 A. von Welck:
alles US der bylag No. 3 bezeicliiiet originaliter zuersechen, über
soliche unverhoffte abschlägige antworth, hatt Herr Oberist Leut:
Escher sich höchst beschwerdt, und nit imderlafsen alle nur erdenk-
liche Grund, umb synem begehren ein vernüegen zu sechen einzu-
wenden, so aber alles kein gehör funden, und Ihr Clmrfürstlich
durchleueht von abgefaster meinung nith abwenden mögen, daraus
gnugsam zuersechen, wie träffenlich Herr Uberist Leut: Escher
Ihme soliche sach angelegen sein lafsen.
Difsere erhaltene ohuverhoft'te Resolution hatt Herr Oberst
Leut : Escher den in Drefsden sich annach aufhaltenden Schwytzeren,
zuwüfsen gemacht, weliche sich höchst darüber verwunderet, auch
alsobald, ohne einiches wytheres begehren, Ihre Abscheidschryben,
soliche nacher Hoff überschickt, und demüethig angehalten, dafs
soliche von Ihme möchtend bekräfftiget werden, so auch beschechen.
In weifs und Form, wie aus byligender Copie No. 6 bezeichnet zu-
ersechen.
Wie wahrhafft dann, das Jenige seige, was von etwelichen
böfswilligen , über die persohn des Herren Oberist Leut: Eschers,
ausgesprengt worden, nammlich das Er ohne verwilligung Ihr Churf :
durchleueht höchstseligister gedechtnus, by angestekten und sechr
gefahrlichen Zythen, sich darvon gemacht, und syne Ihm anver-
trauwte Compagnie verlasen wird aus byligendemm Schein No. 5 be-
zeichnet gnugsam zu ersechen sein, was dann die Jenige verlümbduug
anlangen thuet, das Herr Oberst-Leut: Escher, sich woll verhüetten
werde sich nacher Hoff' zu begeben, aus Forcht, das Er, wegen vil-
lerley Ihme fälschlich zugelegten Sachen, möchte yngestekt oder
empfindlich aff'rontiert werden, deswegen thuet Hr. Oberst-Leut:
Escher sich gäntzlich auf die Churfürstlich Ihme gegebene dimission
und authentischen Abscheid, wie auch auf das von Herren Oberhoff'
Marechal an die vier Evangelischen Stand, abgegangnes antworth
Schryben, so woll in difser alfs anderen sachen referieren.
Wie ohnbegründt und fälschlich danne etweliche böfse Zungen
usgegeben, das Herr Oberst Leut: Escher Ihr Cliurf: durchleueht
ein grolse Summa gelts zuthuen schuldig und soliche verlümbduugen
annach beschönen wollen, In demrae Sy vorgewendt das Herr Com-
missarius Lentz by abdanckung der Compagnie ein soliches öffentlich
gesagt, alfs mm Herr Oberst-Leut. Escher in Sachsen angelanget,
hat Er Ihme höchst angelegen sein lafsen sich difser zulag zu in-
formieren, und alsobald zwey vornemme Herren, au obwoUermeldten
Herreu Commissarium Lentzen abgeschikt, umb von Ihme zu ver-
nemmen ob Er soliches geredt, welicher sich dann höchst darüber
beschwert und mit höchster bestürtzung ein soliches in dem schärften
widersprochen, und bezeuget, das Er des Herreu Oberst Leut: Eschers,
mit nichten als mit höchsten Ehren, nach syner Schuldigkeit, gedacht
habe, Seige zwahr nit ab, das Er von dergleichen matery etwas ge-
redt, aber in einem weith anderen Verstand, nammlich das Ihr Churf:
Drchlth. selige, us sonderer wollgewogenheit gegen Schwytzerischer
Nation von anfang der dieusten bis auf selbigen Tag, so vill gnad,
VerElirungen und geschenk, so woll officieren alfs gemeinen Kuäch-
ten habind widerfahren lafsen, das wann mann mit selbigen nach
der Capitulation rechnen wolte , wurde die Compagnie woll eine
grofse summa gelts vor empfangen haben. Wams aber Khlar zu
sechen, wie fälschlich soliche böfswillige Zungen understanden Herren
Oberst-Leut: Escher zu verkleineren imd vor so vilfaltig gehabte
müehe gar schlechten Dank erweisen thüegind.
Schweizer Soldtruppeu 1656—1681. 275
Endlichen bezeuget Herr Oberst Leut: Escher Ihme hertzlich
Leid zu sein, das by so verwirter gewefsner abdankung, wegen gras-
sierter leidiger pest, nit habe können by der Stehl sein, In dehme
Er nit zwyllle das dann alles nait mehrerer veruüegung abgeloifen
were dann Er mit höchster Verwunderung in Sachsen so woll
von vornemraen Herren alfs gemeinen Soldaten vernemmen müefscn,
das alles in höchste Unordnung gerathen, auch etweliche unverschambte
sich uith gescheuchet in Toseut, so das quartier, alwo Sy gelegen,
die Churfürstliche Hochheit durch gottlofse reden anzugriften, weliches
aber so vill raüglich vertuscht, damit Es by Hoff nith an das Tag
Liecht komme. Es hat auch einer von der CompagTiie namraens Abra-
hamm Mächtig von Bafsel, in obvermeldter Statt, synem Wirth, by
demme Er in quartier gelegen die Haufsfrauw, von villen Kinden
weggefüehrt und mit selbiger durchgangen, anderen und anderen
Sachen zugeschwigen, weliches alles villfaltige Ursachen, soliche Bofs-
willige mit höchsten Ungnaden anzusechen, und kann man sich mit
billichkeit verwunderen, das man nach so güetig gewesen, und annach
Siben monath Sold hat abfolgen lafsen, Mann betrachtete aber das
Ansechen der Ständen und die Unschuld der Jenigen, so lange Jahr
mit höchsten Treüwen gedieneth, Weliches das Jenige sein Thuet
so Herr Oberst-Lieutenannt Escher, wegen seinen gehabten Verrich-
tungen in Sachsen in aller underthenigkeit ablegen und berichten
Thuet.
Ueber das eingelangte Löblichen Stands Basel, und Ihme Herren
Oberst -Leut: Escheren communicierten Schryben, berichtet Er, das
wann verhofentlich ein Loblicher Stand Bafsel difsere Relation sechen,
auch by ligende Schein alfs No. 1 die Capitiüation in Original, No. 2
sein authentischer Abscheid, No. 3. Ihr Churfürstlich durchleücht re-
solution: No. 4. und 5 die beiden pafsporten, No. 6. die Copie, der
in Sachsen gegebnen Abscheiden, und sonderbahr das Schryben von
Ihr Exellence Herren Oberhoff Marechal an die vier Evangelischen
Stand, betrachten werdend, selbige olmfehlbahr mit synen Verrichtun-
gen nit nur vernüegt sein, sondern alle wythere anforderung abstehlen
werdind :
Daunethin gestehet Herr Oberst-Leut: Escher, das er etlichen
Soldaten, von Schaffliaufsen und anderen orthen, diisen Strythenden
monathsold nebend Ihren Abscheiden alllüer in Zürich halte abfolgen
lafsen, weliches aber nith us Schuldigkeit lieschechen, sondern zu dem
End, damit Er difser verdrieslichen anforderung überhebt, in unge-
zwiftleter Hoffnung selbigen monath sold in Sachsen zu erhalten,
weliches aber, weilen es nith geschechen , Hoffet Herr Oberst-Leut :
Escher das soliches Ihme zu keiner böfsen consequentz nit nur allein
dienen, sonderen villmehr zu widereinforderung difser bezablren gel-
teren Ihme vM'hulifen werden solle:
Es hat zwahren auch Herr Oberst-Leut: Escher syth syner
ankunft, in syner ab Wesenheit vier angekommnen Schwytzeren, Ihr
Ehrliche Abscheid, auff Ihr inständiges anhalten und weilc^n Sy nach
aufgewifsner Ohurlürstlicheu resolution nichts mehr au Ibne ge-
forderet, abfolgen lafsen, welichc auch allen anderen so selbige nach
nith habend, unii von Ihme zuerlangen begehrend, zukommen sollend.
Das antwortb Schryben, von Ilir Cburfüistlich durchleücht an
die vier Evangelischen Stand , anlangende berichtet Herr Oberst-
Leut: Escher, das selbiges albreitb zu Torgauvv fertig gewesen, und
sich an nichts alfs an der Titulatur gcstofsen, weliclie liy abgesön-
dereter Cantzley, nith habe können aufgesuecht werden, weliches
1«*
270 A. von Welck:
aber auch ehistes anlangen wird, und an gebührende hoche orth yn-
gelifferet werden soll.
Danethin anerbieth Herr Oberst-Leut: Escher das imm fahl mit
der Zyth, difser Strvthende uiouath Sold nach zuerhalten sein möchte.
Insonderheit, weil Ihr Churfürstlich durchleucht sich so gnädig er-
zeigt, nnd Ihne in synen diensten Widerum zu accoraodieren begehrt,
\Yann alfsdann selbiger zubekommen, Er nith ermanglen wolle, einem
Jeden sein gebührenden autheil zu stehlen zu lafsen, Letstlichen
bitet Herr Oberst-Leut: Escher, das man doch keine glichheit,
zwüschend den Teütschen und Frantzösischen diensten machen wolle
danne in den ersteren der Soldat so woll alfs der Officier synen ge-
wüfsen sohl flysig bezeüche, iind gar nichts in dem deconte verblybe.
Wann dann nun, by AbEnderung der Herrschafft oder anderen
couiunctureu, der soldat nith bezahlt werden solte, mau alfsdann den
Obersten Officieren darum anlangen wolte, AVer ist der mit so grofser
müech sich uuderstechen Thete, in soliche gefahr sich zu steckheu?
Weliches Herr Oberist - Lieutenant Escher, flysig zu betrachten in
aller uuderthenigkeit anhalten Thuet.
No. VI.
Johann Caspar Escher (vom Luchs) aus Zürich.
Obgleich die Familie Escher, welche sich zu Anfang des 15. Jahr-
hunderts in die beiden Linien „Escher vom Luchs" und ,, Escher
vom Glas" spaltete , zu den ältesten und bekanntesten Patrizier-
geschlechtern Zürichs gehört, und auch in der Gegenwart noch blüht,
so war es doch mit ganz besonderen Schwierigkeiten verbunden, etwas
Licht über die beiden Glieder der Familie zu erlangen, welche in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in kursächsischen Diensten
standen. Alle Nachrichten, die über dieselben, und namentlich über
Johann Caspar existieren, weichen nicht allein mehrfach von einander
ab, sondern sind zum Teil als entschieden irrtümlich zu bezeichnen.
Die Schi-iften von Leu"*), May'-'**) und Girard^^j geben überein-
stimmend an, dafs Johann Caspar Escher i. J. 1657 in französische
Dienste und von da i. J. 1665 — nach May und Girard — , i. J. 1669
— nach Leu — in die des Kurfürsten von Sachsen übergetreten sei
als Schweizerhauptmann mit Oberstlieutenants - Eang. Er sei dann
Kammerherr geworden, habe 1689 seinen Abschied genommen und
sei nach Zürich zurückgekehrt, wo er seit 1681 Mitglied des grofseu
Rats gewesen sei. Als Todesjahr wird 1702 angegeben. May fügt
noch hinzu, dafs Escher im Jahre 1669 Oberstlieutenant und 1676
Oberst des Regiments „des gardes ä pied"'-*') geworden sei.
'^^; Hans Jacob Leu, Allg. Helvetisches Eydgenössisches
oder Schweitzerisches Lexicon. (Zürich 1752.)
^^^') May de Romainmortier , Histoire militaire des Suisses
dans les differeus sei-vices de TEiu-ope. (Bern 1772.)
"'*) Frangois Girard, Histoire abregee des officiers suisses
qui se sout disting-ues aux Services etrangers dans des grades su-
perieurs. (Fribourg 1781.)
"') Im Jahre 1663 war das kurfürstliche Leibregiment zu Fuis
errichtet worden, zu dessen Kommandant der (Jberstlieutenant Brandt
von Lindau ernannt wurde. 1664 wurde das Regiment von 6 Kom-
pagnien aiif 3 reduziert, deren 1. der zum Oberst beförderte Brandt
Schweizer Soldtnippen 1656-1681. 277
Mit diesen Augabeu über Esclier's Eintritt in französische
Dienste und später in sächsische Dienste stimmen anffallender Weise
auch Privat-Farailieunachrichten überein, die uns in dankenswertester
AVeise mitgeteilt wurden. Wir sind aber auf Grund der vorliegenden
Aktenstücke und Korrespondenzen in der Lage, das Lebensbild des
Betreffenden etwas anders hinzustellen, indem wir dabei auch von
den erwähnten Familiennachrichten mehrfach Gebrauch macheu
konnten.
Johann Caspar Es eher wiu-de im Jahre 1624 (oder 1625)
als der älteste Sohn des Junkers, ßatsherru und Stadthauptmanns
Johann Escher und der Margarete Schmid geboren. Er trat im De-
zember 165« in kursächsische Dienste als Lieutenant der neu er-
richteten Schweizergarde (Schreiben des Rats zu Zürich vom 10. De-
zember 1656). Da er in dem betreffenden Empfehlungsschreiben als
„Hauptmann" bezeichnet wird, so ist es möglich, dafs er schon
vorher in französischen Diensten war: es erscheint aber wahr-
scheinlicher, dafs er diesen Rang im Züricher Dienst bekleidete, da
sonst ge^vifs auf seine Dienstleistungen in Frankreich speziell Bezug
genommen worden wäre.
1658 begleitete Johann Caspar Escher den Kurfürsten auf den
Reichstag nach Frankfurt a./M. (Schreiben vom 8. Mai 1658). Ende
desselben Jahres kehrte er nach Zürich zurück (Schreiben vom
1. Dezember 16.58). Die Veranlassung dazu lag zunächst in dem
üblen Verhältnifs zu seinem direkten Vorgesetzten, dem Hauptmann
de Magny. Aufserdem giebt Escher den Wunsch an, in fi-anzösische
Dienste zu treten, wo er etwas „prosperieren, ehr und erfahr enheit'-
erwerben könne. Hier hätte er also gewifs erwähnt, wenn er schon
früher in Frankreich gedient gehabt hätte. — Ob er diese_ Absicht,
französische Dienste zu nehmen, jetzt ausführte, läfst sich nicht
konstatieren. Wir möchten es aber bezweifeln, da er im .Jahre 1661
bereits wieder in Zürich ist und von da aus wieder in kursächsische
Dienste zurücktritt (Schreiben vom 12. August 1661), um das Kom-
mando der neu errichteten Musketier- Kompagnie der Schweizer-
garde zu übernehmen.
1663 wird er mehrfach als in kursächsische Dienste stehend
genannt, und 1667 wiitt er im Auftrage des Kurfürsten in seiner
Vaterstadt.
1669 übernimmt er, nach der Entlassung der Musketier - Kom-
pagnie, an Stelle Magny's das Kommando der Hellebardier-Kom-
von Lindau, die 2. Oberstlieutenant Kuffer, die B. Oberstwachtmeister
von Schweinitz befehligte. Im Mai 1666 wurde die 1. Kompagnie
entlassen und die verl)leibenden in 2 Freifähndel formiert, an deren
Spitze Oberstlieutenant Kuffer trat. Ende 1666 wurden Avieder
3 Kompagnien gel)ildet und im .Fahre 1670 wurde wieder ein Leib-
regiment zu Fufs, durch Vermehrung der 3 Kompagnien auf die
doppelte Zalil, aufgestellt, zu dessen „Ober.sten" sich der Kurfürst
erklärte, wälii'end Oberst Kuffer als Kommandant bestellt wurde. In
dieser Stellung verblieb er bis 1680. Nach seinem am 22. August dieses
Jahres erfolgten Tode wurden die beiden Leibregimenter (1675 war
ein zweites errichtet worden) in eins vereinigt und Oberst Escher
— Hans Heinrich — zum Kommandanten desselben ernannt. Vergl.
H. V. S., Gesch. der beiden K. S. Grenadier -Regimenter. (Dresden
1877.)
278 A. von Welck: Schweizer Solcltruppen 1656—1681.
pagnie der SchAvdzerffarde und führte dasselbe bis zu deren Ab-
dankung im Jahre 1680, wo er seinen Abschied nimmt und nach der
Schweiz zurückkehrt.
1681 wird er in Zürich Mitglied des grofsen Rats (XVIlIer
vom Rüden, Constaffelherr), auch Kommandant zu Stein a./Rh.
Er verheiratet sich 1683 mit Anna Meyer v. Knonau, kauft
1688 Schlofs- und Gerichtsherrschaft Nennforn, welche er 1694 an
die Züricher Regierung abtritt.
Er stirbt i'701 im 77. Lebensjahre und liegt im Kreuzgauge
des Grofsmünsters begraben.
X.
Das Chronicoii Citizense des Beuediktiuer-
luöuclies Paul Lang im Kloster Bosau und
die in demselben enthaltenen Quellen.
Ein Beitrag zur Historiographie des 16. Jahrhunderts.
Von
K. E. Hermaun MiUler.
Mit dem Bosauer Mönche Paul Lang und seinen
Schriften haben sich schon verschiedene Forscher be-
schäftigt, am eingehendsten Christian Schöttgen \) ; doch
hat sich derselbe begnügt, die Quellen, aus welchen Lang
für sein Werk gescliöpft, der Eeihe nach aufzuführen,
ohne eine Untersuchung darüber anzustellen, in welchem
Umfange und in welcher Weise sie benutzt worden sind.
Auch sind ihm, da er keine sich bis auf die kleinsten
Einzellieiten erstreckende Betrachtung des Chronicon
Citizense anstellte, viele Quellen unbekannt geblieben,
die der Autor noch zur Hand gehabt hat. Lepsius, der
gründlichste Kenner der auf das Bistum Naumburg be-
züglichen Geschichts(iucllen, erklärt zwar in seiner Ge-
schichte der Bischöfe des Hochstiftes Naumburg Lang
für den Hauptschriftsteller über die Nauniburger Stifts-
geschichte, legt jedoch seinem Chronicon Citizense als
') Schöttffeu und Kreyfsig, Diplomatische und enrionse
Nachlese der Historie vun Obersachscn XI (Dresden und Leipzig
1733), 88 flg-.
280 K. E. Hermann Müller:
historischer Quelle keine besondere Bedeutung bei^). Trotz-
dem bin ich der Ansicht, dals ein genaueres Eingehen
auf die Quellen dieser Chronik für die historische Wissen-
schaft wohl von einigem Nutzen sein dürfte; denn un-
bedhigt muls es für dieselbe von Interesse sein, das ge-
samte Quellenmaterial, über welches Lang verfügt hat,
kennen zu lernen. Auch finden sich unter anderem in
dem Chronicon Citizense da, wo Lang als Zeitgenosse be-
richtet, äufserst interessante Charakteristiken hervor-
ragender fürstlicher Persönlichkeiten des weltlichen und
geistlichen Standes, die nicht ohne Wert für einen Histo-
riker sind, welcher sich mit jener Zeit beschäftigt. Auf
die Bedeutung der Chronik für die Kenntnis der zur Zeit
des Autors unter dem deutschen Klerus herrschenden
sittlichen Zustände und auf seine sich in derselben kund-
gebende freundliche Gesinnung für Luther soll hier nur
kurz hingewiesen werden.
Der eingehenden Besprechung des Chronicon Citizense
will ich eine kurze Schilderung der Lebensumstände des
Verfassers desselben voraufgehen lassen. Den Stoif hier-
für liefert das Chronicon Citizense selbst. Die von mir
benutzte Ausgabe ist die von Struve in der 3. Ausgabe von
Pistorius Scriptores rerum Germanicarum Bd. I S. 1120
bis 1291. Das Jahr seiner Geburt nennt Paul Lang nicht.
Nach Schöttgens^) Ansicht mülste derselbe in einem der
nächsten Jahre nach 1460 das Licht der Welt erblickt
haben. Das Todesjahr Längs ist gleichfalls unbekannt.
Da er jedoch im Jahre 1536 seine Chronik der Bischöfe
von Naumburg zum Abschlufs gebracht hat, so kann er
frühestens in demselben Jahre gestorben sein, wird also
wenigstens ein Alter von 70 Jahren erreicht haben. Als
Ort seiner Geburt bezeichnet er Zwickau. Seine Mutter
hiefs Elisabeth, sein Vater Georg Lang. Derselbe, einem
edlen, ritterbürtigen Geschlecht in Nürnberg entsprossen,
war von dort in Zwickau eingewandert. Er war ein
verständiger Mann von höchst tugendhaftem Lebenswandel,
der Gott fürchtete und allen Heiligen die grölste Ehr-
furcht entgegenbrachte. Vor allen bewies er ohne Unter-
lafs der Jungfrau Maria durch bestimmte Gebete seine Ver-
ehrung und hielt auch seine sämtlichen Kinder täglich zu
2) Lepsius, treschiclite der Bischöfe des Hochstiftes Naum-
burg vor der Reformation I (Naumburg 1846).
•■'j Diplomatische Nachlese XI, 89.
Das ChioniconCitizense desBenediktinermönches P.Lang. 281
ähnlichen Andachtsübungen an"*). Schot igen findet es wahr-
scheinlich, dals Lang- die Vorbereitung für seine Univer-
sitätsstudien auf der damals berühmten Schule seiner Vater-
stadt, insgemein die Schleifmühle genannt, erhalten habe'^X
Im Jahre 1486 studierte er auf der Universität Krakau,
trat jedoch schon im folgenden Jahre auf den Wunsch
seines Vaters in das Benediktinerkloster Bosau bei Zeitz
ein, wohin er sich im Monat Mai mit drei jungen vor-
nehmen Männern aus Zwickau und seinem Bruder Lorenz
begab. Er wurde im Kloster freundlich willkommen ge-
heifsen und zog schon nach einer Probezeit von wenigen
Tagen am 26. Juni das Novizengewand an, wobei der
Abt Peter in eigener Person celebrierte. Doch vollzog
sich, wie er selbst andeutet, kurz bevor er das bindende
Gelübde that, ganz urplötzlich eine Umänderung in seiner
Gesinnung. Er bereute jedenfalls den Schritt, welchen
er vorhatte. Sogleich indes trug er im Vertrauen auf
Gottes Beistand über sich selbst den Sieg davon und
legte am 21. März 1488 das Mönchskleid an"). Seine
Widersacher, welche er unter den Vertretern der scho-
lastischen Philosophie, hauptsächlich wohl unter den Do-
minikanermönchen, hatte, nahmen, weil ihnen sein Wider-
wille gegen ihre Afterweisheit, seine Vorliebe für das
lautere Wort Gottes ohne Beimischung der Philosophie
eines Porphyrius und anderer verhalst waren, die schwan-
kende Haltung, welche er kurze Zeit vor Ablegung des
Mönchsgelübdes bewiesen, zur Veranlassung, um ihn in
der gehässigsten Weise anzugreifen. Welcher Art die
hierauf bezüglichen Gerüchte Avaren, die aus diesen Kreisen
über ihn in Umlauf gesetzt wurden , das dürfte wohl aus
den Epistolae obscurorum virorum zu ersehen sein. Dort
heilst es. Lang sei neunmal aus dem Kloster entlaufen').
Diejenigen Humanisten, von welchen diese Briefe ausgingen,
zürnten Lang wegen des heftigen Angriffs, welchen er
in einer seiner Schriften gegen Jakol) Wimi)heling, einen
der Ihrigen, gerichtet hatte, und dies veranlafste sie
jedenfalls, die schon von den Dominikanern gegen den-
selben erhobenen Beschuldigungen, von denen sie Kennt-
nis erhalten, für einen Angriff gegen ilm zu verwerten.
') Clirüiiicüu Citizense 1262.
^) Diplomat. Nachl. XI, 90.
«) Chronicou Citi/ense 1262, 1263 und 1264.
''j Epistolae oliscuroruiii virorum ed. Böckiui;- (Vir. Huttcnii
operum supplementum) 1, 2H6.
282 K. E. Hermann Müller :
Ich glaube, dafs, wenn auch diesen Gerüchten etwas
Thatsächliches zu gründe liegen sollte, es doch zuerst
von den Dominikanern aus Hals gegen Lang sehr ver-
gröfsert und entstellt worden ist. Unmöglich ist es ja
nicht, dals derselbe in der kurzen Zeit, welche zwischen
dem 26. Juni 1487 und dem 21. März 1488 liegt, mehr-
mals dem Kloster entlaufen ist, doch wohl nicht so oft,
wie ihm schuld gegeben wird. Darüber spricht er sich
ZAvar nicht aus, aber er könnte doch in der Gemütsver-
fassung, in der er sich nach seiner eigenen Angabe da-
mals einige Zeit befand, Neigung liierzu verspürt haben.
Die an Grausamkeit grenzende Strenge, welche der Abt
Peter gegen seine Mönche zur Besserung ihi-er Fehler
anwendete, machte eine etwaige Neigung derselben, sich
durch die Flucht dem strengen ßegimente zu entziehen,
nur zu erklärlich und entschuldbar. Lang sagt von ihm:
„Er war mehr zur Härte als zur Barmherzigkeit, mehr
zur Strenge als zur Milde geneigt. Deshalb hat er
meistens nicht die Wohlfahrt der Schwachen, sondern
deren Verzweiflung hervorgerufen. Denn da er Ketten,
Gefängnisse und Strafen vervielfältigte, so verscheuchte
er unwiederbringlich seine Schäflein und büfste sie ein" ^).
Sollte nun also auch Lang in der Verzweiflung mehrmals
aus dem Kloster entwichen sein, so kann ihn doch meines
Erachtens kein so grofser Vorwurf daraus gemacht werden.
Ich bin der Ansicht, dals schon der ehrenwerte Charakter
desselben, wie er uns aus dem Chronicon Citizense ent-
gegentritt, der Auffassung, wie sie seine Feinde über ihn
zu verbreiten suchten, vollständig widerspricht"). Abt
Peter, an dem Lang trotz seiner übertriebenen Strenge
doch manche schätzenswerten Eigenschaften rühmend an-
erkennt, vermehrte die Klosterbibliothek durch den An-
kauf vieler neuer Bücher. Nachdem er sie durchgelesen
hatte, gab er sie Lang, der sie mit roter Farbe durch-
malen mufste. Auf diese Weise erhielt derselbe un-
zweifelhaft Gelegenheit, viele Bücher zu lesen und dadurch
seine Kenntnisse zu bereichern. Im Jahre 1507 starb
Abt Peter; sein Nachfolger wurde Benedikt L, der
bis zum Jahre 1517 seinem Amte vorstand. Derselbe
wird als ein gelehrter, zu grolser Milde geneigter, aber
^) Chronicon Citizense 1256.
") Sehr hart und nnyerecht urteilt auch nach meiner Ansicht
Schöttgen, Diplomatische NachieseXl, 92, 93, 12o umll24 über Lang.
Das Chronicon Citizense des Beuediktinennönches P.Laug. 283
selir verschwenderischer und durchaus nicht sittenstrenger
Mann bezeichnet^"). Wohl bakl nach Übernahme der Abtei
Bosau durch ihn trat Lang in nahe Beziehungen zu
Abt Tritheim. Er verweilte bei diesem zuerst im Kloster
St. Jakob bei Wiirzburg um das Jahr 1507 oder 1508,
um sich von ihm in den Wissenschaften unterrichten
zu lassen^^j. In dieser Zeit verfalste er im Auftrage
Tritheims sein „opusculum hipertüum ad omnium daustra-
lium laudem et defensioncm" , in welchem er Jakob
Wimphelings Buch „de integritate" heftig angriff. Längs
Werk wurde schon im Jahre 1509 auf einem Konvent
der Benediktiner zu Eeinhardsbrunn gutgeheilsen. Ln
Jahre 1507 oder 1508 wird es also jedenfalls entstanden
sein '-). In diesem Werke, welches, soviel ich weifs, noch
ungedruckt ist, soll unser Autor sogar die wunderbare
Behauptung aufgestellt haben, Christus sei Abt, Petrus
Prior, Judas Ischarioth Kellermeister und Philippus
Pförtner gewesen. Gegen dieses halb in Prosa, halb in
Poesie geschriebene Werk gingen nun diejenigen Huma-
nisten, von welchen die Epistolae obscurorum virorum ver-
fafst sind, zum Angriff über, um ihren Freund Wimpheling
an Lang zu rächen. Sie machten sich nicht allein über das
schlechte Latein desselben lustig, sondern tasteten sogar,
wie wir schon früher gesehen haben, seinen guten Ruf an.
Nach ihrer Angabe hätte er auch nicht einmal eine Uni-
versität besucht^-^), was doch durchaus unwahr ist. Man
muls überhaupt sagen, dals die Humanisten den armen
Lang härter mitgenommen haben, als er es verdiente.
Denn ein Dunkelmann und Freund der Dominikaner, auf
welche die Briefe eigentlich gemünzt sind, war er nicht,
vielmehr, wie schon früher erwähnt, ein erbitterter Gegner
derselben.
Aufserdem verband ihn sogar mit mehreren Huma-
nisten, einem Tritheim und Selmstian Braut, innige Freund-
schaft. Sein Latein in dem opnsc. bipert. mag sehr
schlecht gcAvesen sein; so überaus anstölsig erscheint es
aber in seinen späteren Werken nicht.
10) Chronicon Citizense 125(i— 1250, 1273-1275.
") Diplomatische Nachlese XI, 99. Chronicon Citizense 1267.
12) Chronicon Citizense 1124, 1267 und 1268. Silberna ffcl ,
Johannes Trithemins (I. Auflage) S. 67. Epistolae obscurorum virorum
ed. Böcking I, 285. Diplomatische Nachlese XI, 92. Epistolae fami-
liäres Johannis Trithemii: ()[)era liistorica ed. Fvelier IT, 550.
^^) Epistolae obscurorum virorum ed. Böcking 1, 286 Üg.
284 K. B. Hermann Müller:
Lang ist auch der Verfasser eines Gedichtes, \Yelches
sich betitelt: „Carmen de lauilihus Saxoniae". Aus
demselben teilt er uns im Chronicon Citizense einige Verse
mit"). Es ist vollständig abgedruckt bei Schöttgen^'').
Im Jahre 1515 nahm Lang mit Erlaubnis seines
Abtes Benedikt wiederum für einige Zeit seinen Aufent-
halt im Kloster St. Jakob bei AVürzburg bei seinem hoch-
verehrten Lehrer Tritheim, da es sein sehnlichster Wunsch
war, sich noch weiter von demselben in den Wissen-
schaften unterrichten zu lassen. Tritheim war damals
gerade damit beschäftigt, ein Werk über deutsche Ge-
schichte in drei Bänden abzufassen und sein früheres
Werk de scriptoribus ecdesiasücis, welches bis zum Jahre
1494 reichte, weiter fortzusetzen. Um seine Arbeit desto
schneller fördern zu können, beauftragte er Lang, ver-
sehen mit einem Briefe von ihm, der das Datum des 1. April
1515 trug und den er Äbten, Prioren und Pröpsten zur
Beglaubigung seiner Sendung vorlegen sollte. Reisen nach
verschiedenen Klöstern Deutschlands, besonders des Bene-
diktinerordens, zu unternehmen, um in denselben Nach-
forschungen nach für seinen Zweck brauchbaren histo-
rischen Quellen anzustellen. Mit grolsem Eifer unterzog
sich unser Autor in den Jahren 1515 und 1516 dieser Auf-
gabe, wenngleich ihm schlechte Wege, die Furcht vor
Räubern und Dieben in Gebirgen und Wäldern und die
Unbill der winterlichen Jahreszeit dieselbe sehr erschwer-
ten und ihn nicht in so viele Orte gelangen ließen, wie
er es wohl gewünscht hätte. Jedoch kehrte er mehrmals
im Winter noch bei Lebzeiten Tritheims mit gesammeltem
und zusammengeschriebenem Quellenmaterial und mit ver-
schiedenen Briefen und Grülsen gelehrter Männer an
Tritheim nach Würzburg zurück^"). Es ist nicht un-
interessant, zu verfolgen, wohin er überall nach seiner
Angabe auf seinen Kreuz- und Querzügen durch Deutsch-
land in dieser Zeit kam. Er verweilte mehrere Tage im
Benediktinerkloster des Erzengels Michael in Lüneburg,
ebenso im Kloster desselben Ordens auf dem Oybin bei
Zittau. Einen viermaligen Besuch stattete er dem auf
einem Berge bei Chemnitz gelegenen Benediktinerkloster
ab, dessen Abt, Heinrich von Schleinitz, ein humanistisch
1*) Chronicon Citizense 1235, 1236, 1252.
^'^) Diplomatische Nachlese XI, 105 flg.
1") Chronicon Citizense 1289 und 1290.
t)as Chronicon Citizense des Benediktincniiünclies P.Laiig. 285
gebildeter Mann, mit Vorliebe geschichtliche Studien trieb
und Lang für historische Quellen, welche ihm derselbe
von seinen Reisen mitbrachte, durch reiche Geldspenden
belohnte. Auch in Halberstadt and im Kloster auf dem
St. Petersberge zu Erfurt suchte Lang nach Geschichts-
quellen. Sogar bis ins südliche Deutschland dehnte er
seine Forschungsreisen aus. So sah ihn das Benediktiner-
kloster Andechs als Gast in seinen Mauern ; ebenso kam
er nach Stralsburg, woselbst er mit Jakob Wimpheling,
Sebastian Braut und Johannes Reuchlin zusammentraf.
Auch im Kloster Lehnin in der Mark, in Klostermansfeld
und in Groningen in Holland sprach er als Gast vor.
Die Städte Halle und Meilsen waren ihm unzweifelhaft
gleichfalls recht gut bekannt"). Da er schon am 13. De-
zember 1516^**) seinen Gönner Tritheim durch den Tod
verlor, so erreichten hiermit seine Wanderungen durch
Deutschland ein unerwartetes Ende. Dieselben hatten
ihm wieder, wie er sich bitter darüber beklagt, seitens
ihm feindlich gesinnter Mönche heftige Angriffe zugezogen.
Man hatte ihn sogar einen Herumtreiber genannt '").
Schon während seiner Rundreisen durch Deutschland hatte
er zugleich Stoff für sich zu seinem Chronicon Citizense
gesammelt und auch mit der Ausarbeitung desselben be-
gonnen. Veranlafst war er zur Abfassung dieser Chronik
durch die Wahrnehmung, dals das Verzeichnis der Bischöfe
von Naumburg, welches von einem Naumburger Schul-
meister Peter herrührte, sehr viele Irrtümer enthielt'-").
Die erste Ausgabe seiner Chronik vollendete er im Jahre
1516 und überreichte sie dem damaligen Bischof von
Naumburg, Johann von Schönberg, der sie mit Freuden
entgegennahm und den Verfasser durch ehi ansehnliches
Geschenk ehrte-^). Diese erste Ausgabe des Chronicon
Citizense war unter den ungünstigsten Umständen zustande
gekommen. Lang hatte sehr schnell an derselben auf
seinen Reisen, häufig in Baueriüiäusern, gearbeitet, indem
ihm allein das Material zu geböte stand, welches er aus
Quellen ausgezogen hatte, dagegen fast keine Bücher zur
Hand waren, welche ihm Ijei seiner Arbeit hätten von
V
") Chronicon Citizense 1219, 1220, 11.56, 1157, 1185, 1181, 1195,
120.3, 1159, 1268, 1275, 1276—1278, J218, 1152, 1269. 1148, 1239.
^*) Silbernagel, .Johannes Trithemius S. 2(31.
"•) Chronicon Citizense 1290.
-0) Ebendaselbst 11.58 und 1174.
21) Ebendastdbst 1266.
286 K. E. Hermann Müller:
Nutzen sein können. Infolgedessen hatten sich so manche
Irrtümer in diese Ausgabe eingeschlichen. Das sah er
sehr wohl ein und beschlols deshalb, noch einmal dieselbe
Arbeit vorzunehmen. Er arbeitete jetzt daran in seinem
Kloster, in welches er nach Tritheims Tode zurückgekehrt
war, mit grölserer Mulse. Jetzt konnte er auch das ganze
grolse Material, welches er für Tritheim zusammenge-
tragen hatte und welches ihm nach dessen Tode gleich-
sam als Erbteil zugefallen war, für seinen Zweck aus-
nutzen. Er hoffte, dals diese neue Ausgabe in ihren
Angaben zuverlässiger sein und sich von den Fehlern
der ersten frei halten werde. Er erklärt, er habe
für dieselbe besonders Chroniken der Slaven, Sachsen,
Thüringer, der Naumburger und Merseburger Bischöfe
und der Erzbischöfe von Magdeburg benutzt. Hiernach
zu urteilen, war die erste Ausgabe seiner Chronik auch
viel weniger umfangreich als die zweite. Diese so er-
weiterte und verbesserte Ausgabe entstand in den Jahren
1518—1520^^). Die Chronik, wie sie uns erhalten ist,
bricht plötzlich mit dem Jahre 1515 ab; es ist aber wohl
keinem Zweifel unterwoii'en, dals sie ursprünglich weiter
bis zum Jahre 1520 gegangen ist. Wenigstens bis zum
Jahre 1517 ist sie sicherlich geführt worden. Unter dem
Jahre 1492 '-■^) nämlich, wo Lang über den Bischof Johann III.
von Naumburg berichtet, verweist er auf das Jahr 1517,
das Todesjahr dieses Kirchenfürsten, in welchem er noch
weiter über denselben reden wolle. Es ist nun die Frage
aufgeworfen worden, welchem Umstände wohl die Ver-
stümmelung unserer Chronik zuzuschreiben sei. Man hat
gemeint, entweder sei die Chronik nicht von Lang vollendet
oder von Mönchen, welche seine Widersacher waren,
sehr verstümmelt worden, weil er dem Anschein nach
etwas über die evangelische Lehre in dieselbe aufge-
nommen hätte-*). Die erste Annahme halte ich darum
nicht für wahrscheinlich, weil ich nicht einzusehen ver-
mag, weshalb Lang, der noch im Jahre 1536 am Leben
war, dieselbe hätte unvollendet lassen sollen. Die zweite
erscheint mir schon aus dem Grunde als unhaltbar, weil
sicherlich seine Feinde, wenn sie einmal die Macht ge-
habt hätten, mit seinem Werke vorzunehmen, was sie
22) Chronicon Citizense 1174, 1175, 1137, 1254, 1260, 1270.
