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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 

für 


Sächsische  Geschichte 

und 

Altertumskunde. 


Herausgegeben 


von 


I3r.  Hubert  EriTiisch, 

K.  Archivrat. 


Dreizehnter  Band. 


Dresden  1892. 
Wilhelm  Baensch,  K.  S.  Hofveilagsbuchhandlung-. 


Das  Neue  Archiv  für  Sächsische  Geschichte  und  iVlter- 
tuDLskunde,  welches  im  Auftrage  der  Künigiichen  Staats- 
regierung- und  des  Königlichen  Altertumsvereins  heraus- 
gegeben wird,  erscheint  in  vierteljährlichen  Heften,  von 
denen  je  vier  einen  Band  von  ungefähr  22  Bogen  bilden. 


THt  GETTY  CENTER 
LI8RABY 


Inhalt 


Seite 

I.  Das  Verzählen.  Ein  Beitrag  zur  Gescliiclite  des 
Strafverfahrens  gegen  Abwesende.  Vom  Heraus- 
geber         1 

II.  Mitteilungen  zur  sächsisch  -  thüringischen  Ge- 
schichte aus  den  Handschriften  der  alten  Schnee- 
berger  Lyceumsbibliothek.  Von  Oberlehrer  Dr. 
Eduard  Hejdenreich  in  Schneeberg   ....     91 

III.  Das  Geburtsjahr  und  der  französische  Ver- 
niählungsplan  der  Margarete  von  Sachsen,  späte- 
ren Gemahlin  Johann  Ciceros.  Von  Archiv- 
sekretär Dr.  Woldemar  Lippert  in  Dresden    .  lOS 

IV.  David  Schirmer.  Ein  sächsischer  Dichter  1623 
bis  1686.  Von  Gymnasiallehrer  Dr.  Reinhard 
Kade  in  Dresden 117 

V.  Zur  Geschichte  der  Goldschmiedekunst  in  Sach- 
sen.    Von  Dr.  E.  Wernicke,  Sekretär  des  kgl. 

Heroldsamts  in  Berlin 132 

VI.  Kleinere  Mitteilungen 142 

I.Zwei  erzgebirgische  Franziskaner  -  Formulare. 
Von  Dr.  Eduard  Heydenreich  in  Schneeberg.  S.  142. 
2.  Ein  Brief  aus  dem  Lager  l)ei  Frag  vom  1 H.  Mai 
1757.  Von  Lic.  Dr.  Georg  Bucbwald,  Diakouus  in 
Zwickau.     S.  144. 

Litteratur 150 

VII.  Die  Zerstörung  der  Burg  Bohnau  bei  Zittau 
durch  die  oberlausitzischen  Sechsstädte  (1399). 
Von  Prof.  Dr.  Hermann  Knotlie  in  Dresden  .  177 

VIII.  Moritz  von  Sachsen  1547— 154S.  Von  Ober- 
lehrer Dr.  S.  Ilsleib  in  Leipzig 188 

IX.  Schweizer  Soldtruppen  in  kursächsischen 
Diensten    1656  —  1681.     Von    Oberstlieutenant 

a.  D.  A.  von  Welck  in  Basel 221 

X.  Das  Ohronicon  Citizense  des  Benediktiner- 
mönches  Paul  Lang  im  Kloster  Bosau  und 
die  in  demselben  enthaltenen  Quellen.  Ein  Bei- 
trag zur  Historiographie  des  16.  Jahrhunderts. 
Von  Gymnasiallehrer  Dr.  K.  E.  Heiniann 
Midier  in  Prenzlau .  279 


lY  Inhalt: 

Seite 

XL  Kleinere  Mitteilungen 315 

1.  Zur  Ueschichte  des  Klosters  Uybiu  im  15.  Jahr- 
hundert. Von  Pastor  Sauppe  in  Lückendorf  bei 
Zittau.  S.  315.  2.  Kleinigkeiten  aus  Kurfürst 
Augusts  Regierungszeit.  Von  Archivrat  Dr.  Th. 
Distel  in  Dresden.  S.  322.  3.  Leipzigs  Bankerott 
und  die  Schweden  in  Leipzig  seit  1642.  Von  Bib- 
liothekar Dr.  E.  Kroker  in  Leipzig.  8.  341.  4.  Die 
älteste  Schulordnung  der  Kreuzschule  zu  Dresden. 
A'om  Herausgeber.     S.  34(1 

Litteratur 348 

Register 361 


Besproeliene  Schriften. 


Max,  Herzog  zu  Sachsen,   Die  staatsrechtl.  Stellung  der  Olier- 

lausitz  (Erinischl 348 

Becker,  .Johann  Hoft'mann  (Ermisch) .350 

Brockhaus  Konversations -Lexikon  (Ermisch) 169 

Cod.  diplomat.  Saxoniae  regiae  s.  Ermisch. 

Däbritz,  Zur  Ueschichte  der  Katecheten-  und  Kinderlehrerschulen 

in  der  Diöcese  Grimma  (Gr.  Müller) 158 

Ermisch,  Urkundenbuch  der  Stadt  Freiberg  Bd.  III  (.Schum)     .  150 

Fricke,  Aus  dem  Feldzuge  1866  (Knothe) 161 

Goetz,  Maximilians  Wahl  zum  römischen  Könige  (Wolf)    .     .     .  352 
Gurlitt,    Kunst  und   Künstler  am  Vorabende   der  Reformation 

(Schumann) 155 

Haun,  Bauer  und  Gutsherr  in  Kursachsen  (Knothe) 160 

Kämmel  &  Leipoldt,  Schul  Wandkarte  und  Handkarte  zur  (Teschichte 

der  wettin.  Lande  (Lippert) 153 

Richter,  Fr.,   Der  Luxemburger  Erbfolgestreit  (Lippert)     .     .     .  351 
Sclmrtz,  Der  Seifenbergbau  im  Erzgebirge  (Ermisch)    ....  161 

—  Die  Pässe  des  Erzgebirges  (E.  Ö.  Schulze) 163 

Steche,  Beschreib.  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst  deuk- 

mäler  des  Königreichs  Sachsen.   Heft  13 — 15  (A.  Schultz)  167 
Trefttz,  Kursachsen  und  Frankreich  1552—1557  (Wolf)      .     .     .  157 


I. 

Das  Verzählen. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Strafverfahrens 

gegen  Abwesende. 

Von 
Hubert  Ermiscli. 


Wie  überhaupt  die  sächsische  Eechtsgeschichte  grofse 
Lücken  aufzuweisen  hat,  so  gehört  insbesondere  die  Ge- 
schichte unseres  älteren  Strafrechts  zu  den  bisher  noch 
so  gut  wie  gar  nicht  behandelten  Gebieten.  Teilweise 
erklärt  sich  dies  daraus,  dafs  uns  nur  dürftige  Quellen 
darüber  zu  Gebote  stehen.  Aber  unter  ihnen  befinden 
sich  doch  zwei  Rechtsdenkmäler,  die  unfraglich  eine  über 
die  Grenzen  der  Landesgeschichte  weit  hinausgehende 
Bedeutung  haben:  das  Freiberger  Stadtrecht ^)  und  das 
Verzählbuch  des  Freiberger  Ratsarchivs  -).  Die  Be- 
arbeitung des  letzteren  für  den  Codex  diplomaticus  Saxo- 
niae  regiae  gab  den  Anlafs  zu  der  nachstehenden  Ab- 
handlung, die,  zunächst  für  die  Emleitung  zu  dem 
betreifenden  Bande  unseres  Urkundenwerks  bestimmt, 
unter  den  Händen  für  diesen  Zweck  zu  umfangreich  ge- 
worden ist. 

Der  Gegenstand,  mit  dem  sie  sich  befalst,  ist  einer 


^)  Herausgegeben    von    Ermiscli,  Urkundenbuch    der  Stadt 

Freiberg  III  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  14.  Leipzig  1891),  1  ff.  Eine 
Sonderausgabe  erschien  Leipzig  1889. 

-)  Herausg.  von  Ermisch  a.  a.  0.  III,   177  ft'. 


Neues  Archiv  f.  8.  G.  u.  A.     XIII.  1.  2. 


2  Hubert  Ermisch: 

der  interessantesten  in  der  Geschichte  des  Strafrechts 
und  hat  neuerdings  verschiedene,  mehr  oder  weniger  tief 
eindringende  Darstellungen  gefunden'^),  die  jedoch  Einzel- 
forschnngen  noch  keineswegs  als  überflüssig  erscheinen 
lassen. 

„Es  gab  eine  Zeit  im  deutschen  Strafverfahren,  in 
welcher  das  Verfahren  gegen  Abwesende  fast  das  regel- 
mäfsige  Strafverfahren  genannt  werden  konnte"*).  Zur 
Erklärung  dieser  auf  den  ersten  Blick  auffallenden  Er- 
scheinung dienen  verschiedene  Umstände.  Das  Verfahren 
gegen  den  auf  frischer  That  oder  unmittelbar  nach  der- 
selben ergriffenen  Verbrecher  war  im  Mittelalter  ein  so 
summarisches,  dais  seine  schnelle  Verurteilung  und  Be- 
strafung aulser  Frage  stand;  da  das  Gefängnis  nicht  als 
Strafmittel  galt,  so  drohte  ihm  stets  Lebens-  oder  Leibes- 
strafe. Andrerseits  aber  war  selbst  bei  den  schwersten 
Verbrechen  ein  gütlicher  Vergleich  mit  dem  Geschädigten 
nicht  ausgeschlossen;  wenn  auch  schon  das,  was  Tacitus 
über  das  älteste  Strafrecht  der  Germanen  überliefert 
hat,  zeigt,  dals  man  keineswegs  die  Verletzung  der  Ge- 
samtheit, die  in  jedem  Verbrechen  liegt,  verkannte,  so 
trat  diese  Erkenntnis  doch,  entsprechend  den  noch  wenig 
ausgebildeten  Staatsbegriffen  der  Zeit,  zurück  vor  dem 
Gedanken  an  die  Verletzung  des  Einzelnen.  Es  mulste 
also  dem  Verbrecher  vor  allem  darauf  ankommen,  Zeit 
zu  gewinnen.  Das  geschah,  wenn  er  ziniächst  die  Flucht 
ergriff.  Diese  wurde  durch  die  grolse  Zahl  kleiner,  von 
einander  unabhängiger  Gerichts-  und  Herrschaftsbezirke 
sehr  erleichtert ;  zudem  fehlte  es  an  wirksamen  polizeilichen 
Mafsnahmen  zur  Ergreifung  des  Flüchtigen.  So  folgte  der 
That  fast  immer  das  Entweichen  aus  dem  Gerichtsbezirke; 
die  freiwillige  Verbannung,  der  sich  der  Thäter  unterwarf, 
verlor  durch  die  Aussicht  auf  spätere  Versöhnung  mit  dem 
Verletzten  viel  von  ihrem  Schrecken.  Unter  solchen  Um- 
ständen war  ein  regelmälsiges  Verfahren  gegen  den  ab- 
wesenden Verbrecher  ein  Bedürfnis;  es  hatte  nicht  etwa 


^)  A.  F.  B.  Bienko,  De  proscriptione  secundum  foutes  juris 
Saxonici  medii  aevi  commentatio.  Dissert.  inaug.  (Regiraonti 
Pr.  1867).  Hugo  Meyer,  Das  Strafverfahren  gegen  Abwesende 
(Berlin  1869)  S.  60  ff.  F.  Frensdorffs  Einleitung  zu  Francke, 
Das  Verfestungsbuch  der  Stadt  Stralsund  (Hansisclie  (xeschichts- 
quellen  Bd.  I.  Halle  1875).  J.W.  Planck,  Das  deutsche  Gerichts- 
verfahren im  Mittelalter  II  (Braunschweig  1879),  289  ff'. 

';  Meyer  a.  a.  O.  S.  1. 


Das  Verzählen.  3 

bloLs  die  Bedeutung'  einer  prozessualischen  Zwang-sraals- 
regel,  sondern  bezweckte  die  Verm^teilung  des  Abwesenden 
zur  Strafe  wegen  des  begangenen  Verbrechens.  Auf  diese 
Weise  entwickelte  sich  der  Verfestungs-  und  Achtsprozels 
des  Mittelalters,  der  in  Freiberg  eine  ganz  eigenartige 
Ausbildung  gefunden  hat. 


Über  Alter,  Bedeutung  und  Verbreitung  des  Wortes 
vorczehi  (verceln,  vorczelin  und  ähnlich,  praet.  vorczalte, 
part.  vorczalt)  hat  neuerdings  F.  Frensdorff  eingehend 
gehandelt-');  seine  erschöpfenden  Ausführungen  lassen 
eine  Zusammenstellung  der  Belege  für  das  Vorkommen 
des  Wortes  als  überflüssig  erscheinen.  Zuerst  begegnet 
es  uns  wohl  im  Heliand  {tvena  fartalda  man  v.  5562); 
hier  und  sonst  in  der  nicht -juristischen  Litteratur  des 
früheren  Mittelalters  in  der  allgemeinen  Bedeutung  „zu 
einer  Strafe  verurteilen".  Erst  seit  der  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts  ist  es  in  juristischen  Quellen  nachweis- 
bar und  zwar  einmal  in  der  Urkundensprache  des  Reichs- 
rechts, dann  in  einigen  niederrheinischen  Rechtsdenk- 
mälern, endlich  in  Obersachsen ,  Mähren  und  Böhmen; 
ursprünglich  und  abgesehen  von  späteren  Veränderungen 
der  Bedeutung  bezieht  sich  der  Ausdruck  hier  überall 
auf  das  Strafverfahren  gegen  Abwesende  und  entspricht 
in  der  Hauptsache  dem  Verfesten  der  niedersächsischen 
Rechtsquellen.  Die  Ableitung  von  „Zahl"  (ahd.  sala, 
mhd.  zxd)  ist  zweifellos*^);  neben  der  BeÄewtimg  niimenis 
hatte  dieses  Wort  bekanntlich  auch  die  Bedeutung  sermo, 
Rede  (vergl.  „erzählen"),  besonders  gerichtliche  Rede, 
und  an  diese  Bedeutung  ist  wohl  bei  der  Ableitung  „ver- 
zählen" vorzugsweise  zu  denken'). 

Die  ausgedehnteste  Anwendung  findet  der  Ausdruck 
„Verzählen"  in  den  Rechtsquellen  der  Stadt  Freiberg*^), 


^)  F.  Frensdorff,  Recht  und  Rede;  in  „Historische  Aufsätze 
dem  Andenken  an  Georg  Waitz  gewidmet"  (Hannover  188f))  S.  460  ti'. 

*')  Wir  geben  daher  der  Form  „verzählen"  mit  Grimm  (Rechts- 
altcrl inner  S.  881)  den  Vorzug  vor  der  namentlich  durch  Klotz  seh 
eingel)ürgerten  ¥ovm\  „verzellen". 

^)  Frensdorff  a.  a.  ü.  S.  458  f.  475  f. 

*)  Vereinzelt  ist  es  uns  auch  in  andern  ohersächsischen  Städten 
begegnet;  so  in  Dresden  um  1438  (Item  Hauck  ist  komen  und 
hrocht  in  die  achte  von  Kuncze  Bescli  umme  eyn  heynschrottichte 
■wunde,  die  lier  yin  gcsla(jin  Itot  und  corczeltistalz  weid  (ilz  denin 


4  Hubert  Ermisch: 

und  lediglich  auf  diese  wird  sich  unsere  Untersuchung 
beschränken^). 

Dabei  wird  es  sich  sowohl  für  die  Erläuterung  der 
technischen  Bedeutung  des  Wortes  in  der  Freiberger 
Rechtssprache  als  auch  für  die  Darstellung  des  gesamten 
Verfahrens,  seine  Veranlassungen  und  seine  Wirkungen, 
empfehlen,  die  älteren  Rechtsdenkmäler  der  Stadt,  in 
denen  der  Begriff  des  Verzählens  uns  viel  schärfer  ent- 
gegentritt, vor  allem  das  um  die  Wende  des  13.  und 
14.  Jahrhunderts  entstandene  Stadtrecht,  von  den  spä- 
teren, unter  denen  in  erster  Linie  das  Verzählbuch  steht, 
zu  trennen. 

Was  die  Terminologie  anlangt,  so  entspricht  im 
Stadtrecht  und  in  gleichzeitigen  Urkunden  das  Verzählen 
offenbar  genau  dem  Verfesten  des  Sachsenspiegels  und 
anderer  Rechtsquellen;  ja  die  Ausdrücke  verceln  und 
vervesten  wechseln  sogar  zuweilen  ^^).  Spätere  Belege 
für  das  Vorkommen  von  „Verfesten"  in  Freiberger  Rechts- 
quellen fehlen.  Als  Synonym  mit  verceln  verwenden  das 
Stadtrecht  und  das  Verzählbuch  an  der  hurger  hrif  brengen 


gerichte  gelegin  sint.  Alt-Drescluer  Statltbucli  im  Hauptstaatsarchiv 
zu  Dresden  fol.  23 1>),  in  Grimma  1400  (Conr.  Schindeler  ist  uz  den 
reihten  vorczalt  iimme  II  ivayne  myd  treten  u.  s  w.  Grimm. 
Stadtb.  1372  ff.  fol.  13),  in  Frauenstein  1430  (Ab  eyn  hnrgermeyster 
mit  rathe  seyner  eydgnoßin  ymandiß  icht  hyße,  daz  nucz  unnde 
frome  brechte  unnßernn  gneydigen  hernn  ader  unnßer  stnd  gmeyn 
unnd  icer  sich  doivider  seczte  unnde  daß  nicht  thun  wolde ,  den 
magk  eyn  burgermeyster  mit  rathe  seyner  eydgnoßin  dorumbe 
straffen  alzo  mit  vorczelnn  auß  der  stad  ader  nicht  auß  seynem 
hauiie  zcu  gehnn,  her  hette  denne  daß  vorioandelth,  daz  her  unge- 
horßam  gewest  loere  dem  burgermeyster  unnd  den  burgern.  Frauen- 
steiner Stadtb.  im  H.-St.-A.  zu  Dresden  fol.  2.  Item  der  kren- 
czelmecher  hat  yn  broch  gehat  mit  den  burgern  der  ist  zo  schioer 
geivesth  daß  sy  yn  vorzcelth  habenn  auß  der  Stadt  ebd.  am  Ende), 
in  Zwickau  1397  (  .  .  .  daz  wir  .  .  .  Heinriche  Caldenkuchen  vor- 
schriben  und  vortzalt  haben  umme  daz  er  meyneyde  an  ge- 
richte gestvorn  hat  etc.  Lib.  proscript.  im  Ratsarcbiv  zu  Zwickau 
fol.  10''),  1424  (man  hat  Jörgen  Wittrich  von  der  Sittaw  von  der 
stad  vorczalt  eyn  iar  Liber  proscript.  fol.  121j  vergl.  fol.  18.  S.  a. 
Klotz  seh,  Das  Verzellen  S.  168).  Vergl.  auch:  Andr.  Fleischer 
und  Georg  Frundt  sein  noch  ordenung  dez  recht  auß  der  acht 
getzalt  wurden  (1525),  Dresdner  Gerichtsbuch  1517—1537  fol.  125''- 

")  Vergl.  besonders  J.  Fr.  Klotzsch,  Das  Verzellen,  nach 
seiner  Bedeutung  aus  der  alten  Hechts- Verfassung  untersucht  und 
durch  Urkunden  erläutert  (Dresden  1765). 

^0)  vervesten,  vergl.  St.-R.  Kap.  XXVI  §  1.  XXVIII  §  3.  8. 
uze  der  veste  lazin,  Urk.  von  1.305  im  Prb.  Urkundenbuch  I,  45,  39. 
der  vorveste  ebd.  43,  41.  44,  15. 


Das  Verzählen.  5 

oder  schriben^'^),  an  den  hrief  setzen'^'-);  der  Ausdruck 
wird  später  zu  erklären  sein.  Im  Verzählbuch  wird  ferner 
vielfach  die  Acht  (achte,  oclite)  als  völlig  gleichbedeutend 
mit  Verzähl ung  gebraucht'^).  Lateinisch  wird  das  Ver- 
zählen mit  proscrihere  wiedergegeben,  ebenso  wie  das  Ver- 
festen ^^). 

Dals  „Verzählen"  in  den  jüngeren  Quellen  auch  die 
Bedeutung  von  „Verweisen"  hat  und  mit  entsprechenden 
Ausdrücken  wechselt,  werden  wir  weiter  unten  zu  er- 
wähnen haben, 

A.    Das  Verzählen  uach  dem  Freiberger  Stadtrecht. 

1.  Voraussetzungen. 

Die  Verfestung  trat  nach  dem  sächsischen  Land- 
recht'"')  nur  bei  Verbrechen  ein,  die  an  Hals  und 
Hand  gingen.  Auch  im  Freiberger  Stadtrecht  gehören 
fast  alle  Fälle,  in  welchen  dem  abwesenden  Beklagten 
die  Verzählung  angedroht  wird,  in  diese  Kategorie.  Es 
sind  folgende:  Totschlag  und  kampere^*^)  Wunden  (St.-R. 
Kap.  V  §  16  —  18.  XXIII  §  1.  XXVII  §  5.  XXX 
§  6  vergl.  ÜB.  I,  43 f.);  Heimsuchung  d.  h.  mit  Totschlag 


")  z.  B.  St.-R.  Kap.  XXI  §  2.  XXVII  §  6. 

^-)  Sehr  oft  im  (älteren)Vei'zählb.  ANo.  4.  8.  10. 13-15.  20.  22  u.  ö. 
Im  Verzählbuch  B  zuerst  in  No.  274;  hier  und  später  fast  aus- 
schliefslich  dann,  wenn  die  Verzählung  von  Privaten,  sehr  selten 
(z.  B.  No.  369),  wenn  sie  vom  Rate  ausging. 

^■'')  in  die  achte  bringen,  thun  Verzählb.  B  442.  469.  490. 
578.  609.  619.  895.  897.  909.  968.  971.  in  die  achte  bringen  und  an 
den  brief  setzen  laßen  485.  490.  496.  504.  989.  1115.  in  die  ochte 
und  an  den  brief  brengen  608.  vorechten  und  vorczeln  A  9.  Auch 
hier  handelt  es  sieh  fast  durclnvcg  um  Fälle,  in  welchen  die  Ver- 
zählung von  Privaten  ausging.  Über  den  unterschiedslosen  Gebrauch 
von  Acht  und  Verfestung  vergl.  Bienko,  De  proscriptione  S.  82; 
Planck,  Gerichtsverfahren  II,  291. 

^')  Verzählb.  B  No.  834—854.  proftrribere :  virczelen,  verbannen 
Gloss.  Lat.-Teut.  (bei  Haltaus  S.  1916).  Dieffenbach,  Gloss.  Lat.- 
Germ.  467.  Vergl.  Fiensdorff  a.  a.  0.  S.47I  und  in  Hausischen 
Geschichtsquellen  I,  XiV  f. 

^^)  I,  68  §  1  (II,  45).  Vergl.  Rechtsbuch  nach  Distinctionen  IV, 
20  dist.  4.  Nach  Lübischera  Hechte  war  die  Verfestung  dagegen 
auch  bei  Vergehen  möglich,  die  mit  geringerer  Strafe  bedroht 
waren,  vergl.  Frensdorff,  Hans.  Gcschiohtsqu.  1,  XXXII. 

''')  d.  h.  solche  Wunden,  bei  denen  der  Beweis  dei-  That  durch 
gerichtlichen  Zweikampf  zu  führen  Avar,  kampfwürdige,  schwere 
Wunden  (nnqeh  tif  und  geledes  lang  s.  Rechtsb.  nach  Dist.  TV,  5 
dLst.    1). 


6  HiiLert  Enniscli : 

oder  schwerer  Verwundung  verbundener  Hausfriedens- 
bruch (St.-R.  Kap.  XXVIII  §  8);  Raub  und  Diebstahl 
(ebenda  Kap.  XXI  §  2.  3);  Entführung  einer  Jungfrau 
wider  deren  Willen  (ebenda  Kap.  V  §  7).  Ebenso  drohte 
ohne  Zweifel  die  Verzählung  auch  jedem  andern  Ver- 
brecher, dem  Lebens-  oder  Leibesstrafe  in  Aussicht  stand. 
Auch  denjenigen,  der  für  einen  wegen  solcher  Verbrechen 
Angeklagten  Bürgschaft  geleistet  hatte,  traf  die  Ver- 
zählung, wenn  weder  der  Beklagte  noch  er  selbst  sich 
stellten  (Kap.  V  §  18);  denn  er  hatte  dieselbe  Strafe  zu 
gewärtigen,  wie  der  Verbrecher,  wenn  er  einvaldikliche 
gebürgt  d.  h.  nicht  ausdrücklich  ein  Eigen  oder  Erbe  be- 
zeichnet hatte,  mit  dem  er  bürgen  wolle;  war  letzteres 
der  Fall,  so  verfiel  nur  dieses  Besitztum,  während  er 
selbst  der  Bürgschaft  ledig  Avar  (Kap.  V  §  16  —  17. 
XXVIII  §  8),  es  lag  also  zum  Entweichen  kein  Grund  vor. 

In  allen  diesen  Fällen  erfolgte  die  Vermählung  iif  den 
hals  (Kap.  V  §  7.  16  —  18.  XXVIII  §  8.  XXX  §  6) 
d.  h.  den  in  der  Verzählung  Ergriffenen  traf  die  Todes- 
strafe (s.  S.  21).  Im  Gegensatz  zum  Verzählen  if/ cZen  ImU 
kennt  aber  das  Stadtrecht  auch  eine  Verzählung  uf  dl 
huze  (Kap.  XXX  §  6);  dieselbe  trat  ein  wegen  volleist 
d.  h.  Hilfeleistung  bei  einem  Verbrechen,  einer  Handlung, 
welche  nicht  mit  Leibes-  und  Lebensstrafe  bedroht  war^^). 

Die  zweite  Voraussetzung  der  Verzählung  war  die 
Erhebung  einer  Anklage,  wie  ja  überhaupt  der  ältere 
deutsche  Strafprozeß  eine  Verfolgung  der  That  ohne  vor- 
herige Anklage  nicht  kennt.  Die  Klage  wird  erhoben 
durch  den  Geschädigten  selbst  (z.  B.  Kap.  XXI  §  1. 
XXVin  §  9)  oder,  wenn  dieser  verwundet  ist,  durch 
sein  Gesinde  oder  seine  Angehörigen  (Kap.  XXVII  §  2. 
5.  7  ff.)  oder  endlich,  wenn  es  sich  um  einen  verwun- 
deten oder  getöteten  Fremden  oder  um  einen  Einheimischen 
handelt,  der  keine  Angehörigen  hat,  die  für  ihn  Klage 
erheben  können,  durch  den  Richter  (Kap,  XXX  §  1—4), 
der  aber  dann  selbstverständlich  beim  weiteren  Verfahren 
nicht  selbst  als  Richter  auftreten,  sondern  einen  anderen 
Richter  an  seine  Stelle  setzen  muls  (Kap,  XXX  §  5). 
Bei  der  Klage  waren  der  Name  des  Verbrechers  und  sein 


^'')  Vergi.  Kap.  II  §  2,  wonach  zur  Büi'gschaft  nmme  volleist 
unde  umme  vride,  umme  schult  iinnd  itmme  allerlei  eide  unde  bicieht 
der  Besitz  von  Erbzinsgütern  genügt,  während  zu  der  um  Totschlag 
und  Kamperwunden  nur  der  Besitzer  von  ..  Erh  und  Eigen",  d.  h. 
ziust'reieu  Gütern,  berechtigt  ist. 


Das  Yerzählon.  7 

Verbreclien  ausdrücklich  zu  bezeichnen  (Kap.  XXI  §  1. 
XXVII  §  5.  XXVIII  §  y.  XXX  §  5);  war  ersterer 
nicht  bekannt,  so  wurde  eine  Frist  für  seine  Ermittelung 
gewährt  (Kap.  XXVII  §  1).  Die  Helfer  des  Ver- 
brechers {sin  wirecJite  volleist  Kap.  XXVII  i^  2) 
brauchten  nicht  genannt  zu  werden^*).  Die  Einleitung 
dieser  Klage  gegen  einen  AbAvesenden  durch  das  „Ge- 
rücht" '•')  scheint  in  Freiberg  nicht  üblich  gewesen  zu  sein 
(vergl.  z.  B.  Kap.  XXI). 

Die  dritte  und  wesentlichste  Voraussetzung  der  Ver- 
zälilnng  war  das  Ausbleiben  des  Beklagten;  es 
niulste  festgestellt  werden,  dafe  er  sich  der  gerichtlichen 
Verantwortung  entzogen  habe.  Dabei  kann  man  ein  ein- 
facheres und  ein  umständlicheres  Verfahren  unterscheiden. 
Das  erstere  trat  bei  handhafter  That  ein-").  Wird  z.  B. 
eine  Jungfrau  entführt  und  ereilen  die  „mit  Gerichte" 
nachsetzenden  Angehörigen  das  flüchtige  Paar,  so  soll 
der  Kichter  die  Jungfrau  vor  zwei  ihr  nicht  verwandten 
Zeugen  fragen,  ob  die  Entführung  mit  ihrer  Einwilligung 
stattgefunden  habe  oder  nicht.  Im  ersteren  Falle  sind 
beide  freizulassen;  im  letzteren  aber  ist  der  Entführer 
ohne  weiteres  Verfahren  mit  dem  Schwerte  zu  richten 
oder,  wenn  er  entwichen  ist,  zu  verzählen:  da  darf  man 
nicht  keiner  ander  heivisunge  zu,  wen  iz  der  ricliter  ge- 
Jwrt  hat  unde  di  zivene  erhafte  man  (Kap.  V  §  7).  Die 
förmliche  Verzählung  fand  übrigens  auch  in  diesem  Falle 
wohl  erst  an  dem  nächsten  der  drei-^)  wöchentlichen 
Dingtage  statt;  so  ist  zu  erklären,  wenn  von  dem  Falle 
die  Rede  ist,  dais  der  Entwichene  sich  dem  Gerichte 
stellt  oder  ergriffen  wird,  e  he  verzalt  ivirdit,  an  dem 
anderen  tage,  an  deme  dritten  oder  an  dem  vir  den  tage 
(Kap.  V  §  8).  —  Ein  entsprechendes  Verfahren  mag  auch 
bei  andern  Verbrechen  eingetreten  sein,  wenn  der  auf 
handhafter  That  ertappte  Missethäter  entfloh;  doch  er- 
wähnt das  Stadtrecht  nur  dieses  einen  Falles. 

Lag  keine  handhafte  That  vor,  so  mulste  man  dem 
Beklagten  vor  allem  Gelegenheit  geben,  sich  dem  Ge- 
richte zu  stellen,  ihn  vorladen.  Was  die  Form  der 
Ladung  anlangt,  so  scheidet  das  Stadtrecht  genau  die 
Fälle,  die  an  Hals  und  Hand  gehen,  von  den  geringeren. 


IS)  Vergl.  Meyer,  Strafverf.  S.  68.  Frensdorff  a.  a.  0.  S.  XCV. 
1")  Vergl.  Planck  11.  304. 

2")  Verii-l.   Bionko  S.  8  ff. 
21 1  Vergl.  Kap.  XXXI  i;  1. 


8  Hubert  Ennisch: 

Während  bei  Klagen  wegen  geringerer  Sachen  solche, 
die  in  Freiberg  im  eigenen  oder  in  gemietetem  Hause 
wohnten  oder  wenigstens  Grundbesitz  daselbst  hatten, 
wenn  sie  auch  außerhalb  der  Stadt  in  einem  Umkreise 
von  4  Meilen  lebten,  ferner  Haussöhne  und  Dienst- 
boten von  Ansässigen  nur  mittels  Vor gebots  d.h.  einer 
durch  den  Büttel  der  Person  des  Beklagten  übermittelten 
Vorladung  zu  Dinge  gebracht  werden  durften,  einmal  weil 
die  Beklagten  in  der  Regel  leicht  erreichbar  waren,  dann 
weil  der  Besitz  eine  ausreichende  Bürgschaft  für  ilir  Er- 
scheinen vor  Gericht  bot  (vergl.  z.  B.  Kap.  II  §  3.  14. 
VIII  §  1.  XXXIII  §  5),  hatte  bei  Klagen,  die  an  Hals 
und  Hand  gingen,  das  einfachere  Heischen  oder  Ein- 
heischen--) statt  (Kap.  II  §  3.  13  f.  V  §  19.  XXI 
§  1.  XXVII  §  5.  XXVIII  §  9.  11.  XXX  §  5),  das 
auf  Nichtansässige  auch  bei  geringeren  Sachen  Anwendung 
fand  (Kap.  XXX  §  5.  XXXIII  §  7).  Das  Verfahren 
war  dabei  folgendes.  Der  Geschädigte  oder  sein  Ver- 
treter, der  im  nächsten  Dinge  nach  der  That  oder  in 
einem  wegen  derselben  berufenen  aulserordentlichen 
Dinge -■^)  seine  Klage  gegen  den  Verbrecher  dem  Richter 
vorgetragen  hatte,  bat  um  ein  Urteil,  ob  man  die  Be- 
schuldigten ineischen  solle.  Nach  bejahender  Antwort 
heischte  der  Büttel  sie  etwa  mit  folgenden  Worten:  Ich 
eische  in  NN.  umme  den  roiq)  oder  umme  di  dube,  di 
den  vride  gebrochen  haben,  zu  einem  male,  zume  andern 
male,  zume  dritten  m,ale  (Kap.  XXI  §  1  vergl.  XXVIII 
§  9.  XXX  §  5).  Unmittelbar  darauf  folgte  die  eben- 
falls durch  den  Büttel  zu  stellende  Frage,  ob  jemand  für 
das  Erscheinen  des  Beklagten  Bürgschaft  leisten  wolle: 
Ich  bite  in  zu  borge  (Kap.  XXX  §  5  vergl.  XXI  §  1. 
XXVIII  §  9).  Findet  sich  ein  Bürge,  der  zur  Bürg- 
schaftsleistung rechtlich  befähigt  ist,  d.  h.  Eigen  und  Erbe 
in  Freiberg  besitzt  (Kap.  II  §  1)  oder  durch  dessen 
Bürgschaft  sich  der  Kläger  für  befriedigt  erklärt,  so 
nimmt  das  Gericht  die  Bürgschaft  an  (man  gibet  si  zu 
borge  uf  ir  recht  Kap.  XXI  §  1)^^).  Das  Honorar  des 
Büttels  für  diese  Bemühungen  betrug,  wenigstens  in 
späterer  Zeit,   2  oder  4  Heller,  je  nachdem  es  sich  um 


22)  Irrtümlich  ist  es,  wenn  üseubrüggen,  Hausfrieden  S.  28f. 
das  Einlieischen  für  gleichbedeutend  mit  Verhaftung  erklärt. 

23)  A^ergl.  Kap.  XXXI  §  2.     ÜB  I,  92. 
21)  Vergl.  Bienko  S.  Hü. 


Das  Vcizälilen.  9 

die  Einheiscliung  von  Ansässigen  nncl  Bürgern  oder  von 
Fremden  liandelte-"')-  Nach  erfolgter  Heischnng  bescliied 
der  Vog-t  Kläger  nnd  Beklagten  in  das  nächste  Ding: 
(Kap.  XXI  §  1.  XXVII  §  5).  In  diesem  wiederholte 
sich  die  Klage  und  die  dreimalige  Heischung.  Erschien 
der  Beklagte  auch  jetzt  nicht,  so  erfolgte  seine  Ver- 
zählung  (Kap.  XXI  §  2.  XXVII  §  5.  XXVIII  §  11. 
XXX  §  6). 

Die  Eigentümlichkeit  der  Heischnng  war  also,  dafs 
der  Person  des  Beklagten  eine  Vorladung  gar  nicht  über- 
mittelt wurde;  es  wäre  dies  schon  deshalb  schwierig  ge- 
wesen, weil.. es  sich  meist  um  flüchtige  Verbrecher  han- 
delte; die  (JfFentlichkeit  des  Verfahrens  berechtigte  zu 
der  Voraussetzung,  dafs  die  im  Dinge  vorgetragene  Klage. 
Heischung  und  Ausbietung  zur  Bürgschaft  auf  irgend 
welche  AVeise  dem  Kläger  bekannt  werden  würden.  Aus 
ähnlichen  Gründen  war  auch  nach  anderen  deutschen 
Rechtsquellen  die  persönliche  Vorladung  des  Beklagten 
nicht  durchaus  erforderlich-*^).  Wenn  dagegen  anderwärts 
die  Heischung  als  eine  Form  vorkommt,  durch  welche 
die  Abwesenheit  des  vorgeladenen  Beklagten  fest- 
gestellt wird-'),  so  bildete  sie  in  Freiberg  gerade  den 
Gegensatz  zum  Vorgebot,  trat  nur  dann  ein,  wenn  dieses 
nicht  erfolgte.  Eine  weitere  Eigentümlichkeit  des  Frei- 
berger  Verfahrens  ist,  dals  der  ausbleibende  Beklagte 
bereits  im  zweiten  Dinge  verzählt  wird;  sonst  ist  es  all- 
gemein üblich,  ihm  drei,  selbst  vier  Termine  zu  setzen, 
bevor  die  Strafe  des  Ungehorsams  eintritt-"). 

Dals  der  Beklagte  nicht  blofs  dingflüchtig  geworden 
sei,  sondern  auch  das  Gerichtsgebiet  verlassen  habe-^j, 
ist  nicht  die  notwendige  Voraussetzung  der  Verzählung. 
Audi  gegen  denjenigen  leitete  man  das  Verfahren  ein, 
welcher  zwar  nicht  innerhalb  der  4  Bänke  d.  h.  an  Ge- 
richtsstelle erschien,  aber  in  der  Nähe  derselben  sich 
aufhielt  und  auf  die  Klage  nicht  antwortete :  stet  he  Joch 
vorme  dinge  unde  sivifjet  also   lange,    daz  man  vingere 


25)  ÜB.  I,  12(i  ij  20. 

26)  Verg-1.  Planck  1,  29H. 
•")  P^benda  I,  851. 

-*)  Sachs.  Lamlrecht  I,  67  §  1.  Goslariscln^  Stiitnten  (lioninsf;-. 
von  0.  Göschen,  Berlin  1840)  .S.'56,  30  if.  Eechtsl).  nach  Distinct. 
IV,  20  dist.  1.  Meyer,  Strafverfahren  S.  66  f.  Planck  I,  351  f. 
II,  293. 

•2'0  Wie  dies  für  Lübeck  Frensdorff  a.  a.  0.  S.  XL  f.  feststellt. 


10  Hubert  Ermisch: 

mide  jungen  uf  in  irliebit'^^),  he  mac  zit  rechte  keinen 
Vormunden  me  gehaben  (Kap.  XVIII  §  1).  Es  ist  aber 
wolil  an  zunehmen,  dals  er  den  drohenden  Gefahren  sich 
in  der  Regel  durch  die  Flucht  entzog,  bevor  die  Ver- 
zählung  rechtskräftig  geworden  war,  wenn  er  es  nicht 
vorzog,  noch  während  des  Dings  oder  doch  an  demselben 
Tage  dem  Gerichte  sich  zu  stellen.  — 

Der  Kläger  hat  endlich  vor  der  Verzählung  einen  aller- 
dings sehr  erleichterten  Beweis  des  Verbrechens  zu 
erbringen.  Nach  dem  Sachsenspiegel-^^)  war,  wenn  der  auf 
handhafter  That  ertappte  Verbrecher  flüchtig  wurde,  das 
Gerücht  zu  erheben  und  durch  den  Kläger  der  Beweis  mit 
6  Zeugen  (selbsiebent)  zu  führen.  Das  Freiberger  Stadt- 
recht erwähnt  des  Gerüchts  gegen  den  flüchtigen  Verbrecher 
überhaupt  nicht  und  begnügt  sich  bei  Diebstahl,  Raub  und 
Heimsuchung  mit  dem  Zeugnis  von  zwei  unbescholtenen 
ansässigen  „Nachbarn"""-),  die  im  zweiten  Dinge  nach 
Wiederholung  der  Klage  und  der  Einheischung  auf  die 
Frage  des  Richters  einvaldikliche  d.  h.  ohne  Eid  auszu- 
sagen haben,  dals  ihnen  das  am  Kläger  begangene  Ver- 
brechen bekannt  sei  (Kap.  XXI  §  2.  XXVIII  §  11). 
Dals  bei  Entführung  die  Aussage  der  Entführten  mit  dem 
Richter  und  zwei  Zeugen  zu  beweisen  war  (Kap.  V §  7), 
wurde  oben  bereits  bemerkt.  Bei  Klagen  um  Wunden  und 
Totschlag  wird  ein  derartiger  Beweis  nicht  erwähnt;  nur 
sollten  (drei)  Boten  die  Wunde  „besehen  und  besagen" 
d.  h.  ihre  Kampf  Würdigkeit  feststellen  (Kap.  XXIII  §  1. 
XXVII  §  5.  XXVIII  §  8.  XXX  §  6);  denn  nur  wegen 
„kamperer"  Wunden  erfolgte  Verzählung. 

Dafs  auch  das  spätere  Verfahren  den  Beweis  des 
Verbrechens  verlangte,  ergiebt  sich  aus  der  sehr  häufigen 
Erwähnung  desselben  im  Verzählbuch  ^^). 


ä^)  Wenn  Bienko  S.  23  diese  Wendung  nicht  auf  die  Ver- 
zählung lieziehen  will,  so  wird  niemand,  der  den  Sprachgebrauch 
des  Freiberger  Stadtrechts  kennt,  ihm  darin  beipflichten  können. 

^^)  Säclis.  Landrecht  I,  70  §  3,  vergl.  Rechtsbuch  nach 
Distinct.  lY,  28.  Bienko  S.  24. 

32)  Über  den  Begriff  der  Nachbarn  vergl.  St.-R.  Kap.  XXVIII 
§11:  ivo  si  gesezzen  sint  in  der  virden  oder  in  der  sechsten  gassen, 
daz  lieizen  alliz  nakebur. 

'^'^)  als  er  beivieste  vor  den  burgern,  also  das  hewyst  wart 
vor  den  biirgern,  als  er  derczügit,  ercziigit,  deriviset  hat  u.  dergl. 
mehr  z.  B.  Verzählb.  A  64.  65.  84.  87.  B  12.  39.  .52  u.  ö.  alse 
sie  das  mit  hederleiithen  vor  den  burgern  beivicst  hat  A  61.  Beweis 
..mit  den  Nachl'nrn"  B  55.  73.  465  u.  ö  ,  mit  dem  Stadtvogt  456. 
895.  teste  et  sciente  magistro  civium  et  duobus  juratis  841. 


Das  Verzählen.  H 


2.  Verfahren. 

Für  die  Kenntnis  des  eigentlichen  Yerzählungsakt es ^^) 
ist  unser  Stadtrecht  eine  wichtige  Quelle.  Nachdem  im 
zweiten  Dinge  die  Klage  und  Heischung  wiederholt  und 
der  erwähnte  Beweis  durch  den  Kläger  geführt  ist, 
bittet  dieser  um  ein  Urteil:  ui  man  im  na  zu  rechte 
richten  salle.  Das  Urteil  lautet:  mit  vingeren  itnde  mit 
Zungen.  „Also  seil  der  volt  gehlten  allen  den,  di  in  dem 
dinge  sint.  So  sal  ein  iklich  man  ufrccken  einen  vinger 
zu  rechte,  ande  daz  heizet  verzalt  mit  vingern  unde  mit 
Zungen''  (Kap.  XXI  ^  2  vergl.  XXVII  §  5.  XXVIII 
§  11).  Die  Formel  „mit  Fingern  und  mit  Zungen"  ist 
beim  Achtsverfahren  nicht  ungewühniich""').  In  Goslar 
sollten  die  innerhalb  der  Bänke  Anwesenden  mit  eren 
vingheren  upstippen  '^^) ;  nach  dem  Rechtsbuch  nach  Distink- 
tionen  (IV,  20  §  1 )  hatten  sie,  wie  beim  Eide;^'},  zwei  Finger 
zu  erheben"^);  in  Freiberg  aber  wurde,  wie  es  scheint, 
nur  ein  Finger  ausgestreckt. 

Was  bei  dieser  symbolischen  Handlung  gesprochen 
wurde,  erfahren  wir  nicht.  Da  die  Verzählung  nicht  blofs  mit 
Fingern,  sondern  auch  „mit  Zungen"  geschah,  so  ist  doch 
kaum  anzunehmen,  dals  sie  in  tiefem  Schweigen  vor  sich 
gegangen  sei;  und  doch  ist  es  in  hohem  Grade  auffällig, 
dals  das  Stadtrecht,  das  den  Vorgang  sonst  so  ausführ- 
lich schildert,  einer  vom  Richter  vor-  und  von  den  An- 
wesenden nachzusprechenden  Achtsformel'^^)  mit  keinem 
Worte  gedenkt.  Dals  eine  solche  sonst  in  sächsischen 
Städten  gebräuchlich  war,  ersehen  wir  aus  einer  Dresd- 
ner und  einer  Chemnitzer  Achtsformel  aus  dem  Anfange 
des  16.  Jahrhunderts"^). 


"^)  Bienko  S.  27  lt.  Plauck  II,  304  ff. 

3»)  Verftl.  Sachs.  Landiecht  II,  4  ij  l :  utlaten  mit  vingere  unde 
mit  tungen.     Klotzsch,   Verzelleu  S.  98  ff. 

"")  Gosl.  Statuten,  herausg.  v.  Göschen  S.  .^7,  11. 

3')  Planck  IL  34. 

^^)  So  auch  nach  Chemnitzer  und  Dresdner  Formeln    s.  N.   40. 

39)  Vergl.  Grimm,  Rechtsaltertümcr  S.  39  ff".  Mever,  Straf- 
verf.  S.  71.  Planck  IJ,  30«. 

^*')  Alte  Willkür  der  Stadt  Dresden,  Fassung-  von  ca.  1512 
(Ratsarchiv  C.  XVI,  53 e):  VorJcundigiw p  in  die  (icJit.  Der  rivhter 
sali  aufstehn  mit  seinen  scho]}pen  und  sali  sprechen  :  Allen  den 
recht  üb  ist  die  heben  die  rechten  zioene  eides/inger  au  ff'  und 
sprechen  mir  nach  Alhier  in  disen  gerichten  ist  N.  N.  mit  rechter 
clagen  vorvestent    umb  den  mortli,    den  er   begunsi   hat   an  N.  JS', 


12  Hubert  Ennisch: 

Im  Auscliliisse  an  das  Erheben  von  Fingern  und 
Zungen  liefe  der  Kläger  nunmehr  durch  besondere  Ur- 
teile die  Rechtsfolgen  feststellen,  die  wir  sogleich  näher 
zu  betrachten  haben  werden.  Schließlich  soll  er  hesefcen 
'uiit  dem  ricJdere  und  mit  den  dlncivarten ,  daz  di  Jute 
also  sine  vergalten  sint  umme  den  roup  oder  unime  di 
dube  uf  iren  hals  d.  h.  er  soll  Richter  und  Dingwarten 
ausdrücklich  auf  den  Vorgang  aufmerksam  machen,  um 
denselben  ihrem  Gedächtnis  einzuprägen  und  sich  ihr 
Zeugnis  über  den  Akt  der  Verzählung  zu  sichern^^)  (Kap. 
XXI  §  2). 

Völlige  Rechtskraft  gewann  die  Verzählung  durch 
das  Richten  mit  Fingern  und  Zungen  noch  nicht.  Er- 
schien der  Beklagte  während  des  Dinges,  in  welchem 
über  ihn  gerichtet  worden  war,  so  galt  er  als  nicht  ver- 
zählt, und  das  gewöhnliche  Verfahren  fand  statt.  Er- 
schien er  zwar  nicht  während  des  Dinges,  wohl  aber  an 
demselben  Tage  vor  Sonnenuntergang  und  setzte  Bürgen 
dafür,  dafs  er  dem  Kläger  antworten  wolle,  so  galt  er 
zwar  gleichfalls  noch  nicht  als  verzählt;  doch  traf  ihn 
einer  der  Rechtsnachteile,  die  dem  Verzählten  drohten: 
er  verlor  das  Recht,  sich  vor  Gericht  durch  einen  Vor- 
mund vertreten  zu  lassen^-). 

Hiernach  ist  anzunehmen,  dafs  frühestens  am  Tage 
nach  dem  Richten  mit  Fingern  und  Zungen  die  Fort- 
setzung des  Verzählungsverfahrens  stattfand.  Bisher  hatte 
sich  dasselbe  im  Dinge,  vor  Richter  und  Dingwarten,  ab- 
gespielt; sollte  die  Verzählung  volle  Rechtskraft  gewinnen, 
so  bedurfte  es  auch  der  Mitwirkung  des  Rates,  der  nach 
dem  Stadtrechte  bereits  „die  höchste  und  grölste  Gewalt 
und  Gerichte  hatte"  (Kap.  XLVIII  §  1).  Man  mulste 
den  Verzählten  „an  der  Bürger  Brief  bringen". 

Zu  diesem  Zwecke  hatte  der  Richter  zunächst  dem 
Rate   eine   förmliche   Mitteilung   zu   machen:    so  sal  der 


und  ist  mit  gericht  erlanget  ane  Widerrede,  des  ich  eyn  gezeuge 
seyn  ivill  mit  den  schojtpen  und  allen  disen  dingpfliclt,tigen  und  die 
gegemvertig  seint.  Denselbigen  N.  N.  kundige  ich  in  die  achte  in 
der  stat  weichhilde,  auch  so  neme  ich  yn  seinen  freunden  und  er- 
laube yn  seinen  feinden  und  kundige  sein  weih  ziv  ivitbe  und  seine 
Idnder  zue  loesen  also  lange  biß  er  seines  rechtes  wider  bekommet. 
Die  Cheranitze]'  Aclitsformel  habe  ich  in  den  Mitteilungen  des  Ver- 
eins für  Chemnitzer  Gesch.  VII  (Chemnitz  1891),  27  mitgeteilt. 
Vergi.  auch  ßechtsb.  nach  Dist.  IV,  20  dist.  1. 

")  Vergl.  Planck  I.  331. 

*'-)  Vergl.  unten  S.  23. 


ö 


Das  Verzählen.  13 

richter  vor  di  bürgere  tretin,  da  di  meiste  menie  der  bür- 
gere si,  und  sprechen:  „Mir  ist  luizzentlicli,  daz  der  man 
umme  roub  ader  umme  dube  also  vor  mir  verczalt  ist, 
daz  man  in  nn  zu  rechte  an  den  brief  setzin  sal  und 
mach"  (Kap.  XXI  §  3). 

Nach  dem  Sprachgebrauch  des  Stadtrechts,  das  unter 
bürgere  fast  durchweg  den  Rat  versteht,  haben  wir  diesen 
Satz*-^)  wohl  nicht  auf  eine  öffentliche,  etwa  auf  dem 
Markte  oder  in  der  Kirche  erfolgende  Bekanntmachung 
der  Verzählung  zu  beziehen,  sondern  lediglich  auf  eine 
Mitteilung  an  den  Rat;  darauf  deuten  auch  die  auf  die 
Eintragung  in  der  Bürger  Brief  bezüglichen  Schlulsworte. 
Allerdings  lassen  die  Rechtswirkungen  der  Verzählung 
es  als  erforderlich  erscheinen,  dals  jedermann  die  Ver 
zählten  kannte ;  aber  in  älterer  Zeit,  als  der  gröiiste  Teil 
der  Gerichtsinsassen  sich,  noch  persönlich  im  Dinge  ein- 
fand, machte  ohne  Zweifel  die  öffentliche  Vornahme  des 
Aktes  der  Verzählung  eine  besondere  Publikation  des- 
selben entbehrlich.  Später  war  eine  solche  üblich;  ein 
interessantes  Beispiel  dafür,  dals  man  in  Ausnahmefällen 
aus  persönlichen  Rücksichten  von  der  öffentlichen  Be- 
kanntmachung absah  *^),  bietet  eine  dem  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  angehörige  Notiz  des  Verzählbuches ^"'*). 

War  der  Rat  so  amtlich  benachrichtigt,  so  war  es 
seine  Aufgabe,  die  Verzählten  in  das  hierfür  bestimmte 
Buch  eintragen  zu  lassen.  Dasselbe  heilst  im  Stadtrecht 
durchweg  der  burger  brief :  auch  im  Verzählbuch  ist  die 
Bezeichnung  brief  die  gewöhnliche**^).  Eine  solche  Ein- 
tragung Geächteter  teils  in  die  auch  anderen  Zwecken 
dienenden  Stadtbücher,  teils  in  besondere  xlchtbücher, 
libri  proscriptionmn  oder  wie  sie  sonst  heilsen,  war  ziem- 
lich  allgemein   üblich*^).     Auch    in   sächsischen   Städten 


*ä)  Derselbe  ist  übrigens,  wie  wir  aus  dei'  handschriftl.  Llber- 
lieferung-  des  St.-R.  entnehmen  können,  ein  allerdings  Avohl  noch 
dem  ersten  Viertel  des  14.  Jahrli.  angehöriger  Zusatz  zu  der  ältesten 
Textgestalt  des  St.-R. 

^)  Vergl.  Francke,   Verfestungsbuch   von  Stralsund  No.  454. 

'*^)  fol  85*^:  Der  junge  Hans  Alnpeck  am  margkte  und  Paul 
Trener  seynclt  bis  auf  die  aneu-eysung  vorczalt  wurden.  Die  vor- 
czelung  wardt  ine  heymlichen  angesaget  und  ine  zu  gute  nicht 
aufhentlich  ausschreiben  lassen. 

^")  Vergl.  hierüber  und  über  die  Bezeichnungen  catalogus  truf- 
fatorum,  schwarzes  Register  Uß.  III,  XXXIV  f. 

^■'j  Vergl.  Budde,  Rechtlosigkeit  S.  Ifi3  f.  Üsenbrüggen, 
Hausfrieden  S.  52  Homeyer,  Die  Stadtbücher  des  Mittelalters 
S.  32.    Bienko,     De    proscriptione    S.  39  f.     Frensdorfl'  a.  a.  0. 


14  Hubert  Ermisch: 

kommt  beides  vor:  wir  wissen  namentlich,  dafs  es  in 
Dresden^^),  Leipzig^^),  Chemnitz  besondere  Verfestungs- 
bücher  gegeben  hat.  Erhalten  aber  hat  sich  davon  mit 
Ausnahme  eines  nur  wenige  Einträge  enthaltenden,  1535 
„vernewerten"  Chemnitzer  Achtbuches  ohne  erhebliclien 
Wert''";  nur  das  stattliche  Verzählbuch  der  Stadt  Erei- 
berg,  und  schon  dieser  Umstand  mulste  uns  bestimmen, 
es  im  Urkundenbuche  seinem  vollen  Wortlaute  nach  zum 
Abdruck  zu  bringen.  Der  Grund,  warum  so  viele  der- 
artige Bücher  zu  Grunde  gegangen  sind,  ist  wohl  einfach 
der,  dals  an  ihre  Erhaltung  sich  weitaus  nicht  die  In- 
teressen knüpften  wie  an  die  Erhaltung  derjenigen  Bücher, 
welche  privatrechtliche  xlbmachuugen  betrafen;  ja  es 
mochte  eher  wünschenswert  erscheinen,  die  Zeugnisse 
früherer  Vergehen,  wenn  dieselben  gesühnt  oder  sonst 
erledigt  waren,  aus  der  Welt  zu  schaffen,  und  so  scheint 
vielfach  bei_  der  Anlage  eines  neuen  Verzählbuches  das 
alte  unter  Übertragung  der  noch  giltigen  Verzählungen 
in  jenes  vernichtet  worden  zu  sein'^). 

Welche  Gestalt  in  der  ältesten  Zeit  der  „Bürger 
Brief"  hatte,  wer  die  Eintragungen  bewirkte  und  unter 
welchen    Formalitäten    diese   geschahen,    darüber    giebt 


S.  XIII  f.  XXVIII.  Planck  II,  201.  Frauenstädt,  Blutrache 
und  Todschlagsühne  S.  VII.  —  A'ollständig  veröifentlicht  sind  ein  Ver- 
festuugsbuch  der  Stadt  Stralsund  (vergl.  oben  N.  3)  und  ein  Liegnitzer 
Verfestungsbuch  (C.  J.  Schuchard,  Die  Stadt  Liegnitz  S.  153  11'.). 
Über  Achtbücher  zu  Wismar,  Rostock,  Braunschweig  vergl.  Frens- 
dorff  S.  XIV,  das  schwarze  Buch  zu  Riga  Bunge,  Riga  S.  318-, 
über  ein  Breslaiier  Achtbuch.1332— 1.549  Frauenstädt  in  der  Ztschr. 
f.  Strafrecht  X,  2  ff . ;  über  Ächtungen  in  Signatiu'lnichern  von  Jauer 
1381 -- 1412  Ztschr.  d. Vereins  f.  schles.  Gesch.  IX,  100  ff',  (vergl.  die 
A^ermerke  über  die  Eintragung  Geächteter  auf  Wachstafeln  ebd.  97  ff'.), 
im  OJmützer  Stadtl)uch  Bischoff,  Sitzungsber.  der  philos.-histor.  Kl. 
der  kaiserl.  Akad.  LXXXV,  308  ff.,  den  über  proscriptionum  zu  Prag 
Röfsler,  Deutsche  Rechtsdenkm.  I,  L  f.  LX,  ein  Görlitzer  Acht- 
buch Lausitzer  Magazin  X.Y,  134  vergl.  319,  ein  Augsburger  Acht- 
buch Ztschr.  d.  histor.  Vereins  für  Schwaben  u.  Neuburg  IV,  3, 
160  ff.  u.  dergl.  m. 

*^}  1492  wird  hier  ein  achtbuch  erwähnt,  vergl.  0.  Richter, 
Verfassungsgesch.  von  Dresden  S.  154. 

■^f)  Im  ältesten  Leipziger  Stadtbuche  war  eine  Abteilung  für 
die  proscripti  bestimmt,  vergl.  diese  Ztschr.  X,  178  f.  Ein  späteres 
liber  proscriptionum  (1493)  nennt  das  ebenda  S.  182  beschriebene 
Stadtbuch  II  fol.  88  b. 

50)  Vergl.  Er  misch,  Das  Chemnitzer  Achtbuch:  Mitteilungen 
des  Vereins   für  Chemnitzer  Geschichte  VII  (Chemnitz  1891),  23  ff. 

■")  Vergl.  ÜB.  III,  XXXA\  XXXVII. 


Das  Verzählen.  15 

unser  Stadtrecht  keine  Aufklärung.  Wenn  der  Richter 
zum  Beweise  der  Verzählung  einer  Person  den  ganzen 
Brief  laut  vorlesen  liefe  (Kap.  XYIII  §  3),  so  lälst 
dies  vermuten ,  dafs  er  von  nur  geringem  Umfange 
war.  vielleicht  aus  einem  einzelnen  Pergamentblatte  be- 
stand. Wie  das  uns  vorliegende  Verzählbuch  durchweg 
von  der  Hand  des  jeweiligen  Stadtschreibers  geführt 
wurde '^),  so  war  es  ohne  Frage  auch  dieser,  der  bnrger 
schriber,  der  die  Namen  der  Verzählten  und  ihre  Ver- 
gehen in  den  Brief  eintrug'^'").  Wie  das  ganze  Verfahren, 
so  setzte  auch  die  Eintragung  in  den  Brief  wohl  durch- 
weg einen  Antrag  des  Klägers  voraus;  der  Kläger  war 
es,  der  den  Verzählten  durch  Vermittelung  des  Richters 
„an  der  Bürger  Brief  brachte"  (Kap.  XXI  §  2). 

Der  Zweck  der  Eintragung  in  der  Bürger  Brief  war 
lediglich  die  Erleichterung  des  Beweisverfahrens.  Zwar 
konnte  jede  im  Dinge  vorgenommene  Handlung,  also  auch 
jede  Verzählung,  durch  das  Zeugnis  des  Richters  und 
eines  Ding  warten  bewiesen  werden  (Kap.  XIII  §  1). 
Aber  eines  solchen  Zeugenbeweises  bedurfte  es  nicht, 
wenn  der  Name  des  Verzählten  „an  dem  Briefe"  stand; 
der  Beweis  dieser  Thatsache  genügte  vollkommen.  Während 
andere  Beurkundungen  wie  auch  die  Einträge  in  die 
Stadt-  und  Gerichtsbücher  in  älterer  Zeit  lediglich  zum 
mündlichen  Zeugnis  verhelfen  sollten  und  daher  die 
Zeugen  namhaft  machten,  die  bei  einer  Handlung  zu- 
gegen gewesen,  war  der  „Bürger  Brief"  an  sich  selbst 
Zeugnis  genug ;  wir  haben  in  demselben  eines  der  frühe- 
sten Beispiele  des  reinen  Urkundenbeweises.  Eine  Ein- 
tragung von  Zeugen  der  Verzählung  konnte  daher  unter- 
bleiben und  unterblieb  auch  stets.  —  Im  einzelnen  werden 
wir  auf  das  Beweisverfahren  noch  zurückkommen. 

3.  Wirkungen. 

Was  die  Wirkungen  der  Verzählung  anlangt,  so  steht 
das  Freiberger  Stadtrecht  im  allgemeinen  auf  dem  Stand- 
punkt des  Sachsenspiegels,  der  bekanntlich  kurz  dahin 
pi'äzisiert  wird:  Vestinge  nimt  dem  manne  sin  lif,  of  he 
hegrepen  wert  dar  binnen,  unde  nicht  sin  recht,  svo  lange 
Jie  daran  ist'''^).     Wir  verstehen  diese  Worte  dahin,  dafs 


^^)  ÜB.  III,  xxxvn  f. 

^*)  VerQ'l.  über  seine  sonstigen  Obliegenheiton  ebd.  XI  ff. 
5*)  Säciis.  LiUidreeht  III,  Ü3  ^  3. 


16  Hubert  Ermisch: 

die  Verfestung-   zwar  friedlos,   aber  nicht  völlig  rechtlos 
macht  ^•^). 

Insbesondere  zieht  die  Verzählung  in  Freiberg  nicht 
die  Konfiskation  des  Vermögens  nach  sich^'*^).  Das  Stadt- 
recht (Kap.  I  §  20)  bestimmt: 

Tut  ein  mau  einen  schaden,  wi  groz  he  ist,  oder  verlusit  des 
herren  hulde,  daz  he  iutwichen  muz,  waz  der  erbis  unde  gutis  lezet, 
daz  ist  zu  rechte  siner  luisvroweu  unde  siner  kindere;  daz  inmac  in 
niman  genemeu  noch  versprechen  nach  der  stat  recht,  weder  herre 
noch  ratgebeu.  Haben  aber  di  bürgere  icht  zu  im  zu  sachene,  di 
bliben  dabi  mit  rechte.  Hat  ouch  imant  uf  in  icht  irteidinget  vor 
gerichte  umme  schult  oder  umrae  phauduuge  wizzentlichen  dem  rich- 
tere  und  den  dincwarten,  deme  sal  der  richter  helfen  phandis  oder 
sal  in  wisen  an  sin  erbe  mit  rechte. 

Also  das  Gut,  das  einer  zmiicklälst,  der  wegen  eines 
Vergehens  gegen  die  Stadt  oder  die  Landesherren  „ent- 
weichen mufs"  d.  h.  doch  wohl  verzählt  wurde,  fällt  seinen 
rechten  Erben  heim ;  selbst  der  Landesherr  kann  es  ihnen 
nicht  entziehen.  Ansprüche  der  Stadt  an  dasselbe  bleiben 
in  Kraft;  auch  andere  vor  Gericht  erstrittene  Forderungen 
konnten  ebenso  geltend  gemacht  werden,  als  wenn  der 
Verzählte  anwesend  wäre. 

Dem  entspricht  es,  wenn  auch  der  Verzählte  das 
Recht  behielt,  seinerseits  privatrechtliche  Ansprüche  gegen 
andere  geltend  zu  machen:  umme  schult  unde  umme  ge- 
lubde  sal  man  im  anhverten  zu  rechte  (Kap.  XLIX  §  18); 
ein  Recht,  von  dem  er  allerdings  persönlich  keinen  Ge- 
brauch machen  konnte,  ohne  sich  den  schlimmsten  Folgen 
auszusetzen;  wohl  aber  vermochten  es  an  seiner  Stelle 
seine  Rechtsnachfolger  im  Besitze  des  Vermögens  zu 
thun.  Ungünstiger  gestellt  war  in  dieser  Hinsicht  der 
im  Kirchenbanne  Befindliche,  dessen  Lage  sonst  der  des 
Geächteten  sehr  ähnlich  war:  ihm  brauchte  man  auch 
auf  Klagen  um  Schuld  und  Gelübde  nicht  zu  antworten 
(Kap.  XLIX  §  19). 

Hatte  somit  die  Verzählung  keine  vermögensrecht- 
liche Wirkung,  so  traf  sie  dagegen  um  so  schärfer  die 
Person  des  Verzählten.  Er  gehörte  nicht  mehr  zu  den 
erhaften  litten,  verlor  sein  „Echt  und  Recht":  er  konnte 
kein  giltiges  Zeugnis  vor  Gericht  ablegen'^')  (Kap.  II  §  3. 


55)  Vergl.  Bienko  S.  55  ff.  Frensdorff  S.  XX.  Planck 
II,  299. 

50)  Wie  dies  im  lübischen  Rechte  der  Fall  war,  vergl.  Frens- 
dorff S.  XX  f.  XXXII  f. 

•-)  Yergl.  Planck  II,  HO. 


Das  Verzählen.  17 

VIII  §  4.  XII  §  1  veifil.  XIII  §  1.  XXIX  §  1. 
XXXII  §  17.  XLIX  §  41),  selbstverständlich  auch 
keine  Bürgschaft  übernehmen,  nicht  als  Vorsprecher  oder 
Vormund  im  Gerichte  auftreten,  noch  sonstige  bürgerliche 
Rechte  ausüben. 

Vor  allem  aber  hatte  er  keinen  Anspruch  auf  den 
allen  anderen  Bürgern  zustehenden  Rechtsschutz  inner- 
halb des  Stadtgebietes;  er  genols  nicht  den  Stadtfrieden, 
man  konnte  an  ihm  keinen  Friedebruch  begehen.  Das 
Stadtrecht  unterscheidet  zwischen  schweren  Friedens- 
brüchen (Totschlag  und  kampere  Wunden),  bei  denen  der 
Beweis  mittels  gerichtlichen  Zweikampfs,  und  leichten 
Friedensbrüchen,  bei  denen  der  Beweis  mit  mindestens 
2  Zeugen  zu  führen  war;  in  beiden  Fällen  braucht  man 
einem  Verzählten  nicht  zu  antworten.  Wohl  kann  der- 
selbe wegen  einer  ihm  zugefügten  Verwundmig  Klage 
erheben  und  den  Thäter  einheischen  lassen;  auch  wird 
der  letztere,  wenn  er  sich  nicht  im  Dinge  einfindet,  ebenso 
verzählt,  als  ob  er  gegen  jemanden  gefrevelt  hätte,  der 
Echt  und  Recht  behalten  hat.  Erscheint  aber  der  Be- 
klagte im  Dinge,  erbietet  sich  rechtzeitig  zum  Beweise, 
dals  der  Kläger  an  der  Bürger  Briefe  stehe,  und  ver- 
mag diesen  Beweis  zu  führen,  so  braucht  er  keine  Ant- 
wort um  den  Friedensbruch  zu  geben  (Kap.  XXVI  §  1.  2). 
Ebenso  ist  es,  wenn  ein  Verwandter  des  Getöteten  oder 
Verwundeten  die  Klage  erhoben  hat;  gelingt  der  Beweis, 
dals  der  letztere  oder  auch  der,  der  für  ihn  klagt,  ver- 
zählt ist,  so  braucht  der  Beklagte  nicht  zu  antworten, 
und  der  Kläger  verfällt  aulserdem  in  die  Bulse  von 
60  Schillingen,  die  jeden  betrifft,  der  eine  begonnene 
Klage  nicht  durchzuführen  vermag  (Kap.  XXVI  §  3.  4. 
XXVII  §  12).  Endlich  befreit  der  Nachweis  der  Ver- 
zählung  auch  dann  von  der  Pflicht,  sich  auf  die  Klage 
einzulassen,  wenn  der  Richter  dieselbe  für  den  Verletzten 
erhoben  hat  (Kap.  XXX  5^  10).  In  allen  diesen  Fällen 
kommt  es  darauf  an,  dalis  der  Beklagte  sich  rechtzeitig 
zum  Beweise  erboten  habe  d.  h.  bevor  er  das  Gericht  um 
Boten  zum  kämpf  liehen  Grulse,  zu  der  mit  dreimaligem 
Zetergeschrei  einzuleitenden  förmlichen  Kampfklage,  ge- 
beten hat ;  hat  er  dies  gethan,  so  wird  angenommen,  dafs 
er  sich  auf  den  gerichtlichen  Zweikampf  einlassen  wolle, 
und  eine  nachträgliche  Berufung  auf  den  Brief  hat  keinen 
Erfolg  mehr  (Kap.  XXVI  i^  2  vergl.  XXVII  §  12).  Audi 
bei  geringeren  Friedensbrüchen   wird   der   Kläger   durcli 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XIII     I.  •>.  2 


18  Hubert  Ermiseh: 

den  Nachweis,  dals  er  selbst  oder  einer  seiner  Zeugen 
am  Briefe  stehe,  sachfällig  und  es  trifft  ihn  die  Bulse 
von  60  Schillingen  (Kap.  VIII  §  4). 

Die  weitei'en  Wirkungen  der  Verzählung  betreifen 
namentlich  die  rechtliche  Stellung  des  Verzählten  dem  Klä- 
ger gegenüber,  der  ihn  „an  den  Brief  gebracht  hatte".  Die 
Anschauung,  dafs  ein  schwerer  Friedensbruch  ebenso  ein 
Verbrechen  gegen  die  Gesamtheit  als  eine  Verletzung 
des  Geschädigten  bedeute,  drang,  wie  wir  schon  be- 
rührten und  wie  sich  auch  aus  der  Notwendigkeit  der 
Klagestellung  durch  den  Geschädigten  oder  einen  Ver- 
treter desselben  ergiebt,  nur  langsam  durch;  lag  doch 
nach  Freiberger  Stadtrecht  sogar  die  Vollstreckung  des 
ausgesprochenen  Todesurteils  dem  Kläger  ob,  ein  deut- 
licher Beweis  dafür,  dals  sich  die  Begriffe  der  Strafe 
und  der  Rache  noch  nahe  berührten-^*).  Der  Verzählte 
war  des  Klägers  Verzählter  "'**);  seine  Festnahme  war 
Sache  des  Klägers,  nur  er  durfte  sie  vornehmen.  Aber 
wie  man  klagte  „über  sinen  dtp  unde  der  landhUe  dtp" 
(Kap.  XIX  §  2  vergl.  XX  §  1.  2),  so  war  die  Gesamt- 
heit verpflichtet,  dem  Kläger  bei  Ergreifung  des  Ver- 
zählten behilflich  zu  sein.  Namentlich  durfte  niemand 
den  Verzählten  durch  Aufnahme  in  sein  Haus  schützen. 

Diese  Rechts  Wirkungen  des  Verzählens  liefs  sich 
der  Kläger,  nachdem  mit  Fingern  und  Zungen  gerichtet 
war,  durch  drei  Urteile  des  Gerichts  ausdrücklich  fest- 
stellen. 

Seine  erste  Frage  lautete:  tver  si  (die  Verzählten) 
after  dem  tage  liuset  oder  höret  ir  keinen,  ivi  im  der  zu 
rechte  bestanden  si.  Darauf  entscheidet  das  Gericht: 
iver  si  hiise  oder  hove  after  dem  tage,  der  si  desselben 
bestanden,  des  auch  jene  bestanden  sint,  he  wolle  si  denne 
zu  rechten  teidinqen  stellen  (Kap.  XXI  §  2.  ebenso 
XXVII  §  5.  XXVIII  §  11).  Die  blofse  Aufnahme  eines 
Verzählten  und  die  AVeigerung,  ihn  auf  Verlangen  des 
Klägers  dem  Gerichte  zu  stellen,  zog  also  dieselbe  Strafe 


■'^»)  Kap.  XIX  §  U.  XX  §  6.  XXII  §  4.  XXYIII  §  14.  Vergl. 
Frauenstädt,  Blutrache  uufl  Tort^clilagsühue  S.  99  f.  Dafs  man 
(loch  auch  bei  dieser  merkwürdigeu  Einrichtung  den  öffentlichen 
Chai-akter  der  Strafe  nicht  ganz  verkannte,  darauf  deutet  die  Be- 
stimmung hin,  dafs  der  Auswärtige,  der  als  Kläger  obgesiegt,  seinen 
Dieb  zwar  mit  in  seine  Heimat  nehmen,  aber  Bürgen  für  die  Voll- 
streckung der  Strafe  setzen  mufste,  vergl.  St.  R.  Kap   XIX  i<  14. 

■'■*}  daz  (U  inte  diso  sine  rerzalten  sinf  (Kap.  XXI  i;  2). 


Das  Verzählen.  19 

nach  sich,  die  dem  Verzählten  drohte,  wenn  er  ergriffen 
wurde,  d.  h.  die  Todesstrafe,  oder  die  Verzählung  im  Falle 
der  Flucht*"-).  Der  Einwand,  man  habe  um  die  Ver- 
zählung  nicht  gewulst,  schützte  schwerlich  vor  Strafe; 
wohl  um  ihm  zu  begegnen,  wurde  im  Anfange  des 
15.  Jahrhunderts  ausdrücklich  statutarisch  festgesetzt: 
Da  sal  nymand  den  andern  husen,  lierhergen  adir  Jiofen, 
er  weis  unde  uil  en  denne  entiverten  czu  rechten  tei- 
dingen  (ÜB.  I,  127  §  9,  vergl.  III,  474  §  33.  34). 

Weit  milder  ist  m  diesem  Falle  der  Sachsenspiegel, 
nach  welchem  der,  welcher  einen  Verfesteten  tuetenlike 
herbergt  und  speiset,  nur  in  das  Gewette  verfällt,  und 
Unkenntnis  auch  vor  dieser  Strafe  schützt ''^).  Dals  man 
in  Städten  strenger  verfuhr,  war  eine  Folge  des  in  ihnen 
herrschenden  höheren  Friedens;  auch  in  Stralsund"^),  in 
Goslar*^-')  und  an  anderen  Orten  traf  den,  der  einen  Ver- 
festeten aufnahm,  dieselbe  Strafe  wie  diesen''*). 

Dafs  den  Verzählten  im  eigenen  Hause  sein  Haus- 
friede geschützt  habe,  wie  dies  anderswo  der  Fall  war*^^), 
ist  für  Freiberg  kaum  anzunehmen;  wenigstens  wii'd  man 
Mittel  und  Wege  gefunden  haben,  diesen  Schutz  wir- 
kungslos zu  machen,  wie  man  auch  das  Asylrecht  der 
Kirchen  und  Klöster  zu  umgehen  wufste •'*'). 


'^)  Verzählung  des  Ulricli  Snj'der  wegen  Aufnahme  seines 
verzählten  Sohnes,  s.  Verzälüb.  B  No.  947;  von  zwei  Personen, 
Aveil  sie  einem  Verzählten  weggehulffen  haben  A  No.  18. 

*")  Sachs.  Landrecht  III,  23,  vergl.  aber  auch  die  strengern  Bestim- 
mungen über  die  Aufnahme  eines  Friedensbrechers  in  eine  Burg  II, 
72  §  1.  Es  ist  bezeichnend,  dafs  in  das  Rechtsbuch  nach  Distink- 
tionen,  welches  das  in  sächsischen  Städten  geltende  Recht  geben 
will,  die  erstere  Bestimmung  des  Ssp.  nicht  Aufnahme  gefunden  hat, 
wohl  aber  (VI,  4  dist.  1)  die  zweite.  Vergl.  Osenbrüggen,  Haus- 
frieden S.  54.  John.  Das  Strafrecht  in  Norddeutschland  zur  Zeit 
der  Rechtsbücher  I.  131.  235  f.  Tlanck  11,  296. 

62;  Vergl.  Frensdorff  S.  LV. 

63)  Gosl.  Stadtrecht  S.  59,  29. 

^)  Dagegen  setzten  z.  B.  die  Statuten  der  Stadt  Grimma  (1372) 
nur  eine  Geldbufse  auf  Belierbergung,  Speisung  oder  Fiirdei'ung  eines 
Verfesteten  (Lorenz,  Grimma  S.  475),  entsprachen  also  dem  Sach.sen- 
spiegel. 

0.^)  Vergl.  Grimm,  Rechtsaltertümer  S.  891.  Osenbrüggen 
S.  26  f. 

6")  Vergl.  den  Befehl  Kurf.  Friedrichs  an  den  Rat  zu  Freiberg 
vom  2.  Novemljer  1475  wegen  des  in  das  Franziskaneikloster  ge- 
flüchteten Philipp  Gorteler:  der  Rat  solle  die  Seinen  ins  Kbister 
schicken  und  darauf  achten  lassen,  dafs  dem  G.  weder  Nahrung  ge- 
reicht nocii   Knbi'   und  Siblnf  verstattet  werde;    dann  werde   er  bald 


sich  ergeben.     Uli.  1,  3S9. 


2' 


20  Hubert  Ermiscli: 

So  entsprach  die  Verzäliluiig-  in  ihrer  Wirkung'  durchaus 
der  Verweisung'  aus  dem  Stadtgebiet,  wenngleich  das 
Stadtrecht  sie  als  solche  nirgends  bezeichnet. 

Der  Kläger  stellte  dann  die  weitere  Urteilsfrage: 
ah  he  ir  keinen  ansichtic  iveräe  after  dem  tage,  tri  oder 
mit  iveme  he  si  nfhalden  sulle?  worauf  die  Antwort 
lautete :  mit  alle  den,  die  vride  unde  gnade  haben  tvollen. 

Die  Ergreifung  des  Verzählten  stand  also  zunächst 
nur  dem  Kläger  zu.  Wenn  freilich  jedermann  ihm  dabei 
behilflich  sein  mufste,  so  ist  die  Wirkung  nicht  wesent- 
lich verschieden  von  der  einer  allgemeinen  Friedlos- 
erklärung. 

Die  dritte  Urteilsfrage  endlich  war:  ah  he  si  uf- 
halden  icolle  unde  si  sich  iveren,  ah  he  oder  kein  sin 
vrunt  oder  kein  sin  helfer  keinen  vride  an  in  gebrechen 
muge?  die  Antwort  darauf:  das:  after  dem  tage  he  noch 
kein  sin  vrunt  keinen  vride  an  im  gehrechen  muge,  icolle 
he  in  volhrengen,  als  reclit  si. 

Hierdurch  wurde  eigentlich  nur  etwas  Selbstver- 
ständliches ausdrücklich  festgestellt;  denn  auch  andere 
als  der  Kläger  konnten  an  dem  Verbrecher  keinen  Friede- 
bruch begehen,  wie  schon  oben  ausgeführt  wurde.  — 

Gelang  dem  Kläger  die  Festnahme  des  Verzählten, 
so  war  die  Lage  des  letzteren  eine  sehr  üble,  da  es  sich 
nunmehr  nur  um  den  Beweis  der  Verzählung,  nicht  um 
den  der  That  handelte;  was  diese  anlangte,  galt  der  Er- 
griffene als  bereits  überführt. 

Das  Stadtrecht  schildert  eingehend  das  Verfahren 
gegen  den  wegen  Diebstahls  oder  ßaubes  Verzählten; 
ohne  Frage  wurde  ebenso  verfahren,  wenn  die  Verzählung 
aus  irgend  einem  anderen  Grunde  erfolgt  war.  Der 
Kläger  bringt  den  Ergriffenen  zu  Haus  und  Hof  des 
Richters,  erbietet  sich  nach  kurzer  Darlegung  des  Sach- 
verhalts zum  Beweise  der  Verzählung  und  verlangt  die 
Gefangenhaltung  des  Verzählten  bis  zum  nächsten  Dinge; 
diese  muis  ihm  gewährt  werden,  einen  Bürgen  darf  der 
Verzählte  nicht  stellen.  Der  Richter  bescheidet  hierauf 
beide  in  das  nächste  Ding  (Kap.  XXTI  §  1);  länger  als 
bis  zum  nächsten  Dinge  soll  niemand,  der  auf  den  Hals 
gefangen  sitzt,  warten  (Kap.  XIX  §  4).  Wie  bei  dem 
Verfahren  gegen  den  auf  handhafter  That  ergriffenen 
Dieb  oder  Räuber  beginnt  der  Kläger  im  Dinge  mit  dem 
Antrage  auf  Vorführung  des  Verhafteten.  Aber  während 
der  auf  frischer  Tliat  Ergriffene   mit  dreimaligem  „Ge- 


Das  Verzählen.  21 

schrei"  vorgeführt  wurde  (Kap.  XIX  §  5.  6.  XX  §  2), 
eine  Formalität,  durch  die  man  die  That  gewissermalsen 
bis  in  das  Gericht  verlängern,  in  das  Gericht  bringen 
wollte*^'),  erfolgte  die  Überführung  des  Verzählten  aus 
der  Haft  in  das  Gericht  ohne  Geschrei  und  mithin  auch 
ohne  die  Boten,  die  der  Richter  sonst  behufs  Ableguug 
von  Zeugnis  über  das  Geschrei  dem  Kläger  mitgab ;  denn 
es  bedurfte  keines  Beweises  der  handhaften  That  (Kap. 
XXII  §  2).  Ist  der  Verzählte,  dem  man  die  Hände 
auf  den  Rücken  binden  kann,  anwesend,  so  giebt  der 
Kläger  nochmals  eine  Darstellung  der  Vorgänge,  die  zur 
Verzählung  geführt  haben,  erbietet  sich  zum  Beweise  der 
Verzählung,  falls  der  Beklagte  ihm  nicht  glauben  will 
(so  teil  he  in  volhrengen  mit  der  hur(/er  hrive  als  recld 
ist),  und  bittet  für  den  Fall,  dals  ihm  der  Beweis  gelinge, 
um  ein  Urteil:  ui  lie  im  zu  rechte  bestanden  si.  Dieses 
Urteil  lautet  in  jedem  Falle"^)  auf  Lebensstrafe:  vindet 
man  in  aii  der  hiirger  brive,  daz  he  sin  verzalter  si  innme 
eine  dube  oder  umme  einen  raup,  als  he  sich  vermezzen 
hat,  daz  he  im  zu  rechte  bestanden  si  mit  deme  halse 
(Kap.  XXII  §  3). 

Das  BcAveisverfahren  beginnt  mit  der  Urtelsfrage 
des  Klägers:  irer  im  zu  rechte  des  brifes  yehelfen  sidleY 
worauf  geteilt  wird:  daz  sidle  der  richter  tim.  Die  Vor- 
legung des  Briefes  kann  sofort *''^)  geschehen.  Ist  dies 
nicht  möglich,  so  werden  die  Parteien  zum  nächsten 
Dinge  beschieden.  Der  Kläger  lälst  durch  Urteil  fest- 
stellen, dals  es  ihm  unschädlich  sei,  wenn  der  Richter, 
obwohl  von  ihm  gemahnt,  ihm  doch  bis  zum  nächsten 
Dinge  nicht  „des  Briefes  gehilft" ;  in  diesem  Falle  wird 
den  Parteien  ein  anderer  Tag  beschieden.  Der  Verzählte 
wird  inzwischen  wieder  in  Haft  gebracht  (Kap.  XXII 
§  3  vgl.  XVIII  §  2.   XXVI  §  3.   XXVII  §  12). 

Wird  der  Richter  rechtzeitig  d.  h.  am  Tage  vor  dem 
nächsten  Dinge  (des  tages  alsc  he  des  anderen  ia(/es  vol- 
Immen  sal  Kap.  XVIII  §  2.  XXVI  §  4)  vom '  Kläger 
gemahnt,  so  muls  er  seinerseits  den  Bürgermeister  mahnen, 
dals  er  den  Brief   zu  Dinge  bringe  (Kap.   XVIII  §  2). 


ß')  Planck  I,  762  ft'.  Über  den  sehr  weiten  Bciiiift'  der  liand- 
haften  That  im  Freiherger  St.-li.  s.  v.  Kries,  Der  ]5e\veis  im  Straf- 
prozefs  des  Mittelalters  (Weimar  1878)  S.  171   ff. 

«^)  Vergl.  Sachs.  Landrechtl,  68i;5.  Frensdorff  S.XNlii.Lli. 

"")  binnen  dinges  Kai).  ^XTT  t^  .".  ab  hc  iz  da  nicht  gefiin 
mac  -Kap  XXVi  ij  ;3. 


22  Hubert  Ermiscli: 

Wird  der  Brief  vorgelegt,  so  soll  ihn  der  Richter  laut 
lesen  lassen  (Kap.  XVIII  §  3);  die  Parteien  können, 
wenn  sie  wollen,  zu  dieser  Verlesung  Boten  bitten,  die 
dann  über  den  Inhalt  ein  giltiges  Zeugnis  ablegen  können. 
Steht  in  dem  Briefe,  dafs  der  Beklagte  des  Klägers  Ver- 
zählter  wegen  Raubes  oder  Diebstahls  sei,  so  braucht  man 
nur  noch  durch  Urteil  des  Büttels  die  Art  der  Hin- 
richtung bestimmen  und  dieselbe  vollstrecken  zu  lassen 
(Kap.  XXII  §  4). 

So  genügte  also  der  einfache  Beweis  der  Verzählung 
zur  Verurteilung  des  ergriffenen  Verzählten  oder  richtiger 
,.zur  gerichtlich  ausgesprochenen  Ermächtigung  des  Klägers 
zur  Vollstreckung  des  früher  bereits  provisorisch  aus- 
gesprochenen Toclesurteils"  '^"). 

Ebenso  war  der  Beweis  mit  dem  Briefe  zu  führen, 
wenn  man  dadurch  der  Verpflichtung  zur  Antwort  wegen 
Tötung  oder  Verwundung  entgehen  (Kap.  XXVI  §  3.  4. 
XXVII  §  12)  oder  wenn  man  dem  Beklagten  das  Recht, 
sich  durch  einen  Vormund  vertreten  zu  lassen,  entziehen 
wollte  (Kap.  XVIII  §  2.  3);  in  diesen  Fällen  handelte 
es  sich  nur  darum,  dals  der  Name  des  Betreffenden  in 
dem  Briefe  stand ,  auf  die  näheren  Umstände  kam  es 
nicht  an. 

Gelang  es  nicht,  den  angebotenen  Beweis  mit  dem 
Briefe  zu  führen,  sei  es  weil  der  gesuchte  Name  sich  im 
Briefe  nicht  fand  oder  sei  es  auch  nur,  weil  durch  Schuld 
des  Klägers  (insbesondere  wegen  nicht  erfolgter  Mahnung 
des  Richters)  der  Brief  nicht  rechtzeitig  zu  Dinge  kam, 
so  erreichte  der  Beweisführer  nicht  l)loIs  dasjenige  nicht, 
was  er  erstrebte  —  die  Bestrafung  des  Verzählten  oder 
Befreiung  von  der  Pflicht  ihm  zu  antworten  oder  den 
Verlust  des  Vormunds  — ,  sondern  mulste  wohl  stets  auch 
dem  Richter  hülsen.  Handelte  es  sich  um  eine  Kampf- 
klage, der  sich  der  Beklagte  durch  den  Nachweis  der 
Verzählung  des  Gegners  entziehen  wollte,  so  betrug  diese 
Bufse  4  Schillinge  (Kap.  XXVII  §  12).  Wie  hoch  sie 
in  anderen  Fällen  war,  giebt  das  Stadtrecht  nicht  an; 
wahrscheinlich  trat  dann,  wenn  der  Kläger  den  Beweis 
der  Verzählung  nicht  zu  führen  vermochte,  die  Bulse  von 
60  Schillingen  ein. 

Das  Stadtrecht  gedenkt,  wie  bereits  oben  erwähnt 
wurde,  mehrmals  des  Falles,  dals  einer,  der  an  der  burger 


™)  Planck  II,  301. 


Das  Verzälileii.  23 

hrive  stet  umme  sine  unvuge,  aus  einem  anderen  Grunde 
als  dem  seiner  Verzälilung  freiwillig  als  Kläger  oder 
Beklagter  vor  Gericht  erscheint.  Bei  den  schweren 
Folgen,  die  ihn  treffen  mutsten,  wenn  derjenige,  dessen 
Verzählter  er  war,  die  Gelegenheit  benutzte,  um  ihn 
festzunehmen,  ist  dies  auffallend;  wir  müssen  entweder 
annehmen,  dafs  dem  Verzählten  manchmal  freies  Geleit 
zugestanden  wurde '^),  oder  dafs  der  Urheber  der  Ver- 
zählung  durch  Entfernung,  Krankheit  oder  Tod  an  der 
Ergreifung  des  Verzählten  behindert  war. 

Aber  auch  in  diesen  Fällen  trafen  den  Verzählten 
gewisse  Rechtsnachteile.  Dafs  man  ihm  auf  Klagen 
wegen  leichten  oder  schweren  Friedensbruches  nicht  zu 
antworten  brauchte,  wurde  oben  bereits  erwähnt.  Eine 
weitere  wichtige  Folge  der  Verzählung,  die  selbst  dann 
eintrat,  wenn  die  Eintragung  in  der  Bürger  Brief  noch 
nicht  erfolgt  war  (s.  o.),  war  der  Verlust  des  Vor- 
munds (Kap.  XVIII  §  1  —  3.  XXVI  §  5.  6.  XXVII 
§  6).  Besonders  bei  Klagen  um  Totschlag  oder  Wunden 
war  es  nach  den  sehr  eigentümlichen  Bestimmungen  des 
Freiberger  Stadtrechts  von  der  grölsten  Bedeutung,  wenn 
der  Beklagte  sich  durch  einen  Vormund  vertreten  lassen 
konnte;  denn  der  Eineid  des  A'oimunds  befreite  ihn  von 
der  Pflicht,  dem  Klägei-  kämpf  lieh  zu  antw^orten.  Da 
nun  auch  Frauen  als  Vormünder  zulässig  waren,  wenn 
sie  den  Beklagten  „in  ihrem  Brote  hergebracht"  hatten 
d.  h.  seine  Ernährerinnen  waren,  und  da  Frauen  bei  der 
Eidesleistung  stets  Holung  hatten,  also  einen  formell  un- 
giltigen  Eid  eigentlich  gar  nicht  leisten  konnten,  so  war 
die  Stellung  eines  Vormunds  vielfach  ein  sicheres  Mittel, 
einer  Klage  wegen  schweren  Friedensbruchs  zu  entgehen 
(Kap.  XXIII).  Diese  Bestimmung,  zu  der  mir  eine 
Parallele  nicht  bekannt  ist,  nmiste  offenbar  zu  argen 
Milsbräuchen  führen,  und  es  ist  daher  sehr  begreiflich, 
dafs  sie  später  aufgehoben  wurde '^) 

Andere  Nachteile  trafen  den  Verzählten  beim  ge- 
richtlichen Zweikampfe.  Unser  Stadtrecht  ist  eine 
der  interessantesten  Quellen  für  dieses  letzte  der  Gottes- 
urteile, das  sich  bis  in  das  spätere  Mittelalter,  ja  darüber 


'»)  Vergl.  Planck  TI,  ;d»7. 

'-)  Dui'ch  eine  von  don  Landesliorreii  am  fi.  März  137;^  bestä- 
tigte Willkür:  Auch  sal  kein  man  unibe  toylshijv,  unibe  wunden 
adir  iimbe  kn/nrn  vrcde  l'cync  niayt  adcr  tcip  zcu  kri/nem  Vormunden 
kysen.     Uß.  1,  94. 


24  Hubert  Ermiseh: 

hinaus  erbalten  hat.  Bei  einem  schweren  Friedenshrnche, 
der  einen  Totschlag  oder  eine  einste  VerAVundung'  zur 
Folge  gehabt,  stand  zwar  (wenn  es  nicht,  was  wohl  meist 
der  Fall  war,  zum  Sühneverfahren  kam,  vergl.  Kap.  XIV. 
XV,  oder  der  Thäter  entfloh)  dem  A'erletzten  oder  seinem 
Vertreter,  wie  es  scheint,  stets  auch  die  „siechte  klage", 
die  einfache  Friedensklage  frei  (Kap.  XXX  §  3  vergl. 
Kap.  XXVII  §  1.4),  bei  welcher  der  Beweis  der  Tliat 
durch  den  Kläger  und  zwei  Zeugen  zu  führen  war  (Kap. 
VIII);  aber  dabei  verfiel  der  Beklagte  nur  in  eine  mäisige 
Geldbulse,  und  das  entsprach  in  den  meisten  Fällen  nicht 
dem  Reclitsbewulstsein  des  Klägers;  daher  Avurde  diese 
Form  der  Klage  Avohl  nur  dann  gewählt,  wenn  wegen 
irgend  welcher  Formfehler  die  Kampf  klage  unmöglich 
geworden.  Denn  der  „ Kampf esgrufs"  Avar  das  eigent- 
liche Recht  des  Klägers  bei  schweren  Friedensbrüchen. 
Über  das  Verfahren  im  einzelnen,  Avelches  das  Stadtrecht 
Kap.  XXVII  sehr  eingehend  darstellt,  ist  hier  nicht  zu 
handeln;  wir  erwähnen  nur  kurz,  dals  rechtzeitige  Klage 
beim  Untervogt  (Kap.  XXVII  §  1) ,  die  Einheischung 
des  Thäters  (ebenda  §  5),  die  Besichtigung  der  Wunde 
durch  gerichtliche  Boten  und  deren  Zeugnis  über  ihre 
Kampf Avürdigkeit ,  die  Setzung  von  Bürgen  durch  den 
Beklagten  (ebenda  §  7),  die  Erhebung  des  Geschreis,  auf 
Avelches  die  nochmalige  förmliche  Klage  nebst  dem  Erbieten 
zum  Beweise  durch  Kampf  folgte  (ebenda  §  11),  und  der 
BeAveis  der  formellen  Giltigkeit  des  Geschreis  durch 
7  Schreileute  (ebenda  §  13.  Kap.  XXX  §  11.  12)  die 
wesentlichsten  Voraussetzungen  des  BeAveises  durch  Zwei- 
kampf Avaren.  Der  Verzählte  hatte  als  Beklagter  schon 
bei  diesem  vorbereitenden  Verfahren  gewisse  Nachteile; 
abgesehen  davon,  dals  er,  wie  Avir  sahen,  sich  nicht  durch 
einen  Vormund  vertreten  lassen  konnte,  brauchte  der 
Kläger  ihm  gegenüber  keine  Schreileute^  (Kap.  XXVI 
§  5.  6),  d.  h.  der  BeAveis  der  handhaften  That  war  ihm 
erlassen.  Bei  dem  eigentlichen  Kampfe  hatte  er  keinen 
vorworchten  (Kap.  XXVI  §  5.  6)  d.  h.  er  konnte  nicht, 
was  eigentlich  beiden  Parteien  zustand,  einen  (gewerbs- 
mäfsigen)  Kämpfer  als  Vertreter  stellen'-'),  sondern  mulste 
persönlich  kämpfen.  Endlich  hatte  er  auch  keinen  griz- 
warten  ßonmtregerp'^);  es  waren  dies  die  Sekundanten, 

'3)  Vergl.  Kap.  XXX  §  11.  Sachs.  Landrecht  I,  48  §  3. 
■'*)  Über  rlie  Thätig'keit  des  grizwarten  vergl.  St.-R.  Kap.  XXVII 
§  17.  18. 


Das  Verzählen.  25 

die  jedem  der  beiden  Kämpfer  zur  Seite  standen,  ihren 
„Baum  trugen"  d.  li.  eine  Stange,  durch  deren  A'orstolsen 
der  Kampf  unterbrochen  wurde;  dieselben  hatten  das 
Eecht,  den  Kämpfer  dreimal  vor  einem  tötlichen  Stiche 
oder  Schlage  zu  beschützen.  Die  Lage  des  Verzählten 
beim  Kampfe  war  also  eine  erheblich  ungünstigere  als 
die  seines  Gegners.  Unterlag  er  aber  (Kap.  XXVI 
§  5.  6),  so  traf  ihn  in  jedem  Falle  die  Todesstrafe,  die 
sonst  dem  besiegten  Beklagten  nur  dann  drohte,  wenn 
es  sich  um  einen  Totschlag  handelte,  während  auf  Ver- 
wundung nur  Verlust  der  Hand  stand  (Kap.  XXVII  §  19). 

Als  Kläger  bei  der  Kampfklage  konnte  der  Ver- 
zählte nur  in  Frage  kommen,  wenn  auch  sein  Gegner  am 
Briefe  stand;  sonst  genügte  der  Nachweis  der  Verzählung, 
um  den  Gegner  von  der  Pflicht  der  Antwort  zu  befreien : 
denn  an  einem  Verzählten  konnte  man  ja  keinen  Frieden 
brechen  (s.  o.).  Standen  aber  Kläger  und  Beklagter  am 
Briefe,  so  hatten  sie  auch  beide  „Briefesrecht"  d.  h.  keinen 
Vormund,  keine  Schreileute,  keine  Yorworchten  und  keine 
Grieswarten,  und  dem  Unterliegenden  ging  es  stets  an  den 
Hals  (Kap.  XXVI  §  6)  —  also  selbst  dann,  wenn  er 
der  Kläger  war,  in  welchem  Falle  sonst  nur  eine  Bufse 
entrichtet  wurde  (Kap.  XXVII  §  19).  — 

Der  Bereich,  innerhalb  dessen  die  Verzählung  galt, 
ist  ohne  Frage  das  Gebiet  des  Stadtgerichts  d.  h.  nicht 
blols  die  Stadt,  sondern  auch  die  sie  umgebenden  Berg- 
baubezirke. Denn  diese  gehörten  zur  Stadt;  auch  dort 
war  der  Rat  die  oberste  Behörde  (Kap.  XLVIII  §  1); 
w^er  in  Freiberg  ansässig  war,  hatte  auch  die  Rechte 
des  Ansässigen  auf  dem  Gebirge  (Kap.  II  §  10)  und 
dergleichen  mehr-').  So  war  hisbesondere  das  Stadt- 
gericht auch  für  die  Bergleute  kompetent:  Klagen  gegen 
Ansässige  mulsten  sie  in  der  Stadt  vorbringen  und  eben- 
dort  auf  Klagen  dieser  antworten  (Kap.  II  i;  10.  11); 
der  Stadt richter  zwingt  Zeugen,  die  auf  dem  Gebirge 
ansässig  sind,  zum  Erscheinen  (Kap.  XXIX  §  4.  XXXVII 
§  7).  Die  Gerichtsbarkeit  des  Bergmeisters  und  der  Berg- 
richter, seiner  Vertreter  für  entferntere  Bergwerke,  war 
auf  privat-  und  strafreclitliche  Fälle  beschränkt,  die  un- 
mittelbar mit  dem  Beigbau  zusammenhingen;  so  hatte  er 
auch  über  Frevel,  welche  sich  bei  einem  im  Betriebe  befind- 


■'■•)  Vergl.  die    Zu.sammen.^^tellimgen  UT?.  IT,  XXXT.    Ennisili. 
Das  Sachs.  Bergrecht  des  Mittelalters  S.  XXXIX. 


26  Hiibert  Ermiscli: 

liehen  Bergwerke  in  der  Grube,  an  der  Hängebank  oder 
in  den  Kauen  ereigneten ,  zu  richten  (Kap.  XXXVII 
§  1—3).  Entzogen  sich  in  diesen  Fällen  die  Schuldigen 
dem  Richter,  so  erfolgte  auch  im  Berggerichte  ihre  Ver- 
zählung;  auch  dort  gab  es  einen  „Brief",  an  welchen  sie 
gesetzt  wurden.  Aber  die  Verzähl ung  hatte  zugleich  für 
die  Stadt  Geltung  (vergl.  Kap.  XVIII  §  1).  Die  Namen 
der  Verzählten  waren  „mit  der  Schrift"  dem  Rate  mit- 
zuteilen, und  dieser  liels  sie  an  den  Bürger  Brief  setzen""). 

Ganz  unerörtert  lälst  das  Stadtrecht  die  Frage,  in 
welcher  Weise  man  sich  aus  der  Verzählung  ziehen  konnte. 
Dafs  dies  möglich  war,  unterliegt  keinem  Zweifel  und 
wird  durch  die  spätere  Praxis  bewiesen.  Wir  kommen 
weiter  unten  auf  diesen  Punkt  zurück.  ■ — 

So  trat  in  der  Entstehungszeit  des  Stadtrechts  (Ende 
des  13.  und  Anfang  des  14.  Jahrhunderts)  die  Verzählung 
in  Freiberg,  entsprechend  der  Verfestung  gleichzeitiger 
Rechtsquellen,  nur  bei  schweren  Verbrechen  ein,  war 
aber  dann  nicht  blols  eine  prozessualische  Zwangsmafs- 
regel  gegen  den  dem  Gerichte  sich  entziehenden  Be- 
klagten oder  eine  Strafe  der  contumacia,  sondern  geradezu 
eine  Verurteilung  des  abwesenden  und  als  überführt 
geltenden  Thäters  oder  kam  wenigstens  in  der  Wirkung 
einer  solchen  vollkommen  gleich"). 

Auf  demselben  Standpunkte  steht  eine  in  mehr  als 
einer  Beziehung  interessante  Willkür  des  Freiberger 
Rates  vom  24- Juni  1305^^).  Die  Kodifikation  des  Stadt- 
rechts, mit  der  man  um  1294  begonnen  hatte,  mochte  um 
diese  Zeit  ihren  Abschluls  erreicht  haben  ^■'),  als  aulser- 
ordentliche  Verhältnisse,  ohne  Frage  Folgen  der  damaligen 
Fremdherrschaft,  zu  einer  Reihe  von  Ausnahmemalsregeln 
nötigten.  Geschworne  Ratleute  waren  damals  wegen 
ihrer  Treue  gegen  die  Landesherren  und  die  Stadt  ver- 
räterisch ermordet  worden.  Um  Frevelthaten  der  Art  vorzu- 
beugen, wurde  ein  ausnahmsweise  strenges  Verfahren  gegen 
solche,  welche  ein  Mitglied  des  Rates  verwunden  oder 
töten  würden,  eingeführt.  Wer  wegen  einer  solchen  That  ver- 


'«)  Bergrecht  A  §  3.  Klotz  seh  S.  45  f.  versteht  die  Stelle 
falsch.  Das  Verzahlbuch  bietet  ver.schiedene  Beispiele,  z.  B.  B 
No.  161.  442. 

")  Vergl.  Meyer,  Strafverfahren  gegen  Abwesende  S.  82. 
Planck  II,  291. 

'^)  ÜB.  I,   43. 

'■■')  Erniisch,  Das  Frb.  Stadtrecht  S.  XVIIl. 


Das  Verzählen.  27 

klagt  wurde,  hatte  —  ebenso  wie  der  Verzählte  (s.  S.  128) 
—  keinen  Vormund;  er  durfte  ferner  keinen  Bürgen 
stellen.  Der  Beweis  durch  Zweikampf,  das  regelmälsige 
Verfahren  bei  Klagen  um  Wunden  und  Totschlag,  war 
nicht  nötig;  eine  AViderrede  (Verteidigung)  des  Beklagten 
fand  nicht  statt.  Der  Kläger  überführte  ihn  vielmehr 
mit  dem  blolsen  Eide,  bei  welchem  ihm  sogar  Formfehler 
nicht  schaden  konnten  und  zu  dem  er  mithin  keine  Boten 
behufs  Ablegung  eines  Zeugnisses  über  die  formelle 
Griltigkeit  brauchte.  So  war  die  Verurteilung  des  Be- 
klagten, wenn  er  im  Gericht  erschien,  schlechterdings 
sicher;  die  Strafe  aber,  mit  der  er  bedroht  wurde, 
war  stets,  auch  bei  Verwundung,  auf  die  sonst  nur  der 
Verlust  der  Hand  stand,  die  Todesstrafe.  Stellte  sich  der 
Thäter  nicht  —  und  er  wird  unter  diesen  Umständen 
dies  sicher  freiwillig  nie  gethan  haben  — ,  so  wurde  er 
„nach  der  Stadt  Recht"  verzählt  und  zwar  auf  hundert 
Jahre  und  einen  Tag,  eine  Frist,  die  in  Freiberger  Rechts- 
quellen hier  zuerst  angegeben  wird^^");  er  soll  binnen 
dieser  Zeit  nhnnwr  genade  vindin  noch  uze  der  veste 
gelasin  iverden  ivedir  von  uns  und  von  allin  den,  die 
nach  uns  gestuorne  werden,  binnen  hnndirt  jaren:  also 
eine  Aufhebung  der  Verzählung,  die  sonst  wohl  häufig 
vorkam,  vielleicht  die  Regel  bildete,  war  ausgeschlossen. 
Beachtenswert  ist  ferner,  dals  im  Gegensatz  zu  dem,  was 
wir  oben  über  die  vermögensrechtlichen  Folgen  der  Ver- 
zählung sagten,  in  diesem  Falle  eine  Konfiskation  des 
Vermögens  mit  ihr  verbunden  war: 

Waz  oiu'h  derselbe  vorveste  hinrlir  ime  lezit  in  dei'  stat  an 
eig'in,  an  erbe,  an  varndir  halie  adir  nffe  gebii'ge  adir  in  Imttin  adir 
wa  he  iz  hat,  da  daz  gerichte  in  die  stat  gehorit,  daz  sal  der  stat 
czu  Vriberc  sin.  Unde  waz  he  lehengutis  hat,  daz  sal  sinen  herrin 
ledic  sin,  von  den  he  iz  hat.  Desselbin  gutis  uiugin  die  geswornin 
bürgere  des  totiu  adir  des  wundin  mannis  kindin  adir  sinem  wibe 
gebiu,  wi  vil  .si  wollin,  daz  stet  an  in. 

Während  sonst  allein  der  Kläger  berechtigt  war, 
seinen  Verzählten  festzunehmen,  wird  in  unserem  Falle 
jedem,  der  den  A'erbrecher  lebend  oder  tot  einbringt  oder 
"ihn  tötet,  die  hohe  Belohnung  von  'M)  Mark  ausgesetzt. 
Erschlugen  oder  verwundeten  der  angegriffene  Ratsmann 
oder  seine  Helfer  den  „Anfertiger"  oder  dessen  Helfer,  so 
brauchten  erstere  auf  keine  Klage  deswegen  zu  ant- 
worten,  wenn    der    Ratmann    die   Sache  auf   seinen  FAd 


^'•)  Sie  kommt  aucli  sonst  vor,  s.  unten  S.  .^5. 


28  Hubert  Ermiscli: 

imlim,  vielmehr  mulsten  die  verwundeten  Angreifer  bei 
Lebensstrafe  Stadt  und  Land  räumen,  bis  sie  der  Eat 
mit  Einwilligung  des  Angegriffenen  zurückrief.  Diese 
Strafe  des  Versuchs  dürfen  wir  vielleicht  für  den  ersten 
Fall  einer  Stadtverweisung  im  Gegensatz  zur  Verzählung 
ansehen.  —  An  Belegen  dafür,  dals  diese  Bestimmungen 
jemals  in  Anwendung  gekommen  sind,  fehlt  es  ganz;  sie 
mügen  wohl  bald,  nachdem  durch  die  Rückkehr  des  recht- 
mäfsigen  Herrschers  geordnete  Zustände  in  Freiberg  ein- 
getreten waren,  in  Vergessenheit  geraten  sein. 

B.    Das  Verziilileu  iiacli  den  späteren  Freiberger 

Quellen. 

So  gut  Avir  über  das  Verzählen  in  seiner  älteren 
Form  durch  die  eingehenden  Bestimmungen  des  Stadt- 
rechts unterrichtet  sind,  so  fehlt  es  uns  doch  völlig  an 
Beispielen  von  Anwendung  dieser  Bestimmungen.  Es 
mag  dies  damit  zusammenhängen,  dals  die  grofse  Feuers- 
brunst, welche  Freiberg  am  17.  März  L375  heimsuchte, 
auch  das  Dinghaus  und  wahrscheinlich  die  in  demselben 
aufbewahrten  Bats-  und  Gerichtsbücher  zerstörte*^);  das 
älteste  ..vorhandene  Stadtbuch  beginnt  mit  dem  Jahre 
1378.  Über  die  Zeit  nach  diesem  Jahre  stehen  uns  um- 
gekehrt nur  wenig  statutarische  Nachrichten,  aber  eine 
um  so  reichere  Fülle  von  Belegen  für  die  Praxis  zu 
Gebote. 

Diese  Belege  bietet  uns  das  im  3.  Bande  des  Frei- 
berger  Urkundenbuchs  abgedruckte  Verzähl  buch  der 
Stadt  Freiberg^-).  Da  wir  über  seine  äulsere  Form 
in  dem  Vorberichte  zu  jenem  Bande  ausführlich  gehandelt 
haben,  so  beschränken  wir  uns  hier  auf  wenige  Be- 
merkungen. Das  Buch  zerfällt  in  zwei  ungleiche  Teile. 
Der  erste,  von  mir  mit  A  bezeichnet,  ist  als  ein  um  1423 
angefertigter  Auszug  aus  einem  älteren  Verzählbuch  an- 
zusehen, das  bald  nach  jenem  Stadtbrande  angelegt  und 
wohl  nach  Überschreibung  der  noch  nicht  erledigten  Ver- 
merke in  das  neu  angelegte  Buch  vernichtet  worden  sein 
mag;  die  108  Einträge  dürften  sämtlich  in  die  Zeit  von 
ca.  1375  —  1405  zu  setzen  sein.     Der  zweite  Teil  besteht 


*i)  ÜB.  I,  94.  III,  XXX  f.    Ermisch,  Freiberger  Stadtrecht 
S.  LXTII.  f. 

*'-)  Ich  eitlere  die  beiden  Teile  desselben  mit  A  mid  B. 


Das  Verzählen.  29 

aus  Originaleinträgen,  die  anfangs  undatiert  sind,  während 
später  durch  Beifügung  der  jeweiligen  Bürgermeister  meist 
eine  ziemlich  genaue  Zeitbestimmung  möglich  gemacht 
ist.  Diese  Einträge  beginnen  um  1404  und  reichen  bis 
etwa  1472;  es  sind  bis  dahin  nicht  weniger  als  1874 
Nummern.  Dann  folgen  nach  einer  grölseni  Lücke,  die 
vielleicht  darauf  deutet,  dafs  um  1472  ein  neues  Yerzähl- 
buch  angelegt  wurde,  noch  126  Einträge  aus  den  Jahren 
1505  — 1517,  die  wir  in  unsere  Ausgabe  nicht  mit  auf- 
genommen haben,  weil  sie  aulserhalb  der  Zeitgrenze  des 
Urkundenbuchs  liegen. 

Vergleichen  wir  diese  Quelle  mit  den  einschlagenden 
Abschnitten  des  Stadtrechts,  so  zeigt  sich  auf  den  ersten 
Blick  eine  sehr  erhebliche  Verschiedenheit  zwischen  den 
Bestimmungen  dieses  letzteren  und  der  im  späteren  Mittel- 
alter geübten  Praxis:  eine  Verschiedenheit  sowohl  hin- 
sichtlich des  Anwendungsgebietes  der  Verzählung,  das 
sich  bedeutend  erweitert  hat,  als  hinsichtlich  ihrer  Wir- 
kungen, die  offenbar  viel  milder  geworden  sind.  Wie 
sich  der  Begriff  des  Verzählens  in  verhältnismälsig  kurzer 
Zeit  so  gewandelt  hat,  vermögen  wir  im  einzelnen  nicht 
nachzuweisen.  Aber  als  eine  wesentliche  Ursache  dieser 
Wandlung  glauben  wir  die  Vermischung  der  Verzählung 
mit  einer  anderen  strafrechtlichen  Institution,  mit  der 
Strafe  der  St adtver Weisung,  bezeichnen  zu  können. 
Auf  diese  und  die  mit  ihr  in  nahem  Zusammenhange 
stellende  Urfehde  müssen  wir  daher  zunächst  eingehen, 
bevor  wir  unsere  Untersuchung  fortsetzen. 

1.   Stadtverweisung  und  Urfehde. 

Die  Stadtverweisung"^-')  war  ein  in  den  Städten 
namentlich  während  des  späteren  Mittelalters  häufig  an- 
gewandtes Strafmittel  für  gröisere  wie  für  geringere  Ver- 
brechen. Sie  war  also  im  Grunde  durchaus  verschieden 
von  der  Verzählung  oder  Verfestung.  Was  bei  der  Ver- 
weisung selbständige  Strafe  war,  die  Entfernung  aus  dem 
Stadtgebiet,  war  bei  der  Verzählung,  bei  der  es  sich  um 
eine  über  den  Abwesenden  verhängte  Strafe  handelte, 
die  vollstreckt  wurde,  sobald  man  ihn  ergriff",  lediglich 
eine  Folge  dieses  Kontumazialurteils,  ja  ein  Mittel,  der 
Strafe    zu  entgehen.     x\ber  die  nächsten  Wirkungen  der 


^3)  Vcrgl.  Frensdovff  S.  LXXXIX  ff.    Frauenstädt  iinlcr 
Ztsehr.  f.  Strafrechtswis.senschai'r,  X,  J6  ff. 


30  Hubert  Ermisch: 

Verweisung'  und  der  Verzählung  waren  dieselben,  und  es 
ist  daher  wohl  begreiflich,  dals  es  an  Verwechslungen 
zwischen  beiden  nicht  fehlte^*). 

Ein  Beispiel  für  die  Anwendung  der  Verweisung  als 
Strafe  haben  wir  in  Freiberger  Quellen  bereits  aus  dem 
Jahre  1305  nachgewiesen*"*).  Unser  Verzählbuch  enthält 
neben  den  wirklichen  Verzälilungen  abwesender  Beklagter 
und  ungesondert  von  ihnen  auch  zahlreiche  Verweisungen 
und  Urfehden  *^) ;  andere  sind  in  die  Stadtbücher  ein- 
getragen worden,  ohne  dals  ein  bestimmter  Grund  er- 
kennbar wäre,  aus  welchem  die  Eintragung  hier  oder 
dort  erfolgte.  Eine  Verweisung  und  keine  Verzählung 
liegt  ohne  Frage  vor,  wenn  die  Formeln  lauten :  NN.  hat 
vorstvoren  di  stat  (daz  lant,  gehirye  u.  dgl.)^')  oder  di 
hurger  (und  der  ohirste  voit)  haben  voritiset,  haben  lassen 
vorivisen,  uß  der  stat  wisen  und  ähnlich*^),  haben  di  stat 
vorsaget^^),  NN.  sal  die  stat  mgden^^),  rewmen^^).  In 
allen  diesen  Fällen  war  die  Stadtverweisung  eine  Strafe 
gegen  anwesende  Verbrecher,  wie  sich  schon  aus  dem 
Eide  ergiebt,  mit  dem  sie  versprechen  müssen,  die  Stadt 
nicht  wieder  zu  betreten^-).  Mit  diesem  Eide  ist  meistens 
das  Gelöbnis  der  Urfehde  verbunden. 

Die  Urfehde^^)  (urfede,  orvede,  urfride,  orvrede) 
war  das  eidliche  Versprechen,  sich  für  erlittenes  Gefäng- 


^)  Vergl.  31  e  y  e  r ,  Strafverf.  S.  64.  B  i  e  n  k  o  S.  75  ff.  F  r  e  n  s  - 
dorff  S.  XXIII  f.  XC.  Planck  II,  309  f. 

*•')  Oben  S.  28.  Ein  nocb  älteres  Beispiel  aus  unserer  Gegend 
bietet  eine  Bündnisurkunde  der  Reichsstädte  Altenburg-.  Chemnitz 
und  Zwickaa  von  1290  oder  1291  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  6,  3);  Si 
quis  Omnibus  Ms  contraire  jrresnmpserif,  a  loco  suo  et  civitate 
tarn  diu  proscribi  (lebet,  qiiousque  ab  ejusdem  loci  judice  et  consu- 
libus  rcvocetur. 

^•5.1  Genau  ebenso  der  Rostocker  Über  proscript.  Mecklenb.  Ur- 
kundenbuch  V.  XV,  das  Stralsunder  Verfestungsbuch  Freus dorff 
S.  XV. 

87)  A  83.  86.  92.  B  372.  566  (vergl  967).  Stadtbuch  II  (im 
Frbg.  ÜB.  III)  No.  49.  51.  57.  104. 

»^)  A  7.  B  212.  240  367.  368.  423.  509.  510.  515.  Stadtb.  II 
No.  351. 

s»)  Stadtb.  II  No.  375.  403. 

9«)  B  228. 

"1)  B  1642  (vergl.  ÜB.  I,  44). 

»2)  Wenn  es  einmal  heifst:  N.  N.  ist  von  der  statt  entrvichen 
(B  511),  so  bedeutet  das  wohl  heimliche  Flucht,  die  durch  die  Ein- 
trngung  ins  Verzählbuch  in  Stadtverweisung  verwandelt  wurde. 

"■')  Vergl.   Frensdorff  S.  XVU  ff. 


Das  Verzählen.  31 

nis^*)  oder  sonstige  Strafe^')  nicht  rächen  zu  wollen.  Sie 
wurde  daher  auch  dann  gelobt,  wenn  jemand  imschuldig 
in  Haft  gesessen  hatte '"'**j.  Nicht  blofs  in  diesen  Fällen, 
sondern  auch  in  vielen  anderen,  in  welchen  der  Urfehde 
eine  Begnadigung  vorangegangen  war,  blieb  der  Schwö- 
rende in  der  Stadt'*');  in  anderen  ist  die  Begnadigung 
ausdrücklicli  hervorgehoben"*^)  oder  man  kann  sie  daraus 
schlielsen,  dals  die  Verweisung  nicht  ausgesprochen  ist  ^"); 
es  kommt  wolil  vor,  dals  der  Betreffende  sich  gleichzeitig 
zu  Leistungen  für  die  Stadt  verpflichten  muiste,  z.  B.  zu 
Heerfahrtsdiensten ^*^'*)  oder  zu  Zahlungen  ^''^). 

Besonders  häufig  aber  wurde  Urfehde  geschworen 
bei  Verweisung  aus  der  Stadt ^*'"-),  der  dann  wohl  regel- 
mälsig  eine  Haft  vorhergegangen  war.  Die  betreffenden 
Einträge  erwähnen  entweder  ganz  kurz  die  Thatsache, 
dals  der  Betreffende  „orfede",  „rechten  urfede"  geschworen 
habe,  oder  geben  die  Formeln,  unter  denen  dies  geschehen, 
mehr  oder  weniger  vollständig  an^^'^).  Auch  wurden  wohl 
Abschriften  der  ausgestellten  Urfehdebriefe  in  die  Stadt- 
bücher aufgenommen  ^'^^j.  In  allen  Fällen  wurde  die  Ur- 
fehde nicht  blols  der  Stadt,  in  deren  Gefängnis  der 
Schwörende  gesessen ,  und  ihrem  Gebiete,  sondern  auch 
den  Landesherren  als  der  Gerichtsherrschaft  gelobt. 


91)  A  53.  B.  1865.  Stadtb.  II  No.  67.  181.  324.  351.  357.  358. 
374.  538  u.  ö. 

"•■*)  z.  B.  Stadtb.  III  No.  7. 

9ö)  Stadtb.  II  No.  413.  516. 

^'i  sed  non  debet  vitare  civitatem  Stadtb.  II  No.  375. 

98)  z.  B.  ebd.  324.  374. 

»9)  z.  ß.  B.  1865.    Stadtb.  I  No.  72.  Stadtb.  II  No.  107.  254. 

^'^)  z.  B.  Stadtb.  II,  181 ;  vergl.  die  Anmerkungen  zu  B  1013.  1031. 

i"i)  Stadtb.  [I  No.  78  (?). 

J02)  z.  B.  A  83.  86.  92.  B  228.  240.  372.  423.  566.  967.  1539. 
1642.  Stadtb.  II  No.  51.  57.  104.  351.  375.  448.  449. 

'^^)  Z.  B.  A92:  das  sie  nymant  mit  iv orten  noch  mit  weryken 
darumbe  vordenjjken  ivollen.  B  372:  gesworn  eynen  rechte  urfede  im- 
sern  herren  und  allen  iren  landen  unde  luten  nymmer  kein  argis  zu 
gesachen  noch  gedenken  also  von  des  urhabis  ivegen  u.  s.  w.  B  967 : 
also  daz  sie  iveder  unser  hern,  alle  ire  landt,  unser  stat  Fribcrgk  unde 
ire  ymvoner  nymmer  gethnn  tvollen  nach  sie  yefeden  mit  teerten  'nach 
mit  ivercken  unde  globet  sich  noch  diesim  heutigen  tage  von  der  stat 
wenden  tvollen  u.  s.  w.  B  1642  :  alle,  die  eyn  der  stat  unde  czu 
der  stat  gehören,  unde  alle  die,  die  her  eyn  rordechtcniß  unibe  der 
Sachen  ivllten  kette,  sie  nymmermehr  zu  gefeden  noch  en  kein  argis 
zu  thim,  sunder  die  sache  vor  eyne  gancze  gerichte  sacke  zu  halden 
unde  yn  arge  nymmermekr  zu  gedengken . 

'■"1)  Stiidtl..'   r.    Xo.  324.  351.  375. 


32  Hubert  Ennisch: 

Regelmäfsig  ist  mit  dem  Gelöbnis  der  Urfehde  die 
Stellung  von  Bürgen  verbunden,  die  ebenfalls  Urfehde 
schwören.  Ihre  Zahl  schwankt  sehr;  die  höchsten  Zahlen, 
die  mir  begegnet,  sind  IS^*^"'),  11^"*^},  10'"");  meist  sind 
es  weniger,  einmal  sogar  schwört  mit  dem  V^erwiesenen 
nur  einer  (wohl  sein  Bruder),  dals  er  im  Fall  des  Bruches 
der  Urfehde  30  Schock  Groschen  an  den  Eat  und  30  an 
die  Landesherren  zahlen  wolle  ^*'''). 

Wer  die  gelobte  Urfehde  brach,  hatte  wohl  regel- 
mäßig sein  Leben  verwirkt  und  wurde,  wenn  er  sich  der 
Strafe  entzog,  auf  den  Hals  verzählt^"'*).  — 

Die  Verweisung  wurde  selten  allein  vom  Rate  ver- 
hängt; in  der  Regel  wird  der  Mitwirkung  des  obersten 
Vogtes  oder  Hauptmanns,  des  Vertreters  des  Landes- 
lierrn,  gedacht"*^) ;  manchmal  erscheint  sie  auch  als  eine 
von  den  Landesherren  allein  ausgehende  Strafe,  die  der 
Rat  nur  registrierte  und  dadurch  zur  Vollstreckung 
brachte ^^^).  Meistens  trat  sie  an  die  Stelle  einer  Leibes- 
strafe, hatte  also  die  Bedeutung  einer  Begnadigung;  so 
wenn  der  gefangene  Dieb'^-),  dem  nach  dem  Stadtrecht 
der  Galgen  gebührte,  oder  der  Mörder ^^■^)  verwiesen 
wurden.  Ln  Urfehdeeide  wird  wohl  auch  ausdrücklich 
der  Charakter  der  Verweisung  als  eine  Begnadigung 
hervorgehoben;  so  bekennt  Matthis  Legeier,  der  wegen 
einer  Beleidigung  des  Rates  gefangen  sals,  darumbe  sie 
mich  an  mynem  liebe  tvoldin  gestraffit  haben,  dafs  der 
Rat  die  Strafe  umbe  bete  ivillen  myner  hern  und  friinde 
in  gnade  geivand  und  mich  uz  und  von  der  stat  Frieberg 
umbe  solche  myne  boßheit  vonvieset  habin^^^).  So  kommen 
Verweisungen  wegen  der  mannigfachsten  Vergehen  vor; 
es  hat  kein  Interesse,  sie  einzeln  aufzuzählen. 

Die  Fälle,  die  wir  bisher  erwähnten,  sind  sämtlich 
solche,  in  denen  es  sich  zweifellos  um  eine  Strafe  gegen 


^ö»)  ß  18^5.  Unter  ilmen  ist  Jac.  Hartuscli,  der  Grundherr 
von  Pretschendorf,  ans  welchem  Dorfe  der  Missethäter  wahrsclieiu- 
lich  stammt;  dieser  hat  aber  nur  mit  underscheit  glohet,  das  em 
sollich  globde  nicht  zu  schaden  kommen  solle. 

'*Ö  Stadtb.  II  No.  375. 

10')  Ebenda  No.  57. 

10^)  Ebenda  No.  490. 

10»)  A  iS3. 

"0)  Beispiele  s.  u.  S.  40. 

ii>)  z.  B.  B  372.  Stadtb.  II  No.  481. 

"2j  B  212.  368.  967.  Iä39. 

"3)  A  83. 

1'^  Stadtb.  II  No.  351,  äbnlicli  No.  375. 


Das  Verzählen.  38 

im  Gericht  anwesende,  vielfach  sogar  in  der  Haft  des 
Kats  befindliche  Übelthäter  handelte;  damit  stimmen  die 
gebrauchten  Formeln  völlig  überein.  Indes  ist  nicht 
selten  auch  dann  thatsächlich  die  Stadtverweisung  ge- 
meint, wenn  von  einem  Verzählen  des  Verbrechers  die 
Rede  ist.  Darauf  deutet  schon  die  Verbindung  beider 
Ausdrücke:  Die  burger  haben  laßen  vorczeln  und  ^iß  der 
stad  ivisen  (A  7),  Jiaben  vorczalt  und  voriueist  (B  184. 
185) ;  doch  könnte  man  diese  Einträge  dahin  verstehen 
wollen,  dals  die  Verweisung  hier  die  gegen  einen  Ab- 
wesenden verhängte  Strafe  sei.  Völlig  klar,  dals  es  sich 
um  eine  gegen  den  Anwesenden  gerichtete  Strafe  handelt, 
ist  es  aber,  wenn  ein  auf  handhafter  That  ergriffener 
Beutelschneider  aus  Stadt  und  Land  ewiglich  „vorczalt" 
wird,  nachdem  ihm  die  Ohren  abgeschnitten  worden  sind 
(B  177);  oder  wenn  ein  vormals  Verzälilter,  der  das 
Weichbild  betreten  hat,  nunmehr  nach  geleisteter  Urfehde 
auf  4  Meilen  von  der  Stadt  vercmlt  wird  (B  178),  oder 
wenn  die  Bürger  Hans  Tathan  wegen  Schmähungen 
gegen  die  Stadtobrigkeit,  die  er  selbst  vor  dem  Rate 
eingestanden  hat,  verzählen  lassen  (B  60). 

Eine  Reihe  von  anderen  Fällen,  in  denen  es  sich 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nicht  um  eine  Verzählung  im 
Sinne  des  Stadtrechts ,  sondern  um  eine  Strafe  gegen 
Anwesende,  eine  Verweisung,  handelt,  ergiebt  folgende 
Beobachtung. 

Bei  der  Verzählung  des  Stadtrechts  wurde  weder 
ein  Gebiet  angegeben,  innerhalb  dessen  sie  gelten 
sollte  —  als  solches  sah  man  wohl  das  des  Stadtgerichts  an 
(s.  0.  S.  25)  — ,  noch  eine  Zeitdauer,  weil  die  Verzählung, 
wenn  nicht  gütliche  Vereinbarungen  stattfanden,  nur 
durch  Ergreifung  und  Hinrichtung  des  Klägers  ihr  Ende 
fand.  Bei  der  Verweisung  dagegen  wurde  häufig  das 
Gebiet  und  ab  und  zu  auch  die  Zeitdauer  bezeiclniet''"). 
So  kommt  eine  Verweisung  auf  eiup.  Meile  vor'"');  be- 
sonders häufig  ist  die  Verweisung  auf  4  Meilen  von  der 
Stadt"'):  dieses  Gebiet  galt  als  deren  nähere  Umgebung, 
was   sich   auch  darin  zeigt,   dals  die  innerhalb  desselben 


"''•)  Analogien  bei  Oseubrüggen.  Hausfrieden  S.  i'(j. 

"6)  Stadtb.  II  No.  49. 

"')  A92.  B  184.  185.  212.  240  42:3.  509.  967.  1539.  Stadt  1..  II 
No.  104.  4();5.  Eiunial  wird  dem  auf  vier  Meilen  Verwiesenen  iler 
Aufenthalt  in  Sayda  ansdrücklirh  i^rstnttet.  i'lid,  No.  :?■')]. 

Neues  .Vichiv  f.  !^.  Li.  u.   A.     Xlll.   1.   ,'.  3 


34  Hubert  i^rmisch: 

Wohnenden  nach  Stadtrecht  (Kap.  III  §  4  vergl.  V  §  39) 
nicht  als  Gäste  in  gerichtlicher  Beziehung-  zu  behandeln 
waren.  Ferner  finden  sich  Verweisungen  aus  Stadt  und 
Land  (A  86),  aus  „unser  Herren  Land  und  Gebirge" 
(A  83  vergl.  Stadtb.  11  No.  51),  aus  Stadt,  Fliege  der 
Vogtei  und  Gebirge  (B  372),  aus  „alle  unser  Herren 
Land  und  Gebiete"  (B  566)  und  dergleichen  mehr.  Ebenso 
aber  kommen  im  Verzählbuche  auch  häufig  Entferinings- 
angaben  vor,  wenn  von  „Verzählung"  die  Rede  ist;  so 
lielsen  die  Bürger  verzählen  auf  eine  Meile  von  der  Stadt 
(B  205),  auf  zwei  (B  252),  drei  (B  1329.  1330),  meist 
aber  auf  vier  Meilen  (B  163.  201.  210.  224.  364.  524. 
984.  1036.  1098,  1325);  auch  einmal  auf  zwanzig  Meilen 
(B  1531),  was  natürlich  nicht  wörtlich  zu  verstehen  ist. 
Ferner  wird  verzählt  von  der  stad  und  von  dem  iveig- 
büde  (B  1656),  von  der  stad  und  von  unser  herren  gehirge 
(B  258,  ähnlich  1128.  1572),  in  dem  ivighäde,  in  dem  lant- 
gerichte  unde  uff  aller  unser  hern  gehirge  (B  328j,  aus 
Stadt-  und  Landgericht  fB  121),  uff  der  stad  gerichte 
und  des  spetals  gerichte  (B  191),  ujf  allen  gutern  des 
spetals  (B  578).  ' 

In  allen  oder  doch  den  meisten  angeführten  Fällen 
darf  man  wohl  annehmen,  dals  es  sich  nicht  um  Ver- 
zählungen  im  Sinne  des  Stadtrechts ,  sondern  um  Ver- 
weisungen handelt;  die  Möglichkeit,  dals  solche  auch  über 
abwesende  Beklagte  verhängt  wurden,  ist  ja  allerdings 
nicht  .ausgeschlossen. 

Ähnlich  ist  es,  wenn  eine  bestimmte  Dauer  angegeben 
wird.  Wir  finden  einmal  eine  Verweisung  auf  6  Jahre 
(Stadtb.  II  No.  449).  Ebenfalls  als  Verweisungen  müssen 
die  Verzählungen  auf  Jahr  und  Tag  gelten,  die  einige 
Male  vorkommen,  meist  mit  Angabe  des  Bereichs,  inner- 
halb dessen  sie  gelten  sollen  (B  1098.  1329.  1572)  i^^). 
In  einem  Falle,  in  welchem  ein  bereits  Verzählter,  der 
ohne  Erlaubnis  in  die  Stadt  gekommen,  nunmehr  auf  Jahr 
und  Tag  verzählt  wird  (B  1375),  erscheint  dies,  wie 
sonst  die  Verzählung  auf  4  Meilen  (B  178),  als  eine  Ver- 
schärfung der  gewöhnlichen  Verzählung,  deren  Dauer 
hiernach  in  der  Regel  eine  kürzere  war. 


^'^)  Vergl.  auch  eine  um  1480  entstandene  Willkür ,  nach 
welcher  jeder,  der  die  Gelegenheit,  einen  Mörder  zu  ergreifen  oder 
einen  Mord  zu  verhindern,  versäumt,  ein  Jahr  aus  der  Stadt  verczalt 
sein  soll.     ÜB.  I.  640. 


Das  Verzählen.  35 

Ziemlich  häufig  sind  Verweisungen  auf  ewig"^) 
(nymmvr  dorijn  czu  komen,  ctvifjlidien,  dy  iveijh  er  lehit 
u.  dergl.j.  Eine  Verzähking  auf  hundert  Jahre  und  einen 
Tag,  ein  oft  vorkommender  Ausdruck^-"),  der  in  der  be- 
liebten Redeweise  deutscher  Eechtsquellen  den  Begriff 
des  Ewigen  umschreibt,  kommt  schon,  wie  wir  oben  sahen, 
in  einer  Urkunde  von  1305  und  dann  in  der  Polizeiord- 
nung von  etwa  1480  vor^-^);  in  beiden  Eällen  wird  der 
flüchtige  Mörder  damit  bedroht,  es  handelt  sich  also  um 
eine  wirkliche  Verzählung,  die  als  unwiderruflich  hin- 
gestellt werden  soll.  Im  Verzählbuch  finde  ich  nur  ein 
Beispiel  flu'  diese  Redewendung  (B  1531). 

Eine  eigentümliche  Anwendung  des  Ausdrucks  ver- 
czeln  mag  bei  dieser  Gelegenheit  noch  angeführt  werden. 
Wegen  Beleidigung  des  Rates  und  des  Stadtvogts  lassen 
die  Bürger  einmal  den  Peter  Koler  auf  das  Meilsnische 
Thor  verzählen  und  wegen  eines  ähnlichen  Falles  den 
Mattis  Wayner  auf  das  Erbische  Thor  (B  32.  40).  Dals 
es  sich  um  Frevler  handelte,  die  sich  in  den  Thorturm 
geflüchtet  und  von  hier  aus  dem  Gericht  nicht  gestellt 
hatten,  ist  gewils  nicht  wahrscheinlich;  vielmehr  scheint 
mir  auch  in  diesem  Falle  die  Verzählung  mit  der  Ver- 
weisung sich  zu  berühren  und  der  Eintrag  auf  eine  Haft 
von  unbestimmter  Dauer  d.  h.  bis  zur  Zahlung  einer  an- 
gemessenen Buise  zu  deuten  '"). 

Auch  aulserhalb  Freibergs  wurde  im  späteren  Mittel- 
alter verzählen  und  verweisen  als  gleichbedeutend  ge- 
braucht. Eine  landesherrliche  Urkunde  für  Zwickau  vom 
7.  März  1463^-=^)  bestätigt  eine  städtische  Willkür,  nach 
welcher   man   den,    der  sich  des  Bruches  eines  Ehever- 

1"^)  B  312.  423.  566.  1237.  (Hier  ist  dem  Eintrag  über  die  Ver- 
zählung- Trebels  nachträglich  der  Satz  hinzugefügt  worden:  Der  ist 
vorvvist  ewiglichen.) 

120)  Grimm,  Kechtsaltertümer  S.  225.  Osenbrüggen,  Haus- 
frieden S.  56.  Planck  II,  309  f.  A>rgl.  Reehtsb.  nach  Dist.  V, 
27  d.  2.  Ein  Beispiel  aus  Leipzig  (1361)  Cod.  dipl.  Sax  reg.  II  8 
38,  vergl.  II  5,  52.  Nach  dem  ungedruckten  Zwickauer  Stadtrecht 
von  1348  fol.  31''  soll  der  Meineidige  100  Jahre  und  1  Tag  räumen, 
„darnach  mag  er  wol  wider  buiger  werden,  hat  es  im  got  beschert, 
ob  er  wil." 

i-'j  ÜB.  I,  640. 

1-"^)  Auch  nach  dem  un^cdrucktcn  Zwickaucr  Stadtrocht 
soll  der,  welcher  zu  wachen  und  zu  zirkeln  versäumt,  5  Schilling 
Heller  geben  und  8  Tage  auf  einem  Thore  liegen ,  daz  er  nyinndr 
davon  sol  kumen,    uf  tvdchcm    tor  in  di  bunjer  heisen. 

12-i)  Klotz  seh,  Das  Verzellen  S.  16S  tf. 


36  Hnbeit  Ermisclir 

Sprechens  schuldig  machte,  von  der  Stadt  vorczelen  sollte 
uf  zcelien  m/jlen  ewiclichen  ane  edle  r/na  de  iryder  inczu- 
komen.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dals  es  sich 
liier  nicht  um  eine  Verfestung,  sondern  um  eine  Ver- 
weisung handelt,  und  so  ist  die  Stelle  bisher  auch  stets 
verstanden  worden'-^). 

Dafs  man  sich  gleichwohl  eines  Unterschieds  zwischen 
Verzählen  und  Verweisen  noch  am  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts bewulst  war,  lälst  ein  beachtenswerter  Prozels 
erkennen,  auf  den  wir  schliefslich  noch  in  Kürze  ein- 
gehend-'^). Hermann  von  Weilsenbach  war  im  Jahre  1488 
vom  Rate  der  Stadt  Freiberg  verzählt  worden,  weil  er 
am  S.  Thomas  Abend  ein  „Fals  mit  Feuer"  auf  seinem 
Haupte  in  der  Nähe  des  Schulhauses  und  des  Hauses 
von  Jörg  Alnpeck  umhergetragen,  also  gegen  die  noch 
im  Jahre  1487  eingeschärften  feuerpolizeilichen  Vor- 
schriften des  Rates  verstolsen  hatte  ^^").  Er  hatte  sich 
dadurch  in  seiner  Ehre  gekränkt  gefühlt  und  bei  Herzog 
Georg  Beschwerde  erhoben.  Der  Rat  verteidigte  sich: 
das  sollich  ir  fhun  nit  zu  eyner  voriveißunge  gescheenn 
unnd  das  sie  hemeltenn  Herman  nicht  vonveißt  halenn, 
sundern  auß  alte?'  hcfraghunge  gewonnheit  unnd  her- 
komenn,  das  sie  gedachten  Herman  vorzcalt  in  heken- 
nenn  gestandemi,  sollicJie  vorzcelunge  nicht  darumhe  ge- 
thann,  das  es  Herman  vonn  Weissenhach  seinen  eren 
ader  gelimpf  zu  nahe  ader  zu  vorklegnunge  sein  solle, 
nachdem  sie  yn  vorschy^mer  zceit  erbarnn  unnd  merck- 
lichen  ijersonenn,  der  ouch  etdiche  vom  adel  gewest,  der- 
gestalten  gehanndelt  unnd  nyhe  vorstandenn,  das  sich  die- 
selbenn  in  der  iceiße,  das  es  irenn  eren  zu  nahen  sein 
solle,  angetzogenn  ader  heclagt  hettenn,  unndivustenn  ouch 
vonn  gedachtem  Herman  vonn  Weissennhach  nicht  anders 
danne  als  vonn  einem  frommen  edelman.  Darauf  ent- 
schied der  Herzog :  das  gedachter  Herman  von  Weissenn- 
hach in  .  .  .  unnser  stat  Freihergk  der  gethanen  vorczelung 
halhenn  frey  ane  vorhinderunge  gleich  einem  andern 
frommen  edelmanne  in  zcymlicher  unnd  geburlicher  weise 
seinen    handell  unnd  ujcindell   hdbenn   unnd  gebruchenn 


'^)  Tob.  Schmidt;  Zwickaiier  Cliroiiik  II,  216.  Klotzscb 
S.  73  f.  Herzog,  Chronik  von  Zwickau  II,  125.  Vergl.  auch  den 
Vermerk  aus  dem  Frauensteiner  Stadtb.  oben  S.  4. 

125)  Stadtb.  III  (ßatsarchiv  Freiberg)  fol.  42.  3L  ö  11  e  r  .  Theatr. 
Freib.  chron.  II.  129.     Klotzsch  S.  30  ff.  16.5  ff. 

12«)  Vergl.'  IIB.  I.  125  fij  5\     III,  473  (4j  25). 


Das  Verzählen.  37 

nmge.  Dieser  Vorgang  ist  deshalb  interessant,  weil  er 
einerseits  zeigt,  dals  man  noch  damals  offiziell  die  Ver- 
weisung von  der  Verzähliing  unterschied,  dals  die  letztere 
aber,  ganz  im  Gegensatz  zu  der  Auffassung  des  Stadt- 
reclits,  als  eine  leichte,  durchaus  nicht  ehrenrührige  Polizei- 
mafsregel  galt,  die  Verweisung  jedoch  als  eine  Strafe, 
welche  die  Ehre  des  Betroffenen  kränkte. 

2.  Voraussetzungen  und  Verfahren. 

Dafs  trotz  dieses  Festhaltens  an  einem  Unterschiede 
zwischen  Verzählen  und  Verweisen  die  strafrechtliche 
Praxis  beides  vermischte,  dürfte  sich  aus  dem  Vor- 
stehenden vollkommen  klar  ergeben.  Es  ist  unmöglich, 
diejenigen  Fälle,  welche  eine  über  den  anwesenden  Be- 
klagten verhängte,  wenn  auch  nicht  als  ehrenrührig  gel- 
tende Verweisung  enthalten,  von  denen  zu  scheiden,  welche 
eineVerfestung  des  dingflüchtigenVerbrechers  aussprechen ; 
die  kurzen  Angaben  lassen  nur  selten  mit  Sicherheit  er- 
kennen, ob  das  eine  oder  das  andere  vorliegt^-').  Darauf 
wird  unsere  weitere  Darstellung  Rücksicht  zu  nehmen 
haben. 

Trat  in  der  Begel  auch  später  das  Verzählungs- 
verfahren  nur  dann  ein,  wenn  sich  der  Betreffende  dem 
Gerichte  bez.  der  ihm  drohenden  Polizeistrafe  entzog,  so 
kann  doch  das  Ausbleiben  des  Beklagten  nicht  mehr  als 
notwendige  Voraussetzung  gelten. 

Während  ferner  die  Verzählung  nach  dem  Stadt- 
rechte ,  abgesehen  von  einer  einzigen  Ausnahme  (S.  G), 
nur  bei  Verbrechen  erfolgte,  die  an  Hals  und  Hand  gingen, 
wurde  sie  später  in  ausgedehntester  Weise  auch  bei  Ver- 
gehen angewandt,  die  lediglich  mit  ]^>ulsen  bedroht  waren. 
Zwar  fehlt  es  auch  an  Verzählungen  wegen  schwerer 
Friedensbrüche  keineswegs ;  aber  es  ist  bezeichnend,  dals 
der  Ausdruck  „Acht"  hier  mehr  und  mehr  den  Ausdruck 
„Verzählen"  verdrängt.  Weitaus  die  meisten  Fälle  jedoch, 
welche  das  Verzählbuch  erwähnt,  sind  solche,  bei  denen 
es  sich  um  eine  Verletzung  der  biiigerlichen  Pflichten,  der 
Autorität  des  Stadtregiments,  um  Übertretung  von  Polizei- 
vorschriften und  dergleichen  handelt.  Die  städtischen 
Willküren,  die  im  Anfange  des  15.  Jahrluniderts  erlassen 


'")  Die  Abwesenheit  des  Beklagten  winl  z.  B.  hervorgehoben 
A  i;i  4R.  B  (i71 ;  vergl.  auch  flic  zahlreiclicn  Fülle  von  V(M-zählun<i- 
wegen  Nichtantwortens  vor  Gericht  (unten  8.  (ib  f.). 


38  Hubert  Ermiscli: 

wurden,  bedrohen  z.  B,  mit  Verzälilung  den,  der  in  der 
Stadt  mit  Pfannen  leuchtet  und  Flachs  dörrt,  der  Welt- 
liche in  weltlichen  Sachen  vor  das  geistliche  Gericht 
ladet,  den  Schmied,  der  den  Sinder  auf  die  Stralse 
schüttet,  den,  der  fremdes  Bier  einführt,  den  Brauer,  der 
die  städtischen  Brauvorschriften  übertritt  ^■-^).  Aber  dafs 
sie  gerade  diese  Fälle  hervorheben,  ist  nur  ein  Zufall; 
das  Verzählbuch  selbst  beweist,  dafs  alle  Vergehen  gegen 
die  Stadt,  kleine  wie  grolse,  zur  Verzählung  führen 
konnten,  ebenso  auch  Vergehen  gegen  die  Landesherr- 
schaft und  ihre  Beamten,  Bergwerksvergehen ,  kurz  alle 
Verstöfse  gegen  die  öftentliche  Ordnung,  gleichviel  ob 
sie  polizeilichen  oder  kriminellen  Charakter  trugen. 
Wir  geben  unten  eine  Zusammenstellung,  die  den  Beweis 
hierfür  erbringt. 

Damit  hängt  ein  weiterer  Unterschied  zusammen. 
Während  nach  dem  Stadtrecht  eine  Verzählung  nur  dann 
eintrat,  wenn  der  Geschädigte  oder  sein  Vertreter  gericht- 
liche Klage  erhob,  also  auf  Privatklage '-^),  erscheint  im 
Verzählbuch  in  weitaus  den  meisten  Fällen  der  Rat  der 
Stadt  Freiberg  als  derjenige,  der  „verzählen  läfst";  die 
von  Privaten  ausgehenden  Verzählungen,  die  in  den  älteren 
Abschnitten  des  Buches  noch  ziemlich  häufig  sind,  werden 
immer  seltener  und  hören  um  1443  ganz  auf^'^*^). 

Für  die  Verzählung  auf  Privatklage  lauten  die  For- 
meln: NN.  hat  laßen  vorczeln  (z.  B.  A  2.  5.  11.  24—34. 
B  214),  an  den  hrief  setzen  (z.B.  A  4.  10.  75.  B  274 f. 
und  fast  regelmäfsig  von  300  an),  hat  vorcmlt  (z-  B.  A 
73.  74.  108.  B  126.  131),  let  verczelen  (z.  B.  B  7.  16.  22. 
66),  hat  in  die  achte  bracht  (z.  B.  B  619.  968.  989},  hat 
yn  die  ochte  bracht  und  an  den  brieff  lassen  seezen 
(B  1115).  Auch  dann  hat  wohl  eine  Privatklage  vor- 
gelegen, wenn  es  (z.  B.  B  95)  heifst:  Die  Imrger  lassen 
verczeln  uff  dy  bicße  Kasp.  Beruirsdorf  umme  dry  clayen 
unde  umme  den  frede  von  Pe.  Schyckels  tvegen  des 
czolners  (vergl.  B  182.  428.  854).  Meist  sind  es  schwere 
oder  leichte  Friedensbrüche,  Totschlag,  Wunden,  Frevel- 
klagen, bei  denen  dem  Privatkläger  die  Einleitung  des 
Verfahrens  überlassen   blieb   und   der  Rat  nur  dann  die 


128)  Yergi.  Uß.  I,  125  l§  5.  6.  10).  127  .§  6).  129. 

^-"j  Auch  im  Stralsunder  Lib.  proscript.  erfolgt  die  Veifestung 
meist  auf  Privatklage;  nur  ausnahmsweise  erhebt  die  Stadt  selbst 
Klage.    Frensdorff  S.  XLII  f. 

'••'0  Der  letzte  Fall  ist  B  1115. 


Das  Yerzälileu.  39 

Initiative  ergriff,  wenn  das  Verbrechen  an  besonders  be- 
friedeten Orten  stattgefnnden  hatte;  nur  selten  erfolgte 
die  Verzählung  auf  Privatantrag,  wenn  es  sich  um  Nicht- 
erfüllung eines  Gelöbnisses,  besonders  eines  Zahlungs- 
versprechens (B  68.  287.  294.  295.  345.  376.  481.  482. 
559),  um  Nichträumung  eines  dem  Kläger  gerichtlich 
zugesprochenen  Hauses  (B  506) ,  um  Verweigerung  der 
gerichtlichen  Antwort  (B  398.  400.  495)  und  dergleichen 
handelte,  weil  in  diesen  und  ähnlichen  Fällen  zugleich 
eine  Verletzung  der  Autorität  des  Rates  vorlag,  vor  dem 
das  Gelöbnis  abgelegt,  von  dem  der  Eäumungsbefehl,  der 
Befehl  zur  Antwort  und  dergleichen  ausgegangen  war 
und  daher  in  der  Regel  der  Rat  das  Vergehen  verfolgte; 
diesem  gebührte  die  Bulse  für  die  Unbotmälsigkeit  des 
Beklagten,  nicht  dem  Kläger,  der  lediglich  die  Erfüllung 
des  Versprechens  verlangen  konnte,  während  bei  Erevel- 
klagen  u.  dergl,  neben  dem  Gerichte  der  Kläger  zur  Er- 
hebung von  Bulse  berechtigt  war,  der  Rat  aber  leer 
ausging. 

Wenn  der  oberste  Vogt  (B  155.  156),  der  Stadtvogt 
(B  365),  der  Richter  von  Falkenberg  (B  119)  wegen 
Totschlag  und  Wunden  verzählen  lassen,  so  ist  wohl  an- 
zunehmen, dals  dieselben  in  Vertretung  des  Verletzten 
Klage  erhoben  haben  (s.  o.  S.  6). 

Meist  aber  beginnen  die  Einträge  im  Verzählbuch 
mit  den  Worten:  Die  hurger  (unser  kern,  mine  herren) 
hahin  laßin  rorczeln,  laßen  vorcsehi,  setzen  an  den  hrieff, 
cives  proscribunt  u.  dergl.  m.,  und  dann  ist  wohl  in  der 
Regel  —  denn  manchmal  mag  eine  Privatklage  auch 
dann  vorgelegen  haben,  wenn  sie  nicht  ausdrücklich  er- 
wähnt ist  —  anzunehmen,  dafs  der  Rat  das  Verfahren 
einleitete;  und  in  der  That  handelt  es  sich  fast  durchweg 
um  eine  Verletzung  seines  obrigkeitlichen  Ansehens,  um 
Ungehorsam  gegen  seine  Gebote,  Nichtausführung  vor 
ihm  abgelegter  Versprechen  u.  dergl.  Dahin  gehört  auch 
der  Bruch  des  Friedens  an  solchen  Orten,  die  als  be- 
sonders befriedet  galten,  wie  das  Rathaus,  das  städtische 
Weinhaus,  das  Frauenhaus ;  auch  Hausfriedensbrüche,  ja 
nach  und  nach  den  Bruch  des  städtischen  Friedens  über- 
haupt rechnete  man  dazu.  Selbst  wegen  Diebstahls  er- 
folgte schon  nach  den  frühesten  Einträgen  die  Verzähl- 
ung durch  den  Rat  (A  20.  23.  B  694.  1354.  1679).  Die 
Autorität  des  Rates  scheint  also  mehr  und  mein-  die 
Privatklage  zurückgedi^ängt  zu  haben;  man  zog  die  An- 


40  Hubert  Erraisch: 

zeige  beim  Rate  dem  gerichtlichen  Verfahren  vor^-^^); 
auch  der  Beweis  wurde  daher  fast  immer  im  Eate 
geführt. 

Erschien  durch  das  Verbrechen  nicht  blols  die  Auto- 
rität des  Rates,  sondern  auch  die  des  Landesherrn  ver- 
letzt, so  erfolgte  die  Verzählung  durch  den  Rat  im 
Auftrage  des  Landesherrn  ^"^)  und  unter  Mitwirkung 
landesherrlicher  Beamten.  Zu  dieser  Mitwirkung  war  in 
erster  Linie  der  Obervogt,  der  spätere  Hauptmann,  als 
der  erste  landesherrliche  Beamte  der  Stadt  berufen. 
In  den  Jahren  1369—1380,  in  welchen  die  Münzmeister 
den  maisgebenden  Einfluls  auf  die  Besetzung  des  Rates 
hatten'-'-'),  waren  diese  auch  bei  der  Verzählung  beteiligt; 
so  verzählen  die  Bürger  einen  Gotteslästerer  „von  der 
Markgrafen,  von  der  Münzmeister  und  von  der  Stadt  wegen" 
(A  57);  wegen  Bruch  des  Burgfriedens  lassen  der  Rat, 
der  Münzmeister  und  die  Amtleute  von  unsern  lierren 
wegin  (A  63),  wegen  eines  Hausfriedensbruchs  die  Münz- 
meister, die  Bürger  und  das  Gericht  (A  54)  verzählen. 
Später  ist  es  der  Obervogt,  der  sehr  oft  gemeinschaftlich 
mit  dem  Rate,  niemals  aber  allein  eine  Verzählung  ver- 
anlafst;  in  den  wenigen  Fällen,  wo  der  Mitwirkung  des 
Rates  nicht  gedacht  wird,  dürfte  der  Vogt  wohl  als  Privat- 
kläger aufzufassen  sein  (B  155.  156.  971).  Eine  Ver- 
zählung durch  den  Rat  und  den  obersten  Vogt  (den 
Hauptmann,  das  oberste  Gericht)  oder  durch  den  Rat 
von  des  obern  Vogtes  wegen  (B  460.  999.  1422.  1570), 
mit  Willen  (B  1036)  oder  mit  Wissen  des  obersten 
Vogts  (B  1325.  1329.  1330)  erfolgte  aus  sehr  verschiede- 
nen Ursachen.  Zur  Erklärung  mag  angeführt  werden, 
dals  einmal  5  Eheleute  wegen  Besuchs  des  Frauenhauses, 
also  Übertretung  einer  Ratswillkür^'^*)  durch  den  Rat  und 
gleich  darauf  wegen  groben  Unfugs  im  Frauenhause  noch- 
mals „von  des  Hauptmanns  und  der  Bürger  wegen"  ver- 
zählt Averden  (B  1016.  1017).  Ähnlich  ist  es,  wenn  mehrere 


^^*)  also  daz  vor  den  rat  komen  ist  mit  ciute.r  kunischaft 
B  143-  145,  vergl.  149.  159  u.  ö. 

1*2)  Vergl.  die  in  mehrfacher  Hinsicht  wiclitige  Urknnde 
Friedrichs  des  Freidigen  von  1294  Mai  27:  Vorwirket  sich  ymand 
gein  uns,  daz  loolle  wir  jagen  unde  teidingen  nach  irnie  rate 
(ÜB.  I,  38)  und  dazu  B  37ü:  darumbe  ym  unsere  gnedigen  Jierren 
mid  einandir  dii  straffunge  zcugeleit  habin  mid  gutem  rate. 

1.S3)  Vergl.  ÜB.  II,  30.  31.  35.  38.  42. 

'»"j  Vergl.  ÜB.  I,  119.  127  §  10. 


Das  Verzählen.  41 

Personen  „von  des  Hauptmanns  wegen"  verzählt  werden, 
weil  sie  nächtlicher  Weile  Leute  ans  ihrer  Wohnung- 
„ausgeheischen"  habe  (s.  u.  S.  58),  und  dann  nochmals  „von 
des  Kates  wegen"  _wegeii  Nachtgeschreis.  In  beiden  Fällen 
lag  sowohl  eine  Übertretung  städtischer  Satzungen  als 
eine  Verletzung  der  landesherrlichen  Gerichtsbarkeit  vor. 
Gleiche  Gründe  sind  wohl  stets  anzunehmen,  auch  wo 
der  Eintrag  es  nicht  erkennen  läfst^''^"*).  Schon  erwähnt 
haben  wir,  dals  in  zahlreichen  Fällen,  in  denen  nach- 
weislich eine  Verweisung,  keine  Verzählung  stattfand,  der 
Mitwirkung  des  Vogtes  gedacht  wird'"'");  auch  in  den  oben 
angeführten  Beispielen  ist  der  Grund  der  Mitwirkung  des 
Obervogtes  vielleicht  vielfach  darin  zu  suchen,  dafs  es 
sich  um  Verweisungen  handelte. 

Einmal  kommt  eine  Verzählung  durch  den  Landvogt, 
den  Richter  des  in  der  nächsten  Umgebung  der  Stadt 
belegenen  Landgerichtsbezirkes^^'),  vor.  Der  Rat  liels 
einen  gewissen  Andr.  Moler  wegen  unbescheidenen  Be- 
nehmens in  Gegenwart  eines  liatsmitgliedes  und  der 
Weigerung  Bürgen  zu  setzen  verzählen;  oucli  hat  ijh  der 
lanifoyf  lassen  rercsdn  innle  dy selbe,  saclie  uf  sinen  hals, 
alc  injt  uvser  herren  Jantgeridd  ivendet  (B  121).  Wir 
bemerkten  bereits  oben  (S.  34),  dali?  es  auch  hier  sich 
wohl  um  eine  Verweisung  handelt. 

Dafs  der  Bergmeister  und  die  Bergrichter  Verzähl- 
ungen,  die  in  ihren  Gerichten ^"^)  ausgesprochen  waren, 
in  das  städtische  Verzählbuch  eintragen  liefsen,  wurde 
bereits  S.  26  angeführt.  Einen  Einblick  in  das  Verfahren 
gestattet  B  442:  Der  hergmeister  hat  hekant  in  dem 
rate,  das  Pe.  Platener  yn  die  achte  hrocJit  hat  den  jungen 
Heim:  MarsscJialJv  mit  allem  rechten  umhe  toden;  des  hat 
Fe  Platener  och  in  der  hürger  buch  lossen  seczen  iimbe 
denseUiiyen  toden.  Ebenso  sind  die  Verzählungen  durch 
den  Bergrichter  bez.  Bergmeister  und  die  Schöffen  vom 
Kürschenberge  (A  18),  zu  Siebenlehn  (A  .'37.  413)  zu  ver- 
stehen;  meist   erscheint  der  Bergmeister  allein  als  der, 


135)  veryl.  A  93.  ß  11.  132.  28.n.  :«0.  324.  326.  327.  330.  369. 
409.  460.  874.  999.  1017.  1022.  1146.  1295  1422.  löTO.  16fiK.  1830. 
1838.   1872. 

'-")  z.  B.  B  1K4.  IKä.  201.  205.  210.  212.  224.  240.  252.  364.  .'{(iK 
423.   1036.  1325.   1329.   1330.   1580. 

137)  Vergl.  über  .seine  Stellung  Stadtrecht  Kap.  XXXIX. 

'^'')  Vergl.  B  161:  Der  hrrfpueistcr  hat  lassen  vorczchi  in 
dem  bergtjerichte  Andr.  Brunstor/f  u.  s.  w. 


42  Hubert  Ermisch: 

von  dem  die  Verzälilung  ausgeht  (A  16.  17.  40.  41. 
ß  161.  194.  217.  334.  335.  442.  484.  1484),  einmal  auch 
der  Zehntner  (A  45).  Überall  sind  es  Vergehen,  deren 
Aburteilung  zur  Kompetenz  des  Berggerichts  gehörte.  — 

Das  ganze  Verfahren,  das  der  Verzälilung  voran- 
ging, spielte  sich  nach  dem  Stadtrecht  im  Dinge  ab.  Vor 
dem  Richter  war  die  Klage  anzubringen;  im  Gericht  er- 
folgte die  Einheischung  des  Beklagten,  die  Beweisführung 
des  Klägers  und  das  Richten  mit  Fingern  und  Zungen;  nur 
die  Eintragung  hi  der  Bürger  Brief  war  die  Sache  des  Rates. 
Dals  all  den  zahlreichen  Verzählungen,  die  uns  das  Ver- 
zählbuch  überliefert,  ein  so  umständliches  Verfahren  vor- 
angegangen, erscheint  höchst  unwahrscheinlich.  Wo  eine 
Privatklage  vorlag,  ist  es  freilich  stets  anzunehmen;  das 
Verzählbuch  braucht  dann  mit  Vorliebe  den  Ausdruck 
„Acht",  mit  dem  wohl  der  Begriff  des  gerichtlichen  Ver- 
fahrens verbunden  war.  Einmal  heilst  es  ausdrücklich, 
Benisch  Greiffe  habe  den  Steffan  Heidenrich  wegen  Ermord- 
ung seiner  Erau  nach  der  scheppen  orfel  ivnde  tdlunge 
nach  statrechte  in  die  Acht  gebracht ^■^■').  Der  Beweis 
der  erfolgten  Verzählung  war  dann  durch  das  Zeugnis 
des  Stadtvogts  im  Rate  zu  führen '^'^). 

Wo  aber  die  Verzählung  vom  Rate  ausging,  da 
dürfte  auch  das  ihr  vorangehende  Verfahren,  das  wohl 
in  der  Regel  summarischer  war  als  das  Verfahren  nach 
dem  Stadtrecht,  grölstenteils  im  Rate  stattgefunden  haben. 
Statt  der  Klage  vor  dem  Richter  war  wohl  eine  Be- 
schwerde beim  Rate  die  Einleitung.  Das  Vorgebot  ge- 
schah durch  den  Rat,  wenn  der  Beklagte  vor  dem  Rate 
erscheinen  sollte;  sollte  er  vor  Gericht  antworten,  so  lud 
ihn  der  Vogt  von  der  Imrger  vegen  vor.  Überall,  wo 
von  einer  solchen  Vorladung  die  Rede  ist,  erscheint  die 
Verzählung  als  Folge  des  Ungehorsams  gegen  das  Gebot 
des  Rates,  nicht  eigentlich  als  Folge  des  Vergehens, 
wegen  dessen  die  Vorladung  erfolgt  Avar:  ein  wesent- 
licher Unterschied  gegen  die  frühere  Auffassung,  der  es 
uns  als  wahrscheinlich  erscheinen  lälst,  dals  auch  dann 
ein  Verfahren  im  Rate  und  nicht  im  Gerichte  erfolgte, 
wenn  wegen  ungehorsamen  Ausbleibens  im  Gerichte 
verzählt  wird.  Der  Beweis  des  Vergehens  wird  durchAveg 
im  Rate  geführt. 


"»)  B  1649,  vergl.  aucli  Stadtb.  II  No.  470. 

"'^j  (las  beivist  ist  vor  tms  mit  eyme  gesivorn  stadvoytte  B  456. 


Das  Verzählen.  43 

Über  den  eigentlichen  Verzählungsakt  entlialten 
unsere  Quellen  nichts  näheres;  wir  wissen  nicht,  ob  auch 
später  in  der  vom  Stadtrecht  vorgeschriebenen  feierlichen 
Form  über  den  Angeklagten  mit  Fingern  und  Zungen  im 
Dinge,  also  vor  Richter  und  Schöffen,  gerichtet  wurde 
oder  ob  es  einer  solchen  Förmlichkeit  nicht  bedurfte. 
Bei  der  häufigen  Anwendung  der  Mafsregel  ist  das 
letztere  wohl  wahrscheinlicher.  Die  gewöhnliche  Formel 
Die  hurger  hcdieii  lassen  veraelen  deutet  freilich  darauf 
hin,  dals  der  Rat  die  Verzälilung  zwar  veianlalste,  aber 
nicht  selbst  vornahm ;  doch  kommt  es  ja  oft  genug  vor, 
dals  alte  Formeln  beibehalten  werden,  auch  wenn  sie 
ihren  Sinn  verloren  haben,  und  zudem  findet  sich  auch 
oft  die  Wendung:  Die  hunjer  liuhen  verczult. 

Die  Eintragung  in  das  Verzählbuch  erfolgte  jeder- 
zeit eigenhändig  durch  den  Stadtschreiber^"). 

3.  Bedeutung  und  Wirkungen. 

Bevor  wir  auf  die  Wirkungen  der  Verzählung  in 
ihrer  späteren  Form  eingehen,  müssen  wir  zunächst  die 
erheblichste  Umbildung,  die  der  Begriff'  im  Laufe  der  Zeit 
gefunden  hat,  hervorheben. 

Nach  dem  Stadtrecht  war  die  Verzählung  ein  gegen 
den  Abwesenden  ausgesprochenes  Todesurteil,  das  voll- 
streckbar wurde,  sobald  der  flüchtige  Verbrecher  ergriffen 
wurde.  Im  Verzählbuch  tritt  diese  Bedeutung  nur  selten 
und  nur  in  seinen  älteren  Teilen  hervor^^^).  Eine  wesent- 
lich andere  Auff'assung  bekunden  dagegen  einige  der 
oben  schon  erwähnten  Willküren.  Wer  fremdes  Bier 
schenkt  oder  einführt,  soll  den  Bürgern  von  jedem  Fasse 
1  Schock  hülsen  adder  alzo  lange  von  der  stad  vorczalt 
sien,  his  her  daz  gelt  gegeben  hat  und  an  der  hurgcr 
holde  komc'^*^).  Der  Brauer,  der  die  von  ihm  beschworenen 
Vorschriften  über  das  Brauen  der  Bürger  übertritt,  soll 
1   Mark    dem  Rate    geben;   /tat  er  nicht  zeit  gehen,  so 


1")  Verg-l.  ÜB.  III,  XXXVIl  f. 

"-)  Bcsoiulcrs  deutlich  A  13:  Die  bnrgcr  hoben  an  den  brüff' 
lassin  setzen  Meyncr  Tufel,  darimihe  daz  im  unser  herre  der 
niarcgrafe  vor  recht  bescheiden  hatte  von  ber(]irvrfikcs  ivegen  nnde 
das  er  nicht  quam  unde  im  wart  lyp  undc  gut  vorteilt.  7i\\  be- 
merken ist  dabei,  dafs  eine  Verteilung  des  Gutes  in  älterer  Zeit 
nicht  stattfand,  s.  o    S.  Iß. 

'"j  ÜB.  I,  in  §  6. 


44  Hubert  Eiinisch: 

sal  er  vorczalt  seyn,  Ms  er  das  gelt  gehiP^^).  Das  Ver- 
zählen erscheint  hier  also  als  ein  Mittel,  die  Zahlung 
der  verwirkten  Bulse  zu  erzwingen,  oder  als  eine  bei 
Zahlungsunfähigkeit  an  Stelle  der  Bulse  tretende  Strafe, 
wie  sonst  wohl  auch  das  Stellen  an  den  Pranger  oder 
das  Setzen  auf  die  „Schuppe"  (den  Schandkorb),  das  dem 
im  Frauenhause  ertappten  Ehemanne  für  den  Fall  der 
Zahlungsunfähigkeit  angedroht  wird^*'^).  Die  Wirksam- 
keit dieser  bequemen  Zwangsmalsregel  mochte  sich  so 
gut  bew^ähren,  dais  man  sie  bald  bei  allen  möglichen  Über- 
tretungen städtischer  Gebote  anwandte,  gleichviel  ob  die 
Ratswillküren  die  Höhe  der  Bufse  bestimmten  oder  ob 
dieselbe  dem  Ermessen  des  Rates  (bez.  unter  Mitwirkung 
der  landesherrlichen  Beamten)  überlassen  blieb;  man  setzte 
einfach  den  BuMälligen ,  wenn  er  sich  nicht  stellte  und 
und  sofort  die  Bufse  erlegte,  in  der  Bürger  Brief  und 
überlieis  es  ihm,  sich  mit  der  Stadt  über  die  Bedingungen 
zu  einigen,  unter  denen  die  Verzählung  aufgehoben  werden 
konnte. 

Diese  Bedeutung  macht  es  erklärlich,  wenn  ein  und 
dieselbe  Person  wegen  verschiedener  Vergehen  kurz  hinter 
einander  zwei-  oder  dreimal  verzählt  wird,  was  nach  dem 
Stadtrecht  keinen  Sinn  gehabt  hätte ^^'');  der  Betreffende 
hatte  dann  eben  zwei-  oder  dreimal  Bulse  zu  zahlen. 
Wenn  es  bei  einer  Verzählung  mehrerer  Personen  wegen 
Frevels  im  Frauenhause  heilst,  sie  hätten  ander  unfuge 
mehr  begangen,  den  man  en  yczund  nicht  henen^iet, 
sundern  ernoch  wH  gedencken  (B  1017)  oder  wenn  eine 
Verzählung  wegen  verschiedener  Bergvergehen  mit  den 
Worten  schlielst:  item  umhe  ander  sacJie  mehr,  die  man 
liernoch  muntlichen  wil  vorc^eJen^*'^)  (B  1127),  so  ist  dies 
auch  wohl  so  zu  verstehen,  dafs  diese  sonstigen  Ver- 
gehen dann  zur  Sprache  gebracht  und  bestraft  werden 
sollen,  wenn  die  ausdrücklich  angeführten   gesühnt  sind. 


144)  ÜB.  I,  129. 

"■^)  ÜB.  I,  119.  127  §  10,  vergl.  III,  474  §  35.  Dafs  nach  dem 
Verzälübuch  auch  in  diesem  Fall  Verzählnng-  eintrat,  s.  \\.  S.  82. 

140)  Vergi.  B  582  n.  583,  706  n.  729  (andcrivcyt),  753  n.  754, 
auch  die  oben  angeführten  Fälle  1016  u.  1017,  1570  u.  1571.  Eine 
dreifache  Verzählung  455,  462,471;  am  Kande:  primum,  secundum, 
tertium. 

''■')  Doch  wohl  hier  s.  v.  a.  erzälilen.  Von  einem  ,, mündlichen 
Verzählen"  im  Gegensatz  zum  schriftlichen,  das  Bursiau  in  den 
Mitteil,  des  Freiberger  Alterturasvereins  T,  HO  nach  dieser  Stelle  nn- 
pimmt,  ist  sonst  nichts  bekannt. 


Das  Verzählen.  45 


Ohne  Frage  hat  in  weitaus  den  meisten  Fällen,  die 
das  Verzählbiich  enthält,  die  Verzähluiig  diese  Bedeutung- 
einer Exekutivmalsregel  und  ist  also  ein  Verbot  des 
Autenthalts  in  der  Stadt  bis  zur  Leistung  gewisser  Ver- 
bindlichkeiten und  besonders  bis  zur  Zahlung  einer  bereits 
feststehenden  oder  noch  festzusetzenden  Bulse^^^j.  Strich 
das  Verzählen  im  Sinne  des  Stadtrechts  den  Betroffenen 
definitiv  aus  der  Zahl  der  Bürger  und  liels  ihm  nur  die 
Hoffnung,  durch  ausnahmsweise  Begnadigung  wieder  in 
dieselbe  aufgenommen  zu  werden,  so  hielt  das  spätere 
Verzählen  ihm  die  Rückkehr  offen,  sobald  er  sich  der 
Strafe  für  sein  Vergehen  unterwarf.  Letzteres  geschah 
jedenfalls  meist  sehr  bald  nach  der  Verhängung  der  die 
ganze  bürgerliche  Existenz  in  Frage  stellenden  Malsregel, 
oft  vielleicht  bevor  sie  überhaupt  in  AVirksamkeit  ge- 
treten war.  So  ist  das  Verzählen  eine  Stadtverweisung, 
deren  Dauer  von  dem  Verhalten  des  Verzählten  abhing; 
die  Verwechselung  mit  der  eigentlichen  Verweisung,  die 
stets  für  einen  bestimmten  Zeitraum  erfolgte  und  daher 
recht  wohl  als  eine  schärfere  Strafe  gelten  konnte  (s.  o. 
S.  37),  lag  daher  sehr  nahe.  Eine  Verzählung  im  älteren 
Sinne,  die  eine  wirkliche  Ergreifung  des  Verzählten  zum 
Ziele  hatte,  hat  man  wohl  nur  in  den  immer  seltener 
werdenden  Fällen  anzunehmen,  in  denen  eine  Friedens- 
bruchsklage durch  Private  erhoben  wurde. 

Die  ]-echtlichen  Wirkungen  der  Verzählung  er- 
geben sich  teilweise  schon  hieraus.  Über  .die  im  Stadt- 
recht erwähnten  prozessualischen  Nachteile,  die  den  Ver- 
zählten trafen,  erfahren  wir  aus  dem  Verzählbuch  nichts; 
doch  mögen  sie  teilweise  wenigstens  fortbestanden  haben. 
Die  wesentlichste  Folge  der  Verzählung  ist  das  Verbot  des 
Aufenthalts  in  der  Stadt.  Am  Empfindlichsten  traf  das- 
selbe natürlich  denjenigen,  der  in  der  Stadt  seinen  ge- 
wöhnlichen Wohnort  hatte;  aber  auch  gegen  Auswärtige, 
namentlich  Bewohner  benachbarter  Dörfer,  wurde  sehr 
oft  die  Verzählung  angewandt'*''),  einmal  sogar  (A  75) 


"«)  So  erklärt  richtig  Bienko  S.  79,  wälireml  Ivlotzsch 
S.  81  if.  ineint,  dafs  <ler  Verzählte  am  Orte  bleiben  luid  nur  gewisse 
bürgerliche  Rechte  nicht  ausüben  durfte. 

1'")  So  werden  verzählt  l'ersunen  aus  Rcrtliclsdoit  (B  103Ü). 
Biebersteiu  (fi.  795.  97()),  l'.obritzsch  (18.  1B7),  Bräuusdorf(.ö74),  Colm- 
nitz  (735),  Erbisdorf  (1019.  1103),  Falkenberg  (44.  1585),  Grols- 
hartinannsdort'(971),  Ileinrichsdorf'=Kruniinenhennersd()rf(.'}29),  Hilbers- 
dorf  (840),  Langeuau  (759.  17(ir)\  Lolstiitz  (730),  St.  Michaelis  (703), 


46  Hiibert  Ermisch: 

gegen  „die  Richter  und  Gemeine[n]  in  den  Dörfern  zcii 
den  dryen  syden"  (auf  drei  Seiten  von  Freiberg?). 

Wer  einen  Verzählten  aufnalim,  verfiel,  wie  nach 
dem  Stadtrecht,  ebenfalls  der  Verzählung  (B947);  doch 
liels  man  wohl  in  solchen  Fällen  Gnade  für  Recht  er- 
gehen ^■^").  Als  der  landesheiTÜche  Mllnzmeister  Stelfan 
Glasberg  im  Jahre  1465  zwei  Münzer,  die  der  Rat  wegen 
Unfugs  verzählt  hatte,  in  das  Schlots  hatte  kommen  und 
dort  arbeiten  lassen,  stellte  ihn  der  Rat  darüber  zur 
Rede,  und  er  verstand  sich  zu  einer  Entschuldigung ^■^^). 
Wenn  einmal  zwei  Personen  verzählt  wurden,  Aveil  sie 
einen  Verzählten  „weggeholfen",  zur  Flucht  verhelfen 
hatten  (A  18),  so  handelte  es  sich  wohl  dabei  um  einen 
Fall,  bei  dem  die  Ergreifung  des  Verzählten  beabsich- 
tigt war. 

Was  stand  aber  dem  Verzählten  selbst  bevor,  wenn 
er  widerrechtlich,  d.  h,  ohne  sich  durch  das  Erbieten  zur 
Bulszahlung  die  Erlaubnis  dazu  ausgewirkt  zu  haben, 
die  Stadt  betrat? 

Wir  erwähnten  oben,  dalis  nach  dem  Stadtrecht  die 
Verzählung  in  der  Regel  auf  den  Hals  lautet  und  nur 
in  einem  Falle  ein  VerzäUen  auf  die  Bufse  vorkommt. 
Dieser  Unterschied  ist  im  Verzählbuch  noch  weiter  aus- 
gebildet; häufig,  aber  freilich  bei  weitem  nicht  immer, 
ist  bei  den  einzelnen  Einträgen  angemerkt,  ob  die  Ver- 
zählung auf  den  Hals  oder  auf  die  ßulse  ging. 

Was  die  Verzählung  auf  den  Hals^''-)  anlangt,  so 
finden  wir  dieselbe  nur  selten  in  Fällen,   wo   die  Ver- 


Niederschöna  (727.  1485),  Reinsberg  (616),  Klein-  und  Grofsschirma 
(114.987),  Seif ersdorf  (1204) ,  Walthersdorf  (760),  Wegefahrt  (725. 
1068),  Weigmaunsdorf  (213),  Weifseuborn  (219),  Wingendorf  (86); 
auch  aus  entfernten  Orten  wie  Nofsen  (536)  und  den  bei  Nofsen  ge- 
legenen Dörfern  Hirschfeld  (1777)  und  Deutschenbora  (1631),  Oederan 
(1295),  Rofswein  (233.352),  Graupen  (643.1678),  Halle  (875).  In 
nianclien  dieser  Fälle  mag  der  Ortsname  nur  die  Herkunft  des  Be- 
treffenden andeuten  und  sein  regelmäfsiger  Aufenthalt  Freiberg  ge- 
wesen sein  (z.  B.  bei  Peter  Koch  von  Aufsig,  der  in  Freiberg  schofste 
B  1090);  meist  aber  ist  dies  nicht  der  Fall. 

150)  vergl.  Stadtbuch  I  No.  22. 

151)  Stadtbuch  II  No.  485. 

152)  uff'  sinen  hals,  uf  ire  helse,  super  collum  (B  841 — 844.  854), 
häufig  affter  (itff'ter)  des  tages  uff'  sinen  hals,  afftermals  u.  s.  h. 
(154 — 156.  1.59—161),  aff'ter  Jnite  clisen  tag,  affter  hüte  u.  s.  h.  (1176. 
1177.  1180.  1181);  corrnmpirt:  aff'ter  sich  hüte  u.  s.  h.  (1362.  1365. 
1375.  1376  u.  ö.);  gekürzt:  after  dieses  tages  etc.,  aff'ter  dieses  etc., 
aff'ter  etc. 


