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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 


für 


Sächsische  Geschichte 


und 


Altertumskunde 


Herausg-egeben 

von 

Dr.  Hubert  Ermiseh 

Oberregierungsrat 


Fünfundzwanzigster  Band 


^^SD 


Dresden  1904 

Wilhelm  Baenseh,  Verlagshandlung-. 


THEGEmCtNTER 
ÜBRARY 


Fünfundzwanzig  Jahre  sind  seit  dem  Erscheinen  des  ersten 
Heftes  des  Neuen  Archivs  für  Sächsische  Geschichte  ver- 
flossen. 

In  dem  Vorwort,  das  ihm  damals  der  Herausgeber  voraus- 
schickte, hat  er  das  dringende  Bedürfnis  einer  landesgeschicht- 
hchen  Zeitschrift  fLir  das  Königreich  Sachsen  betont  und  be- 
gründet. Die  reiche  Geschichte  des  im  Herzen  Deutschlands 
gelegenen  Landes,  die  Fülle  von  Problemen,  die  auf  allen 
Gebieten  des  geschichtlichen  Lebens  zu  lösen  waren  und  noch 
zu  lösen  sind,  machen  ein  Organ  unentbehrlich,  das,  streng 
wissenschaftlich  gehalten,  in  erster  Linie  brauchbare  Bausteine 
zu  einer  den  heutigen  Anforderungen  entsprechenden  säch- 
sischen Geschichte  liefern,  dann  aber  auch  weitere  Kreise  für 
die  landesgeschichtliche  Forschung  interessieren  und  zur  Mit- 
arbeit heranziehen  soll.  Die  Königliche  Staatsregierung  und 
der  Königlich  Sächsische  Altertumsverein  haben  das  Bedürfnis 
anerkannt  und  die  Mittel  zu  seiner  Befriedigung  gewährt. 
Auch  der  Verlagshandlung,  die  stets  für  eine  würdige  Aus- 
stattung der  Zeitschrift  gesorgt  und  ihr  namentlich  in  den 
ersten  Jahren  manches  Opfer  gebracht  hat,  gebührt  unser 
Dank. 

Sorge  bereitete  mir  einst  die  wichtigste  Frage:  Werden 
sich  auch  die  geeigneten  Mitarbeiter  für  das  Unternehmen 
finden?  Die  wissenschaftliche  Tätigkeit  auf  dem  Gebiete  der 
Landesgeschichte  war  vor  25  Jahren  eine  weit  weniger  rege. 


IV 

als  sie  es  heute  ist;  noch  fehlte  vielfach  das  Verständnis 
für  den  engen  Zusammenhang  des  Einzelnen  mit  dem  All- 
gemeinen. Aber  auch  diese  Sorge  hat  sich  als  unbegründet 
erwiesen;  die  Redaktion  hat  stets  eher  mit  Überflufs  wie  mit 
Mangel  an  Material  zu  kämpfen  gehabt  und  die  Zeitschrift 
hat  sich  daher  im  Laufe  der  Jahre  an  Umfang  wie  an  Inhalt 
fortwährend  erweitert  und  vertieft.  Wenn  heute  auf  den 
mannigfachsten  Gebieten  der  heimischen  Geschichte  mit 
Fleifs  und  Erfolg  gearbeitet  wird,  so  darf  das  Neue  Archiv 
für  Sächsische  Geschichte  wohl  einen  bescheidenen  Teil  des 
Dankes  dafür  in  Anspruch  nehmen.  So  kann  der  Heraus- 
geber, dem  es  vergönnt  war,  die  Zeitschrift  von  Anfang  an 
zu  leiten  und  der  einen  grofsen  Teil  seiner  Lebensarbeit  ihr 
gewidmet  hat,  mit  Befriedigung  auf  das  letzte  Vierteljahrhundert 
zurückblicken. 

Die  Gabe,  die  wir,  dank  der  Unterstützung  der  König- 
lichen Staatsregierung,  unsern  Lesern  als  Beiheft  zum  25,  Jahr- 
gang bieten,  ist,  dem  Charakter  der  Zeitschrift  entsprechend, 
eine  schlichte;  doch  hoffen  wir,  dafs  sie  vielen  Lesern  will- 
kommen sein  wird.  Sie  gibt  eine  Übersicht  über  den  Inhalt 
des  Neuen  Archivs  wie  der  beiden  Zeitschriften,  aus  deren 
Vereinigung  es  hervorgegangen  ist:  des  Archivs  für  die  Säch- 
sische Geschichte ,  herausgegeben  von  K.  v.  Weber,  und  der 
Mitteilungen  des  Königlich  Sächsischen  Altertumsvereins,  Zwar 
wurden  dem  letzten  Bande  des  Weberschen  Archivs  und  dem 
30,  Hefte  der  Mitteilungen  sowie  dem  12,  Bande  des  Neuen 
Archivs  bereits  Autorenregister  beigegeben,  doch  wurde  ein 
sachlich  geordneter  Überblick  über  die  in  diesen  Zeitschriften 
enthaltenen  Aufsätze  bisher  schmerzlich  vermifst.  Die  von  der 
Königlich  Sächsischen  Kommission  für  Geschichte  vorbereitete 
Bibliographie  der  sächsischen  Geschichte  wird  wahrscheinlich 
noch  lange  auf  sich  warten  lassen,  und  noch  nach  ihrem  Er- 
scheinen wird  unsere  Übersicht  als  bequemes  Nachschlage- 
werkchen seinen  Wert  behalten.    Ein  Register  der  Orts-  und 


Personennamen,  das  den  Umfang  der  Arbeit  aufserordentlich 
vermehrt  haben  würde,  läfst  sich  leicht  entbehren,  da  jeder 
Band  des  Weberschen  und  des  Neuen  Archivs  sowie  das 
30.  Heft  der  Mitteilungen  genaue  alphabetische  Register  ent- 
halten. 

Möchte  die  mühsame  Zusammenstellung,  für  die  wir  dem 
Bearbeiter  aufrichtig  Dank  schulden,  die  Benutzbarkeit  der 
drei  Zeitschriften  wesentlich  erleichtern  und  ihren  Inhalt  noch 
mehr  als  bisher  zum  Gemeingut  machen. 

Ermisch. 


Inhalt. 


Seite 

I.  Sächsisches  Edelzinn.     Von   Oberreoierunofsrat  Dr. 
H.  Demiani  in  Dresden i 

IL  Bilder  aus  einer  sächsischen  Stadt  im  Reformations- 
zeitalter. Aus  den  Kämmerei  -  Rechnungen  der 
Stadt  Zwickau.  Von  Prof.  Dr.  Reinhold  Hofmann 
in  Zwickau 31 

III.  Sechs  Humelius  -  Briefe,    Von  Dr.  Hans  Beschorner 

in  Dresden 68 

IV.  Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges  für  Kur- 
sachsen.    Von  Dr.  Oskar  Hüttig  in  Leipzig  .     .      .      82 

V.  Neue  Beiträge  zur  Charakteristik  des  Generals 
V.  Thielmann.  Von  Oberbibliothekar  Prof.  Dr. 
K.  Haebler  in  Dresden 95 

VI.  Kleinere  Mitteilungen 148 

I.  Peter  Genscenbach,  einer  der  ersten  Evano;elischen 
in  Leipzig.  Von  Lic.  Dr.  Otto  Giemen  in  Zwickau. 
S.  148.  —  2.  Ausgrabungen  in  der  ehemaligen  Kloster- 
kirche zu  Seulslitz  a.  E  Von  Prof.  Dr.  Otto  Eduard 
Schmidt  in  Meifsen.  S.  149  —  3.  Der  Pirnische  Mönch 
Johann  Lindner,  sein  Onomasticum  mundi  generale 
und  sein  Geburtsort.  Von  Prof.  Dr.  Reinhold  Hofmann 
in  Zwickau.  S.  152.  —  4.  Die  farbigen  Parallellinien 
auf  den  Karten  des  18.  Jahrhunderts.  Von  Lehrer  Otto 
Mörtzsch  in  Dresden.  S.  160.  —  5.  Napoleons  Zu- 
sammentreffen mit  der  sächsischen  Königsfamilie 
(14.  Oktober  18 13).     Von  K.  A.  Frh.  v.  Welck.     S.  163. 

Literatur 166 

Nachrichten 198 


VIII  Inhalt. 

Seite 

VII.  Studien  über  die  wettinische  Kanzlei  und  ihre  ältesten 
Register  im  XIV.  Jahrhundert.  Zweiter  Teil.  Von 
Archivrat  Dr.  Woldemar  Lippert  in  Dresden      .     .209 

VIII.  Das    schwedische    Heer    in    Sachsen    1706  — 1707. 

Von  Dr.  Arno  Günther  in  Plauen  i.  V 231 

IX.  Der  Prozefs  seffen  Karl  Heinrich  von  Heineken  und 
Genossen.  Von  Justizrat  Dr.  jur.  Georg  Lehmann 
in  Blasewitz 264 

X.  Kleinere  Mitteilungen 296 

I .  Kleine  Beiträge  zur  sächsischen  Gelehrtengeschichte 
im  15.  und  16.  Jahrhundert.  Von  Oberlehrer  Lic.  Dr.  Otto 
.  Giemen  in  Zwickau.  S.  296.  —  2.  Sächsisches  Edelzinn. 
(Nachtrag.)  Von  Oberregierungsrat  Dr.  H.  Demiani  in 
Dresden.    S.  305. 

Literatur 315 

Nachrichten 3.^3 

Register 351 


Besprochene  Schriften. 


Seite 

Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.    Heft  15.  16  (Georg 

Müller) 173 

Breuer,  Der  Kurfürsten  tag  zu  Mühlhausen  (Struck) 318 

Büchting,  Martin  Rinckart  (R.  Sachse)    ...          319 

Giemen,  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  III  (G.  Müller)     .  167 
Dietrich,  Beiträge  zur  Entwicklung  des  bürgerl.  Wohnhauses  in 

Sachsen  (Grüner) 328 

Exner,  Vorträge  über  Kriegführung,  Heerwesen  und  vaterländ. 

Kriegsgeschichte  iK.  v.  Kaunungen) 324 

Germer,  Die  Fortbildungs-  und  Fachschulen  (G.  Müller)         .     .  327 

Grüner,  Die  Dorf  kirche  im  Königreich  Sachsen  (G.  Gurlitt) .     .  176 
Günther,  Sachsen  und  die  Gefahr  einer  schwed.  Invasion  1706 

(P.  Haake) 169 

Gurlitt,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen  XXI  —  XXIII.  XXV 

(A.  Schultz) 175 

Frh.  V.  Hausen,    Der   Fürstenzug  auf  dem  Sgraffito -  Fries  am 

Königl.  Schlofs  zu  Dresden  (K.  v.  Kauffungen)      ....  328 

Heineck,  Brandenburg-Preufsen  u.  Nordhausen  (K.  v.  Kauffungen)  179 

Jordan,   Ghronik  der  Stadt  Mühlhausen  I.  II  (K.  v.  Kauffungen)  178 

,,     Zur  Gesch.  der  Stadt  Mühlhausen    Heft  4  ( K.  v.  Kauffungen)  3 1 8 

Kriege,  Die,  Friedrichs  des  Grofsen.  III.  Teil.  Bd.  3  u.  4  (Lippertj  1 7 1 


Inlialt.  IX 

Seite 
Lüdtke,   Die  strategische  Bedeutung  der  SchUicht  bei  Dresden 

(Exner) 324 

Menz,  Johann  Friedrich  der  Grofsmütige  I  (Goerlitz)     ....  166 

Me3'er,  H.  B.,  Hof-  und  Zentralverwaltung  der  Wettiner  (Lippert)  315 
Möckel,  Die  Entwicklung  des  Volksschulwesens  in  der  Diöcese 

Zwickau  (G.  Müller) 326 

Overmann,  Die  ersten  Jahre  der  preufsischen  Herrschaft  in  Erfurt 

1802 — 1806  (K.  V.  Kauffungen) 179 

V.  Raab,  Das  Amt  Pausa  (Oppermann) 177 

„      Die  von  Kauffungen  (K.  v.  Kauftungen) 180 

Reimann,  Prinzenerziehung  in  Sachsen  (G.  Müller)  .....  327 
Reinhardt,  C.,  Beiträge   zur  Lebensgeschichte  von  Ehrenfried 

Walter  von  Tschirnhaus  (P.  Haake) 168 

Seyfert,  Die  Landschaftsschilderung  (Beschorner) 332 

Stübler,  Anthropogeographische  Studien  in  der  Sachs.  Schweiz 

(Rühlmann) 330 

Tetzner,  Die  Slawen  in  Deutschland  (Tetzner  und  Mucke)    .     .  181 

Zieger,  Der  Handelsschulgedanke  in  Kursachsen  (G.  ]\Iüller)  .  325 
Ziekursch,  Sachsen  u.  Preufsen  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 

(P.  Haake) 321 


I. 

Sächsisches  Edelzinn'). 

Von 
H.  Demiani. 


Versteht  man  unter  Sachsen  das  heutige  Königreich 
dieses  Namens  —  also  einschhefshch  der  erst  durch  den 
Traditionsrezefs  von  1635  damit  vereinigten  Stadt  Zittau, 
deren  schon  im  16.  Jahrhundert  entstandene  Zinnarbeiten  im 
folgenden  mit  behandelt  werden  — ,  so  dürfte  es  kaum  gelingen, 
urgeschichtliche,  antike  oder  romanische  Zinnarbeiten  zweifel- 
los sächsischen  Ursprungs  nachzuweisen.  Auch  Erzeugnisse 
der  gotischen  Periode  sind  zur  Zeit  nicht  bekannt.  Nur 
die  Formen  dieser  Epoche  linden  sich  noch  hin  und  wieder 
an  im  16.  Jahrhundert  oder  später  entstandenen  Zinngeräten. 
So  an  grofsen,  der  Freiberger  Berg-,  Knapp-  und  Brüder- 
schaft gehörigen,   1628  von  dem  Freiberger  Zinngiefser  Hans 


')  Auf  den  folgenden  Seiten  soll  nur  das  Edelzinn,  die  über  den 
Gebrauchszweck  hinaus  zu  künstlerischer  Form  veredelten,  meist 
als  Schau-  und  Prunkstücke  zu  betrachtenden  Zinngeräte,  behandelt 
werden,  und  zwar  im  Gegensatz  zum  Gebrauchszinn,  den  für  den  täg- 
lichen Gebrauch  bestimmten  Zinngeschirren.  Die  Franzosen  machen 
diesen  Unterschied  schon  seit  langer  Zeit,  indem  sie  Zinnarbeiten 
höherer  Gattung  als  orfevrerie  d'etain,  gewöhnliche  Zinnwaren  als 
poterie  d'etain  bezeichnen.  Das  sächsische  Gebrauchszinn  weicht 
hinsichtlich  seiner  Formen  von  dem  anderer  Länder  nicht  wesentlich 
ab  und  zeigt  keine  jener  eigentümlichen,  sofort  den  Ursprungsort 
verratenden  Gestaltungen  wie  z.  B.  die  Berner  Kanne  mit  ihrem 
schlanken  Hals  und  ihrem  dünnen,  durch  einen  Querstab  gehaltenen 
Ausgufsrohr  oder  der  gedrungene,  dickbauchige,  mit  herzfönnigem 
Deckel  versehene  Ciderkrug  („pichet")  der  Normandie.  Ein  von 
Gurlitt  in  einem  Aufsatz  über  die  1889  veranstaltete  Dresdner  Aus- 
Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.    I.  2.  I 


2  H.  Demiani: 

Günter  „umgegossenen"  Schenkkannen').  Man  darf  sich  durch 
derartige  stihstische  Ausnahmen  nicht  täuschen  lassen.  Ist  es 
doch  eine  bekannte  Tatsache,  dafs  die  Zinngiefser  oft  mit 
grofser  Zähigkeit  und  häufig  bis  in  die  Zeiten  eines  längst 
veränderten  Geschmacks  hinein  an  ihren  alten,  einmal  einge- 
bürgerten Modellen  festhielten. 

Der   Beginn   der  Herrschaft    des  Zinns   fällt   in   Sachsen 
ungefähr  mit  der  nachhaltigeren  Ausbeutung  der  dortigen  erz- 


stelluno;  alter  Zinnarbeiten  (Kunstgewerbeblatt  N.  F.  I  [1890],  29  ff.) 
erwähnter  Krugtj^pus  mit  scharfer  massiver  Nase  und  entsprechen- 
dem Deckel  läfst  sich  nicht  allein  für  Sachsen  in  Anspruch  nehmen, 
sondern  auch  in  Böhmen,  in  Schlesien,  im  Elsafs  und  anderw^ärts 
nachweisen.  Und  wenn  Gurlitt  an  derselben  Stelle  weiter  sagt:  „Die 
in  Sachsen  übliche  Form  (des  Bierkrugs)  war  die  mit  lothrechten 
Wandungen,  als  Viertelkreis  profilirtem  Fufsring,  kräftigem  Deckel 
und  kugelförmigem  Scharnierknopf",  so  mufs  man  dieser  zutreffenden 
Bemerkung  gleichwohl  hinzufügen,  dafs  dieselbe  Formation  z.  B.  auch 
in  Siebenbürgen  die  herrschende  gewesen  ist.  —  Die  nachstehenden 
Zeilen  sind  im  Avesentlichen  nur  die  wortgetreue  Wiederholung  eines 
vom  Verfasser  im  November  1902  im  K.  S.  Altertumsverein  zu  Dresden 
gehaltenen  Vortrags  und  wollen  wie  dieser,  ohne  Anspruch  auf  er- 
schöpfende Behandlung  der  Materie  zu  erheben,  nur  auf  die  bisher 
kaum  beachtete  Gruppe  des  sächsischen  Edelzinns  hinweisen. 

^1  „Luciae  1628:  14  ti.  8  gr.  6  pf.  Hansen  Güntern  Kandelgiefsern 
von  10  grosen  zinnern  Schenckkannen  umbzugifsen,  so  118  U  ge- 
wog  Inclusis  14  W  Zien,  so  der  Kandelgiefser  zugebufset,  also 
vors  //  21  pf.  vmbzugiefsen  und  6  gr.  vor  jedes  //  Zien,  so  zu- 
gebufset, laut  des  Kandelgiefsers  Zetel."  Mitteilungen  des  Freiberger 
Altertumsvereins  XXXVIII,  103.  Ebendort  noch  folgende,  auf  das 
Vorstehende  bezügliche  Anmerkung :  „4  Stück  davon  (von  den  Schenk- 
kannen) im  (Freiberger,  im  König  Albert-Museum  befindlichen)  Ver- 
einsmuseum (Nr.  91  d)  und  2  Stück  im  Dresdner  Kunstgewerbe-Museum, 
vom  Revierausschusse  zu  Freiberg  gegen  Revers  überlassen.  Die 
Schenkkannen  zeigen  am  Halse  die  gravierte  Inschrift  ,.16  5?  28  Bergk 
Knapschaft  Freiberg"  und  am  Henkel  die  doppelte  Marke  HG  13  neben 
einem  Blumenstöckchen  mit  2  wurzelständigen  Blättern  und  geschlos- 
sener Tulpenblüte  und  eine  Marke  mit  dem  Freiberger  steigenden 
Löwen.  Vgl.  über  diese  Schenkkannen  auch  diese  Mitteilungen 
Heft  6,  S.  609  und  Iccander,  das  Königliche  Freiberg  in  Meifsen, 
Chemnitz,  Stölsel  1725,  S.  55.  Wo  sind  die  anderen  Kannen  hinge- 
kommen?" Eine  ähnliche,  aber  mit  einem  Ausgufs  nicht  versehene 
Kanne  (von  1583),  aus  dem  Besitz  der  Stadt  Crimmitschau,  befand 
sich  1889  auf  der  schon  erwähnten  Dresdner  Zinnausstellung.  Vgl. 
Gurlitt  a.  a.  O.  S.  32.  Kandelgiefser  oder  Kannengiefser,  auch  Kand- 
ier nannte  man  anfänglich  die  Zinngiefser  nicht  nur  in  Sachsen, 
sondern  auch  anderwärts.  Doch  kommt  auch  letzterer  Ausdruck,  wenn 
schon  ausnahmsweise,  bereits  in  sehr  früher  Zeit  vor.  von  Stetten 
(Kunst-Gewerb-  und  Handwerks-Geschichte  der  Reichs-Stadt  Augs- 
burg, Augsburg,  Stage,  1779,  S.  240)  erwähnt  einen  1324  in  Augsburg 
tätigen  Carel  dictus  Zinngiezaer  und  Neuwirth  (Geschichte  der  bil- 
denden Kunst  in  Böhmen  u.  s.  w.,  Prag,  Calve,  1893,  S.  245  Anm.  i), 


Sächsisches  Edelzinn.  3 

gebirgischen,  zwar  schon  früher  angelegten,  aber  erst  gegen 
Ausgang  des  15. Jahrhunderts  in  vollen  Betrieb  gebrachten  Zinn- 
bergwerke zusammen,  unter  denen  die  von  Ehrenfriedersdorf 
und  Ge3'er  (um  1400  erschlossen),  Zinnwald  (seit  etwa  1450 
betrieben),  Altenberg  (1458  fündig  geworden),  Marienberg  und 
Eibenstock  (um  1500  in  Aufnahme  gekommen)  die  wichtigsten 
waren.  Nicht  ohne  Einflufs  war  auch  die  Wiederauffindung 
der  reichen  ostindischen  Zinnlager,  deren  Erträgnisse  der  mehr 
und  mehr  sich  entwickelnde  Seehandel  Europa  zuführte.  Das 
früher  seltene  und  deshalb  teuere,  in  der  Hauptsache  nur  aus 
England  bezogene  Zinn  kam  nunmehr  in  Massen  auf  den  Markt 
und  wurde  billig.  Damit  aber  erledigte  sich  die  Preisfrage, 
welche  trotz  seiner  vielen  guten  Eigenschaften,  wie  silber- 
ähnlicher Glanz,  leichte  Schmelzbarkeit  und  Bearbeitungs- 
fähigkeit, Sauberkeit,  Unzerbrechlichkeit,  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Säuren  und  atmosphärische  Einflüsse  usw.,  seiner  wei- 
teren Verbreitung  und  Verwendung  allein  hinderlich  gewesen 
war.  Namentlich  das  zu  ansehnlichem  Wohlstand  gelangte 
Bürgertum  und  die  sehr  einflufsreich  gewordenen  Zünfte,  deren 
Lebensführung  eine  behaglichere  Ausgestaltung  des  Daseins 
anstrebte,  gewannen  Freude  an  dem  schmucken  blanken  Zinn- 
gerät.  Und  die  zahllosen,  im  16.  und  17.  Jahrhundert  ent- 
standenen zinnernen  Teller,  Schüsseln,  Krüge,  Becher,  Humpen, 
Kannen  usw.  beweisen  zur  Genüge,  dafs  das  Zinn  damals  all- 
gemein beliebt  und  keineswegs  ,,das  Silber  der  Armen"  war, 
als  welches  es  spätere  anspruchsvollere  Zeiten  bezeichnen 
durften. 

Über  die  Anfangsperiode  der  Renaissance  läfst  sich  be- 
züglich des  sächsischen  Zinns  wesentliches  nicht  berichten. 
Höchstens  könnte  man  das  Taufbecken  des  Domes  zu  Freiberg 
erwähnen,  das  von  ganz  einfacher  glatter  Form  ist,  nur  die 
Jahreszahl  1531   auf  einem  schmucklosen  Spruchband  aufweist 


berichtet  über  einen  1393  in  Prag  vorkommenden  Henricus  czingisser 
de  Wienna.  Die  Kannengiefserordnung  für  das  Ordensland  Preulsen 
vom  2.  Dezember  1435  braucht  die  Bezeichnung  „Kannengisser  vnd 
czenner".  ,, Zinner  (czynner,  tzyner)"  hiefsen  in  Sachsen  die  Ge- 
werken  der  Zinnbergwerke  im  Gegensatz  zu  den  „Flossem"  und 
„Schmelzern"  d.  h.  denjenigen,  welche  die  Aufbereitung,  Schmelzung 
und  sonstige  Verarbeitung  des  Zinns  besorgten.  Vgl.  Ermisch,  Das 
Zinnerrecht  von  Ehrenfriedersdorf,  Ge^-er  und  Thum,  in  dieser  Zeit- 
schrift \^II,  94  ff.  In  teilweise  anderer  Bedeutung  begegnet  man  der 
Benennung  „Zinner  (Ziener)"'  auch  bei  den  Gewerbtreibenden  des 
Fichtelgebirges  (Schmidt,  Der  alte  Zinnbergbau  im  Fichtelgebirge, 
im  Archiv  für  Geschichte  und  Altertumskunde  von  Oberfranken 
XX,  200  ff). 


A  H.  Demiani: 

und  die  Freiberger  Stadtmarke  (den  springenden  Löwen) 
zwischen  zwei  gleichen  Meisterstempeln  mit  je  einem  latei- 
nischen M  (wohl  Zeichen  des  von  1494  bis  1549  tätigen  Frei- 
berger Zinngiefsers  Erhart  Mehner)  trägt. 

Sächsisches  Edelzinn  ist  wohl  erst  nach  1550  entstanden. 
Wenigstens  ist  sein  wichtigstes  Stück,  die  prächtige  Zunftkanne 
der  Zittauer  Maurer,  1562  datirt.  Und  es  liegt  kein  Anlafs  vor, 
die  übrigen  noch  in  Frage  kommenden  Werke  als  wesentlich 
frühere  Erzeugnisse  zu  betrachten.  Die  Beziehungen  Sachsens 
zu  Nürnberg,  das  in  Bezug  auf  den  Edelzinngufs  seit  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  in  Deutschland  unstreitig  die  führende 
Stellung  einnahm,  zeigen  sich  namentlich  darin,  dafs  die  Pla- 
ketten des  Nürnberger  Künstlers  Peter  Flötner  (gest.  1546)  vielfach 
von  sächsischen  Zinngiefsern  verwendet  wurden.  Zinnarbeiten 
wie  die  bekannten,  in  Nürnberg  gefertigten  Folgen  reliefierter 
Teller,  die  Kaiser,  Könige,  Apostel,  biblische  Darstellungen, 
Blumen,  Ornamente  u.  a.  m.  aufweisen^),  hat  man  in  Sachsen 
ebensowenig  hervorgebracht  wie  Stücke  in  der  Manier  des 
eigenartigen  Nürnberger  Zinngiefsers  Nikolaus  Horchaimer^). 
Auch  Meistern  vom  Range  eines  Caspar  Enderlein  ^)  und  eines 
Franc^ois  Briot*)  begegnen  wir  nicht.  Dagegen  macht  sich 
ein  gewisser  Einflufs  des  letzteren  und  der  leider  unbekannten, 
etwa  von  1550  bis  kurz  nach  1600  tätig  gewesenen  franzö- 
sischen Künstler,  unter  denen  der  Schöpfer  der  prächtigen 
Mars -Schüssel  und  der  zu  ihr  gehörigen  Kanne')  zu  suchen 
ist,  insofern  geltend,  als  Teile  ihrer  Kompositionen,  insbeson- 
dere Figuren  von  Briots  Temperantia- Platte  und  von  der 
Mars-Schüssel,  auf  jenen  grofsen  zinnernen  Tinten-  und  Streu- 
sandfässern sich  wiederfinden,  welche  namentlich  im  17.  Jahr- 
hundert in  den  kurfürstlichen  Kanzleien  und  den  städtischen 
Schreibstuben    Sachsens    in  Gebrauch    waren    (vgl.  Fig.  i)®). 


M  Demiani,  Franc^ois  Briot,  Caspar  Enderlein  und  das  Edel- 
zinn (Leipzig,  Hiersemann,  1897)  S.  74,  Taf.  40,  41,  42.  Um  manche 
mit  dem  behandelten  Thema  nicht  aufs  engste  zusammenhängende 
Angaben  möglichst  knapp  fassen  zu  können,  sei  es  gestattet,  im 
folgenden  auf  die  ausführlichen  Darlegungen  und  die  Abbildungen 
dieses  Buchs  zu  verweisen. 

2)  Ebenda  S.  79  ft".  Taf.  50. 

*)  Ebenda  S.  31  fif. 

*)  Ebenda  S.  i  ff. 

^)  Ebenda  S.  50  ff.  Taf.  24,  25  Man  hat  mit  Unrecht  auch  die 
Mars -Schüssel  Briot  zuweisen  wollen.  Vgl  Demiani,  „Darf  man 
die  Mars-Schüssel  und  die  zu  ihr  gehörige  Kanne  Frangois  Briot  zu- 
schreiben?", im  Repertorium  für  Kunstwissenschaft  XXII  (1899),  306  ff. 

")  Vgl,auchDemiani,Fran(;oisBriotusw.S.S5ff.Taf  i3.0beinrun- 


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Ber^niannsleuchter 

der  Kirche 
zu  (leisiiiu   ( 1685  ). 


Sächsisches  Edelzinn. 


5 


Man  darf  sie  —  zeitlich  —  als  die  erste  Spezialität  l)ezeichnen, 
welche  das  genannte  Land  hervorgebracht  hat.  Gute  Exem- 
plare sind  enthalten  im  Dresdner  Stadtmuseum,  im  Dresdner 
Kunstgewerbemuseum,  in  der  Kollektion  Mansberg- Dresden 
und  in  der  Sammlung  Demiani. 

Auch  während  des  17.  Jahrhunderts  blieb  Zinn  das  Haupt- 
material für  Speise-,  Trink-  und  Wirtschaftsgerät.  Nicht  ein- 
mal der  doch  sonst  von  so  nachteiligen  Folgen  begleitete 
Dreifsigjährige  Krieg  vermochte  ihm  etwas  anzuhaben,  da  man 
die  bei  dem  damahgen  Geldmangel  eingeschmolzenen  goldenen 
und  silbernen  Gefäfse,  namentlich  die  Abendmahlsgeräte,  durch 
billigere  aus  Zinn  ersetzte  und  dieses  dergestalt  auch  in  den 
Kirchen  heimisch  wurde.  Es  unterlag  vielmehr  nach  und  nach 
friedlicheren  Gegnern,  dem  sich  mehr  und  mehr  einbürgernden 
wohlfeileren  irdenen  Geschirr,  dem  immer  weitere  Verbreitung 
findenden  Glas  und  dem  von  Meiisen  aus  seinen  Siegeslauf  an- 
tretenden  Porzellan.  Gleichwohl  behielt  es,  in  seinen  Formen 
sich  nunmehr  meist  an  diejenigen  der  gleichzeitigen  Gerät- 
schaften aus  Edelmetall  (insbesondere  der  Kaffeekannen  und 
Teller)  anschliefsend,  auch  noch  im  18.  Jahrhundert  eine  nicht 
unwesentliche  Bedeutung. 

Vor  Beginn  und  gegen  Ausgang  dieses  Säkulums  bildeten 
sich  zwei  weitere  sächsische  Spezialitäten  heraus:  die  Berg- 
mannsleuchter und  die  Schützenteller.  Von  ersteren,  die  gleich- 
sam den  sächsischen  Zinnbergbau  verkörpern  und  deren  Ent- 
stehungsgebiet das  Erzgebirge  ist,  befinden  sich  die  gröfsten 
und  ältesten  (bezeichnet  1672)  in  der  Kirche  zu  Zöblitz  und 
wurden  die  schönsten  und  beachtenswertesten  (leider  ohne 
Stempel)  1685  der  Kirche  zu  Geising  geschenkt,  die  sie  noch 
heute  besitzt  (Fig.  2).  Drei  derartige  Leuchter  schmücken  z.  B. 
auch  den  Altar  der  Berofkirche  zu  Annaberg.  Und  zwei 
einander  gleiche,  trefflich  modellierte  (mit  der  noch  zu  be- 
sprechenden Schneeberger  Stadtmarke)  birgt  das  Kunstge- 
werbemuseum zu  Berlin.  Die  Schützenteller,  welche  durch 
gute  Exemplare  z.  B.  im  städtischen  Museum  zu  Zittau')  und 


desTintenfafs  mit  sechs  (meist  musizierenden)  Frauengestalten  zwischen 
senkrechten  Ornamentstreifen  als  eine  sächsische  Arbeit  zu  bezeichnen 
ist,  mag  dahingestellt  bleiben,  da  die  ungestempelten  Exemplare  des 
Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin  und  der  Sammlungen  Zöllner-Leipzig 
und  Demiani  stumpf,  schlecht  erhalten  und  stark  oxydiert  sind. 

1)  Dieses  Museum  birgt  auch  zwei  interessante,  ausweislich 
ihrer  Stempel  vom  Zittauer  Zinngiefser  Johann  Friedrich  Roesler 
gefertigte  Zinnteller,  deren  glatter  Rand  mit  einer  Perlenreihe  ver- 
ziert ist  und  deren  Mittelrund  in  Ölfarbe  gemalte  Kriegsszenen  auf- 


5  H.  Demiani: 

in  der  Sammlung  Demiani  vertreten  sind,  entstanden  zum 
allergrüfsten  Teil  in  Zittau,  ihren  in  der  Regel  eingegra- 
benen Daten  nach  namentlich  um  1780,  und  dienten  als  Preise 
bei  Schützenfesten  und  wohl  auch  bei  gröfseren  Schiefsübungen. 
Sie  weisen  zumeist  gut  und  geschmackvoll  gravierte  Mittel- 
stücke sowie  reliefierte,  mit  Verständnis  modellierte  Rokoko - 
ränder  auf,  die  bisweilen  auch  durchbrochen  sind.  Manche 
von  ihnen  lassen  sich  mit  Hilfe  ihrer  Stempel  auf  die  Zittauer 
Zinngiefser  Johann  Gottlob  Roesler  (von  1782  an  urkundlich 
erwähnt,  ,,Aeltester"  [Obermeister]  1786,  gestorben  vor  dem 
22.  Juni  1803),  Johann  Friedrich  Roesler  (Meister  1803,  Ältester 
1809,  noch  1839  genannt)  und  Heinrich  Burchard  Alfsleben 
(1791  vorkommend)  zurückführen^).  Das  als  Fig.  3  abgebildete 
hübsche  Stück  ist  ausweislich  seiner  Stempel  (Schild  [mit  Z?], 
von  Vogel  gehalten,  darunter  1775  [?|;  Frau,  Vogel  und  Anker 
haltend,  links  CA,  rechts  B)  eine  Arbeit  des  1787  urkundlich  auf- 
geführten Zittauer  Zinngiefsers  Christian  August  Breuer.  Durch 


weist:  die  Entwaffnung  der  Braunschweiger  Totenkopf husaren  durch 
sächsische  Reiter  auf  dem  Zittauer  Markt  und  den  Überfall  der  ge- 
nannten Husaren  durch  sächsische  Truppen  am  Webertor  zu  Zittau. 
Beide  Teller  tragen  die  Jahreszahl  18 10.  Vgl.  auch  die  folgende  An- 
merkung. Ein  dritter  derartiger  Teller,  der  gleichfalls  von  dem  ge- 
nannten Meister  herrührt  und  dessen  Mittelbild  den  „nächtlichen 
Überfall  vor  dem  böhmischen  Ende -Thor  (sie!)  vom  30.  bis  31.  May 
1809"  darstellt,  befindet  sich  in  Zittau  in  Privatbesitz.  (Freundliche 
Mitteilungen  des  Herrn  Gymnasialoberlehrer  Dr.  Koch  in  Zittau.) 

1)  Johann  Gottlob  Roesler  markte  seine  Erzeugnisse  aufser  mit 
einer  streifenförmigen,  seinen  Namen  I.  G.  ROESLER  enthaltenden 
Marke  mit  zwei  grofsen  ovalen  Stempeln.  Der  eine  zeigt  über  der 
Jahreszahl  1764  einen  bekränzten  Säulenstumpf,  an  welchen  links  ein 
"Schild  mit  dem  Buchstaben  Z  (Zittauer  Wappen)  und  rechts  ein  Anker 
sich  lehnt,  der  andere  über  der  Jahreszahl  1773  einen  Altar,  auf 
Avelchem  eine  unbekleidete  Frauengestalt  (wohl  Fortuna)  steht,  wäh- 
rend auf  seiner  linken  Ecke  ein  Schild  mit  einem  lateinischen  R 
(Roesler)  ruht.  Johann  Friedrich  Roesler  markte  immer  mit  zwei 
ovalen  Stempeln.  Dieselben  sind  bisweilen  einander  gleich,  in  der 
Regel  aber  verschieden.  Der  eine  weist  über  der  Jahreszahl  1803 
einen  Palmbaum  auf,  an  welchen  links  ein  Schild  mit  einem  Z  gelehnt 
ist,  während  rechts  im  Hintergrunde  die  Sonne  aufgeht,  der  andere 
über  derselben  Jahreszahl  einen  Altar,  auf  welchem  eine  Urne  steht 
und  auf  dessen  linke  Seite  ein  Schild  mit  einem  R  sich  stützt.  Aufser- 
dem  bediente  er  sich  meist  noch  einer  streifenförmigen,  seinen  Namen 
I.  F.  ROESLER  zeigenden  Marke.  Heinrich  Burchard  Alfsleben  führte 
zwei  ovale  Marken,  deren  eine  einen  springenden  Löwen  mit  einem 
Schild,  auf  dem  ein  Z,  und  die  Jahreszahl  1764  (?)  enthält,  während 
die  andere  einen  stehenden  Merkur  mit  einem  Schild  erkennen  läfst, 
auf  dem  die  Buchstaben  BA  zu  lesen  sind.  (Freundliche  Mitteilungen 
des  Herrn  Gymnasialoberlehrer  Dr.  Koch  in  Zittau.) 


Sächsisches  Edelzinn.  y 

reichere  Ausstattung  und  sorgfältigere  Ausführung  unterscheiden 
sich  die  Zittauer  von  den  anderwärts  gefertigten,  meist  ziemlich 
einfachen  Schützentellern.  Mit  den  drei  erwähnten  speziell 
sächsischen  Gruppen,  deren  künstlerischer  Wert  kein  sehr  er- 
heblicher ist,  nähert  sich  das  Edelzinn  Sachsens  dem  dortigen 
Gebrauchszinn. 

Die  Empirezeit  räumte,  wie  anderwärts,  so  auch  in  Sachsen 
dem  Zinn  als  Material  für  Leuchter,  Salzfässer,  Kaffeege- 
schirr usw.  zwar  eine  gewisse  Existenzberechtigung  ein.  Etwa 
um  1825  aber  begann  eine  Epoche  traurigen  Niedergangs. 
Nur  Zinnsoldaten  blieben  noch  die  bescheidenen  Zeugen  seiner 
einstigen  Bedeutung.  Im  übrigen  fristete  es  blofs  in  Gestalt 
von  medizinischen  Instrumenten  intimer  Natur  ein  sehr  diskretes 
Dasein.  Zwar  begann  nach  1860  das  Interesse  sich  wieder  ein 
wenig  zu  heben.  Aber  selbst  die  1889  im  Dresdner  Kunst- 
gewerbemuseum veranstaltete  Ausstellung  alter  Zinnarbeiten  ^) 
wurde  nicht  in  Erwartung  einer  Wiederbelebung  der  Zinn- 
giefserei,  sondern  mit  dem  Wunsche  unternommen,  aus  dem 
reichen  Formenschatz  der  Geräte  aus  Zinn  für  anderes  Material 
verwertbare  Vorbilder  zu  zeigen.  Seit  dem  genannten  Jahre 
etwa,  in  welchem  auch  die  bekannte  Abhandlung  von  Lessing 
über  Francois  Briot  und  Caspar  Enderlein-)  erschien,  ist  die  erst 
um  1880  ihren  Anfang  nehmende  wissenschaftliche  Behand- 
lung der  Geschichte  des  Zinns  imd  der  Zinnarbeiten  mit  Nach- 
druck fortgesetzt  und  die  praktische  Verwendung  unseres  Me- 
talls —  es  sei  nur  an  das  Kayserzinn,  an  Schmitz'  Edelzinn, 
an  die  Erzeugnisse  von  Lichtinger  in  München,  Ertel  in  Eger, 
ZamponiinGraz  erinnert! — in  kaum  erwartetem  Umfang  wieder 
aufgenommen  worden.  Frankreich,  das  bereits  in  den  acht- 
ziger Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  in  dem  trefflichen,  noch 
heute  tätigen  Zinnmodelleur  Jules  Brateau  (Paris)  einen  Künstler 
besafs,  wie  ihn  andere  Länder  nicht  aufzuweisen  vermögen, 
hat  mit  seinem  etain  artistique  (Schöpfungen  von  Charpentier, 
Garnier,  Ledru,  Lelievre,  Lärche,  Desbois,  Bafiier  u.  a.)  einen 
wesentlichen  Vorsprung  gewonnen.  Sachsen  steht  diesem  be- 
deutungsvollen Aufschwung  zwar  wohlwollend,  aber  ziemlich 
untätig  gegenüber.  Einige  aus  Zinn  bestehende  Werke  (Por- 
trätplakette der  Sammlung  Demiani,  reichverziertes  Schmuck- 
kästchen u.  a.  m.)  der  in  Rochlitz  geborenen  Bildhauerin  Julie 


')  Vgl.  Berling,  Sonderausstellung  alter  Zinnarbeiten,  in  der 
Gewerbeschau  XXI  (1889),  255  ff.,  279  ff. 

-)  Jahrbuch  der  Königlich  Preufsischen  Kunstsammlungen  X 
(1889),  171  ff 


8  H.  Demiani: 

Genthe,  einer  Schülerin  von  Diez,  weitergebildet  in  den  Ateliers 
von  Charpentier,  Meunier  und  van  der  Stajipen,  zeigen  eine 
gewisse  Verwandtschaft  mit  dem  vorerwähnten  französischen 
,, Kunstzinn".  Auf  der  Turiner  Ausstellung  1902  waren  nur 
die  Arbeiten  von  Grofs  in  Dresden,  der  aber  erst  aus  München 
übergesiedelt  ist,  und  von  Hentschel  in  Meifsen  vertreten. 
Andere  moderne  sächsische  Zinnerzeugnisse  bedürfen  kaum 
besonderer  Hervorhebung.  Der  einst  so  bedeutende  säch- 
sische Zinnbergbau,  dem  Sachsen  den  Namen  ,, Deutsches  Zinn- 
land" verdankt,  liegt  trotz  aller  Wiederbelebungsversuche  dar- 
nieder. 

Um  die  nunmehr  zu  behandelnde  Frage  nach  den  Merk- 
malen, durch  welche  sich  das  sächsische  Edelzinn  von  anderen 
gleichwertigen  Zinnarbeiten  unterscheidet,  vollständig  beant- 
worten zu  können,  mufs  zunächst  an  zwei  dem  Zeitalter  der 
Renaissance  geläufige,  dem  Gedankengang  der  Gegenwart 
aber  mehr  oder  weniger  fremd  gewordene  Tatsachen  erinnert 
werden.  Einmal  nämlich,  dafs  es  damals  für  durchaus  statt- 
haft galt,  fremde  Kompositionen  für  die  eigenen  Zwecke  zu 
benutzen  beziehentlich  zu  kopieren,  und  eine  künstlerische 
Leistung  schon  in  der  geschmackvollen  Zusammenstellung  und 
Verarbeitung  von  anderen  geschaffener  Modelle  erblickt  wurde. 
Hat  doch  z.  B.  Lange  in  dem  Werke  über  die  sogenannte 
Silberbibliothek  Herzog  Albrechts  von  Preufsen^)  fast  für  jeden 
der  zu  dieser  Bücherei  gehörigen  Edelmetalleinbände,  welche 
auf  den  ersten  Blick  den  Eindruck  von  Originalen  machen, 
die  entsprechenden  Vorbilder  nachgewiesen.  Und  weiter  mufs 
man  sich  vergegenwärtigen,  dafs  es  damals  viele  Meister  gab, 
welche  auf  die  eigene  Ausführung  ihrer  Entwürfe  von  vorn- 
herein  verzichteten  und  lediglich  mit  der  Absicht  tätig  waren, 
anderen  Künstlern  und  Kunsthandwerkern  Vorlagen  für  deren 
Arbeiten  zu  liefern.  Es  genügt,  an  die  zahlreichen  Ornament- 
stiche der  Kleinmeister  zu  erinnern  und  an  die  reliefierte  Dar- 
stellungen aufweisenden,  im  wesentlichen  als  Goldschmiede- 
modelle zu  betrachtenden  viereckigen  oder  runden  platten- 
förmigen  Plaketten  aus  Blei,  Zinn,  Bronze,  Messing  oder  auch 
Silber,  welche  im  16.  Jahrhundert  und  noch  später  zum  In- 
ventar jeder  Giefserwerkstatt  gehörten  und  im  Handel  leicht 
käuflich  zu  erwerben  waren. 

Derartige  Plaketten  hat  der  schon  genannte  Nürnberger 


^)  S  c  h  w  e  n  k  e  und  Lange,  Die  Silberbibliothek  Herzog-  A Ibrechts 
von  Preulsen  und  seiner  Gemahlin  Anna  Maria  (Leipzig,  Hirsemann, 
1894). 


Fig.  3. 

Zittauer  Schützenteller  (1783). 

Sammlunp;  Demiani. 


Fig.  4. 

Zunftkanne  der  Zittauer  Maurer  (1562). 

Museum  zu  Zittau. 


Sächsisches  Edelzinn.  q 

Künstler  Peter  Flötner  \)  in  grofser  Anzahl  geschaffen.  Die 
Kunstgewerbemuseen  zu  Berlin,  Dresden  und  Prag,  das  Öster- 
reichische Museum  für  Kunst  und  Industrie  zu  Wien,  das  Mu- 
seum zu  Braunschweig  usw.  bergen  stattliche  Folgen  derselben, 
die  die  Gestalten  von  Planetengöttern-),  Musen ■^),  ältesten 
deutschen  Königen*),  Tugenden'*),  Todsünden")  u.  a.  m.  zeigen. 
Diese  Flötner -Plaketten  waren  in  Sachsen  sehr  bekannt  und 
beliebt  und  wurden  von  den  dortigen  Zinngiefsern  meist  in 
folgender  Weise  verwertet.  Sie  legten  mehrere  derselben 
nebeneinander  in  eine  Reihe,  formten  letztere  ab,  erhielten 
dergestalt  eine  einem  Streifen  ähnelnde  Form  und  gössen  dann 
diese  mit  Zinn  aus.  Handelte  es  sich  um  runde  Stücke  wie 
z.  B.  Krüge,  so  bog  man  den  auf  die  beschriebene  Art  ge- 
wonnenen friesartigen  Streifen  um  eine  Walze  rund,  schnitt 
die  gerade  erforderliche  Länge  davon  ab  und  lötete  die  Enden 
zusammen.  Kamen  flache  Gegenstände  in  Frage  wie  z.  B. 
Schüssel-  oder  Tellerränder,  so  lötete  man  ihn  oder  seine  nach 
Bedarf  zurechtgestutzten  Teile  auf  die  ebene  Zinnunterlage 
auf).     Dergestalt   zeigen   die   sächsischen   Zinnarbeiten   nicht 


')  Vgl.  über  Peter  Flötner  und  die  von  ihm  herrührenden  Pla- 
ketten: Lange,  Peter  Flötner,  Berlin,  Grote,  1897.  Auf  S.  118  sagt 
Lange  mit  Recht:  „Wenn  man  absieht  von  der  Holzschnitzerei,  deren 
erhaltene  Proben  leider  nur  gering  sind,  lag  der  Schwerpunkt  von 
Flötners  Thätigkeit  in  der  Anfertigung  jener  kleinen  figürlichen  Reliefs 
aus  Speckstein  oder  Kelheimer  Stein,  die  in  Form  von  Bronze-  oder 
Bleiplaketten  vervielfältigt  wurden  und  wegen  der  Weichheit  des  dazu 
benutzten  Materials  auch  zur  Bildschnitzerei  im  weiteren  Sinne  ge- 
rechnet werden  können".  Siehe  auch  D omanig,  Peter  Flötner  als 
Plastiker  und  Medailleur,  Jahrbuch  der  kunsthistorischen  Sammlungen 
des  Allerhöchsten  Kaiserhauses  XVI  (1895),  i  ft. 

2)  Lange  a.  a.  O.  S.  124  Taf.  VII. 

3)  Lange  a.  a.  O.  S.  124  ff.  Tat.  VIII. 

*)  Lange  a  a.  O.  S.  126  ft".  Taf.  IX.    Domanig  a.  a.  O.  Taf.  II. 

•'^)  Lange  a.  a.  O.  S.  127  ft".  Taf  IX,  X,  XL 

**)  Lange  a.  a.  O.  S.  129  Taf.  XI. 

'')  „Die  Leichtigkeit,  mit  welcher  sich  Zinn  durch  sogenanntes 
,Weichloth'  .  .  .  zusammensetzen  lälst,  begünstigt  sowohl  die  Zu- 
sammenfügung einzelner  Bestandtheile  als  auch  die  Befestigung  auf 
einer  anderen  Zinnunterlage.  Dieses  Verfahren  gestattet  daher  auch 
die  Zusammenstellung  al^gedrehter  glatter  Gefäfse  mit  gegossenen 
ornamentalen  Theilen,  welche  .  .  .  zur  Verzierung  bestimmt  sind." 
Töpfer,  Das  Gebrauchszinn,  Mitteilungen  des  Gewerbe -Museums 
zu  Bremen  XVII  (1901),  81  ft".  —  Man  könnte  sich  das  Verfahren  der 
sächsischen  Zinngielser  auch  so  denken,  dafs  sie  nicht  eine  Form 
von  einer  Reihe  nebeneinander  gelegter  Plaketten  abnahmen,  sondern 
dais  sie  jede  Plakette  einzeln  abformten,  die  solchergestalt  gewon- 
nenen Formen  zusammenstellten  und  darnach  die  reliefierten  Zinn- 
tafeln oder  Zinnstreifen,    deren  sie,  bedurften,   gössen.     Diese  Her- 


lO  H.  Demiani: 

eng  verbundene  einheitliche  fortlaufende,  sondern  nur  je  nach 
Bedürfnis  und  oft  ohne  Rücksicht  auf  den  inhaltlichen  Zu- 
sammenhang zusammengestellte  Reliefdarstellungen.  Dafs  deren 
einzelne  Partien  nicht  schon  ursprünglich  zusammengehörten, 
sondern  erst  nachträglich  zusammengesetzt  wurden,  beweisen 
nicht  nur  die  meist  zwischen  ihnen  ersichtlichen  Gufsnähte, 
die  dadurch  entstanden,  dafs  die  verwendeten  Plaketten  nicht  ge- 
nau aneinander  pafsten  und  deshalb  das  Zinn  beim  Eingiefsen 
in  die  oft  vorhandenen  Zwischenräume  zwischen  den  einzelnen 
Teilen  der  Form  drang,  sondern  auch  die  deutlich  erkenn- 
baren Lötstellen,  die,  namentlich  bei  Kannen,  durch  das  Zu-, 
sammenlöten  des  rundgebogenen  reliefierten  Zinnstreifens 
hervorgerufen,  häufig  mitten  durch  die  Ornamente  hindurch- 
laufen, deren  andere  Hälften  einfach  weggefallen  sind,  so  dafs 
sie  sich  im  Rapport  in  unschöner  und  planloser  Weise  ver- 
schneiden. 

Aus  dem  geschilderten  Verfahren  erklärt  es  sich,  dafs  die 
nur  aus  abgegossenen  beziehentlich  abgenommenen  und  nicht, 
wie  an  anderen  Orten,  aus  eigens  hergestellten  scharfen  metal- 
lenen^) oder  steinernen-)  Formen  gewonnenen  Reliefs  der 
sächsischen  Edelzinnarbeiten  derber  und  stumpfer  sind  als  die- 
jenigen anderwärts  gefertigter  Zinngeräte ■^).    Und  weiter  hängt 


Stellungsart  hätte  aber  den  nicht  unerheblichen  Nachteil  gehabt,  dafs 
sich  beim  Gufs  die  verschiedenen,  ja  nicht  verbundenen,  sondern 
nur  aneinander  gelegten  Formen  verschieben  konnten.  Man  darf 
daher  wohl  annehmen,  dafs  auf  die  im  Texte  beschriebene  Weise 
verfahren  worden  ist. 

')  Die  von  Frangois  Briot  geschaffenen  Formen  bestanden  aus 
Kupfer.  Demiani,  Francois  Briot  usw.  S.  9  ff.  Man  fertigte  aber  auch 
Formen  aus  Messing,  Eisen  und  Stahl.  Näheres  ebenda  S.  92  fti 
Aiim.  128. 

■-)  Die  von  Caspar  Enderlein  benutzten  Formen  waren  wahr- 
scheinlich aus  Solnhofener  Stein,  dem  sogenannten  Stechstein,  her- 
gestellt. Lessing  a.  a.  O.  (vgl.  S.  7  Anm  2)  S.  176.  Auch  Sandstein, 
Marmor,  Kelheimer  Stein,  Speckstein,  Schiefer  und  Serpentin  dienten 
als  Material  für  Zinngufsformen.  Näheres  Demiani  a.  a.  O.  S.  92  ff". 
Anm.  128.  Sandsteinfomien  finden  sich  in  gröfserer  Anzahl  z.B.  im 
Museum  zu  Rochlitz.  Vgl.  Pfau,  Über  ältere  Zinngiefserei,  in  Einzel- 
heiten aus  dem  Gebiete  der  Rochlitzer  Geschichte  III  (Rochlitz  1902), 
II  fi. 

^)  Zum  Abformen  wurde  wohl  Gips  oder  Sand  benutzt.  Ein 
geübtes  Auge  unterscheidet  leicht  Zinnarbeiten,  die  in  Metall-  oder 
Steinlormen  hergestellt  sind,  von  denjenigen,  bei  deren  Hervorbringimg 
man  Gips-  oder  Sandformen  verwendet  hat.  Letztere  Erzeugnisse 
sind  an  einer  gewissen  Rauheit  der  Oberfläche,  an  einer  sie  über- 
ziehenden matten  Gufshaut  und  daran  zu  erkennen,  dafs  sie,  nament- 
Hch  in  den  Details  ihrer  Ornamente,  Schärfe  und  Feinlieit  vermissen 
lassen. 


Sächsisches  Edelzinn.  1 1 

es  mit  der  beschriebenen  Produktionsweise  zusammen,  dafs 
man  mit  denselben  Darstellungen  geschmückten  Gefälsen  von 
verschiedener  Höhe  und  mit  verschiedenem  Durchmesser  be- 
gegnet. Es  wurde  eben,  beispielsweise  bei  Krügen,  im  Be- 
darfsfalle über  dem  unteren  Fries  genau  derselbe  noch  einmal 
angesetzt  oder,  um  den  Umfang  zu  erweitern,  der  als  Wan- 
dung benutzte  Reliefstreifen  entsprechend  vergröfsert  bez.  ver- 
längert, wobei  man  in  der  Regel  die  betreffende  Komposition 
vollständig  oder  teilweise  wiederholte. 

Ausnahmsweise  ist  übrig-ens  auch  sächsisches  Edelzinn 
in  eigens  geschnittenen  Hohlformen  aus  Metall  oder  Stein  ge- 
gossen worden.  So  zwei  schöne,  reich  dekorierte  und  noch  zu 
behandelnde  Teller  (Fig.  ii,  12),  deren  Erwähnung  den  Über- 
gang zu  einer  Besprechung  der  Hauptwerke  der  in  Rede 
stehenden  Gattung  bilden  möge. 

Vorausgeschickt  sei  die  Bemerkung,  dafs  nicht  lediglich 
aus  Beschreibungen  bekannte,  sondern  nur  noch  vorhandene 
wichtigere  Exemplare  und  darunter  wiederum  in  der  Haupt- 
sache blofs  diejenigen  in  Betracht  gezogen  werden  sollen,  deren 
sächsischer  Ursprung,  namentlich  auf  Grund  ihrer  Stempel 
oder  ihrer  mit  denen  beglaubigter  Stücke  übereinstimmenden 
Reliefs,  aufser  Zweifel  steht. 

Die  Erwähnung  der  Zinnmarken  als  Beweismaterial  nötigt 
zur  Einschiebung  einer  Erläuterung.  Nichtsächsische  Zinn- 
geräte wurden  in  zu  diesem  Zwecke  besonders  hergestellten 
metallenen  oder  steinernen  Formen  ofcofossen.  Kunstreich  ver- 
zierte  Gufsformen  fertigten  nun  nicht  selten  Künstler,  die  nicht 
Zinngiefser  waren').  Man  mufs  daher  bei  gewissen  Stücken 
zwischen  diesen  Künstlern,  den  eigentlichen  Schöpfern,  und 
den  Zinngiefsern,  die  nur  handwerksmäfsig  den  Gufs  vor- 
nahmen, unterscheiden.  Auf  erstere  deuten  etwa  in  die  For- 
men eingeschnitten  gewesene  und  daher  wie  die  Ornamente  er- 
haben erscheinende  Buchstaben  oder  sonstige  Zeichen(Künstler- 
bezeichnungen),  auf  letztere  dagegen  die  zur  Feststellung  des 
Giefsers  bestimmten  Meisterstempel  und  die  zur  Kennzeich- 
nung des  Entstehungsortes  dienenden  Stadtmarken,  welche 
eingeschlagen  wurden,  also  in  der  Hauptsache  als  Vertiefungen 
sich  darstellen.  Unter  diesen  Umständen  besitzen  die  Zinn- 
stempel nur  eine  beschränkte  Beweiskraft.  Anders  dagegen 
verhält  es  sich  bei  den  sächsischen  Zinnarbeiten,  die  in  Formen 
gewonnen  sind,  welche  nicht  auf  die  beschriebene,  eine  gröfsere 


*)  Demiani,  Fran9ois  Briot  usw.  S.  8,  71  tf. 


12  H.  Demiani : 

Kunstfertigkeit  erfordernde  Art,  sondern,  wie  schon  berichtet 
worden  ist,  auf  mehr  mechanischem,  für  jeden  Zinngiefser 
gangbaren  Wege  erlangt  wurden.  Deshalb  liegt  bei  diesen 
Stücken  auch  kein  Anlafs  vor  zu  einer  Unterscheidung  zwischen 
Formenschneidern  und  Zinngiefsern,  und  die  Stadt-  und  Meister- 
stempel^ können  unbedenklich  als  strikte  Nachweise  für  die  Pro- 
venienz von  Zinngefäfsen  angesehen  werden.  Bei  dieser  Sach- 
lage ist  es  auf  das  dankbarste  zu  begrüfsen ,  dafs  das  säch- 
sische Inventarisationswerk ')  seit  seiner  Fortführung  durch 
Gurlitt  auch  die  Zinnmarken  berücksichtigt  und  damit  sehr 
schätzenswertes  Material  für  ein  Werk  über  Zinnstempel  liefert, 
das  als  Gegenstück  zu  Rosenbergs  verdienstvollem  Buch  über 
der  Goldschmiede  Merkzeichen -j  sehr  erwünscht,  aber  leider 
noch  nicht  geschrieben  ist''j. 

Als  das  Hauptwerk  des  sächsischen  Edelzinns  darf  man  wohl 
die  1562  datierte,  47  cm  hohe  Zunftkanne  der  Zittauer  Maurer- 
innung bezeichnen,  welche  sich  im  städtischen  Museum  zu  Zittau 
befindet  (Fig.  4).  Ihr  bildnerischer  Schmuck  ist  auf  Flötner- 
Plaketten  zurückzuführen.  Im  oberen  Fries  erblicken  wir 
Musen,  im  unteren  Planetengötter  und  drei  Tugenden.  Der 
Henkel  zeigt  drei  in  ihren  oberen  Hälften  durch  das  Auf- 
schlagen des  Deckels  verdrückte  Stempel:  zwei  mit  einem  Z, 
dem  Zittauer  Stadtwappen,  und  dazwischen  einen  mit  einem 
W,  über  welchem  wohl  ursprünglich  noch  ein  P  stand.  Eine 
ähnliche,  wenn  auch  nicht  ganz  so  reich  dekorierte,  51,5  cm 
hohe  Kanne  mit  Flötner -Figuren  (Planetengöttern,  Musen, 
Tugenden  und  Todsünden)*)  im  South  Kensington  Museum  zu 
London  weist  dieselben  drei  Marken  auf;  das  P  über  dem  W 
ist  hier  aber  deutlich  sichtbar.  Man  wird  kaum  fehlgehen, 
wenn  man  diese  beiden  vortrefflichen  Stücke  dem  Zittauer 
Zinngiefsermeister  Paul  Weise  zuschreibt,  welcher  auch  1560 
mit  Hilfe  von  dem  Bildhauer  Jakob  Felsch  gefertigter  Holz- 
formen für  die  alte,  1757  zerstörte  Johanniskirche  zu  Zittau 
einen  zinnernen  Taufbrunnen  lieferte.  Da  sich  am  Fufs  so- 
wohl einer  schlanken,  fast  überreich  verzierten,  40,5  cm  hohen 
Kanne  im  Museum  Francisco -Carolinum  zu  Linz  (Fig.  5)'"')  wie 

1)  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenk- 
mäler des  Königreichs  Sachsen,  Dresden,  in  Kommission  bei  C.  C. 
Meinhold  &  Söhne.     Anfänglich  von  Steche  bearbeitet. 

-)  Frankfurt  a.  M.,  Keller,  1890. 

^)  Vgl.  auch  B  er  ling,  Sächsische  Zinnmarken,  im  Kunstgewerbe- 
blatt III  (1887),  133  ff. 

*)  Abgebildet  bei  Masse,  Pewter  Plate  (London,  Bell,  1904)  S.  155. 

•'')  Minkus,  Edelzinnkanne  des  Museum  Francisco -Carolinum 
in  Linz,  in  Kunst  und  Kunsthandwerk,  Monatsschrift  des  k.  k.  österr. 


Fig.  5- 

Sächsische  Kanne  (2.  Hälfte  des  16.  Jahrh. 

Museum  Francisco -Carohnum  zu  Linz. 


Fig.  6. 

Sächsisches  Weinkännchen  (um  1580). 

Sammluno;  Demiani. 


Sächsisches  Edelzinn. 


13 


auch  eines  interessanten,  mit  Marken  nicht  versehenen  Leuchters 
der  Sammlung  Demiani  dieselben  Ornamente  wiederfinden 
wie  auf  dem  Deckel  des  besprochenen  Zittauer  Innungsgefässes 
von  1562,  so  kann  man  wohl  auch  diese  beiden  Arbeiten, 
wenn  nicht  Paul  Weise  selbst,  so  doch  einem  ihm  nahestehenden 
Zittauer  Meister  zuschreiben. 

Weniger  imposant  wie  das  Zittauer  Prachtstück,  aber  viel- 
leicht nicht  minder  reizvoll  in  seinen  Einzelheiten  ist  ein  ehemals 
zu  der  Hausclnldschen,  jetzt  zu  der  Demianischen  Kollektion 
gehöriges,  27,9  cm  hohes  und  im  Durchmesser  seiner  Stand- 
Sache  12,5  cm  breites  Weinkännchen ,  dessen  Entstehung  in 
die  Zeit  um  1580  fällt  (Fig.  6).  Die  eingravierte  Jahreszahl 
1699  ist  offenbar  spätere  Zutat.  In  der  oberen  Zone  der 
Leibung  kehren  Flötners  deutsche  Könige,  in  der  unteren 
seine  Tug^enden  wieder.  In  der  Mitte  erblickt  man  einen  mit 
Putten  und  Medaillons  zwischen  Rankenwerk  ausgefüllten 
Streifen  und  am  Fufs  einen  reizenden  Fries  mit  spielenden 
Kindern.  Namentlich  letzterer  erinnert  ebenfalls  an  Flötner. 
Es  könnten  aber  auch  sächsische  Vorbilder  benutzt  worden 
sein.  Wenigstens  finden  sich  in  Sachsen  ähnliche,  nicht  ohne 
weiteres  auf  Flötner  zurückzuführende  Kinderkompositionen, 
z.  B.  an  den  kandelaberartigen  Säulen  des  jetzt  der  Hofkirche 
zugekehrten  ehemaligen  Nordtors  des  Dresdner  Georgen- 
schlosses und  am  Unterbau  des  Erkers  des  Eckhauses  Nr.  14 
der  Frauenstrafse  zu  Dresden.  Als  Erbauer  des  Georgen- 
schlosses wird  in  der  Regel  Hans  Schickentantz  bezeichnet, 
obgleich  sich  ein  urkundlicher  Nachweis  für  diese  Angabe 
nicht  erbringen  läfst.  Schickentantz  wohnte  in  der ,, Windischen 
Gasse",  der  heutigen  Frauenstrafse.  Sollte  ihm  etwa  das 
erwähnte  Eckhaus  gehört  haben?  Der  Henkel  des  Kännchens 
trägt  drei  Marken:  rechts  und  links  je  eine  mit  den  Initialen 
HL  über  einem  Hahn,  die  mittlere  mit  den  Buchstaben  SB 
über  zwei  schräg  gekreuzten  Bergmannswerkzeugen  (Fäustel 
und  Eisen).  Letzteres  Zeichen  ist  der  Schneeberger  Stadt- 
stempel. Die  beiden  ersteren  lassen  sich  ohne  Zwang  auf  ein 
etwa  Hans  oder  Heinrich  heifsendes  Mitglied  der  bekannten 
Schneeberger  Zinngiefserfamilie  Lichtenhahn  deuten.  Aus  der- 

Museums  für  Kunst  und  Industrie  in  Wien  III  (1900),  434  flf.  Der  in 
früherer  Zeit  wie  die  Kanne  entstandene  und  derselben  offenbar  erst 
später  angefügte  Henkel  trägt  zwei  einander  gleiche  Stempel,  die 
hier  um  so  gewisser  unberücksichtigt  bleiben  können,  als  sie  offen- 
sichtlich sogenannte  Besitzermarken  sind,  wie  sie  die  Eigentümer 
von  Zinngeräten  zur  Kennzeichnung  der  ihnen  gehörigen  Stücke  je 
nach  Bedarf  und  Belieben  anbrachten. 


_  .  H.  Demiani : 

selben  gingen  aufser  diesem  Meister  noch  hervor  Matthäus 
Lichtenhahn,  der  nach  Basel,  dem  Geburtsort  Enderleins,  über- 
siedelte und  dort  1589  Bürger  und  als  Zinngiefsermeister  in 
die  sogenannte  Hausgenossenzunft  aufgenommen  wurde,  und 
Stephan  Lichtenhahn,  welcher  für  die  Nicolaikirche  zu  Leipzig 
1558  eine  Taufkanne  und  1561  einen  Taufbrunnen  und  weiter 
auch  Taufbecken  für  die  dortige  Thomaskirche,  die  1649  ab- 
gebrannte ältere  Kirche  zu  Schwarzenberg  und  die  Nicolai- 
kirche zu  Berlin  lieferte. 

Schneeberg,  dessen  bergmännische  Begräbnisbrüderschaft 
ein  grofses  zinnernes  Kruzifix,  das  bei  Beerdigungen  voran- 
getragen wird,  und  acht  Zinnplatten  besitzt,  die  paarweise 
über  den  Sarg  gehängt  werden^),  verdient  auch  insofern  Be- 
achtung, als  es  nach  der  16 14  erlassenen,  mit  geringen  Ab- 
änderungen 1674  und  1708  „renovierten,  konfirmierten  und 
bestätigten"  Kannengiefserordnung  für  das  Kurfürstentum 
Sachsen  zuerst  mit  Dresden,  Leipzig,  Wittenberg  und  Langen- 
salza, seit  1674  aber  mit  den  drei  erstgenannten  Orten  zu 
den  fünf  bez.  vier  ,, Kreisstädten"  gehörte,  welchen  die  Auf- 
sicht über  die  Zinngiefserinnungen  der  ihnen  ,, inkorporierten" 
Städte  oblag. 

Ein  ganz  ähnliches,  aus  der  Sammlung  Schönherr  stam- 
mendes Kännchen  mit  dem  beschriebenen  Schneeberger  Stadt- 
zeichen und  einer  leider  noch  nicht  erklärten  Meistermarke-) 
birgt  das  Ferdinandeum  zu  Innsbruck.  Ein  im  Hinblick  auf 
seine  deutsche  Könige  und  Planetengötter  darstellenden 
Flötner  -  Reliefs  wohl  als  drittes  im  Bunde  zu  bezeichnendes, 
den  beiden  beschriebenen  sehr  nahe  verwandtes  Stück,  welches 
in  Leipzig  unter  der  Bezeichnung  „Armesünderkanne"  in  der 
Kollektion  des  Vereins  für  die  Geschichte  Leipzigs  aufbewahrt 
wird,  ist  leider  nicht  mit  Stempeln  versehen,  welche  seinen 
sächsischen  Ursprung  völKg  aufser  Zweifel  stellen  könnten. 

Neben  Schneeberg  sind  noch  drei  andere  Bergstädte 
Sachsens  als  Entstehungsorte  sächsischen  Edelzinns  anzuführen, 
nämlich  Annaberg,  Marienberg  und  Freiberg.  Die  beiden  ersten 
haben  ähnhche  Stadtmarken  wie  Schneeberg.  Die  drei  Stadt- 
stempel unterscheiden  sich  nämlich  nur  durch  die  Buchstaben, 
die  über  in  ihnen  angebrachten  Bergmannswerkzeugen  (Fäustel 
und  Eisen)  ersichtlich  sind:  SB  =  Schneeberg,  SAB  =  St. 
Annaberg  und  M  B  =  Marienberg.    Das  Stadtzeichen  von  Frei- 


1)  Berling  a.  a.  O.  (S.  7  Anm.  i)  S.  280. 

■-)  Diese  Meistermarke  enthält  einen  Hahn  und  die  Buchstaben  PH. 


Sächsisches  Edelzinn. 


15 


berg  dagegen  weist  den  auch  im  dortigen  Stadtwappen  ent- 
haltenen springenden  Löwen  auf. 

Auf  dem  Henkel  des  als  Fig.  7  abgebildeten,  25  cm  hohen 
Kruges  findet  sich  zwischen  zwei  einander  gleichen,  leider  un- 
bekannten Meistermarken^)  der  Annaberger  Stadtstempel.  Trotz- 
dem wurde  und  wird  dieser  Krug  wohl  noch  heute  im  Louvre, 
dessen  Sammlungen  er  angehört ,  Enderlein  zugeschrieben. 
Man  kann  bei  Betrachtung  der  in  den  Nischen  der  beiden 
Mittelzonen  sich  mehrfach  wiederholenden  Figuren  des  Glau- 
bens, der  Stärke  und  der  Klugheit,  welche  in  ihrer  Derbheit 
und  Stumpfheit  eine  schon  besprochene  Schwäche  der  säch- 
sischen Zinnarbeiten  illustrieren,  wieder  an  Enderlein  noch  an 
Flötner  denken.  Kompositionen  des  letzteren  will  Lange-)  in 
den  beiden  Friesen  von  tanzenden,  musizierenden  und  singenden 
Putten  am  Fufse  und  am  oberen  Rande  erblicken.  Es  könnten 
aber  auch  hier  sächsische  Vorbilder  benutzt  worden  sein.  Dem 
in  Rede  stehenden  und  wiederum  einander  sehr  ähnlich  sind 
zwei  niedrigere  Krüge  mit  nur  einer  Reihe  der  erwähnten 
allegorischen  Gestalten.  Der  eine  (bis  zum  Deckelrand  13,5  cm 
hohe)  gehörte  zu  der  vor  kurzem  versteigerten  Sammlung 
Lippmann  -  Lissingen,  der  andere  ist  nebst  den  sonstigen  präch- 
tigen Zinngeräten  der  Kollektion  Lanna  als  Leihgabe  im  Kunst- 
gewerbemuseum zu  Prag  ausgestellt.  Letzterer  trägt  keine 
Stempel  und  zeigt  nur  auf  dem  Henkel  die  erhabenen,  also 
nicht  eingeschlagenen,  sondern  zugleich  mit  dem  Ornament 
gegossenen  (mithin  in  die  Form  eingegraben  gewesenen)  Buch- 
staben S  M  (Künstlerbezeichnung) ;  über  und  unter  dem  Figuren- 
fries sind  zwei  einander  gleiche,  Cartouchen,  Grotesken  und 
Vögel  umschliefsende  Ornamentstreifen  angebracht,  während 
der  Deckel  dem  eines  noch  zu  beschreibenden,  mit  den  Ge- 
stalten der  Evangelisten  geschmückten  Krugs  der  Sammlung 
Demiani  gleicht.  An  der  sächsischen  Provenienz  beider  nahe 
verwandten  Gefäfse  zu  zweifeln,  liegt  wohl  kein  Anlafs  vor. 
Sie  beweisen  im  Zusammenhalt  mit  dem  Pariser  Krug  recht 
anschaulich,  dafs,  wie  schon  erwähnt,  sächsische  Zinngeräte 
zwar  mit  denselben  Darstellungen,  aber  —  zufolge  einer  Wieder- 
holung oder  Beschränkung  der  letzteren  —  in  verschiedener 
Höhe  oder  verschiedenem  Umfang  vorkommen. 

Die  Entstehung  eines  im  bayerischen  Nationalmuseum  zu 
München   verwahrten   Krugs   mit   einer   sich   dreimal   wieder- 


^)  Die  beiden  völlig;  übereinstimnienden  Marken  enthalten  die 
Buchstaben  CGW  über  einer  Blume  (?)  mit  zwei  rechts  und  links 
befindlichen  Blättern  von  derselben  Form  und  Gröfse,  die  aus  einer 
Blättern  ähnelnden  Erhöhung  hervorwachsen. 

-)  Lange  a.  a.  O.  (S.  9  Anm.  i)  S.  132. 


l6  H.  Demiani: 

holenden,  noch  nicht  gedeuteten  merkwürdigen  figürhchen 
Darstellung  zwischen  zwei  durch  Rankenwerk  ausgefüllten 
Ornamentbändern  ist  in  Marienberg  zu  suchen,  da  er  mit  dem 
dortigen  Stadtzeichen  versehen  ist^).  Der  ihm  eingeschlagenen 
Marienberger  Stadtmarke  nach  gleichfalls  in  der  genannten 
Ber^stadt  gefertigt  ist  ein  in  der  Marienbibliothek  zu  Halle 
aufbewahrter  Deckelkrug,  dessen  Leibung  mit  Bacchanten- 
szenen im  Stile  der  Kleinmeister  geschmückt  ist'-^). 

Da  er  neben  einem  unbekannten  Meisterstempel  ■')  das 
Stadtzeichen  von  Freiberg  trägt,  wird  man  einen  schönen, 
reich  reliefierten  Krug  der  Sammlung  Demiani  mit  Szenen  aus 
dem  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn  nach  Stichen  von  Hans 
Sebald  Beham  (Fig.  8)  als  eine  Freiberger  Arbeit  ansehen 
dürfen^).    Und  dasselbe  gilt  von  einem  die  nämlichen  Marken 


\)  Die  Darstellung  ist  folgende :  In  der  Mitte  hockt  eine  nackte, 
den  Rücken  zeigende  Figur  auf  einer  Säule  (Altar?),  an  deren 
Deckplatte  Männer  Feuerbrände  zu  halten  scheinen.  Ein  von  hnks 
kommender  Mann  trägt  Holzscheite  herbei,  während  von  rechts  drei 
Männer  hinzueilen.  Da  drei  der  Gestalten  sogenannte  Diebeslaternen 
tragen,  wird  man  die  Szene  in  die  Nachtzeit  zu  verlegen  haben. 
Die  Marienberger  Stadtmarke  enthält  unter  den  Bergmannswerk- 
zeugen noch  eine  stilisierte  Rose.  Das  Meisterzeichen  weist  die 
Buchstaben  CW  über  einem  Engelskopf  auf. 

-)  Vgl.  Kurz  welly,  Edelzinn,  in  der  Wissenschaftlichen  Beilage 
der  Lpz.  Ztg.     1897.     Nr.  137.     S.  547. 

^)  Die  zwemial  eingeschlagene  Meistermarke  ähnelt  sehr  der 
S.  2  Anm.  I  beschriebenen.  Doch  könnte  man  das  in  der  Mitte 
Dargestellte  vielleicht  auch  als  einen  Baumzweig  mit  einer  von  zwei 
Blättern  beseiteten  Eichel  ansehen.  Die  Zahl  1 3  findet  sich  ebenfalls 
vor.  Unter  jeder  Ziffer  erblickt  man  einen  —  auf  dem  S.  2  Anm.  i 
geschilderten  Meisterzeichen  fehlenden  —  Stern.  An  Stelle  der  Buch- 
staben HG  stehen  die  Initialen  PG.  Sollte  man  es  etwa  mit  dem 
Meisterstempel  eines  Freiberger  Zinngiefsers  zu  tun  haben,  der  eben- 
falls Günter  hiefs  und  dessen  Vorname  mit  P  begann?  Dafs  die  in 
Rede  stehende  Meistermarke  eine  sächsische  ist,  folgt  schon  aus  der 
darin  befindlichen  Zahl  13  =  1613.  Vgl.  B er ling  a.a.O. (S.  12  Anm. 3), 
S.  135  und  die  nachstehende  Anmerkung.  1623  wurden  Heinrich  Günter 
(Günther),  1634  Matthäus  Günter,  1659  Samuel  Günter  und  1660  Hans 
Günter  (Heinrich  Günters  Solin)  Freiloerger  Bürger.  Die  Genannten 
waren  Zinngiefser.  (Freundliche  Mitteilung  des  Stadtrates  zu  Frei- 
berg.) Bei  Möller  (Freiberger  Chronik,  1653,  II,  404)  erscheint  1614 
ein  Paul  Günther  als  „Defensioner-Feldwebel".  In  den  Papieren  (ins- 
besondere in  der  Meisterrolle  und  dem  Lehrlingsbuch)  der  Freiberger 
Zinngiefser  ist  er  nicht  erwähnt.  (Freundliche  Mitteilung  des  Herrn 
Bürgerschullehrer  Knebel  in  Freiberg.) 

*)  Exemplare  z.  B  auch  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Dresden 
(Leihgabe)  und  im  Schlesischen  Museum  für  Kunstgewerbe  und 
Altertümer  zu  Breslau.  Beide  Stücke  sind  nicht  gestempelt.  Nach 
dem  oben  Gesagten  ist  das  bei  Demiani,  Fran(;ois  Briot  u.sw.  S.  73 
Bemerkte  zu  berichtigen,  worin  irrtümlicherweise  die  Freiberger  Stadt- 


Sächsischer  Krug  (2.  Hälfte  des  16.  Jahrh.). 
Musee  du  Louvre  in  Paris. 


Fig.  8. 

Sächsischer  Krug  (2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts). 

Sammking  Demiani. 


Sächsisches  Edelzinn.  \n 

aufweisenden  Krug  des  Bayerischen  Nationalmuseums  zu 
München,  der  zwischen  zwei  einander  gleichen,  mit  denen  des 
vorerwähnten  Stückes  übereinstimmenden  Friesen  mit  Ranken 
und  Putten  die  Figuren  von  Planetengöttern  zeigt,  welche, 
abgesehen  von  einigen  Abweichungen,  Flötnerschen  Plaketten 
gleichen.  Da  der  auf  den  beiden  soeben  besprochenen  Zinn- 
geräten angebrachte  Fries  zweimal  auch  auf  einem  Krug  wieder- 
kehrt, dessen  Mittelzone  biblische  Darstellungen  (Erschaffung 
Evas,  Sündenfall  usw.)  zieren,  so  liegt  der  Gedanke  nahe, 
auch  hier  Freiberger  Ursprung  anzunehmen.  Man  wird  dies 
indessen  nicht  ohne  weiteres  tun  dürfen,  da  die  völlig  gleichen 
Exemplare  der  Sammlungen  Clemens  -  München  und  Brateau- 
Paris  ungestempelt  sind,  der  im  Ba3erischen  Nationalmuseum 
zu  München  befindliche  Abgufs  jedoch,  der  denselben  Mittel- 
streifen, aber  zwei  andere,  von  einander  verschiedene  Friese 
aufweist,  zwar  mit  einer  (leider  unbekannten)  Stadtmarke,  doch 
nicht  mit  der  von  Freiberg  versehen  ist. 

Im  Münzkabinett  zu  Dresden  befindet  sich  eine  runde  Zinn- 
platte, etwa  so  grofs  wie  ein  Fünfmarkstück  und  ungefähr 
zweimal  so  dick  wie  ein  solches.    Während  die  Rückseite  völlig 

marke  als  die  (ihr  ähnliche)  von  Heidelberg  bezeichnet  worden  ist.  Im 
Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  belinden  sich  zwei  Bleiplaketten  mit 
zwei  der  besprochenen  Behamschen  Darstellungen:  Heimkehr  und  Zech- 
gelage. Auf  letzterer  Plakette  sind  die  Buchstaben  L  D  (Leonhard  Dan- 
ner?) eingedrückt  Ein  zu  der  Sammlung  Lanna  gehöriger,  im  Kunst- 
gewerbemuseum zu  Prag  ausgestellter  Krug,  dessen  Leibung  dieselben 
Szenen  aus  dem  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn,  aber  am  oberen  und 
unteren  Rande  Friese  aufweist,  die  lediglicli  Kindergestalten  enthalten 
imd  zum  Teil  mit  denen  des  als  Fig.  7  abgebildeten  Krugs  völlig  über- 
einstimmen, ist  mit  dem  Stadtzeichen  von  Marienberg  und  zwei  ein- 
ander gleichen  Meistermarken  versehen,  die  unter  der  Jahreszahl  1572 
links  ein|n  Stern  und  rechts  einen  Halbmond  zeigen.  Dieses  Stück  dürfte 
beweisen,  dafs  bereits  in  der  zweiten  Hälfte  des  16. Jahrhunderts  Pla- 
ketten mit  den  erwähnten  biblischen  Darstellungen  von  sächsischen  Zinn- 
giefsern  benutzt  worden  sind.  Das  mit  dem  Freiberger  Stadtzeichen 
versehene  Demianische  Exemplar  kann  nun  zwar  nicht  vor  1614  ab- 
gestempelt sein,  da  erst  die  am  2.  August  dieses  Jahres  erlassene 
Kannengiefserordnung  für  das  Kurfürstentum  Sachsen  bestimmte, 
dafs  alle  Zinngiefser  in  ihren  Marken  die  Zahl  13  (=  1613)  zu  führen 
hätten.  Allein  es  ist  möglich,  dafs  der  Meister,  welcher  diesen  Krug 
herstellte,  dazu  einer  Form  sich  bediente,  die  bereits  früher  auf  die 
in  Sachsen  übliche  Weise  angefertigt  worden  war.  Man  wird  nach 
dem  Gesagten  den  Beginn  der  Entstehungszeit  derartiger  Stücke  in  die 
zweite  Hälfte  des  16.  lahrhunderts  verlegen  dürfen.  Die  Verschiedenheit 
der  Randfriese  an  den  besprochenen  beiden  Krügen  ist  ein  weiterer 
Beweis  für  deren  sächsische  Herkunft :  man  benutzte  eben  nicht  eine 
kunstreiche  geschnittene  Metall-  oder  Steinform,  welche  völlig  gleiche 
Abgüsse  lieterte,  sondern  formte  die  nach  dem  jeweiligen  Bedarf 
und  Belieben  zusammengestellten  Reliefs  einfach  ab. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u  A.    XXV.    i.  2.  2 


i8  H.  Demiani: 

glatt  ist,  zeigt  die  1613  datierte  Vorderseite  in  Relief  am 
Rande  die  Inschrift:  ZIENZEICHEN  AVK  SANCT  MARIEN- 
BERG und  im  Mittelrund  über  einem  Wappenschild  mit  ge- 
kreuzten Bergmannswerkzeugen  Maria  mit  dem  Christkind  in 
der  Glorie.  Es  kommen  auch  ähnliche  Exemplare  mit  den 
Namen  anderer  sächsischer  Bergstädte  vor.  Die  erhabenen 
Darstellungen  und  Schriftzeichen  scheinen  nicht  mit  Hilfe  von 
Stempeln  hergestellt,  sondern  in  besonderen  Formen  gegossen 
zu  sein.  Es  kann  zweifelhaft  erscheinen,  als  was  man  der- 
artiofe  Stücke  anzusehen  hat.  Man  wird  sie  wohl  als  Proben 
betrachten  dürfen,  nach  denen  von  dem  betreffenden  Orte  aus 
Zinn  geliefert  wurde.  Wahrscheinlich  hatte  der  zuständige 
Bergwerksvorstand  oder  Obermeister  der  Zinngiefserinnung 
gleiche  Abgüsse  in  Verwahrung,  welche  als  Unterlagen  für 
die  Beurteilung  bei  etwaigen  Streitigkeiten  über  die  Probe- 
mäfsigkeit  von  Zinn  dienten.  Da  dieses  Metall,  um  es  leichter 
giefsen  zu  können,  mit  Blei  vermischt  werden  mufste,  an- 
dererseits aber  nach  den  hierüber  bestehenden  Vorschriften 
nur  einen  gewissen  Bleizusatz  (in  der  Regel  blofs  i  Teil  Blei 
auf  10  Teile  Zinn  —  ,,Proba  Zum  Zehenden")  enthalten  durfte, 
so  war  die  Ermöglichung  einer  bezüglichen  Kontrolle  sehr 
angebracht. 

Wir  haben  uns  nunmehr  einigen  Taufschüsseln  zuzuwenden. 
Um  seines  7  cm  hohen  Randfrieses  willen  sei  zuerst  das  1577 
in  den  bereits  erheblich  früher  (wahrscheinlich  von  Plans  Speck) 
aus  Sandstein  in  reichem  Frührenaissancestil  gefertigten  Tauf- 
stein eingelassene  ungestempelte  Becken  der  St.  Marienkirche 
zu  Zwickau  angeführt.  Dieser  Fries  enthält  46  nach  Flötner- 
Plaketten  in  Zinn  gegossene,  Planetengötter,  Musen,  Tugenden 
und  Todsünden  aufweisende  Reliefs,  zwischen  denen  sich  sechs- 
mal eine  Anbetung  der  Hirten  wiederholt,  die  vonfFlötner 
nicht  herrührt  und  möglicherweise  einem  sächsischen  Künstler 
zuzuweisen  ist.  Steche')  nimmt  mit  Unrecht  an,  dafs  diese 
Darstellungen  auf  italienische  Vorbilder  zurückzuführen  seien, 
und  sagt  ferner  in  seiner  Beschreibung:  ,, Auffassung  und 
Durchführung  der  kleinen  Kunstwerke  erinnert  lebhaft  an  den 
Meister  des  Taufbeckens  in  der  St.  Annakirche  zu  Annaberg". 
Von  dieser  1578  gegossenen  Taufschüssel  sind  leider  nur  noch 


')  Steche,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen  XII  (1889),  109,  iii.  Auf 
S.  HO  eine  Abbildung  des  Frieses  und  des  Taufsteins.  Vgl.  auch 
Lange  a.  a.  O.  (S.  9  Anm.  i)  S.  147.  Einige  Platten  in  der  Gesamt- 
länge von  15  cm  fehlen. 


Sächsisches  Edelzinn.  19 

das  Mittelstück  und  drei  Seitenteile  erhalten  geblieben,  „welche 
auf  die  ehemalige  Gestaltung  des  Beckens  mit  Sicherheit 
schliefsen  lassen.  Das  als  sechsblätterige  Rosette  gebildete 
Becken  hielt  78  cm  im  Durchmesser.  Das  Mittelstück  zeigt 
den  Christuskopf  im  Hochrelief,  die  Randteile  zeigten  in 
gleicher  Ausführung,  von  reichen  Ornamenten  umgeben,  Dar- 
stellungen Gottvaters,  des  Ecce  homo  und  der  Evange- 
listen   "  \).    „Ein  ähnliches  Becken  besitzt  die  Kirche  von 

Zöblitz",  berichtet  Steche^)  weiter  und  schildert  letzteres  fol- 
gendermafsen:  „Taufbecken,  Zinn,  55  cm  im  Durchmesser. 
Auf  dem  Boden  ein  gegossener  Relief  köpf  des  Herrn,  um- 
geben von  Rundbildnissen  der  Evangelisten,  ferner  mit  einem 
sich  wiederholenden,  kunstreichen  Relief  geziert,  welches  die 
Bezähmung  der  Thiere  durcli  Orpheus  darstellt;  17.  Jahr- 
hundert" ').  Derselben  Zeit  gehört  auch  eine  den  beiden  vor- 
genannten Stücken  verwandte,  der  St.  Katharinenkirche  zu 
Buchholz  gehörige  ungestempelte  Taufschüssel -)  an.  Auch 
hier  enthält  das  Mittelrund  ein  Brustbild  Christi.  Es  ist  um- 
geben von  einem  reichen  Ornamentband,  in  welches  u.  a.  die 
Figuren  der  Evangehsten  eingefügt  sind.  Der  übrige  Teil 
des  Bodens  nach  dem  gravierten  schmalen  Rande  zu  ist  mit 
Gravierungen  bedeckt,  zwischen  denen  viermal  dasselbe,  eine 
Reliefdarstellung  der  Dreieinigkeit  enthaltende  Rundmedaillon 
angebracht  ist.  Da  das  Zwickauer  Becken  dem  schon  früher 
vorhandenen  Taufstein  offenbar  angepafst,  also  doch  wohl  an 
Ort  und  Stelle  hergestellt  worden  ist,  da  zwi-schen  ihm  und 
den  besprochenen  Taufschüsseln  eine  gewisse  Ähnlichkeit  be- 
steht, da  zweifellos  das  Zöblitzer  Becken  in  Sachsen  ent.standen 
ist  und  da  die  ganze  Gruppe  die  charakteristischen  Merkmale 
sächsischer  Edelzinnarbeiten  an  sich  trägt,  so  wird  man  auch 
hier  sächsischen  Ursprung  annehmen  dürfen. 

In  der  „alten"  Sakristei  der  St.  Annakirche  zu  Annaberg 
sind  bei  Gelegenheit  einer  Restaurierung  auf  den  Umrahmungen 


1)  Steche  a.a.O.  IV  (1885),  35,  V(i88s),  33  ff-  Wenn  auch 
die  Zöblitzer  Taufschüssel  keine  Marke  trägt,  so  läfst  sich  doch  ihr 
sächsischer  Ursprung  nachweisen.  Denn  nach  den  Zöblitzer  Kirchen- 
rechnungen ist  sie  1613  in  der  „Saygerhütte  zu  Grünthal"  (heute: 
Kupferhammer-Grünthal)  bestellt  und  "1614  von  Zinngiefsern  aus  ein- 
geschmolzenen zinnernen  Altarleuchtern  gegossen  worden.  (Freund- 
liche Mitteilung  des  Herrn  Pfarrer  Munde  in  Zöblitz.) 

-)  Al^gebildet  in  den  Blättern  für  Architektur  und  Kunsthand- 
werk (Berlin,  Becker)  III,  Taf.  17.  Durchmesser  39  cm.  Vgl.  Steche 
a.  a.  Ö.  IV  (1885),  61:  „Die  gravierten  Ornamente  gleichen  jenen 
der  Taufbecken  zu  St.  Michael  und  Weifsenborn  (vgl.  III,  109,  124)." 


20  H,  Demiani: 

von  zwei  Gemälden,  die  nebst  zwei  anderen  älteren  Bildern 
in  einen  modernen  Altaraufbau  eingefügt  sind,  die  zinnernen 
Reliefwappen  der  Annaberger  Familien  Kantz  und  Schütze 
(halbes  aufgezäumtes  Pferd  beziehentlich  gespannter  Bogen 
mit  aufgelegtem  Pfeil)  angebracht  worden.  Steche')  nennt 
sie  ,, Meisterwerke  heraldischer  Plastik"  und  spricht  die  Ver- 
mutung aus,  dafs  sie  einst  eines  der  Kantzschen  Epitaphien 
zierten.  Die  beiden  Tafeln  sind  gleich  grofs  (17,5  cm  hoch 
luid  13  cm  breit).  Diejenige,  welche  das  Schützesche  Wappen 
aufweist,  trägt  die  Jahreszahl  1584.  Stempel  fehlen.  Doch 
wird  man  nach  Lage  der  Sache  am  Annaberger  Ursprung 
wohl  nicht  zweifeln  können.  Der  Helm,  die  Helmdecken,  die 
Schildform  und  der  vertieft  damaszierte  Grund  sind  avif  beiden 
Stücken  sehr  ähnlich,  aber  nicht  völlig  identisch.  Die  Model- 
lierung der  Einzelheiten  ist  gut,  aber  etwas  derb.  Die  rauhe, 
mit  zahlreichen  kleinen  Vertiefungen  übersäte  Oberfläche 
berechtigt  zu  der  Annahme,  dafs  diese  Tafeln  in  Gips-  oder 
Sandformen  gegossen  sind"-),  welche  von  Wachs-  oder  Ton- 
modellen abgenommen  waren.  Die  speziell  sächsische  Her- 
stellungsweise wurde  nicht  angewendet,  weil  sich  begreiflicher- 
weise unter  dem  verfügbaren  Vorrat  von  Plaketten  solche  mit 
den  betreffenden  Wappen  nicht  befanden.  Andererseits  lohnte 
es  sich  auch  nicht,  teure  Metall-  oder  Steinformen  herzustellen, 
da  man  ja  wohl  nur  je  einen  Abgufs  brauchte. 

In  Anbetracht  ihres  ein  Bildnis  des  Kurfürsten  August 
von  Sachsen  enthaltenden  Mittelrunds  und  des  sächsischen 
Charakters  der  Reliefdarstellungen  ihres  Randes  darf  man  auch 
die  als  Fig.  9  abgebildete  Schüssel  als  eine  sächsische  Arbeit 
bezeichnen.  Der  letzterwähnte  bildnerische  Schmuck  zeigt 
zwischen  völlig  glatten,  streifenförmigen  Feldern  in  je  vier- 
maliger Wiederholung  zwei  Einzelgestalten,  Herkules  und 
Discordia,  sowie  zwei  Figurenpaare,  Adam  und  Eva,  Mars 
und  Venus,  und  ist  vielleicht  das  lehrreichste  Beispiel  der 
sogar  auf  der  Abbildung  deutlich  erkemibaren  Auflötung  ab- 
geformter Plaketten  auf  die  ebene  leere  Zinnoberfläche.  Das 
interessante,  36  cm  im  Durchmesser  haltende  Stück  ist  im 
Besitz  des  Musee  du  Louvre,  dessen  Katalog  es  einem  1523 
verstorbenen  Nürnberger  Zinngiefser  Martin  Harscher'^)  zu- 
schreibt und  diese  kühne  Behauptung  mit  dem  erst  1553   er- 


>)  Steche  a.a.O.  IV  (1885),   43,   77.     Vgl.  auch   die   Herrlich- 
keit des  Annabergischen  Tempels  (1776)  S.  33  unten. 

-)  Vgl.  oben  S.  lo  Anm.  3. 

^)  Demiani,  Franc^ois  Briot  usw.  S.  77  ff. 


MM  .jJ:  m 


Fig.  9. 
Sächsische  Prunkschüssel  (um  1560). 
Musee  du  Lou\re  in  Paris. 


Fig.  10. 


Sächsische  (?)  Kanne  (1551). 
Sammkmg  Figdor-Wien. 


Sächsisches  Edelzinn.  21 

folgten  Regierungsantritt  des  Kurfürsten  August  dadurch  in 
Einklang  zu  bringen  sucht,  dafs  er  annimmt,  das  Brustbild 
dieses  Herrschers  sei  erst  nachträglich  eino-esetzt  worden.  Von 
einer  späteren  Einfügung  ist  aber  auch  nicht  eine  Spur  zu 
entdecken.  Und  der  einzige  vorhandene  Stempel  entbehrt 
jeglicher  Beweiskraft.  Er  enthält  nämlich  ein  mit  Helm  und 
Helmdecken  versehenes,  im  Stil  der  Zeit  um  1600  gehaltenes 
Wappen,  dessen  Schild  eine  sogenannte  Hausmarke  aufweist. 
Zu  beiden  Seiten  des  Helms  erblickt  man  die  Buchstaben  MH. 
Dieselben  sind  aber  nicht  willkürlich  auf  Martin  Harscher  zu 
beziehen,  sondern  auf  irgend  eine  weiteres  Interesse  nicht 
1)ietende  Person ,  in  deren  Eigentum  sich  die  Platte  einmal 
befand.  Denn  seinem  ganzen  Aussehen  nach  ist  der  Stempel 
weder  ein  Stadt-  noch  ein  Meisterzeichen,  sondern  eine  so- 
genannte Besitzermarke  ^).  Kurfürst  August  wechselte  einige- 
male  seine  Barttracht.  Sächsische  Münzen  von  1560  und  1561 
zeigen  ihn  mit  derselben  Bartform  wie  auf  der  besprochenen 
Prunkschüssel.  Letztere  kann  daher  erst  zu  oder  nach  der 
angegebenen  Zeit  entstanden  sein. 

Nach  ihrem  Zinnstempel,  der  das  kursächsisch -dänische 
AHianzwappen  über  einem  aus  den  Buchstaben  A  und  V  ge- 
bildeten Monogramm  erkennen  läfst,  ist  der  sächsische  Ur- 
.sprung  einer  interessanten  reliefierten  Zinnplatte  der  Samm- 
lung Zöllner-Leipzig  zu  vermuten.  Die  nahezu  quadratische 
Tafel  zeigt  zwischen  zwei  schmalen  Friesen  mit  Jagdszenen, 
in  der  Manier  von  Hans  Sobald  Beham  zwei  Reihen  von  je 
vier  im  wesentlichen  Todsünden  darstellenden  Flötner-Fig-uren. 
Lange'-)  vermutet,  dafs  sie  ein  Teil  des  Mantels  einer  Kanne 
in  der  Art  der  oben  erwähnten"*)  sei.  Dagegen  dürfte  aber  der 
Umstand  sprechen,  dafs  sie  allenthalben  mit  einem  schmalen, 
ihre  Fläche  nicht  unerheblich  überragenden  Rande  versehen  ist. 
Sie  könnte  vielleicht  für  einen  Goldschmied  oder  von  einem 
solchen  nach  Plaketten  gegossen  worden  sein,  um  als  Vorlage 
für  Edelmetallarbeiten  oder  gewissermafsen  als  den  Kunden 
vorzulegende  Musterkarte  zu  dienen. 

Ob  eine  in  Dresden  erworbene,  im  Germanischen  National- 


*)  Vgl.  oben  S.  13  Anm. 

2)  Lange  a.  a.  O.  S.  148. 

ä)  Weinkanne  der  Sammlung  Demiani,  Kanne  des  Ferdinandeum 
zu  Innsbruck,  „Arraesünderkanne"  des  Vereins  für  die  Geschichte 
Leipzigs,  Zittauer  Kanne  von  1562,  Kanne  des  South  Kensington 
Museum. 


2  2  H.  Demiani : 

museum  zu  Nürnberg  ausgestellte  viereckige  Zinnbüchse  mit 
drei  Flötner  -  Tugenden  und  einem  wahrscheinlich  auf  eine 
italienische  Komposition  zurückzuführenden  Brustbild  der  Ma- 
donna mit  Kind  als  Werk  eines  sächsischen  Zinngiefsers  an- 
zusehen ist,  läfst  sich,  da  sie  keine  Marke  trägt,  mit  Sicher- 
heit nicht  entscheiden.  Und  dasselbe  gilt  bedauerlicherweise 
von  einer  ganzen  Reihe  den  nachweisbar  sächsischen  Edelzinn- 
arbeiten  sehr  nahe  verwandter  Stücke.  Erwähnt  sei  zunächst 
ein  in  guten,  leider  ungestempelten  Abgüssen  in  der  Staats- 
sammlunof  vaterländischer  Kunst-  und  Altertumsdenkmale  zu 
Stuttgart,  im  Schlesischen  Museum  für  Kunstgewerbe  und  Alter- 
tümer  zu  Breslau  und  in  der  Kollektion  Demiani  aufbewahrter 
kleiner  Krug  mit  Szenen  aus  der  Geschichte  der  ersten  Menschen 
zwischen  zwei  übereinstimmenden,  mit  Rankenwerk  ausgefüllten 
Streifen.  Die  biblischen  Darstellungen  gleichen  völlig  denen 
auf  dem  bereits  oben  besprochenen  —  umfangreicheren  —  Kruge 
der  Sammlungen  Clemens,  Brateau  und  des  Bayerischen  Na- 
tionalmuseums, während  die  Rankenfriese  dieselben  sind  wie 
auf  dem  oben  behandelten,  die  Marienberger  Stadtmarke  tra- 
genden, mit  merkwürdigen  noch  nicht  gedeuteten  Reliefs  ge- 
schmückten Kruge  des  genannten  Museums.  Hierher  gehören 
weiter  zwei  aus  der  Kollektion  Minutoli  herstammende  Krüge, 
die  von  verschiedenem  Umfang,  aber  unter  Benutzung  der- 
selben Modelle  beziehentlich  Formen  hergestellt  sind.  Den 
gröfseren,  jetzt  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  betindlichen 
(Durchmesser  des  Bodens  13  cm)  schmücken  zwei  Rundme- 
daillons mit  der  Geburt  Christi  (Unterschrift:  DEVS  HOMO 
FACTVS  EST)  und  der  Anbetung  der  Könige  (Unterschrift: 
15  G  45  .  GENTES  IN  CHRM  SPERANT),  zwischen  denen 
man  eine  Kampfszene  und  zweimal  denselben  Triumphzug 
(einmal  durch  Abschneiden  ganz  willkürlich  verkürzt)  erblickt. 
Oben  und  unten  werden  diese  Reliefs  durch  zwei  mit  Doppel- 
brustbildern durchsetzte  Ornamentbänder  abgeschlossen,  die 
aus  verschiedenen  nach  Bedarf  zurechtgestutzten  Kompositionen 
(spielende  und  kämpfende  Kinder  usw.)  bestehen.  Stempel 
fehlen.  Von  den  drei  vorhandenen  eingravierten  Zeichen  sind 
zwei  (heraldische  Lilien)  spätere  Zutaten;  das  eine  (Wappen- 
schild mit  Fisch  zwischen  den  Buchstaben  B  und  H)  wird  wohl 
zur  Zeit  der  Entstehung  des  merkwürdigen  Humpens  ange- 
bracht worden  sein.  Der  kleinere,  gegenwärtig  zu  der  Samm- 
lung Demiani  gehörige  Krug  (Bodendurchmesser  10,5  cm)  zeigt 
nur  das  Medaillon  mit  der  Anbetung  der  Könige  und  je  einmal 
die  Kriegsszene  und  den  Triumphzug  und  ist  mit  einem  völlig 
undeutlichen  ovalen  Eindruck  versehen,  dessen  Eigenschaft  als 


Sächsisches  Edelzmn.  23 

Marke  zweifelhaft  erscheint ').  Gedacht  sei  ferner  einer  früher 
in  Zschilleschem,  jetzt  in  Demianischem  Besitz  befindlichen 
grofsen  Kanne  mit  Reliefs  nach  der  Mars-Schüssel  (Feldherren, 
Erdteile,  Trophäen  und  Grotesken)-).  Die  nämliche  unbekannte 
Stadtmarke  (Schild  mit  Querbalken,  darüber  die  Buchstaben 
SI,  darunter  zwei  gekreuzte  Bergmannswerkzeugej  wie  diese 
Kanne  tragen  anscheinend  zwei  dieselben  Meisterstempel 
(Glocke,  Buchstaben  H  W  und  Zahl  83)  aufweisende  Krüge 
der  Sammlungen  Demiani  und  des  Österreichischen  Museums  für 
Kunst  und  Industrie  zu  Wien.  Ersterer  ist  mit  den  sitzenden 
Gestalten  der  vier  Evangelisten  dekoriert.  Auf  letzterem  finden 
sich  zwischen  zwei  Rankenfriesen  vier  biblische  Darstellungen: 
Jonas,  Traum  von  der  Himmelsleiter,  Simson  die  Stadttore 
wegtragend  und  Hiob  (?).  Das  an  zweiter  Stelle  angeführte 
Relief  ist  zur  Hälfte  wiederholt.  Auf  dem  Boden  erblickt 
man  ein  Rundbild  mit  der  Anbetung  der  Könige.  Der  Deckel 
gleicht  dem  des  kleinen  Krugs  mit  Szenen  aus  der  Geschichte 
der  ersten  Menschen  (Exemplare  in  Stuttgart,  Breslau  und  bei 
Demiani).  Weiter  sei  auf  eine  prächtige,  mit  Einschlufs  des 
Deckelknopfes  33  cm  hohe  Kanne  der  Sammlung  Figdor-Wien 
hingewiesen  (Fig.  10)"^).  Marken  sind  nicht  eingeschlagen,  aber 
auf  dem  Henkel  ein  Wappen  mit  einer  Weintraube,  die  Initialen 
EW  und  die  Jahreszahl  1551  eingraviert.  Der  Mantel  ist  in 
drei  relielierte  Zonen  eingeteilt,  deren  unterste  dieselben  Szenen 
aus  dem  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohne  wiedergibt  wie  der 
oben  als  Freiberger  Arbeit  angesprochene  Krug.  Ein  Relief 
der  Mittelzone  (Christus  am  Kreuz,  rechts  ein  betender  knie- 
ender  Ritter  ^  links  ein  behelmtes  Wappen  mit  Weintraube) 
trifft  man  auch  auf  zwei  Krügen  an,  von  denen  der  eine  im 
Böhmischen  Museum  zu  Prag  und  der  andere  in  der  Samm- 
lung Zöllner-Leipzig  verwahrt  wird.  Letzterer  zeigt  auch  noch 
eine  Gruppe,  die  zweimal  auf  dem  oberen  Friese  der  Figdor- 
schen  Kanne  angebracht  und  auf  eine  Komposition  von  Hans 


')  Bevor  er  in  die  Sammlung"  Demiani  kam,  befand  sich  dieser 
Krug  in  der  Kollektion  Felix.  Vgl.  S.  132,  133  (Nr.  7211  des  Kata- 
logs der  letzteren  (1886  in  Köln  bei  Heberle  [Lempertz'  Söhne]  ver- 
steigert). 

-)  Demiani,  Frangois  Briot  usw.  S.  54  ft'.  Taf.  29. 

^)  Vgl.  Nr.  1033  des  Katalogs  der  Strafsburger  retrospektiven 
Ausstellung  1895,  worin  noch  das  Pfarramt  Müllheim  (Baden)  als  Eigen- 
tümer genannt  ist.  Vgl.  auch  oben  S.  16  ff.  Anm.  3  Plaketten  mit  auf 
Herkules  bezüglichen  Darstellungen  (nach  Stichen  von  Hans  Sebald 
Beham),  wie  sie  sich  auf  der  Figdorschen  Kanne  und  den  beiden  ihr 
verwandten  Krügen  iinden,  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin. 


24  H.  Demiani: 

Sebald  Beham  zurückzuführen  ist,  nämlich  Herkules,  welchem 
ein  Mann  das  Nessusgewand  überbringt,  und  aufserdem  zwei 
weitere  Darstellungen  nach  Stichen  des  genannten  Künstlers: 
Herkules  und  Cerberus  sowie  Herkules  im  Kampf  mit  dem 
Nemeischen  Löwen.  Marken  fehlen.  Der  Deckel  stimmt  mit 
dem  der  Figdorschen  Kanne  überein.  Der  Prager  Krug  ist 
nicht  gestempelt,  zeigt  aber  auf  der  Innenseite  seines  Deckels 
ein  Medaillon  mit  einem  Wappenträger,  welcher  zwei  Schilder 
mit  den  Kurschwertern  und  dem  sächsischen  Rautenkranz  hält. 
Auf  dem  inneren  Boden  befindet  sich  (wie  auch  bei  dem 
Zöllnerschen  Kruge)  ein  Rundbild  mit  Christi  Kreuzigung  und 
der  Jahreszahl  MDXXXIX.  Die  Leibung  schmücken  überdies 
noch  Flötner  -  Figuren  (Erato,  Hoffart,  Caritas,  Euterpej. 
Endlich  möge  noch  ein  aus  der  Sammlung  Minutoli  stammender, 
einschliefslich  des  Deckelknopfes  23,5  cm  hoher  Krug  des 
Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin  er\\ähnt  sein,  dessen  Mantel 
sechs  Rundmedaillons  mit  biblischen  Szenen  (Erschaffung  Adams, 
Sündenfall  usw.)  zwischen  Hermen,  Maskarons  und  Frucht- 
bündeln aufweist.  Marken  sind  leider  nicht  eingeschlagen. 
Der  reliefierte  Deckel  gleicht  dem  des  Krugs  mit  dem  Gleichnis 
vom  verlorenen  Sohn. 

Eine  weitere  Aufzählung  derartiger,  wahrscheinlich  auch 
für  Sachsen  in  Anspruch  zu  nehmender  Exemplare  erscheint 
entbehrlich  im  Hinblick  auf  die  leider  zur  Zeit  vorliegende 
Unmöglichkeit,  deren  Herkunft  genau  zu  bestimmen.  Erwägt 
man,  in  wie  hohem  Grade  das  Zinn  um  seines  geringen  Ma- 
terialwerts willen  unpfleglicher  Behandlung  und  der  Gefahr 
des  Einschmelzens  oder  Umgiefsens  ausgesetzt  war,  so  erhellt 
aus  der  bereits  gegebenen  Zusammenstellung  nachweislich 
sächsischer  Edelzinnarbeiten,  namentlich  im  Vergleich  mit  dem, 
was  sich  mit  Bestimmtheit  anderen  Entstehung-sorten  zuweisen 
läfst,  wohl  zur  Genüge,  dafs  Sachsen  in  Bezug  auf  Edelzinn 
eine  Hauptproduktionsstätte  Deutschlands  war,  vielleicht  nach 
Nürnberg  die  ergiebigste. 

Nicht  verwechseln  darf  man  mit  den  besprochenen  Stücken 
Zinngeräte,  die  gleichfalls  derbe,  auf  Flötnersche  Modelle 
zurückzuführende  Reliefs  aufweisen,  aber  in  eigens  geschnit- 
tenen Formen  gegossen  sind,  die  als  freie  Nachbildungen  sich 
darstellen  und  nicht  blofs  durch  Abformung  von  Plaketten 
gewonnen  sind.  In  diese  Kategorie  fällt  z.  B.  ein  kleiner, 
originale  vielfarbige  Bemalung  zeigender,  dem  Kunstgewerbe- 
museum zu  Berlin  gehöriger  Krug,  den  als  freie  vergröberte 
Wiederholungen  Flötnerscher  Originale  sich  erweisende  Ge- 
stalten von  Tugenden  zieren.     Die  auf  seinem  Boden  befind- 


Sächsisches  Edelzinn. 


25 


liehe,  das  Wappen  von  Nürnberg  aufweisende  Marke  charak- 
terisiert ihn  als  dort  entstandene  Arbeit. 

Besondere  Beachtung  verdient  ein  grofser,  mit  reichem 
Reliefschmuck  versehener,  etwa  um  1700  gefertigter  Zinn- 
teller (Fig.  11) '),  da  er  das  eine  der  beiden  einzigen  wichtigen, 
in  einer  eigens  geschnittenen  Metall-  oder  Steinform  gegossenen 
sächsischen  Edelzinngeräte  ist.  Diese  von  der  sonst  in 
Sachsen  üblichen  Weise  abweichende  Herstellungsart  und  das 
kursächsische  Wappen  in  seinem  Mittelstück  deuten  vielleicht 
auf  einen  besonderen  Anlafs  zu  seiner  Entstehung  hin,  mög- 
licherweise auf  eine  kurfürstliche  Bestellung  von  Schiefspreisen. 
Sämtliche  bekannte  Abgüsse  tragen  die  Leipziger  Stadt- 
marke-) und  dokumentieren  damit  ihre  Herkunft  aus  Leipzig. 
Dagegen  kommen  verschiedene  Meisterstempel  darauf  vor, 
insbesondere  (z.  B.  auf  dem  Exemplar  der  Sammlung  Demiani) 
ein  Zeichen  mit  einem  springenden  Hirsch,  über  welchem 
aufser  der  Zahl  92  die  Buchstaben  H  G  K  angebracht  sind^). 
Man  wird  dieselben  wohl  auf  den  Leipziger  Zinngiefser  Hans 
Georg  Kandier  beziehen  dürfen,  welcher  1687  Leipziger 
Bürger  und  in  demselben  Jahre  auch  Mitglied  der  Schützen- 
brüderschaft zu  Leipzig  wurde.  Bemerkt  sei,  dafs  er  als 
Familiennamen  die  Bezeichnung  seiner  Profession  führte. 
Kandier  bedeutet  nämlich  so  viel  wie  Kannengiefser  (Zinn- 
giefser) ■^). 

Das  zweite  hier  aufzuführende  Stück,  zu  dessen  Her- 
stellung ebenfalls  eine  besonders  geschnittene  Metall-  oder 
Steinform  gedient  hat ,  ist  der  als  Fig.  1 2  abgebildete,  einen 
Durchmesser  von  knapp  18  cm  besitzende  Teller  der  Samm- 
lung Demiani.  Auf  dem  leeren  Schild  des  Randes  erblickt 
man  den  Leipziger  Stadtstempel  und  rechts  und  links  von  dem- 
selben je  eine  Meistermarke  mit  einem  Winkelmafs,  über  dem 
die  Buchstaben  A  P  und  ein  Stern  erscheinen,  während  darunter 
die  Zahl   13   ersichtlich  ist.     Diese  einander  gleichen  Meister- 


M  Das  interessante,  26  cm  im  Durchmesser  haltende  Stück  ist  be- 
reits mehrfach  abgebildet  worden,  z.  B.  im  Kunstgewerbeblatt  N.  F. 
I  (1890)  vor  S.  29,  in  der  Gewerbehalle  Jahrg.  1887  Taf.  37  und  in 
Westermanns  illustrierten  deutschen  Monatsheften  XXVI  (1882),  489 
(als  Illustration  zu  einem  Aufsatz  I.essings  über  westöstliche  Kunst- 
formen). Vgl.  auch  Berling,  Stadtmarken  der  Zinngiefser  von 
Dresden,  Leipzig  und  Chemnitz,  in  dieser  Zeitschrift  XVI,  123  ff. 

^)  Vgl.  die  in  der  vorigen  Anmerkung  angezogene  Abhandlung 
von  Berling,  welcher  auch  eine  Abbildung  der  Leipziger  Stadtmarke 
beigegeben  ist. 

3)  Vgl.  S.  2ff.  Anm.  i. 


2  6  H.  Demiani : 

zeichen  sind  wohl  die  des  Leipziger  Zinngiefsers  Alexander 
Pfretzschner ,  der  1605  Meister  und  Bürger  wurde,  achtmal 
Obermeister  der  Leipziger  Zinngiefserinnung  war  und  zwischen 
1630  und   1633   starb  ^). 

Von  bekannten  Dresdner  Zinngiefsern,  unter  denen  zuerst 
1530  ein  gewisser  Sebastian  Liborius  genannt  wird,  sind  uns, 
abgesehen  von  der  noch  zu  erwähnenden  gravierten  König- 
steiner Kanne  Abraham  Frantzes,  leider  bemerkenswerte  Werke 
nicht  erhalten  ofeblieben.  Doch  ersieht  man  aus  den  Akten 
des  Hauptstaatsarchivs  zu  Dresden,  dafs  die  dortigen  Meister 
Beachtliches  leisteten.  So  erhielt  Ambrosius  Reichenbach 
(Meister  1560,  gest.  1599),  der  von  1570  bis  1591  auch  als 
Büchsenmeister   erwähnt   wird"-),    1590   die  für  damalige  Zeit 

'j  Im  Innungsbuche  der  Leipziger  Zinngiefser,  welches  nicht 
nur  die  Namen  der  Meister,  sondern  auch  die  der  Obermeister,  der 
aufgenommenen  Lehrlinge,  der  losgesprochenen  Lehrlinge  und  der 
mutenden  Gesellen  sowie  Niederschriften  ül^er  die  Übergabe  der 
Lade  an  die  jedesmaligen  Obermeister  enthält,  finden  sich  folgende 
zwei  auf  Alexander  Ptretzschner  bezügliche  Einträge: 

„Anno    1605    den    i.  Septemb.    ist  Alexander  Pfretzschner 
Meister  worden,  da  Martin  Kersten  Obermeister  gewesen,  deditfl6." 
,,Anno  1624  den  6.Decemb  ist  Michael  Reinsbergk  mit  seinem 
Meisterstück  vor  offener  Laden  erschienen,  damit  bestanden  und 
vor  ein  Meister  erkannt,  da  Alexander  Pfretzschner  Obermeister 
gewesen,  dedit  fl  5." 
In    der    (nach   den  Daten    fortschreitenden)  Leipziger   Bürger- 
matrikel ist  zu  lesen: 

,,  Alexander  Pfretzschner,  Sittich  Pfretzschners,  Bürgers  Sohn, 
fusor  cantharius,  jus  civitatis  a  parente  consecutus  civisque  factus 
juravit.  De  legitinio  ejus  ortu  testimonium  dederunt  Dns.  Leonar- 
dus  Olhaflius  (=  Ölhafe)  et  Georgius  Zelfelder,  Schneider.  Actum 
den  27.  Sept.  Ao.  1605". 
(Sittich  Pfretzschner  und  sein  aus  Ölsnitz  stammender  Vater 
Hans  Pfretzschner  waren  Maurer  und  zeitweilig  Ratsmaurer.) 

Aus  dem  vorerwähnten  Innungsbuch  läfst  sich  noch  ersehen, 
dals  Alexander  Pfretzschner  1590  auf  fünf  Jahre  als  Lehrling  bei  Hans 
Apel  aufgenommen  wurde  und  dafs  er  1608 — 1609  (das  Innungsjahr 
lief  von  Jakobi  bis  zu  Jakobi),  1612  — 1613,  1615  — 1616,  1618 — ^1619, 
1621  — 1622,  1624  — 1625,  1627  — 1628  und  1630  —  ?  Obermeister  war. 
Bis  1614  hatte  die  Leipziger  Zinngiefserinnung  zwei  Obermeister, 
von  da  an  drei,  einen  Obermeister  und  zwei  Beisitzer.  (Freundliche 
Mitteilungen  des  Herrn  Oberbibliothekar  Professor  Dr.  Wustmann 
in  Leipzig.) 

Zu  dem  Mittelstück  des  als  Fig.  12  abgebildeten  Tellers  ist 
wohl  eine  nocli  im  16.  Jahrhundert  entstandene  \^orlage  benutzt 
worden. 

-)  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  Loc.  32961:  Bestall.  1570— 1575 
fol.  3  a.  Diese  und  die  Anmerkungen  auf  S.  27  beruhen  auf  freundlichen 
Mitteilungen  des  Herrn  Geheimen  Hofrat  Professor  Dr.  Gurlitt  in 
Dresden. 


Fig.  II. 


Sächsischer  Teller  (um   1700). 
Sammluno-  der  Deutschen  Gesellschatt  zu  Leipzig;. 


Fig.  12. 

Sächsischer  Teller  (Antanii-  des   17.  jahrh. 

Sammluncr  Demiani. 


Sächsisches  Edelzinn. 


27 


grofse  und  deshalb  auf  eine  bedeutendere  Arbeit  schliefsen 
lassende  Summe  von  72  Gulden  13  Groschen  i  Pfennig  „von 
dem  Nackenden  Weibesbilde  aus  Zien  abezugiefsen  wigt  i  Cent- 
ner 9  Pfund"  (zu  welchem  der  Bildschnitzer  Valten  Silberman 
für  24  Gulden  das  hölzerne  Modell  gefertigt  hatte) ^).  Auch 
wurde  er  1591  beauftragt,  „Bilder"-)  für  das  Schlots  zu  Col- 
ditz  zu  giefsen'^).  1590  lieferten  Bendix  Bachstett  (Backstedt, 
Badstedt)  und  Gotschalch  Specht  (auch  Speckt,  Meister  1588, 
gest.  161 2)  zusammen  für  800  Gulden  Kannengiefserarbeit  für 
kurfürstliche  Gebäude  in  Dresden^).  Und  in  demselben  Jahre 
wurden  Barthel  Gorschell  (auch  Gorschel  und  Gerschel,  Meister 
1567,  gest.  1612)  129  Gulden  7  Groschen  9  Pfennige  aus  der 
kurfürstlichen  Kasse  gezahlt  ,,von  einem  Hirsch,  einem  Pelli- 
kann,  mit  drey  Jungen  vnd  einem  Rehe  Böcklen  von  Zien  ab- 
ezugiefsen"'^). 

Natürlich  sind  in  Sachsen  auch  ofra vierte  Zinno-egfenstände 
hergestellt  worden.  Das  dabei  beobachtete  Verfahren  weicht 
aber  von  dem  anderwärts  üblich  gewesenen  nicht  wesentlich 
ab.  Gleichwohl  mögen  zum  Schlufs  einige  wichtigere  Bei- 
spiele angeführt  werden,  da  auch  gravierte  Stücke,  soweit  sie 
nicht  blofs  geringfügige  Verzierungen,  sondern  vom  künst- 
lerischen Standpunkte  aus  wertvolle  Darstellungen  aufweisen, 
dem  Edelzinn  zugezählt  werden  können.  Doch  soll  im  Hin- 
blick auf  den  diesen  Zeilen  zugemessenen  Raum  Vollständigkeit 
der  Aufzählung  ebensowenig  angestrebt  werden  wie  auf  den 
vorstehenden  Seiten 

Erwähnt  sei  eine  mit  trefflich  gravierten  Rokokoorna- 
menten verzierte  Grabplatte,  die  1888  unter  dem  Boden  der 
Kirche  zu  Zöblitz  gefunden  wurde.  Die  Kirche  zu  Zaufswätz 
bei  Oschatz  besitzt  eine  1595  datierte,  in  derber  Gravierung 
die  Taufe  Christi  zeigende  Taufschüssel,  die  den  Oschatzer 
Stadtstempel    trägt.      Wegen    ihrer   sehr   grofsen   Ähnlichkeit 


')  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  Loc.  4451 :  Summ.  Extr.  1590 
fol.  60  b. 

-I  Bilder  wohl  :=  Bildwerke,  Statuen.  Während  in  Frankreich 
—  z.  B.  als  Schmuck  von  Wasserwerken  und  Brunnen  —  häufig  grofse 
zinnerne  beziehentlich  bleierne  Figuren  angefertigt  worden  sind,  ist 
dies  in  Deutschland  seltener  geschehen.  Eni  schönes  Beispiel  bilden 
vier  im  Rokokogeschmack  gehaltene  Gruppen  von  je  zwei  eine 
Laterne  tragenden  Putten,  die  im  zweiten  Stock  des  Treppenhauses 
des  bischöflichen  Palais  zu  Passau  aufgestellt  sind. 

^)  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  Loc.  4451:  Schlots  und  Tier- 
garten zu  Colditz  1589  fol.  47. 

*)  Ebenda  Loc.  4451:  Summ.  Extr.  1590  fol.  65  b. 

■^)  Ebenda  Loc.  4451:  Summ.  Extr.  1590  fol.  60  b. 


2  8  H.  Demiani: 

mit  derselben  darf  man  auch  das  1 607  gefertigte  ungestempelte 
Taufbecken  zu  Laas  bei  Oschatz  als  Oschatzer  Arbeit  bezeich- 
nen. In  ihren  Gravierungen  ähneln  der  schon  erwähnten  Buch- 
holzer  Taufschüssel  die  Taufbecken  zu  St.  Michael  und  Weifsen- 
bom  ').  Als  Leipziger  Erzeugnisse  sind  auf  Grund  der  in  sie  ein- 
geschlagenen Leipziger  Stadtmarken  ■^)  zwei  reich  und  schön 
gravierte  Taufbecken  anzusprechen,  von  denen  sich  das  eine  im 
Dresdner  Kunstgewerbemuseum  (Meisterstempel  leider  undeut- 
lich, datiert  1634,  Durchmesser  73  cm)  und  das  andere,  um  1660 
entstandene  in  der  Kirche  zu  Seehausen  bei  Leipzig  belindet 
(nach  dem  einen  nach  links  springenden  Hirsch  unter  den 
Buchstaben  AH  enthaltenden  Meisterzeichen  wohl  eine  Arbeit 
des  Leipziger  Zinngiefsers  Albrecht  Hermann,  der  165 1  Meister 
und  Bürger  wurde  und  später  auch  Obermeister  war;  Durch- 
messer 66  cm).  Die  St.  Marienkirche  zu  Marienberg  enthält 
eine  1729  bezeichnete  Taufschüssel  mit  der  —  gut  gestochenen 
—  Taufe  des  Herrn^).  Sächsischer  Ursprung  ist  wohl  auch 
bei  einer  prächtigen,  von  Christoph  Vogel  gravierten,  1647 
vom  Zinngiefsergesellen  Adam  Schumann  aus  Zinnwald  der 
Kirche  zu  Geising  geschenkten  Zinnplatte  mit  einer  Darstel- 
lung des  Abendmahls  anzunehmen.  Gedacht  sei  auch  der 
1624  datierten  Abendmahlskanne  der  Kirche  der  Festung 
Königstein.  Auf  der  Leibung  dieses  hübschen  Stücks  sind 
Evangelisten,  Apostel  und  Vögel  eingraviert.  Auf  Grund 
seiner  Stempel*)  läfst  es  sich  als  eine  Arbeit  des  1608  Meister 
gewordenen  Dresdner  Zinngiefsers  Abraham  Frantze  bestim- 
men. Endlich  seien  noch  am  Schlufs  dieser  kurzen  Aufzäh- 
lung die  gravierten  Zinnarbeiten  im  Besitze  der  Kirche  zu 
Oberpesterwitz  erwähnt.  Man  findet  dort  eine  sehr  schöne 
Taufschüssel  (bezeichnet  1702),  eine  Kanne  mit  einer  Ab- 
bildung des  Abendmahls  (1771)  und  noch  eine  zweite  die- 
selbe Darstellung  aufweisende,  1658  datierte  Kanne  mit  Deckel 
und  Fufsringen  aus  Kupfer. 

Die  im  Stadtmuseum  zu  Dresden  aufbewahrten  Innunss- 
laden  der  dortigen  Tuchscheerer  und  Zinngiefser  sind,  erstere 
(a.  d.  J.  1651)  aufsen  und  innen,  letztere  (datiert  1654)  nur 
innen,  mit  gravierten  Zinnplatten  belegt. 


')  Vgl.  oben  S.  19  und  Steche  a.  a.  O.  III,  109,  124,  IV,  61. 

-)  Vgl.  die  S.  25  Anm.  i  angezogene  Abhandlung  von  Berling. 

^)  Steche  a.a.O.  V,  20. 

*)  Zwei  Dresdner  Stadtmarken  mit  dem  Dresdner  Stadtwappen 
(vgl.  die  S.  25  Anm.  i  angezogene  Abhandlung  von  Berling  ),  darunter 
ein  Meisterstempel  mit  den   Buchstaben  AF   über  und   der  Zahl  13 


Sächsisches  Edelzinn.  2q 

Das  Stieber  -  Museum  zu  Bautzen  birgt  von  dortigen 
Zinngiefsern  gröfstenteils  recht  gut  gravierte  viereckige  Zinn- 
tafeln mit  Bibelsprüchen,  figürlichen  und  landschaftlichen 
Darstellungen.  Die  meist  auch  die  Entstehung.sdaten  ent- 
haltenden Inschriften  bezeichnen  als  Urheber:  Abraham  Gott- 
lob Kohl  (1675  und  1691),  J.  G.  Edmann  (1750,  1782,  1784, 
1785,  1796)  und  verschiedene  Mitglieder  der  zuerst  um 
1660  auftretenden  Bautzner  Zinngiefserfamilie  Wölffel,  näm- 
lich Daniel  Wölffel  (1689),  M.  G.  Wölffel  (1755),  Friedrich 
Daniel  Wölffel  (1780,  1795)  und  Johann  Friedrich  Wölffel 
(1811).  Von  dem  genannten  Edmann,  dessen  Geschlecht 
17 13  von  Stockholm  nach  Bautzen  kam,  besitzt  das  Stieber- 
Museum  auch  22  runde  gravierte  Zinnscheiben,  die  bei  Familien- 
ereignissen als  Geschenke  beziehentlich  Erinnerungszeichen 
verteilt  wurden^).  Die  noch  erhaltene,  aus  dem  Jahre  16 16 
stammende  Innungslade  der  Bautzner  Zinngiefser  ist  mit  gra- 
vierten Zinnplatten  belegt.  Auf  der  Innenseite  des  Deckels 
befindet  sich  eine  17 17  gestiftete,  von  M,  E.  v.  Stockh  gravierte 
Gedenktafel  mit  Meisternamen  und  Bibelsprüchen.  Die  vier 
Aufsenseiten  der  Truhe  sind  von  Hans  Locke,  Blasius  Zenker, 
Alexander  Stos,  Peter  Krische  und  Melchior  Hollfeld  graviert^). 

Fünf  mit  künstlerisch  ausgeführten  Gravierungen  ge- 
schmückte Zinnplatten  besitzt  das  König- Albert -Museum  zu 
Freiberg,  nämlich  eine  50  cm  hohe  mit  der  Figur  des  Apostels 
Thomas  und  der  Inschrift  ,,C.  H.  Schneider  sculp.  Freyberg 
1750",  eine  mit  der  Hochzeit  zu  Cana  und  zwei  mit  den  Gestalten 
der  Apostel  Andreas  und  Jakobus,  welche  drei  Arbeiten  auch 
1750  entstanden  und  auf  C.  G.  Andreae  zurückzuführen  sind, 
endlich  ein  ,, Bildnis  Mosis"  von  Joh.  Heinrich  Teucher.  Schnei- 


rechts neben  der  Halbtigur  einer  Frau(?),  die  mit  der  Rechten  eine 
langstielige,  mit  zwei  Blättern  versehene  Rose  emporhält. 

')  Diese  Zinnscheiben  haben  in  der  Regel  emen  Durchmesser 
von  etwa  7  cm.  Meist  sind  beide  Seiten  graviert.  Bisweilen  ist 
aber  auch  die  eine  reliefiert.  Die  Darstellungen  beziehen  sich  auf 
Vorkommnisse  des  täglichen  Lebens:  Verlobungen  (zwei  sich  schnä- 
belnde Tauben  auf  einem  Herzen,  das  auf  einer  3  [Treue]  und  einem 
Anker  ruht),  Todesfälle  (Urne  in  einer  von  zwei  Säulen  flankierten 
Nische),  Doktorpromotionen  (Doktorhut  auf  einem  Tisch)  usw.  Ed- 
mann scheint  mit  diesen  Gelegenheitsarbeiten  emen  schwungvollen 
Handel  betrieben  und  hierbei  vielleicht  auch  gelegentlich  gebettelt 
zu  haben.  Bevor  er  sich  in  Bautzen  niederliefs,  war  er  in  Bischofs- 
werda  tätig.  (Freundliche  Mitteilungen  des  Herrn  Geheimen  Hofrat 
Professor  Dr.  Erbstein  in  Dresden.) 

-)  Freundliche  Mitteilungen  des  Herrn  Museumspfleger  Buch- 
händler Roesger  in  Bautzen. 


3° 


H.  Demiani:  Sächsisches  Edelzinn. 


der  und  Andreae  waren  Zinngiefser  und  lebten  in  Freiberg  ^). 
Ersterer  Meister  ist  auch  der  Schöpfer  einer  ebenfalls  1750 
datierten,  reichgravierten  Zinntafel  mit  Bildnissen  sächsischer 
Kurfürsten  usw.,  welche  im  Auktionskatalog  der  1895  ver- 
steigerten Sammlung  Riedinger-Augsburg  aufgeführt  ist. 

Die  Kollektion  Demiani  endlich  enthält  ein  die  Speisung 
der  Zehntausend  darstellendes  Zinnbild  mit  der  Inschrift  „C. 
G.  Weigel  von  Leipzig"  und  der  Jahreszahl  1732  (auf  der  Rück- 
seite) sowie  eine  von  demselben  Künstler  herrührende  Platte 
mit  Allegorien,  Versen  und  der  Beischrift  ,, Eines  sterbenden 
Christen  letzter  Kampf  und  seehger  Abdrück  (sie!)  von  der 
Zeitlichkeit  in  die  Ewigkeit". 


1)  Der  Zinngiefser  Christian  Gottlob  Andreae  (Andreas)  wurde 
am  5.  September  1743  Freiberger  Bürger.  (Freundliche  Mitteilung 
des  Stadtrats  zu  Freiberg.)  Er  kommt  von  1743  bis  1763  vor  und  war 
der  Lehrherr  von  Christian  Heinrich  Schneider,  der  von  1748  bis  1752 
genannt  wird.  (Freundliche  Mitteilung  des  Herrn  Bürgerschullehrer 
Knebel  in  Freiberg.) 

Wie  schon  erwähnt,  wurden  kunstvolle  Zinngufsformen  nicht 
selten  auch  von  Meistern  hergestellt,  die  nicht  Zinngiefser  waren. 
Ebenso  wurden  die  Zinngravierungen  oft  von  Künstlern  ausgeführt, 
welche  das  Zinngiefserhandwerk  nicht  betrieben.  In  der  Sammlung 
des  Herrn  Direktor  M.  Wahl  in  Augsburg  befindet  sich  eine  sehr 
schön  gravierte  Spruchtafel  mit  der  bischrift:  „Georgius  Fischer 
scripsit  et  sculpsit  Ao.  1745.  Augustae  Vindelic."  In  den  Akten  des 
Auojsburger  Stadtarchivs  ist  nun  kein  Zmngiefser,  wohl  aber  ein 
„Siiberstecher"  dieses  Namens  erwähnt  (Hochzeitsamts-Protokoll  vom 
13.  Januar  1754  fol.  74). 


n. 

Bilder  aus  einer  säehsisehen  Stadt 
im  Reformationszeitalter. 

Aus  den  Kämmerei -Rechnungen  der  Stadt  Zwickau, 

Von 
Reinhold  Hofmann. 


ochon  vor  vielen  Jahren  hat  Karl  Hegel  im  ersten  Bande 
seiner  Städtechroniken  (1862)  die  hohe  Bedeutung  der  alten 
Stadtrechnungen  für  die  verwaltungs-  und  wirtschaftsgeschicht- 
liche Forschung  treffend  gewürdigt.  Sie  sind,  darüber  ist 
man  nun  seit  langem  einig,  die  allerwichtigste  Quelle  für  die 
gesamte  innere  Verwaltung  der  Städte;  sie  geben  uns  Kunde 
von  ihren  ständigen  und  aufserordentlichen  Bedürfnissen;  sie 
machen  uns  bekannt  mit  so  mancher  Sitte  und  Einrichtung 
alter  Zeit  und  mit  dem  Fortgang  der  inneren  Entwicklung 
der  städtischen  Gemeinwesen;  sie  belehren  uns  über  Kredit- 
wesen, Warenpreise,  Gehälter  und  Arbeitslöhne:  kurz,  sie 
verbreiten  über  fast  alle  Zweigfe  städtischen  Lebens  helles 
Licht.  Im  Gegensatz  zu  den  nüchternen  städtischen  Rech- 
nungen unserer  vielbeschäftigten  Zeit  bieten  ihre  oft  behag- 
lich breiten  Einträge  nicht  lediglich  trockenes  Zahlenwerk 
und  kurze  Einnahme-  und  Ausgabeposten,  sondern  wir  finden 
in  ihnen  —  etwa  wie  in  den  alten  Kirchenbüchern  —  nicht 
selten  wichtige  chronikalische  Nachrichten  eingestreut,  da 
und  dort  auch  Worte  freudigen  Stolzes  auf  das  Emporblühen 
der  Vaterstadt  oder  Stofsseufzer  aus  bekümmertem  Herzen. 
In  vielen  Fällen  sind  die  Stadtrechnungen  bei  der  Lücken- 
haftigkeit der  übrigen  Urkunden  geradezu  die  einzige  Quelle. 
Und  doch  sind  sie  für  die  Geschichte  des  deutschen  Städte- 


32 


Reinhold  Hofmann: 


Wesens  noch  immer  viel  zu  wenig  nutzbar  gemacht.  Die 
Sprödigkeit  und  scheinbare  Zusamnienhangslosigkeit  der  zahl- 
losen vereinzelten  Notizen,  die  Dunkelheit  des  in  vielen  Punkten 
wirtschaftlich  noch  nicht  genügend  geklärten  Stoffes  und  wohl 
auch  die  Schwierigkeit  und  Langwierigkeit  der  mehr  als  andere 
archivalische  Arbeiten  die  Augen  angreifenden  Durchsicht  der 
umfangreichen  Folianten   haben   die  Forschung  abgeschreckt. 

Auch  für  die  Stadt  Zwickau  bieten  die  städtischen 
Rechnungen  noch  ein  reiches  Arbeitsfeld,  das  einmal  plan- 
mäfsig  in  Angriff  genommen  werden  müfste.  Im  folgenden 
soll  die  Wichtigkeit  der  Kämmerei  -  Rechnungen  besonders  für 
die  Verfassungs-  und  Kulturgeschichte  Zwickaus  an  einigen  Bei- 
spielen gezeigt  werden,  und  für  diesen  Zweck  sind  heran- 
gezogen worden  Rechnungen  aus  der  ersten  Hälfte  des 
I  6.  Jahrhunderts,  aus  der  Glanzzeit  der  reichen  Geschichte 
unserer  Stadt,  die  sich  nach  der  Aussage  eines  Zeitgenossen, 
des  ,,Pirnischen  Mönchs"  Johann  Lindner  ,,bei  Kaiser  KarolusIV. 
noch  ungeacht,  als  der  Schneeberg  fundig,  sehr  gebessert 
und  mit  Gebäuden  zierlich  geschmückt,  in  Reichtum  und 
Herrlichkeit  zugenummen".  In  der  Tat  hatte  die  Entdeckung 
der  Schneeberger  Silbergruben  (1470),  die  man  nach  der 
Meifsnischen  Bergchronik  des  Petrus  Albinus  einem  Zwickauer 
Gewürzkrämer  zu  verdanken  hatte,  gewaltigen  Reichtum  in 
die  Stadt  gebracht.  Eine  ganze  Reihe  von  Meistern  des 
blühenden  Tuchmacherhandwerks  gehörte  zu  der  Gewerk- 
schaft. Der  reichste  Mann  der  Stadt  und  des  ganzen  Landes 
war  der  von  Kaiser  Friedrich  III,  geadelte  Kaufmann  Martin 
Römer  (gest.  1483),  dessen  Silberbarren  in  Augsburg,  Nürnberg 
und  Venedig  lagerten  und  der  in  seiner  grofsartigen  Wohl- 
tätigkeit ein  leuchtendes  Vorbild  edlen  Gemeinsinnes  auch 
für  andere  Bürger  der  Stadt  wurde.  Zwickau,  das  der  Kur- 
fürst Friedrich  der  Weise  eine  ,, Perle  in  seinen  Landen"  und 
im  Hinblick  auf  die  die  Stadt  durchflielsenden  Rinnsale  wohl 
sein  ,, klein  Venedig"  zu  nennen  liebte,  überragte  am  Aus- 
gange des  15.  und  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts 
an  Wohlhabenheit,  Gewerbfleifs  und  Einwohnerzahl  fast  alle 
Städte  der  sächsischen  Lande.  Die  jährlichen  Einnahmen  der 
Stadt  waren  durchgehends  beträchtlich  —  meist  um  das  vier- 
bis  fünffache  —  höher,  als  die  von  Dresden:  so  betrugen  sie 
im  Verwaltungsjahre  1527,28  in  Zwickau  8340  Schock  Groschen, 
die  von  Dresden^)  (1526)  nur  gegen   1800  Schock.     Nach  der 


')  Nach  O.  Richter,   Verfassungs-  und  Verwaltungsgesch.  der 
Stadt  Dresden  (Dresden  1891)  III,  120. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter. 


33 


Schlufsnotiz  des  Kämmerers  gingen  im  Jahre  1529/30  Ausgabe 
und  Einnahme  —  mit  je  9880  Schock  —  „beide  zusammen 
zugleich  auf".  1542/43  „antwortete  der  alte  Rat  dem  neuen  an 
gemeinem  Kammergut"  8774  Schock,  indem  den  Ausgaben 
von  4246  Schock  eine  Einnahme  von  13020  Schock  gegenüber- 
stand. Die  Jahreseinnahmen  der  Stadt  Dresden  erreichten  im 
Jahre  1546  nur  die  Höhe  von  2395  und  die  Ausgaben  von 
1933  Schock.  Die  Bevölkerungszahl  der  Stadt  Zwickau  mag 
um  1530  7  —  8000  Seelen  betragen  haben.  Das  Ergebnis  einer 
im  August  1530  vom  Rate  veranstalteten  Zählung  der  Stadt- 
bewohner ist  leider  nicht  bekannt').  In  einem  Schreiben  des 
ersten  evangelischen  Pfarrers  und  Superattendenten  M.  Nicolaus 
Hausmann  an  den  Rat-)  heifst  es  1530:  „Jedermann  klagt, 
die  stat  sey  gantz  voll  und  der  Jugent  überaus  vill  —  — 
sticken  in  den  kleinen  Hewsern  die  leyt  über  eynnander,  wie 
das  krotengerick"  (Krotengerecke  =  Krötenlaich).  Dresden 
hatte  1546  etwa  6500,    1588  schon   11 500  Einwohner. 

Ganz  besonders  rühmlich  war  nach  der  Ansicht  der  Zeit- 
genossen die  Fürsorge  des  Zwickauer  Rates  für  das  städtische 
Schulwesen.  Luther  hat  dies  ausdrücklich  anerkannt  in  einem 
Briefe  an  den  Kurfürsten  Johann  Friedrich  vom  Jahre  1542. 
Er  nennt  darin  die  Knabenschule  zu  Zwickau  und  Torgau 
zwei  treffliche,  köstliche  und  edle  Kleinodien  in  des  Kur- 
fürsten Landen,  „da  Gott  sonderlich  Segen  und  Gnade  reich- 
lich zugibt,  dafs  viel  Knaben  daselbst  wohl  gezogen  und  sie 
Landen  und  Leuten  nützliche  und  tröstliche  Personen  zeugen. 
Und  mir  sehr  herzlich  gefallen  hat,  dafs  die  zu  Zwickau  von 
sich  selbst  solcher  Sachen  sich  so  ernstlich  und  tapferlich 
annehmen  und  treiben,  da  sonst  in  andern  Städten  und 
Oberkeiten  solche  Lundtrosse  (Lotterbuben,  Tagediebe)  und 
Schlungel  oder  gottlose  Geizhälse  regieren".  Wesentlich 
geringer  freilich  war  des  grofsen  Reformators  Hochachtung 
vor  den  Zwickauem  ein  Jahrzehnt  früher  gewesen,  wo  er  sie 
(1531)  im  Zorn  über  des  Rates  Verhalten  gegen  seinen  treff- 
lichen Freund,  den  Pfarrer  Hausmann,  ,, übermütige  Klötze" 
gescholten  hatte. 

Neben  der  auch  von  Auswärtigen  stark  besuchten  Latein- 
schule errichtete  der  Zwickauer  Rat,  und  damit  stand  er  in 
ganz  Deutschland  damals  einzig  da,  im  Jahre  15 19  unter 
dem  Eindruck  der  frischen  Begeisterung  für  die  neuerwachte 


')  E.  Herzog,  Chronik  der  Kreisstadt  Zwickau  (Zwickau  1839) 
I,  225. 

■^)  Ebenda  I,  226. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXV.     i.  2. 


OA  Reinhold  Hofmann: 

griechische  Sprache  die  „griechische  Schule",  in  der  neben 
dem  Griechischen  auch  die  lateinische  und  hebräische  Sprache 
una  cum  bonis  moribus  gelehrt  wurde.  Diese  Schule  war 
nur  für  Stadtkinder  bestimmt  und  nach  der  Versicherung  des 
Stadtkämmerers  in  der  Rechnung  des  Jahres  1519/20  insonder- 
heit für  „die  armen  Kinder,  die  nit  Schulgeld  zu  geben  und 
dennoch  zu  studieren  geschickt  wären,  uf  dafs  sie  ihres 
Armuts  halben  nit  versäumt  adder  ganz  verschlagen  wurden". 
Diese  ,,neue  Schule  für  die  Stadtkinder",  die  ,,greckische 
Schul",  ward  1520  mit  der  Lateinschule  vereinigt,  der  Leiter 
beider  Anstalten  war  bis  zu  seinem  Weggange  von  Zwickau, 
1522,  der  nachmals  so  berühmt  gewordene  Georg  Agricola, 
der  Begründer  der  wissenschaftlichen  Mineralogie.  Über  die 
„Schul  der  Stadtkinder"  heifst  es  im  Ratsprotokoll  1520, 
Sonnabend  nach  Leonhardi  (10.  November),  ,,der  Rat  wolle 
nach  allen  seinen  Kräften  und  Vermögen  übir  der  ufgerichten 
Schule  dermafsen  und  ab  Gott  will  also  halten,  auch  diese 
Wege  trachten,  dafs  dieselbe,  ab  Gott  will,  bei  uns  und 
unsern  Nachkommen  einen  ewioen  Bestand  haben  solle.  Es 
gestehe  (koste)  auch  dem  Rat,  was  es  gestehen  möge,  indeme 
der  Rat  keines  Fleifses  noch  Vermögens  sparen  solle."  Eine 
öffentliche  Probe  ihrer  Leistunorsfähigkeit  legten  die  Schüler 
schon  in  demselben  Jahre  ab,  indem  sie  Donnerstag  und  Frei- 
tag vor  Estomihi  (15.  und  16.  Februar)  die  Komödie  des  Ari- 
stophanes,  Plutos,   ,,graece  et  latine"  agierten'). 

Auch  Melanchthon  hat  der  Stadt  Zwickau  hohes  Lob  ge- 
spendet: er  versichert  1547  dem  Rate,  ,,er  habe  die  löbliche 
Stadt  Zwickau  allezeit  besonders  geliebt,  derhalben,  dafs  es 
nit  eine  favile  Stadt  ist,  hat  auch  viel  künstlicher  Handwerk 
und  hält  ziemliche  (d.i.  geziemende)  Zucht  und  fördert  studia"'-). 

Sehen  wir  uns  nach  dieser  einleitenden  Betrachtung  die 
Zwickauer  Stadtrechnungen  etwas  näher  an. 

Nach  einer  kurfürstlichen  Verordnung  vom  Jahre  1494 
sollte  der  Rat  über  den  städtischen  Haushalt  alljährlich  der 
Gemeinde  Rechnung  ablegen.  Die  gleiche  Forderung  stellte 
1498  der  Bischof  Johannes  von  Naumburg,  zu  dessen  Sprengel 
Zwickau  vor  der  Reformation  gehörte,  an  die  zwei  jährlich 
neugewählten  Vorsteher  der  Kirchen  und  Kapellen:  diese 
sollten  jährhch  dem  Pfarrer  und  Rate  Rechenschaft  ablegen'^). 


1)  Nach  Peter  Schumanns    (bis   zum  Jahre  1549    reichenden) 
Annalen  der  Stadt  Zwickau.     Hdschr.  in  der  Ratsschulbibliothek. 
-)  Corpus  Reformatorum  VI,  730. 
')  Herzog,  Chronik  II,  156,  160. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter. 


35 


Erst  mit  diesen  beiden  Bestimmungen  scheint  gröfsere  Ord- 
nung in  das  bis  dahin  wohl  ziemlich  patriarchalisch  betriebene 
weltliche  und  geistliche  Finanzwesen  der  Stadt  gebracht 
worden  zu  sein.  Die  im  Ratsarchiv  erhaltenen  Kämmerei - 
Rechnungen  beginnen,  etliche  Einzelrechnungen  aus  dem 
15.  Jahrhundert  abgerechnet  —  die  älteste  Rechnung  des 
Ratsarchivs  gehört  dem  Jahre  1437  an  — ,  mit  dem  Jahre  1500 
und  sind  von  da  an  fast  vollständio;'  bis  auf  die  neueste  Zeit 
erhalten  ^).  Sie  bilden  einen  sehr  umfangreichen  Schriften- 
bestand des  Ratsarchivs  und  füllen  einen  besonderen  Raum 
im  Erdgeschosse  des  Rathauses.  Die  älteren  Rechnungen 
zerfallen  in  Rechnungen  des  Rates  (Kammerregister),  Rech- 
nungen (Register)  der  einzelnen  Ratsämter  und  Rechnungen 
der  Kirchen,  Kapellen  und  Spitale. 

Das  Format  der  ,, Kammerbücher"  ist  fast  durchweg 
Ganzfolio.  Das  grauweifse,  unverwüstliche  Papier  zeigt  als 
Wasserzeichen  häufig  einen  Stierkopf  mit  schlangenumwun- 
denem Kreuz,  einen  Reichsapfel,  eine  Krone,  später  (so  1527, 
1540)  den  Kurschwerterschild.  Ein  Ries  Papier  kostete  nach 
Ausweis  der  Rechnungen  (1520  ff.)  17  —  20  Groschen.  Die 
von  dem  ersten  Zwickauer  Drucker  Hans  Schönsberger  aus 
Augsburg  im  Jahre  1524  errichtete  Papiermühle  kaufte  1532 
der  Rat.  Vielfach  sind  mehrere  Jahresrechnungen  zusammen- 
gebunden, nicht  selten  in  schönem,  mit  spätgotischen  Blumen- 
ornamenten geschmücktem  dünnem  Pergamenteinband.  Feste 
Einbände,  zumeist  in  Schweinsleder,  werden  erst  im  17.  Jahr- 
hundert die  Regel.  Das  Binden  der  ,,  Bücher  und  Register 
des  Rates"  besorgte  nach  der  Kammer -Rechnung  1521/22 
der  Buchführer  (Buchhändler). 

Die  Rechnungseinheit  sind  Schock  Groschen:  i  Schock 
zu  60  Groschen,  der  Groschen  zu  12  Pfennigen,  der  Pfennig 
zu  2  Hellern.  Neben  der  Schockrechnung  findet  sich  auch 
die  Umrechnung  nach  Gulden  zu  2 1  Groschen,  nur  selten  die 
neuere  Rechnung  nach  Talergroschen  zu  24  Groschen.  Ein 
meifsnischer  Gulden  hatte-)  damals  einen  Silberwert  von 
4  '/s  Mark  jetzigen  Geldes  und  unter  Berücksichtigung  des 
Getreide -Durchschnittspreises  einen  wirklichen  Wert  von 
i5*/4Mark.  Ein  Schock  Groschen  (=  2^/,  Gulden)  entspricht  also 
etwa  einer  Summe  von  45  Mark  heutigen  Geldes,  i  Groschen 


*)  Über  das  meist  traurio;e  Los  der  alten  Rechnungen  siehe 
Ermisch  in  dieser  Ztschr.  XVIII,  if. 

^)  Nach  Burkhardt,  Geschichte  der  sächs.  Kirchen-  und  Schul- 
visitationen (Leipzig  1879)  S.  24!". 

3* 


36 


Reinhold  Hofmann: 


=  75  Pfennig.  Aber  „selbst  nach  der  Umrechnung  darf  man 
bei  der  Kleinheit  der  Zahlen  eines  mittelalterlichen  Städte- 
budgets nicht  vergessen,  wie  ungeheuer  sich  die  Kaufkraft 
der  Edelmetalle  seit  jener  Zeit  verringert  hat"\). 

In  den  Zahlenansfaben  der  Kämmerer  finden  sich  häufig 
Korrekturen,  gelegentlich  ist  ein  Eintrag  wegradiert  oder  mit 
weifser  Kreide  überstrichen.  Rechenfehler  kommen,  wie  dies 
ja  besonders  von  den  mittelalterlichen  Rechnungen,  aber  auch 
noch  von  denen  des  i6.  Jahrhunderts  bekannt  ist,  nicht 
selten  vor. 

Auch  sonst  nehmen  es  die  Kämmerer  und  die  Verwalter 
der  einzelnen  Ratsämter  in  ihren  Registern  nicht  allzu  genau: 
so  wird  1544  45  bei  der  Feststellung  des  ,, Verlustes  an  der 
Muntze''  (12  Schock)  u.  a.  bemerkt,  dafs  „auch  im  ,Widder- 
zelen'  bisweilen  zu  wenig  gefunden  worden",  und  am  Schlüsse 
der  Jahresrechnung  1532/33  wird  ,,an  der  Münze,  die  man 
teurer  angenommen  als  ausgegeben  hätte",  ein  Verlust  von 
6  Schock  21  Groschen  herausgerechnet:  der  Kämmerer  fügt 
hinzu:  ,,ist  ehe  mehr  dann  weniger  gewesen,  dann  es  nicht 
alles  angezeichnet,  desgleichen  auch  nit  eingezogen,  was  an 
bösen  verschlagenen  Pfenningen  verloren".  Nach  der  K. -R. 
1524  25  w-ar  der  Ratsherr  Philipp  Schaufufs  ,, einem,  der  do 
falsche  ,]\Iontz'  gehabt,  von  Rat.swegen  nachgeritten";  5  Gr., 
die  er  dabei  ,, verzehrt  zu  Werda",  sind  in  der  Rechnung 
gebucht.  Einzelne  kleinere  Geldsummen  scheinen  zunächst 
in  Tüten  aufbewahrt  worden  zu  sein,  denn  wiederholt  finden 
sich  Posten  eingesetzt  für  ,, Papier  zu  Tüttichen  in  die  Käm- 
merei". Zum  Zählen  des  Geldes  zogen  die  Kämmerer  vor 
der  Rechnungsablegung  am  Schlüsse  des  Amtsjahres  Hilfs- 
kräfte herbei:  1532  verrechnet  der  Kämmerer  20  Groschen 
,,zur  Kollation,  die  er  denjenigen  bestallt,  so  ihm  itzt  im  Ab- 
schiede Geld  haben  zählen  helfen,  damit  sie  deste  williger 
sein  möchten.  Actum  4.  post  Crucis  (26.  Sept.)".  Mehrmals 
werden  ,, Zahlgroschen  oder  Rechenpfenning"  in  die  Kämmerei 
geliefert,  das  Hundert  zu  3  —  4  Gr. 

Für  die  Ratsstube,  Kämmerei,  Kanzlei  oder  Stadtschreiberei 
finden  sich  zahlreiche  Anschaffungen  verzeichnet :  aufser  Papier 
und  ,,Pirgamen",  ,,Skriptoralien  oder  Schreibwaren"  u.  a.  ein 
„Schreybentzewg" ;  ,, Buchsen  über  die  Siegel,  uf  dafs  die  dester 
weniger  schadbar  wurden";  ,,25  Gr.  6  ^  hat  der  Apotheker 


*)  Wilh.  Stieda  in  der  Besprechung  von  Rieh.  Doebner, 
HUdesheimsche  Stadtrechnungen:  Sybels  Hist.  Ztschr.  LXXXII 
(1899),  139. 


Eine  Sachs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  3-7 

abgerechnet  für  Siegelwachs'),  so  der  Stadtschreiber  sollen 
von  ihnen  das  Jahr  übir  (1524/25)  genommen  haben";  femer 
„Species  zu  Tinte":  nämlich  Gummi,  Gallus  und  Kupfer-_ 
wasser"-);  eine  „Strawhebuchfse"  und  Streu-  oder  Tinten- 
pulver; ,,etzliche  Klewle  (kleine  Knäuel),  Byntgarn  und  runde 
Buchsen  zu  Byntschnoren" ;  Lostafeln  oder  Almanache;  für 
die  Ratsstube  werden  u.  a.  angeschafft  eine  Alme  (Schrank), 
Leuchter,  ein  Sandseiger,  zwei  schwarze  Tafeln  und  ein 
„Schwambt  uf  dem  Tische,  domitte  abzuwischen",  3  Bänke  mit 
2  2  Schiebeladen  und  Tafeln  (für  die  Ratsherren)  u.  a.  m.  Nach 
der  K.-R.  1521/22  zahlte  man  5  Gulden  ,,dem  mayster  von 
Nurnbergk,  der  dy  glocklein  allenthalben  uffm  Radthawfse 
gehenget,  domitte  man  anlewtet  für  der  Radtstuben,  Stadt- 
schre3'berey,  Voydtsstuben  und  unten  für  dem  Keler".  In  der- 
selben Rechnung  ist  viel  die  Rede  von  ,,des  Rates  neuem,  ver- 
hanofenem  Waofen",  den  man  damals  hatte  bauen  lassen:  u.  a. 
sind  hierzu  verrechnet  zween  Dutzend  Senkel,  ,,dy  pulster 
domitte  anzuhefften". 

Das  Rechnungsjahr  fiel  nicht  mit  dem  Kalenderjahr 
zusammen,  sondern  Hef  von  Mauritii  (22.  Sept.)  zu  Mauritii, 
seit  1536  von  Michaehs  zu  Michaehs.  Alljährlich  fand  am 
Sonnabend  nach  Mauritii,  Ende  September,  die  Rats  wähl 
statt.  Hierbei  übergab  der  alte,  abtretende  Rat  dem  neuen, 
sitzenden  Rate  eine  Abrechnung  (,,Überantwortung")  über  das 
verflossene  Amtsjahr;  in  dieser  stehen  zunächst  alle  Ein- 
nahmen verzeichnet,  denen  die  fast  durchweg  wochenweise 
eingetragenen  Ausgaben  folgen,  alles  Seite  für  Seite  addiert. 
Die  Zeit  wird  noch  immer  nach  den  mittelalterhchen  Heiligen- 
tagen berechnet.  Häufig  kommen  lateinische  Worte  und 
Wendungen  vor,  Latein  war  ja  damals  fast  noch  Verkehrs- 
sprache, trugen  doch  auch  Handwerksgesellen  häufig  genug 
lateinische  Sprüche  in  die  Stammbücher  ein. 

Überantwortet  wurde  von  den  Kämmerern  nicht  nur  das 
bare  Geld  (1531/32  598  Schock  34  Gr.,  d.  i.  etwa  27000  Mark), 
sondern  auch  die  Bestände  (der  ,,furrat")  an  Weinen  im  Keller 


1)  Das  Privileg;ium,  mit  rotem  Wachs  zu  siegeln,  hatte  Zwickau 
im  Jahre  1473  vom  Kaiser  Friedrich  III.  erhalten,  vor  1473  hatte  der 
Kat  grün  und  noch  früher,  in  der  Zeit,  da  Zwickau,  wenigstens  dem 
Namen  nach,  eine  Reichsstadt  war  (1290 -1348),  gelb  gesiegelt: 
Herzog,  Chronik  I,  260. 

2)  Nach  den  Pirnaer  Kammer-Rechnungen  des  16.  Jahrhunderts 
bestand  das  „Tintenzeug"  aufser  Gummi,  „Durckisch  Galles"  (das 
Pfund  zu  7  Gr.  6  Pf.)  und  „Kopperwasser"  (i  Pfund  12  Pf.)  noch  aus 
Victril  (Vitriol)  und  Essig:  vgl.  meine  Beiträge  zur  Verfassungsgesch. 
der  Stadt  Pirna  in  dieser  Ztschr.  IX,  191. 


3» 


Reinhold  Hofmann: 


(Ratskeller),  Hafer  und  Korn  auf  dem  Kornhause,  Futter  im 
Marstall,  Holz  ,,aufm  Anger  und  im  Hau",  an  Harnischen  etc., 
ferner  die  Kleinode  und  die  (,,hinterstelligen")  Schulden^).  In 
dem  „Vorradt  an  Sylbernen  Kleynodten  des  Radts"  waren 
laut  der  K.-R.  1532/33  folg-ende  Stücke:  14  silberne  Becher, 
grofs  und  klein,  zwo  silberne  Schalen,  zween  vergälte  Mefs- 
kelche,  ein.  grofser  neuer  Kopf  (d.  i.  Becher  in  Kopfform) 
Übergült,  mit  einem  Futter;  ferner  drei  küpferne  alte  Siegel, 
zwei  lange  silberne  Siegel,  ,, haben  vielleicht  zum  Kloster  ge- 
hört", ein  Siegel  für  das  Gericht,  ein  grofs  Siegel  der  Stadt, 
zwei  kleine  Stadtsekrete,  ein  altes  und  neues;  zwei  ,,helfen- 
beinene  Tefflein"  in  Silber  gefasset.  Nach  der  K.-R.  des  vor- 
ausgegangenen Jahres  war  ein  gut  Schock  Meister  Cuntzen  (?) 
dem  Goldschmiede  bezahlt  worden  ,,von  einem  neuen  Stadt- 
sekret zu  graben,  das  Silber  ist  des  Rats  gewesen". 

Das  bare  Geld  und  die  dem  neuen  Rate  (,,dem  Bürger- 
meister und  seinen  Herrn")  in  einer  ,, beschriebenen  Cberant- 
wortung  klärlich  angezeigten"  Bestände  an  Wein,  Schulden  etc. 
sind  an  der  Spitze  jeder  Jahresrechnung  verzeichnet.  Aufser 
dem  Namen  des  regierenden  Bürgermeisters  sind  meistens 
auch  die  der  andern  dem  neuen  Rate  angehörenden  (11) 
„Herren"  oder  ,, Ratsfreunde"  namentlich  aufgeführt.  Hierauf 
folgt  das  Verzeichnis  der  ,,Zinse,  aus  unsers  gnädigsten  Herren 
Rentkammer  entpfangen":  diese  stellen  eine  beträchtliche 
Summe  dar,  z.  B.  1524/25  488  Schock.  Aufser  diesen  dem 
Landesherrn  vorgestreckten  Darlehen  hatte  die  Stadt  auch 
an  ,,etzliche  vom  Adel"  und  an  verschiedene  Städte  Kapitalien 
(„Hauptsummen")  ausgeliehen:  so  laut  K.-R.  1529/30  der 
Stadt  Erfurt  7000  Gulden,  Gera  2000,  Eger  1100,  Oels- 
nitz  1000,  Hof  200,  an  die  Herrschaft  von  Schönburg,  die 
dafür  die  Stadt  Glauchau  verschrieben  hatte,  500  Gulden. 
Das  Verzeichnis  der  Zinsen  (5  ^jo)  dieser  Kapitalien  bildet  den 
dritten  Einnahmeposten  in  den  Kämmerei-Rechnungen.  Hierauf 
folgen  die  ,,Zinse,  von  etzlichen  Bürgern  und  Landsessen 
gefallen"  und  ,,von  des  Rats  Leuten  uff  den  Dörfern";  ganz 
oder  zum  Teil  dem  Rate  gehörten  1525  laut  der  K.-R.  dieses 
Jahres  Stangengrün,  Reinsdorf,  Weifsenborn,  Marienthal, 
Planitz,  Wolfsgrün,  des  Rats  Gut  zu  den  Wiesen,  Altmanns- 
grün und  Niederhohndorf.     Nicht  aufgeführt  ist  in  den  Rech- 


')  1543  überantwortete  der  Kämmerer  einen  Überschufs  von 
rund  8774  Schock  und  erläutert  diesen  also:  Solches  ist  furhanden, 
wie  folget:  an  barem  Gelde  2764  Schock,  an  Vorrat  „im  Ampten" 
3665  Schock,  an  Schulden  2344  Schock. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter. 


39 


nungen  der  Wert  der  städtischen  Liegenschaften.  Besondere 
Rechnungen  führten  und  hatten  dem  neuen  Rate  vorzulegen 
die  Verwalter  der  einzelnen  Ratsämter:  des  Wein-,  Fisch-, 
Salz-,  Futteramtes,  des  Holz-,  Brett-,  Mühlen-,  Bau-,  Ziegel-, 
Marktherren-  und  Harnischamtes,  des  Schulinspektorates  und 
des  Vormundschaftsamtes.  Solche  Register  sind  noch  in 
grofser  Zahl  vorhanden.  Auch  sie  bieten  eine  Fülle  wert- 
vollen Stoffes,  aus  dem  ich  nur  einiges  zur  Probe  heraus- 
greifen kann.  Aus  den  Ziegelamtsrechnungen  z.  B.  er- 
sehen wir,  dafs  der  Rat  (15 15)  in  25  Öfen  Ziegel  brannte; 
genannt  werden  Mauerziegel,  breite  Dachziegel,  ,,Symbos"- 
(Sims-)  Ziegel,  Ochsenzungen,  Setz-,  Kessel-,  Breis-,  Mäuler-, 
Ofen-  und  Pflasterziegel. 

In  den  Holzamtsregistern  wird  über  das  Flöfsholz 
Buch  geführt;  es  ist  meist  Weichholz,  Birkenholz,  Buchen- 
holz. Ziemlich  beträchtlich  sind  die  Summen,  die  alljährlich 
für  Brennholz  aus  der  Stadtkasse  bezahlt  wurden,  denn  auch 
in  Zwickau  wairde  damals  fast  ausschliefslich  Holz  verfeuert, 
obwohl  der  Steinkohlenreichtum ^)  schon  entdeckt  war.  Nach 
der  K.-R.  1524/25  ,,ist  auf  Feuerholz  in  Weinkeller,  Rats- 
.stuben und  Marstall  12  Schock  55  Gr.  gangen",  ebensoviel 
wurde  in  der  Zieg^elhütte  und  annähernd  ebensoviel  im  Kuttel- 
oder  Schlachthof  verfeuert.  Dazu  kamen  noch  die  Holz- 
spenden für  ,,des  Rats  Gesinde"  und  für  die  Schule:  so 
1519/20  ,,dem  Baccalaureus  Agricola  adder  Schulmeister  31  Gr. 
für  I  Stofs  Weichholz  zu  Steuer  seiner  Beholzung,  uf  dafs 
die  Armen  im  Winter  in  der  grofsen  Kälte  nit  schädlichen 
Frost  erleiden".  ,,Des  Rats  Feuerwerk"  kostete  1544/45 
53  Schock,  der  Preis  für  i  Klafter  Weichholz  war  5  —  6  Gr., 
für    I   Klafter   Birkenholz   6^2 — 7   Gr.  und   für   ,, Buchenholz" 


1)  1532  wurde  die  erste  Steinkohlenordnung;  errichtet,  zwei 
Jahre  vorher  hatte  man  die  Oberhohndorfer  Steinkohlen  entdeckt; 
die  nachweisbar  älteste  Erwähnung  des  Zwickauer  Steinkohlen- 
bergbaues stammt  aus  dem  Jahre  1421  (nach  Er  misch,  Zwickauer 
Stadtbücher  etc.  in  dieser  Ztschr.  XX,  36).  Über  den  gewaltigen  Brand 
des  Planitzer  Kohlenflötzes  (1505)  berichtet  Dr.  Georg  Agricola, 
auch  der  Pirnische  Mönch  spricht  von  dem  zwischen  dem 
Zwackerberge  und  der  Stadt  Zwickau  gelegenen  „bornenden  Berg, 
daher  manch  Fuder  steinene  Kohlen  wird  zu  Markte  bracht;  man 
besorgt  sich  danne  unüberwindlich  Schaden".  In  dem  lateinisch  ge- 
schriebenen Werke  De  succino  von  Severin  Goebel  (Frankfurt  a.  M. 
1558)  Buch  2,  S.  26  f.  heilst  es,  die  „Steinkol",  lithanthrax,  benutzten 
die  Schmiede;  zu  feineren  Arbeiten  aber  eigne  sie  sich  nicht,  weil 
ihre  Fettigkeit  das  Eisen  angreife  und  zerbrechlich  mache.  Leute, 
denen  das  Holz  fehle,  kochten  ihre  Speisen  damit. 


40 


Reinhold  Hofmann: 


8  Gr.,  dazu  kamen  noch  3  Pf.  Laufgeld  für  jede  Klafter. 
Wenn  von  Kohlen  die  Rede  ist,  werden  wir  meist  Holz- 
kohlen darunter  zu  verstehen  haben.  Mehrfach  werden  Linden- 
kohlen erwähnt. 

Ein  undatiertes,  wohl  nach  15 18  aufgezeichnetes  „Har- 
nasch ampts  Inuentarium"  zählt  der  Stadt  Heergerät  auf: 
Geschütze,  Büchsen,  Pulver,  Harnische,  Spiefse,  Hellebarden, 
Schwerter,  Zelte,  Heerwägen,  Schaufeln,  Grabscheite  u.  a.  m. 
Anderswo  finden  wir  verrechnet:  ,, Armbrost",  „Heuble", 
,,Hern  hewbell",  Vorder-  und  Hinterteile  (von  Harnischen), 
Armschienen,  Panzerkoller,  Kragen,  gefütterte  Halskrägen, 
lange  Spiefse,  Krebse  (d.  i.  Brustharnische  in  Plattenform), 
Salpeter  dem  Pulvermacher  etc.  ^).  Der  ,,Buchfsengifser"  oder 
,, Büchsenmeister"  Georg  Algawer  hatte  (K.-R.  1521/22)  „uff 
dy  arbeit  einer  Buchfsen  und  S.  Mauricien  bilde"  vom  Rate 
,,zu  seinem  Erfordern  und  für  Kupfer,  Zinn  und  anderes" 
etwa  166  Schock  Gr.  erhalten,  war  aber  nach  der  Bezahlung 
entronnen.  Die  eben  erwähnte  Stelle  aus  der  Stadtrechnung, 
wonach  der  Rat  des  Mauritius  Bildnis  auf  einem  bronzenen, 
büchsenförmigen  Geschütz  anbringen  liefs,  scheint  die  Be- 
hauptung der  Chronisten,  Mauritius  sei  der  Schutzheilige  der 
Stadt  Zwickau  gewesen,  zu  bestätigen.  Zwickau  hatte  nach 
einer  landesherrlichen  Verordnung  vom  Jahre  15 19  ,,wie  vor 
alters"  200  Mann  Heeresfolge  zu  leisten  —  in  der  K.-R.  15 13 
ist  der  Wert  von  231  ,,herffartrugklen"  (Heerfahrtröcklein) 
mit  61  Schock  21-^ j^  Gr.  angegeben  — ,  und  dieses  Kontingent, 

2  Fähnlein  Landsknechte  und  Bürger  nebst  4  Rüstwagen, 
liefs  der  Rat  im  Bauernkriege  1525  zum  sächsischen  Heere 
stofsen.  Über  die  Kosten  dieses  traurigen  Krieges  sagt  der 
Kämmerer  dieses  Jahres:  ,,759  Schock  31  Gr.  8  Pf.  ist  gangen 
uf  den  Heerzug,  als  der  Rat  und  gemeine  Stadt  unserm 
gnädigen  Herrn  200  Fufsknecht  zugeschickt  und  bei  9  Wochen 
bei  ,, seinem"  kurf.  Gnaden  besoldet;  auf  die  Pferde  und  Wägen 
alles,  was  derwegen  ausgeben,  hierein  gerechnet;  was  aber 
an  Vitalien,  als  an  Fleisch,  Speck,  Käse,  Erbeifs  mit  ge- 
schickt, ist  hierein  nit  gezogen".  Die  genannten  ,, nach  Weimar 
ins  Lager  geschickten  VitaHen"  —  nach  dem  Berichte  des 
Chronisten     2     Tonnen    Käse,      2    Fafs    geräuchert    Fleisch, 

3  Scheffel  Erbsen  und  4  Seiten  Speck  —  hatte  der  Rat  den 


')  Mit  Anspielung  auf  die  in  der  Stadt  befindliche  Harnisch- 
mühle und  die  Harnischschleifereien  wurde  die  Zwickauer  Lateinschule 
der  Reformationszeit  wegen  ihrer  Strenge  auch  wohl  die  Zwickauer 
Schleif-  und  Poliennühle  genannt. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  4 1 

Vorräten  des  damals  eben  aufgehobenen  Franziskanerklosters 
entnommen.  Der  Wert  des  Paniers  in  den  Stadtfarben  Rot 
und  Weifs,  das  man  den  Knechten  mitgab  (61 '/^  Ellen  Zendel 
rot  und  weifs,  rote  Seide,  %  Lot  rote  Porten  etc.)  ist  mit 
2  Schock  10^/.,  Gr.  berechnet.  Für  die  Besoldung  der  aus- 
gerückten Mannschaften  hatten  die  zurückbleibenden  Bürger 
eine  besondere  Steuer,  das  Heerfahrtgeld,  zu  entrichten, 
das  als  Zuschlag  zum  Geschofs,  der  städtischen  Hauptabgabe, 
erhoben  ward.  Das  Heerfahrtgeld,  das  der  Rat  ,,von  den 
Bürgern  und  Einwohnern  und  von  des  Rats  Leuten  zu  Reins- 
dorf,  Weifsenborn  und  Stangengrün  nach  Anlage  ihrer  Güter'' 
in  diesem  Jahre  (1525)  einzog,  betrug  301  Schock  22  Gr.  2  Pf. 
I  Heller  oder  861  ti.  i  Gr.  2  Pf.  i  Heller.  Diese  Summe  zu  dem 
nach  den  vier  Stadtvierteln  erhobenen  Geschofs  (461  Schock 
12  Gr.  7  Pf.)  hinzugerechnet,  ergibt  die  vom  Kämmerer  an- 
gegebenen Feldzugskosten  von  759  Schock.  Was  in  dem 
gedachten  Jahre  ,,zu  Bürgerrecht  gefallen ",  nämlich 
30^/^  Schock  ,,von  33  neuen  Bürgern,  welche  dieses  Jahr 
Bürgerrecht  gewonnen  und  jeder  ein  Schock  geben,  soll  zu 
anders  nichts,  dann  zu  Heergerät  dem  Rat  und  gemeiner 
Stadt  gebraucht  werden"  (K. -R.  1525).  In  der  Musterung 
der  gesamten  bewehrten  Bürgerschaft  bei  der  Erbhuldigung 
für  den  Kurfürsten  Johann  Friedrich  am  25.  September  1532 
erschienen  einschliefslich  der  Bauern  aus  den  Ratsdörfern 
1228  Mann;  hierbei  wurden  zwei  Mann  mit  einer  Geldstrafe 
belegt,  weil  sie  einen  ,, rostigen  Harnasch  gehabt,  wider  viel- 
fältiges Gebieten  zu  reinigen"  (K.-R.). 

Mit  erfreulicheren  und  friedlicheren  Dingen  als  die  Har- 
nischherren hatten  es  die  Verwalter  des  Weinamtes,  die 
Weinherren,  zu  tun.  Eine  der  bedeutendsten  Einnahme- 
quellen der  Stadt  war  der  Verkauf  und  Ausschank  fremden 
Weines  und  Bieres  in  ,,des  Rates  Keller",  ,, Weinkeller",  in 
der  ,, Weinstuben".  Die  zwei  Weinherren,  Ratspersonen,  über- 
antw^orteten  alljährlich  als  ,, Verwalter  des  Ratskellers"  dem 
neuen  Rate  mit  Befriedigung,  ,,was  das  Jahr  über  über  alle 
Unkost  zu  Gewinst  und  Überlauft  gefallen",  was  sie  „dieses 
Jahr  über  an  Getränken  in  des  Rats  Keller  erubirt  haben": 
1525  233  Schock  37  Gr.  4  Pf.  i  Heller;  1533  rund  456  gute 
Schock;  1530  blofs  80  gute  Schock,  „weil  dieses  Jahr  die 
Weine  übel  geraten,  auch  derhalben  wenigk  ausgeschenkt, 
denn  sie  teuer  gegeben  worden".  Der  zehnte  Pfennig  vom 
Verkaufsgelde  mufste  an  den  Landesherrn  abgeliefert  werden. 
Aufserdem  hatte  der  Weinkeller  den  Wein  zur  Messe  in  den 
Kirchen   und   in   „des    Rats    Kapelle"    (St.  Jakobskapelle    im 


J.2  Reinhold  Hofmann: 

Rathause)  umsonst  zu  liefern,  so  heifst  es  in  der  K.-R.  1520  21 : 
,,7  Schock  56  Gr.  4  Pf.  ist  dies  Jahr  auf  Messe  Wein  ge- 
gangen und  zu  österlichen  Gezeiten  pro  communione  etc.  zu 
Unserer  lieben  Frauen  in  der  Pfarrkirchen  nach  Anzeige  der 
Kerbholzer,  die  der  Schenke  mit  dem  Kirchner  gehalten". 
Unter  denen,  die  der  alte  Rat  1525  ,,zum  Abschiede"  be- 
schenkte —  15  Ratsbeamte,  als  erster  der  Stadtschreiber  — 
ist  auch  die  Hans  Schenkin,  die  Gattin  des  Ratskellerwirtes, 
verzeichnet:  sie  erhielt  5  Gr.  ,,zu  einer  Verehrung,  dafs  sie 
das  Jahr  über  dem  Rat  zu  Zeiten  mit  Tischwaschen  und 
andrem  gedient  und  zu  Willen  gewest".  Die  Beförderung 
des  Weines  wie  des  Bieres  in  die  Keller  und  wieder  heraus 
durfte  nur  durch  die  vom  Rate  angestellten  und  vereideteii 
beiden  Schröter  vorgenommen  werden,  sie  hatten  auch  ,,das 
Hopfen-  und  Malzmessen,  item  das  Schroten  zu  Notdurft  der 
Bürger"  zu  besorgen;  damit  sie  hierin  ,,deste  fleifsiger  und 
williger  sein  sollten",  erhalten  sie  freies  Holz.  In  des  Rates 
Keller  lagerten  Landwein,  rheinischer  Wein,  roter  rheinischer 
Wein,  böhmischer,  insbesondere  Leutenpritzer,  Leipewertzer, 
Leuterwitzer,  d.  i.  Leitmeritzer,  Kotzschberger  oder  Kucz- 
perger,  d.  i.  Kötzschenbrodaer  Wein,  Alant-  (Oland-,  Orlandt-) 
wein,  Frankenwein,  Saalwein  (,,alt  und  neu,  so  zum  Mosten 
gekauft"),  „Felckliner",  Reinfall  (Reimfahl,  Refall,  d.  i.  Veft- 
liner  aus  Graubünden,  auch  in  Friaul  wächst  ein  Wein,  den 
man  Rheinfall  nannte),  Malvasier  (,,Walmasyr"),  Muskateller 
(„Mustateller"),  „Mehrdt"  (Met?),  Nägeleinwein,  Roten- 
beerwein,  Salbenwein,  Wermutwein,  Kampwein,  Landmost, 
gesottene  und  Beerweine.  1527/28  wurden  allein  für  Kotzsch- 
berger und  böhmischen  Wein  104  Schock,  für  Saal-,  rheini- 
schen und  Frankenwein  981  Schock  ausgegeben.  1545  be- 
rechnet der  Weinherr  für  461 '/.^  Eimer  Saalwein  (Most)  mit 
allem  Fuhrlohn  etc.  383  Schock,  für  ,,behamischen"  Wein 
224  Schock,  rheinischen  Wein  593  Schock,  Malvasier 
17  Schock,  Met  30  Schock  und  Eimbeckisches  Bier  10  Schock. 
Die  Weine  bezog  man  teils  unmittelbar  von  den  Weinbergs- 
besitzern, teils  von  Zwischenhändlern.  Die  Weinherren  ritten 
mit  dem  Weinknecht  (,,zu  Bestellung  der  Weine",  ,,sich  des 
Weinlesens  zu  erkunden",  oder  auch:  ,,zu  ersehen,  wie  der 
Wein  allenthalben  am  Stock  stehet")  ,,an  die  Saala",  ,,gen 
der  Numburgk",  nach  Lobeda  (Lobdaw,  Labdaw);  ,,gen 
Bürglen,  Lausnitz,  Jhene  (Jena),  Lauter  (in  Unterfranken)  und 
andere  Orter";  ferner  nach  Roda,  Wünschendorf,  Ottendorf: 
in  den  letztgenannten  drei  thüringischen  Ortschaften  wohnten 
wohl  Zwischenhändler,   wie  in  Mehlis,    Viernau   und  Wichts- 


Eine  Sachs.  Stadt  im  Retormationszeitalter.  43 

hausen  bei  Schleusingen.  1544  verrechnet  der  Weinherr 
5  Pf.  flir  5  Stricklein,  damit  er  das  Geld  hat  ,,eingepunten" 
und  den  (Weinknecht)  Asmus  Lasperger  ,,an  die  Sali  ge- 
schickt im  Weinlesen".  Wein  bezog  man  1527  vom  ,,fur- 
steher  zu  Leuterwitz",  von  der  Gemein  zum  Lichtenstein  in 
Unterfranken  usw.,  den  ,,pehaimschen"  Wein  1544  zu  Leipe- 
wertz,  aber  meist  von  Gregor  Richter  vom  Schneeberg:  ein 
Weinherr  war  in  diesem  Jahre  mit  einem  Knecht  ,,ins  Land 
zu  pehmen  nach  Most  geritten".  Viel  Wein  wurde  auf  dem 
Michaelismarkt  zu  Leipzig  gekauft.  1527  bezog  man  u.  a.  2  Fafs 
rheinischen  Wein  von  dem  Medizinprofessor  Dr.  Heinrich 
Stromer  von  Auerbach  in  Leipzig  (nach  ihm  ist  ,, Auerbachs 
Keller"  benannt)  und  sehr  viel  von  einem  Heinz  Sauffaufs. 
Ein  Mittelpunkt  des  Weinhandels  in  dem  hier  behandelten 
Zeitraum  scheint  Schneeberg  gewesen  zu  sein:  einmal  (1527) 
wird  die  beträchtliche  Höhe  des  Fuhrlohns  von  und  nach 
Schneeberg  hervorgehoben  und  begründet  mit  den  Worten: 
„in  Ansehung  der  bösen  Wege".  Auch  in  Nürnberg  und 
Eger  kaufte  der  Rat  viel  Wein  (besonders  Malvasier)  und 
Met.  Die  von  einigen  Zwickauer  Bürgern  15 17  im  Pöhlauer 
Grunde  („in  der  Pöhlen")  angelegten  Weinberge,  die  ein 
Gewächs  von  zweifelhafter  Güte  lieferten,  bestanden  bis 
gegen   1550'). 

Auch  Vorräte  von  Bier  und  Met  hielt  der  Rat  im  Rats- 
keller. Aufser  ,,Zwickischem"  Bier  werden  besonders  Schnee- 
bergisch,  Freibergisch,  Thumisch,  Zschopisch,  Eimbeckisch 
(153-33  ,,Emmeckisch"),  Annebergisch  Bier  genannt.  Mit 
eifersüchtiger  Sorge  wachte  der  Rat  darüber,  dafs  das  der 
Stadt  zustehende  Verbietungsrecht  gegenüber  den  innerhalb 
einer  Meile  im  Umkreise,  der  Bannmeile,  gelegenen  (etwa  30) 
Ortschaften  nicht  verletzt  werde.  Wiederholt  wird  ,,  heim- 
liche Kundschaft"  ausgesandt,  ,,auf  fremde  Biere  auf  den 
Kretzschmam  (Dorfschenken)  umb  die  Stadt  zu  sehen",  Geld- 
spenden werden  verrechnet  für  ,,  Ausspäher  fremden  Bieres 
auf  den  Dörfern  in  der  Meilen  Weges  zurings  um  die  Stadt". 
1527  machte  der  Rat  mit  400  Mann  einen  Bierausfall  nach 
Culitzsch,  liefs  einem  Untertanen  des  von  der  Planitz  3  Viertel 
Schneebergisches  Bier  wegnehmen  und  einen  Mann  in  Haft 
setzen"-).  Dies  hatte  eine  Klage  des  Herrn  von  der  Planitz  beim 
Kurfürsten  zur  Folge,  die  in  den  Rechnungen  öfters  erwähnt 
wird.     1522  haben   ,,ufs  beuelich  des  Radts  2  Mann  uff  die- 


M  Herzog,  Chronik  11,  184. 
^)  Ebenda  II,  213. 


44 


Reinhold  Hofmann: 


jenigen,  dy  do  Schneperger  Byr  uff  der  Pfar  geholet,  ge- 
wartet" und  bekamen  für  ihr  ,, Ausspähen"  7  Gr.  zu  ver- 
trinken. Den  unbefugten  Bier-  und  Weinschank  hatte  1498 
der  Naumburger  Bischof  dem  Zwickauer  Pfarrer  und  seinen 
Nachfolgern  untersagt ').  Von  der  einstigen  starken  Brau- 
nahrung der  Bürger  zeugen  die  (früher  60)  Bergkeller,  die 
seit  15 II  jenseit  der  ,, Bierbrücke"  nach  und  nach  angelegt 
wurden.  Eines  Metsieders  geschieht  im  Bürgerbuche  1525 
Erwähnung. 

Nicht  unwichtig  war  die  Tätigkeit  der  Fischherren, 
der  Verwalter  des  Fisch-  oder  Teichamtes,  besonders  in  der 
älteren,  katholischen  Zeit,  in  der  die  Fischzucht  wegen  der 
vielen  Fasten  eine  hohe  Bedeutung  hatte.  Die  Stadt  hatte 
eine  beträchtliche  Anzahl  Teiche,  besonders  im  Westen,  ver- 
schiedene auch  auf  des  Rats  Dörfern.  In  den  Jahren  1473 — 77 
hatten  Martin  Römer  und  sein  Freund,  der  reiche  Tuchmacher 
Hans  Federangel,  den  ,,grofsen  Teich",  den  jetzigen  Schwanen- 
teich, anlegen  lassen,  der  damals  36  Acker  13  Ruten  um- 
fafste.  Die  Kosten  beliefen  sich  auf  4800  rhein.  Gulden^). 
In  den  Fischamtsrechnungen  ist  viel  die  Rede  von  den 
,,Teycherbttern",  den  Teicharbeitern;  der  Unterfron  fordert 
(1538)  im  Frühjahr  ,,die  Leut  zu  Schnepfendorf,  Auerbach 
und  Weifsenborn,  im  grofsen  Teich  zu  fronen",  einen  Boten 
sendet  man  „gein  Marienthal"  Mittwoch  nach  Ostern  (24.  April) 
1538,  ,,den  Leuten  mit  den  Pflügen  im  grofsen  Teich  zu  ackern 
anzeigen  zu  lassen".  1525  löste  man  95  Schock  42^2  Gr. 
aus  den  Fischen,  ,,so  in  dem  grofsen  Teich  gefangen,  ane 
etliche  grofse  Stucke  Hechts,  die  der  Rat  nit  hat  können 
verkaufen  und  in  die  Mühlteich,  auch  Worfling,  Brossen  und 
Setzehecht,  so  er  in  die  Stadtgräben  und  andre  des  Rats 
Teiche  gesatzt  hat".  In  der  K.-R.  1521/22  ist  unter  Sonn- 
abend nach  Jacobi  i  Gr.  eingesetzt  für  12  kleine  Hechtlein  in 
den  grofsen  Teich  zu  setzen.  1526  gibt  man  10  Gr.  6  Pf. 
,,den  Otternstechern  zu  vertrinken,  dafs  sie  des  Rats  Teiche 
besichtiget,  zu  erkunden,  ab  umb  die  Teiche  irgend  Otter 
[und]   Biber  vorhanden". 

Auch  die  Rechnungen  der  übrigen  Ratsämter  bieten 
mancherlei  Nachrichten  von  kulturgeschichtlichem  Werte, 
doch  verbietet  es  der  zur  Verfügung  stehende  Raum,  hier 
näher  auf  sie  einzugehen. 


*)  Ebenda  II,  160. 

-)  Mitteilungen   des  Altertumsvereins  für  Zwickau  und  Um- 
gegend III  (1891),  IX. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter. 


