i!i!i!iij!;!iMi'.i;(:i:i:i:f:i:ffl.!i!;';ii
Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde
Herausg-egeben
von
Dr. Hubert Ermiseh
Oberregierungsrat
Fünfundzwanzigster Band
^^SD
Dresden 1904
Wilhelm Baenseh, Verlagshandlung-.
THEGEmCtNTER
ÜBRARY
Fünfundzwanzig Jahre sind seit dem Erscheinen des ersten
Heftes des Neuen Archivs für Sächsische Geschichte ver-
flossen.
In dem Vorwort, das ihm damals der Herausgeber voraus-
schickte, hat er das dringende Bedürfnis einer landesgeschicht-
hchen Zeitschrift fLir das Königreich Sachsen betont und be-
gründet. Die reiche Geschichte des im Herzen Deutschlands
gelegenen Landes, die Fülle von Problemen, die auf allen
Gebieten des geschichtlichen Lebens zu lösen waren und noch
zu lösen sind, machen ein Organ unentbehrlich, das, streng
wissenschaftlich gehalten, in erster Linie brauchbare Bausteine
zu einer den heutigen Anforderungen entsprechenden säch-
sischen Geschichte liefern, dann aber auch weitere Kreise für
die landesgeschichtliche Forschung interessieren und zur Mit-
arbeit heranziehen soll. Die Königliche Staatsregierung und
der Königlich Sächsische Altertumsverein haben das Bedürfnis
anerkannt und die Mittel zu seiner Befriedigung gewährt.
Auch der Verlagshandlung, die stets für eine würdige Aus-
stattung der Zeitschrift gesorgt und ihr namentlich in den
ersten Jahren manches Opfer gebracht hat, gebührt unser
Dank.
Sorge bereitete mir einst die wichtigste Frage: Werden
sich auch die geeigneten Mitarbeiter für das Unternehmen
finden? Die wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiete der
Landesgeschichte war vor 25 Jahren eine weit weniger rege.
IV
als sie es heute ist; noch fehlte vielfach das Verständnis
für den engen Zusammenhang des Einzelnen mit dem All-
gemeinen. Aber auch diese Sorge hat sich als unbegründet
erwiesen; die Redaktion hat stets eher mit Überflufs wie mit
Mangel an Material zu kämpfen gehabt und die Zeitschrift
hat sich daher im Laufe der Jahre an Umfang wie an Inhalt
fortwährend erweitert und vertieft. Wenn heute auf den
mannigfachsten Gebieten der heimischen Geschichte mit
Fleifs und Erfolg gearbeitet wird, so darf das Neue Archiv
für Sächsische Geschichte wohl einen bescheidenen Teil des
Dankes dafür in Anspruch nehmen. So kann der Heraus-
geber, dem es vergönnt war, die Zeitschrift von Anfang an
zu leiten und der einen grofsen Teil seiner Lebensarbeit ihr
gewidmet hat, mit Befriedigung auf das letzte Vierteljahrhundert
zurückblicken.
Die Gabe, die wir, dank der Unterstützung der König-
lichen Staatsregierung, unsern Lesern als Beiheft zum 25, Jahr-
gang bieten, ist, dem Charakter der Zeitschrift entsprechend,
eine schlichte; doch hoffen wir, dafs sie vielen Lesern will-
kommen sein wird. Sie gibt eine Übersicht über den Inhalt
des Neuen Archivs wie der beiden Zeitschriften, aus deren
Vereinigung es hervorgegangen ist: des Archivs für die Säch-
sische Geschichte , herausgegeben von K. v. Weber, und der
Mitteilungen des Königlich Sächsischen Altertumsvereins, Zwar
wurden dem letzten Bande des Weberschen Archivs und dem
30, Hefte der Mitteilungen sowie dem 12, Bande des Neuen
Archivs bereits Autorenregister beigegeben, doch wurde ein
sachlich geordneter Überblick über die in diesen Zeitschriften
enthaltenen Aufsätze bisher schmerzlich vermifst. Die von der
Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte vorbereitete
Bibliographie der sächsischen Geschichte wird wahrscheinlich
noch lange auf sich warten lassen, und noch nach ihrem Er-
scheinen wird unsere Übersicht als bequemes Nachschlage-
werkchen seinen Wert behalten. Ein Register der Orts- und
Personennamen, das den Umfang der Arbeit aufserordentlich
vermehrt haben würde, läfst sich leicht entbehren, da jeder
Band des Weberschen und des Neuen Archivs sowie das
30. Heft der Mitteilungen genaue alphabetische Register ent-
halten.
Möchte die mühsame Zusammenstellung, für die wir dem
Bearbeiter aufrichtig Dank schulden, die Benutzbarkeit der
drei Zeitschriften wesentlich erleichtern und ihren Inhalt noch
mehr als bisher zum Gemeingut machen.
Ermisch.
Inhalt.
Seite
I. Sächsisches Edelzinn. Von Oberreoierunofsrat Dr.
H. Demiani in Dresden i
IL Bilder aus einer sächsischen Stadt im Reformations-
zeitalter. Aus den Kämmerei - Rechnungen der
Stadt Zwickau. Von Prof. Dr. Reinhold Hofmann
in Zwickau 31
III. Sechs Humelius - Briefe, Von Dr. Hans Beschorner
in Dresden 68
IV. Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges für Kur-
sachsen. Von Dr. Oskar Hüttig in Leipzig . . . 82
V. Neue Beiträge zur Charakteristik des Generals
V. Thielmann. Von Oberbibliothekar Prof. Dr.
K. Haebler in Dresden 95
VI. Kleinere Mitteilungen 148
I. Peter Genscenbach, einer der ersten Evano;elischen
in Leipzig. Von Lic. Dr. Otto Giemen in Zwickau.
S. 148. — 2. Ausgrabungen in der ehemaligen Kloster-
kirche zu Seulslitz a. E Von Prof. Dr. Otto Eduard
Schmidt in Meifsen. S. 149 — 3. Der Pirnische Mönch
Johann Lindner, sein Onomasticum mundi generale
und sein Geburtsort. Von Prof. Dr. Reinhold Hofmann
in Zwickau. S. 152. — 4. Die farbigen Parallellinien
auf den Karten des 18. Jahrhunderts. Von Lehrer Otto
Mörtzsch in Dresden. S. 160. — 5. Napoleons Zu-
sammentreffen mit der sächsischen Königsfamilie
(14. Oktober 18 13). Von K. A. Frh. v. Welck. S. 163.
Literatur 166
Nachrichten 198
VIII Inhalt.
Seite
VII. Studien über die wettinische Kanzlei und ihre ältesten
Register im XIV. Jahrhundert. Zweiter Teil. Von
Archivrat Dr. Woldemar Lippert in Dresden . .209
VIII. Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707.
Von Dr. Arno Günther in Plauen i. V 231
IX. Der Prozefs seffen Karl Heinrich von Heineken und
Genossen. Von Justizrat Dr. jur. Georg Lehmann
in Blasewitz 264
X. Kleinere Mitteilungen 296
I . Kleine Beiträge zur sächsischen Gelehrtengeschichte
im 15. und 16. Jahrhundert. Von Oberlehrer Lic. Dr. Otto
. Giemen in Zwickau. S. 296. — 2. Sächsisches Edelzinn.
(Nachtrag.) Von Oberregierungsrat Dr. H. Demiani in
Dresden. S. 305.
Literatur 315
Nachrichten 3.^3
Register 351
Besprochene Schriften.
Seite
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Heft 15. 16 (Georg
Müller) 173
Breuer, Der Kurfürsten tag zu Mühlhausen (Struck) 318
Büchting, Martin Rinckart (R. Sachse) ... 319
Giemen, Beiträge zur Reformationsgeschichte III (G. Müller) . 167
Dietrich, Beiträge zur Entwicklung des bürgerl. Wohnhauses in
Sachsen (Grüner) 328
Exner, Vorträge über Kriegführung, Heerwesen und vaterländ.
Kriegsgeschichte iK. v. Kaunungen) 324
Germer, Die Fortbildungs- und Fachschulen (G. Müller) . . 327
Grüner, Die Dorf kirche im Königreich Sachsen (G. Gurlitt) . . 176
Günther, Sachsen und die Gefahr einer schwed. Invasion 1706
(P. Haake) 169
Gurlitt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen XXI — XXIII. XXV
(A. Schultz) 175
Frh. V. Hausen, Der Fürstenzug auf dem Sgraffito - Fries am
Königl. Schlofs zu Dresden (K. v. Kauffungen) .... 328
Heineck, Brandenburg-Preufsen u. Nordhausen (K. v. Kauffungen) 179
Jordan, Ghronik der Stadt Mühlhausen I. II (K. v. Kauffungen) 178
,, Zur Gesch. der Stadt Mühlhausen Heft 4 ( K. v. Kauffungen) 3 1 8
Kriege, Die, Friedrichs des Grofsen. III. Teil. Bd. 3 u. 4 (Lippertj 1 7 1
Inlialt. IX
Seite
Lüdtke, Die strategische Bedeutung der SchUicht bei Dresden
(Exner) 324
Menz, Johann Friedrich der Grofsmütige I (Goerlitz) .... 166
Me3'er, H. B., Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner (Lippert) 315
Möckel, Die Entwicklung des Volksschulwesens in der Diöcese
Zwickau (G. Müller) 326
Overmann, Die ersten Jahre der preufsischen Herrschaft in Erfurt
1802 — 1806 (K. V. Kauffungen) 179
V. Raab, Das Amt Pausa (Oppermann) 177
„ Die von Kauffungen (K. v. Kauftungen) 180
Reimann, Prinzenerziehung in Sachsen (G. Müller) ..... 327
Reinhardt, C., Beiträge zur Lebensgeschichte von Ehrenfried
Walter von Tschirnhaus (P. Haake) 168
Seyfert, Die Landschaftsschilderung (Beschorner) 332
Stübler, Anthropogeographische Studien in der Sachs. Schweiz
(Rühlmann) 330
Tetzner, Die Slawen in Deutschland (Tetzner und Mucke) . . 181
Zieger, Der Handelsschulgedanke in Kursachsen (G. ]\Iüller) . 325
Ziekursch, Sachsen u. Preufsen um die Mitte des 18. Jahrhunderts
(P. Haake) 321
I.
Sächsisches Edelzinn').
Von
H. Demiani.
Versteht man unter Sachsen das heutige Königreich
dieses Namens — also einschhefshch der erst durch den
Traditionsrezefs von 1635 damit vereinigten Stadt Zittau,
deren schon im 16. Jahrhundert entstandene Zinnarbeiten im
folgenden mit behandelt werden — , so dürfte es kaum gelingen,
urgeschichtliche, antike oder romanische Zinnarbeiten zweifel-
los sächsischen Ursprungs nachzuweisen. Auch Erzeugnisse
der gotischen Periode sind zur Zeit nicht bekannt. Nur
die Formen dieser Epoche linden sich noch hin und wieder
an im 16. Jahrhundert oder später entstandenen Zinngeräten.
So an grofsen, der Freiberger Berg-, Knapp- und Brüder-
schaft gehörigen, 1628 von dem Freiberger Zinngiefser Hans
') Auf den folgenden Seiten soll nur das Edelzinn, die über den
Gebrauchszweck hinaus zu künstlerischer Form veredelten, meist
als Schau- und Prunkstücke zu betrachtenden Zinngeräte, behandelt
werden, und zwar im Gegensatz zum Gebrauchszinn, den für den täg-
lichen Gebrauch bestimmten Zinngeschirren. Die Franzosen machen
diesen Unterschied schon seit langer Zeit, indem sie Zinnarbeiten
höherer Gattung als orfevrerie d'etain, gewöhnliche Zinnwaren als
poterie d'etain bezeichnen. Das sächsische Gebrauchszinn weicht
hinsichtlich seiner Formen von dem anderer Länder nicht wesentlich
ab und zeigt keine jener eigentümlichen, sofort den Ursprungsort
verratenden Gestaltungen wie z. B. die Berner Kanne mit ihrem
schlanken Hals und ihrem dünnen, durch einen Querstab gehaltenen
Ausgufsrohr oder der gedrungene, dickbauchige, mit herzfönnigem
Deckel versehene Ciderkrug („pichet") der Normandie. Ein von
Gurlitt in einem Aufsatz über die 1889 veranstaltete Dresdner Aus-
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. I. 2. I
2 H. Demiani:
Günter „umgegossenen" Schenkkannen'). Man darf sich durch
derartige stihstische Ausnahmen nicht täuschen lassen. Ist es
doch eine bekannte Tatsache, dafs die Zinngiefser oft mit
grofser Zähigkeit und häufig bis in die Zeiten eines längst
veränderten Geschmacks hinein an ihren alten, einmal einge-
bürgerten Modellen festhielten.
Der Beginn der Herrschaft des Zinns fällt in Sachsen
ungefähr mit der nachhaltigeren Ausbeutung der dortigen erz-
stelluno; alter Zinnarbeiten (Kunstgewerbeblatt N. F. I [1890], 29 ff.)
erwähnter Krugtj^pus mit scharfer massiver Nase und entsprechen-
dem Deckel läfst sich nicht allein für Sachsen in Anspruch nehmen,
sondern auch in Böhmen, in Schlesien, im Elsafs und anderw^ärts
nachweisen. Und wenn Gurlitt an derselben Stelle weiter sagt: „Die
in Sachsen übliche Form (des Bierkrugs) war die mit lothrechten
Wandungen, als Viertelkreis profilirtem Fufsring, kräftigem Deckel
und kugelförmigem Scharnierknopf", so mufs man dieser zutreffenden
Bemerkung gleichwohl hinzufügen, dafs dieselbe Formation z. B. auch
in Siebenbürgen die herrschende gewesen ist. — Die nachstehenden
Zeilen sind im Avesentlichen nur die wortgetreue Wiederholung eines
vom Verfasser im November 1902 im K. S. Altertumsverein zu Dresden
gehaltenen Vortrags und wollen wie dieser, ohne Anspruch auf er-
schöpfende Behandlung der Materie zu erheben, nur auf die bisher
kaum beachtete Gruppe des sächsischen Edelzinns hinweisen.
^1 „Luciae 1628: 14 ti. 8 gr. 6 pf. Hansen Güntern Kandelgiefsern
von 10 grosen zinnern Schenckkannen umbzugifsen, so 118 U ge-
wog Inclusis 14 W Zien, so der Kandelgiefser zugebufset, also
vors // 21 pf. vmbzugiefsen und 6 gr. vor jedes // Zien, so zu-
gebufset, laut des Kandelgiefsers Zetel." Mitteilungen des Freiberger
Altertumsvereins XXXVIII, 103. Ebendort noch folgende, auf das
Vorstehende bezügliche Anmerkung : „4 Stück davon (von den Schenk-
kannen) im (Freiberger, im König Albert-Museum befindlichen) Ver-
einsmuseum (Nr. 91 d) und 2 Stück im Dresdner Kunstgewerbe-Museum,
vom Revierausschusse zu Freiberg gegen Revers überlassen. Die
Schenkkannen zeigen am Halse die gravierte Inschrift ,.16 5? 28 Bergk
Knapschaft Freiberg" und am Henkel die doppelte Marke HG 13 neben
einem Blumenstöckchen mit 2 wurzelständigen Blättern und geschlos-
sener Tulpenblüte und eine Marke mit dem Freiberger steigenden
Löwen. Vgl. über diese Schenkkannen auch diese Mitteilungen
Heft 6, S. 609 und Iccander, das Königliche Freiberg in Meifsen,
Chemnitz, Stölsel 1725, S. 55. Wo sind die anderen Kannen hinge-
kommen?" Eine ähnliche, aber mit einem Ausgufs nicht versehene
Kanne (von 1583), aus dem Besitz der Stadt Crimmitschau, befand
sich 1889 auf der schon erwähnten Dresdner Zinnausstellung. Vgl.
Gurlitt a. a. O. S. 32. Kandelgiefser oder Kannengiefser, auch Kand-
ier nannte man anfänglich die Zinngiefser nicht nur in Sachsen,
sondern auch anderwärts. Doch kommt auch letzterer Ausdruck, wenn
schon ausnahmsweise, bereits in sehr früher Zeit vor. von Stetten
(Kunst-Gewerb- und Handwerks-Geschichte der Reichs-Stadt Augs-
burg, Augsburg, Stage, 1779, S. 240) erwähnt einen 1324 in Augsburg
tätigen Carel dictus Zinngiezaer und Neuwirth (Geschichte der bil-
denden Kunst in Böhmen u. s. w., Prag, Calve, 1893, S. 245 Anm. i),
Sächsisches Edelzinn. 3
gebirgischen, zwar schon früher angelegten, aber erst gegen
Ausgang des 15. Jahrhunderts in vollen Betrieb gebrachten Zinn-
bergwerke zusammen, unter denen die von Ehrenfriedersdorf
und Ge3'er (um 1400 erschlossen), Zinnwald (seit etwa 1450
betrieben), Altenberg (1458 fündig geworden), Marienberg und
Eibenstock (um 1500 in Aufnahme gekommen) die wichtigsten
waren. Nicht ohne Einflufs war auch die Wiederauffindung
der reichen ostindischen Zinnlager, deren Erträgnisse der mehr
und mehr sich entwickelnde Seehandel Europa zuführte. Das
früher seltene und deshalb teuere, in der Hauptsache nur aus
England bezogene Zinn kam nunmehr in Massen auf den Markt
und wurde billig. Damit aber erledigte sich die Preisfrage,
welche trotz seiner vielen guten Eigenschaften, wie silber-
ähnlicher Glanz, leichte Schmelzbarkeit und Bearbeitungs-
fähigkeit, Sauberkeit, Unzerbrechlichkeit, Widerstandsfähigkeit
gegen Säuren und atmosphärische Einflüsse usw., seiner wei-
teren Verbreitung und Verwendung allein hinderlich gewesen
war. Namentlich das zu ansehnlichem Wohlstand gelangte
Bürgertum und die sehr einflufsreich gewordenen Zünfte, deren
Lebensführung eine behaglichere Ausgestaltung des Daseins
anstrebte, gewannen Freude an dem schmucken blanken Zinn-
gerät. Und die zahllosen, im 16. und 17. Jahrhundert ent-
standenen zinnernen Teller, Schüsseln, Krüge, Becher, Humpen,
Kannen usw. beweisen zur Genüge, dafs das Zinn damals all-
gemein beliebt und keineswegs ,,das Silber der Armen" war,
als welches es spätere anspruchsvollere Zeiten bezeichnen
durften.
Über die Anfangsperiode der Renaissance läfst sich be-
züglich des sächsischen Zinns wesentliches nicht berichten.
Höchstens könnte man das Taufbecken des Domes zu Freiberg
erwähnen, das von ganz einfacher glatter Form ist, nur die
Jahreszahl 1531 auf einem schmucklosen Spruchband aufweist
berichtet über einen 1393 in Prag vorkommenden Henricus czingisser
de Wienna. Die Kannengiefserordnung für das Ordensland Preulsen
vom 2. Dezember 1435 braucht die Bezeichnung „Kannengisser vnd
czenner". ,, Zinner (czynner, tzyner)" hiefsen in Sachsen die Ge-
werken der Zinnbergwerke im Gegensatz zu den „Flossem" und
„Schmelzern" d. h. denjenigen, welche die Aufbereitung, Schmelzung
und sonstige Verarbeitung des Zinns besorgten. Vgl. Ermisch, Das
Zinnerrecht von Ehrenfriedersdorf, Ge^-er und Thum, in dieser Zeit-
schrift \^II, 94 ff. In teilweise anderer Bedeutung begegnet man der
Benennung „Zinner (Ziener)"' auch bei den Gewerbtreibenden des
Fichtelgebirges (Schmidt, Der alte Zinnbergbau im Fichtelgebirge,
im Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken
XX, 200 ff).
A H. Demiani:
und die Freiberger Stadtmarke (den springenden Löwen)
zwischen zwei gleichen Meisterstempeln mit je einem latei-
nischen M (wohl Zeichen des von 1494 bis 1549 tätigen Frei-
berger Zinngiefsers Erhart Mehner) trägt.
Sächsisches Edelzinn ist wohl erst nach 1550 entstanden.
Wenigstens ist sein wichtigstes Stück, die prächtige Zunftkanne
der Zittauer Maurer, 1562 datirt. Und es liegt kein Anlafs vor,
die übrigen noch in Frage kommenden Werke als wesentlich
frühere Erzeugnisse zu betrachten. Die Beziehungen Sachsens
zu Nürnberg, das in Bezug auf den Edelzinngufs seit Ende
des 15. Jahrhunderts in Deutschland unstreitig die führende
Stellung einnahm, zeigen sich namentlich darin, dafs die Pla-
ketten des Nürnberger Künstlers Peter Flötner (gest. 1546) vielfach
von sächsischen Zinngiefsern verwendet wurden. Zinnarbeiten
wie die bekannten, in Nürnberg gefertigten Folgen reliefierter
Teller, die Kaiser, Könige, Apostel, biblische Darstellungen,
Blumen, Ornamente u. a. m. aufweisen^), hat man in Sachsen
ebensowenig hervorgebracht wie Stücke in der Manier des
eigenartigen Nürnberger Zinngiefsers Nikolaus Horchaimer^).
Auch Meistern vom Range eines Caspar Enderlein ^) und eines
Franc^ois Briot*) begegnen wir nicht. Dagegen macht sich
ein gewisser Einflufs des letzteren und der leider unbekannten,
etwa von 1550 bis kurz nach 1600 tätig gewesenen franzö-
sischen Künstler, unter denen der Schöpfer der prächtigen
Mars -Schüssel und der zu ihr gehörigen Kanne') zu suchen
ist, insofern geltend, als Teile ihrer Kompositionen, insbeson-
dere Figuren von Briots Temperantia- Platte und von der
Mars-Schüssel, auf jenen grofsen zinnernen Tinten- und Streu-
sandfässern sich wiederfinden, welche namentlich im 17. Jahr-
hundert in den kurfürstlichen Kanzleien und den städtischen
Schreibstuben Sachsens in Gebrauch waren (vgl. Fig. i)®).
M Demiani, Franc^ois Briot, Caspar Enderlein und das Edel-
zinn (Leipzig, Hiersemann, 1897) S. 74, Taf. 40, 41, 42. Um manche
mit dem behandelten Thema nicht aufs engste zusammenhängende
Angaben möglichst knapp fassen zu können, sei es gestattet, im
folgenden auf die ausführlichen Darlegungen und die Abbildungen
dieses Buchs zu verweisen.
2) Ebenda S. 79 ft". Taf. 50.
*) Ebenda S. 31 fif.
*) Ebenda S. i ff.
^) Ebenda S. 50 ff. Taf. 24, 25 Man hat mit Unrecht auch die
Mars -Schüssel Briot zuweisen wollen. Vgl Demiani, „Darf man
die Mars-Schüssel und die zu ihr gehörige Kanne Frangois Briot zu-
schreiben?", im Repertorium für Kunstwissenschaft XXII (1899), 306 ff.
") Vgl,auchDemiani,Fran(;oisBriotusw.S.S5ff.Taf i3.0beinrun-
m^f' wk
^d
a
^^^pl
J
^■^^' -HKff -.^^^^ ' '^«9B^^^M^^^^^^^^Ci2M^9it '^
^P^l
•'\.^. ,^Sö^>^^^^Ji
E. -^»i^ p
Üa^SBraHim^
i^|l
^BH^^JH|mSB|u^^<««t
^^M
1
^i
j
"^' v-<c ..-s^
1
!^SII^..II
r
Kk !
'^mII^^^^^^^^^^^^^^^^Hk:'.
Ü:. .y
CT!
'— i
r^
>-<
"^■^
.^
0)
^
S
hf;
0)
fc
p
bJO
o
l-l
-i-H
-!
CQ
a
-4-»
s
r-
M
m
Ol
Vh
C^
H-H
Ö
OJ
-M
c
H
Ber^niannsleuchter
der Kirche
zu (leisiiiu ( 1685 ).
Sächsisches Edelzinn.
5
Man darf sie — zeitlich — als die erste Spezialität l)ezeichnen,
welche das genannte Land hervorgebracht hat. Gute Exem-
plare sind enthalten im Dresdner Stadtmuseum, im Dresdner
Kunstgewerbemuseum, in der Kollektion Mansberg- Dresden
und in der Sammlung Demiani.
Auch während des 17. Jahrhunderts blieb Zinn das Haupt-
material für Speise-, Trink- und Wirtschaftsgerät. Nicht ein-
mal der doch sonst von so nachteiligen Folgen begleitete
Dreifsigjährige Krieg vermochte ihm etwas anzuhaben, da man
die bei dem damahgen Geldmangel eingeschmolzenen goldenen
und silbernen Gefäfse, namentlich die Abendmahlsgeräte, durch
billigere aus Zinn ersetzte und dieses dergestalt auch in den
Kirchen heimisch wurde. Es unterlag vielmehr nach und nach
friedlicheren Gegnern, dem sich mehr und mehr einbürgernden
wohlfeileren irdenen Geschirr, dem immer weitere Verbreitung
findenden Glas und dem von Meiisen aus seinen Siegeslauf an-
tretenden Porzellan. Gleichwohl behielt es, in seinen Formen
sich nunmehr meist an diejenigen der gleichzeitigen Gerät-
schaften aus Edelmetall (insbesondere der Kaffeekannen und
Teller) anschliefsend, auch noch im 18. Jahrhundert eine nicht
unwesentliche Bedeutung.
Vor Beginn und gegen Ausgang dieses Säkulums bildeten
sich zwei weitere sächsische Spezialitäten heraus: die Berg-
mannsleuchter und die Schützenteller. Von ersteren, die gleich-
sam den sächsischen Zinnbergbau verkörpern und deren Ent-
stehungsgebiet das Erzgebirge ist, befinden sich die gröfsten
und ältesten (bezeichnet 1672) in der Kirche zu Zöblitz und
wurden die schönsten und beachtenswertesten (leider ohne
Stempel) 1685 der Kirche zu Geising geschenkt, die sie noch
heute besitzt (Fig. 2). Drei derartige Leuchter schmücken z. B.
auch den Altar der Berofkirche zu Annaberg. Und zwei
einander gleiche, trefflich modellierte (mit der noch zu be-
sprechenden Schneeberger Stadtmarke) birgt das Kunstge-
werbemuseum zu Berlin. Die Schützenteller, welche durch
gute Exemplare z. B. im städtischen Museum zu Zittau') und
desTintenfafs mit sechs (meist musizierenden) Frauengestalten zwischen
senkrechten Ornamentstreifen als eine sächsische Arbeit zu bezeichnen
ist, mag dahingestellt bleiben, da die ungestempelten Exemplare des
Kunstgewerbemuseums zu Berlin und der Sammlungen Zöllner-Leipzig
und Demiani stumpf, schlecht erhalten und stark oxydiert sind.
1) Dieses Museum birgt auch zwei interessante, ausweislich
ihrer Stempel vom Zittauer Zinngiefser Johann Friedrich Roesler
gefertigte Zinnteller, deren glatter Rand mit einer Perlenreihe ver-
ziert ist und deren Mittelrund in Ölfarbe gemalte Kriegsszenen auf-
5 H. Demiani:
in der Sammlung Demiani vertreten sind, entstanden zum
allergrüfsten Teil in Zittau, ihren in der Regel eingegra-
benen Daten nach namentlich um 1780, und dienten als Preise
bei Schützenfesten und wohl auch bei gröfseren Schiefsübungen.
Sie weisen zumeist gut und geschmackvoll gravierte Mittel-
stücke sowie reliefierte, mit Verständnis modellierte Rokoko -
ränder auf, die bisweilen auch durchbrochen sind. Manche
von ihnen lassen sich mit Hilfe ihrer Stempel auf die Zittauer
Zinngiefser Johann Gottlob Roesler (von 1782 an urkundlich
erwähnt, ,,Aeltester" [Obermeister] 1786, gestorben vor dem
22. Juni 1803), Johann Friedrich Roesler (Meister 1803, Ältester
1809, noch 1839 genannt) und Heinrich Burchard Alfsleben
(1791 vorkommend) zurückführen^). Das als Fig. 3 abgebildete
hübsche Stück ist ausweislich seiner Stempel (Schild [mit Z?],
von Vogel gehalten, darunter 1775 [?|; Frau, Vogel und Anker
haltend, links CA, rechts B) eine Arbeit des 1787 urkundlich auf-
geführten Zittauer Zinngiefsers Christian August Breuer. Durch
weist: die Entwaffnung der Braunschweiger Totenkopf husaren durch
sächsische Reiter auf dem Zittauer Markt und den Überfall der ge-
nannten Husaren durch sächsische Truppen am Webertor zu Zittau.
Beide Teller tragen die Jahreszahl 18 10. Vgl. auch die folgende An-
merkung. Ein dritter derartiger Teller, der gleichfalls von dem ge-
nannten Meister herrührt und dessen Mittelbild den „nächtlichen
Überfall vor dem böhmischen Ende -Thor (sie!) vom 30. bis 31. May
1809" darstellt, befindet sich in Zittau in Privatbesitz. (Freundliche
Mitteilungen des Herrn Gymnasialoberlehrer Dr. Koch in Zittau.)
1) Johann Gottlob Roesler markte seine Erzeugnisse aufser mit
einer streifenförmigen, seinen Namen I. G. ROESLER enthaltenden
Marke mit zwei grofsen ovalen Stempeln. Der eine zeigt über der
Jahreszahl 1764 einen bekränzten Säulenstumpf, an welchen links ein
"Schild mit dem Buchstaben Z (Zittauer Wappen) und rechts ein Anker
sich lehnt, der andere über der Jahreszahl 1773 einen Altar, auf
Avelchem eine unbekleidete Frauengestalt (wohl Fortuna) steht, wäh-
rend auf seiner linken Ecke ein Schild mit einem lateinischen R
(Roesler) ruht. Johann Friedrich Roesler markte immer mit zwei
ovalen Stempeln. Dieselben sind bisweilen einander gleich, in der
Regel aber verschieden. Der eine weist über der Jahreszahl 1803
einen Palmbaum auf, an welchen links ein Schild mit einem Z gelehnt
ist, während rechts im Hintergrunde die Sonne aufgeht, der andere
über derselben Jahreszahl einen Altar, auf welchem eine Urne steht
und auf dessen linke Seite ein Schild mit einem R sich stützt. Aufser-
dem bediente er sich meist noch einer streifenförmigen, seinen Namen
I. F. ROESLER zeigenden Marke. Heinrich Burchard Alfsleben führte
zwei ovale Marken, deren eine einen springenden Löwen mit einem
Schild, auf dem ein Z, und die Jahreszahl 1764 (?) enthält, während
die andere einen stehenden Merkur mit einem Schild erkennen läfst,
auf dem die Buchstaben BA zu lesen sind. (Freundliche Mitteilungen
des Herrn Gymnasialoberlehrer Dr. Koch in Zittau.)
Sächsisches Edelzinn. y
reichere Ausstattung und sorgfältigere Ausführung unterscheiden
sich die Zittauer von den anderwärts gefertigten, meist ziemlich
einfachen Schützentellern. Mit den drei erwähnten speziell
sächsischen Gruppen, deren künstlerischer Wert kein sehr er-
heblicher ist, nähert sich das Edelzinn Sachsens dem dortigen
Gebrauchszinn.
Die Empirezeit räumte, wie anderwärts, so auch in Sachsen
dem Zinn als Material für Leuchter, Salzfässer, Kaffeege-
schirr usw. zwar eine gewisse Existenzberechtigung ein. Etwa
um 1825 aber begann eine Epoche traurigen Niedergangs.
Nur Zinnsoldaten blieben noch die bescheidenen Zeugen seiner
einstigen Bedeutung. Im übrigen fristete es blofs in Gestalt
von medizinischen Instrumenten intimer Natur ein sehr diskretes
Dasein. Zwar begann nach 1860 das Interesse sich wieder ein
wenig zu heben. Aber selbst die 1889 im Dresdner Kunst-
gewerbemuseum veranstaltete Ausstellung alter Zinnarbeiten ^)
wurde nicht in Erwartung einer Wiederbelebung der Zinn-
giefserei, sondern mit dem Wunsche unternommen, aus dem
reichen Formenschatz der Geräte aus Zinn für anderes Material
verwertbare Vorbilder zu zeigen. Seit dem genannten Jahre
etwa, in welchem auch die bekannte Abhandlung von Lessing
über Francois Briot und Caspar Enderlein-) erschien, ist die erst
um 1880 ihren Anfang nehmende wissenschaftliche Behand-
lung der Geschichte des Zinns imd der Zinnarbeiten mit Nach-
druck fortgesetzt und die praktische Verwendung unseres Me-
talls — es sei nur an das Kayserzinn, an Schmitz' Edelzinn,
an die Erzeugnisse von Lichtinger in München, Ertel in Eger,
ZamponiinGraz erinnert! — in kaum erwartetem Umfang wieder
aufgenommen worden. Frankreich, das bereits in den acht-
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in dem trefflichen, noch
heute tätigen Zinnmodelleur Jules Brateau (Paris) einen Künstler
besafs, wie ihn andere Länder nicht aufzuweisen vermögen,
hat mit seinem etain artistique (Schöpfungen von Charpentier,
Garnier, Ledru, Lelievre, Lärche, Desbois, Bafiier u. a.) einen
wesentlichen Vorsprung gewonnen. Sachsen steht diesem be-
deutungsvollen Aufschwung zwar wohlwollend, aber ziemlich
untätig gegenüber. Einige aus Zinn bestehende Werke (Por-
trätplakette der Sammlung Demiani, reichverziertes Schmuck-
kästchen u. a. m.) der in Rochlitz geborenen Bildhauerin Julie
') Vgl. Berling, Sonderausstellung alter Zinnarbeiten, in der
Gewerbeschau XXI (1889), 255 ff., 279 ff.
-) Jahrbuch der Königlich Preufsischen Kunstsammlungen X
(1889), 171 ff
8 H. Demiani:
Genthe, einer Schülerin von Diez, weitergebildet in den Ateliers
von Charpentier, Meunier und van der Stajipen, zeigen eine
gewisse Verwandtschaft mit dem vorerwähnten französischen
,, Kunstzinn". Auf der Turiner Ausstellung 1902 waren nur
die Arbeiten von Grofs in Dresden, der aber erst aus München
übergesiedelt ist, und von Hentschel in Meifsen vertreten.
Andere moderne sächsische Zinnerzeugnisse bedürfen kaum
besonderer Hervorhebung. Der einst so bedeutende säch-
sische Zinnbergbau, dem Sachsen den Namen ,, Deutsches Zinn-
land" verdankt, liegt trotz aller Wiederbelebungsversuche dar-
nieder.
Um die nunmehr zu behandelnde Frage nach den Merk-
malen, durch welche sich das sächsische Edelzinn von anderen
gleichwertigen Zinnarbeiten unterscheidet, vollständig beant-
worten zu können, mufs zunächst an zwei dem Zeitalter der
Renaissance geläufige, dem Gedankengang der Gegenwart
aber mehr oder weniger fremd gewordene Tatsachen erinnert
werden. Einmal nämlich, dafs es damals für durchaus statt-
haft galt, fremde Kompositionen für die eigenen Zwecke zu
benutzen beziehentlich zu kopieren, und eine künstlerische
Leistung schon in der geschmackvollen Zusammenstellung und
Verarbeitung von anderen geschaffener Modelle erblickt wurde.
Hat doch z. B. Lange in dem Werke über die sogenannte
Silberbibliothek Herzog Albrechts von Preufsen^) fast für jeden
der zu dieser Bücherei gehörigen Edelmetalleinbände, welche
auf den ersten Blick den Eindruck von Originalen machen,
die entsprechenden Vorbilder nachgewiesen. Und weiter mufs
man sich vergegenwärtigen, dafs es damals viele Meister gab,
welche auf die eigene Ausführung ihrer Entwürfe von vorn-
herein verzichteten und lediglich mit der Absicht tätig waren,
anderen Künstlern und Kunsthandwerkern Vorlagen für deren
Arbeiten zu liefern. Es genügt, an die zahlreichen Ornament-
stiche der Kleinmeister zu erinnern und an die reliefierte Dar-
stellungen aufweisenden, im wesentlichen als Goldschmiede-
modelle zu betrachtenden viereckigen oder runden platten-
förmigen Plaketten aus Blei, Zinn, Bronze, Messing oder auch
Silber, welche im 16. Jahrhundert und noch später zum In-
ventar jeder Giefserwerkstatt gehörten und im Handel leicht
käuflich zu erwerben waren.
Derartige Plaketten hat der schon genannte Nürnberger
^) S c h w e n k e und Lange, Die Silberbibliothek Herzog- A Ibrechts
von Preulsen und seiner Gemahlin Anna Maria (Leipzig, Hirsemann,
1894).
Fig. 3.
Zittauer Schützenteller (1783).
Sammlunp; Demiani.
Fig. 4.
Zunftkanne der Zittauer Maurer (1562).
Museum zu Zittau.
Sächsisches Edelzinn. q
Künstler Peter Flötner \) in grofser Anzahl geschaffen. Die
Kunstgewerbemuseen zu Berlin, Dresden und Prag, das Öster-
reichische Museum für Kunst und Industrie zu Wien, das Mu-
seum zu Braunschweig usw. bergen stattliche Folgen derselben,
die die Gestalten von Planetengöttern-), Musen ■^), ältesten
deutschen Königen*), Tugenden'*), Todsünden") u. a. m. zeigen.
Diese Flötner -Plaketten waren in Sachsen sehr bekannt und
beliebt und wurden von den dortigen Zinngiefsern meist in
folgender Weise verwertet. Sie legten mehrere derselben
nebeneinander in eine Reihe, formten letztere ab, erhielten
dergestalt eine einem Streifen ähnelnde Form und gössen dann
diese mit Zinn aus. Handelte es sich um runde Stücke wie
z. B. Krüge, so bog man den auf die beschriebene Art ge-
wonnenen friesartigen Streifen um eine Walze rund, schnitt
die gerade erforderliche Länge davon ab und lötete die Enden
zusammen. Kamen flache Gegenstände in Frage wie z. B.
Schüssel- oder Tellerränder, so lötete man ihn oder seine nach
Bedarf zurechtgestutzten Teile auf die ebene Zinnunterlage
auf). Dergestalt zeigen die sächsischen Zinnarbeiten nicht
') Vgl. über Peter Flötner und die von ihm herrührenden Pla-
ketten: Lange, Peter Flötner, Berlin, Grote, 1897. Auf S. 118 sagt
Lange mit Recht: „Wenn man absieht von der Holzschnitzerei, deren
erhaltene Proben leider nur gering sind, lag der Schwerpunkt von
Flötners Thätigkeit in der Anfertigung jener kleinen figürlichen Reliefs
aus Speckstein oder Kelheimer Stein, die in Form von Bronze- oder
Bleiplaketten vervielfältigt wurden und wegen der Weichheit des dazu
benutzten Materials auch zur Bildschnitzerei im weiteren Sinne ge-
rechnet werden können". Siehe auch D omanig, Peter Flötner als
Plastiker und Medailleur, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen
des Allerhöchsten Kaiserhauses XVI (1895), i ft.
2) Lange a. a. O. S. 124 Taf. VII.
3) Lange a. a. O. S. 124 ff. Tat. VIII.
*) Lange a a. O. S. 126 ft". Taf. IX. Domanig a. a. O. Taf. II.
•'^) Lange a. a. O. S. 127 ft". Taf IX, X, XL
**) Lange a. a. O. S. 129 Taf. XI.
'') „Die Leichtigkeit, mit welcher sich Zinn durch sogenanntes
,Weichloth' . . . zusammensetzen lälst, begünstigt sowohl die Zu-
sammenfügung einzelner Bestandtheile als auch die Befestigung auf
einer anderen Zinnunterlage. Dieses Verfahren gestattet daher auch
die Zusammenstellung al^gedrehter glatter Gefäfse mit gegossenen
ornamentalen Theilen, welche . . . zur Verzierung bestimmt sind."
Töpfer, Das Gebrauchszinn, Mitteilungen des Gewerbe -Museums
zu Bremen XVII (1901), 81 ft". — Man könnte sich das Verfahren der
sächsischen Zinngielser auch so denken, dafs sie nicht eine Form
von einer Reihe nebeneinander gelegter Plaketten abnahmen, sondern
dais sie jede Plakette einzeln abformten, die solchergestalt gewon-
nenen Formen zusammenstellten und darnach die reliefierten Zinn-
tafeln oder Zinnstreifen, deren sie, bedurften, gössen. Diese Her-
lO H. Demiani:
eng verbundene einheitliche fortlaufende, sondern nur je nach
Bedürfnis und oft ohne Rücksicht auf den inhaltlichen Zu-
sammenhang zusammengestellte Reliefdarstellungen. Dafs deren
einzelne Partien nicht schon ursprünglich zusammengehörten,
sondern erst nachträglich zusammengesetzt wurden, beweisen
nicht nur die meist zwischen ihnen ersichtlichen Gufsnähte,
die dadurch entstanden, dafs die verwendeten Plaketten nicht ge-
nau aneinander pafsten und deshalb das Zinn beim Eingiefsen
in die oft vorhandenen Zwischenräume zwischen den einzelnen
Teilen der Form drang, sondern auch die deutlich erkenn-
baren Lötstellen, die, namentlich bei Kannen, durch das Zu-,
sammenlöten des rundgebogenen reliefierten Zinnstreifens
hervorgerufen, häufig mitten durch die Ornamente hindurch-
laufen, deren andere Hälften einfach weggefallen sind, so dafs
sie sich im Rapport in unschöner und planloser Weise ver-
schneiden.
Aus dem geschilderten Verfahren erklärt es sich, dafs die
nur aus abgegossenen beziehentlich abgenommenen und nicht,
wie an anderen Orten, aus eigens hergestellten scharfen metal-
lenen^) oder steinernen-) Formen gewonnenen Reliefs der
sächsischen Edelzinnarbeiten derber und stumpfer sind als die-
jenigen anderwärts gefertigter Zinngeräte ■^). Und weiter hängt
Stellungsart hätte aber den nicht unerheblichen Nachteil gehabt, dafs
sich beim Gufs die verschiedenen, ja nicht verbundenen, sondern
nur aneinander gelegten Formen verschieben konnten. Man darf
daher wohl annehmen, dafs auf die im Texte beschriebene Weise
verfahren worden ist.
') Die von Frangois Briot geschaffenen Formen bestanden aus
Kupfer. Demiani, Francois Briot usw. S. 9 ff. Man fertigte aber auch
Formen aus Messing, Eisen und Stahl. Näheres ebenda S. 92 fti
Aiim. 128.
■-) Die von Caspar Enderlein benutzten Formen waren wahr-
scheinlich aus Solnhofener Stein, dem sogenannten Stechstein, her-
gestellt. Lessing a. a. O. (vgl. S. 7 Anm 2) S. 176. Auch Sandstein,
Marmor, Kelheimer Stein, Speckstein, Schiefer und Serpentin dienten
als Material für Zinngufsformen. Näheres Demiani a. a. O. S. 92 ff".
Anm. 128. Sandsteinfomien finden sich in gröfserer Anzahl z.B. im
Museum zu Rochlitz. Vgl. Pfau, Über ältere Zinngiefserei, in Einzel-
heiten aus dem Gebiete der Rochlitzer Geschichte III (Rochlitz 1902),
II fi.
^) Zum Abformen wurde wohl Gips oder Sand benutzt. Ein
geübtes Auge unterscheidet leicht Zinnarbeiten, die in Metall- oder
Steinlormen hergestellt sind, von denjenigen, bei deren Hervorbringimg
man Gips- oder Sandformen verwendet hat. Letztere Erzeugnisse
sind an einer gewissen Rauheit der Oberfläche, an einer sie über-
ziehenden matten Gufshaut und daran zu erkennen, dafs sie, nament-
Hch in den Details ihrer Ornamente, Schärfe und Feinlieit vermissen
lassen.
Sächsisches Edelzinn. 1 1
es mit der beschriebenen Produktionsweise zusammen, dafs
man mit denselben Darstellungen geschmückten Gefälsen von
verschiedener Höhe und mit verschiedenem Durchmesser be-
gegnet. Es wurde eben, beispielsweise bei Krügen, im Be-
darfsfalle über dem unteren Fries genau derselbe noch einmal
angesetzt oder, um den Umfang zu erweitern, der als Wan-
dung benutzte Reliefstreifen entsprechend vergröfsert bez. ver-
längert, wobei man in der Regel die betreffende Komposition
vollständig oder teilweise wiederholte.
Ausnahmsweise ist übrig-ens auch sächsisches Edelzinn
in eigens geschnittenen Hohlformen aus Metall oder Stein ge-
gossen worden. So zwei schöne, reich dekorierte und noch zu
behandelnde Teller (Fig. ii, 12), deren Erwähnung den Über-
gang zu einer Besprechung der Hauptwerke der in Rede
stehenden Gattung bilden möge.
Vorausgeschickt sei die Bemerkung, dafs nicht lediglich
aus Beschreibungen bekannte, sondern nur noch vorhandene
wichtigere Exemplare und darunter wiederum in der Haupt-
sache blofs diejenigen in Betracht gezogen werden sollen, deren
sächsischer Ursprung, namentlich auf Grund ihrer Stempel
oder ihrer mit denen beglaubigter Stücke übereinstimmenden
Reliefs, aufser Zweifel steht.
Die Erwähnung der Zinnmarken als Beweismaterial nötigt
zur Einschiebung einer Erläuterung. Nichtsächsische Zinn-
geräte wurden in zu diesem Zwecke besonders hergestellten
metallenen oder steinernen Formen ofcofossen. Kunstreich ver-
zierte Gufsformen fertigten nun nicht selten Künstler, die nicht
Zinngiefser waren'). Man mufs daher bei gewissen Stücken
zwischen diesen Künstlern, den eigentlichen Schöpfern, und
den Zinngiefsern, die nur handwerksmäfsig den Gufs vor-
nahmen, unterscheiden. Auf erstere deuten etwa in die For-
men eingeschnitten gewesene und daher wie die Ornamente er-
haben erscheinende Buchstaben oder sonstige Zeichen(Künstler-
bezeichnungen), auf letztere dagegen die zur Feststellung des
Giefsers bestimmten Meisterstempel und die zur Kennzeich-
nung des Entstehungsortes dienenden Stadtmarken, welche
eingeschlagen wurden, also in der Hauptsache als Vertiefungen
sich darstellen. Unter diesen Umständen besitzen die Zinn-
stempel nur eine beschränkte Beweiskraft. Anders dagegen
verhält es sich bei den sächsischen Zinnarbeiten, die in Formen
gewonnen sind, welche nicht auf die beschriebene, eine gröfsere
*) Demiani, Fran9ois Briot usw. S. 8, 71 tf.
12 H. Demiani :
Kunstfertigkeit erfordernde Art, sondern, wie schon berichtet
worden ist, auf mehr mechanischem, für jeden Zinngiefser
gangbaren Wege erlangt wurden. Deshalb liegt bei diesen
Stücken auch kein Anlafs vor zu einer Unterscheidung zwischen
Formenschneidern und Zinngiefsern, und die Stadt- und Meister-
stempel^ können unbedenklich als strikte Nachweise für die Pro-
venienz von Zinngefäfsen angesehen werden. Bei dieser Sach-
lage ist es auf das dankbarste zu begrüfsen , dafs das säch-
sische Inventarisationswerk ') seit seiner Fortführung durch
Gurlitt auch die Zinnmarken berücksichtigt und damit sehr
schätzenswertes Material für ein Werk über Zinnstempel liefert,
das als Gegenstück zu Rosenbergs verdienstvollem Buch über
der Goldschmiede Merkzeichen -j sehr erwünscht, aber leider
noch nicht geschrieben ist''j.
Als das Hauptwerk des sächsischen Edelzinns darf man wohl
die 1562 datierte, 47 cm hohe Zunftkanne der Zittauer Maurer-
innung bezeichnen, welche sich im städtischen Museum zu Zittau
befindet (Fig. 4). Ihr bildnerischer Schmuck ist auf Flötner-
Plaketten zurückzuführen. Im oberen Fries erblicken wir
Musen, im unteren Planetengötter und drei Tugenden. Der
Henkel zeigt drei in ihren oberen Hälften durch das Auf-
schlagen des Deckels verdrückte Stempel: zwei mit einem Z,
dem Zittauer Stadtwappen, und dazwischen einen mit einem
W, über welchem wohl ursprünglich noch ein P stand. Eine
ähnliche, wenn auch nicht ganz so reich dekorierte, 51,5 cm
hohe Kanne mit Flötner -Figuren (Planetengöttern, Musen,
Tugenden und Todsünden)*) im South Kensington Museum zu
London weist dieselben drei Marken auf; das P über dem W
ist hier aber deutlich sichtbar. Man wird kaum fehlgehen,
wenn man diese beiden vortrefflichen Stücke dem Zittauer
Zinngiefsermeister Paul Weise zuschreibt, welcher auch 1560
mit Hilfe von dem Bildhauer Jakob Felsch gefertigter Holz-
formen für die alte, 1757 zerstörte Johanniskirche zu Zittau
einen zinnernen Taufbrunnen lieferte. Da sich am Fufs so-
wohl einer schlanken, fast überreich verzierten, 40,5 cm hohen
Kanne im Museum Francisco -Carolinum zu Linz (Fig. 5)'"') wie
1) Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenk-
mäler des Königreichs Sachsen, Dresden, in Kommission bei C. C.
Meinhold & Söhne. Anfänglich von Steche bearbeitet.
-) Frankfurt a. M., Keller, 1890.
^) Vgl. auch B er ling, Sächsische Zinnmarken, im Kunstgewerbe-
blatt III (1887), 133 ff.
*) Abgebildet bei Masse, Pewter Plate (London, Bell, 1904) S. 155.
•'') Minkus, Edelzinnkanne des Museum Francisco -Carolinum
in Linz, in Kunst und Kunsthandwerk, Monatsschrift des k. k. österr.
Fig. 5-
Sächsische Kanne (2. Hälfte des 16. Jahrh.
Museum Francisco -Carohnum zu Linz.
Fig. 6.
Sächsisches Weinkännchen (um 1580).
Sammluno; Demiani.
Sächsisches Edelzinn.
13
auch eines interessanten, mit Marken nicht versehenen Leuchters
der Sammlung Demiani dieselben Ornamente wiederfinden
wie auf dem Deckel des besprochenen Zittauer Innungsgefässes
von 1562, so kann man wohl auch diese beiden Arbeiten,
wenn nicht Paul Weise selbst, so doch einem ihm nahestehenden
Zittauer Meister zuschreiben.
Weniger imposant wie das Zittauer Prachtstück, aber viel-
leicht nicht minder reizvoll in seinen Einzelheiten ist ein ehemals
zu der Hausclnldschen, jetzt zu der Demianischen Kollektion
gehöriges, 27,9 cm hohes und im Durchmesser seiner Stand-
Sache 12,5 cm breites Weinkännchen , dessen Entstehung in
die Zeit um 1580 fällt (Fig. 6). Die eingravierte Jahreszahl
1699 ist offenbar spätere Zutat. In der oberen Zone der
Leibung kehren Flötners deutsche Könige, in der unteren
seine Tug^enden wieder. In der Mitte erblickt man einen mit
Putten und Medaillons zwischen Rankenwerk ausgefüllten
Streifen und am Fufs einen reizenden Fries mit spielenden
Kindern. Namentlich letzterer erinnert ebenfalls an Flötner.
Es könnten aber auch sächsische Vorbilder benutzt worden
sein. Wenigstens finden sich in Sachsen ähnliche, nicht ohne
weiteres auf Flötner zurückzuführende Kinderkompositionen,
z. B. an den kandelaberartigen Säulen des jetzt der Hofkirche
zugekehrten ehemaligen Nordtors des Dresdner Georgen-
schlosses und am Unterbau des Erkers des Eckhauses Nr. 14
der Frauenstrafse zu Dresden. Als Erbauer des Georgen-
schlosses wird in der Regel Hans Schickentantz bezeichnet,
obgleich sich ein urkundlicher Nachweis für diese Angabe
nicht erbringen läfst. Schickentantz wohnte in der ,, Windischen
Gasse", der heutigen Frauenstrafse. Sollte ihm etwa das
erwähnte Eckhaus gehört haben? Der Henkel des Kännchens
trägt drei Marken: rechts und links je eine mit den Initialen
HL über einem Hahn, die mittlere mit den Buchstaben SB
über zwei schräg gekreuzten Bergmannswerkzeugen (Fäustel
und Eisen). Letzteres Zeichen ist der Schneeberger Stadt-
stempel. Die beiden ersteren lassen sich ohne Zwang auf ein
etwa Hans oder Heinrich heifsendes Mitglied der bekannten
Schneeberger Zinngiefserfamilie Lichtenhahn deuten. Aus der-
Museums für Kunst und Industrie in Wien III (1900), 434 flf. Der in
früherer Zeit wie die Kanne entstandene und derselben offenbar erst
später angefügte Henkel trägt zwei einander gleiche Stempel, die
hier um so gewisser unberücksichtigt bleiben können, als sie offen-
sichtlich sogenannte Besitzermarken sind, wie sie die Eigentümer
von Zinngeräten zur Kennzeichnung der ihnen gehörigen Stücke je
nach Bedarf und Belieben anbrachten.
_ . H. Demiani :
selben gingen aufser diesem Meister noch hervor Matthäus
Lichtenhahn, der nach Basel, dem Geburtsort Enderleins, über-
siedelte und dort 1589 Bürger und als Zinngiefsermeister in
die sogenannte Hausgenossenzunft aufgenommen wurde, und
Stephan Lichtenhahn, welcher für die Nicolaikirche zu Leipzig
1558 eine Taufkanne und 1561 einen Taufbrunnen und weiter
auch Taufbecken für die dortige Thomaskirche, die 1649 ab-
gebrannte ältere Kirche zu Schwarzenberg und die Nicolai-
kirche zu Berlin lieferte.
Schneeberg, dessen bergmännische Begräbnisbrüderschaft
ein grofses zinnernes Kruzifix, das bei Beerdigungen voran-
getragen wird, und acht Zinnplatten besitzt, die paarweise
über den Sarg gehängt werden^), verdient auch insofern Be-
achtung, als es nach der 16 14 erlassenen, mit geringen Ab-
änderungen 1674 und 1708 „renovierten, konfirmierten und
bestätigten" Kannengiefserordnung für das Kurfürstentum
Sachsen zuerst mit Dresden, Leipzig, Wittenberg und Langen-
salza, seit 1674 aber mit den drei erstgenannten Orten zu
den fünf bez. vier ,, Kreisstädten" gehörte, welchen die Auf-
sicht über die Zinngiefserinnungen der ihnen ,, inkorporierten"
Städte oblag.
Ein ganz ähnliches, aus der Sammlung Schönherr stam-
mendes Kännchen mit dem beschriebenen Schneeberger Stadt-
zeichen und einer leider noch nicht erklärten Meistermarke-)
birgt das Ferdinandeum zu Innsbruck. Ein im Hinblick auf
seine deutsche Könige und Planetengötter darstellenden
Flötner - Reliefs wohl als drittes im Bunde zu bezeichnendes,
den beiden beschriebenen sehr nahe verwandtes Stück, welches
in Leipzig unter der Bezeichnung „Armesünderkanne" in der
Kollektion des Vereins für die Geschichte Leipzigs aufbewahrt
wird, ist leider nicht mit Stempeln versehen, welche seinen
sächsischen Ursprung völKg aufser Zweifel stellen könnten.
Neben Schneeberg sind noch drei andere Bergstädte
Sachsens als Entstehungsorte sächsischen Edelzinns anzuführen,
nämlich Annaberg, Marienberg und Freiberg. Die beiden ersten
haben ähnhche Stadtmarken wie Schneeberg. Die drei Stadt-
stempel unterscheiden sich nämlich nur durch die Buchstaben,
die über in ihnen angebrachten Bergmannswerkzeugen (Fäustel
und Eisen) ersichtlich sind: SB = Schneeberg, SAB = St.
Annaberg und M B = Marienberg. Das Stadtzeichen von Frei-
1) Berling a. a. O. (S. 7 Anm. i) S. 280.
■-) Diese Meistermarke enthält einen Hahn und die Buchstaben PH.
Sächsisches Edelzinn.
15
berg dagegen weist den auch im dortigen Stadtwappen ent-
haltenen springenden Löwen auf.
Auf dem Henkel des als Fig. 7 abgebildeten, 25 cm hohen
Kruges findet sich zwischen zwei einander gleichen, leider un-
bekannten Meistermarken^) der Annaberger Stadtstempel. Trotz-
dem wurde und wird dieser Krug wohl noch heute im Louvre,
dessen Sammlungen er angehört , Enderlein zugeschrieben.
Man kann bei Betrachtung der in den Nischen der beiden
Mittelzonen sich mehrfach wiederholenden Figuren des Glau-
bens, der Stärke und der Klugheit, welche in ihrer Derbheit
und Stumpfheit eine schon besprochene Schwäche der säch-
sischen Zinnarbeiten illustrieren, wieder an Enderlein noch an
Flötner denken. Kompositionen des letzteren will Lange-) in
den beiden Friesen von tanzenden, musizierenden und singenden
Putten am Fufse und am oberen Rande erblicken. Es könnten
aber auch hier sächsische Vorbilder benutzt worden sein. Dem
in Rede stehenden und wiederum einander sehr ähnlich sind
zwei niedrigere Krüge mit nur einer Reihe der erwähnten
allegorischen Gestalten. Der eine (bis zum Deckelrand 13,5 cm
hohe) gehörte zu der vor kurzem versteigerten Sammlung
Lippmann - Lissingen, der andere ist nebst den sonstigen präch-
tigen Zinngeräten der Kollektion Lanna als Leihgabe im Kunst-
gewerbemuseum zu Prag ausgestellt. Letzterer trägt keine
Stempel und zeigt nur auf dem Henkel die erhabenen, also
nicht eingeschlagenen, sondern zugleich mit dem Ornament
gegossenen (mithin in die Form eingegraben gewesenen) Buch-
staben S M (Künstlerbezeichnung) ; über und unter dem Figuren-
fries sind zwei einander gleiche, Cartouchen, Grotesken und
Vögel umschliefsende Ornamentstreifen angebracht, während
der Deckel dem eines noch zu beschreibenden, mit den Ge-
stalten der Evangelisten geschmückten Krugs der Sammlung
Demiani gleicht. An der sächsischen Provenienz beider nahe
verwandten Gefäfse zu zweifeln, liegt wohl kein Anlafs vor.
Sie beweisen im Zusammenhalt mit dem Pariser Krug recht
anschaulich, dafs, wie schon erwähnt, sächsische Zinngeräte
zwar mit denselben Darstellungen, aber — zufolge einer Wieder-
holung oder Beschränkung der letzteren — in verschiedener
Höhe oder verschiedenem Umfang vorkommen.
Die Entstehung eines im bayerischen Nationalmuseum zu
München verwahrten Krugs mit einer sich dreimal wieder-
^) Die beiden völlig; übereinstimnienden Marken enthalten die
Buchstaben CGW über einer Blume (?) mit zwei rechts und links
befindlichen Blättern von derselben Form und Gröfse, die aus einer
Blättern ähnelnden Erhöhung hervorwachsen.
-) Lange a. a. O. (S. 9 Anm. i) S. 132.
l6 H. Demiani:
holenden, noch nicht gedeuteten merkwürdigen figürhchen
Darstellung zwischen zwei durch Rankenwerk ausgefüllten
Ornamentbändern ist in Marienberg zu suchen, da er mit dem
dortigen Stadtzeichen versehen ist^). Der ihm eingeschlagenen
Marienberger Stadtmarke nach gleichfalls in der genannten
Ber^stadt gefertigt ist ein in der Marienbibliothek zu Halle
aufbewahrter Deckelkrug, dessen Leibung mit Bacchanten-
szenen im Stile der Kleinmeister geschmückt ist'-^).
Da er neben einem unbekannten Meisterstempel ■') das
Stadtzeichen von Freiberg trägt, wird man einen schönen,
reich reliefierten Krug der Sammlung Demiani mit Szenen aus
dem Gleichnis vom verlorenen Sohn nach Stichen von Hans
Sebald Beham (Fig. 8) als eine Freiberger Arbeit ansehen
dürfen^). Und dasselbe gilt von einem die nämlichen Marken
\) Die Darstellung ist folgende : In der Mitte hockt eine nackte,
den Rücken zeigende Figur auf einer Säule (Altar?), an deren
Deckplatte Männer Feuerbrände zu halten scheinen. Ein von hnks
kommender Mann trägt Holzscheite herbei, während von rechts drei
Männer hinzueilen. Da drei der Gestalten sogenannte Diebeslaternen
tragen, wird man die Szene in die Nachtzeit zu verlegen haben.
Die Marienberger Stadtmarke enthält unter den Bergmannswerk-
zeugen noch eine stilisierte Rose. Das Meisterzeichen weist die
Buchstaben CW über einem Engelskopf auf.
-) Vgl. Kurz welly, Edelzinn, in der Wissenschaftlichen Beilage
der Lpz. Ztg. 1897. Nr. 137. S. 547.
^) Die zwemial eingeschlagene Meistermarke ähnelt sehr der
S. 2 Anm. I beschriebenen. Doch könnte man das in der Mitte
Dargestellte vielleicht auch als einen Baumzweig mit einer von zwei
Blättern beseiteten Eichel ansehen. Die Zahl 1 3 findet sich ebenfalls
vor. Unter jeder Ziffer erblickt man einen — auf dem S. 2 Anm. i
geschilderten Meisterzeichen fehlenden — Stern. An Stelle der Buch-
staben HG stehen die Initialen PG. Sollte man es etwa mit dem
Meisterstempel eines Freiberger Zinngiefsers zu tun haben, der eben-
falls Günter hiefs und dessen Vorname mit P begann? Dafs die in
Rede stehende Meistermarke eine sächsische ist, folgt schon aus der
darin befindlichen Zahl 13 = 1613. Vgl. B er ling a.a.O. (S. 12 Anm. 3),
S. 135 und die nachstehende Anmerkung. 1623 wurden Heinrich Günter
(Günther), 1634 Matthäus Günter, 1659 Samuel Günter und 1660 Hans
Günter (Heinrich Günters Solin) Freiloerger Bürger. Die Genannten
waren Zinngiefser. (Freundliche Mitteilung des Stadtrates zu Frei-
berg.) Bei Möller (Freiberger Chronik, 1653, II, 404) erscheint 1614
ein Paul Günther als „Defensioner-Feldwebel". In den Papieren (ins-
besondere in der Meisterrolle und dem Lehrlingsbuch) der Freiberger
Zinngiefser ist er nicht erwähnt. (Freundliche Mitteilung des Herrn
Bürgerschullehrer Knebel in Freiberg.)
*) Exemplare z. B auch im Kunstgewerbemuseum zu Dresden
(Leihgabe) und im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und
Altertümer zu Breslau. Beide Stücke sind nicht gestempelt. Nach
dem oben Gesagten ist das bei Demiani, Fran(;ois Briot u.sw. S. 73
Bemerkte zu berichtigen, worin irrtümlicherweise die Freiberger Stadt-
Sächsischer Krug (2. Hälfte des 16. Jahrh.).
Musee du Louvre in Paris.
Fig. 8.
Sächsischer Krug (2. Hälfte des 16. Jahrhunderts).
Sammking Demiani.
Sächsisches Edelzinn. \n
aufweisenden Krug des Bayerischen Nationalmuseums zu
München, der zwischen zwei einander gleichen, mit denen des
vorerwähnten Stückes übereinstimmenden Friesen mit Ranken
und Putten die Figuren von Planetengöttern zeigt, welche,
abgesehen von einigen Abweichungen, Flötnerschen Plaketten
gleichen. Da der auf den beiden soeben besprochenen Zinn-
geräten angebrachte Fries zweimal auch auf einem Krug wieder-
kehrt, dessen Mittelzone biblische Darstellungen (Erschaffung
Evas, Sündenfall usw.) zieren, so liegt der Gedanke nahe,
auch hier Freiberger Ursprung anzunehmen. Man wird dies
indessen nicht ohne weiteres tun dürfen, da die völlig gleichen
Exemplare der Sammlungen Clemens - München und Brateau-
Paris ungestempelt sind, der im Ba3erischen Nationalmuseum
zu München befindliche Abgufs jedoch, der denselben Mittel-
streifen, aber zwei andere, von einander verschiedene Friese
aufweist, zwar mit einer (leider unbekannten) Stadtmarke, doch
nicht mit der von Freiberg versehen ist.
Im Münzkabinett zu Dresden befindet sich eine runde Zinn-
platte, etwa so grofs wie ein Fünfmarkstück und ungefähr
zweimal so dick wie ein solches. Während die Rückseite völlig
marke als die (ihr ähnliche) von Heidelberg bezeichnet worden ist. Im
Kunstgewerbemuseum zu Berlin belinden sich zwei Bleiplaketten mit
zwei der besprochenen Behamschen Darstellungen: Heimkehr und Zech-
gelage. Auf letzterer Plakette sind die Buchstaben L D (Leonhard Dan-
ner?) eingedrückt Ein zu der Sammlung Lanna gehöriger, im Kunst-
gewerbemuseum zu Prag ausgestellter Krug, dessen Leibung dieselben
Szenen aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn, aber am oberen und
unteren Rande Friese aufweist, die lediglicli Kindergestalten enthalten
imd zum Teil mit denen des als Fig. 7 abgebildeten Krugs völlig über-
einstimmen, ist mit dem Stadtzeichen von Marienberg und zwei ein-
ander gleichen Meistermarken versehen, die unter der Jahreszahl 1572
links ein|n Stern und rechts einen Halbmond zeigen. Dieses Stück dürfte
beweisen, dafs bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Pla-
ketten mit den erwähnten biblischen Darstellungen von sächsischen Zinn-
giefsern benutzt worden sind. Das mit dem Freiberger Stadtzeichen
versehene Demianische Exemplar kann nun zwar nicht vor 1614 ab-
gestempelt sein, da erst die am 2. August dieses Jahres erlassene
Kannengiefserordnung für das Kurfürstentum Sachsen bestimmte,
dafs alle Zinngiefser in ihren Marken die Zahl 13 (= 1613) zu führen
hätten. Allein es ist möglich, dafs der Meister, welcher diesen Krug
herstellte, dazu einer Form sich bediente, die bereits früher auf die
in Sachsen übliche Weise angefertigt worden war. Man wird nach
dem Gesagten den Beginn der Entstehungszeit derartiger Stücke in die
zweite Hälfte des 16. lahrhunderts verlegen dürfen. Die Verschiedenheit
der Randfriese an den besprochenen beiden Krügen ist ein weiterer
Beweis für deren sächsische Herkunft : man benutzte eben nicht eine
kunstreiche geschnittene Metall- oder Steinform, welche völlig gleiche
Abgüsse lieterte, sondern formte die nach dem jeweiligen Bedarf
und Belieben zusammengestellten Reliefs einfach ab.
Neues Archiv f. S. G. u A. XXV. i. 2. 2
i8 H. Demiani:
glatt ist, zeigt die 1613 datierte Vorderseite in Relief am
Rande die Inschrift: ZIENZEICHEN AVK SANCT MARIEN-
BERG und im Mittelrund über einem Wappenschild mit ge-
kreuzten Bergmannswerkzeugen Maria mit dem Christkind in
der Glorie. Es kommen auch ähnliche Exemplare mit den
Namen anderer sächsischer Bergstädte vor. Die erhabenen
Darstellungen und Schriftzeichen scheinen nicht mit Hilfe von
Stempeln hergestellt, sondern in besonderen Formen gegossen
zu sein. Es kann zweifelhaft erscheinen, als was man der-
artiofe Stücke anzusehen hat. Man wird sie wohl als Proben
betrachten dürfen, nach denen von dem betreffenden Orte aus
Zinn geliefert wurde. Wahrscheinlich hatte der zuständige
Bergwerksvorstand oder Obermeister der Zinngiefserinnung
gleiche Abgüsse in Verwahrung, welche als Unterlagen für
die Beurteilung bei etwaigen Streitigkeiten über die Probe-
mäfsigkeit von Zinn dienten. Da dieses Metall, um es leichter
giefsen zu können, mit Blei vermischt werden mufste, an-
dererseits aber nach den hierüber bestehenden Vorschriften
nur einen gewissen Bleizusatz (in der Regel blofs i Teil Blei
auf 10 Teile Zinn — ,,Proba Zum Zehenden") enthalten durfte,
so war die Ermöglichung einer bezüglichen Kontrolle sehr
angebracht.
Wir haben uns nunmehr einigen Taufschüsseln zuzuwenden.
Um seines 7 cm hohen Randfrieses willen sei zuerst das 1577
in den bereits erheblich früher (wahrscheinlich von Plans Speck)
aus Sandstein in reichem Frührenaissancestil gefertigten Tauf-
stein eingelassene ungestempelte Becken der St. Marienkirche
zu Zwickau angeführt. Dieser Fries enthält 46 nach Flötner-
Plaketten in Zinn gegossene, Planetengötter, Musen, Tugenden
und Todsünden aufweisende Reliefs, zwischen denen sich sechs-
mal eine Anbetung der Hirten wiederholt, die vonfFlötner
nicht herrührt und möglicherweise einem sächsischen Künstler
zuzuweisen ist. Steche') nimmt mit Unrecht an, dafs diese
Darstellungen auf italienische Vorbilder zurückzuführen seien,
und sagt ferner in seiner Beschreibung: ,, Auffassung und
Durchführung der kleinen Kunstwerke erinnert lebhaft an den
Meister des Taufbeckens in der St. Annakirche zu Annaberg".
Von dieser 1578 gegossenen Taufschüssel sind leider nur noch
') Steche, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und
Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen XII (1889), 109, iii. Auf
S. HO eine Abbildung des Frieses und des Taufsteins. Vgl. auch
Lange a. a. O. (S. 9 Anm. i) S. 147. Einige Platten in der Gesamt-
länge von 15 cm fehlen.
Sächsisches Edelzinn. 19
das Mittelstück und drei Seitenteile erhalten geblieben, „welche
auf die ehemalige Gestaltung des Beckens mit Sicherheit
schliefsen lassen. Das als sechsblätterige Rosette gebildete
Becken hielt 78 cm im Durchmesser. Das Mittelstück zeigt
den Christuskopf im Hochrelief, die Randteile zeigten in
gleicher Ausführung, von reichen Ornamenten umgeben, Dar-
stellungen Gottvaters, des Ecce homo und der Evange-
listen " \). „Ein ähnliches Becken besitzt die Kirche von
Zöblitz", berichtet Steche^) weiter und schildert letzteres fol-
gendermafsen: „Taufbecken, Zinn, 55 cm im Durchmesser.
Auf dem Boden ein gegossener Relief köpf des Herrn, um-
geben von Rundbildnissen der Evangelisten, ferner mit einem
sich wiederholenden, kunstreichen Relief geziert, welches die
Bezähmung der Thiere durcli Orpheus darstellt; 17. Jahr-
hundert" '). Derselben Zeit gehört auch eine den beiden vor-
genannten Stücken verwandte, der St. Katharinenkirche zu
Buchholz gehörige ungestempelte Taufschüssel -) an. Auch
hier enthält das Mittelrund ein Brustbild Christi. Es ist um-
geben von einem reichen Ornamentband, in welches u. a. die
Figuren der Evangehsten eingefügt sind. Der übrige Teil
des Bodens nach dem gravierten schmalen Rande zu ist mit
Gravierungen bedeckt, zwischen denen viermal dasselbe, eine
Reliefdarstellung der Dreieinigkeit enthaltende Rundmedaillon
angebracht ist. Da das Zwickauer Becken dem schon früher
vorhandenen Taufstein offenbar angepafst, also doch wohl an
Ort und Stelle hergestellt worden ist, da zwi-schen ihm und
den besprochenen Taufschüsseln eine gewisse Ähnlichkeit be-
steht, da zweifellos das Zöblitzer Becken in Sachsen ent.standen
ist und da die ganze Gruppe die charakteristischen Merkmale
sächsischer Edelzinnarbeiten an sich trägt, so wird man auch
hier sächsischen Ursprung annehmen dürfen.
In der „alten" Sakristei der St. Annakirche zu Annaberg
sind bei Gelegenheit einer Restaurierung auf den Umrahmungen
1) Steche a.a.O. IV (1885), 35, V(i88s), 33 ff- Wenn auch
die Zöblitzer Taufschüssel keine Marke trägt, so läfst sich doch ihr
sächsischer Ursprung nachweisen. Denn nach den Zöblitzer Kirchen-
rechnungen ist sie 1613 in der „Saygerhütte zu Grünthal" (heute:
Kupferhammer-Grünthal) bestellt und "1614 von Zinngiefsern aus ein-
geschmolzenen zinnernen Altarleuchtern gegossen worden. (Freund-
liche Mitteilung des Herrn Pfarrer Munde in Zöblitz.)
-) Al^gebildet in den Blättern für Architektur und Kunsthand-
werk (Berlin, Becker) III, Taf. 17. Durchmesser 39 cm. Vgl. Steche
a. a. Ö. IV (1885), 61: „Die gravierten Ornamente gleichen jenen
der Taufbecken zu St. Michael und Weifsenborn (vgl. III, 109, 124)."
20 H, Demiani:
von zwei Gemälden, die nebst zwei anderen älteren Bildern
in einen modernen Altaraufbau eingefügt sind, die zinnernen
Reliefwappen der Annaberger Familien Kantz und Schütze
(halbes aufgezäumtes Pferd beziehentlich gespannter Bogen
mit aufgelegtem Pfeil) angebracht worden. Steche') nennt
sie ,, Meisterwerke heraldischer Plastik" und spricht die Ver-
mutung aus, dafs sie einst eines der Kantzschen Epitaphien
zierten. Die beiden Tafeln sind gleich grofs (17,5 cm hoch
luid 13 cm breit). Diejenige, welche das Schützesche Wappen
aufweist, trägt die Jahreszahl 1584. Stempel fehlen. Doch
wird man nach Lage der Sache am Annaberger Ursprung
wohl nicht zweifeln können. Der Helm, die Helmdecken, die
Schildform und der vertieft damaszierte Grund sind avif beiden
Stücken sehr ähnlich, aber nicht völlig identisch. Die Model-
lierung der Einzelheiten ist gut, aber etwas derb. Die rauhe,
mit zahlreichen kleinen Vertiefungen übersäte Oberfläche
berechtigt zu der Annahme, dafs diese Tafeln in Gips- oder
Sandformen gegossen sind"-), welche von Wachs- oder Ton-
modellen abgenommen waren. Die speziell sächsische Her-
stellungsweise wurde nicht angewendet, weil sich begreiflicher-
weise unter dem verfügbaren Vorrat von Plaketten solche mit
den betreffenden Wappen nicht befanden. Andererseits lohnte
es sich auch nicht, teure Metall- oder Steinformen herzustellen,
da man ja wohl nur je einen Abgufs brauchte.
In Anbetracht ihres ein Bildnis des Kurfürsten August
von Sachsen enthaltenden Mittelrunds und des sächsischen
Charakters der Reliefdarstellungen ihres Randes darf man auch
die als Fig. 9 abgebildete Schüssel als eine sächsische Arbeit
bezeichnen. Der letzterwähnte bildnerische Schmuck zeigt
zwischen völlig glatten, streifenförmigen Feldern in je vier-
maliger Wiederholung zwei Einzelgestalten, Herkules und
Discordia, sowie zwei Figurenpaare, Adam und Eva, Mars
und Venus, und ist vielleicht das lehrreichste Beispiel der
sogar auf der Abbildung deutlich erkemibaren Auflötung ab-
geformter Plaketten auf die ebene leere Zinnoberfläche. Das
interessante, 36 cm im Durchmesser haltende Stück ist im
Besitz des Musee du Louvre, dessen Katalog es einem 1523
verstorbenen Nürnberger Zinngiefser Martin Harscher'^) zu-
schreibt und diese kühne Behauptung mit dem erst 1553 er-
>) Steche a.a.O. IV (1885), 43, 77. Vgl. auch die Herrlich-
keit des Annabergischen Tempels (1776) S. 33 unten.
-) Vgl. oben S. lo Anm. 3.
^) Demiani, Franc^ois Briot usw. S. 77 ff.
MM .jJ: m
Fig. 9.
Sächsische Prunkschüssel (um 1560).
Musee du Lou\re in Paris.
Fig. 10.
Sächsische (?) Kanne (1551).
Sammkmg Figdor-Wien.
Sächsisches Edelzinn. 21
folgten Regierungsantritt des Kurfürsten August dadurch in
Einklang zu bringen sucht, dafs er annimmt, das Brustbild
dieses Herrschers sei erst nachträglich eino-esetzt worden. Von
einer späteren Einfügung ist aber auch nicht eine Spur zu
entdecken. Und der einzige vorhandene Stempel entbehrt
jeglicher Beweiskraft. Er enthält nämlich ein mit Helm und
Helmdecken versehenes, im Stil der Zeit um 1600 gehaltenes
Wappen, dessen Schild eine sogenannte Hausmarke aufweist.
Zu beiden Seiten des Helms erblickt man die Buchstaben MH.
Dieselben sind aber nicht willkürlich auf Martin Harscher zu
beziehen, sondern auf irgend eine weiteres Interesse nicht
1)ietende Person , in deren Eigentum sich die Platte einmal
befand. Denn seinem ganzen Aussehen nach ist der Stempel
weder ein Stadt- noch ein Meisterzeichen, sondern eine so-
genannte Besitzermarke ^). Kurfürst August wechselte einige-
male seine Barttracht. Sächsische Münzen von 1560 und 1561
zeigen ihn mit derselben Bartform wie auf der besprochenen
Prunkschüssel. Letztere kann daher erst zu oder nach der
angegebenen Zeit entstanden sein.
Nach ihrem Zinnstempel, der das kursächsisch -dänische
AHianzwappen über einem aus den Buchstaben A und V ge-
bildeten Monogramm erkennen läfst, ist der sächsische Ur-
.sprung einer interessanten reliefierten Zinnplatte der Samm-
lung Zöllner-Leipzig zu vermuten. Die nahezu quadratische
Tafel zeigt zwischen zwei schmalen Friesen mit Jagdszenen,
in der Manier von Hans Sobald Beham zwei Reihen von je
vier im wesentlichen Todsünden darstellenden Flötner-Fig-uren.
Lange'-) vermutet, dafs sie ein Teil des Mantels einer Kanne
in der Art der oben erwähnten"*) sei. Dagegen dürfte aber der
Umstand sprechen, dafs sie allenthalben mit einem schmalen,
ihre Fläche nicht unerheblich überragenden Rande versehen ist.
Sie könnte vielleicht für einen Goldschmied oder von einem
solchen nach Plaketten gegossen worden sein, um als Vorlage
für Edelmetallarbeiten oder gewissermafsen als den Kunden
vorzulegende Musterkarte zu dienen.
Ob eine in Dresden erworbene, im Germanischen National-
*) Vgl. oben S. 13 Anm.
2) Lange a. a. O. S. 148.
ä) Weinkanne der Sammlung Demiani, Kanne des Ferdinandeum
zu Innsbruck, „Arraesünderkanne" des Vereins für die Geschichte
Leipzigs, Zittauer Kanne von 1562, Kanne des South Kensington
Museum.
2 2 H. Demiani :
museum zu Nürnberg ausgestellte viereckige Zinnbüchse mit
drei Flötner - Tugenden und einem wahrscheinlich auf eine
italienische Komposition zurückzuführenden Brustbild der Ma-
donna mit Kind als Werk eines sächsischen Zinngiefsers an-
zusehen ist, läfst sich, da sie keine Marke trägt, mit Sicher-
heit nicht entscheiden. Und dasselbe gilt bedauerlicherweise
von einer ganzen Reihe den nachweisbar sächsischen Edelzinn-
arbeiten sehr nahe verwandter Stücke. Erwähnt sei zunächst
ein in guten, leider ungestempelten Abgüssen in der Staats-
sammlunof vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmale zu
Stuttgart, im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Alter-
tümer zu Breslau und in der Kollektion Demiani aufbewahrter
kleiner Krug mit Szenen aus der Geschichte der ersten Menschen
zwischen zwei übereinstimmenden, mit Rankenwerk ausgefüllten
Streifen. Die biblischen Darstellungen gleichen völlig denen
auf dem bereits oben besprochenen — umfangreicheren — Kruge
der Sammlungen Clemens, Brateau und des Bayerischen Na-
tionalmuseums, während die Rankenfriese dieselben sind wie
auf dem oben behandelten, die Marienberger Stadtmarke tra-
genden, mit merkwürdigen noch nicht gedeuteten Reliefs ge-
schmückten Kruge des genannten Museums. Hierher gehören
weiter zwei aus der Kollektion Minutoli herstammende Krüge,
die von verschiedenem Umfang, aber unter Benutzung der-
selben Modelle beziehentlich Formen hergestellt sind. Den
gröfseren, jetzt im Kunstgewerbemuseum zu Berlin betindlichen
(Durchmesser des Bodens 13 cm) schmücken zwei Rundme-
daillons mit der Geburt Christi (Unterschrift: DEVS HOMO
FACTVS EST) und der Anbetung der Könige (Unterschrift:
15 G 45 . GENTES IN CHRM SPERANT), zwischen denen
man eine Kampfszene und zweimal denselben Triumphzug
(einmal durch Abschneiden ganz willkürlich verkürzt) erblickt.
Oben und unten werden diese Reliefs durch zwei mit Doppel-
brustbildern durchsetzte Ornamentbänder abgeschlossen, die
aus verschiedenen nach Bedarf zurechtgestutzten Kompositionen
(spielende und kämpfende Kinder usw.) bestehen. Stempel
fehlen. Von den drei vorhandenen eingravierten Zeichen sind
zwei (heraldische Lilien) spätere Zutaten; das eine (Wappen-
schild mit Fisch zwischen den Buchstaben B und H) wird wohl
zur Zeit der Entstehung des merkwürdigen Humpens ange-
bracht worden sein. Der kleinere, gegenwärtig zu der Samm-
lung Demiani gehörige Krug (Bodendurchmesser 10,5 cm) zeigt
nur das Medaillon mit der Anbetung der Könige und je einmal
die Kriegsszene und den Triumphzug und ist mit einem völlig
undeutlichen ovalen Eindruck versehen, dessen Eigenschaft als
Sächsisches Edelzmn. 23
Marke zweifelhaft erscheint '). Gedacht sei ferner einer früher
in Zschilleschem, jetzt in Demianischem Besitz befindlichen
grofsen Kanne mit Reliefs nach der Mars-Schüssel (Feldherren,
Erdteile, Trophäen und Grotesken)-). Die nämliche unbekannte
Stadtmarke (Schild mit Querbalken, darüber die Buchstaben
SI, darunter zwei gekreuzte Bergmannswerkzeugej wie diese
Kanne tragen anscheinend zwei dieselben Meisterstempel
(Glocke, Buchstaben H W und Zahl 83) aufweisende Krüge
der Sammlungen Demiani und des Österreichischen Museums für
Kunst und Industrie zu Wien. Ersterer ist mit den sitzenden
Gestalten der vier Evangelisten dekoriert. Auf letzterem finden
sich zwischen zwei Rankenfriesen vier biblische Darstellungen:
Jonas, Traum von der Himmelsleiter, Simson die Stadttore
wegtragend und Hiob (?). Das an zweiter Stelle angeführte
Relief ist zur Hälfte wiederholt. Auf dem Boden erblickt
man ein Rundbild mit der Anbetung der Könige. Der Deckel
gleicht dem des kleinen Krugs mit Szenen aus der Geschichte
der ersten Menschen (Exemplare in Stuttgart, Breslau und bei
Demiani). Weiter sei auf eine prächtige, mit Einschlufs des
Deckelknopfes 33 cm hohe Kanne der Sammlung Figdor-Wien
hingewiesen (Fig. 10)"^). Marken sind nicht eingeschlagen, aber
auf dem Henkel ein Wappen mit einer Weintraube, die Initialen
EW und die Jahreszahl 1551 eingraviert. Der Mantel ist in
drei relielierte Zonen eingeteilt, deren unterste dieselben Szenen
aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohne wiedergibt wie der
oben als Freiberger Arbeit angesprochene Krug. Ein Relief
der Mittelzone (Christus am Kreuz, rechts ein betender knie-
ender Ritter ^ links ein behelmtes Wappen mit Weintraube)
trifft man auch auf zwei Krügen an, von denen der eine im
Böhmischen Museum zu Prag und der andere in der Samm-
lung Zöllner-Leipzig verwahrt wird. Letzterer zeigt auch noch
eine Gruppe, die zweimal auf dem oberen Friese der Figdor-
schen Kanne angebracht und auf eine Komposition von Hans
') Bevor er in die Sammlung" Demiani kam, befand sich dieser
Krug in der Kollektion Felix. Vgl. S. 132, 133 (Nr. 7211 des Kata-
logs der letzteren (1886 in Köln bei Heberle [Lempertz' Söhne] ver-
steigert).
-) Demiani, Frangois Briot usw. S. 54 ft'. Taf. 29.
^) Vgl. Nr. 1033 des Katalogs der Strafsburger retrospektiven
Ausstellung 1895, worin noch das Pfarramt Müllheim (Baden) als Eigen-
tümer genannt ist. Vgl. auch oben S. 16 ff. Anm. 3 Plaketten mit auf
Herkules bezüglichen Darstellungen (nach Stichen von Hans Sebald
Beham), wie sie sich auf der Figdorschen Kanne und den beiden ihr
verwandten Krügen iinden, im Kunstgewerbemuseum zu Berlin.
24 H. Demiani:
Sebald Beham zurückzuführen ist, nämlich Herkules, welchem
ein Mann das Nessusgewand überbringt, und aufserdem zwei
weitere Darstellungen nach Stichen des genannten Künstlers:
Herkules und Cerberus sowie Herkules im Kampf mit dem
Nemeischen Löwen. Marken fehlen. Der Deckel stimmt mit
dem der Figdorschen Kanne überein. Der Prager Krug ist
nicht gestempelt, zeigt aber auf der Innenseite seines Deckels
ein Medaillon mit einem Wappenträger, welcher zwei Schilder
mit den Kurschwertern und dem sächsischen Rautenkranz hält.
Auf dem inneren Boden befindet sich (wie auch bei dem
Zöllnerschen Kruge) ein Rundbild mit Christi Kreuzigung und
der Jahreszahl MDXXXIX. Die Leibung schmücken überdies
noch Flötner - Figuren (Erato, Hoffart, Caritas, Euterpej.
Endlich möge noch ein aus der Sammlung Minutoli stammender,
einschliefslich des Deckelknopfes 23,5 cm hoher Krug des
Kunstgewerbemuseums zu Berlin er\\ähnt sein, dessen Mantel
sechs Rundmedaillons mit biblischen Szenen (Erschaffung Adams,
Sündenfall usw.) zwischen Hermen, Maskarons und Frucht-
bündeln aufweist. Marken sind leider nicht eingeschlagen.
Der reliefierte Deckel gleicht dem des Krugs mit dem Gleichnis
vom verlorenen Sohn.
Eine weitere Aufzählung derartiger, wahrscheinlich auch
für Sachsen in Anspruch zu nehmender Exemplare erscheint
entbehrlich im Hinblick auf die leider zur Zeit vorliegende
Unmöglichkeit, deren Herkunft genau zu bestimmen. Erwägt
man, in wie hohem Grade das Zinn um seines geringen Ma-
terialwerts willen unpfleglicher Behandlung und der Gefahr
des Einschmelzens oder Umgiefsens ausgesetzt war, so erhellt
aus der bereits gegebenen Zusammenstellung nachweislich
sächsischer Edelzinnarbeiten, namentlich im Vergleich mit dem,
was sich mit Bestimmtheit anderen Entstehung-sorten zuweisen
läfst, wohl zur Genüge, dafs Sachsen in Bezug auf Edelzinn
eine Hauptproduktionsstätte Deutschlands war, vielleicht nach
Nürnberg die ergiebigste.
Nicht verwechseln darf man mit den besprochenen Stücken
Zinngeräte, die gleichfalls derbe, auf Flötnersche Modelle
zurückzuführende Reliefs aufweisen, aber in eigens geschnit-
tenen Formen gegossen sind, die als freie Nachbildungen sich
darstellen und nicht blofs durch Abformung von Plaketten
gewonnen sind. In diese Kategorie fällt z. B. ein kleiner,
originale vielfarbige Bemalung zeigender, dem Kunstgewerbe-
museum zu Berlin gehöriger Krug, den als freie vergröberte
Wiederholungen Flötnerscher Originale sich erweisende Ge-
stalten von Tugenden zieren. Die auf seinem Boden befind-
Sächsisches Edelzinn.
25
liehe, das Wappen von Nürnberg aufweisende Marke charak-
terisiert ihn als dort entstandene Arbeit.
Besondere Beachtung verdient ein grofser, mit reichem
Reliefschmuck versehener, etwa um 1700 gefertigter Zinn-
teller (Fig. 11) '), da er das eine der beiden einzigen wichtigen,
in einer eigens geschnittenen Metall- oder Steinform gegossenen
sächsischen Edelzinngeräte ist. Diese von der sonst in
Sachsen üblichen Weise abweichende Herstellungsart und das
kursächsische Wappen in seinem Mittelstück deuten vielleicht
auf einen besonderen Anlafs zu seiner Entstehung hin, mög-
licherweise auf eine kurfürstliche Bestellung von Schiefspreisen.
Sämtliche bekannte Abgüsse tragen die Leipziger Stadt-
marke-) und dokumentieren damit ihre Herkunft aus Leipzig.
Dagegen kommen verschiedene Meisterstempel darauf vor,
insbesondere (z. B. auf dem Exemplar der Sammlung Demiani)
ein Zeichen mit einem springenden Hirsch, über welchem
aufser der Zahl 92 die Buchstaben H G K angebracht sind^).
Man wird dieselben wohl auf den Leipziger Zinngiefser Hans
Georg Kandier beziehen dürfen, welcher 1687 Leipziger
Bürger und in demselben Jahre auch Mitglied der Schützen-
brüderschaft zu Leipzig wurde. Bemerkt sei, dafs er als
Familiennamen die Bezeichnung seiner Profession führte.
Kandier bedeutet nämlich so viel wie Kannengiefser (Zinn-
giefser) ■^).
Das zweite hier aufzuführende Stück, zu dessen Her-
stellung ebenfalls eine besonders geschnittene Metall- oder
Steinform gedient hat , ist der als Fig. 1 2 abgebildete, einen
Durchmesser von knapp 18 cm besitzende Teller der Samm-
lung Demiani. Auf dem leeren Schild des Randes erblickt
man den Leipziger Stadtstempel und rechts und links von dem-
selben je eine Meistermarke mit einem Winkelmafs, über dem
die Buchstaben A P und ein Stern erscheinen, während darunter
die Zahl 13 ersichtlich ist. Diese einander gleichen Meister-
M Das interessante, 26 cm im Durchmesser haltende Stück ist be-
reits mehrfach abgebildet worden, z. B. im Kunstgewerbeblatt N. F.
I (1890) vor S. 29, in der Gewerbehalle Jahrg. 1887 Taf. 37 und in
Westermanns illustrierten deutschen Monatsheften XXVI (1882), 489
(als Illustration zu einem Aufsatz I.essings über westöstliche Kunst-
formen). Vgl. auch Berling, Stadtmarken der Zinngiefser von
Dresden, Leipzig und Chemnitz, in dieser Zeitschrift XVI, 123 ff.
^) Vgl. die in der vorigen Anmerkung angezogene Abhandlung
von Berling, welcher auch eine Abbildung der Leipziger Stadtmarke
beigegeben ist.
3) Vgl. S. 2ff. Anm. i.
2 6 H. Demiani :
zeichen sind wohl die des Leipziger Zinngiefsers Alexander
Pfretzschner , der 1605 Meister und Bürger wurde, achtmal
Obermeister der Leipziger Zinngiefserinnung war und zwischen
1630 und 1633 starb ^).
Von bekannten Dresdner Zinngiefsern, unter denen zuerst
1530 ein gewisser Sebastian Liborius genannt wird, sind uns,
abgesehen von der noch zu erwähnenden gravierten König-
steiner Kanne Abraham Frantzes, leider bemerkenswerte Werke
nicht erhalten ofeblieben. Doch ersieht man aus den Akten
des Hauptstaatsarchivs zu Dresden, dafs die dortigen Meister
Beachtliches leisteten. So erhielt Ambrosius Reichenbach
(Meister 1560, gest. 1599), der von 1570 bis 1591 auch als
Büchsenmeister erwähnt wird"-), 1590 die für damalige Zeit
'j Im Innungsbuche der Leipziger Zinngiefser, welches nicht
nur die Namen der Meister, sondern auch die der Obermeister, der
aufgenommenen Lehrlinge, der losgesprochenen Lehrlinge und der
mutenden Gesellen sowie Niederschriften ül^er die Übergabe der
Lade an die jedesmaligen Obermeister enthält, finden sich folgende
zwei auf Alexander Ptretzschner bezügliche Einträge:
„Anno 1605 den i. Septemb. ist Alexander Pfretzschner
Meister worden, da Martin Kersten Obermeister gewesen, deditfl6."
,,Anno 1624 den 6.Decemb ist Michael Reinsbergk mit seinem
Meisterstück vor offener Laden erschienen, damit bestanden und
vor ein Meister erkannt, da Alexander Pfretzschner Obermeister
gewesen, dedit fl 5."
In der (nach den Daten fortschreitenden) Leipziger Bürger-
matrikel ist zu lesen:
,, Alexander Pfretzschner, Sittich Pfretzschners, Bürgers Sohn,
fusor cantharius, jus civitatis a parente consecutus civisque factus
juravit. De legitinio ejus ortu testimonium dederunt Dns. Leonar-
dus Olhaflius (= Ölhafe) et Georgius Zelfelder, Schneider. Actum
den 27. Sept. Ao. 1605".
(Sittich Pfretzschner und sein aus Ölsnitz stammender Vater
Hans Pfretzschner waren Maurer und zeitweilig Ratsmaurer.)
Aus dem vorerwähnten Innungsbuch läfst sich noch ersehen,
dals Alexander Pfretzschner 1590 auf fünf Jahre als Lehrling bei Hans
Apel aufgenommen wurde und dafs er 1608 — 1609 (das Innungsjahr
lief von Jakobi bis zu Jakobi), 1612 — 1613, 1615 — 1616, 1618 — ^1619,
1621 — 1622, 1624 — 1625, 1627 — 1628 und 1630 — ? Obermeister war.
Bis 1614 hatte die Leipziger Zinngiefserinnung zwei Obermeister,
von da an drei, einen Obermeister und zwei Beisitzer. (Freundliche
Mitteilungen des Herrn Oberbibliothekar Professor Dr. Wustmann
in Leipzig.)
Zu dem Mittelstück des als Fig. 12 abgebildeten Tellers ist
wohl eine nocli im 16. Jahrhundert entstandene \^orlage benutzt
worden.
-) Hauptstaatsarchiv zu Dresden Loc. 32961: Bestall. 1570— 1575
fol. 3 a. Diese und die Anmerkungen auf S. 27 beruhen auf freundlichen
Mitteilungen des Herrn Geheimen Hofrat Professor Dr. Gurlitt in
Dresden.
Fig. II.
Sächsischer Teller (um 1700).
Sammluno- der Deutschen Gesellschatt zu Leipzig;.
Fig. 12.
Sächsischer Teller (Antanii- des 17. jahrh.
Sammluncr Demiani.
Sächsisches Edelzinn.
27
grofse und deshalb auf eine bedeutendere Arbeit schliefsen
lassende Summe von 72 Gulden 13 Groschen i Pfennig „von
dem Nackenden Weibesbilde aus Zien abezugiefsen wigt i Cent-
ner 9 Pfund" (zu welchem der Bildschnitzer Valten Silberman
für 24 Gulden das hölzerne Modell gefertigt hatte) ^). Auch
wurde er 1591 beauftragt, „Bilder"-) für das Schlots zu Col-
ditz zu giefsen'^). 1590 lieferten Bendix Bachstett (Backstedt,
Badstedt) und Gotschalch Specht (auch Speckt, Meister 1588,
gest. 161 2) zusammen für 800 Gulden Kannengiefserarbeit für
kurfürstliche Gebäude in Dresden^). Und in demselben Jahre
wurden Barthel Gorschell (auch Gorschel und Gerschel, Meister
1567, gest. 1612) 129 Gulden 7 Groschen 9 Pfennige aus der
kurfürstlichen Kasse gezahlt ,,von einem Hirsch, einem Pelli-
kann, mit drey Jungen vnd einem Rehe Böcklen von Zien ab-
ezugiefsen"'^).
Natürlich sind in Sachsen auch ofra vierte Zinno-egfenstände
hergestellt worden. Das dabei beobachtete Verfahren weicht
aber von dem anderwärts üblich gewesenen nicht wesentlich
ab. Gleichwohl mögen zum Schlufs einige wichtigere Bei-
spiele angeführt werden, da auch gravierte Stücke, soweit sie
nicht blofs geringfügige Verzierungen, sondern vom künst-
lerischen Standpunkte aus wertvolle Darstellungen aufweisen,
dem Edelzinn zugezählt werden können. Doch soll im Hin-
blick auf den diesen Zeilen zugemessenen Raum Vollständigkeit
der Aufzählung ebensowenig angestrebt werden wie auf den
vorstehenden Seiten
Erwähnt sei eine mit trefflich gravierten Rokokoorna-
menten verzierte Grabplatte, die 1888 unter dem Boden der
Kirche zu Zöblitz gefunden wurde. Die Kirche zu Zaufswätz
bei Oschatz besitzt eine 1595 datierte, in derber Gravierung
die Taufe Christi zeigende Taufschüssel, die den Oschatzer
Stadtstempel trägt. Wegen ihrer sehr grofsen Ähnlichkeit
') Hauptstaatsarchiv zu Dresden Loc. 4451 : Summ. Extr. 1590
fol. 60 b.
-I Bilder wohl := Bildwerke, Statuen. Während in Frankreich
— z. B. als Schmuck von Wasserwerken und Brunnen — häufig grofse
zinnerne beziehentlich bleierne Figuren angefertigt worden sind, ist
dies in Deutschland seltener geschehen. Eni schönes Beispiel bilden
vier im Rokokogeschmack gehaltene Gruppen von je zwei eine
Laterne tragenden Putten, die im zweiten Stock des Treppenhauses
des bischöflichen Palais zu Passau aufgestellt sind.
^) Hauptstaatsarchiv zu Dresden Loc. 4451: Schlots und Tier-
garten zu Colditz 1589 fol. 47.
*) Ebenda Loc. 4451: Summ. Extr. 1590 fol. 65 b.
■^) Ebenda Loc. 4451: Summ. Extr. 1590 fol. 60 b.
2 8 H. Demiani:
mit derselben darf man auch das 1 607 gefertigte ungestempelte
Taufbecken zu Laas bei Oschatz als Oschatzer Arbeit bezeich-
nen. In ihren Gravierungen ähneln der schon erwähnten Buch-
holzer Taufschüssel die Taufbecken zu St. Michael und Weifsen-
bom '). Als Leipziger Erzeugnisse sind auf Grund der in sie ein-
geschlagenen Leipziger Stadtmarken ■^) zwei reich und schön
gravierte Taufbecken anzusprechen, von denen sich das eine im
Dresdner Kunstgewerbemuseum (Meisterstempel leider undeut-
lich, datiert 1634, Durchmesser 73 cm) und das andere, um 1660
entstandene in der Kirche zu Seehausen bei Leipzig belindet
(nach dem einen nach links springenden Hirsch unter den
Buchstaben AH enthaltenden Meisterzeichen wohl eine Arbeit
des Leipziger Zinngiefsers Albrecht Hermann, der 165 1 Meister
und Bürger wurde und später auch Obermeister war; Durch-
messer 66 cm). Die St. Marienkirche zu Marienberg enthält
eine 1729 bezeichnete Taufschüssel mit der — gut gestochenen
— Taufe des Herrn^). Sächsischer Ursprung ist wohl auch
bei einer prächtigen, von Christoph Vogel gravierten, 1647
vom Zinngiefsergesellen Adam Schumann aus Zinnwald der
Kirche zu Geising geschenkten Zinnplatte mit einer Darstel-
lung des Abendmahls anzunehmen. Gedacht sei auch der
1624 datierten Abendmahlskanne der Kirche der Festung
Königstein. Auf der Leibung dieses hübschen Stücks sind
Evangelisten, Apostel und Vögel eingraviert. Auf Grund
seiner Stempel*) läfst es sich als eine Arbeit des 1608 Meister
gewordenen Dresdner Zinngiefsers Abraham Frantze bestim-
men. Endlich seien noch am Schlufs dieser kurzen Aufzäh-
lung die gravierten Zinnarbeiten im Besitze der Kirche zu
Oberpesterwitz erwähnt. Man findet dort eine sehr schöne
Taufschüssel (bezeichnet 1702), eine Kanne mit einer Ab-
bildung des Abendmahls (1771) und noch eine zweite die-
selbe Darstellung aufweisende, 1658 datierte Kanne mit Deckel
und Fufsringen aus Kupfer.
Die im Stadtmuseum zu Dresden aufbewahrten Innunss-
laden der dortigen Tuchscheerer und Zinngiefser sind, erstere
(a. d. J. 1651) aufsen und innen, letztere (datiert 1654) nur
innen, mit gravierten Zinnplatten belegt.
') Vgl. oben S. 19 und Steche a. a. O. III, 109, 124, IV, 61.
-) Vgl. die S. 25 Anm. i angezogene Abhandlung von Berling.
^) Steche a.a.O. V, 20.
*) Zwei Dresdner Stadtmarken mit dem Dresdner Stadtwappen
(vgl. die S. 25 Anm. i angezogene Abhandlung von Berling ), darunter
ein Meisterstempel mit den Buchstaben AF über und der Zahl 13
Sächsisches Edelzinn. 2q
Das Stieber - Museum zu Bautzen birgt von dortigen
Zinngiefsern gröfstenteils recht gut gravierte viereckige Zinn-
tafeln mit Bibelsprüchen, figürlichen und landschaftlichen
Darstellungen. Die meist auch die Entstehung.sdaten ent-
haltenden Inschriften bezeichnen als Urheber: Abraham Gott-
lob Kohl (1675 und 1691), J. G. Edmann (1750, 1782, 1784,
1785, 1796) und verschiedene Mitglieder der zuerst um
1660 auftretenden Bautzner Zinngiefserfamilie Wölffel, näm-
lich Daniel Wölffel (1689), M. G. Wölffel (1755), Friedrich
Daniel Wölffel (1780, 1795) und Johann Friedrich Wölffel
(1811). Von dem genannten Edmann, dessen Geschlecht
17 13 von Stockholm nach Bautzen kam, besitzt das Stieber-
Museum auch 22 runde gravierte Zinnscheiben, die bei Familien-
ereignissen als Geschenke beziehentlich Erinnerungszeichen
verteilt wurden^). Die noch erhaltene, aus dem Jahre 16 16
stammende Innungslade der Bautzner Zinngiefser ist mit gra-
vierten Zinnplatten belegt. Auf der Innenseite des Deckels
befindet sich eine 17 17 gestiftete, von M, E. v. Stockh gravierte
Gedenktafel mit Meisternamen und Bibelsprüchen. Die vier
Aufsenseiten der Truhe sind von Hans Locke, Blasius Zenker,
Alexander Stos, Peter Krische und Melchior Hollfeld graviert^).
Fünf mit künstlerisch ausgeführten Gravierungen ge-
schmückte Zinnplatten besitzt das König- Albert -Museum zu
Freiberg, nämlich eine 50 cm hohe mit der Figur des Apostels
Thomas und der Inschrift ,,C. H. Schneider sculp. Freyberg
1750", eine mit der Hochzeit zu Cana und zwei mit den Gestalten
der Apostel Andreas und Jakobus, welche drei Arbeiten auch
1750 entstanden und auf C. G. Andreae zurückzuführen sind,
endlich ein ,, Bildnis Mosis" von Joh. Heinrich Teucher. Schnei-
rechts neben der Halbtigur einer Frau(?), die mit der Rechten eine
langstielige, mit zwei Blättern versehene Rose emporhält.
') Diese Zinnscheiben haben in der Regel emen Durchmesser
von etwa 7 cm. Meist sind beide Seiten graviert. Bisweilen ist
aber auch die eine reliefiert. Die Darstellungen beziehen sich auf
Vorkommnisse des täglichen Lebens: Verlobungen (zwei sich schnä-
belnde Tauben auf einem Herzen, das auf einer 3 [Treue] und einem
Anker ruht), Todesfälle (Urne in einer von zwei Säulen flankierten
Nische), Doktorpromotionen (Doktorhut auf einem Tisch) usw. Ed-
mann scheint mit diesen Gelegenheitsarbeiten emen schwungvollen
Handel betrieben und hierbei vielleicht auch gelegentlich gebettelt
zu haben. Bevor er sich in Bautzen niederliefs, war er in Bischofs-
werda tätig. (Freundliche Mitteilungen des Herrn Geheimen Hofrat
Professor Dr. Erbstein in Dresden.)
-) Freundliche Mitteilungen des Herrn Museumspfleger Buch-
händler Roesger in Bautzen.
3°
H. Demiani: Sächsisches Edelzinn.
der und Andreae waren Zinngiefser und lebten in Freiberg ^).
Ersterer Meister ist auch der Schöpfer einer ebenfalls 1750
datierten, reichgravierten Zinntafel mit Bildnissen sächsischer
Kurfürsten usw., welche im Auktionskatalog der 1895 ver-
steigerten Sammlung Riedinger-Augsburg aufgeführt ist.
Die Kollektion Demiani endlich enthält ein die Speisung
der Zehntausend darstellendes Zinnbild mit der Inschrift „C.
G. Weigel von Leipzig" und der Jahreszahl 1732 (auf der Rück-
seite) sowie eine von demselben Künstler herrührende Platte
mit Allegorien, Versen und der Beischrift ,, Eines sterbenden
Christen letzter Kampf und seehger Abdrück (sie!) von der
Zeitlichkeit in die Ewigkeit".
1) Der Zinngiefser Christian Gottlob Andreae (Andreas) wurde
am 5. September 1743 Freiberger Bürger. (Freundliche Mitteilung
des Stadtrats zu Freiberg.) Er kommt von 1743 bis 1763 vor und war
der Lehrherr von Christian Heinrich Schneider, der von 1748 bis 1752
genannt wird. (Freundliche Mitteilung des Herrn Bürgerschullehrer
Knebel in Freiberg.)
Wie schon erwähnt, wurden kunstvolle Zinngufsformen nicht
selten auch von Meistern hergestellt, die nicht Zinngiefser waren.
Ebenso wurden die Zinngravierungen oft von Künstlern ausgeführt,
welche das Zinngiefserhandwerk nicht betrieben. In der Sammlung
des Herrn Direktor M. Wahl in Augsburg befindet sich eine sehr
schön gravierte Spruchtafel mit der bischrift: „Georgius Fischer
scripsit et sculpsit Ao. 1745. Augustae Vindelic." In den Akten des
Auojsburger Stadtarchivs ist nun kein Zmngiefser, wohl aber ein
„Siiberstecher" dieses Namens erwähnt (Hochzeitsamts-Protokoll vom
13. Januar 1754 fol. 74).
n.
Bilder aus einer säehsisehen Stadt
im Reformationszeitalter.
Aus den Kämmerei -Rechnungen der Stadt Zwickau,
Von
Reinhold Hofmann.
ochon vor vielen Jahren hat Karl Hegel im ersten Bande
seiner Städtechroniken (1862) die hohe Bedeutung der alten
Stadtrechnungen für die verwaltungs- und wirtschaftsgeschicht-
liche Forschung treffend gewürdigt. Sie sind, darüber ist
man nun seit langem einig, die allerwichtigste Quelle für die
gesamte innere Verwaltung der Städte; sie geben uns Kunde
von ihren ständigen und aufserordentlichen Bedürfnissen; sie
machen uns bekannt mit so mancher Sitte und Einrichtung
alter Zeit und mit dem Fortgang der inneren Entwicklung
der städtischen Gemeinwesen; sie belehren uns über Kredit-
wesen, Warenpreise, Gehälter und Arbeitslöhne: kurz, sie
verbreiten über fast alle Zweigfe städtischen Lebens helles
Licht. Im Gegensatz zu den nüchternen städtischen Rech-
nungen unserer vielbeschäftigten Zeit bieten ihre oft behag-
lich breiten Einträge nicht lediglich trockenes Zahlenwerk
und kurze Einnahme- und Ausgabeposten, sondern wir finden
in ihnen — etwa wie in den alten Kirchenbüchern — nicht
selten wichtige chronikalische Nachrichten eingestreut, da
und dort auch Worte freudigen Stolzes auf das Emporblühen
der Vaterstadt oder Stofsseufzer aus bekümmertem Herzen.
In vielen Fällen sind die Stadtrechnungen bei der Lücken-
haftigkeit der übrigen Urkunden geradezu die einzige Quelle.
Und doch sind sie für die Geschichte des deutschen Städte-
32
Reinhold Hofmann:
Wesens noch immer viel zu wenig nutzbar gemacht. Die
Sprödigkeit und scheinbare Zusamnienhangslosigkeit der zahl-
losen vereinzelten Notizen, die Dunkelheit des in vielen Punkten
wirtschaftlich noch nicht genügend geklärten Stoffes und wohl
auch die Schwierigkeit und Langwierigkeit der mehr als andere
archivalische Arbeiten die Augen angreifenden Durchsicht der
umfangreichen Folianten haben die Forschung abgeschreckt.
Auch für die Stadt Zwickau bieten die städtischen
Rechnungen noch ein reiches Arbeitsfeld, das einmal plan-
mäfsig in Angriff genommen werden müfste. Im folgenden
soll die Wichtigkeit der Kämmerei - Rechnungen besonders für
die Verfassungs- und Kulturgeschichte Zwickaus an einigen Bei-
spielen gezeigt werden, und für diesen Zweck sind heran-
gezogen worden Rechnungen aus der ersten Hälfte des
I 6. Jahrhunderts, aus der Glanzzeit der reichen Geschichte
unserer Stadt, die sich nach der Aussage eines Zeitgenossen,
des ,,Pirnischen Mönchs" Johann Lindner ,,bei Kaiser KarolusIV.
noch ungeacht, als der Schneeberg fundig, sehr gebessert
und mit Gebäuden zierlich geschmückt, in Reichtum und
Herrlichkeit zugenummen". In der Tat hatte die Entdeckung
der Schneeberger Silbergruben (1470), die man nach der
Meifsnischen Bergchronik des Petrus Albinus einem Zwickauer
Gewürzkrämer zu verdanken hatte, gewaltigen Reichtum in
die Stadt gebracht. Eine ganze Reihe von Meistern des
blühenden Tuchmacherhandwerks gehörte zu der Gewerk-
schaft. Der reichste Mann der Stadt und des ganzen Landes
war der von Kaiser Friedrich III, geadelte Kaufmann Martin
Römer (gest. 1483), dessen Silberbarren in Augsburg, Nürnberg
und Venedig lagerten und der in seiner grofsartigen Wohl-
tätigkeit ein leuchtendes Vorbild edlen Gemeinsinnes auch
für andere Bürger der Stadt wurde. Zwickau, das der Kur-
fürst Friedrich der Weise eine ,, Perle in seinen Landen" und
im Hinblick auf die die Stadt durchflielsenden Rinnsale wohl
sein ,, klein Venedig" zu nennen liebte, überragte am Aus-
gange des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
an Wohlhabenheit, Gewerbfleifs und Einwohnerzahl fast alle
Städte der sächsischen Lande. Die jährlichen Einnahmen der
Stadt waren durchgehends beträchtlich — meist um das vier-
bis fünffache — höher, als die von Dresden: so betrugen sie
im Verwaltungsjahre 1527,28 in Zwickau 8340 Schock Groschen,
die von Dresden^) (1526) nur gegen 1800 Schock. Nach der
') Nach O. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgesch. der
Stadt Dresden (Dresden 1891) III, 120.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter.
33
Schlufsnotiz des Kämmerers gingen im Jahre 1529/30 Ausgabe
und Einnahme — mit je 9880 Schock — „beide zusammen
zugleich auf". 1542/43 „antwortete der alte Rat dem neuen an
gemeinem Kammergut" 8774 Schock, indem den Ausgaben
von 4246 Schock eine Einnahme von 13020 Schock gegenüber-
stand. Die Jahreseinnahmen der Stadt Dresden erreichten im
Jahre 1546 nur die Höhe von 2395 und die Ausgaben von
1933 Schock. Die Bevölkerungszahl der Stadt Zwickau mag
um 1530 7 — 8000 Seelen betragen haben. Das Ergebnis einer
im August 1530 vom Rate veranstalteten Zählung der Stadt-
bewohner ist leider nicht bekannt'). In einem Schreiben des
ersten evangelischen Pfarrers und Superattendenten M. Nicolaus
Hausmann an den Rat-) heifst es 1530: „Jedermann klagt,
die stat sey gantz voll und der Jugent überaus vill — —
sticken in den kleinen Hewsern die leyt über eynnander, wie
das krotengerick" (Krotengerecke = Krötenlaich). Dresden
hatte 1546 etwa 6500, 1588 schon 11 500 Einwohner.
Ganz besonders rühmlich war nach der Ansicht der Zeit-
genossen die Fürsorge des Zwickauer Rates für das städtische
Schulwesen. Luther hat dies ausdrücklich anerkannt in einem
Briefe an den Kurfürsten Johann Friedrich vom Jahre 1542.
Er nennt darin die Knabenschule zu Zwickau und Torgau
zwei treffliche, köstliche und edle Kleinodien in des Kur-
fürsten Landen, „da Gott sonderlich Segen und Gnade reich-
lich zugibt, dafs viel Knaben daselbst wohl gezogen und sie
Landen und Leuten nützliche und tröstliche Personen zeugen.
Und mir sehr herzlich gefallen hat, dafs die zu Zwickau von
sich selbst solcher Sachen sich so ernstlich und tapferlich
annehmen und treiben, da sonst in andern Städten und
Oberkeiten solche Lundtrosse (Lotterbuben, Tagediebe) und
Schlungel oder gottlose Geizhälse regieren". Wesentlich
geringer freilich war des grofsen Reformators Hochachtung
vor den Zwickauem ein Jahrzehnt früher gewesen, wo er sie
(1531) im Zorn über des Rates Verhalten gegen seinen treff-
lichen Freund, den Pfarrer Hausmann, ,, übermütige Klötze"
gescholten hatte.
Neben der auch von Auswärtigen stark besuchten Latein-
schule errichtete der Zwickauer Rat, und damit stand er in
ganz Deutschland damals einzig da, im Jahre 15 19 unter
dem Eindruck der frischen Begeisterung für die neuerwachte
') E. Herzog, Chronik der Kreisstadt Zwickau (Zwickau 1839)
I, 225.
■^) Ebenda I, 226.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. i. 2.
OA Reinhold Hofmann:
griechische Sprache die „griechische Schule", in der neben
dem Griechischen auch die lateinische und hebräische Sprache
una cum bonis moribus gelehrt wurde. Diese Schule war
nur für Stadtkinder bestimmt und nach der Versicherung des
Stadtkämmerers in der Rechnung des Jahres 1519/20 insonder-
heit für „die armen Kinder, die nit Schulgeld zu geben und
dennoch zu studieren geschickt wären, uf dafs sie ihres
Armuts halben nit versäumt adder ganz verschlagen wurden".
Diese ,,neue Schule für die Stadtkinder", die ,,greckische
Schul", ward 1520 mit der Lateinschule vereinigt, der Leiter
beider Anstalten war bis zu seinem Weggange von Zwickau,
1522, der nachmals so berühmt gewordene Georg Agricola,
der Begründer der wissenschaftlichen Mineralogie. Über die
„Schul der Stadtkinder" heifst es im Ratsprotokoll 1520,
Sonnabend nach Leonhardi (10. November), ,,der Rat wolle
nach allen seinen Kräften und Vermögen übir der ufgerichten
Schule dermafsen und ab Gott will also halten, auch diese
Wege trachten, dafs dieselbe, ab Gott will, bei uns und
unsern Nachkommen einen ewioen Bestand haben solle. Es
gestehe (koste) auch dem Rat, was es gestehen möge, indeme
der Rat keines Fleifses noch Vermögens sparen solle." Eine
öffentliche Probe ihrer Leistunorsfähigkeit legten die Schüler
schon in demselben Jahre ab, indem sie Donnerstag und Frei-
tag vor Estomihi (15. und 16. Februar) die Komödie des Ari-
stophanes, Plutos, ,,graece et latine" agierten').
Auch Melanchthon hat der Stadt Zwickau hohes Lob ge-
spendet: er versichert 1547 dem Rate, ,,er habe die löbliche
Stadt Zwickau allezeit besonders geliebt, derhalben, dafs es
nit eine favile Stadt ist, hat auch viel künstlicher Handwerk
und hält ziemliche (d.i. geziemende) Zucht und fördert studia"'-).
Sehen wir uns nach dieser einleitenden Betrachtung die
Zwickauer Stadtrechnungen etwas näher an.
Nach einer kurfürstlichen Verordnung vom Jahre 1494
sollte der Rat über den städtischen Haushalt alljährlich der
Gemeinde Rechnung ablegen. Die gleiche Forderung stellte
1498 der Bischof Johannes von Naumburg, zu dessen Sprengel
Zwickau vor der Reformation gehörte, an die zwei jährlich
neugewählten Vorsteher der Kirchen und Kapellen: diese
sollten jährhch dem Pfarrer und Rate Rechenschaft ablegen'^).
1) Nach Peter Schumanns (bis zum Jahre 1549 reichenden)
Annalen der Stadt Zwickau. Hdschr. in der Ratsschulbibliothek.
-) Corpus Reformatorum VI, 730.
') Herzog, Chronik II, 156, 160.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter.
35
Erst mit diesen beiden Bestimmungen scheint gröfsere Ord-
nung in das bis dahin wohl ziemlich patriarchalisch betriebene
weltliche und geistliche Finanzwesen der Stadt gebracht
worden zu sein. Die im Ratsarchiv erhaltenen Kämmerei -
Rechnungen beginnen, etliche Einzelrechnungen aus dem
15. Jahrhundert abgerechnet — die älteste Rechnung des
Ratsarchivs gehört dem Jahre 1437 an — , mit dem Jahre 1500
und sind von da an fast vollständio;' bis auf die neueste Zeit
erhalten ^). Sie bilden einen sehr umfangreichen Schriften-
bestand des Ratsarchivs und füllen einen besonderen Raum
im Erdgeschosse des Rathauses. Die älteren Rechnungen
zerfallen in Rechnungen des Rates (Kammerregister), Rech-
nungen (Register) der einzelnen Ratsämter und Rechnungen
der Kirchen, Kapellen und Spitale.
Das Format der ,, Kammerbücher" ist fast durchweg
Ganzfolio. Das grauweifse, unverwüstliche Papier zeigt als
Wasserzeichen häufig einen Stierkopf mit schlangenumwun-
denem Kreuz, einen Reichsapfel, eine Krone, später (so 1527,
1540) den Kurschwerterschild. Ein Ries Papier kostete nach
Ausweis der Rechnungen (1520 ff.) 17 — 20 Groschen. Die
von dem ersten Zwickauer Drucker Hans Schönsberger aus
Augsburg im Jahre 1524 errichtete Papiermühle kaufte 1532
der Rat. Vielfach sind mehrere Jahresrechnungen zusammen-
gebunden, nicht selten in schönem, mit spätgotischen Blumen-
ornamenten geschmücktem dünnem Pergamenteinband. Feste
Einbände, zumeist in Schweinsleder, werden erst im 17. Jahr-
hundert die Regel. Das Binden der ,, Bücher und Register
des Rates" besorgte nach der Kammer -Rechnung 1521/22
der Buchführer (Buchhändler).
Die Rechnungseinheit sind Schock Groschen: i Schock
zu 60 Groschen, der Groschen zu 12 Pfennigen, der Pfennig
zu 2 Hellern. Neben der Schockrechnung findet sich auch
die Umrechnung nach Gulden zu 2 1 Groschen, nur selten die
neuere Rechnung nach Talergroschen zu 24 Groschen. Ein
meifsnischer Gulden hatte-) damals einen Silberwert von
4 '/s Mark jetzigen Geldes und unter Berücksichtigung des
Getreide -Durchschnittspreises einen wirklichen Wert von
i5*/4Mark. Ein Schock Groschen (= 2^/, Gulden) entspricht also
etwa einer Summe von 45 Mark heutigen Geldes, i Groschen
*) Über das meist traurio;e Los der alten Rechnungen siehe
Ermisch in dieser Ztschr. XVIII, if.
^) Nach Burkhardt, Geschichte der sächs. Kirchen- und Schul-
visitationen (Leipzig 1879) S. 24!".
3*
36
Reinhold Hofmann:
= 75 Pfennig. Aber „selbst nach der Umrechnung darf man
bei der Kleinheit der Zahlen eines mittelalterlichen Städte-
budgets nicht vergessen, wie ungeheuer sich die Kaufkraft
der Edelmetalle seit jener Zeit verringert hat"\).
In den Zahlenansfaben der Kämmerer finden sich häufig
Korrekturen, gelegentlich ist ein Eintrag wegradiert oder mit
weifser Kreide überstrichen. Rechenfehler kommen, wie dies
ja besonders von den mittelalterlichen Rechnungen, aber auch
noch von denen des i6. Jahrhunderts bekannt ist, nicht
selten vor.
Auch sonst nehmen es die Kämmerer und die Verwalter
der einzelnen Ratsämter in ihren Registern nicht allzu genau:
so wird 1544 45 bei der Feststellung des ,, Verlustes an der
Muntze'' (12 Schock) u. a. bemerkt, dafs „auch im ,Widder-
zelen' bisweilen zu wenig gefunden worden", und am Schlüsse
der Jahresrechnung 1532/33 wird ,,an der Münze, die man
teurer angenommen als ausgegeben hätte", ein Verlust von
6 Schock 21 Groschen herausgerechnet: der Kämmerer fügt
hinzu: ,,ist ehe mehr dann weniger gewesen, dann es nicht
alles angezeichnet, desgleichen auch nit eingezogen, was an
bösen verschlagenen Pfenningen verloren". Nach der K. -R.
1524 25 w-ar der Ratsherr Philipp Schaufufs ,, einem, der do
falsche ,]\Iontz' gehabt, von Rat.swegen nachgeritten"; 5 Gr.,
die er dabei ,, verzehrt zu Werda", sind in der Rechnung
gebucht. Einzelne kleinere Geldsummen scheinen zunächst
in Tüten aufbewahrt worden zu sein, denn wiederholt finden
sich Posten eingesetzt für ,, Papier zu Tüttichen in die Käm-
merei". Zum Zählen des Geldes zogen die Kämmerer vor
der Rechnungsablegung am Schlüsse des Amtsjahres Hilfs-
kräfte herbei: 1532 verrechnet der Kämmerer 20 Groschen
,,zur Kollation, die er denjenigen bestallt, so ihm itzt im Ab-
schiede Geld haben zählen helfen, damit sie deste williger
sein möchten. Actum 4. post Crucis (26. Sept.)". Mehrmals
werden ,, Zahlgroschen oder Rechenpfenning" in die Kämmerei
geliefert, das Hundert zu 3 — 4 Gr.
Für die Ratsstube, Kämmerei, Kanzlei oder Stadtschreiberei
finden sich zahlreiche Anschaffungen verzeichnet : aufser Papier
und ,,Pirgamen", ,,Skriptoralien oder Schreibwaren" u. a. ein
„Schreybentzewg" ; ,, Buchsen über die Siegel, uf dafs die dester
weniger schadbar wurden"; ,,25 Gr. 6 ^ hat der Apotheker
*) Wilh. Stieda in der Besprechung von Rieh. Doebner,
HUdesheimsche Stadtrechnungen: Sybels Hist. Ztschr. LXXXII
(1899), 139.
Eine Sachs. Stadt im Reformationszeitalter. 3-7
abgerechnet für Siegelwachs'), so der Stadtschreiber sollen
von ihnen das Jahr übir (1524/25) genommen haben"; femer
„Species zu Tinte": nämlich Gummi, Gallus und Kupfer-_
wasser"-); eine „Strawhebuchfse" und Streu- oder Tinten-
pulver; ,,etzliche Klewle (kleine Knäuel), Byntgarn und runde
Buchsen zu Byntschnoren" ; Lostafeln oder Almanache; für
die Ratsstube werden u. a. angeschafft eine Alme (Schrank),
Leuchter, ein Sandseiger, zwei schwarze Tafeln und ein
„Schwambt uf dem Tische, domitte abzuwischen", 3 Bänke mit
2 2 Schiebeladen und Tafeln (für die Ratsherren) u. a. m. Nach
der K.-R. 1521/22 zahlte man 5 Gulden ,,dem mayster von
Nurnbergk, der dy glocklein allenthalben uffm Radthawfse
gehenget, domitte man anlewtet für der Radtstuben, Stadt-
schre3'berey, Voydtsstuben und unten für dem Keler". In der-
selben Rechnung ist viel die Rede von ,,des Rates neuem, ver-
hanofenem Waofen", den man damals hatte bauen lassen: u. a.
sind hierzu verrechnet zween Dutzend Senkel, ,,dy pulster
domitte anzuhefften".
Das Rechnungsjahr fiel nicht mit dem Kalenderjahr
zusammen, sondern Hef von Mauritii (22. Sept.) zu Mauritii,
seit 1536 von Michaehs zu Michaehs. Alljährlich fand am
Sonnabend nach Mauritii, Ende September, die Rats wähl
statt. Hierbei übergab der alte, abtretende Rat dem neuen,
sitzenden Rate eine Abrechnung (,,Überantwortung") über das
verflossene Amtsjahr; in dieser stehen zunächst alle Ein-
nahmen verzeichnet, denen die fast durchweg wochenweise
eingetragenen Ausgaben folgen, alles Seite für Seite addiert.
Die Zeit wird noch immer nach den mittelalterhchen Heiligen-
tagen berechnet. Häufig kommen lateinische Worte und
Wendungen vor, Latein war ja damals fast noch Verkehrs-
sprache, trugen doch auch Handwerksgesellen häufig genug
lateinische Sprüche in die Stammbücher ein.
Überantwortet wurde von den Kämmerern nicht nur das
bare Geld (1531/32 598 Schock 34 Gr., d. i. etwa 27000 Mark),
sondern auch die Bestände (der ,,furrat") an Weinen im Keller
1) Das Privileg;ium, mit rotem Wachs zu siegeln, hatte Zwickau
im Jahre 1473 vom Kaiser Friedrich III. erhalten, vor 1473 hatte der
Kat grün und noch früher, in der Zeit, da Zwickau, wenigstens dem
Namen nach, eine Reichsstadt war (1290 -1348), gelb gesiegelt:
Herzog, Chronik I, 260.
2) Nach den Pirnaer Kammer-Rechnungen des 16. Jahrhunderts
bestand das „Tintenzeug" aufser Gummi, „Durckisch Galles" (das
Pfund zu 7 Gr. 6 Pf.) und „Kopperwasser" (i Pfund 12 Pf.) noch aus
Victril (Vitriol) und Essig: vgl. meine Beiträge zur Verfassungsgesch.
der Stadt Pirna in dieser Ztschr. IX, 191.
3»
Reinhold Hofmann:
(Ratskeller), Hafer und Korn auf dem Kornhause, Futter im
Marstall, Holz ,,aufm Anger und im Hau", an Harnischen etc.,
ferner die Kleinode und die (,,hinterstelligen") Schulden^). In
dem „Vorradt an Sylbernen Kleynodten des Radts" waren
laut der K.-R. 1532/33 folg-ende Stücke: 14 silberne Becher,
grofs und klein, zwo silberne Schalen, zween vergälte Mefs-
kelche, ein. grofser neuer Kopf (d. i. Becher in Kopfform)
Übergült, mit einem Futter; ferner drei küpferne alte Siegel,
zwei lange silberne Siegel, ,, haben vielleicht zum Kloster ge-
hört", ein Siegel für das Gericht, ein grofs Siegel der Stadt,
zwei kleine Stadtsekrete, ein altes und neues; zwei ,,helfen-
beinene Tefflein" in Silber gefasset. Nach der K.-R. des vor-
ausgegangenen Jahres war ein gut Schock Meister Cuntzen (?)
dem Goldschmiede bezahlt worden ,,von einem neuen Stadt-
sekret zu graben, das Silber ist des Rats gewesen".
Das bare Geld und die dem neuen Rate (,,dem Bürger-
meister und seinen Herrn") in einer ,, beschriebenen Cberant-
wortung klärlich angezeigten" Bestände an Wein, Schulden etc.
sind an der Spitze jeder Jahresrechnung verzeichnet. Aufser
dem Namen des regierenden Bürgermeisters sind meistens
auch die der andern dem neuen Rate angehörenden (11)
„Herren" oder ,, Ratsfreunde" namentlich aufgeführt. Hierauf
folgt das Verzeichnis der ,,Zinse, aus unsers gnädigsten Herren
Rentkammer entpfangen": diese stellen eine beträchtliche
Summe dar, z. B. 1524/25 488 Schock. Aufser diesen dem
Landesherrn vorgestreckten Darlehen hatte die Stadt auch
an ,,etzliche vom Adel" und an verschiedene Städte Kapitalien
(„Hauptsummen") ausgeliehen: so laut K.-R. 1529/30 der
Stadt Erfurt 7000 Gulden, Gera 2000, Eger 1100, Oels-
nitz 1000, Hof 200, an die Herrschaft von Schönburg, die
dafür die Stadt Glauchau verschrieben hatte, 500 Gulden.
Das Verzeichnis der Zinsen (5 ^jo) dieser Kapitalien bildet den
dritten Einnahmeposten in den Kämmerei-Rechnungen. Hierauf
folgen die ,,Zinse, von etzlichen Bürgern und Landsessen
gefallen" und ,,von des Rats Leuten uff den Dörfern"; ganz
oder zum Teil dem Rate gehörten 1525 laut der K.-R. dieses
Jahres Stangengrün, Reinsdorf, Weifsenborn, Marienthal,
Planitz, Wolfsgrün, des Rats Gut zu den Wiesen, Altmanns-
grün und Niederhohndorf. Nicht aufgeführt ist in den Rech-
') 1543 überantwortete der Kämmerer einen Überschufs von
rund 8774 Schock und erläutert diesen also: Solches ist furhanden,
wie folget: an barem Gelde 2764 Schock, an Vorrat „im Ampten"
3665 Schock, an Schulden 2344 Schock.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter.
39
nungen der Wert der städtischen Liegenschaften. Besondere
Rechnungen führten und hatten dem neuen Rate vorzulegen
die Verwalter der einzelnen Ratsämter: des Wein-, Fisch-,
Salz-, Futteramtes, des Holz-, Brett-, Mühlen-, Bau-, Ziegel-,
Marktherren- und Harnischamtes, des Schulinspektorates und
des Vormundschaftsamtes. Solche Register sind noch in
grofser Zahl vorhanden. Auch sie bieten eine Fülle wert-
vollen Stoffes, aus dem ich nur einiges zur Probe heraus-
greifen kann. Aus den Ziegelamtsrechnungen z. B. er-
sehen wir, dafs der Rat (15 15) in 25 Öfen Ziegel brannte;
genannt werden Mauerziegel, breite Dachziegel, ,,Symbos"-
(Sims-) Ziegel, Ochsenzungen, Setz-, Kessel-, Breis-, Mäuler-,
Ofen- und Pflasterziegel.
In den Holzamtsregistern wird über das Flöfsholz
Buch geführt; es ist meist Weichholz, Birkenholz, Buchen-
holz. Ziemlich beträchtlich sind die Summen, die alljährlich
für Brennholz aus der Stadtkasse bezahlt wurden, denn auch
in Zwickau wairde damals fast ausschliefslich Holz verfeuert,
obwohl der Steinkohlenreichtum ^) schon entdeckt war. Nach
der K.-R. 1524/25 ,,ist auf Feuerholz in Weinkeller, Rats-
.stuben und Marstall 12 Schock 55 Gr. gangen", ebensoviel
wurde in der Zieg^elhütte und annähernd ebensoviel im Kuttel-
oder Schlachthof verfeuert. Dazu kamen noch die Holz-
spenden für ,,des Rats Gesinde" und für die Schule: so
1519/20 ,,dem Baccalaureus Agricola adder Schulmeister 31 Gr.
für I Stofs Weichholz zu Steuer seiner Beholzung, uf dafs
die Armen im Winter in der grofsen Kälte nit schädlichen
Frost erleiden". ,,Des Rats Feuerwerk" kostete 1544/45
53 Schock, der Preis für i Klafter Weichholz war 5 — 6 Gr.,
für I Klafter Birkenholz 6^2 — 7 Gr. und für ,, Buchenholz"
1) 1532 wurde die erste Steinkohlenordnung; errichtet, zwei
Jahre vorher hatte man die Oberhohndorfer Steinkohlen entdeckt;
die nachweisbar älteste Erwähnung des Zwickauer Steinkohlen-
bergbaues stammt aus dem Jahre 1421 (nach Er misch, Zwickauer
Stadtbücher etc. in dieser Ztschr. XX, 36). Über den gewaltigen Brand
des Planitzer Kohlenflötzes (1505) berichtet Dr. Georg Agricola,
auch der Pirnische Mönch spricht von dem zwischen dem
Zwackerberge und der Stadt Zwickau gelegenen „bornenden Berg,
daher manch Fuder steinene Kohlen wird zu Markte bracht; man
besorgt sich danne unüberwindlich Schaden". In dem lateinisch ge-
schriebenen Werke De succino von Severin Goebel (Frankfurt a. M.
1558) Buch 2, S. 26 f. heilst es, die „Steinkol", lithanthrax, benutzten
die Schmiede; zu feineren Arbeiten aber eigne sie sich nicht, weil
ihre Fettigkeit das Eisen angreife und zerbrechlich mache. Leute,
denen das Holz fehle, kochten ihre Speisen damit.
40
Reinhold Hofmann:
8 Gr., dazu kamen noch 3 Pf. Laufgeld für jede Klafter.
Wenn von Kohlen die Rede ist, werden wir meist Holz-
kohlen darunter zu verstehen haben. Mehrfach werden Linden-
kohlen erwähnt.
Ein undatiertes, wohl nach 15 18 aufgezeichnetes „Har-
nasch ampts Inuentarium" zählt der Stadt Heergerät auf:
Geschütze, Büchsen, Pulver, Harnische, Spiefse, Hellebarden,
Schwerter, Zelte, Heerwägen, Schaufeln, Grabscheite u. a. m.
Anderswo finden wir verrechnet: ,, Armbrost", „Heuble",
,,Hern hewbell", Vorder- und Hinterteile (von Harnischen),
Armschienen, Panzerkoller, Kragen, gefütterte Halskrägen,
lange Spiefse, Krebse (d. i. Brustharnische in Plattenform),
Salpeter dem Pulvermacher etc. ^). Der ,,Buchfsengifser" oder
,, Büchsenmeister" Georg Algawer hatte (K.-R. 1521/22) „uff
dy arbeit einer Buchfsen und S. Mauricien bilde" vom Rate
,,zu seinem Erfordern und für Kupfer, Zinn und anderes"
etwa 166 Schock Gr. erhalten, war aber nach der Bezahlung
entronnen. Die eben erwähnte Stelle aus der Stadtrechnung,
wonach der Rat des Mauritius Bildnis auf einem bronzenen,
büchsenförmigen Geschütz anbringen liefs, scheint die Be-
hauptung der Chronisten, Mauritius sei der Schutzheilige der
Stadt Zwickau gewesen, zu bestätigen. Zwickau hatte nach
einer landesherrlichen Verordnung vom Jahre 15 19 ,,wie vor
alters" 200 Mann Heeresfolge zu leisten — in der K.-R. 15 13
ist der Wert von 231 ,,herffartrugklen" (Heerfahrtröcklein)
mit 61 Schock 21-^ j^ Gr. angegeben — , und dieses Kontingent,
2 Fähnlein Landsknechte und Bürger nebst 4 Rüstwagen,
liefs der Rat im Bauernkriege 1525 zum sächsischen Heere
stofsen. Über die Kosten dieses traurigen Krieges sagt der
Kämmerer dieses Jahres: ,,759 Schock 31 Gr. 8 Pf. ist gangen
uf den Heerzug, als der Rat und gemeine Stadt unserm
gnädigen Herrn 200 Fufsknecht zugeschickt und bei 9 Wochen
bei ,, seinem" kurf. Gnaden besoldet; auf die Pferde und Wägen
alles, was derwegen ausgeben, hierein gerechnet; was aber
an Vitalien, als an Fleisch, Speck, Käse, Erbeifs mit ge-
schickt, ist hierein nit gezogen". Die genannten ,, nach Weimar
ins Lager geschickten VitaHen" — nach dem Berichte des
Chronisten 2 Tonnen Käse, 2 Fafs geräuchert Fleisch,
3 Scheffel Erbsen und 4 Seiten Speck — hatte der Rat den
') Mit Anspielung auf die in der Stadt befindliche Harnisch-
mühle und die Harnischschleifereien wurde die Zwickauer Lateinschule
der Reformationszeit wegen ihrer Strenge auch wohl die Zwickauer
Schleif- und Poliennühle genannt.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter. 4 1
Vorräten des damals eben aufgehobenen Franziskanerklosters
entnommen. Der Wert des Paniers in den Stadtfarben Rot
und Weifs, das man den Knechten mitgab (61 '/^ Ellen Zendel
rot und weifs, rote Seide, % Lot rote Porten etc.) ist mit
2 Schock 10^/., Gr. berechnet. Für die Besoldung der aus-
gerückten Mannschaften hatten die zurückbleibenden Bürger
eine besondere Steuer, das Heerfahrtgeld, zu entrichten,
das als Zuschlag zum Geschofs, der städtischen Hauptabgabe,
erhoben ward. Das Heerfahrtgeld, das der Rat ,,von den
Bürgern und Einwohnern und von des Rats Leuten zu Reins-
dorf, Weifsenborn und Stangengrün nach Anlage ihrer Güter''
in diesem Jahre (1525) einzog, betrug 301 Schock 22 Gr. 2 Pf.
I Heller oder 861 ti. i Gr. 2 Pf. i Heller. Diese Summe zu dem
nach den vier Stadtvierteln erhobenen Geschofs (461 Schock
12 Gr. 7 Pf.) hinzugerechnet, ergibt die vom Kämmerer an-
gegebenen Feldzugskosten von 759 Schock. Was in dem
gedachten Jahre ,,zu Bürgerrecht gefallen ", nämlich
30^/^ Schock ,,von 33 neuen Bürgern, welche dieses Jahr
Bürgerrecht gewonnen und jeder ein Schock geben, soll zu
anders nichts, dann zu Heergerät dem Rat und gemeiner
Stadt gebraucht werden" (K. -R. 1525). In der Musterung
der gesamten bewehrten Bürgerschaft bei der Erbhuldigung
für den Kurfürsten Johann Friedrich am 25. September 1532
erschienen einschliefslich der Bauern aus den Ratsdörfern
1228 Mann; hierbei wurden zwei Mann mit einer Geldstrafe
belegt, weil sie einen ,, rostigen Harnasch gehabt, wider viel-
fältiges Gebieten zu reinigen" (K.-R.).
Mit erfreulicheren und friedlicheren Dingen als die Har-
nischherren hatten es die Verwalter des Weinamtes, die
Weinherren, zu tun. Eine der bedeutendsten Einnahme-
quellen der Stadt war der Verkauf und Ausschank fremden
Weines und Bieres in ,,des Rates Keller", ,, Weinkeller", in
der ,, Weinstuben". Die zwei Weinherren, Ratspersonen, über-
antw^orteten alljährlich als ,, Verwalter des Ratskellers" dem
neuen Rate mit Befriedigung, ,,was das Jahr über über alle
Unkost zu Gewinst und Überlauft gefallen", was sie „dieses
Jahr über an Getränken in des Rats Keller erubirt haben":
1525 233 Schock 37 Gr. 4 Pf. i Heller; 1533 rund 456 gute
Schock; 1530 blofs 80 gute Schock, „weil dieses Jahr die
Weine übel geraten, auch derhalben wenigk ausgeschenkt,
denn sie teuer gegeben worden". Der zehnte Pfennig vom
Verkaufsgelde mufste an den Landesherrn abgeliefert werden.
Aufserdem hatte der Weinkeller den Wein zur Messe in den
Kirchen und in „des Rats Kapelle" (St. Jakobskapelle im
J.2 Reinhold Hofmann:
Rathause) umsonst zu liefern, so heifst es in der K.-R. 1520 21 :
,,7 Schock 56 Gr. 4 Pf. ist dies Jahr auf Messe Wein ge-
gangen und zu österlichen Gezeiten pro communione etc. zu
Unserer lieben Frauen in der Pfarrkirchen nach Anzeige der
Kerbholzer, die der Schenke mit dem Kirchner gehalten".
Unter denen, die der alte Rat 1525 ,,zum Abschiede" be-
schenkte — 15 Ratsbeamte, als erster der Stadtschreiber —
ist auch die Hans Schenkin, die Gattin des Ratskellerwirtes,
verzeichnet: sie erhielt 5 Gr. ,,zu einer Verehrung, dafs sie
das Jahr über dem Rat zu Zeiten mit Tischwaschen und
andrem gedient und zu Willen gewest". Die Beförderung
des Weines wie des Bieres in die Keller und wieder heraus
durfte nur durch die vom Rate angestellten und vereideteii
beiden Schröter vorgenommen werden, sie hatten auch ,,das
Hopfen- und Malzmessen, item das Schroten zu Notdurft der
Bürger" zu besorgen; damit sie hierin ,,deste fleifsiger und
williger sein sollten", erhalten sie freies Holz. In des Rates
Keller lagerten Landwein, rheinischer Wein, roter rheinischer
Wein, böhmischer, insbesondere Leutenpritzer, Leipewertzer,
Leuterwitzer, d. i. Leitmeritzer, Kotzschberger oder Kucz-
perger, d. i. Kötzschenbrodaer Wein, Alant- (Oland-, Orlandt-)
wein, Frankenwein, Saalwein (,,alt und neu, so zum Mosten
gekauft"), „Felckliner", Reinfall (Reimfahl, Refall, d. i. Veft-
liner aus Graubünden, auch in Friaul wächst ein Wein, den
man Rheinfall nannte), Malvasier (,,Walmasyr"), Muskateller
(„Mustateller"), „Mehrdt" (Met?), Nägeleinwein, Roten-
beerwein, Salbenwein, Wermutwein, Kampwein, Landmost,
gesottene und Beerweine. 1527/28 wurden allein für Kotzsch-
berger und böhmischen Wein 104 Schock, für Saal-, rheini-
schen und Frankenwein 981 Schock ausgegeben. 1545 be-
rechnet der Weinherr für 461 '/.^ Eimer Saalwein (Most) mit
allem Fuhrlohn etc. 383 Schock, für ,,behamischen" Wein
224 Schock, rheinischen Wein 593 Schock, Malvasier
17 Schock, Met 30 Schock und Eimbeckisches Bier 10 Schock.
Die Weine bezog man teils unmittelbar von den Weinbergs-
besitzern, teils von Zwischenhändlern. Die Weinherren ritten
mit dem Weinknecht (,,zu Bestellung der Weine", ,,sich des
Weinlesens zu erkunden", oder auch: ,,zu ersehen, wie der
Wein allenthalben am Stock stehet") ,,an die Saala", ,,gen
der Numburgk", nach Lobeda (Lobdaw, Labdaw); ,,gen
Bürglen, Lausnitz, Jhene (Jena), Lauter (in Unterfranken) und
andere Orter"; ferner nach Roda, Wünschendorf, Ottendorf:
in den letztgenannten drei thüringischen Ortschaften wohnten
wohl Zwischenhändler, wie in Mehlis, Viernau und Wichts-
Eine Sachs. Stadt im Retormationszeitalter. 43
hausen bei Schleusingen. 1544 verrechnet der Weinherr
5 Pf. flir 5 Stricklein, damit er das Geld hat ,,eingepunten"
und den (Weinknecht) Asmus Lasperger ,,an die Sali ge-
schickt im Weinlesen". Wein bezog man 1527 vom ,,fur-
steher zu Leuterwitz", von der Gemein zum Lichtenstein in
Unterfranken usw., den ,,pehaimschen" Wein 1544 zu Leipe-
wertz, aber meist von Gregor Richter vom Schneeberg: ein
Weinherr war in diesem Jahre mit einem Knecht ,,ins Land
zu pehmen nach Most geritten". Viel Wein wurde auf dem
Michaelismarkt zu Leipzig gekauft. 1527 bezog man u. a. 2 Fafs
rheinischen Wein von dem Medizinprofessor Dr. Heinrich
Stromer von Auerbach in Leipzig (nach ihm ist ,, Auerbachs
Keller" benannt) und sehr viel von einem Heinz Sauffaufs.