Das  Verzählen.  47 

Zählung  von  Privaten  ausging-;  so  bei  Totsclilag  (A  25—31. 
B  165),  schweren  -Wunden  (A  11.  B  456.  90D),  Not- 
zucht (A  34),  wo  die  Verzähhmg  auf  den  Hals  durch- 
aus dem  Stadtrecht  entspricht,  ausnahmsweise  auch  bei 
einer  blolsen  Drohung  (A  33).  Regel  ist  sie  dagegen, 
wenn  der  Rat,  der  Obervogt  oder  sonst  eine  obrig- 
keitliche Person  die  Verzählung  aussprechen  lassen. 
Es  deutet  dies  ohne  Zweifel  auf  einen  erheblichen  Um- 
schwung in  den  rechtlichen  und  sittlichen  Anschauungen 
hin;  während  das  Stadtrecht  den  gefangenen  Verzählten 
dem  Kläger  zur  Hinrichtung  überwies,  wurde  später  nur 
der  Obrigkeit  das  Recht  über  Leben  und  Tod  zuerkannt, 
ihr  allerdings  in  sehr  ausgedehntem  Malse;  denn  Ver- 
zählungen  „auf  den  Hals"  werden  wegen  aller  möglichen 
Vergehen,  von  den  schwersten  bis  zu  den  leichtesten, 
verhängt,  während  nur  sehr  selten  und  nur  in  der  früheren 
Zeit  der  Rat  „auf  die  Bufse"  verzählen  lälst  (B  87.  95. 
98.  282.  285). 

Dagegen  ist  die  Verzählung  uff  die  huße^'"'^)  das 
Gewöhnliche,  wenn  sie  von  Privaten  ausgeht.  Es  handelt 
sich  dabei  in  der  Regel  um  Klagen  wegen  Friedensbruchs 
und  Wunden  (s.  u.  S.  56). 

Wenn  sehr  oft  nicht  angemerkt  wird,  ob  die  Ver- 
zählung auf  den  Hals  oder  ob  sie  auf  die  Bulse  ging,  so 
liegt  es  nahe,  auch  diesem  Schweigen  eine  Bedeutung 
beizulegen ;  man  könnte  ja  meinen,  dals  der  Zusatz  uf 
den  hals  eine  Verschärfung  der  gewöhnlichen  Verzählung 
bedeute  und  dals  da,  wo  dieser  Zusatz  fehlt,  eine  Ver- 
zählung auf  die  Bulse  anzunehmen  sei.  Allein  das  wäre 
entschieden  irrig ;  auch  bei  schweren  Verbrechen  ist  nicht 
selten  der  Zusatz  uf  den  hcds  ausgelassen^'^),  und  in 
vielen  Fällen  kann  man  leicht  nachweisen,  dals  wegen 
desselben  Vergehens  bald  uf  den  hals  bald  ohne  diesen 
Zusatz  verzählt  wird^-^'^).  Allerdings  liels  man  bei  Ver- 
gehen, wo  die  Verzählung  lediglich  den  Charakter  des 
gerichtlichen  Zwangsmittels  hatte  und  wohl  niemand 
ernstlich  an  eine  Hinrichtung  des  ergriffenen  Verzählten 
dachte,  z.  B.  bei  Nichterfüllung  eines  vor  dem  Vogte  oder 


^•''^)  umme  III  klagen  und  uff  dy  bwesen  (B  7)  ist  wohl  irr- 
tümlich; ebenso  B  278:  nnih  III  frevelclagen  uff  den  fride. 

154)  Verg-1.  z.  B.  A  47  (Ermordung  einer  Frau),  A  50  (Notzucht), 
A  4.  20.  23  und  namentlich  A  13,  wo  besonders  bemerkt  wird,  dafs  den 
Verzählten  Gut  und  Leib  verteilt  sei. 

1.^5)  Y^,i,„,i  j,  |.  ^  24  mit  25 -B 1 ,  B  2ö  und  59,  694  und  1354  u.  s.  w. 


48  Hubert  Ermisch: 

Rate  abgelegten  Zahlungsversprecliens  oder  bei  Nicht- 
räumimg  eines  Hauses,  den  bedrohlichen  Zusatz  besonders 
gern  fort;  allein  dals  auch  dann  die  vom  Rate  ausgehende 
Verzählung  eine  Verzählung  auf  den  Hals  war,  dafür 
lassen  sich  verschiedene  Beispiele  an  führen  ^■''*^).  Die  Aus- 
lassung der  betreffenden  Formeln  bedeutet  also  wohl  nichts, 
als  dals  der  Stadtschreiber  sich  seine  Arbeit  etwas  er- 
leichtert hat^''),  weil  man  auch  ohne  den  Zusatz  wuIste, 
welche  Wirkung  die  Verzählung  im  einzelnen  Falle  hatte : 
dals  sie  in  der  Regel  auf  den  Hals  ging,  wenn  der  Rat, 
auf  die  Bufse,  wenn  ein  Privater  sie  veranlaßt  hatte. 
Aulserdem  können  wir  aus  der  nachlässigen  Behandlung 
der  Formel  noch  schlielsen,  dals  ihre  Bedeutung  in  späterer 
Zeit  nicht  mehr  sehr  grols  war;  gewils  wurde  nur  noch 
selten  nach  ihrem  Wortlaut  verfahren. 

Für  die  Hinrichtung  eines  auf  den  Hals  Verzählten 
bietet  das  Verzählbuch  nur  ein  Beispiel.  Dem  Kunczel 
Brwne,  der  verzählt  worden  war,  weil  er  „einer  Frauen 
des  Nachts  in  ihr  Haus  wollte  laufen  und  sie  übel  be- 
handelte mit  Worten",  lielsen  die  Bürger  dorumme  unde 


156)  B  71.  218.  222.  231.  1157.  1182.  1198.  1203.  1222.  1245. 
1858  u.  ö. 

1"'")  Dafs  für  Zufüg-uug  oder  Auslassung  des  Zusatzes  nur  die 
Willkür  der  einzelnen  Stadtschreiber  mafsgebend  war,  ergiebt  folgende 
Beobachtung.  Im  Verzählbuch  A  enthalten  von  64  Verzählmigen 
dui'ch  den  Rat  22  den  Zusatz  ttf  den  hals;  von  B4  Verzählungen 
durch  Private  gehen  13  nf  den  hals,  16  uf  di  biize;  von  6  Verzäh- 
lungen durch  Bergmeister  und  Bergrichter  geht  1  uf  den  hals.  Alle 
übrigen  haben  keinen  Zusatz.  Der  erste  Schi-eiber  von  B  (No.  1 — 108) 
läfst  in  den  ersten  30  Nummern  den  Zusatz  stets  aus,  fügt  ihn  aber 
dann  oft  hinzu ;  von  97  Verzählungen  durch  den  Rat  sind  46 ,  von 
11  durch  Private  3  ohne  Zusatz.  Die  drei  folgenden  Hände  (No, 
109 — 143,  144—192,  193—225)  lassen  nur  ausnahmsweise  (im  Ganzen 
in  19  Fällen)  den  Zusatz  aus,  wähi'end  der  nächste  Schreiber  (No. 
226  — 425)  ihn  ungefähr  ebenso  oft  ausläist  als  zufügt.  Seine  3  Nach- 
folger (No.  426 — 480)  haben  nur  2  Verzählungen  als  ufdeti  hals  gehend 
bezeichnet,  alle  übrigen  sind  ohne  Angabe;  ebenso  verhält  sich  der 
überhaupt  mit  dem  Papier  sehr  sparsame  Paul  Lindner  (No.  481  — 
1152),  der  von  646  Verzählungen  durch  den  Rat  und  26  durch  Pri- 
vate jmr  55  bez.  12  mit  dem  entsprechenden  Zusatz  versehen  hat. 
Ganz  entgegengesetzt  verfahren  seine  Nachfolger;  die  215  Einträge 
des  Heinr.  Siez  (No.  1153—1360)  und  die  sich  daran  anschliefsenden 
(No.  1361— 67)  lauten  mit  Ausnahme  von  dreien  „auf  den  Hals".  Casp. 
Ludwig  (No.  1368— 1563)  hat  zwar  in  79  von  196  Fällen  die  Formel 
ausgelassen,  dafür  aber  Paul  Weigkarth  (No.  15H4— 1723)  nur  in  22  von 
160  und  die  letzten  beiden  Schreiber  (No.  1724—1873)  gar  nur  in  3  von 
149  Fällen.  Bei  den  Einträgen  aus  dem  16.  Jahrh.  fehlt  die  Formel 
nf  den  hals  stets. 


Das  Verzählen.  49 

anders  dornodi  sipien  hojjp  ahcluvu-en  (B  39).  Hier  haben 
wir  es  doch  wohl  mit  der  Bestrafung  eines  Verzählten 
zu  thun,  der  während  der  Verzählung  ergriffen  worden 
war.  Anders  liegt  die  Sache  in  dem  zweiten  Falle  einer 
Hinrichtung,  den  das  Verzählbuch  erwähnt.  Gabriel 
Wolf  gang  hatte  um  1431  die  Stadt  durch  Fehde  und 
Raub  geschädigt  und  das  Geleit  und  gütliche  Stehen,  das 
die  Landesherren  gemacht,  mit  AVorten  und  Werken  ge- 
brochen (B  859);  wenn  ihm  dafür  sein  Haupt  abgehauen 
wird,  so  geschah  dies  „von  Empfehlunge  unser  gnädigen 
Herren,  so  als  er  ihr  Geleit  gebrochen  hätte";  dals  er 
verzählt  gewesen,  ist  aus  dem  Eintrage,  der  die  Klage- 
punkte besonders  ausführlich  aufzählt,  nicht  zu  ersehen. 

Dafs  auch  in  anderen  Fällen  der  verzählte  Frevler, 
der  in  der  Stadt  ergriffen  wurde,  dem  Tode  verfiel,  ohne 
dals  ein  Eintrag  in  das  Buch  gemacht  wurde,  ist  wohl 
anzunehmen.  Noch  häufiger  freilich  mag  eine  Milderung 
der  Strafe  eingetreten  sein.  So  wurde  der  wegen  Spiels 
und  andern  Unfugs  verzählte  Köler  von  Gablenz,  den 
die  Bürger  ergriffen  und  in  der  Stadt  Gefängnis  gebracht 
hatten  mtd  irolden  mit  ym  recht  hcgcnujen  haben,  auf 
Fürbitte  biderber  Leute  gegen  Urfehde  begnadigt  (Stadtb.I 
No.  24).  Nickel  Stoleck,  der  wegen  Unfugs  im  Frauen- 
hause auf  den  Hals  verzählt  (B  1368)  und  trotzdem  in  die 
Stadt  gekommen  war,  wurde  auf  Jahr  und  Tag  verzählt 
(B  137.5),  also  verwiesen,  was  in  diesem  Falle  als  Ver- 
schärfung der  einfachen  Verzählung  erscheint  (s.  o.  S.  34). 
Ähnlich  ist  es,  wenn  Hans  Keiner  der  Krämer,  der  vor- 
her auf  die  Bulse  verzählt  war  (B  75),  wegen  frevent- 
lichen Betreten  des  Weichbildes  nunmehr  auf  4  Meilen 
verwiesen  wird  und  Urfehde  schwijren  muls  (B  178). 
Aber  auch  das  Umgekehrte  findet  sich:  die  der  Stadt 
verwiesene  Anna  Kneuzelin,  die  ohne  Erlaubnis  von 
Hauptmann  und  Rat  zurückgekehrt  ist,  wird  auf  den 
Hals  verzählt  (B  1580). 

In  den  meisten  Fällen  wurde  die  Verzählung,  wenn 
sie  nicht  auf  eine  bestimmte  Zeit  lautete,  also  eigentlich 
eine  Verweisung  war,  durch  einen  Vergleich  zwischen 
den  Parteien  bez.  dem  Rate  und  dem  Verzählten  be- 
endet'•^'*).    Letzterem    gewährte  man,   um  einen  solchen 


1.^8)  Vergl.  H.  Meyer.    Strafverf.  S.  77  ff.    Bicukd   S.  0(5  If. 
F  r  8 n  s  «1 0  )•  f  f  S.  X X  X  VI.   F  r  a  u  e  n  s  t  ä  d  t  S.  102  ff. 


Neues  Ariliiv  L  S.  (;.  ii.  A.     Xlll.  1.  •»'. 


50  Hubert  Ermisch: 

Vergleich  zu  ermöglichen,  eine  zeitweilige  Aufhebung  der 
Verzählung,  freies  Geleit  in  die  Stadt  ^'^*'). 

So  wurden  Klagen  wegen  Wunden  und  Totschlag 
sehr  häufig  gütlich  beigelegt;  schon  das  Stadtrecht 
(Kap.  XIV.  XV)  enthält  eingehende  Bestimmungen  für 
derartige  Sühnen,  und  die  Stadt-  und  Gerichtsbücher 
bieten  manche  Beispiele ^*^^'),  die  allerdings  meist  nicht  er- 
kennen lassen,  ob  der  Sühne  eine  Verzählung  vorherge- 
gangen ist  oder  nicht.  Bei  einem  1392  errichteten  Ver- 
gleich zwischen  Henschel  Nuwendorf  und  Paul  von  Bu- 
dissin,  der  den  Sohn  des  ersteren  schwer  verwundet  hatte, 
wird  festgesetzt,  dals  dieser,  wenn  er  sich  weitere  Frevel 
gegen  Nuwendorf  oder  die  Seinen  zu  Schulden  kommen 
lasse,  „sein  Verzählter  in  gleicher  Weise  sein  solle,  als  er 
es  zu  der  Zeit  war,  als  die  Sache  berichtet  wurde." 
(Stadtb.  I  No.  80).  Im  Jahre  1436  berichtet  sich  Nickel 
Kluge  mit  dem  Schneider  Starke,  den  er  wegen  zweier 
Frevelklagen  in  die  Acht  gebracht  hat  „auf  die  Bulse" 
(B  968);  es  wird  dabei  für  den  Fall  weiterer  Vergehen  oder 
Verleumdungen  des  Starke  gegen  Kluge  und  sein  Weib  fest- 
gesetzt, dals  letzterer  dann  vorberurte  unde  berichte  sacke 
mit  nochvorJauffener  eyne  mit  der  andern  ivol  furdern  möge 
(Stadtb.  II  No.  240).  In  diesen  beiden  Fällen  ist  von 
einer  Bulszahlung  nichts  in  das  Stadtbuch  eingetragen. 

Wo  die  Verzählung  vom  Rate  ausging,  da  legte  dieser, 
wenn  der  Missethäter  wieder  „an  der  Bürger  Huld" 
kommen  wollte ^**^),  manchmal  Verpflichtungen  zum  Kriegs- 
dienst^"-) oder  andere  Leistungen  an  die  Stadt ^**")  als  Sühne 


^^^)  Ein  lutercessionsscbreiben  des  Kurfürsten  Ernst  und  des 
Herzogs  Albrecht  für  Nigkel  Bottener  d.  d.  1470  Aug.  23  ersucht  den 
Rat  zu  Freiberg,  den  Genannten,  der  zu  Frbg.  einen  Mord  begangen 
habe  und  sicJi  deßhalben  mit  gerichte  und  ivu  das  sust  not  thut  gerne 
gutlichen  entrichten  und  vertragen  wolle,  zu  geleiten  und  zu  Rich- 
tung kommen  zu  lassen,  Or.  im  Ratsarchiv  zu  Freibg.  (K.  2).  Ein 
Schreiben  des  Rates  zu  Chemnitz  an  den  zu  Freiberg,  den  Valien 
Thobel ,  der  unrechtmäfsiger  Weise  als  Bürge  für  Frauenstein  ver- 
zählt worden  sei,  zu  Geleite  kommen  zu  lassen,  d.  d.  1478  Mai  9,  Oi". 
in  der  Ponickauschen  Bibl.  zu  Halle  Mscrpt.  bist.  28  fol.  30. 

i«0)  Stb.  I,  42.  II,  101.  113.  114.  154.  271.  289.  298.  Gerichtsb. 
I  No.  130.  166  u.  ö. 

161)  Vergl.  ÜB.  I,  127  {5  6. 

^*'")  B  1013:  Itemremissa  pcna  suh  tali  condicione,  quod  dchet 
famulari  civitati  in  expedicionibus,  cum  deposcetur.  B  1031:  Oben 
berurte  schuld  haben  en  die  burger  gelassen,  daz  sie  donoch  yn  die 
herfardt  czihen  unde  es  umbe  die  stat  iveder  vordinen  wollen  als  hoch 
als  das  vorczelegeld  (s.  u.)  anlanget.  Vergl.  auch  Stb.  II  No.  4,  96. 181. 

'«»)  So  eine  Kalklieferung  B  978  (Note). 


Das  Verzählen.  51 

auf.  Dem  Peter  Koler,  der  wiederholt  wegen  Spiels  und 
andern  Unfug's  verzählt  worden  war^*^^),  wurde  auf  Für- 
bitte angesehener  Männer  die  Eückkehr  unter  der  Be- 
dingung gestattet,  dals  er,  wenn  er  nochmals  spielen 
oder  sich  an  einem  Spiel  beteiligen  würde,  in  jedem 
Falle  die  hohe  Bulse  von  20  Schock  der  Stadt  erlegen 
und  eine  Fürbitte  ausgeschlossen  sein  sollte  (Stb.  I 
No.  154.)  In  der  Regel  war  es  jedenfalls  eine  Geld- 
leistung, durch  welche  die  Aufhebung  der  Verzählung 
bewirkt  wurde.  Zu  der  Zahlung  der  Bulse,  mit  der  das 
betreffende  Vergehen  bedroht  und  deren  Nichtleistung 
oft  die  Ursache  der  Verzählung  war,  der  Befriedigung' 
der  Forderung,  deren  Erfüllung  gelobt  war  u.  dergl.  m.,  trat 
noch  ein  besonderes  Strafgeld,  das  ausschlielslich  für  die 
Entlassung  aus  der  Verzählung  entrichtet  werden  muiste. 
Dieses  Strafgeld,  das  anderwärts  als  Achtschatz,  Acht- 
schilling ,  Friedepfennig  ^'^•'•)  ,  denarii  truphatorii^*^*"')  be- 
zeichnet wird,hieisin  Freiberg  das  V  er  zähl  gekP'").  Ver- 
merke über  die  gänzliche  oder  teilweise  Zahlung  des- 
selben sind  hie  und  da  den  Einträgen  des  Verzählbuchs 
beigefügt  ^*^^).  Auch  die  gezahlte  Summe  ist  aus  diesen 
oft  schwer  lesbaren  Randbemerkungen  zuweilen  ersichtlich. 
Dabei  kommen  besonders  oft  Beträge  von  14  bez.  7  Groschen 
vor  (B  22.  28.  1210;  57.  1012.  1130.  1169.  1322.  1572), 
was  auch  in  den  Einträgen  aus  der  Zeit  zwischen  1507 
und  1515  als  die  regelmälsige  Höhe  des  ganzen  oder 
halben  Verzählgeldes  erscheint,  und  Beträge  von  8  Groschen 
(B  65.  881.  884.  898.  907.  1166.  1328),  daneben  aber  auch 
andere  Summen ^*^''),  die  meist  wohl  als  Teilbeträge  an- 
zusehen sind.  Zuweilen  wird  auch  ein  Termin  für  die 
Zahlung  des  Verzählgeldes  bez.  des  Restes  beigefügt'^"), 
besonders  oft  bei  den  Einträgen  aus  dem  16.  Jahrhundert, 


16*)  Stb.  I  No.  24. 

185)  H.  Meyer,  Strafverfahren  S.  78. 

18»)  Pauli,  Abhandlungen  a.  d.  Lüb.  Rechte  II  §  13.  Vergl.  auch 
Ztschr.  f.  d.  Kulturgesch.  II.  F.  II,  766. 

107)  Vergl.  die  Noten  zu  B  iOiJJ  u.  1422  sowie  die  Notizen  auf  dem 
vorderen  Umschlag  des  X'erzählbuchs  (UP..  111,  XXXVI).  Dedit  \'^ 
verzelgelt  (1510)  Verzähllmch  fol.  82  h,  ähnlich  fol.  8ö. 

»"»)  B  1214:  dedit.  B  1176.  1178.  1313:  dedit  pecunlam.  B 
1175:  preeedens  commissum  est  solutum.  B  701.  732.  750.  814.  822. 
916.  1044:  dedit,  dederuvt  parfem. 

>»»)  X  yr.:  B  10.1271.  XI f  (jr. :  B  1011.  3  ijr.:  B  lOlö. 
6  gr.:  B  1036.    IT  sexag.  (?):  B  1167.    4  qr.  10  hl.:  B  1211. 

1'")  B  536.  1020.  1211. 


52  Hubert  Ermiscli: 

in  denen  anch  vielfach  Bürgen  für  die  Zahlung  des  Geldes 
genannt  werden.  Bezog  der  Verzählte  eine  Besoldung 
aus  städtischen  Mitteln,  so  zog  man  wohl  von  dieser  das 
Verzählgeld  ab  (z.  B.  B  136.  379j.  Bisweilen  wurde  die 
ytrafsumme  ganz  oder  teilweise  erlassen  "\),  manchmal 
mit  dem  Zusatz,  dais  im  Wiederholungsfalle  der  Betrag 
nachträglich  zu  zahlen  sei^^"^).  Die  Strafgelder  wurden  in 
die  leider  nicht  mehr  vorhandenen  städtischen  Bechnungs- 
bücher  eingetragen ''■^).  Den  ganzen  Vorgang  nannte  man 
satisfactio'^'^^). 

Die  Tilgung  des  Eintrages  im  Verzählbuche  erfolgte 
'einfach  durch  Ausstreichen  desselben  oder  der  Namen 
derjenigen,  die  sich  von  der  Verzählung  befreit  hatten. 
Wenn  hie  und  da  einer  dem  Stadtschreiber  zu  zahlenden 
Summe  von  4  Groschen  gedacht  wird^'"'),  so  war  dies 
wohl  eine  Gebühr  für  die  Tilgung.  In  einzelnen  Fällen 
wird  die  Tilgung  nachträglich  für  kraftlos  erklärt ^'*^), 
vielleicht  weil  sie  irrtümlich  erfolgt  war  oder  weil  der 
Verzählte  seiner  Verpflichtung  nicht  nachkam. 

4.  Die  Delikte  im  Verzählbuch. 

Nach  unsern  bisherigen  Ausführungen  wird  es  nicht 
auffallend  erscheinen,  wenn  die  Zahl  der  im  Verzähl- 
buch erwähnten  Delikte  eine  aulserordentlich  grolse  ist. 
Wurde  doch  die  Malsregel  der  Verzählung  im  späteren 
Mittelalter  im  weitesten  Umfange,  bei  den  schwersten 
Verbrechen  wie  bei  den  leichtesten  Vergehen,  angewandt. 
Gerade  dies  giebt  dem  Verzählbuch  neben  der  rechts- 
geschichtlichen auch  eine  nicht  zu  unterschätzende  sitten- 
geschichtliche Bedeutung,  und  eben  dieser  Umstand  ver- 
anlalst  uns,  über  die  bunte  Menge  der  Straffälle  eine 
nach  gewissen  Gesichtspunkten  gruppierte  Übersicht  zu 
geben.  Wir  fassen  dabei  zunächst  diejenigen  Fälle  zu- 
sammen, in  denen  das  ältere  und  jüngere  Recht  noch 
am  meisten  übereinstimmen,  die  Delikte  gegen  Person 
und   Eigentum,  die  Friedensbrüche   und  was  damit  zu- 


'■")  Dedit  VII  gr.  et  aliud  dimissum  est  B  1170,  ve.rgl.  1735. 

1'-)  Dedit  VII  gr.  d(ominis)  et  domini  dimiserunt  sibi  VII 
(jr.  et  si  inposterum  magis  fecerit,  quod  tiinc  debet  dare  in  totum 
B  1210. 

"■'')  ut  patei  in  registro  perceptorum  B  1018  vergi    1044. 

1'*)  B  661.  1018. 

'"■')  B  1130.  1211. 

1™)  Non  debet  esse  deletum  B  680.  738. 


Das  Verzäliku.  53 

sammenliäiigt,  dann  die  Vergehen  gegen  die  Religion  und 
die  Landesherren,  denen  sich  die  Bergwerks  vergehen  und 
die  Vergehen  gegen  das  Gericht  anschlielsen ,  und  be- 
handehi  zuletzt  die  breite  Masse  der  Vergehen  gegen 
die  Stadt,  den  Rat  und  seine  Gebote. 

a)  Vergehen  gegen  Person  und  Eigentum. 

Wir  sahen  oben ,  dafs  das  Stadtrecht  die  schweren 
Friedensbrüche,  die  an  Hals  und  Hand  gehen,  von  den 
leichteren  scheidet  und  nur  bei  den  ersteren  die  Ver- 
zählung  eintreten  liefe.  Zu  ihnen  gehören  vor  allem 
Totschlag  und  schwere  Wunden.  Wie  nach  dem 
Stadtrecht,  so  erfolgte  auch  nach  dem  Verzählbuche  die 
Verfolgung  dieser  Verbrechen  nur  auf  vorhergegangene 
Klage,  die  in  der  Regel  der  nächste  Verwandte  des  Ermor- 
deten oder  Verwundeten  (A  2.  24-28.  77.  80.  B  237.  480. 
496.  609.  1649),  manchmal  auch,  wenn  es  sonst  an  einem 
geeigneten  Kläger  fehlte"'),  der  oberste  Vogt  (B  155. 
156),  der  Stadtvogt  (B  365)  oder  im  Berggericht  der 
Bergmeister  (A  16)  erhob;  also  der  Gedanke  der  Blut- 
rache, auf  dem  schlielslich  die  Ächtung  wegen  Tot- 
schlags und  Wunden  beruhte"*^),  war  noch  in  voller 
Kraft.  Ein  merkwürdiges  Beispiel,  wie  sich  die  ganze 
Familie  des  Ermordeten  gewissermalsen  in  die  Verfolgung 
der  Mörder  teilte,  bieten  die  Verzählungen  des  Peter 
Greich  und  seiner  Genossen  wegen  Ermordung  des  Lorenz 
Lutze  (A  24—32).  Statt  der  älteren  Formel  {N.  N.  hat 
lassen  verczelen)  kommt  mehr  und  mehr  die  eine  Ver- 
wechselung mit  der  Verweisung  ausschliefeende  Acht- 
formel (lad  in  die  ocJitc  hravht)  auf  und  ist  von  etwa 
No.  500  an  ausschliefelich  in  Gebrauch;  man  empfand 
wohl  den  Unterschied,  den  die  strafrechtliche  Praxis 
zwischen  der  Acht  als  Rest  der  alten  Vei-zählung  und 
ihrer  neueren  Form  machte.  Vielleicht  hängt  damit 
auch  der  auffallende  Umstand  zusammen,  dals  die  Ver- 
zählungen wegen  IMords  und  schwerer  Wunden  fast 
ausschliefelich  im  Verzählbuch  A  und  im  ersten  Drittel 
des  Verzählbuchs  B  vorkommen"");  da  nicht  anzunehmen 
ist,    dafe    die    Verbrechen    später    seltener    wurden,    so 


i"j  Vergl.  oben  S. 

''S)  Frauon.stiidt,   Blulraclio  und  Toil'^HilnüsüliiH^  S.  100  ff. 

i'ö)  AusnahiiR'ii  bilden  B  8iJ4.  9U'J.  9ö3.   Kilü. 


54  HuLert  Ermiscli: 

möchten  wir  fast  glauben,  dafs  seit  etwa  1427  ein  be- 
sonderes Achtsbuch  neben  dem  Veizälilbuch  geführt 
worden  sei,  das  sich  aber  nicht  erhalten  hat. 

Was  speziell  die  Tötung  anlangt,  so  ist  eine  Unter- 
scheidung zwischen  totslac  (so  meistens),  mort  (A  24. 
B  1649)  und  mortslac  (B  365)  wohl  kaum  anzunehmen. 
Die  Verzählung  erfolgte  stets  „auf  den  Hals" ;  auch  wo 
der  Zusatz  fehlt,  ist  es  wohl  der  Fall.  Einmal  kommt  die 
Verweisung  eines  Totschlägers,  die  wohl  als  Begnadigung 
aufzufassen  ist,  vor  (A  83). 

Bei  Verwundungen  unterscheidet  auch  das  Verzählbuch 
zwischen  schweren  und  leichten  Wunden.  Erstere  heilsen 
in  älterer  Zeit  wie  im  Stadtrecht  Immpere  ivunden'^^^)  \ 
als  der  Ausdruck  unverständlich  wurde,  weil  der  Zwei- 
kampf als  Beweismittel  überhaupt  verschwand,  trat  an 
seine  Stelle  die  Bezeichnung  o  f  fen  e  Wunde^^^)  im  Gegen- 
satz zu  Blutrun  st.  Die  Zahl  der  Wunden  wurde  mit 
wenigen  Ausnahmen  (z.  B.  B  428.  909)  genau  angegeben ; 
selbst  dann,  wenn  eine  der  Wunden  den  Tod  herbei- 
geführt hatte,  wurde  nicht  allein  wegen  des  Totschlags, 
sondern  auch  wegen  der  sonstigen  Wunden  geklagt  und 
verzählt  (z.  B.  B  156:  um  21  Wunden  und  einen  Tod- 
schlag, B  397:  umhe  eine  offene  ivunde  uncle  eynen 
todslmj,  vergl.  B  641).  In  solchen  Fällen  wurde  natürlich 
auf  den  Hals  verzählt,  sonst  aber  im  Gegensatz  zum 
Stadtrecht  meist  ^^-)  auf  die  Bulse.  —  Eine  Verzählung 
wegen  lemde,  Lähmung,  die  wohl  der  offenen  Wunde 
gleichkam,  begegnet  uns  nur  einmaP^'^). 

Aulser  dem  Thäter  wurden  auch  seine  Helfer,  die 
„Folgen  und  Gefährten",  wegen  „Volleist" ^^*)  verzählt 
und  zwar  stets,  soweit  der  entsprechende  Zusatz  vorhanden, 
auf  die  Bulse,  ganz  wie  im  Stadtrecht  (Kap.  XXX  §  6). 
Auch   hier   ging   eine  Klage  des   Verletzten   vorher  ^^■^). 


180)  A2.  25—31;  spcäter(c.  1447)  noch  einmal  Stadtb.  II No. 359.360. 

isi)  Auch  nur  wunde  z.  B.  B  IH.  428. 

i»2)  Ausnahmen  B  456.  854.  909. 

183)  B  428;  vergl.  Stadtb.  II  No.  359. 

18^)  imibe  folieist  des  totslages  A  17.  umhe  eyne  folieist  A 
32.  78.  79.  81.  B  239.  umbe  ein  folieist  an  eim  toden  B  238.  umbe 
folge  eyner  offen  ivimden  A  68.  als  voUjer  des  totslages  B  496. 
darumhe  daz  er  eyn  folge  unde  eyn  geferte  ys  gewest  an  eyme  toten 
B  53.  also  wegen  imd  geferten  an  derselben  ivunden  B  549.  als 
umbe  folgen  unde  geferte  B  989.    umbe  fulge  unde  gefertige  B  1076. 

^^■')  Nur  einmal  läfst  der  Rat  verzählen  B  53.  Der  Verzählung 
auf  Antrag  des  Bergmeisters  A  17  war  wohl  eine  Verzählung  im 
Berggericht  vorhergegangen. 


Das  Verzählen.  55 

Endlich  mag  hier  noch  die  Verzählung-  des  N.  Lant- 
voit  erwähnt  werden,  der  sich  für  Geld  anheischig  gemacht 
hatte,  eine  Frau  zu  ermorden  (A  47). 

Für  leichtere  Friedensbrüche  (mit  icorten,  mit 
siozene,  mit  hantslane,  mit  ronfene,  mit  mezzerruckene, 
ivi  daz  ist,  ane  ininden,  di  da  Immper  sin  Stadtr. 
Kap.  VIII  §  1)  braucht  das  Stadtrecht  den  Ausdruck 
vride  (z.  B.  Kap.  II  §  2.  3. 13.  VIII.  XXIV.  XLIX  §  31) 
und  rechnet  die  Klagen  deswegen  zu  den  siechten  dagen 
(XLIX  i^  31  vergl.  XXVII  §  1.  4.  XXX  §  3);  der 
Beweis  wurde  nicht  durch  Zweikampf,  sondern  durch 
Zeugen  geführt,  und  die  Strafe,  die  den  schuldigen  Be- 
klagten traf,  bestand  in  einer  Geldbulse,  die  zu  zwei 
Dritteln  dem  Richter  und  zu  einem  Drittel  dem  Kläger 
gebührte  (Kap.  VIII  §  2—4).  Eine  Verzählung  wiegen 
solcher  Friedensbrüche  kannte  man  in  älterer  Zeit  nicht. 

Später  schied  man  schärfer  zwischen  der  schlichten 
Klage  und  der  Frevelklage^^*^),  wie  man  mm  die 
Klagen  wegen  geringerer  Friedensbrüche  nannte,  und 
wandte  auch  bei  dieser  in  ausgedehntem  Malse  die  Ver- 
zählung an.  Die  Ausdrücke  w^echseln;  man  verzählte 
um  frevildagen,  um  dagen,  iim  frevel  (B  158),  um  frevil- 
dagen  uff  den  frede  (B  909),  um  dagen  umme  frede 
(B  74.  75)  oder  uff  den  fride  (B  278.  590),  um  dagen 
umid  den  fride  (A  68.  69  vergl.  B  66.  95.  103.  242), 
um  dagen  und  den  frevel  (B  246),  um  freveldagen  die 
den  fride  und  frevel  anlangen  (B  469).  Geringere  Ver- 
letzungen, zu  denen  es  bei  solchen  Händeln  kam,  wurden 
wohl  nur  ausnahmsweise  im  Verzählbuche  angemerkt 
{umbe  eyne  hlutrunst  A  68.  76.  108.  B  236),  während 
eigentliche  Wunden  stets  notiert  werden;  so  finden  sich 
zahlreiche  Verzählungen  wegen  einer  oder  mehrerer 
Wunden  und  Frevelklagen.  Die  Zahl  der  Frevelklagen, 
welche  zu  der  Verzählung  geführt  hatten,  wird  meist ^^') 
genau  angegeben ;  es  sind  ihrer  bald  eine  (B  29.  260),  bald 
zwei  (A  68.  69.  90.  B  236.  242  u.  ö.),  sehr  oft  drei  (A  73. 
76. 102.  B  16  u.  ö),  aber  auch  noch  mehr  bis  zu  acht  (B  301), 
neun  (B  157),  ja  selbst  siebzehn  (B  334);  es  ist  dabei 
daran  zu  erinnern,  dals  das  Stadtrecht  (Kap.  XLIX 
§  31)    die  Klagen  um  den  Frieden  ausdrücklich  von  der 


180)  Vere-1.  die  Vorsprcdioiitaxp  von  143fi  fü?..  T.  153  f.). 
'8^)  Unbestimmt  z.  B.  B  BUT.  909.  953.  971. 


56  Huliert  Eriniscli: 

Bestimmung  ausnimmt,  nach  welcher  in  einem  Dinge  nur 
drei  schlichte  Klagen  vorgebracht  werden  dürfen. 

Auch  die  Frevelklagen  erhob,  soweit  wir  es  ver- 
folgen können,  stets  der  Geschädigte'^^).  Den  Rat  finde 
ich  nur  in  drei  Fällen  als  den  bezeichnet,  von  dem  die 
Verzählung  ausgegangen  sei,  und  von  diesen  erklärt  sich 
der  eine  dadurch,  dals  es  sich  um  eine  Verletzung  des 
städtischen  Zöllners  handelt  (B  95,  vergl.  384  428).  Die 
Verzählung  um  Frevel  erfolgte  wohl  durchweg  auf  die 
Bulse;  es  ist  mir  nicht  ein  einziger  Fall  von  Verzählung 
auf  den  Hals  wegen  einer  Frevelklage  ohne  Konkurrenz 
eines  andern  Vergehens  vorgekommen. 

Den  Verzählungen  wegen  Frevelklagen  stehen  sehr 
nahe  die  zahlreichen  Verzählungen  und  Verweisungen 
wegen  Real-  und  Verbalinjurien,  Drohungen,  Ver- 
leumdungen und  Verspottungen,  aus  denen  wir  nur  wenige 
Beispiele  herausgreifen.  Da  wird  Timel  verzählt,  weil 
er  des  Hirten  Sohn  geschlagen  und  ihm  aus  einer  Flasche 
mireyne  trinkin  gegeben  hat  (B  1287),  Helwigs  Sohn 
mit  seinen  Helfern,  weil  sie  einen  Bauerjungen  geschlagen 
und  ihm  Kirschen  genommen  haben  (B  1573),  Joe.  Krewel, 
weil  er  den  Herrn  Anark  von  Waidenburg  mit  Frevelworten 
in  seiner  Herberge  oherfaven  hat  (B  1597),  Pe.  Koler 
und  Hans  Dytrich,  weil  sie  einander  gedroht  haben,  einer 
wolle  den  andern  „erbelos  machen  und  aus  der  Stadt 
spielen"  (B  13),  Lor.  Zcerler,  weil  er  Gäste,  die  in 
ihre  Herberge  gehen  wollten,  mit  blolsen  Messern  be- 
droht hat  (B  1351),  Stralle  der  Häuer,  weil  er  Bobricz 
vor  seinem  Hause  „Lauser  dy  hurre(?)"  geheilsen 
(B  1567),  Crondel,  weil  er  „Lieder  auf  die  Leute  ge- 
dichtet und  gesungen'' ^^»)  (B  1383),  Pa.  Keubeler, 
weil  er  „von  Wollfe  in  der  Engengasse  solle  gesungen 
haben"  (B  1742)  u.  dergl.  m.  In  mehreren  Fällen  ist 
die  Verleumdung  ehrbarer  Frauen  und  Jungfrauen  der 
Grund  der  Bestrafung  (B  20.  163.  639.  651.  820.  1159). 
Auch  die  sonderbare  Verzählung  von  Mich.  Donner  und 
Hans  Cluge ,  welche  mittenander  getruncken  haben  lint- 
kauff',  daz  eyner  den  andern,  tvo  er  yn  anqiveme,  ir- 
morden  welle  (B  529),  gehört  wohl  hierher;  die  beiden 
scheinen  einen  förmlichen  Vertrag  mit  einander  gemacht 

188)  Wo  die  Verzählung  vom  Bergmeister  ausging  (A  16.  B  334. 
335),  war  ein  Verfahren  im  Berggericht  vorhergegangen. 

ISO)  Vergl.  die  Urfehde  des  Ha  Boher,  der  vf  N.  Man  lider 
getickt  und  gesungen  hat  Stadtb.  II  No.  448. 


Das  Verzählen.  57 

ZU  haben  (das  Trinken  des  Leinkaufs  gehörte  zum  x4.b- 
schluls  eines  Kaufgeschäfts^'*"),  dals  sie  sich  gegen- 
seitig nach  dem  Leben  stehen  wollen.  Erschwerend 
wirkte  es,  wenn  die  Beleidigung  des  Nachts  (z.  B.  A  61. 
B  1567)  oder  unter  Verletzung  des  vom  Landesherrn 
B  1363)  oder  vom  Rate  (B  1184)  gewährten  Geleits 
oder  in  Gegenwart  von  obrigkeitlichen  Personen  (z.  B. 
B  1461.  1493.  1646)  erfolgte;  doch  gehört  letzteres 
eigentlich  zu  den  weiter  unten  zu  erwähnenden  Ver- 
gehen gegen  den  Rat.  Li  allen  diesen  und  ähnlichen 
Fällen  ging  die  Verzählung  vom  Rate  aus'"^);  vor  ihm, 
nicht  im  Dinge,  mochten  derartige  Beschuldigungen  er- 
hoben werden  und  im  Rate  war  auch  der  Beweis  zu 
führen  (vergl.  A  61.  B  159.  186.  188.  205).  Es  kann 
also  zweifelhaft  sein,  ob  wir  die  Gegenstände  nicht  in 
die  Zahl  der  weiter  unten  zu  erwähnenden  Polizei- 
vergehen zu  setzen  hätten,  wie  wir  es  mit  den  zahlreichen 
Bestrafungen  wegen  nächtlichen  Unfugs  thun. 

Wir  erwähnen  schlielslich  noch  einige  Fälle  des 
(lualifizierten  Friedensbruches.  Vor  allem  ist  der  Haus- 
friede  besonders  geschützt;  das  eigenmächtige^''-)  Ein- 
dringen in  ein  fremdes  Haus  gilt  als  besonders  strafbar. 
Den  Begriff,  den  das  Stadtrecht  mit  der  „Heimsuchung" 
verband  (s.  o.  S.  5  f.),  finden  wir  zwar  im  Verzählbuch 
nicht;  auch  der  Ausdruck  erscheint  nirgends.  Dagegen 
sind  die  Fälle  sehr  häutig,  in  denen  Personen  verzählt 
werden ,  weil  sie  andern  ihren  hnsfrede  gebroclien 
(z.  B.  B  76),  geivalt  und  frevel  hegangen  liabin  an  eym 
besessen  manne  und  an  seynem  husfryde  i  z.  B.  A  93), 
einen  oJnl  gehandelt  halx'ii  yn  synen  vier  pheln  (B  97.465), 
einem  frevelicJi  in  sein  hus  lifjfcn  (z.  B.  A  65)  u.  ä.;  bald 
handelt  es  sich  nur  um  Schmähungen  (z.  B.  B  12.  54. 
1352],  bald  um  Verwundungen  (z.  B.  A  84.  B  269.  1321. 
1333)  oder  um  Sachbeschädigung  (B  1622).  Auch  hier 
wird  es  besonders  hervorgehoben,  wenn  der  Frevel  bei 
Nacht  geschehen  ist  (z.  B.  B  34.  874.  991.  1143.  1420. 
hie  nacht  heslossener  tJn'tr  A  56).  Hans  Sechsheller  wurde 
bestraft  wegen  Hausfrieden.'<bru<'hs  am  eignen  Vater 
(B  447),  Nickel  Ijodwig  wegen  Hausfriedensbruchs  an 
seinem  Wirte,  bei  dem  er  wohl  als  Hausgenosse,  Mieter, 


liw)  vergl.  ÜB.  III,  L. 

'"')  Eine  Ansnahnie,  macht  .\  8!^ 

'"^)  ane  (d.  h.  ohiiej  (jericIUc  U  ö'JÜ. 


58  Hubert  Ermisch: 

wohnte  (B  1143).  Auch  das  Schiefsen  durch  eine  Wand 
des  Hauses  (A  54),  das  Hauen,  Stechen,  AVerfen  in  das 
Haus  (B  169.  252.  860.  1349.  1688.  1689.  1762),  das 
Ötolsen  in  die  Fenster  (B  1073),  das  Hauen  in  die  Thüre 
^B  1202.  1778)  galt  als  Hausfriedensbruch.  Wer  vor 
ein  Haus  lief,  dort  schmähte  und  mit  Hausfriedens- 
bruch drohte  (B  39.  215.  235),  war  gleichfalls  strafbar; 
besonders  häufig  sind  die  Fälle  des  „Ausheischens"  aus 
dem  Hause,  womit  in  der  Regel  Beleidigungen,  Drohungen 
und  Milshandluiigen  verbunden  waren  (A  99.  B  10.  31. 
73.  93.  94.  105.  145.  169.  1196.  1422.  1433.  1570  u.  ö.). 
Entstand  in  einem  Hause,  in  dem  feiler  Trank  war  d.  h.  der 
Reiheschank  stattfand,  ein  „Gestofse",  so  sollte  dies  nach 
dem  Stadtrecht  iKap.  J^ XVIII  §  5)  nicht  als  Heim- 
suchung gelten;  dafs  man  solche  Rücksichten  auch  später 
nahm,  darauf  deutet  der  Zusatz  zur  Verzählung  des 
Andr.  Bauch  wegen  Hausfriedensbruchs  an  Merten 
Keuschberg:  und  lud  docli  den  tag  keijne  zceclie  do 
grJ/abt  (B  1872^.  —  In  allen  Fällen  des  Hausfriedens- 
bruchs war  der  Beweis  „mit  den  Nachbarn"  (vergl. 
Stadtrecht  Kap.  XXVIII  §  3)  vor  dem  Rate  zu  führen 
(vergl.  A  56.  93.  B.  12.  52.  54.  93  u.  ö.)  und  ging  die 
Verzählung  von  diesem  aus,  manchmal  unter  Mitwirkung 
der  landesherrlichen  Oberbeamten  [z.  B.  A  54.  93.  B  252. 
269.  874). 

Wie  die  Privathäuser,  so  genossen  auch  die  öffent- 
lichen Gebäude  einen  besonderen  Frieden,  namentlich  das 
Wein  haus,  in  welchem  der  Rat  seine  Weine  und 
fremde  Biere  unterbrachte  und  verschenken  liels,  und 
das  Frauen  haus. 

Aufserordentlich  zahlreich  sind  die  Vergehen  im 
Weinhause,  deren  das  Verzählbuch  gedenkt.  Dabei  wird 
bald  nur  allgemein  angegeben ,  dals  einer  umbc  unfuge 
(z.  B.  A  97.  B  417),  weil  er  im  Weinhause  geunfuget 
und  unhescheidenUch  gelebt  Jiahe  (z.  B.  B  80.  vergl.  63), 
weil  er  ein  orhah  in  dem  tuinhase  liot  geliahen  (B  51.  88. 
479.  494.  607)  verzählt  worden  sei,  bald  werden  die  Delikte 
näher  bezeichnet  (z  B.  Unfug  mit  Worten  B  179.  528.  713. 
726,  Gotteslästerung  B  483,  Raufen  und  Schlagen  B  63.  241. 
1438,  Verwundung  B  50.  872.  884,  Bedrohung  B  62.  101. 
463  u.  dergl.  m.).  Der  vom  Rate  angestellte  Schenke 
(meist  „Weinschenk",  doch  auch  „der  Bürger  Bierschenk" 
B  37.  354  genannt)  bedurfte  natürlich  besondern  Schutzes 
gegen  den  Übermut  seiner  Gäste,  wenn  er  z.  B.  solchen, 


Das  Verzählen.  59 

die  nächtlicherweile  eindrangen,  keinen  Wein  geben  wollte 
(B  64) ;  grober  Unfug  gegen  ihn  und  seine  Frau  (B  201. 
642.  643.  680.  701.  807.  1046.  1303.  1723.  1763)  wie 
gegen  „der  Stadt  Dienerinnen"  im  Weinhause  (B  901. 
958;  vergl,  241.  1205.  1236)  kam  oft  genug  vor.  Auch 
wer  das  Weinhaus  verliels,  ohne  zu  bezahlen  (an  des 
irmsditnglxcn  dang  B  304,  umhereit  B  642.  800.  926. 
1141,  darumbe  daz  er  dem  tvinschcnkin  schuldig  ist  und 
nicht  heczaJt  B  1251),  wurde  verzählt. 

Ebenso  notwendig  war  ein  besonderer  Friede  im 
Frauenhause  ^^'') ,  das  ebenso  wie  das  Weinhaus  als 
städtisches  Institut  galt.  Viele  Personen  wurden  ver- 
zählt, weil  sie  daselbst  geunfugt  (z.  B.  B  120.  216.  418. 
659),  unbescheidenlich  oder  frevelich  gelebt  (B  81.  439), 
unfiir  getrieben  (B  1368),  geu-aldinhergct  haben  (B  1217). 
Wo  die  Vergehen  näher  bezeichnet  werden,  da  sind  es 
meistens  Mifshandlungen  der  „freien  Frauen"  (z.  B. 
B  117.  224.  461.  524.  646.  1332.  1375)  oder  ihrer 
„Meisterin"  (B  1013;  vielleicht  ist  auch  die  Krewelynne 
B  1671  für  eine  solche  zu  halten). 

Die  Namen  der  im  Wein-  und  Frauenhause  Ver- 
letzten sind  oft  nicht  angegeben,  weil  es  offenbar  eines 
Strafantrags  nicht  bedurfte.  Denn  hier  begangene  Frevel 
galten  als  Verletzung  der  städtischen  Freiheit  (vergl. 
B  884),  als  Vergehen  gegen  den  Rat  {hat  der  burger 
nicht  'geschont  z.  B.  A  97.  B  64.  117.  120.  179.  3Ö2\ 
Von  ihm  ging  also  die  Vei'zählung  aus,  hie  und  da  (z.  B. 
B  1017)  unter  Mitwirkung  der  landesherrlichen  Beamten, 
und  war  stets  eine  Verzählung  auf  den  Hals.  — 

Nur  wenige  Beispiele  der  Verzählung  wegen  Not- 
zucht und  Entführung  kommen  vor  (A  5.  34.  50 
vergl.  B  510) ;  in  den  beiden  letztgenannten  Fällen  ist  es 
der  Rat,  in  den  ersten  die  Verletzte  bez.  ihr  Dienst- 
herr —  denn  dafür  ist  doch  wolil  Reinfr.  Grolse  zu 
halten  — ,  von  denen  die  Verzählung,  die  aber  auch  in 
diesen  Fällen  auf  den  Hals  lautet,  ausging.  — 

Auch  Raub  und  Diebstahl,  die  nach  dem  Stadt- 
recht zu  den  schweren  Friedensbrüchen  gehörten ,  bei 
denen  V^erzählung  ehitrat,  werden  auffallend  selten  im 
Verzählbuch  erwähnt.  Heinrich  Vogelsberg  läist  den 
Conrad  Fasold  an  den  Brief  setzen,  weil  er  ihn  beraubt 
hat  (A4):   der   einzige  Fall,  in  welchem  die  Verzählung 

1!«)  Vei'o-l.  V.  Poseni-Klett  in  v.  Weber.s  Archiv  f.  d.  Sachs. 
Gesch.  XII,  73  ff. 


(jO  Hubert  Ermiscli: 

des  Räubers  vom  Gescliädigten  ausging.  Als  ein  Ritter 
vom  Stegreife  erscheint  Taubenheim,  der  wegen  zahl- 
reicher Räubereien  voreclit  und  rorczalt  wird  , A  9).  Wie 
dieser,  so  hatten  es  auch  die  Brüder  Kogeler  haupt- 
sächlich auf  Pferde  abgesehen  (A  23).  Die  Räubereien 
des  Cunczsche  und  Kogilsberg,  bei  denen  es  auch  zu 
Totschlägen  kam,  wiu'den  dadurch  besonders  erschwert, 
dals  sie  im  Geleit  geschahen  (B  864).  Hentzschel  Em- 
merich wurde  verzählt,  weil  er  Freiberger  Bürger  um 
Geld  an  Räuber  verraten  hatte  (A  48).  Wenn  mehrfach 
Personen  verzählt  werden,  die  anderen  (jeiveyelogit  haben 
(A  55.  75.  B  280.  409.  487.  497.  500.  i059.  1146.  1336. 
1337),  so  dachte  man  dabei, wohl  nicht  an  Raub,  sondern 
an  heimliches  Auflauern,  Überfälle  (oft  hie  nacJ/t  z.  B. 
409.  487)  in  der  Absicht,  an  jemanden  einen  groben 
Fiiedensbruch  zu  begehen. 

Eine  einzige  Verzählung  iinihe  chibe  kommt  vor 
(A  20) ;  wir  schliefsen  ihr  einige  Fälle  von  Garten-  und 
Felddiebstahl  (B  694.  1354,  vergl.  1811,  auch  568.  576) 
und  von  unberufenem  Fischen  in  fremdem  Fischwasser 
(B  1679)  an.  Ergriffene  Diebe,  denen  nach  dem  Stadt- 
recht der  Strang  gebührte,  wurden  zuweilen  zu  ewiger 
Verweisung  begnadigt  (B  212.  368.  967.  1539),  ebenso 
einer,  den  man  dabei  ergriffen  hat,  dafs  er  bütel  ahege- 
snyten  hat  (B  177) ;  diesem  wurden  vorher  die  Ohren  ab- 
geschnitten, die  einzige  Verstümmelungsstrafe,  die  unser 
Buch  erwähnt. 

Auch  von  Betrug  finden  sich  nur  wenige  Fälle. 
Wir  können  et\Aa  dahin  rechnen,  wenn  die  Schifer- 
bartynne  verzählt  wird,  darumhe  daz  sie  hijer  hole  und 
fordert  das  andern  lueten  und  luanne  man  die  darumhe 
manet,  so  uissen  sie  davon  nicht,  und  uanne  die  Inte, 
zu  (d.  h.  von)  den  sie  das  hier  holt,  [sie  darumhe  an- 
sprechen (^)J,  so  leuJient  sie  des  (B  1209).  Auch  die  nicht 
seltenen  Fälle  von  Zechprellerei  (beim  Reiheschank)  ge- 
hören hierher,  so  wenn  Puchel  und  Fabian  Clugenickel 
verzählt  werden,  weil  sie  dei»  ivirthe  onhereit  sein  aus- 
gegangen (B  1709);  das  „unbereite  Ausgehen-'  erscheint 
als  der  Kunstausdruck  für  solche  Vergehen  ^"^)  (B  1138. 
1175.  1278.  1324.  1805.  1844). 


^^'^)  Deutlicher  in  eiuein  Falle  von  1.505:  das  sie  bei/  Ciintz 
Gramer  zu  bir  qewest  und  die  zceche  nicht  bezcnlten.  verzählb. 
fol.  76  b  cf.  fol.  '78. 


Das  Verzählen.  Ql 

Es  mag-  liier  auch  erwähnt  werden,  dals  mehrfacli 
Dienstboten  verzählt  werden,  weil  sie  den  Dienst  wider 
Willen  des  Herrn  verlassen  (ß  1313.  1647.  1648)  oder 
trotz  des  vor  dem  Rate  abgelegten  Gelöbnisses  nicht 
angetreten  haben  (B  1713).  Noch  häufiger  verzählt 
der  Rat  solche,  welche  die  Ausführung  von  Arbeiten  für 
die  8tadt  (namentlich  an  den  Festungswerken,  vergl. 
B  47.  778)  übernommen,  auch  wohl  bereits  Geld  dafür 
erhalten  haben  und  ihrer  Verpflichtung  dann  nicht  nach- 
gekommen sind  iB  513.  681.  703.  778.  839.  1804.  1806, 
vergl.  a.  1387)  oder  andere  zu  solchen  Vergehen  ver- 
leitet haben  (B  47.  674.  681.  839). 

b)  Vergehen  gegen  die  Religion,  die  Landesherren, 
den  Bergbau,  das  Gericht. 

Den  Vergehen  gegen  die  Obrigkeit  stellen  wir  die- 
jenigen gegen  Gott  und  die  Kirche  voran,  die  von  be- 
sonderem sittengeschichtlichen  Interesse  sind.  Sittlich- 
keitsvergehen erschienen  doppelt  strafbar,  wenn  sie  in 
einer  heiligen  Nacht  d.  h.  der  Nacht  vor  einem  Feier- 
tage, stattgefunden  hatten;  so  wurden  zwei  Personen  ver- 
zählt, weil  sie  in  der  Nacht  von  Sonnabend  zu  Sonntag  bei 
einer  Hure  ergriifen  worden  „und  Gottes  und  ihrer  ehelichen 
Weiber  nicht  geschont  hatten"  ( A  91).  Joe.  Spetener  verfiel 
in  Strafe,  weil  er  //n  JwiJgen  neckten  eine  Hure  in  sein 
Haus  geführt  (B  78),  Joe.  Hone  und  die  „Kulechte  Kete", 
weil  sie  hivreit  und  hafferie  in  heiligen  Nächten  ge- 
trieben (B  91),  der  Brauer  Brumpnicz,  weil  er  am 
Pfingstabend  allerhand  Unfug  gegen  das  Frauenhaus  be- 
gangen (B  553 j.  Der  Verweisung  eines  Mannes,  der 
am  Osterabend  im  Frauenhause  gelegen  und  dann  am 
Ostertage  das  Abendmahl  genommen  hat,  gedenkt  Stadt- 
buch II  (No.  57).  Andere  wurden  wegen  Zechens  und 
unziemlicher  Worte  am  Karfreitage  bestraft  (B  1448). 
An  einen  Unfug,  der  namentlich  während  der  Fastnachts- 
zeit im  Mittelalter  gar  nicht  selten  erwähnt  wird,  er- 
innert die  Verzählung  mehrerer  Personen,  welche  iinscrs 
lierrcn  fjotis  bilde  in  vorspöttenißc  ro)i  gasten  zu  gassoi 
getragen  /idbei/  und  mit  lucuichcn  siucliche  ivortcn  vor- 
spotteti  (A  57),  wohl  auch  die  einiger  andern,  welche 
jieg  nacht  vilge  (Vigilien)  halten  gelungen  und  ha/x-n 
onciemelicJi  gei-ichreg  gctrrJti^i  (B  1761).  Auch  noch  einige 
andere  Fälle  von  Gotteslästerung  weiden  ciwälint  (  H  483. 


62  Hubert  Ermisch: 

1022).  Gar  nicht  selten  sind  Milshandlungen  und  Be- 
leidigungen von  geistlichen  Personen  (ß  671.  746  819. 
1172.  1177.  1214.  1630);  es  kommt  sogar  vor,  dafs  die- 
selben in  der  Kirche  geschmäht  werden  (B  247).  So 
wird  Hans  Berbener  der  Stadt  verwiesen,  weil  er  in  der 
Kirche  zu  Unser  Lieben  Frauen  erklärt  hatte ,  er  tliue 
den  Prediger,  der  eben  den  Bann  über  ihn  ausgesprochen, 
ebenfalls  in  den  Bann  (B  1325).  Geistliche  waren  wohl 
auch  die  Kollektoren  der  1427  gegen  die  Hussiten 
ausgeschriebenen  allgemeinen  Steuer,  die  „Aufheber  des 
Geldes  wider  die  Ketzer",  wegen  deren  Schmähung  Joh. 
Copian  verzählt  wird  (B  672).  Im  Zusammenhang  damit 
mag  erwähnt  werden,  dafs  einige  Jahre  vorher  die 
Musuterin  ausgewiesen  wurde,  weil  sie  unhristenlich  mit 
den  keti'ern  uß-  und  yngeczogen  ist  (B  515).  Zwei 
Frauen  werden  verzählt  wegen  Beleidigung  der  Nonnen 
im  Jungfrauenkloster  (B  1267.  1852).  Wenn  Tosscheinckel 
und  Jorge  Melczer  verzählt  werden,  weil  sie  die  heterinnen 
an  ir  hetlie  den  Imntslegern  (Schindern)  (jefjlichet  haben 
(B  610),  so  dürfen  wir  das  vielleicht  auf  die  Beginen  oder 
Polternonnen  beziehen,  jene  halb  geistliche  Genossenschaft 
für  Krankenpflege,  Beerdigungen  u.  dergl.,  welche  die  für 
ihre  Zwecke  erforderlichen  Gelder  zu  sammeln  pflegten. 
Endlich  mag  noch  auf  einige  Fälle  von  allerhand  Unfug 
auf  den  Kirchhöfen,  in  den  Kirchen  (B  1108.  1370.  1460. 
1462)  und  in  der  mit  der  Marienkirche  verbundenen 
Schule  (B  478.  581,  vergl.  1036)  hingewiesen  werden. 

Vergehen  gegen  die  Landesherren  werden  selten 
erwähnt  ^•'■"').  Hierher  gehören  die  Verzählungen  wegen 
freventlichen  Bruches  des  landesherrlichen  Burgfriedens 
(A  63)  und  des  landesherrlichen  Geleites  (B  1363),  die  Aus- 
weisung von  zwei  Personen  wegen  Frevels  am  Hofe  des 
Markgrafen  Wilhelm  (B  364^.  Häufiger  sind  Beleidigungen 
der  landesherrlichen  Amtleute  (B  258  644.  799.  870  u.  ö., 
falsches  Zeugnis  vor  den  Amtleuten  B  1128),  wie  des 
obersten  Vogtes  oder  Hauptmannes  (B  77.  79.  262.  1371. 
1382  u.  ö.),  des  Münzmeisters  (B  1174.  1309.  1718),  des 
Bergmeisters  (B  676.  710.  838.  990  u.  ö.),  des  Zelmtners 
(B  161.  323).  Auch  nächtlicher  Unfug  gegen  landes- 
herrliche „Söldner  und  Diener"  wird  erwähnt  (B  11). 

Kraft  des  Bergregals  war  der  Landesherr  Obereigen- 


^"5)  Über  die  Mitwirkung  landesherrlicher  Beamten  in  solchen 
Fällen  s.  o.  S.  40  f. 


Das  Verzählen.  63 

tümer  aller  Bergwerke    und    deshalb    gehören   auch   die 
B  e  r  g  w  e  r  k  s  V  e  r  g  e  h  e  n  hierher.     Wie  die  oberen  Berg- 
beamten,   so    wurden    auch    die   Hutleute  (B  500.  1127) 
und  insbesondere  die  Bergrichter  und  Bergschötfen  gegen 
Beleidigungen,   Mifshandlungen    und  Widersetzlichkeiten 
geschützt  (A40.  B  622.  695.  777.  794.  841.  1000.  113.3) 
und  in  ihrer  Gegenwart  oder  im  Berggericht  begangener 
Unfug   gestraft  (A  37.  43.   B    217).     In    diesen    Eällen 
und  in  vielen  andern,  in  denen  der  Bergmeister  als  der- 
jenige   erscheint,    der    die  Verzählung    veranlafste ,   war 
dieselbe   wohl    zunächst    im    Berggericht    ausgesprochen 
und    dann    erst    dem    Rate    notifiziert   worden  ^^*^).      Ein 
gleiches  Verfahren  ist  z.  B.  anzunehmen,  wenn  Meyner 
Tafel  verzählt   wird,    der  auf  die  Citation   des   Landes- 
herrn „von  Bergwerks  wegen"  nicht  gekommen  und  deshalb 
verurteilt  worden  war  (A  13).  Mehrfach  wird  wegen  „Un- 
fugs auf  dem  Berge"  verzählt  (z.  B.  B  140.  194  vergl.  9). 
Interessanter  sind  einige  Einzelfälle.     Bürger  und  Amt- 
leute lassen  Slicher  und  Küttener  verzählen,  weil  sie  „eine 
Einung    gemacht   haben    unsern  Herren  und  dem  Berg- 
werk zu  schaden"    (A  35),    den  Hensel  Kremser  wegen 
„unnützer  Rede  dem  Bergwerk  zu  schaden"  (A  58),  Symon 
Drystich,  weil  er  bauende  Gewerke  bedroht  und  im  Be- 
triebe der  ihnen  geliehenen  Gruben  gehindert  hat  unsern 
herren  zu   schaden  (B  258j,  den  Bauer  Fleck,  weil  er 
eine  Kaue   zu  Frankenstein  abgebrochen   und  nebst  an- 
derem zur  Grube  gehörigen  Gezäh  weggeführt  hat  (B  86), 
den  Jac.  Weter,  weil  er  ohne  Erlaubnis  Ronbaum,  Leiter 
und  Pfähle  in  der  Stadt  Stollen  genommen  hat  (B  1413). 
Welzel  wird  durch  den  Zehntner  verzählt,  weil  er  nicht, 
wie  er  gewillkürt  hat.  vor  den  Amtleuten  erschienen  ist, 
um  sich  wegen  gestohlenen  Erzes  zu  verantworten  (A  45). 
Andere    werden    bestraft    wegen    betrügerischer    Hand- 
lungen   beim    Erzverkauf  (B  1572),    wegen   Versäumnis 
der   verdingten   Bergarbeit  (B  868),  weil    sie   sich    cor- 
hamuer  genant,    koste    vom    hoffe   gefordert  und  hinden 
noch  enjjhremdet  haben  (B645);  Ha.  Summer,  weil  er  unter 
dem  Vorgeben,    ein  Tiefstes  im  Kippersberge  sinken   zu 
wollen,  Steuer  (Unterstützung    aus   der  landesherrlichen 
Kasse)  erhoben   und   dann  jene  Arbeit   nicht  ausgeführt 
hat  (B  484),  N.  Hoffemann,  weil  er  von  seinen  Gewerken 
14  Tage   lang  Kost  gefordert   und    in    dieser   Zeit    nur 


i90j  Vergl.  S.  41  f.  und  die  dort  gegebenen  Beispiele. 


04  Hubert  Einiisch: 

3  Schichten  g-earbeitet  hat  (B  1056) ,  drei  Personen, 
weil  sie  hie  außer  hern  (jelde  unde  stewre  e/jn  durcJislack 
zum  Roten  Crucze  yeinacht,  den  roiieiukent  unde  furder 
nach  4  niarg  zcu  Steuer  von  den  anvptJeuthen  gefurdert 
haben,  daz  sie  den  d'urcJisIag  mochten  volbrengen  (B  1127). 

Eine  besondere  Grnppe  bilden  die  Vergehen 
gegen  das  G-ericht,  die  wir  hier  anschlielsen,  obwolil 
sie  ebensogut  in  das  nächste  Kapitel  zu  bringen  wären. 
Denn  das  Gericht  war  ohne  Frage  landesherrlich;  aber 
der  Rat  hatte  schon  sehr  früh  einen  wesentlichen  Anteil 
an  seiner  Verwaltung,  der  dann,  was  hier  nicht  weiter 
zu  verfolgen  ist,  fortwährend  wuchs.  Namentlich  be- 
stellte der  Rat  seit  ältester  Zeit  den  üntervogt  (später 
Stadtvogt  oder  schlechthin  Vogt  genannt),  der  bereits 
im  Stadtrecht  als  der  eigentliche  Richter  erscheint;  zwar 
hatte  auch  der  vom  Landesherrn  ernannte  Obervogt  (der 
spätere  Hauptmann)  umfassende  gerichtliche  Befugnisse, 
übte  sie  aber  thatsächlich  immer  wenigei-  aus,  bis  er 
schlielslich  blolser  Administrativbeamter  wurde.  Mehr- 
fach ist  von  den  Vögten  (B  90.  189.  1384j  oder  den  Ge- 
richten (B  1264.  1504.  1547;  die  gerichte  der  voite  und 
hurger  320)  in  der  Mehrzahl  die  Rede.  Das  Gericht  des 
obersten  Vogts  wird  aber  nur  einmal  ausdrücklich  er- 
wähnt (B  1362).  Um  so  häufiger  kommen  Verzählungen 
wegen  Vergehen  gegen  das  eigentliche  Stadtgericht,  das 
Gericht  des  üntervogts,  Stadtvogts  oder  Vogts  vor;  sie 
gehen  durchweg  vom  Rate  aus,  wenn  auch  zuweilen 
(B  285.  327.  369.  412)  unter  Mitwirkung  des  obersten 
Vogts:  war  doch  auch  die  Autorität  des  Landesherrn 
durch  derartige  Vergehen  verletzt  worden. 

Betrachten  wir  nunmehr  die  einzelnen  Fälle.  Be- 
kanntlich herrschte  im  Dinge  ein  besonderer  Friede, 
der  bei  Hegung  desselben  ausdrücklich  geboten  wurde. 
Das  Stadtrecht  gedenkt  der  Hegung  nur  bei  den  drei  jähr- 
lichen „Vardingen",  der  späteren  Form  der  uralten  echten 
Dinge;  bei  diesen  verwirkte  Bulse,  wer  den  Frieden  mit 
Worten,  das  Leben,  wer  ihn  mit  Werken  brach 
(Kap.  XXXII  §  9).  In  späterer  Zeit  tritt  ein  Unter- 
schied zwischen  Vardingen  und  andern  Dingen  nicht 
mehr  hervor;  jedes  Ding  galt  als  ein  gehegtes.  „Unding- 
liches" und  frevelhaftes  Reden,  Scheltworte  u.  dergi.  vor 
gehegter  Bank  wurden  bestraft  (B  192.  230  320.  552. 
1194),  besonders  wenn  die  Beleidigung  sich  gegen  den 
Richter  und  die  Schöffen  richtete  (A  22.  B  40   45.  150. 


Das  Verzählen.  65 

412.  1193.  1617).  Wie  alle  andern  Stadtbeamten  (s.  ii.), 
so  genols  der  Stadtvogt  auch  anfserlialb  des  Dinges  be- 
sondern Scbutz  gegen  Beleidigungen  und  Verleumdungen 
(B  116.  176.  615  u.  ö.),  namentlich  iu  Gegenwart  des 
Bürgermeisters  und  Rates  (B  1179.  1247.  1575)  und  bei 
Amtshandlungen  z.  B.  Pfändungen  ( B  774),  Verbüi^gungen 
(B  1317);  als  Beleidigungen  galten  auch  Vergehen  und 
„unpflegliche"  Eeden  iu  seiner  Gegenwart  ( A  72.  B  1012. 
1065.  1329). 

Der  Richter  durfte  bekanntlich  kein  Urteil  teilen 
(Stadtrecht  Kap.  XXXII  §  2);  dies  war  Sache  der  Beisitzer. 
Das  Stadtrecht  kennt  kein  geschlossenes  Schötfenkolleg; 
der  Richter  konnte  seine  Urteilsfrage  an  jeden  richten, 
der  sich  innerhalb  der  vier  Bänke  befand  ^^").  Erst  seit 
dem  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  wurde  jährlich  eine 
bestimmte  Anzahl  von  Schöffen,  die  von  vier  bis  auf 
sieben  stieg,  gewählt.  Diese  ständigen  Urteiler  waren 
nunmehr  ebenfalls  gegen  Beleidigungen  besonders  ge- 
schützt (B  245.  571.  620.  793.  891.  1417),  namentlich  in 
ihrer  amtlichen  Thätigkeit:  wenn  man  sie  „strafte  an 
ihrer  Aussage"  (B  601,  vergl.  1390)  oder  wenn  sie  einer 
beschuldigte,  das  sie  im  die  ortel  anders  geteilt  sidden 
haben,  wen  sie  die  bürgei'  in  dem  rathe  gelert  haben 
(B  431).  Letzteres  bezieht  sich  darauf,  dals  die  Schöffen 
in  Zweifelsfällen  sich  an  den  Rat  als  die  letze  Quelle 
des  geltenden  Rechts  zu  wenden  und  von  diesem  Be- 
lehrung zu  erbitten  hatten  ^^^).  Auch  wenn  die  Partei 
das  Urteil  der  Schöffen  strafte,  entschied  der  Rat; 
im  Jahre  1383  wird  ein  Bürger  auf  den  Hals  verzählt, 
weil  er  freventlich  gesprochen,  die  Bürger  hätten  ihm 
ein  Urteil  2:u  Imrz  geteilt  (Stadtb.  I  No.  39).  Die 
Verzählung  des  Franz  Becker,  der  gesagt  hatte,  sein 
Schwager  „krieche  den  Schöffen  nach,  darum  dals  sie 
ihm  teüen,  was  er  will"  (B  652),  gehört  auch  in  diesen 
Zusammenhang. 

Endlich  war  auch  die  Beleidigung  des  Gerichts- 
dieners, des  Büttels  oder  Fronboten  strafbar  (B  1300. 
1450.  Unfug  in  seinem  Hause  B  ()7.  77),  besonders  wenn 
er  im  Dienste  war  (B  234.  1410.  1516). 

Häufig  sind  Verzählungen  wegen  Ungehorsams 
gegen   das    Gericht   oder   den   Vogt  (B  357.  444. 


197)  Vergl.  ÜB.  II,  XXXIII. 

^"^)  Vergl.  ebenda. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.     .\II1.  1.  V. 


66  Hubert  Ermisch: 

448.  462  u.  ö.)  und  wegen  Widersetzlichkeit  gegen  das 
Gericht  ^®^)  (darumhe  das  er  sich  gerichtis  gewert  hat 
A  104.  B  30.  111.  162  u.  ö.  das'  er  sicJi  wedersessigli  ge- 
macht dem  gerichte  1134.  1538).  Diese  Widersetzlichkeit 
bestand  oft  in  der  Weigerung,  Bürgen  zu  setzen  ( A  51. 
72.  B  25.  121.  122.  1067  u.  ö.j,  was  als  besonders  straf- 
bar galt,  wenn  die  Bürgensetzung  vorher  vor  dem  Stadt- 
vogt gelobt  worden  war  (B  460.  706.  724.  752.  987), 
oder  Pfand  zu  geben  (B  134.  349.  392.  1066.  1407  u.  ö.) 
oder  das  gerichtlich  gewonnene  Pfand  auszuantworten 
(B  310);  im  Zusammenhang  damit  weisen  wir  hier  auf. 
Verzählungen  wegen  Entwendung  von  Pfändern  (B  627 
695.  698.  744.  IUI,  vergl.  604)  und  von  gerichtlich  ver- 
botener Habe  (B  593,  wohl  auch  669),  wozu  auch  der 
Ausschank  gerichtlich  mit  Arrest  belegten  Bieres  gehört 
(B  403),  und  auf  die  Verzälilung  des  Reyfer,  der 
unpfandeliche  pfand  yn  die  hang  zu  pfände  gesand  hat 
nemelichen  1  hl.  pro  qiiinque  grossis  (B  791 ).  Ein  Fall  der 
Widersetzlichkeit  gegen  das  Gericht,  der  nur  bei  Aus- 
wärtigen vorkommen  konnte,  war  der  des  Fahrens  und 
Reitens  aus  dem  Kummer,  dem  über  Fremde  oft  gericht- 
lich verhängten  Arrest  auf  ihre  Güter  und  besonders 
auf  Pferde  und  Wagen  (B  817?  1164.  1208.  1232. 
1491  u.  ö.,  vergl.  599.  1545);  gegen  ungerechten  Kummer 
wurde  dagegen  der  Fremde  geschützt  (so  ist  wohl  B  501. 
502  zu  verstehen). 

Sehr  häufig  sind  Verzählungen  Avegen  Verweigerung 
der  gerichtlichen  Antwort.  Nach  dem  Stadtrecht  war 
solche,  wie  wir  oben  sahen,  die  Voraussetzung  jeder  Ver- 
zählung;  dals  dies  später  nicht  mehr  der  Fall,  dals  mit- 
hin die  Abwesenheit  des  Beklagten  keineswegs  nötig 
war  für  seine  Verzälilung,  beweist  das  Vorkommen  der 
hier  zu  erwähnenden  Fälle.  Der  Gegenstand,  wegen 
dessen  der  Beklagte  antworten  sollte,  wird  durchweg 
nicht  angegeben;  es  handelte  sich  wohl  lediglich  um 
privatrechtliche  Klagen  und  Polizeivergehen,  da  bei 
schwereren  Straffällen  stets  der  Grund  der  Verzählung 
bezeichnet  wird.  Das  Vorgebot  zur  Antwort  erfolgte 
meist  durch  den  Vogt  „von  der  Bürger  wegen",  seltener 
durch    Gericht    und  Bürger  (B  878.   911.  923.  964.  980; 


1^)  Das  Stadtrecht  bedrohte  diese,  wenn  der  Richter  zugegen 
war,  mit  Lebensstrafe  (Kf^P- XXXIII  §  19).  Eine  Urfehde  wegen  gro- 
ber Widersetzlichkeit  gegen  die  landesherrl.  (TerichteStadtb.  II  No.  324. 


Das  Verzählen.  67 

V071  der  hürger  und  des  ohern  voits  wegen  1695),  noch 
seltener  durch  das  Gericht  (B  1233)  oder  durch  den 
Vogt  allein  (B  1311),  wobei  man  sich  wohl  ebenfalls  den 
Rat  als  Auftraggeber  zu  denken  hat;  übermittelt  wurde 
das  Yorgebot  jedenfalls  ebenso  wie  früher  durch  den 
Fronboten.  Wer  nach  erfolgtem  Vorgebot  die  Antwort 
weigert,  sei  es,  dafs  ihn  der  Kläger  überhaupt  nicht  vor 
Gericht  (vor  Recht)  bringen  kann  (B  221.  299),  sei  es, 
dafs  er  sich  zwar  im  Gericht  einfindet,  aber  dem  Kläger 
nicht  Rede  steht -'"^j,  wird  verzählt,  besonders  wenn  er 
etwa  vorher  vor  dem  Richter  „bei  dem  höchsten  Rechte", 
„bei  der  höchsten  Bulse"  oder  „bei  einem  Verzählen" 
gelobt  hat  zu  antworten  (B  15.  106.  250.  369.  396. 
398  u.  ö.).  Dasselbe  Schicksal  trifft  den,  der  dem  Ge- 
richte oder  dem  Vogte  entläuft  (B  263.  355.  738.  1365. 
1467.  1710.  1800),  wobei  man  nicht  immer  an  eigentliche 
Dingflucht,  d.  h.  eigenmächtiges  Entweichen  von  Ge- 
richtsstelle während  der  Gerichtsverhandlung -'^M  zu 
denken  braucht,  da  man  unter  „Gericht"  auch  den 
Richter  allein,  wenn  er  Amtshandlungen  vornahm,  ver- 
stand. Ein  ähnliches  Vergehen  liegt  bei  solchen  vor, 
die  verzählt  werden,  weil  sie  des  Gerichts  nicht  heiten 
(d.  h.  warten)  wollten  (B  986.  999.  1140.  1162j. 

Ungehorsam  gegen  Gericht  und  Rat  war  es,  wenn 
der,  dem  ein  Haus  oder  Hof  oder  sonstiges  Grundstück-"") 
wegen  Schulden  (B  231.  506.  842)  oder  als  verfallenes 
Pfand  (B  837)  gerichtlich  ^°'')  abgewonnen  war,  dasselbe 
auf  ein  wohl  stets  zugleich  vom  Rat  und  vom  Gericht  -"■*) 
ausgehendes  Gebot  (vergi.  B  24.  174  284.  466  u.  ö.) 
nicht  räumte-"'^);  mit  wenigen  Ausnahmen  (B  174.  506) 
war  es  dann  der  Rath,  der  die  Verzählung  veranlalste. 


200)  Vergl.  Planck  II,  314  ff.  Meist  ist  nicht  zu  erkennen,  ob 
das  eine  oder  das  andere  der  Fall,  z.  B.  B  6.  98.  125.  189.  282.  1315 
und  sehr  oft. 

2"n  Planck  11.  Bio. 

202)  Eine  Fleischbank  B  695,  eine  Hütte  B  736,  ein  Erbe  in 
Bobritsch  B  18;  die  öbirmasse  an  einem  Hause  B  317.  318. 

-**'')  als  sii  das  mid  rechte  irfordirt  haben  B  353.  mit  recht 
angeivunnen  B  525.  mit  gerichte  irstandenTi  1203.  de  jnre  et  ciribus 
B  847.  849. 

-0^')  Beide  Faktoren  wirkten  auch  wolil  da  zusammen,  wo  es 
heifst,  es  sei  die  Räumung  von  der  Bürger  wegen  (B  35.  225.  264 
u.  ö.)  oder  von  (lerichts  wegen  (B  198.  220,  317  u.  ö.)  geliotcn 
worden;  meist  ist  gar  nicht  bemerkt,  von  wem  das  (lebot  der  Räu- 
mung ausging  (15  18.  38.  öH.  71  u.  ö.). 

•-"•')  Vorgl.  Stadtrecht  Ka]..  V  5<  20. 


68  Hubert  Ermisch: 

Die  Verzälilung  wegen  Verletzung  eines  vor  Rat  oder 
Gericht  abgelegten  Grelöbnisses  werden  wir  unten  er- 
wähnen. — 

An  die  Stelle  des  gerichtlichen  Austrags  von  Streitig- 
keiten aller  Art  trat  häufig  der  aulsergerichtliche  Ver- 
gleich, die  Richtung  durch  ratlnte ,  wie  das  Stadtrecht 
(Kap.  XIV.  XV)  die  Schiedsmänner  bezeichnet.  Diese 
Vergleiche  wurden  meist  vor  dem  Rate,  oft  auch  von 
dem  Rate  (von  Amtleuten  und  Bürgern  B  567)  abge- 
schlossen und  fanden  Aufnahme  in  die  Stadtbücher,  in 
denen  sie  in  grolser  Zahl  überliefert  sind.  Verzählt 
wird,  wer  verspricht,  sich  wegen  einer  Sache  zu  „richten" 
und  es  dann  nicht  thut  (B  455.  574.  S69.  1367.  1795j, 
den  für  diesen  Zweck  angesetzten  Tag  nicht  besucht 
(B  931),  das  vereinbarte  „gütliche  Stehen"  nicht  hält 
(B  603),  vor  allem  aber  die  gemachte  Richtung  bricht 
(A  55.  B  385.  467.  567  579.  1100  u.  ö.),  ebenso  wer 
eine  gütlich  beigelegte  Sache  verniiivet,  indem  er  gericht- 
liche Klage  deswegen  erhebt  (B  370.  636.  921.  979?). 
Die  gewillkürten  Ratleute,  deren  Zeugnis  vor  gehegter 
Bank  als  entscheidend  galt,  durfte  man  nicht  „strafen 
an  ihrem  Bekenntnisse"  (B  96).  — 

Gegen  die  Einmischung  fremder  Gerichte  in 
die  städtische  Gerichtsbarkeit  war  der  Rat  sehr  em- 
pfindlich. Was  das  Hofgericht  des  Landesherrn  anlangt, 
so  hatte  schon  Markgraf  Heinrich  der  Erlauchte  im 
Jahre  1255  bestimmt,  dals  alle  in  Freiberg  und  auf  den 
Bergwerken  vorkommenden  Rechtsfälle  lediglich  vom 
Vogte  und  Rate  zu  entscheiden  seien  und  dafs  er  nieman- 
den solcher  Sachen  wegen  vor  sein  Hofgericht  ziehen 
woUe^'**'),  und  dem  entsprechend  verbot  das  Stadtrecht 
(Kap.  XXXIV  §  4)  bei  10  Mark  Strafe  jedem,  dem 
nicht  in  der  Stadt  das  Recht  versagt  worden  sei,  bei 
Hofe  zu  klagen.  Unser  Verzählbuch  enthält  nur  einen 
hierher  gehörigen  Fall;  Jorge  Titze,  der  mit  Hertrich 
in  Streit  wegen  der  Bezahlung  von  Malz  geraten  war, 
wurde  verzählt,  weil  er  sich  nicht  auf  einen  Vergleich 
vor  dem  Rat  einlassen,  sondern  „sich  der  Sachen  an 
unsere  gnädigen  Herren"  berufen  wollte,  „das  wider  der 
Stadt  Recht  ist"  (B  1171).  Wir  gedenken  hier  auch 
der  Verzählung  des  Hans  Bartel  wegen  Verleumdung 
des  Rates:  das  im  des  rechten  nicht  gegelien  möge  unde 
sein  wyp  müsse  zceter  schryen  übir  ungerichte  (B  283). 

208;  Uß.  I,  15  vergi.  38. 


Das  Verzählen.  69 

Häufiger  scheinen  Konflikte  mit  den  geistlichen  Ge- 
richten gewesen  zu  sein.  Auf  solche  Fälle  bezieht  sich 
eine  im  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  gegebene  Willkür, 
nach  welcher  bei  einem  Verzählen  niemand,  der  weltlich 
ist,  wegen  weltlicher  Sachen  „laden"  solle '-^');  dals  hier 
eine  Ladung  vor  geistliche  Gerichte  gemeint  ist,  versteht 
sich  von  selbst  und  wird  ausdrücklich  bezeugt  durch  die 
Polizeiordnung  von  1487 "■'"^j.  Auch  entsprechende  landes- 
herrliche Verordnungen  muls  es  gegeben  haben  (vergl. 
B  92).  Mehrfach  werden  Personen  verzählt,  die  dieses 
Gebot  übertreten,  „weltliche  Sache  geistlich  gemacht" 
(B  3.  41.  42.  92.  1042)  oder  wegen  einer  vor  dem  Stadt- 
gericht entschiedenen  Sache  jemanden  in  den  Bann  ge- 
bracht haben  (B  26).  — 

.  Einige  vereinzelte  Fälle  von  A^ergehen  gegen  das 
Geiicht  mögen  hier  angeschlossen  werden.  Paul 
Meuschener  wird  verzählt,  weil  er  Kerbener  czu  eyde 
(lehalden  hat  iinde  siist  ridt  den  svlicppen  irtrert  tverv 
worden  (B  522);  d.  h.  wohl,  weil  er  eine  eidUche  Aus- 
sage des  Klägers  oder  Beklagten  in  einem  Falle,  der 
durch  Gerichtszeugnis  zu  entscheiden  gewesen  wäre, 
veranlalst  hat;  Paul  Glasesetzer,  weil  er  sich  tvef/efertiget 
macJite  unde  arme  luthe  czu  rechten  notrechten  dringen  ivolde 
und  doch,  nicht  sich  hernoch  ivegfertigete  (B  605),  d.  h.  unter 
dem  fälschlichen  Vorgeben  einer  bevorstehenden  Reise 
das  für  solche  Fälle  vorgesehene  abgekürzte  Verfahren 
erlangte -'^^).  Auch  die  Verzählungen  wegen  eines  falschen 
Bekenntnisses  (A  21)  und  wegen  Meineids  (A  8.  10.  15. 
B  184.  185)  können  wir  hier  anführen. 

c)  Vergehen  gegen  Stadt  und  Rat. 

Eine  nicht  geringe  Anzahl  der  in  den  vorstehenden 
Abschnitten  aufgeführten  Vergehen,  insbesondere  die 
Vergehen  gegen  das  Gericht,  sind  zugleich  Vergehen 
gegen  die  Stadt,  Verletzungen  der  Autorität  des  Rates 
und  würden  daher  ebensogut  hier  ihren  Platz  finden 
können.  Allein  eine  streng  logische  Scheidung  der  ein- 
zelnen Delikte,    wie    sie    die   heutige  Strafrechtswissen- 


2""J  ÜB.  I,  125  §  H. 

208)  Uß.  ill,  473  §  22. 

209)  Vergl.  Stadtrecht  III  §  3,  Zusatz  2  §  1 2.  1 3     Dazu  V 1  a  u  <■  1< 
II,  44  (Note  6). 


70  Hubert  Enniscli: 

Schaft  kennt,  lag  jener  Zeit  sehr  fern,  und  so  müssen 
auch  wir  uns  bescheiden,  den  Stoff  im  G-rofsen  und 
Ganzen  zu  gruppieren. 

In  Freiberg  wie  anderswo  galten  als  die  wichtigsten 
Bürgerpflichten  das  Zirkeln  und  Wachen,  das  Heer- 
fahrten, das  Schossen.  Ihre  Verletzung  konnte  zur 
Verzähluug  führen. 

Was  die  militärischen  Pflichten  anlangt,  so  hatten  die 
Bürger  und  alle,  die  „zu  der  Stadt  Handlung  pflegten" 
(B  917),  in  regelmäßigem  Turnus  den  nächtlichen  Wach- 
und  Patrouillendienst  persönlich  oder  durch  Vertreter  zu 
leisten.  Wer  auf  Gebot  des  Rates  nicht  zirkelte  (B  49. 
65.  319.  346.  499.  541.  547)  oder  wachte  (B  454.  917. 
1426),  wurde  bestraft,  ebenso  wer  sich  Vergehen  dabei 
zu  schulden  kommen  liels:  so  finden  wir  Verzählungen 
wegen  Unfugs  und  Nachtgeschreies  beim  Zirkeln  (B  521. 
1095),  wegen  Holzdiebstahls  während  desselben  (B  612), 
wegen  Zuspätkommens  zur  Wache  vor  dem  Thore 
(B  1359).  Einer,  der  zirkeln  soll,  Avird  verzählt,  weil 
er,  da  er  in  das  Frauenhaus  kommt,  nicht  weiter  gehen 
will  (ß  313),  andere,  weil  sie  sich  in  einer  Mühle  aufs 
Heu  legen,  statt  zu  zirkeln  (B  1696). 

Besondere  Aufmerksamkeit  verlangte  die  Thor- 
wache. Wenn  der  damit  Beauftragte  das  Thor  nicht 
rechtzeitig  schlofs  (B  1203),  schlief  oder  unachtsam  war 
(B  1683.  1684,  vergl.  1400),  so  wurde  er  bestraft. 
Steffen  Leineweber  wird  verzählt,  weil  er  gelegentlich 
der  Wache  die  Leisten  auf  dem  Thorhause  abgerissen 
hatte  (B  1465).  Auch  Asman  Schuwart  und  Zschindefus, 
die  auf  dem  Meilsnischen  Thore  „mit  Spiel  geunfugt" 
und  der  Stadt  Geräthe  zerschlagen,  zerworfen  und  zer- 
brochen haben,  mögen  diesen  Frevel  gelegentlich  der 
Thor  wache  verübt  haben  (B  112).  Der  junge  Peter 
Becker  hat  sich  geweigert,  den  Thorschlüssel  zu  „halten", 
ihn  dem  Büttel,  als  dieser  ihn  brachte,  nachgeworfen 
und  auf  Befehl  des  Bürgermeisters  den  Ratsdienern 
nicht  aufschlielsen  wollen  (B  17).  Nickel  am  Ende  und 
N.  Behems  Knecht  haben  cmi  tortcarten  einen  landes- 
herrlichen Boten  nicht  eingelassen,  der  dem  Münzmeister 
einen  wichtigen  Brief  zu  überbringen  hatte  (B  912);  der 
Schuster  Fischer  hat  ansälsige  Amt-  und  Ratleute  nicht 
ohne  „Schätzung  und  Trankgeld"  einlassen  wollen  (B  675). 

Bei  Kriegszügen  des  Landesherrn  hatten  die  Städte 
bestimmte  Mannschaften   zu    stellen.     In   der  Zeit   des 


Das  Verzählen.  71 

A^erzählbuches  leisteten  die  Bürger  ihre  He  erfahrt  s - 
pflicht  meist  nicht  persönlich,  sondern  riisteten  besoldete 
Schützen  aus.  Wer  dies  auf  Befehl  des  Rates  nicht  thut 
(B  831.  876.  955.  1003.  1443.  1470)  oder  den  ihm  auf- 
erlegten Beitrag  zur  Haltung  eines  Pferdes  nicht  ent- 
richtet (B  721)  oder  sich  weigert,  sein  Heerfahrts- 
gerät —  das  bekanntlich  jeder  Bürger  besitzen  mulste  — 
zu  einer  Heerfahrt  dem  Rate  zu  leihen  (B  914),  war 
strafbar.  Kramp  wurde  um  1421  verzählt,  weil  er  „Ge- 
sellen, die  gegen  Hux  ziehen  sollten",  aufwiegelte 
(B  416),  N.  Ulrich  (um  1441),  weil  er  (jeschiclde  sclmczen 
von  eyme  tfciyne  getrchen  hat  unde  ungeschickte  von  em 
selber  als  Trchil  diu-vh  vorff'elspels  iiffyesaczt  hat  (B  1086); 
ein  mir  unverständlicher  Eintrag.  Waren  genug  tüchtige 
Söldner  vorhanden,  so  wurden  die  minder  „Rüstigen" 
zurückgestellt;  so  ging  es  (um  1433)  dem  Hans  Golswin, 
der  „gewonnen  Avar,  dals  er  in  die  Heerfahrt  ziehen 
sollte",  und  der  dann  freventlicherweise  sein  Heerfahrts- 
gerät in  Meilsen  versetzte,  daz  -is  die,  vor  die  her  czilien 
sulde,  selber  musten  iveder  losen  (B  907).  Auf  der  Heer- 
fahrt selbst  wurde  natürlich  streng  auf  Disciplin  gehalten 
und  Ungehorsam  gegen  den  Rat  und  die  von  ihm  ge- 
setzten Hauptleute  bestraft  (B  1.  929.  1357).  Auch  die 
Verzählung  von  zwei  Personen,  weil  sie  „in  Herren-  und 
Landes-Not  ungehorsam  gewesen"  (B  582)  —  es  war 
das  Hussitenjahr  1426  — ,  können  wir  hier  erwähnen. 

In  des  Rates  Rüstkammer  lagen  zahlreiche  grölsere 
und  kleinere  Schulswaffen,  die  in  älterer  Zeit  der 
städtische  „Schulsmeister"  zu  liefern  und  in  Stand  zu 
halten  hatte  -^*').  Später  wird  einmal  der  Rothgielser 
verzählt,  quod  noluit  niaylstro  civi/am  ex  parte  civitatis 
aptare  diias  jnxides  dumtaxat  in  foraminibus,  quod  piossent 
sagittare  (B  844).  Aus  diesem  Waifenvorrat  verlieh  man 
nicht  selten  einzelne  Stücke  an  Bürger,  deren  Heerfahrts- 
gerät zur  Ausrüstung  eines  Schützen  nicht  ausreichte -^') ; 
die  Deinhartin  wird  verzählt,  weil  sie  der  Stadt  eine 
Büchse  nicht  zurückgegeben  hat  (B  7()6). 

Unter  den  finanziellen  Bürgerpflichten  ist  die  Schois- 
pf licht  die  wichtigste-'-).  Nicht  selten  sind  Verzäh- 
lungen  wegen  Nichtentrichtung  des  Geschosses,  denen 
gewöhnlich   ein  ein-  oder  mehrmaliges  Gebot   des  Rates 


"0)  UB.  I,  97.  99.  10.5.  111. 

2")  Vergl.  z.  B.  Stadtl..  TT  No.  547. 

-'-)  Vergl.  Stadtrecht  Kap.  IV. 


s 


72  Hubert  Ermisch: 

vorhergegangen  war  (B  450.  464  657.  689.  783.  1008. 
1704  u.  ö.);  auch  Widersetzlichkeit  bei  Pfändung  wegen 
des  Geschosses  wird  bestraft  (B  411,  vergl.  348}.  Her- 
vorgehoben mag  die  Yerzähhuig  des  ehemaligen  Zehntners 
N.  Emmerych  werden,  den  die  Bürger  bei  Landgraf 
Balthasar  verklagt  hatten,  weil  er  kein  Geschofs  geben 
wollte;  er  wandte  ein,  seine  Eltern  hätten  nie  Geschols 
gegeben  —  beanspruchte  also  wohl  für  sein  Grund- 
stück die  Eigenschaft  eines  Freihofes  —  und  drohte: 
„griffen  die  Bürger  über  in  das  Seine,  so  wolle  er  ihnen 
wieder  in  das  Ihre  greifen,  sollte  es  auch  seinen  Hals 
kosten"  (A  49). 

Hauptsächlich  um  der  Schofs-  und  Wachtpflicht 
willen  hielten  die  Bürger  darauf,  dalis  wüste  Häuser  bald 
wieder  besetzt  würden '^^•^i,  und  bestraften  denjenigen,  der 
ein  Haus  abbrach  und  das  Gelübde,  es  wieder  zu  bauen, 
nicht  hielt  (B  883).  Auch  das  Verbot,  ohne  Genehmi- 
gung des  Rats.. Zinsen  auf  Grundstücke  aufziuiehmen'-^"*), 
wegen  dessen  Übertretung  Paul  Nail  und  Fritze  verzählt 
werden  (B  1702  ,  hing  damit  zusammen. 

Eine  weitere  Einnahmequelle  des  Rates  war  der  Zoll, 
von  dem  jedoch  die  Bürger  für  ihre  Bedürfnisse  befreit 
waren -^■'*);  es  fehlte  nicht  an  Streitigkeiten  zwischen 
solchen  und  dem  Zöllner  (B  1207),  Wegen  „Verfahrens" 
des  Zolles  werden  daher  in  der  Regel  nur  solche  ver- 
zählt, die  nicht  Bürgerrecht  haben,  besonders  Auswärtige 
(B  1223.  1703.  1711.  1777.  1782.  1851,  vergl.  1406). 
Milsbrauchten  aber  Bürger  ihre  Zollfreiheit  dazu,  das 
Gut  von  Zollpflichtigen  frei  einzuführen  (B  1211),  oder 
führten  sie  gekauftes  Gut  unverzollt  wieder  aus  (B  1837), 
so  waren  sie  strafbar. 

Eine  sowohl  von  Einheimischen  als  von  Auswärtigen 
zu  zahlende  Abgabe  war  das  Wegegeld,  dessen  Er- 
hebung wohl  meist  auch  dem  Zöllner  übertragen  war 
(B  1207,  vergl.  44.  114)  und  dessen  Hinterziehung  eben- 
falls bestraft  wird  (B  44.  114.  922.  982). 

Auch  andere  Beeinträchtigungen  des  städtischen 
Vermögens  und  Einkommens  kommen  vor.  So  lassen 
die  Bürger  wiederholt  Personen  verzählen,  die  der  Stadt 
geschuldete   Summen   nicht  bezahlen   (B    142.   563.   813. 


213)  Vei-o-l.  die  Willkür  von  1435  ÜB.  I,  151. 

214)  Yei.gi.  UB.  I,  125  §  13. 

2^5)  Stadtrecht  Kap.  XL  §  2—6  vergl.  18.  19.   Vergl.  den  Zolltarif 
ebenda  Zusatz  1  (bes.  §  31). 


Das  Verzählen.  73 

1181)  oder  anvertraute  städtische  Gelder  nicht  dem 
übergeben,  dem  sie  zukommen  (B  1701  ?).  Der  Läufer 
Lorber  wird  verzählt,  weil  er  um  eynerley  botschaft  cziveij 
Ion  genomen  hat  (B  773).     Vergl.  auch  oben  S.  61. 

Eine  Willkür  verbot,  Beile,  Messer  und  andere 
Werkzeuge,  mit  denen  man  dem  Spital  (oder  der  Stadt) 
am  Holze  schaden  könne,  in  den  Spital wald  zu  tragen 
und  Lehm  auf  dem  Ziegelanger  zu  graben-^*"').  Dem 
entsprechen  Yerzählungen  wegen  Holzhauens  im  Spital- 
walde (B  25G.  1250,  vergl.  1855)  und  wegen  Grabens 
von  Erde  und  Lehm  bei  der  Ziegelscheune  (B  1650. 
1774);  auch  Entwendung  von  Holz  aus  der  letzteren 
kommt  vor  (B  1775). 

Einen  breiten  Raum  nehmen  im  Verzählbuche  die 
Vergehen  gegen  die  städtische  Obrigkeit  ein. 
Sehr  zahlreich  sind  die  Verzählungen  wegen  Beleidigung, 
Bedrohung  oder  Verleumdung  des  Rates  (A  67.  B  32. 
60.  79.  89.  90  und  oft),  des  Bürgermeisters  (B  336.  351. 
782.  881.  978.  1769),  einzelner  Ratsmitglieder  (B  72. 
137.  732.  1031.  1204.  1673  u.  ö.,  Hausfriedensbruch 
A  36.  B  739.  808  u.  ö.'i  oder  städtischer  Beamten,  wie 
des  Stadtschreibers  (B  324.  586),  des  Spitalmeisters 
(B  325),  des  Rohrmeisters  (B  537),  des  geschwornen 
Wagemeisters  (B  557. 1260),  der  Gassenschöffen  (B  1039^ 
der  geschwornen  Handwerksmeister  (A  52.  59.  B  58. 
149.  167  u.  ö.),  des  Zöllners  (A  1.  B  1207.  1295.  1463. 
1782.  1813  u.  ö.)  und  seiner  Frau,  die  ihn  wohl  oft  in 
seinem  Amte  unterstützte  (B  1406.  1483.  1819.  dy  zolle- 
rynn  meyn  liern  dienpvynn  1411),  des  Stadtknechts 
(B  371.  1388.  1502.  1560),  der  Stadtdiener  und  Stadt- 
boten (A  60.  B  33.  406.  440.  507.  771.  802.  848.  1072. 
1373.  1386.  1387.  1391.  1409.  1563.  1677).  N.  Haulauls 
und  Lochberg  werden  verzählt,  weil  sie  Paul  Grauel 
und  Puchel  vorc^irrer  und  vorretJier  geheissen  haben,  das 
.sie  der  stat  dicner  werden  irollen  (B  1776),  Pe.  Hanyke 
wegen  Unfugs  an  der  Hüterin  des  Stadtviehs,  womit 
sich  die  Verzählung  des  Hans  Ruxoff  zusammenstellen 
läist,  der  „der  Stadt  Gebot  nicht  gehalten  und  Kühe 
aufgenommen  hat  zu  hüten"  (B  1641).  Die  Bürger,  welche 
zeitweilig  den  Dienst  als  Zirkler  (A  1.  B  8.  446.  491. 
1018  u.  ö.)  oder  Thorwächter  (B  305.  315.  649  V  1355) 
versahen,  wurden  ebenfalls  gegen  Unbill  geschützt. 


216 


')  ÜB.  1,  127  §  11. 


74  Hubert  Ermisch: 

Auch  befreundeten  Städten  und  deren  Boten  durfte 
niemand  zu  nahe  treten;  so  wird  Grossei  verzählt,  weil 
er  ,, etliche  Wort  auf  die  von  Brüx  sollte  geredet  haben" 
(B  1403\  Bartel  Lomatsch,  weil  er  „der  von  Halle  Boten 
vor  der  ßatstube  übel  gehandelt  hat"  (B  359). 

Wie  in  diesem  letztern  Falle,  so  wird  auch  in  vielen 
andern  bereits  erwähnten  oder  noch  zu  erwähnenden 
hervorgehoben,  dals  der  Unfug  im  Rathause  "^')  oder  in 
Gegenwart  von  Ratspersonen  verübt  war;  die  darin 
liegende  Nichtachtung  des  Rates,  der  Umstand,  dafs 
man  der  hmyej' iiicJd  (/c.'^cJ/onf  habe,  galt  als  erschwerend. 
So  finden  wii-  zahlreiche  Bestrafungen  wegen  Unfugs 
und  unbescheidener  Worte  im  Rathause  oder  in  der 
Ratsstube  (B  23.  438.  451.  624.  693.  731  u.  ö.),  vor 
dem  Bürgermeister  (B  1513.  1662),  dem  Rate  (A  71. 
88.  94.  B  82.  124.  160,  286  u.  ö.),  einigen  (B  143)  oder 
einem  Mitgliede  desselben  (B  1005.  1202\  wegen  Messer- 
ziickens  (A  6.  12.  62.  B  1011.  1754),  Drohungen  und 
Milshandlungen  im  Beisein  des  Rates  (A  3.  B  118.  1646) 
u.  dergl.  m.  Während  der  Ratssitzungen  herrschte  wohl 
ein  besonderer  Friede;  Joe.  Mewschein  wird  verzählt, 
weil  er  einen  geschlagen  und  wol  getvust  hat,  das  der 
radt  didjen  gesessen  hi  lieimliche  ding,  da  handeln  ivllich 
vortragen  sulde  sein  (B  1518).  AVer  in  Gegenwart  von 
Ratleuten  einen  Lügen  strafte  (B  453.  1493.  1629),  war 
ebenso  strafbar,  wie  der,  der  selbst  unwahre  Aussagen 
vor  dem  Rate  machte  (B  166.  168.  564.  603.  733). 

Namentlich  Ungehorsam  gegen  den  Rat  und  seine 
Diener  war  sehr  häufig  der  Anlafs  der  Verzählung-^-). 
Oft  wird  nicht  angegeben,  worin  dieser  Ungehorsam  be- 
stand (A  89.  B  347.  420.  430  u.  ö.).  In  andern  Fällen 
erfolgte  die  Bestrafung,  weil  die  (wohl  nur  ausnahms- 
weise z.  B.  B  21.  1169  drei  Mal  wiederholte)  Vorladung 
der  Bürger  (z.  B.  A  70.  B  175.  180.  312  u.  ö.)  oder  des 
Bürgermeisters  (B  708.  718.  1161)  nicht  befolgt  worden 
w^ar  (auch  die  Verleitung  hierzu  war  strafbar  B  1139) 
oder  weil  der  Delinquent  das  Rathaus  verlassen  hatte, 
obwohl  ihm  ausdrücklich  befohlen  war ,  dort  zu  bleiben, 
etwa  bis  eine  Richtung  zustande  gebracht  oder  eine  Ab- 


2^')  Über  den  auf  gleichen  Gründen  beruhenden  besonderen 
Frieden  im  Weinhause  und  Frauenhause  s.  o.  S.  58  f. 

2^*)  Vergl.  dieVerfestung  des,  der  dem  Rate  tvederstrevich  ist, 
in  Goslar  (Gosl.  Statuten  ed.  Göschen  ßO,  37).  Auch  den  oben  S.  4 
angeführten  Fall  aus  Frauenstein. 


Das  Vei'zählen.  75 

bitte    geleistet   war   (A   38.   B  30.    48.    204.    487.    551) 
11.  der  gl.  m. 

Hierher  gehört  auch  der  überaus  häufige  Fall  der 
Verzählung  wegen  Nichterfüllung  eines  vor  dem  Rate 
oder  dem  Vogte  abgelegten  Gelöbnisses,  dessen  Inhalt 
sehr  oft  nicht  angegeben  ist  (ß  222.  300.  377.  449  u.  ö.). 
Manchmal  handelte  es  sich  um  das  Versprechen,  vor  dem 
Rate  zu  erscheinen  und  dort  zu  antworten  (Ä  39.  42. 
B  153.  229,  1720),  wobei  auch  wohl  die  gestellten  Bürgen 
mit  verzählt  werden  (B  1767).  Meistens  aber  sind  es 
Zahlungsversprechen.  Es  war  sehr  gewöhnlich  und 
kommt  auch  in  den  Stadtbüchern '-^■')  sehr  oft  vor,  dals 
der  Schuldner  seinem  Gläubiger  vor  dem  Rate,  dem 
Vogte  oder  dem  Bürgermeister  die  Zahlung  einer  Summe 
an  einem  bestimmten  Termine  hi  eimc  vorczdn  („bei  dem 
höchsten  Rechte",  „bei  Schuld  und  Landrecht"  u.  dergl.  m.) 
gelobte '-'■^•').  Diese  Verzählung  wegen  Schulden,  die  in 
dem  alten  Rechte  des  Gläubigers  auf  die  Person  des 
Schuldners  wurzeln  niag--^),  kommt  fast  auf  jeder  Seite 
des  Verzählbuchs  vor,  so  dals  wir  davon  absehen  können, 
Beispiele  zu  geben.  In  der  Regel  wird  dabei  des  Zah- 
lungsversprechens ,  dessen  Verletzung  ja  der  eigentliche 
Grund  der  Verzählung  war,  gedacht;  aber  auch,  wo  dies 
nicht  der  Fall,  wo  einer  nur  deswegen  verzählt  wird, 
weil  er  nicht  bezahlt  hat  [z.  B.  B  1564,  1565,  1568  u.  ö.), 
ist  ein  solches  Gelöbnis  vorauszusetzen.  Zu  beachten 
ist,  dafs  in  der  Regel  die  Verzählung  vom  Rate  ausgeht 
rAusnahmen :  B  68.  287.  294.  295.  345.  376.  481.  482. 
559)  und  auf  den  Hals  lautet  („auf  die  Bufse"  nur 
B  87). 

d)  Übertretung  von  Polizeiverordnungen. 

Unter  den  Fällen  des  Ungehorsams  gegen  den  Rat 
sondern  wir  diejenigen  zu  einer  besondern  Gruppe  aus, 
die  wir  heute  als  Polizeiveigelien  bezeichnen  würden  und 
bei  denen  das  bequeme  Verfaliren  des  Verzählens  in  sehr 
ausgedehntem  Malse  zur  Anwendung  kam. 


-'•')  z.  B.  Stadtb.  1  No.  1 15.  11  No.  55.  64.  98. 137.  182,  209  u.  ö. 
Crerichtsb.  I  No.  61.  63,  70.  118  u.  ö. 

--«)  Verg-1.  damit  Tlensl.T,  Institut.  1,  103  f. 

221)  Vergl.  Stadtreclit  Kap.  11  t^  8.  9.  V  §  30.  32.  XXXlll  t;  16. 
XXXVI  §  2,  Vergl.  über  den  meteban  des  Magdcbur£?or  Rechts  J '  1  a  iw  1< 
11,  250. 


76  Hubert  Ermisch: 

Gehen  wir  von  der  H  a  n  d  el  s  -  und  G  e  \v  e  r  b  e  p  o  1  i  z  e  i 
aus  Schon  früh  regelten  Polizeiverordnungen  den  Markt- 
verkehr. So  lange  das  Marktzeichen,  der  „Wusch",  aus- 
gesteckt war,  durfte  niemand,  der  nicht  mit  der  Stadt 
schoiste  und  Rechts  pflegte,  auf  dem  Markte  kaufen-^-). 
Wer  etwas  zum  Verkauf  nach  Freiberg  brachte,  dem 
sollte  keiner  seine  Waren  im  Grolsen  (nn  sampnus- 
lamff(')  abkaufen,  bevor  er  nicht  ZAvei  Tage  damit 
zu  Markte  gestanden  hatte ---^j;  daher  wurde  Gabr.  Voit 
verzählt,  weil  er  ein  Fuder  Kirschen  gekauft  hatte, 
bevor  sie  zu  Markt  gekommen  waren  (B  1549).  Häufig 
kommen  Yerzählungen  wegen  Vorkaufs,  Aufkaufs  oder 
„Unkaufs" -■-^)  vor,  unter  welcher  Bezeichnung  man  alle 
Manipulationen  zusammenfalste,  die  zur  Verteuerung  der 
Marktartikel  führten  (B  378.  443.  780.  916.  1204.  1229. 
1327.  1736);  wo  die  Waren  genannt  werden,  um  die 
es  sich  handelte,  da  sind  es  Lebensmittel  oder  sonstige 
Verbrauchsgegenstände  (Bier  und  Brot  B  747.  915,  Korn 
B  151,  Hafer  B  654,  Gerste  B  1827,  Mohn  B  1581, 
Erbsen  B  1282,  Stroh,  Milch  u.  a.  1743,  Honig  B  1334, 
Butter  und  Käse  B  1638.  1698.  1801,  Wilpret  A  98. 
B  863.  Vögel  B  405,  besonders  oft  Fische  B  360.  361. 
572  ?  976.  1281.  1286.  1600.  1613.  1764,  Obst  B  362. 
1549.  1574,  Eisen  B  1132.  1744,  Schufen  (?)  B  1616). 
Namentlich  waren  es  Wiederverkäufer,  die  davon  be- 
troffen wurden;  so  wurde  z.  B.  Lor.  Frowyn  verzählt, 
weil  er,  n-enne  iclit  Jieryn  hroclit  ivart  an  iviliwete  iinde 
fischen  ader  andern  dingen,  daz  zcMfert,  en  daz  abeJioiift 
unde  furder  vorunkanft  ader  sust  hie  czeit  unde  ußhockt 
unde  unhauft  macht,  daz  sust  wol  Imuflich  gegeben 
icorde  (B  954).  Die  Höker  und  Hökerinnen  durften 
nicht  unter  den  Bäuerinneu  sitzen -^■'^)  (B  1801),  nicht 
auf  dem  Markte  einkaufen--'^);  später  wurde  ihnen  auch 
der  Bierschank  untersagt-'-^). 

Von  einzelnen  Marktvergehen  nennen  wir  noch  die 
Feilhaltung  von  Töpfen   an  verbotener  Stelle  (B  1035), 


222)  UB.  I,  125  §  11  vergl.  III,  472  §  11. 

228;  ÜB.  I,  125  §"l2  vergl.  III,  472  §  7.  Ausgeschlossen  war  nur 
Gretreide,  dessen  Einliauf  durch  die  Bäcker  und  Mälzer  ührigens  auch 
Beschränkungen  unterlag,  vergl.  Stadtrecht  Kap.  XLII  §  12. 

224)  Yergi.  UB.  I,  127  §  13.    III,  471  §  5. 

225)  UB.  I,  127  §  12.    III,  472  §  6. 
22«)  IIB.  I.  129. 

227)  ebenda  156. 


Das  Verzählen.  77 

den  Kauf  und  die  Wegführung-  eines  Wagens  mit  Krebsen 
(B  1643),  den  Kauf  von  zwei  Hasen  um  den  wohl  un- 
gehörigen Preis  von  22  Groschen  (B  1785),  den  Verkauf 
unrechter  Kohlen  (B  1482),  Sehr  frevelhaft  war  es, 
dals  zwei  Kaufleute  die  grolsen  Heringe  ausgesucht  und 
nach  auswärts  gesandt,  die  kleinen  aber  in  Freiberg 
verkauft  hatten;  sie  wurden  verzählt  und  mit  ihnen  die 
Gattin  des  einen,  die  zum  Schaden  den  Spott  gefügt 
und  gesagt  hatte:  „Neüi,  die  Bürger  allhier  essen  nicht 
die  grolsen  Häringe,  sondern  wenn  die  von  Sayda  die 
grolsen  guten  Häringe  essen,  so  müssen  sie  hier  den 
Dreck  essen"  (B  488.  489). 

Strafbar  war  auch  derjenige,  der  ungeaichtes  oder 
zu  kleines  Gemässe  brauchte  oder  andere  zu  Verwen- 
dung von  solchem  veranlalste  [B  1114.  1327.  1682),  wer 
die  ßatswage,  auf  der  grölsere  Lasten  gewogen  werden 
mulsten,  umging  (so  ist  wohl  B  1401  zu  verstehen,  viel- 
leicht auch  1405;. 

Unter  besonderer  Aufsicht  stand  der  Salzverkauf, 
an  den  sich  infolge  der  Regalität  des  Salzes  eigen- 
tümliche Rechtsverhältnisse  knüpften.  Eine  Abgabe 
von  demselben  war  durch  einen  gewissen  Borto,  der 
sie  als  landesherrliches  Lehn  besals,  bereits  1279 .  an 
das  Hospital  gekommen;  dann  war  1318  der  Stadt 
das  Recht  der  divisiones  et  mensurationes  salis  que 
vulgär  Her  stramen  nu'}wu])antur  bestätigt  worden--^;. 
Der  Salzverkauf  fand  nur  an  besonderen  Stätten 
und  gegen  eine  teils  dem  Hospital  teils  der  Stadt  zu- 
stehende Abgabe,  deren  Nichtentrichtung  zur  Verzählung 
führen  konnte  (B  591.  1803),  statt;  die  konzessionierten 
Verkäufer  aber  galten  als  verpflichtet,  die  Stadt  mit 
Salz  zu  versorgen  (B  1674). 

Nur  der  Bürger  war  zum  Betriebe  von  Handwerk 
und  Handel  berechtigt;  wer  ohne  Bürgerrecht  hanfinoK/c 
trieb--''),  war  strafbar  (B  1341.  1551.  1558,  vergl.  1437 
und  1610,  wo  doch  wohl  vom  Bechverkauf  ohne  Bürger- 
recht die  Rede  ist).  Zum  Betriebe  eines  Handwerks 
war  aber  weiterhin  die  Aufnahme  in  eine  der  wohl  schon 
seit  dem  13.  Jahrhundert  in  Freiberg  bestehenden  In- 
nungen  erforderlich;    wer    arbeitete,   ohne   ihnen   anzu- 

228)  UB.  I,  26.  ^2. 

-•-9)  Dasselbe  bedeutet  doch  wohl,  wenn  es  von  einem  heifst,  er  sei 
nicht  Mitbürger  und  gebrauche  der  Stadt  doch  ane  rot  und  recht 
B  r)94  vergl.  577. 


78  Hubert  Ermisch: 

gehören,  wurde  bestraft  (vergl.  B  1243.  1441.  1442?). 
Die  für  die  Aufnahme  in  die  Innung  zu  entrichtenden 
Aufnahmegebühren  fielen  teilweise  an  den  Rat  "^*') ;  wenn 
der  Klingenschmied  Brunouwer  u.  a.  deswegen  verzählt 
wird,  weil  er  den  Bürgern  ihre  Gerechtigkeit  nicht  giebt 
(B  1310),  so  möchten  wir  das  auf  eine  Hinterziehung 
dieser  Gebühr  deuten.  Solche,  die  nf  //rem  liantwercke 
hinder  dem,  rate  und  lianhverckmeistern  nuive  Satzungen 
machen  (B  822),  es  }j7i  ir  innunge  nicJi.t  noch  geJieisse 
der  hurger  halden  (B  908),  werden  ebenfalls  verzählt; 
auch  ein  Fleischerknecht,  der  ivider  das  hantkwerg  der 
fleischer  gethan  Jiat  unde  sich  noch  yerer  gewonheit  nicht 
gehalden  hat  (B  1843\ 

An  der  Spitze  der  Innungen  standen  die  jährlich 
wechselnden  Innungsmeister  ^■^').  Wie  sie  dem  Rate  zu 
Gehorsam  verpflichtet  waren  (vergl.  B  1180.  1385.  1582), 
so  hatten  die  Innungsgenossen  ihnen  zu  gehorchen.  So 
wurden  um  1472  sämtliche  Schlosser  mit  Ausnahme  der 
Handwerksmeister  wegen  Ungehorsams  gegen  die  letztern 
verzählt;  es  hatte  dies  die  Auflösung  der  Innung  zur 
Folge  (B  1866).  Worin  der  Ungehorsam  bestand,  ist 
hier  und  sonst  sehr  oft  nicht  angegeben  (B  244.  288. 
322.  1154  u.  ö.);  wo  wir  es  erfahren,  da  handelt  es  sich 
um  nicht  erfüllte  Zahlungsversprechen  (B  1434.  1435. 
1439},  Widersetzlichkeit  gegen  auferlegte  Bufsen  (B  1396), 
um  Fortbetrieb  des  von  den  Meistern  gelegten  Hand- 
werkes (B  1356),  um  unerlaubte  Annahme  von  Lehr- 
lingen (B  1468)  und  um  mannigfache  Übertretungen  der 
Vorschriften  wegen  der  Beschaffenheit  und  des  Preises 
der  Waren.  So  wird  die  Herstellung  und  der  Verkauf 
von  nicht  vorschriftsmäfsiger  Leinwand  (B  421),  von 
„ungerechtem",  „sträflichem"  Tuch  (A  7.  14.  B  1167. 1168. 
1261.  1614)  bestraft;  N.  Holt  wird  verzählt,  weil  er  die 
tueise  ivolle  nicht  den  meistern  geireist  hat,  uff  das  man 
gm,  spynnlon  gesaczt  hette  (B  1416),  der  Böttcher  Balth. 
Schindler,  weil  er  wider  Willen  der  Meister  Holz  kauft 
(B  1741),  ein  ander  Mal  weil  er  einen  Reifen  um  2 
neue  Heller  (also  wohl  zu  teuer?)  angelegt  (B  1821), 
Rebental,  weil  er  zwei  Kuffen  um  20  Gr.  (B  1788), 
Merten  Jachen,  weil  er  ein  Hufeisen  um  12  neue  Heller 


230)  Vergl.  Stadtrecht  XLII  §  1.    XLIII  §2.    XLIV  §  1.   XLV 
§  1.    XLVI  §  1. 

231)  Yergl  die  Verzeichnisse  derselben  seit  1379  ÜB.  III,  432  ff. 


Das  Verzählen.  79 

gegeben  hat  (B  18-22).  Die  Schmiede  durften  keine 
Messer  anfertigen  (B  1156),  die  Messerschmiede  keine 
fremden  Messer  feilhalten-^-')  (B  1395  vergh  1425).  Be- 
sonders aber  sah  man  den  Bäckern  und  Fleischern  auf 
die  Finger.  Wir  finden  Verzählungen  wegen  Ungehor- 
sams beim  Backen  (B  1632),  insbesondere  wegen  Backens 
von  zu  kleinem  Brote  (B  1501.  1786),  wegen  Verkaufs 
von  Brot  aus  der  Stadt  gegen  das  Gebot  des  Rates 
(B  748),  wegen  Verkaufs  von  schlechtem  Fleische  (A  87), 
von  Kuhdärmen  statt  Schweinsdärmen  (B  830),  wegen 
Übertretung  der  vom  Rate  gesetzten -•^^)  Fleischpreise 
(B  1780. 1781)  und  sonstiger  Verkaufsvorschriften  (B  1784: 
Verzählung  eines,  der  einen  Kalbskopf  nicht  allein,  son- 
dern nur  mit  einem  Viertel  Fleische  zusammen  verkaufen 
will),  wegen  Unfugs  beim  Hausschlachten '^•^^)  (B  866). 
Auswärtige  Fleischer,  die  ihre  besonderen  Bänke  hatten -•''''), 
wurden  bestraft,  wenn  sie,  entgegen  der  Vorschrift,  nur 
am  Sonnabend  feilhalten  zu  dürfen-''"'^),  in  der  Woche 
Fleisch  einführten  und  verkauften  (B  1124),  ungerechtes, 
(nidit  recht  bereitetes,  unheipiemes)  Fleisch  feilhielten 
(B  213.  233.  1074)  oder  auch  finniges  Fleisch  nach  aus- 
wärts verkauften  (B  1779),  statt  es  in  den  eigens  für 
solches  bestimmten  Bänken  zum  Verkauf  zu  bringen-""). 
Auch  der  Verkauf  von  ungesundem  (torrecht)  Vieh  unter 
den  Bänken  war  stratT)ar  (1312).  — 

Wie  der  Betrieb  eines  Handwerks,  so  stand  auch 
das  wichtige  Brau-  und  S  c  h  a  n  k  r  e  c  h  t  nur  den  Bür- 
gern zu.  Nach  den  spätem  Bestimmungen '•^•^^)  hatte  der 
Bürger,  welcher  ein  eigenes  Haus  besals,  die  volle,  der, 
welcher  ein  Haus  gemietet  hatte,  eine  beschränkte  Brau- 
gerechtigkeit-•^^j.  Daher  wurde  N.  Koler  verzählt,  w^eil 
er  gebraut  hat  „und  hat  nicht  eignes  Hauses"  (B  1265), 
und  Andr.  Trenkner,  weil  er  ohne  Bürgerrecht  gebraut, 
geschänkt   und  Handlung   getrieben    hat  (B  1341).     Die 


232)  vergl.  Stadtrecht  Zusatz  6  J?  2. 
2''3}  Vergl.  Stadtreclit  Kap.  XLIII  §  ?,. 

234)  Vergl.  die  Vorschriften  darüber  ÜB.  I,  125  §  10.  126  §  22. 
III,  472  §  12. 

235)  macella  carnificum  extraneorimt  ÜB.  1,  74. 
2«ß)  Stadtrecht  XLIII  §  9. 

2Ü7)  Vergl.  ebenda  §  4. 

23^)  Nach  dem  Stadtrecht  Kap.  IV  i<  Vi  durfte  auch  füi'  Nicht- 
ansäfsige  gemälzt  vverdeu;  somit  waren  in  älterer  Zeit  wohl  auch 
diese  nicht  ganz  ausgeschlossen  von  der  P.rauherechtignng. 

-«')  ÜB.  I,  154.160. 


80  Hubert  Ermisch: 

Zahl  der  Biere,  die  jeder  Bürger  brauen  durfte,  ihre 
Qualität  und  Quantität  wurde  von  Zeit  zu  Zeit  fest- 
gesetzt-^").  Um  die  Einhaltung  dieser  Bestimmungen 
kontrollieren  zu  können,  war  es  Vorschrift,  dals  jedes 
gebraute  Bier  dem  Rate  angemeldet  und  hier  aufge- 
schrieben wurde;  der  Brauberechtigte,  der  ohne  Vor- 
wissen des  Rates  brauen,  wie  der  Brauer,  der  die  ge- 
brauten Biere  nicht  aufschreiben  liels,  wurden  verzählt 
(B  879.  1230.  1445).  Später  gab  der  Rat  dem  sich  melden- 
den Brauberechtigten  ein  Brauzeichen,  ohne  welches 
niemand  brauen  durfte  und  das  nach  dem  Brauen  zurück- 
gegeben werden  mulste  (B  1625  — 1627).  Wer  sein 
Zeichen  einem  andern  gab,  statt  selbst  zu  brauen,  war 
ebenso  strafbar,  als  der,  der  es  annahm  und  darauf 
braute  (B  1601.  1602.  1661).  Nur  innerhalb  bestimmter 
Monate  durfte  gebraut  werden-^';;  wer  diese  Frist  nicht 
einhielt,  wurde  verzählt  (B  61.  1119).  Geringes  Bier, 
sog.  Kesselbier,  durfte  man  nur  auf  besondere  Erlaubnis 
des  Rates  brauen-^-)  (B  1419).  Zur  Beobachtung  aller 
dieser  Vorschriften  mulste  sich  der  Brauer  eidlich  ver- 
pflichten; die  Verletzung  dieser  Pflicht  wird  1414  mit 
einer  Strafe  von  einer  Mark  und  event.  der  Verzählung 
bis  zur  Zahlung  dieser  Strafe  bedroht ^*-^)  (B  1116.  1117). 
Der  gleichen  Strafe  verfiel  der  Brauer,  der  „unterstiefs" 
d.  h.  heizte  und  Wasser  aufgofs,  bevor  zur  Frühmette 
geläutet  war'-*^);  daher  die  Verzählung  von  Brauern, 
welche  hie  tage  (B  1037),  zu  heczyfe  (!  B  1258),  rur  czwen 
(B  1062),  zu  XI  (B  1507)  untergestofsen  und  Wasser 
aufgegossen  hatten.  Endlich  wurden  Brauer  bestraft, 
wenn  sie  gegen  die  Vorschrift-^')  zwei  Braupfannen 
führten  (B  363). 

Ebenso  war  den  Mälzern,  deren  Gewerbe  mit  dem 
der  Brauer  eng  zusammenhing,  verboten,  zweier  Malz- 
häuser (Darren)  zu  warten  ^'^'^).  Wie  die  Übertretung 
dieser  Vorschrift  (B  538.  632.  634),  so  war  auch  das 
verbotene  Mälzen  von  Hafer  -'*')  Anlafs  zur  Verzählung 
(B  975). 


240)  Vermerke  darüber  UH.  1,   119.  124  §  1.  129.  154  156.  160. 

2*1)  Vero-l.  ÜB.  I,   124  i;  1.  7. 

-■*-)  Vergl.  ebemla  160. 

24!!)  Yergi.  ebenda  129. 

2«)  Ebenda. 

2«)  ÜB.  I,  124  §  2.  129. 

2*«)  ÜB.  I,  124  §  3. 

2*')  Ebenda. 


Das  Verzählen.  81 

Das  Ausschroten  des  gebrauten  Bieres  aus  den 
Kellern  zum  Beliule  des  Verscliankes,  das  sogenannte 
Schrotamt,  war  von  Alters  her  eine  Einnahmequelle 
der  Stadt'-"**);  es  wurde  daher  von  besondern  Bier- 
schrötern besorgt,  die,  wenigstens  in  späterer  Zeit,  ihr 
Amt  vom  Rate  gegen  eine  gewisse  Abgabe  pachteten  -''■'). 
Wer  ,,in  ihr  Gedinge  griff"  und  selbst  Bier  schrotete, 
war  strafbar  (B  611). 

War  die  städtische  Tranksteuer,  wie  man  etwa  die 
Schrotabgabe  bezeichnen  kann,  berichtigt  und  das  Bier 
nicht  etwa  mit  Gericht  verboten  (B  403),  so  verschänkte 
es  der  Brauberechtigte,  wobei  er  selbstverständlich  rich- 
tiges Mals  haben  ;Verzählungen  Avegen  zu  kleinen  Maises 
B  404.  426.  429.  927.  928.  9,36)  und  den  vom  Rate  fest- 
gesetzten Preis  innehalten  muliste;  wenn  die  Alexiussin 
ein  Mals  Bier  um  zwei  Pfennige  gab  und  deshalb  ver- 
zählt wurde  (B  1823),  so  lag  wohl  ein  Vergehen  letzterer 
Art  vor. 

Verboten  war  dagegen  die  Einfuhr  und  der  Aus- 
schank fremden  Bieres -■*");  wer  solches  ohne  Erlaubnis 
des  Rates  in  die  Stadt  einführte  (selbst  wenn  es  für  ein 
Kloster  bestimmt  war  B  1660),  einlegte  und  verschänkte, 
hatte  ein  Schock  für  jedes  Fafs  zu  hülsen  oder  wurde 
bis  zur  Zahlung  dieser  Bulse  verzählt  (vergl.  A  64.  100. 
106.  B  70.  865  1001.  1041).  Auch  den  traf  Strafe,  der 
von  der  Einfuhr  fremden  Bieres  erfuhr  und  es  unterliels, 
dem  Rate  Anzeige  zu  erstatten  (B  1129).  Ebenso  war 
der  Ausschank  von  Wein  an  eine  besondere  Genehmi- 
gung, für  die  der  Rat  wohl  den  sog.  seczeivein^''^)  zu 
erhalten  hatte,  und  an  einen  bestimmten  vom  Rate  ge- 
setzten Preis  gebunden  (B  1131). 

Der  Deutsche  hat  es  stets  geliebt,  bei  Bier  und 
Wein  die  Zeit  zu  A'ergessen;  so  war  es  denn  nicht  un- 
begründet, wenn  die  Obrigkeit  sich  verpflichtet  fühlte, 
ihn  daran  zu  erinnern.  In  Freiberg  wurde  im  Jahre 
1442  die  Polizeistunde  eingeführt:  niemand  sollte  länger 
als  bis  7  Uhr  im  Sommer  und  bis  9  Uhr  im  Winter  in 
fremden  Häusern  bei  Bier  und  Wein  sitzen  dürfen;  ein 
Glockenzeichen    forderte    zum    Heimweg    auf.     Nur    im 


218J  Vergl.  die  allerdings  viclfacli  nicht  mehr  ausreichende  Schrift 
von  J.  F.  Klotz  seh,  Das  Schrotamt  (Dresden  1766). 

249)  Veröl.  ÜB.  III,  460  ff. 

250)  ÜB.  I,  127  5^  6. 

"-">')  ÜB.  T.  12«.  ?.    III,  473  §  28. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.    XIII.  1.  'i.  6 


82  Hubert  Ermisch: 

städtischen  Weiiihaiise,  wo  füi^  Aufsicht  gesorgt  war,  durfte 
man  länger  verweilen'-'"-).  Dals  diese  weise  Malsregel 
keineswegs  allen  gefiel,  geht  aus  den  starken  Ausdrücken 
hervor,  mit  denen  N.  Haupt  diejenigen  schmähte,  die  „zu 
der  Glocke  gewillt  hatten"  (B  1347).  Der  Rat  liefe  ab 
und  zu  durch  den  Stadtvogt  und  andere  städtische  Diener 
nächtliche  Revisionen  vornehmen ;  es  kam  dann  wohl 
vor,  dafe  die  Wirte  ihre  Thüren  zuschlössen  und  die 
Gäste  zum  Hinterpförtchen  hinaus  liefeen  (B  1345),  wofür 
sie  dann  freilich  ebenso  verzählt  wurden,  wie  die,  welche 
gegen  den  Willen  des  Wirtes  im  Hause  blieben  (B  1709 
vergl.  1720). 

Damit  sind  wir  auf  das  Gebiet  der  Sittenpolizei 
gekommen.  Des  städtischen  Frauenhauses  gedachten  wir 
bereits  oben  -■''•^).  Ehemänner,  welche  dasselbe  besuchten, 
sollten  1  Mark  leisten  oder  im  Nichtvermögensfalle  am 
Pranger  stehen  oder  auf  die  Schuppen  gesetzt  werden  -'^*); 
auch  mehrere  Verzählungen  aus  diesem  Grunde  kommen 
vor  (B  781.  1016.  1030,  auch  wohl  229).  Aufeerhalb  des 
Frauenhauses  ihrem  Gewerbe  nachzugehen ,  war  den 
freien  Frauen  untersagt ;  daher  wurden  verschiedene  Weibs- 
personen wegen  unzüchtigen  Lebens  verwiesen  oder  ver- 
zählt (B  226.  600.  1751,  vergl.  auch  984.  1655)  und  ebepso 
ging  es  ihren  Zuhältern  und  denen  die  „büferie"'  (hugerie 
B  776)  hegten  (B  367.  389.  509.  511.  600.  vergl.  871.  1670. 
1728).  Liefe  sich  eine  freie  Frau  im  Bierhause  blicken,  so 
sollte  sie  nach  der  Polizeiverordnung  von  1487  in  die 
Schuldkammer  gesetzt  werden  -■'■^) ;  dafe  sie  es  auch  früher 
♦  thaten,  beweist  die  Verzählung  des  Trebel,  der  eine  freie 
Frau  im  Weinhause  geschlagen  hatte  (B  1237).  —  Auch 
zwei  Verzählungen  wegen  Bigamie  (ß  426.510)  mögen 
hier  erwähnt  werden  -'''''). 

Gegen  die  alte  deutsche  Leidenschaft  des  Spiels 
wandte  sich  bereits  das  Stadtrecht,  indem  es  die  Höhe 
des  Einsatzes  bestimmte  und  Maferegeln  gegen  die  Aus- 
beutung von  Haussöhnen  traf '-''^);  spätere  Polizeiordnungen 

252)  ÜB.  I,  165.  III,  474  §  30.  Über  Vergehen  im  städtischen 
Weinhause  s.  o.  S.  58  f. 

253)  S.  59.     Vergl.  auch  S.  (Ü. 

25^)  ÜB.  I,  119.  127  i<  10.  Später  wurde  die  .Strafsumme  erhölit 
ÜB.  III,  474  §  35. 

255)  ÜB.  III,  475  §  4ii. 

256)  Ein  weiterer  fall  Stadtb.  II  No.  448.  Notzucht,  Entfüh- 
rung s.  0.  S.  59. 

257)  Stadtrecht  Kap.  V  i<  9—12.    XLIX  i;  47. 


Das  Verzählen.  83 

verschärften  diese  Vorscliriften -^^  k  Dem  entspricht  es, 
wenn  das  Veizählbuch  mehrere  Fälle  aufführt ,  in  denen 
wegen  unerlaubten  Spiels  (B  11^3.  1409),  wegen  Hegung 
von  Spiel  und  Spielern  (B  224.  276.  312)  und  wegen 
Nichtzahlung  der  für  Spielvergehen  verhängten  Bulse 
oder  Nichtbefolgung  des  Vorgebots  vor  den  Rat  zur  Ver- 
antwortung wegen  solcher  Vergehen  (A  105.  B  312.  342) 
gestraft  wurde. 

Die  zahlreichen  Verzählungen  wegen  Unfugs  auf  den 
Stralsen,  ungewöhnlichen  Geschreis  (B  1432) ,  Erregung 
von  Aufläufen  (B  1101)  u.  dergl.  m.  gehören  auch  noch  ins 
Gebiet  der  Sittenpolizei.  Zwei  Personen  wurden  verzählt, 
weil  sie  gegen  der  Herren  Gebot  auf  der  Pauke  geschlagen 
haben  (B  1399).  Interessant  ist,  dals  1429  eine  Frau, 
genannt  die  „Brud",  verzählt  wird,  weil  sie  auf  dem  Felde 
ohne  Grund  gerufen  habe:  „Flieht,  flieht,  sie  kommen, 
sie  sind  im  Tiefen  Grunde"  —  was  in  jener  Zeit  der 
Hussitengefahr  einen  grolsen  Schreck  verursacht  haben 
mag  (B  740).  Aulserordentlich  zahlreich  sind  die  Ver- 
zählungen wegen  Nachtgeschreis  und  mannigfachen 
nächtlichen  Unfugs  -•^•^)  (B  132. 486. 534. 587. 589  u.  sehr  oft). 

Dies  führt  uns  auf  das  Gebiet  der  Sicherheits- 
polizei hinüber,  die  dem  Rate  bei  dem  gewaltthätigen 
Geiste  jener  Zeit  viel  zu  schaifen  machte.  Das  Stadt- 
recht gestattete  das  Waffen  tragen  innerhalb  der 
Stadt  nur  gewissen  obrigkeitlichen  Personen"-*'");  es  setzt 
dies  voraus,  dals  es  den  andern  Bürgern,  die  aulserhalb 
der  Mauern  Waifen  führen  durften'-*'^),  nicht  erlaubt 
war.  Um  1413  wurde  das  Tragen  ,, ungerechter  Wehre'' 
d.  h.  von  Spielsen,  Schwertern,  Armbrüsten,  langen  Mes- 
sern, „dicken  Schebelingen",  Beilen,  Barten  und  allen 
eine  bestimmte  Länge  überschreitenden  Waffen,  auch  von 
zwei  Messern  ausdrücklich  verboten-"-).  Vogt  und  Rat 
machten  zuweilen  Umgänge  nach  verbotenenWaffen,  nahmen 
fort,  was  sie  davon  auffanden,  oder  beschieden  ihre  Be- 
sitzer zur  Ablieferung  der  AVaffen  auf  das  Rathaus.  Mat. 
Hotenner  wurde  verzählt,  weil  er  „unbescheiden  Wort 
redete  in  Gegenwart  des  Bürgermeister  und  der  Bürger 

258)  UB.  I,  126  §  3.  207.    HI,  47!   i;  1. 

250)  Vergl.  UB.  1,  12«  t;  2.    III,  474  i;  31. 

200)  vergl.  Stadtrecht  Kap.   XXXVU  i<    1.  9.  XXXYIH   i;    I. 
XXXIX  t?  l.    XL  §  1.    Vergl.  UB.  I,  (55. 

2»')  Stadtrecht  Kap.  XXXVII  i?  10.    XXXIX  5<  6. 

2«2)  UB.  I,  127  §  4.    Vcrpl.  III,  471   J;  2;  an  letzterer  Stolle  ist 
das  Verzeichnis  der  i,mortlichon  (icAvclire-  noch  erheblich  länger. 

6* 


84  Hul)ert  Erinisch: 

und  des  Vogts,  da  sie  umgingen  nach  Messern  und 
Schwertern"  (B  19  vergl.  1389j.  Wer  „ungerechte  Wehre'" 
(lange  Messer,  Armbrüste,  Schwerter,  Beile  B  1047. 
1052.  1058.  1060.  1078.  1107.  1108.  1110.  1200.  1259.  1284. 
1322,  pfafoysen  B  1283,  zcerper  B  1329.  1330,  zwei 
Messer  B  84)  auf  der  Strafse  führte  oder  auf  Befehl 
nicht  ablieferte,  wurde  verzählt  (B  1020.  1049.  1089. 
1135.  1140.  1271). 

Aus  sicherheitspolizeilichen  Gründen  erklärt  sich 
auch  das  schon  oben  S.  19  erwähnte  Verbot  des  Hausens 
und  Hofens  freradei"  Leute,  dessen  Übertretung  einige 
Male  erwähnt  wird  (B  14,  yergl.  1733.  1789);  kulturge- 
schichtlich interessant  ist  die  Verzählung  einer  Frau,  die 
ihr  Haus  an  „Sterczer"  d.  h.  Gaukler,  fahrende  Leute-*^'^) 
vermietet  hatte  (B  1721).  Von  den  Folgen  der  Ax\f- 
nahme  Verzählter  war  bereits  die  Rede.  Die  Aufnahme 
Gebannter  muMe  schon  deswegen  als  eine  Schädigung 
der  Stadt  gelten ,  weil  sie  die  Einstellung  des  Gottes- 
dienstes zur  Folge  hatte  (B  1706.  1707);  darum  w^urde 
auch  N.  Heinze  verzählt,  weil  er  gelobt  hatte,  sich  aus 
dem  Banne  zu  w^ii^ken,  und  dies  dann  nicht  that  (B  139). 

Endlich  mag  hier  noch  die  Verzählung  einer  grölseren 
Anzahl  von  Personen  erw^ähnt  werden,  die  „neue  Brüder- 
schaft gemacht  hatten,  dannen  der  Stadt  grolser  Schaden 
entstehen  mochte"  (B  814). 

Was  die  Baupolizei  anlangt,  so  bestimmt  das 
Stadtrecht ,  wie  weit  der  Hausbesitzer  auf  die  Gasse 
hinaus  bauen  darf  und  welche  Verpflichtungen  er  seinem 
Nachbar  gegenüber  hat;  ferner,  dais  „unrechte  Bauten" 
d.  h.  dem  Rechte  widerstreitende  Anlagen,  die  den  Nach- 
bar schädigen ,  auf  Verlangen  desselben  jederzeit  zu  be- 
seitigen seien ;  das  dabei  zu  beobachtende  Verfahren  stellt 
es  ausführlich  dar-*^^).  Nur  wenige  Einträge  unseres 
Buches  erinnern  hieran.  Paul  Stregis  wird  verzählt,  weil 
er  ein  Haus  in  der  Fischergasse  auf  Befehl  des  Rates 
nicht  abgebrochen,  Heinr.  Snyder,  weil  er  unrechten  Bau 
nicht  abgethan  hat  (B  265.  267),  endlich  Hoppe,  weil  er 
uf  dy  gemeyne  cm  tuissen  (des  Rats)  yepauet  hat  (B 
1430).  Auch  die  Verzählung  des  Petir  Rouber,  der  eine 
prifefe  yehuet  hat  über  einen  Schacht,  der  vff  den  stallen 
gehet  (B  338),  erwähnen  wir  hier,  obwohl  die  Mitwirkung 


203)  Vergl.  ÜB.  III,  474  §  34. 

-«')  Stadtrecht  Kap.  I  §'32—84.    Y  i;  21. 


Das  Verzählen.  85 

der  (Berg-)  Amtleute  bei  der  Verzähliuig  die  Sache  eher 
als  ein  Bergwerksvergehen  erscheinen  lälst. 

Andere  baupolizeiliche  Bestimmungen  hängen  mit 
der  Feuer  Ordnung  zusammen,  deren  hohe  Wichtigkeit 
die  grolsen  Stadtbrände  des  14.  Jahrhunderts  in  nur  zu 
deutlicher  Weise  gelehrt  hatten.  Die  wichtigste  Mafs- 
regel  wäre  die  Ersetzung  der  Holz  -  und  Fachwerkbauten 
durch  steinerne  Häuser  gewesen ;  allein  ist  auch  ein  der- 
artiges Bestreben  z.  B,  darin  bemerkbar,  dals  der  Rat 
gelegentlich  jemandem  gegen  das  Versprechen,  sein  Haus 
in  bestimmter  Frist  steinern  bauen  zu  wollen,  die  verwirkte 
Strafe  erliefs  (Stadtb.  II  No.  135),  so  waren  die  Vermö- 
gensverhältnisse der  Einwohner  doch  nicht  der  Art,  dais  die 
Physiognomie  der  Stadt  sich  rasch  hätte  verändern  können; 
Steinhäuser  gehörten  während  des  ganzen  Mittelalters 
zu  den  Seltenheiten.  So  galt  es  denn  durch  polizeiliche 
Maisregeln  dem  Ausbruche  eines  Feuers  möglichst  vor- 
zubeugen. Vor  allem  sollte  man  die  Feuerstätten  gut 
verwahren.  Niemand  durfte  brauen,  der  nicht  eine 
Feuermauer  und  einen  Korb  um  die  Esse  hatte "-"'').  Die 
feuerpolizeiliche  Aufsicht  führten  (spätestens  seit  14o9) 
die  Gassenschöppen ;  Aver  auf  ihren  oder  des  Rats  Befehl 
„ungewerliche  Feuerstätten"  nicht  besserte  (B  677.  1038. 
1097),  seine  Feuermauer  nicht  in  baulichem  Wesen  hielt 
(B  1419),  überhaupt  unvorsichtig  mit  Feuer  umging 
(B  173.508  545.  1155),  wurde  bestraft.  So  auch  Assmann 
Junger,  weil  er  nicht,  wie  ihm  von  den  Gassenschöppen 
geboten,  Holz  fortgeschafft  (B  1039),  Heinr.  Grosse,  weil 
er  Kohlen  in  seine  Kammer  getragen  hatte  (B  1240); 
in  beiden  Fällen  war  dadurch  Feuer  entstanden.  Wie 
das  Flachsdörren  -*'*^),  so  war  auch  das  Dörren  von  Holz 
über  dem  Feuer  verboten  (B  1040).  Nicht  selten  werden 
solche  bestraft,  die  auf  dem  Markte  oder  sonst  an  un- 
geeigneten Stellen  in  der  Stadt  Feuer  gemacht  (B  iiH:i. 
9()1.  1241.  1289  1293. 1452)  oder  in  unvorsichtiger  Weise 
mit  Lichten  (B  546,  vergl.  628)  oder  Strohwischen  (B  606) 
geleuchtet  hatten  -''") ;  ja  einer  wird  verzählt,  weil  er  auf 
seinem  Haupte  ein  brennendes  Fais  vom  Markte  bis  in 
die  \Veingasse  getragen  haf-"'^)  (B  1276).    Für  fahrlässige 


2ß5)  UB.  I,  ]ßo. 

20«)  UB.  I,  125  i<  5.     Vergl.  111,  473  i;  25. 
-'")  Verbot  des  Leuchtens  mit  Pfannen  UB.  1,  125  §  5.    Vergl  III, 
473  ij  25. 

''^^)  Ein  ähnliches  Vergehen  s.  oben  8. 


86  Hubert  Ermisch: 

Brandstiftimg-,  die  in  manchen  der  erwähnten  Fällen  vor- 
lag, ist  wohl  aiicli  das  Vergehen  des  Bäckers  Lorenz 
Lange  zu  halten,  der  „Feuer  unter  den  Brodbänken  ge- 
macht hat,  dafs  das  fürder  entbrannt  ist"  (B  962);  da- 
gegen scheint  eher  vorsätzliche  Brandstiftung  vorzuliegen, 
wenn  der  Glöckner  von  St.  Nicolaus  und  sein  Knecht 
verzählt  werden,  weil  sie  ,,den  Thurm  zu  St.  Mclaus 
möcliten  verbrannt  haben,  hätten  das  Gott  und  fromme 
Leute  nicht  bewahrt  und  geläutet"  (B  136),  und  Hans 
Jenichen,  weil  er  das  Frauenhaus  angezündet  hat  (B  678). 

War  irgendwo  Feuer  ausgebrochen,  so  waren  der 
Hausbesitzer  und,  sein  Gesinde  bei  einer  Mark  Strafe 
verpflichtet,  dasselbe  zu  beschreien,  bevor  es  über  das 
Dach  kam  "-''**) ;  doch  wurde  das  oft  unterlassen,  wohl  aus 
Furcht  vor  Bestrafung  der  Fahrlässigkeit  oder  weil 
brennende  Häuser  sofort  niedergerissen  wurden  (B  5. 
17L  458.  1077.  1093.  1097.  1188.  1189.  1224—1236.  1239. 
1372.  1402).  Aber  auch  falscher  Feuerlärm  wurde  be- 
straft (B  673), 

Zur  Hilfeleistung  bei  Feuersnot  war  jedermann  ver- 
pflichtet ^'").  Daher  wurden  um  1422/25  mehrere  verzählt, 
die  bei  einer  sonst  nicht  bekannten  „grolsen  Feuersnot" 
nicht  hatten  arbeiten  wollen  (B  505),  und  ebenso  Michel 
Reuber  und  sein  Weib,  die  ihrem  eignen  Hauswirte  nicht 
hatten  helfen  wollen  (B  635). 

Die  Stralsenpolizei  machte  weniger  zu  schaifen. 
Wie  es  um  die  Reinlichkeit  der  Stralsen  stand,  ergiebt 
sich  daraus,  dafs  Markgraf  Heinrich  der  Erlauchte  im 
Jahre  1259  dem  Hospital  den  Mist,  der  auf  dem  Markte 
gesammelt  wurde  (ßwumi  qitud  coUigitur  in  foro  Vriherc), 
zum  Geschenk  machte  -^^).  Das  Stadtrecht  (Kap.  I  §  34) 
bestimmte,  dafs  jedem  Hausbesitzer  der  Mist  vor  seinem 
Hause  bis  mitten  in  die  Gasse  gehöre,  verlangte  aber 
auch,  dafs  er  den  Weg  vor  seiner  Thüre  bessern  solle, 
ah  he  iz  verniar.  Ebensowohl  feuer-  als  stralisenpolizei- 
licher  Art  war  die  Bestimmung,  dafs  die  Schmiede  den 
Sinder  nicht  auf  die  Strafse  werfen  sollten  -'^),  die  1487 
dahin  erweitert  wurde,  dafsjeder  seinen  Abraum  aus  der 


-ö»)  ÜB.  I,   127  S  8.    III,  473  i;  2H. 

-™)  UE.  I,  124  i;  4.  III,  478  tj  2!».  Insljesondere  der  Päfhter 
des  Schrotamts,  der  zugleich  die  Aufsicht  über  die  städtische  Was- 
serleitung hatte,  ebenda  464. 

2^1)  ÜB.  I,  17. 

272)  ÜB.  I,  125  §  10. 


Das  Yerzälileii,  87 

Stadt  ZU  entfernen  habe  ^'^^).  Das  Verzälübuch  enthält 
nur  zwei  Fälle  von  Verunreinigung-  der  Stralsen  durch 
Unflath  (B  1665.  1850).  Wegen  Zerhauens  der  Steige 
d.  h.  wohl  der  Treppen,  die  aus  den  niedern  in  die  höhern 
Stralsen  führten,  wurde  AValther  von  Geier  (B  1798) 
verzählt. 

Häufiger  kommen  Yerzählungen  vor  wegen  ver- 
schiedener Frevel  an  der  städtischen  Röhrwasserleitung 
(A  107.  B  382.  475.  516. 1353.  1829)  und  an  den  Brunnen, 
unter  denen  namentlich  der  „Steinhorn"  hervorgehoben 
wird  (B  514.  517.  1055);  auf  die  Reinhaltung  der  letztern 
wurde  streng  gehalten,  namentlich  war  es  verboten  in 
ihnen  zu  watschen '-^'')  (B  1301.  1373.  1427)  oder  zu  baden 
(B  1756). 

Ebenso  war  die  Verunreinigung  des  Stadtgrabens 
(B  257)  und  das  Fischen  in  demselben  ohne  Genehmigung 
des  Rats  (B  1540)  sowie  Beschädigungen  anderer  Teile 
der  Stadtbefestigung,  wie  des  Zwingers,  der  Thore  und 
Türme  (B  1678.  1680.  1708.  1730.  1824)  strafbar.  Un- 
verständlich ist  mir  die  Verzählung  von  Alexius  Sohn, 
der  „die  thole  uff  dem  i-othuse  derwurffen  hätte"   (B  1615). 

So  wirft  unser  Verzälübuch  in  die  mannigfachsten  Ver- 
hältnisse des  bürgerlichen  Lebens  Streiflichter;  bei  der 
Dürftigkeit  der  uns  sonst  überlieferten  Quellen  über  die 
Kulturzustände  unserer  Heimat  im  Mittelalter  schien 
eine  eingehendere  Bearbeitung  desselben  eine  Pflicht  zu 
sein,  der  sich  sein  Herausgeber  nicht  entziehen  durfte. 

C.  Das  Ende  des  Verziihleiis. 

Unser  Verzählbuch  wurde  etwa  bis  1468  (B  1865)  regel- 
mäfsig  fortgeführt;  die  letzten  9  Einträge  gehören  zwar 
wahrscheinlich  in  spätere  Jahre  (so  B  1866  ins  Jahr  1472?), 
aber  wir  gehen  wolil  nicht  fehl,  wenn  wir  annehmen,  dals, 
obwohl  das  alte  Verzählbuch  noch  Raum  genug  bot,  doch 
um  1468  ein  neues  angelegt  wurde.  Dieses  hat  sich 
nicht  erhalten ;  es  reichte  vielleicht  bis  1505.  Dann  er- 
innerte man  sich  wieder  des  alten  Buches  und  benutzte 
es  in  den  Jahren  1505 — 1517  zur  Eintragung  der 
Verzählungen ;  diese  126  Nummern  hat  unsere  Ausgabe 
nicht  mit  aufgenommen.   Nach  1517  ist  mir  kein  weiterer 


273)  UB.  III,  472  §  U). 

2'*;  UB.  I,  135  §  17.    III,  473  g  20. 


88  Hnljert  Ermisch: 

Fall  einer  Verzählmig' bekannt;  aber  das  liegt  nur  daran, 
dals  spätere  Aufzeichnungen  nicht  erhalten  sind,  denn 
das  Institut  des  Verzählens  selbst  dauerte ,  wie  wir  aus 
der  gleich  zu  erwähnenden  Verordnung  des  Herzog  Hein- 
rich von  1525  sehen,  auch  später  noch  fort. 

Obwohl  Klagen  bei  Hofe  nur  im  Falle  der  Rechts- 
verweigerung gestattet  waren  (oben  S.  68),  lälst  es  sich 
doch  begreifen,  dafs  hie  und  da  bei  den  Landesherren 
Beschwerde  gegen  den  Freiberger  Rat  wegen  erfolgter 
Verzählung  geführt  wurde.  Eine  solche  hatte  z.  B. 
Andr.  Erbesesser  um  1414  erhoben  ■-^^) ;  wahrscheinlich 
ohne  Aveiteren  Erfolg,  als  dals  die  Bürger  die  Thatsache 
der  Beschwerdeführung,  (larcoi  er  yn  uminilkli  iietan  hat., 
(la.i  sie  voll  iiii  unhiUichcn  lulen,  in  ihr  Stadtbuch  ein- 
trugen, um  ihrer  gelegentlich  eingedenk  zu  sein.  Als  im 
Jahre  1475  Hans  Gerhart  und  Paul  Weibe,  die,  so  weit 
sich  aus  dem  ziemlich  unklaren  Schriftstücke  entnehmen 
lälst,  wegen  Vorenthaltung  gewisser  Erbstücke  verzählt 
worden  waren ,  sich  an  die  Landesherren  wandten ,  er- 
suchten diese  den  Rat,  bis  zur  Hinkunft  landesherrlicher 
Räte  die  Verzählung  aufzuheben  und  ihre  Klage  ruhen 
zu  lassen  -'") ;  es  geschah  dies  jedoch  in  so  schonender 
Form,  dals  man  das  Bestreben  die  althergebrachten  Ge- 
wohnheiten der  Stadt  nicht  zu  verletzen  deutlich  erkennt. 
Auch  in  dem  oben  S.  36  erwähnten  Falle  des  Hermann  von 
Weilsenbach  wurde  im  Prinzip  dem  Rate  Recht  gegeben. 

Weniger  schonend  verfuhr  Herzog  Heinrich.  Wie 
er  1517  nachdrücklich  für  die  Berechtigung  einer  Be- 
rufung an  den  Herzog  eintrat  -"') ,  so  scheint  er  auch  in 
den  uns  angehenden  Teil  der  städtischen  Strafrechts- 
pflege Eingriffe  gemacht  zu  haben.  Auf  eine  Supplika- 
tionsschrift  des  Rates,  die  neben  andern  auch  diesen  Punkt 
betraf,  entschied  er  am  30.  Juli  1525  folgendermalsen : 

Dritten  die  verweisteii  personell  belangende,  ist  pillich,  das  iin.ser 
und  unser  vorordentten  retlie  befhelich  darinnen  vorhaltten ,  so  viel 
immer  möglich  uutzucht  gestraift  und  abgewandt,  auch  tugent  mit 
gepurlicher  forderunge  vergleichet.  So  tragen  wir  doch  gut  wissen, 
das    ir  niemandes  ferner  vortzelen    nach    voriveysen  möget,    dan 

^'^^)  Stadtbnch  II  No.  .58.  Sie  könnte  sich  auf  die  im  Verzäbl- 
liuch  B  unter  Ko   175  cder   189  vermerkten  Verzäblungen  beziehen. 

-■"■')  Schreiben  des  Kurf.  Ernst  und  Herz.  Albrecht  an  den  Rat 
zu  Freiberg  d  d.  1475  Nov.  4:  Or.  im  Ratsarchiv  zu  Freiberg,  gedr. 
Klotz  seh,  Das  Verz  eilen  S.  124  f. 

2'^)  Vergl.  sein  Schreiben  von  1517  Juni  30  bei  Schott,  Samml. 
zu  den  deutschen  Land-  und  Stadtrcchtrn  ITT.  96.  Er  misch.  Das 
Freiberger  Stadtrecht  S.  LXXIl. 


Das  A'erzähloii.  89 

euch  gerichtc  und  gebiettc  vorliehen.  Waii  demselbig'Cii  also  uocli- 
gegangeu.  durffet  ir  derwegen  bey  uns  keiner  beschwerde  ader  Un- 
gnade befharen  u.  s.  w.  ""'^) 

Wenn  Klotzscli  und  nach  ihm  andere  '^ ''•')  aus  dieser  Ver- 
ordnung ein  völliges  Verbot  der  Verzählung  haben  heraus- 
lesen wollen,  so  beruht  das  auf  einem  offenbaren  Milsver- 
ständnis  der  oben  hervorgehobenen  Stelle.  Dem  Rate 
wurde  vielmehr  nur  untersagt,  über  die  Grenzen  seines 
Gerichtsgebietes  hinaus  zu  verweisen.  In  früheren  Zeiten 
kam  dies  oft  vor  (oben  S.  33  f.);  jedoch  erfolgte  in  fast 
allen  derartigen  Fällen  die  Verweisung  unter  Mitwirkung 
des  Obervogts  oder  anderer  landesherrlicher  Beamten. 
Vielleicht  hatte  sich  der  Rat  angemalst  ohne  eine  solche 
Mitwirkung  Vei'weisungen  auszusprechen,  die  über  seinen 
Gerichtsbezirk  hinaus  wirken  sollten;  gegen  derartige 
Mißbräuche  wandte  sich  Heinrichs  Verordnung,  das  eigent- 
liche Verzählen  aber  liels  sie  unberührt. 

Es  lälst  sich  jedoch  nicht  leugnen,  dals  im  IG.  Jahr- 
hundert das  Verfahren  des  älteren  Rechts  gegen  Ab- 
wesende, das  nicht  blols  in  Freiberg,  sondern  auch  ander- 
wärts Entartungen  zeigte,  auf  mancherlei  Bedenken  stiels. 
So  heilst  es  z.  B.  in  einer  Abhandlung  „Procels  von  der 
Acht",  die  der  1535  bei  Melchior  Lotter  in  Leipzig  ge- 
druckten Ausgabe  des  Sachsenspiegels -^*^)  angehängt  ist: 
Denn  ans  dem  Mifsbraucb,  das  man  mit  der  vortestuiig  also 
leicht  ist  umbget>angen  nnd  die  lewt  uff  unschlilsliche  vvan  und  sus- 
pitiun  ohne  alle  vorgehende  Ladung  etc.  .  .  .  geechtiget,  ist  herge- 
flossen,  dals  die  vorfestnngen  seyn  yn  grol'se  vorechtung  gef'nrt. 

Das  Eindringen  des  römischen  Rechts,  die  neuen 
strafrechtlichen  und  strafprozessualischen  Grundsätze, 
welche  die  Halsgerichtsordnimg  Karls  V.  einführte,  und 
der  Umstand,  dals  auch  in  der  städtischen  Verwaltung 
mehr  und  mehr  der  Einflufs  gelehrter  Juristen  sich  geltend 
machte,  wirkten  zusammen,  um  eine  Einiichtung  zu  ver- 
drängen, die  in  Freiberg  Jahrhunderte  lang  als  ein  be- 
sonderes Vorrecht  der  Stadt  angesehen  und  hochgehalten 
wurde.  AVie  so  manche  alte  Rechtsgewohnlieit.  verschwand 
das  Verzählen  aus  dem  Rechtsleben  des  Volkes,  ohne 
dals  es  je  durch  einen  bestimmten  Akt  abgeschafft  worden, 
ja  ohne  dals  man  den  Zeitpunkt  seines  Aufhörens  genau 


-'®)  Ol',  auf  Pap.  im  Ratsarcbiv  zu  Freiberg  (K.  2). 

2'9)  Klotzsch,  Das  Verzellen  S.  125  f.  lUirsian.  Mittb.  des 
Freiberger  Altertunisvereins  I.  29.  Ben  sei  er,  Gesch.  I''rcilien;s 
S.  384  ;«8. 

-«Oj  Aaa  11.    Angeführt  bei  Uieuko  a.  a.  U.  S.  8. 


90  Hubert  Ermisch:  Das  Verzählen. 

angeben  könnte.  Als  Kurfürst  August  durch  seine  Kon- 
stitutionen (1572;  dem  Freiberger  Stadtrecht  die  Axt  an 
die  Wurzel  legte,  wurde  wohl  längst  nicht  mehr  verzählt; 
sonst  wäre  doch  vielleicht  in  den  langjährigen  Verhand- 
lungen, durch  welche  der  Rat  sein  altes  Eecht  zu  schützen 
suchte-*^),  auch  diese  Eigentümlichkeit  der  Freiberger 
Gerichtspraxis  zur  Sprache  gebracht  worden.  Nur  eine 
Seite  des  Verfahrens ,  der  eigentliche  Achtsprozefs ,  der 
auch  sonst  in  Sachsen  üblich  war,  hat  sich  noch  länger 
erhalten;  auf  seine  spätere  Entwicklung  einzugehen,  ist 
jedoch  nicht  unsere  Aufgabe. 


2N1)  Verg-1.  Ermisch,  Das  Freiberger  Stadtrecht  S.  LXXV  it. 


II. 

Mitteilimgeu  zur  sächsisch -tliüriugisclieu 

Geschichte  ans  den  Handschriften  der  alten 

Schneeberger  Lycenmsbibliothek. 

Von 

Eduard  Heydenrekli. 


Die  alte  Schneeberger  L5^ceumsbibliotliek  besitzt  eine 
stattliche  iinzahl  Handschriften  historischen,  juristischen, 
pädagogischen,  philologischen  und  theologischen  Inhaltes. 
Bisher  wurden  dieselben  in  einem  Anbau  der  St.  Wolf- 
gangskirche aufbewahrt;  für  künftige  Zeiten  aber  ist 
ihnen  in  den  neuen  Gymnasialräumen  eine  freundlichere, 
zu  häufiger  Benutzung  einladende  Aufstellung  vorbelialten. 
Ihr  teilweise  sehr  massiver  Einband  erinnert  an  die  Zeiten 
des  Mittelalters,  in  denen  dieselben  mit  Ketten  angebunden 
wurden  und  als  ein  kostbarer  Schatz  dem  Besitzer  ge- 
sichert blieben. 

Die  einzelnen  Sammelbände,  welche  meist  im  Folio-, 
seltener  im  Quart-  oder  Oktav -Format  gebunden  sind, 
vereinigen  Manuskripte  von  sehr  verschiedener  Schrift 
und  Ausstattung  und  sehr  verschiedenem  wissenschaft- 
lichen Werte  in  sich. 

Infolge  der  Feuersbrünste,  von  denen  die  Stadt 
Schneeberg  wiederholt  heimgesucht  worden  ist,  hat  sich 
keine  zuverlässige  Nachricht  darüber  erhalten,  ob  diese 
Handschriften  bereits  vor  der  Reformation  durch  die 
Mönche,  welche  in  Schneeberg  verkehrten^),  oder  erst  in 


^)   Melzev,    Clironik    von    Schneeberg-   S.    204.      Lelnnann, 
Chronik  der  Bergstadt  Schneeberg  III,  85. 


92  E.  Heyflenreich : 

späterer  Zeit  durch  Kauf  oder  Schenkung  auf  das  hiesige 
Gebirge  gelangten  und  dem  alten  Lyceum  überwiesen 
wurden.  Ein  im  Jahre  1597  aufgenommenes  „Vorzeichnus 
der  Buchere,  so  inn  die  Schul  gehörige"  registriert  aulser 
einigen  anderen  Manuskripten  „eczliche  geschriebene 
buchere  allerley  Materien,  grols  vnd  Klein,  Item  Oben 
vifme  Bucher  Kasten  seindt  gestanden  37  stuck  Allerlei 
Alte  papistische  gedruckte  vnd  zum  Theil  geschriebene 
buchere  in  4"  vnd  Octavo,  so  nicht  sonderlichen  vffge- 
zcichnet  wordenn  "  - j . 

Es  ist  denkbar,  dals  ein  Teil  der  Schneeberger 
Lyceum shandschriften  einst  dem  berühmten  Verfechter 
der  päpstlichen  Rechte  Johann  v.  Torquemada  gehört 
hat.  Melzer  berichtet  an  einer  wiederholt  nachgeschrie- 
benen") Stelle  seiner  Chronik*):  der  katholische  Pfarrer 
Johann  Bischoff  zu  Sclmeeberg,  welcher  1494  seinem 
Vorgänger  Peter  Iltner  v.  Weyda  im  Amte  folgte,  habe 
in  solchem  Ansehen  gestanden,  „dals  auch  ein  Cardinal 
Johannes  de  Turri  cremata,  Cardinalis  S.  Sixti  Papae,  ihn 
besuchet  und  bey  seinem  Abzug  etliche  Bücher  in  die 
alte  Bibliothec  verehret  hat".  Torquemada  latinisierte 
nämlich  seinen  Namen,  nannte  sich  in  allen  seinen  Schriften 
Johannes  de  Turre  cremata  und  führte  als  Kardinal  enien 
brennenden  Turm  im  Wappen.  Unter  den  Büchern,  die 
er  geschenkt  haben  soll,  können  recht  wohl  auch  Manu- 
skripte verstanden  werden,  da  für  den  ungenannten  Ge- 
währsmann jener  Notiz  bei  Melzer  der  Unterschied 
zwischen  gedruckten  und  geschriebenen  Büchern  gleich- 
giltig  sein  mochte.  Eine  Stütze  findet  diese  Vermutung 
darin,  dals  Turrecrematas  Psalmenerklärung,  welche  durch 
Kürze  und  das  Gewicht  der  den  Psalmtexten  unmittelbar 
angeschlossenen  oder  eingefügten  Glossen  sich  auszeichnet''), 
gegenwärtig  dem  Handschriftenbestand  des  Schneeberger 


-)  ..Inveiiüiiiuin  der  Pfarr-  und  Spital- Kirchen,  des  Custodis, 
der  Pfarr,  der  Scluübuchere ,  der  kirclien  Gesang  Buclier  vnd  der- 
gleichen Auögerichtet  Anno  1597."  Im  Schneeberger  Eatsarchiv, 
dessen  Benutzung  ich  der  Liberalität  des  Herrn  Bürgermeisters 
Dr.  von  Woydt  verdanke,  unter  der  Bezeichnung  G  II  3,  vergl.  be- 
sonders Blatt  7  ff. 

^)  Schaarschmidt,  Versuch  einer  Geschichte  der  Schnl- 
bibliothek  zu  Schneeberg  (Progr.  Schneeberg  1813)  S.  19.  Stade, 
Geschichte  des  Lyceums  zu  Schneeberg  I  (1877),  9. 

■*)  Melzer,' Chronik  von  Schneeberg  S.  202. 

•'^)  Steph.  Lederer,  Der  spanische  Kardinal  Johann  von  Torque- 
mada (Freiburg  1879)  S.  265. 


Aus  Sclineeberg-er  Handschriftou.  9B 

Gymnasiums  angehört'').  Dem  Kardinal  lag  es  auch 
näher  als  manchem  anderen,  die  gegenwärtig  ebendaselbst 
vorhandene  Handschrift  honen  confessorani  des  Andreas 
Hispanus')  zu  schenken.  Denn  damit  ist  der  Zeitgenosse 
und  Landsmann  Turrecrematas  Andreas  de  Escobar^) 
gemeint,  der  an  den  Konzilien  von  Konstanz  und  Basel 
teilnahm  und  ein  vielgesuchter  theologischer  Eatgeber  der 
Kurie  war'').  Aber  freilich  von  einem  Besuche  Turre- 
crematas nach  1494  kann  nicht  die  Rede  sein,  denn  die 
Aufschrift  seines  Grabes  besagt:  „Hie  quiescit  D.  Joannes 
de  Twrre  cremata  naüojie  His-panus  episcopits  Sabinus 
S.  R.  E.  cardhialis  S.  Sixti  qni  ohiit  XXVI  Sept.  A.  D. 
3ICCCCLXVIir'").  Nun  wurden  zwar  die  Schnee- 
berger  Erze  noch  zu  Lebzeiten  Turrecrematas  fündig; 
denn  bereits  1453  wird  urkundlich  bezeugt,  dais  sich 
etwas  .,nff  dem  Sneherge  Ine  Zackkoiv  eroivget  Jiahe,  das 
dannelioffenlich  were  geivynhafft  zcu  icerden"^^).  Allein 
Torquemada  sah  Deutschland  zum  letzten  Male  Ende  der 
30er  Jahre,  als  er  den  Fürstenkonventen  von  Nürnberg 
und  Mainz  als  päpstlicher  Theologe  beiwohnte.  Von 
einer  Reise  desselben  nach  Schneeberg  ist  auch  dem  ver- 
dienstvollen Biographen  Torquemadas,  Herrn  Pfarrer 
Dr.  Lederer,  wie  derselbe  die  Güte  gehabt  hat  mir  brief- 
lich mitzuteilen,  nichts  bekannt.  Wenn  also  die  Nach- 
richt bei  Melzer  nicht  vollständig  auf  Irrtum  beruht,  so 
kann  nur  so  viel  als  möglich  gelten,  dals  ein  Teil  der 
vorhandenen  Manuskripte  dem  Kardinal  ehedem  gehörte 
und  später  —  wahrscheinlich  aus  dritter  Hand  —  in 
Bischoffs  Besitz  und  durch  diesen  nach  Schneeberg  kam. 
Drei  Bände  des  gegenwärtigen  Bestandes,  welche  die 
Nummern  IX,  X  und  XXI  tragen,  enthalten  an  ihrem 
Ende  den  Namen  von  Wolfgang  Kraus,  welcher  1509 
sein  Amt  als  katholischer  Pfarrer  in  Schneeberg  antrat, 
von  Melzer  S.  202  als  „Egranus  Canonicus  Frihergensis 
et    Wurzensis"    bezeichnet   wird   und    1537    in  Freiberg 


ö)  Jo.  de  Turre  crematix  Cardiiialis  expositio  super  psaltei'iuiii, 
Band  XXIV,  Blatt  1—1  l:i. 

')  Band  XXIV,  Blatt  ;i20  tf. 

®)  Fabricius,  Biblioth.  lat   med.  et  inf.  aet.  I,  93  f. 

")  Finke,  Forsclmngcn  und  (Quollen  zur  Geschichte  des  Knn- 
stanzer  Konzils  (Paderborn  188Ü)  S.  \m. 

1*')  Jac.  Quetif  und  Jac.  Ecliard,  Scriptores  Braedicatoruin 
I,  888  b. 

")  Er  misch,  Das  sächsische  Bergrecht  des  Mittelalters 
(Leipzig  1887)  S.  CL. 


94  E.  Heydeureicli : 

starb.  Vorbesitzer  des  gegenwärtig  mit  No.  XVI  be- 
zeichneten Bandes  scheint  Johann  Zympel  gewesen  zu 
sein^-).  Den  Folianten  No.  XIX  hatte,  wie  ein  auf  dem 
Holzeinband  aufgeklebtes  Blatt  Papier  besagt,  der  Fran- 
ziskaner Georgius  Zügner  aus  Zwickau  gekauft  de  uno 
sacerdote  secidari  qui  vocahatur  Symon.  —  Die  alte 
Lyceumsbibliothek  wurde  anfangs  in  der  Schule  unter- 
gebracht, im  Jahre  1614  aber  in  das  Gemach  über  der 
Sakristei  der  St.  Wolfgangskirche  verlegt,  wo  sie  vor 
Feuersgefahr  gesichert  war. 

Von  den  städtischen  Behörden  in  Schneeberg  ver- 
anlafst,  unterzog  sich  Herr  Professor  Dr.  Weicker  aus 
Zwickau  1883  der  Mühe,  die  Bibliothek  neu  zu  ordnen  ^■^) 
und  einen  kurzen  Handschriftenkatalog  anzulegen.  Der- 
selbe beschränkt  sich ,  wie  dies  bei  der  Beschaffenheit 
der  Sammelbände  niemand  anders  erwarten  wird,  auf 
eine  ungefähre  Übersicht  des  Inhaltes  und  begnügt  sich 
wiederholt  mit  allgemeinen  Angaben  wie  „Betrachtungen 
theologischen  Inhaltes" ,  „Handschrift  juristischen  Inhaltes" , 
„Legendarium",  „Predigten"  und  dergleichen.  Bei  dieser 
Gelegenheit  hat  Herr  Professor  Dr.  Weicker  auch  eine 
neue  Numerierung  der  Handschriften  nach  römischen  Ziffern 
vorgenommen,  welche  an  Stelle  der  alten  Bibliotheks- 
signaturen mit  arabischen  Ziffern  getreten  ist. 

Die  genauere  Prüfung  der  Handschriften,  mit  welcher 
die  Leitung  des  Schneeberger  Gymnasiums  mich  beauf- 
tragte, ergab,  dals  dieselben  wertvoller  sind,  als  bisher 
angenommen  wurde  ^^).  Denn  sie  enthalten  aufser  anderem 
nicht  nur  einige  bisher  unbekannt  gebliebene  Nachrichten 
zur  Geschichte  der  sächsischen  Lande,  sondern  auch 
interessante  und  zum  Teil   noch  ungedruckte  Texte  zur 


'G^ 


Kircheno-eschichte  Deutschlands  und  Italiens  vor  der  Re- 


^Ö 


formation^''). 


1-)  Ein  in  diesem  Bande  lose  inliegendev,  alter  halber  Bogen 
Papier,  von  dem  es  allerdings  nicht  feststeht,  ob  er  grade  zu  diesem 
und  nicht  etwa  zu  einem  anderen  Bande  gehört,  trägt  die  Eintragung: 
„Dni  Joannis  Zcympels  fuit." 

1»)  Schneeberger  Ratsarchiv  Acta  B  VII  a  No.  32.  Über  die 
vorausgegangene  Verwaltung  der  Bildiothek  vergl.  auch  Schnee- 
berger Ratsarchiv  Acta  G  II  No.  104. 

^*)  Vergl.  z.  B.  Schaarschraidt,  Versuch  einer  Geschichte 
der  Schulbibliothek  zu  Schneeberg  (181B)  S.  20. 

^■'■')  Nähere  Mitteilungen  hierüber  in  der  Festschrift  tavc  Ein- 
weihung des  neuen  Schneeberger  Gymnasialgebäudes. 


Aus  Schneebergcr  Handschriften.  95 

1.  Dietrich  von  Apolda. 

Der  im  15.  Jahrhundert  von  sehr  verschiedenen 
Händen  geschriebene  Sammelband  XV  (früher  No.  201), 
dessen  Inhalt  im  Katalog  als  ein  theologischer  bezeichnet 
und  mit  den  Worten  „Legendarium  in  verschiedenen  Ab- 
sätzen, Predigten,  physiologische  „Probleme"  näher  an- 
gegeben ist,  enthält  unter  der  Überschrift  De  sanda 
Elyzaheth  fol.  143—154  auf  41  Kolumnen  einen  geschicht- 
lichen Text  in  lateinischer  Sprache  ohne  weitere  Angabe 
des  Verfassers  oder  der  zu  Grunde  liegenden  Quellen. 
Es  ist  dies  aber  eine  teils  kürzere  teils  längere  Bearbei- 
tung des  Lebens  der  Landgräfin  Elisabeth  von  Thüringen, 
welches  Dietrich  von  Apolda  im  1.3.  Jahrhundert  schrieb 
und  das  lange  Zeit  die  Grundlage  aller  späteren  Bio- 
graphien dieser  Heiligen  geblieben  ist.  Wenn  nun  auch 
insbesondere  nach  der  Untersuchung  von  Wegele^'')  nicht 
geleugnet  werden  kann,  dals  die  üppig  wuchernde  Sage 
in  der  Dietrichschen  Schrift  bereits  einen  breiten  Baum 
einnimmt,  so  gehört  dieselbe  doch  zu  den  wichtigsten 
Quellen  über  die  Landgräfin^").  Bei  dem  noch  immer 
recht  fühlbaren  Mangel  einer  guten  Ausgabe^*)  ist  aber 
ein  neues  handschriftliches  Material  erwünscht.  Ein 
solches  liegt  in  der  Schneebergcr  Handschrift  vor. 

Zum  Beweise,  dals  der  namenlose  Text  der  alten 
Schneebergei'  Lyceumsbil)liothek  der  des  genannten  Do- 
minikanermönches ist,  mag  der  Anfang  folgen,  wie  er 
auf  Blatt  143  unter  Weglassung  der  praefatio  lautet. 
Um  das  Verhältnis  zu  denjenigen  Handschriften,  deren 
Lesarten  bisher  von  Canisius  in  seiner  Ausgabe  und 
von  Mencke^-'j  veröffentlicht  shid,  anzudeuten,  füge  ich  die 
abweichenden  Lesarten  derselben  unter  dem  Texte  hinzu : 


^'')  V.  Wegele,  Die  heilige  Elisabeth  von  Thüringen,  in  der 
Histor.  Ztschr.  V  (1861),  ;351  ff. 

")  Vergl.  Wencic,  Die  Entstehung  der  Reinhardsbrninier 
Geschichtsbücher  (1878)  S.  8  ff.  —  Mielke,  Zur  Biographie  der 
heiligen  Elisabeth  (Rostocker  Dissertation  1888)  S.  3l  tt'.;  auch 
Wattenbach,  Deutschlands  üeschichtsquellen  II  (5.  Auti.),  3BH. 