23) Ebenda 1266.
2^; Vorrede Struves zum Chronicon Cilizense 1118.
Das Chroiiicon Citizense des Benecliktinerraönches P. Lang. 287
wollten, nicht blofs die letzten Jahre der Chronik wegen
ihres der Reformation günstigen Inhalts weggelassen,
sondern auch noch andere Stellen derselben, welche sym-
pathische Äußerungen über Luther und seine Lehre ent-
halten, ausgemerzt haben würden. Ich bin der Ansicht,
dais nicht das besondere Verschulden irgend eines Menschen,
vielmehr nur ein böser Zufall diese Verstümmelung her-
beigeführt hat. Mit dem Jahre 968 nach Christi Geburt,
in welchem von Otto dem Grolsen das Bistum Zeitz ge-
gründet wurde, beginnt unsere Chronik. Das Bistum
führte später, als der Sitz desselben von Kaiser Konrad IL
nach Naumburg verlegt wurde, den Namen nach dieser
Stadt.
Sein Hauptaugenmerk hat der Verfasser darauf ge-
richtet, uns die Schicksale, welche das Bistum Zeitz-
Naumburg und das Kloster Bosau erfahren, zu schildern.
Aulserdem berichtet er auch über die Bistümer Meifsen,
Merseburg und Würzburg, über die Erzbischöfe von
Magdeburg und Mainz, über die Markgrafen von Meiisen,
die Landgrafen von Thüringen, die Kurfürsten von Sachsen,
über brandenburgische Verhältnisse, die deutschen Kaiser,
die Päpste, über Konzilien, die Gründung verschiedener
Klöster, die Stiftung von Mönchsorden, über wissenschaft-
lich bedeutende Männer und Ereignisse aus seiner eigenen
Zeit. Vielfach citiert er auch Stellen aus der heiligen
Schrift, aus verschiedenen Kirchenvätern und kirchlichen
Schriftstellern des Mittelalters. Seine häufigen Citate
aus Horaz, Ovid, Plautus, Terenz, Properz, Seneca und
Sallust beweisen seine groise Belesenheit in den Dichtern
und Prosaikern der klassischen Periode der römischen
Litteratur. Ein gleiches Interesse bekundet er für latei-
nische Verse, welche erst der mittelalterlichen Latin ität
angehören, indem er sowohl Verse von Dichtern der
früheren, als auch seiner eigenen Zeit anführt; so den
Vers auf S. 1162:
Tempora mutaiitiu- et res luutantur in illis,
für welchen Büchmann in seinen „Geflügelten Worten'*
den bekannten Wortlaut hat:
Tempora mutantiir iios et mntamur in illis.
Auf S. 1215 werden mehrere Verse aus dem über I
Pastorum des Baptista Mantuanus, eines Zeitgenossen
Längs, angeführt. Auf S. 1221 stehen einige Verse,
welche dem über metricus de suo exilio des im Jahre 1139
288 K- E. Hermann Müller:
verstorbenen Erzbischofs Hildebert von Tours entnommen
sind. Auf S. 1244 wird ein Vers des als Epigrammen-
dicliter bekannten Bischofs Campanus von Terni, bezüg-
lich auf die Erfindung der Buchdruckerkunst, mitgeteilt.
Demselben schlielsen sich einige den nämlichen Gegen-
stand berührende Verse des Sebastian Braut an. Die-
selben findet man auch als von Brant verfalst bezeichnet
in Chronici Moguntini Miscelli Eragmenta collecta bei
Boehmer, Fontes rer. Germ. IV, 388.
Die Zahl der Quellen, aus welchen Lang für seine
Chronik geschöpft hat, ist bedeutend.
Viele der von ihm herangezogenen Quellen citiert er,
jedoch nicht überall, wo er sie benutzt hat, vielmehr ge-
wöhnlich nur an einigen Stellen. Zuweilen deutet er nur
ganz im allgemeinen an, woher er seine Angaben über
irgend eine Thatsache entnommen. Manchmal verschweigt
er sogar gänzlich eine Quelle, die ihm viel Material geliefert.
Meistens hat er sich bei seinen Berichten ziemlich eng
an den AVortlaut der ihm vorliegenden Quellen ange-
schlossen, doch auch nicht selten Verkürzungen des Textes,
der ihm zur Hand war, vorgenommen.
Wir lassen nun die Quellen folgen, welche der Autor
seinem Chronicon Citizense zu gründe gelegt hat.
I. Quellen, betreffend die Bistümer Nauml)urg,
Merseburg und das Erzbistum Magdeburg;.
1. Johannes delsenach: Acta et facta prae-
sulum Nuenborgensium breviter notata. 968 bis
1493. Bei Paullini, Syntagma rerum German. S. 125'-''^).
Ihn hat Lang, obgleich er ihn nicht als Quelle nennt,
doch von S. 1124 a. 968 bis S. 1255 a. 1481 für seine
Berichte über die Bischöfe von Naumburg grölstenteils
verwertet. Zwischen beiden Quellen herrscht vielfach
fast wörtliche Übereinstimmung. Die Regierungsjahre
der Naumburger Bischöfe, wie sie uns Lang giebt, stimmen
ziemlich häufig mit denen, welche Lepsius Geschichte der
Bischöfe von Naumburg enthält, nicht überein, ebenso
wenig mit dem Verzeichnis derselben Bischöfe von Lepsius,
das in Kruse, Deutsche Alterthümer II, 2, 169 steht.
Auch weichen die ßegierungsjahre dieser Bischöfe im
-■^) Über ihn Lepsius, Geschichte der Bischöfe von Naum-
burg I, V.
Das Chronicon Citizense des Benedikt] nermönclies P.Laiig. 289
Clironicon Citizense nicht selten von denen in Joh. de
Isenacli ab. Ja, man ündet sogar, dals Lang in der Clii'onica
Neumljurgensis ecclesiae omnium episcoporuni (bei Mencke,
Script, rer. Germ. 11,1) einzelnen Bischöfen von Nanmburg
andere Regierungsjahre zuschreibt, wie im Chronicon
Citizense, also mit sich selbst in Widerspruch gerät.
Auf S. 1238 und 1248 werden uns die Grabinschriften
der Bischöfe Johannes II. und Peter mitgeteilt. Die des
Bischofs Richwin lesen wir bei Lepsius, Geschichte der
Bischöfe von Naumburg I, 37. Lang kannte sie, wie
daraus hervorgeht, dafs er aus ihr den im Jahre 1125
erfolgten Tod dieses Bischofs feststellt, führt sie jedoch
nicht an (S. 1154). Zur Entscheidung der Frage, ob
Bischof Udo I. ein Sohn Ludwigs des Springers sei,
nimmt Lang S. 1155 auf die Grabinschrift dieser Land-
grafen im Kloster Reinhardsbrunn bezug. Die wichtigen
Urkunden über die Verlegung des Bischofssitzes von Zeitz
nach Naumburg blieben Lang vollständig unbekannt. Er
kann sich deshalb auf S. 1138 gar nicht erklären, wie
dieselbe unter Kaiser Konrad IL im Jahre 1032 statt-
fand-'').
2. Urkunden, bezüglich auf das KlosterBosau.
Dals Laug für seine Berichte über das Kloster Bosau
hauptsächlich aus den Klosterbriefen geschöpft hat, hat
Lepsius a. a. O. S. VI festgestellt, ebenso, dals Leuckfeld
für seine von Schamelius herausgegebene Schrift: Chro-
nologia Abbatnm Bosaugiensium (1731/32) seinen Stoff
vorwiegend dem Chronicon Citizense entnommen hat (a. a.
O. Xf.). Derselbe bemerkt auch sehr richtig, dafs be-
deutender und für die Bearbeitung der Stiftsgeschichte
fruchtbarer das von Schöttgen und Kreysig-") mitgeteilte
Chartarium Abbatiae Bosaug. sei (ebenda S. XI). Dieses
enthält aus den Jahren 1118 — 1549 91 Urkunden, von
denen Lang 54, die jedenfalls nicht zu seiner Kenntnis
gelangt sind, unerwähnt gelassen hat. Sämtliche Ur-
kunden Längs beziehen sich auf dem Kloster Bosau vom
12. bis ins' 15. Jahrhundert gemachte Schenkungen,
welche demselben teils von Bischöfen von Naumburg, teils
von Päpsten und deutschen Kaisern durcli Urkunden be-
stätigt worden sind. Zur Zeit Längs war das ursprüng-
2«) Ebenda S. 11—14.
^''i Diplonmtaria et scriptüres historiae üennauiae nitdii acvi
II, 418 flg.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. XIII. 3. 4. 19
290 K. E. Hermann Müller:
lieh SO reiclie Kloster scIior ganz verarmt (Chronicon
Citizense S. 1150 f.). Auf S. 1149 f. wird der Gründung
des Klosters durch Bischof Dietrich von Naumburg ge-
dacht. Seinem Bericht hierüber hat Lang zu gründe ge-
legt die Stiftungsurkunde des Klosters (Historia de fun-
datione nionasterii Bosaugiensis, bei Hoffmann, Scrij^t. rer.
Lusatic. IV, 134). Eine zusammenhängende Geschichte
der sämtlichen Äbte Bosaus hat Lang uns in seinem
Werk nicht geliefert. Er begnügt sich meistens, nur
kurz diejenigen Äbte zu erwähnen, deren Namen in den
von ihm angeführten Urkunden vorkommen. Erst seit dem
Jahre 1467, in welchem sich das Benediktinerkloster
Bosau der Bursfelder Kongregation anschlols, erhalten
wir ausführlichere und zusammenhängendere Nachrichten
über die einzelnen aufeinander folgenden Äbte desselben.
Wohl allein aus einer Inschrift der Hauptglocke im Kloster,
welche der Abt Heinrich Reck im Jahre 1448 giefsen
liels, erfuhr Lang etwas von der Existenz dieses Abtes
(Chronicon Citizense S. 1241).
3. Bulle Papst Paschalis II. für das Kloster
Pegau von 1106, Jan. 30. Chronicon Citizense S. 1153.
Bei Mencke, Script, rer. Germ. III, 1007 f. und bei
Schöttgen, Wiprecht, Cod. probat. 4. (Original im Haupt-
staatsarchiv zu Dresden.)
4. Urkunde des Bischof Udo von Naumburg
über die Verlegung des Klosters zu Schmölln
nach Pforta (1132). Chronicon Citizense S. 1157 f.
Darüber Lepsius, Bischöfe von Naumburg I, 43, 151
Anmerkung 128.
5. Gründung des Augustiner-Mönchsklosters
zu Mildenfurt und der Dominikanerinnenklöster
zu Weida und Cron schwitz. Chronicon Citizense
S. 1160—1162. Darüber Lepsius S. GO, 79 f.
6. Chronicon Gozecensis monasterii. Monum.
Germaniae histor. Script. X, 141. Citiert auf S. 1141.
Daselbst und auf S. 1145 f. benutzt für auf Goseck be-
zügliche Verhältnisse.
7. De regione, vetustate ~ Tubantino-
rum, Cygneorura etc. per egregium, eximium et
doctum virum. Dominum Erasmum Stell ae, artium
liberalium et medicinae doctorem — ■ — et Physi-
cum civitatis Cygneae descripta. Fragmente bei
Mencke, Script, rer. Germ. III, 2039 flg. Chronicon Citi-
Das Chronicon Citizense des Benediktinermönclies P.Lang. 291
zense S. 1163—1165. Diese Schrift hat Lang seinem
fabelhaften Bericht über den Ursprung der Stadt Zwickau
zu gründe gelegt.
8. Thietmarus episcopus Merseburgensis:
Chronici libri VIII. Mon. Germ. Script. III, 733 bis
871. — Als Quelle genannt auf S. 1120 f., 1123 f. und
1132. Daraus entnommen Chronicon Citizense S. 1120
bis 1150: Gründung des Erzbistums Magdeburg und
verschiedener Bistümer durch Otto den Grolsen, Ereignisse
aus Ottos I., II. und III. Regierung und der ersten Zeit
Heinrichs II., die ersten Erzbischöfe von Magdeburg,
die ersten Bischöfe von Merseburg, Meifsen und Zeitz,
verschiedene Markgrafen von Meifsen. Die aus Thiet-
mar entlehnten Stellen sind meistens verkürzt wieder-
gegeben.
9. Chronicon episcoporum Merseburgensium.
(968—1514). Mon. Germ. Script. X, 162. Benutzt auf
8. 1137, 1167, 1225 und 1228.
10. Gesta archiepiscoporum Magdeburgen-
sium. Mon. Germ. Script. XIV. Citiert auf S. 1124,
1132, 1146-1148. Von S. 1124—1250 hat Lang die
Regierung der Erzbischöfe von Magdeburg nach dieser
Quelle gegeben, doch stehen die Worte auf S. 1129:
„Tnidnntur pliires — iiichoatari" nicht in den G. A. M.
auf S. 382. Nach Längs Angabe S. 1218 soll der im
Jahre 1368 gestorbene Erzbischof Dietrich im Kloster
Lehnin bestattet worden sein, während die G. A. M.
S. 442 f. den Dom zu Magdeburg als seine Begräbnis-
stätte bezeichnen. Sonst sind die G. A. M. noch als
Quelle herangezogen an folgenden Stellen: S. 1124 Re-
gierungsjahre Ottos L, S. 1132 Verwüstung der Zeitzer
Kirche, S. 1141 Tod Heinrichs III., S. 1144 die deutschen
Volksstämme für Heinrich IV., S. 1145 plötzlicher Tod
mehrerer Bischöfe, S. 1147 Weihe des Bischofs Walram
von Naumburg, S. 1149 Bischof Dietrich von Naumburg,
S. 1151 „Anno milleno — crtwris/ S. 1153 Praemon-
stratenserorden.
11. Annalista Saxo. Mon. Germ. Script. VI,
542—777. S. 1137 Heinrich, Bruder der Kaiserin
Kunigunde, Herzog von Bayern, S. 1147 Belagerung der
Stadt Gleichen, S. 1154 die Kaiserin Richenza,^ Graf
Otto von Anhalt, seine Gemahlin und sein Sohn, S. 1156
Regierungszeit Lothars IL, das Kloster Königslutter.
19*
292 K. E. Hermann Müller :
1 3. A 11 n al e s M a g d e b u r g e n s e s. Mon. Germ. Script.
XVI, 107—196. S. 1121 Gründung des Klosters Bergen
bei Magdeburg.
13. Bruno: De belle Saxonico über et vita
Heinrici IV. imperatoris. Mon. Germ. Script. V, 328.
S. 1145 und 1146 Schlacht an der Elster. Citiert von
Lang: „Haec ex Chronicis Saxoniae."
14. Botho: Cronecken der Sassen ab 0. C.
— 1489. Bei Leibnitz, Script, rer. Brunsvic. III,
277. Citiert auf S. 1120. — Gründung der Bistümer
Zeitz u. s. w. durch Karl den Grolsen, Wiederherstellung
derselben durch Otto den Grolsen, S. 1221 Angern und
andere Güter durch Erzbischof Friedrich von Magdeburg
erworben, S. 1232 Friedrich von Meilsen Kurfürst von
Sachsen, S. 1240 Christoph von Bayern König der drei
nordischen Reiche.
An diese Chroniken schlielsen wir am passendsten an :
Engelbertus Wusterwitz clericus Branden-
burgensis: Chronica Marchitica. Über die Be-
nutzung dieser Quelle durch Lang vergleiche: Engel-
bertus Wusterwitz, Märkische Chronik, herausgegeben
durch Julius Heidemann (Berlin 1878), Einleitung S. 1, 5.
II. Niedersächsische Geschichtsquellen.
1. Helmoldus presbyter Bosoviensis ad lacum
Ploenensem: Chronicon Slavorum. Mon. Germ.
Script. XXI. Citiert auf S. 1123, 1148, 1152. — S. 1121 f.
Bekriegung und Christianisierung der Slaven und Dänen
durch Otto den Großen, S. 1123 ßegierungszeit desselben,
S. 1148 Beendigung des Schismas, Tod Heinrichs IV. im
Bann, Tod Magnus von Sachsen, Lothar Herzog von.
Sachsen, Magnus Töchter, S. 1151 f. Schlacht am Weifes-
holze, grolse Niederlage der Römer, S. 1154 Lothar
deutscher König.
2. Arnold von Lübeck: Chronicon Slavorum.
Mon. Genn. Script. XXI. Als Quelle angeführt auf
S. 1159 und 1166. S. 1159 Barbarossas Tod, S. 1166 f.
Verwüstung Thüringens, Landgraf Hermann von Thüringen
von Philipp von Schwaben wieder unterworfen.
3. Chronicon Slavicum parochi Suselensis ab
a.814 — 1485 ap. Lindenbrog, Script, rer. septentr. (Francof.
1609) S. 189—247. Citiert auf S. 1255. — Für Lübecker
Das Chroincon Citizense des Benediktinermönches P.Lang. 293
Verhältnisse benutzt auf S. 1158, 1175, 1217, 1219, aufser-
dem noch an folgenden Stellen: S. 1185 Johannes
Teutonicus, S. 1217 und 1218 Sieg- des Bischofs Gerhard
von Hildesheim, S. 1229 Eroberung Plauens, S. 1231
Gründung der Universität Rostock, S. 124G Absetzung
des Erzbischofs Dieter von Mainz, S. 1254 Heirat Johanns,
eines Sohnes Christians I. von Dänemark, S. 1255 Ablals
in Schweden.
4. Rudimentum noviciorum. Lübeck 1475. Von
Lang Chronica Rudimenti genannt und als Quelle be-
zeichnet auf S. 1215 f., 1223, 1227. Für die Geschichte
der Päpste herangezogen auf S. 1190 f., 1195, 1206 f.,
1211 f., 1214 f., 1217; aufserdem noch an folgenden
Stellen benutzt: S. 1176 f. Worte über den Kardinal
Hugo, S. 1210 f. Thomas de Valas, S. 1214 grofses
Sterben in Frankreich und in Lübeck, S. 1216 Brand des
Lübecker Rathauses, S. 1218 Brigittas Vorhersagung er-
füllt sich, S. 1223 Sieg der Türken über Siegismund von
Ungarn, S. 1227 Gründung der Universität Leipzig,
S. 1228 Siegismund deutscher König, Schlacht bei
Tannenberg, S. 1243 Eroberung Konstantinopels, S. 1245
Niederlage der Türken, S. 1251 Eroberung Lüttichs durch
Karl den Kühnen.
5. Adam von Bremen: Gesta Hammaburgensis
ecclesiae pontificum Libri IV. Mon. Germ. Script.
VII, 280—389. S. 1126 die Erzbischöfe Willehad und
Ansgar von Bremen.
6. Compilatio chronologica. Bei Pistorius-Struve,
Script, rer. Germ. I, 1057. S. 1136 Heinrichs IL
Kaiserkrönung, Anwesenheit des Papstes Benedikt VIII.
in Bamberg, S. 1173 Kaiser Friedrich IL verfolgt die
Kirche.
7. Albert von Stade: Annales — 1256. Mon.
Germ. Script. XVI, 283—378. S. 1144 Wahl lUidolfs
von Schwaben zu Heinrichs IV. Gegenkönig.
Hierher dürfte wohl noch zu setzen sein:
Cochlaei Cosmographia, auf welche sicli Laug
S. 1216 beruft. Über diese Quelle habe ich sonst nirgends
etwas finden können-*').
•-'*) Wohl Cosmographia Poinponii TMelac ed. Cochlacus. Norini-
bergae, Joh. Weyssenburg 1512. Panzer Ann. Typgr. Vll, 4F)1 no. 8(5.
(Anm. der lled.)
294 K. E. Hermann Müller:
III. Westfälische Geschichtsquelleu.
1. Altfridi Vita S. Liudgeri. Mon. Germ. Script.
11,403—419. S. 1129 f. Liudgers wissenschaftlicher Eifer.
2. Henricus de Hervordia: Liber de rebus
niemorabilioribus — 1355 ed A. Potthast. 8. 1190
Adolf von Nassau deutscher König.
3. Werner Rolevinck: Fasciculus temporum.
Bei Pistorius-Struve, Script.rer.Germ.il, 397—576. Citiert
auf S. 1122, 1182, 1201. Als Quelle für die Päpste be-
nutzt auf S. 1149, 1157, 1167 f., 1193 (Cundis Frae-
latis ut canis), 1205, 1212, 1222, für deutsche
Kaiser auf S. 1122 f., 1201, für Mönchsorden und geist-
liche Ritterorden auf S. 1147, 1166 f., 1182; sonst noch
an folgenden Stellen als Quelle herangezogen: auf S. 11 53 f.
Hugo von St. Viktor, S. 1167 Eroberung Konstantinopels,
S. 1170 Zerstörung Jerusalems, S. 1171 Friesland vom
Meere schwer heimgesucht, S. 1188 Tripolis und mehrere
andere Städte von den Sarazenen erobert, S. 1202 die
Verse: ,,Mitis canonizatos", S. 1217 die heilige
Brigitta, S. 1218 plötzlicher Tod eines Lektors der
Krakauer Universität, S. 1222 Schlachten bei Sempach
und Näfels, der Theologe Heinrich von Hessen, S. 1223
"Wikleff, Hüls und Hieronymus, S. 1228 f. Beendigung des
Schismas zu Kostnitz.
4. Theodorici Urie His toria Concilii Constan-
tiensis bei Herm. von der Hardt, Francof. 1700 post
Concilium Constantiense, fol. 1. S. 1226 die hier ange-
führten Verse lib. I, S. 11. Auf ihn beruft sich auch Lang.
IV. Hessische, thüringische imd meifsuische
(ireschichtsquelleii.
1. Lambertus Hersfeldensis: Historia Hers-
feldensis. Mon. Germ. Script. V. S. 1129 wissenschaft-
licher Eifer im Kloster Hersfeld. Hier Lamb. citiert.
Darüber Mon. Germ. Script. V. 137. Anmerk. 4. S. 1140
Bischof Cadalu s von Naumburg und Kaiser Heinrich III.
in Hersfeld. Hier Lamb. angeführt. Dazu Mon. Germ.
V, 140, Anmerk. 30. S. 1140 Charakteristik Heinrichs III.
Mon. Germ. V, 140.
2. Lamberti Annales Hersfeldenses. Mon. Germ.
Script. V. Auf die Benutzung dieser Quelle durch Lang
Das Chronicon Citizeiise des Benecliktinermönches P.Lang. 295
auf S. 1142—1144, 1146 wird S. 148 unserer Ausgabe
liingewiesen.
3. Additiones ad Lambertum. BeiStruve, Script,
rer. Germ. I, 425-440 Citiert auf S. 1181. Als Quelle
zu gründe gelegt auf S. 1144 f., 1223, 1253 für Erfurter
Begebenheiten, aulserdem noch an folgenden Stellen:
S. 1143 Sclilacht an der Unstrut, S. 1181 Herzog Albert
von Braunschweig aus der Gefangenschaft befreit, S. 1186
Tod des Markgrafen Johann von Brandenburg, S. 1188
Untergang vieler Menschen in Friesland.
4. Chronicon Sampetrinum, herausgeg.vonStübel:
Geschichtsquellen der Provinz Sachsen I, 9 flg. Daraus
geschöpft für Landgrafen von Thüringen, für Naumburger
Bischöfe und Mainzer Erzbischöfe auf S. 1166—1168,
1170, 1174 f., 1177, 1179, 1181, 1187, 1189, 1200, 1206,
1215; aulserdem ist Chron. Sampetr. noch an folgenden
Stellen herangezogen: S. 1166 Tod Heinrichs des Löwen,
Reichstag zu Gelnhausen, S. 1168 Otto von Witteisbach
geächtet, S. 1195 die Erfurter zerstören mehrere Burgen,
S. 1203 grolse Hungersnot in Thüringen, grolses Sterben
in Erfurt, S. 1215 Rudolf von Vargula Beschützer der
heiligen Elisabeth.
5. Successio episcoporumMoguntinensium. Bei
Boehmer, Font. rer. Germ. IV, 355—363. Benutzt für
Erzbischöfe von Mainz auf S. 1176, 1196, 1223, 1231,
1246, 1264.
6. Chronicon Montis Seren i. Mon. Germ. Script.
XXIII. S. 1159 Otto, Dietrich, Albert, Dedo Mark-
grafen von Meilsen.
7. Annales S. Petri Erphesfurdenses. Mon.
Germ. Script. XVI, 16. S. 1147 Ruthard, Erzbischof von
Mainz.
8. Erphurdianus antiquitatum variloquus. Bei
Menckc, Script, rer. Germ. IL S. 1205 und 1206 Erz-
bischof Peter von Mainz tot, Matthias sein Nachfolger
(a. a. 0. 500 und 501).
9. Historia Erphesfordensis Anonymi scrip-
toris de Landgraviis Thuringiae. Bei Pistorius-
Struve, Script, rer. Germ. I, 1296. S. 1233 Tod des
Markgrafen Wilhelm von Meilsen.
10. Chronicon Terrae Misiiensis. Bei Mencke,
Script, rer. Germ. II, 313—376. Dasselbe hat als Quelle
296 K. E. Heniiauu Müller:
gedient für thüringische und meilsnische Verhältnisse auf
S. 1122, 1139, 1142 f., 1180 f., 1223, 1243. Zu S. 1122
ist zu vergleichen R o t h e ; C h r o n i c o n T h u r i n g i a e bei
Mencke II, 1660. Derselbe erwähnt auch S. 1168 f.
die Schauenburg, . von der Lang auf S. 1139, jedoch nicht
das Chr. T. M. S. 320 f. spricht.
11. Pucheler: ResMisnicae ab anno 1426— 1488.
Bei Mencke, Scriptor. rer. Germ. II, 417. S. 1241 Streit
zwischen Friedrich dem Sanftmütigen und seinem Bruder
Wilhelm, S. 1243 der Baron von Gera gefangen nach
Böhmen geschleppt.
12. Johannes Garzo Bononiensis: Annales
Misnenses sive Historia de bellis Friderici Magni.
Libri II. Bei Mencke, Script, rer. Germ. II, 1015 bis
1056. Von Lang vollständig in sein Chronicon Oitizense
auf S. 1191—1194, 1197, 1199, 1200 und 1202 aufge-
nommen.
13. Hieronymus Emser: Vita Bennonis epis-
copi Misnensis. Lipsiae 1512. Bei Mencke II, 824 flg.
S. 1131 beruft sich Lang auf diese Vita, S. 1148 BennosTod.
14. Siffridus Presbyter Misnensis: Chronicon
universale US que ad annum 1306. Bei Pistorius-Struve,
Script, rer. Germ. I, 1017—1055. S. 1137 Kaiser Hein-
richs II. Fürsorge für verschiedene Bistümer, Godehard
Bischof von Hildesheim, S. 1172 die Landgräfin Elisabeth
heilig gesprochen, S. 1186 Niederlage des Erzbischofs
Konrad von Magdeburg und des Markgrafen Dietrich
von Landsberg, S. 1196 Tod des Bischofs Bruno von
Naumburg.
15. Decanus Misnensis, auf S. 1159 von Lang
citiert, doch nicht als Quelle ausfindig zu machen.
V. Gesehichtsciuelleu, hiis Frauken uud Schwaben
stammend.
1. Trithemii Annales Hirsaugienses. St. Gallen
1690. 2 Volum. Dieselben sind häufig von Lang als
Quelle herangezogen worden bei deutschen Kaisern, bei
Päpsten, bei deutschen Fürsten geistlichen und welt-
lichen Standes, besonders den Erzbischöfen von Mainz
und Fürsten des Hauses Witteisbach, bei verschiedenen
Klöstern des Benediktinerordens, bei mehreren Augaben
über die Bursfelder Kongregation, bei mehreren litterarisch
Das Clironicon Citizense des Beiie(likti]iPimr>nrhes P.Laiig. 297
bedeutenden Männern des geistlichen Standes und ver-
schiedenen Begebenheiten im Orient. Derartige Angaben
sind entnommen dem 1. Teil der Hirsauer Annalen auf
S. 1122, 1128, 1130, 1139, 1144, 1146, 1148, 1154, 1159,
1162, 1167, 1176 f., 1183, dem 2. Teil derselben auf S.1187f.,
1200 f.. 1204, 1206, 1216, 1218, 1224, 1227, 1238 f., 1240 f.
1247 f., 1251, 1254, 1266, 1270, 1272 f., 1275 f., 1284. —
Auf S. 1138 ist Tritheim von Lang citiert.
2. Trithemii Catalogus seu Liber scriptorum
ecclesiasticorum. Ed. Freher, Trithemii opera I, 184
bis 421. Von Lang als Quelle angeführt auf S. 1205
und verwertet für fast sämtliche Berichte desselben über
wissenschaftlich bedeutende Männer des geistlichen Standes
von S. 1130-1269.
3. Trithemii Chronicon Sponheimense. Ed.
Freher, Trithemii opera II, 236 — 435. S. 1229 Kaiser
Friedrichs III. Geburt, S. 1252 jährliches Kapitel der
Benediktiner zu Trier, S. 1273 desgl. zu Mainz.
4. Hartmann Schedel: Chronicon mundi seu
Chronicon Chronicorum ab 0. C. — 1492. Nurem-
berge, Koberger 12. Juli 1493. Von Lang als Quelle ge-
nannt auf S. 1186, 1188, 1200, 1232. — Diese Chronik
hat ihm Material geliefert für seine Angaben über deutsche
Kaiser auf S. 1135, 1166, 1168, 1171, 1186, 1190, 1201
(„qui — — fruitus fuisset, egissct'^), 1202, 1224, 1236,
1240, 1262, über Päpste auf S. 1128, 1183, 1186, 1188,
1192, 1201 f., 1226f., 1229, 1236, 1241, 1246, 1252,
1255, 1264, über wissenschaftlich l)edeutende Männer und
verschiedene historische Ereignisse auf S. 1148, 1168,
1174, 1177, 1186, 1200-1202^ 1204 f., 1218, 1222, 1231,
1232, 1233, 1252, 1253, 1254, 1254 und 1255, 1255, 1264.
Nach dem Citat auf S. 1200 hat Lang ganz dieselbe Aus-
gabe der Chronik Schedels zur Hand gehabt wie wir.
5. Anonymi Chronicon Wirceburgense. Bei
Eckhart, Francia orientalis (Wirceburgi 1729) I, 81(5
bis 825. AVas Lang übei- die Bischöfe von Würzburg
berichtet, ist auf diese Quelle zurückzuführen.
6. Nauclerus: Chronicon universale ab O. C.
~ 1500 (Tul)ingae 1516). Citiert auf S. 1139 und fast
nur für Angaben über deutsche Kaiser benutzt auf
S. 1122 1'., 1132 1"., 1135 (7 Kurfürsten, Erzbischof Udo
von Magdeburg), 1136—1139, 1167, 11701'., 1186, 1189,
1190, 1214.
298 K. E. Hermann Müller:
YI. Bayrische, böhmische, österreichische und uoch
mehrere audere Geschichtsquellen.
1. Ottonis Frisingensis Chronicon. Mon.Germ.
Script. XX. Citiert und benutzt auf S. 1123, 1143 und
1152 und aulserdem noch als Quelle herangezogen für
deutsche Kaiser auf S. 1138 und 1140.
2. Ottonis Frisingensis GestaFriderici I. Mon.
Germ. Script. XX. S. 1144 Fürsten von Heinrichs IV.
Partei, S. 1146 Friedrich von Hohenstaufen Herzog von
Schwaben.
3. Gottfried von Viterbo: Pantheon. Mon.
Germ. Script. XXII. S. 1139 Fabel über Heinrich III.
(Panth. Partie. XXIII S. 243). Hier von Lang citiert.
4. Martinus Polonus: Chronicon summorum
pontificum imperatorumque. Mon. Germ. Script. XXII.
Als Quelle angegeben und benutzt auf S. 1139, 1143,
1153 und aulserdem noch als solche zu gründe gelegt,
besonders für kirchliche Verhältnisse, auf S. 1140 f.,
1152, 1157, 1168, 1172 f., 1177, 1185.
5. Gesta comitum de Andechs. Auf dieselben
beruft sich Lang auf S. 1159, wo er der Abstammung
der heiligen Elisabeth mütterlicherseits von den Grafen von
Andechs gedenkt. In einer Ausgabe dieser Chronik aus
dem Jahre 1657, betitelt: „Mons sanctus Andechs",
welche vom Abt Cölestin des heiligen Berges herrührt,
wird auf S. 7 diese Angabe bestätigt.
6. Diarium Joannis Cuspiniani de congressu
Maximilian! Caesaris cum Uladislao Hungariae,
Sigismundo Poloniae ac Ludovico Bohemiae re-
gibus Viennae M. Julio 1515 facto. Francof. ad
Moen. 1601. Citiert S. 1288. S. 1286 — 1288 Maria,
Maximilians I. Enkelin, Verlobte Ludwigs von Ungarn,
Bauernaufstand in Ungarn, Zusammenkunft Maximilians
mit den Königen von Ungarn, Böhmen und Polen (S. 496
bis 511).
7. Aeneas Sylvius: Historia Bohemica. Bei
Freher, Script, rer. Bohemic. S. 118. Als Quelle genannt
auf S. 1245 und für böhmische Geschichte benutzt auf
S. 1146 f., 1200, 1205, 1212, 1214, 1217, 1230 f., 1245;
daher auch die AVorte über Albrecht Achilles auf S. 1241 :
„Erat nihilo secius — ^ler orbem esse eocpit." —
Im xlnsehlufs hieran gedenken wir der auf S. 1220 des
Das Chronicon Citizense des Benediktiuermönches P. Lang-. 299
Clironicon Citizense besprochenen Stiftung des Cölestiner-
Klosters auf dem Oybin durch Kaiser Karl IV. Dafür
Quelle Längs: Caroli IV. fundatio Coeuobii Coele-
stinorum in Oybin a. 1369. Hoffmann, Script, rer.
Lusatic. IV, 201' flg.
8. Vincentius Bellovacensis: Speculum bi-
st oriale. August. Vind. in monast. s. Udalrici et Afrae.
a. 1474. 3 Volum. Als Quelle genannt und benutzt auf
S. 1153 und 1159.
9. Thomae Cantiprati bonum universale de
apibus. Duaci 1627. S. 1184 f. Thomas von Aquino
(S. 81—83. Lang: „ut refert Thomas Brahantinus").
VII. Italienische Geschichtsschreiber.
1. Piatina: Liber de vita Christi ac de yitis
summ omni pontificum ßomanorum. Ex ofticina
Eucharii Cervicorni. Basileae 1529. Citiert und benutzt
auf S. 1122, 1127, 1160, 1172, 1175, 1201 und 1222,
aulserdem noch als Quelle herangezogen auf S. 1133,
1143, 1158, 1165 f., 1168, 1171, 1177, 1183, 1188, 1191,
1194, 1197, 1218, 1225, 1236 f., 1249 f. für Päpste,
Kaiser und einiges andere.
2. Matthaei Palmerii Florentini Chronicon.
Ex officina Eucharii Cervicorni. Basileae 1529. Als
Quelle angeführt auf S. 1148. Hauptsächlich als Quelle
zu gründe gelegt für Päpste und Kaiser, aulserdem noch
für verschiedene Begebenheiten, betreffend das König-
reich Jerusalem, Frankreich, Venedig und Florenz selbst
auf S. 1136, 1146-1148, 1151—1154, 1158, 1160, 1166 f.,
1170-1173, 1175, 1179, 1184—1188, 1190, 1194, 12051.,
1211—1214, 1216 f., 1229.
3. Matthias Palmerius Pisanus: Opus de tem-
poribus suis. In derselben Ausgabe wie der vorige.
Aus ihm besonders geschöpft für ungarische und türkische
Verhältnisse auf S. 1245 f., 1251—1255.
4. Antoninus Florentinus: C'hronicon ab O. C.
— 1457. Nurembergae per Ant. Koburger a. 1484. 3
Volum. Als Quelle angefülirt und benutzt auf S. 1124,
1169, 1171, 1176, 1201, 1211, 1243; aulserdem noch aus
ihm entlehnt für deutsche Kaiser und Päi)stc folgende
Stellen: S. 1167-1169, 1170, 1172, 1173, 1183, 1186,
1197, 1202, 1207, 1217, 1219 f., 1236, 1245. Sämtliche
300 K. E. Hermann Müller:
Stellen mit Ausnahme einer einzigen sind im 3. Teil des
Ant. Flor, enthalten.
5. Ptolemaeus Lucensis sive de Fiadonibus:
Historia ecclesiastica. Muratori, Script, rer. Italic.
XI, 753-1242. Citiert und benutzt auf S. 1201, aulser-
dem noch als Quelle zu gründe gelegt auf S. 1171 und 1188.
6. Johannes Stella presbyter Venetus: De
vita ac moribus pontificum Romanorum ad a. 1503.
Venetiis 1505. S. 1181 Vereinigung der Augustiner-
Eremiten durch Papst Alexander IV., S. 1217 Tod des
Papstes Innocenz VI, S. 1271 (hier citiert) Alexander IV.
tot, nach ihm Päpste Pius III. und Julius II.
7. Raphael Volaterranus: Vitae Paparum 1518.
Die auf S. 1202 und 1203 als aus ihm stammend
angeführte Stelle nicht in ihm zu linden, dagegen aus
ihm entnommen: S. 1264 Charakteristik Alexanders VI.
und S. 1271 Alexander VI.
8. Picus von Mirandula: Libri contra astro-
logos. Als Quelle benutzt auf S. 1204 und 1205.
Vin. Urkunden.
S. 1176 Bullen der Päpste Innocenz IV. vom 17. Jan.
1244 (gedruckt Crusenius, Monasticon Augustinianam, Mo-
nach. 1623, S. 115) und Alexander IV. : „Licet ecclesiae"
vom 9. April 1256 (Potthast Hegesta pontif. Rom. TI, 1341
m. 16334), bezüglich auf die Augustiner-Eremiten.
S. 1187 Konstitution des Papstes Gregor X. auf dem
Konzil zu Lyon (Cap. 23), betreffend die Bettelmönche.