Ein Mittelpunkt des Weinhandels in dem hier behandelten
Zeitraum scheint Schneeberg gewesen zu sein: einmal (1527)
wird die beträchtliche Höhe des Fuhrlohns von und nach
Schneeberg hervorgehoben und begründet mit den Worten:
„in Ansehung der bösen Wege". Auch in Nürnberg und
Eger kaufte der Rat viel Wein (besonders Malvasier) und
Met. Die von einigen Zwickauer Bürgern 15 17 im Pöhlauer
Grunde („in der Pöhlen") angelegten Weinberge, die ein
Gewächs von zweifelhafter Güte lieferten, bestanden bis
gegen 1550').
Auch Vorräte von Bier und Met hielt der Rat im Rats-
keller. Aufser ,,Zwickischem" Bier werden besonders Schnee-
bergisch, Freibergisch, Thumisch, Zschopisch, Eimbeckisch
(153-33 ,,Emmeckisch"), Annebergisch Bier genannt. Mit
eifersüchtiger Sorge wachte der Rat darüber, dafs das der
Stadt zustehende Verbietungsrecht gegenüber den innerhalb
einer Meile im Umkreise, der Bannmeile, gelegenen (etwa 30)
Ortschaften nicht verletzt werde. Wiederholt wird ,, heim-
liche Kundschaft" ausgesandt, ,,auf fremde Biere auf den
Kretzschmam (Dorfschenken) umb die Stadt zu sehen", Geld-
spenden werden verrechnet für ,, Ausspäher fremden Bieres
auf den Dörfern in der Meilen Weges zurings um die Stadt".
1527 machte der Rat mit 400 Mann einen Bierausfall nach
Culitzsch, liefs einem Untertanen des von der Planitz 3 Viertel
Schneebergisches Bier wegnehmen und einen Mann in Haft
setzen"-). Dies hatte eine Klage des Herrn von der Planitz beim
Kurfürsten zur Folge, die in den Rechnungen öfters erwähnt
wird. 1522 haben ,,ufs beuelich des Radts 2 Mann uff die-
M Herzog, Chronik 11, 184.
^) Ebenda II, 213.
44
Reinhold Hofmann:
jenigen, dy do Schneperger Byr uff der Pfar geholet, ge-
wartet" und bekamen für ihr ,, Ausspähen" 7 Gr. zu ver-
trinken. Den unbefugten Bier- und Weinschank hatte 1498
der Naumburger Bischof dem Zwickauer Pfarrer und seinen
Nachfolgern untersagt '). Von der einstigen starken Brau-
nahrung der Bürger zeugen die (früher 60) Bergkeller, die
seit 15 II jenseit der ,, Bierbrücke" nach und nach angelegt
wurden. Eines Metsieders geschieht im Bürgerbuche 1525
Erwähnung.
Nicht unwichtig war die Tätigkeit der Fischherren,
der Verwalter des Fisch- oder Teichamtes, besonders in der
älteren, katholischen Zeit, in der die Fischzucht wegen der
vielen Fasten eine hohe Bedeutung hatte. Die Stadt hatte
eine beträchtliche Anzahl Teiche, besonders im Westen, ver-
schiedene auch auf des Rats Dörfern. In den Jahren 1473 — 77
hatten Martin Römer und sein Freund, der reiche Tuchmacher
Hans Federangel, den ,,grofsen Teich", den jetzigen Schwanen-
teich, anlegen lassen, der damals 36 Acker 13 Ruten um-
fafste. Die Kosten beliefen sich auf 4800 rhein. Gulden^).
In den Fischamtsrechnungen ist viel die Rede von den
,,Teycherbttern", den Teicharbeitern; der Unterfron fordert
(1538) im Frühjahr ,,die Leut zu Schnepfendorf, Auerbach
und Weifsenborn, im grofsen Teich zu fronen", einen Boten
sendet man „gein Marienthal" Mittwoch nach Ostern (24. April)
1538, ,,den Leuten mit den Pflügen im grofsen Teich zu ackern
anzeigen zu lassen". 1525 löste man 95 Schock 42^2 Gr.
aus den Fischen, ,,so in dem grofsen Teich gefangen, ane
etliche grofse Stucke Hechts, die der Rat nit hat können
verkaufen und in die Mühlteich, auch Worfling, Brossen und
Setzehecht, so er in die Stadtgräben und andre des Rats
Teiche gesatzt hat". In der K.-R. 1521/22 ist unter Sonn-
abend nach Jacobi i Gr. eingesetzt für 12 kleine Hechtlein in
den grofsen Teich zu setzen. 1526 gibt man 10 Gr. 6 Pf.
,,den Otternstechern zu vertrinken, dafs sie des Rats Teiche
besichtiget, zu erkunden, ab umb die Teiche irgend Otter
[und] Biber vorhanden".
Auch die Rechnungen der übrigen Ratsämter bieten
mancherlei Nachrichten von kulturgeschichtlichem Werte,
doch verbietet es der zur Verfügung stehende Raum, hier
näher auf sie einzugehen.
*) Ebenda II, 160.
-) Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Um-
gegend III (1891), IX.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter.
45
Mit der wachsenden Bedeutung der Stadt und dem zu-
nehmenden Umfange der Verwaltung war die Zahl der Rats-
ämter allmählich so grofs geworden, dafs auch Mitglieder des
ruhenden Rates hinzugezogen werden mufsten. Die Besoldung
des Rates wurde im Jahre 1494 durch kurfürstliche Ordnung
folgendermafsen festgesetzt: von den beiden Bürgermeistern
sollte jeder 5 gute Schock erhalten, der regierende Stadt-
vogt 7, der Schultheifs 6 und der Kämmerer 2 gute Schock,
ferner die beiden Weinherren jeder 5, die beiden Fischherren
jeder 3 nebst dem Heu von den Teichdämmen, der Bauherr 5
und der Hamischmeister 2 gute Schock, die Mühlherren aber
sollten 2 Mühlschweine und der Futtermeister das Ratswiesen-
grummet und den Marstallmist bekommen, endlich die vier
Schoppen jeder 3 und die übrigen Glieder des alten Rates
jeder i gutes Schock. Sämtliche (24) Ratskumpane, der alte
wie der sitzende Rat, sollten von den städtischen Abgaben,
wie Wach-, Graben-, Hirten-, Markt- und Heerfahrtgelde
befreit sein ').
Wenn der abtretende alte Rat vor dem neuen ,,über
Einnahme und Ausgabe von wegen des Rates und gemeiner
Stadt Rechnung tat", bekamen ,,die von Handwerkern und
Gemein" — 8 angesessene Bürger waren seit 1524 hierzu
verordnet — ,,nach altem Gebrauch und Herkommen" eine
Verehrung; z B. 1525 i Schock „zu vertrinken". Auch die
Herren beider Räte hielten nach den Aufregung-en der
Rechnungsablegung eine ,, Kollation". Am Schlüsse der Stadt-
rechnung des Amtsjahres 1524/25 findet sich unter der Über-
schrift: ,,Versoldtmg der Personen des Rates" der Eintrag,
es sollten zu der (durch die kurfürstliche Ordnung vom Jahre
1494 bestimmten) Besoldung des Gesamtrates von 70 Schock
oder 200 Gulden ,,aus fürstlichem Befehle zu Besserung beider
Bürgermeister noch 11 Schock 30 Gr. Versoldung gegeben
werden, damit nun hinfüro ein regierender Bürgermeister
jährlich 50 Gulden und ein alter Bürgermeister mit den dreien
Schocken eines Schöppensoldes 20 Gulden haben sollte, da-
gegen aber wiederum alle collationes und Zechen auf dem
Rathaus sollten abgestellet werden". Aber trotz dieser Ver-
fügung dauerten die häufig mit Musik und Tanz verbundenen
und aus dem Stadtsäckel bestrittenen Schmause fort, so sind
1532 unter dem Ausgabentitel: ,,Was auf des Rates Kollation
gegangen" für 18 Kollationen 10 Schock 11 Gr. 5 Pf. ver-
rechnet und zwar kam man zusammen Dienstags an der
^) Herzog a. a. O. II, 156.
^6 Reinhold Hofmann:
„Fafsnachf (12. Februar); darauf Mittwoch in der Fastnacht
(13. Februar) zur Kollation, mit eingerechnet 10 Gr. 6 Pf.,
,,so man den Bürgerssöhnen zu Geschenk geben, da sie mit
den Latern getanzt haben"; 37 Gr. i Heller ausgegeben zur
Kollation Sonntags Reminiscere (24. Februar) im Jahrmarkt,
mit eingeschlossen 3 Gr. für i Schock ,,holtzene teler"; ferner
Dienstags nach Laetare (12. März, es war der Gregoriustag) ;
Dienstags nach Palmarum (26. März), ,,da der Rat das Tuch
hat armen Leuten ausgeteilet" ' ); Dienstags nach Quasimodo-
geniti (9. April); Ascensionis Domini (9. Mai); ebenso, als
der alte Rat dem neuen hat Rechnung getan; und weiter
,,zur Kollation und für Getränke die Woche im Abschiede,
als die Kämmerer das Geld haben zusammenzählen lassen" ;
desgleichen Freitag nach Valentini (15. Februar), ,,da die
Herren gemühet gewesen, über dem peinlichen Halsgericht
widder Anna Schotten gehalten"; an einer andern Stelle der-
selben Rechnung sind aufserdem noch 2 Schock 33 Gr. ver-
rechnet, ,,dem Hans Schenk ausgegeben im Abschiede des
Rates für Essen und Trinken". Hoch ging es auf dem Rat-
hause her, wenn fürstlicher Besuch zu ehren war, z. B. 1532,
,,wie der Kurfürst von Sachsen allhie die Erbholdung ge-
nommen und auf dem Hause gewesen". Hierbei ist als Ge-
schenk dem Kurfürsten ,,vom Rate widerfahren" i Fafs
rheinischer Wein, hat gehalten 4^/2 Eimer 3 Kandeln, i Fafs
Landwein, 2 Fafs Schneebergisch Bier, dazu etliche Kandeln
rheinischer, roter und Landwein, so in die Ratsstuben geholt
worden. Aufserdem wurden bei dieser Gelegenheit Mittwoch
nach Mauritii (25. September) noch 23 Gr. für Wein, Bier,
Gläser und Karten verausgabt und ,,6 Gr. den Wächtern zu
vertrinken geben, dafs sie das Volk auf dem Markte aus der
Bahn getrieben und sonsten auf dem Haus gebraucht sind
worden in der Erbholdung". Namhaft waren die Unkosten,
die durch fürsthche Hochzeiten der Stadt erwuchsen: 15 12
^) Vgl. K.-R. 1525 Ausg. Uli" die Tuche: 24 Schock 3 Gr. vor
21 grobe Tuche ausgeben, welche armen Leuten Montags nach
Laetare (27. März) bei diesem Rate um Gottes willen geschnitten
und gegeben, wie von alters herkommen. Was aber zuvor auf Brot,
Hering, Pfennige, „presentz" der Pfaffen zu dieser Zeit und auf
die Spende, so der Rat im Sommer Montags nach Assumptionis
Mariae (21. August) an Fleisch und Brot ausgeben, ist wochlich 1 fl.
dafür in den (1524 errichteten) Gemeinen Kasten gewandt wurden,
dem Armut beineben anderm wochenlich auszuteilen. — 1522 betrug
die Spende zu Mittfasten, Sonnabend nach Laetare (5. April),
40 Schock; 1531/32 „Ausg. auf Tuchschneiden armen Leuten zu
Mitterfasten 25 Schock 43 Gr., der Tuche sind 24".
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter.
47
reisten die beiden Bürgermeister zu Herzog Heinrichs zu
Sachsen Beilager nach Freiberg und überbrachten einen von
Nürnberg bezogenen „ubergultenn Kopff" im Werte von
26 Schock 24 Gr. Die „Herren" verzehrten auf der Hoch-
zeit 3 Schock 3 Gr. samt demjenigen, ,,so sy in dy kuch denn
keinem und sunst zw vorerung habenn geben mussenn z\\-
yrem abschidt". Dazu sind noch 5 Gr. in Rechnung gestellt
für ,,zwene hüte zweien Knechten, dy mit beden Burger-
meistern uff die Hochzeit von radts wegen gezogen seint".
Weit beträchthcher war, ,,was im Jahre 15 13 auf das Bei-
lager Herzog Johansens gegangen". Der Rat liefs durch die
beiden Bürgermeister Dr. Erasmus Studtler (Stella) und
Laurentius Bärensprung abermals einen Becher (übergulten
Kopf), ,,der vorhin im Vorrat bei dem Rat gelegen und
14 Mark gehabt", in Torgau überreichen. Für den Becher
,, zusamt der geschickten Zehrung" sind 100 fl. (über
1500 Mark) berechnet, und 34 Schock 42 Gr. i Pf. ,,ist sunst
uf die Knecht mit Gewand, Scherlohn, Zehrung und Schneider-
lohn zu fürstlichem Beilager gegangen". Ein gehöriges Loch
in den Stadtsäckel rifs der im Jahre 1531 vom 26. Januar an
in Zwickau abgehaltene Landtag, der sich u. a. auch mit dem
Schmalkaldischen Bund beschäftigte. Die Sitzungen fanden
abwechselnd auf dem Schlosse und dem Rathause statt. Zur
Verpflegung der dabei zusammengeströmten Volksmassen war
(nach Herzogs Chronik II, 222) auf dem Markte eine Küche
errichtet, und in Paul Mühlpforts Hause — das schöne Haus
ist vor einigen Jahrzehnten leider abgebrochen worden, jetzt
steht an seiner Stelle der ,, Goldene Anker" — hatte man die
Wein-, Bier- und Brotvorräte niedergelegt. Auf dem Kauf-
hause wurde das Volk an 72 Tafeln gespeist. Dieser Landtag,
den der Kurfürst Johann (,,der Beständige") auf dem Schlosse
persönlich eröffnete, wird in den Rechnungen häufig erwähnt.
Zwei Schüler, ,,die mit den Knechten in den 4 Vierteiln
umbgegangen und die Pferde an die Häuser verzeichnet aufn
künftigen Landtag", erhielten zur Belohnung 2 Gr. ,,Für
imsern gnädigsten Herrn auf dem Landtag" sind u. a. aus-
gegeben worden: 13 Schock 39 Gr. für i Fafs rheinischen
Wein, 10 Gulden für eine Lage (= Lagel, Lägel) Malvasier
und 8 Gulden für eine Lage Rheinfall. Vor und nach dem
Landtage war grofses Reinmachen auf dem Marktplatze: es
sind Beträge eingesetzt, ,,den Markt zu kehren und überall
zu reinigen auf den Landtag"; für Besen; ferner vom Ge-
rinne zu reinigen auf dem Markte; 20 Pf. einem Tag-
lohner, hat auf dem Markte etliche Misthaufen zusammen-
lg Reinhold Hof mann:
geschlagen; 3^ ,, Gr. einem Kärrner (,,kemer"j, „hat 14 Karrn
Schutt vom Markte gefuhrt".
Am Z.Juli 1525, nach Beendigung des Bauernkrieges,
kam der Kurfürst Johann, begleitet von dem Kurprinzen, den
Herzögen Philipp von Braunschweig, Otto und Franz von
Lüneburg und dem Fürsten Wolf von Anhalt, mit zahlreichen
Bewaffneten und vielem Geschütz in Zwickau an, vom ,,Thor-
mer" (zugleich Stadtpfeifer) mit ,, blasender Musik" begrüfst.
Dem hohen Besuch zu Ehren wurde auf dem in diesem Jahre
vollendeten neuen Kauf- oder Gewandhause ein festlicher
Schmaus und Bürgerball abgehalten; in der K.-R. findet sich
u. a. folgender Eintrag unter Sonnabend nach Visitationis
(S.Juli): ,,32 Gr. 2 Pf. ist gangen ufs getrencke frawen und
jungkfrawen geschankt, als der Radt unserm gnedigen fursten
und sunderlich den frembden fursten im eynkommen alhir
eyn tantz bestalt". Für diesen Tanz sind in der K.-R. 9 Pfund
Wachs zu Fackeln verrechnet, ,,ab die zum Tanze sollten
gebraucht werden und der Tanz in die Nacht | sollte] ver-
zogen sein". Die Fackeln waren von den ,,Begynen" oder
,, Regelschwestern" verfertigt worden, 6 Stück für 3 Groschen,
das Pfund Wachs kostete 3^, 2 Groschen. Wenige Jahre vor-
her, 15 18, war zu Ehren des auf dem hiesigen Schlosse einige
Zeit Hof haltenden Herzogs Johann ,,viel Rennens und Stechens
(ein Gesellenstechen etc.) von Adel und Unadel geübet worden,
auch viele andere seltsame Fastnachtspiel zu sehen gewesen".
Damals hatten ,,24 Mannspersonen in geschmitzten Kitteln einen
Schwerttanz gehalten und 18, wunderlich als Störche verkleidet,
haben auf dem Markte Nüsse aufgelesen. Item 26 Manns-
personen (Bötticher) haben bei Nacht auf dem Schlofshof einen
Reiftanz gehalten und hat jedweder ein brennend Licht wohl-
verwahret auf dem Kopf getragen"^).
Wenn hoher Besuch angemeldet war, war der Rat be-
sonders eifrig darauf bedacht, die auf den Gassen herrenlos
herumlaufenden lästigen Hunde durch den Scharfrichter und
seine Knechte einfangen und totschlagen zu lassen: 1531/32
wurde viermal Razzia gehalten und 112 Hunde zur Strecke
gebracht (1522: 115, 1525: 112, 1533: 143). Die Ausgabe,
4 Pf. für einen Hund, ist regelmäfsig unter dem Titel: ,,Dem
Scharfrichter von Hunden anzufahen" verzeichnet. Der Henker
wurde wegen dieser seiner Tätigkeit, die anderwärts nicht
selten zornige Erregung und Aufläufe verursachte, auch in
*) Nach Peter Schumanns handschriftl. Zwickauer Annalen.
Eine sächs. Stadt im Keformationszeitalter.
49
Zwickau „Hundeschläger" (152 1 ,,hundsschleger") genannt.
Seine Wohnung war bis 1528 in der ,,Meisterei" in der Bader-
gasse ,,am Ecke bei der Mauer". Der Scharfrichter, der (15 2 5j
einen Wochenlohn von 8 Gr. bekam, war zugleich Abdecker,
Schinder: in den Rechnungen sind für ihn Beträge, jedesmal
3 Gr. eingesetzt „von Äsen", d. h. für die Beseitigung toten
Viehes, z. B. 1525 ,, einen Esell, so in der mittel mulhe ab-
gangen, uf den anger (Schindanger) zu fordern (befördern)".
Sein Knecht bekommt 2 Gr., ,,dafs er hat die Frau, so sich
fum niedren Thore gehängt, abgehauen". Staupenschlag,
,, peinliche Befragungen", Hinrichtungen, sind des Henkers
traurige Verrichtungen. So hat er 1532 einen ,,umb etlicher
geringer Deube (Diebstähle) willen zur Staupen gehauen",
ebenso einen andern 1531, ,,der ein Weib entführt hat". In
demselben Jahre hat er ,, Hanse Kersten den Kopf abgeschlagen,
dafs er Balthasar Langer von Nürnberg jämmerlich ermordet".
Knechte und Tagelöhner mit Hellebarden begleiteten damals
den Henker zum Gerichte hinaus vors Tor, und Totengräber
und Träger begruben die Körper des Mörders und des Ge-
mordeten. Die Knechte und Tagelöhner werden mit 14, die
Totengräber und Träger mit 12 Gr. abgelohnt, der Scharf-
richter mit 15 Gr. Ebensoviel bekommt er 15 10, ,,die alte
Malerin mit Feuer zu richten", dazu hatte er 2 Gr. 8 Pf. ,, ver-
trunken den Abend, als er sie peinlich fragen sollte". 2 Gr.
3 Pf. sind eingesetzt ,,für etzlich Salben, domit sich die Malerin
nach der Marter erquicken sollt". Diese urkundlichen Nach-
richten beziehen sich auf einen Hexenprozefs, von dem die
Chronisten folgendes berichten: Eine alte Frau, die Malerin,
war eingezogen worden, weil sie angeblich Gesunde krank,
bhnd und lahm gehext, einige gar vergiftet, Huren die Frucht
abgetrieben etc. und dies alles auch andere gelehrt hatte.
Deshalb wurde ihr der Prozefs gemacht und sie am 22. März
15 10 mit ihren zwei Kunstbüchern, die man ihr an den Hals
gehängt hatte, unterm Galgen verbrannt. Öfters ist für den
Gerichtsknecht oder Gerichtsfron ,, Atzgeld" eingestellt von
solchen, die gefänglich eingezogen oder ,, peinlich angenommen"
worden waren. 1530I31 gibt man 31^0 Gr. ,,dem Meister
Gregern, dem Arzte, von Hansefellern zu heilen, dieweil er
sich beklaget, dafs er solchen Schaden von dem Gefängnis
und Martern empfangen haben sollte". Nach derselben K.-R.
reicht man der tollen Margarete einen Pelz (25 Gr.), ,,dafs
sie im Gefengknis nicht erfriere," und in der gleichen Rech-
nung werden noch ,,zwene peltze" in die Gefängnisse geliefert
(40 Gr.). Henkersmahlzeiten werden mehrfach erwähnt. Eine
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. i. 2. 4
50
Reinhold. Hofmann:
weitere Arbeit des Scharfrichters war das Reinigen der ,,Heim-
Hchkeit" im Frauenhause; 1521/22 bekommt er dafür 26 Gr.
Das Frauenhaus, das unter polizeilichen Schutz gestellte Bordell,
welches zwischen der Bader- und Komgasse neben der Meisterei
an der Stadtmauer stand, wurde 1526 aufgehoben und die-
jenigen Frauen, die sich allen von den Geistlichen auf sie
verwendeten Besserungs- und Bekehrungsversuchen unzugäng-
lich zeigten, aus der Stadt verwiesen^).
In diesem Zusammenhange sei auch des (1520 erbauten)
Franzosenhauses gedacht, das jenseits der Mulde am Brücken-
berge ,,vor dem Tränktore unter der Zielstatt" lag. In dieses
wurden die an der Franzosenkrankheit (morbus Galliens, Syphilis)
Erkrankten gebracht, deren Zahl seit dem Ausgang des 15. Jahr-
hunderts erschreckend zunahm. Ursprünglich war es für die
Aussätzigen, Leprosen, bestimmt. Ein besonderer Arzt, der
Franzosenarzt, war für ,,die armen Franzoser" angestellt;
1532 und 1533 bekommt er — Meister Gregor List, der
Wundarzt — zu Haussteuer je einen vStofs Birkenholz, ,, darum,
dafs er bei den armen Französern deste gröfsern Fleifs thuen
solle". Es sind noch mehrere Jahresrechnungen der (zwei)
,,Fursteher der armen kranken Franzoser" erhalten, die eine
trägt an der Spitze den Spruch: ,,Matthei 25, [45 j: Amen dico
vobis, quatenus non fecistis uni de minimis, nee mihi fecistis".
Die Jahresausgabe von Martini 1526 bis Martini 1527 betrug
für 16, zuletzt 8 Kranke 98 Gulden 10 Gr. In der Rechnung
steht ein genauer Speisezettel für jeden Tag der Woche, so
ist z. B. gleich für den ersten Sonntag angesetzt i Gr. 8 Pf.
für 4V2 Pfund Fleisch, 8 Pf. für Brot und 4 Pf. für Rehm (fast
täglich vorkommend: Rahm?). Geliefert wurde aufserdem „in
die Kochen": Grünkraut, ,, Rüben", ,, dörre Rüben", (Heide-)
mehl, ,,Habergrutz", Hirse, Flecke, Stockfisch, Halbfische,
,, Karpen", ,,plan" Hecht, ein Geschlinge (2 Pf.), ein Kalbs-
kopf (9 Pf.), grüne Kresse, geschmälzte und ungeschmälzte
Butter, ,, grüne Potter", ,,Opffel", „Honigk", ,,Schweczken",
,,Kefsle", das Schock gegen 4 Gr., Bier, ,,Komel", gelegent-
lich auch eine ,,Kandel" Wein.
Die erste und hauptsächlichste Sorge der inneren Ver-
waltung war auf die Sicherheit der Stadt nach aufsen und
innen gerichtet. Ihr dienten in erster Linie die Mauern und
Tore, an denen nach Ausweis der Rechnungen fleifsig gebaut
und gebessert wurde, so 1523/24 an den ,,pasteyen" und be-
sonders 1541 bis 1545 an den Mauern. Einen kostspieligen
ij Herzog a. a. O. II, 211.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter. ei
Bau an der Nordseite der Stadt führte man 1537 bis 1538
aus: nach der Baurechnung dieses Jahres erheischte das da-
mals erfolgte „Gebäude der äufsersten Stadtmauer vom Frauen-
thor oreofen dem Niederen Thor" einen Kostenaufwand von
1584 alten Schock Groschen, der aus dem Gemeinen Kasten
bestritten wurde. „Den Meurern und andern" gab der Rat
,,6 Gr. 3 Pf zu Leihkauf, als man sie widder zur Arbeit ver-
sprochen hat", desgl. 5 Gr., ,,als die Herrn den Bawhe be-
sichtiget". Jeder der (3) ,, Meister" erhielt i Gr. ,,uf das vor-
dinge, als man sie wieder zur Arbeit verdinget". Den ,,Kalch"
bezog man aus Wildenfels: für einen ganzen Ofen gebrannten
Kalk, ,,ist zehen mäfsige Fuder worden", zahlte man 26 Schock.
Auch Zwickau hatte, wie dies bei den deutschen Städteji
uraltes Herkommen ist, vier Haupttore (Frauentor, Tränktor,
oberes und niederes Tor), aufserdem drei Pforten (die obere,
die niedere oder Schlofspforte und die Fleischerpforte), sämt-
lich mit Türmen verstärkt. Im ganzen hatte Zwickau 40 Türme
und Basteien. Die Türme, mit Bockbüchsen bewehrt (K.-R.
1520/21), waren wohl meist mit Schindeln gedeckt. Noch
1522 wurden am Fronleichnamstage alle Tore mit Maien ge-
schmückt (K.-R). Der Stadtgraben, der von 1536 an mit
einer Mauer eingefafst wurde und zu welchem Treppen ,,mit
steinernen Stupifen aus der Stadt führten", ward aus der
Mulde mit Wasser gespeist, und in ihm hielt man Fische und
zu Zeiten auch Schwäne. Nach der K.-R. 1520 21 hatte
„Silberbrenners Knecht zwene Seh wannen, die dem Rat ge-
schankt, von Altenburg geführt", und ein Knabe, ,,der der
Schwannen im Stadtgraben gewartet", erhielt 3 Gr. zu einer
Verehrung:. Der Chronist Peter Schumann berichtet als er-
wähnenswert, ,,dafs 1521 am Tage Barbara (4. Dezember) die
Büchsenschützen allhie acht Schwannen uffn grosen Teich
geschossen". Die Bezeichnung ,,Schwanenstadt", Cygnea, ver-
dankt Zwickau nach dem Zeugnis des Dr. Georg Agricola
dem (15 21 verstorbenen) Stadtphysikus und mehrmaligen Bürger-
meister Dr, Erasmus Stella (in den Rechnungen Studier, Studier,
Stüler genannt), der mit seinen dreisten Fälschungen die ganze
ältere sächsisch-thüringische Geschichte in Verwirrung gebracht
hat. Im Wappen der Stadt erscheinen die drei Schwäne aber
bereits 1444, vielleicht • als sinnbildliche Hindeutung auf die
auch vom Pirnischen Mönch erwähnte Volkssage, wonach
Zwickau, ,,wie etliche dunkle Anschläge vernommen, ferr
vor Christus' Geburt von Schwanhildis erbauet" worden sei.
Sie beruht auf einer falschen Etymologie des slavischen Namens
Zwickau, der vielleicht am zuverlässigsten als ,, Ansiedelung
4*
C2 Reinhold Hofmann:
am Windberge" zu deuten ist. Der Schwansage gedenkt auch
Musäus in seinen „Volksmärchen". Lächerhch sind zwei andere
Ableitungen des Namens unserer Stadt, wie sie sich in der
naiven Darstellung des Pimischen Mönches finden. Er sagt:
„Czwickawe, eine bequeme, zierlich erbaute Stadt im Schwan-
felde an der Mulden, hat seinen Titel von einem alten, nu
ganz zubrochenen Schlosse Czwacker auf dem Czwackerberge.
An der Stell, als nu die Stadt, seint etliche Höfe und Häuser
gelegen, die mit der Zeit zusammengebauet, ward gemeinlich
ein Sprichwort: Schauet, welcher Weis die Häuser seint zu-
sammen gezwickt. Die Einwohner trugen vor Zeiten ge-
wohnlich ober den Lippen Barte, wurden Zwickbärte ge-
sprochen".
Kehren wir nach dieser Abschweifung, zu der uns die
Schwäne im Stadtgraben verführt haben, zu dem Kapitel von
der Stadtbefestigung zurück.
Den regelmäfsigen Wachtdienst ,,auf der Mauer" be-
sorgten die Wächter, Torwarte, Torwärter, die in den Tor-
türmen wohnten und denen der Rat gelegentlich ein neues
,,Horren uff dy Mawer" gab. Ein solches kostete 4 Gr. Im
Jahre 1522 verordnete der Rat, dafs die Torwächter die Stunden
durch einen Stofs ins Hörn anzeigen sollten. Die Wache im
Innern der Stadt, ,,auf dem Pflaster", ,,aufm Steinwege", und
vor den Mauern bei den ,, Vorstädtern" oder ,, Pfahlbürgern"
lag den ,, Zirklern oder Nachtwächtern" ob, die mit Helle-
barden bewaffnet umherzogen, ,, zirkelten". Einmal sind für
die Wächter in der Vorstadt auch Pfeile verrechnet (K.-R.
1521/22: 2 Pfeile den Knechten). Die Bewachung der Stadt,
von der die Ratsherren befreit waren, hatten eigentlich die
,, besessenen" Bürger selbst zu leisten, aber sie ward abge-
löst durch das Zirkelgeld. Von den ,, Häusern zwiefacher
Wachen" wurden 12 Gr, gezahlt, ,,von einem iden Hause,
doruft' man brauet, 6 und von den Häusern, doruff man nit
brauet, 4 Gr.". Das Zirkelgeld brachte der Stadtkasse jährlich
gegen 36 Schock ein. Verschärften Dienst hatten die Zirkler
an der Fastnacht, an den drei Jahrmärkten: Katharina
(25. November), Reminiscere (am zweiten Fastensonntag) und
Trinitatis (Sonntag nach Pfingsten) und an den Festtagen,
l^esonders zu Pfingsten ,,bei den Gezeiten auf dem Anger",
wenn das Vogelschiefsen stärkeren Menschenzulauf veranlafste.
Sie hatten bei gröfseren Hochzeiten ,, Frieden zu erhalten",
nach den Jahrmärkten ,, fremder Gast halben Haussuchung zu
tun": 1538 erhalten 4 Zirkler, ,,als man ihr zwene frembde
Gest ins Mulpforten gharten gefangen", 4 Gr. aus der Kam-
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter. 53
merei. Den „verordneten" Wächtern wurden an solchen
Tagen „Bei Wächter" zugesellt, „Aufruhr, Hader und Unlust
zu verhüten". Neben den Marktmeistern, dem Ober- und
Untermarktmeister, welche die Marktpolizei hatten, linden wir
noch einen ,, Unterlaufer", der ,,uff die Verkäufer an den
Markttagen, die Gerinne und Misthaufen und anderes Achtung
gehabt". Die Bemerkung in Herzogs Chronik II, 298: ,,So
lange der Wisch (seit 1522 ein rotes Fähnchen) stak, und
zuvor, durfte nach dem alten Stadtrecht von 1348 kein
Fremder auf dem Wochenmarkte etwas einkaufen", wird
durch den Eintrag in der Rechnung des Jahres 1522 zum
Teil bestätigt: ,, Sonnabend post Valentini (15. Februar) 16 Gr,
9 Pf. für das Fähnlein auf den Frauenmarkt, welches anstatt
eines Wisches gebraucht, für roten Zandel . . . und Nähseide,
das Machlohn dazu gerechnet". Verstärkt wurden die Wachen
auch bei Fürstenbesuchen, so beim Landtag 1531 elf Tage
und Nächte lang. Verdoppelte Fürsorge widmete der Rat der
Sicherheit der Mitbürger ,,in geschwinden Lauften", wenn
,,die erschreckliche Krankheit der Pestilenz", Aufruhr oder
Krieg die Gemüter schreckte. Zur Zeit der rehgiösen und
sozialen Unruhen (besonders 1520 — 1525) wurde das Kloster
bewacht — 1525 im Januar und Februar mehrere Wochen
lang — und „bei dem hintern Gefängnis gewartet". In dem-
selben Jahre fafste der Rat den Beschlufs, dafs ,,der Thormer
hinfurth uif keyner hochzeyt forder pfeiffen, paucken ader
blasen sali, sunder stets mit seim knecht uffm thorm bleybenn"
(Ratsprotokoll 1525, Montag nach Corporis Christi, 19. Juni).
1531 w^urden sieben Wächter angenommen, die mehrere
Wochen lang ,, unter den Toren und Pfö rtlein des Sterbens
halben gewartet", auch bezog ,,in diesen schwinden Gezeiten
zur Zeit der regierenden Pestilenz der Rat, desgleichen die
Diener des Rates, item die Kaplanen, allerlei preservativa
(für 3 Schock 6 Gr.) von Fabian dem Apotheker".
Die meisten der mehrfach genannten städtischen Unter-
beamten, deren Zahl sich im Verlaufe des 16. Jahrhunderts
erheblich vermehrte — ,,des Rates Diener" (Stadtknechte) ^),
die gelegentlich ,,in des Rates heimlichen Sachen" verschickt
werden, die Wächter, der Gerichtsfron mit dem Unterfron,
die ,,Waldforstere", die Flurschützen u. a. m. — erhielten
aufser ihrem Jahres- oder Wochenlohn und freiem Holz auch
1) In einem Briefe des Zwickauer Schulmeisters Wolfgang Cy-
clopius (1508 — 1510) werden sie „ Ciccaviensium communes farauli"
genannt, „quos vigiles appellant": O. Giemen in dieser Ztschr.
XXIII, 137.
CA Reinhold Hof mann:
freie Amtskleidung (Hosen und Kappen, d. i, Mäntel). So
finden wir in der K.-R. 1529/30 Ausgaben (gegen 13 Schock)
für einen grauen sechsundfunfziger Kemler den Knechten zu
Winterkleidung nebst „gehlem" Futtertuch, für mechlisch
ascherfarb Tuch den (6) Knechten zu ,,Hosentuchem", ferner
ascherfarb Zwickisch Tuch mit weifsem Futtertuch, ein Stück
Ulmer Parchent (für i Schock Groschen) den Knechten zu
„Wammefs", ferner Zwillich zu dem gleichen Zwecke. Zur
Sommerkleidung wird verwendet weifs Tuch, welches her-
nacher leberfarb gefärbet ist, rot Kindisch (d. i. Londoner)
Tuch den Knechten zu Hosen, rot zwickisch Tuch dieses
war seit dem 15. Jahrhundert berühmt — zu demselben
Zwecke, ferner ascherfarb, blau, leberfarb mechlisch und
weifs lündisch Tuch. An den Ärmeln waren Abzeichen in
den Stadtfarben (rot und weifs) angebracht: 1529/30 finden
wir ,,von der Farbe in die Ärmel zu machen" 2 Schock ein-
gesetzt. Nach der K.-R. 1538/39 wurde ,, Lündisch Tuch zur
Farbe zu Hosen und Kappen" verwendet. Der Türmer und
sein Knecht bekommen aufser der Sommer- und Winterkleidungf
Pelze, vSocken und Mützen (K.-R. 1520/21 u. ö.).
Die ganze Wachsamkeit des Rates war nötig in den
Jahren, in denen der neue Glaube mit dem alten um die
Herrschaft rang. Stürmischer als in mancher andern Stadt
vollzog sich in Zwickau die Einführung der Reformation,
weil sich hier gefährliche Schwärmer, die ,, Zwickauer Pro-
pheten", in die Bewegung mischten. Die Einwohner unserer
Stadt waren schon ,, zeitlich mit Lutherschem Irrsal verführt",
so klagt der um 1530 hochbetagt gestorbene Pirnische Mönch,
ein Todfeind der ,, wurmstichigen, giftigen Lehre des blut-
aufrührerischen, abtrünnigen Apostata Merten Luter und seiner
schwärmenden ,Holhipperei' (Lästerung)". Mit Schmerz be-
richtet der strenggläubige Dominikaner weiter, wie hier ,,der
Lutherianer arger Irrtum zeitlich schwinde obirhand nahm, zu
Gefall der Obirkeit und auf heftio^e Ermahnungre der schwär-
mender Geister Johannis Egranus, Thomas Munzer, Nikolaus
Hausmann, ihres Bischofs, Paulus [Lindenau] etc., damit sie
bafs in Ewigkeit einen unchristlichen Tadel erlangt, und
seint nu (1530) in so tiefen Irrtum verteuft, dafs sie weder
Gott, sein Dienst und Ehr, seine Heiligen, Papst noch
Bischof in Achtung halten, spotten und verfolgen Priester-
schaft und Geistliche, die nicht ihres Gespirges^), treiben von
') Das Gespirc, gen. des Gespirges = das Gesperge: die Schar
(Lex er, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch I, 923).
Eine sächs. Stadt im Keformationszeitalter. 55
Tage zu Tage und erdenken mehr unchristliche Unfuhr,
haben das edle Gestifte und reich „Almussen", in gott-
formiger Meinunge gestift, verruckt, werfen abe göttlichen
Dienst .... und die Stadt Czwickawe fern und weit damit
erschallet". Zeugnisse dafür, dafs der Rat schon frühe der
Reformation geneigt war, finden wir in den Ratsprotokollen
und den Stadtrechnungen mehrfach, so beschlofs man in der
Ratssitzung am Sonnabend nach Estomihi (12. März) 15 19, es
sollte an Dr Martin Luther oder an Dr. Kaspar Güttel ^) ge-
schrieben werden, ,,ob sie einen ihres Ordens auf ein halb
Jahr allhero verordnen wollten auf den Predigtstuhl zu
St. Katharina". Nach der K.-R. 1520 21 sandte man einen
Boten ,,gen Zeitz zum Rate umb Unterricht, was ein Bar-
füfsermonche uff die von Zwickau sollte geprediget haben,
wie es dem Rate glaublich furkommen". In den Rechnungen
der Jahre 15 19 und 1521 sind viermal Botengänge verrechnet
gen Wittenberg zu Doctori Martine Luthero, einmal mit der
Erläuterung: ,,des Predigers halben". Es handelte sich offenbar
um die Berufung des ersten evangelischen Pfarrers Nikolaus
Hausmann, der zu Pfingsten 1521 sein Amt. antrat. Damals
herrschte eine heftige Aufre^uns: unter den Bewohnern der
Stadt-), die hauptsächlich Thomas Münzer, von Mai 1520 bis
zu seiner Ausweisung Ende April 1521 Prediger an der
Katharinenkirche, heraufbeschworen hatte Gleich in seiner
ersten Predigt hatte Münzer das Volk gegen die hiesigen
Franziskaner aufgereizt und unter anderm gesagt, ,,die Mönche
hätten Mäuler, dafs man ein Pfund davon abschneiden könnte,
und behielten immer noch ^lauls o-enusf". Die Erbitterung
gegen die Mönche wuchs, und im März 1522 stürmte der
Münzersche Anhang, vorwiegend Tuchknappen, den den
Grünhainer Zisterziensern gehörigen ,,Grünhainer Hof" (das
jetzige Gymnasium j, unter dem Vorwande, einen darin ge-
') Güttel war einige Jahre vorher ein gern gehörter Prediger
an der . Zwickauer Marienkirche gewesen, dann war es ihm wie
Luthern ergangen, „nicht Ruhe noch Rast hatte er in seinem Ge-
wissen weder Tag noch Nacht", er trat darum in den Augustiner-
orden ein, in dem er wie Luther zum Reformator wurde. 1523 ver-
liefs er das St. Annenkloster zu Kisleben, wo er Prior geworden
war, und der Rat zu Zwickau berief noch in demselben Jahre den
noch unvergessenen Mann zu einer Reihe von Predigten vor der
Einwohnerschaft unserer Stadt, die, wie Güttel nachmals bezeugte,
„ganz hungrig und grofs gierig war nach dem göttlichen Worte":
Festschrift zur Einweihung der erneuerten Marienkirche zu
Zwickau (Zwickau 1891) S. 21 f.
-) Vgl. die genannte Festschrift S. 12 ff.
r6 Reinhold Hofmann:
fanp-en gehaltenen Bauern zu befreien. Auch diese Ereio:nisse
spiegeln sich in den Kammerrechnungen wider. 1522 im
Februar werden 6 Wächter mit 28 Gr. abgelohnt, „die do
gewacht haben, einesteils 6, einesteils 4 Nächte, do die ,ent-
porunge' wider den Grünhainer Hof geschehen", und bald
darauf ist i Schock 5 Gr. dem Gerichtsknechte Hofgeld (?)
verrechnet ,,von 56 gefangenen Knechten", die der Rat
wegen dieses Aufruhrs hatte festnehmen lassen. Aufser den
berufsmäfsigen Wächtern hatten damals die Bürger selbst den
Sicherheitsdienst, das Bewachen der Mühlen und Scheunen etc,
versorgen helfen und waren für die ausgestandene Mühe
und Angst durch einen Trunk auf der Wache am Markte ent-
schädigt worden (K. -R.), desgleichen ,, haben die Zirkler
7 Gr. 2 Pf. für Fleisch und Brot in der ,Jarkuchen' ge-
nommen, als die Knappen eingesetzt". Um der unruhigen
Geister Herr zu werden, bat der Rat den Dr. Luther, der
eben die Wittenberger Stürmer zu Boden gerungen hatte,
um sein persönliches Eingreifen. Am 28. April 1522 traf
dieser, von Altenburg kommend, in Zwickau ein, und dämpfte
in vier gewaltigen Predigten den Geist des Aufruhrs. Am
3. Mai reiste er über Borna nach Wittenberg wieder heim.
Das Haus, in welchem der grofse Gottesmann damals ge-
wohnt hat, steht noch heute, es ist das Paul Heringsche
Haus am Markte: Luther war in jenen Tagen darin zu Gaste
bei seinem Freunde, dem Bürgermeister Hermann Mühlpfort,
dem er zwei Jahre vorher seine geistesmächtige Schrift: ,,Von
der Freiheit eines Christenmenschen" ,, zugeschrieben" hatte.
Auch für Luthers Anwesenheit in Zwickau sind die Stadt -
rechnungen eine wichtige Quelle. Wir lesen in der K.-R. 1522
Sonnabend nach Exaudi (7. Juni): ,,3 Schock 52 Gr., faciunt
10 fl. in Golde ader aber Annenperger Gulden groschen, dy
der Radt doctori Martini (!) Luther zu ayner vorehrung ge-
schankt, do Er uff erfordern des Radts anhero gen Zwickaw
kommen und etzliche predingten alhir gethan hat". Gleich
dahinter heifst es: ,,6 gute Schock 30 Gr. ist uff zerung der
jhenigen, dy doctorem Luther gefordert, wiederumb von
hynnen gen Born mit etzlichen pferden belaytet, item uff
seyn und der seynen, die mit yme anhero kommen, ufslofsung
ufs der herbrige und uff dy collation, dozu der Radt ge-
melten herrn doctorem und dy seynen etc. uffs Radthawfs
gebeten, allenthalben gegangen, alles an eyner Summa ge-
rechent". Zum Jahr 15 17 seiner Zwickauer Annalen berichtet
Peter Schumann, wie der Erzbischof zu Magdeburg in allen
seinen Landen Jubilentz, das man nennet die Gnade, aus-
Eine sächs, Stadt im J^eformationszeitalter.
57
gesatzt und den „grofsen Munch'' Tetzel in seinen Dienst
genommen habe. Aber dagegen habe „D. M. Luther bald ein
Que, wie man zu sagen pflegt, eingeleget, der denn der erst
gewest, der der katzen die schelle ahngebunden".
Wegen der Unruhen des Jahres 1522, besonders ,,in der
Grünhainer Mönche Sache", machten sich mehrere Reisen
der zwei Bürgermeister ,,zum Herzog nach Weimar", Boten-
gänge etc. nötig, die sämtlich in den Rechnungen verzeichnet
sind. Im Zusammenhang damit steht auch der Eintrag: ,,i Gr.
dem jungen Patriarchen von dem Lied abzuschreiben, vom
Abt zu Grünhain ausgegangen wider den Rat". In dem-
selben aufgeregten Jahre waren auch die Mühl- und Bäcken-
knechte aufgestanden und hatten einen regelrechten Streik
ins Werk gesetzt. Im Verlaufe der Jahre 1524 und 1525 fiel
ein Stück des katholischen Gottesdienstes nach dem andern.
Die Franziskanermönche wurden von „mutwilligen Gesellen"
öffentlich verhöhnt oder gar tätlich mifshandelt: so wurden
nach der K. -R, 1524/25 ,,zwei Mönche auf der Gasse ge-
hauen", und dies mufs sehr gründlich geschehen sein, denn
Meister Hans, der Barbier, bekommt den ansehnlichen Betrag
von 2 Schock, dafs er sie geheilet. Der Rat gab nach der-
selben Jahresrechnung ,,den Mönchen 40 Gr. zu Brot, nach-
deme er ihnen verboten, von Haus zu Haus zu bitten und
umbzugehen". Da gaben die Barfüfser den Widerstand auf;
einige legten die Kutte freiwillig ab, und solche ,, aus-
gegangene Mönche" wurden vom Rate unterstützt oder bis
an ihr Lebensende versorgt: so reichte er 1524 u. a. ,, einem
armen Bruder, welcher .sich aus dem Klosterleben zu einem
sehgern zu begeben willens, zu Steuer eines Kleides" 4 Gr.;
Gregor Kunifs, „den alten Munch, etwo (vormals) Organista
im Kloster", nahm er 1525 zu einem Seigersteller an und
gab ihm (1531/32) einen halben Stofs Birkenholz ,,zur Ver-
ehrung, dafs er bei dem Zeigerstellen deste mehr Fleifs tun
solle". Nach Peter Schumann hat dieser ,,alte betagte Munch,
Herr Gregor Kunifs (oder Kunitz) Donnerstag nach Jacobi
(27. Juli) 1525 sich im Kloster allhie mit seiner Braut
(Enders Peren [Andreas Bär] Tochter nennt sie Schumann
an einer andern Stelle) zugelegt und ist der erste Munch,
der allhie im Kloster öffentlich ein Weib genommen hat".
Die übrigen Ordensbrüder sind nach dem Berichte des
Chronisten am 2. Mai 1525 aus dem Kloster allhier gezogen,
haben also ihr altes Nest, darin sie 294 Jahre gesessen, ver-
lassen, sind zum Frauentor hinaus auf St. Moritz und nach
Glauchau gangen; damit ihnen aber niemand leid täte, hat
58
Reinhold Hofmann:
sie der Rat durch seine Ausreuter begleiten lassen". Vor
ihrem Wegforano-e reichte ihnen der Rat noch einen Ab-
Schiedstrunk, unter dem Sonnabend nach Misericordias Domini
(6. Mai) sind 26 Gr. 9 Pf. verrechnet, die „man für Getränke
geben, als man den Mönchen im Kloster valete geschankt".
Das Kloster g-'mcr in den Besitz der Stadt über. Ein Bote
überantwortete dem Landesfürsten in Weimar ,,des Rates
Schrift, dorinne angezeiget, worumb der Rat das Kloster ver-
sperret". Aus den verkauften ,, Ornaten im Kloster" wurden
gegen 26 Schock Groschen gelöst. Eine grofse Anzahl geist-
licher Zinse, verzeichnet in der K.-R. 152425, ,,seint ufs Be-
schlufs beider Räte zu Enthalt der Schulen und Besoldung
Magistri Johannis Forsters, Mgri Rivii und Hieronymi Nopi,
welche die Kinder in lateinischer, greckischer und hebräischer
Sprachen, item deutsch schreiben und lesen unterweisen, ge-
reicht wurden"; der erste Posten dieses Ausgabekapitels,
,,14 Schock, faciunt 40 Gulden, die man zuvor jährlich zu
dem Gestift der elenden Seelen zu unser lieben Frauen ge-
geben", wurde nach der erläuternden Bemerkung des Käm-
merers vom Rate eingezogen, ,,dieweil dasselbige Gestüt,
als vorgeblich in der heiligen Schrift, keinen Grund hat [und
deshalb] abgangen ist''. ,,1525 in der Martervvoch hat —
nach Peter Schumanns Annalen — der Pfarrer allhie alle
papistische Ceremonien und Gebrauch in den Kirchen vollend
abgetan und aufgehoben". In den folgenden Jahren ver-
schwanden die letzten Reste des Papsttums in unsrer Stadt:
der gröfste Teil des Franziskanerklosters und der zahlreichen
Altäre wurde abgebrochen, die Ratskapelle im Rathause, „do
inne man noch 1522" nach der K.-R. ,, wochlich drei Messen
(vor den drei wöchentlichen Rat.ssitzungen) gehalten", wurde
1537 in eine Trinkstube für die Ratsherren umgewandelt.
Grofse Sorge brachten die Bauernunruhen des Jahres
1525 über unsere Stadt. Am 7. Mai standen die Bauern zu
Reinsdorf, Wildbach, Langenbach, Tilgen (St. Egidien) und
einigen andern Schönburgischen Orten auf und bedrohten
auch die Stadt Zwickau, zumal diese am 10. Mai den Reins-
dorfern ein Gesuch um Munition abgeschlagen und viele be-
nachbarte Edelleute nebst ihren Familien und ihrer Habe
aufgenommen hatte. Wochenlang mufsten ,,in der Zeit der
Aufruhr" Nachtwächter ,,vor den Toren und sunderlich zu
den Scheuern und Kellern zusehen" und ,,aus einem guten
Bedenken des Rats" hin und wieder aufserordentliche Wächter
,,über die gemeinen Wechten etzliche Nacht" wachen. ,,Be-
sorgens halben" wurden besondere Pfortenhüter angestellt,
Eine sächs. Stadt im Retormationszeitalter. ^^
,,die Tore haben die Bürger behutt"; die Bürger „besich-
tigten mit dem Bürgermeister Preufs und andern Herrn die
Mauern, Basteien und Türme von Ratswegen" und vertranken
2 Gr. dabei (Sonnabend nach Exaudi, 3. Juni), Nickel bekam
4 Pf., ,,dafs er am Frauentor einen Strick an den , Schlack'
daselbst gemacht", den Türmer machte man leistungsfähiger
durch ein neues Wächterhorn, ,,nachdeme das alte nit mehr
tüchtig", „auch gab man ihm 6 Pf. zu Lichten, uff das er
bey nacht in fewers Not, do got lang für behüte, in der
lathern ein licht aushengen konde". ,,Aus Beschlufs beider
Räte" sollten ,,den jungen Schützen i Schock 10 Gr. zu Steuer
zu einem Kleinod hinfurder geben werden, domite sie zu
schiessen geraytzet vmd anbracht wurden". Ein Schock ver-
wandte der Rat ,,auf Kundschaft der Bauern, so sich zu
Reinstorff und Ronneperg gelagert", dann wurden noch ein-
mal 17 Gr. 3 Pf. ,, Kundschaftern geben zu erfahren, was die
Bauerschaft willens". Wiederholt mulsten Boten des Rates
Briefe an den Kurfürsten gen Weimar tragen, ,,do inne
unserm gnädigen Herrn der pawern uffrur und entporung
umb Reynfsdorff zu erkennen geben worden", ein Sendbote
mufste ,,das Schreiben der Bauerschaft um Ronneberg dem
Kurfürsten anzeigen". Über die Kosten, welche die Sendung
von 200 Fufsknechten und 4 Rüst wagen im Bauernkriege
dem Stadtsäckel verursachte, ist schon oben bei der Be-
sprechung des Harnischamtes geredet worden.
Zur Zeit der drohenden Annäherung des Türkenheeres
gegen Wien im Jahre 1532 schickte der Rat einen Kund-
schafter nach Dresden und ,,Pirn", ,,auch in die Behmen,
des uberfallens halben" (25 Gr. Botenlohn); in derselben Sache
sandte er damals nach Ausweis der Rechnungen auch zweimal
Boten nach Wien.
Streng wahrte der Rat den Frieden im Mauerring. Alles,
was hier die Ruhe und Sicherheit stören konnte, insonderheit
allerlei Frevel und ,,Unfuhr" im Weinkeller, auf dem Rathause,
während des Marktfriedens, waren verboten ; die Strafen finden
sich in den Kammerrechnungen unter dem Titel: ,, Gemeiner
Bufsen Einnahme" und in besonderen Gerichtsgebühren mit
dem Titel: ,, Einnahme Voydtsgerichts[ge]fälle" und ,, Ein-
nahme Schultheifseno-erichtsgefälle'' verzeichnet. Diese Bufsen
werden verhängt von dem Stadt- oder Vogtgericht und vom
(Osterweihe-)^) Schultheifsengericht, letzteres gilt in des Rats
M Benannt nach dem 1350 an den Rat übergegangenen, 1430 von
den Hussiten zerstörten Dorf Osterweihe im Norden der Stadt, un-
weit der Stadtmauer.
6o Reinhold Hofmann:
Dörfern, den Vorstädten und auf der Stadt Gütern. Stadtvogt
und Schultheifs haben am Ende des hier behandelten Zeit-
raums je 6 Schoppen zur Seite, die dem alten Rate angehören.
Wiederholt wird bemerkt, dafs der oder jener ,,des Rats Ge-
bot verächtlich übertreten", und dabei offenbar Bezug ge-
nommen auf Polizeiverordnungen des Rates, wie sie uns vor-
hegen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, ferner aus den
Jahren 15 13 (gegen Fluchen, Gotteslästern und Saufen ge-
richtet), 1524 (gegen das Spielen, Gotteslästern und Zutrinken:
gedruckt). 1543 erhielten die Bäcker, die sich gegen des
Rates Anordnungen aufgelehnt und das Backen verweigert
hatten, eine neue Ordnung, ebenso die Fleischer, und den
Schneidern ward verboten, ,,so unverschämte, unzüchtige Lätze
zu machen". Eigenthche „Kleiderordnungen" sind meines
Wissens erst in späterer Zeit (z. B. 1603) vom Rate erlassen
worden.
Der steigende Wohlstand und das hierdurch ermöglichte
,, epikurische" Wohlleben verführte zu Ausschreitungen und
sittlichen Verirrungen aller Art. Sehr häufig sind Bestrafungen
wegen Schimpfens, „Schmähbufsen". Der Wortlaut der Ein-
träge ist sehr abwechslungsreich und die Strafen — fast durch-
weg Geldstrafen — sehr verschieden: N. N. wird gestraft,
,,dafs er" einen andern ,,mit Worten injurieret und geschmeet",
„zu seinen Ehren gescholten", ,, gehadert", ,, injurieret und einen
losen Mann gescholten" (10 Gr. Strafe, aber auch weniger und
mehr); ,,dafs er des Blechmachers Frau mit Worten übergeben"
(4 Gr.), ,,hat sich mit Hans Sauffaus geunwilliget" (8 Gr.), „hat
sich geunwilliget und gescholten", „hat Lästerworte geben",
,,böse Worte geben"; ,,io Gr. hat geben der Bote mit der ein
Hand, hat N. N. am Markte Trinitatis mit trutzigen Worten
angeredt"; ,,hat den Viermeistern unter den Bänken geflucht"
(8 Gr.); der Bader zu Crimmitzschau zahlt 12 Gr., ,, darum,
dafs er mit dem Bader allhie in der Neustuben ein Unlust
angericht und sich mit Schmähworten an ihme vergriffen";
„Wolf Michel zu Mergentall (Marienthal) 40 Gr. zur Strafe
geben, umb dafs er in der Trunkenheit auf die Obrigkeit ge-
flucht und gescholten hat"; um i Schock wurde die Heymlin
gestraft, weil sie N. N. vor dem Bürgermeister Bärensprung
und Bürgermeister Preufsen einen Lauerer gescholten . . .
einen Verräter und Thamhansen gescholten". Der altgerma-
nische Stolz des angesessenen freien Mannes kommt zum Aus-
druck, wenn einer den andern einen ,,hergeloffen Schalk"
nennt. Das zahlreich.ste Gewerbe der Stadt, das der Tuch-
macher, liefert auch die meisten Bestrafungen von solchen,
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter. 6l
die „die geschworenen Viermeister des Handwerks gescholten
und geschmähet", „mit ungestümen Worten angefahren", ,,da-
rumb, dafs sie dem Tuchschauern geschumptiert haben mit
Worten", oder sie ,,mit öden Worten auf dem Kaufhaus (Ge-
wandhaus, Zeichenhaus) über dem Tuchzeichnen angelassen"
haben. Parteihchkeit bei der Tuchschau wirft Kaspar Wagner
von Gera den Viermeistern vor, wenn er auf dem Weinkeller
öffentlich sagt: ,, hätte ich die Tuch, die aus Neid nit ge-
zeichnet und aus Gunst gezeichnet, so wollte ,er sein' Leb-
tage kein Tuch machen" (Strafe 40 Gr.).
Gar nicht selten sind die Strafen (meist Geldstrafen: 30 Gr.
und mehr) wegen Gotteslästerung; oft werden solche bestraft,
die einen ihrer Mitbürger ,, gelugstraft", ,,gelugenstraft" haben.
Vom Schmähen und Schimpfen ist nur ein Schritt zum
,, Raufen" und ,, Schlagen", und der wurde nach Ausweis der
Rechnungen oft getan. Wolf Mhulner, der Blechzinner, hat
Otten seinen Gesellen gerauft (4 Gr.), einer ,, seinen Nack-
parn geschlagen" (5 Gr., 6 Gr.), 8 Gr. Christoph Barbierer,
,,dafs er seinen Gesellen hat geschlagen, dafs ihm Mund und
Nasen gebludt hat". Härter wird bestraft, wer ,,des Marktes
Freiheit gebrochen" oder ,,in der Weinstube in des Rates
Freiheit gefrevelt hat". Hie und da hat einer ,,eine offene
Wehr gezogen" und den Wirt oder einen zechenden Genossen
,, damit wollen übereilen". Viel geübt wurde das Werfen mit
Nöfseln, ,,Kändeln," Leuchtern. Nachdem Meier, der Bader,
Peter Grafifen in der Weinstuben einen Dieb gescholten und
sonst mit verdriefslichen Worten angelassen, hat Hans Graff
gedachten Bader mit einem ,,Kendlein" in der Weinstuben
geworfen. Diese zornige Aufwallung erleichterte ihn freilich
um I Schock Gr. Auch der Versuch ward gelegentlich be-
straft: Melchior Parth zu Stangengrün wurde vom Schult-
heifsengericht zur Zahlung von 4 Gr. verurteilt, weil er „ein
Nöfsel über einen gezuckt und schlaenn wollen". Recht üblich
scheint das Werfen mit Steinen gewesen zu sein (2 Gr. und
mehr); in der Fastnacht (1522) hat ein Bauer auf dem Markte
geunfugt und mit Steinen unter die Leute geworfen; 4 Gr.
zahlte einer, der ,,eine Katze uff einen Jungen gewurffen".
Während Hauen, Schlagen, Raufen in der Regel mit 4, 5, 6 Gr.
genügend geahndet schien, mufste Franz Zimmermann 20 Gr.
zahlen, weil er Freibern ,,in seinen vier Pfählen (,pffel') ge-
hauen". Ein aufgeregtes Geschlecht scheint die Familie Kefs
gewesen zu sein: 20 Gr. mufte Melchior Kefs geben zur Strafe
von wegen seines Weibs, die sich mit ihrem Nachbarn Hansen
Feller gescholten, und Kasper Kefsen Frau 3 Gr., weil sie
52 Reinhold Hofmann:
ihren „Schweer" Melchior Kefs mit einem Topf geschlagen,
nachdem sich vorher „der alte Kefs mit seines Sohnes Weib
geunwiUiget" (4 Gr.), Noch einmal soviel, 8 Gr., mufste
Peter Antes von Kanstorff (Cainsdorfj zahlen: ,,der hat einen
Knappen bey dem Hans Postel zum pir uberm spil mit er
faust geschlagen, das ims aug gar blaw war". Mit 30 Gr.
mufs Kaspar Althaus büfsen, weil ,,er einen Bauern von
Crinitz mit einer Sensen frevelich die Zähne (,zeene') aus-
gestofsen hat, ist solchs auf dem Tanzboden und in des
Marktes Freiheit geschehen". Noch einmal soviel, i Schock,
zahlt Hans Hauenstein: hat den jungen Salzbrenner uffm
„Tanzboden" ins Maul geschlagen und Matth. Richtern aus-
gefordert. Auf dem Rathaustanzboden scheint ein recht zwang-
loser Verkehr geherrscht zu haben: Valtin N, hat — bei
demselben Vergnügen, das dem jungen Salzbrenner verhäng-
nisvoll wurde — einer ein ,,Byrret" vom Kopfe gerissen und
das ,,zuschnyten". Das brachte ihm 42 Gr. Strafe: ,,ist um
seines Armuts halben hierbei blieben". Bastei, der Kuhhirt, der
Michel Grunern eine ,,beiynschrottige" Wunde gehauen hatte,
kam mit 20 Gr. Strafe sehr glimpflich davon, ,,dieweil die
Herrn angesehen sein Armut und dobei bleiben lassen". Auf
das Schlagen beinschrotiger, d. h. die Knochen verletzender
Wunden stand anderwärts (z. B. in Chemnitz)^) die Acht: die
Frevler muften einen Eid schwören, auf etliche Jahre die Stadt
zu meiden. Nach „des Voits Gerichtsgefällen" 1542/43 zahlt
einer, ,, wiewohl ers verneint", geschlagen zu haben, die von
ihm verlangte halbe Bufse (4 Gr.) mit der Begründung, ,,er
wolle ,die' Gewissen frei haben". ,,Das" Armut wirkte sehr
häufior strafmindernd; nicht selten werden die Bufsen auch
ermäfsigt ,,auf hochhch", flehlich," ,,fleifsig Bitten," ,,aus be-
wegenden Ursachen," ,,aus Gunst des Rats," ,,auf Fürbitt
seiner Freundschaft". Einer, der (1527) mit dabei gewesen,
als dem Pfarrherrn sind die Fenster ausgeschlagen worden,
zahlte — statt 3 guter Schock 30 Gr., faciunt 10 fl. — blofs
I Schock ,,aus Fürbitt des Ritters Wolf von Weifsenbach".
Über den gewalttätigen Geist der Menschen jener gärenden
Zeit wird auch anderwärts geklagt, ,,Der Maultaschen Rauschen
ist sehr ein gemein Spiel in Bierhäusern", bezeugt Luthers
Freund, der Joachimsthaler Pfarrer Johannes Mathesius. Die
Pirnaer Stadtrechnungen enthalten im letzten Jahrzehnt des
16. Jahrhunderts ein besonderes Einnahmekapitel: ,,Von Maul-
>) P. Ulile im Verwaltungsbericht der Fabrik- und Handelsstadt
Chemnitz 1896, Sonderabdruck S. 2.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter. 63
schellen". Die Aufzeichnung- von Maulschellen, Maultaschen,
Maulbremen (Breme = Bremse), Schlagen ,,vors Maul", „nachm
Maule", ,,ins Maul" füllt in der Kammerrechnung von Pirna
im Jahre 1593 94 4\'o Folioseiten. Auch in Zwickau haben
sie oftmals ,, einander in die Mäuler geschlagen".
Die Unmäfsigkeit im Trinken erzeugte noch manche andere
,,Freidigkeit und Unzucht", vornehmlich ,, Lehrknechte", ,, Knap-
pen" werden genannt, die ,,sich wider des Rats Verbot voll",
,, überaus trunken getrunken und ungebührlich, unbescheiden
gehalten". Ein Tuchknappe mufs ,,3 Gr. geben zur Strafe,
dafs er voll gewesen und mit Speien sich ärgerlich bezeiget".
Grober Unfug und ruhestörender Lärm wurden, meist infolge
davon, dafs ,,man zum ,pir' zu lang gesessen ist", viel ver-
übt: IG Gr. und mehr zahlen diejenigen, die ,,zu Nacht auf
der Gassen Zeter ,geschrieren' und sich unnütz gemacht gegen
den Gerichtsknechten", 40 Gr. mehrere, die „wider des Rats
Verbot bis zu i hora gesessen und Unruhe auf der Gassen
angericht haben". Oft wurde ,,zu Nacht geguchtzt und ge-
schrieren, dafs die nachparn seint zugeloffen". Auch Schlitten-
fahren um Mittemacht ward dann und wann gebüfst. Eine
regelmäfsig wiederkehrende Strafe (5, 10 Gr.) ist die für „Ant-
worten eines unrechten Zeichens am Tor". Zahlreich sind
auch in Zwickau Strafen für ,, Verdrehen im Tanze", oft mit
der Beifügung „auf der Gassen" (3, 5 Gr.). Mancherlei Un-
gebühr geschah auf Hochzeiten: nach der K.-R. 1531/32
wurden neun Mann mit 15, bez. 21 Gr. bestraft, dafs sie sich
auf der Hochzeit mit Pritzschen unzüchtig gehalten haben,
mit 10 Gr. einer, dafs er unter dem Predigtamt, als man das
gemein Gebet in der Kirchen gehalten, mit andern Hochzeit-
gesellen auf dem Markte getanzt, ist eine Nacht darzu im
Torm gelegen. Eine recht stürmische Hochzeitsfeier war die
in der K.-R. 1531/32 erwähnte, bei welcher der als Gelehrter
wie als Arzt gleich berühmte Stadtphysikus Dr. Johann Hainpol
(Janus Cornarius, geb. 1500 zu Zwickau, gest. 1558 als Uni-
versitätsprofessor zu Jena) von seinem Bruder Wolf beleidigt
wurde. „Darum, dafs Wolf Hainpol in einer öffentlichen ehr-
lichen Hochzeit sich gegen seinen Bruder Dr. Johann Hainpol
mit Schmäh Worten und sonsten auch mit unrichtiger Tat
vielen Bürgern zum Ärgernis vergriffen", wurde er mit
I Schock 45 Gr. ^ 5 fl. bestraft, ,,über das, dafs er auch an
seinem Leibe mit Gefängnis etliche Tage gestraft ist worden".
Der nächstfolgende Eintrag lautet: ,,30 Gr. Adam Sieber,
darum dafs er Wolfen Hainpol mit einem Leuchter auf seiner
Hochzeit unter das Angesicht geworfen und sich am Tanze
64 Reinhold Holmann:
verdrehet und als er von den Dienern des Rats angegriffen,
hat er einen mit der Faust ins Angesicht geschlagen".
Überaus häufig sind Strafen wegen Spiels, ,,Spielbufsen,"
und sie sind im Vergleich zu anderen meistens auffallend hoch ;
so heifst es 1531/32: ,,3 Schock dedit Peter Mittenzwei, hat
widder des Rats Ordnung auf dem Rathaus mit einem Korn-
bauer arm mach reich gespielt und ganze Guldengroschen in
die Schanz geschlagen". Gleich darauf folgen wegen der-
selben Sache Hans Balbierer mit 3^/2 fl., der Hälfte der vor-
genannten Strafe, und Hans Gefska i fl., ,,aber 5 Tage darzu
im Gehorsam sitzen müssen". ,,Dieweil (1532/33) Franz Fabian
die Bufs (i Schock 45 Gr.) nit zu geben gehabt, ist er in einem
Torm 5 Tage und 5 Nacht darumb gestraft worden". Nach
derselben Jahresrechnung zahlt Wenzel Gram ,, darum, dafs er
als ein armer Gesell dem Spiel nachgegangen und ,ein rogk'
verspielt hat", blofs 9 Gr. 1524/25 büfst ein Meister, der am
guten Freitag (Karfreitag) ,,fur dem Ampt umb gebrannten
Wein gespielt", mit 5 Gr., ,,sein Geselle soll eine Nacht um
dieser Sachen in einem Torm sitzen".
Für Zwickau charakteristisch scheint eine Übertretung
gewesen zu sein, die in den Rechnungen unter der Bezeich-
nung: „Vom Ausgiefsen" oder ,,dafs er (bei Nacht) ausgegossen"
gebucht ist. Wir haben wohl darunter eine Verunreinigung
der die Stadt durchfliefsenden Bächlein mit unstatthaften Flüssig-
keiten zu verstehen. 1531/32 sind gegen 30 Personen mit je
5 Groschen wegen Ausgiefsens bestraft worden.
Regelmäfsig als Einnahmequelle aufgezeichnet sind die
von den Viermeistern des Handwerks überantworteten ,,Becken-
bufsen": 1524/25 sind 27 Bäcker bestraft worden, die durch-
schnittliche Strafe für den einzelnen Übertretungsfall betrug
5 Gr., die Bäckerbufsen 1530/31 füllen i\/^ Folioseiten; es sind
in diesem Jahre 7 Schock 25 Gr. ,, gefallen". Ebenso ist ver-
zeichnet, was die Fleischer ,, überantwortet von (fynnichten)
Fleischbufsen dies Jahr". Wer sich gröbere Vergehungen zu
Schulden kommen liefs, wurde nicht von der Innung selbst
abgestraft, sondern verfiel dem Stadtrichter (Vogtgericht). Da
zahlt einer 10 Gr., dafs ,,er unrein und ,pfinnicht' Fleisch ohne
Zeichen verkauft hat", 20 Gr. die Wolf Grofsin, hat den Vier-
meistern ,,ubell nachgeschultenn", als sie ihr Kuhfleisch nicht
,,pankwirdigk irkant haben". Zwei Fleischer werden um
I Schock gestraft, weil sie ,, wider des Rats Gebot über die
gewohnlich Anzahl Schaf anher getrieben". Einer hat ,,eine
Maid genotiget , zum Kalbfleisch den Kopf zuzunehmen"
(5 Gr.). Ein andrer mufs 3 Schock Bufse geben, dafs er
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter. 65
Rinderblut „in die Schweifs- und finnicht Fleisch in die Brat-
würste gefüllet, item die Klauen an den Schweinen Füfsen
den Leuten mit ,hinwegk gewegen' hat". Sehr viele Gewerb-
treibende, darunter auch Auswärtige, \\urden ,,mit unrechtem
Gewicht befunden" oder ,,die Wagen waren in den Schalen
ungleich". Die Strafen sind auch hier sehr verschieden: 10,
II, 14, 15 Gr., häufiger 40 Gr. Diese Summe mufs Lorenz
von Dresden zahlen, weil er ein Pfund eins Lot zu klein ge-
habt; ein Fischführer von ,,Kempnitz" wird wegen unrechten
Gewichts mit 5 fl. bestraft. ,,Ein gut Schock dedit Andreas
Haueisen zur Strafe darum, dafs sein Weib mit einem Kraut-
mafs, welches sie mit Teig halb ausgefüllet, betruglich und
vorteilhaftig gehandelt und auf dem Markte damit begriffen."
Wegen Tierquälerei wurde 1544/45 der hinkende Kefs-
korb bestraft; er mufste 4 Gr, zahlen, ,,dafs er ein Pferd über
Nacht hat stehen lassen".
Öfters begegnen uns in den Rechnungen Bufsen wegen
Ehebruchs. Dieser wurde sonst (1484, 15 19) mit Staupen-
schlag geahndet. 1541 wurden drei Bürgerwegen Ehebruchs
gefangen gesetzt und später unter dem Geläut der Armen -
sünderglocke an den Pranger gestellt und auf 15 Jahre aus
der Stadt verwiesen^). 1533 mufste Simon, der Wirt von
Stangengrün, ,,von wegen Ehebruchs, dieweil er die Frau
nicht gemieden und (trotz seiner früheren gefänglichen Ein-
ziehung) forder mit ihr gesündiget, 30 fl. zahlen und der Ge-
richte verweiset, darinne (d. h. in dem Ratsdorfe Stangengrün)
nicht mehr zu wohnen". Nicht selten begnügte sich das Ge-
richt mit Geldstrafen. In der K.-R. 152930 ist eine ,, heim-
liche Bufse eines Ehebruchs halben" in der Höhe von 7 Schock
verzeichnet. ,, Dieweil derselbige heimlich begangen und ohne
Ärgernis der Gemein, [ist es| vertragen [worden |, hat der Rat
solches auch in Ansehung allerlei Ursachen und Umständen
heimlich gestraffet und bei solcher geringen Strafe bleiben
lassen". Einmal (K.-R. 1524/25) wurde ,, ein armer Ehebrecher,
welcher des Geldes nit vermocht, mit seiner Arbeit uf Ver-
legung eines halben Wochenlohns an die Bauherrn uffn Sommer
hinauswarts geweist", er mufste also die Strafe — 2 Schock
waren ,,angeweist" — im Dienste der Stadt abarbeiten. ,,Ist
durch flehlich Bitten seines W^eibs und Ansehung seiner kleinen
Kinder hierbei gelassen" -).
') Herzogs Chronik II, 255.
*) Einige Gerichtsstrafen aus dem Amte Zwickau — wegen
Körperverletzung, Beleidigung, Fluchens — aus der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts s. in dieser Ztschr. XX, 81 f.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. l.
66 Reinhold Hofmann:
Bei der Feuergefährlichkeit der alten Städte war ein
wichtiger Zweig der Tätigkeit des Rates die Feuerpolizei.
Ein grofser Scheunenbrand veranlafste im Jahre 1530 die Aus-
fertigung einer neuen Feuerordnung. Nach dieser sollte jeder,
bei welchem Feuer auskam, wenn es ,, beläutet und beschrien"
(durch Feuerruf gemeldet) wurde, 5 gute Schock Strafe zahlen.
Alle Brauberechtigten müssen mit messingnen Handspritzen
versehen sein; Tore, Pforten und Schläge sind sofort zu
sperren; die Büchsenschützen haben Stadtmauern und Tore zu
besetzen, anderen Handwerken ist ebenfalls ihre Stelle ange-
wiesen; die 24 Leuchtpfannen sind anzuzünden; die Gerichts-
knechte, Zirkler und Bierschröter sollen sich vorm Rathause
und die berittenen Bürger vor dem Marstalle versammeln;
die Schuster haben die Feuereimer vom Rathause herbei-
zuschaffen; die beiden Marktmeister, denen nebst dem Röhr-
meister das öffentliche Feuergerät untersteht, haben nebst den
Badern das Wasser in den Strafsenbächen einzudämmen; Feuer-
diebe werden gehenkt^). In den Rechnungen werden Brände
öfters erwähnt: Hausbesitzer, bei denen das ausgebrochene
Feuer „beschrieren, aber nicht belaut" worden \\'ar, bestraft
man milder, falls ,,kein Schaden getan wurde". 1525 liefs es
der Rat bei einem Essenbrand, obgleich das Feuer beläutet
war, ,,auf fleifsig Bitten bei einem Schock bewenden, dieweil
die Esse steinen [und der Brand] nit sorglich gewesen". Feuer-
eimer wurden nach Ausweis der Rechnungen öfters geflickt
oder neue angeschafft: so 1524/25 2 Schock 27 lederne Eimer,
die samt dem Trankgelde 13 Schock 28 Gr. kosteten. Geld-
vmd Bierspenden für die herbeigeeilten Helfer werden öfters
gebucht: so bekamen 1532, als eine Feuersbrunst vier Häuser
in der Töpfergasse in Asche gelegt hatte, ,,die Knechte im
Marstall 20 Gr. zu vertrinken, dafs sie die erste und andere
Fuhre getan, 5 Gr. einer, hat die dritte Wasserbütte zum
Feuer bracht, und weiter ist verrechnet i gut Schock ö'/g Gr.
für ein Fafs Bier zwickisch, damit der Rat die Handwerks-
leute, so ,zum Feuersnötten' fleifsig gewehret, vorehret hat''.
Ich bin mit meinen Mitteilungen zur Kultur- und Ver-
fassungsgeschichte der Stadt Zwickau, die fast durchweg auf dem
Inhalt und Wortlaut der Kämmerei- Rechnung-en aus der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründet sind, zu Ende. Auch
andere als die in den vorstehenden ,, Bildern" berührten Ge-
biete des städtischen Lebens werden durch sie in willkommener
Weise aufgehellt, z. B. die Kirchen- und Schulgeschichte, Handel
') Herzogs Chronik II, 220 f.
Eine sächs. Stadt im Reformationszeitalter. 67
und Gewerbe, Bauwesen, Armen- und Krankenpflege etc.
Sprachgeschichtlich sind die Stadtrechnungen insofern be-
sonders lehrreich, als uns in ihren naiven Einträgen die ge-
sprochene Sprache des Volkes viel reiner entgegentritt, als in den
erstarrten Formeln des Kanzleistils der eigentlichen Urkunden
Mit herzerfrischender Unmittelbarkeit klingen uns die im Augen-
blick geborenen Aufzeichnungen der Kämmerer aus der Jugend-
zeit des deutschen Städtewesens entgegen. Wie eine grofse,
freilich oft recht streitbare Familie lebten die Stadtbewohner
in ihrem engen Mauerring zusammen; jeder nahm an den
Schicksalen der Mitbürger, deren geringe Zahl er überschauen
konnte und die ihm darum zum gröfsten Teile von Angesicht
bekannt waren, persönlichen Anteil, Mensch und Tier in der
lieben Vaterstadt waren ihm vertraut. Wie gemütlich-treu-
herzig spricht der Kämmerer von der Wehefrau ,,Anna, die
den Pflster hat", von dem jedem in der Bürgerschaft be-
kannten ,, Boten mit der einen Hand", von ,, Gregor, dem
alten Mönche". Auch die Tiere des städtischen Marstalls kennt
er alle: den ,,grofsen Braunen", das ,, graue Pferdlein, so Hansen
Forsters gewesen", das ,, kleine Mutzlein", den ,, braunen
Gaul mit zweien weifsen Füfsen, ist ein friesischer Gaul",
den er selbst für den Rat um den ungewöhnlich hohen Preis
von 16 Schock Groschen gekauft hat. Überall spüren wir
den inneren Anteil des Rechnunorsschreibers an dem Gedeihen
jedes Zweiges der städtischen Verwaltung, so, wenn er in der
Kämmerei-Rechnung des Jahres 152425 statt der aus der Ziegel-
hütte erhoff'ten Einnahme mit offenbarem Widerstreben, aber
doch mit hoffnungsvollem Ausblick schreibt: ,,Ist dies Jahr
nichts gewonnen, sondern verloren. Soll auf das künftige Jahr
mehr Nutzung bringen". In jedem Falle, so hoffe ich in dem
vorstehenden Versuche dargetan zu haben, bilden die städtischen
Rechnungen eine der wichtigsten Fundgruben für die ältere
Geschichte der Stadt Zwickau und berichtigen oder ergänzen
aufs dankenswerteste unsere heimischen Chroniken, deren
Nachrichten wir ja so oft, da sie ihre Quellen nur in den
seltensten Fällen nennen, mit dem beklemmenden Gefühle der
Unsicherheit auf Treu und Glauben hinnehmen müssen. Ins-
besondere auf den weiten, noch so wenig erschlossenen Ge-
bieten der Volkskunde versprechen die Zwickauer Kämmerei-
Rechnungen dem fleifsigen Forscher reiche Ausbeute.
5*
III.
Sechs Humelius - Briefe.
Von
Hans Beschorner.
Der Diplomat Ludwig Camerarius (1573 — 1651), erst
Kanzler des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz und nach
dem unglücklichen Ausgange der Schlacht bei Prag in schwe-
dischen Diensten, war eifriger Autographensammler. Überall
in Deutschland fahndete er mit seinem Sohne Joachim IV.
Camerarius nach Aufzeichnungen berühmter Männer des i6.Jahr-
hunderts und brachte so eine bedeutende Sammlung zu stände.
Diese bildet, mit einem Teile der Briefschaften Joachims I.
und II. Camerarius, sowie der politischen Korrespondenz des
Ludwig Camerarius und seines Sohnes Joachim vereinigt, die
berühmte, leider im Laufe der Zeit sehr verminderte CoUectio
Cameriana^) in der Münchner Hof- und Staatsbibliothek. Im
iS.Bande derselben befinden sich auch, wie mir Herr Dr. Hantzsch
in Dresden freundlicherweise mitteilte, sechs Briefe von Humelius,
die nach der dem ersten Briefe {= Nr. 5) beigefügten, wohl von
Ludwig Camerarius herrührenden Notiz ,,ManusJoannis Homelii,
celeberrimi Mathematici et Matheseos Professoris in Acad. Lip-
siae, Joach. Camerarii generi," aus des Humelius eigener Feder
stammen. Leider haben alle sechs weder Datum noch Adresse.
Ersteres ist nicht weiter von Belang, da sich, abgesehen von
^) Vgl. K. Halm, Über die handschriftliche Sammlung der
Camerarii und ihre Schicksale, in den Sitzungsberichten der pnilos.-
philolog. Klasse der Münchner Akademie der Wissenschaften 1873
II. Den gesamten Inhalt der Sammlung hat Halm verzeichnet in
dem Catalogus codicum latinorum bibliothecae regiae Monacensis
unter Clm. 10 351 — 10428. (Beide Arbeiten auch besonders erschienen
München 1873 bez. 1874.)
Sechs Humelius- Briefe. 69
dem letzten Brieffragment, die Abfassungszeit aus dem Inhalte
ziemlich genau ergibt. Dagegen bleiben wir hinsichtlich der
Adressaten fast ganz im Unklaren. Nur der zweite Brief ist
bestimmt an Lazarus Schwendi gerichtet. Im übrigen läfst
sich lediglich so viel sagen, dafs die Empfänger weder in
Leipzig noch in Wittenberg, sondern höchstwahrscheinlich in
Süddeutschland, vielleicht sogar teilweise in Memmingen, der
Geburtsstadt des Humelius, zu suchen sind.
Die beiden Hoffnungen, die in dieser Zeitschrift XXII I,
S. 299 Anm. 12 und S. 312, 313 mit Anm. 62, auf eigenhändige
Schriftstücke des Humelius gesetzt wurden, erfüllen diese Briefe
leider nicht. Da sie nämlich keine Unterschrift tragen, bleibt
auch jetzt noch die Frage ungelöst, wie Humelius selbst seinen
Namen schrieb. Aber auch darüber erhalten wir noch keine
volle Gewifsheit, dafs die sogenannten Humelius - Risse im
Dresdner Hauptstaatsarchiv tatsächlich von Humelius stammen.
Die hier mitgeteilten Briefe zeigen nämlich eine sehr kleine,
ausgeschriebene, schwer zu entziffernde Hand. Dagegen sind
die Schriftzüge auf den genannten Karten ganz anderen Cha-
rakters, sehr gleichmäfsig, deutlich und schön. Gerade weil
aber die Schrift der Risse so kunstgerecht ist, gerade deshalb
möchte ich an der schon früher (in Anm. 62) ausgesprochenen
Ansicht festhalten, dafs sich Humelius zur Eintragung der Namen
eines besonderen Schreibers bediente. Nicht zur Zeichnung der
Karten! Diese rühren vielmehr wohl von ihm selbst her.
Einen nicht mifszuverstehenden Hinweis bietet, wenn mich
nicht alles täuscht, einer der vorliegenden Briefe. Auf Nr. 146
sind nämlich oben Farbenproben zu sehen, die mit der Färbung
des Risses Nr. 11 (vgl. XXIII, 316 f.) völlig übereinstimmen.
Dasselbe kreidige, helle Grünblau findet sich hier wie dort.
Sollte das nur ein Zufall sein?
Mehr läfst sich freiUch für die Geschichte der sächsischen
Kartographie aus den Briefen nicht entnehmen, wohl aber für
die Person des Humelius selbst. Lebensvoll tritt uns aus ihnen,
wenn war uns in sie versenken, die Gestalt des emsigen Ge-
lehrten entgegen, der als erster sächsischer Kartograph weiter-
gehendes Interesse auf jeden Fall beanspruchen darf. Ein kränk-
licher Mann, dem sein Herz- oder Magenleiden {y.'xphioi.aio'.) viel
zu schaffen macht, lebt er ein trauliches Familienleben mit
seiner Frau, die ihm zwei, freilich nur wenig lebenskräftige
Töchter schenkte (die zweite 1561). Dem Umgange mit seinem
Schwiegervater Camerarius verdankt er viel geistige Anregung,
namentlich auf humanistischem Gebiete. Als Leuchte seiner
Wissenschaft und eifriger Humanist, der ebenso in den grie-
■7 0 Hans Beschorner:
chischen wie in den römischen Klassikern Bescheid weifs, steht
er bei seinem fürstlichen Herrn in hohem Ansehen, der ihm
u. a. persönlich bei Gelegenheit ein Geschenk in der Aula
überreicht. Von berühmten Leuten, die durch Leipzig kommen,
wird Humelius viel aufgesucht und es freut ihn, wenn er diesen
einen Dienst erweisen kann. Ebenso sieht er es von Herzen
gern, wenn alte, liebe Bekannte, wie der biedere Lazarus
Schwendi oder sonst ein Landsmann, bei ihm vorsprechen.
Dann wird ein Fäfschen Zerbster oder Wurzner Bier, das
er immer im Keller liegen hat'), angestochen, vielleicht auch
ein Fläschchen selbstabgezogenen Weines hervorgeholt und
über Wissenschaft oder über die schwäbische Heimat geplaudert,
an der sein Herz mit allen Fasern hängt. Auch die Politik
bildet häufig den Gesprächsstoff; denn Humelius ist keines-
wegs ein trockener Gelehrter, den nur seine mathematischen
und physikalischen Probleme beschäftigen. Er verfolgt auch
aufmerksam, was draufsen vorgeht, und sieht mit Besorgnis,
dafs sich nicht blofs in Frankreich, sondern auch in seinem
lieben Deutschland schwere Gewitterwolken zusammenziehen.
Die gröfsten Sorgen bereiten ihm die religiösen Wirren seiner
Zeit. Ehemals selbst Geistlicher (vgl. XXUI, 300 f.), verfolgt
er die einzelnen, mit aller Heftigkeit diskutierten Probleme
der Ubiquität und wie sie sonst heifsen, mit lebhaftem Interesse.
Die Hauptschriften eines Calvin, Beza, Brenz und Hesshusen
liest er. Aber die gehässigen Streitereien der Theologen,
„die sich gegenseitig zerfleischen und nicht wie von Gott
Erleuchtete, sondern wie Rasende benehmen", und die dog-
matischen Haarspaltereien sind ihm zuwider. Ob Christus im
Abendmahle realiter, substantialiter, corporaliter oder spiri-
tualiter zugegen gedacht werde, ist ihm ganz gleich, wenn
man nur überhaupt an seine Gegenwart glaube, wie es einzig
und allein die Bibel verlange. Allen derartigen Streitigkeiten,
die die Kirche in ihren Grundfesten erschüttern, sollte der
Staat ein Ende machen. Überhaupt ist die reformatorische
Bewegung nach seiner Meinung viel zu weit gegangen. In
der alten Kirche war viel zu bessern. Das gibt er unum-
wunden zu. Im wesentlichen hätte man aber doch an ihr
^) Am 14. März 1555 hatte Kurfürst August seinem „lieben ge-
treuen Magistro Johan Humelio aus bewegenden ursaclien und be-
sondren gnaden vergönnet und bewilligt, das er nun hinfuro jerlich
. . . für sein hausshaltung sechs fass frembdes biers und ein fass wein
einlegen und für sich und sein haussgesinde austrinken möge", un-
beschadet der dem Rate der Stadt Leipzig allein zustehenden Be-
fugnis (vgl Cop. 260 fol. 467).
Sechs Humelius- Briefe.
71
festhalten sollen. Äufserlich Lutheraner, ist er so in seinem
Innern bis zu einem gewissen Grade doch eigentlich noch
Katholik. Der erfrischende, belebende Hauch der Reformation,
der den Menschen frei und selbständig macht, hat ihn nur
gestreift. Mit seinem Fühlen und Denken wurzelt er noch
vielfach im Mittelalter. Wie den Scholastikern ist auch ihm
noch Aristoteles aller Weifsheit Schlufs. Holt er sich doch
bei diesem noch Rat über das Wesen der Person Christi!
Sind so die Briefe eine wichtige Quelle für die Erkenntnis
des Gelehrten und Menschen Humelius, so führen sie anderer-
seits auch trefflich in die aufgeregte, von dem theologischen
Gezänk beherrschte Zeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts
ein und bieten manche wichtige Einzelheiten über hervor-
ragende Männer dieser Epoche, wie Lazarus Schwendi, Hubert
Lanaruet u. a. Ihre Wiedergabe in vollem Wortlaute dürfte
sich also wohl von selbst rechtfertigen.
/. An einen ungenannten Empfänger ').
Coli. C(i7n. XVI, Nr.l46. Ende Februar 1559 -).
Binas a te accepi literas. Prioribus te Viteberge fuisse et mira-
biles audivisse concertationes scribis. Quod non est mirum. Quem
enim tot et tarn graves calumnie delectarent? Et historie atque
narrationis veritas a multis piis et bonis in quibusdam negatur").
Sed de bis alias.
1) Über die Person des Empfängers läfst sich aus dem Briefe
nur so viel entnehmen, dafs er nicht in Wittenberg lebte und ein an-
gesehener Theologe oder wenigstens in theologischen Dingen bewan-
derter Humanist war, der dem Kurfürsten August ein Gutachten über
das Konfutationsbuch (s. S. 72 Anm. 6) einreichte. Nach R. Calinich,
Der Naumburger Fürstentag 1561 (Gotha 1870) S. 12 — 19, verfafsten
der Wittenberger Professor G. Major und die Leipziger Professoren
A. Alesius, J. Camerarius und Nicolaus Selneccer Gegen-
schriften gegen das Weimarer Buch. Von diesen war schwerlich
einer der Empfänger unseres Briefes; denn der Inhalt ihrer Entgeg-
nungen scheint sich nicht mit dem Inhalte der von Humeüus gemeinten
zu decken. \'gl. auch die Bemerkung über den Empfänger des dritten
Briefes S. 76 Anm. 1.
-) Aus dem Inhalte des zweiten Teiles dieses Briefes geht hervor,
dafs Kurfürst August dem Herzoge Johann Friedrich noch nicht auf
das Konfutationsbuch geantwortet hat. Die Entgegnungsschrift aber,
von Melanchthon vertatst, stammt vom 3. März 1559; vgl. W. Preger,
M. Flacius lUyricus und seine Zeit (Erlangen 1859 — 61 ) II, 79f. Aulser-
dem erfolgte der am Ende des Briefes als eben eingetreten bezeich-
nete Tod von Carlowitzens erster Gemahlin vor dem i. März [1559];
vgl. S. 73 Anm. i.
^) Gemeint sind die theologischen Streitigkeiten um die Recht-
fertigung, die Notwendigkeit guter Werke, das Abendmahl und die
Mitteldinge, in deren Mittelpunkte namentlich Melanchthon und Flacius
lllvricus standen.
„2 Hans Beschorner:
Dominus Sigisniundus Pucheri) ad me non venit. Alioquin ea,
qua decebat, ipsum humanitate et benevolentia fuissem complexus.
In Scaligero-) medicamentum hoc inveni, antequam responderes.
In quo multa atque multum lego et placent pleraque, sed m quibus-
dam non satisfacit, sepe obscurus nimmm, sepe suigulans. De visione,
quod in oculo liat, Aristot[elem] defendit»). Cuius etsi sententias
lere subscribere cogor, tarnen vel falsum vel male a me intellectum
puto, quod atifirmat omnem radium a quocumque corpore emanentem
in fastigium et mucronem desinere et affert exemplum solis. Hunc
enim propterea tantuplum ad terre quantitatem factum arbitratur, ut
radiis conicis totum hemispherium illustrare possit. Quod ut crederem,
facile adduci possem, si prius solis corpus planum et rotundum vel
discum, ut Greci volunt, non spheram demonstraret. Natura emm
hec est omnium sphericorum corporum, que radios emittunt, ut hos
a centro per ambitus partes singulas diffundant et non in unum punc-
tum quasi in angustum cogant, id, quod ex speculis et cavis atque
convexis manifesto adparet. Nam cava ab ambitu ad centrum colli-
o-unt radios et convexa a centro spergunt et diffundunt, et propterea
soleni atque reliqua sydera globosa tacta credo, ut longe lateque
radios in omnem terram diffimdant. Item luna hemispherium terre
non illustrare posset, si, minor terra, radios soHs non a centro ad
omnes partes hemispherii sui illustrati reflecteret. In hoc igitur loco
plane hereo. Optarim habere me etiara alia ipsius scripta. Memmit
sepe nobilium exercitationum et aliorum liberorum, qui si ad manus
essent, fortasse invenirem etiam ipsarum sententiarum commodas
interpretationes. Nam ipse initio huius libri contraria huic sententie
affirmare videtur^).
Quod'^) de singulis articulis libeUi propositi«) Ubere, quid sentias
et credas, explicasti, Mordeisio valde placet, etiam prudentie esse
significationeni arbitratur non parvam, quod rationem atque modum
respondendi neque principi neque aliis praescripseris, atque propterea
plus gratie et ponderis habituram hanc confessionem ait. Hoc igitur
») Über Sigismund Pucher, der nach den Worten des Briefes
ein angesehener Mann gewesen sein mufs, liefs sich zunächst nichts
ermitteln. .. ...
-) Julius Caesar Scaliger der Altere, 1484—1558. Vielleicht meint
Humelius hier dessen Werk „In libros II Aristotelis inscriptos De
Plantis", das 1556, also wenige Jahre vor Abfassung des Briefes, in
Paris erschienen war, während weiter unten bei den „nobiles exer-
citationes" wohl an die „Exotericarum exercitationum libri XV" (Paris
1558) zu denken ist.
3) Der folgenden Widerlegung der Ansicht Scahgers, dafs alle
von einem Körper, auch von einer Kugel ausgehenden Strahlen in eine
Spitze endigen, also einen Kegel bilden, bemühte sich Humelius einen
möglichst treffenden Ausdruck zu geben. Es gelang ihm erst nach drei
oder vier, immer wieder geänderten und ausgestrichenen Versuchen.
*) Am Rande das unverständliche Wort „Tina" (=71^7;?).
■') Auch die Fassung des Folgenden, womit möglicherweise ein
neuer Brief an einen anderen Empfänger beginnt, glückte Humelius
erst nach mehreren, wieder getilgten Ansätzen.
ß) Das bereits S. 71 Anm. i und 2 genannte Weimarer Kon-
futationsbuch, das Herzog Johann Friedrich Ende 1558 als neue Lehr-
norm zur Beendigung der langjährigen theologischen Streitigkeiten
vorschlug.
Sechs Humelius- Briefe. 73
ut opportune tempore atque cito princijM, cum prim[um] sit, oflFeratur,
se curaturum diligenter promittit. Hec ut ad te perscriberem, heri
mandavit.
Vinum volo.
Hesterno die scriba Carolovitii transiit hie domino suo nuncium
de uxoris obitu ferens'). Nachschrift [unten links quer auf dem Rande):
Fortasse igitur de nova cogitabit sponsa, ut suarum divitiarum habeat
ex se heredes'-).
2. Antwort auf einen Brief Lazarus ScJiwendis'-'}.
Coli. Cani. XVI, Nr. 144. Zwischen 19. u. 23. April 1560^).
Que'^) de conditione Tue P[restantie] apud regem Philippura
1) Der Brief, in dem Camerarius seinem Freunde Christoph
V. Carlowitz zu dem Tode seiner ersten Gemahhn, Brigitte v. Drax-
dorf, kondoherte ( Joachimi Camerarii epistolarum familiarum hbri VI,
Francofurti 1803, S. 72, 73) und der mit den Worten beginnt: „Et
Htteris suis mens gener (d. h. HumeHus) et sermone Lasanus (das ist
eben wahrscheinhch der scriba Carolovitii des Humelius-Briefes) mihi
signiticarunt migrasse ex hac vita coniugem tuam, honestissimam et
lectissimam feminam, decus et ornamentum sexus huius", trägt nur
das Datum „Cal. Martii", aber kein Jahr. Dafs dies aber, wie bereits
A.F. V. Langenn, Chr. v. Carlowitz (Leipzig 18541 S. 263 vermutete,
1559 war, lehrt unser Brief; vgl. S. 71 Anm. 2.
-1 Carlowitz heiratete auch tatsächlich noch einmal, und zwar
Clara geb. v. Breitenbach, Witwe des Oberhauptmanns Heinrich
V. Gersdorf auf Dobrilugk. Das Jahr ist unbekannt. Vgl. v. Langenn
a. a. O. S. 349 und das leider nur „prid. Id. Martii" datierte Glück-
wunschschreiben des Camerarius (a. a. O. S. 21). Auch diese Ehe
blieb kinderlos. — Bemerkenswert ist, dafs Carlowitz, der in Armut
starb, bei seinen Zeitgenossen für reich galt.
2) Am Rande mit roter Tinte, wohl von der Hand des Ludwig
Camerarius: „Jo. Homelii epistola, quam concepit scribendam respon-
dendo ad Lazari Suendii ad se missam epistolam hie appositam".
*) Das Jahr 1560 ergibt sich ohne weiteres aus dem Datum
des Schwendi-Briefes (vgl. S. 74 Anm. i), die Zeit zwischen 19. und
23. April aber daraus, dafs der Tod Melanchthons am 19. April,
offenbar als Neuigkeit, erwähnt wird und dafs HumeHus als Nach-
schrift aufser den unverständlichen Worten „De Pfestio" die Be-
merkung hinzufügte : „Me hoc tempore secundum (d. h. zum zweiten
Male) huius academie rectorem non voluerunt". Humelius war, wne
sich aus den Matrikelbänden der Universität Leipzig (vgl. auch
Bd. XXIII dieser Ztschr. S. 301 Anm. 18 und S. 308) ergibt ,'^ in den
beiden Sommersemestern 1552 und 1560 Rektor. Für das Winter-
semester 1560 scheint er bereits das zweite Mal dazu auserlesen ge-
wesen, aber in der Wahl wohl nicht durchgekommen zu sein. Da
nun die Rektoratswahl für das Sommersemester stets auf den Tag
Georgii, d.h. auf den 23. April, hei (vgl. F. Zarncke, Die urkund-
lichen (Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig S. 582), mufs
der Brief vor diesem Termin liegen.
"•) Erst lautete der Anfang des Briefes „Tuam Prestantiam
manere apud Philippum gratuin fuit mihi".
74
Hans Beschorner:
scripsisti^), grata mihi fuere; etsi enim mei respectu te in Imperatoris
aula versari malini, tarnen tue persona melius et convenientius [trst
honestius) multo esse existimo ex his locis non emigrare. Tua ibi
virtus, prudentia, lides, rebus in omnibus aut suscipiendis aut perfi-
ciundis industria ita cognita et perspecta (erst explorata) est, ut nemo
de his dubitet. Et quam difficile Sit apud ignotos emergere quanta-
que sepe cum invidia et odio coniu[n]ctum, omnes scimus. Etiam alii
■) Der Brief Schwendis, Nr. 145 desselben 16. Bandes der Coli.
Cam., lautet:
Dem ernvesten und wolgelarten Magister Hansen Humell, chur-
fürstl. [Mathemjaticern zu Leypzig, meinem lieben und guten freunde.
Ernvester und wolgelerter. Mein freundtlich grus und als liebs
und guts zuvor. Insonders lieber herr Humeli, guter freund. Euer
schreiben hab ich bey zaigern empfangen, hör gantz gern, das es
euch wol geet. Umb mich stets got lob auch zimlich wol. Hab
mich bey meim kenig weiter in dienst eingelassen {erst:
müssen einlassen) und auf Ihrer Maj. begern hin in diesem
lande zu l^leiben bewilligt; doch das ich jiederzeit frey stee.
Hab wol grosse neigung gehapt, mich in der Kayserl.
Maj. dinste zu beo;eben, die auch fleyssig nach mir ge-
stelt hat. Aber weil ich dieserorthen dozumal noch meyn regiment
unsteeht gehapt, wie es dan noch nit gar abgedanckcht, hab ich mich
destweniger wegckchmachen kenden, weil mir solchs unglimpf und
vertruss hete Ursachen megen. So ist auch diese zeit kein krig in
Ungern gewest, aber mit der zeit kchan es sich noch alls schickchen.
Dass dergleichen Unrichtigkeiten under ewern theologen forfallen,
das ist irer religion wenig lerstendig und spuret man dabey, das
uberal und schir in allen fällen der menschen Sachen einen gleichen
lauf haben und dass sie dasihnige, so inen am nächsten ist, suchen,
nit das, so sy am maisten furgeben. Darumb kchan kein policey
oder religion sonder Ordnung und disciplin besten, di si zusammen
und im zäum helt; dan sonst verfiret der frey will di leuth und halt
keyn zill ader mafs. Waiss also nit, was es zuletst für wege wirt
gewinnen müssen. Dan ob schon di gantz Christenheit luthrisch
würde, so muesst man doch di Ordnung und disciplin der alten kirchn
wider an di hand nemen oder ein newe fonn suchen. Ee es aber
so weit kompt, wirdts vil muhe haben und wir werdens nit erleben.
Man wirt sich noch lang wehren und aufhalten, darüber der gantzen
Christenheit fast weh wirt geschehen, und wirt die lang herrkchomen
und alte Ordnung der newen einreissenden confusion und Unordnung
noch vil zu schaffen geben, ja diselb, da si sich ein wenig änderst
wil drein schickchen, wie zuletzt gefar und noth si dahin wirt trengen,
wirts vil pesser beharren und ausshalten megen.
In Frankchreich lauft jetzo von wegen cler religion vil Unrichtig-
keit fir, aber ich besorge, die armen leuth werdens mit der haut, wie
in bauernkrieg, bezalen muessen.
Damit seit got befolchen und steet alzeit in alten vertrauen.
Dat. Antorf den andern April 1560.
Euwer freund ^^^^^^^^ ^,^^ Schwend
Nachschrift (längs dem linken Rande):
Ich bit, schreibt mir allmal ein brieflein. Mecht wol von euch
was doch D. Melanchtonis und Camerarii iudicium were
Sechs Humelius- Briefe.
75
hoc tuum consilium vehementer probant, D. Karolovitz, item socer
meus, cuius ad te literas mitto; quod si ad ipsum rescripseris, habebis
Irequentes responsiones. Karolovitii iudicium de te ita magnificum
et splendidum est, ut a me verbis explicari non possit. Te omnibus
totius Germanie heroibus profert.
Bardolomeus Wolffhardus ') debitum suum vendidit et detrimen-
tum 2000 R. fecit.
Philippus Melanthon 19. mensis ApriUs diem suum placide, cum
paucis diebus oratione caruisset, obiit.
Contentiones igitur et dissidia theologorum nostrorum augebuntur
atque verum est, quantum scribis, etiamsi totus mundus ad Luthera-
nismum convertatur, tamen veterum regulas et leges in ecclesiam
tan dem revocari aut certe similes nobis constitui oportere. Sed hoc
quoque constat et notissi[mumJ omnibus est, ex adversa parte legum
veterum ne umbram quidem retineri. Sive enim vitam inspiciamus
sive doctrinam, plane ita evanuerunt omnia, ut ne cogitando quidem,
qualesnam fuerint, assequi possimus. Hec profecto movere debebant
reges et imperatores, ne conarentur tyrannide oppr'imere ea, que deus
hoc perverso seculo oppressa non vult. Si est ad normam etiam
\eterum revocandus populus, nostra certe norme propior est, id, quod
omnes prudentes et pii ex utraque parte intelligunt, affirmant et pre-
dicant. Sed meum non est ista exquerere. Hi, qui ad gubernacula
sedent, talia cogitare debebant. Omnes historie testantur in articulis
mutationum etiam optima consilia eventum sepe habere pessimum,
ijuod de malis et perniciosis dicimus. Licet -j igitur que est re[s]
von disen sachen und was si gedechten, das doch für mitel zu newer
vergleichung mechten an die hand genomen werden. Gruesse mir
die baide hern und andere bekchandte freunde.
Der Brief ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Vor allem
kennzeichnet er deutlich die Stellung Schwendis zur Reformation.
Aufserdem ergänzt er unsere Kenntnis von dem Leben dieses berühmten
Kriegsmannes. Bisher wufste man nämlich über seine Schicksale vom
Frieden zu Cateau-Cambresis (April 1559) bis zum November 1561,
d. h. bis zu dem Briefe Kaiser Ferdmands an König Maximilian wegen
seines Übertritts in kaiserliche Dienste, so gut wie nichts; vgl.
W. Edler v. Janko, Lazarus Freiherr v. Schwendi (Wien 1871),
A. Kluckhohn in der Allg. Deutschen Bioo;r. XXXIII, 386, 387, und
E. Martin in der Zeitschr. f. d. Geschichte des Oberrheins N. F. VIII,
389 — 418. Aus diesem Briefe, der zu Antorf, d.h. Antwerpen ge-
schrieben ist, ergibt sich, dafs Schwendi bis in den April 1560 mit
„Abdankung seines Regiments" und ähnlichen Dingen in den Nieder-
landen beschäftigt war, und ferner, dass „das Streben, ihn für die
Dienste des deutschen Kaisers zurückzugewinnen", nicht erst, wie
Janko a.a. O. S. 31 meint, 1561 auftauchte, sondern bis ins Jahr 1560,
wenn nicht 1559 zurückgeht. — Wegen der hohen Wertschätzung,
die Humelius für Schwendi, seinen Landsmann, hegte, vergleiche unten
den vierten Brief. Schwendi war in Memmingen, der Vaterstadt des
Humelius, aufgewachsen.
M Zedier, Universallexikon LVIII, 878 — 880, erwähnt zwei Fa-
storen namens Bartholomaeus Wolfhardt (Wolffart, Lycosthenes), die
beide Mitte des 16. Jahrhunderts lebten und beide eine Zeit lang
Geistliche in Schleusingen waren, daher wohl, wie schon Zedier
nicht von der Hand weisen wollte, eine Person sind.
^) Lesung des Folgenden mehrfach unsicher.
•76 Hans Beschorner:
totius Christianismi summo studio perpendant, et tarnen eventus for-
tasse praeter opinionem sese ostendet.
T. P. bene et feliciter valeat.
j. An einen ungenannten Empfänger^).
Coli. Cam. XVI, unnumeriertes Doppelblatt. 3. Hälfte des April 1561'-).
S. Census, quos ad Walpurgis terminum mihi Noribergenses
danf*), accepi a Sebaldo quem vulgo vocant Wagmacher. Propterea
ipsi chirographum nieum dedi, ita mihi, quod in nundinis'*) accipio,
gratum fit et ipse metu liberatur, ne in via amittat hanc pecunie
summam '').
Frater tuus testimonia notariorum, ut obsignarem et subscri-
berem, nondum obtulit; alioquin in me mora nuUa est futura unquam.
Mein wein, als viel ich noch hab, hatt sich fein widerumb erholt
und ich glaub, wan ich in nit von einander gezogen hette, er mechte
sich allerdino; erholt haben, quia videtur valde esse aerium. Optarim
te venisse ad nos, dedissem tibi optimam cerevisiam vel Zerbstensem
vel Wurzensem; utramque enim domi mee habeo et vinum tuum,
quod iam palatui meo bene placet.
Hesterno die uxor raea rursum filiam (Deo gratia!) peperit (atque
bene valent pro ratione circumstantie ausgestrichen). Socer putat
ventriculum restitui optime posse thermis, que dicuntur der Saur-
brunnen**). Ego quidem eo loci libenter essem, ut patriae aere
^) Der Empfänger lebte offenbar in Nürnberg und war ver-
heiratet. Wenn die Worte „vinum tuum habeo", wie es scheint, zu
der Bemerkung des ersten Briefes „vinum volo" in Beziehung stehen,
so ist der erste und dritte Brief an dieselbe Person gerichtet.
-) Vgl. die folgenden Anmerkungen und S. 77 Anm. i.
^) Am 29. Mai 1560 kaufte Humelius von der Witwe Helena
Christoff Kressin durch Vermittlung der Losungsstube in Nürnberg
für 1000 fl. einen Jahreszins von 60 fl. auf drei Jahre zu G"/,,. Wie
Einträge in dem Ewiggeld- und Zinsbuch 1555— 1562 im Kreisarchiv
zu Nürnberg lehren, erhob er:
25 fl. am 2. November 1560 durch die Tochter Jeronimus Herolts,
30 fl. „ 19. Mai 1561 durch Andres Heinlein,
30 fl. „ 5 November 1561 durch Sebald Furnhelm und
30 fl. „ II. Mai 1562 ebenfalls durch diesen.
-') Auf der Leipziger Ostermesse 13. April bis 4. Mai 1561.
•^) Humelius liefs sich auf der Messe von dem Nürnberger Sebald
Wagmacher, der oftenbar mit dem im Ewiggeldbuche genannten Sebald
Furnhelm identisch ist, gegen Wechsel (chiro^raphus) den Maizins
auszahlen. Wagmacher löste dann anscheinend diesen Wechsel am
19. Mai 1561 durch Andres Heinlein in Nürnberg ein; vgl. oben
Anm. 3
") In Schwaben liegen so viel Mineralbäder, dafs es schwer sein
dürfte zu sagen, welches davon Humelius mit dem „Sauerbrunnen"
meint. Viele davon wurden auch schon im Mittelalter stark besucht,
z. B. Göppingen O. Stuttgart. Nimmt man die Worte „ut patriae
aere , . . recrearem" genau, wäre am ersten an den Dankelsrieder
Stahlbrunnen zu denken, der bei Memmingen liegt und schon seit
langem berühmt ist.
Sechs Humelius- Briefe. yy
et vino ine recrearem, sed iter niniis lon,u;um et sumptuosum esse
videtur.
Hie magnifice omnia ad futuras nuptias') adparantur.
Diu bene et feliciter cum honestissima tua coniuge vale, quam
meo et uxoris mee nomine diligenter et officiose salutabis. Date . . .
4. An einen ungenannten Empfänger'-).
Coä.Cavi.^ ohve Nummer. 2. Hälfte des Aprill56P).
Scripserunt Calvinus, Beza-*), Brentius^), Hashusius^j et alii fere
intiniti novos li beilos de ista controversia et renovant totam conten-
tionem atque in alia absurda incidunt quidam, ut humanam naturam
in Christo tanquam divinam implere omnia dicant Etsi auteni istarum
controversiarum me iudicem non constituo, tamen mea hec semper
fuit et est atque erit sententia verbis Christi simpliciter credendum
et modum nulluni presentie deliniendum esse. Recte enim dicitur
corpus adesse, sed preter scripturam realiter, substantialiter, corpo-
raliter, spiritualiter, quia et vulgus et doctores aliter hec verba intel-
legunt et interpretantur. Patres quidam aliqui tali loquendi forma
sunt usi (sicut etiamnunc uti nos posse, si ratio et causa evidens
subsit, scio), ut Cyrillus, qui mutationem quoque panis constituere
videtur. Tamen id fecit propter eos, qui corpus Christi dicebant
fuisse phantasticum, non verum. Nequaquam igitur egre ferendum
tali forma loquendi uti aliquem, qui, ut confirmet Christum vere esse
hominem, his formis loquendi e&t usus. Nobis alia forma, quam
Christo, in ore [erst in usu, ausgestrichen) est, cum dicimus cum pane
vel sub specie panis, non ut discedamus a sententia verborum Christi,
sed ad destruendam falsam transsubstantiationis opinionem. Simpli-
cissirna igitur sententia est. Christus adest vere et si modus est
detiniendus, dicamus secundum scripturam esse lidei hunc et promis-
sionis divine. Fides enim est, secundum quam nos in coelis versamur,
sicut Paulus inquit, conversatio nostra in coelis est item, secundum
quam in vita eterna sumus subiecti adhuc cruci et morti, promissio
autem, secundum quam deus in nobis vere habitat et in terris moratur.
Veiitatem enim promissionibus divinis adscribere necessarium est.
Reliquos modos ego plane aspernor, et nisi theologi inter limites has
sacre scripture autoritate magistratus cohibeantur, nuUus est unquam
') Die Hochzeit Wilhelms von Oranien mit Anna, der Tochter
des Kurfürsten Moritz von Sachsen, am 24. August 1561
-) Über seine Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse geben
die letzten Worte des Briefes einigen Aufschlufs.
^') Der Brief, der auch über die eben erfolgte Geburt der zweiten
Tochter berichtet, stammt aus derselben Zeit, wie der dritte, d. h.
vor der Hochzeit Oraniens und wahrscheinlich kurz nach der Dresdner
Theologenkonferenz (s. S. 78 Anm.. i).
■*) Theodor Beza in Genf ( 1519 — 1605), der gröfste Schüler Calvins,
der am eifrigsten für das heifs umstrittene Dogma („ista controversia")
der Ubiquität, d. h. der Allgegenwart des Leibes Christi im Abend-
mahl, eintrat.
•') Der Württemberger Refonriator Johann Brenz ( 1499 — iS70)-
") Der berüchtigte Streittheologe Tilemann Hesshusen (1527 bis
1588).
78
Hans Beschorner:
rixarum et lacerationum in ecclesia finis futurus. A nostris theologis
Lipsiensibus et Vitebergensibus una forma et certa loquendi de hac
re est conscripta, cum a principe Dresdam vocati') interrogarentur,
sed eorundem verborum intelligo diversas adhuc esse ipsorum inter-
pretationes.
De conventu Numbergensi'-) idem est iudicium. Subscripserunt
principes eandem formam verborum, sed singulorum puto ciiversas
esse interpretationes, quoniam omnes dicimus biblia esse verbum dei,
sed Tcapa ra? fi'.7V0Lac litigatur'') et usque ad ignem contenditur. Sed
de bis scribere non adeo est letum. Audio urbes non subscripturas;
id an prudenti iudicio faciant, iiescio. Fieri potest, ut magno suo
vel commodo vel detrimento id factum esse sentiant, sed utrumque
in potestate et manu dei est, quia hoc tempore vela sunt ventis
fortuito committenda. Nulla prudentia, nullum consilium hoc perverso
seculo in isto mutationis articulo, in quem nos miseri incidimus, locum
habet. Ardens coehim quoque visum est apud nos.
Cum theologis in aulam vocatus a principe ahas ob causas veni.
Et propter adversam valetudinem cito, etiam cum dono, dimissus sum.
Rediit ista hyeme x.apSiaaia mea, sed iam mediocriter valeo, deo
gratia
Hesterno die fiham ex uxore novam suscepi. Deus me, uxorem
et filiam suo spiritu regat et benedicat.
Hie magnifici liunt adparatus ad futuras nuptias principis Uranie,
qui Mauricii electoris liham duxit^). Cum illo Swendium ad nos redi-
turum spero, de quo apud primarios huius terre hoc est iudicium
M Die Stelle hatte Humelius erst folgendermafsen gefafst „De
conventu, qui fuit Numbergi, Dresdam ad principem cum Vitebergen-
sibus sunt vocati, quorum omnium et smgulorum fuerunt diverse
sententie, sed autoritate principis in certam quandam formam ver-
borum coacti". Wann diese Dresdner Zusammenkunft stattfand, ist
nicht sicher, doch mufs sie, wie Call n ich a. a. O 8.274!'., nament-
lich Anm I, ausführt, zwischen den 18. März und den 23 April, höchst
wahrscheinlich aber in den Anfang letztgenannten Monats fallen. Den
Ausdruck, dafs die „Theologen vom Naumburger Fürstentage nach
Dresden zu ihrem Fürsten gerufen worden seien", darf man nicht zu
genau nehmen, da der Naumburger Abschied schon am 7. Februar
erfolgte.
-) Auf dem Naumburger Fürstentage, 21. Januar bis 7. Februar
1561, versuchten die deutschen Fürsten durch erneute Anerkennung
der Augsburger Konfession die arg bedrohte Einigkeit unter den
deutschen Protestanten wieder herzustellen. Vgl darüber nament-
lich die oben (S. 71 Anm. i) zitierte Arbeit von Calinich.
") Dafür erst „sepe fuit inter ereticos et bonos doctores contro-
versia".
"•l Vgl. S. 77 Anm. i. An der in Leipzig (nicht Dresden) mit
gröfstem Prunke gefeierten Hochzeit nahm Lazarus Schwendi tat-
sächlich teil, wie bereits A.Kluckhohn in der AUgem. Deutschen
Biogr. XXXIII, 386 angibt; vgl. z. B. Loc. 9941 „AUerley Schrieffte
belangende des hern Printzen von Uranien vorehelichung ... 1561"
fol. 12 (bei Schilderung der Tafelordnung): „Wann auch under den ob-
gesagten Grafen und Grerin jemandts gemangelt, hat man an der-
selbigen Stadt Lasarum von Schwendi und andere Obersten ahn
solche funfifte Taffell gesazt".
Sechs Hiimelius- Briefe.
79
nullum vivere in imperiu, qui conferri cum ipso possit, si umnes \ir-
tutes considerantur. In ipso esse multarum lingnarum et artium
peritiam, rei militaris sino;ularem scientiam, eloquentiam, consilium et
prudentiam coniuhctam cum summa fortitudine. Jam unus est ex
quatuor gubernatoribus inferioris Germanie.
Hoc anno pacem spero, sed de futuro metuo (nam adparari
quedam in quibusdam locis ausgestrichen). Es krigten viel gern,
wen sie dazu komen kondten.
De fratris filio') nihil propter adversam valetudinem certi con-
stituere potui.
Vale diu feliciter cum tota familia. Saluta meo nomine officiose
fratrem D. Ulricum, fratruelem Micaelem, M. David.
J. Empfehlungsschreiben an einen Ungenannten'^)
für Hubert Languet.
Coli. Cum. XVI, Nr. 142. Mitte Mai 1561-^).
Venit ad Prestantiam Tuam Hubertus ex Burgundia*) oriundus,
cuius discipline commendati sunt adolescentes quidam Vratislavien-
ses*»), cum quibus in Galliam ad persequenda literarum et humanitatis
atque sapientie studia est profecturus"). Is a me petiit, ut aliquid
literarum ad T. P. darem, ut hac occasione alloqui T. P. posset. Etsi
autem omnibus, qui virtutis et prudentie studia sequuntur, tuas fores
patere scio, tarnen Tue Prestantie huius viri et notitiam et familiarita-
1) Unsicher, ob Humelius einen eigenen oder einen Neffen des
Adressaten meint. Wohl ersteres.
-) Dieser Empfänger mufs in einer der Städte gewohnt haben,
die Langviet auf seiner Reise berührte; vgl. unten Anm. 6.
ä) Der Brief ist vor Langiiets Abreise nach Paris (vgl. unten
Anm. 6) geschrieben. Da Humelius, wie der Schlufssatz des Briefes
andeutet, noch nicht genau über die Ergebnisse des Naumburger
Fürstentages unterrichtet ist, könnte man meinen, er sei bald nach
diesem (vgl. S. 78 Anm 2), also vielleicht noch im Februar, abgefafst.
Wegen der Erwähnung der Jüterbogker Fürstenzusammenkunft (vgl.
S. 80 Anm. 2) mufs er aber tatsächlich nach dem 7. Mai 1561 fallen.
■*) Hubert Languet, der bekannte Humanist und Publizist, der
eine Zeitlang in diplomatischen Diensten des Kurfürsten August stand,
war zu Vitteaux in der Bourgogne geboren Vgl. über ihn u. a.
Blasel (Oppeln 1872), Geiger in der Allgem. Deutschen Biop;r.
XVII, 692 f., und O. Scholz, H. Languet als Kursächsischer Bericht-
erstatter in Frankreich 1560 — 1572 (Halle 1875).
^) Thomas Rhediger und Abraham von Jenkwitz; vgl. Scholz
a. a. O. S. 20.
") Languet trat seine zweite Pariser Reise im Mai 1561 an, nach-
dem er sich Mai bis September 1560 in Wittenberg von seiner ersten
Reise ausgeruht hatte. Er ging durch Thüringen über Kas.sel nach
Frankfurt, von wo er am 2. Juni an Mordeisen schrieb (Loc. 9083
Languetus de militaribus I fol. 114), und weiter über Antwerpen (Brief
vom 16. Juni: ebenda fol 115) nach Paris. Der erste Brief aus der
französischen Hauptstadt (ebenda fol. 117 fi ist datiert „Lutetie Cal.
Jul. 1561" und beginnt mit den Worten ,,Antequam illustrissimi nostri
principis literas redderem, haesi hie per tres aut quatuor dies".
8o Hans Beschorner:
tem gratam fore spero atque ut sit, obnixe peto. Doctus est et honestus
atque lingiiariun multarum et omnium historiarum peritissimus. Per-
lustravit totam Europam fere, etiam ad Pilapes ' i pervenit, ut homi-
num et gentium mores atque studia non ex libris tantum et aliorum
relatione, sed inspectione pro])ria et peregrinatione cognosceret. Fuit
ipsius amicitia grata D. Karolouicio et Mordeisio atque iam multis
annis nobiscum vixit, ut reprehensione omni careret et a doctis Om-
nibus amaretur
De rebus publicis hec accipe. Theologi nostri sese mutuo ita
contentionibus lacerant et perscindunt, ut funosorum hominum potius
speciem pre se ferant, (|uam eorum, qui spiritu dei regantur. Si in
ipsorum potestate esset, patriam everterent, tarn rabidi esse videntur.
De Gallia mira apud nos dicuntur; que si vera sunt, vaticinia
veterum non errare arbitror, cum inter alios versiculos scribant:
Gallorum levitas Gennanos iustiticabit-).
Nostri princij)es formam quandam subscripserunt concc^rdie in
relligionis articulis^i, sed theologorum video diversas esse inter-
pretati(jnes. Subscribunt verbis et de sententia et mente verborum
mter se litigant. Quemadmodum omnes affirmamus biblia esseverbum
dei, sed alii aliter interpretantur*). Vereor, ne magnates quoque ita
subscripserint, de qua tarnen re affirmare aliquid non est certum, sed
eventus declarabit.
') Languet machte von Wittenberg aus, wo er sich 1549 — 1560
aufhielt, jeden Sommer eine grolse Reise Zweimal besuchte er auch
die nordischen Länder, zuerst nur Schweden von Danzig aus, dann
auch Livland, Finnland und Lappland; vgl. Scholz a.a.O. S 10. Unter
den Pilapiern sind eben die Lappländer zu verstehen; vgl. Zedier,
Universallexikon XVI, 760: ,, Hingegen nennt sie (die Lappländer 1 Dami-
anus a Goes in einem Briefe an Joannem Magnum Pilapier und ihr
Land Pilapien, welchem auch Peucerus, Von denen Weissagungen,
gefolget".
-) Auf Grund des für den Thesaurus linguae Latinae gesammelten
Materials hält Professor Wölfflin in München diesen Vers, der keinem
bis 200 n. Chr. lebenden Schriftsteller angehört, für das Machwerk
eines Humanisten; schon der Gebrauch der Worte „iustificare" und
„levitas" drücke dem Hexameter den Stempel christlichen L'r-
sprungs auf.
Hinter dem Verse sind die Worte „Electores duo, noster et
Brandenburgensis, convenerunt etMaximilianum eo quoque contendere
dicebant" ausgestrichen. Sie beziehen sich auf die Vermittelung
Brandenburgs, Sachsens und Herzog Albrechts von Preufsen in den
Streitigkeiten Herzog Johann Albrechts L von Mecklenburg mit seinem
Bruder Ulrich; vgl. F. VV. Schirrmacher, Johann Albrecht I., Herzog
von Mecklenburg 1 Wismar 1885) S. 386 f. Der Jüterbogker Tag, auf
dem Kurfürst August und Markgraf Joachim neben ihren Räten per-
sönlich erschienen, begann am 7. Mai (Mittwoch nach Cantate) 1561;
vgl. das Quartierbillet für Kurfürst August vom 25. März 1561 in
Cop. 306 fol. 179b, desgleichen für Herzog Ulrich von Mecklenburg
bei C C. Heffter, Urkundliche Chronik der alten Kreisstadt Jüter-
bock (Jüterbogk 1851) S. 265 f.
^1 Auf dem Naumburger Fürstentage, über den S. 78 Anm. 2
zu vergleichen ist.
*) Dahinter die Worte „et de hac re usque ad ignem conten-
ditur" ausgestrichen.
Sechs Humelius- Briete. 8l
6. Bruchstück eines Briefes an einen Ungenannten.
Coli. Cam.^ ohne Nummer . /,eit unbestimmbar .
S. Obscurum et falsum videri tibi, (^uod scripsi'), Christum
humanitatem non assumpsisse, facile credo; phiicjsophicum namque
plane est. Tam(;n si recte et dextre consideres, nihil erit in hoc dicto
absurdi, nihil, qucKl j)Ugnet cum sententia catholice ecclesie, (juam
ego mordicus retinendam esse iudico. Idfiue ut recte percipias,
ita hunc noduni ex philosopho dissolvo. In Metaphysicis ab Ari.stofteleJ
altirmatur „a sole et h(jmine gigni hominem", et expositio additur
„n(jn h(jminem, sed hunc"-j. Ita Christus non assumpsit iiominem
Tc d'Soc, quod est segmcntum intellectus et rationis, sed hunc, et
propterea nee humanitatem assumpsit, sed suam vel proj^riam ex
Maria virgine. Hec jjropterea a me tum allata sunt, ut ostenderem,
etiam recte et commcjde dicta sepe sinistre rursumque (juod male
et inconvenienter, dextre interi)retari posse.
De sacramentaria contentione hec significanda sunt ....
') Der Brief liegt nicht vor; denn der vierte Brief kann nicht
gemeint sein, da sich in diesem der f bedanke, Christus habe die
humanitas nicht angenommen, nicht findet. — Übrigens suchte auch
bei dem Anfange dieses Briefes Humelius längere Zeit nach dem
passenden Ausdruck, wie die mehrfachen Streichungen zeigen.
^j Gemeint ist Aristoteles, Metaphysica A s, 1071a: oipzcp äv-
Irpwro'j 7.'.'t'.ov T'i re _aT0'./£i7. -Op v.'jx yr- idz tj/.t;, x.a\ to l'ß-.Gv sI^Sc;
■/.'■/'. £'.' T'. y'uo Ifco), Oiov 0 Tt7.Tr,p y.a\ — apa raora 6 T;/,'.o; /.7\ 0 /.o?o;;
xu'xXo? Humelius kam es aber nicht so sehr auf diese Stelle, als
auf die weiter unten ftjlgende Erklärung an, dafs es einen Menschen
schlechthin gar nicht gäbe, sondern in jedem einzelnen Falle nur
einen ganz be.stimmten, besonderen („hunc"): ap/o väp t^Ö ■/:a':s' £V.7aT0v
Tojv /.7!3 f/.y.Gxa ■ 7v!;p(.)~o; |j.£v 77p_ a'.i3pw7:ou /.7!3o/.0'j • 7././. ou/. Sarcv
cußefc, a/X7. JItjasÜi; A/üJ.{(ii<;, aou 81 ö 7:7.Tr]p etc. Da es also, so folgert
Humelius aus Aristoteles, keine „Menschen im allgemeinen" gibt, hat
auch Christus keine allgemein menschliche Gestalt angenommen,
sondern eine ganz bestimmte, ihm eigene, ihm von der Jungfrau Maria
gegebene.
Neues Archiv f. S. (■. u. A. XXV. i. 2.
IV.
Krieg und Brand segnet Gott
mit milder Hand.
Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges
für Kursaehsen.
Von
Oskar Hüttig.
Der Siebenjährige Krieg ist einer der grausamsten Ver-
wüster Kursachsens gewesen^). Das steht ohne allen Zweifel
fest. Er ist aber auch — und das verdient nicht minder
unsere Beachtung — ein Lehrmeister für dieses Land ge-
worden. Die kursächsischen Landtage von 1763 und 1766
beweisen, welch eine Fülle von Reformgedanken unter dem
Drucke der Not im Volke entstanden, Ideen, die auf lange
Zeit hin bei der Neugestaltung der inneren Verhältnisse
wirksam wurden zum Segen des Landes. Nach vier ver-
schiedenen Seiten hin läfst sich eine Aufwärtsbewegung fest-
stellen. Wir bemerken Fortschritte auf dem Gebiete der
Wirtschaft und der Volksschichtung, der Volksbildung und
des Heerwesens.
Den weitesten Umfang nehmen die Bestrebungen ein,
die eine wirtschaftliche Hebung des Landes bezwecken. Der
Krieg hatte die sächsischen Waldungen arg verwüstet. Jetzt
galt es, dem Holzmangel'-) zu begegnen, der umso fühlbarer
wurde, als man überall an der Herstellung der Wohnstätten
arbeitete und in Zeiten des Friedens nie mit dem Holze
^) Hciuptstaatsarchiv Dresden Loc. 6191, Landtagsakten 1766
Vol. m fol. 358 und Vol. V fol. 19b und 20, 21b.
"-) Ebenda Vol. VI fol. 98 flf.
Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges. 83
hatte geizen müssen. Jetzt hiefs es sparsam wirtschaften.
Kommissionen der Regierung und Stände sorgten für Ent-
lastung des Waldes. Es war damals Sitte, die Wohnhäuser
mit hölzernen Schroten auszulegen, die Pferdeställe mit Bohlen
zu dielen^). Dem trat man entgegen, indem man die Ver-
wendung von Steinmaterial forderte. Den Gerbern, die bis-
her nur die Rinde der Eichen zur Lohebereitung verwendet
hatten, riet man, nach englischem Vorbilde den ganzen Stamm
zu verwenden, damit nicht durch das Abschälen zu viele
Bäume gefährdet würden -). Für die Umgrenzung der Gärten
wurde ebenfalls aus Gründen der Holzersparnis die Anlage
von Hecken empfohlen. Von besonderem Werte für das
kursächsische Wirtschaftsleben aber war es, dafs man sich
infolge des Holzmangels der bis dahin wenig geachteten
Steinkohle-^) zuwandte. Schon lange war sie als Heizmittel
bekannt, alDcr überall begegnete man ihr besonders wegen
des darin enthaltenen ,, sauren Schwefels" mit Mifstrauen. Nur
in einzelnen Hammerwerken brauchte man sie. Im allge-
meinen wollten die Feuerarbeiter, wie Schmiede, Schlosser,
Rotgiefser und Kupferschmiede, nichts davon wissen. Man
tadelte die im Kohlenfeuer geglühten Messer wegen ihrer
Sprödigkeit. Als Heizmittel für Stubenöfen fand man sie
vollends gleich gar nicht geeignet. In London''), so wurde
von ärztlicher Seite behauptet, sei die Zahl der Schwind-
süchtigen nur deshalb so grofs, weil dort fast ausschliefsHch
Kohlenfeuerung bestünde. Um solchem Vorurteil zu steuern,
griff die Regierung energisch ein. Es wurden neue Öfen
konstruiert, die dem neuen Heizmittel gerechter wurden, als
die früheren. Die Gewinnung der Kohle aber förderte man,
indem jedem, der eine gewisse Kaution stellte, das Nach-
arraben o-estattet wurde, sobald es der Grundherr drei Monate
nach der Ankündigung unterliefs, selbst abzubauen'*).
Unter diesen günstigen Bedingungen entwickelte sich der
Steinkohlenbergbau Kursachsens mehr und mehr, nicht der
Qualität nach — denn man blieb, da man der Grundwasser
noch nicht Herr zu werden verstand, beim Raubbau — , wohl
aber in Bezug auf Quantität, Überall taten sich Gruben auf,
und bald hatten die Anlagen in der Zwickauer Gegend die
1) Leipziger Riitsarchiv, Landtagsakten 1763 Bd. IV.
-) Ebenda.
=*) HStA. Dresden Loc. 6191, Landtagsakten 1766 Vol. III und V
fol. 25 und VI fol. 98 if.
*) Leipziger Ratsarchiv, Landtagsakten 1763 Bd. IV.
^) Ebenda.
6*
84 Oskar Hüttig:
Schächte des Plauenschen Grundes mit den Besitzungen des
Grafen v. Lüttichau ') überflügelt.
So wurde dem Holzmangel durch Erschliefsung neuer
Quellen abgeholfen. Aber man bemühte sich auch durch
direkte Mafsnahme Ersatz für das Fehlende zu schaffen. Mit
der Entlastung des Waldes ging Hand in Hand eine bessere
Forstkultur. Die Regierung verteilte Samen an die Bewohner
und beobachtete auf Grund von Listen den Erfolg. Hege-
plätze wurden errichtet zur Schonung der neuen Anpflanzung
und wehe dem, der sich des Baumfrevels schuldig machte.
Ihm war neben hoher Geldstrafe der Pranger, wohl auch
Gefängnis sicher, während das frevelnde Kind zur Warnung
für die anderen vom Gerichtsknechte öffentlich gezüchtigt
wurde.
Es ist bereits erwähnt, dafs bei der Vernichtung der
Wohnstätten der Feind in dem Feuer einen starken Bundes-
genossen gefunden hatte. Was lag jetzt näher, als bei Zeiten
schützende Mafsnahmen gegen das entfesselte Element zu
treffen? In den ärmlichen Hütten des Erzgebirges bestand
damals der Brauch, brennende Kienspäne zur Beleuchtung
zu verwenden. Das wurde jetzt verboten. In Zukunft sollten
nur noch Lein- oder Rüböllampen als ,,Geleuchte" dienen.
Da auch das Backen und Flachsdörren Feuersgefahr nicht
ausschlofs, so hätte man gern die Einzelöfen durch einen
gemeinsam geleiteten Backbetrieb ersetzt. Aber dazu kam
es nicht. Die Ansicht der Mehrheit ging dahin, ,,dafs sich
zwei Weiber vor einem Ofenloche nicht vertragen", und so
blieb es beim Alten. Mehr Erfolg hatte der Plan einer all-
gemeinen Brandversicherungs- Sozietät"). Zwar wurde er erst
1787 verwirklicht, aber die Vorarbeiten dazu reichen, wie
die Akten ergeben, zurück in das Jahr des Hubertusburger
Friedens. Der Entwurf, der 1766 von den Ständen einge-
reicht wurde, bestimmte, dafs für 100 Thaler Mobiliarwert
I Groschen zu entrichten sei, der Verlustträger 25% des
ehemaligen Wertes erhalten sollte und jeder Hausbesitzer
zum Beitritt verpflichtet sei. Auf solche Weise wurde der
Untertan in der Herstellung und Erhaltung seiner Wohnung
unterstützt.
Nicht minder war die Regierung bedacht, den Erwerb,
„die Nahrung" der Landeskinder zu fördern. Dem Bauer
') Leipziger Ratsarchiv, Landtagsakten 1763 Bd. IV. Kohlen-
orte waren damals in Sachsen: Potschappel, Burgk, Dohlen, Zaucker-
roda, Hammer.
-j Ebenda.
Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges 85
hatte die im Kriege entstandene Viehseuche grofse Ver-
luste gebracht^). Noch 1766 war sie nicht erloschen, denn
man klagt, dafs bei Frohnden die gesunden und kranken
Tiere der Nachbarn zusammenge&pannt würden. Jetzt drang
man in den Gemeinden auf gröfsere Sauberkeit in den
Ställen. Die Wassertümpel, in denen man auch eine Ursache
der Epidemie erblickte, mufsten trocken gelegt werden.
Man forderte auf dem Landtage die Errichtung von Lehr-
stühlen für ars veterinaria ^). Die Regierung kam den
Wünschen der Stände entgegen. Sie betraute in Leipzig
und Wittenberg je einen Professor mit diesem Kolleg und
bestimmte, dafs jeder stud. med. fortan diese Vorlesungen zu
besuchen habe.
Seit jener Zeit besteht an der Leipziger Universität die
Veterinärklinik. Dem gleichen Bedürfnis verdankt die tier-
ärztliche Hochschule in Dresden ihre Entstehung. Auch sie
wurde begründet, um in Zukunft verheerenden Seuchen ge-
wachsen zu sein. Auf Wunsch der Stände reisten 1765 zwei
Kandidaten der Medizin, zwei Chirurgen und zwei Huf-
schmiede nach Lyon^). Sie sollten die damals sehr berühmte
ecole veterinaire des Abtes Rozier kennen lernen. Nach
diesem Muster wurde das Dresdner Institut eingerichtet, das
man 1781 zur Staatsanstalt erhob.
Das Elend des Krieges wirkte auch insofern segens-
reich, als es der Verwaltung die Augen öffnete für gewisse
Schwächen des Abgabewesens, Eine auf dem Feldbesitz
lastende Naturalsteuer war das Magazingetreide*). Von
jeder unter dem Pfluge getriebenen Hufe mufste i Metze
Korn und i Metze Hafer an die Landesmagazine, die in
Torgau, Wittenberg und anderen Orten bestanden, abgeführt
werden. Die Überwachung dieser Abgabe stand dem Kreis-
kommissar zu, der auch die für Militärzwecke nötigen
Spannfuhren zu regeln hatte. Die Listen, die er führte,
gaben Aufschlufs über die Gröfse der einzelnen bebauten
Stücke, und so war die Lieferung des einzelnen leicht zu
berechnen. Was man bei dieser Berechnung bisher aufser
Acht gelassen hatte, war die Qualität des Bodens. Man be-
dachte nicht, dafs der eine Boden ertragsreicher war als
der andere, dafs z. B. eine Hufe der Zörbitzer Pflege nur
^) HStA Dresden Loc. 6190, Landtagsakten 1766 Vol. II fol 107.
■-) Ebenda Vol. I fol. 392, Vol. II foL 133 f.; Vol. V fol. 44—45.
'') Ebenda Loc. 6191, Landtagsakten 1766 Vol. VI fol. 163 flf.
*) Ebenda Vol. V fol. 65 C
S6 Oskar Hüttig:
6 Scheffel Aussaat vertrug, während man dem gleich grofsen
Stück in der Gegend von Döbeln 30 Scheffel zumuten
konnte \). Solange der Ackerbau keine Störung erlitt, wurde
auch dem auf minderwertigem Boden Ansässigen die Ab-
führung seines Magazingetreides nicht schwer, im Kriege
jedoch war die Sache mit einem Schlage anders, denn jetzt
brachte der an und für sich dürftige Boden infolge der Ver-
wüstungen erst recht wenig ein. Da nun der Feind sich bei
seinen Kontributionen vor allem nach den vorhandenen Ka-
tastern richtete und zudem aufserordentlich hohe Forderuno;en
stellte, so mufste der auf dürftigem Boden Ansässige den
Mangel an Relativität in der Hufenbesteuerung ganz be-
deutend empfinden. Prinz Xaver, der von 1763 — 68 das
Land als Administrator regierte, hoffte diesen Mifsstand
durch eine Landesvermessung-) in grofsem Stile aus der
Welt zu schaffen. Allein es wurden nur die Ämter Gi'üllen-
burg und Schulpforta vermessen. Der Fortgang des Werkes
scheiterte an den hohen Kosten "'). Immerhin ist es mit
Freuden zu begrüfsen, dafs eine Revision der Flurbücher
vorgenommen wurde, wobei man ganz besonders auch die
Qualität des Bodens beachtete. Ein Hauptverdienst an diesem
Werke hat der bekannte Satyriker Rabener, der damals als
Obersteuersekretär in Dresden wirkte.
Ich möchte an dieser Stelle auch einen dritten Übel-
stand nicht unerwähnt lassen, der die ländliche Bevölkerung
beschwerte, wenigstens die unter der Hoheit eines kurfürst-
lichen Amtes stehenden Bewohner, die sogenannten Amts-
sassen "*). In der Hand des Amtmannes lag nicht nur die
Bewirtschaftung der Domäne, sondern auch die Justiz pflege
des Amtsbezirkes. Ihm war es als Pachter natürlich
darum zu tun, möglichst leicht die Pachtsumme zu verdienen,
einen möglichst hohen Gewinn aus der Doppelstellung heraus-
zuschlagen. Waren die Erträge der Landwirtschaft schlecht,
so fand er in seinem Justizamte eine Hilfsquelle, denn sie
brachte ihm Strafgelder, Sportein usw. ein. Er brauchte nur
mit gröfserer Peinlichkeit auf Erfüllung der Paragraphen zu
achten, und die Einnahmen mehrten sich. Das Spionieren
und Schikanieren der Untertanen wurde besonders schlimm.
M HStA. Dresden Loc. 6192, Landtagsakten 1766 Vol. VIT
fol. 390 b ff.
-) Ebenda Loc. 6190, Landtagsakten 1766 Vol. II fol. 525 und
ebenda Loc. 61 91 Vol. III fol. 26.
»j Ebenda Vol. V fol. 162 fif. und Vol. VI fol. 23 ff.
■*) Ebenda Loc. 6190, Landtagsakten 1766 Vol. II fol. i6b.
Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges. 8?
wenn der Amtmann der Justizpflege selbst nicht kundig war,
denn dann setzte er einen Gerichtsverweser ein, und dieser
war nicht weniger auf seinen Nutzen bedacht, als sein Brot-
herr, Gegen solchen Unfug war schon auf früheren Land-
tagen Beschwerde geführt worden, aber nie war es mit
solchem Nachdruck geschehen, als 1763 und 1766. Jetzt
hatten sich die Klagen verdichtet und es trat eine Änderung
ein. Immerhin gingen noch mehr als zehn Jahre ins Land,
ehe der Wunsch der Stände erfüllt wurde. Nachdem 1780
im Amte Zwickau mit der Trennung der beiden Funktionen
begonnen worden war, führte man sie 1793 allgemein durch.
Dem Amtmann verblieb ledigHch die Bewirtschaftung des
Gutes, mit der Gerichtspflege wurde ein besoldeter Justitiar
betraut, der aber auch mit Erhebung der Sportein nichts zu
tun hatte.
Dienten die eben genannten Reformen vor allem der
Erleichterung des Bauers, so wddmete man andererseits durch
Unterstützung von Handel und Gewerbe auch dem Städter
seine Fürsorge. Wohl verdanken die Ideen, die dabei als
Richtschnur galten, ihre Entstehung bereits der Zeit vor dem
Kriege, ihre Verwirklichung aber ist sicher durch die allge-
meine Notlage beschleunigt worden. Da errichtete man, vim
den kursächsischen Waren im Auslande wieder Ansehen zu
verschaffen, in den gröfseren Städten „Beschauanstalten"'),
wo die Erzeugnisse vor ihrem Export erst auf ihre Güte
hin untersucht wurden. Eine Ökonomie-, Manufaktur- und
Kommerzdeputation trat ins Leben, die ihre Gedanken ,,zur
Volksreichmachung" in dem ,, Intelligenzblatte" niederlegte.
Durch eine mit Preufsen im Jahre 1766 abgeschlossene
Handelskonvention wurde den sächsischen Kaufleuten der
Besuch der preufsischen Messen erleichtert. Mit besonderer
Freude begrüfste der Negotiant 1764 die Reform der Akzise'-),
jener Steuer, die seit ihrer Entstehung Anlafs zu ,, lästigem bruit"
gegeben hatte. Es gab wohl kaum einen Artikel, der ihr
nicht unterworfen gewesen wäre; was aber die Gemüter vor
allem erbitterte, das waren die Ungehörigkeiten, die sich die
Akzisebeamten gestatteten. Sie bezogen nur ein spärliches
Gehalt, hatten aber dafür das Anrecht auf alle Kontrebande,
sofern sie nicht über einen Taler wert war. Diese Anwart-
schaft steigerte den Eifer der Einnehmer und Visitatoren.