'^^)  Eine  solche  ist  (vergl.  Wenck,  Entstehung  der  Keinhards- 
brunncr  Geschichtsb.  8.  10)  für  die  ]\Ionnnienta  (lennaniac  von  dem  — 
inzwischen  verstorbenen  —  Konsistoiialrat  Kanke  in  Marburg  vor- 
bereitet worden,  aber  bis  jetzt  nicht  ersdiiciien. 

"^)  (Janisius,  Thesaurus  nionumentoruni  ecclesiast.  et  histor. 
sive  lectiones  anti(|uae  ed.  Basnage  IV,  ]  16  ff'.  —  Mencke,  Script, 
rer.  Germ.  II.   1987  ff 


9()  E.  He.ydenreich : 

Eo  tempore,  quo  Pliilii)pus ,  Swevonim  dnx .  frater  Heiiirici 
quoiidam -*^j  imperatoris,  et  Otto,  Heiniiei  quoudam  Eavarie  et  Saxoiiie 
ducis  filins,  a  principibus  coutencione^V  electi,  quis  eorum  arcem  Romani 
obtiiieret  imperii,  ho.stiliter  et  periculose--)  disceptabaiit,  erat  in 
Alemauia  priuceps  illustris  valde  Herniaiiiius  Tliuringie  lantgravius 
vir  utique  streunuus  et  acer  in  liostes,  Ottokari  regis  Bohemie  conso- 
brinus,  qui  prefatos  imperatores  nunc  istum  minc  illum"'*)  promoveus 
ac  provocans  alternatim  exacerbavit  et  contra  se  in  prelium  excitavit-^). 
In  hnjus  pallacio  et  farailia  fuernnt  sex  viri  milites'-'')  non  intimi 
ingenio  excellentes  honestate  morum  virtuosi  cantilenarum  confectores 
snmmi  ceitatim  sua  studia-")  efferentes.  Habitabat  tune  in  partibus 
Ungarie  in  terra,  que  septeni  castra  vocatur,  nobilis  quidam  et  dives 
triiira  miliam  niarcarum  annuatim '-'')  habens  censum  vir  pbilosophus 
litteris  et  studiis  secnlaribus  a  primeva  etate  -■*)  inbutus  nigromancia 
et  astronomie-")  nihiloniinus  eruditus.  Hie  magister  Clingisore'^'^) 
nomine  adducidicandas''')  predictorum  virorura  canciones  in  Thuringiara 
per  volnntatem  et  beneplacitum  prineipum  est  adductus.  Qui  ante- 
quam  ad  lantgravium  introisset  nocte  quadani  in  Ysenaco*')  sedens 
in  area  hospicii  sui  astra  magna,  diligencia  intuitus  est.  Tnnc  roga- 
tus  a1)  hiis,  qui  aderaut,  si*^^)  qua  secreta  perspexisset,  ediceret, 
respondit:  Noveritis,  quod  liac  nocte  uascitur  regis  Ungarie  filia,  que 
Elizabeth  nuncupatur^^)  et  erit  sancta  tradeturque  priucipis^'»)  filio 
in  uxorem,  de  cujus  sanctitatis  preconio  exultabit  et  exultabitur 
omnis  terra.  Ecce!  (pii  per  Balaam  ariolum  incarnaeionis  sue  pre- 
nuneiavit  misterium,  ipse  per  liunc  preelecte  sue  famule  Elizabeth 
predixit  nomen  et  ortum.  ßegnahat  tunc  in  Un2;aria  Andreas  rex 
diviciis  clarus  et  potencia.  cui^'')  uxor  Gerdrudis  nomine  nobilissimi 
ducis  Carintie  lilia  ut  preraonstratum  ^''j  a  domino  peperit  tiliam 
sui  generis*^*)  decns.  Que  in  Christo  regenerata  Elizabeth  nomen 
accepit  anno  dominice  incarnaeionis  MCfiVII. 

Der  weitere  Text  der  Schneeberger  Handschrift 
unterscheidet  sich  von  dem  bei  Canisius  Aveseutlich  da- 
durch, dafs  zahlreiche,  bei  diesem  abgedruckte  theo- 
logische Betrachtungen  in  jener  fehlen.  Hinter  den 
Worten  auf  Blatt  153  „quasi  suaviter  obdormiens  incli- 
nato  capite  expiravit  sicque  a  dolore  mortis  extranea 
occurrentibus  (et  comitantibus  C)  angelis  et  sanctorum 
choris  ad  sidera   evolavit    (ad  regna  evolavit  sidera  C)" 


-°)  quondam  fehlt  bei  (J[anisiusJ. 

-*)  contentiose  C. 

-")  periculose  et  hostiliter  C. 

-^)  So  auch  C;  nunc  illum  nunc  istum  M[encke]. 

21)  concitavit  C 

2'^)  milites  nataliciis  C.        -")  sua  certatim  studia  C. 

-■')  annnum  C.        -'^)  a  primevo  etatis  C;  optime  M. 

-")  nigromantiae  et  astronomiae  scientiis  C. 

^'')  Clyncsor  C;  Clinsor  M.         ^')  Richtiger:  adjudicandas  C. 

32)  Ysenach  C.        «»)  ut  si  C. 

^•^)  nuncnpabitur  C.     '^■'')  hnjus  principis  C. 

^^)  cujus  C.        '*'')  praemonstratum  fuerat  C. 

^^)  generis  sui  C. 


Aus  Schneeberger  Handscliriften.  97 

folgt  ohne  Andeutung  eines  neuen  Anfanges  mit  den 
Worten  „Äffuit  in  Ret/nnarsburn  tunc  temjwris  cum  beata 
migravit  (ad  dominum)  Elizabeth  f rater  quidam"  ein 
Abschnitt,  der  mit  unwesentlichen  stilistischen  Abweich- 
ungen in  Kollars  Analecta  Vindobon.  I,  896 f.  unter 
dem  Titel  ,;de  viro  religioso  cui  in  die  mortis  sue  beata 
Elizabeth  apparuit-'  und  in  Menckens  Script,  rer.  germ. 
II,  2004 f.  unter  dem  Titel  „de  viro  religioso  cui  beata 
Elyzabeth  in  morte  apparuiP-  abgedruckt  ist. 

Darauf  wird  in  unserer  Handschrift  (Bl.  153  b)  durch 
die  Worte  ,p)ost  solempnem  translacionem  ipsius^J^,  welche 
bei  Canisius  und  Mencke  nicht  stehen,  der  Übergang 
gewonnen  zu  den  folgenden  Worten  „die  sequenti  ajyerto 
sarcofago"  etc.  d.  i.  zu  einer  Erzählung,  die  nicht  weiter 
durch  Überschrift  kenntlich  gemacht,  bei  Canisius  aber 
S.  151  f.  „De  sacro  oleo  quod  de  ossibus  sanctae  Eliza- 
beth emanavit"  und  bei  Mencke  S.  2006  „De  oleo  quod 
de  sacrosanctis  ossibus  efnanavit"  überschrieben  ist. 

Der  hierauf  Blatt  153b  folgende  Abschnitt  ist  weder 
an  den  genannten  Orten  noch  bei  Struve,  Acta  litteraria 
ex  manuscriptis  erutall,  1,  1  ff.  gedruckt,  wo  acht  neue 
Kapitel  zu  Dietrichs  Biographie  sich  finden.  Auch  wird 
diese  Geschichte  weder  in  dem  ältesten  Bericht  über  die 
heilige  Elisabeth  und  die  an  ihrem  Grabe  geschehenen 
Wunder  erwähnt,  welcher  von  Henke  ■^■')  zum  ersten  Mal 
veröffentlicht  ist,  noch  in  dem  Briefe*^),  welchen  Konrad 
von  Marburg  behufs  ihrer  Kanonisation  an  Papst 
Gregor  IX.  gerichtet  hat.  Ebensowenig  kommt  eine 
Irmgard  von  Mansfeld  in  den  Eeinhardsbrunner  Ge- 
schichtsbüchern vor^^).    Dieses  Ineditum  lautet: 

Matrona  (luedam  nobilis  Irmegardis  plena  bonis  operibus  et  elemo- 
sinis  commorans  in  castro  Seburc  soror  videlicet  honorabilis  Bertoldi 
comitis  majori«  de  Mansfelt  fimdatons  ceiiobii  saiictimonialinm  in 
Elpbede  audiens  famam  beate  Elizabfth  ft  signorum  que  ad  sepulcruni 
crescebant  mirabili  devocione  provocata  in  bonore  ejiisdem  obiit  et  ipsa 
ad  visitanduui  sepubTum  ejn.s.  Cuiuque  illnc  pervenisset,  supcryenit 
eciam  vir  quidam  gestans  in  uhiis  infantnluni  cecum  natuni,  cui  nee 
sedes  erat  oculorum,  quem  buic  niatrone  reverende  consignavit  igno- 


»»)  Henke,  Konrad  von  Marburg  (1861)  S.  53  ff. 

'")  Abgedruckt  in  Leonis  AUatii  2?',«,«/xr«  (Köln  1653) 
S.  269  sqq. 

*i)  Annales  Reinbardsbrunnenses,  berausgcg.  von  Wegele  1854. 
Eine  Dienerin  der  Elisabetb,  Irmengard.  begegnet  im  libellns  de  dictis 
quatuor  ancillarum.  vergl.  Boerner,  Zur  Kritik  der  (^uillen  für  die 
(Jesch.  der  beil.  Elisabeth,  Neue.s  Archiv  d.  Ges.  f.  ältere  deutsche 
Üeschichtsknnde  XTTl  (1888),  433  ff. 

Neues  Archiv  1.  S.  t:.  u.  A.     Xlll.  1.  '<;.  ' 


98  E.  Heydenreich : 

rans,  qiienam  ipsa  esset,  petens  instanter,  ut  ipsnm  teneret,  donec 
rediret  de  foro.  Quem  illa  ut  erat  plena  caritate  benigne  suscepit 
et  more  gerule  ipsum  secum  ad  sepulcrum  sancte  Elizabeth  detulit. 
Et  ecce  incidit  nienti  ejus,  ut  puero  a  sepe  dicta  Elizabeth  dei 
famula  inpetraret  lumen  oculorum  donari;  sed  et  suborta  est  ex 
huniana  fragilitate  quedam  diftidencia,  qua  estiniabat  nequaquara 
tante  sanctitatis  preconium  meruisse  illani  quam  quondam  viderat 
secularibus  actibus  choree  et  similium  desevisse.  Attamen  mox  de 
tali  cogitacione  redarguente  eam  de  conscieutia  sua  penitens  vice 
versa  retractare  cepit,  que,  quanta  et  qualia  postmodum  in  pauper- 
tate  despecta  et  similibus  pro  amore  domini  volnntarie  pertulisset, 
quibus  non  solum  preteritas  vauitates  diluisse,  set  et  insuper  graciam 
omnipotentis  dei  posset  meruisse ;  cum  devocione  magna  et  fide  plena 
sociatis  sibi  pkmmis  utriusque  sesus  hominibus  probis  et  devotis 
esorabat  dominum,  quod  per  merita  sibi  dilecte  Elizabeth  ipsum 
infantem  oculorum  lumine  dignaretur  nmnerare;  Omnibus  itaque 
divinam  clemenciam  cum  desiderio  iuvocantibus  ceperuut  repente 
loca  oculorum  pueri  cum  quodam  fragore  audientibus  omnibus  scindi  ad 
modumdurissimi  pergameni  cepitque  puer  voce  magna  ejulatum  emittere. 
Quam  ammiracione  nobilis  illa  et  deo  devota  matroua  respiciens 
vidit  ipsum  habentem  oculos  griseos  grandos  et  multum  claros.  Quod 
videutes  presentes  dominum  deum  in  sua  famula  collaudabant.  Set 
cum  oculos  apertos  teneret  puer,  ipsos  nee  hunc  nee  illuc  ad  videndum 
convertere  sciret,  acceperuut  testam  ovi  ipsamque  sursum  et  infra 
coram  oculis  ejus  duceutes  ipsi  pretendebant .  quousque  puer  visum 
post  eam  convertere  didicit  sicque  deinceps  usque  ad  finem  vite  sue 
claro  visu  letabatur.  Pater  vero  pueri  rediens  a  foro  cum  infantem 
suum  reposceret,  letus  reperit  oculorum  lumine  mirabiliter  ditatum, 
quem  antea  doluerit  miserabiliter  cecum  natuni.  Venerahilis  vero 
hec  et  devota  domina  Irmegardis  comitissa,  hujus  colendi  miraculi 
testis  egregia,  postmodum  in  cenobio  beate  dei  geuitricis  in  Ro- 
charsdorff  in  conventu  sanctimonialii;m  ordinis  Cisterciensium  conversa 
morabatur  laudabiliterque  vivens  inibi  vitam  fiuivit. 

Mit  den  hierauf  folg-eiiden  Worten  „in  Strigouiensi 
etiam  civitate"  beginnt  ein  neuer  Abschnitt ,  der  aber 
weder  durch  Einrücken  einer  neuen  Zeile,  noch  durch 
eine  Überschrift  kenntlich  gemacht  ist.  Es  ist  dies  die 
Erzählung  bei  Mencke  a.  a.  0.  S.  2006,  wo  sie  die  Über- 
schrift trägt:  De  puella  mortna  meritis  heatae  Elijsaheth 
resuscitata.  Die  Abweichungen  des  Schneeberger  Textes 
sind  für  diese  Gescliichte  nicht  wesentlicher  Natur.  Der 
Schlufs  desselben  lautet: 

Gavisi  sunt  ergo  nimis  uterque  parens  nichilominus  puellam 
suscitatam  in  Martburgk  cum  oblacionibus  deferentes.  Deinde  leti 
ad  propria  redierunt.  Puella  vero  cum  adolevisset,  cum  filia  regis 
Ungarie  in  Bawariam  duci  transmissa  est.  [Tandem  ducis  et  ducisse ) 
interventu  in  Ratispona  in  cenobio  sanctimonialium  de  ordine  predi- 
catorum  recepta  materque  et  priorissa  sororum  ibidem  eftecta  in 
virgiuitate  et  eximia  sanctitate  jocundum  et  mirabile  domino  exhibuit 
famulatum. 

Hiermit  endet  der  Schneeberger  Text  des  Dietrich 
von  Apolda.     Derselbe   ist  bis  jetzt  gänzlich  unbekannt 


Aus  Sclmeeberger  Handschriften.  99 

geblieben.  Auch  Justi'*-)  und  "Walther*"),  der  nach 
Lorenz^*)  die  weitaus  vollständigste  Zusammenstellung 
über  die  Litteratur  zur  heiligen  Elisabeth  bietet,  er- 
wähnen die  Schneeberger  Handschrift  nicht. 

2.  Nicolaus  Baumgärtel. 

Der  aus  262  Blatt  in  4**  bestehende  Handschriften- 
band No.  XII  enthält  eine  bis  jetzt  verschollen  ge- 
bliebene kirchenrechtliche  Arbeit.  Unter  dem,  auf  den 
Rand  des  ersten  Blattes  eingetragenen  Wunsche  Veiii 
sande  sinritus  befindet  sich  zunächst  ein  Register  mit 
der  Unterschi^ift  auf  Blatt  50:  „Explicuerunt  inicia  ca- 
pit'iäorum  decreti  cum  suis  autoritatibus  completa  in 
Kempnicz  et  scrij^ta  per  me  fratrem  Nicolaum  Baium- 
gertel  anno  domini  1478."  Der  Text  selbst  ist  alpha- 
betisch nach  Überscliriften  geordnet:  Aron,  Abbates, 
Abbatissa,  Abel,  Aborsus,  Abraham,  Abrogatio,  Abso- 
lutio u.  s.  f.  Durch  gelelirte  Verweise  werden  die  ein- 
zelnen Sätze  begründet,  z.  B.  unter  der  Überschrift 
visitare  die  folgenden  über  Kirchenvisitation  auf  Blatt  256 : 

Visitare  debent  episcopi  dyoceses  suas  ant  per  se  aut  per  alios 
dumniodo  ipsi  sint  impediti.  Item  yisitando  debent  inqiüi-ere  de  vita 
clericorum  et  de  ornatu  ecclesiarum  et  de  reparationibus  ubi  aliqua 
sunt  fracta.  Item  debent  visitando  Status  laycorum  videre,  si  in 
fide  sint  stabiles,  si  diversa  crimina  sicut  homicidium  adnlteriuui 
periurium  et  fonsilia  fugiant  et  resurrectionem  credant.  Item  visi- 
tando non  debent  cum  gravamine  sive  cum  moderacione  exquirere. . . 
Item  omni  anno  tenetur  episcopus  semel  dyocesin  suam  visitare. 
Item  visitando  temporale  Stipendium  pro  suo  obsequio  potest  reci- 
pere.  Item  episcopus  si  non  visitat  loco  visitacionis  procuraciones 
non  recipiat  vel  exigat.  Item  episcopi  visitandi  et  exhortandi  yracia 
quotiens  necessitas  exigit  possunt  monasteria  religiosorum  non 
exempta  visitare.  Item  visitando  non  debent  visitandos  crudeliter 
desevire.  Item  in  visitacione  de  dubiis  debent  coram  senioribus  in- 
quirere.  Item  uni  visitatori  plures  ecclesie  visitande  comniitti 
possunt.  Item  episcopi  ytalici  immediate  ad  curiam  Romanam  ex- 
spectantes  de  anno  in  annura  limina  apostolormn  petere  Petri  et 
Pauli  et  Romanam  curiam  visitare  tenentur  vel  per  litteras  de  impo- 
tentia  se  excusantes. 

Die  mit  der  erwähnten  Stelle  des  Blattes  50  über- 
einstimmende Unterschrift  auf  Blatt  262  „Explicit  mar- 
garitlia  juris  per  me  fratrem  Nicolaum  Baivmgertel'ordinis 

*2)  Justi  in  seiner  Biographie  der  heil.  Elisabeth  S.  IX  f. 

■*«)  Walther,  Litterar.  Handb.  f.  Hessen  S.  37  und  2.  Supple- 
ment S.  21  f. 

**)  Lorenz,  Deutschlands  Geschichtsquellen  II  (U.  Aufl.),  94, 
Anm.  3. 


100  E.  Heydenreich : 

minorum  terminarium  pro  tempore  Kempnicii  suh  incar- 
nacionis  doniini  anno  1478  In  die  sandi  Gorgonn  martiris 
etc.''  bietet  eine  erwünschte  Notiz  zur  Chemnitzer  Ge- 
schichte. Der  Name  Baunigarte  ist  in  den  Chemnitzer  Ur- 
kunden nichts  Seltenes^'),  aber  Nicolaus  Baumgärtel  un- 
belegt. Die  Stiftung  eines  Franziskanerklosters  in  Chemnitz 
erhält  zwar  erst  1485  die  päpstliche  Bestätigung^*^),  doch 
lassen  sich  seine  Anfänge  bis  1481  verfolgen^'),  und  die 
Möglichkeit  ist  nicht  ausgesclilossen ,  dals  ein  Franzis- 
kaner bereits  1478  in  Chemnitz  sich  aufhielt,  um  jene 
Stiftung  vorzubereiten.  Auch  könnte  man  Baumgärtel 
für  den  Terminar  eines  auswärtigen  Franziskanerklosters 
halten;  urkundlich  kommen  in  Chemnitz  nur  Terminare 
aus  Grimma  (Augustiner  Eremiten)  und  Freiberg  (Domi- 
nikaner) vor.  Nahe  liegt  auch  die  Annahme,  dals  Baum- 
gärtel von  einem  fremden  Franziskanerkloster  nach 
Chemnitz  gesandt  war,  um  fällige  Zinsen  einzutreiben; 
Chemnitz  hatte  Zinsen  oder  Renten  zu  zahlen  an  die 
Franziskaner  in  Torgau,  Dresden  und  Freiberg. 

3.  Andreas  Rüdiger  von  Görlitz. 

Die  archivalischen  Aufzeichnungen  über  die  Ge- 
schichte der  Universität  Leipzig  im  15.  Jahrhundert, 
welche  Bruno  Stübel  1879  herausgegeben  hat,  sind  ziem- 
lich sparsam^^).  Aus  dem  Jahre  1461 ,  in  welches  das 
gleich  zu  besprechende  Gutachten  des  Andreas  Rüdiger 
fällt,  enthält  das  Urkundenbuch  der  Universität  Leipzig 
nur  ein  einziges  Aktenstück  über  die  Türkengefahr*''). 
Auch    die    Forschungen    Zarnckes'^")    kommen    für    das 


*5)  Er  misch,  Urkundenbuch  der  Stadt  Chemnitz  (Cod.  diplom. 
Saxon.  reg-.  II,  6)  S.  485. 

■»ö)  A.  a.  0.  S.  416. 

*'')  A.  Sammler,  Das  Franciskauerkloster  in  Chemnitz:  in 
den  Mitteilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte  I  (1876),  153. 
Aucli  die  folgenden  Angaben  verdanke  ich  l)rieflichen  Mitteilungen 
des  Herrn  Realschuldirektor  Dr.  Mating- Sammler  in  Werdau. 

"**)  Stübel,  Urkundenbuch  der  Universität  Leipzig  von  1409 
bis  1555  (Cod  dipl.  Saxon.  reg.  II,  11).  —  D  robisch,  Beiträge  zur 
Statistik  der  Universität  Leipzig  innerhalb  der  ersten  hundertund- 
vierzig Jahre  ihres  Bestehens :  Berichte  über  die  Verhandlungen  der 
Kgl    Sachs.  Gesellsch.  d.  W.  II,  71. 

4»)  Stübel  a.  a.  0.  No.  122_,  S.  142  f. 

^°)  Zarncke,  Die  urkundlichen  Quellen  zur  Geschichte  der 
Universität  Leipzig  in  den  ersten  150  Jahren  ihres  Bestehens:  Ab- 
handlungen d.  K.  S.  Ges.  d.  W.  III,  509—922,  vergl.  bes.  891. 


Aus  Sckneeberger  Handschriften.  101 

15.  Jalirlmiidert  zu  dem  Ergebnis,  dals  die  Geschiclite  der 
Vorgänge  an  der  Universität  in  jener  Zeit  stets  nur 
lückenhaft  bleiben  wird.  Einen  freilich  sehr  kleinen  Bei- 
trag zur  Ausfüllung  dieser  Lücken  bietet  der  XVII.  Band 
der  Schneeberger  Lyceumsbibliothek. 

Aus  dem  Vorworte''^)  zu  dem  in  diesem  Band  Blatt 
360—366  eingetragenen  articuli  in  quibus  magister  non 
tenetur  commitnifer  sehen  wir,  dafs  venerahilis  et  egregius 
vir  sacre  theologice  ])rofessor  dominus  atque  doctor  Andreas 
de  Görlitz ,  wie  der  Verfasser  dieser  articuli  an  deren 
Ende  genannt  wird,  von  dem  Cistercienserkloster  Altenzelle 
aus  gebeten  wurde,  über  gewisse  dogmatische  Gegen- 
stände ein  Gutachten  abzugeben.  Er  entsprach  dieser 
Bitte  nach  Blatt  366  b  ad  singidarem  instaarationcm 
presentis  prioris  de  Vetere  Cella  Sande  Marie  JoJtannis 
Schröter  de  Hirszhergk  anno  domini  MCCCCLXI. 

Aus  dem  Catalogus  illustrium  sive  ecclesiasticorum 
scfiptorum  qui  in  Lipzensi  Academia  a  fundatione  studii 
usque  praesens  ad  aevum  claruere'-),  den  man  dem  Wim- 
pina  zuschreibt'*'^),  ergiebt  sich,  dals  der  vollständige 
Name  jenes  berühmten  Mannes  Andreas  Küdiger  von 
Görlitz  Avar.  Derselbe  ward  1465  bezeichnet  als  „lerer 
der  heiigen  schrifFt  und  thumherr  zcu  Myssen"''^),  gehörte 
schon  längere  Zeit  der  Universität  an  und  starb  1495''''). 

Die  in  der  Schneeberger  Handschrift  enthaltenen 
articuli  des  Andreas  Rüdiger,  welche  mit  einer  sehr 
kleinen  Schrift  und  sehr  gehäuften  Abbreviaturen  zu 
Papier  gebracht  sind,  waren  bisher  völlig  unbekannt. 
Wenigstens  werden  sie  in  dem  genannten  (Jatalogus, 
welcher  S.  40  f.   die   wissenschaftlichen   Arbeiten   dieses 


^')  Dieses  Vorwort  lautet  auf  Blatt  360  a  folgendermafsen : 
Quia  i)etistis,  veneral)ili,s  pater,  ut  cetera  puncta  et  articnlos,  in 
quibus  ]iiagister  sententiarum  coraniuniter  non  tenetur,  niotiva  et 
rationes  portentatas  a  doctoril)US  sub  compendio  in  unura  reducerem, 
non  potui  nee  deliui  ejus  frustrare  desidcrium ,  cujus  bencliciuni  et 
liumanitatem  ])li'i-uinqui;  snscepi.  Igitur  ut  cupiditatem  meani,  qua 
vobis  satisfacere  desidero,  intellegeretis ,  assumo  oruis  et  aggredior, 
quod  optatis;  l)i'evitei'  ponani  que  superficiar  et  cursorie  in  scriptis 
doctornm  recolo  me  legisse  plena,  namque  dictorum  articulornni  reso- 
lutio  diligenteui  et  longani  exigit  inquisitioneni,  quam  liic  sub  con- 
pendio  ponere  curavi. 

^2)  Ausgabe  von  Merzdorf,  S.  40. 

■'^)  Zarncke  a.  a.  0.   8.  526. 

■'^)  8t übel  a.  a.  0.  S.  164,  37. 

■^■^  Znviifl<e  a.  a.  0.  S  58R.  745.  751,  764.  —  Oatalogus 
illustrium  No.  XXVIII. 


102  E-  Heydenreich : 

Gelehrten  zusammenstellt,  nicht  genannt.  Diese  articuli 
zerfallen  in  vier  Abteilungen.  Die  erste  derselben,  der 
ein  besonderer  Titel  nicht  beigegeben  ist,  besteht  aus 
5  Artikeln;  die  articuli  secundi  sententiarum  sind  ihrer 
drei,  die  articuli  tertii  sententiarum  ihrer  zwei,  die  quarti 
ihrer  zehn,  also  sind  es  im  Ganzen  20  Artikel.  Dals 
der  Name  desjenigen,  welcher  1461  in  Altenzelle  Prior 
war ,  Johann  Schröter  von  Hirschberg  lautete ,  konnte 
aus  den  bisherigen  Veröftentlichungen  über  dieses  be- 
rühmte Cisterzienserkloster'"')  nicht  ersehen  werden.  Denn 
eine  vollständige  Beamtenreihe  für  Altenzelle  ist  nur 
hinsichtlich  der  Äbte  veröffentlicht  worden •'^').  In  den 
gedruckten  Urkundenauszügen  des  Jahres  1461'^'^)  aber 
begegnet  nicht  der  Name  eines  Altenzeller  Priors;  nur 
ein  Unterprior  Johannes  wird  in  einer  Urkunde  vom 
25.  Februar  1461  genannt.  Dagegen  erscheinen  28.  März 
1460  der  Prior  Johannes  und  26.  April  1465  der  Prior 
Johannes  Eapeh '*'*). 

Die  Beziehungen  des  Klosters  Altenzelle  zur  Uni- 
versität Leipzig  datieren  schon  seit  dem  Jahre  1411,  in 
welchem  der  Abt  Johannes  zu  Cisterz  und  die  Vorsteher 
des  Generalkapitels  auf  Bitten  der  Markgrafen  Friedrich 
und  Wilhelm  an  der  neuerrichteten  Universität  eine 
Stiftung  machten  und  den  Abt  zu  Altenzelle  mit  der 
Ausführung  beauftragten*^'^).  Auf  einen  geistigen  Ver- 
kehr zwischen  Altenzelle  und  der  Universität  Leipzig 
um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  deutet  nicht  allein 
das  Gutachten  des  Andreas  Rüdiger  von  Görlitz,  sondern 
auch  die  Leipziger  signatura  promotorum  in  theologia, 
welche  von  Brieger  in  der  Einladuugsschrift  zur  Feier 
des  Reformationsfestes  und  des  Rektor  wechseis  1890 
veröffentlicht  worden  ist^^). 

4.  Zur  Bücherkunde  des  Mittelalters. 

Die  Mönche,  denen  wir  die  Niederschrift  der  im 
Vorstehenden  mitgeteilten  Nachrichten  verdanken,  be- 
safsen,    wie    aus    den  Sammelbänden   der  Schneeberger 


^«)  Beyer,  Altzelle  S.  87  ff.  691  ff.  Vergl.  meine  Geschichte 
des  Kirchspieles  Leubnitz  S.  24  f. 

•")  Beyer  a.  a.  0.   S.  61  ff.         ^s)  Beyer  a.  a.  0.   S.  691  f. 

69)  Beyer  a.  a.  0.  S.  693.  ß»)  Stübel  a.  a.  0.   S.  8  f. 

^')  Brieger,  Die  theologischen  Promotionen  auf  der  Universität 
Leipzig  1428—1539  S.  9. 


Aus  Schneeberger  Handschriften.  103 

Lj^ceiimsbiblioüiek  hervorgeht,  wenigstens  teilweise  eine 
recht  achtungswerte  Bücherkenntnis.  Besonders  inte- 
ressant ist  in  dieser  Beziehung  Band  IX  Blatt  300—306. 
Hier  trägt  der  Schreiber  die  ihm  bekannten  Bücher  nach 
Titel,  Anfangs-  und  Schlulisworten  ein*^-).  Von  den 
Autoreu  des  alten  Rom  kennt  er  Plinius ,  Valerius 
Maximus,  den  Valerius  ad  Eufinum,  Macrobius,  Cicero, 
Boetius,  Seneca.  Von  den  meisten  dieser  Schriftsteller, 
die  er  in  eben  dieser  Reihenfolge  behandelt,  weils  der 
Schreiber  ehie  große  Anzahl  Werke  anzugeben;  besonders 
lang  ist  das  Verzeichnis,  welches  mit  libri  Senece  über- 
schrieben ist.  Dals  es  namentlich  Kirchenväter  sind,  deren 
Werke  er  nennt,  entspricht  seinem  Stande.  So  kennt  er 
z.  B.  Augustin,  Hieronymus,  den  heiligen  Beruhard, 
Anselm  u.  s.  w. 

Auch  von  den  Dichtern  des  Altertums  und  des 
Mittelalters  enthalten  die  Schneeberger  Handschriften 
Proben.  Alanus  ab  insulis  z.  B.  wird  nicht  allein  in 
diesem  Bücherverzeichnis  genannt,  sondern  ist  auch  in 
Band  XXIII  Blatt  14  f.  mit  einer  Probe  vertreten, 
welche  dem  9.  Kapitel  des  5.  Buches  des  Anticlaudianus 
angehört  *^^).  Ein  den  Frauziskanerorden  und  seine  An- 
schauungen sehr  charakterisierendes  Gedicht  auf  den 
heiligen  Franziskus  reiht  sich  einer  groisen  Reihe  von 
Kopien  von  allerhand  Franziskaner-Urkunden  und  Nach- 
richten an.  Mehrfach  finden  sich  ferner  lateinische  Ge- 
dichte auf  die  Jungfrau  Maria. 

Wenn  wir  in  dem  erwähnten  Bücherverzeichnis  die 
Katalogisierung  irgend  einer  bestimmten  Bibliothek  vor 
uns  haben  sollten,  worüber  Anhaltepunkte  in  der  Hand- 
schrift freilich  nicht  gegeben  sind,  so  würde  dasselbe 
eine  Ergänzung  bieten  zu  dem  Werke  von  Becker: 
Catalogi  bibliothecarum  antit^ui.  Bonn.  1885. 

5.  Musikgescliichlliches. 

Ein  für  die  Geschichte  der  sächsischen  Handschriften 
folgenschweres  Verhängnis  war  die  Geldnot  des  30jährigen 
Krieges.     Grolse  Massen  von  beschriebenem  Pergament, 


"2)  Band  IX,  Blatt  300  a:  „Notandum  quod  libros  originaliuiu 
sanctorum  ac  doctorum  quoad  primordia  et  iines  ac  per  aliaiii  lil)ro- 
rum  niateriani  hie  siguare  curaveram,  iit,  si  aliuin  oceurrerent, 
facilius  posset  eos  cngTinscere  et  serurius  allegare." 

'■'■'')  Vergl.  rabricius,  Biblioth.  lat.  med.  et  inlim.  aetatis  1,  3(3. 


104  E.  Heydenreich : 

Bücher  aller  Art  und  Noten  in  Handschriftenform  wurden 
an  Buchbinder  und  andere  Leute  für  einen  Spottpreis 
verkauft,  teils  in  grölseren  Partien,  teils  in  einzelnen 
Bogen  und  nicht  nur  in  die  Nachbarschaft,  sondern  auch 
in  entfernte  Ortschaften.  So  sind  in  Freiberg  allein  in 
den  beiden  Jahren  1644  und  1645  über  90  Pfund  Pergament 
auf  solche  Weise  weggeschleudert  worden  *^^). 

Auch  die  Stadt  Sclmeeberg,  und  insbesondere  die 
alte  Lyceumsbibliothek  enthält,  gleich  dem  benachbarten 
Lölsnitz'^'*),  manchen  interessanten  Rest  mittelalterlicher 
Musik«**).  Das  Totenregister  1642—1683  der  St.  Wolf- 
gangskirche ist  mit  einem  Teile  der  Sequenz  de  dedica- 
tione  Ecclesiae  =  Psallat  ecdesia  von  Notker  Balbulus 
vom  Jahre  887  eingebunden.  Bücher  der  alten  Lyceums- 
bibliothek enthalten  aulser  anderem  in  grofsen,  schön 
geschriebenen  Lettern  mit  farbigen  Liitialen  und  in  der 
Schrift  des  15.  Jahrhunderts  unter  der  Überschrift  Ad 
matutinas  Hymnus  einen  Lobgesang  zum  Frühgottes- 
dienst, welcher  von  Gregor  I.  für  die  Sonntage  I  und  II 
quadragesimae  ad  nocturnum  vorgeschrieben  ist •"'').  Da 
jedes  Stück  der  altrömischen  Liturgie  mit  einem  Melodie- 
körper belegt  war,  so  gehört  auch  die  dem  Inkunabel- 
band XXXI  angebundene  vorreformatorische ,  mit  zalil- 
reichen  Abkürzungen  geschriebene  Handschrift,  zu  welcher 
die  Noten  als  bekannt  vorausgesetzt  werden,  zu  dem 
musikgeschicJitlichen  Teil  der  Schneeberger  Lyceums- 
bibliothek ;  zahlreiche  mit  roter  Tinte  eingetragene,  musi- 
kalische Kunstausdrücke,  wie  Magnificat  primo  tono, 
antipliona,  resjjonsormm  u.  s.  w.,  erweisen  die  Hand- 
schrift als  ein  Bruchstück  eines  Breviar  oder  Hymnariums, 
das  alle  zur  Vesper  und  Mette  gehörigen  Stücke  enthält 
zum  Unterschied  von  dem  Missale,  in  welchem  nur  die 


^)  Näheres  darüber  habe  ich  im  Neuen  Archiv  für  ältere 
deutsche  Grescliichte  V,  210  ft.  mitgeteilt. 

^^)  Hier  kommt  insbesondere  das  Löfsnitzer  Amtsgerichtsarchiv 
in  Betracht,  dessen  Benutzung  ich  der  Güte  des  Herrn  Amtsrichter 
Uaudich  verdanke.  Insbesondere  enthalten  die  Einbände  der  Akten- 
bände :  Kaufbuch  Pfannenstiel  vom  Jahre  1692  ff.,  Stadtbücher  vom 
Jahre  1694  ff.,  1705  ff".,  1720  ff",  mittelalterliche  Notenschrift. 

*^^)  Für  die  folgenden  Notizen  hatte  ich  wiederholt  gütige  brief- 
liche Mitteilungen  des  Herrn  Musikdirektor  Prof.  Dr.  Kade  in 
Schvi^erin  zur  Verfügung,  wofür  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinen 
sehr  verbindlichen  Dank  ausspreche. 

«')  Gedruckt  z.B.  bei  Mone,  Latein.  Hymnen  des  Mittelalters 
I,  93  und  bei  Wacker  na  gel,  Kirchenlied  I,  71. 


Aus  Schneeberger  Handschriften.  105 

liturgischen  Gesangsstücke  zu  den  Sonntags-  und  Feier- 
tagsdiensten verzeichnet  sind. 

Ähnliche  Handschriften  des  Mittelalters  erhielten 
sich  auch  in  Schneeberg  dadurch  fragmentarisch,  dafs 
sie  zur  besseren  Stütze  des  Einbandes  zwischen  diesem 
und  Inkunabeldrucken  eingeheftet  oder  eingeleimt  wurden. 
So  erhielt  sich  z.  B.  ein  schönes  Blatt  in  Band  XXXXI 
mit  der  roten  Schrift  oben  am  Rand  „Lttdeivici  episcoxn 
et  confessoris"  und  ein  eben  solches  im  Inkunabelband 
XXXXII  mit  der  Schlulszeile  ..Hermminus  TJmringus 
me  scripsit''. 

Auch  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhunderte  haben  sich 
in  Schneeberg  Musikalien  erhalten,  so  z.  B.  „Die  deutzsche 
Prosa  im  Advent  zu  singen  Johannis  Spangenbergii. 
Dominica  IV  xldventus  vnd  zwischen  2  Gesetze  1  Ver- 
sum  ex  Cantilena  Germanica.  Herr  Christ  der  Einig 
Gottes  Sohn:  Als  der  gütige  Gott  vollenden  wolt,  sein 
Wort  fand  Er  ein  Engel  schnell  des  Name  Gabriel." 
Am  Ende:  „Anno  christi  1600.  18.  Dec."  Der  Ver- 
fasser ist  derselbe,  dessen  Cantiones  ecclesiasticae  vom 
Jahre  1545  nebst  der  Psalmodia  von  Lucas  Lossius  als 
Grundpfeiler  der  protestantischen  Liturgie  gelten.  Die 
Eintragung  der  Spangenbergischen  Arbeit  in  den  Papier- 
anliang  eines  Psalmendruckes  vom  Jahre  1484  ist  wahr- 
scheinlich von  Valentin  Koburger  geschehen,  welcher  nach 
Lehmanns  Chronik  in  dieser  Zeit  Kantor  zu  Schneeberg 
war.  Von  diesem  sonst  nirgends  genannten  Tonsetzer 
ist  dem  langjährigen  Kenner  sächsischer  Musikgeschichte, 
Herrn  Musikdirektor  Prof.  Dr.  Kade,  nur  ein  Tonwerk 
bekannt,  das  handschriftlich  in  der  Ratsbibliothek  zu 
Zwickau  unter  folgenden  Titel  aufbewahrt  wird:  „Co- 
burger, Valentini,  Stollbergeusis  Cantor:  Concertatio  mi- 
sericordiae  et  justitiae  coram  judice  Christo.  Anno  Christi 
1590"  mit  dem  deutschen  Texte:  „Am  jüngsten  Tage 
wird  Christus  kommen."  Dies  Werk  ist  nirgends  ge- 
druckt. Wenn  die  Lehmannsche  Chronik  von  Schneeberg 
Koburger  schon  1589  nach  Schneeberg  kommen  lälst,  so 
ist  dieser  Zeitansatz  wohl  etwas  zu  früh,  da  die  Be- 
zeichnung Stollbergensis  Cantor  mit  der  Jahreszahl  1590 
sonst  nicht  stimmen  würde. 

Der  Bestand  alter  Musikalien  war  früher  erheblich 
grijlser  als  gegenwärtig  in  Schneeberg.  Die  früliero  Reich- 
haltigkeit  dieser   Schätze  wii'd   besonders   deutlich   aus 


106  E.  Heydem-eich : 

dem  „Inventarium  der  Pfarr-  und  Spital-Kirchen'"'^).  In 
diesem  Aktenstück  sind  melii-ere  Inventarien  vereinigt, 
welche  im  16.  und  17.  Jahrhundert  über  Bücher  und  Mu- 
sikalien in  Schneeberg-  angefertigt  wurden.  Hier  werden 
als  in  Schneeberg  vorhanden  angegeben  Werke  von  fol- 
genden Komponisten:  Samuel  Capricornus,  Valentin  Co- 
burger, Val.  Corvinus,  Thomas  Crequilo,  Adam  Czumpel- 
zainer  Trospergius,  Euricius  Dedekind,  Philipp  Dulichius, 
Ant.  Porinus ,  Melchior  Pranck ,  Joh.  Gabriel ,  Joh.  Gar- 
danus, Matthias  Gastritz,  Joh.  Häbler,  Andreas  Hammer- 
schmidt, Jakob  Händel,  Heinrich  Hartmann,  Homer  Her- 
pol, Heinrich  Isaak,  Abraham  Langhans,  Orlandus  Lassus, 
P.  Lindner,  Michael  Lohr,  Lucas  Lossius,  Martin  Luther, 
Karl  Luj'thon,  Obricht  Popilius,  Hieron.  Praetorius,  Wolfg. 
Carl  Prügel,  Paul  Rinander,  Petr.  de  la  Rue,  Lambert 
de  Sayne,  Abraham  Schade,  Samuel  Scheidt,  Heinrich 
Schütz,  Claudius  de  Sermisii,  Soberger,  Horatius  Vecchius, 
Caspar  Vincentius,  Melchior  Vulpius,  Christoph  Thomas 
Wallisar,  Christophorus  Walter,  Joh.  Wanningius,  Tobias 
Zeuzschner. 

Bei  dem  fortwährenden  Verkehre  zwischen  den  bei- 
den Bergstädten  Schneeberg  und  Preiberg  ist  es  möglich, 
dals  manches  Tonstück  aus  Sachsens  Berghauptstadt  nach 
Sclmeeberg  gelangte.  Denn  Preiberg  ist  seit  alter  Zeit 
durch  seine  Musik  berühmt  und  enthält  noch  gegenwärtig 
eine  grofse  Anzahl  wertvoller  Musikalien  aus  früherer 
Zeit  «'■'). 

6.    Lokalgeschiclitliches. 

Die  Schneeberger  Lyceumsbibliothek  besitzt  auch 
Handschriften  aus  neuerer  Zeit.  Zu  ihnen  gehört 
der  mit  Nummer  XXXIX  bezeichnete  Band,  welcher 
Chorrechnungen  enthält.  Li  den  Anhang  dieses  Bandes 
hat  der  Schneeberger  Kantor  (vergl.  Lehmann,  Chronik 
von  Schneeberg  S.  146)  Christian  Umblaufft  den  nach- 
folgenden Bericht  über  das  Brandunglück  des  Jahres 
1719  eingetragen: 

„  In  Nomine  J  esu !  Nachdem  der  Gerechte  Gott  am  13.  August 
1719  des  Nachts  ein  Viertel  auf  1  Uhr  unser  liebes  Schneeberg  durch 


^^)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  II,  3. 

'"*)  Vergl. :  Die  älteren  Musikalien  der  Stadt  Freiberg  in  Sachsen. 
Zum  ersten  Male  vollständig  bearbeitet  und  mit  einer  Einleitung 
versehen  von  Otto  Kade.  Herausgeg.  von  Reinhard  Kade. 
Beilage  zu  den  Monatsheften  für  Musikgeschichte,  Leipzig  1888. 


ft 


Aus  Schneeberger  Handscliriften.  107 

eine  gautz  unvermutliete  und  entsetzliclie  Feurs-Brunf^t.  welche  in 
Herr  M.  Schindlers  Arch.-Diac.  Hintern  Hause,  das  der  Schule  gleich 
gegenüber  gelegen,  ausgebrochen  und  innerhalb  5.  bis  6.  Stunde  die 
gantze  Wehrte  Stadt  mit  den  Kirch-Thuren  und  der  grofsen  Kirche  bis 
aufs  Gewöll)e,  Schule,  Kathhaufs,  Hospital  und  darzu  gehörigen  Be- 
gräbnifs- Kirche,  samt  allen  andern  Commun  -  Gebäuden  erbärmlicher 
Weise  in  die  Asche  geleget,  wegen  unserer  übermächtigen  Sünden 
heimgesucht  und  gestraift,  und  aber  besagte  Schule  auch  als  bald  bey 
Anfang  das  Unglück  getroffen  hat,  alsodafs  der  Herr  Rektor  M. 
Johann  Dopperts  Frankofurt,  sehr  wenig  von  seiner  kostbaren  und 
schönen  Biljliothee  salviren  können,  sondern  das  meiste  davon,  wie 
auch  seine  mobilien  und  die  Chor- Bücher  der  hefftig  Avütenden 
Flamme  schnieitzlich  überlassen  müssen;  als  ist  gegenwärtiges  Chor- 
Buch  sowohl  guter  Ordnung  wegen  als  der  Posterität  zui-  Nachricht 
neu  angeschafft  worden,  dafs  in  demselben  jedes  mahl  die  Gelder, 
welche  ostialien,  desgl.  auf  Hochzeiten  und  von  Nahmens-Tägen  ge- 
wöhnlicher mafsen  coUigiret  werden,  nebst  denen  darüber  gehaltenen 
Distributionen  eingeführten  Gebrauch  nach,  mögen  und  sollen  ein- 
geschrieben werden." 

Bei  den  Feuersbrünsteii ,  von  welchen  die  Stadt 
Schneeberg  wiederholt  heimgesucht  Avorden  ist,  wurden 
auch  historisch  wertvolle  Papiere  mit  vernichtet.  Trotz- 
dem enthält  das  Schneeberger  Ratsarchiv,  dank  der  ein- 
sichtigen Fürsorge  der  städtischen  Behörden,  von  dem 
Zeitalter  der  Reformation  an  noch  manches  interessante 
Aktenstück.  Dagegen  ergeben  die  vorreformatorischen 
Handschriften  der  alten  Lyceumsbibliothek  zur  Schnee- 
berger Lokalgeschichte  nur  ganz  vereinzelte  Beiträge. 


ö 


IIL 


Das  Geburtsjahr  und  der  französische  Yer- 

niählungsplan  der  Margarete  von  Sachsen, 

späteren  Gemahlin  Johann  Ciceros. 


Von 

Woltlemar  Lippert. 


Über  das  Geburtsjahr  Margareteiis,  der  Tocliter 
Herzog  Wilhelms  von  Sachsen  und  Gemahlin  des  Kur- 
fürsten Johann  Cicero  von  Brandenburg,  fehlt  in  den 
genealogischen  Werken  jedwede  Angabe.  Eine  gelegent- 
liche Notiz  gewährt  jedoch  darüber  wenigstens  annähernde 
Auskunft. 

Die  Ansprüche,  die  Wilhelm  als  Gemahl  von  König 
Albrechts  IT.  Tochter  Anna  auf  Luxemburg  besafs  und 
die  er  in  seiner  Jugend  mit  Waffengewalt,  obwohl  ver- 
geblich, zu  behaupten  gesucht  hatte ^),  nahm  er  nach  dem 
Tode  seines  Schwagers  Ladislaus  (Posthumus)  von  Böhmen 
und  Ungarn  (23.  November  1457)  Avieder  auf,  trat  sie 
jedoch  1459 ■-)  gegen  Geldentschädigung  an  König  Karl  VII. 
von  Frankreich  ab.  Die  einzige  in  Betracht  kommende 
Darstellung  ist  die  von  Werveke"),  der  von  sächsischem 
Material  die  im  Ernestinischen  Gesamtarchiv   in  Weimar 


')  Vergl.  Fr.  Richter,  Der  Luxemburger  Erbfolgestreit  in 
den  Jahren  1438—1443  (Trier  1889). 

-)  Nicht  1458,  wie  C.  E.  Weisse,  Gesch.  der kursächs.  Staaten 
II  (Leipzig  1803),  324  (und  nach  ihm  Gretschel  I,    322)   angeben. 

*)  N.  van  Werveke,  Definitive  Erwerbung  des  Luxemburger 
Landes  durch  Philipp,  Herzog  von  Burgund,  1458—1462,  in  der 
Zeitschrift  Das  Luxemburger  Land  N.  F.  IV  (Luxemburg  1886),  3  flg 


Margarete  von  Sachsen.  109 

befindlichen  Aktenstücke  benutzt,  die  Dresdner  aber, 
die  ihm  für  mehrere  Punkte  genaueren  i\.ufsclihils  ge- 
boten liätten,  nicht  lierbeigezogen  hat.  So  ist  ihm  in 
den  Verhandlungen  der  eine  vorübergehend  aufgetauchte 
Versuch,  Luxemburg  durch  Heirat  an  Frankreich  zu 
bringen,  entgangen.  Zur  Gewinnung  des  Landes  war 
eine  Vorstufe  schon  dadurch  erreicht  worden,  dals  Karl 
auf  die  Vorstellungen  der  böhmischen  Gesandten  hin,  die 
1457  noch  Ladislaus  in  Sachen  seiner  Vermählung  mit 
Karls  Tochter  an  den  französischen  Hof  geschickt  hatte  ^), 
bewogen  worden  war,  Anfang  1458  Schirm  und  Hut  des 
Luxemburger  Landes  zu  übernehmen  und  in  der  That 
einige  Städte  und  Festen  Burgund  feindlich  gesinnter 
Herren  zu  besetzen'). 

Die  geplante  Vermählung  bezog  sich  auf  Wilhelms 
Tochter  Margareta  und  einen  Sohn  des  französischen 
Königs;  sie  sollte  wohl  im  allgemeinen  die  schon  be- 
stehenden freundschaftlichen  Beziehungen  beider  Fürsten- 
häuser enger  gestalten,  zugleich  aber  sollten  dieser 
Tochter  die  Ansprüche  ihrer  Mutter  an  Luxemburg  über- 
lassen werden.     Der   Sohn   des    Königs    ist  in    den   im 


ö 


^)  über  diese  Gesandtschaft  s.  Palacky,  Gesch.  v.  Böhmen  IV, 
1  (Prag  1857),  414  f.  424.  AVerveke  a.  a.  0.  5. 

^)  Nach  Karls  Brief  an  die  böhmischen  Stände  vom  9.  Jan. 
1458  war  es  die  böhmische  Gesandtschaft,  die  ihn  dazn  aufforderte, 
s.  Palacky,  Urkundliche  Beitr.  z.  Gesch.  Böhmens  und  seiner 
Nachbarländer  im  Zeitalter  Georgs  von  Podiebrad  (Font.  rer.  Austriac. 
XX,  1866)  n.  125  S.  122;  nach  der  dem  Herzog  Wilhelm  iiber- 
reichten  Auseinandersetzung  des  Dompropstes  von  Trier,  Philipp 
von  Sierck,  und  Friedrichs  von  Clerf,  zweier  Häupter  der  Burgund 
feindlichen  Partei,  waren  es  besonders  die  luxemburgischen  Mit- 
glieder jener  Gesandtschaft,  von  denen  der  Wunsch  eines  französischen 
Protektorates  ausging,  das  währen  sollte,  bis  der  rechte  König- 
Böhmens,  der  von  Luxemburg  als  Glied  der  böhmischen  Krone  auch 
als  Herr  anzunehmen  sei,  von  den  böhmischen  Ständen  gewählt 
werde,  s.  Dresdner  Hauptstaatsarchiv,  Al)t.  Wittenberger  Archiv 
(abgekürzt  H.  St.  A.,  W.  A.),  Luxemburgische  Sachen  151.  207, 
207'>.  Als  dann  ohne  Berücksichtigung  des  weiblichen  Erbrechts 
nicht  Wilhelm,  den  sie  für  den  J^estbei'echtigten  erklärten,  sondern 
Georg  von  Podielirad  gewählt  wui'de,  erkannten  diese  Ijuxemburger 
ihn  nicht  als  ihren  rechten  Herrn  an,  sondern  eisuchten  Karl  um 
Verlängerung  des  Schutzes.  Nach  diesem  Schriftstück  scheint  es 
auch,  als  sei  die  erste  Anregung  an  Wilhelm,  die  Rechte  Annas 
geltend  zu  machen,  von  dieser  luxeml)urgiscbeii  Partei  selbst  aus- 
gegangen, vergl.  Bl.  208.  Der  gröfsere  Teil  des  Landes  blicl»  iil)rigeiis, 
wie  (ier  Dompropst  auch  ehrlich  eingesteht,  in  den  lläniU'n  des 
Herzogs  von  Burgund,  den  zu  verdrängen  betiächtlichc  Anstrengung 
erfordern  würde,  Bl.  208, 


110  W.  Lippert: 

folgenden  zu  erwähnenden  Aktenstücken,  die  uns  von 
diesen  Verhandlungen  berichten,  nicht  mit  Namen  genannt; 
es  war  der  jüngste  Sohn  Karls,  Karl  von  ßerry*^).  Un- 
mittelbar ehe  dieser  Heiratsplan  auftauchte  oder  fast 
gleichzeitig  damit  hatte  Karl  VII.  mit  diesem  Sohne  viel 
höher  strebende  Zwecke  verfolgt.  Er  suchte,  von  den 
ei'Wähnten  böhmischen  Gesandten  bewogen,  für  ihn  die 
böhmische  Krone  selbst  zu  erlangen').  Der  König  wuIste 
aber,  dafs  Wilhelm  mit  Ladislaus'  Schwester  vermählt 
war  und  folglich  Anrechte  haben  könnte ;  diese  weiblichen 
Ansprüche  wurden  jedoch  durch  den  Gesandten  Zdenko 
von  Sternberg  abgeleugnet.  Trotzdem  scheint  Karl  ein 
gewisses  Bedenken  in  dieser  Hinsicht  gehabt  zu  haben, 
denn  seinem  als  Wahlagenten  nach  Prag  geschickten 
Kammerherrn  Dietrich  von  Lenoncourt,  Bailli  von  Vitry  ^), 
gab  er  zugleich  den  Auftrag  zuVerhandlungen  mit  Wilhelm : 
....  sin  herre  der  konig  sey  uudirwieset  uwer  gnade  [Wilhelm] 
habe  konig  Laszlas  seligen  swester,  die  eyn  erbe  zu  sinen  gelaszen 
konigrichen  und  landen  sin  sulle,  und  mit  der  ettlich  frawlin  ader 
tochter  erczugt;  werde  er  [der  Gesandte]  nu  darinne  erlernen,  das 
die  erbschaift  wol  gegründet  sey,  so  sulle  er  sich  des  widirwegs  in 
uvver  gnaden  furstenthum  fugen,  bittende  yn  uwer  tochter  und 
frewlin  zu  besehen  lassen.  Wurden  ym  danne  die  gefellig,  so  sey 
der  konig  in  willen  und  gancz  geneygt,  sich  mit  eynem  siner  sone 
zu  uwern  gnaden  durch  eyne  uwer  tochter  zu  gefruuden,  auch  furder 
zu  verbinden,  damitt  er  uwern  gnaden  biestendig  und  behulffen 
wurde,  die  angestorben  uwer  gerechtickeid  zu  erfordern. 


'^)  Der  älteste  Sohn,  der  spätere  Ludwig  XI.,  war  damals  in 
zweiter  Ehe  mit  Charlotte  von  Savoyen  vermählt,  die  andern  Söhne, 
Jakob  und  Philipp  waren  längst  verstorben,  Karl  hingegen  (geboren 
1446)  stand  in  einem  Alter,  in  w-elchem  die  Eltern  sich  in  jenen 
Zeiten  bereits  mit  Verheiratungsplänen  ihrer  Kinder  trugen. 

')  Näheres  über  diesen  Versuch  s.  Palacky  IV,  2  (1860),  29-, 
Palacky,  Urkundliche  Beiträge  n.  137  S.  131  und  besonders  auch 
den  dritten  Bericht  der  sächsischen  Gesandten,  von  dem  Palacky  n. 
139  S.  134  nur  ein  kleines  Stück  gegeben  hat.  Der  weggelassene 
Teil  (H.  St.  A.  III,  129,  Ungarische  Sachen,  fol.  17  n.  1  Vol.  I  Bl. 
70 1)  f.)  enthält  höchst  interessante,  sehr  oifenherzige  Meinungs- 
äufserungeu  des  über  seinen  Mifserfolg  verstimmten  französischen 
Gesandten  in  Prag,  der  die  böhmische  Botschaft  in  Frankreich,  be- 
sonders Herrn  Zdenko  von  Sternberg  mit  klaren  Worten  beschuldigte, 
Karl  VII.  durch  falsche  Vorspiegelungen  von  dem  angeblichen  Mangel 
jedweder  berechtigter  Erbansprüche  betrogen  und  zur  Thronbewer- 
bung für  seinen  Sohn  verleitet  zu  haben.  Daran  schliefsen  sich 
dann  die  Heiratsvorschläge  (s.  im  folgenden).  In  derselben  Weise 
sprach  sich  Philipp  von  Sierck  einige  Wochen  später  in  Koblenz  aus, 
H.  St.  A.,  W.  A.  Französische  Sachen  Bl.  29  (Bericht  der  Gesandten 
an  Wilhelm  über  diese  Zusammenkunft,  s.  im  folgenden). 

8)  H.  St.  A.  in,  129  fol.  17  n.  1,  Vol.  I  Bl.  71-,  den  „Belys" 
oder  „Bellis"  nennen  ihn  die  sächsischen  Berichte. 


Margarete  von  Sachsen.  Hl 

Einer  Interpretation  bedarf  diese  Stelle  nicht.  Die 
wahre  Absicht  des  Königs  ist  darin  zwar  nicht  offen 
ausgesprochen,  sein  Zweck  aber  dabei  war,  durch  diese 
Verbindung  den  zu  erwartenden  Widerspruch  des  säch- 
sischen Herzogs  gegen  die  von  ihm  erhoffte  Wahl  seines 
Sohnes  zum  Böhmenkönig  zu  verhüten,  indem  dann  diese 
Tochter  statt  sonstiger  Mitgift  an  Geld  oder  Land  jene 
mütterlichen  Anrechte  erhalten  sollte^).  Dann  wären 
ja  in  dem  neuen  böhmischen  Herrscherpaare  allseitige 
Forderungen  aufs  schönste  vereinigt  und  erfüllt  gewesen: 
dem  Erbrecht  wäre  Genüge  geleistet  durch  die  Königin, 
dem  Wahlrecht  der  Stände  durch  die  freie  Wahl  eines 
ganz  Unbeteiligten  und  auch  dem  Staatswohl  durch  die 
versprochenen  reichen  französischen  Geldzuschüsse,  die 
zum  Besten  der  Krone  (zu  Wiedereinlösungen  und  dergl.) 
verwendet  werden  sollten. 

Diese  Kombinationen  Karls  VII.  vereitelte  aber  eben 
so  bitter  wie  die  Erwartungen  Wilhelms  die  Wahl  des 
„ungläubigen  und  unchristlichen"  Gubernators  Georg  (wie 
ihn  der  erzürnte  französische  Botschafter  gegenüber  den 
sächsischen  Räten  in  Prag  nannte).  Trotzdem  sollte 
aber  die  Verbindung  mit  Wilhelm  weiter  gefördert  werden. 
Der  Bailli  wollte  fünf  oder  sechs  Tage  nach  Wilhelms 
Gesandten  von  Prag  abreisen^'');  freilich  wurde  dann  aus 
diesem  Besuch  nichts,  angeblich  wegen  notwendiger 
Geschäfte,  wie  der  Gesandte  selbst  dem  Herzog  schrieb; 
wie  aber  bei  den  folgenden  Koblenzer  Besprechungen  der 
Trierer  Dompropst  Philipp  von  Sierck  in  Lenoncourts 
Namen  erklärte,  hatte  diesen  von  der  Reiserichtung  nach 
Meissen  und  Thüringen  die  Besorgnis  vor  den  Böhmen 
abgehalten,   die  etwas  von  den  Verhandlungen  gemerkt 


**)  Es  wäre  dann  also  derselbe  Ausweg  gefunden  worden,  ura 
Aviderstreitende  Interessen  zu  vereinen,  der  ein  Jahr  darauf  wirklich 
gewählt  wurde,  als  Wilhelm  die  zweite  Tochter  Katliarina  dem 
Herzog-  Hinko  von  Münsterberg,  dem  Sohne  des  15(ihmenkönigs 
Georg  verlobte,  veigl.  W.  A.  Luxemburgische  Sachen,  in  dem  lit'richt, 
den  Wilhelm  den  französischen  Gesandten  über  das  Egerer  Ab- 
kommen mit  Geoi'g  gab,  El.  1H6  ....  nos  filiam  nostram  inniorcm 
tilio  regis  predicti  (Georgs)  desponsamus  et  siln  omne  ins,  quod 
illustri  consorti  nostre  matri  sue  et  nobis  respectu  eiusdem  ad  coro- 
nam  Boheinie  ac  ad  totam  Slesiam  cum  suis  attinenciis  conpetere 
videhatni-,  filie  ot  hercili  nostre  in  doteni  dedinnis  .  .  .  .  ;  dasselbe 
Schriftstück  in  deutsclier   Übersetzung,  iliid.   IH.  lH9i'  und  170. 

^*)  Bericht  der  nach  Prag;  gesandten  Räte  III,  129  f  17  n.  1, 
Vol.  I.  Bl.  71  b. 


112  W.  Lippert: 

haben  künnten  ").  Der  Botschafter  hatte  Wilhehii  ersucht, 
seine  Gesandten  zum  Dienstag  nach  Palmarum  (dem 
28.  März)  nach  Koblenz  zu  schicken,  als  Wilhelm  grade 
bei  seinen  hessischen  Verwandten  in  Spangenberg  weilte  ^-). 
Auf  des  Herzogs  Wunsch,  in  Koblenz  bis  zum  Sonntag 
Misericordia  domini  (16.  April)  zu  warten,  versprach 
Lenoncourt,  seinen  Aufenthalt  bis  zum  17.  April  zu  ver- 
längern; doch  als  Wilhelms  Eäte  hinkamen,  fanden  sie 
im  Auftrag  und  mit  einem  Schreiben  Lenoncourts  den 
Dompropst  Philipp,  mit  welchem  sie  die  Unterhandlungen 
begannen;  hier  sei  davon  nur  die  Ehesache  berührt.  In 
der  Instruktion  hatte  Wilhelm  sie  ermächtigt,  seine  Freude 
über  diese  Herablassung  des  Königs  auszusprechen  ^'^) ; 
zur  Festsetzung  der  Heimsteuer  sollte  ein  anderer  Tag 
von  beiden  Seiten  verabredet  werden,  dann  möge  Karl 
zu  Wilhelm  und  Wilhelm  zu  Karl  Botschafter  schicken, 
welche  die  Tochter,  bez.  den  Sohn  des  Betreffenden 
„besehen"  sollten;  denn  Avürde  die  Besichtigung  erst  ge- 
schehen und  die  Verhandlungen  kämen  dann  vielleicht 
nicht  zum  Abschlufs,  so  sei  für  beide  Teile  Schmach  und 
Nachrede  zu  besorgen  ^^).  Dieselbe  vorsichtige  Zurück- 
haltung bei  allem  Eifer  für  die  Sache  selbst  verrät  auch 
diexlnweisung,  keinesfalls  über  diese  vorbereitenden  Schritte 
hinauszugehen  und  auch  über  die  Verhandlungen  ein 
genaues  Protokoll  aufzunehmen;  denn  man  müsse  sich 
mit  den  Leuten  vorsehen,  da  sie  schnellen  Sinnes  seien 
und  die  Worte  umzudrehen  Wülsten.  Am  Schlüsse  der 
Instruktion  (Bl.  28)  giebt  Wilhelm  eine  Zusammenstellung 
der  damaligen  Verwandtschaftsverhältnisse  der  Wettiner, 
die  wohl  berechnet  war,  den  französischen  Herren  eine 
günstige  Meinung  von  der  ansehnlichen  Machtstellung 
der  Wettiner  zu  verschaffen;  ganz  zuletzt  ist  dann  noch 
eine  Notiz  über  die  Prinzessin  beigefügt:  sie  sei  neun 
Jahre  alt  und  heilse  Margareta  ^•^) ;  die  Eäte  sollen  sich 

")  W.  A.  Französische  Sachen  Bl.  25  b  und  30. 

^2)  W.  A.  Französische  Sachen  Bl.  25''-  Spangenherg  im  Keg.- 
ßez.  Kassel,  östlich  von  Melsungen. 

'^'^)  Französische  Sachen  Bl.  26  ^ :  das  sin  gnade  [der  konig  von 
Franckrich]  so  demutig  were,  sich  zu  uns  in  vorgemeldter  wiese  zu 
gefninden. 

")  Französische  Sachen  Bl.  27  und  27  b. 

'^•')  Ihre  Schwester  Katharina,  die  dann  Georgs  von  Podiebrad 
Sühn  Hinko  von  Münsterberg  heiratete,  damals  aber  als  für  einen 
Sohn  Albrechts  von  Brandenburg  bestimmt  erscheint  (für  Johann, 
ihren  späteren  Schwager,  der  1458  von  Albrechts  Söhnen  allein 
lebte)  ist  als  die  jüngere  bezeichnet. 


Margarete  vou  Sachsen.  113 

gleichfalls  nach  Alter  und  iSTamen  des  Prinzen  (Karl, 
b!.  üben)  erkundigen.  Margarete  Avar  demnach  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  1448  auf  1449  geboren  ^*M;  jeden- 
falls wird  diese  Ansetzung,  die  sich  auf  eine  olFiziell  ab- 
zugebende Erklärung  gründet,  künftig  in  Ermangelung 
genauerer  Kenntnis  als  Geburtszeit  angenommen  werden 
müssen. 

Der  von  Wilhelm  befohlene  Bericht  ist  ihm  auch 
schriftlich  erstattet  worden;  das  auf  die  Instruktion 
folgende  Aktenstück  bringt  denselben^'),  in  dem  wir  nun 
auch  über  die  Ehesache  etwas  lesen.  War  zuerst  auf 
französischei'  Seite  der  Gedanke  als  leitend  aufgetreten, 
durch  Erlieiratung  der  sächsischen  Erbansprüche  den 
etwa  erlangten  böhmischen  Thron  zu  festigen,  so  mulste 
nun  das  Streben  dahin  gehen,  wenigstens  anderweitigen 
Gewinn  aus  der  Ehe  herauszuschlagen.  Die  Mitgifts- 
frage, die  Wilhelm  erst  bei  einem  zweiten  Verhandlungs- 
tage erledigt  haben  wollte,  wurde  von  Karls  Bevoll- 
mächtigtem gleich  bei  der  ersten  Zusammenkunft  in 
Koblenz  zur  Sprache  gebracht.  Wenn  man  für  den 
Prinzen  Karl  auch  nicht  die  böhmische  Krone  selbst  hatte 
erlangen  können,  deren  Schicksal  dann  natürlich  die 
Nebenlande  hätten  teilen  müssen,  so  wollte  man  doch 
eines  der  Glieder  für  sich  gewinnen,  das  von  allen 
Landen  der  Wenzelskrone  dem  französischen  König  am 
gelegensten  war:  Luxemburg.  Das  HeVzogtum  sollte 
Margarete  mitbekonnnen,  eine  recht  unsichere  Mitgift  in 
Anbetracht  der  Macht  Philipps  von  Burgund,  dem  es 
erst  abzunehmen  war;  ihrem  Vater  suchte  man  diese  an- 
gesonnene Preisgebung  dadurch  annehmbar  zu  machen, 
dafs  man  ihm  Hilfe  gegen  die  Böhmen  zusagte  ^^).  Der 
Vorschlag  schien  für  Wilhelm  so  übel  nicht:  pars  pro 
toto!  Hingabe  von  Luxemburg  für  die  Durchsetzung  der 
Ansprüche  auf  Böhmen  selbst^'*). 

i")  Wilhelms  Ehe  mit  Anna  (gchoien  l'i.  April  1432  nach  K.  von 
Behr,  Genealogie  der  in  Europa  regierenden  Fürstenhäuser  S.  141) 
war  am  20.  Jnni  144H  geschlossen  worden. 

'■')  Französische  Sachen  Bl.  29,  80. 

'S)  Französische  Sachen  Bl.  29'':  Item  er  hat  anch  gesagt 
under  fylle  andern  wortten,  wafs  nuczefs  nnd  guttefs  nnsserm  gene- 
digen  herren  darnfs  nnd  davon  knmen  mnchte,  nemclichcn  das  er 
sein  tochter  mit  dem  lande  zcu  Luczelliuig  vorgeben  muchte,  nnd 
auch  l)cistant  hulftc  nnd  ratte  von  nnsserm  herren  dem  knnig  vou 
Franckriche  gescheen  nnichte  wider  die  Behenien  nnd  andere. 

'")  Warum  Wilhelm  nicht  zum  ernsteren  Vorgehen  gegen 
Georg  kam,  sondern  schliefslich  nebst  seinem  Bruder  Friedrich  unter 

Neues   Aicliiv  f.  S.  0.  u.  A.     XIII.   ].  •.'.  ö 


114  W.  Lippert: 

Dafs  dennoch  der  Heiratsplan  sich  zerschlug,  war 
ein  Schicksal,  das  er  mit  sehr  vielen  jener  schier  zahl- 
losen, zum  Teil  nur  beabsichtigten,  zum  Teil  auch  fest 
verbrieften  Verlobungen  des  14.  und  15.  Jahi'hunderts 
teilt,  wo  es  nur  wenigen  Prinzessinnen  beschieden  war, 
dem  ursprünglich  bestimmten  Gemahl  dereinst  auch 
wirklich  vermählt  zu  werden  -").  Luxemburg  konnte  also 
auf  diese  Weise  nicht  an  Frankreich  kommen;  wie  es 
Karl  VII.  dann  durch  Kauf  für  kurze  Zeit  an  sich 
brachte,  sein  Sohn  Ludwig  XI.  es  wieder  aufgab  und 
das  vielerstrebte  Land  nun  von  Wilhelm  und  seiner 
Gemahlin  Anna  an  Herzog  Philipp  von  Burgund-^) 
verkauft  wurde,  das  hat  Werveke  zwar  noch  nicht 
völlig  abschlielsend,  aber  in  den  Hauptzügen  richtig  dar- 
gelegt. 

Die  interessante  Übersicht  über  die  Verwandtschafts- 
beziehungen der  Wettiner  zu  anderen  Fürstenfamilien 
lautet: 


Vermittlung-  des  Markgrafen  Albrecht  Achilles  in  enge,  selbst  ver- 
wandtschaftliche Beziehungen  zum  Böhmenkönig  trat,  das  hat  ein- 
gehend A.  Bach  mann,  Böhmen  und  seine  Nachbarländer  unter 
Georg  von  Podiebrad  1458—1461  (Prag  1878)  S.  18  f.  dargelegt. 
Dieser  Umschwung  in  Deutschland  selbst  machte  ein  Einschreiten 
des  französischen  Königs  zu  Wilhelms  Gunsten  überhaupt  unmöglich.  — 
Jener  Gedanke  Karls  VII.,  seinen  jüngeren  Sohn  Karl  mit  Luxem- 
burg zu  versorgen,  scheint  auch  später,  wo  von  der  Ehe  mit  der 
säciisischen  Prinzessin  schon  nicht  mehr  die  Rede  war,  vorhanden 
gewesen  zu  sein-  in  einem  Briefe,  worin  Wilhelm  den  König  für 
das  Eingehen  auf  die  zu  Tours  im  Mai  geführten  luxemburgischen 
Verkaufsverhandlungen  dankt,  nimmt  er  Bezug  auf  Karls  Plan, 
jenen  Sohn  dereinst  zum  Herzog  von  Luxemburg  zu  machen,  drückt 
seine  höchste  Freude  darüber  aus  und  verspricht  u)iermüdliche 
Förderung,  wenn  der  Sohn  in  die  Gemeinschaft  der  deutschen 
Reichsfürsten  aufgenommen  würde,  s.  W.  A.  Luxemburgische  Sachen 
Bl.  234.  Das  Schreiben  ist  hier  undatiert,  wird  aber  auch  wie 
Bl.  238  in  den  Juni  14.59  gehören. 

-^)  Beispielsweise  sei  darauf  hingewiesen,  dafs  von  den  im 
folgenden  erwähnten  vier  Verlobungen  nur  zwei  in  der  festge- 
setzten Weise  ausgeführt  wurden.  Ein  Jahrhundert  früher  war 
auch  schon  einmal  eine  französische  Heirat  im  Werke  gewesen: 
Landgraf  Balthasar  selbst  sollte  sich  mit  der  Tochter  des  Herzogs 
Johann  von  der  Normandie,  des  späteren  Königs  Johann,  vermählen ; 
der  Plan  scheiterte  aber  eben?o,  wie  der  vorliegende,  s.  J.  G.  Hörn, 
Lebens-  und  Heldengeschichte  Friedrichs  des  Streitbaren  (Leipzig 
1733)  S.  44.  Über  einen  andern  ähnliclien  Versuch  l.'iHO  s.  Wenck, 
Die  Wettiner  im  14.  Jahrluuidcrt  (Leipzig  1877)  S.  .'iB. 

-^)  Philipp  stellte  dadurch  seinen  nunmehr  fast  zwanzigjährigen 
faktischen  Besitz,  zumal  es  bisher  nur  ein  Pfandbesitz  war,  auch 
von  dieser  Seite  her  gegen  neue  Anfechtungen  sicher. 


Margarete  von  Sachsen.  115 

Item  unnser  swager  marcgraff  Friderich  von  Brantlemburg 
kurfurst  had  nnnser  swester--;. 

Item  unnser  oheymen  von  Hessen  sind  unnser  swester  sone-^). 

Item  lierczog  Ludewig  von  Beyern  had  unnsers  bruders 
tochter^i). 

Item  marcgraff  Albrechts  von  Brandemburg  son  sal  unnser 
jüngste  tochter  habiu--^). 

Item  unnsers  bruders  iungster  son  sal  marcgraff  Albrechts 
tochter  haben -'^). 

Item  marcgraff  All)recht   sal  unnsers  bruders  tochter  haben-"). 

Item  unnsers  bruders  eldester  son  sal  herczog  Albrechts  von 
Beyern  tochter  habiu-''). 

Item  unnser  bruder  had  des  Romischen  keysers  swester-"). 

Item  so  ist  unnser  gemahel  konig  Laszlaes  seligen  swester. 

Item  wir  fursten  alle  von  Sachsen,  Miesseu,  Doringen,  Brand- 
[emjburg  und  Hessen  sind  mit  allin  unnsern  lannden  zusampne  ver- 
brudert und  mit  ewiger  erbeynunge  verbunden  und  verstiickt,  das 
w^ir  uns  in  keinen  Sachen  scheiden  lassenn*^*^]. 

Item  ob  sie  fragen  wurden,  wie  alt  unser  tochter  were,  so  ist 
sie  nun  iare  alt  und  heiszt  Margaretha'^')- 

Desglichen  fraget  auch,  wie  alt  des  kouigs  son  sey  und  wie 
yn  heisse. 


--)  Friedrich  IL  von  Brandenburg  war  seit  1441  mit  Wilhelms 
Schwester  Katharina  verheiratet;  für  alle  diese  genealogischen  An- 
gaben vergl.  K.  von  Behrs  Genealogie  der  in  Europa  regierenden 
Fürstenhäuser  2.  Aufl.  1870. 

-^)  Wilhelms  Schwester  Anna  war  seit  14Bß  die  (lemahlin  des 
Landgrafen  Ludwig  I.  von  Hessen;  damals  regierten  dessen  Söhne 
Ludwig  IL  und  Heinrich  III.;  Oheim  ist  also  in  der  üblichen  (ileich- 
bedeutung  mit  Nette  gebraucht. 

-^)  Fi'iedricbs  IL  von  Sachsen  Tochter  Amalia  war  seit  14.Ö2 
die  Gemahlin  Ludwigs  des  Reichen  von  Bayern-Ijandshut. 

-■'')  Johann  Cicero  heiratete  aber  später  nicht  diese  jüngere 
Tochter  Wilhelms  (hierüber  s.  Auni.  15),  sondern  147H  die  Margarete 

-•*)  Friedrichs  IL  von  Sachsen  jüngster  Sohn  Albrecht  (der 
Beherzte)  wurde  jedoch  statt  dessen  im  nächsten  Jahre  mit  Georgs 
von  Podiebrad  Tochter  Zedena  vermählt. 

'")  Albrechts  (Achilles)  erste  Gemnliliu  ^largarete  von  Baden 
war  im  Vorjahre  gestorben;  er  vermählte  sich  noch  im  Jahre  1458 
12.  Nov.  in  der  Tbat  mit  Fiiedrichs  IL  von  Sachsen  Tochter  Anna. 

28)  Friedriclis  IL  von  Sachsen  Sohn  Ernst  heiratete  1460 
Elisalieth,  die  Tocht(!r  Albrechts  IL  von  Bayern. 

2»)  Friedrichs  IL  von  Sachsen  Gemahlin  war  seit  1431  Margarete, 
die  Tochter  Ernsts  I.  von  Steiermark  und  Schwester  Kaiser 
Friedrichs  IlL 

»")  Am  29.  April  1458  traten  die  Brandenburger  der  Erbver- 
brüderung von  Sachsen  und  Hessen  bei,  vergl.  Bottige  r-Fl  athe, 
Gesch.  des  Kurstaates  und  Köniiireiches  Sachsen  I  (Gotha  1SB7),  'MU. 

3')  Die  undatierte  Instruktion  gehiirt  etwa  in  die  zweite  Hälfte 
des  IMärz  1458,  denn  Georgs  am  2.  März  in  Prag  erfolgte  Königs- 
wahl war  schon  in  Thüringen  bekannt,  wozu  doch  nicbrcre  Tage 
gehörten,  und  die  sächsischen  Gesandten,  die  diese  liistiuktion  er- 
hielten sollten  bis  zum  Sonntag  (bez.  Montag  nadi)  Misericonlia 
domini,  16.  (17.)  .April,  in  Kolilcnz  simu. 


11(3  W.  Lippert:  Margarete  von  Sachsen 

Nachtrag. 

Nach  Abschluls  obigen  Aufsatzes  ersali  ich,  dals  von 
Behr  im  Supplement  (1890)  S.  33  Katharinens  Geburts- 
tag auf  den  18.  April  1453  ansetzt;  nach  gütiger  Mit- 
teilung hat  er  das  Datum  jedoch  lediglich  R.  G.  iStillfried, 
Stammtafel  des  Gesammthauses  der  Hohenzollern  (Berlin 
1879)  entlehnt,  dieser  fügt  aber  keinerlei  Nachweis  bei, 
woher  dasselbe  stammt.  Das  Monatsdatum  kann  ja 
richtig  sein,  die  Jahreszahl  aber  schwerlich,  denn  das 
Jahr  1453  ist  das  Geburtsjahr  der  jüngeren  Tochter; 
nun  werden  beide  Schwestern  stets  als  ältere  und  jüngere 
geschieden,  können  also,  da  sie  nicht  als  Zwillinge  er- 
scheinen, nicht  im  selben  Jahre  geboren  sein.  Die  durch 
seine  Bevollmächtigten  abgegebene  Erklärung  des  Vaters 
selbst  muls  jedenfalls  als  malsgebend  betrachtet  werden. 


IV. 

David  Scliirmer.   Ein  sächsischer  Dichter. 

1623    1686. 


Von 

Reinhard  Kade. 


Die  kleine  kultuiliistorisclie  Skizze  von  Paul  Lemcke 
über  David  Schirmer  in  der  Wissenschaftlichen  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung  1885,  No.  103  ist  der  einzige  in 
der  neueren  Zeit  gemachte  Versuch,  über  diesen  Dichter 
des  17.  Jahrhunderts  zu  handeln.  Freilich,  auf  mehr  als 
auf  einen  schwachen  Versuch  darf  die  Arbeit  keinen  An- 
spruch erheben,  und  so  scheint  es  mir  nicht  unangebracht, 
wenn  ich,  mit  reicherem  Material  ausgerüstet,  nochmals 
die  Augen  auf  diesen  vergessenen  sächsischen  Dichter 
lenke.  Denn  mit  Unrecht  wirft  man  ihn  zu  dem  alten 
Eisen ;  auch  v.  Waldberg  sowohl  in  seinem  Buche  über 
die  deutsche  Renaissance-Lyrik  als  auch  neuestens  in  der 
Allgemeinen  deutschen  Biographie  (unter  Schirmer)  spricht 
doch  nur  vorübergehend  oder  mit  sehr  geringschätzigen 
Worten  über  Schirniers  Können,  Nun  will  aucli  ich 
diesen  Dichterling  keineswegs  verherrlichen,  aber  ich 
möchte  ihn  zu  seinen  rechtmäßigen  Ehren  bringen  und 
wenigstens  einmal  sein  Leben  klarzustellen  versuchen, 
das  von  den  hälslichsten  Fehlern  im  einzelnen  verwirrt 
ist.  Dabei  will  ich  mich  auf  seine  eigenen  Angaben  in 
seinen  Gedichten  stützen ,  die  natürlich  in  bezug  auf 
seine  zahlreichen  Liebesabenteuer  nur  sehr  l)edingten 
historischen  Wert  besitzen.  Doch  sind  geiade  bei 
Scliirmer  klehie  Züge  des  wirklichen  Lebens  unverkenn- 


118  R.  K.ide: 

bar  in  die  Reime  liinein  gelaufen  und  nunmehr  zwisclien 

den    Zeilen   herauszulesen.     Trotzdem    erhellt    sich    sein 

Lebensgang  nur  in  grölsten  Umrissen. 

Jöcher   im   Gelehrten-Lexikon,   auf   das    sich  meist 

alle  beziehen,  giebt  bekanntlich  nur  an.  Schirmer  sei  ein 

deutscher  Poete  von  Freiberg  in  Meiisen.     Wir  wissen 

es  genauer :  er  war  in  dem  Dorfe  Pappendorf  bei  Freiberg 

geboren ,    welches    ein    kleines    Flülschen ,    die    Striegis, 

durcheilt.    Er  singt  selbst  davon  in  dem  Gedichte:  „der 

liebende  Dämon  an  der  Strygils"^): 

Dainon  safs  am  külileu  Strande, 
Da  der  klare  Silber -Fhifs 
Lieblich  beibin  fliefseu  mufs 
Im  geliebten  Vaterlande. 

Auch  das  Geburtsjahr  schwankte.  Man  nannte  ihn 
„um  1623"  geboren.  Ich  kann  aus  dem  Kirchenbuche 
zu  Pappendorf  (von  1566  an  beginnend)  unter  dem  Jahre 
1623  Schirmers  Taufzeugnis  beibringen: 

David  filius  secuudus  jVl.  Davidis  Scbirmeri  Pastor.  Papp,  et 
Jlatris  Barbarae  natns  29.  Maji  4.  mane  in  ipso  puncto  horae  quartae. 
Baptizatus  3.  Juiiii  fer.  3.  Pentecost.  a  Dno.  Elia  Wagnero ,  Pastor. 
Grossenschirma,  Patronis  et  susceptoribus  Dn.  Johanne  Fausto  Prae- 
fecto  Electorali  in  Börlen,  Dn.  Balthasaro  Witte  Consule  in  Hainichen 
et  Dn.  Anna  Schönlebia  Friberg.  uxore  Wolf  Seifrid^:. 

Dazu  hat  der  Vater  folgendes  „Votum  xmrentis'^  ein- 
tragen lassen-): 

Davidem  mundo  lux  nona  vigesima  JMaji 
Dat  sacrä  Junii  tertia  lustrat  aqua, 

Insimul  alma  Salus  niveis  bunc  suscipit  ulnis 
Sic  pius  et  sospes  vivat,  ut  ille  diu. 

0  fiat ,  fiat.    Sic  David  amabilis  audis : 
In  probitate  patri,  in  pietate  deo. 

Sein  Vater,  1588  geboren  und  ebenfalls  David  ge- 
heilsen,  war,  wie  wir  sahen,  Pastor  in  Pappendorf,  dessen 
Kirche  von  den  Schweden  zerstört,  aber  von  Johann 
Georg  I.  wiederhergestellt  wurde.  Durch  die  Gleichheit 
des  Namens  ist  nun  schon  Jöcher  irregeleitet  worden 
und  schreibt  em  Werk  dem  Sohne  zu,  das  der  Zeit  nach 
dem  Vater  gehört: 

Conditorium  saxonicum  de  novo  tabitlis  aereis  incisum  .... 
das  ist:  Kurtze  Beschreibung  der  in  Kupffer  gestochenen  überaus 
herrlichen  und  kunstreichen  Begräbniss-Kapelle  .  .  .,  so  in  der  Dom- 


')  Vergl.  Rosengebüsche  11.5. 

-)  Gütige  Mitteilung-  des  Herrn  Pastor  Freund  in  Pappendorf. 
Ein  anderes  Quartbuch  in  Pappendorf  auf  dem  Pfarrarchiv  betitelt: 
„Pfarrer  zu  Pappendorf,  Biographien  von  1450  an"  besagt  noch,  dass 
Schirmer  verheiratet  war  mit  Anna  Maria  Leschke  aus  Dresden  1668. 


David  Schirmer.  1  1  0 

kirchen  der  alten  Häiipt-Bergstadt  Frevbergk  zu  sehen.  .  Xov  dessen 
von  M.  Michaele  Hempeln^),  der  Schulen  zu  Freybergk  gewesen 
Rectore,  gegeben.  Jetzo  aber  von  newen  übersehen,  vermehret  i;nd 
in  eine  richtiiiere  Ordnung  gebracht  von  M.  David  Schirmern,  S.  8. 
Theol.  Studioso.  Freybergk.  In  Vorlegung  Melchior  Hoffinanns. 
1C19.  4.  (Freiberg.  Altertumsvereins  -  Bibl.  Ba.  12  und  Dresd.  Bibl. 
Hist.  Sax.  H.  241)^). 

Von  dem  Vater  rührt  aus  dem  gleichen  Grunde  her 
das  Trauergedicht :  „Drohung-  thut  Gott  fürstellen"  in 
den  Threnodiae  des  Freiberger  Domkantors  Christoph 
Demantius  von  1620  (S.  307),  wo  der  Dichter  David 
Schirmer  noch  gar  nicht  lebte.  Ebenso  stammt  vom  Vater 
das  „Cordolium  Schirm erianum  super  obitu  viri  Samuelis 
Wagneri  .  .  1644"  (Freiberger Leichpredigten,  Gymnasial- 
bibliothek Bd.  5),  und  auch  der  Vater  ist  es,  an  den  An- 
dreas Möller,  der  Freiberger  Chronist,  zwei  lateinische 
Briefe  richtete  (Hamburger  Stadtbibliothek,  Möllers  Brief- 
sammlung II  No.  177.  178).  Unseres  David  ältester 
Bruder  Melchior  scheint  wenig  Glück  im  Leben  gehabt 
zu  haben ;  wenigstens  klingt  ein  Lied  von  ihm  sehr  weh- 
mütig, in  dem  er  den  Bruder  an  das  Vaterhaus  erinnert 
(1651): 

Hier,  wo  der  Striegis  -  Flufs  sein  strenges  Eis  durcheilet 
Und  unser  Vater -Feld  mit  kleinen  Fluthen  theilet; 
Hier  wo  kein  Lorber-Wald  begrünte  Blätter  hegt 
Noch  sonst  ein  frischer  Ast  sich  ümb  di(!  Stirne  schlägt: 
Da  Bruder,  leb'  ich  noch.     Wo  du  mich  hast  gelassen, 
Da  miifs  ich  noch,  wie  vor,  die  Einsamkeit  iimfassen. 

Ein  anderer  Bruder  liiels   Georg,    wie   der  Vater 

Theolog,    ein    dritter    Samuel,    glücklicher   Gutsbesitzer. 

David   kam  zunächst  auf  die  Schule  nach  Freiberg,   wo 

der    thatkräftige   Johannes    Schellenberg    Rektor    war 

(1603  — 1642),    hierauf   nach  Halle,    das   er  unter  dem 

Namen  DoJnrhora  feiert,   und  wo  er  den  Unterricht  des 

Rektors  Christian    Gueintz   genols.     Schon   hier  fing  er 

an  zu  dichten: 

Wie  sang  der  muntre  Geist  so  zierlich  schon  vor  diesen 

Dort  in  Dobrebora,  wo  bei  den  g]üneii  Wiesen 

Die  schlanke  Saale  sich  gar  oftermals  ergeufst 

Und  durch  die  Wunderl)urg  nüt  manchen  Strömen  fleufst. 

Dal's  aucli  der  alte  Queintz,  das  Wunder  von  den  Sciiuleu. 

Um  seiner  Lieder  Klang  oft  pflegte  selbst  zu  buhlen. 

^)  Rektor  1587— in03.  Die  von  ihm  angelegte  Schulmatrikel 
wurde  von  mir  188»!  in  der  Freib.  Gymiiasialliibliothek  wieder  auf- 
gefunden, nachdem  sie  lauge  Zeit  verloren  schien. 

■^)  Darin  ein  aus  4  grofsen  Sektionen  bestehender  Kupferstich. 
Vergl.  Steche,  Beschreibende  Darstellung  der  IJandenkmiilcr  111 
(1884),  %. 


1-20  K  Kade: 

So  sein  Freund  Adam  Krieger  (Elirenged.  zu  den 
Raiitengeb.),  Noch  ein  Paar  Dicliterversuche  sind  uns 
aus  jener  Zeit  erhalten.  Zunächst:  „DiSanders  an  der 
fliefsenden  Meilse  Lieb-  Leid-  und  Lobsgedichte  Als  der 
hochbelobte  Schäfer  Thyrsis  in  den  Dobreborischen  Feldern 
sein  Namens-Fest  begieng.  1643"  (Rosengeb.  135j.  Es 
sei  das,  sagt  er  im  Anhang  dazu,  eine  „Anacreontische 
Ode  nach  Art  der  Griechen  und  Lateiner  gesetzet,  unter 
welchen  der  weitgepriesene  Poeten -Vater  Taubmann  ein 
Meister  ist".  Sodann  ein  anderes  Gedicht:  des  MjTtillo 
Frühlings  Klaggedichte.  1643  (Rosengeb.  256).  Vor 
allem  aber  aus  dem  letzten  Jahre  seines  Hallischen 
Aufenthaltes  eine  poetische:  „Rede  über  das  durch  Jesu 
Christi  Triumph  triumphirende  und  von  der  Torstensoh- 
nischen Belagerung  wieder  erlösete  Freiberg,  zu  Hall  in 
dem  Gymnasio  öffentlich  gehalten.  1643"  (Rautengeb. 
516)  •■^).  Li  überschwenglichen  Worten  rühmt  er  den 
endlichen  Sieg  der  Freiberger  über  die  Schweden.  Von 
Halle  begab  er  sich  auf  die  Hochschule  nach  Leipzig. 
Ich  rechne  ungefähr  die  Jahre  1644/45—1650  heraus  nach 
seinen  eigenen  Beteuerungen,  dafs  er  5  Winter  in  Leipzig 
sich  aufgehalten  habe: 

Füufmahl  hat  die  Nordenzeit 
Hier  die  Blumen  abgemeilit '^). 

Er  scheint  sich  hier  ganz  dem  Dichterberuf,  ohne  ernstere 

Studien   zu   betreiben,    hingegeben   zu   haben,   da  Adam 

Krieger  von  ihm  singt: 

Die  Linden  grünten  stets,  wann  sich  sein  Ton  erhub, 
Den  er  so  unvermerkt  in  ihre  Wurzeln  gruli. 
Sie  tragen  noch  sein  Lob  in  ihrem  grünen  Laube 
Und  lassen  es  allda  der  Musenschaar  zum  Raube. 

Dazwischen   fällt  aber  eine  Reise  nach  Wittenberg, 

wo  August   Buchner  ihn   fesselte.     Er  schrieb  hier   das 

Empfangsgedicht  für  Johann  Georg  I.  als  dieser  dorthin 

kam,   und  eine  Ode,   die  vor  dem  Kurfürsten   bei  Tafel 

abgesungen  Avurde.     Auch  die  Umgegend  gefällt  seinem 

dichterischen   Gemüte,    und   entzückt   singt    er  von   den 

Orten,  wo  die  schwarze  Elster  in  die  Elbe  fällt: 

Wo  die  Elster  ungetrübet 
Ihren  Schaum  der  Elbe  giebet '') 
oder:  Dreimal  blies  den  Schaum  die  Elbe 
Zu  dem  obern  Blaugewölbe. 


'»^ 


^)  Separatdruck  im  Freiberger  Altertumsverein     B.  a.  156  a  Nr.  10. 
«)  Rosengeb.  346. 
'1  Ebenda  125. 


David  Scliiimer.  121 

Dreimal  hüpften  Lämmer  auf. 
Bis  der  Speckbusch  voller  Kualleu 
Aller  Freuden  b  ei  gefallen  *). 

Eine  andere,  wolil  nur  vorübergehende  Reise  führte 
ihn  nach  Arnsdorf,  von  wo  aus  er  ein  Lied  au  Johann 
Georgs  II.  jungen  Sohn  richtete. 

Gleichwohl  ist  damit  seine  Kenntnis  des  deutschen 
Vaterlands  nicht  erschöpft.  Er  kennt  die  Gegend  an  der 
Neilse.  (Der  scheidende  Seladon  an  der  Neilse,  Rosen- 
geb.  110.)  Er  weilt  öfter  an  den  Ufern  der  Mulde  und 
mufs  auch  einmal  nach  Bamberg  gekommen  sein,  von  dem 
er  unter  dem  Namen  des  Liebhabers  Dämon  sagt: 

Nachmals  bin  ich  fortgereiset 
Zu  der  weitberühmten  Stadt 
Die  des  Berges  Xamen  hat. 
Da  der  Bembo  wird  gepreiset, 
Bembo,  der  l)elobte  Mann 
Der  gar  artlich  spielen  kann'^). 

Mit  dieser  Reihenfolge  der  Städte  stimmt  es  auch 
im  grofsen  und  ganzen,  wenn  er  selbst  in  einem  längeren 
Gedichte:  Coridon  an  der  Mulde  (Rosengeb.  127)  sagt: 

Du,  du  linder  Eiben -Strand 

Nahmst  mich  erstlich  von  der  Hand  (=  Wittenberg). 

Darauf  gab  ich  einen  Kufs 

Dir,  du  alter  Pleifsenflufs  (=  Leipzig). 

Ich  besuchte  Jene  Stadt,  (^  Jena) 

Die  sich  hingesetzet  hat, 

Wo  der  Saalstrom  rinnet. 

Bis  ich  wieder  Abschied  nahm 

Nach  den  Meifsner  Weiden  (=  Leipzig). 

So  seinem  Dichterberuf  lebend  gab  er  in  Leipzig 
schon  Teile  seiner  „poetischen  Rosengebüsche"  heraus. 
Die  Zueignungsschrift  vor  dem  I.Buch  trägt  das  Datum: 
Leipzig  den  11.  Wintermonds  1043  i").  Er  schreibt  noch 
am  1.  Wintermond  1648  ein  Sonett  an  einen  Herrn  „H.  A.  M. 
in  Coburg"  und  gab  —  wohl  die  letzte  Fruclit  der  Ijei[)- 
ziger  Zeit  —  das  3.  Rosengebüsch  des  1.  Buches  von  hier 
aus  an  die  Öifentlichkeit  (datiert:  Leipzig  11.  Winter- 
monds 1649).  Seine  Gedichte  machten  ihn  bekannt,  so 
dafs  er  schon  1647,  als  25jähriger  junger  Mann,  unter 
dem  Namen   „der  Beschirmende"   in   die  4  Jahre   zuvor 


")  Ebenda  126. 

")  Ebenda  117. 

"^)  1654  ist  in  der  Gesamtausgabe  von  1657  in  Dresden  (Dresd. 
Bibl.  Poet.  Ucrm.  ."i6i))  ein  offcnliMicr  Druckfehler  statt  \M:\.  Die 
spätem  Aullagen  erschienen  1Ü5U  in  Halle,  1053  und  I6ri7  in  Dresden. 


122  R-  J^ade: 

in  Hamburg  gegTüiidete  „Teutsch  gesinnte  Genossenschaft" 
Aufnahme  fand.  Nur  noch  eins  bleibt  uns  aus  diesem 
Leipziger  Aufenthalt  zu  erwähnen  übrig:  seine  Liebe  zu 
Marnia,  die  er  in  den  60  Sonetten  des  3.  Rosengebüsches 
(1.  Buch)  besingt  und  die  ihm  leider  starb.  Hier  tritt 
das  wirklich  Erlebte  ganz  sichtbarlich  in  seine  Reimerei 
über,  man  merkt  den  wärmeren  Schlag  des  Herzens,  in 
diese  Gedichte  ist  etwas  von  der  Wärme  Tibulls  zur 
Cynthia  hineingekommen.  Er  klagt  dem  Roseuthal  seine 
Schmerzen ;  ich  glaube  auch  den  Namen  der  Geliebten  zu 
wissen,  sie  hiels  „Stein";  denn  er  ruft: 

.Stein  bist  du,  liebstes  Lieb,  und  wirst  aucb  Stein  genannt. 

Das  Herz  ist  Stein.    Der  Sinn  ist  Stein.     Das  Wort  ist  Stein  "). 

So  war  denn  auch  sein  Ruf  und  Ruhm  nach  Dresden 
gedrungen,  und  da  man  an  dem  prachtliebenden  Hofe  auch 
der  Dichtkunst  nicht  entraten  wollte,  so  wandte  man  sich 
um  Auskunft  an  August  Buchner  in  Wittenberg,  der 
sofort  David  Schirmer,  seinen  Schüler,  empfahl.  Johann 
Georg  I.  berief  ihn  1650  aus  Leipzig,  zwar  nicht  unter 
dem  Titel  eines  Hofpoeten  und  noch  ohne  feste  Anstel- 
lung, aber  mit  den  Pflichten  eines  solchen,  in  die  Residenz, 
indem  er  ihn  durch  die  Entschädigungsgelder  für  die 
gelieferten  Festgedichte  ziemlich  sicher  stellte.  Schmerz- 
lich nimmt  Schirmer  von  Leipzig  Abschied.  Dem  Rosen- 
thal, dem  Orte  seiner  Liebesklagen,  widmet  er  noch  ein 

Madrigal : 

An   das   Leiptzigscbe  Rosentlial. 

So  lafs,  0  Rosentbal 

Um  deinen  Strand  die  Schatten 

Sieb  mit  den  Blumen  gatten. 

Es  füge  dir  kein  Eber  Schaden  zu. 

Kein  wilder  Bär  betrübe  dir  die  Pleifse 

DaXs  er  dir  deine  Nj'mphen 

Nicht  störe  von  der  Ruh. 

Du  bist  mir  hold  gewesen, 

Wann  ich  dii'  was  von  Lielie  vorgelesen. 

Gehab  dicli  wohl.     Ich  muls  dich  lassen. 

Ich  mufs  nun  fort. 

Mein  Glücke,  das  mich  schien  zu  hassen, 

Zeigt  mir  noch  einen  Ort. 

Hörst  du  die  Elb  und  AVeisseritz  erklingen, 

So  denke  nach. 

Wo  ich,  wie  ich  versprach. 

Doch  deinen  Ruhm  im  Grünen  müsse  singen  ^-). 


")  Rosengeb.  200. 
'-)  Vergl.  ebenda  352. 


David  Schirmer.  1:23 

Es  folgte  nun  in  Dresden  die  Zeit  der  Gelegenlieits- 
dichtiing-.  Dazu  boten  keine  Jabre  mehr  Anlals,  wie 
gerade  die  von  1650 — 1652,  die  ja  die  begebnisreicbsten 
waren.  Verlöbnisse  wechselten  mit  fürstlichen  Besuchen, 
Beilager  mit  Feuerwerken  ab,  Tafelgesänge  und  Ballette 
boten  fortwährende  Gelegenheit  zum  Dichten.  Schon  am 
6.  März  1650  führte  er  eine  allegorische  Dichtung  in  dem 
Kirchsaale  aus  zum  66.  Geburtstage  Johann  Georg  I.,  in  der 
die  Zeit,  Kindheit,  Jugend,  Mannheit,  Alter  und  Ewig- 
keit auftraten.  Zur  Hochzeit  der  Herzöge  Christian  und 
Moritz  dichtete  er  schon  wieder  für  das  FeuerAverk  „auf 
dem  Münzberg"  und  am  2.  Dezember  1650  brachte  er  sein 
Ballett  „Paris  und  Helena"  auf  dem  Riesensaale  ^■^)  zur 
Aufführung.  Bei  allen  diesen  Stücken  spielte  die  Musik 
natürlich  eine  Hauptrolle;  ein  Aktenstück  besagt,  es  seien 
hierbei  etliche  bestimmte  vom  Kapellmeister  Heinrich 
Schützen  komponierte  Stückchen  musizieret  worden.  Lei- 
der besitzen  wir  diese  gerade,  wie  auch  die  Musik  zur  ersten 
deutschen  Oper  „Daphne"  von  Schütz  zu  dem  Texte 
Opitzens,  nicht  mehr.  Um  so  interessanter  ist  es,  dals 
nur  Schirmer  (Rautengeb.  505)  noch  die  Musik  zu  einer 
Ode  für  Friedrich  Wilhelms  von  Altenburg  Verlobung 
aufbewahrt  hat.    Sie  ist  zweistimmig  mit  beziffertem  Bass. 

In  ähnlich  fruchtbarer  Weise  ging  es  das  Jahr  1651 
und  1652  durch  fort,  dann  aber  lälst  die  Gelegenheit  bis 
1663  allmählich  mehr  und  mehr  nach.  Es  ragen  aus  diesen 
vielen  wertlosen  Machwerken  die  Ballette  heraus,  deren 
eines  „Paris  und  Helena"  von  Gottsched  (Vorrath  1,  203) 
als  die  erste  Dresdner  Oper  nach  der  „Daphne"  und  als 
diejenige  bezeichnet  wird,  die  zu  allen  nachmaligen  Opern 
die  Anregung  gegeben  habe.  Sie  ist  genau  beschrieben 
bei  Fürstenau  (Zur  Geschichte  d.  Musik  u.  d.  Theaters  z. 
Dresden  1,  117  fg.).  Der  „triumphierende  Amor",  der 
wegen  des  Todes  der  Gemahlin  Herzog  Moritz  (am 
27.  September  1652)  nicht  aufgeführt  wurde,  ist  noch  nicht 
besprochen  worden  und  verdient  darum  ein  paar  Worte 
(Rautengeb.  S.  173).  Amor  tritt  auf  und  triumphiert,  dais 
ihm  die  ganze  Welt  gehöre.  lo  kommt  und  beginnt  mit 
den  Nymphen  eiu  Ballett.  Da  naht  Jujjitcr  und  erklärt 
ihr  seine  Liebe.  Juno  bittet  den  Jupiter  um  die  Hirsch- 
kuh, in  die  Jupiter  inzwischen  die  lo  verwandelt   hat; 

^^)  2.  Stockwerk  nach  der  Schlofsstrafse.  Das  Kartell  dazu  odrr 
die  Iiilialtsangabe  erschien  auch  separat  beim  Hofbnclidrucker  Mel- 
chior Bergen. 


124  R-  Kade: 

diese  wird  dem  Argus  übergeben  (I).  Pan  klagt  dem 
Merkur  seine  Liebe  zur  Syrinx ;  sie  erscheint,  wird  aber 
vor  seinen  Blicken  in  ein  Rohr  verwandelt,  aus  dem  ihm 
Merkur  eine  Flöte  macht  (II).  luachus  sucht  die  lo  und 
Jupiter  zu  befreien.  Argus  singt  ein  Lied  und  schläft 
ein  (III).  Da  tötet  ihn  Merkur.  Juno  ist  anfangs  ent- 
setzt, doch  verwandelt  sie  auf  Jupiters  Bitten  die  lo 
wieder  zurück.  Es  schliefst  sich  ein  Ballett  der  Hirten 
und  Hirtinnen  an  (IV).  lo  wird  unter  die  Götter  auf- 
genommen, und  ein  „grand  ballet"  der  Götter  und 
Göttinnen  endigt  das  Stück.  Amor  thront  währenddessen 
in  den  Wolken  (V\ 

Aufser  diesen  beiden  grölseren  Balletten  dichtete 
Schirmer  noch  ein  „Ballett  der  Glückseligkeit"  (18.  März 
1653),  „des  Atlas"  (17.  März  1653),  „der  Tugenden  und 
Laster"  (1659)  und  ein  Drama  „Liebesspiel  der  Nymphen 
und  Satyrn"  (vergl.  Fürstenau  a.  a.  0.  132  fg.).  In  diesen 
Balletten  liegt  der  Schwerpunkt  Schirmerscher  Dichtkunst, 
und  vergleicht  man,  was  sonst  am  sächsischen  Hofe  um 
diese  Zeit  an  deutschen  Singspielen  entstand,  so  wird 
man  ihm  ein  gewisses  Lob  der  Geschicklichkeit  nicht 
versagen,  da  sich  alles  übrige  der  andern  Dichter  auf 
Übersetzungen  aus  dem  Italienischen  beschränkt.  Man 
denke  nur  an  Ernst  Gellers  „Arkadischen  Hirtenaufzug" 
(1653) ,  der  den  pastor  fido  des  Guarini  übertrug.  Erst 
später  um  1670  fängt  Dedekind  zu  wirken  an,  bis  dahin 
bleibt  Schirmer  der  einzige  und  immerhin  glückliche 
Hofpoet. 

In  diese  Zeit  glücklichen  Dichtens  fallen  auch  Schir- 
mers „Singende  Rosen  oder  Liebes-  und  Tugend -Lieder 
in  die  Musik  gesetzt  durch  Philipp  Stollen,  itzo  Ihrer 
Durchl  des  Hrn.  Administratoris  des  Ertz-Bischthumbs 
Magdeburg  Cammer-Musicum.  Dresden.  1654"  (Exempl. 
Berlin.  Bibl.  14,  208).  In  der  Vorrede  sagt  er:  „Unter 
anderen  hat  mir  Hrn.  Philipp  Stollens,  wohlbestalten 
Teorbistens,  sehr  liebliche  Art  sonderlich  Wohlgefallen, 
dals  ich  mich  endlich  erkühnet,  ihn  hierinnen  zu  Rate 
zu  ziehen."  Zugleich  bittet  er  den  Leser  in  des  Kom- 
ponisten Namen,  er  möchte  die  Melodeyen  nicht  so  faul 
und  schläffrig,  wie  in  den  gemeinen  Schulen  zu  geschehen 
pflegt,  herausweinen,  herauskeuchen  oder  sonst  ein  ab- 
scheuliches und  heulendes  Dehnen  der  Noten  vorstellen 
lassen.  „Sondern  weil  sie  nach  der  Kapell-art  in  etwas 
eingerichtet  sein,  so  wollen  sie  bald  mit  einem  sehnlichen 


David  Schirmer.  125 

Tone  oder  mit  einer  frischen  Trillung-  angebraclit  werden, 
damit  sie  ihrer  natürlichen  Anmuth  nicht  entbehren  müisten. 
AViewohl  aucli  ihr  Fnndament  eigentlich  auf  die  Theorbe 
anzusehen  ist,  so  kann  man  es  auch  mit  einer  Viol  de 
Gamba  ver\Yechsehi."  Am  Schluls  verspricht  er  „etliche 
geistliche  Arien",  die  aber  unveröffentlicht  geblieben  zu 
sein  scheinen  ^*).  —  So  dürftig  nun  die  Melodien  ausge- 
fallen sind,  so  hübsch  sind  gerade  in  dieser  Sammlung 
Schirmers  die  Texte,  deren  nur  einzelne  in  die  späteren 
Auflagen  der  Rosengebüsche  Aufnahme  gefunden  haben. 
Ja  das  Trinklied  (Nr.  58)  ist  gar  munter  und  flott : 

Heran,  heran 
Du  Traubenmann. 
Du  grofser  Zecher, 
Du  .Stürzebecher. 
Schenk  uns  den  Wein 
Bis  oben  ein, 
Dafs  wir  im  IMeyen 
Uns  sämtlich  freuen. 


Ihr  andern  singt, 
Ihr  andern  klingt, 
Dafs  in  dem  Giefsen 
Der  Wein  kann  fliefsen. 
Singt  hier  und  da 
„Di  Nellula'-, 
Singt  alle  sclmelle 
„ßunda  di  Nelle". 


Rauf  auf  die  Bank, 
Das  Glas  ist  blank 
Du  sollst  es  haben 
I\Iit  Bacchus  Gaben. 
Wer  ifst  und  trinkt 
Und  tanzt  und  singt 
Dem  kann  im  Sterben 
Kein  Geld  verderben. 


Da  Schirmer  nun  so  reichlich  dichtete  und  den 
Dresdner  Hof  besang,  hoffte  er  auf  definitive  Anstellung. 
Das  schien  aber  nicht  gleich  werden  zu  wollen ,  so  dals 
diese  Unsicherheit  nach  3  Jahren  (1053)  in  ihm  den 
Wunsch  aufkommen  liels,  sich  wieder  auf  die  Universität 
zu  begeben.  Da  aber  sagte  der  Kurfürst:  „Ich  lasse 
Euch  nicht  weg,  denn  ich  kann  Euch  gebrauchen;  ich 
will  Euch  zu  einem  Manne  machen,  dals  Ihr  es  mir  hier 
zeitlich  Dank  wissen  sollt."  Es  erfolgte  wirklich  seine 
endgiltige  Anstellung  als  Hofdichter  mit  218  Thalern  Be- 
soldung   (Reskript   vom   20.  August  1653.    Hauptstaats- 

arcliiv).     Da  heilst  es: 

Wir  bekeunen,  dafs  Wir  Schirmer  zu  Unserem  Diener  auf-  und 
angenommen,  dergestalt,  dafs  er  sowohl  in  poetisclier  als  ungebundener 
Aufsetzung  einer  oder  anderer  ihm  angegebenen  Materien  sich  un- 
verdrossen zu  erweisen,  dieselben  nach  seinem  besten  Verstände  aus- 
zuarbeiten und  sich  nach  rnserm  Befohl  und  Anordnung  jederzeit 
aufwärtig  und  gehorsamst  zu  l)ezeigen  hat 


")  Vielleicht  zielt  darauf  ein  Aktenstück  im  Königl.  llauptstaats- 
archiv,  worin  dem  David  Scbirnier  für  Fortsetzung  seines  „christ- 
lichen Ehrenwerks"  eine  Unterstützung  gegeben  werden  soll. 


126  R.  Kade: 

Das  führte  3  Jahre  später  noch  zu  etwas  weiterem. 
Der  Bibliothekar  Clmstian  Brehme  wurde  1656  kurfürst- 
licher Rat  und  Bürgermeister  und  gab  aus  dem  Grunde 
das  Bibliothekamt  ab.  Die  erledigte  Stelle  übertrug 
man  am  11.  März  1656  dem  David  Schirmer  mit  einer 
Besoldung  von  100  Gulden  (lieskript  d.  d.  Dresden. 
11.  März  1656.  Hauptstaatsarchiv).  Von  allen  Seiten  liefen 
Gratulationen  ein,  von  Andreas  Möller  aus  Freiberg,  aus 
Wittenberg  von  Buchner,  von  seinem  Vater  und  seinen 
Brüdern,  die  er  später  alle  vereinigt  unter  dem  Titel 
herausgab:  „Virorum  illustri  fama  decantatorum  ad  Da- 
videm  Schirmerum  Hermundurum  .  .  .  Dresdae  1663." 

Es  ist  zuerst  festzustellen,  dafs  unter  seiner  Amts- 
führung die  Benutzung  der  Bibliothek  eine  allgemeinere 
und  ungezwungenere  wurde,  zu  der  die  unmittelbare  kur- 
fürstliche Erlaubnis  nicht  mehr  erforderlich  gewesen  zu 
sein  scheint.  Wir  haben  die  Zettel  noch,  auf  denen 
Schirmer  die  Bücher  an  vornehme  und  gewisse  (d.  i.  zuver- 
lässige) Leute  auslieh.  (Bibliothekarchiv  Vol.  I  No.  42. 
49.43  Z.  6 :  „Dieser  Zettel  ist  richtig  und  sind  die  Bücher 
zu  fodern"  [weil  noch  nicht  abgeliefert].  No.  45:  „Aus  der 
Churf.  Saechs.  Bibliothek  hat  der  bestallte  Bibliothecarius 
Davidt  Schirmer,  Fuggers  Buch  von  der  Stüterey  mit 
illuminierten  Bildern  in  braun  Leder  gebunden  und  grau 
auf  dem  Schnitt  in  Fol.  auf  begehren  abfolgen  lassen  und 
soll  solches  unverletzt  ehestens  wieder  eingeschickt  werden. 
Dresden  5.  Oktober  1665  .  .  .  Götz".  —  No.  22-25: 
„4  Zettel  über  zurückgelieferte  und  ausgeliehene  Bücher 
aus  des  Bibliothekars  Schirmer  Zeit.") 

Schirmer  erkannte  ferner  die  Ungenauigkeit  des  alten 
Katalogs  und  wünschte  einen  neuen;  er  beantragte  die 
Einsetzung  einer  Kommission.  Er  drang  1662  auf  ein 
geräumigeres  Lokal  und  auf  Anstellung  eines  Aufwärters, 
wovon  ihm  nur  die  letzte  Bitte  sich  erfüllte.  Aber  er 
besafs  nicht  genug  eigenen  Trieb,  diese  Arbeit  eines 
neuen  Katalogs,  die  eines  Mannes  Kräfte  nicht  überstieg, 
selbst  zu  unternehmen.  Die  Bibliothek  besals  höchstens 
7000  Bände,  so  dafs  die  Herstellung  einer  annehmbaren 
Ordnung  möglich  war.  Dazu  war  er  nicht  genauer 
wie  seine  Vorgänger  im  Ausleihen,  Einfordern,  Auf- 
zeichnen der  Bücher,  gewils  weil  ihn  seine  poetischen 
Nebenarbeiten  zu  viel  in  Anspruch  nahmen.  Nur  aber 
durch  die  peinlichste  Gewissenhaftigkeit  begründet  sich 
die  Würde  eines  Bibliothekars.     Er  konnte  das  Dichten 


David  Schirmer.  127 

lüclit  lassen.  Seine  Rauten gebüs che  führen  allerdings 
nur  Gedichte  bis  1663  auf;  aber  wir  wissen,  dafs  er  noch 
1675  „der  edlen  Tugenden  immer  blühenden  Rosenkranz 
für  Maria  Elisabeth  Kottin"  dichtete  (Königl.  Bibliothek), 
und  vor  allem ,  dals  er  eine  Übersetzung  von  Georg 
Arnolds  Leben  des  Kurfürsten  Moritz  verfertigte  ^■'). 

..Ich  will  —  so  sagt  er  in  der  Voi'rede  mit  trefflichen  Worten  — 
dei'  Hoffnung  leben,  Ew.  Churf.  Durchl.  werden  an  meiner  Übersetzung 
ein  gnädiges  Vergnügen  haben.  Hoher  prächtiger  Art  zu  reden, 
habe  ich  n)ich  Inllig  nicht  befleifsigen  wollen,  weil  die  Historien  nicht 
so  wohlredend  als  deutlich  wollen  beschrieben  sein.  Denn  ihr  Nutz 
rühret  nicht  von  (Trofssprechen,  sondern  von  dem  Verstände  und  der 
AVahrheit  derselben  her ;  wer  jenem  nachfolget  und  dieses  unterläfst, 
der  scheinet  mehr  einer  Finsternifs  als  der  hellen  Sonne  ähnlich  zu 
sein.  Mehr  will  ich  nicht  anführen,  als  dafs  die  Historien  mir  für- 
kommen, als  ein  hocherbautes  und  mit  Fenstern  geziertes  Haus. 
Die  darinnen  wohnen,  sind  die  gegenwärtige  Welt,  die  vorübergangen, 
die  vorlauö'ene,  und  die  wir  von  ferne  kommen  sehen,  die  sind  die- 
jenigen Leute,  welche  wir  die  Nachkommen  nennen.  E.  Ch.  D.  lassen 
vor  diese  so  mühsame  Arbeit,  die  ich  an  dieses  Werk  gewendet, 
dero  hohen  Gnade  mich  gnädiges  befohlen  sein  und  l)ieten  mir  dero' 
gnädigste  Hände,  dafs  icli  in  denen  Originibus  Saxonicis  oder  von 
dem  Anfange  und  Ursprünge  der  Sachsen  des  hochgelahrteu  Georgii 
Fabricii,  so  er  in  Latein  beschrieben,  fortfahren  und  wie  ich  sie  in 
das  Deutsche  zu  übersetzen  angefangen,  also  auch  unter  dero  hoher 
kurfürstlicher  Gnade  glücklich  vollenden  möge.  David  Schirmer. 
Dresden  d.  27.  Martii,  an  welchen  der  seligst  verblichenen  kgl. 
Majestät  in  Dänemark  das  castrum  doloris  in  der  heil.  Sophienkirche 
aufgerichtet  worden.  1670."  Der  Titel  lautet:  „Des  durchl.  Herrn 
Moritzens  .  .  .  Lebenslauft'  mit  sonderliarcm  Fleifs  erstlich  lateinisch 
beschrieben  von  George  Arnolden  .  .  .  izo  aber  auf  Churf.  gnädig- 
sten Befehl  in's  Teutsche  gebracht  durch  David  Schirmer,  .  .  . 
l)ibIiothecarium." 

So  führte  denn  diese  Vernachlässigung  seines  eigent- 
lichen Amtes  zur  endlichen  Entlassung,  die  schon  im 
Jahre  1683  erfolgte,  und  Trier  bekam  Schirmers  Amt. 
Der  Defekten  hatten  sich  immer  mehr  herausgestellt,  so 
dals  Trier  ein  Gesuch  eingab,  Schirmern  zur  Rechenschaft 
zu  ziehen  (Bibliotheksarchiv  I,  40): 

Bei  vorhabender  Aui'ricditung  des  Inventarii  über  die  Churf. 
Library  ereignen  sich  der  Defekten,  dergleichen  unlängst  ein  sprcinien 
überreichet,  im  Fortgang  nach  und  nach  mehr.    Es  sind  aber  solche 


1-^)  Es  existieren  3  Handschriften  davon  auf  der  königl.  lUljliothek: 
K.  28;  J.  117b-,  und  J.  117a.  Davon  luit  die  erste  den  volL^^tändigen 
Titel;  die  zweite  ist  eine  moderne  Abschrift;  die  dritte  ist  die  älteste, 
gleichwohl  aber  kein  Autograph.  —  Auch  Jöclier  citiert  diese  Über- 
setzung. Daneben  noch  „Nili  yüldene  Sprücli"  und  "Sh:  de  Calieres 
„Glück  tugentbafter  Leute-'  und  die  „eifersüclitige  Celndvte"  aus  dem 
Französischen.  Diese  sowie  „Naeviisermonesconvivales  t'trdinandill." 
vnn  Scbirmet-  ül)ersetzt  halie  ich  nirgends  auftreDicn  kimncu. 


128  •  R-  Karle: 

Defekten  nicht  nacli  Besag  der  voi'liandenen  alten  ßüclierverzeieh- 
nisse,  sondern  nur  als  es  die  niutilirten  Opera  selbst  weisen,  auf- 
notirt.  Welche  Mängel  alle  nach  und  nach  stückvveis  bei  Churf. 
Saechs.  Kammer  schriftlich  zu  bemerken,  auch  allemal  Ant-  und  Ge- 
genantwurt  auf  solche  Weis  zu  erstatten,  ist  weitläuftig  und  zugleich, 
da  Herr  Schirmer  oft  mit  einem  Wort  den  darauf  eiforderten  Be- 
richt ertheilen  kann,  unnöthig.  Daher  ein  kürzerer  Weg  wäre,  wenn 
sich  gedachter  Herr  Schirmer  zu  gewissen  Zeiten  ein  und  das  ander 
mal  auf  Churf.  Bibliothek  zu  freundlicher  Unterredung  einfinden  und 
über  vorfallender  Xothdurft  Bescheid  geben  möchte.  Diente  auch  dem 
Bibliothecario,  zu  seiner  unter  Händen  habenden  Arbeit,  eine  Copie 
von  der  specification  ausstehender  Bücher,  so  in  Churf.  Kammer  Herr 
Schirmer  eingegeben  zu  haben,  in  seinem  Memorial  erwähnet. 

Diese  Anschuldigungen  wollte  Scliirmer  nicht  auf 
sich  sitzen  lassen  und  schrieb  nun  jenes  denkAvürdige  eigen- 
händige Memorial  vom  10.  Dezember  1683,  das  den  ganzen 
Mann  so  gut  charakterisiert,  dalsiches,  zum  ersten  Male 
vollständig,  hier  zum  Abdruck  bringen  will,  zumal  es  erst 
1886  —  also  300  Jahre  später  —  wieder  aus  dem  Anti- 
quariat von  O.  A.  Schulz  in  Leipzig  für  die  Königl. 
Bibliothek  zurückerworben  worden  ist: 

Schirmer,  David,  wegen  der  Defekten.  Durchleuchtigster  Chur- 
fürst  gnädigster  Herr.  Es  wehre  zu  wünschen,  dafs  Sr.  Churf.  Durchl. 
Bibliothek  noch  in  dem  Zustande  zu  finden  wäre,  wie  sie  anfangs 
bei  dero  Aufrichtung  zu  befinden.  Weil  aber  seit  Churf.  Augusti 
Zeiten,  als  ersten  Stifters  derselben,  keine  Revision  vorgegangen  und 
also  der  alte  Katalogus  ^'')  sehr  unrichtig  worden .  als  hat  die  fast 
hundertjährige  Zeit  viel  verursacht,  dafs  etliche  Defekten  darinnen 
anzuheften  sein  müssen.  Zu  dem  kommt  noch,  dafs  derselbigen  Vor- 
steher und  BiI)liothecarii  nicht  so  grofsen  Fleifs  bei  derselben  ange- 
wendet, dieweil  man  nicht  einmal  wahre  Nachricht  haben  kann,  wie 
sie  theils  geheifsen  und  wer  sie  theils  gewesen.  Ew.  Churf.  Durchl. 
Herr  Vater  glorwürdigsten  Andenkens  hab  ich  oftermals  mündlich 
über  Nienborgen  ^■')  klagen  hören;  der  hat  wie  die  Churfürstlichen 
Worte  waren,  die  Bibliothek  ganz  in  ürund  verderbet  und  so  ver- 
wahrloset, dafs  viel  schöne  Bücher  bei  seiner  Zeit  daraus  kommen 
seind.  Nach  diesem  ist  Christian  Brehme,  hernach  Bürgermeister  in 
Dresden,  Bibliothecarius  worden,  welcher  wegen  seiner  Ratsgeschäfte 
sich  derselbigen  nicht  eifrig  angenommen  und  die  Bücher,  so  er  etwa 
herausgegeben  und  mit  Bleireifs  auf  kleine  schedulas  aufgezeichnet, 
die  man  auch  fast  nicht  mehr  recht  lesen  kann,  wie  die  Beilagen 
seiner  eigenen  Hand  ausweisen.  Bei  diesen  Zeiten  bin  ich,  auf  Vor- 
schlag des  weitberühmten  Professoris  zu  Wittenberg,  Augusti  Buchneri 
sei. ,  von  E.  Ch.  I).  von  der  Universität  Leipzig  hierher  gnedigst  er- 
fordert worden  und  weil  meine  wenige  Poesie,  doch  ohne  meinen 
Ruhm  zu  sagen,  in  ziemlichen  Beruf  kommen  war,  seind  mir  aller- 
hand theatralische  Sachen  an  Opern,  Balletten  auf  dem  Theatro,  dem 


^'*)  Derjenige  vom  Grafen  Joh.  Andr.  Schlick  und  dem  Dr.  Siegen 
und  Roeling.     1595.     2  Bde. 

")  Bibliothekar  seit  IHll  ;  1638  entlassen.    Vergl.  Ebert,  Gesch. 


d.  Königl.  Bibl.  zu  Dresden  S.  36. 


David  Schirmer.  129 

Rieseusohle  und  bei  dem  Feuerwerk  zu  verfertigen  gnädigst  anver- 
traut worden,  wie  E.  Ch.  D,  sich  noch  selbs  dessen  gnädigst  erinnern 
und  meine  gedruckte  poetische  Rautengeljüsche  solches  genügsam  be- 
zeugen werden.  Als  ich  mich  aber  von  hier  wiederumb  auf  die 
Universität  begeben  wollte,  sagte  E.  Ch.  D.  Herr  Vater,  damals 
Churprinzliche  Diu'chl.,  zu  mir:  „Ich  lasse  Euch  nicht  weg,  denn  ich 
kann  Euch  gebrauchen,  ich  will  Euch  zu  einem  Manne  machen,  dafs 
Ihr  es  mir  hier  zeitlich  Dank  wissen  sollt."  Hierauf  wurde  mir  eine 
Hofbestallung  von  218  Thlrn.  ausgeantwortet  und  3  Jahr  hernach, 
als  Christian  Brehme  abgedanket  hatte,  ist  vou  E.  Churf  D.  Gross- 
Herrn -Vater  Churf.  Joh.  Greorg  I.  durch  den  Geh.  Secretarium  Eeich- 
brodt  noch  eine  Bestallung,  jedoch  mir  ganz  unwissend,  ausgeaut- 
wortet  und  mir  das  Bibliothekariat  gnädigst  aufgetragen  worden. 
Und  weil  E.  Ch.  D.  Grolsherr  Vater  und  Herr  Vater  wohl  wufsten, 
wie  es  mit  dem  Oatalogo  der  Bibliothek  bewandt ,  haben  sie  diese 
Clausul  der  Bestallung  einverlei1)en  lassen:  ,,Und  soll  er  an  niemand 
anders,  als  au  unserm  Oberliofprediger  Dr.  AVellern  seinen  Oberin- 
spektoru  der  Bibliothek  gewiesen  sein  und  weil  der  alte  Catalogus 
und  Curatorium  der  Bibliothek  ganz  unrichtig,  soll  ihm  nach  bevor- 
stehender Revision  ein  neuer  aiisgeantwortet  -werden,  nach  welchem 
er  sich  richten  soll-',  wie  dasConcept  bei  der  Churf.  Saechs.  Rentkammer 
bezeugen  und  daselbst  noch  zu  ünden  sein  wird.  Auf  diese  gnädigst 
versprochene  Revision  habe  bei  E.  Ch.  I).  Herrn  Vater,  nunmehr 
Churfürsten,  so  wohl  mündlich  als  schriftlich  offtermalen  ich  unter- 
thänigste  Ansuchuug  gethau  und  endlich  so  viel  erhalten,  dals  E. 
Ch.  D.  höchstseliger  Hr.  Vater  damals  die  Anstalt  gemacht,  dafs :  ein 
Geheimbde  Rath,  ein  Hofrath,  der  Oberhofprediger,  als  Oberinspektoi-, 
zweene  Secretarii,  nebenst  zweenen  Copisten  darzu  erkieset  worden. 
Da  aber  die  Revisores  verlanget,  sie  möchten  mittags  traktiei'et  und 
auf  der  Bibliothek  gespeiset  werden  und  es  an  die  Churf.  Kammer 
gebracht  worden,  hat  sie  dieses  abgeschlagen  mit  dem  Vorwand ,  es 
wehre  solcher  Aufgang  nicht  vorhanden  und  daher  ist  dieses  hoch- 
nötige Werk  in  das  Stocken  gerathen  und  bis  daher  gänzlich  unter- 
blieben. Aus  diesem  allen  können  E.  Ch.  D.  ermessen  und  vermerken, 
dafs  ich  die  Delekten  des  alten  unrichtigen  Katalogs  zu  verantworten 
und  zu  ersetzen  niclit  so  hastig  künne  angestrenget  werden,  sintemal 
E.  Ch.  D.  Bibliothek  ich,  zeit  meines  Dienstes  nicht  deterioriret,  son- 
dern vielmehr  vermelioriret  und  bis  auf  eine  grofse  Summe  Bücher  ver- 
mehret habe.  Was  aber  bei  meinem  lUbliothekariat  von  der  gnädiü-sten 
Herrschaft  ist  herausgenommen  und  was  auch  vornehmen  und  andern 
angesessenen  Hei'rn  und  Freunden  vcilielien  wordt^n ,  werden  meine 
2  Vorzeichnisse,  so  durch  E.  Ch.  D.  Rentmeister  Zcschauen  (V),  dero 
hochbestallten  Cammerdirectori ,  dem  von  Böse  ,  aus  meinen  Händen 
überreichet  worden,  ein  gnädigstes  und  verhoffentlich  Churf.  gütiges 
Vergnügen  haben.  Auf  das  eingegebene  Specinien  oder  Specilication 
defectuum,  der  theologischen  Folianten,  antworte  icli  nach  meinem 
Wissen  und  Gewissen  also:  (folgen  Notizen  über  Ausleihungen). 
So  viel  habe  auf  den  ersten  Punkt  der  gnädigsten  Rescripte  ich  un- 
terthänigst  und  gehorsamst  antworten  sollen.  Den  andern  aber  in- 
gleichen voizuiiehmen ,  wollen  E.  Ch.  1).  gnädigst  mir  armen,  alten 
und  kranken  Diener  bifs  morgen,  Dienstags,  Frist  verstatten,  weil 
meine  von  einem  jehliehen  Schlagtlusse  herrührende  annocli  ürofse 
Unpälslichkeit  und  heftiger  Hauptschmerz  mir  alles  auf  einmal  zu 
berichten  nicht  zulassen  wollen.  E.  Ch.  D.  befehl  ich  dem  Aller- 
höchsten zu   allem  AVohlergelien ,    midi   armen,    verbissenen  Diener 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XlII.  1.  2.  9 


130  B.  K-adc: 

aber  zu  dero  Gnade.     David  Scliirmer,  alter  Diener  nnd  Bibliothe- 
carius,  meines  Alters  im  bl.  Jahre  ^^).     Siyu.  Dresden.  10.  Dec.  I(i83. 

Drei  Jahre  später  gab  er  —  wahrscheinlich  nochmals 
interpelliert  —  ein  Verzeichnis  (Bibl.  Arcliiv  I,  43),  wo- 
rauf er  bemerkte,  was  nach  seinem  Wissen  an  Büchern 
noch  ausstand.  Darunter  die  Angabe:  „David  Schirmer, 
aetat.  64"  ^^)  und  die  lateinischen  Verse: 

Affixi  lecto  scripsit  manus  aegre  dolentis, 
Cum  corda  servet  teque  tuorumque  deus. 

Das  sind  die  letzten  Zeilen  von  Schirmers  Hand. 
Wann  er  gestorben,  wissen  wir  nicht.    Gewils  noch  1086. 

Diese  ziemlich  unglückliche  Beamtenlaufbahn  hat 
seinen  Dichterruhm  nicht  beeinträchtigen  können,  den  wir 
ihm  ebensowenig  wie  Gervinus  herabsetzen,  noch  wie 
Förster  (Bibl.  deutscher  Dichter  XIII)  über  Gebühr  ver- 
gröfsern  dürfen.  Es  war  eine  unendlich  dürftige,  unter 
den  Schlägen  des  Dreilsigj  ährigen  Krieges  kümmerlich 
sich  fristende  poetische  Zeit;  das  muls  auch  Schirmern 
entschuldigen  und  ihm  eine  historisch- ruhige  Würdigung 
sichern.  Er  beherrscht  zahlreiche  Eormen  der  Dichtkunst, 
er  spricht  Erlebtes  und  Gedachtes  natürlich  und  geschickt 
aus.  Er  vermeidet  bis  auf  w^enig  Stellen  widerlichen 
Schwulst,  neigt  öfter  zur  Trockenheit.  Seine  Stellung  giebt 
er  sich  selbst  einmal  an:  „Ob  ich  gleich  kein  Opitz  bin,  so 
haben  doch  gegenwärtige  Lieder  noch  jederzeit  ihre 
Maecenaten  gefunden,  denen  sie  gefallen  haben.  Der  von 
Wolfsberg  und  Hr.  Rudolph  werden  sich  noch  unschwer 
erinnern,  mit  was  vor  Lust  sie  dieselben,  benebenst  einer 
Violgambe,  angehöret  haben"  (Zueignung  von  d.  Eosen- 
geb.).  Das  war  das  wichtigste:  die  leichte  Sanglichkeit 
seiner  Lieder.  Philipp  Stolle  und  Adam  Krieger  -")  haben 
viele  von  ihnen  komponiert,  die  sich  nun  schnell  über 
Deutschland  verbreiteten.  Sehr  lehrreich  ist  dafür  eine 
Stelle  aus  Georg  Schoch's  „Neuerbauter  poetischer  Lust- 
nnd  Blumengarten,  Leipzig  1660": 

Hrn.  David  Schirm ers  meines  ühralten  Freundes  sein  kaum 
ausgeblühtes  Rosengebüsche,  dessen  Avir  uns  vorweilen  in  unsern 
frölichen  Zusammenkünften  als  einer  sonderbahren  Gemütlisbelusti- 
gung  gebraucliten,  in  was  für  böse  Gesellschaft  seind  sie  in  so  kurzer 
Zeit  gerathenV  Wie  übel  und  lästerlich  seind  sie  hin  und  wieder 
zerzaust  worden?    Unter  vielen  eines  zu  gedenken:  unser  gewöhn- 


^'^)  Auch  hieraus  ergab  sich  das  Geburtsjahr. 
1»)  Dieser  Zettel  ist  also  von  1686. 

2<*)  Hofkaramermusikus.    Grabschrift  bei  Michaelis,  Dresdener  In- 
scriptionen  S.  372. 


David  Schirmer.  131 

liclies  Leibstückcben:  .Jminer  hin,  fahr  immer  hin",  darauf  wir  so 
viel  hielten :  wie  geschwind  ist  es  in  die  Wiederdan  (?)  gerathen  und 
so  gar  gemeine  geworden,  dals  nunmehro  kein  Schneidergeselle  auf 
seiner  Werkstatt  ein  paar  Strümpfe  pflicken  oder  kein"  Schlosser- 
junge eine  Kanne  Bier  auf  dem  Keller  holen  kann,  wenn  es  nicht 
von  ihm  gesungen  oder  gepfiffen  würde. 

Und  wie  lautete  nun  jenes  Lied: 

Immer  hin,  fahr  immer  hin 

Falscher  Sinn 

Du  sollst  mich  nicht  kränken. 

Was  mir  gar  nicht  Averdeu  kan 

Wird  von  dann 

Mein  Gemüthe  lenken. 

Ich  weifs  meine  Zeit 

Und  ein  solches  Leid 

In  den  kühlen  Wein 

Der  mir  glatt  geht  ein, 

Wohl  zu  versenken.  (Rosengeb.  S.  56.) 

Immer,  wo  die  besten  ihrer  Zeit  aufgezäht  werden, 
wird  auch  Öchirmers  Name  genannt.  Johann  Sinapius 
(Lobgedicht  in  poesin  Sieberianam)  singt: 

Was  Heinsius  erdacht. 
Was  Opitz  aufgebracht, 
Was  Fleming  nachgesungen. 
Was  Risten  wohlgelungen, 
Was  Tscherning  fürgemahlt. 
Womit  der  Clajus  prahlt, 
Was  Dach  und  Scliirmer  sinnen: 
Ist  Sieber's  sein  Beginnen. 

Gotthilf  Treuer  (Deutscher  Daedalus)  stellte  sogar 
alle  poetischen  Wörter  aus  Schirmers  Gedichten  zusam- 
men! Da  konnte  es  nicht  fehlen,  dals  iSchirmer  eitel 
wurde  und  sich  stolz  brüstet: 

Denn  ich  bin  dci-,  dnicii  den  der  Sachsen  schönes  Wesen, 
AN'as  Dichterkunst  betrifft,  itzt  iiocbdeutscli  wird  gelesen. 
Setz,  0  ]\lelpomene,  mir  auf,  als  meinen  J\ulini. 
Den  grünen  Lorbeerkranz,  mein  rechtes  Eigenthum. 

Die  Geschichte,  die  gerechtest(;  Richterin,  hat  ihm 
wenigstens  ein  klein  Lorbeerreislein  nicht  zu  versagen 
vermocht. 


9* 


V. 

Zur  Geschichte  der  Goldschmiedekimst 

iu  Sachsen. 

Ton 

E.  Wem  icke. 


Marc  Rosenberg'  hat  in  seinem  verdienstliclien 
Werke  „Der  Goldschmiede  Merkzeichen"  (Frankfurt  a.  M., 
H.  Keller  1890),  worin  er  2000  facsimilierte  Stempel  auf 
älteren  Goldschmiedearbeiten  nebst  Erklärungen  veröffent- 
licht ,  folgende  sächsische  Städte :  Dresden ,  Freiberg, 
Halle,  Leipzig,  Magdeburg,  Torgau,  Weimar,  Wittenberg, 
Zeitz  und  Zwickau  in  Betracht  gezogen  und  hierbei 
nahezu  40  Meister  mit  den  ihnen  zuzuschreibenden  Ar- 
beiten festzustellen  vermocht,  zahlreicher  Urheberzeichen 
nicht  zu  gedenken,  die  einer  noch  ausstehenden  oder  ganz 
einwandfreien  Deutung  harren. 

Während  Rosenbergs  Werk  noch  im  Druck  sich 
befand,  benutzte  ich  einen  dreitägigen  Aufenthalt  in  Dres- 
den, um  Rechnungsbücher  des  Königl.  Hauptstaats- 
archivs, die  Ausgaben  für  den  kurfürstlich  sächsischen 
Hoflialt  betreffend,  in  der  Voraussetzung  zu  durchmustern, 
dals  das  mir  bekannte  Rosenbergsche  Unternehmen  zu 
gewissen  Nachti-ägen  Anlals  bieten  würde.  Nachdem  sich 
diese  Anschauung  bestätigt  hat,  ermangele  ich  nicht,  die 
einschlagenden  Ergebnisse  meiner  damaligen,  den  Zeitraum 
von  1624—1652  umfassenden  Forschungen  nachstehend 
bekannt  zu  geben.  Einige  Angaben  Rosenbergs  werden 
dadurch  teils  bestätigt,  teils  ergänzt,  die  von  ihm  namhaft 


Zur  Greschichte  der  Goldschmiedekunst.  133 

gemachten  Goldsclimiedemeister  aber  um  eine  nicht  zu 
verachtende  Anzahl  ihm  unbekannt  gebliebener  oder  ab- 
sichtlich (vergl.  VorAVort)  unterdrückter  Künstlernamen 
vermehrt.  Wo  jedoch  die  anzuführenden  Erzeugnisse  der 
Betrelienden  hingewandert  sind  bezw.  aufbewahrt  werden, 
diese  Frage  zu  beantworten,  muls  ich  Orientierteren  wie 
Vorständen  und  Inhabern  von  Sammlungen  um  so  mehr 
überlassen,  als  die  häufig  sehr  lakonische  Fassung  der 
Quittungen  und  Beläge  nur  dem  Eingeweihten  den  rich- 
tigen Weg  verraten  dürfte^). 

Als  eine  selbstverständliche  AVahrnehmung  möchte 
ich  es  bezeichnen,  dals  der  kursächsische  Hof  seinen  Be- 
darf an  Kostbarkeiten  und  Kleinodien  nicht  allein  aus 
Werkstätten  des  eigenen  Landes  deckte,  sondern  auch  von 
—  wie  es  scheint  —  ständigen  Lieferanten  an  renommierten 
Stätten  der  Goldschmiedekunst  bezog.  Die  Leipziger 
Juweliere  August  Richter,  Georg  Opitz  und  Johann  Hein- 
rich Reinhardt  (letzterer  möglicherweise  ein  Nachkomme 
des  Leipziger  Goldschmieds  Hans  Reinhart,  vergl.  Rosen- 
berg a.  a.  O.  S.  199),  von  denen  schon  im  Dezember  1650 
durch  Heinrich  von  Taube  Silberwaren  für  Dresden  er- 
handelt worden  waren,  lieferten  im  folgenden  Jahre  einen 
raassivgoldenen  und  geschmelzten  Becher  mit  einem 
Deckel,  auf  drei  Löwenklauen  stehend,  mit  11  Diamanten, 
13  Rubinen,  6  „Schmarallen"  und  einem  Saphir  versetzt, 
einschlieislich  des  Futterals  zum  Preise  von  480  Thlr. 
und  wahrscheinlich  auch  das  in  Leipzig  für  700  Thlr. 
angekaufte  grofse,  aus  Nephrit  geschnittene  Geschirr  mit 
getriebenem  und  vergoldetem  Silberwerk.  Ein  eclit- 
goldener,  geschmelzter  Becher*  mit  14  Diamanten,  eben 
soviel  Rubinen,  6  Smaragden  und  einem  Saphir,  im  Werte 
von  513  Thlr.,  wurde  am  17.  August  1652  von  Georg 
Opitz  bezogen  und  dem  bisherigen  Administrator  des  Erz- 
stifts Magdeburg,  August  von  Sachsen.  l)ei  seinem  Abzüge 
im  Oktober  verehrt,  während  Neujalirsgeschenke  für  Her- 
zog Johann  Georg  von  Sachsen,  bestehend  in  einem  Ge- 


')  Benutzt  luid  unter  den  nebenstehenden  Abkürzungen  angefiihit 
wurden  folgende   Aktensttu-ke :   Loc.  8(i95,  Berechnung  der  Edelge- 

steine  ,  Kleinoder.  (Joldes  und  güldener  Ketten welehes  auf 

des  Durch).  Kurfürsten  .  .  .  Bevclicli  .  .  .  vom  I.Jan.  Ilil9his  Muri 
eingenommen  und  wiedei'  ausgegeben  (Jür.).  J;Oc.  sfiiif),  Reehnungen 
und  Belege  ülier  die  von  denen  (jl(dd- Arbeitern  gefertigten  Kleinode  Ix'tr. 
im4:—Hir>i(RB).  Loc.  H(i9(i,  Belegc-Zeddelzur  Reclimuige  um  Ein- 
nahme und  Ausgabe  edeler  Gesteine,  tCIeiiiiMb'r.  Goldes  .  .  .  1(524 — 29 
und  desgl.  16;JU— l(i.i(i  [JiZ). 


134  i^.  Weniicke: 

schirr  in  Gestalt  eines  Schiits  aus  Nephrit  mit  silberver- 
gokletem  Fuls  und  Deckel,  zwei  silb  er  vergoldeten  Pokalen 
von  getriebenerArbeit,  einem  hohen  silbervergoldeten  Becher 
und  zwei  kleineren  ausnahmsweise  aus  Ihrer  Kurfürstlichen 
Durchlaucht  ,.gTolsem  Gewölbe"  genommen  worden  sind. 
Während  über  Beziehungen  zu  Nürnberger  Firmen 
(s.  unter  Laue)  nichts  Näheres  zu  ermitteln  war,  verlautet 
über  Augsburg,  man  habe  von  den  dortigen  Juwelieren 
Michael  Spengler  und  Hans  Georg  Lauge  auf  dem  Leip- 
ziger Ostermarkte  eine  weilse  Flasche  und  einen  durch- 
brochenen Korb  um  ca.  205  Thlr.  erworben.  —  Johann 
Weinmann  von  Hamburg  verkaufte  1651  ein  diaman- 
tenes Kleinod  und  diverse  „Büchsen-Diamanten,  woraus 
dergleichen  Sachen  verfertigt  werden  sollten",  um  zu- 
sammen 5050  Thlr.  Von  den  Hamburger  Handelsleuten 
Hans  Lambrecht  und  Gerhard  Heusch,  welche  zum  Jahre 
1652  als  Verkäufer  einer  „Conterfeit-Büxe"  mit  dünnen 
Diamanten  pro  280  Thlr.  erwähnt  werden,  ist  der  Erst- 
genannte auch  sonst  in  seiner  Heimat  bezeugt  als  Lieferant 
kunstvoller,  zu  Ehrengeschenken  für  Fürsten  und  Herren 
seitens  des  Senats  von  Hamburg  bestimmter  Gold-  und 
Silbergeräte.  Edelsteine  vermittelte  der  Juwelier  Hein- 
rich Sivers  daselbst  wiederholt  nach  Dresden.  —  Wegen 
Einkäufen  in  Prag  wolle  man  unter  „Seuter"  nachsehen. 
AVahrscheinlich  ist  es  auch  dieser  Händler,  welcher  sich 
unterm  26.  Oktober  1652  für  eine  nach  spanischem  Muster 
gearbeitete  Kette,  die  Graf  Wallenstein  bekommen,  410 
Thlr.  auszahlen  liels. 

Die  genannten  fünf  Städte,  mit  deren  Goldschmieden 
bezw.  Händlern  der  kursächsische  Hof  Verbindungen 
unterliielt,  sind  eben  diejenigen  gewesen,  in  denen  der 
betretfende  Kunstzweig  seiner  Zeit  ganz  besonders  blühte. 
Beziehungen  nach  dem  Osten  haben  sich  nur  insofern 
ergeben,  als  ein  Goldschmiedgeselle  aus  Dresden  in 
Breslau  gearbeitet  und  ein  in  Breslau  Ausgelernter  (s. 
Gerlach)  am  Dresdner  Hofe  hervorragend  Beschäftigung 
gefunden  hat. 

Es  folgen  nun  die  einzelnen  Meister  in  alphabetischer 
Ordnung. 

Blus,  Martin,  liefert  am  11.  Okt.  1637  in  Sohra 
(bei  Freiberg):  8  silberne  Flaschen,  inwendig  vergoldet, 
für  199  Thlr.  12  Gr.;  einen  Becher  von  2  Mk.  12  Lt. für 
33  Thlr. ;  2  goldene  Armbänder  mit  geschnittenen  Steinen, 
einen  Diamantring   und   einen  „Kleinod-K,ing"  für  bezw. 


Zui'  Geschichte  der  (Toklschmiedekun.st.  135 

15.  60  und  2  Tlilr.  (BZ  1630-6).  —  Rosenberg-  bildet 
unter  Nr.  630  ein  aus  den  Buchstaben  M  und  B  zusam- 
raengesetztes  Meisterzeiclien  ab,  das  er  auf  einen  im 
Beginne  des  17.  Jahrhunderts  thätigen  Gohlschmied  Michael 
Botza  zurückzufüln-en  sich  versucht  fühlt.  Ebenso  gut 
Heise  sich  aber  auch  der  obige  Name  herauslesen  oder 
derjenige   des   später   zu   behandelnden   Martin  Borisch. 

Born  er,  Bartholomäus,  kurfürstlicher  Edelstein- 
schneider, urkundet  unterm  20.  Dez.  1626,  daXs  auf  Befehl 
des  Oberkämmerers  Heinrich  von  Taube  Abraham  Schwed- 
ler bei  ihm  habe  5  krystallene  Platten  kleiner  machen 
und  wieder  polieren  lassen.  Der  Arbeitslohn  von  jeder 
betrug  10  Gi*.  6  Pf.  Für  6  neue  dergl.  wurden  ihm  am 
30.  Dez.  12  Floren  ausgezahlt  (BZ  1626  No.  26). 

Am  28.  Juli  1635  liquidiert  er  64  Thlr.  für  32  Stück 
krystallene  „Conterfeit  (Confect?)-Blatten". 

Auf  Befehl  Seiner  Kurfürstlichen  Durchlaucht  hat 
er  1636  in  ein  Uhrgehäuse  von  Chalcedon  3  Löcher  ge- 
bohrt, mit  Kitt  und  goldenen  „Tibelgen"  wieder  be- 
festigt, wofür  er  unterm  26.  April  2  Thlr.  erhielt  (BZ). 
Eosenberg  gedenkt  unter  No.  1529  eines  Strafsburger 
Goldschmieds  Abraham  Berner  z.  J.  1547,  dessen  Mono- 
gramm er  abbildet.  Möglicherweise  war  dieser  ein  Vor- 
fahr des  hier  Behandelten. 

Borisch,  Martin,  quittiert  am  29. Okt.  1628  über  500 
Thlr.  Aufgeld  für  3  Dutzend  Schalen,  welche  künftige 
Weihnachten  fertig  werden  sollen  (BZ  1628  No.  19).  In 
No.  21  werden  sie  bezeichnet  als  silberne,  ganz  vergoldete, 
gemuschelte,  schöne,  grolse  Confectschalen,  auf  jeder  eine 
Figur,  von  einem  Gesamtgewicht  von  251  Mk.  14  Lt. 
2  Qu.  Die  von  ihm  ausgelegten  3022  Thlr.  21  Gr.  werden 
ihm  am  20.  Dez.  erstattet. 

1649  erhält  er  51  Fl.  9  Gr.  für  einen  Diamantring, 
welchen  des  Fürsten  von  Oels  Abgesandter,  Justus  von 
Kospoth,  wegen  überbrachter  Gevatterschreiben  im  Sei)t. 
1648  erhalten  (Ber.  1649  s.  v.  Ausgabe -Geld  vor  und  in 
den  Leipziger  Märkten). 

Böse,  Caspar,  zu  Leipzig,  quittiert  am  15.  Jan. 
1624  über  einen  bezahlten  Saphirring  (BZ  1()24).  Von 
seinem  Bruder  Paul  Böse  wird  am  18.  Okt.  1652  ein 
„dreifaches  Geschirr  mit  einem  Jäger"  erhandelt.  (Ber. 
1652  Bl.  6()).  Aus  diesen  und  anderen  Aiifülirnngon 
geht  hervor,  dals  die  Gebrüder  Böse  Juweliere  und  kaum 
ausübende  Künstler  gewesen  sind. 


136  J^-  Weniicke: 

Man  ist  eben  zu  sehr  geneigt,  den  modernen  Begriff 
des  Wortes  „Juwelier"  für  die  frühere  Zeit  zum  Mais- 
stabe zu  nehmen,  die  darunter  aber  einfach  Händler  ver- 
standen zu  haben  scheint.  Solche  Gewerbetreibende  hatten 
übrigens  in  der  Regel  mit  vielen  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen,  ehe  die  eifersüchtigen  Goldschmiede  in  ihre 
Niederlassung  willigten.  So  weils  ich  mich  eines  Falls 
in  Freiberg  zu  erinnern,  wo  einem  Juwelier  die  Ein- 
richtung eines  Geschäfts  nur  unter  der  Bedingung  gestattet 
wurde,  dals  er  weder  vor  seinem  Laden,  noch  am  Schau- 
fenster Geschmeide  ausstelle,  sondern  einfach  vermittelst 
eines  Täfelchens  mit  seinem  Namen  in  Goldschrift  die 
Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehe. 

Flach,  Hans,  derzeit  in  Chemnitz,  liquidiert  über 
585  Thlr.  für  4  gelieferte  goldene  Ketten  im  Gesamt- 
gewichte von  324  Kronen  k  38  Gr.  und  von  jeder  Kette 
18  Thlr.  Macherlohn.  Die  Zahlung  erfolgte  am  21.  Dez. 
1629  in  Dresden  (BZ  1629  No.  27,  wo  auch  ein  Siegel 
mit  der  Hausmarke  des  Meisters).  Einen  Goldschmied 
Sebastian  Flach  findet  man  in  „Schlesiens  Vorzeit" 
Bd.  IV,  506. 

Friedrich,  Michael,  liquidiert  über  14  Thlr.  9  Gr. 
für  Macherlohn  an  2  Leuchtern  und  2  Salzfäfschen  1629. 
(BZ  1629  No.  35). 

Gent  seh  oder  Bentsch,  Andreas,  Kunststecher, 
erhält  für  Stechen  des  ganzen  kurfürstlichen  Wappens 
mit  Schild  und  Helm  samt  dem  Titel  mit  vollkommener 
Schrift  auf  8  Flaschen  ä  2  Fl, ,  sowie  für  das  Schön- 
bergische Wappen  auf  2  Flaschen  und  6  Becher  ä  V'»  Fl. 
Wird  bezahlt   den  9.  Febr.  1628  (BZ  1628  No.  31).^ 

Gerlach,  Wenzel,  berechnet  360  Thlr.  für  ein  Hals- 
band mit  Rubinen  13.  Aug.  1649  (RB  1649).  Am  12.  Dez. 
1650  werden  ihm  262  Thlr.  6  Gr.  für  ein  gefertigtes 
kurfürstliches  Bildnis  gezahlt  (ebd.  1650). 

Obgleich  der  Name  Gerlach  ein  sehr  verbreiteter, 
auch  unter  den  alten  Goldschmieden  häufig  vorkommender 
ist,  glaube  ich  doch  den  in  Rede  stehenden  Wenzel  Ger- 
lach mit  dem  aus  Sulau  in  Schlesien  gebürtigen  Gold- 
schmiedegesellen gleichen  Namens  für  identisch  halten  zu 
dürfen,  welcher  i,  J.  1620  bei  Meister  Caspar  Pf  ister 
in  Breslau  gearbeitet  hat  (Gesellenbuch  v.  J.  1618  in 
Breslau). 

Göppert,  Anna,  Goldschmiedswitwe,  liquidiert  für 
am   23.  Juni  1628  für  die  kurfürstliche  junge  Herrschaft 


Zur  (beschichte  der  {idlil^cliiuinlt'lauist.  137 

geliefertes  Silberwerk  94  Thlr.  21  Gr.  6  Pf.,  darunter  ist 
ein  silbervergoldeter  „Astbeclier"  für  25  Thlr.  8  Gr. 
(BZ  1629  No  9). 

Michael  Güppert  (Sohn  der  vorigen  ?)  liefert  am 
23.  Juni  1649  1  Paar  silberne,  ganz  vergoldete  Fläschchen 
um  42  '/.-,  Thlr.     (Ber.  1649  ff.). 

Herneiisen ,  Johann,  quittiert  d.  d.  Dresden  11.  Dez. 
1637  über  eine  Abschlagszahlung  von  30  Thlr.  (von  100 
Gldn.)  für  Einschneiden  des  kurfürstlichen  Wappens  in 
Edelsteine  (BZ  1630—36). 

Kauxdorf,  Andreas,  Goldschmied  in  Leipzig,  liqui- 
diert über  120  Thlr.  für  einen  silbervergoldeten  Baum  mit 
drei  Äpfeln,  wiegt  10  Mk.  ä  12  Thlr.  (BZ  vorliegend 
ohne  Datum,  jedenfalls  aber  aus  d.  J.  1628).  Rosenberg 
unterscheidet  S.  201  zwei  Meister  des  Namens. 

Kellerthaler,  Daniel,  erhält  am  7.  Jan.  1628 
3  Thlr.  dafür,  dals  er  in  12  silbervergoldete  achteckige 
Schalen  der  kurfürstlichen  Witwe  zu  Lichtenberg  ihr 
Zeichen  als  eine  8,  darüber  eine  Krone  und  Jahrzahl  hat 
puncionieren  müssen  (BZ  1628  No.  22).  Am  10.  Jan. 
1629  erhält  er  24  Thlr.  für  drei  in  Silber  getriebene 
Christkindlein  zumAVeihnachtsfeste  1628  (BZ  1(;29  No.  32). 
1637  wird  er  beauftragt,  das  kurfürstliche  Sekret-  (Lehns-) 
Siegel  zu  fertigen,  wofür  ihm  300  Thlr.  versprochen  werden. 
Die  letzte  Abzahlung  erfolgte  am  6.  Dez.  1637.  Er 
schneidet  auch  das  geheime  Kammersiegel,  worauf  er  am 
22.  Dez.  20  Thlr.  empfängt  (BZ  1630-36  No.23tf.). 

Rosenberg  kennt  einen  Daniel  Kellerthaler  nicht, 
bildet  aber  unter  No.  622  ein  Merkzeichen  ab,  aus  dem 
jeder  Unparteiische  die  Buchstaben  D.  K.  herauslesen 
wird,  wälirend  R.  einen  mir  sonst  nicht  begegneten,  1608 
thätigen  (Hans)  Johann  Kellerthaler  unterzubringen  sucht. 
—  Dem  Goldschmiede  Friedrich  Kellerthaler  werden  am 
16.  Mai  1653  für  einen  Silberbeschlag  an  eine  Schalmei, 
welche  der  Pfeifer  Peter  Schanbe  bekommen,  28  Fl. 
9  Gr.  9  Pf.  bezahlt  (Ber.  1652  Bl.  109b).  Auf  diesen 
Goldschmied  würde  auch  das  von  Rosenberg  unter  Nr.  629 
veröffentlichte  Meisterzeichen  passen,  das  dort  auf  einen 
Friedrich  Klemm  bezogen  wird. 

Kitz k atz,  Ruprecht  Nikolaus,  Münzeisenschneider, 
erwähnt  im  Juli  1625  (BZ  1624). 

Klemm,  Samuel  (aus  Freiberg),  quittiert  1629  o.T. 
über  bezahlte  10  Thlr.  3  Gr.  für  27  grolse  und  kleine 
Silbergeschirre    bezw.   Becher,   zu   renovieren    und   aus- 


138  ß-  Wernicke: 

zuputzen  (BZ  1629  No.  29).  Hat  1636  an  die  silber- 
vergoldete Kanne,  welche  in  der  Schlolskirche  zur  Kom- 
munion gebraucht  wird  und  wovon  die  Schnauze  ganz 
abgebrochen,  diese  angelötet  und  das  Kultgerät  ausge- 
putzt und  in-  und  auswendig  aufs  neue  vergoldet,  wofür 
er  am  12.  Sept.  mit  12  Thlr.  14  Gr.  abgelohnt  wird.  — 
Rosenberg  kennt  diesen  Goldschmied  nicht,  sondern 
einen  Friedrich  Klemm  1638  (vergi.  das  bei  Kellerthaler 
Gesagte). 

Kramer,  Zacharias,  erhält  am  2.  Mai  1630  425 
Thlr.  für  ein  goldenes,  mit  Rubinen  besetztes  Becherlein 
(BZ  1630  No.  25,  wo  auch  das  Siegel  des  Goldschmieds 
mit  Hausmarke,  die  aber  durchaus  verschieden  ist  von 
der  eines  i.  J.  1569  verstorbenen  Augsburger  Goldschmieds 
David  Kramer,  vergl.  Rosenberg  S.  19  oben). 

Krauls,  Heinrich,  quittiert  am  20.  Febr.  1629  über 
Empfang  von  19  Thlr.  für  drei  silbervergoldete  Schäch- 
telchen ä  5  Thlr.  und  Silberbeschlag  für  ein  Pulver- 
fläschchen  von  Elfenbein  (BZ  1629  Nr.  61). 

Kr  e  hm  an  n,  Tobias,  in  Leipzig,  liefert  im  Febr. 
1625  lOPaarKrystallplatten,  die  zum  „Conterfeite"  sollen 
gebraucht  werden  (BZ  1625  ff.). 

Laue,  David,  Goldschmied  in  Nürnberg,  scheint  an 
den  kurfürstlichen  Hof  Lieferungen  gemacht  zu  haben, 
indem  seine  Erben  im  Nov.  1625  (BZ)  und  zehn  Jahre 
später  im  diesbezüghchen  Rechnungswesen  namhaft  ge- 
macht werden.  BZ  1635  No.  27  bringt  das  sehi'  un- 
vollkommen aufgedrückte  Siegel  des  Obigen,  wovon  sich 
nur  zwischen  den  helmzierenden  Büffelhörnern  des  Wap- 
pens D.  L.  erkennen  läfst.  Der  Lihalt  des  Wappenschil- 
des ist  nicht  mehr  wahrnehmbar.  -  -  Dafür  hat  Rosenberg 
mit  dem  unter  No.  1264  wiedergegebenen  Meisterzeichen 
(geteiltem  Schild  mit  zwei  Sternen  zu  einem)  Ersatz  ge- 
bracht. —  Die  Namensform  Laue,  nicht  Lauer,  dürfte 
den  Dresdner  Archivalien  zufolge  die  malsgebende  sein, 
um  so  mehr,  als  im  Verzeichnis  der  „Goldschmit-Zeichen, 
wie  sie  auf  den  Nadeln  in  der  Schau  (zu  Nürnberg)  und 
in  der  Laden  (der  Lmung)  sein"  zum  Jahre  1580  ein 
Goldschmied  Hans  Christoph  Laue  mit  dem  Monogramm 
H  L  C  verzeichnet  steht.  —  Ein  Juwelier  Johann  Gott- 
lieb Laue  erhielt  übrigens  am  6.  Mai  1763  in  Hamburg 
Bürgerrecht  (Katalog  des  dortigen  Bürgerbuchs  1670—1767 
Litt.  H-0). 


Zur  Geschichte  der  Goldschmiedekuiist.  130 

L  IUI  den,  Heinrich  von,  Goldschmied,  erhält  am 
10.  Jan.  1629  27  Flor.  9  Gr.  für  drei  Dutzend  silberne 
Schüsseln,  drei  Dutzend  silberne  Teller,  auf  alle  das 
Schönberger  Wappen  und  Buchstaben  gestochen,  ausge- 
sotten  und  von    neuem    zugerichtet   (BZ   1629  No.  28). 

—  Üb  die  Initiale  „L"  meinerseits  richtig  aufgefalst 
worden  ist,  mufe  ich  einer  besonderen  Prüfung  anheim- 
stellen. An  Lunden  im  Norderdithmarschen  wird  wohl 
kaum  zu  denken  sein. 

Munter s,  Ludwig  de.  Ein  Verzeichnis  der  Ringe, 
welche  er  zu  dem  Fürstlich  Holsteinischen  Beilager  ge- 
liefert, in  BZ  1630—36  No.  3. 

Peilsker,  Hans,  quittiert  d.  d.  Leipzig  1.  Okt.  1627 
über  100  Thlr.  Abschlagszahlung  für  ein  Becken  von 
60  Mk.  Gewicht  und  weitere  200  Thlr.  1.  Okt.  1628 
(BZ  1627.  28 ,  wo  auch  das  nicht  mehr  genau  zu  bla- 
sonierende  Wappensiegel  dieses  Goldschmieds,  dessen 
Namensform  auf  Herkunft  aus  Niederschlesien  schlielsen 
läfst). 

Peyerle,  Hans  Georg,  erhält  1630  418  Thlr.  für 
5  diamantene  „Tafel-Ringe"  (BZ  1630  No.  24). 

Pischhäuser,  Markus.  In  den  BZ  1628  läM  er 
sich  folgendermalsen  aus:  ein  silbern  und  vergoldetes 
Trinkgeschirr  in  Gestalt  eines  Baumes  von  22  Mk.,  tliut 
352  Thlr.;  item  vor  das  Futter  darzu  3  Thlr.  und  den 
Fischer,  welcher  mich  und  meinen  Gesellen  mit  obigem 
Trinkgeschirr  aufm  Eibstrom  li^runter  geführet,  3  Thlr.; 
item  8  Tage  lang  in  Torgau  stille  liegen  müssen  und  mit 
meinem  Gesellen  verzelirt  9  Thlr.  Die  Erstattung  erfolgte 
zu  Torgau  am  18.  März  1628. 

Putleste(Putlitz?),  Joachim.  Rosenberg,  der  ihn  S.  153 
„Puttlost"  und  um  1607  thätig  gewesen  bezeichnet,  erwähnt 
neben  abgebildetem  Meisterzeichen  „drei  Jagdbestecke" 
im  Besitze  des  historischen  Museums  zu  Dresden.  Eine 
Rechnung  des  P.  über  Lieferung  des  Beschlags  zu  einem 
„Wildmesser  und  Hirschfänger"  s.  BZ  1624;  die  liquidierte 
Arbeit  dürfte  auf  das  Obige  sehr  wohl  zu  beziehen  sein. 

Reils  (Reig?),  Johann  Philipp,  wird  am  7.  Juli  1625 
für  Lieferung  von  Diamantringen  bezahlt  (BZ). 

Schwedler,  Abraham.  Lieferte  zunächst:  13  Dia- 
mantringe geschnitten  und  schwarz  geschmelzt,  wiegen 
12^=V],  Kronen.     Macherlohn:   19  FI.  10  Gr.  6  I^f.     1625. 

—  Ein  Kleinod,  wie  eine  sechseckige  Rose  formiert,  ist 


140  E.  Wernicke: 

ganz  von  neuem  bossiert;  sind  darin  versetzt  43  Diamanten, 
wiegt  an  Gold  33'/^  Kr.;  drei  schwarz  geschmelzte  Ringe, 
in  jedem  eine  schöne  groise  Diamant -Tafel  versetzt. 
Macherlohn  45  Thlr.  Bezahlt  28.  Aug.  16:25  (BZ). 
Die  Kosten  seiner  Lieferungen  an  den  Hof  betrugen  1634 
466  Thlr.  12  Gr.  9  Pf.  Über  Abschlagszahlungen  quittiert 
am  11,  Juni  1649  im  Namen  der  Erben  Abraham  Schwedler 
d.  J.  Ein  Brief  Johann  Georgs  d.  d.  Kalkreut  18,  Okt. 
1648  bezeichnet  den  Verstorbenen  als  „Hofgoldarbeiter" 
(RB  1634  ff.  Bl.  3). 

Seutter,  Martin,  kaiserlicher  Hof- Silberhändler  in 
Prag ,  reicht  unterm  16.  Nov.  1652  Rechnung  ehi 
über  eine  120  Kronen  Aviegende  goldene  Kette  (RB). 
Die  Grabstätte  eines  Christoph  Seuter  von  Hamburg  und 
seiner  Ehefrau  Margareta,  geb.  Hagedorn,  in  Nürnberg 
(1667)  ist  beschrieben  in  „Norischer  Christen -Freyd- Höfe- 
Gedächtnis".     Nürnberg  1682  No.  2129. 

Weinolt,  Tobias.  Wird  am  13.  Okt.  1636  bezahlt 
für  verschiedene  Arbeiten  für  den  Kurfürsten,  darunter 
„eine  silberne  Soldaten- Jungfrau  (Minerva?)  gefärbt  und 
wiederum  gemacht"  (BZ  1630  —  36).  Ein  Christoph 
Weinhold  aus  Dresden  arbeitete  1618  als  Geselle  bei 
dem  Goldschmiede  Veit  Koch  in  Breslau  (vergl.  Wenzel 
Gerlach). 

Weilshun,  Nikolaus.  Zuerst  erwähnt  in  einem 
„Memorial"  d.  d.  Dresden  23.  Aug.  1651  (RB).  Im  Juni  1652 
bekennt  der  Maler  Valentin  Wagner  für  ein  Paar  kleine 
gemalte  kurfürstliche  Bildnisse  von  Herrn  Goldschmied 
N.  Weilshun  10  Thlr.  erhalten  zu  haben.  Weilshun  be- 
stätigt dies  folgendermalsen :  Ihrer  Kurfürstlichen  Durch- 
laucht und  Dero  herzliebsten  Frau  Gemahlin  Bildnisse 
dem  Maler  Wagner  malen  lassen,  so  dem  Landgrafen 
aus  Hessen  zukommet,  leget'  ich  aus  (RB).  —  „Ein 
Halsband  von  37  Smaragden,  daran  der  h.  Geist  in  Tauben- 
gestalt, ist  den  26  Dez.  1651  von  Nik.  Weilshun  pro 
180  Thlr.  zu  notwendigem  Bedürfen  erkauft  worden." 
Desgleichen  von  ebendemselben  um  200  Thlr.  eine  goldene 
Schleife,  mit  Diamanten  und  Rubinen  versetzt  (RB). 
Im  Okt.  1652  erhielt  Weifshuhn  60  Thlr.  für  eine  „Con- 
terfact-Büxe,  darauf  zwei  Friedensbildnisse  mit  Blu- 
menwerk geschmelzet,  und  darüber  eine  Schleife  mit 
einem  Saphir  und  Rubin,  welche  Herzog  Johann  Georgs 
Fräulein  an  dero  Namenstage  präsentirt"  (Ber.  v.  10.  Nov. 
1652  ab). 


Znr  C-reschicbte  der  Goldschmiedekmist.  141 

Zilie ke,  Paul,  Juwelier,  erhält  am  21.  Juli  1049 
50  Thlr.  für  eine  silberne,  sauber  gestochene  Kanne  (RB). 
NachBer.  vom  Nov.  1652  Bl,  981»  bekam  derselbe  —  dort 
als  Goldschmied  bezeichnet  ■ —  für  eine  Erbsenkette  von 
26^/2  Ki'onen,  mit  welcher  der  niederländische  Maler 
Anselm  von  Hülle  im  Jan.  d.  J.  ausgezeichnet  worden 
war,  45  Thlr. 


VI. 

Kleinere  Mitteilungen. 

1.  Zwei  erzgebirgische  Fraiiziskanerfornmlare. 

Mitgeteilt  von  Eduard  Hey  d  eure  ich. 


Bei  der  AVichtigkeit ,  welche  der  Franziskanerorden 
für  die  Geschichte  nicht  nur  der  Städte  Freiberg-,  Chem- 
nitz, Zwickau  und  Schneeberg,  sondern  des  ganzen  Erz- 
gebirges im  Mittelalter  gehabt  hat,  ist  der  Wortlaut 
zweier  vor  kurzer  Zeit  in  Schneeberg  gefundener  mittel- 
alterlicher Formulare  dieses  Ordens  von  Interesse. 

Das  eine  derselben  enthält  ein  Gelöbnis,  welches  bei 
der  Aufnahme  abzulegen  war,  und  ist  im  fünften  Band 
der  alten  Lyceumshandschriften  erhalten,  welche  1614  in 
einem  Anbaue  der  Schneeberger  St.  Wolfgangskirche  auf- 
gestellt und  dadurch  vor  den  damals  häufigen  Feuers- 
brünsten gesichert  wurden.  Dieser  Band,  dessen  Vor- 
besitzer nicht  zu  ermitteln  ist,  ist  infolge  Vertrages 
zwischen  der  Stadt  Schneeberg  und  dem  königl.  säclis. 
Ministerium  des  Kultus  und  öffentlichen  Unterrichtes 
gelegentlich  der  Neuerrichtung  des  gegenwärtigen  Schnee- 
berger Gymnasiums  an  die  Bibliothek  des  letzteren  abge- 
treten worden.  Die  Schrift,  mit  weicher  das  Gelöbnis 
Blatt  189a  hinter  der  Unterschrift:  „Explicit  regula  et 
vita  fratrum  et  sororum  de  penitentia"  mit  veränderter 
Tinte  eingetragen  ist,   ist  flüchtig  und  reich  an  Abkür- 


zungen. 


Das  Gelöbnis  hat  folgenden  Wortlaut: 

„Icli  biuder  N  adder  swister  des  dritten  ordins  sancti  Fraucisci 
globe  gote  und  der  liben  juncf'rawen  Marien  und  dem  Üben  herrn 
Sancto  Fraucisco  uud  allen  heiigen  und  den  vater,  al  meine  lebetage 


Kleinere   Mittoiliing-eu.  143 

zu  halden  den  dritten  orden  Sancti  Francisci  der  brüder  vnd  der 
swestern  von  der  dritten  regel,  den  orden  der  do  bestetiget  und  lie- 
festent  ist  von  unserm  heilgeu  vater  dem  bal)iste  Nicoiao  und  daz 
her  gesatzt  hat  an  d^-sem  leben  daz  wil  ich  wirken  und  thun  mit 
guten  trawen  in  gehorsam  und  globe  daz  ich  noch  nimmer  gescheyden 
wil  von  disea  orden,  ich  kenne  den  zu  eynen  hocheren  leben  kommen 
mit  der  giu^den  des  heiigen  geistes.    Amen." 

Ein  solches  Gelöbnis  wurde  nach  Verlauf  eines  Probe- 
jahres von  sog.Tertiariern  d.  h.  denjenigen  Ordensmitgliedern 
abgelegt,  welche  nicht  in  ein  Kloster  traten,  sondern  in  ihren 
weltlichen  Lebensverhältnissen  blieben.  AVenn  sie,  wie  dies 
auch  das  Ende  des  vorliegenden  Gelöbnisses  erweist,  der 
Sitte  nach  versprachen,  im  Orden  zu  bleiben  und  nicht 
aus  demselben  wieder  auszutreten,  so  pflegten  sie  den 
Vorbehalt  zu  thun,  es  sei  denn  um  Mönch  oder  Nonne 
zu  werden.  Kamen  sie  aber  „zu  einem  höheren  Leben 
mit  der  Gnade  des  heiligen  Geistes",  so  wurden  sie  fratres 
primae  regulae  d.  i.  eigentliche  Franziskanermönche  (fratres 
minores)  oder  sorores  secundae  regulae  d.  i.  Ciarissen. 

Aulser  den  mittelalterlichen  Handschriften,  über  deren 
wissenschaftliche  Bedeutung  Referent  an  anderer  Stelle 
sich  geäulsert  hat^),  hat  sich  in  Schneeberg  noch  eine 
Zahl  zum  Teil  sehr  stattlicher  Inkunabeln  erhalten.  AVäh- 
i'end  durch  den  oben  erwähnten  Vertrag  die  meisten 
Handschriften  der  Gymnasialbibliothek  und  nur  die  rein 
theologischen  Manuskripte  der  Bibliothek  der  St.  Wolf- 
gangskirche zugewiesen  sind,  hat  nur  ein  klenier  Teil  der 
Inkunabeln  in  dem  neuerbauten  G^^mnasialgebäude  Auf- 
stellung gefunden.  Zu  diesen  gehört  ein  Leipziger  Druck 
vom  Jahre  1497  „impressa  Lipsigck  per  Baccalarium 
wolfgangum  Monacensem''.  Derselbe  führt  den  Titel: 
„Confessionale  domini  Antonini  archiepiscopi  Florentini". 
Wie  häufig  bei  alten  Sammelbänden  von  Handschriften 
oder  Drucken  sind  pergamentene  Manuskriptfragmente 
als  Stütze  der  Buchbinderarbeit  verwendet.  Auf  den  bei- 
den Innenseiten  des  Holzeinbandes  war  je  ein  alter  gedruck- 
ter Zettel  vom  Jahre  1490  aufgeklebt,  dessen  durchschim- 
mernde Buchstaben  und  Abbreviaturen  den  Forschungs- 
trieb anregten.  Meinem  Kollegen,  Herrn  Gymnasiallelirer 
Zürn  in  Sclmeeberg,  gelang  es,  die  beiden  aufgeklebten 
und  nur  auf  einer  Seite  bedruckten  Papiere  derartig  los- 
zulösen, dafs  jede  Beschädigung  der  alten  Druckschrift 


^)  Festschrift   des  Königl.  Clymnasiums    zu    Schncelierg    1891, 
S.  40  ff.  und  oben  S.  91  fgg. 


144  Kleinere  Mitteilungen. 

vermieden  wurde.  Wie  in  der  Ratsbibliothek  zu  Zwickau 
auf  dieselbe  Weise  kürzlich  interessante  Funde  gemacht 
wurden,  so  auch  hier :  die  beiden  Drucke  sind  auf  gelbem 
Papier  ohne  Verlust  auch  nur  eines  Buchstabens  erhalten 
und  vollständig  übereinstimmend.  Der  Wortlaut  dieses 
Formulars  lautet: 

In  cliristo  deo  deuotis  (der  übrige  Raum  der  ersten  Zeile  ist  leer  ge- 
lassen) Frater  Erhardus  Meltzer  Guardianns  conventus  Czwickaviensis 
immeritns  Sa  |  Intern  et  gracie  incrementa  in  domino  seinpiterna  piis 
vestris  petitionibus  cum  ad  salutem  anime  |  pertineant  inclinatus 
Deuotionemque  quam  ad  ordinem  sancti  patris  nostri  Francisci 
geritis  in  |  domino  commendans  ac  vicissitudiuibus  salutaribns  reconi- 
pensare  desiderans  Avictoritate  ße  ]  uerendi  patris  nostri  prouincialis 
ministri  mihi  in  liac  parte  specialiter  indulta  Vos  |  ad  vniuersa  nostre 
religionis  suftragia  in  vita  recipio  pariter  et  in  raorte  Concedens  | 
vobis  presentinm  teuere  plenam  participationera  Missarum.  vigiliarum. 
orationum.  ieiunio  |  rum  Castigationum  ac  aliorum  omnium  bonoram 
operum  que  per  fratres  nostri  munasterii  |  domino  digne  fannxlantes 
operari  diguabitur  dementia  saluatoris  Adijciens  singulariter  |  quod 
cum  obitus  vest  (folgt  kleine  Lücke)  predicto  mouasterio  fuerit  nunciat 
(folgt  kleine  Lücke)  pro  vobis  talia  ordina  |  Inmtur  defunctorum 
suftragia  qualia  pro  fratribus  nostri  ordiuis  ab  antiquo  con  |  sueuimus 
ordinäre.  Insuper  et  animas  (folgt  gröfsere  Lücke)  |  Et  omnium  pro- 
genitorum  ad  memorata  recipio  suftragia  defunctorum  Datum  Czwickauie 
I  Anno  domini  Millesimo  quadringentesimo  Nonagesimo. 

Der  Aussteller  dieses  Formulars  war  der  Gardian 
des  Zwickauer  Franziskanerklosters  Erhard  Meltzer. 
Die  Personen ;  die  in  den  zur  Ausfüllung  leergelassenen 
Raum  der  ersten  Zeile  eingetragen  wurden  (nach  deren 
Numerus  und  Genus  sich  dann  auch  die  Ausfüllung  der 
kleineren  Lücken  richtete),  erhielten  mit  diesem  Schein 
die  Teilnahme  „an  allen  guten  AVerken,  deren  Ausführung 
durch  die  Brüder  uuseres  Klosters,  welche  dem  Herrn 
würdig  dienen,  die  Gnade  des  Heilandes  gestatten  wird"-). 