45 


Mit  der  wachsenden  Bedeutung  der  Stadt  und  dem  zu- 
nehmenden Umfange  der  Verwaltung  war  die  Zahl  der  Rats- 
ämter allmählich  so  grofs  geworden,  dafs  auch  Mitglieder  des 
ruhenden  Rates  hinzugezogen  werden  mufsten.  Die  Besoldung 
des  Rates  wurde  im  Jahre  1494  durch  kurfürstliche  Ordnung 
folgendermafsen  festgesetzt:  von  den  beiden  Bürgermeistern 
sollte  jeder  5  gute  Schock  erhalten,  der  regierende  Stadt- 
vogt 7,  der  Schultheifs  6  und  der  Kämmerer  2  gute  Schock, 
ferner  die  beiden  Weinherren  jeder  5,  die  beiden  Fischherren 
jeder  3  nebst  dem  Heu  von  den  Teichdämmen,  der  Bauherr  5 
und  der  Hamischmeister  2  gute  Schock,  die  Mühlherren  aber 
sollten  2  Mühlschweine  und  der  Futtermeister  das  Ratswiesen- 
grummet und  den  Marstallmist  bekommen,  endlich  die  vier 
Schoppen  jeder  3  und  die  übrigen  Glieder  des  alten  Rates 
jeder  i  gutes  Schock.  Sämtliche  (24)  Ratskumpane,  der  alte 
wie  der  sitzende  Rat,  sollten  von  den  städtischen  Abgaben, 
wie  Wach-,  Graben-,  Hirten-,  Markt-  und  Heerfahrtgelde 
befreit  sein  '). 

Wenn  der  abtretende  alte  Rat  vor  dem  neuen  ,,über 
Einnahme  und  Ausgabe  von  wegen  des  Rates  und  gemeiner 
Stadt  Rechnung  tat",  bekamen  ,,die  von  Handwerkern  und 
Gemein"  —  8  angesessene  Bürger  waren  seit  1524  hierzu 
verordnet  —  ,,nach  altem  Gebrauch  und  Herkommen"  eine 
Verehrung;  z  B.  1525  i  Schock  „zu  vertrinken".  Auch  die 
Herren  beider  Räte  hielten  nach  den  Aufregung-en  der 
Rechnungsablegung  eine  ,, Kollation".  Am  Schlüsse  der  Stadt- 
rechnung des  Amtsjahres  1524/25  findet  sich  unter  der  Über- 
schrift: ,,Versoldtmg  der  Personen  des  Rates"  der  Eintrag, 
es  sollten  zu  der  (durch  die  kurfürstliche  Ordnung  vom  Jahre 
1494  bestimmten)  Besoldung  des  Gesamtrates  von  70  Schock 
oder  200  Gulden  ,,aus  fürstlichem  Befehle  zu  Besserung  beider 
Bürgermeister  noch  11  Schock  30  Gr.  Versoldung  gegeben 
werden,  damit  nun  hinfüro  ein  regierender  Bürgermeister 
jährlich  50  Gulden  und  ein  alter  Bürgermeister  mit  den  dreien 
Schocken  eines  Schöppensoldes  20  Gulden  haben  sollte,  da- 
gegen aber  wiederum  alle  collationes  und  Zechen  auf  dem 
Rathaus  sollten  abgestellet  werden".  Aber  trotz  dieser  Ver- 
fügung dauerten  die  häufig  mit  Musik  und  Tanz  verbundenen 
und  aus  dem  Stadtsäckel  bestrittenen  Schmause  fort,  so  sind 
1532  unter  dem  Ausgabentitel:  ,,Was  auf  des  Rates  Kollation 
gegangen"  für  18  Kollationen  10  Schock  11  Gr.  5  Pf.  ver- 
rechnet   und    zwar    kam    man    zusammen    Dienstags    an    der 


^)  Herzog  a.  a.  O.  II,  156. 


^6  Reinhold  Hofmann: 

„Fafsnachf  (12.  Februar);  darauf  Mittwoch  in  der  Fastnacht 
(13.  Februar)  zur  Kollation,  mit  eingerechnet  10  Gr.  6  Pf., 
,,so  man  den  Bürgerssöhnen  zu  Geschenk  geben,  da  sie  mit 
den  Latern  getanzt  haben";  37  Gr.  i  Heller  ausgegeben  zur 
Kollation  Sonntags  Reminiscere  (24.  Februar)  im  Jahrmarkt, 
mit  eingeschlossen  3  Gr.  für  i  Schock  ,,holtzene  teler";  ferner 
Dienstags  nach  Laetare  (12.  März,  es  war  der  Gregoriustag) ; 
Dienstags  nach  Palmarum  (26.  März),  ,,da  der  Rat  das  Tuch 
hat  armen  Leuten  ausgeteilet"  ' );  Dienstags  nach  Quasimodo- 
geniti  (9.  April);  Ascensionis  Domini  (9.  Mai);  ebenso,  als 
der  alte  Rat  dem  neuen  hat  Rechnung  getan;  und  weiter 
,,zur  Kollation  und  für  Getränke  die  Woche  im  Abschiede, 
als  die  Kämmerer  das  Geld  haben  zusammenzählen  lassen" ; 
desgleichen  Freitag  nach  Valentini  (15.  Februar),  ,,da  die 
Herren  gemühet  gewesen,  über  dem  peinlichen  Halsgericht 
widder  Anna  Schotten  gehalten";  an  einer  andern  Stelle  der- 
selben Rechnung  sind  aufserdem  noch  2  Schock  33  Gr.  ver- 
rechnet, ,,dem  Hans  Schenk  ausgegeben  im  Abschiede  des 
Rates  für  Essen  und  Trinken".  Hoch  ging  es  auf  dem  Rat- 
hause her,  wenn  fürstlicher  Besuch  zu  ehren  war,  z.  B.  1532, 
,,wie  der  Kurfürst  von  Sachsen  allhie  die  Erbholdung  ge- 
nommen und  auf  dem  Hause  gewesen".  Hierbei  ist  als  Ge- 
schenk dem  Kurfürsten  ,,vom  Rate  widerfahren"  i  Fafs 
rheinischer  Wein,  hat  gehalten  4^/2  Eimer  3  Kandeln,  i  Fafs 
Landwein,  2  Fafs  Schneebergisch  Bier,  dazu  etliche  Kandeln 
rheinischer,  roter  und  Landwein,  so  in  die  Ratsstuben  geholt 
worden.  Aufserdem  wurden  bei  dieser  Gelegenheit  Mittwoch 
nach  Mauritii  (25.  September)  noch  23  Gr.  für  Wein,  Bier, 
Gläser  und  Karten  verausgabt  und  ,,6  Gr.  den  Wächtern  zu 
vertrinken  geben,  dafs  sie  das  Volk  auf  dem  Markte  aus  der 
Bahn  getrieben  und  sonsten  auf  dem  Haus  gebraucht  sind 
worden  in  der  Erbholdung".  Namhaft  waren  die  Unkosten, 
die   durch   fürsthche   Hochzeiten  der  Stadt  erwuchsen:    15 12 


^)  Vgl.  K.-R.  1525  Ausg.  Uli"  die  Tuche:  24  Schock  3  Gr.  vor 
21  grobe  Tuche  ausgeben,  welche  armen  Leuten  Montags  nach 
Laetare  (27.  März)  bei  diesem  Rate  um  Gottes  willen  geschnitten 
und  gegeben,  wie  von  alters  herkommen.  Was  aber  zuvor  auf  Brot, 
Hering,  Pfennige,  „presentz"  der  Pfaffen  zu  dieser  Zeit  und  auf 
die  Spende,  so  der  Rat  im  Sommer  Montags  nach  Assumptionis 
Mariae  (21.  August)  an  Fleisch  und  Brot  ausgeben,  ist  wochlich  1  fl. 
dafür  in  den  (1524  errichteten)  Gemeinen  Kasten  gewandt  wurden, 
dem  Armut  beineben  anderm  wochenlich  auszuteilen.  —  1522  betrug 
die  Spende  zu  Mittfasten,  Sonnabend  nach  Laetare  (5.  April), 
40  Schock;  1531/32  „Ausg.  auf  Tuchschneiden  armen  Leuten  zu 
Mitterfasten  25  Schock  43  Gr.,  der  Tuche  sind  24". 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter. 


47 


reisten  die  beiden  Bürgermeister  zu  Herzog  Heinrichs  zu 
Sachsen  Beilager  nach  Freiberg  und  überbrachten  einen  von 
Nürnberg  bezogenen  „ubergultenn  Kopff"  im  Werte  von 
26  Schock  24  Gr.  Die  „Herren"  verzehrten  auf  der  Hoch- 
zeit 3  Schock  3  Gr.  samt  demjenigen,  ,,so  sy  in  dy  kuch  denn 
keinem  und  sunst  zw  vorerung  habenn  geben  mussenn  z\\- 
yrem  abschidt".  Dazu  sind  noch  5  Gr.  in  Rechnung  gestellt 
für  ,,zwene  hüte  zweien  Knechten,  dy  mit  beden  Burger- 
meistern uff  die  Hochzeit  von  radts  wegen  gezogen  seint". 
Weit  beträchthcher  war,  ,,was  im  Jahre  15 13  auf  das  Bei- 
lager Herzog  Johansens  gegangen".  Der  Rat  liefs  durch  die 
beiden  Bürgermeister  Dr.  Erasmus  Studtler  (Stella)  und 
Laurentius  Bärensprung  abermals  einen  Becher  (übergulten 
Kopf),  ,,der  vorhin  im  Vorrat  bei  dem  Rat  gelegen  und 
14  Mark  gehabt",  in  Torgau  überreichen.  Für  den  Becher 
,, zusamt  der  geschickten  Zehrung"  sind  100  fl.  (über 
1500  Mark)  berechnet,  und  34  Schock  42  Gr.  i  Pf.  ,,ist  sunst 
uf  die  Knecht  mit  Gewand,  Scherlohn,  Zehrung  und  Schneider- 
lohn zu  fürstlichem  Beilager  gegangen".  Ein  gehöriges  Loch 
in  den  Stadtsäckel  rifs  der  im  Jahre  1531  vom  26.  Januar  an 
in  Zwickau  abgehaltene  Landtag,  der  sich  u.  a.  auch  mit  dem 
Schmalkaldischen  Bund  beschäftigte.  Die  Sitzungen  fanden 
abwechselnd  auf  dem  Schlosse  und  dem  Rathause  statt.  Zur 
Verpflegung  der  dabei  zusammengeströmten  Volksmassen  war 
(nach  Herzogs  Chronik  II,  222)  auf  dem  Markte  eine  Küche 
errichtet,  und  in  Paul  Mühlpforts  Hause  —  das  schöne  Haus 
ist  vor  einigen  Jahrzehnten  leider  abgebrochen  worden,  jetzt 
steht  an  seiner  Stelle  der  ,, Goldene  Anker"  —  hatte  man  die 
Wein-,  Bier-  und  Brotvorräte  niedergelegt.  Auf  dem  Kauf- 
hause wurde  das  Volk  an  72  Tafeln  gespeist.  Dieser  Landtag, 
den  der  Kurfürst  Johann  (,,der  Beständige")  auf  dem  Schlosse 
persönlich  eröffnete,  wird  in  den  Rechnungen  häufig  erwähnt. 
Zwei  Schüler,  ,,die  mit  den  Knechten  in  den  4  Vierteiln 
umbgegangen  und  die  Pferde  an  die  Häuser  verzeichnet  aufn 
künftigen  Landtag",  erhielten  zur  Belohnung  2  Gr.  ,,Für 
imsern  gnädigsten  Herrn  auf  dem  Landtag"  sind  u.  a.  aus- 
gegeben worden:  13  Schock  39  Gr.  für  i  Fafs  rheinischen 
Wein,  10  Gulden  für  eine  Lage  (=  Lagel,  Lägel)  Malvasier 
und  8  Gulden  für  eine  Lage  Rheinfall.  Vor  und  nach  dem 
Landtage  war  grofses  Reinmachen  auf  dem  Marktplatze:  es 
sind  Beträge  eingesetzt,  ,,den  Markt  zu  kehren  und  überall 
zu  reinigen  auf  den  Landtag";  für  Besen;  ferner  vom  Ge- 
rinne zu  reinigen  auf  dem  Markte;  20  Pf.  einem  Tag- 
lohner,    hat    auf  dem    Markte    etliche   Misthaufen   zusammen- 


lg  Reinhold  Hof  mann: 

geschlagen;  3^  ,,  Gr.  einem  Kärrner  (,,kemer"j,  „hat  14  Karrn 
Schutt  vom  Markte  gefuhrt". 

Am  Z.Juli  1525,  nach  Beendigung  des  Bauernkrieges, 
kam  der  Kurfürst  Johann,  begleitet  von  dem  Kurprinzen,  den 
Herzögen  Philipp  von  Braunschweig,  Otto  und  Franz  von 
Lüneburg  und  dem  Fürsten  Wolf  von  Anhalt,  mit  zahlreichen 
Bewaffneten  und  vielem  Geschütz  in  Zwickau  an,  vom  ,,Thor- 
mer"  (zugleich  Stadtpfeifer)  mit  ,, blasender  Musik"  begrüfst. 
Dem  hohen  Besuch  zu  Ehren  wurde  auf  dem  in  diesem  Jahre 
vollendeten  neuen  Kauf-  oder  Gewandhause  ein  festlicher 
Schmaus  und  Bürgerball  abgehalten;  in  der  K.-R.  findet  sich 
u.  a.  folgender  Eintrag  unter  Sonnabend  nach  Visitationis 
(S.Juli):  ,,32  Gr.  2  Pf.  ist  gangen  ufs  getrencke  frawen  und 
jungkfrawen  geschankt,  als  der  Radt  unserm  gnedigen  fursten 
und  sunderlich  den  frembden  fursten  im  eynkommen  alhir 
eyn  tantz  bestalt".  Für  diesen  Tanz  sind  in  der  K.-R.  9  Pfund 
Wachs  zu  Fackeln  verrechnet,  ,,ab  die  zum  Tanze  sollten 
gebraucht  werden  und  der  Tanz  in  die  Nacht  |  sollte]  ver- 
zogen sein".  Die  Fackeln  waren  von  den  ,,Begynen"  oder 
,, Regelschwestern"  verfertigt  worden,  6  Stück  für  3  Groschen, 
das  Pfund  Wachs  kostete  3^,  2  Groschen.  Wenige  Jahre  vor- 
her, 15 18,  war  zu  Ehren  des  auf  dem  hiesigen  Schlosse  einige 
Zeit  Hof  haltenden  Herzogs  Johann  ,,viel  Rennens  und  Stechens 
(ein  Gesellenstechen  etc.)  von  Adel  und  Unadel  geübet  worden, 
auch  viele  andere  seltsame  Fastnachtspiel  zu  sehen  gewesen". 
Damals  hatten  ,,24  Mannspersonen  in  geschmitzten  Kitteln  einen 
Schwerttanz  gehalten  und  18,  wunderlich  als  Störche  verkleidet, 
haben  auf  dem  Markte  Nüsse  aufgelesen.  Item  26  Manns- 
personen (Bötticher)  haben  bei  Nacht  auf  dem  Schlofshof  einen 
Reiftanz  gehalten  und  hat  jedweder  ein  brennend  Licht  wohl- 
verwahret auf  dem  Kopf  getragen"^). 

Wenn  hoher  Besuch  angemeldet  war,  war  der  Rat  be- 
sonders eifrig  darauf  bedacht,  die  auf  den  Gassen  herrenlos 
herumlaufenden  lästigen  Hunde  durch  den  Scharfrichter  und 
seine  Knechte  einfangen  und  totschlagen  zu  lassen:  1531/32 
wurde  viermal  Razzia  gehalten  und  112  Hunde  zur  Strecke 
gebracht  (1522:  115,  1525:  112,  1533:  143).  Die  Ausgabe, 
4  Pf.  für  einen  Hund,  ist  regelmäfsig  unter  dem  Titel:  ,,Dem 
Scharfrichter  von  Hunden  anzufahen"  verzeichnet.  Der  Henker 
wurde  wegen  dieser  seiner  Tätigkeit,  die  anderwärts  nicht 
selten   zornige   Erregung   und  Aufläufe   verursachte,   auch   in 


*)  Nach  Peter  Schumanns  handschriftl.  Zwickauer  Annalen. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Keformationszeitalter. 


49 


Zwickau  „Hundeschläger"  (152 1  ,,hundsschleger")  genannt. 
Seine  Wohnung  war  bis  1528  in  der  ,,Meisterei"  in  der  Bader- 
gasse ,,am  Ecke  bei  der  Mauer".  Der  Scharfrichter,  der  (15  2  5j 
einen  Wochenlohn  von  8  Gr.  bekam,  war  zugleich  Abdecker, 
Schinder:  in  den  Rechnungen  sind  für  ihn  Beträge,  jedesmal 
3  Gr.  eingesetzt  „von  Äsen",  d.  h.  für  die  Beseitigung  toten 
Viehes,  z.  B.  1525  ,, einen  Esell,  so  in  der  mittel  mulhe  ab- 
gangen, uf  den  anger  (Schindanger)  zu  fordern  (befördern)". 
Sein  Knecht  bekommt  2  Gr.,  ,,dafs  er  hat  die  Frau,  so  sich 
fum  niedren  Thore  gehängt,  abgehauen".  Staupenschlag, 
,, peinliche  Befragungen",  Hinrichtungen,  sind  des  Henkers 
traurige  Verrichtungen.  So  hat  er  1532  einen  ,,umb  etlicher 
geringer  Deube  (Diebstähle)  willen  zur  Staupen  gehauen", 
ebenso  einen  andern  1531,  ,,der  ein  Weib  entführt  hat".  In 
demselben  Jahre  hat  er  ,,  Hanse  Kersten  den  Kopf  abgeschlagen, 
dafs  er  Balthasar  Langer  von  Nürnberg  jämmerlich  ermordet". 
Knechte  und  Tagelöhner  mit  Hellebarden  begleiteten  damals 
den  Henker  zum  Gerichte  hinaus  vors  Tor,  und  Totengräber 
und  Träger  begruben  die  Körper  des  Mörders  und  des  Ge- 
mordeten. Die  Knechte  und  Tagelöhner  werden  mit  14,  die 
Totengräber  und  Träger  mit  12  Gr.  abgelohnt,  der  Scharf- 
richter mit  15  Gr.  Ebensoviel  bekommt  er  15 10,  ,,die  alte 
Malerin  mit  Feuer  zu  richten",  dazu  hatte  er  2  Gr.  8  Pf.  ,, ver- 
trunken den  Abend,  als  er  sie  peinlich  fragen  sollte".  2  Gr. 
3  Pf.  sind  eingesetzt  ,,für  etzlich  Salben,  domit  sich  die  Malerin 
nach  der  Marter  erquicken  sollt".  Diese  urkundlichen  Nach- 
richten beziehen  sich  auf  einen  Hexenprozefs,  von  dem  die 
Chronisten  folgendes  berichten:  Eine  alte  Frau,  die  Malerin, 
war  eingezogen  worden,  weil  sie  angeblich  Gesunde  krank, 
bhnd  und  lahm  gehext,  einige  gar  vergiftet,  Huren  die  Frucht 
abgetrieben  etc.  und  dies  alles  auch  andere  gelehrt  hatte. 
Deshalb  wurde  ihr  der  Prozefs  gemacht  und  sie  am  22.  März 
15 10  mit  ihren  zwei  Kunstbüchern,  die  man  ihr  an  den  Hals 
gehängt  hatte,  unterm  Galgen  verbrannt.  Öfters  ist  für  den 
Gerichtsknecht  oder  Gerichtsfron  ,, Atzgeld"  eingestellt  von 
solchen,  die  gefänglich  eingezogen  oder  ,, peinlich  angenommen" 
worden  waren.  1530I31  gibt  man  31^0  Gr.  ,,dem  Meister 
Gregern,  dem  Arzte,  von  Hansefellern  zu  heilen,  dieweil  er 
sich  beklaget,  dafs  er  solchen  Schaden  von  dem  Gefängnis 
und  Martern  empfangen  haben  sollte".  Nach  derselben  K.-R. 
reicht  man  der  tollen  Margarete  einen  Pelz  (25  Gr.),  ,,dafs 
sie  im  Gefengknis  nicht  erfriere,"  und  in  der  gleichen  Rech- 
nung werden  noch  ,,zwene  peltze"  in  die  Gefängnisse  geliefert 
(40  Gr.).    Henkersmahlzeiten  werden  mehrfach  erwähnt.     Eine 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXV.    i.  2.  4 


50 


Reinhold.  Hofmann: 


weitere  Arbeit  des  Scharfrichters  war  das  Reinigen  der  ,,Heim- 
Hchkeit"  im  Frauenhause;  1521/22  bekommt  er  dafür  26  Gr. 
Das  Frauenhaus,  das  unter  polizeilichen  Schutz  gestellte  Bordell, 
welches  zwischen  der  Bader-  und  Komgasse  neben  der  Meisterei 
an  der  Stadtmauer  stand,  wurde  1526  aufgehoben  und  die- 
jenigen Frauen,  die  sich  allen  von  den  Geistlichen  auf  sie 
verwendeten  Besserungs-  und  Bekehrungsversuchen  unzugäng- 
lich zeigten,  aus  der  Stadt  verwiesen^). 

In  diesem  Zusammenhange  sei  auch  des  (1520  erbauten) 
Franzosenhauses  gedacht,  das  jenseits  der  Mulde  am  Brücken- 
berge ,,vor  dem  Tränktore  unter  der  Zielstatt"  lag.  In  dieses 
wurden  die  an  der  Franzosenkrankheit  (morbus  Galliens,  Syphilis) 
Erkrankten  gebracht,  deren  Zahl  seit  dem  Ausgang  des  15.  Jahr- 
hunderts erschreckend  zunahm.  Ursprünglich  war  es  für  die 
Aussätzigen,  Leprosen,  bestimmt.  Ein  besonderer  Arzt,  der 
Franzosenarzt,  war  für  ,,die  armen  Franzoser"  angestellt; 
1532  und  1533  bekommt  er  —  Meister  Gregor  List,  der 
Wundarzt  —  zu  Haussteuer  je  einen  vStofs  Birkenholz,  ,, darum, 
dafs  er  bei  den  armen  Französern  deste  gröfsern  Fleifs  thuen 
solle".  Es  sind  noch  mehrere  Jahresrechnungen  der  (zwei) 
,,Fursteher  der  armen  kranken  Franzoser"  erhalten,  die  eine 
trägt  an  der  Spitze  den  Spruch:  ,,Matthei  25,  [45 j:  Amen  dico 
vobis,  quatenus  non  fecistis  uni  de  minimis,  nee  mihi  fecistis". 
Die  Jahresausgabe  von  Martini  1526  bis  Martini  1527  betrug 
für  16,  zuletzt  8  Kranke  98  Gulden  10  Gr.  In  der  Rechnung 
steht  ein  genauer  Speisezettel  für  jeden  Tag  der  Woche,  so 
ist  z.  B.  gleich  für  den  ersten  Sonntag  angesetzt  i  Gr.  8  Pf. 
für  4V2  Pfund  Fleisch,  8  Pf.  für  Brot  und  4  Pf.  für  Rehm  (fast 
täglich  vorkommend:  Rahm?).  Geliefert  wurde  aufserdem  „in 
die  Kochen":  Grünkraut,  ,, Rüben",  ,, dörre  Rüben",  (Heide-) 
mehl,  ,,Habergrutz",  Hirse,  Flecke,  Stockfisch,  Halbfische, 
,, Karpen",  ,,plan"  Hecht,  ein  Geschlinge  (2  Pf.),  ein  Kalbs- 
kopf (9  Pf.),  grüne  Kresse,  geschmälzte  und  ungeschmälzte 
Butter,  ,, grüne  Potter",  ,,Opffel",  „Honigk",  ,,Schweczken", 
,,Kefsle",  das  Schock  gegen  4  Gr.,  Bier,  ,,Komel",  gelegent- 
lich auch  eine  ,,Kandel"  Wein. 

Die  erste  und  hauptsächlichste  Sorge  der  inneren  Ver- 
waltung war  auf  die  Sicherheit  der  Stadt  nach  aufsen  und 
innen  gerichtet.  Ihr  dienten  in  erster  Linie  die  Mauern  und 
Tore,  an  denen  nach  Ausweis  der  Rechnungen  fleifsig  gebaut 
und  gebessert  wurde,  so  1523/24  an  den  ,,pasteyen"  und  be- 
sonders 1541   bis   1545    an   den  Mauern.     Einen   kostspieligen 


ij  Herzog  a.  a.  O.  II,  211. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  ei 

Bau  an  der  Nordseite  der  Stadt  führte  man  1537  bis  1538 
aus:  nach  der  Baurechnung  dieses  Jahres  erheischte  das  da- 
mals erfolgte  „Gebäude  der  äufsersten  Stadtmauer  vom  Frauen- 
thor oreofen  dem  Niederen  Thor"  einen  Kostenaufwand  von 
1584  alten  Schock  Groschen,  der  aus  dem  Gemeinen  Kasten 
bestritten  wurde.  „Den  Meurern  und  andern"  gab  der  Rat 
,,6  Gr.  3  Pf  zu  Leihkauf,  als  man  sie  widder  zur  Arbeit  ver- 
sprochen hat",  desgl.  5  Gr.,  ,,als  die  Herrn  den  Bawhe  be- 
sichtiget". Jeder  der  (3) ,, Meister"  erhielt  i  Gr.  ,,uf  das  vor- 
dinge, als  man  sie  wieder  zur  Arbeit  verdinget".  Den  ,,Kalch" 
bezog  man  aus  Wildenfels:  für  einen  ganzen  Ofen  gebrannten 
Kalk,  ,,ist  zehen  mäfsige  Fuder  worden",  zahlte  man  26  Schock. 
Auch  Zwickau  hatte,  wie  dies  bei  den  deutschen  Städteji 
uraltes  Herkommen  ist,  vier  Haupttore  (Frauentor,  Tränktor, 
oberes  und  niederes  Tor),  aufserdem  drei  Pforten  (die  obere, 
die  niedere  oder  Schlofspforte  und  die  Fleischerpforte),  sämt- 
lich mit  Türmen  verstärkt.  Im  ganzen  hatte  Zwickau  40  Türme 
und  Basteien.  Die  Türme,  mit  Bockbüchsen  bewehrt  (K.-R. 
1520/21),  waren  wohl  meist  mit  Schindeln  gedeckt.  Noch 
1522  wurden  am  Fronleichnamstage  alle  Tore  mit  Maien  ge- 
schmückt (K.-R).  Der  Stadtgraben,  der  von  1536  an  mit 
einer  Mauer  eingefafst  wurde  und  zu  welchem  Treppen  ,,mit 
steinernen  Stupifen  aus  der  Stadt  führten",  ward  aus  der 
Mulde  mit  Wasser  gespeist,  und  in  ihm  hielt  man  Fische  und 
zu  Zeiten  auch  Schwäne.  Nach  der  K.-R.  1520  21  hatte 
„Silberbrenners  Knecht  zwene  Seh  wannen,  die  dem  Rat  ge- 
schankt,  von  Altenburg  geführt",  und  ein  Knabe,  ,,der  der 
Schwannen  im  Stadtgraben  gewartet",  erhielt  3  Gr.  zu  einer 
Verehrung:.  Der  Chronist  Peter  Schumann  berichtet  als  er- 
wähnenswert,  ,,dafs  1521  am  Tage  Barbara  (4.  Dezember)  die 
Büchsenschützen  allhie  acht  Schwannen  uffn  grosen  Teich 
geschossen".  Die  Bezeichnung  ,,Schwanenstadt",  Cygnea,  ver- 
dankt Zwickau  nach  dem  Zeugnis  des  Dr.  Georg  Agricola 
dem  (15  21  verstorbenen)  Stadtphysikus  und  mehrmaligen  Bürger- 
meister Dr,  Erasmus  Stella  (in  den  Rechnungen  Studier,  Studier, 
Stüler  genannt),  der  mit  seinen  dreisten  Fälschungen  die  ganze 
ältere  sächsisch-thüringische  Geschichte  in  Verwirrung  gebracht 
hat.  Im  Wappen  der  Stadt  erscheinen  die  drei  Schwäne  aber 
bereits  1444,  vielleicht  •  als  sinnbildliche  Hindeutung  auf  die 
auch  vom  Pirnischen  Mönch  erwähnte  Volkssage,  wonach 
Zwickau,  ,,wie  etliche  dunkle  Anschläge  vernommen,  ferr 
vor  Christus'  Geburt  von  Schwanhildis  erbauet"  worden  sei. 
Sie  beruht  auf  einer  falschen  Etymologie  des  slavischen  Namens 
Zwickau,    der  vielleicht   am   zuverlässigsten   als  ,, Ansiedelung 

4* 


C2  Reinhold  Hofmann: 

am  Windberge"  zu  deuten  ist.  Der  Schwansage  gedenkt  auch 
Musäus  in  seinen  „Volksmärchen".  Lächerhch  sind  zwei  andere 
Ableitungen  des  Namens  unserer  Stadt,  wie  sie  sich  in  der 
naiven  Darstellung  des  Pimischen  Mönches  finden.  Er  sagt: 
„Czwickawe,  eine  bequeme,  zierlich  erbaute  Stadt  im  Schwan- 
felde an  der  Mulden,  hat  seinen  Titel  von  einem  alten,  nu 
ganz  zubrochenen  Schlosse  Czwacker  auf  dem  Czwackerberge. 
An  der  Stell,  als  nu  die  Stadt,  seint  etliche  Höfe  und  Häuser 
gelegen,  die  mit  der  Zeit  zusammengebauet,  ward  gemeinlich 
ein  Sprichwort:  Schauet,  welcher  Weis  die  Häuser  seint  zu- 
sammen gezwickt.  Die  Einwohner  trugen  vor  Zeiten  ge- 
wohnlich ober  den  Lippen  Barte,  wurden  Zwickbärte  ge- 
sprochen". 

Kehren  wir  nach  dieser  Abschweifung,  zu  der  uns  die 
Schwäne  im  Stadtgraben  verführt  haben,  zu  dem  Kapitel  von 
der  Stadtbefestigung  zurück. 

Den    regelmäfsigen   Wachtdienst    ,,auf    der    Mauer"    be- 
sorgten die  Wächter,  Torwarte,  Torwärter,  die   in  den  Tor- 
türmen wohnten   und   denen   der    Rat   gelegentlich    ein   neues 
,,Horren  uff  dy  Mawer"  gab.     Ein  solches  kostete  4  Gr.    Im 
Jahre  1522  verordnete  der  Rat,  dafs  die  Torwächter  die  Stunden 
durch  einen  Stofs  ins  Hörn  anzeigen  sollten.     Die  Wache  im 
Innern  der  Stadt,  ,,auf  dem  Pflaster",  ,,aufm  Steinwege",  und 
vor  den  Mauern   bei  den  ,, Vorstädtern"  oder  ,, Pfahlbürgern" 
lag   den   ,, Zirklern   oder  Nachtwächtern"  ob,    die   mit  Helle- 
barden bewaffnet  umherzogen,  ,, zirkelten".     Einmal  sind  für 
die  Wächter  in   der  Vorstadt  auch   Pfeile  verrechnet   (K.-R. 
1521/22:   2  Pfeile  den  Knechten).     Die  Bewachung  der  Stadt, 
von  der  die   Ratsherren   befreit  waren,   hatten   eigentlich   die 
,, besessenen"  Bürger  selbst  zu  leisten,   aber  sie  ward  abge- 
löst   durch    das    Zirkelgeld.     Von    den    ,,  Häusern    zwiefacher 
Wachen"   wurden    12   Gr,  gezahlt,    ,,von   einem   iden   Hause, 
doruft'  man   brauet,    6  und  von  den  Häusern,    doruff  man  nit 
brauet,  4  Gr.".    Das  Zirkelgeld  brachte  der  Stadtkasse  jährlich 
gegen  36  Schock  ein.     Verschärften  Dienst  hatten  die  Zirkler 
an    der    Fastnacht,     an    den    drei    Jahrmärkten:     Katharina 
(25.  November),   Reminiscere  (am  zweiten  Fastensonntag)  und 
Trinitatis  (Sonntag    nach    Pfingsten)   und   an    den   Festtagen, 
l^esonders  zu  Pfingsten  ,,bei  den  Gezeiten  auf  dem  Anger", 
wenn  das  Vogelschiefsen  stärkeren  Menschenzulauf  veranlafste. 
Sie  hatten  bei   gröfseren  Hochzeiten   ,, Frieden   zu   erhalten", 
nach  den  Jahrmärkten  ,, fremder  Gast  halben  Haussuchung  zu 
tun":    1538  erhalten  4  Zirkler,    ,,als  man  ihr  zwene  frembde 
Gest  ins  Mulpforten  gharten  gefangen",  4  Gr.  aus  der  Kam- 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  53 

merei.  Den  „verordneten"  Wächtern  wurden  an  solchen 
Tagen  „Bei Wächter"  zugesellt,  „Aufruhr,  Hader  und  Unlust 
zu  verhüten".  Neben  den  Marktmeistern,  dem  Ober-  und 
Untermarktmeister,  welche  die  Marktpolizei  hatten,  linden  wir 
noch  einen  ,, Unterlaufer",  der  ,,uff  die  Verkäufer  an  den 
Markttagen,  die  Gerinne  und  Misthaufen  und  anderes  Achtung 
gehabt".  Die  Bemerkung  in  Herzogs  Chronik  II,  298:  ,,So 
lange  der  Wisch  (seit  1522  ein  rotes  Fähnchen)  stak,  und 
zuvor,  durfte  nach  dem  alten  Stadtrecht  von  1348  kein 
Fremder  auf  dem  Wochenmarkte  etwas  einkaufen",  wird 
durch  den  Eintrag  in  der  Rechnung  des  Jahres  1522  zum 
Teil  bestätigt:  ,, Sonnabend  post  Valentini  (15.  Februar)  16  Gr, 
9  Pf.  für  das  Fähnlein  auf  den  Frauenmarkt,  welches  anstatt 
eines  Wisches  gebraucht,  für  roten  Zandel  .  .  .  und  Nähseide, 
das  Machlohn  dazu  gerechnet".  Verstärkt  wurden  die  Wachen 
auch  bei  Fürstenbesuchen,  so  beim  Landtag  1531  elf  Tage 
und  Nächte  lang.  Verdoppelte  Fürsorge  widmete  der  Rat  der 
Sicherheit  der  Mitbürger  ,,in  geschwinden  Lauften",  wenn 
,,die  erschreckliche  Krankheit  der  Pestilenz",  Aufruhr  oder 
Krieg  die  Gemüter  schreckte.  Zur  Zeit  der  rehgiösen  und 
sozialen  Unruhen  (besonders  1520 — 1525)  wurde  das  Kloster 
bewacht  —  1525  im  Januar  und  Februar  mehrere  Wochen 
lang  —  und  „bei  dem  hintern  Gefängnis  gewartet".  In  dem- 
selben Jahre  fafste  der  Rat  den  Beschlufs,  dafs  ,,der  Thormer 
hinfurth  uif  keyner  hochzeyt  forder  pfeiffen,  paucken  ader 
blasen  sali,  sunder  stets  mit  seim  knecht  uffm  thorm  bleybenn" 
(Ratsprotokoll  1525,  Montag  nach  Corporis  Christi,  19.  Juni). 
1531  w^urden  sieben  Wächter  angenommen,  die  mehrere 
Wochen  lang  ,, unter  den  Toren  und  Pfö rtlein  des  Sterbens 
halben  gewartet",  auch  bezog  ,,in  diesen  schwinden  Gezeiten 
zur  Zeit  der  regierenden  Pestilenz  der  Rat,  desgleichen  die 
Diener  des  Rates,  item  die  Kaplanen,  allerlei  preservativa 
(für  3  Schock  6  Gr.)  von  Fabian  dem  Apotheker". 

Die  meisten  der  mehrfach  genannten  städtischen  Unter- 
beamten, deren  Zahl  sich  im  Verlaufe  des  16.  Jahrhunderts 
erheblich  vermehrte  —  ,,des  Rates  Diener"  (Stadtknechte)  ^), 
die  gelegentlich  ,,in  des  Rates  heimlichen  Sachen"  verschickt 
werden,  die  Wächter,  der  Gerichtsfron  mit  dem  Unterfron, 
die  ,,Waldforstere",  die  Flurschützen  u.  a.  m.  —  erhielten 
aufser  ihrem  Jahres-  oder  Wochenlohn  und  freiem  Holz  auch 


1)  In  einem  Briefe  des  Zwickauer  Schulmeisters  Wolfgang  Cy- 
clopius  (1508  —  1510)  werden  sie  „ Ciccaviensium  communes  farauli" 
genannt,  „quos  vigiles  appellant":  O.  Giemen  in  dieser  Ztschr. 
XXIII,  137. 


CA  Reinhold  Hof  mann: 

freie  Amtskleidung  (Hosen  und  Kappen,  d.  i,  Mäntel).  So 
finden  wir  in  der  K.-R.  1529/30  Ausgaben  (gegen  13  Schock) 
für  einen  grauen  sechsundfunfziger  Kemler  den  Knechten  zu 
Winterkleidung  nebst  „gehlem"  Futtertuch,  für  mechlisch 
ascherfarb  Tuch  den  (6)  Knechten  zu  ,,Hosentuchem",  ferner 
ascherfarb  Zwickisch  Tuch  mit  weifsem  Futtertuch,  ein  Stück 
Ulmer  Parchent  (für  i  Schock  Groschen)  den  Knechten  zu 
„Wammefs",  ferner  Zwillich  zu  dem  gleichen  Zwecke.  Zur 
Sommerkleidung  wird  verwendet  weifs  Tuch,  welches  her- 
nacher  leberfarb  gefärbet  ist,  rot  Kindisch  (d.  i.  Londoner) 
Tuch  den  Knechten  zu  Hosen,  rot  zwickisch  Tuch  dieses 
war  seit  dem  15.  Jahrhundert  berühmt  —  zu  demselben 
Zwecke,  ferner  ascherfarb,  blau,  leberfarb  mechlisch  und 
weifs  lündisch  Tuch.  An  den  Ärmeln  waren  Abzeichen  in 
den  Stadtfarben  (rot  und  weifs)  angebracht:  1529/30  finden 
wir  ,,von  der  Farbe  in  die  Ärmel  zu  machen"  2  Schock  ein- 
gesetzt. Nach  der  K.-R.  1538/39  wurde  ,, Lündisch  Tuch  zur 
Farbe  zu  Hosen  und  Kappen"  verwendet.  Der  Türmer  und 
sein  Knecht  bekommen  aufser  der  Sommer-  und  Winterkleidungf 
Pelze,  vSocken  und  Mützen  (K.-R.  1520/21  u.  ö.). 

Die  ganze  Wachsamkeit  des  Rates  war  nötig  in  den 
Jahren,  in  denen  der  neue  Glaube  mit  dem  alten  um  die 
Herrschaft  rang.  Stürmischer  als  in  mancher  andern  Stadt 
vollzog  sich  in  Zwickau  die  Einführung  der  Reformation, 
weil  sich  hier  gefährliche  Schwärmer,  die  ,, Zwickauer  Pro- 
pheten", in  die  Bewegung  mischten.  Die  Einwohner  unserer 
Stadt  waren  schon  ,, zeitlich  mit  Lutherschem  Irrsal  verführt", 
so  klagt  der  um  1530  hochbetagt  gestorbene  Pirnische  Mönch, 
ein  Todfeind  der  ,, wurmstichigen,  giftigen  Lehre  des  blut- 
aufrührerischen, abtrünnigen  Apostata  Merten  Luter  und  seiner 
schwärmenden  ,Holhipperei'  (Lästerung)".  Mit  Schmerz  be- 
richtet der  strenggläubige  Dominikaner  weiter,  wie  hier  ,,der 
Lutherianer  arger  Irrtum  zeitlich  schwinde  obirhand  nahm,  zu 
Gefall  der  Obirkeit  und  auf  heftio^e  Ermahnungre  der  schwär- 
mender  Geister  Johannis  Egranus,  Thomas  Munzer,  Nikolaus 
Hausmann,  ihres  Bischofs,  Paulus  [Lindenau]  etc.,  damit  sie 
bafs  in  Ewigkeit  einen  unchristlichen  Tadel  erlangt,  und 
seint  nu  (1530)  in  so  tiefen  Irrtum  verteuft,  dafs  sie  weder 
Gott,  sein  Dienst  und  Ehr,  seine  Heiligen,  Papst  noch 
Bischof  in  Achtung  halten,  spotten  und  verfolgen  Priester- 
schaft und  Geistliche,  die  nicht  ihres  Gespirges^),  treiben  von 


')  Das  Gespirc,  gen.  des  Gespirges  =  das  Gesperge:  die  Schar 
(Lex er,  Mittelhochdeutsches  Handwörterbuch  I,  923). 


Eine  sächs.  Stadt  im  Keformationszeitalter.  55 

Tage  zu  Tage  und  erdenken  mehr  unchristliche  Unfuhr, 
haben  das  edle  Gestifte  und  reich  „Almussen",  in  gott- 
formiger  Meinunge  gestift,  verruckt,  werfen  abe  göttlichen 
Dienst  ....  und  die  Stadt  Czwickawe  fern  und  weit  damit 
erschallet".  Zeugnisse  dafür,  dafs  der  Rat  schon  frühe  der 
Reformation  geneigt  war,  finden  wir  in  den  Ratsprotokollen 
und  den  Stadtrechnungen  mehrfach,  so  beschlofs  man  in  der 
Ratssitzung  am  Sonnabend  nach  Estomihi  (12.  März)  15 19,  es 
sollte  an  Dr  Martin  Luther  oder  an  Dr.  Kaspar  Güttel  ^)  ge- 
schrieben werden,  ,,ob  sie  einen  ihres  Ordens  auf  ein  halb 
Jahr  allhero  verordnen  wollten  auf  den  Predigtstuhl  zu 
St.  Katharina".  Nach  der  K.-R.  1520  21  sandte  man  einen 
Boten  ,,gen  Zeitz  zum  Rate  umb  Unterricht,  was  ein  Bar- 
füfsermonche  uff  die  von  Zwickau  sollte  geprediget  haben, 
wie  es  dem  Rate  glaublich  furkommen".  In  den  Rechnungen 
der  Jahre  15 19  und  1521  sind  viermal  Botengänge  verrechnet 
gen  Wittenberg  zu  Doctori  Martine  Luthero,  einmal  mit  der 
Erläuterung:  ,,des  Predigers  halben".  Es  handelte  sich  offenbar 
um  die  Berufung  des  ersten  evangelischen  Pfarrers  Nikolaus 
Hausmann,  der  zu  Pfingsten  1521  sein  Amt. antrat.  Damals 
herrschte  eine  heftige  Aufre^uns:  unter  den  Bewohnern  der 
Stadt-),  die  hauptsächlich  Thomas  Münzer,  von  Mai  1520  bis 
zu  seiner  Ausweisung  Ende  April  1521  Prediger  an  der 
Katharinenkirche,  heraufbeschworen  hatte  Gleich  in  seiner 
ersten  Predigt  hatte  Münzer  das  Volk  gegen  die  hiesigen 
Franziskaner  aufgereizt  und  unter  anderm  gesagt,  ,,die  Mönche 
hätten  Mäuler,  dafs  man  ein  Pfund  davon  abschneiden  könnte, 
und  behielten  immer  noch  ^lauls  o-enusf".  Die  Erbitterung 
gegen  die  Mönche  wuchs,  und  im  März  1522  stürmte  der 
Münzersche  Anhang,  vorwiegend  Tuchknappen,  den  den 
Grünhainer  Zisterziensern  gehörigen  ,,Grünhainer  Hof"  (das 
jetzige  Gymnasium j,    unter   dem  Vorwande,    einen   darin   ge- 


')  Güttel  war  einige  Jahre  vorher  ein  gern  gehörter  Prediger 
an  der .  Zwickauer  Marienkirche  gewesen,  dann  war  es  ihm  wie 
Luthern  ergangen,  „nicht  Ruhe  noch  Rast  hatte  er  in  seinem  Ge- 
wissen weder  Tag  noch  Nacht",  er  trat  darum  in  den  Augustiner- 
orden ein,  in  dem  er  wie  Luther  zum  Reformator  wurde.  1523  ver- 
liefs  er  das  St.  Annenkloster  zu  Kisleben,  wo  er  Prior  geworden 
war,  und  der  Rat  zu  Zwickau  berief  noch  in  demselben  Jahre  den 
noch  unvergessenen  Mann  zu  einer  Reihe  von  Predigten  vor  der 
Einwohnerschaft  unserer  Stadt,  die,  wie  Güttel  nachmals  bezeugte, 
„ganz  hungrig  und  grofs  gierig  war  nach  dem  göttlichen  Worte": 
Festschrift  zur  Einweihung  der  erneuerten  Marienkirche  zu 
Zwickau  (Zwickau  1891)  S.  21  f. 

-)  Vgl.  die  genannte  Festschrift  S.  12  ff. 


r6  Reinhold  Hofmann: 

fanp-en  gehaltenen  Bauern  zu  befreien.  Auch  diese  Ereio:nisse 
spiegeln  sich  in  den  Kammerrechnungen  wider.  1522  im 
Februar  werden  6  Wächter  mit  28  Gr.  abgelohnt,  „die  do 
gewacht  haben,  einesteils  6,  einesteils  4  Nächte,  do  die  ,ent- 
porunge'  wider  den  Grünhainer  Hof  geschehen",  und  bald 
darauf  ist  i  Schock  5  Gr.  dem  Gerichtsknechte  Hofgeld  (?) 
verrechnet  ,,von  56  gefangenen  Knechten",  die  der  Rat 
wegen  dieses  Aufruhrs  hatte  festnehmen  lassen.  Aufser  den 
berufsmäfsigen  Wächtern  hatten  damals  die  Bürger  selbst  den 
Sicherheitsdienst,  das  Bewachen  der  Mühlen  und  Scheunen  etc, 
versorgen  helfen  und  waren  für  die  ausgestandene  Mühe 
und  Angst  durch  einen  Trunk  auf  der  Wache  am  Markte  ent- 
schädigt worden  (K. -R.),  desgleichen  ,, haben  die  Zirkler 
7  Gr.  2  Pf.  für  Fleisch  und  Brot  in  der  ,Jarkuchen'  ge- 
nommen, als  die  Knappen  eingesetzt".  Um  der  unruhigen 
Geister  Herr  zu  werden,  bat  der  Rat  den  Dr.  Luther,  der 
eben  die  Wittenberger  Stürmer  zu  Boden  gerungen  hatte, 
um  sein  persönliches  Eingreifen.  Am  28.  April  1522  traf 
dieser,  von  Altenburg  kommend,  in  Zwickau  ein,  und  dämpfte 
in  vier  gewaltigen  Predigten  den  Geist  des  Aufruhrs.  Am 
3.  Mai  reiste  er  über  Borna  nach  Wittenberg  wieder  heim. 
Das  Haus,  in  welchem  der  grofse  Gottesmann  damals  ge- 
wohnt hat,  steht  noch  heute,  es  ist  das  Paul  Heringsche 
Haus  am  Markte:  Luther  war  in  jenen  Tagen  darin  zu  Gaste 
bei  seinem  Freunde,  dem  Bürgermeister  Hermann  Mühlpfort, 
dem  er  zwei  Jahre  vorher  seine  geistesmächtige  Schrift:  ,,Von 
der  Freiheit  eines  Christenmenschen"  ,, zugeschrieben"  hatte. 
Auch  für  Luthers  Anwesenheit  in  Zwickau  sind  die  Stadt - 
rechnungen  eine  wichtige  Quelle.  Wir  lesen  in  der  K.-R.  1522 
Sonnabend  nach  Exaudi  (7.  Juni):  ,,3  Schock  52  Gr.,  faciunt 
10  fl.  in  Golde  ader  aber  Annenperger  Gulden  groschen,  dy 
der  Radt  doctori  Martini  (!)  Luther  zu  ayner  vorehrung  ge- 
schankt,  do  Er  uff  erfordern  des  Radts  anhero  gen  Zwickaw 
kommen  und  etzliche  predingten  alhir  gethan  hat".  Gleich 
dahinter  heifst  es:  ,,6  gute  Schock  30  Gr.  ist  uff  zerung  der 
jhenigen,  dy  doctorem  Luther  gefordert,  wiederumb  von 
hynnen  gen  Born  mit  etzlichen  pferden  belaytet,  item  uff 
seyn  und  der  seynen,  die  mit  yme  anhero  kommen,  ufslofsung 
ufs  der  herbrige  und  uff  dy  collation,  dozu  der  Radt  ge- 
melten  herrn  doctorem  und  dy  seynen  etc.  uffs  Radthawfs 
gebeten,  allenthalben  gegangen,  alles  an  eyner  Summa  ge- 
rechent".  Zum  Jahr  15 17  seiner  Zwickauer  Annalen  berichtet 
Peter  Schumann,  wie  der  Erzbischof  zu  Magdeburg  in  allen 
seinen    Landen  Jubilentz,    das    man    nennet   die   Gnade,   aus- 


Eine  sächs,  Stadt  im  J^eformationszeitalter. 


57 


gesatzt  und  den  „grofsen  Munch''  Tetzel  in  seinen  Dienst 
genommen  habe.  Aber  dagegen  habe  „D.  M.  Luther  bald  ein 
Que,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  eingeleget,  der  denn  der  erst 
gewest,  der  der  katzen  die  schelle  ahngebunden". 

Wegen  der  Unruhen  des  Jahres  1522,  besonders  ,,in  der 
Grünhainer  Mönche  Sache",  machten  sich  mehrere  Reisen 
der  zwei  Bürgermeister  ,,zum  Herzog  nach  Weimar",  Boten- 
gänge etc.  nötig,  die  sämtlich  in  den  Rechnungen  verzeichnet 
sind.  Im  Zusammenhang  damit  steht  auch  der  Eintrag:  ,,i  Gr. 
dem  jungen  Patriarchen  von  dem  Lied  abzuschreiben,  vom 
Abt  zu  Grünhain  ausgegangen  wider  den  Rat".  In  dem- 
selben aufgeregten  Jahre  waren  auch  die  Mühl-  und  Bäcken- 
knechte  aufgestanden  und  hatten  einen  regelrechten  Streik 
ins  Werk  gesetzt.  Im  Verlaufe  der  Jahre  1524  und  1525  fiel 
ein  Stück  des  katholischen  Gottesdienstes  nach  dem  andern. 
Die  Franziskanermönche  wurden  von  „mutwilligen  Gesellen" 
öffentlich  verhöhnt  oder  gar  tätlich  mifshandelt:  so  wurden 
nach  der  K. -R,  1524/25  ,,zwei  Mönche  auf  der  Gasse  ge- 
hauen", und  dies  mufs  sehr  gründlich  geschehen  sein,  denn 
Meister  Hans,  der  Barbier,  bekommt  den  ansehnlichen  Betrag 
von  2  Schock,  dafs  er  sie  geheilet.  Der  Rat  gab  nach  der- 
selben Jahresrechnung  ,,den  Mönchen  40  Gr.  zu  Brot,  nach- 
deme  er  ihnen  verboten,  von  Haus  zu  Haus  zu  bitten  und 
umbzugehen".  Da  gaben  die  Barfüfser  den  Widerstand  auf; 
einige  legten  die  Kutte  freiwillig  ab,  und  solche  ,, aus- 
gegangene Mönche"  wurden  vom  Rate  unterstützt  oder  bis 
an  ihr  Lebensende  versorgt:  so  reichte  er  1524  u.  a.  ,, einem 
armen  Bruder,  welcher  .sich  aus  dem  Klosterleben  zu  einem 
sehgern  zu  begeben  willens,  zu  Steuer  eines  Kleides"  4  Gr.; 
Gregor  Kunifs,  „den  alten  Munch,  etwo  (vormals)  Organista 
im  Kloster",  nahm  er  1525  zu  einem  Seigersteller  an  und 
gab  ihm  (1531/32)  einen  halben  Stofs  Birkenholz  ,,zur  Ver- 
ehrung, dafs  er  bei  dem  Zeigerstellen  deste  mehr  Fleifs  tun 
solle".  Nach  Peter  Schumann  hat  dieser  ,,alte  betagte  Munch, 
Herr  Gregor  Kunifs  (oder  Kunitz)  Donnerstag  nach  Jacobi 
(27.  Juli)  1525  sich  im  Kloster  allhie  mit  seiner  Braut 
(Enders  Peren  [Andreas  Bär]  Tochter  nennt  sie  Schumann 
an  einer  andern  Stelle)  zugelegt  und  ist  der  erste  Munch, 
der  allhie  im  Kloster  öffentlich  ein  Weib  genommen  hat". 
Die  übrigen  Ordensbrüder  sind  nach  dem  Berichte  des 
Chronisten  am  2.  Mai  1525  aus  dem  Kloster  allhier  gezogen, 
haben  also  ihr  altes  Nest,  darin  sie  294  Jahre  gesessen,  ver- 
lassen, sind  zum  Frauentor  hinaus  auf  St.  Moritz  und  nach 
Glauchau   gangen;   damit   ihnen  aber   niemand   leid  täte,    hat 


58 


Reinhold  Hofmann: 


sie  der  Rat  durch  seine  Ausreuter  begleiten  lassen".  Vor 
ihrem  Wegforano-e  reichte  ihnen  der  Rat  noch  einen  Ab- 
Schiedstrunk,  unter  dem  Sonnabend  nach  Misericordias  Domini 
(6.  Mai)  sind  26  Gr.  9  Pf.  verrechnet,  die  „man  für  Getränke 
geben,  als  man  den  Mönchen  im  Kloster  valete  geschankt". 
Das  Kloster  g-'mcr  in  den  Besitz  der  Stadt  über.  Ein  Bote 
überantwortete  dem  Landesfürsten  in  Weimar  ,,des  Rates 
Schrift,  dorinne  angezeiget,  worumb  der  Rat  das  Kloster  ver- 
sperret". Aus  den  verkauften  ,, Ornaten  im  Kloster"  wurden 
gegen  26  Schock  Groschen  gelöst.  Eine  grofse  Anzahl  geist- 
licher Zinse,  verzeichnet  in  der  K.-R.  152425,  ,,seint  ufs  Be- 
schlufs  beider  Räte  zu  Enthalt  der  Schulen  und  Besoldung 
Magistri  Johannis  Forsters,  Mgri  Rivii  und  Hieronymi  Nopi, 
welche  die  Kinder  in  lateinischer,  greckischer  und  hebräischer 
Sprachen,  item  deutsch  schreiben  und  lesen  unterweisen,  ge- 
reicht wurden";  der  erste  Posten  dieses  Ausgabekapitels, 
,,14  Schock,  faciunt  40  Gulden,  die  man  zuvor  jährlich  zu 
dem  Gestift  der  elenden  Seelen  zu  unser  lieben  Frauen  ge- 
geben", wurde  nach  der  erläuternden  Bemerkung  des  Käm- 
merers vom  Rate  eingezogen,  ,,dieweil  dasselbige  Gestüt, 
als  vorgeblich  in  der  heiligen  Schrift,  keinen  Grund  hat  [und 
deshalb]  abgangen  ist''.  ,,1525  in  der  Martervvoch  hat  — 
nach  Peter  Schumanns  Annalen  —  der  Pfarrer  allhie  alle 
papistische  Ceremonien  und  Gebrauch  in  den  Kirchen  vollend 
abgetan  und  aufgehoben".  In  den  folgenden  Jahren  ver- 
schwanden die  letzten  Reste  des  Papsttums  in  unsrer  Stadt: 
der  gröfste  Teil  des  Franziskanerklosters  und  der  zahlreichen 
Altäre  wurde  abgebrochen,  die  Ratskapelle  im  Rathause,  „do 
inne  man  noch  1522"  nach  der  K.-R.  ,, wochlich  drei  Messen 
(vor  den  drei  wöchentlichen  Rat.ssitzungen)  gehalten",  wurde 
1537  in  eine  Trinkstube  für  die  Ratsherren  umgewandelt. 

Grofse  Sorge  brachten  die  Bauernunruhen  des  Jahres 
1525  über  unsere  Stadt.  Am  7.  Mai  standen  die  Bauern  zu 
Reinsdorf,  Wildbach,  Langenbach,  Tilgen  (St.  Egidien)  und 
einigen  andern  Schönburgischen  Orten  auf  und  bedrohten 
auch  die  Stadt  Zwickau,  zumal  diese  am  10.  Mai  den  Reins- 
dorfern  ein  Gesuch  um  Munition  abgeschlagen  und  viele  be- 
nachbarte Edelleute  nebst  ihren  Familien  und  ihrer  Habe 
aufgenommen  hatte.  Wochenlang  mufsten  ,,in  der  Zeit  der 
Aufruhr"  Nachtwächter  ,,vor  den  Toren  und  sunderlich  zu 
den  Scheuern  und  Kellern  zusehen"  und  ,,aus  einem  guten 
Bedenken  des  Rats"  hin  und  wieder  aufserordentliche  Wächter 
,,über  die  gemeinen  Wechten  etzliche  Nacht"  wachen.  ,,Be- 
sorgens   halben"   wurden    besondere    Pfortenhüter    angestellt, 


Eine  sächs.  Stadt  im  Retormationszeitalter.  ^^ 

,,die  Tore  haben  die  Bürger  behutt";  die  Bürger  „besich- 
tigten mit  dem  Bürgermeister  Preufs  und  andern  Herrn  die 
Mauern,  Basteien  und  Türme  von  Ratswegen"  und  vertranken 
2  Gr.  dabei  (Sonnabend  nach  Exaudi,  3.  Juni),  Nickel  bekam 
4  Pf.,  ,,dafs  er  am  Frauentor  einen  Strick  an  den  , Schlack' 
daselbst  gemacht",  den  Türmer  machte  man  leistungsfähiger 
durch  ein  neues  Wächterhorn,  ,,nachdeme  das  alte  nit  mehr 
tüchtig",  „auch  gab  man  ihm  6  Pf.  zu  Lichten,  uff  das  er 
bey  nacht  in  fewers  Not,  do  got  lang  für  behüte,  in  der 
lathern  ein  licht  aushengen  konde".  ,,Aus  Beschlufs  beider 
Räte"  sollten  ,,den  jungen  Schützen  i  Schock  10  Gr.  zu  Steuer 
zu  einem  Kleinod  hinfurder  geben  werden,  domite  sie  zu 
schiessen  geraytzet  vmd  anbracht  wurden".  Ein  Schock  ver- 
wandte der  Rat  ,,auf  Kundschaft  der  Bauern,  so  sich  zu 
Reinstorff  und  Ronneperg  gelagert",  dann  wurden  noch  ein- 
mal 17  Gr.  3  Pf.  ,, Kundschaftern  geben  zu  erfahren,  was  die 
Bauerschaft  willens".  Wiederholt  mulsten  Boten  des  Rates 
Briefe  an  den  Kurfürsten  gen  Weimar  tragen,  ,,do  inne 
unserm  gnädigen  Herrn  der  pawern  uffrur  und  entporung 
umb  Reynfsdorff  zu  erkennen  geben  worden",  ein  Sendbote 
mufste  ,,das  Schreiben  der  Bauerschaft  um  Ronneberg  dem 
Kurfürsten  anzeigen".  Über  die  Kosten,  welche  die  Sendung 
von  200  Fufsknechten  und  4  Rüst wagen  im  Bauernkriege 
dem  Stadtsäckel  verursachte,  ist  schon  oben  bei  der  Be- 
sprechung des  Harnischamtes  geredet  worden. 

Zur  Zeit  der  drohenden  Annäherung  des  Türkenheeres 
gegen  Wien  im  Jahre  1532  schickte  der  Rat  einen  Kund- 
schafter nach  Dresden  und  ,,Pirn",  ,,auch  in  die  Behmen, 
des  uberfallens  halben"  (25  Gr.  Botenlohn);  in  derselben  Sache 
sandte  er  damals  nach  Ausweis  der  Rechnungen  auch  zweimal 
Boten  nach  Wien. 

Streng  wahrte  der  Rat  den  Frieden  im  Mauerring.  Alles, 
was  hier  die  Ruhe  und  Sicherheit  stören  konnte,  insonderheit 
allerlei  Frevel  und  ,,Unfuhr"  im  Weinkeller,  auf  dem  Rathause, 
während  des  Marktfriedens,  waren  verboten ;  die  Strafen  finden 
sich  in  den  Kammerrechnungen  unter  dem  Titel:  ,, Gemeiner 
Bufsen  Einnahme"  und  in  besonderen  Gerichtsgebühren  mit 
dem  Titel:  ,, Einnahme  Voydtsgerichts[ge]fälle"  und  ,, Ein- 
nahme Schultheifseno-erichtsgefälle''  verzeichnet.  Diese  Bufsen 
werden  verhängt  von  dem  Stadt-  oder  Vogtgericht  und  vom 
(Osterweihe-)^)  Schultheifsengericht,  letzteres  gilt  in  des  Rats 


M  Benannt  nach  dem  1350  an  den  Rat  übergegangenen,  1430  von 
den  Hussiten  zerstörten  Dorf  Osterweihe  im  Norden  der  Stadt,  un- 
weit der  Stadtmauer. 


6o  Reinhold  Hofmann: 

Dörfern,  den  Vorstädten  und  auf  der  Stadt  Gütern.  Stadtvogt 
und  Schultheifs  haben  am  Ende  des  hier  behandelten  Zeit- 
raums je  6  Schoppen  zur  Seite,  die  dem  alten  Rate  angehören. 
Wiederholt  wird  bemerkt,  dafs  der  oder  jener  ,,des  Rats  Ge- 
bot verächtlich  übertreten",  und  dabei  offenbar  Bezug  ge- 
nommen auf  Polizeiverordnungen  des  Rates,  wie  sie  uns  vor- 
hegen aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  ferner  aus  den 
Jahren  15 13  (gegen  Fluchen,  Gotteslästern  und  Saufen  ge- 
richtet), 1524  (gegen  das  Spielen,  Gotteslästern  und  Zutrinken: 
gedruckt).  1543  erhielten  die  Bäcker,  die  sich  gegen  des 
Rates  Anordnungen  aufgelehnt  und  das  Backen  verweigert 
hatten,  eine  neue  Ordnung,  ebenso  die  Fleischer,  und  den 
Schneidern  ward  verboten,  ,,so  unverschämte,  unzüchtige  Lätze 
zu  machen".  Eigenthche  „Kleiderordnungen"  sind  meines 
Wissens  erst  in  späterer  Zeit  (z.  B.  1603)  vom  Rate  erlassen 
worden. 

Der  steigende  Wohlstand  und  das  hierdurch  ermöglichte 
,, epikurische"  Wohlleben  verführte  zu  Ausschreitungen  und 
sittlichen  Verirrungen  aller  Art.  Sehr  häufig  sind  Bestrafungen 
wegen  Schimpfens,  „Schmähbufsen".  Der  Wortlaut  der  Ein- 
träge ist  sehr  abwechslungsreich  und  die  Strafen  —  fast  durch- 
weg Geldstrafen  —  sehr  verschieden:  N.  N.  wird  gestraft, 
,,dafs  er"  einen  andern  ,,mit  Worten  injurieret  und  geschmeet", 
„zu  seinen  Ehren  gescholten",  ,, gehadert",  ,, injurieret  und  einen 
losen  Mann  gescholten"  (10  Gr.  Strafe,  aber  auch  weniger  und 
mehr);  ,,dafs  er  des  Blechmachers  Frau  mit  Worten  übergeben" 
(4  Gr.),  ,,hat  sich  mit  Hans  Sauffaus  geunwilliget"  (8  Gr.),  „hat 
sich  geunwilliget  und  gescholten",  „hat  Lästerworte  geben", 
,,böse  Worte  geben";  ,,io  Gr.  hat  geben  der  Bote  mit  der  ein 
Hand,  hat  N.  N.  am  Markte  Trinitatis  mit  trutzigen  Worten 
angeredt";  ,,hat  den  Viermeistern  unter  den  Bänken  geflucht" 
(8  Gr.);  der  Bader  zu  Crimmitzschau  zahlt  12  Gr.,  ,, darum, 
dafs  er  mit  dem  Bader  allhie  in  der  Neustuben  ein  Unlust 
angericht  und  sich  mit  Schmähworten  an  ihme  vergriffen"; 
„Wolf  Michel  zu  Mergentall  (Marienthal)  40  Gr.  zur  Strafe 
geben,  umb  dafs  er  in  der  Trunkenheit  auf  die  Obrigkeit  ge- 
flucht und  gescholten  hat";  um  i  Schock  wurde  die  Heymlin 
gestraft,  weil  sie  N.  N.  vor  dem  Bürgermeister  Bärensprung 
und  Bürgermeister  Preufsen  einen  Lauerer  gescholten  .  .  . 
einen  Verräter  und  Thamhansen  gescholten".  Der  altgerma- 
nische Stolz  des  angesessenen  freien  Mannes  kommt  zum  Aus- 
druck, wenn  einer  den  andern  einen  ,,hergeloffen  Schalk" 
nennt.  Das  zahlreich.ste  Gewerbe  der  Stadt,  das  der  Tuch- 
macher,   liefert   auch   die   meisten   Bestrafungen  von  solchen, 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  6l 

die  „die  geschworenen  Viermeister  des  Handwerks  gescholten 
und  geschmähet",  „mit  ungestümen  Worten  angefahren",  ,,da- 
rumb,  dafs  sie  dem  Tuchschauern  geschumptiert  haben  mit 
Worten",  oder  sie  ,,mit  öden  Worten  auf  dem  Kaufhaus  (Ge- 
wandhaus, Zeichenhaus)  über  dem  Tuchzeichnen  angelassen" 
haben.  Parteihchkeit  bei  der  Tuchschau  wirft  Kaspar  Wagner 
von  Gera  den  Viermeistern  vor,  wenn  er  auf  dem  Weinkeller 
öffentlich  sagt:  ,, hätte  ich  die  Tuch,  die  aus  Neid  nit  ge- 
zeichnet und  aus  Gunst  gezeichnet,  so  wollte  ,er  sein'  Leb- 
tage kein  Tuch  machen"  (Strafe  40  Gr.). 

Gar  nicht  selten  sind  die  Strafen  (meist  Geldstrafen:  30  Gr. 
und  mehr)  wegen  Gotteslästerung;  oft  werden  solche  bestraft, 
die  einen  ihrer  Mitbürger  ,, gelugstraft",  ,,gelugenstraft"  haben. 

Vom  Schmähen  und  Schimpfen  ist  nur  ein  Schritt  zum 
,, Raufen"  und  ,, Schlagen",  und  der  wurde  nach  Ausweis  der 
Rechnungen  oft  getan.  Wolf  Mhulner,  der  Blechzinner,  hat 
Otten  seinen  Gesellen  gerauft  (4  Gr.),  einer  ,, seinen  Nack- 
parn  geschlagen"  (5  Gr.,  6  Gr.),  8  Gr.  Christoph  Barbierer, 
,,dafs  er  seinen  Gesellen  hat  geschlagen,  dafs  ihm  Mund  und 
Nasen  gebludt  hat".  Härter  wird  bestraft,  wer  ,,des  Marktes 
Freiheit  gebrochen"  oder  ,,in  der  Weinstube  in  des  Rates 
Freiheit  gefrevelt  hat".  Hie  und  da  hat  einer  ,,eine  offene 
Wehr  gezogen"  und  den  Wirt  oder  einen  zechenden  Genossen 
,, damit  wollen  übereilen".  Viel  geübt  wurde  das  Werfen  mit 
Nöfseln,  ,,Kändeln,"  Leuchtern.  Nachdem  Meier,  der  Bader, 
Peter  Grafifen  in  der  Weinstuben  einen  Dieb  gescholten  und 
sonst  mit  verdriefslichen  Worten  angelassen,  hat  Hans  Graff 
gedachten  Bader  mit  einem  ,,Kendlein"  in  der  Weinstuben 
geworfen.  Diese  zornige  Aufwallung  erleichterte  ihn  freilich 
um  I  Schock  Gr.  Auch  der  Versuch  ward  gelegentlich  be- 
straft: Melchior  Parth  zu  Stangengrün  wurde  vom  Schult- 
heifsengericht  zur  Zahlung  von  4  Gr.  verurteilt,  weil  er  „ein 
Nöfsel  über  einen  gezuckt  und  schlaenn  wollen".  Recht  üblich 
scheint  das  Werfen  mit  Steinen  gewesen  zu  sein  (2  Gr.  und 
mehr);  in  der  Fastnacht  (1522)  hat  ein  Bauer  auf  dem  Markte 
geunfugt  und  mit  Steinen  unter  die  Leute  geworfen;  4  Gr. 
zahlte  einer,  der  ,,eine  Katze  uff  einen  Jungen  gewurffen". 
Während  Hauen,  Schlagen,  Raufen  in  der  Regel  mit  4,  5,  6  Gr. 
genügend  geahndet  schien,  mufste  Franz  Zimmermann  20  Gr. 
zahlen,  weil  er  Freibern  ,,in  seinen  vier  Pfählen  (,pffel')  ge- 
hauen". Ein  aufgeregtes  Geschlecht  scheint  die  Familie  Kefs 
gewesen  zu  sein:  20  Gr.  mufte  Melchior  Kefs  geben  zur  Strafe 
von  wegen  seines  Weibs,  die  sich  mit  ihrem  Nachbarn  Hansen 
Feller    gescholten,    und   Kasper  Kefsen  Frau  3  Gr.,    weil  sie 


52  Reinhold  Hofmann: 

ihren  „Schweer"  Melchior  Kefs  mit  einem  Topf  geschlagen, 
nachdem  sich  vorher  „der  alte  Kefs  mit  seines  Sohnes  Weib 
geunwiUiget"  (4  Gr.),  Noch  einmal  soviel,  8  Gr.,  mufste 
Peter  Antes  von  Kanstorff  (Cainsdorfj  zahlen:  ,,der  hat  einen 
Knappen  bey  dem  Hans  Postel  zum  pir  uberm  spil  mit  er 
faust  geschlagen,  das  ims  aug  gar  blaw  war".  Mit  30  Gr. 
mufs  Kaspar  Althaus  büfsen,  weil  ,,er  einen  Bauern  von 
Crinitz  mit  einer  Sensen  frevelich  die  Zähne  (,zeene')  aus- 
gestofsen  hat,  ist  solchs  auf  dem  Tanzboden  und  in  des 
Marktes  Freiheit  geschehen".  Noch  einmal  soviel,  i  Schock, 
zahlt  Hans  Hauenstein:  hat  den  jungen  Salzbrenner  uffm 
„Tanzboden"  ins  Maul  geschlagen  und  Matth.  Richtern  aus- 
gefordert. Auf  dem  Rathaustanzboden  scheint  ein  recht  zwang- 
loser Verkehr  geherrscht  zu  haben:  Valtin  N,  hat  —  bei 
demselben  Vergnügen,  das  dem  jungen  Salzbrenner  verhäng- 
nisvoll wurde  —  einer  ein  ,,Byrret"  vom  Kopfe  gerissen  und 
das  ,,zuschnyten".  Das  brachte  ihm  42  Gr.  Strafe:  ,,ist  um 
seines  Armuts  halben  hierbei  blieben".  Bastei,  der  Kuhhirt,  der 
Michel  Grunern  eine  ,,beiynschrottige"  Wunde  gehauen  hatte, 
kam  mit  20  Gr.  Strafe  sehr  glimpflich  davon,  ,,dieweil  die 
Herrn  angesehen  sein  Armut  und  dobei  bleiben  lassen".  Auf 
das  Schlagen  beinschrotiger,  d.  h.  die  Knochen  verletzender 
Wunden  stand  anderwärts  (z.  B.  in  Chemnitz)^)  die  Acht:  die 
Frevler  muften  einen  Eid  schwören,  auf  etliche  Jahre  die  Stadt 
zu  meiden.  Nach  „des  Voits  Gerichtsgefällen"  1542/43  zahlt 
einer,  ,, wiewohl  ers  verneint",  geschlagen  zu  haben,  die  von 
ihm  verlangte  halbe  Bufse  (4  Gr.)  mit  der  Begründung,  ,,er 
wolle  ,die'  Gewissen  frei  haben".  ,,Das"  Armut  wirkte  sehr 
häufior  strafmindernd;  nicht  selten  werden  die  Bufsen  auch 
ermäfsigt  ,,auf  hochhch",  flehlich,"  ,,fleifsig  Bitten,"  ,,aus  be- 
wegenden Ursachen,"  ,,aus  Gunst  des  Rats,"  ,,auf  Fürbitt 
seiner  Freundschaft".  Einer,  der  (1527)  mit  dabei  gewesen, 
als  dem  Pfarrherrn  sind  die  Fenster  ausgeschlagen  worden, 
zahlte  —  statt  3  guter  Schock  30  Gr.,  faciunt  10  fl.  —  blofs 
I  Schock  ,,aus  Fürbitt  des  Ritters  Wolf  von  Weifsenbach". 
Über  den  gewalttätigen  Geist  der  Menschen  jener  gärenden 
Zeit  wird  auch  anderwärts  geklagt,  ,,Der  Maultaschen  Rauschen 
ist  sehr  ein  gemein  Spiel  in  Bierhäusern",  bezeugt  Luthers 
Freund,  der  Joachimsthaler  Pfarrer  Johannes  Mathesius.  Die 
Pirnaer  Stadtrechnungen  enthalten  im  letzten  Jahrzehnt  des 
16.  Jahrhunderts  ein  besonderes  Einnahmekapitel:   ,,Von  Maul- 


>)  P.  Ulile  im  Verwaltungsbericht  der  Fabrik-  und  Handelsstadt 
Chemnitz  1896,  Sonderabdruck  S.  2. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  63 

schellen".  Die  Aufzeichnung-  von  Maulschellen,  Maultaschen, 
Maulbremen  (Breme  =  Bremse),  Schlagen  ,,vors  Maul",  „nachm 
Maule",  ,,ins  Maul"  füllt  in  der  Kammerrechnung  von  Pirna 
im  Jahre  1593  94  4\'o  Folioseiten.  Auch  in  Zwickau  haben 
sie  oftmals  ,, einander  in  die  Mäuler  geschlagen". 

Die  Unmäfsigkeit  im  Trinken  erzeugte  noch  manche  andere 
,,Freidigkeit  und  Unzucht",  vornehmlich  ,, Lehrknechte", ,, Knap- 
pen" werden  genannt,  die  ,,sich  wider  des  Rats  Verbot  voll", 
,, überaus  trunken  getrunken  und  ungebührlich,  unbescheiden 
gehalten".  Ein  Tuchknappe  mufs  ,,3  Gr.  geben  zur  Strafe, 
dafs  er  voll  gewesen  und  mit  Speien  sich  ärgerlich  bezeiget". 
Grober  Unfug  und  ruhestörender  Lärm  wurden,  meist  infolge 
davon,  dafs  ,,man  zum  ,pir'  zu  lang  gesessen  ist",  viel  ver- 
übt: IG  Gr.  und  mehr  zahlen  diejenigen,  die  ,,zu  Nacht  auf 
der  Gassen  Zeter  ,geschrieren'  und  sich  unnütz  gemacht  gegen 
den  Gerichtsknechten",  40  Gr.  mehrere,  die  „wider  des  Rats 
Verbot  bis  zu  i  hora  gesessen  und  Unruhe  auf  der  Gassen 
angericht  haben".  Oft  wurde  ,,zu  Nacht  geguchtzt  und  ge- 
schrieren,  dafs  die  nachparn  seint  zugeloffen".  Auch  Schlitten- 
fahren um  Mittemacht  ward  dann  und  wann  gebüfst.  Eine 
regelmäfsig  wiederkehrende  Strafe  (5,  10  Gr.)  ist  die  für  „Ant- 
worten eines  unrechten  Zeichens  am  Tor".  Zahlreich  sind 
auch  in  Zwickau  Strafen  für  ,, Verdrehen  im  Tanze",  oft  mit 
der  Beifügung  „auf  der  Gassen"  (3,  5  Gr.).  Mancherlei  Un- 
gebühr geschah  auf  Hochzeiten:  nach  der  K.-R.  1531/32 
wurden  neun  Mann  mit  15,  bez.  21  Gr.  bestraft,  dafs  sie  sich 
auf  der  Hochzeit  mit  Pritzschen  unzüchtig  gehalten  haben, 
mit  10  Gr.  einer,  dafs  er  unter  dem  Predigtamt,  als  man  das 
gemein  Gebet  in  der  Kirchen  gehalten,  mit  andern  Hochzeit- 
gesellen auf  dem  Markte  getanzt,  ist  eine  Nacht  darzu  im 
Torm  gelegen.  Eine  recht  stürmische  Hochzeitsfeier  war  die 
in  der  K.-R.  1531/32  erwähnte,  bei  welcher  der  als  Gelehrter 
wie  als  Arzt  gleich  berühmte  Stadtphysikus  Dr.  Johann  Hainpol 
(Janus  Cornarius,  geb.  1500  zu  Zwickau,  gest.  1558  als  Uni- 
versitätsprofessor zu  Jena)  von  seinem  Bruder  Wolf  beleidigt 
wurde.  „Darum,  dafs  Wolf  Hainpol  in  einer  öffentlichen  ehr- 
lichen Hochzeit  sich  gegen  seinen  Bruder  Dr.  Johann  Hainpol 
mit  Schmäh  Worten  und  sonsten  auch  mit  unrichtiger  Tat 
vielen  Bürgern  zum  Ärgernis  vergriffen",  wurde  er  mit 
I  Schock  45  Gr.  ^  5  fl.  bestraft,  ,,über  das,  dafs  er  auch  an 
seinem  Leibe  mit  Gefängnis  etliche  Tage  gestraft  ist  worden". 
Der  nächstfolgende  Eintrag  lautet:  ,,30  Gr.  Adam  Sieber, 
darum  dafs  er  Wolfen  Hainpol  mit  einem  Leuchter  auf  seiner 
Hochzeit   unter   das  Angesicht   geworfen  und  sich  am  Tanze 


64  Reinhold  Holmann: 

verdrehet  und  als  er  von  den  Dienern  des  Rats  angegriffen, 
hat  er  einen  mit  der  Faust  ins  Angesicht  geschlagen". 

Überaus  häufig  sind  Strafen  wegen  Spiels,  ,,Spielbufsen," 
und  sie  sind  im  Vergleich  zu  anderen  meistens  auffallend  hoch ; 
so  heifst  es  1531/32:  ,,3  Schock  dedit  Peter  Mittenzwei,  hat 
widder  des  Rats  Ordnung  auf  dem  Rathaus  mit  einem  Korn- 
bauer arm  mach  reich  gespielt  und  ganze  Guldengroschen  in 
die  Schanz  geschlagen".  Gleich  darauf  folgen  wegen  der- 
selben Sache  Hans  Balbierer  mit  3^/2  fl.,  der  Hälfte  der  vor- 
genannten Strafe,  und  Hans  Gefska  i  fl.,  ,,aber  5  Tage  darzu 
im  Gehorsam  sitzen  müssen".  ,,Dieweil  (1532/33)  Franz  Fabian 
die  Bufs  (i  Schock  45  Gr.)  nit  zu  geben  gehabt,  ist  er  in  einem 
Torm  5  Tage  und  5  Nacht  darumb  gestraft  worden".  Nach 
derselben  Jahresrechnung  zahlt  Wenzel  Gram  ,, darum,  dafs  er 
als  ein  armer  Gesell  dem  Spiel  nachgegangen  und  ,ein  rogk' 
verspielt  hat",  blofs  9  Gr.  1524/25  büfst  ein  Meister,  der  am 
guten  Freitag  (Karfreitag)  ,,fur  dem  Ampt  umb  gebrannten 
Wein  gespielt",  mit  5  Gr.,  ,,sein  Geselle  soll  eine  Nacht  um 
dieser  Sachen  in  einem  Torm  sitzen". 

Für  Zwickau  charakteristisch  scheint  eine  Übertretung 
gewesen  zu  sein,  die  in  den  Rechnungen  unter  der  Bezeich- 
nung: „Vom  Ausgiefsen"  oder  ,,dafs  er  (bei  Nacht)  ausgegossen" 
gebucht  ist.  Wir  haben  wohl  darunter  eine  Verunreinigung 
der  die  Stadt  durchfliefsenden  Bächlein  mit  unstatthaften  Flüssig- 
keiten zu  verstehen.  1531/32  sind  gegen  30  Personen  mit  je 
5  Groschen  wegen  Ausgiefsens  bestraft  worden. 

Regelmäfsig  als  Einnahmequelle  aufgezeichnet  sind  die 
von  den  Viermeistern  des  Handwerks  überantworteten  ,,Becken- 
bufsen":  1524/25  sind  27  Bäcker  bestraft  worden,  die  durch- 
schnittliche Strafe  für  den  einzelnen  Übertretungsfall  betrug 
5  Gr.,  die  Bäckerbufsen  1530/31  füllen  i\/^  Folioseiten;  es  sind 
in  diesem  Jahre  7  Schock  25  Gr.  ,, gefallen".  Ebenso  ist  ver- 
zeichnet, was  die  Fleischer  ,, überantwortet  von  (fynnichten) 
Fleischbufsen  dies  Jahr".  Wer  sich  gröbere  Vergehungen  zu 
Schulden  kommen  liefs,  wurde  nicht  von  der  Innung  selbst 
abgestraft,  sondern  verfiel  dem  Stadtrichter  (Vogtgericht).  Da 
zahlt  einer  10  Gr.,  dafs  ,,er  unrein  und  ,pfinnicht'  Fleisch  ohne 
Zeichen  verkauft  hat",  20  Gr.  die  Wolf  Grofsin,  hat  den  Vier- 
meistern ,,ubell  nachgeschultenn",  als  sie  ihr  Kuhfleisch  nicht 
,,pankwirdigk  irkant  haben".  Zwei  Fleischer  werden  um 
I  Schock  gestraft,  weil  sie  ,, wider  des  Rats  Gebot  über  die 
gewohnlich  Anzahl  Schaf  anher  getrieben".  Einer  hat  ,,eine 
Maid  genotiget ,  zum  Kalbfleisch  den  Kopf  zuzunehmen" 
(5  Gr.).     Ein    andrer    mufs    3  Schock   Bufse    geben,    dafs    er 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  65 

Rinderblut  „in  die  Schweifs-  und  finnicht  Fleisch  in  die  Brat- 
würste gefüllet,  item  die  Klauen  an  den  Schweinen  Füfsen 
den  Leuten  mit  ,hinwegk  gewegen'  hat".  Sehr  viele  Gewerb- 
treibende,  darunter  auch  Auswärtige,  \\urden  ,,mit  unrechtem 
Gewicht  befunden"  oder  ,,die  Wagen  waren  in  den  Schalen 
ungleich".  Die  Strafen  sind  auch  hier  sehr  verschieden:  10, 
II,  14,  15  Gr.,  häufiger  40  Gr.  Diese  Summe  mufs  Lorenz 
von  Dresden  zahlen,  weil  er  ein  Pfund  eins  Lot  zu  klein  ge- 
habt; ein  Fischführer  von  ,,Kempnitz"  wird  wegen  unrechten 
Gewichts  mit  5  fl.  bestraft.  ,,Ein  gut  Schock  dedit  Andreas 
Haueisen  zur  Strafe  darum,  dafs  sein  Weib  mit  einem  Kraut- 
mafs,  welches  sie  mit  Teig  halb  ausgefüllet,  betruglich  und 
vorteilhaftig  gehandelt  und  auf  dem  Markte  damit  begriffen." 

Wegen  Tierquälerei  wurde  1544/45  der  hinkende  Kefs- 
korb  bestraft;  er  mufste  4  Gr,  zahlen,  ,,dafs  er  ein  Pferd  über 
Nacht  hat  stehen  lassen". 

Öfters  begegnen  uns  in  den  Rechnungen  Bufsen  wegen 
Ehebruchs.  Dieser  wurde  sonst  (1484,  15 19)  mit  Staupen- 
schlag geahndet.  1541  wurden  drei  Bürgerwegen  Ehebruchs 
gefangen  gesetzt  und  später  unter  dem  Geläut  der  Armen - 
sünderglocke  an  den  Pranger  gestellt  und  auf  15  Jahre  aus 
der  Stadt  verwiesen^).  1533  mufste  Simon,  der  Wirt  von 
Stangengrün,  ,,von  wegen  Ehebruchs,  dieweil  er  die  Frau 
nicht  gemieden  und  (trotz  seiner  früheren  gefänglichen  Ein- 
ziehung) forder  mit  ihr  gesündiget,  30  fl.  zahlen  und  der  Ge- 
richte verweiset,  darinne  (d.  h.  in  dem  Ratsdorfe  Stangengrün) 
nicht  mehr  zu  wohnen".  Nicht  selten  begnügte  sich  das  Ge- 
richt mit  Geldstrafen.  In  der  K.-R.  152930  ist  eine  ,, heim- 
liche Bufse  eines  Ehebruchs  halben"  in  der  Höhe  von  7  Schock 
verzeichnet.  ,, Dieweil  derselbige  heimlich  begangen  und  ohne 
Ärgernis  der  Gemein,  [ist  es|  vertragen  [worden  |,  hat  der  Rat 
solches  auch  in  Ansehung  allerlei  Ursachen  und  Umständen 
heimlich  gestraffet  und  bei  solcher  geringen  Strafe  bleiben 
lassen".  Einmal  (K.-R.  1524/25)  wurde  ,, ein  armer  Ehebrecher, 
welcher  des  Geldes  nit  vermocht,  mit  seiner  Arbeit  uf  Ver- 
legung eines  halben  Wochenlohns  an  die  Bauherrn  uffn  Sommer 
hinauswarts  geweist",  er  mufste  also  die  Strafe  —  2  Schock 
waren  ,,angeweist"  —  im  Dienste  der  Stadt  abarbeiten.  ,,Ist 
durch  flehlich  Bitten  seines  W^eibs  und  Ansehung  seiner  kleinen 
Kinder  hierbei  gelassen"  -). 


')  Herzogs  Chronik  II,  255. 

*)  Einige  Gerichtsstrafen  aus  dem  Amte  Zwickau  —  wegen 
Körperverletzung,  Beleidigung,  Fluchens  —  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts  s.  in  dieser  Ztschr.  XX,  81  f. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     l. 


66  Reinhold  Hofmann: 

Bei  der  Feuergefährlichkeit  der  alten  Städte  war  ein 
wichtiger  Zweig  der  Tätigkeit  des  Rates  die  Feuerpolizei. 
Ein  grofser  Scheunenbrand  veranlafste  im  Jahre  1530  die  Aus- 
fertigung einer  neuen  Feuerordnung.  Nach  dieser  sollte  jeder, 
bei  welchem  Feuer  auskam,  wenn  es  ,, beläutet  und  beschrien" 
(durch  Feuerruf  gemeldet)  wurde,  5  gute  Schock  Strafe  zahlen. 
Alle  Brauberechtigten  müssen  mit  messingnen  Handspritzen 
versehen  sein;  Tore,  Pforten  und  Schläge  sind  sofort  zu 
sperren;  die  Büchsenschützen  haben  Stadtmauern  und  Tore  zu 
besetzen,  anderen  Handwerken  ist  ebenfalls  ihre  Stelle  ange- 
wiesen; die  24  Leuchtpfannen  sind  anzuzünden;  die  Gerichts- 
knechte, Zirkler  und  Bierschröter  sollen  sich  vorm  Rathause 
und  die  berittenen  Bürger  vor  dem  Marstalle  versammeln; 
die  Schuster  haben  die  Feuereimer  vom  Rathause  herbei- 
zuschaffen; die  beiden  Marktmeister,  denen  nebst  dem  Röhr- 
meister das  öffentliche  Feuergerät  untersteht,  haben  nebst  den 
Badern  das  Wasser  in  den  Strafsenbächen  einzudämmen;  Feuer- 
diebe werden  gehenkt^).  In  den  Rechnungen  werden  Brände 
öfters  erwähnt:  Hausbesitzer,  bei  denen  das  ausgebrochene 
Feuer  „beschrieren,  aber  nicht  belaut"  worden  \\'ar,  bestraft 
man  milder,  falls  ,,kein  Schaden  getan  wurde".  1525  liefs  es 
der  Rat  bei  einem  Essenbrand,  obgleich  das  Feuer  beläutet 
war,  ,,auf  fleifsig  Bitten  bei  einem  Schock  bewenden,  dieweil 
die  Esse  steinen  [und  der  Brand]  nit  sorglich  gewesen".  Feuer- 
eimer wurden  nach  Ausweis  der  Rechnungen  öfters  geflickt 
oder  neue  angeschafft:  so  1524/25  2  Schock  27  lederne  Eimer, 
die  samt  dem  Trankgelde  13  Schock  28  Gr.  kosteten.  Geld- 
vmd  Bierspenden  für  die  herbeigeeilten  Helfer  werden  öfters 
gebucht:  so  bekamen  1532,  als  eine  Feuersbrunst  vier  Häuser 
in  der  Töpfergasse  in  Asche  gelegt  hatte,  ,,die  Knechte  im 
Marstall  20  Gr.  zu  vertrinken,  dafs  sie  die  erste  und  andere 
Fuhre  getan,  5  Gr.  einer,  hat  die  dritte  Wasserbütte  zum 
Feuer  bracht,  und  weiter  ist  verrechnet  i  gut  Schock  ö'/g  Gr. 
für  ein  Fafs  Bier  zwickisch,  damit  der  Rat  die  Handwerks- 
leute, so  ,zum  Feuersnötten'  fleifsig  gewehret,  vorehret  hat''. 

Ich  bin  mit  meinen  Mitteilungen  zur  Kultur-  und  Ver- 
fassungsgeschichte der  Stadt  Zwickau,  die  fast  durchweg  auf  dem 
Inhalt  und  Wortlaut  der  Kämmerei- Rechnung-en  aus  der  ersten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  gegründet  sind,  zu  Ende.  Auch 
andere  als  die  in  den  vorstehenden  ,, Bildern"  berührten  Ge- 
biete des  städtischen  Lebens  werden  durch  sie  in  willkommener 
Weise  aufgehellt,  z.  B.  die  Kirchen-  und  Schulgeschichte,  Handel 


')  Herzogs  Chronik  II,  220  f. 


Eine  sächs.  Stadt  im  Reformationszeitalter.  67 

und  Gewerbe,  Bauwesen,  Armen-  und  Krankenpflege  etc. 
Sprachgeschichtlich  sind  die  Stadtrechnungen  insofern  be- 
sonders lehrreich,  als  uns  in  ihren  naiven  Einträgen  die  ge- 
sprochene Sprache  des  Volkes  viel  reiner  entgegentritt,  als  in  den 
erstarrten  Formeln  des  Kanzleistils  der  eigentlichen  Urkunden 
Mit  herzerfrischender  Unmittelbarkeit  klingen  uns  die  im  Augen- 
blick geborenen  Aufzeichnungen  der  Kämmerer  aus  der  Jugend- 
zeit des  deutschen  Städtewesens  entgegen.  Wie  eine  grofse, 
freilich  oft  recht  streitbare  Familie  lebten  die  Stadtbewohner 
in  ihrem  engen  Mauerring  zusammen;  jeder  nahm  an  den 
Schicksalen  der  Mitbürger,  deren  geringe  Zahl  er  überschauen 
konnte  und  die  ihm  darum  zum  gröfsten  Teile  von  Angesicht 
bekannt  waren,  persönlichen  Anteil,  Mensch  und  Tier  in  der 
lieben  Vaterstadt  waren  ihm  vertraut.  Wie  gemütlich-treu- 
herzig spricht  der  Kämmerer  von  der  Wehefrau  ,,Anna,  die 
den  Pflster  hat",  von  dem  jedem  in  der  Bürgerschaft  be- 
kannten ,, Boten  mit  der  einen  Hand",  von  ,, Gregor,  dem 
alten  Mönche".  Auch  die  Tiere  des  städtischen  Marstalls  kennt 
er  alle:  den  ,,grofsen  Braunen",  das  ,, graue  Pferdlein,  so  Hansen 
Forsters  gewesen",  das  ,, kleine  Mutzlein",  den  ,, braunen 
Gaul  mit  zweien  weifsen  Füfsen,  ist  ein  friesischer  Gaul", 
den  er  selbst  für  den  Rat  um  den  ungewöhnlich  hohen  Preis 
von  16  Schock  Groschen  gekauft  hat.  Überall  spüren  wir 
den  inneren  Anteil  des  Rechnunorsschreibers  an  dem  Gedeihen 
jedes  Zweiges  der  städtischen  Verwaltung,  so,  wenn  er  in  der 
Kämmerei-Rechnung  des  Jahres  152425  statt  der  aus  der  Ziegel- 
hütte erhoff'ten  Einnahme  mit  offenbarem  Widerstreben,  aber 
doch  mit  hoffnungsvollem  Ausblick  schreibt:  ,,Ist  dies  Jahr 
nichts  gewonnen,  sondern  verloren.  Soll  auf  das  künftige  Jahr 
mehr  Nutzung  bringen".  In  jedem  Falle,  so  hoffe  ich  in  dem 
vorstehenden  Versuche  dargetan  zu  haben,  bilden  die  städtischen 
Rechnungen  eine  der  wichtigsten  Fundgruben  für  die  ältere 
Geschichte  der  Stadt  Zwickau  und  berichtigen  oder  ergänzen 
aufs  dankenswerteste  unsere  heimischen  Chroniken,  deren 
Nachrichten  wir  ja  so  oft,  da  sie  ihre  Quellen  nur  in  den 
seltensten  Fällen  nennen,  mit  dem  beklemmenden  Gefühle  der 
Unsicherheit  auf  Treu  und  Glauben  hinnehmen  müssen.  Ins- 
besondere auf  den  weiten,  noch  so  wenig  erschlossenen  Ge- 
bieten der  Volkskunde  versprechen  die  Zwickauer  Kämmerei- 
Rechnungen  dem  fleifsigen  Forscher  reiche  Ausbeute. 


5* 


III. 
Sechs  Humelius  -  Briefe. 

Von 
Hans    Beschorner. 


Der  Diplomat  Ludwig  Camerarius  (1573 — 1651),  erst 
Kanzler  des  Kurfürsten  Friedrich  V.  von  der  Pfalz  und  nach 
dem  unglücklichen  Ausgange  der  Schlacht  bei  Prag  in  schwe- 
dischen Diensten,  war  eifriger  Autographensammler.  Überall 
in  Deutschland  fahndete  er  mit  seinem  Sohne  Joachim  IV. 
Camerarius  nach  Aufzeichnungen  berühmter  Männer  des  i6.Jahr- 
hunderts  und  brachte  so  eine  bedeutende  Sammlung  zu  stände. 
Diese  bildet,  mit  einem  Teile  der  Briefschaften  Joachims  I. 
und  II.  Camerarius,  sowie  der  politischen  Korrespondenz  des 
Ludwig  Camerarius  und  seines  Sohnes  Joachim  vereinigt,  die 
berühmte,  leider  im  Laufe  der  Zeit  sehr  verminderte  CoUectio 
Cameriana^)  in  der  Münchner  Hof-  und  Staatsbibliothek.  Im 
iS.Bande  derselben  befinden  sich  auch,  wie  mir  Herr  Dr.  Hantzsch 
in  Dresden  freundlicherweise  mitteilte,  sechs  Briefe  von  Humelius, 
die  nach  der  dem  ersten  Briefe  {=  Nr.  5)  beigefügten,  wohl  von 
Ludwig  Camerarius  herrührenden  Notiz  ,,ManusJoannis  Homelii, 
celeberrimi  Mathematici  et  Matheseos  Professoris  in  Acad.  Lip- 
siae,  Joach.  Camerarii  generi,"  aus  des  Humelius  eigener  Feder 
stammen.  Leider  haben  alle  sechs  weder  Datum  noch  Adresse. 
Ersteres  ist  nicht  weiter  von  Belang,  da  sich,  abgesehen  von 


^)  Vgl.  K.  Halm,  Über  die  handschriftliche  Sammlung  der 
Camerarii  und  ihre  Schicksale,  in  den  Sitzungsberichten  der  pnilos.- 
philolog.  Klasse  der  Münchner  Akademie  der  Wissenschaften  1873 
II.  Den  gesamten  Inhalt  der  Sammlung  hat  Halm  verzeichnet  in 
dem  Catalogus  codicum  latinorum  bibliothecae  regiae  Monacensis 
unter  Clm.  10 351  — 10428.  (Beide  Arbeiten  auch  besonders  erschienen 
München  1873  bez.  1874.) 


Sechs  Humelius- Briefe.  69 

dem  letzten  Brieffragment,  die  Abfassungszeit  aus  dem  Inhalte 
ziemlich  genau  ergibt.  Dagegen  bleiben  wir  hinsichtlich  der 
Adressaten  fast  ganz  im  Unklaren.  Nur  der  zweite  Brief  ist 
bestimmt  an  Lazarus  Schwendi  gerichtet.  Im  übrigen  läfst 
sich  lediglich  so  viel  sagen,  dafs  die  Empfänger  weder  in 
Leipzig  noch  in  Wittenberg,  sondern  höchstwahrscheinlich  in 
Süddeutschland,  vielleicht  sogar  teilweise  in  Memmingen,  der 
Geburtsstadt  des  Humelius,  zu  suchen  sind. 

Die  beiden  Hoffnungen,  die  in  dieser  Zeitschrift  XXII I, 
S.  299  Anm.  12  und  S.  312,  313  mit  Anm.  62,  auf  eigenhändige 
Schriftstücke  des  Humelius  gesetzt  wurden,  erfüllen  diese  Briefe 
leider  nicht.  Da  sie  nämlich  keine  Unterschrift  tragen,  bleibt 
auch  jetzt  noch  die  Frage  ungelöst,  wie  Humelius  selbst  seinen 
Namen  schrieb.  Aber  auch  darüber  erhalten  wir  noch  keine 
volle  Gewifsheit,  dafs  die  sogenannten  Humelius  -  Risse  im 
Dresdner  Hauptstaatsarchiv  tatsächlich  von  Humelius  stammen. 
Die  hier  mitgeteilten  Briefe  zeigen  nämlich  eine  sehr  kleine, 
ausgeschriebene,  schwer  zu  entziffernde  Hand.  Dagegen  sind 
die  Schriftzüge  auf  den  genannten  Karten  ganz  anderen  Cha- 
rakters, sehr  gleichmäfsig,  deutlich  und  schön.  Gerade  weil 
aber  die  Schrift  der  Risse  so  kunstgerecht  ist,  gerade  deshalb 
möchte  ich  an  der  schon  früher  (in  Anm.  62)  ausgesprochenen 
Ansicht  festhalten,  dafs  sich  Humelius  zur  Eintragung  der  Namen 
eines  besonderen  Schreibers  bediente.  Nicht  zur  Zeichnung  der 
Karten!  Diese  rühren  vielmehr  wohl  von  ihm  selbst  her. 
Einen  nicht  mifszuverstehenden  Hinweis  bietet,  wenn  mich 
nicht  alles  täuscht,  einer  der  vorliegenden  Briefe.  Auf  Nr.  146 
sind  nämlich  oben  Farbenproben  zu  sehen,  die  mit  der  Färbung 
des  Risses  Nr.  11  (vgl.  XXIII,  316  f.)  völlig  übereinstimmen. 
Dasselbe  kreidige,  helle  Grünblau  findet  sich  hier  wie  dort. 
Sollte  das  nur  ein  Zufall  sein? 

Mehr  läfst  sich  freiUch  für  die  Geschichte  der  sächsischen 
Kartographie  aus  den  Briefen  nicht  entnehmen,  wohl  aber  für 
die  Person  des  Humelius  selbst.  Lebensvoll  tritt  uns  aus  ihnen, 
wenn  war  uns  in  sie  versenken,  die  Gestalt  des  emsigen  Ge- 
lehrten entgegen,  der  als  erster  sächsischer  Kartograph  weiter- 
gehendes Interesse  auf  jeden  Fall  beanspruchen  darf.  Ein  kränk- 
licher Mann,  dem  sein  Herz-  oder  Magenleiden  {y.'xphioi.aio'.)  viel 
zu  schaffen  macht,  lebt  er  ein  trauliches  Familienleben  mit 
seiner  Frau,  die  ihm  zwei,  freilich  nur  wenig  lebenskräftige 
Töchter  schenkte  (die  zweite  1561).  Dem  Umgange  mit  seinem 
Schwiegervater  Camerarius  verdankt  er  viel  geistige  Anregung, 
namentlich  auf  humanistischem  Gebiete.  Als  Leuchte  seiner 
Wissenschaft  und  eifriger  Humanist,  der  ebenso  in  den  grie- 


■7  0  Hans  Beschorner: 

chischen  wie  in  den  römischen  Klassikern  Bescheid  weifs,  steht 
er  bei  seinem  fürstlichen  Herrn  in  hohem  Ansehen,  der  ihm 
u.  a.   persönlich   bei   Gelegenheit   ein   Geschenk   in   der   Aula 
überreicht.  Von  berühmten  Leuten,  die  durch  Leipzig  kommen, 
wird  Humelius  viel  aufgesucht  und  es  freut  ihn,  wenn  er  diesen 
einen  Dienst  erweisen  kann.     Ebenso  sieht  er  es  von  Herzen 
gern,    wenn  alte,    liebe    Bekannte,    wie   der   biedere   Lazarus 
Schwendi   oder   sonst   ein   Landsmann,    bei   ihm   vorsprechen. 
Dann   wird    ein    Fäfschen   Zerbster    oder   Wurzner   Bier,   das 
er  immer  im  Keller  liegen  hat'),  angestochen,  vielleicht  auch 
ein   Fläschchen   selbstabgezogenen  Weines   hervorgeholt    und 
über  Wissenschaft  oder  über  die  schwäbische  Heimat  geplaudert, 
an   der   sein  Herz  mit  allen  Fasern  hängt.     Auch  die  Politik 
bildet   häufig   den  Gesprächsstoff;   denn  Humelius   ist  keines- 
wegs ein  trockener  Gelehrter,  den  nur  seine  mathematischen 
und  physikalischen  Probleme  beschäftigen.     Er  verfolgt  auch 
aufmerksam,   was  draufsen  vorgeht,  und  sieht  mit  Besorgnis, 
dafs   sich   nicht   blofs  in  Frankreich,    sondern  auch  in  seinem 
lieben  Deutschland  schwere  Gewitterwolken  zusammenziehen. 
Die  gröfsten  Sorgen  bereiten  ihm  die  religiösen  Wirren  seiner 
Zeit.     Ehemals  selbst  Geistlicher  (vgl.  XXUI,  300  f.),   verfolgt 
er   die   einzelnen,   mit   aller  Heftigkeit   diskutierten  Probleme 
der  Ubiquität  und  wie  sie  sonst  heifsen,  mit  lebhaftem  Interesse. 
Die  Hauptschriften  eines  Calvin,  Beza,  Brenz  und  Hesshusen 
liest    er.     Aber    die    gehässigen    Streitereien    der    Theologen, 
„die    sich   gegenseitig    zerfleischen    und   nicht   wie    von   Gott 
Erleuchtete,    sondern  wie  Rasende  benehmen",  und  die  dog- 
matischen Haarspaltereien  sind  ihm  zuwider.     Ob  Christus  im 
Abendmahle   realiter,    substantialiter,    corporaliter    oder  spiri- 
tualiter    zugegen    gedacht  werde,    ist  ihm  ganz  gleich,  wenn 
man  nur  überhaupt  an  seine  Gegenwart  glaube,  wie  es  einzig 
und  allein  die  Bibel  verlange.    Allen  derartigen  Streitigkeiten, 
die    die  Kirche    in   ihren  Grundfesten   erschüttern,    sollte   der 
Staat   ein   Ende   machen.     Überhaupt   ist   die   reformatorische 
Bewegung  nach   seiner  Meinung  viel   zu  weit   gegangen.     In 
der    alten   Kirche   war   viel   zu   bessern.     Das   gibt   er  unum- 
wunden  zu.     Im   wesentlichen    hätte    man   aber   doch   an   ihr 


^)  Am  14.  März  1555  hatte  Kurfürst  August  seinem  „lieben  ge- 
treuen Magistro  Johan  Humelio  aus  bewegenden  ursaclien  und  be- 
sondren gnaden  vergönnet  und  bewilligt,  das  er  nun  hinfuro  jerlich 
.  .  .  für  sein  hausshaltung  sechs  fass  frembdes  biers  und  ein  fass  wein 
einlegen  und  für  sich  und  sein  haussgesinde  austrinken  möge",  un- 
beschadet der  dem  Rate  der  Stadt  Leipzig  allein  zustehenden  Be- 
fugnis (vgl  Cop.  260  fol.  467). 


Sechs  Humelius- Briefe. 


71 


festhalten  sollen.  Äufserlich  Lutheraner,  ist  er  so  in  seinem 
Innern  bis  zu  einem  gewissen  Grade  doch  eigentlich  noch 
Katholik.  Der  erfrischende,  belebende  Hauch  der  Reformation, 
der  den  Menschen  frei  und  selbständig  macht,  hat  ihn  nur 
gestreift.  Mit  seinem  Fühlen  und  Denken  wurzelt  er  noch 
vielfach  im  Mittelalter.  Wie  den  Scholastikern  ist  auch  ihm 
noch  Aristoteles  aller  Weifsheit  Schlufs.  Holt  er  sich  doch 
bei  diesem  noch  Rat  über  das  Wesen  der  Person  Christi! 

Sind  so  die  Briefe  eine  wichtige  Quelle  für  die  Erkenntnis 
des  Gelehrten  und  Menschen  Humelius,  so  führen  sie  anderer- 
seits auch  trefflich  in  die  aufgeregte,  von  dem  theologischen 
Gezänk  beherrschte  Zeit  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
ein  und  bieten  manche  wichtige  Einzelheiten  über  hervor- 
ragende  Männer  dieser  Epoche,  wie  Lazarus  Schwendi,  Hubert 
Lanaruet  u.  a.  Ihre  Wiedergabe  in  vollem  Wortlaute  dürfte 
sich  also  wohl  von  selbst  rechtfertigen. 

/.   An  einen  ungenannten  Empfänger '). 

Coli.   C(i7n.  XVI,  Nr.l46.  Ende  Februar  1559 -). 

Binas  a  te  accepi  literas.  Prioribus  te  Viteberge  fuisse  et  mira- 
biles  audivisse  concertationes  scribis.  Quod  non  est  mirum.  Quem 
enim  tot  et  tarn  graves  calumnie  delectarent?  Et  historie  atque 
narrationis  veritas  a  multis  piis  et  bonis  in  quibusdam  negatur"). 
Sed  de  bis  alias. 

1)  Über  die  Person  des  Empfängers  läfst  sich  aus  dem  Briefe 
nur  so  viel  entnehmen,  dafs  er  nicht  in  Wittenberg  lebte  und  ein  an- 
gesehener Theologe  oder  wenigstens  in  theologischen  Dingen  bewan- 
derter Humanist  war,  der  dem  Kurfürsten  August  ein  Gutachten  über 
das  Konfutationsbuch  (s.  S.  72  Anm.  6)  einreichte.  Nach  R.  Calinich, 
Der  Naumburger  Fürstentag  1561  (Gotha  1870)  S.  12 — 19,  verfafsten 
der  Wittenberger  Professor  G.  Major  und  die  Leipziger  Professoren 
A.  Alesius,  J.  Camerarius  und  Nicolaus  Selneccer  Gegen- 
schriften gegen  das  Weimarer  Buch.  Von  diesen  war  schwerlich 
einer  der  Empfänger  unseres  Briefes;  denn  der  Inhalt  ihrer  Entgeg- 
nungen scheint  sich  nicht  mit  dem  Inhalte  der  von  Humeüus  gemeinten 
zu  decken.  \'gl.  auch  die  Bemerkung  über  den  Empfänger  des  dritten 
Briefes  S.  76  Anm.  1. 

-)  Aus  dem  Inhalte  des  zweiten  Teiles  dieses  Briefes  geht  hervor, 
dafs  Kurfürst  August  dem  Herzoge  Johann  Friedrich  noch  nicht  auf 
das  Konfutationsbuch  geantwortet  hat.  Die  Entgegnungsschrift  aber, 
von  Melanchthon  vertatst,  stammt  vom  3.  März  1559;  vgl.  W.  Preger, 
M.  Flacius  lUyricus  und  seine  Zeit  (Erlangen  1859  —  61 )  II,  79f.  Aulser- 
dem  erfolgte  der  am  Ende  des  Briefes  als  eben  eingetreten  bezeich- 
nete Tod  von  Carlowitzens  erster  Gemahlin  vor  dem  i.  März  [1559]; 
vgl.  S.  73  Anm.  i. 

^)  Gemeint  sind  die  theologischen  Streitigkeiten  um  die  Recht- 
fertigung, die  Notwendigkeit  guter  Werke,  das  Abendmahl  und  die 
Mitteldinge,  in  deren  Mittelpunkte  namentlich  Melanchthon  und  Flacius 
lllvricus  standen. 


„2  Hans  Beschorner: 

Dominus  Sigisniundus  Pucheri)  ad  me  non  venit.    Alioquin  ea, 
qua  decebat,  ipsum  humanitate  et  benevolentia  fuissem  complexus. 

In  Scaligero-)  medicamentum  hoc  inveni,  antequam  responderes. 
In  quo  multa  atque  multum  lego  et  placent  pleraque,  sed  m  quibus- 
dam  non  satisfacit,  sepe  obscurus  nimmm,  sepe  suigulans.    De  visione, 
quod  in  oculo  liat,   Aristot[elem]   defendit»).     Cuius    etsi    sententias 
lere  subscribere  cogor,  tarnen  vel  falsum  vel  male  a  me  intellectum 
puto,  quod  atifirmat  omnem  radium  a  quocumque  corpore  emanentem 
in  fastigium  et  mucronem  desinere  et  affert  exemplum  solis.     Hunc 
enim  propterea  tantuplum  ad  terre  quantitatem  factum  arbitratur,  ut 
radiis  conicis  totum  hemispherium  illustrare  possit.    Quod  ut  crederem, 
facile  adduci  possem,   si  prius  solis  corpus  planum  et  rotundum  vel 
discum,  ut  Greci  volunt,  non  spheram  demonstraret.     Natura  emm 
hec  est  omnium  sphericorum  corporum,  que  radios  emittunt,  ut  hos 
a  centro  per  ambitus  partes  singulas  diffundant  et  non  in  unum  punc- 
tum quasi  in  angustum  cogant,   id,   quod  ex  speculis  et  cavis  atque 
convexis  manifesto  adparet.    Nam  cava  ab  ambitu  ad  centrum  colli- 
o-unt  radios  et  convexa  a  centro  spergunt  et  diffundunt,  et  propterea 
soleni  atque  reliqua  sydera  globosa  tacta   credo,  ut   longe    lateque 
radios  in  omnem  terram  diffimdant.     Item   luna  hemispherium  terre 
non  illustrare   posset,   si,  minor  terra,  radios  soHs  non  a  centro  ad 
omnes  partes  hemispherii  sui  illustrati  reflecteret.  In  hoc  igitur  loco 
plane  hereo.     Optarim  habere  me  etiara  alia  ipsius  scripta.    Memmit 
sepe  nobilium  exercitationum  et  aliorum  liberorum,  qui  si  ad  manus 
essent,    fortasse    invenirem    etiam  ipsarum    sententiarum    commodas 
interpretationes.    Nam  ipse  initio  huius  libri  contraria  huic  sententie 
affirmare  videtur^). 

Quod'^)  de  singulis  articulis  libeUi  propositi«)  Ubere,  quid  sentias 
et  credas,  explicasti,  Mordeisio  valde  placet,  etiam  prudentie  esse 
significationeni  arbitratur  non  parvam,  quod  rationem  atque  modum 
respondendi  neque  principi  neque  aliis  praescripseris,  atque  propterea 
plus  gratie  et  ponderis  habituram  hanc  confessionem  ait.    Hoc  igitur 

»)  Über  Sigismund  Pucher,  der  nach  den  Worten  des  Briefes 
ein  angesehener  Mann  gewesen  sein  mufs,  liefs  sich  zunächst  nichts 
ermitteln.  ..  ... 

-)  Julius  Caesar  Scaliger  der  Altere,  1484—1558.  Vielleicht  meint 
Humelius  hier  dessen  Werk  „In  libros  II  Aristotelis  inscriptos  De 
Plantis",  das  1556,  also  wenige  Jahre  vor  Abfassung  des  Briefes,  in 
Paris  erschienen  war,  während  weiter  unten  bei  den  „nobiles  exer- 
citationes"  wohl  an  die  „Exotericarum  exercitationum  libri  XV"  (Paris 
1558)  zu  denken  ist. 

3)  Der  folgenden  Widerlegung  der  Ansicht  Scahgers,  dafs  alle 
von  einem  Körper,  auch  von  einer  Kugel  ausgehenden  Strahlen  in  eine 
Spitze  endigen,  also  einen  Kegel  bilden,  bemühte  sich  Humelius  einen 
möglichst  treffenden  Ausdruck  zu  geben.  Es  gelang  ihm  erst  nach  drei 
oder  vier,  immer  wieder  geänderten  und  ausgestrichenen  Versuchen. 

*)  Am  Rande  das  unverständliche  Wort  „Tina"  (=71^7;?). 

■')  Auch  die  Fassung  des  Folgenden,  womit  möglicherweise  ein 
neuer  Brief  an  einen  anderen  Empfänger  beginnt,  glückte  Humelius 
erst  nach  mehreren,  wieder  getilgten  Ansätzen. 

ß)  Das  bereits  S.  71  Anm.  i  und  2  genannte  Weimarer  Kon- 
futationsbuch,  das  Herzog  Johann  Friedrich  Ende  1558  als  neue  Lehr- 
norm zur  Beendigung  der  langjährigen  theologischen  Streitigkeiten 
vorschlug. 


Sechs  Humelius- Briefe.  73 

ut  opportune  tempore  atque  cito  princijM,  cum  prim[um]  sit,  oflFeratur, 
se  curaturum  diligenter  promittit.  Hec  ut  ad  te  perscriberem,  heri 
mandavit. 

Vinum  volo. 

Hesterno  die  scriba  Carolovitii  transiit  hie  domino  suo  nuncium 
de  uxoris  obitu  ferens').  Nachschrift  [unten  links  quer  auf  dem  Rande): 
Fortasse  igitur  de  nova  cogitabit  sponsa,  ut  suarum  divitiarum  habeat 
ex  se  heredes'-). 

2.  Antwort  auf  einen  Brief  Lazarus  ScJiwendis'-'}. 
Coli.  Cani.  XVI,  Nr.  144.  Zwischen  19.  u.  23.  April  1560^). 

Que'^)  de   conditione  Tue   P[restantie]   apud   regem    Philippura 


1)  Der  Brief,  in  dem  Camerarius  seinem  Freunde  Christoph 
V.  Carlowitz  zu  dem  Tode  seiner  ersten  Gemahhn,  Brigitte  v.  Drax- 
dorf,  kondoherte  ( Joachimi  Camerarii  epistolarum  familiarum  hbri  VI, 
Francofurti  1803,  S.  72,  73)  und  der  mit  den  Worten  beginnt:  „Et 
Htteris  suis  mens  gener  (d.  h.  HumeHus)  et  sermone  Lasanus  (das  ist 
eben  wahrscheinhch  der  scriba  Carolovitii  des  Humelius-Briefes)  mihi 
signiticarunt  migrasse  ex  hac  vita  coniugem  tuam,  honestissimam  et 
lectissimam  feminam,  decus  et  ornamentum  sexus  huius",  trägt  nur 
das  Datum  „Cal.  Martii",  aber  kein  Jahr.  Dafs  dies  aber,  wie  bereits 
A.F.  V.  Langenn,  Chr.  v.  Carlowitz  (Leipzig  18541  S.  263  vermutete, 
1559  war,  lehrt  unser  Brief;  vgl.  S.  71  Anm.  2. 

-1  Carlowitz  heiratete  auch  tatsächlich  noch  einmal,  und  zwar 
Clara  geb.  v.  Breitenbach,  Witwe  des  Oberhauptmanns  Heinrich 
V.  Gersdorf  auf  Dobrilugk.  Das  Jahr  ist  unbekannt.  Vgl.  v.  Langenn 
a.  a.  O.  S.  349  und  das  leider  nur  „prid.  Id.  Martii"  datierte  Glück- 
wunschschreiben des  Camerarius  (a.  a.  O.  S.  21).  Auch  diese  Ehe 
blieb  kinderlos.  —  Bemerkenswert  ist,  dafs  Carlowitz,  der  in  Armut 
starb,  bei  seinen  Zeitgenossen  für  reich  galt. 

2)  Am  Rande  mit  roter  Tinte,  wohl  von  der  Hand  des  Ludwig 
Camerarius:  „Jo.  Homelii  epistola,  quam  concepit  scribendam  respon- 
dendo  ad  Lazari  Suendii  ad  se  missam  epistolam  hie  appositam". 

*)  Das  Jahr  1560  ergibt  sich  ohne  weiteres  aus  dem  Datum 
des  Schwendi-Briefes  (vgl.  S.  74  Anm.  i),  die  Zeit  zwischen  19.  und 
23.  April  aber  daraus,  dafs  der  Tod  Melanchthons  am  19.  April, 
offenbar  als  Neuigkeit,  erwähnt  wird  und  dafs  HumeHus  als  Nach- 
schrift aufser  den  unverständlichen  Worten  „De  Pfestio"  die  Be- 
merkung hinzufügte :  „Me  hoc  tempore  secundum  (d.  h.  zum  zweiten 
Male)  huius  academie  rectorem  non  voluerunt".  Humelius  war,  wne 
sich  aus  den  Matrikelbänden  der  Universität  Leipzig  (vgl.  auch 
Bd.  XXIII  dieser  Ztschr.  S.  301  Anm.  18  und  S.  308)  ergibt  ,'^  in  den 
beiden  Sommersemestern  1552  und  1560  Rektor.  Für  das  Winter- 
semester 1560  scheint  er  bereits  das  zweite  Mal  dazu  auserlesen  ge- 
wesen, aber  in  der  Wahl  wohl  nicht  durchgekommen  zu  sein.  Da 
nun  die  Rektoratswahl  für  das  Sommersemester  stets  auf  den  Tag 
Georgii,  d.h.  auf  den  23.  April,  hei  (vgl.  F.  Zarncke,  Die  urkund- 
lichen (Quellen  zur  Geschichte  der  Universität  Leipzig  S.  582),  mufs 
der  Brief  vor  diesem  Termin  liegen. 

"•)  Erst  lautete  der  Anfang  des  Briefes  „Tuam  Prestantiam 
manere  apud  Philippum  gratuin  fuit  mihi". 


74 


Hans  Beschorner: 


scripsisti^),  grata  mihi  fuere;  etsi  enim  mei  respectu  te  in  Imperatoris 
aula  versari  malini,  tarnen  tue  persona  melius  et  convenientius  [trst 
honestius)  multo  esse  existimo  ex  his  locis  non  emigrare.  Tua  ibi 
virtus,  prudentia,  lides,  rebus  in  omnibus  aut  suscipiendis  aut  perfi- 
ciundis  industria  ita  cognita  et  perspecta  (erst  explorata)  est,  ut  nemo 
de  his  dubitet.  Et  quam  difficile  Sit  apud  ignotos  emergere  quanta- 
que  sepe  cum  invidia  et  odio  coniu[n]ctum,  omnes  scimus.    Etiam  alii 


■)  Der  Brief  Schwendis,  Nr.  145  desselben  16.  Bandes  der  Coli. 
Cam.,  lautet: 

Dem  ernvesten  und  wolgelarten  Magister  Hansen  Humell,  chur- 
fürstl.  [Mathemjaticern  zu  Leypzig,  meinem  lieben  und  guten  freunde. 

Ernvester  und  wolgelerter.  Mein  freundtlich  grus  und  als  liebs 
und  guts  zuvor.  Insonders  lieber  herr  Humeli,  guter  freund.  Euer 
schreiben  hab  ich  bey  zaigern  empfangen,  hör  gantz  gern,  das  es 
euch  wol  geet.  Umb  mich  stets  got  lob  auch  zimlich  wol.  Hab 
mich  bey  meim  kenig  weiter  in  dienst  eingelassen  {erst: 
müssen  einlassen)  und  auf  Ihrer  Maj.  begern  hin  in  diesem 
lande  zu  l^leiben  bewilligt;  doch  das  ich  jiederzeit  frey  stee. 
Hab  wol  grosse  neigung  gehapt,  mich  in  der  Kayserl. 
Maj.  dinste  zu  beo;eben,  die  auch  fleyssig  nach  mir  ge- 
stelt  hat.  Aber  weil  ich  dieserorthen  dozumal  noch  meyn  regiment 
unsteeht  gehapt,  wie  es  dan  noch  nit  gar  abgedanckcht,  hab  ich  mich 
destweniger  wegckchmachen  kenden,  weil  mir  solchs  unglimpf  und 
vertruss  hete  Ursachen  megen.  So  ist  auch  diese  zeit  kein  krig  in 
Ungern  gewest,  aber  mit  der  zeit  kchan  es  sich  noch  alls  schickchen. 
Dass  dergleichen  Unrichtigkeiten  under  ewern  theologen  forfallen, 
das  ist  irer  religion  wenig  lerstendig  und  spuret  man  dabey,  das 
uberal  und  schir  in  allen  fällen  der  menschen  Sachen  einen  gleichen 
lauf  haben  und  dass  sie  dasihnige,  so  inen  am  nächsten  ist,  suchen, 
nit  das,  so  sy  am  maisten  furgeben.  Darumb  kchan  kein  policey 
oder  religion  sonder  Ordnung  und  disciplin  besten,  di  si  zusammen 
und  im  zäum  helt;  dan  sonst  verfiret  der  frey  will  di  leuth  und  halt 
keyn  zill  ader  mafs.  Waiss  also  nit,  was  es  zuletst  für  wege  wirt 
gewinnen  müssen.  Dan  ob  schon  di  gantz  Christenheit  luthrisch 
würde,  so  muesst  man  doch  di  Ordnung  und  disciplin  der  alten  kirchn 
wider  an  di  hand  nemen  oder  ein  newe  fonn  suchen.  Ee  es  aber 
so  weit  kompt,  wirdts  vil  muhe  haben  und  wir  werdens  nit  erleben. 
Man  wirt  sich  noch  lang  wehren  und  aufhalten,  darüber  der  gantzen 
Christenheit  fast  weh  wirt  geschehen,  und  wirt  die  lang  herrkchomen 
und  alte  Ordnung  der  newen  einreissenden  confusion  und  Unordnung 
noch  vil  zu  schaffen  geben,  ja  diselb,  da  si  sich  ein  wenig  änderst 
wil  drein  schickchen,  wie  zuletzt  gefar  und  noth  si  dahin  wirt  trengen, 
wirts  vil  pesser  beharren  und  ausshalten  megen. 

In  Frankchreich  lauft  jetzo  von  wegen  cler  religion  vil  Unrichtig- 
keit fir,  aber  ich  besorge,  die  armen  leuth  werdens  mit  der  haut,  wie 
in  bauernkrieg,  bezalen  muessen. 

Damit  seit  got  befolchen  und  steet  alzeit  in  alten  vertrauen. 

Dat.  Antorf  den  andern  April  1560. 

Euwer  freund      ^^^^^^^^  ^,^^  Schwend 

Nachschrift  (längs  dem  linken   Rande): 

Ich  bit,  schreibt   mir  allmal  ein  brieflein.     Mecht  wol  von  euch 
was  doch  D.  Melanchtonis  und  Camerarii  iudicium  were 


Sechs  Humelius- Briefe. 


75 


hoc  tuum  consilium  vehementer  probant,  D.  Karolovitz,  item  socer 
meus,  cuius  ad  te  literas  mitto;  quod  si  ad  ipsum  rescripseris,  habebis 
Irequentes  responsiones.  Karolovitii  iudicium  de  te  ita  magnificum 
et  splendidum  est,  ut  a  me  verbis  explicari  non  possit.  Te  omnibus 
totius  Germanie  heroibus  profert. 

Bardolomeus  Wolffhardus ')  debitum  suum  vendidit  et  detrimen- 
tum  2000  R.  fecit. 

Philippus  Melanthon  19.  mensis  ApriUs  diem  suum  placide,  cum 
paucis  diebus  oratione  caruisset,  obiit. 

Contentiones  igitur  et  dissidia  theologorum  nostrorum  augebuntur 
atque  verum  est,  quantum  scribis,  etiamsi  totus  mundus  ad  Luthera- 
nismum  convertatur,  tamen  veterum  regulas  et  leges  in  ecclesiam 
tan  dem  revocari  aut  certe  similes  nobis  constitui  oportere.  Sed  hoc 
quoque  constat  et  notissi[mumJ  omnibus  est,  ex  adversa  parte  legum 
veterum  ne  umbram  quidem  retineri.  Sive  enim  vitam  inspiciamus 
sive  doctrinam,  plane  ita  evanuerunt  omnia,  ut  ne  cogitando  quidem, 
qualesnam  fuerint,  assequi  possimus.  Hec  profecto  movere  debebant 
reges  et  imperatores,  ne  conarentur  tyrannide  oppr'imere  ea,  que  deus 
hoc  perverso  seculo  oppressa  non  vult.  Si  est  ad  normam  etiam 
\eterum  revocandus  populus,  nostra  certe  norme  propior  est,  id,  quod 
omnes  prudentes  et  pii  ex  utraque  parte  intelligunt,  affirmant  et  pre- 
dicant.  Sed  meum  non  est  ista  exquerere.  Hi,  qui  ad  gubernacula 
sedent,  talia  cogitare  debebant.  Omnes  historie  testantur  in  articulis 
mutationum  etiam  optima  consilia  eventum  sepe  habere  pessimum, 
ijuod   de  malis  et    perniciosis  dicimus.     Licet -j  igitur  que  est   re[s] 


von  disen  sachen  und  was  si  gedechten,  das  doch  für  mitel  zu  newer 
vergleichung  mechten  an  die  hand  genomen  werden.  Gruesse  mir 
die  baide  hern  und  andere  bekchandte  freunde. 

Der  Brief  ist  in  mehrfacher  Hinsicht  interessant.  Vor  allem 
kennzeichnet  er  deutlich  die  Stellung  Schwendis  zur  Reformation. 
Aufserdem  ergänzt  er  unsere  Kenntnis  von  dem  Leben  dieses  berühmten 
Kriegsmannes.  Bisher  wufste  man  nämlich  über  seine  Schicksale  vom 
Frieden  zu  Cateau-Cambresis  (April  1559)  bis  zum  November  1561, 
d.  h.  bis  zu  dem  Briefe  Kaiser  Ferdmands  an  König  Maximilian  wegen 
seines  Übertritts  in  kaiserliche  Dienste,  so  gut  wie  nichts;  vgl. 
W.  Edler  v.  Janko,  Lazarus  Freiherr  v.  Schwendi  (Wien  1871), 
A.  Kluckhohn  in  der  Allg.  Deutschen  Bioo;r.  XXXIII,  386,  387,  und 
E.  Martin  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Geschichte  des  Oberrheins  N.  F.  VIII, 
389 — 418.  Aus  diesem  Briefe,  der  zu  Antorf,  d.h.  Antwerpen  ge- 
schrieben ist,  ergibt  sich,  dafs  Schwendi  bis  in  den  April  1560  mit 
„Abdankung  seines  Regiments"  und  ähnlichen  Dingen  in  den  Nieder- 
landen beschäftigt  war,  und  ferner,  dass  „das  Streben,  ihn  für  die 
Dienste  des  deutschen  Kaisers  zurückzugewinnen",  nicht  erst,  wie 
Janko  a.a.  O.  S.  31  meint,  1561  auftauchte,  sondern  bis  ins  Jahr  1560, 
wenn  nicht  1559  zurückgeht.  —  Wegen  der  hohen  Wertschätzung, 
die  Humelius  für  Schwendi,  seinen  Landsmann,  hegte,  vergleiche  unten 
den  vierten  Brief.  Schwendi  war  in  Memmingen,  der  Vaterstadt  des 
Humelius,  aufgewachsen. 

M  Zedier,  Universallexikon  LVIII,  878 — 880,  erwähnt  zwei  Fa- 
storen namens  Bartholomaeus  Wolfhardt  (Wolffart,  Lycosthenes),  die 
beide  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  lebten  und  beide  eine  Zeit  lang 
Geistliche  in  Schleusingen  waren,  daher  wohl,  wie  schon  Zedier 
nicht  von  der  Hand  weisen  wollte,  eine  Person  sind. 

^)  Lesung  des  Folgenden  mehrfach  unsicher. 


•76  Hans  Beschorner: 

totius  Christianismi  summo  studio  perpendant,  et  tarnen  eventus  for- 
tasse  praeter  opinionem  sese  ostendet. 
T.  P.  bene  et  feliciter  valeat. 

j.  An  einen  ungenannten  Empfänger^). 

Coli.  Cam.  XVI,  unnumeriertes  Doppelblatt.  3.  Hälfte  des  April  1561'-). 

S.  Census,  quos  ad  Walpurgis  terminum  mihi  Noribergenses 
danf*),  accepi  a  Sebaldo  quem  vulgo  vocant  Wagmacher.  Propterea 
ipsi  chirographum  nieum  dedi,  ita  mihi,  quod  in  nundinis'*)  accipio, 
gratum  fit  et  ipse  metu  liberatur,  ne  in  via  amittat  hanc  pecunie 
summam ''). 

Frater  tuus  testimonia  notariorum,  ut  obsignarem  et  subscri- 
berem,  nondum  obtulit;  alioquin  in  me  mora  nuUa  est  futura  unquam. 

Mein  wein,  als  viel  ich  noch  hab,  hatt  sich  fein  widerumb  erholt 
und  ich  glaub,  wan  ich  in  nit  von  einander  gezogen  hette,  er  mechte 
sich  allerdino;  erholt  haben,  quia  videtur  valde  esse  aerium.  Optarim 
te  venisse  ad  nos,  dedissem  tibi  optimam  cerevisiam  vel  Zerbstensem 
vel  Wurzensem;  utramque  enim  domi  mee  habeo  et  vinum  tuum, 
quod  iam  palatui  meo  bene  placet. 

Hesterno  die  uxor  raea  rursum  filiam  (Deo  gratia!)  peperit  (atque 
bene  valent  pro  ratione  circumstantie  ausgestrichen).  Socer  putat 
ventriculum  restitui  optime  posse  thermis,  que  dicuntur  der  Saur- 
brunnen**).     Ego    quidem    eo    loci    libenter    essem,    ut    patriae    aere 


^)  Der  Empfänger  lebte  offenbar  in  Nürnberg  und  war  ver- 
heiratet. Wenn  die  Worte  „vinum  tuum  habeo",  wie  es  scheint,  zu 
der  Bemerkung  des  ersten  Briefes  „vinum  volo"  in  Beziehung  stehen, 
so  ist  der  erste  und  dritte  Brief  an  dieselbe  Person  gerichtet. 

-)  Vgl.  die  folgenden  Anmerkungen  und  S.  77  Anm.  i. 

^)  Am  29.  Mai  1560  kaufte  Humelius  von  der  Witwe  Helena 
Christoff  Kressin  durch  Vermittlung  der  Losungsstube  in  Nürnberg 
für  1000  fl.  einen  Jahreszins  von  60  fl.  auf  drei  Jahre  zu  G"/,,.  Wie 
Einträge  in  dem  Ewiggeld-  und  Zinsbuch  1555— 1562  im  Kreisarchiv 
zu  Nürnberg  lehren,  erhob  er: 

25  fl.  am    2.  November  1560  durch   die  Tochter  Jeronimus  Herolts, 

30  fl.     „    19.  Mai  1561  durch  Andres  Heinlein, 

30  fl.     „     5   November  1561  durch  Sebald  Furnhelm  und 

30  fl.     „    II.  Mai  1562  ebenfalls  durch  diesen. 

-')  Auf  der  Leipziger  Ostermesse  13.  April  bis  4.  Mai  1561. 

•^)  Humelius  liefs  sich  auf  der  Messe  von  dem  Nürnberger  Sebald 
Wagmacher,  der  oftenbar  mit  dem  im  Ewiggeldbuche  genannten  Sebald 
Furnhelm  identisch  ist,  gegen  Wechsel  (chiro^raphus)  den  Maizins 
auszahlen.  Wagmacher  löste  dann  anscheinend  diesen  Wechsel  am 
19.  Mai  1561  durch  Andres  Heinlein  in  Nürnberg  ein;  vgl.  oben 
Anm.  3 

")  In  Schwaben  liegen  so  viel  Mineralbäder,  dafs  es  schwer  sein 
dürfte  zu  sagen,  welches  davon  Humelius  mit  dem  „Sauerbrunnen" 
meint.  Viele  davon  wurden  auch  schon  im  Mittelalter  stark  besucht, 
z.  B.  Göppingen  O.  Stuttgart.  Nimmt  man  die  Worte  „ut  patriae 
aere  ,  .  .  recrearem"  genau,  wäre  am  ersten  an  den  Dankelsrieder 
Stahlbrunnen  zu  denken,  der  bei  Memmingen  liegt  und  schon  seit 
langem  berühmt  ist. 


Sechs  Humelius- Briefe.  yy 

et  vino  ine  recrearem,  sed  iter  niniis  lon,u;um  et  sumptuosum  esse 
videtur. 

Hie  magnifice  omnia  ad  futuras  nuptias')  adparantur. 

Diu  bene  et  feliciter  cum  honestissima  tua  coniuge  vale,  quam 
meo  et  uxoris  mee  nomine  diligenter  et  officiose  salutabis.     Date . . . 

4.  An  einen  ungenannten  Empfänger'-). 

Coä.Cavi.^  ohve  Nummer.  2.  Hälfte  des  Aprill56P). 

Scripserunt  Calvinus,  Beza-*),  Brentius^),  Hashusius^j  et  alii  fere 
intiniti  novos  li beilos  de  ista  controversia  et  renovant  totam  conten- 
tionem  atque  in  alia  absurda  incidunt  quidam,  ut  humanam  naturam 
in  Christo  tanquam  divinam  implere  omnia  dicant  Etsi  auteni  istarum 
controversiarum  me  iudicem  non  constituo,  tamen  mea  hec  semper 
fuit  et  est  atque  erit  sententia  verbis  Christi  simpliciter  credendum 
et  modum  nulluni  presentie  deliniendum  esse.  Recte  enim  dicitur 
corpus  adesse,  sed  preter  scripturam  realiter,  substantialiter,  corpo- 
raliter,  spiritualiter,  quia  et  vulgus  et  doctores  aliter  hec  verba  intel- 
legunt  et  interpretantur.  Patres  quidam  aliqui  tali  loquendi  forma 
sunt  usi  (sicut  etiamnunc  uti  nos  posse,  si  ratio  et  causa  evidens 
subsit,  scio),  ut  Cyrillus,  qui  mutationem  quoque  panis  constituere 
videtur.  Tamen  id  fecit  propter  eos,  qui  corpus  Christi  dicebant 
fuisse  phantasticum,  non  verum.  Nequaquam  igitur  egre  ferendum 
tali  forma  loquendi  uti  aliquem,  qui,  ut  confirmet  Christum  vere  esse 
hominem,  his  formis  loquendi  e&t  usus.  Nobis  alia  forma,  quam 
Christo,  in  ore  [erst  in  usu,  ausgestrichen)  est,  cum  dicimus  cum  pane 
vel  sub  specie  panis,  non  ut  discedamus  a  sententia  verborum  Christi, 
sed  ad  destruendam  falsam  transsubstantiationis  opinionem.  Simpli- 
cissirna  igitur  sententia  est.  Christus  adest  vere  et  si  modus  est 
detiniendus,  dicamus  secundum  scripturam  esse  lidei  hunc  et  promis- 
sionis  divine.  Fides  enim  est,  secundum  quam  nos  in  coelis  versamur, 
sicut  Paulus  inquit,  conversatio  nostra  in  coelis  est  item,  secundum 
quam  in  vita  eterna  sumus  subiecti  adhuc  cruci  et  morti,  promissio 
autem,  secundum  quam  deus  in  nobis  vere  habitat  et  in  terris  moratur. 
Veiitatem  enim  promissionibus  divinis  adscribere  necessarium  est. 
Reliquos  modos  ego  plane  aspernor,  et  nisi  theologi  inter  limites  has 
sacre  scripture  autoritate  magistratus  cohibeantur,  nuUus  est  unquam 

')  Die  Hochzeit  Wilhelms  von  Oranien  mit  Anna,  der  Tochter 
des  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen,  am  24.  August  1561 

-)  Über  seine  Familien-  und  Verwandtschaftsverhältnisse  geben 
die  letzten  Worte  des  Briefes  einigen  Aufschlufs. 

^')  Der  Brief,  der  auch  über  die  eben  erfolgte  Geburt  der  zweiten 
Tochter  berichtet,  stammt  aus  derselben  Zeit,  wie  der  dritte,  d.  h. 
vor  der  Hochzeit  Oraniens  und  wahrscheinlich  kurz  nach  der  Dresdner 
Theologenkonferenz  (s.  S.  78  Anm..  i). 

■*)  Theodor  Beza  in  Genf  ( 1519 — 1605),  der  gröfste  Schüler  Calvins, 
der  am  eifrigsten  für  das  heifs  umstrittene  Dogma  („ista  controversia") 
der  Ubiquität,  d.  h.  der  Allgegenwart  des  Leibes  Christi  im  Abend- 
mahl, eintrat. 

•')  Der  Württemberger  Refonriator  Johann  Brenz  ( 1499 — iS70)- 

")  Der  berüchtigte  Streittheologe  Tilemann  Hesshusen  (1527  bis 
1588). 


78 


Hans  Beschorner: 


rixarum  et  lacerationum  in  ecclesia  finis  futurus.  A  nostris  theologis 
Lipsiensibus  et  Vitebergensibus  una  forma  et  certa  loquendi  de  hac 
re  est  conscripta,  cum  a  principe  Dresdam  vocati')  interrogarentur, 
sed  eorundem  verborum  intelligo  diversas  adhuc  esse  ipsorum  inter- 
pretationes. 

De  conventu  Numbergensi'-)  idem  est  iudicium.  Subscripserunt 
principes  eandem  formam  verborum,  sed  singulorum  puto  ciiversas 
esse  interpretationes,  quoniam  omnes  dicimus  biblia  esse  verbum  dei, 
sed  Tcapa  ra?  fi'.7V0Lac  litigatur'')  et  usque  ad  ignem  contenditur.  Sed 
de  bis  scribere  non  adeo  est  letum.  Audio  urbes  non  subscripturas; 
id  an  prudenti  iudicio  faciant,  iiescio.  Fieri  potest,  ut  magno  suo 
vel  commodo  vel  detrimento  id  factum  esse  sentiant,  sed  utrumque 
in  potestate  et  manu  dei  est,  quia  hoc  tempore  vela  sunt  ventis 
fortuito  committenda.  Nulla  prudentia,  nullum  consilium  hoc  perverso 
seculo  in  isto  mutationis  articulo,  in  quem  nos  miseri  incidimus,  locum 
habet.     Ardens  coehim  quoque  visum  est  apud  nos. 

Cum  theologis  in  aulam  vocatus  a  principe  ahas  ob  causas  veni. 
Et  propter  adversam  valetudinem  cito,  etiam  cum  dono,  dimissus  sum. 
Rediit  ista  hyeme  x.apSiaaia  mea,  sed  iam  mediocriter  valeo,  deo 
gratia 

Hesterno  die  fiham  ex  uxore  novam  suscepi.  Deus  me,  uxorem 
et  filiam  suo  spiritu  regat  et  benedicat. 

Hie  magnifici  liunt  adparatus  ad  futuras  nuptias  principis  Uranie, 
qui  Mauricii  electoris  liham  duxit^).  Cum  illo  Swendium  ad  nos  redi- 
turum  spero,   de  quo  apud  primarios  huius  terre  hoc   est  iudicium 


M  Die  Stelle  hatte  Humelius  erst  folgendermafsen  gefafst  „De 
conventu,  qui  fuit  Numbergi,  Dresdam  ad  principem  cum  Vitebergen- 
sibus sunt  vocati,  quorum  omnium  et  smgulorum  fuerunt  diverse 
sententie,  sed  autoritate  principis  in  certam  quandam  formam  ver- 
borum coacti".  Wann  diese  Dresdner  Zusammenkunft  stattfand,  ist 
nicht  sicher,  doch  mufs  sie,  wie  Call n  ich  a.  a.  O  8.274!'.,  nament- 
lich Anm  I,  ausführt,  zwischen  den  18.  März  und  den  23  April,  höchst 
wahrscheinlich  aber  in  den  Anfang  letztgenannten  Monats  fallen.  Den 
Ausdruck,  dafs  die  „Theologen  vom  Naumburger  Fürstentage  nach 
Dresden  zu  ihrem  Fürsten  gerufen  worden  seien",  darf  man  nicht  zu 
genau  nehmen,  da  der  Naumburger  Abschied  schon  am  7.  Februar 
erfolgte. 

-)  Auf  dem  Naumburger  Fürstentage,  21.  Januar  bis  7.  Februar 
1561,  versuchten  die  deutschen  Fürsten  durch  erneute  Anerkennung 
der  Augsburger  Konfession  die  arg  bedrohte  Einigkeit  unter  den 
deutschen  Protestanten  wieder  herzustellen.  Vgl  darüber  nament- 
lich die  oben  (S.  71  Anm.  i)  zitierte  Arbeit  von  Calinich. 

")  Dafür  erst  „sepe  fuit  inter  ereticos  et  bonos  doctores  contro- 
versia". 

"•l  Vgl.  S.  77  Anm.  i.  An  der  in  Leipzig  (nicht  Dresden)  mit 
gröfstem  Prunke  gefeierten  Hochzeit  nahm  Lazarus  Schwendi  tat- 
sächlich teil,  wie  bereits  A.Kluckhohn  in  der  AUgem.  Deutschen 
Biogr.  XXXIII,  386  angibt;  vgl.  z.  B.  Loc.  9941  „AUerley  Schrieffte 
belangende  des  hern  Printzen  von  Uranien  vorehelichung  ...  1561" 
fol.  12  (bei  Schilderung  der  Tafelordnung):  „Wann  auch  under  den  ob- 
gesagten  Grafen  und  Grerin  jemandts  gemangelt,  hat  man  an  der- 
selbigen  Stadt  Lasarum  von  Schwendi  und  andere  Obersten  ahn 
solche  funfifte  Taffell  gesazt". 


Sechs  Hiimelius- Briefe. 


79 


nullum  vivere  in  imperiu,  qui  conferri  cum  ipso  possit,  si  umnes  \ir- 
tutes  considerantur.  In  ipso  esse  multarum  lingnarum  et  artium 
peritiam,  rei  militaris  sino;ularem  scientiam,  eloquentiam,  consilium  et 
prudentiam  coniuhctam  cum  summa  fortitudine.  Jam  unus  est  ex 
quatuor  gubernatoribus  inferioris  Germanie. 

Hoc  anno  pacem  spero,  sed  de  futuro  metuo  (nam  adparari 
quedam  in  quibusdam  locis  ausgestrichen).  Es  krigten  viel  gern, 
wen  sie  dazu  komen  kondten. 

De  fratris  filio')  nihil  propter  adversam  valetudinem  certi  con- 
stituere  potui. 

Vale  diu  feliciter  cum  tota  familia.  Saluta  meo  nomine  officiose 
fratrem  D.  Ulricum,  fratruelem  Micaelem,  M.  David. 

J.  Empfehlungsschreiben  an  einen  Ungenannten'^) 

für  Hubert  Languet. 

Coli.  Cum.  XVI,  Nr.  142.  Mitte  Mai  1561-^). 

Venit  ad  Prestantiam  Tuam  Hubertus  ex  Burgundia*)  oriundus, 
cuius  discipline  commendati  sunt  adolescentes  quidam  Vratislavien- 
ses*»),  cum  quibus  in  Galliam  ad  persequenda  literarum  et  humanitatis 
atque  sapientie  studia  est  profecturus").  Is  a  me  petiit,  ut  aliquid 
literarum  ad  T.  P.  darem,  ut  hac  occasione  alloqui  T.  P.  posset.  Etsi 
autem  omnibus,  qui  virtutis  et  prudentie  studia  sequuntur,  tuas  fores 
patere  scio,  tarnen  Tue  Prestantie  huius  viri  et  notitiam  et  familiarita- 


1)  Unsicher,  ob  Humelius  einen  eigenen  oder  einen  Neffen  des 
Adressaten  meint.     Wohl  ersteres. 

-)  Dieser  Empfänger  mufs  in  einer  der  Städte  gewohnt  haben, 
die  Langviet  auf  seiner  Reise  berührte;  vgl.  unten  Anm.  6. 

ä)  Der  Brief  ist  vor  Langiiets  Abreise  nach  Paris  (vgl.  unten 
Anm.  6)  geschrieben.  Da  Humelius,  wie  der  Schlufssatz  des  Briefes 
andeutet,  noch  nicht  genau  über  die  Ergebnisse  des  Naumburger 
Fürstentages  unterrichtet  ist,  könnte  man  meinen,  er  sei  bald  nach 
diesem  (vgl.  S.  78  Anm  2),  also  vielleicht  noch  im  Februar,  abgefafst. 
Wegen  der  Erwähnung  der  Jüterbogker  Fürstenzusammenkunft  (vgl. 
S.  80  Anm.  2)  mufs  er  aber  tatsächlich  nach  dem  7.  Mai  1561  fallen. 

■*)  Hubert  Languet,  der  bekannte  Humanist  und  Publizist,  der 
eine  Zeitlang  in  diplomatischen  Diensten  des  Kurfürsten  August  stand, 
war  zu  Vitteaux  in  der  Bourgogne  geboren  Vgl.  über  ihn  u.  a. 
Blasel  (Oppeln  1872),  Geiger  in  der  Allgem.  Deutschen  Biop;r. 
XVII,  692  f.,  und  O.  Scholz,  H.  Languet  als  Kursächsischer  Bericht- 
erstatter in  Frankreich  1560 — 1572  (Halle  1875). 

^)  Thomas  Rhediger  und  Abraham  von  Jenkwitz;  vgl.  Scholz 
a.  a.  O.  S.  20. 

")  Languet  trat  seine  zweite  Pariser  Reise  im  Mai  1561  an,  nach- 
dem er  sich  Mai  bis  September  1560  in  Wittenberg  von  seiner  ersten 
Reise  ausgeruht  hatte.  Er  ging  durch  Thüringen  über  Kas.sel  nach 
Frankfurt,  von  wo  er  am  2.  Juni  an  Mordeisen  schrieb  (Loc.  9083 
Languetus  de  militaribus  I  fol.  114),  und  weiter  über  Antwerpen  (Brief 
vom  16.  Juni:  ebenda  fol  115)  nach  Paris.  Der  erste  Brief  aus  der 
französischen  Hauptstadt  (ebenda  fol.  117  fi  ist  datiert  „Lutetie  Cal. 
Jul.  1561"  und  beginnt  mit  den  Worten  ,,Antequam  illustrissimi  nostri 
principis  literas  redderem,  haesi  hie  per  tres  aut  quatuor  dies". 


8o  Hans  Beschorner: 

tem  gratam  fore  spero  atque  ut  sit,  obnixe  peto.  Doctus  est  et  honestus 
atque  lingiiariun  multarum  et  omnium  historiarum  peritissimus.  Per- 
lustravit  totam  Europam  fere,  etiam  ad  Pilapes  '  i  pervenit,  ut  homi- 
num  et  gentium  mores  atque  studia  non  ex  libris  tantum  et  aliorum 
relatione,  sed  inspectione  pro])ria  et  peregrinatione  cognosceret.  Fuit 
ipsius  amicitia  grata  D.  Karolouicio  et  Mordeisio  atque  iam  multis 
annis  nobiscum  vixit,  ut  reprehensione  omni  careret  et  a  doctis  Om- 
nibus amaretur 

De  rebus  publicis  hec  accipe.     Theologi  nostri  sese  mutuo  ita 
contentionibus  lacerant  et  perscindunt,  ut  funosorum  hominum  potius 
speciem  pre  se  ferant,   (|uam  eorum,  qui  spiritu  dei  regantur.     Si  in 
ipsorum  potestate  esset,  patriam  everterent,  tarn  rabidi  esse  videntur. 
De  Gallia   mira   apud   nos  dicuntur;  que  si  vera  sunt,  vaticinia 
veterum  non  errare  arbitror,  cum  inter  alios  versiculos  scribant: 
Gallorum  levitas  Gennanos  iustiticabit-). 
Nostri  princij)es   formam  quandam   subscripserunt  concc^rdie    in 
relligionis    articulis^i,    sed    theologorum    video    diversas    esse    inter- 
pretati(jnes.     Subscribunt  verbis  et  de  sententia  et  mente  verborum 
mter  se  litigant.  Quemadmodum  omnes  affirmamus  biblia  esseverbum 
dei,  sed  alii  aliter  interpretantur*).    Vereor,  ne  magnates  quoque  ita 
subscripserint,  de  qua  tarnen  re  affirmare  aliquid  non  est  certum,  sed 
eventus  declarabit. 

')  Languet  machte  von  Wittenberg  aus,  wo  er  sich  1549 — 1560 
aufhielt,  jeden  Sommer  eine  grolse  Reise  Zweimal  besuchte  er  auch 
die  nordischen  Länder,  zuerst  nur  Schweden  von  Danzig  aus,  dann 
auch  Livland,  Finnland  und  Lappland;  vgl.  Scholz  a.a.O.  S  10.  Unter 
den  Pilapiern  sind  eben  die  Lappländer  zu  verstehen;  vgl.  Zedier, 
Universallexikon  XVI, 760: ,, Hingegen  nennt  sie  (die  Lappländer  1  Dami- 
anus  a  Goes  in  einem  Briefe  an  Joannem  Magnum  Pilapier  und  ihr 
Land  Pilapien,  welchem  auch  Peucerus,  Von  denen  Weissagungen, 
gefolget". 

-)  Auf  Grund  des  für  den  Thesaurus  linguae  Latinae  gesammelten 
Materials  hält  Professor  Wölfflin  in  München  diesen  Vers,  der  keinem 
bis  200  n.  Chr.  lebenden  Schriftsteller  angehört,  für  das  Machwerk 
eines  Humanisten;  schon  der  Gebrauch  der  Worte  „iustificare"  und 
„levitas"  drücke  dem  Hexameter  den  Stempel  christlichen  L'r- 
sprungs  auf. 

Hinter  dem  Verse  sind  die  Worte  „Electores  duo,  noster  et 
Brandenburgensis,  convenerunt  etMaximilianum  eo  quoque  contendere 
dicebant"  ausgestrichen.  Sie  beziehen  sich  auf  die  Vermittelung 
Brandenburgs,  Sachsens  und  Herzog  Albrechts  von  Preufsen  in  den 
Streitigkeiten  Herzog  Johann  Albrechts  L  von  Mecklenburg  mit  seinem 
Bruder  Ulrich;  vgl.  F.  VV.  Schirrmacher,  Johann  Albrecht  I.,  Herzog 
von  Mecklenburg  1  Wismar  1885)  S.  386  f.  Der  Jüterbogker  Tag,  auf 
dem  Kurfürst  August  und  Markgraf  Joachim  neben  ihren  Räten  per- 
sönlich erschienen,  begann  am  7.  Mai  (Mittwoch  nach  Cantate)  1561; 
vgl.  das  Quartierbillet  für  Kurfürst  August  vom  25.  März  1561  in 
Cop.  306  fol.  179b,  desgleichen  für  Herzog  Ulrich  von  Mecklenburg 
bei  C  C.  Heffter,  Urkundliche  Chronik  der  alten  Kreisstadt  Jüter- 
bock  (Jüterbogk  1851)  S.  265  f. 

^1  Auf  dem  Naumburger  Fürstentage,  über  den  S.  78  Anm.  2 
zu  vergleichen  ist. 

*)  Dahinter  die  Worte  „et  de  hac  re  usque  ad  ignem  conten- 
ditur"  ausgestrichen. 


Sechs  Humelius- Briete.  8l 

6.  Bruchstück  eines  Briefes  an  einen   Ungenannten. 

Coli.  Cam.^  ohne  Nummer .  /,eit  unbestimmbar . 

S.  Obscurum  et  falsum  videri  tibi,  (^uod  scripsi'),  Christum 
humanitatem  non  assumpsisse,  facile  credo;  phiicjsophicum  namque 
plane  est.  Tam(;n  si  recte  et  dextre  consideres,  nihil  erit  in  hoc  dicto 
absurdi,  nihil,  qucKl  j)Ugnet  cum  sententia  catholice  ecclesie,  (juam 
ego  mordicus  retinendam  esse  iudico.  Idfiue  ut  recte  percipias, 
ita  hunc  noduni  ex  philosopho  dissolvo.  In  Metaphysicis  ab  Ari.stofteleJ 
altirmatur  „a  sole  et  h(jmine  gigni  hominem",  et  expositio  additur 
„n(jn  h(jminem,  sed  hunc"-j.  Ita  Christus  non  assumpsit  iiominem 
Tc  d'Soc,  quod  est  segmcntum  intellectus  et  rationis,  sed  hunc,  et 
propterea  nee  humanitatem  assumpsit,  sed  suam  vel  proj^riam  ex 
Maria  virgine.  Hec  jjropterea  a  me  tum  allata  sunt,  ut  ostenderem, 
etiam  recte  et  commcjde  dicta  sepe  sinistre  rursumque  (juod  male 
et  inconvenienter,  dextre  interi)retari  posse. 

De  sacramentaria  contentione  hec  significanda  sunt  .... 


')  Der  Brief  liegt  nicht  vor;  denn  der  vierte  Brief  kann  nicht 
gemeint  sein,  da  sich  in  diesem  der  f bedanke,  Christus  habe  die 
humanitas  nicht  angenommen,  nicht  findet.  —  Übrigens  suchte  auch 
bei  dem  Anfange  dieses  Briefes  Humelius  längere  Zeit  nach  dem 
passenden  Ausdruck,  wie  die  mehrfachen  Streichungen  zeigen. 

^j  Gemeint  ist  Aristoteles,  Metaphysica  A  s,  1071a:  oipzcp  äv- 
Irpwro'j  7.'.'t'.ov  T'i  re  _aT0'./£i7.  -Op  v.'jx  yr-  idz  tj/.t;,  x.a\  to  l'ß-.Gv  sI^Sc; 
■/.'■/'.  £'.'  T'.  y'uo  Ifco),  Oiov  0  Tt7.Tr,p  y.a\  — apa  raora  6  T;/,'.o;  /.7\  0  /.o?o;; 
xu'xXo?  Humelius  kam  es  aber  nicht  so  sehr  auf  diese  Stelle,  als 
auf  die  weiter  unten  ftjlgende  Erklärung  an,  dafs  es  einen  Menschen 
schlechthin  gar  nicht  gäbe,  sondern  in  jedem  einzelnen  Falle  nur 
einen  ganz  be.stimmten,  besonderen  („hunc"):  ap/o  väp  t^Ö  ■/:a':s'  £V.7aT0v 
Tojv  /.7!3  f/.y.Gxa  ■  7v!;p(.)~o;  |j.£v  77p_  a'.i3pw7:ou  /.7!3o/.0'j  •  7././.  ou/.  Sarcv 
cußefc,  a/X7.  JItjasÜi;  A/üJ.{(ii<;,  aou  81  ö  7:7.Tr]p  etc.  Da  es  also,  so  folgert 
Humelius  aus  Aristoteles,  keine  „Menschen  im  allgemeinen"  gibt,  hat 
auch  Christus  keine  allgemein  menschliche  Gestalt  angenommen, 
sondern  eine  ganz  bestimmte,  ihm  eigene,  ihm  von  der  Jungfrau  Maria 
gegebene. 


Neues  Archiv  f.  S.  (■.  u.  A.     XXV.     i.  2. 


IV. 


Krieg  und  Brand  segnet  Gott 
mit  milder  Hand. 


Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges 

für  Kursaehsen. 


Von 
Oskar  Hüttig. 


Der  Siebenjährige  Krieg  ist  einer  der  grausamsten  Ver- 
wüster Kursachsens  gewesen^).  Das  steht  ohne  allen  Zweifel 
fest.  Er  ist  aber  auch  —  und  das  verdient  nicht  minder 
unsere  Beachtung  —  ein  Lehrmeister  für  dieses  Land  ge- 
worden. Die  kursächsischen  Landtage  von  1763  und  1766 
beweisen,  welch  eine  Fülle  von  Reformgedanken  unter  dem 
Drucke  der  Not  im  Volke  entstanden,  Ideen,  die  auf  lange 
Zeit  hin  bei  der  Neugestaltung  der  inneren  Verhältnisse 
wirksam  wurden  zum  Segen  des  Landes.  Nach  vier  ver- 
schiedenen Seiten  hin  läfst  sich  eine  Aufwärtsbewegung  fest- 
stellen. Wir  bemerken  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der 
Wirtschaft  und  der  Volksschichtung,  der  Volksbildung  und 
des  Heerwesens. 

Den  weitesten  Umfang  nehmen  die  Bestrebungen  ein, 
die  eine  wirtschaftliche  Hebung  des  Landes  bezwecken.  Der 
Krieg  hatte  die  sächsischen  Waldungen  arg  verwüstet.  Jetzt 
galt  es,  dem  Holzmangel'-)  zu  begegnen,  der  umso  fühlbarer 
wurde,  als  man  überall  an  der  Herstellung  der  Wohnstätten 
arbeitete    und    in    Zeiten    des    Friedens    nie   mit    dem   Holze 


^)  Hciuptstaatsarchiv    Dresden    Loc.  6191,    Landtagsakten    1766 
Vol.  m  fol.  358  und  Vol.  V  fol.  19b  und  20,  21b. 
"-)  Ebenda  Vol.  VI  fol.  98  flf. 


Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges.  83 

hatte    geizen    müssen.     Jetzt    hiefs    es    sparsam    wirtschaften. 
Kommissionen    der   Regierung    und   Stände   sorgten   für    Ent- 
lastung des  Waldes.     Es  war  damals  Sitte,    die  Wohnhäuser 
mit  hölzernen  Schroten  auszulegen,  die  Pferdeställe  mit  Bohlen 
zu  dielen^).      Dem   trat   man  entgegen,    indem   man  die  Ver- 
wendung von  Steinmaterial  forderte.     Den  Gerbern,  die  bis- 
her nur  die  Rinde  der  Eichen  zur   Lohebereitung  verwendet 
hatten,  riet  man,  nach  englischem  Vorbilde  den  ganzen  Stamm 
zu    verwenden,    damit    nicht    durch    das    Abschälen    zu    viele 
Bäume  gefährdet  würden  -).     Für  die  Umgrenzung  der  Gärten 
wurde   ebenfalls   aus   Gründen   der   Holzersparnis   die  Anlage 
von    Hecken    empfohlen.      Von    besonderem    Werte    für    das 
kursächsische   Wirtschaftsleben   aber  war   es,    dafs   man   sich 
infolge    des    Holzmangels    der    bis    dahin    wenig    geachteten 
Steinkohle-^)  zuwandte.     Schon   lange  war   sie   als    Heizmittel 
bekannt,    alDcr   überall   begegnete   man   ihr  besonders   wegen 
des  darin  enthaltenen  ,, sauren  Schwefels"  mit  Mifstrauen.    Nur 
in    einzelnen    Hammerwerken    brauchte    man   sie.     Im   allge- 
meinen wollten  die  Feuerarbeiter,   wie   Schmiede,   Schlosser, 
Rotgiefser   und  Kupferschmiede,    nichts   davon   wissen.     Man 
tadelte   die    im    Kohlenfeuer    geglühten    Messer   wegen    ihrer 
Sprödigkeit.      Als    Heizmittel    für    Stubenöfen    fand    man    sie 
vollends    gleich  gar  nicht  geeignet.     In  London''),  so  wurde 
von   ärztlicher   Seite    behauptet,    sei    die   Zahl   der   Schwind- 
süchtigen nur  deshalb  so  grofs,   weil  dort  fast  ausschliefsHch 
Kohlenfeuerung  bestünde.     Um  solchem  Vorurteil  zu  steuern, 
griff   die    Regierung    energisch    ein.     Es   wurden    neue    Öfen 
konstruiert,  die  dem  neuen  Heizmittel   gerechter  wurden,  als 
die  früheren.     Die  Gewinnung  der  Kohle  aber  förderte  man, 
indem  jedem,    der   eine   gewisse   Kaution   stellte,    das   Nach- 
arraben  o-estattet  wurde,  sobald  es  der  Grundherr  drei  Monate 
nach  der  Ankündigung  unterliefs,  selbst  abzubauen'*). 

Unter  diesen  günstigen  Bedingungen  entwickelte  sich  der 
Steinkohlenbergbau  Kursachsens  mehr  und  mehr,  nicht  der 
Qualität  nach  —  denn  man  blieb,  da  man  der  Grundwasser 
noch  nicht  Herr  zu  werden  verstand,  beim  Raubbau  — ,  wohl 
aber  in  Bezug  auf  Quantität,  Überall  taten  sich  Gruben  auf, 
und   bald   hatten  die  Anlagen    in  der   Zwickauer  Gegend  die 


1)  Leipziger  Riitsarchiv,  Landtagsakten  1763  Bd.  IV. 
-)  Ebenda. 

=*)  HStA.  Dresden  Loc.  6191,  Landtagsakten  1766  Vol.  III  und  V 
fol.  25  und  VI  fol.  98  if. 

*)  Leipziger  Ratsarchiv,  Landtagsakten  1763  Bd.  IV. 
^)  Ebenda. 


6* 


84  Oskar  Hüttig: 

Schächte  des  Plauenschen  Grundes  mit  den  Besitzungen  des 
Grafen  v.  Lüttichau  ')  überflügelt. 

So  wurde  dem  Holzmangel  durch  Erschliefsung  neuer 
Quellen  abgeholfen.  Aber  man  bemühte  sich  auch  durch 
direkte  Mafsnahme  Ersatz  für  das  Fehlende  zu  schaffen.  Mit 
der  Entlastung  des  Waldes  ging  Hand  in  Hand  eine  bessere 
Forstkultur.  Die  Regierung  verteilte  Samen  an  die  Bewohner 
und  beobachtete  auf  Grund  von  Listen  den  Erfolg.  Hege- 
plätze wurden  errichtet  zur  Schonung  der  neuen  Anpflanzung 
und  wehe  dem,  der  sich  des  Baumfrevels  schuldig  machte. 
Ihm  war  neben  hoher  Geldstrafe  der  Pranger,  wohl  auch 
Gefängnis  sicher,  während  das  frevelnde  Kind  zur  Warnung 
für  die  anderen  vom  Gerichtsknechte  öffentlich  gezüchtigt 
wurde. 

Es  ist  bereits  erwähnt,  dafs  bei  der  Vernichtung  der 
Wohnstätten  der  Feind  in  dem  Feuer  einen  starken  Bundes- 
genossen gefunden  hatte.  Was  lag  jetzt  näher,  als  bei  Zeiten 
schützende  Mafsnahmen  gegen  das  entfesselte  Element  zu 
treffen?  In  den  ärmlichen  Hütten  des  Erzgebirges  bestand 
damals  der  Brauch,  brennende  Kienspäne  zur  Beleuchtung 
zu  verwenden.  Das  wurde  jetzt  verboten.  In  Zukunft  sollten 
nur  noch  Lein-  oder  Rüböllampen  als  ,,Geleuchte"  dienen. 
Da  auch  das  Backen  und  Flachsdörren  Feuersgefahr  nicht 
ausschlofs,  so  hätte  man  gern  die  Einzelöfen  durch  einen 
gemeinsam  geleiteten  Backbetrieb  ersetzt.  Aber  dazu  kam 
es  nicht.  Die  Ansicht  der  Mehrheit  ging  dahin,  ,,dafs  sich 
zwei  Weiber  vor  einem  Ofenloche  nicht  vertragen",  und  so 
blieb  es  beim  Alten.  Mehr  Erfolg  hatte  der  Plan  einer  all- 
gemeinen Brandversicherungs- Sozietät").  Zwar  wurde  er  erst 
1787  verwirklicht,  aber  die  Vorarbeiten  dazu  reichen,  wie 
die  Akten  ergeben,  zurück  in  das  Jahr  des  Hubertusburger 
Friedens.  Der  Entwurf,  der  1766  von  den  Ständen  einge- 
reicht wurde,  bestimmte,  dafs  für  100  Thaler  Mobiliarwert 
I  Groschen  zu  entrichten  sei,  der  Verlustträger  25%  des 
ehemaligen  Wertes  erhalten  sollte  und  jeder  Hausbesitzer 
zum  Beitritt  verpflichtet  sei.  Auf  solche  Weise  wurde  der 
Untertan  in  der  Herstellung  und  Erhaltung  seiner  Wohnung 
unterstützt. 

Nicht  minder  war  die  Regierung  bedacht,  den  Erwerb, 
„die   Nahrung"    der   Landeskinder   zu   fördern.      Dem   Bauer 


')  Leipziger  Ratsarchiv,  Landtagsakten  1763  Bd.  IV.  Kohlen- 
orte waren  damals  in  Sachsen:  Potschappel,  Burgk,  Dohlen,  Zaucker- 
roda,  Hammer. 

-j  Ebenda. 


Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges  85 

hatte  die  im  Kriege  entstandene  Viehseuche  grofse  Ver- 
luste gebracht^).  Noch  1766  war  sie  nicht  erloschen,  denn 
man  klagt,  dafs  bei  Frohnden  die  gesunden  und  kranken 
Tiere  der  Nachbarn  zusammenge&pannt  würden.  Jetzt  drang 
man  in  den  Gemeinden  auf  gröfsere  Sauberkeit  in  den 
Ställen.  Die  Wassertümpel,  in  denen  man  auch  eine  Ursache 
der  Epidemie  erblickte,  mufsten  trocken  gelegt  werden. 
Man  forderte  auf  dem  Landtage  die  Errichtung  von  Lehr- 
stühlen für  ars  veterinaria  ^).  Die  Regierung  kam  den 
Wünschen  der  Stände  entgegen.  Sie  betraute  in  Leipzig 
und  Wittenberg  je  einen  Professor  mit  diesem  Kolleg  und 
bestimmte,  dafs  jeder  stud.  med.  fortan  diese  Vorlesungen  zu 
besuchen  habe. 

Seit  jener  Zeit  besteht  an  der  Leipziger  Universität  die 
Veterinärklinik.  Dem  gleichen  Bedürfnis  verdankt  die  tier- 
ärztliche Hochschule  in  Dresden  ihre  Entstehung.  Auch  sie 
wurde  begründet,  um  in  Zukunft  verheerenden  Seuchen  ge- 
wachsen zu  sein.  Auf  Wunsch  der  Stände  reisten  1765  zwei 
Kandidaten  der  Medizin,  zwei  Chirurgen  und  zwei  Huf- 
schmiede nach  Lyon^).  Sie  sollten  die  damals  sehr  berühmte 
ecole  veterinaire  des  Abtes  Rozier  kennen  lernen.  Nach 
diesem  Muster  wurde  das  Dresdner  Institut  eingerichtet,  das 
man  1781   zur  Staatsanstalt  erhob. 

Das  Elend  des  Krieges  wirkte  auch  insofern  segens- 
reich, als  es  der  Verwaltung  die  Augen  öffnete  für  gewisse 
Schwächen  des  Abgabewesens,  Eine  auf  dem  Feldbesitz 
lastende  Naturalsteuer  war  das  Magazingetreide*).  Von 
jeder  unter  dem  Pfluge  getriebenen  Hufe  mufste  i  Metze 
Korn  und  i  Metze  Hafer  an  die  Landesmagazine,  die  in 
Torgau,  Wittenberg  und  anderen  Orten  bestanden,  abgeführt 
werden.  Die  Überwachung  dieser  Abgabe  stand  dem  Kreis- 
kommissar zu,  der  auch  die  für  Militärzwecke  nötigen 
Spannfuhren  zu  regeln  hatte.  Die  Listen,  die  er  führte, 
gaben  Aufschlufs  über  die  Gröfse  der  einzelnen  bebauten 
Stücke,  und  so  war  die  Lieferung  des  einzelnen  leicht  zu 
berechnen.  Was  man  bei  dieser  Berechnung  bisher  aufser 
Acht  gelassen  hatte,  war  die  Qualität  des  Bodens.  Man  be- 
dachte nicht,  dafs  der  eine  Boden  ertragsreicher  war  als 
der  andere,    dafs  z.  B.   eine  Hufe   der  Zörbitzer   Pflege   nur 


^)  HStA  Dresden  Loc.  6190,  Landtagsakten  1766  Vol.  II  fol  107. 
■-)  Ebenda  Vol.  I  fol.  392,  Vol.  II  foL  133  f.;  Vol.  V  fol.  44—45. 
'')  Ebenda  Loc.  6191,  Landtagsakten  1766  Vol.  VI  fol.  163  flf. 
*)  Ebenda  Vol.  V  fol.  65  C 


S6  Oskar  Hüttig: 

6  Scheffel  Aussaat  vertrug,  während  man  dem  gleich  grofsen 
Stück  in  der  Gegend  von  Döbeln  30  Scheffel  zumuten 
konnte  \).  Solange  der  Ackerbau  keine  Störung  erlitt,  wurde 
auch  dem  auf  minderwertigem  Boden  Ansässigen  die  Ab- 
führung seines  Magazingetreides  nicht  schwer,  im  Kriege 
jedoch  war  die  Sache  mit  einem  Schlage  anders,  denn  jetzt 
brachte  der  an  und  für  sich  dürftige  Boden  infolge  der  Ver- 
wüstungen erst  recht  wenig  ein.  Da  nun  der  Feind  sich  bei 
seinen  Kontributionen  vor  allem  nach  den  vorhandenen  Ka- 
tastern richtete  und  zudem  aufserordentlich  hohe  Forderuno;en 
stellte,  so  mufste  der  auf  dürftigem  Boden  Ansässige  den 
Mangel  an  Relativität  in  der  Hufenbesteuerung  ganz  be- 
deutend empfinden.  Prinz  Xaver,  der  von  1763  —  68  das 
Land  als  Administrator  regierte,  hoffte  diesen  Mifsstand 
durch  eine  Landesvermessung-)  in  grofsem  Stile  aus  der 
Welt  zu  schaffen.  Allein  es  wurden  nur  die  Ämter  Gi'üllen- 
burg  und  Schulpforta  vermessen.  Der  Fortgang  des  Werkes 
scheiterte  an  den  hohen  Kosten "').  Immerhin  ist  es  mit 
Freuden  zu  begrüfsen,  dafs  eine  Revision  der  Flurbücher 
vorgenommen  wurde,  wobei  man  ganz  besonders  auch  die 
Qualität  des  Bodens  beachtete.  Ein  Hauptverdienst  an  diesem 
Werke  hat  der  bekannte  Satyriker  Rabener,  der  damals  als 
Obersteuersekretär  in  Dresden  wirkte. 

Ich  möchte  an  dieser  Stelle  auch  einen  dritten  Übel- 
stand nicht  unerwähnt  lassen,  der  die  ländliche  Bevölkerung 
beschwerte,  wenigstens  die  unter  der  Hoheit  eines  kurfürst- 
lichen Amtes  stehenden  Bewohner,  die  sogenannten  Amts- 
sassen "*).  In  der  Hand  des  Amtmannes  lag  nicht  nur  die 
Bewirtschaftung  der  Domäne,  sondern  auch  die  Justiz  pflege 
des  Amtsbezirkes.  Ihm  war  es  als  Pachter  natürlich 
darum  zu  tun,  möglichst  leicht  die  Pachtsumme  zu  verdienen, 
einen  möglichst  hohen  Gewinn  aus  der  Doppelstellung  heraus- 
zuschlagen. Waren  die  Erträge  der  Landwirtschaft  schlecht, 
so  fand  er  in  seinem  Justizamte  eine  Hilfsquelle,  denn  sie 
brachte  ihm  Strafgelder,  Sportein  usw.  ein.  Er  brauchte  nur 
mit  gröfserer  Peinlichkeit  auf  Erfüllung  der  Paragraphen  zu 
achten,  und  die  Einnahmen  mehrten  sich.  Das  Spionieren 
und   Schikanieren   der  Untertanen  wurde   besonders   schlimm. 


M  HStA.  Dresden  Loc.  6192,  Landtagsakten  1766  Vol.  VIT 
fol.  390  b  ff. 

-)  Ebenda  Loc.  6190,  Landtagsakten  1766  Vol.  II  fol.  525  und 
ebenda  Loc.  61 91   Vol.  III  fol.  26. 

»j  Ebenda  Vol.  V  fol.  162  fif.  und  Vol.  VI  fol.  23  ff. 

■*)  Ebenda  Loc.  6190,  Landtagsakten  1766  Vol.  II  fol.  i6b. 


Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges.  8? 

wenn  der  Amtmann  der  Justizpflege  selbst  nicht  kundig  war, 
denn  dann  setzte  er  einen  Gerichtsverweser  ein,  und  dieser 
war  nicht  weniger  auf  seinen  Nutzen  bedacht,  als  sein  Brot- 
herr, Gegen  solchen  Unfug  war  schon  auf  früheren  Land- 
tagen Beschwerde  geführt  worden,  aber  nie  war  es  mit 
solchem  Nachdruck  geschehen,  als  1763  und  1766.  Jetzt 
hatten  sich  die  Klagen  verdichtet  und  es  trat  eine  Änderung 
ein.  Immerhin  gingen  noch  mehr  als  zehn  Jahre  ins  Land, 
ehe  der  Wunsch  der  Stände  erfüllt  wurde.  Nachdem  1780 
im  Amte  Zwickau  mit  der  Trennung  der  beiden  Funktionen 
begonnen  worden  war,  führte  man  sie  1793  allgemein  durch. 
Dem  Amtmann  verblieb  ledigHch  die  Bewirtschaftung  des 
Gutes,  mit  der  Gerichtspflege  wurde  ein  besoldeter  Justitiar 
betraut,  der  aber  auch  mit  Erhebung  der  Sportein  nichts  zu 
tun  hatte. 

Dienten  die  eben  genannten  Reformen  vor  allem  der 
Erleichterung  des  Bauers,  so  wddmete  man  andererseits  durch 
Unterstützung  von  Handel  und  Gewerbe  auch  dem  Städter 
seine  Fürsorge.  Wohl  verdanken  die  Ideen,  die  dabei  als 
Richtschnur  galten,  ihre  Entstehung  bereits  der  Zeit  vor  dem 
Kriege,  ihre  Verwirklichung  aber  ist  sicher  durch  die  allge- 
meine Notlage  beschleunigt  worden.  Da  errichtete  man,  vim 
den  kursächsischen  Waren  im  Auslande  wieder  Ansehen  zu 
verschaffen,  in  den  gröfseren  Städten  „Beschauanstalten"'), 
wo  die  Erzeugnisse  vor  ihrem  Export  erst  auf  ihre  Güte 
hin  untersucht  wurden.  Eine  Ökonomie-,  Manufaktur-  und 
Kommerzdeputation  trat  ins  Leben,  die  ihre  Gedanken  ,,zur 
Volksreichmachung"  in  dem  ,, Intelligenzblatte"  niederlegte. 
Durch  eine  mit  Preufsen  im  Jahre  1766  abgeschlossene 
Handelskonvention  wurde  den  sächsischen  Kaufleuten  der 
Besuch  der  preufsischen  Messen  erleichtert.  Mit  besonderer 
Freude  begrüfste  der  Negotiant  1764  die  Reform  der  Akzise'-), 
jener  Steuer,  die  seit  ihrer  Entstehung  Anlafs  zu  ,, lästigem  bruit" 
gegeben  hatte.  Es  gab  wohl  kaum  einen  Artikel,  der  ihr 
nicht  unterworfen  gewesen  wäre;  was  aber  die  Gemüter  vor 
allem  erbitterte,  das  waren  die  Ungehörigkeiten,  die  sich  die 
Akzisebeamten  gestatteten.  Sie  bezogen  nur  ein  spärliches 
Gehalt,  hatten  aber  dafür  das  Anrecht  auf  alle  Kontrebande, 
sofern  sie  nicht  über  einen  Taler  wert  war.  Diese  Anwart- 
schaft steigerte  den  Eifer  der  Einnehmer  und  Visitatoren. 
Die  Waren  wurden  an  den  Toren  gründlich  durchsucht,  der 


')  HStA.  Dresden  Loc.Gigi,  Landtagsakten  1766  Vol  III  fol.452  ff. 
"-)  Cod.  Aug.  II,  1971. 


88  Oskar  Hüttig: 

Händler  aul  seiner  Reise  lange  aufgehalten.  Die  „Akzise- 
plackereien" mehrten  sich,  als  Graf  Hennicke  1750  die  Ver- 
pachtung der  Akzise  einführte.  Wer  von  auswärtigen  Ne- 
gotianten  irgend  konnte,  mied  die  sächsischen  Märkte^).  Es 
blieben  die  böhmischen  Spitzenhändler  weg,  sie  legten  ihre 
Waren  in  den  akzisefreien  schönburgischen  Städten  Glauchau, 
Lichtenstein,  Hohenstein  zum  Verkaufe  aus  -).  Die  Kauf  leute 
von  xA-Itenburg  und  Gera,  die  bisher  ihre  schweren  Waren, 
wie  Tran,  Farbe,  Syrup  und  Holz  aus  Leipzig  bezogen  hatten, 
deckten  fortan  ihren  Bedarf  in  Magdeburg"^).  Da  war  es 
geradezu  eine  Erlösung,  dafs  am  1.  Januar  1764'*)  die 
Generalakzis  -  Hauptpachtung  durch  ein  Reskript  Xavers  fiel, 
der  Akzisetarif  vereinfacht,  den  Beamten  aber  alle  Aus- 
schreitungen gegen  die  Kauf-  und  Fuhrleute  verboten  wurden. 
Der  Erleichterung  im  Abgabewesen  trat  die  Besserung  der 
Verkehrswege  helfend  zur  Seite.  Man  dachte  freilich,  als 
man  dies  auf  dem  Landtage  von  1766  beschlofs,  in  erster 
Linie  daran,  im  Falle  der  Not  auch  die  getreidearmen 
Gegenden  schnell  mit  Korn  versorgen  zu  können '').  Das  war 
bisher  erschwert  gewesen,  und  manchmal  hatte  das  Gespenst 
der  Hungersnot  vor  den  Toren  der  Städte  des  Gebirges  ge- 
standen. Nun  ging  man,  unterstützt  von  den  Hand-  und 
Spanndiensten  der  Bevölkerung,  an  die  Arbeit.  Man  baute 
vor  allem  die  Reitzenhainer  Heeresstrafse  und  die  Koburger 
Chaussee**)  aus,  und  ermöglichte  damit  einen  leichten  Zugang 
vom  fruchtbaren  kursächsischen  Niederlande  in  den  gebirgigen 
Süden. 

Sachsen  war  nach  dem  Kriege  infolge  seiner  hohen  Ver- 
schuldung im  Ansehen  des  Auslandes  tief  gesunken.  Wenn 
es  dem  erschöpften  Staate  trotzdem  gelang,  in  verhältnis- 
mäfsig  kurzer  Zeit  das  verlorene  Vertrauen  wieder  zu  ge- 
winnen, so  lag  das  ganz  besonders  an  der  Gründung  des 
Steuerkreditkassenwerkes ').  Es  war  ein  Amortisations- 
fond, gebildet  aus  „den  klarsten  und  bereitesten  Einkünften" 
des  Landes   und  dazu   bestimmt,   jährlich   11  Tonnen  Goldes, 


1)  HStA.  Dresden  Loc  6192,  Landtagsakten  1766  Vol. VII  fol.198. 

-)  Ebenda  fol   224 — 226. 

3)  Ebenda  Vol.  III  fol.  452  ft". 

*)  Cod.  Aug.  (III)  1045. 

■'')  HStA.  Dresden  Loc.  43,  Landtagsakten  1766  Vol.  VI  fol.  146  f. 

•^)  Ebenda  fol.  147  b. 

''l  Beaulieu  Marconnay,  Der  Hubertusburger  Friede  S.  108, 
114.  HStA.  Dresden  Loc.  6191,  Landtagsakten  1766  Vol  V  fol.  21 
und   40. 


Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges.  89 

d.  h.  I  100  000  Taler,  an  die  Staatsgläubiger  abzuführen.  Ein 
Teil  dieses  Geldes  wurde  zur  Tilgung  der  ausgelosten  Schuld- 
kapitalien, der  andere  zur  Verzinsung  der  nicht  ausgelosten 
Gelder  verwandt,  die  in  der  Obersteuereinnahme,  der  da- 
maligen Hauptsteuerbehörde  Sachsens,  verblieben. 

Auf  diese  Weise  waren  von  den  28  Millionen,  die  1763 
als  Staatsschuld  bestanden,  im  Jahre  1780  bereits  5  MiUionen, 
bis  1807  aber  19  Millionen  bezahlt,  und  die  sächsischen 
Staatspapiere,  die  1756  gar  keinen  Kurs  gehabt  hatten, 
standen  1769  bereits  auf  65,  1789  aber  pari').  Ob  es  zu 
dieser  segensvollen  Einrichtung  ohne  den  Krieg  gekommen 
wäre,  bezweifle  ich;  sie  ist  entstanden  auf  die  Initiative 
König  Friedrichs  II.  von  Preufsen  hin,  der  in  der  Absicht, 
seine  Landeskinder  zu  schützen,  die  Geld  in  der  Ober- 
steuereinnahme stehen  hatten,  ausdrücklich  im  Hubertusburger 
Frieden  die  Gründung  eines  solchen  Fonds  verlangte. 

Es  war  natürlich,  dafs  dvnch  das  Kreditkassenwerk  die 
Steuerkraft  des  verarmten  Landes  aufserordentlich  angestrengt 
wurde.  Aber  auch  dies  führte  zu  einem  guten  Ende.  Be- 
kanntlich lastete  der  Steuerdruck  nicht  auf  allen  Bewohnern 
gleichmäfsig.  Es  gab  viele,  die  sich  der  Steuerprivilegien 
erfreuten.  Dazu  gehörte  neben  der  Geistlichkeit  -)  in  erster 
Linie  der  Adel^).  Jetzt  rief  die  Not.  Es  liegt  nahe,  anzu- 
nehmen, dafs  unter  diesem  Drucke  endlich  einmal  die  Vor- 
rechte aus  der  Welt  geschafft  worden  wären.  Davon  war 
man  weit  entfernt.  Die  ,,  Immunität  der  Ritterschaft  darf 
nicht  verletzt  werden"*),  war  noch  1766  allgemein  aner- 
kannter Satz,  er  blieb  bestehen.  Aber  etwas  anderes  trat 
ein,  was  einer  Ausgleichung  der  Standesunterschiede  nahe 
kommt.  Es  wurde,  um  ,,das  Armut"  möglichst  zu  schonen, 
eine  Steuer  gegründet,  die  nicht  mehr  die  Privilegierten  aus- 
schlofs,  sondern  ,,von  eines  jeden  Amt,  Stand  und  Charakter" 
erhoben  wurde,  die  sogenannte  Personensteuer'').  Ihr 
unterwarf  sich  auch  der  Adel.  In  der  Personensteuer  war 
eine  Brücke  geschaffen  zwischen  den  Ständen,  und  ihr 
Schöpfer  war  nicht,  wie  wir  es  1789  in  Frankreich  erleben, 
die   Revolution,    sondern  das   Elend  des   Krieges.     In  diesem 


*)  Böttiger-Flathe,   Geschichte  Sachsens  II,  536  tf. 

-)  Römer,    Staatsrecht    des    Kurfürstentums    Sachsen  II,    569, 

583,  585,  598. 

ä)  Ebenda. 

^)  HStA.  Dresden    Loc.  36303,   Akten  des   Landtags  1763   betr. 

■')  Römer  II,   587    und   HStA.  Dresden    Loc.  6191,    Landtags- 
akten 1766  Vol.  y  fol.  37  und  37  b. 


QO  Oskar  Hüttig: 

Erfolg   sehe   ich   die   soziale    Bedeutung   des  Siebenjährigen 
Krieges  für  Sachsen. 

Eine  Hauptsorge  der  Territorien  des  i8.  Jahrhunderts 
war  die  Peuplierung,  d.  h.  das  Bestreben,  die  Einwohner- 
zahl möglichst  zu  erhöhen.  Das  geschah  gewöhnHch  dadurch, 
dafs  man  im  Auslande  unter  den  Handwerkern,  den  Manu- 
fakturisten  und  Ackerbauern  warb,  ihnen  Steuererlafs,  bez. 
auf  eine  Reihe  von  Jahren  Steuerfreiheit  versprach.  Man 
trug  aber  weniger  Sorge,  einen  Bevölkerungszuwachs  aus 
dem  Innern  des  eigenen  Landes,  vielleicht  durch  sanitäre 
Mafsnahmen,  zu  fördern.  Wiederum  war  es  die  trübe  Er- 
fahrung des  Krieges,  die  auf  dieses  wichtige  Peuplierungs- 
mittel  das  Augenmerk  lenkte.  Dafs  die  Bevölkerung  Sachsens 
von  1756 — 63  von  i'/.2  Millionen  auf  i^/^  Millionen  herabsank, 
daran  waren  vor  allem  die  verheerenden  Seuchen  schuld,  auf 
die  man  nicht  gerüstet  war.  Um  die  Sterblichkeit  der  Säug- 
linge zu  verhindern,  achtete  man  von  jetzt  an  mehr  als 
früher  auf  die  Tätigkeit  der  Hebammen  ^).  Man  verlangte, 
keine  solle  ihr  Amt  ausüben,  die  nicht  vor  dem  Kreis- 
physikus  eine  Prüfung  abgelegt  habe.  Man  schlug  die 
Gründung  von  Findelhäusern  vor  -j,  um  auch  die  unehelichen 
Kinder  dem  Staate  nicht  verloren  gehen  zu  lassen  und  dem 
damals  recht  oft  beklagten  Abtreiben  der  Leibesfrucht  wirk- 
sam begegnen  zu  können.  Man  war  für  Verbreitung  popu- 
lärer medizinischer  Schriften,  z.  B.  der  Wochenschrift  des 
Arztes  Baldringer  oder  des  ,,avis  au  peuple"  des  Schweizer 
Arztes  Fizot  ■^).  Freiherr  v.  Fritsch  empfahl  sogar  die  Aus- 
setzung von  Prämien  für  solche  Eltern,  die  gesunde  Kinder 
zeugten  und  aufzogen.  Er  sagt:  ,,Man  sollte  auf  die  Zahl 
der  Kinder,  so  das  10.  Jahr  erreichet,  eine  Freiheit  (d,  h. 
Steuer-,  Frohndenfreiheit)  und  Ehre  setzen,  um  die  Altern 
nicht  nur  zur  Erzeugung,  sondern  auch  zur  Erziehung  an- 
zufrischen"  *). 

Die  allerwichtigste  Gründung  auf  dem  Gebiete  der 
Leibespflege  blieb  aber  das  Sanitätskolleg '^),  eine  Behörde, 
die  aus  den  kurfürstlichen  Leibärzten,  den  Dekanen  der 
medizinischen  Fakultäten  und  anderen  ärztlichen  Kapazitäten 


1)  Ebenda  Vol.  VI  fol.  124b. 

^)  Zufällige  Betrachtungen  (1762)  I,  74  iif. 

"■)  HStA.  Dresden  Loc.  61 91,  Landtagsakten  1766  Vol.  VI 
fol.  124  b  und  125  b. 

*)  Zufällige  Betrachtungen  (1762)  I,  76. 

■'•)  HStA.  Dresden  Loc.  6190,  Landtagsakten  1766  Vol.  II 
fol,  132  ff". 


Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges.  gi 

bestand  und  die  Prüfungen  der  Ärzte  und  ärztlichen  Prakti- 
kanten abnahm.  1765  wurde  sie  gestiftet,  1768  eröffnet. 
Sie  hat  sehr  segensreich  gewirkt,  ganz  besonders  auch  im 
Kampfe  gegen  den  Aberglauben,  die  beste  Stütze  der  Quack- 
salbereien. 