Die Waren wurden an den Toren gründlich durchsucht, der
') HStA. Dresden Loc.Gigi, Landtagsakten 1766 Vol III fol.452 ff.
"-) Cod. Aug. II, 1971.
88 Oskar Hüttig:
Händler aul seiner Reise lange aufgehalten. Die „Akzise-
plackereien" mehrten sich, als Graf Hennicke 1750 die Ver-
pachtung der Akzise einführte. Wer von auswärtigen Ne-
gotianten irgend konnte, mied die sächsischen Märkte^). Es
blieben die böhmischen Spitzenhändler weg, sie legten ihre
Waren in den akzisefreien schönburgischen Städten Glauchau,
Lichtenstein, Hohenstein zum Verkaufe aus -). Die Kauf leute
von xA-Itenburg und Gera, die bisher ihre schweren Waren,
wie Tran, Farbe, Syrup und Holz aus Leipzig bezogen hatten,
deckten fortan ihren Bedarf in Magdeburg"^). Da war es
geradezu eine Erlösung, dafs am 1. Januar 1764'*) die
Generalakzis - Hauptpachtung durch ein Reskript Xavers fiel,
der Akzisetarif vereinfacht, den Beamten aber alle Aus-
schreitungen gegen die Kauf- und Fuhrleute verboten wurden.
Der Erleichterung im Abgabewesen trat die Besserung der
Verkehrswege helfend zur Seite. Man dachte freilich, als
man dies auf dem Landtage von 1766 beschlofs, in erster
Linie daran, im Falle der Not auch die getreidearmen
Gegenden schnell mit Korn versorgen zu können ''). Das war
bisher erschwert gewesen, und manchmal hatte das Gespenst
der Hungersnot vor den Toren der Städte des Gebirges ge-
standen. Nun ging man, unterstützt von den Hand- und
Spanndiensten der Bevölkerung, an die Arbeit. Man baute
vor allem die Reitzenhainer Heeresstrafse und die Koburger
Chaussee**) aus, und ermöglichte damit einen leichten Zugang
vom fruchtbaren kursächsischen Niederlande in den gebirgigen
Süden.
Sachsen war nach dem Kriege infolge seiner hohen Ver-
schuldung im Ansehen des Auslandes tief gesunken. Wenn
es dem erschöpften Staate trotzdem gelang, in verhältnis-
mäfsig kurzer Zeit das verlorene Vertrauen wieder zu ge-
winnen, so lag das ganz besonders an der Gründung des
Steuerkreditkassenwerkes '). Es war ein Amortisations-
fond, gebildet aus „den klarsten und bereitesten Einkünften"
des Landes und dazu bestimmt, jährlich 11 Tonnen Goldes,
1) HStA. Dresden Loc 6192, Landtagsakten 1766 Vol. VII fol.198.
-) Ebenda fol 224 — 226.
3) Ebenda Vol. III fol. 452 ft".
*) Cod. Aug. (III) 1045.
■'') HStA. Dresden Loc. 43, Landtagsakten 1766 Vol. VI fol. 146 f.
•^) Ebenda fol. 147 b.
''l Beaulieu Marconnay, Der Hubertusburger Friede S. 108,
114. HStA. Dresden Loc. 6191, Landtagsakten 1766 Vol V fol. 21
und 40.
Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges. 89
d. h. I 100 000 Taler, an die Staatsgläubiger abzuführen. Ein
Teil dieses Geldes wurde zur Tilgung der ausgelosten Schuld-
kapitalien, der andere zur Verzinsung der nicht ausgelosten
Gelder verwandt, die in der Obersteuereinnahme, der da-
maligen Hauptsteuerbehörde Sachsens, verblieben.
Auf diese Weise waren von den 28 Millionen, die 1763
als Staatsschuld bestanden, im Jahre 1780 bereits 5 MiUionen,
bis 1807 aber 19 Millionen bezahlt, und die sächsischen
Staatspapiere, die 1756 gar keinen Kurs gehabt hatten,
standen 1769 bereits auf 65, 1789 aber pari'). Ob es zu
dieser segensvollen Einrichtung ohne den Krieg gekommen
wäre, bezweifle ich; sie ist entstanden auf die Initiative
König Friedrichs II. von Preufsen hin, der in der Absicht,
seine Landeskinder zu schützen, die Geld in der Ober-
steuereinnahme stehen hatten, ausdrücklich im Hubertusburger
Frieden die Gründung eines solchen Fonds verlangte.
Es war natürlich, dafs dvnch das Kreditkassenwerk die
Steuerkraft des verarmten Landes aufserordentlich angestrengt
wurde. Aber auch dies führte zu einem guten Ende. Be-
kanntlich lastete der Steuerdruck nicht auf allen Bewohnern
gleichmäfsig. Es gab viele, die sich der Steuerprivilegien
erfreuten. Dazu gehörte neben der Geistlichkeit -) in erster
Linie der Adel^). Jetzt rief die Not. Es liegt nahe, anzu-
nehmen, dafs unter diesem Drucke endlich einmal die Vor-
rechte aus der Welt geschafft worden wären. Davon war
man weit entfernt. Die ,, Immunität der Ritterschaft darf
nicht verletzt werden"*), war noch 1766 allgemein aner-
kannter Satz, er blieb bestehen. Aber etwas anderes trat
ein, was einer Ausgleichung der Standesunterschiede nahe
kommt. Es wurde, um ,,das Armut" möglichst zu schonen,
eine Steuer gegründet, die nicht mehr die Privilegierten aus-
schlofs, sondern ,,von eines jeden Amt, Stand und Charakter"
erhoben wurde, die sogenannte Personensteuer''). Ihr
unterwarf sich auch der Adel. In der Personensteuer war
eine Brücke geschaffen zwischen den Ständen, und ihr
Schöpfer war nicht, wie wir es 1789 in Frankreich erleben,
die Revolution, sondern das Elend des Krieges. In diesem
*) Böttiger-Flathe, Geschichte Sachsens II, 536 tf.
-) Römer, Staatsrecht des Kurfürstentums Sachsen II, 569,
583, 585, 598.
ä) Ebenda.
^) HStA. Dresden Loc. 36303, Akten des Landtags 1763 betr.
■') Römer II, 587 und HStA. Dresden Loc. 6191, Landtags-
akten 1766 Vol. y fol. 37 und 37 b.
QO Oskar Hüttig:
Erfolg sehe ich die soziale Bedeutung des Siebenjährigen
Krieges für Sachsen.
Eine Hauptsorge der Territorien des i8. Jahrhunderts
war die Peuplierung, d. h. das Bestreben, die Einwohner-
zahl möglichst zu erhöhen. Das geschah gewöhnHch dadurch,
dafs man im Auslande unter den Handwerkern, den Manu-
fakturisten und Ackerbauern warb, ihnen Steuererlafs, bez.
auf eine Reihe von Jahren Steuerfreiheit versprach. Man
trug aber weniger Sorge, einen Bevölkerungszuwachs aus
dem Innern des eigenen Landes, vielleicht durch sanitäre
Mafsnahmen, zu fördern. Wiederum war es die trübe Er-
fahrung des Krieges, die auf dieses wichtige Peuplierungs-
mittel das Augenmerk lenkte. Dafs die Bevölkerung Sachsens
von 1756 — 63 von i'/.2 Millionen auf i^/^ Millionen herabsank,
daran waren vor allem die verheerenden Seuchen schuld, auf
die man nicht gerüstet war. Um die Sterblichkeit der Säug-
linge zu verhindern, achtete man von jetzt an mehr als
früher auf die Tätigkeit der Hebammen ^). Man verlangte,
keine solle ihr Amt ausüben, die nicht vor dem Kreis-
physikus eine Prüfung abgelegt habe. Man schlug die
Gründung von Findelhäusern vor -j, um auch die unehelichen
Kinder dem Staate nicht verloren gehen zu lassen und dem
damals recht oft beklagten Abtreiben der Leibesfrucht wirk-
sam begegnen zu können. Man war für Verbreitung popu-
lärer medizinischer Schriften, z. B. der Wochenschrift des
Arztes Baldringer oder des ,,avis au peuple" des Schweizer
Arztes Fizot ■^). Freiherr v. Fritsch empfahl sogar die Aus-
setzung von Prämien für solche Eltern, die gesunde Kinder
zeugten und aufzogen. Er sagt: ,,Man sollte auf die Zahl
der Kinder, so das 10. Jahr erreichet, eine Freiheit (d, h.
Steuer-, Frohndenfreiheit) und Ehre setzen, um die Altern
nicht nur zur Erzeugung, sondern auch zur Erziehung an-
zufrischen" *).
Die allerwichtigste Gründung auf dem Gebiete der
Leibespflege blieb aber das Sanitätskolleg '^), eine Behörde,
die aus den kurfürstlichen Leibärzten, den Dekanen der
medizinischen Fakultäten und anderen ärztlichen Kapazitäten
1) Ebenda Vol. VI fol. 124b.
^) Zufällige Betrachtungen (1762) I, 74 iif.
"■) HStA. Dresden Loc. 61 91, Landtagsakten 1766 Vol. VI
fol. 124 b und 125 b.
*) Zufällige Betrachtungen (1762) I, 76.
■'•) HStA. Dresden Loc. 6190, Landtagsakten 1766 Vol. II
fol, 132 ff".
Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges. gi
bestand und die Prüfungen der Ärzte und ärztlichen Prakti-
kanten abnahm. 1765 wurde sie gestiftet, 1768 eröffnet.
Sie hat sehr segensreich gewirkt, ganz besonders auch im
Kampfe gegen den Aberglauben, die beste Stütze der Quack-
salbereien.
Damit war die Fürsorge für das Leibeswohl der Unter-
tanen geweckt. Es bedurfte des weiteren, einen gesunden
Sinn in den gesunden Körper zu legen. Auch dazu war
reiche Veranlassung gegeben.
Freiherr v. Fritsch schreibt'): ,,Der Krieg hat eine
wilde Heftigkeit und Ungezogenheit in allen Ständen hervor-
gebracht, welche zu tilgen und die Menschen sittsam zu
machen, es gröfste Kunst erfordern wird". Roheit und
Müfsiggang hatten ihren Einzug gehalten. Es mangelte nicht
an Bettlern, Dieben und Marodeuren. Jetzt wurden in den
bestehenden Armenhäusern von Torgau und Waldheim-) Ar-
beitsabteilungen eingerichtet zur Aufnahme alles lichtscheuen
Gesindels. Von jetzt ab, und das war besonders wichtig,
lenkte man die Blicke auf die Anstalt, die bisher das Aschen-
brödel unter den Kulturträgern gewesen war, auf die Volks-
schule. ,,Ein für allemal Hegt der Grund des Wohlstandes
einer Republik lediglich in den Schulen verborgen"'^), das
war die Überzeugung der Männer, die an der „Wiederauf-
helfung des Landes" arbeiteten. Sie erkannten aber auch,
dafs vieles anders werden müsse, wenn die Schule diese
hohe Mission erfüllen sollte. Wer waren denn die Lehrer,
denen bis dahin die kleinen Geister anvertraut wurden? Be-
diente, invalide Soldaten, mitunter Leute, denen der Verkauf
von Tabak, Kaffee und Branntwein'*) mehr am Herzen lag
als die Jugendbildung. Und warum? Es brachte mehr ein.
Mit der Besoldung stand es ganz kläghch. Der Schulmeister
hatte zunächst einen unbedeutenden Naturalbezug. Er war
im übrigen auf die Schulpfennige angewiesen, die die Kinder
allwöchentlich mitbrachten. Zur Sommerszeit konnte er bis-
weilen vor leeren Wänden dozieren, denn viele Eltern hielten
das Geschäft des Viehhütens für wertvoller für ihre Kinder,
als das leidige In -die -Schule -gehen. Der Grund dieser
Mifsstände lag in dem Mangel an staatlicher Aufsicht. Die
Schule gehörte vor das forum ecclesiasticum, sie war Sache
^) Zufällige Betrachtungen III, 9.
■^) HStA. Dresden Loc.öigi, Landtagsakten 1766 Vol.VIfol. 151 ff.
'■^) Ratsarchiv zu Leipzig, Akten des Landtages 1763, IV.
*) HStA.Dresden Loc. 61 92, Landtagsakten 1766 Vol. VII fol 196b.
Q2 Oskar Hüttig:
der Kirche. Der Superintendent war der Schulherr. Er war
zugleich ihr oberster Richter, der sich von der weltlichen
Obrigkeit keine Vorschriften machen liefs. Bei dem Mangel
an einheitlicher Führung war eine allgemeine Hebung des
geistigen Niveaus nur schwer möglich. Der Staat mufste die
Leitung der Volksschule in seine Hand bekommen, wenn die
Kinder zu arbeitsamen, tugendhaften Bürgern erzogen werden
sollten. Der Stand, der am meisten für die Hebung der
Elementarschule und für ihre Verstaatlichung eintrat, war der
Adel. Die Ritterschaft sagt in einer Eingabe'): ,,Der Staat
hat zu wenig Gewalt in den Schulen. Schulen gehören ohn-
streitig nach gesunden politischen Prinzipiis unter die Polizey-
aufsicht. Haben die Clerici solche seither gehabt, so ist es
aus dem Grunde geschehen, weil in dem Pabstthume die
Geistlichen sich nur auf den Unterricht der Jugend gelegt
haben". Und in dem Kommissionsbericht zur ,, Wiederauf-
helfung des Landes" -) heilst es: ,,Soll die Schule gehoben
werden, so mufs vor allem der weltlichen Obrigkeit mehr
Disposition zugestanden werden. Die weltliche Obrigkeit hat
hierbei allezeit die Ehre und den Vorzug, wenn es auf das
Geldgeben ankommt. Braucht man aber dessen nicht mehr,
so ist der Herr Superintendent oder Pastor loci Herrschaft
genung, dem Staate die Ehre juris patronatus streitig zu
machen". Der Zentralismus des absolutistischen Herrscher-
tums hat nicht durchweg günstig gewirkt auf die Entwicklung
der einzelnen Gebiete. Aber im Volksschulwesen ist es
zweifellos unter der staatlichen Oberaufsicht vorwärts ge-
gangen. Wenn auch ,,die systematische Unterweisung guter
Schulleute" in Seminarien bei uns erst in den letzten Jahr-
zehnten des i8. Jahrhunderts begann und der Schulzwang
noch viel später geregelt wurde, so reichen die Ideen dazu
doch weit zurück. Die allgemeine Verrohung des Krieges
hat sie gefördert.
So regte man nach 1763 auf allen Gebieten des inneren
Lebens Geist und Hand. Man versäumte schliefslich auch
nicht, die Aufwärtsbewegung gegen äufsere Feinde zu sichern,
man begann das sächsische Heer'^) zu reorganisieren.
Wir sehen davon ab, die Augmentationen*) aufzuzählen,
die in den einzelnen Truppenteilen vorgenommen wurden,
0 Leipziger Ratsarchiv, Landtagsakten 1766, IV.
-j Ebenda.
^) HStA. Dresden Loc. 6190, I.andtagsakten 1766 \'ol. 11 fol. 300.
*) Ebenda Vol. I fol. 573, 591.
Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges. g^
wichtiger als die Verstärkung dünkt uns die Veränderung
des Truppengeistes, die jetzt angestrebt wurde. Der säch-
sische gemeine Soldat war verachtet von Bürger und Bauer \).
Das lag einmal an der niedrigen Stellung, die er im Zivil-
leben bekleidete, und zweitens an seiner Herkunft. Ein grofser
Teil der Mannschaften war im Auslande geworben, es waren
Leute oft von dunkler Vergangenheit. Was aus dem Inlande
stammte, gehörte zu den tiefsten Schichten der Bevölkerung^).
Ungelernte Manufakturisten , also Handarbeiter, überzähhge
Bauerssöhne und Schift'sknechte , das waren in der Haupt-
sache die Berufe, in denen von den Gemeinden geworben
wurde. Es läfst sich denken, dafs die von der Aushebung-
befreiten Stände, wie Manufakturisten, Kaufleute, Handwerker,
Offizianten des kurfürstlichen Dienstes, selbständige Bauern,
mit Verachtung auf die Landesverteidiger herabsahen. Dazu
kam, dafs die Rekruten im Dienst oft unwürdig behandelt
wurden. Der Korporalstock spielte eine grofse Rolle, um die
zusammengewürfelte Masse an Disziplin zu gewöhnen. Und
hatte einer seine Zeit gedient, dann winkte ihm wohl, falls er
Handwerker war, die Quatemberfreiheit, d. h. Befreiung von
der Gewerbesteuer, die Mehrzahl ging einer ungewissen Zu-
kunft entgegen, und bettelnde Soldaten waren nichts Seltenes.
Von einer solchen Truppe konnte eine feste Widerstandsfähig-
keit nicht verlangt werden ; sie kämpfte des Soldes wegen. Sie
bestand aus Mietlingen. Das einzige, was ihr noch Halt ver-
leihen konnte, war ein tüchtiger Feldherr, was durch die
Person Wallensteins, bez. Friedrichs des Grofsen bewiesen
wird. Wo der einflufsreiche Heerführer fehlte, war das Werbe-
heer unzuverläfsig. Alle Patrioten Sachsens stimmten nach
den schhmmen Erfahrungen des Krieges darin überein, dafs
das Heer von Patriotismus durchdrungen sein müsse, v. Fritsch
sagt"^): „Man fordert jetzt blofs Tapferkeit von Menschen,
welche wider Willen, bei schlechtem Gehalte und fremder
Versorgung unter einer harten Zucht stehen. Dergleichen
Mietlingen aber trauten die Römer, und ich glaube mit Recht,
das wenigste zu. Mit was für kleinen Armeen von patriotisch
denkenden und nur jahrweis geworbenen Bürgern schlugen
die Römer ungeheure Mengen von Barbaren !" Wir sehen,
er wünscht, die Kriegführung möge ein Vorrecht der Ein-
gesessenen werden. Und diese Meinung teilten viele andere
1) Briefe über Sachsen vun einem Reisenden (1787) S. 76 ff.
-) HStA. Dresden Loc. 6190, Landtagsakten 1766 Vol. II fol. 300.
'^) Zufällige Betrachtungen II, 70.
QA Oskar Hüttig: Die Segnungen des Siebenjährigen Krieges.
mit ihm. Xaver ^), der Administrator, sagt in einem Reskript
an die Stände: „Die Landeseinwohner sind gehalten, durch
ihre Person zur Vertheidigung des gemeinen Vaterlandes zu
konkurrieren". Ja, auch das Konsil, das wegen Mangel an
landwirtschaftlichen Arbeitern die Werbung im Auslande bei-
behalten möchte, hebt hervor, ,,dafs Untertanen sich der Ver-
bindlichkeit, zur Verteidigung des Vaterlandes sich ge-
brauchen zu lassen, nicht entstehen können" -). Dafs wirkhch
ein Zurückdrängen der Ausländer erfolgte, beweist die Mit-
teilung eines preulsischen Offiziers, der 1787 unser Land be-
reiste'^). Er sagt: ,,Wohl sind die Soldaten von Bürgern
und Bauern nicht so geachtet als in Preufsen, aber es sind
fast nur Landeskinder. Kaum 6 Prozent sind Ausländer".
Am besten gelang die Durchführung des Indigenats im
Offizierskorps. Und wie hatte gerade hier unter Friedrich
August L und II. die Ausländerei geblüht ! Die Stände
wünschten 1763, ,,dafs künftighin keine anderen Subjekta als
qualifizierte Landeskinder dem Corps des cadets", also der
Vorschule für Offiziere, ,, eingereiht werden sollten", und
Xaver willfahrte diesem Ansuchen, indem er versprach, die
Offiziersstellen lediglich ,,mit würdigen Va.sallensöhnen" *) zu
besetzen.
So entwickelte sich durch Verstärken des vaterländischen
Elementes das Werbeheer immer mehr zu einem Volksheere,
der Soldat stieg im Ansehen, der Patriotismus wurde sein
starker Hort im Kampfe.
Nach alledem läfst sich nicht leugnen, dafs Kursachsen
nach 1763 tatsächlich im Zeichen der Aufwärtsbewegung
stand. Das Morsche, das dem Staatskörper anhaftete, war
unter den Stürmen des Krieges vernichtet worden und die
Neubildungen vermieden jene Schwächen. Aber trotz der
reinigenden Kraft, die schliefslich jedem Kriege innewohnt,
wäre es nicht zu den segensvollen Reformen gekommen, die
wir kennen lernten, wenn nicht gerade damals erleuchtete
Männer an der Spitze standen, die auf ein opferfreudiges
patriotisches Volk bauen durften.
») HStA. Dresden Loc. 6190, Landtagsakten 1766 Vol. II fol. 91 ff.
2) Ebenda Vol. I fol. 591.
'•^) Briefe über Sachsen von einem Reisenden S. 69 ff.
^) HStA. Dresden Loc. 6191, Landtagsakten 1766 Vol. III
fol. 231b.
V.
Neue Beiträge zur Charakteristik
des Generals v. Thielmann.
Von
K. Haebler.
Die im Jahre 1894 erschienene Biographie des Generals
Thielmann von H. v. Petersdorff hat den Versuch gemacht,
denselben darzustellen als einen Vorkämpfer für die Idee
eines unter Preufsens Führung geeinigten Deutschland, und
es ist verständlich genug, dafs der Verfasser aus dieser Auf-
fassung heraus dazu gelangt ist, einen fast uneingeschränkten
Panegyrikus auf seinen Helden zu schreiben. Seine Auffassung
ist, sofort nach dem Erscheinen des Buches, nicht ohne
Widerspruch geblieben. Allein da Petersdorff auf ein um-
fängliches und schwer zugängliches Aktenmaterial sich stützen
konnte, seine Gegner aber neue Quellen in umfänglicherer
Weise zu erschliefsen bisher nicht in der Lage gewesen sind,
so hat eine quellenmäfsige Berichtigung und Widerlegung
seiner Auffassung bis jetzt nicht erfolgen können. Ganz neuer-
dings ist nun aber solches Material in beträchtlichem Umfange
aufgefunden worden.
Die Kgl. Öffentliche Bibliothek zu Dresden besafs, wie
bereits bekannt war, schon in dem Böttigerschen Briefwechsel
eine Anzahl Schreiben des Generals, von denen eines auch
in den Dresdner Geschichtsblättern veröffentlicht worden ist.
In dieser Korrespondenz stehen aber naturgemäfs die ästhe-
tisch-literarischen Gesichtspunkte im Vordergrunde, so dafs
dieselbe für die Beurteilung der Stellung des Generals zu den
welterschütternden Ereignissen seiner Zeit, in denen er selbst
^6 K. Haebler:
eine so wesentliche Rolle zu spielen bestimmt war, kaum in
Betracht kommt. Die Kgl. Bibliothek besitzt aber nun noch
eine zweite Briefsammlung aus jener Zeit, in welcher Thiel-
mann stark vertreten ist. Es ist dies eine Sammlung von
Korrespondenzen, Abhandlungen und Aktenstücken, welche
dem Nachlasse des im Jahre 1828 verstorbenen Geheimen
Rates und langjährigen Zeremonienmeisters, des Barons Wil-
helm v. Just, entstammen und als Geschenk von dessen Neffen,
dem Hauptmann Oskar v. Lindemann, im Jahre 1860 der Kgl.
Bibliothek mit der Bestimmung übergeben worden sind, dafs
sie zunächst für eine bestimmte Frist der allgemeinen Be-
nutzung noch entzogen bleiben sollten, die aber nunmehr
allgemein zugänglich geworden und zu diesem Zwecke im
einzelnen für die Bibliothek katalogisiert worden sind.
Dabei stellte es .sich heraus, dafs die Sammlung nicht
weniger als 42, zum Teil umfängliche und für den Schreiber
im höchsten Mafse charakteristische Briefe des Generals selbst,
je einen von seiner Frau und von seiner Schwägerin Caroline
V. Charpentier, ferner die Konzepte von einer zwar kleinen
Anzahl von Briefen an ihn, aber gerade nur von solchen, die
eine erhebliche Wichtigkeit besitzen, und endlich in den
übrigen der Sammlung einverleibten Schriftstücken eine Reihe
von höchst interessanten Beurteilungen Thielmanns von ver-
schiedenen seiner Zeitgenossen und die Abschrift einer Anzahl
von Dokumenten enthält, die sich auf einige wichtige Vor-
gänge aus der Zeit beziehen, in welcher Thielmann bereits
den sächsischen Dienst verlassen hatte, aber als Anführer des
sächsischen Truppenkontingentes in der Armee der Verbün-
deten mit seinem alten Vaterlande noch in engerer Berührung
stand.
Dieses schon seinem Umfange nach nicht unbeträchtliche
Material stellte sich nun bei näherer Untersuchung als in
mehrfacher Beziehung ganz besonders geeignet heraus, um in
dem Streite über die wahre Bedeutung Thielmanns verwendet
zu werden. Einesteils nämlich stammt mehr als die Hälfte der
einschlägigen Korrespondenzen aus der Zeit von 1806 — 181 1,
d. h. aus denjenigen Perioden in dem Leben des Generals, die
l)isher von seinen Biographen verhältnismäfsig am stiefmütter-
lichsten behandelt worden sind. Dabei lierühren die Briefe
gerade die Vorgänge, von denen wir sonst gut unterrichtet
sind, wie Thielmanns Kriegstaten im Jahre 1809, so gut wie
gar nicht, sondern sie beziehen sich fast durchgängig auf
private und dienstliche Verhältnisse interner Art, über die
man in den öffentlichen Dokumenten nur wenio; findet. End-
General v. Thielmann.
97
lieh aber, und darin liegt meines Erachtens der Hauptwert
des Materiales, besteht es durchweg- aus Briefen vertraulichen
Charakters, in denen alle Vorgänge und Persönlichkeiten
mit einer rücksichtslosen Offenheit behandelt und beurteilt
werden.
Alle Biographen Thielmanns, selbst Petersdorff nicht aus-
geschlossen, der sein Werk allerdings ,,ein Charakterbild aus
der napoleonischen Zeit" betitelt, haben bis jetzt bei der Schil-
derung des Generals den Schwerpunkt immer und immer wdeder
auf die tatsächlichen Vorgänge gelegt. Und doch wird man,
bei dem Widerstreit der Meinungen über den General, auf
diesem Wege unmöglich zu einer sicheren Beurteilung seiner
Handlungen gelangen. Um vollständig zu verstehen, wie
Thielmann dazu gekommen ist, so zu handeln, wie er es
getan hat, und um für seine Handlungsweise den rechten
moralischen Standpunkt zu gewinnen, ist es vielmehr unbe-
dingt nötig, zunächst die Charaktereigenschaften des Mannes
von den äufseren Vorgängen so unabhängig als möglich zu
erfassen und dann von diesem Standpunkte aus sich verständ-
lich zu machen, wie Thielmann zu seinem bekannten Vorgehen
gekoiiimen ist und welche Beurteilung desselben bei voller
Kenntnis von Thielmanns Charakter demselben gerecht wird.
Ein Beitrag zur Lösung dieser Aufgabe soll auf Grund
des erwähnten Materiales im ' folo^ enden versucht werden.
Die Freundschaft Thielmanns mit dem Baron v. Just war
nicht alten Datums. Thielmann selbst schreibt in einem Briefe
aus Warschau vom i8. August 1808: ich sehe nicht ein,
,, warum ich nunmehr nach meiner neuen Anstellung mein
ebenso freundschaftliches als patriotisches Vertrauen in Ihre
Person, welches seit nunmehr zwei Jahren vielleicht nicht
ohne Nutzen bestanden hat, auf einmal ändern sollte". Da-
nach kommen wir also für die Begründung der Freundschaft
auf die zweite Hälfte des Jahres 1806 und man wird kaum
irre gehen, wenn man annimmt, dafs der junge Major und der
Zeremonienmeister des kurfürstlichen Hauses ihre Bekanntschaft
unter den eigenartigen Umständen gemacht haben, unter denen
ersterer von dem Schlachtfelde von Jena aus als Bote Napo-
leons an den Hof nach Dresden entsendet worden war. Die
ersten Briefe Thielmanns, die im Justschen Nachlasse erhalten
sind, datieren allerdings erst aus dem Juni 1807, allein sie tragen
die unverkennbaren Zeichen davon an sich, dafs sie keineswegs
erst die Einleitung eines freundschaftlichen brieflichen Verkehrs
bedeuten, sondern dafs sie der Ausflufs eines schon länger be-
gründeten vertraulichen Verhältnisses sind. Zunächst ist es
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. l. 2. 7
q8 K. Haebler:
jedenfalls wohl Thielmann gewesen, der in der Person des
Barons v. Just eine Stütze am Hofe gesucht hat, zu dem er
selbst als einfacher Rittmeister und als Spröfsling einer bürger-
lichen Beamtenfamilie keinerlei Beziehungen hatte, während
Just in seiner Stellung als Zeremonienmeister und um seines
rechtlichen und dabei doch versöhnlichen und vermittelnden
Charakters willen mit allen Parteien des Hofes auf einem
freundschaftlichen Fufse stand. Gewifs wird auch die Be-
geisterung für das französische Wesen und für die Persön-
lichkeit des Kaisers Napoleon nicht verfehlt haben, die beiden
Männer einander näher zu bringen, denn wie Thielmann zu
jener Zeit ein geradezu blinder Bewunderer des grofsen Korsen
gewesen ist, so hat auch Just, nicht nur in den Tagen franzö-
sischen Glanzes, sondern selbst noch in den Tagen bitterer
Not, und noch in dem letzten Augenblicke zu denen gehört,
die das Heil Sachsens von dem unbedingten engsten Anschlüsse
an Frankreich erwarteten.
Jedenfalls hat Thielmann bereits in der Zeit, aus welcher
seine ersten Briefe an Just stammen, diese Korrespondenz
dazu benutzt, um Einflufs auf die Entschliefsungen des säch-
sischen Hofes vor allem in Bezug auf persönliche Angelegen-
heiten zu gewinnen. Es ist eine Eigentümhchkeit Thielmanns,
dafs er, obwohl er mit Begeisterung Soldat war und obgleich
ihm für seine militärischen Talente und Verdienste allgemeine
Anerkennung nicht versagt worden ist, sich doch niemals inner-
halb der Schranken seines militärischen Berufes zu halten
wufste, sondern immer und immer wieder darüber hinaus sich
in Dinge mischte, die eigentlich Aufgabe der Diplomaten
waren, weil sie auf dem Gebiete der allgemeinen PoHtik
lagen. Wie er nach der Schlacht von Jena sich zu der
heiklen Mission erbot, mit Napoleon über das Schicksal der
sächsischen Truppen zu unterhandeln und diese Gelegenheit
höchst eigenmächtig dazu ausnutzte, seine Mission in eine rein
diplomatische zu verwandeln, die den Anschlufs der säch-
sischen Regierung an das napoleonische System zum Ziele
hatte, so hat er avich in der Folgezeit in allen Lagen seines
Lebens es niemals vermocht, seine mannigfaltigen Aufgaben
und Stelluno-en nur als Militär und vom rein militärischen Stand-
punkte aus aufzufassen, sondern er hat immer innige Fühlung
mit der Diplomatie gesucht und derselben allenthalben mit
eigener Einmischung in die politischen Angelegenheiten ins
Handwerk gepfuscht. Das ging so weit, dais man endlich
bei ihm die Absicht vermutete, er wolle in die diplomatische
Karriere einlenken. Als er im Jahre 1810 von seiner Reise
General v. Thielmann.
99
nach München, von der weiterhin die Rede sein wird, zurück-
kehrte, schrieb der Geh. Finanzrat v. Manteuffel am 3. Juli an
Just, der damals als interimistischer Gesandter in Paris weilte:
,,Fast scheint es mir, als ob unser Freund Thielmann eine
diplomatische Anstellung wünsche, freilich aber wohl lieber
im südlichen Deutschhmd als im Norden (es war zuvor von
dem Petersburger Posten die Rede). Auch diesem kann ich
hierin nicht beistimmen".
Nach dem überraschend erfolgreichen Debüt im Oktober
1806 behielt denn Thielmann auch während des Feldzuges nach
Preufsen im Jahre 1807 die diplomatischen Angelegenheiten
fest im Auge , und der Baron v. Just war der Kanal , durch
welchen er seine inoffiziellen Beobachtungen an den Hof ge-
langen liefs. Schon auf dem Marsche von Danzig gegen
Friedland empfiehlt er dem Baron v. Just dringend, in einem
Brief vom i.Juni 1807, sich dafür zu bemühen, dafs man am
sächsischen Hofe sich nicht karg verhalte in der Austeilung
des sächsischen Ordens an französische Offiziere. ,,Die Fran-
zosen machen kein Geheimnifs, ihn zu erwarten und zu wün-
schen, es ist jetzt die manie de rubans et de crachats, Uebrigens
wie kann man sich wohlfeiler die Menschen verbindlich machen?"
Und weiterhin noch einmal: „So scheint mir doch, als wäre
es für das Verhältnifs der Truppen sehr vortheilhaft, auch an
das Korps, in welchem wir dienen, an von unserem Hofe zu
bestimmende Personen einige Orden zu vertheilen, um so mehr,
da man mir mit dürren Worten gesagt hat, man würde sich
äufserst geschmeichelt fühlen". Und nachdem nach der Schlacht
von Friedland schon einiges in dieser Richtung geschehen
war, kommt er doch schon unter dem 23. Juni wieder auf die
Sache zurück. ,,Der General hat heute dem Könige geschrieben,
an die drei Obersten Dommiere, Fournier d'Albe und Guichard
den Orden zu geben; können Sie dazu etwas beitragen, so
bitte ich drum, weil ich es als eine schuldige Erkenntlichkeit
ansehe"; und er fährt dann mit den höchst merkwürdigen
Worten fort: „Der General und ich, sowie Petrikowsky und
Schindler sind vom Marschall, wie er uns gestern selbst sagte,
zum französischen Orden empfohlen, den ich meiner
übrigen Verhältnisse wegen nur mit Widerwillen
annehmen werde, und alles anwenden werde, ihn
mit Fagon zu declinieren". Welche Verhältnisse dies
gewesen sein mögen, ist nicht recht verständlich; jedenfalls
entging Thielmann, wie bekannt, der Dekorierung nicht, und
er hat nachmals selbst minder wertvolle französische Aus-
zeichnungen mit freudiger Bereitwilligkeit angenommen.
7*
loo K.. Haebler:
Thielmanns Briefe aus den Jahren 1807 und 1808 er-
wecken ganz den Anschein, als wenn er die sächsischen Be-
ziehungen zu Napoleon so recht als sein eigenstes Werk
ansehe und sich dazu berufen fühle, über der Fortdauer dieser
Freundschaft zu wachen. Höchst bezeichnend dafür ist ein
Brief, den er am 15. Juni von dem Schlachtfelde von Fried-
land aus an Just gerichtet hat: ,, Auf dem Schlachtfelde mitten
unter 10 000 Leichen und Sterbenden nur einige politische
Worte .... Der Kaiser, glauben Sie mir, ist wegen Schlesien
böse auf uns. Ich weifs es durch sichere Hand, wovon ini
nächsten ein Mehreres. Nun denken Sie sich, dafs wir zur
Bataille ohne Artillerie und mit 130, schreibe 130 Mann an-
kamen, indem fünf Bataillone in Garnisonen verlegt sind (ein
wahres unverkennbares Zeichen der Ungnade) und von den
letzteren dreien wegen Auflösung aller Disciplin alles zurück-
geblieben oder gar desertiert war. Ich war zum Todschiefsen
bereit und Globig fiel, ein Opfer seiner Vaterlands- und Ehr-
liebe, aber — o Sachsens Glück! Diese 130 Mann schlugen
sich so brav, die Cürassiere und Dragoner zeichneten sich so
aus, dafs sie bemerkt und vielleicht alles vergessen wurde".
Der gleichen Stimmung entspringt es, w-enn er den Brief
vom 23. Juni mit den Worten schliefst: ,, Leben Sie wohl,
und machen Sie, dafs das Vaterland sein Glück benutze".
Ausführlicher kommt er auf die Ereignisse von Friedland
zurück in einem Briefe aus Warschau vom 26. November, in
welchem er schreibt:
„Erlauben Sie, dafs ich in meine Sphäre zurückkehre und
Ihnen von einer Angelegenheit rede, die mir über alles am Herzen
liegt. Hier ist die Geschichte . . . Als wir von Marienburg zur
Eröfthung des Feldzuges nicht marschierten, sondern flogen, blieb
der General v. Polenz aus zu entschuldigenden Gründen 1V2 Marsch
zurück. Ich legte öft'entlich und bestimmt meine Protestation da-
gegen ein, um meine Seele und meine Ehre zu retten. Aber man
blieb und ich folgte dem Marschall Lannes, und machte durch
unterlegte Ordonnanzen Anstalt, das Uebel so gut als möglich
reparieren zu können. Am Tage vor dem Uebergange über die
Passarie, war ich mit dem Marschall im Kaiserlichen Hauptquartier
und stand im Vorzimmer das Zeitungsblatt mit der traurigen
Stelle aus Schlesien les saxons ont lache pied, conduite d'autant
plus extraord. tt. Ich ging mit dem Marschall weiter, sein Be-
tragen gegen mich war verändert, Abends nahm mich sein Ad-
jutant jetzt General Thommiere, auf die Seite und unter Abver-
langung meines Ehrenworts, discret zu sein, vertraute er mir, der
Kaiser wisse das Zurückbleiben der Infanterie, soupconniere uns,
und wenn sie nicht nachkäme, wolle er uns zum T. jagen; er be-
schwor mich, sogleich Anstalten zu treffen. Halb todt vor Schreck
sprengte ich zu unsern Cürassieren und schrieb am Wachtfeuer
folgenden Brief an den General: Wenn Ihnen Ihre Ehre und das
General v. Thielmann. loi
Wohl unseres Vaterlandes lieb ist, so bitte ich Sie um Gottes willen,
soo;leich aufzubrechen, und expedierte den Graf Solms mit diesem
Briefe mit dem Auftrag, ehe er ihn übergäbe, im Lager General-
marsch schlagen zu lassen, und fiele sein Pferd, so stünde ich für den
Ersatz."
Und dafs er sich mit voller Überzeugung das Verdienst
zu gute rechnete, mit dieser Handlungsweise die französisch-
sächsische Allianz aufrecht erhalten zu haben, das geht aus
dem merkwürdigen Briefe hervor, in welchem er aus Lübben
unter dem 1 1 . Juni 1 8 1 1 seine Verdienste aufzählt und sich
über die geringe Anerkennung beklagt, die er gefunden habe.
„Als ich nach Jena durch einen muthigen Entschlufs den Kaiser
ohne allen Auftrag um Frieden bat und bestimmt die Armee rettete, . . .
was wurde mir dafür? — Verfolgung. . . . Als ich bei Friedland des
Königs Ehre rettete, denn ohne mich wäre kein sächsischer Schuis
bei Friedland geschehen, und die Truppen bestimmt vom Kaiser
zurückgeschickt worden, was habe ich erhalten? — nichts. Was ist
mir dafür geworden, dafs ich den feindseligen Davoust fast beschworen
habe? — abermals Verfolgung!"
Von den persönlichen Bemerkungen zunächst abgesehen,
leitet der letzte Satz schon über zu der nächsten Aufgabe,
welche Thielmann zufiel und die er abermals, wenn auch
wohl nicht im Widerspruche mit dem, was man von ihm er-
wartete, in hohem Grade zu einer politisch-diplomatischen zu
gestalten wufste. Nach dem Tilsiter Frieden wurden die säch-
sischen Truppen nach Polen dirigiert, das als wiederauf-
gerichtetes selbständiges Herzogtum dem König von Sachsen
überseben wurde. Als Oberbefehlshaber aller dort befindlichen
Streitkräfte wurde Davoust ernannt, der damit der unmittel-
bare Vorgesetzte des Generals Polenz wurde, dem Thielmann,
nachdem er während des Feldzugs sein Generalstabschef ge-
wesen war, nunmehr als Adjutant beigegeben wurde.
Wie Thielmann zu seinem General stand, dafür ist die
Episode aus der Schlacht von Friedland in seiner eigenen, oben
gegebenen Darstellung ein hinlänglicher Beleg. Natürlich war
man auf französischer Seite nach dem Vorhergegangenen mehr
auf Thielmann als auf Polenz aufmerksam geworden, und der
erstere liefs es sich redlich angelegen sein, diese persönlichen
Vorteile auszunutzen. Über sein erstes Zusammentreffen mit
Davoust enthalten Thielmanns Briefe an Just eine höchst eigen-
tümliche Episode. Es scheint, als ob anfangs Thielmann wirk-
lich mehr hinter den Kulissen als unmittelbar auf die Be-
ziehungen zu Davoust einzuwirken Gelegenheit gehabt habe.
Wenigstens schreibt er unter dem 21. Dezember aus Warschau:
„Ich bat ihn (Funk) nämlich, dem Marschall eine gute Idee von
Polenz beizubringen und dafs es ein Ehrenmann sei, damit der Mar-
I02 K. Haebler:
schall, der klar sieht und sich mit lakonischer Kürze bestimmt aus-
drückt, von Polenicens dunkel gedachten vuid noch verworrener aus-
gedrückten Ideen sich nicht möchte ganz abschrecken lassen, und
über den Redacteur nicht den ehrlichen Mann übersehen möchte.
Funk nahm es wohl auf, und fand es höchst noth wendig, hat aber
auf die sonderbarste Weise mich zu empfehlen für nöthig erachtet,
indem er Davoust bat, mich nicht zu verkennen, da ich ihm wahr-
scheinlich als ein prussien zele bekannt sein würde, worauf der Mar-
schall geantwortet haben soll, dafs aus den Vendeens und aus den
Blutmenschen die besten Diener entsprungen wären. Dafs mir Funk
dadurch hätte schaden wollen, mag ich nicht voraussetzen; denn da
ich zum Hierbleiben bestimmt zu sein scheine, so würde er den öifent-
lichen Verhältnissen am meisten geschadet haben; hat er mich aber
empfehlen wollen, so heilst es den Wald vor Bäumen nicht sehen, und
Funk weifs zu gut, dafs das nil admirari stets meine Sache gewesen
ist, wir wären sonst bessere Freunde; so war ich nie ein Preufse,
aber gewifs ein warmer Patriot, und so setze ich auch jetzt noch
den wahren Patriotismus darein, den Franzosen, denen es zu wissen
nöthig ist, durch alle Opfer zu zeigen, dafs Sachsen es treu und red-
lich meint, nicht aber suche ich den Patriotismus darin, durch lächer-
lichen Stolz oder durch Kriechen vor jedwedem der Nation noch die
letzte Achtung zu rauben. Mein Bestreben ist, würdevoll den Mittel-
weg zu suchen."
Über Thielmanns persönliche Beziehungen zu Davoust ist
schon von seinen früheren Biographen so viel geschrieben
worden, dafs ich davon absehen kann, aus der Justschen Korre-
spondenz weitere Belege dafür beizubringen, wie eng Thielmann
sich an den Marschall anschlofs. Dagegen lohnt es, mit seinen
eigenen Worten den Nachweis zu erbringen, wie auch hier
Thielmann über seine eigentliche Sphäre hinauszugreifen und
sich in die hohe Politik zu mengen bestrebt war.
Davoust selbst hatte nach Thielmanns eigenen Worten
erklärt, dafs seine Aufgabe in Polen eine ausschliefslich mili-
tärische sei und dafs er den inneren und den politischen An-
gelegenheiten gänzlich fern zu bleiben wünsche. Vielleicht
dürfte man diese Erklärung auch bei dem Marschall nicht
allzu wörtlich nehmen. Thielmann aber hatte jedenfalls auch
nicht einmal die Absicht, den politischen Angelegenheiten fern
zu bleiben, sondern ergriff bereitwillig jede Gelegenheit, sich
derselben anzunehmen.
Ich deutete schon an, dafs dieses Hinübergreifen in die
Politik nicht allein von Thielmann ausging. Das wird aller-
dings durch die Korrespondenz klar erwiesen. Schon seinen
Bericht vom 21. Dezember beginnt Thielmann mit den Worten:
,,Sie wollen übrigens meine Ansichten über unsere neuen Ver-
hältnisse hören, wohlan, ich benutze Ihre Erlaubnis". Ganz
besonders bezeichnend dafür sind aber zwei Briefe des Baron
von Just aus dem Februar 1808, der eine an den Grafen Bose^
General v. Thielmann.
103
den Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, der andere an
Thielmann selbst. Der erstere, von dem Just es für zweck-
mäfsig gefunden hat, das Konzept zu bewahren, lautet fol-
gendermafsen :
„Je crois, mon eher Comte, ne pas devoir vous laisser ignorer,
que sur une premiere lettre du Major Thielmann que j'avais regu par
la poste, et qui contenait quelques particularites, je lui ai ecrit que je
le priais de suspendre ces avis contidentiels (zu denen er ihn doch
selbst aufgefordert hatte!) du moins par cette voye sujette ä l'inspec-
tion. Dans l'intervalle de l'arrivee de cette lettre j'en ai recu hier de
Mr. Thielmann une seconde . . . ."
Hier gibt sich also Just den Anschein, als wenn er selbst
schon Thielmann darauf aufmerksam gemacht habe, dafs seine
politisch-vertraulichen Mitteilungen an ihn nicht recht am Platze
seien und besser unterblieben. Und nun höre man, was der-
selbe Baron v. Just unter dem 19. März an Thielmann schreibt,
^und zwar gleichfalls unter Einverleibung des Konzeptes in seine
Briefschaftensammlung: ,,Ihr mit interessanten Nachrichten
vertraulich gefülltes Paquet habe ich, bester Herr Major, durch
den Lieut. von Böse unversehrt erhalten und zur Mitteilung
derselben an den Grafen Marcolini heute meinen ersten
Ausgang gemacht .... Ich bin autorisiert, Ihnen folgen-
des zu antworten" usw., und darauf wird eingehend über
einzelne Punkte rein politischer Art Bericht erstattet, die in
dem gleichfalls vorhandenen Thielmannschen Schreiben, wel-
ches hier beantwortet wird, enthalten sind. Wenn man nun
in Betracht zieht, dafs sich der Graf Böse als Minister des
Äufseren eben nicht des sonderhchen Vertrauens der Franzosen
erfreute, und wenn man weifs, dafs auch Thielmann glaubte,
alle mögliche Ursache zu haben, sich über Böses Betragen
gegen ihn zu beklagen, so drängt sich unwillkürlich die Ver-
mutung auf, dafs Thielmanns Bestreben, sich auch auf poli-
tischem Gebiete zu betätigen, zwar offiziell nicht wohl gebilligt
werden konnte, insgeheim aber wurde er von anderen einflufs-
reichen Personen des Hofes geradezu ermuntert, in seinen
Mitteilungen fortzufahren.
Thielmanns Briefe aus Warschau an Just berühren nur
nebenbei die militärischen Angelegenheiten, In der Hauptsache
beschäftigen sie sich mit der sächsischen Politik in Polen und
spiegeln, allerdings in Thielmannscher Beleuchtung, den Ein-
druck wieder, welchen diese Politik auf die Franzosen und
besonders auf den Marschall Davoust machten mufste. Unter
diesem Gesichtspunkte erscheinen sie mir wichtig genug, um
etwas ausführlichere Mitteilungen aus denselben zu rechtfer-
tigen. Schon am 26. November, als Thielmann bei dem Ein-
lOA K. Haebler:
zuge König- Friedrich Augusts in Warschau zugegen gewesen
war, schrieb er: ,,Es ist jetzt ein höchst wichtiger Moment,
wie wir uns in Fohlen betten, so werden wir schlafen" . . .
Denselben Gedanken führt er dann unter dem 21. Dezember
weiter aus:
„In unserer beschränkten Lage Hegt unser Glück. Hinge
von unserm Selbsthandeln unsere Zukunft ab, so würde es nicht
so gut um uns stehen; dürften wir uns selbst betten, so würden
wir schlecht schlafen. Uebereilt haben wir uns nicht, das soll
uns Niemand schuld geben, aufser einem Präsidenten des Conseils,
des Gr. Gutakowsky (gewifs eine gute Wahl, nur zu alt), ferner
einigen senateurs, einem Ordensbande an Wilicky, einer Dose an
Malachowsky und einem pohln. Militaer- Kreuze an einen polnischen
Offizier auf Empfehlung des Marschall Davoust, obschon die von
Poniatowsky vorgeschlagenen Militär Decorationen noch alle in
suspenso liegen, ist heute, 8 Tao;e vor der Abreise, noch keine Spur
der neuen Regierung zu bemerken gewesen. Gr. B(ose) sagte mir,
diese Leute können nichts erwarten, und Gott habe doch 7 Tage zur
Schöpfung gebraucht! Aufser dem Vergleich liegt allerdings viel
Wahres darin! Unsere Hauptfehler Schemen mir hauptsächlich fol-
gende: I. Mangel an Muth, selbst zu handeln, 2. gänzliche Hingebung
an die Franzosen, ohne dabei gerade die rechten Leute zu menagieren,
3. zu viel Vertrauen in die Pohlen bei einem dennoch stolzen, von oben
herabsehenden Betragen gegen selbige, welches man gerade umdrehen
sollte, nämlich ihnen wenig trauen und sie dabei liebreich und zuvor-
kommend, aber mit Würde behandeln. Würden wir uns nun hier
gänzlich selbst überlassen, so könnte es nicht anders kommen, als
dafs bald sehr nachtheilige Folgen entstünden, gleichwie aber in
diesem militärischsten aller militärischen Zeitalter sogar gegen das
ohnmächtige Oesterreich eine Armee in Franken aufgestellt wird, noch
weit mehr wird Pohlen, diese Vormauer des occidentalischen Kaiser-
thums, dieser kritische Scheidepunkt zwischen den beiden Möglich-
keiten, gewifs der Gegenstand einer eifersüchtigen Aufmerksamkeit
Frankreichs in militärischer, bürgerlicher und politischer Hinsicht
bleiben. Unsere Fehler werden daher nichts anderes nach sich ziehen,
als weniger Rücksicht in den Formen. Was aber hierbei zu retten
wäre, das wäre immer der Mühe werth, nämlich unsere eigene Würde.
Gegen deren bisherige so ehrenvolle Behauptung scheinen mir hier
grofse Schnitzer vorgefallen zu sein, und hier mufs ich denn auf die
Geschichte des Tages übergehen. Voraus mufs ich schicken, dafs
den König die wenigsten meiner Tadel treffen, so hat er sich z. B.
durch seine Herablassung und Zuvorkommenheit aller Herzen ge-
wonnen, aber es ist den Polen, die Dresden recht gut kennen, nicht
entgangen, wie sehr es von unseren Gewohnheiten abweichen hiefs,
dafs der König auf den Ball des Marschalls am Krönungstage ging,
dafs er da soupierte, dafs die Prinzessin im Advent tanzte, und dals
es allerdings würdiger gewesen wäre, wenn man diesen Tag im Schlots
gefeiert hätte, welches dabei nicht ausschlofs, dafs sich der König
dennoch auf dem Ball zeigte. Bald hätte man sich noch weiter ver-
gessen, und den König dahin verleitet, dafs er übermorgen, an seinem
(Namens-) Tage, bei Bourgoing diniert und beim Marschall auf den
Ball gegangen wäre. Indessen ist dieses nicht geschehen, es ist aber
auch nicht geschehen, dafs der Minister oder Racknitz etwas gegeben
General v. Thielmann. 105
hätten, welches meines Erachtens schicklicher gewesen wäre, als den
Fremden alles zu überlassen, nämlich die Feier am Krönungstage,
sowie gleichfalls die Feier des Tages unseres Königs. So hat man
erst gestern die polnischen Generale gebeten, obschon die französi-
schen 3 Mal l>ei Hof gespeist haben, man führt hierbei die in Dresden
gewöhnliche Ordnung an, da man aber so häufig von derselben ab-
weichen mufs, wäre es denn da nicht besser gewesen, einmal eine
Wochentafel zu geben, um die neuen Unterthanen nicht 4 Wochen
lang in der Ungewifsheit zu lassen, ob ihnen je die Ehre, mit ihrem
Könige zu essen, widerfahren würde? In der Deferenz gegen die
Franzosen hat man sogar einen französischen Capitaine zur Tafel ge-
zogen, welcher als Courier, nicht etwa als Gesandter, die Ratificationen
vom Marschall Soult überbrachte."
Noch schärfer in derselben Richtung spricht sich Thielmann
am 29. Dezember aus:
„Die erste Scene unserer neuen Rolle ist nun vorüber, leider
aber kann und darf man sich nicht verhehlen, dafs der debut total
mifsfallen hat. Mein Herz ist voll Jammers, und wie ein schweres
Gewitter liegt die Zukunft vor mir! Was soll aus allen diesen Ex-
tremen werden? Ein verlassenes Land, eine in Gährung noch be-
griffene Nation, überall dringendes Bedürfnifs! Unsererseits: Hülf-
losigkeit, Verblendung, Ungewifsheit, — wir gleichen einem furcht-
samen Klavierspieler, der bei jedem Griff nach dem Lehrer sieht,
nun spät oder falsch greift, und so Takt oder Harmonie verfehlt.
Französischer Seits: Durchgreifende Herrscher-Ansichten! Ach, so
kann man die Worte des Apostels auf uns deuten: ihr seid den Polen
ein Aergernifs und den Franzosen eine Thorheit! Ich glaube mich
sicher überzeugen zu können, dafs der Marschall noch eine andere
Idee von uns gefafst hat, als wir wirklich verdienen. Der Marschall
schien es wirklich redlich mit uns zu meinen, und suchte besonders
des Königs persönliches Vertrauen ; der Minister (Böse) hat aus mir
unbekannten Gründen ganz dagegen gearbeitet, die Polen noch mehr,
Funk war der einzige, der es aus allen Kräften begünstigte, und da
dieser den ganzen Hof zum Feinde hat, so arbeitet auch ein jeder
seinen Ansichten entgegen. Man hat besonders dem König die Idee
beigebracht, dafs er die Polen verkenne. Nun mag der König in
den häufigen tetes ä tetes gegen Davoust zurückhaltend gewesen
sein, des Ministers nebulose Ideen haben jenes lakonische Klarheit
noch mehr zurückgestofsen , und daraus ist denn leider entstanden,
dafs der Marschall, zwar seine Schuldigkeit gegen den Souverain
nicht einen Augenblick vergessend, unserm König vielleicht nicht
einmal den Werth beilegt, den er verdient, mit allen unsern Wahlen
unzufrieden ist, und gar nicht verhehlt, dafs ungeachtet er sich nicht
in Administration mische, er es für seine Schuldigkeit halte, unsere
Unzulänglichkeit seinem Herrn darzustellen. Unter den neuen An-
stellungen sind einige erklärte französische Spione, welche diese
zwar brauchen, aber nicht achten, und noch weniger angestellt sehen
wollen. So sind wir denn aber den Franzosen eine Thorheit. Den
Polen hingegen sind wir ein Aergernils, weil sie zu klug sind, um
uns nicht mit einem Blick zu übersehen, unsere Rücksichten in jeder
Kleinigkeit wittern, und weil Mangel an Selbstvertrauen nie Achtung
verschafift Ach, Polen ist und bleibt für uns ein unseliges
Geschenk; es wäre für eine kraftvolle Regierung schon eine Aufgabe
io6 K. Haebler:
o;ewesen, geschweige denn für uns, die wir in Cautelen und halben
Mafsregeln untergegangen sind!
Um unsere Lage aber vollkommen verlassen zu machen, gehört
noch, dafs wir hier keine Seele haben, die wahrhaft in unserem
Interesse sei, keinen Beobachter, dem wir Vertrauen schenken können.
Es kann hier vorgehen, was da will, so hören wir es durch einen
französischen oder polnischen Bericht."
Mit gleicher Ausführlichkeit hat Thielmann allerdings
weiterhin seine Ansichten über die polnischen Angelegen-
heiten nicht wieder entwickelt; aber Urteile über einzelne
Personen und Vorgänge finden sich verstreut durch seine
ganzen, während des Warschauer Aufenthaltes geschriebenen
Briefe. Kein Mensch wird diesen Auslassungen den edlen
Freimut und einen gewissen Scharfblick für die schwachen
Punkte der politischen Lage absprechen wollen. Mit Recht
aber mufs es die gröfste Verwunderung erregen, dafs eine
derartig scharfe Kritik der höchsten und leitenden Persönlich-
keiten von einem einfachen Major, dem Adjutanten des mit
dem Befehl über das kleine sächsische Kontingent betrauten
Generales, an den Hof abgehen und dort gewürdigt werden
konnten, einer Persönlichkeit von dem Einflüsse des Grafen
Marcolini vorgelegt und in dessen Auftrage beantwortet zu
werden.
Es ist nur folgerichtig, dafs durch diese Verhältnisse die
Selbstüberhebung, die an sich schon hinlänglich aus den Worten
des Briefschreibers hervorleuchtet, in einer geradezu bedenk-
lichen Weise genährt wurde. Anfänglich, so lange Thielmann
in den Warschauer Verhältnissen noch nicht recht festen Fufs
gefafst hatte, bemühte er sich, wie aus seinen oben zitierten
Briefen hervorgeht, mit dem General Polenz auf einem mög-
lichst gruten Fufse zu bleiben. Auch so blieb freilich sein
Kommandeur nicht von seiner scharfen Kritik verschont. Bei
den mannigfachen Klagen über die DiszipHnlosigkeit der säch-
sischen Truppen schreibt Thielmann schon am 15. Juni 1807:
,,Der General und ich, wir sind über die Infanterie aufser
uns, ich wollte es zwar bald ändern, aber ihm fehlt dazu die
Jugend". Ähnlich, aber schon in einer schärferen Tonart
klingt es in dem Briefe vom 21. Dezember: „Was soll ich
bei einem General wirken, der selbst so gebunden ist, und
der, wäre er auch ungebundener, viel zu alt und schwach
ist, um nur die Maschine in gew^öhnlichem Gange zu erhalten,
geschweige denn bei deren Verfall auf Erhaltung hin zu
wirken". Der nächste Schritt war unausbleiblich, dafs ihm
die Tätigkeit unter diesem Kommandeur nicht mehr gut genug
war. ,, Meine ganze Thätigkeit beschränkt sich darauf", so
General v. Thielmann.
107
fährt er in demselben Briefe fort, „al]^ 14 Tage einen Rapport
an den König zu schreiben, wobei ich mir nebenbei die Frei-
heit nehme, über zu tolle Mifsbräuche meine Meinung laut zu
äufsern. Im Felde, ja da war es und ist es etwas anderes,
da konnte man durchgreifen, denn man war der Unterstützung
in Dresden gewifs, und da giebt mir auch mein Gewissen
das Zeugnifs redlich gewollt und vielleicht nicht ohne Nutzen
gewollt zu haben, hier aber bleibt nichts übrig als —
schweigen".
Für dieses Schweigen entschädigte er sich jedoch in
seinen Briefen nach Dresden, und je mehr er sich in seine
Rolle eines politischen Beraters des sächsischen Kabinetts
hineinlebte, desto schärfer wurden die Urteile über seine Um-
gebung. Am 10. März 1808 ist die Tonart schon eine ganz
andere geworden:
„Der General Polenz ist auf mich jaloux, dafs ich die unglück-
lichen Dosen auszutheilen empfangen habe, ungeachtet man ihm vor-
gestellt hat, dals dieses nicht das Geschäft eines Generallieutenants
sei, ferner weil mir der Marschall sein Zutrauen geschenkt, ungeachtet
ich dem General Polenz die Gründe recht gut auseinander gesetzt
habe, ferner weil er der einzige ist, der den Orden der Legion nicht
erhalten hat, welches Niemandem mehr leid thun kann als mir, ich
kann aber nicht dafür, dafs er den Kaiser bei Tilsit und den Mar-
schall Lannes durch sein c'est ä dire nicht erbaut hat, ferner weil
man mir hier in Warschau Höflichkeiten erweist, und ihn wirklich
oft man^uiert. Er hat noch nie gewagt, mir nur ein Wort zu sagen,
aber spricht übel von mir gegen junge Offiziere sogar; da ich nun
entweder Freunde habe oder geachtet bin, so erfahre ich jedes Wort
wieder, da er hingegen trotz seines Charakters eines Ehrenmannes
nicht eine Seele sein nennen kann. Ich erkläre Ihnen nun hiermit
feierlichst, dafs, wenn ich nicht in eine von dem General Polenz
unabhängige Lage gesetzt werde, welches dadurch möglich wird,
dafs man mir gleich Thiollaz eine militärische Mission giebt, die
sich mit meinem Charakter eines königlichen Adjutanten nur um so
mehr verträgt, so bitte ich den König um meinen Rappell, und sollte
er mich deshalb in Ungnade der Ehre berauben, sein Adjutant zu
heifsen, so will ich mit Ergebung mich in mein Regiment verfügen.
Ich würde heute dem Grafen Marcolini darüber meine Bitte vor-
zulegen mich unterstanden haben, wenn ich es nicht aus Delicatesse
gethan hätte, um Polenzen, den ich übrigens als einen Ehrenmann
achte, nicht zu nahe zu treten, und versuche es daher auf dem Wege
der Negoziation, gebe Ihnen aber mein heiliges Ehrenwort, dafs
nichts meinen Entschlufs ändern wird. Bios den Unsinn zu redigiren,
oder gar blos ins Reine zu schreiben, den Polenz alle 14 Tage ein-
mal an den König meldet oder melden will, dazu fühle ich mich
viel zu gut, übrigens kann ich in der Division unter diesem General,
der alles weifs, alles gesehen hat, alles selbst machen will, gar nichts
thun ; kommt es wieder zum Krieg, dann steht meine Haut und mein
Kopf dem Könige wieder zu Diensten, weil ich dann keine Rück-
sicht nehme, und nur das Beste des Dienstes vor Augen nehmen
kann. Meine Gesundheit hält es wahrlich nicht aus, diesen täglichen
io8 K. Haebler:
Aerger zu ertragen, worjüber ich alle die zu fragen bitte, die mit
mir in einem Joch ziehen, und ich müfste unterliegen. Ich bin
ein sehr verträghcher Mensch und würde mit einem schwachen
General, der mir sein Vertrauen schenkte, aller Delicatesse fähig
sein, aber dieser Mann weifs alles besser, und macht mir jede Kleinig-
keit zum schweren Geschäft. Uebrigens ist es gegen des Königs
Ehre, einen Menschen, der den Namen seines Adjutanten trägt, zum
Adjutanten eines Divisions -Generals zu erniedrigen, um so mehr da
in der französischen Armee, wo jeder General selbst zählen mufs,
die Adjutanten gar eine niedrige Menschenklasse sind, mehr der
Küche, als dem Degen angehörig. Im Felde hatte ich den Titel
eines chef d'etat major, in der französischen Armee eine geehrte
Charge, uns aber ganz unbekannt; da ich es aber nun eigentlich
niemals war, da Gersdorfen dieses Geschäft oblag, so mulste ich
wegen der an mich gerichteten französischen Geschäftscorrespondenz
in Warschau die Sache niederlegen, um die durch die grofse Stadt
unvermeidliche und unabsehbare Weitläufigkeit zu vermeiden, welches
auch dem General recht lieb war, da dieser Titel in meiner Person
die [alousie seiner Autorität beständig reizte.
' Haben Sie die Güte hierüber mit aller Schonung des Generals
am rechten Orte Vorstellung zu thun, ich rechne auf Ihre Freund-
schaft, und mir mit Nächsten ein decisives ja oder nein zu schreiben.
Mit Vergnügen will ich in meine Provinz zurück gehen, und mich
auf das Zeugnifs meines Gewissens betten, treu und redhch gewollt
zu haben. Feindschaft ist mein Gewinn und Undank mein Lohn.
Mir kann der König mit allem Gelde den Aerger und die Sorgen
des Jahres 1807 nicht vergessen machen, nur wer es gesehen hat,
kann davon urtheilen."
Auf dieses höchst auffallende Schreiben erfolgte durch
den Baron v. Just fast postwendend, am 19. März, die Ant-
wort, ,,dafs man Ihren Einsichten und Eifer Gerechtigkeit
widerfahren läfst, da.s DeHcate in Ihrer Lage fühlt, Sie defs-
halb doppelt um Vorsicht und Mäfsigung bittet, und geneigt
sein wird, Ihnen Ihren Wunsch um eine unabhängige Existenz
in Warschau zu unterstützen, wenn Sie selbigen directe, d. h.
bei dem Grafen Marcolini mit Schonung auf eine ostensible
Weise anbringen".
Als Thielmann seinen Brief vom 10. März schrieb, konnte
er allerdings wohl bereits den Erfolg desselben voraussehen.
Seine Stellungr in Warschau unter dem General Polenz war
in der Tat nicht nur in seinen eigenen Augen unhaltbar ge-
worden, auch seine Kameraden erkannten an, dafs das Ver-
hältnis, und zwar keineswegs nur durch Thielmanns Schuld,
unerträglich geworden sei. So schreibt der Major v. Gersdorf
im HinlDlick auf diese Dinge am 5. September 1808 an den
Geh. Kriegsrat v. Watzdorf (die Abschrift des Briefes hat Just
seinen Briefen einverleibt):
„Nächstdem kränkt sich Polentz über Thielmann. Sie wissen,
ich bin Thielmanns Freund, bin übrigens aber nicht für ihn blind,
General v. Thielmann. 109
und rüge, wo ich etwas finde, wo ich in meinem Herzen mit ihm
unzufrieden bin. Aber ich versichere Sie ehrlich, dal's er sich so
gegen Polentz benimmt, wie ich kaum weifs, wie er es anders machen
sollte. Er ist also über die Verhältnisse ganz aufser Schuld. Einem
Manne wie Polentz, der Geschäftsstolz hat, ist und mufs eine solche
Lage aber traurig sein, und er kränkt sich darüber, ohne Kraft zu
haben, dem vorzubeugen. Ich stehe mitten inne, mufs aber durch-
aus und redlich bekennen, dafs Thielmann fast nicht anders handeln
kann, als er handelt. Was die Sache selbst anbetrifft, so würden
Thielmann und ich, wenn wir kommandirende Generals wären, uns
keinen Gesandten gefallen lassen. Das steht inzwischen auf einem
anderen Flecke, und verringert Thielmanns Brauchbarkeit und Nutzen
den er hier stiftet und stiften kann, gar nicht".
Der Ausweo- den man in Dresden o-efunden zu haben
meinte, bestand darin, dafs man Thielmann von Warschau
zurückberief und ihn dann, nicht mehr als Adjutant des
Generals Polenz, sondern als Militär -Attache bei dem Mar-
schall Davoust dahin zurückkehren liefs. Formell war damit
die Situation geklärt, Thielmann ressortierte nicht mehr von
Polenz, sondern direkt vom Ministerium in Dresden, und was
er tat, ging, formell, den General Polenz nichts mehr an.
Tatsächlich ward aber in der Lage nicht viel geändert;
Polenz blieb nach wie vor auf eine Verständigung mit dem
Marschall angewiesen, und dafs Thielmann jetzt unabhängig
mit diesem zu verkehren imstande war, machte eigentlich die
Stellung für Polenz erheblich schwieriger und für Thielmann
kaum weniger peinlich.
Thielmann erkannte recht wohl, welchen Gefahren ihn
seine neue Position in den Augen der Uneingeweihten aus-
setzte; aber ersetzte sich darüber hinweg. Schon am 10. März
hatte er seinen Brief mit der Bemerkung geschlossen: ,,Uebrigens
kann ich ganz ruhig darüber sein, dafs ich hier den Vorwurf
von jemanden hören sollte, ich drängte mich an die Franzosen,
um mein Glück zu machen". Aber nach seiner Rückkehr
fühlte er .sich doch veranlafst, am 16. Juli, zu bemerken:
„Mein langes Aufsenbleiben (hat) die Idee erregt, man habe
mir mein gutes Vernehmen mit den französischen Behörden
in Dresden zum Fehler angerechnet". Dafs er in späteren
Jahren ganz offen die Meinung aussprach, dafs er dafür ,, Ver-
folgung" geerntet habe, ist oben schon aus einem seiner Briefe
belegt ^^•orden.
Zwi^hen Polenz und ihm hatte die Sache übrigens noch
ein Nachspiel. Als Thielmann in seine veränderte Stellung
nach Warschau zurückkehrte, war General Polenz nicht ein-
mal davon benachrichtigt worden. Die berechtigte Bitterkeit
des Generals nahm Thielmann in seiner hochfahrenden und
HO K. Haebler:
empfindlichen Weise für eine persönliche Kränkung, wähnte
sich durch Polenz bei Davoust angeschwärzt und hielt sich
für berechtigt, über das Betragen des Generals in Dresden
Beschwerde zu führen. Da bewies aber der General, dafs er
in der Tat der Ehrenmann war, für den ihn selbst Thielmann
in seinen heftigen Briefen zu erklären nicht umhin gekonnt
hatte, indem er am 14. November den folgenden Brief direkt
an Thiehnann richtete:
„Auf Ew. Wohlgeb. Schreiben von dem 8. dieses habe ich die
Ehre, die Antwort zu ertheilen, dafs Sie in einer irrigen Meinung
stehen, wenn Sie glauben, dafs ich Demarchen wider Ihnen gemacht
habe. Ich habe Ihren Verdiensten alle Gerechtigkeit widerfahren
lassen, allein da Sie nach einem zweimonatlichen Aufenthalt in
Dresden nach Warschau zurückkommen, unabhängig von mir waren,
mit Aufträgen versehen, die einen Eingriff in mein Commando hatten,
so konnte ich nicht anders glauben, als dafs man mit meinem ge-
führten Commando unzufrieden wäre, ich nahm daher den Beschlufs,
ohne über Ew. Wohlgeb. Beschwerde zu führen, um Ablösung zu
bitten ; ohne darauf Antwort zu erhalten, wurden Sie zurückberufen,
und nur durch Ihnen erfuhr ich die Nachricht davon."
Dafs Thielmann sich in seiner neuen Stellung gefiel, ist
unschwer zu verstehen, denn er hatte sie sich sozusagen selbst
zurechtgemacht. Schon am 28. Dezember 1807 hatte er ge-
schrieben :
„ . . . Um den Marschall ist keine Seele, um unser Interesse zu
besorgen, als ein dummer Mensch in der Person des Grafen Oerzen,
den Polenz trotz aller Weitläufigkeiten noch nicht von da weg-
manoeuvrirt hat. Warum schickt man nicht einen Mann, wie z. B.
den Geh. Finanzrath Ferber unter dem Prätext hierher, die sächsischen
Domänen zu organisiren, es ma^ nun Zeit dazu sein, oder nicht, so
würde die Gegenwart eines solchen Menschen, deren wir freilich
nicht viele in Dresden haben dürfen, von höchstem Gewicht sein.
Warum stellt man z.B. nicht mich beim Marschall an?
Der General Polenz kann es nicht thun, denn der kann nur einen
galopin beim Marschall anstellen, und das würde, als königlicher
Adjutant schon unter meiner Würde, noch mehr unter der Würde
des Königs sein Eine dergleichen militärisch politische An-
stellung beim Marschall bleibt eine unerläfsliche Nothwendigkeit,
weifs man einen schicklicheren als mich, so bescheide ich mich
dessen bei Gott gern; nur Thiollaz, sonst ein trefflicher Mensch,
würde sich am wenigsten dazu passen. Ich rede mit Ihnen ganz
offen, weil ich in Ihnen unbedingt den Glauben voraussetze, es gäbe
noch Menschen, die das Gute um des Guten willen thun wollen, so
rede ich auch mit Ihnen als ein Mensch, der seinen W^erth kennt,
ohne deshalb zu türchten, für einen vStolzen oder Uebermüthigen
gehalten zu werden. So sehr meine ganze Seele nach Sad|sen hängt,
so fühle ich, dafs ich hier fast nothwendig bin" —
Wie Thielmann selbst es ausspricht, war seine Stellung
eine militärisch- politische ^ und zwar bei weitem mehr das
letztere, als das erstere. So wenigstens fafste er sie selbst
General v. Thielmann. 1 1 1
auf und galj sich mit vollem Eifer der Verfolgung seines
Lieblingsplanes hin, die Beziehungen zwischen Sachsen und
Frankreich, zwischen dem König Friedrich August und dem
Kaiser Napoleon so intim zu gestalten, als es nur irgend
möglich war. Schon am 28. Januar 1808 hatte er geschrieben:
„Mein einziges Bestreben ist, die persönliche Freundschaft
und Anhänglichkeit unseres Königs für und an den Kaiser en
evidence zu setzen", und für die Verfolgung dieses Zieles
bot ihm allerdings die Stellung als Gesandter bei dem Mar-
schall ein wesentlich günstigeres Feld.* Am 10. Februar be-
richtet er in demselben Sinne: ,,Ich nahm hierbei Gelegen-
heit aus dem Charakter des Königs zu beweisen, dafs der
Kaiser keinen ergebeneren Alliirten habe, als unseren König".
Eine besondere Gelegenheit bot sich ihm für diese Bestrebungen
in dem Falle der sogenannten geistlichen Briefe, Die kleinen
Wölkchen, die hin und wieder den Himmel der poHtischen
Beziehungen zwischen Sachsen-Polen einerseits und den Fran-
zosen anderseits trübten, bestanden meist nur in unwesent-
lichen Verwaltungssünden und Nachlässigkeiten. Eine Ver-
stimmung, in welche direkt die Person des Königs Friedrich
August hineingezogen wurde, drohte dagegen, als Briefe des
letzteren an seinen Beichtvater bekannt wurden, in welchen
die argwöhnische französische Diplomatie eine Mifsbilligung
der Politik witterte, welche der Kaiser gegenüber dem Papste
verfolgte. Am 16. Juli 1808 schrieb Thielmann darüber
an Just:
„Seit ich hier bin, habe ich dem Grafen Marcolini vielmals ge-
schrieben, und er wird Ihnen ohne Zweifel von den geistlichen
Briefen gesprochen haben. Ich wollte ihm dieses nur allem anver-
trauen, aber seit der Zeit hielt ich für nothwendig, dem Grafen Böse
in einer Depesche davon Erwähnung zu thun. So unbedeutend diese
Briefe an und für sich sind, so lassen sie die Auslegung zu, als habe
der Beichtvater Einflufs auf den König und als spreche der König
mit selbigem in einem anderen Sinne, als dem der jetzigen Politik.
Ein Beweis, dafs man solche nicht für unbedeutend hält, ist schon,
dafs mit Herrn von Senfft darüber gesprochen wurde".
Die Antwort, welche Thielmann darauf erhielt, ist wieder
eines jener Stücke, die der Baron v. Just für ratsam hielt, im
Konzept seiner Dokumentensammlung einzuverleiben und sie
ist nicht nur für Thielmanns Stellung, sondern überhaupt
von einem solchen Interesse, dafs ich sie unverkürzt wieder-
gebe.
„Ihr freundschaftliches Andenken, theurer Herr Major, vom 16.
welches mir erst am 29. eingegangen ist, erheisclit meine volle Dank-
barkeit. Sie gönnen mir in Ihrem Briefe nur zu viel Zutrauen, und
112 K- Haebler :
berühren mit der Wärme eines ächten Patrioten discrete Gegen-
stände. Vergessen Sie nie, theurer Freund, dafs Sie jetzt fast eine
reine diplomatische Sendmig haben, dafs ich hingegen in allem
anderen als in meinen Dienstangelegenheiien keinen Beruf habe,
und es daher meiner Sicherheit schuldig bin, meinem patriotischen
Eifer Schranken zu setzen. Schreiben Sie mir also auch aus der
Fülle des Herzens nie etwas, von dem Sie nicht wünschten, dafs es
allenfalls unseren ersten Autoritäten vorgelegt werden könnte, rech-
nen Sie auf der andern Seite aber auch nicht auf diese Mittheilung.
Nach dieser Vorausschickung, welche Sie, werthgeschätzter Freund,
auf Rechnung meiner offenen Rechtlichkeit schreiben werden,
säume ich nicht, Ihnen darüber mein Vergnügen zu bezeugen, dafs
man Ihnen sowohl hier Gerechtigkeit widerfahren läfst, als auch von
Seiten des Generals v. Polentz in Ihrer jetzigen Relation nichts in
den Weg legt. Lassen Sie sich durch kleine Dinge nicht irre machen,
und fahren Sie fort, vorsichtig und eifrig zugleich zu handeln. Sie
sind von oben herein zu gut gekannt, um etwas fürchten zu können,
dabei gereicht Ihnen die Achtung und das Zutrauen der ersten
französischen Behörden zum neuen Verdienste.
Was nun die geistlichen Briefe betrifft, so können Sie selbige
mit völliger Ueberzeugung für unbedeutend ausgeben, und kühn
aller falschen Auslegung derselben entgegenarbeiten. Ich gebe Ihnen
meine Ehre zum Pfände, dafs ich bereits seit 15 Jahren von dem
irrigen W^ahne zurückgekommen bin, als hätten bei uns die Geist-
lichen Einflufs auf die Staatsgeschäfte. Das Gewissen bestimmt
unsern König, nicht die Meinung der Diener der Kirchen. Letztere
weifs S. M. von der Religion genau und bestimmt abzusondern, und
ich sehe hierinneu ein grofses Verdienst unseres gemeinschaftlichen
Gönners des Grafen Marcolini, welcher schon in den frühesten Jahren
die Sache so eingeleitet hatte, dafs selbst der P. Hertz, bei seinen
täglichen Unterhaltungen, in den Schranken der Erbauung und der
geistlichen Angelegenheiten bleiben mufste. Guten Willen für die
Kirche und den Papst kann der König vielleicht seinem Beichtvater
bezeugen, allein auch das politische Benehmen des Papstes beurtheilt
der König sehr unparteiisch und richtig. Ich wiederhole es, theurer
Freund, ich schreibe Ihnen dieses aus inniger Ueberzeugung. Möchten
in beiden Reichen alle Staatsmänner des Königs Kopf, Herz und
reine Absichten haben , so würden wir geschwinder zum Ziele
kommen. Wir wollen dadurch unsern Muth verstärken und an nichts
verzweifeln." ....
Der erste Teil des Briefes konnte nicht anders als Thiel -
manns Verwunderung erregen. Nach dem, was in seinem
brieflichen Verkehr mit dem Baron v. Just vorausgegangen
war, konnte er unmöglich glauben, das Mafs des Zulässigen
überschritten zu haben mit den bei \\eitem zahmeren und
unschuldigeren politischen Nachrichten und Urteilen, die er
nach seiner definitiven Anstelluno- bei Davoust sich erlaubt
hatte. Er war zudem keineswegs gesonnen, sich den Kanal
zu einem inoffiziellen und vertraulichen Verkehr mit dem
Grafen Marcolini, aus dem ihm bereits recht erhebliche Vor-
teile zuteil geworden waren, ohne zwingende Gründe sperren
General \ . Thielmann.
113
zu lassen. In dieser Meinung antwortete er dem Baron v. Just
am 18. August:
TV,,- R
„Ihr Brief vom 4. mein hochverehrter Freund bedarf einer Ver-
antw^ortung, — hier ist sie, otfen und wahr. — Wenn ich Ihnen, mein
wahrhaft verehrter Freund, in der öffentlichen Sache bisher mein
i;anzes Vertrauen gab, so geschah es aus Dankbarkeit, und ich
iürchte nicht, dafs eine solche zum Fehler angerechnet werden dürfte.
Wenn ich ferner meinte nach meiner neuen Anstellung so wie bis-
her in dieser Vertraulichkeit über öffentliche Dinge tortfahren zu
können, so geschah dieses aus folgenden Gründen: i) weil meine
Sendung blos militärisch ist, ich folglich in meinen Depeschen von
nichts anderem reden kann, als was darauf Bezug hat, oder was mir
hier geradezu aufgetragen wird, ich aber doch oft Dinge mittheilen
kann, welche zu wissen wohl nützlich ist. — 2) weil ich ferner nicht
einsehe, warum ich nunmehr nach meiner neuen Anstellung mein
ebenso freundschaftliches als patriotisches Vertrauen in Ihre Person
welches seit nunmehr 2 Jahren vielleicht nicht ohne Nutzen bestanden
hat, auf einmal ändern sollte. — 3) weil ich Ihrem Urtheil in der
Lage des Dresdener Hofes mehr zutraue, als dem meinigen und sehr
gut weifs, dafs Wahrheit sagen oft mehr schadet als nützt, Ihnen
daher auch ganz überliefs, von meinen Briefen Gebrauch zu machen,
oder nicht, weswegen ich denn auch noch jetzt deren Mittheilung
oder Unterdrückung weder hoffe, noch fürchte. — 4) weil ich Ihre
Verhältnisse so gut als die Männlichkeit Ihres Charakters kenne, und
glaube, dafs die Vereinigung uneigennütziger und wahrhaft patrio-
tischer Männer mehr noth ist als je. - 5) endlich weil ich glaubte,
dafs durch Sie als das medium des Freundes manches besser zu sagen
sey als durch mich den Fremden. — Dies sind meine Gründe, warum
ich meine Correspondenz vertraulich mit Ihnen fortsetzen zu können
glaubte, und mein letzter während des Laufs des Ihrigen hoffentlich
eingegangener Brief wird hauptsächlich durch meinen letzten Grund
erklärt. Ich gestehe daher, dafs es mir wehe that, Ihren Vorwurf
zu lesen, so leise und schonend er auch war, als hätte ich Ihre
Delicatesse durch ein allzu grofses Zutrauen beleidigt, nicht allein,
weil ich mir keines Mifsbrauchs bewufst bin, sondern auch, weil ich
wirklich glaube, Ihnen eine unangenehme Empfindung gemacht zu
haben. Warum sagen Sie mir nicht offen, dafs Ihnen meine fernere
\ertrauliche Correspondenz nicht länger angenehm sein könne? ich
weifs fremde Verhältnisse zu ehren".
Für diesmal ist offenbar das Schiff des gegenseitigen
Vertrauens noch glücklich an der Klippe der Thielmannschen
Emphndlichkeit vorübergesegelt. Seine Briefe an den Baron
V. Just werden zwar im Laufe der nächsten Monate seltener,
es scheint aber, als ob dies nur in den dienstlichen Verhält-
nissen Thielmanns begründet gewesen ist, denn in den erhaltenen
Schreiben herrscht zunächst noch durchaus der alte fretmd-
schaftlich vertrauensvolle Ton vor.
Thielmann scheint im Jahre 1808 eher eine Gefahr von
Osten her als eine Störung des Friedens durch Österreich
erwartet zu haben. Auf erstere weist er wiederholt in einem
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. l. 2. 8
IIA K. Haebler:
Briefe vom 23. März hin, während er am 16. JuH schreibt:
„Die Zukunft scheint mir mit grofsen Dingen schwanger, und
die alte Europa geht mit grofsen Schritten ihrer gänzHchen
Verwandlung entgegen". Hier fährt er zwar fort: ,, Öster-
reich wird das Hand-ans-Schwert-legen theuer bezahlen. Ohne
Prophet zu sein, kann man Habsburg und Romanow manche
Veränderung prophezeien". Dagegen meint er noch am 22. No-
vember: „Ich glaube an keine Offensive von Seiten Wiens,
wohl aber daran, dafs man ungeschickt genug sein wird, immer
das Ansehen davon zu haben". Schliefslich aber machten die
kriegerischen Vorbereitungen Napoleons dennoch sein Kom-
mando bei Davoust zu nichte, indem der letztere an die Spitze
einer der Armeen gestellt wurde, welche Napoleon gegen Öster-
reich zusammenzog.
Thielmann kehrte zunächst an den sächsischen Hof zurück,
wo er bald darauf durch die Ernennung zum Generaladjutanten
des Königs ausgezeichnet wurde. Er mufste als solcher den
König auch nach Leipzig begleiten, als der Hof Dresden ver-
liefs. Hier finden sich nun auch wieder Spuren seines Ver-
kehrs mit dem Baron v. Just. Unverkennbar suchte er die
alten Fäden vertraulicher Beziehungen wieder anzuknüpfen,
unverkennbar, um auf dem alten Wege die Verwirklichung
neuer Wünsche anzustreben. Denn zufrieden mit seinem Lose
war Thielmann höchstens dann, wenn er an der Spitze seiner
Reiter vor dem Feinde stand; die Friedensstellungen dünkten
ihm fast ausnahmslos eine Zurücksetzung oder Beseitigung.
So schreibt er am 27. April aus Leipzig an Just:
„Was mich anbetrititt, so mifsfällt mir die Unthätigkeit meines
Hoflebens höchlichst, ich glaube als Soldat allenfalls Dienste leisten
zu können, und man macht mich zum Hofmann, wahrscheinlich w^ird
man Racknitz (Ober-Küchenmeister) bald zur Armee senden, welches
indessen für die Hof küche eher vortheilhaft als nachtheilig sein dürfte.
Warum sendet man mich nicht, wie Thiollaz, zum Major gen^ral
oder zu Ponte Corvo? Obendrein soll ich meine jetzige Lage als
eine Gnade ansehen, ich halte sie auch wirklich von Seiten des
Königs dafür, meine aber doch dafs ich denjenigen, die mich hierher
manövrirt haben, eigentlich im Wege gestanden habe. Ohne Ursache
zu haben, mich zu beklagen, kann ich doch nicht zufrieden sein".
Zufriedener war wohl Thielmann, als er bald darauf den
Auftrag erhielt, dem österreichischen Streifkorps in der Lausitz
entgegenzutreten. Ebenso bekannt ist aber, dafs die Art, in
welcher er den Kampf gegen den Herzog von Braunschweig
nicht nur mit dem Schwert, sondern auch mit der Feder
führte, ihm keineswegs ungeteilte Anerkennung zuzog. Doch
scheint es, dafs die Freundschaft für den Baron v. Just damals
General v. Thielmann. nr
noch unverändert fortbestanden, auch ihren politischen Bei-
geschmack noch nicht verloren hatte, wie der folgende flüch-
tige, aus Leipzig vom 28. (wohl JuU 1809) datierte Brief be-
weist :
„Stellen Sie sich vor — nachdem wir die Kaiserlichen Höflich-
keiten nie erwidert, hat man uns von der letzten Schlacht (Wagram?)
nicht die geringste Nachricht zukommen lassen — endlich fühlten
wir es und nun ist Funk fort, um über etwas zu complimentiren,
wovon wir nichts wissen!!"
Der Friede führte Thielmann wieder nach Dresden und
brachte endlich eine Reform des sächsischen Heerwesens, deren
Notwendigkeit Thielmann schon im Jahre 1807 anerkannt, da-
mals aber in der Hoffnung auf eine längere Friedensperiode
noch nicht für eine unmittelbar dringende gehalten hatte. Der
Anteil Thielmanns an den eigentlichen Reformarbeiten ist aber
nicht im entferntesten ein so beträchtlicher gewesen, als sein
Biograph (v. Petersdorf) glauben machen will. Zu dessen
Berichtigung wird es nötig sein, etwas näher darauf einzu-
gehen. Der eigentliche Träger des Militärreformgedankens
ist Thielmanns Altersgenosse und Kamerad, der Graf Carl
Friedrich Wilhelm v. Gersdorf, gewesen. Schon aus Warschau
hatte Thielmann am 16. Juli 1808 geschrieben: ,,Es sind so
eine Menge kleiner Einrichtungen und Veränderungen bei
unseren Truppen in Polen zum gröfsten Vortheil des Königs
unerläfslich nothwendig, dafs ich dem Grafen Marcolini und
Minister Graf Böse vorgeschlagen habe, es dahin einzuleiten,
dafs man den Major Gersdorf nach Dresden kommen lasse,
um sich mündlich mit ihm darüber zu besprechen. Wenn es
nur geschieht". Zur Charakteristik Thielmanns teile ich auch
die Fortsetzung des Schreibens mit: ,, Schriftlich ist es un-
möglich zu bewerkstelHgen, zumal bei einem Minister der
Majestäd schreibt, und bei Cabinetssekretären , wie Pietzsch
und Georgi, die vom Militär so viel verstehen, wie ich von
der Medizin. Der Minister hat mir in Dresden nicht die Ehre
angethan, nur ein Wort mit mir zu reden; vielleicht ginge es
mit Gersdorf besser".
Tatsächlich rühren denn auch die Reformpläne im wesent-
lichen von Gersdorf her; sie werden nicht nur in den oftizielleu
Schriftstücken als ,,les plans administratifs de Gersdorf" be-
zeichnet, sondern Thielmann selbst hat in einem Briefe vom
3. Juni 181 1, in welchem er die Schale seines Zornes über
Gersdorf ausschüttet, direkt ausgesprochen, dafs nicht er,
sondern Gersdorf vom Könige den Auftrag erhalten hatte, die
Reformpläne zu bearbeiten. Warum dies so geschehen, darüber
8*
Ii6 K.. Haebler:
werfen die Korrespondenzen des Baron v. Just , die sich mit
diesem Gegenstand befassen, ein helles Licht. Der öko-
nomische Teil der Gersdorfschen Reformpläne wurde, auf
unmittelbare Anordnung des Königs, nachdem er die mili-
tärischen Instanzen passiert hatte, noch einer besonderen
Kommission zur Prüfung unterbreitet, welche aus dem Kabi-
netsminister v. Hopfgarten, dem Geh. Kriegsrat v. Watzdorf,
dem Geh. Finanzrat v. Manteuffel und dem inzwischen zum
General avancierten Gersdorf zusammengesetzt war. Sehr be-
greiflicherweise fanden die Herren der Verwaltung allerlei
Einzelheiten an den Entwürfen auszusetzen, und die Polemik
nahm zu Zeiten einen etwas scharfen Charakter an. Watz-
dorf, von dem auch Gersdorf am 7. März 1810 schreibt: ,,Ich
hoffe erwünschte Resultate, da Watzdorf auch hierbei seinem
Charakter treu geblieben ist: rechtlich und mühsam", wird
in diesem Zusammenhange von Thielmann folgendermafsen
charakterisiert: ,,Mit Freund Watzdorf bin ich sehr zufrieden.
Er wollte zwar in den ersten Tagen den gekränkten und Mal-
contenten spielen, allein ich habe ihm zum Besinnen gar keine
Zeit gelassen, und er ist jetzt völlig zufrieden und geht in das
System ein"; und als die Reform vollendet war, schreibt er
am II, März 1810: „Watzdorf plagt ein wenig die gekränkte
Eitelkeit, dafs er nicht intendant general und nicht General-
lieutenant gewoi'den ist". — Im ganzen aber waren Thiel-
mann und Watzdorf damals noch recht gute Freunde. Thiel-
mann bediente sich damals der Vermittelung Watzdorfs, um
seine Verbindung mit dem Baron v. Just aufrecht zu erhalten,
der als interimistischer Gesandter in Paris weilte, und Watz-
dorf schreibt an Just z.B. am 13. Juni 1810: ,, Thielmann, qui
vous aime de tout son coeur et qu'il faut aimer pour son
caractere chevaleresque, attend avec onction que le miracle
(die Reform) s'operät" . . . Trotz dieser freundschaftlichen
Gesinnungen aber beurteilte er Thielmanns Stellung zu dem
Reformplane sehr skeptisch. Schon am 21. Januar hatte er
an Just geschrieben: ,,Je_ connais un talent superieur de con-
ception ä Gersdorf; il a ete averti par moi de bien organiser
le rouage des bureaux indispensable pour maintenir Tordre de
l'administration d'une armee. Ce n'est pas lä le fort de Gers-
dorf ni de notre ami Thielmann". Deutlicher schon klingt es
am 26. Februar: ,,J'ai ete occupe depuis 4 jours de ces de-
pouillemens et en depit de notre loyal ami Thielmann, excellent
pour les coups de canon mais toujours trop insouciant pour les
affaires de bureau" . . . aber ganz besonders bezeichnend ist
der Brief vom 9. März, wo es heifst: ,, Thielmann . . . est un
General v. Thielmann.
"7
excellent coeur, bon, des que le canon soufle, mais des qvi'il
s'agit d'administration — manum de tabula — il n'y entend
goutte, et je n'aime pas meme, qu'il en jDarle, ce que lui aime
beaucoup. Mais n'y a-t-il pas cent poetes, qui ont la rage
de faire des vers invita Minerva."
Trotzdem galten, allerdings neben Gersdorf, Langenau
und Thielmann als die faiseurs, als die treibenden Kräfte der
Militärreform, und der letztere rühmt sich zu verschiedenen
Malen, besonders in den Beratungen der militärischen Kom-
missionen, warm für die Gersdorfschen Pläne eingetreten zu
sein und nicht wenig dazu beigetragen zu haben, den Wider-
stand zu überwinden, welchem dieselben bei manchen älteren
Generalen, und besonders auch bei dem mit Thielmann fast
gleichaltrigen General v. Funk begegneten.
Die Reform hatte einen sehr bedenklichen Punkt, welcher
das Vertrauen in die Uneio-ennützipfkeit ihrer Vertreter nicht
wenig beeinträchtigte. Durch die Vereinfachung in der Militär-
verwaltung sollten erhebliche Ersparnisse erzielt werden, die
sich nach den Schätzungen der Kommission auf ca. 250000
Taler belaufen sollten. Zum Zwecke dieser Ersparnisse hatte
man im allgemeinen von einer Änderung der bisher gezahlten
Offiziersgehälter Abstand genommen. Dagegen hatten die fai-
seurs für die Klasse, der sie selbst angehörten, für diejenige
der Generale, eine nicht unbeträchtliche Erhöhung durchgesetzt,
die einer scharfen Kritik unterzogen wurde. Besonders war
es der Geh. Finanzrat v. Manteuffel, der darauf hinwies, dafs
die sächsischen Generalsgehälter nach dem Reformplan nicht
nur xmverhältnismäfsig viel höher als früher sein würden, sondern
dafs künftig sogar sich ein sächsischer General besser als ein
solcher in irgend einem deutschen Bundeskontingente, ja, sogar
besser als ein französischer General stehen werde Da man
ganz allgemein Gersdorfs Selbstlosigkeit sehr erheblich an-
zweifelte, fiel durch das Betonen dieses Punktes nicht eben
das günstigste Licht auf die faiseurs, die ihrerseits wieder dem
Geh. Finanzrat v. Manteuffel sein Eintreten mit einer ehrlichen
Feindschaft vergalten. In der entscheidenden Kommissions-
sitzung wurde derselbe allerdings dadurch, dafs der Kriegsrat
V. Watzdorf den Plan in seinem .cranzen Umfangfe vertrat,
überstimmt, und die Reform ging so, wie sie von Gers-
dorf entworfen worden war, durch, das hinderte aber nicht,
dafs den beiden Hauptmachern, Gersdorf vmd Thielmann
— Langenau war noch nicht General — noch oft nach-
gesagt wurde, sie hätten sehr gut für sich selbst zu sorgen
verstanden.
ii8 K. Haebler:
Die Briefe Thielmanns aus der Periode der Militärreform
lauten kaum mehr so selbstbewufst und zuversichtlich, als die
aus seiner Warschauer Zeit. Am 17. Februar 18 10 schreibt
er u. a. : „Hier mufs ich nun noch erwarten, ob alles um und
neben mir Generallieutenant werden, und ob ich allein zurück-
bleiben werde oder nicht". In späterer Zeit hat er ganz un-
verhohlen der Empfindung Ausdruck gegeben, dafs er in der
Reformsache im wesentlichen für Gersdorf gearbeitet habe,
von Gersdorf bereitwillig ausgenutzt, aber mit Geschick bei
Seite manövriert worden sei, womit er vielleicht nicht ganz
Unrecht hatte.
Als ein Trost fiel ihm damals das Kommandeurkreuz des
Ordens der Westphälischen Krone zu. Die Zeiten waren vor-
über, in welchen Thielmann das Kreuz der Ehrenlegion „mit
Facon zu decliniren" suchte. Jetzt schreibt er: ,,Ich gestehe,
dafs es mir Freude gemacht hat, wenn es auch die Zahl meiner
Freunde nicht vermehren wird. Dankbarkeit thut immer wohl".
Auch das Generalleutnantspatent ging nicht an ihm vorüber,
und so schreibt er denn am 11. März in ziemlich grehobener
Stimmung an Just:
„Ihre freundschaftlichen Grüfse aus der Ferne, mein vortreff-
licher Freund, sind mir durch unsem ehrlichen Watzdorf treulich
überbracht worden, und ich danke Ihnen recht herzlich. Watzdorf
plagt ein wenig die gekränkte Eitelkeit, dafs er nicht intendant
general und nicht General-Lieutenant geworden ist, indessen, wenn
er mit mir ist, lasse ich ihn darüber nicht zur Besinnung kommen,
oder ich sage ihm endlich, wenn er mich zwingt, die Wahrheit.
Unsere Organisation ist denn endlich entschieden, und ich bin dem
otio cum honore, dem sacro sancto far niente, als Brigadier mit dem
Charakter eines Divisionsgenerals überlassen, und warte ruhig und
zufrieden ab, ob man mich wieder brauchen wird. Gersdorf, fürchte
ich, wird in den beiden Chargen eines chef d'etat major und eines
Intendanten mehr übernommen haben, als er wird tragen können,
übrigens wird er vom Publice schrecklich zerrissen, ich halte aber
fest, weil ich glaube, dafs es die Pflicht eines Patrioten jetzt ist, zu
vereinigen und nicht zu trennen, da der arme Staat so zerrissen
genug ist. Manteuftel macht in der militärisch -ökonomischen Com-
mission grofse Opposition wegen der Tractamente, und möchte gern
uns alle Hungers sterben lassen. Hierbei im Vertrauen gesagt, dafs
Manteuffels Barometer sehr im Fallen ist, ich weifs aber noch nicht,
was vorgefallen ist"
Aber schon in diesem Briefe klingt unverkennbar eine
gewifse Verstimmung gegen die einstigen Freunde und Ge-
nossen hindurch. Mehr noch in dem vom 17. März, wo er
über den Reformplan schreibt:
„Das Schwierigste der Militär-Angelegenheiten wird in wenigen
Tagen beseitigt sein, denn gestern ist nach 2 Sessionen die Revision
General v. Thielmann.
119
des neuen Planes in ökonomischer Hinsicht unter Hoptojartens Vor-
sitz beendigt worden. Freund Watzdorf hat das Protokoll geführt,
und dieser hat mit Gersdorfen einen completten Sieg über Man-
teuffeln erfochten, welcher in einem höchst anmafsenden vmd noch
oberflächlicheren Memoire Gersdorfs aufgestellte Sätze angrift". Hopf-
garten hat sich dabei über Erwarten ritterlich und liberal betragen,
ob aus Einsicht in die Sache oder aus Hafs gegen Manteufifel lasse
ich dahin gestellt sein".
Tatsächlich verflog die Zufriedenheit, die Thielmann be-
sonders in dem ersten Briefe zur Schau trug, schon nach
wenigen Wochen. Schon am 28. April beginnt er sein
Schreiben an Just in recht gedrückter Stimmung. Nachträglich
waren auch von verschiedenen anderen Seiten Stimmen laut
geworden, welche die Höhe der Generalsgehälter bemäkelten
und ihre Glossen über die faiseurs daran knüpften. So schrieb
der Geh. Legationsrat Ehrlinger geradezu:
i<! „Je ne suis pas content du tout du detail de notre nouvelle
Organisation militaire, autant que j'en suis instruit. Tons les appointe-
ments sont beaucoup trop forts presque du double que partout ail-
leurs. |e crains p. e. avec quelque fondement que Messieurs les
faiseurs ne soient eux memes par la suite la cause que leur ouvrage
ne s'ecroule, en occasionnant un deficit annuel qui deviendra bientot
permanent, et que le Roi ä la fin de son regne ne se trouve rela-
tivement aux finances lä oü il en etait en 1763".
Im Hinblick auf diese Mifshelligkeiten schreibt Thielmann
an Just:
„Haben Sie herzlichen Dank für Ihr freundschaftliches Andenken.
Auch mir thut ein Wort von Freundeshand wohl, da ich dessen mehr
als je bedarf, ob ich schon deshalb den Muth nicht verliere. Eine
schwache Regierung giebt sich durch nichts mehr zu erkennen, als
durch den bellum omnium contra omnes, und dies ist bei uns der
Fall. Die neuen Militärtractamente, ob sie schon, wohl bemerkt, den
chef d'etat major und die 3 Divisionärs ausgenommen, theils weit
geringer, theils nicht höher als die alten waren, haben den Neid und
Mifsgunst des Civils erregt; im Militär selbst geht's nicht besser, und
überall vermifst man die kräftige Hand, und die Impulsion einer
Regierung, die das Ganze zusammenhält. Als ich gestern in Ge-
schäften in's Gouvernements- Haus ging, dachte ich mit welchem
frohen Muth ich sonst diese Treppe stieg, wo ich trotz aller meiner
gänzlichen Abhängigkeit vom General Saint Cyr, doch wufste von
ihm mit der Achtung und Liebe aufgenommen zu werden, die ein
redliches Bestreben verdient, und der sich dieses Bewufstsein nicht
sreni nehmen läfst".
&
Ähnlich klingt es auch recht unbefriedigt unter dem
II. Juli:
„Der 2 te Punkt, wofür ich mich verwahre, ist, dafs Sie in Ihrem
Briefe sagen, Sie glaubten mich nun wieder in voller Geschäfts-
thätigkeit in Dresden. Ein bei Seite gesetzter Mensch, wie ich, der
durchaus nichts zu thun hat, als der Briefträger des General Gut-
I20 K. Haebler:
schmid an zwei Obersten zu sein, und von diesen wieder an jenen
zurück, möchte dieses fast für Satire nehmen; davon indessen bin
ich sehr weit entfernt, kann Ihnen aber versichern, dafs ich gar
nichts zu thun habe, sondern völUg abgeschieden \on allen Geschäften
blofs mir selbst lebe"
Die letzten Briefe Thielmanns waren alle nach Paris ge-
richtet, wohin der Baron v. Just im Januar 1810 geschickt
worden war, um den Grafen Senfft auf dem dortigen Ge-
sandtschafsposten abzulösen, und die Geschäfte bis zum Ein-
treffen des neuernannten Gesandten, des Grafen Einsiedel,
interimistisch zu verwalten. Der Aufenthalt dehnte sich uner-
wartet lang aus, da Graf Einsiedel durchaus keine Eile be-
zeugte, seinen Petersburger Posten, der ihm offenbar sehr
angenehm gewesen war, zu verlassen.
Thielmann versprach sich offenbar anfangs ziemlich viel
von Justs Anwesenheit in Paris, von dem er, wie Petersdorf
berichtet, eine Charakteristik zunächst für Davoust, dann aber
auch zur Orientierung der Pariser Diplomatie einzusenden
aufgefordert worden war. Am 5. Dezember 1808 hatte er
schon geschrieben: ,,Ich wünschte Sie nicht jetzt, sondern
wenn der Kaiser in Paris ist, dort zu sehen", und am 12. hatte
er hinzugefügt: „Nach sicheren Privatbriefen dürfte in vier
Wochen von Spanien nicht mehr die Rede, und der Kaiser
schon den lyten in Paris zurück sein. Dieses letztere ist
mir wichtig wegen Ihres Vorhabens. Sie dürften da leicht ein
Schutzengel sein".
Natürlich konnte Thielmann eine so vorzügliche Ge-
legenheit nicht vorübergehen lassen, ohne sich wieder ein
wenig in diplomatische Angelegenheiten zu mischen. So trat
er jetzt mit dem Gedanken hervor, der sächsischen Gesandt-
schaft einen Offizier für die militärischen Angelegenheiten zu
attachieren. Wann er den Vorschlag zuerst angebracht hat,
ist nicht zu sehen; was er am 18. April 18 10 darüber schreibt,
ist jedenfalls nicht die erste Eröffnung seiner Idee:
„Senft hat meinen Vorschlag goutirt einen Offizier der Gesandt-
schaft in Paris zu attachiren. Der junge Graf Böse ist viel zu weich
und unbestimmt, einen Entschlufs zu fassen, und hat es endlich nach
vielem Hin- und Herschwanken ganz aufgegeben. Nun war Gers-
dorf darüber befragt worden, und hatte den unbegreiflichen Vor-
schlag von Heineken gemacht, den man wohl 'in allen tripots von
Paris aber nicht in der Gesellschaft gesehen haben würde, wozu
noch eine Menge anderer Gründe kommen, die diese Wahl zur
schlechtesten machen. Zum Glück erfuhr ich es zur rechten Zeit,
und brachte selbst Gersdorf durch eine offene und freie Vorstellung
dahin, seinen Vorschlag schriftlich zurückzunehmen. — Ich kenne
keinen anderen als Vieth oder Langenau, letzterer ist alier hier un-
entbehrlich, und soll es der erstere nicht sein, so weifs ich keinen".
General v. Thielmann. 1 2 l
Höchst unzufrieden war er, als der Legationsrat Blümner
für den Posten erwählt worden war, und mit der ihm eigenen
Schärfe in der Beurteilung seiner Mitmenschen machte er aus
seiner Mifsbilligung dieser Wahl gegen Just kein Hehl:
„Soeben komme ich vom Hofe und höre mit Verwunderung dafs
Blümner nach Paris ernannt ist, — eine Wahl die Senfts Herzen
aber nicht seinem Blicke Ehre macht. Blümner, ein schwärmerischer,
eitler, verlegener Mensch soll Einsiedeln souppliren, controliren, zur
Seite stehn? — Zum Belege meines Urtheils folgendes — ich sehe
ihn bei Hofe, gehe an ihn, um alte Bekanntschaft zu erneuern, er
erzählt sogleich seine Ernennung nach Paris, jedoch nicht als Sub-
alterner, sondern quasi als Adjutant! auch könne er nicht länger als
ein Jahr dienen. — Nun frage ich Sie, braucht es weiter Zeugnifs?
Aber nein, Sie sollen noch mehr haben. — Ich frage, wann gehen
Sie ab? In 4 Wochen — unter der Bedingung dafs Graf Einsiedel
dann hier sei; kann dieses nicht sein, noch eher. — Wohlan ant-
worte ich, Sie werden da den Baron Just finden, — der will gern
zurück! — Ach, ein treuer Universitätsfreund ist noch kein guter
Diplomat".
Der Baron v. Just schien dagegen mit der ganzen Mafs-
regel nicht sonderlich einverstanden, so dafs Thielmann sich
am II. Juli veranlafst fühlte, noch einmal auf die Sache zurück-
zukommen :
„ . . . Ferner aber mufs ich mich auch gegen 2 Stellen Ihres
vorletzten Briefes verwahren. Die erste betrifft die Anstellung eines
Militärs bei der Pariser Gesandtschaft. Sie scheinen zu glauben,
dafs ich darüber eine besonders prononcierte Meinung hege, und
darin irren Sie, denn ich habe in der ganzen Sache nichts gethan,
als blofs aus allen Kräften verhindert, dafs Gersdorfs protege, der
Major Heinicken gewählt wurde ; ich habe ferner Senften erklärt,
dals ich in der Armee keinen schicklichen Offizier kenne, allenfalls
nur könne ich Vieth vorschlagen, der aber zu wenig Kenntnisse und
auch nicht hinlängliche Haltung des Charakters habe. Uebrigens
kann ich Ihrer Memung nicht unbedingt beistimmen, dafs ein mili-
tärischer attache ohne allen Nutzen wäre. Im Frieden, ja, und auch
da, hätten wir den rechten Mann, würde Berndt's und Langenau's
Mission nicht nöthig gewesen sein. So wie aber Krieg wird, nichts
■\veniger, als das, denn alsdann würde dieser attache dem Kaiser-
lichen Hauptquartier folgen, und als in einem pays de connaissance
uns vom gröfsten Nutzen sein. Ich läugne übrigens nicht, dafs
diese ganze Idee von mir kommt, läugne aber durchaus etwas
anderes dafür gethan, als bei Senften im Discurs hingeworfen zu
haben".
Es ist bezeichnend für Thielmann, dafs er, der als Brigade-
Kommandeur an sich dazu nicht den mindesten Anlafs hatte,
sich sofort an den neu aufgehenden Stern des sächsischen
Hofes, den Grafen Senfft, attachiert hatte, und sich darin
getiel, dessen politischen IMafsregeln zu begutachten, und einen
gewissen Einflufs auf denselben zu gewinnen suchte.
122 K^- Haebler:
Schon am 17. März schreibt er an Just: „Sie wollen
meine Meinung über Senfft. Ich mufs ^\•iederholen, was ich
in meinem letzten Briefe schrieb, dafs ich durchaus für ihn
stimme, wohl aber glaube ich nicht, dafs er den Einflufs
seines Vorgängers (Graf Böse) vor Warschau erhalten dürfte,
theils wegen des Unterschieds im Alter, theils weil darüber
vielleicht anderer Seits gewacht wird. In Warschau wird es
aber nicht fehlen, dafs seine An- und Einsichten und seine
Fertigkeit im Handeln ihn weit näher bringen, weit unent-
behrlicher machen, und weit fester stellen müssen". Thiel-
mann kritisiert dann wieder mit der gewohnten absprechenden
Schärfe die getroffenen Personenwahlen, schliefst aber dann
doch mit den Worten: ,,Uebrigens ist das Publikum für Senft,
und alle Gutgesinnten wünschen ihm einen grofsen Wirkungs-
kreis".
Nicht ganz so vertrauensvoll klingt eine Stelle über Senift
in einem Briefe Thielmanns vom 11. Juli desselben Jahres: ,,Mit
Senfft geht die Sache gut, wiewohl ich Ihnen gestehe, dafs
die Frau mir zu viel Einflufs zu haben scheint, und bei Lichte
besehen ist sie mit allem Verstand doch eine Närrin".
Wie gewöhnlich, so suchte Thielmann auch dem Mi-
nister von Senfft gegenüber vor allem in Personenfragen einen
Einflufs zu gewinnen. So agitierte er nach einem Briefe
Watzdorfs vom 27. April 18 10 damals eifrig dafür, einen
Grafen Keller, der in sächsische Dienste zu treten wünschte,
und mit dem er sich, als einer neuen Gröfse, rasch befreundet
hatte, zum Gouvernement von Erfurt zu befördern. Und dafs
Thielmanns Fürsprache nicht ohne Eindruck blieb, lassen
auch die eigenen Briefe des Grafen Senfft- erkennen. Nicht
immer aber äufserte sich Thielmanns Einflufs nur in Empfeh-
lungen, er konnte auch recht deutlich im Gegenteile sein, wie
folgende Stelle aus einem Briefe vom 18. April beweist:
„Mit Mifsfallen habe ich bemerkt, dafs Funk bei Senfft Credit
zu erhalten anfängt, welches durch seinen Verstand leicht denkbar
ist, und wo vielleicht der unkluge Krieg des ersteren (Sie verstehen
mich) und vielleicht gegründetere innere Beschwerden des anderen
einen sourden point de contact ablegen. Ich habe mir die Freiheit
genommen, Senft sehr vertraulicli darüber meine Meinung zu sagen".
Daneben verfehlte Thielmann aber auch nicht, bei Ge-
legenheit seinen Rat auch in nicht rein persönlichen An-
gelegenheiten dem Minister zur Verfügung zu stellen. So
hatte er sich bemüht, demselben, ehe er die Reise nach
Warschau antrat, ein Bild der Verhältnisse im Herzogtume,
mit denen er sich ja, wie oben gezeigt wurde, seiner Zeit
General v. Thielmann. 123
ziemlich eingehend in seiner Weise beschäftigt hatte, beizu-
bringen, worüber er am 5. Juli schreibt: ,,Ich habe die kleine
Genugthuung gehabt, dafs er (Senfft) meine ihm gegebenen
Notizen alle wahr gefunden hat".
In die Zeit von Justs Pariser Aufenthalt fällt noch ein
recht eigentümlicher Schritt Thielmanns, der sich allerdings
mehr auf seine privaten, als auf seine öffentlichen Verhältnisse
bezieht. Auch nach dem Ablauf seines Kommandos war
Thielmann nicht nur mit dem Marschall Davoust, sondern
soofar auch mit dessen Gattin in freundschaftlichem Brief-
Wechsel geblieben, um dessen Vermittelung er den Baron
V. Just wiederholt zu bitten Gelegenheit hatte. Auf diesem
Wege erfuhr denn auch Thielmann, dafs die Fürstin für ihre
Kinder eine deutsche Gouvernante suchte, und Thielmann
empfahl ihr dafür seine Schwägerin Caroline v. Charpentier.
Bekannthch waren die Beziehungen zwischen Thielmann und
dieser Schwägerin von beiden Seiten ungewöhnlich herzliche.
Was aber den Plan, sie als Gouvernante bei Davoust zu in-
stalheren, ganz besonders merkwürdig macht, ist der Umstand,
dafs Thielmann zunächst seine persönlichen Beziehungen zu der
Empfohlenen sorgfältig verschwiegen und dies auch dem Baron
V. Just als eine absichtliche Unterlassung mitgeteilt hatte.
Justs rechtlicher Sinn hat allerdings die Thielmannschen
Pläne, welcher Art auch immer sie sein mochten, nach der
einen Richtung hin vollkommen durchkreuzt. Da auch er
wegen der Persönlichkeit der Empfohlenen befragt wurde,
hat er ganz offen über ihr verwandtschaftliches Verhältnis
gesprochen, und Thielmann hat nachträglich vollkommen an-
erkannt, dafs er nicht wohl anders handeln konnte. Übrigens
ist Caroline v. Charpentier wohl nur sehr kurze Zeit im Hause
der Fürstin v. Eckmühl geblieben, obwohl sie sich bis zum
Sturze der napoleonischen Herrschaft in verschiedenen an-
deren Stellungen in Frankreich aufgehalten hat.
Die Abreise seiner Schwägerin nach Frankreich hat
insofern für Thielmann eine besondere Bedeutung erlangt,
als er es sich, trotz gewichtiger Bedenken, die dem ent-
gegenstanden, nicht versagen konnte, sie bis München zu be-
gleiten und bei dieser Gelegenheit in der Isarstadt einen
mehrwöchentlichen Aufenthalt zu nehmen. Dem Baron v. Just
gegenüber begründet Thielmann seine Reise ganz offen als
einen Ausdruck seiner unzufriedenen Stimmung; er schreibt
ihm von München aus am 25. Mai darüber:
„Sie wissen, dafs ich leider zu den Menschen gehöre, die da
durchsetzen, was sie sich vornehmen, es mag biegen oder brechen,
124 ^' Haebler:
klug oder unklug sein, — so bin ich denn nun auch schon hier, theils
um der Freundschaft ihren Tribut zu zollen, theils um dem ehren-
vollen Ruhestande (allenfalls auch Beiseitesetzung) auf einige Zeit
zu entfliehen, dessen mein zur Thätigkeit gewohntes Blut noch nicht
recht gewohnt werden kann. Klug mag meine Reise nicht sein,
wenigstens gefiel sie auf der Brüdergasse nicht, wo ich sehr kalt
entlassen wurde, ich lasse mir's gefallen, denn, wer will immer klug
handeln?"
Sah er somit selbst schon das Unkluofe seines Schrittes
ein, so ist es nicht zu verwundern, dafs andere Leute ihn
noch weit schärfer beurteilten. Seine Reise hat, wie die in
den Briefen an Just eingestreuten Bemerkungen beweisen,
entschieden damals ein gewisses peinliches Aufsehen gemacht.
So schreibt Watzdorf über den Gegenstand:
„Notre ami Thielmann, (jue j'aime de tout mon coeur pour
l'honnetete et la loyaute de son caractere fait encore une sottise,
qui fera crier ses denigrateurs. Une foule de depenses sur le bras,
sa pauvre femme au terme d'accoucher, ne voilä-t-il pas que le diable
lui suggere d'accompagner sa belle-soeur Charpentier destinee pour
Paris, jusqu'ä Munic pour v voir son ami Narbonne. C'est un man-
que d'attention comme mari et pere de famille, c'est une sottise sous
le point de vue des finances. En general, mon bon ami, Celles de
Thielmann ne prospereront jamais".
Offenbar vermutete man an gewissen Stellen hinter dieser
Reise noch viel weitergehende Pläne, und traute dem ehr-
geizigen und ungeduldigen Manne wohl zu, dafs er wieder
einmal, wie in seiner Leutenantszeit , nicht abgeneigt sei,
einen Fahnenwechsel zu vollziehen, wenn er sonst dabei gute
Geschäfte machen konnte. Denn Thielmann schreibt selbst
über seinen Abschied bei Hofe: ,,Der König war ganz be-
denklich darüber, als er mir den Urlaub ertheilte; er mochte
mir üble Absichten zutrauen, ich habe ihn aber beruhigt".
In München, wo Thielmann sich drei Wochen lang auf-
hielt, war er der Gast des dort als französischer Gesandter
weilenden Grafen Narbonne, mit dem ihn allerdino-s alte
Freundschaft verband. In dem tatenlosen Wohlleben, unter
den vielen neuen Eindrücken, die er da empfing, lebte er
wieder etwas auf und kehrte in einer besseren Stimmung
zurück, als diejenige war, in der er die Reise antrat. Er
war, wie er in seinen Briefen hervorzuheben nicht vergifst,
selbst bei Hofe mit Auszeichnung behandelt worden. Sein
scharfer Blick und sein schlagfertiges Urteil liefsen die Er-
zählungen, die er von seinen Münchener Erlebnissen machte,
den Dresdener Freunden so interessant erscheinen, dafs sie an
Just nach Paris davon berichteten. So schreibt Ehrlinger am
27. Juni: „II (Thielmann) m'a cra3-onne un tableau assez bien
General v. Thielmann.
125
fait de cette cour et de Fetat oü ce pays se trouve." Das-
selbe hatte er natürlich auch selbst schon dem Baron v. Just
gegenüber gethan.
Dafs aber auch diese Auffrischung in ihrer günstigen
Wirkung auf seine Stimmung nicht lange vorhielt, daran
waren wohl in hohem Mafse seine finanziellen Verhältnisse
Schuld.
Thielmanns frühere Biographen haben wohl zahlenmäfsig
von seinen Anleihen bei der Kriegskasse und bei dem Könige
berichtet, allein um die Rückwirkungen dieser Übelstände
auf Thielmanns Charakter und Handlungsweise verstehen zu
können, mufs man etwas tiefer in den Sumpf hineinblicken,
in dem Thielmann steckte. Petersdorf hat Thielmanns Gattin
verdächtigt, als ob sie eine schlechte Haushälterin gewesen
sei, anscheinend aber ohne alle Berechtigung. Die Korre-
spondenten des Baron v. Just, die fast ausnahmslos dem Ge-
neral Thielmann sehr wohlwollten, die Art seiner Finanznöte
dabei aber sehr genau kannten, sprechen nur mit Hoch-
achtung und mit Bedauern von seiner Gattin, vmd machen
ganz allein ihn selbst für seine mifsliche Finanzlage verant-
wortlich.
Das Übel war alten Datums, Die ersten Klagen Thiel-
manns, welche seine schwierige Lage verraten, stammen schon
aus der Zeit, wo er dem Marschall Davoust noch attachiert
war. Er schreibt aus Berlin am 22. November 1808:
,,In meiner Angelegenheit habe ich noch nicht an den Grafen
Böse geschrieben, denn meine Depesche wurde länger, als ich glaubte,
und das Betteln um Existenz ist mir so odiös, dafs es das letzte ist,
woran ich denke. Der König, zu gerecht um dem Gesetze der an-
ciennite Eintrag zu thun, wenn es darauf ankommt, das Verdienst
zu belohnen oder den guten Willen zu ermuntern, ist jetzt im Be-
griff das Gesetz auf Kosten aller derer zu beugen, die 20. und 30. Jahr
auf Hoffnung dieser Anciennität dienten, und warum? um Fremd-
linge aus einer bis zur Verachtung herabgesunkenen Militärschule
zu placiren! Ich soll meine Escadron hergeben, 26 Jahre umsonst
gehofft haben (denn ich diene 28 Jahr) und nach geleisteten Diensten
meine Kinder das Brod an den Thüren suchen lassen, nur dafs ein
preufsischer Rittmeister zu leben habe, der bei Halle 3 Blessuren
erhielt. Ei, ich kann nicht dafür dafs ich von Mainz an bis Fried-
land kein Krüppel wurde. Die Vernunft und Pflicht gebieten mir,
nichts zu verabsäumen, was die Klugheit gut heilst; ich werde also
dem Grafen Böse und Marcolini meine Lage kurz vorstellen, ehrer-
bietig aber männlich sprechen, und dann — nicht mehr eine Feder
ansetzen. Ich werde meine Parthie zu nehmen wissen, um durch
die Welt zu kommen".
Im vorliegenden Briefe handelt es sich zunächst wohl
noch mehr um Avancements -Sorgen als um finanzielle Be-
J25 K. Haebler:
drängnisse. Er ist aber zu bezeichnend für Thielmanns Art,
für seine Auffassung des eigenen Verdienstes und seiner
Stellung zu seinem Kriegsherrn, als dafs ich ihn hätte weg-
lassen können. Natürlich ist derjenige, zu dessen Gunsten
die Anciennität nicht durchbrochen wurde, er selbst, und den
Schlufssatz wird man kaum falsch deuten, wenn man annimmt,
dafs Thielmann darauf rechnete, in französischen Diensten
unschwer Aufnahme zu finden.
Sehr drückend aber müssen seine Finanznöte schon zur
Zeit der Militärreform gewesen sein. Als es entschieden
war, dafs Thielmann als Brigadekommandeur in Dresden
bleiben würde, schreibt Watzdorf an Just: „Cela ne l'enrichera
pas; il a pris le logement des Oledzki ä la grande place, et
est court d'argent. Le comte Marcolini lui a prete, risum
teneatis, mille ecus tout recemment. Qui nous aurait predit
cela il y a quatre ans!'- Thielmann selbst aber schien schon
damals das Gefühl in hohem Grade verloren zu haben für
das Demütigende, was darin lag, dafs ein Mann in seiner
Stellung stets um Darlehen bitten mufste, und stets von seinen
Gläubigern abhängig blieb. Er schreibt dieselbe Tatsache
als etwas ganz Selbstverständliches an Just, und bald darauf
werden die Klagen über seine Geldverhältnisse ein stehendes
Kapitel in seiner Korrespondenz. So schreibt er am 5. Juli
18 10: „Mir geht es wohl, aufser dafs ich mit meinem Traite-
ment unmöglich leben und meine Kinder erziehen kann, so
dafs ich Schulden machen mufs, und ein kummervolles Alter
zu erwarten habe, welches ich diese Woche dem König
schriftlich sehr deuthch auseinander setzen will". Schon da-
mals also schien es ihm bei weitem nicht mehr so schwer,
„um seine Existenz zu betteln", wie er es im Jahre 1808
genannt hatte; im Gegenteil, er fand es jetzt höchst un-
gerecht, dafs man das nicht höheren Ortes ganz selbst-
verständlich fand. Schon am 11. Juli klagt er abermals,
dafs er
„sehr ruhig leben würde , wenn ich nicht 80 Rthlr. monatlichen Ab-
zug hätte, um beinahe 800 Rthlr. Cabinetssporteln zu bezahlen, femer
100 Rthlr. monatlich, um 1000 Rthlr. an den König zurückzuzahlen,
und ebensoviel an den Grafen MarcoUni, der mir diese Summe lieh,
um mich zu equipiren, so wie mir erstere der König gab, um mich
1807 zum Felde einzurichten. Natürlich mufs ich dieses regelmälsig,
oft vom Juden, wieder borgen, warte übrigens ganz ruhig ab, wozu
das führen wird, welches nichts anderes als mein Ruin sein kann.
Ob ich mir wohl sage, ein besseres Schicksal verdient zu haben, so
kann ich mich doch nicht sehr darüber kränken, denn es ist in der
ganzen Welt nicht anders: Dankbarkeit und Fürsten paaren sich
nur selten".
General v. Thielmann. 127
In dieser vollkommenen Verkennung- der Lage Vjlieb er.
Auch am 12. August schrieb er wieder:
„Was mich betrifft, so habe ich Ursache unzufriedener als je
zu sein. Seit 3 Wochen habe ich dem König und dem Grafen Marco-
lini meine Lage in einem weitläutigen Expose ruhig und ehrfurchts-
voll geschildert, aber keine Antwort erhalten. Um meine Lage recht
brillant zu machen, läfst man mich jetzt noch die Rationen bezahlen,
die ich seit dem Frieden bis zum i sten Mai während meiner Dienst-
anstellung gezogen hatte, überdies läfst man mich noch einen Vor-
schufs von 1000 Rthlr. durch einen monatlichen Abzug von 50 Rthlr.
bezahlen, den mir der König gab, um nach Danzig zu gehen, hierzu
kam am i sten die Personensteuer, so dafs ich statt des Tractaments
auf den August nur Papier erhielt".
Thielmanns finanzielle Lage mochte in der Tat eine
recht schwierige sein, denn er bezog als Kommandeur der
Brigade einen Gehalt von monatlich 333 Rthlr. 8 gr, wovon ihm
mit all den erwähnten Abzügen allerdings nicht viel übrig blieb.
Anderseits zeigt eben diese Liste der Abzüge, wie Thielmann
jede Gelegenheit wahrgenommen hatte, sich Vorschüsse zahlen
zu lassen, während er — - die ältesten Vorschüsse stammen
aus dem Jahre 1806! — niemals sich darum bekümmert hatte,
diese Schulden wieder abzutragen. Seine Denkschrift ist, ob-
wohl er es nicht für nötig gefunden hat, in seinen Briefen
an Just auch dessen Erwähnung zu tun, auf die Dauer nicht
unberücksichtigt geblieben, und es ist ein wesentlich milderer
Weg zur allmählichen Abtragung seiner Schulden gefunden
worden. Vermuthch sind auch dieselben Rücksichten mit
dafür bestimmend gewesen, dafs Thielmann dem kostspieligen
Leben der Residenz entzogen und als Brioradekommandeur
nach Kottbus versetzt wurde. Freilich wurde der Zweck nur
zu einem kleinen Teile erreicht. Kaum an seinem neuen
Bestimmungsorte angelangt, fand Thielmann die politische
Lage so drohend, dafs er glaubte, auf seine Equipierung für
einen kommenden Feldzug bedacht sein zu müssen, und das
erste, was er unter diesen Verhältnissen für nötig erachtete,
war, den König abermals um einen Vorschufs anzugehen.
Und denselben Brief (aus Lübben vom 11. Juni 181 1), in dem
er Just dieses mittedt, schliefst er mit den Worten: ,, Leben
Sie wohl und bedauern Sie mich, dafs ich in einer Lage bin,
wo ich physisch und bürgerlich untergehen mufs, denn nächst
dem Banquier ärgere ich mich zu Tode".
Seine Vorsicht in Bezug auf die Equipierung erwies sich,
wenn auch als etwas verfrüht, doch nicht als ganz über-
flüssig, denn die politische Lage spitzte sich immer mehr zu.
Inzwischen aber führte Thielmann sein sorgloses Verschwender-
128 K. Haebler;
leben ruhig weiter, immer hoffend, dafs ein vmvorhergesehener
Glücksfall ihn retten oder ein neuer Feldzug ihn wenigstens
vorübergehend der Misere entreifsen solle. Dafs dieselbe
fortbestand, ist aber unverkennbar. Einer von Thielmanns
wärmsten Verehrern war der Hofrat und Bürgermeister von
Dresden, Dr. Chr. Gf. Heyme. Auch er gehört zu Justs
Korrespondenten und gedenkt in seinen Briefen nicht selten
des gemeinsamen Freundes. So schreibt er auch am 8. Sep-
tember 1811 über einen Besuch Thielmanns in Dresden:
„Freund Thielmann wollte gestern wieder nach seinem Can-
tonnement abgehen; ob es geschehen ist, weifs ich nicht. Er
ist immer noch der alte: Bayard en tous sens, sans peur,
sans reproche et sans economic; je commence ä craindre pour
les suites".
Nach einer Seite hin waren damals die Folgen schon
sehr stark zu spüren. Thielmann war jedenfalls mit unter
dem Drucke der schlimmen Verhältnisse in hohem Grade reiz-
bar geworden, und durch die Ausbrüche seines unbändigen
Temperamentes hatte er einen grofsen Teil seiner alten Freunde
eingebüfst. Thielmann war kein Charakter für die sentimen-
talen Freundschaften, wie sie im Charakter der damaligen
Zeit lagen. Er war in zu hohem Grade von dem Werte der
eigenen Persönlichkeit eingenommen und zu sehr bemüht, bei
jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit sich selbst zur
Geltung zu bringen, als dafs er in seinem Herzen für eine
aufrichtige und herzliche, geschweige denn für eine auf-
opfernde Freundschaft Raum gehabt hätte.
In seinen jüngeren Jahren hatte ihn die Kameradschaft
mit einer Reihe seiner Altersgenossen in freundschaftliche
Beziehungen treten lassen, und die Gemeinsamkeit der Inter-
essen hat sie eine o^ute Strecke ihrer Lebensbahn äufserlich
zusammengehalten. Innerlich hatte sich Thielmann meist schon
sehr früh von ihnen losgesagt, wie die schonungslose Härte
beweist, mit der er in den Briefen an Just über eben die-
jenigen Personen aburteilt, die seinen früheren Biographen
als seine vertrauten Freunde gegolten haben. Freundschaft
hielt Thielmann nur da aufrecht, wo ihm dies der eigene
Vorteil zu gebieten schien, oder wo die Entfernung einem
Konflikte der Interessen vorbeugte. Eine Freundschaft der
letzteren Art war diejenige zu dem Grafen Narbonne, und
auch da ist Thielmanns Uneigennützigkeit keineswegs aufser
Frage. Eine Mischung beider Freundschaftsarten war die-
jenige, die ihn mit Davoust verknüpfte, seine Beziehungen
zu dem Baron v. Just fallen aber wohl, trotz aller Freund-
General v. Thielmann. 12^
Schaftsbeteuerungen, soweit Thielmann in Betracht kommt,
nur unter den Gesichtspunkt des Interesses.
Die Beziehungen waren nicht immer ungetrübt gebHeben.
Noch am 3. Juni 181 1 schlofs er einen langen Brief an Just,
voll von bitteren Klagen gegen seine früheren Freunde, mit
den Worten: ,,Von ganzem Herzen der Ihrige, und es thut
mir wahrhaft wohl, das noch von einigen Menschen sagen
zu können". Diesem folgt noch ein Brief vom nächsten Tage,
dann tritt in der Korrespondenz eine mehrmonatliche Pause
ein. Als dann der Baron v. Just in das Geheimerats-KoUegium
berufen w-orden war, hielt auch Thielmann es für angebracht,
ihn zu beglückwünschen. Aber der Brief vom 8. März 181 2
beginnt mit den Worten: ,, Durch Zufall erfuhr ich erst vor-
gestern Ihre Beförderung — denn von Freundeshand sie zu
erfahren bin ich nicht mehr glücklich genug — " . . . Thiel -
mann litt damals offenbar an den Folgen der Vereinsamung,
einer Vereinsamung, die er allerdings nur der hochfahrenden
Härte des eip;enen Charakters zu verdanken hatte. Er wird
darüber fast elegisch, wenn er in demselben Briefe bei Er-
wähnung des Grafen Narbonne in die Worte ausbricht: ,,er
ist ein Freund, der mir treulich geblieben ist". Auf dieses
Prädikat hatte Herr v. Just mindestens das gleiche, wenn
nicht ein gröfseres Anrecht. Tatsächlich wurde zunächst das
Einverständnis rasch wiederhergestellt. Bereits am 28. März
konnte Thielmann einen Brief Justs beantworten: „Er ist ein
Beweis, dafs Sie selbst beruhigt sind, und dann ist es eine
wohlthätige Empfindung, von einem befreundeten Wesen etwas
zu hören, wenn man sich unter solchen befindet, die sich
recht von Herzen hassen".
Diese Bemerkunsf bezog sich zwar zunächst nicht auf
Thielmanns eigene Stellung, allein nach manchen Richtungen
hätte sie auch auf diese zugetroffen. Mit Manteuffel war er
schon seit der Militärreform zerfallen, ohne dafs eine Wieder-
annäherung erfolgt wäre. Manteuffel neigte, was damals selbst
in Thielmanns Augen keine Empfehlung war, zu der anti-
französischen Partei hin, und das hinderte ihn, unter den
damaligen Verhältnissen einen Einflufs zu behaupten, auf den
der bescheidene Mann niemals einen grofsen Wert gelegt
hatte. Auch „Freund Watzdorf", den Thielmann in jener
Zeit so sehr schätzen gelernt hatte, ward von ihm vergessen.
Noch wiederholt erkundigt sich Watzdorf, während er den
Petersburger Gesandtschaftsposten einnahm, bei Just nach dem
einstigen Freunde, bis er resigniert, am 7. Februar 181 2, an
jenen schreibt: „lui (Langenau), Gersdorf, Thielmann ne me
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. l. 2. 9
iqo K. Haebler:
donnent signe de vie; eh bien, consolons nous en". Aber
auch die beiden Genossen der Mihtärreform , Gersdorf und
Langenau, waren oder wurden jetzt zum alten Eisen geworfen.
Für Langenau hatte Thielmann einstmals als der ältere
Kamerad aufserordentlich warme Empfindungen des Wohl-
wollens gehegt. Am 24. Januar 1808 hatte er an Just ge-
schrieben: „Der General Polenz hat nun den Sousheutenant
Langenau zum 2ten Mal als Premierlieutenant in Vortrag ge-
1)racht, allein es ist abermals beigelegt. Will man denn
niemanden aufmuntern? Der König ist diesem jungen Menschen
die gröfste Dankbarkeit schuldig, indem er bei Danzig im
strengsten Sinn des Wortes die Stelle seiner an Denkungsart,
Handlungsweise und äufserer Erscheinung der niedrigsten
Volksklasse gleichen Generale und Brigadiers der Infanterie
übernahm, und so des Königs Ehre mit erhielt". Demselben
Langenau verschaffte er dann Gelegenheit, durch seine Spionen-
reise nach Königsberg sich dem Marschall Davoust zu emp-
fehlen, was bei den damaligen Gesinnungen Thielmanns
durchaus als ein Beweis des Wohlwollens aufzufassen ist,
ob er sich schon nebenbei Gedanken darüber machte, ob
man am Dresdener Hofe mit dieser Art von Liebesdiensten
gegen die Franzosen einverstanden sein möchte. Es wurde
schon erwähnt, dafs er Langenau für den Geeignetsten an-
sah, der Botschaft in Paris attachiert zu werden, wenn er
nicht hier (in Dresden) unentbehrlich wäre. Allein seit der
einstige Untergebene rascher als erwartet seinen Weg auf-
wärts gefunden und bei der Mobilmachung gegen Rufsland
sogar den einflufsreichen Posten eines Generalstabs - Chefs
erhalten hatte, da war es auch um die Freundschaft Thiel-
manns geschehen, der in ihm nur noch einen gefährlichen
Nebenbuhler um Macht und Einflufs erblickte. Am 3. Mai 181 2
schreibt Langenau: ,, Thielmann, dessen unangenehme Lage
ich besonders in Rücksicht seiner Brigade herzhch bedaure,
behandelt mich, wie seinen ärgsten Feind, und auf eine Art,
die ich weder verdiene, noch so leicht vergessen werde".
Und trotzdem stellte dieser nämliche Langenau am 6. Sep-
tember desselben Jahres dem General Thielmann das schöne
Ehrenzeugnis aus: ,, Thielmann dauert mich, seine Lage ist
nicht die angenehmste. Funk benimmt sich so, dafs es Pflicht
für jeden rechtlichen Sachsen wird, ihn zu verdrängen . ., .
Thielmann ist hart, stolz, unbändig und eitel — aber rechtlich
und Soldat, und mit Funk nicht zu vergleichen".
Mit Gersdorf sahen wir bereits die in der Militärreform
bekundete Gemeinsamkeit der Anschauungen bald darauf sehr
General v. Thielmann. 131
in die Brüche gehen. Von Freundschaft ist schon recht wenig
zu spüren in der Charakteristik, die er ihm in einem Briefe
vom 28. April 1810 widmet: „Gersdorf ist allmächtig, und
thut durchaus, und setzt durch, was er will; ich bin gut mit
ihm, er fürchtet mich, ungeachtet er mich nicht mehr braucht.
Wenn er wird mehr Geschmack an der Sache bekommen,
und l'appetit vient en mangeant, so versichere ich Ihnen, ist
seit Brühl niemand von mehrerem Einflufs in Sachsen gewesen,
als er, selbst Marcolini nicht, weil die Geschäfte nie sein
Ziel waren . . . ." Bald aber ward die Feindschaft offenkundig.
Dem General v. Gersdorf scheint allgemein damals nachgesagt
worden zu sein, dafs er seine Gunst nicht ohne Parteilichkeit
verteile; Thielmann aber wagte es, ihm das ins Gesicht zu
sagen. Darüber schreibt Watzdorf am 22. Juli 1810 an Just:
,, Thielmann a juge necessaire d'avertir Gersdorf des propos
tres critiques que la Reine et la Princesse se permettent sur
lui et sa pretendue venalite. Ceci trotte furieusement par la
tete de Gersdorf; je desire qu'il en fasse son prolit". Und
als daraufhin Just in der wohlgemeintesten Absicht ihn er-
mahnte, es nicht unnötigerweise mit Gersdorf zu verderben,
schrieb er den Brief vom 11. Juni 181 1, der vielleicht das
Charakteristischste ist, was die ganze Justsche Korrespondenz
über Thielmann enthält:
„Sie sagen, ich soll den General Gersdorf nicht reizen? Glaubt
er sich durch meine Kälte gegen ihn gereizt, wohlan, ich mufs mir's
gefallen lassen. Sein Gewissen wird Ihm wohl sagen, dafs er eine
grofse Wärme meinerseits nicht verdient hat, und da ich übrigens
ein gutes Gewissen gegen ihn habe, so mag er sich nur in Acht
nehmen, dafs er mich nicht reize! Der General Gersdorf hat gegen
meine Geradheit von jeher eine Aversion gehabt, und da er sich
über meuie Redlichkeit und Nachgiebigkeit gegen ihn während
unserer Dienstverhältnisse in Polen durchaus nicht zu beklagen hatte,
ihm aber doch das Zutrauen, welches mir Polenz, und späterhin
Davoust schenkten, gefährlich schien, so schadete er mir seinem
Charakter gemäfs hinterlistig, und war die einzige Ursache meines
Mifsverhältnisses mit Polenzen, wie ich nun ganz unwidersprechlich
weifs. Polenz ist aber nun auch von seinem vermeinten Freunde
zurückgekommen, da ihm dessen Uriasbriefe welche er über ihn an
Cerrini schrieb, durch den liebenswürdigen Gen. Zastrow abschrift-
lich zugekommen sind. Ich habe des Herrn von Gersdorf Organi-
sationsplan redlich unterstützt; hätte ich aus Privat- Ursachen, oder
selbst um den Plan entweder reifer oder nur meinen Ansichten ge-
mäfser ausführen zu machen, welches ich aber der guten Sache
wegen nicht that, in die Opposition des Hn. v. Funk geworfen, wie
leicht würde es mir gewesen sein, ihm zu schaden ! Denn es sprach
ja in der Kommission Niemand als ich, und Funk würde sodann
weniger bitter gewesen, und mehr Muth zum Handeln gehabt haben.
Hätte der König mir sein Vertrauen geschenkt, und mir den Auf-
trag zu einem Entwurf' gegeben, würde dann der Hr. v. Gersdorf
9*
1^2 K. Haebler:
an meiner Stelle ebenso, wie ich, gehandelt haben? Ich überlasse
Ihnen die Antwort".
„Herr \on Gersdorf hat mich nmimehr ganz bei Seite gesetzt,
wohl ihm! aber er will nunmehr auch nicht einmal, dafs ich leben
soll. Er tanzt allen denen auf dem Seile, die er ihrer Schlechtigkeit
wegen mehr fürchtet, als mich, oder die ihn bezahlt haben. In
Dresden hat er mir durch Versprechen, die er nie halten wollte, das
Maul geschmiert, und mich verdächtig gemacht, dafs ich mit Davoust
in geheimen Verbindungen stünde. Davoust macht mir bittere Vor-
würfe, dafs ich ihm nicht schriebe; ich habe ihm von hier aus ge-
antwortet, er möge mir erlauben, meine Correspondenz nur auf
wichtige Fälle zu versparen, weil meine Verbindung mit ihm mir
hier schadete, ich hofl'te aber von ihm, er würde, wenn ich es ver-
langte, laut sagen, für welches Interesse ich bei ihm gearbeitet habe,
ob für das meinige, oder für das meines Vaterlandes".
Hier folgt dann die Stelle, in welcher Thielmann seiner
Verdienste bei Jena und Friedland gedenkt, die ich schon
oben S. loi zitiert habe. Dann fährt er, wieder auf Gensdorf
zurückkommend, fort:
„Was ist mir geworden, als ich 1809 durch Herrn v. Gersdort
schon zurückgesetzt, aber von meinem besseren Stern wieder ans
Licht gezogen, des Königs, seiner Minister und der Nation Ehre
rettete, dafs ich Westphalen durch Drohung und Bitten zur Hilfe
nöthigte, und alle Kräfte aufbot, mit wenigem viel zu thun? Dafür
bin ich General worden, nämlich ein solcher, wie General Dyherrn,
dem man seiner unbeschreiblichen Erbärmlichkeit wegen das Com-
mando nehmen, und mir geben mufste, und wäe es noch ',2 Dutzend
unbrauchbare oder höchst mittelmäfsige Menschen gleichfalls ge-
worden sind, Zeschau und Lecoq selbst nicht ausgenommen, denn
unter allen ist doch nur Gutschmid der Einzige, der eine Armee zu
führen im stände ist".
Aus dem Briefe geht Thielmanns aufserordentliche Selbst-
überhebung, aber nicht minder sein bitterer Hafs gegen den
erfolgreicheren Nebenbuhler mit aller nur wünschenswerten
Deutlichkeit hervor. Auch die folgenden Schreiben enthalten
noch manchen gelegentlichen Ausfall gegen den General
V. Gersdorf; nur der Umstand, dafs Thielmann persönlich
kaum noch etwas mit ihm zu tun hatte, dafür aber auf
andere ihm näher stehende die Schale seines Zornes aus-
giefsen mufste, läfst ihn etwas mehr in den Hintergrund treten.
Ebenso wenig aufrichtig und beständig war Thielmanns
Freundschaft für Funk. Wenn man Petersdorf Glauben
schenken wollte, so hätte das vertraute Verhältnis der ehe-
maligen Kameraden noch bis zu Funks Abschied aus der
Armee im Jahre 181 3 fortbestanden. Die Briefe an Just zeigen
die vollkommene Haltlosigkeit dieser Behauptung. Schon in
der Zeit, wo die Korrespondenz einsetzt, ist die Freundschaft
stark erkaltet. Schon am 26. November 1807 schreibt Thiel-
General v. Thielmann
133
mann über Funk: „Wenn Sie mir einige militärische Gaben
vielleicht zutrauen, so sollen Sie meine Politik doch auch
nicht ganz verwerfen, darum erzähle ich Ihnen, dafs ich
auf die so vielfältig geflickte Freundschaft mit Funk einen
neuen Fleck geflickt habe, welcher in einem ungezwungen
neutralem Benehmen besteht, wozu er aber auch, ihm zur
Ehre sei es gesagt, die erste Hand bot". Wie er darüber
dachte, dafs Funk ihn dem Marschall Davoust als prussien
zele empfahl, ist oben mit Thielmanns Worten mitgeteilt
worden; in demselben Briefe meint er gelegentlich: ,,Es
wäre zu wünschen, dafs Funk mehr Ruhe und vielleicht
weniger Rücksicht auf eignen Weg hätte, denn manchmal
sehen wir den Wald vor Bäumen nicht". Und indem er
noch einmal auf ihn zurückkommt an anderer Stelle: ,,Man
sollte Funken nach Paris schicken, dann wäre seine Ambition
befriedigt, denn mehr könnte er doch nicht hoffen, und dann
würden auch seine unbestreitbaren Talente eine richtigere
Anwenduno- finden".