Gedr. Mansi Nova Collect, concil. XXIV, 96.
S. 1211 f. Konstitution des Papstes Benedict XII.
von 1336 (Benedictina), gedr. Magnum Bullarium Romanum
(Lugd, 1692) S. 241 flg. u. ö.
S. 1237 Bulle des Basler Konzils über die unbefleckte
Empfängnis der Jungfrau Maria vom 17. Sept. 1439. Bei
Mansi Collectio conciliorum XXIX, 183.
S. 1237 Bulle desselben Konzils aus dem Jahre 1440,
durch welche die vom Kloster Bursfeld ausgegangene
Reformation der Benediktinerklöster bestätigt wird. Vergl.
Leuckfeld, Antiquitates Bursfeldenses S. 43 f.
S. 1249 Bulle des Papstes Pius IL vom 3. November
1461 für die Bursfelder Kongregation, gedr. bei Leuckfeld
a. a. O. S. 160 flg.
Das Chronicon Citizense des Benediktmermöiiches P. Lang. 301
S. 1224 Brief des heiligen Bernhard an die Äbte zu
Cluny und Brief des Archidiakon Peter von Blois an
seinen Bruder Wilhelm, Abt inMecheln. Darüber Leucldeld
(Schamelius), Kloster Bosau S. 39. Anmerk. M.
S. 1282—1284 Epistulae Emanuelis regisPortugaliae de
victoriis habitis in India et Malacha ad Leonem pontif.
niax. per Jacob. Spiegel Seiestensem. Yiennae 1513.
IX. Werke theologischen Inhalts.
1. Erasmus von Rotterdam. Aus welchen Werken
des Erasmus Lang die Stellen, auf welche er auf S. UTGund
1185 f. hinweist, entnommen hat, habe ich nicht aus-
findig machen können, besser verhält es sich dagegen mit
drei anderen Stellen. Zwei auf S. 1209 f. angeführte
entstammen der Ratio seu Methodus compendio perveniendi
ad veram theologiam (Opera Erasmi Lugd. Batav. 1703
ed ClericusV, 138 und 83), die dritte ebenfalls auf S. 1210
dem Encomium morias (ebenda IV, 466). Diese Werke
citiert hier auch Lang.
2. Augustinus. Auf S. 1181 werden Stellen aus
folgenden Werken desselben angeführt: Libri soliloquio-
rum, libri contra Academicos, über retractionum, sermo
de communi vita clericorum, liber de bono perseverantiae,
libri de libero arbitrio, libri de civitate Dei.
3. Hieronymus. Auf S. 1210 eine Stelle aus dessen
Schrift „contra Helvidium".
4. Der heilige Bernhard. Auf S. 1225 eine Stelle
aus dessen „liber de consideratione".
5. Gerson cancellarius Parisiensis. Auf S. 1225
eine Stelle aus dessen „libellus conclusionum theologi-
carum".
6. Simon de Cassia. Aus dessen Werk „Gesta
Domini Jesu Christi" teilt Lang auf S. 1212 f. mehrere
Stellen mit. Dasselbe umfafste, wie aus Tritheims \Verk
„De Script, eccles." S. ;}20 ersichtlich, 15 Bücher. Vhev
dasselbe siehe Schamelius S. 87 und 92.
7. Ambrosius de Chora. Ihn, der General des
Ordens der Augustiner - Eremiten war, greift Lang auf
S. 1182 sehr heftig wegen seiner Werke an. Ei- führt
dieselben zwar nicht mit Namen an, doch hatte er sie
jedenfalls gelesen. Die Titel derselben findet man in
Tritheims Schrift „De Script, eccles." S. 369.
302 K. E. Hermann Müller :
Das sind die Quellen, aus welchen Lang für sein
Werk geschöpft hat, soweit wir dieselben haben ausfindig
machen können.
X. Lang als Berichterstatter über seine Zeit.
Teils nach eigener Kenntnis der Personen und Ver-
hältnisse, teils nach Berichten von Augenzeugen, teils
]iach allgemeinen, im Volk umlaufenden Gerüchten berichtet
Lang an folgenden Stellen:
S. 1232 f. Friedrich der Weise, Universität und
Schlofskirche zu Wittenberg. S. 1245 Herzog Albert von
Sachsen. S. 1249 Bischof Dietrich III. von Naumburg.
S. 1250 Bischof Heinrich I. von Naumburg. S. 1250 f.
Abt Thomas von Bosau. S. 1254 die Türken bei Krakau
besiegt. S. 1255 Dietrich von Schönberg Bischof von
Naumburg, Tod mehrerer Mitglieder des sächsischen
Fürstenhauses. S. 1256 Abt Johann von Bosau Abt
des Klosters Pegau. S. 1256—1259 Abt Peter von Bosau.
S. 1259 — 1261 Tod des Kurfürsten Ernst von Sachsen,
seine Kinder, Lob Friedrichs des Weisen. S. 1261 Johann
der Beständige, Herzog Albert von Sachsen. S. 1262
Längs persönliche Verhältnisse. S. 1263 Albert von
Sachsen Feldherr in den Niederlanden. S. 1264 Lang
wird Mönch. S. 1264—1266 Charakteristik Johanns von
Schönberg, Bischofs von Naumburg. S. 1266 f. die
Energielosigkeit Friedrichs III. schuld an den kriegerischen
Fortschritten der Türken. S. 1267 f. Wimphelmg,
Reuchlin, Brant. S. 1269 f. merkwürdige Erzählungen
über den Tod Alberts von Sachsen, wovon Lang im
Dominikanerkloster zu Groningen hörte. S. 1270 f.
Gründung der Universität Wittenberg, Lob Luthers und
Karlstadts, Krieg mit Venedig, der päpstliche Legat
Raimund in Deutschland. S. 1272 Gründung der Stadt
Annaberg. S. 1272—1275 Abt Benedikt von Bosau,
Tod Philipps von der Pfalz, seine Kinder. S. 1276 bis
1278 Brief Brants an Lang. S. 1279-1282 Charak-
teristik der Päpste Julius IL und Leo X., Lob Luthers
wegen seines Auftretens gegen den Ablals. Den Stoff
hierfür will Lang aus einem in deutscher Sprache ver-
fafsten Buch geschöpft haben. S. 1284 Äufserungen Längs
über die gefährliche Macht der Türken. S. 1284 und 1285
Bauten des Erzbischofs Ernst von Magdeburg. S. 1285
Albrecht von Hohenzollern sein Nachfolger. Der Bericht
Das Cbronicou Citizense des ßenediktinermönches P. Lang. 303
Über ihn nach Angaben von Geistlichen seiner Diöcese.
S. 1285—1286 der Jude Pfefferkorn in Halle. Darüber
erhielt Lang Nachricht durch das allgemeine Gerücht
und durch eine im Druck erschienene Schrift. Kämpfe
des Herzogs Georg von Sachsen in Friesland. Vom
Hörensagen („ut ferehatur^'). S. 1287 Graf Adolf von
Anhalt Bischof von Merseburg. S. 1287 Tod des Abtes
Georg von Pegau. Vom Hörensagen („iit dictum est'').
S. 1288 Schlacht bei Marignano. Vom Hörensagen
(fßieviadmodum quidcmi me praesente, fratrihus
IKäam retulit; ut fama erat). S. 1288 grosse Über-
schwemmung des Rheins, Brände in mehreren Städten.
S. 1288 und 1289 Andreas Luchtenstern. S. 1289—1291
Lang berichtet über sich.
XI. Stellen, für deren Ursprnug ein Nachweis nicht
zu führen ist.
Solche Stellen, bezüglich auf Meilsen, Tliüringen,
Sachsen und das Erzbistum Mainz finden sich auf S. 1137,
1152f., 1171, 1173, 1186, 1188, 1192, 1197 f., 1206,
1216, 1231 f., 1234 f., 1239, 1241, 1245 f., 1248, 1253.
Stellen, betreffend die Häuser Witteisbach und Hohen-
zollern auf S. 1205, 1229, 1241 f., 1246 f., 1252 f., 1262.
Stellen, berührend deutsche Kaiser auf S. 1141 bis
1144, 1194, 1228. Stellen, handelnd von Päpsten, Konzilien,
bedeutenden Männern und Frauen der Kirche, verschie-
denen Mönchsorden und sonstigen kirchlichen Angelegen-
heiten auf S. 1127 f., 1131 f., 1154, 1173, 1177, 1187,
1193, 1197, 1205, 1222, 1226 f., 1236, 1244, 1252.
Stellen, welche die Hussiten, die Türken, die Stadt Augs-
burg und noch einiges andere zum Gegenstand haben,
auf S. 1205, 1218 f., 1221, 1231 f., 1235, 1238, 1243 f,
1248, 1253, 1264.
XII. Verhalten des Autors seinen (Quellen gegenüber.
Dafs Lang eines gewissen kritischen Sinnes nicht
ermangelt, ergiebt sich aus verschiedenen Stellen seines
Werkes. Er nimmt Angaben, welche er in irgend einer
Quelle findet, nicht ohne weiteres in dasselbe auf, unter-
wirft sie vielmehr zuvor einer Prüfung auf ilire Riclitig-
keit. Ihm fabelhaft oder wenigstens unrichtig (Mschei-
nenden Angaben schenkt er keinen Glauben, sucht
304 K. E. Hermann Müller:
vielmehr ihre Un Wahrscheinlichkeit aus glaub würdigeren
Quellen nachzuweisen. Gelingt es ihm nicht, sich über
das Jahr des Regierungsantritts eines Regenten oder
des Todes desselben nach den Quellen volle Gewilsheit
zu verschaffen, so führt er gewissenhaft die verschiedenen
Berichte derselben darüber der Reihe nach vor. So
eifert er auf S. 1120 gegen die irrige Annahme Bothos,
des Verfassers der Chronik der Sachsen, die Bistümer
Zeitz, Meilsen u. s. w. seien schon von Karl dem Grolsen
gegründet und von Otto dem Grolsen erneuert worden.
Auf S. 1123 f. giebt er, da er unsicher über das Jahr der
Thronbesteigung Ottos I. und dessen Regierungszeit ist,
die Angaben verschiedener historischer Quellen darüber
wieder. Auf S. 1135 f. zweifelt er ganz entschieden
die Existenz des Erzbischofs Udo von Magdeburg an
und widerlegt die Erzählung hierüber mit triftigen
Gründen. Auf S. 1139 verwirft er die fabelhafte Er-
zählung über die Herkunft des Kaisers Heinrich III.,
obgleich eine Anzahl von Schriftstellern, welche er anführt,
dieselbe in ihre Werke aufgenommen haben. Trotz seines
an diesen Stellen sich bekundenden kritischen Sinnes
haben sich doch in sein Werk so manche Irrtümer ein-
geschlichen. Auf einige derselben wollen wir hier auf-
merksam machen. Auf S. 1126 nennt Lang einen Erz-
bischof Vinius von Bremen, der niemals existiert hat.
Auf S. 1134 wird Herzog Heinrich von Bayern, welcher
nach Ottos II. Tode nach der deutschen Krone strebte,
fälschlich als Bruder Ottos des Grofsen bezeichnet. Auf
S. 1253 wird Friedrich der Siegreiche von der Pfalz
fälschlich der Groisvater des Bischofs Philipp von Naum-
burg genannt. Auf S. 1270 lälst Lang König Karl VIII.
von Frankreich im Jahre 1497 statt 1498 sterben und
macht Ludwig XII., seinen Vetter und Nachfolger, zu
seinem Sohne.
XIII. Persönliche Auschauungen Längs.
Lang richtet in seinem Chronicon Citizense sein
Hauptaugenmerk darauf, die ungeschminkte Wahrheit
ohne Ansehen der Person zu sagen. Er hebt die Tugenden
der einzelnen Persönlichkeiten hervor, geilselt aber deren
Laster und Schwächen ziemlich unbarmherzig. Dabei
macht er zwischen Päpsten, Bischöfen, Äbten und welt-
lichen Fürsten nicht den geringsten Unterschied. Auch
Das Chroüicon Citizense des Benediktiueimöucbes P. Lang. 305
ZU seiner Zeit lebende Personen behandelt er durchaus
nicht glimpflicher. Er, der an sich selbst augeuscheinlich
in sittlicher Beziehung die strengsten Anforderungen
stellte, streng den Regeln seines Ordens nachlebte,
urteilte jedenfalls sehr gerecht. Er erscheint als ein
charakterfester, für die höchsten sittlichen Ideale be-
geisterter Mann, der, frei von jedem kriechenden,
schmeichlerischen Wesen, nicht um die Gunst der Grofsen
buhlte, als Freund der Wahrheit sich aber manchen Feind
machte. So spricht er davon--'), dais deutsche Geschichts-
schreiber Kaiser Friedrich III. bei seinen Lebzeiten
besonders wegen seines friedfertigen Charakters bis zu
den Sternen erhoben hätten, und deutet an, dals sie, um
ihm zu schmeicheln, in seinem Lobe zu viel gethan. Er
dagegen macht dieses Monarchen Energielosigkeit verant-
wortlich für das mächtige und gefahrdrohende Anwachsen
des türkischen Reiches. Friedrich den Weisen von Sachsen
preist er-"') wegen seiner vielen schätzenswerten Eigen-
schaften, tadelt ihn aber sehr wegen einer Steuer, welche
er aufs Bier legte und welche den Armen und Reichen
auf gleiche Weise drückend erschien. Seinem Bericht
hierüber schliefst er die Worte an, es werde sich viel-
leicht der Leser wundern, dals er einen solchen Fürsten
nicht verschont habe und Tadelnswertes an demselben
nicht mit Stillschweigen übergehe. Derselbe möge aber
wissen, dals er nicht gelernt habe, den Magnaten und
Prälaten zu schmeicheln. Den Orden des heiligen
Benedikt, dem er angehörte, umfafst Lang mit schwär-
merischer Liebe und Verehrung. Er ist stolz auf das
hohe Alter desselben, auf die wissenschaftliche Tüchtig-
keit und das fromme, tugendhafte Leben, wodurch dessen
Mitglieder einst hervorleuchteten. Darum seien auch,
ehe die anderen Mönchsorden ins Leben traten, aus
demselben von den deutschen Kaisern die Bischöfe ge-
nommen, ihnen allerlei Hofämter, z. B. das des Kanzlers,
übertragen worden; auch verschiedene Päpste aus dem-
selben hervorgegangen. Ebenso habe sich dieser Orden
die grölsten Verdienste um die Bekehrung der deutschen
Volksstämme zum Christentum erworben. Nach Lang
vertraten die Benediktiuerklöster Hersfeld, Corvey,
Weilsenburg, Fulda, Prüm, Deutz, Gemldoux, Hirsau,
29) Chronicon Citizense 1243.
30) Ebendaselbst 1259-1261.
Neues Archiv f. S. Ci. u. A. XI 11. 3. 4. 2U
306 K. E, Hermann :\[iiller :
Trier als Bildungsstätten in Deutschland ursprünglich
die Stelle der späteren Universitäten. Deshalb übergaben
zu jener Zeit auch Könige, Fürsten und Edelleute ihre
Kinder den Klöstern, damit sie in denselben in der
Furcht Gottes und in den Wissenschaften unterwiesen
würden ■^^). Trotz der grofsen Vorliebe für seinen Orden
kann es Lang aber nicht in Abrede stellen, dals auch
die Brüder seines Ordens zu seiner Zeit von den Wegen
der heiligen Väter früherer Zeit abgewichen und er-
kältet wären im glühenden Eifer, auch jenen heiligen
Vätern weder im Wandel noch in der Gelehrsamkeit
glichen. Sehr willkommen war ihm daher die Burs-
felder Kongregation, welche eine Erneuerung des sitt-
lichen Lebens in den Benediktinerklöstern anstrebte
und der sich auch das Kloster Bosau angeschlossen
hatte. Er spricht es aus, dafs zu seiner Zeit im
Volke ein grofser Hals und eine grofse Geringschätzung
gegen die Kuttenträger herrsche"-). Stand auch, wie
unser Autor andeutet, das Leben der Benediktiner-
mönche vielfach durchaus nicht mehr im Einklang mit
der strengen Regel des heiligen Benedikt, so muls es
doch um die Sitten der Dominikanermönche noch viel
schlechter bestellt gewesen sein. Was Lang über den
schlechten Lebenswandel der Klostergeistlichkeit sagt,
ist, wie aus verschiedenen Stellen des Chronicon Citizense
klar hervorgeht, hauptsächlich auf diese Mönche zu be-
ziehen: „Man sagt von ihnen", heilst es, „allgemein,
sie sind ohne Mangel arm und ohne Geringschätzung
gering, indem sie nichts haben und alles verlangen, dem
Gelübde und dem Namen nach arm, ihrer Lebensweise
nach Könige sind, wie man deutlich ihren roten Backen
und ihren dicken und fetten Körpern ansieht. Wegen
ihrer grofsen Anzahl und vorzüglich wegen ihrer häufigen
Berührungen mit dem gemeinen Volk, wegen ihrer trägen
und wollüstigen LebensAveise ist das Wort „Mönch" recht
verächtlich geworden""). Wie herben Tadel nun unser
Chronist auch gegen diese Mönche äufsert, so rühmt er
doch an ihnen, dals sie in der Blütezeit ihres Ordens
sich durch Gelehrsamkeit und Frömmigkeit ausgezeichnet
hätten und sich hierin noch zum Teil zu seiner . Zeit
81) Chronicon Citizense 112«, 1128, 1129.
32) Ebendaselbst 1124 f., 1131.
33) Ebendaselbst 1125 und 1157.
Das Chvonicon Citizense des Benediktiiiermönches P. Laiio-. 307
auszeichneten'^). Indessen dem Lobe, welclies er an
dieser Stelle den Bettelmönclien im allgemeinen, an
anderen den erlauchtesten Geistern derselben zollt, wird
eigentlich die Spitze abgebrochen durch die heftigen
AngriÖe, welche er gegen dieselben als die hauptsäch-
lichsten Vertreter der scholastischen Philosophie richtet.
Lang, der da wünscht, dals das Wort Gottes rein und
unverfälscht, ohne menschliche Zusätze, wie es in der
Bibel enthalten, gelehrt und gepredigt werde, ist entrüstet
über die Vermengung der christlichen Lehre mit der
heidnischen Philosophie. So sagt er von Albertus
Magnus, derselbe habe, berauscht vom Weine der welt-
lichen Weisheit, zuerst die weltliche Weisheit, um nicht
zu sagen unheilige Philosophie, mit der heiligen Schrift
in Verbindung zu setzen gewagt und sich nicht gescheut,
die streitsüchtige, dornenvolle und schwatzhafte Dialektik
mit der sehr heiligen und reinen Theologie zu vermischen"'').
Noch andere Stellen des Chronicon Citizense beweisen die
grolse Abneigung Längs gegen die scholastische Philo-
sophie und ihre Vertreter •''^). Möglicherweise wurde der
Hals Längs gegen die Dominikaner noch dadurch ver-
stärkt, dals er, wie aus einer Stelle seiner Chronik her-
vorgeht'"), gleich seinem Freunde Sebastian Braut ein
eifriger Verteidiger der Lehre von der unbefleckten
Empfängnis der Jungfrau Maria war, während die
Dominikaner dieselbe aufs heftigste bekämpften. Seine
Antipathie gegen die scholastische Philosophie verleitet
unseren Autor sogar dazu, Johannes Hüls durchaus un-
gerecht zu beurteilen, indem er den Ursprung von dessen
Ketzereien in der eifrigen Beschäftigung desselben mit
dieser Philosophie sucht^^^). Das thut derselbe Mann,
der doch sonst in seiner Chronik mehrfach über Luther
mit der grölsten Begeisterung sich äulsert. Bei Beur-
teilung der Sitten der höheren Geistlichkeit legt Lang
denselben strengen moralischen Malsstab an. Dem Abt
Hermann IL von Bosau, der sich für Geld und durch
Bitten vom Papst Bonifacius IX. im Jahre l'6\)8 das
Recht verschaffte, eine Bischofsmütze zu tragen, wird
84)
Chronicon Citizense
1179.
^
Ebendaselbst
1180.
3U\
Ebendaselbst
1208 nnd 12(J3.
")
El)endaselbst
1276-
■1278.
as\
Ebendaselbst 12;j0.
20"
308 K, E. Hermann Müller:
dies als Anmafsung und Eitelkeit ausgelegt '^*). Der
Holienzoller Albreclit, Bruder Joachims I. von Branden-
burg, anfangs Erzbischof von Magdeburg, bald auch
zugleich von Mainz, wird als unmenschlich und hart-
herzig gegen seine armen Unterthanen und als gewalt-
thätig gegen die Geistlichkeit in der Magdeburger Diöcese
geschildert^*^). Im Anschluls an den Bericht Längs über
den Tod des Bischofs Johann von Naumburg im Jahre
1352, der plötzlich eintrat, während derselbe mit einigen
schönen Damen tanzte, finden sich die Worte : „Aus dem
Ende desselben und seinen Thaten erhält man den Be-
weis, dals jener Bischof zur Schar derjenige Bischöfe
gehört hat, welche nicht durch die Thür, sondern von
anderswoher in den Schafstall Christi einsteigen, welche
ihren bischöflichen Beruf nicht verstehen, ihr Hirtenamt
hintenan setzen, den Klerus verachten, das ihnen anver-
traute Volk vernachlässigen, die Armen gering achten
und Hungers sterben lassen, welche ihre Gedanken mehr
auf Karten und Würfel, als auf das Evangelium richten,
welche Venus und Bacchus mehr als Christus verehren"^^).
Nicht schonender geht die scharfe Feder Längs mit den
Päpsten um. Zwar neigt er sich, wie man nach seiner
sonstigen Auffassung der Dinge eigentlich nicht erwarten
sollte, in den Streitigkeiten derselben mit den deutschen
Kaisern entschieden mehr auf ihre Seite, so dafs er in
dieser Beziehung als durchaus parteiisch erscheint; doch
lälst er es im übrigen an den heftigsten Angriffen gegen
sie nicht fehlen. So wird der Papst Johann XXII.
hart getadelt wegen der grolsen Schätze, welche er bei
seinem Tode hinterliels, und ihm als wahrer Nacheiferer
der Armut Christi der Apostel Petrus entgegengehalten*^).
Wie man ferner aus dem, was Lang über das Konstanzer
und Basler Konzil berichtet, ersieht, gehörte er durchaus
derjenigen kirchlichen Partei an, welche der Ansicht
huldigte, das Konzil stehe über dem Papste. Er ist
somit ein Gegner der unumschränkten Gewalt des Papstes.
Das Urteil, welches er über Papst Leo X., seinen Zeit-
genossen fällt, ist wenig schmeichelhaft für denselben.
Er sagt von ihm: „Er dürstet nach der Weise seiner
Landsleute sehr nach Gold, da sich bei ihm die Begierde
30) Chronicon Citizense 1223 f.
*0) Ebendaselbst 1285.
'") Ebendaselbst 1215.
^^) Ebendaselbst 1211.
Das Chroiiicon Oitizense des Benediktmerinöiiches P. Lang. 309
der Florentiner mit der Habsucht der Eömer vereinigt
hat, und der verwünschte Hunger nach Gold unendlich
gewachsen ist, und es nimmt bis jetzt noch die Liebe
zum Gelde zu, wie das Geld selbst zunimmt. Ans Liebe
zum Golde ist auch jetzt in Rom alles feil"''^. Die
grölsten Sympathieen dagegen bringt Lang der gewaltigen
Persönlichkeit Martin Luthers entgegen. An einer Stelle
werden Luther und Erasmus von Rotterdam sehr ge-
priesen, weil sie sich bemühten, die Theologie zum An-
sehen der Quelle, zur ursprünglichen Reinheit, zu ihrer
evangelischen lauteren, einfachen Unschuld und unver-
fälschten Beschaffenheit, mit Ausschlufs jeder weltlichen
Philosophie, zurückzuführen^^). An einer anderen Stelle
wird Luther die Zierde und Krone der Universität
Wittenberg genannt und sein Studium der heiligen
Schrift rühmend erwähnt*-^). An derjenigen Stelle, an
welcher Lang der Begründung der Universität Witten-
berg gedenkt, wird Luther das grölsere, Karlstadt das
kleinere Licht der Universität genannt und erklärt, dafs
Luther die heilige Schrift ohne alle Vermischung mit
der weltlichen Philosophie rein und lauter lehre**^). Da,
wo unser Chronist vom Ablafs spricht, den Leo X. in
Deutschland predigen liefe, stellt er sich unbedingt im
Streite Luthers mit Tetzel auf des ersteren Seite. Nach-
dem in diesem Passus der heftigen Angriffe gedacht ist,
welche Luther wiegen seines Auftretens vom Papste und
seinen Anhängern erfuhr, heilst es : „Jener Martin jedoch,
leicht unter allen Theologen unserer Zeit an Weisheit
der hervorragendste, indem er seine Lehre durch Zeug-
nisse des Evangeliums, des Apostels Paulus und durch
die ursprünglichen Worte der alten rechtgläubigen Väter
bekräftigt und beweist, ist bisher unbesiegt geblieben,
und ihm selbst hängen an und mit ihm stimmen überein
die ausgezeichnetsten Doktoren der Gottesgelahrtheit
anderer Gegenden, wie jener gelehrteste und beredteste
Ausleger der heiligen Schrift, Erasmus von Rotterdam,
ferner Johannes Reuchlin, Jacques Lefevre d'Etaples
und mehrere andere^'). Gleich nach diesen freimütigen
Äulserungen über Luther verwahrt sich indessen Lang
'^5) Chronicon Citizense 1279 f.
*^i) Ebendaselbst 1177 f. .
*'^) Ebendaselbst 1213.
*«) Ebendaselbst 1270.
■") Ebendaselbst 1280 f.
310 K. E. Hermann Müller
^,
dagegen, als habe er dieselben wie ein Schüler jenes
fest behauptend gethau, vielmehr, da er bisher noch nicht
auf die Worte eines Lehrers geschworen, habe er sich
nur aus Bewunderung für jenen so ausgesprochen. Er
will darüber gleich vielen anderen so lange seine be-
stimmte Erklärung zurückhalten, bis ein allgememes
Konzil entschieden habe, was in einer so schwierigen
Sache zu beobachten sei*^). Man merkt, er ist entschlossen,
sich dem Ausspruch .desselben in dieser Frage zu unter-
Averfen. Eine wie grofse Liebe und Hochachtung Lang
den Fürsten des Hauses Wettin, den Schirmherren des
Klosters Bosau, entgegenbringt, dafür liefern verschiedene
Stellen des Chronicon Citizense den vollgültigsten Beweis.
Neben der begeisterten Verehrung für dieses Fürsten-
haus und dem regen Anteil, welchen er an den Schick-
salen der meifsnischen , sächsischen und thüringischen
Lande nimmt, erscheint sein Interesse für das grofse
deutsche Vaterland als sehr gering. Eine wahrhaft
deutschpatriotische Gesinnung, eine Begeisterung für das
deutsche Vaterland, ein Stolz, demselben anzugehören,
wie sie z. B. den Abt Tritheim kennzeichnen, tritt bei
unserem Autor nirgends hervor. An einer Stelle macht
er darauf aufmerksam, dafs die italienischen Geschichts-
schreiber Heinrich IL als Kaiser Heinrich I. nennen,
weil Heinrich I. nicht von ihnen mitgezählt werde. Die
deutschen Geschichtsschreiber dagegen bezeichneten
Heinrich, Ottos I. Vater, als Heinrich L, weil er in
Deutschland regiert habe. Weiter heifst es dort: „Es
müfsten sogar die tapfersten und des Lobes würdigsten
Cäsaren oder Könige der Eömer aus der Reihe der Kaiser
gestrichen werden, wenn allein die mit der Kaiserkrone
geschmückten als solche gelten sollten! Wie abge-
schmackt und unpassend das sein würde, mufs jeder
Verständige einsehen, da unser Maximilian, der erhabenste
und unbesiegteste Cäsar, niemals zu Rom gekrönt, zum
Kaiser und Augustus ausgerufen worden ist, obgleich,
wenn die ausgezeichneten und tapferen Thaten , welche
er sehr tapfer ausgeführt, genauer abgewogen würden,
er in Wahrheit als ein solcher angesehen werden mülste.
Denn nicht geringere Thaten als viele von den Kaisern
während ihrer Regierung hat er im Krieg und Frieden
vollführt" '*''). Aus diesen Worten Längs ersieht man
48) Chronicon Citizense 1282.
*") Ebendaselbst 1137.
Das-Chronicon Citizense (le!< Benefliktiucniiihiehes P. Laiis'. 31 1
klar und deutlich, dafs derselbe der Krönung eines
deutschen Königs zum Kaiser in Rom nicht die geringste
Bedeutung melir beimifst, und dals er den deutschen
König auch ohne die Kaiserkrönung für berechtigt hält,
sich als Kaiser zu betrachten. Ihm kommt es dabei
hauptsächlich auf die Machtstellung an, welche derselbe
einnimmt. Er denkt also in dieser Beziehung viel
nüchterner, als andere seiner Zeitgenossen, denen die
römische Kaiserkrone noch gewissermalsen als von über-
irdischem Glänze umstrahlt erschien.
Mit den Urteilen, welche Lang im Chronicon Citizense
über Luther und dessen reformatorische Thätigkeit fällt,
stehen seine Aussprüche über denselben in seiner Chronica
Neumburgensis Ecclesiae omnium Episcoporum (Mencke,
Scriptor. rer. Germ. II, 1) im entschiedensten Widerspruch.
Dies Werk enthält überwiegend Nachrichten über die
Bischöfe von Naumburg und ist bis zum Jahre 1536
fortgefühi't^"). Der letzte Teil desselben, welcher über
das Jahr 1515 hinausgeht, ist für uns besonders wichtig.
In der Chronica Neumburgensis Ecclesiae ist an die
Stelle der enthusiastischen Verehrung, welche Lang im
Chronicon Citizense Luther entgegenbringt, ein geradezu
fanatischer Hafs und die gröfste Erbitterung gegen dessen
Persönlichkeit getreten. Im Chronicon Citizense erscheint
Luther als ein der höchsten Achtung würdiger, tapferer
Kämpfer gegen die Anmafsungen und Milsbräuche der
katholischen Kirche, in der Chronica Neumburgensis
Ecclesiae dagegen gleich Hufs als ein fluchwürdiger
Ketzer, als ein zweiter Arius, der die Kirche zu ver-
derben trachtet; so unter den Jahren 1414 und 1503"'').
Der Unwille Längs über die im Jahre 1525 erfolgte
Verheiratung Luthers mit Katharina von Bora kennt
keine Grenzen-^-), weil Luthers Beispiel, wie er sagt,
von unzähligen Klosterinsassen beiderlei Geschlechts
nachgeahmt wurde. Es kann nun die Frage aufgeworfen
werden, wie sich wohl dieser Umschlag in der Gesinnung
Längs Luther gegenüber vollzogen hat^._ Die Chronica
Neumburgensis Ecclesiae enthält keine Äufserungen des-
selben hierüber, aus denen man auf die Veranlassung
dieses Wechsels der Gesinnung einen Schlufs machen
^) Über das Verhältnis der Chronica Neumburgensis Ecclesiae
zum Chronicon Citizense siehe Lepsius a. a. 0. S. V f.
•''^) Chronica Neuml)urgensis Ecclesiae 41 und .5n.
■>"') Ebendaselbst 68.
313 K. E. Henniinn Müller:
könnte Mir scheint die völlige Umwandlung in der Gesinn-
ung unseres Autors aus seinen starren kirchlichen, besonders
mönchischen Anschauungen herzuleiten zu sein. Er hoffte,
wie wir gesehen haben, zuversichtlich darauf, ein bald zu-
sammentretendes Konzil werde die Entscheidung in den
Streitigkeiten bringen, welche durch das Auftreten Luthers
hervorgerufen worden waren. Der Entscheidung eines Kon-
zils wollte er sich, allem Anschein nach, unterwerfen. Er
stellte ja, wie wir Avissen, dasselbe über den Papst. Es lälst
sich demgemäls annehmen, dafs er, falls sich ein solches Kon-
zil nach seinem Zusammentritte für Luther erklärt hätte,
sogar entgegen den Ansichten des Papstes, auch offen für
denselben Partei ergriffen haben würde. Nun kam aber ein
derartiges Konzil nicht zustande, und Luther wurde durch
Ecks Vorgehen veranlafst, energisch auf dem Wege der Re-
formation weiter zu gehen. Immer mehr wuchs die Zahl der
Anhänger desselben, und es entstand in Deutschland eine
Kirchenspaltung ;^^ welche durch eine anscheinend unaus-
füllbare Kluft die deutsche Nation für immer in zwei feind-
liche religiöse Lager zu trennen drohte. Das mufste einen
Mann wie Lang, der jedes Schisma irgend einer Zeit, wie
zur Genüge aus seinem Chronicon Citizense hervorgeht,
äulserst schmerzlich empfand, in die gröfste Gemütsauf-
regung versetzen. Er kam dahin, in Luther den Störenfried
der Euhe und Einheit der katholischen Kirche und einen
fluchwürdigen Ketzer zu sehen. Er mochte von ihm, für den
er anfangsgrolse Zuneigung gehegt, erwartet haben, dafs
er nur in Übereinstimmung mit einem zusammengetretenen
Konzil religiöse Neuerungen vornehmen würde. Als sich
diese Hoffnung nicht erfüllte, Luther sogar aus seinem
Orden austrat und sich vermählte, da kannte der Unwille
des eingefleischten Mönches Lang keine Grenzen mehr.
Er sah, da das von Luther gegebene Beispiel von vielen
Mönchen und Nonnen befolgt wurde , dals dadurch das
ganze Mönchswesen mit dem Untergange bedroht wurde.
Er, trotz der Erkenntnis vieler Gebrechen, welche dem
Mönchswesen seiner Zeit anhafteten, doch ein aufrich-
tiger Verehrer desselben, konnte die Berechtigung des
Schrittes, welchen Luther that, nicht begreifen und kehrte
ihm auf immer, nun sein heftigster Gegner geworden, den
Eücken. Der Vorwurf, er habe sich nun jetzt charakter-
los gezeigt, kann ihm nach meinem Dafürhalten nicht ge-
macht werden. Er war ein Mann von Charakter und blieb
es auch, nachdem er sich von Luther losgesagt hatte.
Das Chronicon Citizense des Benediktinermöiiches P. Lang. 313
Als das Eesultat dei- ganzen Untersuchung ergiebt
sich folgendes:
Lang hat für die 'Thatsachen , über welche er im
Chronicon Citizense berichtet, eine bedeutende Anzahl
von Quellen herangezogen, und zwar nicht blols für die
vor ihm liegende, sondern auch für die von ihm selbst
durchlebte Zeit. Eine Benutzung von Quellen für seine
eigene Zeit bis auf die letzten Seiten seines Werkes
haben wir dargethan. Dem gegenüber sind die Nach-
richten, welche er uns über seine Zeit als aus eigener
Erfahrung geschöpft giebt, nur gering an Zahl. Ebenso
sind diejenigen Stellen, für welche es uns nicht gelungen
ist, die zu gründe liegenden Quellen aufzufinden, im
Verhältnis zu den nachweisbaren nicht sehr zahlreich.
Die Angaben, welche uns Lang über das Kloster Bosau
selbst macht, sind sehr dürftig, weil es ihm für die Ge-
schichte desselben an den nötigen Quellen fehlte. So
sind ihm viele für dasselbe wichtige Schenkungsurkunden
vollständig unbekannt geblieben. Über manche Vorgänge,
betreffend das Bistum Zeitz - Naumburg hat er nicht
recht zur Klarheit gelangen können, weil einzelne Ur-
kunden sich seiner Kenntnis entzogen. Eine zusammen-
hängende Darstellung der deutschen Geschichte hat er
uns in seinem Chronicon Citizense durchaus nicht ge-
liefert. Dieselbe ist vielfach lückenhaft. Die häufigen
Citate aus lateinischen Dichtern und Prosaikern legen
Zeugnis ab für seine grolse Belesenheit und für sein
reges wissenschaftliches Streben. Von hervorragendem
Interesse sind die Schilderungen, welche er uns über
zeitgenössische Persönlichkeiten, besonders über ver-
schiedene geistliche Fürsten und die Fürsten des Wettiner
Hauses, über das Leben der Geistlichen seiner Zeit und
über Martin Luther entwirft. Schon deshalb verdient
seine Chronik gelesen zu werden. Wenn derselben auch
mancherlei Mängel anhaften, so ist doch nicht zu ver-
kennen, dals er sich redlich bemüht hat, durch gründ-
liches Studium der Quellen überall das Richtige ausfindig
zu machen. Die ganze Persiniliclikeit Längs, wie sie
uns in seinem Chronicon Citizense entgegentritt, nötigt
uns die grölste Hocliachtung ab. Dem Benediktinerorden,
dem er angehörte, zeigt er sich mit schwärmerischer
Liebe ergeben; doch geifselt er die schlechten Sitten
der höheren und niederen Geistlichkeit seiner Zeit, welche
er uns im Chronicon Citizense abmalt, schonungslos. Ein
314 K. E. Hermann: Das Chrouicon Citizense etc.
erbitterter Gegner der scholastisclien Philosophie und
der Dominikanermönche, bringt er anfangs Luther als
dem Verkündiger des lauteren Wortes Gottes die grölsten
Sympathieen entgegen. Doch seine ursprünglich enthu-
siastische Verehrung für denselben verwandelt sich
später in fanatischen Hals. Darum wird er aber nicht
charakterlos; vielmehr läfst sich gerade aus seinem
eigenartigen Charakter der vollständige Umschlag in
seiner Gesinnung gegen Luther erklären.
XL
Kleinere Mitteilungen.
1. Zur Geschichte des Klosters Oyhiii iui
15. Jahrliiiiidert.
Von P. Sauppe.
Beziehungen des Klosters Oybin zu Frankreich waren
bisher nicht bekannt. Allerdings ist es schwer anzunehmen,
dals in den ersten Jahrzehnten der Konvent die Bezie-
hungen mit Avignon abgebrochen hätte. Von dort hatte
Karl IV. die Cölestiuer, in deren Kloster er oft die Messe
hörte, nach Böhmen eingeladen, weil sie dazumal in
Deutschland kein Kloster hatten (1365). Zwei Brüder
zogen mit dem Kaiser nach Böhmen und kamen zu Pfingsten
1366 auf den Oybin. Es liegt nahe, dals die Brüder zu-
nächst von Avignon abhängig waren und geschützt wurden.