Damit  war  die  Fürsorge  für  das  Leibeswohl  der  Unter- 
tanen geweckt.  Es  bedurfte  des  weiteren,  einen  gesunden 
Sinn  in  den  gesunden  Körper  zu  legen.  Auch  dazu  war 
reiche  Veranlassung  gegeben. 

Freiherr  v.  Fritsch  schreibt'):  ,,Der  Krieg  hat  eine 
wilde  Heftigkeit  und  Ungezogenheit  in  allen  Ständen  hervor- 
gebracht, welche  zu  tilgen  und  die  Menschen  sittsam  zu 
machen,  es  gröfste  Kunst  erfordern  wird".  Roheit  und 
Müfsiggang  hatten  ihren  Einzug  gehalten.  Es  mangelte  nicht 
an  Bettlern,  Dieben  und  Marodeuren.  Jetzt  wurden  in  den 
bestehenden  Armenhäusern  von  Torgau  und  Waldheim-)  Ar- 
beitsabteilungen eingerichtet  zur  Aufnahme  alles  lichtscheuen 
Gesindels.  Von  jetzt  ab,  und  das  war  besonders  wichtig, 
lenkte  man  die  Blicke  auf  die  Anstalt,  die  bisher  das  Aschen- 
brödel unter  den  Kulturträgern  gewesen  war,  auf  die  Volks- 
schule. ,,Ein  für  allemal  Hegt  der  Grund  des  Wohlstandes 
einer  Republik  lediglich  in  den  Schulen  verborgen"'^),  das 
war  die  Überzeugung  der  Männer,  die  an  der  „Wiederauf- 
helfung  des  Landes"  arbeiteten.  Sie  erkannten  aber  auch, 
dafs  vieles  anders  werden  müsse,  wenn  die  Schule  diese 
hohe  Mission  erfüllen  sollte.  Wer  waren  denn  die  Lehrer, 
denen  bis  dahin  die  kleinen  Geister  anvertraut  wurden?  Be- 
diente, invalide  Soldaten,  mitunter  Leute,  denen  der  Verkauf 
von  Tabak,  Kaffee  und  Branntwein'*)  mehr  am  Herzen  lag 
als  die  Jugendbildung.  Und  warum?  Es  brachte  mehr  ein. 
Mit  der  Besoldung  stand  es  ganz  kläghch.  Der  Schulmeister 
hatte  zunächst  einen  unbedeutenden  Naturalbezug.  Er  war 
im  übrigen  auf  die  Schulpfennige  angewiesen,  die  die  Kinder 
allwöchentlich  mitbrachten.  Zur  Sommerszeit  konnte  er  bis- 
weilen vor  leeren  Wänden  dozieren,  denn  viele  Eltern  hielten 
das  Geschäft  des  Viehhütens  für  wertvoller  für  ihre  Kinder, 
als  das  leidige  In -die -Schule -gehen.  Der  Grund  dieser 
Mifsstände  lag  in  dem  Mangel  an  staatlicher  Aufsicht.  Die 
Schule  gehörte  vor  das  forum  ecclesiasticum,  sie  war  Sache 


^)  Zufällige  Betrachtungen  III,  9. 

■^)  HStA.  Dresden  Loc.öigi,  Landtagsakten  1766  Vol.VIfol.  151  ff. 

'■^)  Ratsarchiv  zu  Leipzig,  Akten  des  Landtages  1763,  IV. 

*)  HStA.Dresden  Loc. 61 92,  Landtagsakten  1766  Vol.  VII  fol  196b. 


Q2  Oskar  Hüttig: 

der  Kirche.  Der  Superintendent  war  der  Schulherr.  Er  war 
zugleich  ihr  oberster  Richter,  der  sich  von  der  weltlichen 
Obrigkeit  keine  Vorschriften  machen  liefs.  Bei  dem  Mangel 
an  einheitlicher  Führung  war  eine  allgemeine  Hebung  des 
geistigen  Niveaus  nur  schwer  möglich.  Der  Staat  mufste  die 
Leitung  der  Volksschule  in  seine  Hand  bekommen,  wenn  die 
Kinder  zu  arbeitsamen,  tugendhaften  Bürgern  erzogen  werden 
sollten.  Der  Stand,  der  am  meisten  für  die  Hebung  der 
Elementarschule  und  für  ihre  Verstaatlichung  eintrat,  war  der 
Adel.  Die  Ritterschaft  sagt  in  einer  Eingabe'):  ,,Der  Staat 
hat  zu  wenig  Gewalt  in  den  Schulen.  Schulen  gehören  ohn- 
streitig  nach  gesunden  politischen  Prinzipiis  unter  die  Polizey- 
aufsicht.  Haben  die  Clerici  solche  seither  gehabt,  so  ist  es 
aus  dem  Grunde  geschehen,  weil  in  dem  Pabstthume  die 
Geistlichen  sich  nur  auf  den  Unterricht  der  Jugend  gelegt 
haben".  Und  in  dem  Kommissionsbericht  zur  ,, Wiederauf- 
helfung  des  Landes"  -)  heilst  es:  ,,Soll  die  Schule  gehoben 
werden,  so  mufs  vor  allem  der  weltlichen  Obrigkeit  mehr 
Disposition  zugestanden  werden.  Die  weltliche  Obrigkeit  hat 
hierbei  allezeit  die  Ehre  und  den  Vorzug,  wenn  es  auf  das 
Geldgeben  ankommt.  Braucht  man  aber  dessen  nicht  mehr, 
so  ist  der  Herr  Superintendent  oder  Pastor  loci  Herrschaft 
genung,  dem  Staate  die  Ehre  juris  patronatus  streitig  zu 
machen".  Der  Zentralismus  des  absolutistischen  Herrscher- 
tums  hat  nicht  durchweg  günstig  gewirkt  auf  die  Entwicklung 
der  einzelnen  Gebiete.  Aber  im  Volksschulwesen  ist  es 
zweifellos  unter  der  staatlichen  Oberaufsicht  vorwärts  ge- 
gangen. Wenn  auch  ,,die  systematische  Unterweisung  guter 
Schulleute"  in  Seminarien  bei  uns  erst  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten des  i8.  Jahrhunderts  begann  und  der  Schulzwang 
noch  viel  später  geregelt  wurde,  so  reichen  die  Ideen  dazu 
doch  weit  zurück.  Die  allgemeine  Verrohung  des  Krieges 
hat  sie  gefördert. 

So  regte  man  nach  1763  auf  allen  Gebieten  des  inneren 
Lebens  Geist  und  Hand.  Man  versäumte  schliefslich  auch 
nicht,  die  Aufwärtsbewegung  gegen  äufsere  Feinde  zu  sichern, 
man  begann   das   sächsische   Heer'^)   zu  reorganisieren. 

Wir  sehen  davon  ab,  die  Augmentationen*)  aufzuzählen, 
die    in    den    einzelnen    Truppenteilen    vorgenommen    wurden, 


0  Leipziger  Ratsarchiv,  Landtagsakten  1766,  IV. 

-j  Ebenda. 

^)  HStA.  Dresden  Loc.  6190,  I.andtagsakten  1766  \'ol.  11  fol.  300. 

*)  Ebenda  Vol.  I  fol.  573,  591. 


Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges.  g^ 

wichtiger  als  die  Verstärkung  dünkt  uns  die  Veränderung 
des  Truppengeistes,  die  jetzt  angestrebt  wurde.  Der  säch- 
sische gemeine  Soldat  war  verachtet  von  Bürger  und  Bauer  \). 
Das  lag  einmal  an  der  niedrigen  Stellung,  die  er  im  Zivil- 
leben bekleidete,  und  zweitens  an  seiner  Herkunft.  Ein  grofser 
Teil  der  Mannschaften  war  im  Auslande  geworben,  es  waren 
Leute  oft  von  dunkler  Vergangenheit.  Was  aus  dem  Inlande 
stammte,  gehörte  zu  den  tiefsten  Schichten  der  Bevölkerung^). 
Ungelernte  Manufakturisten ,  also  Handarbeiter,  überzähhge 
Bauerssöhne  und  Schift'sknechte ,  das  waren  in  der  Haupt- 
sache die  Berufe,  in  denen  von  den  Gemeinden  geworben 
wurde.  Es  läfst  sich  denken,  dafs  die  von  der  Aushebung- 
befreiten  Stände,  wie  Manufakturisten,  Kaufleute,  Handwerker, 
Offizianten  des  kurfürstlichen  Dienstes,  selbständige  Bauern, 
mit  Verachtung  auf  die  Landesverteidiger  herabsahen.  Dazu 
kam,  dafs  die  Rekruten  im  Dienst  oft  unwürdig  behandelt 
wurden.  Der  Korporalstock  spielte  eine  grofse  Rolle,  um  die 
zusammengewürfelte  Masse  an  Disziplin  zu  gewöhnen.  Und 
hatte  einer  seine  Zeit  gedient,  dann  winkte  ihm  wohl,  falls  er 
Handwerker  war,  die  Quatemberfreiheit,  d.  h.  Befreiung  von 
der  Gewerbesteuer,  die  Mehrzahl  ging  einer  ungewissen  Zu- 
kunft entgegen,  und  bettelnde  Soldaten  waren  nichts  Seltenes. 
Von  einer  solchen  Truppe  konnte  eine  feste  Widerstandsfähig- 
keit nicht  verlangt  werden ;  sie  kämpfte  des  Soldes  wegen.  Sie 
bestand  aus  Mietlingen.  Das  einzige,  was  ihr  noch  Halt  ver- 
leihen konnte,  war  ein  tüchtiger  Feldherr,  was  durch  die 
Person  Wallensteins,  bez.  Friedrichs  des  Grofsen  bewiesen 
wird.  Wo  der  einflufsreiche  Heerführer  fehlte,  war  das  Werbe- 
heer unzuverläfsig.  Alle  Patrioten  Sachsens  stimmten  nach 
den  schhmmen  Erfahrungen  des  Krieges  darin  überein,  dafs 
das  Heer  von  Patriotismus  durchdrungen  sein  müsse,  v.  Fritsch 
sagt"^):  „Man  fordert  jetzt  blofs  Tapferkeit  von  Menschen, 
welche  wider  Willen,  bei  schlechtem  Gehalte  und  fremder 
Versorgung  unter  einer  harten  Zucht  stehen.  Dergleichen 
Mietlingen  aber  trauten  die  Römer,  und  ich  glaube  mit  Recht, 
das  wenigste  zu.  Mit  was  für  kleinen  Armeen  von  patriotisch 
denkenden  und  nur  jahrweis  geworbenen  Bürgern  schlugen 
die  Römer  ungeheure  Mengen  von  Barbaren !"  Wir  sehen, 
er  wünscht,  die  Kriegführung  möge  ein  Vorrecht  der  Ein- 
gesessenen werden.     Und  diese  Meinung  teilten  viele  andere 


1)  Briefe  über  Sachsen  vun  einem  Reisenden  (1787)  S.  76  ff. 
-)  HStA.  Dresden  Loc.  6190,  Landtagsakten  1766  Vol.  II  fol.  300. 
'^)  Zufällige  Betrachtungen  II,  70. 


QA        Oskar  Hüttig:  Die  Segnungen  des  Siebenjährigen  Krieges. 

mit  ihm.  Xaver  ^),  der  Administrator,  sagt  in  einem  Reskript 
an  die  Stände:  „Die  Landeseinwohner  sind  gehalten,  durch 
ihre  Person  zur  Vertheidigung  des  gemeinen  Vaterlandes  zu 
konkurrieren".  Ja,  auch  das  Konsil,  das  wegen  Mangel  an 
landwirtschaftlichen  Arbeitern  die  Werbung  im  Auslande  bei- 
behalten möchte,  hebt  hervor,  ,,dafs  Untertanen  sich  der  Ver- 
bindlichkeit, zur  Verteidigung  des  Vaterlandes  sich  ge- 
brauchen zu  lassen,  nicht  entstehen  können" -).  Dafs  wirkhch 
ein  Zurückdrängen  der  Ausländer  erfolgte,  beweist  die  Mit- 
teilung eines  preulsischen  Offiziers,  der  1787  unser  Land  be- 
reiste'^). Er  sagt:  ,,Wohl  sind  die  Soldaten  von  Bürgern 
und  Bauern  nicht  so  geachtet  als  in  Preufsen,  aber  es  sind 
fast  nur  Landeskinder.  Kaum  6  Prozent  sind  Ausländer". 
Am  besten  gelang  die  Durchführung  des  Indigenats  im 
Offizierskorps.  Und  wie  hatte  gerade  hier  unter  Friedrich 
August  L  und  II.  die  Ausländerei  geblüht !  Die  Stände 
wünschten  1763,  ,,dafs  künftighin  keine  anderen  Subjekta  als 
qualifizierte  Landeskinder  dem  Corps  des  cadets",  also  der 
Vorschule  für  Offiziere,  ,, eingereiht  werden  sollten",  und 
Xaver  willfahrte  diesem  Ansuchen,  indem  er  versprach,  die 
Offiziersstellen  lediglich  ,,mit  würdigen  Va.sallensöhnen"  *)  zu 
besetzen. 

So  entwickelte  sich  durch  Verstärken  des  vaterländischen 
Elementes  das  Werbeheer  immer  mehr  zu  einem  Volksheere, 
der  Soldat  stieg  im  Ansehen,  der  Patriotismus  wurde  sein 
starker  Hort  im  Kampfe. 

Nach  alledem  läfst  sich  nicht  leugnen,  dafs  Kursachsen 
nach  1763  tatsächlich  im  Zeichen  der  Aufwärtsbewegung 
stand.  Das  Morsche,  das  dem  Staatskörper  anhaftete,  war 
unter  den  Stürmen  des  Krieges  vernichtet  worden  und  die 
Neubildungen  vermieden  jene  Schwächen.  Aber  trotz  der 
reinigenden  Kraft,  die  schliefslich  jedem  Kriege  innewohnt, 
wäre  es  nicht  zu  den  segensvollen  Reformen  gekommen,  die 
wir  kennen  lernten,  wenn  nicht  gerade  damals  erleuchtete 
Männer  an  der  Spitze  standen,  die  auf  ein  opferfreudiges 
patriotisches  Volk  bauen  durften. 


»)  HStA.  Dresden  Loc.  6190,  Landtagsakten  1766  Vol.  II  fol.  91  ff. 
2)  Ebenda  Vol.  I  fol.  591. 

'•^)  Briefe  über  Sachsen  von  einem  Reisenden  S.  69  ff. 
^)  HStA.    Dresden    Loc.    6191,     Landtagsakten    1766     Vol.   III 
fol.  231b. 


V. 

Neue  Beiträge  zur  Charakteristik 
des  Generals  v.  Thielmann. 

Von 
K.  Haebler. 


Die  im  Jahre  1894  erschienene  Biographie  des  Generals 
Thielmann  von  H.  v.  Petersdorff  hat  den  Versuch  gemacht, 
denselben  darzustellen  als  einen  Vorkämpfer  für  die  Idee 
eines  unter  Preufsens  Führung  geeinigten  Deutschland,  und 
es  ist  verständlich  genug,  dafs  der  Verfasser  aus  dieser  Auf- 
fassung heraus  dazu  gelangt  ist,  einen  fast  uneingeschränkten 
Panegyrikus  auf  seinen  Helden  zu  schreiben.  Seine  Auffassung 
ist,  sofort  nach  dem  Erscheinen  des  Buches,  nicht  ohne 
Widerspruch  geblieben.  Allein  da  Petersdorff  auf  ein  um- 
fängliches und  schwer  zugängliches  Aktenmaterial  sich  stützen 
konnte,  seine  Gegner  aber  neue  Quellen  in  umfänglicherer 
Weise  zu  erschliefsen  bisher  nicht  in  der  Lage  gewesen  sind, 
so  hat  eine  quellenmäfsige  Berichtigung  und  Widerlegung 
seiner  Auffassung  bis  jetzt  nicht  erfolgen  können.  Ganz  neuer- 
dings ist  nun  aber  solches  Material  in  beträchtlichem  Umfange 
aufgefunden  worden. 

Die  Kgl.  Öffentliche  Bibliothek  zu  Dresden  besafs,  wie 
bereits  bekannt  war,  schon  in  dem  Böttigerschen  Briefwechsel 
eine  Anzahl  Schreiben  des  Generals,  von  denen  eines  auch 
in  den  Dresdner  Geschichtsblättern  veröffentlicht  worden  ist. 
In  dieser  Korrespondenz  stehen  aber  naturgemäfs  die  ästhe- 
tisch-literarischen Gesichtspunkte  im  Vordergrunde,  so  dafs 
dieselbe  für  die  Beurteilung  der  Stellung  des  Generals  zu  den 
welterschütternden  Ereignissen  seiner  Zeit,  in  denen  er  selbst 


^6  K.  Haebler: 

eine  so  wesentliche  Rolle  zu  spielen  bestimmt  war,  kaum  in 
Betracht  kommt.  Die  Kgl.  Bibliothek  besitzt  aber  nun  noch 
eine  zweite  Briefsammlung  aus  jener  Zeit,  in  welcher  Thiel- 
mann stark  vertreten  ist.  Es  ist  dies  eine  Sammlung  von 
Korrespondenzen,  Abhandlungen  und  Aktenstücken,  welche 
dem  Nachlasse  des  im  Jahre  1828  verstorbenen  Geheimen 
Rates  und  langjährigen  Zeremonienmeisters,  des  Barons  Wil- 
helm v.  Just,  entstammen  und  als  Geschenk  von  dessen  Neffen, 
dem  Hauptmann  Oskar  v.  Lindemann,  im  Jahre  1860  der  Kgl. 
Bibliothek  mit  der  Bestimmung  übergeben  worden  sind,  dafs 
sie  zunächst  für  eine  bestimmte  Frist  der  allgemeinen  Be- 
nutzung noch  entzogen  bleiben  sollten,  die  aber  nunmehr 
allgemein  zugänglich  geworden  und  zu  diesem  Zwecke  im 
einzelnen   für  die  Bibliothek  katalogisiert  worden  sind. 

Dabei  stellte  es  .sich  heraus,  dafs  die  Sammlung  nicht 
weniger  als  42,  zum  Teil  umfängliche  und  für  den  Schreiber 
im  höchsten  Mafse  charakteristische  Briefe  des  Generals  selbst, 
je  einen  von  seiner  Frau  und  von  seiner  Schwägerin  Caroline 
V.  Charpentier,  ferner  die  Konzepte  von  einer  zwar  kleinen 
Anzahl  von  Briefen  an  ihn,  aber  gerade  nur  von  solchen,  die 
eine  erhebliche  Wichtigkeit  besitzen,  und  endlich  in  den 
übrigen  der  Sammlung  einverleibten  Schriftstücken  eine  Reihe 
von  höchst  interessanten  Beurteilungen  Thielmanns  von  ver- 
schiedenen seiner  Zeitgenossen  und  die  Abschrift  einer  Anzahl 
von  Dokumenten  enthält,  die  sich  auf  einige  wichtige  Vor- 
gänge aus  der  Zeit  beziehen,  in  welcher  Thielmann  bereits 
den  sächsischen  Dienst  verlassen  hatte,  aber  als  Anführer  des 
sächsischen  Truppenkontingentes  in  der  Armee  der  Verbün- 
deten mit  seinem  alten  Vaterlande  noch  in  engerer  Berührung 
stand. 

Dieses  schon  seinem  Umfange  nach  nicht  unbeträchtliche 
Material  stellte  sich  nun  bei  näherer  Untersuchung  als  in 
mehrfacher  Beziehung  ganz  besonders  geeignet  heraus,  um  in 
dem  Streite  über  die  wahre  Bedeutung  Thielmanns  verwendet 
zu  werden.  Einesteils  nämlich  stammt  mehr  als  die  Hälfte  der 
einschlägigen  Korrespondenzen  aus  der  Zeit  von  1806  —  181 1, 
d.  h.  aus  denjenigen  Perioden  in  dem  Leben  des  Generals,  die 
l)isher  von  seinen  Biographen  verhältnismäfsig  am  stiefmütter- 
lichsten behandelt  worden  sind.  Dabei  lierühren  die  Briefe 
gerade  die  Vorgänge,  von  denen  wir  sonst  gut  unterrichtet 
sind,  wie  Thielmanns  Kriegstaten  im  Jahre  1809,  so  gut  wie 
gar  nicht,  sondern  sie  beziehen  sich  fast  durchgängig  auf 
private  und  dienstliche  Verhältnisse  interner  Art,  über  die 
man  in  den  öffentlichen  Dokumenten  nur  wenio;  findet.    End- 


General  v.  Thielmann. 


97 


lieh  aber,  und  darin  liegt  meines  Erachtens  der  Hauptwert 
des  Materiales,  besteht  es  durchweg-  aus  Briefen  vertraulichen 
Charakters,  in  denen  alle  Vorgänge  und  Persönlichkeiten 
mit  einer  rücksichtslosen  Offenheit  behandelt  und  beurteilt 
werden. 

Alle  Biographen  Thielmanns,  selbst  Petersdorff  nicht  aus- 
geschlossen, der  sein  Werk  allerdings  ,,ein  Charakterbild  aus 
der  napoleonischen  Zeit"  betitelt,  haben  bis  jetzt  bei  der  Schil- 
derung des  Generals  den  Schwerpunkt  immer  und  immer  wdeder 
auf  die  tatsächlichen  Vorgänge  gelegt.  Und  doch  wird  man, 
bei  dem  Widerstreit  der  Meinungen  über  den  General,  auf 
diesem  Wege  unmöglich  zu  einer  sicheren  Beurteilung  seiner 
Handlungen  gelangen.  Um  vollständig  zu  verstehen,  wie 
Thielmann  dazu  gekommen  ist,  so  zu  handeln,  wie  er  es 
getan  hat,  und  um  für  seine  Handlungsweise  den  rechten 
moralischen  Standpunkt  zu  gewinnen,  ist  es  vielmehr  unbe- 
dingt nötig,  zunächst  die  Charaktereigenschaften  des  Mannes 
von  den  äufseren  Vorgängen  so  unabhängig  als  möglich  zu 
erfassen  und  dann  von  diesem  Standpunkte  aus  sich  verständ- 
lich zu  machen,  wie  Thielmann  zu  seinem  bekannten  Vorgehen 
gekoiiimen  ist  und  welche  Beurteilung  desselben  bei  voller 
Kenntnis  von  Thielmanns  Charakter  demselben  gerecht  wird. 

Ein  Beitrag  zur  Lösung  dieser  Aufgabe  soll  auf  Grund 
des  erwähnten  Materiales  im '  folo^ enden  versucht  werden. 

Die  Freundschaft  Thielmanns  mit  dem  Baron  v.  Just  war 
nicht  alten  Datums.  Thielmann  selbst  schreibt  in  einem  Briefe 
aus  Warschau  vom  i8.  August  1808:  ich  sehe  nicht  ein, 
,, warum  ich  nunmehr  nach  meiner  neuen  Anstellung  mein 
ebenso  freundschaftliches  als  patriotisches  Vertrauen  in  Ihre 
Person,  welches  seit  nunmehr  zwei  Jahren  vielleicht  nicht 
ohne  Nutzen  bestanden  hat,  auf  einmal  ändern  sollte".  Da- 
nach kommen  wir  also  für  die  Begründung  der  Freundschaft 
auf  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  1806  und  man  wird  kaum 
irre  gehen,  wenn  man  annimmt,  dafs  der  junge  Major  und  der 
Zeremonienmeister  des  kurfürstlichen  Hauses  ihre  Bekanntschaft 
unter  den  eigenartigen  Umständen  gemacht  haben,  unter  denen 
ersterer  von  dem  Schlachtfelde  von  Jena  aus  als  Bote  Napo- 
leons an  den  Hof  nach  Dresden  entsendet  worden  war.  Die 
ersten  Briefe  Thielmanns,  die  im  Justschen  Nachlasse  erhalten 
sind,  datieren  allerdings  erst  aus  dem  Juni  1807,  allein  sie  tragen 
die  unverkennbaren  Zeichen  davon  an  sich,  dafs  sie  keineswegs 
erst  die  Einleitung  eines  freundschaftlichen  brieflichen  Verkehrs 
bedeuten,  sondern  dafs  sie  der  Ausflufs  eines  schon  länger  be- 
gründeten  vertraulichen  Verhältnisses   sind.     Zunächst   ist   es 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     l.  2.  7 


q8  K.  Haebler: 

jedenfalls  wohl  Thielmann  gewesen,  der  in  der  Person  des 
Barons  v.  Just  eine  Stütze  am  Hofe  gesucht  hat,  zu  dem  er 
selbst  als  einfacher  Rittmeister  und  als  Spröfsling  einer  bürger- 
lichen Beamtenfamilie  keinerlei  Beziehungen  hatte,  während 
Just  in  seiner  Stellung  als  Zeremonienmeister  und  um  seines 
rechtlichen  und  dabei  doch  versöhnlichen  und  vermittelnden 
Charakters  willen  mit  allen  Parteien  des  Hofes  auf  einem 
freundschaftlichen  Fufse  stand.  Gewifs  wird  auch  die  Be- 
geisterung für  das  französische  Wesen  und  für  die  Persön- 
lichkeit des  Kaisers  Napoleon  nicht  verfehlt  haben,  die  beiden 
Männer  einander  näher  zu  bringen,  denn  wie  Thielmann  zu 
jener  Zeit  ein  geradezu  blinder  Bewunderer  des  grofsen  Korsen 
gewesen  ist,  so  hat  auch  Just,  nicht  nur  in  den  Tagen  franzö- 
sischen Glanzes,  sondern  selbst  noch  in  den  Tagen  bitterer 
Not,  und  noch  in  dem  letzten  Augenblicke  zu  denen  gehört, 
die  das  Heil  Sachsens  von  dem  unbedingten  engsten  Anschlüsse 
an  Frankreich  erwarteten. 

Jedenfalls  hat  Thielmann  bereits  in  der  Zeit,  aus  welcher 
seine  ersten  Briefe  an  Just  stammen,  diese  Korrespondenz 
dazu  benutzt,  um  Einflufs  auf  die  Entschliefsungen  des  säch- 
sischen Hofes  vor  allem  in  Bezug  auf  persönliche  Angelegen- 
heiten zu  gewinnen.  Es  ist  eine  Eigentümhchkeit  Thielmanns, 
dafs  er,  obwohl  er  mit  Begeisterung  Soldat  war  und  obgleich 
ihm  für  seine  militärischen  Talente  und  Verdienste  allgemeine 
Anerkennung  nicht  versagt  worden  ist,  sich  doch  niemals  inner- 
halb der  Schranken  seines  militärischen  Berufes  zu  halten 
wufste,  sondern  immer  und  immer  wieder  darüber  hinaus  sich 
in  Dinge  mischte,  die  eigentlich  Aufgabe  der  Diplomaten 
waren,  weil  sie  auf  dem  Gebiete  der  allgemeinen  PoHtik 
lagen.  Wie  er  nach  der  Schlacht  von  Jena  sich  zu  der 
heiklen  Mission  erbot,  mit  Napoleon  über  das  Schicksal  der 
sächsischen  Truppen  zu  unterhandeln  und  diese  Gelegenheit 
höchst  eigenmächtig  dazu  ausnutzte,  seine  Mission  in  eine  rein 
diplomatische  zu  verwandeln,  die  den  Anschlufs  der  säch- 
sischen Regierung  an  das  napoleonische  System  zum  Ziele 
hatte,  so  hat  er  avich  in  der  Folgezeit  in  allen  Lagen  seines 
Lebens  es  niemals  vermocht,  seine  mannigfaltigen  Aufgaben 
und  Stelluno-en  nur  als  Militär  und  vom  rein  militärischen  Stand- 
punkte  aus  aufzufassen,  sondern  er  hat  immer  innige  Fühlung 
mit  der  Diplomatie  gesucht  und  derselben  allenthalben  mit 
eigener  Einmischung  in  die  politischen  Angelegenheiten  ins 
Handwerk  gepfuscht.  Das  ging  so  weit,  dais  man  endlich 
bei  ihm  die  Absicht  vermutete,  er  wolle  in  die  diplomatische 
Karriere   einlenken.     Als   er   im  Jahre  1810  von   seiner  Reise 


General  v.  Thielmann. 


99 


nach  München,  von  der  weiterhin  die  Rede  sein  wird,  zurück- 
kehrte, schrieb  der  Geh.  Finanzrat  v.  Manteuffel  am  3.  Juli  an 
Just,  der  damals  als  interimistischer  Gesandter  in  Paris  weilte: 
,,Fast  scheint  es  mir,  als  ob  unser  Freund  Thielmann  eine 
diplomatische  Anstellung  wünsche,  freilich  aber  wohl  lieber 
im  südlichen  Deutschhmd  als  im  Norden  (es  war  zuvor  von 
dem  Petersburger  Posten  die  Rede).  Auch  diesem  kann  ich 
hierin  nicht  beistimmen". 

Nach  dem  überraschend  erfolgreichen  Debüt  im  Oktober 
1806  behielt  denn  Thielmann  auch  während  des  Feldzuges  nach 
Preufsen  im  Jahre  1807  die  diplomatischen  Angelegenheiten 
fest  im  Auge ,  und  der  Baron  v.  Just  war  der  Kanal ,  durch 
welchen  er  seine  inoffiziellen  Beobachtungen  an  den  Hof  ge- 
langen liefs.  Schon  auf  dem  Marsche  von  Danzig  gegen 
Friedland  empfiehlt  er  dem  Baron  v.  Just  dringend,  in  einem 
Brief  vom  i.Juni  1807,  sich  dafür  zu  bemühen,  dafs  man  am 
sächsischen  Hofe  sich  nicht  karg  verhalte  in  der  Austeilung 
des  sächsischen  Ordens  an  französische  Offiziere.  ,,Die  Fran- 
zosen machen  kein  Geheimnifs,  ihn  zu  erwarten  und  zu  wün- 
schen, es  ist  jetzt  die  manie  de  rubans  et  de  crachats,  Uebrigens 
wie  kann  man  sich  wohlfeiler  die  Menschen  verbindlich  machen?" 
Und  weiterhin  noch  einmal:  „So  scheint  mir  doch,  als  wäre 
es  für  das  Verhältnifs  der  Truppen  sehr  vortheilhaft,  auch  an 
das  Korps,  in  welchem  wir  dienen,  an  von  unserem  Hofe  zu 
bestimmende  Personen  einige  Orden  zu  vertheilen,  um  so  mehr, 
da  man  mir  mit  dürren  Worten  gesagt  hat,  man  würde  sich 
äufserst  geschmeichelt  fühlen".  Und  nachdem  nach  der  Schlacht 
von  Friedland  schon  einiges  in  dieser  Richtung  geschehen 
war,  kommt  er  doch  schon  unter  dem  23.  Juni  wieder  auf  die 
Sache  zurück.  ,,Der  General  hat  heute  dem  Könige  geschrieben, 
an  die  drei  Obersten  Dommiere,  Fournier  d'Albe  und  Guichard 
den  Orden  zu  geben;  können  Sie  dazu  etwas  beitragen,  so 
bitte  ich  drum,  weil  ich  es  als  eine  schuldige  Erkenntlichkeit 
ansehe";  und  er  fährt  dann  mit  den  höchst  merkwürdigen 
Worten  fort:  „Der  General  und  ich,  sowie  Petrikowsky  und 
Schindler  sind  vom  Marschall,  wie  er  uns  gestern  selbst  sagte, 
zum  französischen  Orden  empfohlen,  den  ich  meiner 
übrigen  Verhältnisse  wegen  nur  mit  Widerwillen 
annehmen  werde,  und  alles  anwenden  werde,  ihn 
mit  Fagon  zu  declinieren".  Welche  Verhältnisse  dies 
gewesen  sein  mögen,  ist  nicht  recht  verständlich;  jedenfalls 
entging  Thielmann,  wie  bekannt,  der  Dekorierung  nicht,  und 
er  hat  nachmals  selbst  minder  wertvolle  französische  Aus- 
zeichnungen mit  freudiger  Bereitwilligkeit  angenommen. 

7* 


loo  K..  Haebler: 

Thielmanns  Briefe  aus  den  Jahren  1807  und  1808  er- 
wecken ganz  den  Anschein,  als  wenn  er  die  sächsischen  Be- 
ziehungen zu  Napoleon  so  recht  als  sein  eigenstes  Werk 
ansehe  und  sich  dazu  berufen  fühle,  über  der  Fortdauer  dieser 
Freundschaft  zu  wachen.  Höchst  bezeichnend  dafür  ist  ein 
Brief,  den  er  am  15.  Juni  von  dem  Schlachtfelde  von  Fried- 
land aus  an  Just  gerichtet  hat:  ,, Auf  dem  Schlachtfelde  mitten 
unter  10  000  Leichen  und  Sterbenden  nur  einige  politische 
Worte  ....  Der  Kaiser,  glauben  Sie  mir,  ist  wegen  Schlesien 
böse  auf  uns.  Ich  weifs  es  durch  sichere  Hand,  wovon  ini 
nächsten  ein  Mehreres.  Nun  denken  Sie  sich,  dafs  wir  zur 
Bataille  ohne  Artillerie  und  mit  130,  schreibe  130  Mann  an- 
kamen, indem  fünf  Bataillone  in  Garnisonen  verlegt  sind  (ein 
wahres  unverkennbares  Zeichen  der  Ungnade)  und  von  den 
letzteren  dreien  wegen  Auflösung  aller  Disciplin  alles  zurück- 
geblieben oder  gar  desertiert  war.  Ich  war  zum  Todschiefsen 
bereit  und  Globig  fiel,  ein  Opfer  seiner  Vaterlands-  und  Ehr- 
liebe, aber  —  o  Sachsens  Glück!  Diese  130  Mann  schlugen 
sich  so  brav,  die  Cürassiere  und  Dragoner  zeichneten  sich  so 
aus,  dafs  sie  bemerkt  und  vielleicht  alles  vergessen  wurde". 
Der  gleichen  Stimmung  entspringt  es,  w-enn  er  den  Brief 
vom  23.  Juni  mit  den  Worten  schliefst:  ,, Leben  Sie  wohl, 
und  machen  Sie,  dafs  das  Vaterland  sein  Glück  benutze". 
Ausführlicher  kommt  er  auf  die  Ereignisse  von  Friedland 
zurück  in  einem  Briefe  aus  Warschau  vom  26.  November,  in 
welchem  er  schreibt: 

„Erlauben  Sie,  dafs  ich  in  meine  Sphäre  zurückkehre  und 
Ihnen  von  einer  Angelegenheit  rede,  die  mir  über  alles  am  Herzen 
liegt.  Hier  ist  die  Geschichte  .  .  .  Als  wir  von  Marienburg  zur 
Eröfthung  des  Feldzuges  nicht  marschierten,  sondern  flogen,  blieb 
der  General  v.  Polenz  aus  zu  entschuldigenden  Gründen  1V2  Marsch 
zurück.  Ich  legte  öft'entlich  und  bestimmt  meine  Protestation  da- 
gegen ein,  um  meine  Seele  und  meine  Ehre  zu  retten.  Aber  man 
blieb  und  ich  folgte  dem  Marschall  Lannes,  und  machte  durch 
unterlegte  Ordonnanzen  Anstalt,  das  Uebel  so  gut  als  möglich 
reparieren  zu  können.  Am  Tage  vor  dem  Uebergange  über  die 
Passarie,  war  ich  mit  dem  Marschall  im  Kaiserlichen  Hauptquartier 
und  stand  im  Vorzimmer  das  Zeitungsblatt  mit  der  traurigen 
Stelle  aus  Schlesien  les  saxons  ont  lache  pied,  conduite  d'autant 
plus  extraord.  tt.  Ich  ging  mit  dem  Marschall  weiter,  sein  Be- 
tragen gegen  mich  war  verändert,  Abends  nahm  mich  sein  Ad- 
jutant jetzt  General  Thommiere,  auf  die  Seite  und  unter  Abver- 
langung meines  Ehrenworts,  discret  zu  sein,  vertraute  er  mir,  der 
Kaiser  wisse  das  Zurückbleiben  der  Infanterie,  soupconniere  uns, 
und  wenn  sie  nicht  nachkäme,  wolle  er  uns  zum  T.  jagen;  er  be- 
schwor mich,  sogleich  Anstalten  zu  treffen.  Halb  todt  vor  Schreck 
sprengte  ich  zu  unsern  Cürassieren  und  schrieb  am  Wachtfeuer 
folgenden   Brief  an   den   General:    Wenn  Ihnen  Ihre  Ehre  und  das 


General  v.  Thielmann.  loi 

Wohl  unseres  Vaterlandes  lieb  ist,  so  bitte  ich  Sie  um  Gottes  willen, 
soo;leich  aufzubrechen,  und  expedierte  den  Graf  Solms  mit  diesem 
Briefe  mit  dem  Auftrag,  ehe  er  ihn  übergäbe,  im  Lager  General- 
marsch schlagen  zu  lassen,  und  fiele  sein  Pferd,  so  stünde  ich  für  den 
Ersatz." 

Und  dafs  er  sich  mit  voller  Überzeugung  das  Verdienst 
zu  gute  rechnete,  mit  dieser  Handlungsweise  die  französisch- 
sächsische Allianz  aufrecht  erhalten  zu  haben,  das  geht  aus 
dem  merkwürdigen  Briefe  hervor,  in  welchem  er  aus  Lübben 
unter  dem  1 1 .  Juni  1 8 1 1  seine  Verdienste  aufzählt  und  sich 
über  die  geringe  Anerkennung  beklagt,  die  er  gefunden  habe. 

„Als  ich  nach  Jena  durch  einen  muthigen  Entschlufs  den  Kaiser 
ohne  allen  Auftrag  um  Frieden  bat  und  bestimmt  die  Armee  rettete,  .  .  . 
was  wurde  mir  dafür?  —  Verfolgung.  .  .  .  Als  ich  bei  Friedland  des 
Königs  Ehre  rettete,  denn  ohne  mich  wäre  kein  sächsischer  Schuis 
bei  Friedland  geschehen,  und  die  Truppen  bestimmt  vom  Kaiser 
zurückgeschickt  worden,  was  habe  ich  erhalten?  —  nichts.  Was  ist 
mir  dafür  geworden,  dafs  ich  den  feindseligen  Davoust  fast  beschworen 
habe?   —  abermals  Verfolgung!" 

Von  den  persönlichen  Bemerkungen  zunächst  abgesehen, 
leitet  der  letzte  Satz  schon  über  zu  der  nächsten  Aufgabe, 
welche  Thielmann  zufiel  und  die  er  abermals,  wenn  auch 
wohl  nicht  im  Widerspruche  mit  dem,  was  man  von  ihm  er- 
wartete, in  hohem  Grade  zu  einer  politisch-diplomatischen  zu 
gestalten  wufste.  Nach  dem  Tilsiter  Frieden  wurden  die  säch- 
sischen Truppen  nach  Polen  dirigiert,  das  als  wiederauf- 
gerichtetes selbständiges  Herzogtum  dem  König  von  Sachsen 
überseben  wurde.  Als  Oberbefehlshaber  aller  dort  befindlichen 
Streitkräfte  wurde  Davoust  ernannt,  der  damit  der  unmittel- 
bare Vorgesetzte  des  Generals  Polenz  wurde,  dem  Thielmann, 
nachdem  er  während  des  Feldzugs  sein  Generalstabschef  ge- 
wesen war,  nunmehr  als  Adjutant  beigegeben  wurde. 

Wie  Thielmann  zu  seinem  General  stand,  dafür  ist  die 
Episode  aus  der  Schlacht  von  Friedland  in  seiner  eigenen,  oben 
gegebenen  Darstellung  ein  hinlänglicher  Beleg.  Natürlich  war 
man  auf  französischer  Seite  nach  dem  Vorhergegangenen  mehr 
auf  Thielmann  als  auf  Polenz  aufmerksam  geworden,  und  der 
erstere  liefs  es  sich  redlich  angelegen  sein,  diese  persönlichen 
Vorteile  auszunutzen.  Über  sein  erstes  Zusammentreffen  mit 
Davoust  enthalten  Thielmanns  Briefe  an  Just  eine  höchst  eigen- 
tümliche Episode.  Es  scheint,  als  ob  anfangs  Thielmann  wirk- 
lich mehr  hinter  den  Kulissen  als  unmittelbar  auf  die  Be- 
ziehungen zu  Davoust  einzuwirken  Gelegenheit  gehabt  habe. 
Wenigstens  schreibt  er  unter  dem  21.  Dezember  aus  Warschau: 

„Ich  bat  ihn  (Funk)  nämlich,  dem  Marschall  eine  gute  Idee  von 
Polenz  beizubringen  und  dafs  es  ein  Ehrenmann  sei,  damit  der  Mar- 


I02  K.  Haebler: 

schall,  der  klar  sieht  und  sich  mit  lakonischer  Kürze  bestimmt  aus- 
drückt, von  Polenicens  dunkel  gedachten  vuid  noch  verworrener  aus- 
gedrückten Ideen  sich  nicht  möchte  ganz  abschrecken  lassen,  und 
über  den  Redacteur  nicht  den  ehrlichen  Mann  übersehen  möchte. 
Funk  nahm  es  wohl  auf,  und  fand  es  höchst  noth wendig,  hat  aber 
auf  die  sonderbarste  Weise  mich  zu  empfehlen  für  nöthig  erachtet, 
indem  er  Davoust  bat,  mich  nicht  zu  verkennen,  da  ich  ihm  wahr- 
scheinlich als  ein  prussien  zele  bekannt  sein  würde,  worauf  der  Mar- 
schall geantwortet  haben  soll,  dafs  aus  den  Vendeens  und  aus  den 
Blutmenschen  die  besten  Diener  entsprungen  wären.  Dafs  mir  Funk 
dadurch  hätte  schaden  wollen,  mag  ich  nicht  voraussetzen;  denn  da 
ich  zum  Hierbleiben  bestimmt  zu  sein  scheine,  so  würde  er  den  öifent- 
lichen  Verhältnissen  am  meisten  geschadet  haben;  hat  er  mich  aber 
empfehlen  wollen,  so  heilst  es  den  Wald  vor  Bäumen  nicht  sehen,  und 
Funk  weifs  zu  gut,  dafs  das  nil  admirari  stets  meine  Sache  gewesen 
ist,  wir  wären  sonst  bessere  Freunde;  so  war  ich  nie  ein  Preufse, 
aber  gewifs  ein  warmer  Patriot,  und  so  setze  ich  auch  jetzt  noch 
den  wahren  Patriotismus  darein,  den  Franzosen,  denen  es  zu  wissen 
nöthig  ist,  durch  alle  Opfer  zu  zeigen,  dafs  Sachsen  es  treu  und  red- 
lich meint,  nicht  aber  suche  ich  den  Patriotismus  darin,  durch  lächer- 
lichen Stolz  oder  durch  Kriechen  vor  jedwedem  der  Nation  noch  die 
letzte  Achtung  zu  rauben.  Mein  Bestreben  ist,  würdevoll  den  Mittel- 
weg zu  suchen." 

Über  Thielmanns  persönliche  Beziehungen  zu  Davoust  ist 
schon  von  seinen  früheren  Biographen  so  viel  geschrieben 
worden,  dafs  ich  davon  absehen  kann,  aus  der  Justschen  Korre- 
spondenz weitere  Belege  dafür  beizubringen,  wie  eng  Thielmann 
sich  an  den  Marschall  anschlofs.  Dagegen  lohnt  es,  mit  seinen 
eigenen  Worten  den  Nachweis  zu  erbringen,  wie  auch  hier 
Thielmann  über  seine  eigentliche  Sphäre  hinauszugreifen  und 
sich  in  die  hohe  Politik  zu  mengen  bestrebt  war. 

Davoust  selbst  hatte  nach  Thielmanns  eigenen  Worten 
erklärt,  dafs  seine  Aufgabe  in  Polen  eine  ausschliefslich  mili- 
tärische sei  und  dafs  er  den  inneren  und  den  politischen  An- 
gelegenheiten gänzlich  fern  zu  bleiben  wünsche.  Vielleicht 
dürfte  man  diese  Erklärung  auch  bei  dem  Marschall  nicht 
allzu  wörtlich  nehmen.  Thielmann  aber  hatte  jedenfalls  auch 
nicht  einmal  die  Absicht,  den  politischen  Angelegenheiten  fern 
zu  bleiben,  sondern  ergriff  bereitwillig  jede  Gelegenheit,  sich 
derselben  anzunehmen. 

Ich  deutete  schon  an,  dafs  dieses  Hinübergreifen  in  die 
Politik  nicht  allein  von  Thielmann  ausging.  Das  wird  aller- 
dings durch  die  Korrespondenz  klar  erwiesen.  Schon  seinen 
Bericht  vom  21.  Dezember  beginnt  Thielmann  mit  den  Worten: 
,,Sie  wollen  übrigens  meine  Ansichten  über  unsere  neuen  Ver- 
hältnisse hören,  wohlan,  ich  benutze  Ihre  Erlaubnis".  Ganz 
besonders  bezeichnend  dafür  sind  aber  zwei  Briefe  des  Baron 
von  Just  aus  dem  Februar  1808,  der  eine  an  den  Grafen  Bose^ 


General  v.  Thielmann. 


103 


den  Minister  der  Auswärtigen  Angelegenheiten,  der  andere  an 
Thielmann  selbst.  Der  erstere,  von  dem  Just  es  für  zweck- 
mäfsig  gefunden  hat,  das  Konzept  zu  bewahren,  lautet  fol- 
gendermafsen : 

„Je  crois,  mon  eher  Comte,  ne  pas  devoir  vous  laisser  ignorer, 
que  sur  une  premiere  lettre  du  Major  Thielmann  que  j'avais  regu  par 
la  poste,  et  qui  contenait  quelques  particularites,  je  lui  ai  ecrit  que  je 
le  priais  de  suspendre  ces  avis  contidentiels  (zu  denen  er  ihn  doch 
selbst  aufgefordert  hatte!)  du  moins  par  cette  voye  sujette  ä  l'inspec- 
tion.  Dans  l'intervalle  de  l'arrivee  de  cette  lettre  j'en  ai  recu  hier  de 
Mr.  Thielmann  une  seconde  .  .  .  ." 

Hier  gibt  sich  also  Just  den  Anschein,  als  wenn  er  selbst 
schon  Thielmann  darauf  aufmerksam  gemacht  habe,  dafs  seine 
politisch-vertraulichen  Mitteilungen  an  ihn  nicht  recht  am  Platze 
seien  und  besser  unterblieben.  Und  nun  höre  man,  was  der- 
selbe Baron  v.  Just  unter  dem  19.  März  an  Thielmann  schreibt, 
^und  zwar  gleichfalls  unter  Einverleibung  des  Konzeptes  in  seine 
Briefschaftensammlung:  ,,Ihr  mit  interessanten  Nachrichten 
vertraulich  gefülltes  Paquet  habe  ich,  bester  Herr  Major,  durch 
den  Lieut.  von  Böse  unversehrt  erhalten  und  zur  Mitteilung 
derselben  an  den  Grafen  Marcolini  heute  meinen  ersten 
Ausgang  gemacht  ....  Ich  bin  autorisiert,  Ihnen  folgen- 
des zu  antworten"  usw.,  und  darauf  wird  eingehend  über 
einzelne  Punkte  rein  politischer  Art  Bericht  erstattet,  die  in 
dem  gleichfalls  vorhandenen  Thielmannschen  Schreiben,  wel- 
ches hier  beantwortet  wird,  enthalten  sind.  Wenn  man  nun 
in  Betracht  zieht,  dafs  sich  der  Graf  Böse  als  Minister  des 
Äufseren  eben  nicht  des  sonderhchen  Vertrauens  der  Franzosen 
erfreute,  und  wenn  man  weifs,  dafs  auch  Thielmann  glaubte, 
alle  mögliche  Ursache  zu  haben,  sich  über  Böses  Betragen 
gegen  ihn  zu  beklagen,  so  drängt  sich  unwillkürlich  die  Ver- 
mutung auf,  dafs  Thielmanns  Bestreben,  sich  auch  auf  poli- 
tischem Gebiete  zu  betätigen,  zwar  offiziell  nicht  wohl  gebilligt 
werden  konnte,  insgeheim  aber  wurde  er  von  anderen  einflufs- 
reichen  Personen  des  Hofes  geradezu  ermuntert,  in  seinen 
Mitteilungen  fortzufahren. 

Thielmanns  Briefe  aus  Warschau  an  Just  berühren  nur 
nebenbei  die  militärischen  Angelegenheiten,  In  der  Hauptsache 
beschäftigen  sie  sich  mit  der  sächsischen  Politik  in  Polen  und 
spiegeln,  allerdings  in  Thielmannscher  Beleuchtung,  den  Ein- 
druck wieder,  welchen  diese  Politik  auf  die  Franzosen  und 
besonders  auf  den  Marschall  Davoust  machten  mufste.  Unter 
diesem  Gesichtspunkte  erscheinen  sie  mir  wichtig  genug,  um 
etwas  ausführlichere  Mitteilungen  aus  denselben  zu  rechtfer- 
tigen.   Schon  am  26.  November,  als  Thielmann  bei  dem  Ein- 


lOA  K.  Haebler: 

zuge  König-  Friedrich  Augusts  in  Warschau  zugegen  gewesen 
war,  schrieb  er:  ,,Es  ist  jetzt  ein  höchst  wichtiger  Moment, 
wie  wir  uns  in  Fohlen  betten,  so  werden  wir  schlafen"  .  .  . 
Denselben  Gedanken  führt  er  dann  unter  dem  21.  Dezember 
weiter  aus: 

„In  unserer  beschränkten  Lage  Hegt  unser  Glück.  Hinge 
von  unserm  Selbsthandeln  unsere  Zukunft  ab,  so  würde  es  nicht 
so  gut  um  uns  stehen;  dürften  wir  uns  selbst  betten,  so  würden 
wir  schlecht  schlafen.  Uebereilt  haben  wir  uns  nicht,  das  soll 
uns  Niemand  schuld  geben,  aufser  einem  Präsidenten  des  Conseils, 
des  Gr.  Gutakowsky  (gewifs  eine  gute  Wahl,  nur  zu  alt),  ferner 
einigen  senateurs,  einem  Ordensbande  an  Wilicky,  einer  Dose  an 
Malachowsky  und  einem  pohln.  Militaer- Kreuze  an  einen  polnischen 
Offizier  auf  Empfehlung  des  Marschall  Davoust,  obschon  die  von 
Poniatowsky  vorgeschlagenen  Militär  Decorationen  noch  alle  in 
suspenso  liegen,  ist  heute,  8  Tao;e  vor  der  Abreise,  noch  keine  Spur 
der  neuen  Regierung  zu  bemerken  gewesen.  Gr.  B(ose)  sagte  mir, 
diese  Leute  können  nichts  erwarten,  und  Gott  habe  doch  7  Tage  zur 
Schöpfung  gebraucht!  Aufser  dem  Vergleich  liegt  allerdings  viel 
Wahres  darin!  Unsere  Hauptfehler  Schemen  mir  hauptsächlich  fol- 
gende: I.  Mangel  an  Muth,  selbst  zu  handeln,  2.  gänzliche  Hingebung 
an  die  Franzosen,  ohne  dabei  gerade  die  rechten  Leute  zu  menagieren, 
3.  zu  viel  Vertrauen  in  die  Pohlen  bei  einem  dennoch  stolzen,  von  oben 
herabsehenden  Betragen  gegen  selbige,  welches  man  gerade  umdrehen 
sollte,  nämlich  ihnen  wenig  trauen  und  sie  dabei  liebreich  und  zuvor- 
kommend, aber  mit  Würde  behandeln.  Würden  wir  uns  nun  hier 
gänzlich  selbst  überlassen,  so  könnte  es  nicht  anders  kommen,  als 
dafs  bald  sehr  nachtheilige  Folgen  entstünden,  gleichwie  aber  in 
diesem  militärischsten  aller  militärischen  Zeitalter  sogar  gegen  das 
ohnmächtige  Oesterreich  eine  Armee  in  Franken  aufgestellt  wird,  noch 
weit  mehr  wird  Pohlen,  diese  Vormauer  des  occidentalischen  Kaiser- 
thums,  dieser  kritische  Scheidepunkt  zwischen  den  beiden  Möglich- 
keiten, gewifs  der  Gegenstand  einer  eifersüchtigen  Aufmerksamkeit 
Frankreichs  in  militärischer,  bürgerlicher  und  politischer  Hinsicht 
bleiben.  Unsere  Fehler  werden  daher  nichts  anderes  nach  sich  ziehen, 
als  weniger  Rücksicht  in  den  Formen.  Was  aber  hierbei  zu  retten 
wäre,  das  wäre  immer  der  Mühe  werth,  nämlich  unsere  eigene  Würde. 
Gegen  deren  bisherige  so  ehrenvolle  Behauptung  scheinen  mir  hier 
grofse  Schnitzer  vorgefallen  zu  sein,  und  hier  mufs  ich  denn  auf  die 
Geschichte  des  Tages  übergehen.  Voraus  mufs  ich  schicken,  dafs 
den  König  die  wenigsten  meiner  Tadel  treffen,  so  hat  er  sich  z.  B. 
durch  seine  Herablassung  und  Zuvorkommenheit  aller  Herzen  ge- 
wonnen, aber  es  ist  den  Polen,  die  Dresden  recht  gut  kennen,  nicht 
entgangen,  wie  sehr  es  von  unseren  Gewohnheiten  abweichen  hiefs, 
dafs  der  König  auf  den  Ball  des  Marschalls  am  Krönungstage  ging, 
dafs  er  da  soupierte,  dafs  die  Prinzessin  im  Advent  tanzte,  und  dals 
es  allerdings  würdiger  gewesen  wäre,  wenn  man  diesen  Tag  im  Schlots 
gefeiert  hätte,  welches  dabei  nicht  ausschlofs,  dafs  sich  der  König 
dennoch  auf  dem  Ball  zeigte.  Bald  hätte  man  sich  noch  weiter  ver- 
gessen, und  den  König  dahin  verleitet,  dafs  er  übermorgen,  an  seinem 
(Namens-)  Tage,  bei  Bourgoing  diniert  und  beim  Marschall  auf  den 
Ball  gegangen  wäre.  Indessen  ist  dieses  nicht  geschehen,  es  ist  aber 
auch  nicht  geschehen,  dafs  der  Minister  oder  Racknitz  etwas  gegeben 


General  v.  Thielmann.  105 

hätten,  welches  meines  Erachtens  schicklicher  gewesen  wäre,  als  den 
Fremden  alles  zu  überlassen,  nämlich  die  Feier  am  Krönungstage, 
sowie  gleichfalls  die  Feier  des  Tages  unseres  Königs.  So  hat  man 
erst  gestern  die  polnischen  Generale  gebeten,  obschon  die  französi- 
schen 3  Mal  l>ei  Hof  gespeist  haben,  man  führt  hierbei  die  in  Dresden 
gewöhnliche  Ordnung  an,  da  man  aber  so  häufig  von  derselben  ab- 
weichen mufs,  wäre  es  denn  da  nicht  besser  gewesen,  einmal  eine 
Wochentafel  zu  geben,  um  die  neuen  Unterthanen  nicht  4  Wochen 
lang  in  der  Ungewifsheit  zu  lassen,  ob  ihnen  je  die  Ehre,  mit  ihrem 
Könige  zu  essen,  widerfahren  würde?  In  der  Deferenz  gegen  die 
Franzosen  hat  man  sogar  einen  französischen  Capitaine  zur  Tafel  ge- 
zogen, welcher  als  Courier,  nicht  etwa  als  Gesandter,  die  Ratificationen 
vom  Marschall  Soult  überbrachte." 

Noch  schärfer  in  derselben  Richtung  spricht  sich  Thielmann 
am  29.  Dezember  aus: 

„Die  erste  Scene  unserer  neuen  Rolle  ist  nun  vorüber,  leider 
aber  kann  und  darf  man  sich  nicht  verhehlen,  dafs  der  debut  total 
mifsfallen  hat.  Mein  Herz  ist  voll  Jammers,  und  wie  ein  schweres 
Gewitter  liegt  die  Zukunft  vor  mir!  Was  soll  aus  allen  diesen  Ex- 
tremen werden?  Ein  verlassenes  Land,  eine  in  Gährung  noch  be- 
griffene Nation,  überall  dringendes  Bedürfnifs!  Unsererseits:  Hülf- 
losigkeit,  Verblendung,  Ungewifsheit,  —  wir  gleichen  einem  furcht- 
samen Klavierspieler,  der  bei  jedem  Griff  nach  dem  Lehrer  sieht, 
nun  spät  oder  falsch  greift,  und  so  Takt  oder  Harmonie  verfehlt. 
Französischer  Seits:  Durchgreifende  Herrscher-Ansichten!  Ach,  so 
kann  man  die  Worte  des  Apostels  auf  uns  deuten:  ihr  seid  den  Polen 
ein  Aergernifs  und  den  Franzosen  eine  Thorheit!  Ich  glaube  mich 
sicher  überzeugen  zu  können,  dafs  der  Marschall  noch  eine  andere 
Idee  von  uns  gefafst  hat,  als  wir  wirklich  verdienen.  Der  Marschall 
schien  es  wirklich  redlich  mit  uns  zu  meinen,  und  suchte  besonders 
des  Königs  persönliches  Vertrauen ;  der  Minister  (Böse)  hat  aus  mir 
unbekannten  Gründen  ganz  dagegen  gearbeitet,  die  Polen  noch  mehr, 
Funk  war  der  einzige,  der  es  aus  allen  Kräften  begünstigte,  und  da 
dieser  den  ganzen  Hof  zum  Feinde  hat,  so  arbeitet  auch  ein  jeder 
seinen  Ansichten  entgegen.  Man  hat  besonders  dem  König  die  Idee 
beigebracht,  dafs  er  die  Polen  verkenne.  Nun  mag  der  König  in 
den  häufigen  tetes  ä  tetes  gegen  Davoust  zurückhaltend  gewesen 
sein,  des  Ministers  nebulose  Ideen  haben  jenes  lakonische  Klarheit 
noch  mehr  zurückgestofsen ,  und  daraus  ist  denn  leider  entstanden, 
dafs  der  Marschall,  zwar  seine  Schuldigkeit  gegen  den  Souverain 
nicht  einen  Augenblick  vergessend,  unserm  König  vielleicht  nicht 
einmal  den  Werth  beilegt,  den  er  verdient,  mit  allen  unsern  Wahlen 
unzufrieden  ist,  und  gar  nicht  verhehlt,  dafs  ungeachtet  er  sich  nicht 
in  Administration  mische,  er  es  für  seine  Schuldigkeit  halte,  unsere 
Unzulänglichkeit  seinem  Herrn  darzustellen.  Unter  den  neuen  An- 
stellungen sind  einige  erklärte  französische  Spione,  welche  diese 
zwar  brauchen,  aber  nicht  achten,  und  noch  weniger  angestellt  sehen 
wollen.  So  sind  wir  denn  aber  den  Franzosen  eine  Thorheit.  Den 
Polen  hingegen  sind  wir  ein  Aergernils,  weil  sie  zu  klug  sind,  um 
uns  nicht  mit  einem  Blick  zu  übersehen,  unsere  Rücksichten  in  jeder 
Kleinigkeit  wittern,  und  weil  Mangel  an  Selbstvertrauen  nie  Achtung 

verschafift Ach,  Polen  ist  und  bleibt  für  uns  ein  unseliges 

Geschenk;  es  wäre  für  eine  kraftvolle  Regierung  schon  eine  Aufgabe 


io6  K.  Haebler: 

o;ewesen,  geschweige  denn  für  uns,  die  wir  in  Cautelen  und  halben 
Mafsregeln  untergegangen  sind! 

Um  unsere  Lage  aber  vollkommen  verlassen  zu  machen,  gehört 
noch,  dafs  wir  hier  keine  Seele  haben,  die  wahrhaft  in  unserem 
Interesse  sei,  keinen  Beobachter,  dem  wir  Vertrauen  schenken  können. 
Es  kann  hier  vorgehen,  was  da  will,  so  hören  wir  es  durch  einen 
französischen  oder  polnischen  Bericht." 

Mit  gleicher  Ausführlichkeit  hat  Thielmann  allerdings 
weiterhin  seine  Ansichten  über  die  polnischen  Angelegen- 
heiten nicht  wieder  entwickelt;  aber  Urteile  über  einzelne 
Personen  und  Vorgänge  finden  sich  verstreut  durch  seine 
ganzen,  während  des  Warschauer  Aufenthaltes  geschriebenen 
Briefe.  Kein  Mensch  wird  diesen  Auslassungen  den  edlen 
Freimut  und  einen  gewissen  Scharfblick  für  die  schwachen 
Punkte  der  politischen  Lage  absprechen  wollen.  Mit  Recht 
aber  mufs  es  die  gröfste  Verwunderung  erregen,  dafs  eine 
derartig  scharfe  Kritik  der  höchsten  und  leitenden  Persönlich- 
keiten von  einem  einfachen  Major,  dem  Adjutanten  des  mit 
dem  Befehl  über  das  kleine  sächsische  Kontingent  betrauten 
Generales,  an  den  Hof  abgehen  und  dort  gewürdigt  werden 
konnten,  einer  Persönlichkeit  von  dem  Einflüsse  des  Grafen 
Marcolini  vorgelegt  und  in  dessen  Auftrage  beantwortet  zu 
werden. 

Es  ist  nur  folgerichtig,  dafs  durch  diese  Verhältnisse  die 
Selbstüberhebung,  die  an  sich  schon  hinlänglich  aus  den  Worten 
des  Briefschreibers  hervorleuchtet,  in  einer  geradezu  bedenk- 
lichen Weise  genährt  wurde.  Anfänglich,  so  lange  Thielmann 
in  den  Warschauer  Verhältnissen  noch  nicht  recht  festen  Fufs 
gefafst  hatte,  bemühte  er  sich,  wie  aus  seinen  oben  zitierten 
Briefen  hervorgeht,  mit  dem  General  Polenz  auf  einem  mög- 
lichst gruten  Fufse  zu  bleiben.  Auch  so  blieb  freilich  sein 
Kommandeur  nicht  von  seiner  scharfen  Kritik  verschont.  Bei 
den  mannigfachen  Klagen  über  die  DiszipHnlosigkeit  der  säch- 
sischen Truppen  schreibt  Thielmann  schon  am  15.  Juni  1807: 
,,Der  General  und  ich,  wir  sind  über  die  Infanterie  aufser 
uns,  ich  wollte  es  zwar  bald  ändern,  aber  ihm  fehlt  dazu  die 
Jugend".  Ähnlich,  aber  schon  in  einer  schärferen  Tonart 
klingt  es  in  dem  Briefe  vom  21.  Dezember:  „Was  soll  ich 
bei  einem  General  wirken,  der  selbst  so  gebunden  ist,  und 
der,  wäre  er  auch  ungebundener,  viel  zu  alt  und  schwach 
ist,  um  nur  die  Maschine  in  gew^öhnlichem  Gange  zu  erhalten, 
geschweige  denn  bei  deren  Verfall  auf  Erhaltung  hin  zu 
wirken".  Der  nächste  Schritt  war  unausbleiblich,  dafs  ihm 
die  Tätigkeit  unter  diesem  Kommandeur  nicht  mehr  gut  genug 
war.     ,, Meine   ganze  Thätigkeit   beschränkt   sich   darauf",   so 


General  v.  Thielmann. 


107 


fährt  er  in  demselben  Briefe  fort,  „al]^  14  Tage  einen  Rapport 
an  den  König  zu  schreiben,  wobei  ich  mir  nebenbei  die  Frei- 
heit nehme,  über  zu  tolle  Mifsbräuche  meine  Meinung  laut  zu 
äufsern.  Im  Felde,  ja  da  war  es  und  ist  es  etwas  anderes, 
da  konnte  man  durchgreifen,  denn  man  war  der  Unterstützung 
in  Dresden  gewifs,  und  da  giebt  mir  auch  mein  Gewissen 
das  Zeugnifs  redlich  gewollt  und  vielleicht  nicht  ohne  Nutzen 
gewollt  zu  haben,  hier  aber  bleibt  nichts  übrig  als  — 
schweigen". 

Für  dieses  Schweigen  entschädigte  er  sich  jedoch  in 
seinen  Briefen  nach  Dresden,  und  je  mehr  er  sich  in  seine 
Rolle  eines  politischen  Beraters  des  sächsischen  Kabinetts 
hineinlebte,  desto  schärfer  wurden  die  Urteile  über  seine  Um- 
gebung. Am  10.  März  1808  ist  die  Tonart  schon  eine  ganz 
andere  geworden: 

„Der  General  Polenz  ist  auf  mich  jaloux,  dafs  ich  die  unglück- 
lichen Dosen  auszutheilen  empfangen  habe,  ungeachtet  man  ihm  vor- 
gestellt hat,  dals  dieses  nicht  das  Geschäft  eines  Generallieutenants 
sei,  ferner  weil  mir  der  Marschall  sein  Zutrauen  geschenkt,  ungeachtet 
ich  dem  General  Polenz  die  Gründe  recht  gut  auseinander  gesetzt 
habe,  ferner  weil  er  der  einzige  ist,  der  den  Orden  der  Legion  nicht 
erhalten  hat,  welches  Niemandem  mehr  leid  thun  kann  als  mir,  ich 
kann  aber  nicht  dafür,  dafs  er  den  Kaiser  bei  Tilsit  und  den  Mar- 
schall Lannes  durch  sein  c'est  ä  dire  nicht  erbaut  hat,  ferner  weil 
man  mir  hier  in  Warschau  Höflichkeiten  erweist,  und  ihn  wirklich 
oft  man^uiert.  Er  hat  noch  nie  gewagt,  mir  nur  ein  Wort  zu  sagen, 
aber  spricht  übel  von  mir  gegen  junge  Offiziere  sogar;  da  ich  nun 
entweder  Freunde  habe  oder  geachtet  bin,  so  erfahre  ich  jedes  Wort 
wieder,  da  er  hingegen  trotz  seines  Charakters  eines  Ehrenmannes 
nicht  eine  Seele  sein  nennen  kann.  Ich  erkläre  Ihnen  nun  hiermit 
feierlichst,  dafs,  wenn  ich  nicht  in  eine  von  dem  General  Polenz 
unabhängige  Lage  gesetzt  werde,  welches  dadurch  möglich  wird, 
dafs  man  mir  gleich  Thiollaz  eine  militärische  Mission  giebt,  die 
sich  mit  meinem  Charakter  eines  königlichen  Adjutanten  nur  um  so 
mehr  verträgt,  so  bitte  ich  den  König  um  meinen  Rappell,  und  sollte 
er  mich  deshalb  in  Ungnade  der  Ehre  berauben,  sein  Adjutant  zu 
heifsen,  so  will  ich  mit  Ergebung  mich  in  mein  Regiment  verfügen. 
Ich  würde  heute  dem  Grafen  Marcolini  darüber  meine  Bitte  vor- 
zulegen mich  unterstanden  haben,  wenn  ich  es  nicht  aus  Delicatesse 
gethan  hätte,  um  Polenzen,  den  ich  übrigens  als  einen  Ehrenmann 
achte,  nicht  zu  nahe  zu  treten,  und  versuche  es  daher  auf  dem  Wege 
der  Negoziation,  gebe  Ihnen  aber  mein  heiliges  Ehrenwort,  dafs 
nichts  meinen  Entschlufs  ändern  wird.  Bios  den  Unsinn  zu  redigiren, 
oder  gar  blos  ins  Reine  zu  schreiben,  den  Polenz  alle  14  Tage  ein- 
mal an  den  König  meldet  oder  melden  will,  dazu  fühle  ich  mich 
viel  zu  gut,  übrigens  kann  ich  in  der  Division  unter  diesem  General, 
der  alles  weifs,  alles  gesehen  hat,  alles  selbst  machen  will,  gar  nichts 
thun ;  kommt  es  wieder  zum  Krieg,  dann  steht  meine  Haut  und  mein 
Kopf  dem  Könige  wieder  zu  Diensten,  weil  ich  dann  keine  Rück- 
sicht nehme,  und  nur  das  Beste  des  Dienstes  vor  Augen  nehmen 
kann.    Meine  Gesundheit  hält  es  wahrlich  nicht  aus,  diesen  täglichen 


io8  K.  Haebler: 

Aerger  zu  ertragen,  worjüber  ich  alle  die  zu  fragen  bitte,  die  mit 
mir  in  einem  Joch  ziehen,  und  ich  müfste  unterliegen.  Ich  bin 
ein  sehr  verträghcher  Mensch  und  würde  mit  einem  schwachen 
General,  der  mir  sein  Vertrauen  schenkte,  aller  Delicatesse  fähig 
sein,  aber  dieser  Mann  weifs  alles  besser,  und  macht  mir  jede  Kleinig- 
keit zum  schweren  Geschäft.  Uebrigens  ist  es  gegen  des  Königs 
Ehre,  einen  Menschen,  der  den  Namen  seines  Adjutanten  trägt,  zum 
Adjutanten  eines  Divisions -Generals  zu  erniedrigen,  um  so  mehr  da 
in  der  französischen  Armee,  wo  jeder  General  selbst  zählen  mufs, 
die  Adjutanten  gar  eine  niedrige  Menschenklasse  sind,  mehr  der 
Küche,  als  dem  Degen  angehörig.  Im  Felde  hatte  ich  den  Titel 
eines  chef  d'etat  major,  in  der  französischen  Armee  eine  geehrte 
Charge,  uns  aber  ganz  unbekannt;  da  ich  es  aber  nun  eigentlich 
niemals  war,  da  Gersdorfen  dieses  Geschäft  oblag,  so  mulste  ich 
wegen  der  an  mich  gerichteten  französischen  Geschäftscorrespondenz 
in  Warschau  die  Sache  niederlegen,  um  die  durch  die  grofse  Stadt 
unvermeidliche  und  unabsehbare  Weitläufigkeit  zu  vermeiden,  welches 
auch  dem  General  recht  lieb  war,  da  dieser  Titel  in  meiner  Person 
die  [alousie  seiner  Autorität  beständig  reizte. 

'  Haben  Sie  die  Güte  hierüber  mit  aller  Schonung  des  Generals 
am  rechten  Orte  Vorstellung  zu  thun,  ich  rechne  auf  Ihre  Freund- 
schaft, und  mir  mit  Nächsten  ein  decisives  ja  oder  nein  zu  schreiben. 
Mit  Vergnügen  will  ich  in  meine  Provinz  zurück  gehen,  und  mich 
auf  das  Zeugnifs  meines  Gewissens  betten,  treu  und  redhch  gewollt 
zu  haben.  Feindschaft  ist  mein  Gewinn  und  Undank  mein  Lohn. 
Mir  kann  der  König  mit  allem  Gelde  den  Aerger  und  die  Sorgen 
des  Jahres  1807  nicht  vergessen  machen,  nur  wer  es  gesehen  hat, 
kann  davon  urtheilen." 

Auf  dieses  höchst  auffallende  Schreiben  erfolgte  durch 
den  Baron  v.  Just  fast  postwendend,  am  19.  März,  die  Ant- 
wort, ,,dafs  man  Ihren  Einsichten  und  Eifer  Gerechtigkeit 
widerfahren  läfst,  da.s  DeHcate  in  Ihrer  Lage  fühlt,  Sie  defs- 
halb  doppelt  um  Vorsicht  und  Mäfsigung  bittet,  und  geneigt 
sein  wird,  Ihnen  Ihren  Wunsch  um  eine  unabhängige  Existenz 
in  Warschau  zu  unterstützen,  wenn  Sie  selbigen  directe,  d.  h. 
bei  dem  Grafen  Marcolini  mit  Schonung  auf  eine  ostensible 
Weise  anbringen". 

Als  Thielmann  seinen  Brief  vom  10.  März  schrieb,  konnte 
er  allerdings  wohl  bereits  den  Erfolg  desselben  voraussehen. 
Seine  Stellungr  in  Warschau  unter  dem  General  Polenz  war 
in  der  Tat  nicht  nur  in  seinen  eigenen  Augen  unhaltbar  ge- 
worden, auch  seine  Kameraden  erkannten  an,  dafs  das  Ver- 
hältnis, und  zwar  keineswegs  nur  durch  Thielmanns  Schuld, 
unerträglich  geworden  sei.  So  schreibt  der  Major  v.  Gersdorf 
im  HinlDlick  auf  diese  Dinge  am  5.  September  1808  an  den 
Geh.  Kriegsrat  v.  Watzdorf  (die  Abschrift  des  Briefes  hat  Just 
seinen  Briefen  einverleibt): 

„Nächstdem  kränkt  sich  Polentz  über  Thielmann.  Sie  wissen, 
ich  bin  Thielmanns  Freund,   bin  übrigens  aber  nicht  für  ihn  blind, 


General  v.  Thielmann.  109 

und  rüge,  wo  ich  etwas  finde,  wo  ich  in  meinem  Herzen  mit  ihm 
unzufrieden  bin.  Aber  ich  versichere  Sie  ehrlich,  dal's  er  sich  so 
gegen  Polentz  benimmt,  wie  ich  kaum  weifs,  wie  er  es  anders  machen 
sollte.  Er  ist  also  über  die  Verhältnisse  ganz  aufser  Schuld.  Einem 
Manne  wie  Polentz,  der  Geschäftsstolz  hat,  ist  und  mufs  eine  solche 
Lage  aber  traurig  sein,  und  er  kränkt  sich  darüber,  ohne  Kraft  zu 
haben,  dem  vorzubeugen.  Ich  stehe  mitten  inne,  mufs  aber  durch- 
aus und  redlich  bekennen,  dafs  Thielmann  fast  nicht  anders  handeln 
kann,  als  er  handelt.  Was  die  Sache  selbst  anbetrifft,  so  würden 
Thielmann  und  ich,  wenn  wir  kommandirende  Generals  wären,  uns 
keinen  Gesandten  gefallen  lassen.  Das  steht  inzwischen  auf  einem 
anderen  Flecke,  und  verringert  Thielmanns  Brauchbarkeit  und  Nutzen 
den  er  hier  stiftet  und  stiften  kann,  gar  nicht". 

Der  Ausweo-  den  man  in  Dresden  o-efunden  zu  haben 
meinte,  bestand  darin,  dafs  man  Thielmann  von  Warschau 
zurückberief  und  ihn  dann,  nicht  mehr  als  Adjutant  des 
Generals  Polenz,  sondern  als  Militär -Attache  bei  dem  Mar- 
schall Davoust  dahin  zurückkehren  liefs.  Formell  war  damit 
die  Situation  geklärt,  Thielmann  ressortierte  nicht  mehr  von 
Polenz,  sondern  direkt  vom  Ministerium  in  Dresden,  und  was 
er  tat,  ging,  formell,  den  General  Polenz  nichts  mehr  an. 
Tatsächlich  ward  aber  in  der  Lage  nicht  viel  geändert; 
Polenz  blieb  nach  wie  vor  auf  eine  Verständigung  mit  dem 
Marschall  angewiesen,  und  dafs  Thielmann  jetzt  unabhängig 
mit  diesem  zu  verkehren  imstande  war,  machte  eigentlich  die 
Stellung  für  Polenz  erheblich  schwieriger  und  für  Thielmann 
kaum  weniger  peinlich. 

Thielmann  erkannte  recht  wohl,  welchen  Gefahren  ihn 
seine  neue  Position  in  den  Augen  der  Uneingeweihten  aus- 
setzte; aber  ersetzte  sich  darüber  hinweg.  Schon  am  10.  März 
hatte  er  seinen  Brief  mit  der  Bemerkung  geschlossen:  ,,Uebrigens 
kann  ich  ganz  ruhig  darüber  sein,  dafs  ich  hier  den  Vorwurf 
von  jemanden  hören  sollte,  ich  drängte  mich  an  die  Franzosen, 
um  mein  Glück  zu  machen".  Aber  nach  seiner  Rückkehr 
fühlte  er  .sich  doch  veranlafst,  am  16.  Juli,  zu  bemerken: 
„Mein  langes  Aufsenbleiben  (hat)  die  Idee  erregt,  man  habe 
mir  mein  gutes  Vernehmen  mit  den  französischen  Behörden 
in  Dresden  zum  Fehler  angerechnet".  Dafs  er  in  späteren 
Jahren  ganz  offen  die  Meinung  aussprach,  dafs  er  dafür  ,, Ver- 
folgung" geerntet  habe,  ist  oben  schon  aus  einem  seiner  Briefe 
belegt  ^^•orden. 

Zwi^hen  Polenz  und  ihm  hatte  die  Sache  übrigens  noch 
ein  Nachspiel.  Als  Thielmann  in  seine  veränderte  Stellung 
nach  Warschau  zurückkehrte,  war  General  Polenz  nicht  ein- 
mal davon  benachrichtigt  worden.  Die  berechtigte  Bitterkeit 
des  Generals   nahm   Thielmann   in   seiner   hochfahrenden  und 


HO  K.  Haebler: 

empfindlichen  Weise   für   eine  persönliche  Kränkung,   wähnte 

sich   durch  Polenz   bei    Davoust  angeschwärzt    und  hielt  sich 

für  berechtigt,   über   das   Betragen   des  Generals  in  Dresden 

Beschwerde  zu  führen.     Da  bewies  aber  der  General,  dafs  er 

in  der  Tat  der  Ehrenmann  war,  für  den  ihn  selbst  Thielmann 

in   seinen    heftigen   Briefen   zu  erklären  nicht  umhin  gekonnt 

hatte,  indem  er  am   14.  November  den  folgenden  Brief  direkt 

an  Thiehnann  richtete: 

„Auf  Ew.  Wohlgeb.  Schreiben  von  dem  8.  dieses  habe  ich  die 
Ehre,  die  Antwort  zu  ertheilen,  dafs  Sie  in  einer  irrigen  Meinung 
stehen,  wenn  Sie  glauben,  dafs  ich  Demarchen  wider  Ihnen  gemacht 
habe.  Ich  habe  Ihren  Verdiensten  alle  Gerechtigkeit  widerfahren 
lassen,  allein  da  Sie  nach  einem  zweimonatlichen  Aufenthalt  in 
Dresden  nach  Warschau  zurückkommen,  unabhängig  von  mir  waren, 
mit  Aufträgen  versehen,  die  einen  Eingriff  in  mein  Commando  hatten, 
so  konnte  ich  nicht  anders  glauben,  als  dafs  man  mit  meinem  ge- 
führten Commando  unzufrieden  wäre,  ich  nahm  daher  den  Beschlufs, 
ohne  über  Ew.  Wohlgeb.  Beschwerde  zu  führen,  um  Ablösung  zu 
bitten ;  ohne  darauf  Antwort  zu  erhalten,  wurden  Sie  zurückberufen, 
und  nur  durch  Ihnen  erfuhr  ich  die  Nachricht  davon." 

Dafs  Thielmann  sich  in  seiner  neuen  Stellung  gefiel,  ist 
unschwer  zu  verstehen,  denn  er  hatte  sie  sich  sozusagen  selbst 
zurechtgemacht.  Schon  am  28.  Dezember  1807  hatte  er  ge- 
schrieben : 

„  .  .  .  Um  den  Marschall  ist  keine  Seele,  um  unser  Interesse  zu 
besorgen,  als  ein  dummer  Mensch  in  der  Person  des  Grafen  Oerzen, 
den  Polenz  trotz  aller  Weitläufigkeiten  noch  nicht  von  da  weg- 
manoeuvrirt  hat.  Warum  schickt  man  nicht  einen  Mann,  wie  z.  B. 
den  Geh.  Finanzrath  Ferber  unter  dem  Prätext  hierher,  die  sächsischen 
Domänen  zu  organisiren,  es  ma^  nun  Zeit  dazu  sein,  oder  nicht,  so 
würde  die  Gegenwart  eines  solchen  Menschen,  deren  wir  freilich 
nicht  viele  in  Dresden  haben  dürfen,  von  höchstem  Gewicht  sein. 
Warum  stellt  man  z.B.  nicht  mich  beim  Marschall  an? 
Der  General  Polenz  kann  es  nicht  thun,  denn  der  kann  nur  einen 
galopin  beim  Marschall  anstellen,  und  das  würde,  als  königlicher 
Adjutant  schon  unter  meiner  Würde,  noch  mehr  unter  der  Würde 
des  Königs  sein Eine  dergleichen  militärisch  politische  An- 
stellung beim  Marschall  bleibt  eine  unerläfsliche  Nothwendigkeit, 
weifs  man  einen  schicklicheren  als  mich,  so  bescheide  ich  mich 
dessen  bei  Gott  gern;  nur  Thiollaz,  sonst  ein  trefflicher  Mensch, 
würde  sich  am  wenigsten  dazu  passen.  Ich  rede  mit  Ihnen  ganz 
offen,  weil  ich  in  Ihnen  unbedingt  den  Glauben  voraussetze,  es  gäbe 
noch  Menschen,  die  das  Gute  um  des  Guten  willen  thun  wollen,  so 
rede  ich  auch  mit  Ihnen  als  ein  Mensch,  der  seinen  W^erth  kennt, 
ohne  deshalb  zu  türchten,  für  einen  vStolzen  oder  Uebermüthigen 
gehalten  zu  werden.  So  sehr  meine  ganze  Seele  nach  Sad|sen  hängt, 
so  fühle  ich,  dafs  ich  hier  fast  nothwendig  bin" — 

Wie  Thielmann  selbst  es  ausspricht,  war  seine  Stellung 
eine  militärisch- politische ^  und  zwar  bei  weitem  mehr  das 
letztere,    als   das    erstere.     So  wenigstens  fafste  er  sie  selbst 


General  v.  Thielmann.  1 1 1 

auf  und  galj  sich  mit  vollem  Eifer  der  Verfolgung  seines 
Lieblingsplanes  hin,  die  Beziehungen  zwischen  Sachsen  und 
Frankreich,  zwischen  dem  König  Friedrich  August  und  dem 
Kaiser  Napoleon  so  intim  zu  gestalten,  als  es  nur  irgend 
möglich  war.  Schon  am  28.  Januar  1808  hatte  er  geschrieben: 
„Mein  einziges  Bestreben  ist,  die  persönliche  Freundschaft 
und  Anhänglichkeit  unseres  Königs  für  und  an  den  Kaiser  en 
evidence  zu  setzen",  und  für  die  Verfolgung  dieses  Zieles 
bot  ihm  allerdings  die  Stellung  als  Gesandter  bei  dem  Mar- 
schall ein  wesentlich  günstigeres  Feld.*  Am  10.  Februar  be- 
richtet er  in  demselben  Sinne:  ,,Ich  nahm  hierbei  Gelegen- 
heit aus  dem  Charakter  des  Königs  zu  beweisen,  dafs  der 
Kaiser  keinen  ergebeneren  Alliirten  habe,  als  unseren  König". 
Eine  besondere  Gelegenheit  bot  sich  ihm  für  diese  Bestrebungen 
in  dem  Falle  der  sogenannten  geistlichen  Briefe,  Die  kleinen 
Wölkchen,  die  hin  und  wieder  den  Himmel  der  poHtischen 
Beziehungen  zwischen  Sachsen-Polen  einerseits  und  den  Fran- 
zosen anderseits  trübten,  bestanden  meist  nur  in  unwesent- 
lichen Verwaltungssünden  und  Nachlässigkeiten.  Eine  Ver- 
stimmung, in  welche  direkt  die  Person  des  Königs  Friedrich 
August  hineingezogen  wurde,  drohte  dagegen,  als  Briefe  des 
letzteren  an  seinen  Beichtvater  bekannt  wurden,  in  welchen 
die  argwöhnische  französische  Diplomatie  eine  Mifsbilligung 
der  Politik  witterte,  welche  der  Kaiser  gegenüber  dem  Papste 
verfolgte.  Am  16.  Juli  1808  schrieb  Thielmann  darüber 
an  Just: 

„Seit  ich  hier  bin,  habe  ich  dem  Grafen  Marcolini  vielmals  ge- 
schrieben, und  er  wird  Ihnen  ohne  Zweifel  von  den  geistlichen 
Briefen  gesprochen  haben.  Ich  wollte  ihm  dieses  nur  allem  anver- 
trauen, aber  seit  der  Zeit  hielt  ich  für  nothwendig,  dem  Grafen  Böse 
in  einer  Depesche  davon  Erwähnung  zu  thun.  So  unbedeutend  diese 
Briefe  an  und  für  sich  sind,  so  lassen  sie  die  Auslegung  zu,  als  habe 
der  Beichtvater  Einflufs  auf  den  König  und  als  spreche  der  König 
mit  selbigem  in  einem  anderen  Sinne,  als  dem  der  jetzigen  Politik. 
Ein  Beweis,  dafs  man  solche  nicht  für  unbedeutend  hält,  ist  schon, 
dafs  mit  Herrn  von  Senfft  darüber  gesprochen  wurde". 

Die  Antwort,  welche  Thielmann  darauf  erhielt,  ist  wieder 
eines  jener  Stücke,  die  der  Baron  v.  Just  für  ratsam  hielt,  im 
Konzept  seiner  Dokumentensammlung  einzuverleiben  und  sie 
ist  nicht  nur  für  Thielmanns  Stellung,  sondern  überhaupt 
von  einem  solchen  Interesse,  dafs  ich  sie  unverkürzt  wieder- 
gebe. 

„Ihr  freundschaftliches  Andenken,  theurer  Herr  Major,  vom  16. 
welches  mir  erst  am  29.  eingegangen  ist,  erheisclit  meine  volle  Dank- 
barkeit.    Sie  gönnen  mir  in  Ihrem  Briefe  nur  zu  viel  Zutrauen,  und 


112  K-  Haebler : 

berühren  mit  der  Wärme  eines  ächten  Patrioten  discrete  Gegen- 
stände. Vergessen  Sie  nie,  theurer  Freund,  dafs  Sie  jetzt  fast  eine 
reine  diplomatische  Sendmig  haben,  dafs  ich  hingegen  in  allem 
anderen  als  in  meinen  Dienstangelegenheiien  keinen  Beruf  habe, 
und  es  daher  meiner  Sicherheit  schuldig  bin,  meinem  patriotischen 
Eifer  Schranken  zu  setzen.  Schreiben  Sie  mir  also  auch  aus  der 
Fülle  des  Herzens  nie  etwas,  von  dem  Sie  nicht  wünschten,  dafs  es 
allenfalls  unseren  ersten  Autoritäten  vorgelegt  werden  könnte,  rech- 
nen Sie  auf  der  andern  Seite  aber  auch  nicht  auf  diese  Mittheilung. 
Nach  dieser  Vorausschickung,  welche  Sie,  werthgeschätzter  Freund, 
auf  Rechnung  meiner  offenen  Rechtlichkeit  schreiben  werden, 
säume  ich  nicht,  Ihnen  darüber  mein  Vergnügen  zu  bezeugen,  dafs 
man  Ihnen  sowohl  hier  Gerechtigkeit  widerfahren  läfst,  als  auch  von 
Seiten  des  Generals  v.  Polentz  in  Ihrer  jetzigen  Relation  nichts  in 
den  Weg  legt.  Lassen  Sie  sich  durch  kleine  Dinge  nicht  irre  machen, 
und  fahren  Sie  fort,  vorsichtig  und  eifrig  zugleich  zu  handeln.  Sie 
sind  von  oben  herein  zu  gut  gekannt,  um  etwas  fürchten  zu  können, 
dabei  gereicht  Ihnen  die  Achtung  und  das  Zutrauen  der  ersten 
französischen  Behörden  zum  neuen  Verdienste. 

Was  nun  die  geistlichen  Briefe  betrifft,  so  können  Sie  selbige 
mit  völliger  Ueberzeugung  für  unbedeutend  ausgeben,  und  kühn 
aller  falschen  Auslegung  derselben  entgegenarbeiten.  Ich  gebe  Ihnen 
meine  Ehre  zum  Pfände,  dafs  ich  bereits  seit  15  Jahren  von  dem 
irrigen  W^ahne  zurückgekommen  bin,  als  hätten  bei  uns  die  Geist- 
lichen Einflufs  auf  die  Staatsgeschäfte.  Das  Gewissen  bestimmt 
unsern  König,  nicht  die  Meinung  der  Diener  der  Kirchen.  Letztere 
weifs  S.  M.  von  der  Religion  genau  und  bestimmt  abzusondern,  und 
ich  sehe  hierinneu  ein  grofses  Verdienst  unseres  gemeinschaftlichen 
Gönners  des  Grafen  Marcolini,  welcher  schon  in  den  frühesten  Jahren 
die  Sache  so  eingeleitet  hatte,  dafs  selbst  der  P.  Hertz,  bei  seinen 
täglichen  Unterhaltungen,  in  den  Schranken  der  Erbauung  und  der 
geistlichen  Angelegenheiten  bleiben  mufste.  Guten  Willen  für  die 
Kirche  und  den  Papst  kann  der  König  vielleicht  seinem  Beichtvater 
bezeugen,  allein  auch  das  politische  Benehmen  des  Papstes  beurtheilt 
der  König  sehr  unparteiisch  und  richtig.  Ich  wiederhole  es,  theurer 
Freund,  ich  schreibe  Ihnen  dieses  aus  inniger  Ueberzeugung.  Möchten 
in  beiden  Reichen  alle  Staatsmänner  des  Königs  Kopf,  Herz  und 
reine  Absichten  haben ,  so  würden  wir  geschwinder  zum  Ziele 
kommen.  Wir  wollen  dadurch  unsern  Muth  verstärken  und  an  nichts 
verzweifeln."  .... 

Der  erste  Teil  des  Briefes  konnte  nicht  anders  als  Thiel - 
manns  Verwunderung  erregen.  Nach  dem,  was  in  seinem 
brieflichen  Verkehr  mit  dem  Baron  v.  Just  vorausgegangen 
war,  konnte  er  unmöglich  glauben,  das  Mafs  des  Zulässigen 
überschritten  zu  haben  mit  den  bei  \\eitem  zahmeren  und 
unschuldigeren  politischen  Nachrichten  und  Urteilen,  die  er 
nach  seiner  definitiven  Anstelluno-  bei  Davoust  sich  erlaubt 
hatte.  Er  war  zudem  keineswegs  gesonnen,  sich  den  Kanal 
zu  einem  inoffiziellen  und  vertraulichen  Verkehr  mit  dem 
Grafen  Marcolini,  aus  dem  ihm  bereits  recht  erhebliche  Vor- 
teile zuteil  geworden  waren,  ohne  zwingende  Gründe  sperren 


General  \ .  Thielmann. 


113 


zu  lassen.    In  dieser  Meinung  antwortete  er  dem  Baron  v.  Just 
am   18.  August: 


TV,,-  R 


„Ihr  Brief  vom  4.  mein  hochverehrter  Freund  bedarf  einer  Ver- 
antw^ortung,  —  hier  ist  sie,  otfen  und  wahr.  —  Wenn  ich  Ihnen,  mein 
wahrhaft  verehrter  Freund,  in  der  öffentlichen  Sache  bisher  mein 
i;anzes  Vertrauen  gab,  so  geschah  es  aus  Dankbarkeit,  und  ich 
iürchte  nicht,  dafs  eine  solche  zum  Fehler  angerechnet  werden  dürfte. 
Wenn  ich  ferner  meinte  nach  meiner  neuen  Anstellung  so  wie  bis- 
her in  dieser  Vertraulichkeit  über  öffentliche  Dinge  tortfahren  zu 
können,  so  geschah  dieses  aus  folgenden  Gründen:  i)  weil  meine 
Sendung  blos  militärisch  ist,  ich  folglich  in  meinen  Depeschen  von 
nichts  anderem  reden  kann,  als  was  darauf  Bezug  hat,  oder  was  mir 
hier  geradezu  aufgetragen  wird,  ich  aber  doch  oft  Dinge  mittheilen 
kann,  welche  zu  wissen  wohl  nützlich  ist.  —  2)  weil  ich  ferner  nicht 
einsehe,  warum  ich  nunmehr  nach  meiner  neuen  Anstellung  mein 
ebenso  freundschaftliches  als  patriotisches  Vertrauen  in  Ihre  Person 
welches  seit  nunmehr  2  Jahren  vielleicht  nicht  ohne  Nutzen  bestanden 
hat,  auf  einmal  ändern  sollte.  —  3)  weil  ich  Ihrem  Urtheil  in  der 
Lage  des  Dresdener  Hofes  mehr  zutraue,  als  dem  meinigen  und  sehr 
gut  weifs,  dafs  Wahrheit  sagen  oft  mehr  schadet  als  nützt,  Ihnen 
daher  auch  ganz  überliefs,  von  meinen  Briefen  Gebrauch  zu  machen, 
oder  nicht,  weswegen  ich  denn  auch  noch  jetzt  deren  Mittheilung 
oder  Unterdrückung  weder  hoffe,  noch  fürchte.  —  4)  weil  ich  Ihre 
Verhältnisse  so  gut  als  die  Männlichkeit  Ihres  Charakters  kenne,  und 
glaube,  dafs  die  Vereinigung  uneigennütziger  und  wahrhaft  patrio- 
tischer Männer  mehr  noth  ist  als  je.  -  5)  endlich  weil  ich  glaubte, 
dafs  durch  Sie  als  das  medium  des  Freundes  manches  besser  zu  sagen 
sey  als  durch  mich  den  Fremden.  —  Dies  sind  meine  Gründe,  warum 
ich  meine  Correspondenz  vertraulich  mit  Ihnen  fortsetzen  zu  können 
glaubte,  und  mein  letzter  während  des  Laufs  des  Ihrigen  hoffentlich 
eingegangener  Brief  wird  hauptsächlich  durch  meinen  letzten  Grund 
erklärt.  Ich  gestehe  daher,  dafs  es  mir  wehe  that,  Ihren  Vorwurf 
zu  lesen,  so  leise  und  schonend  er  auch  war,  als  hätte  ich  Ihre 
Delicatesse  durch  ein  allzu  grofses  Zutrauen  beleidigt,  nicht  allein, 
weil  ich  mir  keines  Mifsbrauchs  bewufst  bin,  sondern  auch,  weil  ich 
wirklich  glaube,  Ihnen  eine  unangenehme  Empfindung  gemacht  zu 
haben.  Warum  sagen  Sie  mir  nicht  offen,  dafs  Ihnen  meine  fernere 
\ertrauliche  Correspondenz  nicht  länger  angenehm  sein  könne?  ich 
weifs  fremde  Verhältnisse  zu  ehren". 

Für  diesmal  ist  offenbar  das  Schiff  des  gegenseitigen 
Vertrauens  noch  glücklich  an  der  Klippe  der  Thielmannschen 
Emphndlichkeit  vorübergesegelt.  Seine  Briefe  an  den  Baron 
V.  Just  werden  zwar  im  Laufe  der  nächsten  Monate  seltener, 
es  scheint  aber,  als  ob  dies  nur  in  den  dienstlichen  Verhält- 
nissen Thielmanns  begründet  gewesen  ist,  denn  in  den  erhaltenen 
Schreiben  herrscht  zunächst  noch  durchaus  der  alte  fretmd- 
schaftlich  vertrauensvolle  Ton  vor. 

Thielmann  scheint  im  Jahre  1808  eher  eine  Gefahr  von 
Osten  her  als  eine  Störung  des  Friedens  durch  Österreich 
erwartet  zu  haben.     Auf  erstere  weist  er  wiederholt  in  einem 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     l.  2.  8 


IIA  K.  Haebler: 

Briefe  vom  23.  März  hin,  während  er  am  16.  JuH  schreibt: 
„Die  Zukunft  scheint  mir  mit  grofsen  Dingen  schwanger,  und 
die  alte  Europa  geht  mit  grofsen  Schritten  ihrer  gänzHchen 
Verwandlung  entgegen".  Hier  fährt  er  zwar  fort:  ,, Öster- 
reich wird  das  Hand-ans-Schwert-legen  theuer  bezahlen.  Ohne 
Prophet  zu  sein,  kann  man  Habsburg  und  Romanow  manche 
Veränderung  prophezeien".  Dagegen  meint  er  noch  am  22.  No- 
vember: „Ich  glaube  an  keine  Offensive  von  Seiten  Wiens, 
wohl  aber  daran,  dafs  man  ungeschickt  genug  sein  wird,  immer 
das  Ansehen  davon  zu  haben".  Schliefslich  aber  machten  die 
kriegerischen  Vorbereitungen  Napoleons  dennoch  sein  Kom- 
mando bei  Davoust  zu  nichte,  indem  der  letztere  an  die  Spitze 
einer  der  Armeen  gestellt  wurde,  welche  Napoleon  gegen  Öster- 
reich zusammenzog. 

Thielmann  kehrte  zunächst  an  den  sächsischen  Hof  zurück, 
wo  er  bald  darauf  durch  die  Ernennung  zum  Generaladjutanten 
des  Königs  ausgezeichnet  wurde.  Er  mufste  als  solcher  den 
König  auch  nach  Leipzig  begleiten,  als  der  Hof  Dresden  ver- 
liefs.  Hier  finden  sich  nun  auch  wieder  Spuren  seines  Ver- 
kehrs mit  dem  Baron  v.  Just.  Unverkennbar  suchte  er  die 
alten  Fäden  vertraulicher  Beziehungen  wieder  anzuknüpfen, 
unverkennbar,  um  auf  dem  alten  Wege  die  Verwirklichung 
neuer  Wünsche  anzustreben.  Denn  zufrieden  mit  seinem  Lose 
war  Thielmann  höchstens  dann,  wenn  er  an  der  Spitze  seiner 
Reiter  vor  dem  Feinde  stand;  die  Friedensstellungen  dünkten 
ihm  fast  ausnahmslos  eine  Zurücksetzung  oder  Beseitigung. 

So  schreibt  er  am  27.  April  aus  Leipzig  an  Just: 

„Was  mich  anbetrititt,  so  mifsfällt  mir  die  Unthätigkeit  meines 
Hoflebens  höchlichst,  ich  glaube  als  Soldat  allenfalls  Dienste  leisten 
zu  können,  und  man  macht  mich  zum  Hofmann,  wahrscheinlich  w^ird 
man  Racknitz  (Ober-Küchenmeister)  bald  zur  Armee  senden,  welches 
indessen  für  die  Hof  küche  eher  vortheilhaft  als  nachtheilig  sein  dürfte. 
Warum  sendet  man  mich  nicht,  wie  Thiollaz,  zum  Major  gen^ral 
oder  zu  Ponte  Corvo?  Obendrein  soll  ich  meine  jetzige  Lage  als 
eine  Gnade  ansehen,  ich  halte  sie  auch  wirklich  von  Seiten  des 
Königs  dafür,  meine  aber  doch  dafs  ich  denjenigen,  die  mich  hierher 
manövrirt  haben,  eigentlich  im  Wege  gestanden  habe.  Ohne  Ursache 
zu  haben,  mich  zu  beklagen,  kann  ich  doch  nicht  zufrieden  sein". 

Zufriedener  war  wohl  Thielmann,  als  er  bald  darauf  den 
Auftrag  erhielt,  dem  österreichischen  Streifkorps  in  der  Lausitz 
entgegenzutreten.  Ebenso  bekannt  ist  aber,  dafs  die  Art,  in 
welcher  er  den  Kampf  gegen  den  Herzog  von  Braunschweig 
nicht  nur  mit  dem  Schwert,  sondern  auch  mit  der  Feder 
führte,  ihm  keineswegs  ungeteilte  Anerkennung  zuzog.  Doch 
scheint  es,  dafs  die  Freundschaft  für  den  Baron  v.  Just  damals 


General  v.  Thielmann.  nr 

noch  unverändert  fortbestanden,  auch  ihren  politischen  Bei- 
geschmack noch  nicht  verloren  hatte,  wie  der  folgende  flüch- 
tige, aus  Leipzig  vom  28.  (wohl  JuU  1809)  datierte  Brief  be- 
weist : 

„Stellen  Sie  sich  vor  —  nachdem  wir  die  Kaiserlichen  Höflich- 
keiten nie  erwidert,  hat  man  uns  von  der  letzten  Schlacht  (Wagram?) 
nicht  die  geringste  Nachricht  zukommen  lassen  —  endlich  fühlten 
wir  es  und  nun  ist  Funk  fort,  um  über  etwas  zu  complimentiren, 
wovon  wir  nichts  wissen!!" 

Der  Friede  führte  Thielmann  wieder  nach  Dresden  und 
brachte  endlich  eine  Reform  des  sächsischen  Heerwesens,  deren 
Notwendigkeit  Thielmann  schon  im  Jahre  1807  anerkannt,  da- 
mals aber  in  der  Hoffnung  auf  eine  längere  Friedensperiode 
noch  nicht  für  eine  unmittelbar  dringende  gehalten  hatte.  Der 
Anteil  Thielmanns  an  den  eigentlichen  Reformarbeiten  ist  aber 
nicht  im  entferntesten  ein  so  beträchtlicher  gewesen,  als  sein 
Biograph  (v.  Petersdorf)  glauben  machen  will.  Zu  dessen 
Berichtigung  wird  es  nötig  sein,  etwas  näher  darauf  einzu- 
gehen. Der  eigentliche  Träger  des  Militärreformgedankens 
ist  Thielmanns  Altersgenosse  und  Kamerad,  der  Graf  Carl 
Friedrich  Wilhelm  v.  Gersdorf,  gewesen.  Schon  aus  Warschau 
hatte  Thielmann  am  16.  Juli  1808  geschrieben:  ,,Es  sind  so 
eine  Menge  kleiner  Einrichtungen  und  Veränderungen  bei 
unseren  Truppen  in  Polen  zum  gröfsten  Vortheil  des  Königs 
unerläfslich  nothwendig,  dafs  ich  dem  Grafen  Marcolini  und 
Minister  Graf  Böse  vorgeschlagen  habe,  es  dahin  einzuleiten, 
dafs  man  den  Major  Gersdorf  nach  Dresden  kommen  lasse, 
um  sich  mündlich  mit  ihm  darüber  zu  besprechen.  Wenn  es 
nur  geschieht".  Zur  Charakteristik  Thielmanns  teile  ich  auch 
die  Fortsetzung  des  Schreibens  mit:  ,, Schriftlich  ist  es  un- 
möglich zu  bewerkstelHgen,  zumal  bei  einem  Minister  der 
Majestäd  schreibt,  und  bei  Cabinetssekretären ,  wie  Pietzsch 
und  Georgi,  die  vom  Militär  so  viel  verstehen,  wie  ich  von 
der  Medizin.  Der  Minister  hat  mir  in  Dresden  nicht  die  Ehre 
angethan,  nur  ein  Wort  mit  mir  zu  reden;  vielleicht  ginge  es 
mit  Gersdorf  besser". 

Tatsächlich  rühren  denn  auch  die  Reformpläne  im  wesent- 
lichen von  Gersdorf  her;  sie  werden  nicht  nur  in  den  oftizielleu 
Schriftstücken  als  ,,les  plans  administratifs  de  Gersdorf"  be- 
zeichnet, sondern  Thielmann  selbst  hat  in  einem  Briefe  vom 
3.  Juni  181 1,  in  welchem  er  die  Schale  seines  Zornes  über 
Gersdorf  ausschüttet,  direkt  ausgesprochen,  dafs  nicht  er, 
sondern  Gersdorf  vom  Könige  den  Auftrag  erhalten  hatte,  die 
Reformpläne  zu  bearbeiten.    Warum  dies  so  geschehen,  darüber 

8* 


Ii6  K..  Haebler: 

werfen  die  Korrespondenzen  des  Baron  v.  Just ,  die  sich  mit 
diesem  Gegenstand  befassen,  ein  helles  Licht.  Der  öko- 
nomische Teil  der  Gersdorfschen  Reformpläne  wurde,  auf 
unmittelbare  Anordnung  des  Königs,  nachdem  er  die  mili- 
tärischen Instanzen  passiert  hatte,  noch  einer  besonderen 
Kommission  zur  Prüfung  unterbreitet,  welche  aus  dem  Kabi- 
netsminister  v.  Hopfgarten,  dem  Geh.  Kriegsrat  v.  Watzdorf, 
dem  Geh.  Finanzrat  v.  Manteuffel  und  dem  inzwischen  zum 
General  avancierten  Gersdorf  zusammengesetzt  war.  Sehr  be- 
greiflicherweise fanden  die  Herren  der  Verwaltung  allerlei 
Einzelheiten  an  den  Entwürfen  auszusetzen,  und  die  Polemik 
nahm  zu  Zeiten  einen  etwas  scharfen  Charakter  an.  Watz- 
dorf, von  dem  auch  Gersdorf  am  7.  März  1810  schreibt:  ,,Ich 
hoffe  erwünschte  Resultate,  da  Watzdorf  auch  hierbei  seinem 
Charakter  treu  geblieben  ist:  rechtlich  und  mühsam",  wird 
in  diesem  Zusammenhange  von  Thielmann  folgendermafsen 
charakterisiert:  ,,Mit  Freund  Watzdorf  bin  ich  sehr  zufrieden. 
Er  wollte  zwar  in  den  ersten  Tagen  den  gekränkten  und  Mal- 
contenten  spielen,  allein  ich  habe  ihm  zum  Besinnen  gar  keine 
Zeit  gelassen,  und  er  ist  jetzt  völlig  zufrieden  und  geht  in  das 
System  ein";  und  als  die  Reform  vollendet  war,  schreibt  er 
am  II,  März  1810:  „Watzdorf  plagt  ein  wenig  die  gekränkte 
Eitelkeit,  dafs  er  nicht  intendant  general  und  nicht  General- 
lieutenant gewoi'den  ist".  —  Im  ganzen  aber  waren  Thiel- 
mann und  Watzdorf  damals  noch  recht  gute  Freunde.  Thiel- 
mann bediente  sich  damals  der  Vermittelung  Watzdorfs,  um 
seine  Verbindung  mit  dem  Baron  v.  Just  aufrecht  zu  erhalten, 
der  als  interimistischer  Gesandter  in  Paris  weilte,  und  Watz- 
dorf schreibt  an  Just  z.B.  am  13.  Juni  1810:  ,, Thielmann,  qui 
vous  aime  de  tout  son  coeur  et  qu'il  faut  aimer  pour  son 
caractere  chevaleresque,  attend  avec  onction  que  le  miracle 
(die  Reform)  s'operät"  .  .  .  Trotz  dieser  freundschaftlichen 
Gesinnungen  aber  beurteilte  er  Thielmanns  Stellung  zu  dem 
Reformplane  sehr  skeptisch.  Schon  am  21.  Januar  hatte  er 
an  Just  geschrieben:  ,,Je_  connais  un  talent  superieur  de  con- 
ception  ä  Gersdorf;  il  a  ete  averti  par  moi  de  bien  organiser 
le  rouage  des  bureaux  indispensable  pour  maintenir  Tordre  de 
l'administration  d'une  armee.  Ce  n'est  pas  lä  le  fort  de  Gers- 
dorf ni  de  notre  ami  Thielmann".  Deutlicher  schon  klingt  es 
am  26.  Februar:  ,,J'ai  ete  occupe  depuis  4  jours  de  ces  de- 
pouillemens  et  en  depit  de  notre  loyal  ami  Thielmann,  excellent 
pour  les  coups  de  canon  mais  toujours  trop  insouciant  pour  les 
affaires  de  bureau"  .  .  .  aber  ganz  besonders  bezeichnend  ist 
der  Brief  vom  9.  März,  wo  es  heifst:   ,, Thielmann  .  .  .  est  un 


General  v.  Thielmann. 


"7 


excellent  coeur,  bon,  des  que  le  canon  soufle,  mais  des  qvi'il 
s'agit  d'administration  —  manum  de  tabula  —  il  n'y  entend 
goutte,  et  je  n'aime  pas  meme,  qu'il  en  jDarle,  ce  que  lui  aime 
beaucoup.  Mais  n'y  a-t-il  pas  cent  poetes,  qui  ont  la  rage 
de  faire  des  vers  invita  Minerva." 

Trotzdem  galten,  allerdings  neben  Gersdorf,  Langenau 
und  Thielmann  als  die  faiseurs,  als  die  treibenden  Kräfte  der 
Militärreform,  und  der  letztere  rühmt  sich  zu  verschiedenen 
Malen,  besonders  in  den  Beratungen  der  militärischen  Kom- 
missionen, warm  für  die  Gersdorfschen  Pläne  eingetreten  zu 
sein  und  nicht  wenig  dazu  beigetragen  zu  haben,  den  Wider- 
stand zu  überwinden,  welchem  dieselben  bei  manchen  älteren 
Generalen,  und  besonders  auch  bei  dem  mit  Thielmann  fast 
gleichaltrigen  General  v.  Funk  begegneten. 

Die  Reform  hatte  einen  sehr  bedenklichen  Punkt,  welcher 
das  Vertrauen  in  die  Uneio-ennützipfkeit  ihrer  Vertreter  nicht 
wenig  beeinträchtigte.  Durch  die  Vereinfachung  in  der  Militär- 
verwaltung sollten  erhebliche  Ersparnisse  erzielt  werden,  die 
sich  nach  den  Schätzungen  der  Kommission  auf  ca.  250000 
Taler  belaufen  sollten.  Zum  Zwecke  dieser  Ersparnisse  hatte 
man  im  allgemeinen  von  einer  Änderung  der  bisher  gezahlten 
Offiziersgehälter  Abstand  genommen.  Dagegen  hatten  die  fai- 
seurs für  die  Klasse,  der  sie  selbst  angehörten,  für  diejenige 
der  Generale,  eine  nicht  unbeträchtliche  Erhöhung  durchgesetzt, 
die  einer  scharfen  Kritik  unterzogen  wurde.  Besonders  war 
es  der  Geh.  Finanzrat  v.  Manteuffel,  der  darauf  hinwies,  dafs 
die  sächsischen  Generalsgehälter  nach  dem  Reformplan  nicht 
nur  xmverhältnismäfsig  viel  höher  als  früher  sein  würden,  sondern 
dafs  künftig  sogar  sich  ein  sächsischer  General  besser  als  ein 
solcher  in  irgend  einem  deutschen  Bundeskontingente,  ja,  sogar 
besser  als  ein  französischer  General  stehen  werde  Da  man 
ganz  allgemein  Gersdorfs  Selbstlosigkeit  sehr  erheblich  an- 
zweifelte, fiel  durch  das  Betonen  dieses  Punktes  nicht  eben 
das  günstigste  Licht  auf  die  faiseurs,  die  ihrerseits  wieder  dem 
Geh.  Finanzrat  v.  Manteuffel  sein  Eintreten  mit  einer  ehrlichen 
Feindschaft  vergalten.  In  der  entscheidenden  Kommissions- 
sitzung wurde  derselbe  allerdings  dadurch,  dafs  der  Kriegsrat 
V.  Watzdorf  den  Plan  in  seinem  .cranzen  Umfangfe  vertrat, 
überstimmt,  und  die  Reform  ging  so,  wie  sie  von  Gers- 
dorf entworfen  worden  war,  durch,  das  hinderte  aber  nicht, 
dafs  den  beiden  Hauptmachern,  Gersdorf  vmd  Thielmann 
—  Langenau  war  noch  nicht  General  —  noch  oft  nach- 
gesagt wurde,  sie  hätten  sehr  gut  für  sich  selbst  zu  sorgen 
verstanden. 


ii8  K.  Haebler: 

Die  Briefe  Thielmanns  aus  der  Periode  der  Militärreform 
lauten  kaum  mehr  so  selbstbewufst  und  zuversichtlich,  als  die 
aus  seiner  Warschauer  Zeit.  Am  17.  Februar  18 10  schreibt 
er  u.  a. :  „Hier  mufs  ich  nun  noch  erwarten,  ob  alles  um  und 
neben  mir  Generallieutenant  werden,  und  ob  ich  allein  zurück- 
bleiben werde  oder  nicht".  In  späterer  Zeit  hat  er  ganz  un- 
verhohlen der  Empfindung  Ausdruck  gegeben,  dafs  er  in  der 
Reformsache  im  wesentlichen  für  Gersdorf  gearbeitet  habe, 
von  Gersdorf  bereitwillig  ausgenutzt,  aber  mit  Geschick  bei 
Seite  manövriert  worden  sei,  womit  er  vielleicht  nicht  ganz 
Unrecht  hatte. 

Als  ein  Trost  fiel  ihm  damals  das  Kommandeurkreuz  des 
Ordens  der  Westphälischen  Krone  zu.  Die  Zeiten  waren  vor- 
über, in  welchen  Thielmann  das  Kreuz  der  Ehrenlegion  „mit 
Facon  zu  decliniren"  suchte.  Jetzt  schreibt  er:  ,,Ich  gestehe, 
dafs  es  mir  Freude  gemacht  hat,  wenn  es  auch  die  Zahl  meiner 
Freunde  nicht  vermehren  wird.  Dankbarkeit  thut  immer  wohl". 
Auch  das  Generalleutnantspatent  ging  nicht  an  ihm  vorüber, 
und  so  schreibt  er  denn  am  11.  März  in  ziemlich  grehobener 
Stimmung  an  Just: 

„Ihre  freundschaftlichen  Grüfse  aus  der  Ferne,  mein  vortreff- 
licher Freund,  sind  mir  durch  unsem  ehrlichen  Watzdorf  treulich 
überbracht  worden,  und  ich  danke  Ihnen  recht  herzlich.  Watzdorf 
plagt  ein  wenig  die  gekränkte  Eitelkeit,  dafs  er  nicht  intendant 
general  und  nicht  General-Lieutenant  geworden  ist,  indessen,  wenn 
er  mit  mir  ist,  lasse  ich  ihn  darüber  nicht  zur  Besinnung  kommen, 
oder  ich  sage  ihm  endlich,  wenn  er  mich  zwingt,  die  Wahrheit. 
Unsere  Organisation  ist  denn  endlich  entschieden,  und  ich  bin  dem 
otio  cum  honore,  dem  sacro  sancto  far  niente,  als  Brigadier  mit  dem 
Charakter  eines  Divisionsgenerals  überlassen,  und  warte  ruhig  und 
zufrieden  ab,  ob  man  mich  wieder  brauchen  wird.  Gersdorf,  fürchte 
ich,  wird  in  den  beiden  Chargen  eines  chef  d'etat  major  und  eines 
Intendanten  mehr  übernommen  haben,  als  er  wird  tragen  können, 
übrigens  wird  er  vom  Publice  schrecklich  zerrissen,  ich  halte  aber 
fest,  weil  ich  glaube,  dafs  es  die  Pflicht  eines  Patrioten  jetzt  ist,  zu 
vereinigen  und  nicht  zu  trennen,  da  der  arme  Staat  so  zerrissen 
genug  ist.  Manteuftel  macht  in  der  militärisch -ökonomischen  Com- 
mission  grofse  Opposition  wegen  der  Tractamente,  und  möchte  gern 
uns  alle  Hungers  sterben  lassen.  Hierbei  im  Vertrauen  gesagt,  dafs 
Manteuffels  Barometer  sehr  im  Fallen  ist,  ich  weifs  aber  noch  nicht, 
was  vorgefallen  ist" 


Aber  schon  in  diesem  Briefe  klingt  unverkennbar  eine 
gewifse  Verstimmung  gegen  die  einstigen  Freunde  und  Ge- 
nossen hindurch.  Mehr  noch  in  dem  vom  17.  März,  wo  er 
über  den  Reformplan  schreibt: 

„Das  Schwierigste  der  Militär-Angelegenheiten  wird  in  wenigen 
Tagen  beseitigt  sein,  denn  gestern  ist  nach  2  Sessionen  die  Revision 


General  v.  Thielmann. 


119 


des  neuen  Planes  in  ökonomischer  Hinsicht  unter  Hoptojartens  Vor- 
sitz beendigt  worden.  Freund  Watzdorf  hat  das  Protokoll  geführt, 
und  dieser  hat  mit  Gersdorfen  einen  completten  Sieg  über  Man- 
teuffeln  erfochten,  welcher  in  einem  höchst  anmafsenden  vmd  noch 
oberflächlicheren  Memoire  Gersdorfs  aufgestellte  Sätze  angrift".  Hopf- 
garten hat  sich  dabei  über  Erwarten  ritterlich  und  liberal  betragen, 
ob  aus  Einsicht  in  die  Sache  oder  aus  Hafs  gegen  Manteufifel  lasse 
ich  dahin  gestellt  sein". 

Tatsächlich  verflog  die  Zufriedenheit,  die  Thielmann  be- 
sonders in  dem  ersten  Briefe  zur  Schau  trug,  schon  nach 
wenigen  Wochen.  Schon  am  28.  April  beginnt  er  sein 
Schreiben  an  Just  in  recht  gedrückter  Stimmung.  Nachträglich 
waren  auch  von  verschiedenen  anderen  Seiten  Stimmen  laut 
geworden,  welche  die  Höhe  der  Generalsgehälter  bemäkelten 
und  ihre  Glossen  über  die  faiseurs  daran  knüpften.  So  schrieb 
der  Geh.  Legationsrat  Ehrlinger  geradezu: 

i<!  „Je  ne  suis  pas  content  du  tout  du  detail  de  notre  nouvelle 
Organisation  militaire,  autant  que  j'en  suis  instruit.  Tons  les  appointe- 
ments  sont  beaucoup  trop  forts  presque  du  double  que  partout  ail- 
leurs.  |e  crains  p.  e.  avec  quelque  fondement  que  Messieurs  les 
faiseurs  ne  soient  eux  memes  par  la  suite  la  cause  que  leur  ouvrage 
ne  s'ecroule,  en  occasionnant  un  deficit  annuel  qui  deviendra  bientot 
permanent,  et  que  le  Roi  ä  la  fin  de  son  regne  ne  se  trouve  rela- 
tivement  aux  finances  lä  oü  il  en  etait  en  1763". 

Im  Hinblick  auf  diese  Mifshelligkeiten  schreibt  Thielmann 
an  Just: 

„Haben  Sie  herzlichen  Dank  für  Ihr  freundschaftliches  Andenken. 
Auch  mir  thut  ein  Wort  von  Freundeshand  wohl,  da  ich  dessen  mehr 
als  je  bedarf,  ob  ich  schon  deshalb  den  Muth  nicht  verliere.  Eine 
schwache  Regierung  giebt  sich  durch  nichts  mehr  zu  erkennen,  als 
durch  den  bellum  omnium  contra  omnes,  und  dies  ist  bei  uns  der 
Fall.  Die  neuen  Militärtractamente,  ob  sie  schon,  wohl  bemerkt,  den 
chef  d'etat  major  und  die  3  Divisionärs  ausgenommen,  theils  weit 
geringer,  theils  nicht  höher  als  die  alten  waren,  haben  den  Neid  und 
Mifsgunst  des  Civils  erregt;  im  Militär  selbst  geht's  nicht  besser,  und 
überall  vermifst  man  die  kräftige  Hand,  und  die  Impulsion  einer 
Regierung,  die  das  Ganze  zusammenhält.  Als  ich  gestern  in  Ge- 
schäften in's  Gouvernements- Haus  ging,  dachte  ich  mit  welchem 
frohen  Muth  ich  sonst  diese  Treppe  stieg,  wo  ich  trotz  aller  meiner 
gänzlichen  Abhängigkeit  vom  General  Saint  Cyr,  doch  wufste  von 
ihm  mit  der  Achtung  und  Liebe  aufgenommen  zu  werden,  die  ein 
redliches  Bestreben  verdient,  und  der  sich  dieses  Bewufstsein  nicht 
sreni  nehmen  läfst". 


& 


Ähnlich  klingt  es  auch  recht  unbefriedigt  unter  dem 
II.  Juli: 

„Der  2  te  Punkt,  wofür  ich  mich  verwahre,  ist,  dafs  Sie  in  Ihrem 
Briefe  sagen,  Sie  glaubten  mich  nun  wieder  in  voller  Geschäfts- 
thätigkeit  in  Dresden.  Ein  bei  Seite  gesetzter  Mensch,  wie  ich,  der 
durchaus   nichts  zu  thun  hat,   als  der  Briefträger  des  General  Gut- 


I20  K.  Haebler: 

schmid  an  zwei  Obersten  zu  sein,  und  von  diesen  wieder  an  jenen 
zurück,  möchte  dieses  fast  für  Satire  nehmen;  davon  indessen  bin 
ich  sehr  weit  entfernt,  kann  Ihnen  aber  versichern,  dafs  ich  gar 
nichts  zu  thun  habe,  sondern  völUg  abgeschieden  \on  allen  Geschäften 
blofs  mir  selbst  lebe" 

Die  letzten  Briefe  Thielmanns  waren  alle  nach  Paris  ge- 
richtet, wohin  der  Baron  v.  Just  im  Januar  1810  geschickt 
worden  war,  um  den  Grafen  Senfft  auf  dem  dortigen  Ge- 
sandtschafsposten  abzulösen,  und  die  Geschäfte  bis  zum  Ein- 
treffen des  neuernannten  Gesandten,  des  Grafen  Einsiedel, 
interimistisch  zu  verwalten.  Der  Aufenthalt  dehnte  sich  uner- 
wartet lang  aus,  da  Graf  Einsiedel  durchaus  keine  Eile  be- 
zeugte, seinen  Petersburger  Posten,  der  ihm  offenbar  sehr 
angenehm  gewesen  war,  zu  verlassen. 

Thielmann  versprach  sich  offenbar  anfangs  ziemlich  viel 
von  Justs  Anwesenheit  in  Paris,  von  dem  er,  wie  Petersdorf 
berichtet,  eine  Charakteristik  zunächst  für  Davoust,  dann  aber 
auch  zur  Orientierung  der  Pariser  Diplomatie  einzusenden 
aufgefordert  worden  war.  Am  5.  Dezember  1808  hatte  er 
schon  geschrieben:  ,,Ich  wünschte  Sie  nicht  jetzt,  sondern 
wenn  der  Kaiser  in  Paris  ist,  dort  zu  sehen",  und  am  12.  hatte 
er  hinzugefügt:  „Nach  sicheren  Privatbriefen  dürfte  in  vier 
Wochen  von  Spanien  nicht  mehr  die  Rede,  und  der  Kaiser 
schon  den  lyten  in  Paris  zurück  sein.  Dieses  letztere  ist 
mir  wichtig  wegen  Ihres  Vorhabens.  Sie  dürften  da  leicht  ein 
Schutzengel  sein". 

Natürlich  konnte  Thielmann  eine  so  vorzügliche  Ge- 
legenheit nicht  vorübergehen  lassen,  ohne  sich  wieder  ein 
wenig  in  diplomatische  Angelegenheiten  zu  mischen.  So  trat 
er  jetzt  mit  dem  Gedanken  hervor,  der  sächsischen  Gesandt- 
schaft einen  Offizier  für  die  militärischen  Angelegenheiten  zu 
attachieren.  Wann  er  den  Vorschlag  zuerst  angebracht  hat, 
ist  nicht  zu  sehen;  was  er  am  18.  April  18 10  darüber  schreibt, 
ist  jedenfalls  nicht  die  erste  Eröffnung  seiner  Idee: 

„Senft  hat  meinen  Vorschlag  goutirt  einen  Offizier  der  Gesandt- 
schaft in  Paris  zu  attachiren.  Der  junge  Graf  Böse  ist  viel  zu  weich 
und  unbestimmt,  einen  Entschlufs  zu  fassen,  und  hat  es  endlich  nach 
vielem  Hin-  und  Herschwanken  ganz  aufgegeben.  Nun  war  Gers- 
dorf darüber  befragt  worden,  und  hatte  den  unbegreiflichen  Vor- 
schlag von  Heineken  gemacht,  den  man  wohl 'in  allen  tripots  von 
Paris  aber  nicht  in  der  Gesellschaft  gesehen  haben  würde,  wozu 
noch  eine  Menge  anderer  Gründe  kommen,  die  diese  Wahl  zur 
schlechtesten  machen.  Zum  Glück  erfuhr  ich  es  zur  rechten  Zeit, 
und  brachte  selbst  Gersdorf  durch  eine  offene  und  freie  Vorstellung 
dahin,  seinen  Vorschlag  schriftlich  zurückzunehmen.  —  Ich  kenne 
keinen  anderen  als  Vieth  oder  Langenau,  letzterer  ist  alier  hier  un- 
entbehrlich, und  soll  es  der  erstere  nicht  sein,  so  weifs  ich  keinen". 


General  v.  Thielmann.  1 2  l 

Höchst  unzufrieden  war  er,  als  der  Legationsrat  Blümner 
für  den  Posten  erwählt  worden  war,  und  mit  der  ihm  eigenen 
Schärfe  in  der  Beurteilung  seiner  Mitmenschen  machte  er  aus 
seiner  Mifsbilligung  dieser  Wahl  gegen  Just  kein  Hehl: 

„Soeben  komme  ich  vom  Hofe  und  höre  mit  Verwunderung  dafs 
Blümner  nach  Paris  ernannt  ist,  —  eine  Wahl  die  Senfts  Herzen 
aber  nicht  seinem  Blicke  Ehre  macht.  Blümner,  ein  schwärmerischer, 
eitler,  verlegener  Mensch  soll  Einsiedeln  souppliren,  controliren,  zur 
Seite  stehn?  —  Zum  Belege  meines  Urtheils  folgendes  —  ich  sehe 
ihn  bei  Hofe,  gehe  an  ihn,  um  alte  Bekanntschaft  zu  erneuern,  er 
erzählt  sogleich  seine  Ernennung  nach  Paris,  jedoch  nicht  als  Sub- 
alterner, sondern  quasi  als  Adjutant!  auch  könne  er  nicht  länger  als 
ein  Jahr  dienen.  —  Nun  frage  ich  Sie,  braucht  es  weiter  Zeugnifs? 
Aber  nein,  Sie  sollen  noch  mehr  haben.  —  Ich  frage,  wann  gehen 
Sie  ab?  In  4  Wochen  —  unter  der  Bedingung  dafs  Graf  Einsiedel 
dann  hier  sei;  kann  dieses  nicht  sein,  noch  eher.  —  Wohlan  ant- 
worte ich,  Sie  werden  da  den  Baron  Just  finden,  —  der  will  gern 
zurück!  —  Ach,  ein  treuer  Universitätsfreund  ist  noch  kein  guter 
Diplomat". 

Der  Baron  v.  Just  schien  dagegen  mit  der  ganzen  Mafs- 
regel  nicht  sonderlich  einverstanden,  so  dafs  Thielmann  sich 
am  II.  Juli  veranlafst  fühlte,  noch  einmal  auf  die  Sache  zurück- 
zukommen : 

„  .  .  .  Ferner  aber  mufs  ich  mich  auch  gegen  2  Stellen  Ihres 
vorletzten  Briefes  verwahren.  Die  erste  betrifft  die  Anstellung  eines 
Militärs  bei  der  Pariser  Gesandtschaft.  Sie  scheinen  zu  glauben, 
dafs  ich  darüber  eine  besonders  prononcierte  Meinung  hege,  und 
darin  irren  Sie,  denn  ich  habe  in  der  ganzen  Sache  nichts  gethan, 
als  blofs  aus  allen  Kräften  verhindert,  dafs  Gersdorfs  protege,  der 
Major  Heinicken  gewählt  wurde ;  ich  habe  ferner  Senften  erklärt, 
dals  ich  in  der  Armee  keinen  schicklichen  Offizier  kenne,  allenfalls 
nur  könne  ich  Vieth  vorschlagen,  der  aber  zu  wenig  Kenntnisse  und 
auch  nicht  hinlängliche  Haltung  des  Charakters  habe.  Uebrigens 
kann  ich  Ihrer  Memung  nicht  unbedingt  beistimmen,  dafs  ein  mili- 
tärischer attache  ohne  allen  Nutzen  wäre.  Im  Frieden,  ja,  und  auch 
da,  hätten  wir  den  rechten  Mann,  würde  Berndt's  und  Langenau's 
Mission  nicht  nöthig  gewesen  sein.  So  wie  aber  Krieg  wird,  nichts 
■\veniger,  als  das,  denn  alsdann  würde  dieser  attache  dem  Kaiser- 
lichen Hauptquartier  folgen,  und  als  in  einem  pays  de  connaissance 
uns  vom  gröfsten  Nutzen  sein.  Ich  läugne  übrigens  nicht,  dafs 
diese  ganze  Idee  von  mir  kommt,  läugne  aber  durchaus  etwas 
anderes  dafür  gethan,  als  bei  Senften  im  Discurs  hingeworfen  zu 
haben". 

Es  ist  bezeichnend  für  Thielmann,  dafs  er,  der  als  Brigade- 
Kommandeur  an  sich  dazu  nicht  den  mindesten  Anlafs  hatte, 
sich  sofort  an  den  neu  aufgehenden  Stern  des  sächsischen 
Hofes,  den  Grafen  Senfft,  attachiert  hatte,  und  sich  darin 
getiel,  dessen  politischen  IMafsregeln  zu  begutachten,  und  einen 
gewissen  Einflufs  auf  denselben  zu  gewinnen  suchte. 


122  K^-  Haebler: 

Schon  am  17.  März  schreibt  er  an  Just:  „Sie  wollen 
meine  Meinung  über  Senfft.  Ich  mufs  ^\•iederholen,  was  ich 
in  meinem  letzten  Briefe  schrieb,  dafs  ich  durchaus  für  ihn 
stimme,  wohl  aber  glaube  ich  nicht,  dafs  er  den  Einflufs 
seines  Vorgängers  (Graf  Böse)  vor  Warschau  erhalten  dürfte, 
theils  wegen  des  Unterschieds  im  Alter,  theils  weil  darüber 
vielleicht  anderer  Seits  gewacht  wird.  In  Warschau  wird  es 
aber  nicht  fehlen,  dafs  seine  An-  und  Einsichten  und  seine 
Fertigkeit  im  Handeln  ihn  weit  näher  bringen,  weit  unent- 
behrlicher machen,  und  weit  fester  stellen  müssen".  Thiel- 
mann kritisiert  dann  wieder  mit  der  gewohnten  absprechenden 
Schärfe  die  getroffenen  Personenwahlen,  schliefst  aber  dann 
doch  mit  den  Worten:  ,,Uebrigens  ist  das  Publikum  für  Senft, 
und  alle  Gutgesinnten  wünschen  ihm  einen  grofsen  Wirkungs- 
kreis". 

Nicht  ganz  so  vertrauensvoll  klingt  eine  Stelle  über  Senift 
in  einem  Briefe  Thielmanns  vom  11.  Juli  desselben  Jahres:  ,,Mit 
Senfft  geht  die  Sache  gut,  wiewohl  ich  Ihnen  gestehe,  dafs 
die  Frau  mir  zu  viel  Einflufs  zu  haben  scheint,  und  bei  Lichte 
besehen  ist  sie  mit  allem  Verstand  doch  eine  Närrin". 

Wie  gewöhnlich,  so  suchte  Thielmann  auch  dem  Mi- 
nister von  Senfft  gegenüber  vor  allem  in  Personenfragen  einen 
Einflufs  zu  gewinnen.  So  agitierte  er  nach  einem  Briefe 
Watzdorfs  vom  27.  April  18 10  damals  eifrig  dafür,  einen 
Grafen  Keller,  der  in  sächsische  Dienste  zu  treten  wünschte, 
und  mit  dem  er  sich,  als  einer  neuen  Gröfse,  rasch  befreundet 
hatte,  zum  Gouvernement  von  Erfurt  zu  befördern.  Und  dafs 
Thielmanns  Fürsprache  nicht  ohne  Eindruck  blieb,  lassen 
auch  die  eigenen  Briefe  des  Grafen  Senfft-  erkennen.  Nicht 
immer  aber  äufserte  sich  Thielmanns  Einflufs  nur  in  Empfeh- 
lungen, er  konnte  auch  recht  deutlich  im  Gegenteile  sein,  wie 
folgende  Stelle  aus  einem  Briefe  vom   18.  April  beweist: 

„Mit  Mifsfallen  habe  ich  bemerkt,  dafs  Funk  bei  Senfft  Credit 
zu  erhalten  anfängt,  welches  durch  seinen  Verstand  leicht  denkbar 
ist,  und  wo  vielleicht  der  unkluge  Krieg  des  ersteren  (Sie  verstehen 
mich)  und  vielleicht  gegründetere  innere  Beschwerden  des  anderen 
einen  sourden  point  de  contact  ablegen.  Ich  habe  mir  die  Freiheit 
genommen,  Senft  sehr  vertraulicli  darüber  meine  Meinung  zu  sagen". 

Daneben  verfehlte  Thielmann  aber  auch  nicht,  bei  Ge- 
legenheit seinen  Rat  auch  in  nicht  rein  persönlichen  An- 
gelegenheiten dem  Minister  zur  Verfügung  zu  stellen.  So 
hatte  er  sich  bemüht,  demselben,  ehe  er  die  Reise  nach 
Warschau  antrat,  ein  Bild  der  Verhältnisse  im  Herzogtume, 
mit  denen  er  sich  ja,    wie   oben   gezeigt  wurde,    seiner  Zeit 


General  v.  Thielmann.  123 

ziemlich  eingehend  in  seiner  Weise  beschäftigt  hatte,  beizu- 
bringen, worüber  er  am  5.  Juli  schreibt:  ,,Ich  habe  die  kleine 
Genugthuung  gehabt,  dafs  er  (Senfft)  meine  ihm  gegebenen 
Notizen  alle  wahr  gefunden  hat". 

In  die  Zeit  von  Justs  Pariser  Aufenthalt  fällt  noch  ein 
recht  eigentümlicher  Schritt  Thielmanns,  der  sich  allerdings 
mehr  auf  seine  privaten,  als  auf  seine  öffentlichen  Verhältnisse 
bezieht.  Auch  nach  dem  Ablauf  seines  Kommandos  war 
Thielmann  nicht  nur  mit  dem  Marschall  Davoust,  sondern 
soofar  auch  mit  dessen  Gattin  in  freundschaftlichem  Brief- 
Wechsel  geblieben,  um  dessen  Vermittelung  er  den  Baron 
V.  Just  wiederholt  zu  bitten  Gelegenheit  hatte.  Auf  diesem 
Wege  erfuhr  denn  auch  Thielmann,  dafs  die  Fürstin  für  ihre 
Kinder  eine  deutsche  Gouvernante  suchte,  und  Thielmann 
empfahl  ihr  dafür  seine  Schwägerin  Caroline  v.  Charpentier. 
Bekannthch  waren  die  Beziehungen  zwischen  Thielmann  und 
dieser  Schwägerin  von  beiden  Seiten  ungewöhnlich  herzliche. 
Was  aber  den  Plan,  sie  als  Gouvernante  bei  Davoust  zu  in- 
stalheren,  ganz  besonders  merkwürdig  macht,  ist  der  Umstand, 
dafs  Thielmann  zunächst  seine  persönlichen  Beziehungen  zu  der 
Empfohlenen  sorgfältig  verschwiegen  und  dies  auch  dem  Baron 
V.  Just  als  eine  absichtliche  Unterlassung  mitgeteilt  hatte. 

Justs  rechtlicher  Sinn  hat  allerdings  die  Thielmannschen 
Pläne,  welcher  Art  auch  immer  sie  sein  mochten,  nach  der 
einen  Richtung  hin  vollkommen  durchkreuzt.  Da  auch  er 
wegen  der  Persönlichkeit  der  Empfohlenen  befragt  wurde, 
hat  er  ganz  offen  über  ihr  verwandtschaftliches  Verhältnis 
gesprochen,  und  Thielmann  hat  nachträglich  vollkommen  an- 
erkannt, dafs  er  nicht  wohl  anders  handeln  konnte.  Übrigens 
ist  Caroline  v.  Charpentier  wohl  nur  sehr  kurze  Zeit  im  Hause 
der  Fürstin  v.  Eckmühl  geblieben,  obwohl  sie  sich  bis  zum 
Sturze  der  napoleonischen  Herrschaft  in  verschiedenen  an- 
deren Stellungen  in  Frankreich  aufgehalten  hat. 

Die  Abreise  seiner  Schwägerin  nach  Frankreich  hat 
insofern  für  Thielmann  eine  besondere  Bedeutung  erlangt, 
als  er  es  sich,  trotz  gewichtiger  Bedenken,  die  dem  ent- 
gegenstanden, nicht  versagen  konnte,  sie  bis  München  zu  be- 
gleiten und  bei  dieser  Gelegenheit  in  der  Isarstadt  einen 
mehrwöchentlichen  Aufenthalt  zu  nehmen.  Dem  Baron  v.  Just 
gegenüber  begründet  Thielmann  seine  Reise  ganz  offen  als 
einen  Ausdruck  seiner  unzufriedenen  Stimmung;  er  schreibt 
ihm  von  München  aus  am  25.  Mai  darüber: 

„Sie  wissen,  dafs  ich  leider  zu  den  Menschen  gehöre,  die  da 
durchsetzen,  was  sie  sich  vornehmen,  es  mag  biegen  oder  brechen, 


124  ^'  Haebler: 

klug  oder  unklug  sein,  —  so  bin  ich  denn  nun  auch  schon  hier,  theils 
um  der  Freundschaft  ihren  Tribut  zu  zollen,  theils  um  dem  ehren- 
vollen Ruhestande  (allenfalls  auch  Beiseitesetzung)  auf  einige  Zeit 
zu  entfliehen,  dessen  mein  zur  Thätigkeit  gewohntes  Blut  noch  nicht 
recht  gewohnt  werden  kann.  Klug  mag  meine  Reise  nicht  sein, 
wenigstens  gefiel  sie  auf  der  Brüdergasse  nicht,  wo  ich  sehr  kalt 
entlassen  wurde,  ich  lasse  mir's  gefallen,  denn,  wer  will  immer  klug 
handeln?" 

Sah  er  somit  selbst  schon  das  Unkluofe  seines  Schrittes 
ein,  so  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dafs  andere  Leute  ihn 
noch  weit  schärfer  beurteilten.  Seine  Reise  hat,  wie  die  in 
den  Briefen  an  Just  eingestreuten  Bemerkungen  beweisen, 
entschieden  damals  ein  gewisses  peinliches  Aufsehen  gemacht. 
So  schreibt  Watzdorf  über  den  Gegenstand: 

„Notre  ami  Thielmann,  (jue  j'aime  de  tout  mon  coeur  pour 
l'honnetete  et  la  loyaute  de  son  caractere  fait  encore  une  sottise, 
qui  fera  crier  ses  denigrateurs.  Une  foule  de  depenses  sur  le  bras, 
sa  pauvre  femme  au  terme  d'accoucher,  ne  voilä-t-il  pas  que  le  diable 
lui  suggere  d'accompagner  sa  belle-soeur  Charpentier  destinee  pour 
Paris,  jusqu'ä  Munic  pour  v  voir  son  ami  Narbonne.  C'est  un  man- 
que  d'attention  comme  mari  et  pere  de  famille,  c'est  une  sottise  sous 
le  point  de  vue  des  finances.  En  general,  mon  bon  ami,  Celles  de 
Thielmann  ne  prospereront  jamais". 

Offenbar  vermutete  man  an  gewissen  Stellen  hinter  dieser 
Reise  noch  viel  weitergehende  Pläne,  und  traute  dem  ehr- 
geizigen und  ungeduldigen  Manne  wohl  zu,  dafs  er  wieder 
einmal,  wie  in  seiner  Leutenantszeit ,  nicht  abgeneigt  sei, 
einen  Fahnenwechsel  zu  vollziehen,  wenn  er  sonst  dabei  gute 
Geschäfte  machen  konnte.  Denn  Thielmann  schreibt  selbst 
über  seinen  Abschied  bei  Hofe:  ,,Der  König  war  ganz  be- 
denklich darüber,  als  er  mir  den  Urlaub  ertheilte;  er  mochte 
mir   üble    Absichten   zutrauen,    ich  habe   ihn  aber   beruhigt". 

In  München,  wo  Thielmann  sich  drei  Wochen  lang  auf- 
hielt, war  er  der  Gast  des  dort  als  französischer  Gesandter 
weilenden  Grafen  Narbonne,  mit  dem  ihn  allerdino-s  alte 
Freundschaft  verband.  In  dem  tatenlosen  Wohlleben,  unter 
den  vielen  neuen  Eindrücken,  die  er  da  empfing,  lebte  er 
wieder  etwas  auf  und  kehrte  in  einer  besseren  Stimmung 
zurück,  als  diejenige  war,  in  der  er  die  Reise  antrat.  Er 
war,  wie  er  in  seinen  Briefen  hervorzuheben  nicht  vergifst, 
selbst  bei  Hofe  mit  Auszeichnung  behandelt  worden.  Sein 
scharfer  Blick  und  sein  schlagfertiges  Urteil  liefsen  die  Er- 
zählungen, die  er  von  seinen  Münchener  Erlebnissen  machte, 
den  Dresdener  Freunden  so  interessant  erscheinen,  dafs  sie  an 
Just  nach  Paris  davon  berichteten.  So  schreibt  Ehrlinger  am 
27.  Juni:     „II  (Thielmann)  m'a  cra3-onne  un  tableau  assez  bien 


General  v.  Thielmann. 


125 


fait  de  cette  cour  et  de  Fetat  oü  ce  pays  se  trouve."  Das- 
selbe hatte  er  natürlich  auch  selbst  schon  dem  Baron  v.  Just 
gegenüber  gethan. 

Dafs  aber  auch  diese  Auffrischung  in  ihrer  günstigen 
Wirkung  auf  seine  Stimmung  nicht  lange  vorhielt,  daran 
waren  wohl  in  hohem  Mafse  seine  finanziellen  Verhältnisse 
Schuld. 

Thielmanns  frühere  Biographen  haben  wohl  zahlenmäfsig 
von  seinen  Anleihen  bei  der  Kriegskasse  und  bei  dem  Könige 
berichtet,  allein  um  die  Rückwirkungen  dieser  Übelstände 
auf  Thielmanns  Charakter  und  Handlungsweise  verstehen  zu 
können,  mufs  man  etwas  tiefer  in  den  Sumpf  hineinblicken, 
in  dem  Thielmann  steckte.  Petersdorf  hat  Thielmanns  Gattin 
verdächtigt,  als  ob  sie  eine  schlechte  Haushälterin  gewesen 
sei,  anscheinend  aber  ohne  alle  Berechtigung.  Die  Korre- 
spondenten des  Baron  v.  Just,  die  fast  ausnahmslos  dem  Ge- 
neral Thielmann  sehr  wohlwollten,  die  Art  seiner  Finanznöte 
dabei  aber  sehr  genau  kannten,  sprechen  nur  mit  Hoch- 
achtung und  mit  Bedauern  von  seiner  Gattin,  vmd  machen 
ganz  allein  ihn  selbst  für  seine  mifsliche  Finanzlage  verant- 
wortlich. 

Das  Übel  war  alten  Datums,  Die  ersten  Klagen  Thiel- 
manns, welche  seine  schwierige  Lage  verraten,  stammen  schon 
aus  der  Zeit,  wo  er  dem  Marschall  Davoust  noch  attachiert 
war.     Er  schreibt  aus  Berlin  am  22.  November  1808: 

,,In  meiner  Angelegenheit  habe  ich  noch  nicht  an  den  Grafen 
Böse  geschrieben,  denn  meine  Depesche  wurde  länger,  als  ich  glaubte, 
und  das  Betteln  um  Existenz  ist  mir  so  odiös,  dafs  es  das  letzte  ist, 
woran  ich  denke.  Der  König,  zu  gerecht  um  dem  Gesetze  der  an- 
ciennite  Eintrag  zu  thun,  wenn  es  darauf  ankommt,  das  Verdienst 
zu  belohnen  oder  den  guten  Willen  zu  ermuntern,  ist  jetzt  im  Be- 
griff das  Gesetz  auf  Kosten  aller  derer  zu  beugen,  die  20.  und  30.  Jahr 
auf  Hoffnung  dieser  Anciennität  dienten,  und  warum?  um  Fremd- 
linge aus  einer  bis  zur  Verachtung  herabgesunkenen  Militärschule 
zu  placiren!  Ich  soll  meine  Escadron  hergeben,  26  Jahre  umsonst 
gehofft  haben  (denn  ich  diene  28  Jahr)  und  nach  geleisteten  Diensten 
meine  Kinder  das  Brod  an  den  Thüren  suchen  lassen,  nur  dafs  ein 
preufsischer  Rittmeister  zu  leben  habe,  der  bei  Halle  3  Blessuren 
erhielt.  Ei,  ich  kann  nicht  dafür  dafs  ich  von  Mainz  an  bis  Fried- 
land kein  Krüppel  wurde.  Die  Vernunft  und  Pflicht  gebieten  mir, 
nichts  zu  verabsäumen,  was  die  Klugheit  gut  heilst;  ich  werde  also 
dem  Grafen  Böse  und  Marcolini  meine  Lage  kurz  vorstellen,  ehrer- 
bietig aber  männlich  sprechen,  und  dann  —  nicht  mehr  eine  Feder 
ansetzen.  Ich  werde  meine  Parthie  zu  nehmen  wissen,  um  durch 
die  Welt  zu  kommen". 

Im  vorliegenden  Briefe  handelt  es  sich  zunächst  wohl 
noch   mehr  um  Avancements -Sorgen   als   um   finanzielle   Be- 


J25  K.  Haebler: 

drängnisse.  Er  ist  aber  zu  bezeichnend  für  Thielmanns  Art, 
für  seine  Auffassung  des  eigenen  Verdienstes  und  seiner 
Stellung  zu  seinem  Kriegsherrn,  als  dafs  ich  ihn  hätte  weg- 
lassen können.  Natürlich  ist  derjenige,  zu  dessen  Gunsten 
die  Anciennität  nicht  durchbrochen  wurde,  er  selbst,  und  den 
Schlufssatz  wird  man  kaum  falsch  deuten,  wenn  man  annimmt, 
dafs  Thielmann  darauf  rechnete,  in  französischen  Diensten 
unschwer  Aufnahme  zu  finden. 

Sehr  drückend  aber  müssen  seine   Finanznöte  schon  zur 
Zeit    der    Militärreform    gewesen    sein.      Als    es    entschieden 
war,    dafs    Thielmann    als    Brigadekommandeur    in    Dresden 
bleiben  würde,  schreibt  Watzdorf  an  Just:    „Cela  ne  l'enrichera 
pas;   il  a  pris  le  logement  des  Oledzki  ä  la  grande  place,  et 
est   court   d'argent.     Le   comte   Marcolini   lui   a   prete,   risum 
teneatis,  mille  ecus  tout  recemment.     Qui  nous   aurait  predit 
cela  il  y  a  quatre  ans!'-     Thielmann  selbst  aber  schien  schon 
damals   das    Gefühl   in   hohem   Grade  verloren   zu    haben   für 
das   Demütigende,   was   darin   lag,    dafs   ein   Mann   in    seiner 
Stellung  stets  um  Darlehen  bitten  mufste,  und  stets  von  seinen 
Gläubigern   abhängig   blieb.      Er   schreibt   dieselbe    Tatsache 
als  etwas  ganz  Selbstverständliches  an  Just,  und  bald  darauf 
werden  die  Klagen  über  seine  Geldverhältnisse  ein  stehendes 
Kapitel   in   seiner  Korrespondenz.     So   schreibt   er  am  5.  Juli 
18 10:     „Mir  geht  es  wohl,  aufser  dafs  ich  mit  meinem  Traite- 
ment  unmöglich   leben   und   meine  Kinder  erziehen  kann,    so 
dafs  ich  Schulden  machen  mufs,  und  ein  kummervolles  Alter 
zu    erwarten    habe,    welches    ich    diese    Woche   dem    König 
schriftlich  sehr  deuthch  auseinander  setzen  will".     Schon  da- 
mals also   schien   es  ihm   bei  weitem   nicht  mehr  so   schwer, 
„um  seine   Existenz   zu    betteln",    wie   er   es   im   Jahre    1808 
genannt   hatte;    im   Gegenteil,    er   fand    es    jetzt   höchst  un- 
gerecht,   dafs    man    das    nicht    höheren    Ortes    ganz    selbst- 
verständlich   fand.      Schon    am    11.  Juli    klagt    er    abermals, 
dafs  er 

„sehr  ruhig  leben  würde ,  wenn  ich  nicht  80  Rthlr.  monatlichen  Ab- 
zug hätte,  um  beinahe  800  Rthlr.  Cabinetssporteln  zu  bezahlen,  femer 
100  Rthlr.  monatlich,  um  1000  Rthlr.  an  den  König  zurückzuzahlen, 
und  ebensoviel  an  den  Grafen  MarcoUni,  der  mir  diese  Summe  lieh, 
um  mich  zu  equipiren,  so  wie  mir  erstere  der  König  gab,  um  mich 
1807  zum  Felde  einzurichten.  Natürlich  mufs  ich  dieses  regelmälsig, 
oft  vom  Juden,  wieder  borgen,  warte  übrigens  ganz  ruhig  ab,  wozu 
das  führen  wird,  welches  nichts  anderes  als  mein  Ruin  sein  kann. 
Ob  ich  mir  wohl  sage,  ein  besseres  Schicksal  verdient  zu  haben,  so 
kann  ich  mich  doch  nicht  sehr  darüber  kränken,  denn  es  ist  in  der 
ganzen  Welt  nicht  anders:  Dankbarkeit  und  Fürsten  paaren  sich 
nur  selten". 


General  v.  Thielmann.  127 

In  dieser  vollkommenen  Verkennung-  der  Lage  Vjlieb  er. 
Auch   am    12.  August   schrieb   er  wieder: 

„Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  Ursache  unzufriedener  als  je 
zu  sein.  Seit  3  Wochen  habe  ich  dem  König  und  dem  Grafen  Marco- 
lini  meine  Lage  in  einem  weitläutigen  Expose  ruhig  und  ehrfurchts- 
voll geschildert,  aber  keine  Antwort  erhalten.  Um  meine  Lage  recht 
brillant  zu  machen,  läfst  man  mich  jetzt  noch  die  Rationen  bezahlen, 
die  ich  seit  dem  Frieden  bis  zum  i  sten  Mai  während  meiner  Dienst- 
anstellung gezogen  hatte,  überdies  läfst  man  mich  noch  einen  Vor- 
schufs  von  1000  Rthlr.  durch  einen  monatlichen  Abzug  von  50  Rthlr. 
bezahlen,  den  mir  der  König  gab,  um  nach  Danzig  zu  gehen,  hierzu 
kam  am  i  sten  die  Personensteuer,  so  dafs  ich  statt  des  Tractaments 
auf  den  August  nur  Papier  erhielt". 

Thielmanns  finanzielle  Lage  mochte  in  der  Tat  eine 
recht  schwierige  sein,  denn  er  bezog  als  Kommandeur  der 
Brigade  einen  Gehalt  von  monatlich  333  Rthlr.  8  gr,  wovon  ihm 
mit  all  den  erwähnten  Abzügen  allerdings  nicht  viel  übrig  blieb. 
Anderseits  zeigt  eben  diese  Liste  der  Abzüge,  wie  Thielmann 
jede  Gelegenheit  wahrgenommen  hatte,  sich  Vorschüsse  zahlen 
zu  lassen,  während  er  — -  die  ältesten  Vorschüsse  stammen 
aus  dem  Jahre  1806!  —  niemals  sich  darum  bekümmert  hatte, 
diese  Schulden  wieder  abzutragen.  Seine  Denkschrift  ist,  ob- 
wohl er  es  nicht  für  nötig  gefunden  hat,  in  seinen  Briefen 
an  Just  auch  dessen  Erwähnung  zu  tun,  auf  die  Dauer  nicht 
unberücksichtigt  geblieben,  und  es  ist  ein  wesentlich  milderer 
Weg  zur  allmählichen  Abtragung  seiner  Schulden  gefunden 
worden.  Vermuthch  sind  auch  dieselben  Rücksichten  mit 
dafür  bestimmend  gewesen,  dafs  Thielmann  dem  kostspieligen 
Leben  der  Residenz  entzogen  und  als  Brioradekommandeur 
nach  Kottbus  versetzt  wurde.  Freilich  wurde  der  Zweck  nur 
zu  einem  kleinen  Teile  erreicht.  Kaum  an  seinem  neuen 
Bestimmungsorte  angelangt,  fand  Thielmann  die  politische 
Lage  so  drohend,  dafs  er  glaubte,  auf  seine  Equipierung  für 
einen  kommenden  Feldzug  bedacht  sein  zu  müssen,  und  das 
erste,  was  er  unter  diesen  Verhältnissen  für  nötig  erachtete, 
war,  den  König  abermals  um  einen  Vorschufs  anzugehen. 
Und  denselben  Brief  (aus  Lübben  vom  11.  Juni  181 1),  in  dem 
er  Just  dieses  mittedt,  schliefst  er  mit  den  Worten:  ,, Leben 
Sie  wohl  und  bedauern  Sie  mich,  dafs  ich  in  einer  Lage  bin, 
wo  ich  physisch  und  bürgerlich  untergehen  mufs,  denn  nächst 
dem  Banquier  ärgere  ich  mich  zu  Tode". 

Seine  Vorsicht  in  Bezug  auf  die  Equipierung  erwies  sich, 
wenn  auch  als  etwas  verfrüht,  doch  nicht  als  ganz  über- 
flüssig, denn  die  politische  Lage  spitzte  sich  immer  mehr  zu. 
Inzwischen  aber  führte  Thielmann  sein  sorgloses  Verschwender- 


128  K.  Haebler; 

leben  ruhig  weiter,  immer  hoffend,  dafs  ein  vmvorhergesehener 
Glücksfall  ihn  retten  oder  ein  neuer  Feldzug  ihn  wenigstens 
vorübergehend  der  Misere  entreifsen  solle.  Dafs  dieselbe 
fortbestand,  ist  aber  unverkennbar.  Einer  von  Thielmanns 
wärmsten  Verehrern  war  der  Hofrat  und  Bürgermeister  von 
Dresden,  Dr.  Chr.  Gf.  Heyme.  Auch  er  gehört  zu  Justs 
Korrespondenten  und  gedenkt  in  seinen  Briefen  nicht  selten 
des  gemeinsamen  Freundes.  So  schreibt  er  auch  am  8.  Sep- 
tember 1811  über  einen  Besuch  Thielmanns  in  Dresden: 
„Freund  Thielmann  wollte  gestern  wieder  nach  seinem  Can- 
tonnement  abgehen;  ob  es  geschehen  ist,  weifs  ich  nicht.  Er 
ist  immer  noch  der  alte:  Bayard  en  tous  sens,  sans  peur, 
sans  reproche  et  sans  economic;  je  commence  ä  craindre  pour 
les  suites". 

Nach  einer  Seite  hin  waren  damals  die  Folgen  schon 
sehr  stark  zu  spüren.  Thielmann  war  jedenfalls  mit  unter 
dem  Drucke  der  schlimmen  Verhältnisse  in  hohem  Grade  reiz- 
bar geworden,  und  durch  die  Ausbrüche  seines  unbändigen 
Temperamentes  hatte  er  einen  grofsen  Teil  seiner  alten  Freunde 
eingebüfst.  Thielmann  war  kein  Charakter  für  die  sentimen- 
talen  Freundschaften,  wie  sie  im  Charakter  der  damaligen 
Zeit  lagen.  Er  war  in  zu  hohem  Grade  von  dem  Werte  der 
eigenen  Persönlichkeit  eingenommen  und  zu  sehr  bemüht,  bei 
jeder  passenden  oder  unpassenden  Gelegenheit  sich  selbst  zur 
Geltung  zu  bringen,  als  dafs  er  in  seinem  Herzen  für  eine 
aufrichtige  und  herzliche,  geschweige  denn  für  eine  auf- 
opfernde Freundschaft  Raum  gehabt  hätte. 

In  seinen  jüngeren  Jahren  hatte  ihn  die  Kameradschaft 
mit  einer  Reihe  seiner  Altersgenossen  in  freundschaftliche 
Beziehungen  treten  lassen,  und  die  Gemeinsamkeit  der  Inter- 
essen hat  sie  eine  o^ute  Strecke  ihrer  Lebensbahn  äufserlich 
zusammengehalten.  Innerlich  hatte  sich  Thielmann  meist  schon 
sehr  früh  von  ihnen  losgesagt,  wie  die  schonungslose  Härte 
beweist,  mit  der  er  in  den  Briefen  an  Just  über  eben  die- 
jenigen Personen  aburteilt,  die  seinen  früheren  Biographen 
als  seine  vertrauten  Freunde  gegolten  haben.  Freundschaft 
hielt  Thielmann  nur  da  aufrecht,  wo  ihm  dies  der  eigene 
Vorteil  zu  gebieten  schien,  oder  wo  die  Entfernung  einem 
Konflikte  der  Interessen  vorbeugte.  Eine  Freundschaft  der 
letzteren  Art  war  diejenige  zu  dem  Grafen  Narbonne,  und 
auch  da  ist  Thielmanns  Uneigennützigkeit  keineswegs  aufser 
Frage.  Eine  Mischung  beider  Freundschaftsarten  war  die- 
jenige, die  ihn  mit  Davoust  verknüpfte,  seine  Beziehungen 
zu   dem   Baron  v.  Just   fallen  aber  wohl,    trotz   aller  Freund- 


General  v.  Thielmann.  12^ 

Schaftsbeteuerungen,  soweit  Thielmann  in  Betracht  kommt, 
nur  unter  den  Gesichtspunkt  des  Interesses. 

Die  Beziehungen  waren  nicht  immer  ungetrübt  gebHeben. 
Noch  am  3.  Juni  181 1  schlofs  er  einen  langen  Brief  an  Just, 
voll  von  bitteren  Klagen  gegen  seine  früheren  Freunde,  mit 
den  Worten:  ,,Von  ganzem  Herzen  der  Ihrige,  und  es  thut 
mir  wahrhaft  wohl,  das  noch  von  einigen  Menschen  sagen 
zu  können".  Diesem  folgt  noch  ein  Brief  vom  nächsten  Tage, 
dann  tritt  in  der  Korrespondenz  eine  mehrmonatliche  Pause 
ein.  Als  dann  der  Baron  v.  Just  in  das  Geheimerats-KoUegium 
berufen  w-orden  war,  hielt  auch  Thielmann  es  für  angebracht, 
ihn  zu  beglückwünschen.  Aber  der  Brief  vom  8.  März  181 2 
beginnt  mit  den  Worten:  ,, Durch  Zufall  erfuhr  ich  erst  vor- 
gestern Ihre  Beförderung  —  denn  von  Freundeshand  sie  zu 
erfahren  bin  ich  nicht  mehr  glücklich  genug  — "  .  .  .  Thiel - 
mann  litt  damals  offenbar  an  den  Folgen  der  Vereinsamung, 
einer  Vereinsamung,  die  er  allerdings  nur  der  hochfahrenden 
Härte  des  eip;enen  Charakters  zu  verdanken  hatte.  Er  wird 
darüber  fast  elegisch,  wenn  er  in  demselben  Briefe  bei  Er- 
wähnung des  Grafen  Narbonne  in  die  Worte  ausbricht:  ,,er 
ist  ein  Freund,  der  mir  treulich  geblieben  ist".  Auf  dieses 
Prädikat  hatte  Herr  v.  Just  mindestens  das  gleiche,  wenn 
nicht  ein  gröfseres  Anrecht.  Tatsächlich  wurde  zunächst  das 
Einverständnis  rasch  wiederhergestellt.  Bereits  am  28.  März 
konnte  Thielmann  einen  Brief  Justs  beantworten:  „Er  ist  ein 
Beweis,  dafs  Sie  selbst  beruhigt  sind,  und  dann  ist  es  eine 
wohlthätige  Empfindung,  von  einem  befreundeten  Wesen  etwas 
zu  hören,  wenn  man  sich  unter  solchen  befindet,  die  sich 
recht  von  Herzen  hassen". 

Diese  Bemerkunsf  bezog  sich  zwar  zunächst  nicht  auf 
Thielmanns  eigene  Stellung,  allein  nach  manchen  Richtungen 
hätte  sie  auch  auf  diese  zugetroffen.  Mit  Manteuffel  war  er 
schon  seit  der  Militärreform  zerfallen,  ohne  dafs  eine  Wieder- 
annäherung erfolgt  wäre.  Manteuffel  neigte,  was  damals  selbst 
in  Thielmanns  Augen  keine  Empfehlung  war,  zu  der  anti- 
französischen  Partei  hin,  und  das  hinderte  ihn,  unter  den 
damaligen  Verhältnissen  einen  Einflufs  zu  behaupten,  auf  den 
der  bescheidene  Mann  niemals  einen  grofsen  Wert  gelegt 
hatte.  Auch  „Freund  Watzdorf",  den  Thielmann  in  jener 
Zeit  so  sehr  schätzen  gelernt  hatte,  ward  von  ihm  vergessen. 
Noch  wiederholt  erkundigt  sich  Watzdorf,  während  er  den 
Petersburger  Gesandtschaftsposten  einnahm,  bei  Just  nach  dem 
einstigen  Freunde,  bis  er  resigniert,  am  7.  Februar  181 2,  an 
jenen  schreibt:    „lui  (Langenau),   Gersdorf,  Thielmann  ne  me 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     l.  2.  9 


iqo  K.  Haebler: 

donnent  signe  de  vie;  eh  bien,  consolons  nous  en".  Aber 
auch  die  beiden  Genossen  der  Mihtärreform ,  Gersdorf  und 
Langenau,  waren  oder  wurden  jetzt  zum  alten  Eisen  geworfen. 

Für  Langenau  hatte  Thielmann  einstmals  als  der  ältere 
Kamerad  aufserordentlich  warme  Empfindungen  des  Wohl- 
wollens gehegt.  Am  24.  Januar  1808  hatte  er  an  Just  ge- 
schrieben: „Der  General  Polenz  hat  nun  den  Sousheutenant 
Langenau  zum  2ten  Mal  als  Premierlieutenant  in  Vortrag  ge- 
1)racht,  allein  es  ist  abermals  beigelegt.  Will  man  denn 
niemanden  aufmuntern?  Der  König  ist  diesem  jungen  Menschen 
die  gröfste  Dankbarkeit  schuldig,  indem  er  bei  Danzig  im 
strengsten  Sinn  des  Wortes  die  Stelle  seiner  an  Denkungsart, 
Handlungsweise  und  äufserer  Erscheinung  der  niedrigsten 
Volksklasse  gleichen  Generale  und  Brigadiers  der  Infanterie 
übernahm,  und  so  des  Königs  Ehre  mit  erhielt".  Demselben 
Langenau  verschaffte  er  dann  Gelegenheit,  durch  seine  Spionen- 
reise nach  Königsberg  sich  dem  Marschall  Davoust  zu  emp- 
fehlen, was  bei  den  damaligen  Gesinnungen  Thielmanns 
durchaus  als  ein  Beweis  des  Wohlwollens  aufzufassen  ist, 
ob  er  sich  schon  nebenbei  Gedanken  darüber  machte,  ob 
man  am  Dresdener  Hofe  mit  dieser  Art  von  Liebesdiensten 
gegen  die  Franzosen  einverstanden  sein  möchte.  Es  wurde 
schon  erwähnt,  dafs  er  Langenau  für  den  Geeignetsten  an- 
sah, der  Botschaft  in  Paris  attachiert  zu  werden,  wenn  er 
nicht  hier  (in  Dresden)  unentbehrlich  wäre.  Allein  seit  der 
einstige  Untergebene  rascher  als  erwartet  seinen  Weg  auf- 
wärts gefunden  und  bei  der  Mobilmachung  gegen  Rufsland 
sogar  den  einflufsreichen  Posten  eines  Generalstabs  -  Chefs 
erhalten  hatte,  da  war  es  auch  um  die  Freundschaft  Thiel- 
manns geschehen,  der  in  ihm  nur  noch  einen  gefährlichen 
Nebenbuhler  um  Macht  und  Einflufs  erblickte.  Am  3.  Mai  181 2 
schreibt  Langenau:  ,, Thielmann,  dessen  unangenehme  Lage 
ich  besonders  in  Rücksicht  seiner  Brigade  herzhch  bedaure, 
behandelt  mich,  wie  seinen  ärgsten  Feind,  und  auf  eine  Art, 
die  ich  weder  verdiene,  noch  so  leicht  vergessen  werde". 
Und  trotzdem  stellte  dieser  nämliche  Langenau  am  6.  Sep- 
tember desselben  Jahres  dem  General  Thielmann  das  schöne 
Ehrenzeugnis  aus:  ,, Thielmann  dauert  mich,  seine  Lage  ist 
nicht  die  angenehmste.  Funk  benimmt  sich  so,  dafs  es  Pflicht 
für  jeden  rechtlichen  Sachsen  wird,  ihn  zu  verdrängen  .  .,  . 
Thielmann  ist  hart,  stolz,  unbändig  und  eitel  —  aber  rechtlich 
und  Soldat,  und  mit  Funk  nicht  zu  vergleichen". 

Mit  Gersdorf  sahen  wir  bereits  die  in  der  Militärreform 
bekundete  Gemeinsamkeit  der  Anschauungen  bald  darauf  sehr 


General  v.  Thielmann.  131 

in  die  Brüche  gehen.  Von  Freundschaft  ist  schon  recht  wenig 
zu  spüren  in  der  Charakteristik,  die  er  ihm  in  einem  Briefe 
vom  28.  April  1810  widmet:  „Gersdorf  ist  allmächtig,  und 
thut  durchaus,  und  setzt  durch,  was  er  will;  ich  bin  gut  mit 
ihm,  er  fürchtet  mich,  ungeachtet  er  mich  nicht  mehr  braucht. 
Wenn  er  wird  mehr  Geschmack  an  der  Sache  bekommen, 
und  l'appetit  vient  en  mangeant,  so  versichere  ich  Ihnen,  ist 
seit  Brühl  niemand  von  mehrerem  Einflufs  in  Sachsen  gewesen, 
als  er,  selbst  Marcolini  nicht,  weil  die  Geschäfte  nie  sein 
Ziel  waren  .  .  .  ."  Bald  aber  ward  die  Feindschaft  offenkundig. 
Dem  General  v.  Gersdorf  scheint  allgemein  damals  nachgesagt 
worden  zu  sein,  dafs  er  seine  Gunst  nicht  ohne  Parteilichkeit 
verteile;  Thielmann  aber  wagte  es,  ihm  das  ins  Gesicht  zu 
sagen.  Darüber  schreibt  Watzdorf  am  22.  Juli  1810  an  Just: 
,, Thielmann  a  juge  necessaire  d'avertir  Gersdorf  des  propos 
tres  critiques  que  la  Reine  et  la  Princesse  se  permettent  sur 
lui  et  sa  pretendue  venalite.  Ceci  trotte  furieusement  par  la 
tete  de  Gersdorf;  je  desire  qu'il  en  fasse  son  prolit".  Und 
als  daraufhin  Just  in  der  wohlgemeintesten  Absicht  ihn  er- 
mahnte, es  nicht  unnötigerweise  mit  Gersdorf  zu  verderben, 
schrieb  er  den  Brief  vom  11.  Juni  181 1,  der  vielleicht  das 
Charakteristischste  ist,  was  die  ganze  Justsche  Korrespondenz 
über  Thielmann  enthält: 

„Sie  sagen,  ich  soll  den  General  Gersdorf  nicht  reizen?  Glaubt 
er  sich  durch  meine  Kälte  gegen  ihn  gereizt,  wohlan,  ich  mufs  mir's 
gefallen  lassen.  Sein  Gewissen  wird  Ihm  wohl  sagen,  dafs  er  eine 
grofse  Wärme  meinerseits  nicht  verdient  hat,  und  da  ich  übrigens 
ein  gutes  Gewissen  gegen  ihn  habe,  so  mag  er  sich  nur  in  Acht 
nehmen,  dafs  er  mich  nicht  reize!  Der  General  Gersdorf  hat  gegen 
meine  Geradheit  von  jeher  eine  Aversion  gehabt,  und  da  er  sich 
über  meuie  Redlichkeit  und  Nachgiebigkeit  gegen  ihn  während 
unserer  Dienstverhältnisse  in  Polen  durchaus  nicht  zu  beklagen  hatte, 
ihm  aber  doch  das  Zutrauen,  welches  mir  Polenz,  und  späterhin 
Davoust  schenkten,  gefährlich  schien,  so  schadete  er  mir  seinem 
Charakter  gemäfs  hinterlistig,  und  war  die  einzige  Ursache  meines 
Mifsverhältnisses  mit  Polenzen,  wie  ich  nun  ganz  unwidersprechlich 
weifs.  Polenz  ist  aber  nun  auch  von  seinem  vermeinten  Freunde 
zurückgekommen,  da  ihm  dessen  Uriasbriefe  welche  er  über  ihn  an 
Cerrini  schrieb,  durch  den  liebenswürdigen  Gen.  Zastrow  abschrift- 
lich zugekommen  sind.  Ich  habe  des  Herrn  von  Gersdorf  Organi- 
sationsplan redlich  unterstützt;  hätte  ich  aus  Privat- Ursachen,  oder 
selbst  um  den  Plan  entweder  reifer  oder  nur  meinen  Ansichten  ge- 
mäfser  ausführen  zu  machen,  welches  ich  aber  der  guten  Sache 
wegen  nicht  that,  in  die  Opposition  des  Hn.  v.  Funk  geworfen,  wie 
leicht  würde  es  mir  gewesen  sein,  ihm  zu  schaden !  Denn  es  sprach 
ja  in  der  Kommission  Niemand  als  ich,  und  Funk  würde  sodann 
weniger  bitter  gewesen,  und  mehr  Muth  zum  Handeln  gehabt  haben. 
Hätte  der  König  mir  sein  Vertrauen  geschenkt,  und  mir  den  Auf- 
trag zu  einem  Entwurf'  gegeben,  würde  dann   der  Hr.  v.  Gersdorf 


9* 


1^2  K.  Haebler: 

an  meiner  Stelle  ebenso,  wie  ich,  gehandelt  haben?     Ich  überlasse 
Ihnen  die  Antwort". 

„Herr  \on  Gersdorf  hat  mich  nmimehr  ganz  bei  Seite  gesetzt, 
wohl  ihm!  aber  er  will  nunmehr  auch  nicht  einmal,  dafs  ich  leben 
soll.  Er  tanzt  allen  denen  auf  dem  Seile,  die  er  ihrer  Schlechtigkeit 
wegen  mehr  fürchtet,  als  mich,  oder  die  ihn  bezahlt  haben.  In 
Dresden  hat  er  mir  durch  Versprechen,  die  er  nie  halten  wollte,  das 
Maul  geschmiert,  und  mich  verdächtig  gemacht,  dafs  ich  mit  Davoust 
in  geheimen  Verbindungen  stünde.  Davoust  macht  mir  bittere  Vor- 
würfe, dafs  ich  ihm  nicht  schriebe;  ich  habe  ihm  von  hier  aus  ge- 
antwortet, er  möge  mir  erlauben,  meine  Correspondenz  nur  auf 
wichtige  Fälle  zu  versparen,  weil  meine  Verbindung  mit  ihm  mir 
hier  schadete,  ich  hofl'te  aber  von  ihm,  er  würde,  wenn  ich  es  ver- 
langte, laut  sagen,  für  welches  Interesse  ich  bei  ihm  gearbeitet  habe, 
ob  für  das  meinige,  oder  für  das  meines  Vaterlandes". 

Hier  folgt  dann  die  Stelle,  in  welcher  Thielmann  seiner 

Verdienste   bei  Jena  und   Friedland   gedenkt,    die  ich  schon 

oben  S.  loi   zitiert  habe.     Dann  fährt  er,  wieder  auf  Gensdorf 

zurückkommend,  fort: 

„Was  ist  mir  geworden,  als  ich  1809  durch  Herrn  v.  Gersdort 
schon  zurückgesetzt,  aber  von  meinem  besseren  Stern  wieder  ans 
Licht  gezogen,  des  Königs,  seiner  Minister  und  der  Nation  Ehre 
rettete,  dafs  ich  Westphalen  durch  Drohung  und  Bitten  zur  Hilfe 
nöthigte,  und  alle  Kräfte  aufbot,  mit  wenigem  viel  zu  thun?  Dafür 
bin  ich  General  worden,  nämlich  ein  solcher,  wie  General  Dyherrn, 
dem  man  seiner  unbeschreiblichen  Erbärmlichkeit  wegen  das  Com- 
mando  nehmen,  und  mir  geben  mufste,  und  wäe  es  noch  ',2  Dutzend 
unbrauchbare  oder  höchst  mittelmäfsige  Menschen  gleichfalls  ge- 
worden sind,  Zeschau  und  Lecoq  selbst  nicht  ausgenommen,  denn 
unter  allen  ist  doch  nur  Gutschmid  der  Einzige,  der  eine  Armee  zu 
führen  im  stände  ist". 

Aus  dem  Briefe  geht  Thielmanns  aufserordentliche  Selbst- 
überhebung, aber  nicht  minder  sein  bitterer  Hafs  gegen  den 
erfolgreicheren  Nebenbuhler  mit  aller  nur  wünschenswerten 
Deutlichkeit  hervor.  Auch  die  folgenden  Schreiben  enthalten 
noch  manchen  gelegentlichen  Ausfall  gegen  den  General 
V.  Gersdorf;  nur  der  Umstand,  dafs  Thielmann  persönlich 
kaum  noch  etwas  mit  ihm  zu  tun  hatte,  dafür  aber  auf 
andere  ihm  näher  stehende  die  Schale  seines  Zornes  aus- 
giefsen  mufste,  läfst  ihn  etwas  mehr  in  den  Hintergrund  treten. 

Ebenso  wenig  aufrichtig  und  beständig  war  Thielmanns 
Freundschaft  für  Funk.  Wenn  man  Petersdorf  Glauben 
schenken  wollte,  so  hätte  das  vertraute  Verhältnis  der  ehe- 
maligen Kameraden  noch  bis  zu  Funks  Abschied  aus  der 
Armee  im  Jahre  181 3  fortbestanden.  Die  Briefe  an  Just  zeigen 
die  vollkommene  Haltlosigkeit  dieser  Behauptung.  Schon  in 
der  Zeit,  wo  die  Korrespondenz  einsetzt,  ist  die  Freundschaft 
stark  erkaltet.    Schon  am  26.  November  1807  schreibt  Thiel- 


General  v.  Thielmann 


133 


mann  über  Funk:  „Wenn  Sie  mir  einige  militärische  Gaben 
vielleicht  zutrauen,  so  sollen  Sie  meine  Politik  doch  auch 
nicht  ganz  verwerfen,  darum  erzähle  ich  Ihnen,  dafs  ich 
auf  die  so  vielfältig  geflickte  Freundschaft  mit  Funk  einen 
neuen  Fleck  geflickt  habe,  welcher  in  einem  ungezwungen 
neutralem  Benehmen  besteht,  wozu  er  aber  auch,  ihm  zur 
Ehre  sei  es  gesagt,  die  erste  Hand  bot".  Wie  er  darüber 
dachte,  dafs  Funk  ihn  dem  Marschall  Davoust  als  prussien 
zele  empfahl,  ist  oben  mit  Thielmanns  Worten  mitgeteilt 
worden;  in  demselben  Briefe  meint  er  gelegentlich:  ,,Es 
wäre  zu  wünschen,  dafs  Funk  mehr  Ruhe  und  vielleicht 
weniger  Rücksicht  auf  eignen  Weg  hätte,  denn  manchmal 
sehen  wir  den  Wald  vor  Bäumen  nicht".  Und  indem  er 
noch  einmal  auf  ihn  zurückkommt  an  anderer  Stelle:  ,,Man 
sollte  Funken  nach  Paris  schicken,  dann  wäre  seine  Ambition 
befriedigt,  denn  mehr  könnte  er  doch  nicht  hoffen,  und  dann 
würden  auch  seine  unbestreitbaren  Talente  eine  richtigere 
Anwenduno-  finden". 

Die  Stellung  beider  Männer  zu  dem  Militärreformplane 
ist  durch  die  früheren  Zitate  aus  Thielmamis  Briefen  hin- 
länglich gekennzeichnet;  es  leuchtet  ein,  dafs  auch  diese  nicht 
dazu  beitragen  konnte,  die  einstigen  Freunde  einander  wieder 
näher  zu  bringen.  „Der  grofse  Stein  des  Anstofses",  so 
schreibt  Thielmann  am  10.  Februar  18 10,  ,,Funk,  scheint 
gänzlich  bei  Seite  gesetzt,  und  Gersdorf  wird  nicht  allein  die 
administrativen  Geschäfte,  sondern  auch  die  Kommandosachen 
erhalten.  Funk  ist  ruhig,  weil  er  noch  Hoff'nungen  hat,  sieht 
er  selbige  aber  vereitelt,  so  fürchte  ich  grofse  Eruptionen 
seines  unterdrückten  Zornes.  Schön  wäre  es",  fügt  er,  auf 
die  vorher  geäufserte  Idee  zurückgreifend,  hinzu,  ,,wenn  er 
in  die  diplomatische  Laufbahn  übergehen  könnte,  wo  er 
nützlichere  Dienste  leisten  könnte,  als  in  der  militärischen, 
und  wodurch  zugleich  eine  schädliche  Opposition  beseitigt 
würde". 

Dieser  Wunsch  Thielmanns  erfüllte  sich  aber  nicht. 
Funk  bheb  im  aktiven  Militärdienste,  obwohl  er,  das  ver- 
raten auch  andere  Korrespondenten  des  Baron  v.  Just,  sich 
weder  einer  sonderlichen  Beliebtheit  noch  eines  ofrofsen  An- 
Sehens  zu  erfreuen  hatte.  In  dem  oben  erwähnten  Briefe, 
worin  Thielmann  seinen  Gefühlen  gegenüber  Gersdorf  die 
Zügel  schiefsen  läfst,  gedenkt  er  auch  des  Generals  Funk, 
von  dem  er  anerkennt,  dafs  auch  er  alle  Ursache  habe,  mit 
Gersdorf  unzufrieden  zu  sein,  aber  selbst  in  diesem  Augen- 
blicke kann  er   sich   nicht   mit  ihm   aussöhnen,   sondern  hebt 


I2A  K-  Haebler: 

ausdrücklich  hervor,  dafs  er  ,,mit  dem  General  Funk  auf  ewig- 
geschlossen,  und  alle  Verbindung  aufgehoben  habe". 

Und  nun  bereitete  ihm  das  Schicksal  den  Schlag,  dafs  er 
vinter  Funks  Befehle  zu  treten  genötigt  wurde. 

Auch  in  seiner  Kottbuser  Stellung  behielt  Thielmann  die 
Gewohnheit  bei,  neben  den  militärischen  Vorgängen  auch  den 
politischen  fortdauernd  eine  rege  Teilnahme  zu  widmen.  Allein 
er  täuschte  sich  diesmal  verhältnismäfsig  lange  und  schwer 
über  die  Bedeutung  dessen,  was  sich  vorbereitete.  Von  dem 
prussien  zele,  der  er  in  seiner  Jugend  gewesen  sein  sollte, 
war  seit  1807  nichts  mehr  zu  spüren  gewesen.  Über  die  Be- 
mühungen Hardenbergs  um  die  Reorganisation  des  Staates 
urteilt  er  höchst  abfällig.  Am  27.  April  1809  schliefst  er 
eine  Bemerkung  darüber  mit  den  Worten:  ,, Sollten  das  wohl 
Mittel  sein,  deren  sich  Hermann  bedient  hätte?  Ich  glaube 
und  sage:  nein!"  Und  am  3.  Juni  181 1  schildert  er  von 
Lübben  aus  die  Lage  des  Nachbarlandes  folgendermafsen: 
,, Frankreich  (ist)  über  Alles  gefürchtet,  um  nichts  desto  we- 
niger ist  man  oft  mit  sich  selbst  im  Widerspruch.  Rufsland 
soll  keine  Demarchen  gemacht  haben,  um  Preufsen  in  eine 
Allianz  zu  ziehen,  und  Frankreich  scheint  sich  ebenso  wenig 
darum  ernstlich  zu  bemühen,  was  man  dort  nur  zu  gut  fühlt, 
und  woher  nicht  geringe  Besorgnisse  entspringen". 

Selbst  als  der  Krieg  unmittelbar  in  Aussicht  stand, 
täuschte  sich  Thielmann  noch  vollkommen  über  seine  Trag- 
weite. Noch  am  8.  März  181 2  schrieb  er  an  Just  aus 
Kottbus:  ,,Ich  lebe  hier  ganz  in  der  Abgeschiedenheit  von 
der  Welt,  und  schliefse  nur  aus  den  Berliner  Zeitungen,  dafs 
die  Federn  in  diesem  Heereszuge  mehr  zu  thun  haben 
dürften,  als  die  Degen,  und  dafs  unsere  geheimnifs vollen 
strategischen  Stellungsveränderungen  auf  falschen  Voraus- 
setzungen beruhen".  Nur  die  Geldnot  plagte  ihn,  wie  ge- 
wöhnlich: ,,Die  vorgestern  eingegangene  Nachricht  von  dem 
Feldetat  seit  i.  März  hat  den  Grafen  Marcolini  meinerseits 
vor  einer  Philippica  gerettet,  die  schon  ins  Reine  geschrieben 
war,  denn  weder  ich  noch  Gutschmid,  noch  selbst  Lecoq 
hätten  das  länger  aushalten  können". 

Sobald   die   sächsischen   Truppen   mit   den   Franzosen    in 

Fühlung  traten,    erwachten    natürlich   auch   in  Thielmann  die 

alten    Prätensionen    wieder.      Über    Reynier    schreibt    er    am 

28.  März   1812: 

„Mit  unserm  Egyptier  und  den  beiden  Machthabern  findet  ein 
ziemlich  kaltes  Verhältnifs  statt;  der  erstere,  von  Natur  kalt,  kann 
auch  freilich  in  dem  Umgange  der  unsrigen  keine  grolse  Erholung 


General  v.  Thielmann. 


135 


finden,  wo\on  der  eine  viel  zu  unbedeutend,  der  andere  viel  zu 
wenig  Weltmann  ist,  als  dafs  Berührungspunkte  stattfinden  sollten. 
Der  Egyptier  erinnerte  sich  meiner  sogleich  und  war  sehr  artig.  Ich 
habe  mich  aber  zurückgezogen  um  die  komische  Jalousie  der  anderen 
nicht  zu  erregen". 

Damit  mufs  es  nun  aber  doch  wohl  nicht  so  weit  her- 
gevi^esen  sein,  denn  sonst  hätte  wohl  kaum  Langenau  am 
3.  Mai  über  eben  dieselben  Verhältnisse  zwischen  den  säch- 
sischen und  den  französischen  Kommandeuren  mit  unverkenn- 
barer Beziehimg  auf  Thielmann  in  die  Klage  ausbrechen 
können : 

„Hätte  Lecoq  aber  so  viel  Verstand,  als  er  Nachlässigkeit  und 
Gutmüthigkeit  besitzt,  hätte  er  mehr  Zutrauen  zu  sich  und  weniger 
Mifstrauen  a;egen  andere;  —  hätte  Reynier  etwas  von  Lecoq's  Höf- 
lichkeit und  Gutmüthigkeit;  — wären  die  Cavallerie-Generale 
weniger  geneigt,  auf  Unkosten  der  übrigen  ihr  Licht 
leuchten  zu  lassen,  so  würde  mir  freilich  mein  Leben  etwas 
leichter  gemacht". 

Im  Augenblicke  der  Mobilmachung  verlor  die  sächsische 
Armee  in  dem  General  Gutschmid  den  Mann,  in  welchem 
nicht  nur  Thielmann,  sondern  fast  alle,  welche  Einblick  in 
die  Verhältnisse  besassen,  den  einzigen  geeigneten  Führer 
für  den  kommenden  Feldzug  erblickten.  Ob  Thielmann  selbst 
sich  einen  Augenblick  mit  der  Hoffnung  getragen  hat,  an 
Gutschmids  Stelle  berufen  zu  werden,  ist  aus  den  Briefen  an 
Just  nicht  zu  erkennen.  Sicher  aber  haben  seine  Freunde 
darauf  gehofft,  und  die  Schwierigkeiten  sofort  mit  voller 
Klarheit  erkannt,  welche  sich  daraus  ergaben,  dafs  Funk  an 
Gutschmids  Stelle  berufen,  und  damit  zu  Thielmanns  unmittel- 
barem Vorgesetzten  gemacht  wurde.  Der  Bürgermeister 
Heyme,  den  wir  schon  einmal  als  Thielmanns  warmen  Be- 
wunderer kennen  lernten,  gab  diesen  Empfindungen  Ausdruck, 
indem  er  am   16.  Juni  an  Just  schrieb: 

„Die  Catastrophe  des  General  Gutschmid,  die  ich  vorgestern 
erfahren,  hat  mich  als  Patriot  —  da  wir  einen  unserer  wenigen  guten 
Generale  verloren  —  erschüttert  und  bekümmert,  und  dies  letztere 
doppelt,  da  ich  bald  darauf  erfuhr,  dafs  der,  der  nach  meiner  viel- 
leicht durch  mein  Herz  verführten  Meinung,  ihn  einzig  ersetzen 
konnte,  ihn  nicht  ersetzt  hat.  Ich  läugne  nicht,  dafs  die  Hoffnung, 
die  meine  Freundschaft  für  unseren  Bayard  fafste,  mich  einiger- 
mafsen  beruhigte,  ihr  Fehlschlagen  aber  mich  um  so  mehr,  zumal 
bei  den  Folgen,  die  es,  besonders  bei  einst  wieder  eintretendem 
Ruhestande,  nach  meiner  Kenntnifs  von  den  Charakteren  der  Männer 
haben  könnte,  schmerzt". 

Wie  Thielmann  selbst  sich  über  die  Angelegenheit  aus- 
spricht, und  was  er  von  seinen  Schritten  in  derselben  be- 
richtet,   entspricht   recht  wenig   dem,   was   man   nach   seinen 


136 


K.  Haebler: 


vorausgegangenen     harten     Äufserungen     über     seine     alten 

Freunde   und    Kameraden    hatte   erwarten    müssen.      Statt   in 

einen  Wutanfall  zu  geraten,  wird  er  mit  einem  Male   in  einer 

Weise    diplomatisch,    die    man    sich    kaum    anders    als    durch 

äufsere    Rücksichten   erklären   kann.     Sein   Brief  aus   Grodno 

vom  2.  Juli   181 2   berichtet  zunächst  auf  zwei   grofsen  Seiten 

von    allem   Möglichen,    von    den    kriegerischen    Operationen, 

von    Gutschmids    und    ausführlicher    noch    von    Grünewalds 

Tode,  durch  den  eins   seiner  Regimenter  den  Führer  verlor; 

erst   auf   der   dritten   wendet   er    sich   dem    Gegenstande    zu, 

der  ihn  doch  über  alles  andere  nahe  berühren  mufste: 

„Die  Verhältnisse  meines  Lebens  haben  sich  durch  Gutschmids 
Tod  sehr  verschlimmert,  indem  ich  nun  unter  Funk  zu  dienen  das 
Unglück  haben  soll,  welches  mehr  wäre,  als  ich  zu  ertragen  im 
Stande  bin,  und  meine  Parthie  ist  hierüber  genommen.  Der  König 
liefs  mir  offiziell  die  freie  Wahl  antragen,  ob  ich  lieber  in  meiner 
jetzigen  Anstellung  bei  der  schweren  Cavallerie  verbleiben,  oder  das 
Commando  der  leichten  Brigade  übernehmen,  das  heifst  lieber  aus 
Verhältnissen,  wo  ich  wenigstens  sehr  geachtet  bin,  heraustreten,  und 
mich  in  mir  höchst  unangenehm  sein  müssende  begeben  wollte.  Ich 
habe  darauf  auch  offiziell  erwidert,  dafs,  da  ich  mir  gar  keine  mili- 
tärischen Talente  zutrauen  dürfte,  und  ich  mich  blols  mit  dem  Be- 
wufstsein,  meine  Schuldigkeit  treulich  zu  erfüllen,  begnügen  müfste, 
ich  um  so  weniger  im  stände  sei,  mir  selbst  eine  Anstellung  zu  wählen, 
und  ich  daher  diese  freie  Wahl  „als  eine  unverdiente  Königliche 
Gnade  ablehnen  müfste". 