2.  Ein  Brief  „aus  dem  Lager  bey  Praj^"  vom  16.  Mai  1757. 

Mitgeteilt  von  G.  Buch  wähl. 

Unter  den  preulsischen  Musquetieren ,  welche  vom 
Februar  bis  in  den  April  1757  in  Zwickaulagen,  befand  sich 
auch  ein  gewisser  August  Fr.  Lange,  der  bei  dem  Kasten- 
knecht Job  „bey  der  Unterkirche  im  Quartier''  lag.  Es 
knüpfte   sich   zwischen  dem  Kriegsmanne,   der   schon  in 


-)  Vergl.  ähnliche  Brüderschaftsbriefe  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  6, 
448.  12,  387. 


Kleinere  Mitteihmgeii.  145 

der  Schlacht  bei  Lobositz  mitofekämpft  hatte,  und  seinem 
Wirte  ein  Freundschaftsverhältnis,  von  dem  der  im  Fol- 
genden abgedruckte  Brief  Zeugnis  ablegt. 

Der  leider  nicht  ganz  unverletzt  erhaltene  Brief  kam 
in  die  Hände  des  Zwickauer  Rektors  M.  Clodius,  der  ihn 
mit  dem  Bleistiftvermerk  versah: 

„Der  Verfasser  dieses  Briefes  ist  Aug.  Fr.  Lange,  ein  Musquetier 
beym  i'erilinandschen  Braunschweigischen  Regiment,  geschrieben  den 
16.  May  bey  Prag  an  den  Kastenknecht  Job  bey  der  Unterkirche, 
bey  welchem  Er  im  Quartier  gelegen.  Annotavit  M.  Cl.  Rect.  den 
25.  May  1757.    Zur  Bibliothec  ins  M.  S.  C.  Archiv." 

König  Friedrich  begann  in  der  zweiten  Hälfte  des 
April  1757  den  Feldzug,  indem  er  in  drei  Haupt-  und 
zwei  Nebenkorps  nach  Böhmen  rückte.  Unser  Brief- 
schreiber befand  sich  bei  der  von  Moritz  von  Anhalt- 
Dessau  befehligten  Heersäule,  die  zur  Rechten  des  Königs 
marschierte  ^). 

Meine  Hülfe  steht  im  Nahmen  des  Herrn ,  der  Himmel  und 
Erde  gemacht  hat ! 

Geehrter  Herr  Job,  meine  treugesinnte  Liebe,  die  ich  jederzeit 
aufrichtig  gegen  ihm  geheget  habe,  auch  anitzo  an  dem  Tag  zu  legen 
und  mein  gehabtes  Versprechen,  ein  vollkommenes  Genüge  zu  leisten, 
so  kau  ich  nicht  unterlafsen,  ein  Handschreiben  an  ihn  abzustatten, 
Avorinnen  ihm  einige  Relationes  von  dem  Ausmarsch  aus  Zwickaxi 
vom  10.  April  bis  ultimo  Mai  avertiren  werde,  wenn  er  sich  indefsen 
mit  seiner  lieben  Ehegattin  noch  wohl  befindet,  soll  es  mir  höchst 
erfreulich  zu  vernehmen  seyn,  was  mich  anbetrifft,  bin  ich  noch  wohl 
auf:  für  welche  grofse  Gnade  und  wunderbahre  Beschirmung  meines 
Leibes  und  Lebens  wieder  meine  Feinde  dem  allerböchsteu  Gott  nicht 
Dank  genug  abstatten  kau  und  dahero  wohl  die  höchste  Ursache  habe 
und  auch  die  erheblichsten  Beweggründe  in  meinem  Hertzen  ver- 
spühre,  mit  jauchzendem  Munde  und  frolockendem  Heitzen  anszu- 
ruffen:  0  dafs  ich  tausend  Zungen  hätte  und  einen  tausendfachen 
Mund  und  stimmte  damit  in  die  Wette  aus  allertiefsten  Herzensgrand 
ein  Loblied  nach  dem   andern  au  von  dem,  was  Gott  an  mir  gethan. 

Erstlich  melde  ich  ihm,  weil  wir  den  10.  April  aus  Zwickau 
marschierten,  lautete  es  unserer  Aussage  nach,  wir  sollten  nach 
Eger  marschieren,  also  marschirten  wir  i;nserer Marsch-Rutho  nach 
auf  Schönfelfs,  den  11.  auf  Lehmbach  2),  den  12.  durch  Rei- 
chenbach nach  Plauen.  Da  haben  v,'ir  einen  Ruhetag  gehabt. 
Unser  und  das  Kalck  st  einsehe  Reginumt  führten  die  seh  wehre 
Artillerie  bey  uns  und  der  Priutz  Ferdinand  von  Hause^)  war 
unser  Commandeui'.  Der  Fürst  Moritz  aber  ging  mit  7  Battaillou 
Grenadier  und  mit  2  Frey-Battaillon,  die  in  Reichenbach  gestanden 


1)  Vergl.  nachden  Ki'iegsjahre  17n6,  1757,  1758  in  Deutschland. 
Aus  dem  Nachlasse  Johann  Ferdinand  Huschbergs  mit  Ergänzungen 
herausgegeben  haben.    Heinrich  Wuttke.     Leipzig.    I85H.    S.  141  ff. 

-)  Limbach: 

"')  Gemeint  Prinz  Fcrdin-xnd  von  Brauuschweig. 

Neues  Archiv  f.  !>.  (i.  u.   A.     XIII.   1.  2.  lO 


146  Kleinere   Mitteihiugeii. 

haben,  nebst  den  Scitischen  Husaren  an  die  Egersche  CTrenze 
und  liefsen  einige  Dörfer  in  Böhmen  plündern ,  blofs  der  Ursache, 
den  Feind  ein  Blendnifs  zu  spiehlen,  als  wenn  die  ganze  Armee  nach 
Eger  marschiren  sollte,  wie  aber  die  Plünderung  geschehen,  mar- 
schirte  der  Prinz  auf  das  geschwindeste  mit  denen  Grenadieren  und 
Husaren  wieder  aus  der  Eg ersehen  Grenze  ab,  und  wir  marschirten 
aus  Plauen  den  14.  nach  Falckenstein,  den  15.  durch  Auer- 
bach nach  Neu  Städte  1.  Da  lag  noch  Schnee  bis  an  die  Knie, 
wo  wir  durch  marschiren  mufsten.  Da  bekam  ich  Zwickau  noch 
einmal  zu  sehen.  Da  hatten  wir  einen  Ruhetag.  Da  stofsen  die 
Grenadier,  die  Frey  Battaillons  nebst  denen  Husaren  wieder  an 
uns.  Den  17.  des  Sonntags  marschirten  wir  aus  Neustädtel  des 
Morgens  um  V^^  Uhr  aus  und  kamen  durch  Schneeberg,  durch 
Lösenitz,  durch  Zwönitz,  durch  Elterlein  und  marschirten 
von  des  Morgens  '/,2  4  Uhr  an  bis  des  andern  Morgens  um  H  Uhr,  da 
kamen  wir  erst  nach  Buchholz  ins  Quartier  zu  liegen.  Da  mufsten 
wir  die  gantze  Nacht  und  den  ganzen  Tag  durch  das  Gebürge  und 
Schnee  marschiren.  Wir  wären  wohl  eher  nach  Buchholz  gekom- 
men, aber  die  schwere  Artillerie  konnte  die  Berge  nicht  gut  ran- 
komnien ,  und  also  mufsten  wir  auch  alle  Augenblicke  stille  stehen, 
selbige  Nacht  gingen  aus  Ungeduld  96  Mann  fort,  von  unsrer  Com- 
pagnie  deserteurten  selbige  Nacht  6  Mann ,  lauter  grofse  Kerls,  aus 
dem  ersten  Gliede.  Da  lagen  wir  selbigen  Tag  stille.  Den  19.- 
marschirten  wir  dui'ch  Annaberg  und  kamen  in  Marienberg  zu 
liegen.  Da  versammelte  sich  das  ganze  Chor,  welches  Fürst  Moritz^; 
coramandirte.  Es  lagen  29  Battaillone  nebst  der  ganzen  Beckerey 
darin,  welches  400  Beckknechte  ausmachten.  Eine  Compagnie  bekam 
3  Häuser,  wo  wir  drein  zu  liegen  kamen.  2  Stunden  hinter  Ma- 
rienberg an  Böhmischen  Grentzeu,  war  ein  Verhau,  worzu  600 
Arbeitsleute  commandirt  waren  denselben  Weg  zu  räumen,  aber  nicht 
eher,  bis  wir  ausmarschirten.  In  Marienberg  hatten  wir  einen 
Ruhetag.  Den  21.  marschirten  wir  um  4  Uhr  aus,  nahmen  die  600 
Mann  mit,  welche  den  Verhau  auf  das  allergeschwiudeste  wegräumen 
mufsten.  2  Stunden  vorher  aber  waren  Pandui'en  und  Husaren  da- 
gewesen recognosciren ,  weil  sie  aber  den  Verhau  noch  zugestopft 
linden,  denken  sie  nicht,  dafs  der  Preufse  so  bald  kommen  wird, 
sondern  setzen  sich  ins  Wirthshaufs  und  besaufen  sich  recht  voll. 
Das  war  das  erste  böhmische  Dorf,  Nahmens  Grimma^).  Da  be- 
kamen wir  19  Panduren;  denn  sie  hatten  sich  noch  gar  wehren  wollen 
nach  ihrer  Art,  weil  die  andern  aber  Allarm  hören,  springen  15  Pan- 
duren in  die  Kirche  sich  zu  verstecken,  wir  erfuhren  es  aber  gleich 
und  bekamen  sie  auch  gefangen,  also  bekamen  wir  den  1.  Tag  in 
Böhmen  gleich  34  Gefangene.  Hinter  dem  Dorffe  schlugen  wir  also 
unser  Lager  auf.  Den  22.  marschirten  wir  bis  nach  Commettau.  . .  .  ") 

Den   24 durch   Dux    und    schlugen  da  unser  Lager   auf 

linker  Hand  Teplitz.  Den  25.  marschirten  wir  nach  Willheimiene'') 
rechter  Hand  Lobositz  über  unsern  alten  Wahlplatz.  Da  konnte 
man  noch  die  Löcher  sehen,  wo  sie  begraben  worden  sein  in  der 
vorigen  Battaille.  Hinter  Schirkowitz  schlugen  wir  unser  Lager 
auf.    Da  stofs  unser  Chor  zu  Königs  Armee,  um  6  Uhr  rückten  wir 


^)  Prinz  Moritz  von  Anhalt-Dessau, 
^)  Krima?  • 

<*)  3  Zeilen  im  Manuskript  zerfressen. 
')  Wellemin? 


Kleinere   Mitteihiiig-en.  147 

ins  Lag-er  und  denselbigen  Abend  um  9  Uhr  mufsten  wir  wieder  auf- 
lirechen,  mit  Königs- Armee  an  den  EgerHuls.  Beym  Dorffe  Padit, 
da  kamen  wir  des  Morgens  um  4  ULir  hin,  da  musten  wir  schitt- 
hrlicken  schlagen  über  die  Eger,  anders  konnten  wir-  nicht  rüber. 
Denn  über  der  Eger  stunde  die  Oesterreichische  Armee,  sobald  sie 
nur  uns  gewahr  nahmen,  dafs  wir  auffmarschirten  zur  Battaille,  da 
liefen  sie  fort  und  wollten  uns  nicht  sehen,  worüber  unser  König 
sehr  erzürnt  war  und  sagte:  „Wenn  die  Hunde  nicht  stehen  wollen, 
will  ich  sie  alle  in  die  Lufft  sprengen."  Also  weil  sie  liefen  und 
wir  vor  grofser  Müdigkeit  ihnen  nicht  nachfolgen  konnten,  musten 
wir  unser  Lager  aufschlagen  am  Dorfe  Worsowit,  rechter  Hand 
dem  Städtgen  Laune,  wir  hatten  solche  saiire  Märsche  gehabt,  dafs 
wir  fast  hinriehlen,  wie  die  Fliegen.  Denn  der  König  war  gar  zu 
hitzig,  man  sollte  kaum  glauben,  dafs  ein  Mensch  so  viel  ausstehen 
könnte,  mit  solcher  schwehren  Last  Tag  und  Nacht  zu  marschiren, 
und  nichts  als  Wafser  und  Brod  und  man  könnte  sich  nicht  mahl 
in  Wafser  satt  trincken.  Da  bekamen  wir  doch  mahl  einen  Ruhetag. 
Den  29.  marschirten  wir  bis  Jocowitz.  Den  30.  seyn  wir  marschirt 
eine  Stunde  hinter  Budiu.  Da  bekamen  wir  der  Österreichischen 
ganzes  Magazin,  96C0O  Brodte,  68000  Fäfser  Mehl,  ohne  was  Stroh 
und  Heu  gewesen  ist. 

Den  1.  Mai,  des  Sonntags,  seyn  wir  marschirt  bis  Durso,  ein 
Dorff  2  Meilen  von  Prag.  Da  hatten  die  Oesterreicher  auch  in 
Lager  gestanden,  weil  wir  aber  hinkamen,  zogen  sie  gleich  hinter 
Prag  Den  2.  marschirten  wir  vor  Prag  und  nahmen  den  weisen 
Berg  in  Besatzung.  Weiter  konnten  nun  die  Oesterreicher  nicht 
kommen,  als  hinter  Prag.  Des  Fürst  Moritz  sein  Chor  jagte  sie 
von  Lobositz  vor  sich  her,  der  König  kam  von  Drefsden  durch 
Böhmen  mit  einer  Collonne,  der  Prinz  von  Beyern  kam  durch 
den  Lei  trae  ritz  er  Creyfs  mit  einer  Collonne,  der  Greneralfeldmar- 
schall  Schwerin  kam  mit  einer  Armee  von  Schlesien  durch  Böhmen, 
der  General  AVinterfeld  hatte  sich  vor  Mähren  gezogen  und  kam 
durch  Böhmen  mit  einer  Collonne,  also  hatten  wir  sie  alle  vor  uns 
hergetrieben,  und  waren  also  völlig  hinter  Prag  von  uns  umringt, 
dafs  sie  gar  niclit  weiter  konnten.  A\'ir  lagen  stille  bis  den  5.  IMai 
und  ruheten  uns  etwas  aus. 

Den  5.  Mai  des  Morgens  musten  wir  mit  dem  König  hinter 
Prag  marschiren.  Da  stofs  unsere  gantze  Armee  zusammen,  also 
dafs  wir  186  000  Mann  starck  waren.  Da  wurde  befohlen,  dafs  von 
der  gantzen  Armee  alle  Wagen  und  alle  Kutschen,  die  die  Ofriciere 
bey  sich  hatten,  hinter  der  Armee  halten  sollten.  Da  merkten  wir 
gleich,  dafs  wir  den  Morgen  drauf  battailliren  würden,  untei-  der  Zeit 
liatten  sich  die  Oestreiclier  aber  ganz  gewaltig  auf  ihre  Berge  ein- 
geschautzt.  Den  6.  Mai  des  Morgens  iv.Vi  7  Uhr  musten  wir  vor  die 
Front,  sie  waren  U/»  Stunde  von  uns,  wir  stunden  aber  in  einem 
tiefen  Grund,  wie  es  "aber  um  V2IO  Uhr  kam,  da  lingen  sie  schon 
mit  Canonen  an  auf  uns  lofszufeuern,  sie  waren  29.5  000  Mann  starck 
und  liatten  40  Sclianzcn  und  in  einer  jeden  Sclianze  36  Canonen, 
wir  musten  aliei'  dunli  ein  Doif  maiscliiien.  wo  eine  .so  ongi^  Dedle 
war,  dafs  nur  immer  2  Mann  konnten  gdii'u  und  so  wie  wir  lieiaus 
kamen,  schofsen  sie  uns  alle  zu  schänden.  In  Prag  waren  aber 
20000  Mann,  die  wollten  einen  Ausfall  tlinn  und  uns  in  Rücken 
kommen.  Da  musten  6  Regimenter  vom  recliten  Flüi;fl  ülier  der  [!] 
sich  an  Prag  rausch wcnckcn.  Das  war  Königs  Guarde,  Kalck- 
stein. ,    wir    Moritz,    Knohlocli.,    Warllicn    und    Asseburg. 

lU* 


148  Kleinere  Mitteihmg-en. 

Regiment,  wir  ß  Regimenter  kamen  dichte  an  Prag  an  zu  stehen. 
Das  Canonenfeuer  dauerte  his  um  1  Uhr,  deun  sie  hatten  4  Tretten 
und  wenn  wir  ein  Treffen  aus  der  Schanze  verjagt  hatten,  so  stunde 
das  andere  Treffen  wieder  in  ihrer  völligen  Schanzen  gerüstet  und 
sie   schofsen   lauter  Ohardätschen  aus    ihren  Canonen,   und  aus   den 

kleinen   Gewehren^) 

und  mit  den  kleinen  Gewehren  durften  wir  gar  nicht  feuern  und  sie 
hatten  bey  einem  jeden  Regimente  10  Canonen  ohne  die  sie  in  ihren 
Schanzen  hatten,  er  kann  sich  vorstellen:  sie  haben  bald  so  viel 
Canonen  als  Mannschaffteu  gehabt  und  wir  musten  die  Berge  so  ge- 
fährlich ran  klettern  und  durften  nicht  teuren,  nun  kann  er  sich  fur- 
stellen,  was  vor  Volck  von  uns  gehlieben  ist.  4  Grenadierbattaillone, 
ein  jedes  ist  800  Mann  starck,  nehmlich  das  Moring. ,  das  Kaiische, 
das  Butkammerische,  das  Ingerslebische  Battaillon,  da  seyn  von  einem 
jeden  Battaillon  nach  18.  —  20.  — 11.  16  Mann  noch  am  Leben  und 
gar  kein  Officier  mehr  davon  am  Leben,  das  Prinz  Würtem- 
bergische,  das  Schwerinische^  das  Winterfeldische,  das 
Itzenblitzische  Regiment  seyn  gantz  totaliter  geschofsen  worden. 
Die  Regimenter  nebst  denen  Battaillon en  seyn  acurat  auf  ihre  Schan- 
zen los  gekommen,  darum  seyn  so  viel  darvon  geblieben.  Wie  wir  aber 
den  Berg  ran  kommen  und  waren  30  Schritt  von  sie,  da  gaben  wir 
3  Salven  auf  sie  mit  kleinem  Gewehr,  da  war  aber  keine  Gnade  und 
Barmherzigkeit  vor  sie  ,  sie  wollten  zwar  aus  der  Schanzen  nicht 
heraus ,  aber  unsre  Wuth  und  Tapferkeit  war  so  beherzt ,  dafs  wir 
sie  in  ihren  eignen  Schanzen  mit  den  Paguonetten  todt  stachen  und 
was  noch  lebte ,  schlugen  Avir  mit  dem  GewehrColben  todt.  Unsere 
Cavallerie  aber  jagte  den  rechten  Flügel  zwischen  uns  durch,  es 
waren  3  Regimenter:  1.  die  Guarde  Chor,  2.  die  Gens  de  Armes, 
3.  die  Leib-Carrobinier,  und  auf  die  Oestreichische  Infanterie  lofs 
und  trennten  gleich  8  Regimenter  von  ihrer  Armee  ab  und  6  Regi- 
menter hauten  sie  totaliter  in  die  Pfanne,  es  sah  erbärmlich  aus,  wo 
die  niedergehauen  waren,  wir  seyn  bis  über  die  schuhe  im  Blute  ge- 
badet, weil  sie  nun  retirirt,  so  zog  ihr  rechter  Flügel  ins  Gebürge 
hinter  Prag  fort,  welchen  der  König  mit  Cavallerie  nebst  etlich 
Battaillon  Grenadieren  gleich  nachsetzte  und  noch  4  Regimenter  von 
sie  nebst  ihrer  ganzen  Kriegs  -  Calse  gefangen  bekam.  Ihr  lincker 
Flügel  aber,  40000  Mann  starck,  die  konnten  vor  unserer  Cavallerie 
nicht  durch,  sondern  musten  nach  Prag  und  so  seyn  60000  Mann 
anjetzo  in  Prag.  Geblieben  seyn  von  uns  6  Generale  Nahraens 
1.  Generalfeldmarschall  Schwerin,  2.  General  Graf  Heririt  von 
Wessel,  3.  Prinz  Holstein  von  den  Dragonern,  4.  General  Zastro, 
'■>.  General  Knobeloch,  6.  General  Ascharmo.  Der  General  Winter- 
feld  ist  tödtlich  blefsiert.  Gemeine  seyn  von  uns  auf  dem  Platz 
geblieben  8000  und  10  000  Mann  blefsiert,  auch  seyn  16  Obristen  von 
uns  todt  geschossen.  Von  den  Kayserlichen  seyn  geblieben  auf  dem 
Platz  12000  Mann  und  18000  Mann  blefsiert,  von  beyden  selten 
machen  sie  50  000  Mann  aus.  Was  vor  Ofliciere  von  den  Kayserlichen 
geblieben  seyn,  weifs  man  noch  nicht  recht,  so  viel  ist  aber  gewifs, 
dafs  der  Generalfeldmarschall  von  Braune  tödtlich  blefsiert  ist. 
Erbeutet  haben  wir  200  Canonen  aus  ihren  Schanzen,  die  sie  nicht 
mit  fortbringen  konnten,  2nO  Standarten  und  Fahnen,  der  ganzen 
österreichischen  Cavallerie  ihre  Zelte  und  ihre  völlige  Equipage, 
denn  sie  waren  etwas  faul  gewesen,  denn  wie  unsere  Cavallerie  auf 


S) 


^)  2  Zeilen  im  Manuskript  zerfressen. 


Kleinere   Mitteilungen.  149 

sie  lofs  attaqniret,  liegen  sie  noch  in  den  Zelten  und  hatten  nicht 
einmahl  die  Stiefeln  anziehen  können.  In  der  Battaille  haben  wir 
12000  Mann  ge.sunde  Leute  gefangen  bekommen  und  4000  Mann,  weil 
ihnen  der  König  nachgesetzt  hatte,  nebst  der  ganzen  Kriegs-Cafse, 
ohne  die  Blelsierten,  die  haben  wir  auch  alle  bekommen,  anfänglich 
haben  wir  viel  Volk  verlohren,  aber  weil  sie  an  zu  retiriren  fungen, 
da  haben  wir  sie  mit  ihren  eignen  Canonen  todt  geschofsen.  Mein 
lieber  Herr  Job ,  das  ist  so  eine  jämmerliche  und  erbärmliche  ßat- 
taille  gewesen,  die  kein  Mensch  denken  kann,  auch  kein  Mensch 
wieder  erleben  wird,  er  kann  es  sich  leicht  vorstellen,  wo  50000 
Mann  allein  bleiben,  er  kann  gewifs  glauben,  dafs  wir  immer  in  Blut 
haben  baden  müfsen,  so  viel  Menschen  und  Pferde,  die  todt  gemacht 
worden  seyn.  Denn  die  AVagen  von  der  Armee  die  haben  ganzer 
14.  Tag  und  Nacht  stehen  müfsen,  ehe  sie  die  Blefsierten  von  dem 
Wahlplatz  halten  Aveggeltracht.  Das  war  nun  von  der  Battaille  ge- 
meldet worden.  Jetzo  stehen  Avir  nu  noch  vor  Prag,  da  seyn  60000 
Mann  darein,  das  haben  wir  ganz  umringt  und  haben  dem  Feind 
auch  schon  mit  Sturmlaufen  die  4  Hauptschanzen  weggenommen  und 
werfen  schon  lauter  feurige  Kugeln  und  Bomben  in  die  Stadt,  worauf 
sie  sich  auch  hatten  schon  ergeben  wollen,  aber  die  60000  Mann 
sollen  frey  ohne  KriegsGefangene  herausmarschiren.  Das  Avill  aber 
unser  König  nicht,  sondern  Tiefs  von  frischem  wieder  feuern,  des 
Nachmittags  halten  wir  B  Stunden  mit  Feuern  ein,  dafs  die  Todten, 
die  davor  1  »leiben,  begraben  werden  können.  Wir  müfsen  alle  Nacht 
in  die  Aprosche  und  bleiben  viel  Leute  von  uns,  so  viel  kann  ich 
ihm  zur  gewifsen  Nachricht  melden,  dafs  wir  Prag  bald  bekommen 
Averden  und  die  60000  Mann,  die  darinne  seyn,  seyn  sclion  so  gut 
als  unser,  als  wie  die  sächsische  Armee,  die  übrigen  seyn  aber  alle 

zusammen  zerstreut wir 

Prag  einhaben,  werden  wir  wohl  nach  Wien  gehen. 

Aus  dem  Lager  bey  Prag 
den  16.  May  1757. 


Litteratur. 


Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae.  Im  Auftrage  der  Königlich 
Sächsischen  Staatsregieriing  herausgegeben  von  Otto  Posse  und 
Hubert  Ermisch.  Zweiter  Haupttheil,  XIV.  Bd. :  Urkundenbuch  der 
Stadt  Freiberg  in  Sachsen,  herausgegeben  von  Hubert  Erniisch. 

III.  Bd.    Mit  2  Tafeln.    Leipzig,  (iiesecke  &  Devrient.  1891.  LXIV 
und  688  SS. 

Mit  diesem  seinen  Vorgängern  ebenbürtigen  Bande  hat  das 
Freiberger  Urkundenbuch  seinen  Abschlufs  gefunden.  Urkunden  im 
engeren  Sinne  enthält  derselbe  freilich  in  ganz  geringem  Umfange; 
nur  ein  Nachtrag  an  solchen  findet  sich  auf  S.  477  —  483,  darunter 
allerdings  einzelne  bemerkensw^erte  Stücke,  wie  die  Aufzeichnung 
über  die  Unterwerfung  der  Stadt  unter  König  Wenzel  von  Böhmen 
vom  Jahre  1298.  Dafür  führt  uns  der  vorliegende  Band  mitten  hinein 
in  die  Fülle  hochwichtiger  Kechtsdenkmäler,  deren  sich  die  Stadt 
Freiberg  zu  erfreuen  hat.  Wäre  ein  Freiberger  Urkundenbuch  ohne 
dieselben  vollständig  gewesen?  So  scheint  sich  wohl  der  Herausgeber 
bei  Beginn  seiner  Arbeit  gefragt  zii  haben;  ich  für  meinen  Teil  möchte 
wenigstens  nicht,  dafs  diese  Frage  von  ihm  verneint  worden  wäre, 
und  ich  hoffe  mit  dieser  Ansicht  durchaus  nicht  allein  zu  stehen. 

Die  erste  und  hervorragendste  Stelle  unter  diesen  rechts- 
historischen Quellenmaterialien  nimmt  natürlich  das  Freiberger  Stadt- 
recht ein.  Bei  aller  Bedeutung  desselben  und  der  trefflichen  Be- 
handlung, die  ihm  bei  der  Herausgabe  zu  Teil  geworden  ist,  kaun 
ich  diesem  Teile  des  Urkundenbuches  hier  nur  wenige  Worte  widmen ; 
ich  habe  ja  bereits  der  Sonderausgabe  des  Stadtrechtes,  die  Ermisch 
bei  Gelegenheit  des  Wettiner  Jubiläums  dem  Urkundenbuche  voraus- 
schickte, in  diesen  Blättern  (XI,  1B2)  ausführlich  gedacht;  es  bleibt 
nur  höchstens  daran  zu  erinnern  übrig,  dafs  E.  in  richtiger  Erkenntnis 
der  Sachlage  und  vorsichtiger  Selbstbeschränkung  nicht  die  ganze 
Einleitung  der  Sonderausgabe,  sondern  nur  die  wichtigeren  Teile 
derselben   hier   im  Vorberichte    wieder   zum  Abdruck  gebracht   hat. 

Auf  die  Wiedergabe  des  Stadtrechtes  folgt  einmal  die  des  sog. 
Verzählbuches  und  sodann  die  der  Freiberger  Stadtbücher.  Haben 
sich  auch  in  anderen  sächsischen  und  deutschen  Städten  ähnliche 
Aufzeichnungen  wie  ersteres  unter  dem  Namen  Verfestungs-  und 
Achtbücher  oder  libri  proscriptionum  erhalten,  so  sind  aus  dem  übrigen 
Deutschland  bisher  nur  zwei,  aus  Sachsen  noch  gar  kein  ähnliches 
Stück  in  aller  Vollständigkeit  an  die  Öffentlichkeit  gelangt.  Wie 
der  Ausdruck  „Verzählen"    in   Freiberg   für   das   in  Rede   stehende 


Litteratur.  151 

Yerfabi'en  selbst  eine  besondere,  eigenartige  Bedeutung  erlangt  hat, 
so  bieten  die  1874  im  Verzählbuch  verzeichneten  Fälle  allerhand 
merkwürdige  Anhaltspunkte,  an  denen  sich  einerseits  eine  Wandlung 
der  Einrichtung  zu  milderer  Ausgestaltung,  andererseits  mancherlei 
bemerkenswerte  Souderbildungen  des  sächsischen  Strafreclits  und 
Strafverfahrens  verfolgen  lassen.  Der  Herausgeber  behält  es  sich 
vor,  uns  demnächst  hierül)er  an  anderer  Stelle  ^)  eine  Sonderdarstellung 
zu  liefern;  so  interessant  dieselbe  an  sich  schon  zu  werden  verspricht,  so 
kann  ich  doch  den  Wunsch  nicht  unterdrücken,  dafs  er  bei  dieser 
Gelegenheit  auch  die  einzelnen  Anlässe,  die  zum  Verzählen  führten, 
vom  raoralstatistischen  Standpunkte  aus  würdigen undbeleuchten  möchte. 
Schon  beim  Durchblättern  des  vorliegenden  Abdruckes  wird  man  inne, 
wie  wichtige  Aufschlüsse  für  die  Erkenntnis  und  Beurteilung  des 
gesellschaftlichen  Verkehrslebens  in  einer  mittelalterlichen  Stadt  und 
der  die  Bürgerkreise  beherrschenden  Anschauungen  hier  verborgen 
liegen.  Leider  scheinen  die  verhängten  Bestrafungen  nicht  in  frühere 
Zeit  als  bis  in  die  siebenziger  Jahre  des  14.  Jahrhunderts  zurückzu- 
gehen und  auch  dieser  ältere  Teil  liegt  wohl  nicht  in  gleichzeitiger 
Aufzeichnung  vor,  sondern  ist  erst  zwischen  1413  und  1423  auf  ein  Mal 
aus  einem  älteren,  später  vernichteten  Bande  ausgezogen  worden; 
erst  von  letzteren  Jahren  ab  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters  haben 
wir  es  mit  einer  ganz  authentischen  Quelle  zu  thun.  Dafs  bei  ähn- 
lich gestalteten  Eintragungen  nicht  immer  der  volle  Wortlaut  gegeben 
ist,  sondern  Verweisungen  und  Kürzungen  stattgefunden  haben,  ist 
aus  berechtigten  Sparsamkeitsrücksichten  geschehen. 

Aus  ähnlichen,  gleichfalls  durchaus  zubilligenden  Gründen  hat 
der  Herausgeber  auch  beim  Alidruck  de)'  vier  ältesten  Stadtbücher 
sich  Weglassungen  erlaubt  und  mehifach  den  Text  des  Originales  durch 
Auszüge  ersetzt.  Die  Stadtbücher  reichen  ebenfalls  nicht  über  1378 
zurück,  und  über  das  Verfahren,  wie  es  vor  diesem  Jahre  gehalten 
wurde,  fehlt  es  in  Folge  des  Brandes,  von  dem  die  Stadt  1375  heim- 
gesucht wurde,  an  jeglichem  zuverlässigen  Anhaltspunkte.  Dagegen 
gehen  die  erhaltenen  Bände  mit  ihren  Mitteilungen  in  ununter- 
brochener Reihenfolge  bis  weit  in  das  16.  Jahrhundert  hinein.  In 
buntem  Wechsel  finden  wir  hier  Eintragungen  vom  verschiedensten 
Umfange  und  Werte;  Aufzeichnungen  über  „die  Geschäfte  der 
städtischen  Verwaltung  in  weitestem  Umfange"  wechseln  in  mannig- 
facher Weise  mit  Zeugnissen  über  „Privatgeschäfte  aller  Art,  die  vor 
dem  Rate  verlautbart  wurden";  alles  in  allem  genommen  stehen  wir 
vor  einer  reichen  Fundgrulie  für  mittelalterliche  Rechts-  und  Wirt- 
schaftsgeschichte. In  der  Zeit  von  1409  bis  1415  liat  man  ülirigens  in 
Freiberg  den  Versuch  gemacht,  die  Aufzeichnungen  über  die  wichtige- 
ren, in  ihren  Folgen  länger  nachwirkenden  Angelegenheiten  von  den 
Einträgen  über  Geschäfte  von  vorübergehender  Bedeutung  zu  trennen, 
doch  hat  man  seit  dem  zuletzt  genannten  Jahre  beides  wiodei-  in 
einen  Band  vereinigt  und  das  für  die  Vermerke  erstcrer  Art  benutzte 
l)ucli  zur  A^erzeichnung  der  jeweiligen  Batsmitglieder,  Hiindwerks- 
oberiueister  und  Schöffen,  sowie  als  Matrikel  für  die  neuaufgenonnnenen 
lUiiger  verwendet.  Audi  hieraus  durften  Jlitteiluugen  in  einem 
Fi'eiberger  Urkundenbuche  nicht  fehlen.  Denudcli  ist  hiermit  der 
Reichtum  der  alten  Bergstadt  an  solclien  Quellen  nicht  ersc]iöi)ft-. 
vielmehr  giebt  es  aufserdcm   für   die  Zeit   von   14(>f)    bis  1507  nodi 


ij  Vergl.  oben  S,  1  t'gg.  (Änm.  d.  Red.). 


153  Litteratur. 

sieben  sog.  Gerichtsbücher  mit  lauter  Anfzeiclmungeii  über  Eigentums- 
und  Besitzübertragungpu  unbewegliclier  Güter,  die  nach  altem 
sächsischen  Rechte  ursprünglich  vor  dem  versammelten  Gerichte, 
später  vor  dem  Richter  oder  dem  Geiichtsschreilter  stattzuiinden 
pflegten.  Ermisch  hat  aus  denselben  zwar  für  die  Ausgabe  nur  eine 
Auswahl  getroffen,  die  ungefähr  den  fünften  Teil  des  ganzen  Um- 
fanges  ninfaist,  doch  kann  man  Ijei  E."s  bekannter  Gewissenhaf- 
tigkeit und  fachmännischer  Erfahrung  sicher  sein,  dafs  nichts,  was 
für  ernstere  Forschungen  Wert  haben  dürfte ,  uns  vorenthalten  ge- 
blieben ist  Eine  Übersicht  über  die  Art  der  einzelnen  Rechtsge- 
schäfte und  der  bei  denselben  zur  Anwendung  gekommenen  Grund- 
sätze hat  der  Herausgeber  auch  hier  nicht  lieigefügt,  sondern  die 
Ausnutzung  der  von  ihm  gebotenen  Materialien  nach  dieser  Seite  hin 
den  Juristen  vom  Fach  überlassen.  Möchten  sich  die  letzteren  diesen 
Wink  nicht  entgehen  lassen:  ihre  Forschungen  auf  jenem  Gebiete 
des  mittelalterlichen  Lebens  bedürfen  noch  mancher  Vervollständigung 
und  Ergänzung. 

Auf  diese  unmittelbaren  Quellenüberlieferungen  folgen  endlich 
noch  in  vier  Anhängen  die  Bürgeraufnahmelisten  von  1378  — 1485, 
die  Freiberger  Ratslinie  von  1223  —  1485,  eine  Übersicht  über  die 
Verpachtung  der  Ämter  von  13'59— 1486  und  eine  Freiberger  Polizei- 
ordnung von  1487.  Der  Übersichtlichkeit  wegen  sind  die  hierauf 
bezüglichen  Notizen  aus  den  voraufgehenden  Aktenmaterialieu  aus- 
geschieden luid  hier  zu  besonderen  Zusammenstellungen  vereinigt. 
Weicht  dies  A^erfahreu  auch  etwas  vom  Herkommen  ab,  so  gewährt 
es  doch  für  das  Stuflium  der  Freiberger  Verhältnisse  entschieden 
grofse  Vorteile. 

Wie  all  diese  Quellen ..  entstanden  und  in  welchem  Zustande 
sich  die  handschriftlichen  Überlieferungen  derselben  heut  zu  Tage 
befinden,  das  ersieht  man  aus  dem  dem  Ganzen  voraufgehenden,  mit 
bekannter  Sorgfalt  und  Liebe  zur  Sache. .gearbeiteten  Vorberichte. 
An  der  Spitze  desselben  wird  aufserdem  ein  Überblick  über  die  Thätig- 
keit  der  Freiberger  Stadtschreiber  gegeben  und  der  verdienstliche 
Versuch  gemacht,  die  Reihenfolge  der  einzelnen  Pei'sönlichkeiten, 
die  dies  Amt  inne  hatten,  sowie  die  Dauer  ihrer  Amtswirksamkeit 
seit  den  ältesten  Zeiten  kritisch  festzustellen.  Ebenso  folgt  zu  har- 
monischer Abrundung  des  Bildes,  welches  dieser  Band  von  den  inneren 
Verhältnissen  Freibergs  geben  soll,  am  Schlüsse  des  Vorberichtes 
noch  eine  zwar  knappe,  aber  überaus  gediegene  Skizze  der  Ent- 
wicklung, die  sich  in  der  dortigen  Ratsverfassung  seit  dem  Bestehen 
der  Stadt  bis  zum  Jahre  1500  vollzogen  hat. 

Die  letzten  200  Seiten  des  Bandes  sind  den  Registern  zu  diesem, 
wie  zu  seinen  beiden  Vorgängern  gewidmet.  Schon  der  Umfang 
dieser  Beigabe,  deren  Herstellung  eine  unsägliche  Mühe  wie  nicht 
minder  grofse  Selbstverleugnung  erfordert,  spricht  dafür,  dafs  hier  alles 
geschehen  ist,  um  jedem  Benutzer  die  Handhabung  des  Werkes  nach 
allen  erdenklichen  Richtungen  liin  zu  erleichtern.  Aufser  dem  \'er- 
zeichnis  der  Personen-  und  Ortsnamen  treffen  wir  dies  Mal  auch  auf 
ein  Sach-  und  Wortregister,  welches  zugleich  die  Stelle  eines  Glossars 
vertritt.  Das  ist  eine  erfreuliche  Neuerung,  deren  Einführung  der 
Herausgeber  nicht  erst  so  ausführlich  zu  begründen  brauchte.  Wie 
ein  solches  Verzeichnis  eigentlich  bei  keinem  Urkundenbuche  fehlen 
sollte,  so  war  die  Beifügung  desselben  hier  bei  dem  grofsen  Schatze 
des  Freiberger  Bergrechtes  an  eigenartigen  Ausdrücken  mehr  als 
geboten.   Den  grolsen  Schwierigkeiten,  die  sich  gerade  durch  letzteren 


Litteratur.  153 

Umstand  ergeben  mufsten,  zu  begegnen,  hat  sich  Ennisch  nach  Rat 
lind  Hülfe  eines  Fachmannes  auf  sprachlichem  Gebiete  umi;esehen  und 
einen  solchen  in  der  Person  des  Oberlehrers  Beriit  in  Leipzig 
zum  gedeihlichen  Al)schlusse  seines  A\'erkes  gefunden.  Sollte  übel- 
wollende kritische  Kleinkrämerei  hier  doch  einzelne  Versehen  und 
Mängel  nachweisen  wollen  und  können,  so  mag  sie  es  immei'hin  thun, 
sie  wird  die  gute  Meinung,  deren  sich  Ermischs  frühere  und  neueste 
Leistungen  l)ei  der  wissenschaftlichen  AVeit  zu  erfreuen  haben,  nicht 
um  das  geringste  Titelchen  zu  mindern  im  Stande  sein.  Im  (Gegen- 
teil werden  alle  Forscher  mit  besonderer  Freude  und  Befriedigung 
von  dem  Schlufsworte  des  Vorberichtes,  wonach  Ermisc.h  jetzt  nach 
Abschlufs  des  Freiberger  Urkundenbuches  seine  Kräfte  der  L  Haupt- 
abtheilung des  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  zuwenden  will,  Kenntnis  nehmen. 
Möchte  es  uns  beschieden  sein,  auch  auf  diesem  Gebiete  in  nicht  allzu 
ferner  Zeit  gleich  ausgereifte  Früchte  der  Forscherthätigkeit  und 
des  Herausgebergeschickes  Ermischs,  wie  sie  im  Freiberger  Urkunden- 
buche vorliegen,  kennen  zu  lernen! 

Kiel.  W.  Schum. 


Sclmlwandkarte  zur  (iteschichte   der  wettinisclieu  Lande.     Ent- 
woifen  und  gezeichnet  von  Prof.  Dr.  Otto  Kaemuicl  und  Dr.  («ustav 

Leipoldt.     Vier  Blätter  mit  einem  Begleitwort  (Textheft)  für  den 
Lehrer  (12  SS.  S»),     Dresden.  Albin  Huhle  (Karl  Adler).  1891. 
Handkarte  zur  (iJescliiclite  der  wettiuischen  Lande.  (Von  denselben 
Herausgebern  im  gleichen  Verlag.)    8  SS.  8"  und  1  Karte. 

Die  Entwicklungsgeschichte  der  wettinischen  Lande  bietet  der 
historischen  Kartoaraphie  eine  sehr  schwierige  Aufgabe,  da  sich  der 
Machtbereich  der  Wettiner  auf  eine  beträchtliche  Zahl  vcm  (iebieten 
erstreckte  und  den  mannichfachsteu  Schwankungen  unterworfen  war 
sowohl  durch  den  ständigen  Wechsel  von  Gewinn  und  Verlust  wie 
durch  die  übei'reiche  Spaltung  in  Seitenlinien.  Alles  das  ist  genau 
und  übersichtlich  nur  in  einem  historisclien  Atlas  darzustellen;  jeder 
Versuch,  die  ganze  Entwicklung  auf  einem  Blatt  darzubieten,  ist 
überhaupt  ein  Ding  der  Unmöglichkeit.  So  kann  auch  der  in  vieler 
Hinsicht  recht  anerkennenswerte  Versuch  von  Adolf  Brecher, 
Darstellung  der  Gebietsveränderungen  in  den  Ländern  Sachsens  und 
Thüringens  vom  12.  Jahrhundert  bis  heute  (Berlin,  Dietrich  Reimer,^ 
1888)  nicht  als  völlig  gelungen  betrachtet  werden,  trotzdem  er  auf 
seinem  Blatt  5  Karten  vereinigt.  K.  und  L.  haben  sich  ihre  Aufgabe 
zum  Teil  leichter,  zum  Teil  schwerer  gemacht:  leichter,  indem  sie 
auf  die  Darstellung  dci-  gesamten  Veränderungen  verzichten  und  nur 
das  Wichtigste  geben,  auch  die  ernestinischen  Wandlungen  nicht  he- 
rücksichtigen ;  schwerer,  indem  sie  alles  auf  einer  Karte  mit  nur 
einem  Nebenkärtchen  erledigen  wollen.  Bei  der  Besprechung  können 
beide  Ausgaben  zusammengenommen  werden,  da  die  Handkarte  nur 
eine  Reduktion  der  Sclndwnndkarte  ist;  auch  der  erläulcnide  Text 
stimmt  meist  Avörtlich  überein.  Die  Karte  soll  nicht  faclihistorischen 
Zwecken  dienen,  sondern  weiteren  Kreisen  den  nötigen  Aufschlufs 
bieten  und  in  erster  Linie  dem  L'nterricht  in  sächsischer  (lescbichte 
zu  gute  kommen,  der  ja  höchst  erfreulicher  A\'eise  seit  einigen  .labren 
endlich  anzufangen  scheint,  ein  wenig  mehr  Beachtung  zu  rinden. 
Bei  solchem  Zwecke  war  eine. Auswahl  nur  des  Wichtigsten  von 
selbst   geboten;    auch    manche  Äufscrlichkeiten   (inden   dadurch   ihre 


154  Litteratur. 

Erklärung,  so  die  grofsen  Punkte  zur  Bezeichnung  der  Orte,  wobei 
aber  doch  mit  weniger  Willkür  hätte  verfahren  werden  sollen.  Sollen 
die  Punkte  der  heutigen  Bevölkerungszilt'er  entsprechen?  (dann  müfste 
aber  Zittau  gröfser  sein  als  Bautzen,  Freiberg  grölser  als  Meifsen, 
Gera  gröfser  als  Weimar,  Guben  und  C'ottbus  gröfser  als  Sorau  und 
Sagan  und  so  fort  für  alle  Landesteile)  oder  der  historischen  Be- 
deutung? (dann  stände  aber  Altzelle  über  Nossen  und  Rofswein, 
Herrnhut  über  Bernstadt,  Henneberg  über  Ostheim,  Reinhardsbrunn 
über  Friedrichroda  u.  a. ,  von  Dutzenden  anderer,  die  gleichwichtig' 
sind,  abgesehen,  z.  B.  Freiberg  und  Chemnitz).  Die  den  Orten  bei- 
gefügten Zahlen  über  Gründung,  erstes  Vorkommen,  denkwürdige 
Ereignisse  sind  ein  lobenswerter  Gedanke,  dem  man  nur  eine  reich- 
lichere Anwendung  wünscht;  denn  der  Osten,  vor  allem  die  Nieder- 
lausitz ist  ganz  ungenügend  bedacht,  obwohl,  gerade  in  diesen  Slaven- 
Jändern  solche  Beifügung  interessant  wäre.  Überhaupt  ist  die  Nieder- 
lausitz zu  dürftig  behandelt;  viel  Ortsnamen  wird  dieser  Karte  niemand 
wünschen,  doch  wo  solche  grofse  Flächen  leer  stehen,  sollten  wenigstens 
einige  Namen,  die  geschichtlich  wichtig  gewesen  sind,  wie  Peitz, 
Golfsen,  besondei's  aber  das  bekannte  Stift  Neuzelle  und  Luckau, 
einer  der  Hauptorte  des  Landes,  nicht  fehlen. .  Das  Physische  tritt 
natürlich  auf  dieser  Karte  zurück,  dennoch  ist  es  zu  billigen,  dafs 
die  Gebirge  in  zarter,  nicht  störender  Weise  schattiert  sind.  Von 
Einzelheiten  liefse  sich  noch  verschiedenes  rügen,  was  hier  zu  weit 
führen  würde;  nur  beispielsweise  sei  erwähnt,  dafs  das  Gebiet  von 
Ziegenrück-Ranis  keineswegs,  wie  die  blaue  Farbe  ausdrücken  soll, 
„dauernd  ernestinisch"  war,  sondern  es  gilt  hierfür  dasselbe  wie  für 
den  nördlich  anstofsenden  Aveimarischen  Gebietsteil  des  alten  Neu- 
städter Kreises;  während  aber  hier  auf  der  Handkarte  und  im  Text 
zu  beiden  Karten  S.  9  bez.  6  (wo  es  aber  1567  statt  156K  heifsen 
mufs)  beigefügt  ist,  wann  dieses  Gebiet  albertinisch  war,  fehlt  für 
den  heute  zur  Provinz  Sachsen  gehörigen  Südteil  des  Neustädter 
Kreises  (Ziegenrück)  jeder  derartige  Vermerk,  so  dafs  man  hiernach 
annehmen  müfste,  er  sei  von  einem  der  ernestinischen  Staaten  an 
Preufsen  gekommen.  Hinsichtlich  der  technischen  Ausführung  ist 
der  grofsen  Wandkarte  zwar  das  Lob  besonderer  Eleganz  nicht  zu 
erteilen,  doch  genügt  sie  einfachen  Ansprüchen;  bei  der  kleinen  Hand- 
karte hingegen  mufs  nicht  die  Herausgeber,  wohl  aber  die  herstellende 
Offizin  und  den  Verlag  entschiedener  Tadel  treffen  wegen  des  zum 
Teil  recht  schlechten  Farbendrucks.  Die  Grenzlinien  (Ref.  hat 
mehrere  Exemplare  vor  Augen  gehabt)  haben  sich  vielfach  beim  Zu- 
sammenfalten der  in  8*^  gebrochenen  Karte  auf  dem  gegenüber  befind- 
lichen Teil  des  Blattes  abgedruckt  und  bieten  so  nicht  blofs  einen 
unschönen  Anblick,  sondern  sogar  ein  stellenweise  recht  störendes 
Durcheinander  von  Linien.  Wohl  ist  der  Preis  gering,  doch  dafs 
selbst  für  geringes  Geld  ganz  unvergleichlich  Besseres  in  technischer 
Hinsicht  geliefert  werden  kann,  lehrt  Brechers  Karte.  Die  Aus- 
stellungen, die  zu  machen  waren,  sollen  aber  nicht  abhalten,  dei' 
Freude  Ausdruck  zu  verleihen,  dafs  überhaupt  der  Plan  gefasst  wurde, 
Schule  und  Haus  mit  den  Grundzügen  der  territorialen  Entwicklung 
der  sächsischen  Heimat  einigermafsen  vertraut  zu  machen;  bierfür 
gebührt  den  Herausgebern  gewifs  Dank.  Vielleicht  hätte  es  sich 
mehr  empfohlen,  statt  einer  grofsen  Karte  vier  Karten  von  je  Vi 
der  jetzigen  Gröfse  auf  demselben  Blatt  zu  bringen,  auf  ihnen  aber 
nicht  wechselnde  Zustände  durch  mancherlei  Farben,  Linien  und 
Schraffierungen  darzustellen,  sondern  einfach  den  jeweiligen  Zustand 


Litteratur.  155 

einer  bestimmten  Zeit.  Dabei  würden  natürlicb  manch ei-lei  Ver- 
änderungen, die  gerade  zwischen  die  dargestellten  Zeitpunkte  fielen, 
nicht  zur  Darstellung  gelangen,  doch  Vollständigkeit  ist  ja  hier 
auch  nicht  erstrebt ;  es  stände  dann  aber  wenigstens  für  einzelne  be- 
merkenswerte Zeitpunkte  das  Bild  dem  Schüler  oder  Laien  klar  und 
fest  vor  Augen,  und  das  wäre  ein  aufserordentlicher  Gewinn.  Die 
Erklärung,  wie  sich  ein  Kartenbild  aus  dem  andern  entwickelte, 
würde  ja  der  Unterricht  oder  ein  Beiheft  geben,  wie  ja  auch  die 
jetzige  Karte  ohne  solche  Erläuterung  dem  mit  dem  Stoff  nicht  Ver- 
trauten vielfach  unverständlich  bleibt.  Wegen  einer  dabei  vielleicht 
befürchteten  Verteuerung  sei  abeimals  nur  auf  Brecher  verwiesen, 
der  sogar  5  Karten  und  4  Schlaclitfelder  bringt.  Als  solche  Zeit- 
punkte könnte  man  etwa  zur  Darstellung  wählen  1.  den  Zustand 
beim  Tode  Heinrichs  des  Erlauchten  1288,  2.  bei  der  Leipziger 
Teilung  1485,  3.  l)eim  Tode  Augusts  1586,  4.  unter  der  Regierung 
Friedrich  Augusts  III  (1.);  auf  die  Angabe  der  heutigen  Grenzen 
verzichtet  man  gern,  denn  die  hat  jeder  zur  Hand.  Die  historische 
Kartographie  Sachsens  ist  überhaupt  ein  Arbeitsfeld,  auf  dem  noch 
viel  zu  thuu  ist;  hoffentlich  fördert  die  von  Thudichum  angeregte  und 
für  Sachsen  vom  k.  sächs.  Altertumsverein  und  dem  Dresdner  Verein 
für  Erdkunde  in  Angriff  genommene  Herstellung  historischer  Grund- 
karten das  Studium  der  historischen  Geographie,  um  auf  dieser  Grund- 
lage dereinst  die  Zusammenstellung  eines  zuverlässigen  Atlas  der 
wettinischen  Lande  zu  ermöglichen. 

Dresden.  W.  Lippert. 

Kunst  lind  Künstler  am  Vorabende  der  Reformation.  Ein  Bild 
aiis  dem  Erzgebirge.  Von  Cornelius  (Jurlitt.  Mit  IH  Abbil- 
dungen. Halle,  Max  Niemeyer  (Komm.).  iSHO,  155  SS.  8".  (A.  u. 
d.  T. :  Schriften  des  Vereins  für  Reforraationsgeschichte,  7.  .Jahr- 
gang.   4    Stück.) 

Der  Verfasser  giebt  in  diesem  Buche  einleitend  in  zwei  Kapiteln 
ein  anschauliches  und  anziehendes  Bild  des  Erzgebirges  und  der 
dort  im  15.  Jahrhunderte  herrschenden  Kulturverhältnisse.  Alsdann 
kommt  er  in  einem  längeren  Abschnitt  auf  den  Profanstil  der  Spät- 
gothik  zu  sprechen  und  der  zweite  Hauptabschnitt  ist  der  Annen- 
kirche zu  Annaberg,  mit  ihr  dem  erzgebirgischen  Kirchenban  über- 
haupt, gewidmet.  In  kuiturgeschichtlicher  Beziehung  sind  hier 
namentlich  die  Schilderixngen  des  Hüttenwesens  wichtig,  das  auf 
den  Hüttentag(^n  zu  Regensburg  und  Torgau  14H3  durch  Aufstellung 
einer  Hüttenordnung  neu  gekräftigt  werden  sollte.  Es  handelte  sich 
bei  diesem  höchst  bemerkenswerten  Vorgehen,  wie  Gurlitt  wabrsihein- 
lich  macht,  um  den  ersten  Versuch,  Übelstände  in  dem  vcifallcnden 
Hüttenwesen  durch  eine  gröfsere  Einigung  zu  beseitigen.  Als  Folge 
dies(!r  B>estrebungcn  bezeichnet  Gurlitt  den  diuni  erst  erwachenden 
Ruiimsinn  unter  den  Künstlern,  der  auf  eine  Hrlialtung  ihres  Namens 
dringt  und  ihre  Persönlichkeit  mehr  und  melir  in  den  Vorderiinuid 
schiebt.  Ein  hervorragender  Zeuge  dieses  neu  erwachten  Imlividua- 
lismus  ist  Arnold  von  Westiihaleu.  der  l)ekanute  Erltauer  der 
Albrecht.slmrg  in  Meifsen,  des  llanjitteils  am  Schlosse  Ixochsburg  und 
einiger  kleinerer  Bauten.  Aniohl  erselieiiit  in  (iuilitts  Dar.xtelluiiy 
in  scharfem  Lichte.  Er  sagt  da  u.  a.  S.  5Q:  „In  dem  Meifsiier 
Schlosse  herrscht  ein  Geist  der  Selliständigkeit  und  des  Individualis- 


156  Litteratur. 

mus,  wie  in  keinem  anderen  deutschen  Werke  jeuer  Zeit,  es  ist  ein 
erstes  mächtiges  Auftreten  der  Renaissance,  ehe  deren  Formen 
diesseits  der  Alpen  bekannt  wurden,  ein  wunderbares  Denkmal  dafür, 
dafs  die  Gotik  aus  sich  selbst  heraus  neue  Formen  zu  einer  Zeit  an- 
strebte, als  Italiens  Boden  seinen  Söhnen  die  Formen  des  alten  Uonis 
wiedergab,  dafs  sich  das  Mittelalter  aus  sich  selbst  heraus 
den  Garaus  zu  machen  begann,  ehe  die  antiken  (Tcbilde 
Einflufs  gewannen." 

,,Was  Arnold  liaut,  ist  selten  oder  nie  foi'm vollendet,  aber  stets 
eigenartig.  Er  ist  ein  Mann  des  Kampfes,  der  vordrängenden  Selbst- 
ständigkeit, eine  gewaltige  Kraft,  nicht  aber  eine  in  sich  beruhigte 
Künstlernatur.  Sein  AVollen  war  gröfser  als  sein  Können:  wollte 
er  doch  das  schwerste,  was  sich  je  ein, Künstler  zur  Auf- 
gabe gestellt  hat:  den  Bruch  mit  der  Überlieferung  und 
die  Geburt,  nicht  die  "Wiedergeburt  einer  neuen  Bau- 
kunst!" Als  Merkmale  dieser  Reform,  die  nicht  von  der  Renaissance 
abhängt,  sondern  ihr  voran  und  parallel  geht,  bezeichnet  Gurlitt  das 
Fehlen  aller  Merkmale  der  Gotik  am  Äufseren  des  Baues,  also  der 
Strebepfeiler  (die  in  das  Innere  gezogen  sind),  der  Spitzbogen  — 
die  Fenster  sind  im  Vorhangbogen  geschlossen  — ,  des  Masswerks, 
der  Knaggen,  Kreuzblumen,  der  Fialen,  der  senkrechten  Mauerein- 
teilung (die  Flächen  sind  vielmehr  kräftig  in  wagrechten  Linien 
eingeteilt).  Endlich  verweist  Gurlitt  auf  die  berühmte  Treppe  des 
Schlosses.  Gurlitt  geht  wohl  zu  weit,  wenn  er  sagt,  man  habe  Arnold 
von  Westfalen  bis  heute  noch  nicht  zu  würdigen  verstanden.  Man 
lese  nur  die  Würdigung  in  Dohmes  Geschichte  der  deutschen  Bau- 
kunst. Indefs  wollen  wir  gerne  zugeben,  dafs  Gurlitt  seine  Gestalt 
noch  plastischer  herausgearbeitet  hat.  —  Die  gleichen  Bestrebungen 
wie  in  der  Profanarchitektur  findet  Gurlitt  auch  in  den  erzgebirgischeu 
Kirchenbauten  gegen  Ende  des  1.5.  Jahrhunderts.  In  verschiedener 
Hinsicht  entwickeln  sich  die  Kirchen  lange  vor  Luthers  Auftreten 
zu  Saalbauten,  zu  Predigrkirchen :  namentlich  werden  die  Strebe- 
pfeiler in  das  Innere  der  Kirchen  gezogen,  die  dadurch  gewonnenen 
Räume  als  Kapellen  verwerthet,  darüber  die  vorher  nur  als  Schmuck- 
form vorhandenen  Emporenanlagen  stark  ausgebildet  und  als  Aufent- 
haltsort für  die  zuhörende  Gemeinde  ausgenützt.  —  Gurlitt  zieht 
aus  diesen  Thatsachen  den  Schlufs,  dafs  die  Gotik  noch  kurz  vor 
ihrer  Ablösung  durch  die  Renaissance  Keime  getrieben  habe,  die  eine 
neue  nationale  Entwicklung  der  Baukiinst  ermöglicht  hätten.  .Die 
Spätgotiker  sind  die  Meister,  die  aus  dem  alten  Stile  nach  einem 
unbekannten  neuen  hindrängten,  die  Renaissance  gab  dem  Streben 
nur  den  formalen  Ausdruck.  .  .  Es  wäre  ganz  verkehrt,  die  Spät- 
gotik für  den  Stil  der  Rechtglänbigkeit  imd  die  Renaissance  für  den 
der  Häresie  zu  erklären  .  .  .  Nicht  Renaissance  und  Reformation 
sind  eins,  sondern  Renaissance  und  Humanismus.  Ein  grofser  Nach- 
teil für  die  ])rotestantische  Baukunst  war,  dafs  in  ihr  die  Renaissance 
über  die  Anfänge  selbständiger  Neugestaltung  siegte,  d.  h.  dafs  man 
nur  zu  bald  geneigt  war,  die  Form  für  das  Wesentliche  zu  nehmen, 
die  der  Spätgotik  innewohnenden  Gedanken  aber  für  nebensächlich 
zu  halten."  —  Mögen  wir  nun  eine  nationale  Renaissance  der  deut- 
schen Baukunst  auf  Grund  jener  noch  unklaren  Bestrebungen  der 
Spätgotiker  für  möglich  halten  oder  mögen  wir  glauben,  dafs  die 
thatsächliche  Wiedergeburt  erst  durch  den  Einflufs  der  italienischen 
Renaissance  ermönliclit  wurde,  in  jrdem  Falle  sind  Gurlitts  Aus- 
führungen anregend  und  lehrreich.   Ob  jene  Gedanken  der  Spätgotiker 


Litteratnr.  I57 

auch  noch  für  unsere  Zeit  fruchtbar  sein  können,  wie  Grurlitt  wünsclit, 
dürfte  eine  nicht  zu  ferne  Zukunft  lehren.  Wir  wollen  zum  Sclilufs 
nur  noch  bemerken,  dafs  durch  Gurlitts  Darstellung-  die  von  Steche 
im  4.  Hette  des  Inventarisationswerkes  (Annaberg)  in  einigen  Punkten 
ergänzt  wird.  Gurlitt  hat  in  dem  besprochenen  Werke  einen  wert- 
vollen Beitrag  zur  vaterländischen  Kultur-  und  Kunstgeschichte  ge- 
liefert. 

Dresden.  Paul  Schumann. 


Knrsachseu  und  Frankreich.    1552  —  1557.    Von  Dr.  Joh.  Trefttz. 

Leipzig,  Fock.     1891.     164  SS.     8". 

Das  reiche  Material,  welches  das  Dresdner  Hauptstaatsarchiv 
für  die  Geschichte  des  Kurfürsten  August  enthält,  ist  fast  voll- 
ständig noch  unbearbeitet.  Namentlich  sind  die  aufserdeutscheu  Be- 
ziehuugeu  Augusts  bis  jetzt  auffallend  vernachlässigt  worden,  obgleich 
man  sich  sonst  mit  den  Verhältnissen  zwischen  den  deutschen  und 
aufserdeutscheu  Protestanten  vielfach  beschäftigt  hat.  Der  Grund 
liegt  einerseits  darin,  dafs  Kursachsen  in  diesen  Verhandluugeu 
hinter  Pfalz,  Württemberg  und  Hessen  zurücktritt,  andererseits 
August  den  aufserdeutscheu  Beziehungen  wenig  Aufmerksamkeit 
widmete.  Doch  ist  gerade  tue  französische  und  niederländische  Politik 
des  Kurfürsten  August  trotz  ihrer  Inhaltlosigkeit  und  ihrer  geringen 
Ergebnisse  sehr  charakteristisch  für  den  Mann,  der  30  Jalire  lang 
die  deutschen  Verhältnisse  wesentlich  beeinÖufst  hat. 

Mit  dem  vorliegenden  Buch  eröffnet  der  Verfasser  seine  Studien 
über  die  Beziehungen  Sachsens  zu  Frankreich.  Nur  wer  wie  Referent 
sell)st  Einblick  in  die  unübersehbaren  einschlägigen  Aktenmassen 
des  sächsischen  Hauptstaatsarchivs  genommen  hat,  kann  ilie  Mühe 
und  Sorgfalt  der  Arbeit  ermessen.  Die  Genauigkeit  der  Angaben 
scheint  mir  manchmal  fast  zu  weitgehend;  solche  ausführliche  Be- 
schreibungen von  Aktenstücken,  wie  z.  B  S.  54  Anm.  2,  S.  56 
Anm.  2,  S.  68  Anm.  3,  haben  in  Darstellungen  der  neueren  Gescliichte 
doch  nur  ausnalimsweise  einigen  Wert.  Auch  in  der  eigentlichen 
Erzählung  wären  stellenweise  Kürzungen  am  Platze  gewesen;  die 
leitenden  Gesichtspunkte  würden  dadurcli  präziser  liervorgetreten  sein. 

Der  Verfasser  behandelt  die  kursäclisische  Politik  von  1552  1557. 
d.  h.  das  Ende  des  Kurfürsten  Moritz  und  den  Anfang  der  Regierung 
Augusts.  Diese  Begrenzung  des  Themas  halte  ich  für  nicht  sehr 
glü(;klich.  Otfcnbar  ist  T.  durch  die  interessanten  Aufschlüsse,  welche 
das  von  Druffel  veröffentlichte,  aber  noch  lange  niclit  genug  ver- 
wertete Material  bot,  und  diirch  seine  eigenen  archivalischen  l<]iit- 
deckungen  dazu  geführt  worden,  der  mauricianischen  Politik  nicht 
nur  eiuleitungsweise  zu  gedenken.  Dadurch  geht  aber  die  Einiieit- 
lichkeit  der  Arlieit  notwendig  verloren.  Denn  die  französische  Politik 
der  beiden  sä(;hsischen  Biüder  ist  ja,  wie  der  Verfasser  selbst  aus- 
führt, eine  vollständig  entgegengesetzte.  Moiitz  hatte  1552  zwar 
den  Kaiser  niedergeworfen  und  den  Aufstand  durch  den  PassauiM- 
Vertrag  siegreich  beendigt,  Aber  er  mufste  doch  gegebenenfalls 
die  Rache  KarN  fiiirhten  uud  suchte  daher  diesen  durcli  seine  fi'aii- 
zösischen  Beziehungen  in  Schach  zu  lialt(.'u.  Es  kam  dazu,  dafs  er 
seine  Aufgabe  noch  keineswegs  für  abgeschlossen  hielt,  sondern 
weitei'e  Angiiffe   gegen    die  Sinnier,    l)es(inders  Anscliläge    auf   die 


158  Litteratur. 

Niederlande  plante  und  dazu  des  französischen  Geldes  bedurfte.  So 
sehen  wir,  wie  im  wesentlichen  der  Kurfürst  sich  um  die  Freund- 
schaft König  Heinrichs  II.  bemüht  und  dieser  je  nach  den  Umständen 
zurückhaltender  oder  entgegenkommender  ist.  Das  ändert  sich  mit 
einem  Schlage  durch  die  Schlacht  bei  Sievershausen.  August  erstrebt 
vor  allem  die  Konsolidierung  der  Verhältnisse  und  wird  hierdurch 
an  die  Seite  der  Habsburger,  der  Gegner  seines  Bruders,  geführt; 
den  französisclieu  Zettelungeu  steht  er  im  Interesse  des  Friedens 
kühl  oder  gar  feindlich  gegenüber.  Von  Bemühungen  um  Heinrichs 
Freundschaft  ist  keine  Rede  mehr;  der  König  ist  es  jetzt,  der  immer 
wieder  die  Initiative  ergreift,  dessen  Gesandte  jedoch  von  August 
nur  mit  nichtssagenden  Redensarten  abgespeist  werden. 

Infolge  dieses  Gegensatzes  zerfällt  die  Arbeit  in  zwei  heterogene, 
ziemlich  unvermittelt  neben  einander  stehende  Teile.  Der  Verfasser 
hätte  besser  in  der  Einleitung  kiu'z  die  Verhältnisse  zwischen  Moritz 
und  Frankreich  seit  dem  Passauer  Vertrag  geschildert  und  in  der 
eigentlichen  Abhandlung  die  französische  Politik  Augusts  unter 
Vermeidung  unnötigen  Details  noch  einige  Jahre  über  1557  hinaus- 
geführt. Das  hätte  umsomehr  gelohnt,  weil,  wie  der  Verfasser  selbst 
zugesteht,  die  Beziehungen  Augusts  zu  Frankreich  in  den  ersten 
Jahren  sehr  unbedeutend  sind,  später  aber  reger  werden.  Indessen 
wird  hoffentlich  der  Verfasser  seine  erfolgreich  begonnenen  Studien 
fortsetzen.  Wir  möchten  in  diesem  Falle  eine  Bitte  aussprechen. 
In  Arbeiten,  die  sich  zum  grofsen  Teil  auf  diplomatische  Korrespon- 
denzen und  so  gut  wie  gar  nicht  auf  Schriftsteller  stützen,  treten  die 
Persönlichkeiten  fast  immer  hinter  den  Verhandlungen  zurück. 
Dieser  Mangel  haftet  den  meisten  Darstellungen  der  deutschen 
Geschichte  der  Gegenreformation  an.  Im  vorliegenden  Falle  würde 
das  Material  günstig  liegen.  Die  Männer,  die  zwischen  Paris  und 
den  deutschen  Höfen  hin-  und  herreisen,  wie  der  ßheingraf  oder 
Virail  oder  Mannsfekl,  kehren  in  den  Verhandlungen  immer  wieder. 
Sollte  es  nicht  möglich  sein ,  diese  Leute  auf  Grund  des  vorhandenen 
Materials  genauer  ins  Auge  zu  fassen,  ihr  Streben  und  Wirken  zu 
schildern  und  so  einen  festen  Punkt  in  dem  Wirrwar  der  schleppenden 
und  ergebnisarmen  Verhandlungen  zu  gewinnen?  Auf  diese  Weise 
würden  manche  interessante  Erscheinungen  der  deutschen  Geschichte 
des  späteren  16.  Jahrhunderts  besser  beleuchtet  werden. 

Dresden.  Gustav  Wolf. 


Zur  (iescliichte  der  ehemaligen  Katecheten-  und  Kinderlehrer- 
scliulen  in  der  Diözese  Grimma.  Ein  Beitrag  zur  Schulgeschichte 
Sachsens.  Von  Oberlehrer  Dr.  Hermann  Dähritz:  Bericht  über 
die  Königl.  Seminare  I.  und  II.  zu  Grimma.  (Grimma  1891).  8". 
S.  1—96. 

Dafs  das  Archiv  der  Superiatendentur  Grimma  ül)eraus  wert- 
volles Material  zur  Geschichte  des  kirchlichen  Lebens  in  Sachsen 
enthält,  dafür  hat  Superintendent  Dr.  Grofsmann  seinerzeit  den  Beweis 
geliefert  durch  die  Veröffentlichung  der  Visitationsakten  vom  Jahre 
1529.  Eine  Fülle  wichtiger  Nachrichten  aus  den  Aktenbeständen 
der  genannten  Diözese  bietet  auch  die  vorliegende  Arbeit,  welche 
sich  mit  einem  für  die  Geschichte  des  sächsischen  Volksscliulwesens 
sehr  wichtigen  Abschnitte  beschäftigt.     Waren  doch  die  Katecheten 


Litteraüxr.  1 59 

und  Kinderlehrer  bestimmt,  den  Übergang-  von  den  bescheidenen 
Anfängen  der  Volksschule  zu  ihrer  Entwicklung  in  unserem  Jahr- 
hunderte zu  bilden.  Ursprünglich  war  in  der  Regel  nur  in  dem 
Kirchdorfe  ein  Schulmeister,  Kustos,  Kirchner  oder  Glöckner.  Frei- 
lich nicht  immer;  dann  mufste  der  Pfarrer  den  Dienst  selbst  ver- 
richten, wie  dieses  z.  B.  von  Ragewitz  (S.  6)  ausdrücklich  bei  einer 
Verhandlung  über  Annahme  eines  neuen  Küsters  noch  im  Jahre  1574 
bezeugt  wird.  Vergl.  dazu  auch  Loc.  1991 :  Visitation  der  Superin- 
tendentur  Grimma  1574.  Bl.  429  *  (Königl,  Hauptstaatsarchiv  in 
Dresden).  Besonders  bei  Gelegenheit  der  Visitationen  wurde  der 
Untersuchung  des  Zustandes  und  der  Hebung  dieser  Schulen  die 
gröfste  Sorgfalt  zugewendet.  Wie  ernst  es  die  kursächsische  Regie- 
rung damit  nahm,  und  wie  sehr  sie  zu  verhüten  bemüht  war,  dafs 
die  Visitationen  blofse  Form  würden,  geht  bezüglich  Grimmas  aus 
einem  Aktenstücke  des  hiesigen  Königl.  Hauptstaatsarchivs  hervor. 
Als  nämlich  im  Jahre  1578  der  Superintendent  Martin  Reinhard  die 
Visitation  nicht  sorgfältig  genug  behandelt  und  u.  a.  die  Schulver- 
hältnisse und  persönlichen  Nachrichten  über  die  Lehrer  wenig  be- 
rücksichtigt hatte,  wurde  ihm  ein  energischer  Verweis  zu  teil.  Vergl. 
Loc.  2002:  Extrakt  aus  der  Visitation  der  ins  Konsistorium  Leipzig 
gehörigen  Superintendenturen.  Anno  1578  Bl.  60  ff.  und  besonders 
ßl.  65  und  Loc.  1989:  Extrakt  aus  der  Visitation  der  ins  Konsisto- 
rium zu  Leipzig  gehörigen  Superintendenturen.  Anno  1578.  Wie 
alle  diese  Bemühiingen  der  Regierung  oft  vergeblich  waren  und  auf 
die  Hoffnungen  der  Lehrer  bittere  Enttäuschungen  folgten,  davon 
geben  die  obenerwähnten  Verhandlungen  aus  dem  Jahre  1574  zahl- 
reiche Belege.  Als  aber  nach  Beendigiuig  des  Dreifsigjährigen  Krieges 
und  im  Beginne  des  vorigen  Jahrlninderts  einzelne  Filialdörfer  und 
gröfsere  Orte  eine  eigene  Schule  zu  haben  wünschten ,  da  machten 
sich  oft  längere  Verhandlungen  nötig.  Schien  doch  dieses  Begehreu 
mit  den  alten  Vorrechten  der  Kirchschullehrer  in  Widerspruch  zu 
stehen.  Daher  ist  in  der  Regel  die  erste  von  den  Behörden  auf- 
gestellte Bedingung,  dafs  der  Schulmeister  für  den  Ausfall  an  Schul- 
geld entschädigt  werden  soll.  Aufserdem  wird  verlangt  die  Be- 
schaffung eines  geeigneten  Schulraums ,  die  Sicherung  eines  genü- 
genden Einkommens  und  die  Wahl  der  Persönlichkeit  durch  die 
Ortsobrigkeit,  während  der  Gemeinde  nur  das  votum  negativum  zu- 
steht. Auch  stand  der  neue  Lehrer  dem  bisherigen  Schulmeister 
nicht  gleich,  er  durfte  nicht  den  Titel  Schulmeister  fülu-en,  und  die 
Konfirmation  mit  den  sich  daran  knüpfenden  Rechten  wurde  ihm 
zunächst  nicht  zu  teil.  Die  letztere  veranlafste  übrigens  eine  Reihe 
von  Anträgen  und  Erwägungen  seitens  der  Stände  wie  der  Regierung, 
über  welche  Referent  an  anderer  Stelle  zu  handeln  gedenkt.  Der 
Kinderlehrer  wurde  in  seltenen  Fällen  von  der  Gemeinde,  sondern 
in  der  Regel  nur  von  einzelnen  Vätern  angenommen,  war  also  eine; 
Art  Privatlehrer  oder  SammelschuUehrer.  Oft  wurde  er  nur  von  den 
vermögenden  Bauern  unterJialten ,  während  die  ärmeren  Bewohner 
trotzdem  ihre  Kinder  zur  Kirclischule  schickten.  —  Verfasscj-  hat 
den  Stoff  fleifsig  gesammelt  und  geschickt  verarbeitet.  Es  ist  zu 
wünschen,  dafs  er  seine  Studien  auf  diesem  Gebiete  fortsetze.  Ist 
doch  zur  Kenntnis  der  Entstehung  des  .sächsischen  Volksschulwesens 
die  Veröffentlichung  des  in  den  einzelnen  l'farr-  und  Superintendentur- 
archiven  lagernden  Materials  unbedingt  nötig. 

Dresden.  Georg  M  ü  1  Icr. 


lÜO  Litteiatur. 

Bauer  und  (intshoiT  in  Kursaclison.  Schilderuiii^  der  ländlichen 
Wirtschaft  und  Veifassiing  im  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert.  Von 
Dr.  Friedr.  Job.  Hauu.  Strafsburg,  Träbner.  1892.  XI,  220  SS. 
8".  (A.  u.  d.  T. :  Abhandlungen  aus  dem  staatswissenschaft- 
lichen Seminar  zu  Strafsburg  i./E.,  herausg'egel)en  von  G.  F.  Knapp. 
Heft  IX.) 

Wie  schon  aus  dem  Titel  sich  ergiebt,  ist  die  vorliegende  Arbeit 
in  dem  staatswissenschaftlichen  Seminar  zu  Strafsburg  entstanden, 
indem  der  Leiter  desselben,  Professor  Knapp,  den  Verfasser  auf 
Joh.  (jrottlieb  Klingner 's  „Sammlungen  zum  Dorf-  und  Bauren- 
ßechte"  (Leipzig  1749,  4  Bde.)  aiifmerksam  gemacht  hatte.  Das  reiche, 
in  diesem  Werke  angesammelte  Material  au  Urkunden,  Urbarien, 
Proze.ssakten  etc.  aus  früheren  Zeiten,  sowie  die  Darstellungen 
Klingner"s  aus  der  Zeit,  in  der  er  selbst  lebte,  hat  nun  der  Verfasser 
nach  den  Gesichtspunkten  der  heutigen  Nationalökonomie  geordnet 
und  so  eine  interessante  Schilderung  der  gesamten  um  die  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  in  Kursachsen  bestehe aden  ländlichen  Wirt- 
schafts- und  Verwaltungsverhältnisse  gegeben.  Er  sagt  selbst,  dafs  er 
sich  hierbei  fast  lediglich  auf  die  Klingnersche  Vorarbeit  beschränkt  habe, 
und  allerdings  hätte  er  das  Mateiial  aus  den  öffentlichen  und  Privat- 
archiveu  Sachsens  noch  wesentlich  vervollständigen  und  so.eine  weit 
gröfsere  Anzalü  von  einzelnen  Rittergütern  und  ganzen  Ämtern  in 
den  Kreis  seiner  Untersuchung  ziehen  können.  Wie  Klingner,  be- 
handelt auch  er  nur  die  älteren,  längst  schon  völlig  deutsch  gewor- 
denen Landschaften  des  ehemaligen  Kursachseu,  nicht  aber  auch 
die  Lausitzen,  welche  doch  damals  auch  bereits  längst  zu  Sachsen 
gehörten.  In  diesen  beiden  Ländern  bestanden  neben  deutschen  viel- 
fach auch  noch  altslavische  Verhältnisse  fort ;  für  sie  sind  daher  die 
in  dem  vorliegenden  Buche  gegebenen  Schilderungen  nicht  zutreffend 
(vergl.  meine  Schrift:  „Die  Stellung  der  Gutsuuterthanen  in  der  Ober- 
lausitz zu  ihren  Gutsherrschaften."  Dresden  188ö).  Der  Verfasser 
will  auch  „keine  geschichtliche  Darstellung  der  Entwicklungsstufen" 
geben,  obgleich  sich  nur  aus  ihr  das  Verhältnis  zwischen  Bauer  und 
Gutsherrn  zu  einer  bestimmten  Zeit  vollständig  begreifen  läfst, 
sondern  Avill  dem  Leser  nur  einen  deutlichen  ,. Einblick  in  das  länd- 
liche Leben  der  damaligen  Zeit"  vermitteln.  —  Innerhalb  der  so  ge- 
zogenen Grenzen  stellt  er  nun  in  einer  bei  knappester  Form  doch 
durchaus  anschaulichen  Weise,  in  einzelne  Kapitel  wohlgeordnet,  all 
die  verschiedenen  Beziehungen  zwischen  der  bäuerlichen  Bevölkerung 
und  den  Gutsherrschaften  dar  Scharfe  und  treffende  Delinitionen 
der  einzelnen  Ausdrücke,  Begriffe,  Rechte,  Gewohnheiten  etc.,  ge- 
schickte Einordnung  der  unzäbligen  Einzelheiten  unter  die  betretfen- 
den  Kapitel  und  eine  möglichste  Glätte  des  Stils  zeichneu  die  Arbeit 
vor  anderen  ähnlichen  vorteilhaft  aus.  Wer  sich  je  mit  den  ein- 
schlagenden Fragen  zu  beschäftigen  hat,  wird  in  dem  Buche  ein 
reiches,  wohlgeordnetes  Material  voriinden. 

Da  es  uns  hier  an  Raum  gebricht,  auf  einzelnes  einzugehen, 
führen  wir  nur  kurz  die  Einteilung  des  Ganzen  an.  I.  Kapitel : 
Rügen  und  Dorfordnungen;  Doi  fverfassung ;  die  Nachbarschaft  (d.h. 
die  eigentlichen  Bauern):  die  übrigen  Einwohner;  Dorf  Verwaltung; 
Flurverfassung;  Hufenrichter  .und  Hegebürgen;  die  Flur;  Viehhaltung; 
die  AUmend ;  Wiesen ;  Ackerwirtschaft.  II.  Kapitel :  Das  Rittergut 
in  Sachsen;  Ursprung  und  Entstehung;  Umfang;  Gutsverwaltung; 
Schäfereien;  Ackerwirtschaft.  III.  Kapitel:  Die  ländlichen  Neben- 
.gewerbc;  Mühlenbetrieb ;  Brauereibetrieb.   IV.  Kapitel:  Gutsherrlich- 


Litteratur.  IGl 

bäuerliche  Verhältnisse;  Servituten;  Gerichtsbarkeit-.  Erbhuldigunf;' ; 
bäuerliche  Besitzverhältuisse;  Abgaben;  Dienste;  der  Bauernaufstand 
von  1790. 

Dresden.  Hermann  Knothe. 


Ans  (lern  FeWznge  18(i6.  Briefe  aus  dem  Felde  und  Predigten  und 
Reden  im  Felde.  Von  Prof.  Dr.  Fricke.  Leipzig,  Friedrich 
Richter.     1891.     VT,  248  SS.  8o. 

Der  als  akademischer  Lehrer  wie  als  Kauzelredner  gleich  aus- 
gezeichnete Prof.  Fricke  in  Leipzig  veröft'entliclit  jetzt,  nach  25  .Jahren, 
aufgefordert  von  vielen,  die  Briefe,  welche  er  während  des  Krieges 
von  1866,  wo  er  Feldpropst  der  königlich  sächsischen  Armee  war, 
an  seine  Frau  geschrieben,  und  eine  Anzahl  Predigten  und  Reden, 
welche  er  teils  in  Kirchen  oder  Lazarethen,  teils  aber  auch  unter 
freiem  Himmel  vor  Abteilungen  der  sächsischen  Truppen  gebalten 
hat.  Von  so  vielen  Seiten  aus  man  jenen  Feldzug  schon  eingehend 
behandelt  hat,  eine  Darstellung  der  seelsorgerischen  Wirksamkeit, 
Avie  sie  an  den  Krankenbetten  der  Lazarethe,  bei  Austeilung  des 
heiligen  Abendmahles,  bei  Feldgottesdiensten  und  an  den  Gräbern 
gestorbener  Sachsen  geübt  worden  ist,  nebst  den  damit  verbundenen 
Anstrengungen,  Ansteckungsgefahren,  alter  auch  mit  ihrem  Segen, 
ist  uns  noch  nicht  bekannt  geworden.  Die  Briefe,  oft  in  fliegender 
Eile  und  unter  den  erschwerendsten  Umständen  in  elenden  Dorfhütten 
geschrieben,  schildern  die  persönlichen,  auch  für  den  sächsischen  Feld- 
propst oft  recht  unliebsamen  Erlebnisse  des  Verfassers,  zumal  auf 
der  Flucht  nach  der  Schlacht  bei  Königgrätz,  sodann  aber  auch  die 
leibliche  und  geistige  Pflege  der  sächsischen  Verwundeten  und  Kranken 
in  und  um  Wien,  sowie  die  aufopfernde  Thätigkeit  der  dabei  be- 
schäftigten Ärzte,  Schwestern  und  Geistlichen.  Obgleich  der  Ver- 
fasser oft  auch  mit  höchstgestellten  Persönlichkeiten  in  Berührung 
kam,  so  streift  ei-  nur  selten  die  politischen  Fragen,  höchstens  zu 
der  Zeit,  wo  es  sich  um  die  Zukunft  Sachsens  und  um  die  Bestim- 
mungen des  mit  Preufsen  abzuschliel'scndcn  Friedens  handelte.  Die 
Predigten  und  Reden,  Casualreden  eigentümlichster  Art,  von  denen 
mehrere  sofort  in  Tausenden  von  Exemplaren  gedruckt  und  an  die 
Soldaten  verteilt  worden  sind,  erweisen  in  ihrer  jetzigen  Zusammen- 
stellung den  Verfasser  aufs  neue  als  den  hochbegabten,  die  Worte 
der  Schrift  mit  ergreifender  Anwendung  auf  die  jedesmaligen  Um- 
stände auslegenden,  bald  tröstenden,  l)ald  ermunternden  christlichen 
Prediger.  Wer  an  jenem  Kriege  selbst  teilgenommen  oder  aus  ii-g(!iid 
welchem  Grunde  noch  jetzt  ein  besonderes  Interesse  an  demselben 
hat,  wird  das  Buch  gewifs  nicht  ohne  Befriedigung  aus  der  Hand  legen. 

Dresden.  Hermann  Knothe. 

Der  Seifenborglmii  im  Frzf^obirf^o  und  die  Walensagen.  Von 
Dr.  llcinricli  Schnrlz.  Stuttgart.  J.  Engelhnrn.  IWto.  8<!  SS. 
8".  (A.  u.  d.  T. :  Forscliungim  zur  deutschen  Landes-  und  N'olks- 
kunde,  im  Auftrage  der  Centralkoiumission  für  wissenschaflliclie 
Landeskunde  von  Deutschland  herausgegeben  von  A.  Kirchhofl'. 
Bd.  V  Heft  3.) 

Der  Bergbau  hat  auf  die  wirtschaftlicln  u    und    damit   aurli  auf 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  ii.  A.     XUl.  1.  'i.  H 


162  Litteratur. 

die  politischen  Geschicke  iinsers  Landes  einen  so  hervorragenden 
Einfiufs  ansgeübt,  dafs  eine  wissenschaftlichen  Anforderungen  durch- 
aus entsprechende  Geschichte  desselben  dringend  zu  wünschen  wäre. 
Aber  es  ist  das  eine  Aufgabe,  deren  Lösung  eine  Vereiniglang  von 
naturwissenschaftlichen,  technischen,  natioualökonomischen  und  histo- 
rischen Kenntnissen  verlangt,  wie  sie  sich  nur  selten  bei  einem 
Einzelnen  finden  wird;  nur  ein  Zusammenwirken  verschiedener 
Kräfte  verspricht  hier  Erfolg  —  und  wann  wird  sich  ein  solches 
ermöglichen  lassen?  Einstweilen  müssen  wir  für  jeden  Beitrag  dank- 
bar sein,  so  auch  für  den  vorliegenden,  wenngleich  seine  Ergebnisse 
nur  mehr  oder  weniger  unsichere  Vermutaugen  sind.  Schurtz  hat 
sich  an  die  schwierigste  aller  Fragen  gemacht,  an  die  Frage  nach 
den  frühesten  Anfängen  unseres  Bergbaues. 

Er  geht  aus  von  den  zahlreichen  vorgeschichtlichen  Bronze- 
funden. Während  einer  der  beiden  Bestandteile  der  Bronze,  das 
Kupfer,  ein  sehr  verbreitetes  Metall  ist,  kommt  der  andere,  das  Zinn, 
in  Europa  nur  selten  vor.  Für  die  Frage,  woher  es  die  Römer  und 
Griechen  bezogen  haben ,  wäre  auf  die  Untersuchungen  Blümners 
(Technologie  und  Terminologie  der  Gewerbe  und  Künste  bei  Griechen 
und  Römern  IV,  81  ff.)  zu  verweisen  gewesen.  Schon  hier  wird 
Britannien  als  das  Land  genannt,  das  in  historischer  Zeit  weitaus 
das  meiste  Zinn  nach  den  klassischen  Ländern  geliefert  habe.  Eben- 
so beherrschte  im  Mittelalter  England  fast  allein  den  Markt,  bis  um 
die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  die  nordböhmischen  und  meiisnischen 
Ziimdistrikte  ihm  anfingen  Konkurrenz  zu  machen.  Schurtz  sucht 
nun  wahrscheinlich  zu  machen,  dafs  der  Zinnbergbau  in  diesen 
Gegenden  viel  älter  ist,  als  man  bisher  annahm.  Seine  früheste 
Form  ist  die  des  Seifenbergbaues,  und  es  kann  wohl  nicht  zweifel- 
haft sein,  dafs  schon  lange  vor  Aufzeichnung  der  ersten  Nachrichten 
diese  primitivere  Art  der  Zinngewinnung  ausgeübt  worden  ist.  Was 
der  V'erfasser  über  die  Technik  und  die  Geschichte  der  Zinnseifen 
im  Erzgebirge  mitteilt,  beruht  meist  auf  Quellen  des  16.  Jahrhunderts 
und  noch  späterer  Zeit,  und  diese  Quellen  sind  teilweise  nicht  eben 
die  zuverlässigsten;  hier  würden  ihm  archivalische  Forschungen  eine 
bessere  Grundlage  gegeben  haben,  wie  er  das  schon  aus  meinem  ihm 
entgangenen  Aufsatze  über  das  Zinnerrecht  von  Ehrenfriedersdorf, 
Geyer  und  Thum  (in  dieser  Zeitschr.  Band  VTI)  hätte  entnehmen 
können,  in  welchem  auch  die  falsche  Angabe  über  das  Anfangs- 
jahr des  Altenberger  Bergbaues  (1458)  widerlegt  ist.  Was  die 
Eibenstocker  Zinnbergwerke  anlangt,  die  der  Verfasser  nach 
Albinus,  Melzer  und  Körnera  Bockauischer  Chronik  mit  besonderer 
Vorliebe  behandelt,  so  mag  auf  eine  allerdings  ziemlich  unklare 
Notiz  in  einer  Handschrift  des  Freiberger  Bergrechts  hingewiesen 
werden,  die  anzudeuten  scheint,  dass  schon  Ende  des  In.  Jahrhunderts 
in  der  .rohaungeorgenstadter  Gegend  Seifenbergbau  getrieben  wurde 
(Cod.  dipl.  Sax.  reg.  IL  13,  XXI).  Auch  die  Nachrichten  über  die 
Goldwäschen  im  Erzgebirge  hätten  sich  wohl  aus  archivalischen 
Quellen  noch  vermehren  lassen.  Immerhin  vermögen  wir  auf  diesem 
Wege  die  Geschichte  unseres  Bergbaues  nicht  über  das  Ende  des 
12.  Jahrhunderts  zurück  zu  verfolgen. 

Der  Verfasser  schlägt  nun  andere  Wege  ein,  um  in  die  graue 
Vorzeit  einzudringen.  Er  untersucht  die  nicht  blos  im  Erz-  und 
Fichtelgebirge,  sondern  auch  im  Harz,  in  den  Alpen  vielver- 
breiteten Sagen  von  goldsuchenden  Walen  und  Venedigern.  Die 
eigenartige  Litteratur,  die   sich  an   ihren  Namen  knüpft,   die  band- 


Litteratur.  163 

schriftlich  und  gedruckt  viel  —  bis  iu  unser  Jahrhundert  hinein  — 
verbreiteten  ,, Walenbücher",  Anw^eisungen,  wie  und  wo  mau  nach 
Gold  suchen  soll  u.  dgl.  m.,  erweisen  sich  bei  näherer  Betrachtung 
als  wertlos  für  den  Zweck  des  Verfassers;  es  sind  „zusammen- 
getragene Notizen  phantastischer  Metallsucher,  die  durch  allerlei 
irrtümliche  Voraussetzungen,  UnvoUkommenheit  der  mineralogischen 
Kenntnisse  und  die  trügerischen  Aussagen  der  Wünschelrute  ver- 
leitet wurden,  in  tauben  Gesteinen  geheimnisvolle  Schätze  zu  ver- 
muten" —  „ein  Gegenstück  zu  der  unübersehbaren,  aber  hohlen 
alchimistischen  Literatur",  j^ber  viel  älter  und  viel  wertvoller  sind 
die  Walensagen.  Der  Verfasser  findet  in  ihnen  uralte  mj'thologische 
Anklänge,  die  teils  an  die  germanische  Götterlehre,  teils  an  die 
finnischen  Zvvergsagen  (Venedigermännlein)  gemahnen;  und  wenn 
nicht  auch  slavische  und  keltische  Beziehungen  nachweisbar  sind, 
so  liegt  das  wohl  nur  an  der  Dunkelheit  der  Mythologie  dieser 
Stämme.  Diese  Beobachtungen  führen  den  Verfasser  nun  weiter  zu 
dem  Versuch,  bei  den  Slaven,  Germanen,  Kelten,  ja  selbst  bei  den 
Finnen  einen  vorgeschichtlichen  Zinnbergbau  nachzuweisen;  haupt- 
sächlich sind  es  sprachliche  Untersuchungen,  Ortsnamendeutungen 
u.  s.  w.,  die  ihm  die  Belege  liefern  müssen.  Auf  dieses  Gebiet 
können  wir  dem  Verfasser  nicht  folgen ;  es  ist  Sache  des  Linguisten, 
zu  beurteilen,  ob  die  Ableitungen  richtig  und  die  darauf  gebauten 
Schlüsse  möglich  sind.  Dafs  das  Resultat  der  ganzen  Untersuchung 
ein  überaus  unsicheres  ist,  mit  dem  der  Historiker  recht  wenig  an- 
zufangen vermag,  das  fühlt  der  Verfasser  wohl  selbst,  wenn  er 
schliefslich  sein  Resultat  in  die  vorsichtigen  Worte  zusammenfafst : 
„Es  hindert  uns  nichts  zu  glauben,  dafs  der  Zinnbergbau  des  Erz- 
gebirges älter  ist,  als  es  nach  dem  Zeugnis  der  Chronisten  scheint ; 
es  ist  somit  auch  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dafs  unter 
dem  Namen  der  Walen  oder  Venediger  sich  ältere  bergbautreibende 
Völker  —  Wenden,  Kelten  oder  Finnen  —  verbergen.  Gegen  diese 
Ansicht  spricht  freilich,  dafs  die  prähistorischen  Funde  im  höheren 
Erzgebirge  äufserst  geringfügig  sind  und  dafs  ebenso  von  Spuren 
der  Zinnschmelzung  wenig  zu  entdecken  ist.  Vielleicht  aber  dürfen 
wir  —  was  auch  die  Walensagen  andeuten  —  an  eine  Ausfuhr  der 
ungeschmolzenen  Erzkörner  nach  Süden  denken,  von  wo  das  Zinn 
(mit  Kupfer  legiert)  in  Gestalt  bronzener  Waften  und  Geräte  nach 
Germanien  zurückkehrte.  Damit  würde  denn  auch  die  Beobachtung 
übereinstimmen,  dass  die  Walensagen  im  Fichtelgebirge  meist  auf 
alte  Zinnseifen  verweisen." 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Die  Pässe   des  Erzjfcbirges.    Von  Dr    !!(-inr.  Scliiirlz.    Mit  einer 
Karte.     Leipzig,  J.  .).  Weber.     IHHI.     64  SS.  S'>. 

Der  Verfasser  findet  die  Bedingungen  der  Erzgebirgspässe 
..mehr  in  anthropogeographischen  als  in  orographischcii  Zuständen" 
gegeben  derart,  dafs  besonders  durch  die  vorliegendi'n  Städte  „ans 
einer  Fülle  möglicher  Strafsen  bestimmte  (iruppen  ausgeschieden  und 
vorwiegend  entwickelt"  wurden. 

Daraus  ergiebt  sich  ihm  die  Sondcruiig  der  Pässe  in  die  von 
Dresden,  Frcibcrg,  Chemnitz  und  Zwickau.  Im  (Jcgcnsatz  zu  den 
modernen  Verkehrswegen  liebten  die  alten  Strafsenziige  die  Jliiluii 
zwischen  den  Wasserläufen  und  teilten  sirli,  nach  Böhmen  liiual)- 
steigend,  in  fiu'inliclie  Strafsciiliündcl. 

11* 


164  Litteratur. 

Der  Verfasser  bezeichnet  seine  Arbeit,  die  offenbar  mit  Liebe 
lind  deshalb  fesselnd  nnd  anregend  geschrieben  ist,  als  „eine  Ab- 
handlung geographischen  Inhalts  mit  starkem  Betonen  des  historisch 
Gegebenen".     Letzteres  legt  uns  einige  Bemerkungen  nahe. 

Die  Annahme,  Heruler  seien  494  durch  Böhmen  längs  der  Elbe 
nach  Dänemark  gezogen  (S.  7),  gehört,  abgesehen  von  der  unhalt- 
baren clu'onologischen  Bestimmung,  in  das  reich  angebaute  Gebiet 
der  grundlosen  in  majorem  Slavorum  gloriam  aufgestellten  Behaup- 
tungen, die  man  ohne  Nachprüfung  nicht  wiederholen  sollte.  Sie  will 
die  slawische  Einwanderung  in  die  Eibländer  um  die  Mitte  des 
5.  Jahrhunderts  beweisen.  Die  zu  Grunde  liegende  Stelle  bei  Procop, 
Gothenkrieg  II,  15,  berechtigt  zu  dieser  Auffassung  nicht  im  mindesten. 
Der  fragliche  Teil  der  Heruler  trennte  sich  von  der  Hauptmasse  erst, 
als  diese  vor  den  Gepiden  weichend  die  Donau  in  der  Belgrader 
Gegend  überschritt,  und  es  bot  sich  wegen  der  feindlichen  Gepiden 
und  Langobarden  kein  anderer  Weg,  als  die  Donau  abwärts  und  dann 
an  den  Karpathen  hin  zum  Quellgelnet  der  Weichsel.  So  „berührten 
sie  auch  alle  Stämme  der  Sklavenen  der  Keihe  nach'',  denn  diese 
safsen  nach  Jordanes  (Getica  V,  34)  links  von  den  Gepiden  von  der 
unteren  Donau  an  nordöstlich  der  Karpathen  bis  zur  Weichsel. 
Die  Heruler  durclizogen  dann  „ein  Aveitgedehntes  wüstliegendes  Land" 
bis  zu  den  Warnen  in  Mecklenburg,  das  „Mauringaland,  Land  wild- 
wuchernder Grasnarbe".  Diese  Angabe  Procops  beweist  also  gerade, 
dafs  die  Gebiete  von  der  mittleren  Oder  bis  zur  Elbe  von  den  deut- 
schen Stämmen  verlassen  und  von  den  Slaven  damals  (um  508—512) 
noch  nicht  besetzt  waren. 

Der  Annahme  (S.  8  flg.),  „der  wichtigste  Ort,  der  Böhmen  das 
unentbehrliche  Salz  lieferte",  sei  Halle  a.  d.  S.  gewesen,  fehlt  für 
das  frühere  Mittelalter  (und  gar  erst  für  die  Kelten-  und  Hermun- 
durenzeit!) jede  Grundlage.  Albinus'  Landchronik  (1589)  kann  man 
doch  unmöglich  als  Quelle  für  jene  Zeit  anziehen.  (S.  11  führt  aller- 
dings der  Verfasser  wiederum  Albinus  [und  sogar  eine  Bockauische 
Chronik  von  1763]  als  Gewährsmann  dafür  an,  dafs  die  von  ihm  an- 
genommenen Bewohner  des  Erzgebirges  in  den  älteren  Perioden  bis 
zur  Entdeckung  der  Silbererze  besonders  durch  Viehzucht  sich  nährten 
und  dafs  also  weitausgedehnte  Weidegründe  im  Walde  sich  fanden.) 
Kaiser  Arnulfs  Forderung  an  den  Bulgarenfürsten  Wladimir  be- 
züglich der  Salzsperre  richtete  sich  zunächst  gegen  die  Mährer, 
deren  Fürst  Swatopluk  allerdings  auch  Böhmen  beherrschte.  (Ann. 
Fuld.  ad  892:  „ne  coemptio  salis  inde  Moravanis  daretur."  Böhmen 
bezog  sein  Salz  in  erster  Linie  von  ßeichenhall  her  auf  dem  altbe- 
rühmten goldenen  Steig  Passau- Prachatitz.  Wie  bedeutend  der  Salz- 
handel überhaupt  hier  im  Süden  auf  der  Donau  war,  zeigen  die  sogen, 
leges  portorii  vonliaffelstätten903 — 906(Monum.  German.  Leg.  III, 480). 
Späterhin  (1130)  werden  auch  Salztransporte  auf  dem  Grenzsteig  an 
der  Trstenica  (Leitomischl-Zwittau)  erwähnt,  vielleicht  aus  dem  1136 
zuerst  genannten  Wieliczka  kommend.  Salzzufubr  durch  Wagen  über 
das  Erzgebirge  war  bis  ins  12.  Jahrhundert  bei  der  Beschaffenheit 
der  dortigen  Wege  kaum  möglich.  Alle  Quellen  wissen  bis  dahin 
nur  von  Grenzsteigen,  Pfaden,  semitae,  die  selbst  für  Reiter  höchst 
beschwerlich  waren.  Erst  seit  dem  Beginn  des  Bergbaues  and  später 
unter  Ottokar  II ,  Wenzel  IL  und  den  Luxemburgern  wurden  die 
Verkehrsstrafsen  mit  den  Nachbarländern  verbreitert  und  in  eigent- 
liche Fahrstrafsen  umgewandelt.  Selbst  der  hochwichtige  Pracha- 
titzer  Salzsteig  bot  nur  für  2  Säumer  (equi  honusti,  qui  saumer  di- 


Litteratm-.  165 

cuntnv)  Eaiim  —  Noch  1361  heifst  es  von  der  Avichtigen  Sti'afse 
Gubel-Zittau,  sie  soll  wegsam  gemacht  und  verbreitert  werden,  so 
weit  man  einen  gröfseren  Stein,  den  man  gerade  noch  mit  der  Hand 
erfassen  kann,  nach  rechts  und  links  zu  werfen  vermag.  —  Der  über 
Weitra  führemle  Beheimsteg  nach  Niederösterreich  erscheint  erst 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  als  Pehaimstralse. 

Der  Verkehr  nach  Norden  bewegte  sich  zunächst  hauptsächlich 
auf  der  Elbe,  die  auch  stromauf  weit  mehr  befahren  Avurde,  als  der 
Verfasser  annimmt  (S.  15),  —  Schon  98o  wird  dem  Bischof  von 
Meifsen  der  ElbzoU  zwischen  Beigern  und  Meifsen,  auf-  und  abwärts, 
von  allen  Handeltreibenden  überlassen.  99:5  wird  verfügt  über  den 
Zoll  in  Lutomiricz  und  Na  vsty  super  Albiam  (Leitmeritz  und  Aufsig). 
Bei  Gründung  des  KoUegiatstiftes  in  Leitmeritz  um  1057  wird  (neben 
der  via  per  silvam  Hulmez)  die  Schiiffahrt  auf  der  Elbe,  stromauf  luid 
stromab,  besonders  hervorgehoben.  Es  werden  unterschieden  naves 
magnae,  mediocres,  parvae  und  naviculae  minimae.  Als  Gegenstände 
des  Handels  treten  Salz  und  Wein,  als  Vermittler  desselben  Graeci 
(Griechisch-Orthodoxe)  und  Judaei  hervor.  —  Kloster  Platz  tauscht  um 
1183  ein  Dorf  ein  für  seineu  schon  1146  besessenen  Teil  am  Salzzoll  in 
Tetschen,  weil  der  Zollertrag  (in  natura  gegeben)  infolge  der  Unsicher- 
heit der  Strafsen  auf  dem  Transport  zum  Kloster  oft  verloren  ging.  — 
Die  Prämonstratenser  von  Strahow  dürfen  (1226)  ein  Schiff  zollfrei  per 
Albiam  in  Swrbiam  educere  und  reducere  mit  Salz  u.  a.  beladen.  — 
Auch  das  Holz,  das  sie  Elbe  und  Eger  abwärts  führen,  bleibt  zoll- 
frei. 1274  ist  von  Schiffen,  die  Salz  und  Heringe  nach  Melnik  bringen, 
die  Rede.  Aus  sächsischen  Urkunden  erfahren  wir  über  den  Salz- 
handel nach  Böhmen  erst  um  das  Jahr  1292,  als  die  Bürger  von 
Frohse,  Schönebeck,  Kalbe  und  Barby  den  Bischof  Withego  von 
Meifsen  baten,  es  bezüglich  ihres  Handels  in  Pirna  —  Verkauf  voii 
Salz  und  Einkauf  von  Holz  —  bei  alter  Gewohnheit  zu  lassen.  Seit 
Ende  des  12.  .Jahrhunderts  mag  man  bei  Verbreiterung  und  Besserung 
der  Wege  angefangen  haben,  das  Salz  über  das  Erzgebirge  auf  Wagen 
nach  Böhmen  einzuführen,  obwohl  die  1274  Brüx  gewälirte  depositio 
salis  sich  nicht  auf  dorther  kommendes  Salz  zu  beziehen  liraucht. 

Dafs  „die  wichtigsten  Strafsen"  vom  Bernsteinlande  zum  31ittcl- 
meer  „insbesondere  durch  die  Pässe  des  Kiesengebirges"  gefühlt 
(S.  10).  dürfte  dem  Verfasser  nicht  ganz  leicht  werden  nachzuweisen. 
Die  von  einigen  dem  sogen,  polnischen  Steig  (Nachod— Glatz)  l)eige- 
legte  Wichtigkeit  läfst  sich  für  jene  Zeit  bezweifeln.  Über  das 
Riesengebirge  im  engeren  Sinne  führte  weder  Weg  noch  Steg.  Sobeslav 
mufste  sich  1110  mit  unsäglicher  Mühe  —  Martinus  Gallus  vergleicht 
den  Zug  mit  Hannibals  Alpenübcrgang  —  dort  eine  Strafse  bahnen, 
zu  deren  Schutz  er  dann  später  die;  Bui'g  Hostin-Hradec  (Arnau) 
anlegte. 

Die  Ansicht  des  Verfassers,  das  Erzgebirge  sei  auch  in  den 
älteren  Perioden  seiner  Geschichte  bewohnt  gewesen  (S.  11.  18  u.  ö.), 
können  wii-  nicht  teilen.  Slawische  ( )rtsbenennungen  beweisen  ohne 
chronologische  Sidierung  bei  dei-  slawischen  Nationalität  der  An- 
wohner und  der  böhmischen  Einwanderung  Ende  des  Mittelalters  )ind 
später  für  die  Zeit  des  Anbaues  gar  nichts,  zumal  gewil's  auch  <lie 
Rodungen  von  Norden  her  vielfach  mit  slawischen  Arbeitern  und 
Zinsleuten  unternonuncn  sind  oilcr  ducli  nacliweislich  slawische  Namen 
erhielten.  Slawische  Bejicnnungen  von  Gewässern,  Bergen  und  ein- 
zelnen auffalleuden  Lokalitäten,  zumal  in  der  Nähe  der  Stralsenzüge, 
wo  schon  leichtere  Orientierung  sie  wünschenswert  erscheinen   liefs, 


166  Litteratur. 

setzen  ebensowenig  Avie  unsere  Flur-  und  Forstnamen  geordnete 
menschliche  Siedelungen  voraus,  konnten  aber  wohl  auf  spätere,  selbst 
deutsche  Niederlassungen  übertragen  werden  (Meifsen!).  Ohne 
chronologische  Bestimmung  schwebt  hier,  wenn  sich  nicht  etymo- 
logisch relative  Altersgruppen  ergeljen,  alles  in  der  Luft.  —  Sämt- 
liche Quelleiiberichte  über  Heereszüge,  Grenzen,  nennen  niemals  einen 
bewohnten  Ort  im  höheren  Gebirge,  bis  ins  12.  Jahrhundert;  nur 
an  den  Endpunkten  der  „seinitae-'  erscheinen  urbes  terminales,  Burgen 
und  Ortschaften.  Alle  Quellen  dagegen  wissen  nicht  genug  zu  er- 
zählen von  den  schrecklichen  Wildnissen,  von  den  unsäglichen  Schwie- 
rigkeiten, die  von  den  Durchziehenden  überwunden  werden  müssen. 
Von  Böhmen  aus  —  und  die  böhmische  Herrschaft  erstreckte  sich  oft 
und  lange  weit  über  die  eigentliche  Grenze,  die  media  silva,  hinaus  — 
wurde  lange  Zeit  nicht  einmal  Holzschlag,  viel  weniger  Rodungen  und 
Siedelungen  im  Greuzwalde  geduldet.  Besondere  Wächter  (chodove, 
sträze)  waren  mit  der  Durchführung  dieser  Verbote  und  mit  der 
Kontrolle  über  die  einzelnen  Grenzpassanten  beauftragt.  Im  Brünner 
Privileg  heifst  es  z.  B.  noch  1229:  nullus  de  illis,  qui  custodiunt 
silvam,  debet  spoliare  aliquem  in  via  vel  in  foro,  nisi  tunc  illum 
spoliet,  quando  invenit  arborem  secantem.  —  Leider  liat  der  Verfasser 
—  nicht  zum  Vorteil  seiner  Arbeit  —  die  Erben-Emlersche  Urkunden- 
und  Regestensammlung  gar  nicht  lienutzt.  Bezüglich  der  Handels- 
beziehungen Zwickaus  mit  Böhmen,  für  welche  der  Verfasser  S.  54 
Hinweise  vermifst,  ist  ihm  eine  wichtige  Urkunde  völlig  entgangen. 
Im  Jahre  1118  (Cod.  dipl.  Sax.  I,  2,  53)  urkundet  nämlich  Bischof 
Dietrich  von  Naumburg  über  die  Übertragung  der  von  der  Gräfin 
Bertha  gegründeten  Pfarrkirche  „in  territorio  Zcwickaw"  an  Kloster 
Bosau.  Die  Dotation  bestand  aufser  den  vorgeschriebenen  2  Mausen 
aus  dem  teloneum  Bohemicum,  der  12  Pfund  jährlich  trug  uud  den 
das  Kloster  1145  gegen  2  Dörfer,  Thechebodiz  und  Rodowe, 
tauschte.  Das  Land  ist  zum  Teil  noch  nicht  kultiviert,  die  Parochie 
ist  „intra  praefatos  limites  construenda".  Bei  der  Angabe  der  Grenzen, 
die  nach  Posse  (Die  Markgrafen  von  Meifsen  S.  235)  mit  denen  des 
Zwickauer  Vogteibezirkes  tibereinstimmen,  kommt  kein  einziger  Ort- 
schaftsname vor. 

Dasselbe  ist  der  Fall  in  einer  Urkunde  von  1144  (Cod.  dipl. 
Sax.  I,  2,  176),  welche  der  Kirche  zu  Hürgel  lüö  Königshufen  im 
Pleifsener  Walde  auf  beiden  Seiten  der  Mulde  zuweist.  Auch  hier 
ist  alles  noch  im  Werden  begriffen.  Übrigens  hätte  der  Verfasser 
auch  diese  Urkunde  wegen  der  darin  erwähnten  „semita  Bohemica" 
nicht  unbeachtet  lassen  sollen.  Eine  ,,via  vetus"  erwähnt  ferner  die 
Urkunde  vom  15.  April  1146  (Cod.  dipl.  Sax.  I,  2,  192),  die  uns  eben- 
falls den  Anbau  in  den  Gauen  Plisna  und  Geraha  in  seiner  Ent- 
wicklung zeigt.  Es  ist  also  durchaus  irrig,  wenn  der  Verfasser  aucli 
für  die  Zwickauer  Gegend  und  noch  höher  hinauf  S.  55  eine  „sehr 
frühe  und  nicht  ganz  spärliche"  Bevölkerung  annimmt.  Nach  allem, 
was  wir  bisher  aus  Urkunden  und  sonstigen  Quellen  entnehmen  können, 
kann  von  festangesessener  nennenswerter  Bevölkeiung  im  höheren  Ge- 
birge vor  den  Rodungen  des  12.  und  besonders  des  13.  Jahrhunderts 
nicht  die  Rede  sein.  So  erklärt  es  sich  auch,  dafs  der  umfangreiche 
Landbesitz  Hersfelds  zAvischen  Zschopau  und  Striegis  in  Hersfeld 
selbst  so  in  Vergessenheit  geraten  konnte  und  bei  der  Dotierung  Alt- 
zelles  1162  (auch  hier  800  kaum  erst  gerodete  Hufen)  gar  nicht  respek- 
tiert wurde.  —  Wird  doch  selbst  in  dem  ca.  10  Quadratraeilen  grofsen 
Gau  Dobna  ei'st  1122  in  dem  vicus  Plauen  die  erste  Kirche  errichtet, 


Litteratur.  107 

und  in  dem  üaiizeu  Gau  treten  uns  nur  3  Ortsnamen,  Plauen, 
Chrieschwitz  und  Zobern,  entgegen.  Auch  hier  kann  die  Bevölkerung, 
den  urkundlichen  Nachrichten  zufolge,  nur  eine  sehr  spärliche  ge- 
wesen sein  noch  iai  l;i.  Jahrhundert.  —  Die  Vermutung,  dals  Saida  eine 
Zollstätte  gewesen  (S.  28),  wird  bestätigt  durch  ein  Diplom  von  1287 
(Emier  II,  604).    Den  Zollzehnt  hatte  Kloster  Ossegg  inne. 

Die  Annahme  eines  besondern  Priesterstandes,  der  ,.nach  slawischer 
Sitte"  das  Clericht  und  zum  Teil  den  Zoll  in  Händen  gehabt,  wider- 
spricht der  neueren  Forschung  (vergl.  Krek,  Einleitung  zur  slawischen 
Litteratur-Geschichte,  2.  Aufl.,  1887).  Nur  bei  den  Polaben  zwischen 
unterer  Elbe  und  (_)stsee  hat  sich,  wahrscheinlich  durch  den  Kampf 
mit  den  christianisierenden  Deutschen,  eine  solche  Priesterschaft  heraus- 
gebildet. Bei  den  Tschechen  und  Sorben  findet  sich  keine  Spur 
davon.  Die  Ableitung  des  Namens  Kämmerswalde  von  komora  = 
Gericht  scheint  uns  sehr  kühn,  und  was  der  Hinweis  auf  das  Frei- 
l)erger  Zollhaus  „camera  juxta  valvam"  hier  soll,  verstehen  wir  nicht. 
Hält  der  Verfasser  camera,  Kammer,  Kämmerei  für  Lehnwörter,  von 
komora  =  Gericht  abgeleitet"?  —Wenn  der  Verfasser  in  der  jetzigen 
deutschen  Benennung  des  schlesischen  Komorowitz:  Mückendorf, 
eine  Stütze  für  seine  Ansicht  zu  finden  glaubt,  jenes  mit  komora  = 
Gericht,  dieses  mit  mike  -=  Priester  in  Zusammenhang  bringt,  so  müssen 
wir  gestehen,  dal's  wir  auf  diese  Pfade  ihm  nicht  zu  folgen  vermögen. 
Koraafi,  komor,  heilst  Stechmücke,  so  ergiebt  sich  Mückendorf  als 
einfache  Übersetzung.  —  Auch  Mochowe  erinnert  den  Verfasser  an 
„mike"  (S.  33),  uns  zunächst  an  mok,  moca,  moker,  nafs,  sumpfig 
(oder  mucha.  Fliege?  In  Schlesien  Mochau  aus  Muchowo).  Ebenso 
gezwungen  erscheint  uns  die  Ableitung  des  Namens  Birkwitz  von 
bjerka,  Steuereinnehmer.  Übrigens  war  die  Besteuerung  der  Flufs- 
ü'bergänge  nicht  nur  bei  den  nördlichen  Wenden  üblich  (S.  22),  sondern 
überall,  ist  es  sogar  in  Gestalt  des  Brücken-  und  Überfahrgeldes 
noch  jetzt. 

Dresden.  E.  O.  Schulze. 

IJesclireibeudc  Darstellung  der  älteren  Itau-  und  Kunstdenk- 
miilor  des  Königreicbs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  K.  Staats- 
regierung herausgegeben  vom  K.  Sächsischen  Alterthuinsverein. 
13.  und  U.  Heft:  Amtshauptmannschaften  Glauchau  und  Rochlitz. 
15.  Heft:  Amtshauptmannschaft  Borna.  Bearbeitet  von  Dr. 
R.  Steche.  Dresden,  in  Commission  bei  C.  C.  Meinhold  &  Söhne. 
1890,  1891.    4H,    135,   121    SS.  8". 

Es  ist  in  dieser  Zeitschrift  wiederholt  von  mir  auf  die  Vortrett- 
lichkeit  des  Stecheschen  Werkes  liingewicsen  worden.  Auch  die 
vorliegenden  Hefte  zeugen  wiederum  von  der  Gewissenhaftigkeit  der 
Arl)eit,  welche  Steches  Leistung  als  mustergültig  für  alle  Monuraental- 
Statistiken  erscheinen  läfst. 

Heft  1  -.1  (Amtshauptmann.schaft Zwickau)  ist  schon  früher  (XI,  1 70) 
angezeigt  und  besprochen  worden;  icli  möclite  aber,  ehe  ich  (lie  Fort- 
setzungen ins  Auge  fasse,  noch  einmal  auf  den  von  Michael  Wolgemut 
für  die  Marienkirche  in  Zwickau  gemalten  Altar  zurückkommen,  da  ich 
der  Erklärung,  welche  Steche  von  der  Darstellniigder  h.  Sippe  giebt,  nicht 
ganz  beizuidlichten  vermag.  Zumal  .scheint  es  mir  sehr  fraglich,  oli  „die 
übrigen  trachtlich  freiei-  behandelten  Männerliiinren  wohl  wdtlicli 
(vielleicht  als  die  oben  genannten  vier  bei  der  Bestellung  Malsgeben- 


168  Litteratur. 

den)  aufzufassen  sind".  ]\Iöglich,  wenn  auch  nicht  zu  erweisen,  ist 
es  wohl,  dafs  eine  gewisse  Porträtähnlichkeit  angestrebt  Avurde, 
aller  jedenfalls  haben  die  Männergestalten  ihre  wohlbegründete  Be- 
deutung. Hinter  der  Maria  Cleophae  (links)  steht  Alphaeus,  ihr 
Gemahl,  hinter  der  Maria  Salome  Zebedaeus;  die  beiden  Männer 
rechts  von  der  h.  Anna  sind  Joachim  und  Cleophas;  neben  der  h. 
Anna  links  ist  jedenfalls  Joseph  dargestellt  —  die  Züge  verraten  auf- 
fallende Ähnlichkeit  mit  den  Josephsbilderu  des  Rogier  van  der  Weyden 
— ;  hinter  Joseph  steht  dann  der  dritte  Gemahl  der  h.  Anna,  Salome. 

Unter  den  iin  1.3.  Heft  besprochenen  Denkmälern  ist  besonders 
hervorzuheben  das  Grabdenkmal  des  Hugo  von  Schönburg  if  1566) 
in  der  Kirche  zu  Waidenburg,  ein  ausgezeichnetes  Werk  des  Dresdner 
Bildhauers  Christoph  Walther,  das  augenscheinlich  in  der  Art  der 
italienischen  Prachtnionumente  der  Fi'ührenaissance  entworfen  ist. 
Auch  in  dem  14.  Heft  wird  eine  vorzügliche  Arbeit  Walthers,  das 
Altarwerk  von  Penig,  besprochen.  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dafs 
der  Verfasser  seine  Studien  über  diesen  interessanten  Meister  zu- 
sammengefafst  bald  den  Freunden  der  deutschen  Kunst  zugänglich 
machte.  Besonderes  Interesse  erregt  der  Abschnitt  über  die  Denk- 
mäler von  Rochlitz  und  vor  allem  sind  die  Mitteilungen  über  die  für 
die  Kunstgeschichte  des  Mittelalters  so  wertvollen  Skulpturen  von 
"Wechselburg  hoch  anzuschlagen.  Der  Verfasser  geht  aber  wohl  ab- 
sichtlich der  doch  so  überaus  wichtigen  Frage  aus  dem  Wege,  was 
diese  Denkmäler  durch  die  in  der  neueren  Zeit  veranlafste  Renovierung 
gelitten  haben.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  sind  dieselben  so 
überarbeitet  worden,  dafs  sie  nicht  mehr  als  unverfälschte  Werke  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  angesehen  werden  dürfen;  der  Verfasser 
scheint  dies  selbst  zuziagestehen,  da  er  ältere  vor  der  verhängnisvollen 
Renovierung  angefertigte  Abbildungen  benützt;  dafs  die  alte  wohl- 
erhaltene Bemaiung  der  Kreuzesgrappe  durch  modernen  Anstrich 
vernichtet  worden  ist,  erfahren  wir  nur  beiläufig.  Wie  gesagt,  es 
wäre  sehr  gut  gewesen,  wenn  alle  die  Schädigungen,  welche  diesen 
Kunstwerken  zugefügt  worden  sind,  von  einem  so  berufenen  Kenner, 
wie  Steche  dies  ist,  genau  dargelegt  worden  wären. 

Es  liegt  in  der  Natur  einer  solchen  Arbeit,  dafs  nicht  alle  Ab- 
schnitte derselben  gleich  reich  an  interessanten  Mitteilungen  sind. 
So  bringt  das  1.5.  Heft  wohl  ganz  wichtige  Nachrichten  über  romanische 
und  gotische  Kirchen,  weltliche  Baudenkmäler  u.s.  w.,  ülier  die  Menge 
der  in  Sachsen  noch  erhaltenen  geschnitzten  Altäre  des  Mittelalters 
und  ähnliche  Denkmäler;  von  Monumenten  ersten  Ranges  wird  jedoch 
nur  eins  in  diesem  Hefte  besprochen:  das  Grabmal  des  Grafen 
AViprecht  von  Groitzsch  (f  1124).  aus  der  ehemaligen  Klosterkirche 
in  die  Laureutiuskirche  zu  Pegau  übertragen.  Es  gehört  dies  Werk 
mit  zu  den  vorzüglichen  Leistungen  der  sächsischen  Bildhauerschule 
aus  dem  Beginne  des  dreizehnten  Jahrhunderts.  Allein  so  hoch  der 
Kunstwert  dieses  Grabmales  auch  angeschlagen  werden  mag,  noch 
viel  gröfser  ist  seine  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Tracht  in  den 
ersten  Dezennien  des  13.  Jahrliunderts.  An  keinem  andern  plastischen 
Denkmal  jener  Zeit  ist  der  Besatz  der  Kleider  mit  edelsteinge- 
schmückten Borten,  wie  derselbe  im  Nibelungenliede  geschildert  ist, 
sichtbar  gemacht;  bei  diesem  Bildwerk  sehen  wir  den  Halsausschnitt 
und  das  Bruststück  des  Rockes  mit  farbigen  in  Glasflüssen  nachge- 
bildeten Edelsteinen  besetzt.  Auch  der  Schildrand  ist  mit  solchen 
Steinen  verziert.  Ich  glaube  der  Verfasser  des  hier  besprochenen 
Werkes   würde    sich   alle,    die   für    mittelalterliche  Sittengeschichte 


Litteratur.  169 

Interesse  Laben,  zn  gvöfstem  Danke  verpflichten,  wollte  er  eine  diesem 
Denkmale  gewidmete  Studie  veröffentlichen  und  dieselbe  wenn  mög- 
lich noch  durch  eine  farbige  Abbildung  erläutern. 

Prag.  Alwin  Schultz. 

Brockliaus  KouYersatioiis- Lexikon.  14.  vollst,  neu  bearbeitete 
Auflage.  In  16  Bänden.  Erster  Band  (A  — Astrabad).  Mit  71 
Tafeln  und  97  Textabbildungen.  Leipzig ,  Berlin  und  Wien. 
F.  A.  Brockhaus.     1892.     1018  SS.  8". 

Eine  Anzeige  der  neuen  Auflage  des  Brockhaus'schen  Konver- 
sations-Lexikons  wird  man  an  dieser  Stelle  nicht  erwarten.  Wenn 
wir  gleichwohl  der  darin  enthaltenen  Artikel  zur  sächsischen  G-eschichte 
mit  einem  Worte  gedenken,  so  geschieht  es  des  grofsen  Einflusses 
wegen,  den  bei  dem  Maugel  einer  zugleich  guten  und  volkstümlichen 
Landesgeschichte  ein  so  verbreitetes  encyklopädisches  Werk  not- 
wendig auf  die  Anschauungen  weiter  Kreise  über  die  vaterländische 
(xeschichte  aixsüben  mufs.  Im  vorliegenden  Bande  kommen  nur  wenige 
Artikel  (Agricola  —  Albert  —  Albrecht—  Altenberg  —  Altenburg 
—  Amalie)  in  Betracht.  Erfahren  wir  aucli  leider  die  Namen  ihrer 
Verfasser  nicht,  so  sind  die  knappen,  aber  in  den  Hauptsachen  aus- 
reichenden Angaben  doch  offenbar  von  kundiger  Hand  geschrieben. 
Die  Litteraturangaben  am  Schlüsse  lassen  erkennen,  dafs  ü))erall  die 
wichtigsten  Werke  benutzt  sind;  bei  Allirecht  dem  Entarteten  wäre 
Wegele,  Friedrich  der  Freidige,  nachzutragen.  Eingehendere  Einzel- 
studien erwartet  man  nicht;  wenn  z.  B.  dem  Verfasser  entgangen  ist, 
dafs  das  Jahr  1458  nicht  mehr  als  Anfangsjahr  des  Altenberger  Berg- 
Iiaues  gelten  kann  (vgl.  dieses  Archiv  Vtl,  99),  so  wird  man  ihm 
kaum  einen  Vorwurf  daiaus  machen  können.  Mehrere  Versehen 
enthält  der  Artikel  Altenzelle;  es  würde  dem  Verfasser  schwer  Averden- 
nachzuweisen,  dafs  „die  schon  im  14.  Jahrhundert  blühende  Kloster, 
schule  die  erste  bedeutende  sächsische  Bildungsanstalt  gewesen  sei", 
da  wir  vor  1400  gar  nichts  (vgl.  .Tob.  ]\Iüller  in  dieser  Zeitschr.  A^III,  34) 
und  aus  dem  15.  Jahrhundert  auch  nicht  eben  viel  über  die  Altzeller 
Schule  wissen.  Auch  die  Notizen  zur  Altzeller  Historiographie  sind 
verwirrt;  nur  das  sog.  Chronicon  Vet. -Cell,  majus  hat  Opel  (Mitt. 
der  deutscheu  Gesellsch.  I,  2)  unter  dem  nicht  glücklich  iiewählten 
Titel  Anuales  Vet.- Cell,  herausgegeben,  wiihreiKl  das  Chron.  V. -C. 
minus  ebenfalls  als  Annales  Vet.-Cell.  im  16  Bande  der  Scriptores  der 
Mon.  Germ,  histor.  steht.  Endlich  ist  die  „Fürstenkapelle"  1787 
nicht  restauriert,  sondern  erljaixt  woi'den. 

Dresden.  H.  Ermisch. 


Durch  die  Redaktion  der  Grenzboten  ist  uns  ein  in  .labry-.  1S92 
Bd.  I  No.  11  (S.  544—547)  erscliienener  kleiner  Aufsatz  von  K.  I'.runs 
in  Torgau:  „Zeichnet  Stammbäume"  mit  der  Bitte  um  Abdruck 
übcrsandt  worden.  Obwohl  wir  dieser  Bitte  Avegen  Mangels  au  Raum 
und  in  Rücksicht  auf  die  speziellen  Zwecke  unserer  Zeitschrift  nicht 
entsprechen  können,  nehmen  Avir  doch  gern  die  Gelegenlieit  wahr,  um 
auf  den  von  einem  Juristen  gesclniebeueu  beherzigensAverten  Artikel, 
der  aus  praktischen  Avie  idealen  Gründen  die  Anlegung  von  F  a  m  i  1  i  e  n- 


170  Litteratur. 

stai>iml)äuraen  aneiiipüelilt,  aufmerksam  zu  machen.  Ist  flocli  in 
der  That  die  so  weit  verbreitete  Unwissenheit  über  die  eigenen 
Familien-  und  Verwandtschaftsverhältnisse  in  jeder  Hinsicht  sehr  be- 
dauerlich, selbst  abgesehen  von  den  üblen  Folgen,  die  sie  zuweilen 
nach  sich  ziehen  kann.  —  Im  Zusammenhange  damit  mag  auf  einen 
A'om  Amtsrichter  Georg  Conrad  in  Neidenburg  verfafsten  Ai;fruf: 
„Sorgt  für  die  Erhaltung  der  Familiennachrichten!"  hin- 
gewiesen werden,  der  aus  dem  Neidenburger  Kreisblatt  im  Deutschen 
Herold  Bd.  XXIII  (1892)  No.  2  S.  27  wieder  abgedruckt  worden  ist; 
als  Mittel  zur  Erhaltung  von  Familiennachrichten  bringt  er  die  An- 
legung von  Aktenstücken  bez.  Mappen  für  jedes  Familienmitglied  in 
Vorschlag  —  ein  einfaches  Verfahren,  das  allerdings  für  viele  nicht 
neu  sein  wird.  j^   -o 


ö 


Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschiclite  und  Altertumskunde*). 


Arras,  P.  Aus  dem  Tagebuche  eines  sächsischen  Artilleristen: 
Wöchentl.  Beil.  zu  den  Bautzner  Nachrichten.  1891.  No.  3  —  5. 
7—12.  15.  S.   11  f.   15  f.   18  f.  26  f.  3Ü  f.  34.  39.  43.  47.  58—60. 

—  Zwei  Ablafsbriefe  für  die  Marien-  und  Marthenkirche  zu  Bautzen 
(1494):  ebenda  No.  50  S.  199  f. 

—  Drei  urkundl.  Beiträge  zu  dem  Streite  zwischen  Bautzen  und 
Kamenz  über  den  Salzmarkt  (1506):  Neues  Lausitz.  Magazin. 
Bd.  LXVII  (1891).  S.  240-246. 

Baumgärtel.    Die  älteste  Karte  der  Oberlausitz :  ebenda  S.  247— 250. 

—  Die  Bautzener  Wasserkünste :  Wöchentl  Beilage  zu  den  Bautzner 
Nachrichten.     1891  No.  9  f.  S.  35  f.  .39  f. 

—  Die  ältesten  Feuerordnungen  Bautzens :  ebenda  No.  27 — 31.  S.  107  f. 
Ulf.  115  f.   119  f.  124. 

Bär,  A.     Der  Tauf-   oder  Heidensteiu  bei  Lauterhofen:   Glückauf! 

Organ  des  Brzgebirgsvereins.     Jahrg.  11  (1891).     S.  24—26. 
Beck,  Martin.   Sächsische  und  Thüringische  Städte  in  einem  Keise- 

führervon  1671:  Wissenschaft!.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.    1891. 

No.  123  f.  S.  489-496. 
/^v.  Carloivitz,  O.  R.J    Nachträge  zur  Familien-Geschichte  aus  dem 

Archiv  der  Familie  von  Carlowitz   bis  zum   13.  Dezember    1891. 

Dresden,  Rammingsche  Buchdruckerei.     1891.     72  SS.  8". 


*)  Der  Herausgeber  bittet  angelegentlich  die  Herren  Verfasser, 
Verleger  und  Redakteure,  durch  Zusendung  der  neu  erschienenen 
Publikationen  auf  dem  Gebiete  der  sächsischen  Geschichte,  besonders 
solcher,  die  leicht  der  Beachtung  entgehen,  wie  Gelegenheitsschriften, 
Programme,  kleinere  Aufsätze  in  Zeitungen  und  Zeitschriften,  zur 
Vollständigkeit  der  bibliographischen  Übersichten  beitragen  zu  wollen. 


Litteratur.  171 

Distel,  Th.  Ein  Gedicht  Ulrich  Königs:  Yierteljahrsschrift  für  Lit- 
teraturgeschichte.    IV  (1«H1).    S.  578— 5H:^. 

—  BestaUungsdekret  für  Handels  Vater  zum  Sachsen -AVeifsenfelsi- 
schen  Leibchirurgen  (l(i88):  Monatshefte  für  Musikgeschichte. 
Jahrg.  XXIII  (1891).    S.  109  f. 

—  Ein  kursächsischer  JMusikus  [Corn.  Hermann]  als  lateinischer 
Dichter  (1W6):  ebenda  Jahrg.  XXIV  (189-!).  S.  la. 

—  Therese  Mengs  und  ihre  Corregiokopien  in  Dresden:  Zeitschrift 
für  bildende  Kunst  N.  F.  II  (1891).  S.  ;<i79  f. 

—  Ein  Schreilien  des  Mitregenten  Friedrich  August  II.  zu  Sach- 
sen, Zeichnungen  zu  Dante  betr  :  ebenda  N.  F.  III  (1891/9;^).  S.  47. 

—  Weidmännisches  unter  Kurfürst  August  zu  Sachsen:  AVeidmann. 
XXIII  (1891/9;:!).  S    l;U. 

—  Jagdgeschichtliche  Findlinge:  ebenda  S.  16(1. 

—  Eine  Kopie  des  Krell'schen  ]\Ioiitzporträts  von  Heinrich  Gödiug 
auf  dem  Königsteine:  Pirnaer  Anzeiger.  1891.  Nr.  190.  S.  (i. 

—  Die  Harmonika  am  kursächsischen  Hofe:  ebenda  Xr.  2.öO.  S.  5. 

—  Eine  Reforraationsmedaille  vom  Jahre  18.30  als  Corpus  delicti: 
Blätter  für  Münzfreunde.     189:2.    No.  179.     Sp.  1711  f. 

Dreher.  Das  Auerthal  in  Vergangenheit  und  Gegenwart:  Glückauf! 
Organ  des  Erzgebirgsvereins.  Jahrg.  11  (1891).  S.  9;5  — 99. 
103—108. 

Erbstein,  J.  Ein  Wolkensteiner  Brakteat  der  Herren  von  Waldeu- 
burg:  Aus  Dresdner  Sammlungen.     Heft  4  (1891).     S.  8  —  14. 

—  Der  breite  Gemeinschaftsthaler  des  Kurfür.sten  Friedrich  des 
Weisen  von  Sachsen  und  seines  Bruders,  des  Herzogs  Johann, 
von  1.0:2.3  und  deren  Buchholzer  Dickthaler  von  l'ri't:  ebenda 
S.  17— ;a. 

—  Der  Leipziger  Thaler  Herzog  Georgs  zu  Sachsen  von  1532: 
ebenda  S.  22 — 2.5. 

—  Der  Sächsische  Gemeinschaftsthaler  von  1542  mit  des  Herzogs 
Moritz  Bildnis  im  Federhute :  ebenda  S.  2(>— 32. 

—  Ein  Goldgulden  des  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen  vom  Jahre 
1548:  ebenda  S.  32— .37. 

( — )  Neuere  Porträtmedaillen  des  Sächsischen  Königshauses:  ebenda 
S.  81  f. 

Franz,  Paul.  Der  sächsische  Prinzenrauh  im  Drama  des  sechzehn- 
ten Jahrhunderts.  Inaugural-Dissertation  u.  s.  w.  Marl)urg.  1891. 
.36  SS.  4". 

Frhr.v.  Gablenz,  Heim:  Zur  Geschichte  der  v.  Gablenz:  Viertel- 
jahrssohrift  für  Wa])pen-.  Siegel-  und  Familienknnde.  Jahrg.  XIX 
(1891).     S.  rx24— ö.3(). 

Gehiniich,  Ernst.  Das  ländliche  Schulwesen  des  Erzgebirges  im 
1 6.  Jahrliundei't.  Ein  Beitrag  zur  Schulgesdiichte  Sachsens :  Wissen- 
schaft!, licilage  der  Leipz.  Zeitung.     1892.     Nu.  9.     S.  3.3— .3ti. 

Geß,  Fei.  Ein  Gutachten  Tetzels  nebst  anderen  Briefen  und  In- 
struktionen den  Ablafs  auf  St.  Annaberg  betr.  ir)l()/17:  Zeitschrift 
für  Kirchengeschicbte  Bd.  XII  (1891).  S.  5.34—5(12. 

—  Herzog  Georg,  Kurfürst  Joachim  I.  und  Kardinal  Albrecht:  obouda 
Bd.  XIII  (1.S!I2).  S.   119     125. 

—  Bittschreiben  Michel  Blums  in  Leipzig  an  Herzog  Georg  vom 
25.  Nov.  1525:  Archiv  für  Geschichte  des  Deutschen  Buchhamlels. 
XV  (189;2).     S.  310-312. 


173  Litteratur. 

Glitsch,  A.  Versuch  einer  Geschichte  der  liistorischen  Samnihing'en 
/Archiv,  Bibliothek,  (jemäldesammlung')  der  Brüder- Uni  tat.  Herrn- 
hut, Unitätsarchiv.     1891.    40  SS.  8» 

H.,  J.  Sächsische  Adeltänze  im  1().  und  17.  Jahrhundert:  Wissen- 
schaft!. Beil.  der  Leipz.  Zeitung.   1891.     No.  l.il.     S.  5^!;3  f. 

-ff.,  M.  Das  Lauenthor  und  die  Lauengasse:  Wöchentl.  Beilage  zu 
den  Bautzener  Nachrichten.     1891.    iNo.-;i5.     S.  100. 

Haun,  Friedr.  Joh.  Bauer  und  Gutsherr  in  Kursachsen.  Schil- 
derung der  ländlichen  Wirtschaft  und  Verfassung  im  Ki.,  17.  und 
18.  Jahrhundert,  (a.  u.  d.  T.  Abhandlungen  aus  dem  staatswissen- 
schaftl  Seminar  zu  Strafsburg.  Heft  IX).  Strafsburg,  Trübner. 
189:<!.     XI,  2-21  S8.  8». 

Frhr.v.  Hausen,  Clemens.  Vasallen-Geschlechter  der  Markgrafen  zu 
Meifsen,  Landgrafen  zu  Thüringen  und  Herzoge  zu  Sachsen  bis 
zum  Beginn  des  17.  Jahrhunderts  (Forts.):  Vierteljahrsschrift  für 
Wappen-,  Siegel-  und  Familienkunde.  Jahrg.  XIX  (1891).  S.  o93 
bis  464.     Jahrg.  XX  (189:2).     S.  73—149. 

Heintze,  J.  Johann  Friedrich  Böttger  als  Chemiker:  Meifsner  Tage- 
blatt.    1891.     No.  :<!44.     (Auch  separat.) 

Henbner,  J.  L.  Kurze  Geschichte  der  Parochie  Mylau.  2  Aufl. 
mit  Fortsetzung  der  Geschichte  der  Parochie  bis  zum  Jahre  1890 
besorgt  von  Ludw.  Schlag.    Mylau  1890.     III,  104  SS.  8». 

Heyäenreich ,  Ed.  Die  geistigen  Bestrebungen  der  Residenzstadt 
Dresden  und  ihrer  Umgebung  zur  Zeit  Winckelmanns :  Wissen- 
schaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.    1891.    No.  101.     S.  401—404. 

—  Aus  der  Geschichte  des  alten  Schneeberger  Lyceums :  ebenda  No.  129. 
S.  51.3  f. 

—  Kurze  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums:  Festschrift  des 
Königl.  Gymnasiums  mit  Realklassen  zu  Schneeberg.  (Schnee- 
berg 1891.)     S.  III— X. 

—  Mitteilungen  aus  den  Handschriften  der  alten  Schneeberger  Ly- 
ceumsbibiiothek :  ebenda  S.  40—48. 

Holzhaus,  A.  Unser  Erzgebirge  in  schwerer  Not,  ein  Städtebild 
aus  dem  dreifsigjährigen  Kriege:  Glückauf!  Organ  des  Erzge- 
liirgsvereins.     Jahrg.  11  (1891).     S.  H7— 70.  85—81.  91—93. 

Kade,  Reinhard.  Winckelmann  in  Dresden:  Dresdner  Anzeiger. 
1891.     No.  843.     S.  37  f. 

Kaemmel,  Otto.  Grundzüge  der  Sächsischen  Geschichte  für  Lehrer 
und  Schüler  liüherer  Schulen.  Dresden,  Alw.  Huhle.  1892.  IV, 
72  SS.  (und  eine  Karte).    S». 

Kirchhoff\  Albr.  Christoph  Birck,  Buchbinder  und  Buchführer  in 
Leipzig  1534—1578:  Archiv  für  Geschichte  des  Deutschen  Buch- 
handels XV  (1892).     S.  11— H2. 

—  Die  kaiserlichen  Bücher-Privilegien  in  Sachsen:  ebenda  S.  73—102. 

—  Lesefrüchte  aus  den  Akten  des  städtischen  Archivs  in  Leipzig. 
VI.  Miscellen  zum  Buchhandels-Recht  und  -Brauch:  ehenda  S.  189 
bis  297  vergl.  322  f. 

—  Censorenüberhebung  in  Sachsen  1705:  ebenda  S.  315—317. 

—  Moritz  Georg  Weidmann  und  Peter  Schenck:  ebenda  S.  317  f. 

—  Kalenderprivilegien:  ebenda  S.  318. 

—  Einführung  von  Schulbüchern:  ebenda  S.  320—322. 

Kirchhoff,  Alfr.  Die  territoriale  Zusaunuensetzung  der  Provinz 
Sachsen  (mit  Karte"):  Archiv  für  Landes-  und  Volkskunde  der 
Provinz  Sachsen.    Jahrg.  I  (1891).     S.  1—18. 


Litteratur.  173 

KHx-Kamens,  F.  F.  Albreclit  Adolpli  Tjevin  v.  Metzsch .  K.  S. 
Major.  Originalbriefe  aus  den  Jahren  1809  und  1812:  Wissen- 
scliaftl.  Beil.  der  Leipz.  Zeitung.     1891.    No.  121.  S.  481—484. 

Knothe ,  H.  Die  Hunde  in  den  Rechtsaltertümern  der  Oberlausitz: 
Neues  Lausitz.  Magazin.     Bd.  LXYII  (1891).  S.  234-:<!4u. 

—  Zur  ältesten  Geschichte  der  Pfarrei  Grottau :  Mittheil,  des  Nord- 
böhm. Excursions-Clubs.     Jahrg.  XIY  (1891).  S.  289—291. 

—  Die  alte  Landstralse  von  Zittau  bis  Ostritz  vor  sechzig  Jahren: 
Zittauer  Nachrichten  und  Anzeiger.     1891.     No.  284—286. 

Köhler,  E  Ein  uralter  erzgebirgischer  Erwerbszweig  [Köhlerei]: 
Glückauf!  Organ  des  Erzgebirgsvereins.  Jahrg.  11  (1891).  S.W) 
bis  6.-3. 

Korscheit,  G.  Die  Tage  vor,  während  und  nach  der  Schlacht  bei 
Bautzen:  Neues  Lausitz.  Magazin.  Bd.  LXVII  (1891).  S.  203—223. 

Krnber,  F.  E.     Wie  ein  erzgebirgisches  Kirclidorf  [Oberpfannenstiel] 

entstand:  AVissenschaftl.  Beil.  der  Leipz.  Zeitung.     1892.     No.  19. 

S.  73-75. 
Kühnel,   F.    Die   slavisclien  Orts-   und  Flurnamen  der  Oberlausitz 

(Fortsetzung):  Neues  Lausitz.  Magazin.    Bd.  XL VII  (1891).    S.  43 

bis  126. 
G-raf  V.  Leiningen,  A.     Schöneck  und   seine  Bewohner  im  vorigen 

Jahrhundert:  Wissenschaft!.  Beil.  der  Leipz.  Zeitung.  1891.  No.  104. 

S.  413  f. 
Liersch,    C.    Nachrichten   über  Tracht   und  Sitten   der  Slaven  und 

Germanen   aus   dem   6.  Jahrh.  n.  Chr.:   Jhtteilungen  der  nieder- 

lausitzer  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Altertumskunde.  Bd.  II. 

Heft  2  (1891).     S.  1.54—161. 

Lindner,  Felix.  Bostocker  Findlinge  [u.  a.  Gedichte  des  kursächs. 
Hofpoeten  Ulr.  König] :  Vierteljahrsschrift  für  Litteraturgescbichte. 
Bd.  IV  (1891).     S.  582-593. 

lAppert,  Wold.  Markgraf  Wilhelm  von  Meifsen  und  Elisabeth  von 
Mähren :  Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen 
in  Böhmen.     XXX  (1892).     S.  93—127.  303—306. 

Lfungwijtz ,  H.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Erzgebirges:  Anna- 
berger Wochenblatt.     1891.     No.  251. 

Frhr.  v.  Mansberg,  Eich.  Die  Grafschaften  Eochliz  und  Groitsch 
im  Gaue  Chutizi  (Schlufs) :  Wissenschaftl.  Beil.  der  Leipz.  Zeitung. 

1891.  No.  99.     S.  .393-396. 

MeUer.  Geschiclite  der  Kii-che  von  Alt-  und  Neugersdorf.  Zur  Jubel- 
feier des  150jälirigen  Bestehens  der  jetzigen  Kirche  am  23. 
und  24.  September  1888.  (Neugersdorf,  Teller  cSl  Bofsberg.) 
18  SS.  8«. 

Meyer,  F.  Herrn.  Das  Verfahren  gegen  J  ohann  Gottlieb  Gleditsch : 
Archiv  für  Geschichte  des  Deutschen  Buchhandels.  XV  (1892). 
S.  318  f. 

Meyer,  E.    Geschichtliches  des  Dorfes  Strehlen :  Dresdner  Anzeiger. 

1892.  No.  365. 

Müller,  Georg.  Melanchtlions  EntAvurf  zu  einem  Briefe  Kurfürst 
Augusts  an  die  Königin  Elisalietli:  Zeitschrift  für  Kirclienge- 
schichte.     Bd.  XII  (1H91).     S.  ()21-621. 

Müller,  Gustav.  Dresdner  Bildhauer.  IX  [Gottfr.  KnöftlerJ :  Dresdner 
Anzeiger.     1892.    No.  4.    S.  37. 

—  Das  Altarbild  in  der  Kreuzkirche:  ebenda  No.  5.3.     S.   17. 


174  Litteratur. 

V.  Mülverstedt ,  G.  A.  Ein  verscliolleiies  Aclelgesclilccht  der  Ober- 
lausitz in  Preufsen.  Nebst  einigen  Gedanken  über  die  Nationali- 
tät alter  oberlausitz.  Adelsgeschlechter:  Neues  Lausitz.  Magazin. 
Bd.  LXVII  S.  147-192. 

Needon,  K.  Heimische  Flurnamen:  Wissenschaftl.  Beil.  der  Leipz. 
Zeitung.     1891.     No.  VZO.     S.  477- 4T9. 

Neefe,  Konrad.  Eine  Erinnerung  aus  dem  alten  Dresden  (Signal- 
geben und  Instrumentalmusik  der  Nationalbürger-  und  Konimunal- 
garde  in  Dresden):  Dresdner  Anzeiger.     1892.     No.  70 f. 

Nestler,  M.  J.  Körnerberg  und  Schillerhaus  in  Loschwitz  bei  Dres- 
den. Chrouikartig  geschildert  und  als  ein  Beitrag  zur  Lokalge- 
schichte der  unmittelbaren  Umgebung  von  Dresden  herausg. 
Dresden,  G.  Goldstein.     1891.     4;^  SS.  8». 

Neuhauer,  E.  Die  Wahl  des  Herzogs  August  von  Sachsen  zum 
Koadjutor  des  Erzstifts  Magdeburg  im  Dezember  1625 :  Neue  Mit- 
teilungen a.  d.  Gebiet  histor.-antiquar.  Forschungen.  Bd.  XVIII 
(1891).     S.  1—22. 

Neumeister.  Die  .Jagdliste  des  sächsischen  Kurfürsten  Johann 
Georg  II. :  Dresdner  Anzeiger.     1892.     No.  7.3.     S.  H9  f. 

Nitzsche,  H.  W.  Der  grofse  Npnnenfrafs  im  Voigtlande  zu  Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts:  Österreich.  Forstzeitung.  Jahrg.  9 
1891).     S.   167  f.  175  f.  181  f.   187  f. 

Oertcl,  Gr.  Zum  Gedächtnisse  Johann  Georg  des  Dritten:  Wissen- 
schaftl. Beil.  der   Leipz.  Zeitung.    1891.    No.   109.    S.  433-486. 

Pilh.  Georg.  Fehden  und  Räubereien  im  15.  Jahrhunderte  (Schlufs) : 
Über  Berg  und  'J'hal.     Jahrg.  14  (1891).     S.  173-175. 

—  Die  Schlösser  Helfenberg  und  Schönfeld:  ebenda  S.  198—201. 
PföschelJ.    Langenwolmsdorf  zm-  Zeit  des  30  jähr.  Krieges  (Vortrag) : 

Beilage  zum  Stolpener  Volksfreund.     1891.     No.  13  —  15. 

Richter,  Otto.  Dresdner  Strafsenansichten  vom  Jahre  1678.  Nach 
Gabriel Tzschimmers Kupferwerk  „Die  dui'chlauchtigste  Zusammen- 
kunft". Mit  Einleitung  und  Erläuterungen.  Für  seine  Mitglieder 
herausgegeben  vom  Verein  für  Geschichte  Dresdens.  Dresden, 
Lichtdruck  von  Stengel  &  Markert.  1892.  18  Bll.  qu.  fol.  u. 
21  SS.  fol. 

Rüge,  S.  Der  Winterberg:  Über  Berg  und  Thal.  Jahrg.  XV  (1892). 
No.  23.     S.  21.5—219.  227-2.33. 

S.  Die  Lauengasse  zu  Bautzen :  Wöchentl.  Beilage  zu  den  Bautzener 
Nachrichten.     1891.    No.  24.     S.  95  f. 

Scheuner  R.  Brakteatenfuude  in  der  Oberlausitz  (mit  1  Tafel): 
Neues  Lausitz.  Magazin.     Bd.  LXVII  (1891).     S.  193—201. 

—  Ein  Groschenfund  in  der  Oberlausitz :  Zeitschrift  f.  Numismatik, 
herausg.  von  v.  Sallet.     Bd.  XVII  (1891).     S.  287—289. 

Schleusner,  G.  Zu  den  Anfängen  protestantischen  Eherechts  im 
16.  Jahrhundert.  Mitteilungen  aus  gleichzeitigen  Akten.  IV. 
Entscheidungen  des  Wittenbergei-  Konsistoriums:  Zeitschrift  für 
Kirchengeschichte.     Bd.  XIII  (1892).     S.  130-162. 

Schmoller,  G.  Die  geschichtliche  Entwickelung  der  Unternehmung. 
IX.  Die  deutsche  Bergwerksverfassung  115U — 1400.  X.  Desgl. 
1400—1600:  Jahrbuch  für  Gesetzgebung,  Verwaltung  und  Volks- 
wirtschaft im  Deutschen  Reiche.  Jahrg.  XV  (1891).  S.  660—710. 
963—1029.     [Betrifft  namentlich  den  sächs.  Bergbau.] 

Sehnecke,  Rieh.  Dresden  und  seine  öffentlichen  Gebäude  und  Denk- 
mäler auf  Münzen  und  Medaillen:  Aus  Dresdner  Sammlungen. 
Heft  4  (1891).     S.  74—80. 


Litteratur.  175 

Schulte,  W.  Eine  Reise  durch  .Sachsen  vor  neunhundert  Jaliren: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.  1892.  No.  14.  S.  ö.'j 
bis  56. 

Schurig,  E.  Die  Dresdner  Wachtparade,  eine  historische  Skizze: 
Der  Kamerad.    Jahrg-.  XXX  (189:i).     No.  ;>— 4. 

Schivarz,  Sehald.  Anfänge  des  Städtewesens  in  den  Elb-  und  Saale- 
gegeuden:  Leipzig,  Fock.     1892.     5(i  SS.  8". 

Seelig,  Th.  Festzeitung  zur  Feier  des  .öo jährigen  Bestehens  der 
Haidemühle.     Dresden  (1891).     8  SS.  4». 

}•.  Seidlitz,  W.  Die  Spitznersche  Sammlung  Altmeifsener  PorzeUane: 
Kunstchronik.  Neue  Folge.  Jahrg.  II  (1891).  Sp.  .356— 3«1. 
875—380.  4U8f. 

Siegel,  Eduin.  Zur  Geschichte  des  Posamentiergewerbes  mit  beson- 
derer Rücksichtnahme  auf  die  erzgebirgische  Posamentenindustrie. 
Nach  zahlreichen  gedruckten  und  handschriftlichen  Quellen.  Mit 
18  Abbildungen.    Annaberg,  Graser.     1892.    ¥111,126  88.8". 

Siegert,  Gust.  Bilder  aus  der  Heimatsgeschichte  Leipzigs.  Für 
Schule  und  Haus     Leipzig,   R.  Voigtländer.     1891.     45   SS.  8". 

Sperling,  Oscar.  Herzog  Aibrecht  der  Beherzte  von  Sachsen  als 
Gubernator  Frieslauds.  Abhandlung  zu  dem  Jahresberichte  des 
Königl.  Gymnasiums  zu  Leipzig  auf  das  Schuljahr  1891/92.  Leip- 
zig 1892.     52  SS.  40. 

Steche,  B.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  Königl. 
Staatsi'egierung  herausgegeben  vom  Königl.  Sachs.  Altertumsver- 
eine. Fünfzehntes  Heft:  Amtshauptmannschaft  Borna.  Dresden, 
C.  C.  Meinhold  &  Söhne  (Komm).     1891.     121  SS.  8".     , 

Tetzner,  F.  Die  Entstehung  der  ältesten  sächsischen  Schulen  im 
1.3.  und  14.  Jahrhundert:  AVissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung. 
1891.     No.  114.     S.  453-455. 

Theile,  F.  Das  Dehn-Rothfelser  Denkmal:  Über  Berg  und  Thal. 
Jahrg.  14  (1891).     S.  201—204. 

Türke.  Sachsens  mächtigste  Orgel,  ein  Kleinod  in  der  Kirche  zu 
St.  Marien  in  Zwickau:  Sächsische  Schnlzeitung.  1891.  No.  32  f. 
39  f.  S.  394— .396.  406-408.  484  f.  500-504. 

Vetter,  Pmil.  Luther,  Jonas  und  Melauclithou  an  Herzog  Heinrich 
von  Sachsen  (Wittenberg  25.  Nov.  1539):  Zeitschrift  für  Kirchen- 
geschichte.    Bd.  XII  (1891).     S.  620  f. 

Voigt,  Friedr.  Alb.  Die  ältesten  Herren  von  Droyfsig.  Nach  archiva- 
lischen  Quellen  bearbeitet:  Vierteljahrsscbrift  für  Wappen-,  Siegcl- 
und  Familienkunde.    Jahrg.  XIX  (1891).     S.  79-320. 

Wilsdorf,  Oscar.  Gräfin  Cosel.  Ein  Lebensbild  aus  der  Zeit  des 
Absolutismus.  Nach  historischen  (Jucllen  bearbeitet.  Dresden 
und  Leipzig,  Minden.     189:i.     78  SS.  8". 

fWunder,  H.J  Die  Ecce  der  Fürsten-  und  Landesschule  Grimma  in 
den  Jahren  189o  und  1891.  XlTl.  Heft  des  Giimmaischcn  Ecce. 
Grimma.     1891.     71  SS.  8". 

Wuttke -Biller,  Hob.  Eine  kursächsische  Valvation  der  Schrecken- 
berger  von  1622:  Ans  Dresdner  Sammlungen.  Heft  4  (1891). 
S.  50—68. 

FrJir.  V.  Zedtwitz.  Arthur.  |  Die  \Vai)pcn  der  im  Königreich  Saclisen 
blühenden  Adelsfamilien:  Frhr.  Lcuckart  v.  W'eifsdorf  -  v.Nitsch- 
witz]:  Dresdner  Residenz-Kalender  für  1892.  S.  175-186  mit  6 
^rafeln. 


176  Litteratur. 

r.  Zöltoii'Sld,    Stcmisl.    Die  Finaiizeu    des    Herzogtums   Warsclian 

(18ü(>— 1815)  vorzugsweise  nach  archivalischen  Quellen  bearbeitet. 

Zweites  Bändchen.     Posen  1892.     V,  117  SS.  8'^  und  7  Tabellen. 
Die   Dreikönigskirche    (in   Dresden-Neustadt):    Dresdner    Anzeiger. 

1891.     No.  34:^     S.  29. 
Das  sächsische  Sandsteinbrechergewerbe:  Wissenschaft!.  Beilage  der 

Leipz.  Zeitung.     1892.     No.  16  f.  S.  Hl— «.3.  (i;V-68. 


Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen.  Bd.  III 
Heft  1.     Meifsen,  Mosche  (Komm.).     1891.     S.  1—156.  8». 

Inhalt:  Mann,  Die  Verlegung  der  Leipziger  Universität  nach 
Meifsen.  Wolf,  Die  Meifsner  Ofeniudustrie.  Leicht  und 
Granz,  Meifsner  Inschriften  und  Abzeichen.  Loose,  Die  Topo- 
graphie der  Stadt  Meifsen  (mit  2  Plänen). 

Mitteilungen  vom  Freiberger  Altertumsverein  mit  Bildern  aus  Frei- 
herger Vergangenheit.  HeraiTSgegeben  von  Heinrich  Gerlach.. 
27.  Heft:  1890.  Freiberg  i./S.,  Gerlach"sche  Buchdruckerei.  1891. 
XVI,  104  SS.  8". 

Inhalt;  J.  A.  Fr.  Lingke,  Die  Familie  Lingke,  ein  altes  Frei- 
berger Patrizier-Geschlecht.  Hey  den  reich.  Ein  Humanist  des 
16.  Jahrhunderts  üjjer  die  Freiberger  Sage  vom  ungeratenen 
Sohne.  Nebst  einem  Anhang.  R.  Kade,  Wolfgang  Leopold,  ein 
Freiberger  Kind,  der  Erzieher  des  Herzogs  Christoph  von  Mecklen- 
burg 1552.  H.  Gerlach,  Der  800jährige  Bleibarren  im  Frei- 
berger Altertums-Museum.  Derselbe,  Freiberger  Bauchronik. 
Knebel,  Karl  Theodor  Körner  in  Freiberg. 


VII. 

Die  Zerstörimg  der  Burg  Eoliiiau  bei  Zittau 

durch  die  oberlausitzischen  Seclis- 

städte  (1399). 

Von 
Herinauu  Kiiothe. 


Oft  schon  und  mit  besonderer  Vorliebe  ist  die  Zer- 
störung der  „Raubburg-"  Rohnau  von  den  oberlausitzischen 
Historikern  erzählt  worden.  Infolge  von  Benutzung  wei- 
teren Quellenmaterials  lälst  sich  aber  jetzt  von  den  darauf 
bezüglichen  Einzelheiten  ein  noch  anschaulicheres  Bild 
entwerfen,  und  durch  Einordnung  in  den  Gang  der  lang- 
jährigen politischen  Streitigkeiten  zwischen  den  verschie- 
denen Grliedern  des  Luxemburgischen  Königshauses  gegen 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  gewinnt  jene  einzelne  Begeben- 
heit auch  eine  allgemeinere  Bedeutung. 

Die  Burg  Eohnau  bildete  seit  ältester  Zeit  den 
Mittelpunkt  einer  gleichnamigen  Herrschaft,  deren  Haupt- 
ort Hirschfelde  an  der  Neilse  war,  urid  zu  der  aulserdem 
die  Dörfer  Dittelsdorf,  Rosenthal,  Schlegel,  Burkersdorf 
auf  dem  linken,  Seitendorf,  Dornhennersdorf,  Türchau, 
Reichenau,  Markersdorf  und  Lichtenberg  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Flufses  gehörten.  Ihre  Gründung  und  ihren 
Namen  (Rouoav,  Ronaw)  verdankt  sie  jedenfalls  einem 
der  zahlreichen  Nachkommen  des  altczechischen  Edeln 
Hron,  die  sich  nach  ihren  Besitzungen  verschieden  be- 
nannten. Derselben  Linie,  wie  Rohnau,  geliiU'te  auch  die 
dicht  angrenzende,  noch  Aveit  umfangreichere  Herrschaft 

Neues  Archiv  f.  S.  U.  u.  .\.    XUl.  i.  4.  lü 


178  Hermann  Knothe: 

Zittau,  und  nach  dieser  wurden  ihre  Besitzer,  seitdem  sie 
in  der  Geschichte  auftreten,  zuerst  „Herren  von  Zittau", 
später  nach  ein  er  anderen  Herrscliaft  „Herren  von  L  e  i  p  a " 
genannt.  Immer  blieben  die  beiden  Herrschaften  Zittau 
und  Rohnau  vereinigt,  auch  dann,  als  sie  1319  Heinrich 
von  Leipa  an  König  Johann  von  Böhmen  abgetreten 
hatte.  Seitdem  war  Rohnau  bis  gegen  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts eine  1  a n  d  e  s  h  e  r  r  1  i  c h  e  B  u  r  g ,  welche  von  „Kastel- 
lanen" oder  „Burggrafen"  gehütet  und  nebst  den  zuge- 
hörigen Ortschaften,  soweit  diese  nicht  an  ritterliche 
Vasallen  zu  Lehn  vergeben  oder  an  geistliche  Stifter 
„geeignet"  waren,  verwaltet  wurde. 

Der  „Bnrgstall"  Rohnau,  wie  er  in  den  Urkunden 
heifst,  war  ein  weniger  auf  Wohnlichkeit,  als  auf  Festig- 
keit und  Sicherheit  berechneter  Bau.  Er  sollte  sowohl 
die  von  Görlitz  über  Rosenthal,  als  die  von  Friedland 
über  Seitendorf  nach  Hirschfelde  und  weiter  nach  Zittau 
führende  Strafse  beherrschen  und  schützen.  Er  erhob 
sich  mitten  aus  dem  dichten  Walde  auf  einem  rings  von 
Thalsenkungen  abgegrenzten  Hügel,  Ein  tiefer,  von  einer 
1  —  1  ^,'2  Ellen  starken  Mauer, umschlossn er  Wallgraben 
zog  sich  rings  um  die  Burg.  Über  ihn  führte  von  Süden 
her  eine  Zugbrücke  in  den  SchloMof,  den  eine  zweite, 
noch  höhere,  2  —  3  Ellen  starke  und  mit  Brustwehren, 
sowie  mit  einem  Wachtturm  versehene  Mauer  umgab. 
Dieser  Schlolshof,  210  Ellen  lang  und  92  Ellen  breit, 
enthielt  aulser  mehreren  nur  aus  Holz  aufgeführten  Neben- 
gebäuden, als  den  Pferdeställen  und  Vorratshäusern  ver- 
schiedener Art,  nur  ein  einziges,  auf  den  Fels  gebautes, 
viereckiges  Hauptgebäude  mit  zum  Teil  4  Ellen  dicken 
Mauern.  Die  Fenster  waren  der  grölseren  Sicherheit 
wegen  erst  in  bedeutender  Höhe  angebracht;  wenigstens 
zeigen  die  noch  stehenden  Ruinen  der  Hauptmauer  selbst 
in  einer  Höhe  von  12=^4  Ellen  noch  keine  Spur  von  den- 
selben. Ein  75  Ellen  tiefer,  in  den  Fels  gearbeiteter 
Ziehbrunnen  mit  noch  jetzt  30  Ellen  Wasserstand  ver- 
sorgte die  Burg  und  ihre  Bewohner  reichlich  mit  Wasser. 
Von  einem  gegen  Süden  gelegenen  Vorwerk  (Underronoiv) 
aus  wurden  die  zugehörigen  Felder  bewirtschaftet;  an 
diese  Felder  schlois  sich  eine  Schäferei,  aus  welcher 
später  das  Dorf  Scharre  (Sdierre)  entstanden  ist.  Hier 
mündete  der  einzige  von  der  Burg  ausgehende  Fahrweg 
auf  die  von  Seitendorf  nach  Hirschfelde  führende  Strafse, 
während  man  auf  einem  steilen  Reitwege  von  der  Burg 


Die  Zerstörung  der  Burg  Rolmau  bei  Zittau.  179 

hinab  an  die  nalie  Neifse  und  mittels  einer  Furt  unweit 
der  ebenfalls  zur  Burg  g-ehörigen  Hirscbfelder  Mühle 
schnell  auch  auf  die  Strafse  von  Görlitz  nach  Hirschfelde 
gelangen  konnte. 

Mit  dieser  Burg  und  den  freilich  nur  noch  wenigen 
unmittelbar  unter  den  Landesherren  stehenden,  d.  h.  nicht 
verlehnten,  geeigneten  oder  verpfändeten  Resten  der  Herr- 
schaft Rohnau  belehnte  nun  1389  König  Wenzel  von 
Böhmen  Herrn  Anshelm  von  Rono  w  auf  Sandau,  stam- 
mend aus  einer  Nebenlinie  der  einstigen  Herren  von  Leipa. 
So  gehörte  seitdem  die  Burg  Ronow  einige  Jahre  lang 
wieder  einem  Herrn  von  Ronow,  einem  Nachkommen 
ihres  Erbauers.  Wie  schon  früher  bei  Kaiser  Karl  IV., 
so  stand  „Herr  Anshelm"  auch  bei  dessen  Söhnen,  König 
Wenzel  und  besonders  bei  Herzog  Johann  von  Görlitz, 
in  hoher  Gunst.  Letzterer,  dem  nach  des  Vaters  Tode 
auch  die  Niederlausitz  zugefallen  war,  hatte  ihn  1380 
zum  Landvogte  dieses  Landes,  1386  auch  zu  seinem  Mar- 
schall gemacht  und  übertrug  ihm  1391  die  Landvcgtei 
in  seinem  Herzogtum  Görlitz.  Aber  auch  König  Wenzel 
verpfändete  1390  ihm  und  seinem  Bruder  Przedebor  für 
vorgestreckte  930  Schock  Groschen  die  Landvogtei  in 
dem  Weichbild  Zittau,  zu  welchem  Rohnau  gehörte,  und 
gestattete  ihm,  auch  den  schon  von  Karl  IV.  um  830 
Schock  Groschen  verpfändeten  Zoll  zu  Zittau  nebst  ^/^ 
vom  Erbgericht  dieser  Stadt  an  sich  zu  bringen;  ja  er 
schenkte  ihm  1394  sogar  das  „Kaiserhaus"  zu  Zittau, 
bisher  das  Absteigequartier  der  Landesherren.  So  war 
Anshelm  jetzt  Vogt  zu  Görlitz  und  zu  Zittau  und 
residierte  bald  auf  seiner  Burg  Rohnau,  bald  auf  seinem 
Kaiserhaus  in  Zittau,  hielt  „Tage"  ab  zu  Hirschfelde 
und  Ostritz,  erteilte  Lehen  und  führte  Kriegszüge  gegen 
störrische  oder  räuberische  Rittersleute.  Die  Burg  Rohnau, 
so  wenig  Gelais  und  häusliche  Bequemlichkeit  sie  bieten 
mochte,  war  jetzt  die  landvogteiliche  Residenz  für  zwei 
Weichbilde  geworden.  139;^  hielt  daselbst  Anshelms 
Gemahlin  ihr  Wochenbett  ab,  bei  welcher  Gelegenheit 
ihr  der  Görlitzer  Rat  Bier  und  Wein  zur  Verehi-ung 
sendete.  Nach  ihrem  Tode  hielt  Anshelm  1395  anderweit 
Hochzeit  in  Zittau  in  Gegenwart  des  Adels  von  beiden 
AVeichbilden ,  sowie  des  Bürgermeisters  von  Görlitz  und 
der  Ratsherren  von  Zittau.  Bald  darauf  aber  zog  er 
wieder  auf  seine  Burg  Rohnau. 

Da  fiel   er  plötzlich,  noch  in  demselben  Jahre,  bei 

12* 


180  Hermann  Knothe: 

König  Wenzel  in  Ungnade.  Man  kennt  nicht  die  nähere 
Veranlassung;  es  fehlen  leider  von  Mitte  1390  bis  Mitte 
1398  die  Görlitzer  „Ratsrechnungen",  die  wichtigste 
Quelle  für  die  innere  Geschichte  der  Oberlausitz,  ja  zum 
Teil  selbst  Böhmens  und  der  Niederlausitz,  in  jener  Zeit. 
Wahrscheinlich  hatte  er  in  den  immer  schärfer  sich  ge- 
staltenden Zerwürfnissen  zwischen  König  Wenzel  und 
dessen  Bruder,  Johann  von  Görlitz,  zu  letzterem  gehalten. 
Der  König  nahm  ihm  die  Zittauer  Landvogtei  und  setzte 
(24.  Oktober  1395)  einen  anderen  Landvogt  ein.  Als 
nun  bald  darauf  (1.  März  1396)  Herzog  Johann  plötzlich 
starb  und  dessen  Herzogtum  Görlitz  an  den  König  fiel, 
verlor  Anshelm  von  Bonow  auch  diese  Vogtei.  Da  durfte 
er  wohl  mit  Recht  auch  um  seine  Burg  und  Herrschaft 
Rohnau  besorgt  sein.  Er  verkaufte  sie  eiligst  an 
Hinko  (IL)  Berka  von  der  Duba,  Herrn  auf  Hohn- 
stein bei  Stolpen,  neuerdings  Landvogt  der  Nieder- 
lausitz ^),  welche  nach  Herzog  Johanns  von  Görlitz  Tode 
Markgraf  Jost  von  Mähren,  Vetter  des  Königs  Wenzel, 
an  sich  gebracht  hatte.  Nach  der  Niederlausitz,  wo 
ihm  noch  von  früher  her  die  Herrschaft  Lieberose  ge- 
hörte, begab  sich  jetzt  auch  Herr  Anshelm  und  ward 
seitdem  der  eifrigste  und  erfahrenste  Parteigänger  des 
Markgrafen  Jost.  Die  Ansprüche  übrigens,  welche  er 
noch  an  der  Landvogtei  und  dem  Erbgericht  Zittau  be- 
safs,  mufste  auf  des  Königs  Befehl  diese  Stadt  ablösen 
(8.  August  139G)  und  den  beiden  Brüdern  von  Ronow 
die  oben  erwähnten  930  und  870  Schock  Groschen  aus- 
zahlen oder  bis  auf  weiteres  wenigstens  die  jährlichen 
Zinsen  davon  entrichten.  So  gelangte  Zittau  in  den 
Besitz  dieser  wichtigen  Rechte  und  Einnahmequellen. 

Obgleich  unmittelbar  nach  Herzog  Johanns  von 
Görlitz  Tode  König  Wenzel  mit  seinem  ehrgeizigen  und 
ränkesüchtigen  Vetter,  dem  Markgrafen  Jost,  in  bestem 
Einvernehmen  zu  stehen  schien,  trat  doch  alsbald  die  alte 
Zwietracht  zwischen  ihnen  wieder  zu  Tage.  Berka,  Josts 
Landvogt  in  der  Niederlausitz,  hatte  die  jetzt  ihm  ge- 
hörige Burg  Rohnau  mit  seinen  eignen  Leuten,  wohl 
Niederlausitzern,   besetzt.     Diese   hatten   nun    nach 


^)  Nicht  an  Markgraf  .Tost;  wenigstens  bekannte  Berka  den 
21.  Dezember  1399,  daft  er  dem  Anshelm  von  Ronow  noch  2oO  Srhock 
üroschen  (also  doch  wohl  für  Rohnau)  schuldig  sei.  Über  diesen 
Berka  vergl.  diese  Zeitschr.  11,  196. 


Die  Zerstönmg  der  Burg  Tlolmau  bei  Zitta\i.  181 

Art  des  damaligen  iiiederlausitzisclien  Adels  gelegentlich 
auch  einen  „Zugriff"  auf  die  mit  Kaufmannsgut  beladenen 
AVagen  der  Zittauer  und  Gürlitzer  an  dem  steilen  Rosen- 
tlialer  Berge,  den  sie  passieren  mufsten,  getlian.  Schon 
den  11.  November  1396  setzte  König  Wenzel  die  Sechs- 
städte davon  in  Kenntnis,  dafs  sowohl  Markgraf  Jost, 
als  „der  von  Hohnstein"  d.  h.  Berka,  ,,gar  in  Ungutem 
von  ihm  (dem  Könige)  geschieden  und  seine  Feinde  ge- 
worden seien".  Und  da  er  wohl  unterrichtet  sei,  dals 
die  genannten  Herren  von  dem  Burgstall  Rohnau  aus 
Lande  und  Städte  auf  den  Stralsen  zu  leidigen  meinten, 
wie  besonders  Zittau  geklagt  habe,  so  habe  er  seinem 
Landvogt  über  die  Oberlausitz,  Heinze  Pflug  (auf  Raben- 
stein) befohlen,  Rohnau  in  seine  (des  Königs)  Hände 
zu  bringen.  Daher  gebiete  er  hiermit  sowohl  den 
Mannen  als  den  Sechsstädten  bei  Strafe  an  Leib  und 
Gut,  auf  Ermahnung  des  Landvogts  sofort  zu  Fufs  und 
zu  Rofs,  mit  allen  „Forschen"'-)  und  Handwerkern  auf 
zu  sein  und  ihm  die  Burg  unterthänig  machen  zu  helfen. 
—  Wir  erfahren  nicht,  weshalb  es  damals  zu  einem  solchen 
allgemeinen  Aufgebot  gegen  Rohnau  noch  nicht  gekom- 
men ist. 

Die  Differenzen  aber  zwischen  König  Wenzel  und 
Markgraf  Jost  dauerten  fort,  und  in  der  Niederlausitz 
herrschte  infolge  derselben  allgemeines  Zerwürfnis.  Die 
Städte  daselbst  wünschten  wieder  mit  Böhmen  vereinigt 
zu  werden;  der  Adel  dagegen  hielt  es  mit  dem  Mark- 
grafen. Schon  sollte  ein  böhmisches  Heer  unter  Mark- 
graf Prokop,  dem  Bruder  von  Jost,  welcher  aber  auf 
Seite  König  Wenzels  stand,  den  niederlausitzischen  Städten 
zu  Hilfe  kommen  und  sie  wieder  an  die  Krone  Böhmen 
bringen  helfen.  Schon  war  dieses  Heer  bis  in  das  Weich- 
bild Zittau  vorgerückt;  aber  die  oberlausitzischen  Städte, 
obgleich  gut  königlich  gesinnt,  fürchteten  mit  Recht  den 
Durchzug  der  zügellosen  Truppen  durcli  das  Land.  Nach 
wiederholten  Verhandlungen  mit  Prokop  gelang  es  ihnen  auf 
einem  Tage  zu  Hirschfelde  (Woche  vor  dem  13.  Juli  1390)  •'), 


2)  D.  h.  Burschen,  jungen  Leuten. 

")  Die  (rörlitzer  Ratsrcciinungen ,  denen  wir  die  mei.'^ten  der 
nachstehenden  Einzelheiten  zu  entnehmen  geliabt  haben,  verzeichnen 
jeden  Sonnabend  die  Ausgaben,  web'hc  sicli  wiiliren(l  der  ganzen 
Woche  notwendig  gemacht  haben.  Daher  kann  nur  die  Woclie,  in 
welcher,  nicht  der  bestimmte  Tag,  au  welchem  sich  eine  Begebenheit 
zugetragen  hat,  augegeben  werden. 


182  Hermann  Knothe: 

ilin  durch  Zusicherung  „eines  kleinen  Gekles'*  (näm- 
lich von  20  Schock  Groschen)  dahin  zu  bringen, 
„dals  er  das  Land  räumete",  und  als  er  nun  in  der 
That  über  Lauban  nach  Schlesien  abzog,  sendeten  sie 
Boten  an  den  Eat  zu  Lauban,  „dafs  sie  sich  vorsehen 
sollten''. 

Noch  hatten  bisher  die  Oberlausitzer  in  den  Händeln 
zwischen  König  AVenzel  und  seinem  Vetter  Jost  nicht 
offen  Stellung  genommen.  Die  Nötigung  dazu  brachten 
endlich  die  Wirren  in  der  Niederlausitz.  Von  dem  dor- 
tigen Adel  sträubte  sich  nur  Hans  von  Hakenborn 
auf  Priebus,  Markgraf  Jost  als  seinen  Landesherrn  an- 
zuerkennen. Da  „entsagten"  ihm  (Woche  vor  dem  2.  No- 
vember) Herr  Johann  von  Kotbus  und  Herr  Anshelm  von 
RonoAV  und  zogen  sofort  mit  Heeresmacht  gegen  ihn. 
Schnell  ward  das  offene  Städtchen  genommen  und  ver- 
brannt. Aber  in  dem  festen  Schlosse  hielt  sich  Hakenborn 
mit  seiner  schwachen  Besatzung  noch  tapfer  gegen  die 
„Bestürmung"  der  Feinde.  Dieser  Hakenborn  nun  hatte 
sich  längst  schon  mit  den  oberlausitzischen  Sechsstädten 
„verbrieft".  Er  sendete  daher  jetzt  Boten  um  schleunige 
Hilfe.  Görlitz  hatte  ihm  schon  seinen  „Büchsenmeister" 
nebst  einigen  „Büchsen"  (Kanonen)  und  Pulver,  sowie 
auch  Pfeile  und  Häringe  zugeschickt.  Es  wufste  ihm 
jetzt  auch  noch  glücklich  zwei  Wagen  mit  Brot,  Fleisch, 
Bier,  Schmalz,  Speck  und  Pfeilen  zukommen  zu  lassen. 
Da  schrieb  denn  aber  auch  sofort  (Woche  vor  dem  9.  No- 
vember) der  niedei'lausitzische  Landvogt  Berka  an  die 
Oberlausitzer,  der  von  Hakenborn  beschädige  Markgraf 
Jost'sLand  und  Leute;  die  Oberlausitzer  aber  „thäten  ihm 
Hilfe  dazu  und  förderten  des  Markgrafen  Räuber.  Ob 
sie  dies  lassen  wollten  oder  nicht?"  Er  bat  um  Antwort. 
Die  Städte  hielten  sich  durch  die  „Verbriefung"  mit 
Hakenborn  zur  Hilfeleistung  verpflichtet,  und  so  antwor- 
teten sie  Berka,  dals  man  Hakenborn  helfen  wolle.  Einst- 
weilen „tröstete  man"  diesen  und  liefe  ihm  durch  Boten 
sagen,  „dafs  er  sich  feste  hielte".  Auf  einem  Tage  zu 
Löbau  erklärte  sich  auch  der  Landvogt  Pflug  für  eine 
„Heerfahrt  nach  Priebus".  Allein  nur  die  Städte 
waren  dazu  bereit;  der  Adel  versagte  seine  Teilnahme. 
Er  hatte  soeben  erst  den  Landvogt  beim  Könige  verklagt, 
so  dafe  derselbe  sich  von  den  Städten  Zeugnis  über  seine 
Amtsführung  hatte  erbitten  müssen.  Vorsichtiger  Weise 
holte  der  Vogt  schnell  noch  die  Genehmigung  des  Königs 


Die  Zerstörung  der  Burg  Rohuau  l)ei  Zittiin.  183 

zur  Heerfahrt*)  ein  und  betrieb  zugleich  eifrig  eine  „Eini- 
gung"' mit  Markgraf  AVilhelm  von  Meilsen,  dem  Schwager 
von  Jost,  zu  Aufrechthaltung  des  Landfriedens,  welche 
auch  (18.  Dezember  1398)  zu  Stande  kam. 