Die Verbindung mag sich nach 1387 gelöst haben, seit
die Oybinischen Väter auch das ehemalige Cisterziense-
rinnenkloster zu St. Michael unter dem Vissehrad zu Prag
geschenkweise erlangt hatten. Wenigstens führt der
Prior Petrus 1395 den Titel Ordensprovinzial. Das ist
wohl Petrus Zwicker aus Wormditten in Preufsen, bis
1381 Schulmeister in Zittau, von da ab Mönch in Oybin,
von Carpzov Anal. Pastor. Zittav. III, lOG auch als Pro-
vinzialprior bezeichnet. Er spielte in den Inquisitionen gegen
waldensische Häretiker in Deutscldand und B()hnien eine
Rolle. Weitere Provinziale sind Martinus aus Striegau
(Carpzov 1. c. I, 166), provincialis per Alemanniam 1412;
Ulrich von Rohrbach, 1397 Subprior in Oybin, 1405 Prior
unter dem Vissehrad, 1421 prior provincialis zu Oybin in
einer Urkunde (Pessina, Phosphorus sej)ticornis etc. Prag
1673, S. 480f.); Johannes Bassandi, dominus provincialis
316 Kleinere Mitteilungen.
vor 1420 und wahrsclieinlicli nicht bis zu diesem Jahre.
Weiterhin werden Provinziale gar nicht mehr erwähnt.
Es ist also möglich, dafs dieses Amt aufhörte, dals die
Oybiner sich dem französischen Generalkapitel unterwarfen,
aber wahrscheinlich, dals später die Verbindung sich
lockerte. Nur ein einziges Mal noch tritt ein französi-
scher Cölestiner in Deutschland auf. 1482 nämlich, nach-
dem wieder geschenkweise das Kloster und die Güter
des aufgelösten Benediktinerinnenkonvents Schönfeld bei
Dürkheim in Rheinbayern an die Cölestiner gefallen waren,
bildeten die Bruderschaft daselbst 4 Religiöse: „bruder
Franciscus von der Zittaw Prior vnd bruder Johannes
von Franckrich vnd bruder Magnus von Fufsingen mitte-
priester mit sampt bruder Symon von der Freyenstat
leybruder."
Aus der nachfolgenden interessanten Urkunde, welche
sich bei der Ordnung der im April 1890 vom k. Bezirks- Archiv
zu Metz in Cheltenham (England) angekauften lothringi-
schen Archivalien gefunden hat und von dem wissenschaft-
lichen Hilfsarbeiter am genannten Archiv, Herrn Dr. Hans
Witte, der Redaktion dieser Zeitschrift freundlichst in
Abschrift mitgetheilt worden ist, ergiebt sich, dafs durch
die Hussitennoth schwer bedrängt die Oybinischen Cölestiner
muth- und ratlos sich die Hilfe der französischen Brüder
erbeten haben, dafs ihnen das Generalkapitel — denn an
dieses mufsten sie sich gewendet haben — den Provin-
zialprior Bassandi zugeschickt und dafs dieser kräftigend
auf die Bruderschaft eingewirkt hat. Man greift nicht
fehl in der Annahme, dafs er auch eine lebhafte wissen-
schaftliche Thätigkeit angeregt habe, welche nachhaltig
gewesen ist. Er selbst nämlich war litterarisch in Ver-
bindung mit dem Kanzler der Universität Paris, Johann
Gerson. Einige Zeugnisse seiner, überhaupt der Ver-
bindung des Konvents mit Gerson haben sich abschrift-
lich erhalten.
Der junge Mönch Nicolaus Weber zu Löwenberg in
Schlesien schrieb nämlich 1459 (etatis mee vicesimo quarto)
eine Anzahl (26) theologischer Schriften ab, die im Cod.
Chart. 157 der Breslauer Universitätsbibliothek vereinigt
sind und einst in die Bibliothek der Augustiner- Chor-
herren in Sagan gehört haben. Neben Schriften des
Augustin, des grolsen Innocenz u. a. sind für uns vier
von Wichtigkeit:
Kleinere Mitteihmgeii. 317
No. 10. Tractatulus ter duodecim veritaüiiu de suscepcione hu-
manitatis Christi Johaniiis de Gerzoua.
Revereudo patri doinino provinciali Coelestiiioruni fratri Johanni
Bassandi suus Johannes cancellarius Parisiensis.
Nu. 11. Tractatuhis triplex duodenarius de incarnacione Cristi seil
suscepcione eins hnmanitatis, editus a caucellario Parisiensi Johanne
de Gerzona ad peticionem fratris Johannis Bassandi monachi colende
relig'ionis Celestinorum. Scriptus est per Nicolaum Weher de Leraherg
ibidem anno domini 1459 in mense Uctohri.
Wenn diese beiden Schriften an Bassandi gerichtet
worden wären, so lange er noch in Frankreich war, so
würde er beide Male als Provinzial genannt Avorden sein.
Denn nach dem Inhalte des Bobersbergischen Briefes ist
er ein Mann voll Energie gewesen und würde in Frank-
reich das Provinzialpriorat behalten haben. In der Titu-
latur herrschte bekanntlich eine genau abwägende Sorgfalt.
Möglich also, dafs Bassandi das deutsche Provinzialat
niedergelegt hatte, als er die Petition um die zweitgenannte
Schrift an Gerson richtete. Das würde auf den Vollzug
der gewünschten Union hindeuten.
Noch zwei Pariser Schriften enthält der Kodex:
No. 14. Epistola de modo ahsolvendi magistri Johannis de
Gerzona cancellarii Parisiensis cuidam monacho ordinis Coelestinorum
fratri suo carnali.
Auf geschehene Anfrage nach einer authentischen Absohxtions-
formel in den Schriften der Doktoren.
No. 2. Epistola magistri Parisiensis missa cuidam canouico
regulari in qua invehit contra vicium proprietatis in religiosis.
Der Subprior Michael aus Schwiebus hat de vita religiosorum
geschrieben und in der ersten Hälfte diese Frage auch behandelt.
Gleichwie die Cölestiner von Avignon zwei Brüder
nach Böhmen abordneten, so mag das Generalkapitel
(patres ac fratres. — Stiftungsbrief des Cölestinerordens
1294 bei Carpzov An. I, 159: Volumus et statuimus, ut
singulisannis hat capitulimi generale, ubi vestri et locorum
— praesidentes — et visitatores - constituantur) zwei Brüder
dem zerrütteten Konvente in Oybin zugesendet haben. Aus
dem vorliegenden Briefe geht übrigens hervor, dals Bo-
bersberg das Priorat zu Oybin l)ehielt.
Die äulserste Bedrängnis, von welcher Bobersberg
schreibt, war eine Folge der hussitischen Unruhen. Oybin
verarmte so, dals Papst und Kaiser sich des Klosters
annehmen mulsten. Der Erfolg dieser Unterstützung ist
nicht nennenswert gewesen. Daher also suchte Oybin
wieder Vereinigung mit der französischen Provinz. Aber
auch die konnte es nicht hindern, dafs im September 1429
Oybin noch viel größere Nöte zu erdulden hatte.
318 Kleinere Mitteilnng-en.
In den zahlreiclien brieflichen und chronistischen Re-
gesten findet sich keine Spur einer Verbindung mit Frank-
reich. 1524 bestand das Stammkloster zu Sulmona noch.
Gegenwärtig besteht der Cölestinerorden in Deutschland
nicht mehr. In Italien ist er, nach einer durch S. Eminenz
den Kardinal Melchers veranlalsten Erkundigung an zu-
ständiger Stelle, auch nicht mehr vorhanden. —
Prior und Konvent des CölestinerMosters in Oybin danken für
die Vereinigung des Klosters mit der Ordensprovinz Frankreich
und bitten um ferneren Sclmtz. Oybin, 1427, Oct. 17.
(Pergament- Original mit zivei Siegeleinschnitten.)
Frater Johannes Robersperg '), humilis prior venerabilis mona-
sterii Montisparacliti in Oywiu religiosoruiu fratrum ordinis Celesti-
Dorum, totusqvie conventus ejusdem raonasterii et ordinis prelibati
venerabilibus ac religiosis patribus, prioribus ceterisque fiatribus
nostris karissimis et in Cristo dilectis tocius provincie Ffrancie pro
humili ac fraterna recommeudacione Jhesum Christum virgiuis filium
et hunc crucifixum. Venerandi patres ac fratres, cum sit proprium
(livine miseracioni subvenire in casibus desperatis, ubi omne hmnanum
consilium et auxilium procul abest, nos quoque licet peccatores et
inmeritos, oculis sue clemeutissime bonitatis ex alto prospiciendo, in
nostra desolacione tempore summe opoituno non deperit, tamquam in
extrema necessitate jam proximos dispersioni aut saltem periculoso
errori vel gravissime turbacioni, tamquam oves errabundas sine duce
et pastore morsibus luporum rapidissimoium expositas, jam quodam-
modo desperatas de felici reduccione ad ovile proprium, unde pro-
cesseramus, propter plurimas difficultates occurrentes, de quibus
dispendiosum esset scribere per singTila. Quibus lassati seu fatigati
pene a nostro conatu defecimus, quo hucusque per plurimos annos
laboriose desudavimus aspirantes ad pristinam unionem nostri mo-
nasterii cum vestra provincia, sicut retroactis temporibus fueramus.
Quamobrem non ambigimus, divinam pietatem vestris mentibus tarn
vehementem caritatis ardorem et pristine compassiouis affectum in-
violabilera infudisse, ut non solum generosum pristine unionis preberetis
assensum, verum eciam reverenduui in Christo patrem, fratrem Jo-
hannem Bassaudi, patrem et provincialem vestrum et nunc nostrum
dilectissimum, per tot terrarum spacia longam, difficilem ac viam
periculis plenam, moti nostrarum animarura salute et fraterna caritate
racione pristine unionis nobis mittere eurastis. Quem quidem patrem
venerandum digna reverencia, prout decuit, devota graciarum accione
et toto cordis tripudio suscepimus gaudentes de insperata salute.
Et eidein prout prius litteratorie et per nunccios nostros, et nunc
univoca et concordi voluntate , nullo penitus reclamante, humiliter et
devote supplicavimus, quatenus ex auctoritate sacri vestri capituli
generalis in hac parte concessa nos reunire vestre provincie dignaretur
generöse, et curam de nobis agere regulando, visitando et gubernando.
1) So nach wiederholter Vergleichung die Handschrift. Dagegen
lautet nach Carpzov Anal. I, 166 der Name ,,Bobersberg", und damit
stimmt überein, dafs sich im Cod. chart. 157 der Breslauer Univ.-
Bibl. ein ,,Tractatus de indulgenciis fratris Johannis de Bobirsberg
prioris in Oywin ordinis Oelestinorum" findet.
Kleinere Mitteilungen, 319
qneniadmoduni alia vestre provincie monasteria, promitteiites eidem
et omuibus suis successoribus pleiiani et devotam obedienciani et pro
viribus conformitateni, anullatis onuiibus condicionibus in qnadam
littera positis. Qui quidem pius puter iutelligeus , nostram suppli-
cacioneni fore justam et racionabileui , auctoritate qua supra nostre
pcticioni benigne annuit et more pii illius Saraaritani nostris volne-
ribus vinum et oleum infudit et curam nostri egit, pusillanimes con-
fortando, desolatos consolando, errantes corrigendo. Et propter quid
tautis beneficiis nobis exbibitis et pensatis, debitas non suflicimus
reddere graciarum acciones, sed sufticieuda nostra flat ex filio dei et
nie pro nobis faciat, qui nos multum dilexit. quod semet ipsum tradidit
pro nobis oblacionem et hostiara deo in odorem suavitatis. Quem
una cum patre et spiritu sancto unanimiter flagrantibus precibus
obnixe et humiliter obsecrenms, quatenus vinculum nostre mutue unionis
per nullam violeuciam, angustiam, laboreni, seu quamcunque aliam
adversitatem disrumpatur, sed taliter ratificetur nunc in presenti per
corduni veram et sincerara caritatera, morum, discipline et observan-
ciarum coufonnitatem, ut quos nunc terrarum spacia disjungunt, in
celesti domo et eterna beatitudiue simulfelici et jocundissima societate
congregemur. Vos ergo, venerandi patres et fratres, nobis sincera
caritate dulcissimi, nostri semper memores esse dignemini, tamquam
existencium in medio uacionis prave atque perverse, procellis tem-
pestatum undique exagitati, obsecrantes aput tbronum gracie, _ne in
adversis deficiamus, pro vobis procul dubio idem semper acturi. In
cujus rei testimoniiim sigilla nostra videlicet prioratus et conventus
presentibus duximus appendenda. Datum in prefato nostro monasterio
Oywin, anno domini millesimo quadringentesimo vicesimo septinio,
XVII die mensis Octobris.
Die drückenden Zustände im Kloster Oybin während
der ersten Hälfte des Hussitenkrieges ergeben sich u. a.
ans folgendem päpstlichen Erlafs an den Rat zu Zittau,
den ich durch gütige Vermittelung des Herrn von Schlözer,
königl. preuls. Gesandten beim Vatikan, erlangt habe:
Papst Martin V. befiehlt der Stadt Zittau, dem Kloster Oybin
die schuldigen Zinsen z%i zahlen. Rom, 1422 Apr. 23.
Martinus etc. Dilectis filiis magistro civium, scabinis et con-
sulibus communitatis Zittavie Pragensis diocesis, salutem etc. Cum
ut accepimus dilectis filiis conventui monasterii sancti spiritus montis
paracliti in Oyvin ordinis Celestinorum prope Zhtaviam Pragensis
diocesis fundati per quondam bone memorie Carolum quartum im-
peratorem et regem Boemie ad apostolicam sedem nuUo medio per-
tinentis certos census anmios assignatos eisdem monasterio et conventui
imperpetuura tarn per dictum Carolum quam etiam postea per bone
memorie Vincislaum regem Bohemie ad eorum cameram pertinentes
teneamini ad solvendum et in pluribus aunis preteritis de eisdem
satisfactionem neglexeritis, ac nisi census integre persolvendum per-
solvantur debiti tarn de preterito quam presenti ac etiam in futurum,
dictus conventus, in quo monachorum magnus numerus vite exem-
plaris est, ad quem plurimi boni viri clerici expoliati et expulsi ab
Wiciefistis refugium habent ibique alimtur, ac ipsum monasterium,
quod in fortilicio positmn est, sustentari et custodiri non valeant, ex
320 Kleinere Mitteilungen.
lioc ingens periculum inimineat, ne huiusmodi locus, cum aliunde nisi
ex predictis censibus conservari et-custodiri non possit, ad manus
ipsorum bereticorura deveniat, quod si contigeret, quod dominus
avertat, quantum robur et stabilimentum ob aptitudiuem loci prefatis
hereticis esset ac quantam stragem et calamitatem ac dispeudium
tidelibus in partibus circumvicinis consistentibus ac vobis presertim
inferre valeret, satis clarissime liquet et yos optime scitis, cuius rei
essetis in causa, ne eveniat vigilantissime cum omuibus studiis obvi-
andum est. Vestras igitur devotiones, que, quantum huiusmodi periculum
Sit, inspicere debeut, requirimus et exhortamur in domino et uichi-
lominus vobis et vestrum cuilibet stricte presentium tenore raandamus
sub pena excommunicationis, quam ipso facto, si secus fieret incurratis,
quatenus si ita est huiusmodi census debitos usque nunc integre omni
mora sublata hinc ad sex menses proxime futuros et debendos in
posterum singulis annis in terminis suis prefatis conventui et mo-
nasterio solvere debeatis, ut ipsa ad laudem divini nominis a tautis
noxiis preservetur et ne in posteritate hereticorum ullateuus valeat
pervenire, sie enim in premissis vos habere curetis ut speramus, quod
de promptitudine obedientie apud uos et dictam sedem possitis merito
commendari. Datum ßome apud sanctum Petrum Villi. Kalendas
Mali pontiticatus nostri anno quinto.
B. de Puteo.
Dieser päpstliche Befehl vom 23. April 1422 kann
nicht lange Erfolg gehabt haben, oder wenigstens es blieb
das Kloster ohne jede Hilfe sich selbst überlassen. Man
darf den Sechsstädten es nicht verargen, dafs sie an sich
selbst dachten und des Üybins nicht achteten, mochte
auch die Burg für den Grenz- und Gebirgsschutz von
gröfster Bedeutung sein. Bald wurden sie von den
Hussitenscharen selbst bedroht und bestürmt, ihre Dörfer
verbrannt, ihr Handel verkümmert, bald wurden sie durch
Gerüchte drohender Gefahren erschreckt. Die Städte
gerieten zumeist stark in Schulden. Die äufsere Not der
Cölestiner muls zeitweilig geschwunden sein, denn nach
Cliron. Haupt A S. 235 (Ratsbibl. in Zittau) vermochten
sie 1424 eine Getreidegülte zu kaufen: „1424 am Tage
Tiburtii, 14. April, haben Hans, Heintzemann und Frede-
mann Gebrüder, genannt von Girhardsdorf, mit Wissen
und Voll wort Margarethen ihrer Schwester verkauft 12
Scheffel gutes geschüttes Korn und Zittauisches Mals in
und auf ihrer Mühlen gelegen in dem Dorffe und Guthe
Herwigsdorff des Zittauischen Weichbilds, genannt die
Mühle bey den Stegen, an die Cölestiner Münche auf
dem Oybin. Actum nach Gottes Geburth 1424, wie solchs
in ihrem Stifftsbuche zu sehen, welches noch allhier aufn
Rathhauls in Original vorhanden."
Die oben erwähnte Mahnung Sigismunds an den Rat
von Zittau lautet wie folgt:
Kleinere Mitteilungen. 321
König Sigmund befiehlt der Stadt Zittau, dem Kloster Oyhin
die schuldigen Zinsen zu reichen und ihm in seinen Nöten bei-
zustehen. Ofen, 1425 Sept. 5.
Wir Sigemimdt von gottes gnaden Römischer könig zue allen
Zeiten melirer des reiclifs vnndt zue Hungarn vnndt Belieimb pp.
könig pp. Entbiethen dem bürgennaister, rathe vnndt bürgern ge-
mainiglicli der Stadt Zittaw vnnsern lieben getreuen vnnsere gnadt
vnndt alles gut. Lieben getreuen vnns verschmehet zuemahle sehr,
das ihr nicht wollet merken, wie daz schlofs vnndt kloster zue Oybien
beie euch gelegen vnnsers vaters keysers Caroli seligen stifftunge
also feste vnndt nottürfftiglich gelegen ist, daz beide ihr vnndt ander
landt davon gefürdert möget werden, vnndt da got für sey, würde
es verderben, das beyde euch vnndt anderen landen davon grofser
schade geschehen vnndt entstehen möchte, die man mit schwerer
arbeit hatte mit wiederbrengen. Nu wisset ihr wohl daz der ge-
nante vnnser vater seliger auf euch seine gixlde verschrieben hat,
vnndt darnach Wencesla könig, vnnser lieber briider dieselben gulde
gemehret vnndt wir diez auch gemeret vnndt bestetigt haben, den
prior vnndt convent daselbst zu irer notturfft vnndt coste, do dasselbe
closter vndt Detersbach möge erhalten werden vnndt nie nott also
gewest ist, ... in dieser zeit dasselbe closter mit coste, zenhleuten
C?) vnd allen anderen sachen zue bewahren vnnd zu mehren, nimbt
vnns gros wunder daz ir so merkliche schaden nicht ansehet vndt
solche gixlde vnndt zimise vorhaltet, davon derselbe berg vnndt closter
vnns möchte entführet werden, zue vnnserm vnndt vnnser lande ver-
derblichen schaden, damit nicht zu wieder were, sondern neue ann
euch kummen müsten mit gröblichen straffuugen. Auch haben wir
vernommen, daz ezliche der euren reden vnndt meinen daz vnnser
lieber bruder seliger könig Wenzla, dem genannten closter geben
habe, das da nit seine sey gewest vnndt wir doch wohl wissen, daz
er ihn geben hat das da er geben möchte vnndt das sein gewest ist,
darumh würde iemandt darwider, wir müsten ihn also vuterweisen,
daz er nicht rede davon. So gebieten wir euch ernstlichen bey vnnsern
hulden vnndt bufsen die sie haben in ihren briefen, daz ihr dem-
selben convent zu Oyhin solche güld vnndt zinnfse, die vorhalten
vnnd noch zuekünfftig sein, vnverzüglich gebet vnndt reichet mit
gelde, mit güttern oder mit andern dingen, das wolten wir mit
nahmen also gehabt haben vnndt vorbafs nicht vorhalten in keine
weise, als lieb euch sey vnsere schwere vngnade zue vermeiden, vnndt
wo ihr das fürbas mehr verzüget vnndt nicht gebet vnndt \Tinfs klage
vorkäme, so müfshen wir vnnsere vngnade gröblich au euch kehren,
also daz ihr lieber gehorsamb sein gewesen. Auch wollen wir vnndt
gebietten euch vestiü^küchen als wir vormals euch geschrieben haben,
daz ihr innezuebehalten dasselbe closter mit leuten die da tüchtig
sinndt, vnndt in allen andern sachen, ob da noth were, vnndt von
euch hüllf vnndt rath begehrten, behülfflich sein sollet, vnndt wo
ihr das nicht thätet vnndt säumig weret, daz do ein schade geschehe
an dem closter, ob got für sey, das müsten wir vnndt woltens an
euch erholen. Dorumb ist vnsere meinung daz ihr ihn helffet ^^lndt
rathet auch heystehen sollet inn allen ihren nöthen, daz das ehe-
genante closter vnndt sie vnndt die ihren vnbekümmert bleiben von
allerley beschwerung, als wir euch getrauen, wann sie ja vnnser be-
sonder cappelanen sein vnndt vmb vnnsern vnndt euren vnndt des
closters willen tag vnndt nacht grofses singen vnd arbeit haben vndt
Neues Archiv f. S. G. u, A. XIII. 3. 4. 21
322 Kleinere Mitteilungen.
auch dasselbe closter nicht ist wie ein ander closter, sondern ist ein
closter vndt ein schlos. Vnndt wenn ihr diesen brief vberlesen habt,
so sollet ihr ihn dem vorgenannten convent wiedergeben. Datum
Ofen, versigelt mit vnserui konigklicheu aufgedruckten innsigell anno
domiui tausendt vierhundert vnndt im fünffvundtzwanzigsten jar
Mittwoch vor Maria geburt vnnser reiche des Hungrischen im neun
vnndt dreyfsigsten, des Römischen inn dem fünffzehenden vnndt des
Bömischeu inn dem sechsten jar.
Leider bin ich nicht in der Lage anzugeben, wo
dieser in der Eechtschreibung ziemlich geänderte Brief
sich befindet. Aber es möchte auch der Hinweis darauf
nicht unterlassen werden, dals die Burg Oybin hier den
Namen Detersbach führt. Balbinus nennt (misc. III, cap.
VIII, § IV) unter den königlichen Burgen, welche ver-
pfändet werden durften: Steigriff aliter Eberspach alias
Üwin.
2. Kleinigkeiten aus Kurfürst Augusts Regierungszeit.
Mitgeteilt von Theodor Distel.
An einer Monographie über Kurfürst i^ugust fehlt
es zur Zeit noch , wenn wir auch verschiedene grölsere
und kleinere Arbeiten besitzen, die ihn nach der einen
oder andern Seite hin behandeln.
Ohne Zweifel würde eine Biographie des vielseitigen
und in mancher Hinsicht überaus einflulsreichen Fürsten bei
der Menge des allein im Hauptstaatsarchive vorhandenen
Materials eine vieljährige Arbeit beanspruchen, aber auch
reiche Ergebnisse versprechen. Als kleine Beiträge zu
einem solchen Unternehmen biete ich nachstehend in
chronologischer Reihenfolge mancherlei Neues aus meiner,
den Akten des Hauptstaatsarchivs entstammenden Kol-
lektaneensammlung.
Zur Chronik des Schlosses Grillenburg (1558).
Nach Schumann 's „Lexikon von Sachsen" (III, 628)
erbaute August 1554-1558 mitten im Tharander Walde das
Schlofs Grillenburg (Grüllenburg, Gr3dlenburg) und zwar,
wie sonst feststeht, aus dem Materiale, welches ihm das
Schlots Tharand dazu bot*j. Im Tafelzimmer, so heilst es dort
weiter, stehen an der Wand noch verschiedene alte Reime,
die des Erbauers Endzweck sehr naiv bekunden. Die
*) Man vergl. auch die Mittheilungen des K. S. Alterthums-
vereins XXVIII, .31 f., wo die Reime „Zuvor — neunt" iind „Ich bin
genannt — Hause bei" mitgeteilt sind.
Kleinere Mitteiluugen. 323
Verse sind durch vorgenommene Umbauten zerstört
worden, doch werden sie in Abschrift unter Glas und
Rahmen in gedachtem Schlosse aufbewahrt. Darunter
ist auch der Autor, Sekretär (nicht „Doktor") Hans
Jenitz (f 1589), genannt. Über eine andere, ähnliche
Dichtung von ihm vergl. man meine Mitteilungen in
von Webers Archiv für die Sächsische Geschichte N. F.
VI (1878), 367 f.
Im K. S. Hauptstaatsarchive (III, 54 * fol. 65 No. 2 "^
Bl. 3) kam ich auf eine Aufzeichnung jener Reime vom
18. Februar 1738. Dort heilst es, daß dieselben zwischen
den beiden Thüren des Eingangs, in Laubwerk ein-
geschlossen, gestanden und folgendermaßen gelautet
hätten :
Meines lieben Bruders kläglich' End',
Der schwer' Eingang zum Regiment
Grofs Widerwärtigkeit und Gefahr
Mir schwere Sorge und Müh' gehar,
Zu vertreiben solche Fantasei,
Fing ich an dies neu Gebäu,
Die Grillenburg ich"s davon nennt,
In einem Jahr' ward's gar voUendt.
Zuvor ist hier nm- Holz gewachsen,
Da baute Herzog August zu Sachsen
In einem Jahr dies Jagdhaus behend,
Welches er selbst die Grillenburg nennt.
Von wegen schwerer Sorg' und Gedanken,
Die ihm oblagen und bedrängten,
Und richtet's an zur Lust und Freud'
D'rum wii'd man hier der Grillen queit.
Ich bin genannt die Grillenburg,
Darauf geschieht gar mancher Schlurg [für Schluck!],
Gedanken und schwere Fantasei
Legt man auf diesem Hause bei,
[Mit] Jagen, Fahren, Hirsch und Schwein,
Vertreibt man hier die Zeit allein,
Wer nui- hat Grillen und Mucke[n],
Der lafs sie hinter sich zurucke.
Kurfürst August als Ehevermittler (1559).
Der Kurfürstin Anna als Ehestifterin widmet von
Weber in seinem 1865 erschienenen Buche: Anna, Chur-
fürstin zu Sachsen u. s. w., einen ganzen Abschnitt. Auch
ihr Gemahl August spielt einmal (1559) den Ehever-
mittler zwischen Hessen (?) und einer Tochter des Herzogs
Christoph zu Württemberg. Er schreibt nämlich unterm
21*
324 Kleinere Mitteihiiigen.
21. April genannten Jahres an seine Schwester Emilia^),
die Wittwe des Markgrafen Georg von Brandenburg-
Baireuth und Mutter der Anna Marie, der Gemahlin des
erwähnten Württembergers"), dals Christoph „hübsche
und wohlgezogene Fräulein, die zum Teil erwachsen und
fast mannbar seien", haben solle. Ihr Alter, ihre „Ge-
stalt und Gelegenheit"-^) wünscht er durch den Boten
kennen zu lernen, auch bittet er, ihm die Bilder der
ältesten beiden Herzoginnen (Hedwig, geb. 15. Januar 1547,
und Elise, geb. 3. März 1548) heimlich zu verschaften.
Das Antwortschreiben vom 23. desselben Monates^)
meldet, dals Christoph fünf Töchter habe, die, wie ihre
Eltern, „christlich, ehrlich, eingezogen und wohl leben" und
die Kinder zur „Gottesfurcht und sonst zu allen guten
Tugenden erwachsen und darinnen noch teglichs auf-
erzogen werden und das in demselben durch Vater und
Mutter sonderer Fleifs, Aufsehen und mögliche Bestellung
gebraucht und gewilslich hierinnen nichts versäumt würde.
Nebendem sind auch die Fräulein wohlgestallten Leuten
ähnlich und gleich."
Unterm 20. Oktober desselben Jahres sandte Emilia
die angeblich für sie selbst angefertigten Bilder Hedwigs
und Elisens^).
Die älteste der beiden Herzoginnen vermählte sich
zuerst (am 10. Mai 15G3) mit dem Landgrafen Ludwig IV.
zu Hessen, während die Ehe der jüngeren (mit Georg
Ernst zu Henneberg) erst am 1. Juli 1568 zu Stande kam.
Vorkehrungen vor Eeisen ins Ausland (vor 1565).
Einige Originalreskripte des Kurfürsten belehi^en
uns darüber, wie vorsichtig derselbe alles bestellte, wenn
^) K. S. Hauptstaatsarchiv (hier stets nur mit „H. -St.-A."
zitiert) HI, 138 foi 1 No. 1 Bl. 1.
-) Vor seiner Verheirathung war von einer Ehe zwischen ihm
bzw. seinem Onkel Georg und Augusts Schwester Sidonie, der spä-
teren unglücklichen Gemahlin des Herzogs Erich II. zu Braunschweig-
Kalenberg, die Rede. (H.-St.-A. III, 188 fol. 107 No. 1 Bl. 4 und 20.)
Georg heiratete nach über zehn Jahren Barbara (so genannt nach
ihrer Grofsmutter mütterlicher Seits, Herzogs Georg zu Sachsen Ge-
mahlin), Tochter des Landgrafen Philipp des Grofsmütigen zu
Hessen und dessen Gemahlin Christine.
^) An einer anderen Stelle des Reskriptes heifst es „Alter,
Sitten und andere Gelegenheit."
*) A. a. 0. Bl. 2 (Orig. mit eigenh. Unterschr.).
°) A. a. 0. Bl. 3 (Orig. mit eigenh. Unterschr.).
Kleinere Mit teil uiig'en. 325
er einmal anlserlialb seines Landes reiste''). Im Nach-
stehenden teile ich nur ein von ihm eigenliändig ge-
schriebenes, leider aber ohne Jahresangabe vorliegendes
lieskript an die vertrauten Räte Hans von Ponickau")
und Dr. Ulrich Mordeisen *^) im Wesentlichen genau mit:
„Mej'iie sachemi thragenn sych also czw, das ich inii grosser
eyl auserhalb meyns laudes voreyteim raufs, Wye wol ich niiiin iiychtt
hoft'enn wyl, das sich, meynes abwesseiis, imrychtykeyttenii, so dyseiin
landeiin beschwerii[ii|k drawenii, czuthrageim mochttenn, so halie ich
doch iiychtt uiiderlassenu mogenn, (do sych do gott vorsey, sollyche
iiottfel cziithrugenn) hinder iiiyr meynes abwessens cznvorlassenn,
wo ich im fall der jiott anczuthreffenn , habe deshalbenn meynera
herczlybenn weybe denn ortt vnd auft' was czeytt ich wyls gott ann
eynem iderun ortt ancznthreft'enu seynn werde schryftlych vorpyczyrtt ^)
czugesteltt, wellyches i. 1. auch vonn myr freuntlychenn befellych hatt,
inn gancz styller geheymm vorwarlych bey sych czu behaltenn vnd
sych mytt sollychem hyndei'lasenen vorthraulychenn vorczeychnus
kegenn keynem menschenn als kegenn euch, czu denen wyr vns
beyderseytz aller threw vnd .vnderthenyges wyllens gethrostenn vnd
vorsehenu, vornenieun lasseun, doch soll sollyches nychtt eher, dann
inn der grostenn vnd vnformeydlychstenn uott gescheen, do ihr auch
aiiff denn fal ann mycli czuschreybenn [hättet] , so sollenn sollyche
bryff meynem gemal czugesteltt werdenn, myr czu überschykenn ....
Datum denn 17. apryllys."
Der kurfürstliche Schöppenstuhl und die Pest
in Leipzig (1575).
Bald nach der Neugründung des Leipziger Schöppen-
stuhls durch Kurfürst August "') wütete die Pest (1575)
besonders stark in Leipzig"), während dieses Jahr z. B.
für Dresden keine eigentliche Pestzeit war. Der Bürger-
meister Hieronymus Rauscher, der jetzt in besserem
- «) H.-St.-A. III, 112 fol. 4 No. 2.
'') Sein Name fehlt leider, wie auffälliger Weise der so manches
hervorragenden Sachsen, in der Allgemeinen Deutschen Biographie;
man vergl. über ihn von Webers Archiv für die Sächsische Ge-
schichte VlII (1870), 49 if.
**) Nach der Zeit, in welche dieses Schreiben gehört, wurde
vergeblich im H.-St.-A., besonders in den einschlagenden Kopial-
bänden, geforscht; die darin getroffenen Vorkehrungen haben die
Reise, die wahrscheinlich in die Jahre der Grumbachischen Händel
und sicher zwischen 1554 und 1565, bzw. vor oder l)is 1563 (man
vergl. meinen Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie
XXII, 217 ff.) fiel, wohl nicht aktenkundig werden lassen.
'') versiegelt.
^*^) Vergl. darüber meine Mitteilungen in der Zeitschrift der
Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Bd. X (1889), Germanistische
Abteilung S. 63 ff.
") A. a. 0. S. 77, Aum.
326 Kleinere Mitteilungen.
Lichte vor uns steht, als dies früher der Fall war^-), hat
in seinen Originalberichten an den Landesherrn genaue
Sterblichkeitstabellen vom 1. Mai bis 5. November (es
fehlt nur die Zeit vom 1. bis 22. Oktober) gegeben^"),
denen ich kurz folgende Zahlen entnehme. Die Stadt
hatte (darauf sei noch hingewiesen) damals, abgesehen
von den Messen, wohl kaum mehr als 10 000 Einwohner^*);
da gar mancher die Stadt wegen der darin herrschenden
Krankheit verlassen hatte, dürfte diese Bevölkerungs-
ziffer im Durchschnitte nicht einmal erreicht worden sein.
Es starben vom 1. Mai bis 30. September insgesamt
475 Pestkranke (127 in der Stadt, 236 in den Vorstädten
und 112 im Lazarethe), während nur 372 andere Todes-
fälle vorkamen. Vom 23. bis 29. Oktober erlagen der
Seuche 20 (4, 15 und 1), sonst gingen damals mit Tode
nur 5 ab ; in der folgenden Woche sank die Ziffer : von
17 Toten wurden nur 7 durch die Pest dahingerafft.
Ein dürrer Sommer hatte sie, nach des Chronisten Vogel
Angabe, hervorgerufen, im Juli begann sie zu wüthen,
am schUmmsten war die Sterblichkeit vom Monate August
ab. Es erlagen ihr in demselben 272 (an der Pest
52, 84 und 48), im September 258 (an der Pest 47, 105
und 25).
Die verheerende Krankheit befleckte u. a. selbst das
Haus eines Schöppenstuhlsverwandten , des Dr. Paul
Franckenstein ^^^), wie sie auch bald des einstigen Eats-
herrn Dr. med. Wolffgang Meurers ^'') Frau und Sohn, einen
„Magister", gefordert hatte.
^-) A. a. 0. S. 77 und die dort gegebenen Litteraturnachweise.
18) H.-St.-A. III, 130 a fol. 6 b No. 11 Bl. 70 bis 73 und III, 118
fol. 3 No. 1 Bl. 71 — 79; hierdiuTh werden die Mitteilungen bei
Heydenreich, Leipziger Cronicke u. s. w. (1635) S. 169, welchen
Vogel in seinen Annales etc. (1714) S. '<?35 folgt, vervollständigt.
") Vergl. auch dieses Archiv XI (1890), 148 No. 2 und die Be-
merkung des Herzogs Georg zu Sachsen (gest. 1539) ebenda Anm. 9,
nach welcher Freiberg gröfser als Leipzig und andere albertinische
Städte war, dazu Lammert, Geschichte der Seuchen-, Hungers- und
Kriegsnot zur Zeit des 30jährigen Krieges (1890) und Knapp,
Mitteilungen des statistischen Bureaus der Stadt Leipzig Heft 6
(1872) a. m. 00.
^•^) Rauscher nennt ihn noch Stadtrichter und Schöppen-
substituten Hieronymus Lotters-, vergl. jedoch die Anm. 10 angezogene
Zeitschrift S. 95 i. Verb. m. S. 78.
'ß) Vergl. Zeitschrift der Savigny- Stiftung Bd. VII (1886), Germ.
Abtheil. S. 109. Stepuer, luscriptt. Lips. (1675) S.283fi.
Kleinere Mitteilungen. 827
Die Schoppen") strebten daher höchsten Ortes an,
dafs der Stulü in eine andere Stadt verlegt werde, und
schlugen dafür das schon öfters in gleicher Not gewählte
Annaberg vor. August erachtete dieses jedoch als „dem
Lande etwas unbequem und der Gränze zu weit abge-
legen, bevorab, dieweil man sich nunmehr die peinlichen
Urtel aus allen Ämtern bei den Leipziger Schoppen
allein erholen müsse." Er bestimmte daher Chemnitz,
welches „fast mitten im Lande ^^), auch sonst dazu gelegen
und bequem sei", zum zeitweiligen Sitze seiner Spruch-
behörde. Der JR,at genanntei' Stadt hielt alsbald fünf
Wohnhäuser und eine im Eathause belegene, geräumige
Sitzungsstube für die ftechtssprecher aus Leipzig bereit.