Wie   schwer   ihm   aber   eigentlich   um   das    Herz   war   in 

jenen  Tagen,   das  verraten  die  folgenden  Zeilen: 

„Sie  schreiben  mir,  dafs  mir  die  beiden  Grafen  Marcolini  und 
Senft  sehr  wohl  wollten.  Ich  versichere  Ihnen,  dafs  ich  gegen  der- 
gleichen Wohlwollen  von  Herzen  gleichgiltig  zu  werden  anfange. 
Wenn  man  sich  fühlt,  mehr  als  ein  Schachstein  gewesen  und  noch 
zu  sein,  nichts  destoweniger  aber  beständig  als  ein  solcher  behandelt, 
und  jedem  Laffen  zum  Spielwerk  hingegeben  wird,  dann  zieht  man 
sich  mit  Recht  in  sich  selbst  zurück.  Empfehlen  Sie  mich  dem 
Grafen  Marcolini  recht  herzlich,  ich  bitte  darum,  er  ist  von  je  so 
sehr  mein  Freund,  und  so  wohlwollend  gegen  mich  gewesen,  als 
er  es  nur  zu  sein  im  stände  ist,  und  sagen  Sie  ihm,  dafs  ich  Zeit 
meines  Lebens  sein  Freund  sein  würde,  denn  ich  ehre  die  Dankbar- 
keit als  eine  Tugend.  Wenn  ihm  auch  meine  Freundschaft  nur  von 
geringem  Werthe  sein  kann,  so  macht  es  doch  immer  ein  Vergnügen, 
sich  andere  ergeben  zu  sehen." 

Man  versteht  es  kaum,  wie  der  sonst  so  cholerische 
Mann  die  Zurücksetzung,  die  in  der  Unterordnung  unter  einen 
notorischen  Gegner  lag,  mit  einer  solchen  Gelassenheit  hin- 
nehmen oder  höchstens  mit  elegischen  Klagen  über  den  Wert 
der  Dankbarkeit  beantworten  konnte.  Freilich  war  seine 
finanzielle  Lage,  wie  gewöhnlich,  eine  höchst  prekäre.  „Da 
wir  hier  auf  eigne  Kosten  leben  müssen,  so  ist  mein  Schicksal 


General  v.  Thielmann. 


137 


auch  hier  de  tirer  le  diable  par  la  (]ueue,  da  ich  die  Hälfte 
meines  Einkommens  meinen  Kindern  geben  mufs,  und  nicht 
so  glücklich  bin,  für  geleistete  Dienste  wenigstens  die  Be- 
zahlung; meines  Rano-es  zu  erhalten".  Allein  das  kann  doch 
nicht  der  wahre  Grund  seiner  veränderten  Stellungnahme 
sein,  denn  im  übrigen  ist  sein  Brief  gelassener  als  sonst,  und 
wieder  einmal  erfüllt  von  dem  schmeichelhaften  Bewufstsein, 
mit  den  französischen  Generalen  auf  dem  freundschaftlichsten 
Fufse  zu  stehen,  und  von  ihnen  mit  einer  nicht  gewöhnlichen 
Aufmerksamkeit  behandelt  zu  werden. 

Vielleicht  war  es  die  Zuversicht,  dafs  seine  Stellung  zu 
Funk  eine  praktische  Folge  nicht  haben  werde,  was  ihn  die- 
selbe anscheinend  mit  solcher  Ruhe  hinnehmen  liefs.  Ob 
Thielmann  in  der  Tat  ohne  Einflufs  darauf  geblieben  ist,  dafs 
seine  Brigade  während  des  ganzen  russischen  Feldzuges  nicht 
in  den  Verband  der  sächsischen  Truppen  zurückgetreten  ist, 
aus  dem  sie  anfangs,  nach  Langenaus  Bemerkungen  zu 
schliefsen,  allerdings  wohl  ohne  sein  Zutun  herausgerissen 
worden  war,  darf  man  darnach  füglich  bezweifeln.  Jedenfalls 
hat  Thielmann  als  Feldsoldat  auch  im  russischen  Krieg  seinen 
alten  Ruf  bewährt,  und  sich  an  der  Spitze  seiner  Reiter  bei 
Mosaisk  in  hervorrae^ender  Weise  ausgezeichnet.  Die  nicht 
eben  zahlreichen  Briefe,  die  er  während  der  Kampagne  an 
den  Baron  v.  Just  gerichtet  hat,  enthalten  kaum  etwas  Neues. 
Charakteristisch  aber  für  Thielmanns  Selbsteinschätzung  ist 
sein  Schreiben  vom  13.  November  181 2  aus  Smolensk,  worin 
er  Justs  Glückwünsche  zur  Erhebung  in  den  Freiherrnstand 
beantwortet:  ,, Ihrer  Theilnahme,  mein  theuerster  alter  Freund^ 
war  ich  in  meinem  Herzen  gewifs;  empfangen  Sie  meinen 
Dank!  Ich  bin  zufrieden,  und  wenn  der  böse  Bube  Funk 
meine  Zukunft  nicht  trübt,  auch  glückhch.  Der  Adel  hat 
mich  meiner  Kinder  wegen  gefreut;  die  2000  Rthlr.  sehe 
ich  als  eine  mir  längst  schuldige  Gerechtigkeit  an". 

Dafs  Thielmann  in  jener  Zeit  begonnen  habe,  sich  von 
der  Sache  Napoleons  innerlich  loszusagen  und  sich  den  Ge- 
sinnungen der  deutschen  Patrioten  zuzuneigen,  ist  eine  Legende, 
die  auch  nicht  mit  einer  einzigen  Stelle  aus  seinen  Briefen  zu 
belegen  ist.  Auch  Petersdorf  hat  dies  nur  künstlich  mit  all- 
gemeinen Betrachtungen  zu  verdecken  vermocht  und  hat  die  an- 
gebliche Wandlung  in  den  Anschauungen  des  Generals  nirgends 
mit  dessen  eigenen  Worten  belegen  können.  Am  13.  November 
181 2   ist  er  noch  völlig  in  napoleonischem  Fahrwasser: 

„Die  Sachen  gehen  hier  nicht  gut,  indessen  des  Kaisers  Genie 
und  Stern  werden  alles  bald  wieder  in's  Gleis  bringen,  uns  indessen 


138 


K.  Haebler: 


werden  unvermeidlich  grolse  Anstrengungen  aufgelegt  werden.  Wir 
haben  die  Russen  überall  besiegt,  aber  das  Clima  und  die  aus  der 
ungeheuren  Entfernung  nothwendig  entstehenden  Schwierigkeiten, 
die  waren  nicht  zu  besiegen,  und  da  ist  gefehlt  worden,  dies  nicht 
gehörig  in  Rechnung  vorher  gebracht  zu  haben". 

Aus  den  nun  folgenden  kritischen  Monaten  enthält  die 
Justsche  Korrespondenz  keine  Briefe  Thielmanns.  Nur  in 
Briefen  anderer  wird  seiner  gelegentlich  gedacht,  nicht  ohne 
dafs  man  daraus  Schlüsse  auf  Thielmanns  Stellung  zu  den 
die  Zeit  bewegenden  Fragen  ziehen  könnte.  Thielmann  hatte 
sich,  wie  oben  nachgewiesen,  schon  längst  dem  verantwort- 
lichen Lenker  der  auswärtigen  Politik  Sachsens,  dem  Grafen 
Senfft  V.  Pilsach  genähert,  und  mit  diesem  linden  wir  ihn, 
w^ährend  Just  abermals  im  Auftrage  der  Regierung  nach  Paris 
reisen  mufste,  im  freundschaftlichsten  Verkehre.  Senfft  war 
bekanntlich  nichts  weniger  als  ein  Freund  Preufsens,  Zunächst 
war  er  fest  entschlossen,  eine  Parteinahme  Sachsens  in  dem 
beginnenden  Entscheidungskampfe  so  lange  als  irgend  möglich 
überhaupt  hinauszuschieben.  Sachsen  verdankte  von  seinem 
damaligen  Bestände  zu  viel  den  politischen  Konstellationen 
der  napoleonischen  Ära,  es  war  zu  sehr  auf  Kosten  der 
führenden  Mächte  in  dem  Kampfe  gegen  Frankreich  bereichert 
worden,  als  dafs  es  hätte  hoffen  können,  seinen  Besitzstand 
ungeschmälert  bei   einem  plötzlichen  Frontwechsel  zu  retten. 

Senfft  suchte  vor  allem  Zeit  zu  gewinnen,  um  eine 
klarere  Anschauung  von  dem  vermutlichen  Ausgang  des 
Kampfes  erlangen  zu  können.  Dafs  Napoleon  einer  Koalition 
zwischen  Rufsland  und  dem  gesamten  Deutschland  nicht  mehr 
gewachsen  sein  würde,  darüber  war  man  sich  auch  am 
sächsischen  Hofe  klar;  allein  die  ersten  Schritte  der  Ver- 
bündeten waren  so  zögernd,  die  Stellungnahme  Ö.sterreichs 
so  zweifelhaft,  dafs  es  für  Sachsen,  das  zwischen  den  Staaten 
der  entscheidenden  Mächte  mitten  inne  lag,  ein  Gebot  der 
Notwendigkeit  war,  sich  nicht  vorzeitig  einer  bestimmten 
Partei  anzuschliefsen.  Wenn  aber  ein  Anschlufs  an  die  Ver- 
bündeten erfolgen  sollte,  so  gab  es  für  Sachsen  keinen  sichereren 
Weg  als  den  Anschlufs  an  Österreich,  das  nach  den  alten 
Traditionen  damals  noch  unbestritten  die  führende  Vormacht 
Deutschlands  war,  das  niemals  selbst  die  Hände  nach  säch- 
sischen Landesteilen  ausgestreckt  hatte  und  das  auch  durch 
die  jüngsten  Vergröfserungen  Sachsens  nicht  in  seinen  eigenen 
Interessen  verletzt  worden  war. 

Das  waren  die  Gründe,  welche  den  Grafen  Senfft  zu 
einer  abwartenden  Politik  bewogen  und  ihn  veranlafsten,  den 


General  v.  Thielmann. 


139 


vorrückenden  Preufsen  und  Russen  zwar  keinen  ernstlichen 
Widerstand  entgegenzusetzen,  ebenso^\•enig  aber  ihnen  das 
Feld  zu  einem  Vordringen  bis  in  das  Herz  Deutschlands  ohne 
weiteres  frei  zu  machen.  In  diese  politischen  Auffassungen 
war  Thielmann  genau  eingeweiht,  ja,  mehr  als  das,  Graf  Senfft 
rechnete  gerade  auf  Thielmanns  energische  Tatkraft,  um  diese 
Politik  gegenüber  Preufsen  und  Rufsland  zu  betätigen.  Be- 
zeichnend dafür  i.st  der  folgende,  am  21.  Januar  1813  von 
dem  Grafen  aus  Dresden  an  den  Baron  v.  Just  gerichtete 
Brief: 

„En  attendant,  nos  preparatifs  pour  ue  pas  etre  chasses  et 
alarmes  par  un  parti  de  cosaques  iront  bien  grace  ä  Thielmann,  et 
j'ose  le  dire,  ä  mes  soucis.  Est-ce  trahison  ou  incapacite  absolue 
pour  tout  ce  qui  passe  la  mesure  du  Service  d'ordonnateur,  mais  le 
tait  est,  que  Gersdorff  est  venu  ce  matin  me  proposer  l'abandon  de 
Torgau,  comme  non  susceptible  de  defense,  et  la  reunion  de  toutes 
nos  troupes  sur  la  rive  gauche  de  l'Elbe  povir  ne  pas  irriter 
l'ennemi". 

Hiernach  scheint  zwar  Gersdorf  eine  gewisse  Neigung 
besessen  zu  haben,  den  Verbündeten  die  Wege  zu  ebnen, 
dagegen  ist  Thielmann  derjenige,  der  den  Minister  in  dem 
Entschlüsse  zum  W^iderstande  unterstüzt.  Es  ist  auch  kaum 
denkbar,  dafs  Senfft  einen  Mann  wie  Thielmann,  dessen 
Neigung,  auch  in  militärischen  Fragen  die  pohtische  Lage 
nie  aus  den  Augen  zu  verlieren,  ihm  nur  zu  w^ohl  bekannt 
sein  mufste,  zum  Befehlshaber  der  Truppen  in  der  Nieder- 
lausitz ausersehen  haben  sollte,  die  den  ersten  Stofs  des 
Gegners  auszuhalten  bestimmt  waren,  w^enn  er  sich  von  ihm 
einer  politischen  Schwenkung  versehen  haben  würde,  wie 
Herr  v.  Gersdorff  sie  schon  vollzogen  zu  haben  schien. 

Thielmann  ist  aber  bis  zu  seinem  Abgange  nach  Kottbus 
in  engster  Fühlung  mit  Senfft  geblieben.  Beweis  genug,  dafs 
beide  ihre  Aufgabe  als  eine  militärische  und  politische  an- 
sahen und  über  ihre  Ausführvmg  in  vollem  Einverständnisse 
waren.  ,,Le  depart  de  Thielmann  pour  la  basse  Lusace",  so 
schreibt  Senfft  am  23.  Januar  1813  an  Just,  ,,etait  fixe  au  soir 
meme.  Nous  rimes  et  causämes  ensemble  jusqu'ä  minuit, 
et  vous  ne  fütes  pas  oublies". 

Bis  dahin  also  war  Thielmann  sicher  noch  kein  Anhänger 
des  russisch  -  preufsischen  Emanzipationsgedankens  gewesen. 
Und  so  wie  wir  den  Mann  kennen  gelernt  haben,  konnte  er 
es  auch  gar  nicht  sein. 

Thielmann  führte  das  Wort  Patriotismus  gern  und  viel 
im  Munde,  allein,  was  er  sich  darunter  dachte,  war  himmel- 
weit   verschieden    von    dem    Begriffe,    den    man    unter    dem 


IAO  K.  Haebler: 

Drucke  der  napoleonischen  Herrschaft  in  Deutschland  mit 
diesem  Worte  zu  verbinden  angefangen  hatte.  Wie  sollen 
wir  bei  dem  Manne  ein  warmes  Vaterlandsgefühl  voraus- 
setzen, der  als  Jüngling  erst  für  Preufsen,  dann  für  die 
französischen  Republikaner  schwärmt,  der  als  Dreifsiger  bereit 
ist,  um  eines  besseren  Fortkommens  willen  den  heimischen 
Dienst  gegen  denjenigen  Österreichs  zu  vertauschen,  der  sich 
weit  über  die  Verpflichtungen  seines  Dienstes  hinaus  zum 
Diener  der  Franzosen  gemacht  hat,  der  beständig  mit  eben 
dem  Souverän,  der  ihn  mit  Beweisen  langmütigen  Wohl- 
wollens überhäuft,  darüber  hadert,  dafs  er  sich  nicht  genügend 
gefördert  fühlt;  von  dem  Manne,  von  dem  man  schon  1810 
unmittelbar  nach  seiner  Beförderung  zum  Generalleutnant 
einen  Abfall  zu  irgend  einer  anderen  Fahne  befürchtete. 
Ausschlaggebend  für  die  Beurteilung  von  Thielmanns  Patrio- 
tismus ist  aber  sein  Verhalten  nach  dem  Übertritt. 

Dafs  Thielmann  nach  der  Übergabe  von  Torgau  an  die 
Franzosen  dort  nicht  bleiben  konnte,  wenn  er  von  diesen 
nicht  als  Verräter  füsiliert  sein  wollte,  das  wird  man  am 
Hofe  ebenso  eingesehen  haben,  als  man  Senfft  und  Langenau 
in  österreichische  Dienste  treten  liefs.  Wäre  Thielmann  diesem 
Beispiele  gefolgt  oder  hätte  er  sich  zeitweilig  von  der  Welt- 
bühne zurückgezogen,  so  würde  ihm  niemand  über  sein  Ver- 
halten in  Torgau  ernstliche  Vorwürfe  gemacht  haben.  Das 
zeigt  nicht  zuletzt  auch  die  Justsche  Korrespondenz.  Aus  der 
kritischen  Zeit  findet  sich  darin  nur  das  folgende  Billet. 

Am  23.  Juni,    also   ungefähr  sechs  Wochen  nach  seinem 

Übertritt,    schreibt   Thielmann    in   Beantwortung    eines    nicht 

erhaltenen    Schreibens   des  Bürgermeisters  Heyme   an   diesen 

die  folo-enden  Zeilen: 

„Ihr  Urtheil  über  mich,  mein  vortrefflicher  Freund,  bitte  ich  nicht 
zu  rasch  zu  machen,  —  wir  haben  verschiedene  Ansichten  —  ich 
fiilile  mich  frei  von  allem  Vorwurf,  und  bin  dadurch  wahrhaft  glück- 
lich. Sie  werden  nicht  vergessen  werden,  und  von  meiner  Frau  in 
kurzem  Geld  erhalten.  Leben  Sie  wohl,  ich  hoffe  stark,  Sie  bald 
wieder  zu  sehen.     Thielmann". 

Auf  der  Rückseite  dieses  Briefes  hat  Bürgermeister  Heyme 

folgendermafsen  seine  Antwort  entworfen: 

„Dresden,  d.  7. Juli  181 3  Ihre  gütige  Zuschrift  etc.  etc.  Vor 
dem  zu  raschen  Urtheil  schützt  mich  mein  Alter  und  mein  abge- 
kühlteres  Blut,  so  wie  mich  dieses  vor  zu  raschem  leidenschaftlichen 
Handeln  schützt.  Unsere  inneren  intellektuellen  Ansichten,  liebster 
Herr  General,  sind  vielleicht  wenig  oder  gar  nicht  verschieden,  wie 
Sie  meinen,  nur  unsere  Handlungsweise;  auch  unsere  Cathegorien 
könnten  wohl  keinen  so  wesentlichen  Unterschied  machen;  wir  sind 
beide  Sachsen  und  geborene  Unterthanen  des  besten,  edelsten  Königs. 


General  v.  Thielmann.  141 

Ad  vocem  König,  lassen  Sie  mich,  mein  theurer  Herr  General,  Sie 
bei  Allem,  was  Ihnen  heilig  ist,  und  bei  meiner  Ihnen  stets  so  ganz 
geweiht  gewesenen  herzlichen  Ergebenheit  beschwören:  Schonen  Sie 
diesen,  so  lange  irgend  die  mindeste  Publicität  ihm  und  unserm  ge- 
meinschaftlichen Vaterlande  schaden  kann.  Fühlen  Sie  sich  vor- 
wurfsfrei, (wie  ich  dies  nie  anders  in  meinem  mit  Ihnen  gewifs  ver- 
wandten Herzen  geglaubt  habe)  so  wird  der  sonst  Ihnen  so  eigene 
Edelmuth  sich  um  so  mehr  vergewärtigen,  um  so  glänzender  hervor- 
treten, und  um  so  allgemeiner  geschätzt  werden,  wenn  Sie  schonen, 
dulden,  opfern  und  schweigen.  Vielleicht  ist  in  Teplitz,  wie  ich  ge- 
hört habe,  die  Publicität  schon  etwas  zu  stark  gewesen;  um  Gottes 
willen,  vermeiden  Sie  dies  vorjetzt.  Verzeihen  Sie,  wenn  ich  die 
Bitte:  Nicht  zu  rasch  zu  handeln,  Ihnen  wieder  zurückgebe.  Sie 
verlangten  schon  einst  meine  auf  gute,  durch  die  Folge  nur  zu  sehr 
bestätigte  Nachrichten  sich  gründenden  freundschaftlichen  Winke. 
Ich  kann  jetzt  deren  neue  geben,  verlachen  Sie  solche  nicht  wieder, 
hören  Sie  die  Stimme  des  redlichen  Freundes,  der  um  so  mehr  zu 
glauben  ist,  da  er  vermöge  seiner  Jahre  nicht  viel  mehr  zu  verlieren 
hat,  der  aber  kälter  sieht,  und  dem  Vaterland,  König,  und  —  ob  er 
ihm  gleich  nicht  viel  zu  verdanken  hat  —  Dankbarkeit  in  Ihre  Seele, 
heilig  sind  etc  etc.  Nur  in  einem  einzigen,  für  die  ganze  Mensch- 
heit wünschbaren  Falle  wünsche  ich,  Sie  bald  wieder  zu  sehen,  auch 
für  diesen  könnte  ich  viel  opfern,  nur  nicht  mein  armes  Vaterland 
und  Tausende  meiner  unschuldigen  Mitmenschen". 

Es  ist  kaum  anzunehmen,  dafs  dieser  Brief  auf  Thiel- 
mann einen  grofsen  Eindruck  gemacht  hat.  Aber  der  Brief 
selbst  und  der  Ort,  an  dem  er  sich  befindet,  sind  bezeichnend 
dafür,  dafs  Thielmann  damals  noch  keineswegs  die  Achtung 
und  das  Vertrauen  seiner  Freunde  unwiederbrina-Uch  ver- 
loren  hatte.  Eine  andere  Frage  ist,  ob  er  dessen  noch 
wert  war. 

So  wie  Thielmann  sich  in  den  Briefen  über  seine  per- 
sönlichen Verhältnisse  zu  erkennen  gibt:  hochfahrend,  im 
höchsten  Grade  von  sich  selbst  eingenommen,  ohne  wahre 
Achtung  für  irgend  jemanden  in  seiner  Umgebung,  dazu  in 
derartig  zerrütteten  Vermögensverhältnissen,  dafs  ihm  die 
Begriffe  von  Schicklichkeit  und  Dankbarkeit  fast  ganz  ab- 
handen gekommen  waren,  —  mit  solchen  Antezedenzien  wird 
man  umso  weniger  seinem  Übertritte  ideale  Motive  unter- 
legen dürfen,  je  weniger  sein  Handeln  in  der  Folgezeit  solche 
erkennen  läfst.  So  wie  er  die  Sache  Napoleons  Preis  gab, 
als  er  sie  verloren  glaubte,  so  warf  er  seinen  oft  gerühmten 
sächsischen  Patriotismus  über  Bord,  als  er  zu  bemerken 
glaubte,  dafs  Sachsens  Untergang  besiegelt  sei.  Nichts  ist 
eines  wahren  Patrioten  unwürdiger,  als  die  Art  und  Weise, 
in  welcher  der  General  Thielmann  das  Unglück  seines  Vater- 
landes auszunutzen  suchte,  um  seinen  persönlichen  Vorteil 
dabei  zu  finden. 


IA2  K.  Haebler: 

Dafs  er  sich  nicht,  wie  er  beim  Verlassen  von  Torgau 
angegeben,  an  den  sächsischen  Hof,  sondern  in  das  Haupt- 
quartier der  verbündeten  Monarchen  begab,  war  jedenfalls 
wohl  die  Folge  der  Versprechungen,  die  ihm  für  seine  Person 
während  der  Torgauer  Verhandlungen  gemacht  worden  waren. 
Das  Los  des  Überläufers  blieb  ihm  nicht  erspart,  er  sah  seine 
Hoffnungen  zunächst  bedenklich  enttäuscht,  und  die  Rolle 
als  Freischaren -Kommandeur,  für  die  er  allerdings  unstreitig 
eine  hervorragende  Begabung  schon  in  dem  Feldzuge  von 
1809  bekundet  hatte,  entsprach  wenig  den  Erwartungen,  mit 
denen  er  übergetreten  war.  Noch  unglücklicher  freilich,  und 
für  den  guten  Ruf  Thielmanns  gefährlicher  war  die  Idee 
Kaiser  Alexanders  1.,  ihn  zur  Organisation  eines  sächsischen 
Truppenkontingentes  und  später  zur  Führung  der  sächsischen 
Truppen  im  Heere  der  Verbündeten  auszuwählen.  Die  Art 
und  Weise,  wie  Thielmann  damals  sich  dem  Grofsherzog  von 
Sachsen -Weimar  genähert,  und  in  ihm  die  Hoffnungen  ge- 
nährt hat,  König  von  Sachsen  zu  werden,  werfen  einen 
unauslöschlichen  Makel  auf  den  Charakter  des  Mannes,  der 
seine  Stellung,  seinen  Adel,  man  könnte  sagen,  fast  sein 
tägliches  Brot  dem  Könige  von  Sachsen  dankte. 

Man  mufs  wohl  annehmen,  dafs  der  Baron  v.  Just  über 
diese  Vorgänge  nur  sehr  mangelhaft  unterrichtet  war,  sonst 
würde  man  sich  schwerlich  erklären  können,  wie  dieser  treue 
Diener  seines  Königs  nach  dem  Einzüge  der  Verbündeten  in 
Paris  die  Beziehungen  zu  dem  alten  Freunde,  für  den  er 
unverkennbar  ein  ganz  besonders  wohlwollendes  Interesse 
empfunden  hatte,  noch  einmal  erneuerte. 

Thielmann  hatte,  trotz  allem,  was  vorgefallen  war,  dem 
alten  Freunde  o-egenüber  nichts  von  seiner  herausfordernden 
Selbstgerechtigkeit  verloren.  Schon  von  Tournay  aus  hatte 
er  am  11.  April  1814  an  Just  einen  Brief  gerichtet,  der  dafür 
überaus  bezeichnend  ist: 

„So  lange  ich  lebe",  beginnt  derselbe  ohne  alle  Überschrift, 
, .werde  ich  an  Ihnen  und  ihrem  Schicksal  herzlichen  Antheil  nehmen. 
Was  hat  sich  seit  unserer  Trennung  nicht  zugetragen,  welche  Ver- 
änderungen haben  nicht  geschehen  müssen,  ehe  die  Welt  den  Frieden 
erhielt.  —  Hätte  der  König  von  Sachsen  meinen  Rathschlägen  ge- 
folgt, so  würde  er  die  Liebe  seines  Volkes  und  die  Achtung  Europas 
nicht  verloren  haben.  —  Der  Zufall  wollte,  dafs  als  ich  von  Moskau 
zurückkam,  wir  uns  oft  verfehlen  mufsten,  zumal  kurz  vor  Ihrer  Ab- 
reise, es  würde  vielleicht  zu  manchem  gut  gewesen  sein,  wenn  ich 
Ihnen  hätte  meine  Ansichten  mittheilen  können.  Ich  habe  ein  neues 
Vaterland  gefunden  und  diene  dem  Besten  der  Regenten.  Leben 
Sie  wohl  und  zählen  Sie  auf  die  unveränderte  Anhänglichkeit  des 
Ihrigen  Frhr.  v.  Thielmann". 


General  v.  Thielmann. 


143 


Es  war  dieselbe  Anmafsung,  wie  früher,  als  ob  politische 
Einsicht  und  Einflufs  nur  bei  ihm  selbst  zu  finden  seien;  es 
war  aber  auch  unverhohlener  Undank,  der  sich  mit  dem 
Adel  brüstete,  den  er  dem  Monarchen  verdankte,  dem  er 
,,die  Liebe  seines  Volkes  und  die  Achtung  Europas"  ab- 
sprach. Man  möchte  unter  diesen  Umständen  zweifeln,  ob 
ein  zweites  kürzeres  Billet  an  Just  schon  einer  früheren  Zeit 
oder  erst  der  Periode  von  Thielmanns  Pariser  Aufenthalt 
angehört,  wenn  nicht  die  Adresse:  Rue  Richelieu,  Hotel  de 
Toscane,  das  letztere  fast  unwiderleglich  machte.  Aus  dem- 
selben geht  unverkennbar  hervor,  dafs  der  Baron  v.  Just  ihn 
ersucht  hatte,  ihm  die  Mittel  zu  einer  vorurteilslosen  Beurteilung 
seiner  Handlungsweise  an  die  Hand  zu  geben.  Thielmann 
sandte  ihm  sein  Memoire  —  wohl  das  in  den  Deutschen 
Blättern  gedruckte  —  und  seine  ,,Rede  am  Feste,  welches 
die  Garnison  an  meinem  Geburtstage  gab,  und  wobei  ich  mich 
erklären  mufste,  w'orüber  mündlich  mehr".  Auch  diese  letztere 
Bemerkung  spricht  dafür,  dafs  dieser  Briefwechsel  erst  der 
Zeit  angehört,  in  welcher  Thielmann,  wie  Just,  in  Paris  ver- 
weilte. Leider  ist  auch  diese  Abschrift  der  vielbesprochenen 
Rede  Thielmanns  nicht  in  die  Akten  des  Justschen  Nachlasses 
gelangt. 

Die  direkten  Beziehungen  der  beiden  Männer  scheinen 
aber  damit  ein  Ende  gefunden  zu  haben.  Ein  Brief  der 
Karoline  v.  Charpentier  an  Thielmann,  an  sich  nicht  be- 
deutend genug,  um  seine  Aufbewahrung  zu  rechtfertigen,  ist 
wohl  nur  deshalb  in  die  Akten  gelangt,  weil  der  Baron 
V.  Just  nicht  mehr  Gelegenheit  hatte,  wie  früher,  die  Korre- 
spondenz zu  vermitteln. 

Aber  Justs  Interesse  hat  den  einstigen  Freund  wenigstens 
noch  so  lange  verfolgt,  als  dessen  Beziehungen  zu  dem 
Kontingente  der  sächsischen  Truppen  dauerten.  Für  die 
Affaire  Görres  scheint  mir  der  Nachlafs  des  Baron  v.  Just 
ebenfalls  einen  bisher  unbekannten  Beitrag  zu  enthalten.  Die 
Entrüstung  der  sächsischen  Offiziere  gegen  Görres  gründete 
sich  bekanntlich  darauf,  dafs  ein  in  dessen  Rheinischem  Merkur 
veröffentlichter,  für  den  sächsischen  König  wenig  schmeichel- 
hafter Artikel  bezeichnet  wurde,  als  verfafst  von  einem  säch- 
sischen Offizier.  Die  Dokumente  im  Justschen  Nachlasse 
beweisen  nun,  dafs  man  sich  im  Kreise  der  sächsischen  Armee 
nicht  bei  der  Weigerung  des  Herrn  v.  Görres  beruhigte,  den 
Namen  des  Autors  kundzugeben,  sondern  dafs  man  dem- 
selben auf  eigene  Faust  nachspürte.  Die  bezüglichen  Briefe 
sprechen  am  besten  für  sich  selbst: 


IAA  K.  Haebler: 

„Bonn,  am  4ten  August  1814.  An  den  Hn.  Premierlieutenant 
Friedrich  von  Klotz.  Die  Ehre  des  sächsischen  Offiziers  ist  ein  Ge- 
meingut, an  dem  jeder  gleiche  Rechte  hat,  ein  Schatz,  der  uns  um 
so  heiliger  und  theurer  sein  mufs,  weil  er  leider  bald  das  einzige 
Eigenthum  sein  wird,  was  uns  aus  den  alten  Verhältnissen  übrig 
bleibt.  Die  angegriffene  Ehre  eines  Offiziers  mufs  also  stets  das 
lebhafte  Interesse  aller  seiner  Kameraden  erregen,  und  die  thätige 
Mitwirkung  zur  Erlangung  der  hinreichendsten  Genugthuung  er- 
heischen. Wenn  nun  der  Herr  Professor  Görres  die  Fertigung  des 
im  Rheinischen  Merkur  unter  dem  Titel:  Sachsens  Recht  und  Pflicht 
erschienenen  Aufsatzes  einem  sädisischen  Offizier  andichtet,  so  ist  die 
Ehre  des  sächsischen  Namens  mächtig  gekränkt.  Weit  entfernt, 
hochverehrtester  Herr  Kamerad,  Ihnen  eine  jedes  Sachsen  so  un- 
würdige Sprache  zuzutrauen,  halte  ich  es  indes  für  theuere  Pflicht, 
Sie  auf  das  laute  Gemurmel  aufmerksam  zu  machen,  was  Sie,  mein 
Herr  von  Klotz,  als  den  Verfasser  gedachter  Schrift  nennt,  oder 
doch  wenigstens  behauptet,  dafs  Sie  die  Materialien  hierzu  geliefert 
hätten.  In  wie  fern  dies  Gerücht  seinen  Grund  oder  Ungrund  habe, 
liegt  meinen  Regimentskameraden  so  sehr  als  mir  am  Herzen,  und 
beauftragt  von  denselben  fordere  ich  Sie  hiermit  auf,  im  Falle  es 
noch  nicht  geschehen  sein  sollte,  sich  und  Ihre  Ehre  zu  rechtfertigen, 
und  wegen  des  frevelhaften  Mifsbrauchs  Ihres  Namens  oder  Ihrer 
Materialien  Klage  zu  führen.  Zur  Erlangung  der  eclatantesten  Satis- 
faction  sichern  wir  Ihnen  unsre  hilfreiche  Hand  zu,  indem  wir  nie 
stillschweigend  zugeben  werden,  dafs  man  unter  dem  Schutze  der 
Prefsfreiheit  den  schuldigen  Respekt  eines  gekrönten  Hauptes,  der 
so  lange  die  allgemeine  Achtung  Europas  genofs,  auf  so  schänd- 
liche Weise  verletze ,  und  diese  in  jedem  Verhältnisse  unwürdige 
Sprache  einem  sächsischen  Offiziere  unterschiebe. 

Mit  Ungeduld  sehen  wir  alle  Ihrer  Rückantwort  entgegen, 
und  ich  zweifle  keinen  Augenblick,  dafs  solche  ganz  den  Erwar- 
tungen entsprechen  wird,  die  ich  stets  in  einen  Mann  gesetzt  habe, 
der  die  Vorzüge  des  Kopfes  und  Herzens  vereinigt,  und  für  den 
meine  vollkommene  Hochachtung  von  altsächsischem  Gehalte  ist. 
F.  B.  V.  Lindemann,  Rittmeister  im  Husaren- Regiment". 

Darauf  erfolgte  die  nachstehende  Antwort : 

,,Hochwohlgeborener,  Hochgeehrtester  Herr  Rittmeister.  Zu- 
erst eile  ich,  Ihnen  den  Beweis  zu  geben,  dafs  Sie  mich  nicht  falsch 
beurtheilten,  und  dafs  ich  Ihrer  gütigen  Zuschrift  werth  bin.  Durcli- 
glüht  von  heiligen  Gefühlen  für  mein  sächsisches  Vaterland  und 
dessen  Regentenstamm  schrieb  ich  einen  Aufsatz  unter  dem  Titel: 
„ein  deutsches  Wort  von  einem  Sachsen".  Dieser  Aufsatz  ist  fast 
wörtlich  im  90  sten  Stück  des  Rheinischen  Merkurs  (Donnerstag 
d.  21.  Juli  1814)  eingerückt,  und  fängt  sich  an  mit  den  Worten  „Es 
ist  den  Deutschen  endlich  jetzt  ein  starkes  Gefühl  des  Vaterlands"  etc. 
und  endigt  sich:  „damit  er  nicht  dann,  wenn  rings  um  ihn  sich  frei 
und  glücklich  fühlende  Nachbarn  frohlocken,  dastehe  mit  stummer 
Geberde  und  eiskaltem  Herzen".  Dafs  Herr  Professor  Görres 
meinen  Aufsatz  nicht  abgesondert  eingerückt,  sondern  denselben 
der  eben  so  abgeschmackten  als  unserm  Sinne  für  Recht  und 
Gerechtigkeit  zuwider  laufenden  Ansicht  von  Sachsens  Recht 
und  Pflicht  einverleibt  hat,  endlich  gar  mit  einer  schändlichen 
Beschuldigung  unsern  entfernten  Vater  Friedrich  August  zu  be- 
schimpfen   sucht,    ist    seinerseits    eine    Eigenmächtigkeit,    wozu    er 


General  v.  Thielmann. 


145 


meinen  Aufsatz  schändlich  mifsbrauchte  als  eine  willkommene  Ver- 
anlassung. 

Wer  meinen  Aufsatz  mit  der  fremden  Fortsetzung  vergleicht, 
wird  finden,  wie  wenig  letztere  im  Geiste  des  ersteren  geschrieben 
ist.  Im  Gegentheile  schickte  ich  noch  einen  kurzen  Aufsatz  ein,  in 
welchem  allegorisch  die  Sachsen  um  ihren  fernen  Vater  bitten. 
Statt  dieses  Aufsatzes  fand  ich  jenen  schändlichen  Schlufs. 

Schon  hat  sich  Herr  Hauptmann  von  Dziembowsky  von  der 
Garde  unserer  Sache  angenommen,  aber  leider  auf  eine  Art,  die 
ihn  ins  Depot  nach  Sachsen  versetzt  hat  Obschon  ich  hoffte,  dals 
jedermann  nach  den  letzten  Worten  der  Einleitung  von  Görres 
meinen  Aufsatz  genau  von  dem  übrigen  Gewäsche  unterscheiden 
würde,  so  habe  ich  mich  denn  doch  nach  einer  reiflicheren  Ueber- 
legung  überzeugt,  dafs  man  wohl  die  allgemeine  Fortsetzung 
meniem  eingeschalteten  Aufsatze  zuschreiben  könnte.  Daher  war 
ich  schon  seit  einigen  Tagen  entschlossen,  in  den  Zeitungen  be- 
kannt zu  machen,  wo  meme  Worte  anfancren  und  endigen.  Dies 
soll  nun  unverzüglich  geschehen,  da  ich  aus  ihrem  werthen  Schreiben 
wirklich  einsehe,  dals  meine  Besorgnils  eines  Mifs Verständnisses 
nicht  ungegründet  ist. 

Beseelt  von  dem  reinsten  Ehrgefühle  glaube  ich,  dafs  dieses 
der  sicherste  Weg  ist,  meine  Ehre  und  die  von  uns  allen  zu  recht- 
fertigen. Wird  die  Bekanntmachung  aber  nicht  eingerückt,  dann 
mufs  ich  auf  dem  Wege  der  Klage  bei  höheren  Behörden  Genug- 
thuung  suchen,  und  sollte  noch  weniger  Hoffnung  dazu  vorhanden 
sein,  als  es  wirklich  ist. 

Nehmen  Sie,  mein  Herr  Rittmeister,  meinen  herzlichsten  Dank 
dafür,  dafs  Sie  mich  durch  Ihr  ruhiges  Schreiben  in  den  Stand 
setzten,  mich  (wenn  auch  von  der  Ahnung  eines  Argwohns)  zu  be- 
freien, bei  dessen  VVahrheit  ich  meinen  Säbel  öffentlich  zerbrechen, 
und  ein  Leben  voll  Schande  mit  dem  Tode  vertauschen  würde. 

Durchdrungen  von  der  Hochachtung,  die  aus  biederm  Herzen 
jeder  wahre  Sachse  seinem  ächten  Mitbruder  zollt,  schliefse  ich  mit 
der  Bitte,  einem  in  jeder  Hinsicht  so  achtungswerthen  Korps 
Oftiziers,  wie  das  Ihrige,  meine  Gesinnungen  über  Ehre,  Vaterland 
und  Pflicht  bekannt  zu  machen. 

In  der  sehnlichsten  Erwartung  Ihrer  allerseitigen  vollkom- 
menen Zufriedenheit  habe  ich  die  Elire  zu  sein  Euer  Hochwohl- 
geboren  ganz  ergebenster  Friedrich  von  Klotz,  Premierlieutenant  und 
Kompagnie-Koinmandant  im  ersten  Leib -Infanterie -Regiment". 

Die  letzten  Dokumente  in  dem  Nachlasse  des  Baron 
V.  Just,  in  denen  Thielmanns  Name  genannt  wird,  sind  zwei 
Denkschriften  betreffend  die  Stellung  des  sächsischen  Kon- 
tingents im  Heer  der  Verbündeten.  Die  eine,  aus  dem  Mai  1815 
datiert,  hat  allgemeineren  Charakter  und  weist  hin  auf  die 
Unzuträglichkeiten,  die  daraus  entstehen  mufsten,  dafs  die 
sächsischen  Truppen  unter  dem  Kommando  eines  Mannes 
wie  Thielmann  und  im  engsten  Verbände  mit  den  Preufsen 
gegen  den  Nationalfeind  kämpfen  sollten,  während  auf  poli- 
tischem Gebiete  Preufsen  offenkundig  auf  die  Vernichtung 
von  Sachsens  Selbständigkeit  hinarbeitete. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     l.  2.  lO 


ia6  K.  Haebler: 


Die  andere  Denkschrift  dagegen  ist  ausscliliel'slich  gegen 


Thielmann  gerichtet.  Sie  ist  undatiert ,  mufs  aber  nach«  den 
darin  erwähnten  Ereignissen  aus  derselben  Zeit  stammen  und 
hat  folgenden  Wortlaut: 

„So  laut  sich  das  Gefühl  für  König  und  Vaterland  in  der  Brust 
eines  jeden  wahren  Sachsen  regt,  so  deutlich  fühlt  auch  jeder  ächte 
Patriot,  dafs  nur  unbedingtes  Vertrauen  auf  die  Gerechtigkeitsliebe 
der  hohen  Alliirten  und  ruhiges  Erwarten  der  endlichen  Ent- 
scheidung, nicht  aber  stürmisches  Begehren  oder  gewaltsame  und 
eigenmächtige  Handlungsweise  zum  wahren  Nutzen  des  Landes  und 
seines  rcchtmäfsigen  und  allgemein  verehrten  Monarchen  in  der 
Krisis  unseres  Schicksals  dienen  können. 

Heilige  Pflicht  ist  es  daher  eines  jeden  für  das  wahre  In- 
teresse Sachsens  durchdrungenen  Patrioten,  auf  das  Mifsverhältnifs 
aufmerksam  zu  machen,  das  zwischen  der  Armee  und  ihrem  der- 
maligen Kommandeur,  dem  Generallieutenant  Freiherrn  v.  Thiel- 
mann stattfindet,  ein  Mifsverhältnifs,  welches  von  allen  Seiten  die 
nachtheiligsten  Folgen  herbeiziehen,  und  bei  dem  bestehenden  Mifs- 
trauen  in  die  Absichten  des  besagten  Kommandeurs,  bei  Befolgung 
möglicher  Befehle  das  Korps  in  einem  Lichte  zeigen  könnte,  welches 
an  sich  dem  Geiste  desselben  völlig  wndersprechend  wäre. 

Das  nur  zu  laut  sich  aussprechende  allgemeine  Urtheil  über 
den  Generallieutenant  Freiherrn  v.  Thielmann  gründet  sich  aber 
vornemlich  auf  folgende  Punkte; 

I.)  weil  es  um  so  befremdender  ist,  einen  so  eifrigen  Wider- 
sacher des  Königs  von  Sachsen  m  ihm  zu  finden,  als  ihn  die  aus- 
gezeichneten Beweise  der  königlichen  Huld  und  Gnade  doppelt  zur 
Dankbarkeit  verpflichten  sollten. 

2.)  hat  die  Affaire  von  Courtray  das  Vertrauen  auf  seine  mili- 
tärischen Talente  besonders  geschwächt. 

3.)  fällt  der  Schein  der  Parteihchkeit  deshalb  auf  den  General 
Thielmann,  weil  die  Linientruppen,  deren  Tapferkeit  den  unglück- 
lichen Ausgang  dieses  Gefechtes  bedeutend  gemindert  hatten,  sich 
keiner  Empfehlung  ihres  besonderen  Eifers  an  diesem  Tage  zu 
kaiserlichen  Auszeichnungen  rühmen  können. 

Wichtiger  als  je  mufs  diese  allgemeine  Stimmung  der  Truppen 
gegen  mehrerwähnten  General  in  diesem  Augenblicke  sein,  wo  die 
gespannte  Erwartung  unseres  Schicksals  die  Herzen  von  Armee  und 
Volk  besonders  empfindlich  macht,  und  daher  die  Veranlassung 
unglücklicher  Ereignisse  sein  könnte,  denen  durch  zweckmäfsige 
Maafsregeln  jetzt  noch  leicht  vorzubeugen  wäre. 

Da  diese  Aufserungen  keine  anderen  als  rein  patriotische  Ab- 
sichten haben,  so  kann  man  sich  mit  Zuversicht  aut  das  Urtheil  der 
Herren  Regiments- Kommandeure  berufen,  ohne  sich  dabei  einiger 
Persönlichkeit  schuldig  zu  wissen". 

Das  war  die  Frucht,  die  Thielmann  sich  selbst  gesät 
hatte.  Nicht  Thielmanns  Übergang  bei  Torgau  ist  dazu  die 
Ursache  gewesen.  Nach  seinem  Charakter  ist  derselbe  er- 
klärlich und  entschuldbar.  Thielmann  hatte  sich  seit  langen 
Jahren  gewöhnt,  seine  Stellungen  nicht  mehr  an  dem  ein- 
fachen Mafsstabe  seiner  militärischen  Pflicht  zu  messen,  sondern 


General  v.  Thielmann. 


147 


beständig  für  sein  Verhalten  sich  Gesichtspunkte  aus  den 
politischen  Verhältnissen  abzuleiten  und  durch  sein  Verhalten 
auf  die  politischen  Verhältnisse  einwirken  zu  wollen.  Die 
Folgen  seines  eigenmächtigen  Eingriffes  bei  Jena  im  Jahre  1806 
hatten  ihm  vollkommen  das  Urteil  über  die  eigenen  Fähig- 
keiten verrückt.  Er  glaubte  allen  Ernstes,  damit  das  Glück 
des  Landes  gemacht  zu  haben  und  schuf  sich  damit  eine 
aufserordentlich  überspannte  Meinung  von  seinen  Verdiensten 
und  Talenten,  die  ihn  mit  einem  an  Verachtung  grenzenden 
Hochmute  auf  alle,  die  neben  ihm  und  über  ihm  standen, 
herabsehen  liefs.  Wenn  man  bedenkt,  dafs  dieser  eitle  und 
hochmütige  Mann  seit  Jahren  in  den  mifslichsten  äufseren 
Verhältnissen  lebte,  die  mehr  als  einmal  seine  ganze  Existenz 
in  Frage  zu  stellen  drohten,  so  wird  man  es  verstehen,  dafs 
ihm  nach  und  nach  das  feine  Gefühl  für  die  Grenzen  seiner 
Rechte  und  seiner  Pflichten  verloren  ging,  dafs  er,  der  in 
dem  Vaterlande  immer  nur  sich  selbst  erblickte,  zuletzt  zwischen 
seinem  Vorteile  und  dem  Wohle  des  Vaterlandes  nicht  mehr 
zu  unterscheiden  verstand.  Dafs  ein  solcher  Mann  in  dem 
Momente,  wo  die  plötzHche  Wendung  in  der  sächsischen 
Politik  ihm  alle  Aussicht  für  die  eigene  Karriere  abschnitt, 
es  nicht  vermochte,  den  verlockenden  Anerbietungen  der 
Verbündeten  zu  widerstehen,  die  seinen  Vorteil  geschickt  mit 
dem  Scheine  der  Rücksicht  auf  das  allgemeine  W^ohl  zu  be- 
mänteln verstanden  hatten,  ist  menschlich  nur  allzu  leicht  zu 
verstehen,  und  wäre,  wenn  er  sonst  Reinheit  der  Gesinnungen 
bekundet  hätte,  leicht  zu  entschuldigen.  Die  Art  und  Weise 
aber,  in  welcher  Thielmann  vom  Tage  seines  Übertrittes  bis 
zur  endgültigen  Entscheidung  über  das  Schicksal  Sachsens 
in  hochmütiger  Selbstüberhebung  den  Souverän,  dem  er  alles 
dankte,  was  er  besafs,  mit  schnödem  Undank  lohnte,  und 
die  Liebedienerei,  mit  welcher  er  sich  allen  denen  zu  emp- 
fehlen bemüht  war,  in  denen  er  nacheinander  seinen  zu- 
künftigen königlichen  Herren  sehen  zu  dürfen  erwartete,  haben 
auf  seinem  Rufe  in  den  Augen  eines  jeden  loyal  denkenden 
Menschen,  gleichviel  ob  Sachse  oder  Preufse,  einen  Makel 
zurückgelassen,  der  durch  keine  Lobpreisung  seiner  wirk- 
lichen und  seiner  eingebildeten  Verdienste  ausgelöscht  werden 
kann. 


VI. 

Kleinere  Mitteilungen. 


I.  Peter  Gengenbach,  einer  der  ersten  Evangelischen  in  Leipzig. 

Von  Otto  Giemen. 

In  den  Theologischen  Studien  und  Kritiken  1896,  351  ff. 
hat  Burkhardt  Originaleintragungen  von  Luther,  Justus 
Jonas,  Caspar  Cruciger,  Melanchthon,  Bugenhagen  mitgeteilt, 
die  er  in  einer  im  Besitz  des  Freiherrn  v.  Werthern  auf 
Grofsneuhausen  befindlichen  Bibel,  gedruckt  durch  Hans  Lufft 
MDXXXVI,  gefunden  hatte.  Luther  hat  diese  Bibel  seiner 
,, guten  Freundin  Fraw  Cunigund  Gengenbachin"  dediziert, 
und  diese  hat  das  Buch  den  anderen  Reformatoren  bei  deren 
Anwesenheit  in  Grimma  am  24.  Februar  1539  zu  weiteren 
Einzeichnungen  vorgelegt.  Burkhardt  fügt  hinzu:  ,, Diese 
Cunigunde  Gengenbach  war  ohne  Zweifel  die  Frau  des  durch 
seine  Glaubensfestigkeit  bekannten  Leipziger  Kaufmanns  Peter 
Gengenbach,  der,  vom  Herzog  Georg  verfolgt,  schon  1533 
aus  Leipzig  auswanderte,  sich  zuerst  in  Eilenburg,  dann  in 
Grimma  niederliefs,  wo  er  1540  starb  .  .  ." 

Peter  Gengenbach  gehörte  zu  dem  Urstamm  der  Leip- 
ziger Evangelischen.  Wir  finden  ihn  schon  unter  den  Unter- 
zeichnern jener  Bittschrift  vom  2.  April  1524,  in  der  105  Leip- 
ziger Reformationsfreunde  den  Rat  baten,  den  Mag.  Andreas 
Bodenschatz  an  eine  der  Hauptkirchen  zu  berufen  (Seide- 
mann,  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  I,  78).  1533  wurde 
ihm  der  Prozefs  gemacht.  Nach  einem  Verhör  vor  dem 
Bischof  von  Merseburg  am  30.  Mai  mufste  er  aus  der  Stadt 
weichen  (Seidemann  125  ff.).  An  der  äufseren  Ostseite  der 
Mauer  der  Frauenkirche  in  Grimma  war  noch  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  eine  metallene  Tafel  mit  seinem  Epitaphium 


Kleinere  Mitteilungen.  149 

vorhanden.  Glücklicherweise  hat  sich  eine  Abschrift  erhalten, 
die  Lorenz  in  seiner  trefflichen  Chronik  der  Stadt  Grimma 
S.  91  f.  mitteilt.  Wir  erfahren  daraus,  dafs  Gengenbach  im 
Jahre  1496  in  Nürnberg  geboren  war  und  am  30.  Januar  1540 
starb.  Einen  schwachen  Leib  habe  er  stets  gehabt,  dafür 
aber  „ein  Gemüet,  mit  vieler  schönen  Tugend  begabt".  Be- 
sonders wird  ihm  nachgerühmt,  dafs  er  das  göttliche  Wort 
allzeit  gerne  gehört  und  gelernt  habe: 

Kein  Verfolgung  hat  ihm  abgetriebenj 
Denn  er  alweg  beständig  ist  blieben. 

Er  habe  auch  seine  zwei  Söhne  ermahnt,  Gott  und  sein  Wort 
vor  Augen  zu  behalten;  so  würde  es  ihnen  wohl  gehen  hier 
und  dort. 

Da  ist  es  nun  bedeutsam,  dafs  ein  Buch,  das  einst  ihm 
gehört  hat  und  das  jetzt  die  Zwickauer  Ratsschulbibliothek 
verwahrt  (Signatur  l.  IV.  4),  gerade  ein  Bibel  werk  ist:  Biblia. 
Breves  in  eadem  annotationes  ex  doctiss.  interpretationibus 
et  Hebraeorum  commentariis.  Parisius:  Robertus  Stephanus 
1532  (Panzer,  Annales  typographici  VIII,  156,  2147).  Am 
Ende  findet  sich  folgender  Eintrag: 

„Dis  Buch  hatt  die  Erbare  vnnd  Thugentsame  fraw,  Doro- 
thea gengenbachin ,  wittib  vnd  Burgerinn  zw  Zwickaw  der 
Liberey  alliier  zum  pesten  vnd  zw  einem  ewigenn  gedechtnus 
geeygent  vnd  geschenckt,  welches  sie  vonn  peter  gengenbach 
dem  Jungern,  Irem  lieben  hauswirt  seligen  ererbet  vnd  be- 
kommen vnnd  etwo  seines  vattern  petern  gengenbach  des 
eitern  Bürgern  In  Leiptzigk  auch  seligenn  gewest  etc.  Inn  die 
Michaelis  Anno  etc.  Sechtzigk." 

,,Zu  einem  ewigen  Gedächtnis!"  —  Es  geziemt  sich  daher 
wohl,  auf  diese  Reliquie  einmal  hinzuweisen. 


2.  Ausgrabungen  in  der  ehemaligen  Klosterkirche 
zu  Seufslitz  a.  E. 

Von  Otto  Eduard  Schmidt. 

Das  Klarissinnenkloster  zu  Seufslitz  ist  im  Jahre  1268  von 
dem  Markgrafen  Heinrich  dem  Erlauchten  gestiftet  und  1541 
unter  der  Regierung  Herzog  Heinrichs  aufgelöst  worden'). 
Es  war  eins  der  stattlichsten  und  reichsten  Klöster  der  Mark 


1)  P.Markus,    Das  Kloster  Seufslitz   (Chronik  der  ländlichen 
Ortschaften  der  Amtshauptmannschaft  Grofsenhain  S.  131  —  164). 


ICO  Kleinere  Mitteilungen. 

Meifsen,  selbst  Fürstinnen  haben  darin  ein  Asyl  gefunden. 
Aber  von  der  ganzen  Herrlichkeit  ist  wenig  übrig  geblieben: 
einige  alte  Umfassungsmauern  des  Friedhofs.  Im  übrigen 
ist  an  Stelle  des  Klosters  das  Schlofs  Seufslitz  mit  seinen 
Wirtschaftsgebäuden  getreten.  Es  stand  bisher  nicht  einmal 
fest,  ob  die  jetzige  Seufslitzer  Kirche,  die  direkt  am  Schlosse 
steht,  ein  Bau  aus  der  Zeit  des  Dreifsigj ährigen  Krieges,  der 
1726  noch  einmal  erneuert  worden  ist,  wirklich  die  Stelle  der 
alten  Klosterkirche  einnimmt.  Unter  diesen  Umständen  er- 
wartete man  mit  Spannung  das  Ergebnis  einer  Nachgrabung, 
die  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1903  gelegentlich  der 
Neupflasterung  des  Altarplatzes  unter  der  Leitung  des  Herrn 
Pfarrers  Batsch  in  Merschwitz  —  Seufslitz  ist  jetzt  Filial 
von  Merschwitz  —  vorgenommen  wurde.  Da  aufser  mehreren 
wettinischen  Fürstinnen  der  zweite  Sohn  Heinrichs  des  Er- 
lauchten, Dietrich  der  Weise  1285  und  dessen  Sohn  Friedrich 
Tutta  1291  in  Seufslitz  begraben  worden  ist,  konnte  man 
hoffen,  bei  den  Nachgrabungen  unter  dem  Altarplatze  auf  eins 
der  wettinischen  Gräber  zu  stofsen.  Andererseits  durfte  man 
die  Hoffnungen  nicht  hoch  spannen,  da  eine  Notiz  des  Schu- 
mannschen  Lexikons  (I,  99)  besagt:  ,,Die  Grabsteine  dieser 
und  mehrerer  anderer  interessanter  Personen  sind  leider  ruiniert, 
denn  als  im  Jahre  1726  die  alte  Klosterkirche  abgetragen  und 
zur  Erbauung  der  jetzigen  verwendet  wurde,  liefs  man  die 
meisten  Epitaphien  abschleifen  und  damit  den  Fufsboden  vor 
dem  Altar  täfeln". 

Die  Nachgrabungen  förderten  zunächst  einige  Grabsteine 
der  Familie  v.  Pistoris  ans  Licht,  die  SeufsHtz  seit  der  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts  besessen  (Hartmann  Pistoris  war  ein  ein- 
flufsreicher  Rat  des  Kurfürsten  August,  ein  anderer  Pistoris 
war  kursächsischer  Gesandter  in  Osnabrück  zur  Zeit  der 
Friedensverhandlungen),  femer  einige  andere  Steine  mit  teil- 
weise guter  Bildhauerarbeit  aus  dem  16.  Jahrhundert.  Der 
interessanteste  Fund  aber  kam  etwa  i  m  unter  dem  Altare 
zu  Tage:  eine  ungefähr  10  Zentner  schwere  dicke  Sandstein- 
platte, die  über  einer  aus  grofsen  Ziegeln  gemauerten  Gruft 
lag.  Auf  dem  Stein  ist  das  Bild  eines  Mannes,  nicht  in 
Relief,  sondern  in  breiten,  vertieften  Linien  von  nicht  unge- 
schickter Führung  dargestellt.  Leider  fehlt  das  oberste  Stück 
der  Platte  mit  dem  Kopfe.  Doch  ist  das  untere  Stück  des 
grofsen  Bartes  zu  erkennen.  Der  Ritter  trägt  die  noch  halb 
römische  Gewandung  des  1 3 .  Jahrhunderts,  zwischen  den  Füfsen 
wird  das  Schwertende  sichtbar.  Die  Linke  hält  den  drei- 
eckigen Schild,   die  Rechte   den  Knauf  des   Schwertes.     Die 


Kleinere  Mitteilungen. 


151 


in  grolsen  gotischen  Buchstaben  des  13.  Jahrhunderts  ausge- 
führte Unterschrift  ist  teilweise  zerstört.  Sie  lautet  von  der 
untern  linken  Ecke  an:  DNS.  CONRADVS.  <  Raum  für  15 
bis  16  Buchstaben  >  <  Raum  für  8  Buchstaben  IUI  -  :2  Buch- 
staben >  M.  CC.  L.  (?)  H-H'  VIII.  <  4  bis  5  Buchstaben  > 
KAL.  OCTOB.  l^.  Die  Platte  bedeckte  also  die  sterblichen 
Reste  eines  Dominus  Conradus  —  der  Name  des  Geschlechts 
ist  ausgebrochen  und  auch 
der  Schild  gibt  nicht  p-e- 
nügend  Auskunft.  Auf  ihm 
sind  nämlich  ganz  deutlich 
drei  Rosen  eingemeifselt,  die 
ich,  obwohl  der  Vorname 
Conrad  bei  den  älteren  Ver- 
tretern dieses  Geschlechts 
noch  nicht  nachgewiesen  ist, 
doch  für  das  Wappen  der 
Schleinitze  zu  halten  geneigt 
war.  Liegt  doch  das  Stamm- 
schlofs  dieser  Familie  nur 
wenige  Wegstunden  westlich 
von  Seufslitz  auf  dem  linken 
Eibufer,  und  waren  doch  die 
Schleinitze  rinors  um  Meifsen 
mit  zahlreichen  Gütern  an- 
gesessen. Aber  der  Heraus- 
geber dieser  Zeitschrift  macht 
mich  mit  Recht  darauf  auf- 
merksam, dafs  die  Stellung 
der  Rosen  im  Schleinitzer 
Wappen  anders  ist.  Und  in 
der  Tat  ergab  eine  Nach- 
prüfung des  Schleinitzischen 
Wappens  an  den  zahlreichen 
Grabsteinen  der  Schleinitzer 
Kapelle  in  der  Afrakirche  zu 
Meifsen,    dafs    das   Wappen 

dieser  Familie  durch  eine  von  oben  nach  unten  laufende  Linie 
geteilt  auf  der  rechten  Seite  zwei,  auf  der  linken  eine  Rose  ent- 
hält, während  von  den  Rosen  des  Schildes  auf  dem  Grab.steine 
zwei  oben,  eine  unten  stehen.  Ein  solches  Wappen  führte,  nach 
Siebmachers  Wappenbuch  (1605)  Taf.  158,  z.  B.  die  früh 
ausgestorbene  Familie  von  Schellenberg.  Demnach  bleibt  die 
Herkunft  des  Dominus  Conradus  zunächst  unsicher.    Dagegen 


152 


Kleinere  Mitteilungen 


f'^ 


scheint  aus  der  Inschrift  festzustehen,  dafs  er  im  September  1288 
gestorben  ist.  Aufserdem  wird  der  Stein  nach  der  Sitte  der  Zeit 
die  Angabe  der  Indiktion  enthalten  haben,  doch  möchte  ich  über 
die  Auflösung-  der  übrigen  Buchstaben  zunächst  keine  Ver- 
mutung äufsern.  So  viel  scheint  aber  durch  diese  ehrwürdige 
Grabplatte  gesichert  zu  sein,  dafs  die  jetzige  Seufslitzer  Kirche 
über  den  Fundamenten  der  alten  Klosterkirche  steht,  und  es 
ist  zu  bedauern ,  dafs  die  Nachgrabungen  in  Rücksicht  auf 
die  Kosten  und  auf  die  gottesdienstliche  Benutzung  der  Kirche 
sich  nicht  mehr  in  die  Tiefe  und  in  die  Breite  erstreckt  haben. 
Eine  spätere  Fortsetzung  der  Ausgrabungen  mit  gröfseren  Mitteln 
ist  geplant. 


3.    Der  Pirnische  Mönch  Johann  Lindner, 
sein  Onomasticum  mundi  generale  und  sein  Geburtsort. 

Von   Rein  hold   Hof  mann. 

Professor  Dr.  Hermann  Müller  in  Prenzlau  hat  sich  der 
seit  langer  Zeit  gewünschten  ebenso  mühevollen,  wie  undank- 
baren Arbeit  unterzogen,  die  Quellen  festzustellen,  die  der 
Pirnaer  Dominikanermönch  Johann  Lindner  für  sein  umfang- 
reiches geographisch  -  historisches  Chronikon  benutzt  hat. 
Im  24.  Bande  des  Neuen  Archivs  für  Sächsische  Geschichte 
S.  217  ff.  hat  er  die  Ergebnisse  seiner  Quellenuntersuchung 
niedergelegt;  durch  sie  ist  leider  die  ungünstige  Meinung,  die 
schon  Georg  Fabricius  und  Petrus  Albinus  über  den  Wert  der 
Angaben  des  fleifsigen,  aber  kritiklosen  Kompilators  geäufsert 
haben,  vollauf  bestätigt  worden.  Selbst  die  Nachrichten  über 
seine  eigene  Zeit  sind  ohne  besonderen  geschichtlichen  Wert, 
und  noch  zu  mild  ist  Kreysigs  Urteil  über  des  Pirnischen 
Mönches  Werk:  „Wenn  er  die  Zeiten,  so  er  erlebet,  be- 
schreibet, kann  man  sich  eher  auf  ihn  verlassen,  als  in  denen 
älteren  Zeiten ,  wo  er  denen  abgeschmackten  Mönchsfabeln 
nach  damaliger  Art  getreulich  nachgefolget,  wiewohl  er  auch 
manchmal  gute  Bücher  mag  geritten  haben"'). 

Über  die  Schicksale  der  nur  zum  kleinsten  Teile  ge- 
druckten, im  Jahre  1700  von  dem  ,,  Dippoldiswalder  Poly- 
histor" Konrad  Knauth  der  Leipziger  Ratsbibliothek  über- 
lassenen  Originalhandschrift  des  Pirnischen  Mönchs,  deren 
vollständige    Drucklegung  nach  den   Ergebnissen  der   Müller- 


M  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplomatische  und  curieuse  Nach- 
lese der  Historie  von  Obersachsen  I  (1730),  155. 


Kleinere  Mitteilungen.  153 

sehen  Untersuchung  zwecklos  wäre,  berichtet  eine  alte  (ihr 
wohl  von  Konrad  Knauth  oder  dem  gleich  zu  nennenden 
Pirnaer  Konrektor  Salomon  Petermann  [-|-  1697]  beigegebene) 
Vorbemerkung  folgendes : 

„Dieses  Manuscriptum  ist  im  dreifsigjährigen  Kriege  in 
der  Stadt  Pirna  von  denen  Soldaten,  so  Geld  in  Büchern 
gesucht,  nebst  andern  ausgestankert  und  hingeworfen,  sodann 
zu  einem  Würzkrämer  gebracht  worden,  welcher  es  zu 
Tüten  brauchen  wollen,  auch  bereits  einen  Anfang  damit 
gemacht,  bis  ungefähr  ein  alter  Geistlicher  unweit  Pirna  in 
selbigen  Laden  gekommen  und  als  ein  curieuser  Philister^) 
es  vom  Untergange  noch  errettete".  Salomon  Petermann 
vermutet,  dafs  dieses  Exemplar  (das  er  „billig  pro  ipso  auto- 
grapho  Autoris  halten  müsse"),  weil  es  von  so  vielen  Auto- 
ribus  (Fabricius,  Albinus,  Peckenstein,  Knauth)  zitiert  würde, 
durch  Kommunikation  auch  an  andere  gediehen  und  vielleicht 
auch  dann  und  wann  kopiert  worden  sei.  Es  habe  u.  a.  auch 
auf  einem  namhaften  Schlosse  dieser  kursächsischen  Lande 
gelegen  und  sei  von  den  hochadligen  Nachkommen,  die  es 
nicht  genugsam  und  fertig  lesen  können,  ganz  verächthch 
und  bereits  zum  Cloac  —  s[alva]  v[enia]  —  condemniret,  der 
Anfang  darzu  mit  Rausreifsung  vieler  Blätter  (Titelblatt, 
Final  etc.)  gemacht  worden,  aber  durch  Hinzwischenkunft 
eines  verständigen  und  wohlgelahrten  Landpriesters  aus- 
gebeten und  sofort  ihm  (dem  Salomo  Petermann)  anno  1692 
mense  Septembr.  auf  Begehr  und  Bitte  bei  drei  Wochen  zur 
Perlustration  gelassen  worden.  Dieses  Werkes  habe  sich  auf 
Vergünstigung  des  obangezogenen  Geistlichen  als  jetzigen 
Besitzers  Herr  Konrad  Knauth  in  seinem  Prodrome  Misniae 
illustrandae '-)  so  sehr  bedienet  und  würde  sich  seiner  zu 
seinen  promittierten  andern  Scriptis  chronologicis  annoch  be- 
dienen. Die  vorstehenden  Bemerkungen  Salomo  Petermanns, 
geschrieben  1693,  6.  April,  finden  sich  in  der  handschriftlich 
im  Pirnaer  Ratsarchiv  aufbewahrten,  kurz  nach  172 1  vollen- 
deten Pirnischen  Chronik  seines  von  ihm  mit  urkundlichen 
u.  a.  Beiträgen  zur  Geschichte  Pirnas  unterstützten  Bruders 
Tobias  Petermann.  Der  schon  zu  Salomo  Petermanns  Zeiten 
vorhandene  ,, unansehnliche,  starkbretterne"  mit  Pergament 
überzogene  Einband  von  etwa  i  cm  Stärke  ist  neuerdings 
beseitigt  und  der  unförmige  eine  Band  in  zwei  zerlegt  worden. 


1)  Christian  Heckel,    Historische   Nachricht  etc.  (Pirna  1739): 
„Polyhistor". 

2)  Joh.  Konrad    Knauth,    Mi.sniae  illustrandae   Prodromus  etc. 
Dresden  1692. 


154 


Kleinere  Mitteilunoren. 


Die  von  Salomo  Petermann  vermuteten  Abschriften  des 
Onomasticum  mundi  generale  ^)  scheinen  —  mit  einer  gleich 
zu  erwähnenden  Ausnahme,  nämlich  einem  im  Pirnaer  Rats- 
archiv vorhandenen  Bruchstück  —  sämtlich  verloren  ge- 
gangen zu  sein.  Nach  Karl  Gottfried  Zaake,  ,, Vorbericht  von 
Verfertigung  eines  historischen  Werkes  von  der  Stadt  Pirna" 
(1765)  S.  27,  ist  „von  der  Handschrift  des  P.  M.  sowohl  in 
der  Kurfürstl.  Bibliothek  zu  Dresden,  als  in  der  Paulinischen 
zu  Leipzig  und  in  der  Ratsbibliothek  zu  Zwickau  eine  Ab- 
schrift vorhanden  gewesen,  wovon  aber  von  vielen  Jahren 
her  niemand  wissen  will.  Die  Paulinische  ist  schon  zu  Tho- 
masius'  Zeiten  weggekommmen.  M.  Schlegel  hat  in  Zwickau 
vergebens  alles  ausgesucht".  Christian  Gotthold  Wilisch  ver- 
sichert in  seinem  ,, Kleinen  Vorrath  zur  Pirnischen  Historie" 
Annaberg  (1724),  S.  5:  ,,er  kenne  selbst  einen  gelehrten  und 
in  Historicis  wohl  versierten  Mann,  der  den  P.  M.  [in  einer 
Abschrift  |  selbst  besitzet".  Dafs  eine  Abschrift  aus  Johann 
Lindner  in  Zwickau  vorhanden  gewesen  ist,  mufs  man  in  der 
Tat  daraus  schliefsen,  dafs  ihn  die  Zwickauer  Chronisten 
Laurentius  Wilhelm  (1633)  und  Tobias  Schmidt  (1656)  lange 
vor  der  Drucklegung  einzelner  Teile  der  Handschrift  bei 
Mencke  (Scriptores  11)  und  bei  Schöttgen  und  Kre3-sig  (Diplo- 
matische Nachlese  I)  gekannt  und  benutzt  haben.  Dafs  man 
in  der  ,,Zwickawischen  Senatoria"  (der  Ratsschulbibliothek) 
nach  einer  Abschrift  des  P.  M.  ,, alles  anxie  ausgesucht,  aber 
nichts  mehr  davon  finden  noch  erfahren  können",  bezeugt 
auch  Konrad  Knauth")  (f  1732).  Wenn  er  aber  ,,hoch  ver- 
sichert, dafs  im  ganzen  Lande  keine  Copey  von  dem  Werke 
des  P.  M.  mehr  anzutreffen  sei",  so  war  Knauth  im  Irrtum; 
denn  bei  Schöttgen  und  Kreysig  finden  wir  Stücke  aus  einer 
,, Copey"  des  Onomasticums  gedruckt,  die  in  der  Original- 
handschrift und  ,,in  der  Menckischen  Edition"  fehlen,  darunter 
einen  ziemlich  umfano-reichen  Abschnitt  über  Pirna.  Eine 
weitere  unverkennbare  Abschrift  aus  dem  P.  M.,  die  bis 
jetzt  unbekannt  und  unbenutzt  geblieben  ist  —  sie  enthält 
ebenfalls  in  der  Originalhandschrift  fehlende  Mitteilungen  über 
Pirna  —  hat  sich  (mit  Nachträgen  bis  zum  Jahre  1560)  auf 
dem  Ratsarchiv  der  Stadt  Pirna  und  in   einer  späteren,    dem 


1)  Diesen  Titel  für  des  P.  M.  Werk  hat  wohl  erst  Salomo  Peter- 
mann aufg;ebracht.  Georg  Fabricius  (f  1571)  „hat  dies  Buch  sein 
Vocabulanum  ex  quo  genennet":  Petrus  Albinus,  Meifsnische  Land- 
und  Bergchronica  (Dresden  1589)  S.  344. 

'-)  Vgl.  Naumann,  Catalogus  librorum  mscr.,  qui  in  bibl.  senat. 
civ.  Lips.  asservantur  (Grimae  1838)  p.  136. 


Kleinere  Mitteilungen.  155 

17.  Jahrhundert  angehörigen  Kopie  (mit  Nachträgen  bis  zum 
fahre  1626)  in  der  Leipziger  Ratsbibliotliek  \)  erhalten. 

,,In  selbiger  Stadt  Pirna,  von  und  nach  welcher  er  , 
den  Namen  führet,  ist'',  so  berichtet  Salomo  Petermann, 
„Johann  Lindner  laut  seiner  eigenen  Worte  geboren 
und  erzogen  worden,  ja  an  die  50  Jahr  ein  Klosterbruder 
daselbst  gewesen".  Diese  Behauptung  wird  bestätigt  durch 
die  ebengenannte,  noch  aus  dem  16.  Jahrhundert  stammende 
Pirnaische  Abschrift  aus  dem  P.  M. ,  in  der  sich  die  Worte 
linden:  „Ich  Schreiber  dieser  Chronica  ein  Kloster  und 
Stadt  Kind  50  Jahr  habe  in  diesen  kloster  orden  zu- 
gebracht in  aller  gehorsamkeit".  Diese  Stelle,  in  welcher 
Pirna  als  Lindners  Geburtsort  bezeichnet  wird,  findet  sich 
weder  bei  Mencke,  noch  bei  Kre3'sig,  und  so  gelangte 
Johann  Jakob  Vogels  Angabe  zur  Herrschaft,  der  lediglich 
auf  Grund  der  Leipziger  Universitätsmatrikeln  den  P.  M.  zu 
Münchberg  in  Oberfranken  geboren  sein  läfst-).  Auch  Hermann 
Müller  folgt  dem  Magister  Vogel,  ,, Diener  am  Worte  Gottes 
zu  Panitzsch,  Sommerfeld  und  Althayn,  Leipziger  Diöces", 
und  ist  ,, wunderbar  berührt",  dafs  ich  in  meiner  ,, Refor- 
mationsgeschichte der  Stadt  Pirna"  (1893)'^)  noch  angebe, 
Johannes  Lindner  sei  zu  Pirna  geboren.  Ich  werde  im  fol- 
genden diese  meine  Behauptung  noch  weiter  zu  verteidigen 
suchen.  Übrigens  war  mir  die  Streitfrage  betreffs  der 
Herkunft  des  Pimischen  Mönchs  (Münchberg  —  Pirna)  längst 
wohl  bekannt,  und  ich  habe  schon  1887  in  meiner  bereits 
o-enannten  Pirnaer  Progframmabhandlung:  Die  kirchlichen  Zu- 
stände  etc.  S.  63  ff.,  die  Hermann  Müller,  wie  es  scheint, 
unbekannt  geblieben  isf*),  meinen  Standpunkt  dargelegt. 


')  In  einem  mehrere  Pirnensia  enthaltenden  Aktenstück,  betitelt: 
Fragmenta  Annalium  Pirnensium  ex  variis  Manuscriptis  congesta  a 
me  Johann  Heinrico  Grofsmann.  1674.  Ein  Widerspruch  zwischen 
dieser  Pirnaer  Abschrift  und  dem  Auszug  bei  Mencke  findet  sich 
insofern,  als  in  der  ersteren  der  F.  M.  berichtet,  das  Pirnaer  Domini- 
kanerkloster sei  bis  zum  Jahre  1527  von  dem  Makel  des  Lutheranischen 
Irrtums  frei  geblieben,  während  es  bei  Mencke  noch  im  Jahre  des 
Abschlusses  seiner  Chronik  (1530)  als  unberührt  von  Luthers  „worm- 
stichiger,  giftiger  Lehre"  hino;estellt  wird.  1527  ist  wohl  richtig: 
vgl.  meine  ProgrammabhandTung:  Die  kirchlichen  Zustände  der 
Stadt  Pirna  vor  der  Einführung  der  Reformation  im  Jahre  1539 
(Pirna  1887)  S.  63  tf. 

-)  y.  J.  Vogel,  Leben  des  Päbstlichen  Gnaden -Predigers  oder 
Ablas- Crämers  Johann  Tetzels  (Leipzig  1717)  S.  17. 

^)  In  den  Beiträgen  zur  Sächsischen  Kirchengeschichte  VIII,  109. 

*)  Obgleich  ich  in  meiner  „Reformationsgeschichte"  S.  109 
Anm.  I  auf  sie  hingewiesen  habe. 


ic6  Kleinere  Mitteilungen. 

Der  von  Mag.  Vogel  behauptete  Eintrag  in  der  Leip- 
ziger Universitätsmatrikel  —  Johannes  Linthner  de  Munchperg, 
de  nacione  Bavarorum  —  findet  sich  darin  tatsächlich,  wie 
aus  dem  erst  nach  Veröffentlichung  meiner  ,,  Reformations- 
geschichte der  Stadt  Pirna"  gedruckten  „Matrikeln  der  Uni- 
versität Leipzig"  hervorgeht.  Aber  diese  Tatsache  beweist  noch 
nichts,  denn  wenn  auch  in  den  Leipziger  Matrikeln  ,,der  Regel 
nach  die  Heimat  immer  nach  dem  Geburtsort  bezeichnet 
wird",  so  sind  doch  ihre  Ortsangaben,  wie  ihr  Herausgeber 
G.  Erler  selbst  zugibt,  durchaus  nicht  immer  zuverlässig: 
,, vereinzelt  ist  neben  dem  Geburtsort  auch  der  letzte  Auf- 
enthaltsort genannt  worden",  und  ,, jedenfalls  haben  Mifs- 
verständnisse  oder  Unkenntnis  der  Studenten  oder  auch  Irr- 
tümer der  Rektoren  häufig  dazu  geführt,  dafs  ein  Neuauf- 
genommener zu  einer  unrichtigen  Heimatangabe  kam  und 
einer  falschen  Nation  zugeschrieben  wurde"  ^).  Derselbe 
Mag.  Vogel,  der  im  Widerstreit  mit  der  Überlieferung  und 
der  allgemeinen  Ansicht  der  Zeitgenossen  des  Pirnischen 
Mönchs  diesen  in  Münchberg  geboren  sein  läfst,  hat  auf 
Grund  desselben  Leipziger  ,,  Universitätskatasters"  dem 
Ordensbruder  Lindners,  dem  Ablafsprediger  Johann  Tetzel, 
Leipzig  als  Geburtsort  angewiesen,  bis  ich  aus  den  Pirnaer 
Stadtrechnungen  die  ältere  Ansicht,  wonach  Tetzel  in  Pirna 
geboren  war,  als  die  richtige  habe  erweisen  können-).  Bekannt 
ist  auch,  dafs  Luther  in  den  Erfurter  Matrikeln  als  Martinus 
Ludher  ex  Mansfeld  eingeschrieben  ist.  Und  mufs  denn  der 
,, Johannes  Linthner  de  Munchperg",  der  1470  die  Universität 
Leipzig  bezog,  147 1  dort  das  Baccalaureat  und  1473  die 
Würde  eines  Magister  artium  erwarb,  unser  Pirnischer  Mönch 
Johann  Lindner  sein?  Schon  bald  nach  dem  Erscheinen  von 
Vogels  ,,  Leben  Tetzels"  findet  sich  in  Zedlers  Universal- 
Lexikon  Bd.  XVII  (1738)  S.  1403  f.  die  Vermutung,  dafs  bei 
Vogel  eine  Verwechslung  des  älteren  Weltgeistlichen  Johanp 
Lindner  aus  Münchberg  mit  dem  jüngeren  Dominikaner 
gleichen  Namens  aus  Pirna  vorliege.     Dafs  der  ältere  Johann 


')  Cod.  Dipl.  Sax.  Reg.  IL  Hauptteil,  XVI.  Bd.:  Die  Immatriku- 
lationen 1409 — 1559-     S.  XLII. 

-)  In  meiner  oben  erwähnten  Programmabhandlung  S.  67  ff., 
ausführlicher  und  mit  neuen  Beweisen  m  meiner  Reformations- 
geschichte der  Stadt  Pirna  S.  325  ff.  Meine  Behauptung,  Tetzel  sei, 
entgegen  der  Angabe  Magister  Vogels,  in  Pirna  geboren,  hat  nach- 
trägUch  durch  eine  Stelle  in  den  Leipziger  Stadtrechnungen  des 
Jahres  1485  Bestätigung  gefunden:  vgl.  G.  Wustmann,  Der  Ablafs- 
handel  in  Leipzig,  im  Lpz.  Tgbl.    1902  Nr.  663,  2.  Beilage. 


Kleinere  Mitteilungen.  i^y 

Lindner  in  Münchberg  geboren  und  Magister  gewesen  sei, 
gehe  aus  seiner  eigenen  Unterschrift  unter  dem  Registrum  sive 
Directorium  rerum  agendarum  parochialis  Ecclesiae  S.  Laurentii 
in  Hof  conscriptum  im  Jahre  1479  hervor.  Diese  Unterschrift 
vom  Jahre  1479  besage  femer,  dafs  er  ,,nun  auf  die  14  Jahre 
Prediger  gewesen",  auch  bei  der  Überschrift  vorher  ge- 
dachten Werkes  sich  pro  tunc  vicegerentem  zu  Hof  nennet, 
desgleichen  Widemann  in  der  Hofer  Chronik  im  Manu- 
skripte  bei  dem  Jahre  1487  sich  derer  Worte  bedienet: 
„Damals  ist  M.  Joh.  Lindner  Vicarius  oder  Pfarrverweser  und 
Prediger  zu  St.  Michel  gewesen".  Die  zuweilen  vorkommende 
Schreibweise  Linturius  für  diesen  Münchberger  Lindner  sei 
wohl  ein  Lesefehler  aus  dem  Manuskripte  des  Pistorius^). 

Der  Famihenname  Lindner  ist  in  den  Leipziger  Matrikeln 
für  Münchberg  mehrfach  bezeugt:  schon  1438  ist  ein  Johannes 
Lintner  de  Monchberch  inskribiert.  Mit  diesem  ist  wohl  der 
genannte  Hofer  Prediger  gleichen  Namens  nicht  identisch, 
weil  der  letztere  „wenigstens  bis  ins  Jahr  15 14  mufs  ge- 
lebet haben"  -). 

Ein  gewichtiger  Grimd,  Münchberg  als  Geburtsort  des 
P.  M.  abzulehnen,  ist  die  Ansicht  seiner  Zeitgenossen.  Auch 
dem  Mag.  Vogel  war  nicht  unbekannt,  dafs  man  ,, ins- 
gemein dafür  halte,  der  Chronist  Joh.  Lindner  sei  (ebenso  wie 
sein  Ordensbruder  Joh.  Tetzel)  zu  Pirna  in  Meifsen  an  der 
Elbe  geboren  worden".  Dafs  diese  Annahme  allgemein  ver- 
breitet war,  bezeuoft  auch  Petrus  Albinus  in  seiner  im  letzten 
Viertel  des  16.  Jahrhunderts  verfafsten,  handschrifthch  m  der 
König].  Bibliothek  zu  Dresden  aufbewahrten  ,, Chronica  der 
Stadt  Pim",  worin  es  heifst,  Joh.  Lindner  sei  ,,ein  Pimaer 
Stadtkind,  wie  ich  bericht  bin  gewest".  Auch  in  seiner 
1589  gedruckten  Meifsnischen  Land-  und  Berg-Chronika 
nennt  Albinus  unsern  Johann  Lindner  ,,zu  Pim  bürtig",  und 
es  ist  wohl  anzunehmen,  dafs  man  so  wenige  Jahrzehnte 
nach  des  Pirnischen  Mönchs  Tode  noch  genaue  Kenntnis  von 
seinem  Geburtsorte  gehabt  hat.  Die  allgemeine  Überliefemng, 
dafs  der  chronikschreibende  ,, Mönch  und  50jährige  Kloster- 
bruder" in  Pirna  geboren  sei,  findet  eine  Stütze  in  der  Tat- 
sache, dafs  der  Name  Lindner  in  den  Pim^aer  Stadtrechnungen 
der  hier  in  Frage  kommenden  Zeit  wiederholt  vorkommt. 
Die  älteste   erhaltene  Rechnung  vom  Jahre  1479  weist  imter 


')  Rerum  Germanicarum  Scriptores  II,  577  f.  ad  annum  1489. 
-)  „Weil    sein   (Lindners)  Appendix  ad  Fasciculum    temporum 
Werneri  Rolewinck  so  weit  gehet".    Zedlers  Univ.-Lex.  XVII,  1404. 


»^ 


ir8  Kleinere  Mitteilungen. 

den  ,,Inquilini",  d.  i.  den  unansässigen  Bürgern,  einen  Awstin 
Lyndenner  auf,  der  6  Gr.  Geschofs  zahlt.  Unter  den  lanifices 
dieses  Jahres  wird  ein  Hanns  Lyndener  genannt.  In  der 
nächsten  Kammerrechnung  vom  Jahre  1490  tritt  aufser  dem 
Awgstein  Lyndener  (Lindener)  ein  unansässiger  Bürger  Greger 
Lyndener  auf,  unter  den  ansässigen  Bürgern  dieses  Jahres 
Symon  Lyndener  im  3.  Stadtviertel  und  Martin  Lyndener 
im  4.  Viertel.  In  den  Geschofsverzeichnissen  der  Pirnaer 
Kämmereirechnungen  der  Jahre  1517 — 20  kommt  ein  Lindner 
nicht  mehr  vor.  Später  (z.  B.  1554:  Hans  Lindener,  2.  Viertel) 
taucht  der  Name  wieder  auf.  Ein  aus  Pirna  gebürtiger 
Johannes  Lindner  ist  weder  in  Leipzig,  noch,  soviel  ich  weifs, 
in  den  Matrikeln  einer  anderen  etwa  in  Frage  kommenden 
Universität  nachzuweisen,  aber  diese  Tatsache  beweist  nichts 
gegen  die  Richtigkeit  der  bei  den  Zeito;enossen  des  P.  M. 
vertretenen  Ansicht  über  seine  Herkunft,  denn  die  Kloster- 
geistlichen jener  Zeit  hatten  nur  zum  kleinsten  Teile  an 
Universitäten  studiert,  und  auch  unser  fleifsiger  Kompilator 
wird  sich  die  geringe  Summe  der  für  seine  Stellung  not- 
wendigen Kenntnisse  in  einem  der  zahlreichen  Konvente  er- 
worben haben. 

Zum  Schlüsse  möge  noch  folgende  Erwägung  dazu  dienen, 
die  von  Magister  Vogel  entgegen  Lindners  eigener  Angabe 
und  im  Widerstreit  mit  der  schriftlichen  und  mündlichen 
Überlieferung  blofs  auf  die  zweifelhafte  Autorität  der  Uni- 
versitätsmatrikeln hin  aufgebrachte  Behauptung,  Münchberg 
sei  des  Pirnischen  Mönchs  Geburtsort,  zu  erschüttern.  Lindners 
Mitteilungen  über  Pirna  haben  nach  Salomo  Petermanns  Ver- 
sicherung in  der  Originalhandschrift  ,,ungefehr  drei  Folien 
Blätter"  eingenommen,  und  diese  grofse  Ausführlichkeit  ist 
um  so  begreiflicher,  wenn  wir  annehmen,  dafs  der  Verfasser 
nicht  blofs  als  langjähriger  Bewohner  des  Pirnaer  Domini- 
kanerklosters, sondern  auch  als  ,, Stadtkind"  von  Jugend  auf 
mit  der  alten  Eibstadt  innig  verwachsen  war.  Die  Lage  zahl- 
reicher Städte,  Flecken  und  Burgen  bestimmt  er  nach  Pirna 
und  ihrer  Entfernung  von  dieser  Stadt.  Während  er  nun 
selbst  über  unbedeutende  Ortschaften  sich  nicht  selten  recht 
eingehend  äufsert,  bringt  er  über  ,,Munchberck"  nur  fünf 
Zeilen ,  die  keineswegs  auf  irgendwelche  genauere  Kenntnis 
der  inneren  Verhältnisse  der  Stadt  schliefsen  lassen.  Bei 
seiner  Neigung,  sich  über  städtische  Zustände,  besonders 
religiöse,  über  die  in  Städten  und  auf  Burgen  ansässigen 
edlen  Geschlechter  etc.  in  behaglicher  Breite  zu  ergehen, 
hätte  der  P.  M.,  wenn   Münchberg   wirklich   seine  Vaterstadt 


Kleinere  Mitteiluno-en 


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wäre,  aus  seinen  Jugenderinnerungen  oder  aus  den  Erzählungen 
und  Berichten  seiner  Verwandten  sicherlich  eine  oder  die  andere 
Notiz  gebracht,  die  auf  herzlichere  Beziehungen  zu  dieser  Stadt 
oder  auf  genauere  Ortskenntnis  schliefsen  liefse. 

Das  Jahr  1530  ist  das  letzte,  das  in  des  P.  M.  Chronikon 
erwähnt  wird.  Die  Vorrede  ist  schon  im  Jahre  1529  ge- 
schrieben; in  ihr  will  er  seinem  von  ihm  begeistert  gepriesenen 
Landesherrn,  dem  Herzog  Georg  von  Sachsen,  seine  ,,arme, 
untüchtige,  gerynge  person  mit  schuldiger  undertenickeit  und 
ganz  wilfariger  geflisner  dynstbarkeyt  emssiglich  entpholen 
haben".  Zu  diesem  ,, beherzten,  ehrenwichtigen,  hochwitzigen" 
Fürsten,  der,  wie  der  Pirnische  Mönch  selber  ein  Todfeind 
des  ,, blutaufrührerischen  abtrünnigen  apostata  Merten  Luter" 
und  seines  ,, gottlosen  Anhangs",  „unverwandt  bleiben  wollte 
in  dem  christlichen  Fufspfad  seiner  Vorfahren",  scheint  der 
P.  M.  in  nahen  Beziehungen  gestanden  zu  haben.  Er  nennt 
ihn  seinen  ,, gnädigen  und  hochgünstigen  Hauptpatron";  nach 
einer  Notiz  bei  Petrus  Albinus  war  er,  ,,wie  etliche  vorgeben, 
Herzog  Georgen  Priester".  Im  Jahre  1522  befahl  Herzog 
Georg,  dafs  eine  Frau  aus  Wölpern  bei  Eilenburg,  welche 
am  Neujahrstage  das  Abendmahl  unter  beiderlei  Gestalt  ge- 
nommen hatte  und  bald  darauf  vom  Teufel  besessen  war, 
nach  Leipzig  gebracht  werde,  und  ebendahin  solle  der  ,, Mönch 
von  Pirne"  bestellt  werden,  dafs  er  sie  beschwöre.  „Ist  das 
etwa  der  bekannte  Monachus  Pirnensis  Johannes  Tilianus  ?" 
frage  ich  mit  Seidemann,  der  diese  Nachricht  in  einem  Briefe 
Georgs  an  seine  Söhne  vom  5.  Februar  1522  auf  einem  ein- 
gelegten Zettel  aufgefunden  hat  ^). 

Mit  dem  Jahre  1530  ist  die  letzte  Spur  von  des  Pirnischen 
Mönchs  dunklen  Erdentagen  verweht.  Seine  Lebensgeschichte 
war  schon  im  16.  Jahrhundert  so  unklar,  dafs  er  „von  einigen 
vor  zwei,  von  andern  vor  eine  Person  gehalten  worden. 
Knauth  will,  dafs  einer  Matthäus  Sartorius,  und  der  andere 
Johann  Lindner  geheifsen.  Georg  Fabricius  macht  nur  eine 
Person  daraus,  und  nennt  ihn  Matthäum  Sarctorium.  Petrus 
Albinus  achtet  daher,  dafs  Sarctorius  vielleicht  erst  das  Chro- 
nikon geschrieben.  Lindner  hernach  ein  Epitomen  daraus  ge- 
machet. Vogel  hat  erwiesen,  dafs  er  Johann  Lindner,  von 
der  Hantierung  seines  Vaters  aber  nach  damaligem  Gebrauch 
Sarctorius  (Schneider)  heifse,  gleichwie  er  auch  selber  seinen 
teutschen   Namen  Lindner   in   den   lateinischen  Tilianum  ver- 


1)  J.  K.  Seidemann,  Die  Leipziger  Disputation  S.  99  und  Der- 
selbe,  Die  Reformationszeit  in  Sachsen  von  1517 — 1539  S.  56. 


i6o  Kleinere  Mitteilungen. 

wandelt  und  sich  in  seinem  Onomastico  v[oce]  Ingolstadt 
Johannem  Tilianum,  dieser  Chroniken  Sammler  geschrieben"  ■■ ). 
Die  Verwirrung  betreffs  des  Namens  unsers  Chronisten,  die, 
wie  es  scheint,  Georg  Fabricius  angerichtet  hat"-),  wird  durch 
den  Umstand  vermehrt,  dafs  unter  den  ,, Ältesten",  den 
,;Vätern  und  Brüdern  des  Konvents  zu  Pirna  Predigerordens" 
etwa  an  derselben  Stelle,  wo  1497  unser  ,, Johann  Lindener, 
Lesemeister  des  Konvents  zu  Pirne"  genannt  wird,  in  der 
Tat  auch  die  Namen  Sartor  [ius]'^)  und  ,, Schneider"  vor- 
kommen, deren  Träger  ebenfalls  ,, Lesemeister"  sind, 
nämlich  1499:  ,, Johannes  Schneider"*),  1503:  ,, Johannes 
Sartorius,  Lesemeister" '^),  1519:  ,, Johannes  Sartor,  Lese- 
meister" •^)  Sollte  wirklich  unser  Johann  Lindner,  Tilianus, 
gelegentlich  auch  —  was  ja  damals  wie  heute  oft  genug  vor- 
kommt —  nach  dem  Gewerbe  seines  Vaters  —  Schneider, 
Sartor[iusJ  —  genannt  worden  sein?  Unter  den  geschofs- 
zahlenden  Bürgern  namens  Lindner  wird  in  den  oben  ange- 
führten Kammerrechnungen  der  Stadt  Pirna  nur  einmal  der  Beruf 
angegeben,  nämlich  1479  bei  Hans  Lindner,  dieser  steht  unter 
den  lanifices,  und  das  waren  doch  wohl  die  Wollweber. 

Ich  habe  die  vorstehenden  Bemerkvmgen  über  den  Namen 
des  Pirnischen  Mönchs  nur  der  Vollständigkeit  wegen  hinzu- 
gefügt, eine  bestimmte  Meinung  wage  ich  bei  dem  Mangel 
zuverlässiger  urkundlicher  Grundlagen  nicht  zu  äufsern. 


4.  Die  farbigen  Paralieilinien  auf  den  Karten  des  IS.Jahrhunderts. 

Von   Otto   Mörtzsch. 

Wer   hätte   bei   Betrachtung  der   Karten   mitteldeutscher 
Landesteile   von   A.  F.  Zürner,    P.  Schenk,    L.  Schenk,  T.  C. 


1)  Die  obigen  Ausführungen  linden  sich  in  Zedlers  Universal- 
Lexikon  XVII,  1405. 

-')  In  einem  Briefe  an  seinen  Freund  Georg  Agricola :  Matthaeus 
Sarctorius  Dominicanus  secundum  literarum  numerum  varias  collegit 
historias,  mira  diligentia,  sed  impari  iudicio. 

**)  Allerdings  nicht  Matthäus,  wie  Fabricius  will,  sondern  Jo- 
hannes Sartor. 

*)  Cod.  Dipl.  Sax.  Reg.  II,  5,  481. 

•'')  Copia  der  vorschreibung  des  Conuents  Pirna  kegen  dem 
Rothe  etc.  in  Loc.  9900  Schrifften  vor  Herzog  Georgen  zu  Sachfsen 
ergangen,  bei.  die  Irrungen  und  Gebrechen  zwischen  dem  Rath  und 
der  Gemein  der  Stadt  Pirna  etc.  Anno  1519  —  20,  fol.  128.  Haupt- 
staatsarchiv Dresden. 

")  Loc.  9900  Schriften  vor  Hzg.  Georgen  ergangen,  fol.  33. 


Kleinere  Mitteilungen.  i6l 

Lotter,  die  man  in  Atlanten  vereinigt  oder  vereinzelt  oft  zu 
Gesicht  bekommt  und  die  bis  heute  ihren  Wert  für  die  Ge- 
schichte behalten  haben,  nicht  schon  die  mittelalterliche  Dar- 
stellung belächelt:  die  Maulwurfshaufen  für  die  Berge  und 
Gebirge,  die  Häuschen  ohne  und  mit  Kreuzen,  Fahnen  und 
Hirschgeweihen  für  Einzelgebäude,  Dörfer,  Kirchdörfer, 
Städte,  Schlösser,  Forsthäuser,  die  kleinen  Vierecke  mit  an- 
gedeuteten Rauchwolken  für  Schmelz-  und  Hochöfen,  die 
kleinen  Bäumchen  für  Büsche  und  Waldungen,  gezeichnete 
Zäune  für  ,,Wildprets  Zäune"  usw.!  —  Wem  sind  nicht  auf 
den  ersten  Blick  die  ungenau  wiedergegebenen  Strafsenzüge, 
Flufsläufe  und  vor  allem  die  schön  abgerundeten  ,,Ammts 
Grentzen"  aufgefallen!  —  Die  eigentümlichsten  Gebilde  aber 
sind  und  bleiben  doch  die  so  häufig  auftretenden  farbigen 
Parallelen. 

Von  den  meisten  Ämtern  gehen  in  der  Farbe  derselben 
manchmal  nur  wenige  Millimeter,  manchmal  lo — 17  cm 
lange  ^) ,  fast  stets  2  mm  breite,  von  punktierten  Linien  ein- 
gefafste  Streifen  nach  einem  kreisrunden,  elliptischen,  erbsen- 
oder  kartoffelförmigen  Gebilde,  in  welchem  gewöhnlich  ein 
oder  mehrere  Orte  liegen.  Diese  zeichnerische  Eigentüm- 
lichkeit der  in  der  Einleitung  genannten  Kartographen  be- 
darf der  Erklärung. 

Untersuchen  wir  zunächst,  was  sie  nicht  bedeuten  kann. 

I.  Bei  oberflächhcher  Betrachtung  der  Karten  könnte 
man  vermuten,  dafs  die  Parallelen  Strafsenzüge  markieren 
sollten.  Jedoch  ein  genauer  Blick  zeigt,  dafs  Strafsen  als 
dünne  (etwas  über  i  mm)  schwarze  Parallellinien  auf  den 
Kartenblättern  eingetragen  sind,  welche  fast  niemals  die  farbi- 
o-en  Parallelen  decken,  sondern  ihnen  absichtlich  ausweichen. 
(Amter  Stolpen  und  Radeberg  mit  Lausnitz  1754  [Nr.  11]: 
Grofs-Okrilla,  welches  zum  Teil  nach  Lausnitz  gehört,  ist 
durch  einen  Strafsenzug  und  eine  begleitende  Parallele  mit 
seinem    Amte    verbunden.     Auf  derselben   Karte   ist   die  Zu- 


1)  Kürzere  Verbindungslinien  zeigen  fast  alle  Ämter-  und  Kreis- 
karten (Erzgebirgischer,  Meifsner,  Kur-,  Leipziger,  Vogtländischer, 
Neustädter,"  Thüringischer  Kreis),  längere  zeigen  die  Karte  der 
Ämter  Stolpen,  Radeberg  mit  Lausnitz  (nicht  „Lausitz")  1754  (Nr.  11): 
Schmorckau  nach  Amt  Stolpen  (16  cm),  und  die  der  Ämter  Meifsen, 
Oschatz  1750  {Nr.  8):  Winckwitz  b.  Mssn.  nach  Amt  Oschatz  (17  cm) 
usw.  —  Dr.  H.  Beschorner  hat  in  seinem  Aufsatze  „Einige  Bemer- 
kungen zu  dem  sogenannten  Schenkschen  Atlas"  (vgl.  diese  Ztschr. 
XXIV,  327  fif.)  eine  sehr  praktische  Numerierung  der  Schenkschen 
Karten  vorgeschlagen.  Ich  füge  den  von  mir  genannten  Karten  die 
vorgesclilagene  Nummer  in  Klammern  bei. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     1.2.  II 


i52  Kleinere  Mitteilungen. 

gehörigkeit  von  Nieder-  und  Ober-Pischdorff  zum  Amt  Stolpen 
ebenfalls  durch  Strafsenzug  und  Parallele  gekennzeichnet.) 

Wo  eine  vorübergehende  Deckung  der  beiden  Zeich- 
nungen eintritt  (bei  dem  zerrissenen  Amte  Nossen  1750 
[Nr.  8]),  geschieht  es,  um  andere  Kartenbildchen  nicht  zu 
stören.  Am  häufigsten  zeigt  sich,  dafs  beide  einander  unter 
verschiedensten  Winkeln  schneiden.  Es  ist  also  ausge- 
schlossen, dafs  die  farbigen  Parallelen  Strafsenzüge  darstellen 
sollen.  (Es  sei  hier  bemerkt,  dafs  die  Strafsen  bei  Petrus 
Schenk  u.  a.  sehr  ungenau  eingetragen  sind.  Ein  Vergleich 
mit  unserer  topographischen  Karte  1:25000  wird  meine  Be- 
hauptung ohne  weiteres  beweisen.) 

2.  Bei  genauerer  Kenntnis  der  verwackelten  Amtsver- 
hältnisse  Kursachsens  könnte  man  zu  der  Ansicht  kommen: 
vielleicht  w'ollte  der  Zeichner  andeuten,  dafs  die  von  ihrem 
Amte  abgelegenen  Orte  nach  ihrer  Amts  -  Hauptstadt  freies 
Geleit  gehabt  hätten?  Zunächst  wäre  es  dann  richtiger  ge- 
wesen, die  farbigen  Parallelen  den  Strafsenzügen  folgen  zu 
lassen  und  ein  auf  obiges  Verhältnis  bezugnehmendes  Zfeichen 
dabei  anzubringen,  sodann  müsste  bei  der  ,, Erklärung  derer 
Zeichen",  die  fast  jeder  Karte  beigegeben  ist,  eine  dies- 
bezügliche Bemerkung  zu  finden  sein.  Auch  würde  man  in 
den  kurfürstlichen  Mandaten  über  Geleitssachen  vergeblich 
nach  Belegen  für  die  angenommene  Befreiung  vom  Geleite 
suchen.  Die  Orte,  in  welchen  ein  ,, Haupt  Gleite,  Bey  Gleite 
oder  ein  Zoll"  war,  sind  durch  die  Zeichen  ^1^^,  tXI  oder  ^J% 
kenntlich  gemacht.  ^p^  T\ 

3.  Auch  die  kirchliche  Zugehörigkeit  wird  durch  andere 
Zeichen  ausgedrückt,  als  durch  die  Farbe,  nämlich  durch  dünne, 

schwarze,    ausgezogene    oder    punktierte    Linien.      „o  Filial 

Kirche  welche  allzeit  mit  einer  geraden /Linie  an  ihrer 
Haupt  Kirche  henget.  —  Diese  Punkte  laufen  mediate 
oder  immediate  zu  der  Kirche  wohin  die  Orte  eingepfarrt." 
(Meifsner  Kreis   1757   [Nr.  8].) 

Mit  Strafsenzügen,  Geleit  oder  Zoll  und  kirchlichen  Ver- 
hältnissen haben  also  die  merkwürdigen  farbigen  Gebilde 
nichts  zu  tun.  P.  Schenk  sagt  auf  einigen  Kartenblättern 
selbst,  welche  Bedeutung  die  Parallelen  haben  sollen. 

Auf  der  Karte  des  ,,Ertzgebürgischen  Kreises  usw.  1761" 

(Nr.  19)  steht:   ,, Ammts  oder  Herrschaffts  Grentzen 

so  mit  besondern  Farben  nicht  völlig  den  gantzen  Ort  um- 
schliessen  so  gehöret  selbiger  auch  nicht  völlig  dahin".  Ebenso 
schreibt  P.  Schenk  auf  der  vierteiHgen  Karte  des  Markgrafen- 


Kleinere  Mitteilun<jen.  163 

tums    Oberlausitz    1759    (Nr.  38):    ,, Kreis -Ammts 

oder  Herrschaftts  Grentzen  welche  mit  den  Farben  deutlich 
unterschieden  werden  und  wo  mehr  Aemter  oder  Herrschafften 
an  einem  Orte  zugleich  Theil  haben,  müssen  solche  die  bey- 
sammen  stehenden  mehrere  Farben  andeuten,  wo  die  Farben- 
strichlein  nicht  völlig  über  den  ganzen  Ort  gehen,  gehört 
auch  der  ganze  Ort  nicht  völlig  dahin".  Besonders  gute 
Beispiele  sind  Gelen  au  auf  der  Karte  des  Gebürgisch. 
Kreisses  1758  (Nr.  19),  Zeichen  b.  Wehlen  auf  der  Karte 
des  Meissn.  Kreises  1754  (Nr.  8),  ebenda  Ottendorf  und 
Grofs  Ockrilla,  Schmorckau.  Ein  Gewimmel  von  Pa- 
rallelen zeigen  die  Ämter  Colditz,  Leisnig,  Rochlitz^  Schulamt 
Grimma  (von  Tob.  Conrad  Lotter  [Nr.  17])  und  die  Ämter 
Meifsen  ,,als  Creys-  Procuratur-  Schul-  und  Stifts  Ammt  — " 
usw.  (P.  Schenk  1750  [Nr.  8]).  Auf  der  letztgenannten  Karte 
ist  namentlich  das  Amt  Nossen,  als  Erbe  des  Klosters  Alten- 
zelle, ein  zum  Lachen  reizendes  Gebilde. 

Die  farbigen  Parallelen  sind  also  eine  kartographische 
Schrulle  mit  der  allemigen  Bedeutung,  dafs  die  dadurch  ver- 
bundenen Orte  oder  Ortsgruppen  nebst  faustzeichnerisch  ab- 
gegrenzten Fluren  dem  dieselbe  Farbe  tragenden  Amte  zu- 
gehörig zu  betrachten  sind.  Selbstverständlich  ergeben  sich 
zwischen  den  genau  geführten  Amtserbbüchern,  Schocksteuer- 
katastem  usw.  und  den  Karten  Unterschiede.  Als  Grund 
hierfür  kann  man  wohl  zunächst  die  Ungenauigkeit  der  Auf- 
nahme annehmen,  sodann  aber  auch,  weil  zwischen  Karten- 
aufnahme und  Kartenzeichnung  gewöhnlich  ein  gröfserer  Zeit- 
abschnitt lag,  in  welchem  sicher  Veränderungen  in  den 
Gerichts-,  Verwaltungs-,  Steuer-  und  Dienstverhältnissen  vor- 
gekommen sind. 


5.  Napoleons  Zusammentreffen  mit  der  sächsischen 
Königsfamih'e  (14.  Oktober  1813J. 

Von  A.  Frhr.  v.  Welck. 

Über  die  Begegnung  Napoleons  mit  der  sächsischen 
Königsfamilie,  die  am  14.  Oktober  181 3  auf  freiem  Felde  vor 
Leipzig  stattfand,  bringen  die  ,, Kriegs -Erinnerungen  eines 
französischen  Offiziers"*)  eine  kurze  Erzählung,  die  wir  hier 


')  Commandant    Parquin,    Souvenirs    et    Campagnes    d'un 
vieux  Soldat  de  TEmpire  1803—14.    Paris,  Berger- Levrault.    1903. 


II 


i54  Kleinere  Mitteilungen. 

folgen  lassen,  da  die  gegebenen  Einzelheiten  u.  W.  unbekannt 
sind  oder  wenigstens  nirgends  veröffentlicht  wurden. 

Napoleon  hatte  sich  nach  mehrtägigem  Aufenthalt  in 
Düben  am  14.  Oktober  früh  nach  Leipzig  begeben.  Der  Ent- 
schlufs,  dort  den  Verbündeten  eine  Entscheidungsschlacht  zu 
liefern,  war  zur  Reife  gediehen.  Gegen  Mittag  langte  er  von 
Leipzig  auf  der  aus  der  Grimmaischen  Vorstadt  nach  Würzen 
führenden  Strafse  zu  dem  Zeitpunkte  an,  als  sich  das  Gefecht 
bei  Liebertwolkwitz  vmd  Wachau  entspann  und  verweilte 
während  desselben  hier.  Fain  schreibt^):  ,,I1  met  pied  ä  terre 
dans  les  champs,  non  loin  de  Reudnitz,  et  ordonne  qu'on 
etablisse  son  quartier -general  dans  ce  village,  au  pavillon  de 
M.  M.  Wester"  (soll  heifsen:  Vetter).  Hier,  also  auf  freiem 
Felde,  in  der  Nähe  von  Reudnitz,  fand  die  Begegnung  statt. 
Schimpff-)  bezeichnet  den  Ort:  ,,....  verweilte  der  Kaiser 
auf  freiem  Felde  zur  Linken  der  Strafse,  die  nach  Taucha 
und  Würzen  führt".  Wir  lassen  nun  den  Commandant  Parquin 
erzählen:  ,,Am  13.  Oktober  (es  war  aber  am  14.)  1813  bi- 
vouakierte  der  Kaiser  mit  der  Garde  ^/^  Meile  von  Leipzig.  Ich 
(Parquin)  befehligte  die  Abteilung  der  Chasseurs''),  die  den 
Dienst  hatte,  und  um  4  Uhr  sah  ich  eine  Schwadron  der  Leib- 
garde (gardes  d'honneur)  herantraben,  die  den  König  von 
Sachsen  und  seine  Familie  auf  der  Reise  von  Dresden  nach 
Leipzig  begleitete*).  Sobald  als  der  Kaiser  die  Staubwolke 
bemerkt  hatte,  begab  er  sich  zu  Fufs  etwa  50  Schritte  aut 
der  Strafse  in  dieser  Richtung  vor  und  wollte  dem  König 
noch  weiter  entgegen  gehen,  aber  die  Sächsische  Majestät 
hatte  bereits  den  Wagen  verlassen  und  ging  unbedeckten 
Hauptes  gerade  auf  den  Kaiser  zu.  Ich  sehe  noch  den  König 
von  Sachsen,  ein  grofser,  schöner  Greis  (vieillard)  mit  ge- 
pudertem Haar  und  Zopf.  Er  war  mit  einer  weifsen  Uniform 
bekleidet  und  trug  zwei  Uhren,  deren  grofse  Ketten  bis  auf 
die  Oberschenkel  herabhingen.  Er  beeilte  sich  so  sehr  als 
möglich,  die  Handschuhe  auszuziehen,  um  dem  Kaiser  die 
Hand  zu  reichen.  Aber  dieser  umarmte  ihn,  indem  er  ihn 
mit  , Bruder'  anredete,  und  begab  sich  mit  ihm  an  den  Wagen 


1)  Fain,  Manuscrit  de  1813  (Paris  1829)  II,  384, 

-)  V.  Schimpff,  1813.  Napoleon  in  Sachsen  (Dresden  1894) 
S.  246. 

'')  Chasseurs  ä  cheval  de  la  garde;  im  Felde  bekannter  unter 
dem  Namen:  Guides. 

**)  Nach  Gretschel,  Geschichte  des  Sächsischen  Volkes  und 
Staates  (Leipzig  1853)  III,  518  bestand  diese  Eskorte  aus  polnischen 
Gardeulanen,  französischen,  westphälischen  und  sächsischen  Garden. 


Kleinere  Mitteilungen,  165 

der  Königin  von  Sachsen.  Zur  Linken  der  Königin  safs  ihre 
Tochter,  die  Prinzessin  Auguste.  Meine  Nähe  vom  Kaiser, 
der  übrigens  mit  den  fürstlichen  Damen  ziemlich  laut,  an  dem 
geöffneten  rechtsseitigen  Wagenschlag  stehend,  sprach,  ge- 
stattete mir  diese  Worte  zu  hören:  ,Sir',  sagte  die  Königin, 
,wie  befindet  sich  die  Kaiserin  und  der  König  von  Rom?' 
,Alle  befinden  sich  wohl',  erwiderte  der  Kaiser,  ,ich  habe 
gestern  Abend  Nachrichten  erhalten'.  ,Sie  werden  morgen 
eine  Schlacht  schlagen,  Sire?'  sagte  die  Königin.  ,Ja,  ich 
glaube  es'.  ,Und  Sie  werden  sie  gewinnen',  fügte  Prinzessin 
Auguste  bei.  ,Ach,  da  sieht  man  die  Frauen:  sie  zweifeln 
an  nichts;  aber  man  mufs  es  hoffen!' 

Der  Kaiser  grüfste  seine  hohen  Wirte,  welche  nach  der 
Stadt  zurückkehrten  (?),  und  er  selbst  begab  sich  auch  nach 
Leipzic 


lg- 


Literatur. 


Johann  Friedrich  der  Grofsmütige.  1503 — 1554.  Erster  Teil,  Johann 
Friedrich  bis  zu  seinem  Regierungsantritt  1503 — 1532.  Festschrift 
zum  400jährigen  Geburtstage  des  Kurfürsten  namens  des  Vereins 
für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  herausgegeben 
von  der  thüringischen  histor.  Kommission.  Bearbeitet  von  Dr.  Weorg 
Mentz,  a.  o.  Professor  an  der  Universität  Jena.  Mit  dem  Bildnis 
Johann  Friedrichs  als  Bräutigam.  Jena,  Gustav  Fischer.  1903.  XII, 
142  SS.    go. 

Eine  Biographie  des  Kurfürsten  Johann  Friedrich,  die  das  um- 
fängliche Aktenmaterial  sorgfältig  verarbeitet,  ist  ein  unleugbares 
wissenschaftliches  Bedürfnis  und  wird  bei  der  Rolle,  die  dieser 
Fürst  in  unserer  Reformationsgeschichte  spielt,  auch  aufserhalb 
Sachsens  lebhaftes  Interesse  wecken.  Die  thüringische  historische 
Kommission  hat  sich  durch  Veranlassung  dieses  Werkes  (anläfslich 
des  400jährigen  Geburtstages  J.  F.s)  ein  Verdienst  erworben,  und 
der  Verfasser  hat  für  die  aufserordentlich  kurze  Zeit,  die  ihm  zur 
Verfügung  stand,  Anerkennenswertes  geleistet  Beträchtliche  Akten- 
gruppen, die  sowohl  für  die  allgemeine  Reformationsgeschichte,  als 
für  die  sächsischen  Verhältnisse  interes.sante  Aufschlüsse  geben,  sind 
hier  zum  erstenmal  systematisch  ausgeschöpft.  Dadurch  fällt  manches 
neue  Licht  auf  wichtige  Vorgänge,  ohne  freilich  —  wie  uns  scheint  — 
die  bisherigen  Anschauungen  in  entscheidenden  Punkten  zu  korri- 
^eren:  so  auf  die  Friedensverhandlungen  nach  dem  Augsburger 
Reichstag,  speziell  das  Verhältnis  der  Theologen  und  der  protestan- 
tischen Fürsten  dabei;  dann  auf  die  sächsisch -hessischen  Verhand- 
lungen anläfslich  der  Packschen  Enthüllungen,  vor  allem  auf  die 
Vorgeschichte  der  Wahl  Ferdinands  zum  römischen  König,  gegen 
die  Johann  Friedrich  mit  besonderem  Eifer  arbeitete.  Leider  wird  die 
Übersichtlichkeit  der  Darstellung  durch  eine  unnatürliche  Vertei- 
lung stark  beeinträchtigt:  in  Kapitel  II  werden  die  Aktionen  J.  F.s 
auf  religionspolitischem  Gebiet  behandelt,  in  Kapitel  III  die  auf  den 
übrigen  Gebieten  der  Politik.  Faktisch  läfst  sich  beides  gar  nicht 
trennen,  ohne  dafs  man  wichtige  Ereignisse  (z.  B.  Reichstage)  zwei- 
mal und  zwar  jedesmal  unvollständig  behandelt. 

Es  ist  jedenfalls  nicht  die  Schuld  des  Verfassers,  dafs  wir  über 
die  Persönlichkeit  J.  F.s  als  Kurprinz  schliefslich  recht  wenig  Auf- 
schlüsse bekommen.  Sobald  er  in  die  Politik  aktiv  eingrifl,  war  er  an 
detaillierte  Instruktionen  gebunden.  Auch  seine  jugendgeschichte 
ist  eigentlich  nur  für  die  Frage  der  damaligen  Prinzenerziehung 
ergiebig.     Von  individuellen  Zügen  treten  uns,  von  Mentz  selbst  mit 


Literatur.  167 

Recht  hervorgehoben,  seine  Sclireibseligkeit  und  FreiKle  am  Ent- 
werfen umfassender  Denkschriften,  ein  lebhaftes  miHtärisches  Inter- 
esse, und  wiederholt  eine  gewisse  Kleinhchkeit  und  Spitzfindigkeit 
entgegen,  die  sich  auf  Nebensächhchkeiten  versteift,  verbunden 
freilich  mit  einer  unleugbaren  Schlagfertigkeit.  Recht  interessant 
sind  J.  F.s  Anschauungen  über  die  Gehorsamspflicht  gegen  den 
Kaiser,  seine  Stellung  zu  der  Türkenfrage  und  seine  anscheinende 
allmähliche  Emanzipation  von  Luthers  Leitung  in  politischen  Fragen, 
—  eine  Tatsache,  die  Menz  wohl  nicht  genügend  hervorhebt,  die 
aber  doch   Luthers  Urteil   beim  Tode  Johanns  verständlich  macht. 

Wenn  Menz  nicht  für  emen  bestimmten  Termm  etwas  Fertiges 
hätte  liefern  müssen,  so  hätte  er  gewifs  nicht  die  Vorgeschichte 
J.  F.s  gesondert  herausgegeben.  Er  wäre  dann  auch  nicht  erst  in 
Versuchung  geraten,  gewissermafsen  zur  Füllung  vieles  zu  berichten, 
was  wirklich  weder  interessant,  noch  historisch  bedeutsam  ist,  und 
auf  vmvollkommenes  Material  rein  vermutungsweise  hypothetische 
Beobachtungen  zu  begründen.  Wozu  z.  B.  die  genaue  Aufzählung 
von  J.  F.s  Turnieren,  die  ermüdende  Ausführlichkeit  bei  der  Ver- 
heiratungsfrage (9  Seiten!),  die  Registrierung  aller  belanglosen  poli- 
tischen Mitwirkungen  J.  F.s,  die  übermäfsig  detaillierten  Darstellungen 
der  Verhandlungen  hin  und  her,  sobald  der  Kurprinz  irgendwie 
daran  beteiligt  war?  Darüber  geht  der  Schrift  öfters  der  Charakter 
als  Biographie  zu  sehr  verloren,  ohne  dafs  nun  ein  anderer  klarer 
Gesichtspunkt  bei  Auswahl  und  Ausführlichkeit  leitete.  Vor  allem 
tritt  infolgedessen  das  eigentlich  Wichtige  nicht  genügend  hervor, 
und  endlich  verliert  der  Leser,  der  nicht  direkt  wissenschaftliche 
Interessen  hat,  leicht  gar  die  Lust,  die  Darstellung  zu  Ende  zu  lesen. 
Hoifen  wir,  dafs  dieser  Mangel  an  Ökonomie  und  politischem  Augen- 
mafs  in  der  Fortsetzung  des  Baches  verschwindet,  sonst  wird  es 
allein  schon  durch  seinen  Umfang  einen  Teil  der  verdienten  Wirkung 
einbüfsen. 

Auch  in  den  Aktenbeigaben  am  Schlufs  scheint  uns  des 
Guten  etwas  zu  viel  getan.  Weitaus  am  interessantesten  sind  Nr.  16 
und  17,  zwei  Denkschriften  über  die  notwendigen  militärischen  Mafs- 
nahmen  einer  evangelischen  Koalition  und  des  ernestinischen  Fürsten- 
tums aus  dem  Jahre  1529. 

Dresden.  Goerlitz. 

IJeiti'äge  zur  Reformatioiisgeschichte  aus  Büchern  und  Hand- 
schriften der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek.  Von  Lic.  Dr.  Otto 
Giemen ,  Gymnasialoberlehrer  in  Zwickau.  Drittes  Heft.  Berlin, 
C.A.Schwetschke  &  Sohn.    1903.    IV,  115  SS.    8«. 

Haben  schon  die  früheren  zwei  Hefte  der  vorliegenden  Zeit- 
schrift eine  Fülle  interessanter  Einzelergebnisse  geliefert,  so  ist  das 
Schlulsheft  dadurch  von  besonderer  Bedeutung,  dafs  auf  sieben  eng- 
gedruckten, zweispaltigen  Seiten  das  Namenregister  den  ganzen  In- 
halt bequem  aufschliei'st.  Gerade  für  die  sächsischen  Gebiete,  die 
ernestinischen  wie  die  albertinischen,  Vv^ird  über  die  Entwicklung  des 
Humanismus,  der  Schul-  und  Kirchengeschichte  reicher  Stoff  geboten. 
Von  den  Anhängern  der  alten  Kirche  seien  Luis  Marliano,  Bischof 
von  Tug,  Cochlaeus,  Eisenberg  erwähnt.  Zahlreicher  sind  die  Ver- 
treter der  neuen  Lehre,  dabei  manch  „munterer  und  gescheuter 
Lutherischer  Grünschnabel".  Luthers  Romreise  betrift't  ein  Verzeich- 
nis der  Stationen  einer  Pilgerfahrt  von  Nürnberg  nach  Rom  (S.  89); 


j58  Literatur. 

als  Verfasser  der  Passio  Doctoris  Martini  Lutheri  wird  Hermann  von 
dem  Busche  vermutet,  als  Zeit  der  Entstehung  der  Sommer  zwischen 
Juni  und  September  1521  nachgewiesen;  über  Bilder  des  Reformators 
werden  eine  Reihe  von  Angaben  gemacht.  Mit  Interesse  liest  man, 
dal's  Mosellanus  in  Leipzig  und  Melanchthon  in  Wittenberg  in  den 
Jahren  1522  und  1523  Handschriften  aus  der  Bibliothek  des  Boguslav 
von  Hassenstein  aus  Kommotau  benutzt  und  darnach  Ausgaben  ver- 
anstaltet haben.  Über  das  Leben  des  ersten  evangelischen  Pfarrers 
in  Teuchern,  Anton  Zimmermann,  werden  eingehende  Mitteilungen 
dargeboten.  In  der  Visitation  von  1528  wird  er  als  Pfarrer  von 
Meuselwitz  bei  Altenburg  sehr  günstig  beurteilt.  Fünf  Schriften  von 
diesem  selbständig  denkenden  Lutheraner  werden  in  der  Bibliographie 
aufgeführt.  Joh.  Freisleben  interessiert  uns  als  Verfasser  einer  Schrift 
gegen  das, Salve  Regina,  sowie  wegen  seiner  Beziehungen  zu  Caspar 
Löner  in  Ölsnitz  und  Georg  Rauth  in  Plauen.  Auch  zu  des  letzteren 
Biographie  werden  Beiträge  geliefert.  Die  ziemlich  unklare  Gestalt 
des  Johann  Gulden  (Aureus)  wird  auf  Grund  von  verschiedenartigen 
Nachrichten  deutlicher :  erwähnt  sei,  wie  er,  vom  Kurfürsten  auf  der 
Leuchtenburg  interniert,Wiedertäufer  unterrichtet.  Georg  von  Rotschitz 
aus  Weifstropp,  der  1507  in  Leipzig  immatrikuliert  wurde,  später  als 
Syndikus  das  Meifsner  Domkapitel  vertritt,  wird  in  seiner  literarischen, 
wie  Verwaltungstätigkeit  geschildert.  Aus  den  Analekten  sei  Cru- 
cigers  Gutachten,  Zelle  1548,  aus  den  Ergänzungen  und  Berichtigungen 
die  Anmerkung  über  Anton  Musa  herausgehoben.  Der  Verfasser 
verspricht  die  ihm  so  lieb  gewordene  Arbeit  im  Archiv  für  Refor- 
mationsgeschichte fortzusetzen,  das  W.  Friedensburg  in  dem  gleichen 
Verlage  zu  veröffentlichen  beginnt. 

Leipzig.  Georg  Müller. 

Beiträge  zur  Lebensgescliichte  you  Ehrenfried  Walter  von  Tschirn- 
haus. Von  Prof.  Dr.  Curt  Reinhardt.  Wissenschaftliche  Beilage 
zum  Jahresbericht  der  Fürsten-  und  Landesschule  St.  Afra  in 
Meifsen.    1903.    35  SS.    4". 

Der  Mathematiker  der  Meifsner  Fürstenschule,  mit  der  Samm- 
lung des  Materials  für  eine  Biographie  seines  berühmten  Fachgenossen 
beschäftigt,  berichtet  in  dieser  Vorstudie  über  die  Quellen  zur  Lebens- 
geschichte von  Ehrenfried  Walther  von  Tschirnhaus  und  über  den 
Briefwechsel  zwischen  ihm  und  Leibniz.  Die  im  Jahre  1709  in 
Görlitz  erschienene  „Lebens-  und  Todes-Geschichte  des  Herrn  Ehren- 
fried Walter  von  Tschirnhaufs"  und  den  Nachruf  in  den  Actis 
Eruditorum  schreibt  Reinhardt  seinem  Gehülfen  Joharai  Melchior 
Steinbrück  zu;  mit  ihm  und  dem  Verfasser  der  „Lebensbeschreibung 
des  Weltberühmten  Herrn  Ehrenfried  Walther  von  Tschirnhaufs", 
dem  Sohn  des  dänischen  Mathematikers  Mohrendal,  hält  er  den  Guts- 
herrn von  Kiefslingswalde  und  Stolzenberg  für  den  eigentlichen  Er- 
finder des  sächsischen  Porzellans.  Johann  Friedrich  Böttger  selbst 
scheint  dies  zu  bestätigen;  dafs  Tschirnhaus  „ein  kleines  Porzellan- 
becherchen  gemacht",  versichert  er  in  einem  Briefe  vom  14.  Oktober 
1708.  Wertvolle  Nachrichten  über  Tschirnhausens  technische  und 
wissenschaftliche  Unternehmungen,  die  Einführung  der  Glasmanufaktur 
in  Sachsen,  die  Errichtung  einer  mit  Wasserkraft  betriebenen  Schleif- 
und Poliermühle  in  Dresden,  in  welcher  mächtige  Linsen  und  Spiegel, 
Marmorplatten  und  Tafeln  von  „Landedelsteinen"  geschnitten  und 
poliert  wurden,  das  Projekt  der  Errichtung  einer  Porzellanmanufaktur, 


Literatur.  i6q 

der  Boraxfabrikation,  Vorschläge  zur  Verbesserung  der  Öfen  beim 
Blaufarbenwerk,  bei  dem  Salzwerk  und  im  Braugewerbe,  die  Grün- 
dung einer  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften,  enthalten 
die  Akten  des  Dresdner  Hauptstaatsarchivs;  Tschirnhaus  stand  als 
vermeintlicher  Goldmacher  bei  August  dem  Starken  und  dem  Fürsten 
von  Fürstenberg  in  hoher  Gunst,  und  König  und  Statthalter  nahmen 
an  seinen  Experimenten  und  Projekten  den  lebhaftesten  Anteil.  Leider 
ging  seine  Korrespondenz  nach  seinem  Tode  bei  dem  über  sein  Ver- 
mögen verhängten  Konkurse  zum  gröfsten  Teil  verloren;  nur  einige 
Manuskripte  wurden  ausgewählt  und  dem  Haui)tstaatsarchiv  und  der 
Kgl.  Kunstkammer  überwiesen;  der  Rest  ist  bis  auf  einige  in  der 
Briefsammlung  der  Oberlausitzer  Gesellschaft  der  Wissenschaften  be- 
findliche Bruchstücke  verschollen.  Tschirnhausens  Korrespondenz 
mit  Spinoza  wurde  1677  anonym  und  1895  von  J.  van  Vloten  und 
J.  P.  N.  Land,  sein  Briefwechsel  mit  Leibniz  von  C.  J.  Gerhardt  1859 
und  1899  unvollständig  herausgegeben;  Reinhardt  ergänzt  deshalb 
letzteren  im  zweiten  Teil  seiner  Abhandlung.  Leibnizens  Brief  vom 
2.  Oktober  1694  weicht  im  Original,  das  in  Görlitz  ruht,  vom  Konzept 
nicht  unwesentlich  ab;  der  Freund  bittet  Tschirnhaus  darin  „miib 
ein  Stückgen  von  Ihrem  mit  dem  Brennglafs  tractirten  Porcellan, 
darauf!:"  das  angeflogene  Gold,  weil  man  dabey  siehet,  dafs  gleichwohl 
das  Gold  dem  glase  die  Farbe  mittheilet".  Es  handelt  sich  also 
hier,  wie  Reinhardt  bemerkt,  nur  um  eine  Färbung  der  Glasur  eines 
Stückes  chinesischen  Porzellans,  nicht  wie  Berling  auf  Grund  der 
im  Konzept  stehenden  Worte  „geschmolzenen  Porzellans"  annahm, 
um  eine  Schmelzung  des  Stückes  zu  einer  Glastritte, 

Dresden.  Paul  Haake. 


Sachsen  und  die  Gefahr  einer  schwedischen  Invasion  im  Jahre  1700. 

Leipziger  Inaugural-Dissertation  von  Arno  trtinther.    Pegau,  Her- 
mann Günther.    1903.    96  SS.    8". 

Während  Ernst  Frhr.  v.  Friesen  in  seinem  1901  erschienenen, 
im  23.  Bande  dieser  Ztschr.  S.  161  und  162  von  mir  besprochenen 
Buche  „Die  Lage  in  Sachsen  während  der  schwedischen  Invasion 
1706 — 1707  undder  Friede  von  Altranstädt"  den  Rückzug  Schulen- 
burgs  vor  den  Schweden  im  Herbst  1706,  die  Mission  Imhoffs  und 
Pfingstens,  den  Besuch  Karls  XII.  in  Dresden  am  6.  September  1707 
und  noch  manches  andere  ziemlich  oberflächlich  behandelt,  beschränkt 
sich  der  Verfasser  der  vorliegenden,  ungefähr  gleich  starken  Disser- 
tation auf  die  Gefahr  der  schwedischen  Invasion,  benutzt  aber  aufser 
dem  Dresdner  Hauptstaats-  und  Kriegsarchiv  auch  das  schwedische 
Reichs-  und  Kriegsarchiv  in  Stockholm  und  erschöpft  im  wesent- 
lichen sein  Thema.  Es  ist  kein  von  grofsen  Gesichtspunkten  er- 
fülltes, aber  fleifsiges  und  zuverläfsiges  Buch  —  gegenüber  dem 
Friesenschen  ein  Werk  umfassender  und  eindringender  Methode. 

Günther  skizziert  zunächst  die  äufsere  und  innere  Politik  Augusts 
des  Starken  vom  Ausbruch  des  nordischen  Krieges  bis  zur  Schlacht 
von  Fraustadt,  immer  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Abwehr  der 
drohenden  schwedischen  Invasion ;  nicht  alle  V'orsichtsraafsregeln  des 
Königs  werden  aufgeführt;  in  der  langen  Reihe  der  Kabinettsreskripte, 
welche  die  Lokate  7040 — 7059  des  Dresdner  Hauptstaatsarchivs  füllen 
und  auf  die  hier  nochmals  alle  seine  Regierung  bearlieitenden 
Forscher  hingewiesen  sein  mögen ,  findet  sich  manches,  das   hätte 


I70 


Litertitur. 


erwähnt  werden  können.  Günther  schildert  dann  die  Bestürzung 
der  Sachsen  im  Jahre  1706,  bringt  neue  Zeugnisse  für  die  Unpopu- 
larität  der  Polenherrschaft  Augusts  des  Starken  bei  seinen  Lands- 
leuten und  beweist  die  völlige  Wehrlosigkeit  des  Kurfürstentums 
gegenüber  einer  feindlichen  Invasion;  sie  war  so  vollkommen,  dais 
das  Geheime  Konsilium  dem  Könige  unter  Verzicht  auf  die  polnische 
Krone  zum  Frieden  zu  raten  wagte.  Da  Kulsland  sich  weigerte, 
August  den  Starken  bei  einer  neuen  Offensive  gegen  Rehnsköld  mit 
Truppen  zu  unterstützen ,  der  Wiener  und  Berliner  Hof,  Dänemark 
und  das  Reich  sich  wohl  hüteten,  durch  allzu  lebhaftes  Eintreten 
für  den  Wettiner  sich  Karl  XII.  gleichfalls  zum  Feinde  zu  machen, 
und  die  Seemächte  aus  Rücksicht  für  ihre  Verbündeten  Freundschaft 
mit  Schweden  hielten,  so  sah  sich  August  der  Starke  auf  sich  allein 
angewiesen,  zog  aber  gleichwohl  alle  verfügbaren  Truppen,  vor 
allem  die  Kavallerie,  aus  Sachsen  nach  Polen,  um  in  erster  Linie 
das  Königreich  gegen  die  Schweden  zu  halten;  sein  Kurfürstentum 
hoffte  er  durch  Fortschaffung  aller  Lebensmittel  in  die  Festungen 
und  das  Aufgebot  der  gesamten  waffenfähigen  Mannschaft  (12000  bis 
18000  Mann)  vor  einer  längeren  feindlichen  Besetzung  zu  schützen. 
Aber  nc^h  ehe  die  dahingehenden  Befehle  ausgeführt  wurden,  über- 
schritten die  Schweden  die  Grenze  und  machten  sich  binnen  kurzem 
zu  Herren  des  Landes. 

Den  Rückzug  Schulenburgs  vor  Karl  XII.  schildert  Günther 
nicht  mehr;  hoffentlich  soll  er  mit  dem  Frieden  von  Alt-Ranstädt 
und  der  Kontributionsfrage  den  Gegenstand  weiterer  Studien  bilden. 
Friesen  hat  diese  Fragen  keineswegs  gelöst;  ihn  zu  widerlegen  und 
zu  überholen  ist  Günther  wohl  der  rechte  Mann  —  nur  mufs  er  sich 
vor  einer  allzu  günstigen  Beurteilung  Augusts  des  Starken,  die  er 
vermutlich  seinem  Lehrer,  Professor  Dr.  Buchholz  in  Leipzig,  ver- 
dankt, hüten.  Ein  starkes  geschlossenes  Territorium  aus  Sachsen 
zu  machen,  war  nicht  das  letzte  Ziel,  dem  August  zustrebte;  über 
den  Landes-  standen  ihm  stets  die  dynastischen  Interessen.  Wenn 
ich  das  in  meinen  Aufsätzen  über  seine  Jugenderinnerungen  und  die 
Regel  pour  la  posterrite  noch  nicht  klar  genug  zum  Ausdruck  ge- 
bracht haben  sollte,  so  bitte  ich  das  mit  dem  Aniangsstadium,  in 
dem  meine  Studien  über  August  den  Starken  damals  noch  standen, 
zu  entschuldigen;  wie  ich  jetzt  über  ihn  denke,  hoffe  ich  in  der  1902 
separat  erschienenen  Charakteristik  deutlich  genug  ausgesprochen 
zu  haben,  und  ich  habe  noch  keine  Veranlassung  gehabt,  an  dieser 
Auffassung  etwas  zu  ändern.  Wenn  Günther  Augusts  Projekt  eines 
Generalaufgebots  mit  dem  Volksheer  Scharnhorsts  vergleicht  und  in 
jenem  den  Geist  des  grofsen  militärischen  Reformators  wehen  zu  fühlen 
glaubt,  so  kann  ich  dies  nur  auf  Rechnung  eines  Vorurteils  setzen; 
es  war  weiter  nichts  als  eine  reorganisierte  Landmiliz,  die  August 
der  Starke  nach  dem  Muster  Preulsens  (vgl.  die  Verordnungen 
Friedrichs  I.  von  1701 — 1705  im  4.  Bande  des  HohenzoUernjahrbuchs 
S.  143 — 145)  zu  schaffen  versuchte;  sie  sollte  die  Verteidigung  Sachsens 
allein  übernehmen,  damit  die  stehende  Armee  möglichst  vollständig 
aufserhalb  seiner  Grenzen  Verwendung  rinden  könne.  Eine  „grofse" 
Periode  der  Geschichte  Sachsens  ist  mit  dem  Regierungsantritt 
Augusts  des  Starken  nicht  angebrochen,  eine  entscheidende  aber  ge- 
wifs.  Ihre  Bedeutung  liegt  darin,  dafs  die  Kluft  zwischen  der  Pohtik 
des  Fürsten  und  dem  Interesse  des  Landes  sich  nicht  schlols,  sondern 
erweiterte,  dafs  die  in  seiner  Hand  vereinigten  Kräfte  utopistischen 
Eroberungsplänen   dienten   und  niclit  dem  Wohle  des  Ganzen,  und 


Literatur. 


171 


dafs  August  der  Starke  bei  allen  Verdiensten  um  die  Hebung  des 
Wohlstandes  im  einzelnen  doch  die  Entwicklung  .Sachsens  zu  einem 
straff  und  einheitlich  zentralisierten  Staat  nicht  förderte,  sondern 
hemmte.  Bei  seinem  Regierungsantritt  hätte  er  in  weiser  Beschrän- 
kung auf  die  ihm  in  semer  Heimat  gestellten  Aufgaben  den  Vor- 
sprung, den  Brandenburg-Preufsen  als  politische  Macht  vor  Sachsen 
hatte,  vielleicht  noch  einholen  können;  bei  seinem  Tode  war  das 
Übergewicht  Preufsens  über  den  ihm  an  wirtschaftlicher  und  geistiger 
Kraft  sicher  ebenbürtigen  Nachbar  ebenso  entschieden  \\  ie  dasjenige 
Rufslands  über  das  zum  Unheil  beider  Länder  mit  Sachsen  ver- 
einigte Polen. 

Dresden.  Paul  Haake. 

Die  Krit'ge  Friedrichs  des  Grofseii.  Herausgegeben  vom  Grofsen 
Generalstabe,  Kriegsgeschichtliche  Abtheilung  IL  Dritter  Theil: 
Der  Siebenjährige  Krieg.  1756  — 1763.  IIL  Band:  Kolin. 
IV.  Band:  Grofs-Jägersdorf  und  Breslau.  Berlin,  E.  S.  Mitt- 
ler «&  Sohn.  1901,  1902  VIIL  231  u  24  SS.  8°,  mit  15  Plänen  und 
Skizzen.     X,  254  u.  52  SS.     8",  mit  12  Plänen  und  Skizzen. 

Der  erste  Teil  des  dritten  Bandes  beschäftigt  sich  mit  der  Belage- 
rung von  Prag,  dessen  Lage  nach  dem  preufsischen  Siege  vom  6.  Mai 
1757  sehr  besorgniserregend  war.  Das  Hauptgewicht  aber  liegt  auf  der 
Schlacht  von  Kolin.  den  sie  vorbereitenden  und  ihr  folgenden  Ereig- 
nissen. Über  diese  Schlacht  bez.  den,  durch  dessen  Schuld  sie  lür 
die  Preufsen  verloren  ging,  haben  von  jeher  beträchtliche  Meinungs- 
verschiedenheiten bestanden,  indem  man  bald  Friedrich  selbst,  bald 
den  Fürsten  Moritz  von  Anhalt,  bald  den  General  von  Manstein  verant- 
wortlich machen  wollte.  Auf  Grund  eines  umfassenderen  Materials, 
als  es  früheren  Darstellern  zu  Gebote  stand,  sucht  nun  das  General- 
stabswerk die  Frage  zu  lösen  und  entwickelt  in  meisterhafter  Klar- 
heit und  musterhafter  Unparteilichkeit  die  einzelnen  Phasen  des 
Kampfes.  Das  Urteil  über  die  Disposition  zur  Schlacht  ist  für  Friedrich 
durchaus  günstig.  Die  Überlegenheit  der  Österreicher  (54000  gegen 
33000  Preufsenj  und  ihre  unangreifbare  Stellung  auf  den  Höhen  süd- 
lich hinter  den  Dörfern  Blinka,  Brzezan  (Bfezan}),  Chozenitz  (Choce- 
nice),  Brzistwi  (Bristvi),  Krzeczhorz  (Kfechor)  verhinderte  einen 
FrontangrifF;  deshalb  beschlofs  Friedrich  auf  der  nördlich  jener  Dörfer 
parallel  zur  österreichischen  Stellung  hinziehenden  Kaiserstrafse  ost- 
wärts vorzurücken  und  dann  halbwegs  zwischen  Planian  und  Neu- 
Kolin  südwärts  abschwenkend  den  österreichischen  rechten  Flügel, 
wo  die  Höhen  eher  den  Zugang  ermöglichten,  allein  mit  voller  Kratt 
zu  treffen,  mit  seinem  rechten  Flügel  aber  jedes  Engagement  mit  dem 
feindlichen  linken  Flügel  zu  vermeiden.  Mit  grölster  Bestimmtheit 
erklärte  er  selbst  im  Gasthaus  zur  Goldenen  Sonne  (Zlati  Slunce)  un- 
weit vom  östlichen  Ende  des  Dorfes  Novemesto  i)  den  Generalen  seinen 
Plan  und  zeigte  ihnen  die  betreffenden  Punkte  im  Gelände.  Anfangs 
ging  auch  alles  gut;  Hülsen  eroberte  die  Krzeczhorzhöhe  auf  dem 
österreichischen  rechten  Flügel  und  bedrohte  die  Hauptstellung  auf 


')  Dieses  i.st  nicht  mit  dem  heutigen,  weiter  östlich  gelegenen 
Gasthaus  u  Slunce,  zur  Sonne,  identisch,  wie  bisher  angenommen 
worden  ist;  an  Stelle  des  heutigen  u  Slunce  lag  vielmehr  damals  eine 
Braditz  genannte  Ansiedelung. 


I  y  2  Literatur. 

der  Przerovskyhöhe  (Pferovsky)  südlich  hinter  Chozenitz.  Der  süd- 
östliche Marsch  der  preufsischen  Armee  an  der  österreichischen 
Stellung  vorbei  ward  aber  nicht  durchgeführt,  doch  vollzog  Fürst 
Moritz  seine  südHche  Einschwenkung  nicht  eigenmächtig,  sondern 
die  Änderung  der  Anmarschdispositionen  geschah  mit  Wissen  und 
Willen  des  Königs'),  um  durch  zu  weites  Ausbiegen  nach  Osten 
nicht  das  Eingreifen  in  Hülsens  Kampf  südlich  Brzistwi  auf  der 
Krzeczhorzhöhe  zu  verzögern.  Das  Verhängnisvolle  war  vielmehr, 
dafs  Manstein  ganz  aus  der  Marschlinie  ausbrach,  das. rechts  der 
Kaiserstraise  unmittelbar  vor  der  Hauptstellung  der  Österreicher 
liegende  Chozenitz  angriff  und  eroberte  und  weiter  gegen  die  Haupt- 
stellung  selbst  vorging,  ein  Kampf,  in  den  das  preufsische  Zentrum  und 
der  rechte  Flügel  verwickelt  wurde.  So  war  gegen  des  Königs  Willen 
aus  dem  glücklich  begonnenen  Angriff  des  österreichischen  rechten 
Flügels  doch  der  schwierige  Frontangriff  geworden,  und  dieser  — 
mit  unzulänglichen  Kräften  gegen  eine  äulserst  schwierige  Stellung 
unternommen  —  scheiterte  nicht  nur,  sondern  entzog  zugleich  dem 
bisher  erfolgreichen,  aber  an  und  für  sich  zu  schwachen  und  durch 
schwere  Verluste  geschwächten  preufsischen  linken  Flügel  die  un- 
umgänglich nötige  Unterstützung  zur  Fortführung  seiner  Offensive. 
Unklar  war  die  Anregung  zu  Mansteins  Entschlufs,  ob  es  ein  direkter 
vom  Flügeladjutanten  von  Varenne  überbrachter  Befehl  des  Königs 
w^r,  der  ihn  zum  Angriff  auf  Chozenitz  veranlafste,  oder  nicht. 
Das  General  Stabswerk  entscheidet  sich  dafür,  dafs  eine  persönliche 
Bemerkung  des  nach  dem  rechten  Flügel  reitenden  Varenne  von 
Manstein  mifsverständlich  als  Befehl  des  Königs  aufgefafst  wurde. 
Die  Schlacht  von  Kolin  ist  für  die  sächsische  Heeresgeschichte  von 
besonderem  Interesse,  weil  nach  der  landläufigen  Darstellung  (z.  B. 
Weifse,  Gretschel-Bülau,  Böttger-Flathe  u.  a.)  es  die  1756  in  Polen 
stehenden,  deshalb  in  die  Kapitulation  am  Lilienstein  nicht  inbegrif- 
fenen Chevauxlegers- Regimenter  Prinz  Karl,  Prinz  Albrecht  und 
Graf  Brühl  waren,  die  das  Geschick  des  Tages  wendeten  und  damit 
die  österreichische  Monarchie  retteten ,  während  Friedrich  selbst  in 
der  Histoire  de  la  guerre  de  sept  ans  die  Sachsen  mit  keinem  Worte 
erwähnt  und  die  Ehre  des  selbständigen  Entschlusses  zu  dem  Reiter- 
angriff dem  österreichischen  Obersten  d'Ayasasa  zuschreibt.  Das 
Generalstabswerk  stellt  die  Angelegenheit  in  das  rechte  Licht,  in- 
dem es  die  sonstigen  Umstände,  die  zur  preufsischen  Niederlage  bei- 
trugen, darlegt,  aber  auch  dem  bemerkenswerten  Anteil  der  säch- 
sischen Reiter,  besonders  des  Oberstleutnants  von  Benckendorff'  mit 
seinen  Prinz  Karl -Chevauxlegers  volle  Gerechtigkeit  widerfahren 
läfst.  Die  braven  Regimenter,  die  sich  schon  bei  Gang  und  Kutten- 
berg am  5.  und  13  Juni  bewährt  hatten,  widerlegten  hier  glänzend 
Friedrichs  kurz  zuvor,  bei  der  Meldung  ihres  Eintreffens,  gemachte 
spöttische  Bemerkung,  dafs  sie  „gewifs  nicht  die  Eisenfresser  sein" 
würden.  Auch  der  folgende  Inhalt  des  Bandes  ist  für  die  sächsische 
Geschichte  wichtig,  betrifft  er  doch  die  Ereignisse  in  der  Oberlausitz 
im  Juli  und  August  1757  mit,  so  auch  die  Kämpfe  um  Zittau.  Hier- 
bei ist  es  eine  streitige  Frage,  wen  die  Verantwortung  für  das  un- 


')  Die  Darstellung  des  Generalstabswerks  betreffs  des  Verhaltens 
des  Fürsten  Moritz  beruht  auf  den  eingehenden  Untersuchungen  Janys 
über  das  Gaudische  Journal,  die  in  dieser  Zeitschrift  XXIV,  189  be- 
sprochen sind. 


Literatur. 


173 


selige  Bombardement  trifft,  das  die  blühende  Industriestadt  vollständig 
in  Asche  legte  und  damals  überall  Unwillen  und  Mitleid  erregte,  ob 
den  preufsischen  Obersten  Diericke  infolge  erlogener  Behauptungen 
über  die  Haltung  der  Einwohner  oder  neben  dem  Prinzen  Karl  von 
Lothringen  die  sächsischen  Prinzen  Xaver  und  Karl,  die  die  Züchti- 
gung der  angeblich  treulosen  Einwohner  gebilUgt,  wenn  nicht  gar 
selbst  gewünscht  hätten,  wie  dies  z.  B.  Friedrich  selbst  in  der  Histoire 
de  la  guerre  de  sept  ans  vom  Prinzen  Karl  behauptet,  während  andere 
Xaver  nennen.  Es  wäre  zu  wimschen  gewesen,  dafs  das  General- 
stabswerk, dem  doch  aufser  dem  preufsischen  Material  auch  die  säch- 
sischen und  österreichischen  Quellen  zu  Gebote  standen,  auf  diese 
Frage  wenigstens  in  dem  Anhang  eingegangen  wäre. 

Der  vierte  Band  behandelt  den  Feldzug  in  Ostpreufsen  vom 
Juni  bis  Oktober  1757  und  die  Weiterentwickelung  der  Dinge  in 
Sachsen,  der  Lausitz  und  Schlesien  vom  August  bis  November  1757. 
Von  allgemeinem  Interesse  ist  hierin  der  knappe,  klare  Abrifs  über 
das  russische  Heer,  die  Organisation  des  regulären  Feldheeres  wie 
der  Husaren  und  irregulären  (leichten)  Truppen,  besonders  der  Kasaken, 
die  Kriegführung,  Mobilmachung  und  den  Aufmarsch.  Beachtenswert 
ist  das  relativ  günstigere  Urteil  über  die  Kriegführung  Apraxins, 
dem  allerdings  am  Siege  von  Grofsjägersdorf  nur  ein  geringer  Anteil 
gebühre,  das  V'erdienst  sei  der  Tapferkeit  der  Truppe  und  einzelnen 
Unterführern  (Matthäus  Lieven,  Manteuftel-Zöge,  Ssaltykow)  zuzu- 
schreiben. Die  Hauptschuld  des  geringen  Erfolges  des  ganzen  Feld- 
zugs trage  aber  nicht  der  Oberkommandierende,  sondern  die  Schäden 
der  russischen  militärischen  Einrichtungen  überhaupt,  die  zu  ändern 
oder  zu  bessern  aufserhalb  seiner  Macht  lag.  Das  Urteil  über  den 
schlesischen  Feldzug  ist  für  die  beiderseitigen  Oberfeldherrn,  sowohl 
für  den  Herzog  von  Braunschweig-Bevern  und  Ziethen,  wie  auch  für 
den  Prinzen  Karl  von  Lothringen  und  Dann  natiu^gemäfs  absprechend, 
da  keine  der  Oberleitungen  ihren  Aufgaben  vor,  in  und  nach  der 
Schlacht  von  Breslau  gerecht  wurde;  auch  Winterfeldts  Verhalten  bei 
Moys  erfährt  Tadel. 

Zahlreiche  Anlagen  (Ordres  de  Bataille,  Verlustlisten  usw.),  ein 
reichhaltiges  Material  von  ausgezeichneten  Plänen  und  guten  Skizzen 
dienen  auch  diesen  beiden  Bänden  zur  hervorragenden  Zierde  und 
erhöhen  den  Wert  und  die  Brauchbarkeit  der  Darstellung  in  treff- 
lichster Weise. 

Dresden.  W.  Lippert. 

Beiträge  zur  sächsischen  Kircheiigeschichte,  herausgegeben  im 
Auftrag  der  ,. Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte"  von 
Franz  Dibelius  und  Theodor  Brieger.  15.  Heft.  (Jahresheft  für 
1900  und  1901.)  16.  Heft.  (Jahresheft  für  1902.)  Leipzig,  Johann 
Ambrosius  Barth.    1901  und  1903.    III,  336;  III,  240  SS.    8°. 

Den  gröfsten  Teil  vom  15.  Hefte  nimmt  F.  Blanckmeisters 
verdienstliche,  übersichtliche  und  grundlegende  Studie  über  „die 
Kirchenbücher  im  Königreich  Sachsen"  ein.  Bereits  1893  hatte  er 
ein  Schriftchen  über  denselben  Gegenstand  veröffentlicht.  Jetzt  hat 
er,  vom  Herausgeber  dieser  Zeitschrift  unterstützt,  Fragebogen  ver- 
sandt, zu  deren  genauer  Ausfüllung  das  Evangelisch-lutherische 
Landeskonsistorium  die  Geistlichen  aufforderte,  wie  auch  das  Apo- 
stolische Vikariat  für  das  Königreich  Sachsen  das  Unternehmen 
förderte.    Nach  einem  geschichtlichen  Überblick  wird  das  Verzeichnis 


jnA  "  Literatur. 

der  Kirchenbücher  für  jeden  einzelnen  Ort  geboten  und  zwar  A. 
der  evangehsch-lutherischen  Landeskirche  (S.  72-  207),  B.  der  evan- 
gelisch-reformierten  Kirche  (S.  207),  C.  der  römisch-katholischen 
Kirche  (S.  207—210)  und  D.  der  deutsch -katholischen  Gemeinden 
(S.  210),  Zu  8.51  sei  bemerkt,  dafs  die  Eintragung  selbst  in  Dresden 
nicht  immer  regelmäfsig  erfolgte.  Als  Beispiel  erwähne  ich  den 
Erlafs  des  Ober-Konsistoriums  zu  Dresden  an  den  Superintendenten 
Christoph  Buläus  (Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  Loc.  1554.  Ober- 
Konsistorial-Verordnungen  1662/63):  „Wir  werden  glaubwürdig  be- 
richtet, ob  etliche  von  Adel  und  andere  Bediente  bifshero  ihre  er- 
langte Privattrauungen  untl  Kindtaufen  nicht  in  die  Kirchenbücher 
dem  Herkommen  gemäfs  einschreiben  lassen.  Wann  aber  dieses 
der  Kirchenordnung  zuwider  und  unterschiedliche  Consequentien 
nach  sich  ziehet  und  wir  solchem  Beginnen,  da  ihnen  und  den  Ihrigen 
künftig  leicht  Ungelegenheit  und  Streitigkeiten  entstehen  können, 
weiter  nachzusehen  nicht  gemeinet,  als  ist  hiemit  anstatt  etc.  LTnser 
Begehren,  Ihr  wollet  bei  dem  Ministerio  in  und  vor  der  Stadt  difs- 
falls  die  Verfügung  tun,  darmit  hinfüro  dergleichen  Privattrauungen 
und  Taufen  jederzeit,  zu  künftiger  gewisser  und  nötiger  Nachrichtung 
in  die  Kirchenbücher  eingetragen  werden.  Ihr  Euch  auch  sonsten 
darnach  achten.  Datum  Drefsden,  27.  August  1662".  Zu  S.  52,  Ent- 
stehung des  Gravamen  vom  23.  Juni  1739,  und  S.  55,  Generale  vom 
18.  Februar  1799,  mache  ich  auf  die  Wünsche  aufmerksam,  die  be- 
reits ein  Jahrzehnt  früher  der  Dresdner  Rechtskonsulent  Kersten  in 
seinem  Praktischen  Handbuche  für  kursächsische  Gerichtsverwalter 
und  Dorfgerichtspersonen  (Dresden  und  Leipzig  1783)  aussprach. 
Er  handelt  S.  185 ff  von  der  Bedeutung,  genauen  Führung  und  Auf- 
bewahrung. „Es  scheint  aber  am  besten  zu  sein,  wenn  der  Prediger 
entweder  selbst  das  Protokoll  hält,  oder  doch  die  Aufsicht  darüber 
hat,  und  sich  etwa  alle  Monate  diese  Bücher  vorlegen  läfst".  .  .  . 
Die  Zeugnisse  sollen  vom  Pfarrer  mitunterschrieben  werden.  „Die 
Bücher,  in  welche  die  Verzeichnisse  eingetragen  werden  sollen, 
müssen  aus  wohl  geleimtem  Papiere  bestehen,  damit  die  Dinte  nicht 
durchschlägt,  wie  denn  auch  zur  Dauerhaftigkeit  der  Schrift  eine 
gute  schwarze,  doch  nicht  klebrichte  Dinte  erfordert  wird."  .  .  . 
Von  Interesse  sind  die  Anweisungen  über  die  Beinamen,  die  im 
Gebirge  im  Schwange  gehen,  über  Abkürzungen  usw.  Das  Heft 
enthält  von  demselben  Verfasser  eine  Festrede  zur  Enthüllung 
einer  Gedenktafel  an  Karl  von  Hases  Geburtshaus  und  einen  Auf- 
satz über  „die  antirömische  Reformbewegung  sächsischer  Katholiken 
im  Jahre  1830",  von  F.  Dibelius  eine  Skizze  „Die  Dresdner  Super- 
intendenten", aus  der  namentlich  Daniel  Greiser  herausgehoben  sei, 
von  H.  Fritzsche  Mitteilungen  über  „den  Deutschkatholizismus  in 
Gelenau"  während  G.  Planitz  „Spalatins  Verzeichnis  der  Pfarreien 
in  Sachsen,  Meilsen,  Thüringen  und  Voigtland"  abdruckt  und 
O.  Giemen  mit  einer  Studie  über  den  Altzeller  Abt  Martin  von 
Lochau  ins  Mittelalter  führt.  —  Das  16.  Heft  wird  mit  einem  wert- 
vollen, handschriftliche  Schätze  benutzenden  Beitrage  Th.  Briegers 
zur  wenig  bekannten  Geschichte  der  Leipziger  theologi.schen  Fakultät 
im  15.  Jahrhundert  eröffnet,  in  dem  der  Verfasser  Prot.  Weigels  Tätig- 
keit auf  dem  Basler  Konzil  darstellt  und  eingehende  Mitteilungen 
über  das  Leben  Weigels  und  seine  literarische  Wirksamkeit  macht, 
namentlich  auch  auf  zwei  Breslauer  Handschriften  ,,Collectura  de 
indulgentiis"  hinweist.  Auf  Grund  eines  Zwickauer  Druckes  behandelt 
O.  Giemen  die  Antwort  Mosellans  auf  Cellarius   Angriffe  anläfslich 


Literatur. 


175 


des  ersteren  Rede  auf  der  Leipziger  Disputation.  L.  Bönhoff 
schildert  die  Einführuna;  der  Reformation  in  Seifersdorf  und  Pfaffen- 
hain, P.  Zinck  „Die  Universität  Leipzig  in  den  kryptocalvinistischen 
Wirren"  mit  Hervorhebung  zahlreicher  einzelner  Züge,  die  für  Kur- 
fürst August  charakteristisch  sind.  Die  umfänglichste  Arbeit  dieses 
Heftes  ist  eine  eingehende  Studie  über  „Die  Entwickelung  der 
Kircheninspektionen"  von  H.  K.  Zimmermann.  Er  kommt  zu  dem 
Ergebnis:  „Sonst  ist  die  Reihenfolge  der  Entwickelungsakte,  der 
normale  Gang  für  die  staatlich  gegründeten  Behörden:  Name,  Ver- 
fassung, Geschäftskreis.  Hier  jedoch  ist  primär  das  Unorganisierte, 
und  die  Entwickelung  schreitet  folgenden  Weg:  Gewohnheitsbildung, 
Geschäftskreis,  Vertassung,  Name".  Ein  Ausblick  in  die  Zukunft 
und  ein  übersichtliches  Quellenverzeichnis  machen  den  Schluls. 

Leipzig.  G.  Müller. 


Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
des  König'reichs  Sachsen.  Unter  Mitwirkung  des  kgl.  sächs.  Alter- 
tumsvereins herausgegeben  von  dem  kgl.  sächs.  Ministerium  des 
Innern.  Heft  21 — 23.  Stadt  Dresden  I,  II,  III.  —  Heft  25.  Amts- 
hauptmannschaft Dübeln.  Bearbeitet  von  Cornelius  Gurlitt.  Dres- 
den, Meinhold  &  Söhne.     1900 — 1903.    VIII,  791;  II,  291  SS.    8". 

Es  war  vorauszusehen,  dafs  die  Beschreibung  der  Denkmäler 
Dresdens  sehr  viel  Interessantes  bieten  werde.  Sind  auch  die  Monu- 
mente des  Mittelalters  nicht  von  hervorragender  Bedeutung,  so  hat 
Dresden  Bauwerke  der  Frührenaissance,  des  Barockstiles,  des  Rokoko 
aufzuweisen,  wie  keine  andere  Stadt  Deutschlands.  Und  eine  solche 
Aufgabe  entsprechend  zu  lösen,  war  gerade  Cornelius  Gurlitt  viel- 
leicht in  ganz  Deutschland  der  einzig  berufene  Mann.  Er  bietet  uns 
zunächst  eine  gründliche  Schilderung  der  kirchlichen,  dann  der 
Profandenkmäler.  Vortreffliche  Abbildungen  erläutern  die  Einzel- 
heiten. Besonders  dankenswert  erscheint  die  Aufzählung  und  Ab- 
bildung der  auf  den  Kirchhöfen  noch  vorhandenen  Grabmäler,  die 
ja  alle  der  Gefahr  der  Zerstörung  mehr  oder  minder  ausgesetzt  sind. 
Es  ist  die  allerhöchste  Zeit,  dafs  man  auch  an  anderen  orten  an  die 
Sammlung  dieser  so  wichtigen  Grabinschriften  und  Monumente  denkt, 
die  bei  Aufhebung  der  Kirchhöfe  meist  zugrunde  gehen.  In  Heft  22 
und  23  werden  die  Profanbauwerke  besprochen,  voran  das  prächtige 
königliche  Schlofs,  die  Regierungsgebäude,  die  öffentlichen  Bauten, 
die  Paläste  des  Hochadels,  endlich  die  merkwürdigsten  Bürgerhäuser 
bis  ins  18.  Jahrhundert.  Die  letztgenannten  Denkmäler  laufen  ja  mehr 
als  die  dem  Staate  gehörigen  Bauten  Gefahr,  je  nach  Laune  des  Be- 
sitzers verunstaltet,  ganz  niedergerissen  zu  werden.  Um  so  mehr 
erscheint  es  dankenswert,  dafs  diese  Häuser  beschrieben  werden, 
dafs  nicht  allein  die  Fassaden,  sondern  auch  die  Grundrisse  durch 
Abbildungen  wiedergegeben  werden.  Die  Kgl.  Sächsische  Regierung 
hat  sich  durch  Herausgabe  dieser  Hefte  ein  unbestreitbares  Verdienst 
erworben.  Für  die  Kunstgeschichte,  aber  auch  für  die  deutsche 
Sittengeschichte,  bringt  diese  Publikation  ein  reiches  und  schönes 
Material. 

So  hervorragend  bedeutende  Monumente  wie  die  Hauptstadt 
Dresden  bietet  die  Amtshauptmannschaft  Döbeln  (Heft  25)  allerdings 
nicht.  Unter  den  Dorfkirchen  finden  sich  wohl  einige  recht  schöne 
Monumente,  und  manche  Schnitzaltäre  und  Gemälde  können   auch 


lyö 


Literatur. 


Anspruch  auf  Beachtung  erheben,  jedoch  werden  unstreitig  die 
Schilderungen  der  Burg-  und  Schlofsbauten  in  viel  höherem  Grade 
von  wissenschaftUcher  Bedeutung  sein.  Gerade  diese  Denkmäler 
sind  ja  von  den  Forschern  der  früheren  Zeit  fast  geflissentlich  mit 
Stillschweigen  übergangen  worden.  Die  Beschreibung  der  Schlösser 
in  Kriebstem,  Leisnig,  Noschkowitz  usw.  hat  für  die  Geschichte  der 
Profankunst  Wert,  zumal  die  Schilderung  durch  treffliche  Grund- 
risse, photographische  Ansichten,  liezeichnende  Einzelheiten  noch 
erläutert  wird. 

München.  Alwin  Schultz. 


Die  Dorfkirche  im  Königreich  Sachsen.  Eine  Darstellung  ihrer 
Entstehung,  Entwicklung  und  baulichen  Eigenart.  Im  Auftrage 
und  mit  Beihilfe  des  Vereins  für  Sachs.  Volkskunde  und  des  Sachs. 
Ingenieur-  und  Architektenvereins  bearbeitet  und  herausgegeben 
von  0.  Grüner.  Mit  zahlreichen  Abbildungen  im  Text  und  vielen 
Beilagen.     Leipzig,  Arwed  Strauch.    1904.    69  SS.,  47  Taff.    8". 

Gruners  Buch  ist  das  Ergebnis  liebevoller  Vertiefung  in  den 
Gegenstand:  Der  Architekt  und  der  Volkskundige  haben  sich  in  ihm 
vereint,  um  an  alten  Bauten  unseres  Landes  Schönheiten  zu  sehen, 
die  bisher  nur  wenigen  zum  Bewufstsein  gekommen  waren.  Ich,  als 
Inventarisator  der  Kunstschätze  habe  alle  Ursache,  Grüner  bestens 
dafür  zu  danken,  dafs  er  in  so  wirksamer  Weise  den  Bestrebungen, 
denen  ich  zu  dienen  habe,  zu  Hilfe  kommt.  Wie  oft  habe  ich  mit 
Geistlichen  und  Gemeindevorständen  über  Wert  und  Unwert  ihrer 
Kirche  Streit  gehabt!  Ich  fand  sie  schön  und  wurde  darüber  aus- 
gelacht: denn  mi  Orte  wufste  jedes  Kind,  dafs  sie  eben  nicht  schön 
sei.  Denn  sie  sei  alt,  verwinkelt,  bunt  und  aufsen  sei  „nichts  dran". 
Ich  aber  sagte,  sie  ist  schön,  denn  sie  ist  ehrwürdig,  malerisch, 
farbig  und  einfach  ländlich.  Wie  oft  habe  ich  darum  streiten  müssen, 
dafs  man  nicht  die  neuesten  Erfindungen  der  Technik  in  die  Kirchen 
einführte,  wie  oft  hat  man  mich  einen  Altertumsfexen  genannt,  der 
das  langweiligste  Zeug  erhalten  will,  nur  weil  es  alt  ist.  Nun  kommt 
Grüner  und  weist  mit  dem  Finger  auf  die  Schönheiten  solchen 
Zeuges,  er  stellt  es  zusammen  und  zeigt,  dafs  ein  innerer  Zusammen- 
hang zwischen  den  Formen  und  Materialien  der  Dorfkirche  bestehen, 
dafs  die  schlichte  Aufsenform  besser,  künstlerischer  in  die  Land- 
schaft pafst  als  die  kleinen  Kathedralen  der  akademisch  bauenden 
Architekten,  dafs  die  Kirche  in  Mettlacher  Platten  und  billigen  Glas- 
gemälden nicht  einmal  mit  dem  besseren  Metzgerladen  in  der  Stadt 
konkurrieren  kann,  dafs  sie  vielmehr  in  der  Ausgestaltung  ihrer 
Eigenart  und  in  der  schlichten  Sachlichkeit  alter  Zeiten  ihre  Aulgabe 
suchen  mufs. 

Noch,  sind  die  Debatten  nicht  verstummt,  welcher  architek- 
tonische Stil  „kirchlich"  sei.  Das  ist  eines  der  erfreulichen  Ergeb- 
nisse der  volkskundlichen  Bestrebungen,  dafs  sie  erwiesen  haben, 
der  Stil  mache  die  Kirchlichkeit  nicht  aus,  selbst  der  so  über  den 
Span  gelobte  gotische  Stil  nicht.  Daravif  kommt  es  an,  dafs  der  Bau 
mit  den  Aufgaben  des  Gottesdienstes  aufs  innigste  verwachsen  ist, 
dafs  man  ohne  weiteres  das  Wirken  kirchlichen  Geistes  erkennt. 
Die  alten  Kirchen  zeigen  sich  als  aus  dem  Gemeindeleben  heraus- 
gebildet, die  neuen  sind  nur  zu  oft  Bauten,  in  die  die  Gemeinde 
nie  richtig    hineinwächst.     Grüner   lehrt    den    aufmerksamen  Leser, 


Literatur. 


77 


wie  das  kommt:  Nicht  eine  schulmäl'sige  Ästhetik,  sondern  eine  echte 
Herzenstätigkeit  schuf  die  alten  Kirchen  und  wandelte  sie  mit  den 
Jahrhunderten  um.  Das  künstlerische  Können  stand  oft  sehr  tief, 
oft  ist  es  geradezu  kindlich.  Aber  wir  sehen  es  mit  liebenden 
Augen  an,  wie  man  Kinderwerk  betrachtet.  Und  das  künstlerisch 
Schwache  wird  stark  durch  die  Herzlichkeit  seines  Auftretens; 
während  das  künstlerisch  Bessere  fremdartig  und  erkältend  wirkt. 

Bild  und  Wort  decken  sich  in  dem  Buche,  dem  ich  die  weiteste 
Verbreitung  namentlich  im  sächsischen  Pfarrhaus  und  in  der  Land- 
schule wünsche,  damit  es  die  Liebe  zur  Heimat  wecken  helfe.  Und 
diese  ist  der  Anfang  und  der  sicherste  Untergrund  zur  Vater- 
landsliebe. 

Dresden.  Cornelius  Gurlitt. 

Das  Amt  Pausa  bis  zur  Erwerbung  durch  Kurfürst  August  von 
Sachsen  im  Jalire  loßJ)  und  das  Erbbnch  vom  Jahre  1500,  bear- 
beitet und  herausgegeben  von  C.  von  Raab.  Beilage  zu  den 
Mitteilungen  des  Altertums  Vereins  zu  Plauen  i.  V.  Plauen,  1903. 
VII,  IIS  SS.    8». 

Die  Schicksale  der  vogtländischen  Stadt  Pausa  sind  sehr  wechsel- 
voll gewesen.  1263  zuerst  urkundlich  genannt,  erscheint  Pausa  1349 
im  Lehnbuch  des  Landgrafen  Friedrich  des  Strengen  von  Thüringen 
als  Lehen  des  Vogtes  Heinrich  von  Plauen;  er  und  sein  Sohn  Heinrich 
der  Jüngere  verpfändeten  den  Besitz  wiederholt  an  die  Wettiner.  Die 
langjährigen  Streitigkeiten  um  die  Burggrafschaft  Meifsen  waren  der 
wirtschaftlichen  Entwickelung  wenig  günstig;  erst  seitdem  Pausa 
14.60  an  Kurfürst  Friedrich  von  Sachsen  gekommen  war,  kann  von 
einer  geordneten  Verwaltung  die  Rede  sein.  1461  wurde  der  anfangs 
von  Schlots  Linda  aus  verwaltete  Besitz  als  Amt  Pausa  mit  dem 
Amte  Vogtsberg  vereinigt;  wirtschaftlicher  Nutzen  wurde  freilich, 
wie  es  scheint,  nur  durch  ungebührliche  „pleckerei"  der  Amtsinsassen 
erreicht,  so  dafs  die  Fürsten  sich  veranlafst  sahen,  1464  in  Konrad 
i\letzsch  einen  neuen  Verwalter  zu  bestellen,  der  nun  sechs  Jahre 
im  Amte  blieb,  aber  nie  Rechnung  legte.  Bis  1488  erscheint  dann 
Pausa  mit  dem  Amt  Plauen  veremigt"  Der  Ertrag  der  zu  Wiesen 
und  Haferfeldern  hergerichteten  und  als  Lafsgut  gegen  Zins  aus- 
getanen Wüstung  Reibesgrün  und  der  aus  der  Bewirtschaftung 
(ies  Vorwerks  Reichenau  bildeten  einen  beträchtlichen  Teil  der 
Einnahmen.  Sie  blieben  auch  jetzt  so  unbefriedigend,  dafs  man 
sich  zur  Verpachtung  des  Amtes  Pausa  entschlofs.  Das  Pacht- 
oder Beschiedgeld  war  aber  unverhältnismäfsig  hoch  —  84,  77  und 
66  Schock  Groschen,  während  der  Ertrag  unter  der  Verwaltung  der 
Vogtsberger  und  Plauener  Amtleute  durchschnittlich  45  Schock 
Groschen  gewesen  war.  Die  Rechnungsabschlüsse  der  Amtleute 
tielen  daher  fast  regelmäfsig  ungünstig  aus.  Amtsrechnungsbücher 
sind  erst  von  dem  letzten  Pächter  Wolf  von  Wirsberg  (1528  —  40) 
erhalten;  nach  seiner  Entlassung  bestellte  Kurfürst  Johann  Friedrich 
Jobst  von  Zedtwitz  zum  Amtmann,  von  tlem  ein  sehr  genaues,  von 
Walpurgis  1541  bis  dahin  1542  laufendes  Rechnungsbuch  vorliegt. 

Nach  dem  unglücklichen  Ausgang  des  Schmalkaldischen  Krieges 
wurde  das  Vogtland  vom  König  Ferdinand  von  Böhmen  eingenommen, 
der  es  1549  an  Burggraf  Heinrich  IV.  von  Meifsen  verkaufte.  Das 
Amt  Pausa  ist  von  diesem  1556  an  Georg  von  Schönberg,  Haupt- 
mann zu  Gera,  verpfändet  worden.    Aus  ctieser  Zeit  liegt  eine  Über- 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     i.  2.  12 


iy8  Literatvir. 

sieht  über  den  jährlichen  Ertra^j  des  Amtes  vor,  dessen  überraschend 
günstige  Ziffern  offenbar  darauf  berechnet  sind,  eine  möghchst  hohe 
Pfandsumme  zu  erzielen.  Nach  mancherlei  Wechselfällen  kam 
schliefslich  1569  das  Amt  in  den  Besitz  des  Kurfürsten  Avigust  von 
Sachsen  und  ist  seinem  Hause  seitdem  verblieben. 

Im  Anhang  wird  aufser  der  erwähnten  Rechnung  des  jobst 
von  Zedtwitz,  die  auch  sozialstatistisch  von  Interesse  ist,  ein  kleines, 
neun  Blätter  umfassendes  Erbbuch  des  Amtes  Pausa  von  1506  mit- 
geteilt, das  sich  im  Sachsen-Ernestinischen  Gesamt- Archiv  zu  Weimar 
erhalten  hat.  Es  .mufs  schon  beim  Übergang  des  Amtes  an  Kur- 
sachsen an  die  Burggrafen  von  Meifsen  vergessen  gewesen  sein, 
und  auch  als  Kurfürst  August  nach  Erwerbung"  des  Vogtlandes 
eifrige  Nachforschungen  nach  Erbbüchern  anstellte,  ist  es  unbeachtet 
geblieben.  Umso  erfreulicher  ist,  dafs  es  jetzt  zur  Bereicherung 
der  vorliegenden  verdienstlichen  Studie  beitragen  kann,  deren  Be- 
nutzung durch  ein  Register  erleichtert  ist. 

Cöln.  Dr.  O.  Oppermann. 

Chronik  der  Stadt  Mtthlhausen  in  Tliüringen.  Von  Prof.  Dr.  R. 
Jordan.  Bd.  I  (bis  1525).  Bd.  11  (1526 — 1599  [1604]).  Mit  Ab- 
bildungen und  Plänen.  Mühlhausen  i.  Thür.,  G.  Danner.  1900  und 
1903.    XII,  228;  VII,  200  SS.    8». 

Der  Verfasser  der  im  Auftrage  der  Stadt  Mühlhausen  in  Thü- 
ringen aus  Anlafs  der  hundertjährigen  Zugehörigkeit  der  Stadt  zur 
Krone  Preufsen  (^1902)  herausgegebenen  Festschrfft,  welcher  sich  seit 
einer  Reihe  von  Jahren  durch  verschiedene  Aufsätze  um  die  Er- 
forschung der  Geschichte  dieser  alten,  einst  freien  Reichsstadt  sehr 
verdient  gemacht  hat,  war  längere  Zeit  mit  der  Herausgabe  der 
Mühlhäuser  Chronik  beschäftigt,  deren  2.  Band  mit  Unterstützung 
der  Stadtverwaltung  kürzlich  erschienen  ist.  Im  Gegensatz  zu  der 
wenig  bekannten  und  mangelhaft  verbreiteten  „Chronik  von  Mühl- 
hausen" (herausgegeben  von  H.  Pfaft),  welche  weiter  nichts  als  eine 
Überarbeitung  und  Zusammenstellung  der  von  den  handschriftlichen 
Chroniken  gebotenen  Nachrichten  ist,  kann  man  Jordans  gleich- 
namige Publikation  als  eine  Bereicherung  der  nicht  sehr  reichen 
Literatur  über  Mühlhäuser  Lokalgeschichte  und  als  Baustein  für  eine 
an  der  Hand  von  archivalischem  Material  künftig  zu  schreibende 
Stadto;eschichte  ansehen.  Denn  sie  zeugt  von  emsiger  Arbeit  und 
von  einem  liebevollen  Verständnis  für  die  ereignisreiche  Vergangen- 
heit dieser  alten  Kommune  des  einstigen  hlg.  römischen  Reiches. 
Der  geschickten  Edition  liegt  die  von  Christian  Thomas  im  Jahre 
1727  angefertigte,  im  Archiv  der  Stadt  Mühlhausen  aufbewahrte 
Chronik  zu  Grunde,  von  welcher  sich  freilich  nvir  der  erste,  bis 
1559  gehende  Band  hat  auffinden  lassen,  während  der  in  zeitge- 
nössischen Quellen  zitierte,  bis  zur  Mitte  des  i S.Jahrhunderts  reichende 
zweite  Band  sich  vermutlich  noch  in  einer  auswärtigen  Sammlung 
befinden  mag.  Thomas,  über  dessen  Persönlichkeit  sich  nichts  ge- 
naueres ermitteln  liefs,  hat  in  seinem  Text  die  älteste,  zwischen  1550 
und  1574  verfafste  und  wohl  vom  Stadtschreiber  Nikolaus  Fritzler 
stammende  Chronik  des  Mühlhäuser  Stadtarchivs,  die  als  eine  sehr 
brauchbare  Quelle  anzusehen  ist,  so  gut  wie  ganz  aufgenommen, 
was  Herausgeber  durch  Schwabacher  Schrift  und  durch  die  voran- 
gesetzte Abkürzung  Chr.  M.  A.  nebst  Seitenzahl  äufserlich  kenntlich 
macht.     Thomas    gibt    in  den   Teilen  seiner  Arbeit,    die    nicht    auf 


Literatur.  179 

jener  Chronik  beruhen,  einzelne  Nachrichten,  welche  auf  ältere  Über- 
lieterungen  zurückgehen.  Unter  den  verschiedenen  handschriftlichen 
Chroniken  Mühlhausens,  bei  denen  allen  die  gleiche  Übereinstini- 
niuno;  oder  Abhängigkeit  von  jener  ältesten  Chronik  vorherrscht, 
ist  die  von  Thomas  bearbeitete  die  historisch  wertvollste.  Sie  bietet 
beglaubigte  Nachrichten  in  gröfserer  Fülle  und  verschafft  einen 
gründlichen  Einljlick  in  die  wechselvolle  Geschichte  Mühlhausens, 
von  welcher  für  Sachsen  vor  allem  die  Beziehungen  zu  den  Wettinern 
(z.  B.  das  Schutzverhältnis,  die  Zeiten  der  Reformation,  des  Schmal- 
kaldischen  und  Bauernkrieges,  das  Verhältnis  zu  den  Kurfürsten 
Moritz  und  August)  von  besonderem  Interesse  sind.  Zahlreiche 
erläuternde  und  kritische  Anmerkungen,  verschiedene  Abbildungen 
(u.  a.  der  nach  der  Originalkupferplatte  gefertigte  Neudruck  des 
Merian'schen  Kupferstiches  von  Mühlhausen)  und  Pläne  (der  Plan 
des  reichsstädtischen  Gebietes  ist  von  Professor  Dr  Kettner,  welcher 
ihn  auch  für  die  städtische  Festschrift  von  1902  gezeichnet  hat,  mit 
Benutzung  der  in  dem  Werke  von  L.  Frhr.  v.  Wintzingeroda-Knorr 
„Die  Wüstungen  des  Eichfeldes"  [Halle  a/S.  1903]  enthaltenen  Karte 
neu  bearbeitet,  die  Lage  und  Zahl  der  Wüstungen  zum  Teil  be- 
richtigt resp.  vermehrt  worden)  sind  den  beiden  Bänden  beigegeben. 
Hoffentlich  ist  es  dem  geschätzten  Herausgeber  vergönnt,  nach 
eventueller  Auffindung  der  fehlenden  Fortsetzung  von  Thomas' 
Chronik  noch  einen  dritten,  bis  zum  Jahre  1802  (Ende  der  Reich.s- 
freiheit)  reichenden  Band  zu  publizieren  und  diesem  dann  das  unent- 
behrliche Orts-  und  Namensregister  beizufügen. 

Mühlhausen  i/Thür.  K,  v.  Kauffungen. 

Die  ersten  Jahre  der  preufsischen  Herrschaft  iu  Erfurt  1802— 180ö. 
Von  Dr.  AJfred  Overmann,  Stadtarchivar.  Festschrift  zur  Feier 
der  hundertjährigen  Zugehörigkeit  Erfurts  zu  Preufsen.  Veranlafst 
und  unterstützt  von  der  Stadt  Erfurt.  Mit  6  Abbildungen.  Erfurt, 
Keyser.    1902.    VIII,  145  SS.    8». 

Brandenburg-Preufsen  iindNordliauseii  in  urliundlicher Darstellung. 

Zur  Feier  der  loojährigen  Zugehörigkeit  der  Stadt  Nordhausen 
zur  Krone  Preufsen.  Festschrift  von  Herrn.  Heineck,  Stadtarchivar. 
Nordhausen,  C.  Haacke  (Komm.).    1902.    IV,  239  SS.    8". 

Infolge  der  Ausführungsbestimmungen  des  Friedens  von  Lüne- 
ville  (9.  Februar  1801)  wurden  im  darauffolgenden  Jahre  verschiedene 
reichsstädtische  und  geistliche  Gebiete  mit  Preulsen  vereinigt.  Die 
Feier  der  100  jährigen  Zugehörigkeit  zur  Krone  Preufsen  veran- 
lafste  nun  das  Erscheinen  von  mehreren  allgemeinverständlichen 
Festschriften  seitens  der  einzelnen  Gebiete  und  Orte.  Gleich  der 
alten  freien  Reichsstadt  Mühlhausen  in  Thüringen  (vgl.  die  Bespre- 
chungen der  beiden  Festschriften  des  Stadt-  und  Landkreises  Mühl- 
hausen i.  Th.  in  dieser  Ztschr.  XXIII,  356 — 359)  sind  für  die  sächsisch- 
thüringische Geschichte  auch  die  beiden  Städte  Erfurt  und  Nord- 
hausen von  grofsem  Interesse,  wenngleich  deren  Zentenarschriften 
als  solche  sächsische  Verhältnisse  nur  wenig  berücksichtigen  konnten. 
Die  von  Stadtarchivar  Dr.  A.  Overmann  auf  Veranlassung  der  Stadt 
Erfurt  bearbeitete  Festschrift  ist  unter  den  zahlreichen  Jubiläums- 
publikationen sowohl  an  Inhalt  wie  an  Ausstattung  unbedingt  die 
bedeutenste.  Verfasser  beschränkt  sich  in  seiner,  auf  archivalischen 
Studien  (Erfurt,  Berlin,  Magdeburg)  beruhenden  Darstellung  nur  auf 

12* 


i8o  Literatur. 

die  ersten  vier  Jahre  preufsischer  Herrschaft  in  Erfurt,  da  die  gröfste 
und  folgenschwerste  Umwälzung,  welche  diese  Stadt  in  ihrer  neueren 
Geschichte  erfahren  hat,  gerade  in  jene  Jahre  hineinfällt.  Die 
preufsische  Besitzergreifung  behandelt  Overmann  zunächst  einleitend 
und  legt  sodann  das  Hauptgewicht  seiner  Untersuchung  auf  die 
Schilderung  der  Verhältnisse  Erfurts  bis  zur  unglücklichen  Schlacht 
von  Jena  und  Auerstädt.  Die  kurze  Geschichte  der  Stadt  (z.  B.  ihr 
Verhältnis  zu  Kursachsen  gelegentlich  des  Schutzrechtes  [1483]  und 
der  Reformation,  Seite  15 — 16)  und  deren  Zustand,  die  Zeit  der 
interimistischen  Militär-  und  Zivilverwaltung,  die  staatliche  Organi- 
sation in  bezug  auf  die  Reformen  in  Justiz,  Stadtverfassung  und 
Stadtverwaltung,  in  Hinsicht  auf  Finanzen,  Handel  und  Industrie, 
Handwerk,  Kirche  und  Schule,  sowie  das  geistige  Leben  (Universität 
und  Akademie)  werden  dem  Leser  eingehend  und  anschaulich  vor 
Augen  geführt.  Die  Persönlichkeiten  des  Statthalters  Dalberg  und 
des  preufsischen  Gouverneurs  Leopold  Alexander  Grafen  v.  Wartens- 
leben stehen  naturgemäfs  im  Mittelpunkt  der  Darstellung.  Die  zu- 
sammenfassende Erörterung  der  Streitigkeiten  zwischen  Stadt  und 
Gouverneur  und  der  infolge  der  Kapitulation  eingetretenen  franzö- 
sischen Mifswirtschaft  (1807 — 1814)  bilden  den  Schlufs. 

Über  die  alte  Reichsstadt  Nordhausen  hat  anläfslich  der  preu- 
fsischen Hundertjahrfeier  Stadtarchivar  H.  Heineck  im  Auftrage  der 
Stadtverwaltung  eine  Festschrift  herausgegeben,  die  ein  gutes  Ver- 
ständnis für  die  ereignisreiche  Geschichte  Nordhausens  zeigt  und 
unter  Benutzung  der  Archive  von  Dresden,  Berlin,  Magdeburg,  Han- 
nover, Nordhausen  und  Mühlhausen  i.  Th.  klar  und  anschaulich  ge- 
schrieben ist.  Sie  will  hauptsächlich  die  Beziehungen  zwischen  der 
Stadt  und  der  Krone  Preufsen  erörtern.  Verfa^ser  schildert  daher 
zunächst  kurz  die  politischen  Zustände  in  Deutschland  zur  Zeit,  als 
die  ersten  engeren  Beziehungen  zwischen  Brandenburg  und  Nord- 
hausen eintraten  und  den  Versuch  des  grofsen  Kurfürsten,  die  Stadt 
als  Entschädigung  (für  die  dem  Kaiser  geleisteten  Kriegsdienste) 
zu  erhalten.  Die  käufliche  Erwerbung  (1698)  der  Reichsvogtei 
und  des  Keichsschultheifsenamtes  in  Nordhausen  von  Kursachsen 
durch  Kurbrandenburg,  die  Okkupation  der  Stadt  (7.  Februar  1703) 
und  die  Ereignisse  bis  zum  Rezefs  (1715),  ihre  Leiden  im  Sieben- 
jährigen Kriege,  der  Sepaiatistenstreit  und  sein  Nachspiel  (1751 
bis  1766),  die  städtische  Verfassung  und  Verwaltung,  sowie  das 
Leben  und  Treiben  in  Nordhausen  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
werden  im  folgenden  eingehend  beleuchtet.  Sehr  ausführlich  ist 
dann  die  Einverleibung  in  den  preufsischen  Staat  (6.  Juni  1802),  der 
Besuch  des  preufsischen  Königspaares  (i.Juni  1805),  die  Zeiten  der 
Fremdherrschaft  (1806 — 181 3)  und  der  Befreiungskriege,  welche  Nord- 
hausen wieder  unter  das  schwarz -weifse  Banner  der  HohenzoUem 
zurückbrachten,  behandelt.  Mit  einem  Ausblick  auf  die  Ereignisse  der 
Jahre  181 5 — 1902  beschliefst  Heineck  seine  Festschrift,  welche  noch 
durch  Anmerkungen  und  urkundliche  Beilagen  vervollständigt  wird. 

Mühlhausen  i.  Th.  K.  v.  Kauffungen. 

Die  von  Kautt'uii^en.  Eine  historisch -genealogische  Studie  von 
C.  V.  Raab.  (Sonder-Abdruck  aus  dem  70.  und  71.  Jahresbericht  des 
„Vogtländischen  Altertumsvereins  zu  Hohenleuben"  1901.)  75  SS.  8*^. 