Diese  offene  Unterstützung  des  von  Hakenborn  von 
Seiten  der  Sechsstädte  wirkte  nun  aber  sofort  auch  zurück 
auf  das  Verhalten  der  niederlausitzischen  Besatzung  in 
der  Burg  Rohnau.  Wir  finden  es  begreiflich,  das  die- 
selbe jetzt  aufs  neue  die  ihrem  Markgrafen  feindlich  ge- 
sinnten Zittauer  auf  den  Stralsen  zu  berauben  suchte, 
wobei  diese  natürlich  sich  zur  Wehre  setzten.  Da  berief 
(Woche  vor  dem  14.  Dezember  1398)  der  Rat  zu  Zittau 
eiligst  einen  Städtetag  nach  Löbau,  ,,da  sie  grofse  Not  an- 
rührte von  Herrn  Anshelm,  der  ihnen  Scheltbriefe 
gesendet  hatte".  Es  werden  Vorwürfe  und  Drohungen  ge- 
wesen sein  wegen  ihres  Verhaltens  gegen  Rohnau.  Man 
beschlofs,  den  König  sofort  von  dieser  Einmischung  des  bei 
ihm  ohnehin  schleclit  angeschriebenen  einstigen  Besitzers 
der  Burg  in  Kenntnis  zu  setzen  und  sich  vorsichtiger 
Weise  Verhaltungsmaisregeln  von  ihm  zu  erbitten.  Zwar 
nicht  von  dem  schwer  zugänglichen  Könige,  aber  von 
Markgraf  Prokop,  als  seinem  bevollmächtigten  Landes- 
verweser von  Böhmen,  erfolgte  unter  dem  23.  Dezember 
die  erbetene  Antwort.  Derselbe  befahl  dem  Adel  sowohl, 
als  den  Sechsstädten,  „da  ihm  berichtet  worden  sei,  wie 
etliche  des  Königs  Mannen  und  Bürger  von  dem  Schlosse 
Rohnau  aus  geschossen,  gefangen,  beraubt  und  beschädigt 
worden  und  hernachmals  gröfsere  Schäden  von  demselben 
Schlosse  zu  besorgen  seien,  dafs  sie,  wenn  sie  es  ver- 
mögen, dasselbe  Schlols  Rohnau  gewinnen,  wie  sie 
es  vermögen,  und  ob  ihnen  Gott  hülfe,  dals  sie  es  ge- 
winnen, es  brechen  und  gründlich  zerstören  und 
alles,  was  sie  auf  dem  Schlosse  und  in  den  Vorwerken 
finden,  nehmen  und  sich  zu  der  Zugehörung  halten  sollten 
zu  des  Königs  Händen,  besonders  die  Stadt  Zittau,  in 
deren  Vogtei  dasselbe  Schlols  mit  seinen  Zugehörungen 
gelegen  sei". 

Hiermit  lag  der  ausdrückliche  Befehl  zur  Zerstörung 


■*)  Die  höchst  interessante  Rechnung  über  die  genau  spezifi- 
zierten Ausgaben  der  Stadt  (uirlitz  für  diese  „cxpeditio  in  Prrl»us" 
ist  nach  den  ßatsreclmungen  abgedruckt  im  N.  Ijausitz.  Magazin  1H44, 
29H  ff.  Es  fehlen  dal )ei  weder  Butter,  Käse,  Wein,  Bier,  Erbsen, 
Rinder,  noch  Schüsseln,  Tisch-  und  Handtücher,  Kerzcnliditer,  Köclie. 
sogar  ..rteifer"  d.  h.  Spiellcute. 


184  Hermann  Knothe: 

des  zumal  für  Zittau  längst  schon  gefährlichen  Schlosses 
vor.  Kaum  war  derselbe  angelangt,  so  versuchte  Zittau, 
als  „besonders"  hierzu  aufgefordert,  auch  ganz  allein  mit 
seiner  Bürgerschaft  einen  Angriff  auf  dasselbe.  Wir  er- 
fahren dies  nur  aus  der  kurzen  Notiz  der  Görlitzer  Rats- 
rechnungen, dafs  der  Rat  von  Görlitz  (Woche  vor  dem 
4.  Januar  1399)  einen  Boten  nach  Priebus  an  Hakenborn 
sendete,  „als  die  Zittauer  Rohnau  berannt  hatten, 
dafs  er  sich  die  Weile  vorsehe".  Allein  die  Zittauer  hatten 
ihre  eigene  Kraft  überschätzt.  Es  bedurfte  der  vereinigten 
Macht  der  Sechsstädte  (denn  auf  eine  Mitwii'kung  des 
Adels  war  nicht  zu  rechnen),  um  die  feste  Burg  zu  er- 
obern. Sofort  berieten  sich  in  Ostritz  Ratsherren  von 
Zittau  und  Görlitz,  „wie  sie  die  Ding  an  wollten  greifen 
mit  dem  Hause  Rohnau".  Auf  einem  Tage  zu  Löbau, 
auf  welchem  auch  der  Landvogt  zugegen  war,  „hielt  mau 
einen  gemeinen  Rat,  wie  stark  jede  Stadt  vor  Rohnau 
ziehen  sollte".  Die  Ausführung  der  beschlossenen  Heer- 
fahrt folgte  auf  dem  Fufse.  Schon  im  Laufe  der  nächsten 
Woche  (vor  dem  11.  Januar)  liels  sich  der  Ratsherr  Claus 
Heller,  der  also  jedenfalls  das  Görlitzer  Kontingent  be- 
fehligte, zuerst  „mehr  Breter"  (zum  Schutze  gegen  die 
Pfeile  der  Belagerten  oder  vielleicht  auch  gegen  den 
Schnee  und  die  Kälte  des  harten  Winters),  sodann  auch 
noch  mehr  Mannschaft  nachsenden.  Nur  Görlitz  besals 
auch  bereits  „Büchsen"  zur  Beschiefsung  der  Mauern 
mit  Steinkugeln  ■').  Im  übrigen  aber  zielte  man  mittels 
Armbrust  und  Pfeil  auf  jeden  einzelnen  Mann,  der  sich 
etwa  an  den  Luken  und  Fenstern  der  Burg  blicken  liels. 
Die  Sage  berichtet,  dafs  besonders  ein  Rittersmann 
darin  lange  Zeit  die  Erstürmung  verhindert  habe.  Da 
soll  sich  ein  guter  Schütz  von  den  Städtern  den  Augen- 
blick ersehen  haben,  wo  jener  sich  unweit  eines  Fensters 
den  Halskoller  anschnallte.  Als  er  gefallen,  war  der 
Widerstand  der  Belagerten  gebrochen.  Der  Hauptangriff 
muls  von  Südosten  her  erfolgt  sein;  dort  fand  man  noch 
vor  einigen  Jahrzehnten  Pfeilspitzen  von  verschiedener 
Gröfse  und  Form.  Der  Befehl,  „das  Schlofs  zu  brechen 
und  gründlich  zu  zerstören",  wurde  von  den  Städtern 
nach  altgewohnter  Praxis  wörtlich  vollzogen.     Von  dem 


^)  Ostern  1399  erhielt  der  Büchsenmeister  Heinrich  für  das  An- 
richten „der  Büclisen  vor  Priebiis  und  Rohnau"  seinen  Lohn  und 
Geld  lur  Kupfer. 


Die  Zerstörung-  der  Burg  Rohnau  lici  Zittau.  185 

Schicksal  der  Besatzung-  erfahren  wir  niclits.  Aber  die 
Gebäude  wurden  erst  ausgeplündert,  dann  ausgebrannt 
und  endlich  von  den  mitgebrachten  Maurern  und  sonstigen 
Gewerken  kunstgerecht  niedergelegt.  Sie  mögen  Mühe 
genug  dabei  gehabt  haben  schon  mit  den  doppelten  Ring- 
mauern; die  oben  erwähnte,  noch  jetzt  12 -'/^  Ellen  hohe 
Frontmauer  des  Hauptgebäudes  haben  sie  aber  nicht  zu 
brechen  vermocht.  Die  sonstigen,  anfangs  herumliegenden 
Steine  sind  später  großenteils  zimi  Aufbau  der  Häuser 
in  dem  nach  und  nach  sich  bildenden  Dorfe  Rohnau 
verwendet  worden.  Eine  Woche,  etwa  vom  4.  — 11. 
Januar  1399,  hatte  die  Belagerung  gewährt.  In  Görlitz 
gab  man  „den  gesetzten  Wächtern  die  Woche,  die- 
weil  man  vor  Rohnau  war,  mehr  denn  andere  AVochen 
18  Groschen". 

Wenn  man  Rohnau '  später  in  der  Regel  als  eine 
„Raub bürg"  bezeichnet  hat,  so  hat  man  allerdings 
insofern  Recht,  als  in  der  That  innerhalb  der  Jahre 
1396 — 1398  von  der  niederlausitzischen  Besatzung  der- 
selben gelegentlich  auch  Beraubungen  oberlausitzischer 
Kaufleute  verübt  worden  sind.  Aber  wir  glauben,  in 
dem  Bisherigen  erwiesen  zu  haben,  dals  es  wesentlich 
politische  Gegnerschaft  war,  welche  dazu  Anlafs  gegeben 
hatte. 

Die  gefährliche  Burg  war  also  jetzt  zerstört.  Abei- 
die  Sechsstädte  waren  sofort  auch  besorgt  wegen  der 
möglichen  Folgen.  Auf  jenem  Tage  zu  Löbau,  wo  der 
Zug  gegen  dieselben  beschlossen  wurde,  „einigte"  man 
sich  auch  schon,  „dals  man  Markgraf  Jost  schriebe,  wie 
das  Haus  Rohnau  verfehmt  gewesen  sei,  dals  er  nicht 
unmuthig  wäre ;  denn  die  Städte  seien  von  den  Zittauern 
angeiufen  worden".  Man  betrachtete  also  Rohnau  als 
eine  eigentlich  zwar  dem  Landvogte  des  Markgrafen,  in 
Wirklichkeit  aber  diesem  selbst  zuständige  Burg.  Man 
hielt  es  darum  für  nötig,  sich  bei  ihm  wegen  der  beab- 
sichtigten Zei-störung  derselben  im  voraus  zu  entschuldigen 
und  zwar  damit,  dafs  sie  „verfehmt"  gewesen  sei.  Kaiser 
Karl  IV.  hatte  1355  den  Seclisstädten  die  Ermächtigung, 
ja  den  ausdrücklichen  Auftrag  erteilt,  „Höfe  oder  Vesteu, 
die  kundlicli  bescliuldigt  wären  böser  Sachen  und  Dinge, 
zu  brechen  und  zu  brennen"").    Das  summarische  Reclits- 

**)  Knotlie,  Reclitögcscüichte  der  überlausilz  S.  87.  'M. 


186  Hermann  Knothe: 

verfahren  gegen  dergleichen  Burgen,  nämlich  die  Anklage 
durch  eine  der  Städte,  die  Beratung  über  die  Schuld 
durch  die  Gesamtheit  derselben  und  den  Beschluls  der 
Bestrafung,  bezeichnete  man  auch  in  der  Oberlausitz  als 
„den  Fehm"  oder  „das  Fehmgericht*'.  Die  Handhabung 
dieses  Gerichts  lag,  wenigstens  anfangs,  dem  kaiserlichen 
Befehle  gemäi's,  lediglich  in  den  Händen  der  Städte. 

Ihre  Besorgnis  vor  den  Folgen  der  Zerstörung  von 
Rohnau  war  in  der  That  eine  wohlbegründete.  Alsbald 
erhielten  sie  nicht  blols  die  Nachricht,  dals  Markgraf 
Jost  mit  Heeresmacht  bei  Luckau  stehe  und  „die  Städte 
beschädigen  wolle";  sondern  in  der  Woche  vor  dem 
18.  Januar  1399  brachte  Herr  Wentsch  von  Donyn  aus 
dem  Hause  Grafenstein,  damals  auf  Tschocha  gesessen 
und  königlicher  Rat'),  „Briefe  von  dem  Könige, 
dals  man  Rohnau  nicht  brechen  solle".  Sogleich  beriet 
man  daher  in  Löbau,  „wie  man  es  damit  halten  wolle". 
Jedenfalls  hatte  Jost  auf  die  Kunde,  dafs  man  Rohnau 
belagern  wolle,  sofort  Boten  nach  Prag  gesendet  und 
von  dem  wankelmütigen  Könige  den  Widerruf  des  eben 
erst  erteilten  Befehls  erwirkt.  Aber  auch  Haken born 
schickte  jetzt  wieder  um  Hilfe,  „da  man  Priebus  aufs 
neue  überfallen  wolle".  Oberlausitzische  Späher  mulsten 
in  der  Niederlausitz  auskundschaften,  „wie  es  um  den 
Markgrafen  wäre  mit  der  Samenung  zu  Luckau".  Der 
Landvogt  Pflug  aber  übernahm  es,  die  Städte  beim 
Könige  persönlich  zu  entschuldigen.  Er  brachte  gute  Bot- 
schaft von  Prag  zurück  und  für  die  Stadt  Zittau  einen 
speziell  an  sie  gerichteten  Brief  des  Königs  vom 
6.  Februar  1399  folgenden  Inhalts:  „Liebe  Getreue,  Als 
man  euch  vorgelegt  hat,  dals  Wir  gar  sehr  in  ITnmuthe 
hätten  das  Fällen  des  Hauses  zu  Rohnau,  so  wilset,  dals 
Wir  etwas  |  das '?]  wohl  verstehen,  dafs  ihr  das  in  Bestem 
gethan  habt.  Darum  wollen  Wir  das  gegen  euch  gnädig 
halten,  wiewohl  ihr  das  ohne  unser  Geheils  gethan  habt." 

Nach  Priebus  hatte  man  in  der  That  von  Görlitz 
aus  aufs  neue  Hilfe  gesendet.  Es  waren  daselbst  einzelne 
„Gesellen"  gefangen,  aber  auch  der  Büchsenmeister  Hein- 
rich an  Kopf  und  Bein  verwundet  worden.  Das  Schlois 
Priebus  hatte  sich  abermals  wacker  gegen  die  Feinde 
gehalten.    Als  nach  deren  Abzüge  Hakenborn  (Woche 


')  Über  denselben  vergl.  von  Weber's  Archiv  f.  d.  sächsische 
(ieschichte.    Neue  Folge  I,  223  flg. 


Die  Zerstörung  der  Burg  Rohiuu  bei  Zittau.  187 

vor  dem  22.  Februar)  persönlich  nach  Görlitz  kam,  „hatte 
er  keinen  Pfennig-  und  mochte  nicht  auskommen;  da 
mulste  man  ihn  mit  den  Seinen  aus  der  Herberge  lösen''. 
Auch  mit  dem  Landvogt  Berka,  der  also  die  Ober- 
lausitz wegen  der  Zerstörung  von  Rohnau  bedroht  haben 
muls,  war  ein  „Friede",  d.  h.  ein  Waffenstillstand,  abge- 
schlossen worden.  Als  aber  besonders  der  oberlausitzische 
Landvogt  Pflug  denselben  „aufsagen'-  wollte  (wir  erfahren 
nicht  Aveshalb),  so  beschlols  man  (Woche  vor  dem  17.  Mai ) 
vorher  zum  Könige  zu  schicken,  „seine  Meinimg  darauf 
zu  hören",  und  als  der  Landvogt  bereits  drängte,  „auf 
zu  sein  gegen  Herrn  Birke",  und  „wie  stark  man  wollte 
sein"  (wahrscheinlich  zu  einem  Zuge  gegen  Hohnstein), 
so  baten  ihn  jetzt  die  Städte,  mit  der  Aufsage  zu  ver- 
ziehen und  die  xlntwort  des  Königs  abzuwarten.  Da 
nun  aber  auch  im  Königreich  Böhmen  neue  Unruhen  aus- 
gebrochen waren,  so  ward  endlich  „der  Zug  wendig" 
(Woche  vor  dem  oL  Mai). 

Wir  haben  diese  Unruhen  und  die  neuen  Streitig- 
keiten zwischen  Markgraf  Jost  und  König  Wenzel  und 
dessen  Bruder,  König  Siegmund  von  Ungarn,  hier  nicht 
Aveiter  zu  verfolgen  und  erwähnen  nur  noch,  dals  bei 
einer  endlichen  Aussöhnung  Wenzel  (14.  September  1401) 
seinem  Vetter  Jost  die  Niederlausitz  aufs  neue,  aber  nur 
auf  Lebenszeit,  überlassen  und  ihm  wegen  Rohnau 
8000  Schock  Groschen  und  bis  zur  einstigen  Auszahlung 
dieser  Summe  die  jährlichen  Zinsen  im  Betrage  von  800 
Schock  versprechen  mulste.  Von  diesem  Gelde  wird 
wohl  der  Markgraf  auch  Hinko  Berka  auf  Hohnstein  für 
den  Verlust  von  Rohnau  entschädigt  haben. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548. 

Von 

S.  Ifsleib. 


Naclidem  die  Wittenberger  Kapitulation  am  19.  Mai 
1547  zwischen  Kaiser  Karl  V.  und  dem  gefangenen  Herzog 
Johann  Friedrich  zum  Abschluss  gebracht  worden  war, 
wurden  am  1.  Juni  zwischen  diesem  und  seinem  Vetter 
Moritz  von  Sachsen  die  „Überweisungsbriefe'")  ausge- 
tauscht, welche,  gemäls  dem  Vertrage,  die  in  Betracht 
kommenden  Unterthanen  beider  wechselseitig  an  den 
andern  als  den  neuen  Erbherrn  und  Landesfürsten  ver- 
wiesen. Als  dann  der  jugendliche  Albertiner  auf  Befehl 
des  Kaisers  am  4.  Juni  im  Feldlager  und  in  Wittenberg 
als  Kurfürst  von  Sachsen  ausgerufen  worden  war,  nahm 
er  die  Stadt  in  Besitz  und  liels  auf  dem  Schlosse  von 
Seiten  der  Bürgerschaft  die  Huldigung  vollziehen.  Wenige 
Tage  später  durchzogen  etliche  seiner  Räte  und  Befehls- 
haber die  einzelnen  Ämter,  um  die  neuen  Unterthanen 
in  Eid  und  Pflicht  zu  nehmen-).  Diejenigen  vom  Adel, 
welche  sich  weigerten,  der  Vorladung  zu  folgen,  verfielen 
in  Strafe,  indem  ihre  Schlösser  und  Güter  solange  in 
Beschlag  genommen  wurden,  bis  sie  die  Lehnshuldigung 
geleistet  hatten.  Auch  die  ehemaligen  Räte  und  Diener 
Johann  Friedrichs  sahen  sich  durchweg  genötigt,  in  die 


^)  Dresden,  Loc.  9141,  Churfürstlirh  sächsische  Handlung-  1547 
Bl.  17.   Loc.  9147,  Liquidationshandluny  zu  Zeitz  1547  Bl.  60. 

^)  Dresden,  Loc.  9142,  Capitulation  ingl.  die  Ueberweisung  und 
Huldigung  etc.  1547  Bl.  8  flg. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  189 

Dienste  des  neuen  Landesherrn  zu  treten.  Darauf  berief 
der  Kurfürst  seine  alten  und  neuen  Stände  samt  den  an- 
gesehensten Theologen'^)  zum  ersten  gemeinsamen  Landtag 
nach  Leipzig,  um  mit  ihrer  Hilfe  die  noch  erregten  Ge- 
müter zu  beruhigen,  die  neuen  Verhältnisse  zu  befestigen 
und  die  allgemeinen  Landes-  und  Kirchenangelegenheiten 
zu  ordnen^). 

In  der  Proposition  oder  Vorlage  vom  14.  Juli  be- 
richtete Kurfürst  Moritz  über  das  verflossene  Kriegsjahr 
vom  Landtag  zu  Chemnitz  an  bis  zu  den  jüngsten  tief- 
eingreifenden Ereignissen  und  betonte,  dafs  er  alle  Befelile 
des  Kaisers  mit  Wissen  und  Willen  seiner  treuen  Stände 
übernommen  und  ausgeführt  und  sich  zu,  nichts  anderem 
verpflichtet  habe.  Jedermann  sollte  die  Überzeugung  ge- 
winnen, dals  es  nicht  des  Kaisers  Absicht  gewesen  sei, 
die  christliche  Religion  mit  dem  Schwerte  zu  vertilgen.  Li- 
dem  er  die  Ansicht  vertrat,  dafs  der  Krieg  nicht  zu 
umgehen  gewesen  sei,  dankte  er  allen  Unterthanen  und 
besonders  der  Ritterschaft  für  die  mannhafte  Treue  im 
Felde.  Allerdings  habe  er  sich,  sagte  er,  eines  solchen 
weitläufigen  Kampfes  nicht  versehen,  und  er  habe  nichts 
mehr  begehrt,  als  sein  ererbtes  Land  friedlich  zu  be- 
sitzen. Um  das  Vertrauen  der  alten  Unterthanen  zu 
befestigen  und  das  der  neuen  zu  erwerben,  gab  er  die 
Versicherung,  dafs  er  geneigt  sei,  mit  Gottes  Hilfe  fried- 
lich und  wie  es  einem  christlichen  Kurfürsten  gezieme, 
zu  regieren  und  bei  der  wahren  Religion  gemäfs  der 
augsburgischen  Konfession  zu  bleiben.  Die  Universitäten 
in  Wittenberg  und  Leipzig  und  die  vor  kurzem  gegrün- 
deten Schulen  wollte  er  erhalten  und  jederzeit  mit  ge- 
lehrten Leuten  versehen,  damit  Gottes  Wort,  gute  Künste 
und  ehrbare  Sitten  gelernt  würden.  Alle  Vierteljahre 
sollte  in  Leipzig  ein  aus  geschickten  und  erfahrenen  Rittern 
und    Gelehrten    zusammengesetztes  Hofgericht   gehalten 


3)  Fürst  Georg  von  Aiihiilt,  Ivoadjutur  von  ]\lorseburg,  brachte 
Philipp  Melanclitlion,  welcher  bis  dahin  in  Weimar  gewesen  war,  mit. 

*)  Loc.  9354,  Handlung  auf  dem  Landtage  zu  TiCipzig,  1547. 
Vergl.  1.  Joh.  Falke,  Mitteilungen  des  Königl.  Säidis.  Altert ums- 
vereinsXXi]  (1872),  77  flg.  S.  8!i  und  95  nnten  gehören  znm  Land- 
tage 1548.  2. Gründlicher  und  warhalftiger  Lerieht  aller  Kathschlegund 
antwort,  so  die  Theologen  zu  \\'ittcnl)erg  und  andere  darzu  erforderte 
anff  den  Landtegen  und  andern  Versandungen  etc.  Durch  Georgen 
Rhawen  seligen  Erben.     Anno  1559  Jil.  61. 


190  S.  IMeib: 

werden,  damit  jedermann  zu  seinem  Rechte  komme ''^). 
Stets  gedachte  er  für  E,uhe  und  Sicherheit  im  ganzen 
Lande  zu  sorgen  und  alle  Strafsen  zu  Gunsten  des  fried- 
lichen Handels  und  Wandels  von  „Plackerei  und  ßaub 
zu  säubern."  Am  Herzen  lag  ihm  aber  auch  die  schlag- 
fertige Bereitschaft  gegen  jeden  feindlichen  Angriff.  In- 
dem er  sich  der  Gnade  und  Gunst  des  Kaisers  und  Königs 
rühmte,  erklärte  er,  dals  er  nicht  gesonnen  sei,  beiden 
irgend  welche  Ursache  zur  Ungnade  zu  geben.  Mit  allen 
Nachbarfürsten  wollte  er  im  Frieden  leben ;  bald  hoffte 
er  auch  in  gute  Beziehungen  mit  den  Söhnen  Herzog 
Johann  Friedrichs  treten  zu  können.  Auf  alle  Weise 
wollte  er  die  Wolilfalu't  des  Hauses  zu  Sachsen  befördern. 

Unter  den  kurfürstlichen  Landständen,  welche  teil- 
weise noch  völlig  unter  dem  mächtigen  Eindruck  des 
jüngsten  Krieges  und  seiner  folgenschweren  Neuerung 
standen,  herrschte  ziemlich  erregte  Stimmung,  und  erheb- 
liche Meinungsverschiedenheiten  traten  scharf  zu  Tage. 
Viele  der  alten  und  neuen  Unterthanen  standen  einander 
zu  fremd  gegenüber,  um  eine  rasche  Verständigung  zu 
ermöglichen;  überdies  erschwerten  stark  betonte  ständische 
Sonderinteressen  die  wünschenswerte  Einhelligkeit  über 
wichtige  allgemeine  Fragen. 

Während  die  höheren  Stände,  die  Grafen,  Herren  und 
Prälaten,  eine  vorsichtige  und  vornehme  Zurückhaltung  be- 
obachteten, traten  die  Ritterschaft  und  die  Städte  eifrig  in 
alle  Erörterungen  ein.  Die  Bischöfe  von  Meifsen  und  Naum- 
burg enthielten  sich,  dem  sonst  üblichen  Geschäftsgange  zu- 
wider, jeder  schriftlichen  Teilnahme  und  gaben  nur  mündliche 
Erklärungen  und  Gutachten  ab.  Sie  machten  geltend,  dais 
sie  nach  althergebrachtem  Rechte  nicht  verpflichtet  seien, 
auf  dem  Landtage  zu  erscheinen;  doch  wollten  sie  sich 
diesmal  dem  Schutze  und  dem  allgemeinen  Besten  des 
Landes  nicht  entziehen*^). 

Durchmustert  man  die  Landtagsakten  der  zehntägigen 
Beratungen,  so  ergiebt  sich  in  kurzem  Folgendes. 

Zunächst  legten  die  Landstände  das  Hauptgewicht 
auf  das  religiöse  Bekenntnis  und  auf  alle  kirchlichen  An- 
gelegenheiten. Gelehrte  und  gottesfürchtige  Männer  sollten 


'^)  In  der  Kur  zu  Sachsen  sollte  auch  ein  regelniäfsiges  Hof- 
gericht zusammengesetzt  werden. 

*»)  Julius  Pflug,  Bischof  von  Naumburg,  sprach  mit  Kurfürst 
Moritz  über  die  kirchlichen  und  religiösen  Angelegenheiten  und  ge- 
dachte dem  Kaiser  eine  Gedenkschrift  darüber  zu  überreichen. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  191 

Rat  lialten  und  Achtnng-  darauf  geben,  dafs  alle  Geistlichen 
das  Wort  Gottes  gemäls  der  augsburgischen  Konfession 
rein,  einträchtig  und  frei  vom  eignen  Gutdünken  predigten, 
Streit  und  Zank  vermieden  und  sich  aller  aufwiegelnden 
und  unbotmäfsigen  Reden  enthielten.  Jeder  Obrigkeit 
sollte  es  gestattet  sein,  den  Pfarrherren  und  Predigern 
auf  dem  Lande  jede  Unschicklichkeit  im  Guten  zu  unter- 
sagen und  unter  Umständen  das  Einschreiten  der  Superinten- 
denten gegen  sie  zu  veranlassen.  Man  verlangte  für  die 
Geistlichen  ein  genügendes  Auskoramen,  welches  auch  recht- 
zeitig zu  entrichten  sei.  Dürftiges  Einkommen  solle 
durch  eine  jährliche  Zulage  vom  Ertrage  der  geistlichen 
Güter  aufgebessert  werden.  Für  die  Kinder  armer 
Pfarrer  und  Prediger  bat  man  um  Unterstützungen,  da- 
mit sie  ein  Handw^erk  oder  andere  „ziemliche  Sachen" 
erlernen  könnten.  Allgemein  war  man  für  möglichste 
Förderung  der  Schulen.  Man  bat  den  Kurfürsten,  dals 
er  in  herkömmlicher  Weise  alle  Jahre  vier  Mitglieder 
der  Landstände  neben  vier  kurfürstlichen  Räten  verordne, 
um  über  die  Schulen  eingehende  Erkundigungen  ein- 
zuziehen und  die  Rechnungen  über  das  Einkommen  der 
geistlichen  Güter  zu  prüfen").  Von  dem  Überschusse  der 
Erträge  sollten  arme  Jungfrauen  vom  Adel  erzogen  und 
erhalten  werden. 

Der  Kurfürst  teilte  mit,  dals  er  den  Koadjutor  zu 
Merseburg,  Fürst  Georg  von  Anhalt,  und  etliche  Super- 
intendenten bereits  zu  sich  beschieden  habe,  um  ihren 
Rat  in  allen  kirchlichen  und  geistlichen  Dingen  zu  hören 
und  demgemäis  zu  verfügen.  Für  die  Prüfung  der  Rech- 
nungen über  „die  geistlichen  Güter,  für  die  Entfernung 
voi-handener  Übelstände  in  den  Schulen  und  für  die  Er- 
ziehung und  Ausstattung  armer  adliger  Jungfrauen  sollte 
Sorge  getragen  werden.  Die  Gründung  einer  neuen  Schule 
im  kurländischen   Gebiete  wurde  in  Aussicht  genonnnen. 

Hinsichtlich  der  Universitäten  klagten  die  Stände 
darüber,  dais  die  Professoren  vielfach  durch  andere  Ge- 
schäfte von   ihren  Vorlesungen   abgehalten  würden.    In 


'')  Herzog-  lleiuiich  hatte  alle  geistlichen  Güter  (IrnLandständen 
anheimgestellt.  Seine  beiden  Söhne  Moritz  nnd  Angnst  stinuiiten  dem 
nicht  zii;  doch  verwendeten  sie  die  erledigten  Lehen  des  Bistums 
Meifsen  auch  nicht  zu  ihrem  eigenen  Nutzen,  sondern  zu  Stiiiendicn 
und  zu  anderen  guten  Zwecken  und  liefsen  den  Ständen  Bericht  er- 
statten und  liechnung  vorlegen. 


192  S.  Ifsleib: 

solcher  Zeit  gingen  dann  die  Schüler  in  dei-  Irre  und 
blieben  im  Studium  zurück.  Darum  sollten  die  Professoren 
mit  fremden  Dingen  verschont  bleiben  und  ihren  Vor- 
lesungen obliegen.  Zwar  konnte  der  Kurfürst  den  Beweis 
erbringen,  dals  von  den  Gelehrten  der  Hochschule  durch- 
weg nur  Juristen  und  von  diesen  auch  nur  wenige  aufserhalb 
der  Stadt  in  kurfürstlichen  Diensten  gebraucht  worden 
seien ;  doch  war  er  gewillt,  die  Störung  der  Vorlesungen 
in  Zukunft  möglichst  vermeiden  zu  lassen.  Besonderen 
Dank  sprachen  die  Landstände  dafür  aus,  dafs  jährlich 
vier  Hofgerichte  in  Leipzig  abgehalten  werden  sollten; 
aber  sie  baten,  das  neue  Hofgericht  wieder  genau  nach 
der  löblichen  alten  Hofgerichtsordnung,  welche  einst  mit 
Hat  der  „Landschaft"  aufgerichtet  worden  sei,  einzurichten 
und  alle  üblen  Gewohnheiten  fernzuhalten.  Nach  einigem 
Widerstreben  versprach  der  Kurfürst,  aulser  dem  Hof- 
richter nicht  acht,  sondern  wie  früher  zwölf  Beisitzer 
zu  ernennen. 

Der  Punkt  über  Frieden  und  Schutz  des  Landes 
gegen  jeden  Feind  gab  besonders  den  neuen  Ständen 
Veranlassung,  den  Kurfürsten  zu  ersuchen,  stets  des 
alten  Gebrauches  und  Privilegs  im  Hause  zu  Sachsen 
eingedenk  zu  sein,  wonach  der  Landesfürst  ohne  Rat, 
Wissen  und  Willen  der  Landstände  keinen  Krieg  führen 
solle.  Dringend  wünschten  alle,  dals  die  gehässigen 
Disputationen  und  unschicklichen  Predigten  über  den  letzten 
Krieg  verboten  würden.  Für  die  Gefangenen,  welche 
wegen  verdrielislicher  Worte  und  Thaten  verhaftet  worden 
waren,  bat  man  um  Freiheit  und  Zurückgabe  der  ein- 
gezogenen Güter,  Schlösser  und  Häuser '^).  Man  erkannte 
das  Bestreben  des  Kurfürsten  an,  die  Gnade  und  Gunst 
des  Kaisers  und  Königs  erhalten  zu  wollen  und  hoffte, 
dafs  er  weder  ein  Bündnis  noch  eine  Kriegsrüstung  zum  Scha- 
den des  Landes  eingehen  werde.  Die  Erneuerung  der 
alten  Bündnisse  und  Erbeinigungen  mit  den  benachbarten 
Fürstenhäusern  erschien  höchst  dienlich  zur  Erhaltung  des 
Friedens.  Wegen  der  Kosten  sollte  das  geworbene  fremde 
Kriegsvolk  beurlaubt  werden,  da  die  Stände  bereit  seien, 
im  Falle  der  Not  an  die  Beschützung  des  Landes  Leib 
und  Vermögen  willig   daranzusetzen.    Es   wurde   vorge- 


^)  Dresden,  Loc.  9142.  Das  schwarze  Buch  enthält  die  Prozesse 
gegen  Bürger  von  Aunaberg,  Dresden,  Döbeln,  Freiberg,  Chemnitz, 
Leipzig,  Meifsen,  Naumburg  etc.  vom  23.  August  1547  an. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  193 

schlageil,  alle  Ämter,  besonders  die  an  den  Grenzen  mit 
Amtsleuten  und  Reisigen  stärker  als  bisher  auszustatten, 
um  Stralsenraub  und  Plackerei  zu  unterdrücken. 

Kurfürst  Moritz  versicherte,  dafs  er  sich  wie  früher 
ohne  Wissen  seiner  getreuen  Stände  weder  in  ein  Bünd- 
nis noch  in  eine  Kriegsrüstung  einlassen  wolle;  doch 
hielt  er  die  Wahl  eines  landständischen  Ausschusses  für 
zweckmäfsig,  um  denselben  in  gefahrvollen  Tagen  schnell 
zu  berufen  und  zu  befragen.  Unmöglich  könne  das  ge- 
worbene Kriegsvolk  umgehend  beurlaubt  werden,  denn  es 
sei  noch  grölstenteils  in  Böhmen  und  helfe  dem  König; 
Wittenberg  müsse  einstweilen  besetzt  bleiben,  da  die  Zu- 
sammenrottung der  Kriegsknechte  in  Norddeutschland  zur 
gröfsten  Vorsicht  mahne.  In  der  Hoffnung,  dals  die  Unter- 
thauen  sich  bereitwillig  gebrauchen  lassen  würden,,  wollte 
er  eine  stattliche  Zahl  Reiter  in  den  einzelnen  Ämtern 
aufbringen  und  fürstlich  besolden,  um  die  Grenzen  zu 
überwachen,  die  Stralsen  zu  säubern  und  friedliche  Ord- 
nung aufrecht  zu  erhalten.  Für  die  Zeit  der  Not  aber 
sollten  die  Stände  Geld  bewilligen,  um  schnell  rüsten  und 
Reiter  und  Knechte  besolden  zu  können;  denn  ohne  Geld 
sei  keine  Kriegsmannschaft  zu  gewinnen ;  er  selbst  wolle 
sich  mit  seinem  Hofgesinde  in  Bereitschaft  halten.  Ob 
Wittenberg  künftig  Festung  bleiben  oder  geschleift  werden 
solle,  gab  er  dem  Rate  der  Landstände  anheiin;  auch 
begehrte  er,  darauf  bedacht  zu  sein,  wie  die  entstandenen 
Kriegskosten  bezahlt  werden  möchten. 

Auf  manche  unangenehme  Erfahrung  des  letzten 
Jahres  gestützt,  wiesen  die  Landstände  die  Wahl  eines 
neuen  Ausschusses  zurück.  Aber  sie  fanden  sich  darein, 
dals  der  Kurfürst  das  geworbene  Kriegsvolk  noch  eine 
Zeitlang  im  Dienste  behielt.  Um  den  Sold  zu  bestreiten 
und  die  Kriegsschuld  zu  decken,  bewilligten  sie  die  Trank- 
steuer auf  weitere  zwei  Jahre;  doch  sollte  diese  Steuer 
auch  von  den  Unterthancn  der  Bischöfe,  Grafen  und 
Herren,  sowie  vom  Kurfürsten  selbst  mit  getragen  werden. 
Die  früher  zugestandene  Bausteuer  blieb  bis  auf  weiteres"). 
Dem  Ermessen  des  Landesherrn  überliels  man  die  Ent- 
scheidung über  die  Festung  Wittenberg;   allein  man  er- 


0)  Der  Kurfür.st  liefs  den  üblichen  8teuerrevcrs,  wonacli  die 
Abgaben  als  vorübergehende,  freiwillige  Hilfe  betrachtet  wurden,  am 
23.  Juli  ausstellen. 

Neues  Arcliiv  f.  S.  CJ.  u.  A.    XIII.  3.  1.  13 


194  S-  Ifsleil): 

mahnte  zur  gröfsteii  Sparsamkeit  wegen  der  erlittenen 
Kriegsscliäden. 

In  einer  besonderen  Schrift  waren  die  „Landesge- 
brechen" zusammengestellt,  gegen  welche  man  Abhilfe 
oder  Linderung  suchte.  Man  empfahl  möglichste  Schonung 
und  Unterstützung  aller  im  Kriege  geschädigten  Unter- 
thanen.  Die  Wiederaufrichtung  der  alten  guten  Landes- 
polizei wurde  durchaus  gewünscht.  Man  forderte  scharfe 
Verbote  und  Erlasse  gegen  Gotteslästerung,  unmälsige 
Feste,  Wucher  und  Kleiderluxus,  Allgemein  wünschte 
man  die  Erhaltung  und  Aufbesserung  der  Konsistorien, 
und  eine  höhere  Besoldung  der  Pfarrer  wurde  für  nötig 
gehalten.  Gründliche  Kirchen  Visitationen  schienen  ge- 
boten und  strengere  Überwachung  der  Geistlichen  in 
Bezug  auf  ihren  Lebenswandel.  Der  Adel  sollte  nicht 
mit  leichtfertigen  Dirnen  haushalten,  damit  nicht  die  un- 
ehelichen Kinder,  wenn  sie  des  Schildes  und  Helmes  teil- 
haftig würden,  ehrliche  adlige  Geschlechter  in  Schimpf 
und  Nachteil  brächten.     Man  vermilste  die  Handhabung 


ö 


des   Rechtes    nach    althergebrachter   Gewohnheit.     Ein 


'ö 


genügend  besetzter  kurfürstlicher  Hofrat  sollte  alle 
Streitigkeiten  schneller  und  billiger  wie  seither  schlichten. 
Beantragt  wurde  eine  genaue  Abgrenzung  der  höheren 
und  niederen  Gerichtsbarkeit  und  eine  zuverlässige  Ord- 
nung der  Gerichtskosten.  Überaus  notwendig  erschien 
es,  dafs  das  Sachsenrecht  gemeinverständlich  gemacht, 
genügend  erklärt,  von  Fremdwörtern  gereinigt  und  richtig 
verdeutscht  werde.  Das  Oberhofgericht  und  die  Schöppen- 
stühle  sollten  einerlei  Eecht  sprechen,  um  widerwärtige 
Urteile  zu  vermeiden.  Die  Doktoren  der  Rechte  suchte 
man  wie  die  Ärzte  an  eine  bestimmte  Taxe  zu  binden. 
Man  bestand  darauf,  dafs  ehrlose  und  anrüchige  Personen 
von  allen  Ämtern  ausgeschlossen  und  leichtfertige,  mut- 
willige Ankläger  streng  bestraft  werden  mülsten.  Es 
wurde  gebeten,  die  Ritterschaft  nicht  aulser  Landes  zu 
gebrauchen  und  die  Schriftsassen  mit  Neuerungen  von 
Seiten  der  Amtsherren  zu  verschonen.  Alle  kurfürstlichen 
Beamten  sollten  sich  jedes  Eingriffes  in  die  Gerechtsame 
des  Adels  und  der  Städte  enthalten.  Man  führte  Be- 
schwerde über  die  Anmalsung  der  reisigen  Knechte  und 
über  die  hohe  Lohnforderung  des  Gesindes.  Um  gegen 
den  lästigen  Ungehorsam  ankämpfen  zu  können,  sollte 
kein  Dienstgesinde  ohne  Absagebrief  des  letzten  Herrn 
angenommen  werden.   Allgemem  geltend  machte  man  das 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  195 

Bedürfnis  nach  möglichst  gleichem  Gewicht,  Ellen-  und 
Klaftermais.  Zu  Gunsten  der  heimischen  Tuchmacher 
und  Handwerker  verlangte  man  ein  Verl3ot  gegen  die 
Ausfuhr  der  Schafwolle  und  der  rauhen  Schaffelle  und  gegen 
den  Verkauf  derselben  auf  nicht  „gefreiten  Märkten"^*'). 
Man  forderte  eine  Ermälsigung  des  hohen  Salzpreises 
und  begehrte  eine  neue  Jagd-,  Holz-,  Wald-  und  Gewerbe- 
ordnung. 

Kurfürst  Moiitz  wollte  alle  Beschwerden  und  Ge- 
brechen sorgfältig  erwägen  und  nach  Gebühr,  Billigkeit 
und  Möglichkeit  abstellen.  Er  war  bereit,  die  Ordnungen 
und  Gesetze  gegen  Gotteslästerung,  Wucher,  Luxus  etc. 
erneuern,  die  kirchlichen  Angelegenheiten  gründlich 
prüfen,  die  Milsstände  des  Gerichtswesens  beseitigen 
und  das  sächsische  Recht  verständlich  ausüben  zu  lassen. 
Alle  eingeschlichenen  schädlichen  Neuerungen  sollten  ent- 
fernt und  die  alten  Rechte  des  Adels  und  der  Städte 
erhalten  werden.  Die  Übelstände  des  adligen  Ehe- 
lebens aber  verwies  er  wie  die  Taxe  der  Juristen,  An- 
wälte und  Ärzte  auf  den  Reichstag.  In  nahe  Aussicht 
stellte  er  die  Veröffentlichung  einer  neuen  Gesinde-,  Ge- 
werbe-, Markt-,  Jagd-,  Holz-,  Mafs-  und  Gewichtsordnung. 

Mit  den  anwesenden  Theologen  trat  der  Kurfürst 
am  18.  Juli  in  Verhandlung.  Frei  und  offen  erklärte  er 
ihnen,  dals  er  bei  der  reinen  Lehre  bleiben  und  sich  den 
papistischen  Milsbräuchen  nicht  anhängig  machen  wolle; 
er  habe  als  christlicher  Kurfürst  die  PÜicht,  das  Wort 
Gottes  und  die  Diener  desselben  nach  Vermögen  zu  be- 
fördern und  alle  Studien  und  gelehrten  Leute  in  Schutz 
und  Schirm  zu  nehmen.  Wie  in  den  vorhergehenden 
Jahren,  so  ging  er  damit  um,  eine  gleichförmige  Kirchen- 
ordnung für  das  ganze  Land  einzurichten  und  ein  allge- 


meines Kirchengebet  einzuführen,  damit  nicht  einer  dieses, 
der  andere  jenes  thue  und  halte,  gleich  als  ob  nicht  alle 
zusammengehörten.  Die  Theologen  versprachen,  dafs  auch 
sie  bei  der  christlichen  und  reinen  Lehre,  wie  sie  in  den 
sächsischen  Kirchen  gepredigt  und  gelehrt  werde,  bleiben 
und  überall  Eintracht  erhalten  wollten.  Vor  allem  sei 
es  nötig,  dals  die  beiden  Universitäten  in  Leii)zig  und 
Wittenberg  der  Studien   halber    wieder  ehigerichtet  und 


lö)  Die  Bauern  im  Umkreise  von  Alteuburj^-  sollten  vom  Zwange 
befreit  worden,  dafs  sie  das  lietreide  nnd  alle  Fcldfriiclitc  nur  in 
dieser  Stadt  verkaufen  dürften. 

13* 


196  S.  Tfsleib: 

die  Konsistorien  zu  Merseburg,  Meifsen  und  "Wittenberg 
beibehalten  würden  ").  Die  Superintendenten  sollten  auf 
die  reine  Lehre  und  auf  die  Ceremonien  in  den  Kirchen 
fleifsig  Achtung  geben,  damit  in  den  vornehmsten  Städten 
Gleichheit  herrsche  und  über  geringfügige  Ungleichheiten 
nicht  gezankt  werde.  Auf  Wunsch  des  Kurfürsten  über- 
gaben die  Theologen  eine  Schrift  über  die  Gleichheit  der 
Ceremonien  oder  Kirchengebräuche,  worin  sie  auf  die 
Leipziger  Gutachten  in  den  Jahren  1544  und  1545  zurück- 
gingen. Weil  aber  der  Reichstag  zu  Augsburg  bevor- 
stand, so  unterliels  man  einstweilen  die  Veröffentlichuug 
des  Buches.  Besser  wäre  es  allerdings  gewesen,  wenn 
dieselbe  damals  erfolgt  wäre;  dann  hätte  man  später 
nicht  sagen  können,  „es  seien  die  Handlungen  von  den 
Adiaphoris  oder  Kirchenbräuchen  erst  nach  des  Interims 
Publikation  vorgenommen  worden  und  man  habe  damit 
den  Papisten  hofiren  w^ollen". 

Unmittelbar  nach  dem  Landtage  wurde  der  neue 
Kurstaat  in  fünf  Kreise  geteilt  und  an  die  Spitze  der- 
selben Oberhauptleute  oder  Kreishauptleute  gestellt.  Der 
Kurkreis  stand  unter  Sebastian  von  Wallwitz ,  der 
thüringische  Kreis  unter  Georg  Vitzthum  von  Eckstädt, 
der  Leipziger  oder  osterländische  Kreis  unter  Asmus  von 
Könneritz,  der  Gebirgskreis  unter  Heinrich  von  Gersdorf 
und  der  Meilsnische  Kreis  unter  Ernst  von  Miltitz. 
Gleichzeitig  richtete  der  Kurfürst  einen  neuen  Hofrat 
ein,  welcher  alle  Justizsachen,  die  täglich  aus  den  fünf 
Kreisen  eingingen,  ungehindert  und  rasch  entscheiden 
sollte.  Eine  neue  Kanzleiordnung  vom  5.  August^-) 
setzte  den  Geschäftsgang  dieser  Behörde  genau  fest 
und  bestimmte  die  Kosten  für  die  verschiedenen  Urteile 
und  Entscheidungen.  Der  kurfürstliclie  Kanzler  war 
Vorstand  des  Hofrates,  neben  ihm  standen  die  Räte ; 
für  jeden  Kreis  gab  es  einen  Sekretär  und  etliche  Schreiber. 
Der  Botenmeister  nahm  alle  Briefe  in  Empfang  und  ver- 
teilte sie  an  die  Eäte.  Besondere  Sekretäre  lagen  den 
Lehns-  und  Kirchensachen  ob..  Zu  Diensten  des  Kur- 
fürsten stand  ein  Geheimsekretär.  Der  Kanzler  oder 
auch  der  Geheimsekretär  hatte  dem  Landesherni  täglich 


")  Im  Oktober  1547  konnten  die  Vorlesungen  m  Wittenberg 
und  Leipzig  wieder  beginnen;  in  Wittenberg  lebrte  wie  frülier 
Philipp  Melanchthon,  in  Leipzig  Joachim  Camerarius. 

'-)  Dresden,  Loc.  iOOÖl,  Cantzley-Ordmmgen  Bl.  17. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  197 

ein-  oder  zweimal  üher  fürstliche  und  auswärtige  Ange- 
legenheiten, über  „Briefe  zu  eigenen  Händen",  über  Kund- 
schaften, neue  Zeitungen  etc.  Bericht  zu  erstatten. 

Als  Kurfürst  Moritz  sich  anschickte,  den  Reichstag 
zu  besuchen,  übertrug  er  seinem  Bruder  Herzog  August 
die  Regierung  und  ordnete  an,  wie  alles  während  seiner 
Abwesenheit  zu  halten  sei^'^).  Von  den  beauftragten 
Räten  sollten  stets  drei  neben  dem  Kanzler  in  Torgau 
anwesend  sein,  um  mit  dem  Herzog  zu  beraten  und  zu 
beschließen.  Alle  Briefe  und  Befehle  gingen  im  Namen 
und  mit  dem  Siegel  des  Bruders  aus.  Strenge  Weisung 
erlegte  auf,  sofort  gegen  alle  Praktiken  und  Eingriffe  der 
Bischöfe  und  Domherren  von  Meilsen  und  Naumburg  in 
die  bestellende  Kirchenordnung  vorzugehen,  dagegen  alle 
Prediger,  Pfarrer  und  Kirchendiener  zu  schützen,  die 
Zusammenkünfte  und  Visitationen  der  Superintendenten 
zu  erleichtern,  den  herkömmlichen  Gottesdienst  aufrecht- 
zuerhalten und  unsittliche  Geistliche  abzusetzen.  Der 
kurfürstlichen  Gemahlin  sollte  es  an  nichts  gebrechen, 
und  der  neuen  „Ordnung  im  Frauenzimmer"  sollte  allent- 
halben nachgegangen  werden.  Die  Silberkammer  hatte 
wie  die  Bergwerke  Ernst  von  Miltitz  zu  überwachen. 
Kurfürstlicher  Hofrichter  war  Dr.  Melchior  von  üsse. 
Religiöse  Streitigkeiten  sollten  derKoadjutor  vonMerseburg, 
Fürst  Georg  von  Anhalt,  und  Philipp  Melanchthon  schlichten. 
Die  Sorge  für  die  Universitäten,  Schulen  und  Stipendien 
war  Dr.  Komerstadt  auferlegt.  Die  Oberhauptleute  der 
fünf  Kreise  hatten  Befehl,  allerorten  gute  Kundschaft 
einzuziehen  und  für  Ruhe  und  Sicherheit  einzutreten. 
Im  Falle  der  Not  sollte  Herzog  August  mit  den  Räten 
zu  Torgau  unverzüglich  König  Ferdinand  von  Böhmen 
und  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  oder  die  Regierungen 
beider  um  Rat  und  Hilfe  angehen.  Über  alle  wichtigen 
Dinge  war  nach  Augsburg  zu  berichten. 

Am  10.  August  verliefs  der  Kurfürst  Torgau  und  traf 
vier  Tage  später  in  Hof  mit  Markgraf  Johann  Georg 
von  Brandenburg,  dem  Sohne  Kurfürst  Joachim  II.,  zu- 
sammen. Nach  einem  Besuche  beim  Herzog  von  Bayern 
und  beim  gefangenen  Schwiegervater  Philipp  von  Hessen 
in  Donauwörth  ritt  er  am  1.  September  mit  stattlichem 
Gefolge  zur  Eröffnung  des  Reichstages  in  Augsburg  ein. 


^3)  Loc.  10041,  Clmrfürst  Moiitz   heiini>elassene  Instruction  etr. 
Torgau,  1.  August  1547  (Original). 


198  S-  Iftleili: 

Moritz  hatte  einst  in  Naumburg  zum  Herzog  von 
Alba  gesagt,  der  bevorstehende  Reichstag  werde  kurz 
sein  und  sich  von  allen  früheren  dadurch  unterscheiden, 
dals  auf  demselben  mehr  geboten  als  beraten  werde'*). 
Derartig  aber  gestalteten  sich  die  Dinge  keineswegs. 

Der  Kaiser  hatte  die  Absicht  '■'),  seine  bessernde 
Hand  an  alles  zu  legen,  was  seit  30  Jahren  in  Unord- 
nung geraten  war.  Der  Sieg  über  die  Schmalkaldener 
sollte  wesentlich  mit  dazu  beitragen,  um  alles  „von  Grund 
aus-'  in  Angrift'  zu  nehmen  und  zum  Wohle  des  Reiches 
durchzuführen.  Alle  bisherigen  Leistungen  seiner  Regierung 
schienen  ihm  „Flickwerk"  zu  sein.  Jetzt  wollte  er  sich 
mit  den  Ständen  des  Reiches  über  die  Religion,  über  das 
Konzil  und  über  die  geistlichen  Güter  samt  der  bischöf- 
lichen Jurisdiktion,  über  Gehorsam  und  Ruhe,  Friede  und 
Recht,  Schutz  und  Sicherheit,  über  Kammergericht  und 
Polizeiordnung,  über  Reiclisanschlag  und  Türkensteuer, 
über  Münzeinheit  und  allgemeine  Gebrechen  verständigen^®). 
Dabei  stiels  er  jedoch  auf  gröfseren  Widerstand  als  er 
erwartet  hatte. 

Es  ist  nicht  unsere  Aufgabe,  allen  Reichstagsver- 
handlungen nachzugehen,  wohl  aber  zu  zeigen,  welche 
Stellung  Kurfürst  Moritz  zu  einzelnen  Avichtigen  kaiser- 
lichen Vorlagen  eingenommen  hat. 

Die  protestantische  Religion  zu  vernichten  und  die 
der  Altgläubigen  wiederherzustellen,  hätte  der  Stimmung 
des  Kaisers  ganz  entsprochen;  allein  selbst  in  jener  sieg- 
reichen Zeit  fehlte  ihm  dazu  die  Kraft  und  Macht.  Weil 
ihm  der  religiöse  Zwiespalt  als  die  eigentliche  Wurzel 
und  die  wahre  Ursache  des  gesamten  Unfriedens  und 
aller  Unruhen  im  Reiche  erschien,  so  wollte  er  ihn  mög- 
lichst schnell  beseitigen.  Nun  hielt  er  das  Konzil  zu 
Trient  für  den  sichersten  und  christlichsten  Weg  zur  reli- 
giösen Wiedervereinigung  und  verlangte  daher  von  allen 
Reichsständen  eine  bedingungslose  Unterwerfung  unter 
dasselbe.  Auch  wollte  ei"  bis  zum  Ende  des  Konziles 
für  seme  Person  ohne  Zutlmn  des  Papstes  oder  der  all- 
gemeinen Kirchenversammlung  den  religiösen  Zuständen 
in  Deutschland  „Mals  geben". 


„XfJ.U,iO      jjV 


14)  A.  von  D  ruf  fei,  Briefe  und  Akten  I,  67. 

iR)  Wien,  Reiclistassakten  21  I.  Reichstag  von  Augsburg  1547 
bis   1548.     I.  Vorgäugiges. 

Iß)  Dresden,  "Loc.  10186,  Propositiou  zu  Augsburg  am  1.  Sej)- 
tember  1547. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  199 

Von  seinem  protestantischen  Standpunkte  aus  gab 
Kurfürst  Moritz  '')  zu,  dals  der  religiöse  Zwiespalt  durch 
ein  allgemeines  freies  christliches  Konzil  oder  durch  eine 
Nationalversammlung,  so  wie  es  die  Stände  der  augs- 
hurgischen  Konfession  immer  gewünscht  hätten,  beigelegt 
werden  müsse.  Die  Fortsetzung  des  Trientiner  Konzils 
aber  erschien  ihm  höchst  bedenklich,  weil  es  der  Papst, 
der  doch  einem  Konzile  unterworfen  sei,  berufen  und  als 
Präsident  geleitet  habe,  und  weil  man  dort  ohne  Beisein 
und  Mitwirkung  der  evangelischen  Stände  bereits  über 
etliche  Hauptartikel  der  christlichen  Lehre  Beschlufs  ge- 
falst  habe.  Seiner  Auffassung  entsprach  es,  dafs  der 
Kaiser  als  Advokat  der  christlichen  Kirche  ein  allge- 
meines freies  und  christliches  Konzil  mit  Bewilligung  der 
gesamten  abendländischen  Christenheit  in  deutscher  Nation 
abhalte  oder  eine  Nationalversammlung  berufe  und  die 
Stände  der  augsburgischen  Konfession  wie  alle  anderen 
einlade  und  sicher  geleite,  damit  sie  Gehör  finden  und 
Rede  stehen,  auch  mit  beratschlagen  und  mit  beschlielsen 
könnten.  Die  Beschlüsse  des  Trientiner  Konziles  sollten 
für  ungiltig  erklärt,  alle  streitigen  Punkte  von  neuem 
gottselig  und  christlich  gemäfs  der  heiligen  Schrift  ver- 
handelt, alle  Irrlehren  und  Mifsbräuche  abgeschafft  und 
eine  allgemeine  Reformation  an  Haupt  und  Gliedern  voll- 
zogen werden.  Der  Papst  dürfe  weder  Richter  noch 
Präsident  des  neuen  Konziles  sein.  Auf  eüie  solche  all- 
gemeine oder  nationale  Kirchenversanmilung  wollte  der 
Kurfürst  unbedenklich  gelehrte  und  friedliebende  Männer 
schicken.  Mittlerweile  sollten  gottesfürchtige  Schrift- 
gelehrte von  beiden  Teilen  in  gleicher  Anzahl  zusammen- 
kommen und  durch  friedliche  Religionsgespräche  dem 
Konzile  oder  der  Nationalversammlung  vorarbeiten ;  oder 
der  Kaiser  sollte  drei  weltliche  und  drei  geistliche  Fürsten 
mit  geeigneten  Theologen  zur  christlichen  Vergieichung 
der  Streitpunkte  zusammenberufen. 

Karl  V.  hielt  aber  an  der  Fortsetzung  des  Trientiner 
Konziles  fest;  doch  war  er  gewillt,  die  Stände  der  augs- 
burgischen Konfession  sicher  zu  geleiten,  damit  sie  zur 
Verhandlung  gezogen  würden.  Alles  sollte  gottselig  und 
christlich  nach  der  göttlichen  und  der  alten  Väter  Schrift 


")  Anm.  16  Bl.  72;  Loc.  91 II  Chnrfür.stl.  .sächs.  TTaiKllnnq:  etc. 
1547  Bi.  44,  51,  53  flg. 


200  S.  Ifsleib: 

lind  Lehre  vorgenommen  und  eine  christliche  und  nütz- 
liche Reformation  der  Geistlichen  und  Weltlichen  durch- 
gesetzt werden.  In  der  kaiserlichen  Audienz  am  18.  Ok- 
tober erinnerte  der  Kurfürst  den  Kaiser  vertraulich  an 
die  Versprechungen  und  Zusicherungen,  die  er  ihm  und 
seinen  IJnterthanen  hinsichtlich  der  Religion  gegeben  habe 
und  bat  inständig,  von  ihm  nicht  mein-  zu  verlangen,  als 
was  er  mit  Gott  und  gutem  Gewissen  verantworten  könne 
und  im  kurfürstlichen  Rate  bereits  eingeräumt  habe; 
unmöglich  dürfe  er  die  Gewissen  der  Seinen  beschweren. 
Sofort  versicherte  der  Kaiser,  dafs  er  sich  in  allem  christ- 
lich verhalten  und  hinsichtlich  des  Trientiner  Konziles 
nicht  einmal  den  Papst  ansehen  wolle ;  Gottes  Ehre  allein 
solle  bedacht  werden.  Niemand  werde  Ursache  zur  Klage 
haben,  und  auch  der  Kurfürst  möge  ihm  vertrauen.  Dieser 
jedoch  erklärte,  dafs  er  nur  das,  was  der  heiligen  Schrift 
gemäfs  sei,  bewilligen  könne  und  nichts  anderes. 

Indessen  wurde  Moritz  neben  Brandenburg  und  Pfalz 
im  Kurfürstenkollegium  wie  die  übrigen  Protestanten  in 
den  beiden  anderen  Kollegien  von  den  Altgläubigen  mehr- 
fach überstimmt.  Bald  konnte  der  Kaiser  dem  Papst 
anzeigen  lassen,  dafs  die  Stände  des  Reiches  sich  dem 
Konzile  zu  Trient  unterworfen  hätten.  Anfangs  November 
reiste  der  Kardiualbischof  von  Trient  Christof  Madrucci 
nach  Rom,  um  im  Namen  des  Kaisers  und  Reiches  die 
Zurückverlegung  des  Konzils  von  Bologna  nach  Trient 
zu  fordern. 

Der  Gedanke,  dafs  die  Wiederaufnahme  der  Konzil- 
geschäfte sich  lange  verzögern  und  die  Entscheidung  in 
Religionssachen  erst  nach  Jahren  erfolgen  könne,  veran- 
lagte den  Kaiser,  darauf  bedacht  zu  sein,  den  kirchlichen 
Verhältnissen  in  Deutschland  einstweilen  (interim)  „Mafs 
zu  geben". 

Die  ersten  Andeutungen  zu  diesem  Interim  enthielt 
bereits  die  Reichstagsvorlage ;  aber  erst  im  November 
trat  das  kaiserliche  Vorhaben  mehr  in  den  Vordergrund. 
Wie  andere  Reichsfürsten,  so  hielt  es  auch  Kurfüi'st 
Moritz  für  christlich  und  gut,  Mittel  und  Wege  zu  finden, 
welche  dem  religiösen  Zwiespalte  im  Reiche  Einhalt  thim 
möchten;  er  wollte  aber  unter  keinen  Umständen  dem 
Kaiser  die  Sache  vor  irgend  welcher  offenen  und  näheren 
Erklärung  anheimgeben.  Mit  rechtem  Nachdrucke  sprach 
er  aus,  dals  man  nicht  aus  den  Grenzen  des  Reichsab- 
schiedes von  Speier  1544   schreiten   dürfe,   wo   die  Be- 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  201 

Avilligimg  eines  allgemeinen,  freien  und  christlichen  Kon- 
ziles  als  der  beste  und  äulserste  Weg  zur  religiösen  Ver- 
ständigung angesehen  worden  sei.  Allein  die  Mehrheit 
des  Kurfürstenkollegiums  entschied  sich  ohne  weiteres 
dafür,  den  Kaiser  um  seine  Erklärung  anzugehen,  wie 
er  dem  religiösen  Zwiespalte  im  Reiche  abzuhelfen  ge- 
denke. Etliche  Male  entwickelte  der  Kurfürst  seine 
Ansicht  dahin,  dafs  jede  Änderung  in  der  Religion  vor 
der  Entscheidung  eines  allgemeinen,  freien  und  christlichen 
Konziles  oder  einer  Nationalversammlung  Unruhe,  Auf- 
stand und  Empörung  in  Deutschland  hervorrufen  und  be- 
sonders den  gemeinen  Mann  in  der  Meinung  bestärken 
werde,  dafs  der  Kaiser  den  letzten  Krieg  gegen  den 
evangelischen  Glauben  geführt  habe.  Auch  gab  er  den 
guten  Rat,  man  möge  sich  mit  den  Zusicherungen  be- 
gnügen, dafs  die  Stände  der  augsburgischen  Konfession 
auf  alle  Neuerungen  vor  der  Hand  verzichten,  keine 
Wiedertäufer  und  lästigen  Sekten  dulden,  keine  Bücher 
religiösen  Inhaltes  ohne  Bewilligung  der  Landesfürsten 
oder  ohne  Prüfung  durch  gelehrte  Geistliche  veröffent- 
lichen, keine  Scheltworte  auf  den  Kanzeln  und  keine 
unnötigen  Disputationen  zulassen,  keine  Kloster-  oder 
Stiftsgüter  angreifen  sollten  etc.  Indessen  der  Kurfürst 
blieb  mit  seinen  Gesinnungsgenossen  in  der  Minderheit. 
Die  Mehrheit  der  Eeichsstände,  vor  allem  das  Fürsten- 
kollegium, überliefe  es  dem  Kaiser,  einstweilen  religiöse 
Ordnung  im  Reiche  zu  treffen. 

Im  Zusammenhang  damit  stand  die  Frage  über  die 
geistlichen  Güter  und  über  die  bischöfliche  Jurisdiktion. 
Auch  da  wollte  Kurfürst  Moritz  Duldung  für  alle  be- 
stehenden Verhältnisse  bis  Ende  des  Konziles  oder  der 
Nationalversammlung ;  denn  der  Ertrag  von  den  Klöstern 
und  geistlichen  Gütern  werde  zur  Unterhaltung  der  Kirchen 
und  Schulen,  zu  Stipendien  und  anderen  milden  und  nütz- 
lichen Zwecken  verwendet.  In  dieser  Sache  wurde  er 
nicht  nur  vor  dem  Kaiser  ernstlich  vorstellig,  sondern  er 
beauftragte  auch  den  Kardinalbischof  von  Trient  vor 
seiner  Abreise  nach  Rom,  dafe  er  den  Papst  um  Nach- 
sicht und  Geduld,  um  Begnadigungen  und  Privilegien 
bitte,  damit  vorläufig  jedermann  unangefochten  bleibe'**). 


*'*)  Während  des  Reichstages  trat  Moritz  iiiclit  nur  iiiil  dem 
Kardinal  ('liristof  von  Trient,  sondern  ancli  inii  dem  Kardinal  Ottci 
von  Augsburg  in  ein  näheres  Verhältnis.    Den   Sühn  Karls  iil.  von 


202  S.  IMeib: 

Entschiedene  Verwahrung  legte  der  Kurfürst  vor 
Kaiser  und  Reich  gegen  die  Bischöfe  von  Meilsen  und 
Naumburg  ein,  als  sie  im  Fürstenrate  Sitz  und  Stimme 
beanspruchten ^'').  Klar  erwies  er,  dals  sie  seit  langer  Zeit 
nicht  mehr  für  freie  Reichsstände  gehalten,  sondern  in 
Reichssachen  durch  den  weltlichen  Schutzfürsten  ver- 
treten worden  seien. 

Bekannt  sind  weiter  die  Bestrebungen  des  Kaisers, 
einen  neuen  Bund,  ähnlich  dem  alten  schwäbischen,  zu 
begründen  und  möglichst  auszudehnen.  Alle  Reichsstände 
Avurden  aufgefordert  beizutreten.  Kurfürst  Moritz -'*)  wurde 
ganz  besonders  umworben  und  in  die  kaiserlichen  Pläne 
hineingezogen;  doch  war  er  entschlossen,  sich  nicht  all- 
zuweit einzulassen,  weil  er  die  sichtlich  angestrebte  Be- 
vorzugung der  geistlichen  Stände  und  die  Hinzuziehung 
der  burgundischen  Länder,  die  leicht  in  einen  Krieg  mit 
Frankreich  verwickeln  konnten,  für  bedenklich  und  ge- 
fährlich hielt.  Mutig  suchte  er  zu  verhüten,  dafs  der 
neue  Bund  die  landesfürstliche  Gewalt  oder  die  alte  Erb- 
einiguug  der  Häuser  Sachsen,  Brandenburg  und  Hessen 
oder  die  Vorzüge  des  sächsischen  Rechtes  und  viele  andere 
Privilegien  beeinträchtige.  In  anderen  Punkten,  Avelche 
den  Landfrieden,  das  Kammergericht,  die  Polizeiordnung '-^), 
die  Türkenhife  etc.  betrafen,  schlois  er  sich  im  ganzen 
den  allgemeinen  Kundgebungen  an.  Bei  der  Beratung 
über  die  „Reichsanschläge"  (Reichssteuer)  aber  forderte 
er  volle  Berücksichtigung  der  neuen  sächsischen  Landes- 
verhältnisse. 

Nachdrücklich  widersprach  er  auiserdem  einem  auf 
Anregung  des  Kaisers  von  mehrei-en  Reichsständen  ein- 
gebrachten Vorschlage  über  eine  allgemeine  und  bestän- 


Savoyen,  Eraaimel  Philibert,  unterstützte  er  beim  kaiserlichen  Hofe 
in  Angelegenheiten  seines  Hauses  und  verdiente  sich  den  Dank  des 
Vaters.  Loc.  8498,  Allerlei  Eürstenbriefe  etc.  Bl.  22;  v.  Langenu, 
Christof  von  Carlowitz  S.  165. 

>3)  Loc.  10186,  Propositiou  zu  Augsburg  1547—1548  Bl.  323, 
9141,  Chui'fürstlich-sächsische  Handlung  etc.  —  Der  Kurfürst  besorgte, 
dafs  sich  nach  dem  Beispiele  der  Bischöfe  etliche  Grafen  und  die  Ver- 
treter der  Äbtissin  von  Quedlinbiirg  auf  dem  Keichstage  einfinden 
würden. 

20)  Loc.  9141,  Churfürstlich  sächsische  Handlung  etc.  Bl.  36. 

^^)  Eingedenk  der  Laudtagsverhandlungen  stellte  Moritz  den 
Antrag,  dafs  uneheliche  Kinder  von  allen  Ritterlehen,  sowie  von  der 
Ehre  des  Schildes,  Helmes  und  Dienstes  ausgeschlossen  werden  sollten. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  203 

(lige  Reiclismünze  ■-■-).  Zwar  war  er  völlig  davon  über- 
zeugt, dafs  die  deutschen  Münzverliältnisse  kaum  trauriger 
sein  konnten  und  eine  zweckmälsige  Neuerung  höchst 
wünschenswert  erschien ;  der  Reforraentwurf  jedoch  war 
wenig  günstig,  und  die  Annahme  desselben  mulste  zweifel- 
los die  gute  sächsische  Münze,  sowie  den  gewinnreichen 
sächsischen  Bergbau,  den  blühenden  Handel  und  gewerb- 
lichen Verkehr  hochgradig  benachteiligen.  Überdies  durfte 
der  Kurfürst  zufolge  alter  herkömmlicher  Verpflichtungen 
ohne  Wissen  und  Willen  seiner  Landstände  keine  Münz- 
veränderung vornehmen.  Grund  genug  für  ihn,  um  nach 
Kräften  in  der  Opposition  gegen  die  erörterten  Münz- 
vorschläge zu  verharren  und  den  Reichsständen  seinerseits 
die  Annahme  des  sächsischen  Münzwesens  angelegent- 
lichst zu  empfehlen -••). 

Der  vorsichtigen  Natur  des  jugendlichen  Kurfürsten 
entsprach  es,  wenn  er  Ende  November  vom  Kaiser  einen 
mehrwöchentlichen  Urlaub  erbat,  um  in  der  Heimat  seine 
Räte  und  die  vornehmsten  Vertreter  seiner  Landstände 
über  die  wichtigsten  Punkte  der  kaiserlichen  Vorlage  um 
Rat  zu  fragen.  In  den  letzten  Dezembertagen -^)  Avaren 
seine  Vertrauten  um  ihn  in  Torgau  versammelt  und  er- 
klärten sich  einhellig  einverstanden  mit  seiner  bisherigen 
Haltung  auf  dem  Reichstage.  Freimütig  ermunterten  sie 
ihn,  auch  ferner  ohne  Wanken  den  Standpunkt  zu  be- 
haupten, den  er  in  der  religiösen  Frage  eingenommen 
habe.  Nur  ein  freies,  christliches  und  unparteiisches  Konzil 
in  deutscher  Nation  oder  eine  Nationalversammlung  sollte 
er  bewilligen-'*).  Da  die  Religion  Gottes  Ehre,  den  lieiligen 


22)  Loc.  1018fi,  Proposition  und  Roichstaii:  zn  Anasimrff  1547 
bis  1548  Bl.  29;  9141,  Churfürstlicli  sächsische  Handluni?  I.'i47  \\\.  -.W, 
28,  67  flg.  —  Am  27.  Oktober  berieten  die  erfahrensten  s<ächsischen 
Räte  in  Oschatz  über  das  Münzwesen.  Alles  lief  daranf  hinans: 
Gnte  Münze  lielebe  Handwerk,  Handel  und  Üergbau,  sclilrchte  >Münze 
schädige  den  Verkehr  und  alle  staatlichen  und  volkswirtschaftliclicn 
Verhältnisse ;  sie  l)eeinträchtigc  das  füi'stliche  Einkommen  und  treffe 
Kapital,  Zinsen  und  Renten. 

-")  Schlierslich  zeigte  die  Reichstagsiiiehrheit  Noiguntr  dafür, 
dafs  die  Keiclismüiizen  nach  säcjisischem  Korn  gcscliliigun  werden 
sollten.  König  Ferdinand  wollte  sich  mit  Kurfürst  Moritz,  dem  Krz- 
bischof  von  Salzburg  und  dem  (irnfen  von  Mansfeld  verbinden;  allein 
die  anderen  J^ergwerksherren  kämiiften  dagegen  an. 

-^)  Loc.  9141,  Churfürstlich  sätihsische  Handlung  etc.  1547  Bl.  14, 
Torgau,  27.  JJezember. 

-•'')  In  Folge  dessen  verlangte  der  Kurfürst  von  den  Witten- 
berger Theologen  ein  „Bedenken  des  Konzils  halben". 


204  S.  ITsleib: 

christliclien  Glauben  und  der  Seelen  Seligkeit  betreife, 
so  müsse  man  zuletzt  Gott  mehr  als  der  weltlichen  Obrig- 
keit gehorchen.  Unter  keinen  Umständen  sollte  er  eine 
kaiserliche  Ordnung  annehmen,  welche  „mittlerweile"  bis 
zur  Entscheidung  des  Konziles  oder  der  Nationalver- 
sammlung die  kirchlichen  Verhältnisse  regeln  wolle ;  denn 
im  sächsischen  Lande  werde  die  reine  Lehre  nach  der 
heiligen  Schrift  gelehrt  und  gepredigt,  und  der  Kaiser 
habe  sowohl  dem  Kurfürsten  als  auch  den  Landständen 
die  schriftliche  Zusage  gegeben,  dals  sie  bis  zum  Konzil 
bei  ihrer  christlichen  Religion  bleiben  sollten.  Ingleichen 
sei  jeder  Veränderung  in  Betreff  der  geistlichen  Güter 
und  Jurisdiktion  vorzubeugen.  Kein  kaiserliches  Bündnis 
sei  anzunehmen,  welches  die  alten  Erbeinigungen  und  die 
Verträge  mit  den  Nachbarfürsten  aulser  Kraft  setze 
und  viele  andere  schwierige  Verhältnisse  mit  sich  bringe. 
Mit  guten  Gründen  widerriet  man,  der  vorgeschlagenen 
Münzordnung  zuzustimmen  oder  dem  vom  König  Ferdinand 
und  dem  Erzbischof  von  Salzburg  angeregten  Münzverein 
beizutreten.  Als  vollständig  berechtigt  erkannte  man  den 
kurfürstlichen  Protest  gegen  die  Bischöfe  von  Naumburg 
und  Meilsen  wegen  des  Sitzes  im  Fürstenrat  an.  Hin- 
sichtlich der  „Reichsanschläge"  stimmte  man  der  kurfürst- 
lichen Forderung  um  billige  Berücksichtigung  der  neuen 
sächsischen  Landesverhältnisse  zu,  damit  die  Reichslasten 
gleichmälsig  verteilt  würden.  Offen  tauschte  man  die 
Meinungen  aus  über  den  mit  den  Ernestinern  begonnenen 
Liquidationshandel,  über  die  gegen  das  geächtete  Magde- 
burg einzuschlagenden  Maisnahmen  und  über  alle  übrigen 
Landesangelegenheiten.  Lisofern  der  Kurfürst  seine  wei- 
teren Schritte  nach  dem  Gutachten  seiner  Vertrauens- 
männer richtete,  hatten  die  Beratungen  in  Torgau  an- 
sehnliche Bedeutung. 

Als  Kurfürst  Moritz  abermals  genaue  Verfügungen 
über  die  Regierung  seines  Landes  am  21.  Januar  1548 
in  Torgau -'^)  getroffen  und  die  Theologen  angewiesen 
hatte,  sich  für  ein  Kolloquium  auf  dem  Reichstage  be- 
reit zu  halten,  reiste  er  wiederum  nach  iVugsburg. 
Dort  setzte  zunächst  der  Kaiser  nach  eingeholter  Zu- 
stimmung   der    Kurfürsten-')    die    feierliche    Belehnung 


^^)  Loc.  10041,  Kurfürst  Moritz  heimg-elassene  Instruktion  etc. 

2')  Loc.  9B07,  Wie  Kurfürst  Moritz  zu  Sachsen  mit  der  Kur 
belieben  etc.  1547  — 1.548.  Über  die  Belehnungsfeicrlicbkeit  selbst 
siehe  v.  Langenn,  Moritz,  Herzog  und  Kurfürst  von  Sachsen  I,  389. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  205 

Moritzens  zur  Verlierrlichnng  seines  (des  Kaisers)  Ge- 
burtstages auf  den  24.  Februar  an.  Öffentlich  unter 
freiem  Himmel  wurde  der  wichtige  Akt  in  aller  Förmlich- 
keit würdig  und  prunkvoll  vollzogen.  Vorher  vereinbarte 
man,  dafs  das  Burggrafentum  Magdeburg  und  das  Grafen- 
geding zu  Halle  in  herkömmlicher  Weise  an  Moritz  ver- 
gabt werden  solle  unter  der  Bedingung,  dafs  er  ernst- 
lichen Fleils  auf  die  Vollziehung  der  gegen  Magdeburg 
ausgesprochenen  Acht  verwende.  Sein  Bruder,  Herzog 
August,  sollte  hinsichtlich  der  Anwartschaft  auf  die  Kur- 
würde und  auf  alle  anderen  damit  verbundenen  Reichs- 
lehen und  Regalien  den  Söhnen  und  dem  Bruder  Johann 
Friedrichs  vorgezogen  werden ;  doch  hatte  er  Verzicht  auf 
die  weltliche  Verwaltung  des  Bistums  Merseburg  zu 
leisten.  Beiden  Brüdern  und  ihren  Nachkommen  gewährte 
der  Kaiser  das  Schutzrecht  über  die  Stifter  Meifsen, 
Merseburg  und  Naumburg ;  aber  sie  sollten  die  Bistümer 
als  Reichslehen  bei  ihren  Privilegien  lassen  und  die  Stifts- 
güter von  den  Bischöfen  zu  Lehen  nehmen-^).  Eine  Ent- 
scheidung über  die  Rechte  der  Ernestiner  auf  die  sächsische 
Gesamtlehnschaft  behielt  er  sich  bis  auf  weiteres  vor; 
ihren  neuen  Lehnsbrief  sollten  Moritz  und  xA.ugust  vor 
der  Ausfertigung  einsehen  und  begutachten  dürfen.  Zuletzt 
wurde  Moritz  ersucht,  sich  in  Rücksicht  auf  die  ansehnliche 
Begabung  und  bevorstehende  Belehnung  der  ihm  einst 
verschriebenen  kaiserlichen  Jahrespension  zu  entäulsern^''). 
Im  Hauptlehnsbriefe  vom  24.  Februar  mit  dem  goldenen 
SiegeP*^)  bestätigte  der  Kaiser,  dais  er  Moritz  und  August 
mit  der  Kurwürde,  dem  Kurfürstentum,  dem  Erzmarschall- 
amte, dem  Herzogtum  Sachsen  und  den  anderen  Fürsten- 
tümern, Grafschaften  und  Herrschaften  im  Beisein  von 
fünf  Kurfürsten  und  vielen  geistlichen  und  weltlichen 
Fürsten  des  Reiches  „öffentlich  in  der  kaiserlichen  Ge- 
zierde  unter  den  Fahnen"  belehnt  habe^^).    Er  erkannte 


2**)  Bald  beschAverte  sich  liiscliof  Johann  von  Mcifscn  üher  die 
Einschränlanig"  seiner  Anitshandhuii;-  nnd  Lehnsfreihcit  etc.  Loc.  10186, 
Eeichstagshäudel  zu  Augsburg  1547  —  1548  Bl.  (iö. 

~^)  bas  Original  der  kaisei'liclien  Ycrschreibung  durfte  er  gegen 
Ausstellung  eines  Reverses  elirenhalber  belialten.  Siehe  Georg 
Voigt,  Moritz  von  Sachsen  1541  —  1547  S.  5(?. 

3")  Dresden,  Urkunde  11339,  Loc.  10186,  Reichstagshändel  zu 
Augsburg  1547  —  1548  El.  35,  46,  55. 

^^)  Moritz  forderte  nun,  .loliann  Friedrich  solle  zur  Herausgabe 
aller  Urkunden  über  die  sächsische  Kur,  insonderheit  der  goldenen 
Bulle  angehalten  werden. 


206  S.  IMeib: 

die  Erbansprüclie  beider  auf  alle  ernestinisclien  Be- 
sitzungen an;  behielt  sich  jedoch  die  Entscheidung  über 
die  Rechte  der  Vettern  auf  das  sächsische  Gesamtlehen 
ausdrücklich  vor. ..  Im  Mai  stimmten  die  fünf  Kurfürsten 
urkundlich  der  Übertragung  der  sächsischen  Kur  auf 
Moritz  und  seinen  Bruder  samt  der  Nachkommenschaft 
bei.  Der  Erzbischof  von  Mainz  jedoch  beanspruchte  einen 
Revers,  welcher  ihm  die  geistliche  Gerichtsbarkeit  und 
Obrigkeit  über  Erfurt  und  andere  thüringische  Orte 
sicherte.  Ein  kaiserliches  Dekret  vom  28,  Mai  verfügte, 
dals  die  Grafen  von  Schwarzburg  ihre  Lehen  beim  Kur- 
fürsten von  Sachsen  suchen  sollten,  und  ein  oifener  Brief 
von  demselben  Tage  gab  allen  Reichsständen  die  feierliche 
Belehnung  Herzogs  Moritz  mit  der  sächsischen  Kurwürde 
kund. 

Inzwischen  waren  die  Reichstagsverhandluugen  lang- 
sam vorwärts  geschritten,  und  die  Religionsfrage  hatte 
sich  aller  Gemüter  bemächtigt'*").  Die  kaiserliche  Sendung 
nach  Rom  war  milsglückt  und  hatte  einen  offenen  Bruch 
zwischen  den  beiden  höchsten  Gewalten  der  Christenheit 
veranlalst.  Um  so  eifriger  falste  der  Kaiser  das  nächste  Ziel 
ins  Auge,  den  religiösen  Zustand  des  Reiches  einstweilen 
so  zu  gestalten,  dafs  alle  deutschen  Stände  bis  zur  Ent- 
scheidung des  Religionsstreites  auf  dem  Konzile  „gottselig 
und  christlich  nebeneinander  leben"  könnten;  denn  ohne 
einige  Vergleichung  in  der  Religion  sei  kein  äulserlicher 
beständiger  Frieden  zu  machen.  Im  Januar  1548  baten 
ihn  die  Reichsstände,  Mittel  und  Wege  dazu  anzuzeigen ■^'^). 
Darauf  trat  er  mit  dem  Antrage  an  sie  heran,  eine  kleine 
Zahl  geschickter,  erfahrener  und  gottesfürchtiger  Personen 
zu  wählen,  die  vor  seiner  selbständigen  Entscheidung 
nochmals  mit  etlichen  der  Seinen  beraten  sollten.  Die 
geistlichen  Kurfürsten  und  die  altgläubigen  Fürsten  waren 
dafür,  dals  man  dem  Kaiser  alles  anheimstelle,  während 
die  protestantischen  Kurfürsten  und  Fürsten  sich  zur 
Wahl  geeigneter  Personen  bereit  erklärten.  Durch  die 
Mehrheit  aber  gedrängt,  änderten  sie  schliefslich  ihre 
Meinung  und  gaben  an,  es  sei  ihnen  auch  recht,  wenn  der 
Kaiser  die  Personen  selbst  wähle.  In  Folge  dessen  bildete 
Karl  V.    im  Februar   wii'klich   einen   Religionsausschuls 


^-)  Ranke  V,  25.    Vergl.  Georg  Beutel,  Über  den  Ursprung 

des  Augsburger  Interims  (Dissertation  1888). 

3^)  Loc.^101 86,  Propositiou  zu  Augsburg  1547—1548  Bl.  283, 287  flg. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  207 

aus  Männern  beider  Parteien;  allein  der  Versuch,  sich 
zu  verständigen,  milslang.  Auf  Rat  sehies  Bruders 
Ferdinand  wählte  nun  der  Kaiser  drei  Männer,  Julius 
Pflug,  Bischof  von  Naumburg,  Michael  Heiding,  W'^eih- 
bischof  von  Mainz,  und  Johannes  Agricola,  Hofprediger 
Joachims  II.  von  Brandenburg,  welche  seinen  kirchen- 
politischen Plan  verwirklichen  und  den  gangbaren  Mittel- 
weg zwischen  Katholiken  und  Protestanten  ohne  Schädi- 
gung der  Hierarchie  auffinden  sollten. 

Julius  Pflug,  welcher  dem  Kaiser  nach  dem  schmal- 
kaldischen  Krieg  eine  politisch  -  kirchliche  Denkschrift 
überreicht  hatte,  zeichnete  die  Grundzüge  des  Entwurfes 
auf  und  suchte  als  altgläubiger  Bischof  in  evangelischen 
Landen  die  Interessen  beider  Religionsparteien  mafsvoll 
abzuwägen.  Seine  beiden  Helfershelfer  bemühten  sich, 
ihn  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  hin  zu  unterstützen. 

Bei  allen  früheren  ausgleichenden  Versuchen  Avar  es 
den  Protestanten  immer  darauf  angekommen,  ihre  Auf- 
fassung von  der  Rechtfertigung,  vom  Abendmahl,  von  der 
Priesterehe  und  von  einigen  anderen  Punkten  zu  behaupten. 
Dem  mufste  auch  jetzt  Rechnung  getragen  werden.  Da- 
her verwiesen  die  drei  kaiserlichen  Bevollmächtigten  ohne 
weiteres  die  Priesterehe  und  das  Abendmahl  unter  beider- 
lei Gestalt  auf  das  Konzil.  Die  Lehre  aber  vom 
Sündenfall,  von  der  Rechtfertigung,  von  der  Kirche,  von 
den  Sakramenten  und  von  den  Ceremonien  zogen  sie  in 
den  Bereich  ihrer  Arbeit.  Obgleich  sie  in  allen  Punkten 
die  protestantische  Anschauung  berücksichtigten,  so  zeigte 
doch  schlielslich  der  Entwurf  so  ziemlich  die  alte  Kirche 
mit  ihrem  Glauben  und  Gottesdienst.  Die  Durchsicht 
und  Prüfung  vollzogen  der  kaiserliche  Beichtvater  Soto, 
der  Spanier  Malvenda  und  der  Hofprediger  König 
Ferdinands  =^^).  Alsdann  legte  der  Kaiser  den  Entwurf 
Mitte  März  den  protestantischen  Kurfürsten  i  m  G  e  h  e  i  m  e  n 
zur  Durchsicht  und  zur  Annahme  vor. 

In  der  festen  Überzeugung,  dals  das  Interim 
für  alle  Reichs  st  an  de  Geltung  haben  sollte,  nahmen 
die  Kurfürsten  von  der  Pfalz  und  Brandenburg  den 
„einstweiligen  Ratschlag"  an ;  Kurfürst  Moritz  aber  ver- 
hielt sich  ablehnend.    Eingedenk  der  letzten  Beratungen 


■■''•)  Das  Buch  war  ähnlich  der  Sclnifl,    welche  der  Kaiser   auf 


dem  Reichstag-  zu  Augsburg  1541  vorlegen  liels. 


208  S.  Ifsleib: 

mit  seinen  Vertrauten  in  Torgau  wies  er  die  vorgelegte 
Einigungsformel  zurück  und  wollte  sich  auf  nichts  ein- 
lassen. Da  luden  ihn  die  beiden  genannten  Kurfürsten 
auf  Befehl  des  Kaisers  und  Königs  zu  sich  ein  und  nötigten 
ihn  im  Beisein  etlicher  Räte  zu  einer  vertraulichen  Aus- 
sprache. Man  hat  dann  mehrere  Tage  ernstlich  ver- 
handelt"'^}. Moritz  zeigte  an,  dals  die  ßeligionssache  nicht 
mir  ihn,  sondern  auch  seine  Unterthanen  betreffe;  ohne 
Rat  seiner  Theologen  und  ohne  Zustimmung  seiner  Land- 
stände könne  er  nichts  bewilligen.  Vor  dem  Kriege  habe 
der  Kaiser  ihm  in  Regensburg  durch  König  Ferdinand 
mündlich  und  später  ihm  und  seinen  Landständen  schrift- 
lich zugesagt,  dals  er  sie  nicht  von  ihrer  Religion  ab- 
bringen wolle.  Li  Folge  dessen  habe  er  allen  seinen 
Unterthanen  versprochen,  sie  in  ihrem  christlichen  Glauben 
zu  schützen  bis  zur  Entscheidung  eines  allgemeinen  freien 
christlichen  Konziles.  Zwar  willigte  er  ein,  dals  der 
kaiserliche  Ratschlag  verlesen  werde,  um  Bedenken  da- 
gegen zu  erheben;  doch  sollte  alles  unverbindlich  sein, 
die  Beratung  mit  seinen  Landständen  behielt  er  sich  vor. 
Darauf  wurde  ein  Artikel  nach  dem  andern  besprochen. 
Als  er  zuletzt  auf  seiner  Meinung  bestand,  dafs  er  die 
Formel  nicht  annehmen  könne,  sagten  die  beiden  Kui'- 
fürsten:  er  müsse  sie  hier  in  Augsburg  bewilligen,  sonst 
verursache  er  grolse  Zerrüttung  im  Reiche;  denn  das 
Interim  solle  „durchaus  gehen"  und  von  allen  Ständen 
gehalten  werden.  Widersetze  er  sich  der  Annahme, 
so  werde  es  ihm  zu  Ungnaden  und  seinem  Lande  zum 
Nachteil  gereichen.  Ungern  wollten  sie  dem  Kaiser  von 
seiner  Weigerung  Anzeige  erstatten.  Alle  Einwendungen 
gegen  den  Entwurf  sollte  er  schriftlich  zusammenfassen 
und  vorlegen  lassen,  damit  man  sich  darüber  an  Ort  und 
Stelle  vergleichen  könne.  Dieses  Ansinnen  lehnte  Moritz 
ab,  weil  er  und  seine  Räte  der  Sachen  nicht  kundig  ge- 
nug seien;  doch  äulserte  er  unter  anderem,  dals  Messe 
und  Kanon  mit  der  im  „Vorschlage"  aufgestellten  Lehre 
von  der  Rechtfertigung  im  Widerspruch  stünden,  und  dafs 
den  Sakramenten,  der  Firmung  und  der  Ölung  zuviel 
Kraft  zugeschrieben   würde.     Was   er  und   seine  Land- 


3'"')  Loc.  lOlSß,  Reichstag-shändel  zu  Augsburg  1547—1548  Bl.  253 ; 
10297,  Interim  Augustanuin  1548  Bl.  (S,  78,  223.  Verhandhmgen  am 
17.,  19.,  20.  März,  dann  mit  dem  Kaiser  am  24.  März  Bl.  257.  Siehe 
Ranke,  Zeitalter  der  lieformation  VI,  276. 


Moritz  vou  Sachsen  1547—1548.  209 

stände  mit  Gott  und  gutem  Gewissen  tlmn  könnten,  das 
solle  geschehen,  vorausgesetzt,  dafs  das  Interim  von 
allen  Reichs  ständen  bewilligt,  angenommen  und  ge- 
halten werde.  Für  nötig  und  nützlich  hielt  er  ein 
Religionsge sprach,  zu  welchem  er  gottesfürchtige  und 
friedliche  Gelehrte  schicken  wollte ■^'');  die  beiden  Kurfürsten 
sollten  es  allen  Ernstes  beim  Kaiser  und  König  bean- 
tragen. 

Unmittelbar  darauf  stellte  Moritz  König  Ferdinand 
vor,  welche  grolse  Unruhen  in  Deutschland  und  auch  in 
Böhmen  entstehen  würden,  wenn  man  die  Unterthanen 
von  ihrem  Glauben  abbringen  wolle,  ohne  vorher  noch 
einmal  verständige  und  gelehrte  Theologen  von  beiden 
Parteien  gehört  zu  haben.  Allein  der  König  war  wenig 
zugänglich  und  liefs  bald  den  Kurfürsten  Melanchthons 
wegen  verwarnen  und  sagen:  der  Kaiser  sei  mit  dem- 
selben übel  zufrieden,  weil  er  gegen  ihn  geschrieben  habe. 
Und  da  er  noch  nicht  ausgesöhnt  sei,  so  wäre  zu  besorgen, 
dals  seine  Auslieferung  eines  Tages  befohlen  werde. 
Darum  erscheine  es  gut,  wenn  ihn  der  Kurfürst  hinweg- 
brächte. Moritz  nahm  jedoch  seinen  Wittenberger  Professor 
aufs  beste  in  Schutz  und  liels  dem  König  durch  Dr.  Fachs 
und  Christof  von  Carlowitz  versichern,  dafs  er  gerade 
durch  Melanchthon  seine  Kirchendiener  in  guter  Zucht 
und  Ordnung  zu  erhalten  und  eine  Reformation  zu  er- 
möglichen hoffe.  Überdies  sei  ihm  bestimmte  Nachricht 
überbracht  worden,  dals  der  Kaiser  nach  dem  Kriege 
vorgehabt  habe,  ihn  durch  ein  Stipendium  zu  gewinnen, 
um  ihn  über  die  strittigen  Artikel  der  Religion  zu  hören. 
Dadurch  sei  er  bewogen  worden,  dem  Gelehrten  in  seinem 
Lande  Geleit  und  Sicherheit  zu  gewähren.  Keineswegs 
habe  er  besorgt,  dals  es  nun  dahin  kommen  werde.  Der 
König  möge  Melanchthon  beim  Kaiser  entschiildigen  und 
ihn  auch  für  seine  Person  auiser  Verdacht  lassen. 

Trotz  dieser  Verwendung  gab  doch  der  Kurfürst 
Befehl,  dais  Dr.  Komerstadt  den  Wittenberger  Professor 
einige  Tage  den  Augen  der  Welt  entrücke"). 


'"')  Sofort  gab  erBefohl,  dieWittenlierger  Theologen  Mclanclitlion, 
Kreuzig-er  und  Meier  sollten  mit  Pt'eftinger  aus  Leipzig  nach  Zwickau 
eilen,  damit  sie  Augsburg  etwas  näher  seien,  falls  es  zum  lleligions- 
gespräch  komme,  oder  falls  er  ihres  Rates  schleunigst  bedürfe. 

"■'j  Ehe  die  Weisung  in  Wittenberg  anlangte,  war  Melanchthon 
mit  den  anderen  Theologen  a\if  der  Reise  nach  Zwickau.  In  liriefcn 
Komerstadfs  an  den  Kurfürsten  hiefs  Melanchtlmn  nur  der  „Mann". 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XIII.  3.  4.  14 


210  S.  Ksleib: 

Am  24,  März  wurde  Kurfürst  Moritz  zum  Kaiser 
befohlen  und  ihm  in  Gegenwart  des  Königs  und  der  Kur- 
fürsten von  Pfalz  und  Brandenburg  durch  den  Vize- 
kanzler Dr.  Seid  eröffnet,  dafs  seine  Weigerung,  das 
Interim  anzunehmen,  befremde.  Der  Kaiser  erinnere  sich 
wohl,  dafs  er  ihm  und  seinen  Unterthanen  zugesagt  habe, 
die  Eeligion  nicht  mit  Gewalt  oder  mit  dem  Schwerte 
zu  vertilgen,  sondern  auf  gebührlichem  Wege  zu  christ- 
licher Vergieichung  zu  bringen.  Dieses  Versprechen  schliefe 
aber  das  Interim  nicht  aus;  denn  zum  Teil  habe  sich 
seine  damalige  Zusage  auf  die  Reichsabschiede  bezogen, 
nach  denen  ein  freies,  ordentliches,  christliches  Konzil 
oder  eine  Nationalversammlung  oder  ein  Reichstag  christ- 
liche Wege  zur  Vergieichung  seien.  Nun  hätten  sich 
alle  Stände  auf  diesem  Reichstage  über  das  Interim  ver- 
glichen, weil  sich  das  Konzil  verzögern  werde.  Der  Kaiser 
handle  also  seiner  Zusage  gemäls  und  ersuche  den  Kur- 
fürsten, der  ihm  erzeigten  grofsen  Gnade  und  Beförderung 
eingedenk  zu  sein,  sich  mit  den  Reichsständen  zu  ver- 
ständigen und  keine  Irrung  im  Reiche  zu  veranlassen. 
Friedfertigkeit  werde  ihm  zu  Ruhm,  Ehre  und  allem 
Guten  gereichen. 

Kurfürst  Moritz  wiederholte,  was  er  vor  wenigen 
Tagen  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  und  Pfalz  an- 
gezeigt hatte  und  beteuerte,  dafs  er  ohne  Rat  seiner 
Gelehrten  und  ohne  Bewilligung  seiner  Landstände  keine 
Religionsveränderung  zugestehen  dürfe;  er  habe  seinen 
Unterthanen  zugesagt,  sie  in  ihrer  Religion  bis  zur  Ent- 
scheidung durch  ein  allgemeines  freies  christliches  Konzil 
zu  schützen.  Und  da  der  Kaiser  diese  Zusage  durch 
eine  gnädige  Zuschrift  bekräftigt  habe,  so  hätten  sie  sich 
im  letzten  Kriege  gegen  die  kaiserlichen  und  königlichen 
Feinde  gebrauchen  lassen.  Er  bat  um  Urlaub,  damit  er 
ehrenhalber  mit  seinen  Landständen  über  das  Interim 
beraten  könne.  Für  seine  Person  wollte  er  alles,  was  zu- 
lässig sei,  bewilligen ;  gleiche  Nachgiebigkeit  hollte  er  bei 
seinen  Unterthanen  voraussetzen  zu  dürfen,  da  sie  stets 
bereit  gewesen  seien,  dem  Kaiser  in  allem,  was  ohne  Ver- 
letzung der  Gewissen  möglich  sei,   Gehorsam  zu  leisten. 

Der  Kaiser  liels  wiederholen,  dafs  er  sich  seiner  Zu- 
sage und  seiner  Zuschrift  wohl  bewufst  sei;  weil  aber 
alle  Reichsstände  in  die  Vergieichung  durch  ein 
Interim  eingewilligt  hätten,  so  wäre  das  ein  christlicher 
Weg  gemäls   der  Reichsabscliiede.     Darum  wünsche  er, 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  211 

dafs  der  Kurfürst  die  übergebenen  Vorschläge  gutwillig 
annelime  und  keinen  Zwiespalt  verursache.  Was  alle 
Stände  gutheifsen  und  thun  würden,  könne  er  nicht  ver- 
Aveigern.  Die  Bedenken  wegen  seiner  Theologen  und 
Landstände  seien  zu  verwerfen;  im  Reiche  sei  es  also 
Herkommen,  dals  alle  Unterthanen  die  Beschlüsse  der 
Reichsstände  halten  müisten.  Es  verkleinere  sein  kur- 
fürstliches Ansehen,  wenn  er  die  Seinen  um  Rat  an- 
gehen wolle,  und  für  den  Kaiser  wie  für  die  Reichs- 
stände sei  es  unleidlich,  einen  solchen  Brauch  auf- 
kommen zu  lassen.  Es  scheine  nicht  geraten,  die 
Theologen  zu  fragen,  denn  sie  gerade  hätten  den  Kaiser 
aufs  Heftigste  angegriffen;  vor  allem  möchte  Philipp 
Melanchthon,  welcher  schon  Johann  Friedrich  in  seinem 
Ungehorsam  bestärkt  habe,  sich  unterstehen,  auch  ihn  zu 
verführen;  er  befehle,  denselben  zu  überantworten.  Der 
Kurfürst  solle  sich  auch  nicht  von  seinen  Räten  abhalten 
lassen,  in  das  Interim  einzuwilligen,  sonst  werde  der 
Kaiser  veranlafet,  gegen  diese  vorzugehen. 

Moritz  erklärte,  dafs  er  das,  was  die  Reichsstände  ein- 
hellig bewilligten,  nicht  ändern  könne.  Da  er  aber  die  be- 
wulste  Zusage  seinen  Unterthanen  mit  kaiserlicher  Zustim- 
mung gethan  habe,  so  liege  die  Sache  für  ihn  ganz 
anders  als  für  die  anderen  Kurfürsten  und  Fürsten, 
welche  an  kein  Versprechen  gebunden  seien.  Niemand  ver- 
führe ihn,  weder  seine  Theologen  noch  seine  Räte.  Er  denke 
allein  an  seine  Ehre ;  denn  was  er  zugesagt  habe,  das  sei 
er  schuldig  zu  halten.  Obgleich  er  für  seine  Person,  wie 
seine  anwesenden  Räte  keine  grolsen  Bedenken  gegen  die 
Interimsvorschläge  habe,  wenn  sie  von  allen  Reich s- 
ständen  einhellig  angenommen  würden,  so  wolle 
es  ihm  doch  nicht  gebühren,  ohne  Wissen  seiner  Land- 
stände zu  handeln.  Inständig  bat  er  um  Aufschub  der 
Saclie  und  um  gnädige  Berücksichtigung  seiner  Ehre. 
In  Ansehung  seines  bisherigen  Gehorsams  möge  ihn  der 
Kaiser  zu  keinem  Schritte  gegen  sein  Versprechen  zwingen ; 
denn  er  könne  sich  zu  nichts  verstehen,  wenn  er  nicht 
Treue  und  Glauben  verletzen  woUe. 

Indem  er  seine  Theologen  und  besonders  Melanchlhou 
in  Schutz  nalun,  sagte  er,  dals  in  seinem  Lande  keine 
Angriffe  gegen  den  Kaiser  geduldet  worden  seien.  Tief 
betrübe  ihn,  dals  gerade  Melanchtlion  so  sehr  angeklagt 
erschehie.  Der  Kaiser  möge  die  Anscbuldigungen  nach- 
sichtsvoll beurteilen  und  genaue  Erkundigungen   enizii^hcn 

14* 


212  S.  Ifsleib: 

lassen,  vor  allem  des  Buches  halber,  welches  Philipp  ge- 
schrieben haben  solle.  Vielleicht  finde  er  dann,  dals  man 
zu  viel  berichtet  habe^^^j.  Hätte  Johann  Friedrich 
auf  Melanchthon  gehört,  dann  würde  es  mit  ihm  nicht 
so  weit  gekommen  sein.  Mit  gutem  Gewissen  versicherte 
er,  dals  Philipp  ein  gottesfürchtiger,  friedliebender  und 
gelelirter  Mann  sei,  der  zu  Wittenberg  und  in  den  Nach- 
barländern gute  Zeremonien  erhalten  und  Zwiespalt  ver- 
hütet habe.  Durch  ihn  gerade  hoffe  er  eine  christliche 
Vergleichung  zu  ermöglichen.  Der  glaubwürdige  Bericht, 
dals  der  Kaiser  ihn  für  ein  Stipendium  ausersehen,  habe 
ihn  bewogen,  deu  Gelehrten  an  sich  zu  ziehen.  Uner- 
wartet erfahre  er  nun,  dafs  Melanchthon  dem  Kaisej-  so 
zuwider  sei.  Nach  der  königlichen  Warnung  vor  einigen 
Tagen  habe  er  ihm  anzeigen  lassen,  dals  es  schwer 
falle,  ihn  gegen  den  Kaiser  zu  schützen.  Ob  nun  Philipp 
sich  noch  in  seinem  Lande  aufhalte,  wisse  er  nicht.  Unter- 
thänigst  aber  ersuchte  er  den  Kaiser  um  Nachsicht  und 
Geduld. 

Als  darauf  der  Kurfürst  das  kaiserliche  Gemach  ver- 
liefs ,  folgte  König  Ferdinand  und  verkündigte ,  dals 
er  sich  beim  Kaiser  für  Melanchthon  verwendet  habe. 
In  Augsburg  solle  man  nun  seiner  nicht  mehr  gedenken, 
doch  möge  ihn  Moritz  in  seinem  Lande  dulden;  jedenfalls 
werde  er  sich  wohl  und  recht  halten.  Um  die  Hauptsache 
aber,  fuhr  der  König  fort,  komme  der  Kurfürst  nicht 
herum;  denn  was  alle  Stände  bewilligten,  das 
müsse  auch  er  annehmen. 

Nochmals  eriimerte  Moritz  an  die  Zusage  in  Regens- 
burg, dafs  er  selbst  dann  nicht  gefährdet  werden  solle, 
wenn  auf  dem  Konzile  ein,  zwei,  drei  oder  vier  Artikel 
nicht  verglichen  werden  könnten.  Endlich  einigte  man  sich 
daliin,  dals  der  Kurfürst,  wenn  alle  Reichs  stände  das 
Interim  zugestehen  würden,  im  Reichsrate  keine  Irrung  durch 
offenen  Widerspruch  veranlassen,sondern  seinerseits  erklären 
wolle,  dafs  er  zwar  in  dieser  Sache  seiner  Unterthanen 
nicht  mächtig  sei,  doch  hoffe  er,  sie  würden  wohl  ein- 
sehen, dals  er  den  Beschluls  aller  anderen  Fürsten  und 
Stände  nicht  abändern  könne.  Damit  war  der  König 
zufrieden,  und  der  Kaiser   schien   die   kurfürstliche  Er- 


^^)  Über  dieses  Buch  handelt  Gründlicher  und  wahrhafftiger  Be- 
richt aller  Ratschleg  uud  Antwort  etc.  Bl.  86. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  213 

kläriing  für  eine  vollkommene  Einwilligung  zu  hallen.  Der 
erbetene  Urlaub  zur  Heimreise  wurde  verweigert. 

Während  nun  Karl  V.  die  geistlichen  Kurfürsten 
sowie  die  angesehensten  geistlichen  und  weltlichen  Fürsten 
um  ihre  Zustimmung  zu  dem  Interimsvorschlag  anging''"), 
liefs  Kurfürst  Moritz  den  Entwurf  in  aller  Eile  abschreiben 
und  an  Dr.  Komerstadt  schicken  mit  der  Weisung,  dafs 
Melanchthon  und  die  andei'en  Theologen  ein  Gutachten 
darüber  abgeben  sollten. 

Am  30.  März^*^*)  traf  Dr.  Komerstadt  mit  Philipp 
Melanchthon  iii  Altzella  bei  Nossen  zusammen,  wo  der 
grofse  Gelehrte  den  kaiserlichen  „Ratschlag"  über  das 
Interim  durchlas  und  einige  Bedenken  dagegen  nieder- 
schrieb. Da  Komerstadt  das  Gutachten  „kurz  und  dunkel" 
fand,  so  dafs  sich  der  Kurfürst  und  seine  Räte  in 
Augsburg  nicht  leicht  darnach  richten  •  könnten ,  so 
schrieb  er  selbst  seine  Bedenken,  wie  er  meinte,  ver- 
ständlicher als  Melanchthon,  nieder  und  gab  sie  ihm  zu 
lesen.  Dieser  aber  sagte,  damit  werde  der  Sache  auch 
nicht  geholfen,  und  sclmeb  ein  zweites  Gutachten  klarer 
und  ausführlicher  als  das  erste.  Komerstadt  prüfte  das- 
selbe, fügte  einige  Bemerkungen  hinzu  und  schickte  alles 
zusammen  über  Zwickau^^)  nach  Augsburg.  Im  Begleit- 
schreiben führte  er  aus,  dafs  es  nötig  sei,  sowohl  die  an- 
gesehensten Theologen  als  auch  die  vornehmsten  Räte 
und  Vertreter  der  Landstände  schnell  zu  einer  Beratung 
über  den  wichtigen  Gegenstand  zusammenzufordern,  was 
dann  für  gut  angesehen  werde,  das  würden  alle  auch  den 
Landständen  gegenüber  mit  verantworten  helfen.  Dr. 
Philipp  müsse  auf  alle  Fälle  dabei  sein,  weil  die  Theologen 
ohne  ihn  nichts  thun  oder  zugestehen  würden.  Soviel  er 
erkenne,  sei  Melanchthon  der  Ansicht,  dals  man  in  allem 


3")  Am  26.  März  widersetzte  sich  Markg-raf  Hans  von  Küstrin 
der  Annahme  des  Interim  und  erinnerte  gleichfalls  an  die  kaiser- 
liche Zusage  vor  seiner  Dienstbestallung,  dafs  er  wie  ütoritz  bei  seiner 
Religion  bleiben  solle.  Endlich  wollte  er  sich  so  verhalten  wie  alle 
anderen  Stände  der  augsburgischen  Konfession. 

•^0)  Dresden,  Loc.  10297,  Interim  Augustanum  1548  Bl.  58  flg. 
Melanchthon  war  damals  mit  den  anderen  Theologen  auf  der 
Reise  nach  Zwickau.  In  Altcuburg  holte  ihn  ein  Eilliote  ein  und 
meldete  von  der  kaiserlichen  Uagnade.  Aufgefordert  zog  er  mit  ül)er 
Rochlitz  nach  Altzella,  während  die  übrigen  ihren  Weg  nach  Zwickau 
fortsetzten. 

»)  Siehe  Anm.  36  u.  40. 


214  S.  Ifsleib: 

nachgeben  solle,  was  man  mit  dem  guten  Willen  der 
Unterthanen  vergleiclieu  könne;  alles  übrige  möge  man 
einem  reclitscliaffenen  Konzile  anheimstellen.  Niemanden 
solle  man  zwingen,  sonst  würden  grolse  Unruhen,  Ge- 
fahren und  Verfolgungen  entstehen^-).  Melanchthon  er- 
biete sich,  zur  Einigkeit  zu  raten  und  mehr  nachzugeben 
als  irgend  ein  anderer,  damit  der  Friede  erhalten  bleibe. 
Viel  lieber  wolle  er  sterben  als  die  Ursache  zu  Zwiespalt, 
Aufruhr  und  Kampf  sein. 

Von  Altzella  fuhi-  Komerstadt  mit  Dr.  Philipp  nach 
Meifsen  und  liels  ihn  von  da  nach  Wittenberg  zurück- 
ziehen*'^). Der  Gelehrte  war  sehr  traurig  und  bekümmer- 
ten Gemütes.  Das  Buch  über  das  Interim  wollte  ihm 
gar  nicht  gefallen;  je  länger  er  darüber  nachdachte,  um 
so  trüber  sah  er  die  Sache  an.  Wenn  man  dagegen 
schreibe,  klagte  er,  werde  eine  grofse  Disputation  erregt, 
und  wenn  man  es  mit  Gewalt  einführe,  sei  das  grölste 
iJbel  zu  besorgen.  Komerstadt  wünschte,  dals  der  Kur- 
fürst einen  Trostbrief  an  Philipp  schreiben  lasse,  damit  er 
nicht  allzu  niedergeschlagen  bleibe. 

Sobald  Kurfürst  Moritz  den  Vorschlag  seines  treuen 
Rates  gebilligt  hatte,  berief  Komerstadt  die  Theologen, 
welche  in  Zwickau  weilten,  samt  Melanchthon  und  einige 
weltliche  Eatgeber  nach  Altzella.  Mit  Eeclit  meinte  er, 
die  Theologen  würden  weniger  furchtsam  und  bedenklich 
sein,  wenn  Männer  wie  der  alte  Georg  von  Carlowitz  und 
andere  bei  ihnen  wären.  Der  Kaiser  sollte  von  dieser 
Zusammenkunft  in  Kenntnis  gesetzt  werden,  weil  sie  doch 
nicht  ganz  geheim  bleibe ;  besser  sei  es,  man  wisse  davon, 
dann  habe  die  Sache  kein  böses  Ansehen,  und  man  ver- 
meide allerlei  Furcht  und  Argwohn. 

Von  Annaberg  aus  schrieb  Komerstadt  in  jenen  Tagen 
an  den  Kurfürsten:  er  habe  gesehen,  dafs  die  Bergleute 
die  Hände  emporgehoben  und  Gott  gebeten  hätten,  er 
Avolle  ihren  Landesherrn  bei  seinem  heiligen  Worte  er- 


*2)  Viele  Prediger  würden  in  die  See-  und  sächsisclien  Städte 
flüchten  und  „ein  mächtig  Geschrei  erheben,  man  sei  von  der  wahren 
üeligiou  abgefallen". 

■*^)  Unterdessen  war  die  Nachricht  vom  25.  März  aus  Augsliurg 
eingelaufen,  dafs  Moritz  zufolge  königlicher  Verwendung  den  Gelehrten 
in  seinem  Lande  dulden  dürfe.  Demnach  ist  Melanchthon  gar  nicht 
in  Sicherheit  gebracht  worden.  AVährend  der  ßeise  von  Wittenberg 
nach  Zwickau  wurde  er  in  Altenburg  aufgefordert,  zu  Komerstadt 
nach  Altzella  zu  kommen  etc. 


Moritz  von  Saelispii  1547—1548.  215 

halten  und  ihm  gnädig  beistehen.  Darum  sei  es  nötig, 
mit  Rat  und  Willen  der  Unterthanen,  besonders  der  Ge- 
lehrten und  Vornehmsten  der  Landstände  die  wichtige 
Sache  zu  verhandeln. 

Vom  19.  bis  24.  April  fanden  die  Beratungen  über 
die  kaiserlichen  Vorschläge  zum  Interim  in  Altzella  statt  ^*). 
Die  Theologen*'')  gaben  zu,  dals  viele  Ungleichheit  in 
den  Kirchen  der  evangelischen  Länder  herrsche  und  eine 
Einheit  wahrhaft  uotthue;  aber  sie  hielten  die  Interims- 
frage für  so  wichtig,  dafs  man  nichts  übereilen  dürfe  und 
alle  Stände  der  augsburgischen  Konfession  um  Rat  fragen 
müsse ;  es  handle  sich  um  Gottes  Ehre  und  um  das  Seelen- 
heil der  Menschen.  Ohne  Neigung  zu  Streit  und  Zank 
schritten  sie  an  ihre  Aufgabe;  je  tiefer  sie  jedoch  ein- 
drangen, um  so  mehr  überzeugten  sie  sich  davon,  dafs 
man  mit  grofser  Vorsicht  zu  Werke  gehen  müsse.  Das 
„augsburgische  Buch"  erschien  ihnen  nicht  leicht  ver- 
ständlich und  voll  verborgener  List.  Kaum  wollten  sie 
es  wagen,  dem  Kurfürsten  einen  Rat  zu  erteilen.  Man 
war  sich  dessen  wohl  bewufst,  dafs  an  seiner  Antwort 
vor  Kaiser  und  Reich  viel  gelegen  sei;  offen  sprachen  sie 
aus,  dafis  alle  Nationen  auf  ihn  sehen  würden  ^'^).  Trotz 
rühmlicher  Mäfsigung  zeigten  sie  doch  soviel  Mannesmut, 
dafs  sie  gleich  an  dem  Lehrstück  von  der  Rechtfertigung 
starken  Anstofs  nahmen.  Wer  möchte  es  ihnen  verargen, 
wenn  sie  erklärten :  es  sei  ein  listiger  Betrug ,  indem 
man  sage,  der  Glaube  sei  eine  Vorbereitung  zur  Gerechtig- 
keit, darnach  sei  der  Mensch  gerecht  durch  die  Liebe, 
durch  eigne  Tugenden  und  durch  gute  AVerke  etc.  In 
solcher  Fassung  verwarfen  sie  den  Lehrsatz  rundweg; 
denn  niemand  solle  und  düi^fe  das  Evangelium  vom  Glauben 
ändern,  wodurch  Christi  Verdienst  erniedrigt  werde. 
Duldsam  gegen  den  Artikel  über  die  Kirche  und  den 
Papst  wollte  man  selbst  den  Bischöfen  gehorchen,  weini 
sie  die  alten  Mifsbräuche  nicht  wieder  einführen  würden. 
Mafsvoll  erwies  man  sich  gegen  die  sieben  Sakramente,  gegen 
viele  Zeremonien  und  Feste ,  auch  gegen  die  Fasten  und 


")  Gleichzeitig  wurde  in  Freiberg  die  Münzfrage  erörtert. 

''•^)  Kaspar  Creuziger,  Georg  Meier,  Joliann  Pfefflnger,  Philipp 
Melanchthon. 

'"*)  Moritz  war  jetzt  Tjandcsherr  von  Wittenberg,  der  Heimat 
des  Protestantismus ;  deshalb  mufsteu  die  lilicke  der  gesamten  evan- 
gelischen Welt  auf  ihn  gerichtet  sein. 


216  S.  Ifsleib: 

gegen  andere  kirchliche  Ordnnngen.  Mit  aller  Entschieden- 
heit aber  bekämpfte  man  den  gesamten  Heiligendienst, 
die  Seelen-  und  Privatmesse  und  alle  öffentlichen  Miis- 
bräuche.  Nicht  mit  Unrecht  bemerkte  man,  dais  äufser- 
liche  Zeremonien  das  gemeine  Volk  heftiger  aufregten  als 
unsichtbare  Dinge;  selbst  gottesfürchtige  Leute  würden 
daran  schweren  Anstofs  nehmen  und  schlielslich  im  Herzen 
Widerwillen  gegen  die  Religion  überhaupt  empfinden. 
Es  drängte  sich  den  versammelten  Theologen  die  Über- 
zeugung auf,  dafs  der  Entwurf  zum  Interim  ein  „geflicktes 
Ding"  sei,  welches  Gutes  und  Böses  durcheinander  menge 
und  mit  Sophisterei  spiele,  gleich  als  handle  man  mit 
Kindern,  die  es  nicht  merken  könnten.  Um  die  Verant- 
wortung der  wichtigen  Angelegenheit  nicht  ganz  auf  sich 
zu  laden,  baten  sie  den  Kurfürsten,  er  solle  sich  mit  dem 
Kurfürsten  von  Brandenburg  in  Einvernehmen  setzen  und 
auch  den  Fürsten  Georg  von  Anhalt,  sowie  Dr.  Eisleben 
(Agricola),  Sturm   und  Bucer  um   ihre  Meinung  fragen. 

Die  weltlichen  Ratgeber  ersuchten  den  Landesherrn 
um  einen  Befehl  an  die  Theologen,  dais  sie  alle  Artikel, 
welche  der  göttlichen  Schrift  entgegen  seien  und  ge- 
ändert werden  mülsten,  zusammenstellen  sollten.  Dann 
möge  er  allen  Eleils  darauf  verwenden,  dafs  diese  unver- 
glichenen  Artikel  durch  Religionsgespräche,  oder  auf  einer 
Nationalversammlung,  oder  auf  einem  allgemeinen  Konzile 
erörtert,  oder  auch  von  den  Theologen  aller  Stände  der 
augsburgischen  Konfession  beraten  und  in  einer  einträch- 
tigen Schrift  dem  Kaiser  überreicht  würden  zu  dem  Zwecke, 
dafs  er  die  Vorschläge  zum  Interim  mildern  und  mäfsigen 
lasse. 

Wohl  von  Komerstadt  beeinflufst  schrieb  Melanchthon 
am  28.  April  jenen  bekannten,  offenbar  bedauernswerten 
Brief  an  Christof  von  Carlowitz,  in  welchem  er  seme  eigene 
Friedfertigkeit  Luthers  Streitlust  entgegenstellte  und  klein- 
mütig den  hohen  Standpunkt,  welchen  er  einst  neben  dem 
verstorbenen  Freunde  eingenommen  hatte,  aus  den  Augen 
verlor. 

Unterdessen  hatten  in  Augsburg  die  kurfürstlichen  Erz- 
bischöfe, die  Bischöfe  und  die  altgläubigen  Fürsten  dem 
Kaiser  erklärt,  dafs  die  Schrift  über  das  Interim,  abgesehen 
vom  Abendmahl  und  der  Priesterehe,  den  christlichen  Lehren 
im  ganzen  entspreche,  aber  es  sei  unnötig,  dieselben  den 
Reichsständen  insgesamt  vorzulegen;  sie  selbst  wollten 
bei  ihrem  Glauben  bleiben.  Der  Kaiser  sollte  die  Gewissen 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  217 

der  katholischen  Stände  nicht  besdnveren,  sonst  sei  Auf- 
ruhr, Empörung  und  Abfall  von  der  alten  Religion  zu 
befürchten,  und  man  bekenne  dann  stillschweigend,  dais  die 
Abtrünnigen  bis  dahin  unbillig  verfolgt  worden  seien.  Es 
sei  eine  edle  Aufgabe,  wenn  er  die  anderen  Stände  be- 
wegen könne,  von  ihren  Irrlehren,  auch  von  der  augs- 
burgischeu  Konfession  abzulassen  und  die  Schrift  ül3er 
das  Interim  anzunehmen  und  öffentlich  zu  bekennen.  Aus- 
drücklich sei  jedoch  zu  gebieten,  dals  kein  Altgläubiger 
irgend  welche  Veränderung  in  seiner  Religion  vornehmen 
solle.  Man  sprach  geradezu  dem  Kaiser  die  Befugnis 
ab,  einstweilige  Anordnung  für  die  Katkoliken  zu  treffen. 

Augenscheinlich  war  des  KaisersLage  höchst  schwierig ; 
denn  nach  allen  voraufgegangenen  Verhandlungen  konnte 
er  das  Interim  den  altgläubigen  Reichsständen  nicht  er- 
lassen, wenn  er  es  den  Protestanten  auferlegen  wollte. 
Schon  mehrfach  aber  hatte  er  fast  Unmögliches  ermög- 
licht ;  so  schlug  er  auch  damals  ein  ungewöhnliches  Ver- 
fahren ein. 

Am  15.  Mai  nachmittags  3  Uhr^')  versammelte  er 
die  Reichsstände  in  seiner  Behausung.  Sein  Neffe,  Erz- 
herzog Maximilian,  sprach  in  seinem  Namen  einige  ein- 
leitende Worte  über  das  Interim  und  begehrte  Gehör  und 
Gehorsam.  Darauf  wurde  die  Vorrede  des  Buches  als 
Vorlage  verlesen.  In  kurzen  Sätzen  erinnerte  sie  an  jene 
dem  Kaiser  dargebotene  Heimstellung,  in  religösen  Dingen 
einstweilen  Mals  zu  geben,  und  bot  einige,  doch  ziemlicli 
verhüllte  Aufklärung  über  die  Entstehung  der  Schrift. 
Dann  wurden  die  Altgläubigen  ermahnt,  an  den  Ordnungen 
und  Satzungen  der  allgemeinen  christlichen  Kirche  treu 
und  beständig  festzuhalten;  die  Protestanten  dagegen 
sollten  entweder  zum  alten  Glauben  zurückkehren  oder 
sich  dem  „Ratschlage"  gemäls  verhalten.  x411en  Ständen 
wurde  es  zur  Pflicht  gemacht,  um  des  Friedens  willen 
das  Interim  gutwillig  zu  dulden,  es  weder  anzufechten 
noch  dagegen  zu  schreiben,  zu  lehren  oder  zu  predigen, 
sondern  geduldig  und  gehorsam  die  Entscheidung  des 
allgemeinen  Konzils  zu  erwarten.  Ohne  Verlesung  wurde 
die  Annahme  des  Buches  unverweilt  verlangt.  Der  Kaiser 
und  der  König  bliel)en  auf  ihren  Stühlen  sitzen,  während 


Bl.  280  flg. 


")  Loc.    10186,    Keichstagshändel    zu   Augsburg    1547—1548 


218  S.  Ifsleib: 

alle  Stände  im  Saale  nach  Kollegenschaften  zusammen- 
traten. Vor  den  Augen  der  Majestäten  beriet  man  eine 
Stunde,  und  mancher  Widerspruch  wurde  laut.  Kurfürst 
Moritz  erklärte  seinen  Mitkurfürsten,  dals  er  nicht  in 
das  Interim  einwilligen  könne,  sondern  es  aus  Gründen, 
welche  der  Kaiser  kenne,  vorher  seinen  Landständen  vor- 
legen müsse.  Als  man  ihn  nach  längerer  Gegenrede  über- 
stimmte, unterliefs  er  zwar  die  öffentliche  Protestation, 
doch  beliielt  er  sich  besondere  Verwahrung  vor  dem 
Kaiser  vor.  Ganz  aufgebracht  war  er  darüber,  dals 
das  Interim  nur  für  die  Protestanten  und  nicht  auch 
für  die  Katholiken  Geltung  haben  sollte  ^^).  —  Da  kein 
Widerspruch  offen  durchdi^ang,  so  verkündigte  zuletzt  der 
Kurfürst  von  Mainz  als  Erzkanzler  beiden  Majestäten 
den  Gehorsam  des  Reiches  und  bat  um  Zulassung  der 
Abschrift  des  kaiserlichen  „Ratschlages".  Darauf  zeigte 
Erzherzog  Maximilian  an,  der  Kaiser  habe  die  Bewilligung 
der  Stände  in  Gnaden  angenommen  und  werde  ihrer 
Bitte  willfahren.  Am  folgenden  Tage  wurde  das  Interim 
in  den  drei  Reichsräten  verlesen  und  ohne  Beratung  und 
Umfrage  abgeschrieben. 

Obgleich  Moritz  zufolge  seiner  Erklärung  im  Kur- 
fürstenrate gleich  am  16.  Mai  eine  förmliche  Protestation 
gegen  das  Interim  aufsetzen  liefs  ^^ ),  so  konnte  er  das  Schrift- 
stück erst  am  18,  Mai  dem  Kaiser  in  der  gewährten 
Audienz  überreichen'^").  Mündlich  wie  schriftlich  gab  er 
seiner  Verwunderung  darüber  Ausdruck,  dals  das  Interim 
nur  den  Protestanten  auferlegt  werden  solle.  Ihm  erschien 
das  für  seine  Person  höchst  beschwerlich  und  in  Rück- 
sicht auf  seine  Unterthanen  ganz  unverantwortlich.  Dann 
werde  das  Interim,  meinte  er,  nicht  allenthalben  ein  ruhiges 
und  friedliches  Zusammen  wohnen  im  Reiche  begünstigen. 
Er  wollte  mit  seinen  Unterthanen  die  Schrift  erAvägen 
und  tlmn,  was  mit  gutem  Gewissen  geschehen  könne,  so 
dafs  der  Kaiser  befinden  werde,  man  sei  in  seinem  Lande 
zu  Frieden,  Ruhe  und  Einigkeit  geneigt. 

Bereit,    die   übergebene  Protestationsschrift   zu   er- 


■'*)  Die  Reformationsfonnel,  welche  der  Kaiser  nach  dem  Interim 
zur  Beratung  brachte,  Avar  für  die  katholische  Geistlichkeit  bestimmt. 

'1»)  Loc.  10297,  Interim  Augustanum  1348  Bl.  238,  241,  254  flg. ; 
10186  Reichstagshändel  etc.  Bl.  282  tig. 

^")  Am  16.  Mai  bewilligte  der  Kaiser  kein  Gehör,  am  17.  ritt 
er  sehr  früh  von  dannen  und  kam  erst  ganz  spät  zurück. 


Moritz  von  Sachsen  1547—1548.  219 

wägen  und  zu  beantworten,  spracli  der  Kaiser  sein  Be- 
fremden darüber  aus,  dafs  der  Kurfürst  mit  der  Absiebt 
urazugeben  scbeine,  sieb  von  den  anderen  Eeiclisständen 
zu  trennen. 

"Während  einer  längeren  Unterredung  mit  König 
Ferdinand  wurde  dann  Moritz  zu  der  Erklärung  genötigt, 
dafs  er  sieb  für  seine  Person,  wenn  er  nicbt  an  die  seinen 
Untertbanen  gegebene  Zusage  gebunden  sei,  jnit  dem 
Kaiser  wobl  zu  vergleicben  wissen  werde.  Diese  Äufserung 
Wulste  Karl  V.  ni  der  letzten  Audienz  am  24.  Mai  so 
zu  deuten,  als  verzicbte  Moritz  auf  seinen  erhobenen  Ein- 
spruch und  sei  für  seine  Person  mit  ihm  ganz  einver- 
standen'^^). Gleicbsam  zur  Beruhigung  des  Kurfürsten 
wurde  der  Nachweis  geführt,  dals  die  Schrift  über  das 
Interim  fast  durchweg  bis  auf  die  beiden  Artikel  über 
Abendmahl  und  Priesterehe  mit  der  Lehre  der  altgläubigen 
Eeichsstände  übereinstimme ;  daher  sei  es  unnötig  gewesen, 
sie  ihnen  aufzuerlegen.  Vor  allem  wisse  nun  jedermann, 
betonte  der  Kaiser  mit  Nachdruck,  dals  er  die  Religion 
nicht  mit  Gewalt  ausrotten  wolle,  sondern  eine  friedliche 
Vergleichung  mit  Wissen  und  Willen  aller  Reichsstände 
suche.  Er  werde  mit  Wohlgefallen  hören,  wenn  der  Kur- 
fürst seinen  Widerspruch  völlig  fallen  lasse  und  seine 
Untertbanen  zu  schuldigem  und  billigem  Gehorsam  anhalte. 
Trotzdem  Moritz  seine  Neigung  zum  Frieden  und  zum 
christlichen  Vergleiche  beteuerte,  so  behauptete  er  dennoch 
seinen  früheren  Standpunkt  und  blieb  dabei,  dals  er  ohne 
seine  Landstände  nichts  bewilligen  könne ;  doch  wollte  er 
nach  Möglichkeit  darauf  bedacht  sein,  dals  man  in  allem, 
was  vor  Gott  zu  verantwoilen  sei,  dem  Kaiser  willigen 
Gehorsam  leiste  und  jeden  neuen  Zwiespalt  verhüte. 
Darauf  sprach  der  Kaiser  nochmals  die  Erwartung  aus, 
dals  der  Kurfürst  mit  seinen  Untertbanen  dem  Beschlüsse 
des  Reichstages  willig  nachgehen  werde.  Zuletzt  legte 
er  ihm  die  Vollziehung  der  gegen  Magdeburg  ausge- 
sprochenen xVcht  dringend  ans  Herz  und  gewährte  den 
erbetenen  Uilaub  in  die  Heimat. 

Einige  kurfürstliche  Räte  blieben  zurück,  um  bis  zum 


'ö^ 


•'■'*)  In  diesem  Sinne  spracli  sich  der  Kaiser  dann  gegen  Maik- 
s>Taf  Hans  von  Brandcnbnrn-Kiistriii  und  andnrc  Fürsten  ans.  Dresden 
Loc.  10:^97,  Jnt.  donicst.  1.  Interim  und  Handlung-  zu  i\Ieifsen  etc. 
Bl.  361.  Markgraf  Hans  an  Kurfürst  Moritz,  Küstriu,  26.  .Juni 
1548  (Original). 


320  S-  Ifsleib:  Moritz  von  Sachsen  1547—1548. 

Schlüsse  des  Reichstages  auszuharren.  Die  Müuzordnuug 
Avurde  nicht  erledigt'^^),  und  die  neue  Bundesordnung 
mufete  vertagt  werden.  Dagegen  wurde  der  allgemeine 
Landfrieden  erneuert  und  die  Besetzung  des  Kammer- 
gerichts dem  Kaiser  völlig  anheimgestellt.  Eine  strenge 
Polizeiordnung  gal)  jeder  Obrigkeit  weitgreifende  Rechte 
gegen  Schmähschriften  und  billigte  eine  scharfe  Zensur 
gegen  Bücher  und  sonstige  Drucksachen.  Burgund  oder  die 
gesamten  Niederlande  erhielten  als  besonderer  Kreis  den 
Schutz  des  Reiches,  ohne  an  die  Ordnungen  und  Satzungen 
desselben  gebunden  zu  sein'^-^).  Die  Stände  bewilligten 
in  der  Hohe  eines  ganzen  Römerzuges  gemäls  der  Ab- 
schätzung von  1521  einen  „Reichs Vorrat"  oder  eine  Reichs- 
kriegskasse zur  Sicherung  des  Friedens  und  der  Ruhe  im 
Reiche.  Man  gewährte  aulserdem  eine  Unterstützung  von 
500  000  Gulden  zur  Deckung  der  Reichsgrenze  gegen  die 
Türken. 

So  setzte  der  Kaiser  auf  dem  „geharnischten  Reichs- 
tage" von  1547  —  1548  mehr  durch  als  auf  den  früheren 
und  rückte  der  Ausführung  seiner  grofsen  Pläne  bedeutend 
näher.  Für  die  evangelischen  Stände  aber  bildete  es  ein 
wahres  Verhängnis,  dals  das  Interim  durch  die  Aufnahme 
in  den  Reichsabschied  vom  30.  Juni  Reichsgesetz  wurde. 


^^)  Für  alle  Reichsstände,  welche  Münzregalien  besafsen,  wurde 
ein  Münztag  auf  den  2.  Februar  1549  zu  Speier  anberaumt. 

■'^)  Der  ßegent  hatte  Sitz  und  Stimme  im  Eeichsrate  wie  ein 
Erzherzog  von  Österreich. 


IX. 

Schweizer  Solcltnippeu  in  kursächsisclien 
Diensten  1656—1681. 

Von 
A.  von  Welck. 


Die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  kann  als  der  Zeit- 
punkt betrachtet  werden,  von  Avelchem  aus  die  Schweizer 
begannen,  gegen  Soldgewährung  in  ausländische  Kriegs- 
dienste zu  treten.  Dals  schon  vorher  und  zwar  bereits 
nach  den  glücklichen  und  ruhmvollen  Kämpfen  gegen 
Österreich  im  14.  Jahrhundert  kriegs-  und  beutelustige 
Schweizer  als  „Reisläufer"  unter  fremden  Fahnen  ihr 
Glück  suchten  und  dort  mit  Freuden  aufgenommen  wur- 
den, ist  bekannt;  aber  es  hatten  diese  Erscheinungen  mit 
dem  150  Jahre  später  beginnenden  Anwerben  eidgenössi- 
scher „Kriegsvülker"  auf  Grund  förmlicher  Verträge 
noch  nichts  zu  thun. 

Die  erste  Nation,  welche  sich  die  kriegerischen  Vor- 
züge der  Schweizer  zu  Nutze  zu  machen  verstand,  war 
die  französische.  Die  Schlacht  bei  St.  Jacob  am  2G.  August 
1444,  in  welcher  1900  Schweizer  gegen  das  30  bis 
40000  Mann  starke  französische  Söldnerheer  unter  dem 
Dauphin  kämpften  und  mit  ihrem  Blute  die  Rettung  des 
Vaterlandes  erkauften,  liels  Karl  Vll.  den  Wert  solcher 
Kriegertugend  wohl  erkennen,  und  nachdem  er  bereits 
durch  den  Frieden  von  Ensisheim  (8.  Oktober  1444)  in 
nähere  Beziehungen  zu  den  acht  Kaiiloiu'n  getreten  war, 
schlols  sein  Nachfolger,  Ludwig  XL,  im  Jahre  1474  einen 


222  A.  von  Welck: 

förmliclien  Bundesvertrag  mit  ihnen  ab,  der  den  Charakter 
eines  Offensiv-  und  Defensivbiindnisses  trug^). 

Der  König-  verpflichtete  sich  in  demselben ,  den 
Schweizern  in  allen  Kriegen  —  namentlich  gegen  den 
Herzog  Karl  von  Burgund  —  Hilfe  zu  leisten  und  ihnen 
jährlich  20000  Franken  auszahlen  zu  lassen,  Avohingegen 
die  Eidgenossen  sich  anheischig  machten,  dem  Könige  so 
viele  Mannschaften,  als  ihnen  möglich  sei,  zur  Verfügung 
zu  stellen,  falls  sie  nicht  selbst  in  einen  Krieg  verwickelt 
seien.  Jeder  Mann  sollte  einen  monatlichen  Sold  von 
4^/2  Rhein.  Gulden  erhalten.  Die  Zahl  dieser  Hilfstruppen 
wurde  vorläufig  auf  6000  Mann  festgestellt. 

Noch  in  demselben  Jahre,  1475,  kam  es  auf  Betreiben 
Ludwigs  XI.  —  um  der  wachsenden  Macht  des  Herzogs 
von  Burgund  ein  Gegengewicht  zu  schaffen  —  zu  einem 
Vertrage  zwischen  dem  Hause  Österreich  und  der  Schweiz, 
welcher  am  30.  März  zu  Konstanz  abgeschlossen  wurde 
und  die  Bezeichnung  der  „ewige  Friede"  erhielt.  Nach 
demselben  „soll  aller  Groll  abgethan,  Handel  und  Wandel 
freigegeben,  kein  Teil  den  Feinden  des  andern  Duichpals 
noch  Aufenthalt  gewähren,  und  in  Kriegsfällen  gegen- 
seitige Hilfe  geleistet  werden". 

Trotz  dieser  Verträge  lag  es  zwei  Jahre  später  den 
Eidgenossen  allein  ob,  die  mächtigen  Schaaren  des  Herzogs 
von  Burgund  zu  bekämpfen  und  dessen  Macht  in  den 
Schlachten  bei  Granson,  Murten  und  Nancy  zu  ver- 
nichten. 

Mit  diesen  Waffenthaten  war  aber  auch  der  Kriegs- 
ruhm  der  Schweizer  für  alle  Zeiten  festgegrüudet  und 
sie  bildeten  von  nun  an  einen  mächtigen  und  oft  Aus- 
schlag gebenden  Faktor  in  den  Heeren  der  kriegführenden 
Parteien. 

Von  den  Festsetzungen  des  oben  erwähnten  Vertrags 
zwischen  Frankreich  und  der  Schweiz  machte  Ludwig  XI. 
zum  ersten  Male  im  Jahre  1480  offiziellen  Gebrauch,  in- 
dem er  von  den  Eidgenossen  auf  den  Tagsatzungen  von 
Luzern  —  im  Februar  und  Juli  1480'-)  —  ein  Hilfskorps 
von  6000  Mann  verlangte  und  endlich  auch  zugestanden 


^)  Staats- Archiv  Bern:  Bundbucli  II,  45.  Abgedruckt  in  der 
amtlichen  Saiuralnng  der  älteren  Eidgenössischen  Abschiede  (=  E.  A.) 
Bd.  II  Beil.  53.  Eidgen.  Erklärung  d.  d.  26.  Oktober  1474;  KönigL 
Erklärung  d.  d.  2.  Januar  1475. 

-)  E.  A.  III»  No.  60.    Ebenda  No.  77  lit.  d. 


Schweizer  Soldtrnppen  1656—1681.  22B 

erhielt^).  Dasselbe  ging  unter  Hubert  von  Diesbach  von 
Bern  aus  ab  und  langte  im  Septembei'  im  Lager  von 
Pont  de  l'Arclie  in  der  Normandie  an.  Dort  hatte  der 
König  10000  Mann  Fufsvolk,  2500  Pioniere  und  1500 
Reiter  vereinigt  zu  dem  Zwecke,  dieselben  von  den 
Schweizern  in  den  bei  ihnen  gebräuchlichen  Waffenübungen 
und  taktischen  Evolutionen  ausbilden  zu  lassen. 

Nach  Beendigung  dieser  zur  vollen  Zufriedenheit 
des  Königs  verlaufenen  Instruktion'*)  wurden  die  Schweizer 
reich  beschenkt  wieder  entlassen;  nur  200  Mann  blieben 
zurück,  aus  welchen  eine  Leibgarde  für  den  Dauphin  ge- 
bildet wurde ;  aus  ihr  entwickelte  sich  nach  und  nach  die 
spätere  „Garde  des  Cent-Suisses". 

Wir  finden  hier  in  Frankreich  in  diesen  cent  hommes 
de  guerre  Suisses  (wie  sie  ursprünglich  hiefsen)  das  erste 
Beispiel  der  für  die  Schweizer  so  charakteristischen  Ver- 
wendung als  fürstliche  Haus-  und  Gardetruppe ;  ein  Bei- 
spiel, dem  bald  von  anderen  Höfen  gefolgt  ward.  Zuerst 
war  es  Papst  Julius  II.,  der  1505  eine  Schweizer  Leib- 
garde errichtete,  und  binnen  kurzem  folgten  die  übrigen 
italienischen  Fürsten  und  die  päpstlichen  Legaten.  Die 
Zahl  dieser  Garden  betrug  meist  50 — 100  Mann,  während 
sich  ihre  Kleidung  und  Bewaffnung  mehr  oder  weniger 
der  von  den  französischen  Cent-Gardes  adoptierten  alten 
Schweizer  Tracht  anschlofs.  Allerdings  wurde  dieselbe  in 
luxuriösester  Weise  hergestellt. 

Die  erste  Erwähnung  von  Schweizergarden  bei 
deutschen  Fürsten  finden  wir  in  dem  Begehren  des 
Pfalzgrafen  Otto  Heinrich  bei  Rhein,  der  im  Jahre  1577 
um  eine  Leibgarde  von  12  oder  14  Trabanten  bittet  •''). 
Es  scheint  aber,  dafs  dieses  bescheidene  Gesuch  abschläg- 


3)  E.  A.  IIP  No.  78  lit.  a— d  und  No.  79  lit.  b. 

*)  Wie  lange  diese  Instrnktion  gcwäiirt  hat,  liifst  sicli  nidit. 
genau  feststellen.  Nach  Jahns,  Hceresverfassnng  und  Vülker- 
leben,  Berlin  1885,  hätte  der  Aufenthalt  der  Schweizer  ein  Jahr 
gewährt;  wir  haben  diese  bestimmte  Angabe  nirgends  begründet  ge- 
funden. May,  Hist.  milit.  des  Suisses  II,  502  (Bern  1772),  spricht 
nur  von  einem  Monat.  Die  z.uverlässigste  Quelle  bietet  wohl  Fiefve, 
Hist.  des  troupes  etrangeres  au  service  de  France  (Paris  1854)  1,  48: 
„Quand  le  roi  eut  trouv6  la  le^on  süffisante,  il  paya  les  Suisses 
genereusement,  en  retint  un  cei'tain  nombre  pour  former  une  com- 
pagnie  de  sa  garde  qui  prit  quinzc  ans  idus  tard  Ic  nom  de  Cent 
Suisses,  et  congedia  le  reste." 

'■')  St.-A.  Basel  E.  S  G": 


224  A.  von  Welck: 

lieh  bescliieden  wurde,  während  sein  zweiter  Nachfolger, 
Johann  Casimir  (1576 — 92),  besseren  Erfolg  erzielte*^). 

Ziemlich  gleichzeitig  erscheint  auch  am  Hofe  des 
Herzogs  von  Lothringen  bereits  eine  Schweizergarde. 

100  Jahre  später  —  1696  —  entschlols  sich  Kur- 
fürst Friedrich  III.  von  Brandenburg  zur  Errichtung 
einer  derartigen  Haustruppe  und  beauftragte  den  Oberst 
und  General- Adjutanten  Imbert  Rolas  de  ßosey  mit  den 
bezüglichen  Unterhandlungen,  nachdem  er  von  Cleve  aus 
d.  d.  15.  August  das  schriftliche  Ersuchen  an  die  evange- 
lischen Kantone  gerichtet  hatte,  ihm  die  benötigten  Leute 
zur  Errichtung  einer  „distinguierten"  Leibgarde  zu  stellen, 
und  zwar  in  der  Stärke  von  104  Köpfen  inclusive  24 
Mann  prima  plana^).  Die  Bemühungen  des  Oberst  Eosey 
waren  erfolgreich  und  die  Kantone  erklärten  in  einem 
Schreiben  vom  1.  Dezember  ihre  Bereitwilligkeit. 

Zwei  Jahre  später  —  1698  —  wurde  diese  Garde 
noch  um  20  Mann  vermehrt,  jedoch  im  Jahre  1713  be- 
reits wieder  aufgelöst  und  abgedankt. 

Gehen  wir  nun  von  der  Errichtung  dieser  Branden- 
burgischen Schweizergarde  um  40  Jahre  zurück,  so 
finden  wir,  dals  auch  der  Kurfürst  von  Sachsen  die 
erforderlichen  Scluitte  that,  um  die  Anwerbung,  zunächst 
nur  emiger  weniger  „Personen",  kurze  Zeit  später  aber 
einer  vollständigen  Kompagnie  von  den  evangelischen 
Kantonen  als  Leibgarde  bewilligt  zu  erhalten. 

Es  handelte  sich  anfänglich  nur  um  20  Mann,  welche 
der  Trabanten-Leibgarde  einverleibt  Averden  sollten.  Diese 
zählte  nur  50  Köpfe  und  konnte  ihren  Dienstobliegen- 
heiten nicht  mehr  genügen,  da  ihr  die  Bewachung  des 
Innern  sämtlicher  königlicher  Schlösser  zufiel. 

Der  Kurfürst  Johann  Georg  I.  übertrug  im  Jahre 
1656  die  Einleitung  der  erforderlichen  Schritte  seinem 
Sohne,  dem  Kurprinzen,  der  seinerseits  wieder  den 
Kommandanten  der  Kompagnie  „Einspänniger"^),  Isaac 
de  Maguy**),  einen    gebornen  Schweizer,  im  Monat  Juli 

«)  E.  A.  IV  Abth.  III. 

''j  St.-A.  Basel  E.  8  Dl  Prima  plana:  der  Stab,  nach  heu- 
tigem Sprachgebrauch;  die  hierzu  gehörigen  Personen  waren  auf  der 
ersten  Seite  der  Musterrolle  verzeichnet. 

®)  „Einspännige",  „Einspänner",  auch  „Hoffahne"  (unter  diesem 
letzteren  Namen  schon  zu  Kurfürst  Moritz'  Zeit)  waren  Edelleute 
ohne  Ijerittene  Knechte. 

^)  Über  Isaac  de  Magny  ist  es  uns  nicht  gelungen,  genaue 
Personal -Nachrichten    zu   erlangen,    da   die   Familien- Archive   und 


Schweizer  Sokltnippeii  1650-1081.  225 

1656  beauftragte,  nacli  der  Schweiz  zu  reisen,  um  diese 
Anwerbung-  an  Ort  und  Stelle  zur  Auslührung  zu  bringen. 

Magny  begab  sich  zu  dem  Zwecke  nach  Basel  und 
überreichte  in  der  Ratssitzung  vom  23.  August  (2.  Sep- 
tember n.  St.)  ein  vom  16.  (26.)  Juli  datiertes  Schreiben  des 
Kurprinzen^*').  In  demselben  Avird  das  Ersuchen  aus- 
gesprochen, dem  Abgesandten  bei  der  Anwerbung  von 
„zwanzigk  Personen"  „alle  Gunst  und  befördersamen 
Willen  zu  erweisen"  und  ihm  freien  „Pass  und  repass" 
zu  erteilen. 

Dieses  Schreiben  wurde  in  der  gedachten  Rats- 
sitzung „abgelesen"  und  die  Ratsherren  Johann  Stähelin 
und  Benedict  Socin^^)  beauftragt,  sich  mit  Magny  ins 
Einvernehmen  zu  setzeu^"^).  Über  die  mit  demselben  ge- 
pflogenen Verhandlungen  berichteten  die  beiden  Ratsherren 
in  der  Sitzung  vom  27.  August  (6.  September),  worauf 
die  Werbung  bewilligt  wurde  ^■^). 

Man  darf  annehmen,  dafs  unmittelbar  nach  dieser 
Genehmigung  die  Anwerbung  effektuiert  und  die  Leute 
nach  Sachsen   geführt,   dort  aber  in  die  „Leibgarde  der 

sonstigen  Papiere  während  der  französischen  Revolution  verbrannt 
sind.  Über  die  Familie  giebt  das  Dictionaire  von  Grillet,  einige 
Auskunft.  Diesellie  heifst  eigentlich  de  Constantin.  Ein  Zweig 
derselben  nannte  sich  nach  dem  der  Familie  gehörigen  und  in 
Savoyen  gelegenen  Dorfe  Magny:  „de  Constantin  de  la  maison  de 
Magny"  und  später  kurz :  „de  Magny".  Diesen  Namen  führt  sie 
nocü  jetzt.  Die  —  unseres  Wissens  —  letzten  Nachkommen  der- 
selben bewohnen  jetzt  das  Schlofs  Chäteaufort,  Canton  de  Ruft'ieux 
in  Savoyen. 

^"j  St.-A.  Basel  Acta  St.  90  F.  No.  12.  Diese  Anwerbung 
vom  .Tu  1  i  1656  haben  wir  nirgends  erwähnt  gefunden.  Auch  Schuster 
und  Francke,  üeschichte  der  Sachs.  Armee  (Leipzig  1885)  I,  83 
bezeichnet  als  erste  Anwerbung  von  Schweizern  die  im  Oktober 
desselben  .Jahres  stattfindende  (s.  u.) 

^^)  Benedict  Socin,  geb.  1594,  gest.  1664.  Hervorragender 
Staatsmann  Basels,  der  im  .Jahre  1600  auch  zum  Olterstzunftmeister 
erwählt  wurde.  Siehe  Neue  Folge  der  Baslerischen  Beiträge  zur 
vaterländischen  Geschichte  (Basel  1889)  JIP,  33  ft'. 

^^)  Basler  Kaths-l^rotokoll  von  Samstag  den  23.  August  (2.  Sep- 
tember) 1656. 

'3)  Basler  llaths-Pi'otokoU  vom  27.  August  (0.  Septeml)or)  1056: 
Sächsischen  Chur-i'riuzl.  Leibguardi.  Beide  H.  Stchelin  und  Socin  haben 
Ihres  Berichtens  bey  dem  Sächsisch,  (iuardihaubtmann  von  Dresden 
relation  gethan  mit  vermelden  dafs  Fjr  mehrere  anzahl  zu  werben 
nicht  befehligt  seye,  als  20  Mann  darunder  ein  Trominelschlegm',  ein 
Pfeyffer  und  2  Corporate,  so  Er  damit  alliier  aufklinmmen  kliönno, 
begehre  Er  die  sonsten  oder  andei'u  ortheii  nicht  zuwcrlien.  (_ist 
Ihme  die  Werbung  diser  20  Mann  bewilligt,  uiul  sollen  beide  II. 
Deputirte  dem  Haubtraann  solches  anzeigen.) 

Neues  Archiv  f.  S.  (1.  u.  A.  XUI.  3.  -1.  15 


226  A.  von  Welck: 

Trabanten"  eingereiht  wurden,  welche  demnach  nun  — 
inklusive  der  prima  plana  —  70  Mann  zählte. 

Noch  in  demselben  Jahre  —  am  8.  (18.)  Oktober  — 
rief  der  Tod  den  Kurfürsten  nach  einer  langen  und 
sorgenschweren  Regierungszeit  ab,  und  sein  ältester  Sohn 
folgte  ihm  auf  dem  Throne  als  Johann  Georg  II. 

Trotz  der  Pietät,  welche  der  junge  Fürst  dem  An- 
denken und  den  Grundsätzen  seines  sehr  sparsamen  Vaters 
entgegen  zu  bringen  geneigt  war,  der  auch  in  seinem 
Testamente  seine  Söhne  ganz  besonders  zur  äulsersten 
Sparsamkeit  —  namentlich  im  Hofhalte  —  ermahnt 
hatte,  erschien  ihm  doch  die  Unzulänglichkeit  der  Haus- 
truppe —  auch  nach  der  Vermehrung  um  die  20  Schweizer 
—  so  unzweifelhaft,  dals  es  eine  seiner  ersten  Regierungs- 
handlungen war,  den  Oberstlieutenant  de  Magny  abermals 
nach  der  Schweiz  zu  entsenden  zum  Zwecke  der  An- 
werbung einer  gröfseren  Anzahl  eidgenössischer  Unter- 
thanen,  aus  denen  eine  eigene  Schweizer-Leibgarde 
gebildet  werden  sollte.  Um  mit  grölserer  Aussicht  auf 
Erfolg  vorgehen  zu  können,  sollte  sich  Magny  diesmal 
nicht  nur  an  Basel,  sondern  auch  an  die  Kantone  Bern 
und  Zürich  wenden.  Er  reiste  am  24.  Oktober  (3.  No- 
vember) von  Dresden  ab  und  erhielt  je  ein  kurfürstliches 
Handschreiben  an  die  genannten  drei  Kantone  einge- 
händigt^^), desgleichen  eine  „Kapitulation"^-),  nach  welcher 
er  „in  denen  zuhöchst  gedachten  Ihrer  Churf.  Dchlt. 
Leib-Compagnie  an  Schweitzern  gnädigst  begehrenden 
Völckern  tractiren  und  dieselben  so  fort  commandiren  soll". 

Wir  ersehen  aus  dieser  Kapitulation,  welche  Magny 
den  Kantonen  vorlegte,  dafs  1  Lieutenant,  1  Fähnrich, 
2  Wachtmeister,  3  Korporale,  2  Trommelschläger  und 
2  Pfeifer  anzuwerben  waren  und  die  Höhe  des  ihnen 
zugesagten  Soldes,  aber  sie  enthält  auffallender  Weise 
keine  Angabe  über  die  Zahl  der  anzuwerbenden  Mann- 
schaften. Vermutlich  wollte  der  Kurfürst  in  dieser  Be- 
ziehung dem  Magny  die  Hände  nicht  binden'"). 

Im  November  traf  Magny  in  Basel  ein  und  legte 
dem  Rate  das  Schreiben   des  Kurfürsten   vor,   welches 


")  St.-A.  Basel  St.  96.  F.  No.  U.  (Auch  St.-A.  Zürich  Acta 
Sachsen.) 

^^)  Ebenda.    Unten  Anlage  I. 

^^)  Über  die  spätere  Fassung  der  Kapitulation  und  ihre  in  den 
Anmerkungen  zu  Anlage  I  wiedergegebeuen  Abweichungen  s.  unten 
(Note  23).' 


Schweizer  SoMtruppen  IßöÖ— 1G81.  227 

in  der  Sitzung  vom  22.  November  (2.  Dezember)  „abge- 
lesen" wurde.  Das  Resultat  der  Beratung-  war,  dalis 
man  eine  Anwerbung  von  25  Mann  bewilligte,  zugleich 
aber  den  Wunsch  aussprach,  dals  „da  über  etlich  Jahre 
einer  oder  der  andere  seinen  Abschied  begehrte,  Ihme 
solch  nicht  zu  ferweigern  und  etwas  schrifftliches  in  die 
Hand  bringen  mögen" ''j. 

Wahrscheinlich  begab  sich  Magny  von  Basel  aus  zu- 
nächst nach  Bern,  ohne  dafs  sich  dies  konstatieren  lielse. 
Anfangs  Dezember  war  er  aber  in  Zürich  und  brachte 
dort  seine  Wünsche  vor,  welche  ebenfalls  Gewährung 
seitens  des  ßates  fanden.  Schon  in  diesem  Falle  zeigt 
es  sich  aber,  dals  Zürich  mit  ganz  besonderer  Vorsicht 
handelte  und  für  das  moralische  und  physische  Wohl 
seiner  Untert hauen  besorgt  war.  Die  Regierung  empfahl 
nämlich  zunächst  dem  Überstlieutenant  de  Magny  den 
Züricher  Bürger  Johann  Caspar  von  Escher  als  Lieutenant 
zu  der  neuen  Schweizergarde  zu  bestellen  und  sicherte 
so  den  Angeworbenen  die  Fürsorge  und  den  Schutz  eines 
einflulsreichen  Mitbürgers;  nächstdem  aber  übergab  sie 
dem  kurfürstlichen  Werber  zwei  Schreiben  für  seinen 
Souverän,  von  denen  das  eine^^)  die  gewöhnlichen  Höf- 
lichkeitsbezeugungen (auch  Kondolenz  anlälslich  des  Hin- 
scheidens  des  kurfürstlichen  Vaters),  das  zweite''*)  aber 
eine  warme  Empfehlung  für  Escher  und  für  seine  „mit- 
habende Manscbaft"  enthält.  Von  Escher  heilst  es: 
„Sonderlicli  aber  wirf  ermelter  Lütenant  Escher,  als  der 
by  uns  eines  alten  woladenlichen  geschlechts  und  her- 
kommens  auch  das  umb  unser  Freyes  Regiment  wolver- 
dient  nach  der  prattic  die  er  albercit  in  dem  Kriegs- 
wesen erlanget,  auch  syner  sonst  anwohnenden  fynen 
fugenden  und  (ßialiteten  sich  verhoftentlich  dergestalt  be- 
tragen, dals  üw.  Cuhrfrl.  Dcht.  von  selbsten  anlaas  und 
ursach  bekommen  werdent  nit  allein  an  ihnen  sich  gne- 
digst  zu  vernügen"  etc. 

Nicht  zufrieden  liiermit  entwarf  aber  der  Rat  zu 
Zürich  eine  „Ordonanz"  für  die  „Churfürstl.  Sächsischen 
Völckher",  nach  welcher  sie  sich  zu  richten  hatten-'*),  und 
erteilte    endlich    dem    Lieutenant    Escher    eine    spezielle 


")  Basler  Rats-Protokoll  vom  22.  Novcinl)er  l(i5(i. 

1»)  St.-A.  Zürich  Acta  Sadiscii,  d.  d.  10.  Dezember  KInö. 

19)  Ebenda. 

20;  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen.     Unten  Anlage  II. 

15* 


228  A.  vou  Welck: 

„Anleitung,  wessen  Er  b}-  syner  stell  nnder  Ihr  Cuhrfrl. 
Dclit.  in  Saxen  Leib-guardie  wol  zu  gewahren-^). 

Diese  beiden  Schriftstücke  sind  von  hohem  Interesse 
und  dürften  als  wertvolle  Beiträge  zur  Zeit-  und  Sitten- 
geschichte zu  betrachten  sein. 

Die  Werbung  ging  in  Zürich  sehr  schnell  von 
statten,  denn  die  verschiedenen  Schreiben  des  Rates 
Zürich  sind  bereits  vom  10.  (20.)  Dezember  datiert. 
Wie  viel  Mannschaften  dieser  Kanton  stellte,  ist  nicht 
ersichtlich;  in  dem  an  den  Kurfürsten  gerichteten 
Schreiben  ist  nur  gesagt,  man  habe  die  Werbung  „bis 
uff  anbegerte  Zahl"  bewilligt.  Noch  vor  Jalu^esschlufs 
trafen  die  Schweizer  in  Sachsen  ein,  was  daraus  hervor- 
geht, dals  ein  Etat  der  Schweizer-Leibgarde  von  Ende 
1656  existiert  und  zwar  nach  folgender  Stärke: 
1  Hauptmann  mit  monatlich  100  Tlialern 
1  Lieutenant  ,,  „  50        ,, 

1  Fähnrich  „  „  30        „ 

1  Wachtmeister      „  „  20        „ 

1  Yoifähnrich  „  „  15         „ 

3  Korporals  „  ,.         ä     15        ,, 

3  Trommelschläger  „         ,-      7        •, 

3  Pfeifer  ,,  „         „       7        „ 

6  Gefreite  „  ,,         ,,      7        ,, 

108  Schiltmänner        ,,  „         „       6        ,, 

128  Mann  992  Thaler. 

Es  werden  also  jetzt  exkl,  der  prima  plana  im  Ganzen 
etwa  88  Mann  angeworben  worden  sein,  denen  die  20 
bereits  in  Sachsen  befindlichen  nur  zugeteilt  wurden,  und 
der  Monat  Dezember  1656  ist  demnach  als  der  Zeitpunkt 
der  Errichtung  der  Schweizergarde  festzustellen,  die  mit 
kurzen  Unterbrechungen  mehr  als  150  Jahre  —  Avenn 
auch  in  späterer  Zeit  nicht  von  National-Schweizern  ge- 
bildet —  einen  Bestandteil  der  sächsischen  Armee  bildete. 

Vergleicht  man  den  obigen  Etat  mit  der  Kapitulation 
vom  24.  Oktober  (3.  November)  1656  (Anlage  I),  so  be- 
merkt man,  dals  die  ursprünglichen  ßesoldungssätze  eine 
ganz  wesentliche  Erhöhung  erfahren  hatten-'-).    Die  Kapi- 

-^)  Konzept  elienda.     Unten  Anlage  III. 

--)  Ein  Irrtum  möge  an  dieser  Stelle  berichtigt  werden:  in 
offiziellen  sächsischen  Quellen  und  danach  auch  in  Schuster  und 
Francke,  Geschichte  der  Sachs.  Armee,  findet  sich  die  Angabe, 
dafs  diese  im  Jahre  1(356  angeworbene  Kompagnie  Schweizergarde 
aus  Deutschen  bestanden,  aber  Schweizer  Tracht  getragen 
habe.  Dies  ist  falsch;  die  Werbungen  wurden  in  der  Schweiz  aus- 
geführt, deren  Bewohner  —  namentlich  der  nördlichen  Kantone  — 
aber  damals  auch  vielfach  Deutsche  genannt  wurden. 


Schweizer  Soldtiuppen  1656—1681.  229 

tulation  wurde  daher  einer  Uniarbeit iiiig  unterworfen;  in 
dieser  Form   ist  sie  uns  in  zwei  Abschriften  erhalten-'^). 

Wenn  wir  die  Errichtung  der  »Schweizergarde  auf  den 
Monat  Dezember  1656  feststellten,  so  muls  ausdrücklicli  be- 
tont werden,  dafs  die  Leibgarde  oder  „Ober-Guardia"  der 
Trabanten  in  ihrem  Bestände  dadurch  nicht  alteriert  wurde, 
sondern  neben  der  Schweizergarde  fortbestand.  Über 
diesen  Punkt  begegnet  man  mehrfach  irrtümlichen  An- 
gaben. So  heilst  es  in  der  „kurzen  Geschichte  der 
Sächsischen  Armee",  welche  den  zu  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  zuerst  in  Druck  erschienenen  Ranglisten 
vorgesetzt  ist,  bezüglich  der  Schweizergarde:  „Die  Zeit 
der  Errichtung  dieser  Garde  ist  nicht  zu  bestimmen.  Sie 
wurde  ehemals  Fufstrabanten  genannt,  den  1.  Januar 
1698  ganz  reduziert  und  1699  am  1.  November  wieder 
hergestellt.  Seit  1726  führt  dieses  Korps  den  Namen 
„Schweizer  Leibgarde"  u.  s.  w.  Und  bei  Schuster  und 
Francke-^)  ist  gesagt:  „Fulstrabanten,  1656  als  kurfürst- 
liche Haustruppe  errichtet.  Später  Leibgarde  zu  Fuss, 
Schweizergarde  und  Trabantengarde  genannt.  1698  auf- 
gelöst, 1699  wieder  errichtet  (120  Mann  stark),  1725 
Schweizer  Leibgarde  genannt". 

Wir  finden  also  in  beiden  Schriften  eine  Vermengung 
der  Trabanten  und  der  Schweizergarde,  die  thatsächlich 
nicht  bestand.  Während  die  letztere  erst  im  Jahre  1656 
formiert  Avurde,  ist  es  richtig,  dals  sich  die  Zeit  der  Er- 
richtung der  Trabantengarde  nicht  feststellen  lälst.  Jeden- 
falls ist  ihr  Ursprung  aber  in  das  frühe  Mittelalter  zurück- 
zuführen. Zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  werden  wieder- 
holt „Trabanten"  in  der  unmittelbaren  Umgebung  der 
sächsischen  Fürsten  erwähnt  und  eine  förmliche,  aus 
Trabanten  gebildete  „Leibwache"  finden  wir  zuerst  unter 
Herzog  Georg  dem  Bärtigen  (1500  —  1539)-''). 

Dafür,  dals  auch  nach  der  Errichtung  der  Schweizer- 
garde —  1656  —  die  Trabantengarde  noch  neben  ihr 
fortbestand,  sprechen  verschiedene  offizielle  Schriftstücke. 
So  fand  z.  B.  am  7.  (17.)  April  1657  die  Musterung  der 

2')  iJresducr  Hauptstaatsarcliiv  Loc.  1154.  Die  Errichtung 
zwey  Schweitzer  Heginieuter  1701  ff.  Bl.  77.  —  Loc.  1152.  Die  Leib- 
Garde-Trabanten  zu  Fufs  l)etr.  1612  ff.     Bl.  1 ''  '. 

")  A.  a.  0.  III,  Anhan(,r  16. 

2.5)  Vcro-l.  auch  Gretschcl,  Geschichte  des  sächsischen  Volks 
und  Staates  (Leipzig  IHVi)  I,  596.  —  G.  Voigt,  Moritz  von  Saclisi-n 
(Leipzig  1876)  S.  47.  —  K.A.  Müller,  Forschungen  auf  dorn  Gebiet 
der  neuereu  Geschichte  (Dresden  und  Leipzig  lS:jB)  II,  26  u.  a. 


230  A.  von  Welck: 

Leibgarde  der  Trabanten  unter  dem  Hauptmann  Sigismund 
von  Pflugk  statt,  und  das  königliche  Hauptstaatsarchiv  giebt 
zu  verschiedenen  Zeiten  ihren  genauen  Etat  an-'^).  Auch 
die  alten  Ranglisten  dokumentieren  den  Bestand  der 
Trabanten-Leibgarde  mit  ihren  besonderen  Hauptleuten  bis 
zum  Jahre  1725,  mit  einer  kurzen  Unterbrechung  vom 
Juli  1698  bis  November  1699,  und  erst  vom  Jahre  1725 
an  findet  die  Umwandlung  derselben  in  die  neu  formierte 
Schweizergarde  statt. 

Die  neu  angeworbene  Schweizergarde  wurde  nach 
Feststellung  ihres  Etats  (S.  228)  in  eine  Kompagnie  for- 
miert, zu  deren  „Hauptmann"  Oberstlieutenant  de  Magny, 
zu  deren  Lieutenant  aber  Johann  Caspar  Escher  aus 
Zürich  bestellt  wurde. 

Über  die  Uniformierung  und  BewaflFnung  dieser 
Schweizergarde,  welche,  wie  wir  sehen  werden,  nach 
wenigen  Jahren  um  eine  zweite  Kompagnie  vermehrt 
wurde,  liegen  aus  dieser  Zeitperiode  keine  offiziellen  Nach- 
richten vor.  May-')  sagt,  dals  Zusammensetzung,  Uniform 
und  Bewaffnung  der  kurfürstlich  sächsischen  Schweizer- 
garde genau  diesen  Verhältnissen  bei  der  1696  vom  Kur- 
fürsten von  Brandenburg  angeworbenen  Schweizergarde 
entsprochen  habe,  deren  Beschreibung  in  dem  genannten 
AVerke  voransteht  und  folgendermalsen  lautet-^): 

„Ell  1696  les  cantons  protestaiis  accorderpiit  ä  Frederic  III.  une 
garde  Suisse  de  125  homnies,  qui  eut  pour  premier  capitaiiie,  Imbert 
ßolaz,  seigiieur  du  Rosey,  de  Rolle,  cautoii  de  Benie.  Cette 
compaguie,  outre  le  capitaiue,  etait  composee  d"uii  lieutenaut,  d'un 
sous-lieiitenant,  d'un  enseigne,  d'nn  fourrier,  de  quatre  sergens,  de 
qnatre  caporaux,  d'un  secretaire,  d'un  Chirurgien,  de  quatre  trabans 
servant  au  logis  du  capitaine,  de  quatre  tambours,  d'un  fifre,  d'un 
prevöt  et  de  100  soldats  factiounaires.  Cette  troupe  avait  pour  uni- 
forme des  pompoints  et  des  hauts  de  cbausses  k  l'antique,  jauues  et 
bleu  de  ciel,  un  chapeau  en  barette  avec  des  plumes  de  la  couleur 
des  pourpoints,  une  fraise  et  des  souliers  ä  rosette,  de  la  couleur  des 
pourpoints.  Cette  garde  Suisse,  annee  d'une  hallebarde  et  d'une 
longue  epee  ä  garde  et  ä  poignee  de  cuivre  dore,  fut  reformee"  etc. 

Ebenso  wie  ein  Blick  auf  den  Etat  der  sächsischen 
Schweizergarde  (S.  228)  zeigt,  dafs  die  Stärkeverhältnisse 
nicht  genau  übereinstimmen,  ebenso  lälst  sich  konstatieren, 
dals  die  Unifoimierung  derselben  der  hier  für  die  Bran- 


2«)  H.-St.-A.  Loc.  431.  Bd.  5. 

-■')  May ,  Histoire  militaire  de  la  Suisse  (Lausanne  1788)  VII,  491. 

28)  Ebenda  457. 


Schweizer  Sokltruppen  1656—1681.  231 

deiiburgisclie  Garde  angegebeiieii  nicht  entsprach-").  Man 
findet  nämlich  im  Theatr.  Europ.  ein  paar  Angaben  über 
die  Uniformierung  der  sächsischen  Schweizergarde,  die  als 
zuverlässig  betrachtet  werden  dürfen'^").  Als  sich  der 
Kiufürst  im  Frühjahr  1G58  zur  Kaiserwahl  nach  Frank- 
furt a.  M.  begab,  begleiteten  ihn  nach  Sitte  der  Zeit  dahin 
auch  neben  dem  sonstigen  glänzenden  Gefolge  seine  Leib- 
garden; unmittelbar  vor  dem  Kurfürsten  ritten  „Hieronimus 
Sigmund  Pflug,  Trabantenhauptmann  und  Cammerjunker, 
und  Hr.  Isaac  de  Magu}',  Schweitzerhauptmann,  Cammer- 
junker und  Oberstlieutenant",  neben  ihm  aber  „zur  rechten 
Hand  12  Trabanten  in  gelb  und  schwarzer  Liberey  und 
gelbeuFedern  auf  den  Hüten,  und  zur  linken  zwölf  Schwei- 
zer m  gelben  Naccarafarben-^^)  und  schwarzer  Kleidung 
und  naccarafarben  Federn  auf  den  Hüten,  bevderseits  in 
6  Gliedern,  je  zween  und  zween  neben  einander".  Ob 
die  gesamte  Schweizergarde  mit  in  Frankfurt  war,  oder 
nur  diese  hier  genannten  12  Mann,  ist  nicht  zu  ersehen. 
—  Acht  Jahre  später  —  1666  —  als  Kurprinz  Johann 
Georg  mit  seiner  Gemahlin,  der  Prinzessin  Anna  Sophia 
von  Dänemark,  seineu  feierlichen  Einzug  in  Dresden  hielt, 
hatte  die  „Teutsche  Leibguardie"  in  rot  und  gelber 
Liberey  die  Eibbrücke  besetzt.  Auf  der  Schlolsgasse 
stand  die  Leib  -  Kompagnie  der  „rothen  Schweitzer" 
bis  an  das  Schlofsthor,  woselbst  die  „gelben  Leib- 
guarden  an  Schweitzern"  und  Trabanten  aufwarteten. 
Schlielslich  heilst  es:  „Und  weil  nunmehr  diese  gantze 
Zug-Ordnung  geendigt,  folgte  deroselben  allgemählich  die 
Teutsche  Leib-Guarde  z.  F.,  darauff  die  rothe  Schweitzer- 
Compagnie"  u.  s.  w."-). 

Man  darf  aus  diesen  Angaben  als  bestimmt  annehmen, 
dafs  die  erste,  1856  formierte  Kompagnie  (Hcllebardiere) 
als  Grundfarbe  gelb  trug,  während  die  zweite  im  Jahre 
1661  noch  angeworbene  i\Iusketier-Kom])agnic  (s.  u.) 
rote  Uniformen  erhielt.  Bestätigung  lindet  diese  An- 
nahme auch  in  dem  später  (S.  246)  erwähnten  Scln-eiben 
des  Oberwachtmeisters  Fäsch  aus  Dresden,  der  die  Helle- 
bardier-Kompagnie  als  die  „gelbe  Companey"  bezeichnet. 

-")  Auch  die  Unifdrmierunjf  der  l)riindenl)urgischen  Schweizer- 
gardo  war  anders  als  hier  angegcl)en.  Ihre  Gruiidfarheii  waren  blau 
und  rot. 

3")  Theatnim  Europaeum  VIII,  332  11. 

'")  Soll  wohl  hei fscn:  i;(dl)  und  naccara.    Naccara=  karminrot. 

'-)  Theatnnn  EuropaeMiii  X.  173. 


232  A.  von  Welck: 

Bezüglich  des  Schnittes  stimmten  die  Uniformen  dei 
Schweizergarden  aller  Nationen  mehr  oder  weniger  über- 
ein: geschlitztes  Wamms  und  Kniehose;  dazu  Barett, 
Krause,  Schuhe  und  Strümpfe,  und  an  Waffen:  Hellebarde 
und  langer  Degen.  — 

Johann  Caspar  Escher  scheint  der  ihm  durch  das 
Züricher  Schreiben  gewordenen  warmen  Empfehlung  Ehre 
gemacht  und  bald  die  Gunst  des  Kurfürsten  erworben  zu 
haben.  Es  gelang  ihm  hingegen  nicht,  sich  mit  seinem 
Vorgesetzten,  dem  Hauptmann  de  Magny,  auf  guten  Fuls 
zu  stellen.  Dies  mag  auch  der  Hauptgrund  gewesen  sein, 
weshalb  Escher  bereits  zu  Anfang  des  Jahres  1658  das 
Gesuch  an  den  Kurfürsten  richtete,  ihn  des  Dienstes  zu 
entlassen  oder  den  Hauptmann  de  Magny  von  der 
Schweizergarde  zu  versetzen.  Diesen  Wunsch  erfüllte 
zwar  der  Kurfürst  nicht,  er  verlieh  ihm  aber  den  Titel 
als  Kapitän -Lieutenant,  erhöhte  sehie  Besoldung  und 
stellte  ihm  auch  in  Aussicht,  dafs  er  ihn  bald  beurlauben 
werde. 

Alles  dies  erfährt  man  aus  einem  Briefe,  den  Escher 
am  8.  (18.)  Mai  1658  von  Frankfurt  a.  M.  aus,  w^o  er 
sich  zu  der  oben  erwähnten  Kaiserwahl  im  Gefolge  des 
Kurfürsten  befand,  an  seinen  Vetter,  den  Bürgermeister 
Waser,  nach  Zürich  schrieb  •^■^).  —  Abgesehen  von  den 
darin  behandelten  persönlichen  Verhältnissen  Eschers, 
bietet  dieser  Brief  besonderes  Interesse  wegen  der  Er- 
wähnung des  bekannten  Vorfalles  zwischen  dem  Kurfürsten 
Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  und  dem  kurbayrischen  Ge- 
sandten Dr.  Oexel  während  der  Sitzung  des  Kurfürsten- 
Kollegiums  am  7.  (17.)  Mai,  w^elcher  damit  endete,  dals 
der  Pfalzgraf  dem  bayrischen  Bevollmächtigten  das 
Tintenfafs  an  den  Kopf  warf-^*). 

Nach  der  am  18.  (28.)  Juli  stattgehabten  Wahl  des 
Erzherzogs  Leopold  zum  Kaiser  kehrte  der  Kurfürst 
nach  Sachsen  zurück  und  mit  ihm  auch  Escher.  Er  hielt 
aber  nur  noch  kurze  Zeit  aus  und  es  scheint  neben  seinen 
Differenzen  mit  Magny,   der  bereits   in  dem  Brief  vom 


^'•^)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen. 

^*)  Eacher  schreibt:  „Sousten  ist  die  Zeit  her  (obglich  der 
Churfürst  alle  Tag  in  die  Session  fahrend)  noch  nit  vil  neures  passiert 
und  gehandlet  worden,  gestei-n  hat  Chur- Pfalz  wegen  des  Vicariats- 
streits  dem  Churpejerischen  abgesanten  in  voller  Session  ein  Tinten- 
fafs in  den  Kopf  gesclnnisseu,  dorffte  wol  wüeste  hendel  abgeben,  so 
pejern  auch  endtpündtlich  sein  wolte"  etc. 


Schweizer  Soldtruppen  1656—1681.  233 

8  (18.)  Mai  ausgesprochene  Wunsch  „seine  Fortune  zu 
suchen"  und  in  französische  Dienste  zu  treten,  mafsgebend 
gewesen  zu  sein.  Anfangs  Dezember  1658  kehrte  Escher 
nach  Züricli  zurück  mit  einem  sehr  schmeichelhaften 
Eekommendationsschreiben  des  Kurfürsten  d.  d.  Dresden 
1.  (11.)  Dezember  1658-''),  in  welchem  gesagt  ist,  dals 
derselbe  ihn  „für  jezo  auf  sein  unterthänigstes  anhalten 
zu  fernerer  fortsetzung  seiner  wolilfahrt  in  gnaden  dimittirt" 
habe. 