An einem. Freitage, es war der 19. August ^^), brachen
die Schoppen, deren Namen aus der Anm. 10 angezogenen
Zeitschrift (S. 79 ff., 94 ff.) erhellen, aulser Wolf Peiligke,
w^elcher als Verwalter der Landgüter u. s. w.-") sowie
zum Empfange der in Leipzig einlaufenden Rechtsfragen
und Akten dort verblieb, nach Chemnitz auf, um hier
ihres Amtes bis nach dem Verschwinden der Seuche und
zwar bis Hohneujahr '^) des folgenden Jahres zu walten'-^).
Mir sind mehrere Originalsprüche und Schreiben aus ihrer
Chemnitzer Thätigkeit vorgekommen. Die letzteren, denn
die Urtel hatten kein Datum-'-), datieren entweder aus
Chemnitz und sind „Schoppen zu Leipzig" oder ohne
Datum „zu Chemnitz anwesende Schoppen u. s. w." un-
terzeichnet.
Auch der Revers des nach Dr. Johann Unwirths ^^)
") Die folgende Darstellung- entstammt H.-St -A. III, 118 fol. 6 c
No. 5 Bl. 1—15.
18) Vergl. die Anm. 10 angezogene Zeitschrift S. 66.
19) H.-St.-A. Kopial 41 5 fol. 6 (Konz.). Heydenreicli a. a. O.
gieljt den 24. an (wahrscheinlich war dies der Tag der ersten Sitzung
am neuen Orte), wie er ihn auch einige Tage länger, als oben an-
gegeben ist (bis 11. Januar), aiiswärts bestehen läfst. Die Oberhot-
gerichtssitzungen — dies sei hier gleich mit bemerkt — fanden in
jener Zeit in Borna, dann in Weifsenfeis statt (a. a. 0.).
20) Anm. 10 angezogene Zeitschrift S. 80.
21) Ist ebenda S. 77 Anm. l schon angedeutet worden.
22) Vergl. meine Mitteilungen a. a. 0. S. 97, dieses Archiv X
(1889), 153 und Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
X (1890), 431 ff. und die nachher (Anm. 2i) angez. Akten, z. B. Bll.
9 ff. und 76.
23) Anm. 10 angezogene Zeitschrift S. 71 ff., 75, 87 und 94 ff.
328 Kleinere Mitteilungen.
in Chemnitz erfolgtem Ableben zum Schoppen ernannten
Professors zu Wittenberg, Dr. Georg Lehmanns (Lene-
mans), hat Chemnitz (10. Dezember 1575) als Datum "^^j.
Aus dem Briefwechsel der Leipziger und der
Eostocker Universität (1576/77).
Die Universität zu Rostock lag mit dem dortigen
Rat wegen ihrer „alten wohlhergebrachten Privilegien,
Frei- und Gerechtigkeiten" 1576 schon seit langer Zeit
im Streite -'^). Sie wandte sich deshalb an ihre Schwester
nach Leipzig und erbat sich Abschriften von deren Fun-
dation und Privilegien. Leipzig antwortete am. 8. November
1576-*') ausweichend, dafs, da einige der die Schriftstlicke
mit verwahrenden Professoren abwesend, auch des Kur-
fürsten Erlaubnis nötig sei, die Bitte nicht erfüllt werden
könnte. Unterm 9. Mai des folgenden Jahres schreibt nun
Herzog Ulrich zu Mecklenburg in einem eigenhändig
unterzeichneten Briefe von Güstrow aus an August") :
„Dieweill dan den professorn in unserer universitet zu
Rostock, das sie von e. 1. universitet zu Leipzigk fundation
und Privilegien abschriflft haben mochten, in dieser zwischen
ihnen und dem radt doselbst zu Rostock eingefallnen
mengein und milsverstenden, insonderheit aber zu schleu-
niger beylegung und Schlichtung derselben hoch und viell
gelegen . . . ."
Das hierauf ergangene kurfürstliche Reskript an die
Universität Leipzig d. d. Annaburg den 8. Juni 1577 (von
der Hand Hartmann Pistoris^^), lautet zustimmend da-
hin, dafs der Universität Rostock, falls sie ferner um
Abschrift der erwähnten Urkunden nachsuchen würde,
dieselben in beglaubigter Form ausgefertigt werden sollten.
Zur Lehre „von vertrautem Gut" (1578).
In von Webers Archive (N. F. VI , 95 ff.) habe ich
bereits einiges zur Lehre vom (an)vertrauteu Gute und
zu dem Motive der Konstitution vom 10. Oktober 1584
24) H.-St.-A. III, 118 fol. ficNo. 2 El. 16; über seinen Aussteller
s. die Anm. 10 angezog-ene Zeitschrift S. 95 in Verbind, mit S. 94.
25) Fast gleichzeitige Abschrift eines Schreibens der Professoren
zu Rostock au ihren Landesherrn vom 2. Mai 1577 H.-St.-A. III, 51a
fol. 21 No. 94 Bl. 267.
26) Ebenda Bl. 268 b.
27) Ebenda Bl. 266.
2") H.-St.-A. Kop. 423 fol 174 b ob. (Konz.).
Kleinere Mitteilungen. 329
mitgeteilt. Hier erwähne ich noch, dals die 41. Kon-
stitution der Gesetzgebung vom 21. April 1572-") unterm
20. September 1578 auch auf die Schichtmeister, Steiger
und Bergleute (trotz Artikel 5-4 der Bergordnung) •"^) er-
streckt werden sollte. Dies entnehme ich einem kurfürst-
lichen Befehle an die Schoppen zu Leipzig-^^), welchem
neun Tage spater ein anderer folgte-'-), worin auf eine
leider nicht zu ermitteln gewesene Antwort der letzteren
Bezug genommen wird. August hält es für unnötig,
die angezogene Konstitution den Bergleuten noch besonders
l)ublizieren zu lassen, da sie auf dieselben ebensowohl als
auf die Schösser, Förster und dergleichen Verwalter,
Diener imd Befehlshaber „gemeint" sei.
Geschäftliche Milsstände in Leipzig (1580).
Für die Kenntnis der geschäftlichen Milsstände, die
1580 in Leipzig herrschten, ist ein längeres Gutachten-'"')
des Dr. jur. Laurentius Müller-''^) au August, d. d. Merse-
burg den 2. Juli 1580, von einigem Werte. Müller be-
ginnt mit Klagen über den Mangel an baarem Gelde,
worauf eine Darlegung der Schäden folgt. Wir teilen
aus seinen Ausführungen folgendes (in direkter Rede) mit.
Die Geldknappheit ist vor etwa 25 Jakren nicht ge-
fühlt worden ; früher starben die Leute mit Hinterlassung
eines gröfseren Vermögens, jetzt aber scheiden sie mit
mehreren tausend Gulden Schulden aus dem Leben.
Brauchte mau sonst Geld, so waren leicht bei einem
und „ohne eingemiscliten Betrug" 8, 10 und 20 tausend
Gulden zu erlangen, jetzt aber ist bei vieren oder fünfen
nicht der zehnte Teil dav^on zu haben. Der x4.del und
der vornehme Bürgerstand steht mit der Zeit „gar ver-
derbt" da oder hält sich sonstwo kümmerlich auf.
2") Man vergl. hierzu Carpzov, Jurisprudentia foreusis etc.
(1644) 1450 ff. und Schiet ter, Die Constitutionen Kurfürst Augusts
von Sachsen u. s. w. (1857) S. 385 ff.
••") Vom 3. Oktober 15.54: Cod. Aug. II (1724), 1.34.
■'!) H.-St.-A. III., US fol. 3 No. 1 Bl. 162 (Abschrift v. J. 1592),
cf. EI. 158/9.
=^2) Ebenda Bl. 163 (Abschrift, wie vorher).
»«) H.-St.-A. III, 51 a fol. 25 No. 17 BU. 204—210 (Orig.).
**) Näheres über ihn ei'hellt aus der Allgemeinen Deutschen
Biographie XXII (1885), 648 ft'. (Stavenliagen) und XXIX (1889),
775 (Distel). Zu seiner Person sei noch auf Persoualregistr. des
H.-St.-A. verwiesen.
330 Kleinere Mitteilungen.
Den Grund des Verfalls erblickt Müller nun nicht
allein in der eingerissenen Verschwendungssucht und in
der Energielosigkeit der Jugend, sondern darin, dals die
Mehrzahl der Grofskaufleute Niederländer ■^•^) seien, die
mit „Sonnenkrämichen"^'') sich eingeschlichen hätten und
jetzt mit 20 und 50 tausend Gulden, ja mit ganzen
Tonnen Goldes handelten.
In xlntwerpen, heilst es weiter, war und ist es Brauch,
dafs jedes Unternehmen an die Börse gebracht und leicht
unterstützt wird. Dieses Manöver hat auch in Leipzig
der „listige, verschlagene" Niederländer bald versucht
(der Name Partiten-") ist „neulich" dafür aufgekommen);
bei Gewährung eines Darlehns von nur 100 Gulden baaren
Geldes haben sie für 3 oder 4 tausend Gulden an aller-
lei Waren „mit eingeschlagen" und zwar so hoch, dals
sie vom Empfänger nicht um die Hälfte des angesetzten
Preises an den Mann zu bringen waren. Der erste Ver-
käufer giebt auch gleich einen sicheren Abnehmer dafür
an, dieser aber pflegt nicht den dritten Teil zu bezahlen
und lälst die Gegenstände zurück in des Vormanns Hände
gelangen ; anstatt 500 Gulden, auf die die Verschreibung
lautet, wird dem Schuldner so „nicht recht" 200 Gulden
zu Teil.
Dieses unredliche Verfahren hat mehr und mehr an
Umfang zugenommen und die Nürnberger, Augsburger
u. a. schaarenweise ins Land gelockt. Ein Adliger, der
1 oder 2 tausend Gulden bedurfte, hat für 3 oder 4
tausend Gulden Kleinod, Zobelfelle u. dergl., auch wohl
lahme Pferde und „alte, nichtswürdige Handschriften"
mit annehmen müssen.
Mancherlei Gesellschaften sind entstanden, die gute,
ehrliche Handelsleute und den Adel, ja auch Herren und
Grafen, nicht zu Gelde kommen lassen, weil eben jeder-
mann sein Vermögen lieber bei den „Gesellen" wissen
will, die sogar 10"/(, zu versprechen pliegen. Das Land
ist dadurch „dermalen ausgesogen" Avorden, dafs man
sich fast nirgends, als bei den Niederländern und Schwa-
ben in seiner höchsten Not „eines baaren Pfennigs er-
holen" kann. Betrachtet man der Herren von Mansfeld,
^^) Sie beeinflufsten, wie sonst feststeht, gerade den Leipziger
Handel keineswegs nachteilig.
36) Man vergl. Zedier, ür. Univ.-Lexikon XXVI (1740j, 1077 ff.
s. V. Partkramer.
^^) Mau vergl. ebenda 1069 s. v. Partirerey, Partiten.
Kleinere Mitteilmigeu. 331
Stolberg und anderer Harzgrafen, auch sonstiger Adliger
Verderbnis, so sind „allzeit die Niederländer oder Nürn-
berger die Vornehmsten im Spiele und des Teufels Vor-
tänzer". Wollten Einheimische ab und zu mit den Ge-
nannten gemeinsam operieren, so wurden sie von ihnen
„meisterlich in's Bad geführt"-'^).
Die Ausländer haben die Herrschaft behauptet und
in wenigen Jahren so grofse Summen aus dem Lande (?)
geschleppt, dafs man jetzt bei den Bürgern schwerlich
50 bis 60 tausend Gulden aufbringen kann, ein Vermögen,
welches ehedem ein oder zwei Personen allein aus ihren
„Kisten" zu zahlen im Stande waren. Wenn man sich
in der Stadt auf dem Markte umsieht und sich dabei der
früheren Zeiten erinnert, so gewahrt man, dafs mehr als
ein oder zwei Häuser nicht mehr in dem Besitze der
früheren Familien sind, wohl aber auch, dafs der Herr
dem Knechte seinen Besitz geräumt hat.
Mancher „stattliche" Adlige ist zu Grunde gegangen
oder erblos geblieben (folgen Beispiele).
Schliefslich kommt Müller noch auf die hohen Zmsen
zu sprechen, die damals üblich waren.
Zur Bekämpfung der mitgeteilten Übel schlägt er
nun folgendes vor:
Die Obrigkeit soll, wie dies auch anderweit schon
der Fall ist, einen „eigenen AVechsel" gegen Pfandbe-
stellung oder Bürgschaft zu billigem Zinsfufse einrichten,
der vor später eingegangenen Verbindlichkeiten u. s. w.
den prioritätischen Rang beansprucht. Der Kurfürst,
so bittet Müller weiter, möge mit wenigstens einer Tonne
Goldes den nötigen Fonds schaffen, der Vermögende
werde dann schon sein Geld dazu leihen. Die Beamten
der Bank könnten aus den Erträgnissen des Instituts
besoldet werden u. s. w.
Bald würden mit dem Vermögen auch die Mans-
feldischen Bergwerke aus den Händen der Ausländer
wieder frei gemacht werden u. s. w. —
Nun, wir wissen, dals der später über die Stadt
Leipzig ausbrechende Konkurs gerade in ihrem grofsen
Besitze jener Werte und in der Spekulation, welche die
„Kupferkasse" trieb, begründet war. (Vergl. auch unten
S. 341 ff.).
3») Diese Redensart hat nach Grimm, Deutsches Wörterbuch I
(1854), 1069 sub 3 den Übeln Sinn von „einem nachstellen, ihm eine
Falle legen" u. dergl.
332 Kleinere Mitteilungen.
Der Kiirlürst, der selbst stark an den Mausfeld-
Eislebener Werken beteiligt war'^"), scheint, dies sei noch
bemerkt, den Vorschlägen Müllers nicht näher getreten
zu sein, sein Gutachten vielmehr als das, was es in der
That war, als eine Tendenzschrift betrachtet zu haben '°j.
AVeidmäunischcs mit Kunstgeschichtlichem
(1583/4)^^).
Eine Wildsau von 737 Pfunden (1583). Aus
einem Schreiben des Herzogs Ludwig zu Württemberg,
d. d. Bebenhausen, den 14. Dezember 1583*-), erhellt, dals
August am 13. Oktober zuvor am Tannenberge im Amte
Leisnig ein hauendes Wildschwein, welches verschnitten
(„ein Mutz")^=^) und nicht weniger als 737 Zollpfunde**)
schwer war, „gefangen" hatte *'^). Ludwig bemerkt, über
das seltene Jagdglück Augusts staunend, dafs die Ver-
schneidung des Tieres wohl in dessen Jugendzeit von Bauern
oder andern Leuten vorgenommen sein werde und dasselbe
infolgedessen „am Gewächs und ScliAvere" umsomehr habe
zulegen können. Seltsam erscheint dem Herzoge auch,
dals noch „Gewerf" *") an ihm gefunden worden sei.
«») H.-St.-A. 111, 21 fol 25 b No. 9a Bl. 66.
'") Vei'gl. Böttiger-Flathe, Geschichte des Kurstaates und
Königreiches Sachsen II (1870), 78, auch Falke, Die Greschichte
des Kurfürsten August von. .Sachsen in volkswirtschaftlicher Be-
ziehung (1868) 8. 69, 171. Über die Gründung der „Kupferkasse",
welche die MüUer'sche Schrift .ja hervorgerufen haben könnte , ver-
mochte ich etwas nicht zu ermitteln.
") Vergi. „Weidmann" XXII (1891), 406 und 4.5, sowie XXIII
(1892), 134.
42) H.-St.-A. III, 51a fol. 16 No. 42 Bl. 31 ff. (Orig.).
43) Grimm, Deutsches Wörterbuch VI, 2837.
*4) Richard, Licht und Schatten (1861) S. 247 und von Weber,
Auua S. 242 f. erwähnen diese Sau nebenher, geben jedoch
ihr Gewicht um zwei Pfunde zu niedrig an. Ein Schwein
von 6 Zentnern 50 Pfunden erbeutete August in seinem Lande
1585 H.-St.-A. III, 131 fol. 18 No. 3 Bl. 15 b. Das Gewicht
war damals nicht an allen Orten des Landes gleich, auch unterschied
es sich mit Rücksicht auf den zu bestimmenden Gegenstand; man
vergl. Falke a. a. O. S. 279 und meine Notiz im Anzeiger für Kunde
der Deutschen Vorzeit XXIX (1882), 132.
*■■*) Die Meldung davon ist, wie mir aus Stuttgart mitgeteilt
wurde, nicht mehr im Königl. Württembergischen Haus- und Staats-
Archive vorhanden, und da sie auch — als Konzept — im Königl.
Säclis. Hauptstaatsarchive nicht ermittelt werden konnte, ist mau be-
rechtigt anzunehmen, dafs sie eigenhändig geschrieben gewesen war.
*") Gewerf von werfen, z. B. Hunde von einem Wurfe (Zedier,
Gr. Univers.-Lexikon LV [1748J, 360).
Kleinere Mitleilnnaen. 388
Von Augustusburg aus befiehlt nuu der Kurfürst
unterm 27. November desselben Jahres ^') dem Maler Lu-
kas Kranach d. J. in Wittenberg, welcher damals an
dem jetzt in der Königl. Gemäldegallerie zu Dresden
aufbewahrten Altarbilde ^'^j für die Schlolskapelle zu Colditz
arbeitete und in jener dem Tannenberge ebenfalls nahe
gelegenen Stadt sich aufgehalten, auch schon die Mafse
von der Sau genommen hatte, das Tier sechsmal in Le-
bensgrölse abzumalen*^). Sechs Tage später hat August
bereits eine Abbildung erhalten und befiehlt demselben
Künstler von dem genannten Standorte aus"'"), sieben
(wohl statt der früher bestellten sechs) Bilder anzufertigen,
indem er dem Reskripte die darauf zu setzende Inschrift ■^^j
anfügt. Gleichzeitig bemerkt er, dals er von mehreren
Reichsfürsten um Übersendung eines Porträts ersucht
worden sei, und eröffnet dem Meister, der gemeldet hatte,
er habe schon seit längerer Zeit kein Wildschwein ge-
sehen, die Aussicht auf Teilnahme an einer Sauhatz, bei
welcher er „diese Tiere recht sehen", auch „eines fahen"
könne. Leider ist es mir, weder in Sachsen, noch auch
auswärts, geglückt, eine dieser Kranachschen Werkstatts-
arbeiten (eine solche war das Bild sicherlich) zu ermitteln.
Aktenmälsig steht fest, dafs z. B. der hier erwähnte Lud-
wig unterm 20. Januar 1584 ■^^-j ^^d der Kurfürst Wolf-
gang zu Mainz unterm nächsten 1. Juni *=^) je ein Exemplar
erhalten haben. An ersteren schreibt der Schenker u. a.
damals mit, dafs ihn das Schwein „ungeachtet, dalis es
verschnitten, gar freidig und hart angelaufen" habe.
Im folgenden Jahre mufste noch eine Kopie ange-
") H.-St.-A. Kop. 484 fol, 510b, Konzept.
48) Vergl. Woermanns Katalog der genannten Gallerie (gr. Ausg.
1887) No. 19n3. Zu der dort angeführten Litteratur trage ich, der
Vollständigkeit wegen, hier noch nach: meinen Aufsatz im Anzeiger
für Kunde der Deutschen Vorzeit XXVI (1879) , 28 ff. und Mittei-
lungen des Königl. Sachs. Altertumsvereins XXIX (1879), XIII.
49) Vergl. meinen Aufsatz in derKunstchrouik(Beibl. zurZeitschr.
für hild. Kunst) N. F. I (1890), 418.
■•^) H.-St.-A. Kop. 484 fol. 415 b, Konz.
") Ebenda fol. 416, Konz. Dieselbe ist bei der Darstellung be-
rücksichtigt worden. . . „ . ,
5-) H.-St.A. Kop. 492, fol. 208 b, Konz. Das Ong. im Konigl.
Württ. Haus- und Staats-Archive zu Stuttgart.
■>■■) Kop. 492 fol. 75b. Damals hatte August. auch, wie er an-
giebt, noch einige Abbildungen in Verwahrung. Tiber die Württem-
berg betreffenden Strecken und eine Sau, welche Herzog Ulrich 1507
erlegte, vergl. meine Mitteilungen im „Weidmann" XXIII. (1892), 214.
334 Kleinere Mitteilungen.
fertigt werden. August zeigt nämlich den Empfang der-
selben Kranacli unterm 26. März 1585'*^) an, und wir erfahren
aus diesem Reskripte auch den Preis eines Exemplars.
Derselbe betrug fünf Thaler ■'^■'').
Bei der Bezahlung des Honorars, dies sei zum
Schlüsse noch mitgeteilt, spielt eine Verwandte des Künst-
lers, „Dr. Hermans Tochter", die Rolle der Geld-
empfängerin. —
Würdige Seitenstücke zu dieser Kapitalsau bilden
ein Hirsch von 7 Zentnern und 5 Pfunden (1584)
und ein solcher von 7 Zentnern (1560). Im Königl.
Jagdschlosse Moritzburg wird das monströse Geweih und
die Abbildung eines Hirsches aufbewahrt, welcher das
dem modernen Weidmanne unglaublich scheinende Gewicht
von sieben (Zoll-) Zentnern und fünf Pfunden hatte. Das
Tier wurde von einem („dem") sächsischen Kurfürsten auf der
Weidenhainischen Haide im Amte Torgau und zwar am
Dietzengrunde , wo auch ein Jagdschlofs steht, „beim
Schwinderle" ins Blatt geschossen. Der Kurfürst war,
wie ich bereits vor Jahren festgestellt habe, August und
der nicht festzustellende Jagdtag fiel in das Jahr 1584'^^).
Die Mafse dieses braven Hirsches sind, in nicht gerade
fachmännischer AVeise, auf dem Bilde genau also ange-
geben: „Die leng vom hintern Schenkel übern Rücken,
zwischen Geweye bis uff die nase 5 Ein 3 virtel, die
höhe vom förderfufse bis aufn Rückgrad 2^2 Ein, die
Dickung umen Leib 3 Ein 1 Vo virtel, die leng des kopfs
31/2 virtel."
Das Porträt selbst mifst 2,60 Meter in der
Höhe und 2,70 in der Breite. Es stellt den schweifsen-
den Hirsch ruhig ziehend dar. Das natürlich schädel-
echte Geweih hat braune Farbe und ist fein ge-
perlt; die Kronen sind fächerartig und haben erhabene
wulstige Ränder, die Sprossen kolbige Enden. Sein Ge-
wicht beträgt etwa 12 Pfund, die Stangen haben eine
^) H.-St -A. Kop. 501 f. 25 b, Konz.
65) Vergl. auch Kop. 492 Bl. 2 Konz. : Befehl an den Karamer-
meister vom 2. Januar 1584. Für das auch werkstattsmäfsige Altar-
bild erhielt Kranach dagegen den in der Anm. 48 angeführten und
ergänzten Litteratnr angegebenen ganz unverhältnismäfsig hohen
Betrag.
^) Zeitschrift für Museologie und Antiquitätenkunde V (1882),
171, vergl. 123 ff. und 147. Daselbst habe ich auch über noch andere
interessante Weidstücke in genanntem Schlosse Mitteilungen nach
den Akten gemacht.
Kleinere Mitteilungen. 335
Länge von 0,63 bzw. 0,63, die Spannweite derselben mifst
0,75 Meter.
Bemühte ich mich früher vergeblich, den Maler des
Bildes zu ermitteln, so ist dies mir kürzlich geglückt"*").
Als solchen nennt sich selbst der Dresdner Bürger und
Maler Daniel Bredtschneider"*^), der Sohn des kursäch-
sischen Hofmalers Andreas Br., und zwar, da fünf und
dreifsig Jahre nach dem hierbei in Betracht kommenden
Schriftstücke ein gleichnamiger Sohn, der auch Maler
war, mit Tode abging, der ältere, derselbe, mit dessen
interessanten Darstellungen von Dresdner Hoffestlich-
keiten kürzlich die erste Vierteljahrsausstellung im Stadt-
museum zu Dresden eröffnet wurde '"'''). Nicht unter dem
5') H.-St.-A.ni, 21 fol. 18b No. 112 Bl.27/8, Konz. und bzw.
Original.
^'^) So steht sein Name unter dem soeben angezogenen Schrift-
stücke geschrieben. Er starb 1657 (der Tag wird von seinen Erben
nicht angegeben).
^") Die Künstlerfamilie Bredtschneider ist zu bedeutend, als
dafs sie, wie es leider der Fall ist, in der Allgemeinen Deutschen
Biographie fehlen dürfte. Vieles Material über ihre einzelnen Mitglieder
enthält das H.-St.-A. (vergl. Personalregistr. s. v. Bredtschneider sowie
III, 131 fol. 1 No. 3 Bl. 39 ff. und 111, 21 fol. 18b, No. 111 BU. 6/7).
Hier verweise ich noch, die Künstlerlexika nicht anziehend, auf den
Handschriftenkatalog der Königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden,
sowie auf meine Mitteilungen in den BLättern für Architektur und
Kunsthaudwerk HI (1890), 23 in Verbindung mit Naumanns Archiv
für die zeichnenden Künste u. s. w. III (1857), 95 ff., von Webers
Archiv II (1864), 181, sowie XI (1873), 168ff., alsdann dieses Archiv
VIII (1887), 326 ff. und XI (1890), 273 ff. Weitere Notizen
enthalten die Mitteilungen des Königl. Sachs. Altertumsvereins
(man s. das Register) \m<\ Böttiger -Flathe a. a. 0. S. 92. In der
Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdeukmäler
des Königreichs Sachsen kommt bis jetzt (Hft. XV — 1891 — ) sonder-
barer Weise, kein Mitglied der hervorragenden Familie vor. Von
dem Maler des oben besprochenen Hirschbildes stammen, wie bisher
nicht bekannt war, die Darstellungen der Leichenprozesse der Kur-
fürsten August, sowie (dies erhellt aus der gleich mitzuteilenden
Aktenstelle) Christian I. und Christian IL; alle di-ei besitzt das
Königl. Kupferstichkabinet (No. 1248 — 50), die erstere auch die
Königl. Bibliothek zu Dresden; leider sind alle diese Exemplare un-
vollständig (vergl. A n d r e s e n , Der Deutsche Peintre-Graveur II, 8 ff.).
Unterm 5. März 1658 (H.-St.-A. III, 54a fol. 43 No. 1 Bl. 2) schrei-
ben die Erben Bredtschneiders d. J. an den Herzog Moritz zu Sachsen-
Zeitz, dafs ihr Vater an einem sehr schönen und mühsamen Kunst-
stücke, dem weithin und hochberühmten Kur- und Fürstlichen Stamm
Sachsen von 900 Jahren her, kurz vor seinem Tode fast ein ganzes
Jahr mit sonderbarem Fleilse und grofser Mühe geai'beitet und ins
Kleine gebracht habe, dabei eine Andeutung von dem heidnischen
Stamm, worauf der christliche Stamm, von Wittekind an, wie auch
33G Kleinere Mitteilungen.
gliickliclieii hohen AVeidmann, der den Hh-sch erlegte,
sondern erst unter seinem Enkel und dritten Regierungs-
nachfolger ist das Bild entstanden. Bei Überreichung
desselben, am 6. Oktober 1622, war der Maler, wie er
in dem betreffenden Unterstützungsgesuch selbst angiebt,
schon über siebzig Jahre alt und am Schenkel leidend,
so dals er schon seit einem Jahre das Zimmer hatte
hüten müssen. Irrtümlich nennt er dabei das betreffende
Jagdterrain die „wilde hanische Heyde"*''^) und verlegt
die erwähnte Jagd in das Jahr 1585, setzt sie also ein
Jahr später an.
Mit der Anmerkung 59 am Schlüsse mitgeteilten Brief-
stelle dürfte auch neues Material gegeben sein zur Beurtei-
lung des wahre Kunstwerke der Gouache-Miniatur-Malerei
auf Pergament enthaltenden Bandes Ms. J. 1 der Königl.
Bibliothek zu Dresden, welcher von zwei Händen (einer
geringeren bis mit Kurfürst Friedrich dem Streitbaren,
f 1428 — Bl. 1 bis 39 -— , und einer überaus meisterlichen
bis mit Kurfürst Friedrich August I. , f 1733 — Bl. 40
bis 52 — ) stammt*'^).
Für das in Farben abgemalte, 85 Bogen umfassende,
angeführte Leichenbegängnis vom Jahre 1611 forderte
der Meister unterm 29. August genannten Jahres pro
Bogen einen halben Gulden ^^2), bekam aber laut Reskript
vom folgenden 17. Dezember mehr, den Betrag zu 50 Gul-
den abgerundet '^■^). —
Über einen vier und zwanzig Jahre früher von
August erlegten fast gleich schweren Hirsch von sieben
Zentnern Gewicht giebt ein Originalschreiben des Land-
die Abbildung der Taufe desselben, in 25 Bildern folget bis auf Kur-
fürst Johann Georg II. ; auf dem Schiebedeckel, so heilst es freilich
weiter, seien des Glenannten Vaters Stamml)aum und Bildnils, sowie
dessen Miitter (des Vaters zweite Gemahlin, Magdalena Si-
billa, geb. Markgräfin zu Brandenburg), Porträts und eine Abbildung
der Stadt Dresden angebracht. Für 130 Thaler bieten die Erben
das Kimstwerk an, indem sie melden, dafs ihr Erblasser dasselbe für
des Herzogs Schwiegervater, Herzog Wilhelm IV. zu Weimar,
bestimmt gehabt habe. Ob auf diese Offerte eingegangen worden
ist, liefs sich nicht ermitteln.
^) So liiefs es auch vor meinen Anm. 56 angezogenen Mitteilungen
in der Inschrift auf dem Bilde.
^'^) Die Handschrift wurde begonnen am 2. November 1645; vergl.
Albinus, New Stammbuch 1602, von Birckens, Heldensaal 1718.
«•-) H.-St.-A, III, 21 fol. 18 No. 93 Bl. 475, Orig,
ß^) Ebenda Bl. 476, Kouz.
Kleinere Mitteilungen. 337
grafen Philipp zu Hessen an den Kurfürsten Auskunft"*) ;
der ihm voraufgegangene Originalbericht, welcher, nach
dem Antwortschreiben, aus Schwarzenberg den 31. Au-
gust 1560 datiert war, ist ebensowenig, wie das Konzept
desselben, auf uns gekommen. Philipp bemerkt bezüglich
des seltenen Jagdglückes Augusts, er hätte wohl hundert
Gulden daran „versehen" '^■^) mögen"").
Ein Gutachten über die Sachsen-Albertinische
Kur (1584).
Der Verfasser der „Lipsia" (1689 u. oft.) und spätere
Kanzler, Dr. David Peifer, arbeitete, wohl auf erhaltenen
mündlichen Befehl, im Jahre 1584, also fast 37 Jahre
nach der Schlacht bei Mühlberg, für August ein zustim-
mendes Gutachten über die Frage aus, ob derselbe „die
Kur Sachsen, so zuvorn Herzog Johann Priedericlien,
dem Dicken, gehörte, mit gutem Gewissen und Titel be-
sitzen und behalten könne". Der Argwohn gegen die
ernestinischen Vettern"^) dauerte also auch nach dem
Naumbui'ger Vertrage vom 24. Februar 1554 noch lange
fort"^). Das dieses Gutachten enthaltende Originalschrei-
ben Peifers d. d. Dresden 22. April 1584 liegt mir vor"^) ;
auf seinen Inhalt näher ehizugehen, halte ich nicht für
notwendig. — Schon im Jahre 1552 '^) schrieben Ernst von
Miltitz") und Dr. Georg Kommerstadt an Kurfürst Moritz
6*) H.-St.-A. III, 51 a fol. 13 No. 3 Bl. 83 ff. Im Königl. Preufs.
Staatsarchive zu Marburg ist das Konzept desselben nicht mehr
vorhanden.
"■'') versehen := übersehen. Der Sinn dieser Wendung ist also:
Hundert Gulden sind geringer als die Freude darüber, dafs man den
Hirsch erlegt hat.
'**') Im Anschlüsse hieran sei noch folgendes mitgeteilt: Wäh-
rend der Pirschzeit 15B5 erlegte August eigenhändig 104 Hirsche,
von denen zwei über 6 Zentner und 20 Pfunde wogen. Einen Zwan-
zigender nennt er schon einen „Haupthirsch" ; 1585 schofs er einen
Sechszigender (von Weber, Kurf. Anna S. 241 ff.).
**■') Vergl. Distel, Der Flacianismus u. s. w. (1879) S. 17 und
von Webers Archiv N. F. VI (1880), 131 ff., axich Arndt, Nonnulla
de ingenio etc. Mauritii etc. (1806) S. 17.
"^) Böttiger-Flathe a. a. 0. S. 5 ff. und Heidenhain,
Die Unionspolitik Landgraf Philipps von Hessen 1557 — 1562 (1890)
S. 11, 13. rrr-^-
«9) H.-St.-A. III, 107a fol. 24b No. 21 Bl. 7—11.
'0) Das Schreiben vom 33. (wohl 23.) September im H.-St.-A. III,
67 a fol 380 b No. 42 Bl. 142/3.
'1) Vergl. über ihn von Langenu, Moritz, Herzog und Chur-
fürst zu Sachsen II (1841), 385.
Neues Archiv f. S. ti. u. \. XIII. 3. 4. 22
338 Kleinere Mitteilmigen.
wegen einer Münze, Ortgroschen, dafs er eventnell'"-) veriis
elector auf seine Geldstücke zu setzen befehlen wolle.
Wahrscheinlich war ihnen eine Münze vorgekommen, auf
welche der Exkurfürst, Johann Friedrich der Grofs-
mütige, nahis elector hatte aufprägen lassen.
Der Sarg der Kurfürstin Anna (1585).
In der fürstlichen Begräbniskapelle des Domes zu
Freiberg ruht seit dem 1. November 1585 auch die Kur-
fürstin Anna. lieber ihren Sarg lassen sich ihre Bio-
graphen Stichart '•^) und von Weber '^) nicht aus, weshalb
ich hierzu aus den Akten ^■^) in moderner Schreibweise
Folgendes mitteile:
^Ö"
„Der zinnerne Sarg ist von anfsen mit schönen, vergoldeten
Löwenköpfen und Simswerk geziert nnd oben auf der Decke ein
grofses, langes Kruzifix, desgleichen zwei Englein, so Täf eichen
halten, daxunter gestochen rechts: (Joh. 3, 16) Also hat Gott die Welt
geliehet (u. s. w.), links: (Ps. 31, 6) Herr Jesu Christ, in Deine Hände
befehle ich (Dir) meinen Geist, Du hast mich erlöset (u. s. w.)."
Beide Sprüche pflegte die Kurfürstin im Leben, be-
sonders auch in ihrer letzten Krankheit, oft zu zitieren.
Unter dem Kreuze sind mit grofsen Buchstaben fol-
gende Worte, die ich genau nach meiner Vorlage mitteile,
in das Zinn eingraviert:
„In diesem sarck ruhet der durchlauchtigsten unnd hochgebornnen
furstin und trauen, trauen Annen, gebornnen aus königlichem stamme
zu Dennenmarck, herzogin zu Sachsen und churfurstiu corper, deren
seel den ersten Octobris nach sieben uhren zu abent anno 1585 zu
Christo ihrem erlosern seliglichen abgeschieden ist."
Unterm 5. November darnach schreiben der Zeug-
meister Paul Buchner (Puchner) und der berühmte Bild-
hauer Johann Maria Nosseni an ihren Herrn über die
Arbeiten an der Gruft '"^).
'-) Nämlich für den Fall, dafs Kurwappen und Titel diu'ch die
Königliche Majestät nicht geändert werden könnten.
'3) Galerie der Sächsischen Fürstinnen (1857) S. 294.
•'*) Kurfürstin Anna S. 499 ff.
'^") H.-St.-A. in, 1 fol. 8 No. 2 Bl. 125 (102b). Diese Akten
enthalten auch eine genaue Beschreibung ihres Leichenprozesses und
neben anderen seltenen, den Tod Annas betreffenden Originaldrucken
eine demnächst von mir im „Archive für Geschichte des Deutschen
Buchhandels" zu erwähnende deutsche Dichtung desMeifsnerChronisten
Laurentius Faustras.
■'6) H.-St.-A. III, 1 fol. 8 No. 2 Bl. 91 ff, Oiig., in Verbindung
mit Kopial .501, fol. 311/2, Konz.
Kleinere Mitteihingen. 339
Eine Abbildung der Statue der Kurfürstin und den
Wortlaut der seitlich davon in der erwähnten Kapelle
angebrachten Gedächtnisschrift giebt Steche in der „Be-
schreibenden Darstellung der älteren Kunstdeiikmäler des
Königreichs Sachsen" HI (1884) Beil. VIII und S. 51.
Hier sei gleich mit erwähnt, dals ihr Gemahl ursprüng-
lich seine spätere Schwägerin, Agnes, die auch damals
schon ihr zweiter Gemahl, Herzog Johann Friedrich der
Mittlere, begehrte, dann die Markgräfin Elisabeth
Magdalena zu Brandenburg heiraten sollte (H.-St.-A.:
Orig.-Urk. No. 10 948 und 10 958, sowie III, 131 fol. 17
No. 2 und fol. 18 No. 3 Bl 14b u. ö.).
Des Kurfürsten Tod (1586).
Bisher wurde angenommen, dafs der Kurfürst am
11. Februar 1586 „in Moritzburg vom Schlage gerührt"
an demselben Tage in Dresden gestorben sei"). Ein mir
vorliegendes, aus Dresden 11. Februar 1586 datiertes
Originalkonzept "^) des Sohnes und Thronfolgers, Herzogs
Christian I., an den Kurfürsten Johann Georg zu Branden-
burg, Augusts Freund und Schwager, belehrt uns jedoch
eines Anderen. Dieses Schriftstück (von der Hand des
Kammersekretärs Jenitz, welcher von allen Ereignissen
am kursächsischen Hofe genau unterrichtet zu sein pflegte)
ist kurz vor dem Abscheiden Augusts abgefaßt worden
und lautet in der Hauptsache also:
„ El. kouuen wir mitt gantz bekommertteu geinuth
nicht verhaltten , das unser gnediger , hertzliebster herr vater am
nehern mittwoch mitt s. 1. geliebten gemahell von hinnen nach der
Moritzburg verreiset , sich daselbst mitt Veränderung der lufft ein
wenig zu er lustigen. Als aber s. g. heut dato nach der fruhnialtzeif")
widerumb auffm Schlitten hierein gefahren und abgestiegen,
haben sie sich ubell entpfunden und gefragt, ob man nicht balde in
s. g. gemach were und do sie hienein bracht, ohne zweifei aus mat-
tigkait, einen trunck begeret und gethan, auch das haupt gegen s. g.
geniahl geklaget. Bald aber hernach hat man an der sprach und
andern antzaigungen vermerckt, das leider s. g. der schbag_ zuge-
hangen , derhalben man s. g. wenig mehr sinlicher entpfindlichkait
habenn . . . ."