In    der  obigen   kleinen  Schrift,    die    sich  würdig  den  übrigen 
trefflichen  Publikationen  des  Verfassers  über  vogtländische  Geschichte 


Literatur.  l8i 

anreiht,  ^ibt  uns  Exe.  v.  Raab  einen  sehr  dankenswerten  Beitrag  zur 
Familienforschung-.  Er  befafst  sich  in  theser  übersichthclien  und 
auf  reichem  urkunclUchen  Material  t)eruhenden  Abhandhing  mit  der 
Geschichte  der  dem  sächsischen  Uradel  angehörenden  Famihe 
V.  Kauffungen,  welche  durch  eines  ihrer  Mitglieder,  den  Ritter 
Kunz  (Konrad)  v.  Kauffungen,  historisch  denkwürdig  geworden  ist. 
Raubte  doch  dieser  in  der  Nacht  vom  7.  zum  8  Juli  1455  aus  dem 
Schlosse  zu  Altenburg  die  beiden  sächsischen  Prinzen  Ernst  und 
Albrecht  und  mufste  seine  Tat  am  14.  Juli  desselben  Jahres  zu  Frei- 
berg i/S.  mit  dem  Tode  durch  Henkershand  büfsen.  Der  Verfasser 
wird  in  seiner  Schrift  den  einzelnen,  in  der  Geschichte  besonders  her- 
vorgetretenen Mitgliedern  dieses  Geschlechts,  das  infolge  obiger  Be- 
gebenheit m  der  öti'entlichen  Meinung  vornehmlich  durch  die  Berichte 
der  älteren  Historiker  oft  gebrandmarkt  worden  ist,  durchaus  gerecht 
und  will  die  Tat  des  Ritters  Kunz  aus  der  Zeitströmung  heraus 
verstanden  wissen.  Letzteres  deutet  er  nur  kurz  an,  da  er  eine 
Darstellung  von  Kunzens  Persönlichkeit  und  eine  gerechte  Beur- 
teilung des  Prinzenraubes  dereinst  noch  zu  veröffentlichen  gedenkt. 
Nach  einigen  einleitenden  Vorbemerkungen  über  die  Lehnsverhält- 
nisse dieses  Geschlechtes,  ihr  Auftreten  in  der  Geschichte  und  ihren 
Stammsitz  (Kaufungen  bei  Penig  an  der  Mulde)  schildert  uns  Ver- 
fasser: I.  Die  Familie  v.  Kauffungen  bis  zum  Prinzenraube  (1231  bis 
1455),  2.  Die  Nachkommen  von  Kunz  v.  Kauftungen  (1455  — 1578), 
3.  Die  in  Sachsen  verbleibende  ältere  Wolkenburger  (oder  Callen- 
berger)  Linie  (1455—1589),  4.  Die  in  die  Herrschaft  Schleiz  ausge- 
wanderte jüngere  Wolkenburger  Linie  der  Familie  v.  Kaufhmgen  zu 
Kirschkau  (1455  bis  zur  Jetztzeit).  Drei  exakt  gearbeitete  Stamm- 
tafeln sind  cier  Übersichtlichkeit  halber  beigegeben.  Auf  Grund 
eigener  Familienforschungen  haben  sich  noch  einige  Nachträge  und 
Berichtigungen  ergeben,  welche  ich  in  den  ,, Mitteilungen  des  Alter- 
tumsvereins zu  Plauen  i/V."  (16.  Jahresschrift  1904)  veröffentlichen 
werde,  v.  Raabs  Schrift  ist  ein  vorbildliches  Beispiel,  in  welcher 
Weise  Familiengeschichten  zu  bearbeiten  sind,  damit  sie  wissen- 
schaftlichen Wert  haben,  den  Leser  anregen  und  nicht  durch  blofse 
Aneinanderreihung  von  Daten  und  Tatsachen  ermüden.  Dem  ver- 
ehrten Herrn  Verfasser  können  war  für  diese  schöne  Studie  nur 
äufserst  dankbar  sein. 

Mühlhausen  i/Thür.  K.  v.  Kauffuneen. 


Entgegnung. 


Zu  der  Besprechung  meines  Werkes :  Die  Slawen  in  Deutscliland  von 
Prof.  Dr.  E.  Mucke  (Bd.  XXIV,  S.  364  ff.)  bemerke  ich  folgendes: 

1.  (S.  366,  II.)  „Nur  2  Karten  beruhen  auf  eignen  Forschungen'' 
ist  falsch,  vgl.  meine  Karten  im  „Globus"  (Verlag  v.  Vieweg  &  Sohn). 

2.  (S.  367,  2.)  Ich  habe  nicht  behauptet,  Königswartha  besitze 
15  Vereine  für  Sorben. 

3.  (S.  367,6.)  Eine  Richtigstellung  der  amtlichen  Zählliste  ist 
mir  nicht  möglich;  die  vorgeschlagene  Erklärung  Wenden  =  Winden 
genügt  nicht. 


182  Literatur. 

4.  (S.  367,  18.)  Nachbildungen  linden  sich  dort;  das  mufste 
gesagt  werden. 

5.  (S.  367,  36.)  Kokula  als  Schulzenzeichen  u.  a.  b.  Wuttke, 
Sachs.  Volksk.  II,  355.  Ich  hatte  mich  nun  wiederholt  auf  sorbischen 
Dörfern  mit  diesen  Geräten  vertraut  gemacht,  die  Kokula  aber  ward 
nirgend  als  Gemeindestab  bezeichnet.  Deshalb  sage  ich  in  meinem 
Buche  kurz,  indem  ich  sie  von  den  Schulzenstäben  auszuscheiden 
suche,  sie  würde  (d.  h.,  wenn  sie  wirklich  vorkäme  und  jemand 
etwas  über  ihr  Aussehen  wissen  wollte)  als  Gemeindestab  am  ehesten 
der  litauischen  Kriwule  zu  vergleichen  sein.  Wo  ist  da  vom  schalk- 
haften (schon  zuvor  sollen  Ulk  und  Unverstand  die  amtlichen  Zähl- 
listen verdorben  haben)  den  Forscher  irreführenden  Bauer  etwas  an- 
zubringen? Gewifs  ist  kein  Frager  gegen  Mifsverständnis  und 
Schalkheit  gefeit;  ebensowenig  der  Autor  gegen  falsche  Beurteilung, 
deren  selbstsichere  scherzhafte  Form  im  Gegensatz  zur  Festigkeit 
ihrer  Berechtigung  steht. 

6.  (368,14.)  „Unkritische  Göttergeschichte"  verwerfe  ich,  er- 
kläre nur  vorhandene  Namen  und  scheide  alles  Überflüssige  aus. 

7.  (368,  II  V.  u.)  Ich  sage  nicht,  Slonka  bedeute  Salzmeste, 
man  braucht  für  Brautfrau  die  beiden  Worte  Slonka  und  Salzmeste; 
es  ist  so! 

8.  (368,  8  V.  u.)  „Nicht  —  sondern".  Ich  kann  derartige  Kleinig- 
keiten oder  falsche  Behauptungen  nicht  alle  zurückweisen  oder  auf 
das  richtige  Mafs  beschränken.  Dafs  ich  hier  richtig  beobachtet  habe, 
beweist  t^ür  diese  Stelle  Sachs.  Volksk.  II,  362,  ferner  u.  a.  für  das 
Stollereiten  Müller,  Wendentum  149,  für  Werben  das  mir  vorge- 
legte Buch. 

9.  (368,3  v.u.)  „fälschlich".  Ich  habe  meine  Anschauungen 
auf  wiederholten  Reisen  und  bei  längerem  Aufenthalt  gewonnen; 
ich  hütete  mich,  Ergebnisse  anderer  Leute  ungeprüft  anzunehmen. 
Alles,  was  anscheinend  die  Sorben  einmal  herabsetzen  könnte,  braucht 
doch  nicht  auf  Mifsverständnis  zu  beruhen  oder  weggelassen  zu 
werden.  Damit  würde  der  Volkskunde  als  Wissenschaft  nicht  ge- 
dient sein. 

Leipzig.  F.  Tetzner. 

Auf  die  vorausgehende  Entgegnung  gestatte  ich  mir  in  mög- 
lichster Kürze  folgendes  zu  erwidern: 

Zu  1.  Hat  z.  B.  T.  wirklich  das  polnische  und  sorbische 
Sprachgebiet  ganz  bereist  und  die  Sprachgrenzen  selbst  festge- 
stellt? Die  sorbischen  sicherlich  nicht,  wie  die  Kartenskizze  auf 
S.  284  deutlich  beweist  und  ich  auf  Verlangen  bestimmt  nach- 
weisen kann. 

Zu  2.  Auf  S.  290  seines  Buches  schreibt  T.:  „Die  einzige 
sorbische  Stadt  (sie!)  Königswartha  mit  1200  Einwohnern  zeigt  ein 
ganz  deutsches  Gesicht.  Da  (d.  h.  doch  in  Königswartha!)  gibt  es 
15  Vereine  für  die  3000  Sorben  und  400  Deutschen  des  Kirchspiels". 
Es  gibt  aber  daselbst,  wie  ich  wufste  und  wie  mir  jüngst  auf  An- 
frage vom  dortigen  Ortspfarrer  bestätigt  wurde,  im  ganzen  nur  7 
und  zwar  5  deutsche  und  2  wendische  Vereine. 

Zu  3.  Jeder  Kenner  der  Verhältnisse  wird  meinen  Darlegungen 
(S.  367,  6 — 17)  beistimmen. 


Literatur.  183 

Zu  4.  Die  Entg;eo;nuno-  Tetzners  bleibt  mir  unverständlicli ; 
im  Sorbenland  gibt  es  eben  nicht,  noch  gab  es  je  den  Ausdruck 
„Klanzei",  der  eben  ein  spezieller  Ausdruck  der  Lüneburger 
Wenden  ist  und  bleibt. 

Zu  5.  Ich  verstehe  nicht,  warum  sich  T.  so  ereitert  und  inwie- 
fern er  mir  in  diesem  Punkte  falsche  Beurteilung  seiner  Angaben  vor- 
halten kann.  Sagt  er  doch  auf  S.  301  Z.  4  v.  o.:  „In  fünffacher  Form  ist 
er  (d.h.  der  Gemeindestock,  besser  Genieindestab  oder  das  Schulzen- 
zeichen) zu  finden,  als  Hammer,  Hammerkeule,  Haken  (Kokula),  Kegel 
und  Tafel"  und  im  Anschlufs  daran  Z.  240.:  „Als  Haken  (Kokula) 
zeigte  man  mir  einen  grofsen  Feuerhaken,  der  bei  Feuersbrünsten 
in  Tätigkeit  war.  Er  würde  als  Gemeindestab  am  ehesten  der  litau- 
ischen Kriwule  zu  vergleichen  sein".  Nach  diesen  seinen  Worten 
hält  doch  der  Autor  es  wenigstens  für  möglich,  dafs  ein  „grofser 
Feuerhaken"  als  Gemeindestab  gebraucht  worden  sei,  oder  er  hätte 
sich  klarer  ausdrücken  sollen.  Wenn  ihm  aber  statt  der  Kokula 
irgendwo  jemand  einen  Feuerhaken  gezeigt  hat,  so  geschah  dies 
eben  aus  ocherz  bez.  Schalkheit  oder  zum  mindesten  aus  Mifsver- 
ständnis.  Denn  der  Feuerhaken  heifst  im  Sorbenlande  nirgends 
Kokula,  wohl  aber  hiefs  so  das  ca.  ^lo—i  Meter  lange  Krummholz 
oder  der  gekrümmte  Gemeindestab  des  Dorfschulzen,  der  freilich 
heutzutage  in  den  meisten  Gegenden  der  Lausitz  nur  noch  dem 
Namen  nach  bekannt  ist.  Wenn  sich  ferner  beim  Eintrag  in  die 
preufsischen  Zähllisten  509  Sorben  (richtiger  Wenden,  nach  denen 
ni  den  Zähllisten  gefragt  wurdet  die  österreichische,  13  die  unga- 
rische, 10  die  schwedische,  2  die  belgische,  eine  Sorbin  die  russische 
vmd  ^ar  2  die  rumänische  Staatsangehörigkeit  zuschrieben  oder  zu- 
schreiben liefsen,  so  entspricht  dies  natürlich  nicht  der  Wirklichkeit, 
sondern  es  geschah  —  ich  mufs  dabei  bleiben  —  entweder  aus  Ulk 
oder  aus  Unverstand;  daran  kann  doch  T.  nichts  ändern,  nur  glauben 
hätte  er  es  nicht  sollen.  Die  amtlichen  Zähllisten  sind  ja  keine 
litterae  sanctae  und  der  Fehler  ist  hier  luce  clarius. 

Zu  6.  Über  seine  sorbische  Göttergeschichte  will  ich  hier  mit 
T.  nicht  weiter  rechten,  sondern  überlasse  es  nunmehr  sachkimdigen 
Lesern  zu  entscheiden,  ob  er  recht  hat  oder  ich. 

Zu  7.  Bei  Zurückweisung  der  landläutigen,  auch  von  Wenden 
heute  noch  geglaubten,  aber  trotzdem  falschen  Übersetzung  bez, 
Erklärung  des  sorbischen  Ausdrucks  slonka  („Ehrendame  der  Braut", 
nicht  Brautfrau!)  durch  den  deutschen  Ausdruck  „Salzmeste"  habe 
ich  T,  nicht  im  geringsten  einen  Vorwurf  zu  machen  gedacht,  sondern 
ich  glaubte  nur,  die  meiner  Ansicht  nach  richtige  Erklärung 
(=  Beschirmerin,  Beschützerin)  dafür  bieten  zu  dürfen  bez.  zu  müssen. 

Zu  8.  Die  hier  beanstandeten  drei  Berichtigungen  mögen 
Kleinigkeiten  sein,  falsche  Behauptungen  sind  sie  aber  nicht.  Zwar 
wird  die  zuerst  erwähnte  Zeremonie  bei  der  Kindtaufe  in  dem  von 
T.  angezogenen  Werke  so  berichtet  und  zwar,  wie  es  scheint,  auf 
Grunci  der  Angabe  Schmalers  (Volkslieder  II,  250),  aber  ich  habe 
dieselbe  nur  so  beobachtet,  wie  ich  berichtigt;  wo  aber  hat  T.  seine 
Beobachtung  gemacht?  Zwar  steht  in  E.  Müller  „Stollereiten",  aber 
ich  kenne  nur  die  Form  Stollenreiten.  Ein  Irrtum  aber  bleibt  es, 
wenn  T.  in  dem  „ihm  voro;elegten"  Kosykschen  Buche  (cf.  S.  282 
Z.  5  V.  u.)  als  Druckort  Weroen  anstatt  Hoyerswerda  gelesen  haben 
will;  es  steht  dort  klar  und  deutlich:  Schischczane  we  Worejzach  pla 
G  Wenzela,  d.  h.  Gedruckt  zu  Hoyerswerda  bei  G.  Wenzel. 


184  Literatur. 

Zu  9.  Auch  ich  mache  mir  bei  meinen  Arbeiten  und  Urteilen 
volle  Objektivität  zur  Richtschnur  und  bin  nicht  blind  für  die  Fehler 
meiner  Landsleute.  In  vorliegendem  Falle  aber  muls  ich  l^ei  meinem 
Urteil  verharren,  dafs  „der  Wende  in  Trauerfällen  ebenso  tief  und 
ernst  empfindet,  wie  der  Deutsche".  Zu  meiner  Vergewisserung- 
aber  habe  ich  mich  an  einen  Prediger  in  Cottbus,  der  die  Verhält- 
nisse in  Niederlausitz  (Tetzner  S.  326,  Z.  i  -19)  genau  kennt,  gewendet 
und  von  ihm  eingehende  Auskunft  erhalten,  die  mein  Urteil  voll  und 
ganz  bestätigt  und  bezeugt,  dafs  der  von  T.  gerügte  Vorgang  beim 
Begräbnis  in  Werben  nicht  auf  Konto  der  wendischen  Leidtragenden, 
sondern  des  dortigen  Kriegervereines  zu  setzen  ist.  Ich  hebe  daraus 
folgende  Sätze  hervor:  „T.  scheint  Eindrücke,  die  nur  von  einem 
Teil  der  Teilnehmer  des  Leichenzuges  ausgingen,  verallgemeinert 
zu  haben.  —  Nach  der  Einsegnung  gehen  die  Leidtragenden  um 
das  Grab,  zuerst  die  Männer,  dann  die  Weiber,  knien  um  das  Grab 
nieder  und  beten  ihr  stilles  Vaterunser,  eine  Handlung,  die  mir  jetzt 
noch  jedesmal  die  Tränen  in  die  Augen  treibt,  obwohl  ich  es  schon 
oft  gesehen  habe.  Was  nun  das  Geschäftsmäfsige  am  Schlufs  an- 
betrifft, so  scheint  es  sich  um  eine  ganz  spezifisch  nicht  wendische 
Unsitte  zu  handeln,  die  durch  die  Kriegervereine  eingeführt  zu  sein 
scheint.  Es  ist  hier  in  der  Stadt  Sitte,  dafs  Kriegervereinsmitglieder 
mit  Musik  bestattet  werden,  diese  Musik  spielt  auf  dem  Wege  zum 
Kirchhof  Trauerweisen,  zurück  aber  Freudenmärsche,  und  zwar  zieht 
der  Verein  in  corpore  in  sein  Lokal  und  trinkt  dort  natürlich  seinen 
Schoppen.  Diese  Sitte  hat  sich  durch  die  Kriegervereine  auch  auf 
den  wendischen  Dörfern  eingenistet.  —  Dafs  die  Hinterbliebenen 
(die  natürlich  nicht  mit  dem  Verein  ziehen,  sondern  still  zum  Trauer- 
haus zurückkehren)  es  für  schön  finden,  habe  ich  nicht  empfunden, 
vielmehr  scheint  es  mir,  dafs  sie's  hinnehmen,  weil  es  eben  nicht 
anders  ist".  —  Ich  möchte  dazu  noch  hinzufügen,  dafs  diese  von  T. 
an  den  Wenden  gerügte  Unsitte  in  vielen  nicht  wendischen  Gegenden 
Sachsens  und  wohl  auch  über  Sachsen  hinaus  anzutreffen  ist. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  Herrn  Dr.  T.  nun  noch  an  das  seiner 
Arbeit  in  meiner  Besprechung  gespendete  Lob  erinnern,  will  es  ihm 
aber  jetzt  nicht  verhehlen,  dafs  ich  damals  das  Gefühl  hatte  und 
auch  jetzt  noch  habe,  dafs  ich  darin  bis  an  die  Grenze  des  Mög- 
lichen gegangen  sei,  was  er  vielleicht  selbst  erkennen  wird,  wenn 
er  meine  Besprechung  mit  anderen,  z.  B.  derjenigen  im  Archiv  für 
slavische  Philologie  1902,  S.  616 — 620  ein  wenig  vergleichen 
möchte. 

Freiberg  i/S.  E.  Mucke. 


Literatur.  185 

Übersieht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze 

zur  sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde'). 


Anwavd,  0.   Adrian  Ludwig  Richter:  Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz.Ztg. 
1903.    Nr.  114.    S.  457 — 460. 

[Arnold.]     Sachsens  „Stände"  und  Steuersorgen  um  1703:    Lpz.  Tgbl. 
1903.    Nr.  419.    S.  5766. 

Arras,   Paul.    Regestenbeiträge  zur  Geschichte  des  Bundes  der  Sechs- 
städte der  Oberlausitz  von  1541 — 1547  (Fortsetzung  und  Schlafs): 
Neues  Lausitzisches  Magazin  LXXIX  (1903),  241 — 292. 
„  Über  eine  unbekannte  Bautzner  Chronik  [des  iS.Jahrh.]:  ebenda 

293—295- 
Blachmann] ,  E.    Grimma,  Kloster  Nimbschen,  der  slavische  Burgwall 

bei  Schaddel:  Lpz.  Tgbl.    1903.    Nr.  475.  477.    S.  6474.  6506. 
Beck,  R.     Die  gelehrten  Beziehungen  des  Leipziger  Ratsherrn  Fried- 
rich Benedikt  Carpzow  zu  dem  Zwickauer  Rektor  Christian  Daum 
(1662 — 1687):  Zentralblatt  f.  Bibliothekswesen  XX  (1903),  493 — 512, 
Bleibtreu.   Carl.     Napoleon   bei  Leipzig.     Ein   Gedenkbuch   zu   den 
Jahrestagen  der  Völkerschlachten  bei  Leipzig  vom  16.  — 18.  Ok- 
tober 181 3.    3.  völlig  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage.   Berlin 
und  Leipzig,  Friedrich  Luckhardt.    1904.    354  SS.    8". 
Bönhoff.      Zwei    Berichtigungen    der    Chemnitzer    Geschichte    des 
13  Jahrhunderts?     Chemnitzer  Tageblatt  .  1903     Nr  289. 
„  War  Lichtenhtein  der  Sitz  des  einstigen  Muldensprengels?    Schön- 
burgischer  Hauskalender.    1903.    S.  28 — 30. 
„  Die  ältesten  Nachrichten  über  Limbach:  Limbacher  Tageblatt.  1903. 

Nr.  91  f. 
„  Das  älteste  Einwohnerverzeichnis  der  ehemaligen  Kirchfahrt  Lim- 
bach (1607):  ebenda  Nr.  125 — 127. 
„  Die  Visitationsberichte  über  die  Kirchfahrt  Limbach    1539 — 1598: 

ebenda  Nr.  179 f. 
„  Eine  Reformationsurkunde  für  Niederfrohna :  ebenda  Nr.  94. 
„  Die  ursprüngliche  Parochie  Zwickau:   Zwickauer  Zeitung.     1903. 
Nr.  15 — 17. 
BfraimJ,  H.     Der  ehemalige  Rundwall  bei  Alt-Coschütz.     Ein  Bei- 
trag zur  Vorgeschichte  Sachsens:  Dresdner  Anzeiger.    Sonntags- 
Beilage.    1903.    Nr.  42.    S.  186  f. 
Braun,  Hans.     Altgermanisches  Gräberfeld   an  der  Reitbahnstrafse 
in  Dresden:  ebenda.    1904.    Nr.  3.    S.  iif. 


1)  Vgl.  die  Übersicht  über  neuere  Erscheinungen  zur  Geschichte 
der  Oberlausitz  von  R.  Je  cht  im  Neuen  Lausitz.  Magazin  LXXIX 
(1903),  298—303. 

Die  Herren  Verfasser,  Verleger  und  Redakteure  werden  ge- 
beten, durch  Zusendung  aller  neuen  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete 
der  sächsischen  Geschichte,  namentlich  von  Dissertationen,  Pro- 
grammen und  Aufsätzen  in  Zeitschriften  und  Zeitungen,  die  leicht 
der  Beachtung  entgehen,  zur  Vollständigkeit  unserer  „Übersichten" 
beizutragen. 


i86  Literatur. 

Bräuninger,  Rieh.  Hermann  Graser,  ein  erzgebirgischer  Verleger: 
Unsere  Heimat  III  (1903),  22  —  24. 

Brode,  Reinli.  Der  Schauplatz  der  Kaisermanöver  1903.  Historische 
Skizzen  aus  Deutschlands  Vergangenheit.  Halle  a.  S.,  Gebauer- 
Schwetschke.    1903.    XIV,  155  SS     8*^. 

Brück,  Robert.  Friedrich  der  Weise  als  Förderer  der  Kunst.  Mit 
41  Lichtdrucktafeln  und  5  Textabbildungen.  (A.  u.  d  T. :  Studien 
zur  deutschen  Kvnistgeschichte  Heft  45.)  Strafsburg,  J.  H.  Ed, 
Heitz  (Heitz  &  Mündel).    1903.    VIII,  336  SS     S". 

B[ruchmüller].  W.  Das  Leipziger  Barock:  Lpz.  Ztg.  1904.  Nr.  25. 
S.  381. 

Bucliioald,  Georg.  Neue  Sächsische  Kirchengalerie.  Unter  Mit- 
wirkung der  sächsischen  Geistlichen  herausgegeben.  Die  Ephorien 
Chemnitz  I  und  II.  Leipzig,  Arwed  Strauch.  (1903/4.)  XXII, 
1500  Spp.  —  Die  Ephorie  Pirna.  Lief.  2  —  20.  Ebenda  (1903/4). 
Sp  81  —  684.  4°- 
„  D.  Martin  Luthers  Briefwechsel  mit  den  Magistraten  sächsischer 
Städte:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Lpz.  Ztg.  1903.  Nr.  129. 
S,  517  — 520. 

Bürhier,  Richard.  Herder  und  Dresden.  Ein  Gedenkwort  zur  100. 
Wiederkehr  seines  Todestages  (f  18.  Dez.  1803):  Dresdner  An- 
zeiger.   1903.    Nr.  349.    S.  2  1. 

Clemen,  Otto.  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  aus  Büchern  und 
Handschriften  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek.  3.  (Schlufs-) 
Heft.     Berlin,   C.  A.  Schwetschke  &  Sohn.    1903.    IV,  115  SS.    8«». 

Däbritz,  H.  Ein  sächsischer  Dorfschullehrer  in  der  Mitte  des 
19.  Jahrhunderts  Beitrag  zur  Dorfschulgeschichte  des  Königreichs 
Sachsen:  Pädagogische  Studien  XXV  (1904),  i  —  27. 

DfähneJ,   P.     Die  renovirte  Kirche  zu  Gautzsch,  ein  neuerstandenes 

•     Denkmal  an  die  Völkerschlacht:  Lpz.Tgbl.  1903.    Nr.  606     S  8271, 

Devrieyit,  Ernst.  Urkundenbuch  der  Stadt  Jena  und  ihrer  geistlichen 
Anstalten.  Bd.  II  (1406 — 1525).  Namens  des  Vereins  f.  thüring. 
Geschichte  und  Altertumskunde  mit  Benutzung  des  Nachlasses 
von  J.  E.  A.  Martin  herausgegeben.  (A.  u.  d.  T. :  Thüringische 
Gescnichtsquellen.  Neue  Folge.  3.  Bd.  Der  ganzen  Folge  6.  Bd. 
2.  Teil.)    Jena,  G.  Fischer.    1903.    XLIV,  608  SS.    8». 

Dietrich,  Walther.  Beiträge  zur  Entwicklung  des  bürgerlichen  Wohn- 
hauses in  Sachsen  im  17.  und  18.  Jahrhundert.  Mit  142  zum  Teil 
farbigen  Abbildungen.     Leipzig,   Gilbers.     1904.     IV,   83  SS.     4". 

Distel,  Th.     Zu   den  „Neuberin- Stätten  bei  Dresden":    Über  Berg 

und  Thal  XXVI  (1903),  238. 
„  Ein  in  der  Litteratur  bisher  übersehenes  Gedicht  auf  die  Neuberin : 

Sachsens  Eibgaupresse.    1903.    Nr.  254. 
„  Theophilus  Lessings  Disputation  „De  religionum  tolerantia"  kein 

Druckunicum:  Zentralblatt  für  Bibliothekswesen  XX  (1903),  486. 
„  Johann   Helfrichs   Reise  ins  heilige   Land  als  Neudruck:   ebenda 

XXI  (1904),  123!. 
„  Herder  in  Dresden:   Dresdner  Nachrichten.    1904.    Nr.  21. 

Dold,  Joh.  Geschichte  der  2.  kathol.  Bezirksschule  in  Dresden.  Nach 
urkundlichen  und  archivalischen  Quellen.  Dresden,  Saxonia- 
Buchdruckerei.    1903.    40  SS.    8*^. 

DonatJi,  Edwin.  Der  Herrenberg  bei  Muskau:  Gebirgsfreund  XV 
(1903),  161— 163. 

Eckarät,  M.  [Leipziger  und  Dresdner]  Briefe  aus  den  Märztagen 
1813:  Wissensch.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1904     Nr.  41.    S.  161 — 163. 


Literatur.  187 

V.  Ehren  thnl,  M.  Einiges  über  den  Plattner  Hans  Rosenberger  [in 
Leipzig]:    Zeitschrift  für  histor.  Waffenkunde  III  (1903),    33  —  36. 

Ehwald,  H.  T^'cho  Brahe  und  Friedrich  Wilhelm  von  Sachsen:  Zentral- 
blatt für  Bibliothekswesen  XXI  (1904),  103- — 121, 

Erbstein,  J.     Näpfchenheller    und  Kirchenpfennige    in   Kursachsen : 
Münz- u. Medaillenfreund.    Nr  53 — 56(1903).   Sp.419 — 421.425 — 429. 
438—440.    443—446. 
„  Die  Flolsgraben-Marken  der  Stadt  St.  Annaberg  in  Sachsen  von 
1646:  ebenda     Nr.  57  (1904).    Sp.  454!'.  u.  Taf.  18. 

Eulitz,  E.     Paul  Adolph  Weifsker  f :    Waldheimer  Anzeiger.     1903. 
Nr.  141. 
„  Die  Gründung  des  Schlosses  und  der  Stadt  Waldheim :  Sonntags- 
Blatt  zum  Waldheimer  Anzeiger.    1903.    Nr.  27. 

Exner,  Moritz.  Zehn  Vorträge  über  Kriegführung,  Heerwesen  und 
vaterländische  Kriegsgeschichte,  gehalten  in  den  Räumen  der 
Gehe-Stiftung  auf  Veranlassung  der  wissenschaftlichen  Leitung 
derselben.  Mit  5  lithographischen  Karten.  Dresden-N.,  C.  Heinrich. 
1903.    XI,  206  SS.    8". 

V.  Feüitzsch.  Ein  alter  Schlachtbericht  [über  die  Schlacht  bei  Ravenna 
1512,  verf.  von  M.  v.  Feilitzsch,  gerichtet  an  Herzog  Georg]: 
Kamerad.    1903.    Nr.  43.    S.  'ji. 

Fiedler.  Zur  Geschichte  des  Kurländischen  Palais  (Zeughausplatz  3) 
und  des  Marcolinischen  Palais  (jetzt  Stadtkrankenhaus  zu  Dresden- 
Friedrichstadt).  Zum  Besten  der  Heil-  und  Verpflegeanstalt  für 
Epileptische  in  Klein -W^achau  Dresden,  Wilhelm  Baensch.  1904. 
74  SS.    8  0. 

[Fleischer.]  Aus  den  Briefen  eines  Leipziger  Studenten  [Heinr.  Lebr. 
Fleischer]  an  seine  Eltern,  im  zweiten  Jahrzehnt  des  vorigen 
Jahrhunderts  geschrieben:  Nachrichten  für  Grimma  und  Umgegend. 
1903.    Nr.  257 — 260. 

Forkmann,  Paul.  Frankenberg  und  seine  nächste  Umgebung  in 
Geschichte  und  Sage.  Frankenberg  i'Sa  ,  Selbstverlag  d.  Verf. 
1903.    IV,  68  SS.    80 

Frey,  L.  Beiträge  zur  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Schneeberg. 
Beigabe  zum  Jahresberichte  des  Kgl.  GA-mnasiums  zu  Schneeberg. 
Schwarzenberg,  Druck  von  C.  M.  Günther.    1904.    36  SS.    40. 

[Freytag,  E.  R.J     Losungswörter  auf  den  Festungen  Neu-  und  Alt- 
dresden in   den  Jahren  1635 — 1658  (Schlufs):   Blätter  f.  d.  Gesch. 
dei-  Sachs.  Armee  (Beiblatt  zum  Kamerad).    1903.    Nr.  8. 
„  Erlebnisse  des  Doppelsöldners  und  Stadtsoldaten  Hans  Breifsinger 

aus  Dresden  (1568     1617):  ebenda  Nr.  8. 
„  Zwei  Ansprachen  sächsischer  Feldprediger  aus  dem  Anfange  des 
18.  Jahrhunderts.     Die  K.  S.  Armeepröpste  Tzschirner  und  Fricke: 
ebenda  Nr.  9 — 11. 
„  Vom  Urlaub  in  der  altsächsischen  Armee:  ebenda  Nr.  11. 
„  Eine  Revision  der  Adelichen  Compagnie-Cadets:   ebenda.    1904. 
Nr.  I. 

[„J  Der  kurfürstliche  sächsische  Geheime  Kriegsrat  Johann  August 
von  Ponickau,  Kursachsens  gröister  Bibliophile:  ebenda  Nr.  2. 

[„J  Urteile  über  die  militärische  Tüchtigkeit  Augusts  des  Starken : 
ebenda  Nr.  2. 

Freytag,  E.  R ,  und  E  Sclmrig.  Anekdoten  und  Charakterzüge  aus 
dem  Leben  König  Alberts  von  Sachsen  Gesammelt  und  heraus- 
gegeben. Dresden,  Buchdruckerei  des  „Kamerad".  1904.  VII, 
126  SS.    8". 


l88  Literatur. 

Friedrieh,  Ludiv.  Etwas  über  meinen  Lehrer  Ludwig  Richter:  Über 
Berg  und  Thal  XXVI  (1903),  217 — 219. 

Fritzsching,  Paul,  und  Paul  iSeydel.  Heimatliunde  IL  von  Limbach 
und  Umgegend.  Unterrichtsstoffe  für  Mittel-  und  Oberklassen 
der  Volksschulen  sowie  Nachschlagebuch  fürs  Haus.  Limbach, 
J.R.Ulbricht.    1902.    141  SS.    8». 

Gebauer,  W.  Rabensteins  wirtschaftliche  Entwickelung:  Chemnitzer 
Tageblatt.    1904.    Nr.  71.  73.  75.  77. 

Gemisch,  J.  Das  römische  Haus  in  Leipzig:  Zeitschrift  für  bildende 
Kunst  XV  (1903/4),  118 — 120. 

Georgi,  Otto.  Der  Staatshaushalt  des  Königreiches  Sachsen  seit  dem 
Jahre  1880.     Leipzig,  Duncker  &  Hurablot.    1903.    136  SS.    8°. 

Graut  off',  Ferd.  Auf  sächsischen  Landstrafsen  1810/11:  Leipziger 
Kalender.    1904.    S.  53 — 64. 

[GJrfaveliusJ.     Sophus  Rüge:   Dresdner  Anzeiger.    1903.    Nr.  355. 

Größel,  Joh.  Sächsische  Kalandsbrüderscbaften:  Wissensch.  Beilage 
der  Lpz.  Ztg.    1903.    Nr.  140.    S.  i;6i  —  564. 

Grfößejl.  Ein  Beitragzur sächsischen  Reforraationsgeschichte  [evangel. 
Bewegung  in  Pegau  1525]:  Lpz.  Ztg.    1903.    S.  3759. 

Grüner,  0.  Die  Dorf  kirche  im  Königreich  Sachsen  Eine  Darstellung 
ihrer  Entstehung,  Entwickelung  und  baulichen  Eigenart.  Im 
Auftrage  und  mit  Beihilfe  des  Vereins  für  Sächsische  Volks- 
kunde und  des  Sächsischen  Ingenieur-  und  Architekten -Vereins 
bearbeitet  und  herausgegeben.  Mit  zahlreichen  Abbildungen  im 
Text  und  als  Beilagen  Leipzig,  Arwed  Strauch.  1904.  69  SS., 
47  Tafl".    8". 

Günther,  Arno.  Sachsen  und  die  Gefahr  einer  schwedischen  Invasion 
im  Jahre  1706.  Leipziger  Inaugural-Dissertation.  Pegau,  Hermann 
Günther.    1903.    97  SS.    8**. 

Gurlitt,  C.  Vom  Meifsner  Dom.  Eine  Entgegnung:  Deutsche  Bau- 
zeitung XXXVIII  (1904),  29 — 31. 

Haarhaus,  Julius  B,.    Leipziger  Spaziergänge.     Bilder  und  Skizzen. 
Leipzig,  Joh  v.  Schalscha-Ehrenfeld.    1903.    159  SS     8**. 
„  Leipziger  Parks  und  Gärten :  Leipziger  Kalender.   1904.  S.  99 — io6. 

Hantzsch,  Viktor.  Sophus  Rüge  f:  Geographische  Zeitschrift  X 
(1904),  65  —  74. 

(Häntzschel )  Kriegs-Unruhen,  welche  die  Stadt  Neustadt  und  Um- 
gegend betroffen  [163 1  —  1639]:  Kirchl.  Nachrichten  aus  der  Pa- 
rochie  Neustadt  i.  Sa.  II  (1903),  21 — 32. 

Frhr.  v.  Hansen,  Clemens.  Der  Fürstenzug  auf  dem  Sgraffito  -  Fries 
am  Kgl.  Schlosse  zu  Dresden.  Dresden,  C.  Heinrich.  1903.  XIII, 
254  SS.    8«. 

Haeußor,  O.     Der  Überfall  von  Hochkirch  in  der  Nacht  vom  1 3.  zum 
14.  Oktober  1758:    Kamerad.    1903.    Nr.  40     S.  16  —  20. 
„  Die  Gefangennahme  der  Sachs.  Armee  (16.  Okt.  1756)  bei  Pirna: 
ebenda  Nr.  46.    S.  10 — 12.    Nr.  47.    S.  9  —  12.    Nr.  48.    S.  17  —  20. 

[Heiland,  J.j  Dem  Andenken  [Heinr  Adolf]  Schletters  [in  Leipzig, 
t  1853]:  Lpz.  Tgbl.     1903.    Nr.  639.    S.  8823 

Heinicke,  A.  Zur  Geschichte  des  Klosters  Altenzella  bei  Nossen: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Lpz  Ztg.    1904.    Nr  3.    S.  9 — 12. 

Mettner,  Franz.  Das  Wahlrecht  in  Sachsen.  Vortrag,  gehalten  im 
nationalliberalen  Deutschen  Reichsverein  zu  Dresden  am  3.  De- 
zember 1903  mit  einem  Nachtrag  und  die  Denkschrift  der  Re- 
gierung vom  31.  Dezember  1903.  Leipzig,  Otto  Wiegand.  1904. 
64  SS.    8». 


T.iteratur.  i8g 

Heym.  Sächsische  Städtebilder.  Netzschkau :  Lpz.  Ztg.  1903  Nr.  233. 
S.  3176. 

HUler.  Wann  erlangte  Penig  Stadtrecht?:  Peniger  Tageblatt.  1903. 
Nr.  213 

Hoff'manv,  E.  Historische  Nachrichten  aus  Alt -Merseburg.  Aus  den 
Akten  des  Kgl.  Regierungsarchivs  zu  Merseburg  gesammelt  und 
wiedergegeben.    Merseburg,  Fr.  Stollberg.    1903.    96  SS.    8". 

Ilofmnnn,  A .  Kurfürst  Johann  Friedrich  der  Groismütige  von  Sachsen : 
Wartburg  11  (1903).    Nr.  27. 

Hofynavn,  Coelestin.  Verzeichniss  aller  Strafsen  und  Wege,  so  aus 
M.  G.  Herrn  Lande  über  die  Böhmische  Grentze  lauften  .  .  .  [von 
der  Hand  Oders]:  Älitteilungen  des  Nordböhmischen  Exkursions- 
Klubs  XXyi  (1903),  337  —  339- 

Hofmann,  Reinh.  Etwas  vom  Tabak  und  das  Altstadtwaldenburger 
Pfeifenmacherhandwerk :  Wissensch.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.  1904. 
Nr.  34.    S.  133—136. 

Houben.  Heinr.  Hubert.  Emil  Devrient.  Sein  Leben,  sein  Wirken, 
sein  Nachlafs.  Ein  Gedenkbuch.  Frankfurt  a.  M.,  Lit.  Anstalt, 
Rütten  &  Loening.    1903.    IX,  493  SS.    S*^. 

Issleib.  S.  Philipp  von  Hessen,  Heinrich  von  Braunschweig  und 
Moritz  von  Sachsen  in  den  Jahren  1541  — 1547:  Jahrbuch  des 
Geschichtsvereins  für  das  Herzogtum  Braunschweig  II  (1903), 
1  —  80. 

Jacobi.     Altes  und  Neues  über  Mineralien  aus  dem  Erzgebirge  und 
Vogtland:    Festschrift    zur  Feier    des    25jährigen  Bestehens    des 
Erzgebirgsvereins  (1903)  S.  53  —  65. 
„  Des  Schneebergs    ungeschriebene  Geschichte:    Glückauf!   XXIII 
(1903),  172  —  176.    189  —  193. 

Johv,  JE.     Erneuerung  der  Kirche  in  Ziegelheim :  Schönburger  Tage- 
blatt.   1903.    Nr.  249.    I.  Beilage. 
„  Aus  dem  Jahre   1848   in   einem  sächsischen  Dorfe:    Mitteilungen 
des  Vereins  für  Sachs.  Volkskunde  III  (1904),  144 — 147. 

V.  Katiffungen ,  Kunz  v.  Brunn  gen.  Grabsteine  adeliger  Personen. 
Gesammelt  auf  51  Friedhöfen  Deutschlands  und  Oesterreichs: 
Vierteljahrsschrift  f.  Wappen-,  Siegel-  und  Familienkunde  XXXI 
(1903),  292—363.  (S.  315 — 328:  Kirchhöfe  zu  Penig,  Dresden  und 
Loschwitz.) 

Kaufmann,  G.  Geschichtliches  über  die  Freiberger  Bergschule: 
Jahrbuch  für  das  Berg-  und  Hüttenwesen  im  Königreich  Sachsen. 

1903.  S.  106  — 126. 

Kloß,  Erich.    Richard  Wagner,  Dresden  und  die  Säch.sische  Schweiz: 

Über  Berg  und  Thal  XXVIl  (1904),  259  —  262. 
Klotz,  II.     Ludwig  Richters  Lebensgang:    Unsere  Heimat  II  {1903), 

258  —  267. 
Koch.    Ernst.     Der  Weilse  Hirsch  bei   Dresden  Jim  Jahre  1797   und 

der    Barde    Rhingulph:    Dresdner    Anzeiger.     Sonntags- Beilage. 

1904.  Nr.  6.    S  25  f. 

Köhler  und  Kachmann.  Christus  ward  geboren!  Ein  altes  Mettenspiel 
aus  der  Kirchgemeinde  Steinbach  im  Erzgebirge,  angeblich  ver- 
fafst  von  einem  daselbst  verstorbenen  Kantor  Herrmann.  Anna- 
berg, Grasersche  Buchhandlung  (Rieh.  Liesche).    1903.    18  SS.    8°. 

Korn.  Ein  Gebäude  aus  der  Hussitenzeit:  Mittheilungen  des  Vereins 
f.  Sachs.  Volkskunde  III  (1903),  i2if. 

Krüger,  H.  A.  Pseudoromantik,  Friedrich  Kind  und  der  Dresdner 
Liederkreis.     Leipzig,  H.  Hassel.    1904.    VII,  213  SS.    8°. 


igo  Literatur. 

Kruschwitz,  P.  Aus  einem  deutschen  Gesellen- Herbergsbuche  [der 
Seifensieder  zu  Bemsdorf]   1809 — 1873:  Gebirgsfreund  XV  (1903), 

50  —  54.  ...  .  . 

Kulm,  Ernst.  Nachrichten  über  die  Familie  Kuhn.  Biographisch- 
Literarisches  usw.  Nachträge  bis  1903.  München,  Akad.  Buch- 
druckerei von  F.  Straub.    1903.    S.  31 — 74.    8". 

Kurzwelly,  Albr.  Das  Leipziger  Bürgerhaus  in  der  ersten  Hälfte  des 
18. Jahrhunderts:  Leipziger  Kalender.    1904.    S.  149 — 167. 

Lange,  Otto.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Leipziger  Bürgerschule 
während  der  ersten  28  Jahre  ihres  Bestehens:  Festschrift  zum 
100  jährigen  Jubiläum  der  I.  Bürgerschule  in  Leipzig  (Leipzig 
1904)  S.  I — 72. 

[Lehmann,  Oscar.]  Ernst  Gedike,  der  erste  Direktor  der  ersten 
Bürgerschule  zu  Leipzig:  Lpz.  Tgbl     1903.    Nr.  650.    S.  9001. 

Leßke,  Friedr  Aug.  Beiträge  zur  Geschichte  und  Beschreibung  des 
Plaueii-schen  Grundes  bei  Dresden  und  seiner  anliegenden  Ort- 
schaften 3.  Teil.  Niedergorbitz,  Selbstverlag.  1903.  XXXVI, 
1155  SS.    8». 

Lindner  Die  Stellung  Sachsens  und  Thüringens  in  der  deutschen 
Geschichte:  Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins  der  deutschen 
Geschichts-  und  Altertumsvereine  LI  (1903),  202  f. 

Lijypert,  Wold.,  und  Hans  Beschorner,  Das  Lehnbuch  Friedrichs  des 
Strengen,  Markgrafen  von  Meifsen  und  Landgrafen  von  Thüringen 
13491350-  Mit  9  Tafeln  in  Lichtdruck.  Leipzig,  B.  G.  Teubner. 
1903.    CCLVIII,  642  SS.    80. 

Lorenz,  B.  Der  Erzgebirgsverein  in  den  25  Jahren  von  seiner  Be- 
gründung bis  zur  Gegenwart:  Festschrift  herausg.  zur  Feier  des 
25Jähr  Bestehens-  des  Erzgebirgsvereins    (1903).    S.  i — 20. 

Löscher,  Fr dr.  Herrn.     Das  Bad  zum  „Guten  Brunnen"  beiZwönitz: 

Unsere  Heimat  III  (1903),  41 — 44. 
„  Ludwig  Richter   und   das  Erzgebirge:   Glückauf!     XXIV  (I904), 

4—7.  17—20.  33—36. 
„  Ludwig    Richter    als    Maler    des    sächsischen    Landes:    Nachbar. 

Monatsbeilage.    1903,  Okt. 
„  Der  vogtländische  Krieg  (1354 — 57):  Neue  Vogtl.  Ztg.    1903,   Nr.  92. 
„  Salzwerke  im  Vogtlande:  ebenda  Nr.  120. 
„  Eine  Plauensche  Glockenerinnenmg:  ebenda  Nr.  277. 

Lunqirif.z,   Herrn.    Wild  und  Jagden  im  sächs.  Erzgebirge:  Glückauf! 
XXIII  (1903),  154—158. 
„  Denkwürdige  Bäume  um  vmd  in  Geyer:   Kirchliche  Nachrichten 
der  Stadt  Geyer  aus  dem  Jahre  1903. 

Manitius,  Q.  Pausitz  unter  Pfarrer  Klinghardt:  Kirchliche  Nach- 
richten  aus  der  Gemeinde  Pausitz  bei  Trebsen.    I904.    S.  6 — 13. 

Marlin,  Moritz.  Sophus  Rüge  und  unser  Gebirgsverein :  Über  Berg 
und  Tal  XXVII  (1904),  252-257. 

[Maurer,  Aug.  Sal.].  Leipzig  im  Taumel.  Nach  Originalbriefen 
eines  reisenden  Edelmannes.  1799.  [Neudruck.]  Münster  i.  Schw., 
P.  Tobler  (Komm).    [1903.]    333  SS.    8*^. 

Meiche,    Alfred.      Sagenbuch    des    Königreichs    Sachsen.      Leipzig, 
G.  Schönfeld.    1903.    LVH,  1085  SS.    8» 
„  Ritter  aus  dem  Stegreif  und  ihre  Schlupfwinkel :  Über  Berg  und 
Tal  XXVII  (1904),  244  —  246. 

Meinert,  Arno.  Johann  Traugott  Berndt,  ein  Dichter  aus  dem  Volke: 
Unsere  Heimat  III  (1903),  44! 


T.iteratur. 


191 


Melzer,    Carl.     Chronik  von   Neugersdorf.     Neugersdorf,  Teller  & 

Rofsberg.    1905.    VI,  251  SS.    8". 
Mennicke,  Carl.    Johann  Adolph  Hasse,   eine  biographische  Skizze: 

Sammelband  der  Internationalen  Musik -Gesellschaft  V  (1903/4), 

230 — 244. 
Mentz,   G.     Zur  Geschichte  der  Packschen  Händel:  Archiv  für  Re- 
formationsgeschichte I  (1904),  172 — 191. 
[Möbius.    Ä.J.     Grofszschocher  während  der   Völkerschlacht    181 3: 

Lpz.  Tgbl.    1903.    Nr.  531.    S.  7229f. 
Möbius,    Alfred.     Entwickelung    einer    Leipziger    Landmühle.      Die 

Mühle  in  Grofszschocher:  ebenda  Nr.  606.  "S  8284. 
Möckel,    Herrn.      Dr.  Johann  August  Ernst  Köhler:   Festschrift    zur 

Feier    des    25jährigen  Bestehens    des    Erzgebirgsvereins.    (1903;. 

S.  47-52- 

Moltke,  Siegfried.  Urkunden  zur  Entstehungs-Geschichte  der  ersten 
Leipziger  Grofshandelsvertretung.  Der  erste  Leipziger  Handlungs- 
gehilfenverein. Herausgegeben  von  der  Handelskammer  zu  Leipzig. 
Mit  mehreren  Abbildungen.  Leipzig,  A.  Twietmeyer  (Komm.). 
1904.    CV,  138  SS.    8» 

Moschkan,  A.     Denksteine  und  Gräber  von  1813  in  der  Oberlausitz: 
Gebirgsfreund  XV  (1903),  67—69.  82 — 85. 
„  Löbau  in  der  Schilderung  vergangener  Zeiten :  Oberlaus.  Zeitung 

und  Nachr.    1903.    Nr.  118. 
„  Das  Gefecht    bei  Ebersdorf- Löbau    am    9.  Septbr.   181 3:    Sachs. 
Postillon.    1903,  8.  Septbr. 

Mucke,  E.  Rezepte  und  Zaubermittel  für  Iraker  aus  dem  iS.Jahr- 
hvmdert:  Mitteilungen  des  Vereins  für  Sachs.  Volkskunde  III 
(1903/4),  117- 121.  140—143. 

Müller,  L.  Bericht  über  die  Verwaltung  und  den  Stand  der  Ge- 
meindeangelegenheiten der  Stadt  Johann-Georgenstadt  zu  Anfang 
des  Stadtgründungs -Jubiläumsjahres  1904.  Auf  Grund  amtlicher 
Unterlagen  bearbeitet.  Johanngeorgenstadt,  Carl  Stopp.  1904. 
82  SS    V\    (S.  5— 14:  GeschichtHches.) 

MfüllerJ,  V.     Vom  alten  Johannis- Friedhof  [zu  Leipzig]:  Lpz.  Tgbl. 

1903.  Nr.  427.    S.  5851. 

Nabe,  F.  Max.    Über    vorgeschichtliche    Funde    aus    Leipzigs  Um- 
gebung: Lpz.  Ztg.    1903.    Nr.  230.    S.  3432  f. 
N[eedon],  B.    Vorgeschichtliches  aus  der  Oberlausitz:  Wissenschaftl. 

Beilage  der  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  8.    S.  29. 
Nippold,    Frdr.     Der  Kurfürst -Konfessor    Johann  Friedrich.     Rede, 

gehalten  zu  seinem    Säkular -Jubiläum  am    30  Juni  1903.     Progr. 

Jena  (G.  Neuenhahn).    1903.    29  SS.    4*^. 
V.  Nostitz,  Hans.   Grundzüge  der  Staatssteuern  im  Königreich  Sachsen. 

Eine  Studie.    Jena,  Gustav  Fischer.    1903.    VIII,  244  SS.    8  *'. 
Otto.    Johanngeorgenstadt.    Ein  Gedenkblatt  zur  Feier  des  250jährigen 

Bestehens:  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  42.    S.  651! 
Pfau,    W.   Clemens.     Das    Pferd.     Ein    Beitrag    zur    geschichtlichen 

Volkskunde  Sachsens  (Forts  u.  Schlufs):  Mittheilungen  des  Vereins 

f.  Sachs.  Volkskunde  III  (1903),  70  —  79.    108 — 117 
„  Die  ältere  Geschichte  der  Rochlitzer  Schützengilde:    Rochlitzer 

Tageblatt.    1903.    Nr.  256  —  263. 
„  Der    alte     Silberschatz     der    Rochlitzer    Schützengilde:     Unsere 

Heimat  III  (1903),  52  —  54. 
„  (Hospitalkirche  in   Rochlitz):    (Chemnitzer)  Allgememe  Zeitung. 

1904.  Nr.  30. 


j  n  2  Literatur. 

Pfau,  W.  Clemens.    Neudrucke  aus  alten  [Rochlitzer]  Wochenblättern 
Jahrgänge  1819 — 1831.    [Sonderabzüge  aus  dem  Rochlitzer  Tage- 
blatt 1903.]    Rochlitz,  Druck  von  Max  Bode.    126  SS.    8'^. 

Pilz,  Herrn.  Sechzig  Jahre  Gartenbau  in  Leipzig.  Gedenkblatt  zum 
sechzigjährigen  Jubiläum  des  Leipziger  Gärtnervereins:  Lpz.Tgbl. 
1903.    Nr.  586.    8007  f. 

Pollack,  Erwin.  Afranisches  Ecce.  1903.  8.  Heft.  Meifsen,  Nieder- 
lage des  Vereins  ehemaliger  Fürstenschüler.    1903.    55  SS.    8". 

Posse,  Oito.  Die  Siegel  des  Adels  der  Wettiner  Lande  bis  zum 
Jahre  1500.  Im  Auftrage  der  Kgl.  Sächsischen  Staatsregierung 
herausgegeben.  L  Bd.  Grafen  von  Käfernburg  -  Schwarzburg. 
Vögte  von  Weida,  Plauen  und  Gera.  Adel  Buchstabe  A. 
Dresden,  Verlag  des  Apollo.    1903.    VII,  65  SS.    50  Taft.    4°. 

Pröhl,  Alfred.     Mittweida  und  Umgebung:  Un.sere  Heimat  III  (1903), 

4  —  7- 

Rachel,  Paul.  Aus  der  Frühzeit  der  Dreyisigschen  Singakademie 
in  Dresden  1807 — 1817,  1824 — 1828:  Dresdner  Anzeiger,  Sonntags- 
Beilage.    1903.    Nr.  43  f.    S   189t.    193 — 196. 

Frhr.  v.  Rechenhtrcf,  H.  Heinrich  B.  Beiträge  zu  einer  Geschichte 
der  Familie  Rechenberg  unter  Mitbenutzung  einiger  die  keltische 
Sprache  behandelnder  Schriften  sowie  vieler  aus  frühereren 
Jahrhunderten  im  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  aufbewahrten 
Akten.     Dresden,  Verlag  des  Verf.    1903.    XI,  88  SS.    8». 

B[eiclunbach.J  Die  Schlacht  bei  Dresden  den  26.  und  27.  August 
1813:  Lpz.Tgbl.    1903.    Nr.  432.    S.  5911. 

Graf  V.  Rex,  Victor  Carl  Casjpar.  Stammtafel  der  Familie  von  Rex 
bez    der  Grafen  von  Rex.     Dresden     1903.    4  Taft",    qu.-fol. 

Richter,  P.  E.  Litteratur  der  Landes-  und  Volkskunde  des  König- 
reichs Sachsen.  Nachtrag  4.  Herausgegeben  von  den  Vereinen 
für  Erdkunde  zu  Dresden  und  Leipzig.  Dresden,  A.  Huhle 
(Komm.).    1903.    220  SS.    8*^. 

[RJifchter,  P.  E.J  Die  Fabrikation  der  Musikinstrumente  im  Säch- 
sischen Vogtlande:  Wissensch.  Beilage  der  Lpz.  Ztg.  1903.  Nr.  106. 
S.  425  —  428. 

[Richter,  P.  E.j  Eine  Leipziger  Bank  von  1698:  Lpz.Tgbl.  1903. 
Nr.  375.    S.  5257.  _  ,         ^  ,. 

[Rudolph,  E.J  Kriegsermnerungen  emes  102  ers  aus  dem  teldzuge 
1870/71:  Kamerad.  1904.  Nr.  i.  S.  i7f.  Nr.  2.  S.  17  — 19.  Nr.  3. 
S.  21  — 23  Nr  4.  S.  19 — 21.  Nr.  5.  S.  20  — 22.  Nr.  6.  S.  18  — 21. 
Nr.  7.    S.  21     23.     Nr.  8.    S   18  —  21. 

Rüge,  S.    Ludwig  Richter  als  Wandersmann  und  Landschafter:  Über 
Berg  und  Tal  XXVI  (1903),  213 — 217.    225 — 230.    233 — 236. 
„  Ein    Indienfahrer    des    17.    Jahrhunderts    aus    der    Sächsischen 
Schweiz    [Ehas  Hesse    aus   Ottendorf    bei   Sebnitz],      Mit    einem 
Nachtrag  von  A.  Meiche:  ebenda  XXVII  (1904),  242—244. 

Sachs,  Eugen.  Die  Blattern  in  Sachsen  vor  100  Jahren:  Verhand- 
lungen der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Ärzte. 
74.  Versammlung  zu  Karlsbad  1902.  II,  2  (Leipzig,  F.  C.Vogel 
1903),  121 — 124. 

Sauppe.  Geschichte  der  Burg  und  des  Cölestinerklosters  Oybin 
(Fortsetzung):  Neues  Lausitzisches  Magazin  LXXIX  (1903),  177 
bis  240. 

Scheu ff'ler,  H.  J  Grimmaisches  Ecce.  1902.  1903.  23.  und  24.  Heft. 
Meifsen,  Niederlage  des  Vereins  ehemaliger  Fürstenschüler.  1903. 
XVL  58.    IV,  76  SS.    8". 


Literatur.  153 

Scheuff'ler,  H.  J.  Der  Zug  der  österreichischen  Geistlichen  nach  und 
aus  Sachsen  X  (Schluls):  Jahrbuch  der  Geschichte  des  Protestan- 
tismus in  Oesterreich  XXIV  (1903),  184  —  235. 

Scheveti,  Paul.  Allerlei  aus  und  über  Dresden.  Heft  i.  2.  Dresden, 
O.  V.  Böhmert.    1903.    64  SS.    8".    ' 

Schlauch,  Cr.  Sachsen  im  Volksmunde  (Forts.):  Unsere  Heimat  III 
(1903),  15  —  21.    37  —  40.    65  —  69. 

Schlüter,  Otto.  Die  Siedelun^jen  im  nordöstlichen  Thürmgen.  Em 
Beispiel  für  die  Behandlung  siedelungsgeographischer  Fragen. 
Mit  6  Karten  und  2  Tafeln.  Berlin,  Hermann  Costenoble.  1903. 
XIX,  453  SS.    8». 

[Schrnid,  O.J  Zwei  Beiträge  zur  Geschichte  der  sächsischen  Militär- 
musik vor  hundert  Jahren:  Kamerad.    1903.    X"r.  37.    S.  i. 

Schömmel,  H.  A.  Der  Lausitzer  Zauberer  Krabat  (Johann  von 
Schadewitz):  Gebirgsfreund  XV  (1903),  90 — 92. 

Sch'Ö7i ,  Theodor.  Die  Burg  Schönburg  bei  Klösterle  in  Böhmen 
(Stammburg  des  Hauses  Schönburg):  Schönburgischer  Haus- 
kalender.   1904.    S.  32 — 35. 

Schulze,  Arthur.  Die  Bankkatastrophen  in  Sachsen  im  Jahre  1901. 
Tübino;en.    I903.    V,  136  SS.    8**. 

Schurig,  E.  Das  Reinholdsche  Uniformenwerk  (Schlufs):  Kamerad. 
1903.    Nr.  34.    S.  9  f. 

/■„7  Noch  einmal  die  Einführung  der  ersten  Kartoffeln  in  Sachsen: 
ebenda  Nr.  36.    S.  25. 
„  Zur  Baugeschichte  der  Altstädter  Hauptwache  in  Dresden :  ebenda 

Nr.  40.    S.  9  —  II. 
„  Die  Bundesexekution  in  Holstein  1863/64:  ebenda  Nr.  51.    S.  10  f. 
Nr.  52.    S.  13  f. 

SfchurigJ,  E.  Von  den  sächsischen  Stabstrompetern:  ebenda.  1904. 
Nr.  4.    S.  12  f.     Nr.  5.    S.  19 f. 

SfchtirigJ.  Ein  sächsischer  General  und  Künstler  aus  der  Barock- 
zeit [W.  K.  V.  Klengel]:  Blätter  f.  d.  Gesch.  der  sächs.  Armee 
(Beiblatt  zum  Kamerad).    1904.    Nr.  i. 

Schling,  Emil.  Die  evangehschen  Kirchenordnungen  des  XVI.  Jahr- 
hunderts. I.  Abth.  Sachsen  und  Thüringen  nebst  angrenzenden 
Gebieten.      2.    Hälfte.      Leipzig,    O     R.    Reisland.      1904.      VII, 

614  SS.    4''. 

S[ey]f[er]t,  H.  Die  sächsischen  Truppen  vor  90  Jahren:  Wissenschaft]. 
Beilage  der  Lpz.  Ztg.    1903.    Nr.  123.    S.  493  —  495. 

Stiehl,  Ö.  Der  Ausbau  der  Meifsner  Domfront  nach  urkundlichen 
und  baulichen  Anhaltspunkten:  Deutsche  Bauzeitung  XXX VII 
(1903),  625-628.    633  f. 

Störzner,  Fr.  Beruh.  Der  zweite  Burghof  der  Burg  Stolpen:  Über 
Berg  und  Tal  XXVII  (1904),  262  f. 
„  Wie  ist  in  den  Gemeinden  der  Sinn  für  die  Geschichte  der 
Heimat  zu  wecken  und  zu  pflegen?  2.  verm.  Aufl.  Leipzig, 
Strauch.  27  SS.  8». 
„  Was  die  Heimat  erzählt.  Sagen,  geschichtliche  Bilder  und  denk- 
würdige Begebenheiten  aus  Sachsen.  Beiträge  zur  sächsischen 
Volks-  und  Heimatkunde.  Mit  Zeichnungen  von  Prof.  O.  Seyftert 
und  Maler  F.  Rowland.  I.  Ostsachsen.  Leipzig,  Arwed  Strauch. 
(1904.)    S.  1  —  40.    8*^. 

Sturm,  L.  Mein  Heimatsdörfchen  [Neugersdorf] :  Gebirgsfreund  XV 
(1903),  113— 116. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.    i.  2.  13 


IQA  Literatur. 

Sturmhoefel,  Konr.     Wie  wurde  Sachsen  ein  Königreich?     Vortrag. 

Leipzig,    Dr.  Seele  &  Co.     (A.  u.  d.  T. :    Hochschul -Vorträge  für 

Jedermann  Heft  XXXIII.)    1904.    32  SS.    8». 
Tetzner,  F.    Zur  Geschichte  der  sächsischen  Volkskunde:  Lpz.  Tgbl. 

1903.    Nr.  361.    S.  5093. 
„  Michael    und    Abraham    Frentzel    und    die    sorbische    Literatur: 

Wissenschaftl.  Beilage  der  Lpz.  Ztg.    1903.    Nr.  143.    S.  573 f. 
Thierbach,  M.     Die  Handfeuerwaften  der  sächsischen  Armee.    Nach 

den  Akten    des   Hauptzeughaus-    und    des    Hauptstaats- Archivs: 

Zeitschrift  für  histor.  Waffenkunde.  Bd.  III.  Heft  5  (1904).  S.  89— 96. 

126 — 137. 
Tülf,  Armin.     Grimmas  Stellung  in  der  deutschen  Geschichte:  Nach- 
richten für  Grimma  und  Umgegend.    1904.    Nr.  36.  38  f.    (Vgl.  da- 
zu das  Referat  über  einen  Vortrag  Tilles:  ebenda.    190,.    Nr.  209.) 
„  Leipzig  im  Weltverkehr:  Zukunft.     1904.    Nr.  15. 
„  Verzeichnis  von  1802  konfiszierten  Volksliedern:  Mitteilungen  des 

Vereins  für  Sachs.  Volkskunde  III  (1904),  133 — 136. 
Tutel,   A.     Zur  Erinnerung  an  die  Gründung  Johanngeorgenstadts 

im  Jahre  1654:  Glückauf!     XXIV  (1904),  20 — 22. 
Tykociriski      Die  Stiftungen  der  Stadt  Leipzig  vor  der  Reformation: 

Wissenschaftl.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1903.    Nr.  121  f.    S.  485 — 492. 
Uhle,  F.     Die  geplante  Berufung  des  Freiberger  Chronisten  Möller 

zum  Stadtarzt  in  Chemnitz:  Freiberger  Anzeiger  und  Tageblatt. 

1903.    Nr.  217. 
„  Vetternwirtschaft  bei  Chemnitzer  Ratswahlen  vor  Einführung  der 

Gemeindeverfassung:  Chemnitzer  Tageblatt.    1903.    Nr.  603. 
Uhlmanri-Uhlinanvsdorf ,  Arthur   B.    Zur   Geschichte   des  Wappens 

der    Stadt    Chemnitz:    (Chemnitzer)    Allgemeine    Zeitung.     1904. 

Nr.  36. 
Ver liier,  J.-J.,   et  Veling   (avec  la  collaboration  de  Bigoudot,   Burg, 

Rumpier  et  Tribout).    Inventaire  sommaire  des  archives  departe- 

mentales  anterieures  ä  1790.     Aube.     Serie  E*  (Fonds  de  Saxe). 

Tome  I.    I.  Partie:   Archives   particulieres   du  prince  Xavier  de 

Saxe.     1.  Section:  Guerre  de  sept  ans.    Journaux  de  Campagne. 

Correspondance    militaire.       Troyes,    Imprimerie    administrative 

Gustave  Fremont.    1903.    L,  441  SS.    4^'. 
Vogel,   Julius.     Das  römische   Haus  in   Leipzig.     Ein  Beitrag    zur 

Kunstgeschichte    des    19.  Jahrhunderts.     Mit    12  Lichtdrucktafeln 

und  26  Originalabbildungen  im  Text.    Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel. 

1903.    5  BIL,  84  SS.    4". 
Vogel,  Theodor.    Aus  alten  Kirchrechnungen  [der  Kirchfahrt  Knobels- 

dorf  mit  Rudelsdorf  Eph.  Leisnig] :  Archiv  für  Kulturgeschichte  I 

(1903),  387-402. 
„  Das  Einkommen  dei  Pfarrei  zu  Knobeisdorf  im  16.  Jahrhundert: 

Mittheilungen  des  Vereins  f.  Sachs.  Volkskunde  III  (1903),  79—87. 
[Voigt,    O.]     Städtebilder  aus  Sachsen.     Kamenz:  Lpz.  Tgbl.     1903. 

Nr.  587.    S.  801 9  f. 
Wallau,   H.     Tax   den  sog.  Silbertypen   der  torgauischen  Druckerei 

des    Herzogs   Friedrich  Wilhelm   von   Sachsen:    Zentralblatt    für 

Bibliothekswesen  XXI  (1904),  121 — 123. 
Weise,  Aug.     Geschichtsbilder  aus  dem  kirchlichen  Leben  Lausitzer 

Dörfer:  Gebirgsfreund  XVI  (1904),  2 — 4. 
Widemann,  E.    Aus  der  Vorzeit.    Die  Familie  Berthold:  Nachrichten 

über  die  Kirchgemeinde  Höckendorf  mit  Borlas  und  Obercunners- 

dorf  vom  Jahre  1903.    S.  13  —  16. 


Literatur.  195 

Woermativ ,  Karl.  Ludwig  Richters  Entwicklungsgang:  Katalog  der 
Sachs.  Kunst- Ausstellung.  Dresden  1903.  Abteilung:  Ludwig- 
Richter- Ausstellung     S.  9 — 24. 

Wiistmanv ,  Gustav.  Leipzig  und  die  Leipziger  Immobiliengesell- 
schaft. Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Stadt  im  letzten  Drittel 
des  neunzehnten  Jahrhunderts,  2.  Ausgabe  mit  19  Abbildungen 
und  einem  Stadtplan.  Leipzig.  Verlag  der  Leipziger  Immobilien- 
gesellschaft. 1903.  VII,  182  SS.  go. 
„  Die  alten  Leipziger  Innungen.  Chronologisches  und  Statistisches: 
Lpz.  Tgbl.  1903.  Nr.  620.  622  624.  628.  632.  S.  85iif.  8546.  8574. 
8633.  8700. 
„  Eine  Leipziger   Liebesgeschichte    aus    dem  Jahre   1537:    ebenda. 

1904.    Nr.  55  f.    S.  689,  713. 
„  Zur    frühesten    Geschichte    der    Färberei    in    Leipzig:    Deutsche 
Färberzeitung  XL  (1904).    Heft  5  -  7.    S.  78!  97!  117! 

Frhr.  v.  Zedtwitz,  Arthur  [Die  Wappen  der  im  Königreich  Sachsen 
blühenden  Adelsfamilien.  Anhang  u.  Ergänzung  A — H]:  Dresdner 
Residenz-Kalender  für  1904.    S.  97  — 100  mit  2  Tafeln 

Zesch,  M.  Eine  kursächsische  Mädchenschulordnung  vom  Jahre  1533: 
Wissenschaft!.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  13.    S.  49-51. 

Zimmermann,  Ernst.  Zum  hundertsten  Geburtstage  Gottfried  Sempers: 
Dresdner  Anzeiger.  Sonntags-Beilage.  1903.  Nr.  48f.  S.  209 — 211, 
21 3  f. 

Zinck,  Paul.  Leipziger  Lotterien:  Wissensch.  Beil.  der  Lpz.  Ztg. 
1904.    Nr.  42f.    S.  165 — 172. 


Otto  Banck:  Wissensch.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1904.  Nr.  33.  S.  129 — 132. 

Die  Königlich  Sächsische  Bergakademie  zu  Freiberg  und  die 
Königliche  geologische  Landesanstalt  nebst  Mitteilungen  über  die 
EntWickelung  und  den  Stand  des  Berg-  und  Hüttenwesens  und 
der  Bergpolizei  im  Königreiche  Sachsen.  Herausgegeben  von 
der  Kgl  Bergakademie.  Mit  Textbildern  und  i  Tafel.  Freiberg  i,S., 
Graz  &  Gerlach  ( Joh.  Stettner).    1904.    4  BU  ,  82  u.  XVI  SS.    40. 

Inhalt:  Papperitz,  Geschichte,  gegenwärtige  Organisation 
und  Statistik  der  Bergakademie  Freiberg.  —  Ledebur,  Über 
die  Bedeutung  der  Freiberger  Bergakademie  für  die  Wissenschaft 
des  18.  u.  19  Jahrhunderts.  —  Credner,  Die  geolog.  Landes- 
anstalt des  Königreichs  Sachsen.  —  Treptow,  Die  Entwickelung 
und  der  gegenwärtige  Stand  des  Bergbaus  im  Königreich  Sachsen. 
—  Schiffner,  Die  Entwickelung  und  der  gegenwärtige  Stand 
des  Hüttenwesens  im  Königreich  Sachsen.  —  Krug,  Grundzüge 
des  im  Königreich  Sachsen  geltenden  Bergpolizeirechts.  Anhang: 
Allgemeine  Bergpolizei -Vorschrift  für  das  Königreich  Sachsen 
vom  2.  Januar  1901 

Julius  Blüthner  in  Leipzig.  Festschrift  zur  Feier  des  50jährigen 
Geschäfts-Jubiläums  am  7.  November  1903.    1853— 1903.    32  SS.   8"*. 

Das  Kgl.  Sachs.  Fufsartillerie-Regiment  Nr.  12.  1873 — 1903: 
Kamerad.    1903.    Nr.  41.    S.  if. 

Älteste  erhaltene  Urkunde  von  Johanngeorgenstadt,  betrifft  die 
der  Stadt  von  Sr.  Churfürstl.  Durchlaucht  Johann  Georg  I.  ver- 
liehenen Privilegien.  Im  Facsimiledruck  zur  250jährigen  Jubel- 
feier der  Stadtgründung  den  Stadtkindern  und  Einwohnern  Johann- 
georgenstadts  gewidmet  vom  Erzgebirg.  Volksfreund,  Amtsblatt 
für  die  Kgl.  u.  städt.  Behörden  in  Johanngeorgenstadt,  Aue,  Grün- 


13* 


Iq6  Literatur. 

hain,  Hartenstein,  Löfsnitz,  Neustädtel,  Schneeberg,  Schwarzenberg 

bezw.  Wildenfels.    (Verlag  von  C.  M.  Gärtner.  Inhaber:  E.  Ritter, 

Schneeberg.)   Jahrg.  57.    4  SS.    gr.-fol. 
Klemm  in  der  Gegend  von  Freiberg  und  Chemnitz:  Klemms  Archiv. 

Mitteilungen  aus  der  Familiengeschichte.    I.    Nr.  12  (1903).    S.  502 

bis  505. 
Bausteine    zur    Geschichte    der   Marienberger    Klemm   V:     ebenda 

S.  510  —  520 
Bericht  der  Kommission  zur  Erhaltung  der  Kunstdenkmäler 

im  Königreich  Sachsen.     Tätigkeit  in  den  Jahren  1900,  1901  und 

1902.  Dresden,  Druck  von  C.C.  Meinhold  &  Söhne.  (1904.)   looS.  S*'. 
Aus  den  Tagen  der  Völkerschlacht  bei  Leipzig.    Nach  dem  Bericht 

eines  Augen-  und  Ohrenzeugen:   Kamerad.    1903.    Nr.  41.    S.  9  f. 

-g.  Zum  30jährigen  Bestehen  der  Kgl.  Sachs.  Unteroffizierschule  zu 
Marienberg:   ebenda  Nr.  40.    S.  9. 

Alt -Plauen  in  Wort  und  Bild.  Aus  Anlafs  des  30jährigen  Be- 
stehens des  Altertumsvereins  zu  Plauen  herausgegeben  vom 
Gesammtvorstande.  Plauen  i.V.,  Druckerei  Neupert.  1903.  IV, 
60  SS.    4''- 

Inhalt:  A.  Neupert  sen.,  Das  Eversteinsche  (alte)  Schlofs 
und  das  städtische  Malzhaus  am  alten  Teich  (an  der  alten  Eich).  — 
J.  Vogel,  Die  St.  Johanniskirche  in  Plauen.  —  Ders.,  Das 
deutsche  Ordenshaus  in  Plauen.  —  A.  Neupert  sen..  Das  Schlofs 
der  Vögte.  —  Ders.,  Die  ältesten  Bilder  von  Plauen.  —  Ders., 
Das  Rathaus.  —  R.  Huster,  Das  Schulwesen  in  Plauen  bis  zum 
Jahre  1841.  —   A.  Neupert  sen.,   Das  alte  Amt  am  Amtsberg. 

—  F.  Streit,  Die  Hospitäler  St.  Elisabeth  und  St.  Johannis  zu 
Plauen.  —  A.  Neupert  sen.,  König  Albert-  und  Gösselbrücke.  — 
A.  Scholtze,  Das  Schulhaus  in  der  Syrastrafse.  —  B.  Wenzel, 
Die  alte  Turnhalle.  —  F.  Kesselring,  Wasserfluten  und  Feuers- 
brünste. 

Die  katholische  Kirche  in  Plauen  i.V.  (i.  Aus  Plauens  katholischer 
Vorzeit.  2.  Die  Entwicklung  der  jetzigen  katholischen  Pfarrei. 
3.  Der  neue  Kirchenbau.):  St.  Benno-Kalender  LIII  (1903),  50 — 63. 

Johann  Gottfried  Schicht  und  seine  Beziehungen  zu  Zittau:  Ge- 
birgsfreund  XV  (1903),  163! 

Aus  Schneebergs  Vergangenheit:  Glückauf!  XXIV  (1904),  22 — 25. 
36-38. 

Zum  hundertsten  Geburtstage  Gottfried  Sempers:  Kunstchronik 
XV  (1903  4).    Sp.  104  f. 

Festschrift  zur  Einweihung  des  neuen  Vitzth umsehen  Gym- 
nasiums, den  ehemaligen  Zöglingen  der  Blochmann-Bezzen- 
bergerschen  Erziehungsanstalt  und  des  Vitzthumschen  Gym- 
nasiums gewidmet.  [Verzeichnisse  der  Administratoren  und  Kgl. 
Kommissare,  der  Lehrer  und  der  Schüler.]    Dresden,  B.  G.Teubner. 

1903.  VI,  148  SS.    8». 

Beiträge  zur  Sächsischen  Kirchengeschichtc.  Herausgegeben  im  Auf- 
trage der  „Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte"  von 
Franz  Dibelius  und  Theodor  Brieger.  17.  Heft.  (Jahresheft  für 
1903.)     Leipzig,  Barth.    1904.    163  SS.    8". 

Inhalt:  Dibelius,  Johann  Tetzel.  —  G.  Planitz,  Zur  Ein- 
führung der  Reformation  in  den  Ämtern  Rochlitz  und  Kriebstein. 

—  Bönhoff,    Die  Grenzen  der  Bistümer  Naumburg,  Merseburg 


Literatur. 


197 


und  Meifsen  unter  einander.  —  Bönhoff,  Weshalb  fehlt  die 
Parochie  Altenhof  bei  Leisnig  in  der  Meifsner  Jurisdiktions- 
matrikel? —  Bönhoff,  Bildete  die  Propstei  Riesa  ein  Archi- 
diakonat  des  Meifsner  Hochstifts? 

Dresdner  Geschichtsblätter,  herausgegeben  vom  Verein  für  Geschichte 
Dresdens.    XII.  Jahrgang.    1903.    Nr.  3.  4.    XIII.  Jahrg.    1904.    Nr.  i. 

Inhalt:  O.  Mörtzsch,  Die  Kriegsdienste  der  Pflege  Dresden 
im  Jahre  1445.  —  (Schnorr  v.  Carolsfeld,)  Aus  Julius  Schnorrs 
Tagebüchern  XXII.  XXIII  (Schlufs).  —  Bestallung  eines  kurfürst- 
lichen Bibliothekars  aus  dem  Jahre  1586.  —  Beschorner,  Die 
Hoflöfsnitz  bei  Dresden.  —  O.  Richter,  Ausschreiben  und 
Schiefsordnung  zu  einem  Armbrustschiefsen  in  Torgau  1489. 
Mitteilungen  des  Gescfiichts-  und  Altertumsvereins  zu  Leisnig  im 
Königreich  Sachsen.  XII.  Heft.  Zusammengestellt  und  im  Auf- 
trage des  Vereins  herausgegeben  von  Mirus.  Leisnig  1904. 
82  SS.    S-J. 

Inhalt:  O.  Mörtzsch,  Leisniger  Türkensteuer  1481.  —  Ders., 
Zins  und  Gülte  der  Aerater  Lei.snig  und  Döbeln  1378.  —  Ders., 
Die  Ehrbar  Mannschaft  der  Aemter  Leisnig,  Döbeln,  Rochlitz 
1445.  —  Artikel  der  Leisniger  Tuchmacherinnung  vom  Jahre  1552. 
—  Vertrag  des  Rats  zu  Liznik  mit  dem  Kloster  Buch  wegen 
einer  ewigen  Messe  in  der  Pfarrkirche  zu  Liznik  [1371].  — 
E.  Gerber,  Das  Innere  der  Kirche  zu  Tragnitz.  —  Ergänzende 
und  berichtigende  Bemerkungen  zu  D.  Hahns  Abhandlung:  Der 
Wartturm  im  „Hofe  des  Schlosses  Mildenstein  zu  Leisnig.  — 
Holtheuer,  Über  das  Vorkommen  von  Braunkohlenquarziten 
(Knollensteinen)  in  der  Umgegend  von  Leisnig.  —  Mirus,  Die 
tönerne  Taufschüssel  von  1639.  —  Mirus,  Richtigstellung  [betr. 
Familie  Mirus]. 


Naehriehten. 

Vorbemerkung.  Bei  dem  fortdauernd  wachsenden  Interesse 
für  die  heimische  Geschichte  dürfte  es  vielen  Lesern  dieser  Zeit- 
schrift als  wünschenswert  erscheinen,  nicht  blofs  wie  schon  bisher 
über  die  literarischen  Erscheinungen,  sondern  auch  über  alle  anderen 
wissenswerten  Vorgänge  auf  dem  Gebiete  der  sächsischen  Geschichte 
und  Altertumskunde  auf  dem  Laufenden  gehalten  zu  werden.  Die 
Redaktion  will  versuchen,  diesem  Bedürfnis  dadurch  zu  entsprechen, 
dafs  sie  in  einer  jedem  Hefte  des  Archivs  beizufügenden  Abteilung 
„Nachrichten"  kurze  Notizen  über  die  für  Pflege  der  sächsischen 
Geschichte  und  Altertumskunde  gebildeten  Kommissionen,  Gesell- 
schaften und  Vereine  (Mito;liederzaTal,  Vorstand,  Vorträge,  soweit  sie 
dem  Gebiete  der  sächsischen  Landes-  und  Ortsgeschichte  angehören, 
wissenschaftliche  Exkursionen),  über  Museen,  Archive,  Altertumsaus- 
stellungen, Funde,  Personalien  u.  dgl.  m.  gibt.  Sie  weifs  aber  sehr 
wohl,  dafs  dies  nur  möglich  ist,  wenn  sie  von  vielen  Seiten  durch 
freundliche  Mitteilungen  unterstützt  wird,  und  bittet  daher  auch  an 
dieser  Stelle  alle  Freunde  der  vaterländischen  Geschichte  um  ihre 
Mitarbeit. 


Die  Kgl.  Sächsische  Kommission  für  Geschichte  hielt  am 
12.  Dezember  1903  unter  Vorsitz  Sr.  Exzellenz  des  Herrn  Kultus- 
ministers Dr.  V.  Seydewitz  ihre  Jahresversammlung  in  Leipzig  ab.  Im 
Laufe  des  Jahres  1903  hat  sie  durch  den  Tod  die  ordentlichen  Mit- 
glieder Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Knothe  vmd  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Rüge 
verloren.  Neu  eingetreten  sind  Prof.  Dr.  Brandenburg  und  Prof. 
Dr.  Buchholz  in  Leipzig. 

Erschienen  sind  im  Laufe  des  Jahres  1903  die  erste  Hälfte  des 
II.  Bandes  der  Politischen  Korrespondenz  des  Herzogs  und 
Kurfürsten  Moritz,  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Brandenburg,  der  die 
zweite  Hälfte  im  Laufe  des  Jahres  1904  folgen  wird,  und  die  von 
Dr.  Kroker  besorgte  Ausgabe  von  Luthers  Tischreden  in  der 
Mathesischen  Sammlung;  ferner  die  Doppelsektion  467/492  (Greiz- 
Hof)  der  histor.-statist.  Grundkarte  des  Königreichs  Sachsen. 

Nahezu  im  Druck  abgeschlossen  sind  das  Lehn  buch  Fried- 
richs des  Strengen  von  1349,  herausgegeben  von  Archivrat 
Dr.  Lippert  und  Archivsekretär  Dr.  Beschorner,  und  der  I.  Band 
der  von  Prof.  Dr.  Gels  bearbeiteten  Akten  und  Briefe  des 
Herzogs  Georg;  ersteres  ist  inzwischen  erschienen,  das  Erscheinen 
der  letzteren  bald  zu  erwarten. 

Mit  dem  Drucke  des  von  Archivrat  Dr.  Lippert  im  Manuskript 
abgeschlossenen  Briefwechsels  der  Kurfürstin  Maria  Anto- 


Nachrichten. 


199 


nia  mit  der  Kaiserin  Maria  Ther es  ia  wird  demnächst  begonnen 
werden. 

Die  Manuskripte  zum  I.  Bande  der  Akten  zur  Geschichte  des 
Bauernkrieges,  bearbeitet  von  Archivar  Dr.  Merx,  und  zur  Ge- 
schichte des  Heilbronner  Bundes,  von  Archivar  Dr. Kretzschmar, 
werden  voraussichthch  im  Laufe  des  Jahres  1904  fertig  werden. 
Als  Vorarbeiten  zu  der  letzteren  Publikation  veröffentlicht  Kretzschmar 
gegenwärtig  zwei  Abhandlungen  über  Gustav  Adolfs  letzte  Ziele  und 
Pläne  in  Deutschland  (in  den  „Qviellen  und  Darstellungen  zur  Ge- 
schichte Niedersachsens")  und  über  die  brandenburgischen  Verhand- 
lungen mit  GustavAdolf  (in  den  „Forschungen  zur  brandenburgischen 
Geschichte"). 

Die  Bearbeitung  der  sächsischen  Ständeakten  seit  1485 
hat  Dr.  Görlitz  gefördert  und  hofft  bis  zum  Jahre  1905  den  I.  Band 
(bis  1539)  fertig  zu  stellen.  Die  von  Dr.  Haake  besorgte  Ausgabe 
der  Entwürfe  und  Briefe  Augusts  des  Starken  bedarf  noch 
archivalischer  Forschungen;  doch  wird  sich  das  Manuskript  vielleicht 
noch  im  Laufe  des  Jahres  1904  vollenden  lassen. 

Die  Ausgabe  der  sog.  Instruktion  eines  Vorwerksver- 
walters des  Kurfürsten  August  1570,  die  Prof.  Dr.  Wuttke  und 
der  Verfasser  dieser  Zeilen  übernommen  haben,  konnte  leider  noch 
nicht  veröffentlicht  werden,  da  Prof.  Wuttke  durch  die  Bearbeitung 
eines  gröfseren  Werkes  über  die  deutsche  Städteausstellung  und 
die  ihm  aus  der  Übertragung  der  Professur  für  Nationalökonomie 
an  der  Kgl.  Techn.  Hochschule  erwachsenden  neuen  Pflichten  voll- 
ständig in  Anspruch  genommen  war.  Aus  demselben  Grunde  sind 
auch  die  anderen  Arbeiten,  die  Prof.  Wuttke  für  die  Kommission 
übernommen  hat,  die  Geschichte  des  sächsischen  Steuer- 
wesens und  die  Geschichte  der  amtlichen  Statistik  in 
Sachsen,  nicht  wesentlich  vorgeschritten. 

Die  Publikation  der  Hauptwerke  der  sächsischen  Bild- 
nerei  und  Malerei  des  15.  u.  16.  Jahrhunderts  hat  Dr.  Flechsig 
durch  den  Besuch  zahlreicher  sächsischer  Ortschaften  zum  Zwecke 
])hotographischer  Aufnahmen  gefördert. 

Die  Vorarbeiten  zu  einer  Bibliographie  der  sächsischen 
Geschichte  sind  von  Dr.  Hantzsch  plangemäfs  fortgesetzt  worden; 
das  Werk,  das  etwa  19 10  vollendet  sem  wird,  soll  mit  dem  Jahre  1900 
abschliefsen,  gleichzeitig  aber  ein  Ergänzimgsband  für  die  folgenden 
Jahre  erscheinen. 

Von  dem  umfassenden  Werke  über  die  Geschichte  des 
geistigen  Lebens  der  Stadt  Leipzig  ist  am  weitesten  die  von 
Dr.  R.  Wustmann  bearl.)eitete  Musikgeschichte  vorgeschritten ;  der 
erste  bis  Ende  des  16.  Jahrhunderts  reichende  Abschnitt  wird  vor- 
aussichtlich noch  im  Frühjahr  1904  in  Druck  gegeben  werden  können. 
Gefördert  wurden  die  Geschichte  des  literarischen  Lebens  in 
Leipzig,  für  die  Prof.  Dr.  Witkowski  ergebnisreiche  archivalische 
Studien  in  Dresden  machte,  die  Geschichte  der  bildenden 
Kunst  Leipzigs  (Dr.  Kurzwelly)  und  die  Schulgeschichte 
( Rektor  Prof.  Dr. Kämmel ),  während  für  die  Geschichte  des  kirch- 
lichen Lebens  in  Leipzig  wegen  der  Berufung  des  Bearbeiters 
Prof.  Dr.  Böhmer  nach  Bonn  nur  wenig  geschehen  konnte.  Die  Aus- 
gabe des  Tagebuchs  des  Rektor  1  ho masius  lioff't  Prof.  Sachse 
im  Laufe  des  Jahres  1904  vollenden  zu  können. 

Die  Vorarbeiten  zur  Sozial-  und  Wirtschaftsgeschichte 
von  Leipzig  hat  Dr.  Armin  Tille  fortgesetzt. 


2  00  Nachrichten. 

Auch  die  umfassenden  historisch-geographischen  Unternehmungen 
der  Kommission  sind  im  Laufe  des  Jahres  1903  gefördert  worden. 
Die  historisch-statistische  Grundkarte  ist  nunmehr,  soweit  ihre  Her- 
steUung  der  Kommission  obhegt,  vollendet;  von  den  Sektionen,  die 
die  Kommission  für  die  Provinz  Sachsen  und  das  Herzogtum  Anhalt 
übernommen  hat,  sind  364/389  (Zörbig -Halle),  365/390  (Dresden- 
Leipzig  vmd  366/391  (Torgau -Oschatz)  erschienen,  die  noch  fehlenden 
367/392  (Finsterwalde  -  Grofsenhain)  und  414/440  (Zeitz  -  Gera)  in 
Arbeit.  Die  nordöstlichen  Doppelsektionen  368/393  (Kalau-Kamenz) 
und  369/394  (Spremberg-Niesky)  sollte  eigentlich  die  Provinz  Branden- 
burg übernehmen;  um  die  Herstellung  der  kgl.  sächsischen  Gebiets- 
teile aber  bald  zum  Abschlufs  zu  bringen,  wurde  beschlossen,  die 
Sektionen  Kamenz  und  Niesky  im  Jahre  1 904  zu  bearbeiten. 

An  der  Beschreibung  der  Bistümer  arbeitet  Seminarober- 
lehrer Dr.  Becker  in  Waidenburg  und  hofft,  den  statistischen  Teil  des 
auf  das  Bistum  Meifsen  bezüglichen  Bandes  in  etwa  Jahresfrist  ab- 
schliefsen  zu  können.  Die  Untersuchungen  über  die  sächsischen 
Ämter  hat  Privatdozent  Dr.  Kötzschke  fortgesetzt;  doch  empfiehlt 
es  sich,  mit  ihnen  die  Vorarbeiten  für  das  geplante  historische 
Ortsverzeichnis  zu  verbinden,  für  die  wohl  eine  Hilfskraft  zu 
gewinnen  sein  wird. 

Um  die  wichtigsten  Quellen  aller  historisch-geograpliischen  und 
agrargeschichtlichen  Arbeiten,  die  in  den  dreifsiger  und  vierziger 
Jahren  aufgenommenen  Flurkarten,  vor  dem  Untergange  zu  be- 
wahren und  zugleich  der  Forschung  zugänglich  zu  machen,  ist  da- 
mit begonnen  worden,  sie  photographisch  zu  reproduzieren  und  die 
Kulturarten  koloristisch  anzudeuten;  in  dieser  Weise  sind  die  Amts- 
hauptmannschaften Dresden-Altst.,  Meifsen,  Dippoldiswalde,  Freiberg, 
Leipzig  und  teilweise  Borna  und  Grimma  bearbeitet  worden.  Über 
die  Frage,  ob  alle  Teile  des  Landes  in  gleicher  Weise  zu  behandeln 
sind,  wie  auch  über  die  von  Dr.  Beschorner  vorbereitete  Samm- 
lung der  sächsischen  Flurnamen,  für  die  durch  Fragebogen 
ein  ansehnliches  Material  zusammengebracht  worden  ist,  hat  die 
Kommission  eine  Beschlufsfassung  ausgesetzt,  um  zunächst  das  Gut- 
achten des  für  diese  Fragen  gebildeten  Ausschusses  zu  hören. 

Die  Anträge  des  Oberstudienrats  Dr.  Peter  in  Meifsen  auf  Her- 
ausgabe der  Briefe  des  Georg  Fabricius  und  des  Prof. 
Dr.  E.  O.  Schmidt  in  Meifsen  auf  Veröffentlichung  der  namentlich 
kunstgeschichtlich  wichtigen  Korrespondenz  des  Grafen  Brühl 
mit  Heineke  wurden  Unterausschüssen  zur  Prüfung  überwiesen. 

Die  Köiiigl.  Kommission  zur  Erhaltung  der  Kunstdenkmäler 
im  König'reicli  Sachsen,  Ijegründet  durch  Verordnung  vom  29.  Juni 
1894,  hat  folgende  Aufgaben:  i.  die  Begutachtung  der  von  den 
Ministerien  und  dem  evangelisch-lutherischen  Landeskonsistorium  an 
sie  gerichteten  Fragen,  welche  die  Beseitigung  von  Kunstdenkmälern 
oder  die  Art  ihrer  Erhaltung  und  Wiederherstellung  betreffen;  2.  die 
Begutachtung  von  Gesuchen  um  Staatsbeihilfen  zur  Erhaltung  und 
Wiederherstellung  von  Kunstdenkmälern;  3.  die  Aufsicht  über  die  im 
Lande  vorhandenen  Kunstdenkmäler  und  die  Erteilung  von  Rat- 
schlägen zum  Schutze  der  letzteren;  4.  den  Erlais  von  Direktiven 
für  die  Fortsetzung  des  Liventarisationswerkes. 

Über  ihre  Tätigkeit  in  den  Jahren  1898 — 1899  und  1900 — 1902 
geben  zwei  im  Drucke  erschienene  Berichte  austührlich  Auskuntt. 
Im  Jahre  1903  wurden  unter  Vorsitz   des   Herrn  Geh.  Regierungsrat 


Nachrichten.  20l 

Dr.  Genthe  zehn  Sitzun<>;en  (31.  Januar,  14.  März,  25.  April,  23.  Mai, 
20.  Juni.  II.  fuli,  29.  Auo;u!bt,  10. Oktober,  29.0kt()1)er  und  19.  Dezember) 
abgehaltt-n. 

Einige  Gegenstände,  die  die  Kunnnis.sion  schon  längere  Zeit 
beschäftigten,  wurden  auch  im  Berichtsjahre  mehrfach  behandelt, 
ohne  der  Natur  der  Sache  nach  völlige  Erledigung  linden  zu  können.  Es 
handelt  sich  dabei  um  Pläne  von  gröfster  Bedeutung,  deren  Durch- 
führung viele  Jahre  erfordert.  Hierzu  geh(")ren  die  heifsumkämpfte 
Wiederherstellung  des  Meifsner  Domes  und  die  des  Kaiserschlosses 
zu  Mylau,  sowie  die  nach  den  Vorschlägen  der  Kommission  geplante 
Erweiterung  und  Umänderung  des  Stadtmuseums  zu  Zittau. 

Über  die  beabsichtigten  Umbauten  der  Kirchen  zu  Tragnitz, 
Strehla,  Breitenborn  und  Gottleuba,  über  die  Bilder  in  der  Universitäts- 
bibliothek zu  Leipzig,  über  eine  Sandsteinfigur  zu  Skassa,  den  Wasser- 
turm zu  Riesa,  die  Kanzel  zu  Reichenberg  b.  Dresden,  die  Wolfgang- 
kirche zu  Schneeberg,  die  Hospitalkirchen  zu  Zittau  und  Rochlitz, 
die  Paulinerkirche  zu  Leipzig,  die  Ruinen  zu  Oybin,  Frauenstein  und 
Elsterberg,  Altar  und  Schlofs  zu  Kunnersdorf,  über  den  beabsichtio;ten 
Abbruch  des  alten  Amtshauses  zu  Pirna,  über  die  Wirkung  eines 
Neubaues  auf  dem  Sonnenstein,  Ausschmückung  der  Nikolaikirche  zu 
Dippoldiswalde,  Übertragung  der  Prellerschen  Fresken  im  Römischen 
Haus  zu  Leipzig,  über  Reste  einer  Balkendecke  im  Schlosse  zu  Col- 
ditz  und  verschiedenes  anderes  mehr  hatte  die  Kommission  sich 
gutachtlich  zu  äufsern ,  beziehentlich  das  ihr  übertragene  Aufsichts- 
recht geltend  zu  machen.  In  den  meisten  Fällen  war  ihr  dabei  Ge- 
legenheit gegeben,  die  von  ihr  vertretenen  Ansichten  über  die  Er- 
haltung des  guten  Alten  zur  Geltung  zu  bringen. 

In  der  von  der  Kommission  1902  eingerichteten  „Versuchsstelle 
für  Holzerhaltung"  wurden  nicht  nur  verschiedene  hier  in  Betracht 
kommende  Mittel  versucht,  sondern  auch  Kunstdenkmäler  aus  den 
Kirchen  zu  Untertriebel,  Sörnewitz,  Mochau,  Wechselburg,  Zschorlau, 
Dohlen  und  Leubnitz  wiederhergestellt,  sowie  eine  grölsere  Anzahl 
von  Keilrahmen  zu  den  wiederherzustellenden  Bildern  angefertigt 
und  die  dazu  gehörigen  Zierrahmen  ausgebessert. 

Die  gelegentlich  der  Inventarisation  der  Kunstdenkmäler  in  den 
Amtshauptmannschaften  Dresden-Altstadt  und  Dresden-Neustadt  auf 
den  Kirchböden  und  Nebenräumen  aufgefundenen  alten,  meist  wenig 
beachteten,  beschädigten  Kunstwerke  brachte  die  Kommission  in 
zwei  Räumen  des  alten  Kadettenhauses  in  Dresden  zusammen  und 
machte  den  Kirchenvorständen  Ratschläge  über  das,  was  mit  ihnen  zu 
geschehen  habe.  Die  meisten  sollen  dementsprechend  nach  Erneuerung 
durch  die  Kommis.sion  in  den  Kirchen  wieder  aufgestellt  werden. 

Im  Berichtsjahre  erreichte  die  Kommission,  dafs  die  Erneuerung 
der  drei  grofsen,  von  Bottschildt  gemalten  Deckengemälde  im  Haupt- 
saal des  Palais  im  Grofsen  Garten,  auf  dessen  ruinösen  Zustand 
sie  schon  früher  hingewiesen  hatte,  in  Angrift"  genommen  wurde. 
Die  Bilder  sind  heruntergenommen,  mit  Leinwand  hinterklebt  und 
neu  gerahmt  worden.  Sie  sollen,  nachdem  die  Ergänzung  der  fehlen- 
den Farben  vollendet  sein  wird,  v.'ieder  an  ihren  alten  Platz  gebracht 
werden.  Berlin  g. 

Der  Kgl.  Sachs.  Altertuiiisyerein  in  Dresden,  begründet  im 
Jahre  1825,  zählt  gegenwärtig  496  Mitglieder  (darunter  69  Städte). 
Seine  Königliche  Hoheit  Prinz  Johann  Georg  Herzog  zu  Sachsen 
steht  als  Protektor  an  der  Spitze  des  \'ereins.     Den  in  der  Sitzung 


2  02  Nachrichten. 

vom  7.  März  d.  ].  neugewählten  Vorstand  bilden  General  der  Infan- 
terie von  Raal)  und  Geh.  Hofrat  Dr.  Erbstein  als  i.  und  2.  Vorsitzender, 
Oberregierungsrat  Dr.  Ermisch  als  Schriftführer,  Prof.  Dr.  ßerling 
als  Vorstand  des  Museums,  Kammerherr  von  Winckler  als  Schatz- 
meister, Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Gurlitt  und  Archivrat  Dr.  Lippert  als 
aufserordentliche  Mitglieder.  Im  Laufe  des  letzten  Winters  fanden 
am  2.  November  und  7.  Dezember  1903,  am  4.  Januar,  i.  Eebruar, 
7.  März  und  11.  April  Sitzungen  statt;  in  denselben  hielten  längere 
Vorträge  Prof.  Dr.  Heydenreich  über  iden  Uradel  im  Königreich 
Sachsen,  Prof.  Dr.  E.  0.  Schmidt  (Meifsen)  über  Schiedlo  vmd  die 
polnische  Politik  der  Wettiner.  Oberregierung.srat  Dr.  Ermisch:  Aus 
der  Städtegeschichte  des  Vogtlandes,  Privatdozent  Dr.  Brück  über 
Friedrich  den  Weisen  und  die  Kunst,  Dr.  ing.  Rahtgens  über  neue 
Untersuchungen  avif  dem  Oybin  und  Dr.  Meiche  über  die  Herkunft 
der  deutschen  Siedler  im  Königreich  Sachsen  nach  Ortsnamen  und 
Mundarten. 

Die  Oberhiusit/isclie  Gesellschaft  der  Wissenschaft  in  Görlitz, 

die  treue  Pflegerin  der  Geschichte  unserer  sächsischen  wie  der  preufsi- 
schen  Oberlausitz,  ist  im  Frühling  des  Jahres  1779  begründet  M'orden 
und  feiert  mithin  am  i.Juni  d.J.  ihr  125  jähriges  Jubiläum.  An  ihrer 
Spitze  stehen  gegenwärtig  Kammerherr  von  Wiedebach  und  Nostitz- 
länkendorf  auf  Arnsdorf  O.-L.  und  Prof.  Dr.  Putzler  in  Görlitz  als 
Präsident  und  Vizepräsident ;  die  Geschäfte  führen  Prof.  Dr.  Jecht 
als  Sekretär,  Prof.  Dr.  Wetzold  als  Bibliothekar,  Dr.  med.  Schulze 
als  Kassierer,  Buchhändler  Tzschaschel  als  Hausinspektor. 

Unter  den  ortsgeschichtlichen  Vereinen  Sachsens  steht  an  erster 
Stelle  der  Verein  für  Geschiclite  Dresdens,  begründet  1869,  der  zur 

Zeit  etwa  900  Mitglieder  zählt.  Den  Vorsitz  führt  Ratsarchivar 
Prof.  Dr.  Richter;  seine  Stellvertreter  sind  Geheimer  Baurat  Grimm 
und  Rektor  Prof.  Dr.  Meltzer,  Schriftführer  Archivar  Dr.  Beutel  und 
Oberlehrer  a.  D.  Hantzsch,  Kassierer  Bauamtsverwalter  Adam,  Samm- 
lungsverwalter Pfarrer  Blanckmeister.  Vorträge  hielten  im  Laufe 
des  letzten  Winters  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Gurlitt  über  die  Bau-  und 
Kunstdenkmäler  des  Dresdner  Landkreises  (21.  Oktober  1903),  Seminar- 
oberlehrer Sigismund  über  Wolf  Kaspar  von  Kiengel  (25.  November), 
Privatdozent  Dr.  Brück  über  Schlofs  Moritzburg  (16.  Dezember), 
Archivar  Dr.  Beutel  über  den  Altmarkt  als  historfschen  Schauplatz 
(17.  Februar  1904),  Dr.  Viktor  Hantzsch  über  das  geistige  Leben 
Dresdens  (16.  März). 

Der  Verein  für  Geschichte  A'on  Annaherg-  und  Umgegend  besteht 
seit  1885  und  hat  zur  Zeit  118  Mitglieder.  Vorsitzende  sind  Professor 
Dr.  Wolf  und  Studienrat  Professor  Dr.  Wildenhahn;  aufser  ihnen 
bilden  Seminaroberlehrer  Schmidt  (Schriftführer),  Oberpostsekretär 
Enderlein  (Kassierer),  Realgj'mnasialoberlehrer  Dr.  Franz  (Biblio- 
thekar) und  Bürgerschullehrer  Fmck  (Verwalter  des  Museums  erz- 
gebirgischer  Altertümer)  den  Vorstand.  Im  letzten  Winter  hielten 
Vorträge :  Kirchenrat  Superintendent  Dr.  Schmidt  über  die  Kunst- 
schätze der  St.  Annenkirche,  Dr.  Birke  über  die  Ergebnisse  der 
Volk.•^zählung  des  Jahres  1699  im  oberen  Erzgebirge;  für  den  Mai 
ist  ein  Vortrag  von  Dr.  Bruhns  über  die  Siedelungsformen  im  Ge- 
biete des  Zschopau- Quellflusses  in  Aussicht  gestellt. 

Der  Buchholzer  Geschichtsvereiu  (53  Mitglieder)  wird  gegen- 
wärtig geleitet  von  Fabrikant   Preifs  und  Direktor  Bartheis  als   i. 


Nachrichten.  203 

und  2.  Vorsitzenden;  aufserdem  bilden  den  Vorstand  Diakonus  Dr. 
Herrmann  (ProtokoHant),  Lehrer  Keller  (Kustos),  Lithograph  Schmidt 
(Kassierer). 

Der  Verein  für  Cheinnitzer  Geschichte,  der  Ende  1903  238 
Mitglieder  zählte  und  dessen  Vorstand  sich  aus  Prof.  Gotschaldt  als 
Vorsitzenden,  Prof.  Dr.  Uhle  als  stellvertretenden  Vorsitzenden,  Real- 
gymnasialoberlehrer  a.  D.  Dr.  Stier  als  Kassierer,  Kaufmann  Franke 
als  Schriftführer,  Oberlehrer  Lauckner  als  Bililiothekar  und  Lehrer 
Weinhold  als  Kustos  des  Museums  zusammensetzt,  hielt  am  9.  De- 
zember V.  und  am  15.  Februar  d.  [.  Sitzungen  ab;  in  der  ersteren 
sprach  Prof.  Dr.  Uhle  über  die  Chemnitzer  Rat.swahlen  vor  Ein- 
führung der  Gemeindeverfassung  von  1831,  in  der  letzteren  Rats- 
oberförster Schier:  „Aus  der  Geschichte  der  Waldwirtschaft  in 
Deutschland". 

Der  Freiberger  Altertunisverein,  den  der  Buchdruckereibesitzer 
Stadtrat  Gerlach  im  Jahre  1860  begründet  und  bis  zu  seinem  Tode 
1899  geleitet  hat,  besteht  zur  Zeit  aus  etwa  430  Mitgliedern.  Den 
Vorstand  bilden  Bürgerschullehrer  Knebel,  Oberbergrat  Prof.  Treptow 
und  Bergamtsrat  Wappler. 

In  Griiunia  wurde  im  Jahre  1901  ein  Geschieh ts-  und  Alter- 
tumsverein begründet,  der  zur  Zeit  160  Mitglieder  zählt.  Den  Vor- 
stand bilden  Fürstenschuloberlehrer  Dr.Liedloif,  Bürgermeister  Lobeck 
als  I.  und  2.  Vorsitzender,  Oberstabsarzt  Wilke  und  Dr.  E.  Müller 
als  Sammlungsleiter,  Seminaroberlehrer  Dr.  Henning  und  Redakteur 
Bode  als  Schriftführer,  Privatier  Schlinger  als  Kassierer.  Unter  den 
Vorträgen,  die  im  letzten  Winter  gehalten  wurden,  heben  wir  hervor: 
Prof.  Dr.  Fleischer,  Aus  den  Briefen  eines  Leipziger  Studenten  [des 
bekannten  Orientalisten  Fleischer,  um  1820J;  Sup.  Albert,  Heinrich 
von  Einsiedel  auf  Gnandstein;  Dr  Armin  Tille,  Grimmas  Stellung  in 
der  deutschen  Geschichte. 

Der  Verein  für  die  Geschichte  von  Lausigli,  der  im  Jahre  1897 
begründet  wurde,  hat  es  erst  auf  30  Mitglieder  gebracht.  Den  Vor- 
sitz führt  Bürgermeister  Fabian;  Schriftführer  ist  Schuldirektor 
Burkhardt,  Kassierer  Fabrikbesitzer  Koch. 

Einer  der  ältesten  unter  den  ortsgeschichtlichen  Vereinen  Sachsens 
ist  der  1866  begründete  Geschieh  ts-  und  Altertunisverein  zu  Leisnig. 

Er  zählt  73  Mitglieder;  den  Vorstand  bilden  Hofrat  Dr.  Mirus,  Pfarrer 
Gerber,  Pastor  Ostermuth,  Realschuloberlehrer  Gnauck  und  Bäcker- 
meister Feustel.  Am  7.  März  d.  J.  hielt  Superintendent  D.  Nobbe 
einen  Vortrag :  „Urkundliche  Mitteilungen  über  das  Superintendentur- 
gebäude";  die  übrigen  vier  im  letzten  Winter  gehaltenen  Vcjrträge 
behandelten  allgemeine  Stoffe. 

Der  Verein  für  Geschichte  Meifsens,  begründet  im  Jahre  1880, 
wird  nach  dem  Tode  seines  langjährigen  Vorsitzenden  Realschul- 
direktor Prof.  Dr.  Loose  von  Prot.  Dr.  O.  E.  Schmidt  imd  Bürger- 
meister Dr.  Av  als  Vorsitzenden  geleitet;  ihnen  zur  .Seite  stehen  als 
Schriftführer  Prokurist  Radestock,  als  Kassierer  Buchdruckereibesitzer 
Klinkicht,  als  Bibliothekar  Bürgerschullehrer  Zeidler.  Der  Verein 
zählt  gegenwärtig  243  Mitglieder.  Am  18.  November  d.  J.  hielt  Prof. 
Dr.  E.  Ö.  .Schmidt  in  einer  sehr  zahlreich  besuchten  Versammlung 
einen  Vortrag  ül)er  „Graf  Brühl  und  seine  Schlösser". 

Der  Verein  für  Orts-  und  Volkskunde  zu  Oschatz  (zugleich 
Ortsgruppe   des  Vereins   für  Sachs.  Volkskunde)  ist  1897  begründet 


204  Nachrichten. 

worden,  zählt  50  MitgHeder  und  steht  unter  dem  Vorsitz  des  Lehrers 
G.  Vödisch. 

Der  Altertumsverein  zu  Plauen  i/V.  besteht  seit  1873  und  zählt_ 
gegenwärtig;  etwa  250  Mitgheder.  Den  Vorstand  bilden  z.  Z.  Rentier" 
A.  Neupert  sen.  als  Vorsitzender  und  Kassierer,  Archidiak.  Vogel 
als  Vize  Vorsitzender,  Bürgerschullehrer  Huster  als  Schriftführer, 
Bürgerschullehrer  Benedict  als  Konservator  und  vier  Beisitzer.  Wäh- 
rend des  verflossenen  Winters  hielten  am  6.  Februar  Oberregierungs- 
rat Dr.  Ermisch-Dresden  ( Aus  der  älteren  Städtegeschichte  des  Vogt- 
lands) und  am  14.  März  Pfarrer  Ludwig-Altensalz  (Kulturzustände 
vogtländischer  Dorfgemeinden  nach  dem  Dreilsigjährigen  Kriege) 
Vorträge. 

Der  Verein  für  Roclilitzer  Geschichte  wurde  1892  begründet 
und  hat  jetzt  82  Mitglieder.  Vorsitzender  ist  Ol^erlehrer  Dr.  Pfau, 
Schriftführer  Rechtsanwalt  Dr.  Kirsten,  Kassierer  Oberlehrer  Dr.  Kötz. 
Anläfslich  des  im  vorigen  Sommer  gefeierten  Heimatsfestes  wurde 
eine  auf  die  letzten  80  Jahre  bezügliche  Sonderausstellung  veran- 
staltet, zu  der  namentlich  der  Verein  aus  seinen  Sammlungen  beitrug. 
Von  ihm  ging  auch  neuerdings  die  Gründung  eines  Ausschusses  für 
ein  Mathesiusdenkmal  aus. 

Die  Gresellschaft  für  Zittauer  Oeschichte  besteht  seit  1889. 
Die  gegenwärtige  Mitgliederzahl  ist  150.  Den  Vorstand  bilden 
Stadtrat  Mietzsch  als  Vorsitzender,  Bürgerschuloberlehrer  Kramer 
als  Schriftführer ,  Ratssekretär  Pangritz  als  Kassierer.  Im  letzten 
Winter  hielten  Vorträge:  Pastor  Sauppe- Lückendorf  über  den  Feld- 
zug der  Zittauer  nach  Jonsdorf  1536,  Prof.  Dr.  Neefse:  „Ein  treuer 
Sohn  der  Oberlausitz  und  sein  Vermächtnis  in  der  Stadtbibliothek 
in  Zittau"  (zum  Gedächtnis  Knothes),  Dr.  Rahtgens:  Kunsthistorische 
Untersuchungen  über  die  Ruinen  des  Oybin,  Architekt  Oberlehrer 
Pipo:  Mittelalterliche  Bauhütten  und  die  freien  Maurer. 

Der  Verein  für  sächsische  Volkskunde,  dessen  Wirkungskreis 
sich  mit  dem  der  geschichtlichen  Vereine  des  Landes  nahe  berührt, 
zählte  Ende  1902  am  Schlüsse  seines  ersten  Jalirfünfts  2268  Mitglieder. 
Der  Sitz  des  Verems  ist  Dresden;  doch  bestehen  in  allen  Teilen  des 
Landes  Ortsgruppen,  deren  Zahl  zur  Zeit  56  beträgt.  Den  Vorstand 
bilden  nach  der  letzten  Neuwahl,  die  bei  der  am  17.  und  18.  Oktober  1903 
zu  Altenburg  abgehaltenen  Jahresversammlung  vorgenommen  wurde, 
Generalmajor  Freiherr  von  Friesen  und  Oberbaurat  Schmidt  als  Vor- 
sitzende, Dr.  Gruber  als  Schriftführer,  Bankdirektor  Oswald  als  Schatz- 
meister, Prof.  Seyffert  und  Prof.  Dr.  Berling  als  Leiter  des  Museums, 
Prof.  Dr.  Mogk  und  Prof.  Dr.  Stumme  als  Leiter  des  (in  Leipzig  be- 
findlichen) Archivs  und  20  Beisitzer. 

An  die  Spitze  des  Gebirg-svereins  für  die  Sächsische  Schweiz, 

der  sich  auch  um  die  Geschichte  seines  Gebiets  so  vielfach  verdient 
gemacht  hat,  ist  am  i.  Januar  d.  J.  Realschuldirektor  Prof.  Dr.  Muth  in 
Pirna  als  Vorsitzender  getreten. 

Bei  der  diesjährigen  Hauptversammlung-  des  Gfesamtvereins 
der  deutschen  (xeschichts-  und  Altertums  vereine,   die  vom  27.  bis 

30.  September  1903  zu  Erfurt  stattfand,  waren  von  den  fast  sämtlich 
dem  Verbände  angehörigen  sächsischen  Geschichtsvereinen  durch  Ab- 
geordnete vertreten:  der  Kgl.  Sächsische  Altertumsverein,  der  Verein 
für  sächsische  Volkskunde,    die  Altertumsvereine  zu  Freiberg  und 


Nachrichten. 


205 


Leisnig,  die  Vereine  für  die  Geschichte  von  Dresden,  Meifsen  und 
Leipzig  Die  Tagesordnung  bot  verschiedenes,  das  gerade  für  die 
sächsische  Geschichte  von  Interesse  war;  so  die  Vorträge  des  Geh. 
Regierungsrat  Lindner  (Halle)  über  die  Stellung  Sachsens  und 
Thüringens  in  der  deutschen  Geschichte,  des  Prof  Dr.  Mogk  (Leipzig) 
über  die  Volkskunde  im  Rahmen  der  Kulturentwicklung  der  Gegen- 
wart, des  Stadtarchivar  Dr.  Overmann  über  Erfurt  in  Geschichte 
und  Kunst.  Aus  den  Abteilungsverhandlungen  weisen  wir  nament- 
lich auf  das  Referat  von  Dr.  Beschorner  über  Sammlung  von 
Flurnamen  hin,  das  in  nahem  Zusammenhange  mit  den  von  der 
Kgl.  Sachs.  Kommission  für  Geschichte  in  Angriff  genommenen 
historisch -geographischen  Arbeiten  steht.  Der  ausführliche  Ver- 
sammlungsbericht wird  demnächst  erscheinen  und  zu  billigem  Preise 
(etwa  50  Pf.)  abgegeben  werden;  wer  ihn  zu  beziehen  wünscht,  wolle 
sich  an  den  Herausgeber  dieser  Zeitschrift  wenden.  —  Auch  die  Ver- 
handlungen des  in  ^^erbindung  mit  der  Hauptversammlung  des  Ge- 
samtvereins stattfindenden  vierten  Tages  für  Denkmalpflege 
boten  für  uns  manches  Interessante;  namentlich  führte  die  leidige 
Meifsner  Dombaufrage  zu  lebhaften  Erörterungen. 

Museen.  Der  soeben  erschienene  Bericht  der  Kommission  zur 
Erhaltung  der  Kunstdenkmäler  im  Königreiche  Sachsen  über  die 
Jahre  1900 — 1902  bringt  als  Anhang  eine  dankenswerte  Übersicht 
über  die  Altertümer-Sammlungen  im  Königreiche  Sachsen; 
sie  zählt  deren  nicht  weniger  als  45  auf,  wobei  verschiedene  grofse 
öffentliche  Sammlungen,  wie  das  Historische  Museum,  das  Grüne 
Gewölbe,  die  mit  dem  Mineralogischen  Museum  verbundene  Prä- 
historische Sammlung  zu  Dresden,  nicht  mit  erwähnt  werden. 

Die  Zahl  der  Lokalmuseen  vermehrt  sich  noch  fortwährend; 
neuerdings  sind  solche  in  Johanngeorgenstadt,  Lausigk  und  Waldheim 
(s.  u.)  begründet  worden. 

Das  ehemals  im  Kaufhaus  untergebrachte  Freiberger  Alter- 
tumsiuuseuin  ist  im  Frühjahr  1903  in  die  durch  Baurat  Rofsbach  in 
Leipzig  geschmackvoll  und  möglichst  stilgerecht  wiederhergestellte 
alte  „Thumerei",  die  bis  1875  das  Gymnasium  barg  und  jetzt  als 
„König -Albert -Museum"  zur  Aufnahme  verschiedener  Freiberger 
Sammlungen  bestimmt  ist,  überführt  worden.  In  Anwesenheit  Seiner 
Majestät  des  Königs  Georg  wurde  das  Museum  am  7.  Mai  der  Öffent- 
lichkeit übergeben.  Dank  der  Tätigkeit  des  derzeitigen  Vorstandes 
des  Altertumsvereins  Bürgerschullehrer  Knebel  und  des  Museums- 
warts  Bergamtsrat  Wappler  ist  das  Altertumsmuseum,  an  dessen 
sachgemäfser  Katalogisierung  zur  Zeit  gearbeitet  wird,  bedeutend 
vermehrt  worden;  insbesondere  ist  man  im  Hinblicke  auf  das  vor- 
aussichtlich nicht  mehr  ferne  Ende  des  Freiberger  Bergbaues  erfolg- 
reich Ijestrebt,  eine  möglichst  vollständige  Sammlung  aller  für  die 
Geschichte  des  Bergbaues  wichtigen  Altertümer  im  weitesten  Sinne 
zusammenzubringen . 

Am  I.  April  1905  soll  das  neue  Rathaus  der  Stadt  Leipzig,  das 
auf  dem  Grund  und  Boden  der  ehemaligen  Pleifsenburg  errichtet 
worden  ist,  seiner  Bestimmung  übergeben  werden.  Damit  ist  die 
Stadt  schon  jetzt  vor  die  Frage  gestellt,  was  aus  dem  alten  Rat- 
hause am  Marktplatze,  der  Schöpfung  Hieronymus  Lotters  (1556), 
werden  soll:  ob  es  abgebrochen  oder  ob  es  erhalten  und  wiederher- 
gestellt und  welchen  Zwecken  es  nach  der  Wiederherstellung  dienen 
soll.    Erfreulicherweise  geht  die  Meinung  der  mafsgebenden  Kreise, 


2o6  Nachrichten. 

die  früher  schwankte,  neuerdings  doch  immermehr  dahin,  das  Haus 
zu  erhalten  und  im  Äufsern  wie  im  Innern  möglichst  in  seiner  ur- 
sprünglichen Gestalt  zu  erneuern.  Es  wird  sogar  daran  gedacht,  den 
ehemaligen  Laubengang,  der  sich  einst  an  der  Marktseite  hinzog 
und  der  im  Laufe  des  achtzehnten  Jahrhunderts  allmählich  in  die 
unschönen  „Bühnengewölbe"  verwandelt  wurde,  wiederherzustellen. 
Die  Innenräume  aber  sollen  eine  Verwendung  linden,  wie  man  sie 
sich  wohl  für  dieses  Haus,  das  den  Mittelpunkt  und  das  letzte  nam- 
hafte Baudenkmal  des  alten  Leipzigs  bildet,  nicht  schöner  und  zweck- 
entsprechender denken  kann:  während  das  Erdgeschofs  natürlich, 
wie  bisher,  Kaufläden  enthalten  wird,  soll  das  Hauptgeschofs  die 
ältere,  stadtgeschichtliche  Abteilung  des  Ratsarchivs  aufnehmen, 
die  jetzt,  sehr  ungenügend,  in  den  Souterrainräumen  des  städtischen 
Museums  untergebracht  ist,  und  das  Dachgeschofs,  das  freilich  einer 
durchgreifenden  Erneuerung  bedürfen  wird,  soll  die  nötigen  Räurnlich- 
keiten  gewähren,  um  endlich  auch  in  Leipzig  ein  stadtgeschicht- 
liches Museum  zu  schaffen,  als  dessen  Grundstock  man  die  Samm- 
lung zu  gewinnen  hofft,  die  der  Verein  für  die  Geschichte  Leipzigs 
seit  Jahrzehnten  zusammengebracht  hat  und  die  jetzt  in  dem  alten 
Johannishospital  ebenfalls  höchst  ungenügend  untergebracht  ist. 

Wustmann. 

Die  Revisionen  der  sächsischen  Stadtarchive,  die  der  Heraus- 
geber dieser  Zeitschrift  im  Auftrage  der  Direktion  des  Hauptstaats- 
archivs bez.  des  Kgl.  Ministeriums  des  Innern  von  Zeit  zu  Zeit  vor- 
nimmt, erstreckten  sich  im  Sommer  des  Jahres  1903  auf  die  drei  vogt- 
ländischen  Amtshauptmannschaften  Plauen,  Auerbach  und  Oelsnitz; 
es  wurden  dabei  zugleich  im  Einverständnis  mit  dem  Evangelisch- 
Lutherischen  Landeskonsistorium  und  dem  Kgl.  Justizministerium 
die  Pfarrarchive  in  den  Städten  und  in  einigen  Landgemeinden  und 
die  Amtsgerichtsarchive  besucht,  in  letzteren  namentlich  der  Bestand 
an  älteren  Gerichtshandels-,  Lehn-,  Consens-  und  anderen  Büchern 
festgestellt  und  die  Überweisung  einzelner  dieser  Bücher  an  das 
Hauptstaatsarchiv  eingeleitet.  Im  kommenden  Sommer  werden  vor- 
aussichtlich die  Amtshauptmannschaften  Zwickau,  Schwarzenberg 
und  Annaberg  besucht  werden. 

Zu  Seifersbach  bei  Mittweida  wurde  im  vorigen  Jahre  ein  kleiner 
Münzfund  gemacht,  bestehend  aus  19  Talern  und  einem  halben  Taler 
aus  den  Jahren  1537  — 1627.  Darunter  befindet  sich  ein  bisher  un- 
bekannter Taler  des  Kurfürsten  Johann  Georg  I.  von  1623,  der  statt 
des  auf  den  guthaltigen  Münzen  dieses  Fürsten  als  Zeichen  des  Münz- 
meisters H.  V.  Rehmen  gewöhnlich  erscheinenden  sitzenden  Schwans 
mit  geschlossenen  Flügeln  am  Ende  der  das  Wappen  der  Rückseite 
umgebenden  Umschritt  den  auffliegenden,  mit  gehobenen  Flügeln 
dargestellten  Schwan  zeigt,  wie  ihn  jener  Münzmeister  auf  seinen 
Kippermünzen  führte;  das  Kgl.  Münzkabinett  zu  Dresden  besitzt  der- 
artige Taler  von  1621  und  1622.  Auch  ein  Buchholzer  Gemein- 
schaftstaler von  1546  und  ein  kursächsischer  halber  Taler  von  1626 
zeigen  Abweichungen  von  den  bisher  vorliegenden  Exemplaren. 
Näheres  im  Münz-  und  Medaillenfreund  No.  52  Sp.  411  f. 

Am  16.  Juni  v.J.  starb  in  Waldheim  der  Fabrikbesitzer  Paul 
Adolf  Weifsker.  Ein  warmer  Freund  und  gründlicher  Kenner  der 
Geschichte  seiner  Vaterstadt,  hat  er  in  einer  Zeit,  in  der  die  Schätze 
unserer  Ratsarchive  zentnerweise  in  die  Papiermühlen  wanderten, 
durch  Sichtung  der  für  das  gleiche  Los  bestimmten  städtischen  Akten 


Nachrichten. 


207 


und  Ankauf  aller  irgendwie  geschichtlich  interessanten  Papiere  eine 
Reihe  unersetzlicher  Quellen  zur  Geschichte  Waldheinis  vor  dem 
Unteroange  bewahrt.  Kr  vermehrte  diese  Sammlung  durcli  den  Er- 
werb zahlreicher  anderer  Manuskripte  und  von  Büchern,  Bildern, 
Plänen,  Druckschriften  und  Altertümern  aller  Art,  die  irgendwie  auf 
Waldheim  Bezug  hatten.  Erfreulicherweise  hat  die  Stadt  Waldheim 
die  Sammlungen  Weifskers  erworben  und  mit  ihrer  Ordnung  und 
Verwaltung  einen  langjälirigen  Mitarbeiter  des  Verstorbenen,  Ober- 
lehrer Eulitz,  dem  wir  bereits  eine  Reihe  fleifsiger  Arbeiten  zur 
Geschichte  Waldheims  verdanken,  unter  gleichzeitiger  Ernennung 
zum  städtischen  Archivar  beauftragt.  Die  Archivalien  werden  nun- 
mehr wieder  mit  dem  Stadtarchiv  vereinigt  werden;  die  Bücher, 
Abbildungen  und  sonstigen  Altertümer  sollen  den  Grundstock  einer 
Stadtbibliothek  und  eines  Museums  bilden. 

Am  7.  September  v.  J.  starb  plötzlich  auf  einem  Spaziergange 
in  der  Nähe  von  Bobenneukirchen  Prof.  Dr.  Eduard  Joiiusou  in 
Plauen.  Geboren  1840  zu  Freiberg  i.  Sa.,  wirkte  er  von  1864 — 1895 
an  den  Gymnasien  zu  Plauen  und  Chemnitz;  seitdem  war  er 
Chefredakteur  des  Vogtländischen  Anzeigers  und  Tageblatts,  an 
dessen  Leitung  er  schon  früher  beteiligt  war.  Neben  philologischen 
und  philosophischen  Arbeiten  beschättigte  sich  Johnson  eingehend 
mit  der  Geschichte  des  Vogtlandes.  Die  Früchte  dieser  Studien  sind 
zumeist  unter  dem  Titel  „Vogtländische  Altertümer"  (1  —  CLIII)  in 
der  genannten  Zeitung  erschienen;  es  betindet  sich  darunter  mancher 
beachtenswerte  Aufsatz,  so  dafs  der  Wiederabdruck  einer  Auswahl 
sich  wohl  empfehlen  würde. 

Am  19.  Dezember  1903  starb  in  Schneeberg  der  Seminarober- 
lehrer a.  D.  Dr.  Johanu  August  Ernst  Köhler.  Geboren  zu  Bautzen 
am  5.  August  1829,  wirkte  er  1853  — 1858  an  der  dortigen  Bürger- 
schule, 1858 — 1873  an  der  Realschule  zu  Reichenbach  i.  V.,  1873 — 1897 
am  Lehrerseminar  zu  Schneeberg.  In  Schneeberg  gründete  er  im 
Jahre  1878  den  Erzgebirgsverein,  an  dessen  Spitze  er  bis  zu  seinem 
Lebensende,  zuletzt  als  Ehrenvorsitzender,  stand.  Köhler  hat  sowohl 
auf  naturwissenschaftlichem  Gebiete  als  auf  dem  der  Volkskunde, 
Landes-  und  Ortsgeschichte  eine  vielseitige  literarische  Tätigkeit 
entfaltet,  deren  Früchte  sowohl  der  Oberlausitz  und  dem  Vogtlande  als 
namentlich  dem  Erzgebirge  zugute  kamen.  Wir  nennen  nur  seine  von 
der  Oberlausitzischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  preisgekrönte 
Geschichte  der  Oberlausitz  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Jahre 
1815  (Görlitz  1865!,  sein  Werk  ,, Volksbrauch,  Aberglaube,  Sagen  und 
andere  alte  Überlieferungen  im  Vogtlande"  (Leipzig  1867),  sein  Sagen- 
buch des  Erzgebirges  (Schneeberg  und  Schwarzenberg  1886).  Zahl- 
reiche kleinere  Aufsätze  enthält  namentlich  die  Zeitschrift  des  Erz- 
gebirgsvereins  Glückauf!  Ein  mit  Liebe  gezeichnetes  Lebensbild 
des  Entschlafenen  hat  Hermann  Möckel  in  der  Festschrift  zur  Feier 
des  25  jährigen  Bestehens  des  Erzgebirg.svereins  (1903)  gegeben. 

Am  23.  Dezember  1903  starb  zu  Klotzsche  bei  Dresden  der  Ge 
heime  Hofrat  Professor  Dr.  Sophus  Rüge,  der  als  einer  der  gründ- 
lichsten Kenner  der  Geschichte  der  Erdkunde  und  des  Kartenwesens 
in  weiten  Kreisen  bekannt  ist.  Er  war  am  26.  März  1831  zu  Dorum 
im  Lande  Wursten  geboren  und  wirkte  seit  1859  in  Dresden,  zuerst 
als  Lehrer  an  verschiedenen  Schulen,  seit  1874  als  ordentlicher  Pro- 
fessor für  Geographie  und  Ethnologie  am  Polytechnikum,  der  späteren 
Technischen  Hochschule.     Als  Gründer  und  langjähriger  Leiter  des 


2o8  Nachrichten. 

Dresdner  Vereins  für  Erdkunde  hat  Rüge  aut  das  geistige  Leben 
Dresdens  einen  nicht  unbedeutenden  Eintiufs  geübt.  Der  Geschichte 
Sachsens  galt  freihch  nur  ein  verhältnismäfsig  kleiner  Teil  von  Ruges 
literarischer  Tätigkeit;  immerhin  verdanken  wir  ihm  einzelne  wichtige 
Arbeiten,  wie  seine  Aufsätze  über  die  Geschichte  der  sächsischen 
Kartographie  (in  der  Zeitschrift  für  wissenschaftl.  Geographie  1887) 
und  die  von  der  Direktion  des  Hauptstaatsarchivs  herausgegebene 
grofse  Publikation  über  die  von  Matthias  Öder  in  den  Jahren  1586 
bis  1607  unternommene  erste  Landesvermessung  Sachsens  (Dresden 
1889).  Zahlreiche  kleinere  Aufsätze  zur  sächsischen  Landes-  und 
Ortskunde,  zur  Geschichte  der  Topographie  und  Kartographie  ent- 
halten u.  a.  das  Organ  des  unter  Ruges  lebhafter  Mitwirkung  1877 
gestifteten  und  von  ihm  bis  1885  geleiteten  Gebirgsvereins  für  die 
Sächsische  Schweiz  „Über  Berg  und  Tal"  und  die  Jahrbücher  des- 
selben Vereins  sowie  des  Erzgebirgs-Zweigvereins  Chemnitz.  Auch 
unsere  Zeitschrift  hat  an  ihm  einen  Mitarbeiter  verloren  (vgl.  Bd.  111: 
Bernhard  von  Miltitz,  kein  Weltumsegier).  Vgl.  die  Nachrufe  von 
Prof.  Dr.  Gravelius  im  Dresdner  Anzeiger  1903  Nr.  355  und  von 
Dr.  Viktor  Hantzsch  in  der  Geographischen  Zeitschrift  X  S.  65  ff. 

Die  Sächsische  Verlags- Anstalt  (Dresden- A.,  Karcher-Allee  17) 
beabsichtigt,  ein  Werk  unter  dem  Titel  „Aus  dem  Sachsenlande'* 

zu  veröffentlichen ,  das  „die  Volks-  und  Landeskunde  Sachsens  im 
kulturgeschichtlichen  Sinne,  d.  h.  neben  der  eigentlichen  Geschichte 
des  Landes  Politik,  Topographie,  Staatskunde,  Volkswirtschaft,  Land- 
wirtschaft, Handel  und  Industrie,  Verkehrswesen,  Trachtenkunde, 
Militärwesen,  Kunst  und  Literatur  Sachsens  in  Vergangenheit  und 
Gegenwart"  in  Einzelaufsätzen  hervorragender  sächsischer  Schrift- 
steller behandeln  soll,  und  fordert  zur  Mitarbeiterschaft  auf. 

Von  dem  neubegründeten  Archiv  für  Reformationsgeschichte, 
Texte  und  Untersuchungen,  das  der  Vorstand  des  Kgl.  Preufsischen 
Staatsarchivs  in  Stettin  Prof.  Dr.  W.  Friedensburg  in  Verbindung  mit 
dem  Verein  für  Reformationsgeschichte  herausgibt,  liegen  die  beiden 
ersten  Hefte  des  erstenjahrgangs  vor  (Berlin,  C  A.Schwetschke&Sohn, 
1903).  Bei  der  regen  Tätigkeit,  die  gegenwärtig  auf  dem  Gebiete 
der  Reformationsgeschichte  herrscht,  und  bei  der  grofsen  Menge  un- 
erschlossenen  Materials,  das  noch  immer  in  Archiven  und  Bibliotheken 
der  Bearbeitung  harrt,  ist  ein  solches  Organ,  das  einerseits  abge- 
schlossene Untersuchungen  enthält,  andererseits  aber  noch  Quellen- 
material  veröffentlichen  soll,  ohne  Frage  ein  Bedürfnis.  Es  wird 
auch  für  die  sächsische  Geschichte,  die  ja  mit  der  Reformations- 
geschichte in  so  inniger  Verbindung  steht,  manchen  Beitrag  bringen 
und  war  deshalb  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen.  Der  Inhalt  der  vor- 
liegenden Hefte  berührt  sich  freilich,  abgesehen  von  einem  Aufsatze 
von  G.  Mentz  „Zur  Geschichte  der  Packschen  Händel",  nur  sehr  ober- 
flächlich mit  der  Geschichte  Sachsens.  Das  „Archiv  für  Reformations- 
geschichte" wird  in  zwanglosen  Heften  von  verschiedener  Stärke  er- 
scheinen. Der  Preis  für  den  Jahrgang  von  etwa  20 — 25  Druckbogen 
wird  sich  für  die  Subskribenten  auf  ungefähr  10  Mark  stellen;  Einzel- 
hefte werden  zu  erhöhten  Preisen  abgegeben. 


Berichtigung  zu  Bd.  24  S.  342  Z.  4. 
Otto  von  Dieskau  war  nicht  Vize-Oberhofmeister,  sondern  Vize- 
Oberhofrichter. 


VII. 

Studien  über  die  wettinisehe  Kanzlei  und 
ihre  ältesten  Register  im  XIV.  Jahrhundert. 

Zweiter  TeiP). 

Von 

WOLDEMAR    LiPPERT. 


I.   Wissenschaftliche   Ausbildung   des   Kanzlei- 
personals.   Konrad  von  Wallhausen  in  Bologna. 

Über  die  wissenschaftHche  Ausbildung  des  Kanzleipersonals 
mangelt  es  meist  an  Zeugnissen.  Bei  Personen,  die  den  Ma- 
gister- oder  Doktortitel  tragen,  erlaubt  schon  der  Titel  den 
Schlufs  auf  Universitätsstudium ;  dieser  Fall  liegt  vor  beiMeister 
Dyther  von  Widera  (s.  im  folgenden),  der  magister  in  ar- 
tibus  war.  Doch  nicht  alle,  die  sich  an  einer  Hochschule 
immatrikulieren  liefsen,  gaben  ihren  Studien  durch  Bestehung 
sämtlicher  Examina  und  Erlangung  der  ganzen  Stufenleiter 
akademischer  Würden  den  vollkommenen  Abschlufs.  Manche 
hielten  sich  wahrscheinlich  auch  damals  schon  nur  Studierens 
halber  in  der  Musenstadt  auf,  manche  brachten  es  zwar  zum 
Baccalaureus  oder  auch  bis  zum  Lizentiaten,  ohne  indessen 
■die  summos  honores,  das  Magisterium  der  Artistenfakultät  oder 
das  Doktorat  einer  der  andern  Fakultäten,  zu  erlangen.  Dies 
gilt  auch  für  den  einen  der  Männer,  die  im  ersten  Teil  dieses 
Aufsatzes  besprochen  sind,  für  Konrad  von  Kirchberg  bez. 
von  Wallhausen.  Über  seine  akademischen  Jahre  haben  wir 
verhältnismäfsig  eingehende  Notizen. 


1)  Fortsetzung  und  Schlufs  zu  XXIV,  i  ff. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     J.  4.  14 


2IO  W.  Lippert: 

Noch  im  Jahre  1344  treffen  wir  ihn  im  Kanzleidienst  und 
zwar  in  der  nur  vereinzelt  auftretenden,  in  ihren  Dienstfunktionen 
nicht  aufgeklärten  Tätigkeit  eines  Landschreibers;  als  Kanzlei- 
vorstand erscheint  er  erst  im  August  1348.  Da  nun  sein  Vor- 
gänger Konrad  Pruz.e^)  bis  zum  9.  Mai  1347,  soweit  die 
Urkunden  es  erkennen  lassen,  als  Protonotar  auftritt,  blieb  es 
unsicher,    ob   Konrad    von  Wallhausen    1347    oder    1348    das 


')  Über  Konrad  Pruze  vgl.  besonders  Gustav  Schmidt,  Päbst- 
liche  Urkunden  und  Regesten  aus  den  Jahren  1295 — 1352  (Geschichts- 
quellen der  Provinz  Sachsen  XXI,  Halle  1886)  S.  348,  350  Nr.  64,  67, 
68  und  S.  427  Nr.  272,  273,  274  vom  19.  und  21.  November  und  i.  De- 
zember 1344,  woraus  ersichtlich  ist,  dafs  Konrad  bereits  seit  dem 
Jahre  1334  die  Pfarre  in  Burgwerben  innehatte,  ohne  die  Priester- 
weihe erlangt  zu  haben,  angeblich  weil  er  von  dem  intrudierten  vmd 
exkommunizierten  Bischof  Albrecht  von  Halberstadt  die  Weihen 
nicht  empfangen  konnte.  Clemens  VI.  willfahrte  seinem  Wunsche 
und  verlieh  ihm  die  Kirche  von  neuem,  obwohl  er  auch  schon  Ka- 
nonikate  am  S.  Severistift  zu  Erfurt,  zu  Eisenach  und  Naumburg 
besafs  und  wegen  einer  Pfründe  am  S.  Severistift  prozessierte,  und 
providierte  ihn  zugleich  auch  mit  einem  Kanonikat  zu  Merseburg 
und  seinen  Bruder  Johann  Pruze  mit  einem  Kanonikat  in  Zeitz. 
Wir  gehen  nicht  fehl,  wenn  wir  in  diesem  reichlichen  Gnadenregen> 
der  auf  Konrad  und  seinen  Bruder  aus  Avignon  herniederträufelte, 
nicht  blofse  Finanz-  oder  Administrativmafsregeln,  wie  sie  die  päpst- 
lichen Register  zu  Tausenden  enthalten,  erblicken,  sondern  einen 
wohlberechneten  politischen  Schachzug,  um  den  einflufsreichen  Rat 
und  Kanzleivorstand  Friedrichs  des  Ernsten  der  päpstlichen  Sache 
und  ihren  Tendenzen  in  Deutschland  geneigt  zu  machen,  während 
bisher  der  Wettiner  zu  den  Anhängern  seines  kaiserlichen  Schwieger- 
vaters Ludwig  gehört  hatte.  In  der  Tat  schien  das  Bestreben  nicht 
aussichtslos  zu  sein,  da  gerade  im  Herbste  1344  sich  —  wenn  auch 
nur  vorübergehend  — -  eine  gewisse  Abschwenkung  der  wettinischen 
Politik  nach  der  luxemburgischen  Seite  hin  zeigt.  Der  politische 
Beweggrund  tritt  noch  deutlicher  hervor  bei  dem  nächsten  päpst- 
lichen Gunstbeweis:  am  25.  April  1346  providierte  Clemens  VI.  ihn, 
obwohl  er  bereits  die  Burgwerbener  Pfarre  und  die  obenerwähnten 
Pfründen  besäfse,  mit  dem  Amt  des  Domscholastikus  zu  Magdeburg 
und  zwar  auf  Bitten  des  Königs  Johann  von  Böhmen  fa.  a.  0.  S.  361 
Nr.  94).  Wenn  wir  bedenken,  dafs  gerade  damals  König  Johann  in 
Person  in  Avignon  die  entscheidenden  Mafsregeln  traf,  um  mit  der 
Kurie  als  Hauptaktion  gegen  Kaiser  Ludwig  die  Wahl  seines  Sohnes 
Karl  zum  Gegenkönig  einzuleiten,  so  wird  diese  luxemburgisch - 
avignonesische  Gefälligkeit  gegen  den  wettinischen  Protonotar  sehr 
durchsichtig.  Da  mit  dem  Markgrafen  Friedrich  selbst  nichts  an- 
zufangen war,  versuchte  man  abermals,  einen  seiner  einflufsreichsten 
Ratgeber  zu  gewinnen,  der  im  Vorjahre  (Anfang  1345)  selbst  als  Ge- 
sandter seines  Markgrafen  dem  Luxemburger  persönlich  näher  ge- 
treten war.  Auch  für  die  weitere  Lebenszeit  Konrad  Pruzes  ergeben 
die  päpstlichen  Register  noch  mancherlei  Aufschlüsse,  vgl.  P.  Kehr 
und  G.  Schmidt,  Päpstliche  Urkunden  vmd  Regesten  aus  den  Jahren 
1353  — 1378  (Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  Bd.  XXII,  1889) 
S.  35)  53,  80,  280  Nr.  121  (1356),  184  (1357))  273  (1358),  1023  (1372)- 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  2 1 1 

Protonotariat  übernommen  habe.  Einige  Stellen  der  Matrikel 
der  deutschen  Studenten  an  der  Universität  Bologna^),  die 
oben  beiseite  gelassen  worden  waren,  geben  uns  nun  genaueren 
Aufschluls  über  Konrads  Leben  in  den  Zwischenjahren.  Im 
Jahre  1345  wurde  Konrad  von  Kirchberg  in  der  Reihe  der 
deutschen  Studenten  aufgezeichnet  (Acta  nationis  S.  1 1 1):  „Item 
a  domino  Chiinrado  de  Chirichperch  canonico  ecclesie 
Missinensis  Moguntine  dyocesis XXXII solidos".  DieseSumme 
zeipft  ihn  als  o-utsituierten  Mann,  denn  die  meisten  in  die  Na- 
tion  Eintretenden  zahlten  als  Aufnahmegebühr  geringere  Be- 
träge, z.  B.  unter  den  gleichzeitig  eingeschriebenen  ein  Würz- 
burger IG  Solidi  und  ein  Erfurter  12  Solidi,  ein  von  der  Tann 
10  SoUdi,  ein  Egloffstein,  Bamberger  Domherr,  20  Solidi'-); 
Konrads  32  Solidi  nehmen  sich  daher  als  ansehnliche  Spende 
aus.  Seine  Aufnahme  erfolgte  im  Herbste  1345;  denn  die 
Nationsprokuratoren,  die  seine  Aufnahme  nebst  Zahlung  ein- 
trugen, traten  ihr  Amt  am  22.  September  1345  an  und  be- 
kleideten es  bis  zum  6.  Januar  1346,  und  da  Konrad  als  sechs- 
ter unter  sechzehn  Eintretenden  gebucht  ist,  fällt  dessen  In- 
skription in  den  Anfang  dieser  Prokuraturperiode,  d.  h.  in  den 
September  oder  Oktober  1345. 

Über  zwei  Jahre  weilte  Konrad  in  Bologna,  da  berief  ihn 
das  Vertrauen  seiner  Kommilitonen  am  6.  Januar  1348  selbst 
zur  Stelle  eines  der  zwei  Prokuratoren  (Acta  S.  116):  ,,Anno 
nativitatis  eiusdem  MCCCXLVIII,  in  die  epyphanie,  convocata 
nacione  dominorum  Theutonicorum  in  ecclesia  Sancti  Fridiani, 
in  qua  consuevit  dicta  nacio  convocari  ad  novos  procuratores 
procreandos, . . .  electores  cum  procuratoribus  antiquis  auctoritate 
eis  tradita  a  nacione  predicta  unanimiter  elegerunt  nos,  vide- 
licet  Jacobum  rectorem  ecclesie  in  Wizzinkirchen  Seckoviensis 
diocesis  etConradum  de  Kirchberg  canonicum  ecclesie 
Misnensis  et  plebanum  in  Walhusen  Moguntinensis  dio- 
cesis, in  procuratores  et  negociorum  gestores  nacionis  predicte 
secundum  formam  statutorum  eiusdem,  et  nos  iam  dicti  procu- 
ratores recognoscimus  et  fatemur  dicte  nacionis  nomine  in- 
frascriptam  pecuniam  recepisse  et,  prout  notatum  est  inferius, 


1)  Vgl.  E.  Friedländer  et  C.  Malagola,  Acta  nationis  Ger- 
manicaeuniversitatis  Bononiensis  (Berolini  1887),  und  dazu  G.C.  Knod, 
Deutsche  Studenten  in  Bologna  1289 — 1562,  Biographischer  Index  zu 
den  Acta  nat.  Germ.  univ.  Bon.    (Berlin  1899). 

2)  Auch  der  Bautzner  Kapitular,  spätere  Meifsner  Domherr  und 
Archidiakon  der  Lausitz,  Dr.  decret.  Nikolaus  Eberhardi  (Nycolaus 
Eberhardi  de  Bodesin  de  Missna),  gab  1340  bei  seiner  Inskription 
nur  20  Solidi,  Acta  S.  102. 

14* 


212  W.  Lippert: 

expendisse.  Et  primo  recepimus  ..."  Es  folgen  nun  die 
einzelnen  Einnahmeposten  unter  ihrer  Prokuratur,  dann  die 
Ausgaben:  ,,Hec  sunt  distributa  per  nos  Jacobum  plebanum 
in  Wizzinkirchen  et  Conradum  de  Kirchberg  canonicum  ecclesie 
Misnensis".  Unter  diesen  Geschäftsnotizen  sind  nun  einige, 
scheinbar  recht  unbedeutende  Dinge  betreffende  Auslagen  sach- 
lich interessant,  wenn  wir  die  sonstigen  Umstände  berück- 
sichtigen. Wir  lesen  da:  ,,Pro  cista,  sera  et  ferramentis  eidem 
circumdatis  VII  libras  et  XII  sol.  cum  precio  portitorum.  — 
Item  portitori  de  scrinio,  in  quo  pecunia,  sigillum  et  instru- 
menta nacionis  reservantur  i  sol.  —  Item  pro  pergameno  äd 
nova  statuta  conscribenda  XII  solidos".  Die  letzte  Ausgabe 
bezieht  sich  auf  die  Redaktion  der  Statuten,  die  schon  vor 
Konrads  Amtszeit  fällt;  beachtenswert  ist  dagegen  die  An- 
schaffung einer  mit  Schlofs  und  Eisenbeschlägen  wohlverwahr- 
ten Truhe,  die  zur  Avifbewahrung  der  gemeinsamen  Kasse, 
des  Siegels  und  der  Urkunden  der  Nation  diente.  Wir  haben 
darin  die  Archivlade  der  Nation  vor  uns  und  erkennen  in  dieser 
praktischen  Anschaffung  das  fürsorgliche  W^alten  des  ehemaligen 
Kanzleibeamten,  der  aus  seiner  dienstlichen  Tätigkeit  den  Wert 
gebührender  Obhut  und  geordneter  Aufbewahrung  der  Ur- 
kunden und  des  auch  der  Kanzlei  anvertrauten  Siegelstempels 
kennen  und  würdigen  gelernt  hatte.  Die  Rechnungsposten 
liefern  uns  also  einen  nicht  unwichtio;en  Beitrag:  zum  Charakter- 
bilde  Konrads;  wir  erkennen  selbst  hier,  wo  er  nur  vorüber- 
g;ehend  auch  mit  als  Hüter  des  schriftlichen  Gemeinbesitzes 
seiner  Körperschaft  waltete,  als  einen  Zug  seines  Wesens  den 
Sinn  für  Ordnung  und  Erhaltung  des  handschriftlichen  Materials, 
der  auch  die  zweite  Periode  seiner  wettinischen  Kanzleitätig- 
keit, die  Zeit  seines  selbständigen  Protonotariats,  auszeichnete. 

Nur  wenige  Monate  bekleidete  er  die  Prokuratorwürde, 
denn  bereits  am  lo.  April  1348  fand  mit  gebührlichem  Wein- 
trunk  seine  Schlufsberechnung  und  Amtsniederlegung  statt 
(Acta  S.  116):  ,,Item  feria  quinta  ante  dominicam  palmarum 
pro  vino  et  electuario  propter  computacionem  et  resignacionem 
mei  Conradi  supradicti  XVI  sol."  Nur  noch  einmal  begegnet 
dann  sein  Name,  in  der  Rechnung  seines  Ersatzmannes:  ,,Item 
dominus  Johannes  de  Ponte  substitutus  prefati  domini  Chunradi 
et  ego  Jacobus  predictus  ..." 

Im  Frühjahr  1348  machte  sich  Konrad  also  auf  den  Heim- 
weg^), wohl  nicht  nach  seinem  eigenen  Belieben,  da  er  vor 


^)  22  Jahre  später  kehrte  er  nochmals  nach  Italien  zurück  und 
zwar  als  Gesandter  des  Bischofs  Ludwig  von  Bamberg,  des  Bruders 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  213 

Ablauf  der  üblichen  Zeit  seine  Prokuratur  aufgab,  sondern 
wahrscheinlich  infolge  der  ihm  zugegangenen  Aufforderung 
seines  Fürsten,  der  ihn  wieder  in  seinem  Dienste  und  zwar  an 
leitender  Stelle  zu  verwenden  gedachte.  Alsbald  nach  Kon- 
rads Rückkehr  übertrug  Friedrich  ihm  die  Vorstandschaft  der 
Kanzlei.  Das  Datum  der  Amtsübernahme  ist  nicht  überhefert, 
doch  mufs  dieselbe  vor  dem  24.  August  erfolgt  sein,  da  er 
an  diesem  Tage  schon  als  Protonotar  urkundlich  auftritt.  Aus 
diesem  Dienstantritt  im  Sommer  1348  ergibt  sich  nun  aber 
der  weitere  Schlufs,  dafs  die  systematischen  Zusammenstellungen 
im  Rechnungsbuche  (Kopial  5),  das  Städtebedeverzeichnis,  die 
Listen  der  Edeln  und  Ministerialen  der  wettinischen  Lande, 
bei  denen  innere  Gründe  für  die  Abfassung  um  1347  sprechen, 
und  andere  Aufzeichnungen  dieser  Art^)  entweder  nicht  von 
ihm  selbst  geschrieben  sein  können,  oder,  falls  er  sie  selbst 
eintrug,  frühestens  1348  auf  Grund  von  Notizen  des  Jahres 
1347  gebucht  sind.  Zu  den  sonstigen  Lebensdaten  Konrads 
von  Wallhausen  seien  hier  noch  einige  Ergänzmigen  gefügt. 
Über  die  Zeit  seiner  Erhebung  zum  Propst  von  Grofsenhain 
mangeln  bestimmtere  Angaben  meifsnischer  Quellen;  am  9.  Sep- 
tember 1357  tritt  er  als  ,,prepositus  Haynensis"  auf'-).  Seine 
Wahl  zum  Propst  von  Zscheila  oder  Hain^)  durch  das  Zschei- 
laer  Kapitel  erfolgte  aber  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres 
1356,  denn  bereits  am  12.  Juli  1356  bestätigte  Papst  Inno- 
cenz  VL  dem  Konrad  von  Wallhausen  die  Propstei  Grofsen- 
hain mit  50  Goldgulden  Einkünften,  obwohl  er  bereits  ein 
Kanonikat  mit  gröfserer  Präbende  in  Meifsen,  ein  Kanonikat 
in  Merseburg,  die  Pfarre  in  Wallhausen  und  eine  Vikarie  in 
der  Kapelle  des  Schlosses  Wartburg  besitze;  doch  solle  er  die 
Pfarre    aufgeben*).     Am    gleichen  Tage    bestätigte   ihm    der 


seiner  wettinischen  Landesherrn,  wie  Urbans  V.  Schreiben,  Rom 
S.Januar  1370,  zeigt,  s.  P.  Kehr  und  G.  Schmidt,  Päbstliche  Ur- 
kunden und  Regesten  S.  237  Nr.  865. 

')  S.  in  dieser  Zeitschrift  XXIV,  ii,  23. 

-)  S.  in  dieser  Ztschr.  XXIV,  17  Aiim.  51;  vgl.  auch  H.  Knothe, 
Die  Pröpste  des  KoUegiatstifts  S.  Petri  zu  Bautzen  1221  — 1562,  in 
dieser  Ztschr.  XI,  28,  29. 

*)  Vgl.  über  dieses  Kollegiatstift  K.  v.  K auffangen  in  den  Mitt. 
d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Stadt  Meifsen  VI,  189. 

*)  Vgl.  Kehr  und  Schmidt,  Fäbstuche  Urkunden  und  Regesten 
aus  den  Jahren  1353 — 1378  S.  35,  36  Nr.  122.  Von  der  Urkunde  über 
die  Vikarie  in  der  Schlofskapelle  der  Wartburg,  die  ich  in  dieser 
Ztschr.  XXIV,  37  nach  dem  Originalreo;ister  (^Kop.  25)  mitgeteilt  habe, 
hat  Funkhänel  ein  Stück  gedruckt  in  der  Ztschr.  d.  V.  f.  Thür.  Gesch. 
VII  (1870),  347  nach  den  späteren  Abschriften  in  Kop.  27  fol.  7  b  und 
29  fol.  107  b. 


214  W.  Lippert: 

Papst  die  ihm  vom  Meifsner  Kapitel  übertragene,  durch  den 
Tod  des  Gregorius  Grofse  von  Dresden  erledigte  Präbende 
in  Meifsen'),  und  am  29.  April  1357  providierte  er  ihn  mit 
einem  Kanonikat  und  einer  gröfseren  Präbende  zu  Naumburg -j. 
Aus  der  ersten  dieser  päpsthchen  Urkunden  erfahren  wir  also 
zugleich  den  wahrscheinhchen  Endtermin  seines  Besitzes  der 
Pfarrkirche  zu  Wallhausen,  nämlich  den  Sommer  1356.  Dafs 
er  aufser  der  Vikarie  des  S.  Georgen-  und  Elisabethaltars  in 
der  Wartburgkapelle  auch  noch  eine  andere  Pfründe  in  Ei- 
senach, die  Vikarie  S.  Stephani  im  Kloster  S.Nicolai,  besafs, 
zeigt  uns  die  SuppHk  des  Bischofs  Ludwig  von  Halberstadt 
für  Ludwig  Junge,  welcher  letztere  diese  durch  Resignation 
Konrads  von  Wallhausen  ahas  von  Kirchberg  erledigte  Vikarie 
erhalten  sollte-^).  Konrad  war  also  durch  die  Gnade  seiner 
Landesherren,  die  GefälUgkeit  der  Dom-  und  KoUegiatstifter 
und  das  Entgegenkommen  der  päpstlichen  Kurie  reich  mit 
Pfründen  gesegnet:  in  Wallhausen,  Meifsen,  Merseburg,  Naum- 
burg, Zscheila  (Grofsenhain),  Bautzen,  Eisenach  und  auf  der 
Wartburg  bezieht  er  als  Pfarrer,  Propst,  Domherr,  Vikarius 
Einkünfte*). 

An  dieser  Pfründenjagd,  die  einem  so  hervorragenden 
Manne  wie  Konrad  von  Wallhausen,  der  später  sogar  die  höchste 
geistliche  Würde  der  Mark  Meifsen,  den  Bischofsstuhl,  erlangte, 
oder  Konrad  Pruze  so  reiche  Ergebnisse  lieferte,  beteihgten 
sich,  wenn  auch  in  geringerem  Umfange,  ihre  minder  bedeuten- 
den Kanzleikollegen  und  Untergebenen.  Berthold  Wilde,  Niko- 
laus von  Altenburg  und  Johann  von  Eckartsberga,  die  in  den 
fünfziger  bez.  sechziger  Jahren  als  markgräfliche  Schreiber  auf- 


1)  Kehr  und  Schmidt  S.  36  Nr.  123. 

2)  Kehr  und  Schmidt  S.  52  Nr.  180 

*)  Vgl.  die  am  31.  August  1357  zu  Avignon  vorgetragene  Supplik 
bei  Kehr  und  Schmidt  S.  60  Anm.  unter  h. 

^)  Aufser  diesen  Ergänzungen  zu  Konrads  Lebensgeschichte, 
die  den  päpstlichen  Registern  entstammen,  sei  noch  eine  Notiz  aus 
Kop.  5  fol.  loib  (unter  den  Anweisungen  auf  Meifsen)  beigefügt: 
„Item  dominus  assignavit  domino  Theoderico  decano  et  dorcdno 
Conrado  de  Walhusen  XVI  sexagenas  XXXVI  grosses  occasione 
antiquorum  debitorum  de  precaria  Mj-snensi  in  festo  Michaelis  proximo 
capiendas.  Datum  feria  tercia  post  Letare  anno  LVIIL'  (^13-  März 
1358I.  Auch  über  Titzmann  von  Limbach  Uefert  Kop.  5  eine  nicht 
unwichtige  Notiz,  durch  welche  festgestellt  wird,  dafs  sein  Aus- 
scheiden aus  der  Kanzleileitung  nicht  durch  seinen  Tod  veranlalst 
war;  er  lebte  noch  im  Jahre  13^56,  vgl.  fol.  11  ib  (unter  den  Anwei- 
sungenauf Altenburg):  ,,Jtem  dominus'assignavit  domino  Th(eoderico) 
de  Limpach  XX  sexagenas  in  civitate  Aldinburg  Walpurgis  proxime 
capiendas.    Datum  ibidem  Valentini  anno  LVI"  (=  14.  Februar  1356). 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  215 

treten*),  besafsen  gleichfalls  die  üblichen  Pfründen  an  den  drei 
Bischofssitzen  der  wettinischen  Lande  und  anderen  Orten. 


2.   Berthold  Wilde  von  Rothenburg. 

Zum  Jahre  1354  erwähnt  Posse  nach  Tentzels  Historia 
Gothana  einen  Berthold  von  Luchtenburg,  Pleban  der  Kirche 
Unser  Lieben  Frauen  zu  Gotha,  als  Notar  und  wirft  die  un- 
beantwortet bleibende  Frage  auf,  ob  er  mit  dem  in  Kopial  25 
fol.  65  zum  Jahre  1353  genannten  Schreiber  Bertold  von 
Rotenburg  identisch  sei.  Die  Frage  wird  noch  verwickelter 
dadurch,  dafs  um  dieselbe  Zeit  mehrfach  ein  markgräflicher 
Notar  Bertold  Wilde  erscheint.  Am  31.  Dezember  1353  und 
desgl.  am  i.  Januar  1354  tritt  unter  den  Getreuen  und  Heim- 
lichen in  Markgraf  Friedrichs  Urkunde  für  das  Meifsner  Dom- 
kapitel  über  das  Dorf  Gröbern  als  Zeuge  mit  auf  ,,Bertoldus 
Wilde  schriber"-).  Die  Urkunde  vom  31.  Dezember  1353  ist 
im  Original  (im  ehemaligen  Stiftsarchiv  Meifsen,  jetzt  als  De- 
positum Capituli  Misnensis  im  Dresdner  Hauptstaatsarchiv)  er- 
halten, und  darin  treten  als  Zeugen  auf:  „die  strengen  Fride- 
rich  von  Wangeheim  marschalk,  Kristan  von  Witzceleiben 
hoverichter,  Heinrich  von  Kothewicz,  rittere,  Bertoldus  Wilde 
schriber,  unsere  heimlichere".  Die  Urkunde  ist  aber  wört- 
lich übereinstimmend  auch  gebucht  im  Kopial  25  fol.  65,  und 
hier  lautet  die  Zeugenreihe:  ,,die  gestrengen  Fridrich  von 
Wangheim  marschalk,  Kristan  von  Witzceleiben  hoverichter, 
Heinrich  von  Kothewicz  ritter,  Bertold  von  Rotenburg 
schriber,  unsere  heimlicher". 

Wir  haben  also  den  auch  sonst  zu  beobachtenden  Fall, 
dafs  Original  und  Registereintrag  sich  nicht  völlig  decken^). 


')  Vgl.  über  sie  im  folgenden;  über  den  Kammerschreiber  Ludwig 
Junge  s.  im  folgenden  S.  226. 

-)  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  I,  389  und 
410  Nr.  467  und  475.  Gersdorf  stellt  Nr.  467  fälschlich  zum  31.  De- 
zember 1352;  dafs  es  der  31.  Dezember  des  Jahres  1353  ist,  habe  ich 
in  den  Mitt.  d.  Ost.  Instituts  XXIV,  307.  308  nachgewiesen. 

")  Vgl.  z.  B.  eine  ähnliche  Differenz  betreffs  des  Johann  von 
Neumarkt,  der  nicht  erst  am  24.  Dezember  1347  (s.  Posse  S.  180  und 
234)  als  Notar  auftritt,  sondern  schon  am  1.  Mai  1346  (s.  Ermisch, 
Urkundenbuch  von  Freiberg  II,  10  Nr.  876,  wo  in  der  Originalaus- 
fertigung nur  gesagt  ist  „presentibus  .  .  .  Nicoiao  et  Johanne  notariis 
nostris",  in  Kop.  25  fol.  iib  dagegen  die  vollen  Namen  „Nycolao  de 
Giten  et  Johanne  de  Novoforo  notariis"  genannt  sind.  In  Kop.  25 
fol.  II  finden  wir  Johann  übrigens  schon  am  25.  März  1346  [sabbato 
ante  Letare]  als  Jsotar:  „presentibus  Johanne  de  Novoforo  notario"). 


2i6  W.  Lippert: 

Bertold  Wilde  und  Bertold  von  Rotenburg  sind  ein  und  die- 
selbe Person,  der  volle  Name  ist  Berthold  Wilde  von  Rothen- 
burg. Auf  ihn  beziehen  sich  also  auch  alle  die  Stellen,  wo 
ein  Bertoldus  notarius  schlechthin  genannt  ist,  wie  vielfach  in 
den  Rechnungen  des  Kopiais  5,  z.  B.  fol.  8  a,  8  b,  9,  13  b  zu 
den  Jahren  1353,  1354.  Doch  auch  der  dritte  Berthold,  der 
angebliche  Pfarrer  zu  Gotha,  ist  wahrscheinlich  damit  iden- 
tisch. Zunächst  ist  zu  bemerken,  dafs  er  nicht  Pleban  der 
Gothaer  Marienkirche  war,  denn  die  von  Tentzel  in  seinem 
Supplementum  secundum  zu  des  Caspar  Sagittarius  Historia 
Gothana  S.  140  f.  gegebene  Urkunde  vom  2.  Oktober  1354 
ist  von  dem  Pfarrer  selbst  ausgestellt,  der  aber  Nicolaus  Tram 
hiefs^);  er  gibt  seine  Zustimmung  zur  Übertragung  des  Kolla- 
turrechts  über  einen  Altar  in  der  Marienkirche  seitens  des  Mark- 
grafen Friedrich  und  seiner  Grofsmutter  Elisabeth  an  den  Kan- 
tor Lutolf,  und  lediglich  als  Zeuge  ist  dabei  Berthold  mitge- 
nannt: ,,presentibus  ...  et  Bertoldo  de  Luchtenberg,  notario 
domini  mei  marchionis  ..."  Dadurch  ist  also  die  eine  Schwie- 
rigkeit beseitigt,  und  da  der  Notar  Berthold  von  Luchtenberg 
bisher  nur  an  dieser  einen  Stelle  bekannt  geworden  ist,  so 
verdankt  er  seine  Existenz  wohl  nur  einem  Versehen  Tentzels 
selbst  oder  seiner  Vorlage;  Tentzel  entnahm  diese  Urkunde 
nicht  dem  Original,  sondern  einem  Chartarium  Capituli  Go- 
thani,  so  dafs  wahrscheinlich  statt  Luchtenberg  auch  Roten- 
burg zu  lesen  ist.  Die  drei  gleichzeitigen  Notare  Namens 
Berthold  stellen  dann  nur  eine  einzigre  Person  dar. 

Als  sich  durch  den  Tod  Günthers  von  Kottwitz  aufser 
dem  Archidiakonat  der  Lausitz,  das  Konrad  von  Wallhausen 
erhielt"),  auch  dessen  andere  Würden  und  Bezüge  erledigten, 
erlangte  Berthold  Wilde  auf  sein  Ansuchen  am  4.  September 
1358  von  Innocenz  VL  die  Bestätigung  der  gröfseren  Präbende 
zu  Meifsen,  obwohl  er  bereits  Kanonikate  zu  Gotha  und  Ei- 
senach und  die  Kapelle  zu  Rastenberg  (Sachsen-Weimar,  nörd- 
lich von  Buttstädt)  besafs^).    Eine  Folge  seiner  persönlichen 


^)  A.  a.  O.  ,,Ego  Nicolaus  dictus  Tram,  plebanus  ecclesie  sancte 
Marie  in  Gotha";  vgl.  auch  Tentzel,  Suppl.  II,  148  „dominus  Nicolaus 
dictus  Tram  plebanus  predicte  ecclesie  sancte  Marie  in  Gotha",  vom 
Jahre  1356. 

-)  Vgl.  in  dieser  Ztschr.  XXIV,  17,  22  und  dazu  noch  Kehr  und 
Schmidt,  Päbstliche  Urkunden  und  Regesten  S.  81  Nr.  276. 

^)  Kehr  und  Schmidt  a.  a.  O.  Nr.  278.  In  dieser  Stellung 
als  Meifsner  Domherr  begegnet  er  uns  auch  in  Meifsner  Urkunden, 
so  z.  B.  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  22 
Nr.  513  vom  31.  Oktober  1359:  ...  Heinrico  de  Kothewicz  can- 
ceUario  .  .  .,  Bertoldo  dicto  Wüden  canonico  ecclesie  Misnensis  et 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  217 

Beziehungen  zum  Markgrafen  war  es  auch,  dafs  er  am  11.  Januar 
1364  auf  seine  Lebenszeit  für  die  zu  seiner  Meifsner  Dom- 
herrnpfründe gehörigen  Güter  Befreiung  von  Bede  und  Abgaben 
erhielt  1). 

3.    Nikolaus  von  Altenburg. 

Berthold  Wilde  ist  nicht  zur  Stellung  eines  Kanzleivor- 
standes emporgestiegen,  denn  diese  Würde  bekleidete  1353  bis 
1364  der  Protonotar  oder  Kanzler  Heinrich  von  Kottwitz, 
und  diesem  folgte  der  gleichfalls  schon  seit  langen  Jahren") 
in  der  Kanzlei  tätige  Notar  Nikolaus,  der  als  Pfründe  die  Pfarre 
zu  Oelsnitz  besafs.  Der  sonstige  Name  des  Mannes  scheint 
bisher  nicht  bekannt  geworden  zu  sein;  wir  erfahren  ihn  aus 
einer  Urkunde  Friedrichs,  Balthasars  und  Wilhelms  vom  24.  Sep- 
tember 1354,  wodurch  die  Markgrafen  ,,dem  bescheiden  Ny- 
colao  Schindemans  von  Aldinburg,  unserm  lieben 
schribere,  durch  sinen  annemen  unde  getruwen  dinst  den 
er  uns  flizeglichen  in  unserm  ho ve  getan  hat  lange  zeit  unde 
furbaz  ewigUchen  tun  sal,  unser  bergschriberampt  zcu  Friberg 
über  alle  unser  gebirge"  mit  allen  Rechten,  Einkünften  und 
Zubehör  auf  Lebenszeit  zu  rechtem  Lehen  verleihen  und  ihn 
als  unabsetzbar  erklären.  Falls  er  wegen  Krankheit  dem  Amte 
nicht  mehr  vorstehen  wolle,  solle  er  mit  Wissen  der  Mark- 
grafen und  ihrer  heimlichen  Räte  einen  redlichen  Gesellen  als 
Vertreter  nehmen'^).  Dafs  der  Oelsnitzer  Pfarrer  Nikolaus  mit 
diesem  Nikolaus  Schindemans  von  Altenburg  identisch  ist, 
zeigt  I.  die  ausdrückliche  Bezeichnung  als  ,, unser  schriber", 
2.  die  Hervorhebung  der  ,,in  unserm  Hofe"  geleisteten  Dienste, 
ein  Ausdruck,  der  für  ein  Mitglied  der  Kanzlei  sehr  gut  pafst, 


Nycolao  plebano  in  Olsnicz,  notariis  nostris  fidelibus  dilectis;  ferner 
ebenda  II,  49,  59  Nr.  537,  549  von  1361,  1364;  später  ward  er  Dom- 
kustos, a.a.O.  II,  115  Nr.  606  von  1371,  II,  215  Nr.  689  von  1384 
(zugleich  Kapitelssenior). 

1)  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  59 
Nr.  549. 

-)  Er  begegnet  häufig  in  Zeugenlisten  von  Urkunden  sowie  in 
den  Anweisungen  des  Rechnungsbuches  Kop.  5  (so  z.  B.  fol.  35  b, 
36b  dreimal,  37,  112,  146);  am  12.  Juli  1364  wurde  er  nebst  dem  Mar- 
schall Dietrich  von  Honsberg,  dem  Meifsner  Dekan  Dietrich  von 
Goch  und  dessen  Neffen  mit  dem  halben  von  Erkenbert  von  Boer 
erkauften  Dorfe  Heczilstorf  belehnt,  Kop.  25  fol.  129b.  Nikolaus' 
Eltern  Johannes  und  Gertrud  sind  bei  der  Stiftung  seines  Jahr- 
gedächtnisses im  Meifsner  Dom  erwähnt:  Gersdorf,  Urkundenbuch 
des  Hochstifts  Meifsen  II,  195  Nr.  670,  28.  Mai  1381. 

^)  Ermisch,  Urkundenbuch  von  Freiberg  II,  11  f.  Nr.  881. 


2i8  W.  Lippert: 

die  ja  (abgesehen  von  kurzen,  ohne  gröfseres  Gefolge  unter- 
nommenen Reisen  der  Fürsten)  aus  geschäftlichen  Gründen 
immer  am  Hoflager  zu  weilen  genötigt  ist'),  3.  die  Bezeichnung 
„von  Altenburg",  die  Nikolaus  auch  in  andern  Zeugnissen  bei- 
gelegt wird;  der  Familienname  Schindemans  dagegen  ist  an- 
scheinend allein  in  dieser  Bergschreiberbestallung  erhalten. 
Da  Nikolaus  später  nicht  mehr  in  dieser  Stellung  auftritt,  ist 
anzunehmen,  dafs  er  das  Amt  niedergelegt  und  auch  keinen 
Gebrauch  von  der  Ermächtigung  gemacht  hat,  nominaler  In- 
haber und  Nutzniefser  zu  bleiben  und  die  dienstUchen  Arbeiten 
durch  einen  Gehilfen  verrichten  zu  lassen''^). 

In  heimischen  Urkunden  erscheint  Nikolaus  am  11.  No- 
vember 1364  zuerst  als  Protonotar^),  so  dafs  sein  Antritt,  da 
Heinrich  von  Köttwitz  am  14.  August  1364  zum  letzten  Male 
als  Kanzler  erwähnt  wird'*),  im  Herbst  oder  Wintersanfang 
1364  erfolgt  zu  sein  scheint.  Nicht  zu  vereinigen  ist  damit 
allerdings,  dafs  in  der  Supplik  des  Markgrafen  Friedrich,  die 
am  18.  Februar  1364  zu  Avignon  beifällige  Entscheidung  fand 
(s.  im  folgenden),  Nikolaus  bereits  als  Protonotar  betitelt  ist. 
Sind  beide  Daten  betreffs  des  Heinrich  von  Köttwitz  und  des 
Nikolaus  richtig,  so  bleibt  nur  die  Lösung,  dafs  Köttwitz  ent- 
weder noch   einige   Zeit   den   Kanzlertitel    forttrug,    während 


')  Die  Worte  „in  unserm  hove"  sind  keineswegs  als  blofses, 
belangloses  Formelstück  aufzufassen,  wie  sich  deutlich  daraus  er- 
gibt, dafs  in  der  Bestallung  für  Nikolaus'  Nachfolger  im  Berg- 
schreiberamte, Johann  Bobritzscher,  wobei  der  Eintrag  seiner  Be- 
stallung in  Kop.  25  fol.  80  als  Vorlage  diente,  jene  für  Johann  nicht 
passenden  Worte  ausgelassen  wurden. 

-)  1361  erscheint  Johann  Bobritzscher  als  Bergschreiber;  s. 
Ermisch  a.  a.  O.  II,  11  Nr.  881  Anm.  und  380  Nr.  12,  13. 

3)  Hauptstaatsarchiv  Dresden,  Depos.  Capit.  Misn.  Nr.  386  (datum 
et  actum  Dresden  a.  d.  1364  in  die  s.  Martini  episcopi)  „  .  .  .  testibus 
...  et  discreto  domino  Nicoiao  plebano  in  Olsenicz  necnon  protho- 
notario  germani  nostri  dilecti  Fnderici,  fidelibus  nostris  dilectis  .  .  .". 

*)  Nach  Meyer,  Hof- und  Zentralverwaltung  der  Wettiner  S.  98 
Anm.  3,  in  einer  Urkunde  des  Gesamtarchivs  zu  Weimar.  In  den 
Originalurkunden  des  Dresdner  Archivs  und  den  Einträgen  des 
Ko]).  25  tritt  er  während  des  Jahres  1364  nicht  mehr  als  Kanzler  auf. 
In  Kop.  25  finden  sich  mehrere  Urkunden  dieses  Jahres,  in  denen  er 
als  Zeuge  oder  Getreuhänder  erwähnt  ist  oder  die  ihn  oder  seine  Gattin 
angehen,  so  fol.  125,  i2sb,  126b,  127b,  128b;  doch  in  keiner  derselben 
wird  ihm  der  Kanzlertitel  beigelegt,  auch  nicht  in  der  ihn  betreffen- 
den Urkunde  vom  25.  Mai  1364  (a.  LXIIII  sabbato  infra  octavas  cor- 
poris Christi),  worin  Markgraf  Friedrich  genehmigt,  dafs  „sich  die 
strengen  ern  Heinrich  und  her  Friderich  von  Kothewicz  gebrudere, 
unser  heimelichere  und  lieben  getruwen,  alle  ire  gute  gesundert 
haben",  obwohl  hier  doch  ihre  sonstige  Dienstbezeichnung  nicht 
weggelassen  ist. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  219 

Nikolaus  schon  die  Geschäfte  führte,  oder  dafs  Nikolaus  schon 
während  der  letzten  Zeit  von  Kottwitzens  Amtsführung  de- 
signierter Kanzleivorstand  war. 

Am  selben  18.  Februar  1364,  an  welchem  Urban  V.  den 
drei  Markgrafen  und  der  Markgräfin  Katharina  den  Gebrauch 
der  Messe  auch  an  Orten,  die  mit  dem  Interdikt  belegt  sind, 
unter  den  üblichen  Einschränkungen  gestattete,  erteilte  er  auch 
dem  Nikolaus  die  Provision  mit  dem  von  Friedrich  für  ihn 
erbetenen  Kanonikat  sub  expectatione  prebende  maioris  in 
Meifsen  unter  Aufhebung  der  früheren  Provision  mit  Kanoni- 
kat  und  gröfserer  Präbende  in  Naumburg^).  Am  5.  Juni  des- 
selben Jahres  dispensierte  er  auf  erneutes  Ansuchen  des  Mark- 
grafen den  Nikolaus  von  Altenburg,  Dietrich  Lamperti  von 
Goch  und  Nikolaus  von  Polenz  von  der  Reise  an  die  Kurie 
zur  Ablegung  der  Prüfung  und  beauftragte  am  26.  Juni  den  Abt 
von  Pforta,  den  Nikolaus  nach  vorheriger  Prüfung  in  das  Meifsner 
Kanonikat  einzuführen,  ihm  auch  ein  officium  zu  übertragen, 
wogegen  er  dann  auf  die  Oelsnitzer  Pfarre  verzichten  soll-). 

Als  Protonotar  des  Markgrafen  erscheint  Nikolaus  in  der 
Folgezeit  mehrfach  und  soweit  sich  ermitteln  läfst,  zuletzt 
in  der  am  15.  September  1366  (in  octava  nativitatis  Marie)  ge- 
haltenen Abrechnung  des  Eisenacher  Bürgers  Johannes  Jan 
über  Geleit,  Zoll  und  andere  landesherrliche  Einkünfte  zu  Ei- 
senach unter  den  Rechnungsabnehmern,  Kopial  5  fol.  65:  „pre- 
sentibus  ....  Nycolao  prothonotario  et  Johanni  de  Eckers- 
perg".  Nach  dem  Tode  des  Meifsner  Dekans  Dietrich  von 
Goch  suchte  Markgraf  Friedrich  für  seinen  Notar  und  secre- 
tarius  major^)  Nikolaus  von  Altenburg,  der  gegen  die  päpst- 
liche Reservation  das  Meifsner  Dekanat  bereits  erhalten  habe, 
um  dessen  Bestätigung  nach,  obwohl  er  schon  mit  einem  Ka- 
nonikat in  Meifsen  providiert  sei,  sowie  die  Pfarrkirche  in  Oels- 
nitz  und  die  Schlofskapelle  auf  der  Wartburg  besitze.  Er  er- 
hielt zu  Avignon  am  18.  September  1366  das  Erbetene,  doch 
unter  der  Bedingung  der  Aufgebung  der  Pfarre  in  Oelsnitz 
und  der  Wartburgkapelle*).    Nikolaus  begegnet  als  Dekan  zu- 


1)  Kehr  und  Schmidt  S.  163  Nr.  586  ff. 

-)  Ebenda  S.  168,  170  Nr.  609,  616  f. 

ä)  Der  Titel  „secretarius  maior"  ist  sonst  in  dieser  Zeit  nicht 
nachweisbar;  dafs  Nikolaus  ebenso,  wie  auch  die  anderen  Kanzlei- 
vorstände, zu  den  secretarii,  den  heimlichen  Räten,  gehörte,  bezeugten 
zahhreiche  Urkunden,  vgl.  z.  B.  Lippert,  Wettiner  und  Witteisbacher 
S.  282  Nr.  106  f. 

*)  Kehr  und  Schmidt  S.  209  Nr.  759.  Im  Widerspruch  mit 
diesem  Datum  des  18.  September  1366  steht  es  jedoch,  wenn  wir  bei 


2  20  W.  Lippert: 

erst  am  i8.  Juni  1367  und  dann  sehr  häufig,  zuweilen  auch 
mit  seinem  vollen  Namen  Nycolaus  de  Aldenburg  decanus,  so 
z.  B.  am  18.  Oktober  1374^).  Er  starb  als  Dekan  im  Herbst 
1390,  denn  am  26.  Mai  und  4.  Oktober  1390  wird  er  noch 
als  lebend,  am  11.  Oktober  1390  aber  bereits  als  verstorben 
(dem  got  genade)  erwähnt  -).  Mit  der  Beförderung  zum 
Dekanat  erklärt  sich  sein  Ausscheiden  aus  der  Kanzlei  im 
Jahre   1366. 

4.   Johann  von  Eckartsberga. 

Gleichzeitig  mit  den  Suppliken  für  seinen  Kaplan  Martin 
von  Torgau  und  den  Protonotar  Nikolaus  hatte  Markgraf 
Friedrich  auch  eine  Supphk  für  seinen  Notar,  den  Presbyter 
Johann  von  Eckartsberga,  nach  Avignon  abgehen  lassen,  die 
daselbst  einige  Tage  nach  Erledigung  der  andern  zur  Vorlage 
kam  und  gleichfalls  die  beifälhge  Entscheidung  Urbans  V.  fand: 
am  27.  September  1366  providierte  ihn  der  Papst  mit  dem 
Kanonikat  nebst  gröfserer  Präbende  in  Zeitz,  die  Dietrich  von 
Goch  innegehabt  hatte-').  Zuerst  begegnet  Johanns  Name  in 
der  am  22.  Juli  1366  (in  die  Marie  Magdalene)  gehaltenen  Ab- 
rechnung des  Freiberger  Münzmeisters  Augustinus  unter  den 
Rechnungsabnehmern,  Kopial  5  fol.  41*):  ,,presentibus  dominis 
Kristano  de  Wiczeleyben,  Theodrico  de  Honsperg,  Hold  et 
Johanni  notario";  dann  zusammen  mit  seinem  Chef,  dem  Pro- 
tonotar Nikolaus  in  der  Eisenacher  Abrechnung  vom   15.  Sep- 


Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  76,  80  Nr.  567, 
570,  den  Dekan  Dietrich  noch  am  30.  September  1366  und  11.  Januar 
1367  als  lebend  antreffen.  Sollte  das  päpstliche  Schreiben  erst  zu 
1367  gehören? 

^)  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  80,  156 
Nr.  571,  639.  Als  Dekan  erhielt  er  am  11.  März  1371,  als  über  die 
durch  Konrads  von  Wallhausen  Erhebung  zum  Bischof  freigewordenen 
Pfründen  verfügt  wurde,  durch  Gregor  XI.  das  ihm  durch  Urbans  V. 
Provision  zugesicherte  Kanonikat  mit  gröfserer  Pfründe  in  INIeilsen, 
Kehr  und  Schmidt  S.  251  Nr.  909. 

-)  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  247, 
250  f.  Nr.  718,  720  f  Machatschek,  Geschichte  des  Hochstifts 
Meifsen  S.  324,  meint,  er  sei  der  Bischof  Nikolaus,  der  1379  den 
Meifsner  Bischofsstuhl  bestieg,  ohne  zu  beachten,  dafs  in  vielen  Ur- 
kunden, z.  B.  19.  April  1380,  10.  bmi  1380,  22.  Dezember  1380  (S.  180, 
183,  188  f.  usf.  Nr.  661,  663,  667),  Bischof  Nikolaus  und  Dekan 
Nikolaus  nebeneinander  auftreten.  Call  es,  Series  episcop.  Misn. 
S.  260  f.,  weist  diesen  auf  Fabricius  zurückgehenden  Irrtum  bereits 
zurück. 

*)  Kehr  und  Schmidt  S.  210  Nr.  760. 

^)  Ermisch,  Urkundenbuch  von  Freiberg  II,  384  Nr.  21. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert,  221 

tember  1366  (s.  oben)  und  so  noch  öfters  unter  den  mit  Ab- 
hörung der  Rechnungsablegung  betrauten  heimlichen  Räten 
der  Fürsten  in  diesem  und  den  folgenden  Jahren').  Er  tritt 
dabei  bald  nur  als  „Johannes  notarius",  bald  als  „Johannes 
Eckersperg"  oder  „Johannes  de  Eckersperg  (Eckirsperg)",  bald 
als  „Johannes  de  Eckersperg  notarius"  auf,  einmal  auch 
als  „Johannes  notarius  domini  marchionis  senioris". 
Das  Jahr  1368  brachte  ihm  verschiedene  kuriale  Verleihungen, 
Er  war  jetzt  bereits  im  Besitze  der  Pfarrkirche  zu  Frohburg-) 
und  hatte  seit  1366  (s,  oben)  die  Provision  mit  einem  Zeitzer 
Kanonikat.  Am  27,  Mai  und  23.  Juni  1368  erhielt  er  Kano- 
nikate  in  Meifsen  und  Zeitz,  jedoch  mit  der  Anweisung,  die 
Pfarrstelle  aufzugeben'^).  Rasch  stieg  er,  wie  alle  seine  Vor- 
ofänofer,  weiter  auf  der  kirchUchen  Stufenleiter.  Bereits  am 
4.  Juli  137 1  erscheint  er  im  Besitze  der  Propstei  zu  Zeitz  und 
am  17.  Oktober  1371  des  Dekanats  zu  Naumburg*).  Das  De- 
kanat bekleidete  er  dann  noch  jahrzehntelang.  Nach  dem  Tode 


*)  Z.  B.  17.  September  (in  die  beati  Lamperti)  1366  bei  der  Ab- 
rechnung des  Grafen  Heinrich  des  Jüngeren  von  Hohnstein  über  die 
Kosten  "seiner  Hauptmannschaft  in  der  Fehde  gegen  den  Herzog 
Albrecht  von  Braunschweig-Salze,  Kop.  5  fol.  67;  3.  Oktober  (sabbato 
in  vigilia  beati  Francisci)  1366  bei  der  Abrechnung  Johann  Hosangs 
über  "Bede  und  Geleit  zu  Leipzig,  Kop.  5  fol.  67  b;  um  Pfingsten 
1367,  16.  Juni  (sexta  feria  post  diem  Viti)  1368  und  Pfingsten  1369 
bei  den  Abrechnungen  des  Johannes  Nase  über  das  Geleit  zu  Erfurt 
1366— 1369  Kop.  5  lol.  68b,  69,  69b. 

-)  Nicht  Freiberg  (Me3'er  a.  a.  O.  S.  99  Anm.  5). 

3)  Kehr  und  Schmidt  S.  225,  228  Nr.  817.  827. 

*)  Ebenda  S.  260,  265,  277,  297  Nr.  943,  963,  1007,  1090  vom  4- Juli 
1371,  17.  Oktober  1371,  12.  April  1372,  4.  Februar  1373.  Als  Propst 
zu  Zeitz  erscheint  er  auch  bei  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hoch- 
stifts Meifsen  II,  135  Nr.  620  vom  6.  November  1372,  als  letzter  der 
Zeugen  in  einer  Urkunde  der  drei  Markgrafen  hinter  neun  Edlen 
und  Rittern:  „dominus  Johannes  de  Eckirsperge  prepositus  ecclesie 
Cicensis",  also  zwar  ohne  Kanzleititel,  aber  an  einer  Stelle,  die  ihm 
als  Prälaten  sonst  nicht  zukam,  die  aber  für  die  markgräflichen 
Kanzleibeamten  so  typisch  ist,  dafs  man  ihn  auch  für  1372  als  solchen 
betrachten  darf.  Auch  in  zwei  weiteren  Urkunden  entbehrt  er  des 
Titels,  doch  in  der  einen  vom  4.  Mai  (an  deme  nesten  suntage  noch 
sente  Walpurge  tage)  1371  zeigt  sein  Auftreten  ihn  auch  ohne  dies 
noch  als  hohen  Beamten,  denn  in  diesem  Schuldbekenntnis  der  Mark- 
grafen für  Erfurter  Juden  mufsten  sich  der  Bischof  von  Merseburg, 
mehrere  Personen  des  Herrenstandes  und  sechs  Personen  aus  der 
ständigen  Umgebung  der  Fürsten  mit  verbürgen,  darunter  auch 
„ern  Johannes  von  Eckirsberge",  s.  Orig.-Urk.  Nr.  3992.  Am  18.  No- 
vember 1371  (Datum  ut  supra,  d.h.  in  vigilia  beate  Elizabeth)  ver- 
lieh ihm  der  Markgraf  lebenslänglich  das  Bezugsrecht  von  wöchent- 
lich einer  Fuhre  Sfockholz  aus  dem  landesherrlichen  Göhleforst  bei 
Fre^-burg  (silva  dicta  Gole  prope  Nuenburch),  Kop.  28  fol.  7. 


2  2  2  W.  Lippert : 

des  Bischofs  Nikolaus  von  Meifsen  war  Johannes  1392  einer 
der  beiden  ,,administratores  in  spirituahbus  et  temporaUbus 
episcopatus  Misnensis  vacante  sede"  und  hatte  als  solcher,  wie 
auch  nochmals  1405^),  als  einer  der  vier  Testamentsvoll- 
strecker, seinem  ehemaligen  Kanzleikollegen,  dem  Meifsner 
Dekan  Nikolaus  von  Altenburg,  einen  letzten  Dienst  zu  er- 
weisen bei  der  Ausführung  gewisser  Testamentsbestimmungen 
desselben. 

5,    Dyther  von  Widera  und  andere  Kanzleibeamte. 