Die Stellung beider Männer zu dem Militärreformplane
ist durch die früheren Zitate aus Thielmamis Briefen hin-
länglich gekennzeichnet; es leuchtet ein, dafs auch diese nicht
dazu beitragen konnte, die einstigen Freunde einander wieder
näher zu bringen. „Der grofse Stein des Anstofses", so
schreibt Thielmann am 10. Februar 18 10, ,,Funk, scheint
gänzlich bei Seite gesetzt, und Gersdorf wird nicht allein die
administrativen Geschäfte, sondern auch die Kommandosachen
erhalten. Funk ist ruhig, weil er noch Hoff'nungen hat, sieht
er selbige aber vereitelt, so fürchte ich grofse Eruptionen
seines unterdrückten Zornes. Schön wäre es", fügt er, auf
die vorher geäufserte Idee zurückgreifend, hinzu, ,,wenn er
in die diplomatische Laufbahn übergehen könnte, wo er
nützlichere Dienste leisten könnte, als in der militärischen,
und wodurch zugleich eine schädliche Opposition beseitigt
würde".
Dieser Wunsch Thielmanns erfüllte sich aber nicht.
Funk bheb im aktiven Militärdienste, obwohl er, das ver-
raten auch andere Korrespondenten des Baron v. Just, sich
weder einer sonderlichen Beliebtheit noch eines ofrofsen An-
Sehens zu erfreuen hatte. In dem oben erwähnten Briefe,
worin Thielmann seinen Gefühlen gegenüber Gersdorf die
Zügel schiefsen läfst, gedenkt er auch des Generals Funk,
von dem er anerkennt, dafs auch er alle Ursache habe, mit
Gersdorf unzufrieden zu sein, aber selbst in diesem Augen-
blicke kann er sich nicht mit ihm aussöhnen, sondern hebt
I2A K- Haebler:
ausdrücklich hervor, dafs er ,,mit dem General Funk auf ewig-
geschlossen, und alle Verbindung aufgehoben habe".
Und nun bereitete ihm das Schicksal den Schlag, dafs er
vinter Funks Befehle zu treten genötigt wurde.
Auch in seiner Kottbuser Stellung behielt Thielmann die
Gewohnheit bei, neben den militärischen Vorgängen auch den
politischen fortdauernd eine rege Teilnahme zu widmen. Allein
er täuschte sich diesmal verhältnismäfsig lange und schwer
über die Bedeutung dessen, was sich vorbereitete. Von dem
prussien zele, der er in seiner Jugend gewesen sein sollte,
war seit 1807 nichts mehr zu spüren gewesen. Über die Be-
mühungen Hardenbergs um die Reorganisation des Staates
urteilt er höchst abfällig. Am 27. April 1809 schliefst er
eine Bemerkung darüber mit den Worten: ,, Sollten das wohl
Mittel sein, deren sich Hermann bedient hätte? Ich glaube
und sage: nein!" Und am 3. Juni 181 1 schildert er von
Lübben aus die Lage des Nachbarlandes folgendermafsen:
,, Frankreich (ist) über Alles gefürchtet, um nichts desto we-
niger ist man oft mit sich selbst im Widerspruch. Rufsland
soll keine Demarchen gemacht haben, um Preufsen in eine
Allianz zu ziehen, und Frankreich scheint sich ebenso wenig
darum ernstlich zu bemühen, was man dort nur zu gut fühlt,
und woher nicht geringe Besorgnisse entspringen".
Selbst als der Krieg unmittelbar in Aussicht stand,
täuschte sich Thielmann noch vollkommen über seine Trag-
weite. Noch am 8. März 181 2 schrieb er an Just aus
Kottbus: ,,Ich lebe hier ganz in der Abgeschiedenheit von
der Welt, und schliefse nur aus den Berliner Zeitungen, dafs
die Federn in diesem Heereszuge mehr zu thun haben
dürften, als die Degen, und dafs unsere geheimnifs vollen
strategischen Stellungsveränderungen auf falschen Voraus-
setzungen beruhen". Nur die Geldnot plagte ihn, wie ge-
wöhnlich: ,,Die vorgestern eingegangene Nachricht von dem
Feldetat seit i. März hat den Grafen Marcolini meinerseits
vor einer Philippica gerettet, die schon ins Reine geschrieben
war, denn weder ich noch Gutschmid, noch selbst Lecoq
hätten das länger aushalten können".
Sobald die sächsischen Truppen mit den Franzosen in
Fühlung traten, erwachten natürlich auch in Thielmann die
alten Prätensionen wieder. Über Reynier schreibt er am
28. März 1812:
„Mit unserm Egyptier und den beiden Machthabern findet ein
ziemlich kaltes Verhältnifs statt; der erstere, von Natur kalt, kann
auch freilich in dem Umgange der unsrigen keine grolse Erholung
General v. Thielmann.
135
finden, wo\on der eine viel zu unbedeutend, der andere viel zu
wenig Weltmann ist, als dafs Berührungspunkte stattfinden sollten.
Der Egyptier erinnerte sich meiner sogleich und war sehr artig. Ich
habe mich aber zurückgezogen um die komische Jalousie der anderen
nicht zu erregen".
Damit mufs es nun aber doch wohl nicht so weit her-
gevi^esen sein, denn sonst hätte wohl kaum Langenau am
3. Mai über eben dieselben Verhältnisse zwischen den säch-
sischen und den französischen Kommandeuren mit unverkenn-
barer Beziehimg auf Thielmann in die Klage ausbrechen
können :
„Hätte Lecoq aber so viel Verstand, als er Nachlässigkeit und
Gutmüthigkeit besitzt, hätte er mehr Zutrauen zu sich und weniger
Mifstrauen a;egen andere; — hätte Reynier etwas von Lecoq's Höf-
lichkeit und Gutmüthigkeit; — wären die Cavallerie-Generale
weniger geneigt, auf Unkosten der übrigen ihr Licht
leuchten zu lassen, so würde mir freilich mein Leben etwas
leichter gemacht".
Im Augenblicke der Mobilmachung verlor die sächsische
Armee in dem General Gutschmid den Mann, in welchem
nicht nur Thielmann, sondern fast alle, welche Einblick in
die Verhältnisse besassen, den einzigen geeigneten Führer
für den kommenden Feldzug erblickten. Ob Thielmann selbst
sich einen Augenblick mit der Hoffnung getragen hat, an
Gutschmids Stelle berufen zu werden, ist aus den Briefen an
Just nicht zu erkennen. Sicher aber haben seine Freunde
darauf gehofft, und die Schwierigkeiten sofort mit voller
Klarheit erkannt, welche sich daraus ergaben, dafs Funk an
Gutschmids Stelle berufen, und damit zu Thielmanns unmittel-
barem Vorgesetzten gemacht wurde. Der Bürgermeister
Heyme, den wir schon einmal als Thielmanns warmen Be-
wunderer kennen lernten, gab diesen Empfindungen Ausdruck,
indem er am 16. Juni an Just schrieb:
„Die Catastrophe des General Gutschmid, die ich vorgestern
erfahren, hat mich als Patriot — da wir einen unserer wenigen guten
Generale verloren — erschüttert und bekümmert, und dies letztere
doppelt, da ich bald darauf erfuhr, dafs der, der nach meiner viel-
leicht durch mein Herz verführten Meinung, ihn einzig ersetzen
konnte, ihn nicht ersetzt hat. Ich läugne nicht, dafs die Hoffnung,
die meine Freundschaft für unseren Bayard fafste, mich einiger-
mafsen beruhigte, ihr Fehlschlagen aber mich um so mehr, zumal
bei den Folgen, die es, besonders bei einst wieder eintretendem
Ruhestande, nach meiner Kenntnifs von den Charakteren der Männer
haben könnte, schmerzt".
Wie Thielmann selbst sich über die Angelegenheit aus-
spricht, und was er von seinen Schritten in derselben be-
richtet, entspricht recht wenig dem, was man nach seinen
136
K. Haebler:
vorausgegangenen harten Äufserungen über seine alten
Freunde und Kameraden hatte erwarten müssen. Statt in
einen Wutanfall zu geraten, wird er mit einem Male in einer
Weise diplomatisch, die man sich kaum anders als durch
äufsere Rücksichten erklären kann. Sein Brief aus Grodno
vom 2. Juli 181 2 berichtet zunächst auf zwei grofsen Seiten
von allem Möglichen, von den kriegerischen Operationen,
von Gutschmids und ausführlicher noch von Grünewalds
Tode, durch den eins seiner Regimenter den Führer verlor;
erst auf der dritten wendet er sich dem Gegenstande zu,
der ihn doch über alles andere nahe berühren mufste:
„Die Verhältnisse meines Lebens haben sich durch Gutschmids
Tod sehr verschlimmert, indem ich nun unter Funk zu dienen das
Unglück haben soll, welches mehr wäre, als ich zu ertragen im
Stande bin, und meine Parthie ist hierüber genommen. Der König
liefs mir offiziell die freie Wahl antragen, ob ich lieber in meiner
jetzigen Anstellung bei der schweren Cavallerie verbleiben, oder das
Commando der leichten Brigade übernehmen, das heifst lieber aus
Verhältnissen, wo ich wenigstens sehr geachtet bin, heraustreten, und
mich in mir höchst unangenehm sein müssende begeben wollte. Ich
habe darauf auch offiziell erwidert, dafs, da ich mir gar keine mili-
tärischen Talente zutrauen dürfte, und ich mich blols mit dem Be-
wufstsein, meine Schuldigkeit treulich zu erfüllen, begnügen müfste,
ich um so weniger im stände sei, mir selbst eine Anstellung zu wählen,
und ich daher diese freie Wahl „als eine unverdiente Königliche
Gnade ablehnen müfste".
Wie schwer ihm aber eigentlich um das Herz war in
jenen Tagen, das verraten die folgenden Zeilen:
„Sie schreiben mir, dafs mir die beiden Grafen Marcolini und
Senft sehr wohl wollten. Ich versichere Ihnen, dafs ich gegen der-
gleichen Wohlwollen von Herzen gleichgiltig zu werden anfange.
Wenn man sich fühlt, mehr als ein Schachstein gewesen und noch
zu sein, nichts destoweniger aber beständig als ein solcher behandelt,
und jedem Laffen zum Spielwerk hingegeben wird, dann zieht man
sich mit Recht in sich selbst zurück. Empfehlen Sie mich dem
Grafen Marcolini recht herzlich, ich bitte darum, er ist von je so
sehr mein Freund, und so wohlwollend gegen mich gewesen, als
er es nur zu sein im stände ist, und sagen Sie ihm, dafs ich Zeit
meines Lebens sein Freund sein würde, denn ich ehre die Dankbar-
keit als eine Tugend. Wenn ihm auch meine Freundschaft nur von
geringem Werthe sein kann, so macht es doch immer ein Vergnügen,
sich andere ergeben zu sehen."
Man versteht es kaum, wie der sonst so cholerische
Mann die Zurücksetzung, die in der Unterordnung unter einen
notorischen Gegner lag, mit einer solchen Gelassenheit hin-
nehmen oder höchstens mit elegischen Klagen über den Wert
der Dankbarkeit beantworten konnte. Freilich war seine
finanzielle Lage, wie gewöhnlich, eine höchst prekäre. „Da
wir hier auf eigne Kosten leben müssen, so ist mein Schicksal
General v. Thielmann.
137
auch hier de tirer le diable par la (]ueue, da ich die Hälfte
meines Einkommens meinen Kindern geben mufs, und nicht
so glücklich bin, für geleistete Dienste wenigstens die Be-
zahlung; meines Rano-es zu erhalten". Allein das kann doch
nicht der wahre Grund seiner veränderten Stellungnahme
sein, denn im übrigen ist sein Brief gelassener als sonst, und
wieder einmal erfüllt von dem schmeichelhaften Bewufstsein,
mit den französischen Generalen auf dem freundschaftlichsten
Fufse zu stehen, und von ihnen mit einer nicht gewöhnlichen
Aufmerksamkeit behandelt zu werden.
Vielleicht war es die Zuversicht, dafs seine Stellung zu
Funk eine praktische Folge nicht haben werde, was ihn die-
selbe anscheinend mit solcher Ruhe hinnehmen liefs. Ob
Thielmann in der Tat ohne Einflufs darauf geblieben ist, dafs
seine Brigade während des ganzen russischen Feldzuges nicht
in den Verband der sächsischen Truppen zurückgetreten ist,
aus dem sie anfangs, nach Langenaus Bemerkungen zu
schliefsen, allerdings wohl ohne sein Zutun herausgerissen
worden war, darf man darnach füglich bezweifeln. Jedenfalls
hat Thielmann als Feldsoldat auch im russischen Krieg seinen
alten Ruf bewährt, und sich an der Spitze seiner Reiter bei
Mosaisk in hervorrae^ender Weise ausgezeichnet. Die nicht
eben zahlreichen Briefe, die er während der Kampagne an
den Baron v. Just gerichtet hat, enthalten kaum etwas Neues.
Charakteristisch aber für Thielmanns Selbsteinschätzung ist
sein Schreiben vom 13. November 181 2 aus Smolensk, worin
er Justs Glückwünsche zur Erhebung in den Freiherrnstand
beantwortet: ,, Ihrer Theilnahme, mein theuerster alter Freund^
war ich in meinem Herzen gewifs; empfangen Sie meinen
Dank! Ich bin zufrieden, und wenn der böse Bube Funk
meine Zukunft nicht trübt, auch glückhch. Der Adel hat
mich meiner Kinder wegen gefreut; die 2000 Rthlr. sehe
ich als eine mir längst schuldige Gerechtigkeit an".
Dafs Thielmann in jener Zeit begonnen habe, sich von
der Sache Napoleons innerlich loszusagen und sich den Ge-
sinnungen der deutschen Patrioten zuzuneigen, ist eine Legende,
die auch nicht mit einer einzigen Stelle aus seinen Briefen zu
belegen ist. Auch Petersdorf hat dies nur künstlich mit all-
gemeinen Betrachtungen zu verdecken vermocht und hat die an-
gebliche Wandlung in den Anschauungen des Generals nirgends
mit dessen eigenen Worten belegen können. Am 13. November
181 2 ist er noch völlig in napoleonischem Fahrwasser:
„Die Sachen gehen hier nicht gut, indessen des Kaisers Genie
und Stern werden alles bald wieder in's Gleis bringen, uns indessen
138
K. Haebler:
werden unvermeidlich grolse Anstrengungen aufgelegt werden. Wir
haben die Russen überall besiegt, aber das Clima und die aus der
ungeheuren Entfernung nothwendig entstehenden Schwierigkeiten,
die waren nicht zu besiegen, und da ist gefehlt worden, dies nicht
gehörig in Rechnung vorher gebracht zu haben".
Aus den nun folgenden kritischen Monaten enthält die
Justsche Korrespondenz keine Briefe Thielmanns. Nur in
Briefen anderer wird seiner gelegentlich gedacht, nicht ohne
dafs man daraus Schlüsse auf Thielmanns Stellung zu den
die Zeit bewegenden Fragen ziehen könnte. Thielmann hatte
sich, wie oben nachgewiesen, schon längst dem verantwort-
lichen Lenker der auswärtigen Politik Sachsens, dem Grafen
Senfft V. Pilsach genähert, und mit diesem linden wir ihn,
w^ährend Just abermals im Auftrage der Regierung nach Paris
reisen mufste, im freundschaftlichsten Verkehre. Senfft war
bekanntlich nichts weniger als ein Freund Preufsens, Zunächst
war er fest entschlossen, eine Parteinahme Sachsens in dem
beginnenden Entscheidungskampfe so lange als irgend möglich
überhaupt hinauszuschieben. Sachsen verdankte von seinem
damaligen Bestände zu viel den politischen Konstellationen
der napoleonischen Ära, es war zu sehr auf Kosten der
führenden Mächte in dem Kampfe gegen Frankreich bereichert
worden, als dafs es hätte hoffen können, seinen Besitzstand
ungeschmälert bei einem plötzlichen Frontwechsel zu retten.
Senfft suchte vor allem Zeit zu gewinnen, um eine
klarere Anschauung von dem vermutlichen Ausgang des
Kampfes erlangen zu können. Dafs Napoleon einer Koalition
zwischen Rufsland und dem gesamten Deutschland nicht mehr
gewachsen sein würde, darüber war man sich auch am
sächsischen Hofe klar; allein die ersten Schritte der Ver-
bündeten waren so zögernd, die Stellungnahme Ö.sterreichs
so zweifelhaft, dafs es für Sachsen, das zwischen den Staaten
der entscheidenden Mächte mitten inne lag, ein Gebot der
Notwendigkeit war, sich nicht vorzeitig einer bestimmten
Partei anzuschliefsen. Wenn aber ein Anschlufs an die Ver-
bündeten erfolgen sollte, so gab es für Sachsen keinen sichereren
Weg als den Anschlufs an Österreich, das nach den alten
Traditionen damals noch unbestritten die führende Vormacht
Deutschlands war, das niemals selbst die Hände nach säch-
sischen Landesteilen ausgestreckt hatte und das auch durch
die jüngsten Vergröfserungen Sachsens nicht in seinen eigenen
Interessen verletzt worden war.
Das waren die Gründe, welche den Grafen Senfft zu
einer abwartenden Politik bewogen und ihn veranlafsten, den
General v. Thielmann.
139
vorrückenden Preufsen und Russen zwar keinen ernstlichen
Widerstand entgegenzusetzen, ebenso^\•enig aber ihnen das
Feld zu einem Vordringen bis in das Herz Deutschlands ohne
weiteres frei zu machen. In diese politischen Auffassungen
war Thielmann genau eingeweiht, ja, mehr als das, Graf Senfft
rechnete gerade auf Thielmanns energische Tatkraft, um diese
Politik gegenüber Preufsen und Rufsland zu betätigen. Be-
zeichnend dafür i.st der folgende, am 21. Januar 1813 von
dem Grafen aus Dresden an den Baron v. Just gerichtete
Brief:
„En attendant, nos preparatifs pour ue pas etre chasses et
alarmes par un parti de cosaques iront bien grace ä Thielmann, et
j'ose le dire, ä mes soucis. Est-ce trahison ou incapacite absolue
pour tout ce qui passe la mesure du Service d'ordonnateur, mais le
tait est, que Gersdorff est venu ce matin me proposer l'abandon de
Torgau, comme non susceptible de defense, et la reunion de toutes
nos troupes sur la rive gauche de l'Elbe povir ne pas irriter
l'ennemi".
Hiernach scheint zwar Gersdorf eine gewisse Neigung
besessen zu haben, den Verbündeten die Wege zu ebnen,
dagegen ist Thielmann derjenige, der den Minister in dem
Entschlüsse zum W^iderstande unterstüzt. Es ist auch kaum
denkbar, dafs Senfft einen Mann wie Thielmann, dessen
Neigung, auch in militärischen Fragen die pohtische Lage
nie aus den Augen zu verlieren, ihm nur zu w^ohl bekannt
sein mufste, zum Befehlshaber der Truppen in der Nieder-
lausitz ausersehen haben sollte, die den ersten Stofs des
Gegners auszuhalten bestimmt waren, w^enn er sich von ihm
einer politischen Schwenkung versehen haben würde, wie
Herr v. Gersdorff sie schon vollzogen zu haben schien.
Thielmann ist aber bis zu seinem Abgange nach Kottbus
in engster Fühlung mit Senfft geblieben. Beweis genug, dafs
beide ihre Aufgabe als eine militärische und politische an-
sahen und über ihre Ausführvmg in vollem Einverständnisse
waren. ,,Le depart de Thielmann pour la basse Lusace", so
schreibt Senfft am 23. Januar 1813 an Just, ,,etait fixe au soir
meme. Nous rimes et causämes ensemble jusqu'ä minuit,
et vous ne fütes pas oublies".
Bis dahin also war Thielmann sicher noch kein Anhänger
des russisch - preufsischen Emanzipationsgedankens gewesen.
Und so wie wir den Mann kennen gelernt haben, konnte er
es auch gar nicht sein.
Thielmann führte das Wort Patriotismus gern und viel
im Munde, allein, was er sich darunter dachte, war himmel-
weit verschieden von dem Begriffe, den man unter dem
IAO K. Haebler:
Drucke der napoleonischen Herrschaft in Deutschland mit
diesem Worte zu verbinden angefangen hatte. Wie sollen
wir bei dem Manne ein warmes Vaterlandsgefühl voraus-
setzen, der als Jüngling erst für Preufsen, dann für die
französischen Republikaner schwärmt, der als Dreifsiger bereit
ist, um eines besseren Fortkommens willen den heimischen
Dienst gegen denjenigen Österreichs zu vertauschen, der sich
weit über die Verpflichtungen seines Dienstes hinaus zum
Diener der Franzosen gemacht hat, der beständig mit eben
dem Souverän, der ihn mit Beweisen langmütigen Wohl-
wollens überhäuft, darüber hadert, dafs er sich nicht genügend
gefördert fühlt; von dem Manne, von dem man schon 1810
unmittelbar nach seiner Beförderung zum Generalleutnant
einen Abfall zu irgend einer anderen Fahne befürchtete.
Ausschlaggebend für die Beurteilung von Thielmanns Patrio-
tismus ist aber sein Verhalten nach dem Übertritt.
Dafs Thielmann nach der Übergabe von Torgau an die
Franzosen dort nicht bleiben konnte, wenn er von diesen
nicht als Verräter füsiliert sein wollte, das wird man am
Hofe ebenso eingesehen haben, als man Senfft und Langenau
in österreichische Dienste treten liefs. Wäre Thielmann diesem
Beispiele gefolgt oder hätte er sich zeitweilig von der Welt-
bühne zurückgezogen, so würde ihm niemand über sein Ver-
halten in Torgau ernstliche Vorwürfe gemacht haben. Das
zeigt nicht zuletzt auch die Justsche Korrespondenz. Aus der
kritischen Zeit findet sich darin nur das folgende Billet.
Am 23. Juni, also ungefähr sechs Wochen nach seinem
Übertritt, schreibt Thielmann in Beantwortung eines nicht
erhaltenen Schreibens des Bürgermeisters Heyme an diesen
die folo-enden Zeilen:
„Ihr Urtheil über mich, mein vortrefflicher Freund, bitte ich nicht
zu rasch zu machen, — wir haben verschiedene Ansichten — ich
fiilile mich frei von allem Vorwurf, und bin dadurch wahrhaft glück-
lich. Sie werden nicht vergessen werden, und von meiner Frau in
kurzem Geld erhalten. Leben Sie wohl, ich hoffe stark, Sie bald
wieder zu sehen. Thielmann".
Auf der Rückseite dieses Briefes hat Bürgermeister Heyme
folgendermafsen seine Antwort entworfen:
„Dresden, d. 7. Juli 181 3 Ihre gütige Zuschrift etc. etc. Vor
dem zu raschen Urtheil schützt mich mein Alter und mein abge-
kühlteres Blut, so wie mich dieses vor zu raschem leidenschaftlichen
Handeln schützt. Unsere inneren intellektuellen Ansichten, liebster
Herr General, sind vielleicht wenig oder gar nicht verschieden, wie
Sie meinen, nur unsere Handlungsweise; auch unsere Cathegorien
könnten wohl keinen so wesentlichen Unterschied machen; wir sind
beide Sachsen und geborene Unterthanen des besten, edelsten Königs.
General v. Thielmann. 141
Ad vocem König, lassen Sie mich, mein theurer Herr General, Sie
bei Allem, was Ihnen heilig ist, und bei meiner Ihnen stets so ganz
geweiht gewesenen herzlichen Ergebenheit beschwören: Schonen Sie
diesen, so lange irgend die mindeste Publicität ihm und unserm ge-
meinschaftlichen Vaterlande schaden kann. Fühlen Sie sich vor-
wurfsfrei, (wie ich dies nie anders in meinem mit Ihnen gewifs ver-
wandten Herzen geglaubt habe) so wird der sonst Ihnen so eigene
Edelmuth sich um so mehr vergewärtigen, um so glänzender hervor-
treten, und um so allgemeiner geschätzt werden, wenn Sie schonen,
dulden, opfern und schweigen. Vielleicht ist in Teplitz, wie ich ge-
hört habe, die Publicität schon etwas zu stark gewesen; um Gottes
willen, vermeiden Sie dies vorjetzt. Verzeihen Sie, wenn ich die
Bitte: Nicht zu rasch zu handeln, Ihnen wieder zurückgebe. Sie
verlangten schon einst meine auf gute, durch die Folge nur zu sehr
bestätigte Nachrichten sich gründenden freundschaftlichen Winke.
Ich kann jetzt deren neue geben, verlachen Sie solche nicht wieder,
hören Sie die Stimme des redlichen Freundes, der um so mehr zu
glauben ist, da er vermöge seiner Jahre nicht viel mehr zu verlieren
hat, der aber kälter sieht, und dem Vaterland, König, und — ob er
ihm gleich nicht viel zu verdanken hat — Dankbarkeit in Ihre Seele,
heilig sind etc etc. Nur in einem einzigen, für die ganze Mensch-
heit wünschbaren Falle wünsche ich, Sie bald wieder zu sehen, auch
für diesen könnte ich viel opfern, nur nicht mein armes Vaterland
und Tausende meiner unschuldigen Mitmenschen".
Es ist kaum anzunehmen, dafs dieser Brief auf Thiel-
mann einen grofsen Eindruck gemacht hat. Aber der Brief
selbst und der Ort, an dem er sich befindet, sind bezeichnend
dafür, dafs Thielmann damals noch keineswegs die Achtung
und das Vertrauen seiner Freunde unwiederbrina-Uch ver-
loren hatte. Eine andere Frage ist, ob er dessen noch
wert war.
So wie Thielmann sich in den Briefen über seine per-
sönlichen Verhältnisse zu erkennen gibt: hochfahrend, im
höchsten Grade von sich selbst eingenommen, ohne wahre
Achtung für irgend jemanden in seiner Umgebung, dazu in
derartig zerrütteten Vermögensverhältnissen, dafs ihm die
Begriffe von Schicklichkeit und Dankbarkeit fast ganz ab-
handen gekommen waren, — mit solchen Antezedenzien wird
man umso weniger seinem Übertritte ideale Motive unter-
legen dürfen, je weniger sein Handeln in der Folgezeit solche
erkennen läfst. So wie er die Sache Napoleons Preis gab,
als er sie verloren glaubte, so warf er seinen oft gerühmten
sächsischen Patriotismus über Bord, als er zu bemerken
glaubte, dafs Sachsens Untergang besiegelt sei. Nichts ist
eines wahren Patrioten unwürdiger, als die Art und Weise,
in welcher der General Thielmann das Unglück seines Vater-
landes auszunutzen suchte, um seinen persönlichen Vorteil
dabei zu finden.
IA2 K. Haebler:
Dafs er sich nicht, wie er beim Verlassen von Torgau
angegeben, an den sächsischen Hof, sondern in das Haupt-
quartier der verbündeten Monarchen begab, war jedenfalls
wohl die Folge der Versprechungen, die ihm für seine Person
während der Torgauer Verhandlungen gemacht worden waren.
Das Los des Überläufers blieb ihm nicht erspart, er sah seine
Hoffnungen zunächst bedenklich enttäuscht, und die Rolle
als Freischaren -Kommandeur, für die er allerdings unstreitig
eine hervorragende Begabung schon in dem Feldzuge von
1809 bekundet hatte, entsprach wenig den Erwartungen, mit
denen er übergetreten war. Noch unglücklicher freilich, und
für den guten Ruf Thielmanns gefährlicher war die Idee
Kaiser Alexanders 1., ihn zur Organisation eines sächsischen
Truppenkontingentes und später zur Führung der sächsischen
Truppen im Heere der Verbündeten auszuwählen. Die Art
und Weise, wie Thielmann damals sich dem Grofsherzog von
Sachsen -Weimar genähert, und in ihm die Hoffnungen ge-
nährt hat, König von Sachsen zu werden, werfen einen
unauslöschlichen Makel auf den Charakter des Mannes, der
seine Stellung, seinen Adel, man könnte sagen, fast sein
tägliches Brot dem Könige von Sachsen dankte.
Man mufs wohl annehmen, dafs der Baron v. Just über
diese Vorgänge nur sehr mangelhaft unterrichtet war, sonst
würde man sich schwerlich erklären können, wie dieser treue
Diener seines Königs nach dem Einzüge der Verbündeten in
Paris die Beziehungen zu dem alten Freunde, für den er
unverkennbar ein ganz besonders wohlwollendes Interesse
empfunden hatte, noch einmal erneuerte.
Thielmann hatte, trotz allem, was vorgefallen war, dem
alten Freunde o-egenüber nichts von seiner herausfordernden
Selbstgerechtigkeit verloren. Schon von Tournay aus hatte
er am 11. April 1814 an Just einen Brief gerichtet, der dafür
überaus bezeichnend ist:
„So lange ich lebe", beginnt derselbe ohne alle Überschrift,
, .werde ich an Ihnen und ihrem Schicksal herzlichen Antheil nehmen.
Was hat sich seit unserer Trennung nicht zugetragen, welche Ver-
änderungen haben nicht geschehen müssen, ehe die Welt den Frieden
erhielt. — Hätte der König von Sachsen meinen Rathschlägen ge-
folgt, so würde er die Liebe seines Volkes und die Achtung Europas
nicht verloren haben. — Der Zufall wollte, dafs als ich von Moskau
zurückkam, wir uns oft verfehlen mufsten, zumal kurz vor Ihrer Ab-
reise, es würde vielleicht zu manchem gut gewesen sein, wenn ich
Ihnen hätte meine Ansichten mittheilen können. Ich habe ein neues
Vaterland gefunden und diene dem Besten der Regenten. Leben
Sie wohl und zählen Sie auf die unveränderte Anhänglichkeit des
Ihrigen Frhr. v. Thielmann".
General v. Thielmann.
143
Es war dieselbe Anmafsung, wie früher, als ob politische
Einsicht und Einflufs nur bei ihm selbst zu finden seien; es
war aber auch unverhohlener Undank, der sich mit dem
Adel brüstete, den er dem Monarchen verdankte, dem er
,,die Liebe seines Volkes und die Achtung Europas" ab-
sprach. Man möchte unter diesen Umständen zweifeln, ob
ein zweites kürzeres Billet an Just schon einer früheren Zeit
oder erst der Periode von Thielmanns Pariser Aufenthalt
angehört, wenn nicht die Adresse: Rue Richelieu, Hotel de
Toscane, das letztere fast unwiderleglich machte. Aus dem-
selben geht unverkennbar hervor, dafs der Baron v. Just ihn
ersucht hatte, ihm die Mittel zu einer vorurteilslosen Beurteilung
seiner Handlungsweise an die Hand zu geben. Thielmann
sandte ihm sein Memoire — wohl das in den Deutschen
Blättern gedruckte — und seine ,,Rede am Feste, welches
die Garnison an meinem Geburtstage gab, und wobei ich mich
erklären mufste, w'orüber mündlich mehr". Auch diese letztere
Bemerkung spricht dafür, dafs dieser Briefwechsel erst der
Zeit angehört, in welcher Thielmann, wie Just, in Paris ver-
weilte. Leider ist auch diese Abschrift der vielbesprochenen
Rede Thielmanns nicht in die Akten des Justschen Nachlasses
gelangt.
Die direkten Beziehungen der beiden Männer scheinen
aber damit ein Ende gefunden zu haben. Ein Brief der
Karoline v. Charpentier an Thielmann, an sich nicht be-
deutend genug, um seine Aufbewahrung zu rechtfertigen, ist
wohl nur deshalb in die Akten gelangt, weil der Baron
V. Just nicht mehr Gelegenheit hatte, wie früher, die Korre-
spondenz zu vermitteln.
Aber Justs Interesse hat den einstigen Freund wenigstens
noch so lange verfolgt, als dessen Beziehungen zu dem
Kontingente der sächsischen Truppen dauerten. Für die
Affaire Görres scheint mir der Nachlafs des Baron v. Just
ebenfalls einen bisher unbekannten Beitrag zu enthalten. Die
Entrüstung der sächsischen Offiziere gegen Görres gründete
sich bekanntlich darauf, dafs ein in dessen Rheinischem Merkur
veröffentlichter, für den sächsischen König wenig schmeichel-
hafter Artikel bezeichnet wurde, als verfafst von einem säch-
sischen Offizier. Die Dokumente im Justschen Nachlasse
beweisen nun, dafs man sich im Kreise der sächsischen Armee
nicht bei der Weigerung des Herrn v. Görres beruhigte, den
Namen des Autors kundzugeben, sondern dafs man dem-
selben auf eigene Faust nachspürte. Die bezüglichen Briefe
sprechen am besten für sich selbst:
IAA K. Haebler:
„Bonn, am 4ten August 1814. An den Hn. Premierlieutenant
Friedrich von Klotz. Die Ehre des sächsischen Offiziers ist ein Ge-
meingut, an dem jeder gleiche Rechte hat, ein Schatz, der uns um
so heiliger und theurer sein mufs, weil er leider bald das einzige
Eigenthum sein wird, was uns aus den alten Verhältnissen übrig
bleibt. Die angegriffene Ehre eines Offiziers mufs also stets das
lebhafte Interesse aller seiner Kameraden erregen, und die thätige
Mitwirkung zur Erlangung der hinreichendsten Genugthuung er-
heischen. Wenn nun der Herr Professor Görres die Fertigung des
im Rheinischen Merkur unter dem Titel: Sachsens Recht und Pflicht
erschienenen Aufsatzes einem sädisischen Offizier andichtet, so ist die
Ehre des sächsischen Namens mächtig gekränkt. Weit entfernt,
hochverehrtester Herr Kamerad, Ihnen eine jedes Sachsen so un-
würdige Sprache zuzutrauen, halte ich es indes für theuere Pflicht,
Sie auf das laute Gemurmel aufmerksam zu machen, was Sie, mein
Herr von Klotz, als den Verfasser gedachter Schrift nennt, oder
doch wenigstens behauptet, dafs Sie die Materialien hierzu geliefert
hätten. In wie fern dies Gerücht seinen Grund oder Ungrund habe,
liegt meinen Regimentskameraden so sehr als mir am Herzen, und
beauftragt von denselben fordere ich Sie hiermit auf, im Falle es
noch nicht geschehen sein sollte, sich und Ihre Ehre zu rechtfertigen,
und wegen des frevelhaften Mifsbrauchs Ihres Namens oder Ihrer
Materialien Klage zu führen. Zur Erlangung der eclatantesten Satis-
faction sichern wir Ihnen unsre hilfreiche Hand zu, indem wir nie
stillschweigend zugeben werden, dafs man unter dem Schutze der
Prefsfreiheit den schuldigen Respekt eines gekrönten Hauptes, der
so lange die allgemeine Achtung Europas genofs, auf so schänd-
liche Weise verletze , und diese in jedem Verhältnisse unwürdige
Sprache einem sächsischen Offiziere unterschiebe.
Mit Ungeduld sehen wir alle Ihrer Rückantwort entgegen,
und ich zweifle keinen Augenblick, dafs solche ganz den Erwar-
tungen entsprechen wird, die ich stets in einen Mann gesetzt habe,
der die Vorzüge des Kopfes und Herzens vereinigt, und für den
meine vollkommene Hochachtung von altsächsischem Gehalte ist.
F. B. V. Lindemann, Rittmeister im Husaren- Regiment".
Darauf erfolgte die nachstehende Antwort :
,,Hochwohlgeborener, Hochgeehrtester Herr Rittmeister. Zu-
erst eile ich, Ihnen den Beweis zu geben, dafs Sie mich nicht falsch
beurtheilten, und dafs ich Ihrer gütigen Zuschrift werth bin. Durcli-
glüht von heiligen Gefühlen für mein sächsisches Vaterland und
dessen Regentenstamm schrieb ich einen Aufsatz unter dem Titel:
„ein deutsches Wort von einem Sachsen". Dieser Aufsatz ist fast
wörtlich im 90 sten Stück des Rheinischen Merkurs (Donnerstag
d. 21. Juli 1814) eingerückt, und fängt sich an mit den Worten „Es
ist den Deutschen endlich jetzt ein starkes Gefühl des Vaterlands" etc.
und endigt sich: „damit er nicht dann, wenn rings um ihn sich frei
und glücklich fühlende Nachbarn frohlocken, dastehe mit stummer
Geberde und eiskaltem Herzen". Dafs Herr Professor Görres
meinen Aufsatz nicht abgesondert eingerückt, sondern denselben
der eben so abgeschmackten als unserm Sinne für Recht und
Gerechtigkeit zuwider laufenden Ansicht von Sachsens Recht
und Pflicht einverleibt hat, endlich gar mit einer schändlichen
Beschuldigung unsern entfernten Vater Friedrich August zu be-
schimpfen sucht, ist seinerseits eine Eigenmächtigkeit, wozu er
General v. Thielmann.
145
meinen Aufsatz schändlich mifsbrauchte als eine willkommene Ver-
anlassung.
Wer meinen Aufsatz mit der fremden Fortsetzung vergleicht,
wird finden, wie wenig letztere im Geiste des ersteren geschrieben
ist. Im Gegentheile schickte ich noch einen kurzen Aufsatz ein, in
welchem allegorisch die Sachsen um ihren fernen Vater bitten.
Statt dieses Aufsatzes fand ich jenen schändlichen Schlufs.
Schon hat sich Herr Hauptmann von Dziembowsky von der
Garde unserer Sache angenommen, aber leider auf eine Art, die
ihn ins Depot nach Sachsen versetzt hat Obschon ich hoffte, dals
jedermann nach den letzten Worten der Einleitung von Görres
meinen Aufsatz genau von dem übrigen Gewäsche unterscheiden
würde, so habe ich mich denn doch nach einer reiflicheren Ueber-
legung überzeugt, dafs man wohl die allgemeine Fortsetzung
meniem eingeschalteten Aufsatze zuschreiben könnte. Daher war
ich schon seit einigen Tagen entschlossen, in den Zeitungen be-
kannt zu machen, wo meme Worte anfancren und endigen. Dies
soll nun unverzüglich geschehen, da ich aus ihrem werthen Schreiben
wirklich einsehe, dals meine Besorgnils eines Mifs Verständnisses
nicht ungegründet ist.
Beseelt von dem reinsten Ehrgefühle glaube ich, dafs dieses
der sicherste Weg ist, meine Ehre und die von uns allen zu recht-
fertigen. Wird die Bekanntmachung aber nicht eingerückt, dann
mufs ich auf dem Wege der Klage bei höheren Behörden Genug-
thuung suchen, und sollte noch weniger Hoffnung dazu vorhanden
sein, als es wirklich ist.
Nehmen Sie, mein Herr Rittmeister, meinen herzlichsten Dank
dafür, dafs Sie mich durch Ihr ruhiges Schreiben in den Stand
setzten, mich (wenn auch von der Ahnung eines Argwohns) zu be-
freien, bei dessen VVahrheit ich meinen Säbel öffentlich zerbrechen,
und ein Leben voll Schande mit dem Tode vertauschen würde.
Durchdrungen von der Hochachtung, die aus biederm Herzen
jeder wahre Sachse seinem ächten Mitbruder zollt, schliefse ich mit
der Bitte, einem in jeder Hinsicht so achtungswerthen Korps
Oftiziers, wie das Ihrige, meine Gesinnungen über Ehre, Vaterland
und Pflicht bekannt zu machen.
In der sehnlichsten Erwartung Ihrer allerseitigen vollkom-
menen Zufriedenheit habe ich die Elire zu sein Euer Hochwohl-
geboren ganz ergebenster Friedrich von Klotz, Premierlieutenant und
Kompagnie-Koinmandant im ersten Leib -Infanterie -Regiment".
Die letzten Dokumente in dem Nachlasse des Baron
V. Just, in denen Thielmanns Name genannt wird, sind zwei
Denkschriften betreffend die Stellung des sächsischen Kon-
tingents im Heer der Verbündeten. Die eine, aus dem Mai 1815
datiert, hat allgemeineren Charakter und weist hin auf die
Unzuträglichkeiten, die daraus entstehen mufsten, dafs die
sächsischen Truppen unter dem Kommando eines Mannes
wie Thielmann und im engsten Verbände mit den Preufsen
gegen den Nationalfeind kämpfen sollten, während auf poli-
tischem Gebiete Preufsen offenkundig auf die Vernichtung
von Sachsens Selbständigkeit hinarbeitete.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. l. 2. lO
ia6 K. Haebler:
Die andere Denkschrift dagegen ist ausscliliel'slich gegen
Thielmann gerichtet. Sie ist undatiert , mufs aber nach« den
darin erwähnten Ereignissen aus derselben Zeit stammen und
hat folgenden Wortlaut:
„So laut sich das Gefühl für König und Vaterland in der Brust
eines jeden wahren Sachsen regt, so deutlich fühlt auch jeder ächte
Patriot, dafs nur unbedingtes Vertrauen auf die Gerechtigkeitsliebe
der hohen Alliirten und ruhiges Erwarten der endlichen Ent-
scheidung, nicht aber stürmisches Begehren oder gewaltsame und
eigenmächtige Handlungsweise zum wahren Nutzen des Landes und
seines rcchtmäfsigen und allgemein verehrten Monarchen in der
Krisis unseres Schicksals dienen können.
Heilige Pflicht ist es daher eines jeden für das wahre In-
teresse Sachsens durchdrungenen Patrioten, auf das Mifsverhältnifs
aufmerksam zu machen, das zwischen der Armee und ihrem der-
maligen Kommandeur, dem Generallieutenant Freiherrn v. Thiel-
mann stattfindet, ein Mifsverhältnifs, welches von allen Seiten die
nachtheiligsten Folgen herbeiziehen, und bei dem bestehenden Mifs-
trauen in die Absichten des besagten Kommandeurs, bei Befolgung
möglicher Befehle das Korps in einem Lichte zeigen könnte, welches
an sich dem Geiste desselben völlig wndersprechend wäre.
Das nur zu laut sich aussprechende allgemeine Urtheil über
den Generallieutenant Freiherrn v. Thielmann gründet sich aber
vornemlich auf folgende Punkte;
I.) weil es um so befremdender ist, einen so eifrigen Wider-
sacher des Königs von Sachsen m ihm zu finden, als ihn die aus-
gezeichneten Beweise der königlichen Huld und Gnade doppelt zur
Dankbarkeit verpflichten sollten.
2.) hat die Affaire von Courtray das Vertrauen auf seine mili-
tärischen Talente besonders geschwächt.
3.) fällt der Schein der Parteihchkeit deshalb auf den General
Thielmann, weil die Linientruppen, deren Tapferkeit den unglück-
lichen Ausgang dieses Gefechtes bedeutend gemindert hatten, sich
keiner Empfehlung ihres besonderen Eifers an diesem Tage zu
kaiserlichen Auszeichnungen rühmen können.
Wichtiger als je mufs diese allgemeine Stimmung der Truppen
gegen mehrerwähnten General in diesem Augenblicke sein, wo die
gespannte Erwartung unseres Schicksals die Herzen von Armee und
Volk besonders empfindlich macht, und daher die Veranlassung
unglücklicher Ereignisse sein könnte, denen durch zweckmäfsige
Maafsregeln jetzt noch leicht vorzubeugen wäre.
Da diese Aufserungen keine anderen als rein patriotische Ab-
sichten haben, so kann man sich mit Zuversicht aut das Urtheil der
Herren Regiments- Kommandeure berufen, ohne sich dabei einiger
Persönlichkeit schuldig zu wissen".
Das war die Frucht, die Thielmann sich selbst gesät
hatte. Nicht Thielmanns Übergang bei Torgau ist dazu die
Ursache gewesen. Nach seinem Charakter ist derselbe er-
klärlich und entschuldbar. Thielmann hatte sich seit langen
Jahren gewöhnt, seine Stellungen nicht mehr an dem ein-
fachen Mafsstabe seiner militärischen Pflicht zu messen, sondern
General v. Thielmann.
147
beständig für sein Verhalten sich Gesichtspunkte aus den
politischen Verhältnissen abzuleiten und durch sein Verhalten
auf die politischen Verhältnisse einwirken zu wollen. Die
Folgen seines eigenmächtigen Eingriffes bei Jena im Jahre 1806
hatten ihm vollkommen das Urteil über die eigenen Fähig-
keiten verrückt. Er glaubte allen Ernstes, damit das Glück
des Landes gemacht zu haben und schuf sich damit eine
aufserordentlich überspannte Meinung von seinen Verdiensten
und Talenten, die ihn mit einem an Verachtung grenzenden
Hochmute auf alle, die neben ihm und über ihm standen,
herabsehen liefs. Wenn man bedenkt, dafs dieser eitle und
hochmütige Mann seit Jahren in den mifslichsten äufseren
Verhältnissen lebte, die mehr als einmal seine ganze Existenz
in Frage zu stellen drohten, so wird man es verstehen, dafs
ihm nach und nach das feine Gefühl für die Grenzen seiner
Rechte und seiner Pflichten verloren ging, dafs er, der in
dem Vaterlande immer nur sich selbst erblickte, zuletzt zwischen
seinem Vorteile und dem Wohle des Vaterlandes nicht mehr
zu unterscheiden verstand. Dafs ein solcher Mann in dem
Momente, wo die plötzHche Wendung in der sächsischen
Politik ihm alle Aussicht für die eigene Karriere abschnitt,
es nicht vermochte, den verlockenden Anerbietungen der
Verbündeten zu widerstehen, die seinen Vorteil geschickt mit
dem Scheine der Rücksicht auf das allgemeine W^ohl zu be-
mänteln verstanden hatten, ist menschlich nur allzu leicht zu
verstehen, und wäre, wenn er sonst Reinheit der Gesinnungen
bekundet hätte, leicht zu entschuldigen. Die Art und Weise
aber, in welcher Thielmann vom Tage seines Übertrittes bis
zur endgültigen Entscheidung über das Schicksal Sachsens
in hochmütiger Selbstüberhebung den Souverän, dem er alles
dankte, was er besafs, mit schnödem Undank lohnte, und
die Liebedienerei, mit welcher er sich allen denen zu emp-
fehlen bemüht war, in denen er nacheinander seinen zu-
künftigen königlichen Herren sehen zu dürfen erwartete, haben
auf seinem Rufe in den Augen eines jeden loyal denkenden
Menschen, gleichviel ob Sachse oder Preufse, einen Makel
zurückgelassen, der durch keine Lobpreisung seiner wirk-
lichen und seiner eingebildeten Verdienste ausgelöscht werden
kann.
VI.
Kleinere Mitteilungen.
I. Peter Gengenbach, einer der ersten Evangelischen in Leipzig.
Von Otto Giemen.
In den Theologischen Studien und Kritiken 1896, 351 ff.
hat Burkhardt Originaleintragungen von Luther, Justus
Jonas, Caspar Cruciger, Melanchthon, Bugenhagen mitgeteilt,
die er in einer im Besitz des Freiherrn v. Werthern auf
Grofsneuhausen befindlichen Bibel, gedruckt durch Hans Lufft
MDXXXVI, gefunden hatte. Luther hat diese Bibel seiner
,, guten Freundin Fraw Cunigund Gengenbachin" dediziert,
und diese hat das Buch den anderen Reformatoren bei deren
Anwesenheit in Grimma am 24. Februar 1539 zu weiteren
Einzeichnungen vorgelegt. Burkhardt fügt hinzu: ,, Diese
Cunigunde Gengenbach war ohne Zweifel die Frau des durch
seine Glaubensfestigkeit bekannten Leipziger Kaufmanns Peter
Gengenbach, der, vom Herzog Georg verfolgt, schon 1533
aus Leipzig auswanderte, sich zuerst in Eilenburg, dann in
Grimma niederliefs, wo er 1540 starb . . ."
Peter Gengenbach gehörte zu dem Urstamm der Leip-
ziger Evangelischen. Wir finden ihn schon unter den Unter-
zeichnern jener Bittschrift vom 2. April 1524, in der 105 Leip-
ziger Reformationsfreunde den Rat baten, den Mag. Andreas
Bodenschatz an eine der Hauptkirchen zu berufen (Seide-
mann, Beiträge zur Reformationsgeschichte I, 78). 1533 wurde
ihm der Prozefs gemacht. Nach einem Verhör vor dem
Bischof von Merseburg am 30. Mai mufste er aus der Stadt
weichen (Seidemann 125 ff.). An der äufseren Ostseite der
Mauer der Frauenkirche in Grimma war noch Ende des
18. Jahrhunderts eine metallene Tafel mit seinem Epitaphium
Kleinere Mitteilungen. 149
vorhanden. Glücklicherweise hat sich eine Abschrift erhalten,
die Lorenz in seiner trefflichen Chronik der Stadt Grimma
S. 91 f. mitteilt. Wir erfahren daraus, dafs Gengenbach im
Jahre 1496 in Nürnberg geboren war und am 30. Januar 1540
starb. Einen schwachen Leib habe er stets gehabt, dafür
aber „ein Gemüet, mit vieler schönen Tugend begabt". Be-
sonders wird ihm nachgerühmt, dafs er das göttliche Wort
allzeit gerne gehört und gelernt habe:
Kein Verfolgung hat ihm abgetriebenj
Denn er alweg beständig ist blieben.
Er habe auch seine zwei Söhne ermahnt, Gott und sein Wort
vor Augen zu behalten; so würde es ihnen wohl gehen hier
und dort.
Da ist es nun bedeutsam, dafs ein Buch, das einst ihm
gehört hat und das jetzt die Zwickauer Ratsschulbibliothek
verwahrt (Signatur l. IV. 4), gerade ein Bibel werk ist: Biblia.
Breves in eadem annotationes ex doctiss. interpretationibus
et Hebraeorum commentariis. Parisius: Robertus Stephanus
1532 (Panzer, Annales typographici VIII, 156, 2147). Am
Ende findet sich folgender Eintrag:
„Dis Buch hatt die Erbare vnnd Thugentsame fraw, Doro-
thea gengenbachin , wittib vnd Burgerinn zw Zwickaw der
Liberey alliier zum pesten vnd zw einem ewigenn gedechtnus
geeygent vnd geschenckt, welches sie vonn peter gengenbach
dem Jungern, Irem lieben hauswirt seligen ererbet vnd be-
kommen vnnd etwo seines vattern petern gengenbach des
eitern Bürgern In Leiptzigk auch seligenn gewest etc. Inn die
Michaelis Anno etc. Sechtzigk."
,,Zu einem ewigen Gedächtnis!" — Es geziemt sich daher
wohl, auf diese Reliquie einmal hinzuweisen.
2. Ausgrabungen in der ehemaligen Klosterkirche
zu Seufslitz a. E.
Von Otto Eduard Schmidt.
Das Klarissinnenkloster zu Seufslitz ist im Jahre 1268 von
dem Markgrafen Heinrich dem Erlauchten gestiftet und 1541
unter der Regierung Herzog Heinrichs aufgelöst worden').
Es war eins der stattlichsten und reichsten Klöster der Mark
1) P.Markus, Das Kloster Seufslitz (Chronik der ländlichen
Ortschaften der Amtshauptmannschaft Grofsenhain S. 131 — 164).
ICO Kleinere Mitteilungen.
Meifsen, selbst Fürstinnen haben darin ein Asyl gefunden.
Aber von der ganzen Herrlichkeit ist wenig übrig geblieben:
einige alte Umfassungsmauern des Friedhofs. Im übrigen
ist an Stelle des Klosters das Schlofs Seufslitz mit seinen
Wirtschaftsgebäuden getreten. Es stand bisher nicht einmal
fest, ob die jetzige Seufslitzer Kirche, die direkt am Schlosse
steht, ein Bau aus der Zeit des Dreifsigj ährigen Krieges, der
1726 noch einmal erneuert worden ist, wirklich die Stelle der
alten Klosterkirche einnimmt. Unter diesen Umständen er-
wartete man mit Spannung das Ergebnis einer Nachgrabung,
die in den ersten Monaten des Jahres 1903 gelegentlich der
Neupflasterung des Altarplatzes unter der Leitung des Herrn
Pfarrers Batsch in Merschwitz — Seufslitz ist jetzt Filial
von Merschwitz — vorgenommen wurde. Da aufser mehreren
wettinischen Fürstinnen der zweite Sohn Heinrichs des Er-
lauchten, Dietrich der Weise 1285 und dessen Sohn Friedrich
Tutta 1291 in Seufslitz begraben worden ist, konnte man
hoffen, bei den Nachgrabungen unter dem Altarplatze auf eins
der wettinischen Gräber zu stofsen. Andererseits durfte man
die Hoffnungen nicht hoch spannen, da eine Notiz des Schu-
mannschen Lexikons (I, 99) besagt: ,,Die Grabsteine dieser
und mehrerer anderer interessanter Personen sind leider ruiniert,
denn als im Jahre 1726 die alte Klosterkirche abgetragen und
zur Erbauung der jetzigen verwendet wurde, liefs man die
meisten Epitaphien abschleifen und damit den Fufsboden vor
dem Altar täfeln".
Die Nachgrabungen förderten zunächst einige Grabsteine
der Familie v. Pistoris ans Licht, die SeufsHtz seit der Mitte
des 16. Jahrhunderts besessen (Hartmann Pistoris war ein ein-
flufsreicher Rat des Kurfürsten August, ein anderer Pistoris
war kursächsischer Gesandter in Osnabrück zur Zeit der
Friedensverhandlungen), femer einige andere Steine mit teil-
weise guter Bildhauerarbeit aus dem 16. Jahrhundert. Der
interessanteste Fund aber kam etwa i m unter dem Altare
zu Tage: eine ungefähr 10 Zentner schwere dicke Sandstein-
platte, die über einer aus grofsen Ziegeln gemauerten Gruft
lag. Auf dem Stein ist das Bild eines Mannes, nicht in
Relief, sondern in breiten, vertieften Linien von nicht unge-
schickter Führung dargestellt. Leider fehlt das oberste Stück
der Platte mit dem Kopfe. Doch ist das untere Stück des
grofsen Bartes zu erkennen. Der Ritter trägt die noch halb
römische Gewandung des 1 3 . Jahrhunderts, zwischen den Füfsen
wird das Schwertende sichtbar. Die Linke hält den drei-
eckigen Schild, die Rechte den Knauf des Schwertes. Die
Kleinere Mitteilungen.
151
in grolsen gotischen Buchstaben des 13. Jahrhunderts ausge-
führte Unterschrift ist teilweise zerstört. Sie lautet von der
untern linken Ecke an: DNS. CONRADVS. < Raum für 15
bis 16 Buchstaben > < Raum für 8 Buchstaben IUI - :2 Buch-
staben > M. CC. L. (?) H-H' VIII. < 4 bis 5 Buchstaben >
KAL. OCTOB. l^. Die Platte bedeckte also die sterblichen
Reste eines Dominus Conradus — der Name des Geschlechts
ist ausgebrochen und auch
der Schild gibt nicht p-e-
nügend Auskunft. Auf ihm
sind nämlich ganz deutlich
drei Rosen eingemeifselt, die
ich, obwohl der Vorname
Conrad bei den älteren Ver-
tretern dieses Geschlechts
noch nicht nachgewiesen ist,
doch für das Wappen der
Schleinitze zu halten geneigt
war. Liegt doch das Stamm-
schlofs dieser Familie nur
wenige Wegstunden westlich
von Seufslitz auf dem linken
Eibufer, und waren doch die
Schleinitze rinors um Meifsen
mit zahlreichen Gütern an-
gesessen. Aber der Heraus-
geber dieser Zeitschrift macht
mich mit Recht darauf auf-
merksam, dafs die Stellung
der Rosen im Schleinitzer
Wappen anders ist. Und in
der Tat ergab eine Nach-
prüfung des Schleinitzischen
Wappens an den zahlreichen
Grabsteinen der Schleinitzer
Kapelle in der Afrakirche zu
Meifsen, dafs das Wappen
dieser Familie durch eine von oben nach unten laufende Linie
geteilt auf der rechten Seite zwei, auf der linken eine Rose ent-
hält, während von den Rosen des Schildes auf dem Grab.steine
zwei oben, eine unten stehen. Ein solches Wappen führte, nach
Siebmachers Wappenbuch (1605) Taf. 158, z. B. die früh
ausgestorbene Familie von Schellenberg. Demnach bleibt die
Herkunft des Dominus Conradus zunächst unsicher. Dagegen
152
Kleinere Mitteilungen
f'^
scheint aus der Inschrift festzustehen, dafs er im September 1288
gestorben ist. Aufserdem wird der Stein nach der Sitte der Zeit
die Angabe der Indiktion enthalten haben, doch möchte ich über
die Auflösung- der übrigen Buchstaben zunächst keine Ver-
mutung äufsern. So viel scheint aber durch diese ehrwürdige
Grabplatte gesichert zu sein, dafs die jetzige Seufslitzer Kirche
über den Fundamenten der alten Klosterkirche steht, und es
ist zu bedauern , dafs die Nachgrabungen in Rücksicht auf
die Kosten und auf die gottesdienstliche Benutzung der Kirche
sich nicht mehr in die Tiefe und in die Breite erstreckt haben.
Eine spätere Fortsetzung der Ausgrabungen mit gröfseren Mitteln
ist geplant.
3. Der Pirnische Mönch Johann Lindner,
sein Onomasticum mundi generale und sein Geburtsort.
Von Rein hold Hof mann.
Professor Dr. Hermann Müller in Prenzlau hat sich der
seit langer Zeit gewünschten ebenso mühevollen, wie undank-
baren Arbeit unterzogen, die Quellen festzustellen, die der
Pirnaer Dominikanermönch Johann Lindner für sein umfang-
reiches geographisch - historisches Chronikon benutzt hat.
Im 24. Bande des Neuen Archivs für Sächsische Geschichte
S. 217 ff. hat er die Ergebnisse seiner Quellenuntersuchung
niedergelegt; durch sie ist leider die ungünstige Meinung, die
schon Georg Fabricius und Petrus Albinus über den Wert der
Angaben des fleifsigen, aber kritiklosen Kompilators geäufsert
haben, vollauf bestätigt worden. Selbst die Nachrichten über
seine eigene Zeit sind ohne besonderen geschichtlichen Wert,
und noch zu mild ist Kreysigs Urteil über des Pirnischen
Mönches Werk: „Wenn er die Zeiten, so er erlebet, be-
schreibet, kann man sich eher auf ihn verlassen, als in denen
älteren Zeiten , wo er denen abgeschmackten Mönchsfabeln
nach damaliger Art getreulich nachgefolget, wiewohl er auch
manchmal gute Bücher mag geritten haben"').
Über die Schicksale der nur zum kleinsten Teile ge-
druckten, im Jahre 1700 von dem ,, Dippoldiswalder Poly-
histor" Konrad Knauth der Leipziger Ratsbibliothek über-
lassenen Originalhandschrift des Pirnischen Mönchs, deren
vollständige Drucklegung nach den Ergebnissen der Müller-
M Schöttgen und Kreysig, Diplomatische und curieuse Nach-
lese der Historie von Obersachsen I (1730), 155.
Kleinere Mitteilungen. 153
sehen Untersuchung zwecklos wäre, berichtet eine alte (ihr
wohl von Konrad Knauth oder dem gleich zu nennenden
Pirnaer Konrektor Salomon Petermann [-|- 1697] beigegebene)
Vorbemerkung folgendes :
„Dieses Manuscriptum ist im dreifsigjährigen Kriege in
der Stadt Pirna von denen Soldaten, so Geld in Büchern
gesucht, nebst andern ausgestankert und hingeworfen, sodann
zu einem Würzkrämer gebracht worden, welcher es zu
Tüten brauchen wollen, auch bereits einen Anfang damit
gemacht, bis ungefähr ein alter Geistlicher unweit Pirna in
selbigen Laden gekommen und als ein curieuser Philister^)
es vom Untergange noch errettete". Salomon Petermann
vermutet, dafs dieses Exemplar (das er „billig pro ipso auto-
grapho Autoris halten müsse"), weil es von so vielen Auto-
ribus (Fabricius, Albinus, Peckenstein, Knauth) zitiert würde,
durch Kommunikation auch an andere gediehen und vielleicht
auch dann und wann kopiert worden sei. Es habe u. a. auch
auf einem namhaften Schlosse dieser kursächsischen Lande
gelegen und sei von den hochadligen Nachkommen, die es
nicht genugsam und fertig lesen können, ganz verächthch
und bereits zum Cloac — s[alva] v[enia] — condemniret, der
Anfang darzu mit Rausreifsung vieler Blätter (Titelblatt,
Final etc.) gemacht worden, aber durch Hinzwischenkunft
eines verständigen und wohlgelahrten Landpriesters aus-
gebeten und sofort ihm (dem Salomo Petermann) anno 1692
mense Septembr. auf Begehr und Bitte bei drei Wochen zur
Perlustration gelassen worden. Dieses Werkes habe sich auf
Vergünstigung des obangezogenen Geistlichen als jetzigen
Besitzers Herr Konrad Knauth in seinem Prodrome Misniae
illustrandae '-) so sehr bedienet und würde sich seiner zu
seinen promittierten andern Scriptis chronologicis annoch be-
dienen. Die vorstehenden Bemerkungen Salomo Petermanns,
geschrieben 1693, 6. April, finden sich in der handschriftlich
im Pirnaer Ratsarchiv aufbewahrten, kurz nach 172 1 vollen-
deten Pirnischen Chronik seines von ihm mit urkundlichen
u. a. Beiträgen zur Geschichte Pirnas unterstützten Bruders
Tobias Petermann. Der schon zu Salomo Petermanns Zeiten
vorhandene ,, unansehnliche, starkbretterne" mit Pergament
überzogene Einband von etwa i cm Stärke ist neuerdings
beseitigt und der unförmige eine Band in zwei zerlegt worden.
1) Christian Heckel, Historische Nachricht etc. (Pirna 1739):
„Polyhistor".
2) Joh. Konrad Knauth, Mi.sniae illustrandae Prodromus etc.
Dresden 1692.
154
Kleinere Mitteilunoren.
Die von Salomo Petermann vermuteten Abschriften des
Onomasticum mundi generale ^) scheinen — mit einer gleich
zu erwähnenden Ausnahme, nämlich einem im Pirnaer Rats-
archiv vorhandenen Bruchstück — sämtlich verloren ge-
gangen zu sein. Nach Karl Gottfried Zaake, ,, Vorbericht von
Verfertigung eines historischen Werkes von der Stadt Pirna"
(1765) S. 27, ist „von der Handschrift des P. M. sowohl in
der Kurfürstl. Bibliothek zu Dresden, als in der Paulinischen
zu Leipzig und in der Ratsbibliothek zu Zwickau eine Ab-
schrift vorhanden gewesen, wovon aber von vielen Jahren
her niemand wissen will. Die Paulinische ist schon zu Tho-
masius' Zeiten weggekommmen. M. Schlegel hat in Zwickau
vergebens alles ausgesucht". Christian Gotthold Wilisch ver-
sichert in seinem ,, Kleinen Vorrath zur Pirnischen Historie"
Annaberg (1724), S. 5: ,,er kenne selbst einen gelehrten und
in Historicis wohl versierten Mann, der den P. M. [in einer
Abschrift | selbst besitzet". Dafs eine Abschrift aus Johann
Lindner in Zwickau vorhanden gewesen ist, mufs man in der
Tat daraus schliefsen, dafs ihn die Zwickauer Chronisten
Laurentius Wilhelm (1633) und Tobias Schmidt (1656) lange
vor der Drucklegung einzelner Teile der Handschrift bei
Mencke (Scriptores 11) und bei Schöttgen und Kre3-sig (Diplo-
matische Nachlese I) gekannt und benutzt haben. Dafs man
in der ,,Zwickawischen Senatoria" (der Ratsschulbibliothek)
nach einer Abschrift des P. M. ,, alles anxie ausgesucht, aber
nichts mehr davon finden noch erfahren können", bezeugt
auch Konrad Knauth") (f 1732). Wenn er aber ,,hoch ver-
sichert, dafs im ganzen Lande keine Copey von dem Werke
des P. M. mehr anzutreffen sei", so war Knauth im Irrtum;
denn bei Schöttgen und Kreysig finden wir Stücke aus einer
,, Copey" des Onomasticums gedruckt, die in der Original-
handschrift und ,,in der Menckischen Edition" fehlen, darunter
einen ziemlich umfano-reichen Abschnitt über Pirna. Eine
weitere unverkennbare Abschrift aus dem P. M., die bis
jetzt unbekannt und unbenutzt geblieben ist — sie enthält
ebenfalls in der Originalhandschrift fehlende Mitteilungen über
Pirna — hat sich (mit Nachträgen bis zum Jahre 1560) auf
dem Ratsarchiv der Stadt Pirna und in einer späteren, dem
1) Diesen Titel für des P. M. Werk hat wohl erst Salomo Peter-
mann aufg;ebracht. Georg Fabricius (f 1571) „hat dies Buch sein
Vocabulanum ex quo genennet": Petrus Albinus, Meifsnische Land-
und Bergchronica (Dresden 1589) S. 344.
'-) Vgl. Naumann, Catalogus librorum mscr., qui in bibl. senat.
civ. Lips. asservantur (Grimae 1838) p. 136.
Kleinere Mitteilungen. 155
17. Jahrhundert angehörigen Kopie (mit Nachträgen bis zum
fahre 1626) in der Leipziger Ratsbibliotliek \) erhalten.
,,In selbiger Stadt Pirna, von und nach welcher er ,
den Namen führet, ist'', so berichtet Salomo Petermann,
„Johann Lindner laut seiner eigenen Worte geboren
und erzogen worden, ja an die 50 Jahr ein Klosterbruder
daselbst gewesen". Diese Behauptung wird bestätigt durch
die ebengenannte, noch aus dem 16. Jahrhundert stammende
Pirnaische Abschrift aus dem P. M. , in der sich die Worte
linden: „Ich Schreiber dieser Chronica ein Kloster und
Stadt Kind 50 Jahr habe in diesen kloster orden zu-
gebracht in aller gehorsamkeit". Diese Stelle, in welcher
Pirna als Lindners Geburtsort bezeichnet wird, findet sich
weder bei Mencke, noch bei Kre3'sig, und so gelangte
Johann Jakob Vogels Angabe zur Herrschaft, der lediglich
auf Grund der Leipziger Universitätsmatrikeln den P. M. zu
Münchberg in Oberfranken geboren sein läfst-). Auch Hermann
Müller folgt dem Magister Vogel, ,, Diener am Worte Gottes
zu Panitzsch, Sommerfeld und Althayn, Leipziger Diöces",
und ist ,, wunderbar berührt", dafs ich in meiner ,, Refor-
mationsgeschichte der Stadt Pirna" (1893)'^) noch angebe,
Johannes Lindner sei zu Pirna geboren. Ich werde im fol-
genden diese meine Behauptung noch weiter zu verteidigen
suchen. Übrigens war mir die Streitfrage betreffs der
Herkunft des Pimischen Mönchs (Münchberg — Pirna) längst
wohl bekannt, und ich habe schon 1887 in meiner bereits
o-enannten Pirnaer Progframmabhandlung: Die kirchlichen Zu-
stände etc. S. 63 ff., die Hermann Müller, wie es scheint,
unbekannt geblieben isf*), meinen Standpunkt dargelegt.
') In einem mehrere Pirnensia enthaltenden Aktenstück, betitelt:
Fragmenta Annalium Pirnensium ex variis Manuscriptis congesta a
me Johann Heinrico Grofsmann. 1674. Ein Widerspruch zwischen
dieser Pirnaer Abschrift und dem Auszug bei Mencke findet sich
insofern, als in der ersteren der F. M. berichtet, das Pirnaer Domini-
kanerkloster sei bis zum Jahre 1527 von dem Makel des Lutheranischen
Irrtums frei geblieben, während es bei Mencke noch im Jahre des
Abschlusses seiner Chronik (1530) als unberührt von Luthers „worm-
stichiger, giftiger Lehre" hino;estellt wird. 1527 ist wohl richtig:
vgl. meine ProgrammabhandTung: Die kirchlichen Zustände der
Stadt Pirna vor der Einführung der Reformation im Jahre 1539
(Pirna 1887) S. 63 tf.
-) y. J. Vogel, Leben des Päbstlichen Gnaden -Predigers oder
Ablas- Crämers Johann Tetzels (Leipzig 1717) S. 17.
^) In den Beiträgen zur Sächsischen Kirchengeschichte VIII, 109.
*) Obgleich ich in meiner „Reformationsgeschichte" S. 109
Anm. I auf sie hingewiesen habe.
ic6 Kleinere Mitteilungen.
Der von Mag. Vogel behauptete Eintrag in der Leip-
ziger Universitätsmatrikel — Johannes Linthner de Munchperg,
de nacione Bavarorum — findet sich darin tatsächlich, wie
aus dem erst nach Veröffentlichung meiner ,, Reformations-
geschichte der Stadt Pirna" gedruckten „Matrikeln der Uni-
versität Leipzig" hervorgeht. Aber diese Tatsache beweist noch
nichts, denn wenn auch in den Leipziger Matrikeln ,,der Regel
nach die Heimat immer nach dem Geburtsort bezeichnet
wird", so sind doch ihre Ortsangaben, wie ihr Herausgeber
G. Erler selbst zugibt, durchaus nicht immer zuverlässig:
,, vereinzelt ist neben dem Geburtsort auch der letzte Auf-
enthaltsort genannt worden", und ,, jedenfalls haben Mifs-
verständnisse oder Unkenntnis der Studenten oder auch Irr-
tümer der Rektoren häufig dazu geführt, dafs ein Neuauf-
genommener zu einer unrichtigen Heimatangabe kam und
einer falschen Nation zugeschrieben wurde" ^). Derselbe
Mag. Vogel, der im Widerstreit mit der Überlieferung und
der allgemeinen Ansicht der Zeitgenossen des Pirnischen
Mönchs diesen in Münchberg geboren sein läfst, hat auf
Grund desselben Leipziger ,, Universitätskatasters" dem
Ordensbruder Lindners, dem Ablafsprediger Johann Tetzel,
Leipzig als Geburtsort angewiesen, bis ich aus den Pirnaer
Stadtrechnungen die ältere Ansicht, wonach Tetzel in Pirna
geboren war, als die richtige habe erweisen können-). Bekannt
ist auch, dafs Luther in den Erfurter Matrikeln als Martinus
Ludher ex Mansfeld eingeschrieben ist. Und mufs denn der
,, Johannes Linthner de Munchperg", der 1470 die Universität
Leipzig bezog, 147 1 dort das Baccalaureat und 1473 die
Würde eines Magister artium erwarb, unser Pirnischer Mönch
Johann Lindner sein? Schon bald nach dem Erscheinen von
Vogels ,, Leben Tetzels" findet sich in Zedlers Universal-
Lexikon Bd. XVII (1738) S. 1403 f. die Vermutung, dafs bei
Vogel eine Verwechslung des älteren Weltgeistlichen Johanp
Lindner aus Münchberg mit dem jüngeren Dominikaner
gleichen Namens aus Pirna vorliege. Dafs der ältere Johann
') Cod. Dipl. Sax. Reg. IL Hauptteil, XVI. Bd.: Die Immatriku-
lationen 1409 — 1559- S. XLII.
-) In meiner oben erwähnten Programmabhandlung S. 67 ff.,
ausführlicher und mit neuen Beweisen m meiner Reformations-
geschichte der Stadt Pirna S. 325 ff. Meine Behauptung, Tetzel sei,
entgegen der Angabe Magister Vogels, in Pirna geboren, hat nach-
trägUch durch eine Stelle in den Leipziger Stadtrechnungen des
Jahres 1485 Bestätigung gefunden: vgl. G. Wustmann, Der Ablafs-
handel in Leipzig, im Lpz. Tgbl. 1902 Nr. 663, 2. Beilage.
Kleinere Mitteilungen. i^y
Lindner in Münchberg geboren und Magister gewesen sei,
gehe aus seiner eigenen Unterschrift unter dem Registrum sive
Directorium rerum agendarum parochialis Ecclesiae S. Laurentii
in Hof conscriptum im Jahre 1479 hervor. Diese Unterschrift
vom Jahre 1479 besage femer, dafs er ,,nun auf die 14 Jahre
Prediger gewesen", auch bei der Überschrift vorher ge-
dachten Werkes sich pro tunc vicegerentem zu Hof nennet,
desgleichen Widemann in der Hofer Chronik im Manu-
skripte bei dem Jahre 1487 sich derer Worte bedienet:
„Damals ist M. Joh. Lindner Vicarius oder Pfarrverweser und
Prediger zu St. Michel gewesen". Die zuweilen vorkommende
Schreibweise Linturius für diesen Münchberger Lindner sei
wohl ein Lesefehler aus dem Manuskripte des Pistorius^).
Der Famihenname Lindner ist in den Leipziger Matrikeln
für Münchberg mehrfach bezeugt: schon 1438 ist ein Johannes
Lintner de Monchberch inskribiert. Mit diesem ist wohl der
genannte Hofer Prediger gleichen Namens nicht identisch,
weil der letztere „wenigstens bis ins Jahr 15 14 mufs ge-
lebet haben" -).
Ein gewichtiger Grimd, Münchberg als Geburtsort des
P. M. abzulehnen, ist die Ansicht seiner Zeitgenossen. Auch
dem Mag. Vogel war nicht unbekannt, dafs man ,, ins-
gemein dafür halte, der Chronist Joh. Lindner sei (ebenso wie
sein Ordensbruder Joh. Tetzel) zu Pirna in Meifsen an der
Elbe geboren worden". Dafs diese Annahme allgemein ver-
breitet war, bezeuoft auch Petrus Albinus in seiner im letzten
Viertel des 16. Jahrhunderts verfafsten, handschrifthch m der
König]. Bibliothek zu Dresden aufbewahrten ,, Chronica der
Stadt Pim", worin es heifst, Joh. Lindner sei ,,ein Pimaer
Stadtkind, wie ich bericht bin gewest". Auch in seiner
1589 gedruckten Meifsnischen Land- und Berg-Chronika
nennt Albinus unsern Johann Lindner ,,zu Pim bürtig", und
es ist wohl anzunehmen, dafs man so wenige Jahrzehnte
nach des Pirnischen Mönchs Tode noch genaue Kenntnis von
seinem Geburtsorte gehabt hat. Die allgemeine Überliefemng,
dafs der chronikschreibende ,, Mönch und 50jährige Kloster-
bruder" in Pirna geboren sei, findet eine Stütze in der Tat-
sache, dafs der Name Lindner in den Pim^aer Stadtrechnungen
der hier in Frage kommenden Zeit wiederholt vorkommt.
Die älteste erhaltene Rechnung vom Jahre 1479 weist imter
') Rerum Germanicarum Scriptores II, 577 f. ad annum 1489.
-) „Weil sein (Lindners) Appendix ad Fasciculum temporum
Werneri Rolewinck so weit gehet". Zedlers Univ.-Lex. XVII, 1404.
»^
ir8 Kleinere Mitteilungen.
den ,,Inquilini", d. i. den unansässigen Bürgern, einen Awstin
Lyndenner auf, der 6 Gr. Geschofs zahlt. Unter den lanifices
dieses Jahres wird ein Hanns Lyndener genannt. In der
nächsten Kammerrechnung vom Jahre 1490 tritt aufser dem
Awgstein Lyndener (Lindener) ein unansässiger Bürger Greger
Lyndener auf, unter den ansässigen Bürgern dieses Jahres
Symon Lyndener im 3. Stadtviertel und Martin Lyndener
im 4. Viertel. In den Geschofsverzeichnissen der Pirnaer
Kämmereirechnungen der Jahre 1517 — 20 kommt ein Lindner
nicht mehr vor. Später (z. B. 1554: Hans Lindener, 2. Viertel)
taucht der Name wieder auf. Ein aus Pirna gebürtiger
Johannes Lindner ist weder in Leipzig, noch, soviel ich weifs,
in den Matrikeln einer anderen etwa in Frage kommenden
Universität nachzuweisen, aber diese Tatsache beweist nichts
gegen die Richtigkeit der bei den Zeito;enossen des P. M.
vertretenen Ansicht über seine Herkunft, denn die Kloster-
geistlichen jener Zeit hatten nur zum kleinsten Teile an
Universitäten studiert, und auch unser fleifsiger Kompilator
wird sich die geringe Summe der für seine Stellung not-
wendigen Kenntnisse in einem der zahlreichen Konvente er-
worben haben.
Zum Schlüsse möge noch folgende Erwägung dazu dienen,
die von Magister Vogel entgegen Lindners eigener Angabe
und im Widerstreit mit der schriftlichen und mündlichen
Überlieferung blofs auf die zweifelhafte Autorität der Uni-
versitätsmatrikeln hin aufgebrachte Behauptung, Münchberg
sei des Pirnischen Mönchs Geburtsort, zu erschüttern. Lindners
Mitteilungen über Pirna haben nach Salomo Petermanns Ver-
sicherung in der Originalhandschrift ,,ungefehr drei Folien
Blätter" eingenommen, und diese grofse Ausführlichkeit ist
um so begreiflicher, wenn wir annehmen, dafs der Verfasser
nicht blofs als langjähriger Bewohner des Pirnaer Domini-
kanerklosters, sondern auch als ,, Stadtkind" von Jugend auf
mit der alten Eibstadt innig verwachsen war. Die Lage zahl-
reicher Städte, Flecken und Burgen bestimmt er nach Pirna
und ihrer Entfernung von dieser Stadt. Während er nun
selbst über unbedeutende Ortschaften sich nicht selten recht
eingehend äufsert, bringt er über ,,Munchberck" nur fünf
Zeilen , die keineswegs auf irgendwelche genauere Kenntnis
der inneren Verhältnisse der Stadt schliefsen lassen. Bei
seiner Neigung, sich über städtische Zustände, besonders
religiöse, über die in Städten und auf Burgen ansässigen
edlen Geschlechter etc. in behaglicher Breite zu ergehen,
hätte der P. M., wenn Münchberg wirklich seine Vaterstadt
Kleinere Mitteiluno-en
&
159
wäre, aus seinen Jugenderinnerungen oder aus den Erzählungen
und Berichten seiner Verwandten sicherlich eine oder die andere
Notiz gebracht, die auf herzlichere Beziehungen zu dieser Stadt
oder auf genauere Ortskenntnis schliefsen liefse.
Das Jahr 1530 ist das letzte, das in des P. M. Chronikon
erwähnt wird. Die Vorrede ist schon im Jahre 1529 ge-
schrieben; in ihr will er seinem von ihm begeistert gepriesenen
Landesherrn, dem Herzog Georg von Sachsen, seine ,,arme,
untüchtige, gerynge person mit schuldiger undertenickeit und
ganz wilfariger geflisner dynstbarkeyt emssiglich entpholen
haben". Zu diesem ,, beherzten, ehrenwichtigen, hochwitzigen"
Fürsten, der, wie der Pirnische Mönch selber ein Todfeind
des ,, blutaufrührerischen abtrünnigen apostata Merten Luter"
und seines ,, gottlosen Anhangs", „unverwandt bleiben wollte
in dem christlichen Fufspfad seiner Vorfahren", scheint der
P. M. in nahen Beziehungen gestanden zu haben. Er nennt
ihn seinen ,, gnädigen und hochgünstigen Hauptpatron"; nach
einer Notiz bei Petrus Albinus war er, ,,wie etliche vorgeben,
Herzog Georgen Priester". Im Jahre 1522 befahl Herzog
Georg, dafs eine Frau aus Wölpern bei Eilenburg, welche
am Neujahrstage das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ge-
nommen hatte und bald darauf vom Teufel besessen war,
nach Leipzig gebracht werde, und ebendahin solle der ,, Mönch
von Pirne" bestellt werden, dafs er sie beschwöre. „Ist das
etwa der bekannte Monachus Pirnensis Johannes Tilianus ?"
frage ich mit Seidemann, der diese Nachricht in einem Briefe
Georgs an seine Söhne vom 5. Februar 1522 auf einem ein-
gelegten Zettel aufgefunden hat ^).
Mit dem Jahre 1530 ist die letzte Spur von des Pirnischen
Mönchs dunklen Erdentagen verweht. Seine Lebensgeschichte
war schon im 16. Jahrhundert so unklar, dafs er „von einigen
vor zwei, von andern vor eine Person gehalten worden.
Knauth will, dafs einer Matthäus Sartorius, und der andere
Johann Lindner geheifsen. Georg Fabricius macht nur eine
Person daraus, und nennt ihn Matthäum Sarctorium. Petrus
Albinus achtet daher, dafs Sarctorius vielleicht erst das Chro-
nikon geschrieben. Lindner hernach ein Epitomen daraus ge-
machet. Vogel hat erwiesen, dafs er Johann Lindner, von
der Hantierung seines Vaters aber nach damaligem Gebrauch
Sarctorius (Schneider) heifse, gleichwie er auch selber seinen
teutschen Namen Lindner in den lateinischen Tilianum ver-
1) J. K. Seidemann, Die Leipziger Disputation S. 99 und Der-
selbe, Die Reformationszeit in Sachsen von 1517 — 1539 S. 56.
i6o Kleinere Mitteilungen.
wandelt und sich in seinem Onomastico v[oce] Ingolstadt
Johannem Tilianum, dieser Chroniken Sammler geschrieben" ■■ ).
Die Verwirrung betreffs des Namens unsers Chronisten, die,
wie es scheint, Georg Fabricius angerichtet hat"-), wird durch
den Umstand vermehrt, dafs unter den ,, Ältesten", den
,;Vätern und Brüdern des Konvents zu Pirna Predigerordens"
etwa an derselben Stelle, wo 1497 unser ,, Johann Lindener,
Lesemeister des Konvents zu Pirne" genannt wird, in der
Tat auch die Namen Sartor [ius]'^) und ,, Schneider" vor-
kommen, deren Träger ebenfalls ,, Lesemeister" sind,
nämlich 1499: ,, Johannes Schneider"*), 1503: ,, Johannes
Sartorius, Lesemeister" '^), 1519: ,, Johannes Sartor, Lese-
meister" •^) Sollte wirklich unser Johann Lindner, Tilianus,
gelegentlich auch — was ja damals wie heute oft genug vor-
kommt — nach dem Gewerbe seines Vaters — Schneider,
Sartor[iusJ — genannt worden sein? Unter den geschofs-
zahlenden Bürgern namens Lindner wird in den oben ange-
führten Kammerrechnungen der Stadt Pirna nur einmal der Beruf
angegeben, nämlich 1479 bei Hans Lindner, dieser steht unter
den lanifices, und das waren doch wohl die Wollweber.
Ich habe die vorstehenden Bemerkvmgen über den Namen
des Pirnischen Mönchs nur der Vollständigkeit wegen hinzu-
gefügt, eine bestimmte Meinung wage ich bei dem Mangel
zuverlässiger urkundlicher Grundlagen nicht zu äufsern.
4. Die farbigen Paralieilinien auf den Karten des IS.Jahrhunderts.
Von Otto Mörtzsch.
Wer hätte bei Betrachtung der Karten mitteldeutscher
Landesteile von A. F. Zürner, P. Schenk, L. Schenk, T. C.
1) Die obigen Ausführungen linden sich in Zedlers Universal-
Lexikon XVII, 1405.
-') In einem Briefe an seinen Freund Georg Agricola : Matthaeus
Sarctorius Dominicanus secundum literarum numerum varias collegit
historias, mira diligentia, sed impari iudicio.
**) Allerdings nicht Matthäus, wie Fabricius will, sondern Jo-
hannes Sartor.
*) Cod. Dipl. Sax. Reg. II, 5, 481.
•'') Copia der vorschreibung des Conuents Pirna kegen dem
Rothe etc. in Loc. 9900 Schrifften vor Herzog Georgen zu Sachfsen
ergangen, bei. die Irrungen und Gebrechen zwischen dem Rath und
der Gemein der Stadt Pirna etc. Anno 1519 — 20, fol. 128. Haupt-
staatsarchiv Dresden.
") Loc. 9900 Schriften vor Hzg. Georgen ergangen, fol. 33.
Kleinere Mitteilungen. i6l
Lotter, die man in Atlanten vereinigt oder vereinzelt oft zu
Gesicht bekommt und die bis heute ihren Wert für die Ge-
schichte behalten haben, nicht schon die mittelalterliche Dar-
stellung belächelt: die Maulwurfshaufen für die Berge und
Gebirge, die Häuschen ohne und mit Kreuzen, Fahnen und
Hirschgeweihen für Einzelgebäude, Dörfer, Kirchdörfer,
Städte, Schlösser, Forsthäuser, die kleinen Vierecke mit an-
gedeuteten Rauchwolken für Schmelz- und Hochöfen, die
kleinen Bäumchen für Büsche und Waldungen, gezeichnete
Zäune für ,,Wildprets Zäune" usw.! — Wem sind nicht auf
den ersten Blick die ungenau wiedergegebenen Strafsenzüge,
Flufsläufe und vor allem die schön abgerundeten ,,Ammts
Grentzen" aufgefallen! — Die eigentümlichsten Gebilde aber
sind und bleiben doch die so häufig auftretenden farbigen
Parallelen.
Von den meisten Ämtern gehen in der Farbe derselben
manchmal nur wenige Millimeter, manchmal lo — 17 cm
lange ^) , fast stets 2 mm breite, von punktierten Linien ein-
gefafste Streifen nach einem kreisrunden, elliptischen, erbsen-
oder kartoffelförmigen Gebilde, in welchem gewöhnlich ein
oder mehrere Orte liegen. Diese zeichnerische Eigentüm-
lichkeit der in der Einleitung genannten Kartographen be-
darf der Erklärung.
Untersuchen wir zunächst, was sie nicht bedeuten kann.
I. Bei oberflächhcher Betrachtung der Karten könnte
man vermuten, dafs die Parallelen Strafsenzüge markieren
sollten. Jedoch ein genauer Blick zeigt, dafs Strafsen als
dünne (etwas über i mm) schwarze Parallellinien auf den
Kartenblättern eingetragen sind, welche fast niemals die farbi-
o-en Parallelen decken, sondern ihnen absichtlich ausweichen.
(Amter Stolpen und Radeberg mit Lausnitz 1754 [Nr. 11]:
Grofs-Okrilla, welches zum Teil nach Lausnitz gehört, ist
durch einen Strafsenzug und eine begleitende Parallele mit
seinem Amte verbunden. Auf derselben Karte ist die Zu-
1) Kürzere Verbindungslinien zeigen fast alle Ämter- und Kreis-
karten (Erzgebirgischer, Meifsner, Kur-, Leipziger, Vogtländischer,
Neustädter," Thüringischer Kreis), längere zeigen die Karte der
Ämter Stolpen, Radeberg mit Lausnitz (nicht „Lausitz") 1754 (Nr. 11):
Schmorckau nach Amt Stolpen (16 cm), und die der Ämter Meifsen,
Oschatz 1750 {Nr. 8): Winckwitz b. Mssn. nach Amt Oschatz (17 cm)
usw. — Dr. H. Beschorner hat in seinem Aufsatze „Einige Bemer-
kungen zu dem sogenannten Schenkschen Atlas" (vgl. diese Ztschr.
XXIV, 327 fif.) eine sehr praktische Numerierung der Schenkschen
Karten vorgeschlagen. Ich füge den von mir genannten Karten die
vorgesclilagene Nummer in Klammern bei.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 1.2. II
i52 Kleinere Mitteilungen.
gehörigkeit von Nieder- und Ober-Pischdorff zum Amt Stolpen
ebenfalls durch Strafsenzug und Parallele gekennzeichnet.)
Wo eine vorübergehende Deckung der beiden Zeich-
nungen eintritt (bei dem zerrissenen Amte Nossen 1750
[Nr. 8]), geschieht es, um andere Kartenbildchen nicht zu
stören. Am häufigsten zeigt sich, dafs beide einander unter
verschiedensten Winkeln schneiden. Es ist also ausge-
schlossen, dafs die farbigen Parallelen Strafsenzüge darstellen
sollen. (Es sei hier bemerkt, dafs die Strafsen bei Petrus
Schenk u. a. sehr ungenau eingetragen sind. Ein Vergleich
mit unserer topographischen Karte 1:25000 wird meine Be-
hauptung ohne weiteres beweisen.)
2. Bei genauerer Kenntnis der verwackelten Amtsver-
hältnisse Kursachsens könnte man zu der Ansicht kommen:
vielleicht w'ollte der Zeichner andeuten, dafs die von ihrem
Amte abgelegenen Orte nach ihrer Amts - Hauptstadt freies
Geleit gehabt hätten? Zunächst wäre es dann richtiger ge-
wesen, die farbigen Parallelen den Strafsenzügen folgen zu
lassen und ein auf obiges Verhältnis bezugnehmendes Zfeichen
dabei anzubringen, sodann müsste bei der ,, Erklärung derer
Zeichen", die fast jeder Karte beigegeben ist, eine dies-
bezügliche Bemerkung zu finden sein. Auch würde man in
den kurfürstlichen Mandaten über Geleitssachen vergeblich
nach Belegen für die angenommene Befreiung vom Geleite
suchen. Die Orte, in welchen ein ,, Haupt Gleite, Bey Gleite
oder ein Zoll" war, sind durch die Zeichen ^1^^, tXI oder ^J%
kenntlich gemacht. ^p^ T\
3. Auch die kirchliche Zugehörigkeit wird durch andere
Zeichen ausgedrückt, als durch die Farbe, nämlich durch dünne,
schwarze, ausgezogene oder punktierte Linien. „o Filial
Kirche welche allzeit mit einer geraden /Linie an ihrer
Haupt Kirche henget. — Diese Punkte laufen mediate
oder immediate zu der Kirche wohin die Orte eingepfarrt."
(Meifsner Kreis 1757 [Nr. 8].)
Mit Strafsenzügen, Geleit oder Zoll und kirchlichen Ver-
hältnissen haben also die merkwürdigen farbigen Gebilde
nichts zu tun. P. Schenk sagt auf einigen Kartenblättern
selbst, welche Bedeutung die Parallelen haben sollen.
Auf der Karte des ,,Ertzgebürgischen Kreises usw. 1761"
(Nr. 19) steht: ,, Ammts oder Herrschaffts Grentzen
so mit besondern Farben nicht völlig den gantzen Ort um-
schliessen so gehöret selbiger auch nicht völlig dahin". Ebenso
schreibt P. Schenk auf der vierteiHgen Karte des Markgrafen-
Kleinere Mitteilun<jen. 163
tums Oberlausitz 1759 (Nr. 38): ,, Kreis -Ammts
oder Herrschaftts Grentzen welche mit den Farben deutlich
unterschieden werden und wo mehr Aemter oder Herrschafften
an einem Orte zugleich Theil haben, müssen solche die bey-
sammen stehenden mehrere Farben andeuten, wo die Farben-
strichlein nicht völlig über den ganzen Ort gehen, gehört
auch der ganze Ort nicht völlig dahin". Besonders gute
Beispiele sind Gelen au auf der Karte des Gebürgisch.
Kreisses 1758 (Nr. 19), Zeichen b. Wehlen auf der Karte
des Meissn. Kreises 1754 (Nr. 8), ebenda Ottendorf und
Grofs Ockrilla, Schmorckau. Ein Gewimmel von Pa-
rallelen zeigen die Ämter Colditz, Leisnig, Rochlitz^ Schulamt
Grimma (von Tob. Conrad Lotter [Nr. 17]) und die Ämter
Meifsen ,,als Creys- Procuratur- Schul- und Stifts Ammt — "
usw. (P. Schenk 1750 [Nr. 8]). Auf der letztgenannten Karte
ist namentlich das Amt Nossen, als Erbe des Klosters Alten-
zelle, ein zum Lachen reizendes Gebilde.
Die farbigen Parallelen sind also eine kartographische
Schrulle mit der allemigen Bedeutung, dafs die dadurch ver-
bundenen Orte oder Ortsgruppen nebst faustzeichnerisch ab-
gegrenzten Fluren dem dieselbe Farbe tragenden Amte zu-
gehörig zu betrachten sind. Selbstverständlich ergeben sich
zwischen den genau geführten Amtserbbüchern, Schocksteuer-
katastem usw. und den Karten Unterschiede. Als Grund
hierfür kann man wohl zunächst die Ungenauigkeit der Auf-
nahme annehmen, sodann aber auch, weil zwischen Karten-
aufnahme und Kartenzeichnung gewöhnlich ein gröfserer Zeit-
abschnitt lag, in welchem sicher Veränderungen in den
Gerichts-, Verwaltungs-, Steuer- und Dienstverhältnissen vor-
gekommen sind.
5. Napoleons Zusammentreffen mit der sächsischen
Königsfamih'e (14. Oktober 1813J.
Von A. Frhr. v. Welck.
Über die Begegnung Napoleons mit der sächsischen
Königsfamilie, die am 14. Oktober 181 3 auf freiem Felde vor
Leipzig stattfand, bringen die ,, Kriegs -Erinnerungen eines
französischen Offiziers"*) eine kurze Erzählung, die wir hier
') Commandant Parquin, Souvenirs et Campagnes d'un
vieux Soldat de TEmpire 1803—14. Paris, Berger- Levrault. 1903.
II
i54 Kleinere Mitteilungen.
folgen lassen, da die gegebenen Einzelheiten u. W. unbekannt
sind oder wenigstens nirgends veröffentlicht wurden.
Napoleon hatte sich nach mehrtägigem Aufenthalt in
Düben am 14. Oktober früh nach Leipzig begeben. Der Ent-
schlufs, dort den Verbündeten eine Entscheidungsschlacht zu
liefern, war zur Reife gediehen. Gegen Mittag langte er von
Leipzig auf der aus der Grimmaischen Vorstadt nach Würzen
führenden Strafse zu dem Zeitpunkte an, als sich das Gefecht
bei Liebertwolkwitz vmd Wachau entspann und verweilte
während desselben hier. Fain schreibt^): ,,I1 met pied ä terre
dans les champs, non loin de Reudnitz, et ordonne qu'on
etablisse son quartier -general dans ce village, au pavillon de
M. M. Wester" (soll heifsen: Vetter). Hier, also auf freiem
Felde, in der Nähe von Reudnitz, fand die Begegnung statt.
Schimpff-) bezeichnet den Ort: ,,.... verweilte der Kaiser
auf freiem Felde zur Linken der Strafse, die nach Taucha
und Würzen führt". Wir lassen nun den Commandant Parquin
erzählen: ,,Am 13. Oktober (es war aber am 14.) 1813 bi-
vouakierte der Kaiser mit der Garde ^/^ Meile von Leipzig. Ich
(Parquin) befehligte die Abteilung der Chasseurs''), die den
Dienst hatte, und um 4 Uhr sah ich eine Schwadron der Leib-
garde (gardes d'honneur) herantraben, die den König von
Sachsen und seine Familie auf der Reise von Dresden nach
Leipzig begleitete*). Sobald als der Kaiser die Staubwolke
bemerkt hatte, begab er sich zu Fufs etwa 50 Schritte aut
der Strafse in dieser Richtung vor und wollte dem König
noch weiter entgegen gehen, aber die Sächsische Majestät
hatte bereits den Wagen verlassen und ging unbedeckten
Hauptes gerade auf den Kaiser zu. Ich sehe noch den König
von Sachsen, ein grofser, schöner Greis (vieillard) mit ge-
pudertem Haar und Zopf. Er war mit einer weifsen Uniform
bekleidet und trug zwei Uhren, deren grofse Ketten bis auf
die Oberschenkel herabhingen. Er beeilte sich so sehr als
möglich, die Handschuhe auszuziehen, um dem Kaiser die
Hand zu reichen. Aber dieser umarmte ihn, indem er ihn
mit , Bruder' anredete, und begab sich mit ihm an den Wagen
1) Fain, Manuscrit de 1813 (Paris 1829) II, 384,
-) V. Schimpff, 1813. Napoleon in Sachsen (Dresden 1894)
S. 246.
'') Chasseurs ä cheval de la garde; im Felde bekannter unter
dem Namen: Guides.
**) Nach Gretschel, Geschichte des Sächsischen Volkes und
Staates (Leipzig 1853) III, 518 bestand diese Eskorte aus polnischen
Gardeulanen, französischen, westphälischen und sächsischen Garden.
Kleinere Mitteilungen, 165
der Königin von Sachsen. Zur Linken der Königin safs ihre
Tochter, die Prinzessin Auguste. Meine Nähe vom Kaiser,
der übrigens mit den fürstlichen Damen ziemlich laut, an dem
geöffneten rechtsseitigen Wagenschlag stehend, sprach, ge-
stattete mir diese Worte zu hören: ,Sir', sagte die Königin,
,wie befindet sich die Kaiserin und der König von Rom?'
,Alle befinden sich wohl', erwiderte der Kaiser, ,ich habe
gestern Abend Nachrichten erhalten'. ,Sie werden morgen
eine Schlacht schlagen, Sire?' sagte die Königin. ,Ja, ich
glaube es'. ,Und Sie werden sie gewinnen', fügte Prinzessin
Auguste bei. ,Ach, da sieht man die Frauen: sie zweifeln
an nichts; aber man mufs es hoffen!'
Der Kaiser grüfste seine hohen Wirte, welche nach der
Stadt zurückkehrten (?), und er selbst begab sich auch nach
Leipzic
lg-
Literatur.
Johann Friedrich der Grofsmütige. 1503 — 1554. Erster Teil, Johann
Friedrich bis zu seinem Regierungsantritt 1503 — 1532. Festschrift
zum 400jährigen Geburtstage des Kurfürsten namens des Vereins
für Thüringische Geschichte und Altertumskunde herausgegeben
von der thüringischen histor. Kommission. Bearbeitet von Dr. Weorg
Mentz, a. o. Professor an der Universität Jena. Mit dem Bildnis
Johann Friedrichs als Bräutigam. Jena, Gustav Fischer. 1903. XII,
142 SS. go.
Eine Biographie des Kurfürsten Johann Friedrich, die das um-
fängliche Aktenmaterial sorgfältig verarbeitet, ist ein unleugbares
wissenschaftliches Bedürfnis und wird bei der Rolle, die dieser
Fürst in unserer Reformationsgeschichte spielt, auch aufserhalb
Sachsens lebhaftes Interesse wecken. Die thüringische historische
Kommission hat sich durch Veranlassung dieses Werkes (anläfslich
des 400jährigen Geburtstages J. F.s) ein Verdienst erworben, und
der Verfasser hat für die aufserordentlich kurze Zeit, die ihm zur
Verfügung stand, Anerkennenswertes geleistet Beträchtliche Akten-
gruppen, die sowohl für die allgemeine Reformationsgeschichte, als
für die sächsischen Verhältnisse interes.sante Aufschlüsse geben, sind
hier zum erstenmal systematisch ausgeschöpft. Dadurch fällt manches
neue Licht auf wichtige Vorgänge, ohne freilich — wie uns scheint —
die bisherigen Anschauungen in entscheidenden Punkten zu korri-
^eren: so auf die Friedensverhandlungen nach dem Augsburger
Reichstag, speziell das Verhältnis der Theologen und der protestan-
tischen Fürsten dabei; dann auf die sächsisch -hessischen Verhand-
lungen anläfslich der Packschen Enthüllungen, vor allem auf die
Vorgeschichte der Wahl Ferdinands zum römischen König, gegen
die Johann Friedrich mit besonderem Eifer arbeitete. Leider wird die
Übersichtlichkeit der Darstellung durch eine unnatürliche Vertei-
lung stark beeinträchtigt: in Kapitel II werden die Aktionen J. F.s
auf religionspolitischem Gebiet behandelt, in Kapitel III die auf den
übrigen Gebieten der Politik. Faktisch läfst sich beides gar nicht
trennen, ohne dafs man wichtige Ereignisse (z. B. Reichstage) zwei-
mal und zwar jedesmal unvollständig behandelt.
Es ist jedenfalls nicht die Schuld des Verfassers, dafs wir über
die Persönlichkeit J. F.s als Kurprinz schliefslich recht wenig Auf-
schlüsse bekommen. Sobald er in die Politik aktiv eingrifl, war er an
detaillierte Instruktionen gebunden. Auch seine jugendgeschichte
ist eigentlich nur für die Frage der damaligen Prinzenerziehung
ergiebig. Von individuellen Zügen treten uns, von Mentz selbst mit
Literatur. 167
Recht hervorgehoben, seine Sclireibseligkeit und FreiKle am Ent-
werfen umfassender Denkschriften, ein lebhaftes miHtärisches Inter-
esse, und wiederholt eine gewisse Kleinhchkeit und Spitzfindigkeit
entgegen, die sich auf Nebensächhchkeiten versteift, verbunden
freilich mit einer unleugbaren Schlagfertigkeit. Recht interessant
sind J. F.s Anschauungen über die Gehorsamspflicht gegen den
Kaiser, seine Stellung zu der Türkenfrage und seine anscheinende
allmähliche Emanzipation von Luthers Leitung in politischen Fragen,
— eine Tatsache, die Menz wohl nicht genügend hervorhebt, die
aber doch Luthers Urteil beim Tode Johanns verständlich macht.
Wenn Menz nicht für emen bestimmten Termm etwas Fertiges
hätte liefern müssen, so hätte er gewifs nicht die Vorgeschichte
J. F.s gesondert herausgegeben. Er wäre dann auch nicht erst in
Versuchung geraten, gewissermafsen zur Füllung vieles zu berichten,
was wirklich weder interessant, noch historisch bedeutsam ist, und
auf vmvollkommenes Material rein vermutungsweise hypothetische
Beobachtungen zu begründen. Wozu z. B. die genaue Aufzählung
von J. F.s Turnieren, die ermüdende Ausführlichkeit bei der Ver-
heiratungsfrage (9 Seiten!), die Registrierung aller belanglosen poli-
tischen Mitwirkungen J. F.s, die übermäfsig detaillierten Darstellungen
der Verhandlungen hin und her, sobald der Kurprinz irgendwie
daran beteiligt war? Darüber geht der Schrift öfters der Charakter
als Biographie zu sehr verloren, ohne dafs nun ein anderer klarer
Gesichtspunkt bei Auswahl und Ausführlichkeit leitete. Vor allem
tritt infolgedessen das eigentlich Wichtige nicht genügend hervor,
und endlich verliert der Leser, der nicht direkt wissenschaftliche
Interessen hat, leicht gar die Lust, die Darstellung zu Ende zu lesen.
Hoifen wir, dafs dieser Mangel an Ökonomie und politischem Augen-
mafs in der Fortsetzung des Baches verschwindet, sonst wird es
allein schon durch seinen Umfang einen Teil der verdienten Wirkung
einbüfsen.
Auch in den Aktenbeigaben am Schlufs scheint uns des
Guten etwas zu viel getan. Weitaus am interessantesten sind Nr. 16
und 17, zwei Denkschriften über die notwendigen militärischen Mafs-
nahmen einer evangelischen Koalition und des ernestinischen Fürsten-
tums aus dem Jahre 1529.
Dresden. Goerlitz.
IJeiti'äge zur Reformatioiisgeschichte aus Büchern und Hand-
schriften der Zwickauer Ratsschulbibliothek. Von Lic. Dr. Otto
Giemen , Gymnasialoberlehrer in Zwickau. Drittes Heft. Berlin,
C.A.Schwetschke & Sohn. 1903. IV, 115 SS. 8«.
Haben schon die früheren zwei Hefte der vorliegenden Zeit-
schrift eine Fülle interessanter Einzelergebnisse geliefert, so ist das
Schlulsheft dadurch von besonderer Bedeutung, dafs auf sieben eng-
gedruckten, zweispaltigen Seiten das Namenregister den ganzen In-
halt bequem aufschliei'st. Gerade für die sächsischen Gebiete, die
ernestinischen wie die albertinischen, Vv^ird über die Entwicklung des
Humanismus, der Schul- und Kirchengeschichte reicher Stoff geboten.
Von den Anhängern der alten Kirche seien Luis Marliano, Bischof
von Tug, Cochlaeus, Eisenberg erwähnt. Zahlreicher sind die Ver-
treter der neuen Lehre, dabei manch „munterer und gescheuter
Lutherischer Grünschnabel". Luthers Romreise betrift't ein Verzeich-
nis der Stationen einer Pilgerfahrt von Nürnberg nach Rom (S. 89);
j58 Literatur.
als Verfasser der Passio Doctoris Martini Lutheri wird Hermann von
dem Busche vermutet, als Zeit der Entstehung der Sommer zwischen
Juni und September 1521 nachgewiesen; über Bilder des Reformators
werden eine Reihe von Angaben gemacht. Mit Interesse liest man,
dal's Mosellanus in Leipzig und Melanchthon in Wittenberg in den
Jahren 1522 und 1523 Handschriften aus der Bibliothek des Boguslav
von Hassenstein aus Kommotau benutzt und darnach Ausgaben ver-
anstaltet haben. Über das Leben des ersten evangelischen Pfarrers
in Teuchern, Anton Zimmermann, werden eingehende Mitteilungen
dargeboten. In der Visitation von 1528 wird er als Pfarrer von
Meuselwitz bei Altenburg sehr günstig beurteilt. Fünf Schriften von
diesem selbständig denkenden Lutheraner werden in der Bibliographie
aufgeführt. Joh. Freisleben interessiert uns als Verfasser einer Schrift
gegen das, Salve Regina, sowie wegen seiner Beziehungen zu Caspar
Löner in Ölsnitz und Georg Rauth in Plauen. Auch zu des letzteren
Biographie werden Beiträge geliefert. Die ziemlich unklare Gestalt
des Johann Gulden (Aureus) wird auf Grund von verschiedenartigen
Nachrichten deutlicher : erwähnt sei, wie er, vom Kurfürsten auf der
Leuchtenburg interniert,Wiedertäufer unterrichtet. Georg von Rotschitz
aus Weifstropp, der 1507 in Leipzig immatrikuliert wurde, später als
Syndikus das Meifsner Domkapitel vertritt, wird in seiner literarischen,
wie Verwaltungstätigkeit geschildert. Aus den Analekten sei Cru-
cigers Gutachten, Zelle 1548, aus den Ergänzungen und Berichtigungen
die Anmerkung über Anton Musa herausgehoben. Der Verfasser
verspricht die ihm so lieb gewordene Arbeit im Archiv für Refor-
mationsgeschichte fortzusetzen, das W. Friedensburg in dem gleichen
Verlage zu veröffentlichen beginnt.
Leipzig. Georg Müller.
Beiträge zur Lebensgescliichte you Ehrenfried Walter von Tschirn-
haus. Von Prof. Dr. Curt Reinhardt. Wissenschaftliche Beilage
zum Jahresbericht der Fürsten- und Landesschule St. Afra in
Meifsen. 1903. 35 SS. 4".
Der Mathematiker der Meifsner Fürstenschule, mit der Samm-
lung des Materials für eine Biographie seines berühmten Fachgenossen
beschäftigt, berichtet in dieser Vorstudie über die Quellen zur Lebens-
geschichte von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und über den
Briefwechsel zwischen ihm und Leibniz. Die im Jahre 1709 in
Görlitz erschienene „Lebens- und Todes-Geschichte des Herrn Ehren-
fried Walter von Tschirnhaufs" und den Nachruf in den Actis
Eruditorum schreibt Reinhardt seinem Gehülfen Joharai Melchior
Steinbrück zu; mit ihm und dem Verfasser der „Lebensbeschreibung
des Weltberühmten Herrn Ehrenfried Walther von Tschirnhaufs",
dem Sohn des dänischen Mathematikers Mohrendal, hält er den Guts-
herrn von Kiefslingswalde und Stolzenberg für den eigentlichen Er-
finder des sächsischen Porzellans. Johann Friedrich Böttger selbst
scheint dies zu bestätigen; dafs Tschirnhaus „ein kleines Porzellan-
becherchen gemacht", versichert er in einem Briefe vom 14. Oktober
1708. Wertvolle Nachrichten über Tschirnhausens technische und
wissenschaftliche Unternehmungen, die Einführung der Glasmanufaktur
in Sachsen, die Errichtung einer mit Wasserkraft betriebenen Schleif-
und Poliermühle in Dresden, in welcher mächtige Linsen und Spiegel,
Marmorplatten und Tafeln von „Landedelsteinen" geschnitten und
poliert wurden, das Projekt der Errichtung einer Porzellanmanufaktur,
Literatur. i6q
der Boraxfabrikation, Vorschläge zur Verbesserung der Öfen beim
Blaufarbenwerk, bei dem Salzwerk und im Braugewerbe, die Grün-
dung einer sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, enthalten
die Akten des Dresdner Hauptstaatsarchivs; Tschirnhaus stand als
vermeintlicher Goldmacher bei August dem Starken und dem Fürsten
von Fürstenberg in hoher Gunst, und König und Statthalter nahmen
an seinen Experimenten und Projekten den lebhaftesten Anteil. Leider
ging seine Korrespondenz nach seinem Tode bei dem über sein Ver-
mögen verhängten Konkurse zum gröfsten Teil verloren; nur einige
Manuskripte wurden ausgewählt und dem Haui)tstaatsarchiv und der
Kgl. Kunstkammer überwiesen; der Rest ist bis auf einige in der
Briefsammlung der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften be-
findliche Bruchstücke verschollen. Tschirnhausens Korrespondenz
mit Spinoza wurde 1677 anonym und 1895 von J. van Vloten und
J. P. N. Land, sein Briefwechsel mit Leibniz von C. J. Gerhardt 1859
und 1899 unvollständig herausgegeben; Reinhardt ergänzt deshalb
letzteren im zweiten Teil seiner Abhandlung. Leibnizens Brief vom
2. Oktober 1694 weicht im Original, das in Görlitz ruht, vom Konzept
nicht unwesentlich ab; der Freund bittet Tschirnhaus darin „miib
ein Stückgen von Ihrem mit dem Brennglafs tractirten Porcellan,
darauf!:" das angeflogene Gold, weil man dabey siehet, dafs gleichwohl
das Gold dem glase die Farbe mittheilet". Es handelt sich also
hier, wie Reinhardt bemerkt, nur um eine Färbung der Glasur eines
Stückes chinesischen Porzellans, nicht wie Berling auf Grund der
im Konzept stehenden Worte „geschmolzenen Porzellans" annahm,
um eine Schmelzung des Stückes zu einer Glastritte,
Dresden. Paul Haake.
Sachsen und die Gefahr einer schwedischen Invasion im Jahre 1700.
Leipziger Inaugural-Dissertation von Arno trtinther. Pegau, Her-
mann Günther. 1903. 96 SS. 8".
Während Ernst Frhr. v. Friesen in seinem 1901 erschienenen,
im 23. Bande dieser Ztschr. S. 161 und 162 von mir besprochenen
Buche „Die Lage in Sachsen während der schwedischen Invasion
1706 — 1707 undder Friede von Altranstädt" den Rückzug Schulen-
burgs vor den Schweden im Herbst 1706, die Mission Imhoffs und
Pfingstens, den Besuch Karls XII. in Dresden am 6. September 1707
und noch manches andere ziemlich oberflächlich behandelt, beschränkt
sich der Verfasser der vorliegenden, ungefähr gleich starken Disser-
tation auf die Gefahr der schwedischen Invasion, benutzt aber aufser
dem Dresdner Hauptstaats- und Kriegsarchiv auch das schwedische
Reichs- und Kriegsarchiv in Stockholm und erschöpft im wesent-
lichen sein Thema. Es ist kein von grofsen Gesichtspunkten er-
fülltes, aber fleifsiges und zuverläfsiges Buch — gegenüber dem
Friesenschen ein Werk umfassender und eindringender Methode.
Günther skizziert zunächst die äufsere und innere Politik Augusts
des Starken vom Ausbruch des nordischen Krieges bis zur Schlacht
von Fraustadt, immer unter dem Gesichtspunkt der Abwehr der
drohenden schwedischen Invasion ; nicht alle V'orsichtsraafsregeln des
Königs werden aufgeführt; in der langen Reihe der Kabinettsreskripte,
welche die Lokate 7040 — 7059 des Dresdner Hauptstaatsarchivs füllen
und auf die hier nochmals alle seine Regierung bearlieitenden
Forscher hingewiesen sein mögen , findet sich manches, das hätte
I70
Litertitur.
erwähnt werden können. Günther schildert dann die Bestürzung
der Sachsen im Jahre 1706, bringt neue Zeugnisse für die Unpopu-
larität der Polenherrschaft Augusts des Starken bei seinen Lands-
leuten und beweist die völlige Wehrlosigkeit des Kurfürstentums
gegenüber einer feindlichen Invasion; sie war so vollkommen, dais
das Geheime Konsilium dem Könige unter Verzicht auf die polnische
Krone zum Frieden zu raten wagte. Da Kulsland sich weigerte,
August den Starken bei einer neuen Offensive gegen Rehnsköld mit
Truppen zu unterstützen , der Wiener und Berliner Hof, Dänemark
und das Reich sich wohl hüteten, durch allzu lebhaftes Eintreten
für den Wettiner sich Karl XII. gleichfalls zum Feinde zu machen,
und die Seemächte aus Rücksicht für ihre Verbündeten Freundschaft
mit Schweden hielten, so sah sich August der Starke auf sich allein
angewiesen, zog aber gleichwohl alle verfügbaren Truppen, vor
allem die Kavallerie, aus Sachsen nach Polen, um in erster Linie
das Königreich gegen die Schweden zu halten; sein Kurfürstentum
hoffte er durch Fortschaffung aller Lebensmittel in die Festungen
und das Aufgebot der gesamten waffenfähigen Mannschaft (12000 bis
18000 Mann) vor einer längeren feindlichen Besetzung zu schützen.
Aber nc^h ehe die dahingehenden Befehle ausgeführt wurden, über-
schritten die Schweden die Grenze und machten sich binnen kurzem
zu Herren des Landes.
Den Rückzug Schulenburgs vor Karl XII. schildert Günther
nicht mehr; hoffentlich soll er mit dem Frieden von Alt-Ranstädt
und der Kontributionsfrage den Gegenstand weiterer Studien bilden.
Friesen hat diese Fragen keineswegs gelöst; ihn zu widerlegen und
zu überholen ist Günther wohl der rechte Mann — nur mufs er sich
vor einer allzu günstigen Beurteilung Augusts des Starken, die er
vermutlich seinem Lehrer, Professor Dr. Buchholz in Leipzig, ver-
dankt, hüten. Ein starkes geschlossenes Territorium aus Sachsen
zu machen, war nicht das letzte Ziel, dem August zustrebte; über
den Landes- standen ihm stets die dynastischen Interessen. Wenn
ich das in meinen Aufsätzen über seine Jugenderinnerungen und die
Regel pour la posterrite noch nicht klar genug zum Ausdruck ge-
bracht haben sollte, so bitte ich das mit dem Aniangsstadium, in
dem meine Studien über August den Starken damals noch standen,
zu entschuldigen; wie ich jetzt über ihn denke, hoffe ich in der 1902
separat erschienenen Charakteristik deutlich genug ausgesprochen
zu haben, und ich habe noch keine Veranlassung gehabt, an dieser
Auffassung etwas zu ändern. Wenn Günther Augusts Projekt eines
Generalaufgebots mit dem Volksheer Scharnhorsts vergleicht und in
jenem den Geist des grofsen militärischen Reformators wehen zu fühlen
glaubt, so kann ich dies nur auf Rechnung eines Vorurteils setzen;
es war weiter nichts als eine reorganisierte Landmiliz, die August
der Starke nach dem Muster Preulsens (vgl. die Verordnungen
Friedrichs I. von 1701 — 1705 im 4. Bande des HohenzoUernjahrbuchs
S. 143 — 145) zu schaffen versuchte; sie sollte die Verteidigung Sachsens
allein übernehmen, damit die stehende Armee möglichst vollständig
aufserhalb seiner Grenzen Verwendung rinden könne. Eine „grofse"
Periode der Geschichte Sachsens ist mit dem Regierungsantritt
Augusts des Starken nicht angebrochen, eine entscheidende aber ge-
wifs. Ihre Bedeutung liegt darin, dafs die Kluft zwischen der Pohtik
des Fürsten und dem Interesse des Landes sich nicht schlols, sondern
erweiterte, dafs die in seiner Hand vereinigten Kräfte utopistischen
Eroberungsplänen dienten und niclit dem Wohle des Ganzen, und
Literatur.
171
dafs August der Starke bei allen Verdiensten um die Hebung des
Wohlstandes im einzelnen doch die Entwicklung .Sachsens zu einem
straff und einheitlich zentralisierten Staat nicht förderte, sondern
hemmte. Bei seinem Regierungsantritt hätte er in weiser Beschrän-
kung auf die ihm in semer Heimat gestellten Aufgaben den Vor-
sprung, den Brandenburg-Preufsen als politische Macht vor Sachsen
hatte, vielleicht noch einholen können; bei seinem Tode war das
Übergewicht Preufsens über den ihm an wirtschaftlicher und geistiger
Kraft sicher ebenbürtigen Nachbar ebenso entschieden \\ ie dasjenige
Rufslands über das zum Unheil beider Länder mit Sachsen ver-
einigte Polen.
Dresden. Paul Haake.
Die Krit'ge Friedrichs des Grofseii. Herausgegeben vom Grofsen
Generalstabe, Kriegsgeschichtliche Abtheilung IL Dritter Theil:
Der Siebenjährige Krieg. 1756 — 1763. IIL Band: Kolin.
IV. Band: Grofs-Jägersdorf und Breslau. Berlin, E. S. Mitt-
ler «& Sohn. 1901, 1902 VIIL 231 u 24 SS. 8°, mit 15 Plänen und
Skizzen. X, 254 u. 52 SS. 8", mit 12 Plänen und Skizzen.
Der erste Teil des dritten Bandes beschäftigt sich mit der Belage-
rung von Prag, dessen Lage nach dem preufsischen Siege vom 6. Mai
1757 sehr besorgniserregend war. Das Hauptgewicht aber liegt auf der
Schlacht von Kolin. den sie vorbereitenden und ihr folgenden Ereig-
nissen. Über diese Schlacht bez. den, durch dessen Schuld sie lür
die Preufsen verloren ging, haben von jeher beträchtliche Meinungs-
verschiedenheiten bestanden, indem man bald Friedrich selbst, bald
den Fürsten Moritz von Anhalt, bald den General von Manstein verant-
wortlich machen wollte. Auf Grund eines umfassenderen Materials,
als es früheren Darstellern zu Gebote stand, sucht nun das General-
stabswerk die Frage zu lösen und entwickelt in meisterhafter Klar-
heit und musterhafter Unparteilichkeit die einzelnen Phasen des
Kampfes. Das Urteil über die Disposition zur Schlacht ist für Friedrich
durchaus günstig. Die Überlegenheit der Österreicher (54000 gegen
33000 Preufsenj und ihre unangreifbare Stellung auf den Höhen süd-
lich hinter den Dörfern Blinka, Brzezan (Bfezan}), Chozenitz (Choce-
nice), Brzistwi (Bristvi), Krzeczhorz (Kfechor) verhinderte einen
FrontangrifF; deshalb beschlofs Friedrich auf der nördlich jener Dörfer
parallel zur österreichischen Stellung hinziehenden Kaiserstrafse ost-
wärts vorzurücken und dann halbwegs zwischen Planian und Neu-
Kolin südwärts abschwenkend den österreichischen rechten Flügel,
wo die Höhen eher den Zugang ermöglichten, allein mit voller Kratt
zu treffen, mit seinem rechten Flügel aber jedes Engagement mit dem
feindlichen linken Flügel zu vermeiden. Mit grölster Bestimmtheit
erklärte er selbst im Gasthaus zur Goldenen Sonne (Zlati Slunce) un-
weit vom östlichen Ende des Dorfes Novemesto i) den Generalen seinen
Plan und zeigte ihnen die betreffenden Punkte im Gelände. Anfangs
ging auch alles gut; Hülsen eroberte die Krzeczhorzhöhe auf dem
österreichischen rechten Flügel und bedrohte die Hauptstellung auf
') Dieses i.st nicht mit dem heutigen, weiter östlich gelegenen
Gasthaus u Slunce, zur Sonne, identisch, wie bisher angenommen
worden ist; an Stelle des heutigen u Slunce lag vielmehr damals eine
Braditz genannte Ansiedelung.
I y 2 Literatur.
der Przerovskyhöhe (Pferovsky) südlich hinter Chozenitz. Der süd-
östliche Marsch der preufsischen Armee an der österreichischen
Stellung vorbei ward aber nicht durchgeführt, doch vollzog Fürst
Moritz seine südHche Einschwenkung nicht eigenmächtig, sondern
die Änderung der Anmarschdispositionen geschah mit Wissen und
Willen des Königs'), um durch zu weites Ausbiegen nach Osten
nicht das Eingreifen in Hülsens Kampf südlich Brzistwi auf der
Krzeczhorzhöhe zu verzögern. Das Verhängnisvolle war vielmehr,
dafs Manstein ganz aus der Marschlinie ausbrach, das. rechts der
Kaiserstraise unmittelbar vor der Hauptstellung der Österreicher
liegende Chozenitz angriff und eroberte und weiter gegen die Haupt-
stellung selbst vorging, ein Kampf, in den das preufsische Zentrum und
der rechte Flügel verwickelt wurde. So war gegen des Königs Willen
aus dem glücklich begonnenen Angriff des österreichischen rechten
Flügels doch der schwierige Frontangriff geworden, und dieser —
mit unzulänglichen Kräften gegen eine äulserst schwierige Stellung
unternommen — scheiterte nicht nur, sondern entzog zugleich dem
bisher erfolgreichen, aber an und für sich zu schwachen und durch
schwere Verluste geschwächten preufsischen linken Flügel die un-
umgänglich nötige Unterstützung zur Fortführung seiner Offensive.
Unklar war die Anregung zu Mansteins Entschlufs, ob es ein direkter
vom Flügeladjutanten von Varenne überbrachter Befehl des Königs
w^r, der ihn zum Angriff auf Chozenitz veranlafste, oder nicht.
Das General Stabswerk entscheidet sich dafür, dafs eine persönliche
Bemerkung des nach dem rechten Flügel reitenden Varenne von
Manstein mifsverständlich als Befehl des Königs aufgefafst wurde.
Die Schlacht von Kolin ist für die sächsische Heeresgeschichte von
besonderem Interesse, weil nach der landläufigen Darstellung (z. B.
Weifse, Gretschel-Bülau, Böttger-Flathe u. a.) es die 1756 in Polen
stehenden, deshalb in die Kapitulation am Lilienstein nicht inbegrif-
fenen Chevauxlegers- Regimenter Prinz Karl, Prinz Albrecht und
Graf Brühl waren, die das Geschick des Tages wendeten und damit
die österreichische Monarchie retteten , während Friedrich selbst in
der Histoire de la guerre de sept ans die Sachsen mit keinem Worte
erwähnt und die Ehre des selbständigen Entschlusses zu dem Reiter-
angriff dem österreichischen Obersten d'Ayasasa zuschreibt. Das
Generalstabswerk stellt die Angelegenheit in das rechte Licht, in-
dem es die sonstigen Umstände, die zur preufsischen Niederlage bei-
trugen, darlegt, aber auch dem bemerkenswerten Anteil der säch-
sischen Reiter, besonders des Oberstleutnants von Benckendorff' mit
seinen Prinz Karl -Chevauxlegers volle Gerechtigkeit widerfahren
läfst. Die braven Regimenter, die sich schon bei Gang und Kutten-
berg am 5. und 13 Juni bewährt hatten, widerlegten hier glänzend
Friedrichs kurz zuvor, bei der Meldung ihres Eintreffens, gemachte
spöttische Bemerkung, dafs sie „gewifs nicht die Eisenfresser sein"
würden. Auch der folgende Inhalt des Bandes ist für die sächsische
Geschichte wichtig, betrifft er doch die Ereignisse in der Oberlausitz
im Juli und August 1757 mit, so auch die Kämpfe um Zittau. Hier-
bei ist es eine streitige Frage, wen die Verantwortung für das un-
') Die Darstellung des Generalstabswerks betreffs des Verhaltens
des Fürsten Moritz beruht auf den eingehenden Untersuchungen Janys
über das Gaudische Journal, die in dieser Zeitschrift XXIV, 189 be-
sprochen sind.
Literatur.
173
selige Bombardement trifft, das die blühende Industriestadt vollständig
in Asche legte und damals überall Unwillen und Mitleid erregte, ob
den preufsischen Obersten Diericke infolge erlogener Behauptungen
über die Haltung der Einwohner oder neben dem Prinzen Karl von
Lothringen die sächsischen Prinzen Xaver und Karl, die die Züchti-
gung der angeblich treulosen Einwohner gebilUgt, wenn nicht gar
selbst gewünscht hätten, wie dies z. B. Friedrich selbst in der Histoire
de la guerre de sept ans vom Prinzen Karl behauptet, während andere
Xaver nennen. Es wäre zu wimschen gewesen, dafs das General-
stabswerk, dem doch aufser dem preufsischen Material auch die säch-
sischen und österreichischen Quellen zu Gebote standen, auf diese
Frage wenigstens in dem Anhang eingegangen wäre.
Der vierte Band behandelt den Feldzug in Ostpreufsen vom
Juni bis Oktober 1757 und die Weiterentwickelung der Dinge in
Sachsen, der Lausitz und Schlesien vom August bis November 1757.
Von allgemeinem Interesse ist hierin der knappe, klare Abrifs über
das russische Heer, die Organisation des regulären Feldheeres wie
der Husaren und irregulären (leichten) Truppen, besonders der Kasaken,
die Kriegführung, Mobilmachung und den Aufmarsch. Beachtenswert
ist das relativ günstigere Urteil über die Kriegführung Apraxins,
dem allerdings am Siege von Grofsjägersdorf nur ein geringer Anteil
gebühre, das V'erdienst sei der Tapferkeit der Truppe und einzelnen
Unterführern (Matthäus Lieven, Manteuftel-Zöge, Ssaltykow) zuzu-
schreiben. Die Hauptschuld des geringen Erfolges des ganzen Feld-
zugs trage aber nicht der Oberkommandierende, sondern die Schäden
der russischen militärischen Einrichtungen überhaupt, die zu ändern
oder zu bessern aufserhalb seiner Macht lag. Das Urteil über den
schlesischen Feldzug ist für die beiderseitigen Oberfeldherrn, sowohl
für den Herzog von Braunschweig-Bevern und Ziethen, wie auch für
den Prinzen Karl von Lothringen und Dann natiu^gemäfs absprechend,
da keine der Oberleitungen ihren Aufgaben vor, in und nach der
Schlacht von Breslau gerecht wurde; auch Winterfeldts Verhalten bei
Moys erfährt Tadel.
Zahlreiche Anlagen (Ordres de Bataille, Verlustlisten usw.), ein
reichhaltiges Material von ausgezeichneten Plänen und guten Skizzen
dienen auch diesen beiden Bänden zur hervorragenden Zierde und
erhöhen den Wert und die Brauchbarkeit der Darstellung in treff-
lichster Weise.
Dresden. W. Lippert.
Beiträge zur sächsischen Kircheiigeschichte, herausgegeben im
Auftrag der ,. Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte" von
Franz Dibelius und Theodor Brieger. 15. Heft. (Jahresheft für
1900 und 1901.) 16. Heft. (Jahresheft für 1902.) Leipzig, Johann
Ambrosius Barth. 1901 und 1903. III, 336; III, 240 SS. 8°.
Den gröfsten Teil vom 15. Hefte nimmt F. Blanckmeisters
verdienstliche, übersichtliche und grundlegende Studie über „die
Kirchenbücher im Königreich Sachsen" ein. Bereits 1893 hatte er
ein Schriftchen über denselben Gegenstand veröffentlicht. Jetzt hat
er, vom Herausgeber dieser Zeitschrift unterstützt, Fragebogen ver-
sandt, zu deren genauer Ausfüllung das Evangelisch-lutherische
Landeskonsistorium die Geistlichen aufforderte, wie auch das Apo-
stolische Vikariat für das Königreich Sachsen das Unternehmen
förderte. Nach einem geschichtlichen Überblick wird das Verzeichnis
jnA " Literatur.
der Kirchenbücher für jeden einzelnen Ort geboten und zwar A.
der evangehsch-lutherischen Landeskirche (S. 72- 207), B. der evan-
gelisch-reformierten Kirche (S. 207), C. der römisch-katholischen
Kirche (S. 207—210) und D. der deutsch -katholischen Gemeinden
(S. 210), Zu 8.51 sei bemerkt, dafs die Eintragung selbst in Dresden
nicht immer regelmäfsig erfolgte. Als Beispiel erwähne ich den
Erlafs des Ober-Konsistoriums zu Dresden an den Superintendenten
Christoph Buläus (Hauptstaatsarchiv zu Dresden. Loc. 1554. Ober-
Konsistorial-Verordnungen 1662/63): „Wir werden glaubwürdig be-
richtet, ob etliche von Adel und andere Bediente bifshero ihre er-
langte Privattrauungen untl Kindtaufen nicht in die Kirchenbücher
dem Herkommen gemäfs einschreiben lassen. Wann aber dieses
der Kirchenordnung zuwider und unterschiedliche Consequentien
nach sich ziehet und wir solchem Beginnen, da ihnen und den Ihrigen
künftig leicht Ungelegenheit und Streitigkeiten entstehen können,
weiter nachzusehen nicht gemeinet, als ist hiemit anstatt etc. LTnser
Begehren, Ihr wollet bei dem Ministerio in und vor der Stadt difs-
falls die Verfügung tun, darmit hinfüro dergleichen Privattrauungen
und Taufen jederzeit, zu künftiger gewisser und nötiger Nachrichtung
in die Kirchenbücher eingetragen werden. Ihr Euch auch sonsten
darnach achten. Datum Drefsden, 27. August 1662". Zu S. 52, Ent-
stehung des Gravamen vom 23. Juni 1739, und S. 55, Generale vom
18. Februar 1799, mache ich auf die Wünsche aufmerksam, die be-
reits ein Jahrzehnt früher der Dresdner Rechtskonsulent Kersten in
seinem Praktischen Handbuche für kursächsische Gerichtsverwalter
und Dorfgerichtspersonen (Dresden und Leipzig 1783) aussprach.
Er handelt S. 185 ff von der Bedeutung, genauen Führung und Auf-
bewahrung. „Es scheint aber am besten zu sein, wenn der Prediger
entweder selbst das Protokoll hält, oder doch die Aufsicht darüber
hat, und sich etwa alle Monate diese Bücher vorlegen läfst". . . .
Die Zeugnisse sollen vom Pfarrer mitunterschrieben werden. „Die
Bücher, in welche die Verzeichnisse eingetragen werden sollen,
müssen aus wohl geleimtem Papiere bestehen, damit die Dinte nicht
durchschlägt, wie denn auch zur Dauerhaftigkeit der Schrift eine
gute schwarze, doch nicht klebrichte Dinte erfordert wird." . . .
Von Interesse sind die Anweisungen über die Beinamen, die im
Gebirge im Schwange gehen, über Abkürzungen usw. Das Heft
enthält von demselben Verfasser eine Festrede zur Enthüllung
einer Gedenktafel an Karl von Hases Geburtshaus und einen Auf-
satz über „die antirömische Reformbewegung sächsischer Katholiken
im Jahre 1830", von F. Dibelius eine Skizze „Die Dresdner Super-
intendenten", aus der namentlich Daniel Greiser herausgehoben sei,
von H. Fritzsche Mitteilungen über „den Deutschkatholizismus in
Gelenau" während G. Planitz „Spalatins Verzeichnis der Pfarreien
in Sachsen, Meilsen, Thüringen und Voigtland" abdruckt und
O. Giemen mit einer Studie über den Altzeller Abt Martin von
Lochau ins Mittelalter führt. — Das 16. Heft wird mit einem wert-
vollen, handschriftliche Schätze benutzenden Beitrage Th. Briegers
zur wenig bekannten Geschichte der Leipziger theologi.schen Fakultät
im 15. Jahrhundert eröffnet, in dem der Verfasser Prot. Weigels Tätig-
keit auf dem Basler Konzil darstellt und eingehende Mitteilungen
über das Leben Weigels und seine literarische Wirksamkeit macht,
namentlich auch auf zwei Breslauer Handschriften ,,Collectura de
indulgentiis" hinweist. Auf Grund eines Zwickauer Druckes behandelt
O. Giemen die Antwort Mosellans auf Cellarius Angriffe anläfslich
Literatur.
175
des ersteren Rede auf der Leipziger Disputation. L. Bönhoff
schildert die Einführuna; der Reformation in Seifersdorf und Pfaffen-
hain, P. Zinck „Die Universität Leipzig in den kryptocalvinistischen
Wirren" mit Hervorhebung zahlreicher einzelner Züge, die für Kur-
fürst August charakteristisch sind. Die umfänglichste Arbeit dieses
Heftes ist eine eingehende Studie über „Die Entwickelung der
Kircheninspektionen" von H. K. Zimmermann. Er kommt zu dem
Ergebnis: „Sonst ist die Reihenfolge der Entwickelungsakte, der
normale Gang für die staatlich gegründeten Behörden: Name, Ver-
fassung, Geschäftskreis. Hier jedoch ist primär das Unorganisierte,
und die Entwickelung schreitet folgenden Weg: Gewohnheitsbildung,
Geschäftskreis, Vertassung, Name". Ein Ausblick in die Zukunft
und ein übersichtliches Quellenverzeichnis machen den Schluls.
Leipzig. G. Müller.
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler
des König'reichs Sachsen. Unter Mitwirkung des kgl. sächs. Alter-
tumsvereins herausgegeben von dem kgl. sächs. Ministerium des
Innern. Heft 21 — 23. Stadt Dresden I, II, III. — Heft 25. Amts-
hauptmannschaft Dübeln. Bearbeitet von Cornelius Gurlitt. Dres-
den, Meinhold & Söhne. 1900 — 1903. VIII, 791; II, 291 SS. 8".
Es war vorauszusehen, dafs die Beschreibung der Denkmäler
Dresdens sehr viel Interessantes bieten werde. Sind auch die Monu-
mente des Mittelalters nicht von hervorragender Bedeutung, so hat
Dresden Bauwerke der Frührenaissance, des Barockstiles, des Rokoko
aufzuweisen, wie keine andere Stadt Deutschlands. Und eine solche
Aufgabe entsprechend zu lösen, war gerade Cornelius Gurlitt viel-
leicht in ganz Deutschland der einzig berufene Mann. Er bietet uns
zunächst eine gründliche Schilderung der kirchlichen, dann der
Profandenkmäler. Vortreffliche Abbildungen erläutern die Einzel-
heiten. Besonders dankenswert erscheint die Aufzählung und Ab-
bildung der auf den Kirchhöfen noch vorhandenen Grabmäler, die
ja alle der Gefahr der Zerstörung mehr oder minder ausgesetzt sind.
Es ist die allerhöchste Zeit, dafs man auch an anderen orten an die
Sammlung dieser so wichtigen Grabinschriften und Monumente denkt,
die bei Aufhebung der Kirchhöfe meist zugrunde gehen. In Heft 22
und 23 werden die Profanbauwerke besprochen, voran das prächtige
königliche Schlofs, die Regierungsgebäude, die öffentlichen Bauten,
die Paläste des Hochadels, endlich die merkwürdigsten Bürgerhäuser
bis ins 18. Jahrhundert. Die letztgenannten Denkmäler laufen ja mehr
als die dem Staate gehörigen Bauten Gefahr, je nach Laune des Be-
sitzers verunstaltet, ganz niedergerissen zu werden. Um so mehr
erscheint es dankenswert, dafs diese Häuser beschrieben werden,
dafs nicht allein die Fassaden, sondern auch die Grundrisse durch
Abbildungen wiedergegeben werden. Die Kgl. Sächsische Regierung
hat sich durch Herausgabe dieser Hefte ein unbestreitbares Verdienst
erworben. Für die Kunstgeschichte, aber auch für die deutsche
Sittengeschichte, bringt diese Publikation ein reiches und schönes
Material.
So hervorragend bedeutende Monumente wie die Hauptstadt
Dresden bietet die Amtshauptmannschaft Döbeln (Heft 25) allerdings
nicht. Unter den Dorfkirchen finden sich wohl einige recht schöne
Monumente, und manche Schnitzaltäre und Gemälde können auch
lyö
Literatur.
Anspruch auf Beachtung erheben, jedoch werden unstreitig die
Schilderungen der Burg- und Schlofsbauten in viel höherem Grade
von wissenschaftUcher Bedeutung sein. Gerade diese Denkmäler
sind ja von den Forschern der früheren Zeit fast geflissentlich mit
Stillschweigen übergangen worden. Die Beschreibung der Schlösser
in Kriebstem, Leisnig, Noschkowitz usw. hat für die Geschichte der
Profankunst Wert, zumal die Schilderung durch treffliche Grund-
risse, photographische Ansichten, liezeichnende Einzelheiten noch
erläutert wird.
München. Alwin Schultz.
Die Dorfkirche im Königreich Sachsen. Eine Darstellung ihrer
Entstehung, Entwicklung und baulichen Eigenart. Im Auftrage
und mit Beihilfe des Vereins für Sachs. Volkskunde und des Sachs.
Ingenieur- und Architektenvereins bearbeitet und herausgegeben
von 0. Grüner. Mit zahlreichen Abbildungen im Text und vielen
Beilagen. Leipzig, Arwed Strauch. 1904. 69 SS., 47 Taff. 8".
Gruners Buch ist das Ergebnis liebevoller Vertiefung in den
Gegenstand: Der Architekt und der Volkskundige haben sich in ihm
vereint, um an alten Bauten unseres Landes Schönheiten zu sehen,
die bisher nur wenigen zum Bewufstsein gekommen waren. Ich, als
Inventarisator der Kunstschätze habe alle Ursache, Grüner bestens
dafür zu danken, dafs er in so wirksamer Weise den Bestrebungen,
denen ich zu dienen habe, zu Hilfe kommt. Wie oft habe ich mit
Geistlichen und Gemeindevorständen über Wert und Unwert ihrer
Kirche Streit gehabt! Ich fand sie schön und wurde darüber aus-
gelacht: denn mi Orte wufste jedes Kind, dafs sie eben nicht schön
sei. Denn sie sei alt, verwinkelt, bunt und aufsen sei „nichts dran".
Ich aber sagte, sie ist schön, denn sie ist ehrwürdig, malerisch,
farbig und einfach ländlich. Wie oft habe ich darum streiten müssen,
dafs man nicht die neuesten Erfindungen der Technik in die Kirchen
einführte, wie oft hat man mich einen Altertumsfexen genannt, der
das langweiligste Zeug erhalten will, nur weil es alt ist. Nun kommt
Grüner und weist mit dem Finger auf die Schönheiten solchen
Zeuges, er stellt es zusammen und zeigt, dafs ein innerer Zusammen-
hang zwischen den Formen und Materialien der Dorfkirche bestehen,
dafs die schlichte Aufsenform besser, künstlerischer in die Land-
schaft pafst als die kleinen Kathedralen der akademisch bauenden
Architekten, dafs die Kirche in Mettlacher Platten und billigen Glas-
gemälden nicht einmal mit dem besseren Metzgerladen in der Stadt
konkurrieren kann, dafs sie vielmehr in der Ausgestaltung ihrer
Eigenart und in der schlichten Sachlichkeit alter Zeiten ihre Aulgabe
suchen mufs.
Noch, sind die Debatten nicht verstummt, welcher architek-
tonische Stil „kirchlich" sei. Das ist eines der erfreulichen Ergeb-
nisse der volkskundlichen Bestrebungen, dafs sie erwiesen haben,
der Stil mache die Kirchlichkeit nicht aus, selbst der so über den
Span gelobte gotische Stil nicht. Daravif kommt es an, dafs der Bau
mit den Aufgaben des Gottesdienstes aufs innigste verwachsen ist,
dafs man ohne weiteres das Wirken kirchlichen Geistes erkennt.
Die alten Kirchen zeigen sich als aus dem Gemeindeleben heraus-
gebildet, die neuen sind nur zu oft Bauten, in die die Gemeinde
nie richtig hineinwächst. Grüner lehrt den aufmerksamen Leser,
Literatur.
77
wie das kommt: Nicht eine schulmäl'sige Ästhetik, sondern eine echte
Herzenstätigkeit schuf die alten Kirchen und wandelte sie mit den
Jahrhunderten um. Das künstlerische Können stand oft sehr tief,
oft ist es geradezu kindlich. Aber wir sehen es mit liebenden
Augen an, wie man Kinderwerk betrachtet. Und das künstlerisch
Schwache wird stark durch die Herzlichkeit seines Auftretens;
während das künstlerisch Bessere fremdartig und erkältend wirkt.
Bild und Wort decken sich in dem Buche, dem ich die weiteste
Verbreitung namentlich im sächsischen Pfarrhaus und in der Land-
schule wünsche, damit es die Liebe zur Heimat wecken helfe. Und
diese ist der Anfang und der sicherste Untergrund zur Vater-
landsliebe.
Dresden. Cornelius Gurlitt.
Das Amt Pausa bis zur Erwerbung durch Kurfürst August von
Sachsen im Jalire loßJ) und das Erbbnch vom Jahre 1500, bear-
beitet und herausgegeben von C. von Raab. Beilage zu den
Mitteilungen des Altertums Vereins zu Plauen i. V. Plauen, 1903.
VII, IIS SS. 8».
Die Schicksale der vogtländischen Stadt Pausa sind sehr wechsel-
voll gewesen. 1263 zuerst urkundlich genannt, erscheint Pausa 1349
im Lehnbuch des Landgrafen Friedrich des Strengen von Thüringen
als Lehen des Vogtes Heinrich von Plauen; er und sein Sohn Heinrich
der Jüngere verpfändeten den Besitz wiederholt an die Wettiner. Die
langjährigen Streitigkeiten um die Burggrafschaft Meifsen waren der
wirtschaftlichen Entwickelung wenig günstig; erst seitdem Pausa
14.60 an Kurfürst Friedrich von Sachsen gekommen war, kann von
einer geordneten Verwaltung die Rede sein. 1461 wurde der anfangs
von Schlots Linda aus verwaltete Besitz als Amt Pausa mit dem
Amte Vogtsberg vereinigt; wirtschaftlicher Nutzen wurde freilich,
wie es scheint, nur durch ungebührliche „pleckerei" der Amtsinsassen
erreicht, so dafs die Fürsten sich veranlafst sahen, 1464 in Konrad
i\letzsch einen neuen Verwalter zu bestellen, der nun sechs Jahre
im Amte blieb, aber nie Rechnung legte. Bis 1488 erscheint dann
Pausa mit dem Amt Plauen veremigt" Der Ertrag der zu Wiesen
und Haferfeldern hergerichteten und als Lafsgut gegen Zins aus-
getanen Wüstung Reibesgrün und der aus der Bewirtschaftung
(ies Vorwerks Reichenau bildeten einen beträchtlichen Teil der
Einnahmen. Sie blieben auch jetzt so unbefriedigend, dafs man
sich zur Verpachtung des Amtes Pausa entschlofs. Das Pacht-
oder Beschiedgeld war aber unverhältnismäfsig hoch — 84, 77 und
66 Schock Groschen, während der Ertrag unter der Verwaltung der
Vogtsberger und Plauener Amtleute durchschnittlich 45 Schock
Groschen gewesen war. Die Rechnungsabschlüsse der Amtleute
tielen daher fast regelmäfsig ungünstig aus. Amtsrechnungsbücher
sind erst von dem letzten Pächter Wolf von Wirsberg (1528 — 40)
erhalten; nach seiner Entlassung bestellte Kurfürst Johann Friedrich
Jobst von Zedtwitz zum Amtmann, von tlem ein sehr genaues, von
Walpurgis 1541 bis dahin 1542 laufendes Rechnungsbuch vorliegt.
Nach dem unglücklichen Ausgang des Schmalkaldischen Krieges
wurde das Vogtland vom König Ferdinand von Böhmen eingenommen,
der es 1549 an Burggraf Heinrich IV. von Meifsen verkaufte. Das
Amt Pausa ist von diesem 1556 an Georg von Schönberg, Haupt-
mann zu Gera, verpfändet worden. Aus ctieser Zeit liegt eine Über-
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. i. 2. 12
iy8 Literatvir.
sieht über den jährlichen Ertra^j des Amtes vor, dessen überraschend
günstige Ziffern offenbar darauf berechnet sind, eine möghchst hohe
Pfandsumme zu erzielen. Nach mancherlei Wechselfällen kam
schliefslich 1569 das Amt in den Besitz des Kurfürsten Avigust von
Sachsen und ist seinem Hause seitdem verblieben.