Gleichzeitig  mit  der  Entlassung  Escher's,  der  sich 
nach  seiner  Vaterstadt  Zürich  zurück  begab,  wurden 
unter  dem  1.  (IL)  Dezember  1658  neue  Bestimmungen 
erlassen,  unter  welchen  die  Dienstleistung  der  Schweizer 
von  nun  an  stattzufinden  habe,  und  dadurch  die  Kapitu- 
lation vom  24.  Oktober  (3.  November)  1656  in  einer 
Weise  abgeändert,  die  später  Veranlassung  zu  vielfachen 
Miisverständnissen  und  Klagen  bot.  Dieser  neue  „Aus- 
satz und  Begriff,  welcher  gestalt  der  Durchleuchtigste 
Churfürst  zu  Sachssen  und  Burggrafif  zu  Magdeburgk  etc. 
es  bey  Sr.  Churf.  Durchl.  Scliweitzer- Leib -Garde  von 
dato  an  der  Mannschafft  und  des  Tractaments  halber, 
gehalten  wissen  wollen"-'"),  belälst  die  Stärke  der  Kom- 
pagnie und  die  Höhe  der  Besoldungssätze  genau  dem 
Etat  von  Ende  1656  (S.  228)  entsprechend;  anstatt  aber, 
dals  die  bisher  gültige  Kapitulation  vom  24.  Oktober 
(3.  November)  1656  (Anlage  No.  I)  in  ihrem  Punkt  7  die 
Bestimmung  enthielt :  „Auch  sollend  dieselben  frey  quartier 
.  .  .  .  haben",  ist  hier  davon  nichts  gesagt,  sondern 
nach  der  Bezifferung  des  Soldes  heilst  es :  „Darfür  sind 
sie  schuldig,  ihnen  dals  Quartier  alhier  zu  Drelsden  selbst 
zu  schaffen.  Auf  der  Reifse  aber  wollen  Churf.  Durchl. 
sie  mit  freien  Logier  und  einer  Zuliulse  wie  bilshero  auch 
Järlich  oder  so  offt  Churf.  Durclil.  dero  Leuthe  kleiden. 
Beider  Officiren  und  Gemeinen  durch  die  gantze  Com- 
pagn.  jedem  ein  Kleid  geben  und  reichen  lassen." 

Wohl  möglich  ist  es,  dals  infolge  dieser  Nichtge- 
währung des  freien  Quartiers  ein  Teil  der  Schweizer  um 
ihre  Entlassung  baten;  jedenfalls  entstanden  Vakanzen 
im  Etat  der  Garde,  und  der  Kurfürst  entsendete  im  Mai 
des   folgenden   Jahres  —  1659  —  den    Oberstlieutenant 


8ö)  St.-A.  Züricli  Acta  Sacliscii. 

36)  K.  S.  n,-St.-A.  Loc.  115.1.  Die  Errichtung-  zwey  Schweitzer 
Regimenter  1701  fl.  Bl.  78. 


234  A.  von  Welck: 

de  Magny  nach  Basel,  um  daselbst  die  in  Abgang  ge- 
kommene Anzahl  zu  ergänzen.  Er  erhielt  eine  vom 
1.  (11.)  Mai  datierte  Kapitulation"^)  mit,  welche  sich  be- 
züglich der  Etatstärke  und  der  Besoldung  dem  Etat  von 
Ende  des  Jahres  1656  abermals  anschliefst  und  mithin 
dem  üben  erwähnten  „Aussatz"  vom  1.  (11.)  Dezember  1658, 
hingegen  noch  die  weiteren  Bestimmungen  enthält:  „Nebenst 
versprochener  Kleydung  und  wenn  einer  krankh  oder  in 
Herrendienst  schadhafft,  nothwendige  Medicamenta,  auch 
auf  der  Eeyfsen  gleiche  Kost  als  wie  die  Trabanten  und 
im  übrigen  Ihren  Sold  monatlich  richtig".  Wir  ersehen 
also,  dafs  freie  Arzneimittel  zugesagt  wurden,  dafs  aber 
auch  in  dieser  Kapitulation,  wie  bereits  in  dem  „Aussatz", 
von  der  Gewährung  freien  Quartiers  nicht  die 
Rede  ist. 

Über  die  Anwesenheit  Magny's  in  Basel  zum  Zwecke 
dieser  Werbung  und  infolgedessen  auch  über  einen  Er- 
folg derselben  liegen  keine  Nachrichten  vor.  Es  darf 
aber  wohl  angenommen  werden,  dafs  es  zu  keiner  An- 
werbung kam,  da  der  Kurfürst  bereits  im  Herbst  des- 
selben Jahres  Magny  ein  viertes  Mal  nach  der  Schweiz 
entsendet  und  zwar  an  die  drei  Kantone  Basel,  Bern 
und  Zürich.  Magny  wurde  durch  ein  kurfürstliches 
Schreiben  d.  d.  Freiberg,  18,  Sept.  1659-^^)  beglaubigt, 
in  dem  es  heifst:  „Alls  ersuchen  wir  Sie  hiermit  auch 
für  izo  obgenanten,  Unserem  Hauptmanne  zu  schleuniger 
Erlangung  derer  noch  bedürfenden  Personen  Ihrer  Nation 
allerdings  geneigten  AVillen  zuerweisen"  etc.  Es  handelte 
sich  ßlso  um  eine  Ergänzung  der  bestehenden  Kompapnie. 
Im  Übrigen  wurde  die  Kapitulation  vom  1.  Mai  als  Basis 
der  Unterhandlungen  angenommen. 

Während  das  Basler  Staatsarchiv  auch  über  diese 
erneute  Mission  Magny's  keine  Auskunft  giebt,  werden 
sowolü  in  Bern,  als  auch  in  Zürich  darauf  bezügliche 
Korrespondenzen  aufbewahrt.  Der  erstere  Kanton  ant- 
wortete dem  Kurfürsten  bereits  am  20.  (30.)  Oktober, 
dafs  die  Werbung  genehmigt  werde  und  man  bereit  sei, 
„Deroselben  Abgeordneten  Guardihaubtmann  undCammer- 
Junckherr  Hr.  Obristlieutenant  de  Magny,  deme  wir 
dann  als  Einer  von  denen  Unseren  herkommenden  Persohn 
von  guter  condition   ohne   das   gewogen   sind,   in  seiner 


"')  St.-A.  Züricli  Acta  Sachsen,  d.  d.  1.  Mai  1655). 

«'^)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen.    St.-A.  Bern  L^  S.  509. 


Selnveizer  Soldtnxppeu  1656—1681.  235 

obliegenden  Verrichtung-  alle  begehrte  Befürdernuls  wieder- 
fahren zu  lassen"  etc.^*^).  Zürich,  wolün,  Magny  zuletzt 
kam,  bedurfte  anscheinend  reiflicher  Überlegung,  und 
wir  finden  hier  wieder  bestätigt,  was  wir  schon  bei  der 
ersten  Anwerbung  vom  Jahre  165G  zu  bemerken  Veran- 
lassung hatten,  dafs  dieser  Kanton  mit  grolser  Vorsicht 
und  besonderer  Sorgfalt  die  Interessen  seiner  Unterthanen 
wahrte.  Erst  am  28.  November  (8.  Dezember)  entschlofs 
man  sich  zu  einer  Antwort  an  den  Kurfürsten^"),  in 
welcher  es  u.  a.  heilst:  „wolten  wir  von  dessentwegen 
einiches  bedenckhen  tragen,  hierin  geneigt  und  gutwillig 
zu  willfahren".  Trotzdem  aber  wurde  die  Werbung  auch 
hier  genehmigt  und  der  Wachtmeister  Eeichel  beauftragt, 
die  Angeworbenen  sicher  nach  Sachsen  zu  transportieren, 
wozu  ihm  Pafs  und  Reiselegitimation  ausgestellt  wurde. 

Längere  Zeit  fehlen  nun  speziellere  Nachrichten  über 
die  Schicksale  der  Schweizer  in  Sachsen;  nur  aus  dem 
Jahre  1660  bewahrt  das  Staatsarchiv  Zürich*^)  das  Original 
eines  Entlassungsscheines  für  einen  Gefreiten -Korporal 
der  Schweizer  Leibgarde,  Namens  Hanns  Strumpf,  den 
wir  um  deswillen  erwähnen,  weil  derselbe  vom  Kurfürsten 
eigenhändig  unterschrieben  ist.  Wir  glauben  hierin 
einen  Beweis  erblicken  zu  dürfen  für  das  ganz  spezielle 
Interesse,  welches  der  Kurfüi'st  seiner  Schweizergarde 
zuwendete.  So  befindet  sich  auch  bereits  aus  dem  Jahre 
1659  ein  Schreiben  des  in  kursächsischen  Diensten  stehen- 
den Wachtmeisters  Lindinge  (?)  aus  Zürich  hi  dem  dasigen 
Archiv*"-),  in  welchem  derselbe  um  „Recommandation"  zum 
Zwecke  seines  Avancements  bittet  und  erzählt,  dals  sich 
der  Kurfürst  sehr  eingehend  und  gnädig  mit  ihm  unter- 
halten habe  über  seine  früheren  Erlebnisse  u.  dgl.  m. 

Man  darf  hieraus  schliefsen,  dals  später  vorkonnnende 
Fälle  von  schlechter  Behandlung,  über  welche  sich  Teile 
der  Schweizergarde  beschwerden,  den  Intentionen  des 
Kurfürsten  entschieden  zuwider  liefen.  — 

Mit  dem  Jahre  1661  tritt  die  Geschichie  der 
Schweizergarde  insofern  hi  ein  neues  Stadium,  als  der 
Kurfürst  sicli  entschlols,  noch  eine  zweite  l\(im]»agiile  zu 
formieren,  und  zwar  sollte  dieselbe  aus  „Muscjuetieifu" 
bestehen,    während    die  bereits  1656  angeworbene  Kom- 

39)  St.-A.  Bern  L-  S.  513. 

*<>)  St.-A.  Zürich  Acta  Saclisen,  d.  d.  28.  November  1659.  Konzept. 

*i)  Ebenda  d.  d.  14.  .linii  KKiO. 

'»•■')  Ebenda  d.  d.  1.  Februar  1659. 


236  A.  von  Welck: 

pagnie  von  mm  an  als  „Hellebardier"- Kompagnie  bezeich- 
net wird.  Wir  linden  wenigstens  diesen  Namen  erst 
von  jetzt  an,  wäln-eud  bis  dahin  in  allen  offiziellen 
Schriften,  die  uns  vorlagen,  nur  im  Allgemeinen  von  der 
„Schweizer"  oder  auch  „Eidgenössichen  Leibguardie"  die 
ßede  Avar.  Es  kounnt  aber  in  den  nächsten  Jalu-eu 
für  die  Hellebardier  -  Kompagnie  auch  die  Bezeichnung 
„Schweizer  Trabanten",  für  die  Musketier  -  Kompagnie 
die  Bezeichnung  „Leib-Kompagnie"  vor. 

Der  Kurfürst  erteilte  zum  Zwecke  dieser  xlnwerbung 
abermals  dem  Oberstlieutenant  de  Magny  Befehl,  in  Basel, 
Bern  und  Zürich  die  erforderlichen  Schritte  zu  thun,  und 
bevollmächtigte  ihn  mittelst  eines  an  die  drei  Kantone 
gerichteten  Schreibens,  d.  d.  Dresden  1.  Juni  1661,  in 
welchem  gesagt  ist:  „Wir  seindt  abermahls  gnädigst  ent- 
schlossen, einige  Anzahl  Musquetierer  der  Nation  Schweizer 
zu  Unserer  Leib  -  Compagnie  bestellen  und  werben  zu- 
lassen" etc/"'). 

Eine  Angabe  über  die  gewünschte  Zahl  fehlt*"^),  ebenso 
ist  von  einer  besonderen  Kapitulation  nicht  die  Rede,  so 
dals  angenommen  werden  muls,  dais  die  früheren  Be- 
dingungen wieder  als  Basis  galten. 

Am  17.  (27.)  Juli  wurde  das  kurfürstliche  Schreiben 
in  der  Ratssitzung  zu  Basel  vorgelegt  und  der  Ober- 
zunftmeister „Sotzin"  beauftragt,  dem  Magny  anzuzeigen, 
dafs  „Willfahr  erzeigt  werden  solle". 

Magny  leitete  die  Verhandlungen  mit  Bern  und  Zürich 
von  Basel  aus,  und  wenn  er  auch  als  Grund  hierfür  Un- 
wohlsein angiebt,  so  scheint  doch  thatsächlich  ein  hoher 
Grad  von  Becpiemlichkeit  mitgewirkt  zu  haben ;  wenigstens 
wird  es  ihm  später  zum  ernsten  Vorwurf  gemacht,  dals 
er  nicht  persönlich  in  Bern  und  Zürich  war.  Trotz  der 
früheren  Diiferenzen  verschmähte  er  nicht,  zur  Führung 
der  Verhandlungen  in  Zürich  die  Beihilfe  des  Johann 
Caspar  Escher,  der  zu  der  Zeit  dort  aufhältlich  war,  in 
Anspruch  zu  nehmen,  indem  er  ihm  allerdings  gleichzeitig 
die  Mitteilung  machen  konnte,  dafs  der  Kurfürst  beab- 
sichtige, ihn  —  Escher  —  an  die  Spitze  dieser  neu 
anzuwerbenden  Musketier  -  Kompagnie  zu  stellen.  Am 
11.  (21.)  Juli,  also  jedenfalls  unmittelbar  nach  seiner  An- 

*3)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen.  St.-A.  Basel  St.  96.  St -A. 
Bern  L^  S.  519. 

"•*"')  Auf  dem  Umschlage  des  Züricher  Exemplars  befindet  sich 
die  Registraturbcmei'kuug,  dafs  40  Musketiere  begehrt  werden. 


Schweizer  Soldtmppen  1656—1681.  237 

kiinft  in  Basel,  schrieb  Magnj^  über  diese  Angeleg-enheit 
an  den  Bürgermeister  Waser  in  Zürich  und  teilte  ihm 
mit,  dals  er  selbst  wegen  Unwohlseins  nicht  nach  Zürich 
kommen  könne,  dals  er  aber  Escher,  den  der  Kurfürst 
zum  Kapitän  -  Lieutenant  der  gedachten  Kompagnie  be- 
stellt., habe,  mit  der  Anwerbung  beauftraget'^). 

Über  die  Führung  der  Verhandlungen  in  Bern  fehlen 
die  Unterlagen;  doch  wurde  hier  ebenso  wie  in  Basel 
und  Zürich  die  AVerbung  genehmigt. 

Bern  richtete  ein  darauf  bezügliches  Schreiben  an 
den  Kurfürsten  d.  d.  27.  Juli  (6.  August)^*'),  in  welchem 
es  heilst:  „. . .  Inmassen  Dero  Ehren  Abgeordnetem  vor- 
gedacht, sonders  gern  zugelassen  biss  in  fünffzig  vor- 
gedachter Männer  auch  ein  mehrers  hinder  uns  zewerben 
und  abezefüehren"  etc.  Man  ersieht  also  hieraus  auch  die 
Zahl  der  dort  Angeworbenen. 

Zürich,  welches  erst  unter  dem  12.  (22.)  August 
seinem  Einverständnis  in  einem  an  den  Kurfürsten  ge- 
richteten Schreiben  Ausdruck  giebt^'),  benutzt  gleich- 
zeitig diese  Gelegenheit,  um  den  Hauptmann  J.  C.  Escher, 
der  also  nun  zum  zweiten  Male  in  sächsische  Dienste 
tritt,  von  neuem  aufs  wärmste  zu  empfehlen. 

Als  Zeitpunkt  der  Errichtung  dieser  zweiten  Kom- 
pagnie giebt  die  „Geschichte  der  sächsischen  Armee"  ^^) 
den  Monat  September  16G1  an  und  fügt  hinzu,  dals  Etat 
und  sonstige  Verhältnisse  unbekannt  seien.  Da,  wie  wir 
eben  sahen,  in  Bern  50  Mann,  in  Zürich  40  Mann  ange- 
worben wurden,  so  darf  man  wohl  den  ursprünglichen 
Etat  auf  130—140  Köpfe  inkl.  prima  plana  annehmen. 
Einige  Jahre  vorgreifend,  sei  erwähnt,  dals  Ende  1G66 
der  Etat  der  unter  Hauptmann  de  Magny  stehenden 
Hellebardier-Kompagnie  auf  132  Mann,  der  von  Haupt- 
mann Escher  befehligten  Musketier-Kompagnie  aber  auf 
200  Mann  angegeben  wird'''). 

In  dem  folgenden  Jahre  —  1G62  —  führt  sich  Magny 
abermals  schriftlich  iu  der  Sclnveiz  ein,  diesmal  aber 
nicht  als  Anwerber  von  Söldnern,  sondern  als  Diplomat; 
er  schreibt  nämlich  an  je  eine  einflulsreiche  Persönlich- 
keit in  Basel,  Bern  und  Zürich  und  jedenfalls  auch  Schall- 


'•■)  St.-A.  Zürich  Acta  Saclisci),  d.  d.  11.. Juli   Kidl. 

'")  Bern,  Extract  aus  (leinTcütschciiMissiveu-Buch  JS'u.XXli'oI.ü. 

*')  St.-A.  Züricli  Acta  Sachsen,  d.  d.  12.  Ang-ust  16G1. 

^^)  Schuster  und  Fraucke  a.  a.  0.  S.  84. 

^0)  Ehenda  S.  Bü. 


238  A.  von  Welck: 

hausen  —  worüber  aber  die  Unterlagen  fehlen  —  und 
fragt  ün  angeblichen  Auftrage  des  Kurfürsten  zunächst 
unter  der  Hand  an,  ob  diese  vier  evangelischen  Kan- 
tone gewillt  seien,  in  ein  Bündnis  mit  Sachsen  ein- 
zutreten. Nach  Basel  richtet  er  diese  vom  13.  (23.)  Januar 
16G2  datierte  Anfrage  an  den  ihm  aus  früheren  Jahren  be- 
kannten Oberzunftmeister  Benedict  Socin''"*),  welcher  nicht 
verfehlt,  das  betreffende  Schreiben  dem  Rate  vorzulegen. 
Dieser,  nicht  wissend,  dals  sich  Magny  in  gleicher  Weise 
an  die  drei  anderen  Kantone  gewandt  hatte,  schickte  an 
diese  das  Magny'sche  Schreiben  —  vom  18.  (28.)  Februar 
—  und  bat  um  Mitteilung,  was  sie  zu  antworten  ge- 
dächten, wenn  das  gleiche  Anerbieten  etwa  auch  an  sie 
heranträte,  „weil  dann  dils  eine  sach  von  hoher  impor- 
tantz"^^)  sei. 

Von  den  weiteren  Folgen  dieses  Antrages,  den  Magny 
hier  stellt,  ist  nichts  bekannt ;  nur  das  Antwortschreiben 
von  Bern  an  Basel  ist  erhalten ;  es  verweist  auf  die  Not- 
wendigkeit, solch'  wichtige  Angelegenheit  reiflich  zu  über- 
legen und  zu  beraten^-).  Auf  den  nächsten  eidgenössischen 
Tagsatzungen  wird  aber  die  Sache  nicht  erwähnt,  und  da 
auch  das  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  keine  Unterlagen 
zu  dem  Vorgehen  Magny's  bietet,  dieser  selbst  auch,  als 
er  im  folgenden  Jahre  wieder  längere  Zeit  in  der  Schweiz 
verweilte,  so  viel  man  weife,  auf  diese  wichtige  Ange- 
legenheit nicht  zurückkam,  so  will  es  nicht  unmöglich 
scheinen,  dals  derselbe  aus  eigener  Initiative  handelte  und 
sich  diese  diplomatische  Stellung  anmafiste,  um  für  spätere 
Werbevcrhandlungen  sehier  Person  eine  besondere  Wich- 
tigkeit beizulegen. 

Aber  auch  für  seine  Stellung  in  Sachsen  selbst  er- 
schien es  Magny  wahrscheinlich  wünschenswert,  auf  die 
eine  oder  andere  Art  sich  in  der  Gunst  des  Kurfürsten 
besonders  festzusetzen.  Sein  Verhältnis  zu  seinem  Lands- 
mann Escher  nämlich  ebensowohl  wie  das  zu  seiner  ihm 
untergebenen    Hellebardier  -  Kompagnie     verschlechterte 

ß*')  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  d.  d.  18.  Februar  1662.  Unten 
Anlage  IV.  Nach  der  in  Zürich  befindlichen  Abschrift,  da  das 
Original  in  den  Basler  Akten  fehlt.  Das  nach  Bern  gerichtete 
Schreiben  Magny's  —  Name  des  Adressaten  unbekannt  —  befindet 
sich  daselbst  St.-A.  Loc.  L^.  Es  ist  noch  höflicher  und  devoter  abgefafst 
als  das  obige,  vom  12.  Januar  datiert  und  mit  Magny's  Unter- 
schrift versehen. 

")  St.-A.  Schaffhausen  Acta  Sachsen  No.  59,  d.  d.  18.  Februar  1662. 

52)  St.-A.  Basel  St.  96.    F.  No.  12,  d.  d.  21.  Februar  1662. 


Schweizer  Soldtruppen  1656—1681.  239 

sich  mehr  und  melir,  und  das  Jahr  lü63  bildet  für  die 
Geschichte  der  öchAveizergarde  insofern  eine  wichtige 
Episode,  als  in  demselben  die  Klagen  und  Beschwerden 
über  Magny  zum  offenen  Ausdruck  gelangen.  Ob  und 
inwieweit  dieselben  ganz  berechtigt  waren,  lälst  sich  kaum 
feststellen.  Des  Anklagematerials  liegt  eine  Menge  vor, 
andererseits  aber  auch  manches,  was  zu  Gunsten  Magny's 
spricht.  Jedenfalls  gewinnt  man  durch  die  zahlreichen 
Schriftstücke,  welche  diese  Beschwerden  betreffen,  einen 
interessanten  Einblick  in  die  damaligen  militärischen  Ver- 
hältnisse. Die  grofee  Gewalt,  die  dem  „Hauptmann"  über 
seine  Untergebenen  eingeräumt  war,  wird  grell  beleuchtet. 
Man  kann  aber  auch  kennen  lernen,  welches  warme 
Interesse  der  Kurfürst  seiner  Schweizergarde  zuwendete. 

In  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1663  hatte  ein  Teil 
der  Mannschaften  der  Hellebardier- Kompagnie  schwere 
Anklagen  gegen  den  Hauptmann  de  Magny  vorgebracht 
und  zwar  —  wie  wir  aus  einem  von  Hauptmann  Escher 
aus  Torgau  an  den  Bürgermeister  Waser  in  Zürich  ge- 
richteten Brief  vom  17.  (27.)  September  dieses  Jahres ■^=*) 
ersehen  —  in  einem  an  den  Kurfürsten  pei-sönlich  ge- 
richteten Schreiben,  in  welchem  sie  auch,  der  üblen  Be- 
handlung wegen,  um  ihre  Verabschiedung  baten.  Der 
Kurfürst  habe  sich  darauf,  schreibt  Escher,  „sonderlich 
bemühet,  das  wesen  zu  accomodieren,  damit  die  besten 
Kerle  bleiben  und  in's  künfftig  besser  commandirt  werden". 
Es  sei  aber  Magny  gelungen,  ihre  Entlassung  durchzu- 
setzen 

Der  Kurfürst  erliefs  demzufolge  d.  d.  10.  (20.)  Sep- 
tember ein  Sclireiben  an  die  drei  Kantone  Basel,  Bern, 
Zürich'^*)  und  in  wenig  veränderter  Fassung  (insoweit 
nicht  auf  frühere  Truppenbewilligungen  Bezug  genommen 
werden  konnte)  auch  an  den  Kanton  Schalfhausen  und 
entsendete  gleichzeitig  Magny  abermals  nach  der  Scln\  eiz. 
Er  solle,  heilst  es  in  dem  kurfürstlichen  Schreiben,  an 
Stelle  der  früher  angeworbenen  Schweizer,  von  denen 
„etliche  bielsanhcro  nicht  allehi  wieder  Ihren  Hauptmann, 
ohne  einige  erheliliche  Ursach,  unverantwortlich  aufzu- 
lehnen, sondern  auch  umb  erlassung  Ihrer  Dienste  zu 
bitten  sich  unterstanden",  andere  „kriegsgeübte  gute  Mann- 


^■»)  St.-A.  Zürich  Acta  Sarlisen. 

<■•*)  St.-A.   Basel  St.  96.    V.  No.  12  (Original).     St.-A.   SclialV- 
hausen,  Acta  Sachsen  No.  102. 


240  A.  von  Welck: 

scliafft"  von  den  Kantonen  erbitten,  und  diese  möchten 
dem  Abgesandten  „alle  gunst  und  schleunige  Beförderung" 
erweisen. 

Am  13.  (23.)  September  verliefs  Magnj^  heimlich 
Dresden,  da  er  nicht  wollte,  dafs  von  der  Neu  Werbung 
von  Schweizern  etwas  bekannt  würde.  Er  mochte  wohl 
fürchten,  dafs,  wie  es  dann  thatsächlich  doch  geschah, 
Klagen  an  die  Kautone  gelangten  und  seine  Werbege- 
schäfte dadurch  mindestens  sehr  erschwert  würden.  Er 
verbreitete  das  Gerücht,  dafs  er  sich  „in's  warme  Bad" 
begebe  und  nahm  zwei  der  Kompagnie  angehörige  Per- 
sonen mit:  Caspar  Eckenstein  (derselbe  war  Schreiber) 
und  Bulacher. 

Seine  Abreise  und  der  Zweck  derselben  wurden  aber 
trotz  aller  von  ihm  angewandten  Vorsicht,  schnell  be- 
kannt, denn  bereits  am  15.  (25.)  September  ging  ein  Klage- 
schreiben von  einem  Teil  der  Magny'schen  Kompagnie 
(22  Basler,  22  Züricher  und  23  Berner  Unterthanen)  an 
die  betreffenden  Kantone  ab'^''),  in  welchem  sie  sich  über 
nachstehende  Punkte  beschweren:  1.  dafs  ihnen  das  bei 
der  Anwerbung  versprochene  „freie  quartier"  und  jährlich 
ein  „Lieberey-Kleidt"  nicht  zu  Teil  geworden  sei;  2.  dafs 
sie,  geringer  Ursachen  wegen,  streng  bestraft  worden 
seien;  3.  dafs  etliche  vor  ihnen  „ohne  Willen  und  Be- 
gehren" verabschiedet  worden  seien,  dafs  man  ihnen  bei 
dieser  Gelegenheit  einen  Monat  Sold  oder  das  „Lieberey- 
Kleidt"  abgezogen  habe  und  dafs  zwei  Züricher  „als 
Schelmen  von  der  Compagnia  gejaget"  und  ihnen  „die 
Degen  gebrochen"  worden.  Endlich  habe  Hauptmann 
de  Magny  dem  Musterschreiber  Eckenstein  unbeschränkte 
Vollmacht  gelassen,  bei  Auszahlung  des  Soldes  Abzüge 
zu  machen,  um  auf  diese  Weise  die  Schulden  der  Soldaten 
bei  den  Bürgern  zu  tilgen.  Derselbe  habe  aber  mehr- 
fach diese  Zahlungen  nicht  geleistet,  sondern  das  Geld 
für  sich  behalten. 

Die  Beschwerdeführer  schreiben  nun  in  weitsdiwei- 
figster  Weise  weiter,  dafs  sie  sich  infolge  solcher  „Tyranney" 
zusammen  unterredet  hätten  und  dann  zu  ihrem  Haupt- 
mann gegangen  seien,  um  sich  zu  beschweren.  Dieser 
habe  ihnen  zunächst  erwidert,  dafs  die  bei  ihrer  Anwer- 


^^)  St.-A.  Zürich  Acta  Saclisen,  d.  d.  15.  September  1663.  Bern 
L"-  d.  d.  18.  September  1663.  St.-A.  Basel  St.  96.  F.  No.  12,  d.  d. 
15.  September  1663. 


Schweizer  Soldtrnppen  1056-1081.  241 

billig  abgeschlossene  Kapitulation,  worin  ihnen  das  Quar- 
tiergeld versprochen  sei,  keine  Gültigkeit  mehr  habe,  weil 
sie  seitdem  eine  neue  Kapitulation  (vom  1.  [11.]  Dezember 
1658)  beschworen  hätten.  Darauf  hätten  sie  bemerkt, 
dals  sie  zwar  von  neuem  geschworen  hätten,  dal's  ihnen 
von  einer  neuen  Kapitulation  aber  nichts  bekannt  sei. 
Als  der  Hauptmann  sich  auf  weiteres  nicht  eingelassen 
habe,  hätten  sie  sich  bei  dem  Kurfürsten  „unterthänig 
supplicando"  angemeldet  und  derselbe  habe  ihnen  einen 
Monat  Sold  und  Quartiergeld  versprochen.  Trotzdem 
sei  aber  Hauptmann  Magny  zur  Auszahlung  desselben 
nicht  zu  bewegen  geAvesen,  und  als  sie  sich  noch  ein- 
mal persönlich  zu  ihm  begeben,  habe  er  ihnen  „galgen, 
Radt  unnd  Schwerdt  anerbotten,  mitt  fernerer  ahngeheffte- 
ter  Betrohung,  wie  dals  er  dem  Ersten,  so  delswegen  wieder 
zu  ihm  kommen,  darumb  sollicitiren  würde,  Er  Ihme  den 
Degen  durch  den  Leib  stolsen,  auch  etliche  mit  Pistolen 
nieder  zuschiefsen  betrohende  sich  vernehmen  lassen,  auch 
über  dils  Vielen  den  Plaz  auf  dem  Neümarkte  alhier 
gewisen  alwo  die  Ubell:  iinndt  Milsthätter  iustificiret 
werden"  u.  s.  w. 

Bei  der  nächsten  Soldzahlung  hätten  sie  sich  dann 
geweigert,  den  Monatssold  anzunehmen,  wenn  nicht  gleich- 
zeitig das  Quartiergeld  ausgezahlt  würde,  und  schliefslich 
hätten  sie  sich  nochmals  an  den  Kurfürsten  gewendet,  der 
sie  hätte  bescheiden  lassen,  sie  sollten  den  Monatssold 
annehmen  und  würden  zu  Michaelis  für  ein  halbes  Jahr 
Quartiergeld  ausgezahlt  erhalten.  Damit  aber  noch  nicht 
zufrieden,  hätten  sie  nun  auch  noch  die  Entlassung  des 
Musterschreil)ers  Eckenstein  verlangt,  und  auch  dies  sei 
ihnen  auf  ausdrücklichen  kurfürstlichen  Befehl  und  gegen 
den  Wunsch  aller  Offiziere  gewährt  worden. 

Trotzdem,  dafs  nach  diesen  Angaben  alle  mehr  (»der 
weniger  berechtigten  Wünsche  erfüllt  wurden,  schreiben 
die  Kläger:  „In  Summa,  es  ist  nicht  aufszusprechen,  wie 
die  Herren  Officiere  mit  uiiIs  umbgegangen,  unndt  unnfs 
getribulieret,  also,  dals  es  keine  Mögligkeidt  wai-,  uniils 
länger  unter  solchen  Joch  (welches  gleichsam  ärger  alls 
dels  Turcken)  zu  gedulden,  sondern,  uns  ins  gesanüjt 
resolviret,  bey  Ihrer  Churfürstl.  Durchl.  den  gnedigsten 
abschiedt  zufordern"  etc.  Der  Kurfürst  habe  ihnen  darauf 
zugeredet,  sich  noch  bis  Michaelis  zu  gedulden.  Jetzt 
schiene  es  ihnen  aber,  als  sollten  neue  „Völcker"  ge- 
worben werden,  und  sie  bäten  deshalb  ihre  übrigkeiten, 


Neues   AiThiv   1'.  S.  (i.  u.   A.  Xlll.  3.    I. 


242  A.  von  Welck: 

sie  möchten  doch  suchen,  ihre  Lage  in  Sachsen  zu  ver- 
bessern, da  sie  sonst  nicht  weiter  dort  dienen  könnten, 
„welches  zwart  unnsers  gnedigsten  Churfiirsten  unndt 
Herrn  sehre  leidt  wehre".  Namentlich  sei  es  schlimm, 
dafs  sie  bei  der  Kompagnie  keine  deutschen  (d.  h.  Deutsch- 
Schweizer)  Offiziere  hätten,  sondern  nur  „Welsche"  und 
es  ginge  so  parteiisch  her,  „weille  Leütenant  unndt 
Fendrich,  zween  Gebrüder'^'^),  unndt  der  Haubtmann  Ihr 
Schwager  sein  thutt."  Die  Obrigkeiten  möchten  also  doch 
dafür  sorgen,  dals  Offiziere  ihrer  Nation  zu  der  Kompagnie 
kämen,  dann  würden  sie  gern  weiter  dienen,  „weill  wir 
mitt  Ihrer  Churf.  Durclil.  zu  Sachfsen  unterthenigst  wohl 
contend  unndt  zufrieden  unndt  Deroselben  unterthenigst 
zue  dienen  gerne  begehren". 

Die  Hauptsorge  der  Beschwerdeführer  scheint  ge- 
wesen zu  sein,  dals  die  Kantone  neue  Truppen  bewilligen 
und  sie  infolgedessen  entlassen  werden  möchten. 

Zwei  Tage  später,  am  17.  (27.)  September  richtet 
Hauptmann  Escher  über  dieselbe  Angelegenheit  aus  Torgau, 
wo  er  sich  mit  seiner  Musketier-Kompagnie  im  Gefolge  des 
Kurfürsten  befand,  einen  Brief  an  den  Bürgermeister  Waser 
nach  Zürich,  der  geeignet  ist,  etwas  mehr  Licht  über  die 
Klagen  seiner  Landsleute  zu  verbreiten'^').  Als  ganz  un- 
parteiischen Berichterstatter  kann  man  allerdings  Escher 
auch  nicht  betrachten,  da  er  bekanntlich  schon  aus  der 
Zeit  seiner  ersten  Dienstleistung  in  Sachsen,  wo  er  unter 
Magny  stand,  diesem  feindlich  gesinnt  war.  Der  gedachte 
Brief  Eschers  enthält  deshalb  namentlich  auch  Klagen 
über  Magny  und  die  Bitte,  es  möchte  ihm  in  Zürich,  wenn 
er  wegen  Anwerbung  dahin  käme,  „stattlich  der  Meister- 
stecken gewisen  werden".  Weiter  schlägt  aber  Escher 
vor,  man  möchte  doch  dem  Kurfürsten  auf  sein  Schreiben 
vom  10.  (20.)  September,  in  welchem  er  um  neue  Leute 
bittet,  antworten,  dals  man  viel  lieber  eine  oder  mehrere 
Kompagnien  mit  den  dazu  gehörigen  Offizieren  bewilligen 
würde,  als  so  „wenig  Volk  unter  die  Compagnie,  da  sie 
keinen  Officier  nit  habind".  Auf  die  Sache  selbst,  d.  h. 
auf  die  grölsere  oder  geringere  Berechtigung  der  Klagen 
der  Schweizer,  geht  eigentlich  Escher  nicht  ein ;  er  schreibt 
nur  zuletzt:     „Gewüls  ist's,   das  die  Soldaten  zu  vil  an 


'*")  Gebrüder  von  Montet. 

•")  St.-A    Zürich  Acta  Sachseu  d.  d.  17.  September  1663. 


Schweizer  Soldtruppen  1656—1681.  243 

die  sacli  gethan,  aber  der  Anfang  betreffende,  sind  si  bei 
den  Haaren  zu  disen  ungüetliclien  sacken  gezogen  worden". 

Mittlerweile  mögen  nun  die  Beschw^erde  führenden 
Hellebardiere  erfahren  haben,  dafs  Magny  wirklich  nach 
der  Schweiz  abgereist  war,  um  neue  Söldner  anzuwerben, 
und  die  Befürchtung,  dals  sie  könnten  entlassen  werden, 
tritt  mehr  und  mehr  in  den  Vordergrund.  Infolgedessen 
richten  sie  am  26.  September  (6.  Oktober)  eine  abermalige 
Vorstellung  an  die  Kantone"'^) ;  in  welcher  sie  berichten, 
dafs  sie,  sowie  die  Abreise  ihres  Hauptmanns  nach  der 
Schweiz  zu  ihrer  Kenntnis  gelangt  sei,  beschlossen  hätten, 
eine  Deputation  dahin  zu  entsenden,  um  sich  zu  recht- 
fertigen. Sie  hätten  aber  keinen  Urlaub  erhalten,  und 
nun  bäten  sie,  die  Obrigkeit  möchte  doch  „umb  Gottes 
Willen,  in  dieser  Sach  uns  nicht  übereylen  lassen",  sondern 
ihnen  dazu  verhelfen,  dafs  etliche  von  ihnen  hinaus  reisen 
dürften,  um  „Bericht  zu  thun,  damit  wir  doch  entlichen 
dieses  unerträglichen  Jochs  der  Welschen  Officiereu 
(welchen  keinen  Teütschen  gut)  möchten  erledigt  werden, 
in  deme  wier  sonsten  Ihrer  Churf.  Durchl.  weiters  zu 
dienen  willig  und  bereit  sind,  weiln  Avier  iederzeit  einen 
gnädigsten  und  wohl  meinenden  Herrn  an  ihnen  gehabt" 
etc.  Unterschrieben  ist  das  an  Zürich  gerichtete  Schreiben 
von  „etzliche  zw^antzig",  das  an  Basel  gerichtete:  „bils 
etliche  zwantzig"  Mann. 

Es  lälst  sich  wohl  begreifen,  dals  unter  diesen  Um- 
ständen der  Rat  zu  Basel,  wo  sich  Magny  persönlich  be- 
fand und  das  Schreiben  des  Kurfürsten  überreicht  hatte, 
in  ernster  Verlegenheit  war.  Auf  der  einen  Seite  die 
dringende  Bitte  Magny's,  den  Wünschen  seines  Souveräns 
nachzukommen,  auf  der  andern  Seite  das  Klageschreiben 
der  Unterthanen  aus  Sachsen'^''). 

Bürgermeister  und  Rat  wendeten  sich  deshalb  am 
3.  (13.)  Oktober  an  die  Kantone  Zürich  und  Bern''")  und 
baten  um  deren  Ansicht,  indem  sie  bemerkten,  Magny 
habe  ein  Schreiben  des  Kurfürsten  „eingeliefert",  in 
welchem  um  die  Genehmigung  zur  Anwerbung  „von  etwas 
wenig  Völckheren"  gebeten  werde.  Er  sei  aber  ihrer- 
seits  „zur  Geduld  gewiesen  worden",   bis   mau  mit  den 


58)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen.     St.-A.  T.ascl  St.  {)(\.  V.  No.  12. 

^"')  Oh  auch  die  Klageschrift  d.  d.  ;i(i.  Sci»tcnil)or  ((>.  Oktohor) 
hereits  eingeganf^'on  war,  erscheint  irai^lich. 

«")  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen,  d.  d.  ;5.  Oktoher  KKi:«.  St.-A. 
Bern  L"^  d.  eod. 


244  A.  von  Welck: 

andern  Kantonen  darüber  konferiert  habe,  umsomehr, 
als  kurz  zuvor  ein  Schreiben  der  bereits  in  sächsischen 
Diensten  befindlichen  Basler  eingegangen  sei,  „darinnen 
sie  ob  dem  üblen  und,  wie  sie  es  nennen,  tyrannischen 
Tractament  ihrer  Ober-Officirer  sich  auf's  höchste  und  weh- 
mütigste erklagen".  Die  Eidgenossen  möchten  sich  doch 
darüber  aussprechen,  ob  es  unter  diesen  Umständen  nicht 
geraten  sei,  dals  man,  vor  Genehmigung  einer  neuen 
Anwerbung,  wenigstens  eine  schriftliche  Kai3itulation  mit 
Magny  abschlösse,  nach  welcher  künftighin  die  Ober- 
Offiziere  nicht  mehr  allein  von  „Welschen"  sondern  von 
den  „Haupt -Orten"  genommen  werden  sollten.  Beide 
Kantone  beeilten  sich  mit  einer  Beantwortung  dieser 
Anfrage  nicht,  wohl  hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  weil 
Magny  daselbst  noch  gar  kein  Werbebegehren  angebracht 
hatte.  Unter  diesen  Verhältnissen  wäre  es  immerhin 
fraglich  gewesen,  welches  Resultat  Magny  in  Basel  er- 
zielt hätte  wenn  nicht  nach  Ablassung  des  erwähnten 
Schreibens  vom  3.  (13.)  Oktober  eine  abermalige  Zuschrift 
aus  Dresden  eingelaufen  wäre  von  den  übrigen  Gliedern 
der  Magny'schen  Kompagnie,  welche  die  ganze  Angelegen- 
heit in  einem  wesentlich  anderen  Lichte  darstellte  *^^).  Es 
waren  dies  noch  46  Mann,  welche  die  Beschwerdeschriften 
vom  15.  (25.)  September  und  vom  26.  September  (6.  Ok- 
tober) nicht  mit  unterschrieben  hatten.  Sie  bezeichnen 
die  Klagen  ihrer  Kameraden  als  vollständig  ungerecht- 
fertigt, diese  selbst  aber  als  Empörer.  Das  Schreiben  ist 
vom  29.  September  (9.  Oktober)  datiert,  ebenfalls  an  die 
Kantone  gerichtet  und  besagt  u.  a. :  „Am  allermeisten 
aber  wird  Ihnen  (d.  i.  den  Obrigkeiten  der  Kantone)  nicht 
un verborgen  liegen,  was  sich  bishero  by  unser  Churf. 
Ober-Leibguarde  der  Hallebardirer  von  etlichen  zusammen 
gerotteten  Mitt  Cameraden  vor  factiones,  Revolten  und 
conjunctiones  entsponnen".  Es  wird  alsdann  berichtet, 
dals  eine  gerichtliche  Untersuchung  der  Angelegen- 
heit durch  den  Kriegs-Auditeur  stattgefunden  habe  und 
dafs  sich  an  dem  ganzen  Vorgehen  nur  67  Mann  der 
Kompagnie  beteiligt,  die  übrigen  46  Mann  aber  nichts 
davon  gewulst  hätten,  noch  „viel  weniger  in  dero  An- 
schläge willigen  wollen" ;  sie  erklärten  vielmehr  ausdrück- 
lich, dafs  sie  von  diesen  Aufwiegelungen  „franq  und  frey 


")  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen,  <\.  d.  29.  September  1663.  Auch 
bei  Basel  und  Bern. 


Schweizer  Soldtrappen  1656—1681.  245 

sein"  und  bäten  die  Eidgenössische  Obrigkeit,  sie  „wieder 
solche  Revoltisten  und  die  daraus  entstehente  böse  famam 
zuschützen"  etc.  Unterschrieben  ist  dieses  Schriftstück: 
„unterthänige,  gehorsambste  Diener  alls  übrige  Sechs  und 
Vierzig  Mann  von  der  Churf.  Ober  -  Leibguarde  der 
Schweitzer  Hallbardierer". 

Dafs  ein  so  schlauer  Kopf  und  gewiegter  Unterhändler, 
wie  Magny,  den  Vorteil,  den  ihm  eine  derartige  Er- 
klärung gewähren  mufste,  nicht  unbenutzt  vorübergehen 
liels,  lag  auf  der  Hand,  und  er  vermochte  —  gestützt  auf 
diese  ihm  gewordene  reparation  d'honneur,  deren  Abfassung 
er  übrigens  wahrscheinlich  nicht  ganz  fern  stand  —  nun 
thatsächlich  den  Rat  zu  Basel,  ihm  die  Anwerbung  von 
40  Mann,  und  zwar  unter  Zugrundelegung  einer  ziemlicli 
nichtssagenden  Kapitulation,  mittels  welcher  nur  die  Form 
gewahrt  wurde,  zu  gewähren.  Die  wesentlichsten  Punkte 
dieser  am  15.  (25.)  Oktober  abgeschlossenen  Kapitulation, 
welche  einerseits  von  Magny,  andererseits  von  den  Rats- 
herren  J.  Jacob  Burkhard  und  Hanns  Heinrich  Zässlin, 
sowie  von  dem  Ratsschreiber  Conrad  Härder  unterzeichnet 
war,  lauteten  dahin,  dals:  1.  die  anzuwerbenden  Soldaten 
lediglich  in  der  kurfürstlich  sächsischen  Leibgarde  „ge- 
braucht" werden  und  die  gleiche  Besoldung  erhalten  wie 
die  bereits  dienenden;  2.  dafs  bei  eintretenden  Vakanzen 
die  Offiziersstellen  mit  „tauglichen  Persohnen  aufs  den 
Hauptorthen  ersetzt  und  ergentzt  werden";  B.  dals  die- 
jenigen, die  um  ihre  Entlassung  einkommen,  ihren  ehrlichen 
Abschied,  sowie  die  Besoldung,  die  sie  auf  Grund  der 
Kapitulation  zu  fordern  liaben,  richtig  erhalten"-). 

Nach  dieser  glücklichen  Erledigung  der  Geschäfte 
m  Basel,  begab  sich  Magny  nach  Schaffliausen,  wo  er 
el)enfalls  die  Genehmigung  zur  x\nwerbung  erlüelt  (die 
Zahl  ist  nicht  genannt)  und  am  19.  (29.)  Oktober  den 
betreffenden  Vertrag  abschloß  —  gleichlautend  mit  dem 
Basler.  Die  Soldverhältnissc  blieben  die  gleichen  wie  in 
der  Kapitulation  vom  1.  (11.)  Mai  1G59  (S.  284).  Trotz 
dieser  Erfolge  in  Basel  und  Schaffhausen  ging  Magny 
weder  nach  Zürich  noch  nach  Bern,  ja  es  erscheint  auf 
Grund  späterer  Korresiiondcnzen  sogar  fraglich,  ob  er  das 
kurfürstliche  Schreiben   überhaupt   nach  Zürich  schickte. 


"-j  lu  tlea  Basler  Archiven  ist  diese  Kapitulation  nicht  inclir 
vorhanden,  wohl  aber  im  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen,  5.  November 
l()6o  und  St.-A.  Sehaffhausen  Ruhr.  Sachsen  No.  WZ. 


246  -^-  ^on  Welck: 

Magny  hatte  bereits  in  Basel  Kenntnis  erhalten,  dafs  die 
Beschwerdeschriften  eines  grofsen  Teiles  seiner  Kompagnie 
auch  nach  Bern  und  Zürich  gelangt  waren;  aulserdem 
konnte  er  aber  als  sicher  annehmen,  dais  Escher  ebenfalls 
in  einer  für  ihn  nicht  vorteilhaften  Weise  in  seiner  Vater- 
stadt Zürich  berichtet  hal)en  würde,  und  in  Bern  war  er  aus 
verscliiedenen  Gründen,  die  später  berührt  weiden,  ganz 
besonders  schlecht  angeschrieben.  Er  durfte  also  in  diesen 
beiden  Städten  kaum  auf  so  erfolgreiche  Abwicklung 
seines  Auftrags  rechnen,  wie  in  Basel  und  Schaffhausen. 
Am  ersteren  Orte  waren  ihm  jedenfalls  zwei  Umstände 
förderlich  geAvesen:  die  langjährige  Bekanntschaft  mit 
den  beiden  Eatsherren  Socin  und  Stähelin  und  die  Eigen- 
schaft seiner  beiden  Begleiter,  Eckenstein  und  Bulacher, 
als  Basler;  in  Schalfliausen  aber  war  er  selbst,  sowie  die 
Vorgänge  in  Sachsen,  noch  unbekannt  —  beides  im  vor- 
liegenden Falle  für  ihn  günstig. 

Auch  in  Basel  hatte  Magn^^  wohl  weise  gehandelt, 
das  Eisen  zu  schmieden,  so  lange  es  warm  war,  denn  im 
Laufe  des  Monats  Oktober  gestalteten  sich  seine  Chancen 
entschieden  ungünstiger.  Zunächst  gingen  zwei  Schreiben 
des  in  sächsischen  Diensten  befindlichen,  bei  der  Musketier- 
Kompagnie  stehenden  Ober  Wachtmeisters  Fäsch '''■')  ~  eines 
geborenen  Baslers  —  ein,  von  denen  das  erste,  vom  An- 
fang des  Monats,  an  den  Oberzunftmeister  Socin,  das 
zweite  aber,  vom  20.  (30.)  desselben  Monats,  an  den  Rat 
zu  Basel  gerichtet  war*'^).  Ist  auch  nur  das  letztere 
noch  vorhanden,  so  geht  doch  aus  demselben  hervor,  dais 
auch  das  erstere,  übereinstimmend  mit  dem  zweiten , 
das  Verhalten  der  „gelben"  (Hellebardier-)  Kompagnie 
ihrem  Hauptmann  de  Magny  gegenüber  in  Schutz  nahm. 
Fäsch  schreibt,  die  Leute  hätten  „die  Gewehr  nie  abge- 
legt" (d.  h.  sich  nie  des  Dienstes  geAveigert),  „sondern 
durch  drey  underschiedliche  suplicationen  I.  Cliurf.  Dclilt. 
allen  Sachen  berichtet  unnd  ihre  BeschAverden  eingesetzt 
unnd  zugleich  I.  Ch.  D.  ihre  getrüAve  Dienst  oferirt", 
nur  hätten  sie  gern  andere  Offiziere  haben  wollen,  „die 
ihrer  Sbrachsind,  die  besser  Avissen,  Avie  man  die  Schweitzer 


''^)  Jeremias  Fäsch,  geb.  24.  September  1606,  als  Sohn  des 
Bürgermeisters  Rudolph  Fäsch,  war  bei  der  Anwerbung  im  Jahre  1659 
mit  nach  Basel  gekommen.  —  Zwei  Verwandte  von  ilim  gleichen 
Namens,  Johann  Rudolph  Fäsch  und  Georg  Rudolph  Fäsch,  erlangten 
später  in  Sachsen  hohe  militärische  Stellungen. 

0*}  St.-A.  Basel  St.  96.  No.  12. 


Schweizer  Soldtruppen  1^56  —  1681.  247 

halten  soll".  Dafür,  dafs  Magny  kein  reines  Gewissen 
habe,  spräche  schon  seine  heimliche  Abreise  „in  ein 
Warmbad". 

Nächst  dem  kam  aber  auch  die  längst  erwartete 
Antwort  von  Zürich'^'')  —  d.  d.  24.  Oktober  (S.November) 
— ,  in  welcher  zu  grolser  Vorsicht  gemahnt  wird.  Zürich 
schreibt,  die  Anfrage  vom  3.  (13.)  Oktober  sei  eingegangen 
und  seitdem  auch  die  Klageschreiben  der  Schweizer  aus 
Dresden.  Bis  jetzt  habe  aber  Magu}^  überhaupt  in  Zürich 
noch  kein  Gesuch  um  eine  neue  Anwerbung  angebracht. 
Sollte  dies  noch  geschehen,  so  würde  man  in  Zürich  ganz 
ebensolche  Vorsicht  und  „Consideration"  beobachten,  wie 
in  Basel.  Man  möge  sich  nur  ja  in  Acht  nehmen  und 
in  die  aufzustellenden  Kapitulationen  auch  das  „gute 
Tractement"  derjenigen  mit  aufnehmen,  die  bereits  in 
sächsischen  Diensten  ständen.  In  jedem  Falle  er- 
schiene es  aber  ratsam,  „under  gemeinem  naramen"  an 
den  Kurfürsten  zu  schreiben  und  ihm  die  in  seinem  Dienste 
befindlichen  eidgenössischen  Unterthanen  „zu  besserer  und 
wohl  ertragenlicheren  Haltung"  zu  empfehlen,  was  auch 
„zu  Vermeydung  schimpfflich  und  spöttischen  Hinweg- 
schickung gereichen  und  dienen  wirt".  Es  wäre  aber 
gut,  dieses  Schreiben  nicht  durch  Magny  selbst,  sondern 
auf  anderm  sichern  Weg  zu  schicken. 

Dieses  Schreiben  aus  Zürich  wurde  umgehend  beant- 
wortet'"'). Der  Hat  zu  Basel  schrieb,  es  wäre  seit  der 
Absendung  der  nach  Zürich  gerichteten  Anfrage  vom 
3.  (13.)  Oktober  (s.  o.)  ein  Schreiben  von  46  Mann  der 
Hellebardier- Kompagnie,  datiert  vom  29.  September  (9.  Ok- 
tober), eingelaufen  (s.  o.),  in  welchem  dieselben  „ihren 
Cameraden  rührende  Klagten,  factionen  und  Conjurationen 
(wie  sie  selbige  nennen)  durchaus  improbiren ,  darol) 
groises  Milsfallen  bezeugen  und  vermelden,  dals  sie  da- 
mit gantz  nichts  zuthun  liaben  ....  wollen".  Aus  diesem 
Grunde  und  da  „Ihr  unsei-e  g.  1.  E.  Ihre  antwortliche 
Erklärung  etwas  verweilet",  da  ferner  Bern  auch  nicht 
geantwortet  habe,  hingegen  Magny  „aber  die  unserseitige 
Resolution  eyfrig  sollicitirt",  so  hätte  man  endlich  dem 
kurfürstlichen  Ansinnen  „willfahren  erzeigt",  die  An- 
werbung von  40  Mann  gestattet,  aber  mit  Magny  wegen 
des  „Tractaments"   und  wegen    „ehrlicher  dimission  und 


»S)  Ebenda. 

««)  St.-A.  J3asel  St.  96  No.  12,  d.  d.  28.  Oktober  1663. 


248  A.  vou  Welck: 

Bezahlung"  „etwas  Abred  pflegen  lassen",  auch  den  Kur- 
fürsten in  einem  Antwortsclireiben  vom  26.  Oktober  (5.  No- 
vember)'"), von  der  Aufsetzung  der  Kapitulation  benach- 
richtigt und  ihn  um  Aufrechterhaltung  derselben  gebeten. 
Hierauf  antwortete  Zürich  am  31.  Oktober  (10.  No- 
vember)*'^), dafs  mittlerweile  das  erwähnte  Schreiben  der 
46  Hellebardiere  ebenfalls  eingelaufen  sei.  Es  sei  „eine 
grofse  WiderWertigkeit,  die  unbedingt  mit  synen  gebühren- 
den Mittlen  mueste  underbrochen  und  corrigiert  werden, 
wie  es  aber  am  Besten  werde  können  beschächen,  da 
stehen  wii'  noch  in  gedancken".  Basel  möchte  doch  seine 
Ansicht  aussprechen.  Diesem  Wunsche  wird  auch  d.  d. 
5.  (15.)  November*^")  entsprochen,  doch  kann  in  der  Haupt- 
sache nur  das  früher  Mitgeteilte  wiederholt  werden.  Es 
wird  hinzugefügt,  der  „widerwertige"  Inhalt  der  beiden 
Schreiben  der  in  sächsischen  Diensten  befindlichen  eidgenös- 
sischen Söldner  vom  26.  und  vom  29.  September,  „da 
etliche  allerhand  klagten  füehren,  andere  aber  gar  wohl 
zufrieden  zusein  bekhenneu",  habe  sie  zwar  zum  „Nach- 
dencken"  veranlagt,  aber  sie  hätten  schliefslich  doch  die 
Anwerbung  von  40  Mann  gestattet,  eine  kurze  Kapitu- 
lation abgeschlossen,  welche  in  Abschrift  beilag,  und 
an  den  Kurfürsten  das  Ersuchen  gerichtet,  dieselben  zu 
„placidiren".    Wenn  aber  Zürich  und  vielleicht  auch  Bern 

—  von  wo   noch   immer  keine  Antwort  eingegangen  sei 

—  sich  in  demselben  Sinne  gegen  den  Kurfürsten  äufsern 
wollten,  so  „wollen  wir  solches  nicht  weniger  genehm 
halten  und  die  Anstellung  dessen  Euch  unseren  g.  1.  E. 
lediglich  überlassen".  Es  scheint  übrigens,  dafs  man  in 
Zürich  gar  nicht  zufrieden  war  mit  dem  Ausbleiben  von 
Magny  und  dals  man  trotz  der  Schwierigkeiten,  die  von 
Haus  aus  den  Anwerbungen  gewöhnlich  gemacht  wurden, 
ganz  gern  wieder  eine  Anzahl  junger  Leute  an  das 
sächsische  Hoflager  entsendet  hätte.  Der  Dienst  in  den 
Schweizergarden  an  fremden  Höfen  war  zu  der  Zeit 
bei  den  Sölmen  der  schweizerischen  Aristokratie  sehr  be- 
liebt, und  namentlich  der  kursächsische  Hof  bot  so  manche 
Annehmlichkeiten  und  Vorteile.  Die  jungen  Leute  lernten 
die  Welt  kennen,  erhielten  Titel  und  Würden  (für  Avelche 
die  damaligen  Schweizer   durchaus   nicht  unempfänglich 


6')  St.-A.  Basel  St.  96.  No.  12. 

«8)  Ebenda. 

«»}  St.-A.  Züricli  Acta  Sachsen. 


Schweizer  SoWtnippen  1656-1681.  249 

waren)  und  machten  meistens  ancli  in  pekuniärer  Hinsicht 
gute  Geschäfte.  Dafs  diese  Anschauung  die  wirklich 
herrschende  war,  finden  wir  vielfach  bestätigt  bei  Be- 
trachtung des  damaligen  Schweizer  Söldnerwesens.  Nur 
wenige  begnügten  sicli  mit  einem  fremden  Dienste,  und 
mancher  Sohn  der  Schweizer  Berge  kehrte  gar  nicht 
wieder,  sondern  beschlofs  seine  Tage  in  hohem  Alter  im 
Auslande,  das  ihm  lieb  geworden  war.  Andererseits  bot 
aber  der  fremde  Dienst  den  Regierungen  eine  will- 
kommene Gelegenheit,  sich  unruhiger  Köpfe  und  lieder- 
licher Elemente  zu  entledigen.  Man  mufs  sich  diese  Ver- 
hältnisse vergegenwärtigen,  um  zu  verstehen,  dafs  trotz 
der  Beschwerden  der  in  Sachsen  befindlichen  Schweizer 
und  trotz  der  geringen  Sympathien,  deren  sich  Magny 
zu  erfreuen  hatte,  doch  seine  Werbung  wieder  zu  einem 
Resultate  führte,  und  dals,  wie  erwähnt,  Zürich  gar  nicht 
zufrieden  war  mit  dem  Nichterscheinen  des  Werbers. 
Es  erhielt  daher  auch  der  „Underschreyber"  Hanns  Georg 
Escher  den  Auftrag,  sich  einmal  privatim  an  seinen 
Kollegen  nach  Bern  zu  wenden  und  dort  anzufragen,  ob 
Magny  daselbst  gewesen  sei  und  geworben  habe.  Es 
heilst  in  diesem  Briefe,  den  Escher  an  den  Stadtschreiber 
Rothe  nach  Bern  schrieb'")  und  welchem  die  verschiedenen 
aus  Dresden  eingelaufenen  Schriften  beigelegt  waren: 
„Aufs  den  Beylagen  hat  der  Hr.  zuvernemmen,  wafs  von 
den  Eydtgenössischen  Soldaten  in  Saxen  pro  und  contra 
an  myn  Gn.  H.  yngelanget  und  allem  empfangenen  Be- 
richt nach,  müssen  einem  Lobl.  Magistrat  zu  Bern  gleiche 
Schryben  zukommen  syn,  wie  gegen  Basseil  auch  be- 
schächen  und  wylen  Hr.  de  Magny  Cuhrf.  Sächssischer 
Leibguardi-Haubtman  sich  in  der  Eidtgenossschafft  und 
mit  Nammen  zu  Basseil  und  Schaffhussen  befunden,  etwas 
mehrere  Soldaten  zu  werben,  so  hat  man  erwarthet,  dass 
er  auch  nacher  Zürich  kommen  werde,  und  dann  wollen 
von  obbedüthen  Differenzien  under  den  Soldaten  mit  Innne 
fründtlich   conferieren   und   reden,  AV^len   eis    aber   dalj; 


s 


ansächen  nit  hat,  dals  Er  Hr.  i\Iagny  nacher  Zürich 
kommen  werde"  etc.,  so  wird  gebeten,  verti-aulich  mit- 
zuteilen, ob  die  in  Abschrift  beiliegenden  Schriften  auch 
nach  Bern  gekommen  seien,  ob  Magny  selbst  dort  war, 
um  zu  werben  und  was  für  einen  Bescheid  man  ihm 
eventuell  erteilt  habe. 


™)  St.-A.  Bern  L-,  d.  d.  5.  November  1663. 


250  A.  von  Welck: 

Hierauf  antwortet  Rotlie  an  Esclier  am  9.  (19.)  No- 
vember^'),  dals  Magny  die  Absicht  zu  erkennen  ge- 
geben habe,  in  Bern  Soldaten  anzuwerben.  Die 
„gnädigen  Herrn"  seien  aber  der  Ansicht  gewesen,  es 
werde  damit  wohl  Zeit  haben  bis  nach  dem  „Herbst" 
(Weinernte).  Mittlerweile  seien  nun  die  Klageschreiben 
aus  Sachsen  eingelaufen  und  das  Gesuch  Magny's  sei 
deshalb  zur  „reiferen  deliberation"  an  die  „Kriegs  Cam- 
mer"  gewiesen  worden.  Persönlich  sei  Magny  nicht 
in  Bern  gewesen,  „hat  auch  kein  Ansehen,  dals  er  kom- 
men werde  oder  dörffe,  denn  Imme  leicht  ein  Scliimi)f 
begegnen  möchte  von  etliche  junge  Burgern,  die  drunden 
in  Diensten  gewesen  und  sie  sein  gutes  tractament  noch 
beschmiietzt". 

Der  Rat  zu  Bern  hatte  in  der  That  nach  dem  Ein- 
gang der  verschiedenen  Schriftstücke  aus  Sachsen  unter 
dem  26.  Oktober  (5.  November)  1663  den  „Kriegsrat" 
oder  die  „Kriegs  Cammer"  beauftragt,  „über  das,  von 
etlichen  in  sächsischen  Diensten  sich  aufhaltenden  Garde- 
soldaten an  ihr  Gnaden  gesandte  Klagschreiben  ab  den 
Offizieren,  sonderlich  dem  Hauptmann  Magnin"  eine  Un- 
tersuchung einzuleiten  '-). 

Diese  Untersuchung,  über  welche  zwei  Dokumente 
vorliegen,  scheint  in  der  Weise  geleitet  worden  zu  sein, 
dafs  zunächst  mehrere  noch  in  Sachsen  befindliche  Berner 
Unterthanen  vernommen  wurden.  Deren  Aussagen  '■') 
enthalten  in  der  Hauptsache  die  schon  bekannten  Klage- 
punkte; Ort  und  Datum  fehlen  dem  betreftenden  Schrift- 
stück. Nach  Eingang  desselben  in  Bern  Avurden  nun  ver- 
schiedene, früher  bei  der  sächsischen  Schweizergarde 
gedient  habende  Männer  protokollarisch  vernommen  — 
wahrscheinlich  am  22.  Januar  (1.  Februar)  1664.  Es 
waren  dies  der  Hauptmann  Versset  (?),  Wurstenberger 
—  „des  gleichnamigen  Venners  von  Bern  Sohn",  —  Hans 
Rudolph  Koller,  Heinrich  Weber  von  Aarau,  Hehnich 
Mathys  und  Andreas  Hermann. 

In  diesem  Protokoll'*),  aus  welchem  auch  hervorgeht, 
dafs  Magny  früher  in  venetianischen  Diensten  gestanden, 
werden  ihm  direkte  Unterschlagungen  Schuld  gegeben; 
so  habe  er  z.  B.  vom  Kurfürsten  das  Geld  erhalten,  um 


'1)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen. 

''^)  Berner  Rats-Protokoll  No.  147  vom  26.  Oktober  1663.    S.  123. 

73)  St.-A.  Bern  L^  S.  577. 

'*)  Ebenda  S.  581. 


Schweizer  Soldtnippen  1656—1681.  251 

jedem  Scliweizer  jährlich  „ein  Libereykleid"  zu  geben, 
„aber  es  habe  oift  einer  drei  Jahr  daran  haben  müssen".  In 
der  Hauptsache  wiederholen  sich  die  nämlichen  Beschwer- 
den, welche  schon  in  dem  Klageschreiben  vom  15.  (25.)  Sep- 
tember 1663  enthalten  sind;  dieselben  richten  sich  vielfach 
auch  gegen  den  oben  erwähnten  Schreiber  Eckenstein. 
Am  ausführlichsten  spricht  sich  Andreas  Hermann"')  aus  ; 
er  giebt  u.  a.  das  Nachstehende  zu  Protokoll: 

„Alfs  Ihnen  seehfs  gautzer  ]\Imiat  lang-  keine  besoldung  ge- 
flossen, seyend  die  Soldaten  schwüiig  und  ungedultig  worden,  unnd 
hahind  sich  mit  einandren  verbunden,  dafs  keiner  den  andren  lassen 
welle,  bils  sie  bezalt  und  der  Ekenstein  abgeschaff'et  seye;  da  habe 
Magnie  Ihnen  allk  Rebelies  getröüt  und  den  Galgen  gezeiget:  Woruff 
sie  sich  bey  Ir  Churfr.  Dcht.  erklagt  der  dan  verschaffet,  dafs  Eken- 
stein congedirt ,  und  die  gelter  durch  seinen  Secretarium  Löwe  dis- 
tribuirt  werdent.  Alfs  nun  Magnin  solchen  ansehen  und  erfahren 
müssen,  hat  er  alsbald  Ihrer  dreifsig  uff  einmal  abgedankt,  mit  hin- 
derhaltung  defs  gedachten  Reichsorts  Monatssoldts,  unnd  kleidren,  und 
habe  drey,  so  Inne  am  einfeltigsten  gedünkt,  vor  ihrer  abreifs  für 
die  Stattauditores  kommen  lassen,  imd  by  beschlossner  Thüre  Sie 
zwingen  AvoUen  zubekennen,  dafs  sie  alfs  Rebellen  seyend  fortge- 
schikt  Avorden.  Es  übervortheile  der  Magnin  gemachter  suffotation 
nach  Ir  Clmrf.  Dcht.  nur  in  dem,  was  er  an  der  verglichnen  anzahl 
guardi  Soldaten  haben  solte ,  und  nit ,  by  zwantzig  thusend  Reichs- 
thaler, damit  er  aber  dises  bementelen  möge,  müssiud  seine  Soldaten 
all  Tag  auff  und  abzüchen." 


•s 


Bestätigt  werden  diese  Klagen  durch  die  Aussagen 
eines  „In  Churf.  Dchlt.  Bedienten",  der  auch  beifügt, 
dals  der  Kurfürst  befohlen  habe,  dafs  die  Gelder  zur 
Bezahlung  der  Soldaten  nicht  mehr  durch  Magny's  Hände 
gehen  sollten,  sondern  dals  ein  „gewüsser  hooff  Secre- 
tarius  Löwe  selbige  ufsrichten  sollen". 

Es  wird  dem  Magny  ferner  zum  Vorwurf  gemacht, 
dals  er  sich  in  einem  „gewüssen  Schlaghandel  mit  Major 
Basler  gar  nit  Cavallierisch  weniger  Soldatisch  verhalten", 
und  endlich  wird  noch  erwähnt,  „dals  er  sich  seines  Na- 
ntes beschemet""''). 

Alle  diese  Anschuldigungen  wurden  nicht  allein  be- 
stätigt, sondern  noch  wesentlich  ernster  gestaltet  dui'ch 
einen  Brief,  den  Escher  mittlerweile  von  Dresden  aus 
an   den   Bürgermeister  Waser  nach  Zürich   geschrieben 


'^^)  Derselbe  hatte  vcrmutlirh  als  Lieutenant  bei  der  Schweizer- 


garde gestanden. 


■''')  Die   Familie    hicfs   eigentlich  de  Constantin.      Vergl.  ol)eii 
S.  224  No.  9. 


252  A.  von  Welck: 

hatte.    Derselbe   ist   irrtümlich  vom  2.  (12.)  November, 
anstatt  vom  2.  (12.)  Dezember  1663  datiert"). 

Escher  schreibt,  dafs  Magny  am  16.  (26.)  November 
wieder  in  Dresden  eingetroffen  sei.  Als  er.  Escher,  nun 
vernommen  habe,  dafs  der  „weltbekante  Verführer,  Liegner 
und  Betrieger"  nicht  allein  nicht  persönlich  in  Zürich 
und  Bern  gewesen,  sondern  auch  das  kurfürstliche  „an  jeden 
Stand  besonderbar  adressierte"  Schreiben  „hinderhalten" 
habe,  habe  er  sich  entschlossen  diesen  Brief  zu  schrei- 
ben. Man  werde  in  Bern  sehr  erzürnt  auf  Magny  sein, 
weil  „vill  fornemmer  Hern  Söhn,  die  die  Zeit  her  sehr 
übel  gehalten  und  ganz  malcontent  nacher  Haus  gereist 
sind,  als  des  Hern  Sekelmeisters  Steigers  Sohn,  einer 
Im  Hoff,  einer  v.  Graffenried,  einer  v.  Bonstetten  und 
noch  vil  andere  mehr"  schwere  Klage  führen  würden. 
Nun  sage  zwar  Magny,  die  beiden  Stände  Zürich  und 
Bern  würden  leicht  zu  begütigen  sein,  „es  seige  nur  umb 
ein  Churf.  Attestation  oder  Justification  Schreiben  zu 
thun,  werde  alles  wieder  gut  werden",  aber  er  —  Escher  — 
riete  dringend,  man  möge  an  den  Kurfürsten  schreiben, 
dafs  man  sich  durch  das  Verhalten  Magny's  sehr  beleidigt 
fühle  und  die  Unterthanen  nur  im  sächsischen  Dienste 
belassen  könne,  wenn  sie  unter  Offiziere  „von  den  Stenden, 
weliche  mit  ihren  Kopf  alles  Unreclit  zu  verandtworten", 
gestellt  würden.  Der  Bürgermeister  Waser  möge  nur  mit 
dem  Stand  Bern  oder  persönlich  mit  Herrn  Seckelmeister 
Steiger  in  Korrespondenz  treten.  Die  Züricher  und  Berner 
hätten,  als  sie  erfahren,  dals  Magny  gar  nicht  in  ihrem 
Heimatsort  gewesen,  beschlossen,  sofort  nach  Neujahr, 
wenn  sie  „die  neuwen  Kleider  auf  dem  Leib  haben 
werdind",  einen  deutschen  Schweizer  als  Hauptmann  zu 
verlangen,  oder  ihren  Abschied  einzureichen.  Es  wäre 
zu  verwundern  gewesen,  „wie  die  etlich  und  70  man  von 
Zürichern,  Bernern  und  Baslern  so  standhafft  ihren  Ab- 
scheid genommen"  und  „es  vertrusse  die  gantze  Hofstat, 
so  hübsche  abgerichte  kerle  soltend  wech  glasen  und 
andere  grobe  pflegel  angenommen  werden",  da  aber  die 
40  „Neuen"  von  Basel  einmal  dagewesen  seien,  so  sei 
nichts  übrig  geblieben,  als  sie  zu  entlassen.  „Es  ist  auch 
ein  öffentlicher  Discurs  von  vornemmen  Cavaliers  gehalten 
worden,  als,  es  seige  nit  müglich,  das  es  mit  dem  Schwei- 
tzer Ob.  Leut.  recht   natürlich  zugehe,  inn  demme   son 


'■j  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  d.  d.  2.  November  1663. 


Schweizer  Soldtrnppen  lO.'ß-lfiSl.  253 

Altesse  wo  der  Feier  steke,  gar  wol  sehe".  Endlich 
richtet  Escher  an  den  Bürgermeister  Waser  die  Bitte 
„zu  vermögen,  meine  gnedigen  Hern  mich  mit  sambt  den 
ihrigen,  so  auch  die  H.  von  Bern  ihre  officier  mit  sambt 
den  irigen,  Sy  uns  nit  wollind  steken  sondern  wie  bis 
dato  vetterliche  Hilf  widerfahren  lassen". 

Bei  dieser  Lage  der  Dinge  fand  man  es  nunmehr 
doch  angezeigt,  dieselben  auf  der  nächsten  Tagsatzung 
in  gemeinsame  Beratung  zu  ziehen. 

Die  evangelischen  Orte  traten  im  Januar  1664  zu 
dem  Zwecke  in  Baden  zu  einer  allgemeinen  Tagsatzung 
zusammen  und  die  Klagen  der  Schweizergardisten  sowie 
das  anscheinend  noch  immer  unerledigte  Werbebegehren 
des  Kurfürsten  gegenüber  den  Kantonen  Zürich  und 
Bern,  wurden  auf  die  Tagesordnung  gesetzt.  Der  auf 
dieser  „Conferenz''  gefafste  Beschluls  lautet: 

„Auf  geschehenen  Anzng,  dafs  der  Oberstlt.  Magny  die  in 
knrsächfs.  Diensten  stehende  Mannschaft  dej-  IV  Städte  übel  halte, 
wird  beschlossen ,  diei's  durch  ein  Schreiben  dem  Kurfürsten  zu 
klagen  und  von  ihm  Ilemedur  zu  verlangen.  Glarus  und  Appenzell 
wünschen,  dafs  bei  einem  etwaigen  Aufbruche  dahin  auch  den  Ihrigen 
Zutritt  gestattet  werde'"«). 

In  Befolgung  dieses  Beschlusses  richtete  unter  dem 
20.  Februar  (1.  März)  1664  Zürich,  der  Vorort  der  evange- 
lischen Kantone,  ein  Schreiben  an  die  Mitkantone,  in 
welchem  es  heifst: 

„Tn  dem  Abscheidt  von  der  jüngsten  Badischen  Tagsatzung,  so 
die  Evangel.  Orth  under  sich  selbsten  abgefasset,  haben  Avir  auch 
befunden,  dafs  wegen  der  Klegten  der  Eidgenössischen  Soldaten  inn 
Saxen  gut  und  rathsamm  erachtet  worden,  dieselbigen  Ihr  Churf. 
Dchlt.  daselbsten  <lurch  ein  fründtliches  Schryben  anzemelden,  und 
zu  eroffnen,  zuevor  aber  das  Concept  defs  Schryben  den  Lobl.  Evang. 
Stetten  alfs  under  deren  Nammen  dasselbige  abgaben  solle ,  nacli- 
richtlich  communicieren"  etc.""'). 

Beiliegend  ging  an  die  Kantone  zur  Begutachtung 
das  Konzept  eines  an  den  Kurfürsten  zu  richtenden 
Schreibens  und  eine  Zusammenstellung  der  Klagen  der 
Soldaten  gegen  H.  de  Magny^*^). 

Auf  der  näclisten  Gemeineidgenössischen  Tagsatzung, 
die  am   12.  (22.)   März  in   Baden  stattfand,    traten   die 


'8)  E.  A.  Bd.  VI  I^  No.  395  c.  —  Es  scheint  demnach,  dafs  die 
Klagen  der  Schweizergardisten  nicht  sehr  tragisch  genonnneu  wur- 
den, oder  doch  nicht  aT)schreckend  wii'kten. 

™)  St.-A.  Schaffhausen  Acta  Sachsen  No.  33.  St.-A.  Bern 
L2  S.  589. 

^^)  St.-A.  Schaffhausen  Acta  Sachsen  No.  32. 


254  A.  von  Welck: 

evangelischen  Orte  zur  Beratung  dieser  Angelegenheit  zu- 
sammen, konnten  sich  aber  nicht  einigen.  Der  betreffende 
„Abschied"  ^^)  enthält  darüber  die  nachstehende  Ent- 
scheidung: „Dem  Entwurf  eines  Schreibens  an  den  Kur- 
fürsten von  Sachsen,  betreffend  die  gegen  den  Oberst- 
lieutenant Magn}'  erhobenen  Klagen,  wird  von  Basel  und 
Schaff  hausen  darum  nicht  beigestimmt,  weil  sie  die  Ka- 
pitulation mit  Magny  erneut  haben,  und  nur  ein  Teil 
der  Soldaten  Klage  führe.  Infolgedessen  wird  die  Be- 
schwerdeschrift nur  im  Namen  Zürichs  und  Berns  ab- 
gesandt und  demselben  die  Bemerkung  beigefügt,  dais 
Magn}^  die  beiden  kurfürstlichen  Schriften  nicht  über- 
liefert, hingegen  auf  Bernischem  Territorium  ohne  zuvor 
nachgesuchte  Bewilligung  Volk  geworben  habe ;  das  be- 
treffende Schreiben  soll  aber  vor  dem  Abgange  dem 
Hauptmann  Escher  zur  Einsicht  vorgelegt  werden"  ^^). 

Leider  fehlen  alle  Nachrichten,  ob  diese  Schriftstücke 
wirklich  an  den  Kurfürsten  abgegangen  sind.  Dafür, 
dals  dies  geschehen  und  dafs  dieselben  auch  ihre  Wirkung 
nicht  verfehlten,  spricht  der  Umstand,  dals  in  den  nächsten 
Jahren  keine  weiteren  Klagen  verlauten.  Oberst lieute- 
nant  de  Magny  verblieb  im  Kommando  seiner  Hellebar- 
dier-Kompagnie  und  Hauptmann  Escher  in  dem  der  Mus- 
ketier-Kompagnie. Im  Truppenbestand  der  sächsischen 
Armee  pro  Ende  1666  heilst  es:  „Schweizer  Trabanten: 
Oberstlieutenant  de  Magny  132  Mann.  Schweizer  Leib- 
Compagnie  der  Musketiere:  Hauptmann  Escher  200 
Mann"^=^). 

Es  dürfte  jetzt  angezeigt  erscheinen,  einen  Rück- 
blick auf  die  Klagen  und  Beschwerden  der  kurfürstlichen 
Schweizergarde,  die  sich  während  des  Jahres  1663  geltend 
machten,  zu  w^erfen  und  die  Frage  zu  stellen,  ob  und 
inwieweit  dieselben  berechtigt  erscheinen. 

Es  liegen  zunächst  die  beiden  Schreiben  vom  15. 
(25.)  September  und  vom  26.  September  (6.  Oktober) 
1663  von  einem  Teil  der  Magny'schen  Kompagnie  vor, 
nächstdem  die  beiden  Briefe  J.  C.  Eschers  vom  17.  (27.) 
September  und  vom  2.  (12.)  November  desselben  Jahres, 
und  endlich  die  Klagen  und  protokollarischen  Verneh- 
mungen der  Berner  Unterthanen.    In  allen  diesen  Schrift- 


81)  E.  A.  Bd.  VI,  Abt.  II  No.  397,  lit.  f. 

8-)  Es  scheint  demnach,  dals  Escher  zu  dieser  Zeit  in  Zürich  war. 

*^)  Schuster  und  Franc ke  a.  a.  0.  I,  86. 


Schweizer  Sokltruppen  1650—1681.  255 

stücken  erstrecken   sich  die  Beschwerden  in  der  Haupt- 
sache auf  nachstehende  Punkte: 

1  Magny  habe  bei  der  Anwerbung  freies  Quartier 
und  jährlich  „ein  Lieberey-Kleidt"  versprochen  —  beides 
sei  aber  nicht  gehalten  worden. 

2.  Wenn  einer  oder  der  andere  bei  einem  der  Offi- 
ziere sei  „verklagt"  worden,  so  sei  er  mit  strenger  Strafe 
belegt  worden. 

3.  Es  seien  etliche  von  ihnen  ohne  ihren  Willen  ver- 
abschiedet worden,  so  namentlich  zwei  Züricher,  denen 
die  Degen  zerbrochen  und  die  von  der  Kompagnie  „ver- 
stolsen"  Avurden. 

Auliserdem  habe  der  Musterschreiber  Eckenstein  zu 
viel  Gewalt  gehabt  und  vielfach  Löhnungsgelder  unter- 
schlagen. Wenn  sie  aber  bei  den  Offizieren  ihre  Klagen 
angebracht  hätten,  so  hätten  sie  Unrecht  bekommen. 
Die  Behandlung,  die  sie  seitens  des  Oberstlieutenants 
Magny  zu  erdulden  hätten,  sei  überhaupt  eine  unwürdige 
und  eine  „Verantworttung"  vor  dem  Kurfürsten  sei  ihnen 
nicht  möglich,  während  die  Offiziere  den  täglichen  Zu- 
gang zu  demselben  ex  officio  hätten. 

Als  Gegenstück  hierzu  sagt  nun  aber  die  Eingabe 
der  „46  Mann"  vom  29.  September  (9.  Oktober)  desselben 
Jahres,  dals  diese  Beschwerden  ihrer  Kameraden  ganz 
ungerechtfertigt  und  dafs  die  betreffenden  Kläger  „Re- 
voltisten"  seien.  Auch  Escher,  der  als  persönlicher  Gegner 
Magny 's  kaum  ganz  unparteiisch  war,  giebt  zu  ,,dafs  die 
Soldaten  zu  vil  an  der  Sach  gethan  haben". 

Das  Entscheidende  scheint  uns  aber  zu  sein,  dafs 
den  Schweizergardisten  der  Zugang  zu  der  Person  des 
Kurfürsten  sehr  wohl  offen  stand  und  diese  Fügiichkeit 
auch  —  wie  aus  allen  Schreiben  übereinstimmend  her- 
vorgeht —  in  ausgiebiger  Weise  benutzt  wurde.  In  dem 
Klageschreiben  vom  15.  (25.)  September  heilst  es:  dals 
sie  —  die  Schweizer  —  genotwendigt  gewesen  seien, 
sich  „supplicando"  an  den  Kurfürsten  zu  wenden,  welcher 
daraufhin  verordnet  habe,  ihnen  einen  Monat  Sold  und 
Quartiergeld  auszuzahlen.  Später  haben  sie  sich  dann 
nochmals  an  den  Kurfürsten  gewendet,  welcher  auch  ihre 
Entlassung  aus  dem  Gefängnis  persönlich  befahl.  Nichts- 
destoweniger haben  sich  dann  die  Leute  abermals  be- 
schwert, haben  sich  geweigert,  mit  Eckenstein  „auf- 
zuziehen" u.  s.  w.,  bis  endlich  der  Kurfürst  dessen  Ver- 
abschiedung angeordnet  hat.     Auch  Escher  schreibt  am 


256  A.  von  AVelck: 

17.  (27.)  September,  dafe  die  Soldaten  dem  Kurfürsten 
ihre  Beschwerden  schriftlicli  übergeben  hätten,  und  dals 
derselbe  sich  „sonderlich  bemüehet  habe,  das  wesen  zu 
accomodieren''.  Das  Ohr  des  Kurfürsten  stand  also  that- 
sächlich  den  Schweizern  offen  und  soweit  als  möglich 
wurde  ihren  Beschwerden  abgeholfen.  Dals  derselbe  aber 
auch  sonst  sein  persönliches  Interesse  an  der  Schweizer- 
garde bethätigte,  wurde  schon  auf  S.  235  bemerkt.  Ebenso 
ist  es  richtig,  worauf  die  Beschwerdeführer  von  Magny 
hingewiesen  wurden,  dals  die  Kompagnie  Ende  1658  auf 
eine  neue  Kapitulation  verpflichtet  wurde,  in  welcher 
von  Gewährung  von  Quartiergeld  nicht  dießede 
war.  Endlich  dürfte  aber  als  entscheidend  zu  betrachten 
sein,  dafs  nicht  nur  in  Sachsen  selbst  die  ganze  Ange- 
legenheit kriegsgerichtlich  behandelt  wurde  (vergl.  das 
Schreiben  der  46  Mann  vom  29.  September  (9.  Oktober) 
1663,  sondern  dals  auch  von  Seiten  Berns  eine  kriegs- 
gerichtliche Untersuchung  eingeleitet  wurde,  namentlich 
gegen  Magny,  die,  anscheinend  wenigstens,  zu  keinem 
Resultate  führte,  denn  derselbe  blieb  noch  mehrere  Jahre 
unbehelligt  in  sächsischen  Diensten.  Dafs  derselbe  aus 
seiner  Stellung  als  Schweizer  Hauptmann  pekuniären 
Nutzen  zog  und  in  dieser  Hinsicht  nicht  allzu  gewissen- 
haft verfuhr,  erscheint  zweifellos;  das  lag  aber  in  den 
damaligen  Militärverhältnissen  und  man  konnte  ihm  daraus 
keinen  ernsten  Vorwurf  machen. 

Erst  im  Beginn  des  Jahres  1667  finden  Avir  in  den 
Akten  des  Basler  Staatsarchivs  ^^)  wieder  eine  Erwähnung 
der  Schweizergarde.  Der  Rat  zu  Basel  richtet  nämlich 
an  den  Oberstlieutenant  Magny  das  Ersuchen,  den  Sohn 
ihres  „Mitrathsfreündes"  Fridrich  Bulacher,  Lux  Bulacher, 
zum  Fähnrich  bei  seiner  Kompagnie  avancieren  zu  lassen  ^■'). 
Sie  wären  „von  glaubwürdigem  Ortt  berichtet  worden, 
dafs  der  Capit.  Lieut.  von  der  Compagnie,  in  welch  der 
mehrere  Theil  Unserer  Angehörigen  sich  befinden ,  mit 
ehistem  abdancken,  auch  an  dessen  Stell  sein  Bruder,  so 
derselben  Compagnie  Fendrich'^**),  ohn  Zweifenlich  succe- 
dirn,  hiemit  die  Fendrichsstelle  vacirend  werden  dörffte". 
Da  nun  Magny  bei  seiner  Anwesenheit  in  Basel  den 
jungen  Mann  sehr  gerühmt  habe,   und  da  in  der  „Capi- 


«*)  St.-A.  Basel  St.  9ß  F.  No.  12,  d.  d.  13.  Februar  16H7. 
^^)  Jedenfalls    derselbe    Bulacber,    der    16(5.3    mit   Magny    in 
Basel  war. 

^")  Die  schon  erwähnten  Brüder  Montet. 


Schweizer  Soldtrnppen  1656—1681.  257 

tulatlon  und  anderen  auch  dises  klärlich  versehen,  wofern 
künfftigs  Einer  oder  der  Andere  bey  diser  Schweitzerisch 
Leib  Guardi  befindliche  Officirer  abgehen  oder  geändert 
würde,  dafs  alsdann  derselben  Officirern  vacirende  hohe 
oder  nidere  stellen  mit  Bafsler  ergäntzt  werden  sollen", 
so  hoffe  man,  dafs  er  jetzt  und  künftig  danach  verfahren 
werde. 

In  dem  nämlichen  Jahre  —  1667  —  machte  sich  noch 
eine  abermalige  Kompletierung  der  Schweizergarde  not- 
wendig und  zwar  betraf  dieselbe  die  Musketier-Kompagnie. 
Der  Kurfürst  beauftragte  infolgedessen  den  Hauptmann 
Escher  mit  den  bezüglichen  Verhandlungen  bei  den  Kan- 
tonen Basel,  Bern,  Zürich  und  Schaffhaiisen  und  be- 
glaubigte ihn  mittelst  eines  an  diese  Kantone  gerichteten 
Schreibens  vom  1.  (11.)  August  1667,  in  welchem  zugleich 
dem  Wunsche  Ausdruck  gegeben  wird,  die  „Schweizer 
Leib  Compagnie  an  Musquetieren  mit  kriegsgeübter  Mann- 
schafft diser  Nation  vollents  zu  compliren" ").  Nur  von 
Basel  und  Bern  liegen  zusagende  Entscheidungen  vor^^); 
man  darf  aber  um  so  mehr  annehmen,  dals  auch  die 
anderen  Kantone  die  Anwerbung  genehmigten,  als  es  in 
Bern  gewils  die  meisten  Schwierigkeiten  zu  überwinden 
galt.  Schaflfhausen  hatte  sich  schon  vor  4  Jahren  will- 
fährig erzeigt,  und  in  Zürich  waren  dem  Hauptmann  Escher 
in  seiner  Eigenschaft  als  Bürger  und  Glied  einer  hoch- 
angesehenen Familie  die  "Wege  ganz  besonders  geebnet. 

Auf  die  Länge  scheinen  sich  aber  doch  die  Verhält- 
nisse bezüglich  Magny's  als  unhaltbar  erwiesen  zu  haben, 
so  dals  sich  der  Kurfürst  im  Jahre  1669  entschlois,  die 
Musketier -Kompagnie  der  Schweizergarde  aufzulösen, 
den  Oberstlieutenant  Magny  zu  entlassen  und  seine  — 
die  Hellebardier- Kompagnie  —  dem  Hauptmann  J.  C. 
Escher  zu  übergeben*^). 


8'')  St.-A.  Züricla  Acta  Sachsen.  St.-A.  Basel  St.  96  F.  No.  12. 
St.-A.  Bern  L-  S.  597.  St.-A.  Schaffliausen  Acta  Sachsen 
No.  100. 

«**)  Basler  Rats  -  Protokolle ,  4.  Septemher  1667.  St.-A.  Bern, 
Extract  ans  dem  Teutschen  Missivenhnch  No.  XXII  fol.  500  S.  601 
d.  d.  29.  August  1667. 

*")  Ein  anderer  Grund  für  die  Abdankung  dieser  Kompagnie 
ist  nicht  bekannt.  Es  mufs  liior  bemerkt  werden,  dafs  nacli  den  An- 
gaben in  den  beiden  Werken  May's,  Hist.  milit.  des  Suisses  und 
de  la  Suisse  (a.  a.  O.),  sowie  in  Leu's  Schweizer- Lexikon,  .1.  C. 
Escher  im  Jahre  1669  nicht  die  Schweizergarde  übernommen  hätte,  son- 


Neucs  Arcbiv  f.  S.  (i.  u.  A.  XIII.  3.  4. 


17 


258  A.  von  Welck: 

Nähere  Nachrichten  über  diese  Vorgänge  liegen  nicht 
vor,  auch  nicht  über  die  speziellen  Gründe  zu  Magny's 
Verabschiedung.  Sein  Name  erscheint  seit  dieser  Zeit 
nicht  mehr  in  irgend  einem,  die  sächsischen  Militärver- 
hältnisse berührenden  Schriftstück  und  die  Entlassung 
der  Kompagnie  scheint  ohne  alle  Reibungen  vor  sich  ge- 
gangen zu  sein. 

Magny's  Schwager,  Montet,  verblieb  bei  der  Helle- 
bardier -Kompagnie  und  erhielt  später  den  Titel  als  Ka- 
pitän-Lieutenant. 

Über  den  Etat  der  Schweizergarde  -  Kompagnie  in 
den  nächsten  Jahren  findet  man  in  der  „Liste  der  Säch- 
sischen Armee  für  das  Jahr  1676",  welche  der  Rangliste 
für  das  Jahr  1785  beigefügt  ist^"),  die  Angabe:  „Schwei- 
zer Trabanten  1  Compagnie  =  130  Mann",  also  ziemlich 
genau  wie  im  Jahre  1666. 

Doch  auch  die  Tage  dieser  letzten  aus  Schweizern 
bestehenden  Abteilung  waren  gezählt. 

Die  Anforderungen,  die  Kurfürst  Johann  Georg  II, 
nach  dem  Ausbruche  des  Krieges  gegen  Frankreich  — 
1673  —  an  die  Steuerkraft  seines  Landes  stellen  mulste, 
um  die  dem  Reichsheer  zuzuführenden  Truppen  zu  unter- 
halten, erschienen  unter  den  damaligen  Verhältnissen 
nahezu  unerschwinglich,  und  nicht  allein  die  Landstände, 
sondern  die  gesamte  Ritterschaft  gaben  auf  unzweideutige 
Weise  ihre  Unzufriedenheit  zu  erkennen.  Als  demnach 
im  Jahre  1679  durch  den  Frieden  zu  Nymwegen  der 
Krieg  beendigt  worden  war,  erklärte  sich  der  Kurfürst 
sofort  zu  einer  namhaften  Reduktion  der  Armee  bereit ^^). 


dem  das  „Garde -ßegiment  zu  Fufs".  Spätere  Korrespondenzen  und 
sonstige  Schriften,  die  wir  anführen,  liefern  aber  den  Beweis,  dais 
Escher  bis  1680  Kommandant  der  Scliweizergarde  war.  Das  „Chur- 
fürstl.  Leib-Regiment  z.  F."  aber,  von  welchem  in  den  bezeichneten 
Quellen  nur  die  ßede  sein  kann,  wurde  von  1670  —  81  von  Oberst 
Kufter  kommandiert,  dessen  Nachfolger  ein  Oberst  von  Escher  war, 
aber  nicht  der  bis  jetzt  genannte  Johann  Caspar.  Vergl.  H.  v.  S., 
Geschichte  der  beiden  K.S.Grenadier-Regimenter.  (Dresden  1877). 
Anlage  I.     A^'ergl.  auch  unten  Anlage  No.  VI. 

^)  Bachenschwauz,  Gesch.  und  Zustand  der  kursächs, 
Armee  1785.    Beil.  2. 

"*)  Die  betreffende  Verordnung  des  Kurfürsten  vom  10.  Februar 
1680  besagt:  „Da  der  allmächtige  Gott  nach  dem  langen  und  be- 
schwerlichen Kriege  den  Frieden  geschickt",  so  wolle  der  Kurfürst 
,,nach  dem  Beispiele  des  Kaisers  und  anderer  Potentaten  und  auf 
untertäniges  und  dringendes  Ansuchen  der  Landstände  nun  auch  iu 
Gottes  Namen  an  die  Abdankung  seiner  Truppen  gehen". 


Schweizer  Soldtnippen  1656—1681.  259 

Dieselbe  hatte  wälirend  der  letzten  Jahre  aus  5217 
Mann  Reiterei  (inkl.  617  Mann  Garde)  und  aus  7442  Mann 
Infanterie  (inkl.  796  Mann  Garde)  bestanden^-).  Bereits 
im  Februar  1680  wurden  hiervon  14  Kompagnien  Reiterei 
und  9  Kompagnien  Fufsvolk  entlassen,  und  als  im  Herbst 
desselben  Jahres,  nach  dem  am  22.  August  in  Freiberg 
erfolgten  Ableben  Johann  Georgs  TI,  sein  Sohn  als  Johann 
Georg  III.  die  Regierung  angetreten  hatte,  wurde  nicht 
allein  die  Reduktion  der  Feldtruppen  fortgesetzt,  sondern 
auch  der  grölste  Teil  der  kostspieligen  Gardetruppen, 
und  zwar:  30  Mann  Leibgarde  der  Mousquetons,  75  Mann 
Kroaten  und  130  Mann  Schweizer  gar  de,  abgedankt. 
Gleichzeitig  benutzte  aber  der  mit  scharfem  militärischen 
Blick  begabte  Kurfürst,  der  sich  von  der  Unzulänglichkeit 
der  angeworbenen  Truppen  während  der  letzten  Kriegs- 
jahre überzeugt  hatte,  diese  auf  solche  Art  den  Land- 
ständen gemachten  Konzessionen,  um  durch  Gewährung 
der  erforderlichen  Mittel  seinem  Lieblingswunsche  näher 
treten  zu  können  und  den  ersten  Grund  zu  einer  stehenden 
Armee  zu  legen.  — 

Die  Abdankung  der  letzten  Schweizergarde- Kom- 
pagnie sollte  nicht  ohne  wesentliche  Schwierigkeiten  vor 
sich  gehen,  vielmehr  zu  langwierigen  Verhandlungen  und 
Korrespondenzen  Anlals  geben.  Diese  Schwierigkeiten 
betrafen  in  der  Hauptsache  die  Ansprüche  von  Quartier- 
geld, welche  die  Entlassenen  noch  zu  haben  vermeinten. 
—  Dals  der  endlichen  Rückkehr  in  die  Heimat  später 
noch  andere  Verzögerungen  bereitet  wurden  durcli  strenge 
Quarantänemaferegeln ,  welche  die  Schweizer  Behörden 
wegen  der  in  Sachsen  grassierenden  Pest  für  nötig  er- 
achteten, werden  wir  weiter  unten  sehen. 

Die  Verabschiedung  der  Kompagnie  —  deren  Haupt- 
mann Joh.  Caspar  Escher  sich  seit  längerer  Zeit  in  der 
Heimat  befand  und  das  Kommando  an  den  Kapitän- 
Lieutenant  Montet  übergeben  hatte  —  fand  Anfang  No- 
vember durch  den  kurfürstlichen  Kriegskommissar,  auch 
Reichsquartiermeister  und  Oberstlieutenant  Lenz  statt. 
Da  die  Schweizer,  wie  aus  dem  unten  erwähnten  Schrei- 


»2)  Bachenschwanz  a.  a.  O.  1785.  Beil.  2.  Hiervou  waren 
nach  derselben  Quelle  3400  Reiter  und  800  M.  Fufsvolk  bei  der 
kaiserlichen  Armee  und  in  kaiserlichem  Sold.  Cxretscliel  a.a.O. 
II,  510  giebt  für  das  Jahr  1676  die  Stärke  des  säclisischen  Heeres 
nur  zu  2353  ßeiter,  .')758  Mann  Fufsvolk  und  etwa  InO  Mann 
Artillerie  an. 

17* 


2G0  A.  von  Welck: 

bell  des  Kammer- Präsidenten  von  Bose^^)  hervorgeht, 
seit  vielen  Monaten  freies  Quartier  genossen  hatten  — 
was  ihnen  nach  der  Kapitulation  vom  1.  (11.)  Dezember 
1658  nicht  zukam  — ,  so  hatte  derselbe  befohlen,  dafs 
ihnen  nur  7  Monate  Sold  ausgezahlt,  der  Betrag  für  den 
achten  aber  für  das  genossene  freie  Quartier  zmiickbe- 
halten,  aulserdem  aber  zuförderst  ihre  Schulden  von  dem 
Solde  in  Abzug  gebracht  würden.  Wegen  dieser  Maß- 
regeln, die  als  vollständig  gerechtfertigt  erscheinen  und 
später  auch  so  von  Oberstlieutenaiit  Escher  bezeichnet 
wurden  (s.  u.),  entstand  nun  grolse  Unzufriedenheit.  Die 
Schweizer  verlangten  nicht  allein  noch  für  den  8.,  ja 
wohl  sogar  für  den  9.  Monat  Sold,  sondern  aufserdem 
Quartiergelder  und  „Abdankungsgelder".  Oberstlieutenant 
Lenz  wendete  sich  deshalb  an  seinen  Vorgesetzten,  den 
genannten  Kammer-Präsidenten  von  Böse,  der  ein  Schrei- 
ben an  ihn  erliefs,  in  welchem  er  sich  dahin  ausspricht, 
dals  die  entlassenen  Schweizer  den  Sold  für  den  8.  Monat 
unbedingt  nicht  zu  beanspruchen  hätten;  der  Oberst- 
lieutenant Lenz  möge  ihnen  nur  7  Monate  Sold  auszahlen, 
zuförderst  aber  die  Schulden  davon  abziehen;  für  die 
Verstorbenen  könne  die  Gage  bis  zum  Tage  ihres  Todes 
verrechnet  werden.  „Der  Hr.  Oberist  Leutenant  Escher 
betreffend,  wellicher  so  lang  nit  im  Land  gewessen,  wirt 
seine  Besoldungsgelter  schon  selber  zusuchen  wüssen". 
Sollten  die  Schweizer  mit  diesem  „raisonables  Tracta- 
menten"  nicht  zufrieden  sem,  so  möchte  Lenz  die  Gage 
im  Amt  Dippoldiswalde  deponieren  und  befehlen,  dafs  die 
Leute  weder  in  das  „Stättly  Darand  noch  anderen  Orthen 
eingelassen"  würden;  nötigenfalls  solle  man  sich  ihrer 
Personen  versichern '■**).  Kapitän-Lieutenant  de  Montet 
und  Lieutenant  von  Erlach,  die  beiden  Offiziere,  welche 
bei  der  Kompagnie  anwesend  waren,  schickten  dieses 
Schreiben  zur  Kenntnisnahme  an  den  Oberstlieutenant  von 
Escher  nach  Zürich,  was  aus  einer  Bemerkung,  welche  sich 
auf  der  im  Staatsarchive  Zürich  befindlichen  Kopie  befindet, 
hervorgeht,  die  lautet:  „Das  Original  dises  Schreybens  ist 
Hern  Obristen  Leutnant  Escher  von  Hr.  Capit.  Leut. 
Montet  und  Leut.  Erlach  aus  Saxen  in  die  Schwytz  über- 
schickt worden." 

^^)  Christoph  Dietrich  von  Böse  der  Ältere,  von  1680—86  Kam- 
mer-Präsident; später  unter  Avigust  dem  Starken  Minister. 

Ol)  St.-A.  Basel  E.  8  C.  No.  3,  d.  d.  28.  November  1680.  Desgl. 
in  den  St.-A.  Zürich  und  Bern. 


Schweizer  Soldtruppeii  1656—1681.  201 

Die  Anspi'üche,  welche  die  Schweizer  noch  bezüglich 
der  Besoldung  erhoben  und  die  daraus  resultierenden  Ver- 
handlimgen,  verzögerten  die  Rückreise  derselben,  so  dafs 
sie  erst  zu  Anfang  des  Jahies  1681  scheint  angetreten 
worden  zu  sein ,  wie  aus  einem  Beschlufs  des  llats  zu 
Zürich  vom  20.  Januar  (1.  Februar)  1681  hervorgeht,  in 
dem  es  heilst :  „Wegen  der  abgedankten  Comp.  Hr.  Obst. 
Leut.  Escher's  in  Sachsen,  so  zum  Theil  mit  Wyb  und 
Kindern  uff  der  Heimreils  begriffen  seyn  soll,  ward 
erkent,  Hr.  Vogt  Vögeli  soll  uff  einen  ohnwägsammen 
Hoff"  als  liauls  von  der  Landstrafs  ohnfehren  vom  wasser 
ussert  Rhyns  nachforschung  haben  die  erfahrende  Ge- 
lägeuheit  schleunig  benachrichtigen,  iudesse  by  synem 
Pafs  von  dergleichen  Lüth  niemand  hindurchlassen,  son- 
dern" etc.  —  es  folgen  nun  noch  einige  weitere  Bestim- 
mungen wegen  der  zu  haltenden  „purga"  und  „quaran- 
täne"  »•^). 

Wir  begegnen  also  hier  den  oben  erwähnten  Quaran- 
tänemalsregeln, die  mit  ernsten  Schwierigkeiten  und  Un- 
annehmlichkeiten für  die  betr.  Kantone  verknüpft  waren, 
namentlich  aber  für  den  Vorort  Zürich.  Ihm  lag  es 
zunächst  ob,  die  entsprechenden  Anordnungen  zu  treffen, 
wie  man  aus  dem  obigen  Eatsbeschlufs  ersieht,  es  scheint 
aber  auch,  dafs  sich  die  Zurückkehrenden  in  corpore  zu- 
nächst nach  Zürich  wenden  wollten ,  um  gemeinsam  von 
dem  dort  aufliältlichen  Escher  die  —  ihrer  Ansicht  nach  — 
ihnen  noch  gebührenden  Emolumente  zu  fordern^'*). 

Zürich  ordnete,  in  Befolgung  des  Beschlusses  vom 
20.  Januar  (1.  Februar)  zunächst  an,  dafs  die  Quaran- 
täne im  „Hof  Langenried'-^')  gehalten  werden  solle,  falls 
der  Besitzer  es  gestatte,  worüber  der  Vogt  Vögeli  mit 
dem  „Bauer  von  Langenried"  verhandeln  solle  ■*'^). 

In  der  Sitzung  vom  19.  Februar  (1.  März)  wurde 
bestimmt,  dafs  der  Vogt  Werdemüller  zu  Eglisau  „die 
abgedankte  Saxische  Compagney  zugethan  geweiste  Sol- 
daten, so  keine  Landeskinder,  in  ihr  Heimath,  benantlich 
die  Berner  uff  Keiliserstuel ,  die  Balsler  uff'  Lauffenburg, 


^^)  Manual  I  des  Rats  Züi'ich.    16IS1.    Sitzung  vom  20.  Jaiuiar. 

^"j  Ein  Teil  der  Schweizer  blieb  vorläufig  noch  in  Sachsen 
zurück. 

'*■')  Der  noch  jetzt  bestehende  „Hof  Langenried",  unmittelbar 
an  der  Grenze  zwischen  Rofz  und  dem  badisdien  Ort  Baltersweil. 

^^)  Manual  des  Rats  Zürich.  Sitzungen  vom  2.  und  12.  Fe- 
bruar 1681. 


262  A.  von  Welck: 

und  die  Appenzeller  ^")  uff  Rhynau  weisen  ohne  Betretung 
Zuriclies  Territorium,  liierlierwerts  Rheins.  Die  Landes- 
kinder aber  mit  bescheidenlicher  Nothwendigkeit  an  Brot 
und  etwa  einem  Trunk  in  den  Langeurieder  Hof  versor- 
gen. Indessen  die  frembden  vor  Verflielsuug  2  Monate 
wegen  ihrer  vermeinender  Ansprachen  Juncker  Obst. 
Leut.  Escher  angelangen  nit  harkommen  mögen"  ^*'"). 

In  diesen  Tagen  trafen  also  die  in  Sachsen  Ent- 
lassenen an  der  Schweizer  Grenze  ein,  und  in  der  Rats- 
sitzung vom  21.  Februar  (3.  März)  wurden  die  erforder- 
lichen Anordnungen  wegen  der  vorzunehmenden  Desin- 
fektion getroffen  ^"^). 

Die  beabsichtigte  Dirigierung  der  Nicht-Züricher  auf 
die  verschiedenen  Rheinübergänge  scheint  aber  nicht  oder 
wenigstens  nicht  vollständig  zur  Ausführung  gekommen 
zu  sein ,  denn  in  dem  Sitzungsberichte  vom  23.  Februar 
(5.  März) ^02)  heifst  es: 

„Es  wird  abgelesen  die  Supplication  der  Landeskinder  von  der 
abgedankten  Sax.  Comp,  so  sich  in  dem  Langenrieder  Hof  bei  Rafftz 
aufhalten,  die  begehrte  Besoldung  eines  restier.  Monatssoldes  und 
ihre  Heimlassuug  betrfid.  Es  v^^ird  erkannt,  dafs  die  Fremden 
in  ihre  Heimath  gewiesen  werden  sollen,  die  Züricher  aber  die 
Quarantäne  richtig  halten  müssen.  Ob.  Ltnt.  Escher  sagt,  dafs  er 
kein  Sold  für  die  Leute  erhalten  habe ;  den  ehrlichen  Abschied  wer- 
den sie  aber  erhalten.  Uff  erhaltem  Bericht  aber,  dafs  Hr.  Oberst  Ltnt. 
und  Commissar  Lentz  selbigen  wegen  vor  etwas  Zeit  hero  genossenen 
Quartieren  hinderhalten,  vrerde  Er  Juncker  Escher  bei  seiner  ohne 
das  bald  vorhemmeuden  Reise  in  Saxen  sorgfeltig  auf  desse  Erhe- 
bung nachtrachtung  haben  und  alsdann  denselben  verabfolgen  lassen". 

Endlich  finden  wir  noch  im  Sitzmigsberichte  vom 
26.  Februar  (8.  März)^"-^)  die  Bemerkung:  „Die  Kosten 
haben  im  Hof  Langenried  10  Reiclistlialer  betragen. 
Escher  soll  soviel  vom  zu  erwartenden  Sold  innebehalten". 
Es  bezieht  sich  dies  jedenfalls  auf  die  bis  dahin  dort 
verpflegten  „Fremden". 

Von  dem  obigen  Sitzungsberichte  gab  der  Rat  zu 
Zürich  am  26.  Februar  (8.  März)  den  Räten  zu  Basel, 
Bern  und  Schaffhausen  Kenntnis ^''^).  In  Basel  wurde  die 
betreffende  Zuschrift  in  der  Ratssitzung  vom  2.  (12.)  März 


*")  Man  möchte  hier  an  eine  Verwechselung  mit  Schaffhausen 
glauben. 

10^)  Manual  des  Rats  zu  Zürich.     Sitzung  vom  19.  Februar. 

101)  Ebenda.     Sitzung  vom  21.  Februar  168L 

102)  Ebenda.     Sitzung  vom  23.  Februar  168L 

103)  Ebenda.     Sitzung  vom  26.  Februar  1681. 
1«)  St.-A.  Basel  E.  8  C.  No.  3. 


Schweizer  Soldtruppen  165ß— insi.  263 

verlesen  und  beschlossen,  „dafs  es  darbey  bleibe" ;  „wann 
sich  der  ünsrigen  Jemandt  anmeldet,  wirt  man  ferneres 
rhätig-  werden"  ^°'). 

Bern  antwortete  am  4.  (14.)  März,  indem  es  sich 
bedankt  und  mitteilt,  dals  es  für  die  erforderlichen  Qua- 
rantänemalsregeln  bezüglich  der  Bernischen  Unterthaneu 
gesorgt  habe.    Es  schliefst : 

„Wir  ersuchen  Euch  gleich  wohl  darbey  freündt  Eidtgenössisch, 
Ihr  geruhet  den  Hr.  Ohristeu  Lieuten.  Escher  güetlichen  zuvermögen, 
besagten  den  unseren,  die  Ihme  bekandt  sein  werden,  Ihren  restiren- 
deu  Sold  sambt  dem  Abscheidt  zukommen  zu  lassen,  undt  zwahr 
ohne  dafs  defswegen  Sie  eine  expresse  Reise  in  Eure  Unsere  V.  L. 
A.  E.  Statt  mit  Kosten  thun  müessend,  weilen  es  auf  eine  andere 
Weise  wohl  wirt  beschechen  können"^"*'). 

Mittlerweile  hatte  aber  der  Rat  Zürich  den  Oberst- 
lieutenant Escher  aufgefordert,  einen  ausführlichen  Bericht 
und  ein  Gutachten  über  diese  Angelegenheiten  und  nament- 
lich über  die  Rechtmälsigkeit  der  Ansprüche  der  ent- 
lassenen Garde-Kompagnie  anzufertigen  und  einzureichen. 

Diesem  Befehle  kam  Escher  nach  und  zwar  unter 
Beifügung  des  oben  erwähnten  Schreibens  des  Kammer- 
Präsidenten  von  Böse,  welches  ihm,  wie  bemerkt,  zuge- 
schickt worden  war. 

Diese  Eingabe  Escher's  ^'''^)  entwirft  ein  klares  und 
unparteiisches  Bild  von  den  vorliegenden  Differenzen. 
Er  schreibt,  dais  „die  beiden  Herren  von  Bern",  Kapi- 
tänlieutenant von  Montet  und  Lieutenant  von  Erlach 
(welche  bekanntlich  bei  der  Abdankung  der  Kompagnie 
in  Sachsen  waren)  die  beste  Auskunft  würden  geben 
können.  Dieselben  würden  auch  bezeugen,  dafs  alle  in 
sächsischen  Diensten  gewesenen  Schweizer  Soldaten  bis 
zum  1.  November  des  vergangenen  Jahres  ihren  Sold  stets 
richtig  erhalten  hätten.  Die  Soldzahlung  pro  November 
habe  ihnen  allerdings  eigentlich  noch  gebührt,  das  bei- 
liegende Schreiben  Bose's  enthielte  aber  den  Grund, 
warum  dieselbe  nicht  geleistet  wurde.  Es  sei  ihm  — 
Escher  —  also  eine  Schuld  nicht  beizumessen,  noch  viel 
weniger  sei  aber  an  ihn  eine  Forderung  zu  stellen,  da 
er   der  grassierenden  Pest  wegen,   bei  der  Ab- 


105)  Basler  Rats-Protokolle  Bd.  47. 
1"«)  St.-A.  Bern  L^  S.  629. 

'<>■')  St.-A.  Zürich  Acta   Sachsen.    Olnie  Datum.    St.-A.   Basel. 
Als  Beilage  zu  E.  8  C.  No.  2  (siehe  Anmerkung  No.  108). 


264  A.  von  Welck: 

dankiing  iiiclit  zugegen  gewesen  sei^*'^).  Was 
die  Forderung  von  Abdankungsgeldern  beträfe,  so  liefse 
sich  eine  Berechtigung  dazu  aus  der  Kapitulation  nicht 
herleiten,  immerhin  wolle  er  versuchen,  wenn  er  naclr 
Sachsen  käme,  ob  sich  sowohl  bezüglich  des  Monatssoldes 
als  auch  bezüglich  dieser  Abdankungsgelder  etwas  erreichen 
Heise.  Die  „Abschiede"  wolle  er  einem  jeden  in  bester 
Form  zukommen  lassen.  Die  Berner  könnten  sich  aber 
dieselben  ebenso  gut  vom  Kapitänlieutenant  Montet  in 
Escher's  Namen  ausstellen  lassen.  Endlich  bittet  Escher 
der  „Lobl.  Stand  Bern"  möge  sich  doch  sowohl  bei  den 
schon  genannten  beiden  Offizieren,  als  auch  bei  den  andern 
Bernern,  die  in  Sachsen  gedient  hätten,  Hauptmann  Wolf- 
gang von  Bonstetten,  Steiger,  Im  Hoff  u.  a.,  namentlich 
auch  bei  Herrn  Landvogt  Beat  Fischer,  der  wiederholt 
in  Dresden  gewesen  sei,  informieren,  ob  er  —  Escher  — 
nicht  stets  sein  Möglichstes  gethan  habe  „zur  Erhaltung 
und  Vermehrung  Lobl.  Eidtgenolsschaft  Ansehen  und 
Eeputation",  sowie   zur  „Vernügung  Ihr.  Churf.  Dchlt". 

Man  möchte  ihm  also  keine  Schuld  beimessen,  und 
es  schiene  beinahe,  dals  die  Soldaten,  die  ihm  für  so  viele 
gehabte  Mühe  so  schlechten  Dank  Wülsten,  diese  For- 
derungen erst  auf  der  „verdriefslichen  Quarantaine  ge- 
schmidet"  hätten.  Endlich  fügt  er  noch  hinzu,  dals,  selbst 
wenn  die  Auszahlung  des  Soldes  für  die  letzten  7  Mo- 
nate (siehe  das  Schreiben  Bose's)  nicht  erfolgt  wäre, 
man  ihm  keine  Schuld  beimessen  könne,  da  die  Soldaten 
das  gezahlte  Geld  stets  „alles  in  ihre  Hüte  gestrichen" 
hätten,  und  es  sei  „nichts  en  deconte  oder  Abrechnung 
wie  in  Französischen  Diensten  oder  anderstwo  bräuchig 
zurückbehalten  worden",  so  dafs  also  auch  die  Offiziere 
nicht  für  die  richtige  Bezahlung  der  Soldaten  Bürgschaft 
leisten  könnten. 

Dieses  Schriftstück  nebst  dem  beigefügten  Schreiben 
Bose's  schickte  am  25.  März  (4.  April)  Zürich  in  Ab- 
schrift an  die  drei  Kantone ^"'■^)  und  schrieb  hierzu,  die- 


^°^)  Er  begründet  diese  seine  Abwesenheit  in  einem  späteren 
Bericht  an  die  Obrigkeit  zu  Zürich  durch  Beilegung  eines  „Scheines 
No.  5",  der  uiclit  mehr  vorhanden  ist.  Doch  scheint  es  hiernach, 
dafs  er  wegen  Krankheit  nacli  der  Schweiz  gereist  war  und  dafs 
dieser  „Schein"  demnach  ein  ärztliches  Attest  war. 

10")  St.-A.  Zürich,  Acta  Sachsen  d.  d.  25.  März  1681.  Konzept. 
St.-A.  Bern,  L-  S.  643.  St.-A.  Basel,  E.  8  C.  No.  2.  St.-A. 
Schafthausen,  Acta  Sachsen  No.  18. 


Schweizer  Soldtmppen  1656—1681.  265 

selben  wüi'den  aus  den  Beilagen  ersehen,  wie  Escher  die 
vorliegende  Frage  beurteile.  Sie  möchten  also  ihre  betref- 
fenden Unterthanen  davon  abhalten,  etwa  nach  Zürich  zu 
kommen,  um  ilire  vermeintlichen  Ansprüche  geltend  zu 
machen,  sondern  dieselben  „oberkeitlich  zu  ruhen  weisen". 
Hingegen  werde  Escher  in  den  nächsten  Tagen  nach 
Sachsen  reisen  und  das  Verlangen  des  „praetendii-enden 
Monat -Solds  mit  allen  ersinnlichen  Offlcien  anzebringen 
und  zu  der  Interessirten  Contento  bester  massen  aulsze- 
würcken  trachten"'  "■). 

Um  vor  seiner  Abreise  nach  Sachsen  vollständig 
orientiert  zu  sein  über  die  Sachlage  und  namentlich  über 
die  Vorgänge  bei  der  Abdankung  der  Kompagnie,  bat 
Escher  den  Kapitänlieutenant  Moutet,  der  mittlerweile 
auch  in  der  Schweiz  eingetroffen  war  und  sich  in  Servion 
bei  Vevej'  aufhielt,  ilim  einen  ausführlichen  Bericht  über 
diese  Vorgänge  zukommen  zu  lassen.  Montet  kam  diesem 
Wunsche  mittelst  eines  Schreibens  vom  19.  (29.)  März 
nach^"),  welches  alle  Vorgänge  bei  der  Entlassung  der 
Schweizergarde  durch  Oberstlieutenant  Lenz  eingehend 
berichtet  und  als  die  hauptsächlichsten  Forderungen  der 
Soldaten  die  nachstehenden  bezeichnet: 

1.  Käme  ihnen  noch  vom  Jahre  1679  her  eine  drei- 
monatliche Soldzahlung  (im  Ganzen  1000  Reichsthaler) 
zu,  welche  der  Kurfürst  dem  Herrn  „Leben"''-)  zu 
leisten  befohlen  habe.  —  Aus  dem  etwas  unklaren  Schreiben 
Montet's  scheint  hervorzugehen,  dals  dies  für  Schulden 
innebehalten  wurde. 

2.  Hätten  sie  den  Sold  für  9  Monate  zu  fordern  ge- 
habt :  er  sei  ihnen  aber  zunächst  nur  für  6  Monate,  dann 
noch  für  den  7.  bezahlt  worden.  Wegen  des  8.  —  der 
bekanntlich  für  das  in  natura  geleistete  Quartier  in  Ab- 
zug kam  —  hätten  sie  sich  wollen  an  ihren  Haupt- 
mann (Escher)  wenden,  wovon  er  (Montet)  ihnen  aber 
sehr  abgeredet  habe.  Schliefslich  habe  der  Kommissar 
sich  erboten,  wegen  dieses  8.  Monats  sich  noch  einmal 
in  ihrem  Interesse  an  den  Kurfürsten  zu  wenden,  was 
sie  gern  acceptierten.  „Ayant  enfin  rendu  les  armes  le 
lendemain  et  dautant  que  parmi  ces  dernieres  instances, 
monsieur  le  Commissaire  oftiit  de  se  charger  encor  dune 


"")  Basler  Rats -Protokoll  No.  55.     Sitzung  v.  Sambstag   den 
30.  Marty  Ao.  1681. 

1")  St.-A.  Bern  L-  S.  (535.     In  französischer  Sprache. 
"-)  Hofsekretär  Löwe.     Vergl.  ProtokuU  der  Beruer. 


266  A.  von  Welck: 

suplication  ä  S.  A.  E.  pour  ce  hiiittieme  mois,  oii  axcepta 
avec  bien  de  la  ioye  et  du  respect  ce  bon  office  et  luy 
remit  la  suplication  a  la  teste  de  la  compagnie  et  le 
pria  fort  instament  de  les  avoir  en  reccommandation.  II 
promit  de  bonne  grace  toutes  sortes  de  bon  office  a  cest 
esgard". 

Am  30.  März  (9.  April)  erhielt  Escher  diesen  Brief 
und  schrieb  am  7.  (17.)  April,  anscheinend  unmittelbar 
vor  seiner  Abreise  nach  Sachsen,  an  ,, Monsieur  le  Lieute- 
nant" (jedenfalls  Lieutenant  von  Erlach)  nach  Bern^^'^), 
dals  eine  grofse  Anzahl  der  entlassenen  Schweizer  bei 
ihm  gewesen  seien  und  von  ihm  die  Bezahlung  des  drei- 
monatlichen Soldes  verlaugt  hätten.  Er  habe  ihnen  daraaf 
nur  erwidern  können,  dals  er  „selbiges  auch  gern  haben 
wolle".  Wenn  es  ihnen  jemand  schuldig  sei,  so  sei  er 
es  in  kehieni  Falle,  sondern  der  Kurfüi^st,  und  er  wolle 
gern  in  Sachsen  sein  Möglichstes  thun,  um  noch  etwas 
für  sie  zu  erlangen. 

Zürich  erbat  sich  nun  von  BaseP'*)  noch  die  Ab- 
schriften der  Kapitulationen  von  1659  und  1663,  jeden- 
falls damit  Escher  dieselben  als  Unterlagen  seiner  Ver- 
handlungen mit  nach  Sachsen  nehmen  könne,  und  endlich 
liegt  vom  25.  April  (5.  Mai)  eine  Mitteilung  Zürichs  an 
Bern  vor^^^),  dafs,  „um  weitere  Verdriefslichkeiten  zu 
ersparen"  die  Zahlung  des  rückständigen  Monatssoldes 
mit  sechs  Reichsthalern  seitens  des  Kantons  geleistet  wor- 
den sei.  Aulserdem  ersieht  man  aus  dieser  Zuschrift, 
dafs  Escher  nun  \nrklich  nach  Sachsen   abgereist  war. 

Ob  die  andern  Kantone  dem  Beispiel  Zürichs,  den 
Sold  für  einen  Monat  zu  bezahlen,  nachfolgten,  ist  aus 
den  Akten  nicht  ersichtlich. 

Oberstlieutenant  von  Escher  wurde  zum  Zwecke 
seiner  Mission  mit  einem  an  den  Kurfürsten  gerichteten 
Schreiben  der  Kantone  und  mit  einem  desgleichen  an  den 
Oberhofmarschall  von  Haugwitz^^**)  versehen.  Er  traf 
am  15.  (25.)  Mai  im  Hoflager  zu  Torgau  ein  und  hatte  am 
17.  (27.)  dieses  Monats  eine  Audienz  beim  Kurfürsten,  in 
welcher  er  sich  seines  Auftrags  entledigte  und  die  Wünsche 


"3)  St.-A.  Bern  L^  S.  631. 

1'*)  Basler  Rats  -  Protokoll  No.  55.  Sitzung  v.  Mittwoch  d. 
13.  Aprilis  1681. 

"&)  St.-A.  Bern  L^  S.  649. 

i'ö)  Friedrich  Adolf  von  Haugwitz,  geh.  1637.  Seit  1680  Oher- 
hofniarschall.    Stirht  1715.    Diese  heiden  Schreiben  fehlen. 


Schweizer  Soldtruppen  1056—1681.  267 

der  entlassenen  Schweizer  aucli  mündlich  dem  Kurfürsten 
vortrug.  Derselbe  empfing  ihn  sehr  gnädig,  erteilte  aber  be- 
züglich dieser  letzteren  eine  abschlägliche  Antwort,  welche 
auch  bereits  am  25.  Mai  (4.  Juni)  dem  Oberstlieutenant 
Escher  schriftlich  zuging  und  welche  sich  darauf  gründet, 
dals  1.  die  Schweizer  etliche  Monate  freies  Quartier  er- 
halten und  demnach  kein  Quartiergeld  zu  beanspruchen 
hätten;  dafs  sie  2.  wegen  Abwesenheit  des  Hofstaates 
von  Dresden  mehrere  Monate  keinen  Dienst  gethan  hätten 
und  infolgedessen  der  Abzug  des  letzten  Monatsoldes 
gerechtfertigt  erscheine,  und  dals  3.  die  Gewährung  von 
Abdankungsgeldern  weder  in  der  Kapitulation  vorgesehen, 
noch _ überhaupt  in  Deutschland  gebräuchlich  sei'"). 

Über  die  weitere  Thätigkeit  Escher's  während  seines 
Aufenthaltes  in  Sachsen,  soAvie  über  die  vielfachen  Vor- 
würfe, die  daselbst  wider  ihn  erhoben  wurden,  und  wie 
er  dieselben  entkräftet,  giebt  der  Bericht  Auskunft,  den 
er  nach  seiner  Rückkehr  nach  Zürich  —  Mitte  August  — 
an  seine  Obrigkeit  erstattet  und  der  nebst  den  dazu  ge- 
hörigen Beilagen  zur  Kenntnisnahme  an  die  drei  Kan- 
tone geschickt  wurde"-).  In  Basel  ging  derselbe  bereits 
am  20.  (30.)  August  ein,  wie  das  Ratsprotokoll  aus- 
weist""), während  er  nach  Bern  erst  4  Wochen  später, 
am  19.  (29.)  September,  abgesendet  wurde. 

Da  dieser  Bericht  gewissermaßen  den  Abschluls 
bildet  für  die  Dienstleistungen  der  Schweizer  in  Sachsen 
während  des  17.  Jahrhunderts,  so  teilen  wir  ihn  als  An- 
lage V  wörtlich  mit. 

Es  geht  aus  demselben  hervor,  dafs  irgend  welches 
Recht  zu  weiteren  Forderungen  den  entlassenen  Offizieren 
und  Soldaten  niclit  zur  Seite  stand;  Escher  hält  aber 
trotzdem  die  spätere  Erlangung  des  qu.  Monatsoldes,  „weil 
Ihr  Churfürstlich  Durchlaucht  sich  so  gnädig  erzeigt  und 
Ihne  in  synen  Diensten  wiederum  zu  accomodieren  be- 
gehrt", nicht  fiir  unmöglich.  Besonders  bemerkenswert 
ist    der  Schlufspassus:    „Letstlichen   bitet  Herr  Obei'st- 

"'0  St.-A.  ■Rern  Iß  S.  653  d.  d.  25.  Mai  1681. 

"«)  St.-A.  Bern  L-  S.  6ö5— 662.     Unten  Anlage  V. 

"»)  Basler  Rats -Protokoll  No.  ,55.  1680  —  82.  Sambstags  den 
20.  Augusti  Ao.  1681 :  „Schreihen  von  Zürich  communicirt  die  Ori- 
ginalbeylagen  so  der  Ihrige  Hr.  Obrist  Lieutenant  Escher  aufs 
Sachsen  mitgebracht.  Daraufs  sich  erscheinet,  dafs  man  Ihme  den 
undergehabten  Guarti  Soldaten  letsten  Monat  Sold  nicht  bezahlt, 
sondern  inubehalten,  weilen  Sie  frey  quartier  genossen,  so  man  Ihnen 
nicht  schuldig  gewesen." 


268  A-  '^on  Welck: 

Leiit.  Esclier,  das  mau  doch  keine  Gleichheit  zwüschend 
den  Teütschen  und  frautzösischen  Diensten  machen  wolle, 
danne  in  den  erstereu  der  Soldat  so  woll  alfs  der  Offlcier 
synen  gewüssen  sold  flyssig  bezeüche,  und  gar  nichts  in 
deme  deconte  verblj^be"  etc. 

Zwischen  Zürich  und  Bern  fanden  in  dieser  Zeit 
noch  verschiedene  Korrespondenzen  in  diesen  Sachen  statt; 
aus  einem  Schreiben  Zürichs  vom  19.  (29.)  September 
geht  hervor,  dals  Kapitänlieutenant  de  Montet  sowohl, 
wie  Lieutenant  von  Erlach  für  ihre  Person  noch  Ansprüche 
bezüglich  ihrer  sächsischen  Dienstzeit  geltend  machten  ^^''). 
Es  scheint  denselben  aber  von  keiner  Seite  weitere  Folge 
gegeben  worden  zu  sein. 

Nach  der  Abreise  Escher's  aus  Sachsen,  dürften 
wohl  auch  die  letzten,  bis  jetzt  noch  in  Erwartung  ihres 
Abschieds  daselbst  verbliebenen  Soldaten  der  Schweizer- 
garde nach  ihrem  Vaterlande  zurückgekehrt  sein.  Mit  der 
Entlassung  der  Escher'schen  Kompagnie  im  Jahre  1680—81 
verschwindet  für  zwei  Jahrzehnte  die  letzte  geschlossene 
Abteilung  Schweizer  aus  den  kurfürstlichen  Diensten.  Wir 
finden  sie,  die  uns  bis  jetzt  nur  als  Gardetruppen  und 
am  Hoflager  begegneten,  zu  Anfang  des  kommenden 
Jahrhunderts  wieder  auf  dem  Schlachtfelde  im  Kampfe 
gegen  das  Heer  Karl's  XII. 

Auch  Hans  Caspar  Escher  scheint,  trotz  des  Wun- 
sches des  Kurfürsten,  nicht  wieder  nach  Sachsen  zurück- 
gekehrt zu  sein^-^).  Sein  Neffe  Hans  Heinrich  Escher 
kommandierte  seit  1680  oder  81  das  Leibregiment;  bereits 
1682  gab  er  aber  das  Kommando  ab  an  Oberst  von  Schön- 
feld ^^•-).— 

Wir  beschliefsen  diesen  Abschnitt  mit  einer  kurzen 
Bemerkung  üjber  die  Uniformierung  der  Leib  trab  an  ten 
zu  Fufs,  die  in  den  folgenden  Jahren  vielleicht  Anlafs 
zu  den  schon  erwähnten  Verwechselungen  zwischen  der 
Trabanten-  und  der  Schweizergarde  bot,  können  aber 
allerdings  auch  mehr  oder  weniger  nur  auf  Annahmen 
fulsen. 

Wahrscheinlich  erhielt  nämlich  die  Trabanten-Leib- 
garde im  Jahr  1681,  nach  Auflösung  der  Schweizergarde 
(gelbe   Kompagnie),    deren   Uniform,    und    der   Name 

120)  St.-A.  Bern  L^  S    6.55. 

121)  Yergl.  über  ihn  Anlage  VI. 

^-")  Vergl.  Winsenscliaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung 
No.  69  vom  26,  August  1885. 


Sdiweizer  Sokltmppeii  1656—1681.  269 

Schweizer  wurde  infolgedessen  vielfach  —  unberechtigter 
Weise  —  auf  die  Trabantengarde  übertragen ;  es  ist  aber 
ausdrücklich  zu  bemerken,  dafs  nur  dem  Korps  diese  Be- 
zeichnung zu  Teil  wurde,  während  die  einzelnen  Leute  „Tra- 
banten" genannt  werden.  So  finden  wir  im  Codex  legum 
milit.  Sax.  ^-■^)  einen  „Bestallungs-  und  Articuls  Brief  Chui" 
Fürst  Joh.  Georgens  III.  zu  Sachfsen,  worauf  die  bey 
der  Chur  Fürstl.  Schweitzer  Garde  befindlichen  Tra- 
banten schweren  und  sich  verpflichten  lassen  sollen,  de 
26.  April  Anno  1684". 

Die  historischen  und  Personal -Nachrichten,  welche 
in  den  Ende  des  vorigen  und  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
erschienenen  Ausgaben  des  Bachenschwanz  „Geschichte  und 
gegenwärtiger  Zustand  der  sächsischen  Armee"  der  Rang- 
liste der  Schweizergarde  vorgedruckt  sind,  sind  unrichtig, 
sowohl  hinsichtlich  der  „Geschichte",  als  hinsichtlich  der 
Namen  der  „Schweizer  Hauptleute",  weil  ausnahmslos 
eine  Vermengung  der  Trabanten  mit  der  Schweizergarde 
stattfindet.  Wie  aus  den  vorstehenden  Aufzeichnungen 
zu  ersehen,  wurde  die  Schweizer  Leibgarde  in  Sachsen 
im  Jahre  1656  errichtet  und  1680  aufgelöst  und  Schweizer 
Hauptleute  waren  nur  Isaac  de  Magny  und  Johann  Cas- 
par Escher. 

Erst  im  Jahre  1725  wurde  eine  Schweizergarde  wieder 
errichtet. 

Auf  das  erneute  Auftreten  Schweizerischer  Sold- 
truppen in  kursächsischem  Dienste  in  den  ersten  Jahren 
des  neuen  Jahrhunderts  werden  wir  in  einem  späteren 
Aufsatz  näher  eingehen. 


Anlagen. 

No.  I.    (1656,  Oktober  24./Novl)r.  3.) 

Vergl.  oben  S.  226, 

Capitulatio  nach  welcher  des  Durchlauchtigsten,  Hochg-eliohrnen 
Fürsten  und  Herren,  Herren  Johann  Georgens  Defs  Anderen,  Her- 
tzogens  zu  Sachfsen,  JüUich,  Cleve  und  Bergk,  defs  heyligen  Römi- 
schen Rychs  Ertzmarschalls  und  Churfürstens,  Laiidtgraffens  in  1  )ii- 
ringen,  Marggraffens  zu  Magdel)urgk,  (Iraffens  zu  der  Marck  und 
Kavensbergk ,  Herrens  zu  Ravenstein,  über  Dero  Leib-Guardie  be- 
stelter  Hauptman  und  Cammer  Juncker,  Isaac  de  Magny  Oberster 


^-^)  Tobias  Benjamin  Hoffmann,  Codex  legum  militarium  Saxoni- 
cus  etc.    (Dresden  T/öü.) 


270  A.  von  Welck: 

Leütenant  etc.  iu  denen  zuhöchst  gedachten  Ihrer  Churf.  Dchlt.  Leib- 
Compagnie  an  Schweitzern,  gnädigst  begehrenden  Völckern  tractiren 
und  dieselben  so  fort  commendireu  soll. 

1.  Ist  ein  Leütenant  zu  werben,  welcher  monatlich  dreyfsig^^*) 
Thaler  zugewarten  hatt. 

2.  Ein  Fenderich,  soll  haben  zwantzig'-^)  Thaler. 

3.  Zwey  1-")  Wachtmeister,  einem  Jeden  monatlichen  fünffzehn^-'') 
Thaler. 

4.  Drey  Corporalen,  einen  Jeden  monatlichen  zehen  '-*)  Thaler  >'-''). 

5.  Zweyi^")  Drommelschläger ,  und  zwey^*^")  Pfeyffer,  Jedem 
monatlichen  siben  Thaler. 

6.  Sollen  von  denen  andern  zu  Dero  Leib  Gruardie  bedürffenden 
ein  Jeder  monatlich  sechs  Thaler  empfahen  ^^i). 

7.  Auch  sollend  dieselben  frey  Quartier 

8.  Kleidung 

9.  Auff  den  Reissen  Kostgelt  oder  Speifsung"-) 

10.  Unnd  wann  einer  krancki^Sj^  dann  nothwendige  Medicameuta 
haben. 

IL  Ihn  mafsen  Sy  glychsfahls  alle  monatlich  richtigk  ihren 
Soldt  überkommen  werden  wie  dessentwegen  bereits  anstalt  gemacht 
worden  ^'^*).     Signatum  Drefsden,  am  24t.  Octobris,  Anno  1656. 

(L.  S.)  Johann  Georg  Churfürst. 


No.  II.    (1656,  Dezember.) 

Vergl.  oben  S.  227. 
Project  der  Ordonnanz   für  die  Churfürstl.  Säxischen  Völckher. 

Es  sollen  die  Herren  Officier  und  Knecht,  so  von  der  Statt 
Zürich  Inn  die  Churfrl.  Sächsische  Lybsgwardi  werden  gegeben,  vor 
allen  dingen  dahin  sehen,  dafs  die  Ehr  Gottes  defs  Allerhöchsten; 
Ihr  Churfl.  Dchlt.  Wirde;  der  Statt  und  Kirchen  Zürich  Ansehen 
und  rum,  wie  auch  eines  Jedefsze  zytliche  und  ewige  Wolfahrt  an- 
gelegenlich  werde  beobachtet:  Welches  durch  volgende  Articul  im 
Werckh  kan  erhalten  werden. 

L  Dafs  under  die  Compagnei  von  Zürich  keine  andere  nit  syn 
sollend,  alfs  ehrliche  Burger  und  Landtleüth ,  und  etwann  auch  von 
gemeinen  Herrschafften  so  fehr  (sie)  dafs  die  Knecht  Evangelisch 
sygind. 

2.  Es  soll  der  Haubtman  als  Leütenant  über  difse  Knecht  haben 
ein  ordenlichen  Rodell,  und  denselben  alle  halbe  Jahr  unseru  gfnädigen] 
H[erren]  ynlifferen,  mit  andeütung,  wie  sich  der  ein  und  andre 
verhalte. 


12*)  50  Cop.    125)  30  Cop.    128)  Ein  Cop.    i^^)  20  Cop.    i^s)  15  Cop. 

129)  Ein  Vorfähnrich  15  Thlr.  (Zusatz)  Cop. 

"ö)  Drey  Cop. 

i'*')  .'^  6  lautet  in  Cop:  Sollen  im  übrigen  108  Knechte  geworben 
werden  und  ein  jeder  Mann  6  Thlr.  emphahen. 

i''2)  Für  Kostgelt  oder  Speissung  hat  Cop:  Auslösung  gleich 
denen  Trabanten. 

i'^")  oder  schadhafft  Zusatz  Cop. 

1^*)  wie  —  worden  fehlt  Cop. 


Schweizer  Soldtrappen  1656—1681.  271 

3.  lim  der  Reifs  imd  inn  den  Quartieren  da  soll  allwegen  defs 
Morgens  und  Abendts,  wie  auch  vor  und  nach  dem  Aefszen  das  Ge- 
bett  laut  gesprochen  werden,  allefs  mit  gebührender  Andacht. 

4.  An  den  Son-  und  heiligen  Fesstagen  zoll  mann  inn  den 
quartieren  die  Zj'th  zubringen  mit  betten,  läfsen,  singen:  1.  mit  einem 
aldanderen  Capütul  defs  der  H.  Bibell:  2.  mit  Widerhollung  unsers 
Cathechifsmi  und  der  Zeügnufszen. 

5.  Der  Obere  -  Officier  soll  versehen  syn  mit  Unserer  Eydtg. 
Glaubens  -  Bekaudtnuss :  mit  der  Kirchen -Agend  und  Bättbuch,  mit 
dem  grofsen  Mandath  und  Ehesatzung  und  anderen  nothwendigen 
stuckhen. 

6.  Die  Predigen  by  denen,  die  der  Augstpurgischen  Cofession. 


No.  III.    (1656,  Dezember.) 

Vergl.  oben  S.  228. 

Anleitung  für  Hr.  Leütenant  Escher,  Avessen  Er  by  syner  stell 
under  ihr  Cuhrfl.  Dcht.  in   Saxen  Leib-guardie  wol  zugewahren. 

Die  Ihme  undergebene  soldats  anzemanne  zu  einen  christlichen 
und  fromen  lobe :  zu  brüderlich  liebe  gegen  ein  andern :  zu  alle  trüw 
redelichkeit  und  dapferkeit. 

Sy  allezyt  in  guter  disciplin  zehalten  und  by  fürfalleuden  Ur- 
sachen der  mit-burgerlichen  aft'ection  nit  znvergessen.  Alle  sache 
under  wegs  und  by  den  Säxisch  hoff  wol  zugewahreu,  sonderlich 
sovil  uusern  Stand  betrifft  und  denselben  aller  orten  wol  recommendiren. 

Nach  ankunfft  by  vermelden  Saxisch  Hoff,  desselben  beschaffen- 
heit  in  Geist -und  weltlich  sach  sovil  müglich  eigentlich  erkundi- 
gen und  berichten. 

Auch  welche  Herrn  in  beiden  Stenden  in  den  höchsten  ansehen 
und  was  affection  Sy  zu  unsern  Stand  tragind.  Sich  versehn  mit 
derer  Eydtgenossischen  Republic  Simleri '"•'') ,  auch  den  mercure 
Suisse  '"''),  daraus  unsere  Altfordern  Thaten  auch  jüngste  sach  wesent- 
lich auzebringen:  dsgl.  mit  den  Scriptis  Lutheranorum  so  zu  der 
zyt  des  H.  Zwingly  alhero  kommen,  und  darus  by  gutem  anlaas  er- 
scheinen, unsere  allerbeste  Zuneigiing  auch  in  ßeligionssach. 

Er  wolle  auch  gute  anstalt  mach  zu  sicheren  aiisendung  der 
brieffe,  damit  man  wichtig  und  berichtwürdige  sache  wöchentlich 
communiciren  und  ihme  herdurch  auch  by  hoff  desto  angenehmer 
mach  könne. 


^^•'')  Regiment  Gemeiner  loblicher  Eydgenoschaftt :  Beschriben 
und  in  zwey  Bücher  gestellet  diii'ch  Josiam  Simler  von  Zürych: 
Jetzo  aber  von  ueweni  übersehen  unnd  an  vilen  orten  gemehret  und 
verbesseret.  In  diseren  Bücheron  wirt  nicht  allein  beschriben  das 
Regiment  gemeiner  Eydgenoschafft  in  gemein  unnd  auch  der  Orten 
und  Zugewandten  insouderheit,  sondern  es  werden  erzeilet  der 
Pündten  Ursprung  und  hci-konimen,  auch  ihre  conditionen  und  llanpt- 
artickel  und  was  sich  darauff  in  einer  Eydgenoschafft  verlogen  lial)e: 
und  begreyfft  also  das  erste  Buch  ein  sumen  der  Eydgenossisciien 
history  von  den  zweyten  König  Rudolffen  bifs  auff  das  Reych  Caroli  V. 
Getruckt  zu  Zürych  im  1576.  Jar. 

^^*')  Le  mercure  Suisse  par  Jean  Martin,  chez  Jean  de  la 
Tovrette.    Paris,  1634. 


272  A.  von  Welck  : 

In  glych  wolle  Er  sich  auch  beflyfsen,  was  der  andern  wichti- 
ges verlaufft  coutinnirelich  alher  zuberichten,  dardurch  syneu  credit 
auch  alhir  zuerhalden:  Insonderheit  aber  in  alle  wäg  wolge wahren 
dessen  so  unsern  Eydtgenössisch.  Stand  berüre,  und  man  darüber 
halten  und  discurriren  möchte. 

Des  vergangenen  Wesens  halber  wolle  Er  sich  bedienen  unsres 
Manifests  und  mengklichen  versichern,  das  wir  anders  mit  ergreyöung 
der  waaffen  nichts  gesucht,  als  den  ohnbedingten  ßechtsstaud  zuer- 
halten,  wie  Er  in  den  Pündten  versehen  und  damit  herkommen:  das 
wir  auch  glych  in  anfang  des  Krieges  die  vernügliche  declaration 
zu  ohnbedingtem  Recht  erhalden  und  daruff  der  pacification  auch 
widerumb  platz  gegeben:  das  zwahre  Bern  in  etwas  by  Villemerg ^*'') 
überylt  worden,  aber  eine  Gottes  Hilft,  wo  der  Friden  nicht  erfolgen 
sich  wol  wider  hette  revanchiren  können,  auch  syge  es  zum  Theil  us 
veranlasung  der  luceruisch  underthanen  in  wehrenden  stillstand  be- 
schehen  dem  Sy  nit  wenig  schades  zugefüge. 

Das  Zürich  nit  hundert  man  in  allem  verloren,  die  5  orte  noch 
mehreren.  Das  Zürich  uff  der  5  orten  boden  underschidlich  art  den 
Friden  gewahrt  auch  das  Thurgäuw  und  ein  Theil  der  Graftschaftt 
Baden  allein  ingehept,  hernachen  aber  der  ursach  wider  cediret  das 
die  5  ort  auch  alles  was  sy  ingehept  widerverlassen  habend. 

Auf  dem  Umschlag  aussenstehend :  Concept  der  Anleitung,  so 
Hr.  Lütenant  Escher  in  particulo  von  mir  übergeben  worden  d. 
10.  Dcbr.  16.56. 


No.  IV.    (16G2,  Jauuar  13./23.) 

Vergl.  oben  S.  238. 
Monsieur 

II  y  a  desja  quelques  annees  que  S.  A.  Electie  de  Saxe  par 
une  singuliere  affection  a  eu  la  confiance  par  Tesperance  d'une  reci- 
proque  et  sincere  amitie  de  Messeigneurs  les  Cautons  Evangeliques 
a  leur  avoir  demande  des  gens  de  leur  nation,  pour  les  employer  a  son 
Service ,  comme  ses  premieres  gardes  de  Corps ,  de  sorte  que  ayant 
reconnu  toutes  les  fois  quelle  ont  demande  et  desires  d'avoir  du  renfort 
de  leurtroupes,  vos  Seigneuries  se  sont  tousjours  trouves  portees  de 
bonne  volonte  ä  satisfaire  aux  desirs  de  ce  grand  Prince,  ce  que  reco- 
gnoissant  partir  d'une  si  cordiale  et  deliberee  volonte  par  une  toute 
particuliere  providence  de  la  Divine  Majeste,  s'est  resolu,  constamment 
de  vouloir  recercher  une  estroite  alliance  avec  les  quatre  cautons 
Evangeliques,  surquoy  Jay  eu  ordre  expres,  d'en  escrire  par  soubsmain 
a  des  Seigneurs  particiüiers  pour  presentir  d'eux  si  la  recerche  pre- 
teudu  d'uji  si  grand  Electeur  d'Empire  pourroit  estre  accordee ,  et 
que  selon  cela,  Ton  peust  prendre  les  mesures,  Mons.  pour  ce  subject 
jay  creu  trouver  a  propos,  de  vous  eu  addresser  la  proposition  et  la 
Vous  confier,  comme  estant  un  des  principaux  appuis  de  la  Repu- 
blique,  pour  le  soustrint  d'mi  si  grand  dessein  et  de  tres  haute  im- 
portance,  permettes  Mons.  que  ie  vous  prie  de  prendre  la  peine  d'en 


^^'^)  Die  Angelegenheiten  von  1656 ,  welche  zur  Schlacht  bei 
Vilmergen  führten,  waren  Streitigkeiten  konfessioneller  Natur  zwischen 
den  katholischen  Kantonen  einer-  und  Bern  und  Zürich  andererseits. 
Bei  Vilmergen  wurden  die  Berner  durch  die  Katholischen  besiegt. 


Schweizer  SoUltruppen  1656-1681.  2713 

faire  aupres  du  Magistrat  iiiie  proposition  secrette,  pour  a  cellc  flu 
qu'  au  plus  tost  par  uue  favorable  Response  i"en  puisse  faire  la  relatiou 
a  S.  A.  Elect'e  mou  Maistre  ile  la  coramissiou,  laquelle  il  luy  a  pleu 
nie  vouloir  contier  pourtant  le  tout  soubs  silence,  puis  douques  nia 
(lestinee  m'invite  a  la  negociation  de  cest  affaire,  Je  prie  nostre 
JSeigneur  en  vouloir  benir  les  dessins,  et  les  faire  reüssir  a  sa  gloire, 
pour  le  bien  et  l'advautage  de  nostre  chere  patrie,  et  au  contentement 
de  S.  A.  Electip  jnon  maistre,  laquelle  est  tellenient  iuclinee  et  portee 
de  bouue  voloote  ä  l'advantage  et  interest  de  toute  nostre  nation, 
que  i'espere  la  cliose  reüssissant  Ton  en  aura  du  contentement  de 
tous  costes. 

de  Dresde  ce  IS^e  Janvier 

1662.  (Ohne   Unterschrift.) 


No.  V.    (1681,  August.) 

Vergl.  oben  S.  267. 

Nach  demme  Herr  Oberist  Lieutenant  Escher  zufolg  des  Hoch 
Oberkeitlichen  Befelchs  sich  vor  etwas  Zyths  in  Sachsen  begeben, 
und  nunmehr  von  syner  gethanen  Reifs  widerum  glüklich  alUiier  an- 
gelanget, Thuet  Er  wegen  der  alda  gehabten  Verrichtungen,  Avie 
auch  über  des  Loblichen  Stands  Bafsel  seith  seiner  Ankunfft  einge- 
langtes und  Ihme  communicierten  Schrybens,  folgenden  bericht  in 
aller  undertheuigkeit  ablegen: 

Erstlichen,  das  nachdemnie  Er  den  15»«'°  May  Ao.  1681  an  dem 
Chur  Säxischen  Eoff  zu  Torgauw  angelanget  habe  Er  nith  ermanglet 
des  folgenden  Tags  darauf  by  Ihr  Exellence  Herren  Ober  Hoff  Mare- 
chal  von  Haugwitz  gebührend  sich  anzumelden,  und  selbigem  das 
au  Ihne  addressierte  Schryben  zuübergeben,  Welicher  soliches  mit 
aller  Ehrerbietung  empfangen,  Ihne  früudlich  bewillkommet,  und  aller 
syner  Diensten  versicheret,  des  folgenden  Tags  darauf  seige  Er, 
durch  Hoch  WoUermeldteu  Herren  Ober  Hoff  Marechal  zu  der  Chur- 
fürstlichen  audientz  geführt,  allwo  Er  nach  abgelegten  complimenten 
syner  Churfürstlich  durchleucht,  das  Hoch  Oberkeitlich  schryben,  mit 
höchstem  respect  eiugehendiget,  Weliche  auch  selbiges  mit  sonderen! 
benüegen,  und  Ehrenbezeigungen  gnädigst  angenommen,  auch  \\'eilen 
die  mitiig  mahlzyth  verbanden  Herren  Oberist  Leut:  Escher  mit  zu 
Ihrer  hochfürstlichen  Taftelen  genommen,  und  in  Währender  Zyth, 
mit  fründlichen  discursen,  Ihne,  Ihrer  gegen  den  Evangelischen 
Ständen  Loblicher  Eydtgnoschaft't  Tragender  Wohlgewogenheit  vor 
Jedermänigklich  versicheret. 

Etweliche  Tag  hernach  hatt  Herr  Oberist  Leut:  Escher  von 
Herren  Cammer  Director  von  Bofsen,  Churfürstliche  gnädige  antworth 
erhalten,  weliche  darin  bestanden,  das  Ihr  Churfürstlich  durchleucht 
so  woU  schrifftlich  alfs  mündlich,  sein  anbringen  und  begehren  ver- 
nommen, sich  auch  allerguädigst  erklährt,  llime  alle  billiche  satis- 
faction  zugeben,  was  aber  anlangen  thucge,  den  abgezognen  munath- 
sold,  und  die  Abdanckungs  Gelter,  Werde  Er  aus  der  überschikten 
Churfürstlichen  gnädigen  resolution,  Weliche  mit  Ihr  Churf.  durchlt. 
eigner  Hand  underschribeu ,  uud  dero  Chur  Secret  bckräfftiget  er- 
sechen  können,  die  Jenige  Uründ,  weliche  dieselbige  bewogen  nith 
in  die  bezahluug  des  verlaugenden  mouathsolds  ynzuwilligeu,  ^Veliche.s 

Neues  .Vrcliiv  f.  S.  (i.  u.  A.  Xlll.  :i.  4.  18 


274  A.  von  Welck: 

alles  US  der  bylag  No.  3  bezeicliiiet  originaliter  zuersechen,  über 
soliche  unverhoffte  abschlägige  antworth,  hatt  Herr  Oberist  Leut: 
Escher  sich  höchst  beschwerdt,  und  nit  imderlafsen  alle  nur  erdenk- 
liche Grund,  umb  synem  begehren  ein  vernüegen  zu  sechen  einzu- 
wenden, so  aber  alles  kein  gehör  funden,  und  Ihr  Clmrfürstlich 
durchleueht  von  abgefaster  meinung  nith  abwenden  mögen,  daraus 
gnugsam  zuersechen,  wie  träffenlich  Herr  Uberist  Leut:  Escher 
Ihme  soliche  sach  angelegen  sein  lafsen. 

Difsere  erhaltene  ohuverhoft'te  Resolution  hatt  Herr  Oberst 
Leut :  Escher  den  in  Drefsden  sich  annach  aufhaltenden  Schwytzeren, 
zuwüfsen  gemacht,  weliche  sich  höchst  darüber  verwunderet,  auch 
alsobald,  ohne  einiches  wytheres  begehren,  Ihre  Abscheidschryben, 
soliche  nacher  Hoff  überschickt,  und  demüethig  angehalten,  dafs 
soliche  von  Ihme  möchtend  bekräfftiget  werden,  so  auch  beschechen. 
In  weifs  und  Form,  wie  aus  byligender  Copie  No.  6  bezeichnet  zu- 
ersechen. 

Wie  wahrhafft  dann,  das  Jenige  seige,  was  von  etwelichen 
böfswilligen ,  über  die  persohn  des  Herren  Oberist  Leut:  Eschers, 
ausgesprengt  worden,  nammlich  das  Er  ohne  verwilligung  Ihr  Churf : 
durchleueht  höchstseligister  gedechtnus,  by  angestekten  und  sechr 
gefahrlichen  Zythen,  sich  darvon  gemacht,  und  syne  Ihm  anver- 
trauwte  Compagnie  verlasen  wird  aus  byligendemm  Schein  No.  5  be- 
zeichnet gnugsam  zu  ersechen  sein,  was  dann  die  Jenige  verlümbduug 
anlangen  thuet,  das  Herr  Oberst-Leut:  Escher,  sich  woll  verhüetten 
werde  sich  nacher  Hoff'  zu  begeben,  aus  Forcht,  das  Er,  wegen  vil- 
lerley  Ihme  fälschlich  zugelegten  Sachen,  möchte  yngestekt  oder 
empfindlich  aff'rontiert  werden,  deswegen  thuet  Hr.  Oberst-Leut: 
Escher  sich  gäntzlich  auf  die  Churfürstlich  Ihme  gegebene  dimission 
und  authentischen  Abscheid,  wie  auch  auf  das  von  Herren  Oberhoff' 
Marechal  an  die  vier  Evangelischen  Stand,  abgegangnes  antworth 
Schryben,  so  woll  in  difser  alfs  anderen  sachen  referieren. 

Wie  ohnbegründt  und  fälschlich  danne  etweliche  böfse  Zungen 
usgegeben,  das  Herr  Oberst  Leut:  Escher  Ihr  Cliurf:  durchleueht 
ein  grolse  Summa  gelts  zuthuen  schuldig  und  soliche  verlümbduugen 
annach  beschönen  wollen,  In  demrae  Sy  vorgewendt  das  Herr  Com- 
missarius  Lentz  by  abdanckung  der  Compagnie  ein  soliches  öffentlich 
gesagt,  alfs  mm  Herr  Oberst-Leut.  Escher  in  Sachsen  angelanget, 
hat  Er  Ihme  höchst  angelegen  sein  lafsen  sich  difser  zulag  zu  in- 
formieren, und  alsobald  zwey  vornemme  Herren,  au  obwoUermeldten 
Herreu  Commissarium  Lentzen  abgeschikt,  umb  von  Ihme  zu  ver- 
nemmen  ob  Er  soliches  geredt,  welicher  sich  dann  höchst  darüber 
beschwert  und  mit  höchster  bestürtzung  ein  soliches  in  dem  schärften 
widersprochen,  und  bezeuget,  das  Er  des  Herreu  Oberst  Leut:  Eschers, 
mit  nichten  als  mit  höchsten  Ehren,  nach  syner  Schuldigkeit,  gedacht 
habe,  Seige  zwahr  nit  ab,  das  Er  von  dergleichen  matery  etwas  ge- 
redt, aber  in  einem  weith  anderen  Verstand,  nammlich  das  Ihr  Churf: 
Drchlth.  selige,  us  sonderer  wollgewogenheit  gegen  Schwytzerischer 
Nation  von  anfang  der  dieusten  bis  auf  selbigen  Tag,  so  vill  gnad, 
VerElirungen  und  geschenk,  so  woll  officieren  alfs  gemeinen  Kuäch- 
ten  habind  widerfahren  lafsen,  das  wann  mann  mit  selbigen  nach 
der  Capitulation  rechnen  wolte ,  wurde  die  Compagnie  woll  eine 
grofse  summa  gelts  vor  empfangen  haben.  Wams  aber  Khlar  zu 
sechen,  wie  fälschlich  soliche  böfswillige  Zungen  understanden  Herren 
Oberst-Leut:  Escher  zu  verkleineren  imd  vor  so  vilfaltig  gehabte 
müehe  gar  schlechten  Dank  erweisen  thüegind. 


Schweizer  Soldtruppeu  1656—1681.  275 

Endlichen  bezeuget  Herr  Oberst  Leut:  Escher  Ihme  hertzlich 
Leid  zu  sein,  das  by  so  verwirter  gewefsner  abdankung,  wegen  gras- 
sierter  leidiger  pest,  nit  habe  können  by  der  Stehl  sein,  In  dehme 
Er  nit  zwyllle  das  dann  alles  nait  mehrerer  veruüegung  abgeloifen 
were  dann  Er  mit  höchster  Verwunderung  in  Sachsen  so  woll 
von  vornemraen  Herren  alfs  gemeinen  Soldaten  vernemmen  müefscn, 
das  alles  in  höchste  Unordnung  gerathen,  auch  etweliche  unverschambte 
sich  uith  gescheuchet  in  Toseut,  so  das  quartier,  alwo  Sy  gelegen, 
die  Churfürstliche  Hochheit  durch  gottlofse  reden  anzugriften,  weliches 
aber  so  vill  raüglich  vertuscht,  damit  Es  by  Hoff  nith  an  das  Tag 
Liecht  komme.  Es  hat  auch  einer  von  der  CompagTiie  namraens  Abra- 
hamm  Mächtig  von  Bafsel,  in  obvermeldter  Statt,  synem  Wirth,  by 
demme  Er  in  quartier  gelegen  die  Haufsfrauw,  von  villen  Kinden 
weggefüehrt  und  mit  selbiger  durchgangen,  anderen  und  anderen 
Sachen  zugeschwigen,  weliches  alles  villfaltige  Ursachen,  soliche  Bofs- 
willige  mit  höchsten  Ungnaden  anzusechen,  und  kann  man  sich  mit 
billichkeit  verwunderen,  das  man  nach  so  güetig  gewesen,  und  annach 
Siben  monath  Sold  hat  abfolgen  lafsen,  Mann  betrachtete  aber  das 
Ansechen  der  Ständen  und  die  Unschuld  der  Jenigen,  so  lange  Jahr 
mit  höchsten  Treüwen  gedieneth,  Weliches  das  Jenige  sein  Thuet 
so  Herr  Oberst-Lieutenannt  Escher,  wegen  seinen  gehabten  Verrich- 
tungen in  Sachsen  in  aller  underthenigkeit  ablegen  und  berichten 
Thuet. 

Ueber  das  eingelangte  Löblichen  Stands  Basel,  und  Ihme  Herren 
Oberst -Leut:  Escheren  communicierten  Schryben,  berichtet  Er,  das 
wann  verhofentlich  ein  Loblicher  Stand  Bafsel  difsere  Relation  sechen, 
auch  by  ligende  Schein  alfs  No.  1  die  Capitiüation  in  Original,  No.  2 
sein  authentischer  Abscheid,  No.  3.  Ihr  Churfürstlich  durchleücht  re- 
solution:  No.  4.  und  5  die  beiden  pafsporten,  No.  6.  die  Copie,  der 
in  Sachsen  gegebnen  Abscheiden,  und  sonderbahr  das  Schryben  von 
Ihr  Exellence  Herren  Oberhoff  Marechal  an  die  vier  Evangelischen 
Stand,  betrachten  werdend,  selbige  olmfehlbahr  mit  synen  Verrichtun- 
gen nit  nur  vernüegt  sein,  sondern  alle  wythere  anforderung  abstehlen 
werdind : 

Daunethin  gestehet  Herr  Oberst-Leut:  Escher,  das  er  etlichen 
Soldaten,  von  Schaffliaufsen  und  anderen  orthen,  diisen  Strythenden 
monathsold  nebend  Ihren  Abscheiden  alllüer  in  Zürich  halte  abfolgen 
lafsen,  weliches  aber  nith  us  Schuldigkeit  lieschechen,  sondern  zu  dem 
End,  damit  Er  difser  verdrieslichen  anforderung  überhebt,  in  unge- 
zwiftleter  Hoffnung  selbigen  monath  sold  in  Sachsen  zu  erhalten, 
weliches  aber,  weilen  es  nith  geschechen ,  Hoffet  Herr  Oberst-Leut : 
Escher  das  soliches  Ihme  zu  keiner  böfsen  consequentz  nit  nur  allein 
dienen,  sonderen  villmehr  zu  widereinforderung  difser  bezablren  gel- 
teren Ihme  vM'hulifen  werden  solle: 

Es  hat  zwahren  auch  Herr  Oberst-Leut:  Escher  syth  syner 
ankunft,  in  syner  ab  Wesenheit  vier  angekommnen  Schwytzeren,  Ihr 
Ehrliche  Abscheid,  auff  Ihr  inständiges  anhalten  und  weilc^n  Sy  nach 
aufgewifsner  Ohurlürstlicheu  resolution  nichts  mehr  au  Ibne  ge- 
forderet, abfolgen  lafsen,  welichc  auch  allen  anderen  so  selbige  nach 
nith  habend,  unii  von  Ihme  zuerlangen  begehrend,  zukommen  sollend. 
Das  antwortb  Schryben,  von  Ilir  Cburfüistlich  durchleücht  an 
die  vier  Evangelischen  Stand ,  anlangende  berichtet  Herr  Oberst- 
Leut:  Escher,  das  selbiges  albreitb  zu  Torgauvv  fertig  gewesen,  und 
sich  an  nichts  alfs  an  der  Titulatur  gcstofsen,  weliclie  liy  abgesön- 
dereter  Cantzley,  nith   habe   können   aufgesuecht  werden,   weliches 

1«* 


270  A.  von  Welck: 

aber  auch  ehistes  anlangen  wird,  und  an  gebührende  hoche  orth  yn- 
gelifferet  werden  soll. 

Danethin  anerbieth  Herr  Oberst-Leut:  Escher  das  imm  fahl  mit 
der  Zyth,  difser  Strvthende  uiouath  Sold  nach  zuerhalten  sein  möchte. 
Insonderheit,  weil  Ihr  Churfürstlich  durchleucht  sich  so  gnädig  er- 
zeigt, nnd  Ihne  in  synen  diensten  Widerum  zu  accoraodieren  begehrt, 
\Yann  alfsdann  selbiger  zubekommen,  Er  nith  ermanglen  wolle,  einem 
Jeden  sein  gebührenden  autheil  zu  stehlen  zu  lafsen,  Letstlichen 
bitet  Herr  Oberst-Leut:  Escher,  das  man  doch  keine  glichheit, 
zwüschend  den  Teütschen  und  Frantzösischen  diensten  machen  wolle 
danne  in  den  ersteren  der  Soldat  so  woll  alfs  der  Officier  synen  ge- 
wüfsen  sohl  flysig  bezeüche,  iind  gar  nichts  in  dem  deconte  verblybe. 
Wann  dann  nun,  by  AbEnderung  der  Herrschafft  oder  anderen 
couiunctureu,  der  soldat  nith  bezahlt  werden  solte,  mau  alfsdann  den 
Obersten  Officieren  darum  anlangen  wolte,  AVer  ist  der  mit  so  grofser 
müech  sich  uuderstechen  Thete,  in  soliche  gefahr  sich  zu  steckheu? 
Weliches  Herr  Oberist  -  Lieutenant  Escher,  flysig  zu  betrachten  in 
aller  uuderthenigkeit  anhalten  Thuet. 


No.  VI. 

Johann  Caspar  Escher  (vom  Luchs)  aus  Zürich. 

Obgleich  die  Familie  Escher,  welche  sich  zu  Anfang  des  15.  Jahr- 
hunderts in  die  beiden  Linien  „Escher  vom  Luchs"  und  ,, Escher 
vom  Glas"  spaltete ,  zu  den  ältesten  und  bekanntesten  Patrizier- 
geschlechtern  Zürichs  gehört,  und  auch  in  der  Gegenwart  noch  blüht, 
so  war  es  doch  mit  ganz  besonderen  Schwierigkeiten  verbunden,  etwas 
Licht  über  die  beiden  Glieder  der  Familie  zu  erlangen,  welche  in 
der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  in  kursächsischen  Diensten 
standen.  Alle  Nachrichten,  die  über  dieselben,  und  namentlich  über 
Johann  Caspar  existieren,  weichen  nicht  allein  mehrfach  von  einander 
ab,  sondern  sind  zum  Teil  als  entschieden  irrtümlich  zu  bezeichnen. 

Die  Schi-iften  von  Leu"*),  May'-'**)  und  Girard^^j  geben  überein- 
stimmend an,  dafs  Johann  Caspar  Escher  i.  J.  1657  in  französische 
Dienste  und  von  da  i.  J.  1665  —  nach  May  und  Girard  — ,  i.  J.  1669 
—  nach  Leu  —  in  die  des  Kurfürsten  von  Sachsen  übergetreten  sei 
als  Schweizerhauptmann  mit  Oberstlieutenants  -  Eang.  Er  sei  dann 
Kammerherr  geworden,  habe  1689  seinen  Abschied  genommen  und 
sei  nach  Zürich  zurückgekehrt,  wo  er  seit  1681  Mitglied  des  grofseu 
Rats  gewesen  sei.  Als  Todesjahr  wird  1702  angegeben.  May  fügt 
noch  hinzu,  dafs  Escher  im  Jahre  1669  Oberstlieutenant  und  1676 
Oberst  des  Regiments  „des  gardes  ä  pied"'-*')  geworden  sei. 


'^^;  Hans  Jacob  Leu,  Allg.  Helvetisches  Eydgenössisches 
oder  Schweitzerisches  Lexicon.    (Zürich  1752.) 

^^^')  May  de  Romainmortier ,  Histoire  militaire  des  Suisses 
dans  les  differeus  sei-vices  de  TEiu-ope.     (Bern  1772.) 

"'*)  Frangois  Girard,  Histoire  abregee  des  officiers  suisses 
qui  se  sout  disting-ues  aux  Services  etrangers  dans  des  grades  su- 
perieurs.     (Fribourg  1781.) 

"')  Im  Jahre  1663  war  das  kurfürstliche  Leibregiment  zu  Fuis 
errichtet  worden,  zu  dessen  Kommandant  der  (Jberstlieutenant  Brandt 
von  Lindau  ernannt  wurde.  1664  wurde  das  Regiment  von  6  Kom- 
pagnien aiif  3  reduziert,  deren  1.  der  zum  Oberst  beförderte  Brandt 


Schweizer  Soldtnippen  1656-1681.  277 

Mit  diesen  Augabeu  über  Esclier's  Eintritt  in  französische 
Dienste  und  später  in  sächsische  Dienste  stimmen  anffallender  Weise 
auch  Privat-Farailieunachrichten  überein,  die  uns  in  dankenswertester 
AVeise  mitgeteilt  wurden.  Wir  sind  aber  auf  Grund  der  vorliegenden 
Aktenstücke  und  Korrespondenzen  in  der  Lage,  das  Lebensbild  des 
Betreffenden  etwas  anders  hinzustellen,  indem  wir  dabei  auch  von 
den  erwähnten  Familiennachrichten  mehrfach  Gebrauch  macheu 
konnten. 

Johann  Caspar  Es  eher  wiu-de  im  Jahre  1624  (oder  1625) 
als  der  älteste  Sohn  des  Junkers,  ßatsherru  und  Stadthauptmanns 
Johann  Escher  und  der  Margarete  Schmid  geboren.  Er  trat  im  De- 
zember 165«  in  kursächsische  Dienste  als  Lieutenant  der  neu  er- 
richteten Schweizergarde  (Schreiben  des  Rats  zu  Zürich  vom  10.  De- 
zember 1656).  Da  er  in  dem  betreffenden  Empfehlungsschreiben  als 
„Hauptmann"  bezeichnet  wird,  so  ist  es  möglich,  dafs  er  schon 
vorher  in  französischen  Diensten  war:  es  erscheint  aber  wahr- 
scheinlicher, dafs  er  diesen  Rang  im  Züricher  Dienst  bekleidete,  da 
sonst  ge^vifs  auf  seine  Dienstleistungen  in  Frankreich  speziell  Bezug 
genommen  worden  wäre. 

1658  begleitete  Johann  Caspar  Escher  den  Kurfürsten  auf  den 
Reichstag  nach  Frankfurt  a./M.  (Schreiben  vom  8.  Mai  1658).  Ende 
desselben  Jahres  kehrte  er  nach  Zürich  zurück  (Schreiben  vom 
1.  Dezember  16.58).  Die  Veranlassung  dazu  lag  zunächst  in  dem 
üblen  Verhältnifs  zu  seinem  direkten  Vorgesetzten,  dem  Hauptmann 
de  Magny.  Aufserdem  giebt  Escher  den  Wunsch  an,  in  fi-anzösische 
Dienste  zu  treten,  wo  er  etwas  „prosperieren,  ehr  und  erfahr enheit'- 
erwerben  könne.  Hier  hätte  er  also  gewifs  erwähnt,  wenn  er  schon 
früher  in  Frankreich  gedient  gehabt  hätte.  —  Ob  er  diese_  Absicht, 
französische  Dienste  zu  nehmen,  jetzt  ausführte,  läfst  sich  nicht 
konstatieren.  Wir  möchten  es  aber  bezweifeln,  da  er  im  .Jahre  1661 
bereits  wieder  in  Zürich  ist  und  von  da  aus  wieder  in  kursächsische 
Dienste  zurücktritt  (Schreiben  vom  12.  August  1661),  um  das  Kom- 
mando der  neu  errichteten  Musketier- Kompagnie  der  Schweizer- 
garde zu  übernehmen. 

1663  wird  er  mehrfach  als  in  kursächsische  Dienste  stehend 
genannt,  und  1667  wiitt  er  im  Auftrage  des  Kurfürsten  in  seiner 
Vaterstadt. 

1669  übernimmt  er,  nach  der  Entlassung  der  Musketier  -  Kom- 
pagnie,  an  Stelle  Magny's   das  Kommando  der  Hellebardier-Kom- 


von  Lindau,  die  2.  Oberstlieutenant  Kuffer,  die  B.  Oberstwachtmeister 
von  Schweinitz  befehligte.  Im  Mai  1666  wurde  die  1.  Kompagnie 
entlassen  und  die  verl)leibenden  in  2  Freifähndel  formiert,  an  deren 
Spitze  Oberstlieutenant  Kuffer  trat.  Ende  1666  wurden  Avieder 
3  Kompagnien  gel)ildet  und  im  .Fahre  1670  wurde  wieder  ein  Leib- 
regiment  zu  Fufs,  durch  Vermehrung  der  3  Kompagnien  auf  die 
doppelte  Zalil,  aufgestellt,  zu  dessen  „Ober.sten"  sich  der  Kurfürst 
erklärte,  wälii'end  Oberst  Kuffer  als  Kommandant  bestellt  wurde.  In 
dieser  Stellung  verblieb  er  bis  1680.  Nach  seinem  am  22.  August  dieses 
Jahres  erfolgten  Tode  wurden  die  beiden  Leibregimenter  (1675  war 
ein  zweites  errichtet  worden)  in  eins  vereinigt  und  Oberst  Escher 
—  Hans  Heinrich  —  zum  Kommandanten  desselben  ernannt.  Vergl. 
H.  V.  S.,  Gesch.  der  beiden  K.  S.  Grenadier -Regimenter.  (Dresden 
1877.) 


278        A.  von  Welck:  Schweizer  Solcltruppen  1656—1681. 

pagnie  der  SchAvdzerffarde  und  führte  dasselbe  bis  zu  deren  Ab- 
dankung im  Jahre  1680,  wo  er  seinen  Abschied  nimmt  und  nach  der 
Schweiz  zurückkehrt. 

1681  wird  er  in  Zürich  Mitglied  des  grofsen  Rats  (XVIlIer 
vom  Rüden,  Constaffelherr),  auch  Kommandant  zu  Stein  a./Rh. 

Er  verheiratet  sich  1683  mit  Anna  Meyer  v.  Knonau,  kauft 
1688  Schlofs-  und  Gerichtsherrschaft  Nennforn,  welche  er  1694  an 
die  Züricher  Regierung  abtritt. 

Er  stirbt  i'701  im  77.  Lebensjahre  und  liegt  im  Kreuzgauge 
des  Grofsmünsters  begraben. 


X. 

Das  Chronicoii  Citizense  des  Beuediktiuer- 

luöuclies  Paul  Lang  im  Kloster  Bosau  und 

die  in  demselben  enthaltenen  Quellen. 

Ein   Beitrag   zur  Historiographie  des  16.  Jahrhunderts. 

Von 
K.  E.  Hermaun  MiUler. 


Mit  dem  Bosauer  Mönche  Paul  Lang  und  seinen 
Schriften  haben  sich  schon  verschiedene  Forscher  be- 
schäftigt, am  eingehendsten  Christian  Schöttgen  \) ;  doch 
hat  sich  derselbe  begnügt,  die  Quellen,  aus  welchen  Lang 
für  sein  Werk  gescliöpft,  der  Eeihe  nach  aufzuführen, 
ohne  eine  Untersuchung  darüber  anzustellen,  in  welchem 
Umfange  und  in  welcher  Weise  sie  benutzt  worden  sind. 
Auch  sind  ihm,  da  er  keine  sich  bis  auf  die  kleinsten 
Einzellieiten  erstreckende  Betrachtung  des  Chronicon 
Citizense  anstellte,  viele  Quellen  unbekannt  geblieben, 
die  der  Autor  noch  zur  Hand  gehabt  hat.  Lepsius,  der 
gründlichste  Kenner  der  auf  das  Bistum  Naumburg  be- 


züglichen Geschichts(iucllen,  erklärt  zwar  in  seiner  Ge- 
schichte der  Bischöfe  des  Hochstiftes  Naumburg  Lang 
für  den  Hauptschriftsteller  über  die  Nauniburger  Stifts- 
geschichte,    legt  jedoch   seinem  Chronicon  Citizense   als 


')  Schöttffeu  und  Kreyfsig,  Diplomatische  und  enrionse 
Nachlese  der  Historie  vun  Obersachscn  XI  (Dresden  und  Leipzig 
1733),  88  flg-. 


280  K.  E.  Hermann  Müller: 

historischer  Quelle  keine  besondere  Bedeutung  bei^).  Trotz- 
dem bin  ich  der  Ansicht,  dals  ein  genaueres  Eingehen 
auf  die  Quellen  dieser  Chronik  für  die  historische  Wissen- 
schaft wohl  von  einigem  Nutzen  sein  dürfte;  denn  un- 
bedhigt  muls  es  für  dieselbe  von  Interesse  sein,  das  ge- 
samte Quellenmaterial,  über  welches  Lang  verfügt  hat, 
kennen  zu  lernen.  Auch  finden  sich  unter  anderem  in 
dem  Chronicon  Citizense  da,  wo  Lang  als  Zeitgenosse  be- 
richtet, äufserst  interessante  Charakteristiken  hervor- 
ragender fürstlicher  Persönlichkeiten  des  weltlichen  und 
geistlichen  Standes,  die  nicht  ohne  Wert  für  einen  Histo- 
riker sind,  welcher  sich  mit  jener  Zeit  beschäftigt.  Auf 
die  Bedeutung  der  Chronik  für  die  Kenntnis  der  zur  Zeit 
des  Autors  unter  dem  deutschen  Klerus  herrschenden 
sittlichen  Zustände  und  auf  seine  sich  in  derselben  kund- 
gebende freundliche  Gesinnung  für  Luther  soll  hier  nur 
kurz  hingewiesen  werden. 

Der  eingehenden  Besprechung  des  Chronicon  Citizense 
will  ich  eine  kurze  Schilderung  der  Lebensumstände  des 
Verfassers  desselben  voraufgehen  lassen.  Den  Stoif  hier- 
für liefert  das  Chronicon  Citizense  selbst.  Die  von  mir 
benutzte  Ausgabe  ist  die  von  Struve  in  der  3.  Ausgabe  von 
Pistorius  Scriptores  rerum  Germanicarum  Bd.  I  S.  1120 
bis  1291.  Das  Jahr  seiner  Geburt  nennt  Paul  Lang  nicht. 
Nach  Schöttgens^)  Ansicht  mülste  derselbe  in  einem  der 
nächsten  Jahre  nach  1460  das  Licht  der  Welt  erblickt 
haben.  Das  Todesjahr  Längs  ist  gleichfalls  unbekannt. 
Da  er  jedoch  im  Jahre  1536  seine  Chronik  der  Bischöfe 
von  Naumburg  zum  Abschlufs  gebracht  hat,  so  kann  er 
frühestens  in  demselben  Jahre  gestorben  sein,  wird  also 
wenigstens  ein  Alter  von  70  Jahren  erreicht  haben.  Als 
Ort  seiner  Geburt  bezeichnet  er  Zwickau.  Seine  Mutter 
hiefs  Elisabeth,  sein  Vater  Georg  Lang.  Derselbe,  einem 
edlen,  ritterbürtigen  Geschlecht  in  Nürnberg  entsprossen, 
war  von  dort  in  Zwickau  eingewandert.  Er  war  ein 
verständiger  Mann  von  höchst  tugendhaftem  Lebenswandel, 
der  Gott  fürchtete  und  allen  Heiligen  die  grölste  Ehr- 
furcht entgegenbrachte.  Vor  allen  bewies  er  ohne  Unter- 
lafs  der  Jungfrau  Maria  durch  bestimmte  Gebete  seine  Ver- 
ehrung und  hielt  auch  seine  sämtlichen  Kinder  täglich  zu 


2)  Lepsius,  treschiclite  der  Bischöfe   des  Hochstiftes  Naum- 
burg vor  der  Reformation  I  (Naumburg  1846). 
•■'j  Diplomatische  Nachlese  XI,  89. 