Bei  Johann  von  Eckartsberga  fanden  wir  die  beachtens- 
werte Bezeichnung  als  ,,notarius  domini  marchionis  senioris-)". 
Eine  ähnliche  Benennung  begegnet  uns  auch  bei  dem  Proto- 
notar  Nikolaus  von  Altenburg,  den  Markgraf  Balthasar  in  ei- 
ner Urkunde  vom  II.  November  1364  speziell  als  Protonotar 
seines  Bruders  Friedrich  namhaft  macht  '^).  Diese  ausdrückliche 
Hervorhebuno-  des  dienstlichen  Verhältnisses  sowohl  des 
Nikolaus  wie  des  Johann  zum  Markgrafen  Friedrich 
deutet  schon  an  und  für  sich  darauf  hin,  dafs  auch  die  an- 
dern Markgrafen  ihre  Schreiber  hatten,  die  in  ihrem  be- 
sonderen Dienste  standen. 

in  der  Tat  läfst  sich  diese  Annahme  durch  Zeugnisse  für 
beide  Brüder  bekräftigen.  Am  26.  Februar  1366  erhielt  Hein- 
rich, der  Notar  Balthasars,  von  Friedrich  wegen  eines 
Pferdes  eine  Anweisung  auf  die  Stadtbede  von  Grimma*), 

Wie  Balthasar,  besafs  auch  Wilhelm,  der  jüngste  der  Mark- 
grafen, seinen  eigenen  Schreiber.  In  einer  Abrechnung  über 
Zehnterträge,  die  der  Bergschreiber  Johannes  verausgabt  hat, 
sind  mit  gebucht:  ,,Item  II  sexagenas  notario  domini  Wil- 
helmi  Dither'^)".    Der  Name  dieses  Kanzleibeamten  erinnert 


')  Gersdorf,  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Meifsen  II,  253,  317 
Nr.  724,  778  vom  6.  Juni  1392  und  6.  März  1405.  In  demselben  Jahre, 
am  20.  August  1405,  verzichtete  er  auf  die  mit  seinem  Meifsner  Ka- 
nonikat  verbundene  Obedienz  Cossebaude,  behielt  sich  aber  den 
Ertragsgenufs  zeitlebens  vor;  a.  a.  O.  II,  325  Nr.  785. 

'-)  Kop.  5  fol.  67  b  vom  3.  Oktober  1366. 

^)  „Nicoiao  plebano  in  Olsenicz  necnon  prothonotario  germani 
nostri  dilecti  Friderici",  s.  oben  S.  218  Anm.  3. 

*)  Kop.  5  fol.  ii8b  (gedruckt  bei  Schmidt,  Urkundenbuch  der 
Stadt  Grimma  S.  23):  „Item  dominus  assignavit  Heinrico,  notario 
domini  Bai thasaris,  VI  sexagenas  occasione  unius  equi  in  civitate 
[Grimme]  in  proximo  Michaelis  termino  capiendas.  Datum  a.  LXV 
in  die  cynerum". 

*)  Kop.  5  fol,  98;  die  im  3.  Bande  des  Freiberger  Urkunden- 
buchs  nicht  mit  abgedruckte  Rechnung  ist  ohne  Jahresangabe,  der 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  223 

nun  an  einen  Mann,  den  wir  etwa  10  Jahre  später  in  bemer- 
kenswerter Stellung  treffen:  Meister  Dyther  von  Wydere 
oder  von  der  Wedera,  der  am  21.  September  1372  eine  Dienst- 
bestallung der  drei  Markgrafen  erhielt')  „zcu  verwesende  un- 
de  zcu  vortedingende  geistHche  sachen,  die  uns,  unser  manne, 
land  unde  lute  ann;ren  oder  anruren  mögen  zcu  gecziten". 
Zur  Vergütung  und  Auslagenerstattung  wird  ihm  ausgesetzt 
„daz  cancellergeld,  daz  man  von  den  lantbeten  in  unsern 
landen  pfliget  zcu  gebene",  das  er  in  derselben  Weise,  wie  es 
zur  Zeit  Markgraf  Friedrichs  des  Ernsten  und  der  Markgrafen 
selbst  bisher  gegeben  ist,  bis  zur  Höhe  von  40  Schock  Meifs- 
ner  Groschen  erheben  soll;  für  auswärtige  Dienste  erhält  er 
gegebenenfalls  noch  besondere  Auslösung.  Dyther  war  also 
geistlicher  Rat  der  Wettiner,  versah  den  Posten  eines  Proku- 
rators, wie  wir  sie  mehrfach  seitens  der  Fürsten  oder  Orden 
am  päpstlichen  Hofe  ständig  mit  der  Betreibung  der  zahlreichen 
Geschäfte  betraut  finden'-^).  Die  häufigen,  meist  auf  finanzielle 
Gründe  zurückgehenden  Streitigkeiten  (über  Geldeinkünfte 
geistlicher  Würden,  Stellenbesetzungen,  Pfründenverleihungen, 
Dispense  und  dergl.)  mochten  den  Markgrafen  die  Notwendig- 
keit der  Bestallung  eines  ständigen,  mit  dem  kanonischen  Recht 
und  dem  kurialen  Geschäftsgang  vertrauten  Ratgebers  nahe 
gelegt  haben.  Doppelt  auffällig  ist  nun,  dafs  Meister  Dyther 
als  Besoldung  das  Kanzlergeld  erhielt ;  erstens  weil  ein  solches, 
—  wie  der  Zusammenhang  mit  der  Landbede  zeigt  —  regel- 
mäfsiges  Einkommen  sonst  nicht  bekannt  ist;  zweitens  weil 
dieses  Einkommen,  wie  sein  Name  besagt,  das  Dienstgeld  des 
Kanzlers  bildete.  Wäre  nun  damals  ein  anderer  Kanzler  bez. 
Protonotar  in  Stellung  gewesen,  so  war  diese  Geldsumme  nicht 
frei ;  von  einer  solchen  Person  hören  wir  aber  nichts.  Meyer 
neigt  deshalb  dazu,  Dyther  selbst —  obwohl  er  nicht  mit  dem 


darin  genannte  Bergmeister  Reinfried  Grofse  erscheint  1361  — 1377 
(s.  Ermisch,  Urkundenbuch  Freiberg  II,  isff.,  42  Nr.  88sf ,  889,  932), 
der  Bergschreiber  Johannes  Bobritzscher  1361,  1362  (Ermisch  II,  11 
Nr.  881  Anm.  vmd  S  380  Nr,  12 f.),  die  Rechnung  wird  also  in  den 
Anfang  der  sechziger  Jahre  gehören. 

1)  Meyer  S.  113  Nr.  7  (nebst  98,  99  mit  Anm.  6). 

2)  Eine  ähnhche  Stellung  nahm  wohl  früher  Hermann  von 
Magdeburg  als  Legista  (=  Rechtsgelehrter)  ein;  vgl.  Kop.  25 
fol.  91:  „Item  contulit  (Markgraf  Friedrich)  Hermanne  de  Meideburg 
legiste  sex  sexagenas  grossorum  precisorum  annue  pensionis,  quoad 
vixerit,  de  precaria  in  Deltsch  capiendas",  ohne  Datum,  doch,  wie 
die  vorhergehenden  und  folgenden  Urkunden  zeigen,  ins  Jahr  1358 
gehörig.  Ein  Hermannus  de  Turingia  studierte  1332  in  Bologna 
s.  Acta  nation.  Germ.  S.  92. 


2  24  W.  Lippert: 

Titel  eines  Kanzlers  auftritt  —  als  Kanzleivorstand  zu  betrach- 
ten. Diese  Vermutung  erlangt  etwas  mehr  Wahrscheinlich- 
keit durch  die  obige  Angabe,  dafs  wir  einen  Dyther  zu  Be- 
ginn der  sechziger  Jahre  als  Notar  Markgraf  Wilhelms  treifen; 
sind  beide  identisch,  so  erklärt  sich  durch  die  frühere  Be- 
schäftigung in  der  Kanzlei  die  Stellung  Dythers  von  Wydere 
als  Kanzleivorstand  auf  das  einfachste.  Über  die  persönlichen 
Verhältnisse  dieses  Mannes  Klarheit  zu  erlangen,  ist  nicht  leicht, 
da  in  jener  Zeit  mehrere  Personen  des  Namens  in  verschiedenen 
Stellungen  vorkommen')  Häufig  begegnet  uns  in  den  päpst- 
lichen und  anderen  Urkunden  der  siebziger  und  achtziger 
Jahre-)  Dietrich  von  Widera,  Widere,  Wydera,  Wedera,  We- 
dere,  Wederowe,  Diether  von  Wedera,  Widera,  Wydera, 
deren  Auseinanderhaltung  sehr  schwierig  ist.  Beide  besafsen 
zahlreiche  Pfründen  (an  S.  Peter  und  Paul  zu  Zeitz,  zu  Mer- 
seburg, Naumburg,  Unser  Lieben  Frauen  zu  Halberstadt, 
S.  Severi  zu  Erfurt);  der  eine  war  Pfarrer  zu  Ochsendorf,  der 
andere  zu  Grimma");  beide  tragen  den  Titel  eines  magister 
in  artibus'').  Die  letztere  Würde  zeigt  die  Identität  eines  der 
beiden  Männer  mit  unserm  Meister  Dyther. 

Ist  nun  auch  das  Vorhandensein  besonderer,  einem  einzelnen 
Fürsten  zur  Dienstleistung  zugeordneter  Schreiber  für  die  sech- 
ziger Jahre  in  der  Person  Johanns  von  Eckartsberga  (beim  Mark- 
grafen Friedrich),  Heinrichs  (bei  Balthasar),  Dythers  (bei  Wil- 
helm) bezeugt,  so  ist  daraus  noch  nicht  der  weitergehende  Schlufs 
zu  ziehen,  dafs  jeder  der  Brüder  seine  eigene  Kanzlei  für  die 
Geschäfte  der  Landesverwaltung  hatte.    Die  wettinische  Kanz- 


^)  Ein  Dytherich  von  der  Widere,  der  am  13.  August  1350  in 
einer  Seelgerätstiftung;  für  die  Kirche  zu  Geithain  als  Bürgermeister 
von  Geithain  auftritt  (HStA.  Dresden,  Orig.-Urk.  Nr.  3242  b)  und  wohl 
identisch  ist  mit  dem  im  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  XVI,  34 
(Lippert  und  Beschorner  S.  79)  mit  einem  Vorwerk  zu  Frankenau 
belehnten  Ticzmannus  de  Widra,  kommt  für  unsern  Dyther  nicht  in 
Betracht. 

2)  Vgl.  Kehr  und  Schmidt  S.  246,  326,  337,  344,  346,  348 
Nr.  888 f.,  1215,  1256,1273,  1283,  1289;  Gersdorf,  Urkundenbuch  des 
Hochstifts  Meifsen  II,  182  Nr.  662. 

2)  Vgl.  aufser  Kehr  und  Schmidt  auch  L.  Schmidt,  Ur- 
kundenbuch von  Grimma  S.  37,   39  f.,    52!.,   265,  384  Nr.  47,  52,  68, 

374,  43  a. 

■*)  Kehr  und  Schmidt  S.  337  Nr.  1256  vom  8.  November  1375: 
Dietrich  von  Wydera,  Rektor  der  Pfarrkirche  m  Grimma,  magister 
in  artibus,  soll  ein  Kanonikat  zu  Merseburg  erhalten;  S.  346  Nr.  1283 
Diether  von  Wydera,  magister  in  artibus,  erhält  das  Kanonikat  zu 
Unser  Lieben  Frauen  in  Halberstadt  bestätigt,  obwohl  er  schon  ein 
Kanonikat  zu  Naumburg  und  die  Pfarre  zu  Ochsendorf  (Halberstädter 
Diözese)  besitzt. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  225 

lei  als  Zentralbehörde  blieb,  wie  uns  die  Register  jener  Jahre 
zeigen,  einheitlich,  nur  hatte  innerhalb  der  Kanzlei  jeder  der 
Fürsten  für  seine  privaten  Schreibgeschäfte,  wohl  auch  mit 
für  die  besondere  Rechnungsführung  der  ihm  speziell  zustehen- 
den Einkünfte,  seinen  eigenen  Schreiber.  Der  Notar  des  ältesten 
Bruders  wird  naturgemäfs  analog  der  vorherrschenden  Stellung 
seines  Herrn  die  Hauptbedeutung  gehabt  haben.  Vielleicht 
wurde  aber  gerade  deshalb  nach  dem  Abgang  des  Nikolaus 
von  Altenburg  mehrere  Jahre  hindurch  der  Titel  eines  Proto- 
notars  bez.  Kanzlers  vermieden,  um  nicht  das  Abhängigkeits- 
verhältnis der  Notare  der  markgräfHchen  Brüder  zu  stark  her- 
vortreten zu  lassen.  Natürlich  läfst  sich  diese  Vermutung  nicht 
durch  urkundliche  Zeugnisse  direkt  beweisen,  sie  würde  aber 
wenigstens  eine  Erklärung  bieten,  warum  z.  B.  Johann  von 
Eckartsberga  nicht  den  üblichen  Vorstandstitel  führt. 

Wie  die  Fürsten,  so  hatte  übrigens  auch  zeitweilig  der 
Kanzler  selbst  einen  ihm  besonders  zugeordneten  Schrei- 
ber, der  aber  wohl  ebenso  gut  seinen  Platz  innerhalb  des 
Gesamtpersonals  der  Kanzlei  gefunden  haben  wird ;  wenigstens 
ist  für  den  Kanzler  Kottwitz  ein  eigener  Schreiber  bezeugt  in 
Kop.  5  fol.  151b:  ,,Item  in  feria  sexta  ante  festum  Penthe- 
costes  Guntherus  presentavit  Francz[coni]  notario  domini  de 
Kothewicz  duo  membrana,  ex  iussu  domini  Friderici  et  do- 
mini Heinrici  de  Kothewicz  marchschalco  presentandas". 

Aufser  den  Genannten  lassen  sich  aus  den  Registern  noch 
andere  Namen  von  Schreibern  feststellen,  die  in  den  bisherigen 
Listen  des  Kanzleipersonals  fehlen.  Die  Mehrzahl  verdient 
keine  besondere  Berücksichtigung;  es  sind  blofse  Namen,  bei 
denen  die  einfache  Erwähnung  genügt,  so  Konrad  Rybe- 
ling^);  ferner  die  besonderen  Schreiber  des  Hofrichters: 
Andreas  1354  und  Kristanus  de  Wechmar  1362-);  der 
allerdings  einer  früheren  Zeit  angehörige  Schreiber  Lude- 
wicus,  der  in  den  Aufzeichnungen  über  die  Einsammlung  der 
Landbede  von  1334   als  Schreiber   erscheint,  s.  Hauptstaats- 


')  Sein  Name  Conradus  Rybeling  oder  Ribeling  begegnet  wieder- 
holt in  Kop.  5  unter  den  Anweisungen  auf  die  Einkünfte  von  Alten- 
burg, so  fol.  III  b  („occasione  conquisicionis"  und  „pro  equo  Henrico 
de  Fine  dato")  1355  und  1356,  fol.  nie  („occasione  conquisicionis") 
13575  1358;  das  eine  Mal  wird  er  als  notarius  bezeichnet,  fol.  112b: 
„Item  dominus  assignavit  Conrado  Rybelinge  notario  XXX  sexagenas, 
cum  quibus  quitavit  dominum  Balthazar,  m  districtu  [Aldenburg]  a 
proventibus,  quantocius  potest,  levandas.  Datum  anno  LXIII  sabbato 
ante  Oculi"  (4.  März  1363). 

•-)  Vgl.  Meyer  S.  38  Anm.  2. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     3.  4.  'S 


2  26  W.  Lippert: 

archiv  Orig.-Urk.  2647  Heft  i:  ,,Titz  de  Albea  eam  collegit 
et  Ludewicus  descripsit".  Dieser  Bedelistenschreiber  der  drei- 
fsiger  Jahre  ist  der  Schrift  nach  identisch  mit  dem  Schreiber 
des  im  Lehnbuch  Friedrichs  des  Strengen  an  fol.  39  ange- 
nähten Pergamentzettels,  der  als  fol.  40  gezählt  ist  und  die 
gar  nicht  zum  eigentlichen  Bestände  des  Lehnbuches  gehörige 
Zusammenstellung  über  die  Hospites  im  Amte  Neuenburg 
(Freyburg)  enthält^).  Es  bestätigt  sich  hiermit  die  im  Lehn- 
buche ausgesprochene  Vermutung,  dafs  dieses  Stück  von  der 
Hand  R  noch  aus  der  ersten  Hälfte  des  14,  Jahrhunderts 
stamme.  Ob  dieser  Ludewicus  mit  dem  Kammerschreiber 
Ludwig  Junge  identisch  ist,  der  im  Lehnbuche  XLVI  53 
mit  Einkünften  und  Gütern  in  der  Orlamünder  Gegend  belehnt 
wird"),  ist  allerdings  bei  dem  vorhandenen  spärlichen  Material 
nicht  zu  entscheiden.  Ein  ,, dominus  Petrus  notarius"  wird 
mehrfach,  so  1366,  1367,  1368  in  den  Rechnungsablegurgen 
des  Erfurter  Geleitsmannes  Johannes  Nase  genannt^),  doch 
ohne  dafs  aus  diesen  Erwähnungen  ein  Licht  auf  seine 
dienstlichen  Verhältnisse  (ob  er  landesherrlicher  Kanzlei- 
beamter war)  fällt. 

Etwas  mehr  ist  von  dem  Schreiber  Guntherus  zu  sagen, 
mit  dessen  Namen  auch  ausschliefslich  das  Auftreten  ge- 
wisser Formeln  verknüpft  ist,  die  in  der  wettinischen  Kanz- 
lei zu  den  Seltenheiten  gehören.  Es  ist  dies  der  sogenannte 
Aushändigungsvermerk,  den  Posse  S,  172 — 174  bei  den 
Wettinem  nur  für  das  13.  Jahrhundert  in  den  Kanzleien  Hein- 
richs des  Erlauchten  und  seines  Sohnes  Dietrich  von  Lands- 
berg erwähnt  und  für  dessen  Vorkommen  als  Ausnahme  im 
Jahre  1363  Meyer  S.  28  zwei  Stellen  anführt.  Als  Ausnahme 
ist  er  in  der  Tat  zu  betrachten,  wenn  sich  auch  den  zwei 
Fällen  noch  mehrere  andere  anreihen  lassen.  Wie  die  beiden 
Stellen'')  betrifft  auch  noch  eine  weitere  die  Ausfertigung  von 


^)  Vgl.  Lehnbuch  Kapit.  XXIX  86f.,  S.  1550".  und  dazu  Einleitung 
S.  CLXVI,  CXCIV  (Hand  R)  und  Facsimilia  Tafel  VIII. 

2)  A.  a.  O.  S.  226  nebst  Anm.  49  (Urk.  aus  Kop.  25  fol.  27  vom 
10.  März  1350). 

^)  Vgl.  Kop.  5  fol.  68  b.  Abrechnung  über  die  Erfurter  Geleits- 
verwaltung in  der  Zeit  von  Pfingsten  1366 — 1367,  fol.  69  desgl.  für 
1367 — 1368,  fol.  69b  desgl.  für  1368 — 1369. 

*)  Kop.  s  fol.  96  unter  den  Anweisungen  auf  Grofsenhain :  „Item 
dominus  assignavit  Hartmanno  iudici  curie  omnem  pecuniam  pre- 
carie  termino  Michaelis  ultra  assignaciones  prius  datas  levandam  et 
domino  secundum  conputacionem  legalem  in  debitis  suis  defalcandam. 
Datum  Wizzenvels  anno  LXIII  feria  quinta  ante  Pentliecosten,  per 
Guntherum  ex  iussu  domini  marchionis  et  secretariorum"  (=  18.  Mai 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV,  Jahrhundert.  227 

Zahlungsanweisungen  für  den  Hofrichter  Hartmann  von  Wohl') 
und  eine  andere  die  entsprechende  Anweisung  für  Konrad  von 
Hermannsgrün,  einen  in  wettinischen  Diensten  stehenden  Söld- 
nerführer^).  Der  letzte  Vermerk  zeigt  zugleich,  dafs  es  sich 
auch  in  diesen  Fällen  um  die  Aushändigung  der  Urkunde 
handelt,  und  in  gleicher  Eigenschaft,  als  der  mit  der  Zustellung 
von  Urkunden  Betraute,  begegnet  uns  Günther  auch  in  dem 
oben  erwähnten  Vermerk  aus  Kopial  5  fol.  151b,  wonach  er 
dem  Franz,  dem  Schreiber  des  Kanzlers,  auf  Befehl  des  Mark- 
grafen und  des  Kanzlers  zwei  Urkunden  präsentiert,  die  dieser 
weiter  dem  Marschall  vorlegen  soll.  Alle  diese  fünf  Einträge 
betreffen  finanzielle  Mafsnahmen.  Dafs  daraus  aber  nicht  zu 
entnehmen  ist,  dafs  Günther  speziell  die  Rechnungsangelegen- 
heiten in  der  Kanzlei  zu  vertreten  hatte,  wir  somit  eine  Art 
Ressortscheidung  anzunehmen  hätten,  lehrt  ein  weiteres  Zeug- 
nis aus  Kop.  25.  Diesem  Register  ist  als  fol.  102  ein  kleines 
16  cm  breites,  7  cm  hohes  Pergamentblättchen  eingeheftet, 
worauf  das  Gelöbnis  der  drei  Markgrafen  Friedrich,  Balthasar 
und  Wilhelm  enthalten  ist,  dafs  sie  sich  mit  den  „edeln  Al- 
brecht und  Ludewig  grafen  von  Hakebrun  (!)  und  Albrecht 
grafen  von  Mansfelt"  vereint  und  verbunden  haben,  sich  nicht 
in  Krieg  gegen  sie  einzulassen,  solange  sie  ihre  Lande  un- 
geteilt besitzen.  ,, Datum  Gotha  anno  domini  MCCCLXI  feria 
sexta  ante  Bonifacii"  (=  2.  Juni  1361).  Rechts  unter  diesem 
EintrasT  steht  nun  von  derselben  Hand,  die  den  Text  schrieb, 
,,per  H[einricum]  de  Kothewicz  .  .  Guntherus".  Es  ist  dies 
einer  der  in  der  Kanzlei  üblichen  Notizzettel,  der  nicht  noch- 
mals in  das  Register  abgeschrieben,  sondern  gleich  selbst  ein- 
geheftet wurde.  Hier  tritt  also  Günther  auch  bei  einer  rein 
politischen  Beurkundung  als  im  Auftrage  des  Kanzlers  tätig 
auf.     Dieser   Text   nun,    sowie    sämtliche    oben    besprochene 


1363),  und  ähnlich  fol.  102  unter  den  Anweisungen  auf  Meifsen: 
„.  .  .  Datum  Wizzenvels  a.  LXIII  feria  VI  ante  Penthecosten ,  ex 
iussu  domini  marchionis  et  secretariorum  per  Guntherum"  (=19.  Mai 

1363)- 

')  Kop.  5   fol.  93    unter  den  Anweismigen  auf  Dresden:    „Item 

■dominus  assignavit  Hartmanno  .  .  .  (ähnlich  wie  oben).  Datum  Wizzen- 
vels a.  LXIII  feria  quinta  ante  Penthecosten,  Guntherus  ex  iussu 
■domini  et  secretariorum"  (=  18.  Mai  1363). 

2)  Kop.  5  fol.  109  unter  den  Anweisungen  auf  Zwickau:  „Item 
dominus  assignavit  Cunrado  de  Hermansgrüne  racione  dampni  et 
depecuniacionis  L  sexagenas  grossorum  latas  termino  Walpurgis 
proximo  de  civitate  capiendas.  Datum  anno  LXIII  dominica  Exaudi 
proxima  ante  Penthecosten,  ex  iugsu  domini  marchionis  et  secre- 
tariorum.   Guntherus  dedit  literam  quitacionis"  (^  14.  Mai  1363). 

15* 


228  W,  Lippert: 

Stellen,  an  denen  Günther  erwähnt  ist,  sind  ausnahmslos  von 
derselben  Hand,  nämhch  —  wie  diese  Urkunde  von  1361  in 
Kop.  25  bezeugt  —  wohl  von  Günther  selbst  geschrieben.  Die- 
selbe Hand  hat  ferner  auch  zahlreiche  andere  Einträge  in  den 
Registern  dieser  Zeit  gemacht;  z.  B.  sind  in  Kop.  25  auch  die 
sonstigen  Einträge  auf  fol.  loi  und  103  von  ihr  vorgenommen, 
desgleichen  im  Lehnbuche  die  erst  nach  1358  gebuchten,  den 
ältesten  Bestand  erweiternden  Kapitel  XXX  Lobdeburg,  XXXI 
Dornburg,  XXXII  Windberg,  XXXIV  Schaumberg,  die  bei 
der  Bearbeitung  des  Lehnbuches  einem  unbekannten  Schreiber 
P  zugewiesen  sind.  Ein  Faksimile  dieser  Hand  gibt  Tafel  IV 
am  Schlüsse  des  Lehnbuchs. 

Die  Untersuchungen  und  Zusammenstellungen,  von  denen 
ja  nur  einzelnen  durch  die  Begleitmomente  ein  gewisses  tieferes, 
sachliches  Interesse  beiwohnt,  haben  —  und  zwar  gilt  dies 
auch  mit  für  die  Leute,  über  die  wir  nichts  als  die  gelegent- 
liche Erwähnung  ihres  Namens  besitzen  —  doch  insofern  ei- 
nige Bedeutung,  als  wir  daraus  ersehen,  dafs  die  wettinische 
Kanzlei  weit  zahlreicher  besetzt  war,  als  es  nach  den  wenigen 
Namen  der  bisher  bekannten  Kanzleipersonalliste  scheinen 
mufste.  Die  grofse  Anzahl  verschiedener  Schreiberhände,  die 
in  der  Ausgabe  des  Lehnbuchs  (vgl.  S.  CXCIV)  angenommen 
sind,  könnte  auf  den  ersten  Blick,  besonders  im  Vergleich  mit 
Posse  S.  180,  auch  nach  Ausscheidung  der  in  spätere  Zeit  ge- 
hörenden Nachtragshände,  befremdlich  erscheinen;  die  Er- 
gebnisse der  obigen  Zusammenstellungen  dienen  der  Annahme 
eines  stärkeren  Personalbestandes  in  der  Kanzlei  jedoch  zuiu 
Rückhalt. 

Ursprünglich  hatte  ich  die  Absicht,  aus  den  zahlreichen 
Fragepunkten,  die  im  Gebiet  des  Kanzlei-  und  Registerwesens 
des  14.  Jahrhunderts  noch  zu  beantworten  sind,  als  besonders- 
wichtig die  Frage  nach  der  Art  der  Registrierung  her- 
auszugreifen und  zu  ermitteln,  wie  die  Eintragung  in  zeit- 
licher Hinsicht  bewirkt  wurde  und  nach  welchen  Vor- 
lagen. Diese  Untersuchung  läfst  sich  aber  nur  unter  Zuziehung 
eines  umfangreichen  Materials  von  Einzelfällen  und  durch  An- 
legung von  Datierungstabellen  für  die  einzelnen  Lagen  der 
ältesten  Kanzleiregister  Kop.  25  und  26,  bez.  durch  umständ- 
liche Vergleichungen  des  Textes  vorhandener  Originale  mit 
Einträgen  in  einem  der  Register  oder  der  denselben  Akt  be- 
treffenden Einträge  in  verschiedenen  Registern')  durchführen 


^)  Z.  B.  das  Lehnbuch  Kop,  24  verglichen  mit  dem  Registrum 
perpetuum  Kop.  25. 


Wettinische  Kanzlei  im  XIV.  Jahrhundert.  229 

und  würde  den  Rahmen  dieses  Aufsatzes  weit  überschreiten 
müssen^).  Im  wesentlichen  bestätigt  sich  Posses  Angabe,  dafs 
die  Registrierung  nicht  sogleich,  sondern  oft  Tage,  Wochen, 
selbst  Monate  später  erfolgte,  indem  man  bald  eine  Anzahl 
von  Beurkundungen  zusammenkommen  liefs,  um  sie  auf  ein- 
mal zu  buchen,  bald  auch  einzelne  zufällig  ausgelassene  Stücke 
gelegentlich  nachtrug.  Als  Vorlage  dienten,  soweit  das  hier- 
für allerdings  sehr  dürftige  Material  es  erkennen  läfst,  nicht 
die  Originalausfertigungen-),  sondern  die  Konzepte  oder  auch 
Notizzettel  der  Kanzlei.  Eine  Sonderstellung  nimmt  unter 
den  Kanzleiregistern  das  Lehnregister  Kop.  24  ein.  Da 
es  kein  Urkunden-,  sondern  ein  Aktregister  ist,  es  sich  in 
ihm  also  nicht  um  die  Einträge  von  Lehnbriefen  (die  nur  in 
beschränkter  Zahl  ausgestellt  wurden),  sondern  um  Vermerke 
über  die  Belehnungen  selbst  handelt,  fallen  als  eventuelle  Vor- 
lagen die  Originale  und  Konzepte  für  die  Hauptmasse  der 
Lehnregesten  von  selbst  weg;  hierzu  dienten  der  Kanzlei  die 
Lehnerklärungen,  die  von  den  Vasallen  selbst  bei  der 
Belehnung  oder,  falls  es  da  unterblieben  war,  in  bestimmten 
Fristen  nach  erfolgter  Belehnung  schriftlich  eingereicht 
werden  mufsten^). 

Die  beabsichtigte  Beschreibung  der  ältesten  Register- 
bände*) möge  zunächst  auch  unterbleiben.  Nur  ein  Punkt  sei 
noch  in  Kürze  berührt.  Im  obigen  ist  Kop.  25  kurzhin  als 
das  Registrum  perpetuum,  das  Register  für  Beurkundungen  von 
dauernder  Geltung,  bezeichnet,  und  diese  Benemumg  pafst 
auch  für  den  eigentlichen  Hauptteil  dieses  Bandes  von  fol. 
16  ab  bis  zum  Schlüsse  fol.  144.  Die  vorausgehenden  Blätter 
I  — 15  aber  entsprechen  nicht  dem  Charakter  eines  Regist- 
rum perpetuum,  sondern  eines  Registrum  temporale.    Sie  ent- 


')  Eine  umfassende  Arbeit  über  das  gesamte  Registerwesen  der 
Wettiner  im  14.  Jahrhundert  denke  ich  künftig  zu  veröffentlichen. 

-)  Mehrfach  sind  ja  Originalausfertigungen,  die  aus  irgend  einem 
Grunde  dem  Empfänger  nicht  ausgehändigt  wurden  (z.  B.  wegen 
nötig  gewordener  Änderungen,  Zusätze  u.  dergl.),  gleich  selber  in 
das  Register  eingeheftet  worden,  um  die  Mühe  einer  nochmaligen 
Abschrift  zu  sparen,  so  in  Kop.  25  fol.  12b/ 13,  24,  45,  66,  83,  Sgb/go, 
I43b/i44,  in  Kop.  26  fol.  lob/ii,  27b/28.  38b/39,  41! 

^)  Die  näheren  Nachweise  hierüber  siehe  in  meiner  Schrift  „Die 
deutschen  Lehnbücher.  Beitrag  zum  Registerwesen  und  Lehnrecht 
des  Mittelalters"  (Leipzig,  Teubner  1903),  sowie  in  der  allgemeinen 
Einleitung  zur  Ausgabe  des  Lehnbuchs  Friedrichs  des  Strengen. 

*)  Die  von  Kop.  24  (Lehnbuch)  ist  auf  das  ausführlichste  in  der 
speziellen  Einleitung  zur  Ausgabe  des  Lehnbuchs  (von  Lippert  und 
Beschorner)  gegeben. 


230        W.  Lippert:  Wettinische  Kanzlei  im  XI V.  Jahrhundert. 

halten  Einträge  von  Urkunden  der  Jahre  1341  — 1349,  die  jedoch 
nicht  allmähHch  bald  nach  deren  Entstehung  gebucht,  sondern 
auf  einmal  zusammengeschrieben  sind^),  denn  fol.  i — 9  sind 
einheitlich  von  derselben  Hand  geschrieben,  die  auch  im 
folgenden  noch  viel  tätig  gewesen  ist.  Inhaltlich  sind  es  alles  Ur- 
kunden, die  Rechtshandlungen  von  nur  zeitweihger  Dauer  be- 
treffen, Verschreibungen  von  Einkünften,  Verpfändungen  von 
Besitzungen,  Anwartschaftserteilungen,  Anweisungen,  Be- 
stallungen und  dergl.  Diese  15  Blätter  gehören  also  eigent- 
lich nicht  vorn  in  Kop.  25,  sondern  in  das  Registrum  tempo- 
rale Kop.  26,  dessen  zeitliche  Vorläufer  sie  bilden. 


'■)  Wahrscheinlich  erst  im  Jahre  1351,  vgl.  fol.  4  b,  wo  eine  Zu- 
satzbemerkung aus  dem  Jahre  1351  zu  einer  Urkunde  von  1347  von 
derselben  Hand  und  mit  derselben  Tinte  (also  wohl  gleichzeitig)  ge- 
schrieben ist,  wie  der  Eintrag  von  1347  selbst  und  wie  überhaupt 
diese  ersten  Blätter  des  Bandes. 


vm. 

Das  schwedische  Heer  in  Sachsen 
1706—1707. 

Von 
Arno  Günther, 


Die  Bedeutung  der  Invasion  der  Schweden  in  Sachsen 
im  Jahre  1706  ist  überall  in  den  allgemein -geschichtlichen 
Darstellungen  in  mehr  oder  minder  ausführlicher  Weise  ge- 
würdigt worden.  Nicht  allenthalben  ist  man  dabei  freilich 
ganz  gerecht  verfahren.  Dies  mag  wohl  seinen  Grund  darin 
haben,  dafs  in  den  wenigen,  bis  jetzt  vorhandenen  Einzelun- 
tersuchungen nur  ein  kleiner  Teil  des  zur  Verfügung  stehenden 
Materials  benutzt  worden  ist. 

Vor  allen  Dingen  hat  man  bisher  dem  schwedischen  Heere 
während  seines  Aufenthalts  in  Sachsen  wenig  Aufmerksam- 
keit gewidmet,  und  doch  ist  gerade  hierfür  eine  überraschende 
Fülle  von  Material  in  den  Archiven  zu  Dresden  und  Stock- 
holm zu  finden,  dessen  Verarbeitung  für  manche  jetzt  als 
feststehend  angesehene  Tatsache  eine  Berichtigung  oder  Ver- 
besserung bringen  wird. 

Schon  über  die  Gröfse  der  schwedischen  Armee  bei 
ihrem  Einrücken  in  Sachsen  am  5.  September  1706  sind 
bisher  nur  ungenaue  Angaben  gemacht  worden').    Infolge  ei- 


*)  Im  allgemeinen,  so  bei  Böttiger-Flathe,  Geschichte  von 
Sachsen  II,  335  ist  die  Stärke  des  schwedischen  Heeres  auf  Grmid 
der  Nachricht  im  Theatr.  Europ.  XVII,  130  auf  22000  Mann  angesetzt 
worden.  Die  Angaben  bei  Schuster  und  Franke,  Geschichte  der 
Sachs.  Armee  I,  170  und  172  enthalten  sehr  viel  Unrichtigkeiten  und 
sind  daher  völlig  wertlos.     Frhr.  v.  Friesen,  Die  Lage  in  Sachsen 


232 


Arno  Günther: 


niger  wichtiger  Funde  in  den  schwedischen  Archiven  —  be- 
sonders kommt  hier  eine  im  schwedischen  Hauptquartier  an- 
gefertigte Dislokationskarte  aus  der  Zeit  des  Einfalls  in  Be- 
tracht^) —  können  nunmehr  darüber  abschliefsende  Unter- 
suchungen vorgenommen  werden. 

Was  zunächst  die  Zahl  und  Waffengattung  der  in  Sach- 
sen eingerückten  Regimenter  betrifft,  so  läfst  sich  auf  Grund 
der  übereinstimmenden  schwedischen  Zeugnisse  —  des  Kriegs- 
tagebuchs eines  Offiziers  im  Hauptquartier,  der  eben  erwähn- 
ten Dislokationskarte  sowie  des  Erlasses  Karls  an  die  einzel- 
nen Regimenter  über  die  Veröffentlichung;  des  Friedens  von 
Altranstädt  —  feststellen-),  dafs  im  September  1706  acht  Re- 
gimenter Kavallerie,  sechs  Regimenter  Dragoner  und  elf  Re- 
gimenter Infanterie  —  zusammen  also  fünfundzwanzig  Regi- 
menter —  sowie  aufserdem  eine  starke  Abteilung  Artillerie 
und  das  polnische  Korps  des  .Stanislaus  Leszczinsky  die  säch- 
sische Grenze  überschritten  haben.  Mit  diesen  Angaben  decken 
sich  im  ganzen  auch  die  brauchbaren  Zeugnisse  aus  den  säch- 
sischen Archiven,  wie  sie  besonders  in  den  Akten  über  die 
Untersuchungen  bei  den  einzelnen  Regimentern  im  Jahre  1707 
sowie  in  den  Papieren  Schulenburgs  vorliegen'^).  Alle  andern 
Angaben  als  die  eben  aufgeführten  sind  sekundär  und  darum 
mit  viel  Vorsicht  aufzunehmen  und  nötigenfalls  ganz  zurück- 
zuweisen. 

Schwerer  als  die  Zahl  und  Waffengattung  der  einzelnen 
Regimenter  läfst  sich  eine  genaue  Zahl  für  die  Summe  aller 
Offiziere  und  Mannschaften  nachweisen.     Die  Reiterregi- 


während  der  schwedischen  Invasion  1706 — 1707  und  der  Friede  von 
Altranstädt  (Mitteil,  des  Vereins  für  Gesch.  Dresdens  XV,  1901),  kommt 
„nach  den  übereinstimmenden  Nachrichten  in  unseren  Archiven"  auf 
die  Zahl  23300  (S.  3of.).  Sicher  sind  ihm  aber  eine  ganze  Reihe  von 
Zeugnissen  entgangen,  denn  ich  habe  in  Dresden  auch  noch  an 
anderen  als  den  von  Friesen  zitierten  Stellen  Belege  über  das  schwe- 
dische Heer  gefunden,  die  zum  Teil  mit  den  Angaben  bei  Friesen 
gar  nicht  übereinstimmen.  Sarauw,  Die  Feldzüge  Karls  XII.  (Leipzig 
1881)  schätzt  die  Stärke  des  schwedischen  Heeres  auf  19000  Mann, 
ohne  jedoch  anzugeben,  wie  er  diese  Zahl  gefunden  hat. 

^)  Das  Original  befindet  sich  im  Kgl.  Kriegsarchiv  zu  Stock- 
holm.    Eine  Kopie  davon  ist  diesem  Aufsatze  beigefügt. 

2)  Das  Original  des  Kriegstagebuches  befindet  sich  in  der  Kgl. 
Bibliothek  zu  Stockholm,  eine  kollationierte  Abschrift  liegt  im  dortigen 
Kriegsarchiv;  die  andern  schwedischen  Zeugnisse  stammen  aus  dem 
Reichsarchiv  zu  Stockholm.  —  Offenbar  auf  diesen  Quellen  beruhen 
die  Angaben  bei  Adlerfeld,  Histoire  militaire  de  Charles  XII. 
(Amsterdam  1740)  III,  stf. 

^)  Hauptstaatsarchiv  Dresden  Loc.  9291 — 9293  und  Loc.  3296. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707.  233. 

menter  zählten  durchschnittlich  1000  Mann,  die  Infanterie- 
regimenter dagegen  1200  Mann;  beide  Zahlen  gelten  allerdings 
für  den  kompletten  Stand  eines  Regiments,  den  wir  jedoch  für 
die  von  der  russischen  Winterkälte  ^)  mitgenommene  schwedi- 
sche Armee  nicht  annehmen  dürfen.  Für  die  Bestimmung  der 
Gesamtzahl  kommen  aulser  den  Angaben  bei  dem  zeitgenössi- 
schen schwedischen  Geschichtschreiber  Adlerfeld,  der  übri- 
gens als  junger  Offizier  die  Invasion  in  Sachsen  selbst  mitge- 
macht hat,  ausführliche  schwedische  Regimentslisten  und  ein 
von  sächsischer  Seite  gefertigtes  Verzeichnis  über  den  Bestand 
der  Truppen  in  Betracht.  Adlerfeld  behauptet,  die  schwedi- 
sche Armee  habe  aus  29600  Mann  bestanden'-).  Die  andern 
Zeugnisse  schwedischen  Ursprungs^)  halten  sich  in  der  Höhe 
dieser  Zahl  oder  gehen  noch  darüber  hinaus;  allerdings  ist  in 
ihnen  bei  den  einzelnen  Regimentern  zumeist  die  Bemerkung 
zu  finden,  dafs  sich  diese  Zahlen  auf  den  kompletten  Stand 
der  Truppen  beziehen.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die 
sächsische  Quelle,  weil  sie  sich  auf  amtliche  Aufrechnungen 
gründet  und  daher  einen  guten  Mafsstab  für  die  schwedischen 
Angaben  bietet.  Sie  beruht  auf  den  Niederschriften  der  säch- 
sischen  Kreiskommissare,  die  diese  wiegen  der  Verpflegung  des 
schwedischen  Heeres  hergestellt  haben.  Nach  ihren  Aufstel- 
lungen beträgt  die  Zahl  der  Offiziere  und  Mannschaften  von 
20  Regimentern  25017  Mann^).  Freilich  fügen  sehr  viele  Kom- 
missare noch  die  Bemerkung  hinzu,  dafs  die  einzelnen  Kom- 
pagnien zwar  zu  120  Mann  gerechnet  würden,  aber  lange  nicht 
so  stark  seien •^).  Indes  der  durchaus  einleuchtende  Abzug,  den 
wir  von  dieser  Zahl  vornehmen  müssen,  w-ird  einigermafsen 
dadurch  wieder  ausgeglichen,  dafs  in  der  in  Betracht  kommen- 
den Liste,  wie  auch  ausdrückhch  von   den  Kommissaren  be- 


1)  Fr3-xell,  Berättelser  ur  Svenska  historien  XXI  (1856),  292; 
F.  F.  Carlson,  Geschichte  Schwedens  VI  (1887),  sSSff. 

*)  A.  a.  O.  5  ff.  Sie  setzen  sich  nach  ihm  zusammen  aus  7300  Mann 
KavaÜerie,  6000  Dragonern  und  15000  Mann  Infanterie.  Dazukamen 
noch  800  Mann  Artillerie  und  500  Wallachen. 

^)  Spezifikation  der  schwedischen  Armee  1705.  Acta  Pol.  Reichs- 
archiv Stockholm.  —  Kgl.  Schwed.  Kriegsetat  nach  dem  kompletten 
Stand.  HStA.  Loc.  9288.  Die  aus  dem  geh.  Concilio  .  .  .  geschickten 
Beschwerden  1707  vol.  II  fol.  182! 

■*)  Im  einzelnen:  5  Regimenter  Kavallerie  =  5280  Mann,  6  Re- 
gimenter Dragoner  ^  8160  Mann  und  9  Regimenter  Infanterie 
=  11577  Mann. 

^)  Namentlich  die  Zahlen  für  die  Reiterregimenter  müssen  stark 
reduziert  werden.  HStA.  Loc.  9290.  Drei  Bücher,  der  schwedischen 
Armee  Verpflegung  in  Sachsen  betr.    1706  vol.  II  fol.  138  f. 


234 


Arno  Günther: 


merkt  wird,  die  Angaben  über  die  im  Erzgebirge  einquartier- 
ten Regimenter  —  drei  Regimenter  Kavallerie  und  zwei  Re- 
gimenter Infanterie^)  —  fehlen.  Danach  könnten  wir  also  die 
Stärke  der  schwedischen  Armee  bei  ihrem  Einfall  in  Sachsen 
auf  etwa  20 — 22000  Mann  ansetzen-).  Trotz  des  vorhandenen 
reichlichen  Materials  kommen  wir  über  eine  schätzungsweise 
Angabe  der  Gesamtzahl  nicht  hinaus;  diese  ist  allerdings  nun 
keinen  Schwankungen  mehr  ausgesetzt. 

Alle  Regimenter  des  schwedischen  Heeres  waren  nach 
ihrem  Einmärsche  in  Sachsen  zunächst  in  den  beiden  Lausitzen 
und  im  Meifsener  Kreise  einquartiert  und  verpflegt  worden,  bis 
Ende  Oktober  auf  das  Drängen  des  Geheimen  Rats  und  der 
Stände  diese  Gegenden,  die  schon  infolge  der  häufigen 
Durchzüge  sächsischer  Truppen  und  Polen  stark  mitgenommen 
worden  waren,  entlastet  wurden.  Die  schwedische  Armee 
ward  damals  in  folgender  Weise  über  das  ganze  Kurfürsten- 
tum verteilt^). 

Es  kamen: 
in  den  Leipziger  Kreis 

das  Hauptquartier  nach  Altranstädt, 

das  Leibdragonerregiment  nach  Merseburg, 

das  Schonische  Kavallerieregiment  nach  Weissenfeis  und 

Hohenmölsen, 
das  Kavallerieregiment  Adelsfahne  nach  Taucha, 
das  Dükersche  Dragonerregiment  nach  Delitzsch, 
die  Garde  zu  Fufs  nach  Würzen, 
das  Dalkarlische  Infanterieregiment  nach  Grimma, 
das  Westgotische  Infanterieregiment  nach  Rochlitz, 
König  Stanislaus  mit  seiner  Umgebung  und   seiner  pol- 
nischen Abteilung  nach  Leisnig, 
die  Artillerie  zum  gröfseren  Teile  nach  Mutschen,  zum 
kleineren  Teile  nach  Pegau; 

in  den  Thüringer  Kreis 

das  Leibregiment  zu  Pferd  nach  Sangerhausen, 
die  Wallachen  nach  Schulpforta; 


')  Vgl.  Kriegstagebuch  und  Dislokationskarte.  Die  Namen  der 
betr.  Regimenter  folgen  weiter  unten. 

-)  Die  sonst  noch  vorhandenen  Listen  im  HStA.  sind  lückenhaft 
und  beruhen  meistens  auf  den  hier  namhaft  gemachten  Aufzeich- 
nungen über  die  Stärke  der  einzelnen  Regimenter. 

^)  Dargestellt  im  Anschlufs  an  die  Dislokationskarte,  das  Kriegs- 
tagebuch, die  sächsische  Verpflegungsliste  und  die  Untersuchungs- 
akten für  die  einzelnen  Regimenter. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706 — 1707.  235 

in  den  Kurkreis 

das   Buchwaldische   Dragonerregiment    nach    Schmiede- 
berg und  Gräfenhainichen '), 
das  Upländische  Infanterieregiment  nach  Wittenberg; 
in  den  Meifsener  Kreis 

das  Taubesche  Dragonerregiment  nach  Grofsenhain, 
das  Kalmarische  Infanterieregiment  nach  Meifsen, 
das  Jönköpinger  Infanterieregiment  nach  Döbeln, 
das   Meyerfeldsche    Dragonerregiment    nach    Pirna    und 
Dippoldiswalde ; 
in  den  Erzgebirgischen  Kreis 

das  Smäländische  Kavallerieregiment  nach  Freiberg, 
das  Södermannländische  Infanterieregiment  nach  Augustus- 

burg  und  Öderan, 
das  Ostgotische  Infanterieregiment  nach  Penig, 
das  Westmanländische  Infanterieregiment  nach  Annaberg, 
das  Nericke-  und  Wermländische  Infanterieregiment  nach 
Schneeberg; 
in  den  vogtländischen  Kreis 

das    Ostgotische    Kavallerieregiment   nach   Reichenbach 
und  Plauen; 
in  den  Neustädtischen  Kreis 

das  Nyländische  Infanterieregiment  nach  Neustadt; 
in  der  Oberlausitz 

das  Hielmsche  Dragonerregiment  nach  Zittau, 
das  Kronemannsche  Infanterieregiment  nach  Kamenz; 
in  der  Niederlausitz 

das  Görzsche  Dragonerregiment  (ohne  bestimmte  Orts- 
angabe, wurde   später  in   der  Niederlausitz  unterge- 
bracht); 
und  im  Stift  Naumburg-Zeitz 

das  Krusesche  Kavallerieregiment  nach  Droyfsig. 
Natürlich  waren  nicht  nur  die  hier  genannten  Orte,  son- 
dern auch  die  Städte  und  Dörfer  der  jeweiligen  Umgebung 
mit  den  Truppen  belegt,  so  dafs  sich  das  ganze  Land  in  die 
Lasten  der  Einquartierung  zu  teilen  hatte.  Befreit  davon  blieben 
allein  die  ernestinischen  Herzogtümer  Gotha,  Weimar,  Eise- 
nach und  Querfurt  ^),  während  die   Herzöge  von  Naumburg, 


^)  Schmiedeberg  gibt  das  Kriegstagebuch,  Henichen  (d.  i,  Gräfen- 
hainichen) die  Dislükationskarte  an;  offenbar  ist  das  Regiment  auf 
beide  Orte  verteilt  gewesen. 

-)  Bericht  des  Pfarrers  Crusius  zu  Allerstedt  an  derWiehe.  Mans- 
felder  Blätter  XIII,  107. 


236  Arno  Günther: 

Zeitz,  Merseburg  und  Weifsenfeis  als  Inhaber  kursächsischen 
Gebiets  zn  den  Leistungen  mit  herangezogen  wurden. 

Den  Schweden  haftete  ein  schlechter  Ruf  an.  Zu  Grofs- 
vaters  Zeiten  hatten  auf  den  sächsischen  Fluren  die  Horden 
Bauers  und  Torstensons  gehaust.  Die  Alten  im  Lande  wufsten 
davon  noch  viel  zu  erzählen,  und  im  Bewufstsein  der  Jungen 
lebten  wenigstens  die  Berichte  von  der  ,,Wurzener  Marter- 
Woche"  oder  vom  „Pirnaer  Elend"  oder  von  andern  grofsen 
Greueltaten  der  Schweden  im  Dreifsigjährigen  Kriege  fort. 
Kein  Wunder  also,  wenn  das  sächsische  Volk  den  Scharen 
Karls  mindestens  sehr  starkes  Mifstrauen,  zumeist  jedoch  Furcht 
und  Angst  entgegenbrachte.  Karl  wufste  das,  und  darum  ging 
sein  eifriges  Bestreben  dahin,  den  sächsischen  Untertanen  zu 
beweisen,  dafs  die  Schweden  denn  doch  besser  seien  als  ihr 
Ruf,  dafs  nach  deren  Verlodderung  während  des  letzten  Jahr- 
zehnts im  Dreifsigjährigen  Kriege  eine  Zeit  angebrochen  sei, 
in  der  die  alte  Zucht  und  Ordnung  von  Gustav  Adolfs  Heer 
wieder  zu  Ehren  g-elano-t  war.  Alle  Mafsnahmen  Karls  in  Sach- 
sen,  die  sein  Heer  angehen,  sind  von  diesem  Gesichtspunkte 
aus  getroffen  worden.  Zwar  ist  das  nirgends  in  seinen  Er- 
lassen ausgesprochen,  aber  dafür  beweist  es  deren  Inhalt  um  so 
deutlicher. 

Aber  ein  Moment  erschwerte  dem  Könige  einigermafsen 
die  Durchführung  seiner  Absichten.  Die  straffste  Zucht  und  die 
peinlichste  Ordnung  jedes  Heeres  werden  durch  Kriegszeiten 
doch  hier  und  da  beeinträchtigt.  Sein  Heer  stand  nun  bereits 
fünf  Jahre  lang  im  Felde,  und  daher  ist  es  wohl  begreiflich,  dafs 
die  Bande  der  Disziphn  dort,  wo  sich  schlechte  Elemente  im 
Heere  vorfanden  oder  wo  schwache  Offiziere  kommandierten, 
sich  gelockert  hatten.  Wiederholt  waren  dem  Könige  aus  den 
polnischen  Gegenden,  in  denen  das  schwedische  Heer  sich 
jeweils  aufhielt,  vereinzelte  Klagen  zu  Ohren  gekommen.  Be- 
schwerden über  Wegnahme  von  Pferden  und  Schlitten,  Jagd- 
schäden, Freiheitsberaubungen,  Erpressungen  und  mutwillige 
Zertrümmerungen  von  Hausgerät  waren  des  öftern  im  schwe- 
dischen Hauptquartier  eingelaufen^).  Zwar  kommen  derartige 
Ungesetzmäfsigkeiten  in  jedem  Kriege  vor,  vielfach  werden 
sie  auch  durch  das  ungeschickte  Benehmen  der  Einwohner 
selbst  veranlafst,  aber  Karl  war  nicht  gewillt,  die  geringste 
Sache  durchgehen  zu  lassen.    Gegen  jeden  Übergriff,  der  ihm 


1)  Eine  ganze  Anzahl  von  Klagen  aus  Polen  im  Jahre  1705  ist 
in  den  Akten  des  Reichsarchivs  zu  Stockholm  vorhanden  (Akten, 
den  poln.  Krieg  betr.,  vol.  XVI,  Acta  historica). 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706 — 1707.  237 

gemeldet  wurde,  liefs  er  eine  strenge  Untersuchung  einleiten. 
Eine  gehörige  Strafe  folgte  für  den  Überführten  auf  dem  Fufse-'). 
Die  Folge  davon  war,  dafs  sich  das  schwedische  Heer  in 
Polen  im  allgemeinen  gut  hielt  und  dafs  die  Einwohner  Polens 
vor  gröfseren  Gewalttaten  bewahrt  blieben.  Allerdings  ist  hier 
noch  ein  Faktor  in  Betracht  zu  ziehen,  der  dem  Heere  die 
gute  Haltung  erleichtern  konnte.  Karl  hielt  seine  Soldaten  in 
beständiger  Bewegung;  nirgends  fast  gönnte  er  ihnen  einen 
langen  Aufenthalt.  Infolgedessen  kamen  die  Soldaten  auch 
nicht  auf  längere  Zeit  mit  denselben  Leuten  in  Berührung,  ihr 
Dienst  war  sehr  angestrengt,  und  nur  die  Ruhe  ist  der  Feind 
der  Zucht. 

In  vieler  Beziehung  lagen  nun  die  Verhältnisse  in  Sachsen 
ganz  anders.  Dem  sonstigen  Kriegsbrauche  entgegen  bezogen 
die  Schweden  1706  ziemlich  zeitig  ihre  Winterquartiere  in  den 
Erblanden  des  Königs  August,  sie  hatten  also  eine  lange  Ruhe- 
zeit vor  sich.  Karl  gönnte  seinen  Soldaten  diese  Erholung 
nach  den  schweren  Anstrengungen  des  vergangenen  Jahres 
besonders  gern ;  er  hatte  Kursachsen  für  die  Winterquartiere 
bestimmt,  weil  er  sich  sagte,  dafs  in  diesen  fruchtbaren  Ge- 
genden mit  Sicherheit  auf  eine  nachhaltige  Kräftigung  der 
Armee  zu  rechnen  war,  und  das  hatte  sie  ganz  gewifs  auch 
nötig.  Weiter  war  sich  aber  Karl  auch  bewufst,  dafs  gerade 
das  untätige  Verharren  bei  reichlicher  Verpflegung  —  und 
dafür  war  sehr  gut  Sorge  getragen  worden,  denn  jeder  Soldat 
erhielt  täghch  2  H  Fleisch,  2  H  Brot,  ein  Gericht  Zugemüse, 
^'2  II  Butter  oder  Speck  und  3  Kannen  Bier-)  —  allerhand 
Leidenschaften  erzeugen  werde,  die  dem  in  Sachsen  an  sich 
schon  gefürchteten  Namen  der  Schweden  keine  Ehre  machen 
konnten.  Um  derartigen  Gefahren  vorzubeugen,  hatte  er  be- 
reits am  Tage  nach  der  Veröffentlichung  des  Waffenstillstandes, 
am  26.  September,  an  seine  Soldaten  eine  stattliche  Reihe 
scharfer  Bestimmungen  erlassen,  die  deren  Verkehr  mit  den 
Einwohnern  Sachsens  regeln  sollten'^). 


1)  Die  Akten  darüber  ebenda. 

-)  HStA.  Loc.  9290.  Verfügung  des  Generalkriegskommissars 
Stenbock.  —  Drei  Bücher,  der  schwedischen  Armee  \'erpflegung  in 
Sachsen  betr.  1706  vol.  I  fol.  5.  Vgl.  auch  Gretschel,  Geschichte 
Sachsens  II,  555  und  Friesen  a.  a.  O.  S.  78. 

^)  Ebenda  „Ihre  Kgl.  Maj.  von  Schweden  Verordnung,  wonach 
dero  Miliz  im  Churfürstentum  Sachsen  sich  zu  reguliren  und  zu 
richten".  HStA.  Loc.  3619.  Der  poln.-schwed.  Krieg  usw.  1706 
vol.  XLVI  fol.  242.  Kurz  erwähnt  von  Friesen  a.  a.  Ö.  S.  77.  Vgl. 
Robinson,  L'etat  present  de  Suede  (17 18)  p.  294. 


238 


Arno  Günther: 


Karl  war  besonders  darauf  bedacht,  den  sächsischen  Un- 
tertanen die  auferlegten  Lasten  weniger  fühlbar  zu  machen, 
indem  er  allen  Eigenmächtigkeiten,  die  sich  etwa  bei  der  Ein- 
treibung der  Kontributionen  einstellen  konnten,  von  vornherein 
vorbeugte.  Deshalb  war  es  den  Soldaten  streng  untersagt, 
sich  am  Eigentum  oder  am  Leben  der  Quartiergeber  sowie 
deren  Angehöriger  und  des  Gesindes  zu  vergreifen.  Ferner 
durfte  niemand  etwas  ohne  Bezahlung  fordern,  abgesehen  na- 
türlich von  der  Fourage.  Alle  Erpressungen,  alles  Jagen, 
Fischen,  Schiefsen  war  strengstens  verboten.  Die  Quartiere 
willkürlich  zu  vertauschen,  war  ebensowenig  gestattet  als  Gäste 
im  Quartier  aufzunehmen  und  zu  bewirten.  Durch  diese  Vor- 
schrift sollten  Durchsteckereien  und  absichtliche  Hintergehun- 
gen der  Ouartierwirte  unmöglich  gemacht  werden.  Eine  wei- 
tere  Reihe  von  Vorschriften  beschäftigt  sich  mit  der  Sicher- 
heit des  Verkehrs.  Darin  wurde  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dafs  keine  Post,  kein  Reisender  auf  den  Strafsen  angehalten 
oder  gar  beraubt  werden  dürfe.  Schliefslich  war  noch  be- 
stimmt worden,  dafs  im  mündlichen  oder  im  schriftlichen  Ver- 
kehr mit  den  Einwohnern  des  Landes  nur  die  deutsche  Sprache 
anzuwenden  sei,  damit  sich  auch  auf  diesem  Wege  keine  Be- 
nachteiligunofen  der  Untertanen  einstellen  konnten.  Ein  weiterer 
Abschnitt  des  Erlasses  wendete  sich  speziell  an  die  Bewohner 
des  Landes.  Karl  ermahnte  sie  darin,  alle  Zuwiderhandlungen 
gegen  seine  Vorschriften  bei  den  kommandierenden  Offizieren 
oder,  wenn  sie  hier  keine  Hilfe  erwarten  konnten,  beim  Ge- 
neral-Kriegskommissariat einzubringen.  Eine  Folge  dieser  Ver- 
ordnung war  endlich  die  Bestimmung,  dafs  den  Offizieren  die 
Verpflichtung  auferlegt  wurde,  sich  von  den  Gemeinden,  wo 
sie  einquartiert  waren,  Atteste  über  das  Verhalten  der  Truppen 
ausstellen  zu  lassen.  Dabei  war  jedoch  gleich  hinzugefügt, 
dafs  sich  die  Offiziere  keinesfalls  unterstehen  sollten,  die  Aus- 
stellung falscher,  also  im  Zweifelsfalle  günstiger  Atteste  durch 
Drohungen  zu  erzwingen. 

Dieser  bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten  peinlich  ausge- 
arbeitete Erlais  wurde  durch  ein  zweites  Mandat  des  Königs 
Anfang  Oktober  besonders  für  die  Polen  des  Stanislaus 
Leszczinsky  noch  einmal  wiederholt.  Stanislaus  hatte  beim  Be- 
treten des  sächsischen  Bodens  seine  wilden  Horden  durch  ein 
ziemlich  aufreizendes  Manifest^)  auf  Plünderung  und  Brand- 
schatzung  in  Sachsen  vorbereitet.     Dieses  Vergnügen    ward 


Erlafs  vom  I.  September.    HStA.  Loc.  3619.   Der  poln.-schwed. 


Krieg  und  die  Invasion  in  Sachsen  vol.  XLVl. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706 — 1707.  239 

ihnen  jedoch  durch  Karls  ersten  Erlafs  arg  verdorben.  Nichts- 
destoweniger kühlten  sie  aber  auf  jede  nur  irgend  mögliche 
Weise  ihr  Mütchen,  so  dafs  die  beiden  Friedensunterhändler 
Augusts,  Geh.  Rat  Imhoff  und  Geh.  Referendarius  Pfingsten, 
bereits  im  September  in  Bischofs werda  um  die  Entfernung 
der  Polen  aus  Sachsen  gebeten  hatten').  Karl  war  zwar  auf 
ihren  Wunsch  nicht  eingegangen,  erliefs  aber  jenes  zweite 
Mandat  speziell  für  die  Polen,  um  sie  dadurch  zu  einer  ordent- 
lichen, dem  schwedischen  Heere  gleichwertigen  Führung  zu 
veranlassen-). 

Beide  Erlasse,  kurz  hintereinander  erfolgt,  verfehlten  ihre 
gute  Wirkung  nach  beiden  Seiten  hin  zunächst  nicht.  Die  schwe- 
dischen Soldaten  sahen,  dafs  ihr  König  den  sächsischen  Un- 
tertanen seinen  Schutz  zugesichert  hatte,  und  die  Einwohner 
des  Landes  fühlten  sich  beruhigt  durch  das  Bewufstsein,  Karl 
werde  sie  vor  allen  Übergriffen  seiner  Soldaten  bewahren  oder 
ihnen  wenigstens  Genugtuung  verschaffen,  wenn  es  zu  Aus- 
schreitungen kommen  sollte.  In  jedes  einzelne  Haus  war  ein 
derartiges  gedrucktes  Mandat  gegeben  worden'^).  Karl  w^ünschte, 
dafs  sich  jeder  einzelne,  auch  der  geringste  Bauer,  sofort  mit 
eigenen  Augen  überzeugen  konnte,  ob  ein  Quartiernehmer 
etwas  Vorschriftswidriges  begehen  wollte,  und  hoffte,  dafs  der 
betreffende  Untertan  nötigenfalls  den  Soldaten  wegen  der 
Folgen  seines  Vorhabens   verwarnen  werde.     Es  war  für  die 


1)  „ .  .  .  nach  Verlauf  einer  gewissen  Zeit,  deren  Determination 
Ihrer  Kgl.  Maj.  von  Schweden  generosite  anheimgestellet  wird,  die 
Pohlen  und  Wallachen  zu  Beybehaltung  der  Sicherheit  der  Strassen 
und  des  Commercii,  sobald  der  Tractat  von  denen  Commissariis  unter- 
schrieben, wieder  herausführen  zu  lassen".  Konzept  eines  Schreibens 
von  Imhoff  und  Ptingsten,  undatiert,  aber  mit  der  Bemerkung  ver- 
sehen: In  Bischofswerda  vorgebracht.  Reichsarchiv  Stockholm,  Akten 
über  den  Frieden  zu  Altranstädt. 

-)  „Ungeachtet  ernstlicher  Befehle  sind  bey  den  in  Quartier  ge- 
legten, oder  hin  und  her  streiffenden  Pohlen  allerlei  Gewalt  und  Un- 
ordnung, Wegnahme  des  Viehs,  Gefährdung  der  öffentlichen  Strassen, 
ausgefüliret  worden.  Zuwiderhandelnde  dürfen  von  denen  Einwohnern 
sofort  ans  nechste  Regiment  zur  Bestrafung  abgeliefert  werden". 
HStA.  Loc.  9288.  Acta  die  schwed.  Invasion  ....  betr.  vol.  I  und 
Loc.  9290.    Drei  Bücher,  der  schwed.  Armee  Verpflegung  vol.  I. 

^)  Flugblatt  (Mitte  Oktober  1706  gedruckt):  „Gespräch  eines 
Schweden  und  eines  Neutralen,  von  dem  Sachs.  GlücK  bey  dem 
Schwedischen  Unglück".  —  S[chwede]:  „Dieses  [das  erste  Mandat] 
ist  schon  was  altes,  und  wird  er  kaum  einen  Bauern  finden,  der 
diese  Verordnung  nicht  schon  gedruckt  in  seinem  Hause  hätte,  da- 
mit, wenn  etwa  sein  Soldat  ja  einen  Excess  begehen  wolte,  er  ihm 
danach  sofort  von  seinem  Vorhaben  abschrecken  könnte".  Kgl. 
Bibliothek  in  Stockliolm. 


2AO  Arno  Günther: 

schwedischen  Soldaten  nicht  schwer,  durch  genaue  Befolgung 
von  Karls  Vorschriften  das  Vertrauen  der  Einwohner  zu  ge- 
winnen. Dies  wurde  ihnen  um  so  leichter,  als  sie  in  vieler 
Beziehung  das  Gegenteil  der  sächsischen  Truppen  bildeten, 
die  bei  ihrem  eignen  Volke  in  ganz  geringem  Ansehen  stan- 
den, weil  sie  durch  verschiedene  Ursachen  arg  verloddert 
waren  ^). 

Ein  Flugblatt  vom  Oktober  1706-)  und  verschiedene  Städte- 
chroniken geben  Zeugnis  davon,  wie  erträglich,  ja  wie  freund- 
lich sich  an  vielen  Orten  das  Verhältnis  zwischen  Einwohnern 
und  Soldaten  gestaltet  hat.  Kriegerische  Angriffe  durch  Au- 
gust den  Starken  oder  durch  Schulenburg  standen  nicht  zu 
befürchten;  denn  jener  sah  sich  in  Polen  festgehalten,  dieser 
hatte  die  klägUchen  Reste  des  sächsischen  Heeres  der  Gnade 
Karls  empfohlen^).  Die  Schweden  hatten  also  in  Sachsen 
keinen  Gegner  zu  erwarten  und  konnten  sich  der  Ruhe  hin- 
geben. Um  jedoch  die  Kräfte  seiner  Soldaten  vor  allzustarker 
Erschlaffung  zu  bewahren,  hatte  Karl  für  die  Regimenter  den 
in  der  Heimat  üblichen  Dienst  angeordnet.  Täglich  hielten 
die  Schweden  nach  dem  alten  Brauche  in  Gustav  Adolfs  Heere 
zweimal  Betstunde*).  Das  machte  auf  die  Einwohner  des 
Landes  solchen  Eindruck,  dafs  sie  dem  Beispiele  der  Schwe- 
den folgten,  innerlich  Einkehr  hielten  und  gleichfalls  gemein- 


')  Darüber  vgl.  ausführlich  Zechlin,  Die  Schlacht  bei  Frau- 
stadt, Ztschr.  der  hist.  Gesch.  für  Posen  XI  (1896),  222  ff.  Ergänzungen 
dazu  finden  sich  bei  Günther,  Sachsen  und  die  Gefahr  einer 
schwed.  Invasion  1706  (Pegau  1903)  vS.  22  und  37  ff. 

-)  In  dem  eben  erwähnten  ,,Gespräcli  eines  Schweden  und  eines 
Neutralen  usw."  (Kgl.  Bibliothek  in  Stockholm)  heifst  es:  N[eutraler]: 
„Ich  kann  ihnen  mit  Wahrheit  nachrühmen,  dafs  ich  ihresgleichen 
Soldaten  noch  wenig  gesehen,  die  denen  Reisenden  auff  dem  Wege 
so  höfflich  begegnen,  und  sie  in  den  Post-  und  Wirtshäusern  so 
raisonable  tractiret,  als  sie".  S[ch\vede]:  „Ey  .wenn  wir  doch  bey 
denen  Herren  Sachsen  auch  in  solchem  guten  Credit  stehen  möchten, 
wie  bev  dem  Herrn!"  N[eutraler]:  ,. Ich  versichere,  dass  die  Herren 
Schweden  durchgehends  in  Sachsen  für  höffliche  Soldaten 
passiren  und  von  iedermann  werden  gerühmet  werden,  solange  sie 
denen  Einwohnern  das  übrige  lassen,  und  im  übrigen  mit  ihnen,  als 
mit  ihren  Freunden  und  Glaubensbrüdern  umgehen  werden." —  Vgl. 
auch  Leben  und  Denkwürdigkeiten  des  Generals  von  der  Schulen- 
burg I,  274. 

*)  Registratur  des  Geh.  Rat  Zech  vom  4.  Oktober  1706.  HStA. 
Loc.  9287.  Die  aus  dem  geh.  Concilio  .  .  .  geschickten  Beschwerden 
betr.  vol.  I.  —  Brief  des  schwed.  Geh.  Sekretärs  Hermelin  an  Palm- 
quist,  den  schwed.  Gesandten  im  Haag.  Leipzig,  5.  Oktober  1706. 
Reichsarchiv  Stockholm  (RA.  St.),  Palmquists  Briefsammlung. 

*)  Meltzer,  Schneeberger  Stadt-  und  Bergchronica(i7i6)  S.  1000. 
Dasselbe   berichtet  Schöttgen,  Historie  von  Würzen  (1717)  S.  636. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707.  241 

same  Betstunden  einrichteten').  Den  Tag  verbrachten  die 
Schweden  damit,  dafs  sie  sich  im  Gebrauche  der  Waffen  übten 
und  Exerzitien  machten  wie  in  den  Garnisonen  ihrer  Heimat. 
Des  Abends  wurde  beizeiten  zum  Appell  geblasen,  damit  nächt- 
liche Ruhestörungen  vermieden  wurden").  Die  Dienststunden 
sind  nun  aber  nicht  übermäfsig  ausgedehnt  worden;  es  blieb 
den  Soldaten  vielmehr  reichlich  freie  Zeit  übrig.  Um  sich  die 
infolgedessen  eintretende  Langeweile  zu  vertreiben  und  wohl 
auch  um  sich  ihren  Quartierwirten  gefällig  zu  erweisen,  un- 
terstützten sie  diese  vielfach  bei  der  Berufsarbeit'^)  oder  — 
spielten  wohl  gar  mit  den  Kindern  ihrer  Quartiergeber,  wie 
der  Wurzener  Chronist  in  seiner  Schilderung  ausdrücklich  er- 
klärt*). Derartige  geradezu  id3'llisch  heitre,  friedliche  Bilder 
wiederholen  sich  im  allgemeinen  öfter.  Die  Mehrzahl  der  alten 
Chronisten,  zumeist  Geistliche,  die  bei  ihren  Aufzeichnungen 
der  Ortsereignisse  aus  jenen  Tagen  nicht  nur  die  Einzelheiten 
bewerteten,  sondern  auch  kleine  Stimmungsbilder  vom  Gesamt- 
eindruck dieser  Schwedenzeit  entwerfen  und  dadurch  für  die 
allgemeine  Beurteilung  der  Zeit  sehr  wertvoll  sind,  hat  die 
strafte  Manneszucht  und  die  gute  Ordnung  gerühmt,  die  von 
den  Schweden  beobachtet  wurden^).  Jedes  Vergehen  wider 
Karls  Vorschriften  wurde  mit  der  damals  übHchen  Strafe,  mit 
Rutenhieben,  geahndet*^).  Aber  neben  diesen  Stellen  voll  Lichts 
war  auch  Schatten  vorhanden.  „Dieser  guten  Ordnung  un- 
geachtet, gingen  doch  auch  viele  Excefse  vor",  berichtet  der- 


>)  Vgl.   die  folgende  Strophe    von  Joh.   Christian  Günther 
(bei  Goedeke  &  Tittmann,  Deutsche  Dichter  des  i7.Jahrh.  VI,  129): 
Der  Schweden  Be3spiel  weckt'  einmal 
In  uns  viel  Andachtsflammen, 
Wir  knieten  in  gehäuflfter  Zahl 
Auch  öffentlich  zusammen. 
Der  Eifer  war  mehr  Ernst  als  Schein, 
Und  unser  täglich  Himmelschreyn 
Hat  etwan  auch  viel  Plagen 
Des  Vaterlands  verschlagen. 
-)  Schöttgen  a.  a.  O.  S.  637.  —  Vgl.  auch  Karls  Brief  an  seine 
Schwester  Ulrike  vom   23.  Oktober  1706   bei   E.  Carlson,  Konung 
Carl  XII  :  s  egenhändiga  bref.    Nr.  64.    Deutsch  von  Mewius  (BerHn 
1894). 

^)  Schöttgen  a.  a.  O.  S.  639. 
^)  Ebenda  S.  639. 

^)  So  rühmt  Vogels  Leipziger  Geschichtsbuch  (1756)  das  „gute 
Commendo".  Dasselbe  findet  sich  bei  Meltzer  a.  a.  O.  S.  looi. 
Ähnlich  berichtet  Olischers  Chronik  von  Reichenbach  (1729)  S.  84. 
—  Vgl.  auch  den  Bericht  des  Pfarrers  Crusius  von  Allerstedt,  Mansf. 
Blätter  XIII  (1899),  107  f. 

8)  Schöttgen  a.  a.  O.  S.  637ff. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     3.  4.  l6 


2A.2  Arno  Günther: 

selbe  Wurzener  Chronist  der  von  der  Zuneigung  der  schwe- 
dischen Soldaten  zu  den  Kindern  erzählt  hat'). 

Was  hier  in  allgemeinen  Zügen  angedeutet  ist,  findet  durch 
andre  Quellen,  Chroniken  sowohl  wie  unzählige  Beschwerden 
einzelner  Personen,  Bestätigiuig.  Dabei  ist  freilich  zu  berück- 
sichtigen, dafs  sich  alle  diese  Klageschriften  durch  mehr  oder 
minder  übertriebene  Darstellung  der  Ungesetzmäfsigkeiten 
auszeichnen.  Schon  der  Ton,  in  dem  sie  abgefafst  sind,  läfst 
das  unzweifelhaft  erkennen.  Und  wenn  man  dann  alle  diese 
Beschwerden  zusammennimmt,  so  ergibt  sich  gar  bald  zweier- 
lei: einmal  erscheinen  beständig  wiederkehrende,  den  Sach- 
verhalt ausschmückende  Beigaben,  die  man  von  vornherein 
für  die  Beurteilung  der  Lage  ausschalten  mufs,  und  dann  lassen 
sich  auch  gewisse  Übereinstimmungen  in  der  Art  der  Vergehen 
feststellen,  so  dafs  man  fast  von  t3'pischen  Ungesetzmäfsig- 
keiten sprechen  kann.  Diese  sind  aber  zum  Teil  wieder  durch 
den  Charakter  der  Zeit,  durch  wirtschaftliche  und  soziale  Um- 
stände bedingt  und  müssen  dementsprechend  aus  dieser  Zeit 
heraus  begriffen  und  beurteilt  werden. 

Ganz  allgemein  ist  zunächst  zu  sagen,  dafs  die  dem  schwe- 
dischen Heere  gegönnte  Ruhezeit  zu  lange  währte.  Karls 
Absicht,  seine  Soldaten  zu  kräftigen,  wurde  zwar  erreicht, 
aber  als  es  so  weit  war,  fanden  die  neu  erlangten  Kräfte  nicht 
das  richtige  Feld  zu  ihrer  Betätigung.  Das  gute  und  reich- 
liche Essen,  die  beständige  Mufse  wirkten  erschlaffend  auf 
Körper  und  Geist  der  Soldaten ;  der  tägliche  Garnisondienst  war 
nicht  so  anstrengend,  dafs  dadurch  ein  Ausgleich  geschaffen 
werden  konnte.  So  verschwand  allmählich  die  kraftvolle  Ener- 
gie, die  willensstarke  Selbstzucht,  und  an  ihrer  Stelle  machte 
sich  eine  gewisse  Schlaffheit  bemerkbar. 

Ein  besonders  charakteristisches  Zeichen  hierfür  ist  das 
Verhalten  der  Schweden  gegenüber  dem  weiblichen  Ge- 
schlecht. Die  lange  Dauer  der  Kriege  in  jener  Zeit  war  die 
Ursache,  dafs  nicht  nur  wie  in  den  Heeren  im  1 6.  Jahrhundert 
die  Offiziere,  sondern  auch  die  Mannschaften  ihre  Frauen  mit 
sich  ziehen  liefsen.  Mit  einer  grofsen  Kinderschar  bildeten 
diese  meist  recht  zweifelhaften  Frauengestalten  einen  Teil  des 
schwerfälligen  Trosses  und  waren  oft  den  raschen  Bewegungen 
des  Heeres  hinderlich.  Dieser  und  andere  aus  solchen  Zu- 
ständen entspringenden  Nachteile  hatten  Reformversuche  der 
Heerführer  veranlafst,  die  namentlich  in  dem  Heere  Gustav 
Adolfs  ganz  vorzügliche  Ergebnisse  zeitigten.    Der  Schweden- 


')  Ebenda  S.  636. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706 — 1707.  243 

könig  hatte  die  Unsitte  des  Weibertrosses  ganz  abgeschafft 
und  wahrte  dadurch  seinem  Heere  volle  Bewegungsfreiheit 
und  wohl  auch  noch  manches  andere.  Als  aber  nach  dem  Tode 
Gustav  Adolfs  der  Krieg  noch  viele  Jahre  währte,  kehrten  die 
alten  Übelstände  in  ihrem  ganzen  Umfanofe  wieder. 

Karl  XII.,  in  vielen  Stücken  der  bewufste  Nachahmer 
seines  grofsen  Ahnen,  suchte  auch  in  dieser  Beziehung  die  Zu- 
stände der  Zeit  Gustav  Adolfs  wieder  einzuführen,  weil  er 
sich  davon  grofse  Erfolge  versprach,  imd  beseitigte  deshalb 
den  Weibertrofs  im  schwedischen  Heere.  Nicht  verhindern 
konnte  er  dagegen,  dafs  sich  seine  Soldaten,  wo  sie  sich  auch 
befanden,  den  Frauen  und  Mädchen  gefällig  erwiesen  und  zu- 
meist auch  Gewährung  ihrer  Wünsche  fanden.  Gerade  während 
der  langen  Ruhezeit  in  Sachsen  bot  sich  ihnen  dazu  besonders 
häufig  und  gut  Gelegenheit.  Dafs  es  dabei  nicht  immer  ohne 
Gewalttätigkeiten  abgegangen  ist,  dürfen  wir  sicher  annehmen; 
im  allgemeinen  haben  jedoch  die  Schweden  und  besonders 
auch  die  Polen  nach  dieser  Richtung  hin  bei  den  sächsischen 
Frauen  und  Mädchen  viel  Entgegenkommen  gefunden.  Das 
geht  aus  den  Chroniken  hervor,  die  darüber  in  ernst  entrü- 
stetem oder  heiter  scherzendem  Tone  —  je  nach  der  Stellung 
ihrer  Verfasser  zu  diesem  Punkte  —  mehrfach  berichten^). 
Es  ist  nun  auch  sehr  wahrscheinlich,  dafs  Sachsen  in  jener 
Zeit  sehr  viel  Zuzug  von  zweifelhaften  Mädchen  aus  dem  übrigen 
Deutschland  erhalten  hat.  Zwar  finden  sich  darüber  in  den 
Quellen  keine  ausdrücklichen  Angaben,  aber  die  Erfahrungen 
aus  andern  Kriegen  in  jenen  Jahrhunderten  lassen  wohl  diesen 
Schlufs  zu.  Kaum  glaublich  dagegen  erscheint  es,  dafs  diese 
nunmehr  das  Land  zu  ihrem  Eldorado  gemacht  hätten.  Dieser 
Annahme  widerspricht  schon  die  quellenmäfsig  belegte,  oben 
erwähnte  Tatsache,    dafs   der  weibliche   Teil   der   Einwohner 


^)  „Ihre  Fruchtbarkeit  haben  sie  mehr  als  rühmlich  ist,  bewiesen 
und  eine  ziemliche  Anzahl  unächter  Kinder  hinter  sich  gelassen, 
manches  ehrliche  Haus  betrübet,  und  arme  Dienstbothen  gefället. 
Wie  sie  denn  auch  grossen  Theils  ihre  Brunst  nicht  bergen  konnten, 
sondern  sobald  sie  in  ein  Haus  kamen,  sich  mit  denen  \Veiber- Per- 
sonen daselbst  bekannt  machten  und  mit  ihrem  Spendiren  von  dem 
Sächsischen  Geld  sich  Gegenliebe  zuwege  zu  bringen  suchten." 
Fiedler,  Müglische  Ehrensäule  (1709)  S.  125.  —  Dieselbe  Chronik  sagt 
über  die  Polen  in  Leisnig:  Sie  „lebeten  in  der  Stadt  ziemlich  frey 
mit  denen  Weibs-Personen".  —  Endlich  Schöttgen  a.  a.  O.  S.  639: 
„Dass  sich  die  Schweden  bev  dem  Frauenzimmer  wohl  insinuiren 
können,  solches  bezeugen  die  jungen,  nunmehr  ins  eilftte  Jahr  —  die 
Chronik  ist  1717  verfalst!  —  gehende  Schweden,  aus  welchen  man 
mit  der  Zeit  etliche  Regimenter  formiren  und  sie  wieder  ihre  eigenen 
Väter  zu  Felder  füheren  könnte". 

16* 


244  Arno  Günther: 

Sachsens  den  fremden  Soldaten  sehr  zugetan  war.  Schwer 
dürfte  es  auch  fallen,  die  Behauptung  zu  beweisen,  das  schwe- 
dische Heer  sei  infolge  der  Ausschweifungen  völlig  verseucht 
gewesen.  Gerade  darüber  würden  die  Chronisten,  die  für  alles 
ein  scharfes  Auge  gehabt  haben,  auch  etwas  sagen,  aber 
nirgends  findet  sich  auch  nur  eine  Andeutung.  Jedenfalls  dürfte 
auch  in  dieser  Frage  der  Mittelweg  wieder  das  Richtige  sein^). 
Auch  in  anderer  Beziehung  gingen  die  Schweden  zurück. 
Ihr  Gottesdienst  war  mehrfach  nur  noch  Schein,  Völlerei  stellte 
sich  ein,  und  die  Trunkenheit  ward  immer  widerwärtiger-). 
Bald  hier,  bald  da  wurde  über  allerhand  Gewalttätigkeiten 
geklagt,  die  von  den  Schweden  verübt  worden  seien;  am  meisten 
wurde  aber  über  das  Betragen  der  Polen  gejammert^).  Die 
Klagen  kamen  immer  häufiger,  je  länger  die  gleiche  Höhe  der 
Kontributionssumme  gefordert  wurde.  Dabei  waren  aber  die 
Einwohner  in  der  glücklichen  Lage,  die  Forderungen  der 
Schweden  zu  erfüllen,  wenn  sie  es  natürlich  auch  nicht  gern 
taten,  denn  ihre  Getreidespeicher  bargen  einen  ungemein  reichen 
Erntesegen.  Einem  schönen  Sommer  mit  guter  Heu-  und  Grum- 
meternte waren  ein  fruchtbarer  Herbst  und  ein  warmer  Winter 
gefolgt;  die  Halmfrüchte  hatten  reichlich  angesetzt  und  waren 
sicher  eingebracht  worden;  das  Vieh  konnte  länger  als  andere 
Jahre  auf  die  Weide  getrieben  werden.  Alles  das  trug  dazu 
bei,  dafs  man  in  Sachsen  mit  dem  Jahresertrag  zufrieden  sein 
konnte;  überall  und  selbst  in  Gegenden,  wo  das  Korn  zu  rasch 
gereift  war,  trat  eine  Verbilligung  aller  Lebensmittel  ein^). 
Allmählich  gingen  aber  die  Vorräte  infolge  der  andauernden 


1)  Der  einzige  Beweis  für  die  angeführte  Behauptung  findet  sich 
in  einer  Stelle  bei  Fafsmann  und  Hörn,  Das  Leben  Augusts  S.  530. 
Diese  Stelle  haben  Fryxell  in  seiner  Geschichte  Karls  XII.  S.  267 
und  Böttiger- Flathe  a.  a.  O.  II,  344  übernommen.  Gretschel 
a.  a.  O.  II,  556  bringt  dafür  einen  Beleg  aus  Plauen,  wo  das  ost- 
gotische Kavallerieregiment  lag,  sonst  ist  aber  in  den  Quellen  darüber 
keine  Andeutung  vorhanden. 

'•■')  „Von  ihrer  Gottesfurcht  machten  sie  auch  grosses  Wesen, 
aber  sie  konnten  so  lästerlich  fluchen  als  irgend  eine  Nation,  und 
soften  sich  die  Gemeinen  wohl  voll,  wenn  sie  solten  das  heilige  Abend- 
mahl brauchen,  so  dass  man  sie  hinweg  tragen  musste".  Fiedler, 
Müglische  Ehrensäule  S.  126 

^j  „Die  Wildbahnen  ruinirten  sie  nicht  wenig,  .  .  .  kam  auch 
unterschiedene  Mahle  Feuer  aus  in  der  Stadt  [Leisnig],  da  sie  hinnen 
stunden,  blieben  bey  ihrem  Abzug  fein  viel  schuldig,  und  machten 
es  noch  schlimmer  als  die  Herren  Schweden,  darumb  man  sie  gar 
fröhhch  hat  sehen  fortziehen".     Ebenda  S.  127. 

■*)  Vogel  a.  a.  O.  S.  1027.  Weitere  Belege  für  die  Fruchtbarkeit 
des  Jahres  1706  finden  sich  u.  a.  in  den  Chroniken  von  Schneeberg 
und  Leisnis:. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706 — 1707.  245 

hohen  Kontributionen  auf  die  Neige,  das  Korn  zur  Frühjahrs- 
aussaat mangelte,  weil  es  von  den  Schweden  zur  Fourage  be- 
ansprucht worden  war,  viele  Bauern  hatten  aufserdem  noch 
einen  Teil  ihres  Viehs  verkaufen  müssen  und  waren  daher  kaum 
imstande,  ihre  Felder  zu  bestellen.  Trotzdem  trieben  die 
Schweden  unbarmherzig  ihre  Forderungen  ein.  Besonders 
drückend  für  die  Einwohner  war  es,  dafs  die  Gelder  nicht,  wie  es 
ursprünglich  angesetzt  war,  nach  den  gangbaren,  sondern  nach 
den  vollen  Schocken  verlangt  wurden,  so  dafs  auch  für  alle 
Wüstungen  gesteuert  werden  mufste').  Ein  neuer  Schlag  für  die 
Einwohner  war  der  Umstand,  dafs  die  Schweden  alle  öffentlichen 
Kassen  für  sich  in  Anspruch  nahmen'^),  die  eingegangenen  und 
an  die  Hauptkasse  abgelieferten  Gelder  zurückforderten'^)  und 
endlich  die  Akzise  aufhoben*).  An  andern  Orten  wieder  setzten 
sie  die  Erhebung  der  Akzisgelder  zum  Teil  unter  Anwendung 
von  Gewalt  fort  und  nahmen  natürlich  auch  die  einlaufenden 
Geldsummen  für  sich  in  Anspruch '').  Auf  diese  Weise  legten  die 
Schweden  das  ganze  öffentliche  Leben  lahm.  Alle  Einkünfte 
flössen  in  die  schwedischen  Kassen").  Infolgedessen  konnten 
die  Stadtkassen  den  bedürftigen  Gemeindemitgliedern  auch 
nichts  mehr  leihen,  damit  diese  die  Forderungen  der  Schweden 
erfüllten.  Von  den  Bürgern  und  Bauern  hatte  jeder  mit  sich 
selbst  zu  schaffen,  und  wer  Geld  verleihen  konnte,  hatte  es 
vielfach  schon  getan.  Blieb  jemand  die  verlangte  Summe 
schuldig,  so  stundeten  die  Schweden  zumeist  das  Geld,  aber 
die  Fristen  waren  .stets  so  kurz,  dafs  in  der  Zwischenzeit  von 
auswärts  keine  Hilfe  geholt  werden  konnte.  Dann  aber  be- 
gannen die  schwedischen  Exekutionen;  und  wie  wurde  dabei 
vielfach  gewüstet! 

Hatten  die  Soldaten  schon  bisher  infolge  der  überreich- 
lichen Verpflegiing  ihre  Kost  nicht  ganz  vertilgen  können  und 


')  Klage  der  Stände  vom  17.  November  1706.  HStA.  Loc.  9287. 
Die  von  dem  geh.  ConciHo  .  .  .  gesandten  Beschwerden  vol.  I. 

~)  So  z.  B.  in  Annaberg,  Aue,  Chemnitz,  Eiterlein,  Frohburg, 
Johanngeorgenstadt,  Neustädtel,  Scheibenberg,  Schiettau.  Ebenda 
vol.  I  — IV. 

^)  So  in  Freiberg,  Grofsenhain,  Mügeln,  Oschatz,  Torgau,  Witten- 
berg.    Ebenda. 

*)  So  in  Chemnitz,  Döbeln,  Eibenstock,  Frankenberg,  Grofsen- 
hain, Leisnig,  Mügeln,  Oschatz,  Radeberg,  Reichenbach,  Zwickau. 
Ebenda. 

^)  So  in  Freiberg,  Meifsen,  Wittenberg.     Ebenda. 

*)  Allein  an  Kammerintraden  wurden  bis  zum  Januar  1707  aus 
den  Kassen  von  17  Ämtern  und  3  Vorwerken  9471  Taler  2  Gr.  2^,2  -v» 
weggenommen.  HStA.  Loc.  35022.  Wegen  der  von  Schweden  .  . 
angesonnenen  .  .  .  Kammergefälle. 


246  Arno  Günther: 

mehrfach  die  übrig  bleibende  Fourage  durch  die  Pferde  in 
den  Kot  treten  lassen,  um  sie  ungeniefsbar  zu  machen^),  so 
trieben  sie  es  noch  viel  toller,  sobald  sie  zu  einer  Exekution 
befohlen  waren.  Bekam  ein  Bauer  oder  ein  Bürger  fünf  bis 
zehn  Mann  auf  Exekution,  so  konnte  er  sicher  sein,  dafs  nur 
wenig  von  seinem  Eigentum  übrig  blieb'-).  Das  Vieh  wurde 
aus  den  Ställen  getrieben  und  mufste  oft  verhungern,  wenn 
ihm  kein  Futter  gereicht  wurde.  Die  Pferde  der  Soldaten  be- 
kamen ungedroschenes  Getreide  als  Streu,  die  Soldaten  selbst 
schwelgten  und  prafsten  in  üppigster  Weise.  Mehrfach  geschah 
es  auch,  dafs  die  Schweden  die  Bauern  oder  Bürger  gefangen 
setzten,  selbst  an  Obrigkeiten  haben  sie  sich  in  vereinzelten 
Fällen  vergriffen,  wenn  sie  nicht  sofort  das  verlangte  Geld 
erhielten'^).  Schier  unerschöpflich  waren  die  Schweden  in  der 
Aufstellung  neuer  Forderungen.  Es  wurden  allerhand  Lebens- 
mittel verlangt,  die  nicht  in  der  vorgeschriebenen  Kost  inbe- 
griffen waren,  man  forderte  Holz  und  Leinewand,  man  erzwang 
sich  persönliche  Dienstleistungen.  Wenn  ihre  unmäfsigen  For- 
derungen nicht  befriedigt  wurden,  ereignete  es  sich  zuw^eilen 
auch,  dafs  sie  in  ihrer  Wut  alles,  was  im  Hause  der  armen 
zu  Exekutierenden  wertvoll  war,  zerstörten ;  mehrfach  zer- 
trümmerten sie  das  nötige  Hausgerät,  schlugen  Türen  und  Fenster 
ein,  ja  in  Biebra  legten  sie  sogar  ein  Feuer  an,  das  39  Häuser 
einäscherte''). 

Derartige  Greuel  waren  allerdings  verhältnismäfsig  selten; 
ebenso  waren  den  eben  geschilderten  unerhörten  Quälereien 
nur  einzelne  Bürger  und  Bauern  ausgesetzt.  Bei  der  p-anzen 
Exekutionstätigkeit  hing  ja  sehr  viel  vom  Takte  der  Leiter  ab. 
War  mit  diesem  Posten  ein  Unteroffizier  betraut,  so  ging  es 
häufig  sehr  rauh  und  roh  zu;  im  allgemeinen  beschränkte  man 
sich  aber  auf  eine  peinliche  Durchsuchung  des  ganzen  Grund- 
stücks, wovon  man  dann  allerdings  alles,  was  nicht  unbedingt 
zur  Fristung  des  Lebens  von  den  Hausbewohnern  gebraucht 
wurde,  wegschleppte,  Aufserdem  trieben  die  Schweden  auch 
gern,  wenn  eine  Exekution  befohlen  war,  ungeachtet  der  Vor- 
schriften Karls,  Jagd  und  Fischfang,  weil  sie  sich  dann  dazu 


^)  Kla^e  des  Amtmanns  zu  Nossen  vom  18.  September.  HStA. 
Loc.  9928.    Nachrichten  über  den  Einfall  der  Schweden  in  Sachsen. 

-)  Eine  Reihe  von  Beispielen  finden  sich  in  den  „Beschwerden", 
vol.  I  — ly.    HStA.  Loc.  9287 f. 

'^j  Die  Belege  ebenda.    Vgl.  auch  Gretschel  a.  a.  O.  II,  557. 

*)  Johann  Georg  zu  Sachsen -Weifsenfeis  an  August,  8.  Januar 
1707.  HStA.  Loc.  3541.  Den  ....  zu  Altranstädt  geschlossenen 
Frieden  betr.  vol.  II  fol.  21. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707.  247 

berechtigt  glaubten^).  Gar  mancher  Bewohner  des  Landes 
wurde  durch  eine  derartige  systematische  Aussaugung  völlig 
ruiniert  und  griff  in  seiner  Verzweiflung  als  Bettler  zum  Wander- 
stab. An  einigen  Stilen  des  Landes,  so  in  der  Umgebung 
von  Dresden,  drohte  infolge  der  unsinnigen  Vergeudung  sogar 
eine  erhebliche  Preissteigerung  der  Nahrungsmittel  einzutreten-). 
Schlimm  sah  es  in  Sachsen  aus,  aber  am  Rande  des  Verderbens 
stand  es  noch  lange  nicht.  Viele  einzelnen  Bürger  und  Bauern 
hatten  unter  den  Exekutionen  schwer  zu  leiden  gehabt,  gar 
mancher  Soldat  hatte  arg  wider  die  Vorschriften  seines  Königs 
gefehlt,  das  ganze  Land  war  sehr  geschwächt  infolge  der  lang 
andauernden  hohen  Leistungen,  die  von  Karl  vorgeschrieben 
waren  ^). 


')  Belege  in  den  „Beschwerden".    HStA.  Loc.  9287  f. 

-)  Geh.  Rat  Zech  an  Piper,  6.  Dezember  1706.  HStA.  Loc.  9287. 
Die  von  dem  geh.  Concilio  ....  gesandten  Beschwerden  vol.I  fol.  146  f. 

ä)  Mit  Geschick  und  nicht  ohne  einen  gewissen  Humor  wird  der 
Zustand  Sachsens  in  jener  Zeit  in  einem  Flugblatt  geschildert.  Es 
ist  in  der  Form  eines  Gespräches  (Alexandriner)  zwischen  drei  Bauern 
abgefafst.  Das  Original  betindet  sich  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Stock- 
holm.    Die  hauptsächlichsten  Stellen  daraus  lauten: 

Hanss:    Viel  sagten  schon:  Ich  kann  nicht  länger  halten  Haus 
Ich  muss  in  kurtzer  Zeit /zum  Lande  lauffen  nauss. 
Doch  sah  man  wenig  noch  von  Haus  und  Hoff  entlauffen  .... 

31  atz:       Ja,  Hanss,  vergesst  auch  nicht  die  grossen  schweren  Kriege 
Die  March-  und  Contra-March,  die  vielerley  durchzüge 
Die  mich  und  manchen  fast  von  Gütern  haben  bracht.  —  —  — 

Urben:   Man  nimmt  uns  zwar  nicht  viel /doch  heissts/gieb  alles  raus. 
Gieb  aus  der  Scheune  Heu   Stroh 'Erbsen/Korn  und  Haber 
Gieb  heute  morgen  auch   und  übermorgen  aber 
Gieb  aus  der  Küche  Fleisch /hohl  aus  der  Schenke  Bier/ 
Verkauffe  Ochs  und  Vieh/ das  Geld  gieb  alles  mir; 
Summa  gieb  alles  her/das  übrige  soll  Deine. 
Es  ist  bey  meiner  Treu  mein  Beutel  und  die  Scheune 
In  vielen  Jahren  nicht  so  leicht  und  rein  gewest. 
Die  Schweden  halten  uns  nur  allzu  rein  das  Nest. 

Hanss:   Zwar  das  ist  gantz  gewiss/wenn  nicht  der  Schweden  König 
Es  scharff  verbothen  hätt'/die  Krieger  würden  wenig/ 
(Ja  wohl  nichts)  besser  seyn   als  die  gewesen  sind 
Von  den'n  ich  hörte  viel  als  ich  noch  war  ein  Kind.  —  —  —  — 

Matz:       Es  ist  mehr  als  zu  wahr,  mein  hertzer  lieber  Urben/ 

Uns  aber  ist  die  Kirmss  und  Martens  Gauss  verdorben/ 
Christ-Stollen  werden  auch  vergessen  ganz  und  gar 
Jedoch  seyd  gutes  Muths/und  hofift  auts  andre  Jahr. 

Urben:   Nein!  Neinl  so  bald  werd  ich  den  Schaden  nicht  vergessen. 
Die  Krieger  haben  mir  ja  alles  weggefressen. 

Hanss:    Denn  Contribution  ist  eine  schwere  Last/ 

Und  Einquartierung  drückt  uns/ ohne  Ruh  und  Rast. 
So  haben  wir  zwar  Fried'   und  Kuh',  doch  nur  zu  hoffen. 
Die  Thüre  stehet  uns  zur  Freud   und  Lust  zwar  offen/ 
Allein  sie  ist  noch  mit  Soldaten  stark  besetzt; 
Daher  die  Hoffnung  nur  uns  noch  zur  Zeit  ergetzt. 

Die  hier  geschilderte,  gut  beobachtete  Situation  entspricht  also  dem 
oben  entworfenen  Bilde.  Die  Scliweden  treiben  mit  Härte  alles  ein, 
aber  sie  halten  sonst  gute  Ordnung,  abgesehen  natürlich  von  ein- 
zelnen Fällen,  wie  sie  fm  Kriege  stets  vorkommen. 


248  Arno  Günther: 

Aber  auch  Karl  rührte  sich  schHefsHch.  Klagen  über 
Klagen  liefen  im  schwedischen  Hauptquartier  von  schwer  be- 
troffenen Untertanen  oder  auch  von  ganzen  Gemeinden  ein  ^). 
Dazu  gesellten  sich  wiederholt  Eingaben  der  sächsischen  Stände 
an  Karl"),  und  schliefslich  fanden  sie  bei  ihm  auch  Gehör. 

Karl  fafste  im  April  1707  den  Entschlufs,  der  sächsischen 
Regierung  zu  zeigen,  dafs  er  gewillt  sei,  jeden  Schaden  ab- 
zustellen, jede  Nichtbeachtung  seiner  Vorschriften  zu  bestrafen 
und,  wenn  möglich,  die  Betroffenen  für  ungerecht  erlittene 
Verluste  zu  entschädigen.  Zu  diesem  Zwecke  kündigte  er 
eine  Untersuchung  bei  allen  Regimentern  an.  Der  Ge- 
neralauditeur  Lilienstjerna  wurde  mit  der  Vollmacht  ausgestattet, 
alle  Regimenter  aufzusuchen,  und  beauftragt,  die  bei  ihnen 
vorgekommenen  Übertretungen  von  Karls  Verordnungen  sowie 
alle  sonstigen  Ausschreitungen  der  Soldaten  aufzudecken  und 
zu  bestrafen^).  Um  dabei  den  sächsischen  Untertanen  ja  alle 
Gerechtigkeit  widerfahren  zu  lassen,  wünschte  Karl,  dafs  den 
Untersuchungen  Vertreter  der  sächsischen  Regierung  bei- 
wohnten^), August  ging  selbstverständlich  darauf  mit  Freuden 
ein  und  übertrug  dem  Geh,  Rat  das  Weitere''^).  Dieser  be- 
auftragte die  Deputierten  der  Stände  mit  der  Aufgabe,  den 
Untersuchungen  jedesmal  in  ihrem  Kreise  beizuwohnen.  Da- 
durch ward  zweierlei  erreicht.  Einmal  konnten  sie  der  schwe- 
dischen Untersuchungskommission  die  Arbeit  erleichtem,  indem 
sie  sich  bereits  im  voraus  über  die  Vorkommnisse  in  ihrem 
Kreise  informierten  und  die  Exzesse  zusammenstellten''),  dann 
aber  bildeten  sie  zugleich  die  berufenen  Vertreter  des  Volkes, 
indem  sie  es  gegen  schwedische  Erpressungsversuche  schützten 
und  jedem  einzelnen  einen  Rückhalt  boten,  dafs  er  nicht  der 
Rache  derer  verfiel,  gegen  die  er  sich  beschwert  hatte '^). 
Aufser  diesen  Deputierten  der  Stände,  deren  für  jeden  Kreis 
zwei  vorhanden  waren,  wurde  von  dem  Geh.  Rat  der  schwe- 


1)  Sekretär  Cederhielm  an  Piper,  Dresden,  19.  März  1707.  Reichs- 
archiv Stockholm  (RA.  St.).    Cederhielms  Briefsammlung. 

■^)  So  im  Dezember,  Januar  usw.,  zuletzt  am  15  April.  HStA. 
Loc.  3619.  Die  im  Kurfürstentum  Sachsen  .  .  .  geforderte  Kontri- 
bution, vol.  L. 

^)  Staatssekretär  Hermelin  an  Palmquist,  den  schwed.  Gesandten 
im  Haag,  10.  Mai  1707,    RA.  St.    Palmquists  Briefsammlung. 

^)  Ebenda. 

^)  August  an  Geh.  Rat,  22.  April  1707.  HStA.  Loc.  3541.  Den 
....  zu  Altranstädt  geschlossenen  Frieden  betr.  vol.  III 

^)  Geh.  Rat  an  die  Deputierten,  25.  April  1707,  deren  Instruktion 
vom  25.  April.  HStA.  Loc.  9289.  Acta,  die  schwed.  Invasion  betr. 
vol.  I. 

■'j  Ebenda. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707,  249 

dischen  Untersuchungskommission  „mehreren  Nachdrucks 
halber"  noch  der  Geh.  Kammerrat  von  Plötz  als  ständiger 
Begleiter  beigegeben^),  während  die  Deputierten,  wie  schon 
angedeutet,  nur  für  ihren  Kreis  herangezogen  werden  sollten. 
Die  Kommission  bestand  also  für  jedes  Regiment  aus  sechs 
Gliedern:  dem  Generalauditeur  Lilienstjerna,  dem  Kriegsfiskal 
Hadorff  und  einem  Aktuar  auf  schwedischer  und  dem  Kammer- 
rat Plötz  sowie  den  beiden  Deputierten  in  jedem  Kreise  auf 
sächsischer  Seite. 

Sehr  bald  nach  der  Verfügung  Karls  begann  die  Kom- 
mission mit  ihrer  Tätigkeit.  Schon  am  28.  April  1707  fanden 
die  ersten  Sitzungen  beim  Taubeschen  Dragonerregiment  in 
Grofsenhain  statt.  Nach  und  nach  kamen  alle  Regimenter  an 
die  Reihe.  Erst  Anfang  August  war  die  schwierige,  umfang- 
reiche Arbeit  vollendet.  Über  die  Ergebnisse  der  Untersuchung 
legte  Plötz  später  durch  Einreichung  der  darüber  vorhandenen 
Akten  Rechenschaft  ab.  Sie  liefern  in  ihrer  Ausführlichkeit 
den  besten  Beweis  dafür,  dafs  die  schwedische  Kommission 
mit  redlichem  Eifer  bemüht  gewesen  ist,  alle  Schäden  auf- 
zudecken und  Abhülfe  zu  schaffen-).  Plötz  hob  es  in  Privat- 
briefen besonders  hervor,  dafs  es  die  schwedische  Kommission 
an  nichts  habe  fehlen  lassen,  den  bedrückten  Untertanen  für 
ihre  Beschwerden  Genugtuung  zu  verschaffen  oder  wenigstens, 
falls  dies  nicht  sofort  möglich  war,  in  sichere  Aussicht  zu 
stellen  •^). 

Wenn  es  möglich  war,  wurde  die  Bestrafung  der  Schul- 
digen sofort  in  Gegenwart  der  Kommission  vollzogen.  War 
das  begangene  Unrecht  schwer,  so  wurde  meistens  „Gassen- 
laufen" verhängt;  die  Strafe  kam  stets  noch  am  Tage  des 
Urteils  zur  Vollstreckung.  Handelte  es  sich  um  Entschädigungen, 
die  womöglich  von  den  Einwohnern  falsch  berechnet  worden 
waren,  so  wurden  sie  von  der  Kommission  richtig  gestellt. 
Die  anerkannten  Ansprüche  der  Geschädigten  wurden  gewöhn- 
lich erst  später  auf  Anordnung  der  Kommission  durch  die 
jew^eiligen  Kreisdeputierten  l^efriedigt ;  diese  hatten  dann  der 
Kommission   von  Zeit   zu   Zeit   darüber   Bericht   zu  erstatten. 


>)  Geh.  Rat  an  Plötz,  25.  April.  HStA.  Loc.  9289.  Die  der  schwed. 
Armee  .  .  .  geschehene  Lieferung  usw. 

2)  Diese  Akten  sind  in  26"' Bänden  im  Hauptstaatsarchiv  zu 
Dresden  zu  finden.  Sie  enthaUen  sehr  viel  interessantes  Material 
besonders  für  Lokalforschungen,  werden  aber  hier  nur  soweit  ver- 
wendet, als  sie  für  die  allgemeine  Lage  in  Sachsen  wichtig  sind. 

3)  „Lilienstjerna  geht  im  A'erein  mit  dem  Kriegsfiscal  sehr  scharf 
zu  Werke".  Plötz  an  Geh.  Rat  von  Friesen,  29.  April  1707.  HStA. 
Loc.  9289.     Die  der  schwed.  Armee  .  .  .  geschehene  Lieferung  usw. 


250 


Arno  Günther: 


Es  ist  ganz  erstaunlich,  was  die  Kommission  in  der  "Zeit 
ihrer  Tätigkeit  geleistet  hat.  Mit  peinlicher  Gewissenhaftig- 
keit wurden  die  Regimentsbücher  durchgesehen,  Aufstellungen 
der  einzelnen  Gemeinden  geprüft  und  Einzelverhöre  vorge- 
nommen, mit  einer  wunderbaren  Geduld  hörten  die  Kommissare 
alles,  auch  die  geringste  Kleinigkeit  an,  sie  scheuten  sich  nicht, 
oft  mehrere  Tage  auf  eine  Sache  zu  verwenden,  um  den  Klägern 
zum  Rechte  zu  verhelfen.  Es  ist  dies  um  so  mehr  anzuerkennen, 
als  sie  ja  das  Recht  für  ein  fremdes  Volk,  mit  dessen  Fürsten 
sie  gekämpft  hatten,  gegenüber  eignen  Landesgenossen  suchten. 
Es  wäre  nicht  zu  verwundern  gewesen,  wenn  sie  aus  diesem 
Grunde  mehr  zu  Gunsten  der  Schweden  geurteilt  hätten,  aber 
überall  lassen  die  Akten  erkennen,  wie  die  Kommissare  be- 
strebt waren,  möglichst  objektiv  zu  verfahren.  Eine  begreif- 
liche Tatsache  ergibt  sich  endlich  auch  noch,  wenn  man  die 
Akten  durchblättert.  Die  Kraft  der  Untersuchungsrichter  er- 
lahmte allmählich,  aufserdem  rückte  die  Zeit  des  Aufbruchs 
des  schwedischen  Heeres  aus  Sachsen  immer  näher  heran; 
es  ist  daher  ganz  erklärlich,  wenn  zum  Ende  hin  die  ganze 
Untersuchuno;  etwas  rascher  und  flüchtig-er  betrieben  worden 
ist.  Aufserdem  drängt  sich  dem  Forscher  noch  eine  weitere 
Wahrnehmung  auf,  die  mit  der  ersten  in  gewissem  Zusammen- 
hange steht. 

Man  gewinnt  aus  den  Akten  über  die  Untersuchung  ganz 
sicher  den  Eindruck,  dafs  —  wie  in  allen  derartigen  Fällen  — 
bei  den  zuerst  an  die  Reihe  gekommenen  Regimentern  genauere 
Untersuchungen  angestellt  und  infolgedessen  auch  zahlreichere 
und  härtere  Strafen  verhängt  worden  sind  als  bei  denen,  die 
später  untersucht  wurden.  Die  Gewohnheit  liefs  auch  hier 
allmählich  eine  mildere  Beurteilung  eintreten. 

Eine  reinliche  Scheidung  zwischen  guten  und  schlechten 
Regimentern  läfst  sich  schwerlich  vollziehen.  Im  allgemeinen 
hat  es  bei  allen  Regimentern  Ausstellungen  gegeben ;  zum 
grofsen  Teil  sind  ihre  Ursachen  jedoch  derart  gewesen,  dafs 
sie  nicht  zu  dauernden  Streitigkeiten  zwischen  Quartiergebern 
und  Soldaten  oder  gar  zu  Gewalttätigkeiten  geführt  haben. 
Einzelne  Regimenter,  wie  z.  B.  das  Görzsche  in  der  Nieder- 
lausitz, das  Taubesche  in  Grofsenhain,  das  Tritzk3'sche  in 
Wittenberg,  hatten  besonders  viel  Exzesse  aufzuweisen  und 
haben  daher  auch  sehr  viel  Strafen   zu  verzeichnen^).     Dem 


')  Eine  Blütenlese  von  Vergehen  sei  aus  den  Untersuchungs- 
akten des  Taubeschen  Regiments  in  Grofsenhain  gegeben.  Vielfach 
laufen  Beschwerden  über  zertrümmertes  Hausgerät  ein;   ein  Bürger 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707.  251 

gegenüber  finden  sich  aber  auch  Regimenter,  so  z.  B.  das 
Nericke-  und  Wermländische  Regiment  in  Schneeberg,  denen 
gute  Zeugnisse  über  musterhafte  Führung  von  den  Einwohnern 
freiwillig  ausgestellt  worden  sind^). 

Im  allgemeinen  kehrten  bei  allen  Regimentern  immer  die- 
selben Klagen  wieder.  Zumeist  bezogen  sie  sich  —  abgesehen 
von  den  in  beträchtlicher  Minderzahl  vorhandenen  Beschwerden 
wegen  direkter  Schädigung  am  Eigentum  oder  wegen  tätlicher 
Vergehen  —  auf  die  Verordnungen  Karls  wegen  der  Verpfle- 
gung und  auf  deren  Überschreitungen.  Diese  waren  nun  aller- 
dings zum  Teil  nicht  unbeträchtlich,  indes  —  wie  wir  bald 
sehen  werden  —  durch  zeitliche  oder  örtliche  Gewohnheiten 
bedino;t.  Natürlich  konnten  die  Schweden  darauf  nur  ganz 
wenig  Rücksicht  nehmen,  da  sie  es  als  Herren  des  Landes 
gar  nicht  nötig  hatten,  sich  um  dessen  Eigenheiten  zu  kümmern. 
Es  ist  daher  ganz  erklärlich,  wenn  im  schwedischen  Haupt- 
quartier Klagen  über  solche  Ausschreitungen  nur  als  ,, Eigen- 
willigkeiten'' bezeichnet  wurden,  um  die  von  den  sächsischen 
Untertanen  viel  mehr  Geschrei  als  nötig  erhoben  worden  sei"-). 
Um  so  mehr  ist  es  aber  anzuerkennen,  dafs  trotz  dieser  An- 
schauung in  den  mafsgebenden  Kreisen  im  Hauptquartier  die 
Untersuchungen  bei  allen  Regimentern  durchgeführt  wurden, 
dafs  man  also  von  Seiten  des  schwedischen  Oberbefehls  un- 
bedingt den  ,, vermeintlichen"  Beschwerden  Gehör  schenkte 
und  Abhilfe  schuf. 

Ein  kurzer  Überblick  über  die  stets  wiederkehrenden, 
typischen  Überschreitungen  ist  nun  hier  darum  am  Platze,  weil 


klagte,  dafs  ein  Dragoner  sein  „Weib  verhuret  und  die  Magd  ge- 
schlagen"; ein  anderer  Dragoner  hat  die  Frau  eines  Bürgers  „mit 
der  Hitzsche  tractiret"  und  Fenster  und  Türen  eingeschlagen;  wieder 
einer  hat  die  Frau  geschlagen  und  die  Magd  bedroht;  der  nächste 
hat  ein  kleines  Mädchen  notzüchtigen  wollen;  ein  fünfter  hat  „die 
Werkstatt  eines  Bürgers  deraoliret",  dessen  „Weib  mehrmals  mit 
Füssen  getreten"  und  ist  dann  sogar  von  dem  Korporal,  der  ihn  ab- 
führen sollte,  zu  weiteren  derartigen  Taten  aufgehetzt  worden.  Ver- 
schiedene andere  haben  Bier  in  die  Zimmer  gegossen,  ,,mit  Brodt 
um  sich  geschmissen",  sind  erst  spät  nachts  oder  gar  frühmorgens 
nach  Hause  gekommen,  sind  mit  dem  Lichte  sehr  unvorsichtig  um- 
gegangen, haben  mit  dem  Degen  die  Schindeln  vom  Dache  gestofsen 
und  dergl.  mehr.  Man  mufs  m  allen  diesen  Fällen  berücksichtigen, 
dafs  sich  die  Soldaten  schon  längere  Zeit  im  Feindesland  befanden 
und  dafs  Kriegszeiten  geschildert  werden,  jedenfalls  bleiben  der- 
artige Fälle  immer  vereinzelt,  sonst  würden  darüber  auch  die  Stadt- 
chroniken ganz  anders  berichten. 

1)  Meltzer  a.  a.  O.  S.  1002. 

-)  Hermelin  an  Palmquist  im  Haag,  10.  Mai.  RA.  St.  Palmquists 
Briefsammluno;. 


252 


Arno  Günther: 


er  zugleich  eine  bescheidene  Einsicht  in  verschiedene  Eigen- 
tümhchkeiten,  besonders  des  sächsischen  Wirtschaftslebens  zu 
jener  Zeit  gewährt. 

Seit  den  Tagen  der  Kipper  und  Wipper  war  eine  all- 
gemeine Verschlechterung  der  Münzen  und  damit  eine  ge- 
wisse Unsicherheit  in  deren  Bewertung  eingetreten.  Die  grofsen 
Kriege  und  der  Grenzverkehr  hatten  dazu  die  Einführung 
minderwertiger  ausländischer  Münzen  erleichtert,  und  diese 
wurden  vielfach  höher  bewertet  als  einheimische.  Allmählich 
machten  die  Münzherren  dem  Unwesen  ein  Ende,  indem  sie 
wieder  an  einem  bestimmten  Münzfufs  festzuhalten  suchten. 

Diese  Bestrebungen  der  Landesfürsten,  den  bisherigen 
Verfall  der  einheimischen  Münzen  wieder  auszugleichen,  zogen 
auf  der  anderen  Seite  das  Sinken  der  ausländischen,  im  Lande 
kursierenden  Münzen  nach  sich.  Die  Folgen  dieses  Gegen- 
satzes kamen  in  Sachsen  während  des  Aufenthalts  der 
Schweden  deutlich  zum  Ausdruck,  In  den  an  der  Grenze 
liegenden  Orten  war  vielfach  auch  die  Münze  aus  den  Nachbar- 
ländern im  Umlauf.  So  kursierte  namentlich  in  den  Gemein- 
den des  erzgebirgischen  Kreises  viel  österreichisches  Geld. 
Die  Schweden  nahmen  es  bei  der  Eintreibung  der  Kontri- 
butionssummen anstatt  des  sächsischen  Geldes  mit  in  Zahlung, 
verlangten  dann  aber  ein  gewisses,  oft  recht  beträchtliches 
Agio.  In  gleicherweise  verfuhren  sie,  wenn  die  fälligen  Summen 
zum  Teil  in  französischer  Münze  gezahlt  wurden^).  Die  Klagen 
der  Untertanen  wurden  in  diesem  Punkte  von  der  Kommission 
nicht  berücksichtigt;  sie  bestand  vielmehr  auf  dem  Buchstaben 
der  Verordnunof,  wonach  die  Zahlung;  der  Kontribution  in  der 
Landesmünze  zu  erfolgen  hatte-).  Hier  wirkten  also  noch  die 
Folsren  der  Münzverschlechterung  und  Wertverwirrung:  aus  dem 
Anfang  des  17.  Jahrhunderts  nach,  und  die  Folgen  davon  mufsten 
die  Untertanen  tragen'^). 

Es  mag  dies  vielleicht  als  eine  gewisse  Härte  erscheinen, 
aber  dagegen  ist  zu  bedenken,  dafs  die  Schweden  als  Herren 
des  Landes  Anspruch  auf  volle  Zahlung  der  geforderten 
Summen  geltend  machen  konnten.   Wenn  sie  dann  in  einzelnen 


^)  In  Reichenbach  wurde  z.  B.  bei  Zahlung  der  Kontributions- 
summe in  französischem  Geld  ein  Agio  von  5  Pfennigen  für  das 
Schock  (Besteuerungseinheit)  verlangt.  Ähnlich  wird  aus  Annaberg, 
Buchholz,  Chemnitz,  Marienberg  usw.  berichtet. 

''')  Als  Münzfufs  galt  damals  in  Sachsen  der  Leipziger  Münzfufs 
vom  Jahre  1690. 

")  Näheres  in  den  Akten  über  die  im  Erzgebirge  liegenden 
Regimenter.    HStA.   Loc.  9292, 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707.  253 

Orten  zur  Erleichterung  dieser  Zahlungen  auch  minderwertiges 
fremdes  Geld  annahmen,  so  war  es  schliefslich  nur  ihr  gutes 
Recht,  darauf  zu  sehen,  dafs  sie  dabei  nicht  in  Nachteil  kamen. 
Gar  zu  übermäfsig  sind  übrigens  die  Agioforderungen  nirgends 
gewesen. 

Ein  weiterer  grofser  Teil  von  Klagen  läfst  sich  ferner 
gleichfalls  auf  einen  in  jener  Zeit  vorhandenen  Übelstand  zu- 
rückführen. Es  fehlte  an  einem  einheitlichen  Mafse.  Eine 
ganze  Reihe  von  Ortschaften  hatte  die  geforderten  Rationen 
und  Portionen  nach  ihrem  eigenen  Mafse  abgemessen,  während 
als  Grundmafs  für  die  Lieferungen  an  die  Schweden  ausdrück- 
lich das  Leipziger  Mafs  vorgeschrieben  war.  Viele  schwedische 
Offiziere  richteten  sich  nun  aber  auch  nicht  danach,  sondern 
beanspruchten  die  Zumessung  nach  ihrem  schwedischen  Mafs, 
wodurch  die  Untertanen  noch  mehr  in  Nachteil  kamen').  Diese 
Differenzen  hatten  häufig  sogar  zu  Ausschreitungen  geführt, 
und  Klagen  wegen  der  ,,Übermafse",  wie  es  in  den  Klage- 
schriften hiefs,  wurden  der  Kommission  von  den  Untertanen 
bei  jedem  Regiment  vorgelegt.  Alle  Beschwerden,  die  sich 
auf  diese  ,,Übermafse"  bezogen,  wurden  in  der  Weise  erledigt, 
dafs  alle  Mafse  auf  Leipziger  Kannen,  Pfunde  und  Scheffel 
umgerechnet  wurden  und  die  den  Schweden  zuteil  gewordenen 
MehrHeferungen  aus  den  Regimentskassen  mit  Geld  vergütet 
werden  sollten'-).  Die  Durchführung  dieser  Bestimmung  in  den 
einzelnen  Orten,  die  oft  viel  Zeit  kostete,  wurde  den  Deputierten 
des  betr.  Kreises  übertragen.  Diese  waren  auch  gehörig  darauf 
bedacht,  dafs  jedem  geschädigten  Untertanen  Ersatz  geleistet 
wurde,  und  erstatteten  darüber  sofort  Bericht  an  die  Kom- 
mission, namentlich  wenn  wegen  der  Zahlungen  aus  der  Re- 
gimentskasse Schwierigkeiten  eintraten.  So  erhielten  alle,  die 
sich  wegen  der  ,,Übermafse"  beschwert  hatten,  wenigstens 
gewisse  Geldentschädigungen  für  ihre  Verluste, 

Eben  infolge  dieser  oft  beträchtlichen  ,,Übermafse"  stellte 
sich  auch  frühzeitig  ein  erheblicher  Mangel  an  Nahrungsmitteln 
ein.  Freilich  wurde  er  von  verschiedenen  Seiten  auch  in  ganz 
übertriebener  Weise  dargestellt,  und  darüber  waren  die  schwe- 
dischen Offiziere,  wie  leicht  zu  begreifen  ist,  sehr  entrüstet. 


1)  5  Pfund  Leipziger  Mafs  =;  4  Pfund  schwedisches  Mafs.  Wenn 
also  die  schwedischen  Oftiziere  die  Zumessung  nach  ihrem  schwe- 
dischen Mafs  verlangten ,   so  war  dies  für  die  Untertanen  sehr  hart. 

-)  Berichte  LiUenstjernas  (undatiert).  HStA.  Loc.  9289.  Die  der 
schwed.  Armee  seit  der  Einrückung  .  .  .  geschehene  Lieferung  an 
Proviant  usw.  —  Vgl.  auch  die  Nebeninstruktion  für  Plötz.  HStA. 
Loc.  9288.  Die  aus  dem  geh.  Concilio  .  .  .  nach  Leipzig  geschickten 
Beschwerden  vol.  III. 


254 


Arno  Günther: 


Wenn  nun  infolge  dieses  tatsächlichen  oder  auch  nur  vorge- 
gebenen Mangels  die  Schweden  zum  Hilfsmittel  der  Exekution 
griffen,  vim  die  Befriedigung  ihrer  Forderungen  zu  erlangen, 
dann  waren  Ausschreitungen,  wie  sie  früher  geschildert  worden 
sind,  oft  unvermeidlich,  besonders  wenn  die  von  der  Exeku- 
tion Betroffenen  durch  ihre  eigene  Widersetzlichkeit  noch 
Anlafs  dazu  gaben. 

Es  ergibt  sich  also,  dafs  alle  Klagen  über  das  Betragen 
der  schwedischen  Soldaten  auf  wirtschaftliche  Ursachen 
zurückzuführen  sind.  Auf  diesem  Gebiet  mufsten  zuerst  die 
Schäden  aufgedeckt  und  abgestellt  werden,  wenn  anders  die 
Tätigkeit  der  Kommission  erspriefslich  sein  sollte.  Es  zeugt 
daher  von  einer  klaren  Urteilskraft  des  Vorsitzenden  der 
Kommission,  des  Generalauditeurs  Lilienstjerna,  dafs  er  die 
wirklichen  Ursachen  der  allgemeinen  Unzufriedenheit  erkannte 
und  ihrer  Beseitigung  seine  hauptsächliche  Aufmerksamkeit 
zuwandte.  Mit  grofsem  Eifer  ging  er  namentlich  auf  die  Über- 
griffe bei  den  Exekutionen  näher  ein.  Hierbei  sprach  er 
wiederholt  die  Mahnung  aus,  die  Leiter  der  Exekution  sollten 
in  zukünftigen  Fällen  unter  allen  Umständen  die  Armut  der 
Einwohner  berücksichtigen.  Auf  diese  Weise  beugte  er  Wieder- 
holungen der  unmäfsigen  Forderungen  vor,  wie  sie  mehrfach 
bei  dieser  Gelegenheit  vorgekommen  waren.  Andererseits 
verordnete  er,  besonders  für  die  Offiziere,  bare  Begleichung 
des  von  ihnen  gemachten  Aufwands,  kündigte  Ersatz  alles  be- 
schädigten Eigentums  an  und  verhiefs  Bezahlung  der  wegge- 
nommenen Pferde  und  des  andern  Viehs.  Durch  solche  Be- 
stimmunofen  waren  die  wirtschaftlichen  Verluste  der  Einwohner 
des  Landes  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ersetzt, 
und  damit  ward  die  allgemeine  Unzufriedenheit  wesentlich 
behoben.  Vielfach  waren  die  Untertanen  in  ihrem  Ansinnen 
an  das  schwedische  Hauptquartier  aber  auch  zu  weit  gegangen; 
so  hatten  verschiedene  Gemeinden  um  Rückgabe  der  beschlag- 
nahmten Steuerkassen  gebeten,  die  doch  auf  direkten  Befehl 
Karls  eingezogen  worden  waren;  von  anderer  Seite  wieder 
war  um  Erlafs  der  Kontributionen  für  die  Monate  September 
und  Oktober  1706  ersucht  worden,  weil  die  Schweden  damals 
noch  gar  nicht  im  Lande  disloziert  gewesen  seien  ^).  Aber  auch 
hier  lag  eine  königliche  Bestimmung  vor,  gegen  die  natürlich 
kein  Einwand  half. 

Sonst  aber  war  die  Untersuchungskommission  den  Be- 
schwerden aller    Art    zugänglich    und    leistete,    sobald    deren 

1)  Ebenda. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707.  255 

Berechtigung  festgestellt  war,  Gewähr  für  Abhülfe.  Bei  jedem 
Reo-iment  wurden  allgemeine  und  besondere  Beschwerden  un- 
terschieden.  Die  erste  Art  —  sie  begriff  die  eben  behandelten 
bei  jedem  Regimente  wiederkehrenden  Klagen  in  sich  —  wurde 
beim  Beginn  der  Untersuchung  in  Grofsenhain  ein  für  allemal 
entschieden.  In  Bezug  auf  diese  Klagen  beschränkte  sich 
Lilienstjerna  bei  allen  anderen  Regimentern  auf  eine  kurze 
Wiederholung  der  dort  getroffenen  Entscheidungen.  Auf  diese 
Weise  gewann  er  Zeit,  die  er  dann  besser  für  die  Erörterung 
der  ,,Spezialgravamina"  verwenden  konnte,  und  hierbei  zeigte 
er  grofsen  Gerechtigkeitssinn.  Eifrig  sorgte  der  Generalauditeur 
auch  dafür,  dafs  den  sächsischen  Deputierten,  denen  die  ge- 
naue Durchführung  der  Kommissionsentscheidungen  in  ihrem 
jeweiUgen  Kreise  anvertraut  war,  von  den  schwedischen  Offi- 
zieren dabei  nicht  etwa  ungehöriger  Widerstand  entgegen- 
gesetzt wurde.  Daher  hefs  er  sich  wiederholt  über  die  Fort- 
schritte der  Tätigkeit  der  Deputierten  sowie  über  alle  weitern 
Vorkommnisse  bei  den  einzelnen  Regimentern  Bericht  er- 
statten') und  erliefs  strenge  Befehle  zu  unbedingter  Befolgung 
seiner  Vorschriften,  sobald  ihm  Klagen  wegen  Widersetzhch- 
keit  zu  Ohren  gekommen  waren. 

Schon  zu  Beginn  der  Untersuchungen  merkte  man  es  im 
schwedischen  Heere,  wie  straff  Lilienstjerna  vorging.  Den 
einzelnen  Abteilungen  der  Regimenter,  die  sich  besondere  Aus- 
schreitungen hatten  zu  schulden  kommen  lassen,  war  es  daher 
nicht  sonderlich  wohl  zu  Mute.  Deshalb  suchten  sie,  um  bei 
der  Untersuchungskommission  gut  durchzukommen,  ihre  Quar- 
tiergeber durch  Drohungen  einzuschüchtern  und  dadurch  gute 
Zeugnisse  für  sich  zu  erpressen-).  Aber  durch  die  Aufmerksam- 
keit der  Kreisdeputierten  wurde  ihr  Vorhaben  zumeist  entdeckt 
und  davon  dem  Generalauditeur  Mitteilung  gemacht,  der  nun 
natürlich  gerade  auf  derartige  Leute  sein  besonderes  Augen- 
merk richtete'^).  Die  Einwohner  des  Landes  nahmen  dies  mit 
Befriedigung  wahr  und  brachten  daher  auch  vertrauensvoll 
ihre  Beschwerden  vor. 

Im  ganzen  waren  sie  auch  mit  der  Tätigkeit  der  Kom- 
mission einverstanden.  Sie  waren  überzeugt,  dafs  die  schwe- 
dische Heeresleitung  den  guten  Willen  hatte,  jede  ihnen  zu- 
gefügte Unbill  zu  bestrafen  und,  soweit  dies  möglich  war,  jeden 


1)  Plötz  an  die  Delegierten,  24.  Juli.  HStA.  Loc.  3541.  Den 
zwischen  .  .  .  Polen  und  der  Krone  Schweden  .  .  .  geschlossenen 
Frieden  betr.  vol.  III. 

'-)  Vgl.  dazu  die  Akten  der  einzelnen  Regimenter. 

^)  Desgleichen. 


256  Arno  Günther: 

Schaden  zu  ersetzen;  und  so  stellte  es  sich  denn  am  Schlüsse 
der  Untersuchungen  heraus,  dafs  die  Lage  der  Einwohner 
Sachsens  in  wirtschaftlicher  Beziehung  zwar  recht  bedenklich 
w'ar,  dafs  aber  im  übrigen  wirklich  schwere  Exzesse  der  Schwe- 
den nicht  so  häufig  vorgefallen  waren,  wie  es  anfangs  den 
Anschein  hatte,  dafs  vielmehr  das  Verhältnis  der  Einwohner 
zu  den  Schweden  —  natürlich  unter  Berücksichtigung  der 
besonderen  Verhältnisse  und  der  kriegerischen  Zeit  — ■  gar  wohl 
erträglich  zu  nennen  war. 


Die  Gründe,  weshalb  sich  die  Klagen  der  Einwohner 
namentlich  im  Jahre  1707  immer  häufiger  einstellten,  waren 
doppelter  Art.  Einmal  erschlaff'te,  wie  wir  bereits  sahen,  infolge 
der  langen  Ruhe  und  guten  Verpflegung  das  schwedische  Heer 
in  nicht  geringem  Mafse.  Dann  aber  kommt  neben  diesem 
mehr  inneren  Grund  noch  ein  zw^eiter,  äufserer  in  Betracht,, 
der  wie  die  erwähnten  wirtschaftlichen  Mifsstände  zeitt3'pisch 
ist:  die  Art,  die  im  Heere  entstandenen  Lücken  zu 
ergänzen.  Es  ist  sicher  nicht  zu  viel  behauptet,  wenn  wir 
das  Söldnerwesen  für  die  Erschlaffung  der  alten  Sitte  im  schwe- 
dischen Heere  mit  verantwortlich  machen;  denn  vielfach  ent- 
stammten die  Neuangeworbenen  allerlei  umherstreifendem, 
abenteuerlustigem  Gesindel,  das  natürlich  keine  Ahnung  von 
der  Zucht  und  Ordnung  des  schwedischen  Heeres  hatte,  aber 
durch  sein  verderbliches  Beispiel,  durch  sein  ungezügeltes 
Leben  ein  Vorbild  im  schlechten  Sinne  gab.  Indes  die  Ergän- 
zung des  Heeres  war  notwendig,  und  so  mufste  eben  dieses 
Übel  mit  in  Kauf  genommen  werden. 

Die  einzelnen  Kompagnien  in  Karls  Regimentern  waren 
beim  Einmarsch  in  Sachsen  zum  Teil  stark  zusammenge- 
schmolzen; neue  Anwerbungen  zur  Ausfüllung  der  Lücken 
machten  sich  also  unbedingt  nötig.  Gerade  die  Ruhezeit  in 
Sachsen  konnte  dazu  gut  angewandt  werden.  Karl  stellte  daher 
für  die  einzelnen  Regimenter  Patente  mit  der  Erlaubnis  zu 
Truppenanwerbungen  aus. 

Es  sind  bisher  in  den  geschichtlichen  Darstellungen  dieser 
Zeit  über  die  Werbungen  der  Schweden  während  ihres  Aufent- 
haites  in  Sachsen  nur  sehr  spärliche,  zum  Teil  auch  unrichtige^) 
Angaben  gemacht  worden,  so  dafs  es  wohl  dringend  geboten, 
erscheint,  hier  auch  diese  Frage  zu  untersuchen  und  zu  einer 
endgültigen  Entscheidung  zu  bringen. 


^)  So  z.  B,  bei  Friesen  a.  a.  O.  S.  23. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706  — 1707.  257 

Karl  sagte  sich  nun  freilich  selbst,  dafs  ein  Heer,  dessen 
Bestandteile  sich  aus  Angehörigen  aller  Herren  Länder  zu- 
sammensetzte, nicht  in  der  Weise  brauchbar  sein  werde,  wie 
er  es  wünschte,  und  daher  liefs  er  an  siebzehn  Regimenter 
die  Weisung  ergehen,  durch  Werbungen  in  Schweden  die  Lücken 
in  ihren  Reihen  auszufüllen^).  Auf  diese  Weise  blieb  dann 
wenigstens  der  Stamm  des  Heeres  rein  schwedisch  und  damit 
auch  zuverlässiger  als  die  anderswo  angeworbenen  Truppen ; 
denn  es  ist  ganz  klar,  dafs  die  Untertanen  im  Heere  für  ihren 
König  ganz  anders  fochten  als  geworbene  Söldner.  Die  in 
Schweden  ausgehobenen  Truppen  wurden  auch  in  ihrer  Heimat 
eingekleidet-);  diese  kostspieligen  Ausgaben  mutete  Karl  also 
den  entkräfteten  Kursachsen  nicht  zu,  da  er  das,  was  das  Land 
zu  leisten  noch  imstande  war,  zur  Verpflegung  seines  Heeres 
brauchte.  Die  Werbungen  wurden  noch  in  den  Wintermonaten 
des  Jahres  1706  vorgenommen.  Mit  Beginn  des  Frühjahrs 
sollten  das  Werbegeschäft  und  die  Einkleidung  so  weit  gediehen 
sein,  dafs  die  neuen  Mannschaften  nach  Pommern  übergeführt 
werden  konnten^).  Karl  rechnete  also  darauf,  im  Frühjahr 
bereits  aus  Sachsen  aufbrechen  zu  können,  und  wollte  dann 
•die  Ergänzungsmannschaften  bereits  fertig  zum  Eintritt  ins 
Heer  in  Pommern  vorfinden,  um  sich  mit  diesen  neuen  Kräften 
alsbald  gegen  Rufsland  wenden  zu  können;  ein  Plan,  der  jedoch 
einige  Monate  hinausgeschoben  werden  mufstc*). 

Da  nun  aber  die  Aushebungen  in  Schweden  nicht  genügten, 
sah  sich  Karl  g^enötiort,  auch  diesseits  der  Ostsee  die  Werbe- 
trommel  rühren  zu  lassen.  Er  liefs  daher  auch  den  Obersten 
der  übrigen  acht  in  Sachsen  stehenden"'),  sowie  der  in  der 
Schlacht  bei  Kaiisch'')  so  arg  mitgenommenen,  in  Polen  über- 
winternden Regimenter  Werbepatente  ausstellen,  die  zumeist 
auf  eine  bestimmte  Anzahl  anzuwerbender  Leute  lauteten. 
Aufserdem  wurden  jedem  dieser  Regimentsobersten  ausführliche 
,, Kapitulationen"  zugesandt,  worin  die  näheren  Bestimmungen 


1)  Patent  vom  ^  Nov.     RA.  St.     Reichsregistratur  von  1 706. 

'  .  '~  1  30  Nov 

2)  Karl  an  die  Defensionskommission  ni  Stockholm,  ^^'  p^^" 
Ebenda. 

^)  Ebenda. 

•*)  Die  Gründe,  die  Karls  Aufbruch  bis  zum  Sommer  hinaus- 
schoben, waren  die  verzögerte  Ratifikation  des  Friedens  zu  Altran- 
städt  durch  August,  sowie'der  Konflikt  mit  dem  Kaiser  Joseph.  Über 
diesen  Konflikt  vgl.  die  ausgezeichnete  Arbeit  von  E.  Carlson, 
Karl  och  kejsaren  1707.     Hist^Tidskrift  17.  Jahrg.  1897. 

^)  Die  Regimenter  der  Obersten  Görz,  Taube,  Düker,  J.  Sper- 
ling, Tritzky,  Buchwald  und  des  Generals  Meyerfeld. 

*^)  Am  29.  Oktober  1706. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     3.  4.  ^7 


2c8  Arno  Günther: 

für  die  Werbung,  Einkleidung,  Einstellung  ins  Regiment  usw. 
enthalten  waren.  Es  ist  in  hohem  Grade  auffällig,  dafs  sich  in 
allen  diesen  Kapitulationen  ausdrücklich  die  Weisung  ündet, 
keine  Sachsen  anzuwerben,  während  sonst  die  Nationalität 
der  Anzuwerbenden  völlig  gleichgültig  ist^).  Ein  Grund  zu 
dieser  Ausnahmebestimmung  wird  nicht  angegeben,  doch  läfst 
sich  leicht  auf  ihn  schliefsen.  Karl  kannte  das  Material  des 
sächsischen  Heeres  zur  Genüge,  um  es  gründlich  zu  verachten; 
er  wufste,  dafs  aus  dessen  Reihen  unzählige  Mannschaften  deser- 
tiert waren,  er  hatte  Proben  von  der  Zuchtlosigkeit  dieser  Leute 
mehrfach  erhalten.  Nichts  lag  nun  aber  näher,  als  dafs  gerade 
diese  Deserteure  im  schwedischen  Heere  Dienst  zu  finden 
suchten;  denn  Karls  Ansehen  war  infolge  der  siegreichen 
Schlachten,  die  er  die  Jahre  daher  geliefert  hatte,  bei  den 
Soldaten  aller  Nationen  bedeutend  gestiegen  und  dies  ganz 
besonders  bei  den  Sachsen,  die  ihm  ja  mehrfach  gegenüber 
gestanden  hatten.  Hier  erwarteten  diese  Leute  ein  lustiges 
Söldnerleben,  Zeiten  der  Freude  und  Lust  nach  herrlichen 
Siegen  und  reichlichen  Gewinn  aus  der  Beute  in  den  Schlachten. 
Aber  eben  das  wufste  Karl  von  den  Sachsen,  und  darum  mochte 
er  sie  nicht  unter  seinen  Fahnen  dulden.  Zwar  konnte  er  das 
Gleiche  auch  von  den  Söldnern  andrer  Nationen  erwarten, 
aber  da  hatte  er  noch  keine  derartig  schlimme  Wahrnehmungen 
gemacht  wie  bei  den  Sachsen.  Aufserdem  lag  auch  bei  den 
Sachsen  die  Gefahr  nahe,  bald  wieder  zu  desertieren,  da  sie 
ja  in  ihrem  Heimatlande  waren.  Deshalb  verzichtete  Karl  auf 
die  Sachsen,  liefs  aber  sonst  in  ganz  Deutschland  eifrig  werben-), 
was  allenthalben  grofse  Besorgnis  vor  weitern  Plänen  Karls 
—  besonders  einer  Unterstützung  Frankreichs  im  spanischen 
Erbfolgekriege  —  hervorrieft). 

Trotz  Karls  ausdrücklichem  Verbot  waren  aber  doch  auch 
Sachsen  angeworben  worden.  Besonders  der  Oberst  Görz,  ein. 
ehemaliger  sächsischer  Offizier,  hatte  wider  die  Vorschriften 
des  Königs  gehandelt.  Er  hatte  in  der  weitern  Umgebung 
von  Merseburg  und  in  der  Niederlausitz  Werbezettel  mit  den 
gewöhnlichen  prahlerischen  Redensarten  anschlagen  lassen  und 


')  Kapitulation  für  Görz  usw.  RA.  St.  Reichsregi.stratur  1706. 
—  Vgl  dazu  den  Brief  Hermelins  an  den  schwed.  Gesandten  im  Haag- 

vom  ^  Dez.  1706.    RA.  St.    Palmquists  Briefsammlung. 

-')  Bericht  des  Sachs.  Residenten  Ebersbach  aus  Hamburg,  16. Feb- 
ruar 1707.  HStA.  Loc.  3541.  Den  zwischen  .  .  .  Fohlen  und  .  .  . 
Schweden  geschlossenen  Frieden  1706  betr.  vol.  II. 

^)  Palmquist  an  Karl,  im  November  (undatiert,  nur  Monatsan- 
gabe) 1706.    RA.  St.    Acta  hollandica. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706 — 1707.  259 

keinen  geringen  Zulauf  gehabt  ^).  Auch  andere  Regiments- 
obersten haben  vielleicht  einzelne  Sachsen  angeworben ;  aber 
ausgebeutet  wurde  das  Land  in  dieser  Beziehung  auf  keinen 
Fall.  Alle  derartigen  Darstellungen  der  Werbungen  der  Schwe- 
den sind  schief,  denn  sie  sind  nicht  auf  die  hier  zum  ersten 
Male  benutzten  schwedischen  Quellen  gegründet,  die  weiterhin 
auch  durch  bisher  unbenutztes  sächsisches  Material  trefflich 
gestützt  werden.  Schwerlich  dürfte  sich  übrigens  auch  ein 
Beweis  dafür  erbringen  lassen,  dafs  sächsische  Untertanen  mit 
Gewalt  in  die  schwedischen  Uniformen  gesteckt  worden  sind. 
Im  ganzen  sind  aus  Sachsen  nur  verhältnismäfsig  wenig  Leute 
—  etwa  1500 — 2000  Mann-}  —  angeworben  worden.  Wer  zu 
den  Fahnen  Karls  eilte,  tat  es  hier  freiwillig.  Im  allgemeinen 
wurde  aber  die  Vorschrift  Karls  wegen  der  Sachsen  von  den 
Regimentsobersten  genau  befolgt  und  auf  deren  Anfrage  bei 
Karl  auch  noch  auf  das  Vogtland  und  auf  die  ernestinischen 
Nachbarländer  ausgedehnt'^).  Dafs  natürlich  trotzdem  auch 
aus  diesen  Gegenden  einzelne  Leute  von  den  Schweden  das 
Handgeld  angenommen  hatten,  ist  sehr  w-ahrscheinlich.  Der 
Zulauf  zu  den  Werbestellen  war  so  stark,  dafs  im  einzelnen 
die  Nationalität  jedes  Dienstwilligen  gar  nicht  so  genau  unter- 
sucht worden  ist.    Der  Kriegsruhm  Karls  lockte  gew^altig  zum 


1)  Geh.  Rat  Zech  an  Piper,  6.  Dezember  1706.  RA.  St.  Akten 
über  den  Frieden  zu  Altranstädt  —  Geh.  Rat  an  August,  8.  und 
10.  Januar  1707.  HStA.  Loc.  3541.  Den  zwischen  .  .  .  Fohlen  und 
.  .  .  Schweden  geschlossenen  Frieden  1706  vol.  II,  und  Loc.  9319. 
Das  6.  Buch,  den  Krieg  zwischen  Fohlen  und  Schweden  1706   betr. 

'-)  Das  o;eht  u.  a.  aus  einem  Schreiben  des  Sachs.  Generals  Röbel 
hervor,  der  die  Bitte  um  eine  Erleichterung  der  schwed.  Forderungen 
u.  a.  damit  begründet,  dafs  „aus  dem  Lande  über  1000  Mann  hin 
und  wieder  angeworben,  auch  über  400  immittelst  Desertirte  in  kgl. 
schwed.  Dienste  angenommen"  seien  (i.  April  1707);  in  einem  zweiten 
Schreiben,  das  der  gleichen  Sache  diente  und  die  Not  des  Landes 
in  stärkeren  Farben  malt,  weil  das  erste  Schreiben  erfolglos  war, 
spricht  er  gar  von  „einigen  Tausend  gebohrenen  Sachsen"  (30.  April). 
Von  den  schwed.  Obersten  hat  nachweislich  nur  Görz  Sachsen  an- 
geworben. Es  kann  auch  möglich  sein  und  ist  sogar  wahrscheinlich, 
dafs  Sachsen  auch  bei  anderen  Regimentern  —  vielleicht  gar  unter 
falscher  Nationalitätsangabe  —  eingestellt  wurden;  aber  mehr  als 
1500  —  2000  können  es  nicht  gewesen  sein.  Sonst  hätte  General  Röbel 
anders  geschrieben,  sonst  würde  auch  wenigstens  die  eine  oder  die 
andere  Chronik  darüber  etwas  verlauten  lassen.  Jedenfalls  ist  es  an 
der  Zeit,  dafs  auf  Grund  der  benutzten,  quell enmäfsigen  Belege  mit 
dem  immer  wiederkehrenden,  zuletzt  noch  von  Friesen  (a.  a.  O. 
S.  23)  wiederholten  Märchen,  Karl  habe  etwa  20000  Mann  (!)  aus 
Sachsen  angeworben  —  gründlich  aufgeräumt  wird. 

'■^)  Karls  Erlafs  vom  ^^"  J^ni  1707.   RA.  St.   Reichsregistratur  1707. 


17 


200  Arno  Günther: 

Dienst  unter  seinen  Fahnen'),  und  so  konnten  die  Regimenter 
bald  wieder  ,,auf  den  completten  Stand"  ergänzt  werden.  In 
mehreren  Fällen  waren  die  Kapitulationen  bedeutend  über- 
schritten worden,  manche  Obersten  hatten  bis  zu  600  Mann 
darüber  eingestellt,  so  dafs  sich  Karl  schliefslich  gegen  weitere 
Werbungen  einzuschreiten  genötigt  sah-).  Es  ist  daher  ganz 
erklärlich,  wenn  die  Armee,  die  bei  ihrem  Einrücken  nach 
Sachsen  etwas  über  20000  Mann  zählte,  das  Land  im  August 
1707  in  einer  Stärke  von  mehr  als  32000  Mann  verliefs"^). 
,, Abgemattet,  abgerissen  sogar  die  Offiziere,  die  Mannschaift 
mager  und  gelb,  Zigeunern  nicht  unähnlich*)",  so  hatten  die 
schwedischen  Truppen  am  5.  September  1706  die  sächsische 
Grenze  bei  Krumelse  überschritten.  Wohlgenährt  und  wohl- 
gekleidet, frisch  und  kräftig,  falls  sie  nicht  allzusehr  dem  Ge- 
nüsse des  Weines  und  der  Liebe  verfallen  waren,  verliefsen 
.sie  das  Land  nach  einer  Erholungszeit  von  einem  vollen  Jahre. 
Was  Karl  gewollt  hatte,  war  erreicht.  Sein  Heer  war  für 
neue  Kämpfe  und  Entbehrungen  vielleicht  nur  zu  sehr  gepflegt 
und  gekräftigt. 

Seit  Juni  1707  musterte  der  König  die  einzelnen  Regi- 
menter''); das  sicherste  Zeichen  für  den  baldigen  Aufbruch, 
Als  dieses  Geschäft  zur  Zufriedenheit  Karls  beendet  war,  erliefs 
er  im  Juli  an  sämtHche  Gemeinden  Sachsens  Patente,  worin 
er  davor  warnte,  schwedische  Deserteure  zu  verbergen,  und 
vielmehr  Belohnung  für  Einlieferung  etwa  entlaufener  Soldaten 
versprach*').  Er  rechnete  mit  dem  Wankelmut  der  Söldner, 
denn  er  sagte  sich  offenbar  selbst,  dafs  vielen  von  ihnen  die 
Zucht  im  schwedischen  Heere  nicht  behagen  werde.  Um  sich 
aber  vor  gröfserem  Schaden  durch  Desertieren  zu  bewahren. 


1)  Erdmanns  dör  ff  er,  Deutsche  Geschichte  vom  westfälischen 
Frieden  usw.  II,  245  —  E.  Carlson,  om  Karl  XII  :  s  vistelse  i  Saxen 
(1878)  S.  13.  —  Zechlin,  Die  Schlacht  bei  Fraustadt.  Ztschr.  der 
hist.  Ges.  für  die  Prov.  Posen  XI  (1896),  223. 

-)  Hermelin  an  Palmquist,  10.  Mai  1707.  RA.  St.  Palmquists 
Briefsammlung. 

^}  Nach  dem  Briefe  eines  jungen  Schweden  in  Leipzig,  der  in 
hohen  schwed.  Kreisen  Verwandte  hatte  und  mit  Mito;liedern  des 
Hauptquartiers  befreundet  war,  waren  es  genau  32136  IVlann.  Djeser 
Brief  ist  abgedruckt  in  Hist.  Tidskr.  IV  (1884),  183. 

*)  Berichte  aus  Glogau  vom  2.  und  4.  September  1706.  Zitiert 
nach  Noorden,  Europäische  Ge.schichte  im  18.  Jahrh.  I,  2,  536. 

•'')  Hofrat  Frauendorf  an  Herzog  Moritz  Wilhelm  von  Sachsen- 
Zeitz,  4  Juni.  HStA.  Loc,  9289.  Acta,  die  .  .  .  durch  Hofrat  Frauen- 
dorf .  .  .  gepflogene  geh.  Corr.  vol.  II. 

^)  Erlafs  vom  t6.  Juli.  HStA.  Loc.  3541.  Den  zwischen  .  .  . 
Pohlen  und  Schweden  geschlossenen  Frieden  betr.  vol.  III. 


Das  schwedische  Heer  in  Sachsen  1706 — 1707.  261 

suchte  er  durch  dieses  Patent  die  Unterstützung  der  Bewohner- 
schaft Sachsens  zu  gewinnen.  Er  gelangte  auch  völlig  zu  seinem 
Zwecke,  denn  die  Entlaufenen  wurden  gewöhnlich  wieder  ein- 
gebracht^), schon  weil  die  Einwohner  froh  waren,  die  drückende 
Einqviartierung  und  auch  jede  Berührung  mit  dem  schwedischen 
Heere  los  zu  werden. 

Anfang  August  ergingen  an  die  einzelnen  Regimenter  die 
Bestimmungen  für  den  Ausmarsch -).  Auch  hierin  zeigte  sich 
wieder  deutlich  Karls  Bestreben,  jeder  Ausschreitung  vorzu- 
beugen, Zucht  und  Ordnung  zu  halten,  bis  der  letzte  schwe- 
dische Soldat  den  Boden  Sachsens  verlassen  hatte.  Die  Ver- 
ordnungen waren  wieder  wie  stets  sorgfältig  bis  ins  einzelne 
durchgearbeitet.  Unter  Begleitung  sächsischer  Kommissarien 
brachen  die  Regimenter  nach  Schlesien  auf.  Diese  hatten  in 
erster  Linie  die  Quartiere  zu  versorgen  und  zwar  derart,  dafs 
jedes  Regiment  zu  Pferd  24,  jedes  Regiment  zu  Fufs  16  Dörfer 
als  Quartierstand  erhielt^).  Die  w-iederum  reichHch  bemessene 
Verpflegung  auf  dem  ganzen  Wege  bestand  für  die  Mann- 
schaften aus  Zwieback  und  Fleisch,  für  die  Pferde  aus  Heu 
und  Hafer. 

Zur  Erleichterung  der  Aufbringung  der  Fourage  waren 
an  verschiedenen  Stellen  des  Landes  Magazine  errichtet  worden, 
wohin  die  einzelnen  Untertanen  den  auf  sie  entfallenden  Teil 
zu  liefern  hatten.  Was  an  Speise  und  Trank  von  den  Mann- 
schaften mehr  gefordert  wurde,  mufste  sofort  bezahlt  werden. 
Allen  Regimentern  war  selbstverständlich  aufserdem  strengste 
Ordnung  zur  Pflicht  gemacht  worden. 

Nach  einem  allgemeinen  Bufs-  und  Bettag  am  19.  August 
begann  die  Bewegung  des  Heeres  zur  Grenze^).  Aus  allen 
Gegenden  brachen  die  Regimenter  auf,  überschritten  bei  Meifsen 
die  Elbe  und  vereinigten  sich  zum  Gros  in  der  Niederlausitz  ^). 
Der  König  überwachte  von  Altranstädt  aus  den  Abmarsch  des 


*)  Beispiele  finden  sich  ebenda. 

-)  Erlafs  vom  10.  August.  HStA.  Loc.  9290.  Drei  Bücher,  der 
schwed.  Armee  Verpflegung  vol.  III. 

^)  Ebenda. 

■*)  Cederhiehn  an  Palmquist,  ^''  August.    RA.  St.    Briefe  Ceder- 

hielms.  —  Bericht  Frauendorfs  an  Herzog  Moritz  Wilhelm  von  S. 
Zeitz,  20.  August.  HStA.  Loc.  9289.  Acta,  die  .  .  .  durch  Hofrat 
Frauendorf  .  .  .  gepflogene  geh.  Corr.  vol.  II. 

^)  Marschroute  der  schwed.  Regimenter.  HStA.  Loc.  9290.  Die 
Absendung  an  Karl,  insonderheit  des  Stifts  Naumburg  halber  ge- 
schehen vol.  III. 


262  Arno  Günther: 

Heeres  ^).  Der  Kammerrat  von  Plötz,  das  verdienstvolle  Mit- 
glied der  schwedischen  Untersuchungskommission,  verblieb  im 
Hauptquartier  bis  zu  dessen  Aufbruch  und  begleitete  es  dann 
bis  nach  Schlesien-).  Die  kurze  Zeit,  die  noch  übrig  war, 
bevor  die  letzten  Schweden  das  kursächsische  Gebiet  verlassen 
hatten,  wvirde  von  ihm  und  den  anderen  Kommissionsmitgliedern 
zur  Beitreibung  der  letzten  noch  rückständigen  Entschädigungs- 
summen aus  den  verschiedenen  Regimentskassen  eifrig  aus- 
genutzt'^). Am  I.  September  brach  endlich  auch  Karl  auf; 
seinen  Weg  nahm  er  über  Liebertwolkwitz,  Grimma,  Mügeln, 
Jahna  bei  Meilsen  —  von  hier  aus  machte  er  den  viel  be- 
sprochenen Abstecher  nach  Dresden  — ,  dann  über  Bischofs- 
werda.  Rottewitsch  nach  Schlesien^).  Der  Aus  marsch  ging, 
abgesehen  von  Kleinigkeiten,  glatt  von  statten.  Nur  jenseits 
der  Grenze  hatten  die  sächsischen  Kommissare  ihre  Not,  die 
von  den  Schweden  bis  zur  Grenze  geliehenen  Vorspannpierde 
wieder  zu  erhalten  oder,  falls  diese  infolge  der  Strapazen  um- 
gestanden waren,  dafür  eine  gewisse  Geldentschädigung  zu 
bekommen'^).  Aber  auch  hier  hielt  der  König  darauf,  dafs  jeder 
Verlust  den  sächsischen  Untertanen  vergütet  wurde.  Der  Kam- 
merrat Plötz  verabschiedete  sich  nicht  eher  von  Karl,  als  bis 
alles  geschlichtet  war. 

Am  8.  September  1707  kam  Karl  in  Steinau  wieder  an, 
wo  er  am  i.  September  des  Jahres  vorher  die  Oder  über- 
schritten hatte,  um  sein  Heer  nach  Sachsen  zu  führen.  Der 
Zweck  dieses  Zuges  war  erfüllt.  Auf  Jahre  hinaus  lag  Sachsen 
wirtschaftlich   darnieder*'),    auf  Jahre    hinaus    konnte    August 


•  1 7 

1)  Cederhielm  an  Palmquist,  -  August.  RA.  St.  Briefe  Ceder- 
hielms. 

-)  Instruktion  an  Plötz  vom  13.  August. 

'^)  Mehrere  Mahnungen  Plötzen s  aus  dem  Monat  August.  HStA. 
Log.  3541.  Den  zwischen  .  .  .  Pohlen  und  .  .  .  Schweden  geschlos- 
senen Frieden  betr.  vol  III. 

*)  Vgl.  oben  S.  261  Anm.  5. 

^)  Mehrere  Beschwerden  Plötzens  aus  dem  Monat  August.  HStA. 
Log.  3541.  Den  zwischen  .  .  .  Pohlen  und  .  .  .  Schweden  geschlos- 
senen Frieden  betr.  vol.  III. 

*')  Über  die  Verluste  Sachsens  durch  die  schwed.  Invasion  sind 
bisher  noch  keine  abschliefsenden  Untersuchungen  vorgenommen 
worden.  In  den  geschichtlichen  Darstellungen  wird  zumeist,  in 
wenigen  Fällen  nur  mit  dem  Ausdrucke  des  Zweifels,  die  von  August 
im  Jahre  1709  angegebene  Summe  —  23  Millionen  Taler  —  genannt. 
Das  ist  jedoch  viel  zu  hoch  gegriffen.  Der  Verfasser  vorliegender 
Arbeit  wird  dieser  Frage  noch  weiter  nachgehen.  Schon  jetzt  kann 
aber  gesagt  werden,  dal's  sich  die  Verluste  Sachsens  höchstens  auf 
etwa  14 — 15  Millionen  Taler  belaufen  liaben. 


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Das  schwedische  Heer  m  Sachsen  1706 — 1707.  263 

keine  Mittel  mehr  von  seinen  Untertanen  fordern,  um  die  kühnen 
Wünsche  seines  Ehrgeizes  zu  befriedigen.  Karl  hatte  also  sicher 
Ruhe  vor  diesem  Gegner,  den  er  für  sehr  gefährlich  gehalten^), 
und  konnte  sich  nun  mit  voller  Kraft  gegen  die  Russen  wenden. 
August  aber  liefs  für  die  nächste  Zeit  von  seiner  auswärtigen 
Politik  ab  und  war  bestrebt,  seinem  Lande  wieder  aufzuhelfen"-), 
damit  es  ihm  später  wieder  die  Mittel  für  seine  weitgehenden 
Pläne  geben  konnte. 


1)  Günther,  Sachsen  und  die  Gefahr  einer  schwed.  Invasion 
im  Jahre  1706  (Pegau  1903)  S.  5. 

-)  Hierfür  kommen  verschiedene  Erlasse  in  Betracht,  denen  eine 
besondere  Betrachtung  gewidmet  werden  soll. 


IX. 

Der  Prozefs 

gegen  Karl  Heinrieh  von  Heineken 

und  Genossen. 

Von 
Georg  Lehmann. 


Nicht  blofs  der  Kunstkenner  von  Fach,  sondern  jeder, 
welcher  mit  der  Geschichte  der  KönigHchen  Gemäldegalerie 
mid  des  Kupferstichkabinetts  einigermafsen  bekannt  ist,  wird 
wissen,  dafs  Karl  Heinrich  von  Heineken,  geb.  1706  zu 
Lübeck,  gest.  1791  zu  Altdöbern,  der  Sekretär  des  Grafen 
Brühl  und  zugleich  der  feinsinnigste  Kenner  und  fleifsigste 
Sammler  und  Kunstschriftsteller  des  18.  Jahrhunderts,  der  ei- 
gentliche Gründer,  Mehrer  und  Ordner  dieser  Sammlungen 
war.  In  einem  Briefe  an  Heineken  vom  23.  November  1748 
aus  Warschau  erkennt  dieses  Brühl  ausdrücklich  an.  Es  ge- 
nügt, darauf  hinzuweisen,  dafs  unter  Mitwirkung  Heinekens, 
der  1739  von  Brühl  zu  seinem  Privatsekretär  und  Biblio- 
thekar ernannt  wurde,  1741  die  Verwaltung  seiner  Haus-  und 
Wirtschaftskasse  und  nach  und  nach  seiner  sämtlichen  säch- 
sischen Güter  und  Ämter  erhielt,  1746  aber  an  Stelle  des 
mit  Tode  abgegangenen  Hofarzts  von  Heucher  den  wichtigen 
Posten  als  Direktor  der  Galerie  des  sciences  (Kupferstiche, 
Antiken  und  Gemälde)  bekommen  hatte,  mindestens  aber 
unter  seinem  geistigen  Einflufs  die  wertvollsten  Erwerbun- 
gen gemacht  wurden,  so  1743  die  Holbeinsche  Madonna, 
1745 — 46  die  Modenesische  Sammlung  und  1754  die  Rafael- 
sche  Madonna. 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  265 

Seitdem  Karl  Justi^)  die  Bedeutung  Heinekens  und  seine 
hervorragende  Stellung  im  Kunstleben  des  18.  Jahrhunderts 
verdientermafsen  hervorgehoben  hatte,  hat  sich  auch  die  Lite- 
ratur eingehender  mit  diesem  bedeutenden  Manne  beschäftigt 
und  seine  Lebensgeschichte  in  grofsen  Zügen  festgelegt.  Nur 
sein  Kriminalprozefs ,  der  im  Jahre  1763  seiner  Tätigkeit  in 
Dresden  ein  plötzliches  und  unrühmliches  Ende  bereitete,  diese 
wichtigste  Episode  seines  Lebens,  welche  sowohl  für  ihn  selbst, 
wie  für  die  Dresdner  Sammlungen  von  einschneidender  Be- 
deutung wurde,  ist  noch  nicht  dargestellt  worden.  Die  An- 
gabe Justis,  dafs  dieser  Prozefs  von  Heinekens  Nachfolger 
im  Direktorium  des  Kupferstichkabinetts,  dem  Geh.  Legations- 
rat Christian  Ludwig  von  Hagedorn,  geführt  und  alsbald 
niedergeschlagen  worden  sei,  bedarf,  wie  das  Nachfolgende 
ergeben  wird,  der  Berichtigung. 

Zugleich  mit  Heineken,  welcher  als  kurfürstl.  Geheimer 
Kammerrat,  wie  er  selbst  sagt  ,,die  Vorträge  der  General- 
Accise  exciusive  der  Geld-Sachen  bifs  zur  Preussischen  In- 
vasion 1756  besorgte",  waren  noch  die  beiden  andern  Privat- 
sekretäre Brühls,  der  Geheime  Rat  Frhr.  von  Gartenberg 
und  der  Kammerrat  Hausius  in  Untersuchung  und  Haft  ge- 
nommen worden,  und  wenn  auch  damals  wie  heute  noch  das 
hauptsächlichste  Interesse  sich  auf  den  ,,Fall  Heineken"  kon- 
zentrierte, so  wird  doch  am  Schlüsse  dieser  Abhandlung 
der  Vollständigkeit  halber  auch  noch  des  Ausgangs  der  Pro- 
zesse gegen  seine  beiden  Mitbeschuldigten  gedacht  werden 
müssen. 

Beiläufig  möchte  noch  bezüghch  der  Schreibung  des  Na- 
mens Heinekens  bemerkt  werden,  dafs  dieser  selbst  in  seinen 
zahlreichen  Prozefsschriften  auch  nicht  ein  einziges  Mal  sich 
mit  dem  ck  unterschreibt,  dafs  seine  Nachkommen  noch  heu- 
tigen Tages  die  Schreibweise  ohne  c  führen  und  dafs  hier- 
nach die  hier  und  da  in  der  Literatur  sich  zeigende  Abweichung 
unbegründet  ist. 

Das  Königlich  Sächsische  Hauptstaatsarchiv  verwahrt  zehn 
Aktenfolianten  mit  folgender  Aufschrift  und  Bezeichnung: 

Vol.  I — VI  sind  überschrieben:  „Acta,  die  Untersuchung 
der  Ursachen  des  bei  dem  Regierungsantritt  Ihrer  Königl. 
Hoheit  des  Kurfürsten  in  allen  landesherrlichen  Kassen  vor- 
gefundenen Geldmangels  und  grofser  Schuldenlast  und 
die  dieserhalb  beschehene  Arretirung  des  Geheimen  Raths 
Baron  von  Gartenberg,  Geheimen  Kammerraths  von  Hei- 


^)  J  US  tijWinckelmann  in  Deutschland.  Leipzig  1866.  2.Aufl.i898. 


266  Georg  Lehmann: 

neken  und  Kammerrats  Hausius,  sammt  was  dem  anhängig 
betreffend". 

Vol.  I— III  mit  163,  287  und  466  Blatt  betrifft  alle  drei 
Angeklagte,  Vol.  IV  mit  86  Blatt  von  Gartenberg,  Vol.  V  mit 
223  Blatt  von  Heineken  und  Vol.  VI  mit  58  Blatt  Hausius 
allein;  sämtliche  sechs  Aktenstücke  behandeln  die  Vorunter- 
suchung, die  sog.  Generalinquisition,  und  werden  in  Loc.  1401 
aufbewahrt.  Sie  sind  im  Folgenden  bezeichnet  als  Kom- 
missions-Akten. 

Es  folgt  nun  ebenfalls  in  Loc.  1401  ein  Aktenstück 
mit  der  Überschrift:  ,,  Kammer -Acta,  die  Bestellung  eines 
Procuratoris  fisci  in  der  gegen  die  (folgen  die  drei  Namen)  an- 
geordneten Untersuchung  ingleichen  die  daraus  geflossenen 
expeditiones  betreffend,  ao.  1764",  das  nicht  foHiert  ist,  und 
endlich  noch  drei  in  Loc.  1406  und  1407  aufbewahrte,  noch  mit 
den  alten  Lokatnummern  der  ,, Geheimen  Cabinets-Cantzle}'" 
(638  vmd  639)  versehene,  die  förmliche  Untersuchung  oder 
sogen,  Spezialinquisition  vorbereitende  Akten  gegen  von  Garten- 
berg mit  128  Blatt,  von  Heineken  mit  664  Blatt  und  Hausius 
mit  338  Blatt  (zitiert  als  Kabinetts -Akten). 

Ein  elftes  Aktenstück,  welches  nach  den  Zitaten  in  den 
vorliegenden  Akten  die  Bezeichnung  Vol.  IV  B  und  über  300 
Blatt  gehabt  und  das  ein  für  den  Bilderhandel  Heinekens 
wichtiges,  später  zu  erwähnendes  Dokument  enthalten  haben 
mufs,  ist  nicht  mehr  vorhanden. 

Die  Akten  der  Köniorlichen  Generaldirektion  der  Samm- 
lungen  Kap.  VIII  No,  192,  welche  Verfasser  dieses,  wie  er  dankend 
anerkennt,  ebenfalls  einsehen  durfte,  behandeln  vom  Galerie- 
standpunkt aus  die  Übergabe  des  Kupferstichkabinetts  an  von 
Hagedorn  und  den  Kauf  der  173  (178)  Ölbilder  durch  von 
Heineken  im  Jahre  1755,  auf  den  noch  ausführlich  zurück- 
gekommen werden  mufs. 

Der  ganze  Prozefs  bietet  eine  Fülle  interessanter  Momente 
und  wirft  grelle  Streiflichter  auf  die  damaligen  öffentlichen 
Zustände  und  die  Brühische  Mifs Wirtschaft;  um  ihn  aber  ganz 
zu  verstehen,  erscheint  es  notwendig,  sich  ein  Bild  von  diesen 
Zuständen  in  das  Gedächtnis  zurückzurufen,  insbesondere  aber 
auch  die  äufsere  Lage  zu  betrachten,  in  der  sich  Heineken 
selbst  damals  befand. 

Nachdem  Graf  Brühl  im  Jahre  1738  den  Fürsten  Sul- 
kowski  gestürzt  und  sich  an  dessen  Stelle  gesetzt  hatte,  ge- 
lang es  ihm  im  Jahre  1746  den  Gipfel  seiner  Macht  zu  er- 
reichen, indem  er  durch  Dekret  vom  8.  Dezember  zum  Premier- 
minister mit  der  Bestimmung  des  Ranges   über   allen   andern 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  267 

Chargen  im  Kurfürstentum  ernannt  wurde.  Nach  und  nach 
vereinigte  er  in  seiner  Person  eine  grofse  Zahl  anderer  mit 
hohen  Einnahmen  verbundener  Ämter,  so  diejenigen  des  Kam- 
merpräsidenten, Oberkämmerers,  Obersteuer-  und  General- 
Akzisdirektors,  wodurch  er  Gelegenheit  erhielt,  die  haupt- 
sächlichsten Steuerquellen  des  Landes  für  sich  nutzbar  zu 
machen.  Auch  kleinere  Ämter  verschmähte  er  nicht  und  liefs 
sich  durch  seine  Kreaturen,  wenn  sie  offen  wurden,  darauf 
aufmerksam  machen,  und  es  ist  gewifs  ein  deutlicher  Beweis 
seiner  unersättlichen  Habgier,  die  nicht  die  geringste  Rück- 
sicht auf  die  Armut  der  Steuerzahler  oder  die  mifslichsten  Ver- 
hältnisse der  Staatsfinanzen  nahm,  wenn  er  sich  aufser  seinen 
Gehaltsbezügen  noch  eine  tägliche  ,, Auslösung"  von  20  Talern 
berechnen  liefs.  In  den  Akten  (Vol.  V  Bl.  72)  findet  sich 
eine  Quittung  Brühls  über  47  780  Taler  Auslösung  für  die 
Zeit  vom  i.  Oktober  1756  bis  31.  Mai  1763,  also  die  Zeit, 
in  welcher  der  Siebenjährige  Krieg  das  unglückliche  Sachsen 
heimsuchte,  und  weiter  (Vol.  II  Bl.  245)  ein  Nachweis,  dafs 
diese  Auslösung  zu  gewissen  Zeiten,  z.  B.  wenn  er  sich  wirk- 
lich auf  der  Reise  befand,  130  Taler  täglich  betrug.  Über- 
haupt schätzt  Heineken  seine  Einnahmen  aus  Ämtern  auf 
50000  Taler,  d.  h.  also  ohne  diese  ,, Auslösung",  und  seinen 
jährlichen  Aufwand  auf  eine  MiUion  Taler.  Dementsprechend 
bedachte  er  aber  auch  seine  Günstlinge  und  Kreaturen. 

Heineken,  von  Haus  aus  vermögenslos,  erhielt  im  Jahre 
1747  nach  dem  Tode  seines  Schwiegervaters,  des  Hofkochs 
Nöller,  dessen  einzige  Tochter  er,  und  zwar  wie  er  selbst  her- 
vorhebt, auf  Anstiften  Brühls  im  Jahre  1742  geheiratet  hatte, 
ein  Vermögen  von  66000  Talern,  womit  zum  Teil  die  An- 
zahlung auf  die  von  Nöller  im  Jahre  1746  für  45  100  Taler 
in  der  Subhastation  erstandenen  Rittergüter  Altdöbern,  Muck- 
war und  Kleinjauer  im  Kreise  Kalau  geleistet  worden  war. 
Nach  dem  Tode  des  insolvent  gewordenen  Generalmajors  und 
Kammerherrn  Dietrich  von  Eickstedt  waren  diese  Güter  ver- 
steigert und  bereits  einem  Interessenten  zugeschlagen  worden. 
Allein  Brühl,  welcher  wünschte,  dafs  sich  Heineken  auch  mit 
der  Landwirtschaft  beschäftige,  damit  er  die  in  der  Nähe 
liegenden  Brühischen  Güter  Forst  und  Pforten  besser  be- 
aufsichtigen könne,  ,, redressierte  das  ganze  negotium",  wie 
Heineken  selbst  erzählt,  und  liefs  die  Güter  dem  Hof  koch  Nöller 
zuschlagen. 

Weiter  besafs  Heinekens  Frau  das  Gut  Dürrenberg  mit 
dem  Salzwerk  bei  Merseburg,  welches  für  32000  Taler  er- 
kauft worden  war,  aber  später,  als  das  Salz  für  Regal  erklärt 


2  68  Georg  Lehmann: 

wurde,  an  den  Staat  abgetreten  werden  mufste.  Sehr  schmerz- 
lich ist  ihm  der  Gedanke,  dafs  er  damit  eine  Revenue  von 
mindestens  50000  Talern  jährlich  verloren  habe. 

Bald  nach  dem  Tode  seines  Schwiegervaters  begann  Hei- 
neken, seinem  Vorbilde  Brühl  folgend,  das  Schlofs  zu  Alt- 
döbeni  auszubauen  und  nach  und  nach  mit  aufserordentlicher 
Pracht  auszustatten.  Auch  ein  herrlicher  Park  im  französischen 
Geschmack,  mit  künstlichen  Buchenhecken,  Seen,  Wasser- 
gräben und  Wasserkünsten,  der  üblichen  Orangerie  und  zahl- 
losen Bildwerken,  wurde  angelegt.  Noch  heute  lassen  Schlofs 
und  Park,  obschon  abermals  umgebaut,  den  grofsartigen  Grund - 
plan  erkennen.  Auffällig  erscheint  die  verschwenderische  An- 
wendung von  Eibsandstein. 

Wenn  man  aber  alle  diese  Pracht,  wie  sie  an  anderer 
Stelle  (Grenzb.  1903,  IV,  428)  schon  ausführlich  geschildert 
wurde,  ins  Auge  fafst,  die  zahllosen  Fuhren  berücksichtigt, 
die  zur  Heranschaffung  des  Materials  notwendig  waren  rmd 
die  wegen  der  langen  schlechten  W^ege  grofse  Summen  ver- 
schlungen haben  müssen,  ferner  die  kostbare  Ausstattung  des 
Schlosses  und  schliefslich  auch  den  kostspieligen  vornehmen 
Haushalt  in  Rechnung  zieht,  der  in  eine  solche  Umgebung 
gehört,  dann  ist  es  ohne  weiteres  klar,  dafs  die  Vermögens- 
verhältnisse Heinekens  hierzu  unmöglich  ausreichen  konnten. 
Er  gibt  auch  unumwunden  zu,  dafs  er  von  Brühl  zahlreiche 
Geschenke  erhalten  habe,  ja  mit  Wohltaten  überschüttet  worden 
sei.  Doch  linden  sich  über  diese  Zuwendungen  keine  Nach- 
weise in  den  Akten,  aufser  einer  Anweisung  Brühls  an  Hau- 
sius  vom  25.  November  1761,  an  Heineken  14000  Taler  zu 
zahlen,  ohne  jede  nähere  Begründung.  Glaubwürdig  erscheint 
demnach  Heinekens  Angabe,  dafs  er  zwar  niemals  von  Brühl 
einen  festen  Gehalt  bezogen,  wie  z.  B.  ein  anderer  Vertrauter 
desselben,  der  Herr  von  König,  der  1200  Taler  jährlich  — 
für  welche  Dienste  ist  nicht  ersichtHch  —  erhalten  habe,  dafs 
ihm  aber  als  Entschädigung  für  seine  Dienste  das  Gut  Bol- 
lensdorf  bei  Dahme  als  ein  Vermächtnis  zugesichert  worden 
sei.  Dieses  Gut  befindet  sich  noch  heute  als  Majorat  im  Be- 
sitze einer  Ururenkelin  Heinekens.  Überdies  erwarb  er  durch 
seinen  Bilderhandel,  wie  er  sagt  „ein  Ziemliches",  so  dafs  die 
Annahme  wohl  gerechtfertigt  erscheint,  dafs  er  im  Jahre  1763, 
in  welchem  die  Katastrophe  über  ihn  hereinbrach,  nicht  nur 
ein  bei  Hofe  und  in  der  Kunst-  und  literarischen  Welt  an- 
gesehener, sondern  auch  reicher  Mann  war.  In  Dresden  be- 
wohnte er  ein  aus  vier  um  einen  Hof  sich  gruppierenden 
Flügeln  bestehendes  Haus  am  Taschenberg,  das  in  die  rechte 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  269 

nach  der  jetzigen  Hauptwache  zu  gelegenen  Ecke  des  Zwingers 
—  in  der  linken  Ecke  stand  das  Opernhaus  —  eingebaut  war 
und  das  erst  1853  beim  Museumsbau  abgebrochen  wurde  (vgl. 
Abbildung  in  „Erinnerungen  aus  dem  alten  Dresden",  heraus- 
gegeben f.  d,  V.  f.  Geschichte  Dresdens  von  Otto  Richter,  Dres- 
den 1896,  Blatt  XIII  und  ebendess.  Atlas  zur  Geschichte  Dres- 
dens, 1898,  Bl.  34  III).  Vom  Hintergebäude  aus  hatte  sich 
Heineken  eine  Tür  in  das  angrenzende  Kupferstichkabinett 
brechen  lassen.  1765  verkaufte  er  dieses  Haus  wegen  seiner 
Verbannung  aus  Dresden  für  5000  Taler  (Kabinetts  -  Akten 
Bl.  349). 

Der  König  und  Kurfürst  und  mit  ihm  Graf  Brühl  hatten 
sich  während  des  Siebenjährigen  Krieges  in  Warschau  auf- 
gehalten. Im  Frühjahr  1763  kehrten  beide  nach  Dresden  zu- 
rück; bereits  vorher,  am  21.  März  war  das  Friedensdankfest 
in  allen  Kirchen  gefeiert  worden.  Die  Leiden  seines  Volkes 
infolge  der  Drangsale  des  Krieges  waren  dem  Monarchen 
wohl  ebensowenig  völlig  zum  Bewufstsein  gekommen,  wie  die 
Mifswirtschaft  und  die  Bedrückungen  des  Brühischen  Regi- 
ments,  das  schon  vor  dem  Kriege  Tausende  an  den  Bettel- 
stab gebracht  hatte.  Demungeachtet  war  ihm  ja  nicht  verbor- 
gen geblieben,  dafs  alles  im  sächsischen  Staate,  wohin  man 
auch  blickte,  im  tiefen  Verfall  sich  befand.  Handel  und  Ge- 
werbe stockte,  die  Landwirtschaft  arbeitete  ertragslos,  die  Staats- 
kassen waren  erschöpft,  ja  überschuldet,  der  allgemeine  Kredit 
lag  völlig  darnieder,  das  Münzwesen  befand  sich  in  einem 
jämmerlichen  Zustande,  das  Beamtentum  bedurfte  von  unten 
bis  oben  an  hundert  Stellen  der  Erneuerung.  Deshalb  hatte 
der  König  schon  von  Warschau  aus  durch  Reskript  vom 
12.  April  die  ,,  Restaurationskommission"  eingesetzt,  zu 
welcher  u.  a.  gehörten  der  Geheime  Rat  von  Fritsch,  die 
Hof-  und  Justizräte  von  Poigk  und  Gutschmid,  der  Ober- 
steuersekretär Rabener,  Namen,  deren  später  noch  gedacht 
werden  wird. 

Die  Schuld  an  allen  diesen  Mifsständen  fiel  zum  Teil  auf 
den  Krieg,  zum  Teil  auf  Brühl.  Und  schon  mehrere  Jahre  vor 
seinem  Tode  hatte  sich  ganz  im  geheimen,  angespornt  durch 
anonyme  Schriften,  wie  das  in  den  Jahren  1760 — 63  heraus- 
gegebene ,, Leben  und  Charakter  des  Grafen  Brühl  usw.  in 
vertraulichen  Briefen",  eine  starke,  auf  seinen  Sturz  hinarbeitende 
Gegenpartei  gebildet,  und  der  Kurprinz  Friedrich  Christian, 
welcher  weiter  sah  als  sein  Vater  und  offenbar  vom  besten 
Willen  beseelt  war,  scheint  derselben  nicht  fern  gestanden  zu 
haben. 


2-70  Georg  Lehmann: 

Im  Juli  1763  war  der  König  und  Kurfürst  mit  Brühl,  der 
jetzt  63  Jahre  alt  bereits  zu  kränkeln  anfing,  noch  in  Tephtz. 
Aber  schon  am  5.  Oktober  starb  August  III.  an  der  Tafel  vom 
Schlaoe  grerührt.  Brühls  Gesundheitszustand  verschlechterte 
sich  immer  mehr;  seine  baldige  Auflösung  durfte  vorausge- 
sehen werden.  Dieser  Umstand  war  auch  die  Veranlassung, 
dafs  man  sich  mit  seinem  Rücktritt  begnügte,  der  am  13.  Ok- 
tober vom  neuen  Kurfürsten  in  noch  ziemlich  gnädiger  Weise 
bewilligt  wurde. 

Gerade  vierzehn  Tage  sjDäter,  am  27.  Oktober  in  der  zehn- 
ten Abendstunde,  konnte  man  einen  seltsamen  Zug  bemerken, 
welcher  sich  in  lautloser  Stille  und  in  der  Dunkelheit,  die 
damals  auf  den  Strafsen  Dresdens  herrschte,  vom  Schlosse  her 
nach  dem  Hause  Heinekens  zu  bewegte.  Es  waren  der  Ge- 
neraladjutant Oberst  von  Biebra,  dem  eine  von  einem  Offizier 
geführte  Grenadierpatrouille  folgte,  und  zwei  Herren  in  Zivil, 
der  Sekretär  des  Geheimen  Kabinetts,  Hof-  und  Justizrat  Ferber, 
und  dessen  Registrator  Lucius.  Oberst  von  Biebra  kam  soeben 
von  einer  Audienz  vom  Kurfürsten.  Vor  dem  Hause  Heinekens 
machten  sie  Halt  und  begehrten  Einlafs.  Der  Aufgang  zum 
ersten  Stockwerk  wurde  vom  Hofe  aus  genommen.  Hier  liefs 
man  einen  Posten  mit  aufgepflanztem  Bajonett  zurück.  Die 
drei  genannten  Herren  begaben  sich  nun  hinauf  nach  dem 
ersten  Stockwerk,  wo  die  Wohnräume  lagen.  Hier  safs  Heineken 
gerade  mit  seiner  Familie  und  einer  kleinen  Gesellschaft,  Amts- 
rat Rachel,  Amtsverwalter  Schneider  aus  Seifersdorf,  einem 
Brühischen  Gut,  Madame  Lubin  und  Tochter  und  Demoiselle 
Donner  beim  abendlichen  Tee.  Ob  man  nur  gleichgültige 
Dinge  oder  doch  auch  die  möghchen  Ereignisse  besprochen 
hatte,  w^elche  der  demnächst  zu  erwartende  Tod  des  einst- 
mals so  mächtigen  Premierministers  nach  sich  ziehen  könnte? 

Da  wurde  plötzlich  Heineken  herausgerufen;  er  befand  sich 
auf  dem  Korridor  den  drei  Herren  gegenüber.  Oberst  von 
Biebra  entfaltete  ein  Papier  mit  der  Unterschrift  des  Kurfürsten 
Friedrich  Christian;  es  war  ein  Haftbefehl;  er  ersuchte  Hei- 
neken, sich  sofort  ein  Zimmer  auszusuchen,  welches  sein  Arrest- 
lokal wurde,  und  legte  eine  aus  einem  Unteroffizier  und  einem 
Grenadier  mit  aufgepflanztem  Bajonett  bestehende  Wache  hinein. 
Vor  die  Tür  wurden  ebenfalls  zwei  Grenadiere  postiert,  jeder 
Verkehr  mit  der  Familie  und  nach  aufsen  auf  das  Strengste 
untersagt,  die  Gäste  entlassen.  Hierauf  eröffnete  Hofrat  Ferber 
dem  Arrestaten,  dafs  er  von  seiner  KönigHchen  Hoheit  Be- 
fehl habe,  sich  aller  seiner  Papiere  zu  versichern.  Die  zwei 
Zimmer,  in  denen  sich  dieselben  befanden,  wurden  versiegelt, 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  271 

ebenso  die  Tür  nach  dem  Kupferstichkabinett.  Heineken,  der 
noch  vor  einer  Stunde  beim  Grafen  Brühl  gewesen  war,  gab 
ohne  weiteres  an,  dafs  er  von  da  ein  von  dem  Minister  eigen- 
händig versiegeltes  Paket  mit  dem  Auftrage,  es  morgen  Sr. 
Königlichen  Hoheit  zu  übergeben,  und  am  Morgen  desselben 
Tages  9000  Taler  in  sogen.  Forstaischen  Akzis-Baubegnadi- 
gungsscheinen,  welche  der  Graf  Brühl  als  ein  Legat  für  den 
oben  erwähnten  Directeur  des  plaisirs  von  König  bestimmt, 
mit  nach  Hause  gebracht  habe.  Diese  Papiere  nahm  Hofrat 
Ferber  an  sich. 

Nachdem  auch  noch  alle  Behältnisse  der  Frau  von  Hei- 
neken nach  verdächtigen  Papieren  durchsucht  worden  waren, 
überliels  man  den  zu  Tode  erschreckten  Arrestaten  seinen 
Gedanken  und  seinen  ihm  vermutlich  nicht  besonders  sym- 
pathischen Zimmergenossen. 

Am  folgenden  Tage  lag  Graf  Brühl  im  Sterben;  man 
wartete  seinen  Tod  ab,  welcher  Nachmittags  5  Uhr  eintrat. 
Es  ist  nicht  anzunehmen,  dafs  er  von  der  Verhaftung  seines 
ihm  am  nächsten  stehenden  Geheimsekretärs  noch  Kenntnis 
erlangt  hatte;  aber  auch  dessen  beide  anderen  Kollegen,  der 
Geheime  Rat  Baron  von  Gartenberg  und  der  Kammerrat  Hau- 
sius,  scheinen  nichts  davon  erfahren,  wenigstens  für  sich  selbst 
kein  ähnliches  Schicksal  befürchtet  zu  haben.  Dasselbe  sollte 
sich  bald  erfüllen. 

Warum  übrigens  ihre  Verhaftung  nicht  gleichzeitig  mit 
derjenigen  Heinekens  erfolgte,  läfst  sich  nur  damit  erklären, 
dafs  die  Beschlagnahme  der  Brühischen  Papiere  ebenfalls  be- 
absichtigt war,  deren  Beiseiteschaffung  aber  befürchtet  wurde, 
wenn  die  Verhaftung;  der  drei  Sekretäre  im  Brühischen  Palais 
bekannt  wurde.  Auch  vermutete  man  wahrscheinlich,  dafs 
Brühls  Tod  schon  viel  früher  eintreten  werde. 

Sofort  nachdem  dieser  am  Hofe  bekannt  geworden,  gleich 
nach  5  Uhr  Nachmittags,  verfügten  sich  Oberst  von  Biebra 
und  Hofrat  Ferber  mit  Geheimsekretär  Lucius  nach  dem  Brühl- 
schen  Palais,  wo  die  drei  Privatsekretäre  ihre  Bureaus  hatten. 
Es  war  gemeldet  worden,  dafs  der  Baron  von  Gartenberg 
sich  dort  befinde.  In  der  Tat  sah  man  dessen  Kutsche  vor 
dem  Palais  halten.  Die  Kommission  betrat  letzteres  und  liefs 
den  Baron  herausrufen.  Seine  Verhaftung  vollzog  sich  ge- 
räuschlos. In  seinem  eigenen  Wagen  wurde  er  ohne  Aufsehen 
vom  Obersten  von  Biebra  und  einem  Offizier  begleitet  nach 
seinem  in  der  Klostergasse  an  der  Ecke  nach  dem  Jägerhofe 
zu  gelegenen,  heute  noch  stehenden  Hause  gebracht  und  dort 
in  derselben  Weise  wie  Heineken  mit  einer  Wache  belegt. 


j-yz  Georg  Lehmann; 

Der  Hofrat  Ferber  aber  hatte  inzwischen  das  Sterbezimmer 
Brühls,  das  sogen,  kleine  grüne  Bilderzimmer,  betreten,  wo- 
selbst der  Leichnam  noch  im  Bette  lag.  Er  fand  dort  an- 
wesend den  ältesten  Sohn  Brühls,  Se.  Exzellenz  den  Kron- 
feldzeugmeister  Grafen  Alo3'sius  von  Brühl,  femer  die  Kura- 
toren und  Vertreter  der  abwesenden  vier  Kinder  Karl  Adolph, 
Heinrich,  Moritz  und  Gräfin  Mniszeck,  darunter  den  Kammer- 
junker von  Unruh  für  die  letztere  und  den  Kriegsrat  von 
Vieth  für  den  Grafen  Moritz.  Endlich  war  noch  da  der  Ober- 
amtmann Dr.  Reinhold. 