Im Anhang wird aufser der erwähnten Rechnung des jobst
von Zedtwitz, die auch sozialstatistisch von Interesse ist, ein kleines,
neun Blätter umfassendes Erbbuch des Amtes Pausa von 1506 mit-
geteilt, das sich im Sachsen-Ernestinischen Gesamt- Archiv zu Weimar
erhalten hat. Es .mufs schon beim Übergang des Amtes an Kur-
sachsen an die Burggrafen von Meifsen vergessen gewesen sein,
und auch als Kurfürst August nach Erwerbung" des Vogtlandes
eifrige Nachforschungen nach Erbbüchern anstellte, ist es unbeachtet
geblieben. Umso erfreulicher ist, dafs es jetzt zur Bereicherung
der vorliegenden verdienstlichen Studie beitragen kann, deren Be-
nutzung durch ein Register erleichtert ist.
Cöln. Dr. O. Oppermann.
Chronik der Stadt Mtthlhausen in Tliüringen. Von Prof. Dr. R.
Jordan. Bd. I (bis 1525). Bd. 11 (1526 — 1599 [1604]). Mit Ab-
bildungen und Plänen. Mühlhausen i. Thür., G. Danner. 1900 und
1903. XII, 228; VII, 200 SS. 8».
Der Verfasser der im Auftrage der Stadt Mühlhausen in Thü-
ringen aus Anlafs der hundertjährigen Zugehörigkeit der Stadt zur
Krone Preufsen (^1902) herausgegebenen Festschrfft, welcher sich seit
einer Reihe von Jahren durch verschiedene Aufsätze um die Er-
forschung der Geschichte dieser alten, einst freien Reichsstadt sehr
verdient gemacht hat, war längere Zeit mit der Herausgabe der
Mühlhäuser Chronik beschäftigt, deren 2. Band mit Unterstützung
der Stadtverwaltung kürzlich erschienen ist. Im Gegensatz zu der
wenig bekannten und mangelhaft verbreiteten „Chronik von Mühl-
hausen" (herausgegeben von H. Pfaft), welche weiter nichts als eine
Überarbeitung und Zusammenstellung der von den handschriftlichen
Chroniken gebotenen Nachrichten ist, kann man Jordans gleich-
namige Publikation als eine Bereicherung der nicht sehr reichen
Literatur über Mühlhäuser Lokalgeschichte und als Baustein für eine
an der Hand von archivalischem Material künftig zu schreibende
Stadto;eschichte ansehen. Denn sie zeugt von emsiger Arbeit und
von einem liebevollen Verständnis für die ereignisreiche Vergangen-
heit dieser alten Kommune des einstigen hlg. römischen Reiches.
Der geschickten Edition liegt die von Christian Thomas im Jahre
1727 angefertigte, im Archiv der Stadt Mühlhausen aufbewahrte
Chronik zu Grunde, von welcher sich freilich nvir der erste, bis
1559 gehende Band hat auffinden lassen, während der in zeitge-
nössischen Quellen zitierte, bis zur Mitte des i S.Jahrhunderts reichende
zweite Band sich vermutlich noch in einer auswärtigen Sammlung
befinden mag. Thomas, über dessen Persönlichkeit sich nichts ge-
naueres ermitteln liefs, hat in seinem Text die älteste, zwischen 1550
und 1574 verfafste und wohl vom Stadtschreiber Nikolaus Fritzler
stammende Chronik des Mühlhäuser Stadtarchivs, die als eine sehr
brauchbare Quelle anzusehen ist, so gut wie ganz aufgenommen,
was Herausgeber durch Schwabacher Schrift und durch die voran-
gesetzte Abkürzung Chr. M. A. nebst Seitenzahl äufserlich kenntlich
macht. Thomas gibt in den Teilen seiner Arbeit, die nicht auf
Literatur. 179
jener Chronik beruhen, einzelne Nachrichten, welche auf ältere Über-
lieterungen zurückgehen. Unter den verschiedenen handschriftlichen
Chroniken Mühlhausens, bei denen allen die gleiche Übereinstini-
niuno; oder Abhängigkeit von jener ältesten Chronik vorherrscht,
ist die von Thomas bearbeitete die historisch wertvollste. Sie bietet
beglaubigte Nachrichten in gröfserer Fülle und verschafft einen
gründlichen Einljlick in die wechselvolle Geschichte Mühlhausens,
von welcher für Sachsen vor allem die Beziehungen zu den Wettinern
(z. B. das Schutzverhältnis, die Zeiten der Reformation, des Schmal-
kaldischen und Bauernkrieges, das Verhältnis zu den Kurfürsten
Moritz und August) von besonderem Interesse sind. Zahlreiche
erläuternde und kritische Anmerkungen, verschiedene Abbildungen
(u. a. der nach der Originalkupferplatte gefertigte Neudruck des
Merian'schen Kupferstiches von Mühlhausen) und Pläne (der Plan
des reichsstädtischen Gebietes ist von Professor Dr Kettner, welcher
ihn auch für die städtische Festschrift von 1902 gezeichnet hat, mit
Benutzung der in dem Werke von L. Frhr. v. Wintzingeroda-Knorr
„Die Wüstungen des Eichfeldes" [Halle a/S. 1903] enthaltenen Karte
neu bearbeitet, die Lage und Zahl der Wüstungen zum Teil be-
richtigt resp. vermehrt worden) sind den beiden Bänden beigegeben.
Hoffentlich ist es dem geschätzten Herausgeber vergönnt, nach
eventueller Auffindung der fehlenden Fortsetzung von Thomas'
Chronik noch einen dritten, bis zum Jahre 1802 (Ende der Reich.s-
freiheit) reichenden Band zu publizieren und diesem dann das unent-
behrliche Orts- und Namensregister beizufügen.
Mühlhausen i/Thür. K, v. Kauffungen.
Die ersten Jahre der preufsischen Herrschaft iu Erfurt 1802— 180ö.
Von Dr. AJfred Overmann, Stadtarchivar. Festschrift zur Feier
der hundertjährigen Zugehörigkeit Erfurts zu Preufsen. Veranlafst
und unterstützt von der Stadt Erfurt. Mit 6 Abbildungen. Erfurt,
Keyser. 1902. VIII, 145 SS. 8».
Brandenburg-Preufsen iindNordliauseii in urliundlicher Darstellung.
Zur Feier der loojährigen Zugehörigkeit der Stadt Nordhausen
zur Krone Preufsen. Festschrift von Herrn. Heineck, Stadtarchivar.
Nordhausen, C. Haacke (Komm.). 1902. IV, 239 SS. 8".
Infolge der Ausführungsbestimmungen des Friedens von Lüne-
ville (9. Februar 1801) wurden im darauffolgenden Jahre verschiedene
reichsstädtische und geistliche Gebiete mit Preulsen vereinigt. Die
Feier der 100 jährigen Zugehörigkeit zur Krone Preufsen veran-
lafste nun das Erscheinen von mehreren allgemeinverständlichen
Festschriften seitens der einzelnen Gebiete und Orte. Gleich der
alten freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen (vgl. die Bespre-
chungen der beiden Festschriften des Stadt- und Landkreises Mühl-
hausen i. Th. in dieser Ztschr. XXIII, 356 — 359) sind für die sächsisch-
thüringische Geschichte auch die beiden Städte Erfurt und Nord-
hausen von grofsem Interesse, wenngleich deren Zentenarschriften
als solche sächsische Verhältnisse nur wenig berücksichtigen konnten.
Die von Stadtarchivar Dr. A. Overmann auf Veranlassung der Stadt
Erfurt bearbeitete Festschrift ist unter den zahlreichen Jubiläums-
publikationen sowohl an Inhalt wie an Ausstattung unbedingt die
bedeutenste. Verfasser beschränkt sich in seiner, auf archivalischen
Studien (Erfurt, Berlin, Magdeburg) beruhenden Darstellung nur auf
12*
i8o Literatur.
die ersten vier Jahre preufsischer Herrschaft in Erfurt, da die gröfste
und folgenschwerste Umwälzung, welche diese Stadt in ihrer neueren
Geschichte erfahren hat, gerade in jene Jahre hineinfällt. Die
preufsische Besitzergreifung behandelt Overmann zunächst einleitend
und legt sodann das Hauptgewicht seiner Untersuchung auf die
Schilderung der Verhältnisse Erfurts bis zur unglücklichen Schlacht
von Jena und Auerstädt. Die kurze Geschichte der Stadt (z. B. ihr
Verhältnis zu Kursachsen gelegentlich des Schutzrechtes [1483] und
der Reformation, Seite 15 — 16) und deren Zustand, die Zeit der
interimistischen Militär- und Zivilverwaltung, die staatliche Organi-
sation in bezug auf die Reformen in Justiz, Stadtverfassung und
Stadtverwaltung, in Hinsicht auf Finanzen, Handel und Industrie,
Handwerk, Kirche und Schule, sowie das geistige Leben (Universität
und Akademie) werden dem Leser eingehend und anschaulich vor
Augen geführt. Die Persönlichkeiten des Statthalters Dalberg und
des preufsischen Gouverneurs Leopold Alexander Grafen v. Wartens-
leben stehen naturgemäfs im Mittelpunkt der Darstellung. Die zu-
sammenfassende Erörterung der Streitigkeiten zwischen Stadt und
Gouverneur und der infolge der Kapitulation eingetretenen franzö-
sischen Mifswirtschaft (1807 — 1814) bilden den Schlufs.
Über die alte Reichsstadt Nordhausen hat anläfslich der preu-
fsischen Hundertjahrfeier Stadtarchivar H. Heineck im Auftrage der
Stadtverwaltung eine Festschrift herausgegeben, die ein gutes Ver-
ständnis für die ereignisreiche Geschichte Nordhausens zeigt und
unter Benutzung der Archive von Dresden, Berlin, Magdeburg, Han-
nover, Nordhausen und Mühlhausen i. Th. klar und anschaulich ge-
schrieben ist. Sie will hauptsächlich die Beziehungen zwischen der
Stadt und der Krone Preufsen erörtern. Verfa^ser schildert daher
zunächst kurz die politischen Zustände in Deutschland zur Zeit, als
die ersten engeren Beziehungen zwischen Brandenburg und Nord-
hausen eintraten und den Versuch des grofsen Kurfürsten, die Stadt
als Entschädigung (für die dem Kaiser geleisteten Kriegsdienste)
zu erhalten. Die käufliche Erwerbung (1698) der Reichsvogtei
und des Keichsschultheifsenamtes in Nordhausen von Kursachsen
durch Kurbrandenburg, die Okkupation der Stadt (7. Februar 1703)
und die Ereignisse bis zum Rezefs (1715), ihre Leiden im Sieben-
jährigen Kriege, der Sepaiatistenstreit und sein Nachspiel (1751
bis 1766), die städtische Verfassung und Verwaltung, sowie das
Leben und Treiben in Nordhausen am Ende des 18. Jahrhunderts
werden im folgenden eingehend beleuchtet. Sehr ausführlich ist
dann die Einverleibung in den preufsischen Staat (6. Juni 1802), der
Besuch des preufsischen Königspaares (i.Juni 1805), die Zeiten der
Fremdherrschaft (1806 — 181 3) und der Befreiungskriege, welche Nord-
hausen wieder unter das schwarz -weifse Banner der HohenzoUem
zurückbrachten, behandelt. Mit einem Ausblick auf die Ereignisse der
Jahre 181 5 — 1902 beschliefst Heineck seine Festschrift, welche noch
durch Anmerkungen und urkundliche Beilagen vervollständigt wird.
Mühlhausen i. Th. K. v. Kauffungen.
Die von Kautt'uii^en. Eine historisch -genealogische Studie von
C. V. Raab. (Sonder-Abdruck aus dem 70. und 71. Jahresbericht des
„Vogtländischen Altertumsvereins zu Hohenleuben" 1901.) 75 SS. 8*^.
In der obigen kleinen Schrift, die sich würdig den übrigen
trefflichen Publikationen des Verfassers über vogtländische Geschichte
Literatur. l8i
anreiht, ^ibt uns Exe. v. Raab einen sehr dankenswerten Beitrag zur
Familienforschung-. Er befafst sich in theser übersichthclien und
auf reichem urkunclUchen Material t)eruhenden Abhandhing mit der
Geschichte der dem sächsischen Uradel angehörenden Famihe
V. Kauffungen, welche durch eines ihrer Mitglieder, den Ritter
Kunz (Konrad) v. Kauffungen, historisch denkwürdig geworden ist.
Raubte doch dieser in der Nacht vom 7. zum 8 Juli 1455 aus dem
Schlosse zu Altenburg die beiden sächsischen Prinzen Ernst und
Albrecht und mufste seine Tat am 14. Juli desselben Jahres zu Frei-
berg i/S. mit dem Tode durch Henkershand büfsen. Der Verfasser
wird in seiner Schrift den einzelnen, in der Geschichte besonders her-
vorgetretenen Mitgliedern dieses Geschlechts, das infolge obiger Be-
gebenheit m der öti'entlichen Meinung vornehmlich durch die Berichte
der älteren Historiker oft gebrandmarkt worden ist, durchaus gerecht
und will die Tat des Ritters Kunz aus der Zeitströmung heraus
verstanden wissen. Letzteres deutet er nur kurz an, da er eine
Darstellung von Kunzens Persönlichkeit und eine gerechte Beur-
teilung des Prinzenraubes dereinst noch zu veröffentlichen gedenkt.
Nach einigen einleitenden Vorbemerkungen über die Lehnsverhält-
nisse dieses Geschlechtes, ihr Auftreten in der Geschichte und ihren
Stammsitz (Kaufungen bei Penig an der Mulde) schildert uns Ver-
fasser: I. Die Familie v. Kauffungen bis zum Prinzenraube (1231 bis
1455), 2. Die Nachkommen von Kunz v. Kauftungen (1455 — 1578),
3. Die in Sachsen verbleibende ältere Wolkenburger (oder Callen-
berger) Linie (1455—1589), 4. Die in die Herrschaft Schleiz ausge-
wanderte jüngere Wolkenburger Linie der Familie v. Kaufhmgen zu
Kirschkau (1455 bis zur Jetztzeit). Drei exakt gearbeitete Stamm-
tafeln sind cier Übersichtlichkeit halber beigegeben. Auf Grund
eigener Familienforschungen haben sich noch einige Nachträge und
Berichtigungen ergeben, welche ich in den ,, Mitteilungen des Alter-
tumsvereins zu Plauen i/V." (16. Jahresschrift 1904) veröffentlichen
werde, v. Raabs Schrift ist ein vorbildliches Beispiel, in welcher
Weise Familiengeschichten zu bearbeiten sind, damit sie wissen-
schaftlichen Wert haben, den Leser anregen und nicht durch blofse
Aneinanderreihung von Daten und Tatsachen ermüden. Dem ver-
ehrten Herrn Verfasser können war für diese schöne Studie nur
äufserst dankbar sein.
Mühlhausen i/Thür. K. v. Kauffuneen.
Entgegnung.
Zu der Besprechung meines Werkes : Die Slawen in Deutscliland von
Prof. Dr. E. Mucke (Bd. XXIV, S. 364 ff.) bemerke ich folgendes:
1. (S. 366, II.) „Nur 2 Karten beruhen auf eignen Forschungen''
ist falsch, vgl. meine Karten im „Globus" (Verlag v. Vieweg & Sohn).
2. (S. 367, 2.) Ich habe nicht behauptet, Königswartha besitze
15 Vereine für Sorben.
3. (S. 367,6.) Eine Richtigstellung der amtlichen Zählliste ist
mir nicht möglich; die vorgeschlagene Erklärung Wenden = Winden
genügt nicht.
182 Literatur.
4. (S. 367, 18.) Nachbildungen linden sich dort; das mufste
gesagt werden.
5. (S. 367, 36.) Kokula als Schulzenzeichen u. a. b. Wuttke,
Sachs. Volksk. II, 355. Ich hatte mich nun wiederholt auf sorbischen
Dörfern mit diesen Geräten vertraut gemacht, die Kokula aber ward
nirgend als Gemeindestab bezeichnet. Deshalb sage ich in meinem
Buche kurz, indem ich sie von den Schulzenstäben auszuscheiden
suche, sie würde (d. h., wenn sie wirklich vorkäme und jemand
etwas über ihr Aussehen wissen wollte) als Gemeindestab am ehesten
der litauischen Kriwule zu vergleichen sein. Wo ist da vom schalk-
haften (schon zuvor sollen Ulk und Unverstand die amtlichen Zähl-
listen verdorben haben) den Forscher irreführenden Bauer etwas an-
zubringen? Gewifs ist kein Frager gegen Mifsverständnis und
Schalkheit gefeit; ebensowenig der Autor gegen falsche Beurteilung,
deren selbstsichere scherzhafte Form im Gegensatz zur Festigkeit
ihrer Berechtigung steht.
6. (368,14.) „Unkritische Göttergeschichte" verwerfe ich, er-
kläre nur vorhandene Namen und scheide alles Überflüssige aus.
7. (368, II V. u.) Ich sage nicht, Slonka bedeute Salzmeste,
man braucht für Brautfrau die beiden Worte Slonka und Salzmeste;
es ist so!
8. (368, 8 V. u.) „Nicht — sondern". Ich kann derartige Kleinig-
keiten oder falsche Behauptungen nicht alle zurückweisen oder auf
das richtige Mafs beschränken. Dafs ich hier richtig beobachtet habe,
beweist t^ür diese Stelle Sachs. Volksk. II, 362, ferner u. a. für das
Stollereiten Müller, Wendentum 149, für Werben das mir vorge-
legte Buch.
9. (368,3 v.u.) „fälschlich". Ich habe meine Anschauungen
auf wiederholten Reisen und bei längerem Aufenthalt gewonnen;
ich hütete mich, Ergebnisse anderer Leute ungeprüft anzunehmen.
Alles, was anscheinend die Sorben einmal herabsetzen könnte, braucht
doch nicht auf Mifsverständnis zu beruhen oder weggelassen zu
werden. Damit würde der Volkskunde als Wissenschaft nicht ge-
dient sein.
Leipzig. F. Tetzner.
Auf die vorausgehende Entgegnung gestatte ich mir in mög-
lichster Kürze folgendes zu erwidern:
Zu 1. Hat z. B. T. wirklich das polnische und sorbische
Sprachgebiet ganz bereist und die Sprachgrenzen selbst festge-
stellt? Die sorbischen sicherlich nicht, wie die Kartenskizze auf
S. 284 deutlich beweist und ich auf Verlangen bestimmt nach-
weisen kann.
Zu 2. Auf S. 290 seines Buches schreibt T.: „Die einzige
sorbische Stadt (sie!) Königswartha mit 1200 Einwohnern zeigt ein
ganz deutsches Gesicht. Da (d. h. doch in Königswartha!) gibt es
15 Vereine für die 3000 Sorben und 400 Deutschen des Kirchspiels".
Es gibt aber daselbst, wie ich wufste und wie mir jüngst auf An-
frage vom dortigen Ortspfarrer bestätigt wurde, im ganzen nur 7
und zwar 5 deutsche und 2 wendische Vereine.
Zu 3. Jeder Kenner der Verhältnisse wird meinen Darlegungen
(S. 367, 6 — 17) beistimmen.
Literatur. 183
Zu 4. Die Entg;eo;nuno- Tetzners bleibt mir unverständlicli ;
im Sorbenland gibt es eben nicht, noch gab es je den Ausdruck
„Klanzei", der eben ein spezieller Ausdruck der Lüneburger
Wenden ist und bleibt.
Zu 5. Ich verstehe nicht, warum sich T. so ereitert und inwie-
fern er mir in diesem Punkte falsche Beurteilung seiner Angaben vor-
halten kann. Sagt er doch auf S. 301 Z. 4 v. o.: „In fünffacher Form ist
er (d.h. der Gemeindestock, besser Genieindestab oder das Schulzen-
zeichen) zu finden, als Hammer, Hammerkeule, Haken (Kokula), Kegel
und Tafel" und im Anschlufs daran Z. 240.: „Als Haken (Kokula)
zeigte man mir einen grofsen Feuerhaken, der bei Feuersbrünsten
in Tätigkeit war. Er würde als Gemeindestab am ehesten der litau-
ischen Kriwule zu vergleichen sein". Nach diesen seinen Worten
hält doch der Autor es wenigstens für möglich, dafs ein „grofser
Feuerhaken" als Gemeindestab gebraucht worden sei, oder er hätte
sich klarer ausdrücken sollen. Wenn ihm aber statt der Kokula
irgendwo jemand einen Feuerhaken gezeigt hat, so geschah dies
eben aus ocherz bez. Schalkheit oder zum mindesten aus Mifsver-
ständnis. Denn der Feuerhaken heifst im Sorbenlande nirgends
Kokula, wohl aber hiefs so das ca. ^lo—i Meter lange Krummholz
oder der gekrümmte Gemeindestab des Dorfschulzen, der freilich
heutzutage in den meisten Gegenden der Lausitz nur noch dem
Namen nach bekannt ist. Wenn sich ferner beim Eintrag in die
preufsischen Zähllisten 509 Sorben (richtiger Wenden, nach denen
ni den Zähllisten gefragt wurdet die österreichische, 13 die unga-
rische, 10 die schwedische, 2 die belgische, eine Sorbin die russische
vmd ^ar 2 die rumänische Staatsangehörigkeit zuschrieben oder zu-
schreiben liefsen, so entspricht dies natürlich nicht der Wirklichkeit,
sondern es geschah — ich mufs dabei bleiben — entweder aus Ulk
oder aus Unverstand; daran kann doch T. nichts ändern, nur glauben
hätte er es nicht sollen. Die amtlichen Zähllisten sind ja keine
litterae sanctae und der Fehler ist hier luce clarius.
Zu 6. Über seine sorbische Göttergeschichte will ich hier mit
T. nicht weiter rechten, sondern überlasse es nunmehr sachkimdigen
Lesern zu entscheiden, ob er recht hat oder ich.
Zu 7. Bei Zurückweisung der landläutigen, auch von Wenden
heute noch geglaubten, aber trotzdem falschen Übersetzung bez,
Erklärung des sorbischen Ausdrucks slonka („Ehrendame der Braut",
nicht Brautfrau!) durch den deutschen Ausdruck „Salzmeste" habe
ich T, nicht im geringsten einen Vorwurf zu machen gedacht, sondern
ich glaubte nur, die meiner Ansicht nach richtige Erklärung
(= Beschirmerin, Beschützerin) dafür bieten zu dürfen bez. zu müssen.
Zu 8. Die hier beanstandeten drei Berichtigungen mögen
Kleinigkeiten sein, falsche Behauptungen sind sie aber nicht. Zwar
wird die zuerst erwähnte Zeremonie bei der Kindtaufe in dem von
T. angezogenen Werke so berichtet und zwar, wie es scheint, auf
Grunci der Angabe Schmalers (Volkslieder II, 250), aber ich habe
dieselbe nur so beobachtet, wie ich berichtigt; wo aber hat T. seine
Beobachtung gemacht? Zwar steht in E. Müller „Stollereiten", aber
ich kenne nur die Form Stollenreiten. Ein Irrtum aber bleibt es,
wenn T. in dem „ihm voro;elegten" Kosykschen Buche (cf. S. 282
Z. 5 V. u.) als Druckort Weroen anstatt Hoyerswerda gelesen haben
will; es steht dort klar und deutlich: Schischczane we Worejzach pla
G Wenzela, d. h. Gedruckt zu Hoyerswerda bei G. Wenzel.
184 Literatur.
Zu 9. Auch ich mache mir bei meinen Arbeiten und Urteilen
volle Objektivität zur Richtschnur und bin nicht blind für die Fehler
meiner Landsleute. In vorliegendem Falle aber muls ich l^ei meinem
Urteil verharren, dafs „der Wende in Trauerfällen ebenso tief und
ernst empfindet, wie der Deutsche". Zu meiner Vergewisserung-
aber habe ich mich an einen Prediger in Cottbus, der die Verhält-
nisse in Niederlausitz (Tetzner S. 326, Z. i -19) genau kennt, gewendet
und von ihm eingehende Auskunft erhalten, die mein Urteil voll und
ganz bestätigt und bezeugt, dafs der von T. gerügte Vorgang beim
Begräbnis in Werben nicht auf Konto der wendischen Leidtragenden,
sondern des dortigen Kriegervereines zu setzen ist. Ich hebe daraus
folgende Sätze hervor: „T. scheint Eindrücke, die nur von einem
Teil der Teilnehmer des Leichenzuges ausgingen, verallgemeinert
zu haben. — Nach der Einsegnung gehen die Leidtragenden um
das Grab, zuerst die Männer, dann die Weiber, knien um das Grab
nieder und beten ihr stilles Vaterunser, eine Handlung, die mir jetzt
noch jedesmal die Tränen in die Augen treibt, obwohl ich es schon
oft gesehen habe. Was nun das Geschäftsmäfsige am Schlufs an-
betrifft, so scheint es sich um eine ganz spezifisch nicht wendische
Unsitte zu handeln, die durch die Kriegervereine eingeführt zu sein
scheint. Es ist hier in der Stadt Sitte, dafs Kriegervereinsmitglieder
mit Musik bestattet werden, diese Musik spielt auf dem Wege zum
Kirchhof Trauerweisen, zurück aber Freudenmärsche, und zwar zieht
der Verein in corpore in sein Lokal und trinkt dort natürlich seinen
Schoppen. Diese Sitte hat sich durch die Kriegervereine auch auf
den wendischen Dörfern eingenistet. — Dafs die Hinterbliebenen
(die natürlich nicht mit dem Verein ziehen, sondern still zum Trauer-
haus zurückkehren) es für schön finden, habe ich nicht empfunden,
vielmehr scheint es mir, dafs sie's hinnehmen, weil es eben nicht
anders ist". — Ich möchte dazu noch hinzufügen, dafs diese von T.
an den Wenden gerügte Unsitte in vielen nicht wendischen Gegenden
Sachsens und wohl auch über Sachsen hinaus anzutreffen ist.
Zum Schlüsse möchte ich Herrn Dr. T. nun noch an das seiner
Arbeit in meiner Besprechung gespendete Lob erinnern, will es ihm
aber jetzt nicht verhehlen, dafs ich damals das Gefühl hatte und
auch jetzt noch habe, dafs ich darin bis an die Grenze des Mög-
lichen gegangen sei, was er vielleicht selbst erkennen wird, wenn
er meine Besprechung mit anderen, z. B. derjenigen im Archiv für
slavische Philologie 1902, S. 616 — 620 ein wenig vergleichen
möchte.
Freiberg i/S. E. Mucke.
Literatur. 185
Übersieht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze
zur sächsischen Geschichte und Altertumskunde').
Anwavd, 0. Adrian Ludwig Richter: Wissenschaftl. Beil. der Lpz.Ztg.
1903. Nr. 114. S. 457 — 460.
[Arnold.] Sachsens „Stände" und Steuersorgen um 1703: Lpz. Tgbl.
1903. Nr. 419. S. 5766.
Arras, Paul. Regestenbeiträge zur Geschichte des Bundes der Sechs-
städte der Oberlausitz von 1541 — 1547 (Fortsetzung und Schlafs):
Neues Lausitzisches Magazin LXXIX (1903), 241 — 292.
„ Über eine unbekannte Bautzner Chronik [des iS.Jahrh.]: ebenda
293—295-
Blachmann] , E. Grimma, Kloster Nimbschen, der slavische Burgwall
bei Schaddel: Lpz. Tgbl. 1903. Nr. 475. 477. S. 6474. 6506.
Beck, R. Die gelehrten Beziehungen des Leipziger Ratsherrn Fried-
rich Benedikt Carpzow zu dem Zwickauer Rektor Christian Daum
(1662 — 1687): Zentralblatt f. Bibliothekswesen XX (1903), 493 — 512,
Bleibtreu. Carl. Napoleon bei Leipzig. Ein Gedenkbuch zu den
Jahrestagen der Völkerschlachten bei Leipzig vom 16. — 18. Ok-
tober 181 3. 3. völlig umgearbeitete und vermehrte Auflage. Berlin
und Leipzig, Friedrich Luckhardt. 1904. 354 SS. 8".
Bönhoff. Zwei Berichtigungen der Chemnitzer Geschichte des
13 Jahrhunderts? Chemnitzer Tageblatt . 1903 Nr 289.
„ War Lichtenhtein der Sitz des einstigen Muldensprengels? Schön-
burgischer Hauskalender. 1903. S. 28 — 30.
„ Die ältesten Nachrichten über Limbach: Limbacher Tageblatt. 1903.
Nr. 91 f.
„ Das älteste Einwohnerverzeichnis der ehemaligen Kirchfahrt Lim-
bach (1607): ebenda Nr. 125 — 127.
„ Die Visitationsberichte über die Kirchfahrt Limbach 1539 — 1598:
ebenda Nr. 179 f.
„ Eine Reformationsurkunde für Niederfrohna : ebenda Nr. 94.
„ Die ursprüngliche Parochie Zwickau: Zwickauer Zeitung. 1903.
Nr. 15 — 17.
BfraimJ, H. Der ehemalige Rundwall bei Alt-Coschütz. Ein Bei-
trag zur Vorgeschichte Sachsens: Dresdner Anzeiger. Sonntags-
Beilage. 1903. Nr. 42. S. 186 f.
Braun, Hans. Altgermanisches Gräberfeld an der Reitbahnstrafse
in Dresden: ebenda. 1904. Nr. 3. S. iif.
1) Vgl. die Übersicht über neuere Erscheinungen zur Geschichte
der Oberlausitz von R. Je cht im Neuen Lausitz. Magazin LXXIX
(1903), 298—303.
Die Herren Verfasser, Verleger und Redakteure werden ge-
beten, durch Zusendung aller neuen Erscheinungen auf dem Gebiete
der sächsischen Geschichte, namentlich von Dissertationen, Pro-
grammen und Aufsätzen in Zeitschriften und Zeitungen, die leicht
der Beachtung entgehen, zur Vollständigkeit unserer „Übersichten"
beizutragen.
i86 Literatur.
Bräuninger, Rieh. Hermann Graser, ein erzgebirgischer Verleger:
Unsere Heimat III (1903), 22 — 24.
Brode, Reinli. Der Schauplatz der Kaisermanöver 1903. Historische
Skizzen aus Deutschlands Vergangenheit. Halle a. S., Gebauer-
Schwetschke. 1903. XIV, 155 SS 8*^.
Brück, Robert. Friedrich der Weise als Förderer der Kunst. Mit
41 Lichtdrucktafeln und 5 Textabbildungen. (A. u. d T. : Studien
zur deutschen Kvnistgeschichte Heft 45.) Strafsburg, J. H. Ed,
Heitz (Heitz & Mündel). 1903. VIII, 336 SS S".
B[ruchmüller]. W. Das Leipziger Barock: Lpz. Ztg. 1904. Nr. 25.
S. 381.
Bucliioald, Georg. Neue Sächsische Kirchengalerie. Unter Mit-
wirkung der sächsischen Geistlichen herausgegeben. Die Ephorien
Chemnitz I und II. Leipzig, Arwed Strauch. (1903/4.) XXII,
1500 Spp. — Die Ephorie Pirna. Lief. 2 — 20. Ebenda (1903/4).
Sp 81 — 684. 4°-
„ D. Martin Luthers Briefwechsel mit den Magistraten sächsischer
Städte: Wissenschaftl. Beilage der Lpz. Ztg. 1903. Nr. 129.
S, 517 — 520.
Bürhier, Richard. Herder und Dresden. Ein Gedenkwort zur 100.
Wiederkehr seines Todestages (f 18. Dez. 1803): Dresdner An-
zeiger. 1903. Nr. 349. S. 2 1.
Clemen, Otto. Beiträge zur Reformationsgeschichte aus Büchern und
Handschriften der Zwickauer Ratsschulbibliothek. 3. (Schlufs-)
Heft. Berlin, C. A. Schwetschke & Sohn. 1903. IV, 115 SS. 8«».
Däbritz, H. Ein sächsischer Dorfschullehrer in der Mitte des
19. Jahrhunderts Beitrag zur Dorfschulgeschichte des Königreichs
Sachsen: Pädagogische Studien XXV (1904), i — 27.
DfähneJ, P. Die renovirte Kirche zu Gautzsch, ein neuerstandenes
• Denkmal an die Völkerschlacht: Lpz.Tgbl. 1903. Nr. 606 S 8271,
Devrieyit, Ernst. Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer geistlichen
Anstalten. Bd. II (1406 — 1525). Namens des Vereins f. thüring.
Geschichte und Altertumskunde mit Benutzung des Nachlasses
von J. E. A. Martin herausgegeben. (A. u. d. T. : Thüringische
Gescnichtsquellen. Neue Folge. 3. Bd. Der ganzen Folge 6. Bd.
2. Teil.) Jena, G. Fischer. 1903. XLIV, 608 SS. 8».
Dietrich, Walther. Beiträge zur Entwicklung des bürgerlichen Wohn-
hauses in Sachsen im 17. und 18. Jahrhundert. Mit 142 zum Teil
farbigen Abbildungen. Leipzig, Gilbers. 1904. IV, 83 SS. 4".
Distel, Th. Zu den „Neuberin- Stätten bei Dresden": Über Berg
und Thal XXVI (1903), 238.
„ Ein in der Litteratur bisher übersehenes Gedicht auf die Neuberin :
Sachsens Eibgaupresse. 1903. Nr. 254.
„ Theophilus Lessings Disputation „De religionum tolerantia" kein
Druckunicum: Zentralblatt für Bibliothekswesen XX (1903), 486.
„ Johann Helfrichs Reise ins heilige Land als Neudruck: ebenda
XXI (1904), 123!.
„ Herder in Dresden: Dresdner Nachrichten. 1904. Nr. 21.
Dold, Joh. Geschichte der 2. kathol. Bezirksschule in Dresden. Nach
urkundlichen und archivalischen Quellen. Dresden, Saxonia-
Buchdruckerei. 1903. 40 SS. 8*^.
DonatJi, Edwin. Der Herrenberg bei Muskau: Gebirgsfreund XV
(1903), 161— 163.
Eckarät, M. [Leipziger und Dresdner] Briefe aus den Märztagen
1813: Wissensch. Beil. der Lpz. Ztg. 1904 Nr. 41. S. 161 — 163.
Literatur. 187
V. Ehren thnl, M. Einiges über den Plattner Hans Rosenberger [in
Leipzig]: Zeitschrift für histor. Waffenkunde III (1903), 33 — 36.
Ehwald, H. T^'cho Brahe und Friedrich Wilhelm von Sachsen: Zentral-
blatt für Bibliothekswesen XXI (1904), 103- — 121,
Erbstein, J. Näpfchenheller und Kirchenpfennige in Kursachsen :
Münz- u. Medaillenfreund. Nr 53 — 56(1903). Sp.419 — 421.425 — 429.
438—440. 443—446.
„ Die Flolsgraben-Marken der Stadt St. Annaberg in Sachsen von
1646: ebenda Nr. 57 (1904). Sp. 454!'. u. Taf. 18.
Eulitz, E. Paul Adolph Weifsker f : Waldheimer Anzeiger. 1903.
Nr. 141.
„ Die Gründung des Schlosses und der Stadt Waldheim : Sonntags-
Blatt zum Waldheimer Anzeiger. 1903. Nr. 27.
Exner, Moritz. Zehn Vorträge über Kriegführung, Heerwesen und
vaterländische Kriegsgeschichte, gehalten in den Räumen der
Gehe-Stiftung auf Veranlassung der wissenschaftlichen Leitung
derselben. Mit 5 lithographischen Karten. Dresden-N., C. Heinrich.
1903. XI, 206 SS. 8".
V. Feüitzsch. Ein alter Schlachtbericht [über die Schlacht bei Ravenna
1512, verf. von M. v. Feilitzsch, gerichtet an Herzog Georg]:
Kamerad. 1903. Nr. 43. S. 'ji.
Fiedler. Zur Geschichte des Kurländischen Palais (Zeughausplatz 3)
und des Marcolinischen Palais (jetzt Stadtkrankenhaus zu Dresden-
Friedrichstadt). Zum Besten der Heil- und Verpflegeanstalt für
Epileptische in Klein -W^achau Dresden, Wilhelm Baensch. 1904.
74 SS. 8 0.
[Fleischer.] Aus den Briefen eines Leipziger Studenten [Heinr. Lebr.
Fleischer] an seine Eltern, im zweiten Jahrzehnt des vorigen
Jahrhunderts geschrieben: Nachrichten für Grimma und Umgegend.
1903. Nr. 257 — 260.
Forkmann, Paul. Frankenberg und seine nächste Umgebung in
Geschichte und Sage. Frankenberg i'Sa , Selbstverlag d. Verf.
1903. IV, 68 SS. 80
Frey, L. Beiträge zur Verfassungsgeschichte der Stadt Schneeberg.
Beigabe zum Jahresberichte des Kgl. GA-mnasiums zu Schneeberg.
Schwarzenberg, Druck von C. M. Günther. 1904. 36 SS. 40.
[Freytag, E. R.J Losungswörter auf den Festungen Neu- und Alt-
dresden in den Jahren 1635 — 1658 (Schlufs): Blätter f. d. Gesch.
dei- Sachs. Armee (Beiblatt zum Kamerad). 1903. Nr. 8.
„ Erlebnisse des Doppelsöldners und Stadtsoldaten Hans Breifsinger
aus Dresden (1568 1617): ebenda Nr. 8.
„ Zwei Ansprachen sächsischer Feldprediger aus dem Anfange des
18. Jahrhunderts. Die K. S. Armeepröpste Tzschirner und Fricke:
ebenda Nr. 9 — 11.
„ Vom Urlaub in der altsächsischen Armee: ebenda Nr. 11.
„ Eine Revision der Adelichen Compagnie-Cadets: ebenda. 1904.
Nr. I.
[„J Der kurfürstliche sächsische Geheime Kriegsrat Johann August
von Ponickau, Kursachsens gröister Bibliophile: ebenda Nr. 2.
[„J Urteile über die militärische Tüchtigkeit Augusts des Starken :
ebenda Nr. 2.
Freytag, E. R , und E Sclmrig. Anekdoten und Charakterzüge aus
dem Leben König Alberts von Sachsen Gesammelt und heraus-
gegeben. Dresden, Buchdruckerei des „Kamerad". 1904. VII,
126 SS. 8".
l88 Literatur.
Friedrieh, Ludiv. Etwas über meinen Lehrer Ludwig Richter: Über
Berg und Thal XXVI (1903), 217 — 219.
Fritzsching, Paul, und Paul iSeydel. Heimatliunde IL von Limbach
und Umgegend. Unterrichtsstoffe für Mittel- und Oberklassen
der Volksschulen sowie Nachschlagebuch fürs Haus. Limbach,
J.R.Ulbricht. 1902. 141 SS. 8».
Gebauer, W. Rabensteins wirtschaftliche Entwickelung: Chemnitzer
Tageblatt. 1904. Nr. 71. 73. 75. 77.
Gemisch, J. Das römische Haus in Leipzig: Zeitschrift für bildende
Kunst XV (1903/4), 118 — 120.
Georgi, Otto. Der Staatshaushalt des Königreiches Sachsen seit dem
Jahre 1880. Leipzig, Duncker & Hurablot. 1903. 136 SS. 8°.
Graut off', Ferd. Auf sächsischen Landstrafsen 1810/11: Leipziger
Kalender. 1904. S. 53 — 64.
[GJrfaveliusJ. Sophus Rüge: Dresdner Anzeiger. 1903. Nr. 355.
Größel, Joh. Sächsische Kalandsbrüderscbaften: Wissensch. Beilage
der Lpz. Ztg. 1903. Nr. 140. S. i;6i — 564.
Grfößejl. Ein Beitragzur sächsischen Reforraationsgeschichte [evangel.
Bewegung in Pegau 1525]: Lpz. Ztg. 1903. S. 3759.
Grüner, 0. Die Dorf kirche im Königreich Sachsen Eine Darstellung
ihrer Entstehung, Entwickelung und baulichen Eigenart. Im
Auftrage und mit Beihilfe des Vereins für Sächsische Volks-
kunde und des Sächsischen Ingenieur- und Architekten -Vereins
bearbeitet und herausgegeben. Mit zahlreichen Abbildungen im
Text und als Beilagen Leipzig, Arwed Strauch. 1904. 69 SS.,
47 Tafl". 8".
Günther, Arno. Sachsen und die Gefahr einer schwedischen Invasion
im Jahre 1706. Leipziger Inaugural-Dissertation. Pegau, Hermann
Günther. 1903. 97 SS. 8**.
Gurlitt, C. Vom Meifsner Dom. Eine Entgegnung: Deutsche Bau-
zeitung XXXVIII (1904), 29 — 31.
Haarhaus, Julius B,. Leipziger Spaziergänge. Bilder und Skizzen.
Leipzig, Joh v. Schalscha-Ehrenfeld. 1903. 159 SS 8**.
„ Leipziger Parks und Gärten : Leipziger Kalender. 1904. S. 99 — io6.
Hantzsch, Viktor. Sophus Rüge f: Geographische Zeitschrift X
(1904), 65 — 74.
(Häntzschel ) Kriegs-Unruhen, welche die Stadt Neustadt und Um-
gegend betroffen [163 1 — 1639]: Kirchl. Nachrichten aus der Pa-
rochie Neustadt i. Sa. II (1903), 21 — 32.
Frhr. v. Hansen, Clemens. Der Fürstenzug auf dem Sgraffito - Fries
am Kgl. Schlosse zu Dresden. Dresden, C. Heinrich. 1903. XIII,
254 SS. 8«.
Haeußor, O. Der Überfall von Hochkirch in der Nacht vom 1 3. zum
14. Oktober 1758: Kamerad. 1903. Nr. 40 S. 16 — 20.
„ Die Gefangennahme der Sachs. Armee (16. Okt. 1756) bei Pirna:
ebenda Nr. 46. S. 10 — 12. Nr. 47. S. 9 — 12. Nr. 48. S. 17 — 20.
[Heiland, J.j Dem Andenken [Heinr Adolf] Schletters [in Leipzig,
t 1853]: Lpz. Tgbl. 1903. Nr. 639. S. 8823
Heinicke, A. Zur Geschichte des Klosters Altenzella bei Nossen:
Wissenschaftl. Beilage der Lpz Ztg. 1904. Nr 3. S. 9 — 12.
Mettner, Franz. Das Wahlrecht in Sachsen. Vortrag, gehalten im
nationalliberalen Deutschen Reichsverein zu Dresden am 3. De-
zember 1903 mit einem Nachtrag und die Denkschrift der Re-
gierung vom 31. Dezember 1903. Leipzig, Otto Wiegand. 1904.
64 SS. 8».
T.iteratur. i8g
Heym. Sächsische Städtebilder. Netzschkau : Lpz. Ztg. 1903 Nr. 233.
S. 3176.
HUler. Wann erlangte Penig Stadtrecht?: Peniger Tageblatt. 1903.
Nr. 213
Hoff'manv, E. Historische Nachrichten aus Alt -Merseburg. Aus den
Akten des Kgl. Regierungsarchivs zu Merseburg gesammelt und
wiedergegeben. Merseburg, Fr. Stollberg. 1903. 96 SS. 8".
Ilofmnnn, A . Kurfürst Johann Friedrich der Groismütige von Sachsen :
Wartburg 11 (1903). Nr. 27.
Hofynavn, Coelestin. Verzeichniss aller Strafsen und Wege, so aus
M. G. Herrn Lande über die Böhmische Grentze lauften . . . [von
der Hand Oders]: Älitteilungen des Nordböhmischen Exkursions-
Klubs XXyi (1903), 337 — 339-
Hofmann, Reinh. Etwas vom Tabak und das Altstadtwaldenburger
Pfeifenmacherhandwerk : Wissensch. Beil. der Lpz. Ztg. 1904.
Nr. 34. S. 133—136.
Houben. Heinr. Hubert. Emil Devrient. Sein Leben, sein Wirken,
sein Nachlafs. Ein Gedenkbuch. Frankfurt a. M., Lit. Anstalt,
Rütten & Loening. 1903. IX, 493 SS. S*^.
Issleib. S. Philipp von Hessen, Heinrich von Braunschweig und
Moritz von Sachsen in den Jahren 1541 — 1547: Jahrbuch des
Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig II (1903),
1 — 80.
Jacobi. Altes und Neues über Mineralien aus dem Erzgebirge und
Vogtland: Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens des
Erzgebirgsvereins (1903) S. 53 — 65.
„ Des Schneebergs ungeschriebene Geschichte: Glückauf! XXIII
(1903), 172 — 176. 189 — 193.
Johv, JE. Erneuerung der Kirche in Ziegelheim : Schönburger Tage-
blatt. 1903. Nr. 249. I. Beilage.
„ Aus dem Jahre 1848 in einem sächsischen Dorfe: Mitteilungen
des Vereins für Sachs. Volkskunde III (1904), 144 — 147.
V. Katiffungen , Kunz v. Brunn gen. Grabsteine adeliger Personen.
Gesammelt auf 51 Friedhöfen Deutschlands und Oesterreichs:
Vierteljahrsschrift f. Wappen-, Siegel- und Familienkunde XXXI
(1903), 292—363. (S. 315 — 328: Kirchhöfe zu Penig, Dresden und
Loschwitz.)
Kaufmann, G. Geschichtliches über die Freiberger Bergschule:
Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen.
1903. S. 106 — 126.
Kloß, Erich. Richard Wagner, Dresden und die Säch.sische Schweiz:
Über Berg und Thal XXVIl (1904), 259 — 262.
Klotz, II. Ludwig Richters Lebensgang: Unsere Heimat II {1903),
258 — 267.
Koch. Ernst. Der Weilse Hirsch bei Dresden Jim Jahre 1797 und
der Barde Rhingulph: Dresdner Anzeiger. Sonntags- Beilage.
1904. Nr. 6. S 25 f.
Köhler und Kachmann. Christus ward geboren! Ein altes Mettenspiel
aus der Kirchgemeinde Steinbach im Erzgebirge, angeblich ver-
fafst von einem daselbst verstorbenen Kantor Herrmann. Anna-
berg, Grasersche Buchhandlung (Rieh. Liesche). 1903. 18 SS. 8°.
Korn. Ein Gebäude aus der Hussitenzeit: Mittheilungen des Vereins
f. Sachs. Volkskunde III (1903), i2if.
Krüger, H. A. Pseudoromantik, Friedrich Kind und der Dresdner
Liederkreis. Leipzig, H. Hassel. 1904. VII, 213 SS. 8°.
igo Literatur.
Kruschwitz, P. Aus einem deutschen Gesellen- Herbergsbuche [der
Seifensieder zu Bemsdorf] 1809 — 1873: Gebirgsfreund XV (1903),
50 — 54. ... . .
Kulm, Ernst. Nachrichten über die Familie Kuhn. Biographisch-
Literarisches usw. Nachträge bis 1903. München, Akad. Buch-
druckerei von F. Straub. 1903. S. 31 — 74. 8".
Kurzwelly, Albr. Das Leipziger Bürgerhaus in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts: Leipziger Kalender. 1904. S. 149 — 167.
Lange, Otto. Beiträge zur Geschichte der Leipziger Bürgerschule
während der ersten 28 Jahre ihres Bestehens: Festschrift zum
100 jährigen Jubiläum der I. Bürgerschule in Leipzig (Leipzig
1904) S. I — 72.
[Lehmann, Oscar.] Ernst Gedike, der erste Direktor der ersten
Bürgerschule zu Leipzig: Lpz. Tgbl 1903. Nr. 650. S. 9001.
Leßke, Friedr Aug. Beiträge zur Geschichte und Beschreibung des
Plaueii-schen Grundes bei Dresden und seiner anliegenden Ort-
schaften 3. Teil. Niedergorbitz, Selbstverlag. 1903. XXXVI,
1155 SS. 8».
Lindner Die Stellung Sachsens und Thüringens in der deutschen
Geschichte: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen
Geschichts- und Altertumsvereine LI (1903), 202 f.
Lijypert, Wold., und Hans Beschorner, Das Lehnbuch Friedrichs des
Strengen, Markgrafen von Meifsen und Landgrafen von Thüringen
13491350- Mit 9 Tafeln in Lichtdruck. Leipzig, B. G. Teubner.
1903. CCLVIII, 642 SS. 80.
Lorenz, B. Der Erzgebirgsverein in den 25 Jahren von seiner Be-
gründung bis zur Gegenwart: Festschrift herausg. zur Feier des
25Jähr Bestehens- des Erzgebirgsvereins (1903). S. i — 20.
Löscher, Fr dr. Herrn. Das Bad zum „Guten Brunnen" beiZwönitz:
Unsere Heimat III (1903), 41 — 44.
„ Ludwig Richter und das Erzgebirge: Glückauf! XXIV (I904),
4—7. 17—20. 33—36.
„ Ludwig Richter als Maler des sächsischen Landes: Nachbar.
Monatsbeilage. 1903, Okt.
„ Der vogtländische Krieg (1354 — 57): Neue Vogtl. Ztg. 1903, Nr. 92.
„ Salzwerke im Vogtlande: ebenda Nr. 120.
„ Eine Plauensche Glockenerinnenmg: ebenda Nr. 277.
Lunqirif.z, Herrn. Wild und Jagden im sächs. Erzgebirge: Glückauf!
XXIII (1903), 154—158.
„ Denkwürdige Bäume um vmd in Geyer: Kirchliche Nachrichten
der Stadt Geyer aus dem Jahre 1903.
Manitius, Q. Pausitz unter Pfarrer Klinghardt: Kirchliche Nach-
richten aus der Gemeinde Pausitz bei Trebsen. I904. S. 6 — 13.
Marlin, Moritz. Sophus Rüge und unser Gebirgsverein : Über Berg
und Tal XXVII (1904), 252-257.
[Maurer, Aug. Sal.]. Leipzig im Taumel. Nach Originalbriefen
eines reisenden Edelmannes. 1799. [Neudruck.] Münster i. Schw.,
P. Tobler (Komm). [1903.] 333 SS. 8*^.
Meiche, Alfred. Sagenbuch des Königreichs Sachsen. Leipzig,
G. Schönfeld. 1903. LVH, 1085 SS. 8»
„ Ritter aus dem Stegreif und ihre Schlupfwinkel : Über Berg und
Tal XXVII (1904), 244 — 246.
Meinert, Arno. Johann Traugott Berndt, ein Dichter aus dem Volke:
Unsere Heimat III (1903), 44!
T.iteratur.
191
Melzer, Carl. Chronik von Neugersdorf. Neugersdorf, Teller &
Rofsberg. 1905. VI, 251 SS. 8".
Mennicke, Carl. Johann Adolph Hasse, eine biographische Skizze:
Sammelband der Internationalen Musik -Gesellschaft V (1903/4),
230 — 244.
Mentz, G. Zur Geschichte der Packschen Händel: Archiv für Re-
formationsgeschichte I (1904), 172 — 191.
[Möbius. Ä.J. Grofszschocher während der Völkerschlacht 181 3:
Lpz. Tgbl. 1903. Nr. 531. S. 7229f.
Möbius, Alfred. Entwickelung einer Leipziger Landmühle. Die
Mühle in Grofszschocher: ebenda Nr. 606. "S 8284.
Möckel, Herrn. Dr. Johann August Ernst Köhler: Festschrift zur
Feier des 25jährigen Bestehens des Erzgebirgsvereins. (1903;.
S. 47-52-
Moltke, Siegfried. Urkunden zur Entstehungs-Geschichte der ersten
Leipziger Grofshandelsvertretung. Der erste Leipziger Handlungs-
gehilfenverein. Herausgegeben von der Handelskammer zu Leipzig.
Mit mehreren Abbildungen. Leipzig, A. Twietmeyer (Komm.).
1904. CV, 138 SS. 8»
Moschkan, A. Denksteine und Gräber von 1813 in der Oberlausitz:
Gebirgsfreund XV (1903), 67—69. 82 — 85.
„ Löbau in der Schilderung vergangener Zeiten : Oberlaus. Zeitung
und Nachr. 1903. Nr. 118.
„ Das Gefecht bei Ebersdorf- Löbau am 9. Septbr. 181 3: Sachs.
Postillon. 1903, 8. Septbr.
Mucke, E. Rezepte und Zaubermittel für Iraker aus dem iS.Jahr-
hvmdert: Mitteilungen des Vereins für Sachs. Volkskunde III
(1903/4), 117- 121. 140—143.
Müller, L. Bericht über die Verwaltung und den Stand der Ge-
meindeangelegenheiten der Stadt Johann-Georgenstadt zu Anfang
des Stadtgründungs -Jubiläumsjahres 1904. Auf Grund amtlicher
Unterlagen bearbeitet. Johanngeorgenstadt, Carl Stopp. 1904.
82 SS V\ (S. 5— 14: GeschichtHches.)
MfüllerJ, V. Vom alten Johannis- Friedhof [zu Leipzig]: Lpz. Tgbl.
1903. Nr. 427. S. 5851.
Nabe, F. Max. Über vorgeschichtliche Funde aus Leipzigs Um-
gebung: Lpz. Ztg. 1903. Nr. 230. S. 3432 f.
N[eedon], B. Vorgeschichtliches aus der Oberlausitz: Wissenschaftl.
Beilage der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 8. S. 29.
Nippold, Frdr. Der Kurfürst -Konfessor Johann Friedrich. Rede,
gehalten zu seinem Säkular -Jubiläum am 30 Juni 1903. Progr.
Jena (G. Neuenhahn). 1903. 29 SS. 4*^.
V. Nostitz, Hans. Grundzüge der Staatssteuern im Königreich Sachsen.
Eine Studie. Jena, Gustav Fischer. 1903. VIII, 244 SS. 8 *'.
Otto. Johanngeorgenstadt. Ein Gedenkblatt zur Feier des 250jährigen
Bestehens: Lpz. Ztg. 1904. Nr. 42. S. 651!
Pfau, W. Clemens. Das Pferd. Ein Beitrag zur geschichtlichen
Volkskunde Sachsens (Forts u. Schlufs): Mittheilungen des Vereins
f. Sachs. Volkskunde III (1903), 70 — 79. 108 — 117
„ Die ältere Geschichte der Rochlitzer Schützengilde: Rochlitzer
Tageblatt. 1903. Nr. 256 — 263.
„ Der alte Silberschatz der Rochlitzer Schützengilde: Unsere
Heimat III (1903), 52 — 54.
„ (Hospitalkirche in Rochlitz): (Chemnitzer) Allgememe Zeitung.
1904. Nr. 30.
j n 2 Literatur.
Pfau, W. Clemens. Neudrucke aus alten [Rochlitzer] Wochenblättern
Jahrgänge 1819 — 1831. [Sonderabzüge aus dem Rochlitzer Tage-
blatt 1903.] Rochlitz, Druck von Max Bode. 126 SS. 8'^.
Pilz, Herrn. Sechzig Jahre Gartenbau in Leipzig. Gedenkblatt zum
sechzigjährigen Jubiläum des Leipziger Gärtnervereins: Lpz.Tgbl.
1903. Nr. 586. 8007 f.
Pollack, Erwin. Afranisches Ecce. 1903. 8. Heft. Meifsen, Nieder-
lage des Vereins ehemaliger Fürstenschüler. 1903. 55 SS. 8".
Posse, Oito. Die Siegel des Adels der Wettiner Lande bis zum
Jahre 1500. Im Auftrage der Kgl. Sächsischen Staatsregierung
herausgegeben. L Bd. Grafen von Käfernburg - Schwarzburg.
Vögte von Weida, Plauen und Gera. Adel Buchstabe A.
Dresden, Verlag des Apollo. 1903. VII, 65 SS. 50 Taft. 4°.
Pröhl, Alfred. Mittweida und Umgebung: Un.sere Heimat III (1903),
4 — 7-
Rachel, Paul. Aus der Frühzeit der Dreyisigschen Singakademie
in Dresden 1807 — 1817, 1824 — 1828: Dresdner Anzeiger, Sonntags-
Beilage. 1903. Nr. 43 f. S 189t. 193 — 196.
Frhr. v. Rechenhtrcf, H. Heinrich B. Beiträge zu einer Geschichte
der Familie Rechenberg unter Mitbenutzung einiger die keltische
Sprache behandelnder Schriften sowie vieler aus frühereren
Jahrhunderten im Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv aufbewahrten
Akten. Dresden, Verlag des Verf. 1903. XI, 88 SS. 8».
B[eiclunbach.J Die Schlacht bei Dresden den 26. und 27. August
1813: Lpz.Tgbl. 1903. Nr. 432. S. 5911.
Graf V. Rex, Victor Carl Casjpar. Stammtafel der Familie von Rex
bez der Grafen von Rex. Dresden 1903. 4 Taft", qu.-fol.
Richter, P. E. Litteratur der Landes- und Volkskunde des König-
reichs Sachsen. Nachtrag 4. Herausgegeben von den Vereinen
für Erdkunde zu Dresden und Leipzig. Dresden, A. Huhle
(Komm.). 1903. 220 SS. 8*^.
[RJifchter, P. E.J Die Fabrikation der Musikinstrumente im Säch-
sischen Vogtlande: Wissensch. Beilage der Lpz. Ztg. 1903. Nr. 106.
S. 425 — 428.
[Richter, P. E.j Eine Leipziger Bank von 1698: Lpz.Tgbl. 1903.
Nr. 375. S. 5257. _ , ^ ,.
[Rudolph, E.J Kriegsermnerungen emes 102 ers aus dem teldzuge
1870/71: Kamerad. 1904. Nr. i. S. i7f. Nr. 2. S. 17 — 19. Nr. 3.
S. 21 — 23 Nr 4. S. 19 — 21. Nr. 5. S. 20 — 22. Nr. 6. S. 18 — 21.
Nr. 7. S. 21 23. Nr. 8. S 18 — 21.
Rüge, S. Ludwig Richter als Wandersmann und Landschafter: Über
Berg und Tal XXVI (1903), 213 — 217. 225 — 230. 233 — 236.
„ Ein Indienfahrer des 17. Jahrhunderts aus der Sächsischen
Schweiz [Ehas Hesse aus Ottendorf bei Sebnitz], Mit einem
Nachtrag von A. Meiche: ebenda XXVII (1904), 242—244.
Sachs, Eugen. Die Blattern in Sachsen vor 100 Jahren: Verhand-
lungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte.
74. Versammlung zu Karlsbad 1902. II, 2 (Leipzig, F. C.Vogel
1903), 121 — 124.
Sauppe. Geschichte der Burg und des Cölestinerklosters Oybin
(Fortsetzung): Neues Lausitzisches Magazin LXXIX (1903), 177
bis 240.
Scheu ff'ler, H. J Grimmaisches Ecce. 1902. 1903. 23. und 24. Heft.
Meifsen, Niederlage des Vereins ehemaliger Fürstenschüler. 1903.
XVL 58. IV, 76 SS. 8".
Literatur. 153
Scheuff'ler, H. J. Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und
aus Sachsen X (Schluls): Jahrbuch der Geschichte des Protestan-
tismus in Oesterreich XXIV (1903), 184 — 235.
Scheveti, Paul. Allerlei aus und über Dresden. Heft i. 2. Dresden,
O. V. Böhmert. 1903. 64 SS. 8". '
Schlauch, Cr. Sachsen im Volksmunde (Forts.): Unsere Heimat III
(1903), 15 — 21. 37 — 40. 65 — 69.
Schlüter, Otto. Die Siedelun^jen im nordöstlichen Thürmgen. Em
Beispiel für die Behandlung siedelungsgeographischer Fragen.
Mit 6 Karten und 2 Tafeln. Berlin, Hermann Costenoble. 1903.
XIX, 453 SS. 8».
[Schrnid, O.J Zwei Beiträge zur Geschichte der sächsischen Militär-
musik vor hundert Jahren: Kamerad. 1903. X"r. 37. S. i.
Schömmel, H. A. Der Lausitzer Zauberer Krabat (Johann von
Schadewitz): Gebirgsfreund XV (1903), 90 — 92.
Sch'Ö7i , Theodor. Die Burg Schönburg bei Klösterle in Böhmen
(Stammburg des Hauses Schönburg): Schönburgischer Haus-
kalender. 1904. S. 32 — 35.
Schulze, Arthur. Die Bankkatastrophen in Sachsen im Jahre 1901.
Tübino;en. I903. V, 136 SS. 8**.
Schurig, E. Das Reinholdsche Uniformenwerk (Schlufs): Kamerad.
1903. Nr. 34. S. 9 f.
/■„7 Noch einmal die Einführung der ersten Kartoffeln in Sachsen:
ebenda Nr. 36. S. 25.
„ Zur Baugeschichte der Altstädter Hauptwache in Dresden : ebenda
Nr. 40. S. 9 — II.
„ Die Bundesexekution in Holstein 1863/64: ebenda Nr. 51. S. 10 f.
Nr. 52. S. 13 f.
SfchurigJ, E. Von den sächsischen Stabstrompetern: ebenda. 1904.
Nr. 4. S. 12 f. Nr. 5. S. 19 f.
SfchtirigJ. Ein sächsischer General und Künstler aus der Barock-
zeit [W. K. V. Klengel]: Blätter f. d. Gesch. der sächs. Armee
(Beiblatt zum Kamerad). 1904. Nr. i.
Schling, Emil. Die evangehschen Kirchenordnungen des XVI. Jahr-
hunderts. I. Abth. Sachsen und Thüringen nebst angrenzenden
Gebieten. 2. Hälfte. Leipzig, O R. Reisland. 1904. VII,
614 SS. 4''.
S[ey]f[er]t, H. Die sächsischen Truppen vor 90 Jahren: Wissenschaft].
Beilage der Lpz. Ztg. 1903. Nr. 123. S. 493 — 495.
Stiehl, Ö. Der Ausbau der Meifsner Domfront nach urkundlichen
und baulichen Anhaltspunkten: Deutsche Bauzeitung XXX VII
(1903), 625-628. 633 f.
Störzner, Fr. Beruh. Der zweite Burghof der Burg Stolpen: Über
Berg und Tal XXVII (1904), 262 f.
„ Wie ist in den Gemeinden der Sinn für die Geschichte der
Heimat zu wecken und zu pflegen? 2. verm. Aufl. Leipzig,
Strauch. 27 SS. 8».
„ Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denk-
würdige Begebenheiten aus Sachsen. Beiträge zur sächsischen
Volks- und Heimatkunde. Mit Zeichnungen von Prof. O. Seyftert
und Maler F. Rowland. I. Ostsachsen. Leipzig, Arwed Strauch.
(1904.) S. 1 — 40. 8*^.
Sturm, L. Mein Heimatsdörfchen [Neugersdorf] : Gebirgsfreund XV
(1903), 113— 116.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. i. 2. 13
IQA Literatur.
Sturmhoefel, Konr. Wie wurde Sachsen ein Königreich? Vortrag.
Leipzig, Dr. Seele & Co. (A. u. d. T. : Hochschul -Vorträge für
Jedermann Heft XXXIII.) 1904. 32 SS. 8».
Tetzner, F. Zur Geschichte der sächsischen Volkskunde: Lpz. Tgbl.
1903. Nr. 361. S. 5093.
„ Michael und Abraham Frentzel und die sorbische Literatur:
Wissenschaftl. Beilage der Lpz. Ztg. 1903. Nr. 143. S. 573 f.
Thierbach, M. Die Handfeuerwaften der sächsischen Armee. Nach
den Akten des Hauptzeughaus- und des Hauptstaats- Archivs:
Zeitschrift für histor. Waffenkunde. Bd. III. Heft 5 (1904). S. 89— 96.
126 — 137.
Tülf, Armin. Grimmas Stellung in der deutschen Geschichte: Nach-
richten für Grimma und Umgegend. 1904. Nr. 36. 38 f. (Vgl. da-
zu das Referat über einen Vortrag Tilles: ebenda. 190,. Nr. 209.)
„ Leipzig im Weltverkehr: Zukunft. 1904. Nr. 15.
„ Verzeichnis von 1802 konfiszierten Volksliedern: Mitteilungen des
Vereins für Sachs. Volkskunde III (1904), 133 — 136.
Tutel, A. Zur Erinnerung an die Gründung Johanngeorgenstadts
im Jahre 1654: Glückauf! XXIV (1904), 20 — 22.
Tykociriski Die Stiftungen der Stadt Leipzig vor der Reformation:
Wissenschaftl. Beil. d. Lpz. Ztg. 1903. Nr. 121 f. S. 485 — 492.
Uhle, F. Die geplante Berufung des Freiberger Chronisten Möller
zum Stadtarzt in Chemnitz: Freiberger Anzeiger und Tageblatt.
1903. Nr. 217.
„ Vetternwirtschaft bei Chemnitzer Ratswahlen vor Einführung der
Gemeindeverfassung: Chemnitzer Tageblatt. 1903. Nr. 603.
Uhlmanri-Uhlinanvsdorf , Arthur B. Zur Geschichte des Wappens
der Stadt Chemnitz: (Chemnitzer) Allgemeine Zeitung. 1904.
Nr. 36.
Ver liier, J.-J., et Veling (avec la collaboration de Bigoudot, Burg,
Rumpier et Tribout). Inventaire sommaire des archives departe-
mentales anterieures ä 1790. Aube. Serie E* (Fonds de Saxe).
Tome I. I. Partie: Archives particulieres du prince Xavier de
Saxe. 1. Section: Guerre de sept ans. Journaux de Campagne.
Correspondance militaire. Troyes, Imprimerie administrative
Gustave Fremont. 1903. L, 441 SS. 4^'.
Vogel, Julius. Das römische Haus in Leipzig. Ein Beitrag zur
Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts. Mit 12 Lichtdrucktafeln
und 26 Originalabbildungen im Text. Leipzig, Breitkopf & Härtel.
1903. 5 BIL, 84 SS. 4".
Vogel, Theodor. Aus alten Kirchrechnungen [der Kirchfahrt Knobels-
dorf mit Rudelsdorf Eph. Leisnig] : Archiv für Kulturgeschichte I
(1903), 387-402.
„ Das Einkommen dei Pfarrei zu Knobeisdorf im 16. Jahrhundert:
Mittheilungen des Vereins f. Sachs. Volkskunde III (1903), 79—87.
[Voigt, O.] Städtebilder aus Sachsen. Kamenz: Lpz. Tgbl. 1903.
Nr. 587. S. 801 9 f.
Wallau, H. Tax den sog. Silbertypen der torgauischen Druckerei
des Herzogs Friedrich Wilhelm von Sachsen: Zentralblatt für
Bibliothekswesen XXI (1904), 121 — 123.
Weise, Aug. Geschichtsbilder aus dem kirchlichen Leben Lausitzer
Dörfer: Gebirgsfreund XVI (1904), 2 — 4.
Widemann, E. Aus der Vorzeit. Die Familie Berthold: Nachrichten
über die Kirchgemeinde Höckendorf mit Borlas und Obercunners-
dorf vom Jahre 1903. S. 13 — 16.
Literatur. 195
Woermativ , Karl. Ludwig Richters Entwicklungsgang: Katalog der
Sachs. Kunst- Ausstellung. Dresden 1903. Abteilung: Ludwig-
Richter- Ausstellung S. 9 — 24.
Wiistmanv , Gustav. Leipzig und die Leipziger Immobiliengesell-
schaft. Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt im letzten Drittel
des neunzehnten Jahrhunderts, 2. Ausgabe mit 19 Abbildungen
und einem Stadtplan. Leipzig. Verlag der Leipziger Immobilien-
gesellschaft. 1903. VII, 182 SS. go.
„ Die alten Leipziger Innungen. Chronologisches und Statistisches:
Lpz. Tgbl. 1903. Nr. 620. 622 624. 628. 632. S. 85iif. 8546. 8574.
8633. 8700.
„ Eine Leipziger Liebesgeschichte aus dem Jahre 1537: ebenda.
1904. Nr. 55 f. S. 689, 713.
„ Zur frühesten Geschichte der Färberei in Leipzig: Deutsche
Färberzeitung XL (1904). Heft 5 - 7. S. 78! 97! 117!
Frhr. v. Zedtwitz, Arthur [Die Wappen der im Königreich Sachsen
blühenden Adelsfamilien. Anhang u. Ergänzung A — H]: Dresdner
Residenz-Kalender für 1904. S. 97 — 100 mit 2 Tafeln
Zesch, M. Eine kursächsische Mädchenschulordnung vom Jahre 1533:
Wissenschaft!. Beil. d. Lpz. Ztg. 1904. Nr. 13. S. 49-51.
Zimmermann, Ernst. Zum hundertsten Geburtstage Gottfried Sempers:
Dresdner Anzeiger. Sonntags-Beilage. 1903. Nr. 48f. S. 209 — 211,
21 3 f.
Zinck, Paul. Leipziger Lotterien: Wissensch. Beil. der Lpz. Ztg.
1904. Nr. 42f. S. 165 — 172.
Otto Banck: Wissensch. Beil. der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 33. S. 129 — 132.
Die Königlich Sächsische Bergakademie zu Freiberg und die
Königliche geologische Landesanstalt nebst Mitteilungen über die
EntWickelung und den Stand des Berg- und Hüttenwesens und
der Bergpolizei im Königreiche Sachsen. Herausgegeben von
der Kgl Bergakademie. Mit Textbildern und i Tafel. Freiberg i,S.,
Graz & Gerlach ( Joh. Stettner). 1904. 4 BU , 82 u. XVI SS. 40.
Inhalt: Papperitz, Geschichte, gegenwärtige Organisation
und Statistik der Bergakademie Freiberg. — Ledebur, Über
die Bedeutung der Freiberger Bergakademie für die Wissenschaft
des 18. u. 19 Jahrhunderts. — Credner, Die geolog. Landes-
anstalt des Königreichs Sachsen. — Treptow, Die Entwickelung
und der gegenwärtige Stand des Bergbaus im Königreich Sachsen.
— Schiffner, Die Entwickelung und der gegenwärtige Stand
des Hüttenwesens im Königreich Sachsen. — Krug, Grundzüge
des im Königreich Sachsen geltenden Bergpolizeirechts. Anhang:
Allgemeine Bergpolizei -Vorschrift für das Königreich Sachsen
vom 2. Januar 1901
Julius Blüthner in Leipzig. Festschrift zur Feier des 50jährigen
Geschäfts-Jubiläums am 7. November 1903. 1853— 1903. 32 SS. 8"*.
Das Kgl. Sachs. Fufsartillerie-Regiment Nr. 12. 1873 — 1903:
Kamerad. 1903. Nr. 41. S. if.
Älteste erhaltene Urkunde von Johanngeorgenstadt, betrifft die
der Stadt von Sr. Churfürstl. Durchlaucht Johann Georg I. ver-
liehenen Privilegien. Im Facsimiledruck zur 250jährigen Jubel-
feier der Stadtgründung den Stadtkindern und Einwohnern Johann-
georgenstadts gewidmet vom Erzgebirg. Volksfreund, Amtsblatt
für die Kgl. u. städt. Behörden in Johanngeorgenstadt, Aue, Grün-
13*
Iq6 Literatur.
hain, Hartenstein, Löfsnitz, Neustädtel, Schneeberg, Schwarzenberg
bezw. Wildenfels. (Verlag von C. M. Gärtner. Inhaber: E. Ritter,
Schneeberg.) Jahrg. 57. 4 SS. gr.-fol.
Klemm in der Gegend von Freiberg und Chemnitz: Klemms Archiv.
Mitteilungen aus der Familiengeschichte. I. Nr. 12 (1903). S. 502
bis 505.
Bausteine zur Geschichte der Marienberger Klemm V: ebenda
S. 510 — 520
Bericht der Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler
im Königreich Sachsen. Tätigkeit in den Jahren 1900, 1901 und
1902. Dresden, Druck von C.C. Meinhold & Söhne. (1904.) looS. S*'.
Aus den Tagen der Völkerschlacht bei Leipzig. Nach dem Bericht
eines Augen- und Ohrenzeugen: Kamerad. 1903. Nr. 41. S. 9 f.
-g. Zum 30jährigen Bestehen der Kgl. Sachs. Unteroffizierschule zu
Marienberg: ebenda Nr. 40. S. 9.
Alt -Plauen in Wort und Bild. Aus Anlafs des 30jährigen Be-
stehens des Altertumsvereins zu Plauen herausgegeben vom
Gesammtvorstande. Plauen i.V., Druckerei Neupert. 1903. IV,
60 SS. 4''-
Inhalt: A. Neupert sen., Das Eversteinsche (alte) Schlofs
und das städtische Malzhaus am alten Teich (an der alten Eich). —
J. Vogel, Die St. Johanniskirche in Plauen. — Ders., Das
deutsche Ordenshaus in Plauen. — A. Neupert sen.. Das Schlofs
der Vögte. — Ders., Die ältesten Bilder von Plauen. — Ders.,
Das Rathaus. — R. Huster, Das Schulwesen in Plauen bis zum
Jahre 1841. — A. Neupert sen., Das alte Amt am Amtsberg.
— F. Streit, Die Hospitäler St. Elisabeth und St. Johannis zu
Plauen. — A. Neupert sen., König Albert- und Gösselbrücke. —
A. Scholtze, Das Schulhaus in der Syrastrafse. — B. Wenzel,
Die alte Turnhalle. — F. Kesselring, Wasserfluten und Feuers-
brünste.
Die katholische Kirche in Plauen i.V. (i. Aus Plauens katholischer
Vorzeit. 2. Die Entwicklung der jetzigen katholischen Pfarrei.
3. Der neue Kirchenbau.): St. Benno-Kalender LIII (1903), 50 — 63.
Johann Gottfried Schicht und seine Beziehungen zu Zittau: Ge-
birgsfreund XV (1903), 163!
Aus Schneebergs Vergangenheit: Glückauf! XXIV (1904), 22 — 25.
36-38.
Zum hundertsten Geburtstage Gottfried Sempers: Kunstchronik
XV (1903 4). Sp. 104 f.
Festschrift zur Einweihung des neuen Vitzth umsehen Gym-
nasiums, den ehemaligen Zöglingen der Blochmann-Bezzen-
bergerschen Erziehungsanstalt und des Vitzthumschen Gym-
nasiums gewidmet. [Verzeichnisse der Administratoren und Kgl.
Kommissare, der Lehrer und der Schüler.] Dresden, B. G.Teubner.
1903. VI, 148 SS. 8».
Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichtc. Herausgegeben im Auf-
trage der „Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte" von
Franz Dibelius und Theodor Brieger. 17. Heft. (Jahresheft für
1903.) Leipzig, Barth. 1904. 163 SS. 8".
Inhalt: Dibelius, Johann Tetzel. — G. Planitz, Zur Ein-
führung der Reformation in den Ämtern Rochlitz und Kriebstein.
— Bönhoff, Die Grenzen der Bistümer Naumburg, Merseburg
Literatur.
197
und Meifsen unter einander. — Bönhoff, Weshalb fehlt die
Parochie Altenhof bei Leisnig in der Meifsner Jurisdiktions-
matrikel? — Bönhoff, Bildete die Propstei Riesa ein Archi-
diakonat des Meifsner Hochstifts?
Dresdner Geschichtsblätter, herausgegeben vom Verein für Geschichte
Dresdens. XII. Jahrgang. 1903. Nr. 3. 4. XIII. Jahrg. 1904. Nr. i.
Inhalt: O. Mörtzsch, Die Kriegsdienste der Pflege Dresden
im Jahre 1445. — (Schnorr v. Carolsfeld,) Aus Julius Schnorrs
Tagebüchern XXII. XXIII (Schlufs). — Bestallung eines kurfürst-
lichen Bibliothekars aus dem Jahre 1586. — Beschorner, Die
Hoflöfsnitz bei Dresden. — O. Richter, Ausschreiben und
Schiefsordnung zu einem Armbrustschiefsen in Torgau 1489.
Mitteilungen des Gescfiichts- und Altertumsvereins zu Leisnig im
Königreich Sachsen. XII. Heft. Zusammengestellt und im Auf-
trage des Vereins herausgegeben von Mirus. Leisnig 1904.
82 SS. S-J.
Inhalt: O. Mörtzsch, Leisniger Türkensteuer 1481. — Ders.,
Zins und Gülte der Aerater Lei.snig und Döbeln 1378. — Ders.,
Die Ehrbar Mannschaft der Aemter Leisnig, Döbeln, Rochlitz
1445. — Artikel der Leisniger Tuchmacherinnung vom Jahre 1552.
— Vertrag des Rats zu Liznik mit dem Kloster Buch wegen
einer ewigen Messe in der Pfarrkirche zu Liznik [1371]. —
E. Gerber, Das Innere der Kirche zu Tragnitz. — Ergänzende
und berichtigende Bemerkungen zu D. Hahns Abhandlung: Der
Wartturm im „Hofe des Schlosses Mildenstein zu Leisnig. —
Holtheuer, Über das Vorkommen von Braunkohlenquarziten
(Knollensteinen) in der Umgegend von Leisnig. — Mirus, Die
tönerne Taufschüssel von 1639. — Mirus, Richtigstellung [betr.
Familie Mirus].
Naehriehten.
Vorbemerkung. Bei dem fortdauernd wachsenden Interesse
für die heimische Geschichte dürfte es vielen Lesern dieser Zeit-
schrift als wünschenswert erscheinen, nicht blofs wie schon bisher
über die literarischen Erscheinungen, sondern auch über alle anderen
wissenswerten Vorgänge auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte
und Altertumskunde auf dem Laufenden gehalten zu werden. Die
Redaktion will versuchen, diesem Bedürfnis dadurch zu entsprechen,
dafs sie in einer jedem Hefte des Archivs beizufügenden Abteilung
„Nachrichten" kurze Notizen über die für Pflege der sächsischen
Geschichte und Altertumskunde gebildeten Kommissionen, Gesell-
schaften und Vereine (Mito;liederzaTal, Vorstand, Vorträge, soweit sie
dem Gebiete der sächsischen Landes- und Ortsgeschichte angehören,
wissenschaftliche Exkursionen), über Museen, Archive, Altertumsaus-
stellungen, Funde, Personalien u. dgl. m. gibt. Sie weifs aber sehr
wohl, dafs dies nur möglich ist, wenn sie von vielen Seiten durch
freundliche Mitteilungen unterstützt wird, und bittet daher auch an
dieser Stelle alle Freunde der vaterländischen Geschichte um ihre
Mitarbeit.
Die Kgl. Sächsische Kommission für Geschichte hielt am
12. Dezember 1903 unter Vorsitz Sr. Exzellenz des Herrn Kultus-
ministers Dr. V. Seydewitz ihre Jahresversammlung in Leipzig ab. Im
Laufe des Jahres 1903 hat sie durch den Tod die ordentlichen Mit-
glieder Geh. Hofrat Prof. Dr. Knothe vmd Geh. Hofrat Prof. Dr. Rüge
verloren. Neu eingetreten sind Prof. Dr. Brandenburg und Prof.
Dr. Buchholz in Leipzig.
Erschienen sind im Laufe des Jahres 1903 die erste Hälfte des
II. Bandes der Politischen Korrespondenz des Herzogs und
Kurfürsten Moritz, bearbeitet von Prof. Dr. Brandenburg, der die
zweite Hälfte im Laufe des Jahres 1904 folgen wird, und die von
Dr. Kroker besorgte Ausgabe von Luthers Tischreden in der
Mathesischen Sammlung; ferner die Doppelsektion 467/492 (Greiz-
Hof) der histor.-statist. Grundkarte des Königreichs Sachsen.
Nahezu im Druck abgeschlossen sind das Lehn buch Fried-
richs des Strengen von 1349, herausgegeben von Archivrat
Dr. Lippert und Archivsekretär Dr. Beschorner, und der I. Band
der von Prof. Dr. Gels bearbeiteten Akten und Briefe des
Herzogs Georg; ersteres ist inzwischen erschienen, das Erscheinen
der letzteren bald zu erwarten.
Mit dem Drucke des von Archivrat Dr. Lippert im Manuskript
abgeschlossenen Briefwechsels der Kurfürstin Maria Anto-
Nachrichten.
199
nia mit der Kaiserin Maria Ther es ia wird demnächst begonnen
werden.
Die Manuskripte zum I. Bande der Akten zur Geschichte des
Bauernkrieges, bearbeitet von Archivar Dr. Merx, und zur Ge-
schichte des Heilbronner Bundes, von Archivar Dr. Kretzschmar,
werden voraussichthch im Laufe des Jahres 1904 fertig werden.
Als Vorarbeiten zu der letzteren Publikation veröffentlicht Kretzschmar
gegenwärtig zwei Abhandlungen über Gustav Adolfs letzte Ziele und
Pläne in Deutschland (in den „Qviellen und Darstellungen zur Ge-
schichte Niedersachsens") und über die brandenburgischen Verhand-
lungen mit GustavAdolf (in den „Forschungen zur brandenburgischen
Geschichte").
Die Bearbeitung der sächsischen Ständeakten seit 1485
hat Dr. Görlitz gefördert und hofft bis zum Jahre 1905 den I. Band
(bis 1539) fertig zu stellen. Die von Dr. Haake besorgte Ausgabe
der Entwürfe und Briefe Augusts des Starken bedarf noch
archivalischer Forschungen; doch wird sich das Manuskript vielleicht
noch im Laufe des Jahres 1904 vollenden lassen.
Die Ausgabe der sog. Instruktion eines Vorwerksver-
walters des Kurfürsten August 1570, die Prof. Dr. Wuttke und
der Verfasser dieser Zeilen übernommen haben, konnte leider noch
nicht veröffentlicht werden, da Prof. Wuttke durch die Bearbeitung
eines gröfseren Werkes über die deutsche Städteausstellung und
die ihm aus der Übertragung der Professur für Nationalökonomie
an der Kgl. Techn. Hochschule erwachsenden neuen Pflichten voll-
ständig in Anspruch genommen war. Aus demselben Grunde sind
auch die anderen Arbeiten, die Prof. Wuttke für die Kommission
übernommen hat, die Geschichte des sächsischen Steuer-
wesens und die Geschichte der amtlichen Statistik in
Sachsen, nicht wesentlich vorgeschritten.
Die Publikation der Hauptwerke der sächsischen Bild-
nerei und Malerei des 15. u. 16. Jahrhunderts hat Dr. Flechsig
durch den Besuch zahlreicher sächsischer Ortschaften zum Zwecke
])hotographischer Aufnahmen gefördert.
Die Vorarbeiten zu einer Bibliographie der sächsischen
Geschichte sind von Dr. Hantzsch plangemäfs fortgesetzt worden;
das Werk, das etwa 19 10 vollendet sem wird, soll mit dem Jahre 1900
abschliefsen, gleichzeitig aber ein Ergänzimgsband für die folgenden
Jahre erscheinen.
Von dem umfassenden Werke über die Geschichte des
geistigen Lebens der Stadt Leipzig ist am weitesten die von
Dr. R. Wustmann bearl.)eitete Musikgeschichte vorgeschritten ; der
erste bis Ende des 16. Jahrhunderts reichende Abschnitt wird vor-
aussichtlich noch im Frühjahr 1904 in Druck gegeben werden können.
Gefördert wurden die Geschichte des literarischen Lebens in
Leipzig, für die Prof. Dr. Witkowski ergebnisreiche archivalische
Studien in Dresden machte, die Geschichte der bildenden
Kunst Leipzigs (Dr. Kurzwelly) und die Schulgeschichte
( Rektor Prof. Dr. Kämmel ), während für die Geschichte des kirch-
lichen Lebens in Leipzig wegen der Berufung des Bearbeiters
Prof. Dr. Böhmer nach Bonn nur wenig geschehen konnte. Die Aus-
gabe des Tagebuchs des Rektor 1 ho masius lioff't Prof. Sachse
im Laufe des Jahres 1904 vollenden zu können.
Die Vorarbeiten zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
von Leipzig hat Dr. Armin Tille fortgesetzt.
2 00 Nachrichten.
Auch die umfassenden historisch-geographischen Unternehmungen
der Kommission sind im Laufe des Jahres 1903 gefördert worden.
Die historisch-statistische Grundkarte ist nunmehr, soweit ihre Her-
steUung der Kommission obhegt, vollendet; von den Sektionen, die
die Kommission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt
übernommen hat, sind 364/389 (Zörbig -Halle), 365/390 (Dresden-
Leipzig vmd 366/391 (Torgau -Oschatz) erschienen, die noch fehlenden
367/392 (Finsterwalde - Grofsenhain) und 414/440 (Zeitz - Gera) in
Arbeit. Die nordöstlichen Doppelsektionen 368/393 (Kalau-Kamenz)
und 369/394 (Spremberg-Niesky) sollte eigentlich die Provinz Branden-
burg übernehmen; um die Herstellung der kgl. sächsischen Gebiets-
teile aber bald zum Abschlufs zu bringen, wurde beschlossen, die
Sektionen Kamenz und Niesky im Jahre 1 904 zu bearbeiten.
An der Beschreibung der Bistümer arbeitet Seminarober-
lehrer Dr. Becker in Waidenburg und hofft, den statistischen Teil des
auf das Bistum Meifsen bezüglichen Bandes in etwa Jahresfrist ab-
schliefsen zu können. Die Untersuchungen über die sächsischen
Ämter hat Privatdozent Dr. Kötzschke fortgesetzt; doch empfiehlt
es sich, mit ihnen die Vorarbeiten für das geplante historische
Ortsverzeichnis zu verbinden, für die wohl eine Hilfskraft zu
gewinnen sein wird.
Um die wichtigsten Quellen aller historisch-geograpliischen und
agrargeschichtlichen Arbeiten, die in den dreifsiger und vierziger
Jahren aufgenommenen Flurkarten, vor dem Untergange zu be-
wahren und zugleich der Forschung zugänglich zu machen, ist da-
mit begonnen worden, sie photographisch zu reproduzieren und die
Kulturarten koloristisch anzudeuten; in dieser Weise sind die Amts-
hauptmannschaften Dresden-Altst., Meifsen, Dippoldiswalde, Freiberg,
Leipzig und teilweise Borna und Grimma bearbeitet worden. Über
die Frage, ob alle Teile des Landes in gleicher Weise zu behandeln
sind, wie auch über die von Dr. Beschorner vorbereitete Samm-
lung der sächsischen Flurnamen, für die durch Fragebogen
ein ansehnliches Material zusammengebracht worden ist, hat die
Kommission eine Beschlufsfassung ausgesetzt, um zunächst das Gut-
achten des für diese Fragen gebildeten Ausschusses zu hören.
Die Anträge des Oberstudienrats Dr. Peter in Meifsen auf Her-
ausgabe der Briefe des Georg Fabricius und des Prof.
Dr. E. O. Schmidt in Meifsen auf Veröffentlichung der namentlich
kunstgeschichtlich wichtigen Korrespondenz des Grafen Brühl
mit Heineke wurden Unterausschüssen zur Prüfung überwiesen.
Die Köiiigl. Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler
im König'reicli Sachsen, Ijegründet durch Verordnung vom 29. Juni
1894, hat folgende Aufgaben: i. die Begutachtung der von den
Ministerien und dem evangelisch-lutherischen Landeskonsistorium an
sie gerichteten Fragen, welche die Beseitigung von Kunstdenkmälern
oder die Art ihrer Erhaltung und Wiederherstellung betreffen; 2. die
Begutachtung von Gesuchen um Staatsbeihilfen zur Erhaltung und
Wiederherstellung von Kunstdenkmälern; 3. die Aufsicht über die im
Lande vorhandenen Kunstdenkmäler und die Erteilung von Rat-
schlägen zum Schutze der letzteren; 4. den Erlais von Direktiven
für die Fortsetzung des Liventarisationswerkes.
Über ihre Tätigkeit in den Jahren 1898 — 1899 und 1900 — 1902
geben zwei im Drucke erschienene Berichte austührlich Auskuntt.
Im Jahre 1903 wurden unter Vorsitz des Herrn Geh. Regierungsrat
Nachrichten. 20l
Dr. Genthe zehn Sitzun<>;en (31. Januar, 14. März, 25. April, 23. Mai,
20. Juni. II. fuli, 29. Auo;u!bt, 10. Oktober, 29.0kt()1)er und 19. Dezember)
abgehaltt-n.
Einige Gegenstände, die die Kunnnis.sion schon längere Zeit
beschäftigten, wurden auch im Berichtsjahre mehrfach behandelt,
ohne der Natur der Sache nach völlige Erledigung linden zu können. Es
handelt sich dabei um Pläne von gröfster Bedeutung, deren Durch-
führung viele Jahre erfordert. Hierzu geh(")ren die heifsumkämpfte
Wiederherstellung des Meifsner Domes und die des Kaiserschlosses
zu Mylau, sowie die nach den Vorschlägen der Kommission geplante
Erweiterung und Umänderung des Stadtmuseums zu Zittau.
Über die beabsichtigten Umbauten der Kirchen zu Tragnitz,
Strehla, Breitenborn und Gottleuba, über die Bilder in der Universitäts-
bibliothek zu Leipzig, über eine Sandsteinfigur zu Skassa, den Wasser-
turm zu Riesa, die Kanzel zu Reichenberg b. Dresden, die Wolfgang-
kirche zu Schneeberg, die Hospitalkirchen zu Zittau und Rochlitz,
die Paulinerkirche zu Leipzig, die Ruinen zu Oybin, Frauenstein und
Elsterberg, Altar und Schlofs zu Kunnersdorf, über den beabsichtio;ten
Abbruch des alten Amtshauses zu Pirna, über die Wirkung eines
Neubaues auf dem Sonnenstein, Ausschmückung der Nikolaikirche zu
Dippoldiswalde, Übertragung der Prellerschen Fresken im Römischen
Haus zu Leipzig, über Reste einer Balkendecke im Schlosse zu Col-
ditz und verschiedenes anderes mehr hatte die Kommission sich
gutachtlich zu äufsern , beziehentlich das ihr übertragene Aufsichts-
recht geltend zu machen. In den meisten Fällen war ihr dabei Ge-
legenheit gegeben, die von ihr vertretenen Ansichten über die Er-
haltung des guten Alten zur Geltung zu bringen.
In der von der Kommission 1902 eingerichteten „Versuchsstelle
für Holzerhaltung" wurden nicht nur verschiedene hier in Betracht
kommende Mittel versucht, sondern auch Kunstdenkmäler aus den
Kirchen zu Untertriebel, Sörnewitz, Mochau, Wechselburg, Zschorlau,
Dohlen und Leubnitz wiederhergestellt, sowie eine grölsere Anzahl
von Keilrahmen zu den wiederherzustellenden Bildern angefertigt
und die dazu gehörigen Zierrahmen ausgebessert.
Die gelegentlich der Inventarisation der Kunstdenkmäler in den
Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt auf
den Kirchböden und Nebenräumen aufgefundenen alten, meist wenig
beachteten, beschädigten Kunstwerke brachte die Kommission in
zwei Räumen des alten Kadettenhauses in Dresden zusammen und
machte den Kirchenvorständen Ratschläge über das, was mit ihnen zu
geschehen habe. Die meisten sollen dementsprechend nach Erneuerung
durch die Kommis.sion in den Kirchen wieder aufgestellt werden.
Im Berichtsjahre erreichte die Kommission, dafs die Erneuerung
der drei grofsen, von Bottschildt gemalten Deckengemälde im Haupt-
saal des Palais im Grofsen Garten, auf dessen ruinösen Zustand
sie schon früher hingewiesen hatte, in Angrift" genommen wurde.
Die Bilder sind heruntergenommen, mit Leinwand hinterklebt und
neu gerahmt worden. Sie sollen, nachdem die Ergänzung der fehlen-
den Farben vollendet sein wird, v.'ieder an ihren alten Platz gebracht
werden. Berlin g.
Der Kgl. Sachs. Altertuiiisyerein in Dresden, begründet im
Jahre 1825, zählt gegenwärtig 496 Mitglieder (darunter 69 Städte).
Seine Königliche Hoheit Prinz Johann Georg Herzog zu Sachsen
steht als Protektor an der Spitze des \'ereins. Den in der Sitzung
2 02 Nachrichten.
vom 7. März d. ]. neugewählten Vorstand bilden General der Infan-
terie von Raal) und Geh. Hofrat Dr. Erbstein als i. und 2. Vorsitzender,
Oberregierungsrat Dr. Ermisch als Schriftführer, Prof. Dr. ßerling
als Vorstand des Museums, Kammerherr von Winckler als Schatz-
meister, Geh. Hofrat Prof. Dr. Gurlitt und Archivrat Dr. Lippert als
aufserordentliche Mitglieder. Im Laufe des letzten Winters fanden
am 2. November und 7. Dezember 1903, am 4. Januar, i. Eebruar,
7. März und 11. April Sitzungen statt; in denselben hielten längere
Vorträge Prof. Dr. Heydenreich über iden Uradel im Königreich
Sachsen, Prof. Dr. E. 0. Schmidt (Meifsen) über Schiedlo vmd die
polnische Politik der Wettiner. Oberregierung.srat Dr. Ermisch: Aus
der Städtegeschichte des Vogtlandes, Privatdozent Dr. Brück über
Friedrich den Weisen und die Kunst, Dr. ing. Rahtgens über neue
Untersuchungen avif dem Oybin und Dr. Meiche über die Herkunft
der deutschen Siedler im Königreich Sachsen nach Ortsnamen und
Mundarten.
Die Oberhiusit/isclie Gesellschaft der Wissenschaft in Görlitz,
die treue Pflegerin der Geschichte unserer sächsischen wie der preufsi-
schen Oberlausitz, ist im Frühling des Jahres 1779 begründet M'orden
und feiert mithin am i.Juni d.J. ihr 125 jähriges Jubiläum. An ihrer
Spitze stehen gegenwärtig Kammerherr von Wiedebach und Nostitz-
länkendorf auf Arnsdorf O.-L. und Prof. Dr. Putzler in Görlitz als
Präsident und Vizepräsident ; die Geschäfte führen Prof. Dr. Jecht
als Sekretär, Prof. Dr. Wetzold als Bibliothekar, Dr. med. Schulze
als Kassierer, Buchhändler Tzschaschel als Hausinspektor.
Unter den ortsgeschichtlichen Vereinen Sachsens steht an erster
Stelle der Verein für Geschiclite Dresdens, begründet 1869, der zur
Zeit etwa 900 Mitglieder zählt. Den Vorsitz führt Ratsarchivar
Prof. Dr. Richter; seine Stellvertreter sind Geheimer Baurat Grimm
und Rektor Prof. Dr. Meltzer, Schriftführer Archivar Dr. Beutel und
Oberlehrer a. D. Hantzsch, Kassierer Bauamtsverwalter Adam, Samm-
lungsverwalter Pfarrer Blanckmeister. Vorträge hielten im Laufe
des letzten Winters Geh. Hofrat Prof. Dr. Gurlitt über die Bau- und
Kunstdenkmäler des Dresdner Landkreises (21. Oktober 1903), Seminar-
oberlehrer Sigismund über Wolf Kaspar von Kiengel (25. November),
Privatdozent Dr. Brück über Schlofs Moritzburg (16. Dezember),
Archivar Dr. Beutel über den Altmarkt als historfschen Schauplatz
(17. Februar 1904), Dr. Viktor Hantzsch über das geistige Leben
Dresdens (16. März).
Der Verein für Geschichte A'on Annaherg- und Umgegend besteht
seit 1885 und hat zur Zeit 118 Mitglieder. Vorsitzende sind Professor
Dr. Wolf und Studienrat Professor Dr. Wildenhahn; aufser ihnen
bilden Seminaroberlehrer Schmidt (Schriftführer), Oberpostsekretär
Enderlein (Kassierer), Realgj'mnasialoberlehrer Dr. Franz (Biblio-
thekar) und Bürgerschullehrer Fmck (Verwalter des Museums erz-
gebirgischer Altertümer) den Vorstand. Im letzten Winter hielten
Vorträge : Kirchenrat Superintendent Dr. Schmidt über die Kunst-
schätze der St. Annenkirche, Dr. Birke über die Ergebnisse der
Volk.•^zählung des Jahres 1699 im oberen Erzgebirge; für den Mai
ist ein Vortrag von Dr. Bruhns über die Siedelungsformen im Ge-
biete des Zschopau- Quellflusses in Aussicht gestellt.
Der Buchholzer Geschichtsvereiu (53 Mitglieder) wird gegen-
wärtig geleitet von Fabrikant Preifs und Direktor Bartheis als i.
Nachrichten. 203
und 2. Vorsitzenden; aufserdem bilden den Vorstand Diakonus Dr.
Herrmann (ProtokoHant), Lehrer Keller (Kustos), Lithograph Schmidt
(Kassierer).
Der Verein für Cheinnitzer Geschichte, der Ende 1903 238
Mitglieder zählte und dessen Vorstand sich aus Prof. Gotschaldt als
Vorsitzenden, Prof. Dr. Uhle als stellvertretenden Vorsitzenden, Real-
gymnasialoberlehrer a. D. Dr. Stier als Kassierer, Kaufmann Franke
als Schriftführer, Oberlehrer Lauckner als Bililiothekar und Lehrer
Weinhold als Kustos des Museums zusammensetzt, hielt am 9. De-
zember V. und am 15. Februar d. [. Sitzungen ab; in der ersteren
sprach Prof. Dr. Uhle über die Chemnitzer Rat.swahlen vor Ein-
führung der Gemeindeverfassung von 1831, in der letzteren Rats-
oberförster Schier: „Aus der Geschichte der Waldwirtschaft in
Deutschland".
Der Freiberger Altertunisverein, den der Buchdruckereibesitzer
Stadtrat Gerlach im Jahre 1860 begründet und bis zu seinem Tode
1899 geleitet hat, besteht zur Zeit aus etwa 430 Mitgliedern. Den
Vorstand bilden Bürgerschullehrer Knebel, Oberbergrat Prof. Treptow
und Bergamtsrat Wappler.
In Griiunia wurde im Jahre 1901 ein Geschieh ts- und Alter-
tumsverein begründet, der zur Zeit 160 Mitglieder zählt. Den Vor-
stand bilden Fürstenschuloberlehrer Dr.Liedloif, Bürgermeister Lobeck
als I. und 2. Vorsitzender, Oberstabsarzt Wilke und Dr. E. Müller
als Sammlungsleiter, Seminaroberlehrer Dr. Henning und Redakteur
Bode als Schriftführer, Privatier Schlinger als Kassierer. Unter den
Vorträgen, die im letzten Winter gehalten wurden, heben wir hervor:
Prof. Dr. Fleischer, Aus den Briefen eines Leipziger Studenten [des
bekannten Orientalisten Fleischer, um 1820J; Sup. Albert, Heinrich
von Einsiedel auf Gnandstein; Dr Armin Tille, Grimmas Stellung in
der deutschen Geschichte.
Der Verein für die Geschichte von Lausigli, der im Jahre 1897
begründet wurde, hat es erst auf 30 Mitglieder gebracht. Den Vor-
sitz führt Bürgermeister Fabian; Schriftführer ist Schuldirektor
Burkhardt, Kassierer Fabrikbesitzer Koch.
Einer der ältesten unter den ortsgeschichtlichen Vereinen Sachsens
ist der 1866 begründete Geschieh ts- und Altertunisverein zu Leisnig.
Er zählt 73 Mitglieder; den Vorstand bilden Hofrat Dr. Mirus, Pfarrer
Gerber, Pastor Ostermuth, Realschuloberlehrer Gnauck und Bäcker-
meister Feustel. Am 7. März d. J. hielt Superintendent D. Nobbe
einen Vortrag : „Urkundliche Mitteilungen über das Superintendentur-
gebäude"; die übrigen vier im letzten Winter gehaltenen Vcjrträge
behandelten allgemeine Stoffe.
Der Verein für Geschichte Meifsens, begründet im Jahre 1880,
wird nach dem Tode seines langjährigen Vorsitzenden Realschul-
direktor Prof. Dr. Loose von Prot. Dr. O. E. Schmidt imd Bürger-
meister Dr. Av als Vorsitzenden geleitet; ihnen zur .Seite stehen als
Schriftführer Prokurist Radestock, als Kassierer Buchdruckereibesitzer
Klinkicht, als Bibliothekar Bürgerschullehrer Zeidler. Der Verein
zählt gegenwärtig 243 Mitglieder. Am 18. November d. J. hielt Prof.
Dr. E. Ö. .Schmidt in einer sehr zahlreich besuchten Versammlung
einen Vortrag ül)er „Graf Brühl und seine Schlösser".
Der Verein für Orts- und Volkskunde zu Oschatz (zugleich
Ortsgruppe des Vereins für Sachs. Volkskunde) ist 1897 begründet
204 Nachrichten.
worden, zählt 50 MitgHeder und steht unter dem Vorsitz des Lehrers
G. Vödisch.
Der Altertumsverein zu Plauen i/V. besteht seit 1873 und zählt_
gegenwärtig; etwa 250 Mitgheder. Den Vorstand bilden z. Z. Rentier"
A. Neupert sen. als Vorsitzender und Kassierer, Archidiak. Vogel
als Vize Vorsitzender, Bürgerschullehrer Huster als Schriftführer,
Bürgerschullehrer Benedict als Konservator und vier Beisitzer. Wäh-
rend des verflossenen Winters hielten am 6. Februar Oberregierungs-
rat Dr. Ermisch-Dresden ( Aus der älteren Städtegeschichte des Vogt-
lands) und am 14. März Pfarrer Ludwig-Altensalz (Kulturzustände
vogtländischer Dorfgemeinden nach dem Dreilsigjährigen Kriege)
Vorträge.
Der Verein für Roclilitzer Geschichte wurde 1892 begründet
und hat jetzt 82 Mitglieder. Vorsitzender ist Ol^erlehrer Dr. Pfau,
Schriftführer Rechtsanwalt Dr. Kirsten, Kassierer Oberlehrer Dr. Kötz.
Anläfslich des im vorigen Sommer gefeierten Heimatsfestes wurde
eine auf die letzten 80 Jahre bezügliche Sonderausstellung veran-
staltet, zu der namentlich der Verein aus seinen Sammlungen beitrug.
Von ihm ging auch neuerdings die Gründung eines Ausschusses für
ein Mathesiusdenkmal aus.
Die Gresellschaft für Zittauer Oeschichte besteht seit 1889.
Die gegenwärtige Mitgliederzahl ist 150. Den Vorstand bilden
Stadtrat Mietzsch als Vorsitzender, Bürgerschuloberlehrer Kramer
als Schriftführer , Ratssekretär Pangritz als Kassierer. Im letzten
Winter hielten Vorträge: Pastor Sauppe- Lückendorf über den Feld-
zug der Zittauer nach Jonsdorf 1536, Prof. Dr. Neefse: „Ein treuer
Sohn der Oberlausitz und sein Vermächtnis in der Stadtbibliothek
in Zittau" (zum Gedächtnis Knothes), Dr. Rahtgens: Kunsthistorische
Untersuchungen über die Ruinen des Oybin, Architekt Oberlehrer
Pipo: Mittelalterliche Bauhütten und die freien Maurer.
Der Verein für sächsische Volkskunde, dessen Wirkungskreis
sich mit dem der geschichtlichen Vereine des Landes nahe berührt,
zählte Ende 1902 am Schlüsse seines ersten Jalirfünfts 2268 Mitglieder.
Der Sitz des Verems ist Dresden; doch bestehen in allen Teilen des
Landes Ortsgruppen, deren Zahl zur Zeit 56 beträgt. Den Vorstand
bilden nach der letzten Neuwahl, die bei der am 17. und 18. Oktober 1903
zu Altenburg abgehaltenen Jahresversammlung vorgenommen wurde,
Generalmajor Freiherr von Friesen und Oberbaurat Schmidt als Vor-
sitzende, Dr. Gruber als Schriftführer, Bankdirektor Oswald als Schatz-
meister, Prof. Seyffert und Prof. Dr. Berling als Leiter des Museums,
Prof. Dr. Mogk und Prof. Dr. Stumme als Leiter des (in Leipzig be-
findlichen) Archivs und 20 Beisitzer.
An die Spitze des Gebirg-svereins für die Sächsische Schweiz,
der sich auch um die Geschichte seines Gebiets so vielfach verdient
gemacht hat, ist am i. Januar d. J. Realschuldirektor Prof. Dr. Muth in
Pirna als Vorsitzender getreten.
Bei der diesjährigen Hauptversammlung- des Gfesamtvereins
der deutschen (xeschichts- und Altertums vereine, die vom 27. bis
30. September 1903 zu Erfurt stattfand, waren von den fast sämtlich
dem Verbände angehörigen sächsischen Geschichtsvereinen durch Ab-
geordnete vertreten: der Kgl. Sächsische Altertumsverein, der Verein
für sächsische Volkskunde, die Altertumsvereine zu Freiberg und
Nachrichten.
205
Leisnig, die Vereine für die Geschichte von Dresden, Meifsen und
Leipzig Die Tagesordnung bot verschiedenes, das gerade für die
sächsische Geschichte von Interesse war; so die Vorträge des Geh.
Regierungsrat Lindner (Halle) über die Stellung Sachsens und
Thüringens in der deutschen Geschichte, des Prof Dr. Mogk (Leipzig)
über die Volkskunde im Rahmen der Kulturentwicklung der Gegen-
wart, des Stadtarchivar Dr. Overmann über Erfurt in Geschichte
und Kunst. Aus den Abteilungsverhandlungen weisen wir nament-
lich auf das Referat von Dr. Beschorner über Sammlung von
Flurnamen hin, das in nahem Zusammenhange mit den von der
Kgl. Sachs. Kommission für Geschichte in Angriff genommenen
historisch -geographischen Arbeiten steht. Der ausführliche Ver-
sammlungsbericht wird demnächst erscheinen und zu billigem Preise
(etwa 50 Pf.) abgegeben werden; wer ihn zu beziehen wünscht, wolle
sich an den Herausgeber dieser Zeitschrift wenden. — Auch die Ver-
handlungen des in ^^erbindung mit der Hauptversammlung des Ge-
samtvereins stattfindenden vierten Tages für Denkmalpflege
boten für uns manches Interessante; namentlich führte die leidige
Meifsner Dombaufrage zu lebhaften Erörterungen.
Museen. Der soeben erschienene Bericht der Kommission zur
Erhaltung der Kunstdenkmäler im Königreiche Sachsen über die
Jahre 1900 — 1902 bringt als Anhang eine dankenswerte Übersicht
über die Altertümer-Sammlungen im Königreiche Sachsen;
sie zählt deren nicht weniger als 45 auf, wobei verschiedene grofse
öffentliche Sammlungen, wie das Historische Museum, das Grüne
Gewölbe, die mit dem Mineralogischen Museum verbundene Prä-
historische Sammlung zu Dresden, nicht mit erwähnt werden.
Die Zahl der Lokalmuseen vermehrt sich noch fortwährend;
neuerdings sind solche in Johanngeorgenstadt, Lausigk und Waldheim
(s. u.) begründet worden.
Das ehemals im Kaufhaus untergebrachte Freiberger Alter-
tumsiuuseuin ist im Frühjahr 1903 in die durch Baurat Rofsbach in
Leipzig geschmackvoll und möglichst stilgerecht wiederhergestellte
alte „Thumerei", die bis 1875 das Gymnasium barg und jetzt als
„König -Albert -Museum" zur Aufnahme verschiedener Freiberger
Sammlungen bestimmt ist, überführt worden. In Anwesenheit Seiner
Majestät des Königs Georg wurde das Museum am 7. Mai der Öffent-
lichkeit übergeben. Dank der Tätigkeit des derzeitigen Vorstandes
des Altertumsvereins Bürgerschullehrer Knebel und des Museums-
warts Bergamtsrat Wappler ist das Altertumsmuseum, an dessen
sachgemäfser Katalogisierung zur Zeit gearbeitet wird, bedeutend
vermehrt worden; insbesondere ist man im Hinblicke auf das vor-
aussichtlich nicht mehr ferne Ende des Freiberger Bergbaues erfolg-
reich Ijestrebt, eine möglichst vollständige Sammlung aller für die
Geschichte des Bergbaues wichtigen Altertümer im weitesten Sinne
zusammenzubringen .
Am I. April 1905 soll das neue Rathaus der Stadt Leipzig, das
auf dem Grund und Boden der ehemaligen Pleifsenburg errichtet
worden ist, seiner Bestimmung übergeben werden. Damit ist die
Stadt schon jetzt vor die Frage gestellt, was aus dem alten Rat-
hause am Marktplatze, der Schöpfung Hieronymus Lotters (1556),
werden soll: ob es abgebrochen oder ob es erhalten und wiederher-
gestellt und welchen Zwecken es nach der Wiederherstellung dienen
soll. Erfreulicherweise geht die Meinung der mafsgebenden Kreise,
2o6 Nachrichten.
die früher schwankte, neuerdings doch immermehr dahin, das Haus
zu erhalten und im Äufsern wie im Innern möglichst in seiner ur-
sprünglichen Gestalt zu erneuern. Es wird sogar daran gedacht, den
ehemaligen Laubengang, der sich einst an der Marktseite hinzog
und der im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts allmählich in die
unschönen „Bühnengewölbe" verwandelt wurde, wiederherzustellen.
Die Innenräume aber sollen eine Verwendung linden, wie man sie
sich wohl für dieses Haus, das den Mittelpunkt und das letzte nam-
hafte Baudenkmal des alten Leipzigs bildet, nicht schöner und zweck-
entsprechender denken kann: während das Erdgeschofs natürlich,
wie bisher, Kaufläden enthalten wird, soll das Hauptgeschofs die
ältere, stadtgeschichtliche Abteilung des Ratsarchivs aufnehmen,
die jetzt, sehr ungenügend, in den Souterrainräumen des städtischen
Museums untergebracht ist, und das Dachgeschofs, das freilich einer
durchgreifenden Erneuerung bedürfen wird, soll die nötigen Räurnlich-
keiten gewähren, um endlich auch in Leipzig ein stadtgeschicht-
liches Museum zu schaffen, als dessen Grundstock man die Samm-
lung zu gewinnen hofft, die der Verein für die Geschichte Leipzigs
seit Jahrzehnten zusammengebracht hat und die jetzt in dem alten
Johannishospital ebenfalls höchst ungenügend untergebracht ist.
Wustmann.
Die Revisionen der sächsischen Stadtarchive, die der Heraus-
geber dieser Zeitschrift im Auftrage der Direktion des Hauptstaats-
archivs bez. des Kgl. Ministeriums des Innern von Zeit zu Zeit vor-
nimmt, erstreckten sich im Sommer des Jahres 1903 auf die drei vogt-
ländischen Amtshauptmannschaften Plauen, Auerbach und Oelsnitz;
es wurden dabei zugleich im Einverständnis mit dem Evangelisch-
Lutherischen Landeskonsistorium und dem Kgl. Justizministerium
die Pfarrarchive in den Städten und in einigen Landgemeinden und
die Amtsgerichtsarchive besucht, in letzteren namentlich der Bestand
an älteren Gerichtshandels-, Lehn-, Consens- und anderen Büchern
festgestellt und die Überweisung einzelner dieser Bücher an das
Hauptstaatsarchiv eingeleitet. Im kommenden Sommer werden vor-
aussichtlich die Amtshauptmannschaften Zwickau, Schwarzenberg
und Annaberg besucht werden.
Zu Seifersbach bei Mittweida wurde im vorigen Jahre ein kleiner
Münzfund gemacht, bestehend aus 19 Talern und einem halben Taler
aus den Jahren 1537 — 1627. Darunter befindet sich ein bisher un-
bekannter Taler des Kurfürsten Johann Georg I. von 1623, der statt
des auf den guthaltigen Münzen dieses Fürsten als Zeichen des Münz-
meisters H. V. Rehmen gewöhnlich erscheinenden sitzenden Schwans
mit geschlossenen Flügeln am Ende der das Wappen der Rückseite
umgebenden Umschritt den auffliegenden, mit gehobenen Flügeln
dargestellten Schwan zeigt, wie ihn jener Münzmeister auf seinen
Kippermünzen führte; das Kgl. Münzkabinett zu Dresden besitzt der-
artige Taler von 1621 und 1622. Auch ein Buchholzer Gemein-
schaftstaler von 1546 und ein kursächsischer halber Taler von 1626
zeigen Abweichungen von den bisher vorliegenden Exemplaren.
Näheres im Münz- und Medaillenfreund No. 52 Sp. 411 f.
Am 16. Juni v.J. starb in Waldheim der Fabrikbesitzer Paul
Adolf Weifsker. Ein warmer Freund und gründlicher Kenner der
Geschichte seiner Vaterstadt, hat er in einer Zeit, in der die Schätze
unserer Ratsarchive zentnerweise in die Papiermühlen wanderten,
durch Sichtung der für das gleiche Los bestimmten städtischen Akten
Nachrichten.
207
und Ankauf aller irgendwie geschichtlich interessanten Papiere eine
Reihe unersetzlicher Quellen zur Geschichte Waldheinis vor dem
Unteroange bewahrt. Kr vermehrte diese Sammlung durcli den Er-
werb zahlreicher anderer Manuskripte und von Büchern, Bildern,
Plänen, Druckschriften und Altertümern aller Art, die irgendwie auf
Waldheim Bezug hatten. Erfreulicherweise hat die Stadt Waldheim
die Sammlungen Weifskers erworben und mit ihrer Ordnung und
Verwaltung einen langjälirigen Mitarbeiter des Verstorbenen, Ober-
lehrer Eulitz, dem wir bereits eine Reihe fleifsiger Arbeiten zur
Geschichte Waldheims verdanken, unter gleichzeitiger Ernennung
zum städtischen Archivar beauftragt. Die Archivalien werden nun-
mehr wieder mit dem Stadtarchiv vereinigt werden; die Bücher,
Abbildungen und sonstigen Altertümer sollen den Grundstock einer
Stadtbibliothek und eines Museums bilden.
Am 7. September v. J. starb plötzlich auf einem Spaziergange
in der Nähe von Bobenneukirchen Prof. Dr. Eduard Joiiusou in
Plauen. Geboren 1840 zu Freiberg i. Sa., wirkte er von 1864 — 1895
an den Gymnasien zu Plauen und Chemnitz; seitdem war er
Chefredakteur des Vogtländischen Anzeigers und Tageblatts, an
dessen Leitung er schon früher beteiligt war. Neben philologischen
und philosophischen Arbeiten beschättigte sich Johnson eingehend
mit der Geschichte des Vogtlandes. Die Früchte dieser Studien sind
zumeist unter dem Titel „Vogtländische Altertümer" (1 — CLIII) in
der genannten Zeitung erschienen; es betindet sich darunter mancher
beachtenswerte Aufsatz, so dafs der Wiederabdruck einer Auswahl
sich wohl empfehlen würde.
Am 19. Dezember 1903 starb in Schneeberg der Seminarober-
lehrer a. D. Dr. Johanu August Ernst Köhler. Geboren zu Bautzen
am 5. August 1829, wirkte er 1853 — 1858 an der dortigen Bürger-
schule, 1858 — 1873 an der Realschule zu Reichenbach i. V., 1873 — 1897
am Lehrerseminar zu Schneeberg. In Schneeberg gründete er im
Jahre 1878 den Erzgebirgsverein, an dessen Spitze er bis zu seinem
Lebensende, zuletzt als Ehrenvorsitzender, stand. Köhler hat sowohl
auf naturwissenschaftlichem Gebiete als auf dem der Volkskunde,
Landes- und Ortsgeschichte eine vielseitige literarische Tätigkeit
entfaltet, deren Früchte sowohl der Oberlausitz und dem Vogtlande als
namentlich dem Erzgebirge zugute kamen. Wir nennen nur seine von
der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften preisgekrönte
Geschichte der Oberlausitz von den ältesten Zeiten bis zum Jahre
1815 (Görlitz 1865!, sein Werk ,, Volksbrauch, Aberglaube, Sagen und
andere alte Überlieferungen im Vogtlande" (Leipzig 1867), sein Sagen-
buch des Erzgebirges (Schneeberg und Schwarzenberg 1886). Zahl-
reiche kleinere Aufsätze enthält namentlich die Zeitschrift des Erz-
gebirgsvereins Glückauf! Ein mit Liebe gezeichnetes Lebensbild
des Entschlafenen hat Hermann Möckel in der Festschrift zur Feier
des 25 jährigen Bestehens des Erzgebirg.svereins (1903) gegeben.
Am 23. Dezember 1903 starb zu Klotzsche bei Dresden der Ge
heime Hofrat Professor Dr. Sophus Rüge, der als einer der gründ-
lichsten Kenner der Geschichte der Erdkunde und des Kartenwesens
in weiten Kreisen bekannt ist. Er war am 26. März 1831 zu Dorum
im Lande Wursten geboren und wirkte seit 1859 in Dresden, zuerst
als Lehrer an verschiedenen Schulen, seit 1874 als ordentlicher Pro-
fessor für Geographie und Ethnologie am Polytechnikum, der späteren
Technischen Hochschule. Als Gründer und langjähriger Leiter des
2o8 Nachrichten.
Dresdner Vereins für Erdkunde hat Rüge aut das geistige Leben
Dresdens einen nicht unbedeutenden Eintiufs geübt. Der Geschichte
Sachsens galt freihch nur ein verhältnismäfsig kleiner Teil von Ruges
literarischer Tätigkeit; immerhin verdanken wir ihm einzelne wichtige
Arbeiten, wie seine Aufsätze über die Geschichte der sächsischen
Kartographie (in der Zeitschrift für wissenschaftl. Geographie 1887)
und die von der Direktion des Hauptstaatsarchivs herausgegebene
grofse Publikation über die von Matthias Öder in den Jahren 1586
bis 1607 unternommene erste Landesvermessung Sachsens (Dresden
1889). Zahlreiche kleinere Aufsätze zur sächsischen Landes- und
Ortskunde, zur Geschichte der Topographie und Kartographie ent-
halten u. a. das Organ des unter Ruges lebhafter Mitwirkung 1877
gestifteten und von ihm bis 1885 geleiteten Gebirgsvereins für die
Sächsische Schweiz „Über Berg und Tal" und die Jahrbücher des-
selben Vereins sowie des Erzgebirgs-Zweigvereins Chemnitz. Auch
unsere Zeitschrift hat an ihm einen Mitarbeiter verloren (vgl. Bd. 111:
Bernhard von Miltitz, kein Weltumsegier). Vgl. die Nachrufe von
Prof. Dr. Gravelius im Dresdner Anzeiger 1903 Nr. 355 und von
Dr. Viktor Hantzsch in der Geographischen Zeitschrift X S. 65 ff.
Die Sächsische Verlags- Anstalt (Dresden- A., Karcher-Allee 17)
beabsichtigt, ein Werk unter dem Titel „Aus dem Sachsenlande'*
zu veröffentlichen , das „die Volks- und Landeskunde Sachsens im
kulturgeschichtlichen Sinne, d. h. neben der eigentlichen Geschichte
des Landes Politik, Topographie, Staatskunde, Volkswirtschaft, Land-
wirtschaft, Handel und Industrie, Verkehrswesen, Trachtenkunde,
Militärwesen, Kunst und Literatur Sachsens in Vergangenheit und
Gegenwart" in Einzelaufsätzen hervorragender sächsischer Schrift-
steller behandeln soll, und fordert zur Mitarbeiterschaft auf.
Von dem neubegründeten Archiv für Reformationsgeschichte,
Texte und Untersuchungen, das der Vorstand des Kgl. Preufsischen
Staatsarchivs in Stettin Prof. Dr. W. Friedensburg in Verbindung mit
dem Verein für Reformationsgeschichte herausgibt, liegen die beiden
ersten Hefte des erstenjahrgangs vor (Berlin, C A.Schwetschke&Sohn,
1903). Bei der regen Tätigkeit, die gegenwärtig auf dem Gebiete
der Reformationsgeschichte herrscht, und bei der grofsen Menge un-
erschlossenen Materials, das noch immer in Archiven und Bibliotheken
der Bearbeitung harrt, ist ein solches Organ, das einerseits abge-
schlossene Untersuchungen enthält, andererseits aber noch Quellen-
material veröffentlichen soll, ohne Frage ein Bedürfnis. Es wird
auch für die sächsische Geschichte, die ja mit der Reformations-
geschichte in so inniger Verbindung steht, manchen Beitrag bringen
und war deshalb an dieser Stelle zu erwähnen. Der Inhalt der vor-
liegenden Hefte berührt sich freilich, abgesehen von einem Aufsatze
von G. Mentz „Zur Geschichte der Packschen Händel", nur sehr ober-
flächlich mit der Geschichte Sachsens. Das „Archiv für Reformations-
geschichte" wird in zwanglosen Heften von verschiedener Stärke er-
scheinen. Der Preis für den Jahrgang von etwa 20 — 25 Druckbogen
wird sich für die Subskribenten auf ungefähr 10 Mark stellen; Einzel-
hefte werden zu erhöhten Preisen abgegeben.
Berichtigung zu Bd. 24 S. 342 Z. 4.
Otto von Dieskau war nicht Vize-Oberhofmeister, sondern Vize-
Oberhofrichter.
VII.
Studien über die wettinisehe Kanzlei und
ihre ältesten Register im XIV. Jahrhundert.
Zweiter TeiP).
Von
WOLDEMAR LiPPERT.
I. Wissenschaftliche Ausbildung des Kanzlei-
personals. Konrad von Wallhausen in Bologna.
Über die wissenschaftHche Ausbildung des Kanzleipersonals
mangelt es meist an Zeugnissen. Bei Personen, die den Ma-
gister- oder Doktortitel tragen, erlaubt schon der Titel den
Schlufs auf Universitätsstudium ; dieser Fall liegt vor beiMeister
Dyther von Widera (s. im folgenden), der magister in ar-
tibus war. Doch nicht alle, die sich an einer Hochschule
immatrikulieren liefsen, gaben ihren Studien durch Bestehung
sämtlicher Examina und Erlangung der ganzen Stufenleiter
akademischer Würden den vollkommenen Abschlufs. Manche
hielten sich wahrscheinlich auch damals schon nur Studierens
halber in der Musenstadt auf, manche brachten es zwar zum
Baccalaureus oder auch bis zum Lizentiaten, ohne indessen
■die summos honores, das Magisterium der Artistenfakultät oder
das Doktorat einer der andern Fakultäten, zu erlangen. Dies
gilt auch für den einen der Männer, die im ersten Teil dieses
Aufsatzes besprochen sind, für Konrad von Kirchberg bez.
von Wallhausen. Über seine akademischen Jahre haben wir
verhältnismäfsig eingehende Notizen.
1) Fortsetzung und Schlufs zu XXIV, i ff.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. J. 4. 14
2IO W. Lippert:
Noch im Jahre 1344 treffen wir ihn im Kanzleidienst und
zwar in der nur vereinzelt auftretenden, in ihren Dienstfunktionen
nicht aufgeklärten Tätigkeit eines Landschreibers; als Kanzlei-
vorstand erscheint er erst im August 1348. Da nun sein Vor-
gänger Konrad Pruz.e^) bis zum 9. Mai 1347, soweit die
Urkunden es erkennen lassen, als Protonotar auftritt, blieb es
unsicher, ob Konrad von Wallhausen 1347 oder 1348 das
') Über Konrad Pruze vgl. besonders Gustav Schmidt, Päbst-
liche Urkunden und Regesten aus den Jahren 1295 — 1352 (Geschichts-
quellen der Provinz Sachsen XXI, Halle 1886) S. 348, 350 Nr. 64, 67,
68 und S. 427 Nr. 272, 273, 274 vom 19. und 21. November und i. De-
zember 1344, woraus ersichtlich ist, dafs Konrad bereits seit dem
Jahre 1334 die Pfarre in Burgwerben innehatte, ohne die Priester-
weihe erlangt zu haben, angeblich weil er von dem intrudierten vmd
exkommunizierten Bischof Albrecht von Halberstadt die Weihen
nicht empfangen konnte. Clemens VI. willfahrte seinem Wunsche
und verlieh ihm die Kirche von neuem, obwohl er auch schon Ka-
nonikate am S. Severistift zu Erfurt, zu Eisenach und Naumburg
besafs und wegen einer Pfründe am S. Severistift prozessierte, und
providierte ihn zugleich auch mit einem Kanonikat zu Merseburg
und seinen Bruder Johann Pruze mit einem Kanonikat in Zeitz.
Wir gehen nicht fehl, wenn wir in diesem reichlichen Gnadenregen>
der auf Konrad und seinen Bruder aus Avignon herniederträufelte,
nicht blofse Finanz- oder Administrativmafsregeln, wie sie die päpst-
lichen Register zu Tausenden enthalten, erblicken, sondern einen
wohlberechneten politischen Schachzug, um den einflufsreichen Rat
und Kanzleivorstand Friedrichs des Ernsten der päpstlichen Sache
und ihren Tendenzen in Deutschland geneigt zu machen, während
bisher der Wettiner zu den Anhängern seines kaiserlichen Schwieger-
vaters Ludwig gehört hatte. In der Tat schien das Bestreben nicht
aussichtslos zu sein, da gerade im Herbste 1344 sich — wenn auch
nur vorübergehend — - eine gewisse Abschwenkung der wettinischen
Politik nach der luxemburgischen Seite hin zeigt. Der politische
Beweggrund tritt noch deutlicher hervor bei dem nächsten päpst-
lichen Gunstbeweis: am 25. April 1346 providierte Clemens VI. ihn,
obwohl er bereits die Burgwerbener Pfarre und die obenerwähnten
Pfründen besäfse, mit dem Amt des Domscholastikus zu Magdeburg
und zwar auf Bitten des Königs Johann von Böhmen fa. a. 0. S. 361
Nr. 94). Wenn wir bedenken, dafs gerade damals König Johann in
Person in Avignon die entscheidenden Mafsregeln traf, um mit der
Kurie als Hauptaktion gegen Kaiser Ludwig die Wahl seines Sohnes
Karl zum Gegenkönig einzuleiten, so wird diese luxemburgisch -
avignonesische Gefälligkeit gegen den wettinischen Protonotar sehr
durchsichtig. Da mit dem Markgrafen Friedrich selbst nichts an-
zufangen war, versuchte man abermals, einen seiner einflufsreichsten
Ratgeber zu gewinnen, der im Vorjahre (Anfang 1345) selbst als Ge-
sandter seines Markgrafen dem Luxemburger persönlich näher ge-
treten war. Auch für die weitere Lebenszeit Konrad Pruzes ergeben
die päpstlichen Register noch mancherlei Aufschlüsse, vgl. P. Kehr
und G. Schmidt, Päpstliche Urkunden vmd Regesten aus den Jahren
1353 — 1378 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen Bd. XXII, 1889)
S. 35) 53, 80, 280 Nr. 121 (1356), 184 (1357)) 273 (1358), 1023 (1372)-
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 2 1 1
Protonotariat übernommen habe. Einige Stellen der Matrikel
der deutschen Studenten an der Universität Bologna^), die
oben beiseite gelassen worden waren, geben uns nun genaueren
Aufschluls über Konrads Leben in den Zwischenjahren. Im
Jahre 1345 wurde Konrad von Kirchberg in der Reihe der
deutschen Studenten aufgezeichnet (Acta nationis S. 1 1 1): „Item
a domino Chiinrado de Chirichperch canonico ecclesie
Missinensis Moguntine dyocesis XXXII solidos". DieseSumme
zeipft ihn als o-utsituierten Mann, denn die meisten in die Na-
tion Eintretenden zahlten als Aufnahmegebühr geringere Be-
träge, z. B. unter den gleichzeitig eingeschriebenen ein Würz-
burger IG Solidi und ein Erfurter 12 Solidi, ein von der Tann
10 SoUdi, ein Egloffstein, Bamberger Domherr, 20 Solidi'-);
Konrads 32 Solidi nehmen sich daher als ansehnliche Spende
aus. Seine Aufnahme erfolgte im Herbste 1345; denn die
Nationsprokuratoren, die seine Aufnahme nebst Zahlung ein-
trugen, traten ihr Amt am 22. September 1345 an und be-
kleideten es bis zum 6. Januar 1346, und da Konrad als sechs-
ter unter sechzehn Eintretenden gebucht ist, fällt dessen In-
skription in den Anfang dieser Prokuraturperiode, d. h. in den
September oder Oktober 1345.
Über zwei Jahre weilte Konrad in Bologna, da berief ihn
das Vertrauen seiner Kommilitonen am 6. Januar 1348 selbst
zur Stelle eines der zwei Prokuratoren (Acta S. 116): ,,Anno
nativitatis eiusdem MCCCXLVIII, in die epyphanie, convocata
nacione dominorum Theutonicorum in ecclesia Sancti Fridiani,
in qua consuevit dicta nacio convocari ad novos procuratores
procreandos, . . . electores cum procuratoribus antiquis auctoritate
eis tradita a nacione predicta unanimiter elegerunt nos, vide-
licet Jacobum rectorem ecclesie in Wizzinkirchen Seckoviensis
diocesis etConradum de Kirchberg canonicum ecclesie
Misnensis et plebanum in Walhusen Moguntinensis dio-
cesis, in procuratores et negociorum gestores nacionis predicte
secundum formam statutorum eiusdem, et nos iam dicti procu-
ratores recognoscimus et fatemur dicte nacionis nomine in-
frascriptam pecuniam recepisse et, prout notatum est inferius,
1) Vgl. E. Friedländer et C. Malagola, Acta nationis Ger-
manicaeuniversitatis Bononiensis (Berolini 1887), und dazu G.C. Knod,
Deutsche Studenten in Bologna 1289 — 1562, Biographischer Index zu
den Acta nat. Germ. univ. Bon. (Berlin 1899).
2) Auch der Bautzner Kapitular, spätere Meifsner Domherr und
Archidiakon der Lausitz, Dr. decret. Nikolaus Eberhardi (Nycolaus
Eberhardi de Bodesin de Missna), gab 1340 bei seiner Inskription
nur 20 Solidi, Acta S. 102.
14*
212 W. Lippert:
expendisse. Et primo recepimus ..." Es folgen nun die
einzelnen Einnahmeposten unter ihrer Prokuratur, dann die
Ausgaben: ,,Hec sunt distributa per nos Jacobum plebanum
in Wizzinkirchen et Conradum de Kirchberg canonicum ecclesie
Misnensis". Unter diesen Geschäftsnotizen sind nun einige,
scheinbar recht unbedeutende Dinge betreffende Auslagen sach-
lich interessant, wenn wir die sonstigen Umstände berück-
sichtigen. Wir lesen da: ,,Pro cista, sera et ferramentis eidem
circumdatis VII libras et XII sol. cum precio portitorum. —
Item portitori de scrinio, in quo pecunia, sigillum et instru-
menta nacionis reservantur i sol. — Item pro pergameno äd
nova statuta conscribenda XII solidos". Die letzte Ausgabe
bezieht sich auf die Redaktion der Statuten, die schon vor
Konrads Amtszeit fällt; beachtenswert ist dagegen die An-
schaffung einer mit Schlofs und Eisenbeschlägen wohlverwahr-
ten Truhe, die zur Avifbewahrung der gemeinsamen Kasse,
des Siegels und der Urkunden der Nation diente. Wir haben
darin die Archivlade der Nation vor uns und erkennen in dieser
praktischen Anschaffung das fürsorgliche W^alten des ehemaligen
Kanzleibeamten, der aus seiner dienstlichen Tätigkeit den Wert
gebührender Obhut und geordneter Aufbewahrung der Ur-
kunden und des auch der Kanzlei anvertrauten Siegelstempels
kennen und würdigen gelernt hatte. Die Rechnungsposten
liefern uns also einen nicht unwichtio;en Beitrag: zum Charakter-
bilde Konrads; wir erkennen selbst hier, wo er nur vorüber-
g;ehend auch mit als Hüter des schriftlichen Gemeinbesitzes
seiner Körperschaft waltete, als einen Zug seines Wesens den
Sinn für Ordnung und Erhaltung des handschriftlichen Materials,
der auch die zweite Periode seiner wettinischen Kanzleitätig-
keit, die Zeit seines selbständigen Protonotariats, auszeichnete.
Nur wenige Monate bekleidete er die Prokuratorwürde,
denn bereits am lo. April 1348 fand mit gebührlichem Wein-
trunk seine Schlufsberechnung und Amtsniederlegung statt
(Acta S. 116): ,,Item feria quinta ante dominicam palmarum
pro vino et electuario propter computacionem et resignacionem
mei Conradi supradicti XVI sol." Nur noch einmal begegnet
dann sein Name, in der Rechnung seines Ersatzmannes: ,,Item
dominus Johannes de Ponte substitutus prefati domini Chunradi
et ego Jacobus predictus ..."
Im Frühjahr 1348 machte sich Konrad also auf den Heim-
weg^), wohl nicht nach seinem eigenen Belieben, da er vor
^) 22 Jahre später kehrte er nochmals nach Italien zurück und
zwar als Gesandter des Bischofs Ludwig von Bamberg, des Bruders
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 213
Ablauf der üblichen Zeit seine Prokuratur aufgab, sondern
wahrscheinlich infolge der ihm zugegangenen Aufforderung
seines Fürsten, der ihn wieder in seinem Dienste und zwar an
leitender Stelle zu verwenden gedachte. Alsbald nach Kon-
rads Rückkehr übertrug Friedrich ihm die Vorstandschaft der
Kanzlei. Das Datum der Amtsübernahme ist nicht überhefert,
doch mufs dieselbe vor dem 24. August erfolgt sein, da er
an diesem Tage schon als Protonotar urkundlich auftritt. Aus
diesem Dienstantritt im Sommer 1348 ergibt sich nun aber
der weitere Schlufs, dafs die systematischen Zusammenstellungen
im Rechnungsbuche (Kopial 5), das Städtebedeverzeichnis, die
Listen der Edeln und Ministerialen der wettinischen Lande,
bei denen innere Gründe für die Abfassung um 1347 sprechen,
und andere Aufzeichnungen dieser Art^) entweder nicht von
ihm selbst geschrieben sein können, oder, falls er sie selbst
eintrug, frühestens 1348 auf Grund von Notizen des Jahres
1347 gebucht sind. Zu den sonstigen Lebensdaten Konrads
von Wallhausen seien hier noch einige Ergänzmigen gefügt.
Über die Zeit seiner Erhebung zum Propst von Grofsenhain
mangeln bestimmtere Angaben meifsnischer Quellen; am 9. Sep-
tember 1357 tritt er als ,,prepositus Haynensis" auf'-). Seine
Wahl zum Propst von Zscheila oder Hain^) durch das Zschei-
laer Kapitel erfolgte aber schon in der ersten Hälfte des Jahres
1356, denn bereits am 12. Juli 1356 bestätigte Papst Inno-
cenz VL dem Konrad von Wallhausen die Propstei Grofsen-
hain mit 50 Goldgulden Einkünften, obwohl er bereits ein
Kanonikat mit gröfserer Präbende in Meifsen, ein Kanonikat
in Merseburg, die Pfarre in Wallhausen und eine Vikarie in
der Kapelle des Schlosses Wartburg besitze; doch solle er die
Pfarre aufgeben*). Am gleichen Tage bestätigte ihm der
seiner wettinischen Landesherrn, wie Urbans V. Schreiben, Rom
S.Januar 1370, zeigt, s. P. Kehr und G. Schmidt, Päbstliche Ur-
kunden und Regesten S. 237 Nr. 865.
') S. in dieser Zeitschrift XXIV, ii, 23.
-) S. in dieser Ztschr. XXIV, 17 Aiim. 51; vgl. auch H. Knothe,
Die Pröpste des KoUegiatstifts S. Petri zu Bautzen 1221 — 1562, in
dieser Ztschr. XI, 28, 29.
*) Vgl. über dieses Kollegiatstift K. v. K auffangen in den Mitt.
d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Meifsen VI, 189.
*) Vgl. Kehr und Schmidt, Fäbstuche Urkunden und Regesten
aus den Jahren 1353 — 1378 S. 35, 36 Nr. 122. Von der Urkunde über
die Vikarie in der Schlofskapelle der Wartburg, die ich in dieser
Ztschr. XXIV, 37 nach dem Originalreo;ister (^Kop. 25) mitgeteilt habe,
hat Funkhänel ein Stück gedruckt in der Ztschr. d. V. f. Thür. Gesch.
VII (1870), 347 nach den späteren Abschriften in Kop. 27 fol. 7 b und
29 fol. 107 b.
214 W. Lippert:
Papst die ihm vom Meifsner Kapitel übertragene, durch den
Tod des Gregorius Grofse von Dresden erledigte Präbende
in Meifsen'), und am 29. April 1357 providierte er ihn mit
einem Kanonikat und einer gröfseren Präbende zu Naumburg -j.
Aus der ersten dieser päpsthchen Urkunden erfahren wir also
zugleich den wahrscheinhchen Endtermin seines Besitzes der
Pfarrkirche zu Wallhausen, nämlich den Sommer 1356. Dafs
er aufser der Vikarie des S. Georgen- und Elisabethaltars in
der Wartburgkapelle auch noch eine andere Pfründe in Ei-
senach, die Vikarie S. Stephani im Kloster S.Nicolai, besafs,
zeigt uns die SuppHk des Bischofs Ludwig von Halberstadt
für Ludwig Junge, welcher letztere diese durch Resignation
Konrads von Wallhausen ahas von Kirchberg erledigte Vikarie
erhalten sollte-^). Konrad war also durch die Gnade seiner
Landesherren, die GefälUgkeit der Dom- und KoUegiatstifter
und das Entgegenkommen der päpstlichen Kurie reich mit
Pfründen gesegnet: in Wallhausen, Meifsen, Merseburg, Naum-
burg, Zscheila (Grofsenhain), Bautzen, Eisenach und auf der
Wartburg bezieht er als Pfarrer, Propst, Domherr, Vikarius
Einkünfte*).
An dieser Pfründenjagd, die einem so hervorragenden
Manne wie Konrad von Wallhausen, der später sogar die höchste
geistliche Würde der Mark Meifsen, den Bischofsstuhl, erlangte,
oder Konrad Pruze so reiche Ergebnisse lieferte, beteihgten
sich, wenn auch in geringerem Umfange, ihre minder bedeuten-
den Kanzleikollegen und Untergebenen. Berthold Wilde, Niko-
laus von Altenburg und Johann von Eckartsberga, die in den
fünfziger bez. sechziger Jahren als markgräfliche Schreiber auf-
1) Kehr und Schmidt S. 36 Nr. 123.
2) Kehr und Schmidt S. 52 Nr. 180
*) Vgl. die am 31. August 1357 zu Avignon vorgetragene Supplik
bei Kehr und Schmidt S. 60 Anm. unter h.
^) Aufser diesen Ergänzungen zu Konrads Lebensgeschichte,
die den päpstlichen Registern entstammen, sei noch eine Notiz aus
Kop. 5 fol. loib (unter den Anweisungen auf Meifsen) beigefügt:
„Item dominus assignavit domino Theoderico decano et dorcdno
Conrado de Walhusen XVI sexagenas XXXVI grosses occasione
antiquorum debitorum de precaria Mj-snensi in festo Michaelis proximo
capiendas. Datum feria tercia post Letare anno LVIIL' (^13- März
1358I. Auch über Titzmann von Limbach Uefert Kop. 5 eine nicht
unwichtige Notiz, durch welche festgestellt wird, dafs sein Aus-
scheiden aus der Kanzleileitung nicht durch seinen Tod veranlalst
war; er lebte noch im Jahre 13^56, vgl. fol. 11 ib (unter den Anwei-
sungenauf Altenburg): ,,Jtem dominus'assignavit domino Th(eoderico)
de Limpach XX sexagenas in civitate Aldinburg Walpurgis proxime
capiendas. Datum ibidem Valentini anno LVI" (= 14. Februar 1356).
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 215
treten*), besafsen gleichfalls die üblichen Pfründen an den drei
Bischofssitzen der wettinischen Lande und anderen Orten.
2. Berthold Wilde von Rothenburg.
Zum Jahre 1354 erwähnt Posse nach Tentzels Historia
Gothana einen Berthold von Luchtenburg, Pleban der Kirche
Unser Lieben Frauen zu Gotha, als Notar und wirft die un-
beantwortet bleibende Frage auf, ob er mit dem in Kopial 25
fol. 65 zum Jahre 1353 genannten Schreiber Bertold von
Rotenburg identisch sei. Die Frage wird noch verwickelter
dadurch, dafs um dieselbe Zeit mehrfach ein markgräflicher
Notar Bertold Wilde erscheint. Am 31. Dezember 1353 und
desgl. am i. Januar 1354 tritt unter den Getreuen und Heim-
lichen in Markgraf Friedrichs Urkunde für das Meifsner Dom-
kapitel über das Dorf Gröbern als Zeuge mit auf ,,Bertoldus
Wilde schriber"-). Die Urkunde vom 31. Dezember 1353 ist
im Original (im ehemaligen Stiftsarchiv Meifsen, jetzt als De-
positum Capituli Misnensis im Dresdner Hauptstaatsarchiv) er-
halten, und darin treten als Zeugen auf: „die strengen Fride-
rich von Wangeheim marschalk, Kristan von Witzceleiben
hoverichter, Heinrich von Kothewicz, rittere, Bertoldus Wilde
schriber, unsere heimlichere". Die Urkunde ist aber wört-
lich übereinstimmend auch gebucht im Kopial 25 fol. 65, und
hier lautet die Zeugenreihe: ,,die gestrengen Fridrich von
Wangheim marschalk, Kristan von Witzceleiben hoverichter,
Heinrich von Kothewicz ritter, Bertold von Rotenburg
schriber, unsere heimlicher".
Wir haben also den auch sonst zu beobachtenden Fall,
dafs Original und Registereintrag sich nicht völlig decken^).
') Vgl. über sie im folgenden; über den Kammerschreiber Ludwig
Junge s. im folgenden S. 226.
-) Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen I, 389 und
410 Nr. 467 und 475. Gersdorf stellt Nr. 467 fälschlich zum 31. De-
zember 1352; dafs es der 31. Dezember des Jahres 1353 ist, habe ich
in den Mitt. d. Ost. Instituts XXIV, 307. 308 nachgewiesen.
") Vgl. z. B. eine ähnliche Differenz betreffs des Johann von
Neumarkt, der nicht erst am 24. Dezember 1347 (s. Posse S. 180 und
234) als Notar auftritt, sondern schon am 1. Mai 1346 (s. Ermisch,
Urkundenbuch von Freiberg II, 10 Nr. 876, wo in der Originalaus-
fertigung nur gesagt ist „presentibus . . . Nicoiao et Johanne notariis
nostris", in Kop. 25 fol. iib dagegen die vollen Namen „Nycolao de
Giten et Johanne de Novoforo notariis" genannt sind. In Kop. 25
fol. II finden wir Johann übrigens schon am 25. März 1346 [sabbato
ante Letare] als Jsotar: „presentibus Johanne de Novoforo notario").
2i6 W. Lippert:
Bertold Wilde und Bertold von Rotenburg sind ein und die-
selbe Person, der volle Name ist Berthold Wilde von Rothen-
burg. Auf ihn beziehen sich also auch alle die Stellen, wo
ein Bertoldus notarius schlechthin genannt ist, wie vielfach in
den Rechnungen des Kopiais 5, z. B. fol. 8 a, 8 b, 9, 13 b zu
den Jahren 1353, 1354. Doch auch der dritte Berthold, der
angebliche Pfarrer zu Gotha, ist wahrscheinlich damit iden-
tisch. Zunächst ist zu bemerken, dafs er nicht Pleban der
Gothaer Marienkirche war, denn die von Tentzel in seinem
Supplementum secundum zu des Caspar Sagittarius Historia
Gothana S. 140 f. gegebene Urkunde vom 2. Oktober 1354
ist von dem Pfarrer selbst ausgestellt, der aber Nicolaus Tram
hiefs^); er gibt seine Zustimmung zur Übertragung des Kolla-
turrechts über einen Altar in der Marienkirche seitens des Mark-
grafen Friedrich und seiner Grofsmutter Elisabeth an den Kan-
tor Lutolf, und lediglich als Zeuge ist dabei Berthold mitge-
nannt: ,,presentibus ... et Bertoldo de Luchtenberg, notario
domini mei marchionis ..." Dadurch ist also die eine Schwie-
rigkeit beseitigt, und da der Notar Berthold von Luchtenberg
bisher nur an dieser einen Stelle bekannt geworden ist, so
verdankt er seine Existenz wohl nur einem Versehen Tentzels
selbst oder seiner Vorlage; Tentzel entnahm diese Urkunde
nicht dem Original, sondern einem Chartarium Capituli Go-
thani, so dafs wahrscheinlich statt Luchtenberg auch Roten-
burg zu lesen ist. Die drei gleichzeitigen Notare Namens
Berthold stellen dann nur eine einzigre Person dar.