Nach dem ebendaselbst befindlichen Konzepte der
") Man vergl. z. B.Böttiger-Flathe a. a. 0. II, 93.
'«) Man vergl. H.-St.-A. III, 1 fol. 7 NB.
'^j Zuvorhatte er ai;ch noch, wie aus H.-St.-A. III, 51a fol. 36
No. 31 Bl. 49 erhellt, Gottes Wort gehört.
22*
340 Kleinere Mitteilungen.
Todesmeldung vom 12. Februar 1586 starb August am
Abend zuvor „umb 6 Uhr"^^). ,
Nach diesem Schreiben widerlegt sich das bald darauf
in Italien aufgetauchte „leichtfertige, liederliche Gedicht"^^),
August sei vergiftet worden, von selbst; dasselbe wird
auch durch das hier an erster Stelle angezogene Akten-
stück hinfällig.
Eine „Kupfergradierung" seines Leichenbegängnisses
von dem xinm. 59 erwähnten Maler (Johannes Chro excude-
bat) und eine genaue Beschreibung desselben liegen mir
vor^^), desgleichen kam ich bei meinen Studien auf das
Original und eine Abschrift ^'^) einer latemischen Elegie auf
des Kurfürsten Tod in sechzehn Hexametern , deren
Dichter kein geringerer ist, als der Landgraf Moritz zu
Hessen, der sie mit einem lateinischen Überreichungs-
schreiben vom 2. März 1586 sandte. Unter derselben
steht ein das volle Sterbedatum enthaltendes Chronostichon :
„CVM peteret CoeLos AVgVstVs FebrVa forte
Per CeLebrant soLIs post tres oCtoqVe regressVs."
Vor Augusts Beisetzung in Freiberg (14. März 1586)
dies sei hier gleich mit erwähnt, fand auch eine kleine Re-
novation des Moritzmonumentes im dortigen Dome
statt, bei welcher die Kosten mit 2 Gulden 18 Groschen
angesetzt sind***).
Drei Jahre später arbeitete Nosseni am Epitaphe
Augusts ^■^). Die Abbildung der Statue und die dazu ge-
hörige Gedächtnisschrift befinden sich in Steches Be-
schreibender Darstellung Heft III, Beil. VII und S. 50.
Totenbilder des Kurfürsten August und der Kurfürstin
s") Vergl. auch H.-St.-A. III, 1 fol. 7 No. 1 Bl. 132 in Ver-
bindung mit Bl. 131 zu Anfang.
81) Gerücht; nach H.-St-A. III, 51a fol. 22 No. 107 Bl. 132— 35
a. E.und den 1592 ff. ergangenen Akten: III, 76 fol. 202 No. 52 a. m. 00.
^-) Königl. öffentliche Bibliothek zu Dresden: Hist. Saxon. C 23m
(unvollständig) und Königl. Kupferstichkahinet ebendaselbst No. 1248
(desgl.); sowte H.-St.-A. HI, 1 fol. 7 No. 1 Bl. 173 if., No. 2 Bl. 116 ff.,
No. 3 Bl. 76 ff. — Über den Aufwand , welchen das Begräbnis ge-
fordert hat, berichtet H.-St.-A. III, 1 fol. 7 b No. 4.
«3) H -St.-A. III, 1 fol. 7 No. 3 Bl. 104 bis 106 und No. 2 Bl. 64/5.
— Nacli einer No. 3 Bl. 107 zu lesenden Notiz wurde Moritzen eben-
falls in lateinischer Sprache (Konz. wohl von Peifer entworfen)
gedankt.
^) H.-St.-A. III, 1 fol. 7b No. 4 Bl. 13 b.
85) H.-St.-A. Kop. 558 fol. 248 ff, 286 ff
Kleinere Mitteilungen. 341
Anna sah ich kürzlich im Restaurationszimmer der Künigl.
Gemäldegallerie, wolün sie aus der Königl. Gewehrgallerie
gelangt sind. Dieselben gehören der Kranachschen
Schule an.
3. Leipzigs Banlierott und die Schweden in Leipzig
seit 1642.
Von Dr. E. Kroker.
Was in einem städtischen Haushalt unserer Zeit die
städtischen Anleihen sind, das waren in früheren Jahr-
hunderten freiwillige Darlehen, die dem Rat gegen Ver-
zinsung angeboten wurden. Gröfsere Städte, die im
Schutz ihrer Ringmauern und durch den Reichtum, den
Handel und den Gewerbfleils ihrer Bürgerschaft besondere
Sicherheit zu bieten schienen, durften in ruhigen Zeiten
stets auf fremdes Geld rechnen und konnten mit fremdem
Gelde wirtschaften.
Aus solcher Wirtschaft drohte leicht Milswirtschaft
zu werden. Sie stürzte Leipzig in den ersten Jahrzehn-
ten des 17. Jahrhunderts in einen völligen Bankerott.-
Schon Grolse erwähnt in seiner Geschichte der Stadt
Leipzig (II, 255), dals die Stadt im Jahre 1627 nicht
mehr im Stande war, dem Rat zu Weimar einen Zinsen-
betrag von vierzig Thalern auszuzahlen. Grolse führt
die Not der Stadt auf die Unsicherheit im Münzwesen
und die Kriegsunruhen zurück, obwohl Leipzig damals
noch gar nicht vom Krieg heimgesucht worden war. Erst
Hasse hat in der Geschichte der Leipziger Messen
(S. 107 ff.) nachgewiesen , dafs Leipzig nicht durch den
Krieg in die hilflose Lage versetzt wurde, dafs es viel-
mehr durch die „Bankgeschäfte", die der Rat betrieb,
in dem kurzen Zeitraum von 1610 bis 1623 mit einer
Schuld von mehr als vierzig Tonnen Goldes belastet wor-
den war und dafs der Kurfürst deshalb schon im Jahre
1627 eine Kommission zur Untersuchung der Milswirt-
schaft hatte einsetzen müssen.
Zu den Aktenstücken, die Hasse im städtischen
Archiv benützte, sind jetzt in den damals noch nicht ein-
geordneten Restbeständen des Archivs gewissermafseu
die Belege gefunden worden. Es sind Hunderte von
Mahnbriefen an den Leipziger Rat, alphabetisch geordnet
und in Bündel zusammengeschnürt, vom zweiten Jahr-
342 Kleinere Mitteümigeu.
zehnt bis in die sechziger Jabre des 17. Jaliilmnderts
und noch weiter herab ; denn die kurfürstl. Kommission
vermochte während des Kriegs, der seit 1631 auch über
Sachsen hereingebrochen war, das Schuldenwesen der
Stadt nicht zu ordnen.
Diese Mahnbriefe geben über den Umfang der Bank-
geschäfte , die der Leipziger Rat betrieben hatte , Auf-
schlufis. Wir erfahren daraus, wie nicht nur der Adel
Sachsens und Thüringens dem Rate hohe Summen anver-
traut hatte; auch von Bürgern sächsischer, süddeutscher,
rheinischer und nordischer Städte waren der Ratskämmerei
Darlehen in der Höhe von hundert bis zu mehreren lau-
senden von Thalern überlassen worden. Der Rat hatte
eben alles genommen, was zu haben war, und je bedenk-
licher seine Lage geworden war, um so unbedenldicher
nahm er auch die kleinsten Beträge auf und suchte die
alten Schulden mit neuen Schulden zu decken. Die letzten
Ursachen des Krachs sind noch nicht ganz klar. Es
waren wohl die riesenhaften Spekulationen, die einzelne
Rats- und Handeisherren, wie die Lebzelter, Heinrich von
Claulsbruch genannt Kramer, Schwendendörffer u. a. mit
der Ausbeute der Mansfelder Kupfergruben begonnen
und in die sie dann , wie es scheint , den Rat hineinge-
zogen hatten. Auch hierüber, besonders über den Nach-
lals Heinrich Kramers, eines Handelsherren, dessen Aktiva
und Passiva bei seinem Tod auf mehrere Millionen Gul-
den angegeben werden, sind aus den Restbeständen des
Archivs dicke Aktenbündel zum Vorschein gekommen,
doch muls es einer späteren Untersuchung vorbehalten
bleiben, diese für die Geschichte der Stadt und ihrer
Handelsbeziehungen wichtigen, aber sehr verwickelten
Verhältnisse darzulegen.
Jedenfalls war der Rat zu Leipzig schon im Anfange
der zwanziger Jahre völlig zahlungsunfähig. Er vermochte
nicht nur die ihm anvertrauten Hauptsummen nicht zurück-
zuzahlen ; er zahlte auch keine Zinsen mehr aus. Das Un-
heil, das hierdurch während des jammervollen Kriegs über
Hunderte kam, tritt uns in den zahllosen Mahnbriefen er-
schütternd entgegen ; immer und immer wieder die Bitte,
doch wenigstens die Zinsen auszuzahlen, und immer die
gleiche trostlose Antwort: Warten! Ein Augsburger Bürger
fordert sogar die Ratsherren in einem mit Blut geschriebe-
nen Brief vor den Teufel und vors Gericht — es wird
ihm wolü auch nichts geholfen haben.
Kleinere Mitteilniig'en. 343
Die meisten von diesen Mahnbriefen sind nur in ihrer
Gesamtheit von einiger Bedeutung. Einige wenige aber
verdienen besondere Beachtiuig, sei es wegen der Per-
sönlichkeit des Schreibenden oder wegen geschiclitlicher
Einzelheiten, mit denen sie uns nebenbei bekannt machen.
Der ganze Jammer des Kriegs spricht aus diesen Briefen
zu uns, das Darniederliegen des Handels und aller Ge-
schäfte, das Plündern und Niederschlagen auf offner
Strafse, das Niederbrennen der Güter und Dörfer. Aber
inmitten von Brand und Leichen quillt doch immer wieder
die unversiegliche Kraft des Volks hervor, in dem Wunsche,
mit den letzten übrig gebliebenen Gulden die Schulden
zu bezahlen und den Handel neu zu beginnen, das ver-
brannte Gut aus dem Schutte wieder aufzubauen und
die wüsten Felder wieder zu bestellen.
Wie hart Leipzig selbst, das sieben Jahr und acht
Monate lang in den Händen der Schweden war, vom
Kriege betroffen wurde, darüber geben ein Schreiben der
Königin Christina von Schweden an den Rat und das
vom Stadtschreiber Zeithopf aufgesetzte Antwortschreiben
Auskunft. Beide Briefe sind nur in Abschriften da. Ilir
Wortlaut ist:
1. Christina, Dei gratia, Suecoruni, Gothorum Waiidalonim-
que designata Regina et Princeps haereditaria, Magna Prin-
ceps Finlaudiae, Dux Esthoniae et Careliae, lugriaeque
Domina etc.
Gratiani et favorem nostrum siugulareni, Spectabiles et Consul-
tissimi, Nobis sincere dilecti. Qiü praesentes literas Nostras ad vo.s
perlaturns est, Minister noster Balthasar David Kohl, humilime indicari
Nohis fecit, mediocreni quantitatem peeuniae sibi fratrique suo ex
defuncto patre, haereditario jure in se translatam, ä vobis ac civitate
vestra deberi. In qua ä vobis repetenda idem couquestus Nobis est
operara se hactenüs perdidisse ; debita subjectione Nos rogans, vellenius
negotio huic clementissimam opem Nostraiu conferre, quo iaciliorem
ejus consequendi viam invenire possit. Nos licet haudquaquam ignarae
simus praesentium rerum vestraruni difficilem esse conditionem, ut
vel hujus respectu illa non parum Nos afficiat; Cum tamen aequitati
consonnm sit, ut quisquis reddatur compos earum rerum ,_ quae sibi
jure merito debentur, praesertim cum ea inveniri solutionis ratio
expedita possit, quae modernas difücultates non äuget, sed mitigat
et iusecuturas majores praevenit, committere non potuimus, quin im-
ploratam ä Nobis commendationem et opem praefato ministro Nostro
deferremus, atque hisce vos seriö rogaremus, ut indilatam exsolvcndi
debiti hujus vestri curam habeatis; Atque si non tutam uno sinml
tempore, certis nihilominus et determinatis mensibus vel partibus anni
certam peeuniae summam creditori reponatis; Noluimus commenda-
titiis et monitoriis Nostris hactenüs, quanivis sedulö et instanter _re-
quisitae ab aliis multis, molestiam vobis creare; Quae res fiduciam
344 Kleinere Mitteilungen.
Nobis ac calcar addet speraudi. ut hisce literis Xostris atque im-
pertitae ministro Xostro Kohlio ad tos commendatioui morem baud
gravate gestmi, eique et fratri ad dictum eumque tolerabilem modum
satisfacturi sitis ; Prout Xostro armomm ac Praesidiorum apud tos
praefecto injunsimus. id ipsum apud tos ut ui'geret et peiüceret.
De caetero Tobis gratiä Xosträ Regia addictae. DiTinae tos protectioni
commendamus. Dabautur in PiCgia Xostra Stockolinensi die 30. Sep-
tembris Anno 1647.
Christiaa.
Spectabilibus et Consiütissimis X'obis sincere dilectis Con-
siüibus et Senatui ciTitatis Lipsensis Clementer.
praes. d. 10. januarii Ao. 1648. post meridiem.
2. Serenissüna et Potentissima Princeps, Eegina et Domina
Clementi.ssima ,
Literas Regiae Vestrae Majestaiis die 30. Septembris anno praeterito
in Regia Testra Stockolmen.«i datas Baltha.'sar DaTid Kohl tradidit
snperiori mense nobis integi-as et obsignatas; Quas ipsas nieritö in
bumillima deTOtione sümu.s exosculali. quud V."-- ]\Iajestatis nun ob-
seuram iu uos clementiae propensiouem iudicarint. Et certe üidubitatum
Clementiae nobis signnm est, quöd ß.a V.ra Majestas conditionem
rerum nostrainim sanequäm in praesenti perdifficilem haudquaquam
iguoret, quudqne bujus lespectu non parum afticiatur: Si quidem hoc
ipsnm mitigat difficultatis istius rationera, eü quöd scire alicujus
miseriam, eaque affici. spem ferat auxilii ab illo proTeuturi. qui auxiliari
potis est; Quin impendiü magis clementiae nos causa beat, quod R.»
V.ra Majestas commendatitüs ac monitoriis suis, quamTis sedulö et
constanter ab aliis niultis jam ante requisita molestiam nobis creare
noluerit: quod Regium benelicium summa uos gratia excipimus, et
tametsi pro eo gratias referre non possumus, Tolumus tarnen id gratiis
nostris omare dum TiTimus.
Ad ipsum igitnr scriptionis institutum quod attinet, nos memores
aeris Xohliani ab antecessorilius nostris contracti exsolnmus illi
Kohlio Joacbimicos ducentos laboriose comparatos. et utinam suppeti-
isset plures repraesentandi copia. certe non tarn Terbis quam re ipsa
ostendere Toluissemus. quam prompti simus creditoribus nostris ad
Totum satisfacere ; prout et ipsi juxtim et fratri promisimtis pro ratione
proTentuum nostronim siugTilis nundinis aliqualem summam reponere,
nisi forte (quod Superi aTertantI) temporum injuria eü redigamiu-,
quu ulteriori exsolTendi facultate destituamur, quia tum fore confidimus,
ut R.a Y.ra Majestas rei impossibili et extra potestatem nostram
constittttae aequam se praebeat et clementissime ignoscat. Xeque
tarnen lides illa. quam ä nobis recepit Kohlius, eludit nostram ex-
pectationem, qtiin cogitemus omnimodö futiuaiui, utR.a Y.ra Majestas
eorum postulata, qui no.stris antecessoribus oüm pecuniam credidenint,
durante etiamnüm difficili rerum nostrarum conditione postbinc renuat,
ob quam hactenus ea non admisit : quod si enim bac in difiicultate
ä nobis plura sint sokenda nomina, sane reliquum erit, ut ecclesiarum
scholaiTunque nostrarum, itemque seuatüs et curiae necessai'ios mi-
nistros et alios suo salario , cujus jamdudum tIx dimidiam partem
capere quiTemnt, carere oporteat : quin et debinc actum erit de statüs
nostri ratione. ut nihil nisi sepultura restet. Quare R.a™ V.ram ;jXa-
jestatem supplices rogamus et per Deum obtestamur. ut creditorura
causis imposterum omissis ä ruinä statüs nostri clementissime parcere
ne desistat.
Kleinere Mitteilungen. 345
Caeterum si B..^^ v.ram Majestatem diixtii;s Mc affari liceret,
existimaremns arreptä liac occasione nobis facieudum esse, nt statum
civitatis Lipsiae, pront in praesenti miseria est, sub aspectum R.ae
V.rae Majestatis bnmillime nunc locai'emus. Equidem si retrü spectemus
ad illa tempora, quibus in deditionem vestrarum copiarum concessit
Lipsia, tiun oportuit, ut datis centum et qiiiuquagiuta mille Joachinü-
cis res suas redimeret, qu("i railites ä populatione cohiberentiu' : quod
ipsum redemptionis pretiuui tantuui nou enecabat civitatem, utpote
jampridem diutimiä belli calamitate annos aliquammultos exhaustam,
Sed eheu in quantos incolanim snmptüs progressa deinceps sunt R.^'e
V.rae Majestatis hie posita praesidia! Excurrunt euim sumptus illi
quater centena et vicies novies millena Joachimicorum , quos civitas
ä menseDeeembri Anno supra millesimum sexcentesimum quadragesimo
secundo usque ad ultimum Januarii hujus anni in numeratä pecunia
exsolvit, prout adjecta scheda literä A notata singulos suo nomine
designat, Unde prob dolor! factum, ut magna incolarum parte ad
incitas redactä, caeteris pancioribus praesidia sustentandi onus accre-
verit, qui tarnen profectO non ita sunt firmi ab opibus, ut tantis im-
pendiis diutius respondere queant, praesertim cursu negotiationum
et mercatuum, quibus hoc emporium auimatur, in tantum hactenus
impedito. Vertunt itaque solum negotiatores , deplorant donuis suas
tril)utarias viduae ac pupilli, et tam graves tributorum militarium
exactiones queruntur omnes, quin et virium nostrarum haud esse, ut
posthac ad hodiernum contriliuendi luodum pergamus, attestatur ipsa
veritas, Adeü scilicet ob diuturna illa tiibuta res civitatis istius sunt
affectae, ut parietinae quam civitati louge siut similiores.
Cum igitui-, ü Regina et Heroina christianissima! R.'^e V.iae
Majestatis auxilium nos intoleraliili hac tiibutorum gravitate unice
levare queat: Eapropter singulari gratiä et favore, quem literae Ma-
jestatis vestrae in frontispicio poliicentur, freti non duliitamus ad
R.ae V.rae Majestatis clementiam confugere, humillime exobsecrantes,
ut si quid Augustanae Confessioni addictorum, si quid Academiae,
si quid denique civitatis hujus couservandae causa velit, tributum
illud trium millium Joachimicorum, quod hactenus praesidiis vestris
ä civitate in singulos menses fuit conferendum. Regia manu sublevare
ne gravetur. utque posthac ultra id, quod R.» V.i"» Majestas ad mi-
norem tributi summam redegerit. civitati nihil amplius ä praesidiis
imponatur. Dens ter Opt. Max. R.''"> Yjam Majestatem diu salvam
])raestet et florentissimam I id quod ardenti votorum cousensu precamur,
Lipsiae ad diem 18. Februarii Ao. I(i48.
R.ae v.rae Majcstati sulijectissimä devotione Senatus
Lipsiensis. Johannes Zeithopf concepit.
Serenissimae et Potentissimae Principi ac Domiuae, Dominae
Cliristinae, Suecorum, Gothorum Vaudalorumque designatae
Reginae et Principi haereditariae, Magnae Ducatüs Fin-
landiae Principi, Esthoniae et Careliae Duci, Ingriaeque
Dominae etc. Reginae et Domiuae nostrae clementissimae.
A.
Königl. Schwed. coutribution vom monat Decembri Ao. 1642 bis
ultimo Januarii Ao. 1648 ist bezahlt . . 199 180. — —
Glockengelder 4 000. — —
Ran^ion 1.50 000. — —
Servifs undt Tafelgelder der hohen Officirer . . 24158. 21. 6.
346 Kleinere Mitteilungeu.
Dem Greneral statt vor selbige Einquartirimg . 2 000. — —
Königl. Schwed. fuhren, so man bezahlen müssen 1;}364. 13. —
Soldaten Speifsung i 294. — —
Commis Koni 2 981. — —
Fortification- undt baukosteu 25 557. 3. —
Servifs denen in den Zwingern einlogierten Sol-
daten 2 429. — —
Liechteiif alle Wachen in den postennndt Zwingern 8 053. 3. —
Summa 429 017. 16. 6.
Vom monat Februario bis ultimo
Julii Ao. 1648 fernem contri-
bution . . ■ 18 000.
447 017. 16. 6.
4. Die älteste Schulordnung der Kreuzscliule
zu Dresden.
Mitgeteilt von H. Er misch.
Ein 1404 angelegtes Stadtbuch von Dresden, das ich
vor kurzem unter an das Dresdner Hauptstaatsarcliiv
abgegel)enen Akten des hiesigen Amtsgerichts fand und
demnächst in den „Dresdner Geschichtsblättern" ein-
gehender besprechen will, enthält auf Bl. 51 ein Schrift-
stück, das wohl als das wichtigste Dokument zur mittel-
alterlichen Schulgeschichte Dresdens, ja vielleicht Sachsens
bezeichnet werden muls und daher verdient, so bald als
möglich der Forschung zugänglich gemacht zu werden.
Es ist eine um 1413 niedergeschriebene Schulordnung
der Dresdner Kreuzschule. Die Zeit ergiebt sich daraus,
dafs als ihr Verfasser ein Magister Nicolaus Thirmann
erscheint, von dem wir wissen, dals er in den Jahren
1413 — ^1424 das Amt eines Stadtschreibers in Dresden be-
kleidete^) ; als Rektor der Kreuzschule war er der Nachfolger
des Meister Peter, d. h. jenes bekannten Peter von Dresden,
der um 1412 oder 1413 wegen ketzerischer Lehren aus
der Diücese Meilsen ausgewiesen wurde, dann in Prag
während der hussitischen Bewegung eine noch nicht völlig
klargestellte Rolle spielte und 1421 auf dem Scheiterhaufen
endete-). Thirmann übernahm also die Leitung der Stadt-
schule offenbar gleichzeitig mit dem Stadtschreiberamte ■^);
er behielt sie wohl nur bis 1418, wenigstens sandte damals
') Vergl. ßichter, Verfassungsgesch. der Stadt Dresden S. 378
-) Vergl. Meltzer, Die Kreuzselmle zu Dresden bis zur Ein-
führung der Reformation (Dresden 1886), S. 33 ff. 54 ff'.
^) Beispiele für die Verbindung beider Ämters in dieser Zeit-
schrift X, 91.
Kleinere Mitteilungen. 347
der Dresdner Rat einen Boten an den Bischof zu Meilsen
„umbe den miwen schulmeistir". Jedenfalls fällt unsere
Ordnung in die erste Zeit von Tliirmanns Rektorat und ist
somit älter als die Bautzner Schulordnung von 1418, die
bisher für die älteste sächsische Schulordnung galt*).
Ihr Inhalt betrifft zwar nui' die Einkünfte der ein-
zelnen Lehrer, eröffnet uns aber eine Reihe höchst inter-
essanter Einblicke in die Gescliichte des mittelalterlichen
Unterrichtswesens. Mit Rücksicht auf den Raum müssen
wir uns leider darauf beschränken, lediglich den Wortlaut
mitzuteilen, und die Erläuterung und wissenschaftliche
Verwertung der Ordnung Berufeneren überlassen.
Also pflegit man is zu halden in der schule zu Dresden,
Des Schulemeisters lone. Ein iezlich virteil iars II gr.
von iezliehem burgers sone, der habende ist. Item zu pfingsten,
Michaelis, Wynachten und Ostern ufstribeheller von iezliehem II heller.
Item Martini, Blasii, Philippi, Bartholomei lafsheller von iezliehem
II heller. Item vor keniheller uf Margarete von den riehen VI hel-
ler, item von den armen III heller. Item vor holcz II gr. Item
meteheller der had man nicht genoraen bie magistro Nicoiao Thirraan.
Der locaten lone. Item iezlich virtil iars von deme riehen
I gr. Item y obir III wochin von deme riehen II heller, pauper
[nihil?]. Item sangkheller super festum Katheriue von iezliehem
i gr. Item zum uuwen iare von iezliehem riehen I gr. Item so
vil zum iarmargkte sive Johannis baptiste. Item super festum
puriticaeionis luchteheller von deme riehen II heller, item von den
armen I heller. Item vor deme anhebin der buchere, die nicht
buchere wider die locaten köuffen. Item von der regil I gr. Item
vom Donat II gr. Item von deme prima parte II gr. Item von
deme alphabeth I gr.
Des signatoris lone. Item iezlich virtil iars VI heller
von deme riehen. Item wenn die armen fremden schuler loube bi-
ten zum ersten in die schule zu gehin IUI heller. Item vor hefs-
heller von deme riehen IUI heller, von deme armen II heller.
Also ist is gehalden bie meister Peter und allen mynen vor-
farn, als ichs eigintlich undirricht bin, und sal ouch also bie mir
magistro Nicoiao Thirmanue gehalden werden.
Umbe den past, als man is ouch bie meister Peter und andern
gehalden had. Item zum ersten die schulere, die alleyne hören
primam partem und secundam, sie weren rieh adir arm, die gehin
keynen andern past dann in dryen wochen der riebe II hl., die
armen I hl. Dieselbin musten messen und vespere an den wergke-
tageu singen und zu chore gehen. Item die schulere, die lecciones
in loyca boren imd exercicia habin in loycalibus, die pflegen zu gebin
V gr. y das halbe iare. Item die lecciones in philosophia hören und
exercicia doriune habiu, die gebin VII gr. Item gramatici, die obir
primam und secundam partes andere grosse und cleyne gramaticalia
und exercicia hören, die gebin II gr.
■*) Vergl. diese Schulordnung, die viele Parallelen bietet, bei
Job. Müller, Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und
Schulverträge 1 (Zschopau 188.5). 38 ff.
Litteratiir.
Die staatsiecütlicüe Stellung- des Königlich Säclisisclion Mark-
L'rafentnnis Oberlausitz. Von Max, Herzog zu Sachsen, Doktor
heider Rechte. Leipzig (1892). 5 Ell. 60 SS. 8'^.
Unter den mainiigfaclien verwiclielten Fragen, die das weiland
heilige Römische Reich deutscher Nation dem Scharfsinn der neueren
Staatsrechtskundigen als Erbteil hinterlassen, hat der hohe Herr
Verfasser der vorliegenden Arbeit wohl eine der schwierigsten, jeden-
falls aber eine der interessantesten zum Gegenstande seiner juristischen
Doktordissertation gewählt. Die staatsrechtlichen Eigentümlichkeiten
der Oberlausitz sind schon wiederholt Gegenstand der wissenschaft-
lichen wie der diplomatischen Erörterung gewesen, ohne dafs bisher
ein eigentlicher Abschluls erreicht worden wäre; die Frage einem
solchen näher geführt zu haben, ist ein unzweifelhaftes Verdienst der
klar und überzeugend geschriebenen Arbeit. Die Würdigung ihres
Hauptinhalts, der staatsrechtlichen Schlüsse, die aus dem mit kriti-
schem Verständnis zusammengestellten Material gezogen werden,
müssen wir freilich den Juristen überlassen. Allein nur aus der
geschichtlichen Entwicklung heraus sind Rechtsfragen wie die vor-
liegende zu verstehen, und es ist daher begreiflich, wenn die „historische
Einleitung" fast die ganze erste Hälfte des Buches in Anspruch
nimmt. Somit können wir das Werkchen auch als einen Beitrag zur
vaterländischen Geschichte willkommen heifsen, und als solchen ditrfen
wir es an dieser Stelle etwas näher beleuchten.
Noch jetzt bildet die Grundlage für die staatsrechtliche Stellung
der Oberlaüsitz der Traditionsrezefs vom 30. Mai 16a5,..und von
ihm geht der hohe Verfasser daher nach einem kurzen Überblicke
ülier die älteren Schicksale der Lande aus. Diu-ch diesen Rezefs
wurde bekanntlich die seit 1355 der Krone Böhmen inkorporierte
Oberlaüsitz an das Kurhaus Sachsen abgetreten; Böhmen behielt
nm- eine Oberlehnsherrlichkeit, welche die Landeshoheit der Wettiner
nicht fühlliar beschränkte, ein Wiedereinlösungsrecht bei Aussterben
des albertinischen (und des inzwischen ausgestorbenen herzoglich alten-
burgischen) Mannesstammes und ein Heimfallsrecht für den Fall des
Abgangs aller Erbberechtigten. Dagegen verpflichtete sich der
Kurfürst, die katholische Geistlichkeit, das Bautzuer Domstift und
die beiden Klöster bei ihren Rechten (insViesondere der Exemtion von
aller weltlichen Gerichtsltarkeit) zu erhalten, auch das oberste jus
protectionis der Krone Böhmen über jene nicht anzutasten, überhaupt
in Religionssachen beider Konfessionen keine Neuerungen vorzu-
Litteratur. 349
nehmen, endlich die Stände bei ihren alten Rechten zw
lassen und nur mit ihrer Zustimmung Verfassungsän-
derungen zu bewirken. Diese letztere Bestimmung erscheint
als die wichtigste; sie bildet die „Gewähr der Oberlausitzer Ver-
fassung".
Wie sich auf Grund dieser Abmachungen die Verfassung der Ober-
lausitz in den beiden folgenden Jahrhunderten gestaltete, entwickelt
der zweite Paragraph. Das Verhältnis der Oberlausitz zu den übrigen
kursächsischen Landen läfst sich nicht durch einen modernen Begriff,
etwa durch den der Personalunion, bezeichnen; „unsere heutigen
logischen Konstruktionen des Staates versagen, wenn wir mit ihnen
diese Rechtszustände alter Zeit erfassen wollen." Die Person des
Herrschers war es, was das bunt zusammengesetzte Staatsgebilde
zusammenhielt; die Oberlausitz war ein Teil dieses Staatsgebildes
wie andere, sie wird gelegentlich geradezu als Provinz bezeichnet;
sicher darf sie nicht als ein Staat für sich augesehen werden. Aber
die Landesherrlichkeit war hier beschränkt namentlich durch weit-
gehende Rechte der Stände, deren Verfassung und Organisation ein-
gehend dargelegt wird. Was das Recht der Gesetzgebung anlangt,
so hat dies im allgemeinen der Markgraf, und lediglich bei ihm steht
es, bei welchen wichtigen Sachen er die Stände fragen will ; dagegen
müssen diese gefragt werden bei Verfassungsänderungen und haben
ferner ein weitgehendes Steuerbewilligungsrecht, das ja überall die
Wurzel des ständischen Einflusses bildet. Auch erlassen in imieren
Angelegenheiten die Landtage selbst gesetzliche Bestimmungen, die
nur ausnahmsweise der landesherrlichen Genehmigung bedürfen. Sehr
bedeutend ist der Einflufs der Stände auf Justiz und Verwaltung.
Zwar ist der Landvogt, der als Statthalter und Vertreter des Landes-
herrn die letzte Instanz bildete, ein durchaus landesherrlicher Beamter;
aber schon das neben ihm stehende Oberamt, die wichtigste kollegiale
I?ehörde der Oberlausitz, trägt einen fast rein ständischen Charakter.
Für die beiden Amtshauptleute haben die Stände das Vorschlags-
recht; auch die „Ämter" und „Hofgerichte" sind ständisch. Endlich
wird auch der mit der Wahrnehmung der landesherrlichen Finanzen
beauftragte Landeshauptmann nach dem Vorschlage der Stände ge-
wählt. — Bei Einführung der konstitutionellen Verfassung Sachsens
(1831) wurden Mittel und Wege gefunden, der Oberlausitz ihre Be-
sonderheiten zu erhalten. Immerhin bedeutet der Vertrag vom
17. November 1834 über „die durch Anwendung der Verfassung des
Königreiches Sachsen auf die Oberlausitz bedingte Modifikation der
Partieularverfassung dieser Provinz" die völlige Verschmelzung der
Oberlausitz mit Sachsen. Auf die vielerörterte Frage, ob die (Jber-
lehnsherrlichkeit Böhmens, die ja einer solchen Inkorporation im
Wege gestanden hätte, damals noch fortbestand, geht der hohe Ver-
fasser nicht näher ein; mit Recht bemerkt er, dafs sie so lange
keine praktische Bedeutung halte, als die Verbindung der Oberlausitz
mit den andern sächsischen Landen faktisch bestehe, und dafs vollends
seit dem Beitritt Sachsens zum norddeutschen Bunde von einer aus-
wärtigen Lehnsherrlichkeit über einen Teil Sachsens nicht mehr die
Rede sein könne.
Für die staatsrechtliche Praxis ist der zweite Teil der Schrift
ohne Zweifel noch wichtiger und interessanter als der erste. Er
stellt die heutige staatsrechtliche Stellung der Oberlausitz dar.
Die Grundlage derselben bilden die schon erwähnte Urkunde vom
17. Nov. 1834 und das unter demselben Datum genehmigte provinzial-
350 Litteratur.
ständische Statut. Diese beiden Fi;ndaraente der oberlausitzer Par-
tikularverfassung werden ihrem Hauptinhalte nach mit eingehendem
Verständnis und in höchst anregender Weise besprochen; was das
erstere anlangt, so waren vor allem die Bestimmungen über Gesetz-
gelmng, Behördenorganisation und Finanzen und die besonderen Ein-
richtungen der Oberlausitz zu behandeln, während an der Haud des
Statuts die Zusammensetzung der Provinzialstände, ihre Rechte und
deren Ausübung dargestellt werden. Ein folgender Abschnitt stellt
die Veränderungen zusammen, welche die Verfassung seitdem er-
fahren hat. Vor allem beachtenswert und vielleicht als Glanzpunkt
des ganzen Werkchens zu bezeichnen ist die scharfsinnige und
selbständige Ausführung ül)er die durch die Verfassung vom Jahre
1834 noch gewahrte Successionsordnung ; der hohe Verfasser vertritt
die Ansicht, dafs das oben erwähnte Wiedereinlösungs- und Heim-
fallsrecht Österreichs durch dessen in Art. 4 und 6 des Prager Friedens
enthaltenen stillschweigenden Verzicht als erloschen anzusehen sei;
auch die Succession der Descendenz der Töcliter Johann Georgs I.
(die beim Erlöschen des Mannesstammes der albertinischen Linie
eintreten würde), d..h. der Häuser Darmstadt, Eufsland und Olden-
burg, sei ohne eine Änderung der Reichsverfassung unmöglich, da sie
die Gründung eines besonderen Staats Oberlausitz voraussetzen
würde, während die Reichsverfassung nicht ausdrücklich, aber indirekt
die Mitgliederzahl von 25 Staaten als eine verfassungsrechtlich not-
wendige hinstelle. — In einem. „Schlufsfazit" giebt der hohe Verfasser
schliefslich nochmals einen Überblick über alle Eigentümlichkeiten
der oberlausitzischen Verfassimg und beantwortet dann die Frage,
unter welchen staatsrechtlichen Begriff ein Land falle, das eine solche
Sonderstellung einnehme •, das Ergebnis der weitausholenden und von
reifem Urteil zeugenden Ausführung, auf die wir im einzelnen nicht
näher eingehen können, ist, dafs die Oberlausitz lediglich als ein Teil
von Sachsen (nicht etwa als ein Staatswesen für sich) und zwar als
„eine mit Selbstverwaltungsbefugnissen ausgestattete Kommune", als
eine, wenn auch besonders bevorzugte „Provinz" anzusehen sei.
Möchte der hohe Herr Verfasser für die vaterländische Staats-
und Rechtsgeschichte auch fernerhin das nämliche Literesse und
das gleiche feine Verständnis bewahren, wie es das uns vorliegende
Schriftchen verrät, dem unter den juristischen Dissertationen der
Universität wie unter den neueren Arbeiten zur Geschichte der Ober-
lausitz ohne Frage eine Ehrenstelle gebührt.
Dresden. H. Ermisch.
Johann Hoffmann, der nachmalige Bischof Johann IV. von Meifsen.
Seine Wirksamkeit anden Universitäten Pragund Leipzig. Inaugural-
Dissertatiou der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig
zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt von Ricliard Becker.
Leipzig, Fock. 1891. 59 SS. S".