Der  höfliche  Hofrat  kondolierte  zunächst,  was  übrigens 
auch  der  Obenst  von  Biebra,  bevor  er  sich  mit  seinem  Arre- 
stanten entfernte,  zu  tun  nicht  unterlassen  hatte,  erklärte  aber 
dann  ohne  Umschweife,  dafs  er  Befehl  von  Sr.  Königlichen 
Hoheit  habe,  sämtliche  Papiere,  die  Brühischen  wie  die  herr- 
schaftlichen, mit  Beschlag  zu  belegen.  Sofort  ging  er  auch 
ans  Werk;  es  wurde  alles  Vorgefundene  in  das  ,, linke  Eck- 
zimmer im  Parterre,  genannt  Serre  Pappier",  gebracht  und 
dieses  versiegelt. 

Gleichzeitig  mit  der  Inhaftnahme  Gartenbergs  wurde  auch 
diejenige  des  Kammerrats  Hausius  und  zwar  durch  Oberst 
von  Studnitz  und  den  Geheimen  Kriegsrat  Clauder  bewirkt. 
Hausius  war  gerade  im  Begriff,  seine  Mietwohnung  in  einem 
Hause  auf  der  Rähnitzgasse  mit  "einer  solchen  im  Koberschen 
Hause  auf  der  grofsen  Frauengasse  zu  vertauschen.  Seine  Be- 
wachung war  dieselbe  wie  die  seiner  Mitbeschuldigten.  Seine 
Papiere  wurden  ebenfalls  versiegelt;  herrschaftliche  oder  Brühl- 
sche  zu  besitzen,  bestritt  er. 

Noch  am  Abend  dieses  Tages  hatte  übrigens  der  Lega- 
tionsrat Necker  im  Verein  mit  Oberst  von  Biebra  im  Hause 
Gartenbergs  dessen  sämtliche  Papiere  in  die  Expeditionsstube 
gebracht  und  diese  versiegelt.  Dieser  ereignisreiche  Tag  en- 
dete mit  einer  Requisition  an  die  Oberamtsregierung  in  Lübben 
wegen  einer  Aussuchung  und  Versiegelung  im  Schlosse  zu 
Altdöbern.  Auch  die  Beschlagnahme  einer  von  Heineken  nach 
Magdeburg  adressierten  und  beim  Kaufmann  in  der  Neustadt 
lagernden  Kiste  mit  verschiedenen  Effekten,  sowie  später  die 
einer  solchen  mit  Kupferstichen,  welche  Heineken  an  Dr. Winkler 
in  Hamburg  geschickt  hatte,  gehörte  zu  den  vorbereitenden 
Sicherungsmafsregeln. 

Das  Belegen  mit  einer  Wache,  ein  damals  gegen  Vor- 
nehme und  Reiche  angewendetes  Sicherungsmittel,  hatte  zur 
Folge,  dafs  die  Wachmannschaft  auf  Kosten  des  Untersuchungs- 
gefangenen beköstigt  werden  mufste. 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  273 

Das  nunmehr  gegen  die  drei  Angeschuldigten  beginnende 
Kriminalverfahren  lehnte  sich  zwar  im  allgemeinen  an  die 
Formen  des  damals  üblichen  Inquisitionsprozesses  an,  in  welchem 
das  anklagende  und  untersuchungsführende  Prinzip  in  einer 
Person  sich  vereinigen,  und  war  ein  geheimes  schriftliches, 
im  Gegensatz  zu  dem  jetzt  üblichen  öffentlichen  und  münd- 
lichen ;  aber  es  war  zugleich  ein  aufserordentliches,  indem  es 
sich  nicht  um  gemeine,  dem  ordentlichen  Strafrichter  unter- 
stehende, sondern  voraussichtlich  um  vStaatsverl)rechen  handelte, 
welche  zu  damaliger  Zeit,  an  sich  von  sehr  unbestimmter  und 
ausdehnungsfähiger  Definition,  einem  aus  den  in  Frage  kom- 
menden Ressortbeamten  gebildeten  Kollegium  überwiesen  wur- 
den. Es  lassen  sich  in  dem  vorliegenden  Prozefs  mehrere 
Stadien  unterscheiden:  i.  die  schon  beschriebenen  Sicherungs- 
mafsregeln  und  Vorerörterungen  polizeilicher  Natur;  2.  die  von 
einer  Untersuchungskommission  geleitete  Voruntersuchung  oder 
Generalinquisition;  3.  die  förmliche  Untersuchung  oder  Spe- 
zialinquisition,  mit  welcher,  wenn  sie  einmal  verfügt  war,  ge- 
wisse ehrenrührige  Folgen,  namentlich  die,  dafs  der  Angeklagte 
nunmehr  als  ,,Kriminalinquisit"  galt,  verbunden  waren ;  4.  die 
Entscheidung  über  das  weitere  Verfahren,  welche  dem  aus 
den  vereinigten  Konferenzministern  bestehenden  Geheimen 
Konsilium  übertragen  wurde  und  5.   das  Endurteil. 

Nur  Hausius,  bei  dem  sich  recht  bedenkliche,  von  vorn- 
herein gar  nicht  ins  Auge  gefafste  Dinge  herausstellten,  hatte 
sämtliche  Stadien  durchzumachen;  bei  den  beiden  Andern  kam 
es  nicht  zu  einem  Endurteil. 

Am  27.  Oktober  setzte  der  Kurfürst  die  Kommission  für 
die  Voruntersuchung  ein,  welche  aus  den  schon  genannten 
Personen,  Hof-  und  Justizrat  Ferber  und  Kriegsrat  Clauder, 
femer  aber  auch  dem  Bürgermeister  von  Leipzig,  Hof-  und 
Justizrat  Gutschmid,  bestand.  Diese  beiden  letzteren  figurier- 
ten aber  nur  dem  Namen  nach;  der  eigentliche  Leiter  der 
ganzen  Untersuchung  war  Ferber. 

Man  hätte  keinen  geeigneteren  Mann  für  dieses  Amt 
wählen  können.  Schon  zu  Zeiten  Brühls  ein  entschiedener 
Gegner  desselben,  galt  er  nicht  blofs  für  befähigt  und  über 
die  Schäden  im  Lande  unterrichtet,  sondern  auch  für  recht- 
lich unparteiisch.  Als  der  Verfasser  der  Schrift  L'  Esprit  et 
le  Systeme  du  gouvernement  de  la  Saxe  etc.  hat  er  (1784)  die 
Zustände  seiner  Zeit  in  lebhaften  Farben  geschildert.  Er  wurde 
später  geadelt  und  Direktor  des  Geheimen  Finanzkollegiums. 

Nachdem  am  17.  Dezember  1763  der  Kurfürst  Friedrich 
Christian  unter  Hinterlassung  eines  unmündigen  Thronerben,  des 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XXV.     3.  4.  18 


znA  Georg  Lehmann: 

am  23.  Dezember  1750  geborenen  nmimehrigen  Kurfürsten 
Friedrich  August,  für  den  sein  Oheim  Xaver  die  Regierung 
führte,  gestorben  war,  setzte  letzterer  durch  Reskript  vom 
4.  Februar  1764  die  Kommission  für  die  förmliche  Unter- 
such un»;  ein,  welche  aus  sieben  den  verschiedenen  Verwal- 
tunsfsbranchen  entnommenen  hohen  Beamten  l^estand.  Es 
waren  folgende:  der  Konferenzminister  und  Landvogt  von 
Stammer  als  Vorsitzender,  zu  dessen  Stellvertreter  der  oben 
erwähnte,  inzwischen  zum  Vizekanzler  ernannte  von  Poigk  be- 
stimmt wurde ;  der  Geheime  Rat  Dr.  Wagner  aus  dem  Kammer- 
kollegium, der  Kriegsrat  Clauder  für  die  polnischen  Angelegen- 
heiten, die  Hof-  und  Justizräte  von  Pöllnitz  und  Dr.  Schumann, 
der  Steuerrat  Rabener,  der  bekannte  Satiriker,  für  das  Steuer- 
kollegium und  der  Akzisrat  Köhler  für  das  Akziskollegium. 

Die  erwähnten  Kommissionen  hatten  Berichte  über  den 
Gang  der  Untersuchung  in  der  Regel  nicht  unmittelbar  an 
die  höchste  Stelle,  sondern  zunächst  an  das  Geheime  Konsi- 
lium zu  erstatten,  welches  dann  seinerseits  an  den  Prinzen- Ad- 
ministrator berichtete  und  dessen  Entschliefsung  einholte.  Die 
in  der  Untersuchung  als  Mitglieder  des  Geheimen  Konsiliums 
vorkommenden  Namen  sind:  Wilhelm  August  Graf  von  Stu- 
benberg, Christian  Graf  vom  Lofs,  Karl  August  Graf  von 
Rex  und  Thomas  Frhr.  von  Fritsch,  der  oben  erwähnte  Ge- 
heime Rat. 

Das  also  war  der  imposante  Apparat,  den  man  aufbot, 
um  dem  in  allen  landesherrlichen  Kassen  vorgefundenen  Geld- 
mangel und  der  grofsen  Schuldenlast  auf  die  Spur  zu  kom- 
men. Man  sollte  meinen,  an  der  mafslosen  Verschwendungs- 
sucht und  der  unersättlichen  Habgier,  mit  welcher  Brühl  das 
unglückhche  Land  dreifsig  Jahre  lang  drangsaliert  hatte,  hätte 
man  die  fehlenden  Millionen  nachrechnen  können  und  es  hätte 
schliefslich,  um  wenigstens  einigermafsen  Ersatz  dafür  zu  er- 
langen, keines  Kriminalprozesses  gegen  drei  immerhin  nur  in- 
direkt Beteiligte,  sondern  lediglich  der  Beschlagnahme  des 
unermefslichen  Brühischen  Vermögens  und  seiner  Helfers- 
helfer bedurft,  zumal  der  Verdacht  irgend  eines  bestimmten 
Deliktes  teeren  diese  nicht  vorhanden  war  und  nicht  einmal 
ausgesprochen  wurde.  Allein  da  nach  dem  Tode  Brühls  nicht 
nur  die  Staatsraison  ein  sofortiges  energisches  Eingreifen  ge- 
bot, sondern  man  offenbar  auch  der  öffentlichen  Meinung  ir- 
gend eine  möglichst  befriedigende  Genugtuung  schuldig  war, 
so  erschien  der  Kriminalprozefs  ganz  unausbleiblich. 

Man  verlangte  nun  und  forschte  vor  allem  nach  einer 
Generalrechnung  über  sämtliche  Einnahmen  und  Ausgaben 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  275 

der  Staatsverwaltung  und  glaubte  eine  solche,  von  den  Brühl- 
schen  Sühnen  auf  Heineken  verwiesen,  bei  diesem  finden  zu 
können.  Die  Untersuchungskommission  ging  von  vornherein, 
nämlich  bereits   in   ihrer   Frage   an  die  Angeschuldigten  vom 

3.  November  1763,  davon  aus:  ,,dafs  der  Graf  von  Brühl  in 
der  letzten  Zeit  die  völlige  unbeschränkte  Disposition  über  die 
königlichen  Kassen  gehabt,  das  Geld  zu  Spekulationen  ver- 
wandt und  sich  hierzu  der  drei  Angeschuldigten  bedient  habe". 
Diese  sollten  daher  angeben:  i.  von  wann  an  sie  zu  diesen 
landesherrschaftHchen  oder  Privatnegotiis  gebraucht  worden, 
2.  worin  sie  bestanden,  3.  wo  die  Nachweise  sich  befänden  und 

4.  hätten  sie  über  alles  spezielle  Rechnung  abzulegen. 

Die  persönlichen  Vernehmungen  Heinekens  am  29.  Ok- 
tober und  3.  November,  sowie  dessen  ausführlicher  schriftlicher 
Bericht  vom  5.  November  (Vol.  V  Bl.  8  ff.)  geben  hierauf 
Antwort.  Darnach  hat  Heineken  seit  1741,  wie  schon  er- 
wähnt, die  Besoldungen  und  die  landwirtschaftlichen  Erträg- 
nisse aus  den  Gütern  Brühls  vereinnahmt  und  zum  Haushalt 
in  Dresden  und  den  Bauten  auf  den  Gütern  zu  verwenden, 
hierzu  aber  stets  noch  sehr  bedeutende  Zuschüsse  nötig  ge- 
habt, welche  Summen  teils  auf  die  verschiedensten  Kassen 
assigniert,  teils  von  Brühl  aus  der  eigenen  Schatulle  bezahlt, 
teils  aber  auch,  wenn  sonst  kein  Geld  da  war,  auf  die  Schul- 
den-Spezifikation gesetzt  wurden.  So  habe  er,  wie  er  angibt, 
durch  den  seit  1747  in  Brühls  Diensten  befindhchen  Kassierer 
Schindler  auf  Anweisung  Brühls  Geldbeträge  oder  die  Zinsen 
der  Kammer-,  Steuer-  und  Akzisscheine  bei  den  königlichen 
Kassierern  erheben  lassen;  doch  wisse  er  nicht  und  könne 
nicht  beurteilen,  ob  der  Graf  hierzu  Fug  und  Recht  gehabt. 
Er  nehme  das  aber  an,  denn  Brühl  habe  ihm  oft  gesagt,  dafs 
ihm  der  König  dies  alles  geschenkt  habe,  und  er  selbst 
sei  Zeuge  solcher  Schenkungen  von  Steuer-,  Kammer-  und 
Akzisscheinen  gewesen.  1741  habe  Brühl  mehr  Steuer-,  später 
mehr  Kammer-  und  überhau]:)t  am  wenigsten  Akzisscheine  be- 
sessen. Letztere  wurden  von  Brühl  unterschrieben,  während 
die  beiden  anderen  Gattungen  ,,zu  Händen  Sr.  Majestät  aus- 
gefertigt wurden".  Brühl  hatte  sich  in  der  letzten  Zeit  da- 
hin geäufsert,  dafs  er  800000  Taler  Schulden,  aber  200000 
Taler  bar  im  Schranke  habe  (Kab.  Akt.  Bl.  212).  Im  ül)rigen 
habe  er  keine  Generalrechnung  über  sämtliche  Einnahmen 
und  Ausgaben  geführt  und  mit  den  königlichen  Kassen  durch- 
aus nichts  zu  schaffen  gehabt;  die  Kassierer  der  Steuer-, 
Kammer-,  Oberkämmerei-,  Generalakzis-,  Wein-  und  Eimer- 
geldkasse würden  dies  bestätigen  können. 

18* 


276  Georg  Lehmann: 

Von  diesen  wurden  nun  Gutachten  eingefordert.  Schindler 
bestätigte,  ,,dafs  von  Heineken  niemals  Haupt-  sondern  nur 
Stück-Rechnungen  gehalten". 

Inzwischen  wurde  eifrigst  weiter  recherchiert. 

Am  30.  Oktober  Vormittags  war  Heinekens  Sekretär  Platz 
und  eine  Verwandte,  Demoiselle  Oesterreich,  in  einer  Kutsche 
von  Altdöbern  in  Dresden  angfekommen.  In  ihrem  Koffer  fanden 
sich  mehrere  Wechsel  und  sonst  unwichtige  Schriften ;  sie 
pfaben  an,  wegen  Anstelluno-  einer  neuen  W^irtschafterin  und 
Anfertigung  eines  Wirtschaftsinventars  dort  gewesen  zu  sein. 
Ein  solches  fand  sich  vor.  Allein,  da  sie  unmittelbar  nach 
Heinekens  Verhaftung  nach  Altdöbern  gereist,  dort  zwei  Tage 
und  eine  Nacht  geblieben,  also  jedenfalls  beide  Male  die  Nacht 
hindurch  gereist  waren,  so  erschien  dies  immerhin  verdächtig. 
Wenn  auch  anzunehmen  war,  dafs  etwaige  gravierende  Pa- 
piere von  diesen  beiden  inzwischen  beseitigt  worden  waren, 
so  versprach  man  sich  von  einer  gründlichen  Durchsuchung 
des  Altdöbernschen  Schlosses  noch  immer  aufserordentlich  viel, 
zumal  man  wufste,  dafs  Heineken,  als  er  im  Jahre  1756  Brühls 
wegen  von  den  Preufsen  arretiert  worden  war,  seine  Kost- 
barkeiten in  einem  geheimen  Gelafs  im  Keller  verborgen  ge- 
habt hatte  und  der  ,, Bettmeister"  aus  Pforten,  Fiebiger, 
ganz  sicher  wissen  wollte,  dafs  Heineken  schon  mehr  als  ein 
Mal,  wenn  das  Ableben  Brühls  zu  befürchten  war,  dieselben 
Vorsichtsmafsregeln  gebraucht  habe. 

Am  18.  November  traf  im  Auftrage  der  Untersuchungs- 
kommission und  mit  Genehmigung  der  Oberamtsregierung  zu 
Lübben  der  Geheime  Legationssekretär  Louis  Talon  mit 
einem  Schreiber  per  Extrapost  von  Dresden  aus  in  Altdöbern 
ein  und  begann  die  Recherchen. 

Die  drei  Maurer  des  Orts,  Richter,  Schaaf  und  Büttner, 
und  der  Schlosser  Gofslau  wurden  vernommen;  sie  gaben  an, 
dafs  sie  nicht  wüfsten,  ob  von  Heineken  durch  Platz  oder  an- 
dere Personen  Möbel  oder  sonstige  Effekten  habe  fortschaffen 
oder  vermauern  lassen.  Ihre  Angaben  müssen  glaubhaft  ge- 
klungen haben,  weil  Talon  von  einer  Verhaftung  dieser  Per- 
sonen, die  ihm,  ,,weil  sie  sonst  nicht  die  Wahrheit  sagen 
würden",  von  vornherein  anempfohlen  war,  absah.  Talon  sah 
auch  die  Stelle  im  Keller,  wo  im  Kriege  die  Kostbarkeiten 
verwahrt  worden  waren,  und  preist  dieses  Versteck  als  äufserst 
erfindungsreich  und  geeignet,  jeden  Feind  und  Marodeur  zu 
täuschen.  Es  waren  aber  nur  noch  Reste  der  Vermauerung 
vorhanden.  Und  wenn  er  schliefslich  erklärte:  ,,I1  n'y  a  cer- 
tainement  point  en  ici  d'autre  mur  ou  reduit  mure  que  celui  de 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken  277 

la  cave  dont  j'y  fait  mention",  so  liatte  er  doch  eine  schmale 
Treppe  nicht  entdeckt,  welche  aus  dem  Parterre  in  das  Sou- 
terrain führt  und  die  gut  in  der  Wand  verborgen,  vor  etwa 
dreifsig  Jahren  wieder  aufgefunden  wurde.  Unter  ihren  zum 
Teil  herausgerissenen  Stufen  soll  im  Anfange  des  vorio-en 
Jahrhunderts  der  Sohn  Heinekens,  nachdem  er  das  Gut 
bereits  verkauft  hatte,  nach  verborgenen  Schätzen  gesucht 
haben. 

Ganz  entzückt  ist  Talon  von  der  prunkvollen  Einrichtung 
des  Schlosses,  dessen  einzelne  Räume  ausführlich  verzeichnet 
und  beschrieben  werden,  den  herrlichen  Seidentapeten  und 
Gemälden,  welche  die  Wände  schmückten,  und  den  pracht- 
vollen Möbeln  und  Porzellanen  in  den  Zimmern.  Auch  die 
Vorratskammern  wurden  eingehend  geprüft,  die  vorgefundenen 
Papiere,  darunter  ii6  Briefe  Brühls  (Vol.  V  Bl.  154),  mit  Be- 
schlag belegt  und  übrigens  fast  sämtliche  Räume  versiegelt. 
Wie  sehr  der  Herr  Talon  durch  den  kostbaren  und  interessan- 
ten Inhalt  des  Schlosses  gefessselt  worden  war,  geht  daraus 
hervor,  dafs  er  nicht  weniger  als  zwölf  Tage,  einschliefslich 
zweier  Reisetage,  für  seine  Expedition  gebraucht  hatte,  wobei 
er  zwei  Taler  für  sich  und  einen  Taler  für  seinen  Schreiber 
als  tägliche  Auslösung  in  Ansatz  brachte.  Die  ganze  Reise 
von  Dresden  nach  Altdöbern  hatte  28  Taler  gekostet;  inter- 
essant sind  auch  Verläo-e  für  Bewachen  des  Wagens  in  der 
Nacht,  für  Aufmachen  einer  Brücke  und  für  einen  Wegweiser 
durch  den  Wald  zwischen  Senftenberg  und  Altdöbern.  Mit 
Rücksicht  auf  diesen,  wie  es  scheint,  damals  ganz  besonders 
bedenklichen  Teil  der  Reise  bestellte  er  denn  auch  für  die 
Rückreise  beim  Amtmann  in  Altdöbern  vier  tüchtige  Vorspann- 
pferde. 

Da  die  Briefe  Brühls  nichts  für  die  Untersuchung  Wich- 
tiges enthielten,  so  hatte  die  Expedition  Talons,  welcher  in 
seinem  Übereifer  auch  das  Archiv  und  die  Vorratskammern 
versiegelt  hatte,  nur  zur  Folge,  dafs  die  Jurisdiktion  in  Alt- 
döbern stillstand,  die  Bauern  unbefugter  Weise  das  Holz  nieder- 
schlugen und  Ratten  und  Mäuse  sich  die  Vorräte  zu  Nutze 
machten.  Eine  Vorstellung  der  Frau  von  Heineken  an  Xaver 
vom  9.  März   1764  war  vorläufig  ohne  Erfolg. 

Auch  die  zahlreichen  Bitten  des  Gefangenen  selbst  um 
Entlassung  aus  der  Haft  waren  nutzlos.  Nur  gemildert  wurde 
seine  Haft  insofern,  als  ihm  nach  einiger  Zeit  die  Wache  aus 
der  Stube  genommen,  der  gelegentliche  Besuch  seiner  Famihe 
und  die  Benutzung  seiner  Bibliothek,  sowie  die  Arbeiten  am 
Kupferstichkatalog  und  dem  Künstlerlexikon  (Buchstabe  H — O) 


2 "7 8  Georg  Lehmann: 

gestattet  wurde.  So  schleppte  sich  die  Untersuchung  ziemlich 
langsam  dahin. 

Auf  jeden  Fall  bestritt  Heineken,  aus  seinem  Besitze  oder 
—  was  in  dem  verloren  gegangenen  Aktenstück  verhandelt 
worden  sein  mufs  —  aus  dem  Gräflich  Brühischen  und  ehemals 
Gräflich  Hennickeschen  Archiv  „Dokumenta,  Schriften  oder 
Nachrichten,  so  die  Landesherrlichen  Angelegenheiten  concer- 
niren",  beiseite  gebracht  oder  vernichtet  zu  haben. 

Sehr  eingehend  beschäftigte  sich  die  Untersuchung  mit 
seinem  Bilderhandel. 

Eine  der  letzten  Regierungshandlungen  des  Kurfürsten 
Friedrich  Christian  war  die  am  14.  Dezember,  drei  Tage  vor 
seinem  Tode,  erlassene  Verfügung  gewesen,  wonach  dem  Hei- 
neken die  Direktion  des  Kupferstichkabinetts  abgenommen  und 
an  den  Geheimen  Legationsrat  Christian  Ludwig  von  Hage- 
dorn, den  Bruder  des  Dichters,  übertragen  und  jenem  der 
von  ihm  gefertigte  Katalog  abgefordert  wurde.  Nach  diesem 
Katalog  (Kab.  Akt.  Bl.  174),  den  Heineken  in  der  letzten  Zeit 
mit  dem  vorhandenen  Bestände  nicht  mehr  hatte  vergleichen 
können,  sollten  80917  Blatt  Kupferstiche  und  396  dazu  ge- 
hörige Bücher  vorhanden  sein.  Man  vermutete  unredliches 
Gebahren  damit,  während  Heineken  versicherte,  dafs  er  nichts 
von  der  königlichen  Sammlung  sich  angeeignet,  derselben  im 
Gegenteil  noch  mehrere  tausend  Stück  aus  eigenen  Mitteln 
hinzugefügt  habe.  Die  noch  mangelhafte  Ordnung  der  Samm- 
lung entschuldigt  Heineken  durch  die  Kriegszeiten,  während 
welcher  sie  unter  dem  Schlofsturm  versteckt  gewesen  sei.  Aus 
diesem  Grunde  sei  auch  der  Befehl  des  Königs,  alle  Dubletten 
an  die  Brühische  Sammlung,  die  von  Hagedorn  auf  29445 
Stück  angegeben  wird,  abzugeben,  nicht  zur  Durchführung  ge- 
kommen, weshalb  er  aufserdem  noch  mehrere  tausend  Stück 
zu  übergeben  in  der  Lage  sei. 

Wie  die  oben  erwähnten  Akten  der  Königlichen  General- 
direktion der  Sammlungen  ausweisen,  fand  die  Übergabe  der 
Kupferstichsammlung  durch  von  Heineken  an  von  Hagedorn  in 
der  Zeit  vom  15. — 23.  Februar  1764  statt,  und  die  vollständige 
Zählung  und  Katalogisierung  war  am  8.  Juni  beendet.  Das  Re- 
sultat war  ein  ganz  überraschendes.  Denn  unterm  15.  Juni 
war  von  Hagedorn  in  der  Lage,  einen  überaus  günstigen  Be- 
richt über  den  Befund  der  Sammlung  an  den  Prinzen-Admi- 
nistrator zu  erstatten,  wobei  er  ausdrücklich  hervorhob,  dafs 
von  Heineken  das  königliche  Kupferstichkabinett  ansehnlich, 
insonderheit  aber  mit  einer  ganz  auserlesenen  Büchersamm- 
lung vermehrt  habe.    Wohl  zu  Heinekens  eigener  Verwunde- 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  279 

rung  stellte  sich  heraus,  dafs  sich  die  königliche  Sammlung 
von  49  III  Stück  nach  dem  alten  Katalog  bezw,  80917  Blatt 
nach  dem  späteren,  auf  nicht  weniger  denn  130028  Stück  und 
764  dazu  gehörige  Bücher  vermelirt  hatte. 

In  diesem  Punkte  konnte  also  Heineken  wohl  kaum  eine 
Unredlichkeit  nachgewiesen  werden ;  doch  hefs  man  den  Ver- 
dacht noch  nicht  fallen. 

Inzwischen  waren  auch  die  Gutachten  von  den  verschie- 
denen Kassenstellen  eingegangen  und  zwei  starke  Foliobände 
(Vol.  II  und  III)  waren  mit  den  Verzeichnissen  der  in  den 
Jahren  1733-^63  ausgegebenen  Steuer-,  Kammer-  und  Akzis- 
scheinen angefüllt  worden.  Hiernach  ergab  sich,  dafs  auf  Spe- 
zialreskripte  des  Kurfürsten  aufser  den  im  Kammerreglement 
von  1733  angeordneten  Ausgaben  in  der  fraglichen  Zeit  noch 
9  276  589  Taler  in  zinsbaren  Kammerscheinen  ausgegeben  wor- 
den waren,  für  welche  als  Deckung  nur  ein  kleiner  Betrag, 
nämlich  die  Depositengelder  der  Witwen  und  Waisen  und 
Kautionen  der  Beamten,  welche  bei  den  Ämtern  lagen,  ein- 
gegangen waren.  Diese  Unglücklichen  hatten  also  für  ihr  gutes 
bares  Geld  Kammerscheine  von  weit  geringerem  Wert  er- 
halten (vgl.  Vol.  II  Bl.  2  ff.  und  Vertr.   Briefe  II,  36). 

Ebenso  waren  bei  der  General-Akzis-Kasse  im  fraglichen 
Zeitraum  10  701  796  Taler  Akzisscheine  zufolge  Spezialbefehls 
ausgefertigt  worden,  ohne  dafs  dafür  Valuta  eingegangen  war. 
Hiervon  waren  1519236  Taler  an  die  königliche  Schatulle 
und  195350  Taler  an  Brühl  gezahlt  worden.  Endlich  hatte 
auch  der  Kurfürst  1753  und  1756  135  000  Taler  aus  der  Por- 
zellanmanufaktur-Kasse ffeborgft. 

Solchergestalt  erklärte  sich  freilich  die  enorme  Über- 
schuldung aller  Steuerkassen,  Aber  es  erschienen  auch  die 
drei  Angeschuldigten,  welche  nichts  weiter  als  die  Zinsen  auf 
die  ihnen  übergebenen  Steuerscheine  erhoben  hatten,  nur  als 
Brühische  Beauftragte  und  an  sich  ohne  persönliche  Schuld, 
denn  es  war  eine  natürliche  Folge  der  absolutistischen  Satra- 
penwürtschaft,  welche  damals  im  Kurstaate  herrschte,  dafs  die 
Interessen  des  Staates,  des  Monarchen  und  Brühls  sich  ver- 
mengten, ja  beinahe  deckten.  Was  Wunder,  wenn  sich  auch 
die  Begriffe  der  Diener  Brühls,  welche  zugleich  Diener  des 
Staates  waren,  verwirrten  und  sie  schliefslich  selbst  nicht  mehr 
wufsten,  wem  sie  eigentlich  dienten.  Die  Untersuchungskom- 
mission fühlte  auch,  dafs  auf  diesem  Wege  den  Angeschuldig- 
ten nicht  beizukommen  war.  Sie  schob  auf  das  S\stem,  was 
andernfalls  der  Person  zur  Last  gefallen  wäre,  und  verliefs  da- 
her  diesen    Gegenstand,  um   sich   abermals  und   zwar  um  so 


280  Georg  Lehmann: 

eingehender  dem  Bilderhandel,  insbesondere  dem  mit  Oelge- 
mälden,  zuzuwenden. 

Es  war  nämlich  bekannt,  dafs  Heineken  zu  Ostern  1755  aus 
dem  sogen.  Vorrat  bei  den  königlichen  Sammlungen  173  Stück 
Bilder  an  sich  gebracht  oder,  wie  er  behauptete,  gekauft  hatte. 
Der  Galerieinspektor  Riedel  wufste  um  diesen  angeblichen 
Kauf  und  besafs  auch  ein  Verzeichnis  sämtHcher  Bilder.  Auch 
verwahrte  er  drei  Nachweise  über  im  ganzen  38  Stück  an 
Heineken  im  März  und  April  1756  ausgehändigte  Bilder,  und 
endHch  wufste  man,  dafs  letzterer  um  diese  Zeit  28  Stück 
durch  einen  gewissen  Le  Leu  in  Paris  hatte  versteigern  lassen, 
und  ferner,  dafs  er  von  neun,  dem  Bankier  Godskowsky  in 
Berlin  zum  Preise  von  7900  Talern  angebotenen  Bildern  vier 
Stück  für  3500  Taler  an  ihn  verkauft  hatte,  und  dafs  diese 
an  den  König  von  Preufsen  gelangt  waren.  Aber  man  zweifelte 
noch,  ob  ein  wirklicher  solider  Kauf  vorliege  und,  wenn  dies 
der  Fall,  ob  die  Kaufsumme  bezahlt  sei. 

Heineken  liefs  sich  über  diesen  Punkt  wie  folgt  aus.  Er 
sagte:  der  König  sei  ein  vorzüglicher  Kenner  von  Gemälden 
gewesen.  Er  habe  seine  Bilder  ihrem  künstlerischen  Werte 
nach  in  vier  Klassen  geschieden.  Die  erste  habe  sich  in  der 
Galerie,  die  zweite  in  Hubertusburg,  die  dritte  in  Warschau 
und  die  vierte  Klasse,  zu  welcher  nur  ganz  minderwertige 
Sachen,  namentlich  viele  Kopien  gehört  hätten,  zum  Teil  über- 
einander geschichtet  im  sogen.  Vorrat  im  Holländischen  (jetzt 
Japanischen)  Palais  befunden.  Aus  dieser  letzteren  Klasse  von 
Bildern  habe  er  sich  Ostern  1755  in  Gegenwart  des  Galerie- 
inspektors Riedel  173  Stück  ausgesucht  und,  nachdem  der  König 
sie  in  Begleitung  des  Oberstallmeisters  von  Trützschler  und 
der  Pagen  besichtigt,  in  seine  Wohnung  schaffen  lassen,  aus 
welcher  jedoch  später  wegen  der  Kriegsunruhen  131  Stück 
wieder  in  das  Holländische  Palais  zurückgebracht  worden  seien. 
Als  Kaufpreis  habe  er  mit  Brühl  7900  Taler  und  100  Taler 
für  Reparaturkosten  und  ferner  noch  vereinbart,  dafs  er  diesen 
Betrag  erst  dann  zu  bezahlen  brauche,  wenn  es  ihm 
gelungen  wäre,  denselben  durch  Weiterverkauf  von 
Bildern  hereinzubekommen.  Letzteres  sei  Ostern  1756 
geschehen,  worauf  er  die  8000  Taler  an  Brühl  bezahlt  habe. 
Er  glaube  auch,  dafs  dieser  das  Geld  an  Seine  Majestät  ab- 
geliefert, und  wisse,  dafs  der  König  ihm  den  Vorteil,  den  er 
sich  durch  den  Bilderhandel  gemacht,  wohl  gegönnt  habe. 
Zum  Beweise  alles  dessen  bezieht  er  sich  auf  eine  Origrinal- 
quittung  Brühls  (in  dem  verloren  gegangenen  Aktenstück 
Vol.  IV  B  enthalten,   fol.  208),  laut  welcher  dieser  über  ,,zur 


Der  Prozefs  sregen  K.  H.  v.  Heineken.  281 


&'-(-> 


Ostermesse  1756  wegen  eines  gewissen  negotii  zu  höchsten 
Händen  empfangene  7900  Taler  und  100  Taler  Unkosten" 
quittiert. 

Über  den  Wert  der  von  ihm  erkauften  Bilder  äufsert 
sich  Heineken  im  allgemeinen  dahin:  ,,Es  sind  alles  Copieen 
und  schlechte  Pastici  und  nicht  werth  in  den  kurfürstlichen 
Galerien  und  Palästen  zu  hängen",  und  nur  von  den  neun 
nach  Berlin  zum  Kauf  angebotenen  sagt  er  sehr  diplomatisch: 
,,dafs  sie  bei  einem  halben  Kenner  vor  etwas  Erhebliches  aus- 
o'eseben  werden  konnten". 

Über  diese  letzteren  gibt  nun  ein  in  den  Papieren 
Heinekens  vorgefundener  Zettel  Auskunft,  welchen  wörtlich 
wieder  zu  o;eben  wegen  des  nurerwähnten  Urteils  Heinekens 
imd  der  unparteiischen  Beurteilung  des  Falles  überhaupt  von 
Bedeutung  erscheint.     Er  lautet: 

Liste  des  Tabl.  que  le  Sn.  G.  ä  achete. 

1.  Tableau  de  Simon  Vouet 600  ThI. 

2.  „         de  Luc.  Giordano,  Apollo  et  Diana      .     600     ., 

3.  Europe  d'Ercolino  di  Guido 2000     „ 

4.  Adam  et  Eva  de  Daniel  Saiter 300     „ 

3500  Tbl. 
II  les  a  achete  pour  les  payer  ä  la  foire  de  Paques. 
Et  du  dernier  transport: 

1.  La  scene  de  Herodiade  de  Paolo  Veronese   .     .  2000  Tbl. 

2.  (  Bergers  et  Bergeres  de  Domenico  1 

3.  1  Tintoretto  /    '     •     •     '  '°°°     " 

4.  Circe  del  Gefsy  ä       600     „ 

5.  Les  amours  d'Apollo  per  Rothenhamer      .     .     .     800     „ 

4400  Tbl. 
Sur  le  Titien  il  m'ecrit: 

Wenn  die  Venus  von  Titien,  welche  4000  Taler  kosten  soll  wird 
angelangt  sein  und  dafs  ich  solche  auf  acht  Tage  Zeit  hier  haben 
kann,  so  denke  ich  solche  noch  anzubringen. 

Dieser  Zettel  scheint  von  einem  in  Berlin  wohnenden  Un- 
terhändler Heinekens  herzurühren.  Die  darauf  vorkommenden 
Xamen  von  Malern  waren  auch  damals  schon  von  aufserge- 
wöhnlich  gutem  Klange  und  schön  in  der  IModenesischen  Samm- 
lung vertreten  gewesen.  Die  Venus  von  Tizian  würde  das 
an  den  38  Stück  fehlende  Bild  sein. 

Ebenso  wichtig  wäre  es,  die  von  Heineken  noch  ge- 
forderten 130  Bilder  kennen  zu  lernen  oder  wenigstens  das 
in  den  Akten  (Kab.  Akt.  Bl.  580  b)  befindliche  Verzeichnis 
von  118  Stück  derselben  wiederzugeben,  wenn  nicht  der 
Raum  dies  verböte.  Einige  Stichproben  mögen  genügen: 
Inventar  A.   ,,No.  149,  Brustbild  Lutheri  auf  Holz.     No.  19:, 


282  Georg  Lehmann: 

Porträt  Albert  Dürers  auf  Holz  mit  Überschrift  etc.  (viel- 
leicht das  Selbstporträt  der  Sammlung  Felix,  jetzt  in  Mün- 
chen). No.  1367,  Porträt  eines  sächs.  Kurfürsten  in  halber 
Figur  auf  Holz.  No,  161 1,  die  Mutter  Gottes  mit  dem  Kind  Jesu, 
St.  Joseph  und  heil.  Elisabeth,  Kniestück  auf  Holz.  No.  2557, 
St.  Sebastian  an  einen  Baum  gebunden,  ganze  Figur  auf 
Leinewand.  No.  2670,  Adam  und  Eva  von  Lukas  Cranach  und 
mit  1530  bez.,  ganze  Figur  auf  Holz,  No.  2676,  drei  nackende 
Frauenspersonen,  ganze  Figur,  bez.  O.  EUiger  1670.  No.  2939, 
die  Mutter  Gottes,  welche  dem  Kind  Jesu  eine  Weintraube 
reichet,  auf  Holz  von  Cranach.  No,  3031,  ein  Bild  von  Breughel 
1621".  Inventar  B. :  No.  38 — 45  eine  Anzahl  Porträts  säch- 
sischer Kurfürsten.     Zahlreiche  weitere  Cranachs. 

Diese  118  Stück,  wie  es  scheint  in  der  Hauptsache  Deut- 
sche und  Niederländer,  befanden  sich  also  zur  Zeit  der  Un- 
tersuchung noch  im  Vorrat  bei  der  Galerie,  während  14  Stück 
als  fehlend  und  3  Stück  in  der  kurfürstlichen  bez.  Brühischen 
Galerie  befindlich  angegeben,  die  173  Stück  also  damit  an- 
nähernd nachgewiesen  wurden. 

Die  Untersuchungskommission  schenkte  aber  den  Anga- 
ben Heinekens  keinen  Glauben.  Sie  erklärte,  ,,die  Gewifsheit 
des  vorgegebenen  Kaufs  würde  durch  die  Quittung  keines- 
wegs dargetan",  denn  es  fehle  darin  sowohl  die  Angabe  der 
Sache,  für  welche,  als  auch  der  Person,  von  welcher  gezahlt 
werde.  Dieser  Umstand  wurde  jedoch  von  Heineken  mit  dem 
ausdrücklichen  Wunsche  des  Könios  erklärt,  dafs  von  diesem 
Geschäfte  nichts  an  die  Öffentlichkeit  dringen  möge.  Die 
Kommission  liefs  diesen  Einwand  gelten,  hielt  aber  ebendes- 
halb an  der  Meinung  fest,  dafs  es  sich  hier  allerdings  um 
einen  zwischen  den  Königen  von  Sachsen  und  Preufsen  abge- 
schlossenen Bilderkauf  handeln  könne,  bei  dem  aber  Heineken 
und  Godskowsky  lediglich  die  Vermittler  abgegeben  hätten. 
Die  28  in  Paris  versteigerten  und  die  131  von  Heineken  noch 
beanspruchten  Bilder  seien  jedenfalls  noch  nicht  bezahlt.  Die- 
ser benutze  nur  in  schlauer  Weise  das  fragliche,  in  unbestimm- 
ten Ausdrücken  abgefafste  Dokument,  um  die  Bezahlung  der 
Bilder  zu  beweisen.  Die  darin  erwähnten  100  Taler  könnten 
für  Emballage  und  Transport  ausgegeben  worden  sein.  Dazu 
kam,  dafs  Riedel  seine  von  Heineken  behauptete  Gegenwart 
bei  der  Auswahl  der  Bilder  auf  das  Entschiedenste  bestritt 
und  im  Gegenteil  behauptete,  dieser  habe  gerade  seine,  Riedels, 
Abwesenheit  in  Hubertusburg  dazu  benutzt,  sich  in  Gemein- 
schaft mit  seinem  Verwandten  Oesterreich,  der  im  Kupferstich- 
kabinett angestellt  war,  die  fraglichen  Bilder  herauszusuchen. 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  283 

Übriorens  aber  seien  dies  durchaus  keine  schlechten  und  un- 
tergeordneten  Bilder  gewesen,  sondern  vielmehr  „teils  gute, 
teils  Mittelsorte".  Endlich  vermochte  auch  der  sogar  eidlich 
abgehörte  Brühische  Kassierer  Schindler  den  Eingang  der 
7900  und   100  Taler  nicht  zu  bestätigen. 

Trotz  alledem  verlor  aber  dieser  Anklagepunkt,  dessen  Er- 
örterung sich  bis  in  das  Jahr  1769  hinzog,  immer  mehr  seinen 
kriminellen  Charakter  als  eine  das  landesherrliche  Interesse 
schädigende  ehrlose  Handlung  und  löste  sich  allmähHch  in 
einen  rein  zivilrechtlichen  Anspruch  des  Fiskus  auf.  Die  Ge- 
ringschätzung, mit  der  man  damals  den  deutschen  Meistern 
fast  allgemein  begegnete,  kam  Heineken  dabei  ganz  wesentlich 
zu  statten. 

Ebenso  verhielt  es  sich  mit  der  Frage,  betreffs  Verwen- 
dung der  sogen.  Forstaischen  Baubegnadigungsgelder. 

Im  Jahre  1748  waren  90  Häuser  und  die  Kirche  der  Stadt 
Forst,  Hauptorts  der  Brühischen  Herrschaft,  niedergebrannt 
und  den  Einwohnern  waren  45  000  Taler  zum  Wiederaufbau 
ihrer  Häuser  bewilligt  w-orden.  Heineken  verwaltete  diesen 
Fond  und  hatte  Brühl  auf  seine  Frage  am  Tage  vor  seinem 
Tode,  wieviel  noch  übrig  sei,  den  Betrag  von  9000  Talern 
angegeben,  den  Brühl,  wäe  schon  erwähnt,  zugleich  als  ein 
Legat  für  von  König  bestimmte.  Es  war  nun  fraglich,  ob 
Brühl  in  dieser  Weise  zu  disponieren  berechtigt  und  ob  die 
Ver\\'altung  ordentlich  geführt  war.  Heineken  bejahte  dies 
und  behauptete,  Brühl  habe  die  Kirche  und  andere  Gebäude 
aus  eigenen  Mitteln  wieder  aufgebaut,  woraus  sich  dessen  An- 
spruch auf  die  9000  Taler  ergäbe. 

Diese  Anoelegrenheit  wurde  einer  besonderen  Kommission 
zur  Untersuchung  überwiesen. 

Endlich  wurde  Heineken  noch  beschuldigt,  das  Geheime 
Konsilium  in  einem  Briefe  an  Brühl  nach  Warschau  gelegent- 
lich der  Überreichung  seiner  Schrift  über  ,, Vorschläge  zu 
einer  Münz  Verfassung"  dadurch,  dafs  er  von  den  Mitgliedern 
gesagt  habe:  n'ont  point  d'esprit  de  commerce",  beleidigt 
zu  haben  —  ein  sonderbarer  Anschuldigungsgrund!  —  und 
weiter,  zwei  Beamte  Namens  Bernauer  und  Klingguth  lediglich 
im  Brühischen  Interesse  und  zum  Nachteil  der  landesherrlichen 
Interressen  in  ihre  Ämter  gebracht  zu  haben,  was  er  natürlich 
lebhaft  bestritt. 

Soweit  nun  war  die  Voruntersuchung  gediehen,  als  im 
Februar  1764  der  durch  Reskript  vom  4.  desselben  Monats  er- 
nannten siebengliedrigen  Untersuchungskommission  die  sechs 
Volumina   Akten   mit   dem   Befehle   übergeben   wurden,    über 


284  Georg  Lehmann: 

die  etwaige  Freilassung  der  drei  Angeschuldigten  Bericht  zu 
erstatten. 

Wiederholt  hatte  Heineken  in  Schreiben  an  den  Kur- 
fürsten, die  Untersuchungskommission  und  andere  hochgestellte 
Personen,  selbst  an  die  Kurfürstin  in  den  flehentlichsten  Aus- 
drücken um  seine  Haftentlassung  gebeten.  ,, Monarchen  haben 
allerdinors  die  Macht  in  Händen"  —  sagt  er  einmal  in  einem 
Schreiben  an  die  letztere  vom  3.  November  1763  (Vol.  V  Bl.  i)  — 
,,mit  ihren  Untertanen  nach  Belieben  zu  verfahren.  Ich  bin  aber 
überzeugt,  dafs  eine  Landesherrschaft,  die  mir  bereits  so  viel 
Proben  der  Gnade  erwiesen,  nicht  zugeben  wird,  dafs  unter 
ihrer  so  glücklich  angefangenen  Regierung  jemand,  wer  er 
auch  sei,  unschuldig  leide,  und  doch  leide  ich  unschuldig". 
Aber  er  weigerte  sich  beharrlich,  eine  Kaution  in  Geld  für 
seine  Freilassung  zu  stellen,  was  Hausius  tat.  Über  die  Gründe 
hierzu  findet  sich  nirgends  eine  Andeutung;  das  wahrschein- 
lichste ist,  dafs  er  fürchtete,  er  werde  sie  auch  bei  völliger 
Freisprechung  nicht  wieder  herausbekommen.  Wegen  Ab- 
weisung dieser  Gnade  —  denn  die  Zulassung  zur  Kautions- 
stellung wurde  als  ein  Gnadenakt  angesehen  —  trafen  ihn  aller- 
dings  mancherlei  Nachteile.  So  verweigerte  der  Prinz  Xaver 
auf  Vorstellung  der  Siebener -Kommission  die  Freigabe  der 
Vorratskammern,  des  Weinkellers  und  Archivs  in  Altdöbern, 
obschon  bereits  im  November  eine  Beschwerde  von  neun  Guts- 
untertanen eingegangen  war,  welche  behaupteten,  dafs  Heineken 
sie  zu  ungerechten  Hofediensten  anhalte  und  ihnen  die  Hu- 
tung  weggenommen  habe,  und  hierzu  die  Eröffnung  des  Archivs 
dringend  notwendig  gewesen  wäre.  Die  Kommission  schlug 
vor,  die  Oberamtsregierung  in  Lübben  anzuweisen,  die  frag- 
lichen Räumlichkeiten  dem  nächsten  kurfürstlichen  Beamten 
zu  übergeben.  Aber  dies  zu  gestatten  weigert  sich  Heineken 
als  Landstand  des  Markgraftums  Niederlausitz  wiederum  ganz 
entschieden.  ,,Was  würden  meine  bösen  Untertanen  sagen, 
wenn  ich  so  mifsachtet  werde  und  meine  Habe  durch  einen 
Amtmann  sequestriert  wird?"  ruft  er  aus.  Eine  solche  Be- 
schimpfung könne  der  gröfste  Monarch  nicht  wieder  gut  machen. 
Auch  das  Vermögen  seiner  Frau  und  Kinder  leide  unter  so 
scharfen  Mafsregeln.  Flehentlich  bittet  er  ihm  endlich  zu  sagen, 
welches  Verbrechens  er  eigentlich  beschuldigt  werde.  Das 
war  im  Mai  1764.  So  blieb  es,  eben  weil  er  sich  geweigert 
hatte,  der  Gnade  teilhaftig  zu  werden  und  Kaution  zu  stellen, 
in  statu  quo  (Reskript  vom  12.  Juni)  und  die  Beschwerde  der 
neun  Gutsuntertanen  ebenfalls.  Das  Einzige,  aber  immerhin 
nicht  Unwesentliche,  was  Heineken  erreichte,  war,  dafs  verfügt 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  285 

wurde,  die  Inhaitbehaltun<T  solle  nicht  als  eine  ,,Kriminal- 
asservation"  mit  ihren  ehrenrührigen  Konsequenzen,  sondern 
nur  als  eine  ,,Petention  der  Person"  angesehen,  ihm  auch 
keine  Kosten  für  die  Bewachung  abgefordert,  im  übrigen 
aber  von  Zeit  zu  Zeit  Bewegung  in  freier  Luft  in  Begleitung 
eines  Offiziers  gestattet  werden.  Die  sogen.  Spezialinquisition 
wurde  also  nicht  gegen  ihn  verfügt. 

Im  Juni  gestalteten  sich  aber  die  Angelegenheiten  Hei- 
nekens wieder  ungünstig;  denn  die  Siebener-Kommission  be- 
richtete an  den  Prinzen  Xaver  (Kab.  Akt.  Bl.  170):  von  Klit- 
zing  auf  Reddern,  einem  Nachbargut,  habe  geäufsert:  ,,von 
Heineken  solle  sich  menagiren;  er  wisse  Dinge,  die  demselben 
den  Strick  bewürken  könnten".  Auch  befinde  sich  hinter  seinem 
Bette  im  Schlofs  zu  Altdöbern  ein  geheimes  Gewölbe,  welches 
bis  jetzt  den  Nachforschungen  entgangen  sei.  Oberstleutnant 
von  Thielau  auf  Neudöbern  werde  hierüber  Auskunft  geben 
können. 

Erst  nachdem  die  Oberamtsregierung  zu  Lübben  sich  selbst 
eingemischt  und  das  Geheime  Konsilium  sich  befürwortend 
ausgesprochen  hatte,  wurde  Anfang  September  die  Resignation 
d.  h.  Entsieo-eluno-  des  Archivs  verfügt. 

Um  dieselbe  Zeit  aber  (31.  August,  Kab.  Akt.  Bl.  208)  er- 
folgte ein  wichtiger  Bericht  der  Untersuchungskommission  an 
den  Prinzen -Administrator,  worin  ausgesprochen  wurde:  ,,es 
habe  zwischen  dem  Brühl'schen  Rechnungswesen  und  den 
könighchen  Kassen  ein  enger  Zusammenhang  bestanden, 
aber  es  seien  zur  Zeit  keine  Indicia  vorhanden,  wodurch  von 
Heineken  überzeugt  werden  könnte,  dafs  er  an  der  Kassen- 
verwaltuno;  unmittelbar  teilgenommen  habe".  Es  wird  ein 
Reinigungseid,  ein  Bestärkungseid  und  Entlassung  Heinekens 
auf  cautiojuratoria  vorgeschlagen.  In  seiner  Sitzung  vom  21.  Sep- 
tember, an  welcher  die  verwitwete  Kurfürstin  Maria  Antonia 
und  der  Prinz  Xaver  teilnahmen,  trat  das  Geheime  Konsilium 
diesen  Vorschlägen  bei,  welche  alsbald,  m  elf  Punkte  geteilt 
und  als  Reskript  formuliert,  vom  Prinzen  unterzeichnet  wurden. 
Das  wesentlichste  darin  war,  dafs  Heineken  zu  beschwören 
habe,  wie  er  die  Wahrheit  gesagt,  keine  Schriften  von  Be- 
deutung beseitigt  und  die  oben  genannten  Beamten  nicht  im 
Brühischen  Interesse  befördert  habe.  Ferner  beschlofs  man, 
dafs  wegen  aller  Ansprüche,  namenthch  aus  dem  Bilderhandel 
beim  Kupferstichkabinett,  fiscaliter  vor  dem  forum  civile 
gegen  ihn  zu  verfahren,  bis  zum  Austrag  der  Sache  aber  seine 
Immobilien  zu  inhibieren,  dafs  er  gegen  cautio  juratoria  zu 
entlassen   sei   und   mit   seiner  Familie  Hof  und  Stadt  zu  ver- 


2  86  Georg  Lehmann: 

lassen  habe.  Die  angebliche  Beleidigung  des  Ministeriums 
wurde  als  ungebührliche  Äufserung  bezeichnet  und  damit  ab- 
getan; von  Klitzing  und  von  Thielau  sollten  noch  eidlich  ab- 
o-ehört  werden. 

Bis  zur  Entlassung  Heinekens  aus  der  Haft  hatte  es  aber 
noch  gute  Wege. 

Erst  nachdem  die  erwähnten  beiden  Zeugen  abgehört 
waren  und  dabei  „den  von  Heineken  mehr  exculpiret  als  gra- 
viret"  hatten,  auch  neue  Indizien  nicht  aufgetreten  waren, 
wurde  dem  Angeklagten  die  cautio  juratoria,  d.  h.  ein  Eid 
dahin,  dafs  er  alles  auf  die  Untersuchung  Bezügliche  auf  Er- 
fordern noch  angeben,  über  diese  nicht  korrespondieren,  nicht 
aufser  Landes  gehen  und  ihm  etwa  auferlegten  Ersatz  und 
Strafe  prästieren  wolle,  vor  versammelter  Untersuchungskom- 
mission abgenommen,  worauf  er,  vermutlich  am  7.  Dezember 
1764,  aus  der  Haft  entlassen,  d.  h.  von  der  Wache  be- 
freit wurde.  Unter  gedachtem  Datum  richtet  er  ein  in  den  ehr- 
erbietigsten Ausdrücken  abgefafstes  Dankschreiben  an  den  Prin- 
zen-Administrator. Dessen  erst  vom  13.  Dezember  datiertes 
Reskript  auf  Haftentlassung  bewilligt  ihm  einen  achttägigen 
Aufenthalt  für  Ordnung  seiner  Angfeleo^enheiten  in  Dresden, 
gestattet  die  Resignation  sämtlicher  Räume  im  Schlosse  zu  Alt- 
döbern,  befiehlt  aber  sämtliche  dort  befindliche  ,, Briefschaften 
und  Schildereien"  nach  Dresden  zu  schicken.  Die  Kreistasfe  in 
Lübben  dürfe  er  besuchen,  aber  keine  Nacht  wegbleiben. 

Die  Untersuchung  ist  aber  damit  noch  langte  nicht  g-e- 
schlössen. 

Die  Erörterungen  wegen  des  Bilderhandels  wurden,  wenn 
auch  in  langsamerem  Tempo  noch  fortgesetzt;  aber  die  An- 
fang Febniar  1765  erfolgte  Freigabe  der  Kiste  mit  Kupferstichen 
in  Hamburg,  welche  167  Porträts,  331  Niederländer,  313  Fran- 
zosen, 4  Engländer,  184  Italiener  und  24  Deutsche  enthielt, 
deutet  doch  darauf  hin,  dafs  man  in  seinem  Kupferstich - 
handel,  der  hiernach  nicht  unbedeutend  gewesen  sein  kann, 
nichts  Strafbares  gefunden  hatte,  während  die  notwendig  ge- 
wiesene Einholung  der  Genehmig-ung  zum  Verkaufe  seines  Dres- 
dener  Hauses  um  dieselbe  Zeit  beweist,  dafs  die  Beschlag- 
nahme seines  Immobiliarvermögens  noch  nicht  aufgehoben 
w^ar.  Trotzdem  mufs  aber  bei  der  Untersuchungskommission 
bereits  die  Überzeugung  durchgedrungen  sein,  dafs  Heineken 
für  die  Überschuldung  der  Steuerkassen  auch  nicht  zivilrecht- 
lich verantwortlich  gemacht  werden  könne,  denn  sie  spricht 
sich  im  März  1765  dem  Prinzen- Administrator  gegenüber 
dahin  aus:  ,,dafs  Graf  Brühl  von  den  zu  Ihrer  Majestät  Händen 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  287 

ausgefertigten  Kammer-,  Steuer-  und  Akzisscheinen  grofse 
Summen  an  sich  genommen  und  in  seinem  Nutzen  verwendet 
habe",  ohne  also  dabei  Heinekens  als  Teilnehmer  oder  Mit- 
schuldigen zu  gedenken,  und  bewirkt  damit,  dafs  Xaver  unterm 
31.  März  die  Erhebung  der  fiskalischen  Klage  gegen  die  Brühl- 
schen  Erben  betiehlt. 

Im  Jahre  1766  kam  der  Verkauf  der  loi  Kupferstich- 
platten zu  dem  von  Heineken  veranstalteten  Galeriewerk,  die  ihn 
66  000  Taler  gekostet  hatten,  an  Xaver  zu  Stande,  aber  im  August 
des  folgenden  Jahres  ist  die  Auszahlung  des  Kaufpreises  noch 
nicht  erfolgt.  10  000  Taler  waren  ihm  laut  noch  vorhandener 
Quittung  vom  König  August  III.  für  100  Exemplare  des  Galerie- 
werkes bereits  früher  ausgezahlt  worden.  Zum  Wechsel  seines 
Aufenthalts  mufste  er  noch  landesherrliche  Genehmigung  nach- 
suchen, was  ihm  bei  seinen  mancherlei  Geschäftsreisen,  die  sich 
sogar  (1766)  bis  Holland,  Frankreich  und  England  ausdehnten, 
recht  hinderlich  gewesen  zu  sein  scheint.  Auch  berichtet  er 
im  Dezember  1767,  dafs  er  eine  Tabakfabrik  in  Altdöbern 
eingerichtet  habe,  und  fügt  mit  Stolz  hinzu,  dafs  infolgedessen 
die  Berliner  Fabrik  den  Preis  des  Zentners  Tabak  von  14  Talern 
18  Groschen  auf  9  Taler  herabzusetzen  gezwungen  gewesen  sei. 
Die  wegen  dieser  Fabrik  erbetene  Freiheit  zu  reisen  wurde 
ihm  vom  Prinzen  Xaver  gewährt. 

Schon  im  Februar  1767  hatte  Heineken  um  endliche  Be- 
endigung seiner  Untersuchung  gebeten  und  wiederholte  diese 
Bitte  zwei  Jahre  später  in  einem  Schreiben  an  den  Kurfürsten 
(Kab.  Akt.  Bl.  6ioj  mit  beweglichen  Worten,  ,, damit  er  mit 
Ruhe  und  in  Ehren  seine  grauen  Haare  in  die  Grube  nehmen 
könne".  Zugleich  bittet  er  um  Ausfolgung  der  ihm  noch  ge- 
bührenden ,,130"  Stück  Ölbilder,  wobei  er  dem  Kurfürsten 
noch  vorrechnet,  dafs  er  wiegen  des  Krieges  nicht  blofs  3500 
Taler  Kapital,  sondern  auch  2490  Taler  Zinsen  seit  Ostern 
1756  bis  dato  eingebüfst  habe,  insofern  er,  ungeachtet  seiner 
Verabredung  mit  dem  Grafen  Brühl,  die  Kaufsumme  sogleich 
voll  bezahlt  habe.  Freilich  vergifst  er  dabei  den  Betrag  zu 
■erwähnen  und  abzurechnen,  welchen  er  seinerzeit  durch  Ver- 
steigerung der  28  Bilder  in  Paris  erlangt  hatte.  Endlich  bittet 
er  um  Erteilung  eines  formellen  Absolutoriums  der  Lübbener 
Ständeversammlung  wegen,  die  ihn  in  Anbetracht  seines  jungen 
Adels  von  jeher  mit  scheelen  Augen  angesehen,  seit  seiner 
Untersuchungssache  aber  überhaupt  zu  ihren  Beratungen  nicht 
mehr  zugelassen  hatte. 

Jahrelang  war  also  in  der  Untersuchungssache  nichts  weiter 
geschehen. 


2  88  Georg  Lehmann: 

Da  resolvierte  endlich  unterm  25.  Februar  1769  der  junge 
Kurfürst  Friedrich  August,  der  seit  dem  15.  September  1768 
die  Regierung  übernommen  hatte,  an   seine  Geheimen  Räte: 

„Dafern  der  Geheime  Kammerrath  von  Heineken  in  seiner  Un- 
tersuchungssache die  von  der  Untersuchungskommission  vorgeschlage- 
nen drei  Eyde  bei  sothaner  Kommission  schwört  und  dals  es  mit  dem 
Erkauf  von  173  Stück  Bildern  aus  den  vormaligen  Königlichen  Vor- 
räthen  die  angegebene  Bewandtnifs  habe,  in  supplementum  eydlich 
erhält  (erhärtet);  so  ist  wegen  dieser  und  der  übrigen  gegen  ihn  vor- 
gekommenen Punkte  die  Untersuchung  für  völlig  abgethan  zu  achten, 
auch  ihm  die  noch  zu  fordern  habenden  130  Stück  Bilder  ohne  Ent- 
geld  zu  verabfolgen,  mithin  beim  Geheimen  Consilio  die  zu  seiner 
Sicherstellung  pro  futuro  nöthigen  Expeditiones  zu  entwerfen  und  zur 
Approbation  einzureichen,  widrigenfalls  (nämlich  wenn  die  Eide 
nicht  geleistet  werden)  rechtliches  Erkenntifs  einzuholen  und  Solches 
an  Geheime  Räthe  mit  Gutachten  einzusenden". 

Die  Eide,  fünf  recht  langatmige  Sätze,  wurden  nun  for- 
muliert; sie  gingen  kurzgefafst  dahin: 

1.  dafs  er  die  Beamten  Klinoo-uth  und  Bernauer  nicht  in 
der  Absicht,  das  Brühische  Interesse  zum  Nachteil  des  Landes- 
herrlichen zu  fördern,  in  ihre  Ämter  gebracht; 

2.  dafs  er  von  den  von  Brühl  erhaltenen  Schriftstücken 
keine  das  landesherrliche  Interesse  betreifende  beseitigt; 

3.  dafs  er  solche  Schriftstücke  auch  nicht  aus  den  Gräf- 
lich Hennickeschen  und  Gräflich  Brühischen  Archiven  beiseite 
gebracht ; 

4.  dafs  er  in  den  Brühischen  Angelegenheiten  der  Kom- 
mission alles  eröffnet  und  nichts  wider  die  Wahrheit  ver- 
schwiegen habe  und 

5.  dafs  es  mit  Erkaufung  der  173  Bilder  die  angegebene 
Bewandnis  und  er  die  130  Stücl^  demnach  wirklich  zu  fordern 
habe. 

Schon  am  22.  März  1769  leistete  Heineken  in  feierlicher 
Sitzung  der  noch  aus  den  früheren  Mitgliedern  bestehenden 
Untersuchungskommission,  welcher  Se.  Exzellenz  der  Herr 
Landvogt  von  Stammer  präsidierte,  diese  Eide  wirklich  ab^ 
und  am  6.  Juni  verfügte  der  Kurfürst,  ,,dafs  dem  von  Heineken 
eine  Liberationsurkunde  auszufertigen,  die  Inhibition  seines 
Immobiliarvermögens  aufzuheben  und  die  Unkosten  zur  Be- 
zahlung ex  fisco  anzuzeigen",  ferner,  dafs  ihm  die  noch  zu- 
kommenden Gemälde  auszuhändigen  seien.  In  der  gedachten 
Urkunde  wurde  ihm  bestätigt:  ,,dafs  er  nunmehr  von  der 
ganzen  Untersuchung  völlig  losgezählet  und  deshalb  zu  keiner 
Zeit,  weder  in  Absicht  auf  einige  Ahndung  noch  auf  einen 
Wiederersatz  etwa  in  An-  und  Zuspruch  genommen  werden 
solle". 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  289 


Die  130  Bilder  wurden  ihm  also  ausgehändigt.  Über 
ihre  späteren  Schicksale  war  nichts  zu  ermitteln.  Anfang  der 
achtziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  lebte  in  Dresden  ein 
Bilderhändler,  Namens  Franz  Müller,  welcher  Reste  davon  zu 
besitzen  behauptete. 

Die  Kosten  der  Untersuchung,  um  deren  Erlafs  ausdrück- 
lich nachzusuchen  Heineken  übrigens  nicht  unterlassen  hatte, 
wurden  auf  407  Taler  17  ngr.  —  ^^  berechnet,  nachmals  auf 
206  Taler,  13  ngr,  —  ^  ermäfsigt  und  auf  die  Staatskasse 
übernommen. 

Die  für  unsere  Zeit  auffällige  ausgedehnte  Anwendung 
des  Eides  sowohl  in  persönlicher  wie  in  sachlicher  Beziehung 
hängt  mit  der  Tendenz  des  damaligen  Strafprozesses  zusammen, 
die  Wahrheit  durch  das  Geständnis  des  Angeklagten  festzu- 
Stellen.  Um  dieses  zu  erreichen,  bediente  man  sich  wie  be- 
kannt gegebenenfalls  der  Tortur,  welche  zu  Heinekens  Zeit 
zwar  nicht  mehr  in  Übung  war,  offiziell  aber  erst  1770  in 
Sachsen  abgeschafft  wurde.  An  ihre  Stelle,  war  mit  dem  Fort- 
schreiten humanerer  Anschauungen  ein  anderes  Zwangsmittel, 
der  Eid,  getreten. 

Dem  Wesen  dieses  Prozesses  entsprach  es  auch,  dafs 
persönliche  Vernehmungen  des  Angeklagten  ziemlich  selten 
Avaren.  Aufser  am  27.  Oktober  und  3.  November  1763  und 
später  speziell  über  den  Bilderhandel  am  9.  und  14.  Mai  1766 
haben  solche  eigentlich  nicht  stattgefunden;  sie  wurden  durch 
die  zahlreichen  Schriften  des  Angeklagten  ersetzt. 

Dagegen  war  ihm  in  jedem  Stadium  des  Prozesses  reich- 
lich Gelegenheit  zur  Verteidigung  gegeben.  Seine  sämt- 
lichen, namentlich  im  Anfange  der  Untersuchung  zahlreichen 
Eingaben  wurden  gewissenhaft  zu  den  Akten  genommen.  Am 
interessantesten  sind  die  vom  5.  November  und  i.  Dezember 
1763  (Vol.  V  Bl.  8 — 22  und  Bl.  46 — 82),  in  denen  er  einen 
kurzen  Abrifs  seines  Lebens  sowie  seiner  Tätigkeit  im  Brühl- 
sehen  Haushalt  gibt  und  ,,die  entsetzliche  depense  und  grofse 
Schuldenlast",  die  dort  herrschte,  hervorhebt. 

„Es  ist  Avahr",  ruft  er  einmal  aus,  als  er  von  der  Überschul- 
dung der  königlichen  Kassen  gesprochen,  „wenn  ich  die  gewaltigen 
Ausgaben  an  allen  Orten  gesehen  und  gehört,  so  hat  die  gesunde 
\'ernunft  mich  belehren  müssen,  dafs  die  Einnahmen  des  Kurfürsten- 
thum  Sachsens  nicht  zureichen  konnten.  Allein  ich  bin  weder  an 
den  Ausgaben  schuld,  noch  habe  das  geringste  darin  anzuordnen  ge- 
habt", und  weiter  noch:  „Habe  ich  et  wann  des  Grafens  Befehle,  es 
sey  in  Geld-Ausgaben  oder  anderen  Geschäften  nicht  ausrichten  sollen, 
so  müfste  deswegen  ein  Verboth  an  mich  ergangen  seyn. 
Gott  selbst  hat  uns  10  Gebote  gegeben  und  wir  wissen,  wenn  wir 
gezüchtigt  werden,  dais  wir  solche  übertreten  haben. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXV.    3.  4.  19 


2QO  Georg  Lehmann: 

Sollte  man  es  mir  zum  Verbrechen  anrechnen  wollen,  dafs  ich 
eine  Frau  mit  Vermögen  geheyratet  und  einem  der  genereusesten 
Ministren  in  Europa  25  Jahr  lang  gedient?  Nein  das  ist  nicht 
möglich. 

Allein  ich  versteige  mich  in  meinen  Gedanken,  da  doch  das 
Unglück,  so  mir  auf  dem  Halse  liegt  und  welches  meine  Neider  nun 
beneiden  mögen,  mein  eyntziges  Augenmerk  seyn  und  ich  auf  wei- 
ter nichts  denken  sollte,  als  wie  ich  zu  meiner  vorigen  Freyheit  ge- 
langen könnte. 

Jedoch  dies  mufs  ich  Gott,  der  durchlauchtigsten  Landesherr- 
schaft und  einer  Löbl.   Commission  überlassen". 

Dieses  Beispiel  der  Heinekeschen  Verteidigungsweise 
möge  genügen.  Klugerweise  gibt  er  die  Verschwendung,  die 
mit  den  Staatsmitteln  getrieben  wurde,  zu;  aber  er  stellt  sich 
nur  als  V^erkzeug  dar  und  beruft  sich  auf  höheren  Befehl, 
der  durch  einen  noch  höheren  nicht  eliminiert  worden  sei. 

Eine  offizielle  Verteidigung  in  dem  Sinne,  wie  sie  not- 
wendig wurde,  wenn  die  Spezialinquisition  verfügt  worden 
wäre,  lag  bei  Heineken  nicht  vor. 

Die  Untersuchuno^  fifeofen  die  drei  Angeklagten  wurde  voll- 
ständig  unabhängig  von  einander  geführt.  Auch  gegen  den 
Geheimen  Rat  Freiherrn  von  Garten berg  lag  von  vorn- 
herein weder  der  Verdacht  eines  bestimmten  Deliktes  noch  der 
eines  gemeinsamen  Handelns  mit  den  beiden  andern  vor. 

Für  einen  klugen  Kopf  mit  einer  Lakaiennatur  w^ar  es  in 
der  Brühischen  Ära  leicht,  zu  Rang  und  Würden  und  Ver- 
mögen zu  gelangen,  und  mancher  glänzende  Schmetterling  war 
aus  sehr  unscheinbarer  Hülle  hervorgegangen.  So  der  nächste 
Vertraute  Brühls,  jener  Hennicke,  der  als  Bedienter  und  Schrei- 
ber begann  und  1752  als  Wirklicher  Geheimer  Rat  und  Kon- 
ferenzminister Graf  Hennicke  und  sehr  reicher  Grundbesitzer 
starb.  Auch  aus  dem  nicht  ungeschickten  Arzt  und  Chemi- 
ker Peter  Nikolaus  Neugarten,  einem  Dänen  von  Geburt,  war 
mit  der  Zeit  der  Geheime  Rat  und  Direktor  des  Bergkol- 
legiums und  oberste  Verwalter  der  Erz-  und  Salzbergwerke, 
Freiherr  von  Gartenberg,  geworden.  Im  Haushalt  Brühls  ver- 
waltete er  seit  1758  dessen  polnische  Güter.  Er  selbst  hatte 
beim  Tode  Brühls  ein  grofses  Vermögen,  das  er  sich  seit  1750, 
um  welche  Zeit  etwa  er  in  des  Ministers  Dienste  getreten  sein 
mufs,  erworben  hatte.  Wie  sehr  er  in  dieser  Zeit  sein  In- 
teresse wahrzunehmen  verstanden  hatte,  lehrte  der  Ausgang 
des  Prozesses. 

Im  Mai  1764  erging  ein  Reskript  des  Prinzen  Xaver  da- 
hin, dafs  von  Gartenberg,  ,,da  er  zur  Spezial-Inquisition  nicht 
graviret",  gegen  cautio  juratoria  aus  der  Haft  zu  entlassen 
sei  und   dafs   die  Ansprüche   des   Fiskus   gegen  ihn  aus  dem 


Der  Prozefs  gegen  K.  H.  v.  Heineken.  291 

Pacht  des  Alaunwerks  zu  Schwertz  und  des  Kammero;uts  zu 
Schwemsal  (l)eides  bei  Düben  gelegen)  fallen  gelassen  werden 
sollten,  gegen  Abtretung  des  ihm  gehörigen  Alaunwerks  bei 
Reichenbach,  das  auf  5  —  6000  Taler  bewertet  wurde  und  Zah- 
lung einer  Barsumme  von  20000  Talern  zur  Rentenkammer. 
Dieses  Reskript  wurde  auch  ausgeführt;  namentlich  wurde 
ihm  seine  vom  16.  April  1766  aus  Warschau  datierte  Bitte, 
um  Erlafs  der  Restzahlung  von  5000  Talern,  rundweg  ab- 
geschlagen. 

Er  siedelte  später  ganz  nach  Polen  über;  in  der  öffent- 
lichen Meinung  wurde  er  vollständig  rehabilitiert;  seine  Toch- 
ter heiratete  den  Sohn  des  obenerwähnten  Konferenzministers 
Frhrn.  von  Fritsch. 

Sehr  übel  erging  es  dem  Kammerrat  Johann  Friedrich 
Hausius,  Er  hatte  von  Brühl  im  Jahre  1756  die  Aufsicht 
über  die  Akzis-Überschufs- Kasse  übertragen  erhalten  und 
mufs  in  dessen  Haushalt  nach  Heinekens  Darstellung  in  Be- 
zug auf  Geldbeschaffung  eine  wichtige  Rolle  gespielt  haben. 
Er  war  ein  sehr-  findiger  Kopf,  galt  ebenfalls  für  sehr  ver- 
mögend und  war  der  Schwiegervater  des  Obersten  von  Roth- 
schütz. 

Im  Januar  1764  erbat  er  seine  Haftentlassung,  indem  er 
gleichzeitig  einen  Schein  über  eine  Forderung  von  11  329 
Taler  16  gr  für  gelieferten  Hafer  als  Kaution  anbot.  Dieses 
Anerbieten  wurde  angenommen.  Doch  erreichte  er  damit  nur, 
dafs  ihm  die  Wache  aus  dem  Zimmer  genommen,  der  Offizier 
aber  belassen  wurde.  Auch  die  Intervention  seines  Schwieger- 
sohns war  vergeblich,  ebenso  sein  Anerbieten,  für  Nieder- 
schlagung des  Prozesses  ein  ,, Aversionsquantum"  von  6000 
Talern  zu  zahlen,  das  er  nach  und  nach  auf  12-,  15-,  zuletzt 
20000  Taler  erhöhte.  Es  waren  zu  böse  Dinee  über  ihn  an 
den  Tag  gekommen. 

Als  im  Jahre  1758  der  Stadt  Dresden  von  dem  preu- 
fsischen  Generalmajor  von  Fink  eine  Geldkontribution  von 
300  000  Talern  auferlegt  und  Hausius  hierbei  mit  6000  Talern 
bedacht  worden  war,  hatte  er,  ,,um  sich  eine  Erleichterung 
hiervon  zu  schaffen",  dem  preufsischen  Major  von  Hennig  ein 
Verzeichnis  reicher  Dresdner  Bürger  überreicht,  von  denen 
die  Kontribution  zu  erlangen  sei.  Ob  er  sich  dadurch  tat- 
sächlich von  dem  ihm  auferlegten  Betrag  befreit  hatte,  ist  aus 
den  Akten  nicht  zu  ersehen. 

Ferner  hatte  er  zwei  nach  des  Königs  Tode  am  7.  und 
10.  Oktober  1763  an  diesen  aus  Leipzig  angekommene  Pakete 
mit  8250  Dukaten   dem  Grafen  Brühl  zugewendet,  weil  ihm 

19* 


292 


Georg;  Lehmann; 


dieser  erklärt  hatte,  er  habe  diese  Summe  seinerzeit  dem  Kö- 
nige vorgeschossen.  Ob  und  welchen  Vorteil  Hausius  dabei 
gehabt,  ist  ebenfalls  nicht  ersichtlich. 

In  zahlreichen  Fällen  hatte  er  sich  jedoch  der  Bestechung 
schuldig  gemacht. 

Bei  den  Akten  befinden  sich  Urkunden,  wonach  ihm  im 
Jahre  1755  ein  gewisser  Leopold  für  das  Patent  als  wirklicher 
Kammerprokurator  100  Taler  nach  Wechselrecht  und  im  Jahre 
1758  ein  gewisser  Lorenz  für  Versorgung  einer  guten  Stelle 
ebenfalls  100  Taler  nach  Wechselrecht  verspricht.  Ein  an- 
deres Mal  empfängt  er  ein  Fafs  Burgunder  zu  demselben  Zwecke. 
Noch  eine  grofse  Anzahl  anderer  solcher  Fälle  wurden  aufge- 
deckt. Man  nahm  an,  dafs  sein  auf  69000  Taler  bewertetes 
Vermögen  in  der  Hauptsache  aus  derartigen  unsauberen  Ge- 
schäften stamme. 

Auf  Vorschlag  der  Untersuchungskommission  wurde 
gegen  Hausius,  der  den  Advokaten  Meifsner  zum  Verteidiger 
angenommen  hatte,  die  Spezial-Liquisition  verfügt,  trotzdem 
er  und  die  Seinigen  flehentlich  um  Verschonung  mit  dieser 
Mafsregel  gebeten  hatten,  und  ein  Urteil  der  Juristenfakultät 
zu  Leipzig  eingeholt,  welches  ■ —  die  Abschrift  in  den  Akten 
ist  ohne  Datum  —  dem  Angeklagten  erst  im  November 
1765  bekannt  gemacht  wurde  und  dahin  lautete:  ,,dafs  er 
wegen  Verrätherei,  gegen  seine  Landesherrschaft  begangene 
Untreue,  Annahme  unrechtmäfsiger  Geschenke,  Pflichtver- 
gessenheit und  übriger  Verbrechen  (!)  halber  mit  Verlust  sei- 
ner Ämter  und  Titel  und  zehnjährigem  Gefängnifs  oder  30000 
Thalern  zu  bestrafen,  auch  Urphede  zu  schwören  und  über- 
dies noch  zur  Leistung  eines  (sehr  umfänglichen)  Reinigungs- 
eides anzuhalten  sei". 

Nachdem  dem  Angeklagten  ,,eine  Defension  dargegen" 
gestattet  worden,  erging  ein  zweites  Urteil  vom  Schöppenstuhl 
zu  Leipzig,  welches  ihm  im  Oktober  1766  eröffnet  wurde  und 
das  die  Gefängnisstrafe  auf  sechs  Jahre  herabsetzte,  im  übrigen 
aber  das  vorige  aufrecht  erhielt.  Die  Untersuchungskosten 
wurden  ihm  auferlegt.  Bald  darauf  wurde  Hausius  zur  Straf- 
verbüfsung  nach  der  Festung  Königstein  abgeführt.  Durch 
Reskript  des  Prinzen  Xaver  vom  3.  August  1768  wurde  er  in- 
dessen begnadigt,  nachdem  er  eine  Geldbufse  von  15000  Ta- 
lern erlegt  und  Urphede  geschworen  hatte.  Beinahe  fünf  Jahre 
hatte  er  gefangen  gesessen. 

Auf  das  Ansuchen  seines  Schwiegersohnes,  dem  Hausius 
den  Charakter  des  Kammerrats  wieder  beizulegen,  verfügte 
der  Kurfürst  am  28.  August  1770,  dafs  diesem  Suchen  nicht 


Der  Prozefs  ge2;en  K.  H.  v.  Heineken.  293 

stattzugeben,  ihm  aber  zu  erlauben  sei,  sich  aufser  Landes  zu 
beo;eben  und  sein  Geld  aufser  Landes  zu  ziehen. 

Der  ganze  Prozefs  hatte  beinahe  sechs  Jahre  gedauert. 
Von  vornherein  hatte  er  seine  Spitze  hauptsächhch  gegen  Hei- 
neken gerichtet,  als  denjenigen,  der  mit  dem  Grafen  Brühl 
am  vertrautesten  und  in  seine  Pläne  und  Finanzoperationen 
am  meisten  eingeweiht  gewesen  war.  Aber  gerade  gegen 
ihn  ging  er  am  allergünstigsten  aus.  Nicht  nur,  dafs  Heineken 
dank  seiner  Beharrlichkeit  und  Klugheit  keine  unmittelbaren 
pekuniären  Einbufsen  erlitt,  sondern  es  war  auch  ganz  zweifel- 
los als  ein  Akt  der  Generosität  von  Seiten  des  jungen  Kur- 
fürsten aufzufassen,  dafs  der  vielumstrittene  Bilderkauf,  eine 
schon  wegen  des  Mifsverhältnisses  zwischen  Preis  und  Kauf- 
objekt recht  zweifelhafte  Angelegenheit,  zu  Gunsten  Heinekens 
entschieden  wurde.  Dieser  Bilderkauf  war  und  blieb  aber  für 
Heineken,  auch  wenn  man  selbstverständlich  den  aufserordent- 
lich  viel  höheren  Wert,  den  die  meisten  Bilder  heutzutage  be- 
sitzen würden,  nicht  in  Rechnung  zieht,  sondern  lediglich  den 
Umstand  erwägt,  dafs  es  sich  um  eine  unter  dem  freigebigen 
Protektorate  eines  Brühl  in  dessen  glänzendster  Zeit  abge- 
schlossene Transaktion  handelte,  in  jedem  Falle  ein  gewinn- 
reiches Geschäft.  Aber  warum  entliefs  man  ihn  noch  mit  einem 
so  ansehnlichen  Geschenk?  Es  liegt  doch  auf  der  Hand,  dafs 
man  auf  einen  Bestärkungseid  nicht  zuzukommen  brauchte, 
sondern  die  Entscheidung  einfach  dem  zivilrechtlichen  Beweis- 
verfahren  überlassen  konnte,  wie  dies  auch  anfangs  geplant 
war.  Allein  man  sah  davon  ab  und  hielt  es  für  politisch  rich- 
tiger, den  Fall  Heineken  rein  kriminell  zu  behandeln,  um  diesen 
Mann,  der  noch  vielen  gefährlich  werden  konnte,  für  immer 
aus  der  Residenz  und  vom  Hofe  verbannen  zu  können.  Die- 
ser Grund  war  es  wohl,  der  das  hohe  Kollegium  bewog,  dem 
hochherzigen  Plane  Friedrich  Augusts  nicht  entgegenzutreten. 

Heineken  erwähnt  einmal  (Kab.  Akt.  Bl.  349  d)  beiläufig, 
dafs  er  noch  4259  Taler  und  20  gr.  Besoldungsrückstände, 
vermutlich  auf  einen  längeren  Zeitraum,  auf  der  Fleischsteuer- 
kasse stehen  habe.  Da  darf  man  wohl  fragen:  w'ie  kam  es, 
dafs  sich  der  kurfürstliche  Kammerrat  so  wenig  um  seinen 
Gehalt  gekümmert  hatte?  Die  Antwort  liegt  in  der  Gegen- 
frage: w'oher  kamen  die  grofsen  Summen,  die  zur  Erbauung 
und  Ausstattung  seines  fürstlichen  Herrensitzes  erforderlich 
waren? 

Aus  derselben  Quelle,  aus  der  diese  geflossen  waren,  hatten 
so  viele  andere  geschöpft,  die  zur  Zeit  des  Prozesses  noch 
an  den  höchsten  Stellen  safsen.     „Mein  Glück  hat  eigentlich 


294 


Geors:  Lehmann: 


'& 


von  dem  Tage  angefangen",  gesteht  er  einmal  unumwunden 
und  noch  mehrmals  in  ähnlicher  Weise,  ,,als  ich  1739  in  des 
verstorbenen  Cabinets-Ministre  Grafen  v.  Brühl  Haufs  o-ekommen 
bin  usw.  Mit  ihm  hat  auch  mein  Glück  aufo-ehört".  Und  er  war 
darum,  weil  er  von  diesem  Glück  auch  sein  Teil  zu  erhaschen 
verstanden  hatte,  nicht  besser  und  nicht  schlechter  als  hundert 
andere  seiner  Zeit. 

Allein  dieses  System  mufste  verlassen,  ja  öffentlich  ge- 
brandmarkt, der  öffentlichen  Meinung  mufste  Genugtuung  ge- 
geben werden.  So  erklärt  sich  neben  der  feinfühligen  Art, 
mit  der  sein  Prozefs  beendet  wurde,  die  Strenge,  welche  man 
bei  Aufrechterhaltung  seiner  Verbannung  einhielt.  Bei  Er- 
teilung der  Erlaubnis  nach  Leipzig  zu  reisen,  im  April  1765, 
macht  es  sich  der  Prinz  Xaver  ausdrücklich  zur  Bedinofunpf, 
dafs  Heineken  sich  nicht  dem  Hofe  nähern  dürfe.  Demun- 
geachtet  war  dieser  nach  Ausweis  der  Akten,  selbstverständ- 
lich nach  zuvor  eingeholter  Erlaubnis,  mehrmals,  so  vierzehn 
Tage  im  November  1765  und  mehrere  Tage  im  Februar  1767, 
diesmal  zur  Verheiratung  seiner  einzigen  Tochter  Friederike 
Magdalene  mit  dem  Major  von  Bünau,  in  Dresden ;  jedenfalls 
ohne  mit  seinen  früheren  Kreisen  Fühluno-  zu  nehmen,  da  seine 
Untersuchung  damals  noch  nicht  beendet  war. 

Den  Schmerz,  seine  geliebten  Sammlungen  nicht  wieder- 
sehen zu  dürfen,  suchte  er  vergessen  zu  machen  durch  eine 
überaus  fieiisige  schriftstellerische  Tätigkeit  und  emsiges  wirt- 
schaftliches Schaffen.  Seine  Erfolo^e  in  erstoredachter  Bezie- 
hung  sind  bekannt.  Erst  im  Laufe  der  Jahre  gestaltete  sich 
sein  Verhältnis  zum  Hofe  besser,  so  dafs  er  im  September 
1777  ein  Gesuch  um  Portofreiheit  für  seine  Korrespondenz  mit 
Gelehrten  und  Künstlern  wagen  zu  dürfen  glaubte.  Indessen 
resolvierte  der  Kurfürst:  ,, dieses  Suchen  findet  gantz  nicht 
Statt". 

Heinekens  Charakter  ist  mehrfach  geschildert  worden. 
So  auch  bei  Justi.  Aber  der  Angaben  in  den  oben  zitierten 
,, Vertraulichen  Briefen"  (II,  117)  über  diesen  Punkt  möchte 
zum  Schlufs  noch  kurz  gedacht  werden.  Wie  dort  die  Er- 
Zählung  über  die  Art  der  Erwerbung  Altdöberns  in  mehrfacher 
Beziehung  falsch,  ja  entstellt  erscheint,  so  findet  sich  in  den 
Untersuchungsakten  auch  nicht  eine  Spur  von  der  Behauptung, 
dafs  Heineken  der  Präsident  eines  von  Brühl  zur  Überwachung 
des  kurfürstlichen  Hofes  eingerichteten  schwarzen  Kabinetts 
gewesen  sei.  Diese  Angabe  mufs  daher,  wie  so  vieles  andere 
in  diesem  Pamphlet,  wahrscheinlich  auch  über  Brühl  selbst, 
in  das  Gebiet  der  Fabel  gewiesen  werden. 


Der  Prozefs  gegen  K.  H,  v.  Heineken.  295 

Nicht  vergessen  wollen  wir,  dafs  die  Dresdner  Galerie, 
wie  die  Kunstwelt  überhaupt,  Heineken,  diesem  hervorragen- 
den Mann,  aufserordentlich  viel  verdankt.  Und  wenn  es  dem 
gegen  ihn  geführten  Prozefs  nicht  gelang,  ihm  etwas  Straf- 
bares nachzuweisen,  so  werden  alle  diejenigen  seiner  Verehrer 
dies  mit  Freuden  begrüfsen,  welche  nicht  umhin  konnten,  an 
seinen  engen  Beziehungen  zu  Brühl  und  an  deren  Folgen 
einen  gewissen  Anstofs  zu  nehmen.  Selbst  nach  heutigen 
Anschauungen  und  von  jetzigen  Richtern  geführt  würde 
sein  Prozefs  sicherlich  keinen  anderen  Ausgang  genommen 
haben. 

Als  Heineken  in  den  fünfziger  Jahren  des  18.  Jahrhunderts 
in  der  Fülle  des  Glücks  sein  schönes  Schlofs  erbaute,  da  ahnte 
er  wohl  nicht,  dafs  auf  ihn  mehr  wie  auf  andre  der  Spruch 
einst  Geltung  finden  werde,  den  er  über  die  grofse  Eingangs- 
tür setzen  hefs,  die  Worte  aus  Virgils  Aeneide:  Per  varios 
casus ! 


X. 

Kleinere  Mitteilungen. 


I.  Kleine  Beiträge  zur  sächsischen  Gelehrtengeschichte 
im  15.  und  16.  Jahrhundert. 

Von  Otto  Giemen. 


Zwei  Epitaphien. 

In  dem  aus  dem  Nachlasse  des  Hartmann  Schedel  stammen- 
den Handschriften-Quartband  der  Münchener  Hof-  und  Staats- 
bibhothek  Cod.  lat.  mon.  443  finden  sich  u.  a.  folgende  zwei 
Grabinschriften : 

Epigramm a  Doctorisjohannis  deRatispona,  sacre  pagine 
prolessoris,  in  lipczk  ad  S.  paulum  ordinis  praedicatorum. 

Anno  domini  Mo  ccccl  xx  iij  In  Crastino  beati  Joannis  baptiste 
[25.  Juni]  Obiit  honorabilis  vir  magister  Johannes  de  Ratispona  sacre 
theologie  professor. 

Sta,  de,  plange,  gerne,  quid  es  aut  quis  es,  lege  de  me! 

Epitaphium    doctoris  Heinrici    m  ellers  täte  nsis  consiliarii 

d  u  c  u  m  S  a  X  o  n  i  e. 
Mellerstat  me  genuit,  lipczk  doctas  contulit  artes. 
Jus  dedit  et  leges  vrbs  perusina  mihi, 
Me  febris  absumpsit,  Hemricum  agnomine  Stercker, 
Misna  tegit  corpus,  Spiritus  astra  petat. 

Anno  domini  M  cccc  Lxxx  1 1 1  die  Jouis  mensis  Marcij  sexta  obiit 
Egregius  vir  doctor  Heinricus  Stercker  de  mellerstat,  Scolasticus 
ecclesie  misnensis  necnon  eiusdem  ecclesie  et  mersburgensis,  neu- 
burgensis  et  friburgensis  canonicus,  cuius  anima  in  sancta  pace  re- 
quiescat. 

Aus  der  ersten  Inschrift  erfahren  wir  das  genaue  Datum 
des  Todes  des  seinerzeit  hochgefeierten  Johannes  von  Regens- 


Kleinere  Mitteiluniren 


)-^^ 


297 


burg^).  Als  Todestag  des  Heinrich  Stercker  aus  Mellrichstadt 
(Unterfranken)-)  wird  in  der  zweiten  Inschrift  Donnerstag  der 
6,  März  1483  genannt,  während  das  fragmentarische  Toten- 
buch der  Kanoniker  des  Domstifts  Meifsen  1472 — 1544  den 
3.  März  desselben  Jahres  angibt"^).  Aufser  in  Leipzig,  wo  er 
im  Sommer  1454  immatrikuliert  wurde*),  hat  er  also  auch  in 
Perugia  studiert.  Als  Scholastikus,  d.  h.  Leiter  der  Domschule, 
war  er  einer  der  ersten  Würdenträger  des  Meifsner  Kapitels''). 

Zu  Johannes  Honorius  Cubitensis. 

Der  Handschriften-Quartband  L  XIIL  37  der  Zwickauer 
Ratsschulbibliothek  weist  auf  der  ersten  Seite  oben  die  folgenden 
interessanten  Einträge  auf: 

Magister  Johannes  Elbogen,  cuius  hie  liber  est,  tenetur  mihi 
septuaginta  quattuor  gr.,  pro  prandio,  pro  niultis  quinternis  basilij 
et  Maftej  etc.  non  detur  ei  über  nisi  prius  soluat. 

Ego  Johannes  C\ibitensis  solui  vt  in  sequenti  recognicione  fratris 
herasmi  plenius  continetur. 

Ego  Erasmus  frifsner  de  wunsidel  frater  ordinis  praedicatorum 
Recognosco  hoc  meo  cyrographo  praedictum  Magistrum  Johannem 
Cubitensera  mihi  vti  procuratori  domini  doctoris  Andree  trifsner  de 
wunsidel  satisfecisse  huncqvie  librum  debito  sive  deposito  exemisse. 

Dieser  ,,Physica  et  Astronomica"  enthaltende  Band  stammt 
also  aus  dem  Besitze  des  Leipziger  Professors  Johannes  Hono- 
rius Crispus  Cubitensis  (eigentlich  Johannes  Erhardi  oder 
Pannificis  aus  Elbogen),  über  dessen  Gelehrtenlaufbahn  man 
sich  aus  der  Leipziger  Universitätsmatrikel  (Reg.  unter  Panni- 
ficis) und  über  dessen  humanistische  Verdienste  man  sich  aus 
Bauchs    Geschichte    des    Leipziger    Frühhumanismus    unter- 


')  S.  Matrikel  der  Leipziger  Universität,  Register  unter  Morraan, 
Centuria  scriptorum  insignium  Nr.  10  (über  diese  wichtige  Quelle  vgl. 
zuletzt  N.  Paulus  im  Katholik  1900  II,  281 — 285,  G.Bauch,  Die 
Anfänge  der  Universität  Frankfurt  a.  Ö.  (Berlin  1900)  S.  47  und 
Brieger  in  den  Beiträgen  zur  sächsischen  Kirchengeschichte  XVI 
(1903),  2  A.  I  und  S.  30  A.i  und  Zarncke,  Die  urkundlichen  Quellen 
zur  Geschichte  der  Universität  Leipzig  (1857)  Register  s.  v. 

-)  Über  ihn  vgl.  auch  Machatschek,  Geschichte  der  Bischöfe  des 
Hochstiftes  Meifsen  (Dresden  1884I  S.  535  und  G.  Bauch,  Geschichte 
des  Leipziger  Frühhumanismus  (Leipzig  1899')  S.  4  A.  i. 

2)  Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte  XV  (1901),  33. 

*)  Die  Leipziger  Matrikel  zitiere  ich  jetzt  nicht  mehr,  da  nach 
dem  Erscheinen  des  Registerbandes  jeder  Eintrag  mühelos  gefunden 
werden  kann. 

^)  Kunz  V.  Brunn  genannt  v.  Kauf fun gen,  Das  Domkapitel 
von  Meifsen  im  Mittelalter  (Meifsen  1902)  S.  65  —  67. 


2q8  Kleinere  Mitteilungen. 

richten  kann.  Einmal  aber  mufste  er  sich  für  eine  Weile  von 
dem  Kodex  trennen.  Er  mufste  ihn  seinem  Kollegen  Andreas 
Frisner  aus  Wunsiedel  ■*)  überlassen  und  zwar,  wenn  ich  die 
Stelle  recht  verstehe,  als  Pfand  für  Geld,  das  er  ihm  abgeborgt 
hatte,  um  die  Kosten  für  ein  prandium  Aristotelicum  und  für  die 
Drucklegung  oder  die  Vorarbeiten  zu  zwei  Publikationen  zu 
bestreiten:  „basilij"  nämlich  scheint  sich  zu  beziehen  auf  die 
kommentierte  Ausg-abe  von  des  Basilius  Mao-nus  Schrift  de 
legendis  libris  secularibus,  die  Honorius  wohl  nicht  vor  1502 
erscheinen  liefs"),  und  ,,Maffej"  könnte  sich  auf  die  von  Honorius 
besorgte  Ausgabe  der  Vita  diu!  Antonii  von  Mapheus  Vegius 
beziehen^).  Glücklicherweise  war  Honorius  bald  wieder  in 
der  Läse,  das  Pfand  einlösen  zu  können. 


'fe^) 


Wolfgang  Schindler  (Cubito). 

Mit  ihm  darf  man  nicht  seinen  ebenfalls  manchmal  kurz 
als  Cubitensis  oder  Cubito  bezeichneten  Landsmann  Wolfgang 
Schindler  verwechseln.  Auch  über  seine  Studenten-  und  Do- 
zentenzeit erfahren  wir  allerhand  aus  der  Matrikel.  Von  seinen 
Schriften*)  ist  nichts  im  Druck  erschienen,  wir  kennen  nur  ein 
Gedicht  von  ihm  im  Anhano-  -zu  Dunofersheims  Confutatio 
apologetici  cuiusdam  sacre  scripture  falso  inscripti  (1514)'^). 
Doch  rühmt  Virgilius  Wellendorfer  ihn  höchlichst  als  bedeuten- 
den Kenner  des  Aristoteles  und  Averrhoes,  als  gewandten 
Musiker  und  Versifex,  als  vortrefflichen  Rektor  und  Dekan^ 
als  sehr  schneidigen  examinator  (dies  aus  eigener  Erfahrung) 
und  gütigen  promotor^),  und  an  einer  anderen  Stelle')  spricht 


*)  Sommer  1465  immatrikuliert.  Erasmus  Frisner  S.  1478  (vgl. 
Centuria  Nr.35).  Zu  letzterem  vgl.  noch  Bauch  im  Centralblatt  für 
Bibliothekswesen  XV  (1898),  253  Nr.  29,  derselbe,  Anfänge  S.  9of. 
und  Procter,  Index  to  the  early  printed  books  in  the  British  Mu- 
seum II  I  (1903)  Nr.  11820. 

-)  Bauch,  Frühhumanismus  S.  66 ff. 

^)  Ebenda  S.  36. 

*)  Centuria  Nr.  64  erwähnt:  De  Musica  lib.  I.  Compendium 
Philosophiae  naturalis  lib.  I. 

5)  Bauch  S.  183! 

")  Annotatio  peregrina  Ad  dei  cultum  Exiguamque  nonnullorum 
scholasticorum  commemorationem :  in  apricum  procedit  foeliciter. 
6  ff.  4''.  6bweifs.  6a  unten:  Lipsi  impressit  Vuolßgangus  Monacensis 
1516  (Panzer,  Annales  typographici  VII,  194,  569)  fol.  4b.  Über 
Wellendorfer:  ebenda  A  iij  b,  Centuria  Nr.  61,  Matrikel,  Zarncke, 
Joch  er,  Gelehrtenlexikon  IV,  1879. 

')  Encenilogium  Philosophismata:  Enkidia:  et  Sintagmata:  trans- 
lathie  vsurpata:  breuiter  constringens:  .  .  .  fol.  A  ij  b. 


Kleinere  Mitteilunsren. 


ö^ 


299 


er  von  ihm  als  ,,philosopho  consummatissimo  atque  Theologo 
profundo  et  Quodlibetario  modestissimo".  Schindler  wurde 
später  Domprediger  in  Magdeburg  und  tat  sich  im  Kampfe 
der  Altgläubigen  gegen  die  Lutheraner  hervor^).  Dafs  er  bis 
zuletzt  im  Widerstände  beharrte,  zeigt  sein  Testament*),  in 
dem  er  500  florinos  Rhenenses  zu  einem  Stipendium  für  einen 
Leipziger  Studenten  auf  sieben  Jahre  stiftet.  Die  Herren  vom 
Collegium  maius  sollen  gegen  eine  Entschädigung  über  den 
Lebenswandel  und  die  kirchliche  Korrektheit  des  Stipendiaten 
wachen.  Und  ferner  setzt  er  für  die  St.  Martinskirche  in 
Herrmannsgrün  ein  Legat  aus,  das  aber  nicht  eher  ausgezahlt 
werden  soll,  als  bis  die  Herren  und  Einwohner  der  Stadt •^) 
resipiscant  a  Lutheranismo.  Dieses  Testament  ist  vom  21.  März 
1538  datiert.  Wahrscheinlich  ist  Schindler  um  diese  Zeit  ge- 
storben. Luther,  der  ja  auch  darin  ein  Kind  seiner  Zeit  war, 
dafs  er  Feinden  des  Evangeliums  und  persönlichen  Gegnern 
als  Strafe  Gottes  ein  jähes  Ende  prognostizierte,  prophezeite 
ihm  einen  plötzlichen  Tod: 

Tu  vocaris  Cubito, 
Et  ego  non  dubito, 
Quin  moriaris  subito'*). 

Sein  Nachfolger  wurde  1539  der  Leipziger  Professor  Dr.  Mel- 
chior Riedel'').  Seine  Frau  entstammte  der  reichen  Leipziger 
Patrizierfamilie  Hummelshain  ^). 

Die  Zwickauer  Ratsschulbibliothek  verwahrt  zwei  eigen- 
händige  Briefe  Schindlers   an   den  Zwickauer  Stadtschreiber 


1)  Vgl.  zuletzt  Paulus,  Die  deutschen  Dominikaner  im  Kampfe 
gegen  Luther  (Freiburg  i.  Br.  1903)  S.  21  A.  i.  Henning  Pyrgallus 
(über  den  ich  nächstens  ausführlicher  handeln  werde)  preist  deshalb 
auch  Schindler  in  seinem  „Encomion  aliquot  virorum  illustrium  hac 
iugubri  tempestate  cathoHcas  ueritates  asserentium"  (Ad  illustrissimum 
iuxta  ac  clementissimum  principem  et  D.  D.  Georgium  Ducem 
Saxoniae,  .  .  ipTivo^ny  ov  .  .  iam  nuper  adauctum  recognitumque,  Lip- 
siae  s.  a.,  fol.  Fa). 

2)  Urkundenbuch  der  Universität  Leipzig  1409 — 1555  (Leipzig 
1879)  S.  515. 

^)  Südwestlich  von  Neudek  in  Böhmen.  \  gl.  Mitteilungen  des 
Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen  XXIX  (iSgo/gi),  311. 

•')  Luthers  Tischreden  in  der  Mathesischen  Sammlung,  heraus- 
gegeben von  E.  Kroker  (Leipzig  1903)  S.  104  Nr.  90. 

■'*)  Seifert,  Die  Reformation  in  Leipzig  (Leipzig  1883)  S.  207, 
wo  „Tubitens"  Druckfehler;  Kawerau,  Der  Briefwechsel  desjustus 
Jonas  I  (Halle  1884),  358. 

ö)  De  Wette,  Luthers  Briefe  Y,  14.  Wustmann,  Der  Wirt 
von  Auerbachs  Keller,  Dr.  Heinrich  Stromer  von  Auerbach  (_Leipzig 
1902)  S.  2  8  ff. 


TQO  Kleinere  Mitteilungen. 

Stephan  Roth  vom  3.  und  9.  Mai  1534^.  Aus  dem  ersten 
interessiert  uns  besonders  die  Nachricht,  dafs  Schindler  als 
Knabe  die  altberühmte  Zwickauer  Schleifmühle  besucht  hat. 
Wehmütiof  berichtet  uns  der  zweite  Brief:  Schindler  hat  im 
Laufe  der  Zeit  eine  prächtige  Bibliothek  sich  angeschafft,  über 
800  Gulden  hat  er  hineingesteckt-),  aber  als  Cölibatär  hat  er 
keinen  Erben.  So  ist  es  ihm  ein  Herzenswunsch,  dafs  sein 
Zwickauer  Neffe,  der  Sohn  des  bankerotten  Wolfgang  Wagner 
oder  Ellenbogen,  die  Gelehrtenlaufbahn  ergriffe.  Keinesfalls 
will  er  seine  Bücherschätze  einer  öffentlichen  oder  Kloster- 
bibliothek überweisen:  da  frifst  sie  der  Staub  und  die  Würmer  — 
eine  in  jener  Zeit  bekanntlich  nicht  alleinstehende  bewegliche 
Klage  über  den  Niedergang  der  Studien  und  die  wiederan- 
dringende  Barbarei. 


fc> 


Meine  gantz  freuntliche  vnd  willige  dienste  zuvor! 

Wirdiger  Achtbar  herr  Magister  vnd  Stathschr eiber,  Bsonder 
günstiger  herr  vnd  förderer!  Mir  falleth  eyne  sache  führ,  dar  Inne 
mir  Ewere  achtbare  wirden  leichtlich  mögen  behülfflich  vnd  förder- 
lich seyn.  vorsehe  mich  auch  gentzlich,  E.  a.  w.  werde  efs  alder 
kundtschafft  halben  vleissigk  thuen.  Denn  wie  wol  Ich  E.  a.  w.  kundt- 
schatt't  in  vihlen  vorgangen  Jarnn  nith  vihl  gebraucht,  hab  ich  doch 
in  rechter  warheith  alle'tzeith  eyn  guthwilligk  vnd  genaigth  hertz 
vnd  willen  zu  E.  a.  w.  getragen,  tragl's  auch  noch,  vnd  fso  Ich  E. 
a.  w.  vormöchte  zu  dienen,  fsolth  mich  E.  a.  w.  alle  tzeith  willigk 
vnd  bevlisfsen  betinden.  Bith  der  halben  vnd  auff  tröstUche  Zuversicht 
zu  E.  a.  w ,  wolleth  mir  dyfs  meyn  gehligfs  ansuchen  nith  verargen 
vnd  mir  behülfflich  seyn.  Dye  sach  ist  dysfse:  Ich  hab  vngeferlich 
vor  neun  oder  tzehen  Jaren  wolfgang  wagner,  wolft"  Ellenbogen  ge- 
nannth,  zur  besserung  vnd  förderung  se3-ner  narung  vnd  se3'nfs 
handelfs  führ  gestreckth  vnd  an  alle  tzinfs  vnd  geldung  geUehen 
hunderth  Ü.,  dar  führ  Ich  keyn  andere  Versicherung  hab  denn  eyne 
handtschrifft.  Auch  ist  er  mir  vor  eynem  Jar  vngeferlich  noch  tzehen 
fl.  schuldigk  blieben,  dye  ich  ym  auch  geliehen  hab.  Denn  Er  ist 
mir  bluetfs  halben  etwas  verwandt.  Ich  bin  auch  vor  tzeithen,  doe 
ich  zu  Zwickaw  in  Jungenn  Jaren  in  dye  schule  gieng,  ettliche  Jar 
bey  sevnem  vater  in  der  herbrig  gewefst.  Nuhn  erfaer  Ich,  das  Er 
mit  seynem  handel  übel  steeth.  wie  efs  vmb  seinen  vnfall  steht,  fso 
ym  hier  fsall  geschehen  seyn,  lasfs  ich  in  seiner  were  bleyben.  Aber 
ich  besorge,  efs  werden  seine  gleuber  zu  placzzen  vnd  seine  guter 


')  Sign.:  X  260  und  261,  Den  zweiten  hat  teilweise  schon 
Buchwald  im  Archiv  für  Geschichte  des  deutschen  Buchhandels 
XVI  (1893),   1440'.  Nr.  342  veröffentlicht. 

2)  Vgl.  dazu  den  Aufsatz  von  G.  Kohfeldt  im  Centralblatt 
für  Bibhothekswesen  XX  (1903),  281  —  85  über  die  Bibliothek  des 
Lübecker  Vikars  Conrad  Stenhop,  die  K.  zu  den  gröfsten  Privat- 
bibliotheken im  ausgehenden  Mittelalter  rechnen  möchte.  Die  daraus 
noch  erhaltenen  29  Grofsfolianten  repräsentieren  einen  Wert  von 
150  —  200  Gulden. 


Kleinere  Mitteilungen 


&^ 


301 


beseczzen  vnd  vorkummern.  Ist  der  lialben  meyne  vleissige  bethe 
an  E.  a.  w.,  Szo  villeicht,  wie  zu  besorgen,  andere  zu  seynen  guter 
klagethen,  E.  a.  w.  wolle  von  meyn  wegen  auff  seine  gewisfste  guter 
evn  kummer')  thuen,  fso  ferren  vnd  hoeh  von  hunderth  vnd  tzehn  H. 
sich  eygen  vnd  fügen  will  was  vor  expenls  der  auff  gehen,  gerade 
vnd  gelob  ich  E.  a.  w.  mit  krafft  dvlser  meyner  handtschrifft,  das 
selbe  allefs  auffen  geringsten  heller  wider  zu  geben  vnd  zu  betzalen. 
Szo  efs  süst  nith  lauthbar  vnd  rüchtigk  ist,  weer  mir  wol  liebp,  das 
E.  a.  w.  von  meinen  wegen  evn  he^"mliche  kummer  theth .  wie  wol 
ich  besorge,  Ich  werde  nith  der  erste  seyn.  Szo  efs  auch  von  nöthen 
ist,  bitth  Ich,  E.  a.  w.  wolle  mir  eyn  procuratoren  bestellen,  dem 
will  ich  genüglich  verloenen,  dar  mit  sich  E.  a.  w.  nith  dürfte  in  aigner 
person  bemüen.  Bitth  beschliefslich,  E.  a.  w  wolle  sich  nith  be- 
schweren. In  dvlser  sache  mir  zu  dienen,  will  ich  möglichs  vleyfs 
alle  tzeith  vordienen  vnd  gütlich  vorschulden.  Szo  E.  a.  w.  wolfen 
süst  dienstlich  vnd  förderlich  mag  seyn  zu  seynem  schütz,  wie  vihl 
er  recht  hath,  ist  mir  eyne  grosfse  freunthschaft't  .  .  .  Dar  mit  seyth 
Goth  befolhen.     Datum  dominica  Cantate  Im  1534  Jar  Leyptzk 

E.  a.  w.  williger 

Wolffgangus  Schindler  Cubitensis 
Doctor. 

Meine  freimtliche  dienste  zuvor! 

Wirdiger  Achtbar  herr  Stathschreiber !  IchhabE.  a.  w  freuntlich 
genaigts  gemüthe  gegen  mir  aufs  ewerm  schreiben  gespürth  vnd  ver- 
nommen. Bedanke  mich  der  selben  vnvordienthen  zunaigung  vnd 
sonderlich  der  klaren  berichtung  der  gelegenheith  des  handeis  vnd 
vmwurfts  meynfs  vettern.  Ist  mir  w^arlich  trewlich  vnd  hertzlich  laidt, 
hettfs  auch  nvmmer  mehr  glaubt,  das  er  fso  zurück  kummen  fsolt 
seyn  in  sevnem  Handel.  Er  ist  ja  süst  frumm.  Böfs  ists  das  er  fso 
viivorsichtigk  gehandelth  hath  Ist  mir  laidt  führ  seyn  frummefs  weyb 
vnd  seine  kinder.  Ich  hab  Ir  meine  meinung  vnd  guthen  willen,  fso 
ich  auch  wolfen  oft't  zuvorstehn  gegeben,  geschriben.  Nemlich,  das 
Ich  gernn  söch,  das  sej^nn  fson  zur  schule  gehalden  würde  vnd  stu- 
direth.  fso  er  eyn  wenigk  erbüchfs,  woldt  ich  yn  zu  mir  nemmen 
vnd  auff  tziehen!  Den  Ich  hab  vihl  bücher.  Wenn  Ich  fürnymen 
testamenth  zu  machen,  Ist  meyn  gröfste  bekummernifs,  woe  ich  mit 
den  büchern  hin  fsöll,  das  sve  wol  angelegt  werden,  denn  sye  ge- 
stehenn  mich  übr  dye  acht  hundert  H.  Ich  hab  meyner  brüder 
kinder  ettliche  bey  mir  gehalten,  beydfs  hye  vnd  zu  Magdeburgk. 
keiner  will  efs  thuen  mit  dem  studiren.  Bücher  in  librey  oder  klöster 
zu  beschaiden  ist  vorgebhch,  doo  frist  S}'e  der  staub  vnd  dye  würm. 
Mir  weer  es  evn  trost  vnd  eyn  freud,  das  ich  eynen  freundt  hette, 
den  ich  alfso  erkenth  hetthe,' wenn  vnd  ehr  ich  sterben  Isolde,  den 
Ich  erkenthe,  des  ym  meine  bücher  nütz  würden  seyn.  Darumb  wold 
ich  gern,  das  er  zur  schule  gehalden  würde.  Auft"  dyfse  mainung 
hab  ich  sye  gebethen,  Sye  fsöll  Iren  vater  zu  hülff"  nemen  vnd  sich 
bevlevsfsen,  das  sye  mir  dye  c  fl.  aufrichte,  dar  mit  ich  Iren  guthen 
Avillen  widerumb  erkenne  vnd  befinde,  was  ich  gerade,  fsall,  ob 
goth  will,  gehalden  werde.  Bitth  E.  a.  w.  wolle  fso  Irgenth  eyn  wegk 
möglich,  noch  vleyfs  führ  wenden,   ab  ich  möchte  betzahlt  werden. 


')  ==  Beschlagnahme:    Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  5,   2593. 


ß02  Kleinere  Mitteilungen. 

Denn  Ich  vorseh  mich  nith,  das  sye  vnd  er  fso  vergesfsen  seynth 
gewefst,  wie  eis  denn  pflegth  zu  geschehen,  das  sye  nith  ettwas  führ 
sich  gedacht  haben.  Evn  redlich  vnd  erlich  geschenk  gerade  Ich 
E.  a.  w.  zu  thuen,  Szo  mir  in  der  sache  Irgenth  Vorschub  vnd  er- 
sprielsliche  fördenmg  geschiht,  mit  erbietung,  das  selbe  alle  tzeith 
gegen  E.  a.  w.  möglichs  vlejfs  zu  vordienen.  Dar  mit  goth  befolhen. 
Datum  9.  May  1534. 

E.  a.  w.  williger 

Wolfgangus  Schindler  Cubitensis. 

Endlich  ist  noch  ein  dritter  Cubito  oder  Cubitensis  nam- 
haft zu  machen,  der  Mediziner  Wenzel  Bayer,  der  im  Sommer 
1508  in  Leipzig  immatrikuliert  wurde,  im  Sommer  1510 
das  Bakkalaureat  und  im  Winter  15 12  die  Magisterwürde 
erwarb,  später  übrigens  Stadtschreiber  in  Stafsfurt  w'urde\). 
Die  Zwickauer  RatsschulbibHothek  besitzt  von  ihm  fol- 
gende vier  kulturoeschichtlich  mannio-fach  interessanten  Schrif- 

C!>  O  O 

ten:  i.  Tractatus  de  termis  Caroli  quarti  imperatoris,  sitis 
prope  Elbogen  et  Vallem  S.  Joachimi,  editus  a  Doctore 
Vuenceslao  Payer  de  Cubito,  alias  Elbogen  ad  Genero- 
sum  et  maofnihcum  Comitem  &  D.  Dominum  Steffanum 
Schlick.  Consihum  de  peste  eiusdem  Doctoris  ad  Nobilissi- 
mum  et  aequissimum  virum  dominum  Henricum  a  Konritz 
Capitaneum  in  Valle.  S.  Joachimi.  2 8  ff.  4".  28b  weifs.  28a 
unten:  Lipsiae  ex  aedibus  Valentini  Schumanni  Anno  domini 
M.  D.  XXII.  Panzer,  Annales  t3pographici  VII  p.  221  Nro.  824. 
Titelrückseite  Empfehlung  der  Schrift  durch  Simon  Pistoris, 
Dekan  der  medizinischen  Fakultät  zu  Leipzig  (vgl.  über  ihn 
Allgemeine  deutsche  Biographie  XXVI,  194;  A.  Hirsch  und 
Bauch^  Frühhumanismus,  passim),  fol.  a  ii  a  Glückw'unsch- 
schreiben  des  ,,Udalricus  Rulein  de  Calw,  artium  ac  Medicinae 
Doctor"  an  Bayer,  Leipzig  i.  Dezember  1521  (über  Rülein 
vgl.  R.  Hofmann,  Schönburgische  Geschichtsblätter  IV,  92; 
Mosen,  Hieronymus  Emser,  Halle  1890,  S.  68;  Kaw^erau, 
H.  E.,  Halle  1898,  S.  39).  A  ij  b  Vorwort  Bayers  an  Schlick. 
Der  Traktat  ist  am  19.  Dezember  1521  beendigt  worden.  — 
2.  ^rud]tbarc  erfeney  mit  ircin  rc/d}tcn  gebraud^  vov  ben  g,c= 
meinen; man, So auff bem Ipd^berumbten berif luerrf.  S.^o / ad^yms 
tl^al  vnb  ber  gleyd^en  an  anbeten  bercf ir>errf  enn  fid)  entl^cltij  .  .  . 
buxd}  Doctorem  XDenceflauni  öey  /  er  roni  (£lbogen  bcn  man 
nennet  /  Doctor  (£ubito  / .  .  .  (Sebruif  t  ^u  Seyptöf  buxd}  XPolff= 
gang  Stödd.  j.  1523./  4ff.  4".  4b  weifs.  Fehlt  bei  Panzer 
und  Weller.  —  3.  Kict)tiger  vati]-- 1  fd}Iag,  rnb  berid)t  ber/y^t 
regicrenben  Peftilen^,  fo  man  ben  (£ngelifdv  /  en  fd^meyll  nennet. 


')  Bauch,  Anfänge  S.  75. 


Kleinere  Mitteilungen.  303 

Purd)  Doctor  ironcef  =  /  laiim  Bayer  von  (£Iboo,cn,  (Iubi=  /  to 
genaubt,  au|5gancscn.  /  IH.  V.  X?il?i.  /  iitj.  Scptcmbris.  /  £eYP= 
^igf,  /  24  ff.  8".  24  weifs.  23b:  ©cbriicft  511  Seyptjicjt  bmd} 
rddd  I  SdinnM.  l]X.  D.  rrif.  /  Vgl.  zu  dieser  Schrift  die  bei 
Haefer,  Lehrbucli  der  Geschichte,  der  Medizin  und  der 
epidemischen  Krankheiten  III  (1882)  S.  327  genannte  Literatur 
über  den  englischen  Schweifs  von  1529.  —  4.  (Eyn  Hii^Itd^er  / 
furcjcr  rntorrtdit,  tüie  /  man  ftd)  ynn  6cr  feeyt  6er  Peftilenfe 
I}al=  /  ten,  aud)  irafs  man  r»or  erl5noy  braudien  foll,  aefecgcu  aus 
ben  büdilein,  fo  I^ieuor  /  (£r  IPcnceflaus  X^tyer  r>om  €lbo=  /  gen 
ber  (Srt^ney  Doctor,  von  /  ber  poftilen^  €ateintfd]  /  l^att  aufgellen  / 
laffenn.  /  ...  8 ff.  8*'.  8  weifs.  7b:  (Sebrücft  5U  £eyp^it3f  burdi 
/  llidel  Sdimibt.  /  Jm  211  P.  ?lX?c.  —  fol.  A  iiij  a  empfiehlt 
der  Verfasser  Pillen  aus  Hans  Wenckheims  Apotheke  zum 
König  in  Leipzig. 

Melanchthon  Aveifs  zu  berichten,  dafs  dieser  Cubito  bei 
einem  Trinko-elage  in  Halle  a.  S.  an  der  Seite  des  Kanzlers 
Türk  jählings  verschieden  sei^). 

Zwei  Kostenberechnungen 
Leipziger  Magisterpromotionen  1515   und   1517. 

Der  Quartband  XXVI.  V.  11  der  Zwickauer  Ratsschul- 
bibliothek stammt  aus  dem  Besitze  des  Christoph  Ering  aus 
Leipzig,  der  erst  in  seiner  Vaterstadt  studierte,  1520  als  Kaplan 
Herzog  Georgs  erscheint,  bis  1528  in  Annaberg,  bis  1532  in 
Joachimsthal  als  Prediger  wirkte,  im  Sommersemester  1532  in 
Wittenberg  immatrikuliert  wurde,  1533  als  Prediger  nach 
Zwickau  kam  und  dort  1554  als  Superintendent  starb").  Hinten 
in  diesem  Bande  hat  er  über  den  Verlauf  seiner  Magister- 
promotion (vgl.  Matrikel  II,  498)  genaue  Angaben  eingetragen, 
die  ich  unter  Weglassung  der  Examenaufgaben  und  -fragen 
hier  wiederhole: 

Anno  virginej   partus   15 15  Ego  Christophorus  Erinck  Lipsicus 

fui  in  examine  pro  magisterio  Et  sequenti  ordine  mecum  agebatur: 

Prima  dispensacio   fuit  6ta  feria  post  Thome  [22.  Dez.  1514]- 

2  da  dispensacio   erat  altera  die  sequenti  et  habetur  propter 

integritatem  vite  et  morum. 

3  da  fuit  in  die  innocentum  [28.  Dez.] 

In  tentamine  hec  subnotata  mihi  assignata  sunt:  —  Tentamen 
deductum  est  3  a  feria  mane  post  felicis  [16.  Jan.  1515],  quo  die  facta 
est  et  delacio  Candelarum. 


1)  Corpus  reformatum  XX,  596;  XXV,  72  u.  648.  G.  Loesche, 
Analecta  Lutherana  et  Melanthoniana  (Gotha  1892)  S.  160  Nr.  208. 

-)  Enders,  Luthers  Briefwechsel  IX,  231  f  und  Fabian  in  den 
Mitteilungen  des  Zwickauer  Altertumsvereins  VII  (,1902;,  118. 


qoA  Kleinere  Mitteilungen. 

In  Examine  hec  Questiones  mihi  assignate  sunt:  —  Finis  Exa- 
minis  erat  4ta  feria  ante  purilicacionis  [31.  Jan]  9  hora. 

Promotus  Sabatto  in  die  Scholastice  [10.  Febr.]   12  hora. 

Exposita  pro  gradu  magisterij  Anno  1515. 

Pro  Exercicio  merces  domini  vicecancellarij 2  fl  in  auro 

Pro  dispensacione  ad  facultatem 42  gr 

Pro  Exercicio  decani 32  gr 

Pro  Loco  in  examine i2gr 

In  delacione  Candelarum  ad  contubernium  Bauarorum     ...     V  gr 

Ad  delacionem  candelarum      32  gr 

Famulis  in  delacione      22  gr 

Ad  cantarum  eniendum  Rectori  seu  commendatori 5  gr 

Examinatoribus  ad  vina  Cretica  in  examine i  gr 

Ad  prandium  Aristotelis,  quod  erat  die  Dorothee  [6.  Febr.]  4   fl  6  gr 

Item  conuentoribus  pro  disp 14  gr  4  ,^ 

Item   3  fl  in  auro  pro  Signeto 

Pro  munusculo  quodam  Promotori i    fl 

Item  famulis  pro  salario 3  gr 

Summa   18  ti   i   gr  4  ^ 

Verus  vicecancellarius  erat  Magnificus  vir  vincencius  de  Schley- 
nicz  Archidvaconus  ecclesie  Merfsb:,  Subvicecancellarius  venerabius 
vir  magister  Joannes  kolh  Lipsicus  promotor  meus. 

Nicolaus  Curia 

Petrus  kun  de  numburg 

Petrus  werdt  Lempergius 

Gotherius  luder  Hallensis. 
Decanus  magister  Nicolaus  Apell   de  Konigshoften  secundario 
ad  hoc  munus  electus.  Rector  magister  Vuolfgangus  Schindeler  cubi- 
tensis,  qui  tunc  erat  recommendator  magistrandorum. 

Besonderes  Interesse  darf  unter  diesen  Aufzeichnungen  die 
detaillierte  Rechnung  beanspruchen^);  die  in  der  Einleitung 
zum  II.  Bande  der  Matrikel  über  die  Kosten  für  die  Erwerbung 
des  Lizentiaten-  und  Magistergrades  zusammengestellten  Be- 
merkungen (S.  LVIII  f )  werden  reichlich  ergänzt.  Noch  teurer 
kam  die  Magisterwürde  zwei  Jahre  später  unserem  Stephan 
Roth  zu  stehen,  wie  die  von  diesem  vorn  in  dem  Folioband 
XXII.  III.  6  eingetragene  Rechnung  bezeugt: 

3  ti  pro  dispensacione 

2  fl  2  gr  pro  exercitio  vicecancellarii 

xxxij  gr  pro  exercitio  decani 

1  gr  pro  lignis 

1  gr  pro  potu  dominis  magistris 

2  gr  d.  vicecancellario  ad  munus 
2  gr  eidem  pro  balneo 
27  gr  pro  delatione  candelarum 


Examinatores  mgr. 


Et  plurima  alia  quae 
honoris  causa  coge- 
bar  exponere  ita  vt 


^)  Ich  kenne  solche  genaue  Promotionskostenverzeichnisse  sonst 
nur  aus  viel  späterer  Zeit,  z.  B.  von  Marburg  1593  und  Gleisen  1614 
in  den  Mitteilungen  des  Oberhessischen  Geschichtsvereins  N.  F.  XU 
(1903J,  100  —  103. 


Kleinere  Mitteilungen.  305 

X  gr  sociis  ad  contubernium  et  condiscipulis     [     hoc    tempore    exa^ 


minis  seil,  consump- 

serim  28  ti  4  gr  6  /^ 

Summa  iacit 

xviiij  fl  xviiij  gr 


xij  gr  pro  loco 

xxij  gr  famulis  vniuersitatis 

iiij  fl  xviij  gr  ad  prandium  Aristotelis 

3  fl  3  gr  pro  signeto 

V  gr  condiscipulis  tempore  promotionis 

2  gr  tempore  oblationis 

8 ')  gr  Rectori  pro  commendatore 

X  gr  tempore  promotionis 

x  gr  pro  pureto 

Am  Rande  noch:  4  fl  ad  Cathedram  Magistro  Georgio  helt 
Forchamensi  praeceptori. 

Ipso  die  Dorotheae  virginis  [6.  Febr.]  insignia  magisterij  sumpsi 
Anno  eti.  xvij.  die  Veneris. 


2.  Sächsisches  Edeizinn. 

(Nachtrag.) 
Von  H.  Demiani. 

Während  unser  Jahrhundert  bisher  nur  einige  wenige 
Beiträge  zu  der  Geschichte  des  Zinns  bez.  Edelzinns  geliefert 
hat,  sind  gerade  während  des  Druckes  des  auf  S.  iff.  dieses 
Bandes  zu  lesenden  Aufsatzes  über  sächsisches  Edeizinn  drei 
einschlagende  Abhandlungen  erschienen,  deren  Inhalt  deshalb 
erst  in  diesem  Nachtrag  behandelt  werden  kann,  nämhch  von: 

1.  von   Walcher-Molthein :     Deutsches    und    fran- 
zösisches Edeizinn  aus  zwei  Wiener  Sammlungen-), 

2.  Knebel:  Rot-,  Zinn- und  Glockengiefser  Freibergs •^), 
und 

3.  Kurzwelly:  Mitteilungen  aus  unseren  Vereinssamm- 
lungen*). 

In  seiner  vorerwähnten  Arbeit  gibt  von  Walcher-Molthein 
Abbildungen  und  kurze  Beschreibungen  der  oben  auf  S.  23 
besprochenen  und  als  Fig.  10  (neben  S,  21)  wiedergegebenen 
Kanne  der  Sammlung  Figdor-Wien,  des  jetzt  der  letzteren 
ebenfalls  angehörigen,  oben  auf  S.  15  behandelten  und  im 
folgenden    als   Fig.  2    reproduzierten    Krugs    der    ehemaligen 


')  Sehr  undeutlich.  Die  Rechnung  stimmt  nur,  wenn  man  [den 
■Gulden  zu  21  gr  rechnet  und  an  dieser  Stelle]  7  gr  liest. 

^  In  Kunst  und  Kunsthandwerk  (Wien,  Artaria  &  Co.)  VII,  65  tf. 

^)  In  den  Mitteilungen  des  Freiberger  Altertumsvereins  (Frei- 
berg, Gerlach)  XXXIX,  7  ff. 

*)  In  den  Schriften  des  Vereins  für  die  Geschichte  Leipzigs 
{Leipzig)  VII,  268  ff. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  .\.     XXV.    3.  4.  20 


2o6  Kleinere  Mitteilungen. 

Kollektion  Lippmann-Lissingen^),  einer  Zunftkanne  der  früheren 
Fleischhackerinnung"  zu  Prefsnitz  in  Böhmen  (Fig.  i)  und  eines 
wohl  in  der  zweiten  Hälfte  des  i6.  Jahrhunderts  entstandenen^ 
27  cm  hohen  und  einen  Bodendurchmesser  von  13  cm  be- 
sitzenden Krugs,  dessen  obere  Hälfte  Göttergestalten  unter 
Arkaden  aufweist,  während  seine  untere  verschiedene,  in  keinem 
gedanklichen  Zusammenhang  stehende  Darstellungen  zeigt : 
Judith,  einen  Trompeter  und  einen  knieenden,  betenden,  ge- 
krönten Mann,  hinter  dem  zwei  Frauen  stehen  (Anbetung  des 
goldenen  Kalbes?),  ein  Relief,  das  sich  auf  der  vorgenannten 
Figdorschen  Kanne  (oben  Fig.  10  neben  S,  21)  zweimal  wieder- 
findet^). Die  beiden  letzterwähnten  Stücke  zählen  auch  zu  den 
Zierden  der  Sammlung  Figdor-Wien. 

Die  47  cm  hohe  imd  einen  Bodendurchmesser  von  24  cm 
besitzende  Prefsnitzer  Zunftkanne  (Fig.  i)'^),  deren  oberer 
Fries  mit  Gruppen  von  Kindern  und  deren  unterer  mit  Szenen 
aus  der  Leidensgeschichte  Christi^)  geschmückt  ist,  trägt  nicht 
die  Annaberger  Stadtmarke,  wie  von  Walcher-Molthein  (S.  66) 
angibt,  sondern  die  oben  auf  S.  23  beschriebenen  beiden  Zeichen, 
nämlich  einen  Stadtstempel,  in  dem  ein  Bindenschild,  darüber 
die  Buchstaben  S  I  und  darunter  zwei  gekreuzte  Bergmanns- 
werkzeuge ersichtlich  sind,  und  einen  Meisterstempel,  der  unter 
den  Initialen  H  W  eine  Glocke  enthält  (die  Zahl  83  fehlt  von 
Anfang  an  oder  ist  durch  den  Gebrauch  weggeschliffen).    Da 


')  Die  auf  diesem  Krug  sich  mehrfach  wiederholenden  drei 
Frauengestalten  bezeichnet  von  Walcher-Molthein  (S.  67 ft.)  als  „die 
drei  tapferen  Frauen  Judith,  Kleopatra  und  Lukretia".  Im  Hin- 
blick auf  die  Attribute  der  drei  Figuren  dürfte  die  oben  auf  S.  15  ge- 
gebene Deutung  vielleicht  die  richtigere  sein.  Die  zu  Fig.  i  und  2  ver- 
wendeten Cliches,  die  bereits  für  die  Abbildungen  der  angezogenen 
von  Walcher-Moltheinschen  Abhandlung  gedient  haben,  sind  von  der 
Leitung  des  Österreichischen  Museums  für  Kunst  und  Lidustrie  zu 
Wien  bez.  der  Redaktion  der  Zeitschrift  Kunst  und  Kunsthandwerk 
in  dankenswertester  und  liebenswürdigster  Weise  zur  Verfügung 
gestellt  worden. 

")  Die  nachstehenden  Angaben  beruhen  zum  Teil  auf  freund- 
lichen Mitteilungen  der  Herren  von  Walcher-Molthein  und  Dr.  Figdor 
in  Wien. 

^)  Dem  Vernehmen  nach  wird  das  demnächst  erscheinende 
2.  Heft  der  Kunstwelt  (Wien,  Wiener  Verlag,  Herausgeber  W.  Abels) 
eine  Abbildung  der  in  Rede  stehenden  Kanne  und  eine  kurze,  der 
Feder  von  Walcher-Pvioltheins  zu  verdankende  Beschreibung  der- 
selben enthalten. 

•*)  Diese  Szenen  sind  wahrscheinlich  auf  gleichzeitige  Stiche  oder 
Holzschnitte  zurückzuführen.  Mit  den  bekannten  Passionsfolgen  von 
Dürer  und  Cranach  d.  A.  hängen  sie  nicht  zusammen. 


Fig.  1. 

Zunftkanne  der  Fleischhackerinnung  zu  Prefsnitz  (i6.  Jahrb.). 

Sammlung  Figdor  -Wien. 


Kleinere  Mitteilungen.  ß07 

im  Wappen  der  Bergstadt  Joachimsthal  in  Böhmen  unter 
anderem  ein  Bindenschild')  und  zweischräg  übereinander  gelegte 
Bergmannshämmer  angebracht  sind,  der  eine  Wappenhalter  auch 
aus  der  Gestalt  des  heiligen  Joachim  besteht,  so  wird  man 
die  Buchstaben  S  I  wohl  um  so  unbedenklicher  auf  Joachims- 
thal beziehen  dürfen:  S  =  Sanct,  I  =  Joachimsthal -),  als  diese 
Stadt  nach  Ausweis  der  Akten  des  Prager  Archivs  im  1 6.  Jahr- 
hundert tatsächlich  ,, Sanct  Joachimsthal"  hiefs.  Die  Meister- 
marke läfst  sich  zur  Zeit  leider  nicht  bestimmen.  Doch  mö^e 
mit  Rücksicht  auf  die  darin  befindliche  Glocke  bemerkt  sein, 
dafs  die  böhmischen  Zinngiefser  sehr  häufig  zugleich  Glocken- 
giefser  waren '^). 

Die  in  Rede  stehende  Kanne  läfst  sich,  obwohl  sie  in 
Böhmen,  wenn  auch  dicht  an  der  heutigen  sächsischen  Grenze^), 
entstanden  ist,  der  oben  auf  S.  21  ff.  behandelten  Grujjpe  von 
Edelzinnarbeiten  zuzählen,  die  vermutlich  sächsischen  Ur- 
sprungs bez.  den  sächsischen  Erzeugnissen  (insbesondere  in 
technischer  Beziehung)  ganz  nahe  verwandt  sind.  Das  von 
den  verschiedenen  Zinngiefserordnungen  fast  ausnahmslos  vor- 
geschriebene Wandern  der  Gesellen  hatte  zur  Folge,  dafs  diese 
weit  herumkamen.    So  stammte  z.  B.  der  bekannte  Zinngiefser 


^)  Ein  Bindenschild  kommt  in  den  Wappen  der  jetzt  zum  König- 
reich Sachsen  gehörigen  Städte  nicht  vor.  Ein  Bindenschild  und 
zwei  Bergmannshämmer  linden  sich  auch  im  Wappen  der  böhmischen 
Stadt  Kuttenberg.  Doch  dürften  für  Joachimsthal  die  Initialen  SI  und 
die  Nähe  von  Prefsnitz  und  der  sächsischen  Grenze  sprechen.  Auch 
ist  wohl  zu  beachten,  dafs  Joachimsthal  schon  bei  seiner  Erhebung  zur 
Bergstadt  im  Jahre  1520  sein  Wappen  erhielt,  während  in  das  von 
Kuttenberg  erst  1641,  also  erst  nach  der  wohl  erheblich  früher  anzu- 
setzenden Entstehung  der  als  Fig.  1  und  3  abgebildeten  Kannen,  auf 
Befehl  des  Kaisers  Ferdinand  III.  ein  Bindenschild  eingefügt  worden 
ist,  auf  dessen  Querbalken  man F III  liest.  (Widimsky,  Städtewappen 
des  Österreichischen  Kaiserstaates,  I.  Königreich  Böhmen,  Wien, 
k.  k.  Hof-  und  Staatsdruckerei,  1864,  S.  53,  67 ft.).  Dafs  umfangreiche 
Stadtwappen  nur  teilweise  in  die  kleinen  vmd  deshalb  leicht  un- 
deutlich werdenden  Stadtmarken  aufgenommen  wurden,  läfst  sich 
vielfach,  z.  B.  m  Bezug  auf  Freiberg  und  Breslau,  nachweisen. 
Übrigens  hielt  Kurfürst  Johann  Friedrich  der  Grofsmütige  von  Sachsen 
Joachimsthal  während  des  Jahres  1547  eine  Zeit  lang  besetzt. 

'^)  Wie  oben  auf  S.  14  S  A  B  =  Sanct  Annaberg. 

^)  Vgl.  Grueber,  Die  Kunst  des  Mittelalters  in  Böhmen  (Wien, 
Gerold),  IV.  Th.,  VI.  Lief.  (1879),  S.  156  ff.  Auch  von  verschiedenen  säch- 
sischen Zinngiefsern  läfst  sich  dies  sagen.  Vgl.  z.  B.  die  eingangs- 
erwähnte Abhandlung  Knebels. 

"*)  Prefsnitz  liegt,  unweit  Annaberg,  hart  an  der  sächsischen 
Grenze.  Auch  Joachimsthal  ist  von  letzterer  sowie  von  Prefsnitz 
nicht  weit  entfernt. 


2o8  Kleinere  Mitteilungen. 

Caspar  Enderlein  ^),  der  in  Nürnberg  tätig  war  und  dort  auch 
Bürger  wurde  und  verstarb,  aus  Basel.  Und  dieses  Herumziehen 
wiederum  brachte  es  mit  sich,  dafs  gewisse  technische  Fertig- 
keiten und  Gebräuche  nicht  auf  den  Ort  bez.  die  Gegend  ihrer 
Entstehung  beschränkt  blieben,  sondern  sich  darüber  hinaus  — 
namentlicli  in  der  näheren  Umgebung  —  verbreiteten.  Man 
darf  daher  wohl  annehmen,  dafs  die  Prefsnitzer  Kanne,  die 
die  Merkmale  sächsischer  Edelzinnarbeiten  aufweist,  von  einem 
sächsischen  Zinngiefser,  der  nach  Böhmen  wanderte  und  dort 
vielleicht  auch  blieb,  oder  von  einem  böhmischen  gefertigt 
wurde,  der  als  Geselle  in  Sachsen  arbeitete  und  später  in  seine 
Heimat  zurückkehrte.  Auch  machen  ja  bekanntlich  Handwerks- 
und Kunstübungen  nicht  genau  an  den  Landesgrenzen  Halt. 
Franyois  Briot,  der  berühmteste  Zinngiefser,  war  seiner  Kunst 
nach  Franzose,  aber  als  Deutschlothringer  geboren  und  in 
Deutschland  (Mömpelgard)  tätig-).  Dafs  die  einer  Prefsnitzer 
Innung  gehörig  gewesene  Kanne  in  Joachimsthal  gefertigt 
worden  ist,  hat  nichts  Auffälliges.  Wahrscheinlich  hat  sie 
ein  aus  Joachimsthal  stammendes  Mitglied  der  Prefsnitzer 
Fleischhackerzunft  an  ersterem  Orte  bei  einem  Zinngiefser- 
meister  von  Ruf  bestellt  und  der  genannten  Gilde  geschenkt. 
Für  diese  Annahme  scheint  auch  ihre  Inschrift  zu  sprechen, 
welche  lautet:  DISE  •  KANE  ■  VERÖHRET  •  CHRISANES  • 
EBERT  •  EINEN  •  ÖHRBAREN  •  HAND  •  WERCK  •  DER 
FLEISCHHACKER  •  IN  •  STAT  ■  BRESNITZ  ■  ZU  •  EINEN  • 
GVTEN  •  GEDEGTNIS  •  In  einer  der  Abteilungen  des  breiten 
oberen  Frieses  mit  Kinderfiguren  befindet  sich  ein  Täfelchen, 
auf  welchem  A  D  XXVII  (wohl  =  Anno  Domini  1527)  zu 
lesen  ist^). 

Dieselben  Marken  wie  die  Prefsnitzer  Kanne  trägt  an- 
scheinend —  das  Stadtzeichen  ist  sehr  undeutlich,  doch  lassen 
sich  die  Initialen  S  I  mit  Sicherheit  erkennen,  und  der  Meister- 
stempel enthält  aufser  einer  Glocke  und  den  Initialen  H  W  die 
Zahl  83  (13?)  —  auch  der  oben  auf  S.  15  besprochene,  früher 


1)  Demiani,  Fran^ois  Briot,  Caspar  Enderlein  und  das  Edel- 
zinn  (Leipzig,  Hiersemann,  1897)  S.  3ift. 

■-)  Demiani  a.  a.  O.  S.  iff. 

^)  Diese  Zeitangabe  ist  nicht  ohne  weiteres  als  mit  der  oben  auf 
S.  4  gemachten  Bemerkung,  dafs  die  Entstehungszeit  sächsischen  Edel- 
zinns  wohl  erst  nach  1550  beginnt,  in  Widerspruch  stehend  anzusehen. 
Denn  die  Inschrift  ist  nicht  eingraviert,  sondern  wie  die  übrigen 
Reliefs  erhaben,  also  mit  diesen  zugleich  gegossen,  hat  sich  mithin 
auf  einer  abgeformten  Plakette  betunden,  die  möglicherweise  ge- 
raume Zeit  vor  der  Anfertigung  der  Prefsnitzer  Kanne  hergestellt 
worden  ist. 


Fig.  2. 

Zinnkruo;  (2.  Hälfte  des   16.  Jahrb.). 

Sammluiii;-  Figdor-Wien. 


Kleinere  Mitteiluneen 


&■■ 


309 


zur  Sammlung-  Lippmami-Lissingen,  jetzt  zur  Kollektion  Figdor- 
Wien  gehörige  Krug  (Fig.  2).  Es  ist  wohl  zu  beachten,  dals 
die  darauf  sich  mehrfach  wiederholenden  drei  weiblichen  Ge- 
stalten auf  dem  ol^en  als  Fig.  7  (neben  S.  16)  abgebildeten 
Kruge  des  Musee  du  Louvre  wiederkehren,  welcher  zweifellos 
eine  Annaberger  Arbeit  ist. 

Was  über  die  Entstehung  der  Prefsnitzer  Kanne  gesagt 
worden  ist,  gilt  auch  von  dem  in  Rede  stehenden  Krug  (Fig.  2) 
und  von  denjenigen  Stücken  der  oben  auf  S.  21  ff.  behandelten 
Gruppe,  welche  mit  den  nämlichen  Stempeln  versehen  sind 
wie  jene  Kanne  und  dieser  Krug.  Eines  der  wichtigsten  unter 
ihnen  ist  die  schon  oben  auf  S.  23  erwähnte,  als  Fig.  3  ab- 
gebildete, früher  zur  Zschilleschen,  jetzt  zur  Demianischen 
Sammlung  gehörige,  einschliefslich  der  Deckeltigur  54  cm 
hohe  Kanne  ^). 

Der  im  Eingang  erwähnte  Figdorsche  Krug  mit  Götter- 
gestalten unter  Arkaden  in  seiner  oberen  und  Judith,  einem 
Trompeter  sowie  einem  betenden  knieenden  Mann,  hinter  dem 
zwei  Frauen  stehen,  in  seiner  imteren  Hälfte  ist  zweifellos 
sächsischer  Herkunft,  da  er  die  Annaberger  Stadtmarke-)  trägt. 
Aufserdem  ist  er  durch  einen  Meisterstempel,  der  ein  Herz  (?), 
aus  dem  drei  Blumen  spriefsen,  und  die  Initialen  C  G  ent- 
hält, und  eine  dritte,  wohl  als  Besitzerzeichen '^j  anzusehende 
Marke  gekennzeichnet,  die  aus  einem  mit  Herzschild  versehenen 
quadrierten  Wappen  besteht,  dessen  erstes  und  drittes  Feld  je 
einen  Wider[ Kessel] haken  (?)  zeigt,  während  sich  im  zweiten 
und  vierten  je  ein  Stern  befindet.  Das  sehr  interessante  Stück 
weist  eine  —  äufserst  selten  vorkommende  —  Besonderheit 
insofern  auf,  als  die  ursprünglich  glatten,  den  Hintergrund 
der  Reliefs  bildenden  Flächen  durch  vermittelst  eines  spitzen 
Instruments  hervorgebrachte  kleine  Vertiefungen,  wohl  nach- 
träglich, aufgerauht  sind*). 

Das  Mittelrund  einer  in  der  Sammlung  Wilczek-Wien  be- 
findlichen grofsen  Prunkschüssel,  welche  mit  Reliefdarstellvmgen 
aus   der   Geschichte   Susannas   und   dem   Gleichnis   vom  ver- 


^)  VojI.  Demiani  a.  a.  O.  S.  54ff.  Die  auf  dieser  Kanne  be- 
findlichen beiden  einander  gleichen  IMeistermarken  (eine  schlanke 
hohe  Kanne,  über  der  die  Buchstaben  L  D  I  stehen)  lassen  sich  zur 
Zeit  leider  nicht  deuten. 

'-)  Vgl.  oben  S.  14. 

'^j  Vgl.  oben  S.  13  Anm. 

*)  Ein  gutes  Beispiel  dieses  Verfahrens  bietet  eine  im  Öster- 
reichischen Museum  für  Kunst  und  Industrie  zu  Wien  aufbewahrte 
grofse  Prunkschüssel,  deren  Mittelstück  Arion  aufweist.  Näheres 
siehe  bei  Demiani  a.  a.  O.  S.  29. 


qio  Kleinere  Mitteilungen. 

lorenen  Sohn  geschmückt  ist,  zieren  ein  geharnischter  Reiter, 
eine  Anzahl  Wappen  und  folgende  Inschrift:  DEI  GRATIA 
FRIDERICVS  WILHELMVS  DVX  SAXONIAE  LAND- 
GRAVIVS  THVRINGIAE  MARCHIO  MISNIAE  ET  PRIN- 
CEPS  HENNEBERGENSIS  1586 1).  Dieser  Mittelteil  ist 
eine  spätere  Zutat,  denn  die  intakten  Exemplare  der  vor- 
erwähnten seltenen  Schüssel,  einer  französischen  Arbeit  aus 
dem  dritten  Viertel  des  16.  Jahrhunderts,  deren  Schöpfer  leider 
unbekannt  ist,  haben  als  Nabelstück  die  allegorische  Figur 
der  Stärke  (Überschrift:  FORCE)  in  reicher  ornamentaler  Um- 
rahmung. Die  Mittelstücke  derartiger  Schüsseln  wurden  wohl 
nicht  gleich  mit  diesen  zusammen,  sondern  für  sich  ge- 
gossen und  erst  nachträglich  auf  die  in  der  Mitte  der  Platten 
leer  gebliebenen  Stellen  aufgelötet,  wie  sie  denn  auch  auf 
den  verschiedenen  Exemplaren  einer  Prunkschüssel  häufig 
eine  verschiedene  Stellung  zu  den  sie  umgebenden  Reliefs 
einnehmen  -).  Das  Medaillon  mit  dem  Reiterbildnis  des  säch- 
sischen Fürsten  stellt  sich  hiernach  als  Ersatz  entweder  eines 
schon  von  Anfang  an  fehlenden'^)  oder  eines  später  abge- 
fallenen oder  beschädigten  Mittelstücks  dar.  Ob  man  es  mit 
von  Walcher-Molthein  (S.  846:.,  woselbst  auch  eine  Abbildung 
der  Platte),  der  an  ein  Werk  eines  dem  Augsburger  Medailleur 
Friedrich  Hagenauer  oder  Hans  Kels  aus  Kaufbeuren  nahe- 
stehenden Meisters  denkt,  als  eine  selbständige,  eigens  für  den 
Gufs  in  Zinn  bestimmte  Arbeit  (als  ,, selbständiges  Schaustück") 
ansehen  darf  oder  nicht  vielmehr  als  den  Ausgufs  einer  ge- 
schickten Abformung  eines  der  grofsen,  im  16.  und  17.  Jahr- 
hundert gebräuchlichen  Staatssiegel,  mag,  da  ausreichende 
Anhaltspunkte  fehlen,  dahingestellt  bleiben'*). 

Sächsischen  Ursprungs  ist  wohl  auch  ein  gleichfalls  zu 
der  Sammlung  Wilczek  gehöriger  kleiner  Krug,  auf  dessen 
innerem  Boden  ein  Medaillon  mit  dem  in  flachem  Relief  aus- 
geführten, gut  erhaltenen  Brustbild  des  Kurfürsten  Johann 
Friedrich  des  Grofsmütigen  von  Sachsen  angebracht  ist.    Das 


')  Gemeint  ist  jedenfalls  Herzog  Friedrich  Wilhelm  I.  von 
Sachsen-Altenburg  (1573 — 1602),  der  auch  (1582  — 1601)  Vormund  und 
Administrator  in  Kursachsen  war. 

2)  Vgl.  Demiani  a.  a.  0-.  S.  12. 

^)  Es  kommen  Prunkschüsseln  mit  völlig  glattem  Mittelstück 
vor,  die  wahrscheinlich  nicht  fertig  gemacht  worden  sind,  weil  die 
übrigen  Teile  Gufsfehier  oder  sonstige  Mängel  haben. 

^j  In  der  Sammlung  Demiani  behndet  sich  ein  derartiger,  von 
einem  bekannten  Fälscher  hergestellter  Abguls,  der,  wenn  nicht 
gewisse  Merkmale  auf  seiner  Rückseite  die  Art  seiner  Entstehung 
verrieten,  auch  den  besten  Kenner  irreführen  würde. 


Fi^-.  3. 

Kanne  mit  Reliefs  nacli  der  Mars -Schüssel  uim  1600). 

Sammlunü'  Demiani. 


Kleinere  Mitteilungen.  311 

interessante  Stück,  das  beim  Ausräumen  des  die  Wilczeksche 
Burg  Kreuzenstein  (bei  Korneuburg  in  Nieder-Österreich)  um- 
gebenden Grabens  gefunden  wurde,  hat  eine  Höhe  von  10  cm 
und  einen  Bodendurchmesser  von  7,5  cm.  Bedauerlicherweise 
ist  seine  Aufsenseite  so  arg  beschädigt  und  zerfressen,  dafs 
sich  nicht  erkennen  läfst,  ob  und  bez.  welche  Marken  es  ge- 
tragen hat. 

Knebel  gibt  in  seiner  vorerwähnten  Abhandlung  ein  Ver- 
zeichnis der  Freiberger  Zinngiefser  von  141 2  an  und  nähere 
Beschreibungen  einiger  ihrer  Arbeiten,  von  denen  jedoch  nur 
die  oben  auf  S.  29  ff.  angeführten  von  Andreae  und  Schneider, 
die  noch  zu  erwähnenden  Taufbecken  zu  St.  Michaelis  und 
Weifsenborn  und  etwa  noch  die  jetzt  im  König- Albert-Museum 
(Altertumsmuseum)  zu  Freiberg  befindlichen,  von  dem  dortigen 
Zinngiefser  Traugott  Friedrich  Pilz  (1773 — 1822)  gefertigten 
Altarleuchter  aus  der  Kirche  zu  Krummenhennersdorf  ^)  dem 
Edelzinn  beizuzählen  sind.  Auf  Grund  dieses  Verzeichnisses 
sei  berichtigend  bemerkt,  dafs  der  oben  auf  S.  4  aufgeführte, 
von  1494  bis  1549  tätig  gewesene  Meister,  der  vielleicht  die 
Taufschüssel  des  Freiberger  Domes  gefertigt  hat,  Erhart  Müller 
und  nicht  Erhart  Mehner  hiefs.  Knebel  behandelt  auf  S.  13,  16, 
52,  53,  57,  59,  60,  62,  66,  68,  69,  71,  72  seines  interessanten  Auf- 
satzes die  verschiedenen  Mitglieder  der  oben  auf  S,  2  Anm.  i 
und  S.  16  Anm.  3  genannten  Freiberger  Zinngiefserfamilie  Günter 
(Günther),  gedenkt  auf  S.  53  und  57  des  oben  auf  S.  28  als  Ver- 
fertio-er  der  Könio-steiner  Abendmahlskanne  erwähnten  Dresdner 
Zinngiefsers  Abraham  Frantze,  schildert  auf  S.  5  7  ff.  ausführlich 
die  oben  auf  S.  19  Anm.  2  kurz  besprochenen,  reichgravierten 
Taufbecken  der  Kirchen  zu  St.  Michaelis  und  Weifsenborn,  von 
denen  er  ersteres  im  Hinblick  auf  dessen  Marken,  letzteres  mit 
Rücksicht  auf  seine  Form  und  die  Art  seiner  Ausführung 
dem  Freiberger  Zinngiefser  Matthias  (auch  Mattheus)  Günter 
(Günther)  zuschreibt,  der  von  161 5  bis  1669  vorkommt,  und 
bringt  auf  S.  66  ff.  beachtenswerte  Angaben  über  die  oben 
auf  S.  2  9  ff.  aufgeführten  Freiberger  Zinngiefser  Andreae  und 
Schneider  sowäe  deren  Arbeiten. 

Die  Abhandlung  von  Kurzwelly  enthält  u.  a.  zwei  Ab- 
bildungen und  eine  sehr  genaue  Beschreibung  der  oben  auf 
S.  14  iaesprochenen  ,, Armesünderkanne"  des  Vereins  für  die 
Geschichte  Leipzigs. 

Im  Übrigen  sei  noch  Folgendes  nachgetragen. 


1)  Knebel  a.  a.  O.  S.  70.    „Meistermarke:  T.  F.  P.  1778,  Pilze". 
Als  Stadtmarke:  „Freiberger  Stadtwappen  in  einem  Kreise". 


312 


Kleinere  Mitteilung-en 


»^ 


Was  die  oben  auf  S.  4  ff.  erwähnten  Tinten-  und  Streu- 
sandfässer anbelangt,  so  ist  neuerdings  noch  ein  Exemplar 
mit  vier  freie  Künste  personifizierenden  weiblichen  Gestalten-') 
vom  Rande  der  Temperantia-Schüssel-)  im  Rathause  zu  Dresden 
aufgefunden  und  dem  dortigen  Stadtmuseum  überwiesen  worden 
und  aus  letzterem  eines  der  drei  ihm  gehörigen,  einander 
nahezu  gleichen  Sandfässer  mit  Feldherren-Figuren  vom  Rande 
der  Mars-Schüssel'^)  durch  Tausch  in  die  Sammlung  Demiani 
gekommen.  Letztere  Kollektion,  die  aufserdem  ein  zur  Zeit  nur 
in  einem  Exemplar  bekanntes  kleines  Sandfafs  birgt,  dessen 
drei  einander  gleiche  Relieffelder  je  einen  Vogel  zwischen 
Blumen  und  Ranken  aufweisen,  enthält  auch  eine  runde  Streu- 
sandbüchse mit  Jagdszenen,  die  wohl  auf  Kompositionen  von 
Jost  Amman  oder  Hans  Bocksperger  (Bocksberger)  *)  zurück- 
zuführen sind'^). 


1)  Arithmetik,  Geometrie,  Rhetorik  und  Musik. 

2)  Demiani  a.  a.  O.  S.  i2ff.,  4iff.,  Taf.  iff  Ob  das  Briotsche 
Original  oder  die  Enderleinsche  Kopie  als  Vorbild  gedient  hat,  läfst 
sich  bei  der  schlechten  Erhaltung  des  Stückes  nicht  feststellen. 

^)  Demiani  a.  a.  O.  S.  50 ft".  Taf.  24.  Das  in  Rede  stehende 
Sandfafs  ist  dem  bei  Demiani  a.  a.  O.  Taf.  13  abgebildeten  des 
Kunstgewerbemuseums  zu  Dresden  nahezu  gleich. 

*)  Im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  befinden  sich  galvano- 
plastische Nachbildungen  dieser  Jagdszenen,  die  im  dortigen  Zettel- 
katalog als  Holzschnitten  von  Hans  Bocksperger  entnommen  bezeichnet 
werden.  Hans  Bocksperger  aus  Salzburg  und  Jost  Amman  standen  in 
enger  Beziehung  zu  einander.  Vgl.  N  a  g  1  e  r ,  Die  Monogrammisten  usw. 
(München,  Franz,  1863)  III,  iSgff.  Da  Bocksperger  mehr  als  Zeichner 
tätig  gewesen  zu  sein  scheint,  darf  man  vielleicht  die  fraglichen  Jagd- 
szenen als  zum  Teil  sehr  freie  Kopien  nach  Blättern  von  Jost  Amman 
ansehen.    Vgl.  Bartsch,  Le  peintre-graveur  (Wien,  Degen,  1808)  IX^ 

3  57)  Jost  Amman:  „8.  Les  chasses.    Suite  de  huit  estampes ". 

Andresen,  Der  deutsche  peintre-graveur  usw.  (Leipzig,  Weigel, 
1864J  I,  147:  „83.  Die  Hirschjagd  .  .  .",  149:  „91.  Die  Hirsch-  und 
Hasenjagd ". 

^j  Eine  Abbildung  dieses  Sandfasses  bei  Demiani  a.  a.  O. 
Taf.  13.  Dieselben  drei  Reliefs  befinden  sich  auf  einem  reich  ver- 
zierten Emaillierofen,  welcher  der  chemischen  Abteilung  der  tech- 
nischen Hochschule  zu  Dresden  gehört,  und  in  der  im  historischen 
Museum  zu  Basel  ausgestellten  Amerbachischen  Sammlung  von  Gold- 
schmiedemodellen (Plaketten).  Zwei  derselben  —  in  Zinn- (oder  Blei-?) 
Abgüssen  —  enthält  die  kunstgewerbliche  Abteilung  des  Museums 

zu  Cassel  (Nr.  ^0^22  [sie!])  und  eins,  den  Reiter  mit  einem  kurzen 
Gewehr  in  der  ausgestreckten  Rechten,  das  Kunstgewerbemuseum 
zu  Prag  (Nr.  2039).  Ob  etwa  ein  von  Knebel  a.  a.  O.  S.  76  er- 
wähntes, im  König -Albert -Museum  (Altertumsmuseum)  zu  Freiberg 
aufbewahrtes  Streusandfafs,  auf  dessen  Körper  sich  reliefierte 
mythologische  Darstellungen  (Diana,  Venus  und  Amor)  befinden,  der 


Kleinere  Mitteilungen.  313 

In  einem  dem  Pirckheimerstübchen  benachbarten  kleinen 
Räume  der  Wartburg  befindet  sich  ein  Abgufs  des  oben  auf 
S.  24  erwähnten,  dem  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  ge- 
hörigen Krugs  mit  Medaillons,  die  Darstellungen  aus  der 
Geschichte  der  ersten  Menschen  umschHefsen.  Er  trägt  die 
Freiberger  Stadtmarke  ^)  und  zwei  einander  gleiche  Meister- 
stempel, in  denen  ein  Zweig  mit  einer  Eichel  angebracht  ist, 
neben  der  links  ein  O  (oder  D?),  rechts  ein  G  steht,  ist  also 
als  eine  Freibergfer  Arbeit  anzusehen  und  vielleicht  einem 
Mitglied  der  mehrgenannten  dortigen  Zinngielserfamilie  Günter 
(Günther)  zuzuschreiben-). 

Die  oben  auf  S.  16  Anm.  i  beschriebene  Darstellung  beruht 
wohl  auf  derselben  Erzählung  wie  ein  von  Georg  Pencz  her- 
rührender Stich,  über  den  Bartsch'^)  folgendes  berichtet: 

„87—88  Deux  Sujets  d'un  conte  d' Albert  d'Eyb  ....  L'histoire 
fabuleuse  representee  dans  ces  deux  estampes,  se  trouve  dans  la 
seconde  partie  de  la  Marguerite  poetique  par  Albert  d'Eyb.  Cet 
auteur  raconte  qu'une  courtisane  romaine,  ayant  suspendu  dans  un 
panier  le  poete  Virgile,  faraeux  magicien,  ä  la  mihauteur  d'une  tour, 
celui-ci,  pour  s'en  venger,  tit  eteindre  tout  le  feu  qui  etoit  ä  Rome, 
Sans  qu'ii  fut  possible  de  le  rallumer,  ä  moins  qu'on  n'allät  le  prendre 
des  parties  secretes  de  cette  moqueuse,  de  sorte  que  chacun  etoit  tenu 
de  l'aller  voir  et  la  visiter,  vu  que  ce  feu  ne  pouvoit  se  comniuniquer 
d'une  chandelle  ä  l'autre. 

87.  Le  poete  Virgile  expose  dans  un  panier  ä  la  risee  de  tout 
le  peuple  de  Rome.  On  le  voit  dans  le  fond  ä  gauche,  dans  le 
panier  suspendu  ä  mi-hauteur  d'une  tour 

88.  La  courtisane  qui  lui  avoit  fait  cette  Insulte,  punie  ä  son 
tour  de  son  indiscretion.  On  la  voit  exposee  sur  une  place  publique, 
assise  sur  un  piedestal  et  entouree  de  plusieurs  hommes  qui  allument 
leurs  chandelles " 

Über  die  oben  auf  S.  28  erwähnten  gravierten  Ober- 
pesterwitzer  Kirchengeräte  berichtet  Gurlitt  Näheres  in  dem 
soeben  erschienenen  neuesten  Heft  der  Beschreibenden  Dar- 
stellung der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Königreichs 
Sachsen*).  Ob  die  eine  der  von  ihm  wiedergegebenen, 
auf    der    Taufschüssel    angebrachten    drei    Marken,     die    ein 


hier  behandelten  Gruppe  beizuzählen  ist,  mag  dahingestellt  bleiben, 
da  es  mit  einer  Marke  nicht  versehen  und  der  Ort  seiner  Her- 
stellung unbekannt  ist. 

M  \^gl.  oben  S.  i4fif. 

■-)  Freundliche  Mitteilungen  des  Herrn  Schlofshauptmann  von 
Cranach -Wartburg.  Der  in  Rede  stehende  Krug  ist  der  oben  auf 
S.  16  ff.  behandelten  Gruppe  von  Freiberger  Arbeiten  anzureihen. 

3)  Bartsch  a.  a.  O.  VIII,  345 ff- 

*)  Dresden,  in  Kommission  bei  C.  C.  Meinhold  &  Sühne,  XXIV 

(1904),  93  ff- 


314 


Kleinere  Mitteilungen. 


!r)^ 


C  enthält,  in  dessen  Öffnung  ein  L  hineingelegt  ist,  als 
der  von  Berling^)  besprochene,  durch  die  sächsische  Zinn- 
giefserordnung  von  1614  für  Gegenstände  aus  völlig  reinem 
(,,Bergk  lautter")  Zinn  vorgeschriebene  Stempel  angesehen 
werden  darf,  welcher  ,,eine  Crohne,  darunter  C  und  L  in 
einander  geschrencket,  welches  also  klar  lautter  bedeutet", 
aufweisen  sollte,  mag  dahingestellt  bleiben,  da  die  Krone  fehlt. 
Es  ist  aber  nicht  unmöglich,  dafs  man  1702  (diese  Jahreszahl 
trägt  die  Taufschüssel)  die  angezogene  Bestimmung  nicht  mehr 
so  streng  gehandhabt  und  sich  mit  den  verschlungenen  Buch- 
staben C  und  L  begnügt  hat.  Sollte  dies  etwa  zutreffen,  so 
würde  der  besprochene  Stempel  das  einzige  zur  Zeit  bekannte 
Beispiel  seiner  Art  sein. 


^)  Berling,  Sächsische  Zinnmarken,  im  Kunstgewerbeblatt  III 

(1887),  134  ff. 


Literatur. 


Hof-  und  Zentralverwaltung  der  Wettiner  in  der  Zeit  einlieitliclier 
Herrscliaft  über  die  meifsniscli-thüringisclien  Länder  von  H.  B. 
Meyer,  Dr.  phil.  (A.  u.  d.  T. :  Leipziger  Studien  aus  dem  Gebiet 
der  Geschichte,  herausgegeben  von  G.  Buchholz,  K.  Lamprecht, 
E.  Marcks,  G.  Seeliger,  Bd.  LX,  Heft  IIL)  Leipzig,  B.  G.  Teubner. 
1902.    XII,  152  SS.  "8«. 

In  den  Titeln  der  Doktorarbeiten  steckt  selbst  mit  ein  Stück 
Geschichte  der  betreffenden  Disziplin,  ihres  Betriebes  und  ihrer  Ver- 
tretung an  einer  Hochschule.  Die  berechtigte  Klage,  die  noch  vor 
zehn  Jahren  über  die  geringe  Beteiligung  der  Universität  Leipzig 
an  landesgeschichtlichen  Studien  erhoben  werden  konnte,  ist  heute 
nicht  mehr  zutretfend:  wie  anderwärts  werden  die  angehenden  Hi- 
storiker auf  Stoffe  der  sächsischen  Geschichte  hingeleitet,  und  in  poli- 
tischer Geschichte  wie  in  Kirchen-,  Verfassungs"-  und  Verwaltungs- 
geschichte und  historischer  Geographie  und  andern  Zweigen  haben 
wir  eine  beträchtliche  Anzahl  fleifsiger  und  brauchbarer  Arbeiten, 
und  manche  können  sogar  als  wertvolle  Bereicherung  unserer  Kennt- 
nisse bezeichnet  werden.  Hierzu  gehört  auch  Meyers  Arbeit.  Gerade 
im  Gebiete  der  Verwaltungsgeschichte  der  wettinischen  Lande  klafften 
ja  noch  die  empfindlichsten  Lücken.  Jetzt  bieten  E.  O.  Schulze 
(Germanisation  und  Kolonisation)  und  Meyer  doch  so  viel,  um  unter 
Zuziehung  einzelner  Abschnitte  in  andern  Werken  (Tittmann,  Posern- 
Klett,  Märcker  u.  a.)  die  Grundzüge  des  inneren  Staats-  und  Wirt- 
schaftslebens erkennen  zu  lassen. 

Einem  einleitenden  Abschnitt  über  die  Entwicklung  der  Landes- 
hoheit in  den  wettinischen  Landen  schliefsen  sich  die  Untersuchungen 
über  den  Rat,  die  Kanzlei  und  die  vier  Hausämter  an.  Der  Rat, 
dessen  Mitglieder  zuerst  in  der  zweiten  Hälfte  des  13. Jahrhunderts 
genannt  werden,  entwickelte  sich  allmählich  aus  den  „familiäres" 
des  Fürsten;  zu  ihnen  zählten  gelegentlich  Mitglieder  der  Herren- 
geschlechter, ständig  die  höheren  Hofbeamten,  meist  einzelne  Ver- 
waltungsbeamte (Vögte)  und  sonstige  durch  Verwandtschaft  oder 
frühere  Stellung  bemerkenswerte  Personen;  eine  besondere  Ressort- 
scheidung ist  ebensowenig  erkennbar,  wie  in  der  Kanzlei,  die  Mej-er 
nur  kurz'  behandelt.  Für  letztere  liefern  Ergänzungen  zu  verschie- 
denen Punkten  meine  Studien  über  die  wettinische  Kanzlei  in  dieser 
Zeitschrift  XXIV,  i  ff.  und  XXV,  209  If.  Bei  den  Hausämtem  skizziert 
Meyer  die  Ablösung  der  alten  Erbamtsgeschlechter,  die  nicht  mehr 
den  Amtsdienst  verrichten,  durch  besonders  ernannte  Beamte,  und 
dann  das  Auftreten  des  neuen  Amtes  des  Hofmeisters  seit  Ende  des 


5  1 6  Literatur. 

13.  Jahrhunderts  bis  zum  Jahre  1343.  Der  Hofmeister  war  der  Vor- 
stand der  Hofverwaltung,  und  da  Hof  kasse  (um  diesen  Ausdruck  zu 
gebrauchen)  und  Staatskasse  noch  nicht  getrennt  waren,  zugleich 
oberster  Finanzbeamter.  Seit  1344  tritt  plötzlich  statt  des  Hofmeisters 
der  Hofrichter  ein,  der  aber  neben  den  nicht  näher  bekannten  ge- 
richtlichen Funktionen  denselben  Tätigkeitskreis  innehat;  erst  1379 
setzt  der  Hofmeistertitel  wieder  ein. 

Kürzer  behandelt  ist  der  zweite  Teil,  die  Gerichtsverfassung, 
das  allmähliche  Aufhören  des  Vorsitzes  der  Landesherrn  in  den  alten 
Landdingen  (in  Thüringen  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts,  in 
Meifsen  Anfang  des  14.  Jahrhunderts)  und  die  Ausbildung  des  Hof- 
gerichtes. Entsprechend  den  Verhältnissen  des  Pleifsnerlandes  unter- 
stand den  nun  mit  der  Leitung  der  Landdingsgerichtsbarkeit  be- 
trauten Beamten  auch  in  Meifsen  und  Thüringen  zunächst  die 
oberste  Verwaltung  und  Vertretung  des  Landesherrn;  doch  traten 
in  Thüringen  bald  die  Landfriedensrichter  an  ihre  Stelle,  und 
schliefslich  ging  im  14.  Jahrhundert  nicht  blofs  die  Verwaltung,  son- 
dern auch  die  Gerichtsbarkeit  der  einzelnen  Landesteile  auf  die 
Vö^te  über,  über  denen  als  Oberinstanz  und  Exemtionsgericht  das 
Hofgericht  stand. 

Der  Hauptteil  des  Buches  umfafst  die  Finanzverwaltung:  i.  die 
Einnahmen,  die  sich  aus  den  Domänen,  allgemeinen  Steuererhebungen 
und  Regalien  zusammensetzen.  Die  Verwaltung  der  Domänen  und 
Ämter  lag  den  Distriktsleitern,  den  Vögten,  ob  (über  die  Bezeichnung 
vgl.  jetzt  auch  Lippert  und  Beschorner,  Lehnbuch  Friedrichs  des 
Strengen  S.  CLXX,  Anm.  72  und  S.  615);  Meyer  bespricht  deren  Ein- 
nahmen und  Ausgaben,  Amtspflichten  und  Befugnisse,  Bestallungs- 
weise (sehr  häuhg  Verpfändung).  Die  allgemeine  landesherrliche 
Steuer  war  die  Bede,  precaria  generalis,  Landbede,  die  in  Thüringen 
1274  zuerst  erhoben  wurde,  für  Meifsen  fehlt  die  Festlegung  des 
ersten  Auftretens;  erst  zwischen  1330  und  1335  fällt  aber  die  Durch- 
führung dieser  Einrichtung  als  einer  regelrechten  jährlichen  Abgabe 
von  Geld  oder  Getreide  in  bestimmter  Höhe,  zu  der  anfangs  auch 
Adel  und  Kirche  mit  verplfichtet  waren;  doch  gelang  es  letzteren 
beiden  nach  und  nach  bald  allgemeine,  bald  zeitweilige  Befreiung» 
bald  Herabsetzung  ihrer  Rate  zu  erwirken.  Die  Städte  erreichten 
Ende  des  13.  Jahrhunderts  die  Festsetzung  einer  bestimmten  Summe, 
deren  Verteilung  auf  ihre  Bürger  und  Eintreibung  jeder  Stadt  selbst 
überlassen  blieb.  Meyers  Angabe  S.  72  „so  lange  die  Landbede  un- 
regelmäfsig  erhobene  Steuer  war,  wurden  mit  ihrer  Eintreibung 
besondere  collectores  betraut",  wozu  er  als  Beleg  die  bekannten  und 
schon  vielfach  benutzten,  aber  leider  nur  zum  Teil  gedruckten  Bede- 
verzeichnisse von  1334 — 1336  anführt,  ist  unzutreffend;  denn  gerade 
diese  Verzeichnisse  der  von  namentlich  genannten  Kollektoren  er- 
hobenen Meifsner  und  Leipziger  Landbede  betrachtet  Meyer  selbst 
(S  67)  und  zwar  mit  Recht  als  die  ersten  Zeugnisse  der  regelmäfsigen 
Bede.  Als  das  gewöhnliche  scheint  vielmehr  im  ganzen  14.  Jahr- 
hundert die  Erhebung  durch  „collectores  precarie"  zu  gelten,  neben 
der  allerdings  mehrfach  die  Erhebung  durch  landesherrliche  Distrikts- 
beamte vorkommt,  wie  durch  die  Geleitsleute  und  die  Vögte  (für  letz- 
tere siehe  aufser  den  von  Mever  angeführten  Beispielen  noch  Lippert, 
Wettiner  und  Witteisbacher  S.  205  über  die  Erhebung  der  Stadtbeden 
durch  die  drei  Landvögte  der  Niederlausitz  in  wettinischer  Zeit). 
Ein  interessantes  Zeugnis  für  die  Bestallung  der  Bedeeinnehmer 
nicht  durch  die  Vögte,  sondern  den  Landesherm  selbst  sei  hier  noch 


Literatur. 


317 


beigefügt:  Markgraf  Friedrich  der  Ernste  erklärt,  die  Brüder  Hein- 
rich und  Friedrich  von  Kottwitz  von  der  Vogtei  Groitzscli  nicht 
absetzen  zu  wollen,  bis  sie  die  .auf  die  dortige  Bede  verschriebene 
Summe  ungemindert  und  ganz  „mit  Wissen  unserer  dort  von  uns 
und  nicht  durch  sie  eingesetzten  Bedeeinnehmer"  eingenommen  haben 
(„donec  pecuniam  aliis  nostris  litteris  in  precaria  ibidem  [advocacia 
in  Greutschs]  assignatam  integraliter  perceperint  et  ex  toto  ex 
sciencia  et  scitu  nostrorum  ibidem  precarie  per  nos  et 
non  per  ipsos  ordinatorum  collectorum");  „datum  feria  IUI 
ante  Kyliani"  [unter  der  Überschrift  „anno  XLVIl"]  in  Wizsinfels 
{=  Weifsenfels  4.  Juli  1347). 

Bei  den  Regalien  scheidet  Meyer  die  Einkünfte  aus  dem  Forst- 
regal, Jagd-  und  Fischereirecht,  als  den  lokalen  Ämtern  unterstellt, 
aus;  doch  ist  da  zu  bemerken,  dafs  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts wir  mehrfach  Bestallungen  von  Förstern  unmittelbar  seitens 
der  Markgrafen  selbst  finden.  Auch  Bergwerks-  und  Münznutzungen, 
die  von  Ermisch  schon  behandelt  sind,  bleiben  beiseite;  Zölle  (für 
Land-  und  Wassertransport,  besondere  Kategorien,  wie  Viehzoll, 
Weinzoll)  und  Geleitsangaben  werden  kurz  besprochen. 

Im  2.  Abschnitt  „der  Finanzbedarf  der  Zentrale"  bekämpft  Meyer 
die  bisher  mehrfach  (so  von  Ermisch  und  mir)  vertretene  Ansicht, 
dafs  die  Kammer  eine  Art  Zentralstelle  der  Verwaltung  gewesen  sei, 
und  weist  nach,  dafs  es  in  der  hier  behandelten  Periode  eine  solche 
nicht  gab;  die  Erträge  der  Regalien  und  Ämter  flössen  nicht  in  eine 
Hauptkasse  zusammen,  sondern  wurden  in  den  Ämtern  selbst  ver- 
waltet; die  Zentrale,  vertreten  durch  die  Kanzlei,  stellte  nur  An- 
weisungen auf  diese  lokalen  Finanzstellen  aus.  Der  Kammermeister 
führte  lediglich  die  Geschäfte  des  früheren  Kämmerers  in  der  Hof- 
wirtschaft, in  der  allgemeinen  Landesverwaltung  aber  war  er  nur, 
-wie  andere  Hof  beamte,  als  häufiges  Mitglied  der  Rechnungskommis- 
sion tätig.  Auch  Cop.  5  ist  kein  Copial  der  Kammer,  sondern  gleich- 
falls, wie  die  andern  Register,  in  der  Kanzlei  geführt  (vgl.  hierzu 
jetzt  auch  meinen  Aufsatz  in  dieser  Zeitschrift  XXIV,  5,  8).  Auch 
über  die  „conquisicio,  gewinn"  liefert  er  neue  Aufschlüsse;  sie  ist 
keine  Steuererhebung,  sondern,  da  die  von  den  landesherrhchen 
Distriktsbeamten  aus  den  Erträgen  des  Amts  geleisteten  Zuschüsse 
—  falls  die  Ämter  nicht  überhaupt  mit  Defizit  wirtschafteten  —  nicht 
ausreichten,  erscheint  sie  als  die  Lieferung  von  Geldmitteln  oder 
auch  Waren  an  den  Hof  halt  durch  eine  finanzkräftige  Person,  sei 
es  nun  durch  einen  der  Hof-  oder  Verwaltungsbeamten  selbst  oder 
einen  Privatmann,  der  Bankiersstelle  vertrat,  wofür  den  „gewinnern, 
conquisitores"  Anweisungen  auf  bestimmte  landesherrliche  Einkünfte 
verschrieben  wurden. 

Zahlreiche  Beilagen  reihen  sich  den  wichtigen  Darlegungen 
des  Textes  an:  1.  Listen  der  Hof-  und  Landesverwaltungsbeamten 
1291 — 1379,  2.  ein  Auszug  aus  den  Abrechnvmgen  über  die  Kosten 
des  Hofhalts  vom  i.  August  bis  31.  Dezember  1353  in  Tabellenform, 
3.  Bestallungen,  Reverse  und  Rechnungen  von  Hof-  und  Landes- 
beamten, eme  Fülle  verwaltungsgeschichtlich  höchst  interessanten 
Stoftes.  Den  Schlufs  bildet  ctas  mühsame  Itinerar  der  Wettiner 
von  1324  — 1379,  das  —  obwohl  es  vielfach  noch  ergänzvmgs- 
fähig  ist  —  auch  in  der  vorliegenden  Gestalt  mit  Nutzen  gebraucht 
werden  wird. 

Dresden.  W.  Lippert. 


5 1 8  Literatur. 

Zur  Geschichte  der  Stadt  Mühlhausen  i.Thür.  Heft  i:  Zur  Schlacht 
YOn  Fraukenhausen.  Von  Prof.  Dr.  R.  Jordan.  Hierzu  ein  Plan 
von  Frankenhausen  und  Umgegend.  Mühlhausen  i.Thür.,  G. Danner. 
1904.     52  SS.    8^. 

Von  den  bisher  erschienenen  4  Heften  „Zur  Geschichte  der 
Stadt  Mühlhausen  i.  Thür.",  welche  aus  der  Feder  des  um  die  Er- 
forschung der  Mühlhäuser  Stadtgeschichte  sehr  verdienten  Gymnasial- 
professors Dr.  R.  Jordan  stammen,  ist  gerade  das  vorliegende  für 
unsere  sächsischen  Verhältnisse  von  Interesse,  zumal  da  Herzog 
Georg  der  Bärtige  von  Sachsen  zum  Heere  der  Fürsten  gehörte,  die 
gegen  die  aufrührerischen  Bauernrotten  zu  Felde  zogen.  Jordan  be- 
weist an  Beispielen  zunächst,  dafs  Thomas  Münzer  nicht  der  „rex 
atque  Imperator"  in  Mühlhausen  gewesen  ist,  wie  Luther  von  ihm 
geäufsert  hat.  Betreffs  der  Ereignisse  in  der  Schlacht  selbst  setzt 
sich  Verfasser  eingehend  mit  den  verschiedenen,  darüber  geäufserten 
Ansichten  (vor  allen  mit  der  von  M.  Lenz  und  Kautsky)  auseinander. 
Er  kommt  zu  dem  Schlufs,  dafs  der  Landgraf  von  Hessen  zweier- 
lei anstrebte:  die  Flucht  der  Gegner  zu  hindern  und  eine  günstige 
Aufstellung  der  Geschütze  zu  gewinnen.  Beides  erreichte  er  durch 
Umgehung  der  Bauern.  Er  postierte  sich  nach  Überschreitung 
der  Wipper  auf  die  Hochfläche,  die  im  Rücken  oder  zur  Seite  der 
Bauern  lag,  und  konnte  so  (z.  B.  auf  den  „Scheitsköpfen",  die  den 
Schlachtberg  überhöhen,  oder  auf  einer  der  rückwärts  sich  zungen- 
artig gegen  den  Schlachtberg  vordrängenden  Erhebungen)  sein  Ge- 
schütz in  günstiger  Weise  aufstellen.  Da  auch  die  Reisigen  der 
Fürsten  das  Tal  beherrschten,  so  machte  sich  bald  eine  völlige  Mut- 
losigkeit unter  dem  Haufen  der  Bauern  geltend,  denn  abgeschnitten 
war  der  Weg,  auf  dem  man  im  Falle  der  Not  entrinnen  wollte,  rund- 
um starrten  die  Waffen  der  Gegner,  deren  Zahl  nun  durch  das  Ein- 
treffen Herzogs  Georg  und  seiner  Reisigen  am  Schlachttage  (Montag 
den  15.  Mai  1525)  bedeutend  vermehrt  wurde.  Aus  dieser  Umgehung 
der  Bauern  ist  ihre  verzweifelte  Flucht  vom  Schlachtberge  nach 
Frankenhausen  hinunter  zu  erklären,  da  ihnen  der  Weg  in  die  Wälder 
des  Kj-ff  häusers  abgeschnitten  war  und  sie  der  grofsen  und  wohl- 
geschulten Truppenmacht  der  vereinigten  Fürsten  nicht  standhalten 
konnten.  Die  anregend  geschriebene  kleine  Studie  gewinnt  durch 
die  beigegebene  Karte  von  Frankenhausen  und  Umgegend,  welche 
aus  dem  Mefstischblatt  Nr.  2674  mit  Erlaubnis  des  Chefs  der  Landes- 
aufnahme ausgehoben  ist,  noch  mehr  an  Anschaulichkeit  und  kann 
als  willkommener  Beitrag  zur  Geschichte  des  Bauernkrieges  ange- 
sehen werden. 

Mühlhausen  i.  Thür.  K.  v,  Kauffungen. 


Der  Kurf ürsteutag  zu  Mühlhausen  18.  Oktober  bis  12.  November  1627. 
Von  Dr.  Karl  Breuer.  Bonn,  Carl  Georgi  Universitäts- Buch- 
druckerei.   1904.    122  SS.    8", 

Das  Thema,  das  sich  der  Verfasser  für  seine  Arbeit,  eine  Bonner 
Dissertation,  gesetzt  hat,  ist  nicht  eben  glücklich  gewählt  gewesen, 
denn  trotz  sorgfältiger  Kritik  und  fleifsiger  Benutzung  von  gedruckten 
und  archivalischen  Quellen  ist  es  ihm  nicht  möglich  gewesen,  über 
die  Darstellung  hinauszukommen,  die  sich  in  Ritters  deutscher  Ge- 
schichte findet.   Was  er  in  Abweichung  von  Ritter  gibt,  betrifft  doch 


Literatur, 


319 


nur  unwesentliches,  wie  dafs  Baiern  zwar  nicht  an  der  Abstimmung 
über  die  Behandknig  Friedrichs  von  der  Pfalz,  wohl  aber  an  den 
Beratungen  darüber  teilgenommen  hat.  In  der  Hauptsache  mufste 
er  sich  demgemäls  darauf  beschränken,  das  Detail  ausführlicher  zu 
behandeln,  ein  Verhältnis,  über  das  er  sich  selber  übrigens  auch  nicht 
im  unklaren  gewesen  ist.  Im  einzelnen  ist  er  dabei  zu  manchen 
Korrekturen  früherer  Arbeiten,  vor  allen  Opels  und  Gindelys  gelangt, 
aber  im  ganzen  ist  doch  die  Ausbeute  an  neuem  sehr  gering,  so  dafs 
die  Umständlichkeit  der  Darstellung  kaum  gerechtfertigt  erscheinen 
dürfte. 

Berlin.  Walter  Struck. 


Martin  Rinckart.  Ein  Lebensbild  des  Dichters  von  „Nun  danket 
alle  Gott"  auf  Grund  aufgefundener  Manuskripte.  VonW.  Büchting'. 
Göttingen,  Vandenhoeck  &  Ruprecht.    1903.    125  SS.    8^ 

Die  Angaben  über  die  Lebensumstände  nicht  weniger  deutscher 
Dichter  weisen  in  den  einschlagenden  Büchern  eine  mitunter  recht 
weitgehende  Verschiedenheit  auf,  so  dafs  man  bei  deren  Vergleichung 
oft  in  Zweifel  ist,  was  man  denn  eigentlich  als  das  Richtige  anzu- 
sehen hat.  Dies  trifft  unter  anderm  auf  Martin  Rinckart  zu,  als  dessen 
Geburtstag  z.  B.  der  23.,  25.,  27.,  doch  auch  das  richtige  Datum,  der 
24.  April,  und  als  dessen  Geburtsjahr  neben  dem  richtigen  Jahre  1586 
auch  1585,  ja  selbst  1580  angegeben  wird.  Auch  über  die  sonstigen 
Lebensverhältnisse  des  Dichters  drücken  sich  die  Literarhistoriker 
unbestimmt  oder  ganz  allgemein  aus  und  zumal  über  die  Jugendzeit 
und  den  Bildungsgang  waren  sie  auf  wenige  dürftige  Nachrichten 
angewiesen.  Da  ist  es  als  ein  besonderer  Glücksumstand  anzusehen, 
dafs  durch  Auffindung  eigenhändiger  Aufzeichnungen  Rinckarts  über 
sein  Leben  Licht  in  das  bisherige  Dunkel  gebracht  worden  ist.  Fräulein 
Agnes  Gräfe  in  Halle,  Tochter  des  1882  verstorbenen  Pfarrers  Karl 
Rudolf  Gräfe  in  Peifsen,  ist  im  Besitze  von  14  eigenhändigen  Nieder- 
schriften Rinckarts,  die,  in  einem  Pappdeckel  zusammengeheftet, 
folgende  gemeinsame  Bezeichnung  tragen:  M.  Martini  Rinckarti 
Ileburg.  vitam,  progeniem  et  collectanea  varia  continens  fasciculus. 
Als  ein  zuverlässiger  Führer  durch  Rinckarts  Lebensschicksale  er- 
scheint das  darin  enthaltene,  vom  Dichter  selbst  in  40  lateinischen 
Distichen  verfafste  Itinerarium  vitae,  dem  am  Rande  in  deutscher 
Sprache  chronologische  und  genealogische  Angaben  beigefügt  sind; 
daneben  sind  noch  wichtig  die  Annales  Mansfeldici  (a.  1611  —  1617), 
die  Annales  Eilenburgici  (a.  16 17  — 1640)  und  die  Memorabilia  von 
Eilenburg  (a.  1605— 1640).  Den  reichen  Inhalt  aller  dieser  Aufzeich- 
nungen hat  der  Eilenburger  Oberpfarrer  W.  Büchting  zum  ersten 
Male  durchforscht  und  mit  Benutzung  von  anderweitigem,  bisher 
ebenfalls  noch  nicht  verwertetem  Material  zu  einem  ausführlichen 
Lebensbilde  Rinckarts  gestaltet,  das  dem.  Verfasser  als  Promotions- 
schrift gedient  hat.  Mit  gewissenhaftem  Fleifse  hat  er  das  Leben 
des  Mannes  behandelt  und  vielfache  Berichtigungen  und  Ergänzungen 
der  früheren  Bio^aphien  (von  Plato,  Vürkel,  Linke,  Graubner)  ge- 
geben. Mit  der  Geschichte  der  Stadt  Eilenburg  wohl  vertraut,  hat 
der  Verfasser  die  Verhältnisse  des  Ortes,  an  dem  Rinckart  weitaus 
den  gröfsten  Teil  seines  Lebens  zugebracht  hat,  mit  überzeugender 
Klarheit  behandelt.     Nicht  so  glücklich  ist  er  gewesen  in  der  Dar- 


2  2  o  Literatur. 