Als sich durch den Tod Günthers von Kottwitz aufser
dem Archidiakonat der Lausitz, das Konrad von Wallhausen
erhielt"), auch dessen andere Würden und Bezüge erledigten,
erlangte Berthold Wilde auf sein Ansuchen am 4. September
1358 von Innocenz VL die Bestätigung der gröfseren Präbende
zu Meifsen, obwohl er bereits Kanonikate zu Gotha und Ei-
senach und die Kapelle zu Rastenberg (Sachsen-Weimar, nörd-
lich von Buttstädt) besafs^). Eine Folge seiner persönlichen
^) A. a. O. ,,Ego Nicolaus dictus Tram, plebanus ecclesie sancte
Marie in Gotha"; vgl. auch Tentzel, Suppl. II, 148 „dominus Nicolaus
dictus Tram plebanus predicte ecclesie sancte Marie in Gotha", vom
Jahre 1356.
-) Vgl. in dieser Ztschr. XXIV, 17, 22 und dazu noch Kehr und
Schmidt, Päbstliche Urkunden und Regesten S. 81 Nr. 276.
^) Kehr und Schmidt a. a. O. Nr. 278. In dieser Stellung
als Meifsner Domherr begegnet er uns auch in Meifsner Urkunden,
so z. B. Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 22
Nr. 513 vom 31. Oktober 1359: ... Heinrico de Kothewicz can-
ceUario . . ., Bertoldo dicto Wüden canonico ecclesie Misnensis et
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 217
Beziehungen zum Markgrafen war es auch, dafs er am 11. Januar
1364 auf seine Lebenszeit für die zu seiner Meifsner Dom-
herrnpfründe gehörigen Güter Befreiung von Bede und Abgaben
erhielt 1).
3. Nikolaus von Altenburg.
Berthold Wilde ist nicht zur Stellung eines Kanzleivor-
standes emporgestiegen, denn diese Würde bekleidete 1353 bis
1364 der Protonotar oder Kanzler Heinrich von Kottwitz,
und diesem folgte der gleichfalls schon seit langen Jahren")
in der Kanzlei tätige Notar Nikolaus, der als Pfründe die Pfarre
zu Oelsnitz besafs. Der sonstige Name des Mannes scheint
bisher nicht bekannt geworden zu sein; wir erfahren ihn aus
einer Urkunde Friedrichs, Balthasars und Wilhelms vom 24. Sep-
tember 1354, wodurch die Markgrafen ,,dem bescheiden Ny-
colao Schindemans von Aldinburg, unserm lieben
schribere, durch sinen annemen unde getruwen dinst den
er uns flizeglichen in unserm ho ve getan hat lange zeit unde
furbaz ewigUchen tun sal, unser bergschriberampt zcu Friberg
über alle unser gebirge" mit allen Rechten, Einkünften und
Zubehör auf Lebenszeit zu rechtem Lehen verleihen und ihn
als unabsetzbar erklären. Falls er wegen Krankheit dem Amte
nicht mehr vorstehen wolle, solle er mit Wissen der Mark-
grafen und ihrer heimlichen Räte einen redlichen Gesellen als
Vertreter nehmen'^). Dafs der Oelsnitzer Pfarrer Nikolaus mit
diesem Nikolaus Schindemans von Altenburg identisch ist,
zeigt I. die ausdrückliche Bezeichnung als ,, unser schriber",
2. die Hervorhebung der ,,in unserm Hofe" geleisteten Dienste,
ein Ausdruck, der für ein Mitglied der Kanzlei sehr gut pafst,
Nycolao plebano in Olsnicz, notariis nostris fidelibus dilectis; ferner
ebenda II, 49, 59 Nr. 537, 549 von 1361, 1364; später ward er Dom-
kustos, a.a.O. II, 115 Nr. 606 von 1371, II, 215 Nr. 689 von 1384
(zugleich Kapitelssenior).
1) Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 59
Nr. 549.
-) Er begegnet häufig in Zeugenlisten von Urkunden sowie in
den Anweisungen des Rechnungsbuches Kop. 5 (so z. B. fol. 35 b,
36b dreimal, 37, 112, 146); am 12. Juli 1364 wurde er nebst dem Mar-
schall Dietrich von Honsberg, dem Meifsner Dekan Dietrich von
Goch und dessen Neffen mit dem halben von Erkenbert von Boer
erkauften Dorfe Heczilstorf belehnt, Kop. 25 fol. 129b. Nikolaus'
Eltern Johannes und Gertrud sind bei der Stiftung seines Jahr-
gedächtnisses im Meifsner Dom erwähnt: Gersdorf, Urkundenbuch
des Hochstifts Meifsen II, 195 Nr. 670, 28. Mai 1381.
^) Ermisch, Urkundenbuch von Freiberg II, 11 f. Nr. 881.
2i8 W. Lippert:
die ja (abgesehen von kurzen, ohne gröfseres Gefolge unter-
nommenen Reisen der Fürsten) aus geschäftlichen Gründen
immer am Hoflager zu weilen genötigt ist'), 3. die Bezeichnung
„von Altenburg", die Nikolaus auch in andern Zeugnissen bei-
gelegt wird; der Familienname Schindemans dagegen ist an-
scheinend allein in dieser Bergschreiberbestallung erhalten.
Da Nikolaus später nicht mehr in dieser Stellung auftritt, ist
anzunehmen, dafs er das Amt niedergelegt und auch keinen
Gebrauch von der Ermächtigung gemacht hat, nominaler In-
haber und Nutzniefser zu bleiben und die dienstUchen Arbeiten
durch einen Gehilfen verrichten zu lassen''^).
In heimischen Urkunden erscheint Nikolaus am 11. No-
vember 1364 zuerst als Protonotar^), so dafs sein Antritt, da
Heinrich von Köttwitz am 14. August 1364 zum letzten Male
als Kanzler erwähnt wird'*), im Herbst oder Wintersanfang
1364 erfolgt zu sein scheint. Nicht zu vereinigen ist damit
allerdings, dafs in der Supplik des Markgrafen Friedrich, die
am 18. Februar 1364 zu Avignon beifällige Entscheidung fand
(s. im folgenden), Nikolaus bereits als Protonotar betitelt ist.
Sind beide Daten betreffs des Heinrich von Köttwitz und des
Nikolaus richtig, so bleibt nur die Lösung, dafs Köttwitz ent-
weder noch einige Zeit den Kanzlertitel forttrug, während
') Die Worte „in unserm hove" sind keineswegs als blofses,
belangloses Formelstück aufzufassen, wie sich deutlich daraus er-
gibt, dafs in der Bestallung für Nikolaus' Nachfolger im Berg-
schreiberamte, Johann Bobritzscher, wobei der Eintrag seiner Be-
stallung in Kop. 25 fol. 80 als Vorlage diente, jene für Johann nicht
passenden Worte ausgelassen wurden.
-) 1361 erscheint Johann Bobritzscher als Bergschreiber; s.
Ermisch a. a. O. II, 11 Nr. 881 Anm. und 380 Nr. 12, 13.
3) Hauptstaatsarchiv Dresden, Depos. Capit. Misn. Nr. 386 (datum
et actum Dresden a. d. 1364 in die s. Martini episcopi) „ . . . testibus
... et discreto domino Nicoiao plebano in Olsenicz necnon protho-
notario germani nostri dilecti Fnderici, fidelibus nostris dilectis . . .".
*) Nach Meyer, Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner S. 98
Anm. 3, in einer Urkunde des Gesamtarchivs zu Weimar. In den
Originalurkunden des Dresdner Archivs und den Einträgen des
Ko]). 25 tritt er während des Jahres 1364 nicht mehr als Kanzler auf.
In Kop. 25 finden sich mehrere Urkunden dieses Jahres, in denen er
als Zeuge oder Getreuhänder erwähnt ist oder die ihn oder seine Gattin
angehen, so fol. 125, i2sb, 126b, 127b, 128b; doch in keiner derselben
wird ihm der Kanzlertitel beigelegt, auch nicht in der ihn betreffen-
den Urkunde vom 25. Mai 1364 (a. LXIIII sabbato infra octavas cor-
poris Christi), worin Markgraf Friedrich genehmigt, dafs „sich die
strengen ern Heinrich und her Friderich von Kothewicz gebrudere,
unser heimelichere und lieben getruwen, alle ire gute gesundert
haben", obwohl hier doch ihre sonstige Dienstbezeichnung nicht
weggelassen ist.
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 219
Nikolaus schon die Geschäfte führte, oder dafs Nikolaus schon
während der letzten Zeit von Kottwitzens Amtsführung de-
signierter Kanzleivorstand war.
Am selben 18. Februar 1364, an welchem Urban V. den
drei Markgrafen und der Markgräfin Katharina den Gebrauch
der Messe auch an Orten, die mit dem Interdikt belegt sind,
unter den üblichen Einschränkungen gestattete, erteilte er auch
dem Nikolaus die Provision mit dem von Friedrich für ihn
erbetenen Kanonikat sub expectatione prebende maioris in
Meifsen unter Aufhebung der früheren Provision mit Kanoni-
kat und gröfserer Präbende in Naumburg^). Am 5. Juni des-
selben Jahres dispensierte er auf erneutes Ansuchen des Mark-
grafen den Nikolaus von Altenburg, Dietrich Lamperti von
Goch und Nikolaus von Polenz von der Reise an die Kurie
zur Ablegung der Prüfung und beauftragte am 26. Juni den Abt
von Pforta, den Nikolaus nach vorheriger Prüfung in das Meifsner
Kanonikat einzuführen, ihm auch ein officium zu übertragen,
wogegen er dann auf die Oelsnitzer Pfarre verzichten soll-).
Als Protonotar des Markgrafen erscheint Nikolaus in der
Folgezeit mehrfach und soweit sich ermitteln läfst, zuletzt
in der am 15. September 1366 (in octava nativitatis Marie) ge-
haltenen Abrechnung des Eisenacher Bürgers Johannes Jan
über Geleit, Zoll und andere landesherrliche Einkünfte zu Ei-
senach unter den Rechnungsabnehmern, Kopial 5 fol. 65: „pre-
sentibus .... Nycolao prothonotario et Johanni de Eckers-
perg". Nach dem Tode des Meifsner Dekans Dietrich von
Goch suchte Markgraf Friedrich für seinen Notar und secre-
tarius major^) Nikolaus von Altenburg, der gegen die päpst-
liche Reservation das Meifsner Dekanat bereits erhalten habe,
um dessen Bestätigung nach, obwohl er schon mit einem Ka-
nonikat in Meifsen providiert sei, sowie die Pfarrkirche in Oels-
nitz und die Schlofskapelle auf der Wartburg besitze. Er er-
hielt zu Avignon am 18. September 1366 das Erbetene, doch
unter der Bedingung der Aufgebung der Pfarre in Oelsnitz
und der Wartburgkapelle*). Nikolaus begegnet als Dekan zu-
1) Kehr und Schmidt S. 163 Nr. 586 ff.
-) Ebenda S. 168, 170 Nr. 609, 616 f.
ä) Der Titel „secretarius maior" ist sonst in dieser Zeit nicht
nachweisbar; dafs Nikolaus ebenso, wie auch die anderen Kanzlei-
vorstände, zu den secretarii, den heimlichen Räten, gehörte, bezeugten
zahhreiche Urkunden, vgl. z. B. Lippert, Wettiner und Witteisbacher
S. 282 Nr. 106 f.
*) Kehr und Schmidt S. 209 Nr. 759. Im Widerspruch mit
diesem Datum des 18. September 1366 steht es jedoch, wenn wir bei
2 20 W. Lippert:
erst am i8. Juni 1367 und dann sehr häufig, zuweilen auch
mit seinem vollen Namen Nycolaus de Aldenburg decanus, so
z. B. am 18. Oktober 1374^). Er starb als Dekan im Herbst
1390, denn am 26. Mai und 4. Oktober 1390 wird er noch
als lebend, am 11. Oktober 1390 aber bereits als verstorben
(dem got genade) erwähnt -). Mit der Beförderung zum
Dekanat erklärt sich sein Ausscheiden aus der Kanzlei im
Jahre 1366.
4. Johann von Eckartsberga.
Gleichzeitig mit den Suppliken für seinen Kaplan Martin
von Torgau und den Protonotar Nikolaus hatte Markgraf
Friedrich auch eine Supphk für seinen Notar, den Presbyter
Johann von Eckartsberga, nach Avignon abgehen lassen, die
daselbst einige Tage nach Erledigung der andern zur Vorlage
kam und gleichfalls die beifälhge Entscheidung Urbans V. fand:
am 27. September 1366 providierte ihn der Papst mit dem
Kanonikat nebst gröfserer Präbende in Zeitz, die Dietrich von
Goch innegehabt hatte-'). Zuerst begegnet Johanns Name in
der am 22. Juli 1366 (in die Marie Magdalene) gehaltenen Ab-
rechnung des Freiberger Münzmeisters Augustinus unter den
Rechnungsabnehmern, Kopial 5 fol. 41*): ,,presentibus dominis
Kristano de Wiczeleyben, Theodrico de Honsperg, Hold et
Johanni notario"; dann zusammen mit seinem Chef, dem Pro-
tonotar Nikolaus in der Eisenacher Abrechnung vom 15. Sep-
Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 76, 80 Nr. 567,
570, den Dekan Dietrich noch am 30. September 1366 und 11. Januar
1367 als lebend antreffen. Sollte das päpstliche Schreiben erst zu
1367 gehören?
^) Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 80, 156
Nr. 571, 639. Als Dekan erhielt er am 11. März 1371, als über die
durch Konrads von Wallhausen Erhebung zum Bischof freigewordenen
Pfründen verfügt wurde, durch Gregor XI. das ihm durch Urbans V.
Provision zugesicherte Kanonikat mit gröfserer Pfründe in INIeilsen,
Kehr und Schmidt S. 251 Nr. 909.
-) Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 247,
250 f. Nr. 718, 720 f Machatschek, Geschichte des Hochstifts
Meifsen S. 324, meint, er sei der Bischof Nikolaus, der 1379 den
Meifsner Bischofsstuhl bestieg, ohne zu beachten, dafs in vielen Ur-
kunden, z. B. 19. April 1380, 10. bmi 1380, 22. Dezember 1380 (S. 180,
183, 188 f. usf. Nr. 661, 663, 667), Bischof Nikolaus und Dekan
Nikolaus nebeneinander auftreten. Call es, Series episcop. Misn.
S. 260 f., weist diesen auf Fabricius zurückgehenden Irrtum bereits
zurück.
*) Kehr und Schmidt S. 210 Nr. 760.
^) Ermisch, Urkundenbuch von Freiberg II, 384 Nr. 21.
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert, 221
tember 1366 (s. oben) und so noch öfters unter den mit Ab-
hörung der Rechnungsablegung betrauten heimlichen Räten
der Fürsten in diesem und den folgenden Jahren'). Er tritt
dabei bald nur als „Johannes notarius", bald als „Johannes
Eckersperg" oder „Johannes de Eckersperg (Eckirsperg)", bald
als „Johannes de Eckersperg notarius" auf, einmal auch
als „Johannes notarius domini marchionis senioris".
Das Jahr 1368 brachte ihm verschiedene kuriale Verleihungen,
Er war jetzt bereits im Besitze der Pfarrkirche zu Frohburg-)
und hatte seit 1366 (s, oben) die Provision mit einem Zeitzer
Kanonikat. Am 27, Mai und 23. Juni 1368 erhielt er Kano-
nikate in Meifsen und Zeitz, jedoch mit der Anweisung, die
Pfarrstelle aufzugeben'^). Rasch stieg er, wie alle seine Vor-
ofänofer, weiter auf der kirchUchen Stufenleiter. Bereits am
4. Juli 137 1 erscheint er im Besitze der Propstei zu Zeitz und
am 17. Oktober 1371 des Dekanats zu Naumburg*). Das De-
kanat bekleidete er dann noch jahrzehntelang. Nach dem Tode
*) Z. B. 17. September (in die beati Lamperti) 1366 bei der Ab-
rechnung des Grafen Heinrich des Jüngeren von Hohnstein über die
Kosten "seiner Hauptmannschaft in der Fehde gegen den Herzog
Albrecht von Braunschweig-Salze, Kop. 5 fol. 67; 3. Oktober (sabbato
in vigilia beati Francisci) 1366 bei der Abrechnung Johann Hosangs
über "Bede und Geleit zu Leipzig, Kop. 5 fol. 67 b; um Pfingsten
1367, 16. Juni (sexta feria post diem Viti) 1368 und Pfingsten 1369
bei den Abrechnungen des Johannes Nase über das Geleit zu Erfurt
1366— 1369 Kop. 5 lol. 68b, 69, 69b.
-) Nicht Freiberg (Me3'er a. a. O. S. 99 Anm. 5).
3) Kehr und Schmidt S. 225, 228 Nr. 817. 827.
*) Ebenda S. 260, 265, 277, 297 Nr. 943, 963, 1007, 1090 vom 4- Juli
1371, 17. Oktober 1371, 12. April 1372, 4. Februar 1373. Als Propst
zu Zeitz erscheint er auch bei Gersdorf, Urkundenbuch des Hoch-
stifts Meifsen II, 135 Nr. 620 vom 6. November 1372, als letzter der
Zeugen in einer Urkunde der drei Markgrafen hinter neun Edlen
und Rittern: „dominus Johannes de Eckirsperge prepositus ecclesie
Cicensis", also zwar ohne Kanzleititel, aber an einer Stelle, die ihm
als Prälaten sonst nicht zukam, die aber für die markgräflichen
Kanzleibeamten so typisch ist, dafs man ihn auch für 1372 als solchen
betrachten darf. Auch in zwei weiteren Urkunden entbehrt er des
Titels, doch in der einen vom 4. Mai (an deme nesten suntage noch
sente Walpurge tage) 1371 zeigt sein Auftreten ihn auch ohne dies
noch als hohen Beamten, denn in diesem Schuldbekenntnis der Mark-
grafen für Erfurter Juden mufsten sich der Bischof von Merseburg,
mehrere Personen des Herrenstandes und sechs Personen aus der
ständigen Umgebung der Fürsten mit verbürgen, darunter auch
„ern Johannes von Eckirsberge", s. Orig.-Urk. Nr. 3992. Am 18. No-
vember 1371 (Datum ut supra, d.h. in vigilia beate Elizabeth) ver-
lieh ihm der Markgraf lebenslänglich das Bezugsrecht von wöchent-
lich einer Fuhre Sfockholz aus dem landesherrlichen Göhleforst bei
Fre^-burg (silva dicta Gole prope Nuenburch), Kop. 28 fol. 7.
2 2 2 W. Lippert :
des Bischofs Nikolaus von Meifsen war Johannes 1392 einer
der beiden ,,administratores in spirituahbus et temporaUbus
episcopatus Misnensis vacante sede" und hatte als solcher, wie
auch nochmals 1405^), als einer der vier Testamentsvoll-
strecker, seinem ehemaligen Kanzleikollegen, dem Meifsner
Dekan Nikolaus von Altenburg, einen letzten Dienst zu er-
weisen bei der Ausführung gewisser Testamentsbestimmungen
desselben.
5, Dyther von Widera und andere Kanzleibeamte.
Bei Johann von Eckartsberga fanden wir die beachtens-
werte Bezeichnung als ,,notarius domini marchionis senioris-)".
Eine ähnliche Benennung begegnet uns auch bei dem Proto-
notar Nikolaus von Altenburg, den Markgraf Balthasar in ei-
ner Urkunde vom II. November 1364 speziell als Protonotar
seines Bruders Friedrich namhaft macht '^). Diese ausdrückliche
Hervorhebuno- des dienstlichen Verhältnisses sowohl des
Nikolaus wie des Johann zum Markgrafen Friedrich
deutet schon an und für sich darauf hin, dafs auch die an-
dern Markgrafen ihre Schreiber hatten, die in ihrem be-
sonderen Dienste standen.
in der Tat läfst sich diese Annahme durch Zeugnisse für
beide Brüder bekräftigen. Am 26. Februar 1366 erhielt Hein-
rich, der Notar Balthasars, von Friedrich wegen eines
Pferdes eine Anweisung auf die Stadtbede von Grimma*),
Wie Balthasar, besafs auch Wilhelm, der jüngste der Mark-
grafen, seinen eigenen Schreiber. In einer Abrechnung über
Zehnterträge, die der Bergschreiber Johannes verausgabt hat,
sind mit gebucht: ,,Item II sexagenas notario domini Wil-
helmi Dither'^)". Der Name dieses Kanzleibeamten erinnert
') Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts Meifsen II, 253, 317
Nr. 724, 778 vom 6. Juni 1392 und 6. März 1405. In demselben Jahre,
am 20. August 1405, verzichtete er auf die mit seinem Meifsner Ka-
nonikat verbundene Obedienz Cossebaude, behielt sich aber den
Ertragsgenufs zeitlebens vor; a. a. O. II, 325 Nr. 785.
'-) Kop. 5 fol. 67 b vom 3. Oktober 1366.
^) „Nicoiao plebano in Olsenicz necnon prothonotario germani
nostri dilecti Friderici", s. oben S. 218 Anm. 3.
*) Kop. 5 fol. ii8b (gedruckt bei Schmidt, Urkundenbuch der
Stadt Grimma S. 23): „Item dominus assignavit Heinrico, notario
domini Bai thasaris, VI sexagenas occasione unius equi in civitate
[Grimme] in proximo Michaelis termino capiendas. Datum a. LXV
in die cynerum".
*) Kop. 5 fol, 98; die im 3. Bande des Freiberger Urkunden-
buchs nicht mit abgedruckte Rechnung ist ohne Jahresangabe, der
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 223
nun an einen Mann, den wir etwa 10 Jahre später in bemer-
kenswerter Stellung treffen: Meister Dyther von Wydere
oder von der Wedera, der am 21. September 1372 eine Dienst-
bestallung der drei Markgrafen erhielt') „zcu verwesende un-
de zcu vortedingende geistHche sachen, die uns, unser manne,
land unde lute ann;ren oder anruren mögen zcu gecziten".
Zur Vergütung und Auslagenerstattung wird ihm ausgesetzt
„daz cancellergeld, daz man von den lantbeten in unsern
landen pfliget zcu gebene", das er in derselben Weise, wie es
zur Zeit Markgraf Friedrichs des Ernsten und der Markgrafen
selbst bisher gegeben ist, bis zur Höhe von 40 Schock Meifs-
ner Groschen erheben soll; für auswärtige Dienste erhält er
gegebenenfalls noch besondere Auslösung. Dyther war also
geistlicher Rat der Wettiner, versah den Posten eines Proku-
rators, wie wir sie mehrfach seitens der Fürsten oder Orden
am päpstlichen Hofe ständig mit der Betreibung der zahlreichen
Geschäfte betraut finden'-^). Die häufigen, meist auf finanzielle
Gründe zurückgehenden Streitigkeiten (über Geldeinkünfte
geistlicher Würden, Stellenbesetzungen, Pfründenverleihungen,
Dispense und dergl.) mochten den Markgrafen die Notwendig-
keit der Bestallung eines ständigen, mit dem kanonischen Recht
und dem kurialen Geschäftsgang vertrauten Ratgebers nahe
gelegt haben. Doppelt auffällig ist nun, dafs Meister Dyther
als Besoldung das Kanzlergeld erhielt ; erstens weil ein solches,
— wie der Zusammenhang mit der Landbede zeigt — regel-
mäfsiges Einkommen sonst nicht bekannt ist; zweitens weil
dieses Einkommen, wie sein Name besagt, das Dienstgeld des
Kanzlers bildete. Wäre nun damals ein anderer Kanzler bez.
Protonotar in Stellung gewesen, so war diese Geldsumme nicht
frei ; von einer solchen Person hören wir aber nichts. Meyer
neigt deshalb dazu, Dyther selbst — obwohl er nicht mit dem
darin genannte Bergmeister Reinfried Grofse erscheint 1361 — 1377
(s. Ermisch, Urkundenbuch Freiberg II, isff., 42 Nr. 88sf , 889, 932),
der Bergschreiber Johannes Bobritzscher 1361, 1362 (Ermisch II, 11
Nr. 881 Anm. vmd S 380 Nr, 12 f.), die Rechnung wird also in den
Anfang der sechziger Jahre gehören.
1) Meyer S. 113 Nr. 7 (nebst 98, 99 mit Anm. 6).
2) Eine ähnhche Stellung nahm wohl früher Hermann von
Magdeburg als Legista (= Rechtsgelehrter) ein; vgl. Kop. 25
fol. 91: „Item contulit (Markgraf Friedrich) Hermanne de Meideburg
legiste sex sexagenas grossorum precisorum annue pensionis, quoad
vixerit, de precaria in Deltsch capiendas", ohne Datum, doch, wie
die vorhergehenden und folgenden Urkunden zeigen, ins Jahr 1358
gehörig. Ein Hermannus de Turingia studierte 1332 in Bologna
s. Acta nation. Germ. S. 92.
2 24 W. Lippert:
Titel eines Kanzlers auftritt — als Kanzleivorstand zu betrach-
ten. Diese Vermutung erlangt etwas mehr Wahrscheinlich-
keit durch die obige Angabe, dafs wir einen Dyther zu Be-
ginn der sechziger Jahre als Notar Markgraf Wilhelms treifen;
sind beide identisch, so erklärt sich durch die frühere Be-
schäftigung in der Kanzlei die Stellung Dythers von Wydere
als Kanzleivorstand auf das einfachste. Über die persönlichen
Verhältnisse dieses Mannes Klarheit zu erlangen, ist nicht leicht,
da in jener Zeit mehrere Personen des Namens in verschiedenen
Stellungen vorkommen') Häufig begegnet uns in den päpst-
lichen und anderen Urkunden der siebziger und achtziger
Jahre-) Dietrich von Widera, Widere, Wydera, Wedera, We-
dere, Wederowe, Diether von Wedera, Widera, Wydera,
deren Auseinanderhaltung sehr schwierig ist. Beide besafsen
zahlreiche Pfründen (an S. Peter und Paul zu Zeitz, zu Mer-
seburg, Naumburg, Unser Lieben Frauen zu Halberstadt,
S. Severi zu Erfurt); der eine war Pfarrer zu Ochsendorf, der
andere zu Grimma"); beide tragen den Titel eines magister
in artibus''). Die letztere Würde zeigt die Identität eines der
beiden Männer mit unserm Meister Dyther.
Ist nun auch das Vorhandensein besonderer, einem einzelnen
Fürsten zur Dienstleistung zugeordneter Schreiber für die sech-
ziger Jahre in der Person Johanns von Eckartsberga (beim Mark-
grafen Friedrich), Heinrichs (bei Balthasar), Dythers (bei Wil-
helm) bezeugt, so ist daraus noch nicht der weitergehende Schlufs
zu ziehen, dafs jeder der Brüder seine eigene Kanzlei für die
Geschäfte der Landesverwaltung hatte. Die wettinische Kanz-
^) Ein Dytherich von der Widere, der am 13. August 1350 in
einer Seelgerätstiftung; für die Kirche zu Geithain als Bürgermeister
von Geithain auftritt (HStA. Dresden, Orig.-Urk. Nr. 3242 b) und wohl
identisch ist mit dem im Lehnbuch Friedrichs des Strengen XVI, 34
(Lippert und Beschorner S. 79) mit einem Vorwerk zu Frankenau
belehnten Ticzmannus de Widra, kommt für unsern Dyther nicht in
Betracht.
2) Vgl. Kehr und Schmidt S. 246, 326, 337, 344, 346, 348
Nr. 888 f., 1215, 1256,1273, 1283, 1289; Gersdorf, Urkundenbuch des
Hochstifts Meifsen II, 182 Nr. 662.
2) Vgl. aufser Kehr und Schmidt auch L. Schmidt, Ur-
kundenbuch von Grimma S. 37, 39 f., 52!., 265, 384 Nr. 47, 52, 68,
374, 43 a.
■*) Kehr und Schmidt S. 337 Nr. 1256 vom 8. November 1375:
Dietrich von Wydera, Rektor der Pfarrkirche m Grimma, magister
in artibus, soll ein Kanonikat zu Merseburg erhalten; S. 346 Nr. 1283
Diether von Wydera, magister in artibus, erhält das Kanonikat zu
Unser Lieben Frauen in Halberstadt bestätigt, obwohl er schon ein
Kanonikat zu Naumburg und die Pfarre zu Ochsendorf (Halberstädter
Diözese) besitzt.
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 225
lei als Zentralbehörde blieb, wie uns die Register jener Jahre
zeigen, einheitlich, nur hatte innerhalb der Kanzlei jeder der
Fürsten für seine privaten Schreibgeschäfte, wohl auch mit
für die besondere Rechnungsführung der ihm speziell zustehen-
den Einkünfte, seinen eigenen Schreiber. Der Notar des ältesten
Bruders wird naturgemäfs analog der vorherrschenden Stellung
seines Herrn die Hauptbedeutung gehabt haben. Vielleicht
wurde aber gerade deshalb nach dem Abgang des Nikolaus
von Altenburg mehrere Jahre hindurch der Titel eines Proto-
notars bez. Kanzlers vermieden, um nicht das Abhängigkeits-
verhältnis der Notare der markgräfHchen Brüder zu stark her-
vortreten zu lassen. Natürlich läfst sich diese Vermutung nicht
durch urkundliche Zeugnisse direkt beweisen, sie würde aber
wenigstens eine Erklärung bieten, warum z. B. Johann von
Eckartsberga nicht den üblichen Vorstandstitel führt.
Wie die Fürsten, so hatte übrigens auch zeitweilig der
Kanzler selbst einen ihm besonders zugeordneten Schrei-
ber, der aber wohl ebenso gut seinen Platz innerhalb des
Gesamtpersonals der Kanzlei gefunden haben wird ; wenigstens
ist für den Kanzler Kottwitz ein eigener Schreiber bezeugt in
Kop. 5 fol. 151b: ,,Item in feria sexta ante festum Penthe-
costes Guntherus presentavit Francz[coni] notario domini de
Kothewicz duo membrana, ex iussu domini Friderici et do-
mini Heinrici de Kothewicz marchschalco presentandas".
Aufser den Genannten lassen sich aus den Registern noch
andere Namen von Schreibern feststellen, die in den bisherigen
Listen des Kanzleipersonals fehlen. Die Mehrzahl verdient
keine besondere Berücksichtigung; es sind blofse Namen, bei
denen die einfache Erwähnung genügt, so Konrad Rybe-
ling^); ferner die besonderen Schreiber des Hofrichters:
Andreas 1354 und Kristanus de Wechmar 1362-); der
allerdings einer früheren Zeit angehörige Schreiber Lude-
wicus, der in den Aufzeichnungen über die Einsammlung der
Landbede von 1334 als Schreiber erscheint, s. Hauptstaats-
') Sein Name Conradus Rybeling oder Ribeling begegnet wieder-
holt in Kop. 5 unter den Anweisungen auf die Einkünfte von Alten-
burg, so fol. III b („occasione conquisicionis" und „pro equo Henrico
de Fine dato") 1355 und 1356, fol. nie („occasione conquisicionis")
13575 1358; das eine Mal wird er als notarius bezeichnet, fol. 112b:
„Item dominus assignavit Conrado Rybelinge notario XXX sexagenas,
cum quibus quitavit dominum Balthazar, m districtu [Aldenburg] a
proventibus, quantocius potest, levandas. Datum anno LXIII sabbato
ante Oculi" (4. März 1363).
•-) Vgl. Meyer S. 38 Anm. 2.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 3. 4. 'S
2 26 W. Lippert:
archiv Orig.-Urk. 2647 Heft i: ,,Titz de Albea eam collegit
et Ludewicus descripsit". Dieser Bedelistenschreiber der drei-
fsiger Jahre ist der Schrift nach identisch mit dem Schreiber
des im Lehnbuch Friedrichs des Strengen an fol. 39 ange-
nähten Pergamentzettels, der als fol. 40 gezählt ist und die
gar nicht zum eigentlichen Bestände des Lehnbuches gehörige
Zusammenstellung über die Hospites im Amte Neuenburg
(Freyburg) enthält^). Es bestätigt sich hiermit die im Lehn-
buche ausgesprochene Vermutung, dafs dieses Stück von der
Hand R noch aus der ersten Hälfte des 14, Jahrhunderts
stamme. Ob dieser Ludewicus mit dem Kammerschreiber
Ludwig Junge identisch ist, der im Lehnbuche XLVI 53
mit Einkünften und Gütern in der Orlamünder Gegend belehnt
wird"), ist allerdings bei dem vorhandenen spärlichen Material
nicht zu entscheiden. Ein ,, dominus Petrus notarius" wird
mehrfach, so 1366, 1367, 1368 in den Rechnungsablegurgen
des Erfurter Geleitsmannes Johannes Nase genannt^), doch
ohne dafs aus diesen Erwähnungen ein Licht auf seine
dienstlichen Verhältnisse (ob er landesherrlicher Kanzlei-
beamter war) fällt.
Etwas mehr ist von dem Schreiber Guntherus zu sagen,
mit dessen Namen auch ausschliefslich das Auftreten ge-
wisser Formeln verknüpft ist, die in der wettinischen Kanz-
lei zu den Seltenheiten gehören. Es ist dies der sogenannte
Aushändigungsvermerk, den Posse S, 172 — 174 bei den
Wettinem nur für das 13. Jahrhundert in den Kanzleien Hein-
richs des Erlauchten und seines Sohnes Dietrich von Lands-
berg erwähnt und für dessen Vorkommen als Ausnahme im
Jahre 1363 Meyer S. 28 zwei Stellen anführt. Als Ausnahme
ist er in der Tat zu betrachten, wenn sich auch den zwei
Fällen noch mehrere andere anreihen lassen. Wie die beiden
Stellen'') betrifft auch noch eine weitere die Ausfertigung von
^) Vgl. Lehnbuch Kapit. XXIX 86f., S. 1550". und dazu Einleitung
S. CLXVI, CXCIV (Hand R) und Facsimilia Tafel VIII.
2) A. a. O. S. 226 nebst Anm. 49 (Urk. aus Kop. 25 fol. 27 vom
10. März 1350).
^) Vgl. Kop. 5 fol. 68 b. Abrechnung über die Erfurter Geleits-
verwaltung in der Zeit von Pfingsten 1366 — 1367, fol. 69 desgl. für
1367 — 1368, fol. 69b desgl. für 1368 — 1369.
*) Kop. s fol. 96 unter den Anweisungen auf Grofsenhain : „Item
dominus assignavit Hartmanno iudici curie omnem pecuniam pre-
carie termino Michaelis ultra assignaciones prius datas levandam et
domino secundum conputacionem legalem in debitis suis defalcandam.
Datum Wizzenvels anno LXIII feria quinta ante Pentliecosten, per
Guntherum ex iussu domini marchionis et secretariorum" (= 18. Mai
Wettinische Kanzlei im XIV, Jahrhundert. 227
Zahlungsanweisungen für den Hofrichter Hartmann von Wohl')
und eine andere die entsprechende Anweisung für Konrad von
Hermannsgrün, einen in wettinischen Diensten stehenden Söld-
nerführer^). Der letzte Vermerk zeigt zugleich, dafs es sich
auch in diesen Fällen um die Aushändigung der Urkunde
handelt, und in gleicher Eigenschaft, als der mit der Zustellung
von Urkunden Betraute, begegnet uns Günther auch in dem
oben erwähnten Vermerk aus Kopial 5 fol. 151b, wonach er
dem Franz, dem Schreiber des Kanzlers, auf Befehl des Mark-
grafen und des Kanzlers zwei Urkunden präsentiert, die dieser
weiter dem Marschall vorlegen soll. Alle diese fünf Einträge
betreffen finanzielle Mafsnahmen. Dafs daraus aber nicht zu
entnehmen ist, dafs Günther speziell die Rechnungsangelegen-
heiten in der Kanzlei zu vertreten hatte, wir somit eine Art
Ressortscheidung anzunehmen hätten, lehrt ein weiteres Zeug-
nis aus Kop. 25. Diesem Register ist als fol. 102 ein kleines
16 cm breites, 7 cm hohes Pergamentblättchen eingeheftet,
worauf das Gelöbnis der drei Markgrafen Friedrich, Balthasar
und Wilhelm enthalten ist, dafs sie sich mit den „edeln Al-
brecht und Ludewig grafen von Hakebrun (!) und Albrecht
grafen von Mansfelt" vereint und verbunden haben, sich nicht
in Krieg gegen sie einzulassen, solange sie ihre Lande un-
geteilt besitzen. ,, Datum Gotha anno domini MCCCLXI feria
sexta ante Bonifacii" (= 2. Juni 1361). Rechts unter diesem
EintrasT steht nun von derselben Hand, die den Text schrieb,
,,per H[einricum] de Kothewicz . . Guntherus". Es ist dies
einer der in der Kanzlei üblichen Notizzettel, der nicht noch-
mals in das Register abgeschrieben, sondern gleich selbst ein-
geheftet wurde. Hier tritt also Günther auch bei einer rein
politischen Beurkundung als im Auftrage des Kanzlers tätig
auf. Dieser Text nun, sowie sämtliche oben besprochene
1363), und ähnlich fol. 102 unter den Anweisungen auf Meifsen:
„. . . Datum Wizzenvels a. LXIII feria VI ante Penthecosten , ex
iussu domini marchionis et secretariorum per Guntherum" (=19. Mai
1363)-
') Kop. 5 fol. 93 unter den Anweismigen auf Dresden: „Item
■dominus assignavit Hartmanno . . . (ähnlich wie oben). Datum Wizzen-
vels a. LXIII feria quinta ante Penthecosten, Guntherus ex iussu
■domini et secretariorum" (= 18. Mai 1363).
2) Kop. 5 fol. 109 unter den Anweisungen auf Zwickau: „Item
dominus assignavit Cunrado de Hermansgrüne racione dampni et
depecuniacionis L sexagenas grossorum latas termino Walpurgis
proximo de civitate capiendas. Datum anno LXIII dominica Exaudi
proxima ante Penthecosten, ex iugsu domini marchionis et secre-
tariorum. Guntherus dedit literam quitacionis" (^ 14. Mai 1363).
15*
228 W, Lippert:
Stellen, an denen Günther erwähnt ist, sind ausnahmslos von
derselben Hand, nämhch — wie diese Urkunde von 1361 in
Kop. 25 bezeugt — wohl von Günther selbst geschrieben. Die-
selbe Hand hat ferner auch zahlreiche andere Einträge in den
Registern dieser Zeit gemacht; z. B. sind in Kop. 25 auch die
sonstigen Einträge auf fol. loi und 103 von ihr vorgenommen,
desgleichen im Lehnbuche die erst nach 1358 gebuchten, den
ältesten Bestand erweiternden Kapitel XXX Lobdeburg, XXXI
Dornburg, XXXII Windberg, XXXIV Schaumberg, die bei
der Bearbeitung des Lehnbuches einem unbekannten Schreiber
P zugewiesen sind. Ein Faksimile dieser Hand gibt Tafel IV
am Schlüsse des Lehnbuchs.
Die Untersuchungen und Zusammenstellungen, von denen
ja nur einzelnen durch die Begleitmomente ein gewisses tieferes,
sachliches Interesse beiwohnt, haben — und zwar gilt dies
auch mit für die Leute, über die wir nichts als die gelegent-
liche Erwähnung ihres Namens besitzen — doch insofern ei-
nige Bedeutung, als wir daraus ersehen, dafs die wettinische
Kanzlei weit zahlreicher besetzt war, als es nach den wenigen
Namen der bisher bekannten Kanzleipersonalliste scheinen
mufste. Die grofse Anzahl verschiedener Schreiberhände, die
in der Ausgabe des Lehnbuchs (vgl. S. CXCIV) angenommen
sind, könnte auf den ersten Blick, besonders im Vergleich mit
Posse S. 180, auch nach Ausscheidung der in spätere Zeit ge-
hörenden Nachtragshände, befremdlich erscheinen; die Er-
gebnisse der obigen Zusammenstellungen dienen der Annahme
eines stärkeren Personalbestandes in der Kanzlei jedoch zuiu
Rückhalt.
Ursprünglich hatte ich die Absicht, aus den zahlreichen
Fragepunkten, die im Gebiet des Kanzlei- und Registerwesens
des 14. Jahrhunderts noch zu beantworten sind, als besonders-
wichtig die Frage nach der Art der Registrierung her-
auszugreifen und zu ermitteln, wie die Eintragung in zeit-
licher Hinsicht bewirkt wurde und nach welchen Vor-
lagen. Diese Untersuchung läfst sich aber nur unter Zuziehung
eines umfangreichen Materials von Einzelfällen und durch An-
legung von Datierungstabellen für die einzelnen Lagen der
ältesten Kanzleiregister Kop. 25 und 26, bez. durch umständ-
liche Vergleichungen des Textes vorhandener Originale mit
Einträgen in einem der Register oder der denselben Akt be-
treffenden Einträge in verschiedenen Registern') durchführen
^) Z. B. das Lehnbuch Kop, 24 verglichen mit dem Registrum
perpetuum Kop. 25.
Wettinische Kanzlei im XIV. Jahrhundert. 229
und würde den Rahmen dieses Aufsatzes weit überschreiten
müssen^). Im wesentlichen bestätigt sich Posses Angabe, dafs
die Registrierung nicht sogleich, sondern oft Tage, Wochen,
selbst Monate später erfolgte, indem man bald eine Anzahl
von Beurkundungen zusammenkommen liefs, um sie auf ein-
mal zu buchen, bald auch einzelne zufällig ausgelassene Stücke
gelegentlich nachtrug. Als Vorlage dienten, soweit das hier-
für allerdings sehr dürftige Material es erkennen läfst, nicht
die Originalausfertigungen-), sondern die Konzepte oder auch
Notizzettel der Kanzlei. Eine Sonderstellung nimmt unter
den Kanzleiregistern das Lehnregister Kop. 24 ein. Da
es kein Urkunden-, sondern ein Aktregister ist, es sich in
ihm also nicht um die Einträge von Lehnbriefen (die nur in
beschränkter Zahl ausgestellt wurden), sondern um Vermerke
über die Belehnungen selbst handelt, fallen als eventuelle Vor-
lagen die Originale und Konzepte für die Hauptmasse der
Lehnregesten von selbst weg; hierzu dienten der Kanzlei die
Lehnerklärungen, die von den Vasallen selbst bei der
Belehnung oder, falls es da unterblieben war, in bestimmten
Fristen nach erfolgter Belehnung schriftlich eingereicht
werden mufsten^).
Die beabsichtigte Beschreibung der ältesten Register-
bände*) möge zunächst auch unterbleiben. Nur ein Punkt sei
noch in Kürze berührt. Im obigen ist Kop. 25 kurzhin als
das Registrum perpetuum, das Register für Beurkundungen von
dauernder Geltung, bezeichnet, und diese Benemumg pafst
auch für den eigentlichen Hauptteil dieses Bandes von fol.
16 ab bis zum Schlüsse fol. 144. Die vorausgehenden Blätter
I — 15 aber entsprechen nicht dem Charakter eines Regist-
rum perpetuum, sondern eines Registrum temporale. Sie ent-
') Eine umfassende Arbeit über das gesamte Registerwesen der
Wettiner im 14. Jahrhundert denke ich künftig zu veröffentlichen.
-) Mehrfach sind ja Originalausfertigungen, die aus irgend einem
Grunde dem Empfänger nicht ausgehändigt wurden (z. B. wegen
nötig gewordener Änderungen, Zusätze u. dergl.), gleich selber in
das Register eingeheftet worden, um die Mühe einer nochmaligen
Abschrift zu sparen, so in Kop. 25 fol. 12b/ 13, 24, 45, 66, 83, Sgb/go,
I43b/i44, in Kop. 26 fol. lob/ii, 27b/28. 38b/39, 41!
^) Die näheren Nachweise hierüber siehe in meiner Schrift „Die
deutschen Lehnbücher. Beitrag zum Registerwesen und Lehnrecht
des Mittelalters" (Leipzig, Teubner 1903), sowie in der allgemeinen
Einleitung zur Ausgabe des Lehnbuchs Friedrichs des Strengen.
*) Die von Kop. 24 (Lehnbuch) ist auf das ausführlichste in der
speziellen Einleitung zur Ausgabe des Lehnbuchs (von Lippert und
Beschorner) gegeben.
230 W. Lippert: Wettinische Kanzlei im XI V. Jahrhundert.
halten Einträge von Urkunden der Jahre 1341 — 1349, die jedoch
nicht allmähHch bald nach deren Entstehung gebucht, sondern
auf einmal zusammengeschrieben sind^), denn fol. i — 9 sind
einheitlich von derselben Hand geschrieben, die auch im
folgenden noch viel tätig gewesen ist. Inhaltlich sind es alles Ur-
kunden, die Rechtshandlungen von nur zeitweihger Dauer be-
treffen, Verschreibungen von Einkünften, Verpfändungen von
Besitzungen, Anwartschaftserteilungen, Anweisungen, Be-
stallungen und dergl. Diese 15 Blätter gehören also eigent-
lich nicht vorn in Kop. 25, sondern in das Registrum tempo-
rale Kop. 26, dessen zeitliche Vorläufer sie bilden.
'■) Wahrscheinlich erst im Jahre 1351, vgl. fol. 4 b, wo eine Zu-
satzbemerkung aus dem Jahre 1351 zu einer Urkunde von 1347 von
derselben Hand und mit derselben Tinte (also wohl gleichzeitig) ge-
schrieben ist, wie der Eintrag von 1347 selbst und wie überhaupt
diese ersten Blätter des Bandes.
vm.
Das schwedische Heer in Sachsen
1706—1707.
Von
Arno Günther,
Die Bedeutung der Invasion der Schweden in Sachsen
im Jahre 1706 ist überall in den allgemein -geschichtlichen
Darstellungen in mehr oder minder ausführlicher Weise ge-
würdigt worden. Nicht allenthalben ist man dabei freilich
ganz gerecht verfahren. Dies mag wohl seinen Grund darin
haben, dafs in den wenigen, bis jetzt vorhandenen Einzelun-
tersuchungen nur ein kleiner Teil des zur Verfügung stehenden
Materials benutzt worden ist.
Vor allen Dingen hat man bisher dem schwedischen Heere
während seines Aufenthalts in Sachsen wenig Aufmerksam-
keit gewidmet, und doch ist gerade hierfür eine überraschende
Fülle von Material in den Archiven zu Dresden und Stock-
holm zu finden, dessen Verarbeitung für manche jetzt als
feststehend angesehene Tatsache eine Berichtigung oder Ver-
besserung bringen wird.
Schon über die Gröfse der schwedischen Armee bei
ihrem Einrücken in Sachsen am 5. September 1706 sind
bisher nur ungenaue Angaben gemacht worden'). Infolge ei-
*) Im allgemeinen, so bei Böttiger-Flathe, Geschichte von
Sachsen II, 335 ist die Stärke des schwedischen Heeres auf Grmid
der Nachricht im Theatr. Europ. XVII, 130 auf 22000 Mann angesetzt
worden. Die Angaben bei Schuster und Franke, Geschichte der
Sachs. Armee I, 170 und 172 enthalten sehr viel Unrichtigkeiten und
sind daher völlig wertlos. Frhr. v. Friesen, Die Lage in Sachsen
232
Arno Günther:
niger wichtiger Funde in den schwedischen Archiven — be-
sonders kommt hier eine im schwedischen Hauptquartier an-
gefertigte Dislokationskarte aus der Zeit des Einfalls in Be-
tracht^) — können nunmehr darüber abschliefsende Unter-
suchungen vorgenommen werden.
Was zunächst die Zahl und Waffengattung der in Sach-
sen eingerückten Regimenter betrifft, so läfst sich auf Grund
der übereinstimmenden schwedischen Zeugnisse — des Kriegs-
tagebuchs eines Offiziers im Hauptquartier, der eben erwähn-
ten Dislokationskarte sowie des Erlasses Karls an die einzel-
nen Regimenter über die Veröffentlichung; des Friedens von
Altranstädt — feststellen-), dafs im September 1706 acht Re-
gimenter Kavallerie, sechs Regimenter Dragoner und elf Re-
gimenter Infanterie — zusammen also fünfundzwanzig Regi-
menter — sowie aufserdem eine starke Abteilung Artillerie
und das polnische Korps des .Stanislaus Leszczinsky die säch-
sische Grenze überschritten haben. Mit diesen Angaben decken
sich im ganzen auch die brauchbaren Zeugnisse aus den säch-
sischen Archiven, wie sie besonders in den Akten über die
Untersuchungen bei den einzelnen Regimentern im Jahre 1707
sowie in den Papieren Schulenburgs vorliegen'^). Alle andern
Angaben als die eben aufgeführten sind sekundär und darum
mit viel Vorsicht aufzunehmen und nötigenfalls ganz zurück-
zuweisen.
Schwerer als die Zahl und Waffengattung der einzelnen
Regimenter läfst sich eine genaue Zahl für die Summe aller
Offiziere und Mannschaften nachweisen. Die Reiterregi-
während der schwedischen Invasion 1706 — 1707 und der Friede von
Altranstädt (Mitteil, des Vereins für Gesch. Dresdens XV, 1901), kommt
„nach den übereinstimmenden Nachrichten in unseren Archiven" auf
die Zahl 23300 (S. 3of.). Sicher sind ihm aber eine ganze Reihe von
Zeugnissen entgangen, denn ich habe in Dresden auch noch an
anderen als den von Friesen zitierten Stellen Belege über das schwe-
dische Heer gefunden, die zum Teil mit den Angaben bei Friesen
gar nicht übereinstimmen. Sarauw, Die Feldzüge Karls XII. (Leipzig
1881) schätzt die Stärke des schwedischen Heeres auf 19000 Mann,
ohne jedoch anzugeben, wie er diese Zahl gefunden hat.
^) Das Original befindet sich im Kgl. Kriegsarchiv zu Stock-
holm. Eine Kopie davon ist diesem Aufsatze beigefügt.
2) Das Original des Kriegstagebuches befindet sich in der Kgl.
Bibliothek zu Stockholm, eine kollationierte Abschrift liegt im dortigen
Kriegsarchiv; die andern schwedischen Zeugnisse stammen aus dem
Reichsarchiv zu Stockholm. — Offenbar auf diesen Quellen beruhen
die Angaben bei Adlerfeld, Histoire militaire de Charles XII.
(Amsterdam 1740) III, stf.
^) Hauptstaatsarchiv Dresden Loc. 9291 — 9293 und Loc. 3296.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 233.
menter zählten durchschnittlich 1000 Mann, die Infanterie-
regimenter dagegen 1200 Mann; beide Zahlen gelten allerdings
für den kompletten Stand eines Regiments, den wir jedoch für
die von der russischen Winterkälte ^) mitgenommene schwedi-
sche Armee nicht annehmen dürfen. Für die Bestimmung der
Gesamtzahl kommen aulser den Angaben bei dem zeitgenössi-
schen schwedischen Geschichtschreiber Adlerfeld, der übri-
gens als junger Offizier die Invasion in Sachsen selbst mitge-
macht hat, ausführliche schwedische Regimentslisten und ein
von sächsischer Seite gefertigtes Verzeichnis über den Bestand
der Truppen in Betracht. Adlerfeld behauptet, die schwedi-
sche Armee habe aus 29600 Mann bestanden'-). Die andern
Zeugnisse schwedischen Ursprungs^) halten sich in der Höhe
dieser Zahl oder gehen noch darüber hinaus; allerdings ist in
ihnen bei den einzelnen Regimentern zumeist die Bemerkung
zu finden, dafs sich diese Zahlen auf den kompletten Stand
der Truppen beziehen. Von besonderer Wichtigkeit ist die
sächsische Quelle, weil sie sich auf amtliche Aufrechnungen
gründet und daher einen guten Mafsstab für die schwedischen
Angaben bietet. Sie beruht auf den Niederschriften der säch-
sischen Kreiskommissare, die diese wiegen der Verpflegung des
schwedischen Heeres hergestellt haben. Nach ihren Aufstel-
lungen beträgt die Zahl der Offiziere und Mannschaften von
20 Regimentern 25017 Mann^). Freilich fügen sehr viele Kom-
missare noch die Bemerkung hinzu, dafs die einzelnen Kom-
pagnien zwar zu 120 Mann gerechnet würden, aber lange nicht
so stark seien •^). Indes der durchaus einleuchtende Abzug, den
wir von dieser Zahl vornehmen müssen, w-ird einigermafsen
dadurch wieder ausgeglichen, dafs in der in Betracht kommen-
den Liste, wie auch ausdrückhch von den Kommissaren be-
1) Fr3-xell, Berättelser ur Svenska historien XXI (1856), 292;
F. F. Carlson, Geschichte Schwedens VI (1887), sSSff.
*) A. a. O. 5 ff. Sie setzen sich nach ihm zusammen aus 7300 Mann
KavaÜerie, 6000 Dragonern und 15000 Mann Infanterie. Dazukamen
noch 800 Mann Artillerie und 500 Wallachen.
^) Spezifikation der schwedischen Armee 1705. Acta Pol. Reichs-
archiv Stockholm. — Kgl. Schwed. Kriegsetat nach dem kompletten
Stand. HStA. Loc. 9288. Die aus dem geh. Concilio . . . geschickten
Beschwerden 1707 vol. II fol. 182!
■*) Im einzelnen: 5 Regimenter Kavallerie = 5280 Mann, 6 Re-
gimenter Dragoner ^ 8160 Mann und 9 Regimenter Infanterie
= 11577 Mann.
^) Namentlich die Zahlen für die Reiterregimenter müssen stark
reduziert werden. HStA. Loc. 9290. Drei Bücher, der schwedischen
Armee Verpflegung in Sachsen betr. 1706 vol. II fol. 138 f.
234
Arno Günther:
merkt wird, die Angaben über die im Erzgebirge einquartier-
ten Regimenter — drei Regimenter Kavallerie und zwei Re-
gimenter Infanterie^) — fehlen. Danach könnten wir also die
Stärke der schwedischen Armee bei ihrem Einfall in Sachsen
auf etwa 20 — 22000 Mann ansetzen-). Trotz des vorhandenen
reichlichen Materials kommen wir über eine schätzungsweise
Angabe der Gesamtzahl nicht hinaus; diese ist allerdings nun
keinen Schwankungen mehr ausgesetzt.
Alle Regimenter des schwedischen Heeres waren nach
ihrem Einmärsche in Sachsen zunächst in den beiden Lausitzen
und im Meifsener Kreise einquartiert und verpflegt worden, bis
Ende Oktober auf das Drängen des Geheimen Rats und der
Stände diese Gegenden, die schon infolge der häufigen
Durchzüge sächsischer Truppen und Polen stark mitgenommen
worden waren, entlastet wurden. Die schwedische Armee
ward damals in folgender Weise über das ganze Kurfürsten-
tum verteilt^).
Es kamen:
in den Leipziger Kreis
das Hauptquartier nach Altranstädt,
das Leibdragonerregiment nach Merseburg,
das Schonische Kavallerieregiment nach Weissenfeis und
Hohenmölsen,
das Kavallerieregiment Adelsfahne nach Taucha,
das Dükersche Dragonerregiment nach Delitzsch,
die Garde zu Fufs nach Würzen,
das Dalkarlische Infanterieregiment nach Grimma,
das Westgotische Infanterieregiment nach Rochlitz,
König Stanislaus mit seiner Umgebung und seiner pol-
nischen Abteilung nach Leisnig,
die Artillerie zum gröfseren Teile nach Mutschen, zum
kleineren Teile nach Pegau;
in den Thüringer Kreis
das Leibregiment zu Pferd nach Sangerhausen,
die Wallachen nach Schulpforta;
') Vgl. Kriegstagebuch und Dislokationskarte. Die Namen der
betr. Regimenter folgen weiter unten.
-) Die sonst noch vorhandenen Listen im HStA. sind lückenhaft
und beruhen meistens auf den hier namhaft gemachten Aufzeich-
nungen über die Stärke der einzelnen Regimenter.
^) Dargestellt im Anschlufs an die Dislokationskarte, das Kriegs-
tagebuch, die sächsische Verpflegungsliste und die Untersuchungs-
akten für die einzelnen Regimenter.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 235
in den Kurkreis
das Buchwaldische Dragonerregiment nach Schmiede-
berg und Gräfenhainichen '),
das Upländische Infanterieregiment nach Wittenberg;
in den Meifsener Kreis
das Taubesche Dragonerregiment nach Grofsenhain,
das Kalmarische Infanterieregiment nach Meifsen,
das Jönköpinger Infanterieregiment nach Döbeln,
das Meyerfeldsche Dragonerregiment nach Pirna und
Dippoldiswalde ;
in den Erzgebirgischen Kreis
das Smäländische Kavallerieregiment nach Freiberg,
das Södermannländische Infanterieregiment nach Augustus-
burg und Öderan,
das Ostgotische Infanterieregiment nach Penig,
das Westmanländische Infanterieregiment nach Annaberg,
das Nericke- und Wermländische Infanterieregiment nach
Schneeberg;
in den vogtländischen Kreis
das Ostgotische Kavallerieregiment nach Reichenbach
und Plauen;
in den Neustädtischen Kreis
das Nyländische Infanterieregiment nach Neustadt;
in der Oberlausitz
das Hielmsche Dragonerregiment nach Zittau,
das Kronemannsche Infanterieregiment nach Kamenz;
in der Niederlausitz
das Görzsche Dragonerregiment (ohne bestimmte Orts-
angabe, wurde später in der Niederlausitz unterge-
bracht);
und im Stift Naumburg-Zeitz
das Krusesche Kavallerieregiment nach Droyfsig.
Natürlich waren nicht nur die hier genannten Orte, son-
dern auch die Städte und Dörfer der jeweiligen Umgebung
mit den Truppen belegt, so dafs sich das ganze Land in die
Lasten der Einquartierung zu teilen hatte. Befreit davon blieben
allein die ernestinischen Herzogtümer Gotha, Weimar, Eise-
nach und Querfurt ^), während die Herzöge von Naumburg,
^) Schmiedeberg gibt das Kriegstagebuch, Henichen (d. i, Gräfen-
hainichen) die Dislükationskarte an; offenbar ist das Regiment auf
beide Orte verteilt gewesen.
-) Bericht des Pfarrers Crusius zu Allerstedt an derWiehe. Mans-
felder Blätter XIII, 107.
236 Arno Günther:
Zeitz, Merseburg und Weifsenfeis als Inhaber kursächsischen
Gebiets zn den Leistungen mit herangezogen wurden.
Den Schweden haftete ein schlechter Ruf an. Zu Grofs-
vaters Zeiten hatten auf den sächsischen Fluren die Horden
Bauers und Torstensons gehaust. Die Alten im Lande wufsten
davon noch viel zu erzählen, und im Bewufstsein der Jungen
lebten wenigstens die Berichte von der ,,Wurzener Marter-
Woche" oder vom „Pirnaer Elend" oder von andern grofsen
Greueltaten der Schweden im Dreifsigjährigen Kriege fort.
Kein Wunder also, wenn das sächsische Volk den Scharen
Karls mindestens sehr starkes Mifstrauen, zumeist jedoch Furcht
und Angst entgegenbrachte. Karl wufste das, und darum ging
sein eifriges Bestreben dahin, den sächsischen Untertanen zu
beweisen, dafs die Schweden denn doch besser seien als ihr
Ruf, dafs nach deren Verlodderung während des letzten Jahr-
zehnts im Dreifsigjährigen Kriege eine Zeit angebrochen sei,
in der die alte Zucht und Ordnung von Gustav Adolfs Heer
wieder zu Ehren g-elano-t war. Alle Mafsnahmen Karls in Sach-
sen, die sein Heer angehen, sind von diesem Gesichtspunkte
aus getroffen worden. Zwar ist das nirgends in seinen Er-
lassen ausgesprochen, aber dafür beweist es deren Inhalt um so
deutlicher.
Aber ein Moment erschwerte dem Könige einigermafsen
die Durchführung seiner Absichten. Die straffste Zucht und die
peinlichste Ordnung jedes Heeres werden durch Kriegszeiten
doch hier und da beeinträchtigt. Sein Heer stand nun bereits
fünf Jahre lang im Felde, und daher ist es wohl begreiflich, dafs
die Bande der Disziphn dort, wo sich schlechte Elemente im
Heere vorfanden oder wo schwache Offiziere kommandierten,
sich gelockert hatten. Wiederholt waren dem Könige aus den
polnischen Gegenden, in denen das schwedische Heer sich
jeweils aufhielt, vereinzelte Klagen zu Ohren gekommen. Be-
schwerden über Wegnahme von Pferden und Schlitten, Jagd-
schäden, Freiheitsberaubungen, Erpressungen und mutwillige
Zertrümmerungen von Hausgerät waren des öftern im schwe-
dischen Hauptquartier eingelaufen^). Zwar kommen derartige
Ungesetzmäfsigkeiten in jedem Kriege vor, vielfach werden
sie auch durch das ungeschickte Benehmen der Einwohner
selbst veranlafst, aber Karl war nicht gewillt, die geringste
Sache durchgehen zu lassen. Gegen jeden Übergriff, der ihm
1) Eine ganze Anzahl von Klagen aus Polen im Jahre 1705 ist
in den Akten des Reichsarchivs zu Stockholm vorhanden (Akten,
den poln. Krieg betr., vol. XVI, Acta historica).
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 237
gemeldet wurde, liefs er eine strenge Untersuchung einleiten.
Eine gehörige Strafe folgte für den Überführten auf dem Fufse-').
Die Folge davon war, dafs sich das schwedische Heer in
Polen im allgemeinen gut hielt und dafs die Einwohner Polens
vor gröfseren Gewalttaten bewahrt blieben. Allerdings ist hier
noch ein Faktor in Betracht zu ziehen, der dem Heere die
gute Haltung erleichtern konnte. Karl hielt seine Soldaten in
beständiger Bewegung; nirgends fast gönnte er ihnen einen
langen Aufenthalt. Infolgedessen kamen die Soldaten auch
nicht auf längere Zeit mit denselben Leuten in Berührung, ihr
Dienst war sehr angestrengt, und nur die Ruhe ist der Feind
der Zucht.
In vieler Beziehung lagen nun die Verhältnisse in Sachsen
ganz anders. Dem sonstigen Kriegsbrauche entgegen bezogen
die Schweden 1706 ziemlich zeitig ihre Winterquartiere in den
Erblanden des Königs August, sie hatten also eine lange Ruhe-
zeit vor sich. Karl gönnte seinen Soldaten diese Erholung
nach den schweren Anstrengungen des vergangenen Jahres
besonders gern ; er hatte Kursachsen für die Winterquartiere
bestimmt, weil er sich sagte, dafs in diesen fruchtbaren Ge-
genden mit Sicherheit auf eine nachhaltige Kräftigung der
Armee zu rechnen war, und das hatte sie ganz gewifs auch
nötig. Weiter war sich aber Karl auch bewufst, dafs gerade
das untätige Verharren bei reichlicher Verpflegung — und
dafür war sehr gut Sorge getragen worden, denn jeder Soldat
erhielt täghch 2 H Fleisch, 2 H Brot, ein Gericht Zugemüse,
^'2 II Butter oder Speck und 3 Kannen Bier-) — allerhand
Leidenschaften erzeugen werde, die dem in Sachsen an sich
schon gefürchteten Namen der Schweden keine Ehre machen
konnten. Um derartigen Gefahren vorzubeugen, hatte er be-
reits am Tage nach der Veröffentlichung des Waffenstillstandes,
am 26. September, an seine Soldaten eine stattliche Reihe
scharfer Bestimmungen erlassen, die deren Verkehr mit den
Einwohnern Sachsens regeln sollten'^).
1) Die Akten darüber ebenda.
-) HStA. Loc. 9290. Verfügung des Generalkriegskommissars
Stenbock. — Drei Bücher, der schwedischen Armee \'erpflegung in
Sachsen betr. 1706 vol. I fol. 5. Vgl. auch Gretschel, Geschichte
Sachsens II, 555 und Friesen a. a. O. S. 78.
^) Ebenda „Ihre Kgl. Maj. von Schweden Verordnung, wonach
dero Miliz im Churfürstentum Sachsen sich zu reguliren und zu
richten". HStA. Loc. 3619. Der poln.-schwed. Krieg usw. 1706
vol. XLVI fol. 242. Kurz erwähnt von Friesen a. a. Ö. S. 77. Vgl.
Robinson, L'etat present de Suede (17 18) p. 294.
238
Arno Günther:
Karl war besonders darauf bedacht, den sächsischen Un-
tertanen die auferlegten Lasten weniger fühlbar zu machen,
indem er allen Eigenmächtigkeiten, die sich etwa bei der Ein-
treibung der Kontributionen einstellen konnten, von vornherein
vorbeugte. Deshalb war es den Soldaten streng untersagt,
sich am Eigentum oder am Leben der Quartiergeber sowie
deren Angehöriger und des Gesindes zu vergreifen. Ferner
durfte niemand etwas ohne Bezahlung fordern, abgesehen na-
türlich von der Fourage. Alle Erpressungen, alles Jagen,
Fischen, Schiefsen war strengstens verboten. Die Quartiere
willkürlich zu vertauschen, war ebensowenig gestattet als Gäste
im Quartier aufzunehmen und zu bewirten. Durch diese Vor-
schrift sollten Durchsteckereien und absichtliche Hintergehun-
gen der Ouartierwirte unmöglich gemacht werden. Eine wei-
tere Reihe von Vorschriften beschäftigt sich mit der Sicher-
heit des Verkehrs. Darin wurde darauf aufmerksam gemacht,
dafs keine Post, kein Reisender auf den Strafsen angehalten
oder gar beraubt werden dürfe. Schliefslich war noch be-
stimmt worden, dafs im mündlichen oder im schriftlichen Ver-
kehr mit den Einwohnern des Landes nur die deutsche Sprache
anzuwenden sei, damit sich auch auf diesem Wege keine Be-
nachteiligunofen der Untertanen einstellen konnten. Ein weiterer
Abschnitt des Erlasses wendete sich speziell an die Bewohner
des Landes. Karl ermahnte sie darin, alle Zuwiderhandlungen
gegen seine Vorschriften bei den kommandierenden Offizieren
oder, wenn sie hier keine Hilfe erwarten konnten, beim Ge-
neral-Kriegskommissariat einzubringen. Eine Folge dieser Ver-
ordnung war endlich die Bestimmung, dafs den Offizieren die
Verpflichtung auferlegt wurde, sich von den Gemeinden, wo
sie einquartiert waren, Atteste über das Verhalten der Truppen
ausstellen zu lassen. Dabei war jedoch gleich hinzugefügt,
dafs sich die Offiziere keinesfalls unterstehen sollten, die Aus-
stellung falscher, also im Zweifelsfalle günstiger Atteste durch
Drohungen zu erzwingen.
Dieser bis in die kleinsten Einzelheiten peinlich ausge-
arbeitete Erlais wurde durch ein zweites Mandat des Königs
Anfang Oktober besonders für die Polen des Stanislaus
Leszczinsky noch einmal wiederholt. Stanislaus hatte beim Be-
treten des sächsischen Bodens seine wilden Horden durch ein
ziemlich aufreizendes Manifest^) auf Plünderung und Brand-
schatzung in Sachsen vorbereitet. Dieses Vergnügen ward
Erlafs vom I. September. HStA. Loc. 3619. Der poln.-schwed.
Krieg und die Invasion in Sachsen vol. XLVl.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 239
ihnen jedoch durch Karls ersten Erlafs arg verdorben. Nichts-
destoweniger kühlten sie aber auf jede nur irgend mögliche
Weise ihr Mütchen, so dafs die beiden Friedensunterhändler
Augusts, Geh. Rat Imhoff und Geh. Referendarius Pfingsten,
bereits im September in Bischofs werda um die Entfernung
der Polen aus Sachsen gebeten hatten'). Karl war zwar auf
ihren Wunsch nicht eingegangen, erliefs aber jenes zweite
Mandat speziell für die Polen, um sie dadurch zu einer ordent-
lichen, dem schwedischen Heere gleichwertigen Führung zu
veranlassen-).
Beide Erlasse, kurz hintereinander erfolgt, verfehlten ihre
gute Wirkung nach beiden Seiten hin zunächst nicht. Die schwe-
dischen Soldaten sahen, dafs ihr König den sächsischen Un-
tertanen seinen Schutz zugesichert hatte, und die Einwohner
des Landes fühlten sich beruhigt durch das Bewufstsein, Karl
werde sie vor allen Übergriffen seiner Soldaten bewahren oder
ihnen wenigstens Genugtuung verschaffen, wenn es zu Aus-
schreitungen kommen sollte. In jedes einzelne Haus war ein
derartiges gedrucktes Mandat gegeben worden'^). Karl w^ünschte,
dafs sich jeder einzelne, auch der geringste Bauer, sofort mit
eigenen Augen überzeugen konnte, ob ein Quartiernehmer
etwas Vorschriftswidriges begehen wollte, und hoffte, dafs der
betreffende Untertan nötigenfalls den Soldaten wegen der
Folgen seines Vorhabens verwarnen werde. Es war für die
1) „ . . . nach Verlauf einer gewissen Zeit, deren Determination
Ihrer Kgl. Maj. von Schweden generosite anheimgestellet wird, die
Pohlen und Wallachen zu Beybehaltung der Sicherheit der Strassen
und des Commercii, sobald der Tractat von denen Commissariis unter-
schrieben, wieder herausführen zu lassen". Konzept eines Schreibens
von Imhoff und Ptingsten, undatiert, aber mit der Bemerkung ver-
sehen: In Bischofswerda vorgebracht. Reichsarchiv Stockholm, Akten
über den Frieden zu Altranstädt.
-) „Ungeachtet ernstlicher Befehle sind bey den in Quartier ge-
legten, oder hin und her streiffenden Pohlen allerlei Gewalt und Un-
ordnung, Wegnahme des Viehs, Gefährdung der öffentlichen Strassen,
ausgefüliret worden. Zuwiderhandelnde dürfen von denen Einwohnern
sofort ans nechste Regiment zur Bestrafung abgeliefert werden".
HStA. Loc. 9288. Acta die schwed. Invasion .... betr. vol. I und
Loc. 9290. Drei Bücher, der schwed. Armee Verpflegung vol. I.
^) Flugblatt (Mitte Oktober 1706 gedruckt): „Gespräch eines
Schweden und eines Neutralen, von dem Sachs. GlücK bey dem
Schwedischen Unglück". — S[chwede]: „Dieses [das erste Mandat]
ist schon was altes, und wird er kaum einen Bauern finden, der
diese Verordnung nicht schon gedruckt in seinem Hause hätte, da-
mit, wenn etwa sein Soldat ja einen Excess begehen wolte, er ihm
danach sofort von seinem Vorhaben abschrecken könnte". Kgl.
Bibliothek in Stockliolm.
2AO Arno Günther:
schwedischen Soldaten nicht schwer, durch genaue Befolgung
von Karls Vorschriften das Vertrauen der Einwohner zu ge-
winnen. Dies wurde ihnen um so leichter, als sie in vieler
Beziehung das Gegenteil der sächsischen Truppen bildeten,
die bei ihrem eignen Volke in ganz geringem Ansehen stan-
den, weil sie durch verschiedene Ursachen arg verloddert
waren ^).
Ein Flugblatt vom Oktober 1706-) und verschiedene Städte-
chroniken geben Zeugnis davon, wie erträglich, ja wie freund-
lich sich an vielen Orten das Verhältnis zwischen Einwohnern
und Soldaten gestaltet hat. Kriegerische Angriffe durch Au-
gust den Starken oder durch Schulenburg standen nicht zu
befürchten; denn jener sah sich in Polen festgehalten, dieser
hatte die klägUchen Reste des sächsischen Heeres der Gnade
Karls empfohlen^). Die Schweden hatten also in Sachsen
keinen Gegner zu erwarten und konnten sich der Ruhe hin-
geben. Um jedoch die Kräfte seiner Soldaten vor allzustarker
Erschlaffung zu bewahren, hatte Karl für die Regimenter den
in der Heimat üblichen Dienst angeordnet. Täglich hielten
die Schweden nach dem alten Brauche in Gustav Adolfs Heere
zweimal Betstunde*). Das machte auf die Einwohner des
Landes solchen Eindruck, dafs sie dem Beispiele der Schwe-
den folgten, innerlich Einkehr hielten und gleichfalls gemein-
') Darüber vgl. ausführlich Zechlin, Die Schlacht bei Frau-
stadt, Ztschr. der hist. Gesch. für Posen XI (1896), 222 ff. Ergänzungen
dazu finden sich bei Günther, Sachsen und die Gefahr einer
schwed. Invasion 1706 (Pegau 1903) vS. 22 und 37 ff.
-) In dem eben erwähnten ,,Gespräcli eines Schweden und eines
Neutralen usw." (Kgl. Bibliothek in Stockholm) heifst es: N[eutraler]:
„Ich kann ihnen mit Wahrheit nachrühmen, dafs ich ihresgleichen
Soldaten noch wenig gesehen, die denen Reisenden auff dem Wege
so höfflich begegnen, und sie in den Post- und Wirtshäusern so
raisonable tractiret, als sie". S[ch\vede]: „Ey .wenn wir doch bey
denen Herren Sachsen auch in solchem guten Credit stehen möchten,
wie bev dem Herrn!" N[eutraler]: ,. Ich versichere, dass die Herren
Schweden durchgehends in Sachsen für höffliche Soldaten
passiren und von iedermann werden gerühmet werden, solange sie
denen Einwohnern das übrige lassen, und im übrigen mit ihnen, als
mit ihren Freunden und Glaubensbrüdern umgehen werden." — Vgl.
auch Leben und Denkwürdigkeiten des Generals von der Schulen-
burg I, 274.
*) Registratur des Geh. Rat Zech vom 4. Oktober 1706. HStA.
Loc. 9287. Die aus dem geh. Concilio . . . geschickten Beschwerden
betr. vol. I. — Brief des schwed. Geh. Sekretärs Hermelin an Palm-
quist, den schwed. Gesandten im Haag. Leipzig, 5. Oktober 1706.
Reichsarchiv Stockholm (RA. St.), Palmquists Briefsammlung.
*) Meltzer, Schneeberger Stadt- und Bergchronica(i7i6) S. 1000.
Dasselbe berichtet Schöttgen, Historie von Würzen (1717) S. 636.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 241
same Betstunden einrichteten'). Den Tag verbrachten die
Schweden damit, dafs sie sich im Gebrauche der Waffen übten
und Exerzitien machten wie in den Garnisonen ihrer Heimat.
Des Abends wurde beizeiten zum Appell geblasen, damit nächt-
liche Ruhestörungen vermieden wurden"). Die Dienststunden
sind nun aber nicht übermäfsig ausgedehnt worden; es blieb
den Soldaten vielmehr reichlich freie Zeit übrig. Um sich die
infolgedessen eintretende Langeweile zu vertreiben und wohl
auch um sich ihren Quartierwirten gefällig zu erweisen, un-
terstützten sie diese vielfach bei der Berufsarbeit'^) oder —
spielten wohl gar mit den Kindern ihrer Quartiergeber, wie
der Wurzener Chronist in seiner Schilderung ausdrücklich er-
klärt*). Derartige geradezu id3'llisch heitre, friedliche Bilder
wiederholen sich im allgemeinen öfter. Die Mehrzahl der alten
Chronisten, zumeist Geistliche, die bei ihren Aufzeichnungen
der Ortsereignisse aus jenen Tagen nicht nur die Einzelheiten
bewerteten, sondern auch kleine Stimmungsbilder vom Gesamt-
eindruck dieser Schwedenzeit entwerfen und dadurch für die
allgemeine Beurteilung der Zeit sehr wertvoll sind, hat die
strafte Manneszucht und die gute Ordnung gerühmt, die von
den Schweden beobachtet wurden^). Jedes Vergehen wider
Karls Vorschriften wurde mit der damals übHchen Strafe, mit
Rutenhieben, geahndet*^). Aber neben diesen Stellen voll Lichts
war auch Schatten vorhanden. „Dieser guten Ordnung un-
geachtet, gingen doch auch viele Excefse vor", berichtet der-
>) Vgl. die folgende Strophe von Joh. Christian Günther
(bei Goedeke & Tittmann, Deutsche Dichter des i7.Jahrh. VI, 129):
Der Schweden Be3spiel weckt' einmal
In uns viel Andachtsflammen,
Wir knieten in gehäuflfter Zahl
Auch öffentlich zusammen.
Der Eifer war mehr Ernst als Schein,
Und unser täglich Himmelschreyn
Hat etwan auch viel Plagen
Des Vaterlands verschlagen.
-) Schöttgen a. a. O. S. 637. — Vgl. auch Karls Brief an seine
Schwester Ulrike vom 23. Oktober 1706 bei E. Carlson, Konung
Carl XII : s egenhändiga bref. Nr. 64. Deutsch von Mewius (BerHn
1894).
^) Schöttgen a. a. O. S. 639.
^) Ebenda S. 639.
^) So rühmt Vogels Leipziger Geschichtsbuch (1756) das „gute
Commendo". Dasselbe findet sich bei Meltzer a. a. O. S. looi.
Ähnlich berichtet Olischers Chronik von Reichenbach (1729) S. 84.
— Vgl. auch den Bericht des Pfarrers Crusius von Allerstedt, Mansf.
Blätter XIII (1899), 107 f.
8) Schöttgen a. a. O. S. 637ff.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 3. 4. l6
2A.2 Arno Günther:
selbe Wurzener Chronist der von der Zuneigung der schwe-
dischen Soldaten zu den Kindern erzählt hat').
Was hier in allgemeinen Zügen angedeutet ist, findet durch
andre Quellen, Chroniken sowohl wie unzählige Beschwerden
einzelner Personen, Bestätigiuig. Dabei ist freilich zu berück-
sichtigen, dafs sich alle diese Klageschriften durch mehr oder
minder übertriebene Darstellung der Ungesetzmäfsigkeiten
auszeichnen. Schon der Ton, in dem sie abgefafst sind, läfst
das unzweifelhaft erkennen. Und wenn man dann alle diese
Beschwerden zusammennimmt, so ergibt sich gar bald zweier-
lei: einmal erscheinen beständig wiederkehrende, den Sach-
verhalt ausschmückende Beigaben, die man von vornherein
für die Beurteilung der Lage ausschalten mufs, und dann lassen
sich auch gewisse Übereinstimmungen in der Art der Vergehen
feststellen, so dafs man fast von t3'pischen Ungesetzmäfsig-
keiten sprechen kann. Diese sind aber zum Teil wieder durch
den Charakter der Zeit, durch wirtschaftliche und soziale Um-
stände bedingt und müssen dementsprechend aus dieser Zeit
heraus begriffen und beurteilt werden.
Ganz allgemein ist zunächst zu sagen, dafs die dem schwe-
dischen Heere gegönnte Ruhezeit zu lange währte. Karls
Absicht, seine Soldaten zu kräftigen, wurde zwar erreicht,
aber als es so weit war, fanden die neu erlangten Kräfte nicht
das richtige Feld zu ihrer Betätigung. Das gute und reich-
liche Essen, die beständige Mufse wirkten erschlaffend auf
Körper und Geist der Soldaten ; der tägliche Garnisondienst war
nicht so anstrengend, dafs dadurch ein Ausgleich geschaffen
werden konnte. So verschwand allmählich die kraftvolle Ener-
gie, die willensstarke Selbstzucht, und an ihrer Stelle machte
sich eine gewisse Schlaffheit bemerkbar.
Ein besonders charakteristisches Zeichen hierfür ist das
Verhalten der Schweden gegenüber dem weiblichen Ge-
schlecht. Die lange Dauer der Kriege in jener Zeit war die
Ursache, dafs nicht nur wie in den Heeren im 1 6. Jahrhundert
die Offiziere, sondern auch die Mannschaften ihre Frauen mit
sich ziehen liefsen. Mit einer grofsen Kinderschar bildeten
diese meist recht zweifelhaften Frauengestalten einen Teil des
schwerfälligen Trosses und waren oft den raschen Bewegungen
des Heeres hinderlich. Dieser und andere aus solchen Zu-
ständen entspringenden Nachteile hatten Reformversuche der
Heerführer veranlafst, die namentlich in dem Heere Gustav
Adolfs ganz vorzügliche Ergebnisse zeitigten. Der Schweden-
') Ebenda S. 636.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 243
könig hatte die Unsitte des Weibertrosses ganz abgeschafft
und wahrte dadurch seinem Heere volle Bewegungsfreiheit
und wohl auch noch manches andere. Als aber nach dem Tode
Gustav Adolfs der Krieg noch viele Jahre währte, kehrten die
alten Übelstände in ihrem ganzen Umfanofe wieder.
Karl XII., in vielen Stücken der bewufste Nachahmer
seines grofsen Ahnen, suchte auch in dieser Beziehung die Zu-
stände der Zeit Gustav Adolfs wieder einzuführen, weil er
sich davon grofse Erfolge versprach, imd beseitigte deshalb
den Weibertrofs im schwedischen Heere. Nicht verhindern
konnte er dagegen, dafs sich seine Soldaten, wo sie sich auch
befanden, den Frauen und Mädchen gefällig erwiesen und zu-
meist auch Gewährung ihrer Wünsche fanden. Gerade während
der langen Ruhezeit in Sachsen bot sich ihnen dazu besonders
häufig und gut Gelegenheit. Dafs es dabei nicht immer ohne
Gewalttätigkeiten abgegangen ist, dürfen wir sicher annehmen;
im allgemeinen haben jedoch die Schweden und besonders
auch die Polen nach dieser Richtung hin bei den sächsischen
Frauen und Mädchen viel Entgegenkommen gefunden. Das
geht aus den Chroniken hervor, die darüber in ernst entrü-
stetem oder heiter scherzendem Tone — je nach der Stellung
ihrer Verfasser zu diesem Punkte — mehrfach berichten^).
Es ist nun auch sehr wahrscheinlich, dafs Sachsen in jener
Zeit sehr viel Zuzug von zweifelhaften Mädchen aus dem übrigen
Deutschland erhalten hat. Zwar finden sich darüber in den
Quellen keine ausdrücklichen Angaben, aber die Erfahrungen
aus andern Kriegen in jenen Jahrhunderten lassen wohl diesen
Schlufs zu. Kaum glaublich dagegen erscheint es, dafs diese
nunmehr das Land zu ihrem Eldorado gemacht hätten. Dieser
Annahme widerspricht schon die quellenmäfsig belegte, oben
erwähnte Tatsache, dafs der weibliche Teil der Einwohner
^) „Ihre Fruchtbarkeit haben sie mehr als rühmlich ist, bewiesen
und eine ziemliche Anzahl unächter Kinder hinter sich gelassen,
manches ehrliche Haus betrübet, und arme Dienstbothen gefället.
Wie sie denn auch grossen Theils ihre Brunst nicht bergen konnten,
sondern sobald sie in ein Haus kamen, sich mit denen \Veiber- Per-
sonen daselbst bekannt machten und mit ihrem Spendiren von dem
Sächsischen Geld sich Gegenliebe zuwege zu bringen suchten."
Fiedler, Müglische Ehrensäule (1709) S. 125. — Dieselbe Chronik sagt
über die Polen in Leisnig: Sie „lebeten in der Stadt ziemlich frey
mit denen Weibs-Personen". — Endlich Schöttgen a. a. O. S. 639:
„Dass sich die Schweden bev dem Frauenzimmer wohl insinuiren
können, solches bezeugen die jungen, nunmehr ins eilftte Jahr — die
Chronik ist 1717 verfalst! — gehende Schweden, aus welchen man
mit der Zeit etliche Regimenter formiren und sie wieder ihre eigenen
Väter zu Felder füheren könnte".
16*
244 Arno Günther:
Sachsens den fremden Soldaten sehr zugetan war. Schwer
dürfte es auch fallen, die Behauptung zu beweisen, das schwe-
dische Heer sei infolge der Ausschweifungen völlig verseucht
gewesen. Gerade darüber würden die Chronisten, die für alles
ein scharfes Auge gehabt haben, auch etwas sagen, aber
nirgends findet sich auch nur eine Andeutung. Jedenfalls dürfte
auch in dieser Frage der Mittelweg wieder das Richtige sein^).
Auch in anderer Beziehung gingen die Schweden zurück.
Ihr Gottesdienst war mehrfach nur noch Schein, Völlerei stellte
sich ein, und die Trunkenheit ward immer widerwärtiger-).
Bald hier, bald da wurde über allerhand Gewalttätigkeiten
geklagt, die von den Schweden verübt worden seien; am meisten
wurde aber über das Betragen der Polen gejammert^). Die
Klagen kamen immer häufiger, je länger die gleiche Höhe der
Kontributionssumme gefordert wurde. Dabei waren aber die
Einwohner in der glücklichen Lage, die Forderungen der
Schweden zu erfüllen, wenn sie es natürlich auch nicht gern
taten, denn ihre Getreidespeicher bargen einen ungemein reichen
Erntesegen. Einem schönen Sommer mit guter Heu- und Grum-
meternte waren ein fruchtbarer Herbst und ein warmer Winter
gefolgt; die Halmfrüchte hatten reichlich angesetzt und waren
sicher eingebracht worden; das Vieh konnte länger als andere
Jahre auf die Weide getrieben werden. Alles das trug dazu
bei, dafs man in Sachsen mit dem Jahresertrag zufrieden sein
konnte; überall und selbst in Gegenden, wo das Korn zu rasch
gereift war, trat eine Verbilligung aller Lebensmittel ein^).
Allmählich gingen aber die Vorräte infolge der andauernden
1) Der einzige Beweis für die angeführte Behauptung findet sich
in einer Stelle bei Fafsmann und Hörn, Das Leben Augusts S. 530.
Diese Stelle haben Fryxell in seiner Geschichte Karls XII. S. 267
und Böttiger- Flathe a. a. O. II, 344 übernommen. Gretschel
a. a. O. II, 556 bringt dafür einen Beleg aus Plauen, wo das ost-
gotische Kavallerieregiment lag, sonst ist aber in den Quellen darüber
keine Andeutung vorhanden.
'•■') „Von ihrer Gottesfurcht machten sie auch grosses Wesen,
aber sie konnten so lästerlich fluchen als irgend eine Nation, und
soften sich die Gemeinen wohl voll, wenn sie solten das heilige Abend-
mahl brauchen, so dass man sie hinweg tragen musste". Fiedler,
Müglische Ehrensäule S. 126
^j „Die Wildbahnen ruinirten sie nicht wenig, . . . kam auch
unterschiedene Mahle Feuer aus in der Stadt [Leisnig], da sie hinnen
stunden, blieben bey ihrem Abzug fein viel schuldig, und machten
es noch schlimmer als die Herren Schweden, darumb man sie gar
fröhhch hat sehen fortziehen". Ebenda S. 127.
■*) Vogel a. a. O. S. 1027. Weitere Belege für die Fruchtbarkeit
des Jahres 1706 finden sich u. a. in den Chroniken von Schneeberg
und Leisnis:.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 245
hohen Kontributionen auf die Neige, das Korn zur Frühjahrs-
aussaat mangelte, weil es von den Schweden zur Fourage be-
ansprucht worden war, viele Bauern hatten aufserdem noch
einen Teil ihres Viehs verkaufen müssen und waren daher kaum
imstande, ihre Felder zu bestellen. Trotzdem trieben die
Schweden unbarmherzig ihre Forderungen ein. Besonders
drückend für die Einwohner war es, dafs die Gelder nicht, wie es
ursprünglich angesetzt war, nach den gangbaren, sondern nach
den vollen Schocken verlangt wurden, so dafs auch für alle
Wüstungen gesteuert werden mufste'). Ein neuer Schlag für die
Einwohner war der Umstand, dafs die Schweden alle öffentlichen
Kassen für sich in Anspruch nahmen'^), die eingegangenen und
an die Hauptkasse abgelieferten Gelder zurückforderten'^) und
endlich die Akzise aufhoben*). An andern Orten wieder setzten
sie die Erhebung der Akzisgelder zum Teil unter Anwendung
von Gewalt fort und nahmen natürlich auch die einlaufenden
Geldsummen für sich in Anspruch ''). Auf diese Weise legten die
Schweden das ganze öffentliche Leben lahm. Alle Einkünfte
flössen in die schwedischen Kassen"). Infolgedessen konnten
die Stadtkassen den bedürftigen Gemeindemitgliedern auch
nichts mehr leihen, damit diese die Forderungen der Schweden
erfüllten. Von den Bürgern und Bauern hatte jeder mit sich
selbst zu schaffen, und wer Geld verleihen konnte, hatte es
vielfach schon getan. Blieb jemand die verlangte Summe
schuldig, so stundeten die Schweden zumeist das Geld, aber
die Fristen waren .stets so kurz, dafs in der Zwischenzeit von
auswärts keine Hilfe geholt werden konnte. Dann aber be-
gannen die schwedischen Exekutionen; und wie wurde dabei
vielfach gewüstet!
Hatten die Soldaten schon bisher infolge der überreich-
lichen Verpflegiing ihre Kost nicht ganz vertilgen können und
') Klage der Stände vom 17. November 1706. HStA. Loc. 9287.
Die von dem geh. ConciHo . . . gesandten Beschwerden vol. I.
~) So z. B. in Annaberg, Aue, Chemnitz, Eiterlein, Frohburg,
Johanngeorgenstadt, Neustädtel, Scheibenberg, Schiettau. Ebenda
vol. I — IV.
^) So in Freiberg, Grofsenhain, Mügeln, Oschatz, Torgau, Witten-
berg. Ebenda.
*) So in Chemnitz, Döbeln, Eibenstock, Frankenberg, Grofsen-
hain, Leisnig, Mügeln, Oschatz, Radeberg, Reichenbach, Zwickau.
Ebenda.
^) So in Freiberg, Meifsen, Wittenberg. Ebenda.
*) Allein an Kammerintraden wurden bis zum Januar 1707 aus
den Kassen von 17 Ämtern und 3 Vorwerken 9471 Taler 2 Gr. 2^,2 -v»
weggenommen. HStA. Loc. 35022. Wegen der von Schweden . .
angesonnenen . . . Kammergefälle.
246 Arno Günther:
mehrfach die übrig bleibende Fourage durch die Pferde in
den Kot treten lassen, um sie ungeniefsbar zu machen^), so
trieben sie es noch viel toller, sobald sie zu einer Exekution
befohlen waren. Bekam ein Bauer oder ein Bürger fünf bis
zehn Mann auf Exekution, so konnte er sicher sein, dafs nur
wenig von seinem Eigentum übrig blieb'-). Das Vieh wurde
aus den Ställen getrieben und mufste oft verhungern, wenn
ihm kein Futter gereicht wurde. Die Pferde der Soldaten be-
kamen ungedroschenes Getreide als Streu, die Soldaten selbst
schwelgten und prafsten in üppigster Weise. Mehrfach geschah
es auch, dafs die Schweden die Bauern oder Bürger gefangen
setzten, selbst an Obrigkeiten haben sie sich in vereinzelten
Fällen vergriffen, wenn sie nicht sofort das verlangte Geld
erhielten'^). Schier unerschöpflich waren die Schweden in der
Aufstellung neuer Forderungen. Es wurden allerhand Lebens-
mittel verlangt, die nicht in der vorgeschriebenen Kost inbe-
griffen waren, man forderte Holz und Leinewand, man erzwang
sich persönliche Dienstleistungen. Wenn ihre unmäfsigen For-
derungen nicht befriedigt wurden, ereignete es sich zuw^eilen
auch, dafs sie in ihrer Wut alles, was im Hause der armen
zu Exekutierenden wertvoll war, zerstörten ; mehrfach zer-
trümmerten sie das nötige Hausgerät, schlugen Türen und Fenster
ein, ja in Biebra legten sie sogar ein Feuer an, das 39 Häuser
einäscherte'').
Derartige Greuel waren allerdings verhältnismäfsig selten;
ebenso waren den eben geschilderten unerhörten Quälereien
nur einzelne Bürger und Bauern ausgesetzt. Bei der p-anzen
Exekutionstätigkeit hing ja sehr viel vom Takte der Leiter ab.
War mit diesem Posten ein Unteroffizier betraut, so ging es
häufig sehr rauh und roh zu; im allgemeinen beschränkte man
sich aber auf eine peinliche Durchsuchung des ganzen Grund-
stücks, wovon man dann allerdings alles, was nicht unbedingt
zur Fristung des Lebens von den Hausbewohnern gebraucht
wurde, wegschleppte, Aufserdem trieben die Schweden auch
gern, wenn eine Exekution befohlen war, ungeachtet der Vor-
schriften Karls, Jagd und Fischfang, weil sie sich dann dazu
^) Kla^e des Amtmanns zu Nossen vom 18. September. HStA.
Loc. 9928. Nachrichten über den Einfall der Schweden in Sachsen.
-) Eine Reihe von Beispielen finden sich in den „Beschwerden",
vol. I — ly. HStA. Loc. 9287 f.
'^j Die Belege ebenda. Vgl. auch Gretschel a. a. O. II, 557.
*) Johann Georg zu Sachsen -Weifsenfeis an August, 8. Januar
1707. HStA. Loc. 3541. Den .... zu Altranstädt geschlossenen
Frieden betr. vol. II fol. 21.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 247
berechtigt glaubten^). Gar mancher Bewohner des Landes
wurde durch eine derartige systematische Aussaugung völlig
ruiniert und griff in seiner Verzweiflung als Bettler zum Wander-
stab. An einigen Stilen des Landes, so in der Umgebung
von Dresden, drohte infolge der unsinnigen Vergeudung sogar
eine erhebliche Preissteigerung der Nahrungsmittel einzutreten-).
Schlimm sah es in Sachsen aus, aber am Rande des Verderbens
stand es noch lange nicht. Viele einzelnen Bürger und Bauern
hatten unter den Exekutionen schwer zu leiden gehabt, gar
mancher Soldat hatte arg wider die Vorschriften seines Königs
gefehlt, das ganze Land war sehr geschwächt infolge der lang
andauernden hohen Leistungen, die von Karl vorgeschrieben
waren ^).
') Belege in den „Beschwerden". HStA. Loc. 9287 f.
-) Geh. Rat Zech an Piper, 6. Dezember 1706. HStA. Loc. 9287.
Die von dem geh. Concilio .... gesandten Beschwerden vol.I fol. 146 f.
ä) Mit Geschick und nicht ohne einen gewissen Humor wird der
Zustand Sachsens in jener Zeit in einem Flugblatt geschildert. Es
ist in der Form eines Gespräches (Alexandriner) zwischen drei Bauern
abgefafst. Das Original betindet sich in der Kgl. Bibliothek zu Stock-
holm. Die hauptsächlichsten Stellen daraus lauten:
Hanss: Viel sagten schon: Ich kann nicht länger halten Haus
Ich muss in kurtzer Zeit /zum Lande lauffen nauss.
Doch sah man wenig noch von Haus und Hoff entlauffen ....
31 atz: Ja, Hanss, vergesst auch nicht die grossen schweren Kriege
Die March- und Contra-March, die vielerley durchzüge
Die mich und manchen fast von Gütern haben bracht. — — —
Urben: Man nimmt uns zwar nicht viel /doch heissts/gieb alles raus.
Gieb aus der Scheune Heu Stroh 'Erbsen/Korn und Haber
Gieb heute morgen auch und übermorgen aber
Gieb aus der Küche Fleisch /hohl aus der Schenke Bier/
Verkauffe Ochs und Vieh/ das Geld gieb alles mir;
Summa gieb alles her/das übrige soll Deine.
Es ist bey meiner Treu mein Beutel und die Scheune
In vielen Jahren nicht so leicht und rein gewest.
Die Schweden halten uns nur allzu rein das Nest.
Hanss: Zwar das ist gantz gewiss/wenn nicht der Schweden König
Es scharff verbothen hätt'/die Krieger würden wenig/
(Ja wohl nichts) besser seyn als die gewesen sind
Von den'n ich hörte viel als ich noch war ein Kind. — — — —
Matz: Es ist mehr als zu wahr, mein hertzer lieber Urben/
Uns aber ist die Kirmss und Martens Gauss verdorben/
Christ-Stollen werden auch vergessen ganz und gar
Jedoch seyd gutes Muths/und hofift auts andre Jahr.
Urben: Nein! Neinl so bald werd ich den Schaden nicht vergessen.
Die Krieger haben mir ja alles weggefressen.
Hanss: Denn Contribution ist eine schwere Last/
Und Einquartierung drückt uns/ ohne Ruh und Rast.
So haben wir zwar Fried' und Kuh', doch nur zu hoffen.
Die Thüre stehet uns zur Freud und Lust zwar offen/
Allein sie ist noch mit Soldaten stark besetzt;
Daher die Hoffnung nur uns noch zur Zeit ergetzt.
Die hier geschilderte, gut beobachtete Situation entspricht also dem
oben entworfenen Bilde. Die Scliweden treiben mit Härte alles ein,
aber sie halten sonst gute Ordnung, abgesehen natürlich von ein-
zelnen Fällen, wie sie fm Kriege stets vorkommen.
248 Arno Günther:
Aber auch Karl rührte sich schHefsHch. Klagen über
Klagen liefen im schwedischen Hauptquartier von schwer be-
troffenen Untertanen oder auch von ganzen Gemeinden ein ^).
Dazu gesellten sich wiederholt Eingaben der sächsischen Stände
an Karl"), und schliefslich fanden sie bei ihm auch Gehör.
Karl fafste im April 1707 den Entschlufs, der sächsischen
Regierung zu zeigen, dafs er gewillt sei, jeden Schaden ab-
zustellen, jede Nichtbeachtung seiner Vorschriften zu bestrafen
und, wenn möglich, die Betroffenen für ungerecht erlittene
Verluste zu entschädigen. Zu diesem Zwecke kündigte er
eine Untersuchung bei allen Regimentern an. Der Ge-
neralauditeur Lilienstjerna wurde mit der Vollmacht ausgestattet,
alle Regimenter aufzusuchen, und beauftragt, die bei ihnen
vorgekommenen Übertretungen von Karls Verordnungen sowie
alle sonstigen Ausschreitungen der Soldaten aufzudecken und
zu bestrafen^). Um dabei den sächsischen Untertanen ja alle
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wünschte Karl, dafs den
Untersuchungen Vertreter der sächsischen Regierung bei-
wohnten^), August ging selbstverständlich darauf mit Freuden
ein und übertrug dem Geh, Rat das Weitere''^). Dieser be-
auftragte die Deputierten der Stände mit der Aufgabe, den
Untersuchungen jedesmal in ihrem Kreise beizuwohnen. Da-
durch ward zweierlei erreicht. Einmal konnten sie der schwe-
dischen Untersuchungskommission die Arbeit erleichtem, indem
sie sich bereits im voraus über die Vorkommnisse in ihrem
Kreise informierten und die Exzesse zusammenstellten''), dann
aber bildeten sie zugleich die berufenen Vertreter des Volkes,
indem sie es gegen schwedische Erpressungsversuche schützten
und jedem einzelnen einen Rückhalt boten, dafs er nicht der
Rache derer verfiel, gegen die er sich beschwert hatte '^).
Aufser diesen Deputierten der Stände, deren für jeden Kreis
zwei vorhanden waren, wurde von dem Geh. Rat der schwe-
1) Sekretär Cederhielm an Piper, Dresden, 19. März 1707. Reichs-
archiv Stockholm (RA. St.). Cederhielms Briefsammlung.
■^) So im Dezember, Januar usw., zuletzt am 15 April. HStA.
Loc. 3619. Die im Kurfürstentum Sachsen . . . geforderte Kontri-
bution, vol. L.
^) Staatssekretär Hermelin an Palmquist, den schwed. Gesandten
im Haag, 10. Mai 1707, RA. St. Palmquists Briefsammlung.
^) Ebenda.
^) August an Geh. Rat, 22. April 1707. HStA. Loc. 3541. Den
.... zu Altranstädt geschlossenen Frieden betr. vol. III
^) Geh. Rat an die Deputierten, 25. April 1707, deren Instruktion
vom 25. April. HStA. Loc. 9289. Acta, die schwed. Invasion betr.
vol. I.
■'j Ebenda.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707, 249
dischen Untersuchungskommission „mehreren Nachdrucks
halber" noch der Geh. Kammerrat von Plötz als ständiger
Begleiter beigegeben^), während die Deputierten, wie schon
angedeutet, nur für ihren Kreis herangezogen werden sollten.
Die Kommission bestand also für jedes Regiment aus sechs
Gliedern: dem Generalauditeur Lilienstjerna, dem Kriegsfiskal
Hadorff und einem Aktuar auf schwedischer und dem Kammer-
rat Plötz sowie den beiden Deputierten in jedem Kreise auf
sächsischer Seite.
Sehr bald nach der Verfügung Karls begann die Kom-
mission mit ihrer Tätigkeit. Schon am 28. April 1707 fanden
die ersten Sitzungen beim Taubeschen Dragonerregiment in
Grofsenhain statt. Nach und nach kamen alle Regimenter an
die Reihe. Erst Anfang August war die schwierige, umfang-
reiche Arbeit vollendet. Über die Ergebnisse der Untersuchung
legte Plötz später durch Einreichung der darüber vorhandenen
Akten Rechenschaft ab. Sie liefern in ihrer Ausführlichkeit
den besten Beweis dafür, dafs die schwedische Kommission
mit redlichem Eifer bemüht gewesen ist, alle Schäden auf-
zudecken und Abhülfe zu schaffen-). Plötz hob es in Privat-
briefen besonders hervor, dafs es die schwedische Kommission
an nichts habe fehlen lassen, den bedrückten Untertanen für
ihre Beschwerden Genugtuung zu verschaffen oder wenigstens,
falls dies nicht sofort möglich war, in sichere Aussicht zu
stellen •^).
Wenn es möglich war, wurde die Bestrafung der Schul-
digen sofort in Gegenwart der Kommission vollzogen. War
das begangene Unrecht schwer, so wurde meistens „Gassen-
laufen" verhängt; die Strafe kam stets noch am Tage des
Urteils zur Vollstreckung. Handelte es sich um Entschädigungen,
die womöglich von den Einwohnern falsch berechnet worden
waren, so wurden sie von der Kommission richtig gestellt.
Die anerkannten Ansprüche der Geschädigten wurden gewöhn-
lich erst später auf Anordnung der Kommission durch die
jew^eiligen Kreisdeputierten l^efriedigt ; diese hatten dann der
Kommission von Zeit zu Zeit darüber Bericht zu erstatten.
>) Geh. Rat an Plötz, 25. April. HStA. Loc. 9289. Die der schwed.
Armee . . . geschehene Lieferung usw.
2) Diese Akten sind in 26"' Bänden im Hauptstaatsarchiv zu
Dresden zu finden. Sie enthaUen sehr viel interessantes Material
besonders für Lokalforschungen, werden aber hier nur soweit ver-
wendet, als sie für die allgemeine Lage in Sachsen wichtig sind.
3) „Lilienstjerna geht im A'erein mit dem Kriegsfiscal sehr scharf
zu Werke". Plötz an Geh. Rat von Friesen, 29. April 1707. HStA.
Loc. 9289. Die der schwed. Armee . . . geschehene Lieferung usw.
250
Arno Günther:
Es ist ganz erstaunlich, was die Kommission in der "Zeit
ihrer Tätigkeit geleistet hat. Mit peinlicher Gewissenhaftig-
keit wurden die Regimentsbücher durchgesehen, Aufstellungen
der einzelnen Gemeinden geprüft und Einzelverhöre vorge-
nommen, mit einer wunderbaren Geduld hörten die Kommissare
alles, auch die geringste Kleinigkeit an, sie scheuten sich nicht,
oft mehrere Tage auf eine Sache zu verwenden, um den Klägern
zum Rechte zu verhelfen. Es ist dies um so mehr anzuerkennen,
als sie ja das Recht für ein fremdes Volk, mit dessen Fürsten
sie gekämpft hatten, gegenüber eignen Landesgenossen suchten.
Es wäre nicht zu verwundern gewesen, wenn sie aus diesem
Grunde mehr zu Gunsten der Schweden geurteilt hätten, aber
überall lassen die Akten erkennen, wie die Kommissare be-
strebt waren, möglichst objektiv zu verfahren. Eine begreif-
liche Tatsache ergibt sich endlich auch noch, wenn man die
Akten durchblättert. Die Kraft der Untersuchungsrichter er-
lahmte allmählich, aufserdem rückte die Zeit des Aufbruchs
des schwedischen Heeres aus Sachsen immer näher heran;
es ist daher ganz erklärlich, wenn zum Ende hin die ganze
Untersuchuno; etwas rascher und flüchtig-er betrieben worden
ist. Aufserdem drängt sich dem Forscher noch eine weitere
Wahrnehmung auf, die mit der ersten in gewissem Zusammen-
hange steht.
Man gewinnt aus den Akten über die Untersuchung ganz
sicher den Eindruck, dafs — wie in allen derartigen Fällen —
bei den zuerst an die Reihe gekommenen Regimentern genauere
Untersuchungen angestellt und infolgedessen auch zahlreichere
und härtere Strafen verhängt worden sind als bei denen, die
später untersucht wurden. Die Gewohnheit liefs auch hier
allmählich eine mildere Beurteilung eintreten.
Eine reinliche Scheidung zwischen guten und schlechten
Regimentern läfst sich schwerlich vollziehen. Im allgemeinen
hat es bei allen Regimentern Ausstellungen gegeben ; zum
grofsen Teil sind ihre Ursachen jedoch derart gewesen, dafs
sie nicht zu dauernden Streitigkeiten zwischen Quartiergebern
und Soldaten oder gar zu Gewalttätigkeiten geführt haben.
Einzelne Regimenter, wie z. B. das Görzsche in der Nieder-
lausitz, das Taubesche in Grofsenhain, das Tritzk3'sche in
Wittenberg, hatten besonders viel Exzesse aufzuweisen und
haben daher auch sehr viel Strafen zu verzeichnen^). Dem
') Eine Blütenlese von Vergehen sei aus den Untersuchungs-
akten des Taubeschen Regiments in Grofsenhain gegeben. Vielfach
laufen Beschwerden über zertrümmertes Hausgerät ein; ein Bürger
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 251
gegenüber finden sich aber auch Regimenter, so z. B. das
Nericke- und Wermländische Regiment in Schneeberg, denen
gute Zeugnisse über musterhafte Führung von den Einwohnern
freiwillig ausgestellt worden sind^).
Im allgemeinen kehrten bei allen Regimentern immer die-
selben Klagen wieder. Zumeist bezogen sie sich — abgesehen
von den in beträchtlicher Minderzahl vorhandenen Beschwerden
wegen direkter Schädigung am Eigentum oder wegen tätlicher
Vergehen — auf die Verordnungen Karls wegen der Verpfle-
gung und auf deren Überschreitungen. Diese waren nun aller-
dings zum Teil nicht unbeträchtlich, indes — wie wir bald
sehen werden — durch zeitliche oder örtliche Gewohnheiten
bedino;t. Natürlich konnten die Schweden darauf nur ganz
wenig Rücksicht nehmen, da sie es als Herren des Landes
gar nicht nötig hatten, sich um dessen Eigenheiten zu kümmern.
Es ist daher ganz erklärlich, wenn im schwedischen Haupt-
quartier Klagen über solche Ausschreitungen nur als ,, Eigen-
willigkeiten'' bezeichnet wurden, um die von den sächsischen
Untertanen viel mehr Geschrei als nötig erhoben worden sei"-).
Um so mehr ist es aber anzuerkennen, dafs trotz dieser An-
schauung in den mafsgebenden Kreisen im Hauptquartier die
Untersuchungen bei allen Regimentern durchgeführt wurden,
dafs man also von Seiten des schwedischen Oberbefehls un-
bedingt den ,, vermeintlichen" Beschwerden Gehör schenkte
und Abhilfe schuf.
Ein kurzer Überblick über die stets wiederkehrenden,
typischen Überschreitungen ist nun hier darum am Platze, weil
klagte, dafs ein Dragoner sein „Weib verhuret und die Magd ge-
schlagen"; ein anderer Dragoner hat die Frau eines Bürgers „mit
der Hitzsche tractiret" und Fenster und Türen eingeschlagen; wieder
einer hat die Frau geschlagen und die Magd bedroht; der nächste
hat ein kleines Mädchen notzüchtigen wollen; ein fünfter hat „die
Werkstatt eines Bürgers deraoliret", dessen „Weib mehrmals mit
Füssen getreten" und ist dann sogar von dem Korporal, der ihn ab-
führen sollte, zu weiteren derartigen Taten aufgehetzt worden. Ver-
schiedene andere haben Bier in die Zimmer gegossen, ,,mit Brodt
um sich geschmissen", sind erst spät nachts oder gar frühmorgens
nach Hause gekommen, sind mit dem Lichte sehr unvorsichtig um-
gegangen, haben mit dem Degen die Schindeln vom Dache gestofsen
und dergl. mehr. Man mufs m allen diesen Fällen berücksichtigen,
dafs sich die Soldaten schon längere Zeit im Feindesland befanden
und dafs Kriegszeiten geschildert werden, jedenfalls bleiben der-
artige Fälle immer vereinzelt, sonst würden darüber auch die Stadt-
chroniken ganz anders berichten.
1) Meltzer a. a. O. S. 1002.
-) Hermelin an Palmquist im Haag, 10. Mai. RA. St. Palmquists
Briefsammluno;.
252
Arno Günther:
er zugleich eine bescheidene Einsicht in verschiedene Eigen-
tümhchkeiten, besonders des sächsischen Wirtschaftslebens zu
jener Zeit gewährt.
Seit den Tagen der Kipper und Wipper war eine all-
gemeine Verschlechterung der Münzen und damit eine ge-
wisse Unsicherheit in deren Bewertung eingetreten. Die grofsen
Kriege und der Grenzverkehr hatten dazu die Einführung
minderwertiger ausländischer Münzen erleichtert, und diese
wurden vielfach höher bewertet als einheimische. Allmählich
machten die Münzherren dem Unwesen ein Ende, indem sie
wieder an einem bestimmten Münzfufs festzuhalten suchten.
Diese Bestrebungen der Landesfürsten, den bisherigen
Verfall der einheimischen Münzen wieder auszugleichen, zogen
auf der anderen Seite das Sinken der ausländischen, im Lande
kursierenden Münzen nach sich. Die Folgen dieses Gegen-
satzes kamen in Sachsen während des Aufenthalts der
Schweden deutlich zum Ausdruck, In den an der Grenze
liegenden Orten war vielfach auch die Münze aus den Nachbar-
ländern im Umlauf. So kursierte namentlich in den Gemein-
den des erzgebirgischen Kreises viel österreichisches Geld.
Die Schweden nahmen es bei der Eintreibung der Kontri-
butionssummen anstatt des sächsischen Geldes mit in Zahlung,
verlangten dann aber ein gewisses, oft recht beträchtliches
Agio. In gleicherweise verfuhren sie, wenn die fälligen Summen
zum Teil in französischer Münze gezahlt wurden^). Die Klagen
der Untertanen wurden in diesem Punkte von der Kommission
nicht berücksichtigt; sie bestand vielmehr auf dem Buchstaben
der Verordnunof, wonach die Zahlung; der Kontribution in der
Landesmünze zu erfolgen hatte-). Hier wirkten also noch die
Folsren der Münzverschlechterung und Wertverwirrung: aus dem
Anfang des 17. Jahrhunderts nach, und die Folgen davon mufsten
die Untertanen tragen'^).
Es mag dies vielleicht als eine gewisse Härte erscheinen,
aber dagegen ist zu bedenken, dafs die Schweden als Herren
des Landes Anspruch auf volle Zahlung der geforderten
Summen geltend machen konnten. Wenn sie dann in einzelnen
^) In Reichenbach wurde z. B. bei Zahlung der Kontributions-
summe in französischem Geld ein Agio von 5 Pfennigen für das
Schock (Besteuerungseinheit) verlangt. Ähnlich wird aus Annaberg,
Buchholz, Chemnitz, Marienberg usw. berichtet.
''') Als Münzfufs galt damals in Sachsen der Leipziger Münzfufs
vom Jahre 1690.
") Näheres in den Akten über die im Erzgebirge liegenden
Regimenter. HStA. Loc. 9292,
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 253
Orten zur Erleichterung dieser Zahlungen auch minderwertiges
fremdes Geld annahmen, so war es schliefslich nur ihr gutes
Recht, darauf zu sehen, dafs sie dabei nicht in Nachteil kamen.
Gar zu übermäfsig sind übrigens die Agioforderungen nirgends
gewesen.
Ein weiterer grofser Teil von Klagen läfst sich ferner
gleichfalls auf einen in jener Zeit vorhandenen Übelstand zu-
rückführen. Es fehlte an einem einheitlichen Mafse. Eine
ganze Reihe von Ortschaften hatte die geforderten Rationen
und Portionen nach ihrem eigenen Mafse abgemessen, während
als Grundmafs für die Lieferungen an die Schweden ausdrück-
lich das Leipziger Mafs vorgeschrieben war. Viele schwedische
Offiziere richteten sich nun aber auch nicht danach, sondern
beanspruchten die Zumessung nach ihrem schwedischen Mafs,
wodurch die Untertanen noch mehr in Nachteil kamen'). Diese
Differenzen hatten häufig sogar zu Ausschreitungen geführt,
und Klagen wegen der ,,Übermafse", wie es in den Klage-
schriften hiefs, wurden der Kommission von den Untertanen
bei jedem Regiment vorgelegt. Alle Beschwerden, die sich
auf diese ,,Übermafse" bezogen, wurden in der Weise erledigt,
dafs alle Mafse auf Leipziger Kannen, Pfunde und Scheffel
umgerechnet wurden und die den Schweden zuteil gewordenen
MehrHeferungen aus den Regimentskassen mit Geld vergütet
werden sollten'-). Die Durchführung dieser Bestimmung in den
einzelnen Orten, die oft viel Zeit kostete, wurde den Deputierten
des betr. Kreises übertragen. Diese waren auch gehörig darauf
bedacht, dafs jedem geschädigten Untertanen Ersatz geleistet
wurde, und erstatteten darüber sofort Bericht an die Kom-
mission, namentlich wenn wegen der Zahlungen aus der Re-
gimentskasse Schwierigkeiten eintraten. So erhielten alle, die
sich wegen der ,,Übermafse" beschwert hatten, wenigstens
gewisse Geldentschädigungen für ihre Verluste,
Eben infolge dieser oft beträchtlichen ,,Übermafse" stellte
sich auch frühzeitig ein erheblicher Mangel an Nahrungsmitteln
ein. Freilich wurde er von verschiedenen Seiten auch in ganz
übertriebener Weise dargestellt, und darüber waren die schwe-
dischen Offiziere, wie leicht zu begreifen ist, sehr entrüstet.
1) 5 Pfund Leipziger Mafs =; 4 Pfund schwedisches Mafs. Wenn
also die schwedischen Oftiziere die Zumessung nach ihrem schwe-
dischen Mafs verlangten , so war dies für die Untertanen sehr hart.
-) Berichte LiUenstjernas (undatiert). HStA. Loc. 9289. Die der
schwed. Armee seit der Einrückung . . . geschehene Lieferung an
Proviant usw. — Vgl. auch die Nebeninstruktion für Plötz. HStA.
Loc. 9288. Die aus dem geh. Concilio . . . nach Leipzig geschickten
Beschwerden vol. III.
254
Arno Günther:
Wenn nun infolge dieses tatsächlichen oder auch nur vorge-
gebenen Mangels die Schweden zum Hilfsmittel der Exekution
griffen, vim die Befriedigung ihrer Forderungen zu erlangen,
dann waren Ausschreitungen, wie sie früher geschildert worden
sind, oft unvermeidlich, besonders wenn die von der Exeku-
tion Betroffenen durch ihre eigene Widersetzlichkeit noch
Anlafs dazu gaben.
Es ergibt sich also, dafs alle Klagen über das Betragen
der schwedischen Soldaten auf wirtschaftliche Ursachen
zurückzuführen sind. Auf diesem Gebiet mufsten zuerst die
Schäden aufgedeckt und abgestellt werden, wenn anders die
Tätigkeit der Kommission erspriefslich sein sollte. Es zeugt
daher von einer klaren Urteilskraft des Vorsitzenden der
Kommission, des Generalauditeurs Lilienstjerna, dafs er die
wirklichen Ursachen der allgemeinen Unzufriedenheit erkannte
und ihrer Beseitigung seine hauptsächliche Aufmerksamkeit
zuwandte. Mit grofsem Eifer ging er namentlich auf die Über-
griffe bei den Exekutionen näher ein. Hierbei sprach er
wiederholt die Mahnung aus, die Leiter der Exekution sollten
in zukünftigen Fällen unter allen Umständen die Armut der
Einwohner berücksichtigen. Auf diese Weise beugte er Wieder-
holungen der unmäfsigen Forderungen vor, wie sie mehrfach
bei dieser Gelegenheit vorgekommen waren. Andererseits
verordnete er, besonders für die Offiziere, bare Begleichung
des von ihnen gemachten Aufwands, kündigte Ersatz alles be-
schädigten Eigentums an und verhiefs Bezahlung der wegge-
nommenen Pferde und des andern Viehs. Durch solche Be-
stimmunofen waren die wirtschaftlichen Verluste der Einwohner
des Landes wenigstens bis zu einem gewissen Grade ersetzt,
und damit ward die allgemeine Unzufriedenheit wesentlich
behoben. Vielfach waren die Untertanen in ihrem Ansinnen
an das schwedische Hauptquartier aber auch zu weit gegangen;
so hatten verschiedene Gemeinden um Rückgabe der beschlag-
nahmten Steuerkassen gebeten, die doch auf direkten Befehl
Karls eingezogen worden waren; von anderer Seite wieder
war um Erlafs der Kontributionen für die Monate September
und Oktober 1706 ersucht worden, weil die Schweden damals
noch gar nicht im Lande disloziert gewesen seien ^). Aber auch
hier lag eine königliche Bestimmung vor, gegen die natürlich
kein Einwand half.
Sonst aber war die Untersuchungskommission den Be-
schwerden aller Art zugänglich und leistete, sobald deren
1) Ebenda.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 255
Berechtigung festgestellt war, Gewähr für Abhülfe. Bei jedem
Reo-iment wurden allgemeine und besondere Beschwerden un-
terschieden. Die erste Art — sie begriff die eben behandelten
bei jedem Regimente wiederkehrenden Klagen in sich — wurde
beim Beginn der Untersuchung in Grofsenhain ein für allemal
entschieden. In Bezug auf diese Klagen beschränkte sich
Lilienstjerna bei allen anderen Regimentern auf eine kurze
Wiederholung der dort getroffenen Entscheidungen. Auf diese
Weise gewann er Zeit, die er dann besser für die Erörterung
der ,,Spezialgravamina" verwenden konnte, und hierbei zeigte
er grofsen Gerechtigkeitssinn. Eifrig sorgte der Generalauditeur
auch dafür, dafs den sächsischen Deputierten, denen die ge-
naue Durchführung der Kommissionsentscheidungen in ihrem
jeweiUgen Kreise anvertraut war, von den schwedischen Offi-
zieren dabei nicht etwa ungehöriger Widerstand entgegen-
gesetzt wurde. Daher hefs er sich wiederholt über die Fort-
schritte der Tätigkeit der Deputierten sowie über alle weitern
Vorkommnisse bei den einzelnen Regimentern Bericht er-
statten') und erliefs strenge Befehle zu unbedingter Befolgung
seiner Vorschriften, sobald ihm Klagen wegen Widersetzhch-
keit zu Ohren gekommen waren.
Schon zu Beginn der Untersuchungen merkte man es im
schwedischen Heere, wie straff Lilienstjerna vorging. Den
einzelnen Abteilungen der Regimenter, die sich besondere Aus-
schreitungen hatten zu schulden kommen lassen, war es daher
nicht sonderlich wohl zu Mute. Deshalb suchten sie, um bei
der Untersuchungskommission gut durchzukommen, ihre Quar-
tiergeber durch Drohungen einzuschüchtern und dadurch gute
Zeugnisse für sich zu erpressen-). Aber durch die Aufmerksam-
keit der Kreisdeputierten wurde ihr Vorhaben zumeist entdeckt
und davon dem Generalauditeur Mitteilung gemacht, der nun
natürlich gerade auf derartige Leute sein besonderes Augen-
merk richtete'^). Die Einwohner des Landes nahmen dies mit
Befriedigung wahr und brachten daher auch vertrauensvoll
ihre Beschwerden vor.
Im ganzen waren sie auch mit der Tätigkeit der Kom-
mission einverstanden. Sie waren überzeugt, dafs die schwe-
dische Heeresleitung den guten Willen hatte, jede ihnen zu-
gefügte Unbill zu bestrafen und, soweit dies möglich war, jeden
1) Plötz an die Delegierten, 24. Juli. HStA. Loc. 3541. Den
zwischen . . . Polen und der Krone Schweden . . . geschlossenen
Frieden betr. vol. III.
'-) Vgl. dazu die Akten der einzelnen Regimenter.
^) Desgleichen.
256 Arno Günther:
Schaden zu ersetzen; und so stellte es sich denn am Schlüsse
der Untersuchungen heraus, dafs die Lage der Einwohner
Sachsens in wirtschaftlicher Beziehung zwar recht bedenklich
w'ar, dafs aber im übrigen wirklich schwere Exzesse der Schwe-
den nicht so häufig vorgefallen waren, wie es anfangs den
Anschein hatte, dafs vielmehr das Verhältnis der Einwohner
zu den Schweden — natürlich unter Berücksichtigung der
besonderen Verhältnisse und der kriegerischen Zeit — ■ gar wohl
erträglich zu nennen war.
Die Gründe, weshalb sich die Klagen der Einwohner
namentlich im Jahre 1707 immer häufiger einstellten, waren
doppelter Art. Einmal erschlaff'te, wie wir bereits sahen, infolge
der langen Ruhe und guten Verpflegung das schwedische Heer
in nicht geringem Mafse. Dann aber kommt neben diesem
mehr inneren Grund noch ein zw^eiter, äufserer in Betracht,,
der wie die erwähnten wirtschaftlichen Mifsstände zeitt3'pisch
ist: die Art, die im Heere entstandenen Lücken zu
ergänzen. Es ist sicher nicht zu viel behauptet, wenn wir
das Söldnerwesen für die Erschlaffung der alten Sitte im schwe-
dischen Heere mit verantwortlich machen; denn vielfach ent-
stammten die Neuangeworbenen allerlei umherstreifendem,
abenteuerlustigem Gesindel, das natürlich keine Ahnung von
der Zucht und Ordnung des schwedischen Heeres hatte, aber
durch sein verderbliches Beispiel, durch sein ungezügeltes
Leben ein Vorbild im schlechten Sinne gab. Indes die Ergän-
zung des Heeres war notwendig, und so mufste eben dieses
Übel mit in Kauf genommen werden.
Die einzelnen Kompagnien in Karls Regimentern waren
beim Einmarsch in Sachsen zum Teil stark zusammenge-
schmolzen; neue Anwerbungen zur Ausfüllung der Lücken
machten sich also unbedingt nötig. Gerade die Ruhezeit in
Sachsen konnte dazu gut angewandt werden. Karl stellte daher
für die einzelnen Regimenter Patente mit der Erlaubnis zu
Truppenanwerbungen aus.
Es sind bisher in den geschichtlichen Darstellungen dieser
Zeit über die Werbungen der Schweden während ihres Aufent-
haites in Sachsen nur sehr spärliche, zum Teil auch unrichtige^)
Angaben gemacht worden, so dafs es wohl dringend geboten,
erscheint, hier auch diese Frage zu untersuchen und zu einer
endgültigen Entscheidung zu bringen.
^) So z. B, bei Friesen a. a. O. S. 23.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 257
Karl sagte sich nun freilich selbst, dafs ein Heer, dessen
Bestandteile sich aus Angehörigen aller Herren Länder zu-
sammensetzte, nicht in der Weise brauchbar sein werde, wie
er es wünschte, und daher liefs er an siebzehn Regimenter
die Weisung ergehen, durch Werbungen in Schweden die Lücken
in ihren Reihen auszufüllen^). Auf diese Weise blieb dann
wenigstens der Stamm des Heeres rein schwedisch und damit
auch zuverlässiger als die anderswo angeworbenen Truppen ;
denn es ist ganz klar, dafs die Untertanen im Heere für ihren
König ganz anders fochten als geworbene Söldner. Die in
Schweden ausgehobenen Truppen wurden auch in ihrer Heimat
eingekleidet-); diese kostspieligen Ausgaben mutete Karl also
den entkräfteten Kursachsen nicht zu, da er das, was das Land
zu leisten noch imstande war, zur Verpflegung seines Heeres
brauchte. Die Werbungen wurden noch in den Wintermonaten
des Jahres 1706 vorgenommen. Mit Beginn des Frühjahrs
sollten das Werbegeschäft und die Einkleidung so weit gediehen
sein, dafs die neuen Mannschaften nach Pommern übergeführt
werden konnten^). Karl rechnete also darauf, im Frühjahr
bereits aus Sachsen aufbrechen zu können, und wollte dann
•die Ergänzungsmannschaften bereits fertig zum Eintritt ins
Heer in Pommern vorfinden, um sich mit diesen neuen Kräften
alsbald gegen Rufsland wenden zu können; ein Plan, der jedoch
einige Monate hinausgeschoben werden mufstc*).
Da nun aber die Aushebungen in Schweden nicht genügten,
sah sich Karl g^enötiort, auch diesseits der Ostsee die Werbe-
trommel rühren zu lassen. Er liefs daher auch den Obersten
der übrigen acht in Sachsen stehenden"'), sowie der in der
Schlacht bei Kaiisch'') so arg mitgenommenen, in Polen über-
winternden Regimenter Werbepatente ausstellen, die zumeist
auf eine bestimmte Anzahl anzuwerbender Leute lauteten.
Aufserdem wurden jedem dieser Regimentsobersten ausführliche
,, Kapitulationen" zugesandt, worin die näheren Bestimmungen
1) Patent vom ^ Nov. RA. St. Reichsregistratur von 1 706.
' . '~ 1 30 Nov
2) Karl an die Defensionskommission ni Stockholm, ^^' p^^"
Ebenda.
^) Ebenda.
•*) Die Gründe, die Karls Aufbruch bis zum Sommer hinaus-
schoben, waren die verzögerte Ratifikation des Friedens zu Altran-
städt durch August, sowie'der Konflikt mit dem Kaiser Joseph. Über
diesen Konflikt vgl. die ausgezeichnete Arbeit von E. Carlson,
Karl och kejsaren 1707. Hist^Tidskrift 17. Jahrg. 1897.
^) Die Regimenter der Obersten Görz, Taube, Düker, J. Sper-
ling, Tritzky, Buchwald und des Generals Meyerfeld.
*^) Am 29. Oktober 1706.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 3. 4. ^7
2c8 Arno Günther:
für die Werbung, Einkleidung, Einstellung ins Regiment usw.
enthalten waren. Es ist in hohem Grade auffällig, dafs sich in
allen diesen Kapitulationen ausdrücklich die Weisung ündet,
keine Sachsen anzuwerben, während sonst die Nationalität
der Anzuwerbenden völlig gleichgültig ist^). Ein Grund zu
dieser Ausnahmebestimmung wird nicht angegeben, doch läfst
sich leicht auf ihn schliefsen. Karl kannte das Material des
sächsischen Heeres zur Genüge, um es gründlich zu verachten;
er wufste, dafs aus dessen Reihen unzählige Mannschaften deser-
tiert waren, er hatte Proben von der Zuchtlosigkeit dieser Leute
mehrfach erhalten. Nichts lag nun aber näher, als dafs gerade
diese Deserteure im schwedischen Heere Dienst zu finden
suchten; denn Karls Ansehen war infolge der siegreichen
Schlachten, die er die Jahre daher geliefert hatte, bei den
Soldaten aller Nationen bedeutend gestiegen und dies ganz
besonders bei den Sachsen, die ihm ja mehrfach gegenüber
gestanden hatten. Hier erwarteten diese Leute ein lustiges
Söldnerleben, Zeiten der Freude und Lust nach herrlichen
Siegen und reichlichen Gewinn aus der Beute in den Schlachten.
Aber eben das wufste Karl von den Sachsen, und darum mochte
er sie nicht unter seinen Fahnen dulden. Zwar konnte er das
Gleiche auch von den Söldnern andrer Nationen erwarten,
aber da hatte er noch keine derartig schlimme Wahrnehmungen
gemacht wie bei den Sachsen. Aufserdem lag auch bei den
Sachsen die Gefahr nahe, bald wieder zu desertieren, da sie
ja in ihrem Heimatlande waren. Deshalb verzichtete Karl auf
die Sachsen, liefs aber sonst in ganz Deutschland eifrig werben-),
was allenthalben grofse Besorgnis vor weitern Plänen Karls
— besonders einer Unterstützung Frankreichs im spanischen
Erbfolgekriege — hervorrieft).
Trotz Karls ausdrücklichem Verbot waren aber doch auch
Sachsen angeworben worden. Besonders der Oberst Görz, ein.
ehemaliger sächsischer Offizier, hatte wider die Vorschriften
des Königs gehandelt. Er hatte in der weitern Umgebung
von Merseburg und in der Niederlausitz Werbezettel mit den
gewöhnlichen prahlerischen Redensarten anschlagen lassen und
') Kapitulation für Görz usw. RA. St. Reichsregi.stratur 1706.
— Vgl dazu den Brief Hermelins an den schwed. Gesandten im Haag-
vom ^ Dez. 1706. RA. St. Palmquists Briefsammlung.
-') Bericht des Sachs. Residenten Ebersbach aus Hamburg, 16. Feb-
ruar 1707. HStA. Loc. 3541. Den zwischen . . . Fohlen und . . .
Schweden geschlossenen Frieden 1706 betr. vol. II.
^) Palmquist an Karl, im November (undatiert, nur Monatsan-
gabe) 1706. RA. St. Acta hollandica.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 259
keinen geringen Zulauf gehabt ^). Auch andere Regiments-
obersten haben vielleicht einzelne Sachsen angeworben ; aber
ausgebeutet wurde das Land in dieser Beziehung auf keinen
Fall. Alle derartigen Darstellungen der Werbungen der Schwe-
den sind schief, denn sie sind nicht auf die hier zum ersten
Male benutzten schwedischen Quellen gegründet, die weiterhin
auch durch bisher unbenutztes sächsisches Material trefflich
gestützt werden. Schwerlich dürfte sich übrigens auch ein
Beweis dafür erbringen lassen, dafs sächsische Untertanen mit
Gewalt in die schwedischen Uniformen gesteckt worden sind.
Im ganzen sind aus Sachsen nur verhältnismäfsig wenig Leute
— etwa 1500 — 2000 Mann-} — angeworben worden. Wer zu
den Fahnen Karls eilte, tat es hier freiwillig. Im allgemeinen
wurde aber die Vorschrift Karls wegen der Sachsen von den
Regimentsobersten genau befolgt und auf deren Anfrage bei
Karl auch noch auf das Vogtland und auf die ernestinischen
Nachbarländer ausgedehnt'^). Dafs natürlich trotzdem auch
aus diesen Gegenden einzelne Leute von den Schweden das
Handgeld angenommen hatten, ist sehr w-ahrscheinlich. Der
Zulauf zu den Werbestellen war so stark, dafs im einzelnen
die Nationalität jedes Dienstwilligen gar nicht so genau unter-
sucht worden ist. Der Kriegsruhm Karls lockte gew^altig zum
1) Geh. Rat Zech an Piper, 6. Dezember 1706. RA. St. Akten
über den Frieden zu Altranstädt — Geh. Rat an August, 8. und
10. Januar 1707. HStA. Loc. 3541. Den zwischen . . . Fohlen und
. . . Schweden geschlossenen Frieden 1706 vol. II, und Loc. 9319.
Das 6. Buch, den Krieg zwischen Fohlen und Schweden 1706 betr.
'-) Das o;eht u. a. aus einem Schreiben des Sachs. Generals Röbel
hervor, der die Bitte um eine Erleichterung der schwed. Forderungen
u. a. damit begründet, dafs „aus dem Lande über 1000 Mann hin
und wieder angeworben, auch über 400 immittelst Desertirte in kgl.
schwed. Dienste angenommen" seien (i. April 1707); in einem zweiten
Schreiben, das der gleichen Sache diente und die Not des Landes
in stärkeren Farben malt, weil das erste Schreiben erfolglos war,
spricht er gar von „einigen Tausend gebohrenen Sachsen" (30. April).
Von den schwed. Obersten hat nachweislich nur Görz Sachsen an-
geworben. Es kann auch möglich sein und ist sogar wahrscheinlich,
dafs Sachsen auch bei anderen Regimentern — vielleicht gar unter
falscher Nationalitätsangabe — eingestellt wurden; aber mehr als
1500 — 2000 können es nicht gewesen sein. Sonst hätte General Röbel
anders geschrieben, sonst würde auch wenigstens die eine oder die
andere Chronik darüber etwas verlauten lassen. Jedenfalls ist es an
der Zeit, dafs auf Grund der benutzten, quell enmäfsigen Belege mit
dem immer wiederkehrenden, zuletzt noch von Friesen (a. a. O.
S. 23) wiederholten Märchen, Karl habe etwa 20000 Mann (!) aus
Sachsen angeworben — gründlich aufgeräumt wird.
'■^) Karls Erlafs vom ^^" J^ni 1707. RA. St. Reichsregistratur 1707.
17
200 Arno Günther:
Dienst unter seinen Fahnen'), und so konnten die Regimenter
bald wieder ,,auf den completten Stand" ergänzt werden. In
mehreren Fällen waren die Kapitulationen bedeutend über-
schritten worden, manche Obersten hatten bis zu 600 Mann
darüber eingestellt, so dafs sich Karl schliefslich gegen weitere
Werbungen einzuschreiten genötigt sah-). Es ist daher ganz
erklärlich, wenn die Armee, die bei ihrem Einrücken nach
Sachsen etwas über 20000 Mann zählte, das Land im August
1707 in einer Stärke von mehr als 32000 Mann verliefs"^).
,, Abgemattet, abgerissen sogar die Offiziere, die Mannschaift
mager und gelb, Zigeunern nicht unähnlich*)", so hatten die
schwedischen Truppen am 5. September 1706 die sächsische
Grenze bei Krumelse überschritten. Wohlgenährt und wohl-
gekleidet, frisch und kräftig, falls sie nicht allzusehr dem Ge-
nüsse des Weines und der Liebe verfallen waren, verliefsen
.sie das Land nach einer Erholungszeit von einem vollen Jahre.
Was Karl gewollt hatte, war erreicht. Sein Heer war für
neue Kämpfe und Entbehrungen vielleicht nur zu sehr gepflegt
und gekräftigt.
Seit Juni 1707 musterte der König die einzelnen Regi-
menter''); das sicherste Zeichen für den baldigen Aufbruch,
Als dieses Geschäft zur Zufriedenheit Karls beendet war, erliefs
er im Juli an sämtHche Gemeinden Sachsens Patente, worin
er davor warnte, schwedische Deserteure zu verbergen, und
vielmehr Belohnung für Einlieferung etwa entlaufener Soldaten
versprach*'). Er rechnete mit dem Wankelmut der Söldner,
denn er sagte sich offenbar selbst, dafs vielen von ihnen die
Zucht im schwedischen Heere nicht behagen werde. Um sich
aber vor gröfserem Schaden durch Desertieren zu bewahren.
1) Erdmanns dör ff er, Deutsche Geschichte vom westfälischen
Frieden usw. II, 245 — E. Carlson, om Karl XII : s vistelse i Saxen
(1878) S. 13. — Zechlin, Die Schlacht bei Fraustadt. Ztschr. der
hist. Ges. für die Prov. Posen XI (1896), 223.
-) Hermelin an Palmquist, 10. Mai 1707. RA. St. Palmquists
Briefsammlung.
^} Nach dem Briefe eines jungen Schweden in Leipzig, der in
hohen schwed. Kreisen Verwandte hatte und mit Mito;liedern des
Hauptquartiers befreundet war, waren es genau 32136 IVlann. Djeser
Brief ist abgedruckt in Hist. Tidskr. IV (1884), 183.
*) Berichte aus Glogau vom 2. und 4. September 1706. Zitiert
nach Noorden, Europäische Ge.schichte im 18. Jahrh. I, 2, 536.
•'') Hofrat Frauendorf an Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-
Zeitz, 4 Juni. HStA. Loc, 9289. Acta, die . . . durch Hofrat Frauen-
dorf . . . gepflogene geh. Corr. vol. II.
^) Erlafs vom t6. Juli. HStA. Loc. 3541. Den zwischen . . .
Pohlen und Schweden geschlossenen Frieden betr. vol. III.
Das schwedische Heer in Sachsen 1706 — 1707. 261
suchte er durch dieses Patent die Unterstützung der Bewohner-
schaft Sachsens zu gewinnen. Er gelangte auch völlig zu seinem
Zwecke, denn die Entlaufenen wurden gewöhnlich wieder ein-
gebracht^), schon weil die Einwohner froh waren, die drückende
Einqviartierung und auch jede Berührung mit dem schwedischen
Heere los zu werden.
Anfang August ergingen an die einzelnen Regimenter die
Bestimmungen für den Ausmarsch -). Auch hierin zeigte sich
wieder deutlich Karls Bestreben, jeder Ausschreitung vorzu-
beugen, Zucht und Ordnung zu halten, bis der letzte schwe-
dische Soldat den Boden Sachsens verlassen hatte. Die Ver-
ordnungen waren wieder wie stets sorgfältig bis ins einzelne
durchgearbeitet. Unter Begleitung sächsischer Kommissarien
brachen die Regimenter nach Schlesien auf. Diese hatten in
erster Linie die Quartiere zu versorgen und zwar derart, dafs
jedes Regiment zu Pferd 24, jedes Regiment zu Fufs 16 Dörfer
als Quartierstand erhielt^). Die w-iederum reichHch bemessene
Verpflegung auf dem ganzen Wege bestand für die Mann-
schaften aus Zwieback und Fleisch, für die Pferde aus Heu
und Hafer.
Zur Erleichterung der Aufbringung der Fourage waren
an verschiedenen Stellen des Landes Magazine errichtet worden,
wohin die einzelnen Untertanen den auf sie entfallenden Teil
zu liefern hatten. Was an Speise und Trank von den Mann-
schaften mehr gefordert wurde, mufste sofort bezahlt werden.
Allen Regimentern war selbstverständlich aufserdem strengste
Ordnung zur Pflicht gemacht worden.
Nach einem allgemeinen Bufs- und Bettag am 19. August
begann die Bewegung des Heeres zur Grenze^). Aus allen
Gegenden brachen die Regimenter auf, überschritten bei Meifsen
die Elbe und vereinigten sich zum Gros in der Niederlausitz ^).
Der König überwachte von Altranstädt aus den Abmarsch des
*) Beispiele finden sich ebenda.
-) Erlafs vom 10. August. HStA. Loc. 9290. Drei Bücher, der
schwed. Armee Verpflegung vol. III.
^) Ebenda.
■*) Cederhiehn an Palmquist, ^'' August. RA. St. Briefe Ceder-
hielms. — Bericht Frauendorfs an Herzog Moritz Wilhelm von S.
Zeitz, 20. August. HStA. Loc. 9289. Acta, die . . . durch Hofrat
Frauendorf . . . gepflogene geh. Corr. vol. II.
^) Marschroute der schwed. Regimenter. HStA. Loc. 9290. Die
Absendung an Karl, insonderheit des Stifts Naumburg halber ge-
schehen vol. III.
262 Arno Günther:
Heeres ^). Der Kammerrat von Plötz, das verdienstvolle Mit-
glied der schwedischen Untersuchungskommission, verblieb im
Hauptquartier bis zu dessen Aufbruch und begleitete es dann
bis nach Schlesien-). Die kurze Zeit, die noch übrig war,
bevor die letzten Schweden das kursächsische Gebiet verlassen
hatten, wvirde von ihm und den anderen Kommissionsmitgliedern
zur Beitreibung der letzten noch rückständigen Entschädigungs-
summen aus den verschiedenen Regimentskassen eifrig aus-
genutzt'^). Am I. September brach endlich auch Karl auf;
seinen Weg nahm er über Liebertwolkwitz, Grimma, Mügeln,
Jahna bei Meilsen — von hier aus machte er den viel be-
sprochenen Abstecher nach Dresden — , dann über Bischofs-
werda. Rottewitsch nach Schlesien^). Der Aus marsch ging,
abgesehen von Kleinigkeiten, glatt von statten. Nur jenseits
der Grenze hatten die sächsischen Kommissare ihre Not, die
von den Schweden bis zur Grenze geliehenen Vorspannpierde
wieder zu erhalten oder, falls diese infolge der Strapazen um-
gestanden waren, dafür eine gewisse Geldentschädigung zu
bekommen'^). Aber auch hier hielt der König darauf, dafs jeder
Verlust den sächsischen Untertanen vergütet wurde. Der Kam-
merrat Plötz verabschiedete sich nicht eher von Karl, als bis
alles geschlichtet war.
Am 8. September 1707 kam Karl in Steinau wieder an,
wo er am i. September des Jahres vorher die Oder über-
schritten hatte, um sein Heer nach Sachsen zu führen. Der
Zweck dieses Zuges war erfüllt. Auf Jahre hinaus lag Sachsen
wirtschaftlich darnieder*'), auf Jahre hinaus konnte August
• 1 7
1) Cederhielm an Palmquist, - August. RA. St. Briefe Ceder-
hielms.
-) Instruktion an Plötz vom 13. August.
'^) Mehrere Mahnungen Plötzen s aus dem Monat August. HStA.
Log. 3541. Den zwischen . . . Pohlen und . . . Schweden geschlos-
senen Frieden betr. vol III.
*) Vgl. oben S. 261 Anm. 5.
^) Mehrere Beschwerden Plötzens aus dem Monat August. HStA.
Log. 3541. Den zwischen . . . Pohlen und . . . Schweden geschlos-
senen Frieden betr. vol. III.
*') Über die Verluste Sachsens durch die schwed. Invasion sind
bisher noch keine abschliefsenden Untersuchungen vorgenommen
worden. In den geschichtlichen Darstellungen wird zumeist, in
wenigen Fällen nur mit dem Ausdrucke des Zweifels, die von August
im Jahre 1709 angegebene Summe — 23 Millionen Taler — genannt.
Das ist jedoch viel zu hoch gegriffen. Der Verfasser vorliegender
Arbeit wird dieser Frage noch weiter nachgehen. Schon jetzt kann
aber gesagt werden, dal's sich die Verluste Sachsens höchstens auf
etwa 14 — 15 Millionen Taler belaufen liaben.
Ani /;y^>^<
( k yPiau
:>
oo^fo/inM^A)t^e'
me<) i4^c^/ax-7ie,fy-i^
r/.
CCf'JC^
^tc^en^a^t'/?
i&rz^
^
-^
'ra^o
i^e^
c-
-^- -f
^ 'dl A
o{30MAi^ ß'l/t/j^ NJ^
/\
Das schwedische Heer m Sachsen 1706 — 1707. 263
keine Mittel mehr von seinen Untertanen fordern, um die kühnen
Wünsche seines Ehrgeizes zu befriedigen. Karl hatte also sicher
Ruhe vor diesem Gegner, den er für sehr gefährlich gehalten^),
und konnte sich nun mit voller Kraft gegen die Russen wenden.
August aber liefs für die nächste Zeit von seiner auswärtigen
Politik ab und war bestrebt, seinem Lande wieder aufzuhelfen"-),
damit es ihm später wieder die Mittel für seine weitgehenden
Pläne geben konnte.
1) Günther, Sachsen und die Gefahr einer schwed. Invasion
im Jahre 1706 (Pegau 1903) S. 5.
-) Hierfür kommen verschiedene Erlasse in Betracht, denen eine
besondere Betrachtung gewidmet werden soll.