Unter den meifsnischen Bischöfen des 15. Jahrhunderts gehört
Johann IV. Hofihiann zu den thätigsten und geistig bedeutendsten ;
eine eingehendere Behandlung seines Lebens, für die Material genug
vorhanden ist, würde jedenfalls eine lohnende Aufgabe sein, da der
betreffende Abschnitt in Machatscheks Geschichte der Bischöfe des
Hochstifts Meifsen nicht als genügend gelten kann. Als Vorläufer
einer solchen Arbeit heifsen wir die vorliegende ansprechend ge-
Litteratur. 351
schriebene Dissertation willkommen; sie stellt die Nachrichten über
Hoffraanus Leben bis zu seiner Bischofswahl fleifsig und mit ver-
ständiger Kritik zusammen. Das Material war nicht allzu ergiebig;
immerhin gab es Gelegenheit, manchen oft nachgescluiebenen Irrtum
zu widerlegen. Für die Prager Zeit Hoffmanns boten dem Yerfasser
die in den Monumenta Univ. Prag, veröffentlichten Quellen genügende
Anhaltspunkte. Um 1394 hatte Hoffmann die Universität Prag be-
zogen und dort nacheinander die akademischen Grade des Bacca-
laureus, Licentiaten und Magisters der Artistenfakultät erlangt; 1408
war er Dekan derselben. Den Grad eines Doktor der Theologie hat
er sich in Prag nicht erworben. Für die Begründung eines Kollegs
der polnischen Nation erwarb er 1406 vom Kloster Grüssau das
Dorf Grofs-Tinz und eine Präbende an der KoUegiatkirche in Liegnitz ;
es hätte sich vielleicht gelohnt, hierfür auch in Schlesien nach urkund-
lichen Nachrichten Umschau zu halten, zumal jene Dotation auch
für die Geschichte der Universität Leipzig von Wichtigkeit ist:
erst die Stiftung des Collegium Beatae Virginis in Leipzig ver-
wirklichte den Plan Hoffmanns. Die Prager Vorgänge des Jahres
1409 und ihre Folge, die Begründung der Universität Leipzig, sind
oft behandelt worden; immerhin gelingt es dem Verfasser, auch in
dieser Hinsicht auf einige neue Gesichtspunkte hinzuweisen : er be-
streitet, dafs eine eigentliche Übersiedelung der Prager nach Leipzig
stattgefunden habe; vielmehr zerstreuten sich die Ausgewanderten
anfangs, um sich erst einige Monate später in Leipzig wieder zu-
sammenzufinden. Über den Auteil Hoffmanns an der Gründung der
Universität, der in der späteren Tradition eine gewisse Rolle spielt,
wissen die ältesten Quellen nichts zu berichten; um so mehr erfahren
wir über die segensreiche Thätigkeit, die Hoffmann in der Folge,
namentlich während seines Rektorats 1413/14, entfaltet hat. Er selbst
berichtet darüber im sog. „Rationarius fisci" des Universitätsarchivs,
in dem sich 4 Seiten von seiner Hand finden; was davon bisher noch
unbekannt war, druckt Becker im Anhange ab. Für die nächsten
Jahre ist namentlich die Begründung des Kollegs Unserer Lieben
Frau (1422) von Bedeutung. Schliefslich geht der Verfasser auf die
litterarische Thätigkeit Hoftmanns, namentlich auf seinen in mehreren
Handschriften erhaltenen „Tractatus contra communionem laicorum sub
utraque specie", in welchem er die hussitisch-wicleffitischen Lehren zu
widerlegen suchte, näher ein. Diese seine Stellung als Bekämpfer
der eben damals auch Meifsen bedrohenden Ketzer war es wohl haupt-
sächlich, was seine Wahl zum Bischof von Meifsen (6. Juni 1427)
veranlafst hat.
Dresden. H. Er misch.
Der Luxemburger Erb folgestreit iu deu Jalireu 1438— 1M3 von
Frit/ Richter. Trier, Fr. Lintz. 1889. 73 SS. 8».
Das Leben Herzog Wilhelms IIL von Sachsen war erfüllt von
kriegerischen Unternehmungen; am bekanntesten sind die Kämpfe mit
seinem Bruder Friedrich IL, Bachmarms Aufsatz und Hansens Ver-
öffentlichungen haben seinen Anteil an der Soester Fehde klar gelegt,
Richter behandelt nun in seiner Leipziger Doktordissertation die früheren
Kämpfe, an denen er seiner Jugend halber zwar nicht persönlich Teil
nahm, die aber doch in seinem Namen geführt wurden: die um den Be-
sitz Luxemburgs, worauf ihm die Mitgift seiner Gemahlin Anna ver-
352 Litter atur.
sclirieben war, der Tochter König Albreclits II. und der Elisabeth,
die als Tochter Siegmunds, des letzten Luxemburgers, darauf An-
spruch hatte. Luxemburg besass aber Elisabeth, die Tochter von
Siegmunds Bruder Johann von Görlitz , der es von Wenzel und
Siegmund pfandweise bis zur Bezahlung ihrer Mitgift überwiesen
war. Verfasser schildert sorgfältig alle Anstrengungen, die die
sächsische Feder und das sächsische Schwert machten, um trotz der
(iegenbestrebungen des Bui-gunderherzogs Philipp den Besitz des
Landes zu erlangen und zu behalten. Da aber aus dem wirtschaft-
lich ziemlich wertlosen Lande — die Mehrzahl der Einkünfte war
veräufsert — und auch aus den wettinischeu Erblandeu keine ge-
nügende Unterstützung zu beschaffen war, sah sich Wilhelm nach
vierjährigen Verhandlungen und Kämpfen, zumal im November. 1443
sein Hauptstützpunkt, die Stadt Luxemburg selbst, durch Über-
raschung in burgundische Hand gefallen war, im Dezember genötigt,
gegen eine Abfindungssumme das Herzogtum au Philipp zu über-
lassen. Als Lücke empfindet man , dafs R. keinen Versuch macht
zu erklären, wie es kommt, das sächsischerseits den mehrfach gar
nicht ungünstigen Bedingungen und Verpflichtungen für die beab-
sichtigte Besitzergreifung nicht Folge geleistet wurde. Die Schuld
liegt da nicht etwa in einer auffälligen Unpünktlichkeit oder Nach-
lässigkeit der sächsischen Fürsten, sondern in der finanziellen Un-
möglichkeit, die nötigen Summen rechtzeitig aufzubringen. Dies mit
einigen Austührungen zu begründen, wäre Pflicht des Verfassers
gewesen. Er hätte da hinweisen müssen auf die schweren Schädi-
gungen, welche die hussitischen Einfälle über die wettinischeu Lande
gebracht hatten, auf die nicht unbedeutenden Zahlungen, die 1440
von den Herzögen den Burggrafen von Meifsen als Entschädigung
für Frauenstein und andere Besitzungen nach vorausgehender Fehde
gezahlt waren, ferner auf ihr feindliches Verhältnis zu Brandenburg,
mit dem mehrfache Streitpunkte bestanden (wegen ihres Bruders,
des Bischofs Siegmund von Würzburg, und wegen ihrer Bestrebungen
nach Ausbreitung ihrer Herrschaft in der Niederlausitz); schlieislich
hatten sie 1442 auch noch Zwistigkeiten mit dem Grafen von Eein-
stein, die sie zu beträchtlichen Ausgaben für Sold und Ausrüstung
nötigten (s. Gesamtarchiv Weimar). Doch im allgemeinen ist die
Schrift als Beitrag zur mittelalterlichen sächsischen Geschichte mit
Freuden zu begrüfsen. Hoffentlich stellt der Verfasser auch die
späteren Beziehungen Wilhelms zu Luxemburg 1458 folg. dar,
die zwar von N. van Werveke behandelt sind, für die sich aber aus
Dresdner archivalischem Material noch mancher Aufschlufs gewinnen
läfst, wie Referent in einem kleinen Aufsatz in diesem Bande des
N. A. f. S. G. gezeigt hat.
Dresden. W o 1 d. L i p p e r t
Maxiiniliaus Wahl zum römischen Könige 1502. Mit besonderer
Berücksichtigung der Politik Kursachsens. Von Dr. Walter (xoetz.
Würzburg, Beckers Universitätsbuchdruckerei. 1891. 207 SS. 8'^.
Obgleich für die beiden Kurfürstentage von 1562 und 1575 schon
beachtenswerte Publikationen vorlagen, fehlte es bisher an Dar-
stellungen. Die neue Arbeit füllt daher eine empfindliche Lücke
aus, zumal sie nicht blos Aktenexzerpte reproduziert, sondern den
Stoft geistig verarbeitet", sie gehört zu den besten Abhandlungen,
Litteratur. 353
welche in den letzten Jahren ans Maurenhrechers reformations-
geschichtlicheiü Seminare hervorgegangen sinrl.
Goetz begnügt sich nicht mit einer Darstellnng des Kurfnrsten-
tags und seiner unmittelbaren Vorverhandlungen, sondern verfolgt
Maximilians Leben bis 1550 zurück. Denn gerade die Persönlichkeit
dieses Fürsten veileiht der Wahl ihre wesentliche Bedeutung. Aller-
dings verwirft G. die längst aufgegebene apologetische Tendenz
Rankes, und ich glaube, man kann in der Kritik des Mannes noch
erheblich weiter gehen als Götz und die neueren Historiker über-
haupt. Soweit meine bisherigen Studien ein abschliefsendes Urteil
gestatten, komme ich zur Annahme, dafs Maximilian unter seinem
Vater eine ähnliche Stellung erstrebte, wie sie dieser selbst während
der Regierung Karls V. einnahm; daran war 1555 und 1556 mehrfach
gedacht worden. Als Maximilians Hoffaungen sich nicht erfüllten,
entschädigte er sich durch ein Haschen nach Popularität und durch
U'igescheute Kritik. Hierdurch verstärkte sich seine schon seit den
Suocessionsplänen Philipps II vorhandene Neigung znm Protestan-
tismus oder richtiger zu einigen protestantischen Reichsständen, von
welchen er eine Befriedigung seiner Wünsche erwartete. Denn dieser
Annäherung lagen auf seiner Seite keine religiösen Motive zu Grunde ;
seine kirchliche Opposition ist nur ein Teil der Gegnerschaft, die
Maximilian gegen seinen Vater und., dessen Ratgeber überhaupt be-
obachtet hat und durch die er dem Arger über seine Zurücksetzung-
Luft machte. Als Kaiser hat er später nicht daran gedacht, die
betreffenden Minister zu entlassen oder die von ihm gerügten kirch-
lichen und politischen Verhältnisse zu ändern. Es blieb alles beim
alten, aufser dafs vielleicht die organisatorische und gesetzgeberische
Fruchtbarkeit, welche die Regierung Ferdinands auszeichnet, ufer-
losen Plänen wich.
Freilich die Intimität Maximilians mit den Protestanten gehörte
schon 1562 der Vergangenheit an. August von Sachsen war ein viel
zu nüchterner Politiker, um die Freundschaft mit dem Vater einer
unsicheren Zukunft zu opfern. Auch bedurfte er Ferdinands wegen
der weimarischen Herzöge und einer dänisch-österreichischen Heirats-
verbindung. Deshalb hütete er sich, auf die Intentionen Maximilians
weiter einzugehen, als sich mit seinen gegenwärtigen Interessen
vertrug. Andererseits befürchtete der Habsburger, durch eine allzu
protestantische Haltung seine Aussichten auf den Kaiserthron ein-
zubüfsen, und diese Rücksicht bestimmte ihn einzulenken.
Was die damaligen Kurfürsten betriftt, so erfahren wir über
Oie Geistlichen verhältnismäfsig wenig. Es ist dies einer der wenigen
Punkte der Arbeit, für die, wie icli glaube, durch eindringendes Studium
noch ein weiterer Fortschritt möglich ist. Goetz teilt uns nur auf
Grund der Bescheide, welche die Kurfürsten den kaiserlichen Ge-
sandten gaben, mit, dafs der Kölner sehr bereitwillig auf die Wahl
einging, dafs der Trierer sehr reserviert blieb, während der Mainzer
in der Mitte stand, im allgemeinen aber wohlwollte. Die Gründe
dieses verschiedenen Verhaltens scheinen mir noch nicht genügend
aufgeklärt. Alsdann berichtet uns Goetz, wesentlich auf Grund der
deutschen Religionsakten des Münchner Reichsarchivs, über die Ga-
rantieen, welche sicli die geistlichen Kurfürsten für die katholische
Haltung des Kandidaten zu verschaffen wulsten.
Die weltlichen Kurfürsten gingen in ihren Ansichten noch
Aveiter auseinander als die geistlichen. Der Hauptgegner Maximilians
war Kurfürst Friedrich von der Pfalz. Schon Ritter hat (in v. Webers
Neues Archiv f. S. 0. n. A, XIIT. .3. 4. 23
354 Litteratur.
Archiv für die Sächsische Geschichte Neue Folge V) darauf hin-
gewiesen , dafs derselbe ein Interregnum bezweckt hat. Auch
Goetz erwähnt S. 126 Anmerkung 3 diese Absicht des Pfälzers und
spricht im Texte derselben Seite von der reichsrechtlichen Bedeutung
einer Vakanz. Aher er verzeichnet beides nur als Gerücht, die
politische Konsequenz zieht wieder er noch Ritter. In Wahrheit
ist unter allen Kurfürsten Friedrich der am meisten zielhewuCste
und am deutlichsten erkennbare. Während seiner ganzen Regierung
ist er der entschiedenste Gegner der habsburgischen Pläne , nament-
lich der Türkeukontributioneu, in denen er eine Belastung der Stände
zu einseitigen Gunsten Österreichs erblickt. Andererseits scheut
er sich nicht, in seinem Gebiete die neue Lehre rücksichtslos durch-
zuführen und es auf Konflikte mit den benachbarten geistlichen
Fürsten ankommen zu lassen. Diese finden ihrerseits wieder beim
Kaiser ein geneigteres Entgegenkommen als der Pfälzer, der durch
seinen Anspruch auf allgemeine Religionsfreiheit aller Deutschen die
Existenz der katholischen Kirche im Reiche bedrohte. Alle diese
Gründe machten Friedrich zu einem Widersacher der österreichischen
Erbfolge. Dieses Ziel konnte er aber leichter erreichen, wenn erst
der Kaiserthron erledigt war. Denn dann wurden Sachsen und Pfalz
Reichsvikare, das Reich kam damit in protestantische Hände, am
Heidelberger Hofe wurde als höchster Gerichtshof für die Länder
fiänkischen Rechts ein Reichsvikariatsgericht errichtet, das in Zu-
sammensetzung und Rechtsprechung ganz von Friedrich abhing und
für die Beurteilung seiner Säkularisationen ein günstiges Präjudiz
schaffen konnte. W^enn erst alle diese Momente eingetreten gewesen
wären, dann hätten die geistlichen Kurfürsten sich für die pfälzischen
Pläne voraussichtlich gefügiger erwiesen, als jetzt während der Re-
gierung eines katholischen Kaisers.
Dafs Friedricli nicht durchdrang, war wesentlich die Wirksam-
keit Augusts und Joachims'). Auch zwischen diesen beiden besteht
noch insofern ein Unterschied, als ersterer eine mehr vorsichtig
abwartende Haltung eingenommen, der Brandenburger dagegen viel-
leicht auf Veranlassung seines Bruders, des Markgrafen Hans von
Küstrin, die Wahl Maximilians bei Ferdinand erst angeregt und
später nach Kräften befördert hat. Auch benutzten beide Kurfürsten
die Gelegenheit, um ihre mit einander vielfach konkurrierenden
Pi ivatanliegen vorzutragen. Aber im grofsen und ganzen gehen
Sachsen und Brandenburg zusammen. Zur Beleuchtung ihrer Politik
dient ein Aktenstück vom 18. Juni 1557 (Berliner Archiv X Dd.).
Damals berieten zu Dresden die sächsischen und brandenburgischen
Räte über die bevorstehende Resignation Karls V. und kamen zu
einem Vergleiche, welcher der Anlals zur Erneuerung der Kurfürsten-
einung geworden ist. Sie hielten die Berufung Ferdinands für not-
wendig, um der Rückkehr Karls und der Verwicklung des Reichs
in die spanischen Kriegshändel vorzubeugen; sie vei laugten ferner
die Verpflichtung des neuen Herrschers auf den Religions- und Land-
frieden. Die gleichen Gesichtspunkte haben August und Joachim
1562 bei der Wahl Maximilians beherrscht. Es galt den Ausschlufs
des Königs von Spanien und es galt die Wahl eines Mannes, der
*) Was ich über diese beiden hier sage, ist ein Auszug aus
den Goetzschen Ausführungen mit Ausnahme der Folgerungen, welche
ich an das Goetz uul)ekannte Berliner Aktenstück anknüpfe.
Litteratur. 355
für die Aufrechterluiltuiig des damaligen Zustandes und der Reform-
gesetze Garautieen bot.
Goetz bespricht dami die Haltung der Herzöge von Baiern nnd
\yürttemberg und des Landgrafen von Hessen. Doch kann ich mir
ein weiteres Eingehen auf seine Ergebnisse um so eher versagen,
als ich zu denselben voraussichtlich bald in eigenen litterarischen
Arbeiten Gelegenheit haben werde, Stellung zu nelimen.
Dresden. Gustav Wolf.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde.
Max, Herzog zu Sachsen. Die staatsrechtliche Stellung des König-
lich Sächsischen Markgrafentums Oberlausitz. Leipzig. (1892).
5 Bll. ()ü SS. 80.
Achilles, F. E. Die Einführung der Reformation in Leipzig : Phoebe
(Kalender und Jahrbuch des Diakonissenhauses in Dresden).
1890. S. 35-71.
Ärras, P. Das Mönchskloster zu Bautzen : Wöchentliche Beilage zu
den Bautzner Nachrichten. 1892. No. 29. S. 114-116.
Bachmann, Adolf. Urkundliche Nachträge zur Österreichisch-
deutschen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. (A. u.
d. T. : Fontes rerum Austriacarura. Zweite Abth. : Diploraataria
et Acta. XLVL Bd.) Wien, F. Tempsky (Komm.). 1892.
XXVIII, 50.3 SS. 8».
Baiimgärtel. Das Handwerk der Fleischer zu Bautzen: Wöchent-
liche Beilage zu den Bautzner Nachrichten. 1892. No. 14—19.
— Peter Preischwitz, der Verräter von Bautzen: elienda No. 30.
Bergmann, Alivin. Der Heilige des Meifsner Landes und sein
Tusculum [Briesnitzl: Über Berg und Thal. Jahrg. 15 (1892).
S. 275-277. >r, K ;
Blanckmeister, Franz. Kurfürstin Anna Sophie von Sachsen. Eine
lutherische Bekennerin : Phoebe (Kalender und Jahrbuch des Dia-
konissenhauses in Dresden). 1890. S. 140—156.
Bohnstedt, Kurt Geschichtliches der Stadt Treuen i. V. und der
Rittergüter Treuen ob. und unt. Teils aus dem XVI. und XVII.
Jahrhundert. Dargestellt auf Grund gutsherrlicher und kirch-
licher Aufzeichnungen aus der Zeit. (Treuen 1892.) 71 SS. 8".
Börner, B. Die Erziehungsanstalt für Soldatenkinder in Sachsen
im vorigen Jahrhunderte: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger
Zeitung. 1892. No. 41. S. 161f.
— Aus Sachsens Volksschulen im 18. Jahrhunderte: ebenda No. 109.
S. 433-^40.
Buchwald. Bilder aus der Reformationsgeschichte der Stadt Zwickau:
Phoebe (Kalender und Jahrbuch des Diakonissenhauses in Dresden).
1890. S. 83—99.
Collmann , K. F. Reufsische Geschichte. Erster Teil. Das Vogt-
land im Mittelalter. Greiz, E. Schlemm. 1892. VIII, 134 SS. 8«.
Distel, Th. Eine Taufe mit Milcli in Kursachsen vor 300 Jahren:
Deutsche Zeitschrift für Kirchenrecht Bd. I (1891). S. 408f.
23*
35G Litteratur.
Distel, Th. Falsches Aufgebot des eigenen A^aters dmcli einen
säclisischen Geistlichen (1829): ebenda Bd. II (1892). S. 105—107.
— Aus fünf theologischen Gutachten wegen eines ehebrecherischen
Pfarrers als 3Iotive zu der kuisächsischen Konstitution IV., 19.
Tom 21. April 1572 : ebenda S. 262-274
— Nachlese über die Neuberin: Vierteljahrsschrift für Litteratur-
geschichte V (1892). S. 50—53.
— Der kursächsische Bassist Johann Stunneck: Mouatshefte für
Musikgesclüchte XXIV (1892). S. 60.
— Etwas aus der kursächsischeu u. s. w. Jagdchronik : Weidmann
XXIII (1891/92). S. 214.
— Kurfürstliche Wildbretspenden für die Gräfin Cossell: ebenda
S. 226.
— Ein Jagdabenteuer bei Pillnitz (1723) und etwas über die Schiefs-
passion des Kurfürsten Friedrich August I. zu Sachsen: ebenda
S. .395 f.
— Grausamkeit gegen Hunde in Kiu'sachsen (1588 f): ebenda S. 396.
— Blautüfse in Kursachsen, zum Hasenfang abgerichtet: ebenda S. 396.
— Kaiser Joseph II. in Dresden (1766): Dresdner Anzeiger. 1892.
Xo. 150. S. 33.
— Das Grab der Tochter des Prinzen Xaver, Beatrix, und das
Wappen seines Sohnes, Josef: ebenda Xo. 168. S. 22.
— Eine Statue J. W. Gg. Behrens" in Dresden : ebenda No. 202. S. 20.
— Nachrichten über ein sächsisches Provinzialtheater (um 1798):
ebenda No. 228. S. 4. Vergl. Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger.
1892. No. 198.
— Zu dem [konfiszierten] Pasquille „Dämonion" auf Chemnitz (1798):
Chemnitzer Tageblatt und Anzeiger. 1892. No. 215. S. 10.
Falk, F. Der Unterricht des Volkes in den katechetischen Haupt-
stücken des Mittelalters. Markus von Weida [Leipziger Domi-
nikaner]: Histor. -politische Blätter für das kathol. Deutschland.
Bd. CVIII (1891). S. 682—689.
[Finck, Emil] Erzgebirgische Schulverhältnisse vor 50 — 60 Jahren:
Annaberger Woclienblatt. 1892. No. 29.
— Zwei hervorragende Annaberger Bürgerfamilieu. 1892. No. 69.
Fleischer, Ernst. Zur Baugeschichte der Gemälde-Galerie in Dres-
den. Vortrag, gehalten im Dresdner Architektenvereiu am 11. Nov.
1886. Dresden, v. Zahn & Jaensch. 1892. 19 SS. 8».
Floessel, Ernst. Zwei interessante kabbalistische Urkunden aus
den Tagen Augusts des Starken: Sphinx. XI, 63. S. 161—168.
Forster, W. Hussiten vor Budissiu: Wöchentliche Beilage zu den
Bautzner Nachrichten. 1892. No. 5. S. 19 f
Fritzsche, Rieh. Geschichte des Oschatzer Schulwesens von seinen
Anfängen bis Ende des 16. Jahrhunderts. Inaug.-Diss. Leipzig
1892. III, 70 SS. 80.
Gehmlich , Ernst. Aus der Geschichte des alten Marienberger
Lyceums : Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1892.
No. 103. S. 409-412.
Goetz, Walter. Maximilians IL Wahl zum römischen Könige 1562.
Mit besonderer Berücksichtigung der Politik Kursachseus. Würz-
burg 1891. 205 SS. 8».
Grauert, Herrn. Zur deutschen Kaisersage [Friedrich der Freidige
als Nachfolger der Staufer]: Histor. Jahrbuch der Görres-Gesell-
schaft. Bd. XIII (1892). S. 100 — 143 und Nachtrag: ebenda
S. 513 f.
Litteratiu". 357
Grohmann, Max. Das Obererzgebirge uml seine Hauptstadt Aiuia-
berg in Sage und Geschiclite. Heimatkiuidliches Lesebucli für
Scbule und Haus. Quellenmäfsig zusammengestellt. Annaberg,
Herrn. Graser. 1892. XVIII, 303 SS. 8».
H. Die älteste Rochlitzer Zeitung: Vereinigtes Woclienblatt für
Rochlitz u. s. w. 1892. No. 28.
Haebler , Konrad. Maria Josefa Amalia Herzogin zu Sachsen,
Königin von Spanien. Dresden, W. Baenscb. 1893. 4 BU.
247 SS. 8 ".
Helm, F. E. Geschichte des städtischen Volksschuhvesens in Leipzig.
Festschrift zum 100jährigen Jubiläum der Ratsfreisehule. Mit
Beigaben, die Geschichte der Ratsfreischule betreffend, und zwei
Holzschnitten. Leipzig, Brands tettei-. 1892. 179 SS. 8».
Heydenreich, Ed. Geschichte und Poesie des Freiberger Berg- \md
Hüttenwesens : Freiberg i./S., Graz & Gerlach (Joh. Stettner). 1892.
XIII, 180 SS. 8».
Hockauf Ä., Das Erbe Heinrichs von Schleinitz bei der Theilung
im Jahre 15W. Ein Beitrag zur Heimathskunde des Rumburger
polit. Bezirkes, sowie der benachbarten sächsischen Ortschaften
Seiflienuersdorf, Leutersdorf und Eibau: Mittheiluugen des Nord-
böhmischen Exciirsions- Clubs. Jahrg. 15 (1892). S. 268 — 272.
Jentsch, J. Ä. Der Name Lilienstein: Über Berg und Thal. Jahrg. 1.5
(1892). S. 277 f.
Klotz, Hermann. D. Veit Wolfrum, Superintendent zu Zwickau.
1593 — 1626. Eine Studie zur sächsischen Kirchengeschichte.
Zwickau, R. Zückler. 1892. 84 SS. 8".
Knothe, Herrn. Erwiderung auf den Aufsatz des Geh. Archivraths
Dr. von Mülverstedt über „Ein verschollenes Adelsgeschlecht der
Oberlausitz in Preufsen": Neues Lausitzisches Magazin.
Bd. LXVIII (1892). S. 50-61.
— Eine alte Löbauer Patrizierfamilie: AVöchentliche Beilage zu den
Bautzner Nachrichten. 1892. No. 20. S. 79 f.
Kreyenburg, Gotthold. Friedrich Myconius: Grenzboten. Jahrg. 51
(1892). No. 3. S. 114—127.
Kruschioitz, P. Drei steinerne Urkunden auf dem alten Kirchhofe zu
Bernstadt: Gebirgsfreund. Jahrg. IV (1892). S. 17— 19, 26 -28.
— AVahlsprüche und goldene Worte sächsischer Fürsten: Wöchent-
liche Beilage zu den Bautzner Nachrichten. 1892. No. 7.
S. 26—28.
Laue, M. Sachsen und Thüringen: Jahresbericht der Geschichts-
wissenschaft im Auftrage der Historischen Gesellschaft zu Berlin
herausgegeben von J. Jastrow. XII. Jahrg. 1889. (Berlin, Gärtner.
1891.) II. S. 305—329. XIII. Jahrg. 1890 (ebenda 1892). IL
S. 227—245.
Leo, Richard. Naturhistorisches und Historisches vom Bad Schweizer-
mühle und vom Bielathale der sächsischen Schweiz. Dresden,
Weiske. 1892. 84 SS. u. 2 Karten. 8».
Leßke, Friedr. Aug. Beiträge zur Geschichte und Beschreibung
des Plauenschen Grundes. Lfg. 1—4. Dresden u. Leipzig, Wiih.
Reuter (Komm.). 1892. S. 1-128. 8".
TÄlie, Moritz. Clu'onik der die Parochie Kötzschenbroda bildenden
Löfsnitzortschaften , Kötzschenbroda, Niederlöfsnitz , Naundorf,
Zitzschewig und Lindenau mit besonderer Berücksichtigung der
Hoflöfsuitz und Nachbarorte. Lfg. 1. Dresden, C. Höckner (Komm.).
1892. S. 1—24. 8«.
358 Litteratur.
Lwdncr , Paul. Geschichte iler .Schützengesellschaft zu Nosseii.
Eine Festschrift zu Anw am 25. .Juli 1892 stattiindenden HOjährigen
Eahnenjuhiläum , verbunden u)it EinAveihung des neuen .Schiefs-
hauses. Nossen. (1892.) 62 SS. 8".
Liiuße, A. Der .Streittag, ein Bergfeiertag der Freilierger Knapp-
schaft: Wissenschaftliehe Beilage der Leipziger Zeitung. 1892.
No. 87. .S. .H45f.
Lijipert, Wohl. Zur Geschichte Kaiser Ludwigs des Baiern: Mit-
theilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung.
Bd. Xlll (1892). S. .^^87-618.
Löschhorn. Unglücksfall des Wahrener Pfarrer.s M. Hörnig im Jahre
1686: Sächsisches Kirchen- und Schulblatt. 1892. Sp. 102 f.
/Lungwitz, H.J Der Greifensteiu zu Ehrenfriedersdorf und seine
.Sagen. IL verm. u. verhess. Aufl. Ehrenfriedersdorf 1892.
20 SS. S'\
— Die Binge auf dem Geyei'sherge bei Geyer : Annaberger Wochen-
blatt. 1892. No. 22.
— Die lange .Schicht zu Ehrenfriedersdorf: ebenda No. 142 f.
— Das Denkmal in Timm: ebenda No. 187.
M. Eine Hochzeit ohne Braut [aus dem Liebenauer Traubuch 1654] :
Sächsisches Kirchen- und Schulblatt. 1892. Sp 66 f.
Mangner, Eduard, Die Inquisition in der Leipziger Ratsfreischule.
Ein Beitrag zur deutschen Schulgeschichte. Mit den Bilduissen
der Direktoren Plato und Dolz. Zur Feier des hundertjährigen
Bestehens der Anstalt. (Schriften des Vereins für die (ieschichte
Leipzigs Bd. IV.) Leipzig, Klinckhai'dt. 1892. XII, 251 SS. 8".
Merke/. Die Schlacht.steuer uud die Ubergangsabgabe von Fleisch-
werk im Köuigreiche Sachsen sonst und jetzt. Eine syste-
matische Zusammenstellung der früher und jetzt darülier gel-
tenden gesetzlichen und reglementären Bestimmungen. Leipzig,
Rofsberg. 1892. 80 SS. 8».
Müller, Gustav. Ein .Schreckensmorgen [Pulverexplosion zu Dresden
27. Juni 1814]: Dresdner Anzeiger. 1892 No. 108.
Needon, B. Mittelalterliche .Spitznamen: Wissenschaftliche Beilage
der Leipziger Zeitung. 1892. No. 97. S .385f.
Niessen , Willi. Das Liederbuch des Leipziger .Studenten Clodius:
Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft. Jahrg. 7 (1891). S. 579
bis 658.
Opitz, Walter. Die Schlacht bei Breitenfeld am 17. September 1631.
Leipzig, A. Deichertsche Yerlagsbuchh. Nachf. (Georg Böhme).
1892. 116 SS. 8» u. 2 Pläne.
Pfau, C. Rochlitzer Begräbnisstätten: Vereinigtes Wochenblatt
für Rochlitz u. s. w. 1891. No. 86—90.
— Ein Streit der Rochlitzer .Steinmetzen: ebenda No. 94 f.
— Rochlitzer Ausgrabungen: ebenda No. 118.
— Alte Merksteine: ebenda No. 1.33 f.
— Eine Jahresrechnuug der .Seelitzer Kirche von 1501 : ebenda 1892.
No. 50.
— Aus der Zunftzeit: ebenda No. 56.
Pfufz, R. Reinhardtsdorf und Krippen während des 30jährigen
Krieges: Über Berg und Thal. Organ des Gebirgsvereins für
die sächsische Schweiz. Jahrg. 15 (1892). No. 4. S. 2.39 f.
Reindell, Wilh. Dr. Wenzeslaus Linck aus Colditz 1483 — 1.547.
Nach ungedruckten und gedruckten Quellen. Erster Teil: Bis
zur reformatorischen Thätigkeit in Altenburg. Mit Bildnis und
Litteratur. 359
eiiieni Anhang entlialteud die zugehörigen Documenta Linckiana
1485— lö^ije. Marburg, Ehrhardt/ 189-^. XIV, k!90 SS. 8">.
Richter. Cabinctsminister Graf Detlev von Einsiedel. I. Teil:
Phoebe (Kalender und Jahrbuch des Diakonissenhauses in Dres-
den). 1890. S. 99—114.
— Dasselbe II. Theil: Kleine Chronik der evang. - luther. Diako-
nissen-Anstalt zu Dresden. Jahrg. 15 (1890). 3 Viertelj. S. 1
bis 3. 4. Viertelj. S. 1—5. Jahrg. 16 (1891). 1. Viertelj. S 1-8.
3. Viertelj. S. 4—7. 4. Viertelj. S. 2-4.
Eichtet; P.E. J.U.Königs Gevatterbriefe: Vierteljahrsschrift für
Litteraturgeschichte Bd. V (1892). S. 332-334.
Scheuffier. Bautzen und seine Kirchen : Kleine Chronik der evang.-
luther. Diakonissen-Anstalt zu Dresden. Jahrg. 16. 2. Viertelj.
S. 1-6. 3. Viertelj. S. 1-4. 4. Viertelj. S. 4-6. Jahrg. 17 (1892).
1. Viertelj. S. 2-4. 2. Viertelj. S. 2—4.
Schmidt, Bcrth. Urkuudeubuch der Vögte von Weida,_Gera und
Plauen sowie ihrer Hausklöster Mildenfurth, Cronschwitz, Weida
und z. h. Kreuz bei Saalburg. II. Band. 1357 — 1427. Namens
des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde her-
ausgegeben. (A. u. d. T. : Thüringische Geschichtsquellen. II. Bd.
Der ganzen Folge V. Bd. 2. Teil). Jena, Fischer. 1892. IX,
736 SS. 8».
Schmidt, Beinhold. Der theure Christian [ein Wegebaudenkmal
des 17. Jahrh. bei Zörbig]. Eine Erinnerung an Herzog Christian I.
von Sachsen- Merseburg zu dessen 200 jährigem Todestage: Hallische
Zeitung. 1891. No. 1.35. (Auch Beil. zum Zörbiger Boten. 1891. No.l23.)
Schneider, E. G. Paul. Die Geschichte der Schule zu Nossen.
Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Schulen in den kleineren
und mittleren Städten Sachsens. Eine Festscluift zur Feier der
Einweihung des Nossener neuen Bürgersclmlgebäudes. Nossen,
Hensel. (1892). 70 SS. 8».
Schönefeld, G. Aus den ersten Jahrzehnten der sächsischen Staats-
post: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1892.
No. 102. S. 405-408.
Schröter, Gotth. Groitzsch sonst und jetzt. Historisch - statistische
Beschreibung der Stadt Groitzsch mit einem Berichte über den
Stand und die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten speciell
in den Jahren 1889, 1890 und 1891. Auf Grund amtlicher Unter-
lagen bearbeitet. Mit einer Zeichnung : Groitzsch ums Jahr
1628 und einem Stadtplane vom Jahre 1892. Groitzsch, Beirich.
1892. IV, 246. SS. 8".
Schulze. Kurze Übersicht über die Ortsgeschichte von Naunhof.
Naunhof, Christoph. (1891.) 35 SS. 8«.
Schurig, E. Der Dresdner Jägerhof als Kaserne: Der Kamerad.
Jahrg. 30 (1892). No. 33. S. 4f. No. 34. S. 4f.
Schiverdtner, Ernst. Das Seminar zu Annaberg nach seiner Begrün-
dung und Entwickelung. Festschrift ziu- Feier des fünfzigjährigen
Bestehens der Anstalt. Mit einem Anhange über die ehemaligen
Privatsemiuare zu Mildenau, Grumbach und Wiesa bei Anna-
berg. Annaberg. 1892. X, 276 SS. 8«.
Spe. Der Name Oybin: Gebirgsfreund. Jahrg. IV (1892). S. 13f.
Stöckhardt, E. Nachrichten über das Geschlecht derer von Dam-
nitz mit besonderer Berücksichtigung der in der Lausitz ansässig
gewesenen oder geborenen Glieder dieses Geschlechtes: Neues
Lausitz. Magazin Bd. LXVIII (1892). S. 75-84.
360 Lilteratur.
Thomas, E. Alte Ostergebräiiclie der Oberlansitz: Gebirgsfreuud.
Jahrg. IV (1892). S. 85 f.
Woermann, Karl. Katalog der Köiiiglichen Gemäldegallerie zu
Dresden. Herausgegeben von der Generaldirektion der König-
lichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft. Grofse Aus-
gabe. 2. verm u. verbess. Auflage. Dresden. 1892. XXXII,
91.5 SS. 80.
Wolff, B. Zur Geschichte der Stadt Zittau im 14. Jahrhundert.
Beilage zum Jahresbericht des Gymnasiums zu Zittau. Zittau.
1892. .38 SS. 40.
Ein merkwürdiger Grabstein [auf dem Kirchhof zu Weigsdorf i. S.] :
Gebirgsfreuud. Jahrg. IV (1892). S. 118f.
Georg der Reiche oder der Bärtige, Herzog zu Sachsen: St. Benno-
Kalender. 1892. S. 4H.
Herzogin Sidonie, Gemahlin Albrechts des Beherzten: ebenda
S. 47-68.
Von Mineralien , Bergwerken und Gesundbrunnen in unserer Ober-
lausitz: Wöchentliche Beilage der Bautzner Nachrichten 1892.
No. 27. S. 106—108.
Dresdner Geschichtsblätfer , herausgegeben vom Verein für Ge-
schichte Dresdens. I. Jahrg. 1892. No. 1. 2. Dresden, W. Baeusch,
S. 1-32. 40.
Inhalt: Otto Richter, Dresdens Strafsen und Plätze. Der-
selbe, Der Abschiedsbrief des letzten mittelalterlichen Pfarrers
von Dresden. Derselbe, Merkwürdige Häuser. I. Altuiarkt No. 15.
(Goldner Ring). — Paul Rachel, Das Dresdner Landwehr-
bataillou 181.3/14. 0. Richter, Die Stadtgreuze bei Räcknitz.
F. Blanckmeis ter, Zinzendorf in Dresden.
MUieilunqen des Vereins für Geschichte Dresdens. Zehntes Heft.
Dresden, W Baeusch. 1892. 1.34 SS. 8".
Inhalt : G. B u c h w a 1 d , Dresdner Briefe 1625—1670. Ein Bild
faus dem Dresdner Leben im 17. .Jahrhundert. G.Beutel, Aus
' den Reisetagebüchern almosensammelnder Dresdner Bürger nach
dem Brande von Altendresden im Jahre 1685.
ßegister.
Acht s. Verzähluug.
Adam vou Bremen 293.
Adolf (v. Anhalt), Bischof von
Mersebnrg 303.
Aeueas Sj'lvius 298.
Agnes, Gem. Herzog Joh. Friedr.
d. Mittleren 339.
Agricola (Eisleben), Joh., brauden-
burg. Hofprediger 207. 216.
Alba, Herzog von 198.
Albert v. Stade, Anuales 293.