Stellung  der  Zustände  der  Leipziger  Thomasschule  zu  der  Zeit,  wo 
Rinckart  daselbst  seine  Vorbildung  zum  Universitätsstudium  erhielt. 
Rinckart  wurde  am  ii.  November  1601  auf  die  Thomasschule  zunächst 
als  Externus,  jedoch  schon  am  15.  Januar  1602  als  Alumnus  auf- 
genommen und  hat  diese  Schule  bis  zum  September  1608  besucht, 
so  dafs  er  seit  1606  seinen  Bruder  Bernhard,  geb.  1592,  zum  Mitschüler 
hatte.  Da  die  Nachrichten  über  die  innere  Verfassung  der  berühmten 
Unterrichtsanstalt  gerade  in  den  Jahren,  wo  Rinckart  (also  1601 — 1608) 
und  Paul  Fleming  (etwa  von  1623  an)  ihr  als  Schüler  angehörten, 
überaus  dürftig  sind,  so  war  der  Verfasser  vielfach  auf  eigene  Kom- 
bination angewiesen,  hat  aber  wie  gesagt  hierbei  wenig  Glück  gehabt. 
Besonders  zu  bedauern  ist  es,  dals  von  den  so  zahlreichen  Mifsver- 
ständnissen  und  Druckfehlern,  die  sich  in  der  Schrift  finden,  ein 
grofser  Teil  gerade  in  diesem  Abschnitte  enthalten  ist.  Hiervon  nur 
einiges:  die  Worte  praeceptus  und  substitus  (S.  27,  28)  hat  es  nie 
gegeben,  die  Alumsen  stellen  sich  offenbar  als  eine  falsche  Lesung 
für  Almusen  heraus  (S.  24,  28),  anstatt  hyperdidascalus  (S.  40)  ist  hypo- 
didascalus  zu  lesen  und  die  Leges  locatos  in  schola  Thomana  con- 
cernentes  erscheinen  hier  gar  als  Leges  locatos  in  Thomana  con- 
cinnantes.  Sinnentstellend  sind  (S.  28)  die  Worte:  des  conrectorum 
Chores,  denn  da  in  der  handschriftlichen  Quelle  deutlich  zu  lesen 
steht:  „Dieser  beider  Conrectoren  Chor  hab  ich  in  die  5  Jahr  bestellet", 
müfste  es  heifsen:  des  Chores  der  Conrectorum  (gemeint  sind  Lauter- 
bach und  Hunichius).  Anstatt  Dietzig  (S.  25)  ist  sicher  Dietzius  zu 
lesen,  schlimm  ist  (S.  119)  der  Druckfehler  tabe  confectus  sepelitus, 
unangenehm  berührt  den  Leser  die  Schreibart  Prokanzellarius  (S.  41), 
wie  die  zerstörten  „Flugscharen"  auf  den  verödeten  Feldern  (S.  81). 
Da  es  dem  Verfasser  darauf  ankam,  das  Datum  der  Geburt  (24.  April 
1586)  und  des  Todes  (8.  Dezember  1649)  genau  festzustellen,  so  mulste 
die  Angabe:  f  9.  Dezember  1649  (S.  93)  unbedingt  vermieden  werden. 
In  den  IDistichen  des  Itinerarium  vitae  meae  kommen  arge  Quantitäts- 
fehler vor,  die  wohl  zum  Teil  auf  falscher  Lesung  beruhen  —  denn 
z.  B.  aus  den  Worten  Spem  necis  bonae  fert  quadragesimus  annus 
ist  kein  Sinn  herauszubringen  — ,  wie  es  auch  (S.  3)  statt  vitae  melioris 
amapsin  heifsen  mufs  anapsin.  Damit  sei  es  genug  der  Ausstellungen. 
Anzuerkennen  ist,  dafs  Büchting,  obwohl  er  bestrebt  ist,  alle  guten 
Seiten  in  Rinckarts  Wesen  in  das  rechte  Licht  zu  rücken,  doch  auch 
die  Schwächen  des  Mannes  nicht  verschweigt.  Denn  so  viel  steht 
nach  Büchtings  Darstellung  fest,  dafs  in  dem  mehrjährigen,  erbittert 
geführten  Streite  Rinckarts  mit  dem  Rate  der  Stadt  das  gröfsere 
Unrecht  auf  des  Ersteren  Seite  war.  Man  darf  überhaupt  die  Be- 
deutung des  Mannes  nicht  zu  hoch  anschlagen.  Wenn  er  sich  seinen 
Mitl)ürgern  als  ein  treuer  Seelsorger  bewiesen  und  mit  ihnen  die 
Drangsale  des  Kriegs,  der  Pest  und  Hungersnot  geteilt  hat,  auch, 
um  seiner  bedrängten  Vaterstadt  Erleichterung  zu  verschaffen,  „unter 
Wagen  seines  Halses"  in  das  Lager  des  schwedischen  Oberstleutnants 
Derfflinger  gegangen  ist,  so  ist  zu  beachten,  dafs  Not  und  Verzweif- 
lung damals  auch  andern  Geistlichen  die  gleiche  Mannhaftigkeit 
eingegeben  haben.  Als  Dichter  aber  verdankt  er  seinen  Ruf  doch 
nur  dem  nach  Büchtings  Vermutung  1630  entstandenen  Liede: 
Nun  danket  alle  Gott,  in  dem  er  aus  überquellendem  Gefühle 
dem  Danke  für  die  unzähligen  Wohltaten  Gottes  einen  so  innigen 
Ausdruck  verliehen  hat. 

Leipzig.  Rieh.  Sachse. 


Literatur. 


321 


Sachsen  und  Preufsen  nni  die  Mitte  des  achtzehnten  Jahrliunderts. 

Ein  Beitrat^  zur  Geschichte  des  österreichischen  Erbfolgekrieges. 
Von  Johannes  Ziekursch.  Breslau,  M.  &  H.  Marcus.  1904.  VII, 
228  SS.  8<». 

Die  vorliegende  Abhandlung,  gleichzeitig  als  Breslauer  Habili- 
tationsschrift erschienen,  schildert  in  gewandter  Darstellung  zu- 
verlässig und  klar  die  einzelnen  Phasen  der  Brühischen  Politik  vom 
Regierungsantritt  Maria  Theresias  bis  zum  sächsisch-österreichischen 
Bündnis  vom  20.  Dezember  1743.  Sie  fufst  auf  meist  noch  unbenutzten 
Akten  des  Dresdener  Archivs  und  bringt  einige  wertvolle  Briefe  und 
Staatsschriften  im  Anhang  wörtlich  zum  Abdruck.  Sie  führt  im  Detail 
zu  endgültigen,  der  Ergänzung  und  Verbesserung  wohl  kaum  noch 
bedürfenden  Ergebnissen,  beurteilt  aber  die  Brühische  Politik  in  ihrem 
Wesen  und  Kern  m.  E.  durchaus  falsch  und  verficht  eine  These,  die  um 
der  Wissenschaft  und  der  Wahrheit  willen  nicht  scharf  genug  zurück- 
gewiesen werden  kann:  dafs  Sachsen  um  die  Mitte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  sich  politisch  und  namentlich  wirtschaftlich  nur  dann 
weiter  entwickeln  konnte,  wenn  ihm  die  Erwerbung  Niederschlesiens 
glückte,  dafs  also  Brühls  dahinzielende  Politik  von  rein  sächsischen 
Interessen  geleitet  worden  ist. 

Ziekursch  beginnt  mit  einer  Übersicht  über  Sachsens  Lage  beim 
Tode  Kaiser  Karls  VI,  „Sachsens  Handel",  so  behauptet  er,  „wäre 
diu-ch  den  Merkantilismus  Preufsens,  Österreichs  und  Rufslands  viel 
schneller  erdrückt  worden,  und  die  Leipziger  Messen  hätten  sich  in 
ihrer  Bedeutung  nicht  lange  behaupten  können,  wenn  nicht  in  Polen 
gewissermafsen  Freihandel  geherrscht  hätte.  Durch  das  polnische 
Gebiet  konnten  die  sächsischen  Waren  im  Notfall  das  Meer  erreichen. 
Bei  seiner  Bewerbung  um  die  polnische  Krone  betonte  August  der 
Starke  die  Bedeutung  der  Personalunion  Polens  mit  Sachsen  für  die 
Handelsbeziehungen  beider  Länder.  Nun  berührten  sich  aber  die 
sächsischen  und  polnischen  Grenzen  nicht,  sondern  es  schob  sich 
zwischen  sie  von  Norden  Krossen,  von  Süden  Niederschlesien.  Die 
sächsische  Wollen-  und  Leinwandindustrie  war  darauf  angewiesen, 
einen  Teil  ihres  Rohmaterials  und  der  Halbfabrikate  aus  Schlesien 
zu  beziehen;  in  der  Gegend  von  Annaberg  beschäftigten  sich  loooo 
Frauen  mit  Spitzenklöppeln  und  verdienten  damit  jährlich  520000  Gul- 
den; sie  konnten  aber  zu  ihrer  Arbeit  nur  Garn  und  Flachs  aus 
Schlesien  verwenden.  Jedes  Jahr  gebrauchte  Sachsen  für  120000  Taler 
schlesische  Wolle.  Für  jeden  sächsischen  Staatsmann  stand  es  daher 
fest:  kam  es  einmal  zur  Auflösung  des  österreichischen  Staates,  dann 
mufste  Sachsen  sich  Niederschlesiens  bemächtigen  und  durfte  vor 
allem  nicht  dulden,  dafs  die  Preufsen  sich  hier  testsetzten." 

Ich  möchte  den  namhaften  Aufschwung  des  sächsischen  Handels 
dank  der  Vereinigung  mit  Polen  zum  mindesten  bezweifeln;  jeden- 
falls hat  August  der  Starke  nicht  im  geringsten  daran  gedacht,  um 
der  wirtschaftlichen  Interessen  seiner  ihm  zu  eng  gewordenen  Heimat 
willen  die  Krone  der  Plasten  zu  erwerben,  oder  sein  Sohn  und  Brühl, 
sie  den  Wettinern  zu  erhalten :  dynastischer  Ehrgeiz  war  allein  aus- 
schlaggebend für  ihre  Kandidaturen,  und  nicht  nordwärts  zur  Ostsee, 
sondern  nach  Süden  auf  Konstantinopel  zu  strebte  wenigstens  von 
1697  bis  1699  die  Politik  Augusts  des  Starken  i).   Nur  weil  sie  Polen 


^)  Den  Versuch  Otto  Eduard  Schmidts  (Grenzboten  1904  S.  413 
bis  419),  Augusts  polnische  Thronkandidatur  aus  handelspolitischen 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXV.    3.  4.  21 


322 


Literatur. 


besafsen  und  ihre  Herrschaft  dort  keineswegs  auf  festen  Füfsen  stand, 
mufsten  die  Wettiner  Krossen  und  Niederschlesien  um  jeden  Preis 
erwerben;  viel  mehr  als  um  der  sächsischen  Waren  lag  ihnen  um 
ihrer  Truppen  willen  an  einer  unmittelbaren  Verbindung  der  beiden 
Länder.  Wohl  hatte  Schlesien  als  Lieferant  von  Flachs,  Garn  und 
Wolle  auch  für  Sachsen  allein  hohe  Bedeutung;  aber  mindestens 
ebenso  erwünscht  wie  seine  war  ihm  Böhmens  und  Magdeburgs  An- 
gliederung;  von  dort  bezog  das  Erzgebirge  fast  alles  Getreide,  was 
es  brauchte,  und  nur  elbabwärts  vordringend  konnte  Sachsen  Preufsens 
Entwicklung  hemmen  und  die  eigene  fördern.  August  IIL  mufste 
1740,  weder  Maria  Theresia  noch  Friedrich  dem  Groisen  gewachsen, 
mit  dem  stärkeren  der  beiden  Gegner  zusammengehen  und  im  Bunde 
mit  Preufsen  Böhmen  oder  an  der  Seite  Österreichs  Magdeburg  er- 
obern; Brühl  trieb  keineswegs  sächsische  Politik,  als  er  sich  auf 
Schlesien  und  Krossen  versteifte,  wie  er  ja  auch  zur  inneren  Kon- 
solidierung seines  Heimatstaates  wenig  oder  nichts  tat,  unendlich 
viel  aber  zu  seiner  Schwächung.  Wäre  ihm  die  Erwerbung  Schlesiens 
geglückt,  so  hätte  sie  allein  ebensowenig  wie  der  Gewinn  Böhmens 
und  Magdeburgs  die  Zukunft  Sachsens  entschieden;  die  Wettiner 
konnten  die  HohenzoUern  nur  einholen  und  vielleicht  noch  über- 
flügeln, wenn  sie  möglichst  alle  Kräfte  ihrer  deutschen  Territorien 
zur  vollen  Entfaltung  brachten  und  sich  selbst  ebenso  wie  sie  in  den 
Dienst  der  Gesamtheit  stellten:  das  haben  sie  bis  1763  nicht  getan 
und  sind  darum  ihren  Rivalen,  die,  mit  ihrem  Lande  inniger  ver- 
wachsen, Staat  und  Dynastie  gleichmälsig"  förderten,  trotz  reicherer 
Bodenschätze  und  mindestens  ebenbürtiger  Untertanen  schliefslich 
unterlegen. 

Als  Karl  VL  starb,  war  Brühl  ganz  im  Sinne  Augusts  des  Starken, 
der  beim  Tode  des  letzten  Habsburgers  Böhmen,  Schlesien  und 
Mähren  an  sich  zu  reifsen  hoffte,  zunächst  entschlossen,  Maria  The- 
resia anzugreifen,  aber  Friedrich  der  Grofse  kam  ihm  zuvor,  und  so 
knüpfte  er  Unterhandlungen  mit  dem  Wiener  Hofe  an.  Erst  als 
dieser  seine  Forderungen  ablehnte  und  er  am  23.  Juli  1741  aus  Briefen 
des  Grafen  Moritz  von  Sachsen  erfuhr,  dafs  Ludwig  XIV.  sich  mit 
Baiern  und  Preufsen  verbündet  habe,  schlug  sich  Brühl  auf  die  Seite 
der  Gegner  Maria  Theresias;  der  Vertrag,  clen  er  am  19.  September 
in  Frankfurt  am  Main  mit  Baiern  schlofs  und  dem  später  auch  Frank- 
reich und  Preufsen  beitraten,  war  kein  Sieg,  sondern  eine  Niederlage 
seiner  Politik.  Die  Länder,  die  ihm  zugesprochen  wurden,  Ober- 
schlesien, Mähren  und  ein  Teil  von  Niederösterreich,  lagen  weit  ab 
von  Sachsen  und  bedeuteten  für  dasselbe  mehr  eine  Last  als  einen 
Gewinn;  sie  rundeten  es  nicht  ab,  sondern  vermehrten  nur  seine  ver- 
wundlDaren  Stellen.  Ein  wirkliches  Einvernehmen  herrschte  zwischen 
den  vier  Verbündeten  nicht;  nur  mühsam  kam  ein  gemeinsames  Vor- 


Motiven zu  rechtfertigen  mufs  ich  ebenso  zurückweisen  wie  seine 
Charakteristik  des  Königs;  jener  entbehrt  jeder  aktenmäfsigen  Be- 
gründung, diese  verrät  gleichfalls  eine  beschönigende  Tendenz.  Die 
Charakteristik  des  Königs  aus  der  Feder  Flemmings,  welche  Schmidt 
keineswegs  einwandsfrei  benutzt  und  übersetzt,  wird  in  der  Publi- 
kation der  eigenhändigen  Entwürfe  und  Briefe  Augusts  des  Starken 
mit  abgedruckt  werden;  ich  selbst  habe  sie,  was  Schmidt  nicht  be- 
merkt, bereits  1902  in  meiner  Schrift  über  August  den  Starken  ver- 
wertet. 


Literatur. 


323 


fehen  gegen  Prag  zu  stände,  und  nach  dem  Falle  der  Stadt  traten 
ie  Gegensätze  unter  den  Siegern  inimer  deutlicher  und  schroffer 
zu  Tage.  Frankreich  wünschte  die  völlige  Autteilung  der  habs- 
burgischen  Monarchie  und  einen  Vormarsch  ins  südliche  Böhmen, 
Friedrich  der  Grofse  einen  baldigen  Frieden,  Sachsen  den  Gewinn 
des  nördlichen  Böhmen,  von  dem  wieder  der  preul'sische  König  das 
beste  Stück,  den  Königgrätzer  Kreis,  für  sich  beanspruchte.  Die 
Sachsen  schwankten  lange  zwischen  dem  Anschlufs  an  F'rankreich 
oder  an  Preufsen;  endlich  im  Februar  1742  ordneten  sie  sich  letzteren 
unter  aus  Furcht,  Friedrich  der  Grofse  könnte  sonst  ein  Sonder- 
abkommen mit  Maria  Theresia  treffen,  und  in  der  stillen  Hoffnung 
mit  seiner  Hülfe  Ostböhmen,  Mähren  und  Oberschlesien  zu  erwerben. 
Aber  diese  Hoffnung  war  eitel  und  jene  Sorge  nur  zu  berechtigt; 
nach  dem  kläglichen  Ausgang  der  Belagerung  Brunns  verständigte 
sich  der  König  mit  dem  Wiener  Hofe,  vmd  Sachsen  blieb  nichts  übrig, 
als  sich  am  11.  September  1742  gleichfalls  mit  der  Kaiserin  zu  ver- 
söhnen. Auf  einen  Landgewinn  mufste  Brühl  nun  freilich  verzichten; 
nur  ein  Kampf  gegen  Preufsen  konnte  ihn  vielleicht  später  einmal 
für  die  Täuschungen  entschädigen,  die  ihm  das  Bündnis  mit  ihm 
gebracht  hatte.  Eine  starke  Koalition  gegen  Friedrich  ins  Leben  zu 
rufen,  das  war  die  Aufgabe,  die  sich  der  Dresdener  Hof  nun  stellte; 
am  20.  Dezember  1743  kam  eine  Allianz  zwischen  Sachsen  und 
Österreich,  am  4.  Februar  1744  zwischen  Sachsen  und  Rufsland  zu 
Stande,  Unterhandlungen  zwischen  Dresden  und  Hannover  waren  im 
Gange,  als  die  Preufsen  am  11.  August  1744  die  sächsische  Grenze 
überschritten  und  ihren  Gegnern  zuvorkamen.  Die  Schlachten  bei 
Hohenfriedberg  und  bei  Kesselsdorf  vernichteten  abermals  die  Hoff- 
nungen Brühls  und  immer  tiefer  sank  die  Widerstandskraft  seines 
Staates;  die  Finanzen  verschlechterten  sich  und  das  Heer  wurde 
1746  reduziert  auf  40000,  später  auf  21000,  1756  auf  19000  Mann. 
Bündnisse  mit  auswärtigen  Mächten  sollten  den  Mangel  ersetzen, 
konnten  dem  Lande  aber  neue  Demütigungen  im  Siebenjährigen  Kriege 
nicht  ersparen;  die  Personalunion  mit  Polen  nützte  ihm  nichts,  das 
Übergewicht  Preufsens  über  Sachsen  war  endgültig  entschieden. 

Ziekursch  erklärt  Brühls  Pläne,  die  auf  einen  Umsturz  der 
polnischen  Verfassung  und  eine  Verschmelzung  Sachsens  mit  Polen 
zielten,  nicht  für  Hirngespinnste  eines  vom  Ehrgeiz  verzehrten  Diplo- 
maten, sondern  für  die  einzig  richtige  Politik;  „Napoleon  mufste  auf 
sie  zurückgreifen,  als  er  in  Sachsen  ein  Gegengewicht  gegen  Preufsen 
schaffen  wollte".  Dafs  der  französische  Kaiser  an  die  Möglichkeit 
einer  inneren  Verschmelzung  Sachsens  und  Polens  geglaubt  und  sie 
gewollt  hat,  ist  mir  nicht  gerade  wahrscheinlich;  jedenfalls  möchte 
ich  Ziekursch  raten,  seine  Ansicht  über  die  Personalunion  dieser 
beiden  Länder  auf  Grund  archivalischer  Studien,  die  er  nach  dieser 
Seite  bisher  offenbar  nicht  o;emacht  hat,  gründlich  zu  revidieren;  die 
Dresdener  Akten  lassen  darüber  keinen  Zweifel,  dafs  diese  Ver- 
bindung weder  Sachsen  noch  Polen  zum  Segen  gereichte,  und  dafs 
August  der  Starke,  sein  Sohn  und  Brühl  die  dynastischen  über  die 
nationalen  Interessen  der  beiden  Völker  stellten.  Die  Wissenschaft 
hat,  nachdem  die  Wettiner  längst  gute  Sachsen  und  Deutsche  ge- 
worden sind,  erst  recht  keinen  Gruml  mehr,  das  heute  noch  zu  ver- 
schweigen; sie  wird  auch  diejenigen  Mitglieder  der  Dynastie,  welche 
mit  ihren  Gebieten  noch  freier  schalten  zu  können  glaubten  wie  ein 
Landwirt  mit  seinem  Gute,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  entschul- 
digen und  ihre  patrimoniale  Auffassung  aus  den  Ideen  ihrer  Zeit  und 

ai* 


324 


Literatur. 


der  Vergangenheit  erklären;  sie  wird  aber  den  entscheidenden 
Wendepunkt  in  der  Geschichte  der  Wettiner  in  den  Augenblick 
setzen,  da  sie  sich  der  Pflicht  des  Fürsten  bewufst  wurden,  der  erste 
Diener  seines  Staates  zu  sein,  d.  h.  in  diejenige  Stunde,  da  sie  Polen 
endgültig  aufgaben  und  sich  entschlossen,  ihr  Haus-  dem  Landes- 
interesse willig  unterzuordnen. 

Dresden.  Paul  Haake. 


Die  strategische  Bedeutung^  der  Schlacht  bei  Dresden.  (Berliner 
Inaugural-Dissertation.  Februar  1904.  Sonderabdruck.)  Von  Dr.  phil. 
Franz  Lüdtke.    Berlin,  Druck  von  A.  Unger.    1904.    61  SS.    8". 

In  der  Einleitung  hebt  der  Verfasser  mit  Recht  hervor,  dafs  die 
historische  Forschung  in  den  letzten  Jahrzehnten  die  Auffassung  der 
politischen  und  strategischen  Verhältnisse  in  den  Befreiungskriegen 
vielfach  in  recht  wesentlichen  Einzelheiten  berichtigt  hat.  Vornehmlich 
haben  die  Handlungsweise  Schwarzenbergs  und  seines  Generalstabs- 
chefs Radetzky  eine  meist  recht  abfällige  Kritik  erfahren.  Die  Er- 
eignisse nach  dem  Waffenstillstand  von  Poischwitz  haben  aber  gezeigt, 
wie  richtig  und  wichtig  es  war,  dafs  das  sogenannte  Trachenbergische 
Protokoll  durch  Radetzkj's  Vorschläge  in  wesentlichen  Punkten  um- 
gestaltet wurde. 

Nach  Betrachtungen  über  das  Reichenbacher  Programm  und 
die  Stärke  der  beiderseitigen  Streitkräfte  wird  der  geplante  Marsch 
nach  Leipzig  behandelt,  der  richtigerweise  als  ein  Luftstois  bezeichnet 
wird,  anschiiefsend  hieran  der  Zug  nach  Dresden,  der  zwar  sachgemäfs 
geleitet  und  durchgeführt  ward,  in  seinen  Einzelheiten  aber  Kühnheit 
und  Sicherheit  vermissen  liefs.  Eine  knappe,  gewandt  geschriebene 
und  durchaus  zutrefl'ende  Darstellung  der  Schlacht  bei  Dresden  und 
des  Rückzuges  nach  Böhmen  schliefst  die  kleine  Schrift,  in  der  nach- 
gewiesen wird,  dafs  trotz  der  Niederlage  der  Verbündeten  die  böh- 
mische Armee  mit  ihrem  Zuge  nach  Dresden  und  dem  Angriff"e  auf 
die  Stadt  eine  Leistung  von  strategischer  Bedeutung  vollbracht  hat, 
welche  den  Sieg  bei  Leipzig  mit  vorbereitete. 

Zu  empfehlen  und  nützlich  wäre  die  Beigabe  einer  kleinen 
Skizze,  Dresden  und  Umgebung  darstellend,  gewesen. 

Dresden.  Exner. 


Zelin  Vorträge  über  Kriegführung,  Heerwesen  und  vaterländische 
Kriegs-Geschichte,  gehalten  in  den  Räumen  der  Gehe-Stiftung  auf 
Veranlassung  der  wissenschaftlichen  Leitung  derselben.  Von  Moritz 
Exner,  Oberstleutnant  z.  D.  und  Vorstand  des  Kriegs -Archivs. 
Mit  5  lithographischen  Karten.  Dresden,  C.  Heinrich.  1903.  XI, 
206  SS.    8«. 

Auf  vielseitigen  Wunsch  sind  die  im  Winter  1903  in  der  Gehe- 
Stiftung  vom  derzeitigen  Leiter  des  Dresdener  Kriegsarchivs,  Oberst- 
leutnant z.  D.  M.  Exner,  gehaltenen  Vorträge  über  obiges  Thema  dem 
Druck  übergeben  worden,  um  sie  so  weiteren  Kreisen  zugänglich  zu 
machen.  Der  Reinertrag  des  ansprechenden  und  lehrreichen  Buches 
kommt  Invaliden  und  Feldzugsteilnehmem  zu  Gute.  Die  Schrift 
selbst  ist  um  so  verdienstlicher,  da  sie  den  Zweck  verfolgt,  allen, 
auch   dem  Heere  fernerstehenden  Leuten,   ein  richtiges  Verständnis 


Literatur. 


325 


und  klare  Anschauung  vom  Wesen  und  den  Aufgaben  des  Krieges 
beizubringen,  da  dieses  für  die  Wehrhaftmachung  unserer  Nation 
von  grofsem  Vorteil  ist.  Im  ersten  Vortrag  behandelt  \'erfasser  in 
flotter  Darstellung  die  Bedeutung,  Aufgaben  und  Ausgestaltung  der 
nationalen  Wehrkraft;  er  weist  an  der  Hand  von  geschichtlichen 
Tatsachen  und  Äufserungen  grofser  Männer  klar  und  überzeugend 
nach,  dafs  die  Erwartung  eines  dauernden  Friedens  ein  grofser  Irrtum 
ist,  und  dafs  ein  Staat  nur  in  seiner  eigenen  Kraft  die  Erhaltung 
seiner  Macht  finden  kann.  Exner  zeigt  uns  ferner,  auf  welche  Weise 
eine  Steigerung  der  Wehrhaftigkeit  zu  erzielen  ist,  um  eine  starke, 
wohlgeschulte  und  in  Manneszucht  gefestigte  Armee  aufweisen  zu 
können.  Im  zweiten,  fünften  und  sechsten  Kapitel  verschafft  uns 
Verfasser  einen  eingehenden  Einblick  in  die  Ausgestaltung  des  Heer- 
wesens im  deutschen  Reiche  bis  zur  Gegenwart,  ferner  über  die 
Heere  unserer  Nachbarn  im  Osten  und  Westen,  vor  allem  aber  über 
die  Entwicklung  unseres  sächsischen  Heerwesens  von  seinem  Ur- 
sprung bis  auf  die  Jetztzeit.  Das  dritte  Kapitel  befafst  sich  mit  der 
Ausbildung,  Kriegführung  und  den  Kämpfen  der  Zukunft,  während 
das  vierte  uns  über  materielle  Kriegsmittel,  Festungswesen  und  Be- 
waft'nung  in  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft  eingehend  orien- 
tiert. Am  interessantesten  sind  unstreitig  die  vier  letzten  Abschnitte, 
Avelche  die  ruhmvolle  Teilnahme  unserer  sächsischen  Truppen  an 
den  Feldzügen  von  1683  bis  zur  Beendigung  des  18.  Jahrhunderts, 
an  den  Kriegen  von  1806  —  1815,  an  den  Ereignissen  des  Revolu- 
tionsjahres 1849  und  des  preufsischen  Feldzuges  gegen  Österreich 
vom  Jahre  1866,  sowie  an  dem  deutschen  Einheitskriege  von  1870 '71 
in  Bezug  auf  Tapferkeit,  Hingebung  und  Treue  ins  rechte  Licht 
stellen,  auch  wenn  ihnen  mitunter  bei  oft  sehr  unheilvollen  und  mifs- 
lichen  Verhältnissen  der  Erfolg  versagt  blieb.  Die  Ausführungen  des 
Verfassers  gewinnen  noch  mehr  an  Anschaulichkeit  durch  die  bei- 
gegebenen 5  trefflich  ausgeführten  farbigen  Karten  (die  Bewegungen 
der  sächsi.schen  Armee:  i.  im  Jahre  1683  und  im  Siebenjälirigen  Kriege, 
2.  in  den  Jahren  1806,  1807  und  1809,  3.  in  den  Jahren  181213,  4.  im 
Jahre  1866,  5.  in  den  Jahren  1870/71)  mit  eingezeichneten  Marsch- 
und  Operationslinien.  Die  sehr  sachlich  abgefafste  Schrift  kann 
somit  mit  lebhaftem  Dank  begrüfst  werden,  da  sie  zur  Stärkung 
des  Nationalgefühls  wesentlich  beiträgt  und  auf  Grund  eingehender 
historischer  Studien  dem  Leser  reiches  Material  zur  Anregung  und 
Belehrung  in  kriegerischen  Dingen  und  aus  dem  Gebiet  der  vater- 
ländischen Kriegsgeschichte  in  klarer  und  übersichtlicher  Darstellung 
an  die  Hand  gibt. 

Mühlhausen  i.  Thür.  K.  v.  Kauffungen. 


Der  Haudelsscliulg'edanke  in  Kursachsen  im  18.  Jahi'hundert.  Bei- 
träge zu  einer  Geschichte  des  Handelsschulwesens  von  Bruno 
Zieger,  Lehrer  an  der  öffentlichen  Handelslehranstalt  zu  Dresden. 
Dresden,  Druck  von  C.  C.  Meinhold  &  Söhne.    1900.    58  SS.    8'*. 

Die  Schulreform  lag  während  des  18.  Jahrhunderts  in  der  Luft, 
das  geistige  und  wirtschaftliche  Leben,  freieren  Regungen  zugängig, 
drängte  ungestüm  nach  Veränderungen,  die  alten  erstarrten  Formen 
mufsten  gebrochen  werden.  Auch  die  Erkenntnis  von  der  Notwendig- 
keit einer  besseren  Vorbildung  der  Kauf  leute  brach  sich  allmählich 
Bahn.     Stürmer  und  Dräiiger  sprachen  Gedanken  aus,   die   erst  im 


326 


Literatur. 


19.  Jahrhundert  ihre  Verwirklichung  finden  sollten.  Verfasser  schildert 
auf  Grund  von  Studien  im  Königlichen  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden 
und  im  Ratsarchiv  zu  Leipzig  die  sächsische  Bewegung  in  Verbin- 
dung mit  den  anderw'ärts  schon  früher  hervorgetretenen  Versuchen 
und  hebt  mit  Recht  hervor,  dafs  Männer  wie  Marperger,  Zincke, 
Ludovici,  Geutebrück,  Martini  Ideen  niedergelegt  haben,  die  nicht 
nur  ein  historisches  Interesse  für  uns  haben,  sondern  in  mancher 
Beziehung  noch  jetzt  recht  wohl  beherzigt  werden  könnten.  Auch 
interessante  Nebenfiguren  treten  auf,  so  der  Stiftskanzler  Born,  so 
Präsident  Freiherr,  später  Reichsgraf  Peter  von  Hohenthal  S.  37,  über 
dessen  Stellung  man  gern  mehr  erführe,  um  so  mehr  als  E.  Pohle  in 
seinem  Buche  „Der  Seminargedanke  in  Kursachsen"  in  seiner  Wür- 
digung des  bildungsfreundlichen  Älannes  über  diese  Frage  nur  wenige 
Andeutungen  gibt  (z.B.  S.  79).  Interes.sante  Notizen  finden  sich  über 
die  Schulaufsicht  durch  die  Geistlichen  (S.  13  und  28),  über  die  Schule 
als  Politicum  u.  a.  m. 

Leipzig,  Georg  Müller. 


Die  Entwicklung  des  Volksschulwesens  in  der  ehemaligen  Diöcese 
Zwickau  während  der  Zeit  von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis 
zum  Jahre  1835.  Von  Dr.  Richard  Möckel.  Leipzig,  Friedrich  Brand- 
stetter.    1900.    172  SS.  8'\ 

Durch  mehrere  Artikel  im  „Praktischen  Schulmann",  Jahrgang 
1898  und  1900,  hat  sich  der  Verfasser  als  grimdlicher  Arbeiter  ein- 
geführt. Im  vorliegenden  Hefte  bietet  er  unter  Benutzung  dieser 
Veröffentlichungen  einen  auf  ausgiebigen  Studien  in  verschiedenen 
Archiven  beruhenden  wertvollen  Beitrag  zu  der  bisher  wenig  be- 
achteten Volksschulgeschichte  des  18. Jahrhunderts.  Für  die  Darstellung 
charakteristisch  sind  die  zahlreichen  kleinen  Züge,  die  den  Aus- 
führungen den  Reiz  der  Unmittelbarkeit  und  Anschaulichkeit  ver- 
leihen. Nach  Fr.  Paulsens  Vorbilde  behandelt  er  seinen  Stoff  im 
engsten  Zusammenhange  mit  den  kirchlichen,  geistigen,  literarischen 
und  kulturellen  Strömungen  der  Zeit.  Diese  Seite  tritt  besonders  in 
dem  zweiten  Kapitel  hervor,  das  die  wirtschaftliche  und  soziale  Lage 
der  Ephorie  bis  zum  Jahre  1805  und  deren  Einflufs  auf  den  Schul- 
besuch zum  Gegenstande  hat.  Hier  wird  unter  Benutzung  der  lite- 
rarischen Hilfsmittel  wie  zahlreicher  Notizen  aus  den  Akten  ein 
Mosaikbild  gezeichnet,  das  die  Dürfti^eit  und  Ärmlichkeit  der  in- 
dustriellen wie  der  landwirtschaftlichen  Bevölkerung  in  grellen  Farben 
vorführt.  Es  ist  erklärlich,  wenn  unter  diesen  drückenden  äufseren 
Verhältnissen  die  Kinder  zum  Brotverdienen  herangezogen  wurden, 
die  Versäumnisse  die  Regel  bildeten,  während  nur  einige  Kinder 
das  ganze  Jahr  zur  Schule  kamen.  In  14  Kapiteln  wird  dann  die 
finanzielle  Lage  und  Vorbildung  der  Lehrer,  der  Schulbetrieb  mit 
seinem  dürftigen  Ergebnisse,  der  Zustand  der  Schulgebäude,  die 
Stellung  der  Gemeinden,  die  Bemühungen  der  Behörden  zur  Hebung 
der  Bildung  geschildert.  Wie  die  letzteren  mit  durchgreifenden  Mafs- 
regeln  endlich  einigen  Erfolg  haben,  ergibt  sich  aus  Kapitel  17  und  18. 
In  diesen  sind  von  besonderem  Interesse  die  Ausführungen  über  die 
Klasseneinteilung  und  die  Einführung  der  Lautiermethode.  Super- 
intendent Lorenz  spielte  hierbei  eine  hervorragende  Rolle.  Bei  der 
Einrichtung  der  Zwickauer  Kreishauptmannschaft  w-urde  er  als 
gründlicher  Sachkenner  zum  Beisitzer  ernannt,  vgl.  A.  H.  Kreyfsig, 


Literatur. 


327 


Album  der  evangelisch-lutherischen  Geistlichen  (2.  Aufl.  Crimmitschau 
1898)  S.  707.  Auch  sonst  ist  an  bedeutungsvollen  Beispielen  der  Ein- 
flufs  der  Regierung  auf  die  Besserung  der  Verhältnisse  ersichtlich. 
Verwiesen  sei  auf  die  Entwicklung  der  Schulen  für  die  Kinder  der 
Bergleute  unter  Einwirkung  des  Schneeberger  Bergamts,  das  das 
Schulgeld  bestritt.  Die  Tabelle  auf  S.  145  zeigt  das  ununterbrochene 
Wachsen  der  jährlichen  Beiträge.  Diese  stiegen  in  6  Jahrzehnten 
von  60  auf  3726  Taler.  Auf  die  äufsere  Ausgestaltung  und  den  inneren 
Betrieb  der  Klöppelschulen  übte  der  Staat  einen  gleich  fördernden 
Einflufs  aus.  Es  sind  dies  jedenfalls  sprechende  Bewei.se  bei  der 
jetzt  viel  erörterten  Frage  über  die  Stellung  des  Staates  zur  Volks- 
schule. 

Leipzig.  Georg  Müller. 

Die  Fortbildungs-  und  Fachschulen  in  den  gröfseren  Orten  Deutsch- 
lands. LTnter  Mitwirkung  von  Vertretern  des  gewerblichen  Schul- 
wesens herausgegeben  durch  B.  Germer,  Fortbildungsschuldirektor. 
Leipzig,  Verlag  von  Alfred  Hahn.    1904.    VII,  458  SS.    8°. 

Wenn  der  vorliegende  stattliche,  gründlich  gearbeitete  Band  zu- 
nächst nur  die  Aufgabe  hat,  den  gegenwärtigen  Stand  des  Fort- 
bildungsschulwesens in  Deutschland  zu  schildern,  so  bietet  er  doch 
auch  eine  Reihe  wertvoller  Mitteilungen  über  die  Entwicklung  des 
gewerblichen  und  Fortbildungsschulwesens.  Sie  sind  um  so  wertvoller, 
als  bisher  eine  zusammenfassende  Arbeit  fehlte.  Von  den  sächsischen 
Städten  sind  Chemnitz,  Dresden,  Leipzig,  Plauen  i.  V.  und  Zwickau 
berücksichtigt.  Die  Schulen  werden  kurz  in  ihrer  Entstehung  und 
Entwicklung  vorgeführt.  Die  ersten  Anfäno;e  fallen  meist  gegen  das 
Ende  des  dritten  Jahrzehnts  des  19.  Jahrhunderts,  während  der  eigent- 
liclie  Aufschwung,  durch  das  Volksschulgesetz  veranlafst,  um  das  Jahr 
1875  erfolo^te.  Von  besonderem  Interesse  sind  die  Notizen  über  die 
ziemlich  dürftigen  Ansätze  zur  fachlichen  Weiterbildung  der  Fort- 
bildungsschullehrer, z.  B.  im  Zeichnen,  über  die  Ausgestaltung  des 
Unterrichts,  die  Lehrpläne,  die  Begründung  von  Mädchenfortbildungs- 
schulen usw.  Mit  Recht  bezeichnet  der  Verfasser  es  als  wünschens- 
wert, die  Berichte  von  Zeit  zu  Zeit  fortzusetzen,  um  so  in  einer 
zusammenhängenden  Darstellung  Kenntnis  über  die  Entwicklung 
unserer  gewerblichen  Bildungsanstalten  zu  erhalten. 

Leipzig.  Georg  Müller. 


Prinzeuerziehuug  in  Sachsen  am  Ausgange  des  16.  und  im  Anfange 
des  17.  Jahrhunderts  von  Prof.  Dr.  Ernst  Eeimann.  Dresden, 
Wilhelm  Baensch.    1904.   V,  163  SS.    8». 

Bereits  vor  30  Jahren  hatte  der  Verfasser  in  einer  Programm- 
arbeit (Programm  der  Realschule  zu  Reichenbach  i.  V.  1874)  die 
„Prinzenerziehung  in  Kursachsen  im  16.  Jahrhundert"  behandelt.  Im 
vorliegenden  Buche  führt  er  die  Studien  fort  und  schildert  die  Er- 
ziehung der  Söhne  Christians  I.,  der  Prinzen  Christian,  Johann  Georg 
und  August,  die  auch  der  leider  so  früh  verstorbene  Geschichtslehrer 
an  der  Dreikönigsschule  (Realgymnasium)  zu  Dresden -Neustadt, 
Chr.  Fietz,  in  der  vom  Verfasser  nicht  erwähnten  Programmarbeit 
„Prinzenunterricht  im  16.  und  17.  Jahrhundert"  (Dresden  1887)  gestreift 


328 


Literatur. 


und  mit  späteren  Anschauungen  verglichen  hatte.  Sind  es  auch  nur 
zwei  Jahrzehnte,  denen  die  Darstelkmg  gewidmet  ist,  so  bietet  sie 
dafür  die  Ergebnisse  sorgsamster  Studien  besonders  im  Königlichen 
Hauptstaatsarchive  und  ni  der  Königlichen  Öffentlichen  Bibliothek 
zu  Dresden  unter  Benutzung  der  neueren  historischen  und  pädago- 
gisclien  Literatur.  Wertvoll  sind  vor  allem  die  bibliographischen 
Angaben  über  die  von  den  Prinzen  benutzten  Lehrbücher,  z.  B.  die 
Katechismen,  die  Ausführungen  über  den  Untemchtsbetrieb,  z.  B. 
im  Rechnen  und  in  den  neueren  Sprachen,  die  Schilderung  der  Er- 
ziehungsgrundsätze, die  in  dem  umfangreichen  IL  und  III.  Abschnitte 
S.  29  — 90  zur  Darstellung  gelangen.  Erwähnung  verdienen  ferner 
die  aus  den  Kammerrechnungen  geschöpften  Angaben  über  die  Ge- 
haltsverhältnisse und  soziale  Stellung  der  Lehrer  und  Erzieher.  Auch 
manches,  was  modern  erscheint,  wie  die  Kunsterziehung,  ist  von 
Interesse.  Zahlreiche  kleine  charakteristische  Züge  liebevoller  Klein- 
malerei führen  den  Leser  in  das  Familienleben  am  Dresdner  Hofe 
zu  einer  Zeit  ein,  in  der  die  politischen  und  kirchlichen  Strömungen 
sich  scharf  bekämpften. 

Leipzig.  Georg  Müller. 

Der  Fürstenzug  auf  «lern  Sgraffito-Fries  am  KgL  Schlosse  zu  Dres- 
den. Von  Clemens  Freilierrn  v,  Hausen.  Mit  5  Bildtafeln.  Dresden, 
C.  Heinrich.    1903.    XIII,  254  SS.    8^. 

Am  Schlüsse  vorigen  Jahres  versandte  obige  Verlagsbuchhand- 
lung überallhin  ein  Zirkular,  welches  zur  Anschaffung  des  Sr.  Majestät 
König  Georg  gewidmeten  v.  Hausenschen  Werkes  aufforderte.  Die 
in  dem  Prospekt  enthaltenen  empfehlenden  Urteile  von  zwei  säch- 
sischen Geschichtslehrern  (Prof.  Dr.  Kaemmel ,  Prof.  Dr.  Unbescheid) 
liefsen  auf  ein  brauchbares  Buch  schliefsen.  Leider  aber  ist  diese  Ver- 
mutung gründlich  getäuscht  worden,  denn  die  Schrift  schliefst  sich 
in  Bezug  auf  die  Ausführung  würdig  der  früheren,  recht  oberfläch- 
lichen und  unzuverlässigen  Publikation  des  Verfassers  „Vasallen- 
geschlechter der  Markgrafen  zu  Meifsen,  Landgrafen  zu  Thüringen 
und  Herzöge  zu  Sachsen  bis  zum  Beginn  des  17.  Jahrhunderts" 
(Berlin  1892)  an.  v.  Hausen  behandelt  in  dem  vorliegenden  Werke  die 
Entstehung  des  Dresdener  Sgraftito-Frieses  und  gibt  für  jeden  der 
darauf  dargestellten  Wettiner  einen  Einblick  in  die  politischen  und 
kulturellen  Zustände  der  sächsisch-thüringischen  Lande,  aber  in  einer 
Art  und  Weise,  welche  keineswegs  streng  wissenschaftliche  Studien 
verrät.  Verfasser  scheint  nur  aus  veralteten  und  aus  den  aller]Dopu- 
lärsten,  nicht  aber  aus  den  kritischen  Darstellungen  zur  sächsisch- 
thüringischen Geschichte  geschöpft  zu  haben.  Es  verlohnt  sich  somit 
nicht,  auf  diese  Schrift  näher  einzugehen.  Die  Ausstattung  des 
Werkes  vmd  die  beigegebenen  Bildtafeln  verdienen  alles  Lob. 

Mühlhausen  i.  Thür.  K.  v.  Kauffungen. 

Beiträge  zur  Entwicklung  des  bürgerlichen  Wohnhauses  in  Sachsen 
im  17.  und  18.  Jahrhundert.     Von  Dr.  Walther  Dietrich.     Mit 

142  zum  Teil  farbigen  Abbildungen.     Leipzig,  Gilbers.    1904.    IV, 
83  SS.    4". 

Die  Entwicklungsgeschichte  des  deutschen  Wohnhauses  vom 
frühen  Mittelalter  bis  zum  Beginn  der  Renaissanceperiode  weist  noch 


Literatur.  329 

manche  Lücke  auf,  weil  Zeugen  aus  jener  frühen  Zeit  nur  noch  ganz 
spärUch,  und  unverändert  wohl  nirj^iends  mehr,  vorhanden  sind.  Auch 
die  schriftlichen  Quellen  über  diesen  Geg;enstand  sind  in  brauchbarer 
Form  recht  selten,  weil  facho;emäfse  Ausdrücke  oder  Beschreibungen 
nur  in  Ausnahmefällen  in  damaligen  Urkunden  Aufnahme  fanden. 
Für  unser  Königreich  erscheint  aber,  vom  praktischen  Gesichtspunkt 
betrachtet,  dieses  Übel  nicht  so  schlimm,  weil  hier  die  städtische 
Wohnung  überhaupt  erst  spät  zur  Entwicklung  kam,  und  für  den 
modernen  Architekten  bieten  jene  frühen  Perioden  (romanischen  und 
gotischen  Stils)  wenig  Brauchbares  oder  Vorbildliches  auf  dem 
Wohnungsgebiet. 

Anders  steht  es  mit  der  Geschichte  des  sächsischen  Wohnungs- 
baues während  der  letzten  drei  Jahrhunderte;  es  fehlt  da  nicht  nur 
nicht  an  zahlreichen,  wohlerhaltenen  Beispielen,  sondern  dieser  Aus- 
schnitt der  Architekturgeschichte  fällt  auch  mit  einem  an  sich  er- 
giebigen und  dem  ganzen  Fortschritt  förderlichen  Zeitabschnitt  zu- 
sammen. 

Es  war  somit  ein  ausgiebiger  und  dankbarer  Gegenstand,  den  sich 
Architekt  Dietrich  für  seine  JDissertation  zur  Erlangung  der  Würde 
eines  Doctor-Ingenieurs  gewählt  hatte,  und  es  darf  zugleich  bemerkt 
werden,  dafs  er  mit  dem  in  der  Überschrift  genannten  Buche  seiner 
Aufgabe  gerecht  geworden  ist.  Er  knüpft  dessen  Einleitung  an  die 
frühesten  für  Dresden  erlassenen  baupolizeilichen  Bestimmungen  (aus 
dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts)  an,  wohl  mit  Recht,  denn  nächst  dem 
Baumaterial  und  der  Mode  haben  Bauvorschriften,  mochten  sie  von 
der  geistlichen  oder  weltlichen  Obrigkeit  ausgehen,  wohl  am  meisten 
zur  Entstehung  der  sogenannten  Baustile  beigetragen  und  tun  das 
leider  noch  heute  viel  mehr,  als  der  Fernerstehende  vermeint.  In  den 
sächsischen  Städten  wandelten  sie  zunächst  die  Stroh-  und  Schindel- 
dächer in  solche  aus  Ziegeln  oder  Schiefer,  die  hölzernen  Umfassungen 
in  Steinwände.  Was  aber  in  dieser  Richtung  die  Gesetzgebung  nicht 
vermochte,  bewirkten  mit  unheimlicher  Energie  die  grofsen  Brände, 
von  denen  nach  und  nach  fast  alle  gröfseren  Städte  des  Landes,  am 
meisten  aber  seine  Hauptstadt  (von  1407  — 1739  nicht  weniger  als 
51  mal)  heimgesucht  wurden.  Im  Jahre  1718  wurde  in  Dresden  ein 
Oberbauamt  eingerichtet,  das  alle  hier  zu  errichtenden  Zivil-  und 
Militärgebäude  zu  beaufsichtigen  hatte,  während  für  die  in  den  übrigen 
Städten  des  Landes  zu  errichtenden  Gebäude  schon  seit  1709  der 
Accis-Baudirektor  zuständig  war.  Aufserdem  sorgte  der  Kurfürst 
durch  die  1719  erlassene  Generalfeuerordnung  dafür,  dafs  auch  im 
Lande  die  baulichen  Vorschriften  auf  eine  den  Anforderungen  der 
Zeit  entsprechende  Höhe  gebracht  wurden.  Immerhin  ist  eine  Beein- 
flussung des  Stils  durch  derartige  Mafsnahmen,  insbesondere  durch 
Beschränkung  der  Geschofszahl,  zuerst  und  allein  in  Dresden  er- 
kennbar; die  Hauptstadt  behielt  deshalb  auch  in  Bezug  auf  die 
Architektur  des  Wohnhauses  die  Führung  und  teilte  sie  nur  kurze 
Zeit  (Anfang  des  18.  Jahrhunderts)  mit  Leipzig.  Diesen  beiden  Städten 
gilt  deshalb  und  aus  naheliegenden  annern  Gründen  hauptsächlich 
die  nun  folgende  Betrachtung  des  Wohnhauses  in  der  Renaissancezeit 
bis  zum  30  jährigen  Kriege  und  in  der  Barockzeit,  wo  auch  der  Dresdner 
und  Leipziger  Einflufs  auf  Schneeberg,  Bautzen  und  Chemnitz  nach- 
gewiesen wird;  ferner  behandelt  hier  der  Verfasser  das  Haus  des 
Rokoko,  des  Klassizismus  (7 jähriger  Krieg  bis  Ende  des  18. Jahr- 
hunderts), den  Empire-  und  den  Biedermeierstil.  Betrafen  alle  diese 
Darleg-ungen   nur   die  Eigenart  und  Wandlungen  in  der  Fassaden- 


-&""o^''     ^"-"^      ^"^^     ^'t>^ 


330 


Literatur. 


bildung,  so  beschäftigt  sich  das  3.  Kapitel  ausschUefslich  mit  der  Ent- 
wicklung des  Grundrisses,  und  es  ist  nicht  zu  verkennen,  dafs  sich 
darin  die  eigentliche  Kulturgeschichte  noch  viel  anschaulicher  spiegelt, 
als  in  der  doch  häutig  nur  modisch  oder  konventionell  angewendeten 
Fassadengestaltung.  Der  Verfasser  glaubt  im  sächsischen  Wohnhause 
der  Stadt  als  Vorbild  das  alte  Bauernhaus  zu  erkennen;  das  dürfte 
ein  Irrtufii  sein.  Das  von  Anfang  an  in  geschlossener  Reihe  errichtete 
Stadthaus  hatte  seinen  Eingang  stets  an  der  Schmalseite,  das  Bauern- 
haus stets  an  der  Langseite;  das  Stadthaus  brauchte  fast  ohne  Aus- 
nahme eine  geräumige  Hausflur  mit  Durchfahrt  nach  dem  Hofe,  das 
Bauernhaus,  wenigstens  die  Durchfahrt,  nie.  Das  Stadthaus  war  stets 
für  Obergeschosse  zugeschnitten,  das  alte  Bauernhaus  nie  usw.  Aber 
das  ist  am  Ende  nebensächlich  und  kommt  neben  den  vielen  Ver- 
diensten des  Buchs,  zu  denen  namentlich  die  142  sehr  interessanten 
Abbildungen  rechnen,  nicht  in  Betracht. 

Dresden.  O.  Grüner, 

Antliropo^eograpliische  Stndien  iu  der  Sächsischen  Schweiz.  Von 
Dr.  Johannes  Stübler.  Leipziger  Dissertation.  1903.  75  SS.  S**. 
Zwei  photographische  Landschaftsbilder,  drei  Kartenskizzen. 

In  jüngster  Zeit  sind  aus  dem  Geographischen  Seminar  an  der 
Universität  Leipzig  zwei  Dissertationen  hervorgegangen,  die  anthropo- 
geographische  Studien  über  Gebiete  Sachsens  enthalten:  Richard 
Bohn,  Die  Siedelungen  in  der  Leipziger  Tieflandsbucht  nach  Lage 
imd  Gestalt  (mit  einer  Karte),  Leipzig  1902,  56  Seiten,  und  die  Arbeit 
Stübler s.  Beide  folgen,  wenn  auch  im  einzelnen  durchaus  selbst- 
ständig, den  Grundlinien  Friedrich  Ratzeis. 

Anthropogeographische  Untersuchungen  über  ein  bestimmtes 
Gebiet,  sind  nun  an  sich  ohne  weiteres  beachtlich  für  den  Historiker 
dieses  Gebietes,  jedoch  im  einzelnen  Falle  ist  die  historische  Aus- 
beute nur  allzu  verschieden,  je  nach  der  historischen  Schulung  des 
Verfassers.  Dies  zeigt  sich  besonders  deutlich  an  den  beiden  Arbeiten. 
Bohn  verhält  sich  prinzipiell  ablehnend  gegenüber  historischem 
Material  (.S.  i  If),  Historische  Tatsachen  dienen  ihm  höchstens  als 
Illustration  seiner  auf  rein  geographischem  Wege  gefundenen  Ergeb- 
nisse. Trotzdem  wird  die  historische  Literatur  verhältnismäfsig  olt 
von  ihm  herangezogen;  leider  schöpft  jedoch  der  Verfasser  stets  nur 
aus  Quellen  zweiter  Hand,  das  gesamte  urkundliche  Material  des  Cod. 
dipl.  Sax.  Reg.  bleibt  ofienbar  absichtlich  unbenutzt  —  bedauerlich 
für  die  Arbeit.  Die  Auswahl  im  einzelnen  zeigt  nur  geringe  Ver- 
trautheit mit  der  historischen  Methode. 

In  ausgesprochenem  Gegensatz  hierzu  steht  die  Stüblersche 
Arbeit.  Stübler  hat  sich  sorgfältig  bemüht,  das  Material  möglichst 
vollständig  zu  sammeln,  das  auf  die  historische  Seite  des  Problems 
Bezug  hat.  Er  hat  sich  deshalb  nicht  nur  mit  Bearbeitungen  und 
Darstellungen  begnügt,  sondern  auch  die  Urkundensammlungen  heran- 
gezogen. Auch  theoretisch,  in  der  Fassung  seiner  Aufgabe,  weicht 
er  stark  von  Bohn  ab.  Für  ihn  gilt  es,  „eine  psychisch-(?)ge schicht- 
liche Aufgabe  vom  geographischen  Standpunkte  zu  lösen"  (S.  i). 
Mag  immerhin  der  Fachhistoriker  manche  kleine  Ausstellungen  machen 
(nicht  genügende  Angabe  der  Quellen,  bes.  S.  21,  31,  32,  35  ff.,  etwas 
vorschnelle  Schlufsfolgerungen  bes.  S.  8  u.  20),  die  Grundlagen  für 
eine  historische  Erfassung  des  Kulturlebens  auf  dem  Gebiete  des 
Eibsandsteingebirges  hat  Stübler  sicher  richtig  gelegt.   Wie  der  histo- 


Literatur.  331 

rische  Verlauf  in  jedem  einzelnen  Falle  sich  gestaltete,  konnte  und 
wollte  Stübler  nicht  zeigen.  Gern  hätte  man  z.  B.  über  die  mittel- 
alterliche Entwicklung  von  Pirna  und  Tetsclien,  die  Stübler  als  plan- 
mälsige  Gründungen  von  Umsclilags platzen  (S.  32)  charakte- 
risiert, etwas  mehr  erfahren,  dasselbe  gilt  von  der  Entwicklung  der 
Textilindustrie,  der  Eibschiffahrt  etc.  Hier  sind  der  Lokal- 
forschung durch  die  Stüblersche  Arbeit  interessante  und  wohl  be- 
grenzte Aufgaben  gestellt. 

Für  Stübler  ist  das  Eibsandsteingebirge  aus  geologischen 
Gründen  der  Typus  einer  „Verkehrsschranke"  (S.  5).  Das  zeigt  sich 
auf  dem  Gebiete  des  geschichtlichen  Lebens  darin,  „dafs  die  Säch- 
sische Schweiz  stets  von  den  Nachbargebieten  abhängig  gewesen 
ist".  Wo  immer  sich  dort  gröfsere  Ereignisse  abspielten,  trafen  meist 
nur  ihre  letzten  Wellen  die  klippige  Felsenlandschaft.  Sonst  sind 
Tafelländer  wie  Spanien  und  Südafrika  der  naturgemäfse  Boden  für 
langwierige  Kleinkriege,  weil  sie  eine  Fülle  von  Verstecken,  Sperren, 
Hinterhalten,  Schleichwegen  und  natürlichen  Befestigungen  bieten. 
Aber  unser  Gebiet  ist  als  Zwischenglied  räumlich  zu  eng,  zu  klein, 
um  eine  geschichtliche  Eigenart  zu  bilden.  Es  kann  mit  ge- 
ringen Machtmitteln  zerniert  und  ohne  Zufuhr  von  aufsen  nicht  ge- 
halten werden.  Nur  seiner  landschaftlichen  Individualität  ver- 
dankt es  seinen  seit  etwa  100  Jahren  erst  geläufigen  Sondernamen 
im  Kranze  der  deutschen  Mittelgebirge:  die  Sächsische  Schweiz. 

Dieses,  für  die  geschichtliche  Entwicklung,  im  grofsen  und 
ganzen  eigentlich  negative  Resultat  erhärtet  Stübler  nach  den  ver- 
schiedensten Seiten,  zunächst  verkehrsgeschichtlich,  dann  siedelungs- 
geschichtlich.  In  der  Verkehrsentwicklung  zeigt  sich,  dafs  der  ge- 
samte Land  verkehr  zur  Umgehung  des  Gebietes  gezwungen  ward, 
dafs  so  die  beiden  Randstrafsen  im  Osten  und  Westen  mit  ihrer 
eigentümlichen  Kultur  entstanden;  von  ihnen  war  die  erzgebirgische 
am  wegsamsten.  Nur  der  Wasser  verkehr  und  auch  dieser  nur 
unter  bedeutenden  Schwierigkeiten,  nahm  seinen  Weg  mitten  durch 
das  Gebiet.  „Die  Eröffnung  der  Eibschiffahrt  bis  zur  See,  mehr  noch 
die  Leitung  des  Landverkehrs  durchs  Eibtal  (Eisenbahnen)  liefsen 
die  Randw-ege  in  ihrer  Verkehrsbedeutung  sinken ;  der  Schwerpunkt 
verlegte  sich  nach  der  Mitte,  so  dafs  die  Geschichte  der  Sächsischen 
Sch^\"eiz  die  Geschichte  des  Eibtals  in  ihr  wurde"  (S.  14).  Dies  zeigt 
sich  ganz  besonders  in  der  Siedelungsgeschichte.  Die  Ausführungen 
über  die  Schutzsiedelungen  und  Erwerbssiedelungen  im  Haupttal, 
den  Gründen,  den  Ebenheiten  nehmen  den  breitesten  Raum  in  Stüblers 
Arbeit  ein.  Für  den  Kulturhistoriker  ist  besonders  lesenswert  der 
II.  Abschnitt:  Naturgefühl  und  Fremdenverkehr.  In  dieser  Zusammen- 
stellung neu  sind  femer  die  Ausführungen  über  die  Wege  der  Säch- 
sischen Schweiz  und  ihren  Verkehr.  Hier  hätte  der  Historiker  gern 
etwas  ausführlichere  Darstellung  gewünscht.  Freilich  ist  dies  nur 
möglich  auf  Grund  archivalischer  Studien,  die  jedoch  in  diesem  Falle 
über  den  Zweck  der  Schrift  hinausgehen.  Dr.  Pfaus  Arbeiten  über 
die  Rochlitzer  Gegend  können  dem  Verfasser  bei  einem  etwaigen 
weiteren  Ausbau  manchen  Fingerzeig  o;eben. 

Die  Stüblersche  Arbeit  kann  endlich  infolge  ihrer  anregenden 
und  flüssigen  Darstellung  jedem  historisch  oder  geographisch  inter- 
essierten Laien,  der  im  Sinne  des  Riehischen  „ Wander buches"  die 
Sächsische  Schweiz  durchwandern  will,  sei  es  als  Tourist,  sei  es  vor 
allem  als  Sommergast,  nur  empfohlen  werden. 

Bautzen.  Paul  Rühlmann. 


■332  Literatur. 

Die  Landschaftsschilderung.  Ein  fachwissenschaftliches  und  ps}'- 
chogenetisches  Problem,  dargestellt  an  der  heimatkundlichen 
Literatur  über  das  Königreich  Sachsen.  Von  Dr.  Richard 
Seyfert,  Seminaroberlehrer.  Leipzig,  E.  Wunderlich.  1903.  IV, 
113  SS.    8». 

In  den  geographischen  Werken  des  16.  bis  18.  Jahrhunderts  findet 
man  nicht  nur  bei  uns  in  Sachsen,  sondern  allgemein  in  Deutschland 
das  Landschaftliche,  wenn  überhaupt  beachtet,  nur  mehr  oder  minder 
gut  beschrieben.  Von  einer  Schilderung  aber,  d.  h.  „einer  künst- 
lerischen sprachlichen  Darstellung  der  durchgeistigten  Auffassung 
der  Landschaft"  ist,  wenn  man  von  den  Werken  eines  Pallas,  Forster, 
Humboldt  absieht,  nirgends  die  Rede.  Erst  Ende  des  18.,  Anfang 
des  19.  Jahrhunderts  beginnt  sich  diese  Landschaftsschilderung,  die 
nach  des  Verfassers  Anschauung  auf  den  drei  psychogenetischen 
Gesetzen  des  geistigen  Wachstums,  der  fortschreitenden  Vereinheit- 
lichung und  der  sich  steigernden  Verdichtung  beruht,  unter  dem 
Einflüsse  der  in  Deutschland  allmählich  erwachenden  Landschafts- 
malerei und  der  Dichtkunst  (Rousseau,  Haller,  Jean  Paul,  Goethe, 
Heine  usw.)  langsam  zu  entwickeln.  Die  ersten  Anfänge  gehen  auf 
Chr.  Weifs  (Wanderungen  in  Sachsen,  1796),  namentlich  aber  auf 
F.  G.  Leonhardi  (Erdbeschreibung  der  .  .  .  Sächsischen  Lande,  1788) 
und  auf  Merkel-Engelhardt  (Erdbeschreibung  von  Kursachsen,  17961.1 
zurück.  Den  Sinn  für  das  Landschaftlich-Schöne  weckten  dann  zahl- 
reiche Verfasser  von  zum  Teil  recht  trefflichen  Reiseführern,  wälirend 
die  Geologie  die  wissenschaftliche  Auffassung  der  Landschaft  ver- 
tiefte. Zwei  Meister  aber  der  geographischen  Darstellungskunst, 
A.  Penck  (Das  Deutsche  Reich,  1887)  und  F.  Ratzel  (Deutschland,  1898; 
Die  Erde  und  das  Leben,  1901),  wiesen  der  Landschaftsschilderung 
die  Bahnen  zu  ihrer  höchsten  Vollendung.  A.  Wohlrab  (Das  Vogt- 
land als  orographisches  Individuum,  1899),  B.  Nestler  (Landschaft- 
liches aus  dem  Zschopautale,  1902)  und  H.  Hübler  (Ein  Landschafts- 
bild der  Sächsischen  Schweiz,  1902)  haben  diese  Bahnen  bereits  be- 
schritten. Für  die  anderen  Gegenden  Sachsens  fehlen  leider  noch 
ähnliche  Arbeiten.  Ebenso  steht  eine  zusammenfassende  Schilderung 
des  ganzen  Landes  noch  aus;  denn  die  für  Schulzwecke  bestimmten 
Lehrbücher  von  Schreyer,  Schunke  und  Tischendorf  können  nicht 
dafür  gelten. 

Das  Ergebnis,  zu  dem  Se^^fert  gelangt,  ist  also  im  wesentlichen 
negativ :  „die  Landschaftsschilderung,  wie  sie  die  moderne  Geographie 
wünschen  mufs,  steht  noch  in  ihren  Anfängen".  Zur  Begründung 
dieses  negativen  Resultates  aber  hat  er  einen  grofsen  Apparat  in 
Bewegung  gesetzt.  Alle  nur  denkbaren  geographischen  Werke  über 
Sachsen,  grofse  und  kleine,  wichtige  und  unwichtige,  hat  er  zusammen- 
getragen, um  für  das  16.  bis  iS.'jahrhundert  durchweg,  für  das  19. 
meist  zu  zeigen,  dals  sich  darin  nichts  findet,  was  auch  nur  entfernt 
an  Landschaftsschilderung  erinnern  könnte.  Dafs  Verfasser  gewissen- 
haft die  ganze  in  Frage  kommende  Literatur  geprüft  hat,  ist  nur  zu 
billigen.  "Aber  für  die  Darstellung  wäre  es  das  Richtige  gewesen, 
nur  auf  d  i  e  Werke  einzugehen,  in  denen  sich  ausgesprochene  Land- 
schaftbeschreibungen oder  Ansätze  zu  Schilderungen  finden,  alle 
anderen  aber  höchstens  ganz  kurz  zu  erwähnen.  Hätte  sich  Verfasser 
diese  Selbstbeschränkung  auferlegt,  würtie  man  seiner  Arbeit,  die 
sich  bequem  auf  den  halben  Raum  hätte  zusammendrängen  lassen, 
uneingeschränktes  Lob  zollen;  denn  das  darin  behandelte  Problem 
ist  höchst  beachtenswert. 


Literatur. 


333 


Sonderbar  berührt  S.  77  die  Bemerkung,  dafs  für  den  Verfasser 
Götzingers  weit  verbreitetes  Buch  „Schandau  und  seine  Umgebung"- 
nicht  zu  erlangen  gewesen  sei. 

Dresden.  Beschorner. 


Erklärung. 


Zufolge  des  Brauchs,  Meinungsverschiedenheiten,  die  sich  an 
Buchbesprechungen  knüpfen,  nicht  über  Re-  und  Duplik  hinaus  zu 
führen,  bin  ich  verhindert,  auch  den  seiner  Duplik  eingewebten  neuen 
Fragen  des  Herrn  Prof.  Mucke  (S.  182  ff.)  und  den  beigefügten  Er- 
weiterungen der  ersten  Kritik  eine  Beantwortung  hier  folgen  zu  lassen. 


•  F.  Tetzner. 


Übersieht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze 

zur  sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde^). 


Arnold,  Ernst.  „Tobacks"- Verbote  und  Besteuerungen  in  Sachsen : 
Lpz.  Tgbl.    1904.     Nr.  56.     S.  719. 

Arras,  P.  Die  Bekenntnisse  der  Jahre  1433 — 1437  (aus  dem  Gerichts- 
buche 1430  im  Bautzner  Stadtarchive  mitgeteilt):  Neues  Lau- 
sitzisches Magazin  LXXX  (1904"),  i  —  21. 

Bahmann.  Hainichen  nebst  Umgeloung  in  Wort  und  Bild.  Chemnitz, 
A.Jülich.    (1904.)    68  SS.    8*>. 

Bamberg.  Magister  Christian  Gerber ,  Pastor  in  Lockwitz.  Ein 
Lebensbild,  zum  Gedächtnis  an  dessen  Todestag,  25.  Mai  1731 
(Schlufs):    Über  Berg  und  Thal  XXVII  (1904),  290  —  292. 

[Baumgärtel,  H.]  Die  alten  Strafsennamen  Bautzens:  Bautzener 
Nachrichten.    1904.    Nr.  65. 

Berbig.  UrkundUches  zur  Reformationsgeschichte  [Brief  Herzog 
Georgs  an  den  Bischof  von  Meifsen  1530,  Spalatiniana  1533 — 1544]: 
Theolog.  Studien  und  Kritiken.  1904.  S.  i  —  31. 
„  Einige  auf  die  Kursächs. Visitation  v.J.  1528  bezügliche  Schreiben, 
sowie  das  Visitationsmandat  und  die  für  die  fränkische  Pflege 
erlassene  Instruktion:  Deutsche  Zeitschrift  f.  Kirchenrecht  XIV 
(1904),  159  — 189. 

Brandenburg,  Erich.  Politische  Korrespondenz  des  Herzogs  und 
Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen.  Zweiter  Band.  Zweite  Hälfte 
(1546).    Leipzig,  B.G.Teubner.    1904.    XVIII  SS.,  S.  469— 1064.   8». 


*)  Vgl.  die  Übersichten  über  neuere  Erscheinungen  zur  Ge- 
schichte Thüringens  von  O.  Dobenecker  in  der  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Thürmgische  Geschichte  und  Altertumskunde  XXII  =  N.  F. 
XIV  (1904),  344—361,  und  der  Niederlausitz  (auf  i902;3)  von  Hugo 
Jentsch  in  den  Niederlausitzer  Mitteilungen  VIII  (1904),  187  —  198. 


334 


Literatur. 


Braun,  Hans.  Das  germanische  Gräberfeld  der  frühen  Eisenzeit 
von  Stetzsch  bei  Cossebaude  unweit  Dresden:  Dresdner  Anzeiger. 
Sonntags- Beilage.    1904.    Nr.  34.    S.  145  f. 

ß[uchenau],  H.  Über  einige  thüringische  Pfennige  aus  der  Zeit 
Friedrichs  des  Kreidigen  Markgralen  von  Meifsen  und  seiner  Ge- 
mahhn  Elisabeth  von  Lobdeburg:  Blätter  für  Münzfreunde  XXXIX 
(1904).    Nr.  4.    Sp.  3121 — 3126. 

/"„/  Ein  sächsisches  Münzmandat  von  151 1 :  ebendaNr.6.  Sp. 3157— 3161. 
„  Zur  älteren  Münzkunde  der  Grafschaft  Mansfeld:  ebenda  Nr.  7—9. 
Sp.  3167— 3179.  3194— 3201. 

Buckivald,  Georg.  Neue  Sächsische  Kirchengalerie.  Unter  Mitwirkung 
der  sächsischen  Geistlichen  herausgegeben.  Die  Ephorie  Pirna. 
Leipzig,  Arwed  Strauch.  1904.  VI,  1164  Spp.  4°.  —  Die  Diöcese 
Zittau.    Lief,  i  — 15.    Ebenda  (1904).    Sp.  i  —  480.    4". 

Carletto.  Ernst  Graf  Napoleon  Buonaparte,  angeblicher  Sohn  Na- 
poleon I.  und  der  Gräfin  Kielmannsegge -Schönberg.  Ein  unge- 
löstes Rätsel  des  Königreichs  Sachsen.  Mit  Illustrationen  und 
einer  Faksimile -Urkunde  des  Prinzen.  Leipzig,  Napoleonverlag 
von  Schmidt  &  Günther.    1904.    80  SS.    8". 

Giemen,  O.  Zur  Wittenberger  Universitätsgeschichte:  Zeitschrift  für 
Kirchengeschichte  XXV  (1904),  154 — 157. 

Colditz,  Hugo.  Die  kirchliche  Entwicklung  in  den  Schönburgischen 
Recefsherrschaften  bis  zur  Reformation:  LInsere  Heimat  III  (1904), 
169 — 171.  181 — 183. 

Däbritz,  H.  Ein  sächsischer  Dorfschullehrer  in  der  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts (Schlufsj:    Pädagogische  Studien  XXV  (1904),   92 — 108. 

Dietze,  Hugo.  Die  Geschichte  der  öffentlichen  Handelslehranstalt  der 
Dresdner  Kaufmannschaft  1854  — 1904.  Festschrift  zum  50  jährigen 
Jubiläum  der  Schule.  Dresden,  Druck  von  H.  B.  Schulze.  1904. 
144  SS.    8». 

Distel,  Theodor^).     Neue  geschichtliche  Hermäa:  Zeitschrift  für  die 
gesamte  Strafrechtswissenschaft  XXIV  (1903/4),  794 — 796. 
„  Zur    behaupteten    Heilkraft    des   Zöblitzer  Serpentins:    Deutsche 

medizinische  Wochenschrift  XXX  (1904),  784. 
„  Der  Universitätsrektor  Krug  zu  Leipzig  in  Privatbriefen  über  die 
dortigen  Aufrühre  1830:   Grenzboten  LXIII  (1904),  II,   262  —  269. 
„  Der  Sachsenkönig  Friedrich  August  IL:  Dresdner  Anzeiger.    1904. 

Nr.  219. 
„  Das   seltene  Weidmannsbild   des  vor  fünfzig  Jahren  tödlich  ver- 
unglückten Sachsenkönigs:  W^eidmann  XXXV  (1903/4).    Nr.  46. 

Dobenecker,  Otto.  Regesta  diplomatica  necnon  epistolaria  historiae 
Thuringiae.  Bd.  III.  I.  Teil  (1228 — 1247)  Namens  des  Vereins 
für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  bearbeitet  und 
herausgegeben.    Jena,  G.Fischer.    1904.    240  SS.    8". 

Döring,  Bruno.  Ein  Brief  über  die  Konzertverhältnisse  Bautzens 
vor  100  Jahren:  Bautzener  Nachrichten.    1904.    Nr.  115. 

Eckardt,  M.  Briefe  aus  den  Märztagen  181 3  [aus  Dresden  u.  Leipzig] : 
Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  41.    S.  161  — 163. 

Endler,  A.     Der  W^einbau  im  Königreich  Sachsen:   Saxonia  I  (1903), 

529  —  533. 
Erbstein,  J.  Zwei  Medaillen  des  Augsburger  Medailleurs  C. J.  Lehenher 
zur   Geschichte  des   Kurfürsten  Johann   Georg  III.  von  Sachsen: 
Münz-  und  Medaillen-Freund.    V  (1903).    Nr.  60.    Sp.  473  f. 


^)  S.  186  Z.  10  v.  u.  ist  zu  lesen  „Nachdruck"  für  Neudruck. 


Literatur. 


335 


Fischer,  W.  Geschichte  des  Ko;l.  Gymnasium  zu  Plauen  i.V.  Sonder- 
abdruck aus  dem  Berichte  iiljer  die  Verwaltung  und  den  Stand 
der  Gemeindeangelegenheiten  der  Kreisstadt  Plauen  i.V.  auf  die 
Jahre  1901  und  1902.  Plauen  i  V.  1904.  20  SS.  8^. 
„  Das  Achtbuch  II  des  Egerer  Schöffengerichtes  v.  Jahre  1391 — 1668  u. 
seine  Beziehungen  zum  Vogtlande :  Neue  Vogtl.  Ztg.  1904.  Nr.  113. 

„  Der  Gemeine  Kasten  zu  Plauen:  ebenda  Nr.  146. 
„  Zu  C.  von  Raab  70  jährigem  Geburtstage  (nebst  einer  Übersicht 
über    die  Veröffentlichungen    C.  von  Raabs  betr.  die  Geschichte 
des  Vogtlandes):  ebenda  Nr.  163. 
„  Die  Konrektoren  des  Gymnasiums  zu  Plauen:  ebenda  Nr.  170.    181. 

Franz,  Reitili.  Die  Amtshauptmannschaft  Annaberg.  Beilage  zum 
Jahresbericht  des  K.  Realgymnasiums  zu  Annaberg.  1904.  42  SS.  4''. 

Fritzsche,  H.  Geschichtlicher  Rückblick  auf  den  Vollzug  der  öffent- 
lichen Kirchenbufse  im  Königreiche  Sachsen :  Pastoralblätter 
XXXXV(i902/3),  545  — 552. 

Gebauer,  Ciirt.  Die  Dresdner  Heide.  Ein  geographisches  Land- 
schaftsbild. I.  Teil.  Leipziger  Inaug.-Dissert.  Leipzig,  Druck  von 
August  Pries.    1904.    92  SS.    8**. 

Gensei.  Juans.  Friedrich  Preller  der  Ältere  und  seine  Beziehungen 
zu  Leipzig:  Lpz.  Tgbl.    1904     Nr.  208.    210. 

Göhler,  Albert.  Der  Riedel -\'erein  zu  Leipzig.  Eine  Denkschrift 
zur  Feier  seines  fünfzigjährigen  Bestehens.  Leipzig,  Selbstverlag 
des  Vereins.    1904.    162  SS.    8°. 

Gurlitt,  Com.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.  Unter  Mitwirkung  des  Kgl. 
Sachs.  Altertumsvereins  herausgeg.  von  dem  Kgl.  Sachs.  Ministerium 
des  Innern.  24.  Heft:  Amtshauptmannschaft  Dresden- Altstadt 
(Land).  Dresden,  CG. Meinhold  &  Söhne  (Komm.).  1904.  141  SS.  8*^. 

H.,  L.  Abschied  von  einem  Stück  Alt-Leipzig  [Klostergasse  Nr.  13]: 
Lpz.  Tgbl.  1904.    Nr.  181.    S.  2449. 

HantzsclCViktor.  Hieronvmus  Megiser,  ein  Leipziger  Geograph  vor 
300  Jahren:  Zu  Friedrich  Ratzeis  Gedächtnis.  (^Leipzig,  Seele  & 
Co.    1904.)    S.  123 — 140. 

Held,  Karl.  Ernst  Julius  Otto:  Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.  1904. 
Nr.  104.    S.  413?. 

Heubner,  Paul  Leonhnrd.  Der  Musterlagerverkehr  der  Leipziger 
Messen.  Mit  zwei  Übersichtskarten.  (A.  u.  d.  T.:  Zeitschrift  für 
die  gesamte  Staatswissenschaft.  Ergänzungsheft  XI.)  Tübingen, 
H.  Laupp.    1904.    116  SS.    8'^'. 

Hiller.    Das  älteste  Peniger  Stadtbuch :  Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz. 
Ztg.    1904.    Nr.  47.    S.  185! 
„  Aus    den  Visitationsprotokollen    des    Kgl.  Hauptstaatsarchivs    zu 
Dresden    [Superintendentz    Rochlitz]    1578    und   1580:    Rochlitzer 
Tageblatt.    1904.    Nr.  146 

[„]  Aus  den  Peniger  Kirchenvisitationsakten  aus  den  Jahren  1556  und 
1575:  Penig-Bornaisches  und  Frohburger  Tageblatt.   1904.   Nr.  161. 

Hof  mann,  Hans.  Zur  Geschichte  der  Leipziger  Gesangbücher.  Eine 
hymnologische  Studie.  Beilage  zum  Jahresbericht  der  I.  Stadt. 
Realschule  zu  Leipzig.    1904.    22  SS.    4**. 

Jecht,  R.  Kurzer  Wegweiser  durch  die  Geschichte  der  Oberlau- 
sitzischen Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Görlitz  von  1779 
bis  1904.  Als  Festgabe  zum  125.  Stiftungsfeste  verfafst  und  den 
Gesellschaftsmitgliedern  dargereicht:  Neues  Lausitzisches  Maga- 
zin L  (1904),  71 — 112  (mit  9  Taft'.). 


236  Literatur. 

Jecht,  B.  Codex  diplomaticus  Lusatiae  superioris  II,  enthaltend  Ur- 
kunden desOberlausitzerHussitenkrieges  und  der  gleichzeitigen  die 
Sechslande  angehenden  Fehden.  Im  Auftrage  der  Oberlausitzischen 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  gesammelt  und  herausgegeben. 
Bd.  III,  Heft  5,  enthaltend  das  Register  zu  den  zwei  Bänden  von 
E.  A.  Seeliger.   Görlitz,  H.Tzschaschel  (Komm.).  1904.   S.  747 — 851. 

Kästner,  Gotthard.  Generalmajor  von  Mayr  und  sein  Freikorps  in 
Kursachsen.     Meifsen,  H.  W.  Schlimpert.    1904.    95  SS.    S''. 

Kl[einpnul].  Über  die  ersten  „Biedermeiergärten"  in  Dresden  und 
Pillnitz:  Dresdner  Anzeiger.  Sonntags  -  Beilage.  1904.  Nr.  27. 
S.  ii7f. 

V.  Kügelgen,  Ernst.  Gerhard  von  Kügelgen  als  Porträt-  und  Hi- 
storienmaler. Mit  103  Abbildungen  nach  Gemälden,  Zeichnungen 
und  Stichen.  2.  billige  (Titel-)  Ausgabe.  Stuttgart,  Ch.  Belser. 
1904.    V,  123  und  2  SS,    S*'. 

Kühn.  Die  sächsischen  Bauernunruhen  des  Jahres  1790  und  ihre 
Ausbrüche  in  der  Meifsen- Oschatzer  Gegend:  Mitteilungen  des 
Vereins  für  Sachs.  Volkskunde  III,  6  (1904),  166 — 172. 

Laue,  M.  Sachsen  und  Thüringen:  Jahresberichte  der  Geschichts- 
wissenschaft, im  Auftrage  der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin 
bearbeitet  von  Ernst  Berner.  Jahrgang  XXV.  1902.  (Berlin, 
Weidmann  1904.)    II,  176  —  220. 

Lehm,  Kurt  üsk.  Aus  Vergangenheit  und  Gegenwart  der  bei  Tharandt 
gelegenen  Orte  Hartha,  Grillenburg,  Fördergersdorf,  Hintergers- 
Qorf,  Spechtshausen  und  Porsdorf.  Nach  handschriftlichen  An- 
gaben und  amtlichen  Quellen.  Dohlen,  Selbstverlag  des  Verfassers. 
1904.    27  SS.    8^ 

Lexis,  W.  Das  Unterrichtswesen  im  Deutschen  Reich.  Aus  Anlafs 
der  Weltausstellung  in  St.  Louis  unter  Mitwirkung  zahlreicher 
Fachmänner  herausgegeben.  Bd.  I.  II.  III.  IV,  i.  IV,  2.  IV,  3. 
Berlin,  A.  Asher  &  Co.    1904.    8». 

Darin  u.  a. :  W.  Stieda,  Die  Kgl.  Sachs.  Universität  Leipzig 
(I,  503  —  534).  —  F.  Gefs,  Die  Kgl.  Sachs.  Technische  Hochschule 
zu  Dresden  (IV,  i,  239—245).  —  E.  Papperitz,  Die  Kgl.  Sachs. 
Bergakademie  zu  Freiberg  (IV,  2,  20—29).  —  M.  Neumeister, 
Die  Kgl.  Sachs.  Forstakademie  zu  Tharandt  (IV,  2,  58—64).  — 
Ellenberger,  Die  Kgl.  Sachs,  tierärztl.  Hochschule  zu  Dresden 
(IV,  2,  153-158). 

Löscher,  Friedr.  Herrn.  Ludwig  Richter  und  das  Erzgebirge  (Fort- 
setzung): Glückauf!  XXIV  (1904),  65  —  69.  iii — 114.  150 — 152. 

Lüdtke,  Franz.  Die  strategische  Bedeutung  der  Schlacht  bei  Dresden. 
(Berliner  Inaug.-Dissert.  Februar  1904.  Sonderabdruck.)  Berlin, 
Druck  von  Franz  Unger.    1904.    61  SS.    8*^. 

M.  Ehrung  von  Besuchern  der  Leipziger  Messen  vor  75  Jahren: 
Lpz.  Tgbl.    1904.    Nr.  223. 

Frhr.  v.  Mansberg,  Richard.  Erbarmanschaft  Wettinischer  Lande. 
Urkundliche  Beiträge  zur  Obersächsischen  Landes-  und  Orts- 
geschichte in  Regesten  vom  12.  bis  Mitte  des  16.  Jahrhunderts. 
Bd.  IL:  Die  Mark  Meifsen.  Mit  5830  Regesten,  15  Taff.,  43  Holz- 
schnitten.   Dresden,  Wilhelm  Baensch.    1904.    VIII,  590  SS.    8". 

MfeicheJ.  Neustadt  im  Jahre  1547:  Über  Berg  und  Thal  XXVII  (i904)> 
316—319. 

Meltzer,  Otto.  Das  Wettiner  Gymnasium  zu  Dresden  in  den  ersten 
fünfundzwanzig  Jahren  semes  Bestehens.  Dresden,  Buchdruckerei 
der  Dr.  Güntzschen  Stiftung.    1904.    40  SS.    S'*. 


Literatur. 


337 


Merkel,  Rieh.     Die    Leipziger  Wohnunp;  des  Dichters  Julius  Mosen: 

Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  80.    S.  317  f. 
Mörtzsch,  O     Der  Zschomen:  Über  Berg  und  Thal  XX VII  (1904),  278. 
„  Amt  Stolpen  anno   1628:  ebenda  300—303. 
Mosclikdu,   A.     Denksteine  und  Gräber  von  181 3  in  der  Oberlausitz. 

Zittau,  Druck  von  W.  Böhme  &  Co.    1903.     16  SS.    8". 
„  Das  Gefecht  bei  Ebersdorf- Löbau  am  9.  September  181 3:  Sachs. 

Pöstillon.    1903.    Nr.  222  —  225. 
„  Vor  und  nach  Hochkirch   im  Jahre  1758.     Beitrag  zur   Kriegsge- 
schichte der  Oberlausitz,  insbesondere  der  Stadt  Reichenberg  in 
Böhmen  und  deren  Umgebung :  Jeschken-Jahrbuch.  1904.  S.  10  —  21. 
„  König  Friedrich  August  von  Sachsen  in  der  südlichen  Oberlausitz: 
Kur- u. Fremdenliste d. Luftkurorte Oybin etc.  V(i904).  Nr.  13.  S.  iif. 
„  König  Albert  in  Oybin:   Der  Weitimann  XXXV  (1904),  404 — 406. 
MüUer,  Georg.    Adam  Olearius,  ein  Orientfahrer  des  17.  Jahrhunderts: 

Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  15.    S.  57  —  60. 
Mütze.     Unser  Wohn-  und  Heimatort  Oberfriedersdorf.    Nachrichten 
aus  seiner  Vergangenheit.     Ein   Büchlein   für  Jung  und  Alt  zum 
Lesen  und  Nachdenken.     Mit  einem  Bildnis  weil.  Mstr.  Hofmanns, 
7  Abbildungen,  einer  Flurskizze  und  einer  Gesamtansicht  unseres 
Ortes.    Leipzig,  A.  Strauch.    1904.    205  SS.    8^. 
Niedner,  Carl.    Die  Schleinitzkapelle  der  Afrakirche  in  Meifsen  und 
der    Dresdner    Bildhauer    Christoph  Walter:  Wissenschaftl.   Beil. 
der  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  iiif.    S.  441 — 448. 
Petroff,  Bobi.    Die  Politik  Friedrich  Augusts  IL  von  Sachsen,  Königs 
von  Polen,  während  des  Türkenkrieges  1736  —  39.   Leipziger  Inaug.- 
Dissert.    Leipzig,  Druck  von  Osw  Schmidt.     1902.    53  SS.    8''. 
Pfau,  W.  Clemens.     Über  sächsische  Sagenforschung:  Wissenschaftl. 

Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1904.    Nr.  64.    S.  253 — 256. 
„  Der  Kranz  iin  sächsischen  Schützenwesen,    ein  Beitrag  zur  ge- 
schichtl.  Volkskunde  Sachsens:  Unsere  Heimat  III(i904\  125 — 128. 
„  Die  neuesten  vorgeschichtlichen  Funde  in  der  Rochlitzer  Gegend: 
Wissenschaftl.  Beil.  der  (Chemnitzer)  Allgem.  Ztg.  1904.  Nr  4.  S.  13. 
„  Über  sächsische  Irrlichterforschung:  ebenda  Nr.  12.   8.45!". 
V.  Pflugk^Hartiung.      Zur    militärischen    Memoirenliteratur    der    Be- 
freiungskriege des  Jahres  181 5  [die  Sachsen  in  Lüttich  nach  den 
Memoiren  des  Grafen  v.  Nostitz  und  v.  Müfflings]:  Histor.  Jahrbuch 

XXIV  (1903),  575-582- 

Rachel,  Paul.  Die  Dresdner  Handelsinnung  1654 — 1904.  Festschritt 
der  Dresdner  Kaufmannschaft  zum  250jährigen  Jubiläum  der 
Dresdner  Handelsinnung.  Dresden,  Verlag  der  Dresdner  Kauf- 
mannschaft. 1904.  196  SS.  8°. 
„  Die  Dresdner  Handelsinnung  und  das  1751  für  Sachsen  geplante  Ta- 
baksmonopol:  Wissensch.  Beil.  d.  Lpz.  Ztg    1904.  Nr.  69.  S.  273    276. 

Reimann,  Ernst.  Prinzenerziehung  in  Sachsen  am  Ausgange  des  16. 
und  im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  Dresden,  Wilhelm  Baensch. 
1904.    V,  163  SS.    8« 

Richter,  Otto.  Geschichte  der  Stadt  Dresden  in  den  Jahren  1871  bis 
1902.  Werden  und  Wachsen  einer  deutschen  Grofsstadt.  2.  Auf- 
lage. Herausgegeben  im  Auftrage  des  Rats  zu  Dresden.  Dresden, 
Buchdruckerei  der  Dr.  Güntzschen  Stiftung    1904.  VIII,  189  SS.  8*^. 

[Rudolph,  E.]  Kriegserinnerun^en  eines  102  ers  aus  dem  Feldzuge 
1870/71  (Fortsetzung  u.  SchluTs):  Kamerad  1904.  Nr.  9.  S.  18— 23. 
Nr.  10.  S.  21 — 23.  Nr.  11.  S.  21 — 23.  Nr.  12.  S.  21 — 24.  Nr.  13. 
S.  22—24.     Nr.  14.    S.  21 — 24.     Nr.  15.    S.  13  f.     Nr.  16.    S.  20 — 24. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u  A.    XXV.    3.  4.  22 


338 


Literatur. 


Huvqe.  Klemm  in  den  Kirchenbüchern  von  Hainichen  1557  —  1644: 
Klemms  Archiv  Mitteilun2:en  aus  der  Familien-Geschichte,  heraus- 
gegeben vom  Verbände  Klemmscher  Familien.  Nr  15(1904).  S.  89 
bis  93. 

Schiefir,  F  Wnlther.  Das  Predigerkollegium  zu  St.  Pauli  in  Leipzig. 
Seine  Einrichtung  sowie  42  jähre  seines  Bestehens  in  kurzem  Ab- 
rils  geschildert:   Wissenschaftl.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.    1904.     Nr.  88. 

s.  349—352. 

Schlnncli.    Die  Ausgrabungen  auf  dem  Schlofsberge  zu  Dohna.    Lock- 
witz, Buchdruckerei  von  P.  Welzel     1904.    8  SS.    8" 
„  Die    wüste    Mark    Knickwitz    bei    Duhna:    Über  Berg  und  Thal. 

XXVII  (1904),  292  f. 
„  Sachsen  im  Volksmunde.     II.  Teil.    Ortschaften:    Unsere  Heimat 

111(1903/4),  15—21.  37-40.  65-69.  96—99-  145-147-  153-157- 
„  Das  Freigut  zu  Dohna:  Pirnaer  Anzeiger.   Wochen-Beilage.    1904. 
Nr.  9. 

Schmicl,  Olto.  Musik  am  sächsischen  Hofe  Bd.  6.  Ausgewählte 
Werke  der  Instrumentalmusik  von  Joh.  Chr.  Schmidt,  Chr.  Petzold, 
Joh.  Dismar  Zelenka,  Joh.  David  Heiniclien,  Joh.  Adolf  Hasse, 
Christlieb  Siegmund  Binder  und  J0I1.  Gottlieb  Naumann  für  Kla- 
vier bearbeitet.  Leipzig,  Brüssel,  London,  New -York,  Breitkopf 
&  Härtel.    (1904.)    XII,  36  SS.  foL 

Schmidt,  1-terlhold  Die  Reufsen.  Genealogie  des  Gesamthauses 
Reufs  älterer  und  jüngerer  Linie  sowie  der  ausgestorbenen 
Vogtslinien  zu  Weida,  Gera  und  Plauen  und  der  Burggrafen  zu 
Meifsen  aus  dem  Hause  Plauen  Im  Auftrage  Seiner  Durch- 
laucht Heinrichs  XIV.,  Regierenden  Fürsten  Reufs  j.  L.  und 
Fürstregenten  Reufs  ä.  L.  Schleiz,  F.Webers  Nachf.  1903.  IX, 
70  SS.    fol. 

V.  Schroed>  r,  Fei  Die  Verlegung  der  Büchermesse  von  Frankfurt  a.  M. 
nach  Leipzig.  (^Volkswirtschaftl.  und  wirtschaftsgeschichtl.  Ab- 
handlungen, bearbeitet  vwnW.  Stieda.  Heft  9.)  Leipzig,  Jäh  & 
Schunke.     1904.  VI,  83  SS.    8». 

Schulze,  Theodor.  Die  kursächsische  Politik  und  der  böhmische  Auf- 
stand 1619-  1620.  Leipziger  Inaug.-Dissert.  Borna-Leipzig,  Druck 
von  Rob.  No.ske.    1904.    VIH,  113  SS.    8". 

[Schuriy,  E.j  Die  sächsischen  Zahlmeister:  Kamerad.  1904.  Nr.  17. 
S.  9.    Nr  18.    S.  9f. 

/"„y  Anekdoten  aus  dem  Leben  des  Kronprinzen  Friedrich  August : 
ebenda  Nr.  21.    S   10  f. 

Schwahe,  E.  Lateinische  Übersetzungsaufgaben  sächsischer  Sekun- 
daner aus  dem  XVI.,  XVII.  und  XVIII.  Jahrhundert:  Neue  Jahr- 
bücher für  Pädagogik.    Jahrgang  7  (1904),  XIV,  140  — 161. 

V.  Scliivrn-tz,  K.  Die  Entwicklung  der  Leipziger  Mission.  Vortrag. 
Leipzig,  Ev.-Luth.  Mission.    1903.    21  SS.    8". 

Schlecht,  Fr.  Ad.  Altes  und  Neues  aus  Röhrsdorf  bis  1903.  Limbach, 
Druck  von  F.  G.  Grofse.    24  SS.    8''. 

Seijnitz,  Engen.    Joh.  Seb.  Bach  und  die  Johannes-Passion:  Lpz.  Tgbl. 

1904.    Nr.  158. 
„  Carl  Reinecke.    Zu  seinem  80.  Geburtstage:  ebenda  Nr   315. 

Soraeiifrey,  Theodor.  Die  Abiturienten  des  Rektors  J.  H.  Lipsius,  ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  Nikolaischule  zu  Leipzig  im  19.  Jahr- 
hundert.    Leipzig,  H.  Haessel  Verlag.    1904.    40  SS.    4**. 

Speck,  Oskar.  Pirna  als  Artilleriegarnison  vor  hundert  Jahren:  Pir- 
naer Anzeiger.     Unterhaltungs- Beilage.    1904.    Nr.  134 


Literatur. 


339 


Spovsel,  Jeav  Louis.  Johann  Melchior  Din<ilino;er  und  seine  Werke. 
Mit  20  Abbildungen.  Aus  Anlafs  der  Enthüliun<.i  der  üinglinsjer- 
Gedenktafel  am  Geburtshause  des  Künstlers  in  Biberach  a.  d.  Rifs 
gewidmet  von  dem  \'orsitzenden  des  \'ereins  der  Juweliere,  Go'.d- 
und  Silberschmiede  Württembergs  Emil  Foehr.  Stuttgart,  Druck 
der  J.  B.  Metzlerschen  Buchdruckerei     1904.    70  SS.    8". 

St.,  G.  Alt-Lripzig  in  französischer  Beleuchtung:  Mufsestundcn, 
Wochen -Beilage  des  Lpz.  Tgbl.  I  (1904),  72. 

Störzner,  Fr.  B>rnh.     Sage   von  der  Erbauung   der  Kirche  zu  über- 
helmsdorf:   Über  Berg  und  Thal  XXVII  (1904),  2 99  f. 
„  Der  Seigerturm  der  Burg  Stolpen:  Saxonia  I  (1903),  120 — 122. 

StUbhr,  Joli.  Anthropogeographische  Studien  in  der  Sachs.  Schweiz. 
Leipziger   Inaug.- Dissert"     Leipzig,    Druck   von   C.G    Naumann. 

1903.  72  SS.  nebst  2  photograph.  Landschaftsbildern  und  3  Karten- 
skizzen. 

Thieibach,  M  Die  Handfeuerwaffen  der  sächs.  Armee.  Nach  den 
Akten  des  Hauptzeughauses  und  des  Hauptstaatsarchivs  (Fort- 
setzung undSchlufs):  Zeitschrift  für  histor  Waffenkunde.  Bd.  III. 
Heft  6  f.   (1904.)  S.  160  — 170.     191  — 199. 

Tille,  Armin.  Eine  Passionsspiel -Aufführung  zu  Weihnachten  1843: 
Mitteilungen  des  Vereins  für  sächs  Volkskunde  III,  6  (1904),  1851. 

Tittel,  A.  Die  Verfolgung  der  Evangelischen  in  Platten  und  Grün- 
dung von  Johanngeorgenstadt:  Unsere  Heimat  III  (1903/4),  73—83. 

Tykocivxki.  Die  Fürsorge  der  Leipziger  Bürgerschaft  für  die  Thomas- 
schule: Wissenschaft!.  Beil.  der  Lpz.  Ztg.i  904.  Nr.  67.  S.  265  -  2G7. 

Uli/ijh  Georg.  Die  Stadtbibliothek  zu  Kanienz:  Neues  Lausitzisches 
Magazin  LXXX  (1904),  22 — 33 

Weber,  Ludiviq.  Das  Römische  Haus  in  Leipzig:  Lpz.  Tgbl.  1904. 
Nr.  4.    S.  46. 

Weinhold,  E.  Der  Fichtelberg  im  sächsischen  Erzgebirge  (1213  in) 
und  seine  Umgebung  nach  Natur,  Geschichte,  Sage  und  Leben: 
Glückauf!  XXIV  (1904),  49—52.69 — 71.  85— 94.  114 — 121.125  —  136. 
145 — 150.     Auch  als  Sonderabdruck  erschienen. 

„  Aus  dem  Lebensgange  der  Gemeinde  Hilbersdorf:  Chemnitzer 
Tageblatt  und  Anzeiger.    1904.    Nr.  143.    S.  14! 

W^eise,  A.  Früherer  Bergbau  in  der  Südlausitz  und  in  Nordböhmen: 
Gebirgsfreund  XVI  (1904),  70  —  72. 

Wenck.     Aus  Bornas  Vergangenheit:    Adrefsbuch  der  Stadt  Borna. 

1904.  S.  IX-XVL 

IWidemnnn,  J.  E.j  Geschichte  des  Linckeschen  Bades.  Nach  Aus- 
zügen aus  dem  Kgl.  Haupt -Staatsarchiv,  dem  Ratsarchiv  und 
anderen  historischen  Quellen  zusammengestellt  1901.  Dresden, 
Buchdruckerei  Alwin  Risse.    48  SS.    8". 

WUsriorf,  Oscar.  Gräfin  Charlotte  v.  Kielmannsegge.  Ein  Lebens- 
bild avis  der  Zeit  der  Romantik.  Nach  historischen  Quellen  be- 
arbeitet 2.  neu  durchgesehene  Aviflage.  Dresden  und  Leipzig, 
Heinr.  Minden.    1904.    80  SS.    8''. 

Wolf,  Bernh.  Die  Sankt  Annenkirche  in  Annaberg:  Unsere  Heimat 
III  (1904),  216 — 218.  230 — 235. 

V.  Wfolff'ersdorf'j,  E.  Die  von  Wolffersdorff  und  von  Ende.  Nacli 
dem  vorhandenen  Quellen-Material  zusammengestellt.  [Bayreuth. 
1904.]    49  SS.    8**. 

Ziekursch.  JoJi.  Sachsen  und  Preufsen  um  die  Mitte  des  i8.Jahrh. 
Ein  Beitrag'  zur  Geschichte  des  (Österreich.  Erbfolgekrieges.  Breslau, 
M  &  H.  Marcus.     1904.    VII,  228  SS.    8». 


22' 


240  Literatur. 

Zimmermann,  E.    Die  Dresdner  Hofsilberkammer:  Die  Woche.    1904. 
Heft  14.    S.  613 — 617. 
„  Porzellanfiguren   einst  und  jetzt:    Dresdner  Anzeiger,   Sonntags- 
Beilage.    1904.    Nr.  21.    S   89!'. 
„  Die  Inkunabeln  des  Meifsner  Porzellans:  Jahrbuch  der  Kgl.  Preufs. 
Kunstsammlungen     1904.    Heft  III.    S.  159 — 174. 
Zimmermann,  Rud.     Schlofs  Kriebstein:  Saxonia  I  (1903),  78 — 80. 
Zinck,  P.  Die  mythischen  Volkssagen  des  sächs.  Erzgebirges:  Saxonia 
I  (1903),  97 — 103.  160 — 166.  193 — 202. 
„  Leipziger  Lotterien:  Wissenschaftl. Beil.  der  Lpz. Ztg.  1904.  Nr.  42 f. 
S.  165 — 172. 

Vor  50  Jahren.  [Zur  Erinnerung  an  den  Tod  König  Friedrich 
Augusts  II]:   Lpz.  Tgbl.    1904.    Nr.  68.    S.  857. 

Ein  Gedenkblatt  für  Ottilie  Döring  [f  1903]  und  Sidonie  Gröppler 
[f  1904]:  ebenda  Nr   158.    S.  2107. 

Aus  den  Repertorien  des  Freiherrlich  v.  Frie senschen  Familien- 
archivs zu  Rötha.    Rötha,  Druck  von  G.  Apitz.    1904.    27  SS.    S^. 

Eine  Beschreibung  der  Stadtflur  [von  Grimma]  vom  Jahre  151 3: 
Nachrichten  für  Grimma  und  Umgegend.    1904.    Nr.  86. 

Zur  Geschichte  der  Familie  von  Hausen:  Dresdner  Journal.  1904. 
Nr   123.    S.  1063. 

Bausteine  zur  Geschichte  der  Marienberger  Klemm  VI,  VII:  Klemms 
Archiv.  Mitteilungen  aus  der  Familien-Geschichte,  herausgegeben 
von  Verbände  Klemmscher  Familien.  IL  Nr.  13.  15.  (1904.)  S.  i 
bis  24.  93 — 100. 

Klemm  im  Schönburgischen:  ebenda  Nr.  14  (1904).    S.  46! 

Leipzig  im  Jahre  1904  Herausgegeben  aus  Anlafs  der  Beteiligung 
Leipzigs  an  der  Weltausstellung  in  St.  Louis.  Leipzig,  J.J.Weber, 
(1904.)    115  SS.    fol. 

Leipzig  in  Geschichten  und  Bildern.  Heimatkundliche  Lesestücke 
zur  Ergänzung  der  Leipziger  Schullesebücher.  Herausgegeben 
von  einer  Kommission  des  Leipziger  Lehrervereins.  Leipzig, 
Dürrsche  Buchhandlung.    1904.    160  SS.    8". 

Eine  Stimme  über  Leipzig  aus  dem  Jahre  1834:  Lpz.  Tgbl.  1904.  Nr.  i. 

Das  alte  Leipziger  Rathaus:  ebenda  Nr.  245. 

Aktenstücke  zur  Geschichte  des  Meifsner  Domes.  Herausgegeben 
von  dem  Vorstande  des  Meifsner  Dombauvereins.  (A.  u.  d.  T.: 
Veröffentlichungen  des  Meifsner  Dombauvereins.  II.)  Meifsen, 
Druck  von  C.  E.  Klinkicht  &  Sohn.    1904.    20  SS.    fol. 

Joh.  Traug  Mutschink:  Gebirgsfreund  XVI  (1904),  33  —  36. 

Geschichtliches  [über  OelsnitzJ:  Adrefsbuch  der  Stadt  Oelsnitz  i.V. 

1904.    S.  4 — 1 1. 
nnn-    Sächsische  Städtebilder.     Oschatz:  Lpz.  Ztg.     1904.    Nr.  76. 
S.  1212  f. 

Vom  Berge  Oybin:  Gebirgsfreund  XVI  (1904),  73  f. 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Postsäulen,  i.  Die  Postsäule  zu 
Zwönitz:  Unsere  Heimat  III  (1904),  i57f. 

Aus  Schneebergs  Vergangenheit  (Fortsetzung  und  Schlufs):  Glück- 
auf! XXIV  (1904),  52—55.  72—75. 

Zur  Erinnerung  an  die  grofse  Wassernot,  von  der  vor  100  Jahren, 
am  14.  Juni  1804,  die  Lausitz  etc.  heimgesucht  wurde:  Bautzner 
Nachrichten.    1904.    Nr.  133. 


Literatur. 


341 


Blätter  für  die  Geschichte  der  sächsischen  Armee.  Beilage  zum  „Ka- 
merad".   1904.    Nr.  3 — 6. 

Inhalt:  [E.  R.  Freytag,]  König  August  der  Starke  als  Militär. 

—  [Ders.,]  Ein  Brief  des  Kommandeurs  vom  „Kurprinzlichen  Leib- 
regiment" an  den  Chef  desselben  [1688 — 1692].  —  [Ders,]  Eine 
Dichtung  über  das  Zeithayner  Lager  aus  dem  Jahre  1730.  —  [Ders.,] 
Die  Sachsen  im  Nordischen  Kriege. 

Dresdner  Geschichtshlätter,  herausgegeben  vom  Verein  für  Geschichte 
Dresdens.    XIII.  Jahrgang.    1904.    Nr.  2.  3. 

Inhalt:  P.  Rachel,  Aus  dem  Testamente  Elisas  von  der  Recke. 

—  H.  Beschorner,  Die  Hoflöfsnitz  bei  Dresden  (Schlufs).  — 
O.  R[ichter],  Treitschke  und  die  Kreuzschule.  —  Viktbr 
Hantzsch,  Zur  Geschichte  des  geistigen  Lebens  in  Dresden 
vor  300  Jahren.  —  O.  Lehmann,  Zur  Geschichte  des  Augustus- 
brückenzolls. 

Festschrift  aus  Anlafs  der  10  jährigen  Stiftungs-Feier  der  Museums- 
GeselLschaft  zu  Flauen  (Vogtländer  Museum).  Herausgegeben 
vom  Vorstand  der  Museums -Gesellschaft.  Plauen  i.V.,  Moritz 
Wieprecht.    1904.    116  SS.    8*^. 

Inhalt:  O.  Metzner,  Die  Museums  -  Gesellschaft  zu  Plauen  in 
den  ersten  zehn  Jahren  ihres  Bestehens.  —  Voigt,  Zwei  geschicht- 
lich interessante  Häuser  in  der  Königsstrafse  (mit  5  Abb.).  — 
Voigt,  Die  Kämpfe  bei  Plauen  in  den  Kriegsjahren  1639  und  1640. 

—  Sc  hui  1er,  Zu  Julius  Mosens  vaterländischen  Gedichten.  — 
E.  Weise,  Ein  geologisches  Profil  durch  die  Stadt  Plauen.  — 
Johnson,  Schlofs  Everstein.  —  A.  Liebold,  Ein  Gang  durch  das 
Vogtländer-Museum.  —  R.  v.  Larisch,  Plan  von  Plauen. 

Mitteilungen  der  Deutschen  Gesellschaft  zur  Erforschung  vaterländ. 
Sprnche  und  Altertümer  in  Leipzig.  Bd.  X.  Hefti.  Leipzig.  1904. 
75  SS.    80. 

Inhalt:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Universität  Leipzig. 
I.W.  Stieda,  Die  Universität  Leipzig  im  Sommer-Semester  1904. 
2.  W. Heinz e.  Das  Königliche  Konvikt  an  der  Universität  Leipzig. 

Mitteilungen  des  Altertumsvereins  zu  Plauen  i.  V.  16.  Jahresschrift 
auf  die  Jahre  1903 — 1904.  Herausgegeben  von  Chr.  A.  Scholtze. 
Plauen  i.V.,  Rudolf  Neupert  jun.  (Komm.).  1904.  VIII,  200  SS.  8". 
Inhalt:  C.  v.  Raab,  Aufgebot,  Romzug  und  Türkensteuer  im 
Vogtlande  Ende  des  15.  und  Anfang  des  16.  Jahrhunderts.  — 
Ders.,  Der  Besitz  des  Klosters  zu  Plauen.  —  Ders.,  Ein  Bei- 
trag zur  Geschichte  von  Rittergut,  Dorf,  Pfarre  und  Schule 
zu  Leubnitz  i.  V.  und  das  Gerichtsbuch  vom  Jahre  1573.  — 
Ludwig,  Mag.  Johannes  Petzold,  Pfarrer  in  Altensalz  von  1647 
bis  1691.  —  D.  Ö.  Philipp,  Freischein  für  einen  vogtländischen 
Rekruten  aus  dem  Jahre  1758.  —  W.  Fischer,  Geschichte 
der  Schule  zu  Oberlosa  bis  zur  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahr- 
hunderts. —  Ders.,  Eine  Säckung  in  Plauen  im  Jahre  1683.  — 
Franz  Hellriegel,  Aus  den  Akten:  „Den  Hofzug  der  Maurer 
und  Zimmerleute  betreffend".  —  Kunz  v.  Brunn  gen.  von  Kauf- 
fungen, Die  von  Kauffungen.  Nachträge  und  Berichtigungen 
zu  der  gleichnamigen  historisch-genealogischen  Studie  C.  v.  Raabs. 

—  J.  Zemmrich,   Die  vogtländische  Landschaft  einst  und  jetzt. 

—  M.  Benedict,  Die  Gründung  von  Rautenkranz  und  Sachsen- 
grund. —  Ders.,  Urkundenabschrift,  die  Gründung  von  Zeug- 
haus betr. 


^12  Literatur. 

Hierzu  als  Beilaoreheft:  C.  v.  Raab,  Das  Amt  Pausa  bis  zur 
Erwerbung  durch  Kurfürst  August  von  Sachsen  im  Jahre  1569 
und  das  Erbbuch  vom  Jahre  1506.  124  SS.  8". 
M'iäeihingen  vom  Fieiberger  Altertnmsvercin  mit  Bildern  aus  Freibergs 
Vergangenheit.  Herausgegeben  von  Konrad  Knebel.  39.  Heft. 
Freiberg  i.  S.,  Gerlachsche  Buchdruckerei.    1903.    184  SS.    8". 

Inhalt:  Knebel,  Weihe  des  König- Albert-Museiims.  —  Ders., 
Rot-,  Zinn-  und  Glockengiefser  Freibergs.  5.  Beitrag  zur  Kenntnis 
des  älteren  Kunsthandwerks  in  Sachsm.  —  Wappler,  Oberberg- 
hauptmann Siegmund  August  Woligang  Freiherr  von  Herder.  — 
Wen  gl  er,  Kurzer  Grubenbericlit  von  Christbescherung  Erbst,  zu 
Grofsvoigtüberg,  gefertigt  im  Quartal  Reminiscere  1793  von  Leo- 
pold von  Buch.  —  Th.  Distel,  Drei  Briefe  Abraham  Gottlob 
Werners  an  Karl  August  Böttiger.  —  Ders.,  Stilproben  der  Kur- 
fürsten Moritz  und  August.  —  Knebel,  Erwerbung  des  Freiberger 
Münzfunds  vom  Jahre  1896  —  Ders  ,  Erster  und  zweiter  Grois- 
schirmaer  Münzfund.  —  Ders.,  Freiberger  Münztund  vom  Jahre 
1903.  —  Ders.,  Die  König-Albert-Büste  im  König-Albert-Museum 
—  Wie  es  anno  1670  auf  der  Burgstrafse  aussah. 

Schriften  den   Vereins  für  die  (jeschic/ife  Leipzi(is.    7.  Band.    Leipzig, 
Selbstverlag  des  Vereins.    1904.    291  SS.    8". 

Lihalt:  F.  Max  Nabe,  Die  vorgeschichtliche  Besiedelung  der 
Leipziger  Gegend  (mit  4  Kärtchen).  —  B  Fr.  Richter,  Da^  Innere 
der  alten  Thomasschule  (mit  6  Grundrissen).  —  Ed.  Mangner. 
Die  Er.-5te  Leipziger  Liedertafel.  —  Rob.  Jahn,  Das  Lölsniger 
Schulwesen.  —  E.  Kroker,  Hans  Pfriem  im  Märchen  und  im 
Weihnachtsspiel.  —  P.  Benndorf,  Ritter  Hans  von  Gehofen  auf 
Gautzsch  (mit  Taf.  I).  —  Armin  Tille,  Ein  Humanist  [Erasmus 
Sarcerius]  über  Leipzig.  —  A.  Kurzwelly.  Mitteilungen  aus 
unseren  Vereinssammlungen  (Taf.  II — IV).  —  Julius  Vogel,  Ein 
Brief  Chodowieckis  an  Anton  Graff.  —  E.  Kroker,  W^ie  1627  in 
Lucka  das  W^eichbild  bezogen  wurde. 
Voijtländische  Fnrschuvfjen.  (Seiner  Exzellenz  Herrn  General  der 
Infanterie  z.  D.  Dr.  Gurt  von  Raab  zum  70.  Geburtstage  gewidmet 
vom  K.  Sachs.  Altertumsverein ,  dem  Altertumsverein  zu  Plauen 
i.V.,  dem  Vogtland.  Altertumsforschenden  \'erein  zu  Hohenleuben 
und  dem  Geschichts-  und  Altertumsverein  zu  Schleiz.)  Dresden, 
Wilhelm  Baensch.     1904.     124  SS.    8". 

Inhalt;  Berthold  Schmidt,  Nochmals:  Arnold  von  Quedlin- 
burg und  die  ältesten  Nachrichten  zur  Geschichte  des  Reulsischen 
Hauses  —  C.  Angermann,  Vogtländische  Familiennamen.  — 
H.  Ermisch.  Aus  dem  vormaligen  Ratsarchiv  der  Stadt  Elster- 
berg —  William  F'ischer,  Das  Regelhaus  der  Sammlung  der 
.Schwestern  der  dritten  Regel  zur  Bufse  des  h.  Dominikus  und 
die  Beteiligung  des  Rates  an  der  Säkularisierung  des  Klosters  zu 
Plauen. 


Nachrichten. 


Die  (iescllscliaft  für  Siiclisisclie  Kircheng'escliichte  wurde  im 
Jahre  1882  zur  Erforschung,  Samnihing,  Erhaltung,  Veröffentlichung 
und  Bearbeitung  aller  auf  die  Kirchengeschichte  des  Königreichs 
Sachsen  bezüglichen  Urkunden  und  Nachrichten  und  insbesondere 
zur  PÜege  der  Spezialijeschichte  der  einzelnen  Kirchengemeinden 
begründet.  Mitglieder  sind  alle  diejenigen  Kirchen,  Vereine,  Biblio- 
theken und  Einzelpersonen,  die  sich  zur  Abnahme  des  in  der  Regel 
alljährlich  erscheinenden  Heftes  des  Vereinsorgans,  der  „Beiträge 
zur  sächsischen  Kirchengeschichte",  verpflichten.  Den  Vorstand 
bilden  zur  Zeit  Oberkonsistorialrat  Sup.  D.  Dr.  Dibelius-Dresden  und 
Geh.  Kirchenrat  D.  Dr.  Brieger- Leipzig  als  erster  und  zweiter  Vor- 
sitzender, Pfarrer  Lic.  Flade-Dresden  als  Schriftführer. 

Auch  für  die  Provinz  Sachsen  hat  sich  im  Laufe  des  Jahres  1903 
ein  Verein  für  Kirclieiigescliiclite  gebildet,  der  am  5.  Oktol)er  1903 
seine  erste  Versammlung  in  Halle  a.  S.  abhielt.  Eröffnet  wurde  sie 
von  dem  Konsi^torialpräsidenten  Glasewald  -  Magdeburg,  dem  .sich 
General-Supeiintendent  D.  Vieregge  mit  einer  Ansprache  anschlofs. 
Es  folgten  Vorträge  des  Archivdirektors  Dr.  Ausfeld- Magdeburg, 
des  Oberpfarrers  Dr.  Büchting- Eilenburg  und  des  Predigers  Arndt- 
Halberstadt  über  Wert  und  Nutzen  der  lokalen  Kirchengeschichts- 
schreibung. Nach  Beratung  und  Genehmigung  der  Satzungen 
wurden  in  den  engeren  Vorstand  gewählt:  Prediger  Arndt-Halber- 
stadt, Konsistorialrat  Dr.  Caspar- Magdeburg,  Archivrat  Dr.  Jacobs- 
Wernigerode,  Pastor  Könnecke- Eisleben,  Superintendent  'Müller- 
Calhe  a.  d.  Milde,  Archidiakonus  Pallas-Herzberg  a.  d.  Elster,  Pfarrer 
Radlach-Gatersleben,  Senior  und  Superintendent  D.  Dr.  Bärwinkel- 
Erfurt,  Bauinspektor  a.  D  Jaehn-Magdeburg.  Der  Sitz  des  Vereins 
ist  Magdeburg.  Kegel mäfsige  Vorträge  sind  vorläufig  nicht  in  Aus- 
sicht genommen,  es  werden  solche  aber  jedenfalls  auf  der  alle  drei 
Jahre  in  einer  der  gröfseren  Städte  der  Provinz  stattfindenden 
Hauptversammlung  des  Vereins  gehalten  werden.  Die  Gründung 
einer  Provinzial- Kirchenbibfiothek  für  die  Mitglieder  des  Vereins 
wurde  gleichzeitig  beraten.  Als  Vereinsorgan  dient  die  „Zeitschrift 
des  Vereins  für  Kirchengeschichte  in  der  Provinz  Sachsen,  von  der 
inzwi-schen  das  erste  Heft  erschienen  ist  (Kommissionsverlag  der 
Evangelischen  Buchhandlung,  Ernst  Holtermann,  Magdeburg).  Es 
enthält  aufser  geschäftlichen  Mitteilungen  einen  Aufsatz  vom  K. 
Archivar  Dr.  G.  Liebe-Magdeburg:  „Die  Ausbildung  der  Geistlichen 
im  Herzogtum  Magdeburg  bis  zur  Kirchenordnung  von  1739",  zwei 
Kapitel  eiiier  gröfseren  Arbeit  des  Superintendenten  H.  Ncbelsieck  in 


244  Nachrichten. 

Liebenwerda :  „Reformationsgeschichte  der  Stadt  Mühlhausen  i.  Th.", 
endlich  kleinere  Mitteilungen  und  Bücherbesprechungen.  Die  Mit- 
gliederzahl des  Vereins,  die  bei  seiner  Gründung  300  betrug,  soll  sich 
bereits  auf  600  gesteigert  haben. 

Der  Kgl.  Sächsische  Altertumsverein  unternahm  am  4.  Juni 
seinen  diesjährigen  Studienausflug.  Auf  Vorschlag  des  Geh.  Hofrat 
Prof.  Gurlitt  waren  drei  Herrensitze  der  Radeberger  Gegend  als 
Ziel  gewählt  worden:  Wach  au,  wo  Rittergutsbesitzer  Kühne  eine 
reiche  Sammlung  von  Kunstschätzen  und  Altertümern  vereinigt  hat, 
das  gräflich  Brühische  Schlofs  Seifersdorf,  das  sowohl  baulich 
als  durch  treffliche  Porträts  und  Handzeichnungen  und  vor  allem 
durch  die  berühmte  Sammlung  kostbarer  Porzellane  interessant  ist, 
endlich  das  prinzlich  Schönburgsche  Schlofs  Hermsdorf,  das 
namentlich  vorzüglich  erhaltene  Gobelins  des  17.  Jahrhunderts  auf- 
zuweisen hat. 

Der  Verein  für  Geschichte  Dresdens  machte  am  12.  Juni  unter 
Beteiligung  von  80  Mitgliedern  mit  Sonderzug  einen  Studienausflug 
nach  Görlitz.  Nach  einem  Abstecher  auf  die  Landeskrone  wurden 
die  zahlreichen  architektonischen  Sehenswürdigkeiten  der  Stadt, 
namentlich  auch  das  Rathaus  und  die  Peterskirche,  besucht  und  so- 
dann die  kurz  vorher  eröft'nete  Ruhmeshalle  mit  den  Museen  für 
Kunst  und  Wissenschaft  eingehend  besichtigt.  Die  Vorbereitungen 
und  die  Führung  hatte  Museumsdirektor  Feverabend  mit  mehreren 
anderen  Mitgliedern  dortiger  Vereine  übernommen.  —  An  die  Ver- 
einsmitglieder ist  Anfang  September  das  24.  Heft  des  Gurlittschen 
Inventarisationswerks  in  einer  mit  Genehmigung  des  Ministeriums 
veranstalteten  Sonderausgabe  unter  dem  Titel  „Die  Kunstdenkmäler 
von  Dresdens  Umgebung,  Heft  i"  verteilt  worden. 

Die  Oberlausitzische  Gesellschaft  der  Wissenschaft  zu  Görhtz 
feierte  am  i.Juni  d.J.  ihr  125  jähriges  Jubiläum  durch  eine  Festsitzung 
unter  Vorsitz  ihres  Präsidenten  Kammerherrn  von  Wiedebach-Nostitz. 
Als  Vertreter  der  preufsischen  Regierung  waren  anwesend  Staats- 
minister Freiherr  von  Hammerstein,  Regierungspräsident  von  Seherr- 
Thofs,  Obeiregierungsrat  Ukert,  als  Vertreter  der  sächsischen  Kreis- 
hauptmann von  Schheben.  Ferner  hatten  die  Stände  der  Ober-  und 
der  Niederlausitz,  die  Sechsstädte  und  zahlreiche  Gesellschaften  und 
Vereine  Deputationen  geschickt.  Nach  einer  Reihe  von  Beglück- 
wünschungs- Ansprachen  hielt  der  Sekretär  der  Gesellschaft  Professor 
Dr.  Jecht  die  Festrede.  Unter  den  anläfslich  der  Feier  ernannten 
Ehrenmitgliedern  der  Gesellschaft  nennen  wir  den  um  die  Ge- 
schichte der  Niederlausitz  verdienten  Archivrat  Dr.  Lippert  und  den 
bekannten  Dichter  Joh.  Andr.  Freiherrn  von  Wagner  (Joh.  Renatus) 
in  Dresden. 

Der  Verein  für  die  Geschichte  Leipzigs  zählt  z.  Z.  ca.  400  Mit- 
glieder Der  Vorstand  setzt  sich  zusammen  aus:  Oberlehrer  Ed. 
Mangner  und  Stadtbibliothekar  Dr.  Kroker  (i,  und  2.  Vorsitzender), 
Kauimannn  C.  Poll  (Schatzmeister),  Lehrer  Ed.  Bachmann  und  Buch- 
händler H.  Schulz  (i  und  2.  Schriftführer),  Direktorialassistent  Dr. 
Kurzwelly  (Sammlungsvorsteher),  Stadtrat  Dr.  Wagler  und  Pfarrer 
D.  Buchwald  (Beisitzer)  Im  vergangenen  Jahre  hielten  Vorträge 
Schulrat  Prof.  D.  Dr.  Müller  über  Leipziger  Orientfahrer  des  17.  Jahr- 
hunderts, Stadtbibhothekar  Dr.  Kroker  über  die  Entstehung  der 
Leipziger  Kommunalgarde,    Organist  Richter  über  das  Innere  der 


Nachrichten.  345 

alten  Thomasschule ,  Schuldirektor  Dr.  Pahner  über  Leipziger 
Schrebervereinsbestrebungen  vor  Schreber,  Direktorialassistent  Dr. 
Kurzwelly  über  das  Leipziger  Barock,  Dr.  Armin  Tille  über  eine 
Beschreibung  Leipzigs  aus  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts 
und  über  Leipziger  Handelsbücher  aus  dem  17.  und  18.  Jahrhundert, 
Pastor  Hanitzsch  über  die  Gründung  des  Thomasstiftes  und  der 
anderen  gottesdienstlichen  Stätten  Leipzigs,  Prof.  Dr.  Julius  Vogel 
über  Lenbach  und  seine  Gemälde  im  Leipziger  Museum,  Dr.  Paul 
Zinck  über  Leipziger  Lotterien.  Am  12.  Mai  wurde  ein  Studien- 
austlug  nach  Lausigk,  Geithain  und  Colditz  unternommen. 

Am  18.  Januar  beging  die  Museumsgesellscliaft  zu  Plauen  i.  V. 

ihr  zehnjähriges  Stiftungsfest.  Die  Gesellschaft  hat  die  satzungs- 
gemäfse  Aufgabe,  „alles  Volkstümliche  aus  alter  und  neuer  Zeit  im 
gesamten  Vogtlande  und  in  den  angrenzenden  Gebieten  zu  erhalten, 
zu  sammeln,  wissenschaftlich  zu  bearbeiten  und  das  Interesse  und 
Verständnis  dafür  zu  wecken".  Sie  veranstaltet  deshalb  von  Zeit 
zu  Zeit  Vortragsabende  und  hat  unter  dem  Namen  Vog^tläiider 
Museum  eine  stattliche  Sammlung  von  Bildnissen  und  Werken  her- 
vorragender und  verdienstvoller  Vogtländer,  darunter  auch  Original- 
werke vogtländischer  Künstler,  von  Landschafts-  und  Städtebildern, 
Büchern  und  Karten,  Autographen  und  Urkunden,  vogtländischen 
Ansichts-  und  Künstler-Postkarten,  Waffen,  Münzen,  Gegenständen 
der  kirchlichen  Kunst,  Modellen,  Innungsgegenständen,  Hausgeräten, 
Kostümen  und  Erzeugnissen  der  heimischen  Industrie  u.  dergl  m. 
zusammengebracht,  die  gegenwärtig  im  Obergeschofs  des  alten 
Handelsschulgebäudes  aufgestellt  und  seit  dem  vorigen  Jahr  jeden 
Sonntag  unentgeltlich  geöifnet  ist.  Die  Gesellschaft  besteht  zur  Zeit 
aus  426  Mitghedern;  den  Vorstand  bilden  die  Seminaroberlehrer 
Metzner  und  Edm.  Voigt  als  i.  u.  2.  Vorsitzender,  Kaufmann  Leippert 
als  Kassierer  u.  Archivar,  die  Bürgerschullehrer  Schmidt  und  Liebold 
als  I.  und  2.  Schriftführer,  Kaufmann  Buchbinder  und  Amtsrichter 
Dr.  Otto  als  i.  u.  2.  Museumsverwalter  und  6  Beisitzer.  In  11  vogt- 
ländischen Ortschaften  hat  die  Gesellschaft  Pfleger.  Anläfslich  des 
Stiftungstestes  erschien  als  erste  Veröffentlichung  der  Gesellschaft 
eine  hübsch  ausgestattete  Festschrift,  deren  Inhalt  wir  oben  in  der 
„Übersicht"  angegeben  haben 

Der  AltertuinsTerein  für  Zwickau  und  Umgegend  wurde  be- 
gründet am  8.  Dezember  1885  und  zählt  gegenwärtig  etwa  115  Mit- 
glieder. Mitglieder  des  Vorstandes  sind :  Prof.  Dr  Fabian,  Vorsitzen- 
der, Geh.  Kegierungsrat  Dr.  jur.  Ayrer,  stellvertr.  Vorsitzender, 
Pastor  Klotz,  Schriftführer,  Bankdirektor  Harms,  Schatzmeister, 
Gymnasialoberl.  Lic.  Dr.  Giemen,  Bibliothekar,  ferner  Landrichter 
Herold,  Baumeister  Frey,  Prof.  Dr.  Hofmann,  Prof.  Dr.  Langer. 
Vorträge  hielten  im  Winter  1903/4:  12  November  1903  Prof.  Dr. 
Lano;er  (Die  Bäckerinnung  von  Zwickau  um  die  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts und  Mitteilungen  aus  den  im  Knopfe  des  Seigerturms  am 
Gewandhaus  befindlichen  Papieren),  am  17.  Dezember  1903  Prof.  Dr. 
Fabian  (Die  Ergebnisse  der  2.  Zwickauer  Kirchenvisitation  1533),  am 
25.  Februar  1904  Prof.  Dr.  Fabian  (Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
Kornzölle,  unter  Bezugnahme  auf  zwei  Erlasse  des  Zwickauer  Rats 
von  1530  und  1531),  Dr.  Giemen  (Über  das  Zwickauer  Modellbuch) 
und  Prof.  Dr.  Langer  (Ein  Zwickauer  Maler  in  der  2.  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  und  Bericht  über  die  zahlreichen  im  Ratsarchiv 
aufgefundenen  Quittungen  aus  dem  15.  Jahrhundert). 


346 


Nachrichten. 


Die  diesjährige  Hauptversainmlung  des  Gesamtvereins  der 
deutscheu  treschichts-  und  Altertumsvereiue  fand  in  den  Tagen 
vom  8  bis  ii.  August  in  Danzig  statt.  Von  den  säch.sischen  Ver- 
einen waren  der  Kgl.  Sachs.  Altertums  verein  und  die  Altertumsver- 
eine zu  Freiberg  micl  Meifsen  sowie  der  Verein  für  sächsische  Volks- 
kunde vertreten.  Die  Lage  des  Versammlungsortes  macht  es  erklärlich, 
dafs  die  Verhandlungen  diesmal  die  Geschichte  Sachsens  kaum  be- 
rührten. In  den  allgemeinen  öffentlichen  Versammlungen  sprachen 
Stadtschulrat  Ur  Damus- Danzig  über  Danzig  in  Ge.schichte  und 
Kunst,  Prof.  Dr.  Krauske-Königsberg  übtr  König  Friedrich  Wilhelm  I. 
und  Archivrat  Dr.  Bär-Danzig  über  die  gesciiichtliche  Entwickelung 
der  Provinz  Westpreulsen  Von  Interesse  war  das  in  den  Abteilungs- 
verhandlungen erstattete  Referat  des  Archivrat  Prof.  Dr.  Warschauer- 
Posen  über  die  Erforschung  der  Geschichte  der  deutschen  Kolonisation 
im  Osten,  das  auf  eine  Reihe  auch  für  uns  wichtiger  Probleme  über 
die  mittelalterliche  Besiellung  der  Slavenländer  durch  Deutsche 
hmwies;  der  Korreferent  Oberlehrer  Dr.  Schumacher  ging  auf  die 
Kolonisation  Ostpreufsens  im  15.— 17.  Jahrhundert  näher  ein.  In  der 
5.  Abteilung  berichtete  Generalmajor  Frh.  v.  Friesen -Dresden  über 
die  Ciründung  des  Verbandes  deutscher  volkskundlicher  Vereine  und 
befürwortete'^  die  Beibehaltung  der  neuerdings  begründeten  volkt,- 
kundlichen  Abteilung  des  Gesamtvereins,  der  auch  allseitig  zuge- 
stimmt wurde.  Eingehende  Mitteilungen  über  die  Versammlung 
werden  die  im  Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins  und  in  Sonder- 
abdruck   demnächst    erscheinenden    Versammlungsberichte    bringen. 

Die  Stadt  JoLaung'eorg-enstadt  feierte  am  21.  bis  23. Februar  1904 
ihr  25ojähriges  Stadtjubiläum.  Es  fand  bei  dieser  Gelegenheit  eine 
Ausstellung  von  Altertümern  in  der  Aula  der  dortigen  Bürgerschule 
statt,  die  zur  Gründung  eines  Vereins  für  die  Geschichte  der  Stadt 
und  eines  Ortsmuseuras  den  Anlafs  gegeben  hat. 

In   der  neuerdings  abgebrochenen  Hospitalkirclic  zu  Rochlitz 

wurden  am  8.  April  die  Grüfte  geöffnet.  In  der  um  1700  angelegten 
Erbgruft  des  Bürgermeisters  Zschaasche  fanden  sich  Überbleibsel 
von  Särgen,  Skeletten  und  Kleidungsstücken,  auch  einige  Schmuck- 
stücke ohne  erheblichen  Wert.  Die  in  der  Mitte  befindlichen  Grab- 
steine sind  aus  dem  16.  Jahrhundert;  doch  sind  darunter,  soweit 
sich  ermitteln  liefs,  Personen  aus  dem  Ende  des  18.  und  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  beigesetzt  worden  Zwei  dieser  Grabsteine  gehören 
der'  Fanidie  Mathesius  an  (darunter  der  Rochlitzer  Bürgermeister 
Melchior  M.  f  1568).  Das  interessanteste  Stück  war  eine  Grabplatte 
aus  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts,  die  sich  bei  Umlegung  einer 
Tritt  platte  vor  dem  Altar  fand;  sie  zeigt  weder  Zahl  noch  Schritt, 
sondern  nur  ein  auf  einem  halbkreisförmigen  Bogen  stehendes  latei- 
nisches Kreuz  und  auf  dem  Stamme  des  Kreuzes  ruhend  ein  Wappen- 
schild mit  aufrechtem  Löwen,  belegt  mit  einem  schräglinken  Balken. 
Das  Kreuz,  das  sich  auch  auf  anderen  Grabsteinen  der  Rochlitzer 
Gegend  findet,  ist  wohl  das  Ordenskreuz  der  Deutschherren,  die  im 
benachbarten  Zschillen  ihren  Sitz  hatten,  das  Wappen  bezeichnet 
die  Familie  des  bestatteten  Ritters.  Endlich  zeigt  der  porphirne 
Altartisch  ein  Steinmetzzeichen  in  Gestalt  eines  Pfeils,  das  sich  auch 
am  Hauptportal  der  Kirche  zu  Penig  findet  und  der  Zeit  um  1500 
angehört,  ein  viereckiges  Loch  für  eine  Reliquienkapsel  und  im 
Innern  einen  stark  wurmstichigen  Holzkasten,  zu  dem  eine  zugesetzte 
und  überputzte  steinerne  Türöffnung  führt. 


Nachrichten.  ß^y 

An  der  Stätte  der  von  Markgraf  Wilhelm  I.  1402  eroberten  und 
teilweise  zerstörten  und  im  Laute  des  15.  Jahrhunderts  völlig  zer- 
fallenen Burg  Dohua,  wo  schon  im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts 
Nachforschuni^en  stattfanden,  hat  der  im  vorigen  Jahre  begründete 
Ortsausschufs  der  Stadt  Dohna  neuerdings  Nachgrabungen  veran- 
staltet. Dabei  wurden  auf  der  westlichen  Seite  des  Plateaus  Um- 
fassungsmauern eines  Gebäudes  und  eine  Pforte  freigelegt,  die  über 
2  Meter  im  Schutte  vergraben  lagen  Neben  Knochen  und  Scherben 
leils  aus  prähistorischer  ZJt,  teils  aus  dem  früheren  Mittelalter,  fanden 
sich  Pfeilspitzen,  Sporen,  Rüstungsteile  untl  anderes  Eisengerät,  ein 
geschnitztes  Hornbüchschen,  ein  Scheidenfragment  für  Dolch  oder 
Hirschfänger;  die  Fundstücke  sind  im  Schiefshause  zu  Dohna  ausge- 
stellt. Im  Herbst  sollen  weitere  Ausgrabungen  voro;enommen  werden, 
die  hoffentlich  den  Grundrifs  der  Burg  feststellen  lassen  werden. 

Baurat  Tb.  (^lU'iitiu  in  Pirna  wendet  sich  in  einem  Artikel  über 
die  Neubauten  auf  dem  Sonnenstein  (Pirnaer  ^Anzeiger  vom  13.  Sep- 
tember 1904)  gegen  die  Kritik,  die  neuerdings  an  diesen  Bauten 
geübt  worden  ist,  und  gegen  den  Vorwurf  einer  Zerstörung  des 
Stadtbildes  durch  sie.  Er  knüpft  daran  allgemeine  Bemerkungen 
über  „sportartige  Entwicklung  der  Altertümelei",  auf  die  einzugehen 
wir  keine  Veranlassung  haben.  A1)er  wenn  hier  als  abschreckendes 
Beispiel  angeführt  wird:  „Man  verlangt  z.  B.  allen  Ernstes,  alle 
Weo;kreuze,  Martersäulen  etc.  sollen  nach  Dresden  in  das  Alter- 
tumsmuseum gebracht  werden",  so  ist  die  Frage  wohl  berechtigt, 
wer  dieses  „man"  eigentlich  ist.  Dafs  weder  im  Kgl.  Sächsischen 
Altertumsverein,  an  tlen  man  zunächst  denkt,  weil  das  Äluseum  ihm 
gehört,  noch  überhaupt  in  fachmännischen  Kreisen  ein  so  unsinniges 
Verlangen  je  geäufsert,  sondern,  wenn  von  einer  „Sammlung" 
solcher  Wegkreuze  usw.  die  Rede  war,  nur  an  Sammluno;  von  Ab- 
bildungen credacht  worden  i.^t,  weil  selbstverständlich  diese  Werke 
ihren  o;eschichtlichen  Wert  oder  auch  ihren  „poetischen  Reiz"  mit 
ihrer  Entfernuns:  von  ihrem  Standorte  zum  guten  Teile  verlieren, 
bedarf  für  den  Einsicht io^en  kaum  einer  Bemerkung. 

Auf  dem  vierten  deutsclieii  Archivtage,  der  am  8.  August  in 
Danzig  abgehalten  wurde,  hielt  Staatsarchivar  Archivrat  Dr.  Bär- 
Danzig  einen  Vortrag  über  gesetzliche  Regelung  des  Schutzes  von 
Archivalien  und  der  Beaufsichtigung  nicht  fachmännisch  verwalteter 
Archive  und  Registraturen.  Der  HerausiCeber  dieser  Zeitschrift,  der 
mit  einem  Korreferat  beauftragt  war,  benutzte  diese  Gelegenheit, 
um  eingehend  die  Mafsregeln  zu  besprachen,  die  in  Sachsen  während 
der  letzten  Jahrzehnte  für  die  Erhaltung  und  Ordnung  der  Stadt- 
archive getroffen  worden  sind;  auch  die  Archive  der  Behörden, 
der  Landgemeinden,  der  Pfarren  und  die  Privatarchive  wurden 
besprochen.  Die  eiuireleitete  und  teilweise  durchgeführte  Oro;ani- 
sation  wurde,  wie  mit  B.jfriedi>iung  festzustellen  war,  in  mehrfacher 
Beziehung  als  mustergültig  und  nachahmenswert  anerkannt.  Die 
übrigen  Verhandlunsjen  des  Archivtages  (Vorträge  über  die  Begrün- 
dung des  Danziger  Staatsarchivs,  über  die  Eni  Wickelung  des  Geheimen 
Staatsarchivs  in  Berlin  sowie  ül)er  die  Verwendung  des  Zapons  in 
der  Industrie  und  für  die  Erhaltung  von  Archivalien)  kommen  hier 
nicht  in  Betracht. 

Die  Stadtarchive  der  Amtshauptmannschaften Schwarzenberg 
und  Zwickau  wurden  in  der  Zeit  vom  18.  —  30.  Juli  von  Ober- 
regierunosrat  Dr.  Ermisch  revidiert.    Von  den  14  Siädtcn  dieser  Be- 


348  Nachrichten. 

zirke  haben  einige  wie  Aue,  Schneeberg,  Schwarzenberg  vorzüghch 
geordnete  und  untergebrachte  Archive;  bei  den  meisten  genügte  der 
Zustand  und  waren  nur  einzelne  Änderungen  und  Nachtragungen 
vorzuschlagen;  tiefergreifende  Neuordnungen  mufsten  in  Johann- 
georgenstadt,  Löfsnitz  und  Wildenfels  empfohlen  werden.  Das  weit- 
aus reichste  Archiv  der  Gegend,  das  der  Stadt  Zwickau,  wird  gegen- 
wärtig unter  Leitung  des  Professor  Dr.  Langer  neu  geordnet;  es  sind 
dabei  bereits  eine  Reihe  interessantei*  Funde  gemacht  worden,  die 
in  dem  gegenwärtig  von  Dr.  Kunz  von  Kauffungen  bearbeiteten  Ur- 
kundenbuch  der  Stadt  Zwickau,  einem  Teile  des  Codex  diplomat. 
Saxon.  regiae,  verwertet  werden  sollen.  Die  Archive  der  anderen 
Städte  reichen  kaum  ins  16.,  manche  nicht  über  das  17.  Jahrhundert 
zurück;  Löfsnitz  und  Crimmitschau  haben  bereits  vor  längerer  Zeit 
die  älteren  Urkunden,  die  sie  besitzen,  unter  Vorbehalt  des  Eigen- 
tumsrechts der  Stadt  an  das  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  abgegeben. 
Mit  der  Revision  der  Ratsarchive  wurde  ein  Besuch  der  (10)  Amts- 
gerichtsarchive verbunden  und  dabei  vor  allem  auf  die  vor  dem 
17.  Jahrhundert  angelegten  Kauf-,  Handels-,  Lehn-,  Consensbücher  und 
andere  zur  Abgabe  an  das  Hauptstaatsarchiv  geeignete  Urkunden 
und  Akten  geachtet.  Die  ältesten  und  wichtigsten  Stücke,  die  sich 
bei  dieser  Gelegenheit  fanden,  waren  ein  Crimmitschauer  Gerichts- 
buch 1483 — 1532  und  ein  Crimmitschauer  Stadtbuch  1494—  1513;  beide 
sind  lange  vermifst  worden  (vo-l.  diese  Ztschr.  X,  123 f.).  Endlich 
wurden  auch  die  Ephoral-  unu  Pfarrarchive  besichtigt.  Während 
die  Ephoralarchive  zu  Schwarzenberg,  Werdau  und  Zwickau  in  guter 
Ordnung  sind,  kann  man  das  leider  von  der  Mehrzahl  der  Pfarrarchive 
nicht  sagen;  sowohl  ihre  räumliche  Unterbringung  als  namentlich 
ihre  Ordnung  und  Repertorisierung  lassen  vielfach  zu  wünschen  übrig. 

Unter  dem  Titel  „Aus  den  Repertorieii  des  Freiherrlicli  von 
Friesenscheu  Archivs  zu  Rötba"  ist  soeben  eine  Inhaltsübersicht 
über  dieses  reichhaltigste  der  Familienarchive  Sachsens,  das  nament- 
lich zahlreiche  wichtige  Akten  und  Korrespondenzen  zur  politischen 
und  Kriegsgeschichte  des  17.  und  1 8.  Jahrhunderts  enthält,  erschienen, 
durch  die  seine  Benutzung  wesentlich  erleichtert  wird.  Der  der- 
zeitige Besitzer  der  Fideikommifsherrschaft  Rötha,  Kammerherr 
Freiherr  Heinrich  von  Friesen,  ist  bereit,  einzelne  Aktenstücke  zur 
Benutzung  für  Forscher,  die  darum  ansuchen,  leihweise  an  das  Haupt- 
staatsarchiv in  Dresden  oder  eine  andere  öffentliche  Anstalt,  welche 
die  nötige  Sicherheit  leistet,  zu  schicken. 

Seine  Exzellenz  der  General  der  Infanterie  z.  D.  Curt  von  Raab, 

der  erste  Vorsitzende  des  Kgl.  Sächsischen  Altertumvereins,  feierte 
am  15.  Juli  auf  seinem  Landhause  Elsenlinde  zu  Leubnitz  i.V.  seinen 
70.  Geburtstag.  Mit  Rücksicht  auf  seine  mannigfachen  Verdienste 
um  die  vaterländische  Geschichte,  insbesondere  um  die  Geschichte 
des  Vogtlandes,  verlieh  ihm  bei  dieser  Gelegenheit  die  philosophische 
Fakultät  der  Universität  Leipzig  die  Würde  eines  Doktors  der 
Philosophie  h.  c.  Namens  des  Kgl.  Sächsischen  Altertumsvereins, 
des  Altertumsvereins  zu  Plauen  i.  V.,  des  vogtländischen  altertums- 
forschendenVereins  zuHohenleuben  und  des  Geschichts- und  Altertums- 
vereins zu  Schleiz  wurde  ihm  eine  Festschrift  unter  dem  Titel  ,, Vogt- 
ländische Forschungen"  mit  Beiträgen  von  Archivrat  Dr.  Berthold 
Schmidt  in  Schleiz,  Rektor  Prof.  Dr.  Angermann  und  Konrektor 
Prof.  Dr.  W.  Fischer  zu  Plauen  im  Vogtlands  und  dem  Herausgeber 
dieser  Zeitschrift  überreicht. 


Nachrichten.  349 

Durch  den  unerwarteten  Tod  des  Geh.  Hofrat  Professor  Dr. 
Friedrich  Ratzel  (geb.  30.  August  1844,  f  9.  August  1894)  hat  auch 
die  Kgl.  Sächsische  Kommission  für  Geschichte  emen  schweren  Ver- 
lust erlitten.  Auf  den  Lebensgang  und  die  Lebensarbeit  des  grofsen 
Geographen,  der  18  Jahre  lang  zu  den  hervorragendsten  Zierden 
der  Universität  Leipzig  gehört  hat,  müssen  wir  uns  versagten,  hier 
näher  einzugehen,  da  die  Geschichte  Sachsens  seinem  Arbeitsgebiete 
fem  lag. 

Wohl  in  allen  Städten  Sachsens,  sogar  in  gröfseren  Dörfern 
war  es  Brauch,  die  kirchUchen  Nachrichten  am  Ende  des  Jahres  auf 
besondere  Zettel  drucken  und  als  sogenannte  Neujahrszettel  ver- 
teilen zu  lassen.  Es  wurde  dies  von  dem  Kirchner  besorgt  und  die 
dafür  erhaltene  Spende  gehörte  mit  zu  seinem  Einkommen.  In 
Geyer  läfst  sich  die  Herausgabe  solcher  Zettel  bis  1799  zurückver- 
folgen. Die  Neujahrszettel  enthielten  die  Zahl  der  Getauften,  der 
Aufgebote,  der  Trauungen,  der  Beerdigungen,  der  Kommunikanten 
und  Rückblicke  auf  die  Zeit  vor  100  und  200  Jahren  und  mehr,  je 
nachdem  es  die  Kirchenbücher  gestatteten.  Gröl'seren  Wert  erhielten 
die  Neujahrszettel  durch  das  Hinzufügen  der  hervorragenden  Orts- 
ereignisse des  verflossenen  Jahres.  In  manchen  Jahren  fügte  der 
Ortspfarrer  oder  sonst  ein  mit  der  Ortsgeschichte  Vertrauter  eine 
Episode  aus  der  Lokalgeschichte  hinzu;  so  wurden  die  Neujahrs- 
zettel zur  Ortschronik  und  als  solche  in  den  Familien  aufbewahrt. 
Mit  der  Fixierung  der  Einkünfte  des  Kirchners  (in  Geyer  1878) 
unterblieb  in  vielen  Orten  die  Herausgabe  der  Neujahrszettel,  man 
begnügte  sich  mit  dem  Verlesen  der 'Kirchennachrichten  am  Neu- 
jahrstäge  in  der  Kirche  und  dem  etwaigen  Abdrucke  im  Lokalblatt. 
Zur  Freude  der  Interessenten  für  die  Ortsgeschichte  nahm  in  Geyer 
der  evangelisch-lutherische  Männer-  und  Jünglingsverein  die  Heraus- 
gabe der  Neujahrszettel  mit  dem  Jahre'  1893  freiwillig  wieder  auf. 
Seine  Nachrichten  aus  den  Kirchenbüchern  der  Stadt  Geyer  ent- 
halten nicht  blofs  die  kirchlichen  Ereignisse,  in  denen  sämtliche 
Erwachsene,  die  im  verflossenen  Jahre  heimgegangen  sind,  nament- 
Hch  aufgeführt  sind,  sondern  es  ist  auch  genügend  Raum  zu  einem 
Aufsatz  aus  der  Vergangenheit  der  Stadt  gelassen  worden.  Im 
Volkston  sind  diese  Arbeiten  gehalten,  entbehren  jedoch  durchaus 
nicht  des  streng  historischen  Hintergrundes.  Im  Laufe  der  Jahre 
erschienen  u.  a.:  Geyer  während  des  dreifsigjährigen  Krieges,  Die 
grofse  Glocke  in  Geyer,  Salzburger  Emigranten  ziehen  durch  Geyer, 
Unsere  Hospitalkirche,  Denkwürdige  Bäume  um  und  in  Geyer.  — 
Nur  zu  begrüfsen  wäre  es,  wenn  auch  andere  Städte  wieder  für  die 
Herausgabe  der  Neujahrszettel  einstehen  würden,  sie  dienten  sicher 
zur  Belebung  des  Sinnes  für  die  Ortskunde. 

Geyer.  Hermann  Lungwitz. 

Unter  dem  Titel  Was  die  Heimat  erzählt!  läfst  der  als  Pfleger 
der  Heimatsgeschichte  wohlbekannte  Kantor  Fr.  Bernh.  Störzner  ein 
Werk  erscheinen,  das  Sagen  und  Geschichtsbilder  aus  allen  Teilen 
Sachsens  enthält  und  als"  Lehrmittel  beim  heimatkundlichen  Unter- 
richt der  Volksschule,  sowie  als  Haus-  und  Familienbuch  dienen  soll. 
Hübsche  Illustrationen  von  Prof.  O.  Seyffert  und  Maler  F.  Rowland 
gereichen  dem  Werke  zur  Zierde.  Vom  ersten  Bande,  Ostsachsen, 
liegen  bis  jetzt  7  Lieferungen  vor,  die  an  Abonnenten  zu  dem  billigen 
Preise  von  je  25  Pf.  abgegeben  werden;  der  vollständige  Band  wird 


35° 


Nachrichten. 


22  Hefte  umfassen  und  5  Mark  kosten.  Das  \\'erk,  auf  das  wir  s.  Z. 
zurückkommen  werden,  kann,  wenn  es  aucli  wissenscliaftlichen  Wert 
nicht  licsitzt,  doch  für  den  Zweck,  den  es  im  Auge  hat,  nur  wann 
em}ifolilen  werilcn. 

Das  Korresi)oiulenzl(lutt  des  <''osaiutvt'roiiis  »Irr  (loutscli<>ii 
fieschic'lits-  und  Altortumsvcroiuo,  lierausgegeben  im  Auftrage  des 
Gesamtvereiiis  von  Dr.  liiiilleu.  Geheimer  Archivrat,  das  aufser  Mit- 
teihmgen über  Angelegenheiten  des  Gesamtvereins  geschichthclie 
Abhandhmgen,  NachiiclUen  über  die  Wirksamkeit  tier  einzehien 
Vereine,  über  historische  Museen,  Archive,  Denkmalschutz  und  Denk- 
malptlege,  vorgeschichtliche  und  römisch -germanische  Forschungen 
und  Funde,  Orts-,  Flur-  imd  Personennamenforschung  u.  a.  bnngt 
und  monatlich  in  iler  Stärke  von  2'  ,,  Bogen  ersclitiiit,  wird  an  Mit- 
glieder der  dem  Gesamtverein  angehörigen  \'ereine  zum  Preise  von 
3  (statt  5)  Mark  für  den  Jahrgang  bei  Bezug  von  mindestens  5,  zum 
Preise  von  2  Mark  bei  Bezug  von  mindestens  30  Exemjilaren  ab- 
gegeben. Die  F.xemplare  zu  ernu'ifsigteni  Preise  sind  ilurch  die 
Vereinsvorstände  bei  der  Kgl.  Holbuchhandlung  von  E.  S.  Mittler 
&  Soim  (^ Berlin  SW.  12,  Kochstrafse  68 — 711  zu  bestellen,  durch  die 
auch  Probenununern  zu  beziehen  sind. 

Die  DeiitscliPii  Gleschichtsblätter,  Monatsschrift  zur  Förderung 
der  lande.sgeschichtlichen  Forsclumg,  herausgegeben  von  Dr.  Arnim 
Tille  (.Gotiia,  Frieilrich  Andreas  Perthes\  können  die  Mitglieder  von 
historischen  N'ereinen,  sofern  mindestens  10  Exemplare  bestellt 
werden,  zum  Preise  von  4,50  Mark  statt  6  Mark  für  den  Jahrgang 
von  20  Bogen  beziehen. 

\on  tUr  HesclireilMMMleii  DarsloUniia:  «lor  ältoroii  Itan-  iiiiil 
Kuustdenkmälor  des  Köiiiürreichs  Sacll^c!l,  unter  Mitwirkung  des 
Kgl.  Sachs.  Altertumsvereins  herausgegeben  vom  Kgl.  Sachs  Mi- 
nisterium des  Innern,  werden  dem  Kgl.  Sachs.  Altertumsverein  eine 
Anzahl  Exemplare  jeden  Heftes  zur  Abgabe  an  seine  Mitglieder  für 
den  halben  Ladenpreis  zur  Verfügung  gestellt  Sie  können 
durch  ilen  Schriftführer  des  Vereins,  Obeircgierungsrat  Dr.  P>nii.>«ch, 
bezogen  werden.  \'on  den  bisher  erschienenen  Heften  sind  n(.>ch 
vorhanden  die  Hefte  2,  15  —  25. 


Register. 


Adlerfeld,     sthwed.     Geschicht- 

Schreiber  233. 
Aijricola,  Georg  34.  39.  51. 
Albrecht,  Hzg.  v.  Braunschweig- 

Salze  221. 
„  Bisch.  V.  Halbcrstadt  210. 
Alesius,  A.,  Prot,  in  Leipzig  71. 
Alexander  1.,  Kaiser  v.  Rulsland 

142. 
Algawer,  Georg,  Büchsenmeister 

oder  -gieisc'r  in  Zwickau  40. 
Allsleben,  Heinr.  Burchard,  Zinn- 

giefser  in  Zittau  6 
Altdnbern,  Kreis  Kalau  267!  272. 

27tif.  28411'. 
Altenberg  3 
v.Altenburg,Nikol.(Schinden]ans), 

Pfarrer  in   üelsnitz   u.  Proto- 
Ifiiotar  217  iT.  222.   225. 
Altertunisverein,  K. Sachs.  201 .  344. 
Altmannsgrün  b.  Treuen  38 
Altranstädt  232.   234.  257.  261. 
Ammann,  jost  312. 
Andreae,  C'hr.  Gottl ,  Zinngiefser 

in  Freiberg  29!'.  311. 
Andreas,     Schreiber     des     Hof- 
richters 225. 
Anhalt  s.  Wolf. 
Anna,  T.  Kf.  Moritz.  Gem.  Hzg. 

Wilhelms  v.  Oranien  77. 
Annaberg    5.    14!'.    18 If    43.    235. 

303.   306    309 
„  Verein  für  Geschichte   202. 
Antwernen  74  f. 
Apell,    Nicdl.,    de    Konigshoffen, 

Dekan  der  Artistenfakultät  in 

Leipzig  304. 
Archivtag  347. 
Auerbach   1).  Zwickau  44. 
August,   Kf.  V.  Sachsen  20 f   70!. 


August  d.  Starke  s.  Friedr.  August. 
Auguste,  Sachs  Prinzessin  165. 
Augustusburg  235. 

Bachstett  (Back-,  Badstedt),  Bene- 

dix,  Zinngiefser  in  Dresden  27. 
Balthasar,  Landgraf  v.  Tiiüringen 

222.  225.  227. 
Bamberg  s.  Ludwig. 
Bärensprung,    Laurent.,    Bürger- 

mstr.  in  Zwickau  47. 
Bautzen  29. 
Bayer(C'ubito,Cubitensis),Wenzel, 

"Meiliziner,  dann  Stadtschreiber 

in  Stafsfurt   302!. 
Beham,  Hans  Sebald   16  f.  21.  23!". 
Pjtrlin,  Nikolaikirche   14. 
Bernauer  283.  288. 
Berndt  121. 

Beza,  Tlieodor,  in  Genf  77. 
V.  Biebra,  Oberst,  Generaladjutant 

270  ff. 
Bischofswerda  29. 
IMüniner,  Legat  ionsrat  121. 
Bobritzscherj  Joli.,  Bergschreiber 

in  Freiberg  218.  223. 
Bocksjjerger,  Hans  312. 
Bodenschatz,  Andr.   148 
Bcihmen  s.  Johann. 
Bollensdort  b.  Dahme  268. 
Bt)logna   211. 
Borna  56. 
V  Böse,  Graf,  Minister  der  ausw. 

Angel    102 ff.  III.  115.  122.  125. 
,,  „  Leutnant   103.   120. 
Bourgoing  104 
Ikateau,  Jules,   Zinnmodelleur  in 

Paris  7. 
Braunscliweig  s.  Albrecht,  Fried- 
rich Wilhelm,  Philipp. 


352 


Register. 


V.  Breitenbach  s.  Carlowitz. 

Brenz,  Joh.  77. 

Breuer,   Chrn.  Aug.,  Zinngiefser 

in  Zittau  6 
Breughel  282. 
Briot,  Fran(;ois,  Zinngiefser  4.  10. 

308. 
V.  Brühl,  Aloysius Graf,  Kronfeld- 
zeugmeister  272. 

„  Heinrich  Graf,  sächs.  Minister 
264  ff. 

„  Heinrich  Graf  272. 

„  Karl  Adolf  Graf  272. 

„  Moritz  Graf  272. 

„  s.  a.  Mniszeck. 
Buchholz,  Kirche  19.  28 

„  Geschichtsverein  202. 
V.  Bünau,  Major  294. 

„  s.  a.  Heineken. 
Bürgehi  42. 
Burgwerben  210. 

Calvin  77 

Camerarius,  Joachim  68.  71. 

„  Ludwig  68.  731". 
V.  Carlowitz,  Brigitte  geb.  v.Drax- 
dorff  73 

„  Cristof  73.  75.  80. 

„  Clara     geb.     v.     Breitenbach, 
Wwe.  Heinrichs  v.  Gersdorf  73 
Cerrini  131. 
v.  Charpentier,  Caroline  96.  123 f. 

^43- 
Chemnitz,  Verein  für  Geschichte 

203. 

Clauder,  Geh.  Kriegsrat  272  ff. 

Clemens  VI.,  Papst  210. 

Colditz  27. 

Cossebaude  b.  Dresden  222. 

Courtray  146. 

Cranach,  Lukas,  d.  alt.   282.  306. 

Crimmitschau  2. 

Cubitensis,  Joh.  Honorius  (Joh.  Er- 
hardi  oder  Pannificis  aus  El- 
bogen),  Prof.  in  Leipzig  297  f. 
„  Cubito  s.  Bayer,  Schindler. 

Culitzsch  b  Zwickau  43. 

Curia,  Nikol.,  Prof.  in  Leipzig  304. 

Danner,  Leonh.  17. 
Davoust,  Marschall  loiff. 
Delitzsch  234. 

Dietrich   d.  Weise,    Markgraf  v. 
Meifsen  150. 


Dippoldiswalde  235. 
Döbeln  235. 
Dohna,  Burg  347. 
Dommiere,  franz.  Oberst  99. 
v.  Draxdorf  s.  Carlowitz. 
Dresden    i  f .   7.   13!   26.   28.   3 2  f. 
262.  291.  312. 

„  Kunstsammlungen  264 ff. 

„  Schlofs  13. 

,,  Tierärztl.  Hochschule  85. 

„  Verein  f.  Geschichte  202.  344. 
Droyfsig  235. 
Dürer,  Albr.  282.  306. 
Dürrenber^  b.  Merseburg  267. 
Dyherrn,  General  132. 
V.  Dziembowsky,  Hauptmann  145. 

V.  Eckartsberga,  Joh  ,  markgräf  1. 
Notar  220  ff. 

Edmann,   J.   G. ,    Zinngiefser    in 
Bautzen  29. 

Eger  38.  43. 

Ehrentriedersdorf  3. 

Ehrlinger,  Geh.  Legationsrat  119. 
124. 

Eibenstock  3. 

V.  Eickstedt,  Dietr.,  Generalmajor 
267. 

Eilenburg  148. 

Eimbecker  Bier  43. 

Einsiedel,    Graf,     Gesandter     in 
Paris  120  f. 

Eisenach  210.  214.  219. 

Elisabeth.  Gem.  Markgraf  Fried- 
richs d.  Freid.  216. 

EUiger,  O.  282. 

Enderlein,  Casp.  4.   10.  15.  308. 

Erfurt  38. 
„  Severistift  210.  224. 

Ering,  Christof  303. 

Federangel,  Hans  44. 
Felsch,  Jakob,  Bildhauer  12. 
Ferber,  Geh.  Finanzrat  iio. 
„  Hof- u.  Justizrat  27off. 
Ferdinand  IIL,  Kaiser  307. 
V.Fink,  preufs.  Generalmajor  291. 
Flacius  lUyricus  71. 
Flötner,  Peter,  in  Nürnberg  4.  9. 

i2ft'.  17  ff. 
Forst  i.  d.  Nied.-Lausitz  267.  283. 
Forster,   Joh.,    Mag.,    Lehrer    in 

Zwickau  58. 
Fournier  d'Albe,  franz.  Oberst  99. 


Register. 


353 


Frantze,    Albr. ,     Zinngiefser    in 

Dresden  26.  28.  311. 
Franz,  Hzg.  von  Lüneburg  48. 
Freiberg  iff.  14.  i6f.  2<)i.  43.  2i7f. 
235.  3iif. 
„  Altertumsverein  203. 
„  Altertumsmuseum  205. 
Friedland,  Schlacht  bei    100  f. 
Friedrich    (Tutta),     Markgraf    v. 
Meifsen  150. 
„  (d.  Ernste),  Markgraf  v.  Meifsen 

210.  213.  223. 
„  (d. Strenge),  Markgraf  v. Meifsen 

215  ff. 
„  (d.  Weise),  Kurf.  v.  Sachsen  32. 
„  III.,  Kaiser  32.  37. 
„  V.,  Kurf.  V.  d.  Pfalz  68. 
„  II.,  König  V.  Preufsen  89. 
Friedrich    August    I  ,     Kurf.    v. 
Sachsen  (August  II.,  König  v. 
Polen)  237  ff. 
„  „  IL,  Kurf.  v.  Sachsen  (August 
III.,  König  V.  Polen)  269!  287. 
„  „  III.  (L),  Kurf.,  dann  König  v. 
Sachsen  104 f.  iiof   119.  124 ft". 
131.  142.   i63ff'.  274.  288.  292t. 
Friedrich     Christian ,      Kurf.     v. 

Sachsen  269 ff.  278. 
Friedrich    Wilhelm    I.,     Hzg.    v, 
Sachsen -Altenburg,    Admini- 
strator 310. 
Friedrich  Wilhelm,  Hzg.  v.  Braun- 
schweig 114. 
Frifsner,  Andreas ,  Dr. ,  v.  Wun- 
siedel  297! 
„  Erasmus,  Dominikaner,  vWun- 
siedel  297!". 
Frh.   V.   Fritsch,    Thomas,    Kon- 
ferenzminister 91.  269.  274.  291. 
Frohburg  221. 

V.Funk,   General   loif.   105.  115. 
117.  122.  i3off. 


Frh.  V.  Gartenberg,  Geh.  Rat  265  f. 

271  f.  290  f. 
Gebirgsverein  für  die  Sächsische 

Schweiz  204. 
Geising  5.  28. 
V.   Geithain,    NikoL,    markgräfl. 

Notar  215. 
Gengenbach,  Cunigunde  148. 
,,  Dorothea  149. 
„  Peter,  in  Leipzig  i48f 
Genthe,  Julie,  Bildhauerin  7. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XXV.    3.  4. 


Georg,  Hzg.  v.  Sachsen  148.  159. 

303. 
Georgi,  Kabinetssekretär  115. 
Gera  38. 
V.  Gersdorf,    Carl  Friedr.  Willi. 

Graf,  General  108.  115  ff.  i29ff. 

139- 
„  s.  a.  Carlowitz. 

Gesamtverein  der  deutschen  Ge- 
schichtsvereine 204.  346.  350. 

Gesellschaft  für  Sachs.  Kirchen- 
geschichte 343. 

Gesellschaft,  Öberlausitzer,  der 
Wissensch.  202.  344. 

Gessi,  Fran9.,  Maler  281. 

Geyer  3.  349. 

Giordano,  Luc.  281. 

Glauchau  38. 

V.  Globig  100. 

V.  Goch  (Lamperti),  Dietr.,  Dekan 
zu  Meifsen  217.  220. 

Godskowsky,  Bankier  in  Berlin 
280    282." 

V.  Görres,  Prof.  143.  145. 

Gorschell,  Bartel,  Zinngiefser  in 
Dresden  27. 

Görz,  Oberst  258! 

Gotha  216. 

Gräfenhainichen  235. 

Gregor  XL,  Papst  220. 

Grimma  148    222.  224.  234. 
„  Geschichts-  u.  Altertumsverein 
203. 

Gröbern  b.  Meifsen  215. 

Grofs,  Bildhauer  in  Dresden  8. 

Grofse,    Gregorius,    v.   Dresden, 
Domherr  m  Meifsen  214. 
„  Reinfried,  Bergmeister  in  Frei- 
berg 223. 

Grofsenhain  213.  226.  235.  249^ 

V.  Grünewald  136. 

Grünhain  5  5  ff. 

Grünthal,  Kupferhammer  19. 

Guichard,  franz.  Oberst  99. 

Günter  (Hans,  Heinr. ,  Matthäus, 
Paul ,  Samuel) ,  Zinngiefser- 
familie  in  Freiberg  i  f.  16.  311  f. 

Guntherus  notarius   226  ff. 

Gutakowsky,  Graf,  Präsident  des 
Conseil  104. 

Gutschmid ,     General    119!    132. 

134  ff. 
„  Hof-  u.  Justizrat,  Bürgermstr. 

von  Leipzig  269.  273. 
Güttel,  Kaspar  55. 

23 


354 


Register. 


Hadorff,  schwed.  Kriegsfiskal  249. 

V.  Hagedorn,  Christ.  Ludw.,  Geh. 
Legationsrat  266.  278. 

Hagenauer,  Friedr.,  Medailleur  in 
Augsburg  310. 

Hainpol,  Joh.  (Janus  Cornarius)63. 
„  Wolf  63. 

V.  Hakebrun,  Albr.  227. 
„  Ludw.  Z27. 

Halberstadt    224    s.   a.   Albrecht, 
Ludwig. 

Harscher,   Martin,  Zinngiefser  in 
Augsburg  20  f. 

Hausius,  Joh.   Friedr.,    Kammer- 
rat 2651.  268.  271Ö".  284.  29lff. 

Hausmann,  Nikol. ,  Superattendent 
in  Zwickau  33.  55. 

V.  Heineken,   Friederike   Magda- 
lene,  verw.  v.  Bünau  294. 
„  Karl  Heinrich,  Geh.  Kammer- 
rat 264  ft". 

Heinicken,  Major  i2of. 

Heinrich  (d.  Erlauchte),  Markgraf 
V.  Meifsen  149 
„  (d.  Fromme),   Hzg.  v.  Sachsen 

47-   149- 
„  Notar  d.  Markgrafen  Balthasar 

222. 
Helt ,    Georgius    (Forchamensis), 

Mag.  305. 
Hennicke,  Graf,  Konferenzminis- 
ter 88.  290. 
V.  Hennig,  preufs.  Major  291. 
Hentschel,  Bildhauer  in  Meifsen  8. 
Hermann,    Albr.,    Zinngiefser    in 

Leipzig  28. 
V.  Hermannsgrün,  Konrad  227. 
Herrmannsgrün     b.    Neudek     in 

Böhmen  299. 
Hertz,  P.  112. 
Hefshusen,  Tilemann  77. 
V.  Heucher,  Hofarzt  264. 
Heyme,    Chrn.    Gottfr. ,    Hofrat, 

Bürgermstr,  in    Dresden    128. 

135.  140. 
Hof  38. 

Hohenmölsen  234. 
V.  Hohnstein,  Graf  Heinrich  d.  J., 

221. 
Hollfeld,    Melchior,    Graveur   in 

Bautzen  29. 
V.  Honsberg,    Dietr.,    Marschall 

217    220. 
V.  Hopfgarten,   Kabinettsminister 

116.  119. 


Horchaimer,    Nikol.,    Zinngiefser 

in  Nürnberg  4. 
Hosang,    Joh.,     Geleitsmann    in 

Leipzig  221. 
Humelius,  Joh.,  Professor  68  flf. 


Imhoff,  Geh.  Rat  239. 
Innocenz  VL,  Papst  213.  216. 

Jahna  b.  Meifsen  262. 

Jan,  Joh.,  Geleitsmann  in  Eisenach 

219. 
Jena  42. 

„  Schlacht  bei  97!  loi. 
Joachimsthal  302!  307!'. 
Johann  (d    Beständige),   Kurfürst 
V.  Sachsen  47  f. 
„  König  V.  Böhmen  210. 
„  Bischof  V.  Naumburg  34. 
Johann  Friedrich  (d.  Grofsmütige), 
Kurfürst  v.  Sachsen  33.  41.  46. 
48.  307.  310. 
„  „  (d.Mittl.),  Hzg  V.Sachsen  71. 
Johanngeorgenstadt  346. 
Johnson,  Ed.  207. 
Joseph  I.,  Kaiser  257. 
Junge,  Ludw.,  Kammerschreiber 

v.Just,'  Wiih.,  Geh.  Rat  96  ff. 
Jüterbogk ,    Fürstenzusammen- 
kunft (1561)  79 f. 

Kaiisch,  Schlacht  bei  257. 

Kamenz  235. 

Kandier,  Hans  Georg,  Zinngiefser 
in  Leipzig  25. 

Kantz,  Familie,  in  Annaberg  20. 

Karl  IV.,  Kaiser  32.  210. 
„  XII ,  König  v.  Schweden  236 ff. 

Karl  August,  Grofshzg.  v.  Sachsen- 
Weimar  142. 

Katharina,  Gem.  Markgraf.  Friedr. 
d.  Strengen  219. 

Kel,  Hans,  aus  Kaufbeuren  310. 

Keller,  Graf  122. 

Kirchberg  s.  Wallhausen. 

Kleinjauer,  Kreis  Kalau  267. 

Klingguth  283.  288. 

v.  KUtzing  auf  Reddern  285  f. 

V.Klotz,  Friedr.,  Premierleutnant, 
144! 

Kohl,   Abr.  Gottl.,  Zinngiefser  in 
Bautzen  29. 


Register. 


355 


Köhler,  Akzisrat  274. 
„  Job.  Aug.  Ernst  207. 
Kolh,  Joh.,  Subvicecancellarius  d. 

Universität  Leipzig  304. 
Kommission,  Kgl.  Sachs.,  f.  Gesch. 

198  ff. 
„  Kgl.,  z.  Erhaltmig  der  Kunst- 
denkmäler in  Sachsen  200  f. 
V.  König,    Directeur  des  plaisirs 

268.  271.  283 
Königstein  26.  28.  292.  311. 
V.  Kottwiz,  Günther  216. 
„  Heinrich,   Kanzler    2150.  225. 

227. 
Kottbus  127.  134. 
Kötzschenbroda  42. 
Krische,  Peter,  Graveur  in  Bautzen 

29. 
Krummenhennersdorf  311. 
Kun,  Petrus,  v.  Naumburg,  Prof. 

in  Leipzig  304. 
Kunifs,  Gregor,  Mönch  in  Zwickau 

57- 
Kuttenberg  in  Böhmen  307. 


Laas  b.  Oschatz  28. 

V.  Langenau,  General    117.    120  f. 

i29f.  135.   137.  140. 
Langenbach  b.  Hartenstein  58. 
Langensalza  14. 
Languet,  Hubert  79. 
Lanner,  Marschall  100.  107. 
Lausigk,  Verein  f.  Gesch.  203. 
Lausnitz  42. 

Lauter  in  Unterfranken  42. 
Lecoq,  General  132.  134 f. 
Leipzig  14.   25  f.   28.  43.   69  ff.  85. 
148.  155  ff.  163  ft.  296f.  302 fl. 

„  Verein  f.  Gesch.  344. 

„  altes  Rathaus  205. 
Leisnig  234. 

„  Geschichts-     und     Altertums- 
verein 203. 
Leitmeritz  42  f. 
Le  Leu  in  Paris  280. 
Leszczinsky,  Stanislaus  232.  238. 
Liborius,   Sebast,  Zinngiefser  in 

Dresden  26. 
Lichtenhahn,     Hans     (Heinrich), 
Zinngiefser  in  Schneeberg  13. 

„  Matthäus,  desgl    14. 

,,  Stephan,  desgl.  14. 
Lichtenstein  in  Unterfranken  43. 
Liebertwolkwitz  164. 


Lilienstjerna,    schwed.    General- 

auditeur  248  ff. 
V.  Limbach,  Ticzmann,   Protono- 

tar  214. 
V.  Lindemann,   F.  B.,  Rittmeister 
144. 
,,  Oskar,  Hauptmann  96. 
Lindner,  Awstin,  in  Pirna  158. 
„  Gregor  158. 
„  Hans  158.  160. 
„  Joh.  (der  Pirnische  Mönch)  32. 

39.  51  f-  54.   1520- 
„  Martin  128. 
„  Simon  158. 
List,  Gregor,Wundarzt  in  Zwickau 

50. 
Lobeda  42. 
Locke,  Hans,  Graveur  in  Bautzen 

29. 
vom  Lofs,  Christian  Graf,  Geh. 

Rat  274. 
Lotter,  T.  C.  160 f. 
Lucius,  Geheimsekretär  270 f. 
Luder,  Gotherius,  Hallensis,  Prof. 

in  Leipzig  304. 
Ludewicus,  Schreiber  225  f. 
Ludwig  IV.,  Kaiser  210. 
„  (Markgraf  v.  Meifsen),  Bischof 

V.  Bamberg  213. 
„  Bischof  V.  Halberstadt  214. 
Lüneburg  s.  Franz,  Otto. 
Luther  33.  $5^-  H».  156.  159- 
V.  Lüttichau,  Graf  84. 
Lyon  85. 


Magdeburg  210. 

V.  Magdeburg,  Hermann,  Legista 

223. 
Major,  G.,  Prof.  in  Wittenberg  71. 
Malachowsky  104. 
V.  Mansfeld,  Graf  Albrecht  227. 
V.  Manteuffel,  Geh.  Finanzrat  99. 

n6ft.  129. 
Marcolini,  Graf  103.    106 ff.  125 f. 

131.  134.  136. 
Maria    Antonia,    Kurfürstin   von 

Sachsen  284 f. 
Marienberg  3.  14.  i6ff.  22.  28. 
Marienthal  b.  Zwickau  38.  44. 
Mehlis  in  Sachsen-Coburg-Gotha 

Meifsen,  Markgrafen  s.  Dietrich, 
Elisabeth,  Friedrich,  Heinrich, 
Katharina,  Ludwig,  Wilhelm. 


23  = 


356 


Register. 


Meifsen  235. 

„  Stift  2i3f.  2i6f.  219.  296f. 

„  Verein  für  Geschichte  203. 
Meifsner,  Advokat  in  Dresden  292. 
Melanchthon  34.  71.  73  ff. 
Memmingen  69.  75. 
Merseburg    210.     213.     224.     234. 

„  Bischof  von  148. 
Mniszeck,  Gräfin,   geb.  v.  Brülil 

272. 
Mordeisen  72.  79! 
Muck  war,  Kreis  Kai  au  267. 
Mühlpfort,  Hermann  56. 

„  Paul  47. 
Müller,     Erhart,    Zinngiefser    in 

Freiberg  4.  311. 
Münchberg  in  Oberfranken  155  ff. 
München  123! 
Münzer,  Thomas  55. 
Münzfunde  206. 
Museen  205. 
Mutschen  234. 


Napoleon  97!   107.  iii.  114.  137. 

163  ff. 
Narbonne,  Graf,  franz.  Gesandter 

in  München  124.  128 f. 
Nase,  Joh.,  Geleitsmann  in  Erfurt 

221.  226. 
Naumburg  42.   78!  210.  214.  219. 

221.  224. 
„  Bisch,  s.  Johann. 
Necker,  Legationsrat  272. 
Neujahrszettel  349. 
V.   Neumarkt,    Joh.,     markgräfl. 

Notar  215. 
Neustadt  a  O.  235. 
Niederhohndorf  b.  Zwickau  38. 
Nöller,  Hofkoch  267. 
Nopus,  Hieron.,  Lelirer  in  Zwickau 

58. 
Nürnberg  4.  25.  37.  43.  47.  76.  149. 


Oberhohndorf  b.  Zwickau  39. 
Oberpesterwitz  b. Dresden  28. 313. 
Ochsendorf  224. 
Oederan  235. 
Oelsnitz  i.V.  38.  217.  219. 
Oertzen,  Graf  iio. 
Oranien  s.  Wilhelm. 
Oschatz  27  f. 
„  Verein  für  Orts-  u.  Volkskunde 
203. 


Oesterreich  113  f.  138. 
„  Deraoiselle  276. 
Ottendorf  in  Thür.  42. 
Otto,  Hzg.  V.  Lüneburg  48. 


Paris  79. 

Parquin,  Commandant  163  ff. 
Pegau  234. 
Pencz,  Georg  313. 
Penig  235. 
Perugia  296! 

Peterraann,  Salomon,   Konrektor 
in  Pirna  153  ff. 

„  Tobias  153. 
Petrikowsky  99. 
Petrus  notarius  226. 
Pfalz  s.  Friedrich. 
Pfingsten,  Geh.  Referendarius  239. 
Pforten  267. 

Pfretzschner,   Alex.,  Zinngiefser 
in  Leipzig  26. 

„  Sittich,  Maurer  in  Leipzig  26. 
Philipp,  Hzg.  V.  Braunschweig  48. 
Pietzsch,  Kabinetssekretär  115. 
Pilz,  Traugott  Friedr.,  Zinngiefser 

in  Freiberg  311. 
Pirna  37.  62.   i54ff.  235. 
V.  Pistoris,  Familie  150. 

„  Hartmann,  kurf.  Rat  150. 

„  Simon,  Prof.  d.  Med.  in  Leipzig 
302. 
Planitz  b.  Zwickau  3  8  f. 
V.  d.  Planitz  43. 

Platz,  Sekretär  v.  Heinekens  276. 
Plauen  i.  V.  235. 

„  Altertumsverein  204. 

„  Museumsgesellschaft  345. 
Plauenscher  Grund  84. 
V  Plötz,  Geh.  Kammerrat  249.  262. 
v.  Poigk,  Hof- u.  Justizrat,  Vize- 
kanzler 269.  274. 
Polen  loifif. 

V.  Polenz,  G.  F.  A.,  General  100 ff. 
130  f. 

„  Nikol.  219. 
V.  Pöllnitz,  Hof-  u.  Justizrat  274. 
Poniatowsky  104. 
Prefsnitz  in  Böhmen  306  ff. 
Preufs,  Bürgermstr.  in  Zwickau  59. 
Preufsen  s.  Friedrich. 
Pruze,  Joh.  210. 

„  Konr.,  Protonotar  210. 
Pucher,  Sigismund  72 
Pyrgallus,  Henning  299. 


Register. 


357 


Quentin,  Th.,  Baurat  347. 

V.  Raab,  Curt  348. 

Rabener,  Steuerrat  86.  269.  274 

V.  Rackwitz,  Oberhof küchenmstr. 
104.  114. 

Rastenberg  b.  Buttstädt  216. 

Ratzel,  Fnedr.  349. 

V.  Regensburg,  Joh  ,  Prof.  in  Leip- 
zig 296. 

Reichenbach  i.  V.  235.  291. 
„  Ambros.,  Zinngiefser  in  Dres- 
den 26. 

Reinhold,  Oberamtmann  in  Dres- 
den 272. 

Reinsdorf  b.  Zwickau  38.  58!'. 

Reni,  Guido  281. 

Reudnitz  b.  Leipzig  164. 

V.  Rex,  Karl  August  Graf,  Geh. 
Rat  274. 

Reynier,  franz.  General  1341 

Richter,  Georg,  Weinhändler  in 
Schneeberg  43. 

Riedel,  Melchior,  Prof.  in  Leipzig 
299. 
,,  Galerieinspektor  280.  282, 

Rivius,  Mag.,  Lelirer  in  Zwickau 

58- 
Röbel,  General  259. 
Rochlitz  234. 
„  Hospitalkirche  346. 
„  Verein  für  Geschichte  204. 
Roda  42. 

Römer,  Martin  32.  44. 
Ronneburg  59. 
Roesler,  Joh.  Friedr  ,  Zinngiefser 

in  Zittau  5! 
„  Joh.  Gottlob,  desgl.  6. 
Roth,  Stephan,  Stadtschreiber  in 

Zwickau  300  f.  304! 
Rötha,  frhrl.v.Friesensches  Archiv 

348. 
Rothenhamer,  Maler  281. 
V.  Rothschütz,  Oberst  291. 
Rozier,  Abt  85. 
Rüge,  Sophus  207. 
Rülein  v.  Calbe  302. 
Rufsland  s.  Alexander. 
Rybeling,  Konrad,  Notar  225. 

Sachsen  s.  Anna,  August,  Auguste, 
Friedrich,  Friedrich  August, 
Friedrich  Christian,  Georg, 
Heinrich ,  Johann ,  Johann 
Friedrich,  Maria  Antonia. 


Sachsen -Altenburg    s.  Friedrich 

Wilhelm. 
Sachsen -Weimar  s.  Karl  August. 
Saiter,  Daniel,  Maler  281. 
Sangerhausen  234. 
Scaliger,  Julius  Caesar  d.  Alt.  72. 
Schaufufs,     Phil.,      Ratsherr    in 

Zwickau  36. 
V.  Schellenberg,  Familie  151. 
Schenk,  L.  160. 

„  P.  160  ff. 
Schickentanz,  Hans,  Baumeister 

13- 

Schindler,  Kassierer  275!  283. 

»  99 

„  (Cubito),  Wolfgang,    Prof.  in 
Leipzig  298  flf.  304. 
V.  Schleinitz,  Familie  150. 
„  Vinzentius,    Vizekanzler    der 
Univ.  Leipzig  304. 
Schlick,  Stephan  302. 
Schmiedeberg  235. 
Schneeberg  5. 13?.  32.  43  f.  235.  251. 
Schneider,  Chr.  Hr.,  Zinngiefser 
in  Freiberg  39.  311. 
„  (Sartor),  Joh.,  Lesemeister  der 
Dominikaner  in  Pirna  160. 
Schnepfendorf  b.  Zwickau  44. 
V.  Schönburg,  Herrschaft  38. 
Schönsberger,  Hans,  Drucker  in 

Zwickau  35. 
V.  d.  Schulenburg,  General  240. 
Schulpforta  234. 
Schumann,  Dr.,  Hof-  u.  Justizrat 

274- 
„  Adam,  Zinngiefser  aus  Zinn- 
wald 28. 

Schütze,  Familie  in  Annaberg  20. 

Schwarzenberg  14. 

Schweden  231  ff.  s.  a.  Karl  XIL 

Schwemsal  b.  Düben  291. 

Schwendi,  Lazarus   69!.  7 3  ff.  78. 

Schwertz,   Alaunwerk  b.  Düben 
291. 

Seehausen  b.  Leipzig  28. 

Selneccer,  Nicol.,  Prof.  in  Leipzig 

71-  . 

Senfft  V  Pilsach,   Graf,   Minister 

III.  120  ff.  136.  138  ff. 
Seufslitz,  Kloster  149  ff. 
Siebenjähriger  Krieg  82 ff. 
Sieber,  Adam  63. 
Silbermann,  Valten,  Bildschnitzer 

in  Dresden  27. 
Solms,  Graf  101, 


358 


Register, 


Soult,  Marschall  105. 

Specht,  Gotschalch,    Zinngiefser 

in  Dresden  27. 
Speck,  Hans,  Bildhauer  18. 
Stadtarchive,  sächs.  206.  347. 
V.  Stammer,  Konferenzminister  u. 

Landvogt  274.  288. 
Stangengrün    b.  Lengefeld    i.  V. 

38.     65. 
St.  Egidien  58. 
Steinau  i.  Schlesien  262. 
Stella  s.  Studtler. 
Stercker,  Heinr.,  aus  Mellrichstadt, 

Domherr  in  Meifsen  296  f. 
St.  Michaelis  b.  Freiberg  28.  311. 
V.  Stockh,  M.  E.,  Graveur  29. 
Stos,  Alex.,  Graveur  in  Bautzen  29. 
Stromer,   Hemr.,  v.  Auerbach,  in 

Leipzig  43. 
V.  Stubenberg,  Wilh.  Aug.  Graf, 

Geh  Rat  274. 
Studtler  (Stüler,  Stella),  Erasmus, 

Bürgermstr.  zu  Zwickau  47.  5 1 . 
V.  Studnitz,  Oberst  272. 
Sulkowski,  Fürst  266. 

Talon,  Louis,  Geh.  Legations- 
sekretär 276  f. 

Taucha  234. 

Tetzel,  Joh.  57.  156. 

Teucher,  Joh.  Heinr.,  Graveur  in 
Freiberg  29. 

V.  Thielau,  Oberstleutnant,  auf 
Neudöbern  285  f. 

V.  Thielmann,  General  95  ft. 

Thiollaz  iio.  114. 

Thommiere,  franz.  General  100. 

Thum  43. 

Thüringen  s.  Balthasar. 

Tintoretto,  Domenico  281. 

Titian  281. 

Torgau  33.  47.  91.  140 ff. 

Tram,  Nikol.,  Pleban  z.  Gotha  216, 

V.  Trützschler,  Oberstallmstr.  280. 

Türk,  Kanzler  303. 


V.  Unruh,  Kammerjunker  272. 
Urban  V.,  Papst  219! 

Verein  für  Kirchengeschichte  der 

Provinz  Sachsen  343. 
Verein  für  sächs.  Volkskunde  204. 
Veronese,  Paolo  281. 


Viernau  b.  Schleusingen  42. 
V.  Vieth,  Kriegsrat  272. 

„  120  f. 
Vogel,  Christof,  Graveur  28. 
Vouet,  Simon,  Maler  281. 

Wachau  b.  Leipzig  164. 

Wagner  (Ellenbogen),  Wolfgang, 
in  Zwickau  300  f. 
„  Dr.,  Geh.  Rat  274. 

Waldheim  91. 

Wallhausen  21 3  f. 

V.  Wallhausen  (Kirchberg),  Kon- 
rad, Protonotar  209 ff.  220. 

V.  Wangeheim,  Friedr.,  Marschall 
215. 

Wartburg  213  f.  219. 

V.  Watzdorf,  Geh.  Kriegsrat  108. 
ii6ff.  122.  126.  129.  131. 

de  Wechmar,  Kristanus,  Sekretär 
des  Hofrichters  225. 

Weigel,  C.  G.,  Graveur  in  Leipzig 
30. 

Weise,  Paul,  Zinngiefser  in  Zittau 
12  f. 

Weifsenbach,  Wolf  62. 

Weifsenborn  b.  Freiberg  28.  311. 
„  b.  Zwickau  38.  44. 

Weifsenfeis  234. 

Weifsker,  Paul  Adolf  206. 

Wellendorfer,  Virgilius  298. 

Werdt,  Petr. ,  Lempergius,  Prof. 
in  Leipzig  304. 

Wichtshausen  b.  Schleusingen  42. 

v.  Widera      (Widere,     Wedera), 
Dyther,  Notar  209.  222  ff. 
„  „  Bürgermstr.  in  Geithain  224. 

Wisen,  zu  den,  Gut  des  Rats  zu 
Zwickau  38. 

Wildbach  b.  Hartenstein  58. 

Wilde,  Berthold,  von  Rotenburg, 
markgräfl.  Notar  2 14  ff. 

Wildenfels  51. 

Wilhelm  L,  Markgraf  v.  Meifsen, 
219.  222.  227. 
„  V.  Oranien  77! 

Wilicky  104. 

Winkler,  Dr.,  in  Hamburg  272. 

Wittenberg  14.  55.  85.  235.  250. 

Witzeleiben,  Kristan,  Hofrichter 
215.  220. 

Wolf,  Fürst  zu  Anhalt  48. 

Wölffel,  Daniel,  Friedrich  Daniel, 
Johann  Friedrich,  M.  G.,  Zinn- 
giefser in  Bautzen  29. 


Register. 


359 


Wolfhardt,  Barthol.,  Pastor  75. 

Wolfso;rün  b.  Eiben.stock  38. 

V.  Woln,    Hartmann,    Hofrichter 

226  f. 
Wünschendorf  in  Thüringen   42. 


Xaver,  sächs.  Prinz,  Administrator 
86.  88.  94.  274£f. 


V.  Zastrow,  General  131. 
Zaufswitz  b.  Oschatz  27. 


Zeitz  55.  210.  22of.  224. 
Zenker,     Blasius,      Graveur     in 

Bautzen  29. 
V.  Zeschau,  General  132. 
Zinnwald  3. 
Zittau  I.  4ff.  i2f.  235. 

„  Gesellschaft  für  Zittauer  Ge- 
schichte 204. 
Zöblitz  5.  19.  27. 
Zschopau  43. 
Zürner,  A.  F.,   i6o. 
Zwickau  i8f.  3iff.  83.  149    3ooff. 

„  Altertumsverein  345. 


Buchdruckerei  der  Verlagshandlung. 


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