IX.
Der Prozefs
gegen Karl Heinrieh von Heineken
und Genossen.
Von
Georg Lehmann.
Nicht blofs der Kunstkenner von Fach, sondern jeder,
welcher mit der Geschichte der KönigHchen Gemäldegalerie
mid des Kupferstichkabinetts einigermafsen bekannt ist, wird
wissen, dafs Karl Heinrich von Heineken, geb. 1706 zu
Lübeck, gest. 1791 zu Altdöbern, der Sekretär des Grafen
Brühl und zugleich der feinsinnigste Kenner und fleifsigste
Sammler und Kunstschriftsteller des 18. Jahrhunderts, der ei-
gentliche Gründer, Mehrer und Ordner dieser Sammlungen
war. In einem Briefe an Heineken vom 23. November 1748
aus Warschau erkennt dieses Brühl ausdrücklich an. Es ge-
nügt, darauf hinzuweisen, dafs unter Mitwirkung Heinekens,
der 1739 von Brühl zu seinem Privatsekretär und Biblio-
thekar ernannt wurde, 1741 die Verwaltung seiner Haus- und
Wirtschaftskasse und nach und nach seiner sämtlichen säch-
sischen Güter und Ämter erhielt, 1746 aber an Stelle des
mit Tode abgegangenen Hofarzts von Heucher den wichtigen
Posten als Direktor der Galerie des sciences (Kupferstiche,
Antiken und Gemälde) bekommen hatte, mindestens aber
unter seinem geistigen Einflufs die wertvollsten Erwerbun-
gen gemacht wurden, so 1743 die Holbeinsche Madonna,
1745 — 46 die Modenesische Sammlung und 1754 die Rafael-
sche Madonna.
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 265
Seitdem Karl Justi^) die Bedeutung Heinekens und seine
hervorragende Stellung im Kunstleben des 18. Jahrhunderts
verdientermafsen hervorgehoben hatte, hat sich auch die Lite-
ratur eingehender mit diesem bedeutenden Manne beschäftigt
und seine Lebensgeschichte in grofsen Zügen festgelegt. Nur
sein Kriminalprozefs , der im Jahre 1763 seiner Tätigkeit in
Dresden ein plötzliches und unrühmliches Ende bereitete, diese
wichtigste Episode seines Lebens, welche sowohl für ihn selbst,
wie für die Dresdner Sammlungen von einschneidender Be-
deutung wurde, ist noch nicht dargestellt worden. Die An-
gabe Justis, dafs dieser Prozefs von Heinekens Nachfolger
im Direktorium des Kupferstichkabinetts, dem Geh. Legations-
rat Christian Ludwig von Hagedorn, geführt und alsbald
niedergeschlagen worden sei, bedarf, wie das Nachfolgende
ergeben wird, der Berichtigung.
Zugleich mit Heineken, welcher als kurfürstl. Geheimer
Kammerrat, wie er selbst sagt ,,die Vorträge der General-
Accise exciusive der Geld-Sachen bifs zur Preussischen In-
vasion 1756 besorgte", waren noch die beiden andern Privat-
sekretäre Brühls, der Geheime Rat Frhr. von Gartenberg
und der Kammerrat Hausius in Untersuchung und Haft ge-
nommen worden, und wenn auch damals wie heute noch das
hauptsächlichste Interesse sich auf den ,,Fall Heineken" kon-
zentrierte, so wird doch am Schlüsse dieser Abhandlung
der Vollständigkeit halber auch noch des Ausgangs der Pro-
zesse gegen seine beiden Mitbeschuldigten gedacht werden
müssen.
Beiläufig möchte noch bezüghch der Schreibung des Na-
mens Heinekens bemerkt werden, dafs dieser selbst in seinen
zahlreichen Prozefsschriften auch nicht ein einziges Mal sich
mit dem ck unterschreibt, dafs seine Nachkommen noch heu-
tigen Tages die Schreibweise ohne c führen und dafs hier-
nach die hier und da in der Literatur sich zeigende Abweichung
unbegründet ist.
Das Königlich Sächsische Hauptstaatsarchiv verwahrt zehn
Aktenfolianten mit folgender Aufschrift und Bezeichnung:
Vol. I — VI sind überschrieben: „Acta, die Untersuchung
der Ursachen des bei dem Regierungsantritt Ihrer Königl.
Hoheit des Kurfürsten in allen landesherrlichen Kassen vor-
gefundenen Geldmangels und grofser Schuldenlast und
die dieserhalb beschehene Arretirung des Geheimen Raths
Baron von Gartenberg, Geheimen Kammerraths von Hei-
^) J US tijWinckelmann in Deutschland. Leipzig 1866. 2.Aufl.i898.
266 Georg Lehmann:
neken und Kammerrats Hausius, sammt was dem anhängig
betreffend".
Vol. I— III mit 163, 287 und 466 Blatt betrifft alle drei
Angeklagte, Vol. IV mit 86 Blatt von Gartenberg, Vol. V mit
223 Blatt von Heineken und Vol. VI mit 58 Blatt Hausius
allein; sämtliche sechs Aktenstücke behandeln die Vorunter-
suchung, die sog. Generalinquisition, und werden in Loc. 1401
aufbewahrt. Sie sind im Folgenden bezeichnet als Kom-
missions-Akten.
Es folgt nun ebenfalls in Loc. 1401 ein Aktenstück
mit der Überschrift: ,, Kammer -Acta, die Bestellung eines
Procuratoris fisci in der gegen die (folgen die drei Namen) an-
geordneten Untersuchung ingleichen die daraus geflossenen
expeditiones betreffend, ao. 1764", das nicht foHiert ist, und
endlich noch drei in Loc. 1406 und 1407 aufbewahrte, noch mit
den alten Lokatnummern der ,, Geheimen Cabinets-Cantzle}'"
(638 vmd 639) versehene, die förmliche Untersuchung oder
sogen, Spezialinquisition vorbereitende Akten gegen von Garten-
berg mit 128 Blatt, von Heineken mit 664 Blatt und Hausius
mit 338 Blatt (zitiert als Kabinetts -Akten).
Ein elftes Aktenstück, welches nach den Zitaten in den
vorliegenden Akten die Bezeichnung Vol. IV B und über 300
Blatt gehabt und das ein für den Bilderhandel Heinekens
wichtiges, später zu erwähnendes Dokument enthalten haben
mufs, ist nicht mehr vorhanden.
Die Akten der Köniorlichen Generaldirektion der Samm-
lungen Kap. VIII No, 192, welche Verfasser dieses, wie er dankend
anerkennt, ebenfalls einsehen durfte, behandeln vom Galerie-
standpunkt aus die Übergabe des Kupferstichkabinetts an von
Hagedorn und den Kauf der 173 (178) Ölbilder durch von
Heineken im Jahre 1755, auf den noch ausführlich zurück-
gekommen werden mufs.
Der ganze Prozefs bietet eine Fülle interessanter Momente
und wirft grelle Streiflichter auf die damaligen öffentlichen
Zustände und die Brühische Mifs Wirtschaft; um ihn aber ganz
zu verstehen, erscheint es notwendig, sich ein Bild von diesen
Zuständen in das Gedächtnis zurückzurufen, insbesondere aber
auch die äufsere Lage zu betrachten, in der sich Heineken
selbst damals befand.
Nachdem Graf Brühl im Jahre 1738 den Fürsten Sul-
kowski gestürzt und sich an dessen Stelle gesetzt hatte, ge-
lang es ihm im Jahre 1746 den Gipfel seiner Macht zu er-
reichen, indem er durch Dekret vom 8. Dezember zum Premier-
minister mit der Bestimmung des Ranges über allen andern
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 267
Chargen im Kurfürstentum ernannt wurde. Nach und nach
vereinigte er in seiner Person eine grofse Zahl anderer mit
hohen Einnahmen verbundener Ämter, so diejenigen des Kam-
merpräsidenten, Oberkämmerers, Obersteuer- und General-
Akzisdirektors, wodurch er Gelegenheit erhielt, die haupt-
sächlichsten Steuerquellen des Landes für sich nutzbar zu
machen. Auch kleinere Ämter verschmähte er nicht und liefs
sich durch seine Kreaturen, wenn sie offen wurden, darauf
aufmerksam machen, und es ist gewifs ein deutlicher Beweis
seiner unersättlichen Habgier, die nicht die geringste Rück-
sicht auf die Armut der Steuerzahler oder die mifslichsten Ver-
hältnisse der Staatsfinanzen nahm, wenn er sich aufser seinen
Gehaltsbezügen noch eine tägliche ,, Auslösung" von 20 Talern
berechnen liefs. In den Akten (Vol. V Bl. 72) findet sich
eine Quittung Brühls über 47 780 Taler Auslösung für die
Zeit vom i. Oktober 1756 bis 31. Mai 1763, also die Zeit,
in welcher der Siebenjährige Krieg das unglückliche Sachsen
heimsuchte, und weiter (Vol. II Bl. 245) ein Nachweis, dafs
diese Auslösung zu gewissen Zeiten, z. B. wenn er sich wirk-
lich auf der Reise befand, 130 Taler täglich betrug. Über-
haupt schätzt Heineken seine Einnahmen aus Ämtern auf
50000 Taler, d. h. also ohne diese ,, Auslösung", und seinen
jährlichen Aufwand auf eine MiUion Taler. Dementsprechend
bedachte er aber auch seine Günstlinge und Kreaturen.
Heineken, von Haus aus vermögenslos, erhielt im Jahre
1747 nach dem Tode seines Schwiegervaters, des Hofkochs
Nöller, dessen einzige Tochter er, und zwar wie er selbst her-
vorhebt, auf Anstiften Brühls im Jahre 1742 geheiratet hatte,
ein Vermögen von 66000 Talern, womit zum Teil die An-
zahlung auf die von Nöller im Jahre 1746 für 45 100 Taler
in der Subhastation erstandenen Rittergüter Altdöbern, Muck-
war und Kleinjauer im Kreise Kalau geleistet worden war.
Nach dem Tode des insolvent gewordenen Generalmajors und
Kammerherrn Dietrich von Eickstedt waren diese Güter ver-
steigert und bereits einem Interessenten zugeschlagen worden.
Allein Brühl, welcher wünschte, dafs sich Heineken auch mit
der Landwirtschaft beschäftige, damit er die in der Nähe
liegenden Brühischen Güter Forst und Pforten besser be-
aufsichtigen könne, ,, redressierte das ganze negotium", wie
Heineken selbst erzählt, und liefs die Güter dem Hof koch Nöller
zuschlagen.
Weiter besafs Heinekens Frau das Gut Dürrenberg mit
dem Salzwerk bei Merseburg, welches für 32000 Taler er-
kauft worden war, aber später, als das Salz für Regal erklärt
2 68 Georg Lehmann:
wurde, an den Staat abgetreten werden mufste. Sehr schmerz-
lich ist ihm der Gedanke, dafs er damit eine Revenue von
mindestens 50000 Talern jährlich verloren habe.
Bald nach dem Tode seines Schwiegervaters begann Hei-
neken, seinem Vorbilde Brühl folgend, das Schlofs zu Alt-
döbeni auszubauen und nach und nach mit aufserordentlicher
Pracht auszustatten. Auch ein herrlicher Park im französischen
Geschmack, mit künstlichen Buchenhecken, Seen, Wasser-
gräben und Wasserkünsten, der üblichen Orangerie und zahl-
losen Bildwerken, wurde angelegt. Noch heute lassen Schlofs
und Park, obschon abermals umgebaut, den grofsartigen Grund -
plan erkennen. Auffällig erscheint die verschwenderische An-
wendung von Eibsandstein.
Wenn man aber alle diese Pracht, wie sie an anderer
Stelle (Grenzb. 1903, IV, 428) schon ausführlich geschildert
wurde, ins Auge fafst, die zahllosen Fuhren berücksichtigt,
die zur Heranschaffung des Materials notwendig waren rmd
die wegen der langen schlechten W^ege grofse Summen ver-
schlungen haben müssen, ferner die kostbare Ausstattung des
Schlosses und schliefslich auch den kostspieligen vornehmen
Haushalt in Rechnung zieht, der in eine solche Umgebung
gehört, dann ist es ohne weiteres klar, dafs die Vermögens-
verhältnisse Heinekens hierzu unmöglich ausreichen konnten.
Er gibt auch unumwunden zu, dafs er von Brühl zahlreiche
Geschenke erhalten habe, ja mit Wohltaten überschüttet worden
sei. Doch linden sich über diese Zuwendungen keine Nach-
weise in den Akten, aufser einer Anweisung Brühls an Hau-
sius vom 25. November 1761, an Heineken 14000 Taler zu
zahlen, ohne jede nähere Begründung. Glaubwürdig erscheint
demnach Heinekens Angabe, dafs er zwar niemals von Brühl
einen festen Gehalt bezogen, wie z. B. ein anderer Vertrauter
desselben, der Herr von König, der 1200 Taler jährlich —
für welche Dienste ist nicht ersichtHch — erhalten habe, dafs
ihm aber als Entschädigung für seine Dienste das Gut Bol-
lensdorf bei Dahme als ein Vermächtnis zugesichert worden
sei. Dieses Gut befindet sich noch heute als Majorat im Be-
sitze einer Ururenkelin Heinekens. Überdies erwarb er durch
seinen Bilderhandel, wie er sagt „ein Ziemliches", so dafs die
Annahme wohl gerechtfertigt erscheint, dafs er im Jahre 1763,
in welchem die Katastrophe über ihn hereinbrach, nicht nur
ein bei Hofe und in der Kunst- und literarischen Welt an-
gesehener, sondern auch reicher Mann war. In Dresden be-
wohnte er ein aus vier um einen Hof sich gruppierenden
Flügeln bestehendes Haus am Taschenberg, das in die rechte
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 269
nach der jetzigen Hauptwache zu gelegenen Ecke des Zwingers
— in der linken Ecke stand das Opernhaus — eingebaut war
und das erst 1853 beim Museumsbau abgebrochen wurde (vgl.
Abbildung in „Erinnerungen aus dem alten Dresden", heraus-
gegeben f. d, V. f. Geschichte Dresdens von Otto Richter, Dres-
den 1896, Blatt XIII und ebendess. Atlas zur Geschichte Dres-
dens, 1898, Bl. 34 III). Vom Hintergebäude aus hatte sich
Heineken eine Tür in das angrenzende Kupferstichkabinett
brechen lassen. 1765 verkaufte er dieses Haus wegen seiner
Verbannung aus Dresden für 5000 Taler (Kabinetts - Akten
Bl. 349).
Der König und Kurfürst und mit ihm Graf Brühl hatten
sich während des Siebenjährigen Krieges in Warschau auf-
gehalten. Im Frühjahr 1763 kehrten beide nach Dresden zu-
rück; bereits vorher, am 21. März war das Friedensdankfest
in allen Kirchen gefeiert worden. Die Leiden seines Volkes
infolge der Drangsale des Krieges waren dem Monarchen
wohl ebensowenig völlig zum Bewufstsein gekommen, wie die
Mifswirtschaft und die Bedrückungen des Brühischen Regi-
ments, das schon vor dem Kriege Tausende an den Bettel-
stab gebracht hatte. Demungeachtet war ihm ja nicht verbor-
gen geblieben, dafs alles im sächsischen Staate, wohin man
auch blickte, im tiefen Verfall sich befand. Handel und Ge-
werbe stockte, die Landwirtschaft arbeitete ertragslos, die Staats-
kassen waren erschöpft, ja überschuldet, der allgemeine Kredit
lag völlig darnieder, das Münzwesen befand sich in einem
jämmerlichen Zustande, das Beamtentum bedurfte von unten
bis oben an hundert Stellen der Erneuerung. Deshalb hatte
der König schon von Warschau aus durch Reskript vom
12. April die ,, Restaurationskommission" eingesetzt, zu
welcher u. a. gehörten der Geheime Rat von Fritsch, die
Hof- und Justizräte von Poigk und Gutschmid, der Ober-
steuersekretär Rabener, Namen, deren später noch gedacht
werden wird.
Die Schuld an allen diesen Mifsständen fiel zum Teil auf
den Krieg, zum Teil auf Brühl. Und schon mehrere Jahre vor
seinem Tode hatte sich ganz im geheimen, angespornt durch
anonyme Schriften, wie das in den Jahren 1760 — 63 heraus-
gegebene ,, Leben und Charakter des Grafen Brühl usw. in
vertraulichen Briefen", eine starke, auf seinen Sturz hinarbeitende
Gegenpartei gebildet, und der Kurprinz Friedrich Christian,
welcher weiter sah als sein Vater und offenbar vom besten
Willen beseelt war, scheint derselben nicht fern gestanden zu
haben.
2-70 Georg Lehmann:
Im Juli 1763 war der König und Kurfürst mit Brühl, der
jetzt 63 Jahre alt bereits zu kränkeln anfing, noch in Tephtz.
Aber schon am 5. Oktober starb August III. an der Tafel vom
Schlaoe grerührt. Brühls Gesundheitszustand verschlechterte
sich immer mehr; seine baldige Auflösung durfte vorausge-
sehen werden. Dieser Umstand war auch die Veranlassung,
dafs man sich mit seinem Rücktritt begnügte, der am 13. Ok-
tober vom neuen Kurfürsten in noch ziemlich gnädiger Weise
bewilligt wurde.
Gerade vierzehn Tage sjDäter, am 27. Oktober in der zehn-
ten Abendstunde, konnte man einen seltsamen Zug bemerken,
welcher sich in lautloser Stille und in der Dunkelheit, die
damals auf den Strafsen Dresdens herrschte, vom Schlosse her
nach dem Hause Heinekens zu bewegte. Es waren der Ge-
neraladjutant Oberst von Biebra, dem eine von einem Offizier
geführte Grenadierpatrouille folgte, und zwei Herren in Zivil,
der Sekretär des Geheimen Kabinetts, Hof- und Justizrat Ferber,
und dessen Registrator Lucius. Oberst von Biebra kam soeben
von einer Audienz vom Kurfürsten. Vor dem Hause Heinekens
machten sie Halt und begehrten Einlafs. Der Aufgang zum
ersten Stockwerk wurde vom Hofe aus genommen. Hier liefs
man einen Posten mit aufgepflanztem Bajonett zurück. Die
drei genannten Herren begaben sich nun hinauf nach dem
ersten Stockwerk, wo die Wohnräume lagen. Hier safs Heineken
gerade mit seiner Familie und einer kleinen Gesellschaft, Amts-
rat Rachel, Amtsverwalter Schneider aus Seifersdorf, einem
Brühischen Gut, Madame Lubin und Tochter und Demoiselle
Donner beim abendlichen Tee. Ob man nur gleichgültige
Dinge oder doch auch die möghchen Ereignisse besprochen
hatte, w^elche der demnächst zu erwartende Tod des einst-
mals so mächtigen Premierministers nach sich ziehen könnte?
Da wurde plötzlich Heineken herausgerufen; er befand sich
auf dem Korridor den drei Herren gegenüber. Oberst von
Biebra entfaltete ein Papier mit der Unterschrift des Kurfürsten
Friedrich Christian; es war ein Haftbefehl; er ersuchte Hei-
neken, sich sofort ein Zimmer auszusuchen, welches sein Arrest-
lokal wurde, und legte eine aus einem Unteroffizier und einem
Grenadier mit aufgepflanztem Bajonett bestehende Wache hinein.
Vor die Tür wurden ebenfalls zwei Grenadiere postiert, jeder
Verkehr mit der Familie und nach aufsen auf das Strengste
untersagt, die Gäste entlassen. Hierauf eröffnete Hofrat Ferber
dem Arrestaten, dafs er von seiner KönigHchen Hoheit Be-
fehl habe, sich aller seiner Papiere zu versichern. Die zwei
Zimmer, in denen sich dieselben befanden, wurden versiegelt,
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 271
ebenso die Tür nach dem Kupferstichkabinett. Heineken, der
noch vor einer Stunde beim Grafen Brühl gewesen war, gab
ohne weiteres an, dafs er von da ein von dem Minister eigen-
händig versiegeltes Paket mit dem Auftrage, es morgen Sr.
Königlichen Hoheit zu übergeben, und am Morgen desselben
Tages 9000 Taler in sogen. Forstaischen Akzis-Baubegnadi-
gungsscheinen, welche der Graf Brühl als ein Legat für den
oben erwähnten Directeur des plaisirs von König bestimmt,
mit nach Hause gebracht habe. Diese Papiere nahm Hofrat
Ferber an sich.
Nachdem auch noch alle Behältnisse der Frau von Hei-
neken nach verdächtigen Papieren durchsucht worden waren,
überliels man den zu Tode erschreckten Arrestaten seinen
Gedanken und seinen ihm vermutlich nicht besonders sym-
pathischen Zimmergenossen.
Am folgenden Tage lag Graf Brühl im Sterben; man
wartete seinen Tod ab, welcher Nachmittags 5 Uhr eintrat.
Es ist nicht anzunehmen, dafs er von der Verhaftung seines
ihm am nächsten stehenden Geheimsekretärs noch Kenntnis
erlangt hatte; aber auch dessen beide anderen Kollegen, der
Geheime Rat Baron von Gartenberg und der Kammerrat Hau-
sius, scheinen nichts davon erfahren, wenigstens für sich selbst
kein ähnliches Schicksal befürchtet zu haben. Dasselbe sollte
sich bald erfüllen.
Warum übrigens ihre Verhaftung nicht gleichzeitig mit
derjenigen Heinekens erfolgte, läfst sich nur damit erklären,
dafs die Beschlagnahme der Brühischen Papiere ebenfalls be-
absichtigt war, deren Beiseiteschaffung aber befürchtet wurde,
wenn die Verhaftung; der drei Sekretäre im Brühischen Palais
bekannt wurde. Auch vermutete man wahrscheinlich, dafs
Brühls Tod schon viel früher eintreten werde.
Sofort nachdem dieser am Hofe bekannt geworden, gleich
nach 5 Uhr Nachmittags, verfügten sich Oberst von Biebra
und Hofrat Ferber mit Geheimsekretär Lucius nach dem Brühl-
schen Palais, wo die drei Privatsekretäre ihre Bureaus hatten.
Es war gemeldet worden, dafs der Baron von Gartenberg
sich dort befinde. In der Tat sah man dessen Kutsche vor
dem Palais halten. Die Kommission betrat letzteres und liefs
den Baron herausrufen. Seine Verhaftung vollzog sich ge-
räuschlos. In seinem eigenen Wagen wurde er ohne Aufsehen
vom Obersten von Biebra und einem Offizier begleitet nach
seinem in der Klostergasse an der Ecke nach dem Jägerhofe
zu gelegenen, heute noch stehenden Hause gebracht und dort
in derselben Weise wie Heineken mit einer Wache belegt.
j-yz Georg Lehmann;
Der Hofrat Ferber aber hatte inzwischen das Sterbezimmer
Brühls, das sogen, kleine grüne Bilderzimmer, betreten, wo-
selbst der Leichnam noch im Bette lag. Er fand dort an-
wesend den ältesten Sohn Brühls, Se. Exzellenz den Kron-
feldzeugmeister Grafen Alo3'sius von Brühl, femer die Kura-
toren und Vertreter der abwesenden vier Kinder Karl Adolph,
Heinrich, Moritz und Gräfin Mniszeck, darunter den Kammer-
junker von Unruh für die letztere und den Kriegsrat von
Vieth für den Grafen Moritz. Endlich war noch da der Ober-
amtmann Dr. Reinhold.
Der höfliche Hofrat kondolierte zunächst, was übrigens
auch der Obenst von Biebra, bevor er sich mit seinem Arre-
stanten entfernte, zu tun nicht unterlassen hatte, erklärte aber
dann ohne Umschweife, dafs er Befehl von Sr. Königlichen
Hoheit habe, sämtliche Papiere, die Brühischen wie die herr-
schaftlichen, mit Beschlag zu belegen. Sofort ging er auch
ans Werk; es wurde alles Vorgefundene in das ,, linke Eck-
zimmer im Parterre, genannt Serre Pappier", gebracht und
dieses versiegelt.
Gleichzeitig mit der Inhaftnahme Gartenbergs wurde auch
diejenige des Kammerrats Hausius und zwar durch Oberst
von Studnitz und den Geheimen Kriegsrat Clauder bewirkt.
Hausius war gerade im Begriff, seine Mietwohnung in einem
Hause auf der Rähnitzgasse mit "einer solchen im Koberschen
Hause auf der grofsen Frauengasse zu vertauschen. Seine Be-
wachung war dieselbe wie die seiner Mitbeschuldigten. Seine
Papiere wurden ebenfalls versiegelt; herrschaftliche oder Brühl-
sche zu besitzen, bestritt er.
Noch am Abend dieses Tages hatte übrigens der Lega-
tionsrat Necker im Verein mit Oberst von Biebra im Hause
Gartenbergs dessen sämtliche Papiere in die Expeditionsstube
gebracht und diese versiegelt. Dieser ereignisreiche Tag en-
dete mit einer Requisition an die Oberamtsregierung in Lübben
wegen einer Aussuchung und Versiegelung im Schlosse zu
Altdöbern. Auch die Beschlagnahme einer von Heineken nach
Magdeburg adressierten und beim Kaufmann in der Neustadt
lagernden Kiste mit verschiedenen Effekten, sowie später die
einer solchen mit Kupferstichen, welche Heineken an Dr. Winkler
in Hamburg geschickt hatte, gehörte zu den vorbereitenden
Sicherungsmafsregeln.
Das Belegen mit einer Wache, ein damals gegen Vor-
nehme und Reiche angewendetes Sicherungsmittel, hatte zur
Folge, dafs die Wachmannschaft auf Kosten des Untersuchungs-
gefangenen beköstigt werden mufste.
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 273
Das nunmehr gegen die drei Angeschuldigten beginnende
Kriminalverfahren lehnte sich zwar im allgemeinen an die
Formen des damals üblichen Inquisitionsprozesses an, in welchem
das anklagende und untersuchungsführende Prinzip in einer
Person sich vereinigen, und war ein geheimes schriftliches,
im Gegensatz zu dem jetzt üblichen öffentlichen und münd-
lichen ; aber es war zugleich ein aufserordentliches, indem es
sich nicht um gemeine, dem ordentlichen Strafrichter unter-
stehende, sondern voraussichtlich um vStaatsverl)rechen handelte,
welche zu damaliger Zeit, an sich von sehr unbestimmter und
ausdehnungsfähiger Definition, einem aus den in Frage kom-
menden Ressortbeamten gebildeten Kollegium überwiesen wur-
den. Es lassen sich in dem vorliegenden Prozefs mehrere
Stadien unterscheiden: i. die schon beschriebenen Sicherungs-
mafsregeln und Vorerörterungen polizeilicher Natur; 2. die von
einer Untersuchungskommission geleitete Voruntersuchung oder
Generalinquisition; 3. die förmliche Untersuchung oder Spe-
zialinquisition, mit welcher, wenn sie einmal verfügt war, ge-
wisse ehrenrührige Folgen, namentlich die, dafs der Angeklagte
nunmehr als ,,Kriminalinquisit" galt, verbunden waren ; 4. die
Entscheidung über das weitere Verfahren, welche dem aus
den vereinigten Konferenzministern bestehenden Geheimen
Konsilium übertragen wurde und 5. das Endurteil.
Nur Hausius, bei dem sich recht bedenkliche, von vorn-
herein gar nicht ins Auge gefafste Dinge herausstellten, hatte
sämtliche Stadien durchzumachen; bei den beiden Andern kam
es nicht zu einem Endurteil.
Am 27. Oktober setzte der Kurfürst die Kommission für
die Voruntersuchung ein, welche aus den schon genannten
Personen, Hof- und Justizrat Ferber und Kriegsrat Clauder,
femer aber auch dem Bürgermeister von Leipzig, Hof- und
Justizrat Gutschmid, bestand. Diese beiden letzteren figurier-
ten aber nur dem Namen nach; der eigentliche Leiter der
ganzen Untersuchung war Ferber.
Man hätte keinen geeigneteren Mann für dieses Amt
wählen können. Schon zu Zeiten Brühls ein entschiedener
Gegner desselben, galt er nicht blofs für befähigt und über
die Schäden im Lande unterrichtet, sondern auch für recht-
lich unparteiisch. Als der Verfasser der Schrift L' Esprit et
le Systeme du gouvernement de la Saxe etc. hat er (1784) die
Zustände seiner Zeit in lebhaften Farben geschildert. Er wurde
später geadelt und Direktor des Geheimen Finanzkollegiums.
Nachdem am 17. Dezember 1763 der Kurfürst Friedrich
Christian unter Hinterlassung eines unmündigen Thronerben, des
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 3. 4. 18
znA Georg Lehmann:
am 23. Dezember 1750 geborenen nmimehrigen Kurfürsten
Friedrich August, für den sein Oheim Xaver die Regierung
führte, gestorben war, setzte letzterer durch Reskript vom
4. Februar 1764 die Kommission für die förmliche Unter-
such un»; ein, welche aus sieben den verschiedenen Verwal-
tunsfsbranchen entnommenen hohen Beamten l^estand. Es
waren folgende: der Konferenzminister und Landvogt von
Stammer als Vorsitzender, zu dessen Stellvertreter der oben
erwähnte, inzwischen zum Vizekanzler ernannte von Poigk be-
stimmt wurde ; der Geheime Rat Dr. Wagner aus dem Kammer-
kollegium, der Kriegsrat Clauder für die polnischen Angelegen-
heiten, die Hof- und Justizräte von Pöllnitz und Dr. Schumann,
der Steuerrat Rabener, der bekannte Satiriker, für das Steuer-
kollegium und der Akzisrat Köhler für das Akziskollegium.
Die erwähnten Kommissionen hatten Berichte über den
Gang der Untersuchung in der Regel nicht unmittelbar an
die höchste Stelle, sondern zunächst an das Geheime Konsi-
lium zu erstatten, welches dann seinerseits an den Prinzen- Ad-
ministrator berichtete und dessen Entschliefsung einholte. Die
in der Untersuchung als Mitglieder des Geheimen Konsiliums
vorkommenden Namen sind: Wilhelm August Graf von Stu-
benberg, Christian Graf vom Lofs, Karl August Graf von
Rex und Thomas Frhr. von Fritsch, der oben erwähnte Ge-
heime Rat.
Das also war der imposante Apparat, den man aufbot,
um dem in allen landesherrlichen Kassen vorgefundenen Geld-
mangel und der grofsen Schuldenlast auf die Spur zu kom-
men. Man sollte meinen, an der mafslosen Verschwendungs-
sucht und der unersättlichen Habgier, mit welcher Brühl das
unglückhche Land dreifsig Jahre lang drangsaliert hatte, hätte
man die fehlenden Millionen nachrechnen können und es hätte
schliefslich, um wenigstens einigermafsen Ersatz dafür zu er-
langen, keines Kriminalprozesses gegen drei immerhin nur in-
direkt Beteiligte, sondern lediglich der Beschlagnahme des
unermefslichen Brühischen Vermögens und seiner Helfers-
helfer bedurft, zumal der Verdacht irgend eines bestimmten
Deliktes teeren diese nicht vorhanden war und nicht einmal
ausgesprochen wurde. Allein da nach dem Tode Brühls nicht
nur die Staatsraison ein sofortiges energisches Eingreifen ge-
bot, sondern man offenbar auch der öffentlichen Meinung ir-
gend eine möglichst befriedigende Genugtuung schuldig war,
so erschien der Kriminalprozefs ganz unausbleiblich.
Man verlangte nun und forschte vor allem nach einer
Generalrechnung über sämtliche Einnahmen und Ausgaben
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 275
der Staatsverwaltung und glaubte eine solche, von den Brühl-
schen Sühnen auf Heineken verwiesen, bei diesem finden zu
können. Die Untersuchungskommission ging von vornherein,
nämlich bereits in ihrer Frage an die Angeschuldigten vom
3. November 1763, davon aus: ,,dafs der Graf von Brühl in
der letzten Zeit die völlige unbeschränkte Disposition über die
königlichen Kassen gehabt, das Geld zu Spekulationen ver-
wandt und sich hierzu der drei Angeschuldigten bedient habe".
Diese sollten daher angeben: i. von wann an sie zu diesen
landesherrschaftHchen oder Privatnegotiis gebraucht worden,
2. worin sie bestanden, 3. wo die Nachweise sich befänden und
4. hätten sie über alles spezielle Rechnung abzulegen.
Die persönlichen Vernehmungen Heinekens am 29. Ok-
tober und 3. November, sowie dessen ausführlicher schriftlicher
Bericht vom 5. November (Vol. V Bl. 8 ff.) geben hierauf
Antwort. Darnach hat Heineken seit 1741, wie schon er-
wähnt, die Besoldungen und die landwirtschaftlichen Erträg-
nisse aus den Gütern Brühls vereinnahmt und zum Haushalt
in Dresden und den Bauten auf den Gütern zu verwenden,
hierzu aber stets noch sehr bedeutende Zuschüsse nötig ge-
habt, welche Summen teils auf die verschiedensten Kassen
assigniert, teils von Brühl aus der eigenen Schatulle bezahlt,
teils aber auch, wenn sonst kein Geld da war, auf die Schul-
den-Spezifikation gesetzt wurden. So habe er, wie er angibt,
durch den seit 1747 in Brühls Diensten befindhchen Kassierer
Schindler auf Anweisung Brühls Geldbeträge oder die Zinsen
der Kammer-, Steuer- und Akzisscheine bei den königlichen
Kassierern erheben lassen; doch wisse er nicht und könne
nicht beurteilen, ob der Graf hierzu Fug und Recht gehabt.
Er nehme das aber an, denn Brühl habe ihm oft gesagt, dafs
ihm der König dies alles geschenkt habe, und er selbst
sei Zeuge solcher Schenkungen von Steuer-, Kammer- und
Akzisscheinen gewesen. 1741 habe Brühl mehr Steuer-, später
mehr Kammer- und überhau]:)t am wenigsten Akzisscheine be-
sessen. Letztere wurden von Brühl unterschrieben, während
die beiden anderen Gattungen ,,zu Händen Sr. Majestät aus-
gefertigt wurden". Brühl hatte sich in der letzten Zeit da-
hin geäufsert, dafs er 800000 Taler Schulden, aber 200000
Taler bar im Schranke habe (Kab. Akt. Bl. 212). Im ül)rigen
habe er keine Generalrechnung über sämtliche Einnahmen
und Ausgaben geführt und mit den königlichen Kassen durch-
aus nichts zu schaffen gehabt; die Kassierer der Steuer-,
Kammer-, Oberkämmerei-, Generalakzis-, Wein- und Eimer-
geldkasse würden dies bestätigen können.
18*
276 Georg Lehmann:
Von diesen wurden nun Gutachten eingefordert. Schindler
bestätigte, ,,dafs von Heineken niemals Haupt- sondern nur
Stück-Rechnungen gehalten".
Inzwischen wurde eifrigst weiter recherchiert.
Am 30. Oktober Vormittags war Heinekens Sekretär Platz
und eine Verwandte, Demoiselle Oesterreich, in einer Kutsche
von Altdöbern in Dresden angfekommen. In ihrem Koffer fanden
sich mehrere Wechsel und sonst unwichtige Schriften ; sie
pfaben an, wegen Anstelluno- einer neuen W^irtschafterin und
Anfertigung eines Wirtschaftsinventars dort gewesen zu sein.
Ein solches fand sich vor. Allein, da sie unmittelbar nach
Heinekens Verhaftung nach Altdöbern gereist, dort zwei Tage
und eine Nacht geblieben, also jedenfalls beide Male die Nacht
hindurch gereist waren, so erschien dies immerhin verdächtig.
Wenn auch anzunehmen war, dafs etwaige gravierende Pa-
piere von diesen beiden inzwischen beseitigt worden waren,
so versprach man sich von einer gründlichen Durchsuchung
des Altdöbernschen Schlosses noch immer aufserordentlich viel,
zumal man wufste, dafs Heineken, als er im Jahre 1756 Brühls
wegen von den Preufsen arretiert worden war, seine Kost-
barkeiten in einem geheimen Gelafs im Keller verborgen ge-
habt hatte und der ,, Bettmeister" aus Pforten, Fiebiger,
ganz sicher wissen wollte, dafs Heineken schon mehr als ein
Mal, wenn das Ableben Brühls zu befürchten war, dieselben
Vorsichtsmafsregeln gebraucht habe.
Am 18. November traf im Auftrage der Untersuchungs-
kommission und mit Genehmigung der Oberamtsregierung zu
Lübben der Geheime Legationssekretär Louis Talon mit
einem Schreiber per Extrapost von Dresden aus in Altdöbern
ein und begann die Recherchen.
Die drei Maurer des Orts, Richter, Schaaf und Büttner,
und der Schlosser Gofslau wurden vernommen; sie gaben an,
dafs sie nicht wüfsten, ob von Heineken durch Platz oder an-
dere Personen Möbel oder sonstige Effekten habe fortschaffen
oder vermauern lassen. Ihre Angaben müssen glaubhaft ge-
klungen haben, weil Talon von einer Verhaftung dieser Per-
sonen, die ihm, ,,weil sie sonst nicht die Wahrheit sagen
würden", von vornherein anempfohlen war, absah. Talon sah
auch die Stelle im Keller, wo im Kriege die Kostbarkeiten
verwahrt worden waren, und preist dieses Versteck als äufserst
erfindungsreich und geeignet, jeden Feind und Marodeur zu
täuschen. Es waren aber nur noch Reste der Vermauerung
vorhanden. Und wenn er schliefslich erklärte: ,,I1 n'y a cer-
tainement point en ici d'autre mur ou reduit mure que celui de
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken 277
la cave dont j'y fait mention", so liatte er doch eine schmale
Treppe nicht entdeckt, welche aus dem Parterre in das Sou-
terrain führt und die gut in der Wand verborgen, vor etwa
dreifsig Jahren wieder aufgefunden wurde. Unter ihren zum
Teil herausgerissenen Stufen soll im Anfange des vorio-en
Jahrhunderts der Sohn Heinekens, nachdem er das Gut
bereits verkauft hatte, nach verborgenen Schätzen gesucht
haben.
Ganz entzückt ist Talon von der prunkvollen Einrichtung
des Schlosses, dessen einzelne Räume ausführlich verzeichnet
und beschrieben werden, den herrlichen Seidentapeten und
Gemälden, welche die Wände schmückten, und den pracht-
vollen Möbeln und Porzellanen in den Zimmern. Auch die
Vorratskammern wurden eingehend geprüft, die vorgefundenen
Papiere, darunter ii6 Briefe Brühls (Vol. V Bl. 154), mit Be-
schlag belegt und übrigens fast sämtliche Räume versiegelt.
Wie sehr der Herr Talon durch den kostbaren und interessan-
ten Inhalt des Schlosses gefessselt worden war, geht daraus
hervor, dafs er nicht weniger als zwölf Tage, einschliefslich
zweier Reisetage, für seine Expedition gebraucht hatte, wobei
er zwei Taler für sich und einen Taler für seinen Schreiber
als tägliche Auslösung in Ansatz brachte. Die ganze Reise
von Dresden nach Altdöbern hatte 28 Taler gekostet; inter-
essant sind auch Verläo-e für Bewachen des Wagens in der
Nacht, für Aufmachen einer Brücke und für einen Wegweiser
durch den Wald zwischen Senftenberg und Altdöbern. Mit
Rücksicht auf diesen, wie es scheint, damals ganz besonders
bedenklichen Teil der Reise bestellte er denn auch für die
Rückreise beim Amtmann in Altdöbern vier tüchtige Vorspann-
pferde.
Da die Briefe Brühls nichts für die Untersuchung Wich-
tiges enthielten, so hatte die Expedition Talons, welcher in
seinem Übereifer auch das Archiv und die Vorratskammern
versiegelt hatte, nur zur Folge, dafs die Jurisdiktion in Alt-
döbern stillstand, die Bauern unbefugter Weise das Holz nieder-
schlugen und Ratten und Mäuse sich die Vorräte zu Nutze
machten. Eine Vorstellung der Frau von Heineken an Xaver
vom 9. März 1764 war vorläufig ohne Erfolg.
Auch die zahlreichen Bitten des Gefangenen selbst um
Entlassung aus der Haft waren nutzlos. Nur gemildert wurde
seine Haft insofern, als ihm nach einiger Zeit die Wache aus
der Stube genommen, der gelegentliche Besuch seiner Famihe
und die Benutzung seiner Bibliothek, sowie die Arbeiten am
Kupferstichkatalog und dem Künstlerlexikon (Buchstabe H — O)
2 "7 8 Georg Lehmann:
gestattet wurde. So schleppte sich die Untersuchung ziemlich
langsam dahin.
Auf jeden Fall bestritt Heineken, aus seinem Besitze oder
— was in dem verloren gegangenen Aktenstück verhandelt
worden sein mufs — aus dem Gräflich Brühischen und ehemals
Gräflich Hennickeschen Archiv „Dokumenta, Schriften oder
Nachrichten, so die Landesherrlichen Angelegenheiten concer-
niren", beiseite gebracht oder vernichtet zu haben.
Sehr eingehend beschäftigte sich die Untersuchung mit
seinem Bilderhandel.
Eine der letzten Regierungshandlungen des Kurfürsten
Friedrich Christian war die am 14. Dezember, drei Tage vor
seinem Tode, erlassene Verfügung gewesen, wonach dem Hei-
neken die Direktion des Kupferstichkabinetts abgenommen und
an den Geheimen Legationsrat Christian Ludwig von Hage-
dorn, den Bruder des Dichters, übertragen und jenem der
von ihm gefertigte Katalog abgefordert wurde. Nach diesem
Katalog (Kab. Akt. Bl. 174), den Heineken in der letzten Zeit
mit dem vorhandenen Bestände nicht mehr hatte vergleichen
können, sollten 80917 Blatt Kupferstiche und 396 dazu ge-
hörige Bücher vorhanden sein. Man vermutete unredliches
Gebahren damit, während Heineken versicherte, dafs er nichts
von der königlichen Sammlung sich angeeignet, derselben im
Gegenteil noch mehrere tausend Stück aus eigenen Mitteln
hinzugefügt habe. Die noch mangelhafte Ordnung der Samm-
lung entschuldigt Heineken durch die Kriegszeiten, während
welcher sie unter dem Schlofsturm versteckt gewesen sei. Aus
diesem Grunde sei auch der Befehl des Königs, alle Dubletten
an die Brühische Sammlung, die von Hagedorn auf 29445
Stück angegeben wird, abzugeben, nicht zur Durchführung ge-
kommen, weshalb er aufserdem noch mehrere tausend Stück
zu übergeben in der Lage sei.
Wie die oben erwähnten Akten der Königlichen General-
direktion der Sammlungen ausweisen, fand die Übergabe der
Kupferstichsammlung durch von Heineken an von Hagedorn in
der Zeit vom 15. — 23. Februar 1764 statt, und die vollständige
Zählung und Katalogisierung war am 8. Juni beendet. Das Re-
sultat war ein ganz überraschendes. Denn unterm 15. Juni
war von Hagedorn in der Lage, einen überaus günstigen Be-
richt über den Befund der Sammlung an den Prinzen-Admi-
nistrator zu erstatten, wobei er ausdrücklich hervorhob, dafs
von Heineken das königliche Kupferstichkabinett ansehnlich,
insonderheit aber mit einer ganz auserlesenen Büchersamm-
lung vermehrt habe. Wohl zu Heinekens eigener Verwunde-
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 279
rung stellte sich heraus, dafs sich die königliche Sammlung
von 49 III Stück nach dem alten Katalog bezw, 80917 Blatt
nach dem späteren, auf nicht weniger denn 130028 Stück und
764 dazu gehörige Bücher vermelirt hatte.
In diesem Punkte konnte also Heineken wohl kaum eine
Unredlichkeit nachgewiesen werden ; doch hefs man den Ver-
dacht noch nicht fallen.
Inzwischen waren auch die Gutachten von den verschie-
denen Kassenstellen eingegangen und zwei starke Foliobände
(Vol. II und III) waren mit den Verzeichnissen der in den
Jahren 1733-^63 ausgegebenen Steuer-, Kammer- und Akzis-
scheinen angefüllt worden. Hiernach ergab sich, dafs auf Spe-
zialreskripte des Kurfürsten aufser den im Kammerreglement
von 1733 angeordneten Ausgaben in der fraglichen Zeit noch
9 276 589 Taler in zinsbaren Kammerscheinen ausgegeben wor-
den waren, für welche als Deckung nur ein kleiner Betrag,
nämlich die Depositengelder der Witwen und Waisen und
Kautionen der Beamten, welche bei den Ämtern lagen, ein-
gegangen waren. Diese Unglücklichen hatten also für ihr gutes
bares Geld Kammerscheine von weit geringerem Wert er-
halten (vgl. Vol. II Bl. 2 ff. und Vertr. Briefe II, 36).
Ebenso waren bei der General-Akzis-Kasse im fraglichen
Zeitraum 10 701 796 Taler Akzisscheine zufolge Spezialbefehls
ausgefertigt worden, ohne dafs dafür Valuta eingegangen war.
Hiervon waren 1519236 Taler an die königliche Schatulle
und 195350 Taler an Brühl gezahlt worden. Endlich hatte
auch der Kurfürst 1753 und 1756 135 000 Taler aus der Por-
zellanmanufaktur-Kasse ffeborgft.
Solchergestalt erklärte sich freilich die enorme Über-
schuldung aller Steuerkassen, Aber es erschienen auch die
drei Angeschuldigten, welche nichts weiter als die Zinsen auf
die ihnen übergebenen Steuerscheine erhoben hatten, nur als
Brühische Beauftragte und an sich ohne persönliche Schuld,
denn es war eine natürliche Folge der absolutistischen Satra-
penwürtschaft, welche damals im Kurstaate herrschte, dafs die
Interessen des Staates, des Monarchen und Brühls sich ver-
mengten, ja beinahe deckten. Was Wunder, wenn sich auch
die Begriffe der Diener Brühls, welche zugleich Diener des
Staates waren, verwirrten und sie schliefslich selbst nicht mehr
wufsten, wem sie eigentlich dienten. Die Untersuchungskom-
mission fühlte auch, dafs auf diesem Wege den Angeschuldig-
ten nicht beizukommen war. Sie schob auf das S\stem, was
andernfalls der Person zur Last gefallen wäre, und verliefs da-
her diesen Gegenstand, um sich abermals und zwar um so
280 Georg Lehmann:
eingehender dem Bilderhandel, insbesondere dem mit Oelge-
mälden, zuzuwenden.
Es war nämlich bekannt, dafs Heineken zu Ostern 1755 aus
dem sogen. Vorrat bei den königlichen Sammlungen 173 Stück
Bilder an sich gebracht oder, wie er behauptete, gekauft hatte.
Der Galerieinspektor Riedel wufste um diesen angeblichen
Kauf und besafs auch ein Verzeichnis sämtHcher Bilder. Auch
verwahrte er drei Nachweise über im ganzen 38 Stück an
Heineken im März und April 1756 ausgehändigte Bilder, und
endHch wufste man, dafs letzterer um diese Zeit 28 Stück
durch einen gewissen Le Leu in Paris hatte versteigern lassen,
und ferner, dafs er von neun, dem Bankier Godskowsky in
Berlin zum Preise von 7900 Talern angebotenen Bildern vier
Stück für 3500 Taler an ihn verkauft hatte, und dafs diese
an den König von Preufsen gelangt waren. Aber man zweifelte
noch, ob ein wirklicher solider Kauf vorliege und, wenn dies
der Fall, ob die Kaufsumme bezahlt sei.
Heineken liefs sich über diesen Punkt wie folgt aus. Er
sagte: der König sei ein vorzüglicher Kenner von Gemälden
gewesen. Er habe seine Bilder ihrem künstlerischen Werte
nach in vier Klassen geschieden. Die erste habe sich in der
Galerie, die zweite in Hubertusburg, die dritte in Warschau
und die vierte Klasse, zu welcher nur ganz minderwertige
Sachen, namentlich viele Kopien gehört hätten, zum Teil über-
einander geschichtet im sogen. Vorrat im Holländischen (jetzt
Japanischen) Palais befunden. Aus dieser letzteren Klasse von
Bildern habe er sich Ostern 1755 in Gegenwart des Galerie-
inspektors Riedel 173 Stück ausgesucht und, nachdem der König
sie in Begleitung des Oberstallmeisters von Trützschler und
der Pagen besichtigt, in seine Wohnung schaffen lassen, aus
welcher jedoch später wegen der Kriegsunruhen 131 Stück
wieder in das Holländische Palais zurückgebracht worden seien.
Als Kaufpreis habe er mit Brühl 7900 Taler und 100 Taler
für Reparaturkosten und ferner noch vereinbart, dafs er diesen
Betrag erst dann zu bezahlen brauche, wenn es ihm
gelungen wäre, denselben durch Weiterverkauf von
Bildern hereinzubekommen. Letzteres sei Ostern 1756
geschehen, worauf er die 8000 Taler an Brühl bezahlt habe.
Er glaube auch, dafs dieser das Geld an Seine Majestät ab-
geliefert, und wisse, dafs der König ihm den Vorteil, den er
sich durch den Bilderhandel gemacht, wohl gegönnt habe.
Zum Beweise alles dessen bezieht er sich auf eine Origrinal-
quittung Brühls (in dem verloren gegangenen Aktenstück
Vol. IV B enthalten, fol. 208), laut welcher dieser über ,,zur
Der Prozefs sregen K. H. v. Heineken. 281
&'-(->
Ostermesse 1756 wegen eines gewissen negotii zu höchsten
Händen empfangene 7900 Taler und 100 Taler Unkosten"
quittiert.
Über den Wert der von ihm erkauften Bilder äufsert
sich Heineken im allgemeinen dahin: ,,Es sind alles Copieen
und schlechte Pastici und nicht werth in den kurfürstlichen
Galerien und Palästen zu hängen", und nur von den neun
nach Berlin zum Kauf angebotenen sagt er sehr diplomatisch:
,,dafs sie bei einem halben Kenner vor etwas Erhebliches aus-
o'eseben werden konnten".
Über diese letzteren gibt nun ein in den Papieren
Heinekens vorgefundener Zettel Auskunft, welchen wörtlich
wieder zu o;eben wegen des nurerwähnten Urteils Heinekens
imd der unparteiischen Beurteilung des Falles überhaupt von
Bedeutung erscheint. Er lautet:
Liste des Tabl. que le Sn. G. ä achete.
1. Tableau de Simon Vouet 600 ThI.
2. „ de Luc. Giordano, Apollo et Diana . 600 .,
3. Europe d'Ercolino di Guido 2000 „
4. Adam et Eva de Daniel Saiter 300 „
3500 Tbl.
II les a achete pour les payer ä la foire de Paques.
Et du dernier transport:
1. La scene de Herodiade de Paolo Veronese . . 2000 Tbl.
2. ( Bergers et Bergeres de Domenico 1
3. 1 Tintoretto / ' • • ' '°°° "
4. Circe del Gefsy ä 600 „
5. Les amours d'Apollo per Rothenhamer . . . 800 „
4400 Tbl.
Sur le Titien il m'ecrit:
Wenn die Venus von Titien, welche 4000 Taler kosten soll wird
angelangt sein und dafs ich solche auf acht Tage Zeit hier haben
kann, so denke ich solche noch anzubringen.
Dieser Zettel scheint von einem in Berlin wohnenden Un-
terhändler Heinekens herzurühren. Die darauf vorkommenden
Xamen von Malern waren auch damals schon von aufserge-
wöhnlich gutem Klange und schön in der IModenesischen Samm-
lung vertreten gewesen. Die Venus von Tizian würde das
an den 38 Stück fehlende Bild sein.
Ebenso wichtig wäre es, die von Heineken noch ge-
forderten 130 Bilder kennen zu lernen oder wenigstens das
in den Akten (Kab. Akt. Bl. 580 b) befindliche Verzeichnis
von 118 Stück derselben wiederzugeben, wenn nicht der
Raum dies verböte. Einige Stichproben mögen genügen:
Inventar A. ,,No. 149, Brustbild Lutheri auf Holz. No. 19:,
282 Georg Lehmann:
Porträt Albert Dürers auf Holz mit Überschrift etc. (viel-
leicht das Selbstporträt der Sammlung Felix, jetzt in Mün-
chen). No. 1367, Porträt eines sächs. Kurfürsten in halber
Figur auf Holz. No, 161 1, die Mutter Gottes mit dem Kind Jesu,
St. Joseph und heil. Elisabeth, Kniestück auf Holz. No. 2557,
St. Sebastian an einen Baum gebunden, ganze Figur auf
Leinewand. No. 2670, Adam und Eva von Lukas Cranach und
mit 1530 bez., ganze Figur auf Holz, No. 2676, drei nackende
Frauenspersonen, ganze Figur, bez. O. EUiger 1670. No. 2939,
die Mutter Gottes, welche dem Kind Jesu eine Weintraube
reichet, auf Holz von Cranach. No, 3031, ein Bild von Breughel
1621". Inventar B. : No. 38 — 45 eine Anzahl Porträts säch-
sischer Kurfürsten. Zahlreiche weitere Cranachs.
Diese 118 Stück, wie es scheint in der Hauptsache Deut-
sche und Niederländer, befanden sich also zur Zeit der Un-
tersuchung noch im Vorrat bei der Galerie, während 14 Stück
als fehlend und 3 Stück in der kurfürstlichen bez. Brühischen
Galerie befindlich angegeben, die 173 Stück also damit an-
nähernd nachgewiesen wurden.
Die Untersuchungskommission schenkte aber den Anga-
ben Heinekens keinen Glauben. Sie erklärte, ,,die Gewifsheit
des vorgegebenen Kaufs würde durch die Quittung keines-
wegs dargetan", denn es fehle darin sowohl die Angabe der
Sache, für welche, als auch der Person, von welcher gezahlt
werde. Dieser Umstand wurde jedoch von Heineken mit dem
ausdrücklichen Wunsche des Könios erklärt, dafs von diesem
Geschäfte nichts an die Öffentlichkeit dringen möge. Die
Kommission liefs diesen Einwand gelten, hielt aber ebendes-
halb an der Meinung fest, dafs es sich hier allerdings um
einen zwischen den Königen von Sachsen und Preufsen abge-
schlossenen Bilderkauf handeln könne, bei dem aber Heineken
und Godskowsky lediglich die Vermittler abgegeben hätten.
Die 28 in Paris versteigerten und die 131 von Heineken noch
beanspruchten Bilder seien jedenfalls noch nicht bezahlt. Die-
ser benutze nur in schlauer Weise das fragliche, in unbestimm-
ten Ausdrücken abgefafste Dokument, um die Bezahlung der
Bilder zu beweisen. Die darin erwähnten 100 Taler könnten
für Emballage und Transport ausgegeben worden sein. Dazu
kam, dafs Riedel seine von Heineken behauptete Gegenwart
bei der Auswahl der Bilder auf das Entschiedenste bestritt
und im Gegenteil behauptete, dieser habe gerade seine, Riedels,
Abwesenheit in Hubertusburg dazu benutzt, sich in Gemein-
schaft mit seinem Verwandten Oesterreich, der im Kupferstich-
kabinett angestellt war, die fraglichen Bilder herauszusuchen.
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 283
Übriorens aber seien dies durchaus keine schlechten und un-
tergeordneten Bilder gewesen, sondern vielmehr „teils gute,
teils Mittelsorte". Endlich vermochte auch der sogar eidlich
abgehörte Brühische Kassierer Schindler den Eingang der
7900 und 100 Taler nicht zu bestätigen.
Trotz alledem verlor aber dieser Anklagepunkt, dessen Er-
örterung sich bis in das Jahr 1769 hinzog, immer mehr seinen
kriminellen Charakter als eine das landesherrliche Interesse
schädigende ehrlose Handlung und löste sich allmähHch in
einen rein zivilrechtlichen Anspruch des Fiskus auf. Die Ge-
ringschätzung, mit der man damals den deutschen Meistern
fast allgemein begegnete, kam Heineken dabei ganz wesentlich
zu statten.
Ebenso verhielt es sich mit der Frage, betreffs Verwen-
dung der sogen. Forstaischen Baubegnadigungsgelder.
Im Jahre 1748 waren 90 Häuser und die Kirche der Stadt
Forst, Hauptorts der Brühischen Herrschaft, niedergebrannt
und den Einwohnern waren 45 000 Taler zum Wiederaufbau
ihrer Häuser bewilligt w-orden. Heineken verwaltete diesen
Fond und hatte Brühl auf seine Frage am Tage vor seinem
Tode, wieviel noch übrig sei, den Betrag von 9000 Talern
angegeben, den Brühl, wäe schon erwähnt, zugleich als ein
Legat für von König bestimmte. Es war nun fraglich, ob
Brühl in dieser Weise zu disponieren berechtigt und ob die
Ver\\'altung ordentlich geführt war. Heineken bejahte dies
und behauptete, Brühl habe die Kirche und andere Gebäude
aus eigenen Mitteln wieder aufgebaut, woraus sich dessen An-
spruch auf die 9000 Taler ergäbe.
Diese Anoelegrenheit wurde einer besonderen Kommission
zur Untersuchung überwiesen.
Endlich wurde Heineken noch beschuldigt, das Geheime
Konsilium in einem Briefe an Brühl nach Warschau gelegent-
lich der Überreichung seiner Schrift über ,, Vorschläge zu
einer Münz Verfassung" dadurch, dafs er von den Mitgliedern
gesagt habe: n'ont point d'esprit de commerce", beleidigt
zu haben — ein sonderbarer Anschuldigungsgrund! — und
weiter, zwei Beamte Namens Bernauer und Klingguth lediglich
im Brühischen Interesse und zum Nachteil der landesherrlichen
Interressen in ihre Ämter gebracht zu haben, was er natürlich
lebhaft bestritt.
Soweit nun war die Voruntersuchung gediehen, als im
Februar 1764 der durch Reskript vom 4. desselben Monats er-
nannten siebengliedrigen Untersuchungskommission die sechs
Volumina Akten mit dem Befehle übergeben wurden, über
284 Georg Lehmann:
die etwaige Freilassung der drei Angeschuldigten Bericht zu
erstatten.
Wiederholt hatte Heineken in Schreiben an den Kur-
fürsten, die Untersuchungskommission und andere hochgestellte
Personen, selbst an die Kurfürstin in den flehentlichsten Aus-
drücken um seine Haftentlassung gebeten. ,, Monarchen haben
allerdinors die Macht in Händen" — sagt er einmal in einem
Schreiben an die letztere vom 3. November 1763 (Vol. V Bl. i) —
,,mit ihren Untertanen nach Belieben zu verfahren. Ich bin aber
überzeugt, dafs eine Landesherrschaft, die mir bereits so viel
Proben der Gnade erwiesen, nicht zugeben wird, dafs unter
ihrer so glücklich angefangenen Regierung jemand, wer er
auch sei, unschuldig leide, und doch leide ich unschuldig".
Aber er weigerte sich beharrlich, eine Kaution in Geld für
seine Freilassung zu stellen, was Hausius tat. Über die Gründe
hierzu findet sich nirgends eine Andeutung; das wahrschein-
lichste ist, dafs er fürchtete, er werde sie auch bei völliger
Freisprechung nicht wieder herausbekommen. Wegen Ab-
weisung dieser Gnade — denn die Zulassung zur Kautions-
stellung wurde als ein Gnadenakt angesehen — trafen ihn aller-
dings mancherlei Nachteile. So verweigerte der Prinz Xaver
auf Vorstellung der Siebener -Kommission die Freigabe der
Vorratskammern, des Weinkellers und Archivs in Altdöbern,
obschon bereits im November eine Beschwerde von neun Guts-
untertanen eingegangen war, welche behaupteten, dafs Heineken
sie zu ungerechten Hofediensten anhalte und ihnen die Hu-
tung weggenommen habe, und hierzu die Eröffnung des Archivs
dringend notwendig gewesen wäre. Die Kommission schlug
vor, die Oberamtsregierung in Lübben anzuweisen, die frag-
lichen Räumlichkeiten dem nächsten kurfürstlichen Beamten
zu übergeben. Aber dies zu gestatten weigert sich Heineken
als Landstand des Markgraftums Niederlausitz wiederum ganz
entschieden. ,,Was würden meine bösen Untertanen sagen,
wenn ich so mifsachtet werde und meine Habe durch einen
Amtmann sequestriert wird?" ruft er aus. Eine solche Be-
schimpfung könne der gröfste Monarch nicht wieder gut machen.
Auch das Vermögen seiner Frau und Kinder leide unter so
scharfen Mafsregeln. Flehentlich bittet er ihm endlich zu sagen,
welches Verbrechens er eigentlich beschuldigt werde. Das
war im Mai 1764. So blieb es, eben weil er sich geweigert
hatte, der Gnade teilhaftig zu werden und Kaution zu stellen,
in statu quo (Reskript vom 12. Juni) und die Beschwerde der
neun Gutsuntertanen ebenfalls. Das Einzige, aber immerhin
nicht Unwesentliche, was Heineken erreichte, war, dafs verfügt
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 285
wurde, die Inhaitbehaltun<T solle nicht als eine ,,Kriminal-
asservation" mit ihren ehrenrührigen Konsequenzen, sondern
nur als eine ,,Petention der Person" angesehen, ihm auch
keine Kosten für die Bewachung abgefordert, im übrigen
aber von Zeit zu Zeit Bewegung in freier Luft in Begleitung
eines Offiziers gestattet werden. Die sogen. Spezialinquisition
wurde also nicht gegen ihn verfügt.
Im Juni gestalteten sich aber die Angelegenheiten Hei-
nekens wieder ungünstig; denn die Siebener-Kommission be-
richtete an den Prinzen Xaver (Kab. Akt. Bl. 170): von Klit-
zing auf Reddern, einem Nachbargut, habe geäufsert: ,,von
Heineken solle sich menagiren; er wisse Dinge, die demselben
den Strick bewürken könnten". Auch befinde sich hinter seinem
Bette im Schlofs zu Altdöbern ein geheimes Gewölbe, welches
bis jetzt den Nachforschungen entgangen sei. Oberstleutnant
von Thielau auf Neudöbern werde hierüber Auskunft geben
können.
Erst nachdem die Oberamtsregierung zu Lübben sich selbst
eingemischt und das Geheime Konsilium sich befürwortend
ausgesprochen hatte, wurde Anfang September die Resignation
d. h. Entsieo-eluno- des Archivs verfügt.
Um dieselbe Zeit aber (31. August, Kab. Akt. Bl. 208) er-
folgte ein wichtiger Bericht der Untersuchungskommission an
den Prinzen -Administrator, worin ausgesprochen wurde: ,,es
habe zwischen dem Brühl'schen Rechnungswesen und den
könighchen Kassen ein enger Zusammenhang bestanden,
aber es seien zur Zeit keine Indicia vorhanden, wodurch von
Heineken überzeugt werden könnte, dafs er an der Kassen-
verwaltuno; unmittelbar teilgenommen habe". Es wird ein
Reinigungseid, ein Bestärkungseid und Entlassung Heinekens
auf cautiojuratoria vorgeschlagen. In seiner Sitzung vom 21. Sep-
tember, an welcher die verwitwete Kurfürstin Maria Antonia
und der Prinz Xaver teilnahmen, trat das Geheime Konsilium
diesen Vorschlägen bei, welche alsbald, m elf Punkte geteilt
und als Reskript formuliert, vom Prinzen unterzeichnet wurden.
Das wesentlichste darin war, dafs Heineken zu beschwören
habe, wie er die Wahrheit gesagt, keine Schriften von Be-
deutung beseitigt und die oben genannten Beamten nicht im
Brühischen Interesse befördert habe. Ferner beschlofs man,
dafs wegen aller Ansprüche, namenthch aus dem Bilderhandel
beim Kupferstichkabinett, fiscaliter vor dem forum civile
gegen ihn zu verfahren, bis zum Austrag der Sache aber seine
Immobilien zu inhibieren, dafs er gegen cautio juratoria zu
entlassen sei und mit seiner Familie Hof und Stadt zu ver-
2 86 Georg Lehmann:
lassen habe. Die angebliche Beleidigung des Ministeriums
wurde als ungebührliche Äufserung bezeichnet und damit ab-
getan; von Klitzing und von Thielau sollten noch eidlich ab-
o-ehört werden.
Bis zur Entlassung Heinekens aus der Haft hatte es aber
noch gute Wege.
Erst nachdem die erwähnten beiden Zeugen abgehört
waren und dabei „den von Heineken mehr exculpiret als gra-
viret" hatten, auch neue Indizien nicht aufgetreten waren,
wurde dem Angeklagten die cautio juratoria, d. h. ein Eid
dahin, dafs er alles auf die Untersuchung Bezügliche auf Er-
fordern noch angeben, über diese nicht korrespondieren, nicht
aufser Landes gehen und ihm etwa auferlegten Ersatz und
Strafe prästieren wolle, vor versammelter Untersuchungskom-
mission abgenommen, worauf er, vermutlich am 7. Dezember
1764, aus der Haft entlassen, d. h. von der Wache be-
freit wurde. Unter gedachtem Datum richtet er ein in den ehr-
erbietigsten Ausdrücken abgefafstes Dankschreiben an den Prin-
zen-Administrator. Dessen erst vom 13. Dezember datiertes
Reskript auf Haftentlassung bewilligt ihm einen achttägigen
Aufenthalt für Ordnung seiner Angfeleo^enheiten in Dresden,
gestattet die Resignation sämtlicher Räume im Schlosse zu Alt-
döbern, befiehlt aber sämtliche dort befindliche ,, Briefschaften
und Schildereien" nach Dresden zu schicken. Die Kreistasfe in
Lübben dürfe er besuchen, aber keine Nacht wegbleiben.
Die Untersuchung ist aber damit noch langte nicht g-e-
schlössen.
Die Erörterungen wegen des Bilderhandels wurden, wenn
auch in langsamerem Tempo noch fortgesetzt; aber die An-
fang Febniar 1765 erfolgte Freigabe der Kiste mit Kupferstichen
in Hamburg, welche 167 Porträts, 331 Niederländer, 313 Fran-
zosen, 4 Engländer, 184 Italiener und 24 Deutsche enthielt,
deutet doch darauf hin, dafs man in seinem Kupferstich -
handel, der hiernach nicht unbedeutend gewesen sein kann,
nichts Strafbares gefunden hatte, während die notwendig ge-
wiesene Einholung der Genehmig-ung zum Verkaufe seines Dres-
dener Hauses um dieselbe Zeit beweist, dafs die Beschlag-
nahme seines Immobiliarvermögens noch nicht aufgehoben
w^ar. Trotzdem mufs aber bei der Untersuchungskommission
bereits die Überzeugung durchgedrungen sein, dafs Heineken
für die Überschuldung der Steuerkassen auch nicht zivilrecht-
lich verantwortlich gemacht werden könne, denn sie spricht
sich im März 1765 dem Prinzen- Administrator gegenüber
dahin aus: ,,dafs Graf Brühl von den zu Ihrer Majestät Händen
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 287
ausgefertigten Kammer-, Steuer- und Akzisscheinen grofse
Summen an sich genommen und in seinem Nutzen verwendet
habe", ohne also dabei Heinekens als Teilnehmer oder Mit-
schuldigen zu gedenken, und bewirkt damit, dafs Xaver unterm
31. März die Erhebung der fiskalischen Klage gegen die Brühl-
schen Erben betiehlt.
Im Jahre 1766 kam der Verkauf der loi Kupferstich-
platten zu dem von Heineken veranstalteten Galeriewerk, die ihn
66 000 Taler gekostet hatten, an Xaver zu Stande, aber im August
des folgenden Jahres ist die Auszahlung des Kaufpreises noch
nicht erfolgt. 10 000 Taler waren ihm laut noch vorhandener
Quittung vom König August III. für 100 Exemplare des Galerie-
werkes bereits früher ausgezahlt worden. Zum Wechsel seines
Aufenthalts mufste er noch landesherrliche Genehmigung nach-
suchen, was ihm bei seinen mancherlei Geschäftsreisen, die sich
sogar (1766) bis Holland, Frankreich und England ausdehnten,
recht hinderlich gewesen zu sein scheint. Auch berichtet er
im Dezember 1767, dafs er eine Tabakfabrik in Altdöbern
eingerichtet habe, und fügt mit Stolz hinzu, dafs infolgedessen
die Berliner Fabrik den Preis des Zentners Tabak von 14 Talern
18 Groschen auf 9 Taler herabzusetzen gezwungen gewesen sei.
Die wegen dieser Fabrik erbetene Freiheit zu reisen wurde
ihm vom Prinzen Xaver gewährt.
Schon im Februar 1767 hatte Heineken um endliche Be-
endigung seiner Untersuchung gebeten und wiederholte diese
Bitte zwei Jahre später in einem Schreiben an den Kurfürsten
(Kab. Akt. Bl. 6ioj mit beweglichen Worten, ,, damit er mit
Ruhe und in Ehren seine grauen Haare in die Grube nehmen
könne". Zugleich bittet er um Ausfolgung der ihm noch ge-
bührenden ,,130" Stück Ölbilder, wobei er dem Kurfürsten
noch vorrechnet, dafs er wiegen des Krieges nicht blofs 3500
Taler Kapital, sondern auch 2490 Taler Zinsen seit Ostern
1756 bis dato eingebüfst habe, insofern er, ungeachtet seiner
Verabredung mit dem Grafen Brühl, die Kaufsumme sogleich
voll bezahlt habe. Freilich vergifst er dabei den Betrag zu
■erwähnen und abzurechnen, welchen er seinerzeit durch Ver-
steigerung der 28 Bilder in Paris erlangt hatte. Endlich bittet
er um Erteilung eines formellen Absolutoriums der Lübbener
Ständeversammlung wegen, die ihn in Anbetracht seines jungen
Adels von jeher mit scheelen Augen angesehen, seit seiner
Untersuchungssache aber überhaupt zu ihren Beratungen nicht
mehr zugelassen hatte.
Jahrelang war also in der Untersuchungssache nichts weiter
geschehen.
2 88 Georg Lehmann:
Da resolvierte endlich unterm 25. Februar 1769 der junge
Kurfürst Friedrich August, der seit dem 15. September 1768
die Regierung übernommen hatte, an seine Geheimen Räte:
„Dafern der Geheime Kammerrath von Heineken in seiner Un-
tersuchungssache die von der Untersuchungskommission vorgeschlage-
nen drei Eyde bei sothaner Kommission schwört und dals es mit dem
Erkauf von 173 Stück Bildern aus den vormaligen Königlichen Vor-
räthen die angegebene Bewandtnifs habe, in supplementum eydlich
erhält (erhärtet); so ist wegen dieser und der übrigen gegen ihn vor-
gekommenen Punkte die Untersuchung für völlig abgethan zu achten,
auch ihm die noch zu fordern habenden 130 Stück Bilder ohne Ent-
geld zu verabfolgen, mithin beim Geheimen Consilio die zu seiner
Sicherstellung pro futuro nöthigen Expeditiones zu entwerfen und zur
Approbation einzureichen, widrigenfalls (nämlich wenn die Eide
nicht geleistet werden) rechtliches Erkenntifs einzuholen und Solches
an Geheime Räthe mit Gutachten einzusenden".
Die Eide, fünf recht langatmige Sätze, wurden nun for-
muliert; sie gingen kurzgefafst dahin:
1. dafs er die Beamten Klinoo-uth und Bernauer nicht in
der Absicht, das Brühische Interesse zum Nachteil des Landes-
herrlichen zu fördern, in ihre Ämter gebracht;
2. dafs er von den von Brühl erhaltenen Schriftstücken
keine das landesherrliche Interesse betreifende beseitigt;
3. dafs er solche Schriftstücke auch nicht aus den Gräf-
lich Hennickeschen und Gräflich Brühischen Archiven beiseite
gebracht ;
4. dafs er in den Brühischen Angelegenheiten der Kom-
mission alles eröffnet und nichts wider die Wahrheit ver-
schwiegen habe und
5. dafs es mit Erkaufung der 173 Bilder die angegebene
Bewandnis und er die 130 Stücl^ demnach wirklich zu fordern
habe.
Schon am 22. März 1769 leistete Heineken in feierlicher
Sitzung der noch aus den früheren Mitgliedern bestehenden
Untersuchungskommission, welcher Se. Exzellenz der Herr
Landvogt von Stammer präsidierte, diese Eide wirklich ab^
und am 6. Juni verfügte der Kurfürst, ,,dafs dem von Heineken
eine Liberationsurkunde auszufertigen, die Inhibition seines
Immobiliarvermögens aufzuheben und die Unkosten zur Be-
zahlung ex fisco anzuzeigen", ferner, dafs ihm die noch zu-
kommenden Gemälde auszuhändigen seien. In der gedachten
Urkunde wurde ihm bestätigt: ,,dafs er nunmehr von der
ganzen Untersuchung völlig losgezählet und deshalb zu keiner
Zeit, weder in Absicht auf einige Ahndung noch auf einen
Wiederersatz etwa in An- und Zuspruch genommen werden
solle".
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 289
Die 130 Bilder wurden ihm also ausgehändigt. Über
ihre späteren Schicksale war nichts zu ermitteln. Anfang der
achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts lebte in Dresden ein
Bilderhändler, Namens Franz Müller, welcher Reste davon zu
besitzen behauptete.
Die Kosten der Untersuchung, um deren Erlafs ausdrück-
lich nachzusuchen Heineken übrigens nicht unterlassen hatte,
wurden auf 407 Taler 17 ngr. — ^^ berechnet, nachmals auf
206 Taler, 13 ngr, — ^ ermäfsigt und auf die Staatskasse
übernommen.
Die für unsere Zeit auffällige ausgedehnte Anwendung
des Eides sowohl in persönlicher wie in sachlicher Beziehung
hängt mit der Tendenz des damaligen Strafprozesses zusammen,
die Wahrheit durch das Geständnis des Angeklagten festzu-
Stellen. Um dieses zu erreichen, bediente man sich wie be-
kannt gegebenenfalls der Tortur, welche zu Heinekens Zeit
zwar nicht mehr in Übung war, offiziell aber erst 1770 in
Sachsen abgeschafft wurde. An ihre Stelle, war mit dem Fort-
schreiten humanerer Anschauungen ein anderes Zwangsmittel,
der Eid, getreten.
Dem Wesen dieses Prozesses entsprach es auch, dafs
persönliche Vernehmungen des Angeklagten ziemlich selten
Avaren. Aufser am 27. Oktober und 3. November 1763 und
später speziell über den Bilderhandel am 9. und 14. Mai 1766
haben solche eigentlich nicht stattgefunden; sie wurden durch
die zahlreichen Schriften des Angeklagten ersetzt.
Dagegen war ihm in jedem Stadium des Prozesses reich-
lich Gelegenheit zur Verteidigung gegeben. Seine sämt-
lichen, namentlich im Anfange der Untersuchung zahlreichen
Eingaben wurden gewissenhaft zu den Akten genommen. Am
interessantesten sind die vom 5. November und i. Dezember
1763 (Vol. V Bl. 8 — 22 und Bl. 46 — 82), in denen er einen
kurzen Abrifs seines Lebens sowie seiner Tätigkeit im Brühl-
sehen Haushalt gibt und ,,die entsetzliche depense und grofse
Schuldenlast", die dort herrschte, hervorhebt.
„Es ist Avahr", ruft er einmal aus, als er von der Überschul-
dung der königlichen Kassen gesprochen, „wenn ich die gewaltigen
Ausgaben an allen Orten gesehen und gehört, so hat die gesunde
\'ernunft mich belehren müssen, dafs die Einnahmen des Kurfürsten-
thum Sachsens nicht zureichen konnten. Allein ich bin weder an
den Ausgaben schuld, noch habe das geringste darin anzuordnen ge-
habt", und weiter noch: „Habe ich et wann des Grafens Befehle, es
sey in Geld-Ausgaben oder anderen Geschäften nicht ausrichten sollen,
so müfste deswegen ein Verboth an mich ergangen seyn.
Gott selbst hat uns 10 Gebote gegeben und wir wissen, wenn wir
gezüchtigt werden, dais wir solche übertreten haben.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 3. 4. 19
2QO Georg Lehmann:
Sollte man es mir zum Verbrechen anrechnen wollen, dafs ich
eine Frau mit Vermögen geheyratet und einem der genereusesten
Ministren in Europa 25 Jahr lang gedient? Nein das ist nicht
möglich.
Allein ich versteige mich in meinen Gedanken, da doch das
Unglück, so mir auf dem Halse liegt und welches meine Neider nun
beneiden mögen, mein eyntziges Augenmerk seyn und ich auf wei-
ter nichts denken sollte, als wie ich zu meiner vorigen Freyheit ge-
langen könnte.
Jedoch dies mufs ich Gott, der durchlauchtigsten Landesherr-
schaft und einer Löbl. Commission überlassen".
Dieses Beispiel der Heinekeschen Verteidigungsweise
möge genügen. Klugerweise gibt er die Verschwendung, die
mit den Staatsmitteln getrieben wurde, zu; aber er stellt sich
nur als V^erkzeug dar und beruft sich auf höheren Befehl,
der durch einen noch höheren nicht eliminiert worden sei.
Eine offizielle Verteidigung in dem Sinne, wie sie not-
wendig wurde, wenn die Spezialinquisition verfügt worden
wäre, lag bei Heineken nicht vor.
Die Untersuchuno^ fifeofen die drei Angeklagten wurde voll-
ständig unabhängig von einander geführt. Auch gegen den
Geheimen Rat Freiherrn von Garten berg lag von vorn-
herein weder der Verdacht eines bestimmten Deliktes noch der
eines gemeinsamen Handelns mit den beiden andern vor.
Für einen klugen Kopf mit einer Lakaiennatur w^ar es in
der Brühischen Ära leicht, zu Rang und Würden und Ver-
mögen zu gelangen, und mancher glänzende Schmetterling war
aus sehr unscheinbarer Hülle hervorgegangen. So der nächste
Vertraute Brühls, jener Hennicke, der als Bedienter und Schrei-
ber begann und 1752 als Wirklicher Geheimer Rat und Kon-
ferenzminister Graf Hennicke und sehr reicher Grundbesitzer
starb. Auch aus dem nicht ungeschickten Arzt und Chemi-
ker Peter Nikolaus Neugarten, einem Dänen von Geburt, war
mit der Zeit der Geheime Rat und Direktor des Bergkol-
legiums und oberste Verwalter der Erz- und Salzbergwerke,
Freiherr von Gartenberg, geworden. Im Haushalt Brühls ver-
waltete er seit 1758 dessen polnische Güter. Er selbst hatte
beim Tode Brühls ein grofses Vermögen, das er sich seit 1750,
um welche Zeit etwa er in des Ministers Dienste getreten sein
mufs, erworben hatte. Wie sehr er in dieser Zeit sein In-
teresse wahrzunehmen verstanden hatte, lehrte der Ausgang
des Prozesses.
Im Mai 1764 erging ein Reskript des Prinzen Xaver da-
hin, dafs von Gartenberg, ,,da er zur Spezial-Inquisition nicht
graviret", gegen cautio juratoria aus der Haft zu entlassen
sei und dafs die Ansprüche des Fiskus gegen ihn aus dem
Der Prozefs gegen K. H. v. Heineken. 291
Pacht des Alaunwerks zu Schwertz und des Kammero;uts zu
Schwemsal (l)eides bei Düben gelegen) fallen gelassen werden
sollten, gegen Abtretung des ihm gehörigen Alaunwerks bei
Reichenbach, das auf 5 — 6000 Taler bewertet wurde und Zah-
lung einer Barsumme von 20000 Talern zur Rentenkammer.
Dieses Reskript wurde auch ausgeführt; namentlich wurde
ihm seine vom 16. April 1766 aus Warschau datierte Bitte,
um Erlafs der Restzahlung von 5000 Talern, rundweg ab-
geschlagen.
Er siedelte später ganz nach Polen über; in der öffent-
lichen Meinung wurde er vollständig rehabilitiert; seine Toch-
ter heiratete den Sohn des obenerwähnten Konferenzministers
Frhrn. von Fritsch.
Sehr übel erging es dem Kammerrat Johann Friedrich
Hausius, Er hatte von Brühl im Jahre 1756 die Aufsicht
über die Akzis-Überschufs- Kasse übertragen erhalten und
mufs in dessen Haushalt nach Heinekens Darstellung in Be-
zug auf Geldbeschaffung eine wichtige Rolle gespielt haben.
Er war ein sehr- findiger Kopf, galt ebenfalls für sehr ver-
mögend und war der Schwiegervater des Obersten von Roth-
schütz.
Im Januar 1764 erbat er seine Haftentlassung, indem er
gleichzeitig einen Schein über eine Forderung von 11 329
Taler 16 gr für gelieferten Hafer als Kaution anbot. Dieses
Anerbieten wurde angenommen. Doch erreichte er damit nur,
dafs ihm die Wache aus dem Zimmer genommen, der Offizier
aber belassen wurde. Auch die Intervention seines Schwieger-
sohns war vergeblich, ebenso sein Anerbieten, für Nieder-
schlagung des Prozesses ein ,, Aversionsquantum" von 6000
Talern zu zahlen, das er nach und nach auf 12-, 15-, zuletzt
20000 Taler erhöhte. Es waren zu böse Dinee über ihn an
den Tag gekommen.
Als im Jahre 1758 der Stadt Dresden von dem preu-
fsischen Generalmajor von Fink eine Geldkontribution von
300 000 Talern auferlegt und Hausius hierbei mit 6000 Talern
bedacht worden war, hatte er, ,,um sich eine Erleichterung
hiervon zu schaffen", dem preufsischen Major von Hennig ein
Verzeichnis reicher Dresdner Bürger überreicht, von denen
die Kontribution zu erlangen sei. Ob er sich dadurch tat-
sächlich von dem ihm auferlegten Betrag befreit hatte, ist aus
den Akten nicht zu ersehen.
Ferner hatte er zwei nach des Königs Tode am 7. und
10. Oktober 1763 an diesen aus Leipzig angekommene Pakete
mit 8250 Dukaten dem Grafen Brühl zugewendet, weil ihm
19*
292
Georg; Lehmann;
dieser erklärt hatte, er habe diese Summe seinerzeit dem Kö-
nige vorgeschossen. Ob und welchen Vorteil Hausius dabei
gehabt, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
In zahlreichen Fällen hatte er sich jedoch der Bestechung
schuldig gemacht.
Bei den Akten befinden sich Urkunden, wonach ihm im
Jahre 1755 ein gewisser Leopold für das Patent als wirklicher
Kammerprokurator 100 Taler nach Wechselrecht und im Jahre
1758 ein gewisser Lorenz für Versorgung einer guten Stelle
ebenfalls 100 Taler nach Wechselrecht verspricht. Ein an-
deres Mal empfängt er ein Fafs Burgunder zu demselben Zwecke.
Noch eine grofse Anzahl anderer solcher Fälle wurden aufge-
deckt. Man nahm an, dafs sein auf 69000 Taler bewertetes
Vermögen in der Hauptsache aus derartigen unsauberen Ge-
schäften stamme.
Auf Vorschlag der Untersuchungskommission wurde
gegen Hausius, der den Advokaten Meifsner zum Verteidiger
angenommen hatte, die Spezial-Liquisition verfügt, trotzdem
er und die Seinigen flehentlich um Verschonung mit dieser
Mafsregel gebeten hatten, und ein Urteil der Juristenfakultät
zu Leipzig eingeholt, welches ■ — die Abschrift in den Akten
ist ohne Datum — dem Angeklagten erst im November
1765 bekannt gemacht wurde und dahin lautete: ,,dafs er
wegen Verrätherei, gegen seine Landesherrschaft begangene
Untreue, Annahme unrechtmäfsiger Geschenke, Pflichtver-
gessenheit und übriger Verbrechen (!) halber mit Verlust sei-
ner Ämter und Titel und zehnjährigem Gefängnifs oder 30000
Thalern zu bestrafen, auch Urphede zu schwören und über-
dies noch zur Leistung eines (sehr umfänglichen) Reinigungs-
eides anzuhalten sei".
Nachdem dem Angeklagten ,,eine Defension dargegen"
gestattet worden, erging ein zweites Urteil vom Schöppenstuhl
zu Leipzig, welches ihm im Oktober 1766 eröffnet wurde und
das die Gefängnisstrafe auf sechs Jahre herabsetzte, im übrigen
aber das vorige aufrecht erhielt. Die Untersuchungskosten
wurden ihm auferlegt. Bald darauf wurde Hausius zur Straf-
verbüfsung nach der Festung Königstein abgeführt. Durch
Reskript des Prinzen Xaver vom 3. August 1768 wurde er in-
dessen begnadigt, nachdem er eine Geldbufse von 15000 Ta-
lern erlegt und Urphede geschworen hatte. Beinahe fünf Jahre
hatte er gefangen gesessen.
Auf das Ansuchen seines Schwiegersohnes, dem Hausius
den Charakter des Kammerrats wieder beizulegen, verfügte
der Kurfürst am 28. August 1770, dafs diesem Suchen nicht
Der Prozefs ge2;en K. H. v. Heineken. 293
stattzugeben, ihm aber zu erlauben sei, sich aufser Landes zu
beo;eben und sein Geld aufser Landes zu ziehen.
Der ganze Prozefs hatte beinahe sechs Jahre gedauert.
Von vornherein hatte er seine Spitze hauptsächhch gegen Hei-
neken gerichtet, als denjenigen, der mit dem Grafen Brühl
am vertrautesten und in seine Pläne und Finanzoperationen
am meisten eingeweiht gewesen war. Aber gerade gegen
ihn ging er am allergünstigsten aus. Nicht nur, dafs Heineken
dank seiner Beharrlichkeit und Klugheit keine unmittelbaren
pekuniären Einbufsen erlitt, sondern es war auch ganz zweifel-
los als ein Akt der Generosität von Seiten des jungen Kur-
fürsten aufzufassen, dafs der vielumstrittene Bilderkauf, eine
schon wegen des Mifsverhältnisses zwischen Preis und Kauf-
objekt recht zweifelhafte Angelegenheit, zu Gunsten Heinekens
entschieden wurde. Dieser Bilderkauf war und blieb aber für
Heineken, auch wenn man selbstverständlich den aufserordent-
lich viel höheren Wert, den die meisten Bilder heutzutage be-
sitzen würden, nicht in Rechnung zieht, sondern lediglich den
Umstand erwägt, dafs es sich um eine unter dem freigebigen
Protektorate eines Brühl in dessen glänzendster Zeit abge-
schlossene Transaktion handelte, in jedem Falle ein gewinn-
reiches Geschäft. Aber warum entliefs man ihn noch mit einem
so ansehnlichen Geschenk? Es liegt doch auf der Hand, dafs
man auf einen Bestärkungseid nicht zuzukommen brauchte,
sondern die Entscheidung einfach dem zivilrechtlichen Beweis-
verfahren überlassen konnte, wie dies auch anfangs geplant
war. Allein man sah davon ab und hielt es für politisch rich-
tiger, den Fall Heineken rein kriminell zu behandeln, um diesen
Mann, der noch vielen gefährlich werden konnte, für immer
aus der Residenz und vom Hofe verbannen zu können. Die-
ser Grund war es wohl, der das hohe Kollegium bewog, dem
hochherzigen Plane Friedrich Augusts nicht entgegenzutreten.
Heineken erwähnt einmal (Kab. Akt. Bl. 349 d) beiläufig,
dafs er noch 4259 Taler und 20 gr. Besoldungsrückstände,
vermutlich auf einen längeren Zeitraum, auf der Fleischsteuer-
kasse stehen habe. Da darf man wohl fragen: w'ie kam es,
dafs sich der kurfürstliche Kammerrat so wenig um seinen
Gehalt gekümmert hatte? Die Antwort liegt in der Gegen-
frage: w'oher kamen die grofsen Summen, die zur Erbauung
und Ausstattung seines fürstlichen Herrensitzes erforderlich
waren?
Aus derselben Quelle, aus der diese geflossen waren, hatten
so viele andere geschöpft, die zur Zeit des Prozesses noch
an den höchsten Stellen safsen. „Mein Glück hat eigentlich
294
Geors: Lehmann:
'&
von dem Tage angefangen", gesteht er einmal unumwunden
und noch mehrmals in ähnlicher Weise, ,,als ich 1739 in des
verstorbenen Cabinets-Ministre Grafen v. Brühl Haufs o-ekommen
bin usw. Mit ihm hat auch mein Glück aufo-ehört". Und er war
darum, weil er von diesem Glück auch sein Teil zu erhaschen
verstanden hatte, nicht besser und nicht schlechter als hundert
andere seiner Zeit.
Allein dieses System mufste verlassen, ja öffentlich ge-
brandmarkt, der öffentlichen Meinung mufste Genugtuung ge-
geben werden. So erklärt sich neben der feinfühligen Art,
mit der sein Prozefs beendet wurde, die Strenge, welche man
bei Aufrechterhaltung seiner Verbannung einhielt. Bei Er-
teilung der Erlaubnis nach Leipzig zu reisen, im April 1765,
macht es sich der Prinz Xaver ausdrücklich zur Bedinofunpf,
dafs Heineken sich nicht dem Hofe nähern dürfe. Demun-
geachtet war dieser nach Ausweis der Akten, selbstverständ-
lich nach zuvor eingeholter Erlaubnis, mehrmals, so vierzehn
Tage im November 1765 und mehrere Tage im Februar 1767,
diesmal zur Verheiratung seiner einzigen Tochter Friederike
Magdalene mit dem Major von Bünau, in Dresden ; jedenfalls
ohne mit seinen früheren Kreisen Fühluno- zu nehmen, da seine
Untersuchung damals noch nicht beendet war.
Den Schmerz, seine geliebten Sammlungen nicht wieder-
sehen zu dürfen, suchte er vergessen zu machen durch eine
überaus fieiisige schriftstellerische Tätigkeit und emsiges wirt-
schaftliches Schaffen. Seine Erfolo^e in erstoredachter Bezie-
hung sind bekannt. Erst im Laufe der Jahre gestaltete sich
sein Verhältnis zum Hofe besser, so dafs er im September
1777 ein Gesuch um Portofreiheit für seine Korrespondenz mit
Gelehrten und Künstlern wagen zu dürfen glaubte. Indessen
resolvierte der Kurfürst: ,, dieses Suchen findet gantz nicht
Statt".
Heinekens Charakter ist mehrfach geschildert worden.
So auch bei Justi. Aber der Angaben in den oben zitierten
,, Vertraulichen Briefen" (II, 117) über diesen Punkt möchte
zum Schlufs noch kurz gedacht werden. Wie dort die Er-
Zählung über die Art der Erwerbung Altdöberns in mehrfacher
Beziehung falsch, ja entstellt erscheint, so findet sich in den
Untersuchungsakten auch nicht eine Spur von der Behauptung,
dafs Heineken der Präsident eines von Brühl zur Überwachung
des kurfürstlichen Hofes eingerichteten schwarzen Kabinetts
gewesen sei. Diese Angabe mufs daher, wie so vieles andere
in diesem Pamphlet, wahrscheinlich auch über Brühl selbst,
in das Gebiet der Fabel gewiesen werden.
Der Prozefs gegen K. H, v. Heineken. 295
Nicht vergessen wollen wir, dafs die Dresdner Galerie,
wie die Kunstwelt überhaupt, Heineken, diesem hervorragen-
den Mann, aufserordentlich viel verdankt. Und wenn es dem
gegen ihn geführten Prozefs nicht gelang, ihm etwas Straf-
bares nachzuweisen, so werden alle diejenigen seiner Verehrer
dies mit Freuden begrüfsen, welche nicht umhin konnten, an
seinen engen Beziehungen zu Brühl und an deren Folgen
einen gewissen Anstofs zu nehmen. Selbst nach heutigen
Anschauungen und von jetzigen Richtern geführt würde
sein Prozefs sicherlich keinen anderen Ausgang genommen
haben.
Als Heineken in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts
in der Fülle des Glücks sein schönes Schlofs erbaute, da ahnte
er wohl nicht, dafs auf ihn mehr wie auf andre der Spruch
einst Geltung finden werde, den er über die grofse Eingangs-
tür setzen hefs, die Worte aus Virgils Aeneide: Per varios
casus !
X.
Kleinere Mitteilungen.
I. Kleine Beiträge zur sächsischen Gelehrtengeschichte
im 15. und 16. Jahrhundert.
Von Otto Giemen.
Zwei Epitaphien.
In dem aus dem Nachlasse des Hartmann Schedel stammen-
den Handschriften-Quartband der Münchener Hof- und Staats-
bibhothek Cod. lat. mon. 443 finden sich u. a. folgende zwei
Grabinschriften :
Epigramm a Doctorisjohannis deRatispona, sacre pagine
prolessoris, in lipczk ad S. paulum ordinis praedicatorum.
Anno domini Mo ccccl xx iij In Crastino beati Joannis baptiste
[25. Juni] Obiit honorabilis vir magister Johannes de Ratispona sacre
theologie professor.
Sta, de, plange, gerne, quid es aut quis es, lege de me!
Epitaphium doctoris Heinrici m ellers täte nsis consiliarii
d u c u m S a X o n i e.
Mellerstat me genuit, lipczk doctas contulit artes.
Jus dedit et leges vrbs perusina mihi,
Me febris absumpsit, Hemricum agnomine Stercker,
Misna tegit corpus, Spiritus astra petat.
Anno domini M cccc Lxxx 1 1 1 die Jouis mensis Marcij sexta obiit
Egregius vir doctor Heinricus Stercker de mellerstat, Scolasticus
ecclesie misnensis necnon eiusdem ecclesie et mersburgensis, neu-
burgensis et friburgensis canonicus, cuius anima in sancta pace re-
quiescat.
Aus der ersten Inschrift erfahren wir das genaue Datum
des Todes des seinerzeit hochgefeierten Johannes von Regens-
Kleinere Mitteiluniren
)-^^
297
burg^). Als Todestag des Heinrich Stercker aus Mellrichstadt
(Unterfranken)-) wird in der zweiten Inschrift Donnerstag der
6, März 1483 genannt, während das fragmentarische Toten-
buch der Kanoniker des Domstifts Meifsen 1472 — 1544 den
3. März desselben Jahres angibt"^). Aufser in Leipzig, wo er
im Sommer 1454 immatrikuliert wurde*), hat er also auch in
Perugia studiert. Als Scholastikus, d. h. Leiter der Domschule,
war er einer der ersten Würdenträger des Meifsner Kapitels'').
Zu Johannes Honorius Cubitensis.
Der Handschriften-Quartband L XIIL 37 der Zwickauer
Ratsschulbibliothek weist auf der ersten Seite oben die folgenden
interessanten Einträge auf:
Magister Johannes Elbogen, cuius hie liber est, tenetur mihi
septuaginta quattuor gr., pro prandio, pro niultis quinternis basilij
et Maftej etc. non detur ei über nisi prius soluat.
Ego Johannes C\ibitensis solui vt in sequenti recognicione fratris
herasmi plenius continetur.
Ego Erasmus frifsner de wunsidel frater ordinis praedicatorum
Recognosco hoc meo cyrographo praedictum Magistrum Johannem
Cubitensera mihi vti procuratori domini doctoris Andree trifsner de
wunsidel satisfecisse huncqvie librum debito sive deposito exemisse.
Dieser ,,Physica et Astronomica" enthaltende Band stammt
also aus dem Besitze des Leipziger Professors Johannes Hono-
rius Crispus Cubitensis (eigentlich Johannes Erhardi oder
Pannificis aus Elbogen), über dessen Gelehrtenlaufbahn man
sich aus der Leipziger Universitätsmatrikel (Reg. unter Panni-
ficis) und über dessen humanistische Verdienste man sich aus
Bauchs Geschichte des Leipziger Frühhumanismus unter-
') S. Matrikel der Leipziger Universität, Register unter Morraan,
Centuria scriptorum insignium Nr. 10 (über diese wichtige Quelle vgl.
zuletzt N. Paulus im Katholik 1900 II, 281 — 285, G.Bauch, Die
Anfänge der Universität Frankfurt a. Ö. (Berlin 1900) S. 47 und
Brieger in den Beiträgen zur sächsischen Kirchengeschichte XVI
(1903), 2 A. I und S. 30 A.i und Zarncke, Die urkundlichen Quellen
zur Geschichte der Universität Leipzig (1857) Register s. v.
-) Über ihn vgl. auch Machatschek, Geschichte der Bischöfe des
Hochstiftes Meifsen (Dresden 1884I S. 535 und G. Bauch, Geschichte
des Leipziger Frühhumanismus (Leipzig 1899') S. 4 A. i.
2) Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte XV (1901), 33.
*) Die Leipziger Matrikel zitiere ich jetzt nicht mehr, da nach
dem Erscheinen des Registerbandes jeder Eintrag mühelos gefunden
werden kann.
^) Kunz V. Brunn genannt v. Kauf fun gen, Das Domkapitel
von Meifsen im Mittelalter (Meifsen 1902) S. 65 — 67.
2q8 Kleinere Mitteilungen.
richten kann. Einmal aber mufste er sich für eine Weile von
dem Kodex trennen. Er mufste ihn seinem Kollegen Andreas
Frisner aus Wunsiedel ■*) überlassen und zwar, wenn ich die
Stelle recht verstehe, als Pfand für Geld, das er ihm abgeborgt
hatte, um die Kosten für ein prandium Aristotelicum und für die
Drucklegung oder die Vorarbeiten zu zwei Publikationen zu
bestreiten: „basilij" nämlich scheint sich zu beziehen auf die
kommentierte Ausg-abe von des Basilius Mao-nus Schrift de
legendis libris secularibus, die Honorius wohl nicht vor 1502
erscheinen liefs"), und ,,Maffej" könnte sich auf die von Honorius
besorgte Ausgabe der Vita diu! Antonii von Mapheus Vegius
beziehen^). Glücklicherweise war Honorius bald wieder in
der Läse, das Pfand einlösen zu können.
'fe^)
Wolfgang Schindler (Cubito).
Mit ihm darf man nicht seinen ebenfalls manchmal kurz
als Cubitensis oder Cubito bezeichneten Landsmann Wolfgang
Schindler verwechseln. Auch über seine Studenten- und Do-
zentenzeit erfahren wir allerhand aus der Matrikel. Von seinen
Schriften*) ist nichts im Druck erschienen, wir kennen nur ein
Gedicht von ihm im Anhano- -zu Dunofersheims Confutatio
apologetici cuiusdam sacre scripture falso inscripti (1514)'^).
Doch rühmt Virgilius Wellendorfer ihn höchlichst als bedeuten-
den Kenner des Aristoteles und Averrhoes, als gewandten
Musiker und Versifex, als vortrefflichen Rektor und Dekan^
als sehr schneidigen examinator (dies aus eigener Erfahrung)
und gütigen promotor^), und an einer anderen Stelle') spricht
*) Sommer 1465 immatrikuliert. Erasmus Frisner S. 1478 (vgl.
Centuria Nr.35). Zu letzterem vgl. noch Bauch im Centralblatt für
Bibliothekswesen XV (1898), 253 Nr. 29, derselbe, Anfänge S. 9of.
und Procter, Index to the early printed books in the British Mu-
seum II I (1903) Nr. 11820.
-) Bauch, Frühhumanismus S. 66 ff.
^) Ebenda S. 36.
*) Centuria Nr. 64 erwähnt: De Musica lib. I. Compendium
Philosophiae naturalis lib. I.
5) Bauch S. 183!
") Annotatio peregrina Ad dei cultum Exiguamque nonnullorum
scholasticorum commemorationem : in apricum procedit foeliciter.
6 ff. 4''. 6bweifs. 6a unten: Lipsi impressit Vuolßgangus Monacensis
1516 (Panzer, Annales typographici VII, 194, 569) fol. 4b. Über
Wellendorfer: ebenda A iij b, Centuria Nr. 61, Matrikel, Zarncke,
Joch er, Gelehrtenlexikon IV, 1879.
') Encenilogium Philosophismata: Enkidia: et Sintagmata: trans-
lathie vsurpata: breuiter constringens: . . . fol. A ij b.
Kleinere Mitteilunsren.
ö^
299
er von ihm als ,,philosopho consummatissimo atque Theologo
profundo et Quodlibetario modestissimo". Schindler wurde
später Domprediger in Magdeburg und tat sich im Kampfe
der Altgläubigen gegen die Lutheraner hervor^). Dafs er bis
zuletzt im Widerstände beharrte, zeigt sein Testament*), in
dem er 500 florinos Rhenenses zu einem Stipendium für einen
Leipziger Studenten auf sieben Jahre stiftet. Die Herren vom
Collegium maius sollen gegen eine Entschädigung über den
Lebenswandel und die kirchliche Korrektheit des Stipendiaten
wachen. Und ferner setzt er für die St. Martinskirche in
Herrmannsgrün ein Legat aus, das aber nicht eher ausgezahlt
werden soll, als bis die Herren und Einwohner der Stadt •^)
resipiscant a Lutheranismo. Dieses Testament ist vom 21. März
1538 datiert. Wahrscheinlich ist Schindler um diese Zeit ge-
storben. Luther, der ja auch darin ein Kind seiner Zeit war,
dafs er Feinden des Evangeliums und persönlichen Gegnern
als Strafe Gottes ein jähes Ende prognostizierte, prophezeite
ihm einen plötzlichen Tod:
Tu vocaris Cubito,
Et ego non dubito,
Quin moriaris subito'*).
Sein Nachfolger wurde 1539 der Leipziger Professor Dr. Mel-
chior Riedel''). Seine Frau entstammte der reichen Leipziger
Patrizierfamilie Hummelshain ^).
Die Zwickauer Ratsschulbibliothek verwahrt zwei eigen-
händige Briefe Schindlers an den Zwickauer Stadtschreiber
1) Vgl. zuletzt Paulus, Die deutschen Dominikaner im Kampfe
gegen Luther (Freiburg i. Br. 1903) S. 21 A. i. Henning Pyrgallus
(über den ich nächstens ausführlicher handeln werde) preist deshalb
auch Schindler in seinem „Encomion aliquot virorum illustrium hac
iugubri tempestate cathoHcas ueritates asserentium" (Ad illustrissimum
iuxta ac clementissimum principem et D. D. Georgium Ducem
Saxoniae, . . ipTivo^ny ov . . iam nuper adauctum recognitumque, Lip-
siae s. a., fol. Fa).
2) Urkundenbuch der Universität Leipzig 1409 — 1555 (Leipzig
1879) S. 515.
^) Südwestlich von Neudek in Böhmen. \ gl. Mitteilungen des
Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen XXIX (iSgo/gi), 311.
•') Luthers Tischreden in der Mathesischen Sammlung, heraus-
gegeben von E. Kroker (Leipzig 1903) S. 104 Nr. 90.
■'*) Seifert, Die Reformation in Leipzig (Leipzig 1883) S. 207,
wo „Tubitens" Druckfehler; Kawerau, Der Briefwechsel desjustus
Jonas I (Halle 1884), 358.
ö) De Wette, Luthers Briefe Y, 14. Wustmann, Der Wirt
von Auerbachs Keller, Dr. Heinrich Stromer von Auerbach (_Leipzig
1902) S. 2 8 ff.
TQO Kleinere Mitteilungen.
Stephan Roth vom 3. und 9. Mai 1534^. Aus dem ersten
interessiert uns besonders die Nachricht, dafs Schindler als
Knabe die altberühmte Zwickauer Schleifmühle besucht hat.
Wehmütiof berichtet uns der zweite Brief: Schindler hat im
Laufe der Zeit eine prächtige Bibliothek sich angeschafft, über
800 Gulden hat er hineingesteckt-), aber als Cölibatär hat er
keinen Erben. So ist es ihm ein Herzenswunsch, dafs sein
Zwickauer Neffe, der Sohn des bankerotten Wolfgang Wagner
oder Ellenbogen, die Gelehrtenlaufbahn ergriffe. Keinesfalls
will er seine Bücherschätze einer öffentlichen oder Kloster-
bibliothek überweisen: da frifst sie der Staub und die Würmer —
eine in jener Zeit bekanntlich nicht alleinstehende bewegliche
Klage über den Niedergang der Studien und die wiederan-
dringende Barbarei.
fc>
Meine gantz freuntliche vnd willige dienste zuvor!
Wirdiger Achtbar herr Magister vnd Stathschr eiber, Bsonder
günstiger herr vnd förderer! Mir falleth eyne sache führ, dar Inne
mir Ewere achtbare wirden leichtlich mögen behülfflich vnd förder-
lich seyn. vorsehe mich auch gentzlich, E. a. w. werde efs alder
kundtschafft halben vleissigk thuen. Denn wie wol Ich E. a. w. kundt-
schatt't in vihlen vorgangen Jarnn nith vihl gebraucht, hab ich doch
in rechter warheith alle'tzeith eyn guthwilligk vnd genaigth hertz
vnd willen zu E. a. w. getragen, tragl's auch noch, vnd fso Ich E.
a. w. vormöchte zu dienen, fsolth mich E. a. w. alle tzeith willigk
vnd bevlisfsen betinden. Bith der halben vnd auff tröstUche Zuversicht
zu E. a. w , wolleth mir dyfs meyn gehligfs ansuchen nith verargen
vnd mir behülfflich seyn. Dye sach ist dysfse: Ich hab vngeferlich
vor neun oder tzehen Jaren wolfgang wagner, wolft" Ellenbogen ge-
nannth, zur besserung vnd förderung se3-ner narung vnd se3'nfs
handelfs führ gestreckth vnd an alle tzinfs vnd geldung geUehen
hunderth Ü., dar führ Ich keyn andere Versicherung hab denn eyne
handtschrifft. Auch ist er mir vor eynem Jar vngeferlich noch tzehen
fl. schuldigk blieben, dye ich ym auch geliehen hab. Denn Er ist
mir bluetfs halben etwas verwandt. Ich bin auch vor tzeithen, doe
ich zu Zwickaw in Jungenn Jaren in dye schule gieng, ettliche Jar
bey sevnem vater in der herbrig gewefst. Nuhn erfaer Ich, das Er
mit seynem handel übel steeth. wie efs vmb seinen vnfall steht, fso
ym hier fsall geschehen seyn, lasfs ich in seiner were bleyben. Aber
ich besorge, efs werden seine gleuber zu placzzen vnd seine guter
') Sign.: X 260 und 261, Den zweiten hat teilweise schon
Buchwald im Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels
XVI (1893), 1440'. Nr. 342 veröffentlicht.
2) Vgl. dazu den Aufsatz von G. Kohfeldt im Centralblatt
für Bibhothekswesen XX (1903), 281 — 85 über die Bibliothek des
Lübecker Vikars Conrad Stenhop, die K. zu den gröfsten Privat-
bibliotheken im ausgehenden Mittelalter rechnen möchte. Die daraus
noch erhaltenen 29 Grofsfolianten repräsentieren einen Wert von
150 — 200 Gulden.
Kleinere Mitteilungen
&^
301
beseczzen vnd vorkummern. Ist der lialben meyne vleissige bethe
an E. a. w., Szo villeicht, wie zu besorgen, andere zu seynen guter
klagethen, E. a. w. wolle von meyn wegen auff seine gewisfste guter
evn kummer') thuen, fso ferren vnd hoeh von hunderth vnd tzehn H.
sich eygen vnd fügen will was vor expenls der auff gehen, gerade
vnd gelob ich E. a. w. mit krafft dvlser meyner handtschrifft, das
selbe allefs auffen geringsten heller wider zu geben vnd zu betzalen.
Szo efs süst nith lauthbar vnd rüchtigk ist, weer mir wol liebp, das
E. a. w. von meinen wegen evn he^"mliche kummer theth . wie wol
ich besorge, Ich werde nith der erste seyn. Szo efs auch von nöthen
ist, bitth Ich, E. a. w. wolle mir eyn procuratoren bestellen, dem
will ich genüglich verloenen, dar mit sich E. a. w. nith dürfte in aigner
person bemüen. Bitth beschliefslich, E. a. w wolle sich nith be-
schweren. In dvlser sache mir zu dienen, will ich möglichs vleyfs
alle tzeith vordienen vnd gütlich vorschulden. Szo E. a. w. wolfen
süst dienstlich vnd förderlich mag seyn zu seynem schütz, wie vihl
er recht hath, ist mir eyne grosfse freunthschaft't . . . Dar mit seyth
Goth befolhen. Datum dominica Cantate Im 1534 Jar Leyptzk
E. a. w. williger
Wolffgangus Schindler Cubitensis
Doctor.
Meine freimtliche dienste zuvor!
Wirdiger Achtbar herr Stathschreiber ! IchhabE. a. w freuntlich
genaigts gemüthe gegen mir aufs ewerm schreiben gespürth vnd ver-
nommen. Bedanke mich der selben vnvordienthen zunaigung vnd
sonderlich der klaren berichtung der gelegenheith des handeis vnd
vmwurfts meynfs vettern. Ist mir w^arlich trewlich vnd hertzlich laidt,
hettfs auch nvmmer mehr glaubt, das er fso zurück kummen fsolt
seyn in sevnem Handel. Er ist ja süst frumm. Böfs ists das er fso
viivorsichtigk gehandelth hath Ist mir laidt führ seyn frummefs weyb
vnd seine kinder. Ich hab Ir meine meinung vnd guthen willen, fso
ich auch wolfen oft't zuvorstehn gegeben, geschriben. Nemlich, das
Ich gernn söch, das sej^nn fson zur schule gehalden würde vnd stu-
direth. fso er eyn wenigk erbüchfs, woldt ich yn zu mir nemmen
vnd auff tziehen! Den Ich hab vihl bücher. Wenn Ich fürnymen
testamenth zu machen, Ist meyn gröfste bekummernifs, woe ich mit
den büchern hin fsöll, das sve wol angelegt werden, denn sye ge-
stehenn mich übr dye acht hundert H. Ich hab meyner brüder
kinder ettliche bey mir gehalten, beydfs hye vnd zu Magdeburgk.
keiner will efs thuen mit dem studiren. Bücher in librey oder klöster
zu beschaiden ist vorgebhch, doo frist S}'e der staub vnd dye würm.
Mir weer es evn trost vnd eyn freud, das ich eynen freundt hette,
den ich alfso erkenth hetthe,' wenn vnd ehr ich sterben Isolde, den
Ich erkenthe, des ym meine bücher nütz würden seyn. Darumb wold
ich gern, das er zur schule gehalden würde. Auft" dyfse mainung
hab ich sye gebethen, Sye fsöll Iren vater zu hülff" nemen vnd sich
bevlevsfsen, das sye mir dye c fl. aufrichte, dar mit ich Iren guthen
Avillen widerumb erkenne vnd befinde, was ich gerade, fsall, ob
goth will, gehalden werde. Bitth E. a. w. wolle fso Irgenth eyn wegk
möglich, noch vleyfs führ wenden, ab ich möchte betzahlt werden.
') == Beschlagnahme: Grimm, Deutsches Wörterbuch 5, 2593.
ß02 Kleinere Mitteilungen.
Denn Ich vorseh mich nith, das sye vnd er fso vergesfsen seynth
gewefst, wie eis denn pflegth zu geschehen, das sye nith ettwas führ
sich gedacht haben. Evn redlich vnd erlich geschenk gerade Ich
E. a. w. zu thuen, Szo mir in der sache Irgenth Vorschub vnd er-
sprielsliche fördenmg geschiht, mit erbietung, das selbe alle tzeith
gegen E. a. w. möglichs vlejfs zu vordienen. Dar mit goth befolhen.
Datum 9. May 1534.
E. a. w. williger
Wolfgangus Schindler Cubitensis.
Endlich ist noch ein dritter Cubito oder Cubitensis nam-
haft zu machen, der Mediziner Wenzel Bayer, der im Sommer
1508 in Leipzig immatrikuliert wurde, im Sommer 1510
das Bakkalaureat und im Winter 15 12 die Magisterwürde
erwarb, später übrigens Stadtschreiber in Stafsfurt w'urde\).
Die Zwickauer RatsschulbibHothek besitzt von ihm fol-
gende vier kulturoeschichtlich mannio-fach interessanten Schrif-
C!> O O
ten: i. Tractatus de termis Caroli quarti imperatoris, sitis
prope Elbogen et Vallem S. Joachimi, editus a Doctore
Vuenceslao Payer de Cubito, alias Elbogen ad Genero-
sum et maofnihcum Comitem & D. Dominum Steffanum
Schlick. Consihum de peste eiusdem Doctoris ad Nobilissi-
mum et aequissimum virum dominum Henricum a Konritz
Capitaneum in Valle. S. Joachimi. 2 8 ff. 4". 28b weifs. 28a
unten: Lipsiae ex aedibus Valentini Schumanni Anno domini
M. D. XXII. Panzer, Annales t3pographici VII p. 221 Nro. 824.
Titelrückseite Empfehlung der Schrift durch Simon Pistoris,
Dekan der medizinischen Fakultät zu Leipzig (vgl. über ihn
Allgemeine deutsche Biographie XXVI, 194; A. Hirsch und
Bauch^ Frühhumanismus, passim), fol. a ii a Glückw'unsch-
schreiben des ,,Udalricus Rulein de Calw, artium ac Medicinae
Doctor" an Bayer, Leipzig i. Dezember 1521 (über Rülein
vgl. R. Hofmann, Schönburgische Geschichtsblätter IV, 92;
Mosen, Hieronymus Emser, Halle 1890, S. 68; Kaw^erau,
H. E., Halle 1898, S. 39). A ij b Vorwort Bayers an Schlick.
Der Traktat ist am 19. Dezember 1521 beendigt worden. —
2. ^rud]tbarc erfeney mit ircin rc/d}tcn gebraud^ vov ben g,c=
meinen; man, So auff bem Ipd^berumbten berif luerrf. S.^o / ad^yms
tl^al vnb ber gleyd^en an anbeten bercf ir>errf enn fid) entl^cltij . . .
buxd} Doctorem XDenceflauni öey / er roni (£lbogen bcn man
nennet / Doctor (£ubito / . . . (Sebruif t ^u Seyptöf buxd} XPolff=
gang Stödd. j. 1523./ 4ff. 4". 4b weifs. Fehlt bei Panzer
und Weller. — 3. Kict)tiger vati]-- 1 fd}Iag, rnb berid)t ber/y^t
regicrenben Peftilen^, fo man ben (£ngelifdv / en fd^meyll nennet.
') Bauch, Anfänge S. 75.
Kleinere Mitteilungen. 303
Purd) Doctor ironcef = / laiim Bayer von (£Iboo,cn, (Iubi= / to
genaubt, au|5gancscn. / IH. V. X?il?i. / iitj. Scptcmbris. / £eYP=
^igf, / 24 ff. 8". 24 weifs. 23b: ©cbriicft 511 Seyptjicjt bmd}
rddd I SdinnM. l]X. D. rrif. / Vgl. zu dieser Schrift die bei
Haefer, Lehrbucli der Geschichte, der Medizin und der
epidemischen Krankheiten III (1882) S. 327 genannte Literatur
über den englischen Schweifs von 1529. — 4. (Eyn Hii^Itd^er /
furcjcr rntorrtdit, tüie / man ftd) ynn 6cr feeyt 6er Peftilenfe
I}al= / ten, aud) irafs man r»or erl5noy braudien foll, aefecgcu aus
ben büdilein, fo I^ieuor / (£r IPcnceflaus X^tyer r>om €lbo= / gen
ber (Srt^ney Doctor, von / ber poftilen^ €ateintfd] / l^att aufgellen /
laffenn. / ... 8 ff. 8*'. 8 weifs. 7b: (Sebrücft 5U £eyp^it3f burdi
/ llidel Sdimibt. / Jm 211 P. ?lX?c. — fol. A iiij a empfiehlt
der Verfasser Pillen aus Hans Wenckheims Apotheke zum
König in Leipzig.
Melanchthon Aveifs zu berichten, dafs dieser Cubito bei
einem Trinko-elage in Halle a. S. an der Seite des Kanzlers
Türk jählings verschieden sei^).
Zwei Kostenberechnungen
Leipziger Magisterpromotionen 1515 und 1517.
Der Quartband XXVI. V. 11 der Zwickauer Ratsschul-
bibliothek stammt aus dem Besitze des Christoph Ering aus
Leipzig, der erst in seiner Vaterstadt studierte, 1520 als Kaplan
Herzog Georgs erscheint, bis 1528 in Annaberg, bis 1532 in
Joachimsthal als Prediger wirkte, im Sommersemester 1532 in
Wittenberg immatrikuliert wurde, 1533 als Prediger nach
Zwickau kam und dort 1554 als Superintendent starb"). Hinten
in diesem Bande hat er über den Verlauf seiner Magister-
promotion (vgl. Matrikel II, 498) genaue Angaben eingetragen,
die ich unter Weglassung der Examenaufgaben und -fragen
hier wiederhole:
Anno virginej partus 15 15 Ego Christophorus Erinck Lipsicus
fui in examine pro magisterio Et sequenti ordine mecum agebatur:
Prima dispensacio fuit 6ta feria post Thome [22. Dez. 1514]-
2 da dispensacio erat altera die sequenti et habetur propter
integritatem vite et morum.
3 da fuit in die innocentum [28. Dez.]
In tentamine hec subnotata mihi assignata sunt: — Tentamen
deductum est 3 a feria mane post felicis [16. Jan. 1515], quo die facta
est et delacio Candelarum.
1) Corpus reformatum XX, 596; XXV, 72 u. 648. G. Loesche,
Analecta Lutherana et Melanthoniana (Gotha 1892) S. 160 Nr. 208.
-) Enders, Luthers Briefwechsel IX, 231 f und Fabian in den
Mitteilungen des Zwickauer Altertumsvereins VII (,1902;, 118.
qoA Kleinere Mitteilungen.
In Examine hec Questiones mihi assignate sunt: — Finis Exa-
minis erat 4ta feria ante purilicacionis [31. Jan] 9 hora.
Promotus Sabatto in die Scholastice [10. Febr.] 12 hora.
Exposita pro gradu magisterij Anno 1515.
Pro Exercicio merces domini vicecancellarij 2 fl in auro
Pro dispensacione ad facultatem 42 gr
Pro Exercicio decani 32 gr
Pro Loco in examine i2gr
In delacione Candelarum ad contubernium Bauarorum ... V gr
Ad delacionem candelarum 32 gr
Famulis in delacione 22 gr
Ad cantarum eniendum Rectori seu commendatori 5 gr
Examinatoribus ad vina Cretica in examine i gr
Ad prandium Aristotelis, quod erat die Dorothee [6. Febr.] 4 fl 6 gr
Item conuentoribus pro disp 14 gr 4 ,^
Item 3 fl in auro pro Signeto
Pro munusculo quodam Promotori i fl
Item famulis pro salario 3 gr
Summa 18 ti i gr 4 ^
Verus vicecancellarius erat Magnificus vir vincencius de Schley-
nicz Archidvaconus ecclesie Merfsb:, Subvicecancellarius venerabius
vir magister Joannes kolh Lipsicus promotor meus.
Nicolaus Curia
Petrus kun de numburg
Petrus werdt Lempergius
Gotherius luder Hallensis.
Decanus magister Nicolaus Apell de Konigshoften secundario
ad hoc munus electus. Rector magister Vuolfgangus Schindeler cubi-
tensis, qui tunc erat recommendator magistrandorum.
Besonderes Interesse darf unter diesen Aufzeichnungen die
detaillierte Rechnung beanspruchen^); die in der Einleitung
zum II. Bande der Matrikel über die Kosten für die Erwerbung
des Lizentiaten- und Magistergrades zusammengestellten Be-
merkungen (S. LVIII f ) werden reichlich ergänzt. Noch teurer
kam die Magisterwürde zwei Jahre später unserem Stephan
Roth zu stehen, wie die von diesem vorn in dem Folioband
XXII. III. 6 eingetragene Rechnung bezeugt:
3 ti pro dispensacione
2 fl 2 gr pro exercitio vicecancellarii
xxxij gr pro exercitio decani
1 gr pro lignis
1 gr pro potu dominis magistris
2 gr d. vicecancellario ad munus
2 gr eidem pro balneo
27 gr pro delatione candelarum
Examinatores mgr.
Et plurima alia quae
honoris causa coge-
bar exponere ita vt
^) Ich kenne solche genaue Promotionskostenverzeichnisse sonst
nur aus viel späterer Zeit, z. B. von Marburg 1593 und Gleisen 1614
in den Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins N. F. XU
(1903J, 100 — 103.
Kleinere Mitteilungen. 305
X gr sociis ad contubernium et condiscipulis [ hoc tempore exa^
minis seil, consump-
serim 28 ti 4 gr 6 /^
Summa iacit
xviiij fl xviiij gr
xij gr pro loco
xxij gr famulis vniuersitatis
iiij fl xviij gr ad prandium Aristotelis
3 fl 3 gr pro signeto
V gr condiscipulis tempore promotionis
2 gr tempore oblationis
8 ') gr Rectori pro commendatore
X gr tempore promotionis
x gr pro pureto
Am Rande noch: 4 fl ad Cathedram Magistro Georgio helt
Forchamensi praeceptori.
Ipso die Dorotheae virginis [6. Febr.] insignia magisterij sumpsi
Anno eti. xvij. die Veneris.
2. Sächsisches Edeizinn.
(Nachtrag.)
Von H. Demiani.
Während unser Jahrhundert bisher nur einige wenige
Beiträge zu der Geschichte des Zinns bez. Edelzinns geliefert
hat, sind gerade während des Druckes des auf S. iff. dieses
Bandes zu lesenden Aufsatzes über sächsisches Edeizinn drei
einschlagende Abhandlungen erschienen, deren Inhalt deshalb
erst in diesem Nachtrag behandelt werden kann, nämhch von:
1. von Walcher-Molthein : Deutsches und fran-
zösisches Edeizinn aus zwei Wiener Sammlungen-),
2. Knebel: Rot-, Zinn- und Glockengiefser Freibergs •^),
und
3. Kurzwelly: Mitteilungen aus unseren Vereinssamm-
lungen*).
In seiner vorerwähnten Arbeit gibt von Walcher-Molthein
Abbildungen und kurze Beschreibungen der oben auf S. 23
besprochenen und als Fig. 10 (neben S, 21) wiedergegebenen
Kanne der Sammlung Figdor-Wien, des jetzt der letzteren
ebenfalls angehörigen, oben auf S. 15 behandelten und im
folgenden als Fig. 2 reproduzierten Krugs der ehemaligen
') Sehr undeutlich. Die Rechnung stimmt nur, wenn man [den
■Gulden zu 21 gr rechnet und an dieser Stelle] 7 gr liest.
^ In Kunst und Kunsthandwerk (Wien, Artaria & Co.) VII, 65 tf.
^) In den Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins (Frei-
berg, Gerlach) XXXIX, 7 ff.
*) In den Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs
{Leipzig) VII, 268 ff.
Neues Archiv f. S. G. u. .\. XXV. 3. 4. 20
2o6 Kleinere Mitteilungen.
Kollektion Lippmann-Lissingen^), einer Zunftkanne der früheren
Fleischhackerinnung" zu Prefsnitz in Böhmen (Fig. i) und eines
wohl in der zweiten Hälfte des i6. Jahrhunderts entstandenen^
27 cm hohen und einen Bodendurchmesser von 13 cm be-
sitzenden Krugs, dessen obere Hälfte Göttergestalten unter
Arkaden aufweist, während seine untere verschiedene, in keinem
gedanklichen Zusammenhang stehende Darstellungen zeigt :
Judith, einen Trompeter und einen knieenden, betenden, ge-
krönten Mann, hinter dem zwei Frauen stehen (Anbetung des
goldenen Kalbes?), ein Relief, das sich auf der vorgenannten
Figdorschen Kanne (oben Fig. 10 neben S, 21) zweimal wieder-
findet^). Die beiden letzterwähnten Stücke zählen auch zu den
Zierden der Sammlung Figdor-Wien.
Die 47 cm hohe imd einen Bodendurchmesser von 24 cm
besitzende Prefsnitzer Zunftkanne (Fig. i)'^), deren oberer
Fries mit Gruppen von Kindern und deren unterer mit Szenen
aus der Leidensgeschichte Christi^) geschmückt ist, trägt nicht
die Annaberger Stadtmarke, wie von Walcher-Molthein (S. 66)
angibt, sondern die oben auf S. 23 beschriebenen beiden Zeichen,
nämlich einen Stadtstempel, in dem ein Bindenschild, darüber
die Buchstaben S I und darunter zwei gekreuzte Bergmanns-
werkzeuge ersichtlich sind, und einen Meisterstempel, der unter
den Initialen H W eine Glocke enthält (die Zahl 83 fehlt von
Anfang an oder ist durch den Gebrauch weggeschliffen). Da
') Die auf diesem Krug sich mehrfach wiederholenden drei
Frauengestalten bezeichnet von Walcher-Molthein (S. 67 ft.) als „die
drei tapferen Frauen Judith, Kleopatra und Lukretia". Im Hin-
blick auf die Attribute der drei Figuren dürfte die oben auf S. 15 ge-
gebene Deutung vielleicht die richtigere sein. Die zu Fig. i und 2 ver-
wendeten Cliches, die bereits für die Abbildungen der angezogenen
von Walcher-Moltheinschen Abhandlung gedient haben, sind von der
Leitung des Österreichischen Museums für Kunst und Lidustrie zu
Wien bez. der Redaktion der Zeitschrift Kunst und Kunsthandwerk
in dankenswertester und liebenswürdigster Weise zur Verfügung
gestellt worden.
") Die nachstehenden Angaben beruhen zum Teil auf freund-
lichen Mitteilungen der Herren von Walcher-Molthein und Dr. Figdor
in Wien.
^) Dem Vernehmen nach wird das demnächst erscheinende
2. Heft der Kunstwelt (Wien, Wiener Verlag, Herausgeber W. Abels)
eine Abbildung der in Rede stehenden Kanne und eine kurze, der
Feder von Walcher-Pvioltheins zu verdankende Beschreibung der-
selben enthalten.
•*) Diese Szenen sind wahrscheinlich auf gleichzeitige Stiche oder
Holzschnitte zurückzuführen. Mit den bekannten Passionsfolgen von
Dürer und Cranach d. A. hängen sie nicht zusammen.
Fig. 1.
Zunftkanne der Fleischhackerinnung zu Prefsnitz (i6. Jahrb.).
Sammlung Figdor -Wien.
Kleinere Mitteilungen. ß07
im Wappen der Bergstadt Joachimsthal in Böhmen unter
anderem ein Bindenschild') und zweischräg übereinander gelegte
Bergmannshämmer angebracht sind, der eine Wappenhalter auch
aus der Gestalt des heiligen Joachim besteht, so wird man
die Buchstaben S I wohl um so unbedenklicher auf Joachims-
thal beziehen dürfen: S = Sanct, I = Joachimsthal -), als diese
Stadt nach Ausweis der Akten des Prager Archivs im 1 6. Jahr-
hundert tatsächlich ,, Sanct Joachimsthal" hiefs. Die Meister-
marke läfst sich zur Zeit leider nicht bestimmen. Doch mö^e
mit Rücksicht auf die darin befindliche Glocke bemerkt sein,
dafs die böhmischen Zinngiefser sehr häufig zugleich Glocken-
giefser waren '^).
Die in Rede stehende Kanne läfst sich, obwohl sie in
Böhmen, wenn auch dicht an der heutigen sächsischen Grenze^),
entstanden ist, der oben auf S. 21 ff. behandelten Grujjpe von
Edelzinnarbeiten zuzählen, die vermutlich sächsischen Ur-
sprungs bez. den sächsischen Erzeugnissen (insbesondere in
technischer Beziehung) ganz nahe verwandt sind. Das von
den verschiedenen Zinngiefserordnungen fast ausnahmslos vor-
geschriebene Wandern der Gesellen hatte zur Folge, dafs diese
weit herumkamen. So stammte z. B. der bekannte Zinngiefser
^) Ein Bindenschild kommt in den Wappen der jetzt zum König-
reich Sachsen gehörigen Städte nicht vor. Ein Bindenschild und
zwei Bergmannshämmer linden sich auch im Wappen der böhmischen
Stadt Kuttenberg. Doch dürften für Joachimsthal die Initialen SI und
die Nähe von Prefsnitz und der sächsischen Grenze sprechen. Auch
ist wohl zu beachten, dafs Joachimsthal schon bei seiner Erhebung zur
Bergstadt im Jahre 1520 sein Wappen erhielt, während in das von
Kuttenberg erst 1641, also erst nach der wohl erheblich früher anzu-
setzenden Entstehung der als Fig. 1 und 3 abgebildeten Kannen, auf
Befehl des Kaisers Ferdinand III. ein Bindenschild eingefügt worden
ist, auf dessen Querbalken man F III liest. (Widimsky, Städtewappen
des Österreichischen Kaiserstaates, I. Königreich Böhmen, Wien,
k. k. Hof- und Staatsdruckerei, 1864, S. 53, 67 ft.). Dafs umfangreiche
Stadtwappen nur teilweise in die kleinen vmd deshalb leicht un-
deutlich werdenden Stadtmarken aufgenommen wurden, läfst sich
vielfach, z. B. m Bezug auf Freiberg und Breslau, nachweisen.
Übrigens hielt Kurfürst Johann Friedrich der Grofsmütige von Sachsen
Joachimsthal während des Jahres 1547 eine Zeit lang besetzt.
'^) Wie oben auf S. 14 S A B = Sanct Annaberg.
^) Vgl. Grueber, Die Kunst des Mittelalters in Böhmen (Wien,
Gerold), IV. Th., VI. Lief. (1879), S. 156 ff. Auch von verschiedenen säch-
sischen Zinngiefsern läfst sich dies sagen. Vgl. z. B. die eingangs-
erwähnte Abhandlung Knebels.
"*) Prefsnitz liegt, unweit Annaberg, hart an der sächsischen
Grenze. Auch Joachimsthal ist von letzterer sowie von Prefsnitz
nicht weit entfernt.
2o8 Kleinere Mitteilungen.
Caspar Enderlein ^), der in Nürnberg tätig war und dort auch
Bürger wurde und verstarb, aus Basel. Und dieses Herumziehen
wiederum brachte es mit sich, dafs gewisse technische Fertig-
keiten und Gebräuche nicht auf den Ort bez. die Gegend ihrer
Entstehung beschränkt blieben, sondern sich darüber hinaus —
namentlicli in der näheren Umgebung — verbreiteten. Man
darf daher wohl annehmen, dafs die Prefsnitzer Kanne, die
die Merkmale sächsischer Edelzinnarbeiten aufweist, von einem
sächsischen Zinngiefser, der nach Böhmen wanderte und dort
vielleicht auch blieb, oder von einem böhmischen gefertigt
wurde, der als Geselle in Sachsen arbeitete und später in seine
Heimat zurückkehrte. Auch machen ja bekanntlich Handwerks-
und Kunstübungen nicht genau an den Landesgrenzen Halt.
Franyois Briot, der berühmteste Zinngiefser, war seiner Kunst
nach Franzose, aber als Deutschlothringer geboren und in
Deutschland (Mömpelgard) tätig-). Dafs die einer Prefsnitzer
Innung gehörig gewesene Kanne in Joachimsthal gefertigt
worden ist, hat nichts Auffälliges. Wahrscheinlich hat sie
ein aus Joachimsthal stammendes Mitglied der Prefsnitzer
Fleischhackerzunft an ersterem Orte bei einem Zinngiefser-
meister von Ruf bestellt und der genannten Gilde geschenkt.
Für diese Annahme scheint auch ihre Inschrift zu sprechen,
welche lautet: DISE • KANE ■ VERÖHRET • CHRISANES •
EBERT • EINEN • ÖHRBAREN • HAND • WERCK • DER
FLEISCHHACKER • IN • STAT ■ BRESNITZ ■ ZU • EINEN •
GVTEN • GEDEGTNIS • In einer der Abteilungen des breiten
oberen Frieses mit Kinderfiguren befindet sich ein Täfelchen,
auf welchem A D XXVII (wohl = Anno Domini 1527) zu
lesen ist^).
Dieselben Marken wie die Prefsnitzer Kanne trägt an-
scheinend — das Stadtzeichen ist sehr undeutlich, doch lassen
sich die Initialen S I mit Sicherheit erkennen, und der Meister-
stempel enthält aufser einer Glocke und den Initialen H W die
Zahl 83 (13?) — auch der oben auf S. 15 besprochene, früher
1) Demiani, Fran^ois Briot, Caspar Enderlein und das Edel-
zinn (Leipzig, Hiersemann, 1897) S. 3ift.
■-) Demiani a. a. O. S. iff.
^) Diese Zeitangabe ist nicht ohne weiteres als mit der oben auf
S. 4 gemachten Bemerkung, dafs die Entstehungszeit sächsischen Edel-
zinns wohl erst nach 1550 beginnt, in Widerspruch stehend anzusehen.
Denn die Inschrift ist nicht eingraviert, sondern wie die übrigen
Reliefs erhaben, also mit diesen zugleich gegossen, hat sich mithin
auf einer abgeformten Plakette betunden, die möglicherweise ge-
raume Zeit vor der Anfertigung der Prefsnitzer Kanne hergestellt
worden ist.
Fig. 2.
Zinnkruo; (2. Hälfte des 16. Jahrb.).
Sammluiii;- Figdor-Wien.
Kleinere Mitteiluneen
&■■
309
zur Sammlung- Lippmami-Lissingen, jetzt zur Kollektion Figdor-
Wien gehörige Krug (Fig. 2). Es ist wohl zu beachten, dals
die darauf sich mehrfach wiederholenden drei weiblichen Ge-
stalten auf dem ol^en als Fig. 7 (neben S. 16) abgebildeten
Kruge des Musee du Louvre wiederkehren, welcher zweifellos
eine Annaberger Arbeit ist.
Was über die Entstehung der Prefsnitzer Kanne gesagt
worden ist, gilt auch von dem in Rede stehenden Krug (Fig. 2)
und von denjenigen Stücken der oben auf S. 21 ff. behandelten
Gruppe, welche mit den nämlichen Stempeln versehen sind
wie jene Kanne und dieser Krug. Eines der wichtigsten unter
ihnen ist die schon oben auf S. 23 erwähnte, als Fig. 3 ab-
gebildete, früher zur Zschilleschen, jetzt zur Demianischen
Sammlung gehörige, einschliefslich der Deckeltigur 54 cm
hohe Kanne ^).
Der im Eingang erwähnte Figdorsche Krug mit Götter-
gestalten unter Arkaden in seiner oberen und Judith, einem
Trompeter sowie einem betenden knieenden Mann, hinter dem
zwei Frauen stehen, in seiner imteren Hälfte ist zweifellos
sächsischer Herkunft, da er die Annaberger Stadtmarke-) trägt.
Aufserdem ist er durch einen Meisterstempel, der ein Herz (?),
aus dem drei Blumen spriefsen, und die Initialen C G ent-
hält, und eine dritte, wohl als Besitzerzeichen '^j anzusehende
Marke gekennzeichnet, die aus einem mit Herzschild versehenen
quadrierten Wappen besteht, dessen erstes und drittes Feld je
einen Wider[ Kessel] haken (?) zeigt, während sich im zweiten
und vierten je ein Stern befindet. Das sehr interessante Stück
weist eine — äufserst selten vorkommende — Besonderheit
insofern auf, als die ursprünglich glatten, den Hintergrund
der Reliefs bildenden Flächen durch vermittelst eines spitzen
Instruments hervorgebrachte kleine Vertiefungen, wohl nach-
träglich, aufgerauht sind*).
Das Mittelrund einer in der Sammlung Wilczek-Wien be-
findlichen grofsen Prunkschüssel, welche mit Reliefdarstellvmgen
aus der Geschichte Susannas und dem Gleichnis vom ver-
^) VojI. Demiani a. a. O. S. 54ff. Die auf dieser Kanne be-
findlichen beiden einander gleichen IMeistermarken (eine schlanke
hohe Kanne, über der die Buchstaben L D I stehen) lassen sich zur
Zeit leider nicht deuten.
'-) Vgl. oben S. 14.
'^j Vgl. oben S. 13 Anm.
*) Ein gutes Beispiel dieses Verfahrens bietet eine im Öster-
reichischen Museum für Kunst und Industrie zu Wien aufbewahrte
grofse Prunkschüssel, deren Mittelstück Arion aufweist. Näheres
siehe bei Demiani a. a. O. S. 29.
qio Kleinere Mitteilungen.
lorenen Sohn geschmückt ist, zieren ein geharnischter Reiter,
eine Anzahl Wappen und folgende Inschrift: DEI GRATIA
FRIDERICVS WILHELMVS DVX SAXONIAE LAND-
GRAVIVS THVRINGIAE MARCHIO MISNIAE ET PRIN-
CEPS HENNEBERGENSIS 1586 1). Dieser Mittelteil ist
eine spätere Zutat, denn die intakten Exemplare der vor-
erwähnten seltenen Schüssel, einer französischen Arbeit aus
dem dritten Viertel des 16. Jahrhunderts, deren Schöpfer leider
unbekannt ist, haben als Nabelstück die allegorische Figur
der Stärke (Überschrift: FORCE) in reicher ornamentaler Um-
rahmung. Die Mittelstücke derartiger Schüsseln wurden wohl
nicht gleich mit diesen zusammen, sondern für sich ge-
gossen und erst nachträglich auf die in der Mitte der Platten
leer gebliebenen Stellen aufgelötet, wie sie denn auch auf
den verschiedenen Exemplaren einer Prunkschüssel häufig
eine verschiedene Stellung zu den sie umgebenden Reliefs
einnehmen -). Das Medaillon mit dem Reiterbildnis des säch-
sischen Fürsten stellt sich hiernach als Ersatz entweder eines
schon von Anfang an fehlenden'^) oder eines später abge-
fallenen oder beschädigten Mittelstücks dar. Ob man es mit
von Walcher-Molthein (S. 846:., woselbst auch eine Abbildung
der Platte), der an ein Werk eines dem Augsburger Medailleur
Friedrich Hagenauer oder Hans Kels aus Kaufbeuren nahe-
stehenden Meisters denkt, als eine selbständige, eigens für den
Gufs in Zinn bestimmte Arbeit (als ,, selbständiges Schaustück")
ansehen darf oder nicht vielmehr als den Ausgufs einer ge-
schickten Abformung eines der grofsen, im 16. und 17. Jahr-
hundert gebräuchlichen Staatssiegel, mag, da ausreichende
Anhaltspunkte fehlen, dahingestellt bleiben'*).
Sächsischen Ursprungs ist wohl auch ein gleichfalls zu
der Sammlung Wilczek gehöriger kleiner Krug, auf dessen
innerem Boden ein Medaillon mit dem in flachem Relief aus-
geführten, gut erhaltenen Brustbild des Kurfürsten Johann
Friedrich des Grofsmütigen von Sachsen angebracht ist. Das
') Gemeint ist jedenfalls Herzog Friedrich Wilhelm I. von
Sachsen-Altenburg (1573 — 1602), der auch (1582 — 1601) Vormund und
Administrator in Kursachsen war.
2) Vgl. Demiani a. a. 0-. S. 12.
^) Es kommen Prunkschüsseln mit völlig glattem Mittelstück
vor, die wahrscheinlich nicht fertig gemacht worden sind, weil die
übrigen Teile Gufsfehier oder sonstige Mängel haben.
^j In der Sammlung Demiani behndet sich ein derartiger, von
einem bekannten Fälscher hergestellter Abguls, der, wenn nicht
gewisse Merkmale auf seiner Rückseite die Art seiner Entstehung
verrieten, auch den besten Kenner irreführen würde.
Fi^-. 3.
Kanne mit Reliefs nacli der Mars -Schüssel uim 1600).
Sammlunü' Demiani.
Kleinere Mitteilungen. 311
interessante Stück, das beim Ausräumen des die Wilczeksche
Burg Kreuzenstein (bei Korneuburg in Nieder-Österreich) um-
gebenden Grabens gefunden wurde, hat eine Höhe von 10 cm
und einen Bodendurchmesser von 7,5 cm. Bedauerlicherweise
ist seine Aufsenseite so arg beschädigt und zerfressen, dafs
sich nicht erkennen läfst, ob und bez. welche Marken es ge-
tragen hat.
Knebel gibt in seiner vorerwähnten Abhandlung ein Ver-
zeichnis der Freiberger Zinngiefser von 141 2 an und nähere
Beschreibungen einiger ihrer Arbeiten, von denen jedoch nur
die oben auf S. 29 ff. angeführten von Andreae und Schneider,
die noch zu erwähnenden Taufbecken zu St. Michaelis und
Weifsenborn und etwa noch die jetzt im König- Albert-Museum
(Altertumsmuseum) zu Freiberg befindlichen, von dem dortigen
Zinngiefser Traugott Friedrich Pilz (1773 — 1822) gefertigten
Altarleuchter aus der Kirche zu Krummenhennersdorf ^) dem
Edelzinn beizuzählen sind. Auf Grund dieses Verzeichnisses
sei berichtigend bemerkt, dafs der oben auf S. 4 aufgeführte,
von 1494 bis 1549 tätig gewesene Meister, der vielleicht die
Taufschüssel des Freiberger Domes gefertigt hat, Erhart Müller
und nicht Erhart Mehner hiefs. Knebel behandelt auf S. 13, 16,
52, 53, 57, 59, 60, 62, 66, 68, 69, 71, 72 seines interessanten Auf-
satzes die verschiedenen Mitglieder der oben auf S, 2 Anm. i
und S. 16 Anm. 3 genannten Freiberger Zinngiefserfamilie Günter
(Günther), gedenkt auf S. 53 und 57 des oben auf S. 28 als Ver-
fertio-er der Könio-steiner Abendmahlskanne erwähnten Dresdner
Zinngiefsers Abraham Frantze, schildert auf S. 5 7 ff. ausführlich
die oben auf S. 19 Anm. 2 kurz besprochenen, reichgravierten
Taufbecken der Kirchen zu St. Michaelis und Weifsenborn, von
denen er ersteres im Hinblick auf dessen Marken, letzteres mit
Rücksicht auf seine Form und die Art seiner Ausführung
dem Freiberger Zinngiefser Matthias (auch Mattheus) Günter
(Günther) zuschreibt, der von 161 5 bis 1669 vorkommt, und
bringt auf S. 66 ff. beachtenswerte Angaben über die oben
auf S. 2 9 ff. aufgeführten Freiberger Zinngiefser Andreae und
Schneider sowäe deren Arbeiten.
Die Abhandlung von Kurzwelly enthält u. a. zwei Ab-
bildungen und eine sehr genaue Beschreibung der oben auf
S. 14 iaesprochenen ,, Armesünderkanne" des Vereins für die
Geschichte Leipzigs.
Im Übrigen sei noch Folgendes nachgetragen.
1) Knebel a. a. O. S. 70. „Meistermarke: T. F. P. 1778, Pilze".
Als Stadtmarke: „Freiberger Stadtwappen in einem Kreise".
312
Kleinere Mitteilung-en
»^
Was die oben auf S. 4 ff. erwähnten Tinten- und Streu-
sandfässer anbelangt, so ist neuerdings noch ein Exemplar
mit vier freie Künste personifizierenden weiblichen Gestalten-')
vom Rande der Temperantia-Schüssel-) im Rathause zu Dresden
aufgefunden und dem dortigen Stadtmuseum überwiesen worden
und aus letzterem eines der drei ihm gehörigen, einander
nahezu gleichen Sandfässer mit Feldherren-Figuren vom Rande
der Mars-Schüssel'^) durch Tausch in die Sammlung Demiani
gekommen. Letztere Kollektion, die aufserdem ein zur Zeit nur
in einem Exemplar bekanntes kleines Sandfafs birgt, dessen
drei einander gleiche Relieffelder je einen Vogel zwischen
Blumen und Ranken aufweisen, enthält auch eine runde Streu-
sandbüchse mit Jagdszenen, die wohl auf Kompositionen von
Jost Amman oder Hans Bocksperger (Bocksberger) *) zurück-
zuführen sind'^).
1) Arithmetik, Geometrie, Rhetorik und Musik.
2) Demiani a. a. O. S. i2ff., 4iff., Taf. iff Ob das Briotsche
Original oder die Enderleinsche Kopie als Vorbild gedient hat, läfst
sich bei der schlechten Erhaltung des Stückes nicht feststellen.