Albertus Magnus 307.
Albrecht, Herzog von Sachsen 50.
88. 115. .302.
— (II.), Herzog von Bayern 115.
— (V.), Herzog von Bayern 197.
— (Achilles), Markgraf vou Bran-
denburg 112. 114 f.
— Erzliischof vou Magdeburg und
Mainz 302. 308.
Alexander IV., Papst 300.
Alnpeck, Jörg 36,
Altfridi Vita Liudgeri 294.
Altzelle 101 f 213 ff.
Amalie, T. Friedr. II. v. Sachsen,
Gem. Ludwig d. Pteichen von
Bayern-Landshut 115.
Andechs, Bened.-Kloster 285. 298.
Andreas IL, König von Ungarn 96.
Anhalt s. Adolf, Georg, Moritz.
Anna, Gem. Wilhelms III. von
Sachsen 108 f. 113 ff'. .3511.
— Tochter Friedrichs I. von Sach-
sen, Gem. Ludwigs I. von
Hessen 115.
— Tochter Friedrichs IL von
Sachsen, Gem. Albrechts vou
Brandenburg 115.
Anna, Gem. des Kurfürsten August
323. 338 f.
Anna Marie, Herzogin von Würt-
temberg 324.
Anna Sophia,Gem.Joh.Georgs III.
vou Sachsen 231.
Annaberg 146. .302. 327.
Annales Magdeburgenses 292.
— S. Petri Erphesfurd. 295.
Anualista Saxo 291.
Anonymi bist, de landgraviis
Tiiuringiae 295.
— Chron. Wii'ceburgense 297.
Antonius Floreutiuus 299.
Antwerpen 330.
Apolda s. Dietrich.
Arnold von Lübeck, Chron. Slavo-
rum 292.
Arnold, Georg, Verf. einer Bio-
graphie des Kurf. Moritz 127.
Ascharmo (?), preufs. General 148.
Auerbach i. V. 146.
Augsbmg 134. 303. Reichstag
197 ff;
August, Kurfürst von Sachsen
90. 128. 191. 197. 205. 322 ff'.
— Administrator des Erzstifts
Magdeburg 133.
Augustinus .301.
Aviguon 315.
Baden i. d. Schweiz 253.
Balthasar, Landgraf von Thürin-
gen 72. 114.
Bamberg 121.
Baptista Mantuauus 287.
Barbara (von Hessen),Gem. Herzog
Georgs vou Württemberg 324.
362
Register.
Basel 225 f. 234. 23(3 ff. 300.
Bassandi, Job., Provinzial der
Cölestiner 315 ff.
Baumoärtel, Nicol., Franciscaner
99 f.
Bautzen 847.
Bayern s. Albreclit, Amalie, Lud-
"wig.
Benedikt XII., Papst 300.
Benedikt I.,Al)t zuBosau 282ff.302.
Benediktinerorden 305 f.
Bei'gban 62 ff. s. Kippersberg,
Kürscbenberg , Eotes Kreuz,
Siebenlebu.
Berka v. d. Duba, Hinko (IL),
auf Hohnstein 180 ff. 187.
Bern 226 f. 234. 23fift'. 243. 245 ff.
Bernhard, der heilige 301.
Bertbelsdorf Itei Freiberg 45.
Bieberstein bei Freiberg 45.
Bischoff, Job., Pfarrer zu Schnee-
berg 92 f.
Bobersberg, Prior des Klosters
Oybin 317 ff'.
Blus, Martin, Goldschmied 134.
Bobritzsch bei Freibei'g 45.
Böliinen 145 ff', s. a. (leorg, Jo-
hann, Ladislaus, (Jttokar.
Bologna, Konzil 200.
Bonifaeius IX., Papst 307.
V. Bonstetten, Wolfgang, Haupt-
mann 252.
Boriscb, Martin, Goldschmied 135.
Borna 327.
Börner, Barthol., Goldschmied 135.
Bosau, Kloster 279. 281 ff'. 289 f.
302. 306.
V. Böse, Chrph. Dietr., Kammer-
direktor 129. 260. 263 f. 273.
Böse, Kaspar und Paul, Gold-
schmiede 135.
Botho, Sachsenchronik 292. 304.
Botza, Michael, Goldschmied 135.
Brandenburg, Mark 287 siehe auch
Albrecht, Anna, Elisabeth
Magdalene, Emilia, Friedrich,
Joachim, Johann, Johann Ge-
org, Katharina, Margarete.
Brandt v. Lindau, Oberstlieute-
naut 276.
Brant, Seb. 283. 285. 288. 302. 307.
V. Braiuie, Österreich. General-
feldraarschall 148.
Braunschweig siehe Ferdinand,
Sidonie.
Bräunsdorf bei Freiberg 45.
Bredtschneider, Daniel, Maler
335 f. 340.
Brehme, Christian, Bililiothekar,
dann Bürgermeister in Dresden
126. 128 f.
Breslau 134.
Bi'uno, De hello Saxon. 292.
Brüx 74.
Buchholz 14(5.
Buchner, August, Professor in
Wittenberg 120. 122. 126. 128,
— Paul, Zeugmeister 338.
Bucer 216.
Budin in Böhmen 147.
Bulacher, Lux, Schweizergardist
240. 246. 256.
Burgund s. Karl, Philipp.
Burkersdorf i. d. Oberlausitz 177;
Burkhai-d, J. Jakob, Ratsherr in
Basel 245.
Bursfelder Kongregation 290. 296.
300. 306.
Camerarius, Joachim 196.
Campanus, Bischof von Terni 288
Cautiprati, Thomae, bonum uni-
versale 299.
Capricornus, Samuel, Komponist
106.
V. Carlowitz, Chrph. 209. 216.
— Georg 214.
de Cassia, Simon 301.
Chemnitz 11. 14. 50. 99 f. 284.
327 f.
de Chora, Ambrosius, General des
Au.gustinerordens 301.
Christian I., Kurfiirst von Sach-
sen 339.
— Herzog von Sachsen -Merse-
burg 123.
Christina, Königin von Schweden
343 f.
Christof, Herzog von Württem-
berg 323 f.
Chro, Johann, Kiipferstecber 340.
Chronicon episcoporum Mersebur-
gensiinn 291.
— montis Sereni 295.
— Sampetrinum 295.
— Terrae Misn. 295.
V. Claufsbruch , Heinrich , gen.
Kramer, in Leipzig 342.
V. Clerf, Friedrich 109.
Clingsor von Ungarn 96.
Kecister.
363
CIoflius,M , Rektorin Zwickau 145.
Cluny 301.
Coclilaeus 29.'5.
Colditz 333.
Colmnitz bei Freiberg 45.
Compilatio chronologica 293.
Corviims, Val., Komponist loii.
Creqiiilo, Thomas, Komponist lUli.
Cronscliwitz, Kloster 290.
Cuspiuianus, Jo. 298.
Czumpelzainer, Adam, Komponist
106.
Dedekind , Euricius , Komponist
lOB.
— Hofpoet 124.
Demantius, Chrph.. Domkantor in
Freiberg 119.
Detersbach s. v. a. Uybin 321 f.
Deutsebenbora bei Nossen 46.
V. Diesbaeb, Hubert 223.
Dietricb, Erzbischof von Magde-
burg 291.
— III., Biscliof V.Naumburg 302.
Dietrieh von Apolda 95 ff'.
Dittelsdorf i. d. Oberlausitz 177.
Dominikanerorden 307 f.
V. Donvn, Wentseh, auf Tschocha
18H.
Doppert, Job., Rektor in Schnee-
berg 107.
Dornbennersdorf in der Überlau-
sitz 177.
Dresden 3. 11. 100. 122 ff. 132. 147.
— Kreuzschule 346 f.
Dulichius, Phil., Komponist 106.
Durso bei Prag 147.
Dux 71. 146.
Eberspach s. v. a. Oybiu (?) 322.
Eckenstein, Kaspar, Musterschrei-
ber 240 f. 251. 255.
Eger 111. 145 f.
Eisenach 96.
Elisabeth , Landgräfin von Thü-
i'ingen 95 ff'.
— Gem. des Kurfürsten Ernst
von Sachsen 115.
Elisabeth Magdalene, Markgräfiu
von Brandenbui'g 339.
Elise (von AVürttemberg) . Gem.
des Grafen Georg Ernst zu
Henueljerg 324.
Elphede monasterium 97.
Elterlein 146.
Emanuel, König v. Portugal 301.
Emanuel Philibert, Herzog von
Savoyen 202.
Emilia, Markgräfin von Branden-
burg-Baircuth 324.
Emser, Ifieron. 296.
Ensishcim, Friede von 221.
Erasmus v. Rotterdam 301. 309.
Erbisdorf bei Freiberg 45.
Erfurt 206. 285. 295.
Erphurdianus antir|uitatum vari-
loquus 295.
V. Erlach, Lieut. der Schweizer-
garde 260. 263. 266. 268.
Ernst, Kurfürst von Sachsen 50.
88. 115. .302.
— Erzbischof v. Magdeburg 302.
Escher, Haus Georg, Unterschrei-
ber in Züricli 249.
— Hans Heinrich, Kommandeur
des Leibregiments 268. 277.
— (vom Luchs), .Toh.Casp., Lieute-
nant der Schweizergarde 227.
230. 2.32 f. 236 ff.
de Escobar, Andreas 93.
Fachs, Dr., kursächs. Rat 209.
Falkeuberg bei Freiberg 45.
Falkenstein im Vogtland 146.
Fäsch, Jerem., Oberwachtmeister
231. 246.
Faustus, Job., in Börlen 118.
Ferdinand I., König 193. 197.
203. 207 ff'.
— Prinz von Braunschweig 145.
Fischer, Beat, Landvogt 264.
Flach,Hans, Goldschmied iuChem-
nitz 136.
Forinus, Ant., Komponist 106.
Franciscus von Zittau, Prior in
Dürkheim 316.
Franck, Melchior, Komponist 106.
Franckenstein, Paul, Dr., Stadt-
richter in Leipzig 3?6.
Frankenstein 63.
Frankreich 221. 315 ff. siehe auch
.lohanu, Karl, Ludwig.
Franziskaner 142 ff'.
Frauenstein 4.
Freiberg 1 ff'. 100. 106. 118 ff'.
132. 338. 340. Frauenbaus
58 f 70. 82. Weinhaus .58 f.
Friedland in Böhmen 178.
Friedrich (d. Freidige), Markgraf
von Meifsen 40.
364
Register.
Friecb-ic]i (d. Streitbare), Mark-
graf von Meifseii 102.
— (11-), Kurfürst von .Sachsen
113. 115.
— (d. Weise), Kurfürst v. Sachsen
302. .30.5.
— (III.), Kaiser 302. .305.
— (II.), Kurfürst von Branden-
burg 115.
— (III.), Kurfürst von Branden-
burg 224. 230.
— (d. Siegreiche), Kmfürst von
der Pfalz 303.
— (II.), Kurfürst von der Pfalz
200. 207 ff.
— (IL), König von Preufsen 145 ff.
Friedrich Wilhehn, Herzog von
Sachsen-Altenburg 123.
Friedrich, Mich., Goldschmied 136.
Friesland 303.
Gabriel, Job., Komponist 106.
Gardanus, Job., Komponist lOH.
Garzo, Job., Bononiensis 296.
Gastritz, Matthias, Komi)ouist 106.
Geller, Ernst, Dichter 124.
Gentsch (Beutsch?), Andr., Kunst-
stecher 136.
Georg, Herzog zu Sachsen 36.
229. 303. 326.
— Fürst von Anhalt, Koadjator
V.Merseburg 189. 191. 197. 216.
— (von Podiebrad), König von
Böhmen 109. 111. 113 ff.
— Herzog von AVürttemberg 324.
— Abt von Pegau 30.3.
Gerracli,Wenzel, Goldschmied 136.
v. Gersdorf, Heinrich 196.
Gerson. Job., Kanzler derUniversi-
tät Paris 301. 316 f.
Gertrud, Gem. des König Andreas
von Ungarn 96.
Ge.sta archiepiscop. Magdeburg.
291.
— comitum de Audecbs 298.
V. Girbardsdorf, Hans, Heintze-
maun und Fredemann 320.
— Margaretlie 320.
Göppert, Anna, Goldschmieds-
witwe 136.
— Mich., Goldschmied 137.
Görlitz 178 ff. s. a. Johann.
Goseck, Kloster 290.
Gottfried von Viterbo 298.
Gottsched 123.
V. Graffenried 252.
Graupen 46.
Gregor L, Papst 104.
— IX., Papst 97.
— X., Papst 300.
Greich, Peter, in Freiberg 53.
Grilleiiburg. Schlofs 322 f.
Giimma 4. 100.
Groningen in Vogtland 28.5. 302.
Grofshartmannsdorf b. Freiberg 45.
Gueinz, Christ., ßektor in Halle
119.
Häbler, Jobann, Komponist 106.
V. Hakeuborn, Hans, auf Priebus
182 ff. 186.
Hallierstadt 285.
Halle 46. 74. 119 f. 132. 205.
Grafengeding 205.
Ham1iurgl22. 1.34.
Haumierschmidt, Andreas, Kom-
ponist 106.
Händel, Jakob 106.
Härder , Konrad , Ratsschreiber
zu Basel 245.
Hartraaun, Heinrich 106.
V. Haugwitz , Friedrich Adolf,
-Überhofmarschall 266. 273 ff.
Hedwig (v. Württemberg), Gem.
des Landgrafen Ludwig IV.
von Hessen 324.
Heerfahrtspflicht 70 f.
Heinrich (d. Erlauchte), Markgraf
von Meilsen 68. 86.
— (d. Fromme), Herzog v. Sachsen
88 f. 191.
— L, König 310.
— IL, Kaiser 310.
— III , Kaiser 304.
— VI., Kaiser 96.
— Herzog von Bayern 304.
— III., Landgraf V. Hessen 11.5.
— I , Bischof von Naumburg .302.
Heiding, Mich., Weihbiscbof von
Mainz 207.
Heller, Claus, Ratsherr zu Görlitz
184.
Helmold, Chron. Slavorum 292.
Hempel, Mich., Rektor zu Frei-
berg 119.
Henneberg s. Elise.
Henricus de Hervordia 294.
Hermann, L andgraf vonThüriugen
96.
— IL, Abt von Bosau 307.
Eegister.
365
Herniauii, Audi-., Lieutenant l)ei
der Scliweizergarde 250 f.
Herneifsen,Joh., Goldschmied 137.
Herpol, Homer. Komponist 106.
Herwigsdorf bei Zittau 320.
Hessen 115 s. a. Anna, Hedwig,
Heinrich, Ludwig, Moritz,
Philipp.
Heusch, Gerhard, in Hamburg 134.
Hieronj'mus 301.
Hilbersdorf bei Freiberg 45.
Hildebert, Erzbisch, v. Tours 288.
Hinko, Herzog von Münsterberg
Ulf.
Hirschfeld bei Nossen 46.
Hirsehfelde a. d. Neiße 177 ff.
Hoftmann, Job. 350 f.
Hohenzollern, Haus 303.
Hohnstein 187.
Holstein, Prinz 148.
V. Hülle , Anselm . niederländ.
Maler 141.
Hufs 307.
Hussiteu 62. 71. 83. 303. 316 ff.
346.
Jena 121.
Jenitz, Hans, kurfürstl. Sekretär
323. 339. '
Im Hoff 252. 264.
Lmocenz IV., Papst 300.
Joachim II., Kurfürst von Bran-
denburg 197. 200. 210. 216.
Job, Kastenknecht in Zwickau
144 f.
Jocowitz in Böhmen 147.
Johann (d. Beständige), Kurfürst
von Sachsen 302.
Johann, König von Böhmen 178.
— König von Frankreich 114.
— (Cicero), Kurfürst von Branden-
burg 108. 112. 115.
— Markgraf von Brandenburg-
Küstrin 213. 219.
— Herzog von Görlitz 179 f.
— XXII., Papst 308.
— IV. , Bischof von Meissen s.
Hoffinann.
— VIIL, Bischof V. Meifsen 205.
— I., Bischof von Naumburg 308.
— IL, Bischof von Naumburg 289.
— IIL, Bisch. vonNaumbm-g 286.
— Abt von Bosau (Pegau) 302.
Johann Kasimir, Pfalzgraf bei
Rhein 224.
.lohaun Friedricli, Kuifürst von
Sachsen 188 ff. 337 f.
d. Mittl., Herzog von Sach-
sen 339.
Johann Georg I. , Kurfüi'st von
Sachsen 118 120. 122 f. 129.
133«'. 224 ff.
IL, Kurfürst von Sachsen
121 129. 224 if.
IIL. Kurfürst von Sachsen
128 f. 231. 259 ff.
Kurfüi-st von Brandenburg
197. 339.
Johannes, Abt zu Cisterz 102.
— von Frankreich, Cölestiner 316.
Jost, Markgraf von Mähren 180 if.
Isaak, Heim-., Komponist 106.
Isenach, Johann de 288 f.
Julius IL, Papst 223. 302.
Karl IV., Kaiser 179. 315. 319.
321.
— V., Kaiser 188 ff.
— Herzog von Burgund 222.
— VII., König von Frankreich
108 ff. 221.
— (V. Berry), Sohn Karls VII.
110 f. 113 ff.
— III.,Herzog von Savoyeu 201t.
Karl Ludwig, Kurfürst von der
Pfalz 232.
Karlstadt 302. 309.
Katharina, Tochter Kurf Friedr. I.
von Sachsen, Gemahlin Kurf.
Friedr. IL V.Brandenburg 115.
— Tochter Herzog Wilhelms IIL
von Sachsen, Gem. des Her-
zogs Hinko von Münsterberg
Ulf. 115 f.
Kanxdorf, Andr , Goldschmied in
Leipzig 137.
Kellerthaler , Dan. und Friedr.,
Goldschmiede 137.
Kippersberg 63.
Kitzkatz, Rupr. Nikol. , Münz-
eisenschneider 137.
Klemm, Samuel, Goldschmied 137.
Klostermansfeld 285.
Kuobeloch, preufs. General 148.
Koblenz 112 f. 115.
Koburger, Valentin, Kantor 105 f.
Koch, Veit, Goldschmied in Bres-
lau 140.
Kohl, Balth. David 348 f.
V. Komerstadt, Georg, Dr. 337.
36G
Register.
V. Komerstadt, Hieron., Dr., kur-
sächs.Rat 197. 209. 213 f. 216.
Kommotaii 146.
V. Künneritz, Asmus 196.
Konrad II., Kaiser 287. 289,
— von Marburg 97.
Konstanz, ewigerFriede (^1475) 222.
V. Kospoth, Jnstus 13.5.
V. Kotbus, .Jobauu 182.
Krakau, Univ. 281.
Kramer, Heinr. s. Claufsbruch.
— Zachar., Goldschmied 138.
Kranadi, Lukas, d. J. 333 f. 341.
Kraus, Wolfgaug, Pfarrer in
Schneeberg 93.
Kraufs,Heinrich, Goldschmied 138.
Krehmann, Tobia.s, Goldschmied
138.
Krieger, Adam, Hof kammermusi-
kus 120. 130.
Kreuziger, Kaspar, Theologe
209. 215.
Krima (?) in Böhmen 146.
Krummenheuuersdorf bei Frei-
berg 45.
Kuffer, Oberstlieuteuant 277.
Kürschenberg 41.
Ladislaus, König von Böhmen
und Ungarn 108 ff. 115.
Lambert v. Hersfeld 294 f.
Lambrecht, Hans, inHamburg 134.
Lang, Paul, Benediktiner 279 ff.
Lange, August Friedrich, preufs.
Musketier 144 f.
— Hans Georg, Juwelier in Augs-
burg 134.
Langenau bei Freiberg 45.
Langenried. Hof 261 f.
Langhans, Abrah., Komponist 106.
Lassus, Orlandus, Komponist 106.
Lauban 182.
Laue, Dav., Goldschmied in Nürn-
berg 138.
— Hans Chrph., Goldschmied 138.
— Johann Gottlieb, Juwelier in
Nürnberg 138.
Laun 147.
Lebzelter in Leipzig 342.
Lefevre d'Etaples, Jacques 309.
V. Leipa, Herren 178 f.
— Heinrich 178.
Lehmann, Georg, Professor zu
Wittenberg, Schöffe zu Leipzig
328.
Lehnin, Kloster 285. 291.
Leipzig 14. 132 f. 325 ff'. 341 ff.
Universität 100 ff. 120 ff. 189.
195 f. 328. Landtag (1547) 189.
V. Lenoncourt , Dietr. , Bailli v.
Yitry 110 ff
Lenz, Oberstlieutenaut 259 f. 262.
2H5. 274.
Leo X., Papst 301 f. 308 f.
Leopold I., Kaiser 232.
Lichtenberg i. d. Oberlausitz 177.
Lieberose 180.
Limbach 145.
Lindner, F , Komponist 106.
Löbau 182 ff:
Lobositz 146 f.
Lohr, Mich., Komponist 106.
Lossius, Lucas, Komponist 105 f.
Lofsnitz bei Freiberg 45.
Löfsnitz i. Erzgeb. 104. 146.
Lothringen 224.
Löwe, Hofsekretär 251. 265.
Luclitenstern, Andr. 303.
Luckan 186.
Ludwig (d. Reiche), Herzog von
Bayern- Landshut 115.
— XL , König von Frankreich
114. 221 f.
— n., Landgraf von Hessen 115.
— (d. Springer), Landgraf von
Thüringen 289.
— Herz og von Württemberg 332 f.
v.Lunden,Heinr., Goldschmied 1.38.
Lüneburg, Benedikt. -Kloster 284.
Luther, Martin 106. 216. 280.
287. 302. 307. 309 ff.
Lutze, Lor., in Freiberg 53.
Luxemburg 108 f. 113 f. 351 f.
Lnj'thon, Karl, Komponist 106.
Lyon, Konzil 300.
Madrucci , Christof , Kardinalbi-
schof von Trient 200 f.
Magdeburg 132. 204 f. 219. 287 ff.
Erzbischof s. Albrecht, Ernst,
Udo.
Magnus v. Fufsingen, Cölestiuer
316.
de Magny (de Coustantiu), Isaac,
Oberstlieutenant 224 ff.
Mähren s. Jost, Prokop.
Mainz 206. 218. 287. 303. s. a.
Wolfgang.
Malvenda 207.
Mansfeld, Bergbau 331 f. 342.
Register.
367
Mansfeld, Grafen von 203. 330.
— Bertold, Graf 97.
— Irmgard, Gräfin 97 f.
Margarete, Gem. Kurt. Fried-
richs IL von Sachsen 115.
— Tochter Herzog Wilhelms III.
von Sachsen 108 ff.
— Gem. Kurf. Albrecht Achilles
von Brandenburg 115.
Marienberg 146.
Marignano, Schlacht 303.
Markersdorf i. d. Oberlausitz 177.
Martin V., Papst 319.
Martinus aus Striegau, Provinzial
der Cölestiner 315.
Martinus Polonus 298.
Maximilian I., Kaiser 310.
— IL, Kaiser 217 f. 352 ft'.
Mecklenburg s. Ulrich.
Meier, Georg, Theologe 209. 215.
Meifsen 190 f. 196 f. 202. 204 f.
285. 287. 291. 346 f.
— Markgrafen s. Friedrich, Hein-
rich, Wilhelm.
— Bischöfe s. Johann.
Melanchthon, Philipp 189. 196 f.
209. 211 ff.
Meltzer, Erhard, Gardian des
Franzisk. -Klosters zu Zwickau
144.
Merseburg 196. 205. 287 ff:
Meurer, Wolfgang, Dr. med. in
Leipzig 326.
St. Michaelis bei Freiberg 45.
Mildenfurt, Kloster 290.
V. Miltitz, Ernst 196 f. 337.
Müller, Andr. 119. 126.
V. Montet, Fähnrich der Schweizer-
garde 242. 256. 258.
— Kapit.-Lieut. 242. 256. 258.
260. 263 ff. 268.
Mordeisen, Dr. Ulr., kurf. Rat 325.
Moritz , Kurfürst von Sachsen
127. 188 ff. 337.
— Herzog von Sachsen - Zeitz
123. 335.
— Prinz von Anhalt-Dessau 145 ff.
— Landgraf von Hessen 340.
Moritzburg 334. 339.
Müller, Laurent., Dr. jur. 329 ff'.
Münsterberg s. Hinko, Katharina,
de Münters, Ludw., Goldschmied
139.
Nauclerus, Chronic, univers. 297.
Naumburg, Stift 190. 197. 205.
278 f 285 tt\ 311. s. a. Pflug.
Neustädtel 146.
Niederländer in Leipzig 330 f.
Niederlausitz 179 ff".
Niederschöna bei Freiberg 46.
Nienborg. Bibliothekar in Dres-
den 128.
Nossen 46.
Nosseni, Joh. Maria, Bildhauer
338. 340.
Notker, Balbulus 104.
Nürnberg 134—138. 330 f.
Oberlausitz (Sechsstädte) 177 ff.
348 ff.
Öderan 46.
Opitz, Georg, Juwelier in Leip-
zig 133.
V. Osse, Melchior, Dr., kurf. Hof-
richter 197.
Östereich 222 s. Maximilian.
Ostritz 179. 184.
Otto IV., König 96.
— Kardinal von Augsburg 201.
— von Freising 298.
Otto Heinrich, Kurfürst von der
Pfalz 233.
Ottokar L, König von Böhmen 96.
Öxel, Dr., kurbayr. Gesandter 232.
Oybin bei Zittau 284. 299. 315 ff.
Padit in Böhmen 147.
Palmerius, Matthaeus, Florentinus
299.
— Matthias, Pisanus 299.
Pappendorf bei Freiberg 118.
Paschalis IL, Papst 290.
Paul III., Papst 200 f. 206.
Pegau, Bened.-Kloster 290. 302 f
Peifer, David, Kanzler 337.
Peiligke, Wolf, Schöffe in Leip-
zig 327.
Peifsker, Hans, Goldschmied 139.
Peter, Bischof von Naumburg 289.
— Abt zu Bosau 281 f. 302.
— Archidiakon von Blois 301.
— Schulmeister in Naumburg 285.
— v. Dresden, Schulmeister 346 f.
Peyerle, Hans Georg, Goldschmied
139.
Pfalz s. Friedrich, Joh. Kasimir,
Karl Ludwig, Otto Heinrich,
Philipp.
Pfefferkorn, Jude 303.
368
Register.
Pfefliiiger, Joli. 209. 215.
Pflug-, Heinze, auf Rabenstein,
Landvogt der Überlausitz 181 f.
18(J f.
— Hieron. Sigism., Hauptm. der
Trabanten-Leibgarde 230 f.
— Julius, Bischof von Naumburg
190. 202. 204. 207.
Pforta, Kloster 290,
Philipp, König 96.
— Herzog von Burgund 1 09. 1 1 3f.
— Landgraf von Hessen 197. 337.
— Kurfürst von der Pfalz 302.
Picus von Mirandula 300.
Pischhäuser, Marcus, Goldschmied
139.
Pistoris, Hartmann, kurf. Rat 328.
Pius IL, Papst 300.
Piatina 299.
Plauen i. V. 145.
V. Ponickau, Hans, kurf. Rat 325.
Popilius, Obricht, Komponist 106.
Portugal s. Emanuel.
Prag 134. 147 ff. 346. 351.
— Michaelskloster 315.
Praetorius , Hierou. , Komponist
106.
Preufsen s. Friedrich.
Priebus 182 ff. 186.
Prokop, Markgraf von Mähren
181. 183.
Prügel, Wolfg. Karl, Komponist
106.
Ptolemaeus Lucensis 300.
Pucheler, Res Misnicae 296.
Putleste (Putlitz?), Joachim,
Goldschmied 139.
Raimund, päpstl. Legat 302.
Rapeh, Job., Prior z. Altzelle 102.
Raphael Volaterrauus 300.
Rauscher, Hieron., Bürgermeister
in Leipzig 325 f.
Reck, Heinr., Abt z. Bosau 290.
Regensburg 98.
Reichbrodt, Geh. Sekretär 129.
Reichel, Schweiz. Wachtmeister
235.
Reichenau i. d. Oberlausitz 177.
Reichenbach 145.
Reinhardt, Job. Heinr., Juwelier
in Leipzig 133.
Reinsberg bei Freiberg 46.
Reifs, Phil , Goldschmied 139.
Reuchlin, Job., 285. 302. 309.
Richter, Aug., Juwelier in Leip-
zig 133.
Richwin, Bischof von Naumburg
289.
Rinander, Paul, Komponist 106.
Robersperg s. IBobersberg.
Rocharsdorf, Kloster 98.
Rohnau bei Zittau 177 ff.
V. Robrbacb, Ulr., Provinzial der
Cölestiner 315.
Rolas de Rosey, Imbert, branden-
hmg. Ob-rst 224. 230.
Rolevinck, Werner 294.
Roeling 128.
V. Ronow, Anshelm, auf Saudau
179 ff.
— Przedebor 179.
Rosenthal i. d. Oberlausitz 177 f.
Rofswein 46.
Rostock, Universität 328.
Rotes Kreuz 64.
Rothe, Stadtschreilier in Bern
249 f.
Rothe, Chron. Thuring. 296.
Rüdiger, Andr., von Görlitz 100 ff.
Rudimentum noviciorum 293.
de la Rue, Petr., Komponist 106.
Sachsen, Herzöge und Kurfürsten
287 s. a. Agnes, Albrecht,
Amalie, Anna, Anna Sophia,
August, Christian, Elisabeth,
Ernst, Friedrich , Friedrich
Wilhelm, Georg, Heinrich,
Job. Friedrich, Job. Georg,
Katbarina, Margarete, Moritz,
Sidonie, Wilhelm, Zedena.
Sagan 316.
Salzburg, Erzbischof 203.
Savoyen s. Emanuel Pbilibert,
Karl.
de Sayne, Lambert, Komponist
106.
Schade, Abrah., Komponist 106.
Schaffhausen 237 ff. 245 f. 254.
257. 2H2.
Schedel, Hartmann 297.
Scheidt, Samuel, Komponist 106.
Schellenberg, Joh., Rektor in Frei-
berg 119.
Schindler , Archidiakonus in
Scbneeberg 107.
Schirkowitz in Böhmen 146.
Schirma (Kl. u. Gr.) bei Frei-
berg 46,
Register.
369
Schirmer, David, Pastor in Pap-
pen Jorf 118 f 126.
— Barbara, seine Frau 118.
— David, Dichter u. Bibliothekar
117 ff.
— Anna Maria g-eb.Leschke, seine
Frau 118.
— Georg, Melchior und Samuel
119. 126.
Schlegel i. d. Oberlausitz 177.
V. Schleinitz, Heiur., Abt z. Chem-
nitz 284.
Schlick, Joh. Andi- , Graf 128.
Schmölln, Kloster 290.
Schneeberg 91 ff. 142 f. 146.
Schoch, Georg 130.
V. Schönberg 139.
— Joh., Bischof von Naumburg
285. 302.
Schönfeld bei Dürkheim, Kloster
316.
V. Schönfeld, Oberst 268.
Schönfels bei Zwickau 145.
Schönlebe s. Seifried.
Schröter, Job., von Hirschberg,
Prior zu Altzelle 101 f.
Schütz, Heinr., Hofkapellmeister
106. 123.
Schv^^arzburg, Grafen 206.
Schweden 343 ff.
Schwedler, Abrah., Goldschmied
135. 139 f.
V. Schweinitz, Oberstwachtmeister
277.
Schweizer Soldtruppen 221 ff.
Schwendendörfer in Leipzig 342.
Schwerin , Generalfeldmarschall
147 f.
Seburc castrum 97.
Seifersdorf bei Freiberg 46.
Seifried , Wolf und Anna (geb.
Schönlebe) 118.
Seitendorf i. d. Oberlausitz 177 f.
Seid, Dr., kaiserl. Vizekanzler 210.
de Sermisii, Claudius, Komponist
106.
Seutter, Martin, Goldschmied 140.
Sidonie (von Sachsen), Gemahlin
Herzog Erichs IL zu Braun-
schweig-Kalenberg 324.
Siebenlehn 41.
Siegen, Dr. 128.
Siegmund, König 187. 321.
V. Sierck, Phil., Dorapropst zu
Trier 109 ff.
Siffridus presb. Misnensis 296.
Simon v. Freistadt, Laienbruder
316.
Sinapius, Joh. 131.
Sivers, Heinr, Juwelier in Ham-
burg 134.
Soberger, Komponist 106.
Socin, Benedikt, Ratsherr in Basel
225. 236. 238. 246.
Sohra bei Freiberg 134.
Soto, Beichtvater Karls V. 207.
Spangenberg bei Melsungen 112.
— Joh. 105.
Speier, Reichsabschied (1544) 200.
Spengler, Mich. , Juwelier in Augs-
burg 134.
Stadtverweisung 29 ff'.
Stähelin, Joh , Ratsherr in Basel
225. 246.
Steiger, Säckelmeister in Bern
252. 264.
Steigriff (für Oybin) 322.
Stella, Erasmus 290.
— Joli., presb. Venetus 300.
V. Steruberg, Zdenko 110.
V. Stolberg, Grafen 331.
Stolle, Phil., Musiker 124. 130.
Strafsburg 285.
Striegis. die 118 f.
Struinpff , Hans , Korporal der
Schweizergarde 235.
Sturm, Theologe 216.
Successio episcoporum Moguntin.
295.
Tannenberg, der, im Amt Leisnig
332 f.
V. Taube, Heinr., Oberkämmerer
1.33 135.
Teplitz 146.
Tetzel .309.
Tharand 322.
Thietmar, Bisch. V.Merseburg 291.
Thirmanu, Nicol , Mag., Stadt-
schreiber und Schulmeister ia
Dresden 346 f.
Thomas, Abt zu Bosau 302.
Thüringen, Landgrafen 287 s. a.
Balthasar, Elisabeth, Her-
mann, Ludwig.
Torgau 100. 132. 197. 203 f. 208.
V. Torquemada, Job., Kardinal 92.
Treuer, Gotthilf 131.
Trient, Konzil 198 ff.
Trier, IJibliothekar in Dresden 127.
370
Register.
Tritlieim, Abt zu S. Jakob bei
Würzburg 283 ff. 296 f. 310.
Türchau i. d. Obeiiausitz 177.
Udo I., Bisch, von Naumburg 289 f.
— Erzbisch. von Magdeburg 304.
Ulrich, Herz, von Meckleubiu'g328.
Umblaufft, Christian, Kantor in
Schneeberg 106.
Ungarns. Andreas, Clertrud, Ladis-
laus.
Uuwirth, Job., Dr., Schöppe 327.
Urie, Theoderici, historia concilii
Coustant. 294.
Utner, Peter, von Weyda, Pfarrer
zu Schneeberg 92.
Vecchius , Horatius , Komponist
106.
Verbrechen und Vergehen 5 f.
5.y ff.
Verzählen Iff. Verzählbücher 13 ff'.
Vincentius Bellovaceusis 299.
— Oasp., Komponist 106.
Vitzthum V. Eckstädt, Georg 196.
Vögeli, Vogt zu Zürich 261.
Vulpiiis, Melchior, Komponist 106.
Wagner, Elias, Pastor in Gr.-
Schirma 118.
— Samuel 119.
— Valentin, Maler 14u.
V. Waidenburg, Anark 56.
Wallenstein, Graf 134.
AVallisar, Chrph. Thomas, Kompo-
nist 106.
V. Wallwitz, Sebast. 196.
Walram, Bisch, von Naumburg 291.
Walter, Chrph , Komponist 106.
Walthersdorf bei Freiberg 46.
Wauningius, Job . Komponist 106.
Waser, Bürgermeister in Zürich
232. 237. 239. 242. 251 ff.
Weber, ISTicol., zu Lövrenberg in
Schlesien, Mönch 316 f.
Wegefahrt bei Freiberg 46.
Weidenhainische Haide 334.
Weigmanusdorf bei Freiberg 46.
Weimar 132 s Wilhelm.
Weinmann, Job., in Hamburg 134.
Weinolt, Chrph. und Tobias, Gold-
schmiede 140
V. AVeifsenbacb, Hermann 36 f.
Weifsenborn bei Freiberg 46.
Weifsenfeis 327.
Weifshun, Nico!., Goldschmied 140.
Wellemin (?) in Böhmen 146.
Welle]-, Oberhofprediger 129.
Wenzel, König 179 ff 319. 821.
v.AVessel, Graf, preufs.General 148.
Wilhelm L. Markgr. v. Meifsen 183.
— II., .Markgr. v. Meifsen 62. 102.
— Herz, von Sachsen 108 ff. 351 f.
— IV., Herzog zu Weimar 336.
— Abt in Mecheln 301.
Wimpheling,Jak. 281.283.285 302.
Wingendorf bei Freiberg 46.
V. Winterfeldt, General 147 f
Witte, Balth., Ratsherr in Haini-
chen 118.
Witteisbach. Haus 303.
Wittenberg 120 f. 132. 188 f 193.
195 f. 302. 309.
Wolfgang, Kurf. von Mainz 333.
Worsowit in Böhmen 147.
AVürttemberg s. Anna Marie, Bar-
bara, Christoph, Elise, Georg,
Hedwig. Ludwig.
Würzburg 283 f 287.
Wusterwitz, Engelbert 292.
Zässlin , Hans Heinr. , Ratsherr
in Basel 245.
v. Zastro, General 148.
Zedena (v. Böhmen), Gem. Herzog
Albrechts von Sachsen 115.
Zeitbopf. Stadtschreiber zu Leip-
zig 343. 345.
Zeitz 132. Chron. Citizense 279 ff.
V. Zescbau, kurf Rentmeister 129.
Zeuzschner, Tob., Komponist 106.
Zincke, Paul, Juwelier 140.
Zittau 178 ff: 319 ff.
— Herren von 178.
Zügner, Georg, Franziskaner aus
Zwickau 94.
Zürich 226 ff. 233 ff 243. 245 ff. 276.
Zwickau 4. 35. 105. 132. 144 ff.
209. 213. 280 f 290 f
Zwicker, Peter, Proviuzial der
Cölestiner 315.
Zwönitz 146.
GETTY CENTER LIBRARY '
3 3125 00700 8093