Das  ChioniconCitizense  desBenediktinermönches  P.Lang.      281 

ähnlichen  Andachtsübungen  an"*).  Schot  igen  findet  es  wahr- 
scheinlich, dals  Lang-  die  Vorbereitung  für  seine  Univer- 
sitätsstudien auf  der  damals  berühmten  Schule  seiner  Vater- 
stadt, insgemein  die  Schleifmühle  genannt,  erhalten  habe'^X 
Im  Jahre  1486  studierte  er  auf  der  Universität  Krakau, 
trat  jedoch  schon  im  folgenden  Jahre  auf  den  Wunsch 
seines  Vaters  in  das  Benediktinerkloster  Bosau  bei  Zeitz 
ein,  wohin  er  sich  im  Monat  Mai  mit  drei  jungen  vor- 
nehmen Männern  aus  Zwickau  und  seinem  Bruder  Lorenz 
begab.  Er  wurde  im  Kloster  freundlich  willkommen  ge- 
heifsen  und  zog  schon  nach  einer  Probezeit  von  wenigen 
Tagen  am  26.  Juni  das  Novizengewand  an,  wobei  der 
Abt  Peter  in  eigener  Person  celebrierte.  Doch  vollzog 
sich,  wie  er  selbst  andeutet,  kurz  bevor  er  das  bindende 
Gelübde  that,  ganz  urplötzlich  eine  Umänderung  in  seiner 
Gesinnung.  Er  bereute  jedenfalls  den  Schritt,  welchen 
er  vorhatte.  Sogleich  indes  trug  er  im  Vertrauen  auf 
Gottes  Beistand  über  sich  selbst  den  Sieg  davon  und 
legte  am  21.  März  1488  das  Mönchskleid  an").  Seine 
Widersacher,  welche  er  unter  den  Vertretern  der  scho- 
lastischen Philosophie,  hauptsächlich  wohl  unter  den  Do- 
minikanermönchen, hatte,  nahmen,  weil  ihnen  sein  Wider- 
wille gegen  ihre  Afterweisheit,  seine  Vorliebe  für  das 
lautere  Wort  Gottes  ohne  Beimischung  der  Philosophie 
eines  Porphyrius  und  anderer  verhalst  waren,  die  schwan- 
kende Haltung,  welche  er  kurze  Zeit  vor  Ablegung  des 
Mönchsgelübdes  bewiesen,  zur  Veranlassung,  um  ihn  in 
der  gehässigsten  Weise  anzugreifen.  Welcher  Art  die 
hierauf  bezüglichen  Gerüchte  Avaren,  die  aus  diesen  Kreisen 
über  ihn  in  Umlauf  gesetzt  wurden ,  das  dürfte  wohl  aus 
den  Epistolae  obscurorum  virorum  zu  ersehen  sein.  Dort 
heilst  es.  Lang  sei  neunmal  aus  dem  Kloster  entlaufen'). 
Diejenigen  Humanisten,  von  welchen  diese  Briefe  ausgingen, 
zürnten  Lang  wegen  des  heftigen  Angriffs,  welchen  er 
in  einer  seiner  Schriften  gegen  Jakol)  Wimi)heling,  einen 
der  Ihrigen,  gerichtet  hatte,  und  dies  veranlafste  sie 
jedenfalls,  die  schon  von  den  Dominikanern  gegen  den- 
selben erhobenen  Beschuldigungen,  von  denen  sie  Kennt- 
nis erhalten,   für  einen  Angriff  gegen  ilm  zu   verwerten. 


')  Clirüiiicüu  Citizense  1262. 
^)  Diplomat.  Nachl.  XI,  90. 


«)  Chronicou  Citi/ense  1262,  1263  und  1264. 
''j  Epistolae    oliscuroruiii    virorum   ed.   Böckiui;-  (Vir.  Huttcnii 
operum  supplementum)  1,  2H6. 


282  K.  E.  Hermann  Müller  : 

Ich  glaube,  dafs,  wenn  auch  diesen  Gerüchten  etwas 
Thatsächliches  zu  gründe  liegen  sollte,  es  doch  zuerst 
von  den  Dominikanern  aus  Hals  gegen  Lang  sehr  ver- 
gröfsert  und  entstellt  worden  ist.  Unmöglich  ist  es  ja 
nicht,  dals  derselbe  in  der  kurzen  Zeit,  welche  zwischen 
dem  26.  Juni  1487  und  dem  21.  März  1488  liegt,  mehr- 
mals dem  Kloster  entlaufen  ist,  doch  wohl  nicht  so  oft, 
wie  ihm  schuld  gegeben  wird.  Darüber  spricht  er  sich 
ZAvar  nicht  aus,  aber  er  könnte  doch  in  der  Gemütsver- 
fassung, in  der  er  sich  nach  seiner  eigenen  Angabe  da- 
mals einige  Zeit  befand,  Neigung  liierzu  verspürt  haben. 
Die  an  Grausamkeit  grenzende  Strenge,  welche  der  Abt 
Peter  gegen  seine  Mönche  zur  Besserung  ihi-er  Fehler 
anwendete,  machte  eine  etwaige  Neigung  derselben,  sich 
durch  die  Flucht  dem  strengen  ßegimente  zu  entziehen, 
nur  zu  erklärlich  und  entschuldbar.  Lang  sagt  von  ihm: 
„Er  war  mehr  zur  Härte  als  zur  Barmherzigkeit,  mehr 
zur  Strenge  als  zur  Milde  geneigt.  Deshalb  hat  er 
meistens  nicht  die  Wohlfahrt  der  Schwachen,  sondern 
deren  Verzweiflung  hervorgerufen.  Denn  da  er  Ketten, 
Gefängnisse  und  Strafen  vervielfältigte,  so  verscheuchte 
er  unwiederbringlich  seine  Schäflein  und  büfste  sie  ein"  ^). 
Sollte  nun  also  auch  Lang  in  der  Verzweiflung  mehrmals 
aus  dem  Kloster  entwichen  sein,  so  kann  ihn  doch  meines 
Erachtens  kein  so  grofser  Vorwurf  daraus  gemacht  werden. 
Ich  bin  der  Ansicht,  dals  schon  der  ehrenwerte  Charakter 
desselben,  wie  er  uns  aus  dem  Chronicon  Citizense  ent- 
gegentritt, der  Auffassung,  wie  sie  seine  Feinde  über  ihn 
zu  verbreiten  suchten,  vollständig  widerspricht").  Abt 
Peter,  an  dem  Lang  trotz  seiner  übertriebenen  Strenge 
doch  manche  schätzenswerten  Eigenschaften  rühmend  an- 
erkennt, vermehrte  die  Klosterbibliothek  durch  den  An- 
kauf vieler  neuer  Bücher.  Nachdem  er  sie  durchgelesen 
hatte,  gab  er  sie  Lang,  der  sie  mit  roter  Farbe  durch- 
malen mufste.  Auf  diese  Weise  erhielt  derselbe  un- 
zweifelhaft Gelegenheit,  viele  Bücher  zu  lesen  und  dadurch 
seine  Kenntnisse  zu  bereichern.  Im  Jahre  1507  starb 
Abt  Peter;  sein  Nachfolger  wurde  Benedikt  L,  der 
bis  zum  Jahre  1517  seinem  Amte  vorstand.  Derselbe 
wird  als  ein  gelehrter,  zu  grolser  Milde  geneigter,  aber 


^)  Chronicon  Citizense  1256. 

")  Sehr  hart   und  nnyerecht  urteilt   auch   nach  meiner  Ansicht 
Schöttgen,  Diplomatische  NachieseXl,  92,  93, 12o  umll24  über  Lang. 


Das  Chronicon  Citizense  des  Beuediktinennönches  P.Laug.     283 

selir  verschwenderischer  und  durchaus  nicht  sittenstrenger 
Mann  bezeichnet^").  Wohl  bakl  nach  Übernahme  der  Abtei 
Bosau  durch  ihn  trat  Lang  in  nahe  Beziehungen  zu 
Abt  Tritheim.  Er  verweilte  bei  diesem  zuerst  im  Kloster 
St.  Jakob  bei  Wiirzburg  um  das  Jahr  1507  oder  1508, 
um  sich  von  ihm  in  den  Wissenschaften  unterrichten 
zu  lassen^^j.  In  dieser  Zeit  verfalste  er  im  Auftrage 
Tritheims  sein  „opusculum  hipertüum  ad  omnium  daustra- 
lium  laudem  et  defensioncm" ,  in  welchem  er  Jakob 
Wimphelings  Buch  „de  integritate"  heftig  angriff.  Längs 
Werk  wurde  schon  im  Jahre  1509  auf  einem  Konvent 
der  Benediktiner  zu  Eeinhardsbrunn  gutgeheilsen.  Ln 
Jahre  1507  oder  1508  wird  es  also  jedenfalls  entstanden 
sein  '-).  In  diesem  Werke,  welches,  soviel  ich  weifs,  noch 
ungedruckt  ist,  soll  unser  Autor  sogar  die  wunderbare 
Behauptung  aufgestellt  haben,  Christus  sei  Abt,  Petrus 
Prior,  Judas  Ischarioth  Kellermeister  und  Philippus 
Pförtner  gewesen.  Gegen  dieses  halb  in  Prosa,  halb  in 
Poesie  geschriebene  Werk  gingen  nun  diejenigen  Huma- 
nisten, von  welchen  die  Epistolae  obscurorum  virorum  ver- 
fafst  sind,  zum  Angriff  über,  um  ihren  Freund  Wimpheling 
an  Lang  zu  rächen.  Sie  machten  sich  nicht  allein  über  das 
schlechte  Latein  desselben  lustig,  sondern  tasteten  sogar, 
wie  wir  schon  früher  gesehen  haben,  seinen  guten  Ruf  an. 
Nach  ihrer  Angabe  hätte  er  auch  nicht  einmal  eine  Uni- 
versität besucht^-^),  was  doch  durchaus  unwahr  ist.  Man 
muls  überhaupt  sagen,  dals  die  Humanisten  den  armen 
Lang  härter  mitgenommen  haben,  als  er  es  verdiente. 
Denn  ein  Dunkelmann  und  Freund  der  Dominikaner,  auf 
welche  die  Briefe  eigentlich  gemünzt  sind,  war  er  nicht, 
vielmehr,  wie  schon  früher  erwähnt,  ein  erbitterter  Gegner 
derselben. 

Aufserdem  verband  ihn  sogar  mit  mehreren  Huma- 
nisten, einem  Tritheim  und  Selmstian  Braut,  innige  Freund- 
schaft. Sein  Latein  in  dem  opnsc.  bipert.  mag  sehr 
schlecht  gcAvesen  sein;  so  überaus  anstölsig  erscheint  es 
aber  in  seinen  späteren  Werken  nicht. 


10)  Chronicon  Citizense  125(i— 1250,  1273-1275. 

")  Diplomatische  Nachlese  XI,  99.    Chronicon  Citizense  1267. 

12)  Chronicon  Citizense  1124,  1267  und  1268.  Silberna  ffcl , 
Johannes  Trithemins  (I.  Auflage)  S.  67.  Epistolae  obscurorum  virorum 
ed.  Böcking  I,  285.  Diplomatische  Nachlese  XI,  92.  Epistolae  fami- 
liäres Johannis  Trithemii:  ()[)era  liistorica  ed.  Fvelier  IT,  550. 

^^)  Epistolae  obscurorum  virorum  ed.  Böcking  1,  286  Üg. 


284  K.  B.  Hermann  Müller: 

Lang  ist  auch  der  Verfasser  eines  Gedichtes,  \Yelches 
sich  betitelt:  „Carmen  de  lauilihus  Saxoniae".  Aus 
demselben  teilt  er  uns  im  Chronicon  Citizense  einige  Verse 
mit").    Es  ist  vollständig   abgedruckt  bei  Schöttgen^''). 

Im  Jahre  1515  nahm  Lang  mit  Erlaubnis  seines 
Abtes  Benedikt  wiederum  für  einige  Zeit  seinen  Aufent- 
halt im  Kloster  St.  Jakob  bei  AVürzburg  bei  seinem  hoch- 
verehrten Lehrer  Tritheim,  da  es  sein  sehnlichster  Wunsch 
war,  sich  noch  weiter  von  demselben  in  den  Wissen- 
schaften unterrichten  zu  lassen.  Tritheim  war  damals 
gerade  damit  beschäftigt,  ein  Werk  über  deutsche  Ge- 
schichte in  drei  Bänden  abzufassen  und  sein  früheres 
Werk  de  scriptoribus  ecdesiasücis,  welches  bis  zum  Jahre 
1494  reichte,  weiter  fortzusetzen.  Um  seine  Arbeit  desto 
schneller  fördern  zu  können,  beauftragte  er  Lang,  ver- 
sehen mit  einem  Briefe  von  ihm,  der  das  Datum  des  1.  April 
1515  trug  und  den  er  Äbten,  Prioren  und  Pröpsten  zur 
Beglaubigung  seiner  Sendung  vorlegen  sollte.  Reisen  nach 
verschiedenen  Klöstern  Deutschlands,  besonders  des  Bene- 
diktinerordens, zu  unternehmen,  um  in  denselben  Nach- 
forschungen nach  für  seinen  Zweck  brauchbaren  histo- 
rischen Quellen  anzustellen.  Mit  grolsem  Eifer  unterzog 
sich  unser  Autor  in  den  Jahren  1515  und  1516  dieser  Auf- 
gabe, wenngleich  ihm  schlechte  Wege,  die  Furcht  vor 
Räubern  und  Dieben  in  Gebirgen  und  Wäldern  und  die 
Unbill  der  winterlichen  Jahreszeit  dieselbe  sehr  erschwer- 
ten und  ihn  nicht  in  so  viele  Orte  gelangen  ließen,  wie 
er  es  wohl  gewünscht  hätte.  Jedoch  kehrte  er  mehrmals 
im  Winter  noch  bei  Lebzeiten  Tritheims  mit  gesammeltem 
und  zusammengeschriebenem  Quellenmaterial  und  mit  ver- 
schiedenen Briefen  und  Grülsen  gelehrter  Männer  an 
Tritheim  nach  Würzburg  zurück^").  Es  ist  nicht  un- 
interessant, zu  verfolgen,  wohin  er  überall  nach  seiner 
Angabe  auf  seinen  Kreuz-  und  Querzügen  durch  Deutsch- 
land in  dieser  Zeit  kam.  Er  verweilte  mehrere  Tage  im 
Benediktinerkloster  des  Erzengels  Michael  in  Lüneburg, 
ebenso  im  Kloster  desselben  Ordens  auf  dem  Oybin  bei 
Zittau.  Einen  viermaligen  Besuch  stattete  er  dem  auf 
einem  Berge  bei  Chemnitz  gelegenen  Benediktinerkloster 
ab,  dessen  Abt,  Heinrich  von  Schleinitz,  ein  humanistisch 


1*)  Chronicon  Citizense  1235,  1236,  1252. 
^'^)  Diplomatische  Nachlese  XI,  105  flg. 
1")  Chronicon  Citizense  1289  und  1290. 


t)as  Chronicon Citizense  des  Benediktincniiünclies  P.Laiig.     285 

gebildeter  Mann,  mit  Vorliebe  geschichtliche  Studien  trieb 
und  Lang  für  historische  Quellen,  welche  ihm  derselbe 
von  seinen  Reisen  mitbrachte,  durch  reiche  Geldspenden 
belohnte.  Auch  in  Halberstadt  and  im  Kloster  auf  dem 
St.  Petersberge  zu  Erfurt  suchte  Lang  nach  Geschichts- 
quellen.  Sogar  bis  ins  südliche  Deutschland  dehnte  er 
seine  Forschungsreisen  aus.  So  sah  ihn  das  Benediktiner- 
kloster Andechs  als  Gast  in  seinen  Mauern ;  ebenso  kam 
er  nach  Stralsburg,  woselbst  er  mit  Jakob  Wimpheling, 
Sebastian  Braut  und  Johannes  Reuchlin  zusammentraf. 
Auch  im  Kloster  Lehnin  in  der  Mark,  in  Klostermansfeld 
und  in  Groningen  in  Holland  sprach  er  als  Gast  vor. 
Die  Städte  Halle  und  Meilsen  waren  ihm  unzweifelhaft 
gleichfalls  recht  gut  bekannt").  Da  er  schon  am  13.  De- 
zember 1516^**)  seinen  Gönner  Tritheim  durch  den  Tod 
verlor,  so  erreichten  hiermit  seine  Wanderungen  durch 
Deutschland  ein  unerwartetes  Ende.  Dieselben  hatten 
ihm  wieder,  wie  er  sich  bitter  darüber  beklagt,  seitens 
ihm  feindlich  gesinnter  Mönche  heftige  Angriffe  zugezogen. 
Man  hatte  ihn  sogar  einen  Herumtreiber  genannt '"). 
Schon  während  seiner  Rundreisen  durch  Deutschland  hatte 
er  zugleich  Stoff  für  sich  zu  seinem  Chronicon  Citizense 
gesammelt  und  auch  mit  der  Ausarbeitung  desselben  be- 
gonnen. Veranlafst  war  er  zur  Abfassung  dieser  Chronik 
durch  die  Wahrnehmung,  dals  das  Verzeichnis  der  Bischöfe 
von  Naumburg,  welches  von  einem  Naumburger  Schul- 
meister Peter  herrührte,  sehr  viele  Irrtümer  enthielt'-"). 
Die  erste  Ausgabe  seiner  Chronik  vollendete  er  im  Jahre 
1516  und  überreichte  sie  dem  damaligen  Bischof  von 
Naumburg,  Johann  von  Schönberg,  der  sie  mit  Freuden 
entgegennahm  und  den  Verfasser  durch  ehi  ansehnliches 
Geschenk  ehrte-^).  Diese  erste  Ausgabe  des  Chronicon 
Citizense  war  unter  den  ungünstigsten  Umständen  zustande 
gekommen.  Lang  hatte  sehr  schnell  an  derselben  auf 
seinen  Reisen,  häufig  in  Baueriüiäusern,  gearbeitet,  indem 
ihm  allein  das  Material  zu  geböte  stand,  welches  er  aus 
Quellen  ausgezogen  hatte,  dagegen  fast  keine  Bücher  zur 
Hand  waren,  welche   ihm   Ijei   seiner  Arbeit   hätten   von 


V 


")  Chronicon  Citizense  1219,  1220,  11.56,  1157,  1185,  1181,  1195, 
120.3,  1159,  1268,  1275,  1276—1278,   J218,  1152,  1269.  1148,  1239. 
^*)  Silbernagel,  .Johannes  Trithemius  S.  2(31. 
"•)  Chronicon  Citizense  1290. 
-0)  Ebendaselbst  11.58  und  1174. 
21)  Ebendastdbst  1266. 


286  K.  E.  Hermann  Müller: 

Nutzen  sein  können.  Infolgedessen  hatten  sich  so  manche 
Irrtümer  in  diese  Ausgabe  eingeschlichen.  Das  sah  er 
sehr  wohl  ein  und  beschlols  deshalb,  noch  einmal  dieselbe 
Arbeit  vorzunehmen.  Er  arbeitete  jetzt  daran  in  seinem 
Kloster,  in  welches  er  nach  Tritheims  Tode  zurückgekehrt 
war,  mit  grölserer  Mulse.  Jetzt  konnte  er  auch  das  ganze 
grolse  Material,  welches  er  für  Tritheim  zusammenge- 
tragen hatte  und  welches  ihm  nach  dessen  Tode  gleich- 
sam als  Erbteil  zugefallen  war,  für  seinen  Zweck  aus- 
nutzen. Er  hoffte,  dals  diese  neue  Ausgabe  in  ihren 
Angaben  zuverlässiger  sein  und  sich  von  den  Fehlern 
der  ersten  frei  halten  werde.  Er  erklärt,  er  habe 
für  dieselbe  besonders  Chroniken  der  Slaven,  Sachsen, 
Thüringer,  der  Naumburger  und  Merseburger  Bischöfe 
und  der  Erzbischöfe  von  Magdeburg  benutzt.  Hiernach 
zu  urteilen,  war  die  erste  Ausgabe  seiner  Chronik  auch 
viel  weniger  umfangreich  als  die  zweite.  Diese  so  er- 
weiterte und  verbesserte  Ausgabe  entstand  in  den  Jahren 
1518—1520^^).  Die  Chronik,  wie  sie  uns  erhalten  ist, 
bricht  plötzlich  mit  dem  Jahre  1515  ab;  es  ist  aber  wohl 
keinem  Zweifel  unterwoii'en,  dals  sie  ursprünglich  weiter 
bis  zum  Jahre  1520  gegangen  ist.  Wenigstens  bis  zum 
Jahre  1517  ist  sie  sicherlich  geführt  worden.  Unter  dem 
Jahre  1492 '-■^)  nämlich,  wo  Lang  über  den  Bischof  Johann  III. 
von  Naumburg  berichtet,  verweist  er  auf  das  Jahr  1517, 
das  Todesjahr  dieses  Kirchenfürsten,  in  welchem  er  noch 
weiter  über  denselben  reden  wolle.  Es  ist  nun  die  Frage 
aufgeworfen  worden,  welchem  Umstände  wohl  die  Ver- 
stümmelung unserer  Chronik  zuzuschreiben  sei.  Man  hat 
gemeint,  entweder  sei  die  Chronik  nicht  von  Lang  vollendet 
oder  von  Mönchen,  welche  seine  Widersacher  waren, 
sehr  verstümmelt  worden,  weil  er  dem  Anschein  nach 
etwas  über  die  evangelische  Lehre  in  dieselbe  aufge- 
nommen hätte-*).  Die  erste  Annahme  halte  ich  darum 
nicht  für  wahrscheinlich,  weil  ich  nicht  einzusehen  ver- 
mag, weshalb  Lang,  der  noch  im  Jahre  1536  am  Leben 
war,  dieselbe  hätte  unvollendet  lassen  sollen.  Die  zweite 
erscheint  mir  schon  aus  dem  Grunde  als  unhaltbar,  weil 
sicherlich  seine  Feinde,  wenn  sie  einmal  die  Macht  ge- 
habt hätten,  mit    seinem  Werke    vorzunehmen,    was    sie 


22)  Chronicon  Citizense  1174,  1175,  1137,  1254,  1260,  1270. 

23)  Ebenda  1266. 

2^;  Vorrede  Struves  zum  Chronicon  Cilizense  1118. 


Das  Chroiiicon  Citizense  des  Benecliktinerraönches  P.  Lang.     287 

wollten,  nicht  blofs  die  letzten  Jahre  der  Chronik  wegen 
ihres  der  Reformation  günstigen  Inhalts  weggelassen, 
sondern  auch  noch  andere  Stellen  derselben,  welche  sym- 
pathische Äußerungen  über  Luther  und  seine  Lehre  ent- 
halten, ausgemerzt  haben  würden.  Ich  bin  der  Ansicht, 
dais  nicht  das  besondere  Verschulden  irgend  eines  Menschen, 
vielmehr  nur  ein  böser  Zufall  diese  Verstümmelung  her- 
beigeführt hat.  Mit  dem  Jahre  968  nach  Christi  Geburt, 
in  welchem  von  Otto  dem  Grolsen  das  Bistum  Zeitz  ge- 
gründet wurde,  beginnt  unsere  Chronik.  Das  Bistum 
führte  später,  als  der  Sitz  desselben  von  Kaiser  Konrad  IL 
nach  Naumburg  verlegt  wurde,  den  Namen  nach  dieser 
Stadt. 

Sein  Hauptaugenmerk  hat  der  Verfasser  darauf  ge- 
richtet, uns  die  Schicksale,  welche  das  Bistum  Zeitz- 
Naumburg  und  das  Kloster  Bosau  erfahren,  zu  schildern. 
Aulserdem  berichtet  er  auch  über  die  Bistümer  Meifsen, 
Merseburg  und  Würzburg,  über  die  Erzbischöfe  von 
Magdeburg  und  Mainz,  über  die  Markgrafen  von  Meiisen, 
die  Landgrafen  von  Thüringen,  die  Kurfürsten  von  Sachsen, 
über  brandenburgische  Verhältnisse,  die  deutschen  Kaiser, 
die  Päpste,  über  Konzilien,  die  Gründung  verschiedener 
Klöster,  die  Stiftung  von  Mönchsorden,  über  wissenschaft- 
lich bedeutende  Männer  und  Ereignisse  aus  seiner  eigenen 
Zeit.  Vielfach  citiert  er  auch  Stellen  aus  der  heiligen 
Schrift,  aus  verschiedenen  Kirchenvätern  und  kirchlichen 
Schriftstellern  des  Mittelalters.  Seine  häufigen  Citate 
aus  Horaz,  Ovid,  Plautus,  Terenz,  Properz,  Seneca  und 
Sallust  beweisen  seine  groise  Belesenheit  in  den  Dichtern 
und  Prosaikern  der  klassischen  Periode  der  römischen 
Litteratur.  Ein  gleiches  Interesse  bekundet  er  für  latei- 
nische Verse,  welche  erst  der  mittelalterlichen  Latin ität 
angehören,  indem  er  sowohl  Verse  von  Dichtern  der 
früheren,  als  auch  seiner  eigenen  Zeit  anführt;  so  den 
Vers  auf  S.  1162: 

Tempora  mutaiitiu-  et  res  luutantur  in  illis, 
für  welchen  Büchmann  in   seinen   „Geflügelten  Worten'* 
den  bekannten  Wortlaut  hat: 

Tempora  mutantiir  iios  et  mntamur  in  illis. 
Auf   S.    1215    werden   mehrere   Verse    aus   dem   über  I 
Pastorum    des   Baptista  Mantuanus,    eines  Zeitgenossen 
Längs,    angeführt.     Auf   S.  1221    stehen    einige    Verse, 
welche  dem  über  metricus  de  suo  exilio  des  im  Jahre  1139 


288  K-  E.  Hermann  Müller: 

verstorbenen  Erzbischofs  Hildebert  von  Tours  entnommen 
sind.  Auf  S.  1244  wird  ein  Vers  des  als  Epigrammen- 
dicliter  bekannten  Bischofs  Campanus  von  Terni,  bezüg- 
lich auf  die  Erfindung  der  Buchdruckerkunst,  mitgeteilt. 
Demselben  schlielsen  sich  einige  den  nämlichen  Gegen- 
stand berührende  Verse  des  Sebastian  Braut  an.  Die- 
selben findet  man  auch  als  von  Brant  verfalst  bezeichnet 
in  Chronici  Moguntini  Miscelli  Eragmenta  collecta  bei 
Boehmer,  Fontes  rer.  Germ.  IV,  388. 

Die  Zahl  der  Quellen,  aus  welchen  Lang  für  seine 
Chronik  geschöpft  hat,  ist  bedeutend. 

Viele  der  von  ihm  herangezogenen  Quellen  citiert  er, 
jedoch  nicht  überall,  wo  er  sie  benutzt  hat,  vielmehr  ge- 
wöhnlich nur  an  einigen  Stellen.  Zuweilen  deutet  er  nur 
ganz  im  allgemeinen  an,  woher  er  seine  Angaben  über 
irgend  eine  Thatsache  entnommen.  Manchmal  verschweigt 
er  sogar  gänzlich  eine  Quelle,  die  ihm  viel  Material  geliefert. 
Meistens  hat  er  sich  bei  seinen  Berichten  ziemlich  eng 
an  den  AVortlaut  der  ihm  vorliegenden  Quellen  ange- 
schlossen, doch  auch  nicht  selten  Verkürzungen  des  Textes, 
der  ihm  zur  Hand  war,  vorgenommen. 

Wir  lassen  nun  die  Quellen  folgen,  welche  der  Autor 
seinem  Chronicon  Citizense  zu  gründe  gelegt  hat. 

I.  Quellen,  betreffend  die  Bistümer  Nauml)urg, 
Merseburg  und  das  Erzbistum  Magdeburg;. 

1.  Johannes  delsenach:  Acta  et  facta  prae- 
sulum  Nuenborgensium  breviter  notata.  968  bis 
1493.     Bei  Paullini,  Syntagma  rerum  German.  S.  125'-''^). 

Ihn  hat  Lang,  obgleich  er  ihn  nicht  als  Quelle  nennt, 
doch  von  S.  1124  a.  968  bis  S.  1255  a.  1481  für  seine 
Berichte  über  die  Bischöfe  von  Naumburg  grölstenteils 
verwertet.  Zwischen  beiden  Quellen  herrscht  vielfach 
fast  wörtliche  Übereinstimmung.  Die  Regierungsjahre 
der  Naumburger  Bischöfe,  wie  sie  uns  Lang  giebt,  stimmen 
ziemlich  häufig  mit  denen,  welche  Lepsius  Geschichte  der 
Bischöfe  von  Naumburg  enthält,  nicht  überein,  ebenso 
wenig  mit  dem  Verzeichnis  derselben  Bischöfe  von  Lepsius, 
das  in  Kruse,  Deutsche  Alterthümer  II,  2,  169  steht. 
Auch    weichen    die  ßegierungsjahre    dieser  Bischöfe   im 


-■^)  Über  ihn  Lepsius,   Geschichte   der  Bischöfe    von  Naum- 


burg I,  V. 


Das  Chronicon  Citizense  des  Benedikt] nermönclies  P.Laiig.     289 

Clironicon  Citizense  nicht  selten  von  denen  in  Joh.  de 
Isenacli  ab.  Ja,  man  ündet  sogar,  dals  Lang  in  der  Clii'onica 
Neumljurgensis  ecclesiae  omnium  episcoporuni  (bei  Mencke, 
Script,  rer.  Germ.  11,1)  einzelnen  Bischöfen  von  Nanmburg 
andere  Regierungsjahre  zuschreibt,  wie  im  Chronicon 
Citizense,  also  mit  sich  selbst  in  Widerspruch  gerät. 

Auf  S.  1238  und  1248  werden  uns  die  Grabinschriften 
der  Bischöfe  Johannes  II.  und  Peter  mitgeteilt.  Die  des 
Bischofs  Richwin  lesen  wir  bei  Lepsius,  Geschichte  der 
Bischöfe  von  Naumburg  I,  37.  Lang  kannte  sie,  wie 
daraus  hervorgeht,  dafs  er  aus  ihr  den  im  Jahre  1125 
erfolgten  Tod  dieses  Bischofs  feststellt,  führt  sie  jedoch 
nicht  an  (S.  1154).  Zur  Entscheidung  der  Frage,  ob 
Bischof  Udo  I.  ein  Sohn  Ludwigs  des  Springers  sei, 
nimmt  Lang  S.  1155  auf  die  Grabinschrift  dieser  Land- 
grafen im  Kloster  Reinhardsbrunn  bezug.  Die  wichtigen 
Urkunden  über  die  Verlegung  des  Bischofssitzes  von  Zeitz 
nach  Naumburg  blieben  Lang  vollständig  unbekannt.  Er 
kann  sich  deshalb  auf  S.  1138  gar  nicht  erklären,  wie 
dieselbe  unter  Kaiser  Konrad  IL  im  Jahre  1032  statt- 
fand-''). 

2.  Urkunden,  bezüglich  auf  das  KlosterBosau. 

Dals  Laug  für  seine  Berichte  über  das  Kloster  Bosau 
hauptsächlich  aus  den  Klosterbriefen  geschöpft  hat,  hat 
Lepsius  a.  a.  O.  S.  VI  festgestellt,  ebenso,  dals  Leuckfeld 
für  seine  von  Schamelius  herausgegebene  Schrift:  Chro- 
nologia  Abbatnm  Bosaugiensium  (1731/32)  seinen  Stoff 
vorwiegend  dem  Chronicon  Citizense  entnommen  hat  (a.  a. 
O.  Xf.).  Derselbe  bemerkt  auch  sehr  richtig,  dafs  be- 
deutender und  für  die  Bearbeitung  der  Stiftsgeschichte 
fruchtbarer  das  von  Schöttgen  und  Kreysig-")  mitgeteilte 
Chartarium  Abbatiae  Bosaug.  sei  (ebenda  S.  XI).  Dieses 
enthält  aus  den  Jahren  1118  —  1549  91  Urkunden,  von 
denen  Lang  54,  die  jedenfalls  nicht  zu  seiner  Kenntnis 
gelangt  sind,  unerwähnt  gelassen  hat.  Sämtliche  Ur- 
kunden Längs  beziehen  sich  auf  dem  Kloster  Bosau  vom 
12.  bis  ins'  15.  Jahrhundert  gemachte  Schenkungen, 
welche  demselben  teils  von  Bischöfen  von  Naumburg,  teils 
von  Päpsten  und  deutschen  Kaisern  durcli  Urkunden  be- 
stätigt worden  sind.     Zur  Zeit  Längs  war  das  ursprüng- 

2«)  Ebenda  S.  11—14. 

^''i  Diplonmtaria  et  scriptüres  historiae  üennauiae  nitdii  acvi 
II,  418  flg. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.  XIII.  3.  4.  19 


290  K.  E.  Hermann  Müller: 

lieh  SO  reiclie  Kloster  scIior  ganz  verarmt  (Chronicon 
Citizense  S.  1150  f.).  Auf  S.  1149  f.  wird  der  Gründung 
des  Klosters  durch  Bischof  Dietrich  von  Naumburg  ge- 
dacht. Seinem  Bericht  hierüber  hat  Lang  zu  gründe  ge- 
legt die  Stiftungsurkunde  des  Klosters  (Historia  de  fun- 
datione  nionasterii  Bosaugiensis,  bei  Hoffmann,  Scrij^t.  rer. 
Lusatic.  IV,  134).  Eine  zusammenhängende  Geschichte 
der  sämtlichen  Äbte  Bosaus  hat  Lang  uns  in  seinem 
Werk  nicht  geliefert.  Er  begnügt  sich  meistens,  nur 
kurz  diejenigen  Äbte  zu  erwähnen,  deren  Namen  in  den 
von  ihm  angeführten  Urkunden  vorkommen.  Erst  seit  dem 
Jahre  1467,  in  welchem  sich  das  Benediktinerkloster 
Bosau  der  Bursfelder  Kongregation  anschlols,  erhalten 
wir  ausführlichere  und  zusammenhängendere  Nachrichten 
über  die  einzelnen  aufeinander  folgenden  Äbte  desselben. 
Wohl  allein  aus  einer  Inschrift  der  Hauptglocke  im  Kloster, 
welche  der  Abt  Heinrich  Reck  im  Jahre  1448  giefsen 
liels,  erfuhr  Lang  etwas  von  der  Existenz  dieses  Abtes 
(Chronicon  Citizense  S.  1241). 

3.  Bulle  Papst  Paschalis  II.  für  das  Kloster 
Pegau  von  1106,  Jan.  30.  Chronicon  Citizense  S.  1153. 
Bei  Mencke,  Script,  rer.  Germ.  III,  1007  f.  und  bei 
Schöttgen,  Wiprecht,  Cod.  probat.  4.  (Original  im  Haupt- 
staatsarchiv zu  Dresden.) 

4.  Urkunde  des  Bischof  Udo  von  Naumburg 
über  die  Verlegung  des  Klosters  zu  Schmölln 
nach  Pforta  (1132).  Chronicon  Citizense  S.  1157  f. 
Darüber  Lepsius,  Bischöfe  von  Naumburg  I,  43,  151 
Anmerkung  128. 

5.  Gründung  des  Augustiner-Mönchsklosters 
zu  Mildenfurt  und  der  Dominikanerinnenklöster 
zu  Weida  und  Cron schwitz.  Chronicon  Citizense 
S.  1160—1162.    Darüber  Lepsius  S.  GO,  79  f. 

6.  Chronicon  Gozecensis  monasterii.  Monum. 
Germaniae  histor.  Script.  X,  141.  Citiert  auf  S.  1141. 
Daselbst  und  auf  S.  1145  f.  benutzt  für  auf  Goseck  be- 
zügliche Verhältnisse. 

7.  De  regione,  vetustate ~  Tubantino- 

rum,  Cygneorura  etc.  per  egregium,  eximium  et 
doctum  virum.  Dominum  Erasmum  Stell ae,  artium 
liberalium  et  medicinae  doctorem  —  ■ — et  Physi- 
cum  civitatis  Cygneae  descripta.  Fragmente  bei 
Mencke,  Script,  rer.  Germ.  III,  2039  flg.     Chronicon  Citi- 


Das  Chronicon  Citizense  des  Benediktinermönclies  P.Lang.     291 

zense  S.  1163—1165.  Diese  Schrift  hat  Lang  seinem 
fabelhaften  Bericht  über  den  Ursprung  der  Stadt  Zwickau 
zu  gründe  gelegt. 

8.  Thietmarus  episcopus  Merseburgensis: 
Chronici  libri  VIII.  Mon.  Germ.  Script.  III,  733  bis 
871.  —  Als  Quelle  genannt  auf  S.  1120  f.,  1123  f.  und 
1132.  Daraus  entnommen  Chronicon  Citizense  S.  1120 
bis  1150:  Gründung  des  Erzbistums  Magdeburg  und 
verschiedener  Bistümer  durch  Otto  den  Grolsen,  Ereignisse 
aus  Ottos  I.,  II.  und  III.  Regierung  und  der  ersten  Zeit 
Heinrichs  II.,  die  ersten  Erzbischöfe  von  Magdeburg, 
die  ersten  Bischöfe  von  Merseburg,  Meifsen  und  Zeitz, 
verschiedene  Markgrafen  von  Meifsen.  Die  aus  Thiet- 
mar  entlehnten  Stellen  sind  meistens  verkürzt  wieder- 
gegeben. 

9.  Chronicon  episcoporum  Merseburgensium. 
(968—1514).  Mon.  Germ.  Script.  X,  162.  Benutzt  auf 
8.  1137,  1167,  1225  und  1228. 

10.  Gesta  archiepiscoporum  Magdeburgen- 
sium.  Mon.  Germ.  Script.  XIV.  Citiert  auf  S.  1124, 
1132,  1146-1148.  Von  S.  1124—1250  hat  Lang  die 
Regierung  der  Erzbischöfe  von  Magdeburg  nach  dieser 
Quelle  gegeben,  doch  stehen  die  Worte  auf  S.  1129: 
„Tnidnntur  pliires  —  iiichoatari"  nicht  in  den  G.  A.  M. 
auf  S.  382.  Nach  Längs  Angabe  S.  1218  soll  der  im 
Jahre  1368  gestorbene  Erzbischof  Dietrich  im  Kloster 
Lehnin  bestattet  worden  sein,  während  die  G.  A.  M. 
S.  442  f.  den  Dom  zu  Magdeburg  als  seine  Begräbnis- 
stätte bezeichnen.  Sonst  sind  die  G.  A.  M.  noch  als 
Quelle  herangezogen  an  folgenden  Stellen:  S.  1124  Re- 
gierungsjahre  Ottos  L,  S.  1132  Verwüstung  der  Zeitzer 
Kirche,  S.  1141  Tod  Heinrichs  III.,  S.  1144  die  deutschen 
Volksstämme  für  Heinrich  IV.,  S.  1145  plötzlicher  Tod 
mehrerer  Bischöfe,  S.  1147  Weihe  des  Bischofs  Walram 
von  Naumburg,  S.  1149  Bischof  Dietrich  von  Naumburg, 
S.  1151  „Anno  milleno  —  crtwris/  S.  1153  Praemon- 
stratenserorden. 

11.  Annalista  Saxo.  Mon.  Germ.  Script.  VI, 
542—777.  S.  1137  Heinrich,  Bruder  der  Kaiserin 
Kunigunde,  Herzog  von  Bayern,  S.  1147  Belagerung  der 
Stadt  Gleichen,  S.  1154  die  Kaiserin  Richenza,^  Graf 
Otto  von  Anhalt,  seine  Gemahlin  und  sein  Sohn,  S.  1156 
Regierungszeit  Lothars  IL,  das  Kloster  Königslutter. 

19* 


292  K.  E.  Hermann  Müller : 

1 3.  A 11  n  al  e  s  M  a  g  d  e  b  u  r  g  e  n  s  e  s.  Mon.  Germ.  Script. 
XVI,  107—196.  S.  1121  Gründung  des  Klosters  Bergen 
bei  Magdeburg. 

13.  Bruno:  De  belle  Saxonico  über  et  vita 
Heinrici  IV.  imperatoris.  Mon.  Germ.  Script.  V,  328. 
S.  1145  und  1146  Schlacht  an  der  Elster.  Citiert  von 
Lang:     „Haec  ex  Chronicis  Saxoniae." 

14.  Botho:  Cronecken  der  Sassen  ab  0.  C. 
—  1489.  Bei  Leibnitz,  Script,  rer.  Brunsvic.  III, 
277.  Citiert  auf  S.  1120.  —  Gründung  der  Bistümer 
Zeitz  u.  s.  w.  durch  Karl  den  Grolsen,  Wiederherstellung 
derselben  durch  Otto  den  Grolsen,  S.  1221  Angern  und 
andere  Güter  durch  Erzbischof  Friedrich  von  Magdeburg 
erworben,  S.  1232  Friedrich  von  Meilsen  Kurfürst  von 
Sachsen,  S.  1240  Christoph  von  Bayern  König  der  drei 
nordischen  Reiche. 

An  diese  Chroniken  schlielsen  wir  am  passendsten  an : 
Engelbertus  Wusterwitz  clericus  Branden- 
burgensis:  Chronica  Marchitica.  Über  die  Be- 
nutzung dieser  Quelle  durch  Lang  vergleiche:  Engel- 
bertus Wusterwitz,  Märkische  Chronik,  herausgegeben 
durch  Julius  Heidemann  (Berlin  1878),  Einleitung  S.  1,  5. 

II.  Niedersächsische  Geschichtsquellen. 

1.  Helmoldus  presbyter  Bosoviensis  ad  lacum 
Ploenensem:  Chronicon  Slavorum.  Mon.  Germ. 
Script.  XXI.  Citiert  auf  S.  1123,  1148,  1152.  —  S.  1121  f. 
Bekriegung  und  Christianisierung  der  Slaven  und  Dänen 
durch  Otto  den  Großen,  S.  1123  ßegierungszeit  desselben, 
S.  1148  Beendigung  des  Schismas,  Tod  Heinrichs  IV.  im 
Bann,  Tod  Magnus  von  Sachsen,  Lothar  Herzog  von. 
Sachsen,  Magnus  Töchter,  S.  1151  f.  Schlacht  am  Weifes- 
holze, grolse  Niederlage  der  Römer,  S.  1154  Lothar 
deutscher  König. 

2.  Arnold  von  Lübeck:  Chronicon  Slavorum. 
Mon.  Genn.  Script.  XXI.  Als  Quelle  angeführt  auf 
S.  1159  und  1166.  S.  1159  Barbarossas  Tod,  S.  1166  f. 
Verwüstung  Thüringens,  Landgraf  Hermann  von  Thüringen 
von  Philipp  von  Schwaben  wieder  unterworfen. 

3.  Chronicon  Slavicum  parochi  Suselensis  ab 
a.814 — 1485  ap.  Lindenbrog,  Script,  rer.  septentr.  (Francof. 
1609)  S.  189—247.    Citiert  auf  S.  1255.  —  Für  Lübecker 


Das  Chroincon  Citizense  des  Benediktinermönches  P.Lang.     293 

Verhältnisse  benutzt  auf  S.  1158,  1175,  1217,  1219,  aufser- 
dem  noch  an  folgenden  Stellen:  S.  1185  Johannes 
Teutonicus,  S.  1217  und  1218  Sieg-  des  Bischofs  Gerhard 
von  Hildesheim,  S.  1229  Eroberung  Plauens,  S.  1231 
Gründung  der  Universität  Rostock,  S.  124G  Absetzung 
des  Erzbischofs  Dieter  von  Mainz,  S.  1254  Heirat  Johanns, 
eines  Sohnes  Christians  I.  von  Dänemark,  S.  1255  Ablals 
in  Schweden. 

4.  Rudimentum  noviciorum.  Lübeck  1475.  Von 
Lang  Chronica  Rudimenti  genannt  und  als  Quelle  be- 
zeichnet auf  S.  1215  f.,  1223,  1227.  Für  die  Geschichte 
der  Päpste  herangezogen  auf  S.  1190  f.,  1195,  1206  f., 
1211  f.,  1214 f.,  1217;  aufserdem  noch  an  folgenden 
Stellen  benutzt:  S.  1176  f.  Worte  über  den  Kardinal 
Hugo,  S.  1210  f.  Thomas  de  Valas,  S.  1214  grofses 
Sterben  in  Frankreich  und  in  Lübeck,  S.  1216  Brand  des 
Lübecker  Rathauses,  S.  1218  Brigittas  Vorhersagung  er- 
füllt sich,  S.  1223  Sieg  der  Türken  über  Siegismund  von 
Ungarn,  S.  1227  Gründung  der  Universität  Leipzig, 
S.  1228  Siegismund  deutscher  König,  Schlacht  bei 
Tannenberg,  S.  1243  Eroberung  Konstantinopels,  S.  1245 
Niederlage  der  Türken,  S.  1251  Eroberung  Lüttichs  durch 
Karl  den  Kühnen. 

5.  Adam  von  Bremen:  Gesta  Hammaburgensis 
ecclesiae  pontificum  Libri  IV.  Mon.  Germ.  Script. 
VII,  280—389.  S.  1126  die  Erzbischöfe  Willehad  und 
Ansgar  von  Bremen. 

6.  Compilatio  chronologica.  Bei Pistorius-Struve, 
Script,  rer.  Germ.  I,  1057.  S.  1136  Heinrichs  IL 
Kaiserkrönung,  Anwesenheit  des  Papstes  Benedikt  VIII. 
in  Bamberg,  S.  1173  Kaiser  Friedrich  IL  verfolgt  die 
Kirche. 

7.  Albert  von  Stade:  Annales  —  1256.  Mon. 
Germ.  Script.  XVI,  283—378.  S.  1144  Wahl  lUidolfs 
von  Schwaben  zu  Heinrichs  IV.  Gegenkönig. 

Hierher  dürfte  wohl  noch  zu  setzen  sein: 
Cochlaei  Cosmographia,    auf   welche    sicli  Laug 

S.  1216  beruft.     Über  diese  Quelle  habe  ich  sonst  nirgends 

etwas  finden  können-*'). 


•-'*)  Wohl  Cosmographia  Poinponii  TMelac  ed.  Cochlacus.  Norini- 
bergae,  Joh.  Weyssenburg  1512.  Panzer  Ann.  Typgr.  Vll,  4F)1  no.  8(5. 
(Anm.  der  lled.) 


294  K.  E.  Hermann  Müller: 

III.  Westfälische  Geschichtsquelleu. 

1.  Altfridi  Vita  S.  Liudgeri.  Mon.  Germ.  Script. 
11,403—419.  S.  1129  f.  Liudgers  wissenschaftlicher  Eifer. 

2.  Henricus  de  Hervordia:  Liber  de  rebus 
niemorabilioribus  —  1355  ed  A.  Potthast.  8.  1190 
Adolf  von  Nassau  deutscher  König. 

3.  Werner  Rolevinck:  Fasciculus  temporum. 
Bei Pistorius-Struve,  Script.rer.Germ.il,  397—576.  Citiert 
auf  S.  1122,  1182,  1201.  Als  Quelle  für  die  Päpste  be- 
nutzt  auf  S.  1149,    1157,  1167  f.,  1193     (Cundis  Frae- 

latis ut   canis),    1205,    1212,    1222,   für    deutsche 

Kaiser  auf  S.  1122  f.,  1201,  für  Mönchsorden  und  geist- 
liche Ritterorden  auf  S.  1147,  1166  f.,  1182;  sonst  noch 
an  folgenden  Stellen  als  Quelle  herangezogen:  auf  S.  11 53 f. 
Hugo  von  St.  Viktor,  S.  1167  Eroberung  Konstantinopels, 
S.  1170  Zerstörung  Jerusalems,  S.  1171  Friesland  vom 
Meere  schwer  heimgesucht,  S.  1188  Tripolis  und  mehrere 
andere  Städte   von  den   Sarazenen   erobert,   S.  1202  die 

Verse:    ,,Mitis canonizatos",    S.  1217   die   heilige 

Brigitta,  S.  1218  plötzlicher  Tod  eines  Lektors  der 
Krakauer  Universität,  S.  1222  Schlachten  bei  Sempach 
und  Näfels,  der  Theologe  Heinrich  von  Hessen,  S.  1223 
"Wikleff,  Hüls  und  Hieronymus,  S.  1228  f.  Beendigung  des 
Schismas  zu  Kostnitz. 

4.  Theodorici  Urie  His  toria  Concilii  Constan- 
tiensis  bei  Herm.  von  der  Hardt,  Francof.  1700  post 
Concilium  Constantiense,  fol.  1.  S.  1226  die  hier  ange- 
führten Verse  lib.  I,  S.  11.  Auf  ihn  beruft  sich  auch  Lang. 

IV.  Hessische,  thüringische  imd  meifsuische 
(ireschichtsquelleii. 

1.  Lambertus  Hersfeldensis:  Historia  Hers- 
feldensis.  Mon.  Germ.  Script.  V.  S.  1129  wissenschaft- 
licher Eifer  im  Kloster  Hersfeld.  Hier  Lamb.  citiert. 
Darüber  Mon.  Germ.  Script.  V.  137.  Anmerk.  4.  S.  1140 
Bischof  Cadalu  s  von  Naumburg  und  Kaiser  Heinrich  III. 
in  Hersfeld.  Hier  Lamb.  angeführt.  Dazu  Mon.  Germ. 
V,  140,  Anmerk.  30.  S.  1140  Charakteristik  Heinrichs  III. 
Mon.  Germ.  V,  140. 

2.  Lamberti  Annales  Hersfeldenses.  Mon.  Germ. 
Script.  V.     Auf  die  Benutzung  dieser  Quelle  durch  Lang 


Das  Chronicon  Citizeiise  des  Benecliktinermönches  P.Lang.     295 

auf  S.  1142—1144,  1146   wird  S.  148  unserer  Ausgabe 
liingewiesen. 

3.  Additiones  ad  Lambertum.  BeiStruve,  Script, 
rer.  Germ.  I,  425-440  Citiert  auf  S.  1181.  Als  Quelle 
zu  gründe  gelegt  auf  S.  1144  f.,  1223,  1253  für  Erfurter 
Begebenheiten,  aulserdem  noch  an  folgenden  Stellen: 
S.  1143  Sclilacht  an  der  Unstrut,  S.  1181  Herzog  Albert 
von  Braunschweig  aus  der  Gefangenschaft  befreit,  S.  1186 
Tod  des  Markgrafen  Johann  von  Brandenburg,  S.  1188 
Untergang  vieler  Menschen  in  Friesland. 

4.  Chronicon  Sampetrinum,  herausgeg.vonStübel: 
Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  I,  9  flg.  Daraus 
geschöpft  für  Landgrafen  von  Thüringen,  für  Naumburger 
Bischöfe  und  Mainzer  Erzbischöfe  auf  S.  1166—1168, 
1170,  1174  f.,  1177,  1179,  1181,  1187,  1189,  1200,  1206, 
1215;  aulserdem  ist  Chron.  Sampetr.  noch  an  folgenden 
Stellen  herangezogen:  S.  1166  Tod  Heinrichs  des  Löwen, 
Reichstag  zu  Gelnhausen,  S.  1168  Otto  von  Witteisbach 
geächtet,  S.  1195  die  Erfurter  zerstören  mehrere  Burgen, 
S.  1203  grolse  Hungersnot  in  Thüringen,  grolses  Sterben 
in  Erfurt,  S.  1215  Rudolf  von  Vargula  Beschützer  der 
heiligen  Elisabeth. 

5.  Successio  episcoporumMoguntinensium.  Bei 
Boehmer,  Font.  rer.  Germ.  IV,  355—363.  Benutzt  für 
Erzbischöfe  von  Mainz  auf  S.  1176,  1196,  1223,  1231, 
1246,  1264. 

6.  Chronicon  Montis  Seren i.  Mon.  Germ.  Script. 
XXIII.  S.  1159  Otto,  Dietrich,  Albert,  Dedo  Mark- 
grafen von  Meilsen. 

7.  Annales  S.  Petri  Erphesfurdenses.  Mon. 
Germ.  Script.  XVI,  16.  S.  1147  Ruthard,  Erzbischof  von 
Mainz. 

8.  Erphurdianus  antiquitatum  variloquus.  Bei 
Menckc,  Script,  rer.  Germ.  IL  S.  1205  und  1206  Erz- 
bischof Peter  von  Mainz  tot,  Matthias  sein  Nachfolger 
(a.  a.  0.  500  und  501). 

9.  Historia  Erphesfordensis  Anonymi  scrip- 
toris  de  Landgraviis  Thuringiae.  Bei  Pistorius- 
Struve,  Script,  rer.  Germ.  I,  1296.  S.  1233  Tod  des 
Markgrafen  Wilhelm  von  Meilsen. 

10.  Chronicon  Terrae  Misiiensis.  Bei  Mencke, 
Script,  rer.  Germ.  II,  313—376.     Dasselbe  hat  als  Quelle 


296  K.  E.  Heniiauu  Müller: 

gedient  für  thüringische  und  meilsnische  Verhältnisse  auf 
S.  1122,  1139,  1142  f.,  1180  f.,  1223,  1243.  Zu  S.  1122 
ist  zu  vergleichen  R  o  t  h  e ;  C  h r  o  n  i  c  o  n  T  h  u  r  i  n  g  i  a  e  bei 
Mencke  II,  1660.  Derselbe  erwähnt  auch  S.  1168  f. 
die  Schauenburg, .  von  der  Lang  auf  S.  1139,  jedoch  nicht 
das  Chr.  T.  M.  S.  320  f.  spricht. 

11.  Pucheler:  ResMisnicae  ab  anno  1426— 1488. 
Bei  Mencke,  Scriptor.  rer.  Germ.  II,  417.  S.  1241  Streit 
zwischen  Friedrich  dem  Sanftmütigen  und  seinem  Bruder 
Wilhelm,  S.  1243  der  Baron  von  Gera  gefangen  nach 
Böhmen  geschleppt. 

12.  Johannes  Garzo  Bononiensis:  Annales 
Misnenses  sive  Historia  de  bellis  Friderici  Magni. 
Libri  II.  Bei  Mencke,  Script,  rer.  Germ.  II,  1015  bis 
1056.  Von  Lang  vollständig  in  sein  Chronicon  Oitizense 
auf  S.  1191—1194,  1197,  1199,  1200  und  1202  aufge- 
nommen. 

13.  Hieronymus  Emser:  Vita  Bennonis  epis- 
copi  Misnensis.  Lipsiae  1512.  Bei  Mencke  II,  824  flg. 
S.  1131  beruft  sich  Lang  auf  diese  Vita,  S.  1148  BennosTod. 

14.  Siffridus  Presbyter  Misnensis:  Chronicon 
universale  US que  ad  annum  1306.  Bei  Pistorius-Struve, 
Script,  rer.  Germ.  I,  1017—1055.  S.  1137  Kaiser  Hein- 
richs II.  Fürsorge  für  verschiedene  Bistümer,  Godehard 
Bischof  von  Hildesheim,  S.  1172  die  Landgräfin  Elisabeth 
heilig  gesprochen,  S.  1186  Niederlage  des  Erzbischofs 
Konrad  von  Magdeburg  und  des  Markgrafen  Dietrich 
von  Landsberg,  S.  1196  Tod  des  Bischofs  Bruno  von 
Naumburg. 

15.  Decanus  Misnensis,  auf  S.  1159  von  Lang 
citiert,  doch  nicht  als  Quelle  ausfindig  zu  machen. 

V.  Gesehichtsciuelleu,  hiis  Frauken  uud  Schwaben 

stammend. 

1.  Trithemii  Annales  Hirsaugienses.  St.  Gallen 
1690.  2  Volum.  Dieselben  sind  häufig  von  Lang  als 
Quelle  herangezogen  worden  bei  deutschen  Kaisern,  bei 
Päpsten,  bei  deutschen  Fürsten  geistlichen  und  welt- 
lichen Standes,  besonders  den  Erzbischöfen  von  Mainz 
und  Fürsten  des  Hauses  Witteisbach,  bei  verschiedenen 
Klöstern  des  Benediktinerordens,  bei  mehreren  Augaben 
über  die  Bursfelder  Kongregation,  bei  mehreren  litterarisch 


Das  Clironicon  Citizense  des  Beiie(likti]iPimr>nrhes  P.Laiig.     297 

bedeutenden  Männern  des  geistlichen  Standes  und  ver- 
schiedenen Begebenheiten  im  Orient.  Derartige  Angaben 
sind  entnommen  dem  1.  Teil  der  Hirsauer  Annalen  auf 
S.  1122,  1128,  1130,  1139,  1144,  1146,  1148,  1154,  1159, 
1162,  1167, 1176  f.,  1183,  dem  2.  Teil  derselben  auf  S.1187f., 
1200  f..  1204,  1206,  1216,  1218,  1224,  1227,  1238  f.,  1240  f. 
1247  f.,  1251,  1254,  1266,  1270,  1272  f.,  1275  f.,  1284.  — 
Auf  S.  1138  ist  Tritheim  von  Lang  citiert. 

2.  Trithemii  Catalogus  seu  Liber  scriptorum 
ecclesiasticorum.  Ed.  Freher,  Trithemii  opera  I,  184 
bis  421.  Von  Lang  als  Quelle  angeführt  auf  S.  1205 
und  verwertet  für  fast  sämtliche  Berichte  desselben  über 
wissenschaftlich  bedeutende  Männer  des  geistlichen  Standes 
von  S.  1130-1269. 

3.  Trithemii  Chronicon  Sponheimense.  Ed. 
Freher,  Trithemii  opera  II,  236  —  435.  S.  1229  Kaiser 
Friedrichs  III.  Geburt,  S.  1252  jährliches  Kapitel  der 
Benediktiner  zu  Trier,  S.  1273  desgl.  zu  Mainz. 

4.  Hartmann  Schedel:  Chronicon  mundi  seu 
Chronicon  Chronicorum  ab  0.  C.  —  1492.  Nurem- 
berge,  Koberger  12.  Juli  1493.  Von  Lang  als  Quelle  ge- 
nannt auf  S.  1186,  1188,  1200,  1232.  —  Diese  Chronik 
hat  ihm  Material  geliefert  für  seine  Angaben  über  deutsche 
Kaiser  auf  S.  1135,  1166,  1168,  1171,  1186,  1190,  1201 
(„qui  —  —  fruitus  fuisset,  egissct'^),  1202,  1224,  1236, 
1240,  1262,  über  Päpste  auf  S.  1128,  1183,  1186,  1188, 
1192,  1201  f.,  1226f.,  1229,  1236,  1241,  1246,  1252, 
1255,  1264,  über  wissenschaftlich  l)edeutende  Männer  und 
verschiedene  historische  Ereignisse  auf  S.  1148,  1168, 
1174,  1177,  1186,  1200-1202^  1204  f.,  1218,  1222,  1231, 
1232,  1233,  1252,  1253,  1254,  1254  und  1255,  1255,  1264. 
Nach  dem  Citat  auf  S.  1200  hat  Lang  ganz  dieselbe  Aus- 
gabe der  Chronik  Schedels  zur  Hand  gehabt  wie  wir. 

5.  Anonymi  Chronicon  Wirceburgense.  Bei 
Eckhart,  Francia  orientalis  (Wirceburgi  1729)  I,  81(5 
bis  825.  AVas  Lang  übei-  die  Bischöfe  von  Würzburg 
berichtet,  ist  auf  diese  Quelle  zurückzuführen. 

6.  Nauclerus:  Chronicon  universale  ab  O.  C. 
~  1500  (Tul)ingae  1516).  Citiert  auf  S.  1139  und  fast 
nur  für  Angaben  über  deutsche  Kaiser  benutzt  auf 
S.  1122  1'.,  1132  1".,  1135  (7  Kurfürsten,  Erzbischof  Udo 
von  Magdeburg),  1136—1139,  1167,  11701'.,  1186,  1189, 
1190,  1214. 


298  K.  E.  Hermann  Müller: 

YI.  Bayrische,  böhmische,  österreichische  und  uoch 
mehrere  audere  Geschichtsquellen. 

1.  Ottonis  Frisingensis  Chronicon.  Mon.Germ. 
Script.  XX.    Citiert  und  benutzt  auf  S.  1123,  1143  und 

1152  und  aulserdem  noch  als  Quelle  herangezogen  für 
deutsche  Kaiser  auf  S.  1138  und  1140. 

2.  Ottonis  Frisingensis  GestaFriderici  I.  Mon. 
Germ.  Script.  XX.  S.  1144  Fürsten  von  Heinrichs  IV. 
Partei,  S.  1146  Friedrich  von  Hohenstaufen  Herzog  von 
Schwaben. 

3.  Gottfried  von  Viterbo:  Pantheon.  Mon. 
Germ.  Script.  XXII.  S.  1139  Fabel  über  Heinrich  III. 
(Panth.  Partie.  XXIII  S.  243).     Hier  von  Lang  citiert. 

4.  Martinus  Polonus:  Chronicon  summorum 
pontificum  imperatorumque.  Mon. Germ. Script. XXII. 
Als  Quelle  angegeben    und    benutzt    auf   S.  1139,  1143, 

1153  und  aulserdem  noch  als  solche  zu  gründe  gelegt, 
besonders  für  kirchliche  Verhältnisse,  auf  S.  1140  f., 
1152,  1157,  1168,  1172  f.,  1177,  1185. 

5.  Gesta  comitum  de  Andechs.  Auf  dieselben 
beruft  sich  Lang  auf  S.  1159,  wo  er  der  Abstammung 
der  heiligen  Elisabeth  mütterlicherseits  von  den  Grafen  von 
Andechs  gedenkt.  In  einer  Ausgabe  dieser  Chronik  aus 
dem  Jahre  1657,  betitelt:  „Mons  sanctus  Andechs", 
welche  vom  Abt  Cölestin  des  heiligen  Berges  herrührt, 
wird  auf  S.  7  diese  Angabe  bestätigt. 

6.  Diarium  Joannis  Cuspiniani  de  congressu 
Maximilian!  Caesaris  cum  Uladislao  Hungariae, 
Sigismundo  Poloniae  ac  Ludovico  Bohemiae  re- 
gibus  Viennae  M.  Julio  1515  facto.  Francof.  ad 
Moen.  1601.  Citiert  S.  1288.  S.  1286  —  1288  Maria, 
Maximilians  I.  Enkelin,  Verlobte  Ludwigs  von  Ungarn, 
Bauernaufstand  in  Ungarn,  Zusammenkunft  Maximilians 
mit  den  Königen  von  Ungarn,  Böhmen  und  Polen  (S.  496 
bis  511). 

7.  Aeneas  Sylvius:  Historia  Bohemica.  Bei 
Freher,  Script,  rer.  Bohemic.  S.  118.  Als  Quelle  genannt 
auf  S.  1245  und  für  böhmische  Geschichte  benutzt  auf 
S.  1146  f.,  1200,  1205,  1212,  1214,  1217,  1230  f.,  1245; 
daher  auch  die  AVorte  über  Albrecht  Achilles  auf  S.  1241 : 

„Erat  nihilo   secius —  ^ler  orbem  esse  eocpit."  — 

Im  xlnsehlufs  hieran  gedenken  wir  der  auf  S.  1220  des 


Das  Chronicon  Citizense  des  Benediktiuermönches  P.  Lang-.     299 

Clironicon  Citizense  besprochenen  Stiftung  des  Cölestiner- 
Klosters  auf  dem  Oybin  durch  Kaiser  Karl  IV.  Dafür 
Quelle  Längs:  Caroli  IV.  fundatio  Coeuobii  Coele- 
stinorum  in  Oybin  a.  1369.  Hoffmann,  Script,  rer. 
Lusatic.  IV,  201'  flg. 

8.  Vincentius  Bellovacensis:  Speculum  bi- 
st oriale.  August.  Vind.  in  monast.  s.  Udalrici  et  Afrae. 
a.  1474.  3  Volum.  Als  Quelle  genannt  und  benutzt  auf 
S.  1153  und  1159. 

9.  Thomae  Cantiprati  bonum  universale  de 
apibus.  Duaci  1627.  S.  1184  f.  Thomas  von  Aquino 
(S.  81—83.  Lang:  „ut  refert  Thomas  Brahantinus"). 

VII.  Italienische  Geschichtsschreiber. 

1.  Piatina:  Liber  de  vita  Christi  ac  de  yitis 
summ  omni  pontificum  ßomanorum.  Ex  ofticina 
Eucharii  Cervicorni.  Basileae  1529.  Citiert  und  benutzt 
auf  S.  1122,  1127,  1160,  1172,  1175,  1201  und  1222, 
aulserdem  noch  als  Quelle  herangezogen  auf  S.  1133, 
1143,  1158,  1165  f.,  1168,  1171,  1177,  1183,  1188,  1191, 
1194,  1197,  1218,  1225,  1236  f.,  1249  f.  für  Päpste, 
Kaiser  und  einiges  andere. 

2.  Matthaei  Palmerii  Florentini  Chronicon. 
Ex  officina  Eucharii  Cervicorni.  Basileae  1529.  Als 
Quelle  angeführt  auf  S.  1148.  Hauptsächlich  als  Quelle 
zu  gründe  gelegt  für  Päpste  und  Kaiser,  aulserdem  noch 
für  verschiedene  Begebenheiten,  betreffend  das  König- 
reich Jerusalem,  Frankreich,  Venedig  und  Florenz  selbst 
auf  S.  1136,  1146-1148,  1151—1154,  1158,  1160, 1166  f., 
1170-1173,  1175,  1179,  1184—1188,  1190,  1194,  12051., 
1211—1214,  1216  f.,  1229. 

3.  Matthias  Palmerius  Pisanus:  Opus  de  tem- 
poribus  suis.  In  derselben  Ausgabe  wie  der  vorige. 
Aus  ihm  besonders  geschöpft  für  ungarische  und  türkische 
Verhältnisse  auf  S.  1245  f.,  1251—1255. 

4.  Antoninus  Florentinus:  C'hronicon  ab  O.  C. 
—  1457.  Nurembergae  per  Ant.  Koburger  a.  1484.  3 
Volum.  Als  Quelle  angefülirt  und  benutzt  auf  S.  1124, 
1169,  1171,  1176,  1201,  1211,  1243;  aulserdem  noch  aus 
ihm  entlehnt  für  deutsche  Kaiser  und  Päi)stc  folgende 
Stellen:  S.  1167-1169,  1170,  1172,  1173,  1183,  1186, 
1197,    1202,  1207,  1217,  1219  f.,  1236,  1245.     Sämtliche 


300  K.  E.  Hermann  Müller: 

Stellen  mit  Ausnahme  einer  einzigen  sind  im  3.  Teil  des 
Ant.  Flor,  enthalten. 

5.  Ptolemaeus  Lucensis  sive  de  Fiadonibus: 
Historia  ecclesiastica.  Muratori,  Script,  rer.  Italic. 
XI,  753-1242.  Citiert  und  benutzt  auf  S.  1201,  aulser- 
dem  noch  als  Quelle  zu  gründe  gelegt  auf  S.  1171  und  1188. 

6.  Johannes  Stella  presbyter  Venetus:  De 
vita  ac  moribus  pontificum  Romanorum  ad  a.  1503. 
Venetiis  1505.  S.  1181  Vereinigung  der  Augustiner- 
Eremiten  durch  Papst  Alexander  IV.,  S.  1217  Tod  des 
Papstes  Innocenz  VI,  S.  1271  (hier  citiert)  Alexander  IV. 
tot,  nach  ihm  Päpste  Pius  III.  und  Julius  II. 

7.  Raphael  Volaterranus:  Vitae  Paparum  1518. 
Die  auf  S.  1202  und  1203  als  aus  ihm  stammend 
angeführte  Stelle  nicht  in  ihm  zu  linden,  dagegen  aus 
ihm  entnommen:  S.  1264  Charakteristik  Alexanders  VI. 
und  S.  1271  Alexander  VI. 

8.  Picus  von  Mirandula:  Libri  contra  astro- 
logos.     Als  Quelle  benutzt  auf  S.  1204  und  1205. 

Vin.  Urkunden. 

S.  1176  Bullen  der  Päpste  Innocenz  IV.  vom  17.  Jan. 
1244  (gedruckt  Crusenius,  Monasticon  Augustinianam,  Mo- 
nach.  1623,  S.  115)  und  Alexander  IV. :  „Licet  ecclesiae" 
vom  9.  April  1256  (Potthast  Hegesta  pontif.  Rom.  TI,  1341 
m.  16334),  bezüglich  auf  die  Augustiner-Eremiten. 

S.  1187  Konstitution  des  Papstes  Gregor  X.  auf  dem 
Konzil  zu  Lyon  (Cap.  23),  betreffend  die  Bettelmönche. 
Gedr.  Mansi  Nova  Collect,  concil.  XXIV,  96. 

S.  1211  f.  Konstitution  des  Papstes  Benedict  XII. 
von  1336  (Benedictina),  gedr.  Magnum  Bullarium  Romanum 
(Lugd,  1692)  S.  241  flg.  u.  ö. 

S.  1237  Bulle  des  Basler  Konzils  über  die  unbefleckte 
Empfängnis  der  Jungfrau  Maria  vom  17.  Sept.  1439.  Bei 
Mansi  Collectio  conciliorum  XXIX,  183. 

S.  1237  Bulle  desselben  Konzils  aus  dem  Jahre  1440, 
durch  welche  die  vom  Kloster  Bursfeld  ausgegangene 
Reformation  der  Benediktinerklöster  bestätigt  wird.  Vergl. 
Leuckfeld,  Antiquitates  Bursfeldenses  S.  43  f. 

S.  1249  Bulle  des  Papstes  Pius  IL  vom  3.  November 
1461  für  die  Bursfelder  Kongregation,  gedr.  bei  Leuckfeld 
a.  a.  O.     S.  160  flg. 


Das  Chronicon  Citizense  des  Benediktmermöiiches  P.  Lang.     301 

S.  1224  Brief  des  heiligen  Bernhard  an  die  Äbte  zu 
Cluny  und  Brief  des  Archidiakon  Peter  von  Blois  an 
seinen  Bruder  Wilhelm,  Abt  inMecheln.  Darüber  Leucldeld 
(Schamelius),  Kloster  Bosau  S.  39.     Anmerk.  M. 

S.  1282—1284  Epistulae  Emanuelis  regisPortugaliae  de 
victoriis  habitis  in  India  et  Malacha  ad  Leonem  pontif. 
niax.  per  Jacob.  Spiegel  Seiestensem.    Yiennae  1513. 

IX.  Werke  theologischen  Inhalts. 

1.  Erasmus  von  Rotterdam.  Aus  welchen  Werken 
des  Erasmus  Lang  die  Stellen,  auf  welche  er  auf  S.  UTGund 
1185  f.  hinweist,  entnommen  hat,  habe  ich  nicht  aus- 
findig machen  können,  besser  verhält  es  sich  dagegen  mit 
drei  anderen  Stellen.  Zwei  auf  S.  1209  f.  angeführte 
entstammen  der  Ratio  seu  Methodus  compendio  perveniendi 
ad  veram  theologiam  (Opera  Erasmi  Lugd.  Batav.  1703 
ed  ClericusV,  138  und  83),  die  dritte  ebenfalls  auf  S.  1210 
dem  Encomium  morias  (ebenda  IV,  466).  Diese  Werke 
citiert  hier  auch  Lang. 

2.  Augustinus.  Auf  S.  1181  werden  Stellen  aus 
folgenden  Werken  desselben  angeführt:  Libri  soliloquio- 
rum,  libri  contra  Academicos,  über  retractionum,  sermo 
de  communi  vita  clericorum,  liber  de  bono  perseverantiae, 
libri  de  libero  arbitrio,  libri  de  civitate  Dei. 

3.  Hieronymus.  Auf  S.  1210  eine  Stelle  aus  dessen 
Schrift  „contra  Helvidium". 

4.  Der  heilige  Bernhard.  Auf  S.  1225  eine  Stelle 
aus  dessen  „liber  de  consideratione". 

5.  Gerson  cancellarius  Parisiensis.  Auf  S. 1225 
eine  Stelle  aus  dessen  „libellus  conclusionum  theologi- 
carum". 

6.  Simon  de  Cassia.  Aus  dessen  Werk  „Gesta 
Domini  Jesu  Christi"  teilt  Lang  auf  S.  1212  f.  mehrere 
Stellen  mit.  Dasselbe  umfafste,  wie  aus  Tritheims  \Verk 
„De  Script,  eccles."  S.  ;}20  ersichtlich,  15  Bücher.  Vhev 
dasselbe  siehe  Schamelius  S.  87  und  92. 

7.  Ambrosius  de  Chora.  Ihn,  der  General  des 
Ordens  der  Augustiner  -  Eremiten  war,  greift  Lang  auf 
S.  1182  sehr  heftig  wegen  seiner  Werke  an.  Ei-  führt 
dieselben  zwar  nicht  mit  Namen  an,  doch  hatte  er  sie 
jedenfalls  gelesen.  Die  Titel  derselben  findet  man  in 
Tritheims  Schrift  „De  Script,  eccles."  S.  369. 


302  K.  E.  Hermann  Müller : 

Das  sind  die  Quellen,  aus  welchen  Lang  für  sein 
Werk  geschöpft  hat,  soweit  wir  dieselben  haben  ausfindig 
machen  können. 

X.  Lang  als  Berichterstatter  über  seine  Zeit. 

Teils  nach  eigener  Kenntnis  der  Personen  und  Ver- 
hältnisse, teils  nach  Berichten  von  Augenzeugen,  teils 
]iach  allgemeinen,  im  Volk  umlaufenden  Gerüchten  berichtet 
Lang  an  folgenden  Stellen: 

S.  1232  f.  Friedrich  der  Weise,  Universität  und 
Schlofskirche  zu  Wittenberg.  S.  1245  Herzog  Albert  von 
Sachsen.  S.  1249  Bischof  Dietrich  III.  von  Naumburg. 
S.  1250  Bischof  Heinrich  I.  von  Naumburg.  S.  1250  f. 
Abt  Thomas  von  Bosau.  S.  1254  die  Türken  bei  Krakau 
besiegt.  S.  1255  Dietrich  von  Schönberg  Bischof  von 
Naumburg,  Tod  mehrerer  Mitglieder  des  sächsischen 
Fürstenhauses.  S.  1256  Abt  Johann  von  Bosau  Abt 
des  Klosters  Pegau.  S.  1256—1259  Abt  Peter  von  Bosau. 
S.  1259  —  1261  Tod  des  Kurfürsten  Ernst  von  Sachsen, 
seine  Kinder,  Lob  Friedrichs  des  Weisen.  S.  1261  Johann 
der  Beständige,  Herzog  Albert  von  Sachsen.  S.  1262 
Längs  persönliche  Verhältnisse.  S.  1263  Albert  von 
Sachsen  Feldherr  in  den  Niederlanden.  S.  1264  Lang 
wird  Mönch.  S.  1264—1266  Charakteristik  Johanns  von 
Schönberg,  Bischofs  von  Naumburg.  S.  1266  f.  die 
Energielosigkeit  Friedrichs  III.  schuld  an  den  kriegerischen 
Fortschritten  der  Türken.  S.  1267  f.  Wimphelmg, 
Reuchlin,  Brant.  S.  1269  f.  merkwürdige  Erzählungen 
über  den  Tod  Alberts  von  Sachsen,  wovon  Lang  im 
Dominikanerkloster  zu  Groningen  hörte.  S.  1270  f. 
Gründung  der  Universität  Wittenberg,  Lob  Luthers  und 
Karlstadts,  Krieg  mit  Venedig,  der  päpstliche  Legat 
Raimund  in  Deutschland.  S.  1272  Gründung  der  Stadt 
Annaberg.  S.  1272—1275  Abt  Benedikt  von  Bosau, 
Tod  Philipps  von  der  Pfalz,  seine  Kinder.  S.  1276  bis 
1278  Brief  Brants  an  Lang.  S.  1279-1282  Charak- 
teristik der  Päpste  Julius  IL  und  Leo  X.,  Lob  Luthers 
wegen  seines  Auftretens  gegen  den  Ablals.  Den  Stoff 
hierfür  will  Lang  aus  einem  in  deutscher  Sprache  ver- 
fafsten  Buch  geschöpft  haben.  S.  1284  Äufserungen  Längs 
über  die  gefährliche  Macht  der  Türken.  S.  1284  und  1285 
Bauten  des  Erzbischofs  Ernst  von  Magdeburg.  S.  1285 
Albrecht  von  Hohenzollern  sein  Nachfolger.    Der  Bericht 


Das  Cbronicou  Citizense  des  ßenediktinermönches  P.  Lang.     303 

Über  ihn  nach  Angaben  von  Geistlichen  seiner  Diöcese. 
S.  1285—1286  der  Jude  Pfefferkorn  in  Halle.  Darüber 
erhielt  Lang  Nachricht  durch  das  allgemeine  Gerücht 
und  durch  eine  im  Druck  erschienene  Schrift.  Kämpfe 
des  Herzogs  Georg  von  Sachsen  in  Friesland.  Vom 
Hörensagen  („ut  ferehatur^').  S.  1287  Graf  Adolf  von 
Anhalt  Bischof  von  Merseburg.  S.  1287  Tod  des  Abtes 
Georg  von  Pegau.  Vom  Hörensagen  („iit  dictum  est''). 
S.  1288    Schlacht    bei    Marignano.       Vom    Hörensagen 

(fßieviadmodum  quidcmi me  praesente,  fratrihus 

IKäam  retulit;  ut  fama  erat).  S.  1288  grosse  Über- 
schwemmung des  Rheins,  Brände  in  mehreren  Städten. 
S.  1288  und  1289  Andreas  Luchtenstern.  S.  1289—1291 
Lang  berichtet  über  sich. 

XI.  Stellen,  für  deren  Ursprnug  ein  Nachweis  nicht 

zu  führen  ist. 

Solche  Stellen,  bezüglich  auf  Meilsen,  Tliüringen, 
Sachsen  und  das  Erzbistum  Mainz  finden  sich  auf  S.  1137, 
1152f.,  1171,  1173,  1186,  1188,  1192,  1197  f.,  1206, 
1216,  1231  f.,  1234  f.,  1239,  1241,  1245  f.,  1248,  1253. 
Stellen,  betreffend  die  Häuser  Witteisbach  und  Hohen- 
zollern  auf  S.  1205,  1229,  1241  f.,  1246  f.,  1252  f.,  1262. 
Stellen,  berührend  deutsche  Kaiser  auf  S.  1141  bis 
1144, 1194, 1228.  Stellen,  handelnd  von  Päpsten,  Konzilien, 
bedeutenden  Männern  und  Frauen  der  Kirche,  verschie- 
denen Mönchsorden  und  sonstigen  kirchlichen  Angelegen- 
heiten auf  S.  1127  f.,  1131  f.,  1154,  1173,  1177,  1187, 
1193,  1197,  1205,  1222,  1226  f.,  1236,  1244,  1252. 
Stellen,  welche  die  Hussiten,  die  Türken,  die  Stadt  Augs- 
burg und  noch  einiges  andere  zum  Gegenstand  haben, 
auf  S.  1205,  1218  f.,  1221,  1231  f.,  1235,  1238,  1243  f, 
1248,  1253,  1264. 

XII.  Verhalten  des  Autors  seinen  (Quellen  gegenüber. 

Dafs  Lang  eines  gewissen  kritischen  Sinnes  nicht 
ermangelt,  ergiebt  sich  aus  verschiedenen  Stellen  seines 
Werkes.  Er  nimmt  Angaben,  welche  er  in  irgend  einer 
Quelle  findet,  nicht  ohne  weiteres  in  dasselbe  auf,  unter- 
wirft sie  vielmehr  zuvor  einer  Prüfung  auf  ilire  Riclitig- 
keit.  Ihm  fabelhaft  oder  wenigstens  unrichtig  (Mschei- 
nenden    Angaben    schenkt    er    keinen    Glauben,     sucht 


304  K.  E.  Hermann  Müller: 

vielmehr  ihre  Un  Wahrscheinlichkeit  aus  glaub  würdigeren 
Quellen  nachzuweisen.  Gelingt  es  ihm  nicht,  sich  über 
das  Jahr  des  Regierungsantritts  eines  Regenten  oder 
des  Todes  desselben  nach  den  Quellen  volle  Gewilsheit 
zu  verschaffen,  so  führt  er  gewissenhaft  die  verschiedenen 
Berichte  derselben  darüber  der  Reihe  nach  vor.  So 
eifert  er  auf  S.  1120  gegen  die  irrige  Annahme  Bothos, 
des  Verfassers  der  Chronik  der  Sachsen,  die  Bistümer 
Zeitz,  Meilsen  u.  s.  w.  seien  schon  von  Karl  dem  Grolsen 
gegründet  und  von  Otto  dem  Grolsen  erneuert  worden. 
Auf  S.  1123  f.  giebt  er,  da  er  unsicher  über  das  Jahr  der 
Thronbesteigung  Ottos  I.  und  dessen  Regierungszeit  ist, 
die  Angaben  verschiedener  historischer  Quellen  darüber 
wieder.  Auf  S.  1135  f.  zweifelt  er  ganz  entschieden 
die  Existenz  des  Erzbischofs  Udo  von  Magdeburg  an 
und  widerlegt  die  Erzählung  hierüber  mit  triftigen 
Gründen.  Auf  S.  1139  verwirft  er  die  fabelhafte  Er- 
zählung über  die  Herkunft  des  Kaisers  Heinrich  III., 
obgleich  eine  Anzahl  von  Schriftstellern,  welche  er  anführt, 
dieselbe  in  ihre  Werke  aufgenommen  haben.  Trotz  seines 
an  diesen  Stellen  sich  bekundenden  kritischen  Sinnes 
haben  sich  doch  in  sein  Werk  so  manche  Irrtümer  ein- 
geschlichen. Auf  einige  derselben  wollen  wir  hier  auf- 
merksam machen.  Auf  S.  1126  nennt  Lang  einen  Erz- 
bischof Vinius  von  Bremen,  der  niemals  existiert  hat. 
Auf  S.  1134  wird  Herzog  Heinrich  von  Bayern,  welcher 
nach  Ottos  II.  Tode  nach  der  deutschen  Krone  strebte, 
fälschlich  als  Bruder  Ottos  des  Grofsen  bezeichnet.  Auf 
S.  1253  wird  Friedrich  der  Siegreiche  von  der  Pfalz 
fälschlich  der  Groisvater  des  Bischofs  Philipp  von  Naum- 
burg genannt.  Auf  S.  1270  lälst  Lang  König  Karl  VIII. 
von  Frankreich  im  Jahre  1497  statt  1498  sterben  und 
macht  Ludwig  XII.,  seinen  Vetter  und  Nachfolger,  zu 
seinem  Sohne. 


XIII.  Persönliche  Auschauungen  Längs. 

Lang  richtet  in  seinem  Chronicon  Citizense  sein 
Hauptaugenmerk  darauf,  die  ungeschminkte  Wahrheit 
ohne  Ansehen  der  Person  zu  sagen.  Er  hebt  die  Tugenden 
der  einzelnen  Persönlichkeiten  hervor,  geilselt  aber  deren 
Laster  und  Schwächen  ziemlich  unbarmherzig.  Dabei 
macht  er  zwischen  Päpsten,  Bischöfen,  Äbten  und  welt- 
lichen Fürsten  nicht  den   geringsten  Unterschied.     Auch 


Das Chroüicon  Citizense  des Benediktiueimöucbes  P.  Lang.     305 

ZU  seiner  Zeit  lebende  Personen  behandelt  er  durchaus 
nicht  glimpflicher.  Er,  der  an  sich  selbst  augeuscheinlich 
in  sittlicher  Beziehung  die  strengsten  Anforderungen 
stellte,  streng  den  Regeln  seines  Ordens  nachlebte, 
urteilte  jedenfalls  sehr  gerecht.  Er  erscheint  als  ein 
charakterfester,  für  die  höchsten  sittlichen  Ideale  be- 
geisterter Mann,  der,  frei  von  jedem  kriechenden, 
schmeichlerischen  Wesen,  nicht  um  die  Gunst  der  Grofsen 
buhlte,  als  Freund  der  Wahrheit  sich  aber  manchen  Feind 
machte.  So  spricht  er  davon--'),  dais  deutsche  Geschichts- 
schreiber Kaiser  Friedrich  III.  bei  seinen  Lebzeiten 
besonders  wegen  seines  friedfertigen  Charakters  bis  zu 
den  Sternen  erhoben  hätten,  und  deutet  an,  dals  sie,  um 
ihm  zu  schmeicheln,  in  seinem  Lobe  zu  viel  gethan.  Er 
dagegen  macht  dieses  Monarchen  Energielosigkeit  verant- 
wortlich für  das  mächtige  und  gefahrdrohende  Anwachsen 
des  türkischen  Reiches.  Friedrich  den  Weisen  von  Sachsen 
preist  er-"')  wegen  seiner  vielen  schätzenswerten  Eigen- 
schaften, tadelt  ihn  aber  sehr  wegen  einer  Steuer,  welche 
er  aufs  Bier  legte  und  welche  den  Armen  und  Reichen 
auf  gleiche  Weise  drückend  erschien.  Seinem  Bericht 
hierüber  schliefst  er  die  Worte  an,  es  werde  sich  viel- 
leicht der  Leser  wundern,  dals  er  einen  solchen  Fürsten 
nicht  verschont  habe  und  Tadelnswertes  an  demselben 
nicht  mit  Stillschweigen  übergehe.  Derselbe  möge  aber 
wissen,  dals  er  nicht  gelernt  habe,  den  Magnaten  und 
Prälaten  zu  schmeicheln.  Den  Orden  des  heiligen 
Benedikt,  dem  er  angehörte,  umfafst  Lang  mit  schwär- 
merischer Liebe  und  Verehrung.  Er  ist  stolz  auf  das 
hohe  Alter  desselben,  auf  die  wissenschaftliche  Tüchtig- 
keit und  das  fromme,  tugendhafte  Leben,  wodurch  dessen 
Mitglieder  einst  hervorleuchteten.  Darum  seien  auch, 
ehe  die  anderen  Mönchsorden  ins  Leben  traten,  aus 
demselben  von  den  deutschen  Kaisern  die  Bischöfe  ge- 
nommen, ihnen  allerlei  Hofämter,  z.  B.  das  des  Kanzlers, 
übertragen  worden;  auch  verschiedene  Päpste  aus  dem- 
selben hervorgegangen.  Ebenso  habe  sich  dieser  Orden 
die  grölsten  Verdienste  um  die  Bekehrung  der  deutschen 
Volksstämme  zum  Christentum  erworben.  Nach  Lang 
vertraten  die  Benediktiuerklöster  Hersfeld,  Corvey, 
Weilsenburg,  Fulda,  Prüm,  Deutz,   Gemldoux,   Hirsau, 


29)  Chronicon  Citizense  1243. 

30)  Ebendaselbst  1259-1261. 

Neues  Archiv  f.  S.  Ci.  u.  A.  XI 11.  3.  4.  2U 


306  K.  E,  Hermann  :\[iiller : 

Trier  als  Bildungsstätten  in  Deutschland  ursprünglich 
die  Stelle  der  späteren  Universitäten.  Deshalb  übergaben 
zu  jener  Zeit  auch  Könige,  Fürsten  und  Edelleute  ihre 
Kinder  den  Klöstern,  damit  sie  in  denselben  in  der 
Furcht  Gottes  und  in  den  Wissenschaften  unterwiesen 
würden  ■^^).  Trotz  der  grofsen  Vorliebe  für  seinen  Orden 
kann  es  Lang  aber  nicht  in  Abrede  stellen,  dals  auch 
die  Brüder  seines  Ordens  zu  seiner  Zeit  von  den  Wegen 
der  heiligen  Väter  früherer  Zeit  abgewichen  und  er- 
kältet wären  im  glühenden  Eifer,  auch  jenen  heiligen 
Vätern  weder  im  Wandel  noch  in  der  Gelehrsamkeit 
glichen.  Sehr  willkommen  war  ihm  daher  die  Burs- 
felder Kongregation,  welche  eine  Erneuerung  des  sitt- 
lichen Lebens  in  den  Benediktinerklöstern  anstrebte 
und  der  sich  auch  das  Kloster  Bosau  angeschlossen 
hatte.  Er  spricht  es  aus,  dafs  zu  seiner  Zeit  im 
Volke  ein  grofser  Hals  und  eine  grofse  Geringschätzung 
gegen  die  Kuttenträger  herrsche"-).  Stand  auch,  wie 
unser  Autor  andeutet,  das  Leben  der  Benediktiner- 
mönche vielfach  durchaus  nicht  mehr  im  Einklang  mit 
der  strengen  Regel  des  heiligen  Benedikt,  so  muls  es 
doch  um  die  Sitten  der  Dominikanermönche  noch  viel 
schlechter  bestellt  gewesen  sein.  Was  Lang  über  den 
schlechten  Lebenswandel  der  Klostergeistlichkeit  sagt, 
ist,  wie  aus  verschiedenen  Stellen  des  Chronicon  Citizense 
klar  hervorgeht,  hauptsächlich  auf  diese  Mönche  zu  be- 
ziehen: „Man  sagt  von  ihnen",  heilst  es,  „allgemein, 
sie  sind  ohne  Mangel  arm  und  ohne  Geringschätzung 
gering,  indem  sie  nichts  haben  und  alles  verlangen,  dem 
Gelübde  und  dem  Namen  nach  arm,  ihrer  Lebensweise 
nach  Könige  sind,  wie  man  deutlich  ihren  roten  Backen 
und  ihren  dicken  und  fetten  Körpern  ansieht.  Wegen 
ihrer  grofsen  Anzahl  und  vorzüglich  wegen  ihrer  häufigen 
Berührungen  mit  dem  gemeinen  Volk,  wegen  ihrer  trägen 
und  wollüstigen  LebensAveise  ist  das  Wort  „Mönch"  recht 
verächtlich  geworden"").  Wie  herben  Tadel  nun  unser 
Chronist  auch  gegen  diese  Mönche  äufsert,  so  rühmt  er 
doch  an  ihnen,  dals  sie  in  der  Blütezeit  ihres  Ordens 
sich  durch  Gelehrsamkeit  und  Frömmigkeit  ausgezeichnet 
hätten   und   sich  hierin  noch    zum  Teil   zu   seiner .  Zeit 


81)  Chronicon  Citizense  112«,  1128,  1129. 

32)  Ebendaselbst  1124  f.,  1131. 

33)  Ebendaselbst  1125  und  1157. 


Das  Chvonicon  Citizense  des  Benediktiiiermönches  P.  Laiio-.     307 

auszeichneten'^).  Indessen  dem  Lobe,  welclies  er  an 
dieser  Stelle  den  Bettelmönclien  im  allgemeinen,  an 
anderen  den  erlauchtesten  Geistern  derselben  zollt,  wird 
eigentlich  die  Spitze  abgebrochen  durch  die  heftigen 
AngriÖe,  welche  er  gegen  dieselben  als  die  hauptsäch- 
lichsten Vertreter  der  scholastischen  Philosophie  richtet. 
Lang,  der  da  wünscht,  dals  das  Wort  Gottes  rein  und 
unverfälscht,  ohne  menschliche  Zusätze,  wie  es  in  der 
Bibel  enthalten,  gelehrt  und  gepredigt  werde,  ist  entrüstet 
über  die  Vermengung  der  christlichen  Lehre  mit  der 
heidnischen  Philosophie.  So  sagt  er  von  Albertus 
Magnus,  derselbe  habe,  berauscht  vom  Weine  der  welt- 
lichen Weisheit,  zuerst  die  weltliche  Weisheit,  um  nicht 
zu  sagen  unheilige  Philosophie,  mit  der  heiligen  Schrift 
in  Verbindung  zu  setzen  gewagt  und  sich  nicht  gescheut, 
die  streitsüchtige,  dornenvolle  und  schwatzhafte  Dialektik 
mit  der  sehr  heiligen  und  reinen  Theologie  zu  vermischen"''). 
Noch  andere  Stellen  des  Chronicon  Citizense  beweisen  die 
grolse  Abneigung  Längs  gegen  die  scholastische  Philo- 
sophie und  ihre  Vertreter  •''^).  Möglicherweise  wurde  der 
Hals  Längs  gegen  die  Dominikaner  noch  dadurch  ver- 
stärkt, dals  er,  wie  aus  einer  Stelle  seiner  Chronik  her- 
vorgeht'"), gleich  seinem  Freunde  Sebastian  Braut  ein 
eifriger  Verteidiger  der  Lehre  von  der  unbefleckten 
Empfängnis  der  Jungfrau  Maria  war,  während  die 
Dominikaner  dieselbe  aufs  heftigste  bekämpften.  Seine 
Antipathie  gegen  die  scholastische  Philosophie  verleitet 
unseren  Autor  sogar  dazu,  Johannes  Hüls  durchaus  un- 
gerecht zu  beurteilen,  indem  er  den  Ursprung  von  dessen 
Ketzereien  in  der  eifrigen  Beschäftigung  desselben  mit 
dieser  Philosophie  sucht^^^).  Das  thut  derselbe  Mann, 
der  doch  sonst  in  seiner  Chronik  mehrfach  über  Luther 
mit  der  grölsten  Begeisterung  sich  äulsert.  Bei  Beur- 
teilung der  Sitten  der  höheren  Geistlichkeit  legt  Lang 
denselben  strengen  moralischen  Malsstab  an.  Dem  Abt 
Hermann  IL  von  Bosau,  der  sich  für  Geld  und  durch 
Bitten  vom  Papst  Bonifacius  IX.  im  Jahre  l'6\)8  das 
Recht  verschaffte,   eine  Bischofsmütze   zu   tragen,   wird 


84) 

Chronicon  Citizense 

1179. 

^ 

Ebendaselbst 

1180. 

3U\ 

Ebendaselbst 

1208  nnd  12(J3. 

") 

El)endaselbst 

1276- 

■1278. 

as\ 

Ebendaselbst  12;j0. 

20" 


308  K,  E.  Hermann  Müller: 

dies  als  Anmafsung  und  Eitelkeit  ausgelegt '^*).  Der 
Holienzoller  Albreclit,  Bruder  Joachims  I.  von  Branden- 
burg, anfangs  Erzbischof  von  Magdeburg,  bald  auch 
zugleich  von  Mainz,  wird  als  unmenschlich  und  hart- 
herzig gegen  seine  armen  Unterthanen  und  als  gewalt- 
thätig  gegen  die  Geistlichkeit  in  der  Magdeburger  Diöcese 
geschildert^*^).  Im  Anschluls  an  den  Bericht  Längs  über 
den  Tod  des  Bischofs  Johann  von  Naumburg  im  Jahre 
1352,  der  plötzlich  eintrat,  während  derselbe  mit  einigen 
schönen  Damen  tanzte,  finden  sich  die  Worte :  „Aus  dem 
Ende  desselben  und  seinen  Thaten  erhält  man  den  Be- 
weis, dals  jener  Bischof  zur  Schar  derjenige  Bischöfe 
gehört  hat,  welche  nicht  durch  die  Thür,  sondern  von 
anderswoher  in  den  Schafstall  Christi  einsteigen,  welche 
ihren  bischöflichen  Beruf  nicht  verstehen,  ihr  Hirtenamt 
hintenan  setzen,  den  Klerus  verachten,  das  ihnen  anver- 
traute Volk  vernachlässigen,  die  Armen  gering  achten 
und  Hungers  sterben  lassen,  welche  ihre  Gedanken  mehr 
auf  Karten  und  Würfel,  als  auf  das  Evangelium  richten, 
welche  Venus  und  Bacchus  mehr  als  Christus  verehren"^^). 
Nicht  schonender  geht  die  scharfe  Feder  Längs  mit  den 
Päpsten  um.  Zwar  neigt  er  sich,  wie  man  nach  seiner 
sonstigen  Auffassung  der  Dinge  eigentlich  nicht  erwarten 
sollte,  in  den  Streitigkeiten  derselben  mit  den  deutschen 
Kaisern  entschieden  mehr  auf  ihre  Seite,  so  dafs  er  in 
dieser  Beziehung  als  durchaus  parteiisch  erscheint;  doch 
lälst  er  es  im  übrigen  an  den  heftigsten  Angriffen  gegen 
sie  nicht  fehlen.  So  wird  der  Papst  Johann  XXII. 
hart  getadelt  wegen  der  grolsen  Schätze,  welche  er  bei 
seinem  Tode  hinterliels,  und  ihm  als  wahrer  Nacheiferer 
der  Armut  Christi  der  Apostel  Petrus  entgegengehalten*^). 
Wie  man  ferner  aus  dem,  was  Lang  über  das  Konstanzer 
und  Basler  Konzil  berichtet,  ersieht,  gehörte  er  durchaus 
derjenigen  kirchlichen  Partei  an,  welche  der  Ansicht 
huldigte,  das  Konzil  stehe  über  dem  Papste.  Er  ist 
somit  ein  Gegner  der  unumschränkten  Gewalt  des  Papstes. 
Das  Urteil,  welches  er  über  Papst  Leo  X.,  seinen  Zeit- 
genossen fällt,  ist  wenig  schmeichelhaft  für  denselben. 
Er  sagt  von  ihm:  „Er  dürstet  nach  der  Weise  seiner 
Landsleute  sehr  nach  Gold,  da  sich  bei  ihm  die  Begierde 


30)  Chronicon  Citizense  1223  f. 

*0)  Ebendaselbst  1285. 

'")  Ebendaselbst  1215. 

^^)  Ebendaselbst  1211. 


Das  Chroiiicon  Oitizense  des  Benediktmerinöiiches  P.  Lang.     309 

der  Florentiner  mit  der  Habsucht  der  Eömer  vereinigt 
hat,  und  der  verwünschte  Hunger  nach  Gold  unendlich 
gewachsen  ist,  und  es  nimmt  bis  jetzt  noch  die  Liebe 
zum  Gelde  zu,  wie  das  Geld  selbst  zunimmt.  Ans  Liebe 
zum  Golde  ist  auch  jetzt  in  Rom  alles  feil"''^.  Die 
grölsten  Sympathieen  dagegen  bringt  Lang  der  gewaltigen 
Persönlichkeit  Martin  Luthers  entgegen.  An  einer  Stelle 
werden  Luther  und  Erasmus  von  Rotterdam  sehr  ge- 
priesen, weil  sie  sich  bemühten,  die  Theologie  zum  An- 
sehen der  Quelle,  zur  ursprünglichen  Reinheit,  zu  ihrer 
evangelischen  lauteren,  einfachen  Unschuld  und  unver- 
fälschten Beschaffenheit,  mit  Ausschlufs  jeder  weltlichen 
Philosophie,  zurückzuführen^^).  An  einer  anderen  Stelle 
wird  Luther  die  Zierde  und  Krone  der  Universität 
Wittenberg  genannt  und  sein  Studium  der  heiligen 
Schrift  rühmend  erwähnt*-^).  An  derjenigen  Stelle,  an 
welcher  Lang  der  Begründung  der  Universität  Witten- 
berg gedenkt,  wird  Luther  das  grölsere,  Karlstadt  das 
kleinere  Licht  der  Universität  genannt  und  erklärt,  dafs 
Luther  die  heilige  Schrift  ohne  alle  Vermischung  mit 
der  weltlichen  Philosophie  rein  und  lauter  lehre**^).  Da, 
wo  unser  Chronist  vom  Ablafs  spricht,  den  Leo  X.  in 
Deutschland  predigen  liefe,  stellt  er  sich  unbedingt  im 
Streite  Luthers  mit  Tetzel  auf  des  ersteren  Seite.  Nach- 
dem in  diesem  Passus  der  heftigen  Angriffe  gedacht  ist, 
welche  Luther  wiegen  seines  Auftretens  vom  Papste  und 
seinen  Anhängern  erfuhr,  heilst  es :  „Jener  Martin  jedoch, 
leicht  unter  allen  Theologen  unserer  Zeit  an  Weisheit 
der  hervorragendste,  indem  er  seine  Lehre  durch  Zeug- 
nisse des  Evangeliums,  des  Apostels  Paulus  und  durch 
die  ursprünglichen  Worte  der  alten  rechtgläubigen  Väter 
bekräftigt  und  beweist,  ist  bisher  unbesiegt  geblieben, 
und  ihm  selbst  hängen  an  und  mit  ihm  stimmen  überein 
die  ausgezeichnetsten  Doktoren  der  Gottesgelahrtheit 
anderer  Gegenden,  wie  jener  gelehrteste  und  beredteste 
Ausleger  der  heiligen  Schrift,  Erasmus  von  Rotterdam, 
ferner  Johannes  Reuchlin,  Jacques  Lefevre  d'Etaples 
und  mehrere  andere^').  Gleich  nach  diesen  freimütigen 
Äulserungen  über  Luther  verwahrt  sich  indessen   Lang 


'^5)  Chronicon  Citizense  1279  f. 
*^i)  Ebendaselbst  1177  f.     . 
*'^)  Ebendaselbst  1213. 
*«)  Ebendaselbst  1270. 
■")  Ebendaselbst  1280  f. 


310  K.  E.  Hermann  Müller 


^, 


dagegen,  als  habe  er  dieselben  wie  ein  Schüler  jenes 
fest  behauptend  gethau,  vielmehr,  da  er  bisher  noch  nicht 
auf  die  Worte  eines  Lehrers  geschworen,  habe  er  sich 
nur  aus  Bewunderung  für  jenen  so  ausgesprochen.  Er 
will  darüber  gleich  vielen  anderen  so  lange  seine  be- 
stimmte Erklärung  zurückhalten,  bis  ein  allgememes 
Konzil  entschieden  habe,  was  in  einer  so  schwierigen 
Sache  zu  beobachten  sei*^).  Man  merkt,  er  ist  entschlossen, 
sich  dem  Ausspruch  .desselben  in  dieser  Frage  zu  unter- 
Averfen.  Eine  wie  grofse  Liebe  und  Hochachtung  Lang 
den  Fürsten  des  Hauses  Wettin,  den  Schirmherren  des 
Klosters  Bosau,  entgegenbringt,  dafür  liefern  verschiedene 
Stellen  des  Chronicon  Citizense  den  vollgültigsten  Beweis. 
Neben  der  begeisterten  Verehrung  für  dieses  Fürsten- 
haus und  dem  regen  Anteil,  welchen  er  an  den  Schick- 
salen der  meifsnischen ,  sächsischen  und  thüringischen 
Lande  nimmt,  erscheint  sein  Interesse  für  das  grofse 
deutsche  Vaterland  als  sehr  gering.  Eine  wahrhaft 
deutschpatriotische  Gesinnung,  eine  Begeisterung  für  das 
deutsche  Vaterland,  ein  Stolz,  demselben  anzugehören, 
wie  sie  z.  B.  den  Abt  Tritheim  kennzeichnen,  tritt  bei 
unserem  Autor  nirgends  hervor.  An  einer  Stelle  macht 
er  darauf  aufmerksam,  dafs  die  italienischen  Geschichts- 
schreiber Heinrich  IL  als  Kaiser  Heinrich  I.  nennen, 
weil  Heinrich  I.  nicht  von  ihnen  mitgezählt  werde.  Die 
deutschen  Geschichtsschreiber  dagegen  bezeichneten 
Heinrich,  Ottos  I.  Vater,  als  Heinrich  L,  weil  er  in 
Deutschland  regiert  habe.  Weiter  heifst  es  dort:  „Es 
müfsten  sogar  die  tapfersten  und  des  Lobes  würdigsten 
Cäsaren  oder  Könige  der  Eömer  aus  der  Reihe  der  Kaiser 
gestrichen  werden,  wenn  allein  die  mit  der  Kaiserkrone 
geschmückten  als  solche  gelten  sollten!  Wie  abge- 
schmackt und  unpassend  das  sein  würde,  mufs  jeder 
Verständige  einsehen,  da  unser  Maximilian,  der  erhabenste 
und  unbesiegteste  Cäsar,  niemals  zu  Rom  gekrönt,  zum 
Kaiser  und  Augustus  ausgerufen  worden  ist,  obgleich, 
wenn  die  ausgezeichneten  und  tapferen  Thaten ,  welche 
er  sehr  tapfer  ausgeführt,  genauer  abgewogen  würden, 
er  in  Wahrheit  als  ein  solcher  angesehen  werden  mülste. 
Denn  nicht  geringere  Thaten  als  viele  von  den  Kaisern 
während  ihrer  Regierung  hat  er  im  Krieg  und  Frieden 
vollführt" '*'').     Aus    diesen  Worten  Längs   ersieht   man 

48)  Chronicon  Citizense  1282. 
*")  Ebendaselbst  1137. 


Das-Chronicon  Citizense  (le!<  Benefliktiucniiihiehes  P.  Laiis'.     31 1 

klar  und  deutlich,  dafs  derselbe  der  Krönung  eines 
deutschen  Königs  zum  Kaiser  in  Rom  nicht  die  geringste 
Bedeutung  melir  beimifst,  und  dals  er  den  deutschen 
König  auch  ohne  die  Kaiserkrönung  für  berechtigt  hält, 
sich  als  Kaiser  zu  betrachten.  Ihm  kommt  es  dabei 
hauptsächlich  auf  die  Machtstellung  an,  welche  derselbe 
einnimmt.  Er  denkt  also  in  dieser  Beziehung  viel 
nüchterner,  als  andere  seiner  Zeitgenossen,  denen  die 
römische  Kaiserkrone  noch  gewissermalsen  als  von  über- 
irdischem Glänze  umstrahlt  erschien. 

Mit  den  Urteilen,  welche  Lang  im  Chronicon  Citizense 
über  Luther  und  dessen  reformatorische  Thätigkeit  fällt, 
stehen  seine  Aussprüche  über  denselben  in  seiner  Chronica 
Neumburgensis  Ecclesiae  omnium  Episcoporum  (Mencke, 
Scriptor.  rer.  Germ.  II,  1)  im  entschiedensten  Widerspruch. 
Dies  Werk  enthält  überwiegend  Nachrichten  über  die 
Bischöfe  von  Naumburg  und  ist  bis  zum  Jahre  1536 
fortgefühi't^").  Der  letzte  Teil  desselben,  welcher  über 
das  Jahr  1515  hinausgeht,  ist  für  uns  besonders  wichtig. 
In  der  Chronica  Neumburgensis  Ecclesiae  ist  an  die 
Stelle  der  enthusiastischen  Verehrung,  welche  Lang  im 
Chronicon  Citizense  Luther  entgegenbringt,  ein  geradezu 
fanatischer  Hafs  und  die  gröfste  Erbitterung  gegen  dessen 
Persönlichkeit  getreten.  Im  Chronicon  Citizense  erscheint 
Luther  als  ein  der  höchsten  Achtung  würdiger,  tapferer 
Kämpfer  gegen  die  Anmafsungen  und  Milsbräuche  der 
katholischen  Kirche,  in  der  Chronica  Neumburgensis 
Ecclesiae  dagegen  gleich  Hufs  als  ein  fluchwürdiger 
Ketzer,  als  ein  zweiter  Arius,  der  die  Kirche  zu  ver- 
derben trachtet;  so  unter  den  Jahren  1414  und  1503"''). 
Der  Unwille  Längs  über  die  im  Jahre  1525  erfolgte 
Verheiratung  Luthers  mit  Katharina  von  Bora  kennt 
keine  Grenzen-^-),  weil  Luthers  Beispiel,  wie  er  sagt, 
von  unzähligen  Klosterinsassen  beiderlei  Geschlechts 
nachgeahmt  wurde.  Es  kann  nun  die  Frage  aufgeworfen 
werden,  wie  sich  wohl  dieser  Umschlag  in  der  Gesinnung 
Längs  Luther  gegenüber  vollzogen  hat^._  Die  Chronica 
Neumburgensis  Ecclesiae  enthält  keine  Äufserungen  des- 
selben hierüber,  aus  denen  man  auf  die  Veranlassung 
dieses  Wechsels    der  Gesinnung   einen   Schlufs   machen 


^)  Über  das  Verhältnis  der  Chronica  Neumburgensis  Ecclesiae 
zum  Chronicon  Citizense  siehe  Lepsius  a.   a.  0.  S.  V  f. 
•''^)  Chronica  Neuml)urgensis  Ecclesiae  41  und  .5n. 
■>"')  Ebendaselbst  68. 


313  K.  E.  Henniinn  Müller: 

könnte  Mir  scheint  die  völlige  Umwandlung  in  der  Gesinn- 
ung unseres  Autors  aus  seinen  starren  kirchlichen,  besonders 
mönchischen  Anschauungen  herzuleiten  zu  sein.  Er  hoffte, 
wie  wir  gesehen  haben,  zuversichtlich  darauf,  ein  bald  zu- 
sammentretendes Konzil  werde  die  Entscheidung  in  den 
Streitigkeiten  bringen,  welche  durch  das  Auftreten  Luthers 
hervorgerufen  worden  waren.  Der  Entscheidung  eines  Kon- 
zils wollte  er  sich,  allem  Anschein  nach,  unterwerfen.  Er 
stellte  ja,  wie  wir  Avissen,  dasselbe  über  den  Papst.  Es  lälst 
sich  demgemäls  annehmen,  dafs  er,  falls  sich  ein  solches  Kon- 
zil nach  seinem  Zusammentritte  für  Luther  erklärt  hätte, 
sogar  entgegen  den  Ansichten  des  Papstes,  auch  offen  für 
denselben  Partei  ergriffen  haben  würde.  Nun  kam  aber  ein 
derartiges  Konzil  nicht  zustande,  und  Luther  wurde  durch 
Ecks  Vorgehen  veranlafst,  energisch  auf  dem  Wege  der  Re- 
formation weiter  zu  gehen.  Immer  mehr  wuchs  die  Zahl  der 
Anhänger  desselben,  und  es  entstand  in  Deutschland  eine 
Kirchenspaltung  ;^^  welche  durch  eine  anscheinend  unaus- 
füllbare  Kluft  die  deutsche  Nation  für  immer  in  zwei  feind- 
liche religiöse  Lager  zu  trennen  drohte.  Das  mufste  einen 
Mann  wie  Lang,  der  jedes  Schisma  irgend  einer  Zeit,  wie 
zur  Genüge  aus  seinem  Chronicon  Citizense  hervorgeht, 
äulserst  schmerzlich  empfand,  in  die  gröfste  Gemütsauf- 
regung versetzen.  Er  kam  dahin,  in  Luther  den  Störenfried 
der  Euhe  und  Einheit  der  katholischen  Kirche  und  einen 
fluchwürdigen  Ketzer  zu  sehen.  Er  mochte  von  ihm,  für  den 
er  anfangsgrolse  Zuneigung  gehegt,  erwartet  haben,  dafs 
er  nur  in  Übereinstimmung  mit  einem  zusammengetretenen 
Konzil  religiöse  Neuerungen  vornehmen  würde.  Als  sich 
diese  Hoffnung  nicht  erfüllte,  Luther  sogar  aus  seinem 
Orden  austrat  und  sich  vermählte,  da  kannte  der  Unwille 
des  eingefleischten  Mönches  Lang  keine  Grenzen  mehr. 
Er  sah,  da  das  von  Luther  gegebene  Beispiel  von  vielen 
Mönchen  und  Nonnen  befolgt  wurde ,  dals  dadurch  das 
ganze  Mönchswesen  mit  dem  Untergange  bedroht  wurde. 
Er,  trotz  der  Erkenntnis  vieler  Gebrechen,  welche  dem 
Mönchswesen  seiner  Zeit  anhafteten,  doch  ein  aufrich- 
tiger Verehrer  desselben,  konnte  die  Berechtigung  des 
Schrittes,  welchen  Luther  that,  nicht  begreifen  und  kehrte 
ihm  auf  immer,  nun  sein  heftigster  Gegner  geworden,  den 
Eücken.  Der  Vorwurf,  er  habe  sich  nun  jetzt  charakter- 
los gezeigt,  kann  ihm  nach  meinem  Dafürhalten  nicht  ge- 
macht werden.  Er  war  ein  Mann  von  Charakter  und  blieb 
es  auch,  nachdem  er  sich  von  Luther  losgesagt  hatte. 


Das  Chronicon  Citizense  des  Benediktinermöiiches  P.  Lang.     313 

Als  das  Eesultat  dei-  ganzen  Untersuchung  ergiebt 
sich  folgendes: 

Lang  hat  für  die  'Thatsachen ,  über  welche  er  im 
Chronicon  Citizense  berichtet,  eine  bedeutende  Anzahl 
von  Quellen  herangezogen,  und  zwar  nicht  blols  für  die 
vor  ihm  liegende,  sondern  auch  für  die  von  ihm  selbst 
durchlebte  Zeit.  Eine  Benutzung  von  Quellen  für  seine 
eigene  Zeit  bis  auf  die  letzten  Seiten  seines  Werkes 
haben  wir  dargethan.  Dem  gegenüber  sind  die  Nach- 
richten, welche  er  uns  über  seine  Zeit  als  aus  eigener 
Erfahrung  geschöpft  giebt,  nur  gering  an  Zahl.  Ebenso 
sind  diejenigen  Stellen,  für  welche  es  uns  nicht  gelungen 
ist,  die  zu  gründe  liegenden  Quellen  aufzufinden,  im 
Verhältnis  zu  den  nachweisbaren  nicht  sehr  zahlreich. 
Die  Angaben,  welche  uns  Lang  über  das  Kloster  Bosau 
selbst  macht,  sind  sehr  dürftig,  weil  es  ihm  für  die  Ge- 
schichte desselben  an  den  nötigen  Quellen  fehlte.  So 
sind  ihm  viele  für  dasselbe  wichtige  Schenkungsurkunden 
vollständig  unbekannt  geblieben.  Über  manche  Vorgänge, 
betreffend  das  Bistum  Zeitz  -  Naumburg  hat  er  nicht 
recht  zur  Klarheit  gelangen  können,  weil  einzelne  Ur- 
kunden sich  seiner  Kenntnis  entzogen.  Eine  zusammen- 
hängende Darstellung  der  deutschen  Geschichte  hat  er 
uns  in  seinem  Chronicon  Citizense  durchaus  nicht  ge- 
liefert. Dieselbe  ist  vielfach  lückenhaft.  Die  häufigen 
Citate  aus  lateinischen  Dichtern  und  Prosaikern  legen 
Zeugnis  ab  für  seine  grolse  Belesenheit  und  für  sein 
reges  wissenschaftliches  Streben.  Von  hervorragendem 
Interesse  sind  die  Schilderungen,  welche  er  uns  über 
zeitgenössische  Persönlichkeiten,  besonders  über  ver- 
schiedene geistliche  Fürsten  und  die  Fürsten  des  Wettiner 
Hauses,  über  das  Leben  der  Geistlichen  seiner  Zeit  und 
über  Martin  Luther  entwirft.  Schon  deshalb  verdient 
seine  Chronik  gelesen  zu  werden.  Wenn  derselben  auch 
mancherlei  Mängel  anhaften,  so  ist  doch  nicht  zu  ver- 
kennen, dals  er  sich  redlich  bemüht  hat,  durch  gründ- 
liches Studium  der  Quellen  überall  das  Richtige  ausfindig 
zu  machen.  Die  ganze  Persiniliclikeit  Längs,  wie  sie 
uns  in  seinem  Chronicon  Citizense  entgegentritt,  nötigt 
uns  die  grölste  Hocliachtung  ab.  Dem  Benediktinerorden, 
dem  er  angehörte,  zeigt  er  sich  mit  schwärmerischer 
Liebe  ergeben;  doch  geifselt  er  die  schlechten  Sitten 
der  höheren  und  niederen  Geistlichkeit  seiner  Zeit,  welche 
er  uns  im  Chronicon  Citizense  abmalt,  schonungslos.     Ein 


314  K.  E.  Hermann:  Das  Chrouicon  Citizense  etc. 

erbitterter  Gegner  der  scholastisclien  Philosophie  und 
der  Dominikanermönche,  bringt  er  anfangs  Luther  als 
dem  Verkündiger  des  lauteren  Wortes  Gottes  die  grölsten 
Sympathieen  entgegen.  Doch  seine  ursprünglich  enthu- 
siastische Verehrung  für  denselben  verwandelt  sich 
später  in  fanatischen  Hals.  Darum  wird  er  aber  nicht 
charakterlos;  vielmehr  läfst  sich  gerade  aus  seinem 
eigenartigen  Charakter  der  vollständige  Umschlag  in 
seiner  Gesinnung  gegen  Luther  erklären. 


XL 

Kleinere  Mitteilungen. 

1.    Zur  Geschichte  des  Klosters  Oyhiii  iui 
15.  Jahrliiiiidert. 

Von  P.  Sauppe. 

Beziehungen  des  Klosters  Oybin  zu  Frankreich  waren 
bisher  nicht  bekannt.  Allerdings  ist  es  schwer  anzunehmen, 
dals  in  den  ersten  Jahrzehnten  der  Konvent  die  Bezie- 
hungen mit  Avignon  abgebrochen  hätte.  Von  dort  hatte 
Karl  IV.  die  Cölestiuer,  in  deren  Kloster  er  oft  die  Messe 
hörte,  nach  Böhmen  eingeladen,  weil  sie  dazumal  in 
Deutschland  kein  Kloster  hatten  (1365).  Zwei  Brüder 
zogen  mit  dem  Kaiser  nach  Böhmen  und  kamen  zu  Pfingsten 
1366  auf  den  Oybin.  Es  liegt  nahe,  dals  die  Brüder  zu- 
nächst von  Avignon  abhängig  waren  und  geschützt  wurden. 
Die  Verbindung  mag  sich  nach  1387  gelöst  haben,  seit 
die  Oybinischen  Väter  auch  das  ehemalige  Cisterziense- 
rinnenkloster  zu  St.  Michael  unter  dem  Vissehrad  zu  Prag 
geschenkweise  erlangt  hatten.  Wenigstens  führt  der 
Prior  Petrus  1395  den  Titel  Ordensprovinzial.  Das  ist 
wohl  Petrus  Zwicker  aus  Wormditten  in  Preufsen,  bis 
1381  Schulmeister  in  Zittau,  von  da  ab  Mönch  in  Oybin, 
von  Carpzov  Anal.  Pastor.  Zittav.  III,  lOG  auch  als  Pro- 
vinzialprior  bezeichnet.  Er  spielte  in  den  Inquisitionen  gegen 
waldensische  Häretiker  in  Deutscldand  und  B()hnien  eine 
Rolle.  Weitere  Provinziale  sind  Martinus  aus  Striegau 
(Carpzov  1.  c.  I,  166),  provincialis  per  Alemanniam  1412; 
Ulrich  von  Rohrbach,  1397  Subprior  in  Oybin,  1405  Prior 
unter  dem  Vissehrad,  1421  prior  provincialis  zu  Oybin  in 
einer  Urkunde  (Pessina,  Phosphorus  sej)ticornis  etc.  Prag 
1673,  S.  480f.);  Johannes  Bassandi,  dominus  provincialis 


316  Kleinere  Mitteilungen. 

vor  1420  und  wahrsclieinlicli  nicht  bis  zu  diesem  Jahre. 
Weiterhin  werden  Provinziale  gar  nicht  mehr  erwähnt. 
Es  ist  also  möglich,  dafs  dieses  Amt  aufhörte,  dals  die 
Oybiner  sich  dem  französischen  Generalkapitel  unterwarfen, 
aber  wahrscheinlich,  dals  später  die  Verbindung  sich 
lockerte.  Nur  ein  einziges  Mal  noch  tritt  ein  französi- 
scher Cölestiner  in  Deutschland  auf.  1482  nämlich,  nach- 
dem wieder  geschenkweise  das  Kloster  und  die  Güter 
des  aufgelösten  Benediktinerinnenkonvents  Schönfeld  bei 
Dürkheim  in  Rheinbayern  an  die  Cölestiner  gefallen  waren, 
bildeten  die  Bruderschaft  daselbst  4  Religiöse:  „bruder 
Franciscus  von  der  Zittaw  Prior  vnd  bruder  Johannes 
von  Franckrich  vnd  bruder  Magnus  von  Fufsingen  mitte- 
priester  mit  sampt  bruder  Symon  von  der  Freyenstat 
leybruder." 

Aus  der  nachfolgenden  interessanten  Urkunde,  welche 
sich  bei  der  Ordnung  der  im  April  1890  vom  k.  Bezirks- Archiv 
zu  Metz  in  Cheltenham  (England)  angekauften  lothringi- 
schen Archivalien  gefunden  hat  und  von  dem  wissenschaft- 
lichen Hilfsarbeiter  am  genannten  Archiv,  Herrn  Dr.  Hans 
Witte,  der  Redaktion  dieser  Zeitschrift  freundlichst  in 
Abschrift  mitgetheilt  worden  ist,  ergiebt  sich,  dafs  durch 
die  Hussitennoth  schwer  bedrängt  die  Oybinischen  Cölestiner 
muth-  und  ratlos  sich  die  Hilfe  der  französischen  Brüder 
erbeten  haben,  dafs  ihnen  das  Generalkapitel  —  denn  an 
dieses  mufsten  sie  sich  gewendet  haben  —  den  Provin- 
zialprior  Bassandi  zugeschickt  und  dafs  dieser  kräftigend 
auf  die  Bruderschaft  eingewirkt  hat.  Man  greift  nicht 
fehl  in  der  Annahme,  dafs  er  auch  eine  lebhafte  wissen- 
schaftliche Thätigkeit  angeregt  habe,  welche  nachhaltig 
gewesen  ist.  Er  selbst  nämlich  war  litterarisch  in  Ver- 
bindung mit  dem  Kanzler  der  Universität  Paris,  Johann 
Gerson.  Einige  Zeugnisse  seiner,  überhaupt  der  Ver- 
bindung des  Konvents  mit  Gerson  haben  sich  abschrift- 
lich erhalten. 

Der  junge  Mönch  Nicolaus  Weber  zu  Löwenberg  in 
Schlesien  schrieb  nämlich  1459  (etatis  mee  vicesimo  quarto) 
eine  Anzahl  (26)  theologischer  Schriften  ab,  die  im  Cod. 
Chart.  157  der  Breslauer  Universitätsbibliothek  vereinigt 
sind  und  einst  in  die  Bibliothek  der  Augustiner- Chor- 
herren in  Sagan  gehört  haben.  Neben  Schriften  des 
Augustin,  des  grolsen  Innocenz  u.  a.  sind  für  uns  vier 
von  Wichtigkeit: 


Kleinere  Mitteihmgeii.  317 

No.  10.  Tractatulus  ter  duodecim  veritaüiiu  de  suscepcione  hu- 
manitatis  Christi  Johaniiis  de  Gerzoua. 

Revereudo  patri  doinino  provinciali  Coelestiiioruni  fratri  Johanni 
Bassandi  suus  Johannes  cancellarius  Parisiensis. 

Nu.  11.  Tractatuhis  triplex  duodenarius  de  incarnacione  Cristi  seil 
suscepcione  eins  hnmanitatis,  editus  a  caucellario  Parisiensi  Johanne 
de  Gerzona  ad  peticionem  fratris  Johannis  Bassandi  monachi  colende 
relig'ionis  Celestinorum.  Scriptus  est  per  Nicolaum  Weher  de  Leraherg 
ibidem  anno  domini  1459  in  mense  Uctohri. 

Wenn  diese  beiden  Schriften  an  Bassandi  gerichtet 
worden  wären,  so  lange  er  noch  in  Frankreich  war,  so 
würde  er  beide  Male  als  Provinzial  genannt  Avorden  sein. 
Denn  nach  dem  Inhalte  des  Bobersbergischen  Briefes  ist 
er  ein  Mann  voll  Energie  gewesen  und  würde  in  Frank- 
reich das  Provinzialpriorat  behalten  haben.  In  der  Titu- 
latur herrschte  bekanntlich  eine  genau  abwägende  Sorgfalt. 
Möglich  also,  dafs  Bassandi  das  deutsche  Provinzialat 
niedergelegt  hatte,  als  er  die  Petition  um  die  zweitgenannte 
Schrift  an  Gerson  richtete.  Das  würde  auf  den  Vollzug 
der  gewünschten  Union  hindeuten. 

Noch  zwei  Pariser  Schriften  enthält  der  Kodex: 

No.  14.  Epistola  de  modo  ahsolvendi  magistri  Johannis  de 
Gerzona  cancellarii  Parisiensis  cuidam  monacho  ordinis  Coelestinorum 
fratri  suo  carnali. 

Auf  geschehene  Anfrage  nach  einer  authentischen  Absohxtions- 
formel  in  den  Schriften  der  Doktoren. 

No.  2.  Epistola  magistri  Parisiensis  missa  cuidam  canouico 
regulari  in  qua  invehit  contra  vicium  proprietatis  in  religiosis. 

Der  Subprior  Michael  aus  Schwiebus   hat  de  vita  religiosorum 
geschrieben  und  in  der  ersten  Hälfte  diese  Frage  auch  behandelt. 

Gleichwie  die  Cölestiner  von  Avignon  zwei  Brüder 
nach  Böhmen  abordneten,  so  mag  das  Generalkapitel 
(patres  ac  fratres.  —  Stiftungsbrief  des  Cölestinerordens 
1294  bei  Carpzov  An.  I,  159:  Volumus  et  statuimus,  ut 
singulisannis  hat  capitulimi  generale,  ubi  vestri  et  locorum 
—  praesidentes  —  et  visitatores  -  constituantur)  zwei  Brüder 
dem  zerrütteten  Konvente  in  Oybin  zugesendet  haben.  Aus 
dem  vorliegenden  Briefe  geht  übrigens  hervor,  dals  Bo- 
bersberg  das  Priorat  zu  Oybin  l)ehielt. 

Die  äulserste  Bedrängnis,  von  welcher  Bobersberg 
schreibt,  war  eine  Folge  der  hussitischen  Unruhen.  Oybin 
verarmte  so,  dals  Papst  und  Kaiser  sich  des  Klosters 
annehmen  mulsten.  Der  Erfolg  dieser  Unterstützung  ist 
nicht  nennenswert  gewesen.  Daher  also  suchte  Oybin 
wieder  Vereinigung  mit  der  französischen  Provinz.  Aber 
auch  die  konnte  es  nicht  hindern,  dafs  im  September  1429 
Oybin  noch  viel  größere  Nöte  zu  erdulden  hatte. 


318  Kleinere  Mitteilnng-en. 

In  den  zahlreiclien  brieflichen  und  chronistischen  Re- 
gesten findet  sich  keine  Spur  einer  Verbindung  mit  Frank- 
reich. 1524  bestand  das  Stammkloster  zu  Sulmona  noch. 
Gegenwärtig  besteht  der  Cölestinerorden  in  Deutschland 
nicht  mehr.  In  Italien  ist  er,  nach  einer  durch  S.  Eminenz 
den  Kardinal  Melchers  veranlalsten  Erkundigung  an  zu- 
ständiger Stelle,  auch  nicht  mehr  vorhanden.  — 

Prior  und  Konvent  des  CölestinerMosters  in  Oybin  danken  für 
die  Vereinigung  des  Klosters  mit  der  Ordensprovinz  Frankreich 
und  bitten  um  ferneren  Sclmtz.    Oybin,  1427,  Oct.  17. 

(Pergament- Original  mit  zivei  Siegeleinschnitten.) 

Frater  Johannes  Robersperg '),  humilis  prior  venerabilis  mona- 
sterii  Montisparacliti  in  Oywiu  religiosoruiu  fratrum  ordinis  Celesti- 
Dorum,  totusqvie  conventus  ejusdem  raonasterii  et  ordinis  prelibati 
venerabilibus  ac  religiosis  patribus,  prioribus  ceterisque  fiatribus 
nostris  karissimis  et  in  Cristo  dilectis  tocius  provincie  Ffrancie  pro 
humili  ac  fraterna  recommeudacione  Jhesum  Christum  virgiuis  filium 
et  hunc  crucifixum.  Venerandi  patres  ac  fratres,  cum  sit  proprium 
(livine  miseracioni  subvenire  in  casibus  desperatis,  ubi  omne  hmnanum 
consilium  et  auxilium  procul  abest,  nos  quoque  licet  peccatores  et 
inmeritos,  oculis  sue  clemeutissime  bonitatis  ex  alto  prospiciendo,  in 
nostra  desolacione  tempore  summe  opoituno  non  deperit,  tamquam  in 
extrema  necessitate  jam  proximos  dispersioni  aut  saltem  periculoso 
errori  vel  gravissime  turbacioni,  tamquam  oves  errabundas  sine  duce 
et  pastore  morsibus  luporum  rapidissimoium  expositas,  jam  quodam- 
modo  desperatas  de  felici  reduccione  ad  ovile  proprium,  unde  pro- 
cesseramus,  propter  plurimas  difficultates  occurrentes,  de  quibus 
dispendiosum  esset  scribere  per  singTila.  Quibus  lassati  seu  fatigati 
pene  a  nostro  conatu  defecimus,  quo  hucusque  per  plurimos  annos 
laboriose  desudavimus  aspirantes  ad  pristinam  unionem  nostri  mo- 
nasterii  cum  vestra  provincia,  sicut  retroactis  temporibus  fueramus. 
Quamobrem  non  ambigimus,  divinam  pietatem  vestris  mentibus  tarn 
vehementem  caritatis  ardorem  et  pristine  compassiouis  affectum  in- 
violabilera  infudisse,  ut  non  solum  generosum  pristine  unionis  preberetis 
assensum,  verum  eciam  reverenduui  in  Christo  patrem,  fratrem  Jo- 
hannem  Bassaudi,  patrem  et  provincialem  vestrum  et  nunc  nostrum 
dilectissimum,  per  tot  terrarum  spacia  longam,  difficilem  ac  viam 
periculis  plenam,  moti  nostrarum  animarura  salute  et  fraterna  caritate 
racione  pristine  unionis  nobis  mittere  eurastis.  Quem  quidem  patrem 
venerandum  digna  reverencia,  prout  decuit,  devota  graciarum  accione 
et  toto  cordis  tripudio  suscepimus  gaudentes  de  insperata  salute. 
Et  eidein  prout  prius  litteratorie  et  per  nunccios  nostros,  et  nunc 
univoca  et  concordi  voluntate ,  nullo  penitus  reclamante,  humiliter  et 
devote  supplicavimus,  quatenus  ex  auctoritate  sacri  vestri  capituli 
generalis  in  hac  parte  concessa  nos  reunire  vestre  provincie  dignaretur 
generöse,  et  curam  de  nobis  agere  regulando,  visitando  et  gubernando. 


1)  So  nach  wiederholter  Vergleichung  die  Handschrift.  Dagegen 
lautet  nach  Carpzov  Anal.  I,  166  der  Name  ,,Bobersberg",  und  damit 
stimmt  überein,  dafs  sich  im  Cod.  chart.  157  der  Breslauer  Univ.- 
Bibl.  ein  ,,Tractatus  de  indulgenciis  fratris  Johannis  de  Bobirsberg 
prioris  in  Oywin  ordinis  Oelestinorum"  findet. 


Kleinere  Mitteilungen,  319 

qneniadmoduni  alia  vestre  provincie  monasteria,  promitteiites  eidem 
et  omuibus  suis  successoribus  pleiiani  et  devotam  obedienciani  et  pro 
viribus  conformitateni,  anullatis  onuiibus  condicionibus  in  qnadam 
littera  positis.  Qui  quidem  pius  puter  iutelligeus ,  nostram  suppli- 
cacioneni  fore  justam  et  racionabileui ,  auctoritate  qua  supra  nostre 
pcticioni  benigne  annuit  et  more  pii  illius  Saraaritani  nostris  volne- 
ribus  vinum  et  oleum  infudit  et  curam  nostri  egit,  pusillanimes  con- 
fortando,  desolatos  consolando,  errantes  corrigendo.  Et  propter  quid 
tautis  beneficiis  nobis  exbibitis  et  pensatis,  debitas  non  suflicimus 
reddere  graciarum  acciones,  sed  sufticieuda  nostra  flat  ex  filio  dei  et 
nie  pro  nobis  faciat,  qui  nos  multum  dilexit.  quod  semet  ipsum  tradidit 
pro  nobis  oblacionem  et  hostiara  deo  in  odorem  suavitatis.  Quem 
una  cum  patre  et  spiritu  sancto  unanimiter  flagrantibus  precibus 
obnixe  et  humiliter  obsecrenms,  quatenus  vinculum  nostre  mutue  unionis 
per  nullam  violeuciam,  angustiam,  laboreni,  seu  quamcunque  aliam 
adversitatem  disrumpatur,  sed  taliter  ratificetur  nunc  in  presenti  per 
corduni  veram  et  sincerara  caritatera,  morum,  discipline  et  observan- 
ciarum  coufonnitatem,  ut  quos  nunc  terrarum  spacia  disjungunt,  in 
celesti  domo  et  eterna  beatitudiue  simulfelici  et  jocundissima  societate 
congregemur.  Vos  ergo,  venerandi  patres  et  fratres,  nobis  sincera 
caritate  dulcissimi,  nostri  semper  memores  esse  dignemini,  tamquam 
existencium  in  medio  uacionis  prave  atque  perverse,  procellis  tem- 
pestatum  undique  exagitati,  obsecrantes  aput  tbronum  gracie,  _ne  in 
adversis  deficiamus,  pro  vobis  procul  dubio  idem  semper  acturi.  In 
cujus  rei  testimoniiim  sigilla  nostra  videlicet  prioratus  et  conventus 
presentibus  duximus  appendenda.  Datum  in  prefato  nostro  monasterio 
Oywin,  anno  domini  millesimo  quadringentesimo  vicesimo  septinio, 
XVII  die  mensis  Octobris. 


Die  drückenden  Zustände  im  Kloster  Oybin  während 
der  ersten  Hälfte  des  Hussitenkrieges  ergeben  sich  u.  a. 
ans  folgendem  päpstlichen  Erlafs  an  den  Rat  zu  Zittau, 
den  ich  durch  gütige  Vermittelung  des  Herrn  von  Schlözer, 
königl.  preuls.  Gesandten  beim  Vatikan,  erlangt  habe: 

Papst  Martin  V.  befiehlt  der  Stadt  Zittau,  dem  Kloster  Oybin 
die  schuldigen  Zinsen  z%i  zahlen.     Rom,  1422  Apr.  23. 

Martinus  etc.  Dilectis  filiis  magistro  civium,  scabinis  et  con- 
sulibus  communitatis  Zittavie  Pragensis  diocesis,  salutem  etc.  Cum 
ut  accepimus  dilectis  filiis  conventui  monasterii  sancti  spiritus  montis 
paracliti  in  Oyvin  ordinis  Celestinorum  prope  Zhtaviam  Pragensis 
diocesis  fundati  per  quondam  bone  memorie  Carolum  quartum  im- 
peratorem  et  regem  Boemie  ad  apostolicam  sedem  nuUo  medio  per- 
tinentis  certos  census  anmios  assignatos  eisdem  monasterio  et  conventui 
imperpetuura  tarn  per  dictum  Carolum  quam  etiam  postea  per  bone 
memorie  Vincislaum  regem  Bohemie  ad  eorum  cameram  pertinentes 
teneamini  ad  solvendum  et  in  pluribus  aunis  preteritis  de  eisdem 
satisfactionem  neglexeritis,  ac  nisi  census  integre  persolvendum  per- 
solvantur  debiti  tarn  de  preterito  quam  presenti  ac  etiam  in  futurum, 
dictus  conventus,  in  quo  monachorum  magnus  numerus  vite  exem- 
plaris  est,  ad  quem  plurimi  boni  viri  clerici  expoliati  et  expulsi  ab 
Wiciefistis  refugium  habent  ibique  alimtur,  ac  ipsum  monasterium, 
quod  in  fortilicio  positmn  est,  sustentari  et  custodiri  non  valeant,  ex 


320  Kleinere  Mitteilungen. 

lioc  ingens  periculum  inimineat,  ne  huiusmodi  locus,  cum  aliunde  nisi 
ex  predictis  censibus  conservari  et-custodiri  non  possit,  ad  manus 
ipsorum  bereticorura  deveniat,  quod  si  contigeret,  quod  dominus 
avertat,  quantum  robur  et  stabilimentum  ob  aptitudiuem  loci  prefatis 
hereticis  esset  ac  quantam  stragem  et  calamitatem  ac  dispeudium 
tidelibus  in  partibus  circumvicinis  consistentibus  ac  vobis  presertim 
inferre  valeret,  satis  clarissime  liquet  et  yos  optime  scitis,  cuius  rei 
essetis  in  causa,  ne  eveniat  vigilantissime  cum  omuibus  studiis  obvi- 
andum  est.  Vestras  igitur  devotiones,  que,  quantum  huiusmodi  periculum 
Sit,  inspicere  debeut,  requirimus  et  exhortamur  in  domino  et  uichi- 
lominus  vobis  et  vestrum  cuilibet  stricte  presentium  tenore  raandamus 
sub  pena  excommunicationis,  quam  ipso  facto,  si  secus  fieret  incurratis, 
quatenus  si  ita  est  huiusmodi  census  debitos  usque  nunc  integre  omni 
mora  sublata  hinc  ad  sex  menses  proxime  futuros  et  debendos  in 
posterum  singulis  annis  in  terminis  suis  prefatis  conventui  et  mo- 
nasterio  solvere  debeatis,  ut  ipsa  ad  laudem  divini  nominis  a  tautis 
noxiis  preservetur  et  ne  in  posteritate  hereticorum  ullateuus  valeat 
pervenire,  sie  enim  in  premissis  vos  habere  curetis  ut  speramus,  quod 
de  promptitudine  obedientie  apud  uos  et  dictam  sedem  possitis  merito 
commendari.  Datum  ßome  apud  sanctum  Petrum  Villi.  Kalendas 
Mali  pontiticatus  nostri  anno  quinto. 

B.  de  Puteo. 

Dieser  päpstliche  Befehl  vom  23.  April  1422  kann 
nicht  lange  Erfolg  gehabt  haben,  oder  wenigstens  es  blieb 
das  Kloster  ohne  jede  Hilfe  sich  selbst  überlassen.  Man 
darf  den  Sechsstädten  es  nicht  verargen,  dafs  sie  an  sich 
selbst  dachten  und  des  Üybins  nicht  achteten,  mochte 
auch  die  Burg  für  den  Grenz-  und  Gebirgsschutz  von 
gröfster  Bedeutung  sein.  Bald  wurden  sie  von  den 
Hussitenscharen  selbst  bedroht  und  bestürmt,  ihre  Dörfer 
verbrannt,  ihr  Handel  verkümmert,  bald  wurden  sie  durch 
Gerüchte  drohender  Gefahren  erschreckt.  Die  Städte 
gerieten  zumeist  stark  in  Schulden.  Die  äufsere  Not  der 
Cölestiner  muls  zeitweilig  geschwunden  sein,  denn  nach 
Cliron.  Haupt  A  S.  235  (Ratsbibl.  in  Zittau)  vermochten 
sie  1424  eine  Getreidegülte  zu  kaufen:  „1424  am  Tage 
Tiburtii,  14.  April,  haben  Hans,  Heintzemann  und  Frede- 
mann Gebrüder,  genannt  von  Girhardsdorf,  mit  Wissen 
und  Voll  wort  Margarethen  ihrer  Schwester  verkauft  12 
Scheffel  gutes  geschüttes  Korn  und  Zittauisches  Mals  in 
und  auf  ihrer  Mühlen  gelegen  in  dem  Dorffe  und  Guthe 
Herwigsdorff  des  Zittauischen  Weichbilds,  genannt  die 
Mühle  bey  den  Stegen,  an  die  Cölestiner  Münche  auf 
dem  Oybin.  Actum  nach  Gottes  Geburth  1424,  wie  solchs 
in  ihrem  Stifftsbuche  zu  sehen,  welches  noch  allhier  aufn 
Rathhauls  in  Original  vorhanden." 

Die  oben  erwähnte  Mahnung  Sigismunds  an  den  Rat 
von  Zittau  lautet  wie  folgt: 


Kleinere  Mitteilungen.  321 

König  Sigmund  befiehlt  der  Stadt  Zittau,  dem  Kloster  Oyhin 
die  schuldigen  Zinsen  zu  reichen  und  ihm  in  seinen  Nöten  bei- 
zustehen.    Ofen,  1425  Sept.  5. 

Wir  Sigemimdt  von  gottes  gnaden  Römischer  könig  zue  allen 
Zeiten  melirer  des  reiclifs  vnndt  zue  Hungarn  vnndt  Belieimb  pp. 
könig  pp.  Entbiethen  dem  bürgennaister,  rathe  vnndt  bürgern  ge- 
mainiglicli  der  Stadt  Zittaw  vnnsern  lieben  getreuen  vnnsere  gnadt 
vnndt  alles  gut.  Lieben  getreuen  vnns  verschmehet  zuemahle  sehr, 
das  ihr  nicht  wollet  merken,  wie  daz  schlofs  vnndt  kloster  zue  Oybien 
beie  euch  gelegen  vnnsers  vaters  keysers  Caroli  seligen  stifftunge 
also  feste  vnndt  nottürfftiglich  gelegen  ist,  daz  beide  ihr  vnndt  ander 
landt  davon  gefürdert  möget  werden,  vnndt  da  got  für  sey,  würde 
es  verderben,  das  beyde  euch  vnndt  anderen  landen  davon  grofser 
schade  geschehen  vnndt  entstehen  möchte,  die  man  mit  schwerer 
arbeit  hatte  mit  wiederbrengen.  Nu  wisset  ihr  wohl  daz  der  ge- 
nante vnnser  vater  seliger  auf  euch  seine  gixlde  verschrieben  hat, 
vnndt  darnach  Wencesla  könig,  vnnser  lieber  briider  dieselben  gulde 
gemehret  vnndt  wir  diez  auch  gemeret  vnndt  bestetigt  haben,  den 
prior  vnndt  convent  daselbst  zu  irer  notturfft  vnndt  coste,  do  dasselbe 
closter  vndt  Detersbach  möge  erhalten  werden  vnndt  nie  nott  also 
gewest  ist,  ...  in  dieser  zeit  dasselbe  closter  mit  coste,  zenhleuten 
C?)  vnd  allen  anderen  sachen  zue  bewahren  vnnd  zu  mehren,  nimbt 
vnns  gros  wunder  daz  ir  so  merkliche  schaden  nicht  ansehet  vndt 
solche  gixlde  vnndt  zimise  vorhaltet,  davon  derselbe  berg  vnndt  closter 
vnns  möchte  entführet  werden,  zue  vnnserm  vnndt  vnnser  lande  ver- 
derblichen schaden,  damit  nicht  zu  wieder  were,  sondern  neue  ann 
euch  kummen  müsten  mit  gröblichen  straffuugen.  Auch  haben  wir 
vernommen,  daz  ezliche  der  euren  reden  vnndt  meinen  daz  vnnser 
lieber  bruder  seliger  könig  Wenzla,  dem  genannten  closter  geben 
habe,  das  da  nit  seine  sey  gewest  vnndt  wir  doch  wohl  wissen,  daz 
er  ihn  geben  hat  das  da  er  geben  möchte  vnndt  das  sein  gewest  ist, 
darumh  würde  iemandt  darwider,  wir  müsten  ihn  also  vuterweisen, 
daz  er  nicht  rede  davon.  So  gebieten  wir  euch  ernstlichen  bey  vnnsern 
hulden  vnndt  bufsen  die  sie  haben  in  ihren  briefen,  daz  ihr  dem- 
selben convent  zu  Oyhin  solche  güld  vnndt  zinnfse,  die  vorhalten 
vnnd  noch  zuekünfftig  sein,  vnverzüglich  gebet  vnndt  reichet  mit 
gelde,  mit  güttern  oder  mit  andern  dingen,  das  wolten  wir  mit 
nahmen  also  gehabt  haben  vnndt  vorbafs  nicht  vorhalten  in  keine 
weise,  als  lieb  euch  sey  vnsere  schwere  vngnade  zue  vermeiden,  vnndt 
wo  ihr  das  fürbas  mehr  verzüget  vnndt  nicht  gebet  vnndt  \Tinfs  klage 
vorkäme,  so  müfshen  wir  vnnsere  vngnade  gröblich  au  euch  kehren, 
also  daz  ihr  lieber  gehorsamb  sein  gewesen.  Auch  wollen  wir  vnndt 
gebietten  euch  vestiü^küchen  als  wir  vormals  euch  geschrieben  haben, 
daz  ihr  innezuebehalten  dasselbe  closter  mit  leuten  die  da  tüchtig 
sinndt,  vnndt  in  allen  andern  sachen,  ob  da  noth  were,  vnndt  von 
euch  hüllf  vnndt  rath  begehrten,  behülfflich  sein  sollet,  vnndt  wo 
ihr  das  nicht  thätet  vnndt  säumig  weret,  daz  do  ein  schade  geschehe 
an  dem  closter,  ob  got  für  sey,  das  müsten  wir  vnndt  woltens  an 
euch  erholen.  Dorumb  ist  vnsere  meinung  daz  ihr  ihn  helffet  ^^lndt 
rathet  auch  heystehen  sollet  inn  allen  ihren  nöthen,  daz  das  ehe- 
genante closter  vnndt  sie  vnndt  die  ihren  vnbekümmert  bleiben  von 
allerley  beschwerung,  als  wir  euch  getrauen,  wann  sie  ja  vnnser  be- 
sonder cappelanen  sein  vnndt  vmb  vnnsern  vnndt  euren  vnndt  des 
closters  willen  tag  vnndt  nacht  grofses  singen  vnd  arbeit  haben  vndt 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u,  A.    XIII.  3.  4.  21 


322  Kleinere  Mitteilungen. 

auch  dasselbe  closter  nicht  ist  wie  ein  ander  closter,  sondern  ist  ein 
closter  vndt  ein  schlos.  Vnndt  wenn  ihr  diesen  brief  vberlesen  habt, 
so  sollet  ihr  ihn  dem  vorgenannten  convent  wiedergeben.  Datum 
Ofen,  versigelt  mit  vnserui  konigklicheu  aufgedruckten  innsigell  anno 
domiui  tausendt  vierhundert  vnndt  im  fünffvundtzwanzigsten  jar 
Mittwoch  vor  Maria  geburt  vnnser  reiche  des  Hungrischen  im  neun 
vnndt  dreyfsigsten,  des  Römischen  inn  dem  fünffzehenden  vnndt  des 
Bömischeu  inn  dem  sechsten  jar. 

Leider  bin  ich  nicht  in  der  Lage  anzugeben,  wo 
dieser  in  der  Eechtschreibung  ziemlich  geänderte  Brief 
sich  befindet.  Aber  es  möchte  auch  der  Hinweis  darauf 
nicht  unterlassen  werden,  dals  die  Burg  Oybin  hier  den 
Namen  Detersbach  führt.  Balbinus  nennt  (misc.  III,  cap. 
VIII,  §  IV)  unter  den  königlichen  Burgen,  welche  ver- 
pfändet werden  durften:  Steigriff  aliter  Eberspach  alias 
Üwin. 

2.  Kleinigkeiten  aus  Kurfürst  Augusts  Regierungszeit. 

Mitgeteilt  von  Theodor  Distel. 

An  einer  Monographie  über  Kurfürst  i^ugust  fehlt 
es  zur  Zeit  noch ,  wenn  wir  auch  verschiedene  grölsere 
und  kleinere  Arbeiten  besitzen,  die  ihn  nach  der  einen 
oder  andern  Seite  hin  behandeln. 

Ohne  Zweifel  würde  eine  Biographie  des  vielseitigen 
und  in  mancher  Hinsicht  überaus  einflulsreichen  Fürsten  bei 
der  Menge  des  allein  im  Hauptstaatsarchive  vorhandenen 
Materials  eine  vieljährige  Arbeit  beanspruchen,  aber  auch 
reiche  Ergebnisse  versprechen.  Als  kleine  Beiträge  zu 
einem  solchen  Unternehmen  biete  ich  nachstehend  in 
chronologischer  Reihenfolge  mancherlei  Neues  aus  meiner, 
den  Akten  des  Hauptstaatsarchivs  entstammenden  Kol- 
lektaneensammlung. 

Zur  Chronik  des  Schlosses  Grillenburg  (1558). 

Nach  Schumann 's  „Lexikon  von  Sachsen"  (III,  628) 
erbaute  August  1554-1558  mitten  im  Tharander  Walde  das 
Schlofs  Grillenburg  (Grüllenburg,  Gr3dlenburg)  und  zwar, 
wie  sonst  feststeht,  aus  dem  Materiale,  welches  ihm  das 
Schlots  Tharand  dazu  bot*j.  Im  Tafelzimmer,  so  heilst  es  dort 
weiter,  stehen  an  der  Wand  noch  verschiedene  alte  Reime, 
die  des  Erbauers  Endzweck   sehr  naiv  bekunden.     Die 


*)  Man   vergl.  auch   die   Mittheilungen    des  K.  S.  Alterthums- 
vereins  XXVIII,  .31  f.,  wo  die  Reime  „Zuvor  —  neunt"  iind  „Ich  bin 


genannt  —  Hause  bei"  mitgeteilt  sind. 


Kleinere  Mitteiluugen.  323 

Verse  sind  durch  vorgenommene  Umbauten  zerstört 
worden,  doch  werden  sie  in  Abschrift  unter  Glas  und 
Rahmen  in  gedachtem  Schlosse  aufbewahrt.  Darunter 
ist  auch  der  Autor,  Sekretär  (nicht  „Doktor")  Hans 
Jenitz  (f  1589),  genannt.  Über  eine  andere,  ähnliche 
Dichtung  von  ihm  vergl.  man  meine  Mitteilungen  in 
von  Webers  Archiv  für  die  Sächsische  Geschichte  N.  F. 
VI  (1878),  367  f. 

Im  K.  S.  Hauptstaatsarchive  (III,  54  *  fol.  65  No.  2  "^ 
Bl.  3)  kam  ich  auf  eine  Aufzeichnung  jener  Reime  vom 
18.  Februar  1738.  Dort  heilst  es,  daß  dieselben  zwischen 
den  beiden  Thüren  des  Eingangs,  in  Laubwerk  ein- 
geschlossen, gestanden  und  folgendermaßen  gelautet 
hätten : 

Meines  lieben  Bruders  kläglich'  End', 
Der  schwer'  Eingang  zum  Regiment 
Grofs  Widerwärtigkeit  und  Gefahr 
Mir  schwere  Sorge  und  Müh'  gehar, 
Zu  vertreiben  solche  Fantasei, 
Fing  ich  an  dies  neu  Gebäu, 
Die  Grillenburg  ich"s  davon  nennt, 
In  einem  Jahr'  ward's  gar  voUendt. 

Zuvor  ist  hier  nm-  Holz  gewachsen, 
Da  baute  Herzog  August  zu  Sachsen 
In  einem  Jahr  dies  Jagdhaus  behend, 
Welches  er  selbst  die  Grillenburg  nennt. 
Von  wegen  schwerer  Sorg'  und  Gedanken, 
Die  ihm  oblagen  und  bedrängten, 
Und  richtet's  an  zur  Lust  und  Freud' 
D'rum  wii'd  man  hier  der  Grillen  queit. 

Ich  bin  genannt  die  Grillenburg, 

Darauf  geschieht  gar  mancher  Schlurg  [für  Schluck!], 

Gedanken  und  schwere  Fantasei 

Legt  man  auf  diesem  Hause  bei, 

[Mit]  Jagen,  Fahren,  Hirsch  und  Schwein, 

Vertreibt  man  hier  die  Zeit  allein, 

Wer  nui-  hat  Grillen  und  Mucke[n], 

Der  lafs  sie  hinter  sich  zurucke. 

Kurfürst  August  als  Ehevermittler  (1559). 

Der  Kurfürstin  Anna  als  Ehestifterin  widmet  von 
Weber  in  seinem  1865  erschienenen  Buche:  Anna,  Chur- 
fürstin  zu  Sachsen  u.  s.  w.,  einen  ganzen  Abschnitt.  Auch 
ihr  Gemahl  August  spielt  einmal  (1559)  den  Ehever- 
mittler zwischen  Hessen  (?)  und  einer  Tochter  des  Herzogs 
Christoph  zu  Württemberg.    Er  schreibt  nämlich  unterm 

21* 


324  Kleinere  Mitteihiiigen. 

21.  April  genannten  Jahres  an  seine  Schwester  Emilia^), 
die  Wittwe  des  Markgrafen  Georg  von  Brandenburg- 
Baireuth  und  Mutter  der  Anna  Marie,  der  Gemahlin  des 
erwähnten  Württembergers"),  dals  Christoph  „hübsche 
und  wohlgezogene  Fräulein,  die  zum  Teil  erwachsen  und 
fast  mannbar  seien",  haben  solle.  Ihr  Alter,  ihre  „Ge- 
stalt und  Gelegenheit"-^)  wünscht  er  durch  den  Boten 
kennen  zu  lernen,  auch  bittet  er,  ihm  die  Bilder  der 
ältesten  beiden  Herzoginnen  (Hedwig,  geb.  15.  Januar  1547, 
und  Elise,  geb.  3.  März  1548)  heimlich  zu  verschaften. 

Das  Antwortschreiben  vom  23.  desselben  Monates^) 
meldet,  dals  Christoph  fünf  Töchter  habe,  die,  wie  ihre 
Eltern,  „christlich,  ehrlich,  eingezogen  und  wohl  leben"  und 
die  Kinder  zur  „Gottesfurcht  und  sonst  zu  allen  guten 
Tugenden  erwachsen  und  darinnen  noch  teglichs  auf- 
erzogen werden  und  das  in  demselben  durch  Vater  und 
Mutter  sonderer  Fleifs,  Aufsehen  und  mögliche  Bestellung 
gebraucht  und  gewilslich  hierinnen  nichts  versäumt  würde. 
Nebendem  sind  auch  die  Fräulein  wohlgestallten  Leuten 
ähnlich  und  gleich." 

Unterm  20.  Oktober  desselben  Jahres  sandte  Emilia 
die  angeblich  für  sie  selbst  angefertigten  Bilder  Hedwigs 
und  Elisens^). 

Die  älteste  der  beiden  Herzoginnen  vermählte  sich 
zuerst  (am  10.  Mai  15G3)  mit  dem  Landgrafen  Ludwig  IV. 
zu  Hessen,  während  die  Ehe  der  jüngeren  (mit  Georg 
Ernst  zu  Henneberg)  erst  am  1.  Juli  1568  zu  Stande  kam. 

Vorkehrungen  vor  Eeisen  ins  Ausland  (vor  1565). 

Einige  Originalreskripte  des  Kurfürsten  belehi^en 
uns  darüber,  wie  vorsichtig  derselbe  alles  bestellte,  wenn 

^)  K.  S.  Hauptstaatsarchiv  (hier  stets  nur  mit  „H. -St.-A." 
zitiert)  HI,  138  foi  1  No.  1  Bl.  1. 

-)  Vor  seiner  Verheirathung  war  von  einer  Ehe  zwischen  ihm 
bzw.  seinem  Onkel  Georg  und  Augusts  Schwester  Sidonie,  der  spä- 
teren unglücklichen  Gemahlin  des  Herzogs  Erich  II.  zu  Braunschweig- 
Kalenberg,  die  Rede.  (H.-St.-A.  III,  188  fol.  107  No.  1  Bl.  4  und  20.) 
Georg  heiratete  nach  über  zehn  Jahren  Barbara  (so  genannt  nach 
ihrer  Grofsmutter  mütterlicher  Seits,  Herzogs  Georg  zu  Sachsen  Ge- 
mahlin), Tochter  des  Landgrafen  Philipp  des  Grofsmütigen  zu 
Hessen  und  dessen  Gemahlin  Christine. 

^)  An  einer  anderen  Stelle  des  Reskriptes  heifst  es  „Alter, 
Sitten  und  andere  Gelegenheit." 

*)  A.  a.  0.  Bl.  2  (Orig.  mit  eigenh.  Unterschr.). 

°)  A.  a.  0.  Bl.  3  (Orig.  mit  eigenh.  Unterschr.). 


Kleinere  Mit  teil  uiig'en.  325 

er  einmal  anlserlialb  seines  Landes  reiste'').  Im  Nach- 
stehenden teile  ich  nur  ein  von  ihm  eigenliändig  ge- 
schriebenes, leider  aber  ohne  Jahresangabe  vorliegendes 
lieskript  an  die  vertrauten  Räte  Hans  von  Ponickau") 
und  Dr.  Ulrich  Mordeisen *^)  im  Wesentlichen  genau  mit: 

„Mej'iie  sachemi  thragenn  sych  also  czw,  das  ich  inii  grosser 
eyl  auserhalb  meyns  laudes  voreyteim  raufs,  Wye  wol  ich  niiiin  iiychtt 
hoft'enn  wyl,  das  sich,  meynes  abwesseiis,  imrychtykeyttenii,  so  dyseiin 
landeiin  beschwerii[ii|k  drawenii,  czuthrageim  mochttenn,  so  halie  ich 
doch  iiychtt  uiiderlassenu  mogenn,  (do  sych  do  gott  vorsey,  sollyche 
iiottfel  cziithrugenn)  hinder  iiiyr  meynes  abwessens  cznvorlassenn, 
wo  ich  im  fall  der  jiott  anczuthreffenn ,  habe  deshalbenn  meynera 
herczlybenn  weybe  denn  ortt  vnd  auft'  was  czeytt  ich  wyls  gott  ann 
eynem  iderun  ortt  ancznthreft'enu  seynn  werde  schryftlych  vorpyczyrtt  ^) 
czugesteltt,  wellyches  i.  1.  auch  vonn  myr  freuntlychenn  befellych  hatt, 
inn  gancz  styller  geheymm  vorwarlych  bey  sych  czu  behaltenn  vnd 
sych  mytt  sollychem  hyndei'lasenen  vorthraulychenn  vorczeychnus 
kegenn  keynem  menschenn  als  kegenn  euch,  czu  denen  wyr  vns 
beyderseytz  aller  threw  vnd  .vnderthenyges  wyllens  gethrostenn  vnd 
vorsehenu,  vornenieun  lasseun,  doch  soll  sollyches  nychtt  eher,  dann 
inn  der  grostenn  vnd  vnformeydlychstenn  uott  gescheen,  do  ihr  auch 
aiiff  denn  fal  ann  mycli  czuschreybenn  [hättet] ,  so  sollenn  sollyche 
bryff  meynem  gemal  czugesteltt  werdenn,  myr  czu  überschykenn  .... 
Datum  denn  17.  apryllys." 

Der  kurfürstliche  Schöppenstuhl  und  die  Pest 

in  Leipzig  (1575). 

Bald  nach  der  Neugründung  des  Leipziger  Schöppen- 
stuhls  durch  Kurfürst  August "')  wütete  die  Pest  (1575) 
besonders  stark  in  Leipzig"),  während  dieses  Jahr  z.  B. 
für  Dresden  keine  eigentliche  Pestzeit  war.  Der  Bürger- 
meister  Hieronymus    Rauscher,   der  jetzt    in    besserem 


-     «)  H.-St.-A.  III,  112  fol.  4  No.  2. 

'')  Sein  Name  fehlt  leider,  wie  auffälliger  Weise  der  so  manches 
hervorragenden  Sachsen,  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie; 
man  vergl.  über  ihn  von  Webers  Archiv  für  die  Sächsische  Ge- 
schichte VlII  (1870),  49  if. 

**)  Nach  der  Zeit,  in  welche  dieses  Schreiben  gehört,  wurde 
vergeblich  im  H.-St.-A.,  besonders  in  den  einschlagenden  Kopial- 
bänden,  geforscht;  die  darin  getroffenen  Vorkehrungen  haben  die 
Reise,  die  wahrscheinlich  in  die  Jahre  der  Grumbachischen  Händel 
und  sicher  zwischen  1554  und  1565,  bzw.  vor  oder  l)is  1563  (man 
vergl.  meinen  Artikel  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie 
XXII,  217  ff.)  fiel,  wohl  nicht  aktenkundig  werden  lassen. 

'')  versiegelt. 

^*^)  Vergl.  darüber  meine  Mitteilungen  in  der  Zeitschrift  der 
Savigny-Stiftung  für  Rechtsgeschichte  Bd.  X  (1889),  Germanistische 
Abteilung  S.  63  ff. 

")  A.  a.  0.  S.  77,  Aum. 


326  Kleinere  Mitteilungen. 

Lichte  vor  uns  steht,  als  dies  früher  der  Fall  war^-),  hat 
in  seinen  Originalberichten  an  den  Landesherrn  genaue 
Sterblichkeitstabellen  vom  1.  Mai  bis  5.  November  (es 
fehlt  nur  die  Zeit  vom  1.  bis  22.  Oktober)  gegeben^"), 
denen  ich  kurz  folgende  Zahlen  entnehme.  Die  Stadt 
hatte  (darauf  sei  noch  hingewiesen)  damals,  abgesehen 
von  den  Messen,  wohl  kaum  mehr  als  10  000  Einwohner^*); 
da  gar  mancher  die  Stadt  wegen  der  darin  herrschenden 
Krankheit  verlassen  hatte,  dürfte  diese  Bevölkerungs- 
ziffer im  Durchschnitte  nicht  einmal  erreicht  worden  sein. 

Es  starben  vom  1.  Mai  bis  30.  September  insgesamt 
475  Pestkranke  (127  in  der  Stadt,  236  in  den  Vorstädten 
und  112  im  Lazarethe),  während  nur  372  andere  Todes- 
fälle vorkamen.  Vom  23.  bis  29.  Oktober  erlagen  der 
Seuche  20  (4,  15  und  1),  sonst  gingen  damals  mit  Tode 
nur  5  ab ;  in  der  folgenden  Woche  sank  die  Ziffer :  von 
17  Toten  wurden  nur  7  durch  die  Pest  dahingerafft. 
Ein  dürrer  Sommer  hatte  sie,  nach  des  Chronisten  Vogel 
Angabe,  hervorgerufen,  im  Juli  begann  sie  zu  wüthen, 
am  schUmmsten  war  die  Sterblichkeit  vom  Monate  August 
ab.  Es  erlagen  ihr  in  demselben  272  (an  der  Pest 
52,  84  und  48),  im  September  258  (an  der  Pest  47,  105 
und  25). 

Die  verheerende  Krankheit  befleckte  u.  a.  selbst  das 
Haus  eines  Schöppenstuhlsverwandten ,  des  Dr.  Paul 
Franckenstein  ^^^),  wie  sie  auch  bald  des  einstigen  Eats- 
herrn  Dr.  med.  Wolffgang  Meurers  ^'')  Frau  und  Sohn,  einen 
„Magister",  gefordert  hatte. 


^-)  A.  a.  0.  S.  77  und  die  dort  gegebenen  Litteraturnachweise. 

18)  H.-St.-A.  III,  130  a  fol.  6  b  No.  11  Bl.  70  bis  73  und  III,  118 
fol.  3  No.  1  Bl.  71  —  79;  hierdiuTh  werden  die  Mitteilungen  bei 
Heydenreich,  Leipziger  Cronicke  u.  s.  w.  (1635)  S.  169,  welchen 
Vogel  in  seinen  Annales  etc.  (1714)  S.  '<?35  folgt,   vervollständigt. 

")  Vergl.  auch  dieses  Archiv  XI  (1890),  148  No.  2  und  die  Be- 
merkung des  Herzogs  Georg  zu  Sachsen  (gest.  1539)  ebenda  Anm.  9, 
nach  welcher  Freiberg  gröfser  als  Leipzig  und  andere  albertinische 
Städte  war,  dazu  Lammert,  Geschichte  der  Seuchen-,  Hungers-  und 
Kriegsnot  zur  Zeit  des  30jährigen  Krieges  (1890)  und  Knapp, 
Mitteilungen  des  statistischen  Bureaus  der  Stadt  Leipzig  Heft  6 
(1872)  a.  m.  00. 

^•^)  Rauscher  nennt  ihn  noch  Stadtrichter  und  Schöppen- 
substituten  Hieronymus  Lotters-,  vergl.  jedoch  die  Anm.  10  angezogene 
Zeitschrift  S.  95  i.  Verb.  m.  S.  78. 

'ß)  Vergl.  Zeitschrift  der  Savigny- Stiftung  Bd.  VII  (1886),  Germ. 
Abtheil.  S.  109.    Stepuer,  luscriptt.  Lips.  (1675)  S.283fi. 


Kleinere  Mitteilungen.  827 

Die  Schoppen")  strebten  daher  höchsten  Ortes  an, 
dafs  der  Stulü  in  eine  andere  Stadt  verlegt  werde,  und 
schlugen  dafür  das  schon  öfters  in  gleicher  Not  gewählte 
Annaberg  vor.  August  erachtete  dieses  jedoch  als  „dem 
Lande  etwas  unbequem  und  der  Gränze  zu  weit  abge- 
legen, bevorab,  dieweil  man  sich  nunmehr  die  peinlichen 
Urtel  aus  allen  Ämtern  bei  den  Leipziger  Schoppen 
allein  erholen  müsse."  Er  bestimmte  daher  Chemnitz, 
welches  „fast  mitten  im  Lande ^^),  auch  sonst  dazu  gelegen 
und  bequem  sei",  zum  zeitweiligen  Sitze  seiner  Spruch- 
behörde. Der  JR,at  genanntei'  Stadt  hielt  alsbald  fünf 
Wohnhäuser  und  eine  im  Eathause  belegene,  geräumige 
Sitzungsstube  für  die  ftechtssprecher  aus  Leipzig  bereit. 
An  einem.  Freitage,  es  war  der  19.  August ^^),  brachen 
die  Schoppen,  deren  Namen  aus  der  Anm.  10  angezogenen 
Zeitschrift  (S.  79  ff.,  94  ff.)  erhellen,  aulser  Wolf  Peiligke, 
w^elcher  als  Verwalter  der  Landgüter  u.  s.  w.-")  sowie 
zum  Empfange  der  in  Leipzig  einlaufenden  Rechtsfragen 
und  Akten  dort  verblieb,  nach  Chemnitz  auf,  um  hier 
ihres  Amtes  bis  nach  dem  Verschwinden  der  Seuche  und 
zwar  bis  Hohneujahr '^)  des  folgenden  Jahres  zu  walten'-^). 
Mir  sind  mehrere  Originalsprüche  und  Schreiben  aus  ihrer 
Chemnitzer  Thätigkeit  vorgekommen.  Die  letzteren,  denn 
die  Urtel  hatten  kein  Datum-'-),  datieren  entweder  aus 
Chemnitz  und  sind  „Schoppen  zu  Leipzig"  oder  ohne 
Datum  „zu  Chemnitz  anwesende  Schoppen  u.  s.  w."  un- 
terzeichnet. 

Auch  der  Revers  des  nach  Dr.  Johann  Unwirths  ^^) 


")  Die  folgende  Darstellung-  entstammt  H.-St  -A.  III,  118  fol.  6  c 
No.  5  Bl.  1—15. 

18)  Vergl.  die  Anm.  10  angezogene  Zeitschrift  S.  66. 

19)  H.-St.-A.  Kopial  41 5  fol.  6  (Konz.).  Heydenreicli  a.  a.  O. 
gieljt  den  24.  an  (wahrscheinlich  war  dies  der  Tag  der  ersten  Sitzung 
am  neuen  Orte),  wie  er  ihn  auch  einige  Tage  länger,  als  oben  an- 
gegeben ist  (bis  11.  Januar),  aiiswärts  bestehen  läfst.  Die  Oberhot- 
gerichtssitzungen —  dies  sei  hier  gleich  mit  bemerkt  —  fanden  in 
jener  Zeit  in  Borna,  dann  in  Weifsenfeis  statt  (a.  a.  0.). 

20)  Anm.  10  angezogene  Zeitschrift  S.  80. 

21)  Ist  ebenda  S.  77  Anm.  l  schon  angedeutet  worden. 

22)  Vergl.  meine  Mitteilungen  a.  a.  0.  S.  97,  dieses  Archiv  X 
(1889),  153  und  Zeitschrift  für  die  gesamte  Strafrechtswissenschaft 
X  (1890),  431  ff.  und  die  nachher  (Anm.  2i)  angez.  Akten,  z.  B.  Bll. 
9  ff.  und  76. 

23)  Anm.  10  angezogene  Zeitschrift  S.  71  ff.,  75,  87  und  94  ff. 


328  Kleinere  Mitteilungen. 

in  Chemnitz  erfolgtem  Ableben  zum  Schoppen  ernannten 
Professors  zu  Wittenberg,  Dr.  Georg  Lehmanns  (Lene- 
mans),  hat  Chemnitz  (10.  Dezember  1575)  als  Datum "^^j. 

Aus  dem  Briefwechsel   der  Leipziger  und  der 
Eostocker   Universität   (1576/77). 

Die  Universität  zu  Rostock  lag  mit  dem  dortigen 
Rat  wegen  ihrer  „alten  wohlhergebrachten  Privilegien, 
Frei-  und  Gerechtigkeiten"  1576  schon  seit  langer  Zeit 
im  Streite  -'^).  Sie  wandte  sich  deshalb  an  ihre  Schwester 
nach  Leipzig  und  erbat  sich  Abschriften  von  deren  Fun- 
dation und  Privilegien.  Leipzig  antwortete  am.  8.  November 
1576-*')  ausweichend,  dafs,  da  einige  der  die  Schriftstlicke 
mit  verwahrenden  Professoren  abwesend,  auch  des  Kur- 
fürsten Erlaubnis  nötig  sei,  die  Bitte  nicht  erfüllt  werden 
könnte.  Unterm  9.  Mai  des  folgenden  Jahres  schreibt  nun 
Herzog  Ulrich  zu  Mecklenburg  in  einem  eigenhändig 
unterzeichneten  Briefe  von  Güstrow  aus  an  August") : 
„Dieweill  dan  den  professorn  in  unserer  universitet  zu 
Rostock,  das  sie  von  e.  1.  universitet  zu  Leipzigk  fundation 
und  Privilegien  abschriflft  haben  mochten,  in  dieser  zwischen 
ihnen  und  dem  radt  doselbst  zu  Rostock  eingefallnen 
mengein  und  milsverstenden,  insonderheit  aber  zu  schleu- 
niger beylegung  und  Schlichtung  derselben  hoch  und  viell 
gelegen  .  .  .  ." 

Das  hierauf  ergangene  kurfürstliche  Reskript  an  die 
Universität  Leipzig  d.  d.  Annaburg  den  8.  Juni  1577  (von 
der  Hand  Hartmann  Pistoris^^),  lautet  zustimmend  da- 
hin, dafs  der  Universität  Rostock,  falls  sie  ferner  um 
Abschrift  der  erwähnten  Urkunden  nachsuchen  würde, 
dieselben  in  beglaubigter  Form  ausgefertigt  werden  sollten. 

Zur   Lehre   „von   vertrautem  Gut"  (1578). 

In  von  Webers  Archive  (N.  F.  VI ,  95  ff.)  habe  ich 
bereits  einiges  zur  Lehre  vom  (an)vertrauteu  Gute  und 
zu  dem  Motive  der  Konstitution  vom   10.  Oktober  1584 


24)  H.-St.-A.  III,  118  fol.  ficNo.  2  El.  16;  über  seinen  Aussteller 
s.  die  Anm.  10  angezog-ene  Zeitschrift  S.  95  in  Verbind,  mit  S.  94. 

25)  Fast  gleichzeitige  Abschrift  eines  Schreibens  der  Professoren 
zu  Rostock  au  ihren  Landesherrn  vom  2.  Mai  1577  H.-St.-A.  III,  51a 
fol.  21  No.  94  Bl.  267. 

26)  Ebenda  Bl.  268  b. 

27)  Ebenda  Bl.  266. 

2")  H.-St.-A.  Kop.  423  fol  174  b  ob.  (Konz.). 


Kleinere  Mitteilungen.  329 

mitgeteilt.  Hier  erwähne  ich  noch,  dals  die  41.  Kon- 
stitution der  Gesetzgebung  vom  21.  April  1572-")  unterm 
20.  September  1578  auch  auf  die  Schichtmeister,  Steiger 
und  Bergleute  (trotz  Artikel  5-4  der  Bergordnung)  •"^)  er- 
streckt werden  sollte.  Dies  entnehme  ich  einem  kurfürst- 
lichen Befehle  an  die  Schoppen  zu  Leipzig-^^),  welchem 
neun  Tage  spater  ein  anderer  folgte-'-),  worin  auf  eine 
leider  nicht  zu  ermitteln  gewesene  Antwort  der  letzteren 
Bezug  genommen  wird.  August  hält  es  für  unnötig, 
die  angezogene  Konstitution  den  Bergleuten  noch  besonders 
l)ublizieren  zu  lassen,  da  sie  auf  dieselben  ebensowohl  als 
auf  die  Schösser,  Förster  und  dergleichen  Verwalter, 
Diener  imd  Befehlshaber  „gemeint"  sei. 

Geschäftliche   Milsstände  in  Leipzig  (1580). 

Für  die  Kenntnis  der  geschäftlichen  Milsstände,  die 
1580  in  Leipzig  herrschten,  ist  ein  längeres  Gutachten-'"') 
des  Dr.  jur.  Laurentius  Müller-''^)  au  August,  d.  d.  Merse- 
burg den  2.  Juli  1580,  von  einigem  Werte.  Müller  be- 
ginnt mit  Klagen  über  den  Mangel  an  baarem  Gelde, 
worauf  eine  Darlegung  der  Schäden  folgt.  Wir  teilen 
aus  seinen  Ausführungen  folgendes  (in  direkter  Rede)  mit. 

Die  Geldknappheit  ist  vor  etwa  25  Jakren  nicht  ge- 
fühlt worden ;  früher  starben  die  Leute  mit  Hinterlassung 
eines  gröfseren  Vermögens,  jetzt  aber  scheiden  sie  mit 
mehreren  tausend  Gulden  Schulden  aus  dem  Leben. 
Brauchte  mau  sonst  Geld,  so  waren  leicht  bei  einem 
und  „ohne  eingemiscliten  Betrug"  8,  10  und  20  tausend 
Gulden  zu  erlangen,  jetzt  aber  ist  bei  vieren  oder  fünfen 
nicht  der  zehnte  Teil  dav^on  zu  haben.  Der  x4.del  und 
der  vornehme  Bürgerstand  steht  mit  der  Zeit  „gar  ver- 
derbt" da  oder  hält  sich  sonstwo  kümmerlich  auf. 


2")  Man  vergl.  hierzu  Carpzov,  Jurisprudentia  foreusis  etc. 
(1644)  1450  ff.  und  Schiet ter,  Die  Constitutionen  Kurfürst  Augusts 
von  Sachsen  u.  s.  w.  (1857)  S.  385  ff. 

••")  Vom  3.  Oktober  15.54:  Cod.  Aug.  II  (1724),  1.34. 

■'!)  H.-St.-A.  III.,  US  fol.  3  No.  1  Bl.  162  (Abschrift  v.  J.  1592), 
cf.  EI.  158/9. 

=^2)  Ebenda  Bl.  163  (Abschrift,  wie  vorher). 

»«)  H.-St.-A.  III,  51  a  fol.  25  No.  17  BU.  204—210  (Orig.). 

**)  Näheres  über  ihn  ei'hellt  aus  der  Allgemeinen  Deutschen 
Biographie  XXII  (1885),  648  ft'.  (Stavenliagen)  und  XXIX  (1889), 
775  (Distel).  Zu  seiner  Person  sei  noch  auf  Persoualregistr.  des 
H.-St.-A.  verwiesen. 


330  Kleinere  Mitteilungen. 

Den  Grund  des  Verfalls  erblickt  Müller  nun  nicht 
allein  in  der  eingerissenen  Verschwendungssucht  und  in 
der  Energielosigkeit  der  Jugend,  sondern  darin,  dals  die 
Mehrzahl  der  Grofskaufleute  Niederländer ■^•^)  seien,  die 
mit  „Sonnenkrämichen"^'')  sich  eingeschlichen  hätten  und 
jetzt  mit  20  und  50  tausend  Gulden,  ja  mit  ganzen 
Tonnen  Goldes  handelten. 

In  xlntwerpen,  heilst  es  weiter,  war  und  ist  es  Brauch, 
dafs  jedes  Unternehmen  an  die  Börse  gebracht  und  leicht 
unterstützt  wird.  Dieses  Manöver  hat  auch  in  Leipzig 
der  „listige,  verschlagene"  Niederländer  bald  versucht 
(der  Name  Partiten-")  ist  „neulich"  dafür  aufgekommen); 
bei  Gewährung  eines  Darlehns  von  nur  100  Gulden  baaren 
Geldes  haben  sie  für  3  oder  4  tausend  Gulden  an  aller- 
lei Waren  „mit  eingeschlagen"  und  zwar  so  hoch,  dals 
sie  vom  Empfänger  nicht  um  die  Hälfte  des  angesetzten 
Preises  an  den  Mann  zu  bringen  waren.  Der  erste  Ver- 
käufer giebt  auch  gleich  einen  sicheren  Abnehmer  dafür 
an,  dieser  aber  pflegt  nicht  den  dritten  Teil  zu  bezahlen 
und  lälst  die  Gegenstände  zurück  in  des  Vormanns  Hände 
gelangen ;  anstatt  500  Gulden,  auf  die  die  Verschreibung 
lautet,  wird  dem  Schuldner  so  „nicht  recht"  200  Gulden 
zu  Teil. 

Dieses  unredliche  Verfahren  hat  mehr  und  mehr  an 
Umfang  zugenommen  und  die  Nürnberger,  Augsburger 
u.  a.  schaarenweise  ins  Land  gelockt.  Ein  Adliger,  der 
1  oder  2  tausend  Gulden  bedurfte,  hat  für  3  oder  4 
tausend  Gulden  Kleinod,  Zobelfelle  u.  dergl.,  auch  wohl 
lahme  Pferde  und  „alte,  nichtswürdige  Handschriften" 
mit  annehmen  müssen. 

Mancherlei  Gesellschaften  sind  entstanden,  die  gute, 
ehrliche  Handelsleute  und  den  Adel,  ja  auch  Herren  und 
Grafen,  nicht  zu  Gelde  kommen  lassen,  weil  eben  jeder- 
mann sein  Vermögen  lieber  bei  den  „Gesellen"  wissen 
will,  die  sogar  10"/(,  zu  versprechen  pliegen.  Das  Land 
ist  dadurch  „dermalen  ausgesogen"  Avorden,  dafs  man 
sich  fast  nirgends,  als  bei  den  Niederländern  und  Schwa- 
ben in  seiner  höchsten  Not  „eines  baaren  Pfennigs  er- 
holen" kann.    Betrachtet  man  der  Herren  von  Mansfeld, 


^^)  Sie  beeinflufsten,  wie  sonst  feststeht,  gerade  den  Leipziger 
Handel  keineswegs  nachteilig. 

36)  Man  vergl.  Zedier,  ür.  Univ.-Lexikon  XXVI  (1740j,  1077  ff. 
s.  V.  Partkramer. 

^^)  Mau  vergl.  ebenda  1069  s.  v.  Partirerey,  Partiten. 


Kleinere  Mitteilmigeu.  331 

Stolberg  und  anderer  Harzgrafen,  auch  sonstiger  Adliger 
Verderbnis,  so  sind  „allzeit  die  Niederländer  oder  Nürn- 
berger die  Vornehmsten  im  Spiele  und  des  Teufels  Vor- 
tänzer". Wollten  Einheimische  ab  und  zu  mit  den  Ge- 
nannten gemeinsam  operieren,  so  wurden  sie  von  ihnen 
„meisterlich  in's  Bad  geführt"-'^). 

Die  Ausländer  haben  die  Herrschaft  behauptet  und 
in  wenigen  Jahren  so  grofse  Summen  aus  dem  Lande  (?) 
geschleppt,  dafs  man  jetzt  bei  den  Bürgern  schwerlich 
50  bis  60  tausend  Gulden  aufbringen  kann,  ein  Vermögen, 
welches  ehedem  ein  oder  zwei  Personen  allein  aus  ihren 
„Kisten"  zu  zahlen  im  Stande  waren.  Wenn  man  sich 
in  der  Stadt  auf  dem  Markte  umsieht  und  sich  dabei  der 
früheren  Zeiten  erinnert,  so  gewahrt  man,  dafs  mehr  als 
ein  oder  zwei  Häuser  nicht  mehr  in  dem  Besitze  der 
früheren  Familien  sind,  wohl  aber  auch,  dafs  der  Herr 
dem  Knechte  seinen  Besitz  geräumt  hat. 

Mancher  „stattliche"  Adlige  ist  zu  Grunde  gegangen 
oder  erblos  geblieben  (folgen  Beispiele). 

Schliefslich  kommt  Müller  noch  auf  die  hohen  Zmsen 
zu  sprechen,  die  damals  üblich  waren. 

Zur  Bekämpfung  der  mitgeteilten  Übel  schlägt  er 
nun  folgendes  vor: 

Die  Obrigkeit  soll,  wie  dies  auch  anderweit  schon 
der  Fall  ist,  einen  „eigenen  AVechsel"  gegen  Pfandbe- 
stellung oder  Bürgschaft  zu  billigem  Zinsfufse  einrichten, 
der  vor  später  eingegangenen  Verbindlichkeiten  u.  s.  w. 
den  prioritätischen  Rang  beansprucht.  Der  Kurfürst, 
so  bittet  Müller  weiter,  möge  mit  wenigstens  einer  Tonne 
Goldes  den  nötigen  Fonds  schaffen,  der  Vermögende 
werde  dann  schon  sein  Geld  dazu  leihen.  Die  Beamten 
der  Bank  könnten  aus  den  Erträgnissen  des  Instituts 
besoldet  werden  u.  s.  w. 

Bald  würden  mit  dem  Vermögen  auch  die  Mans- 
feldischen  Bergwerke  aus  den  Händen  der  Ausländer 
wieder  frei  gemacht  werden  u.  s.  w.  — 

Nun,  wir  wissen,  dals  der  später  über  die  Stadt 
Leipzig  ausbrechende  Konkurs  gerade  in  ihrem  grofsen 
Besitze  jener  Werte  und  in  der  Spekulation,  welche  die 
„Kupferkasse"  trieb,  begründet  war.  (Vergl.  auch  unten 
S.  341  ff.). 

3»)  Diese  Redensart  hat  nach  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  I 
(1854),  1069  sub  3  den  Übeln  Sinn  von  „einem  nachstellen,  ihm  eine 
Falle  legen"  u.  dergl. 


332  Kleinere  Mitteilungen. 

Der  Kiirlürst,  der  selbst  stark  an  den  Mausfeld- 
Eislebener  Werken  beteiligt  war'^"),  scheint,  dies  sei  noch 
bemerkt,  den  Vorschlägen  Müllers  nicht  näher  getreten 
zu  sein,  sein  Gutachten  vielmehr  als  das,  was  es  in  der 
That  war,  als  eine  Tendenzschrift  betrachtet  zu  haben  '°j. 

AVeidmäunischcs  mit  Kunstgeschichtlichem 

(1583/4)^^). 

Eine  Wildsau  von  737  Pfunden  (1583).  Aus 
einem  Schreiben  des  Herzogs  Ludwig  zu  Württemberg, 
d.  d.  Bebenhausen,  den  14.  Dezember  1583*-),  erhellt,  dals 
August  am  13.  Oktober  zuvor  am  Tannenberge  im  Amte 
Leisnig  ein  hauendes  Wildschwein,  welches  verschnitten 
(„ein  Mutz")^=^)  und  nicht  weniger  als  737  Zollpfunde**) 
schwer  war,  „gefangen"  hatte *'^).  Ludwig  bemerkt,  über 
das  seltene  Jagdglück  Augusts  staunend,  dafs  die  Ver- 
schneidung des  Tieres  wohl  in  dessen  Jugendzeit  von  Bauern 
oder  andern  Leuten  vorgenommen  sein  werde  und  dasselbe 
infolgedessen  „am  Gewächs  und  ScliAvere"  umsomehr  habe 
zulegen  können.  Seltsam  erscheint  dem  Herzoge  auch, 
dals  noch  „Gewerf"  *")  an  ihm  gefunden  worden  sei. 

«»)  H.-St.-A.  111,  21  fol  25  b  No.  9a  Bl.  66. 

'")  Vei'gl.  Böttiger-Flathe,  Geschichte  des  Kurstaates  und 
Königreiches  Sachsen  II  (1870),  78,  auch  Falke,  Die  Greschichte 
des  Kurfürsten  August  von. .Sachsen  in  volkswirtschaftlicher  Be- 
ziehung (1868)  8.  69,  171.  Über  die  Gründung  der  „Kupferkasse", 
welche  die  MüUer'sche  Schrift  .ja  hervorgerufen  haben  könnte ,  ver- 
mochte ich  etwas  nicht  zu  ermitteln. 

")  Vergi.  „Weidmann"  XXII  (1891),  406  und  4.5,  sowie  XXIII 
(1892),  134. 

42)  H.-St.-A.  III,  51a  fol.  16  No.  42  Bl.  31  ff.  (Orig.). 

43)  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  VI,  2837. 

*4)  Richard,  Licht  und  Schatten  (1861)  S.  247  und  von  Weber, 
Auua  S.  242  f.  erwähnen  diese  Sau  nebenher,  geben  jedoch 
ihr  Gewicht  um  zwei  Pfunde  zu  niedrig  an.  Ein  Schwein 
von  6  Zentnern  50  Pfunden  erbeutete  August  in  seinem  Lande 
1585  H.-St.-A.  III,  131  fol.  18  No.  3  Bl.  15  b.  Das  Gewicht 
war  damals  nicht  an  allen  Orten  des  Landes  gleich,  auch  unterschied 
es  sich  mit  Rücksicht  auf  den  zu  bestimmenden  Gegenstand;  man 
vergl.  Falke  a.  a.  O.  S.  279  und  meine  Notiz  im  Anzeiger  für  Kunde 
der  Deutschen  Vorzeit  XXIX  (1882),  132. 

*■■*)  Die  Meldung  davon  ist,  wie  mir  aus  Stuttgart  mitgeteilt 
wurde,  nicht  mehr  im  Königl.  Württembergischen  Haus-  und  Staats- 
Archive  vorhanden,  und  da  sie  auch  —  als  Konzept  —  im  Königl. 
Säclis.  Hauptstaatsarchive  nicht  ermittelt  werden  konnte,  ist  mau  be- 
rechtigt anzunehmen,  dafs  sie  eigenhändig  geschrieben  gewesen  war. 

*")  Gewerf  von  werfen,  z.  B.  Hunde  von  einem  Wurfe  (Zedier, 
Gr.  Univers.-Lexikon  LV  [1748J,  360). 


Kleinere  Mitleilnnaen.  388 

Von  Augustusburg  aus  befiehlt  nuu  der  Kurfürst 
unterm  27.  November  desselben  Jahres  ^')  dem  Maler  Lu- 
kas Kranach  d.  J.  in  Wittenberg,  welcher  damals  an 
dem  jetzt  in  der  Königl.  Gemäldegallerie  zu  Dresden 
aufbewahrten  Altarbilde ^'^j  für  die  Schlolskapelle  zu  Colditz 
arbeitete  und  in  jener  dem  Tannenberge  ebenfalls  nahe 
gelegenen  Stadt  sich  aufgehalten,  auch  schon  die  Mafse 
von  der  Sau  genommen  hatte,  das  Tier  sechsmal  in  Le- 
bensgrölse  abzumalen*^).  Sechs  Tage  später  hat  August 
bereits  eine  Abbildung  erhalten  und  befiehlt  demselben 
Künstler  von  dem  genannten  Standorte  aus"'"),  sieben 
(wohl  statt  der  früher  bestellten  sechs)  Bilder  anzufertigen, 
indem  er  dem  Reskripte  die  darauf  zu  setzende  Inschrift  ■^^j 
anfügt.  Gleichzeitig  bemerkt  er,  dals  er  von  mehreren 
Reichsfürsten  um  Übersendung  eines  Porträts  ersucht 
worden  sei,  und  eröffnet  dem  Meister,  der  gemeldet  hatte, 
er  habe  schon  seit  längerer  Zeit  kein  Wildschwein  ge- 
sehen, die  Aussicht  auf  Teilnahme  an  einer  Sauhatz,  bei 
welcher  er  „diese  Tiere  recht  sehen",  auch  „eines  fahen" 
könne.  Leider  ist  es  mir,  weder  in  Sachsen,  noch  auch 
auswärts,  geglückt,  eine  dieser  Kranachschen  Werkstatts- 
arbeiten (eine  solche  war  das  Bild  sicherlich)  zu  ermitteln. 
Aktenmälsig  steht  fest,  dafs  z.  B.  der  hier  erwähnte  Lud- 
wig unterm  20.  Januar  1584  ■^^-j  ^^d  der  Kurfürst  Wolf- 
gang zu  Mainz  unterm  nächsten  1.  Juni  *=^)  je  ein  Exemplar 
erhalten  haben.  An  ersteren  schreibt  der  Schenker  u.  a. 
damals  mit,  dafs  ihn  das  Schwein  „ungeachtet,  dalis  es 
verschnitten,  gar  freidig  und  hart  angelaufen"  habe. 

Im  folgenden  Jahre  mufste  noch  eine  Kopie  ange- 


")  H.-St.-A.  Kop.  484  fol,  510b,  Konzept. 

48)  Vergl.  Woermanns  Katalog  der  genannten  Gallerie  (gr.  Ausg. 
1887)  No.  19n3.  Zu  der  dort  angeführten  Litteratur  trage  ich,  der 
Vollständigkeit  wegen,  hier  noch  nach:  meinen  Aufsatz  im  Anzeiger 
für  Kunde  der  Deutschen  Vorzeit  XXVI  (1879) ,  28  ff.  und  Mittei- 
lungen des  Königl.  Sachs.  Altertumsvereins  XXIX  (1879),  XIII. 

49)  Vergl.  meinen  Aufsatz  in  derKunstchrouik(Beibl.  zurZeitschr. 
für  hild.  Kunst)  N.  F.  I  (1890),  418. 

■•^)  H.-St.-A.  Kop.  484  fol.  415  b,  Konz. 

")  Ebenda  fol.  416,  Konz.  Dieselbe  ist  bei  der  Darstellung  be- 
rücksichtigt  worden.  .      .      „     .  , 

5-)  H.-St.A.  Kop.  492,  fol.  208  b,  Konz.  Das  Ong.  im  Konigl. 
Württ.  Haus-  und  Staats-Archive  zu  Stuttgart. 

■>■■)  Kop.  492  fol.  75b.  Damals  hatte  August. auch,  wie  er  an- 
giebt,  noch  einige  Abbildungen  in  Verwahrung.  Tiber  die  Württem- 
berg betreffenden  Strecken  und  eine  Sau,  welche  Herzog  Ulrich  1507 
erlegte,  vergl.  meine  Mitteilungen  im  „Weidmann"  XXIII.  (1892),  214. 


334  Kleinere  Mitteilungen. 

fertigt  werden.  August  zeigt  nämlich  den  Empfang  der- 
selben Kranacli  unterm  26.  März  1585'*^)  an,  und  wir  erfahren 
aus  diesem  Reskripte  auch  den  Preis  eines  Exemplars. 
Derselbe  betrug  fünf  Thaler  ■'^■''). 

Bei  der  Bezahlung  des  Honorars,  dies  sei  zum 
Schlüsse  noch  mitgeteilt,  spielt  eine  Verwandte  des  Künst- 
lers, „Dr.  Hermans  Tochter",  die  Rolle  der  Geld- 
empfängerin. — 

Würdige  Seitenstücke  zu  dieser  Kapitalsau  bilden 
ein  Hirsch  von  7  Zentnern  und  5  Pfunden  (1584) 
und  ein  solcher  von  7  Zentnern  (1560).  Im  Königl. 
Jagdschlosse  Moritzburg  wird  das  monströse  Geweih  und 
die  Abbildung  eines  Hirsches  aufbewahrt,  welcher  das 
dem  modernen  Weidmanne  unglaublich  scheinende  Gewicht 
von  sieben  (Zoll-)  Zentnern  und  fünf  Pfunden  hatte.  Das 
Tier  wurde  von  einem  („dem")  sächsischen  Kurfürsten  auf  der 
Weidenhainischen  Haide  im  Amte  Torgau  und  zwar  am 
Dietzengrunde ,  wo  auch  ein  Jagdschlofs  steht,  „beim 
Schwinderle"  ins  Blatt  geschossen.  Der  Kurfürst  war, 
wie  ich  bereits  vor  Jahren  festgestellt  habe,  August  und 
der  nicht  festzustellende  Jagdtag  fiel  in  das  Jahr  1584'^^). 
Die  Mafse  dieses  braven  Hirsches  sind,  in  nicht  gerade 
fachmännischer  AVeise,  auf  dem  Bilde  genau  also  ange- 
geben: „Die  leng  vom  hintern  Schenkel  übern  Rücken, 
zwischen  Geweye  bis  uff  die  nase  5  Ein  3  virtel,  die 
höhe  vom  förderfufse  bis  aufn  Rückgrad  2^2  Ein,  die 
Dickung  umen  Leib  3  Ein  1  Vo  virtel,  die  leng  des  kopfs 
31/2  virtel." 

Das  Porträt  selbst  mifst  2,60  Meter  in  der 
Höhe  und  2,70  in  der  Breite.  Es  stellt  den  schweifsen- 
den Hirsch  ruhig  ziehend  dar.  Das  natürlich  schädel- 
echte Geweih  hat  braune  Farbe  und  ist  fein  ge- 
perlt; die  Kronen  sind  fächerartig  und  haben  erhabene 
wulstige  Ränder,  die  Sprossen  kolbige  Enden.  Sein  Ge- 
wicht beträgt  etwa  12  Pfund,   die  Stangen  haben   eine 


^)  H.-St  -A.  Kop.  501  f.  25  b,  Konz. 

65)  Vergl.  auch  Kop.  492  Bl.  2  Konz. :  Befehl  an  den  Karamer- 
meister  vom  2.  Januar  1584.  Für  das  auch  werkstattsmäfsige  Altar- 
bild erhielt  Kranach  dagegen  den  in  der  Anm.  48  angeführten  und 
ergänzten  Litteratnr  angegebenen  ganz  unverhältnismäfsig  hohen 
Betrag. 

^)  Zeitschrift  für  Museologie  und  Antiquitätenkunde  V  (1882), 
171,  vergl.  123  ff.  und  147.  Daselbst  habe  ich  auch  über  noch  andere 
interessante  Weidstücke  in  genanntem  Schlosse  Mitteilungen  nach 
den  Akten  gemacht. 


Kleinere  Mitteilungen.  335 

Länge  von  0,63  bzw.  0,63,  die  Spannweite  derselben  mifst 
0,75  Meter. 

Bemühte  ich  mich  früher  vergeblich,  den  Maler  des 
Bildes  zu  ermitteln,  so  ist  dies  mir  kürzlich  geglückt"*"). 
Als  solchen  nennt  sich  selbst  der  Dresdner  Bürger  und 
Maler  Daniel  Bredtschneider"*^),  der  Sohn  des  kursäch- 
sischen Hofmalers  Andreas  Br.,  und  zwar,  da  fünf  und 
dreifsig  Jahre  nach  dem  hierbei  in  Betracht  kommenden 
Schriftstücke  ein  gleichnamiger  Sohn,  der  auch  Maler 
war,  mit  Tode  abging,  der  ältere,  derselbe,  mit  dessen 
interessanten  Darstellungen  von  Dresdner  Hoffestlich- 
keiten kürzlich  die  erste  Vierteljahrsausstellung  im  Stadt- 
museum zu  Dresden  eröffnet  wurde '"''').    Nicht  unter  dem 


5')  H.-St.-A.ni,  21  fol.  18b  No.  112  Bl.27/8,  Konz.  und  bzw. 
Original. 

^'^)  So  steht  sein  Name  unter  dem  soeben  angezogenen  Schrift- 
stücke geschrieben.  Er  starb  1657  (der  Tag  wird  von  seinen  Erben 
nicht  angegeben). 

^")  Die  Künstlerfamilie  Bredtschneider  ist  zu  bedeutend,  als 
dafs  sie,  wie  es  leider  der  Fall  ist,  in  der  Allgemeinen  Deutschen 
Biographie  fehlen  dürfte.  Vieles  Material  über  ihre  einzelnen  Mitglieder 
enthält  das  H.-St.-A.  (vergl.  Personalregistr.  s.  v.  Bredtschneider  sowie 
III,  131  fol.  1  No.  3  Bl.  39  ff.  und  111,  21  fol.  18b,  No.  111  BU.  6/7). 
Hier  verweise  ich  noch,  die  Künstlerlexika  nicht  anziehend,  auf  den 
Handschriftenkatalog  der  Königl.  öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden, 
sowie  auf  meine  Mitteilungen  in  den  BLättern  für  Architektur  und 
Kunsthaudwerk  HI  (1890),  23  in  Verbindung  mit  Naumanns  Archiv 
für  die  zeichnenden  Künste  u.  s.  w.  III  (1857),  95  ff.,  von  Webers 
Archiv  II  (1864),  181,  sowie  XI  (1873),  168ff.,  alsdann  dieses  Archiv 
VIII  (1887),  326  ff.  und  XI  (1890),  273  ff.  Weitere  Notizen 
enthalten  die  Mitteilungen  des  Königl.  Sachs.  Altertumsvereins 
(man  s.  das  Register)  \m<\  Böttiger -Flathe  a.  a.  0.  S.  92.  In  der 
Beschreibenden  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdeukmäler 
des  Königreichs  Sachsen  kommt  bis  jetzt  (Hft.  XV  —  1891  — )  sonder- 
barer Weise,  kein  Mitglied  der  hervorragenden  Familie  vor.  Von 
dem  Maler  des  oben  besprochenen  Hirschbildes  stammen,  wie  bisher 
nicht  bekannt  war,  die  Darstellungen  der  Leichenprozesse  der  Kur- 
fürsten August,  sowie  (dies  erhellt  aus  der  gleich  mitzuteilenden 
Aktenstelle)  Christian  I.  und  Christian  IL;  alle  di-ei  besitzt  das 
Königl.  Kupferstichkabinet  (No.  1248  —  50),  die  erstere  auch  die 
Königl.  Bibliothek  zu  Dresden;  leider  sind  alle  diese  Exemplare  un- 
vollständig (vergl.  A  n d  r  e  s  e n  ,  Der  Deutsche  Peintre-Graveur  II,  8  ff.). 
Unterm  5.  März  1658  (H.-St.-A.  III,  54a  fol.  43  No.  1  Bl.  2)  schrei- 
ben die  Erben  Bredtschneiders  d.  J.  an  den  Herzog  Moritz  zu  Sachsen- 
Zeitz,  dafs  ihr  Vater  an  einem  sehr  schönen  und  mühsamen  Kunst- 
stücke, dem  weithin  und  hochberühmten  Kur-  und  Fürstlichen  Stamm 
Sachsen  von  900  Jahren  her,  kurz  vor  seinem  Tode  fast  ein  ganzes 
Jahr  mit  sonderbarem  Fleilse  und  grofser  Mühe  geai'beitet  und  ins 
Kleine  gebracht  habe,  dabei  eine  Andeutung  von  dem  heidnischen 
Stamm,  worauf  der  christliche  Stamm,  von  Wittekind  an,  wie  auch 


33G  Kleinere  Mitteilungen. 

gliickliclieii  hohen  AVeidmann,  der  den  Hh-sch  erlegte, 
sondern  erst  unter  seinem  Enkel  und  dritten  Regierungs- 
nachfolger  ist  das  Bild  entstanden.  Bei  Überreichung 
desselben,  am  6.  Oktober  1622,  war  der  Maler,  wie  er 
in  dem  betreffenden  Unterstützungsgesuch  selbst  angiebt, 
schon  über  siebzig  Jahre  alt  und  am  Schenkel  leidend, 
so  dals  er  schon  seit  einem  Jahre  das  Zimmer  hatte 
hüten  müssen.  Irrtümlich  nennt  er  dabei  das  betreffende 
Jagdterrain  die  „wilde  hanische  Heyde"*''^)  und  verlegt 
die  erwähnte  Jagd  in  das  Jahr  1585,  setzt  sie  also  ein 
Jahr  später  an. 

Mit  der  Anmerkung  59  am  Schlüsse  mitgeteilten  Brief- 
stelle dürfte  auch  neues  Material  gegeben  sein  zur  Beurtei- 
lung des  wahre  Kunstwerke  der  Gouache-Miniatur-Malerei 
auf  Pergament  enthaltenden  Bandes  Ms.  J.  1  der  Königl. 
Bibliothek  zu  Dresden,  welcher  von  zwei  Händen  (einer 
geringeren  bis  mit  Kurfürst  Friedrich  dem  Streitbaren, 
f  1428  —  Bl.  1  bis  39  -— ,  und  einer  überaus  meisterlichen 
bis  mit  Kurfürst  Friedrich  August  I. ,  f  1733  —  Bl.  40 
bis  52  — )  stammt*'^). 

Für  das  in  Farben  abgemalte,  85  Bogen  umfassende, 
angeführte  Leichenbegängnis  vom  Jahre  1611  forderte 
der  Meister  unterm  29.  August  genannten  Jahres  pro 
Bogen  einen  halben  Gulden ^^2),  bekam  aber  laut  Reskript 
vom  folgenden  17.  Dezember  mehr,  den  Betrag  zu  50  Gul- 
den abgerundet '^■^).  — 

Über  einen  vier  und  zwanzig  Jahre  früher  von 
August  erlegten  fast  gleich  schweren  Hirsch  von  sieben 
Zentnern  Gewicht  giebt  ein  Originalschreiben  des  Land- 


die  Abbildung  der  Taufe  desselben,  in  25  Bildern  folget  bis  auf  Kur- 
fürst Johann  Georg  II. ;  auf  dem  Schiebedeckel,  so  heilst  es  freilich 
weiter,  seien  des  Glenannten  Vaters  Stamml)aum  und  Bildnils,  sowie 
dessen  Miitter  (des  Vaters  zweite  Gemahlin,  Magdalena  Si- 
billa,  geb.  Markgräfin  zu  Brandenburg),  Porträts  und  eine  Abbildung 
der  Stadt  Dresden  angebracht.  Für  130  Thaler  bieten  die  Erben 
das  Kimstwerk  an,  indem  sie  melden,  dafs  ihr  Erblasser  dasselbe  für 
des  Herzogs  Schwiegervater,  Herzog  Wilhelm  IV.  zu  Weimar, 
bestimmt  gehabt  habe.  Ob  auf  diese  Offerte  eingegangen  worden 
ist,  liefs  sich  nicht  ermitteln. 

^)  So  liiefs  es  auch  vor  meinen  Anm.  56  angezogenen  Mitteilungen 
in  der  Inschrift  auf  dem  Bilde. 

^'^)  Die  Handschrift  wurde  begonnen  am  2.  November  1645;  vergl. 
Albinus,  New  Stammbuch  1602,  von  Birckens,  Heldensaal  1718. 

«•-)  H.-St.-A,  III,  21  fol.  18  No.  93  Bl.  475,  Orig, 

ß^)  Ebenda  Bl.  476,  Kouz. 


Kleinere  Mitteilungen.  337 

grafen  Philipp  zu  Hessen  an  den  Kurfürsten  Auskunft"*) ; 
der  ihm  voraufgegangene  Originalbericht,  welcher,  nach 
dem  Antwortschreiben,  aus  Schwarzenberg  den  31.  Au- 
gust 1560  datiert  war,  ist  ebensowenig,  wie  das  Konzept 
desselben,  auf  uns  gekommen.  Philipp  bemerkt  bezüglich 
des  seltenen  Jagdglückes  Augusts,  er  hätte  wohl  hundert 
Gulden  daran  „versehen" '^■^)  mögen""). 


Ein  Gutachten  über  die  Sachsen-Albertinische 

Kur   (1584). 

Der  Verfasser  der  „Lipsia"  (1689  u.  oft.)  und  spätere 
Kanzler,  Dr.  David  Peifer,  arbeitete,  wohl  auf  erhaltenen 
mündlichen  Befehl,  im  Jahre  1584,  also  fast  37  Jahre 
nach  der  Schlacht  bei  Mühlberg,  für  August  ein  zustim- 
mendes Gutachten  über  die  Frage  aus,  ob  derselbe  „die 
Kur  Sachsen,  so  zuvorn  Herzog  Johann  Priedericlien, 
dem  Dicken,  gehörte,  mit  gutem  Gewissen  und  Titel  be- 
sitzen und  behalten  könne".  Der  Argwohn  gegen  die 
ernestinischen  Vettern"^)  dauerte  also  auch  nach  dem 
Naumbui'ger  Vertrage  vom  24.  Februar  1554  noch  lange 
fort"^).  Das  dieses  Gutachten  enthaltende  Originalschrei- 
ben Peifers  d.  d.  Dresden  22.  April  1584  liegt  mir  vor"^) ; 
auf  seinen  Inhalt  näher  ehizugehen,  halte  ich  nicht  für 
notwendig.  —  Schon  im  Jahre  1552  '^)  schrieben  Ernst  von 
Miltitz")  und  Dr.  Georg  Kommerstadt  an  Kurfürst  Moritz 

6*)  H.-St.-A.  III,  51  a  fol.  13  No.  3  Bl.  83  ff.  Im  Königl.  Preufs. 
Staatsarchive  zu  Marburg  ist  das  Konzept  desselben  nicht  mehr 
vorhanden. 

"■'')  versehen  :=  übersehen.  Der  Sinn  dieser  Wendung  ist  also: 
Hundert  Gulden  sind  geringer  als  die  Freude  darüber,  dafs  man  den 
Hirsch  erlegt  hat. 

'**')  Im  Anschlüsse  hieran  sei  noch  folgendes  mitgeteilt:  Wäh- 
rend der  Pirschzeit  15B5  erlegte  August  eigenhändig  104  Hirsche, 
von  denen  zwei  über  6  Zentner  und  20  Pfunde  wogen.  Einen  Zwan- 
zigender  nennt  er  schon  einen  „Haupthirsch"  ;  1585  schofs  er  einen 
Sechszigender  (von  Weber,  Kurf.  Anna  S.  241  ff.). 

**■')  Vergl.  Distel,  Der  Flacianismus  u.  s.  w.  (1879)  S.  17  und 
von  Webers  Archiv  N.  F.  VI  (1880),  131  ff.,  axich  Arndt,  Nonnulla 
de  ingenio  etc.  Mauritii  etc.  (1806)  S.  17. 

"^)  Böttiger-Flathe  a.  a.  0.  S.  5  ff.  und  Heidenhain, 
Die  Unionspolitik  Landgraf  Philipps  von  Hessen  1557 — 1562  (1890) 
S.  11,  13.  rrr-^- 

«9)  H.-St.-A.  III,  107a  fol.  24b  No.  21  Bl.  7—11. 

'0)  Das  Schreiben  vom  33.  (wohl  23.)  September  im  H.-St.-A.  III, 
67  a  fol  380  b  No.  42  Bl.  142/3. 

'1)  Vergl.  über  ihn  von  Langenu,  Moritz,  Herzog  und  Chur- 
fürst  zu  Sachsen  II  (1841),  385. 

Neues  Archiv  f.  S.  ti.  u.  \.  XIII.  3.  4.  22 


338  Kleinere  Mitteilmigen. 

wegen  einer  Münze,  Ortgroschen,  dafs  er  eventnell'"-)  veriis 
elector  auf  seine  Geldstücke  zu  setzen  befehlen  wolle. 
Wahrscheinlich  war  ihnen  eine  Münze  vorgekommen,  auf 
welche  der  Exkurfürst,  Johann  Friedrich  der  Grofs- 
mütige,  nahis  elector  hatte  aufprägen  lassen. 

Der   Sarg  der   Kurfürstin   Anna  (1585). 

In  der  fürstlichen  Begräbniskapelle  des  Domes  zu 
Freiberg  ruht  seit  dem  1.  November  1585  auch  die  Kur- 
fürstin Anna.  lieber  ihren  Sarg  lassen  sich  ihre  Bio- 
graphen Stichart '•^)  und  von  Weber '^)  nicht  aus,  weshalb 
ich  hierzu  aus  den  Akten  ^■^)  in  moderner  Schreibweise 
Folgendes  mitteile: 


^Ö" 


„Der  zinnerne  Sarg  ist  von  anfsen  mit  schönen,  vergoldeten 
Löwenköpfen  und  Simswerk  geziert  nnd  oben  auf  der  Decke  ein 
grofses,  langes  Kruzifix,  desgleichen  zwei  Englein,  so  Täf eichen 
halten,  daxunter  gestochen  rechts:  (Joh.  3,  16)  Also  hat  Gott  die  Welt 
geliehet  (u.  s.  w.),  links:  (Ps.  31,  6)  Herr  Jesu  Christ,  in  Deine  Hände 
befehle  ich  (Dir)  meinen  Geist,  Du  hast  mich  erlöset  (u.  s.  w.)." 

Beide  Sprüche  pflegte  die  Kurfürstin  im  Leben,  be- 
sonders auch  in  ihrer  letzten  Krankheit,  oft  zu  zitieren. 

Unter  dem  Kreuze  sind  mit  grofsen  Buchstaben  fol- 
gende Worte,  die  ich  genau  nach  meiner  Vorlage  mitteile, 
in  das  Zinn  eingraviert: 

„In  diesem  sarck  ruhet  der  durchlauchtigsten  unnd  hochgebornnen 
furstin  und  trauen,  trauen  Annen,  gebornnen  aus  königlichem  stamme 
zu  Dennenmarck,  herzogin  zu  Sachsen  und  churfurstiu  corper,  deren 
seel  den  ersten  Octobris  nach  sieben  uhren  zu  abent  anno  1585  zu 
Christo  ihrem  erlosern  seliglichen  abgeschieden  ist." 

Unterm  5.  November  darnach  schreiben  der  Zeug- 
meister Paul  Buchner  (Puchner)  und  der  berühmte  Bild- 
hauer Johann  Maria  Nosseni  an  ihren  Herrn  über  die 
Arbeiten  an  der  Gruft '"^). 


'-)  Nämlich  für  den  Fall,  dafs  Kurwappen  und  Titel  diu'ch  die 
Königliche  Majestät  nicht  geändert  werden  könnten. 

'3)  Galerie  der  Sächsischen  Fürstinnen  (1857)  S.  294. 

•'*)  Kurfürstin  Anna  S.  499  ff. 

'^")  H.-St.-A.  in,  1  fol.  8  No.  2  Bl.  125  (102b).  Diese  Akten 
enthalten  auch  eine  genaue  Beschreibung  ihres  Leichenprozesses  und 
neben  anderen  seltenen,  den  Tod  Annas  betreffenden  Originaldrucken 
eine  demnächst  von  mir  im  „Archive  für  Geschichte  des  Deutschen 
Buchhandels"  zu  erwähnende  deutsche  Dichtung  desMeifsnerChronisten 
Laurentius  Faustras. 

■'6)  H.-St.-A.  III,  1  fol.  8  No.  2  Bl.  91  ff,  Oiig.,  in  Verbindung 
mit  Kopial  .501,  fol.  311/2,  Konz. 


Kleinere  Mitteihingen.  339 

Eine  Abbildung  der  Statue  der  Kurfürstin  und  den 
Wortlaut  der  seitlich  davon  in  der  erwähnten  Kapelle 
angebrachten  Gedächtnisschrift  giebt  Steche  in  der  „Be- 
schreibenden Darstellung  der  älteren  Kunstdeiikmäler  des 
Königreichs  Sachsen"  HI  (1884)  Beil.  VIII  und  S.  51. 
Hier  sei  gleich  mit  erwähnt,  dals  ihr  Gemahl  ursprüng- 
lich seine  spätere  Schwägerin,  Agnes,  die  auch  damals 
schon  ihr  zweiter  Gemahl,  Herzog  Johann  Friedrich  der 
Mittlere,  begehrte,  dann  die  Markgräfin  Elisabeth 
Magdalena  zu  Brandenburg  heiraten  sollte  (H.-St.-A.: 
Orig.-Urk.  No.  10  948  und  10  958,  sowie  III,  131  fol.  17 
No.  2  und  fol.  18  No.  3  Bl    14b  u.  ö.). 

Des  Kurfürsten  Tod  (1586). 

Bisher  wurde  angenommen,  dafs  der  Kurfürst  am 
11.  Februar  1586  „in  Moritzburg  vom  Schlage  gerührt" 
an  demselben  Tage  in  Dresden  gestorben  sei").  Ein  mir 
vorliegendes,  aus  Dresden  11.  Februar  1586  datiertes 
Originalkonzept  "^)  des  Sohnes  und  Thronfolgers,  Herzogs 
Christian  I.,  an  den  Kurfürsten  Johann  Georg  zu  Branden- 
burg, Augusts  Freund  und  Schwager,  belehrt  uns  jedoch 
eines  Anderen.  Dieses  Schriftstück  (von  der  Hand  des 
Kammersekretärs  Jenitz,  welcher  von  allen  Ereignissen 
am  kursächsischen  Hofe  genau  unterrichtet  zu  sein  pflegte) 
ist  kurz  vor  dem  Abscheiden  Augusts  abgefaßt  worden 
und  lautet  in  der  Hauptsache  also: 

„ El.  kouuen  wir  mitt   gantz    bekommertteu   geinuth 

nicht  verhaltten ,  das  unser  gnediger ,  hertzliebster  herr  vater  am 
nehern  mittwoch  mitt  s.  1.  geliebten  gemahell  von  hinnen  nach  der 
Moritzburg  verreiset ,  sich  daselbst  mitt  Veränderung  der  lufft  ein 
wenig  zu  er  lustigen.  Als  aber  s.  g.  heut  dato  nach  der  fruhnialtzeif") 
widerumb  auffm  Schlitten  hierein  gefahren  und  abgestiegen, 
haben  sie  sich  ubell  entpfunden  und  gefragt,  ob  man  nicht  balde  in 
s.  g.  gemach  were  und  do  sie  hienein  bracht,  ohne  zweifei  aus  mat- 
tigkait,  einen  trunck  begeret  und  gethan,  auch  das  haupt  gegen  s.  g. 
geniahl  geklaget.  Bald  aber  hernach  hat  man  an  der  sprach  und 
andern  antzaigungen  vermerckt,  das  leider  s.  g.  der  schbag_  zuge- 
hangen ,  derhalben  man  s.  g.  wenig  mehr  sinlicher  entpfindlichkait 
habenn  .  .  .  ." 

Nach   dem  ebendaselbst  befindlichen  Konzepte   der 


")  Man  vergl.  z.  B.Böttiger-Flathe  a.  a.  0.  II,  93. 
'«)  Man  vergl.  H.-St.-A.  III,  1  fol.  7  NB. 
'^j  Zuvorhatte  er  ai;ch  noch,  wie  aus  H.-St.-A.  III,  51a  fol.  36 
No.  31  Bl.  49  erhellt,  Gottes  Wort  gehört. 

22* 


340  Kleinere  Mitteilungen. 

Todesmeldung  vom  12.  Februar  1586  starb  August  am 
Abend  zuvor  „umb  6  Uhr"^^).     , 

Nach  diesem  Schreiben  widerlegt  sich  das  bald  darauf 
in  Italien  aufgetauchte  „leichtfertige,  liederliche  Gedicht"^^), 
August  sei  vergiftet  worden,  von  selbst;  dasselbe  wird 
auch  durch  das  hier  an  erster  Stelle  angezogene  Akten- 
stück hinfällig. 

Eine  „Kupfergradierung"  seines  Leichenbegängnisses 
von  dem  xinm.  59  erwähnten  Maler  (Johannes  Chro  excude- 
bat)  und  eine  genaue  Beschreibung  desselben  liegen  mir 
vor^^),  desgleichen  kam  ich  bei  meinen  Studien  auf  das 
Original  und  eine  Abschrift ^'^)  einer  latemischen  Elegie  auf 
des  Kurfürsten  Tod  in  sechzehn  Hexametern ,  deren 
Dichter  kein  geringerer  ist,  als  der  Landgraf  Moritz  zu 
Hessen,  der  sie  mit  einem  lateinischen  Überreichungs- 
schreiben  vom  2.  März  1586  sandte.  Unter  derselben 
steht  ein  das  volle  Sterbedatum  enthaltendes  Chronostichon : 

„CVM  peteret  CoeLos  AVgVstVs  FebrVa  forte 
Per  CeLebrant  soLIs  post  tres  oCtoqVe  regressVs." 

Vor  Augusts  Beisetzung  in  Freiberg  (14.  März  1586) 
dies  sei  hier  gleich  mit  erwähnt,  fand  auch  eine  kleine  Re- 
novation des  Moritzmonumentes  im  dortigen  Dome 
statt,  bei  welcher  die  Kosten  mit  2  Gulden  18  Groschen 
angesetzt  sind***). 

Drei  Jahre  später  arbeitete  Nosseni  am  Epitaphe 
Augusts ^■^).  Die  Abbildung  der  Statue  und  die  dazu  ge- 
hörige Gedächtnisschrift  befinden  sich  in  Steches  Be- 
schreibender Darstellung  Heft  III,  Beil.  VII  und  S.  50. 

Totenbilder  des  Kurfürsten  August  und  der  Kurfürstin 


s")  Vergl.  auch  H.-St.-A.  III,  1  fol.  7  No.  1  Bl.  132  in  Ver- 
bindung mit  Bl.  131  zu  Anfang. 

81)  Gerücht;  nach  H.-St-A.  III,  51a  fol.  22  No.  107  Bl.  132— 35 
a.  E.und  den  1592  ff.  ergangenen  Akten:  III,  76  fol.  202  No.  52  a.  m.  00. 

^-)  Königl.  öffentliche  Bibliothek  zu  Dresden:  Hist.  Saxon.  C  23m 
(unvollständig)  und  Königl.  Kupferstichkahinet  ebendaselbst  No.  1248 
(desgl.);  sowte  H.-St.-A.  HI,  1  fol.  7  No.  1  Bl.  173 if.,  No.  2  Bl.  116  ff., 
No.  3  Bl.  76  ff.  —  Über  den  Aufwand ,  welchen  das  Begräbnis  ge- 
fordert hat,  berichtet  H.-St.-A.  III,  1  fol.  7  b  No.  4. 

«3)  H  -St.-A.  III,  1  fol.  7  No.  3  Bl.  104  bis  106  und  No.  2  Bl.  64/5. 
—  Nacli  einer  No.  3  Bl.  107  zu  lesenden  Notiz  wurde  Moritzen  eben- 
falls in  lateinischer  Sprache  (Konz.  wohl  von  Peifer  entworfen) 
gedankt. 

^)  H.-St.-A.  III,  1  fol.  7b  No.  4  Bl.  13  b. 

85)  H.-St.-A.  Kop.  558  fol.  248  ff,  286  ff 


Kleinere  Mitteilungen.  341 

Anna  sah  ich  kürzlich  im  Restaurationszimmer  der  Künigl. 
Gemäldegallerie,  wolün  sie  aus  der  Königl.  Gewehrgallerie 
gelangt  sind.  Dieselben  gehören  der  Kranachschen 
Schule  an. 

3.  Leipzigs  Banlierott  und  die  Schweden  in  Leipzig 

seit  1642. 

Von  Dr.  E.  Kroker. 

Was  in  einem  städtischen  Haushalt  unserer  Zeit  die 
städtischen  Anleihen  sind,  das  waren  in  früheren  Jahr- 
hunderten freiwillige  Darlehen,  die  dem  Rat  gegen  Ver- 
zinsung angeboten  wurden.  Gröfsere  Städte,  die  im 
Schutz  ihrer  Ringmauern  und  durch  den  Reichtum,  den 
Handel  und  den  Gewerbfleils  ihrer  Bürgerschaft  besondere 
Sicherheit  zu  bieten  schienen,  durften  in  ruhigen  Zeiten 
stets  auf  fremdes  Geld  rechnen  und  konnten  mit  fremdem 
Gelde  wirtschaften. 

Aus  solcher  Wirtschaft  drohte  leicht  Milswirtschaft 
zu  werden.  Sie  stürzte  Leipzig  in  den  ersten  Jahrzehn- 
ten des  17.  Jahrhunderts  in  einen  völligen  Bankerott.- 
Schon  Grolse  erwähnt  in  seiner  Geschichte  der  Stadt 
Leipzig  (II,  255),  dals  die  Stadt  im  Jahre  1627  nicht 
mehr  im  Stande  war,  dem  Rat  zu  Weimar  einen  Zinsen- 
betrag von  vierzig  Thalern  auszuzahlen.  Grolse  führt 
die  Not  der  Stadt  auf  die  Unsicherheit  im  Münzwesen 
und  die  Kriegsunruhen  zurück,  obwohl  Leipzig  damals 
noch  gar  nicht  vom  Krieg  heimgesucht  worden  war.  Erst 
Hasse  hat  in  der  Geschichte  der  Leipziger  Messen 
(S.  107  ff.)  nachgewiesen ,  dafs  Leipzig  nicht  durch  den 
Krieg  in  die  hilflose  Lage  versetzt  wurde,  dafs  es  viel- 
mehr durch  die  „Bankgeschäfte",  die  der  Rat  betrieb, 
in  dem  kurzen  Zeitraum  von  1610  bis  1623  mit  einer 
Schuld  von  mehr  als  vierzig  Tonnen  Goldes  belastet  wor- 
den war  und  dafs  der  Kurfürst  deshalb  schon  im  Jahre 
1627  eine  Kommission  zur  Untersuchung  der  Milswirt- 
schaft hatte  einsetzen  müssen. 

Zu  den  Aktenstücken,  die  Hasse  im  städtischen 
Archiv  benützte,  sind  jetzt  in  den  damals  noch  nicht  ein- 
geordneten Restbeständen  des  Archivs  gewissermafseu 
die  Belege  gefunden  worden.  Es  sind  Hunderte  von 
Mahnbriefen  an  den  Leipziger  Rat,  alphabetisch  geordnet 
und  in  Bündel  zusammengeschnürt,  vom  zweiten  Jahr- 


342  Kleinere  Mitteümigeu. 

zehnt  bis  in  die  sechziger  Jabre  des  17.  Jaliilmnderts 
und  noch  weiter  herab ;  denn  die  kurfürstl.  Kommission 
vermochte  während  des  Kriegs,  der  seit  1631  auch  über 
Sachsen  hereingebrochen  war,  das  Schuldenwesen  der 
Stadt  nicht  zu  ordnen. 

Diese  Mahnbriefe  geben  über  den  Umfang  der  Bank- 
geschäfte ,  die  der  Leipziger  Rat  betrieben  hatte ,  Auf- 
schlufis.  Wir  erfahren  daraus,  wie  nicht  nur  der  Adel 
Sachsens  und  Thüringens  dem  Rate  hohe  Summen  anver- 
traut hatte;  auch  von  Bürgern  sächsischer,  süddeutscher, 
rheinischer  und  nordischer  Städte  waren  der  Ratskämmerei 
Darlehen  in  der  Höhe  von  hundert  bis  zu  mehreren  lau- 
senden von  Thalern  überlassen  worden.  Der  Rat  hatte 
eben  alles  genommen,  was  zu  haben  war,  und  je  bedenk- 
licher seine  Lage  geworden  war,  um  so  unbedenldicher 
nahm  er  auch  die  kleinsten  Beträge  auf  und  suchte  die 
alten  Schulden  mit  neuen  Schulden  zu  decken.  Die  letzten 
Ursachen  des  Krachs  sind  noch  nicht  ganz  klar.  Es 
waren  wohl  die  riesenhaften  Spekulationen,  die  einzelne 
Rats-  und  Handeisherren,  wie  die  Lebzelter,  Heinrich  von 
Claulsbruch  genannt  Kramer,  Schwendendörffer  u.  a.  mit 
der  Ausbeute  der  Mansfelder  Kupfergruben  begonnen 
und  in  die  sie  dann ,  wie  es  scheint ,  den  Rat  hineinge- 
zogen hatten.  Auch  hierüber,  besonders  über  den  Nach- 
lals  Heinrich  Kramers,  eines  Handelsherren,  dessen  Aktiva 
und  Passiva  bei  seinem  Tod  auf  mehrere  Millionen  Gul- 
den angegeben  werden,  sind  aus  den  Restbeständen  des 
Archivs  dicke  Aktenbündel  zum  Vorschein  gekommen, 
doch  muls  es  einer  späteren  Untersuchung  vorbehalten 
bleiben,  diese  für  die  Geschichte  der  Stadt  und  ihrer 
Handelsbeziehungen  wichtigen,  aber  sehr  verwickelten 
Verhältnisse  darzulegen. 

Jedenfalls  war  der  Rat  zu  Leipzig  schon  im  Anfange 
der  zwanziger  Jahre  völlig  zahlungsunfähig.  Er  vermochte 
nicht  nur  die  ihm  anvertrauten  Hauptsummen  nicht  zurück- 
zuzahlen ;  er  zahlte  auch  keine  Zinsen  mehr  aus.  Das  Un- 
heil, das  hierdurch  während  des  jammervollen  Kriegs  über 
Hunderte  kam,  tritt  uns  in  den  zahllosen  Mahnbriefen  er- 
schütternd entgegen ;  immer  und  immer  wieder  die  Bitte, 
doch  wenigstens  die  Zinsen  auszuzahlen,  und  immer  die 
gleiche  trostlose  Antwort:  Warten!  Ein  Augsburger  Bürger 
fordert  sogar  die  Ratsherren  in  einem  mit  Blut  geschriebe- 
nen Brief  vor  den  Teufel  und  vors  Gericht  —  es  wird 
ihm  wolü  auch  nichts  geholfen  haben. 


Kleinere  Mitteilniig'en.  343 

Die  meisten  von  diesen  Mahnbriefen  sind  nur  in  ihrer 
Gesamtheit  von  einiger  Bedeutung.  Einige  wenige  aber 
verdienen  besondere  Beachtiuig,  sei  es  wegen  der  Per- 
sönlichkeit des  Schreibenden  oder  wegen  geschiclitlicher 
Einzelheiten,  mit  denen  sie  uns  nebenbei  bekannt  machen. 
Der  ganze  Jammer  des  Kriegs  spricht  aus  diesen  Briefen 
zu  uns,  das  Darniederliegen  des  Handels  und  aller  Ge- 
schäfte, das  Plündern  und  Niederschlagen  auf  offner 
Strafse,  das  Niederbrennen  der  Güter  und  Dörfer.  Aber 
inmitten  von  Brand  und  Leichen  quillt  doch  immer  wieder 
die  unversiegliche  Kraft  des  Volks  hervor,  in  dem  Wunsche, 
mit  den  letzten  übrig  gebliebenen  Gulden  die  Schulden 
zu  bezahlen  und  den  Handel  neu  zu  beginnen,  das  ver- 
brannte Gut  aus  dem  Schutte  wieder  aufzubauen  und 
die  wüsten  Felder  wieder  zu  bestellen. 

Wie  hart  Leipzig  selbst,  das  sieben  Jahr  und  acht 
Monate  lang  in  den  Händen  der  Schweden  war,  vom 
Kriege  betroffen  wurde,  darüber  geben  ein  Schreiben  der 
Königin  Christina  von  Schweden  an  den  Rat  und  das 
vom  Stadtschreiber  Zeithopf  aufgesetzte  Antwortschreiben 
Auskunft.  Beide  Briefe  sind  nur  in  Abschriften  da.  Ilir 
Wortlaut  ist: 

1.  Christina,  Dei  gratia,  Suecoruni,  Gothorum  Waiidalonim- 
que  designata  Regina  et  Princeps  haereditaria,  Magna  Prin- 
ceps  Finlaudiae,  Dux  Esthoniae  et  Careliae,  lugriaeque 
Domina  etc. 

Gratiani  et  favorem  nostrum  siugulareni,  Spectabiles  et  Consul- 
tissimi,  Nobis  sincere  dilecti.  Qiü  praesentes  literas  Nostras  ad  vo.s 
perlaturns  est,  Minister  noster  Balthasar  David  Kohl,  humilime  indicari 
Nohis  fecit,  mediocreni  quantitatem  peeuniae  sibi  fratrique  suo  ex 
defuncto  patre,  haereditario  jure  in  se  translatam,  ä  vobis  ac  civitate 
vestra  deberi.  In  qua  ä  vobis  repetenda  idem  couquestus  Nobis  est 
operara  se  hactenüs  perdidisse  ;  debita  subjectione  Nos  rogans,  vellenius 
negotio  huic  clementissimam  opem  Nostraiu  conferre,  quo  iaciliorem 
ejus  consequendi  viam  invenire  possit.  Nos  licet  haudquaquam  ignarae 
simus  praesentium  rerum  vestraruni  difficilem  esse  conditionem,  ut 
vel  hujus  respectu  illa  non  parum  Nos  afficiat;  Cum  tamen  aequitati 
consonnm  sit,  ut  quisquis  reddatur  compos  earum  rerum ,_  quae  sibi 
jure  merito  debentur,  praesertim  cum  ea  inveniri  solutionis  ratio 
expedita  possit,  quae  modernas  difücultates  non  äuget,  sed  mitigat 
et  iusecuturas  majores  praevenit,  committere  non  potuimus,  quin  im- 
ploratam  ä  Nobis  commendationem  et  opem  praefato  ministro  Nostro 
deferremus,  atque  hisce  vos  seriö  rogaremus,  ut  indilatam  exsolvcndi 
debiti  hujus  vestri  curam  habeatis;  Atque  si  non  tutam  uno  sinml 
tempore,  certis  nihilominus  et  determinatis  mensibus  vel  partibus  anni 
certam  peeuniae  summam  creditori  reponatis;  Noluimus  commenda- 
titiis  et  monitoriis  Nostris  hactenüs,  quanivis  sedulö  et  instanter _re- 
quisitae  ab  aliis  multis,   molestiam  vobis  creare;  Quae  res  fiduciam 


344  Kleinere  Mitteilungen. 

Nobis  ac  calcar  addet  speraudi.  ut  hisce  literis  Xostris  atque  im- 
pertitae  ministro  Xostro  Kohlio  ad  tos  commendatioui  morem  baud 
gravate  gestmi,  eique  et  fratri  ad  dictum  eumque  tolerabilem  modum 
satisfacturi  sitis ;  Prout  Xostro  armomm  ac  Praesidiorum  apud  tos 
praefecto  injunsimus.  id  ipsum  apud  tos  ut  ui'geret  et  peiüceret. 
De  caetero  Tobis  gratiä  Xosträ  Regia  addictae.  DiTinae  tos  protectioni 
commendamus.  Dabautur  in  PiCgia  Xostra  Stockolinensi  die  30.  Sep- 
tembris  Anno  1647. 

Christiaa. 
Spectabilibus  et  Consiütissimis  X'obis  sincere  dilectis  Con- 
siüibus  et  Senatui  ciTitatis  Lipsensis  Clementer. 

praes.  d.  10.  januarii  Ao.  1648.  post  meridiem. 

2.    Serenissüna  et  Potentissima  Princeps,   Eegina  et  Domina 
Clementi.ssima , 

Literas  Regiae  Vestrae  Majestaiis  die  30.  Septembris  anno  praeterito 
in  Regia  Testra  Stockolmen.«i  datas  Baltha.'sar  DaTid  Kohl  tradidit 
snperiori  mense  nobis  integi-as  et  obsignatas;  Quas  ipsas  nieritö  in 
bumillima  deTOtione  sümu.s  exosculali.  quud  V."--  ]\Iajestatis  nun  ob- 
seuram  iu  uos  clementiae  propensiouem  iudicarint.  Et  certe  üidubitatum 
Clementiae  nobis  signnm  est,  quöd  ß.a  V.ra  Majestas  conditionem 
rerum  nostrainim  sanequäm  in  praesenti  perdifficilem  haudquaquam 
iguoret,  quudqne  bujus  lespectu  non  parum  afticiatur:  Si  quidem  hoc 
ipsnm  mitigat  difficultatis  istius  rationera,  eü  quöd  scire  alicujus 
miseriam,  eaque  affici.  spem  ferat  auxilii  ab  illo  proTeuturi.  qui  auxiliari 
potis  est;  Quin  impendiü  magis  clementiae  nos  causa  beat,  quod  R.» 
V.ra  Majestas  commendatitüs  ac  monitoriis  suis,  quamTis  sedulö  et 
constanter  ab  aliis  niultis  jam  ante  requisita  molestiam  nobis  creare 
noluerit:  quod  Regium  benelicium  summa  uos  gratia  excipimus,  et 
tametsi  pro  eo  gratias  referre  non  possumus,  Tolumus  tarnen  id  gratiis 
nostris  omare  dum  TiTimus. 

Ad  ipsum  igitnr  scriptionis  institutum  quod  attinet,  nos  memores 
aeris  Xohliani  ab  antecessorilius  nostris  contracti  exsolnmus  illi 
Kohlio  Joacbimicos  ducentos  laboriose  comparatos.  et  utinam  suppeti- 
isset  plures  repraesentandi  copia.  certe  non  tarn  Terbis  quam  re  ipsa 
ostendere  Toluissemus.  quam  prompti  simus  creditoribus  nostris  ad 
Totum  satisfacere ;  prout  et  ipsi  juxtim  et  fratri  promisimtis  pro  ratione 
proTentuum  nostronim  siugTilis  nundinis  aliqualem  summam  reponere, 
nisi  forte  (quod  Superi  aTertantI)  temporum  injuria  eü  redigamiu-, 
quu  ulteriori  exsolTendi  facultate  destituamur,  quia  tum  fore  confidimus, 
ut  R.a  Y.ra  Majestas  rei  impossibili  et  extra  potestatem  nostram 
constittttae  aequam  se  praebeat  et  clementissime  ignoscat.  Xeque 
tarnen  lides  illa.  quam  ä  nobis  recepit  Kohlius,  eludit  nostram  ex- 
pectationem,  qtiin  cogitemus  omnimodö  futiuaiui,  utR.a  Y.ra  Majestas 
eorum  postulata,  qui  no.stris  antecessoribus  oüm  pecuniam  credidenint, 
durante  etiamnüm  difficili  rerum  nostrarum  conditione  postbinc  renuat, 
ob  quam  hactenus  ea  non  admisit :  quod  si  enim  bac  in  difiicultate 
ä  nobis  plura  sint  sokenda  nomina,  sane  reliquum  erit,  ut  ecclesiarum 
scholaiTunque  nostrarum,  itemque  seuatüs  et  curiae  necessai'ios  mi- 
nistros  et  alios  suo  salario ,  cujus  jamdudum  tIx  dimidiam  partem 
capere  quiTemnt,  carere  oporteat :  quin  et  debinc  actum  erit  de  statüs 
nostri  ratione.  ut  nihil  nisi  sepultura  restet.  Quare  R.a™  V.ram  ;jXa- 
jestatem  supplices  rogamus  et  per  Deum  obtestamur.  ut  creditorura 
causis  imposterum  omissis  ä  ruinä  statüs  nostri  clementissime  parcere 
ne  desistat. 


Kleinere  Mitteilungen.  345 

Caeterum  si  B..^^  v.ram  Majestatem  diixtii;s  Mc  affari  liceret, 
existimaremns  arreptä  liac  occasione  nobis  facieudum  esse,  nt  statum 
civitatis  Lipsiae,  pront  in  praesenti  miseria  est,  sub  aspectum  R.ae 
V.rae  Majestatis  bnmillime  nunc  locai'emus.  Equidem  si  retrü  spectemus 
ad  illa  tempora,  quibus  in  deditionem  vestrarum  copiarum  concessit 
Lipsia,  tiun  oportuit,  ut  datis  centum  et  qiiiuquagiuta  mille  Joachinü- 
cis  res  suas  redimeret,  qu("i  railites  ä  populatione  cohiberentiu' :  quod 
ipsum  redemptionis  pretiuui  tantuui  nou  enecabat  civitatem,  utpote 
jampridem  diutimiä  belli  calamitate  annos  aliquammultos  exhaustam, 
Sed  eheu  in  quantos  incolanim  snmptüs  progressa  deinceps  sunt  R.^'e 
V.rae  Majestatis  hie  posita  praesidia!  Excurrunt  euim  sumptus  illi 
quater  centena  et  vicies  novies  millena  Joachimicorum ,  quos  civitas 
ä  menseDeeembri  Anno  supra  millesimum  sexcentesimum  quadragesimo 
secundo  usque  ad  ultimum  Januarii  hujus  anni  in  numeratä  pecunia 
exsolvit,  prout  adjecta  scheda  literä  A  notata  singulos  suo  nomine 
designat,  Unde  prob  dolor!  factum,  ut  magna  incolarum  parte  ad 
incitas  redactä,  caeteris  pancioribus  praesidia  sustentandi  onus  accre- 
verit,  qui  tarnen  profectO  non  ita  sunt  firmi  ab  opibus,  ut  tantis  im- 
pendiis  diutius  respondere  queant,  praesertim  cursu  negotiationum 
et  mercatuum,  quibus  hoc  emporium  auimatur,  in  tantum  hactenus 
impedito.  Vertunt  itaque  solum  negotiatores ,  deplorant  donuis  suas 
tril)utarias  viduae  ac  pupilli,  et  tam  graves  tributorum  militarium 
exactiones  queruntur  omnes,  quin  et  virium  nostrarum  haud  esse,  ut 
posthac  ad  hodiernum  contriliuendi  luodum  pergamus,  attestatur  ipsa 
veritas,  Adeü  scilicet  ob  diuturna  illa  tiibuta  res  civitatis  istius  sunt 
affectae,  ut  parietinae  quam  civitati  louge  siut  similiores. 

Cum  igitui-,  ü  Regina  et  Heroina  christianissima!  R.'^e  V.iae 
Majestatis  auxilium  nos  intoleraliili  hac  tiibutorum  gravitate  unice 
levare  queat:  Eapropter  singulari  gratiä  et  favore,  quem  literae  Ma- 
jestatis vestrae  in  frontispicio  poliicentur,  freti  non  duliitamus  ad 
R.ae  V.rae  Majestatis  clementiam  confugere,  humillime  exobsecrantes, 
ut  si  quid  Augustanae  Confessioni  addictorum,  si  quid  Academiae, 
si  quid  denique  civitatis  hujus  couservandae  causa  velit,  tributum 
illud  trium  millium  Joachimicorum,  quod  hactenus  praesidiis  vestris 
ä  civitate  in  singulos  menses  fuit  conferendum.  Regia  manu  sublevare 
ne  gravetur.  utque  posthac  ultra  id,  quod  R.»  V.i"»  Majestas  ad  mi- 
norem tributi  summam  redegerit.  civitati  nihil  amplius  ä  praesidiis 
imponatur.  Dens  ter  Opt.  Max.  R.''">  Yjam  Majestatem  diu  salvam 
])raestet  et  florentissimam  I  id  quod  ardenti  votorum  cousensu  precamur, 
Lipsiae  ad  diem  18.  Februarii  Ao.  I(i48. 

R.ae  v.rae  Majcstati  sulijectissimä  devotione  Senatus 
Lipsiensis.     Johannes  Zeithopf  concepit. 

Serenissimae  et  Potentissimae  Principi  ac  Domiuae,  Dominae 
Cliristinae,  Suecorum,  Gothorum  Vaudalorumque  designatae 
Reginae  et  Principi  haereditariae,  Magnae  Ducatüs  Fin- 
landiae  Principi,  Esthoniae  et  Careliae  Duci,  Ingriaeque 
Dominae   etc.  Reginae  et  Domiuae  nostrae  clementissimae. 

A. 

Königl.  Schwed.  coutribution  vom  monat  Decembri  Ao.  1642  bis 
ultimo  Januarii  Ao.  1648  ist  bezahlt     .     .     199  180.     —     — 

Glockengelder 4  000.     —     — 

Ran^ion 1.50  000.     —     — 

Servifs  undt  Tafelgelder  der  hohen  Officirer  .    .      24158.     21.    6. 


346  Kleinere  Mitteilungeu. 

Dem  Greneral statt  vor  selbige  Einquartirimg     .  2  000.  —  — 

Königl.  Schwed.  fuhren,   so  man  bezahlen  müssen  1;}364.  13.  — 

Soldaten  Speifsung i  294.  —  — 

Commis  Koni 2  981.  —  — 

Fortification-  undt  baukosteu 25  557.  3.  — 

Servifs  denen  in  den  Zwingern  einlogierten  Sol- 
daten   2  429.  —  — 

Liechteiif  alle  Wachen  in  den  postennndt  Zwingern  8  053.  3.  — 


Summa    429  017.    16.     6. 
Vom  monat  Februario   bis  ultimo 
Julii  Ao.  1648  fernem   contri- 
bution    .     .    ■       18  000. 

447  017.     16.     6. 

4.   Die  älteste  Schulordnung  der  Kreuzscliule 

zu  Dresden. 

Mitgeteilt  von  H.  Er  misch. 

Ein  1404  angelegtes  Stadtbuch  von  Dresden,  das  ich 
vor  kurzem  unter  an  das  Dresdner  Hauptstaatsarcliiv 
abgegel)enen  Akten  des  hiesigen  Amtsgerichts  fand  und 
demnächst  in  den  „Dresdner  Geschichtsblättern"  ein- 
gehender besprechen  will,  enthält  auf  Bl.  51  ein  Schrift- 
stück, das  wohl  als  das  wichtigste  Dokument  zur  mittel- 
alterlichen Schulgeschichte  Dresdens,  ja  vielleicht  Sachsens 
bezeichnet  werden  muls  und  daher  verdient,  so  bald  als 
möglich  der  Forschung  zugänglich  gemacht  zu  werden. 

Es  ist  eine  um  1413  niedergeschriebene  Schulordnung 
der  Dresdner  Kreuzschule.  Die  Zeit  ergiebt  sich  daraus, 
dafs  als  ihr  Verfasser  ein  Magister  Nicolaus  Thirmann 
erscheint,  von  dem  wir  wissen,  dals  er  in  den  Jahren 
1413 — ^1424  das  Amt  eines  Stadtschreibers  in  Dresden  be- 
kleidete^) ;  als  Rektor  der  Kreuzschule  war  er  der  Nachfolger 
des  Meister  Peter,  d.  h.  jenes  bekannten  Peter  von  Dresden, 
der  um  1412  oder  1413  wegen  ketzerischer  Lehren  aus 
der  Diücese  Meilsen  ausgewiesen  wurde,  dann  in  Prag 
während  der  hussitischen  Bewegung  eine  noch  nicht  völlig 
klargestellte  Rolle  spielte  und  1421  auf  dem  Scheiterhaufen 
endete-).  Thirmann  übernahm  also  die  Leitung  der  Stadt- 
schule offenbar  gleichzeitig  mit  dem  Stadtschreiberamte  ■^); 
er  behielt  sie  wohl  nur  bis  1418,  wenigstens  sandte  damals 

')  Vergl.  ßichter,  Verfassungsgesch.  der  Stadt  Dresden  S.  378 
-)  Vergl.  Meltzer,  Die  Kreuzselmle  zu  Dresden  bis  zur  Ein- 
führung der  Reformation  (Dresden  1886),  S.  33  ff.  54  ff'. 

^)  Beispiele  für  die  Verbindung  beider  Ämters  in  dieser  Zeit- 
schrift X,  91. 


Kleinere  Mitteilungen.  347 

der  Dresdner  Rat  einen  Boten  an  den  Bischof  zu  Meilsen 
„umbe  den  miwen  schulmeistir".  Jedenfalls  fällt  unsere 
Ordnung  in  die  erste  Zeit  von  Tliirmanns  Rektorat  und  ist 
somit  älter  als  die  Bautzner  Schulordnung  von  1418,  die 
bisher  für  die  älteste  sächsische  Schulordnung  galt*). 

Ihr  Inhalt  betrifft  zwar  nui'  die  Einkünfte  der  ein- 
zelnen Lehrer,  eröffnet  uns  aber  eine  Reihe  höchst  inter- 
essanter Einblicke  in  die  Gescliichte  des  mittelalterlichen 
Unterrichtswesens.  Mit  Rücksicht  auf  den  Raum  müssen 
wir  uns  leider  darauf  beschränken,  lediglich  den  Wortlaut 
mitzuteilen,  und  die  Erläuterung  und  wissenschaftliche 
Verwertung  der  Ordnung  Berufeneren  überlassen. 

Also  pflegit  man  is  zu  halden  in  der  schule  zu  Dresden, 

Des  Schulemeisters  lone.  Ein  iezlich  virteil  iars  II  gr. 
von  iezliehem  burgers  sone,  der  habende  ist.  Item  zu  pfingsten, 
Michaelis,  Wynachten  und  Ostern  ufstribeheller  von  iezliehem  II  heller. 
Item  Martini,  Blasii,  Philippi,  Bartholomei  lafsheller  von  iezliehem 
II  heller.  Item  vor  keniheller  uf  Margarete  von  den  riehen  VI  hel- 
ler, item  von  den  armen  III  heller.  Item  vor  holcz  II  gr.  Item 
meteheller  der  had  man  nicht  genoraen  bie  magistro  Nicoiao  Thirraan. 

Der  locaten  lone.  Item  iezlich  virtil  iars  von  deme  riehen 
I  gr.  Item  y  obir  III  wochin  von  deme  riehen  II  heller,  pauper 
[nihil?].  Item  sangkheller  super  festum  Katheriue  von  iezliehem 
i  gr.  Item  zum  uuwen  iare  von  iezliehem  riehen  I  gr.  Item  so 
vil  zum  iarmargkte  sive  Johannis  baptiste.  Item  super  festum 
puriticaeionis  luchteheller  von  deme  riehen  II  heller,  item  von  den 
armen  I  heller.  Item  vor  deme  anhebin  der  buchere,  die  nicht 
buchere  wider  die  locaten  köuffen.  Item  von  der  regil  I  gr.  Item 
vom  Donat  II  gr.  Item  von  deme  prima  parte  II  gr.  Item  von 
deme  alphabeth  I  gr. 

Des  signatoris  lone.  Item  iezlich  virtil  iars  VI  heller 
von  deme  riehen.  Item  wenn  die  armen  fremden  schuler  loube  bi- 
ten  zum  ersten  in  die  schule  zu  gehin  IUI  heller.  Item  vor  hefs- 
heller  von  deme  riehen  IUI  heller,  von  deme  armen  II  heller. 

Also  ist  is  gehalden  bie  meister  Peter  und  allen  mynen  vor- 
farn,  als  ichs  eigintlich  undirricht  bin,  und  sal  ouch  also  bie  mir 
magistro  Nicoiao  Thirmanue  gehalden  werden. 

Umbe  den  past,  als  man  is  ouch  bie  meister  Peter  und  andern 
gehalden  had.  Item  zum  ersten  die  schulere,  die  alleyne  hören 
primam  partem  und  secundam,  sie  weren  rieh  adir  arm,  die  gehin 
keynen  andern  past  dann  in  dryen  wochen  der  riebe  II  hl.,  die 
armen  I  hl.  Dieselbin  musten  messen  und  vespere  an  den  wergke- 
tageu  singen  und  zu  chore  gehen.  Item  die  schulere,  die  lecciones 
in  loyca  boren  imd  exercicia  habin  in  loycalibus,  die  pflegen  zu  gebin 
V  gr.  y  das  halbe  iare.  Item  die  lecciones  in  philosophia  hören  und 
exercicia  doriune  habiu,  die  gebin  VII  gr.  Item  gramatici,  die  obir 
primam  und  secundam  partes  andere  grosse  und  cleyne  gramaticalia 
und  exercicia  hören,  die  gebin  II  gr. 

■*)  Vergl.  diese  Schulordnung,  die  viele  Parallelen  bietet,  bei 
Job.  Müller,  Vor-  und  frühreformatorische  Schulordnungen  und 
Schulverträge  1  (Zschopau  188.5).  38  ff. 


Litteratiir. 


Die  staatsiecütlicüe  Stellung-  des  Königlich  Säclisisclion  Mark- 
L'rafentnnis  Oberlausitz.  Von  Max,  Herzog  zu  Sachsen,  Doktor 
heider  Rechte.     Leipzig  (1892).  5  Ell.  60  SS.  8'^. 

Unter  den  mainiigfaclien  verwiclielten  Fragen,  die  das  weiland 
heilige  Römische  Reich  deutscher  Nation  dem  Scharfsinn  der  neueren 
Staatsrechtskundigen  als  Erbteil  hinterlassen,  hat  der  hohe  Herr 
Verfasser  der  vorliegenden  Arbeit  wohl  eine  der  schwierigsten,  jeden- 
falls aber  eine  der  interessantesten  zum  Gegenstande  seiner  juristischen 
Doktordissertation  gewählt.  Die  staatsrechtlichen  Eigentümlichkeiten 
der  Oberlausitz  sind  schon  wiederholt  Gegenstand  der  wissenschaft- 
lichen wie  der  diplomatischen  Erörterung  gewesen,  ohne  dafs  bisher 
ein  eigentlicher  Abschluls  erreicht  worden  wäre;  die  Frage  einem 
solchen  näher  geführt  zu  haben,  ist  ein  unzweifelhaftes  Verdienst  der 
klar  und  überzeugend  geschriebenen  Arbeit.  Die  Würdigung  ihres 
Hauptinhalts,  der  staatsrechtlichen  Schlüsse,  die  aus  dem  mit  kriti- 
schem Verständnis  zusammengestellten  Material  gezogen  werden, 
müssen  wir  freilich  den  Juristen  überlassen.  Allein  nur  aus  der 
geschichtlichen  Entwicklung  heraus  sind  Rechtsfragen  wie  die  vor- 
liegende zu  verstehen,  und  es  ist  daher  begreiflich,  wenn  die  „historische 
Einleitung"  fast  die  ganze  erste  Hälfte  des  Buches  in  Anspruch 
nimmt.  Somit  können  wir  das  Werkchen  auch  als  einen  Beitrag  zur 
vaterländischen  Geschichte  willkommen  heifsen,  und  als  solchen  ditrfen 
wir  es  an  dieser  Stelle  etwas  näher  beleuchten. 

Noch  jetzt  bildet  die  Grundlage  für  die  staatsrechtliche  Stellung 
der  Oberlaüsitz  der  Traditionsrezefs  vom  30.  Mai  16a5,..und  von 
ihm  geht  der  hohe  Verfasser  daher  nach  einem  kurzen  Überblicke 
ülier  die  älteren  Schicksale  der  Lande  aus.  Diu-ch  diesen  Rezefs 
wurde  bekanntlich  die  seit  1355  der  Krone  Böhmen  inkorporierte 
Oberlaüsitz  an  das  Kurhaus  Sachsen  abgetreten;  Böhmen  behielt 
nm-  eine  Oberlehnsherrlichkeit,  welche  die  Landeshoheit  der  Wettiner 
nicht  fühlliar  beschränkte,  ein  Wiedereinlösungsrecht  bei  Aussterben 
des  albertinischen  (und  des  inzwischen  ausgestorbenen  herzoglich  alten- 
burgischen)  Mannesstammes  und  ein  Heimfallsrecht  für  den  Fall  des 
Abgangs  aller  Erbberechtigten.  Dagegen  verpflichtete  sich  der 
Kurfürst,  die  katholische  Geistlichkeit,  das  Bautzuer  Domstift  und 
die  beiden  Klöster  bei  ihren  Rechten  (insViesondere  der  Exemtion  von 
aller  weltlichen  Gerichtsltarkeit)  zu  erhalten,  auch  das  oberste  jus 
protectionis  der  Krone  Böhmen  über  jene  nicht  anzutasten,  überhaupt 
in   Religionssachen   beider  Konfessionen  keine   Neuerungen  vorzu- 


Litteratur.  349 

nehmen,  endlich  die  Stände  bei  ihren  alten  Rechten  zw 
lassen  und  nur  mit  ihrer  Zustimmung  Verfassungsän- 
derungen zu  bewirken.  Diese  letztere  Bestimmung  erscheint 
als  die  wichtigste;  sie  bildet  die  „Gewähr  der  Oberlausitzer  Ver- 
fassung". 

Wie  sich  auf  Grund  dieser  Abmachungen  die  Verfassung  der  Ober- 
lausitz in  den  beiden  folgenden  Jahrhunderten  gestaltete,  entwickelt 
der  zweite  Paragraph.  Das  Verhältnis  der  Oberlausitz  zu  den  übrigen 
kursächsischen  Landen  läfst  sich  nicht  durch  einen  modernen  Begriff, 
etwa  durch  den  der  Personalunion,  bezeichnen;  „unsere  heutigen 
logischen  Konstruktionen  des  Staates  versagen,  wenn  wir  mit  ihnen 
diese  Rechtszustände  alter  Zeit  erfassen  wollen."  Die  Person  des 
Herrschers  war  es,  was  das  bunt  zusammengesetzte  Staatsgebilde 
zusammenhielt;  die  Oberlausitz  war  ein  Teil  dieses  Staatsgebildes 
wie  andere,  sie  wird  gelegentlich  geradezu  als  Provinz  bezeichnet; 
sicher  darf  sie  nicht  als  ein  Staat  für  sich  augesehen  werden.  Aber 
die  Landesherrlichkeit  war  hier  beschränkt  namentlich  durch  weit- 
gehende Rechte  der  Stände,  deren  Verfassung  und  Organisation  ein- 
gehend dargelegt  wird.  Was  das  Recht  der  Gesetzgebung  anlangt, 
so  hat  dies  im  allgemeinen  der  Markgraf,  und  lediglich  bei  ihm  steht 
es,  bei  welchen  wichtigen  Sachen  er  die  Stände  fragen  will ;  dagegen 
müssen  diese  gefragt  werden  bei  Verfassungsänderungen  und  haben 
ferner  ein  weitgehendes  Steuerbewilligungsrecht,  das  ja  überall  die 
Wurzel  des  ständischen  Einflusses  bildet.  Auch  erlassen  in  imieren 
Angelegenheiten  die  Landtage  selbst  gesetzliche  Bestimmungen,  die 
nur  ausnahmsweise  der  landesherrlichen  Genehmigung  bedürfen.  Sehr 
bedeutend  ist  der  Einflufs  der  Stände  auf  Justiz  und  Verwaltung. 
Zwar  ist  der  Landvogt,  der  als  Statthalter  und  Vertreter  des  Landes- 
herrn die  letzte  Instanz  bildete,  ein  durchaus  landesherrlicher  Beamter; 
aber  schon  das  neben  ihm  stehende  Oberamt,  die  wichtigste  kollegiale 
I?ehörde  der  Oberlausitz,  trägt  einen  fast  rein  ständischen  Charakter. 
Für  die  beiden  Amtshauptleute  haben  die  Stände  das  Vorschlags- 
recht; auch  die  „Ämter"  und  „Hofgerichte"  sind  ständisch.  Endlich 
wird  auch  der  mit  der  Wahrnehmung  der  landesherrlichen  Finanzen 
beauftragte  Landeshauptmann  nach  dem  Vorschlage  der  Stände  ge- 
wählt. —  Bei  Einführung  der  konstitutionellen  Verfassung  Sachsens 
(1831)  wurden  Mittel  und  Wege  gefunden,  der  Oberlausitz  ihre  Be- 
sonderheiten zu  erhalten.  Immerhin  bedeutet  der  Vertrag  vom 
17.  November  1834  über  „die  durch  Anwendung  der  Verfassung  des 
Königreiches  Sachsen  auf  die  Oberlausitz  bedingte  Modifikation  der 
Partieularverfassung  dieser  Provinz"  die  völlige  Verschmelzung  der 
Oberlausitz  mit  Sachsen.  Auf  die  vielerörterte  Frage,  ob  die  (Jber- 
lehnsherrlichkeit  Böhmens,  die  ja  einer  solchen  Inkorporation  im 
Wege  gestanden  hätte,  damals  noch  fortbestand,  geht  der  hohe  Ver- 
fasser nicht  näher  ein;  mit  Recht  bemerkt  er,  dafs  sie  so  lange 
keine  praktische  Bedeutung  halte,  als  die  Verbindung  der  Oberlausitz 
mit  den  andern  sächsischen  Landen  faktisch  bestehe,  und  dafs  vollends 
seit  dem  Beitritt  Sachsens  zum  norddeutschen  Bunde  von  einer  aus- 
wärtigen Lehnsherrlichkeit  über  einen  Teil  Sachsens  nicht  mehr  die 
Rede  sein  könne. 

Für  die  staatsrechtliche  Praxis  ist  der  zweite  Teil  der  Schrift 
ohne  Zweifel  noch  wichtiger  und  interessanter  als  der  erste.  Er 
stellt  die  heutige  staatsrechtliche  Stellung  der  Oberlausitz  dar. 
Die  Grundlage  derselben  bilden  die  schon  erwähnte  Urkunde  vom 
17.  Nov.  1834  und  das  unter  demselben  Datum  genehmigte  provinzial- 


350  Litteratur. 

ständische  Statut.  Diese  beiden  Fi;ndaraente  der  oberlausitzer  Par- 
tikularverfassung werden  ihrem  Hauptinhalte  nach  mit  eingehendem 
Verständnis  und  in  höchst  anregender  Weise  besprochen;  was  das 
erstere  anlangt,  so  waren  vor  allem  die  Bestimmungen  über  Gesetz- 
gelmng,  Behördenorganisation  und  Finanzen  und  die  besonderen  Ein- 
richtungen der  Oberlausitz  zu  behandeln,  während  an  der  Haud  des 
Statuts  die  Zusammensetzung  der  Provinzialstände,  ihre  Rechte  und 
deren  Ausübung  dargestellt  werden.  Ein  folgender  Abschnitt  stellt 
die  Veränderungen  zusammen,  welche  die  Verfassung  seitdem  er- 
fahren hat.  Vor  allem  beachtenswert  und  vielleicht  als  Glanzpunkt 
des  ganzen  Werkchens  zu  bezeichnen  ist  die  scharfsinnige  und 
selbständige  Ausführung  ül)er  die  durch  die  Verfassung  vom  Jahre 
1834  noch  gewahrte  Successionsordnung ;  der  hohe  Verfasser  vertritt 
die  Ansicht,  dafs  das  oben  erwähnte  Wiedereinlösungs-  und  Heim- 
fallsrecht Österreichs  durch  dessen  in  Art.  4  und  6  des  Prager  Friedens 
enthaltenen  stillschweigenden  Verzicht  als  erloschen  anzusehen  sei; 
auch  die  Succession  der  Descendenz  der  Töcliter  Johann  Georgs  I. 
(die  beim  Erlöschen  des  Mannesstammes  der  albertinischen  Linie 
eintreten  würde),  d..h.  der  Häuser  Darmstadt,  Eufsland  und  Olden- 
burg, sei  ohne  eine  Änderung  der  Reichsverfassung  unmöglich,  da  sie 
die  Gründung  eines  besonderen  Staats  Oberlausitz  voraussetzen 
würde,  während  die  Reichsverfassung  nicht  ausdrücklich,  aber  indirekt 
die  Mitgliederzahl  von  25  Staaten  als  eine  verfassungsrechtlich  not- 
wendige hinstelle.  —  In  einem.  „Schlufsfazit"  giebt  der  hohe  Verfasser 
schliefslich  nochmals  einen  Überblick  über  alle  Eigentümlichkeiten 
der  oberlausitzischen  Verfassimg  und  beantwortet  dann  die  Frage, 
unter  welchen  staatsrechtlichen  Begriff  ein  Land  falle,  das  eine  solche 
Sonderstellung  einnehme  •,  das  Ergebnis  der  weitausholenden  und  von 
reifem  Urteil  zeugenden  Ausführung,  auf  die  wir  im  einzelnen  nicht 
näher  eingehen  können,  ist,  dafs  die  Oberlausitz  lediglich  als  ein  Teil 
von  Sachsen  (nicht  etwa  als  ein  Staatswesen  für  sich)  und  zwar  als 
„eine  mit  Selbstverwaltungsbefugnissen  ausgestattete  Kommune",  als 
eine,  wenn  auch  besonders  bevorzugte  „Provinz"  anzusehen  sei. 

Möchte  der  hohe  Herr  Verfasser  für  die  vaterländische  Staats- 
und Rechtsgeschichte  auch  fernerhin  das  nämliche  Literesse  und 
das  gleiche  feine  Verständnis  bewahren,  wie  es  das  uns  vorliegende 
Schriftchen  verrät,  dem  unter  den  juristischen  Dissertationen  der 
Universität  wie  unter  den  neueren  Arbeiten  zur  Geschichte  der  Ober- 
lausitz ohne  Frage  eine  Ehrenstelle  gebührt. 

Dresden.  H.  Ermisch. 


Johann  Hoffmann,  der  nachmalige  Bischof  Johann  IV.  von  Meifsen. 
Seine  Wirksamkeit  anden  Universitäten  Pragund  Leipzig.  Inaugural- 
Dissertatiou  der  philosophischen  Fakultät  der  Universität  Leipzig 
zur  Erlangung  der  Doktorwürde  vorgelegt  von  Ricliard  Becker. 
Leipzig,  Fock.     1891.     59  SS.  S". 

Unter  den  meifsnischen  Bischöfen  des  15.  Jahrhunderts  gehört 
Johann  IV.  Hofihiann  zu  den  thätigsten  und  geistig  bedeutendsten ; 
eine  eingehendere  Behandlung  seines  Lebens,  für  die  Material  genug 
vorhanden  ist,  würde  jedenfalls  eine  lohnende  Aufgabe  sein,  da  der 
betreffende  Abschnitt  in  Machatscheks  Geschichte  der  Bischöfe  des 
Hochstifts  Meifsen  nicht  als  genügend  gelten  kann.  Als  Vorläufer 
einer  solchen  Arbeit   heifsen    wir   die   vorliegende    ansprechend  ge- 


Litteratur.  351 

schriebene  Dissertation  willkommen;  sie  stellt  die  Nachrichten  über 
Hoffraanus  Leben  bis  zu  seiner  Bischofswahl  fleifsig  und  mit  ver- 
ständiger Kritik  zusammen.  Das  Material  war  nicht  allzu  ergiebig; 
immerhin  gab  es  Gelegenheit,  manchen  oft  nachgescluiebenen  Irrtum 
zu  widerlegen.  Für  die  Prager  Zeit  Hoffmanns  boten  dem  Yerfasser 
die  in  den  Monumenta  Univ.  Prag,  veröffentlichten  Quellen  genügende 
Anhaltspunkte.  Um  1394  hatte  Hoffmann  die  Universität  Prag  be- 
zogen und  dort  nacheinander  die  akademischen  Grade  des  Bacca- 
laureus,  Licentiaten  und  Magisters  der  Artistenfakultät  erlangt;  1408 
war  er  Dekan  derselben.  Den  Grad  eines  Doktor  der  Theologie  hat 
er  sich  in  Prag  nicht  erworben.  Für  die  Begründung  eines  Kollegs 
der  polnischen  Nation  erwarb  er  1406  vom  Kloster  Grüssau  das 
Dorf  Grofs-Tinz  und  eine  Präbende  an  der  KoUegiatkirche  in  Liegnitz ; 
es  hätte  sich  vielleicht  gelohnt,  hierfür  auch  in  Schlesien  nach  urkund- 
lichen Nachrichten  Umschau  zu  halten,  zumal  jene  Dotation  auch 
für  die  Geschichte  der  Universität  Leipzig  von  Wichtigkeit  ist: 
erst  die  Stiftung  des  Collegium  Beatae  Virginis  in  Leipzig  ver- 
wirklichte den  Plan  Hoffmanns.  Die  Prager  Vorgänge  des  Jahres 
1409  und  ihre  Folge,  die  Begründung  der  Universität  Leipzig,  sind 
oft  behandelt  worden;  immerhin  gelingt  es  dem  Verfasser,  auch  in 
dieser  Hinsicht  auf  einige  neue  Gesichtspunkte  hinzuweisen :  er  be- 
streitet, dafs  eine  eigentliche  Übersiedelung  der  Prager  nach  Leipzig 
stattgefunden  habe;  vielmehr  zerstreuten  sich  die  Ausgewanderten 
anfangs,  um  sich  erst  einige  Monate  später  in  Leipzig  wieder  zu- 
sammenzufinden. Über  den  Auteil  Hoffmanns  an  der  Gründung  der 
Universität,  der  in  der  späteren  Tradition  eine  gewisse  Rolle  spielt, 
wissen  die  ältesten  Quellen  nichts  zu  berichten;  um  so  mehr  erfahren 
wir  über  die  segensreiche  Thätigkeit,  die  Hoffmann  in  der  Folge, 
namentlich  während  seines  Rektorats  1413/14,  entfaltet  hat.  Er  selbst 
berichtet  darüber  im  sog.  „Rationarius  fisci"  des  Universitätsarchivs, 
in  dem  sich  4  Seiten  von  seiner  Hand  finden;  was  davon  bisher  noch 
unbekannt  war,  druckt  Becker  im  Anhange  ab.  Für  die  nächsten 
Jahre  ist  namentlich  die  Begründung  des  Kollegs  Unserer  Lieben 
Frau  (1422)  von  Bedeutung.  Schliefslich  geht  der  Verfasser  auf  die 
litterarische  Thätigkeit  Hoftmanns,  namentlich  auf  seinen  in  mehreren 
Handschriften  erhaltenen  „Tractatus  contra  communionem  laicorum  sub 
utraque  specie",  in  welchem  er  die  hussitisch-wicleffitischen  Lehren  zu 
widerlegen  suchte,  näher  ein.  Diese  seine  Stellung  als  Bekämpfer 
der  eben  damals  auch  Meifsen  bedrohenden  Ketzer  war  es  wohl  haupt- 
sächlich, was  seine  Wahl  zum  Bischof  von  Meifsen  (6.  Juni  1427) 
veranlafst  hat. 

Dresden.  H.  Er  misch. 


Der  Luxemburger  Erb  folgestreit  iu  deu  Jalireu  1438— 1M3  von 
Frit/  Richter.     Trier,  Fr.  Lintz.  1889.  73  SS.  8». 

Das  Leben  Herzog  Wilhelms  IIL  von  Sachsen  war  erfüllt  von 
kriegerischen  Unternehmungen;  am  bekanntesten  sind  die  Kämpfe  mit 
seinem  Bruder  Friedrich  IL,  Bachmarms  Aufsatz  und  Hansens  Ver- 
öffentlichungen haben  seinen  Anteil  an  der  Soester  Fehde  klar  gelegt, 
Richter  behandelt  nun  in  seiner  Leipziger  Doktordissertation  die  früheren 
Kämpfe,  an  denen  er  seiner  Jugend  halber  zwar  nicht  persönlich  Teil 
nahm,  die  aber  doch  in  seinem  Namen  geführt  wurden:  die  um  den  Be- 
sitz Luxemburgs,  worauf  ihm  die  Mitgift  seiner  Gemahlin  Anna  ver- 


352  Litter  atur. 

sclirieben  war,  der  Tochter  König  Albreclits  II.  und  der  Elisabeth, 
die  als  Tochter  Siegmunds,  des  letzten  Luxemburgers,  darauf  An- 
spruch hatte.  Luxemburg  besass  aber  Elisabeth,  die  Tochter  von 
Siegmunds  Bruder  Johann  von  Görlitz ,  der  es  von  Wenzel  und 
Siegmund  pfandweise  bis  zur  Bezahlung  ihrer  Mitgift  überwiesen 
war.  Verfasser  schildert  sorgfältig  alle  Anstrengungen,  die  die 
sächsische  Feder  und  das  sächsische  Schwert  machten,  um  trotz  der 
(iegenbestrebungen  des  Bui-gunderherzogs  Philipp  den  Besitz  des 
Landes  zu  erlangen  und  zu  behalten.  Da  aber  aus  dem  wirtschaft- 
lich ziemlich  wertlosen  Lande  —  die  Mehrzahl  der  Einkünfte  war 
veräufsert  —  und  auch  aus  den  wettinischeu  Erblandeu  keine  ge- 
nügende Unterstützung  zu  beschaffen  war,  sah  sich  Wilhelm  nach 
vierjährigen  Verhandlungen  und  Kämpfen,  zumal  im  November.  1443 
sein  Hauptstützpunkt,  die  Stadt  Luxemburg  selbst,  durch  Über- 
raschung in  burgundische  Hand  gefallen  war,  im  Dezember  genötigt, 
gegen  eine  Abfindungssumme  das  Herzogtum  au  Philipp  zu  über- 
lassen. Als  Lücke  empfindet  man ,  dafs  R.  keinen  Versuch  macht 
zu  erklären,  wie  es  kommt,  das  sächsischerseits  den  mehrfach  gar 
nicht  ungünstigen  Bedingungen  und  Verpflichtungen  für  die  beab- 
sichtigte Besitzergreifung  nicht  Folge  geleistet  wurde.  Die  Schuld 
liegt  da  nicht  etwa  in  einer  auffälligen  Unpünktlichkeit  oder  Nach- 
lässigkeit der  sächsischen  Fürsten,  sondern  in  der  finanziellen  Un- 
möglichkeit, die  nötigen  Summen  rechtzeitig  aufzubringen.  Dies  mit 
einigen  Austührungen  zu  begründen,  wäre  Pflicht  des  Verfassers 
gewesen.  Er  hätte  da  hinweisen  müssen  auf  die  schweren  Schädi- 
gungen, welche  die  hussitischen  Einfälle  über  die  wettinischeu  Lande 
gebracht  hatten,  auf  die  nicht  unbedeutenden  Zahlungen,  die  1440 
von  den  Herzögen  den  Burggrafen  von  Meifsen  als  Entschädigung 
für  Frauenstein  und  andere  Besitzungen  nach  vorausgehender  Fehde 
gezahlt  waren,  ferner  auf  ihr  feindliches  Verhältnis  zu  Brandenburg, 
mit  dem  mehrfache  Streitpunkte  bestanden  (wegen  ihres  Bruders, 
des  Bischofs  Siegmund  von  Würzburg,  und  wegen  ihrer  Bestrebungen 
nach  Ausbreitung  ihrer  Herrschaft  in  der  Niederlausitz);  schlieislich 
hatten  sie  1442  auch  noch  Zwistigkeiten  mit  dem  Grafen  von  Eein- 
stein,  die  sie  zu  beträchtlichen  Ausgaben  für  Sold  und  Ausrüstung 
nötigten  (s.  Gesamtarchiv  Weimar).  Doch  im  allgemeinen  ist  die 
Schrift  als  Beitrag  zur  mittelalterlichen  sächsischen  Geschichte  mit 
Freuden  zu  begrüfsen.  Hoffentlich  stellt  der  Verfasser  auch  die 
späteren  Beziehungen  Wilhelms  zu  Luxemburg  1458  folg.  dar, 
die  zwar  von  N.  van  Werveke  behandelt  sind,  für  die  sich  aber  aus 
Dresdner  archivalischem  Material  noch  mancher  Aufschlufs  gewinnen 
läfst,  wie  Referent  in  einem  kleinen  Aufsatz  in  diesem  Bande  des 
N.  A.  f.  S.  G.  gezeigt  hat. 

Dresden.  W  o  1  d.  L  i  p  p  e  r  t 


Maxiiniliaus  Wahl  zum  römischen  Könige  1502.  Mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Politik  Kursachsens.  Von  Dr.  Walter  (xoetz. 
Würzburg,  Beckers  Universitätsbuchdruckerei.     1891.  207  SS.  8'^. 

Obgleich  für  die  beiden  Kurfürstentage  von  1562  und  1575  schon 
beachtenswerte  Publikationen  vorlagen,  fehlte  es  bisher  an  Dar- 
stellungen. Die  neue  Arbeit  füllt  daher  eine  empfindliche  Lücke 
aus,  zumal  sie  nicht  blos  Aktenexzerpte  reproduziert,  sondern  den 
Stoft  geistig  verarbeitet",    sie   gehört    zu  den    besten  Abhandlungen, 


Litteratur.  353 

welche   in    den    letzten   Jahren    ans    Maurenhrechers    reformations- 
geschichtlicheiü  Seminare  hervorgegangen  sinrl. 

Goetz  begnügt  sich  nicht  mit  einer  Darstellnng  des  Kurfnrsten- 
tags  und  seiner  unmittelbaren  Vorverhandlungen,  sondern  verfolgt 
Maximilians  Leben  bis  1550  zurück.  Denn  gerade  die  Persönlichkeit 
dieses  Fürsten  veileiht  der  Wahl  ihre  wesentliche  Bedeutung.  Aller- 
dings verwirft  G.  die  längst  aufgegebene  apologetische  Tendenz 
Rankes,  und  ich  glaube,  man  kann  in  der  Kritik  des  Mannes  noch 
erheblich  weiter  gehen  als  Götz  und  die  neueren  Historiker  über- 
haupt. Soweit  meine  bisherigen  Studien  ein  abschliefsendes  Urteil 
gestatten,  komme  ich  zur  Annahme,  dafs  Maximilian  unter  seinem 
Vater  eine  ähnliche  Stellung  erstrebte,  wie  sie  dieser  selbst  während 
der  Regierung  Karls  V.  einnahm;  daran  war  1555  und  1556  mehrfach 
gedacht  worden.  Als  Maximilians  Hoffaungen  sich  nicht  erfüllten, 
entschädigte  er  sich  durch  ein  Haschen  nach  Popularität  und  durch 
U'igescheute  Kritik.  Hierdurch  verstärkte  sich  seine  schon  seit  den 
Suocessionsplänen  Philipps  II  vorhandene  Neigung  znm  Protestan- 
tismus oder  richtiger  zu  einigen  protestantischen  Reichsständen,  von 
welchen  er  eine  Befriedigung  seiner  Wünsche  erwartete.  Denn  dieser 
Annäherung  lagen  auf  seiner  Seite  keine  religiösen  Motive  zu  Grunde ; 
seine  kirchliche  Opposition  ist  nur  ein  Teil  der  Gegnerschaft,  die 
Maximilian  gegen  seinen  Vater  und.,  dessen  Ratgeber  überhaupt  be- 
obachtet hat  und  durch  die  er  dem  Arger  über  seine  Zurücksetzung- 
Luft  machte.  Als  Kaiser  hat  er  später  nicht  daran  gedacht,  die 
betreffenden  Minister  zu  entlassen  oder  die  von  ihm  gerügten  kirch- 
lichen und  politischen  Verhältnisse  zu  ändern.  Es  blieb  alles  beim 
alten,  aufser  dafs  vielleicht  die  organisatorische  und  gesetzgeberische 
Fruchtbarkeit,  welche  die  Regierung  Ferdinands  auszeichnet,  ufer- 
losen Plänen  wich. 

Freilich  die  Intimität  Maximilians  mit  den  Protestanten  gehörte 
schon  1562  der  Vergangenheit  an.  August  von  Sachsen  war  ein  viel 
zu  nüchterner  Politiker,  um  die  Freundschaft  mit  dem  Vater  einer 
unsicheren  Zukunft  zu  opfern.  Auch  bedurfte  er  Ferdinands  wegen 
der  weimarischen  Herzöge  und  einer  dänisch-österreichischen  Heirats- 
verbindung. Deshalb  hütete  er  sich,  auf  die  Intentionen  Maximilians 
weiter  einzugehen,  als  sich  mit  seinen  gegenwärtigen  Interessen 
vertrug.  Andererseits  befürchtete  der  Habsburger,  durch  eine  allzu 
protestantische  Haltung  seine  Aussichten  auf  den  Kaiserthron  ein- 
zubüfsen,  und  diese  Rücksicht  bestimmte  ihn  einzulenken. 

Was  die  damaligen  Kurfürsten  betriftt,  so  erfahren  wir  über 
Oie  Geistlichen  verhältnismäfsig  wenig.  Es  ist  dies  einer  der  wenigen 
Punkte  der  Arbeit,  für  die,  wie  icli  glaube,  durch  eindringendes  Studium 
noch  ein  weiterer  Fortschritt  möglich  ist.  Goetz  teilt  uns  nur  auf 
Grund  der  Bescheide,  welche  die  Kurfürsten  den  kaiserlichen  Ge- 
sandten gaben,  mit,  dafs  der  Kölner  sehr  bereitwillig  auf  die  Wahl 
einging,  dafs  der  Trierer  sehr  reserviert  blieb,  während  der  Mainzer 
in  der  Mitte  stand,  im  allgemeinen  aber  wohlwollte.  Die  Gründe 
dieses  verschiedenen  Verhaltens  scheinen  mir  noch  nicht  genügend 
aufgeklärt.  Alsdann  berichtet  uns  Goetz,  wesentlich  auf  Grund  der 
deutschen  Religionsakten  des  Münchner  Reichsarchivs,  über  die  Ga- 
rantieen,  welche  sicli  die  geistlichen  Kurfürsten  für  die  katholische 
Haltung  des  Kandidaten  zu  verschaffen  wulsten. 

Die  weltlichen  Kurfürsten  gingen  in  ihren  Ansichten  noch 
Aveiter  auseinander  als  die  geistlichen.  Der  Hauptgegner  Maximilians 
war  Kurfürst  Friedrich  von  der  Pfalz.     Schon  Ritter  hat  (in  v.  Webers 

Neues  Archiv  f.  S.  0.  n.  A,  XIIT.  .3.  4.  23 


354  Litteratur. 

Archiv  für  die  Sächsische  Geschichte  Neue  Folge  V)  darauf  hin- 
gewiesen ,  dafs  derselbe  ein  Interregnum  bezweckt  hat.  Auch 
Goetz  erwähnt  S.  126  Anmerkung  3  diese  Absicht  des  Pfälzers  und 
spricht  im  Texte  derselben  Seite  von  der  reichsrechtlichen  Bedeutung 
einer  Vakanz.  Aher  er  verzeichnet  beides  nur  als  Gerücht,  die 
politische  Konsequenz  zieht  wieder  er  noch  Ritter.  In  Wahrheit 
ist  unter  allen  Kurfürsten  Friedrich  der  am  meisten  zielhewuCste 
und  am  deutlichsten  erkennbare.  Während  seiner  ganzen  Regierung 
ist  er  der  entschiedenste  Gegner  der  habsburgischen  Pläne ,  nament- 
lich der  Türkeukontributioneu,  in  denen  er  eine  Belastung  der  Stände 
zu  einseitigen  Gunsten  Österreichs  erblickt.  Andererseits  scheut 
er  sich  nicht,  in  seinem  Gebiete  die  neue  Lehre  rücksichtslos  durch- 
zuführen und  es  auf  Konflikte  mit  den  benachbarten  geistlichen 
Fürsten  ankommen  zu  lassen.  Diese  finden  ihrerseits  wieder  beim 
Kaiser  ein  geneigteres  Entgegenkommen  als  der  Pfälzer,  der  durch 
seinen  Anspruch  auf  allgemeine  Religionsfreiheit  aller  Deutschen  die 
Existenz  der  katholischen  Kirche  im  Reiche  bedrohte.  Alle  diese 
Gründe  machten  Friedrich  zu  einem  Widersacher  der  österreichischen 
Erbfolge.  Dieses  Ziel  konnte  er  aber  leichter  erreichen,  wenn  erst 
der  Kaiserthron  erledigt  war.  Denn  dann  wurden  Sachsen  und  Pfalz 
Reichsvikare,  das  Reich  kam  damit  in  protestantische  Hände,  am 
Heidelberger  Hofe  wurde  als  höchster  Gerichtshof  für  die  Länder 
fiänkischen  Rechts  ein  Reichsvikariatsgericht  errichtet,  das  in  Zu- 
sammensetzung und  Rechtsprechung  ganz  von  Friedrich  abhing  und 
für  die  Beurteilung  seiner  Säkularisationen  ein  günstiges  Präjudiz 
schaffen  konnte.  W^enn  erst  alle  diese  Momente  eingetreten  gewesen 
wären,  dann  hätten  die  geistlichen  Kurfürsten  sich  für  die  pfälzischen 
Pläne  voraussichtlich  gefügiger  erwiesen,  als  jetzt  während  der  Re- 
gierung eines  katholischen  Kaisers. 

Dafs  Friedricli  nicht  durchdrang,  war  wesentlich  die  Wirksam- 
keit Augusts  und  Joachims').  Auch  zwischen  diesen  beiden  besteht 
noch  insofern  ein  Unterschied,  als  ersterer  eine  mehr  vorsichtig 
abwartende  Haltung  eingenommen,  der  Brandenburger  dagegen  viel- 
leicht auf  Veranlassung  seines  Bruders,  des  Markgrafen  Hans  von 
Küstrin,  die  Wahl  Maximilians  bei  Ferdinand  erst  angeregt  und 
später  nach  Kräften  befördert  hat.  Auch  benutzten  beide  Kurfürsten 
die  Gelegenheit,  um  ihre  mit  einander  vielfach  konkurrierenden 
Pi  ivatanliegen  vorzutragen.  Aber  im  grofsen  und  ganzen  gehen 
Sachsen  und  Brandenburg  zusammen.  Zur  Beleuchtung  ihrer  Politik 
dient  ein  Aktenstück  vom  18.  Juni  1557  (Berliner  Archiv  X  Dd.). 
Damals  berieten  zu  Dresden  die  sächsischen  und  brandenburgischen 
Räte  über  die  bevorstehende  Resignation  Karls  V.  und  kamen  zu 
einem  Vergleiche,  welcher  der  Anlals  zur  Erneuerung  der  Kurfürsten- 
einung  geworden  ist.  Sie  hielten  die  Berufung  Ferdinands  für  not- 
wendig, um  der  Rückkehr  Karls  und  der  Verwicklung  des  Reichs 
in  die  spanischen  Kriegshändel  vorzubeugen;  sie  vei laugten  ferner 
die  Verpflichtung  des  neuen  Herrschers  auf  den  Religions-  und  Land- 
frieden. Die  gleichen  Gesichtspunkte  haben  August  und  Joachim 
1562  bei  der  Wahl  Maximilians  beherrscht.  Es  galt  den  Ausschlufs 
des  Königs  von  Spanien  und  es   galt   die  Wahl   eines  Mannes,   der 


*)  Was  ich  über  diese  beiden  hier  sage,  ist  ein  Auszug  aus 
den  Goetzschen  Ausführungen  mit  Ausnahme  der  Folgerungen,  welche 
ich  an  das  Goetz  uul)ekannte  Berliner  Aktenstück  anknüpfe. 


Litteratur.  355 

für  die  Aufrechterluiltuiig  des  damaligen  Zustandes  und  der  Reform- 
gesetze Garautieen  bot. 

Goetz  bespricht  dami  die  Haltung  der  Herzöge  von  Baiern  nnd 
\yürttemberg  und  des  Landgrafen  von  Hessen.  Doch  kann  ich  mir 
ein  weiteres  Eingehen  auf  seine  Ergebnisse  um  so  eher  versagen, 
als  ich  zu  denselben  voraussichtlich  bald  in  eigenen  litterarischen 
Arbeiten  Gelegenheit  haben  werde,  Stellung  zu  nelimen. 

Dresden.  Gustav  Wolf. 


Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde. 


Max,  Herzog  zu  Sachsen.  Die  staatsrechtliche  Stellung  des  König- 
lich Sächsischen  Markgrafentums  Oberlausitz.  Leipzig.  (1892). 
5  Bll.  ()ü  SS.  80. 

Achilles,  F.  E.  Die  Einführung  der  Reformation  in  Leipzig :  Phoebe 
(Kalender  und  Jahrbuch  des  Diakonissenhauses  in  Dresden). 
1890.     S.  35-71. 

Ärras,  P.  Das  Mönchskloster  zu  Bautzen :  Wöchentliche  Beilage  zu 
den  Bautzner  Nachrichten.    1892.    No.  29.    S.  114-116. 

Bachmann,  Adolf.  Urkundliche  Nachträge  zur  Österreichisch- 
deutschen Geschichte  im  Zeitalter  Kaiser  Friedrichs  III.  (A.  u. 
d.  T. :  Fontes  rerum  Austriacarura.  Zweite  Abth. :  Diploraataria 
et  Acta.  XLVL  Bd.)  Wien,  F.  Tempsky  (Komm.).  1892. 
XXVIII,  50.3  SS.  8». 

Baiimgärtel.  Das  Handwerk  der  Fleischer  zu  Bautzen:  Wöchent- 
liche Beilage  zu  den  Bautzner  Nachrichten.    1892.    No.  14—19. 

—  Peter  Preischwitz,  der  Verräter  von  Bautzen:  elienda  No.  30. 

Bergmann,   Alivin.     Der   Heilige   des    Meifsner   Landes    und    sein 

Tusculum   [Briesnitzl:     Über  Berg  und   Thal.    Jahrg.  15  (1892). 
S.  275-277.  >r,         K        ; 

Blanckmeister,  Franz.  Kurfürstin  Anna  Sophie  von  Sachsen.  Eine 
lutherische  Bekennerin :  Phoebe  (Kalender  und  Jahrbuch  des  Dia- 
konissenhauses in  Dresden).     1890.     S.  140—156. 

Bohnstedt,  Kurt  Geschichtliches  der  Stadt  Treuen  i.  V.  und  der 
Rittergüter  Treuen  ob.  und  unt.  Teils  aus  dem  XVI.  und  XVII. 
Jahrhundert.  Dargestellt  auf  Grund  gutsherrlicher  und  kirch- 
licher Aufzeichnungen  aus  der  Zeit.     (Treuen   1892.)    71  SS.  8". 

Börner,  B.  Die  Erziehungsanstalt  für  Soldatenkinder  in  Sachsen 
im  vorigen  Jahrhunderte:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.     1892.     No.  41.     S.  161f. 

—  Aus  Sachsens  Volksschulen  im  18.  Jahrhunderte:  ebenda  No.  109. 
S.  433-^40. 

Buchwald.  Bilder  aus  der  Reformationsgeschichte  der  Stadt  Zwickau: 
Phoebe  (Kalender  und  Jahrbuch  des  Diakonissenhauses  in  Dresden). 
1890.     S.  83—99. 

Collmann ,  K.  F.  Reufsische  Geschichte.  Erster  Teil.  Das  Vogt- 
land im  Mittelalter.    Greiz,  E.  Schlemm.    1892.    VIII,  134  SS.  8«. 

Distel,  Th.  Eine  Taufe  mit  Milcli  in  Kursachsen  vor  300  Jahren: 
Deutsche  Zeitschrift  für  Kirchenrecht  Bd.  I  (1891).     S.  408f. 

23* 


35G  Litteratur. 

Distel,  Th.  Falsches  Aufgebot  des  eigenen  A^aters  dmcli  einen 
säclisischen  Geistlichen  (1829):  ebenda  Bd.  II  (1892).    S.  105—107. 

—  Aus  fünf  theologischen  Gutachten  wegen  eines  ehebrecherischen 
Pfarrers  als  3Iotive  zu  der  kuisächsischen  Konstitution  IV.,  19. 
Tom  21.  April  1572 :  ebenda  S.  262-274 

—  Nachlese  über  die  Neuberin:  Vierteljahrsschrift  für  Litteratur- 
geschichte  V  (1892).     S.  50—53. 

—  Der  kursächsische  Bassist  Johann  Stunneck:  Mouatshefte  für 
Musikgesclüchte  XXIV  (1892).     S.  60. 

—  Etwas  aus  der  kursächsischeu  u.  s.  w.  Jagdchronik :  Weidmann 
XXIII  (1891/92).     S.  214. 

—  Kurfürstliche  Wildbretspenden  für  die  Gräfin  Cossell:  ebenda 
S.  226. 

—  Ein  Jagdabenteuer  bei  Pillnitz  (1723)  und  etwas  über  die  Schiefs- 
passion des  Kurfürsten  Friedrich  August  I.  zu  Sachsen:  ebenda 
S.  .395  f. 

—  Grausamkeit  gegen  Hunde  in  Kiu'sachsen  (1588  f):  ebenda  S.  396. 

—  Blautüfse  in  Kursachsen,  zum  Hasenfang  abgerichtet:  ebenda  S.  396. 

—  Kaiser  Joseph  II.  in  Dresden  (1766):  Dresdner  Anzeiger.  1892. 
Xo.  150.     S.  33. 

—  Das  Grab  der  Tochter  des  Prinzen  Xaver,  Beatrix,  und  das 
Wappen  seines  Sohnes,  Josef:  ebenda  Xo.  168.     S.  22. 

—  Eine  Statue  J.  W.  Gg.  Behrens"  in  Dresden :  ebenda  No.  202.  S.  20. 

—  Nachrichten  über  ein  sächsisches  Provinzialtheater  (um  1798): 
ebenda  No.  228.  S.  4.  Vergl.  Chemnitzer  Tageblatt  und  Anzeiger. 
1892.     No.  198. 

—  Zu  dem  [konfiszierten]  Pasquille  „Dämonion"  auf  Chemnitz  (1798): 
Chemnitzer  Tageblatt  und  Anzeiger.     1892.     No.  215.     S.  10. 

Falk,  F.  Der  Unterricht  des  Volkes  in  den  katechetischen  Haupt- 
stücken des  Mittelalters.  Markus  von  Weida  [Leipziger  Domi- 
nikaner]: Histor. -politische  Blätter  für  das  kathol.  Deutschland. 
Bd.  CVIII  (1891).     S.  682—689. 

[Finck,  Emil]  Erzgebirgische  Schulverhältnisse  vor  50 — 60  Jahren: 
Annaberger  Woclienblatt.     1892.    No.  29. 

—  Zwei  hervorragende  Annaberger  Bürgerfamilieu.     1892.     No.  69. 

Fleischer,  Ernst.  Zur  Baugeschichte  der  Gemälde-Galerie  in  Dres- 
den. Vortrag,  gehalten  im  Dresdner  Architektenvereiu  am  11.  Nov. 
1886.    Dresden,  v.  Zahn  &  Jaensch.     1892.     19  SS.  8». 

Floessel,  Ernst.  Zwei  interessante  kabbalistische  Urkunden  aus 
den  Tagen  Augusts  des  Starken:   Sphinx.     XI,  63.     S.  161—168. 

Forster,  W.  Hussiten  vor  Budissiu:  Wöchentliche  Beilage  zu  den 
Bautzner  Nachrichten.    1892.   No.  5.    S.  19  f 

Fritzsche,  Rieh.  Geschichte  des  Oschatzer  Schulwesens  von  seinen 
Anfängen  bis  Ende  des  16.  Jahrhunderts.  Inaug.-Diss.  Leipzig 
1892.     III,  70  SS.  80. 

Gehmlich ,  Ernst.  Aus  der  Geschichte  des  alten  Marienberger 
Lyceums :  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1892. 
No.  103.     S.  409-412. 

Goetz,  Walter.  Maximilians  IL  Wahl  zum  römischen  Könige  1562. 
Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Politik  Kursachseus.  Würz- 
burg    1891.     205  SS.  8». 

Grauert,  Herrn.  Zur  deutschen  Kaisersage  [Friedrich  der  Freidige 
als  Nachfolger  der  Staufer]:  Histor.  Jahrbuch  der  Görres-Gesell- 
schaft.  Bd.  XIII  (1892).  S.  100  —  143  und  Nachtrag:  ebenda 
S.  513  f. 


Litteratiu".  357 

Grohmann,  Max.  Das  Obererzgebirge  uml  seine  Hauptstadt  Aiuia- 
berg  in  Sage  und  Geschiclite.  Heimatkiuidliches  Lesebucli  für 
Scbule  und  Haus.  Quellenmäfsig  zusammengestellt.  Annaberg, 
Herrn.  Graser.     1892.    XVIII,  303  SS.  8». 

H.  Die  älteste  Rochlitzer  Zeitung:  Vereinigtes  Woclienblatt  für 
Rochlitz  u.  s.  w.     1892.     No.  28. 

Haebler ,  Konrad.  Maria  Josefa  Amalia  Herzogin  zu  Sachsen, 
Königin  von  Spanien.  Dresden,  W.  Baenscb.  1893.  4  BU. 
247  SS.  8 ". 

Helm,  F.  E.  Geschichte  des  städtischen  Volksschuhvesens  in  Leipzig. 
Festschrift  zum  100jährigen  Jubiläum  der  Ratsfreisehule.  Mit 
Beigaben,  die  Geschichte  der  Ratsfreischule  betreffend,  und  zwei 
Holzschnitten.     Leipzig,  Brands tettei-.     1892.     179  SS.  8». 

Heydenreich,  Ed.  Geschichte  und  Poesie  des  Freiberger  Berg-  \md 
Hüttenwesens :  Freiberg  i./S.,  Graz  &  Gerlach  (Joh.  Stettner).  1892. 
XIII,  180  SS.  8». 

Hockauf  Ä.,  Das  Erbe  Heinrichs  von  Schleinitz  bei  der  Theilung 
im  Jahre  15W.  Ein  Beitrag  zur  Heimathskunde  des  Rumburger 
polit.  Bezirkes,  sowie  der  benachbarten  sächsischen  Ortschaften 
Seiflienuersdorf,  Leutersdorf  und  Eibau:  Mittheiluugen  des  Nord- 
böhmischen   Exciirsions- Clubs.     Jahrg.   15  (1892).     S.  268  —  272. 

Jentsch,  J.  Ä.  Der  Name  Lilienstein:  Über  Berg  und  Thal.  Jahrg.  1.5 
(1892).     S.  277  f. 

Klotz,  Hermann.  D.  Veit  Wolfrum,  Superintendent  zu  Zwickau. 
1593  — 1626.  Eine  Studie  zur  sächsischen  Kirchengeschichte. 
Zwickau,  R.  Zückler.     1892.    84  SS.  8". 

Knothe,  Herrn.  Erwiderung  auf  den  Aufsatz  des  Geh.  Archivraths 
Dr.  von  Mülverstedt  über  „Ein  verschollenes  Adelsgeschlecht  der 
Oberlausitz  in  Preufsen":  Neues  Lausitzisches  Magazin. 
Bd.  LXVIII  (1892).     S.  50-61. 

—  Eine  alte  Löbauer  Patrizierfamilie:  AVöchentliche  Beilage  zu  den 
Bautzner  Nachrichten.    1892.    No.  20.   S.  79  f. 

Kreyenburg,  Gotthold.    Friedrich  Myconius:  Grenzboten.     Jahrg.  51 

(1892).  No.  3.     S.  114—127. 
Kruschioitz,  P.    Drei  steinerne  Urkunden  auf  dem  alten  Kirchhofe  zu 

Bernstadt:  Gebirgsfreund.     Jahrg.  IV    (1892).    S.  17— 19,  26 -28. 

—  AVahlsprüche  und  goldene  Worte  sächsischer  Fürsten:  Wöchent- 
liche Beilage  zu  den  Bautzner  Nachrichten.  1892.  No.  7. 
S.  26—28. 

Laue,  M.  Sachsen  und  Thüringen:  Jahresbericht  der  Geschichts- 
wissenschaft im  Auftrage  der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin 
herausgegeben  von  J.  Jastrow.  XII.  Jahrg.  1889.  (Berlin,  Gärtner. 
1891.)  II.  S.  305—329.  XIII.  Jahrg.  1890  (ebenda  1892).  IL 
S.  227—245. 

Leo,  Richard.  Naturhistorisches  und  Historisches  vom  Bad  Schweizer- 
mühle und  vom  Bielathale  der  sächsischen  Schweiz.  Dresden, 
Weiske.     1892.     84  SS.  u.  2  Karten.  8». 

Leßke,  Friedr.  Aug.  Beiträge  zur  Geschichte  und  Beschreibung 
des  Plauenschen  Grundes.  Lfg.  1—4.  Dresden  u.  Leipzig,  Wiih. 
Reuter  (Komm.).     1892.    S.  1-128.  8". 

TÄlie,  Moritz.  Clu'onik  der  die  Parochie  Kötzschenbroda  bildenden 
Löfsnitzortschaften ,  Kötzschenbroda,  Niederlöfsnitz ,  Naundorf, 
Zitzschewig  und  Lindenau  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Hoflöfsuitz  und  Nachbarorte.  Lfg.  1.  Dresden,  C.  Höckner  (Komm.). 
1892.     S.  1—24.  8«. 


358  Litteratur. 

Lwdncr ,  Paul.  Geschichte  iler  .Schützengesellschaft  zu  Nosseii. 
Eine  Festschrift  zu  Anw  am  25.  .Juli  1892  stattiindenden  HOjährigen 
Eahnenjuhiläum ,  verbunden  u)it  EinAveihung  des  neuen  .Schiefs- 
hauses.    Nossen.    (1892.)     62  SS.  8". 

Liiuße,  A.  Der  .Streittag,  ein  Bergfeiertag  der  Freilierger  Knapp- 
schaft: Wissenschaftliehe  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1892. 
No.  87.     .S.  .H45f. 

Lijipert,  Wohl.  Zur  Geschichte  Kaiser  Ludwigs  des  Baiern:  Mit- 
theilungen des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung. 
Bd.  Xlll  (1892).    S.  .^^87-618. 

Löschhorn.  Unglücksfall  des  Wahrener  Pfarrer.s  M.  Hörnig  im  Jahre 
1686:    Sächsisches  Kirchen-  und  Schulblatt.     1892.     Sp.  102  f. 

/Lungwitz,  H.J  Der  Greifensteiu  zu  Ehrenfriedersdorf  und  seine 
.Sagen.  IL  verm.  u.  verhess.  Aufl.  Ehrenfriedersdorf  1892. 
20  SS.  S'\ 

—  Die  Binge  auf  dem  Geyei'sherge  bei  Geyer :  Annaberger  Wochen- 
blatt.    1892.     No.  22. 

—  Die  lange  .Schicht  zu  Ehrenfriedersdorf:  ebenda  No.  142 f. 

—  Das  Denkmal  in  Timm:  ebenda  No.  187. 

M.  Eine  Hochzeit  ohne  Braut  [aus  dem  Liebenauer  Traubuch  1654] : 
Sächsisches  Kirchen-  und  Schulblatt.    1892.    Sp    66  f. 

Mangner,  Eduard,  Die  Inquisition  in  der  Leipziger  Ratsfreischule. 
Ein  Beitrag  zur  deutschen  Schulgeschichte.  Mit  den  Bilduissen 
der  Direktoren  Plato  und  Dolz.  Zur  Feier  des  hundertjährigen 
Bestehens  der  Anstalt.  (Schriften  des  Vereins  für  die  (ieschichte 
Leipzigs  Bd.  IV.)    Leipzig,  Klinckhai'dt.    1892.   XII,  251  SS.  8". 

Merke/.  Die  Schlacht.steuer  uud  die  Ubergangsabgabe  von  Fleisch- 
werk im  Köuigreiche  Sachsen  sonst  und  jetzt.  Eine  syste- 
matische Zusammenstellung  der  früher  und  jetzt  darülier  gel- 
tenden gesetzlichen  und  reglementären  Bestimmungen.  Leipzig, 
Rofsberg.     1892.     80  SS.  8». 

Müller,  Gustav.  Ein  .Schreckensmorgen  [Pulverexplosion  zu  Dresden 
27.  Juni  1814]:  Dresdner  Anzeiger.     1892      No.  108. 

Needon,  B.  Mittelalterliche  .Spitznamen:  Wissenschaftliche  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.     1892.    No.  97.     S  .385f. 

Niessen ,  Willi.  Das  Liederbuch  des  Leipziger  .Studenten  Clodius: 
Vierteljahrsschrift  für  Musikwissenschaft.  Jahrg.  7  (1891).  S.  579 
bis  658. 

Opitz,  Walter.  Die  Schlacht  bei  Breitenfeld  am  17.  September  1631. 
Leipzig,  A.  Deichertsche  Yerlagsbuchh.  Nachf.  (Georg  Böhme). 
1892.     116  SS.  8»  u.  2  Pläne. 

Pfau,  C.  Rochlitzer  Begräbnisstätten:  Vereinigtes  Wochenblatt 
für  Rochlitz  u.  s.  w.     1891.     No.  86—90. 

—  Ein  Streit  der  Rochlitzer  .Steinmetzen:  ebenda  No.  94 f. 

—  Rochlitzer  Ausgrabungen:  ebenda  No.  118. 

—  Alte  Merksteine:  ebenda  No.  1.33 f. 

—  Eine  Jahresrechnuug  der  .Seelitzer  Kirche  von  1501 :  ebenda  1892. 
No.  50. 

—  Aus  der  Zunftzeit:  ebenda  No.  56. 

Pfufz,  R.  Reinhardtsdorf  und  Krippen  während  des  30jährigen 
Krieges:  Über  Berg  und  Thal.  Organ  des  Gebirgsvereins  für 
die  sächsische  Schweiz.     Jahrg.  15  (1892).     No.  4.     S.  2.39  f. 

Reindell,  Wilh.  Dr.  Wenzeslaus  Linck  aus  Colditz  1483  —  1.547. 
Nach  ungedruckten  und  gedruckten  Quellen.  Erster  Teil:  Bis 
zur  reformatorischen  Thätigkeit  in  Altenburg.     Mit  Bildnis  und 


Litteratur.  359 

eiiieni  Anhang  entlialteud  die  zugehörigen  Documenta  Linckiana 
1485— lö^ije.     Marburg,  Ehrhardt/    189-^.     XIV,  k!90  SS.  8">. 

Richter.  Cabinctsminister  Graf  Detlev  von  Einsiedel.  I.  Teil: 
Phoebe  (Kalender  und  Jahrbuch  des  Diakonissenhauses  in  Dres- 
den).    1890.     S.  99—114. 

—  Dasselbe  II.  Theil:  Kleine  Chronik  der  evang.  -  luther.  Diako- 
nissen-Anstalt zu  Dresden.  Jahrg.  15  (1890).  3  Viertelj.  S.  1 
bis  3.  4.  Viertelj.  S.  1—5.  Jahrg.  16  (1891).  1.  Viertelj.  S  1-8. 
3.  Viertelj.  S.  4—7.    4.  Viertelj.  S.  2-4. 

Eichtet;  P.E.  J.U.Königs  Gevatterbriefe:  Vierteljahrsschrift  für 
Litteraturgeschichte  Bd.  V  (1892).     S.  332-334. 

Scheuffier.  Bautzen  und  seine  Kirchen :  Kleine  Chronik  der  evang.- 
luther.  Diakonissen-Anstalt  zu  Dresden.  Jahrg.  16.  2.  Viertelj. 
S.  1-6.  3.  Viertelj.  S.  1-4.  4.  Viertelj.  S.  4-6.  Jahrg.  17  (1892). 
1.  Viertelj.  S.  2-4.     2.  Viertelj.  S.  2—4. 

Schmidt,  Bcrth.  Urkuudeubuch  der  Vögte  von  Weida,_Gera  und 
Plauen  sowie  ihrer  Hausklöster  Mildenfurth,  Cronschwitz,  Weida 
und  z.  h.  Kreuz  bei  Saalburg.  II.  Band.  1357  — 1427.  Namens 
des  Vereins  für  thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  her- 
ausgegeben. (A.  u.  d.  T. :  Thüringische  Geschichtsquellen.  II.  Bd. 
Der  ganzen  Folge  V.  Bd.  2.  Teil).  Jena,  Fischer.  1892.  IX, 
736  SS.  8». 

Schmidt,  Beinhold.  Der  theure  Christian  [ein  Wegebaudenkmal 
des  17.  Jahrh.  bei  Zörbig].  Eine  Erinnerung  an  Herzog  Christian  I. 
von  Sachsen- Merseburg  zu  dessen  200  jährigem  Todestage:  Hallische 
Zeitung.  1891.  No. 1.35.  (Auch  Beil. zum Zörbiger  Boten.  1891.  No.l23.) 

Schneider,  E.  G.  Paul.  Die  Geschichte  der  Schule  zu  Nossen. 
Zugleich  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Schulen  in  den  kleineren 
und  mittleren  Städten  Sachsens.  Eine  Festscluift  zur  Feier  der 
Einweihung  des  Nossener  neuen  Bürgersclmlgebäudes.  Nossen, 
Hensel.     (1892).     70  SS.  8». 

Schönefeld,  G.  Aus  den  ersten  Jahrzehnten  der  sächsischen  Staats- 
post: Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1892. 
No.  102.     S.  405-408. 

Schröter,  Gotth.  Groitzsch  sonst  und  jetzt.  Historisch  -  statistische 
Beschreibung  der  Stadt  Groitzsch  mit  einem  Berichte  über  den 
Stand  und  die  Verwaltung  der  Gemeinde-Angelegenheiten  speciell 
in  den  Jahren  1889,  1890  und  1891.  Auf  Grund  amtlicher  Unter- 
lagen bearbeitet.  Mit  einer  Zeichnung :  Groitzsch  ums  Jahr 
1628  und  einem  Stadtplane  vom  Jahre  1892.  Groitzsch,  Beirich. 
1892.     IV,    246.  SS.  8". 

Schulze.  Kurze  Übersicht  über  die  Ortsgeschichte  von  Naunhof. 
Naunhof,  Christoph.     (1891.)     35  SS.  8«. 

Schurig,  E.  Der  Dresdner  Jägerhof  als  Kaserne:  Der  Kamerad. 
Jahrg.  30  (1892).     No.  33.     S.  4f.    No.  34.     S.  4f. 

Schiverdtner,  Ernst.  Das  Seminar  zu  Annaberg  nach  seiner  Begrün- 
dung und  Entwickelung.  Festschrift  ziu-  Feier  des  fünfzigjährigen 
Bestehens  der  Anstalt.  Mit  einem  Anhange  über  die  ehemaligen 
Privatsemiuare  zu  Mildenau,  Grumbach  und  Wiesa  bei  Anna- 
berg.    Annaberg.     1892.     X,    276  SS.  8«. 

Spe.    Der  Name  Oybin:  Gebirgsfreund.     Jahrg.  IV     (1892).    S.  13f. 

Stöckhardt,  E.  Nachrichten  über  das  Geschlecht  derer  von  Dam- 
nitz  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  in  der  Lausitz  ansässig 
gewesenen  oder  geborenen  Glieder  dieses  Geschlechtes:  Neues 
Lausitz.  Magazin  Bd.  LXVIII  (1892).     S.  75-84. 


360  Lilteratur. 

Thomas,  E.  Alte  Ostergebräiiclie  der  Oberlansitz:  Gebirgsfreuud. 
Jahrg.  IV  (1892).     S.  85  f. 

Woermann,  Karl.  Katalog  der  Köiiiglichen  Gemäldegallerie  zu 
Dresden.  Herausgegeben  von  der  Generaldirektion  der  König- 
lichen Sammlungen  für  Kunst  und  Wissenschaft.  Grofse  Aus- 
gabe. 2.  verm  u.  verbess.  Auflage.  Dresden.  1892.  XXXII, 
91.5  SS.  80. 

Wolff,  B.  Zur  Geschichte  der  Stadt  Zittau  im  14.  Jahrhundert. 
Beilage  zum  Jahresbericht  des  Gymnasiums  zu  Zittau.  Zittau. 
1892.     .38  SS.  40. 

Ein  merkwürdiger  Grabstein  [auf  dem  Kirchhof  zu  Weigsdorf  i.  S.] : 
Gebirgsfreuud.     Jahrg.  IV  (1892).     S.  118f. 

Georg  der  Reiche  oder  der  Bärtige,  Herzog  zu  Sachsen:  St.  Benno- 
Kalender.     1892.     S.  4H. 

Herzogin  Sidonie,  Gemahlin  Albrechts  des  Beherzten:  ebenda 
S.  47-68. 

Von  Mineralien ,  Bergwerken  und  Gesundbrunnen  in  unserer  Ober- 
lausitz:  Wöchentliche  Beilage  der  Bautzner  Nachrichten  1892. 
No.  27.     S.  106—108. 


Dresdner  Geschichtsblätfer ,  herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.  I.  Jahrg.  1892.  No.  1.  2.  Dresden,  W.  Baeusch, 
S.  1-32.  40. 

Inhalt:   Otto  Richter,  Dresdens  Strafsen  und  Plätze.     Der- 
selbe,  Der  Abschiedsbrief  des  letzten  mittelalterlichen   Pfarrers 
von  Dresden.  Derselbe,  Merkwürdige  Häuser.   I.  Altuiarkt  No.  15. 
(Goldner    Ring).    —  Paul  Rachel,    Das   Dresdner    Landwehr- 
bataillou   181.3/14.     0.  Richter,  Die  Stadtgreuze  bei  Räcknitz. 
F.  Blanckmeis  ter,  Zinzendorf  in  Dresden. 
MUieilunqen  des   Vereins  für  Geschichte  Dresdens.     Zehntes  Heft. 
Dresden,  W  Baeusch.     1892.     1.34  SS.  8". 
Inhalt :  G.  B  u  c  h  w  a  1  d ,  Dresdner  Briefe  1625—1670.     Ein  Bild 
faus   dem  Dresdner  Leben  im  17.  .Jahrhundert.     G.Beutel,   Aus 
'  den  Reisetagebüchern  almosensammelnder  Dresdner  Bürger  nach 
dem  Brande  von  Altendresden  im  Jahre  1685. 


ßegister. 


Acht  s.  Verzähluug. 

Adam  vou  Bremen  293. 

Adolf   (v.  Anhalt),    Bischof  von 

Mersebnrg  303. 
Aeueas  Sj'lvius  298. 
Agnes,  Gem.  Herzog  Joh.  Friedr. 

d.  Mittleren  339. 
Agricola  (Eisleben),  Joh.,  brauden- 

burg.  Hofprediger  207.  216. 
Alba,  Herzog  von  198. 
Albert  v.  Stade,  Anuales  293. 
Albertus  Magnus  307. 
Albrecht,  Herzog  von  Sachsen  50. 

88.  115.  .302. 

—  (II.),  Herzog  von  Bayern  115. 

—  (V.),  Herzog  von  Bayern  197. 

—  (Achilles),  Markgraf  vou  Bran- 
denburg 112.  114  f. 

—  Erzliischof  vou  Magdeburg  und 
Mainz  302.  308. 

Alexander  IV.,  Papst  300. 

Alnpeck,  Jörg  36, 

Altfridi  Vita  Liudgeri  294. 

Altzelle  101  f  213  ff. 

Amalie,  T.  Friedr.  II.  v.  Sachsen, 
Gem.  Ludwig  d.  Pteichen  von 
Bayern-Landshut  115. 

Andechs,  Bened.-Kloster  285.  298. 

Andreas  IL,  König  von  Ungarn  96. 

Anhalt  s.  Adolf,  Georg,  Moritz. 

Anna,  Gem.  Wilhelms  III.  von 
Sachsen  108  f.   113  ff'.    .3511. 

—  Tochter  Friedrichs  I.  von  Sach- 
sen, Gem.  Ludwigs  I.  von 
Hessen   115. 

—  Tochter  Friedrichs  IL  von 
Sachsen,  Gem.  Albrechts  vou 
Brandenburg  115. 


Anna,  Gem.  des  Kurfürsten  August 
323.  338  f. 

Anna  Marie,  Herzogin  von  Würt- 
temberg 324. 

Anna  Sophia,Gem.Joh.Georgs  III. 
vou  Sachsen  231. 

Annaberg  146.  .302.  327. 

Annales  Magdeburgenses  292. 

—  S.  Petri  Erphesfurd.  295. 
Anualista  Saxo  291. 
Anonymi     bist,     de    landgraviis 

Tiiuringiae  295. 

—  Chron.  Wii'ceburgense  297. 
Antonius  Floreutiuus  299. 
Antwerpen  330. 

Apolda  s.  Dietrich. 

Arnold  von  Lübeck,  Chron.  Slavo- 
rum  292. 

Arnold,  Georg,  Verf.  einer  Bio- 
graphie des  Kurf.  Moritz  127. 

Ascharmo  (?),  preufs.  General  148. 

Auerbach  i.  V.  146. 

Augsbmg  134.  303.  Reichstag 
197  ff; 

August,  Kurfürst  von  Sachsen 
90.   128.  191.  197.  205.  322  ff'. 

—  Administrator  des  Erzstifts 
Magdeburg  133. 

Augustinus  .301. 
Aviguon  315. 

Baden  i.  d.  Schweiz  253. 

Balthasar,  Landgraf  von  Thürin- 
gen 72.  114. 

Bamberg  121. 

Baptista  Mantuauus  287. 

Barbara  (von  Hessen),Gem. Herzog 
Georgs  vou  Württemberg  324. 


362 


Register. 


Basel  225  f.  234.  23(3  ff.  300. 

Bassandi,  Job.,  Provinzial  der 
Cölestiner  315  ff. 

Baumoärtel,  Nicol.,  Franciscaner 
99  f. 

Bautzen  847. 

Bayern  s.  Albreclit,  Amalie,  Lud- 
"wig. 

Benedikt  XII.,  Papst  300. 

Benedikt  I.,Al)t  zuBosau  282ff.302. 

Benediktinerorden  305  f. 

Bei'gban  62  ff.  s.  Kippersberg, 
Kürscbenberg ,  Eotes  Kreuz, 
Siebenlebu. 

Berka  v.  d.  Duba,  Hinko  (IL), 
auf  Hohnstein  180  ff.  187. 

Bern  226  f.  234.  23fift'.  243.  245  ff. 

Bernhard,  der  heilige  301. 

Bertbelsdorf  Itei  Freiberg  45. 

Bieberstein  bei  Freiberg  45. 

Bischoff,  Job.,  Pfarrer  zu  Schnee- 
berg  92  f. 

Bobersberg,  Prior  des  Klosters 
Oybin  317  ff'. 

Blus,  Martin,  Goldschmied  134. 

Bobritzsch  bei  Freibei'g  45. 

Böliinen  145  ff',  s.  a.  (leorg,  Jo- 
hann, Ladislaus,  (Jttokar. 

Bologna,  Konzil  200. 

Bonifaeius  IX.,  Papst  307. 

V.  Bonstetten,  Wolfgang,  Haupt- 
mann 252. 

Boriscb,  Martin,  Goldschmied  135. 

Borna  327. 

Börner,  Barthol.,  Goldschmied  135. 

Bosau,  Kloster  279.  281  ff'.  289  f. 
302.  306. 

V.  Böse,  Chrph.  Dietr.,  Kammer- 
direktor 129.   260.   263  f.   273. 

Böse,  Kaspar  und  Paul,  Gold- 
schmiede 135. 

Botho,  Sachsenchronik  292.   304. 

Botza,  Michael,  Goldschmied  135. 

Brandenburg,  Mark  287  siehe  auch 
Albrecht,  Anna,  Elisabeth 
Magdalene,  Emilia,  Friedrich, 
Joachim,  Johann,  Johann  Ge- 
org, Katharina,  Margarete. 

Brandt  v.  Lindau,  Oberstlieute- 
naut  276. 

Brant,  Seb.  283.  285.  288.  302.  307. 

V.  Braiuie,  Österreich.  General- 
feldraarschall  148. 

Braunschweig  siehe  Ferdinand, 
Sidonie. 


Bräunsdorf  bei  Freiberg  45. 
Bredtschneider,     Daniel,    Maler 

335  f.  340. 
Brehme,   Christian,  Bililiothekar, 

dann  Bürgermeister  in  Dresden 

126.  128  f. 
Breslau  134. 

Bi'uno,  De  hello  Saxon.   292. 
Brüx  74. 
Buchholz   14(5. 
Buchner,    August,    Professor  in 

Wittenberg  120.  122.  126.  128, 

—  Paul,  Zeugmeister  338. 
Bucer  216. 

Budin  in  Böhmen  147. 
Bulacher,  Lux,  Schweizergardist 

240.  246.  256. 
Burgund  s.  Karl,  Philipp. 
Burkersdorf  i.  d.  Oberlausitz  177; 
Burkhai-d,  J.  Jakob,  Ratsherr  in 

Basel  245. 
Bursfelder  Kongregation  290.  296. 

300.  306. 

Camerarius,  Joachim  196. 

Campanus,  Bischof  von  Terni  288 

Cautiprati,  Thomae,  bonum  uni- 
versale 299. 

Capricornus,  Samuel,  Komponist 
106. 

V.    Carlowitz,    Chrph.   209.     216. 

—  Georg  214. 

de  Cassia,  Simon  301. 

Chemnitz  11.  14.  50.  99  f.  284. 
327  f. 

de  Chora,  Ambrosius,  General  des 
Au.gustinerordens  301. 

Christian  I.,  Kurfiirst  von  Sach- 
sen 339. 

—  Herzog  von  Sachsen -Merse- 
burg 123. 

Christina,  Königin  von  Schweden 
343  f. 

Christof,  Herzog  von  Württem- 
berg 323  f. 

Chro,  Johann,  Kiipferstecber  340. 

Chronicon  episcoporum  Mersebur- 
gensiinn  291. 

—  montis  Sereni  295. 

—  Sampetrinum  295. 

—  Terrae  Misn.  295. 

V.    Claufsbruch ,    Heinrich ,    gen. 

Kramer,  in  Leipzig  342. 
V.  Clerf,  Friedrich  109. 
Clingsor  von  Ungarn  96. 


Kecister. 


363 


CIoflius,M  ,  Rektorin  Zwickau  145. 
Cluny  301. 
Coclilaeus  29.'5. 
Colditz  333. 

Colmnitz  bei  Freiberg  45. 
Compilatio  chronologica  293. 
Corviims,  Val.,  Komponist  loii. 
Creqiiilo,  Thomas,  Komponist  lUli. 
Cronscliwitz,  Kloster  290. 
Cuspiuianus,  Jo.  298. 
Czumpelzainer,  Adam,  Komponist 
106. 

Dedekind ,  Euricius ,  Komponist 
lOB. 

—  Hofpoet  124. 

Demantius,  Chrph..  Domkantor  in 
Freiberg  119. 

Detersbach  s.    v.  a.  Uybin  321  f. 

Deutsebenbora  bei  Nossen  46. 

V.  Diesbaeb,  Hubert  223. 

Dietricb,  Erzbischof  von  Magde- 
burg 291. 

—  III.,  Biscliof  V.Naumburg  302. 
Dietrieh  von  Apolda  95  ff'. 
Dittelsdorf  i.  d.  Oberlausitz  177. 
Dominikanerorden  307  f. 

V.  Donvn,  Wentseh,  auf  Tschocha 
18H. 

Doppert,  Job.,  Rektor  in  Schnee- 
berg 107. 

Dornbennersdorf  in  der  Überlau- 
sitz 177. 

Dresden  3.  11.  100. 122  ff.  132.  147. 

—  Kreuzschule  346  f. 
Dulichius,  Phil.,  Komponist  106. 
Durso  bei  Prag  147. 

Dux  71.  146. 

Eberspach  s.  v.  a.  Oybiu  (?)  322. 

Eckenstein,  Kaspar,  Musterschrei- 
ber 240  f.  251.  255. 

Eger  111.  145  f. 

Eisenach  96. 

Elisabeth ,  Landgräfin  von  Thü- 
i'ingen  95  ff'. 

—  Gem.  des  Kurfürsten  Ernst 
von  Sachsen  115. 

Elisabeth  Magdalene,  Markgräfiu 
von  Brandenbui'g  339. 

Elise  (von  AVürttemberg) .  Gem. 
des  Grafen  Georg  Ernst  zu 
Henueljerg  324. 

Elphede  monasterium  97. 

Elterlein  146. 


Emanuel,  König  v.  Portugal  301. 

Emanuel  Philibert,  Herzog  von 
Savoyen  202. 

Emilia,  Markgräfin  von  Branden- 
burg-Baircuth  324. 

Emser,  Ifieron.  296. 

Ensishcim,  Friede  von  221. 

Erasmus  v.  Rotterdam  301.   309. 

Erbisdorf  bei  Freiberg  45. 

Erfurt  206.  285.  295. 

Erphurdianus  antir|uitatum  vari- 
loquus  295. 

V.  Erlach,  Lieut.  der  Schweizer- 
garde 260.  263.  266.  268. 

Ernst,  Kurfürst  von  Sachsen  50. 
88.  115.  .302. 

—  Erzbischof  v.  Magdeburg  302. 
Escher,  Haus  Georg,  Unterschrei- 
ber in  Züricli  249. 

—  Hans  Heinrich,  Kommandeur 
des   Leibregiments    268.    277. 

—  (vom  Luchs),  .Toh.Casp.,  Lieute- 
nant der  Schweizergarde  227. 

230.  2.32  f.   236  ff. 

de  Escobar,  Andreas  93. 

Fachs,  Dr.,  kursächs.  Rat  209. 
Falkeuberg  bei  Freiberg  45. 
Falkenstein  im  Vogtland  146. 
Fäsch,  Jerem.,  Oberwachtmeister 

231.  246. 

Faustus,  Job.,  in  Börlen  118. 
Ferdinand   I.,    König   193.    197. 
203.    207  ff'. 

—  Prinz  von  Braunschweig  145. 
Fischer,  Beat,  Landvogt  264. 
Flach,Hans,  Goldschmied  iuChem- 

nitz  136. 

Forinus,  Ant.,  Komponist  106. 

Franciscus  von  Zittau,  Prior  in 
Dürkheim  316. 

Franck,  Melchior,  Komponist  106. 

Franckenstein,  Paul,  Dr.,  Stadt- 
richter in  Leipzig  3?6. 

Frankenstein  63. 

Frankreich  221.  315  ff.  siehe  auch 
.lohanu,  Karl,  Ludwig. 

Franziskaner  142  ff'. 

Frauenstein  4. 

Freiberg  1  ff'.  100.  106.  118  ff'. 
132.  338.  340.  Frauenbaus 
58  f    70.    82.    Weinhaus  .58  f. 

Friedland  in  Böhmen  178. 

Friedrich  (d.  Freidige),  Markgraf 
von  Meifsen  40. 


364 


Register. 


Friecb-ic]i  (d.  Streitbare),  Mark- 
graf von  Meifseii  102. 

—  (11-),  Kurfürst  von  .Sachsen 
113.  115. 

—  (d.  Weise),  Kurfürst  v.  Sachsen 
302.  .30.5. 

—  (III.),  Kaiser  302.  .305. 

—  (II.),  Kurfürst  von  Branden- 
burg 115. 

—  (III.),  Kurfürst  von  Branden- 
burg 224.  230. 

—  (d.  Siegreiche),  Kmfürst  von 
der  Pfalz  303. 

—  (II.),  Kurfürst  von  der  Pfalz 
200.  207  ff. 

—  (IL),  König  von  Preufsen  145  ff. 
Friedrich  Wilhehn,   Herzog  von 

Sachsen-Altenburg  123. 
Friedrich,  Mich.,  Goldschmied  136. 
Friesland  303. 

Gabriel,  Job.,  Komponist  106. 

Gardanus,  Job.,   Komponist  lOH. 

Garzo,  Job.,   Bononiensis  296. 

Gastritz,  Matthias,  Komi)ouist  106. 

Geller,  Ernst,  Dichter  124. 

Gentsch  (Beutsch?),  Andr.,  Kunst- 
stecher 136. 

Georg,  Herzog  zu  Sachsen  36. 
229.  303.  326. 

—  Fürst  von  Anhalt,  Koadjator 
V.Merseburg  189.  191. 197.  216. 

—  (von  Podiebrad),  König  von 
Böhmen  109.  111.  113  ff. 

—  Herzog  von  AVürttemberg  324. 

—  Abt  von  Pegau  30.3. 
Gerracli,Wenzel,  Goldschmied  136. 
v.  Gersdorf,  Heinrich  196. 
Gerson.  Job.,  Kanzler  derUniversi- 

tät  Paris  301.  316  f. 
Gertrud,  Gem.  des  König  Andreas 

von  Ungarn  96. 
Ge.sta    archiepiscop.    Magdeburg. 

291. 

—  comitum  de  Audecbs  298. 

V.  Girbardsdorf,  Hans,  Heintze- 
maun  und  Fredemann  320. 

—  Margaretlie  320. 

Göppert,  Anna,  Goldschmieds- 
witwe 136. 

—  Mich.,  Goldschmied  137. 
Görlitz  178  ff.  s.  a.  Johann. 
Goseck,  Kloster  290. 
Gottfried  von  Viterbo  298. 
Gottsched  123. 


V.  Graffenried  252. 

Graupen  46. 

Gregor  L,  Papst  104. 

—  IX.,  Papst  97. 

—  X.,  Papst  300. 

Greich,  Peter,  in  Freiberg  53. 
Grilleiiburg.  Schlofs  322  f. 
Giimma  4.    100. 

Groningen  in  Vogtland  28.5.  302. 
Grofshartmannsdorf  b.  Freiberg  45. 
Gueinz,  Christ.,  ßektor  in  Halle 
119. 

Häbler,  Jobann,  Komponist  106. 
V.  Hakeuborn,  Hans,  auf  Priebus 

182  ff.    186. 
Hallierstadt  285. 
Halle    46.    74.    119  f.    132.    205. 

Grafengeding  205. 
Ham1iurgl22.  1.34. 
Haumierschmidt,  Andreas,  Kom- 
ponist 106. 
Händel,  Jakob  106. 
Härder ,    Konrad ,    Ratsschreiber 

zu  Basel  245. 
Hartraaun,  Heinrich  106. 
V.   Haugwitz ,    Friedrich    Adolf, 

-Überhofmarschall    266.    273  ff. 
Hedwig  (v.  Württemberg),  Gem. 

des   Landgrafen   Ludwig  IV. 

von  Hessen  324. 
Heerfahrtspflicht  70  f. 
Heinrich  (d.  Erlauchte),  Markgraf 

von  Meilsen  68.  86. 

—  (d.  Fromme),  Herzog  v.  Sachsen 
88  f.  191. 

—  L,  König  310. 

—  IL,  Kaiser  310. 

—  III ,  Kaiser  304. 

—  VI.,  Kaiser  96. 

—  Herzog  von  Bayern  304. 

—  III.,  Landgraf  V.  Hessen  11.5. 

—  I  ,  Bischof  von  Naumburg  .302. 
Heiding,  Mich.,  Weihbiscbof  von 

Mainz  207. 

Heller,  Claus,  Ratsherr  zu  Görlitz 
184. 

Helmold,  Chron.  Slavorum  292. 

Hempel,  Mich.,  Rektor  zu  Frei- 
berg 119. 

Henneberg  s.  Elise. 

Henricus  de  Hervordia  294. 

Hermann,  L  andgraf  vonThüriugen 
96. 

—  IL,  Abt  von  Bosau  307. 


Eegister. 


365 


Herniauii,  Audi-.,   Lieutenant  l)ei 

der  Scliweizergarde  250  f. 
Herneifsen,Joh.,  Goldschmied  137. 
Herpol,  Homer.  Komponist  106. 
Herwigsdorf  bei  Zittau  320. 
Hessen  115  s.  a.  Anna,  Hedwig, 

Heinrich,    Ludwig,    Moritz, 

Philipp. 
Heusch,  Gerhard,  in  Hamburg  134. 
Hieronj'mus  301. 
Hilbersdorf  bei  Freiberg  45. 
Hildebert,  Erzbisch,  v.  Tours  288. 
Hinko,  Herzog  von  Münsterberg 

Ulf. 
Hirschfeld  bei  Nossen  46. 
Hirsehfelde  a.  d.  Neiße  177  ff. 
Hoftmann,  Job.  350  f. 
Hohenzollern,  Haus  303. 
Hohnstein  187. 
Holstein,  Prinz  148. 
V.    Hülle ,   Anselm .    niederländ. 

Maler  141. 
Hufs  307. 
Hussiteu  62.  71.   83.   303.  316  ff. 

346. 

Jena  121. 

Jenitz,  Hans,  kurfürstl.  Sekretär 
323.  339.  ' 

Im  Hoff  252.  264. 

Lmocenz  IV.,  Papst  300. 

Joachim  II.,  Kurfürst  von  Bran- 
denburg 197.  200.  210.  216. 

Job,  Kastenknecht  in  Zwickau 
144  f. 

Jocowitz  in  Böhmen  147. 

Johann  (d.  Beständige),  Kurfürst 
von  Sachsen  302. 

Johann,  König  von  Böhmen  178. 

—  König  von  Frankreich  114. 

—  (Cicero),  Kurfürst  von  Branden- 
burg 108.  112.  115. 

—  Markgraf  von  Brandenburg- 
Küstrin  213.  219. 

—  Herzog  von  Görlitz  179  f. 

—  XXII.,  Papst  308. 

—  IV. ,  Bischof  von  Meissen  s. 
Hoffinann. 

—  VIIL,  Bischof  V.  Meifsen  205. 

—  I.,  Bischof  von  Naumburg  308. 

—  IL,  Bischof  von  Naumburg  289. 

—  IIL,  Bisch.  vonNaumbm-g  286. 

—  Abt  von  Bosau  (Pegau)  302. 
Johann    Kasimir,    Pfalzgraf  bei 

Rhein  224. 


.lohaun  Friedricli,  Kuifürst  von 

Sachsen  188  ff.  337  f. 
d.  Mittl.,  Herzog  von  Sach- 
sen 339. 
Johann   Georg  I. ,   Kurfüi'st  von 

Sachsen  118    120.    122  f.  129. 

133«'.    224  ff. 
IL,  Kurfürst  von  Sachsen 

121    129.  224  if. 
IIL.  Kurfürst  von  Sachsen 

128  f.  231.  259  ff. 
Kurfüi-st  von  Brandenburg 

197.  339. 
Johannes,  Abt  zu  Cisterz  102. 

—  von  Frankreich,  Cölestiner  316. 
Jost,  Markgraf  von  Mähren  180 if. 
Isaak,  Heim-.,  Komponist  106. 
Isenach,  Johann  de  288  f. 
Julius  IL,  Papst  223.  302. 

Karl  IV.,  Kaiser  179.  315.  319. 
321. 

—  V.,  Kaiser  188  ff. 

—  Herzog  von  Burgund  222. 

—  VII.,  König  von  Frankreich 
108  ff.  221. 

—  (V.  Berry),  Sohn  Karls  VII. 
110  f.  113  ff. 

—  III.,Herzog  von  Savoyeu  201t. 
Karl  Ludwig,  Kurfürst  von  der 

Pfalz  232. 
Karlstadt  302.  309. 
Katharina,  Tochter  Kurf  Friedr.  I. 

von  Sachsen,   Gemahlin  Kurf. 

Friedr.  IL  V.Brandenburg  115. 

—  Tochter  Herzog  Wilhelms  IIL 
von  Sachsen,  Gem.  des  Her- 
zogs Hinko  von  Münsterberg 
Ulf.    115  f. 

Kanxdorf,  Andr  ,  Goldschmied  in 
Leipzig  137. 

Kellerthaler ,  Dan.  und  Friedr., 
Goldschmiede  137. 

Kippersberg  63. 

Kitzkatz,  Rupr.  Nikol. ,  Münz- 
eisenschneider 137. 

Klemm,  Samuel,  Goldschmied  137. 

Klostermansfeld  285. 

Kuobeloch,  preufs.  General  148. 

Koblenz  112  f.  115. 

Koburger,  Valentin,  Kantor  105  f. 

Koch,  Veit,  Goldschmied  in  Bres- 
lau 140. 

Kohl,  Balth.  David  348  f. 

V.  Komerstadt,  Georg,  Dr.  337. 


36G 


Register. 


V.  Komerstadt,  Hieron.,  Dr.,  kur- 
sächs.Rat  197.  209.  213  f.  216. 
Kommotaii  146. 
V.  Künneritz,  Asmus  196. 
Konrad  II.,  Kaiser  287.  289, 

—  von  Marburg  97. 
Konstanz,  ewigerFriede  (^1475)  222. 
V.  Kospoth,  Jnstus  13.5. 

V.  Kotbus,  .Jobauu  182. 

Krakau,  Univ.  281. 

Kramer,  Heinr.  s.  Claufsbruch. 

—  Zachar.,   Goldschmied  138. 
Kranadi,  Lukas,  d.  J.  333  f.  341. 
Kraus,    Wolfgaug,     Pfarrer    in 

Schneeberg  93. 

Kraufs,Heinrich,  Goldschmied  138. 

Krehmann,  Tobia.s,  Goldschmied 
138. 

Krieger,  Adam,  Hof  kammermusi- 
kus 120.  130. 

Kreuziger,  Kaspar,  Theologe 
209.  215. 

Krima  (?)  in  Böhmen  146. 

Krummenheuuersdorf  bei  Frei- 
berg 45. 

Kuffer,  Oberstlieuteuant  277. 

Kürschenberg  41. 

Ladislaus,  König  von  Böhmen 
und  Ungarn  108  ff.  115. 

Lambert  v.  Hersfeld  294  f. 

Lambrecht,  Hans,  inHamburg  134. 

Lang,  Paul,  Benediktiner  279  ff. 

Lange,  August  Friedrich,  preufs. 
Musketier  144  f. 

—  Hans  Georg,  Juwelier  in  Augs- 
burg  134. 

Langenau  bei  Freiberg  45. 
Langenried.  Hof  261  f. 
Langhans,  Abrah.,  Komponist  106. 
Lassus,  Orlandus,  Komponist  106. 
Lauban  182. 

Laue,  Dav.,  Goldschmied  in  Nürn- 
berg 138. 

—  Hans  Chrph.,  Goldschmied  138. 

—  Johann  Gottlieb,  Juwelier  in 
Nürnberg  138. 

Laun  147. 

Lebzelter  in  Leipzig  342. 
Lefevre  d'Etaples,  Jacques  309. 
V.  Leipa,  Herren  178  f. 

—  Heinrich  178. 

Lehmann,  Georg,  Professor  zu 
Wittenberg,  Schöffe  zu  Leipzig 
328. 


Lehnin,  Kloster  285.  291. 
Leipzig    14.  132  f.  325  ff'.   341  ff. 

Universität  100  ff.  120  ff.  189. 

195  f.  328.  Landtag  (1547)  189. 
V.  Lenoncourt ,    Dietr. ,   Bailli  v. 

Yitry  110  ff 
Lenz,  Oberstlieutenaut  259  f.  262. 

2H5.  274. 
Leo  X.,  Papst  301  f.    308  f. 
Leopold  I.,  Kaiser  232. 
Lichtenberg  i.  d.  Oberlausitz  177. 
Lieberose  180. 
Limbach  145. 

Lindner,  F ,  Komponist  106. 
Löbau  182  ff: 
Lobositz  146  f. 
Lohr,  Mich.,  Komponist  106. 
Lossius,  Lucas,  Komponist  105  f. 
Lofsnitz  bei  Freiberg  45. 
Löfsnitz  i.  Erzgeb.  104.  146. 
Lothringen  224. 
Löwe,  Hofsekretär  251.  265. 
Luclitenstern,  Andr.  303. 
Luckan  186. 
Ludwig  (d.  Reiche),  Herzog  von 

Bayern- Landshut  115. 

—  XL ,  König  von  Frankreich 
114.  221  f. 

—  n.,  Landgraf  von  Hessen  115. 

—  (d.  Springer),  Landgraf  von 
Thüringen  289. 

—  Herz  og  von  Württemberg  332  f. 
v.Lunden,Heinr., Goldschmied  1.38. 
Lüneburg,  Benedikt. -Kloster  284. 
Luther,    Martin    106.    216.    280. 

287.  302.  307.  309  ff. 
Lutze,  Lor.,  in  Freiberg  53. 
Luxemburg  108  f.  113  f.  351  f. 
Lnj'thon,  Karl,   Komponist   106. 
Lyon,  Konzil  300. 

Madrucci ,  Christof ,  Kardinalbi- 
schof von  Trient  200  f. 

Magdeburg  132.  204  f.  219.  287  ff. 
Erzbischof  s.  Albrecht,  Ernst, 
Udo. 

Magnus  v.  Fufsingen,  Cölestiuer 
316. 

de  Magny  (de  Coustantiu),  Isaac, 
Oberstlieutenant  224  ff. 

Mähren  s.  Jost,  Prokop. 

Mainz  206.  218.  287.  303.  s.  a. 
Wolfgang. 

Malvenda  207. 

Mansfeld,  Bergbau  331  f.   342. 


Register. 


367 


Mansfeld,    Grafen   von  203.  330. 

—  Bertold,  Graf  97. 

—  Irmgard,  Gräfin  97  f. 
Margarete,    Gem.    Kurt.    Fried- 
richs IL  von  Sachsen  115. 

—  Tochter  Herzog  Wilhelms  III. 
von  Sachsen  108  ff. 

—  Gem.  Kurf.  Albrecht  Achilles 
von  Brandenburg  115. 

Marienberg  146. 
Marignano,  Schlacht  303. 
Markersdorf  i.  d.  Oberlausitz  177. 
Martin  V.,  Papst  319. 
Martinus  aus  Striegau,  Provinzial 

der  Cölestiner  315. 
Martinus  Polonus  298. 
Maximilian  I.,  Kaiser  310. 

—  IL,  Kaiser  217  f.  352  ft'. 
Mecklenburg  s.  Ulrich. 

Meier,  Georg,  Theologe  209.  215. 
Meifsen   190  f.    196  f.  202.   204  f. 
285.  287.  291.  346  f. 

—  Markgrafen  s.  Friedrich,  Hein- 
rich, Wilhelm. 

—  Bischöfe  s.  Johann. 
Melanchthon,  Philipp  189.  196  f. 

209.  211  ff. 

Meltzer,  Erhard,  Gardian  des 
Franzisk. -Klosters  zu  Zwickau 
144. 

Merseburg  196.  205.  287  ff: 

Meurer,  Wolfgang,  Dr.  med.  in 
Leipzig  326. 

St.  Michaelis  bei  Freiberg  45. 

Mildenfurt,  Kloster  290. 

V.  Miltitz,  Ernst  196  f.  337. 

Müller,  Andr.  119.  126. 

V.  Montet,  Fähnrich  der  Schweizer- 
garde 242.  256.  258. 

—  Kapit.-Lieut.  242.  256.  258. 
260.    263  ff.    268. 

Mordeisen,  Dr.  Ulr.,  kurf.  Rat  325. 
Moritz ,     Kurfürst    von    Sachsen 
127.  188  ff.  337. 

—  Herzog  von  Sachsen  -  Zeitz 
123.  335. 

—  Prinz  von  Anhalt-Dessau  145  ff. 

—  Landgraf  von  Hessen  340. 
Moritzburg  334.  339. 

Müller,  Laurent.,  Dr.  jur.  329  ff'. 
Münsterberg  s.  Hinko,  Katharina, 
de  Münters,  Ludw.,  Goldschmied 
139. 

Nauclerus,  Chronic,  univers.  297. 


Naumburg,  Stift  190.  197.  205. 
278  f  285  tt\  311.  s.  a.  Pflug. 

Neustädtel  146. 

Niederländer  in  Leipzig  330  f. 

Niederlausitz  179  ff". 

Niederschöna  bei  Freiberg  46. 

Nienborg.  Bibliothekar  in  Dres- 
den 128. 

Nossen  46. 

Nosseni,  Joh.  Maria,  Bildhauer 
338.  340. 

Notker,  Balbulus  104. 

Nürnberg  134—138.  330  f. 

Oberlausitz  (Sechsstädte)  177  ff. 
348  ff. 

Öderan  46. 

Opitz,  Georg,  Juwelier  in  Leip- 
zig 133. 

V.  Osse,  Melchior,  Dr.,  kurf.  Hof- 
richter 197. 

Östereich  222  s.  Maximilian. 

Ostritz  179.  184. 

Otto  IV.,  König  96. 

—  Kardinal  von  Augsburg  201. 

—  von  Freising  298. 

Otto  Heinrich,  Kurfürst  von  der 

Pfalz  233. 
Ottokar  L,  König  von  Böhmen  96. 
Öxel,  Dr.,  kurbayr.  Gesandter  232. 
Oybin  bei  Zittau  284.  299.  315  ff. 

Padit  in  Böhmen  147. 
Palmerius,  Matthaeus,  Florentinus 
299. 

—  Matthias,  Pisanus  299. 
Pappendorf  bei  Freiberg  118. 
Paschalis  IL,  Papst  290. 
Paul  III.,  Papst  200  f.  206. 
Pegau,  Bened.-Kloster  290.  302  f 
Peifer,  David,  Kanzler  337. 
Peiligke,  Wolf,  Schöffe  in  Leip- 
zig 327. 

Peifsker,  Hans,  Goldschmied  139. 
Peter,  Bischof  von  Naumburg  289. 

—  Abt  zu  Bosau  281  f.  302. 

—  Archidiakon  von  Blois  301. 

—  Schulmeister  in  Naumburg  285. 

—  v.  Dresden,  Schulmeister  346  f. 
Peyerle,  Hans  Georg,  Goldschmied 

139. 
Pfalz  s.  Friedrich,  Joh.  Kasimir, 

Karl  Ludwig,  Otto  Heinrich, 

Philipp. 
Pfefferkorn,  Jude  303. 


368 


Register. 


Pfefliiiger,  Joli.  209.  215. 
Pflug-,  Heinze,    auf  Rabenstein, 

Landvogt  der  Überlausitz  181  f. 

18(J  f. 

—  Hieron.  Sigism.,  Hauptm.  der 
Trabanten-Leibgarde  230  f. 

—  Julius,  Bischof  von  Naumburg 
190.  202.  204.  207. 

Pforta,  Kloster  290, 
Philipp,  König  96. 

—  Herzog  von  Burgund  1 09. 1 1 3f. 

—  Landgraf  von  Hessen  197.  337. 

—  Kurfürst  von  der  Pfalz  302. 
Picus  von  Mirandula  300. 
Pischhäuser,  Marcus,  Goldschmied 

139. 
Pistoris,  Hartmann,  kurf.  Rat  328. 
Pius  IL,  Papst  300. 
Piatina  299. 
Plauen  i.  V.  145. 
V.  Ponickau,  Hans,  kurf.  Rat  325. 
Popilius,  Obricht,  Komponist  106. 
Portugal  s.  Emanuel. 
Prag  134.  147  ff.  346.  351. 

—  Michaelskloster  315. 
Praetorius ,    Hierou. ,    Komponist 

106. 
Preufsen  s.  Friedrich. 
Priebus  182  ff.  186. 
Prokop,    Markgraf   von    Mähren 

181.  183. 
Prügel,  Wolfg.  Karl,  Komponist 

106. 
Ptolemaeus  Lucensis  300. 
Pucheler,  Res  Misnicae  296. 
Putleste      (Putlitz?),     Joachim, 

Goldschmied  139. 

Raimund,  päpstl.  Legat  302. 
Rapeh,  Job.,  Prior  z.  Altzelle  102. 
Raphael  Volaterrauus  300. 
Rauscher,  Hieron.,  Bürgermeister 

in  Leipzig  325  f. 
Reck,  Heinr.,  Abt  z.  Bosau  290. 
Regensburg  98. 

Reichbrodt,  Geh.  Sekretär  129. 
Reichel,    Schweiz.   Wachtmeister 

235. 
Reichenau  i.  d.  Oberlausitz  177. 
Reichenbach  145. 
Reinhardt,  Job.  Heinr.,  Juwelier 

in  Leipzig  133. 
Reinsberg  bei  Freiberg  46. 
Reifs,  Phil ,  Goldschmied  139. 
Reuchlin,  Job.,  285.  302.  309. 


Richter,  Aug.,  Juwelier  in  Leip- 
zig 133. 

Richwin,  Bischof  von  Naumburg 
289. 

Rinander,  Paul,  Komponist  106. 

Robersperg  s.  IBobersberg. 

Rocharsdorf,  Kloster  98. 

Rohnau  bei  Zittau  177  ff. 

V.  Robrbacb,  Ulr.,  Provinzial  der 
Cölestiner  315. 

Rolas  de  Rosey,  Imbert,  branden- 
hmg.  Ob-rst  224.  230. 

Rolevinck,  Werner  294. 

Roeling  128. 

V.  Ronow,  Anshelm,  auf  Saudau 
179  ff. 

—  Przedebor  179. 

Rosenthal  i.  d.  Oberlausitz  177  f. 

Rofswein  46. 

Rostock,  Universität  328. 

Rotes  Kreuz  64. 

Rothe,  Stadtschreilier  in  Bern 
249  f. 

Rothe,   Chron.  Thuring.  296. 

Rüdiger,  Andr.,  von  Görlitz  100  ff. 

Rudimentum  noviciorum  293. 

de  la  Rue,  Petr.,  Komponist  106. 

Sachsen,  Herzöge  und  Kurfürsten 
287  s.  a.  Agnes,  Albrecht, 
Amalie,  Anna,  Anna  Sophia, 
August,  Christian,  Elisabeth, 
Ernst,  Friedrich ,  Friedrich 
Wilhelm,  Georg,  Heinrich, 
Job.  Friedrich,  Job.  Georg, 
Katbarina,  Margarete,  Moritz, 
Sidonie,  Wilhelm,  Zedena. 

Sagan  316. 

Salzburg,  Erzbischof  203. 

Savoyen  s.  Emanuel  Pbilibert, 
Karl. 

de  Sayne,  Lambert,  Komponist 
106. 

Schade,  Abrah.,   Komponist  106. 

Schaffhausen  237  ff.  245  f.  254. 
257.  2H2. 

Schedel,  Hartmann  297. 

Scheidt,  Samuel,  Komponist  106. 

Schellenberg,  Joh.,  Rektor  in  Frei- 
berg 119. 

Schindler ,  Archidiakonus  in 
Scbneeberg  107. 

Schirkowitz  in  Böhmen  146. 

Schirma  (Kl.  u.  Gr.)  bei  Frei- 
berg 46, 


Register. 


369 


Schirmer,  David,  Pastor  in  Pap- 
pen Jorf  118  f   126. 

—  Barbara,  seine  Frau  118. 

—  David,  Dichter  u.  Bibliothekar 
117  ff. 

—  Anna  Maria  g-eb.Leschke,  seine 
Frau  118. 

—  Georg,  Melchior  und   Samuel 
119.  126. 

Schlegel  i.  d.  Oberlausitz  177. 
V.  Schleinitz,  Heiur.,  Abt  z.  Chem- 
nitz 284. 
Schlick,  Joh.  Andi- ,  Graf  128. 
Schmölln,  Kloster  290. 
Schneeberg  91  ff.  142  f.  146. 
Schoch,  Georg  130. 
V.  Schönberg  139. 

—  Joh.,  Bischof  von  Naumburg 
285.  302. 

Schönfeld  bei  Dürkheim,  Kloster 

316. 
V.  Schönfeld,  Oberst  268. 
Schönfels  bei  Zwickau  145. 
Schönlebe  s.  Seifried. 
Schröter,    Job.,  von  Hirschberg, 

Prior  zu  Altzelle  101  f. 
Schütz,  Heinr.,  Hofkapellmeister 

106.  123. 
Schv^^arzburg,  Grafen  206. 
Schweden  343  ff. 
Schwedler,   Abrah.,   Goldschmied 

135.  139  f. 
V.  Schweinitz,  Oberstwachtmeister 

277. 
Schweizer  Soldtruppen  221  ff. 
Schwendendörfer  in  Leipzig  342. 
Schwerin ,     Generalfeldmarschall 

147  f. 
Seburc  castrum  97. 
Seifersdorf  bei  Freiberg  46. 
Seifried ,  Wolf  und  Anna   (geb. 

Schönlebe)  118. 
Seitendorf  i.  d.  Oberlausitz  177  f. 
Seid,  Dr.,  kaiserl.  Vizekanzler  210. 
de  Sermisii,  Claudius,  Komponist 

106. 
Seutter,  Martin,  Goldschmied  140. 
Sidonie  (von  Sachsen),  Gemahlin 

Herzog  Erichs  IL  zu  Braun- 

schweig-Kalenberg  324. 
Siebenlehn  41. 
Siegen,  Dr.  128. 
Siegmund,  König  187.  321. 
V.  Sierck,    Phil.,    Dorapropst    zu 

Trier  109  ff. 


Siffridus  presb.  Misnensis  296. 

Simon  v.  Freistadt,  Laienbruder 
316. 

Sinapius,  Joh.  131. 

Sivers,  Heinr,  Juwelier  in  Ham- 
burg 134. 

Soberger,  Komponist  106. 

Socin,  Benedikt,  Ratsherr  in  Basel 
225.  236.  238.  246. 

Sohra  bei  Freiberg  134. 

Soto,  Beichtvater  Karls  V.  207. 

Spangenberg  bei  Melsungen  112. 

—  Joh.  105. 

Speier,  Reichsabschied  (1544)  200. 

Spengler,  Mich. ,  Juwelier  in  Augs- 
burg 134. 

Stadtverweisung  29  ff'. 

Stähelin,  Joh  ,  Ratsherr  in  Basel 
225.  246. 

Steiger,  Säckelmeister  in  Bern 
252.  264. 

Steigriff  (für  Oybin)  322. 

Stella,  Erasmus  290. 

—  Joli.,  presb.  Venetus  300. 
V.  Steruberg,  Zdenko  110. 

V.  Stolberg,  Grafen  331. 

Stolle,  Phil.,  Musiker  124.  130. 

Strafsburg  285. 

Striegis.  die  118  f. 

Struinpff ,    Hans ,    Korporal    der 

Schweizergarde  235. 
Sturm,  Theologe  216. 
Successio  episcoporum  Moguntin. 

295. 

Tannenberg,  der,  im  Amt  Leisnig 
332  f. 

V.  Taube,  Heinr.,  Oberkämmerer 
1.33    135. 

Teplitz  146. 

Tetzel  .309. 

Tharand  322. 

Thietmar,  Bisch.  V.Merseburg 291. 

Thirmanu,  Nicol ,  Mag.,  Stadt- 
schreiber und  Schulmeister  ia 
Dresden  346  f. 

Thomas,  Abt  zu  Bosau  302. 

Thüringen,  Landgrafen  287  s.  a. 
Balthasar,  Elisabeth,  Her- 
mann, Ludwig. 

Torgau  100.  132.  197.  203  f.  208. 

V.  Torquemada,  Job.,  Kardinal  92. 

Treuer,  Gotthilf  131. 

Trient,  Konzil  198  ff. 

Trier,  IJibliothekar  in  Dresden  127. 


370 


Register. 


Tritlieim,    Abt   zu  S.  Jakob  bei 

Würzburg  283  ff.  296  f.  310. 
Türchau  i.  d.  Obeiiausitz  177. 

Udo  I.,  Bisch,  von  Naumburg  289  f. 
—  Erzbisch.  von  Magdeburg  304. 
Ulrich,  Herz,  von  Meckleubiu'g328. 
Umblaufft,   Christian,   Kantor  in 

Schneeberg  106. 
Ungarns.  Andreas,  Clertrud,  Ladis- 

laus. 
Uuwirth,  Job.,  Dr.,  Schöppe  327. 
Urie,  Theoderici,  historia  concilii 

Coustant.  294. 
Utner,  Peter,  von  Weyda,  Pfarrer 

zu  Schneeberg  92. 


Vecchius ,   Horatius ,    Komponist 

106. 
Verbrechen    und    Vergehen    5  f. 

5.y  ff. 
Verzählen  Iff.  Verzählbücher  13 ff'. 
Vincentius  Bellovaceusis  299. 
—  Oasp.,  Komponist  106. 
Vitzthum  V.  Eckstädt,  Georg  196. 
Vögeli,  Vogt  zu  Zürich  261. 
Vulpiiis, Melchior,  Komponist  106. 


Wagner,  Elias,  Pastor  in  Gr.- 
Schirma  118. 

—  Samuel  119. 

—  Valentin,  Maler  14u. 

V.  Waidenburg,  Anark  56. 

Wallenstein,  Graf  134. 

AVallisar,  Chrph.  Thomas,  Kompo- 
nist 106. 

V.  Wallwitz,  Sebast.  196. 

Walram,  Bisch,  von  Naumburg  291. 

Walter,  Chrph ,  Komponist  106. 

Walthersdorf  bei  Freiberg  46. 

Wauningius,  Job  .  Komponist  106. 

Waser,  Bürgermeister  in  Zürich 
232.  237.  239.  242.  251  ff. 

Weber,  ISTicol.,  zu  Lövrenberg  in 
Schlesien,  Mönch  316  f. 

Wegefahrt  bei  Freiberg  46. 

Weidenhainische  Haide  334. 

Weigmanusdorf  bei  Freiberg  46. 

Weimar  132  s    Wilhelm. 

Weinmann,  Job.,  in  Hamburg  134. 


Weinolt,  Chrph.  und  Tobias,  Gold- 
schmiede 140 
V.  AVeifsenbacb,  Hermann  36  f. 
Weifsenborn  bei  Freiberg  46. 
Weifsenfeis  327. 

Weifshun,  Nico!.,  Goldschmied  140. 
Wellemin  (?)  in  Böhmen  146. 
Welle]-,  Oberhofprediger  129. 
Wenzel,  König   179  ff  319.  821. 
v.AVessel,  Graf,  preufs.General  148. 
Wilhelm  L.  Markgr.  v.  Meifsen  183. 

—  II.,  .Markgr.  v.  Meifsen  62. 102. 

—  Herz,  von  Sachsen  108  ff.  351  f. 

—  IV.,  Herzog  zu  Weimar  336. 

—  Abt  in  Mecheln  301. 
Wimpheling,Jak.  281.283.285  302. 
Wingendorf  bei  Freiberg  46. 

V.  Winterfeldt,   General  147  f 

Witte,  Balth.,  Ratsherr  in  Haini- 
chen  118. 

Witteisbach.  Haus  303. 

Wittenberg  120  f.  132.  188  f  193. 
195  f.  302.  309. 

Wolfgang,  Kurf.  von  Mainz  333. 

Worsowit  in  Böhmen  147. 

AVürttemberg  s.  Anna  Marie,  Bar- 
bara, Christoph,  Elise,  Georg, 
Hedwig.  Ludwig. 

Würzburg  283  f  287. 

Wusterwitz,  Engelbert  292. 

Zässlin ,  Hans  Heinr. ,  Ratsherr 
in  Basel  245. 

v.  Zastro,  General  148. 

Zedena  (v.  Böhmen),  Gem.  Herzog 
Albrechts  von  Sachsen  115. 

Zeitbopf.  Stadtschreiber  zu  Leip- 
zig 343.  345. 

Zeitz  132.  Chron.  Citizense  279  ff. 

V.  Zescbau,  kurf  Rentmeister  129. 

Zeuzschner,  Tob.,  Komponist  106. 

Zincke,  Paul,  Juwelier  140. 

Zittau  178  ff:  319  ff. 

—  Herren  von  178. 

Zügner,  Georg,  Franziskaner  aus 

Zwickau  94. 
Zürich  226  ff.  233  ff  243. 245  ff.  276. 
Zwickau   4.   35.    105.  132.  144  ff. 

209.  213.  280  f  290  f 
Zwicker,  Peter,    Proviuzial   der 

Cölestiner  315. 
Zwönitz  146. 


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