^) Demiani a. a. O. S. 50 ft". Taf. 24. Das in Rede stehende
Sandfafs ist dem bei Demiani a. a. O. Taf. 13 abgebildeten des
Kunstgewerbemuseums zu Dresden nahezu gleich.
*) Im Kunstgewerbemuseum zu Berlin befinden sich galvano-
plastische Nachbildungen dieser Jagdszenen, die im dortigen Zettel-
katalog als Holzschnitten von Hans Bocksperger entnommen bezeichnet
werden. Hans Bocksperger aus Salzburg und Jost Amman standen in
enger Beziehung zu einander. Vgl. N a g 1 e r , Die Monogrammisten usw.
(München, Franz, 1863) III, iSgff. Da Bocksperger mehr als Zeichner
tätig gewesen zu sein scheint, darf man vielleicht die fraglichen Jagd-
szenen als zum Teil sehr freie Kopien nach Blättern von Jost Amman
ansehen. Vgl. Bartsch, Le peintre-graveur (Wien, Degen, 1808) IX^
3 57) Jost Amman: „8. Les chasses. Suite de huit estampes ".
Andresen, Der deutsche peintre-graveur usw. (Leipzig, Weigel,
1864J I, 147: „83. Die Hirschjagd . . .", 149: „91. Die Hirsch- und
Hasenjagd ".
^j Eine Abbildung dieses Sandfasses bei Demiani a. a. O.
Taf. 13. Dieselben drei Reliefs befinden sich auf einem reich ver-
zierten Emaillierofen, welcher der chemischen Abteilung der tech-
nischen Hochschule zu Dresden gehört, und in der im historischen
Museum zu Basel ausgestellten Amerbachischen Sammlung von Gold-
schmiedemodellen (Plaketten). Zwei derselben — in Zinn- (oder Blei-?)
Abgüssen — enthält die kunstgewerbliche Abteilung des Museums
zu Cassel (Nr. ^0^22 [sie!]) und eins, den Reiter mit einem kurzen
Gewehr in der ausgestreckten Rechten, das Kunstgewerbemuseum
zu Prag (Nr. 2039). Ob etwa ein von Knebel a. a. O. S. 76 er-
wähntes, im König -Albert -Museum (Altertumsmuseum) zu Freiberg
aufbewahrtes Streusandfafs, auf dessen Körper sich reliefierte
mythologische Darstellungen (Diana, Venus und Amor) befinden, der
Kleinere Mitteilungen. 313
In einem dem Pirckheimerstübchen benachbarten kleinen
Räume der Wartburg befindet sich ein Abgufs des oben auf
S. 24 erwähnten, dem Kunstgewerbemuseum zu Berlin ge-
hörigen Krugs mit Medaillons, die Darstellungen aus der
Geschichte der ersten Menschen umschHefsen. Er trägt die
Freiberger Stadtmarke ^) und zwei einander gleiche Meister-
stempel, in denen ein Zweig mit einer Eichel angebracht ist,
neben der links ein O (oder D?), rechts ein G steht, ist also
als eine Freibergfer Arbeit anzusehen und vielleicht einem
Mitglied der mehrgenannten dortigen Zinngielserfamilie Günter
(Günther) zuzuschreiben-).
Die oben auf S. 16 Anm. i beschriebene Darstellung beruht
wohl auf derselben Erzählung wie ein von Georg Pencz her-
rührender Stich, über den Bartsch'^) folgendes berichtet:
„87—88 Deux Sujets d'un conte d' Albert d'Eyb .... L'histoire
fabuleuse representee dans ces deux estampes, se trouve dans la
seconde partie de la Marguerite poetique par Albert d'Eyb. Cet
auteur raconte qu'une courtisane romaine, ayant suspendu dans un
panier le poete Virgile, faraeux magicien, ä la mihauteur d'une tour,
celui-ci, pour s'en venger, tit eteindre tout le feu qui etoit ä Rome,
Sans qu'ii fut possible de le rallumer, ä moins qu'on n'allät le prendre
des parties secretes de cette moqueuse, de sorte que chacun etoit tenu
de l'aller voir et la visiter, vu que ce feu ne pouvoit se comniuniquer
d'une chandelle ä l'autre.
87. Le poete Virgile expose dans un panier ä la risee de tout
le peuple de Rome. On le voit dans le fond ä gauche, dans le
panier suspendu ä mi-hauteur d'une tour
88. La courtisane qui lui avoit fait cette Insulte, punie ä son
tour de son indiscretion. On la voit exposee sur une place publique,
assise sur un piedestal et entouree de plusieurs hommes qui allument
leurs chandelles "
Über die oben auf S. 28 erwähnten gravierten Ober-
pesterwitzer Kirchengeräte berichtet Gurlitt Näheres in dem
soeben erschienenen neuesten Heft der Beschreibenden Dar-
stellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs
Sachsen*). Ob die eine der von ihm wiedergegebenen,
auf der Taufschüssel angebrachten drei Marken, die ein
hier behandelten Gruppe beizuzählen ist, mag dahingestellt bleiben,
da es mit einer Marke nicht versehen und der Ort seiner Her-
stellung unbekannt ist.
M \^gl. oben S. i4fif.
■-) Freundliche Mitteilungen des Herrn Schlofshauptmann von
Cranach -Wartburg. Der in Rede stehende Krug ist der oben auf
S. 16 ff. behandelten Gruppe von Freiberger Arbeiten anzureihen.
3) Bartsch a. a. O. VIII, 345 ff-
*) Dresden, in Kommission bei C. C. Meinhold & Sühne, XXIV
(1904), 93 ff-
314
Kleinere Mitteilungen.
!r)^
C enthält, in dessen Öffnung ein L hineingelegt ist, als
der von Berling^) besprochene, durch die sächsische Zinn-
giefserordnung von 1614 für Gegenstände aus völlig reinem
(,,Bergk lautter") Zinn vorgeschriebene Stempel angesehen
werden darf, welcher ,,eine Crohne, darunter C und L in
einander geschrencket, welches also klar lautter bedeutet",
aufweisen sollte, mag dahingestellt bleiben, da die Krone fehlt.
Es ist aber nicht unmöglich, dafs man 1702 (diese Jahreszahl
trägt die Taufschüssel) die angezogene Bestimmung nicht mehr
so streng gehandhabt und sich mit den verschlungenen Buch-
staben C und L begnügt hat. Sollte dies etwa zutreffen, so
würde der besprochene Stempel das einzige zur Zeit bekannte
Beispiel seiner Art sein.
^) Berling, Sächsische Zinnmarken, im Kunstgewerbeblatt III
(1887), 134 ff.
Literatur.
Hof- und Zentralverwaltung der Wettiner in der Zeit einlieitliclier
Herrscliaft über die meifsniscli-thüringisclien Länder von H. B.
Meyer, Dr. phil. (A. u. d. T. : Leipziger Studien aus dem Gebiet
der Geschichte, herausgegeben von G. Buchholz, K. Lamprecht,
E. Marcks, G. Seeliger, Bd. LX, Heft IIL) Leipzig, B. G. Teubner.
1902. XII, 152 SS. "8«.
In den Titeln der Doktorarbeiten steckt selbst mit ein Stück
Geschichte der betreffenden Disziplin, ihres Betriebes und ihrer Ver-
tretung an einer Hochschule. Die berechtigte Klage, die noch vor
zehn Jahren über die geringe Beteiligung der Universität Leipzig
an landesgeschichtlichen Studien erhoben werden konnte, ist heute
nicht mehr zutretfend: wie anderwärts werden die angehenden Hi-
storiker auf Stoffe der sächsischen Geschichte hingeleitet, und in poli-
tischer Geschichte wie in Kirchen-, Verfassungs"- und Verwaltungs-
geschichte und historischer Geographie und andern Zweigen haben
wir eine beträchtliche Anzahl fleifsiger und brauchbarer Arbeiten,
und manche können sogar als wertvolle Bereicherung unserer Kennt-
nisse bezeichnet werden. Hierzu gehört auch Meyers Arbeit. Gerade
im Gebiete der Verwaltungsgeschichte der wettinischen Lande klafften
ja noch die empfindlichsten Lücken. Jetzt bieten E. O. Schulze
(Germanisation und Kolonisation) und Meyer doch so viel, um unter
Zuziehung einzelner Abschnitte in andern Werken (Tittmann, Posern-
Klett, Märcker u. a.) die Grundzüge des inneren Staats- und Wirt-
schaftslebens erkennen zu lassen.
Einem einleitenden Abschnitt über die Entwicklung der Landes-
hoheit in den wettinischen Landen schliefsen sich die Untersuchungen
über den Rat, die Kanzlei und die vier Hausämter an. Der Rat,
dessen Mitglieder zuerst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
genannt werden, entwickelte sich allmählich aus den „familiäres"
des Fürsten; zu ihnen zählten gelegentlich Mitglieder der Herren-
geschlechter, ständig die höheren Hofbeamten, meist einzelne Ver-
waltungsbeamte (Vögte) und sonstige durch Verwandtschaft oder
frühere Stellung bemerkenswerte Personen; eine besondere Ressort-
scheidung ist ebensowenig erkennbar, wie in der Kanzlei, die Mej-er
nur kurz' behandelt. Für letztere liefern Ergänzungen zu verschie-
denen Punkten meine Studien über die wettinische Kanzlei in dieser
Zeitschrift XXIV, i ff. und XXV, 209 If. Bei den Hausämtem skizziert
Meyer die Ablösung der alten Erbamtsgeschlechter, die nicht mehr
den Amtsdienst verrichten, durch besonders ernannte Beamte, und
dann das Auftreten des neuen Amtes des Hofmeisters seit Ende des
5 1 6 Literatur.
13. Jahrhunderts bis zum Jahre 1343. Der Hofmeister war der Vor-
stand der Hofverwaltung, und da Hof kasse (um diesen Ausdruck zu
gebrauchen) und Staatskasse noch nicht getrennt waren, zugleich
oberster Finanzbeamter. Seit 1344 tritt plötzlich statt des Hofmeisters
der Hofrichter ein, der aber neben den nicht näher bekannten ge-
richtlichen Funktionen denselben Tätigkeitskreis innehat; erst 1379
setzt der Hofmeistertitel wieder ein.
Kürzer behandelt ist der zweite Teil, die Gerichtsverfassung,
das allmähliche Aufhören des Vorsitzes der Landesherrn in den alten
Landdingen (in Thüringen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, in
Meifsen Anfang des 14. Jahrhunderts) und die Ausbildung des Hof-
gerichtes. Entsprechend den Verhältnissen des Pleifsnerlandes unter-
stand den nun mit der Leitung der Landdingsgerichtsbarkeit be-
trauten Beamten auch in Meifsen und Thüringen zunächst die
oberste Verwaltung und Vertretung des Landesherrn; doch traten
in Thüringen bald die Landfriedensrichter an ihre Stelle, und
schliefslich ging im 14. Jahrhundert nicht blofs die Verwaltung, son-
dern auch die Gerichtsbarkeit der einzelnen Landesteile auf die
Vö^te über, über denen als Oberinstanz und Exemtionsgericht das
Hofgericht stand.
Der Hauptteil des Buches umfafst die Finanzverwaltung: i. die
Einnahmen, die sich aus den Domänen, allgemeinen Steuererhebungen
und Regalien zusammensetzen. Die Verwaltung der Domänen und
Ämter lag den Distriktsleitern, den Vögten, ob (über die Bezeichnung
vgl. jetzt auch Lippert und Beschorner, Lehnbuch Friedrichs des
Strengen S. CLXX, Anm. 72 und S. 615); Meyer bespricht deren Ein-
nahmen und Ausgaben, Amtspflichten und Befugnisse, Bestallungs-
weise (sehr häuhg Verpfändung). Die allgemeine landesherrliche
Steuer war die Bede, precaria generalis, Landbede, die in Thüringen
1274 zuerst erhoben wurde, für Meifsen fehlt die Festlegung des
ersten Auftretens; erst zwischen 1330 und 1335 fällt aber die Durch-
führung dieser Einrichtung als einer regelrechten jährlichen Abgabe
von Geld oder Getreide in bestimmter Höhe, zu der anfangs auch
Adel und Kirche mit verplfichtet waren; doch gelang es letzteren
beiden nach und nach bald allgemeine, bald zeitweilige Befreiung»
bald Herabsetzung ihrer Rate zu erwirken. Die Städte erreichten
Ende des 13. Jahrhunderts die Festsetzung einer bestimmten Summe,
deren Verteilung auf ihre Bürger und Eintreibung jeder Stadt selbst
überlassen blieb. Meyers Angabe S. 72 „so lange die Landbede un-
regelmäfsig erhobene Steuer war, wurden mit ihrer Eintreibung
besondere collectores betraut", wozu er als Beleg die bekannten und
schon vielfach benutzten, aber leider nur zum Teil gedruckten Bede-
verzeichnisse von 1334 — 1336 anführt, ist unzutreffend; denn gerade
diese Verzeichnisse der von namentlich genannten Kollektoren er-
hobenen Meifsner und Leipziger Landbede betrachtet Meyer selbst
(S 67) und zwar mit Recht als die ersten Zeugnisse der regelmäfsigen
Bede. Als das gewöhnliche scheint vielmehr im ganzen 14. Jahr-
hundert die Erhebung durch „collectores precarie" zu gelten, neben
der allerdings mehrfach die Erhebung durch landesherrliche Distrikts-
beamte vorkommt, wie durch die Geleitsleute und die Vögte (für letz-
tere siehe aufser den von Mever angeführten Beispielen noch Lippert,
Wettiner und Witteisbacher S. 205 über die Erhebung der Stadtbeden
durch die drei Landvögte der Niederlausitz in wettinischer Zeit).
Ein interessantes Zeugnis für die Bestallung der Bedeeinnehmer
nicht durch die Vögte, sondern den Landesherm selbst sei hier noch
Literatur.
317
beigefügt: Markgraf Friedrich der Ernste erklärt, die Brüder Hein-
rich und Friedrich von Kottwitz von der Vogtei Groitzscli nicht
absetzen zu wollen, bis sie die .auf die dortige Bede verschriebene
Summe ungemindert und ganz „mit Wissen unserer dort von uns
und nicht durch sie eingesetzten Bedeeinnehmer" eingenommen haben
(„donec pecuniam aliis nostris litteris in precaria ibidem [advocacia
in Greutschs] assignatam integraliter perceperint et ex toto ex
sciencia et scitu nostrorum ibidem precarie per nos et
non per ipsos ordinatorum collectorum"); „datum feria IUI
ante Kyliani" [unter der Überschrift „anno XLVIl"] in Wizsinfels
{= Weifsenfels 4. Juli 1347).
Bei den Regalien scheidet Meyer die Einkünfte aus dem Forst-
regal, Jagd- und Fischereirecht, als den lokalen Ämtern unterstellt,
aus; doch ist da zu bemerken, dafs in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts wir mehrfach Bestallungen von Förstern unmittelbar seitens
der Markgrafen selbst finden. Auch Bergwerks- und Münznutzungen,
die von Ermisch schon behandelt sind, bleiben beiseite; Zölle (für
Land- und Wassertransport, besondere Kategorien, wie Viehzoll,
Weinzoll) und Geleitsangaben werden kurz besprochen.
Im 2. Abschnitt „der Finanzbedarf der Zentrale" bekämpft Meyer
die bisher mehrfach (so von Ermisch und mir) vertretene Ansicht,
dafs die Kammer eine Art Zentralstelle der Verwaltung gewesen sei,
und weist nach, dafs es in der hier behandelten Periode eine solche
nicht gab; die Erträge der Regalien und Ämter flössen nicht in eine
Hauptkasse zusammen, sondern wurden in den Ämtern selbst ver-
waltet; die Zentrale, vertreten durch die Kanzlei, stellte nur An-
weisungen auf diese lokalen Finanzstellen aus. Der Kammermeister
führte lediglich die Geschäfte des früheren Kämmerers in der Hof-
wirtschaft, in der allgemeinen Landesverwaltung aber war er nur,
-wie andere Hof beamte, als häufiges Mitglied der Rechnungskommis-
sion tätig. Auch Cop. 5 ist kein Copial der Kammer, sondern gleich-
falls, wie die andern Register, in der Kanzlei geführt (vgl. hierzu
jetzt auch meinen Aufsatz in dieser Zeitschrift XXIV, 5, 8). Auch
über die „conquisicio, gewinn" liefert er neue Aufschlüsse; sie ist
keine Steuererhebung, sondern, da die von den landesherrhchen
Distriktsbeamten aus den Erträgen des Amts geleisteten Zuschüsse
— falls die Ämter nicht überhaupt mit Defizit wirtschafteten — nicht
ausreichten, erscheint sie als die Lieferung von Geldmitteln oder
auch Waren an den Hof halt durch eine finanzkräftige Person, sei
es nun durch einen der Hof- oder Verwaltungsbeamten selbst oder
einen Privatmann, der Bankiersstelle vertrat, wofür den „gewinnern,
conquisitores" Anweisungen auf bestimmte landesherrliche Einkünfte
verschrieben wurden.
Zahlreiche Beilagen reihen sich den wichtigen Darlegungen
des Textes an: 1. Listen der Hof- und Landesverwaltungsbeamten
1291 — 1379, 2. ein Auszug aus den Abrechnvmgen über die Kosten
des Hofhalts vom i. August bis 31. Dezember 1353 in Tabellenform,
3. Bestallungen, Reverse und Rechnungen von Hof- und Landes-
beamten, eme Fülle verwaltungsgeschichtlich höchst interessanten
Stoftes. Den Schlufs bildet ctas mühsame Itinerar der Wettiner
von 1324 — 1379, das — obwohl es vielfach noch ergänzvmgs-
fähig ist — auch in der vorliegenden Gestalt mit Nutzen gebraucht
werden wird.
Dresden. W. Lippert.
5 1 8 Literatur.
Zur Geschichte der Stadt Mühlhausen i.Thür. Heft i: Zur Schlacht
YOn Fraukenhausen. Von Prof. Dr. R. Jordan. Hierzu ein Plan
von Frankenhausen und Umgegend. Mühlhausen i.Thür., G. Danner.
1904. 52 SS. 8^.
Von den bisher erschienenen 4 Heften „Zur Geschichte der
Stadt Mühlhausen i. Thür.", welche aus der Feder des um die Er-
forschung der Mühlhäuser Stadtgeschichte sehr verdienten Gymnasial-
professors Dr. R. Jordan stammen, ist gerade das vorliegende für
unsere sächsischen Verhältnisse von Interesse, zumal da Herzog
Georg der Bärtige von Sachsen zum Heere der Fürsten gehörte, die
gegen die aufrührerischen Bauernrotten zu Felde zogen. Jordan be-
weist an Beispielen zunächst, dafs Thomas Münzer nicht der „rex
atque Imperator" in Mühlhausen gewesen ist, wie Luther von ihm
geäufsert hat. Betreffs der Ereignisse in der Schlacht selbst setzt
sich Verfasser eingehend mit den verschiedenen, darüber geäufserten
Ansichten (vor allen mit der von M. Lenz und Kautsky) auseinander.
Er kommt zu dem Schlufs, dafs der Landgraf von Hessen zweier-
lei anstrebte: die Flucht der Gegner zu hindern und eine günstige
Aufstellung der Geschütze zu gewinnen. Beides erreichte er durch
Umgehung der Bauern. Er postierte sich nach Überschreitung
der Wipper auf die Hochfläche, die im Rücken oder zur Seite der
Bauern lag, und konnte so (z. B. auf den „Scheitsköpfen", die den
Schlachtberg überhöhen, oder auf einer der rückwärts sich zungen-
artig gegen den Schlachtberg vordrängenden Erhebungen) sein Ge-
schütz in günstiger Weise aufstellen. Da auch die Reisigen der
Fürsten das Tal beherrschten, so machte sich bald eine völlige Mut-
losigkeit unter dem Haufen der Bauern geltend, denn abgeschnitten
war der Weg, auf dem man im Falle der Not entrinnen wollte, rund-
um starrten die Waffen der Gegner, deren Zahl nun durch das Ein-
treffen Herzogs Georg und seiner Reisigen am Schlachttage (Montag
den 15. Mai 1525) bedeutend vermehrt wurde. Aus dieser Umgehung
der Bauern ist ihre verzweifelte Flucht vom Schlachtberge nach
Frankenhausen hinunter zu erklären, da ihnen der Weg in die Wälder
des Kj-ff häusers abgeschnitten war und sie der grofsen und wohl-
geschulten Truppenmacht der vereinigten Fürsten nicht standhalten
konnten. Die anregend geschriebene kleine Studie gewinnt durch
die beigegebene Karte von Frankenhausen und Umgegend, welche
aus dem Mefstischblatt Nr. 2674 mit Erlaubnis des Chefs der Landes-
aufnahme ausgehoben ist, noch mehr an Anschaulichkeit und kann
als willkommener Beitrag zur Geschichte des Bauernkrieges ange-
sehen werden.
Mühlhausen i. Thür. K. v, Kauffungen.
Der Kurf ürsteutag zu Mühlhausen 18. Oktober bis 12. November 1627.
Von Dr. Karl Breuer. Bonn, Carl Georgi Universitäts- Buch-
druckerei. 1904. 122 SS. 8",
Das Thema, das sich der Verfasser für seine Arbeit, eine Bonner
Dissertation, gesetzt hat, ist nicht eben glücklich gewählt gewesen,
denn trotz sorgfältiger Kritik und fleifsiger Benutzung von gedruckten
und archivalischen Quellen ist es ihm nicht möglich gewesen, über
die Darstellung hinauszukommen, die sich in Ritters deutscher Ge-
schichte findet. Was er in Abweichung von Ritter gibt, betrifft doch
Literatur,
319
nur unwesentliches, wie dafs Baiern zwar nicht an der Abstimmung
über die Behandknig Friedrichs von der Pfalz, wohl aber an den
Beratungen darüber teilgenommen hat. In der Hauptsache mufste
er sich demgemäls darauf beschränken, das Detail ausführlicher zu
behandeln, ein Verhältnis, über das er sich selber übrigens auch nicht
im unklaren gewesen ist. Im einzelnen ist er dabei zu manchen
Korrekturen früherer Arbeiten, vor allen Opels und Gindelys gelangt,
aber im ganzen ist doch die Ausbeute an neuem sehr gering, so dafs
die Umständlichkeit der Darstellung kaum gerechtfertigt erscheinen
dürfte.
Berlin. Walter Struck.
Martin Rinckart. Ein Lebensbild des Dichters von „Nun danket
alle Gott" auf Grund aufgefundener Manuskripte. VonW. Büchting'.
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1903. 125 SS. 8^
Die Angaben über die Lebensumstände nicht weniger deutscher
Dichter weisen in den einschlagenden Büchern eine mitunter recht
weitgehende Verschiedenheit auf, so dafs man bei deren Vergleichung
oft in Zweifel ist, was man denn eigentlich als das Richtige anzu-
sehen hat. Dies trifft unter anderm auf Martin Rinckart zu, als dessen
Geburtstag z. B. der 23., 25., 27., doch auch das richtige Datum, der
24. April, und als dessen Geburtsjahr neben dem richtigen Jahre 1586
auch 1585, ja selbst 1580 angegeben wird. Auch über die sonstigen
Lebensverhältnisse des Dichters drücken sich die Literarhistoriker
unbestimmt oder ganz allgemein aus und zumal über die Jugendzeit
und den Bildungsgang waren sie auf wenige dürftige Nachrichten
angewiesen. Da ist es als ein besonderer Glücksumstand anzusehen,
dafs durch Auffindung eigenhändiger Aufzeichnungen Rinckarts über
sein Leben Licht in das bisherige Dunkel gebracht worden ist. Fräulein
Agnes Gräfe in Halle, Tochter des 1882 verstorbenen Pfarrers Karl
Rudolf Gräfe in Peifsen, ist im Besitze von 14 eigenhändigen Nieder-
schriften Rinckarts, die, in einem Pappdeckel zusammengeheftet,
folgende gemeinsame Bezeichnung tragen: M. Martini Rinckarti
Ileburg. vitam, progeniem et collectanea varia continens fasciculus.
Als ein zuverlässiger Führer durch Rinckarts Lebensschicksale er-
scheint das darin enthaltene, vom Dichter selbst in 40 lateinischen
Distichen verfafste Itinerarium vitae, dem am Rande in deutscher
Sprache chronologische und genealogische Angaben beigefügt sind;
daneben sind noch wichtig die Annales Mansfeldici (a. 1611 — 1617),
die Annales Eilenburgici (a. 16 17 — 1640) und die Memorabilia von
Eilenburg (a. 1605— 1640). Den reichen Inhalt aller dieser Aufzeich-
nungen hat der Eilenburger Oberpfarrer W. Büchting zum ersten
Male durchforscht und mit Benutzung von anderweitigem, bisher
ebenfalls noch nicht verwertetem Material zu einem ausführlichen
Lebensbilde Rinckarts gestaltet, das dem. Verfasser als Promotions-
schrift gedient hat. Mit gewissenhaftem Fleifse hat er das Leben
des Mannes behandelt und vielfache Berichtigungen und Ergänzungen
der früheren Bio^aphien (von Plato, Vürkel, Linke, Graubner) ge-
geben. Mit der Geschichte der Stadt Eilenburg wohl vertraut, hat
der Verfasser die Verhältnisse des Ortes, an dem Rinckart weitaus
den gröfsten Teil seines Lebens zugebracht hat, mit überzeugender
Klarheit behandelt. Nicht so glücklich ist er gewesen in der Dar-
2 2 o Literatur.
Stellung der Zustände der Leipziger Thomasschule zu der Zeit, wo
Rinckart daselbst seine Vorbildung zum Universitätsstudium erhielt.
Rinckart wurde am ii. November 1601 auf die Thomasschule zunächst
als Externus, jedoch schon am 15. Januar 1602 als Alumnus auf-
genommen und hat diese Schule bis zum September 1608 besucht,
so dafs er seit 1606 seinen Bruder Bernhard, geb. 1592, zum Mitschüler
hatte. Da die Nachrichten über die innere Verfassung der berühmten
Unterrichtsanstalt gerade in den Jahren, wo Rinckart (also 1601 — 1608)
und Paul Fleming (etwa von 1623 an) ihr als Schüler angehörten,
überaus dürftig sind, so war der Verfasser vielfach auf eigene Kom-
bination angewiesen, hat aber wie gesagt hierbei wenig Glück gehabt.
Besonders zu bedauern ist es, dals von den so zahlreichen Mifsver-
ständnissen und Druckfehlern, die sich in der Schrift finden, ein
grofser Teil gerade in diesem Abschnitte enthalten ist. Hiervon nur
einiges: die Worte praeceptus und substitus (S. 27, 28) hat es nie
gegeben, die Alumsen stellen sich offenbar als eine falsche Lesung
für Almusen heraus (S. 24, 28), anstatt hyperdidascalus (S. 40) ist hypo-
didascalus zu lesen und die Leges locatos in schola Thomana con-
cernentes erscheinen hier gar als Leges locatos in Thomana con-
cinnantes. Sinnentstellend sind (S. 28) die Worte: des conrectorum
Chores, denn da in der handschriftlichen Quelle deutlich zu lesen
steht: „Dieser beider Conrectoren Chor hab ich in die 5 Jahr bestellet",
müfste es heifsen: des Chores der Conrectorum (gemeint sind Lauter-
bach und Hunichius). Anstatt Dietzig (S. 25) ist sicher Dietzius zu
lesen, schlimm ist (S. 119) der Druckfehler tabe confectus sepelitus,
unangenehm berührt den Leser die Schreibart Prokanzellarius (S. 41),
wie die zerstörten „Flugscharen" auf den verödeten Feldern (S. 81).
Da es dem Verfasser darauf ankam, das Datum der Geburt (24. April
1586) und des Todes (8. Dezember 1649) genau festzustellen, so mulste
die Angabe: f 9. Dezember 1649 (S. 93) unbedingt vermieden werden.
In den IDistichen des Itinerarium vitae meae kommen arge Quantitäts-
fehler vor, die wohl zum Teil auf falscher Lesung beruhen — denn
z. B. aus den Worten Spem necis bonae fert quadragesimus annus
ist kein Sinn herauszubringen — , wie es auch (S. 3) statt vitae melioris
amapsin heifsen mufs anapsin. Damit sei es genug der Ausstellungen.
Anzuerkennen ist, dafs Büchting, obwohl er bestrebt ist, alle guten
Seiten in Rinckarts Wesen in das rechte Licht zu rücken, doch auch
die Schwächen des Mannes nicht verschweigt. Denn so viel steht
nach Büchtings Darstellung fest, dafs in dem mehrjährigen, erbittert
geführten Streite Rinckarts mit dem Rate der Stadt das gröfsere
Unrecht auf des Ersteren Seite war. Man darf überhaupt die Be-
deutung des Mannes nicht zu hoch anschlagen. Wenn er sich seinen
Mitl)ürgern als ein treuer Seelsorger bewiesen und mit ihnen die
Drangsale des Kriegs, der Pest und Hungersnot geteilt hat, auch,
um seiner bedrängten Vaterstadt Erleichterung zu verschaffen, „unter
Wagen seines Halses" in das Lager des schwedischen Oberstleutnants
Derfflinger gegangen ist, so ist zu beachten, dafs Not und Verzweif-
lung damals auch andern Geistlichen die gleiche Mannhaftigkeit
eingegeben haben. Als Dichter aber verdankt er seinen Ruf doch
nur dem nach Büchtings Vermutung 1630 entstandenen Liede:
Nun danket alle Gott, in dem er aus überquellendem Gefühle
dem Danke für die unzähligen Wohltaten Gottes einen so innigen
Ausdruck verliehen hat.
Leipzig. Rieh. Sachse.
Literatur.
321
Sachsen und Preufsen nni die Mitte des achtzehnten Jahrliunderts.
Ein Beitrat^ zur Geschichte des österreichischen Erbfolgekrieges.
Von Johannes Ziekursch. Breslau, M. & H. Marcus. 1904. VII,
228 SS. 8<».
Die vorliegende Abhandlung, gleichzeitig als Breslauer Habili-
tationsschrift erschienen, schildert in gewandter Darstellung zu-
verlässig und klar die einzelnen Phasen der Brühischen Politik vom
Regierungsantritt Maria Theresias bis zum sächsisch-österreichischen
Bündnis vom 20. Dezember 1743. Sie fufst auf meist noch unbenutzten
Akten des Dresdener Archivs und bringt einige wertvolle Briefe und
Staatsschriften im Anhang wörtlich zum Abdruck. Sie führt im Detail
zu endgültigen, der Ergänzung und Verbesserung wohl kaum noch
bedürfenden Ergebnissen, beurteilt aber die Brühische Politik in ihrem
Wesen und Kern m. E. durchaus falsch und verficht eine These, die um
der Wissenschaft und der Wahrheit willen nicht scharf genug zurück-
gewiesen werden kann: dafs Sachsen um die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts sich politisch und namentlich wirtschaftlich nur dann
weiter entwickeln konnte, wenn ihm die Erwerbung Niederschlesiens
glückte, dafs also Brühls dahinzielende Politik von rein sächsischen
Interessen geleitet worden ist.
Ziekursch beginnt mit einer Übersicht über Sachsens Lage beim
Tode Kaiser Karls VI, „Sachsens Handel", so behauptet er, „wäre
diu-ch den Merkantilismus Preufsens, Österreichs und Rufslands viel
schneller erdrückt worden, und die Leipziger Messen hätten sich in
ihrer Bedeutung nicht lange behaupten können, wenn nicht in Polen
gewissermafsen Freihandel geherrscht hätte. Durch das polnische
Gebiet konnten die sächsischen Waren im Notfall das Meer erreichen.
Bei seiner Bewerbung um die polnische Krone betonte August der
Starke die Bedeutung der Personalunion Polens mit Sachsen für die
Handelsbeziehungen beider Länder. Nun berührten sich aber die
sächsischen und polnischen Grenzen nicht, sondern es schob sich
zwischen sie von Norden Krossen, von Süden Niederschlesien. Die
sächsische Wollen- und Leinwandindustrie war darauf angewiesen,
einen Teil ihres Rohmaterials und der Halbfabrikate aus Schlesien
zu beziehen; in der Gegend von Annaberg beschäftigten sich loooo
Frauen mit Spitzenklöppeln und verdienten damit jährlich 520000 Gul-
den; sie konnten aber zu ihrer Arbeit nur Garn und Flachs aus
Schlesien verwenden. Jedes Jahr gebrauchte Sachsen für 120000 Taler
schlesische Wolle. Für jeden sächsischen Staatsmann stand es daher
fest: kam es einmal zur Auflösung des österreichischen Staates, dann
mufste Sachsen sich Niederschlesiens bemächtigen und durfte vor
allem nicht dulden, dafs die Preufsen sich hier testsetzten."
Ich möchte den namhaften Aufschwung des sächsischen Handels
dank der Vereinigung mit Polen zum mindesten bezweifeln; jeden-
falls hat August der Starke nicht im geringsten daran gedacht, um
der wirtschaftlichen Interessen seiner ihm zu eng gewordenen Heimat
willen die Krone der Plasten zu erwerben, oder sein Sohn und Brühl,
sie den Wettinern zu erhalten : dynastischer Ehrgeiz war allein aus-
schlaggebend für ihre Kandidaturen, und nicht nordwärts zur Ostsee,
sondern nach Süden auf Konstantinopel zu strebte wenigstens von
1697 bis 1699 die Politik Augusts des Starken i). Nur weil sie Polen
^) Den Versuch Otto Eduard Schmidts (Grenzboten 1904 S. 413
bis 419), Augusts polnische Thronkandidatur aus handelspolitischen
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 3. 4. 21
322
Literatur.
besafsen und ihre Herrschaft dort keineswegs auf festen Füfsen stand,
mufsten die Wettiner Krossen und Niederschlesien um jeden Preis
erwerben; viel mehr als um der sächsischen Waren lag ihnen um
ihrer Truppen willen an einer unmittelbaren Verbindung der beiden
Länder. Wohl hatte Schlesien als Lieferant von Flachs, Garn und
Wolle auch für Sachsen allein hohe Bedeutung; aber mindestens
ebenso erwünscht wie seine war ihm Böhmens und Magdeburgs An-
gliederung; von dort bezog das Erzgebirge fast alles Getreide, was
es brauchte, und nur elbabwärts vordringend konnte Sachsen Preufsens
Entwicklung hemmen und die eigene fördern. August IIL mufste
1740, weder Maria Theresia noch Friedrich dem Groisen gewachsen,
mit dem stärkeren der beiden Gegner zusammengehen und im Bunde
mit Preufsen Böhmen oder an der Seite Österreichs Magdeburg er-
obern; Brühl trieb keineswegs sächsische Politik, als er sich auf
Schlesien und Krossen versteifte, wie er ja auch zur inneren Kon-
solidierung seines Heimatstaates wenig oder nichts tat, unendlich
viel aber zu seiner Schwächung. Wäre ihm die Erwerbung Schlesiens
geglückt, so hätte sie allein ebensowenig wie der Gewinn Böhmens
und Magdeburgs die Zukunft Sachsens entschieden; die Wettiner
konnten die HohenzoUern nur einholen und vielleicht noch über-
flügeln, wenn sie möglichst alle Kräfte ihrer deutschen Territorien
zur vollen Entfaltung brachten und sich selbst ebenso wie sie in den
Dienst der Gesamtheit stellten: das haben sie bis 1763 nicht getan
und sind darum ihren Rivalen, die, mit ihrem Lande inniger ver-
wachsen, Staat und Dynastie gleichmälsig" förderten, trotz reicherer
Bodenschätze und mindestens ebenbürtiger Untertanen schliefslich
unterlegen.
Als Karl VL starb, war Brühl ganz im Sinne Augusts des Starken,
der beim Tode des letzten Habsburgers Böhmen, Schlesien und
Mähren an sich zu reifsen hoffte, zunächst entschlossen, Maria The-
resia anzugreifen, aber Friedrich der Grofse kam ihm zuvor, und so
knüpfte er Unterhandlungen mit dem Wiener Hofe an. Erst als
dieser seine Forderungen ablehnte und er am 23. Juli 1741 aus Briefen
des Grafen Moritz von Sachsen erfuhr, dafs Ludwig XIV. sich mit
Baiern und Preufsen verbündet habe, schlug sich Brühl auf die Seite
der Gegner Maria Theresias; der Vertrag, clen er am 19. September
in Frankfurt am Main mit Baiern schlofs und dem später auch Frank-
reich und Preufsen beitraten, war kein Sieg, sondern eine Niederlage
seiner Politik. Die Länder, die ihm zugesprochen wurden, Ober-
schlesien, Mähren und ein Teil von Niederösterreich, lagen weit ab
von Sachsen und bedeuteten für dasselbe mehr eine Last als einen
Gewinn; sie rundeten es nicht ab, sondern vermehrten nur seine ver-
wundlDaren Stellen. Ein wirkliches Einvernehmen herrschte zwischen
den vier Verbündeten nicht; nur mühsam kam ein gemeinsames Vor-
Motiven zu rechtfertigen mufs ich ebenso zurückweisen wie seine
Charakteristik des Königs; jener entbehrt jeder aktenmäfsigen Be-
gründung, diese verrät gleichfalls eine beschönigende Tendenz. Die
Charakteristik des Königs aus der Feder Flemmings, welche Schmidt
keineswegs einwandsfrei benutzt und übersetzt, wird in der Publi-
kation der eigenhändigen Entwürfe und Briefe Augusts des Starken
mit abgedruckt werden; ich selbst habe sie, was Schmidt nicht be-
merkt, bereits 1902 in meiner Schrift über August den Starken ver-
wertet.
Literatur.
323
fehen gegen Prag zu stände, und nach dem Falle der Stadt traten
ie Gegensätze unter den Siegern inimer deutlicher und schroffer
zu Tage. Frankreich wünschte die völlige Autteilung der habs-
burgischen Monarchie und einen Vormarsch ins südliche Böhmen,
Friedrich der Grofse einen baldigen Frieden, Sachsen den Gewinn
des nördlichen Böhmen, von dem wieder der preul'sische König das
beste Stück, den Königgrätzer Kreis, für sich beanspruchte. Die
Sachsen schwankten lange zwischen dem Anschlufs an F'rankreich
oder an Preufsen; endlich im Februar 1742 ordneten sie sich letzteren
unter aus Furcht, Friedrich der Grofse könnte sonst ein Sonder-
abkommen mit Maria Theresia treffen, und in der stillen Hoffnung
mit seiner Hülfe Ostböhmen, Mähren und Oberschlesien zu erwerben.
Aber diese Hoffnung war eitel und jene Sorge nur zu berechtigt;
nach dem kläglichen Ausgang der Belagerung Brunns verständigte
sich der König mit dem Wiener Hofe, vmd Sachsen blieb nichts übrig,
als sich am 11. September 1742 gleichfalls mit der Kaiserin zu ver-
söhnen. Auf einen Landgewinn mufste Brühl nun freilich verzichten;
nur ein Kampf gegen Preufsen konnte ihn vielleicht später einmal
für die Täuschungen entschädigen, die ihm das Bündnis mit ihm
gebracht hatte. Eine starke Koalition gegen Friedrich ins Leben zu
rufen, das war die Aufgabe, die sich der Dresdener Hof nun stellte;
am 20. Dezember 1743 kam eine Allianz zwischen Sachsen und
Österreich, am 4. Februar 1744 zwischen Sachsen und Rufsland zu
Stande, Unterhandlungen zwischen Dresden und Hannover waren im
Gange, als die Preufsen am 11. August 1744 die sächsische Grenze
überschritten und ihren Gegnern zuvorkamen. Die Schlachten bei
Hohenfriedberg und bei Kesselsdorf vernichteten abermals die Hoff-
nungen Brühls und immer tiefer sank die Widerstandskraft seines
Staates; die Finanzen verschlechterten sich und das Heer wurde
1746 reduziert auf 40000, später auf 21000, 1756 auf 19000 Mann.
Bündnisse mit auswärtigen Mächten sollten den Mangel ersetzen,
konnten dem Lande aber neue Demütigungen im Siebenjährigen Kriege
nicht ersparen; die Personalunion mit Polen nützte ihm nichts, das
Übergewicht Preufsens über Sachsen war endgültig entschieden.
Ziekursch erklärt Brühls Pläne, die auf einen Umsturz der
polnischen Verfassung und eine Verschmelzung Sachsens mit Polen
zielten, nicht für Hirngespinnste eines vom Ehrgeiz verzehrten Diplo-
maten, sondern für die einzig richtige Politik; „Napoleon mufste auf
sie zurückgreifen, als er in Sachsen ein Gegengewicht gegen Preufsen
schaffen wollte". Dafs der französische Kaiser an die Möglichkeit
einer inneren Verschmelzung Sachsens und Polens geglaubt und sie
gewollt hat, ist mir nicht gerade wahrscheinlich; jedenfalls möchte
ich Ziekursch raten, seine Ansicht über die Personalunion dieser
beiden Länder auf Grund archivalischer Studien, die er nach dieser
Seite bisher offenbar nicht o;emacht hat, gründlich zu revidieren; die
Dresdener Akten lassen darüber keinen Zweifel, dafs diese Ver-
bindung weder Sachsen noch Polen zum Segen gereichte, und dafs
August der Starke, sein Sohn und Brühl die dynastischen über die
nationalen Interessen der beiden Völker stellten. Die Wissenschaft
hat, nachdem die Wettiner längst gute Sachsen und Deutsche ge-
worden sind, erst recht keinen Gruml mehr, das heute noch zu ver-
schweigen; sie wird auch diejenigen Mitglieder der Dynastie, welche
mit ihren Gebieten noch freier schalten zu können glaubten wie ein
Landwirt mit seinem Gute, bis zu einem gewissen Grade entschul-
digen und ihre patrimoniale Auffassung aus den Ideen ihrer Zeit und
ai*
324
Literatur.
der Vergangenheit erklären; sie wird aber den entscheidenden
Wendepunkt in der Geschichte der Wettiner in den Augenblick
setzen, da sie sich der Pflicht des Fürsten bewufst wurden, der erste
Diener seines Staates zu sein, d. h. in diejenige Stunde, da sie Polen
endgültig aufgaben und sich entschlossen, ihr Haus- dem Landes-
interesse willig unterzuordnen.
Dresden. Paul Haake.
Die strategische Bedeutung^ der Schlacht bei Dresden. (Berliner
Inaugural-Dissertation. Februar 1904. Sonderabdruck.) Von Dr. phil.
Franz Lüdtke. Berlin, Druck von A. Unger. 1904. 61 SS. 8".
In der Einleitung hebt der Verfasser mit Recht hervor, dafs die
historische Forschung in den letzten Jahrzehnten die Auffassung der
politischen und strategischen Verhältnisse in den Befreiungskriegen
vielfach in recht wesentlichen Einzelheiten berichtigt hat. Vornehmlich
haben die Handlungsweise Schwarzenbergs und seines Generalstabs-
chefs Radetzky eine meist recht abfällige Kritik erfahren. Die Er-
eignisse nach dem Waffenstillstand von Poischwitz haben aber gezeigt,
wie richtig und wichtig es war, dafs das sogenannte Trachenbergische
Protokoll durch Radetzkj's Vorschläge in wesentlichen Punkten um-
gestaltet wurde.
Nach Betrachtungen über das Reichenbacher Programm und
die Stärke der beiderseitigen Streitkräfte wird der geplante Marsch
nach Leipzig behandelt, der richtigerweise als ein Luftstois bezeichnet
wird, anschiiefsend hieran der Zug nach Dresden, der zwar sachgemäfs
geleitet und durchgeführt ward, in seinen Einzelheiten aber Kühnheit
und Sicherheit vermissen liefs. Eine knappe, gewandt geschriebene
und durchaus zutrefl'ende Darstellung der Schlacht bei Dresden und
des Rückzuges nach Böhmen schliefst die kleine Schrift, in der nach-
gewiesen wird, dafs trotz der Niederlage der Verbündeten die böh-
mische Armee mit ihrem Zuge nach Dresden und dem Angriff"e auf
die Stadt eine Leistung von strategischer Bedeutung vollbracht hat,
welche den Sieg bei Leipzig mit vorbereitete.
Zu empfehlen und nützlich wäre die Beigabe einer kleinen
Skizze, Dresden und Umgebung darstellend, gewesen.
Dresden. Exner.
Zelin Vorträge über Kriegführung, Heerwesen und vaterländische
Kriegs-Geschichte, gehalten in den Räumen der Gehe-Stiftung auf
Veranlassung der wissenschaftlichen Leitung derselben. Von Moritz
Exner, Oberstleutnant z. D. und Vorstand des Kriegs -Archivs.
Mit 5 lithographischen Karten. Dresden, C. Heinrich. 1903. XI,
206 SS. 8«.
Auf vielseitigen Wunsch sind die im Winter 1903 in der Gehe-
Stiftung vom derzeitigen Leiter des Dresdener Kriegsarchivs, Oberst-
leutnant z. D. M. Exner, gehaltenen Vorträge über obiges Thema dem
Druck übergeben worden, um sie so weiteren Kreisen zugänglich zu
machen. Der Reinertrag des ansprechenden und lehrreichen Buches
kommt Invaliden und Feldzugsteilnehmem zu Gute. Die Schrift
selbst ist um so verdienstlicher, da sie den Zweck verfolgt, allen,
auch dem Heere fernerstehenden Leuten, ein richtiges Verständnis
Literatur.
325
und klare Anschauung vom Wesen und den Aufgaben des Krieges
beizubringen, da dieses für die Wehrhaftmachung unserer Nation
von grofsem Vorteil ist. Im ersten Vortrag behandelt \'erfasser in
flotter Darstellung die Bedeutung, Aufgaben und Ausgestaltung der
nationalen Wehrkraft; er weist an der Hand von geschichtlichen
Tatsachen und Äufserungen grofser Männer klar und überzeugend
nach, dafs die Erwartung eines dauernden Friedens ein grofser Irrtum
ist, und dafs ein Staat nur in seiner eigenen Kraft die Erhaltung
seiner Macht finden kann. Exner zeigt uns ferner, auf welche Weise
eine Steigerung der Wehrhaftigkeit zu erzielen ist, um eine starke,
wohlgeschulte und in Manneszucht gefestigte Armee aufweisen zu
können. Im zweiten, fünften und sechsten Kapitel verschafft uns
Verfasser einen eingehenden Einblick in die Ausgestaltung des Heer-
wesens im deutschen Reiche bis zur Gegenwart, ferner über die
Heere unserer Nachbarn im Osten und Westen, vor allem aber über
die Entwicklung unseres sächsischen Heerwesens von seinem Ur-
sprung bis auf die Jetztzeit. Das dritte Kapitel befafst sich mit der
Ausbildung, Kriegführung und den Kämpfen der Zukunft, während
das vierte uns über materielle Kriegsmittel, Festungswesen und Be-
waft'nung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eingehend orien-
tiert. Am interessantesten sind unstreitig die vier letzten Abschnitte,
Avelche die ruhmvolle Teilnahme unserer sächsischen Truppen an
den Feldzügen von 1683 bis zur Beendigung des 18. Jahrhunderts,
an den Kriegen von 1806 — 1815, an den Ereignissen des Revolu-
tionsjahres 1849 und des preufsischen Feldzuges gegen Österreich
vom Jahre 1866, sowie an dem deutschen Einheitskriege von 1870 '71
in Bezug auf Tapferkeit, Hingebung und Treue ins rechte Licht
stellen, auch wenn ihnen mitunter bei oft sehr unheilvollen und mifs-
lichen Verhältnissen der Erfolg versagt blieb. Die Ausführungen des
Verfassers gewinnen noch mehr an Anschaulichkeit durch die bei-
gegebenen 5 trefflich ausgeführten farbigen Karten (die Bewegungen
der sächsi.schen Armee: i. im Jahre 1683 und im Siebenjälirigen Kriege,
2. in den Jahren 1806, 1807 und 1809, 3. in den Jahren 181213, 4. im
Jahre 1866, 5. in den Jahren 1870/71) mit eingezeichneten Marsch-
und Operationslinien. Die sehr sachlich abgefafste Schrift kann
somit mit lebhaftem Dank begrüfst werden, da sie zur Stärkung
des Nationalgefühls wesentlich beiträgt und auf Grund eingehender
historischer Studien dem Leser reiches Material zur Anregung und
Belehrung in kriegerischen Dingen und aus dem Gebiet der vater-
ländischen Kriegsgeschichte in klarer und übersichtlicher Darstellung
an die Hand gibt.
Mühlhausen i. Thür. K. v. Kauffungen.
Der Haudelsscliulg'edanke in Kursachsen im 18. Jahi'hundert. Bei-
träge zu einer Geschichte des Handelsschulwesens von Bruno
Zieger, Lehrer an der öffentlichen Handelslehranstalt zu Dresden.
Dresden, Druck von C. C. Meinhold & Söhne. 1900. 58 SS. 8'*.
Die Schulreform lag während des 18. Jahrhunderts in der Luft,
das geistige und wirtschaftliche Leben, freieren Regungen zugängig,
drängte ungestüm nach Veränderungen, die alten erstarrten Formen
mufsten gebrochen werden. Auch die Erkenntnis von der Notwendig-
keit einer besseren Vorbildung der Kauf leute brach sich allmählich
Bahn. Stürmer und Dräiiger sprachen Gedanken aus, die erst im
326
Literatur.
19. Jahrhundert ihre Verwirklichung finden sollten. Verfasser schildert
auf Grund von Studien im Königlichen Hauptstaatsarchiv zu Dresden
und im Ratsarchiv zu Leipzig die sächsische Bewegung in Verbin-
dung mit den anderw'ärts schon früher hervorgetretenen Versuchen
und hebt mit Recht hervor, dafs Männer wie Marperger, Zincke,
Ludovici, Geutebrück, Martini Ideen niedergelegt haben, die nicht
nur ein historisches Interesse für uns haben, sondern in mancher
Beziehung noch jetzt recht wohl beherzigt werden könnten. Auch
interessante Nebenfiguren treten auf, so der Stiftskanzler Born, so
Präsident Freiherr, später Reichsgraf Peter von Hohenthal S. 37, über
dessen Stellung man gern mehr erführe, um so mehr als E. Pohle in
seinem Buche „Der Seminargedanke in Kursachsen" in seiner Wür-
digung des bildungsfreundlichen Älannes über diese Frage nur wenige
Andeutungen gibt (z.B. S. 79). Interes.sante Notizen finden sich über
die Schulaufsicht durch die Geistlichen (S. 13 und 28), über die Schule
als Politicum u. a. m.
Leipzig, Georg Müller.
Die Entwicklung des Volksschulwesens in der ehemaligen Diöcese
Zwickau während der Zeit von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis
zum Jahre 1835. Von Dr. Richard Möckel. Leipzig, Friedrich Brand-
stetter. 1900. 172 SS. 8'\
Durch mehrere Artikel im „Praktischen Schulmann", Jahrgang
1898 und 1900, hat sich der Verfasser als grimdlicher Arbeiter ein-
geführt. Im vorliegenden Hefte bietet er unter Benutzung dieser
Veröffentlichungen einen auf ausgiebigen Studien in verschiedenen
Archiven beruhenden wertvollen Beitrag zu der bisher wenig be-
achteten Volksschulgeschichte des 18. Jahrhunderts. Für die Darstellung
charakteristisch sind die zahlreichen kleinen Züge, die den Aus-
führungen den Reiz der Unmittelbarkeit und Anschaulichkeit ver-
leihen. Nach Fr. Paulsens Vorbilde behandelt er seinen Stoff im
engsten Zusammenhange mit den kirchlichen, geistigen, literarischen
und kulturellen Strömungen der Zeit. Diese Seite tritt besonders in
dem zweiten Kapitel hervor, das die wirtschaftliche und soziale Lage
der Ephorie bis zum Jahre 1805 und deren Einflufs auf den Schul-
besuch zum Gegenstande hat. Hier wird unter Benutzung der lite-
rarischen Hilfsmittel wie zahlreicher Notizen aus den Akten ein
Mosaikbild gezeichnet, das die Dürfti^eit und Ärmlichkeit der in-
dustriellen wie der landwirtschaftlichen Bevölkerung in grellen Farben
vorführt. Es ist erklärlich, wenn unter diesen drückenden äufseren
Verhältnissen die Kinder zum Brotverdienen herangezogen wurden,
die Versäumnisse die Regel bildeten, während nur einige Kinder
das ganze Jahr zur Schule kamen. In 14 Kapiteln wird dann die
finanzielle Lage und Vorbildung der Lehrer, der Schulbetrieb mit
seinem dürftigen Ergebnisse, der Zustand der Schulgebäude, die
Stellung der Gemeinden, die Bemühungen der Behörden zur Hebung
der Bildung geschildert. Wie die letzteren mit durchgreifenden Mafs-
regeln endlich einigen Erfolg haben, ergibt sich aus Kapitel 17 und 18.
In diesen sind von besonderem Interesse die Ausführungen über die
Klasseneinteilung und die Einführung der Lautiermethode. Super-
intendent Lorenz spielte hierbei eine hervorragende Rolle. Bei der
Einrichtung der Zwickauer Kreishauptmannschaft w-urde er als
gründlicher Sachkenner zum Beisitzer ernannt, vgl. A. H. Kreyfsig,
Literatur.
327
Album der evangelisch-lutherischen Geistlichen (2. Aufl. Crimmitschau
1898) S. 707. Auch sonst ist an bedeutungsvollen Beispielen der Ein-
flufs der Regierung auf die Besserung der Verhältnisse ersichtlich.
Verwiesen sei auf die Entwicklung der Schulen für die Kinder der
Bergleute unter Einwirkung des Schneeberger Bergamts, das das
Schulgeld bestritt. Die Tabelle auf S. 145 zeigt das ununterbrochene
Wachsen der jährlichen Beiträge. Diese stiegen in 6 Jahrzehnten
von 60 auf 3726 Taler. Auf die äufsere Ausgestaltung und den inneren
Betrieb der Klöppelschulen übte der Staat einen gleich fördernden
Einflufs aus. Es sind dies jedenfalls sprechende Bewei.se bei der
jetzt viel erörterten Frage über die Stellung des Staates zur Volks-
schule.
Leipzig. Georg Müller.
Die Fortbildungs- und Fachschulen in den gröfseren Orten Deutsch-
lands. LTnter Mitwirkung von Vertretern des gewerblichen Schul-
wesens herausgegeben durch B. Germer, Fortbildungsschuldirektor.
Leipzig, Verlag von Alfred Hahn. 1904. VII, 458 SS. 8°.
Wenn der vorliegende stattliche, gründlich gearbeitete Band zu-
nächst nur die Aufgabe hat, den gegenwärtigen Stand des Fort-
bildungsschulwesens in Deutschland zu schildern, so bietet er doch
auch eine Reihe wertvoller Mitteilungen über die Entwicklung des
gewerblichen und Fortbildungsschulwesens. Sie sind um so wertvoller,
als bisher eine zusammenfassende Arbeit fehlte. Von den sächsischen
Städten sind Chemnitz, Dresden, Leipzig, Plauen i. V. und Zwickau
berücksichtigt. Die Schulen werden kurz in ihrer Entstehung und
Entwicklung vorgeführt. Die ersten Anfäno;e fallen meist gegen das
Ende des dritten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts, während der eigent-
liclie Aufschwung, durch das Volksschulgesetz veranlafst, um das Jahr
1875 erfolo^te. Von besonderem Interesse sind die Notizen über die
ziemlich dürftigen Ansätze zur fachlichen Weiterbildung der Fort-
bildungsschullehrer, z. B. im Zeichnen, über die Ausgestaltung des
Unterrichts, die Lehrpläne, die Begründung von Mädchenfortbildungs-
schulen usw. Mit Recht bezeichnet der Verfasser es als wünschens-
wert, die Berichte von Zeit zu Zeit fortzusetzen, um so in einer
zusammenhängenden Darstellung Kenntnis über die Entwicklung
unserer gewerblichen Bildungsanstalten zu erhalten.
Leipzig. Georg Müller.
Prinzeuerziehuug in Sachsen am Ausgange des 16. und im Anfange
des 17. Jahrhunderts von Prof. Dr. Ernst Eeimann. Dresden,
Wilhelm Baensch. 1904. V, 163 SS. 8».
Bereits vor 30 Jahren hatte der Verfasser in einer Programm-
arbeit (Programm der Realschule zu Reichenbach i. V. 1874) die
„Prinzenerziehung in Kursachsen im 16. Jahrhundert" behandelt. Im
vorliegenden Buche führt er die Studien fort und schildert die Er-
ziehung der Söhne Christians I., der Prinzen Christian, Johann Georg
und August, die auch der leider so früh verstorbene Geschichtslehrer
an der Dreikönigsschule (Realgymnasium) zu Dresden -Neustadt,
Chr. Fietz, in der vom Verfasser nicht erwähnten Programmarbeit
„Prinzenunterricht im 16. und 17. Jahrhundert" (Dresden 1887) gestreift
328
Literatur.
und mit späteren Anschauungen verglichen hatte. Sind es auch nur
zwei Jahrzehnte, denen die Darstelkmg gewidmet ist, so bietet sie
dafür die Ergebnisse sorgsamster Studien besonders im Königlichen
Hauptstaatsarchive und ni der Königlichen Öffentlichen Bibliothek
zu Dresden unter Benutzung der neueren historischen und pädago-
gisclien Literatur. Wertvoll sind vor allem die bibliographischen
Angaben über die von den Prinzen benutzten Lehrbücher, z. B. die
Katechismen, die Ausführungen über den Untemchtsbetrieb, z. B.
im Rechnen und in den neueren Sprachen, die Schilderung der Er-
ziehungsgrundsätze, die in dem umfangreichen IL und III. Abschnitte
S. 29 — 90 zur Darstellung gelangen. Erwähnung verdienen ferner
die aus den Kammerrechnungen geschöpften Angaben über die Ge-
haltsverhältnisse und soziale Stellung der Lehrer und Erzieher. Auch
manches, was modern erscheint, wie die Kunsterziehung, ist von
Interesse. Zahlreiche kleine charakteristische Züge liebevoller Klein-
malerei führen den Leser in das Familienleben am Dresdner Hofe
zu einer Zeit ein, in der die politischen und kirchlichen Strömungen
sich scharf bekämpften.
Leipzig. Georg Müller.
Der Fürstenzug auf «lern Sgraffito-Fries am KgL Schlosse zu Dres-
den. Von Clemens Freilierrn v, Hausen. Mit 5 Bildtafeln. Dresden,
C. Heinrich. 1903. XIII, 254 SS. 8^.
Am Schlüsse vorigen Jahres versandte obige Verlagsbuchhand-
lung überallhin ein Zirkular, welches zur Anschaffung des Sr. Majestät
König Georg gewidmeten v. Hausenschen Werkes aufforderte. Die
in dem Prospekt enthaltenen empfehlenden Urteile von zwei säch-
sischen Geschichtslehrern (Prof. Dr. Kaemmel , Prof. Dr. Unbescheid)
liefsen auf ein brauchbares Buch schliefsen. Leider aber ist diese Ver-
mutung gründlich getäuscht worden, denn die Schrift schliefst sich
in Bezug auf die Ausführung würdig der früheren, recht oberfläch-
lichen und unzuverlässigen Publikation des Verfassers „Vasallen-
geschlechter der Markgrafen zu Meifsen, Landgrafen zu Thüringen
und Herzöge zu Sachsen bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts"
(Berlin 1892) an. v. Hausen behandelt in dem vorliegenden Werke die
Entstehung des Dresdener Sgraftito-Frieses und gibt für jeden der
darauf dargestellten Wettiner einen Einblick in die politischen und
kulturellen Zustände der sächsisch-thüringischen Lande, aber in einer
Art und Weise, welche keineswegs streng wissenschaftliche Studien
verrät. Verfasser scheint nur aus veralteten und aus den aller]Dopu-
lärsten, nicht aber aus den kritischen Darstellungen zur sächsisch-
thüringischen Geschichte geschöpft zu haben. Es verlohnt sich somit
nicht, auf diese Schrift näher einzugehen. Die Ausstattung des
Werkes vmd die beigegebenen Bildtafeln verdienen alles Lob.
Mühlhausen i. Thür. K. v. Kauffungen.
Beiträge zur Entwicklung des bürgerlichen Wohnhauses in Sachsen
im 17. und 18. Jahrhundert. Von Dr. Walther Dietrich. Mit
142 zum Teil farbigen Abbildungen. Leipzig, Gilbers. 1904. IV,
83 SS. 4".
Die Entwicklungsgeschichte des deutschen Wohnhauses vom
frühen Mittelalter bis zum Beginn der Renaissanceperiode weist noch
Literatur. 329
manche Lücke auf, weil Zeugen aus jener frühen Zeit nur noch ganz
spärUch, und unverändert wohl nirj^iends mehr, vorhanden sind. Auch
die schriftlichen Quellen über diesen Geg;enstand sind in brauchbarer
Form recht selten, weil facho;emäfse Ausdrücke oder Beschreibungen
nur in Ausnahmefällen in damaligen Urkunden Aufnahme fanden.
Für unser Königreich erscheint aber, vom praktischen Gesichtspunkt
betrachtet, dieses Übel nicht so schlimm, weil hier die städtische
Wohnung überhaupt erst spät zur Entwicklung kam, und für den
modernen Architekten bieten jene frühen Perioden (romanischen und
gotischen Stils) wenig Brauchbares oder Vorbildliches auf dem
Wohnungsgebiet.
Anders steht es mit der Geschichte des sächsischen Wohnungs-
baues während der letzten drei Jahrhunderte; es fehlt da nicht nur
nicht an zahlreichen, wohlerhaltenen Beispielen, sondern dieser Aus-
schnitt der Architekturgeschichte fällt auch mit einem an sich er-
giebigen und dem ganzen Fortschritt förderlichen Zeitabschnitt zu-
sammen.
Es war somit ein ausgiebiger und dankbarer Gegenstand, den sich
Architekt Dietrich für seine JDissertation zur Erlangung der Würde
eines Doctor-Ingenieurs gewählt hatte, und es darf zugleich bemerkt
werden, dafs er mit dem in der Überschrift genannten Buche seiner
Aufgabe gerecht geworden ist. Er knüpft dessen Einleitung an die
frühesten für Dresden erlassenen baupolizeilichen Bestimmungen (aus
dem Ende des 14. Jahrhunderts) an, wohl mit Recht, denn nächst dem
Baumaterial und der Mode haben Bauvorschriften, mochten sie von
der geistlichen oder weltlichen Obrigkeit ausgehen, wohl am meisten
zur Entstehung der sogenannten Baustile beigetragen und tun das
leider noch heute viel mehr, als der Fernerstehende vermeint. In den
sächsischen Städten wandelten sie zunächst die Stroh- und Schindel-
dächer in solche aus Ziegeln oder Schiefer, die hölzernen Umfassungen
in Steinwände. Was aber in dieser Richtung die Gesetzgebung nicht
vermochte, bewirkten mit unheimlicher Energie die grofsen Brände,
von denen nach und nach fast alle gröfseren Städte des Landes, am
meisten aber seine Hauptstadt (von 1407 — 1739 nicht weniger als
51 mal) heimgesucht wurden. Im Jahre 1718 wurde in Dresden ein
Oberbauamt eingerichtet, das alle hier zu errichtenden Zivil- und
Militärgebäude zu beaufsichtigen hatte, während für die in den übrigen
Städten des Landes zu errichtenden Gebäude schon seit 1709 der
Accis-Baudirektor zuständig war. Aufserdem sorgte der Kurfürst
durch die 1719 erlassene Generalfeuerordnung dafür, dafs auch im
Lande die baulichen Vorschriften auf eine den Anforderungen der
Zeit entsprechende Höhe gebracht wurden. Immerhin ist eine Beein-
flussung des Stils durch derartige Mafsnahmen, insbesondere durch
Beschränkung der Geschofszahl, zuerst und allein in Dresden er-
kennbar; die Hauptstadt behielt deshalb auch in Bezug auf die
Architektur des Wohnhauses die Führung und teilte sie nur kurze
Zeit (Anfang des 18. Jahrhunderts) mit Leipzig. Diesen beiden Städten
gilt deshalb und aus naheliegenden annern Gründen hauptsächlich
die nun folgende Betrachtung des Wohnhauses in der Renaissancezeit
bis zum 30 jährigen Kriege und in der Barockzeit, wo auch der Dresdner
und Leipziger Einflufs auf Schneeberg, Bautzen und Chemnitz nach-
gewiesen wird; ferner behandelt hier der Verfasser das Haus des
Rokoko, des Klassizismus (7 jähriger Krieg bis Ende des 18. Jahr-
hunderts), den Empire- und den Biedermeierstil. Betrafen alle diese
Darleg-ungen nur die Eigenart und Wandlungen in der Fassaden-
-&""o^'' ^"-"^ ^"^^ ^'t>^
330
Literatur.
bildung, so beschäftigt sich das 3. Kapitel ausschUefslich mit der Ent-
wicklung des Grundrisses, und es ist nicht zu verkennen, dafs sich
darin die eigentliche Kulturgeschichte noch viel anschaulicher spiegelt,
als in der doch häutig nur modisch oder konventionell angewendeten
Fassadengestaltung. Der Verfasser glaubt im sächsischen Wohnhause
der Stadt als Vorbild das alte Bauernhaus zu erkennen; das dürfte
ein Irrtufii sein. Das von Anfang an in geschlossener Reihe errichtete
Stadthaus hatte seinen Eingang stets an der Schmalseite, das Bauern-
haus stets an der Langseite; das Stadthaus brauchte fast ohne Aus-
nahme eine geräumige Hausflur mit Durchfahrt nach dem Hofe, das
Bauernhaus, wenigstens die Durchfahrt, nie. Das Stadthaus war stets
für Obergeschosse zugeschnitten, das alte Bauernhaus nie usw. Aber
das ist am Ende nebensächlich und kommt neben den vielen Ver-
diensten des Buchs, zu denen namentlich die 142 sehr interessanten
Abbildungen rechnen, nicht in Betracht.
Dresden. O. Grüner,
Antliropo^eograpliische Stndien iu der Sächsischen Schweiz. Von
Dr. Johannes Stübler. Leipziger Dissertation. 1903. 75 SS. S**.
Zwei photographische Landschaftsbilder, drei Kartenskizzen.
In jüngster Zeit sind aus dem Geographischen Seminar an der
Universität Leipzig zwei Dissertationen hervorgegangen, die anthropo-
geographische Studien über Gebiete Sachsens enthalten: Richard
Bohn, Die Siedelungen in der Leipziger Tieflandsbucht nach Lage
imd Gestalt (mit einer Karte), Leipzig 1902, 56 Seiten, und die Arbeit
Stübler s. Beide folgen, wenn auch im einzelnen durchaus selbst-
ständig, den Grundlinien Friedrich Ratzeis.
Anthropogeographische Untersuchungen über ein bestimmtes
Gebiet, sind nun an sich ohne weiteres beachtlich für den Historiker
dieses Gebietes, jedoch im einzelnen Falle ist die historische Aus-
beute nur allzu verschieden, je nach der historischen Schulung des
Verfassers. Dies zeigt sich besonders deutlich an den beiden Arbeiten.
Bohn verhält sich prinzipiell ablehnend gegenüber historischem
Material (.S. i If), Historische Tatsachen dienen ihm höchstens als
Illustration seiner auf rein geographischem Wege gefundenen Ergeb-
nisse. Trotzdem wird die historische Literatur verhältnismäfsig olt
von ihm herangezogen; leider schöpft jedoch der Verfasser stets nur
aus Quellen zweiter Hand, das gesamte urkundliche Material des Cod.
dipl. Sax. Reg. bleibt ofienbar absichtlich unbenutzt — bedauerlich
für die Arbeit. Die Auswahl im einzelnen zeigt nur geringe Ver-
trautheit mit der historischen Methode.
In ausgesprochenem Gegensatz hierzu steht die Stüblersche
Arbeit. Stübler hat sich sorgfältig bemüht, das Material möglichst
vollständig zu sammeln, das auf die historische Seite des Problems
Bezug hat. Er hat sich deshalb nicht nur mit Bearbeitungen und
Darstellungen begnügt, sondern auch die Urkundensammlungen heran-
gezogen. Auch theoretisch, in der Fassung seiner Aufgabe, weicht
er stark von Bohn ab. Für ihn gilt es, „eine psychisch-(?)ge schicht-
liche Aufgabe vom geographischen Standpunkte zu lösen" (S. i).
Mag immerhin der Fachhistoriker manche kleine Ausstellungen machen
(nicht genügende Angabe der Quellen, bes. S. 21, 31, 32, 35 ff., etwas
vorschnelle Schlufsfolgerungen bes. S. 8 u. 20), die Grundlagen für
eine historische Erfassung des Kulturlebens auf dem Gebiete des
Eibsandsteingebirges hat Stübler sicher richtig gelegt. Wie der histo-
Literatur. 331
rische Verlauf in jedem einzelnen Falle sich gestaltete, konnte und
wollte Stübler nicht zeigen. Gern hätte man z. B. über die mittel-
alterliche Entwicklung von Pirna und Tetsclien, die Stübler als plan-
mälsige Gründungen von Umsclilags platzen (S. 32) charakte-
risiert, etwas mehr erfahren, dasselbe gilt von der Entwicklung der
Textilindustrie, der Eibschiffahrt etc. Hier sind der Lokal-
forschung durch die Stüblersche Arbeit interessante und wohl be-
grenzte Aufgaben gestellt.
Für Stübler ist das Eibsandsteingebirge aus geologischen
Gründen der Typus einer „Verkehrsschranke" (S. 5). Das zeigt sich
auf dem Gebiete des geschichtlichen Lebens darin, „dafs die Säch-
sische Schweiz stets von den Nachbargebieten abhängig gewesen
ist". Wo immer sich dort gröfsere Ereignisse abspielten, trafen meist
nur ihre letzten Wellen die klippige Felsenlandschaft. Sonst sind
Tafelländer wie Spanien und Südafrika der naturgemäfse Boden für
langwierige Kleinkriege, weil sie eine Fülle von Verstecken, Sperren,
Hinterhalten, Schleichwegen und natürlichen Befestigungen bieten.
Aber unser Gebiet ist als Zwischenglied räumlich zu eng, zu klein,
um eine geschichtliche Eigenart zu bilden. Es kann mit ge-
ringen Machtmitteln zerniert und ohne Zufuhr von aufsen nicht ge-
halten werden. Nur seiner landschaftlichen Individualität ver-
dankt es seinen seit etwa 100 Jahren erst geläufigen Sondernamen
im Kranze der deutschen Mittelgebirge: die Sächsische Schweiz.
Dieses, für die geschichtliche Entwicklung, im grofsen und
ganzen eigentlich negative Resultat erhärtet Stübler nach den ver-
schiedensten Seiten, zunächst verkehrsgeschichtlich, dann siedelungs-
geschichtlich. In der Verkehrsentwicklung zeigt sich, dafs der ge-
samte Land verkehr zur Umgehung des Gebietes gezwungen ward,
dafs so die beiden Randstrafsen im Osten und Westen mit ihrer
eigentümlichen Kultur entstanden; von ihnen war die erzgebirgische
am wegsamsten. Nur der Wasser verkehr und auch dieser nur
unter bedeutenden Schwierigkeiten, nahm seinen Weg mitten durch
das Gebiet. „Die Eröffnung der Eibschiffahrt bis zur See, mehr noch
die Leitung des Landverkehrs durchs Eibtal (Eisenbahnen) liefsen
die Randw-ege in ihrer Verkehrsbedeutung sinken ; der Schwerpunkt
verlegte sich nach der Mitte, so dafs die Geschichte der Sächsischen
Sch^\"eiz die Geschichte des Eibtals in ihr wurde" (S. 14). Dies zeigt
sich ganz besonders in der Siedelungsgeschichte. Die Ausführungen
über die Schutzsiedelungen und Erwerbssiedelungen im Haupttal,
den Gründen, den Ebenheiten nehmen den breitesten Raum in Stüblers
Arbeit ein. Für den Kulturhistoriker ist besonders lesenswert der
II. Abschnitt: Naturgefühl und Fremdenverkehr. In dieser Zusammen-
stellung neu sind femer die Ausführungen über die Wege der Säch-
sischen Schweiz und ihren Verkehr. Hier hätte der Historiker gern
etwas ausführlichere Darstellung gewünscht. Freilich ist dies nur
möglich auf Grund archivalischer Studien, die jedoch in diesem Falle
über den Zweck der Schrift hinausgehen. Dr. Pfaus Arbeiten über
die Rochlitzer Gegend können dem Verfasser bei einem etwaigen
weiteren Ausbau manchen Fingerzeig o;eben.
Die Stüblersche Arbeit kann endlich infolge ihrer anregenden
und flüssigen Darstellung jedem historisch oder geographisch inter-
essierten Laien, der im Sinne des Riehischen „ Wander buches" die
Sächsische Schweiz durchwandern will, sei es als Tourist, sei es vor
allem als Sommergast, nur empfohlen werden.
Bautzen. Paul Rühlmann.
■332 Literatur.
Die Landschaftsschilderung. Ein fachwissenschaftliches und ps}'-
chogenetisches Problem, dargestellt an der heimatkundlichen
Literatur über das Königreich Sachsen. Von Dr. Richard
Seyfert, Seminaroberlehrer. Leipzig, E. Wunderlich. 1903. IV,
113 SS. 8».
In den geographischen Werken des 16. bis 18. Jahrhunderts findet
man nicht nur bei uns in Sachsen, sondern allgemein in Deutschland
das Landschaftliche, wenn überhaupt beachtet, nur mehr oder minder
gut beschrieben. Von einer Schilderung aber, d. h. „einer künst-
lerischen sprachlichen Darstellung der durchgeistigten Auffassung
der Landschaft" ist, wenn man von den Werken eines Pallas, Forster,
Humboldt absieht, nirgends die Rede. Erst Ende des 18., Anfang
des 19. Jahrhunderts beginnt sich diese Landschaftsschilderung, die
nach des Verfassers Anschauung auf den drei psychogenetischen
Gesetzen des geistigen Wachstums, der fortschreitenden Vereinheit-
lichung und der sich steigernden Verdichtung beruht, unter dem
Einflüsse der in Deutschland allmählich erwachenden Landschafts-
malerei und der Dichtkunst (Rousseau, Haller, Jean Paul, Goethe,
Heine usw.) langsam zu entwickeln. Die ersten Anfänge gehen auf
Chr. Weifs (Wanderungen in Sachsen, 1796), namentlich aber auf
F. G. Leonhardi (Erdbeschreibung der . . . Sächsischen Lande, 1788)
und auf Merkel-Engelhardt (Erdbeschreibung von Kursachsen, 17961.1
zurück. Den Sinn für das Landschaftlich-Schöne weckten dann zahl-
reiche Verfasser von zum Teil recht trefflichen Reiseführern, wälirend
die Geologie die wissenschaftliche Auffassung der Landschaft ver-
tiefte. Zwei Meister aber der geographischen Darstellungskunst,
A. Penck (Das Deutsche Reich, 1887) und F. Ratzel (Deutschland, 1898;
Die Erde und das Leben, 1901), wiesen der Landschaftsschilderung
die Bahnen zu ihrer höchsten Vollendung. A. Wohlrab (Das Vogt-
land als orographisches Individuum, 1899), B. Nestler (Landschaft-
liches aus dem Zschopautale, 1902) und H. Hübler (Ein Landschafts-
bild der Sächsischen Schweiz, 1902) haben diese Bahnen bereits be-
schritten. Für die anderen Gegenden Sachsens fehlen leider noch
ähnliche Arbeiten. Ebenso steht eine zusammenfassende Schilderung
des ganzen Landes noch aus; denn die für Schulzwecke bestimmten
Lehrbücher von Schreyer, Schunke und Tischendorf können nicht
dafür gelten.
Das Ergebnis, zu dem Se^^fert gelangt, ist also im wesentlichen
negativ : „die Landschaftsschilderung, wie sie die moderne Geographie
wünschen mufs, steht noch in ihren Anfängen". Zur Begründung
dieses negativen Resultates aber hat er einen grofsen Apparat in
Bewegung gesetzt. Alle nur denkbaren geographischen Werke über
Sachsen, grofse und kleine, wichtige und unwichtige, hat er zusammen-
getragen, um für das 16. bis iS.'jahrhundert durchweg, für das 19.
meist zu zeigen, dals sich darin nichts findet, was auch nur entfernt
an Landschaftsschilderung erinnern könnte. Dafs Verfasser gewissen-
haft die ganze in Frage kommende Literatur geprüft hat, ist nur zu
billigen. "Aber für die Darstellung wäre es das Richtige gewesen,
nur auf d i e Werke einzugehen, in denen sich ausgesprochene Land-
schaftbeschreibungen oder Ansätze zu Schilderungen finden, alle
anderen aber höchstens ganz kurz zu erwähnen. Hätte sich Verfasser
diese Selbstbeschränkung auferlegt, würtie man seiner Arbeit, die
sich bequem auf den halben Raum hätte zusammendrängen lassen,
uneingeschränktes Lob zollen; denn das darin behandelte Problem
ist höchst beachtenswert.
Literatur.
333
Sonderbar berührt S. 77 die Bemerkung, dafs für den Verfasser
Götzingers weit verbreitetes Buch „Schandau und seine Umgebung"-
nicht zu erlangen gewesen sei.
Dresden. Beschorner.
Erklärung.
Zufolge des Brauchs, Meinungsverschiedenheiten, die sich an
Buchbesprechungen knüpfen, nicht über Re- und Duplik hinaus zu
führen, bin ich verhindert, auch den seiner Duplik eingewebten neuen
Fragen des Herrn Prof. Mucke (S. 182 ff.) und den beigefügten Er-
weiterungen der ersten Kritik eine Beantwortung hier folgen zu lassen.
• F. Tetzner.
Übersieht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze
zur sächsischen Geschichte und Altertumskunde^).
Arnold, Ernst. „Tobacks"- Verbote und Besteuerungen in Sachsen :
Lpz. Tgbl. 1904. Nr. 56. S. 719.
Arras, P. Die Bekenntnisse der Jahre 1433 — 1437 (aus dem Gerichts-
buche 1430 im Bautzner Stadtarchive mitgeteilt): Neues Lau-
sitzisches Magazin LXXX (1904"), i — 21.
Bahmann. Hainichen nebst Umgeloung in Wort und Bild. Chemnitz,
A.Jülich. (1904.) 68 SS. 8*>.
Bamberg. Magister Christian Gerber , Pastor in Lockwitz. Ein
Lebensbild, zum Gedächtnis an dessen Todestag, 25. Mai 1731
(Schlufs): Über Berg und Thal XXVII (1904), 290 — 292.
[Baumgärtel, H.] Die alten Strafsennamen Bautzens: Bautzener
Nachrichten. 1904. Nr. 65.
Berbig. UrkundUches zur Reformationsgeschichte [Brief Herzog
Georgs an den Bischof von Meifsen 1530, Spalatiniana 1533 — 1544]:
Theolog. Studien und Kritiken. 1904. S. i — 31.
„ Einige auf die Kursächs. Visitation v.J. 1528 bezügliche Schreiben,
sowie das Visitationsmandat und die für die fränkische Pflege
erlassene Instruktion: Deutsche Zeitschrift f. Kirchenrecht XIV
(1904), 159 — 189.
Brandenburg, Erich. Politische Korrespondenz des Herzogs und
Kurfürsten Moritz von Sachsen. Zweiter Band. Zweite Hälfte
(1546). Leipzig, B.G.Teubner. 1904. XVIII SS., S. 469— 1064. 8».
*) Vgl. die Übersichten über neuere Erscheinungen zur Ge-
schichte Thüringens von O. Dobenecker in der Zeitschrift des
Vereins für Thürmgische Geschichte und Altertumskunde XXII = N. F.
XIV (1904), 344—361, und der Niederlausitz (auf i902;3) von Hugo
Jentsch in den Niederlausitzer Mitteilungen VIII (1904), 187 — 198.
334
Literatur.
Braun, Hans. Das germanische Gräberfeld der frühen Eisenzeit
von Stetzsch bei Cossebaude unweit Dresden: Dresdner Anzeiger.
Sonntags- Beilage. 1904. Nr. 34. S. 145 f.
ß[uchenau], H. Über einige thüringische Pfennige aus der Zeit
Friedrichs des Kreidigen Markgralen von Meifsen und seiner Ge-
mahhn Elisabeth von Lobdeburg: Blätter für Münzfreunde XXXIX
(1904). Nr. 4. Sp. 3121 — 3126.
/"„/ Ein sächsisches Münzmandat von 151 1 : ebendaNr.6. Sp. 3157— 3161.
„ Zur älteren Münzkunde der Grafschaft Mansfeld: ebenda Nr. 7—9.
Sp. 3167— 3179. 3194— 3201.
Buckivald, Georg. Neue Sächsische Kirchengalerie. Unter Mitwirkung
der sächsischen Geistlichen herausgegeben. Die Ephorie Pirna.
Leipzig, Arwed Strauch. 1904. VI, 1164 Spp. 4°. — Die Diöcese
Zittau. Lief, i — 15. Ebenda (1904). Sp. i — 480. 4".
Carletto. Ernst Graf Napoleon Buonaparte, angeblicher Sohn Na-
poleon I. und der Gräfin Kielmannsegge -Schönberg. Ein unge-
löstes Rätsel des Königreichs Sachsen. Mit Illustrationen und
einer Faksimile -Urkunde des Prinzen. Leipzig, Napoleonverlag
von Schmidt & Günther. 1904. 80 SS. 8".
Giemen, O. Zur Wittenberger Universitätsgeschichte: Zeitschrift für
Kirchengeschichte XXV (1904), 154 — 157.
Colditz, Hugo. Die kirchliche Entwicklung in den Schönburgischen
Recefsherrschaften bis zur Reformation: LInsere Heimat III (1904),
169 — 171. 181 — 183.
Däbritz, H. Ein sächsischer Dorfschullehrer in der Mitte des 19. Jahr-
hunderts (Schlufsj: Pädagogische Studien XXV (1904), 92 — 108.
Dietze, Hugo. Die Geschichte der öffentlichen Handelslehranstalt der
Dresdner Kaufmannschaft 1854 — 1904. Festschrift zum 50 jährigen
Jubiläum der Schule. Dresden, Druck von H. B. Schulze. 1904.
144 SS. 8».
Distel, Theodor^). Neue geschichtliche Hermäa: Zeitschrift für die
gesamte Strafrechtswissenschaft XXIV (1903/4), 794 — 796.
„ Zur behaupteten Heilkraft des Zöblitzer Serpentins: Deutsche
medizinische Wochenschrift XXX (1904), 784.
„ Der Universitätsrektor Krug zu Leipzig in Privatbriefen über die
dortigen Aufrühre 1830: Grenzboten LXIII (1904), II, 262 — 269.
„ Der Sachsenkönig Friedrich August IL: Dresdner Anzeiger. 1904.
Nr. 219.
„ Das seltene Weidmannsbild des vor fünfzig Jahren tödlich ver-
unglückten Sachsenkönigs: W^eidmann XXXV (1903/4). Nr. 46.
Dobenecker, Otto. Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae
Thuringiae. Bd. III. I. Teil (1228 — 1247) Namens des Vereins
für Thüringische Geschichte und Altertumskunde bearbeitet und
herausgegeben. Jena, G.Fischer. 1904. 240 SS. 8".
Döring, Bruno. Ein Brief über die Konzertverhältnisse Bautzens
vor 100 Jahren: Bautzener Nachrichten. 1904. Nr. 115.
Eckardt, M. Briefe aus den Märztagen 181 3 [aus Dresden u. Leipzig] :
Wissenschaftl. Beil. der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 41. S. 161 — 163.
Endler, A. Der W^einbau im Königreich Sachsen: Saxonia I (1903),
529 — 533.
Erbstein, J. Zwei Medaillen des Augsburger Medailleurs C. J. Lehenher
zur Geschichte des Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen:
Münz- und Medaillen-Freund. V (1903). Nr. 60. Sp. 473 f.
^) S. 186 Z. 10 v. u. ist zu lesen „Nachdruck" für Neudruck.
Literatur.
335
Fischer, W. Geschichte des Ko;l. Gymnasium zu Plauen i.V. Sonder-
abdruck aus dem Berichte iiljer die Verwaltung und den Stand
der Gemeindeangelegenheiten der Kreisstadt Plauen i.V. auf die
Jahre 1901 und 1902. Plauen i V. 1904. 20 SS. 8^.
„ Das Achtbuch II des Egerer Schöffengerichtes v. Jahre 1391 — 1668 u.
seine Beziehungen zum Vogtlande : Neue Vogtl. Ztg. 1904. Nr. 113.
„ Der Gemeine Kasten zu Plauen: ebenda Nr. 146.
„ Zu C. von Raab 70 jährigem Geburtstage (nebst einer Übersicht
über die Veröffentlichungen C. von Raabs betr. die Geschichte
des Vogtlandes): ebenda Nr. 163.
„ Die Konrektoren des Gymnasiums zu Plauen: ebenda Nr. 170. 181.
Franz, Reitili. Die Amtshauptmannschaft Annaberg. Beilage zum
Jahresbericht des K. Realgymnasiums zu Annaberg. 1904. 42 SS. 4''.
Fritzsche, H. Geschichtlicher Rückblick auf den Vollzug der öffent-
lichen Kirchenbufse im Königreiche Sachsen : Pastoralblätter
XXXXV(i902/3), 545 — 552.
Gebauer, Ciirt. Die Dresdner Heide. Ein geographisches Land-
schaftsbild. I. Teil. Leipziger Inaug.-Dissert. Leipzig, Druck von
August Pries. 1904. 92 SS. 8**.
Gensei. Juans. Friedrich Preller der Ältere und seine Beziehungen
zu Leipzig: Lpz. Tgbl. 1904 Nr. 208. 210.
Göhler, Albert. Der Riedel -\'erein zu Leipzig. Eine Denkschrift
zur Feier seines fünfzigjährigen Bestehens. Leipzig, Selbstverlag
des Vereins. 1904. 162 SS. 8°.
Gurlitt, Com. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen. Unter Mitwirkung des Kgl.
Sachs. Altertumsvereins herausgeg. von dem Kgl. Sachs. Ministerium
des Innern. 24. Heft: Amtshauptmannschaft Dresden- Altstadt
(Land). Dresden, CG. Meinhold & Söhne (Komm.). 1904. 141 SS. 8*^.
H., L. Abschied von einem Stück Alt-Leipzig [Klostergasse Nr. 13]:
Lpz. Tgbl. 1904. Nr. 181. S. 2449.
HantzsclCViktor. Hieronvmus Megiser, ein Leipziger Geograph vor
300 Jahren: Zu Friedrich Ratzeis Gedächtnis. (^Leipzig, Seele &
Co. 1904.) S. 123 — 140.
Held, Karl. Ernst Julius Otto: Wissenschaftl. Beil. der Lpz. Ztg. 1904.
Nr. 104. S. 413?.
Heubner, Paul Leonhnrd. Der Musterlagerverkehr der Leipziger
Messen. Mit zwei Übersichtskarten. (A. u. d. T.: Zeitschrift für
die gesamte Staatswissenschaft. Ergänzungsheft XI.) Tübingen,
H. Laupp. 1904. 116 SS. 8'^'.
Hiller. Das älteste Peniger Stadtbuch : Wissenschaftl. Beil. der Lpz.
Ztg. 1904. Nr. 47. S. 185!
„ Aus den Visitationsprotokollen des Kgl. Hauptstaatsarchivs zu
Dresden [Superintendentz Rochlitz] 1578 und 1580: Rochlitzer
Tageblatt. 1904. Nr. 146
[„] Aus den Peniger Kirchenvisitationsakten aus den Jahren 1556 und
1575: Penig-Bornaisches und Frohburger Tageblatt. 1904. Nr. 161.
Hof mann, Hans. Zur Geschichte der Leipziger Gesangbücher. Eine
hymnologische Studie. Beilage zum Jahresbericht der I. Stadt.
Realschule zu Leipzig. 1904. 22 SS. 4**.
Jecht, R. Kurzer Wegweiser durch die Geschichte der Oberlau-
sitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz von 1779
bis 1904. Als Festgabe zum 125. Stiftungsfeste verfafst und den
Gesellschaftsmitgliedern dargereicht: Neues Lausitzisches Maga-
zin L (1904), 71 — 112 (mit 9 Taft'.).
236 Literatur.
Jecht, B. Codex diplomaticus Lusatiae superioris II, enthaltend Ur-
kunden desOberlausitzerHussitenkrieges und der gleichzeitigen die
Sechslande angehenden Fehden. Im Auftrage der Oberlausitzischen
Gesellschaft der Wissenschaften gesammelt und herausgegeben.
Bd. III, Heft 5, enthaltend das Register zu den zwei Bänden von
E. A. Seeliger. Görlitz, H.Tzschaschel (Komm.). 1904. S. 747 — 851.
Kästner, Gotthard. Generalmajor von Mayr und sein Freikorps in
Kursachsen. Meifsen, H. W. Schlimpert. 1904. 95 SS. S''.
Kl[einpnul]. Über die ersten „Biedermeiergärten" in Dresden und
Pillnitz: Dresdner Anzeiger. Sonntags - Beilage. 1904. Nr. 27.
S. ii7f.
V. Kügelgen, Ernst. Gerhard von Kügelgen als Porträt- und Hi-
storienmaler. Mit 103 Abbildungen nach Gemälden, Zeichnungen
und Stichen. 2. billige (Titel-) Ausgabe. Stuttgart, Ch. Belser.
1904. V, 123 und 2 SS, S*'.
Kühn. Die sächsischen Bauernunruhen des Jahres 1790 und ihre
Ausbrüche in der Meifsen- Oschatzer Gegend: Mitteilungen des
Vereins für Sachs. Volkskunde III, 6 (1904), 166 — 172.
Laue, M. Sachsen und Thüringen: Jahresberichte der Geschichts-
wissenschaft, im Auftrage der Historischen Gesellschaft zu Berlin
bearbeitet von Ernst Berner. Jahrgang XXV. 1902. (Berlin,
Weidmann 1904.) II, 176 — 220.
Lehm, Kurt üsk. Aus Vergangenheit und Gegenwart der bei Tharandt
gelegenen Orte Hartha, Grillenburg, Fördergersdorf, Hintergers-
Qorf, Spechtshausen und Porsdorf. Nach handschriftlichen An-
gaben und amtlichen Quellen. Dohlen, Selbstverlag des Verfassers.
1904. 27 SS. 8^
Lexis, W. Das Unterrichtswesen im Deutschen Reich. Aus Anlafs
der Weltausstellung in St. Louis unter Mitwirkung zahlreicher
Fachmänner herausgegeben. Bd. I. II. III. IV, i. IV, 2. IV, 3.
Berlin, A. Asher & Co. 1904. 8».
Darin u. a. : W. Stieda, Die Kgl. Sachs. Universität Leipzig
(I, 503 — 534). — F. Gefs, Die Kgl. Sachs. Technische Hochschule
zu Dresden (IV, i, 239—245). — E. Papperitz, Die Kgl. Sachs.
Bergakademie zu Freiberg (IV, 2, 20—29). — M. Neumeister,
Die Kgl. Sachs. Forstakademie zu Tharandt (IV, 2, 58—64). —
Ellenberger, Die Kgl. Sachs, tierärztl. Hochschule zu Dresden
(IV, 2, 153-158).
Löscher, Friedr. Herrn. Ludwig Richter und das Erzgebirge (Fort-
setzung): Glückauf! XXIV (1904), 65 — 69. iii — 114. 150 — 152.
Lüdtke, Franz. Die strategische Bedeutung der Schlacht bei Dresden.
(Berliner Inaug.-Dissert. Februar 1904. Sonderabdruck.) Berlin,
Druck von Franz Unger. 1904. 61 SS. 8*^.
M. Ehrung von Besuchern der Leipziger Messen vor 75 Jahren:
Lpz. Tgbl. 1904. Nr. 223.
Frhr. v. Mansberg, Richard. Erbarmanschaft Wettinischer Lande.
Urkundliche Beiträge zur Obersächsischen Landes- und Orts-
geschichte in Regesten vom 12. bis Mitte des 16. Jahrhunderts.
Bd. IL: Die Mark Meifsen. Mit 5830 Regesten, 15 Taff., 43 Holz-
schnitten. Dresden, Wilhelm Baensch. 1904. VIII, 590 SS. 8".
MfeicheJ. Neustadt im Jahre 1547: Über Berg und Thal XXVII (i904)>
316—319.
Meltzer, Otto. Das Wettiner Gymnasium zu Dresden in den ersten
fünfundzwanzig Jahren semes Bestehens. Dresden, Buchdruckerei
der Dr. Güntzschen Stiftung. 1904. 40 SS. S'*.
Literatur.
337
Merkel, Rieh. Die Leipziger Wohnunp; des Dichters Julius Mosen:
Wissenschaftl. Beil. der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 80. S. 317 f.
Mörtzsch, O Der Zschomen: Über Berg und Thal XX VII (1904), 278.
„ Amt Stolpen anno 1628: ebenda 300—303.
Mosclikdu, A. Denksteine und Gräber von 181 3 in der Oberlausitz.
Zittau, Druck von W. Böhme & Co. 1903. 16 SS. 8".
„ Das Gefecht bei Ebersdorf- Löbau am 9. September 181 3: Sachs.
Pöstillon. 1903. Nr. 222 — 225.
„ Vor und nach Hochkirch im Jahre 1758. Beitrag zur Kriegsge-
schichte der Oberlausitz, insbesondere der Stadt Reichenberg in
Böhmen und deren Umgebung : Jeschken-Jahrbuch. 1904. S. 10 — 21.
„ König Friedrich August von Sachsen in der südlichen Oberlausitz:
Kur- u. Fremdenliste d. Luftkurorte Oybin etc. V(i904). Nr. 13. S. iif.
„ König Albert in Oybin: Der Weitimann XXXV (1904), 404 — 406.
MüUer, Georg. Adam Olearius, ein Orientfahrer des 17. Jahrhunderts:
Wissenschaftl. Beil. der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 15. S. 57 — 60.
Mütze. Unser Wohn- und Heimatort Oberfriedersdorf. Nachrichten
aus seiner Vergangenheit. Ein Büchlein für Jung und Alt zum
Lesen und Nachdenken. Mit einem Bildnis weil. Mstr. Hofmanns,
7 Abbildungen, einer Flurskizze und einer Gesamtansicht unseres
Ortes. Leipzig, A. Strauch. 1904. 205 SS. 8^.
Niedner, Carl. Die Schleinitzkapelle der Afrakirche in Meifsen und
der Dresdner Bildhauer Christoph Walter: Wissenschaftl. Beil.
der Lpz. Ztg. 1904. Nr. iiif. S. 441 — 448.
Petroff, Bobi. Die Politik Friedrich Augusts IL von Sachsen, Königs
von Polen, während des Türkenkrieges 1736 — 39. Leipziger Inaug.-
Dissert. Leipzig, Druck von Osw Schmidt. 1902. 53 SS. 8''.
Pfau, W. Clemens. Über sächsische Sagenforschung: Wissenschaftl.
Beil. der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 64. S. 253 — 256.
„ Der Kranz iin sächsischen Schützenwesen, ein Beitrag zur ge-
schichtl. Volkskunde Sachsens: Unsere Heimat III(i904\ 125 — 128.
„ Die neuesten vorgeschichtlichen Funde in der Rochlitzer Gegend:
Wissenschaftl. Beil. der (Chemnitzer) Allgem. Ztg. 1904. Nr 4. S. 13.
„ Über sächsische Irrlichterforschung: ebenda Nr. 12. 8.45!".
V. Pflugk^Hartiung. Zur militärischen Memoirenliteratur der Be-
freiungskriege des Jahres 181 5 [die Sachsen in Lüttich nach den
Memoiren des Grafen v. Nostitz und v. Müfflings]: Histor. Jahrbuch
XXIV (1903), 575-582-
Rachel, Paul. Die Dresdner Handelsinnung 1654 — 1904. Festschritt
der Dresdner Kaufmannschaft zum 250jährigen Jubiläum der
Dresdner Handelsinnung. Dresden, Verlag der Dresdner Kauf-
mannschaft. 1904. 196 SS. 8°.
„ Die Dresdner Handelsinnung und das 1751 für Sachsen geplante Ta-
baksmonopol: Wissensch. Beil. d. Lpz. Ztg 1904. Nr. 69. S. 273 276.
Reimann, Ernst. Prinzenerziehung in Sachsen am Ausgange des 16.
und im Anfange des 17. Jahrhunderts Dresden, Wilhelm Baensch.
1904. V, 163 SS. 8«
Richter, Otto. Geschichte der Stadt Dresden in den Jahren 1871 bis
1902. Werden und Wachsen einer deutschen Grofsstadt. 2. Auf-
lage. Herausgegeben im Auftrage des Rats zu Dresden. Dresden,
Buchdruckerei der Dr. Güntzschen Stiftung 1904. VIII, 189 SS. 8*^.
[Rudolph, E.] Kriegserinnerun^en eines 102 ers aus dem Feldzuge
1870/71 (Fortsetzung u. SchluTs): Kamerad 1904. Nr. 9. S. 18— 23.
Nr. 10. S. 21 — 23. Nr. 11. S. 21 — 23. Nr. 12. S. 21 — 24. Nr. 13.
S. 22—24. Nr. 14. S. 21 — 24. Nr. 15. S. 13 f. Nr. 16. S. 20 — 24.
Neues Archiv f. S. G. u A. XXV. 3. 4. 22
338
Literatur.
Huvqe. Klemm in den Kirchenbüchern von Hainichen 1557 — 1644:
Klemms Archiv Mitteilun2:en aus der Familien-Geschichte, heraus-
gegeben vom Verbände Klemmscher Familien. Nr 15(1904). S. 89
bis 93.
Schiefir, F Wnlther. Das Predigerkollegium zu St. Pauli in Leipzig.
Seine Einrichtung sowie 42 jähre seines Bestehens in kurzem Ab-
rils geschildert: Wissenschaftl. Beil. der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 88.
s. 349—352.
Schlnncli. Die Ausgrabungen auf dem Schlofsberge zu Dohna. Lock-
witz, Buchdruckerei von P. Welzel 1904. 8 SS. 8"
„ Die wüste Mark Knickwitz bei Duhna: Über Berg und Thal.
XXVII (1904), 292 f.
„ Sachsen im Volksmunde. II. Teil. Ortschaften: Unsere Heimat
111(1903/4), 15—21. 37-40. 65-69. 96—99- 145-147- 153-157-
„ Das Freigut zu Dohna: Pirnaer Anzeiger. Wochen-Beilage. 1904.
Nr. 9.
Schmicl, Olto. Musik am sächsischen Hofe Bd. 6. Ausgewählte
Werke der Instrumentalmusik von Joh. Chr. Schmidt, Chr. Petzold,
Joh. Dismar Zelenka, Joh. David Heiniclien, Joh. Adolf Hasse,
Christlieb Siegmund Binder und J0I1. Gottlieb Naumann für Kla-
vier bearbeitet. Leipzig, Brüssel, London, New -York, Breitkopf
& Härtel. (1904.) XII, 36 SS. foL
Schmidt, 1-terlhold Die Reufsen. Genealogie des Gesamthauses
Reufs älterer und jüngerer Linie sowie der ausgestorbenen
Vogtslinien zu Weida, Gera und Plauen und der Burggrafen zu
Meifsen aus dem Hause Plauen Im Auftrage Seiner Durch-
laucht Heinrichs XIV., Regierenden Fürsten Reufs j. L. und
Fürstregenten Reufs ä. L. Schleiz, F.Webers Nachf. 1903. IX,
70 SS. fol.
V. Schroed> r, Fei Die Verlegung der Büchermesse von Frankfurt a. M.
nach Leipzig. (^Volkswirtschaftl. und wirtschaftsgeschichtl. Ab-
handlungen, bearbeitet vwnW. Stieda. Heft 9.) Leipzig, Jäh &
Schunke. 1904. VI, 83 SS. 8».
Schulze, Theodor. Die kursächsische Politik und der böhmische Auf-
stand 1619- 1620. Leipziger Inaug.-Dissert. Borna-Leipzig, Druck
von Rob. No.ske. 1904. VIH, 113 SS. 8".
[Schuriy, E.j Die sächsischen Zahlmeister: Kamerad. 1904. Nr. 17.
S. 9. Nr 18. S. 9f.
/"„y Anekdoten aus dem Leben des Kronprinzen Friedrich August :
ebenda Nr. 21. S 10 f.
Schwahe, E. Lateinische Übersetzungsaufgaben sächsischer Sekun-
daner aus dem XVI., XVII. und XVIII. Jahrhundert: Neue Jahr-
bücher für Pädagogik. Jahrgang 7 (1904), XIV, 140 — 161.
V. Scliivrn-tz, K. Die Entwicklung der Leipziger Mission. Vortrag.
Leipzig, Ev.-Luth. Mission. 1903. 21 SS. 8".
Schlecht, Fr. Ad. Altes und Neues aus Röhrsdorf bis 1903. Limbach,
Druck von F. G. Grofse. 24 SS. 8''.
Seijnitz, Engen. Joh. Seb. Bach und die Johannes-Passion: Lpz. Tgbl.
1904. Nr. 158.
„ Carl Reinecke. Zu seinem 80. Geburtstage: ebenda Nr 315.
Soraeiifrey, Theodor. Die Abiturienten des Rektors J. H. Lipsius, ein
Beitrag zur Geschichte der Nikolaischule zu Leipzig im 19. Jahr-
hundert. Leipzig, H. Haessel Verlag. 1904. 40 SS. 4**.
Speck, Oskar. Pirna als Artilleriegarnison vor hundert Jahren: Pir-
naer Anzeiger. Unterhaltungs- Beilage. 1904. Nr. 134
Literatur.
339
Spovsel, Jeav Louis. Johann Melchior Din<ilino;er und seine Werke.
Mit 20 Abbildungen. Aus Anlafs der Enthüliun<.i der üinglinsjer-
Gedenktafel am Geburtshause des Künstlers in Biberach a. d. Rifs
gewidmet von dem \'orsitzenden des \'ereins der Juweliere, Go'.d-
und Silberschmiede Württembergs Emil Foehr. Stuttgart, Druck
der J. B. Metzlerschen Buchdruckerei 1904. 70 SS. 8".
St., G. Alt-Lripzig in französischer Beleuchtung: Mufsestundcn,
Wochen -Beilage des Lpz. Tgbl. I (1904), 72.
Störzner, Fr. B>rnh. Sage von der Erbauung der Kirche zu über-
helmsdorf: Über Berg und Thal XXVII (1904), 2 99 f.
„ Der Seigerturm der Burg Stolpen: Saxonia I (1903), 120 — 122.
StUbhr, Joli. Anthropogeographische Studien in der Sachs. Schweiz.
Leipziger Inaug.- Dissert" Leipzig, Druck von C.G Naumann.
1903. 72 SS. nebst 2 photograph. Landschaftsbildern und 3 Karten-
skizzen.
Thieibach, M Die Handfeuerwaffen der sächs. Armee. Nach den
Akten des Hauptzeughauses und des Hauptstaatsarchivs (Fort-
setzung undSchlufs): Zeitschrift für histor Waffenkunde. Bd. III.
Heft 6 f. (1904.) S. 160 — 170. 191 — 199.
Tille, Armin. Eine Passionsspiel -Aufführung zu Weihnachten 1843:
Mitteilungen des Vereins für sächs Volkskunde III, 6 (1904), 1851.
Tittel, A. Die Verfolgung der Evangelischen in Platten und Grün-
dung von Johanngeorgenstadt: Unsere Heimat III (1903/4), 73—83.
Tykocivxki. Die Fürsorge der Leipziger Bürgerschaft für die Thomas-
schule: Wissenschaft!. Beil. der Lpz. Ztg.i 904. Nr. 67. S. 265 - 2G7.
Uli/ijh Georg. Die Stadtbibliothek zu Kanienz: Neues Lausitzisches
Magazin LXXX (1904), 22 — 33
Weber, Ludiviq. Das Römische Haus in Leipzig: Lpz. Tgbl. 1904.
Nr. 4. S. 46.
Weinhold, E. Der Fichtelberg im sächsischen Erzgebirge (1213 in)
und seine Umgebung nach Natur, Geschichte, Sage und Leben:
Glückauf! XXIV (1904), 49—52.69 — 71. 85— 94. 114 — 121.125 — 136.
145 — 150. Auch als Sonderabdruck erschienen.
„ Aus dem Lebensgange der Gemeinde Hilbersdorf: Chemnitzer
Tageblatt und Anzeiger. 1904. Nr. 143. S. 14!
W^eise, A. Früherer Bergbau in der Südlausitz und in Nordböhmen:
Gebirgsfreund XVI (1904), 70 — 72.
Wenck. Aus Bornas Vergangenheit: Adrefsbuch der Stadt Borna.
1904. S. IX-XVL
IWidemnnn, J. E.j Geschichte des Linckeschen Bades. Nach Aus-
zügen aus dem Kgl. Haupt -Staatsarchiv, dem Ratsarchiv und
anderen historischen Quellen zusammengestellt 1901. Dresden,
Buchdruckerei Alwin Risse. 48 SS. 8".
WUsriorf, Oscar. Gräfin Charlotte v. Kielmannsegge. Ein Lebens-
bild avis der Zeit der Romantik. Nach historischen Quellen be-
arbeitet 2. neu durchgesehene Aviflage. Dresden und Leipzig,
Heinr. Minden. 1904. 80 SS. 8''.
Wolf, Bernh. Die Sankt Annenkirche in Annaberg: Unsere Heimat
III (1904), 216 — 218. 230 — 235.
V. Wfolff'ersdorf'j, E. Die von Wolffersdorff und von Ende. Nacli
dem vorhandenen Quellen-Material zusammengestellt. [Bayreuth.
1904.] 49 SS. 8**.
Ziekursch. JoJi. Sachsen und Preufsen um die Mitte des i8.Jahrh.
Ein Beitrag' zur Geschichte des (Österreich. Erbfolgekrieges. Breslau,
M & H. Marcus. 1904. VII, 228 SS. 8».
22'
240 Literatur.
Zimmermann, E. Die Dresdner Hofsilberkammer: Die Woche. 1904.
Heft 14. S. 613 — 617.
„ Porzellanfiguren einst und jetzt: Dresdner Anzeiger, Sonntags-
Beilage. 1904. Nr. 21. S 89!'.
„ Die Inkunabeln des Meifsner Porzellans: Jahrbuch der Kgl. Preufs.
Kunstsammlungen 1904. Heft III. S. 159 — 174.
Zimmermann, Rud. Schlofs Kriebstein: Saxonia I (1903), 78 — 80.
Zinck, P. Die mythischen Volkssagen des sächs. Erzgebirges: Saxonia
I (1903), 97 — 103. 160 — 166. 193 — 202.
„ Leipziger Lotterien: Wissenschaftl. Beil. der Lpz. Ztg. 1904. Nr. 42 f.
S. 165 — 172.
Vor 50 Jahren. [Zur Erinnerung an den Tod König Friedrich
Augusts II]: Lpz. Tgbl. 1904. Nr. 68. S. 857.
Ein Gedenkblatt für Ottilie Döring [f 1903] und Sidonie Gröppler
[f 1904]: ebenda Nr 158. S. 2107.
Aus den Repertorien des Freiherrlich v. Frie senschen Familien-
archivs zu Rötha. Rötha, Druck von G. Apitz. 1904. 27 SS. S^.
Eine Beschreibung der Stadtflur [von Grimma] vom Jahre 151 3:
Nachrichten für Grimma und Umgegend. 1904. Nr. 86.
Zur Geschichte der Familie von Hausen: Dresdner Journal. 1904.
Nr 123. S. 1063.
Bausteine zur Geschichte der Marienberger Klemm VI, VII: Klemms
Archiv. Mitteilungen aus der Familien-Geschichte, herausgegeben
von Verbände Klemmscher Familien. IL Nr. 13. 15. (1904.) S. i
bis 24. 93 — 100.
Klemm im Schönburgischen: ebenda Nr. 14 (1904). S. 46!
Leipzig im Jahre 1904 Herausgegeben aus Anlafs der Beteiligung
Leipzigs an der Weltausstellung in St. Louis. Leipzig, J.J.Weber,
(1904.) 115 SS. fol.
Leipzig in Geschichten und Bildern. Heimatkundliche Lesestücke
zur Ergänzung der Leipziger Schullesebücher. Herausgegeben
von einer Kommission des Leipziger Lehrervereins. Leipzig,
Dürrsche Buchhandlung. 1904. 160 SS. 8".
Eine Stimme über Leipzig aus dem Jahre 1834: Lpz. Tgbl. 1904. Nr. i.
Das alte Leipziger Rathaus: ebenda Nr. 245.
Aktenstücke zur Geschichte des Meifsner Domes. Herausgegeben
von dem Vorstande des Meifsner Dombauvereins. (A. u. d. T.:
Veröffentlichungen des Meifsner Dombauvereins. II.) Meifsen,
Druck von C. E. Klinkicht & Sohn. 1904. 20 SS. fol.
Joh. Traug Mutschink: Gebirgsfreund XVI (1904), 33 — 36.
Geschichtliches [über OelsnitzJ: Adrefsbuch der Stadt Oelsnitz i.V.
1904. S. 4 — 1 1.
nnn- Sächsische Städtebilder. Oschatz: Lpz. Ztg. 1904. Nr. 76.
S. 1212 f.
Vom Berge Oybin: Gebirgsfreund XVI (1904), 73 f.
Beiträge zur Geschichte der Postsäulen, i. Die Postsäule zu
Zwönitz: Unsere Heimat III (1904), i57f.
Aus Schneebergs Vergangenheit (Fortsetzung und Schlufs): Glück-
auf! XXIV (1904), 52—55. 72—75.
Zur Erinnerung an die grofse Wassernot, von der vor 100 Jahren,
am 14. Juni 1804, die Lausitz etc. heimgesucht wurde: Bautzner
Nachrichten. 1904. Nr. 133.
Literatur.
341
Blätter für die Geschichte der sächsischen Armee. Beilage zum „Ka-
merad". 1904. Nr. 3 — 6.
Inhalt: [E. R. Freytag,] König August der Starke als Militär.
— [Ders.,] Ein Brief des Kommandeurs vom „Kurprinzlichen Leib-
regiment" an den Chef desselben [1688 — 1692]. — [Ders,] Eine
Dichtung über das Zeithayner Lager aus dem Jahre 1730. — [Ders.,]
Die Sachsen im Nordischen Kriege.
Dresdner Geschichtshlätter, herausgegeben vom Verein für Geschichte
Dresdens. XIII. Jahrgang. 1904. Nr. 2. 3.
Inhalt: P. Rachel, Aus dem Testamente Elisas von der Recke.
— H. Beschorner, Die Hoflöfsnitz bei Dresden (Schlufs). —
O. R[ichter], Treitschke und die Kreuzschule. — Viktbr
Hantzsch, Zur Geschichte des geistigen Lebens in Dresden
vor 300 Jahren. — O. Lehmann, Zur Geschichte des Augustus-
brückenzolls.
Festschrift aus Anlafs der 10 jährigen Stiftungs-Feier der Museums-
GeselLschaft zu Flauen (Vogtländer Museum). Herausgegeben
vom Vorstand der Museums -Gesellschaft. Plauen i.V., Moritz
Wieprecht. 1904. 116 SS. 8*^.
Inhalt: O. Metzner, Die Museums - Gesellschaft zu Plauen in
den ersten zehn Jahren ihres Bestehens. — Voigt, Zwei geschicht-
lich interessante Häuser in der Königsstrafse (mit 5 Abb.). —
Voigt, Die Kämpfe bei Plauen in den Kriegsjahren 1639 und 1640.
— Sc hui 1er, Zu Julius Mosens vaterländischen Gedichten. —
E. Weise, Ein geologisches Profil durch die Stadt Plauen. —
Johnson, Schlofs Everstein. — A. Liebold, Ein Gang durch das
Vogtländer-Museum. — R. v. Larisch, Plan von Plauen.
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländ.
Sprnche und Altertümer in Leipzig. Bd. X. Hefti. Leipzig. 1904.
75 SS. 80.
Inhalt: Beiträge zur Geschichte der Universität Leipzig.
I.W. Stieda, Die Universität Leipzig im Sommer-Semester 1904.
2. W. Heinz e. Das Königliche Konvikt an der Universität Leipzig.
Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. V. 16. Jahresschrift
auf die Jahre 1903 — 1904. Herausgegeben von Chr. A. Scholtze.
Plauen i.V., Rudolf Neupert jun. (Komm.). 1904. VIII, 200 SS. 8".
Inhalt: C. v. Raab, Aufgebot, Romzug und Türkensteuer im
Vogtlande Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts. —
Ders., Der Besitz des Klosters zu Plauen. — Ders., Ein Bei-
trag zur Geschichte von Rittergut, Dorf, Pfarre und Schule
zu Leubnitz i. V. und das Gerichtsbuch vom Jahre 1573. —
Ludwig, Mag. Johannes Petzold, Pfarrer in Altensalz von 1647
bis 1691. — D. Ö. Philipp, Freischein für einen vogtländischen
Rekruten aus dem Jahre 1758. — W. Fischer, Geschichte
der Schule zu Oberlosa bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts. — Ders., Eine Säckung in Plauen im Jahre 1683. —
Franz Hellriegel, Aus den Akten: „Den Hofzug der Maurer
und Zimmerleute betreffend". — Kunz v. Brunn gen. von Kauf-
fungen, Die von Kauffungen. Nachträge und Berichtigungen
zu der gleichnamigen historisch-genealogischen Studie C. v. Raabs.
— J. Zemmrich, Die vogtländische Landschaft einst und jetzt.
— M. Benedict, Die Gründung von Rautenkranz und Sachsen-
grund. — Ders., Urkundenabschrift, die Gründung von Zeug-
haus betr.
^12 Literatur.
Hierzu als Beilaoreheft: C. v. Raab, Das Amt Pausa bis zur
Erwerbung durch Kurfürst August von Sachsen im Jahre 1569
und das Erbbuch vom Jahre 1506. 124 SS. 8".
M'iäeihingen vom Fieiberger Altertnmsvercin mit Bildern aus Freibergs
Vergangenheit. Herausgegeben von Konrad Knebel. 39. Heft.
Freiberg i. S., Gerlachsche Buchdruckerei. 1903. 184 SS. 8".
Inhalt: Knebel, Weihe des König- Albert-Museiims. — Ders.,
Rot-, Zinn- und Glockengiefser Freibergs. 5. Beitrag zur Kenntnis
des älteren Kunsthandwerks in Sachsm. — Wappler, Oberberg-
hauptmann Siegmund August Woligang Freiherr von Herder. —
Wen gl er, Kurzer Grubenbericlit von Christbescherung Erbst, zu
Grofsvoigtüberg, gefertigt im Quartal Reminiscere 1793 von Leo-
pold von Buch. — Th. Distel, Drei Briefe Abraham Gottlob
Werners an Karl August Böttiger. — Ders., Stilproben der Kur-
fürsten Moritz und August. — Knebel, Erwerbung des Freiberger
Münzfunds vom Jahre 1896 — Ders , Erster und zweiter Grois-
schirmaer Münzfund. — Ders., Freiberger Münztund vom Jahre
1903. — Ders., Die König-Albert-Büste im König-Albert-Museum
— Wie es anno 1670 auf der Burgstrafse aussah.
Schriften den Vereins für die (jeschic/ife Leipzi(is. 7. Band. Leipzig,
Selbstverlag des Vereins. 1904. 291 SS. 8".
Lihalt: F. Max Nabe, Die vorgeschichtliche Besiedelung der
Leipziger Gegend (mit 4 Kärtchen). — B Fr. Richter, Da^ Innere
der alten Thomasschule (mit 6 Grundrissen). — Ed. Mangner.
Die Er.-5te Leipziger Liedertafel. — Rob. Jahn, Das Lölsniger
Schulwesen. — E. Kroker, Hans Pfriem im Märchen und im
Weihnachtsspiel. — P. Benndorf, Ritter Hans von Gehofen auf
Gautzsch (mit Taf. I). — Armin Tille, Ein Humanist [Erasmus
Sarcerius] über Leipzig. — A. Kurzwelly. Mitteilungen aus
unseren Vereinssammlungen (Taf. II — IV). — Julius Vogel, Ein
Brief Chodowieckis an Anton Graff. — E. Kroker, W^ie 1627 in
Lucka das W^eichbild bezogen wurde.
Voijtländische Fnrschuvfjen. (Seiner Exzellenz Herrn General der
Infanterie z. D. Dr. Gurt von Raab zum 70. Geburtstage gewidmet
vom K. Sachs. Altertumsverein , dem Altertumsverein zu Plauen
i.V., dem Vogtland. Altertumsforschenden \'erein zu Hohenleuben
und dem Geschichts- und Altertumsverein zu Schleiz.) Dresden,
Wilhelm Baensch. 1904. 124 SS. 8".
Inhalt; Berthold Schmidt, Nochmals: Arnold von Quedlin-
burg und die ältesten Nachrichten zur Geschichte des Reulsischen
Hauses — C. Angermann, Vogtländische Familiennamen. —
H. Ermisch. Aus dem vormaligen Ratsarchiv der Stadt Elster-
berg — William F'ischer, Das Regelhaus der Sammlung der
.Schwestern der dritten Regel zur Bufse des h. Dominikus und
die Beteiligung des Rates an der Säkularisierung des Klosters zu
Plauen.
Nachrichten.
Die (iescllscliaft für Siiclisisclie Kircheng'escliichte wurde im
Jahre 1882 zur Erforschung, Samnihing, Erhaltung, Veröffentlichung
und Bearbeitung aller auf die Kirchengeschichte des Königreichs
Sachsen bezüglichen Urkunden und Nachrichten und insbesondere
zur PÜege der Spezialijeschichte der einzelnen Kirchengemeinden
begründet. Mitglieder sind alle diejenigen Kirchen, Vereine, Biblio-
theken und Einzelpersonen, die sich zur Abnahme des in der Regel
alljährlich erscheinenden Heftes des Vereinsorgans, der „Beiträge
zur sächsischen Kirchengeschichte", verpflichten. Den Vorstand
bilden zur Zeit Oberkonsistorialrat Sup. D. Dr. Dibelius-Dresden und
Geh. Kirchenrat D. Dr. Brieger- Leipzig als erster und zweiter Vor-
sitzender, Pfarrer Lic. Flade-Dresden als Schriftführer.
Auch für die Provinz Sachsen hat sich im Laufe des Jahres 1903
ein Verein für Kirclieiigescliiclite gebildet, der am 5. Oktol)er 1903
seine erste Versammlung in Halle a. S. abhielt. Eröffnet wurde sie
von dem Konsi^torialpräsidenten Glasewald - Magdeburg, dem .sich
General-Supeiintendent D. Vieregge mit einer Ansprache anschlofs.
Es folgten Vorträge des Archivdirektors Dr. Ausfeld- Magdeburg,
des Oberpfarrers Dr. Büchting- Eilenburg und des Predigers Arndt-
Halberstadt über Wert und Nutzen der lokalen Kirchengeschichts-
schreibung. Nach Beratung und Genehmigung der Satzungen
wurden in den engeren Vorstand gewählt: Prediger Arndt-Halber-
stadt, Konsistorialrat Dr. Caspar- Magdeburg, Archivrat Dr. Jacobs-
Wernigerode, Pastor Könnecke- Eisleben, Superintendent 'Müller-
Calhe a. d. Milde, Archidiakonus Pallas-Herzberg a. d. Elster, Pfarrer
Radlach-Gatersleben, Senior und Superintendent D. Dr. Bärwinkel-
Erfurt, Bauinspektor a. D Jaehn-Magdeburg. Der Sitz des Vereins
ist Magdeburg. Kegel mäfsige Vorträge sind vorläufig nicht in Aus-
sicht genommen, es werden solche aber jedenfalls auf der alle drei
Jahre in einer der gröfseren Städte der Provinz stattfindenden
Hauptversammlung des Vereins gehalten werden. Die Gründung
einer Provinzial- Kirchenbibfiothek für die Mitglieder des Vereins
wurde gleichzeitig beraten. Als Vereinsorgan dient die „Zeitschrift
des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen, von der
inzwi-schen das erste Heft erschienen ist (Kommissionsverlag der
Evangelischen Buchhandlung, Ernst Holtermann, Magdeburg). Es
enthält aufser geschäftlichen Mitteilungen einen Aufsatz vom K.
Archivar Dr. G. Liebe-Magdeburg: „Die Ausbildung der Geistlichen
im Herzogtum Magdeburg bis zur Kirchenordnung von 1739", zwei
Kapitel eiiier gröfseren Arbeit des Superintendenten H. Ncbelsieck in
244 Nachrichten.
Liebenwerda : „Reformationsgeschichte der Stadt Mühlhausen i. Th.",
endlich kleinere Mitteilungen und Bücherbesprechungen. Die Mit-
gliederzahl des Vereins, die bei seiner Gründung 300 betrug, soll sich
bereits auf 600 gesteigert haben.
Der Kgl. Sächsische Altertumsverein unternahm am 4. Juni
seinen diesjährigen Studienausflug. Auf Vorschlag des Geh. Hofrat
Prof. Gurlitt waren drei Herrensitze der Radeberger Gegend als
Ziel gewählt worden: Wach au, wo Rittergutsbesitzer Kühne eine
reiche Sammlung von Kunstschätzen und Altertümern vereinigt hat,
das gräflich Brühische Schlofs Seifersdorf, das sowohl baulich
als durch treffliche Porträts und Handzeichnungen und vor allem
durch die berühmte Sammlung kostbarer Porzellane interessant ist,
endlich das prinzlich Schönburgsche Schlofs Hermsdorf, das
namentlich vorzüglich erhaltene Gobelins des 17. Jahrhunderts auf-
zuweisen hat.
Der Verein für Geschichte Dresdens machte am 12. Juni unter
Beteiligung von 80 Mitgliedern mit Sonderzug einen Studienausflug
nach Görlitz. Nach einem Abstecher auf die Landeskrone wurden
die zahlreichen architektonischen Sehenswürdigkeiten der Stadt,
namentlich auch das Rathaus und die Peterskirche, besucht und so-
dann die kurz vorher eröft'nete Ruhmeshalle mit den Museen für
Kunst und Wissenschaft eingehend besichtigt. Die Vorbereitungen
und die Führung hatte Museumsdirektor Feverabend mit mehreren
anderen Mitgliedern dortiger Vereine übernommen. — An die Ver-
einsmitglieder ist Anfang September das 24. Heft des Gurlittschen
Inventarisationswerks in einer mit Genehmigung des Ministeriums
veranstalteten Sonderausgabe unter dem Titel „Die Kunstdenkmäler
von Dresdens Umgebung, Heft i" verteilt worden.
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaft zu Görhtz
feierte am i.Juni d.J. ihr 125 jähriges Jubiläum durch eine Festsitzung
unter Vorsitz ihres Präsidenten Kammerherrn von Wiedebach-Nostitz.
Als Vertreter der preufsischen Regierung waren anwesend Staats-
minister Freiherr von Hammerstein, Regierungspräsident von Seherr-
Thofs, Obeiregierungsrat Ukert, als Vertreter der sächsischen Kreis-
hauptmann von Schheben. Ferner hatten die Stände der Ober- und
der Niederlausitz, die Sechsstädte und zahlreiche Gesellschaften und
Vereine Deputationen geschickt. Nach einer Reihe von Beglück-
wünschungs- Ansprachen hielt der Sekretär der Gesellschaft Professor
Dr. Jecht die Festrede. Unter den anläfslich der Feier ernannten
Ehrenmitgliedern der Gesellschaft nennen wir den um die Ge-
schichte der Niederlausitz verdienten Archivrat Dr. Lippert und den
bekannten Dichter Joh. Andr. Freiherrn von Wagner (Joh. Renatus)
in Dresden.
Der Verein für die Geschichte Leipzigs zählt z. Z. ca. 400 Mit-
glieder Der Vorstand setzt sich zusammen aus: Oberlehrer Ed.
Mangner und Stadtbibliothekar Dr. Kroker (i, und 2. Vorsitzender),
Kauimannn C. Poll (Schatzmeister), Lehrer Ed. Bachmann und Buch-
händler H. Schulz (i und 2. Schriftführer), Direktorialassistent Dr.
Kurzwelly (Sammlungsvorsteher), Stadtrat Dr. Wagler und Pfarrer
D. Buchwald (Beisitzer) Im vergangenen Jahre hielten Vorträge
Schulrat Prof. D. Dr. Müller über Leipziger Orientfahrer des 17. Jahr-
hunderts, Stadtbibhothekar Dr. Kroker über die Entstehung der
Leipziger Kommunalgarde, Organist Richter über das Innere der
Nachrichten. 345
alten Thomasschule , Schuldirektor Dr. Pahner über Leipziger
Schrebervereinsbestrebungen vor Schreber, Direktorialassistent Dr.
Kurzwelly über das Leipziger Barock, Dr. Armin Tille über eine
Beschreibung Leipzigs aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
und über Leipziger Handelsbücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert,
Pastor Hanitzsch über die Gründung des Thomasstiftes und der
anderen gottesdienstlichen Stätten Leipzigs, Prof. Dr. Julius Vogel
über Lenbach und seine Gemälde im Leipziger Museum, Dr. Paul
Zinck über Leipziger Lotterien. Am 12. Mai wurde ein Studien-
austlug nach Lausigk, Geithain und Colditz unternommen.
Am 18. Januar beging die Museumsgesellscliaft zu Plauen i. V.
ihr zehnjähriges Stiftungsfest. Die Gesellschaft hat die satzungs-
gemäfse Aufgabe, „alles Volkstümliche aus alter und neuer Zeit im
gesamten Vogtlande und in den angrenzenden Gebieten zu erhalten,
zu sammeln, wissenschaftlich zu bearbeiten und das Interesse und
Verständnis dafür zu wecken". Sie veranstaltet deshalb von Zeit
zu Zeit Vortragsabende und hat unter dem Namen Vog^tläiider
Museum eine stattliche Sammlung von Bildnissen und Werken her-
vorragender und verdienstvoller Vogtländer, darunter auch Original-
werke vogtländischer Künstler, von Landschafts- und Städtebildern,
Büchern und Karten, Autographen und Urkunden, vogtländischen
Ansichts- und Künstler-Postkarten, Waffen, Münzen, Gegenständen
der kirchlichen Kunst, Modellen, Innungsgegenständen, Hausgeräten,
Kostümen und Erzeugnissen der heimischen Industrie u. dergl m.
zusammengebracht, die gegenwärtig im Obergeschofs des alten
Handelsschulgebäudes aufgestellt und seit dem vorigen Jahr jeden
Sonntag unentgeltlich geöifnet ist. Die Gesellschaft besteht zur Zeit
aus 426 Mitghedern; den Vorstand bilden die Seminaroberlehrer
Metzner und Edm. Voigt als i. u. 2. Vorsitzender, Kaufmann Leippert
als Kassierer u. Archivar, die Bürgerschullehrer Schmidt und Liebold
als I. und 2. Schriftführer, Kaufmann Buchbinder und Amtsrichter
Dr. Otto als i. u. 2. Museumsverwalter und 6 Beisitzer. In 11 vogt-
ländischen Ortschaften hat die Gesellschaft Pfleger. Anläfslich des
Stiftungstestes erschien als erste Veröffentlichung der Gesellschaft
eine hübsch ausgestattete Festschrift, deren Inhalt wir oben in der
„Übersicht" angegeben haben
Der AltertuinsTerein für Zwickau und Umgegend wurde be-
gründet am 8. Dezember 1885 und zählt gegenwärtig etwa 115 Mit-
glieder. Mitglieder des Vorstandes sind : Prof. Dr Fabian, Vorsitzen-
der, Geh. Kegierungsrat Dr. jur. Ayrer, stellvertr. Vorsitzender,
Pastor Klotz, Schriftführer, Bankdirektor Harms, Schatzmeister,
Gymnasialoberl. Lic. Dr. Giemen, Bibliothekar, ferner Landrichter
Herold, Baumeister Frey, Prof. Dr. Hofmann, Prof. Dr. Langer.
Vorträge hielten im Winter 1903/4: 12 November 1903 Prof. Dr.
Lano;er (Die Bäckerinnung von Zwickau um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts und Mitteilungen aus den im Knopfe des Seigerturms am
Gewandhaus befindlichen Papieren), am 17. Dezember 1903 Prof. Dr.
Fabian (Die Ergebnisse der 2. Zwickauer Kirchenvisitation 1533), am
25. Februar 1904 Prof. Dr. Fabian (Ein Beitrag zur Geschichte der
Kornzölle, unter Bezugnahme auf zwei Erlasse des Zwickauer Rats
von 1530 und 1531), Dr. Giemen (Über das Zwickauer Modellbuch)
und Prof. Dr. Langer (Ein Zwickauer Maler in der 2. Hälfte des
15. Jahrhunderts und Bericht über die zahlreichen im Ratsarchiv
aufgefundenen Quittungen aus dem 15. Jahrhundert).
346
Nachrichten.
Die diesjährige Hauptversainmlung des Gesamtvereins der
deutscheu treschichts- und Altertumsvereiue fand in den Tagen
vom 8 bis ii. August in Danzig statt. Von den säch.sischen Ver-
einen waren der Kgl. Sachs. Altertums verein und die Altertumsver-
eine zu Freiberg micl Meifsen sowie der Verein für sächsische Volks-
kunde vertreten. Die Lage des Versammlungsortes macht es erklärlich,
dafs die Verhandlungen diesmal die Geschichte Sachsens kaum be-
rührten. In den allgemeinen öffentlichen Versammlungen sprachen
Stadtschulrat Ur Damus- Danzig über Danzig in Ge.schichte und
Kunst, Prof. Dr. Krauske-Königsberg übtr König Friedrich Wilhelm I.
und Archivrat Dr. Bär-Danzig über die gesciiichtliche Entwickelung
der Provinz Westpreulsen Von Interesse war das in den Abteilungs-
verhandlungen erstattete Referat des Archivrat Prof. Dr. Warschauer-
Posen über die Erforschung der Geschichte der deutschen Kolonisation
im Osten, das auf eine Reihe auch für uns wichtiger Probleme über
die mittelalterliche Besiellung der Slavenländer durch Deutsche
hmwies; der Korreferent Oberlehrer Dr. Schumacher ging auf die
Kolonisation Ostpreufsens im 15.— 17. Jahrhundert näher ein. In der
5. Abteilung berichtete Generalmajor Frh. v. Friesen -Dresden über
die Ciründung des Verbandes deutscher volkskundlicher Vereine und
befürwortete'^ die Beibehaltung der neuerdings begründeten volkt,-
kundlichen Abteilung des Gesamtvereins, der auch allseitig zuge-
stimmt wurde. Eingehende Mitteilungen über die Versammlung
werden die im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins und in Sonder-
abdruck demnächst erscheinenden Versammlungsberichte bringen.
Die Stadt JoLaung'eorg-enstadt feierte am 21. bis 23. Februar 1904
ihr 25ojähriges Stadtjubiläum. Es fand bei dieser Gelegenheit eine
Ausstellung von Altertümern in der Aula der dortigen Bürgerschule
statt, die zur Gründung eines Vereins für die Geschichte der Stadt
und eines Ortsmuseuras den Anlafs gegeben hat.
In der neuerdings abgebrochenen Hospitalkirclic zu Rochlitz
wurden am 8. April die Grüfte geöffnet. In der um 1700 angelegten
Erbgruft des Bürgermeisters Zschaasche fanden sich Überbleibsel
von Särgen, Skeletten und Kleidungsstücken, auch einige Schmuck-
stücke ohne erheblichen Wert. Die in der Mitte befindlichen Grab-
steine sind aus dem 16. Jahrhundert; doch sind darunter, soweit
sich ermitteln liefs, Personen aus dem Ende des 18. und Anfang des
19. Jahrhunderts beigesetzt worden Zwei dieser Grabsteine gehören
der' Fanidie Mathesius an (darunter der Rochlitzer Bürgermeister
Melchior M. f 1568). Das interessanteste Stück war eine Grabplatte
aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, die sich bei Umlegung einer
Tritt platte vor dem Altar fand; sie zeigt weder Zahl noch Schritt,
sondern nur ein auf einem halbkreisförmigen Bogen stehendes latei-
nisches Kreuz und auf dem Stamme des Kreuzes ruhend ein Wappen-
schild mit aufrechtem Löwen, belegt mit einem schräglinken Balken.
Das Kreuz, das sich auch auf anderen Grabsteinen der Rochlitzer
Gegend findet, ist wohl das Ordenskreuz der Deutschherren, die im
benachbarten Zschillen ihren Sitz hatten, das Wappen bezeichnet
die Familie des bestatteten Ritters. Endlich zeigt der porphirne
Altartisch ein Steinmetzzeichen in Gestalt eines Pfeils, das sich auch
am Hauptportal der Kirche zu Penig findet und der Zeit um 1500
angehört, ein viereckiges Loch für eine Reliquienkapsel und im
Innern einen stark wurmstichigen Holzkasten, zu dem eine zugesetzte
und überputzte steinerne Türöffnung führt.
Nachrichten. ß^y
An der Stätte der von Markgraf Wilhelm I. 1402 eroberten und
teilweise zerstörten und im Laute des 15. Jahrhunderts völlig zer-
fallenen Burg Dohua, wo schon im Anfange des 19. Jahrhunderts
Nachforschuni^en stattfanden, hat der im vorigen Jahre begründete
Ortsausschufs der Stadt Dohna neuerdings Nachgrabungen veran-
staltet. Dabei wurden auf der westlichen Seite des Plateaus Um-
fassungsmauern eines Gebäudes und eine Pforte freigelegt, die über
2 Meter im Schutte vergraben lagen Neben Knochen und Scherben
leils aus prähistorischer ZJt, teils aus dem früheren Mittelalter, fanden
sich Pfeilspitzen, Sporen, Rüstungsteile untl anderes Eisengerät, ein
geschnitztes Hornbüchschen, ein Scheidenfragment für Dolch oder
Hirschfänger; die Fundstücke sind im Schiefshause zu Dohna ausge-
stellt. Im Herbst sollen weitere Ausgrabungen voro;enommen werden,
die hoffentlich den Grundrifs der Burg feststellen lassen werden.
Baurat Tb. (^lU'iitiu in Pirna wendet sich in einem Artikel über
die Neubauten auf dem Sonnenstein (Pirnaer ^Anzeiger vom 13. Sep-
tember 1904) gegen die Kritik, die neuerdings an diesen Bauten
geübt worden ist, und gegen den Vorwurf einer Zerstörung des
Stadtbildes durch sie. Er knüpft daran allgemeine Bemerkungen
über „sportartige Entwicklung der Altertümelei", auf die einzugehen
wir keine Veranlassung haben. A1)er wenn hier als abschreckendes
Beispiel angeführt wird: „Man verlangt z. B. allen Ernstes, alle
Weo;kreuze, Martersäulen etc. sollen nach Dresden in das Alter-
tumsmuseum gebracht werden", so ist die Frage wohl berechtigt,
wer dieses „man" eigentlich ist. Dafs weder im Kgl. Sächsischen
Altertumsverein, an tlen man zunächst denkt, weil das Äluseum ihm
gehört, noch überhaupt in fachmännischen Kreisen ein so unsinniges
Verlangen je geäufsert, sondern, wenn von einer „Sammlung"
solcher Wegkreuze usw. die Rede war, nur an Sammluno; von Ab-
bildungen credacht worden i.^t, weil selbstverständlich diese Werke
ihren o;eschichtlichen Wert oder auch ihren „poetischen Reiz" mit
ihrer Entfernuns: von ihrem Standorte zum guten Teile verlieren,
bedarf für den Einsicht io^en kaum einer Bemerkung.
Auf dem vierten deutsclieii Archivtage, der am 8. August in
Danzig abgehalten wurde, hielt Staatsarchivar Archivrat Dr. Bär-
Danzig einen Vortrag über gesetzliche Regelung des Schutzes von
Archivalien und der Beaufsichtigung nicht fachmännisch verwalteter
Archive und Registraturen. Der HerausiCeber dieser Zeitschrift, der
mit einem Korreferat beauftragt war, benutzte diese Gelegenheit,
um eingehend die Mafsregeln zu besprachen, die in Sachsen während
der letzten Jahrzehnte für die Erhaltung und Ordnung der Stadt-
archive getroffen worden sind; auch die Archive der Behörden,
der Landgemeinden, der Pfarren und die Privatarchive wurden
besprochen. Die eiuireleitete und teilweise durchgeführte Oro;ani-
sation wurde, wie mit B.jfriedi>iung festzustellen war, in mehrfacher
Beziehung als mustergültig und nachahmenswert anerkannt. Die
übrigen Verhandlunsjen des Archivtages (Vorträge über die Begrün-
dung des Danziger Staatsarchivs, über die Eni Wickelung des Geheimen
Staatsarchivs in Berlin sowie ül)er die Verwendung des Zapons in
der Industrie und für die Erhaltung von Archivalien) kommen hier
nicht in Betracht.
Die Stadtarchive der Amtshauptmannschaften Schwarzenberg
und Zwickau wurden in der Zeit vom 18. — 30. Juli von Ober-
regierunosrat Dr. Ermisch revidiert. Von den 14 Siädtcn dieser Be-
348 Nachrichten.
zirke haben einige wie Aue, Schneeberg, Schwarzenberg vorzüghch
geordnete und untergebrachte Archive; bei den meisten genügte der
Zustand und waren nur einzelne Änderungen und Nachtragungen
vorzuschlagen; tiefergreifende Neuordnungen mufsten in Johann-
georgenstadt, Löfsnitz und Wildenfels empfohlen werden. Das weit-
aus reichste Archiv der Gegend, das der Stadt Zwickau, wird gegen-
wärtig unter Leitung des Professor Dr. Langer neu geordnet; es sind
dabei bereits eine Reihe interessantei* Funde gemacht worden, die
in dem gegenwärtig von Dr. Kunz von Kauffungen bearbeiteten Ur-
kundenbuch der Stadt Zwickau, einem Teile des Codex diplomat.
Saxon. regiae, verwertet werden sollen. Die Archive der anderen
Städte reichen kaum ins 16., manche nicht über das 17. Jahrhundert
zurück; Löfsnitz und Crimmitschau haben bereits vor längerer Zeit
die älteren Urkunden, die sie besitzen, unter Vorbehalt des Eigen-
tumsrechts der Stadt an das Hauptstaatsarchiv zu Dresden abgegeben.
Mit der Revision der Ratsarchive wurde ein Besuch der (10) Amts-
gerichtsarchive verbunden und dabei vor allem auf die vor dem
17. Jahrhundert angelegten Kauf-, Handels-, Lehn-, Consensbücher und
andere zur Abgabe an das Hauptstaatsarchiv geeignete Urkunden
und Akten geachtet. Die ältesten und wichtigsten Stücke, die sich
bei dieser Gelegenheit fanden, waren ein Crimmitschauer Gerichts-
buch 1483 — 1532 und ein Crimmitschauer Stadtbuch 1494— 1513; beide
sind lange vermifst worden (vo-l. diese Ztschr. X, 123 f.). Endlich
wurden auch die Ephoral- unu Pfarrarchive besichtigt. Während
die Ephoralarchive zu Schwarzenberg, Werdau und Zwickau in guter
Ordnung sind, kann man das leider von der Mehrzahl der Pfarrarchive
nicht sagen; sowohl ihre räumliche Unterbringung als namentlich
ihre Ordnung und Repertorisierung lassen vielfach zu wünschen übrig.
Unter dem Titel „Aus den Repertorieii des Freiherrlicli von
Friesenscheu Archivs zu Rötba" ist soeben eine Inhaltsübersicht
über dieses reichhaltigste der Familienarchive Sachsens, das nament-
lich zahlreiche wichtige Akten und Korrespondenzen zur politischen
und Kriegsgeschichte des 17. und 1 8. Jahrhunderts enthält, erschienen,
durch die seine Benutzung wesentlich erleichtert wird. Der der-
zeitige Besitzer der Fideikommifsherrschaft Rötha, Kammerherr
Freiherr Heinrich von Friesen, ist bereit, einzelne Aktenstücke zur
Benutzung für Forscher, die darum ansuchen, leihweise an das Haupt-
staatsarchiv in Dresden oder eine andere öffentliche Anstalt, welche
die nötige Sicherheit leistet, zu schicken.
Seine Exzellenz der General der Infanterie z. D. Curt von Raab,
der erste Vorsitzende des Kgl. Sächsischen Altertumvereins, feierte
am 15. Juli auf seinem Landhause Elsenlinde zu Leubnitz i.V. seinen
70. Geburtstag. Mit Rücksicht auf seine mannigfachen Verdienste
um die vaterländische Geschichte, insbesondere um die Geschichte
des Vogtlandes, verlieh ihm bei dieser Gelegenheit die philosophische
Fakultät der Universität Leipzig die Würde eines Doktors der
Philosophie h. c. Namens des Kgl. Sächsischen Altertumsvereins,
des Altertumsvereins zu Plauen i. V., des vogtländischen altertums-
forschendenVereins zuHohenleuben und des Geschichts- und Altertums-
vereins zu Schleiz wurde ihm eine Festschrift unter dem Titel ,, Vogt-
ländische Forschungen" mit Beiträgen von Archivrat Dr. Berthold
Schmidt in Schleiz, Rektor Prof. Dr. Angermann und Konrektor
Prof. Dr. W. Fischer zu Plauen im Vogtlands und dem Herausgeber
dieser Zeitschrift überreicht.
Nachrichten. 349
Durch den unerwarteten Tod des Geh. Hofrat Professor Dr.
Friedrich Ratzel (geb. 30. August 1844, f 9. August 1894) hat auch
die Kgl. Sächsische Kommission für Geschichte emen schweren Ver-
lust erlitten. Auf den Lebensgang und die Lebensarbeit des grofsen
Geographen, der 18 Jahre lang zu den hervorragendsten Zierden
der Universität Leipzig gehört hat, müssen wir uns versagten, hier
näher einzugehen, da die Geschichte Sachsens seinem Arbeitsgebiete
fem lag.
Wohl in allen Städten Sachsens, sogar in gröfseren Dörfern
war es Brauch, die kirchUchen Nachrichten am Ende des Jahres auf
besondere Zettel drucken und als sogenannte Neujahrszettel ver-
teilen zu lassen. Es wurde dies von dem Kirchner besorgt und die
dafür erhaltene Spende gehörte mit zu seinem Einkommen. In
Geyer läfst sich die Herausgabe solcher Zettel bis 1799 zurückver-
folgen. Die Neujahrszettel enthielten die Zahl der Getauften, der
Aufgebote, der Trauungen, der Beerdigungen, der Kommunikanten
und Rückblicke auf die Zeit vor 100 und 200 Jahren und mehr, je
nachdem es die Kirchenbücher gestatteten. Gröl'seren Wert erhielten
die Neujahrszettel durch das Hinzufügen der hervorragenden Orts-
ereignisse des verflossenen Jahres. In manchen Jahren fügte der
Ortspfarrer oder sonst ein mit der Ortsgeschichte Vertrauter eine
Episode aus der Lokalgeschichte hinzu; so wurden die Neujahrs-
zettel zur Ortschronik und als solche in den Familien aufbewahrt.
Mit der Fixierung der Einkünfte des Kirchners (in Geyer 1878)
unterblieb in vielen Orten die Herausgabe der Neujahrszettel, man
begnügte sich mit dem Verlesen der 'Kirchennachrichten am Neu-
jahrstäge in der Kirche und dem etwaigen Abdrucke im Lokalblatt.
Zur Freude der Interessenten für die Ortsgeschichte nahm in Geyer
der evangelisch-lutherische Männer- und Jünglingsverein die Heraus-
gabe der Neujahrszettel mit dem Jahre' 1893 freiwillig wieder auf.
Seine Nachrichten aus den Kirchenbüchern der Stadt Geyer ent-
halten nicht blofs die kirchlichen Ereignisse, in denen sämtliche
Erwachsene, die im verflossenen Jahre heimgegangen sind, nament-
Hch aufgeführt sind, sondern es ist auch genügend Raum zu einem
Aufsatz aus der Vergangenheit der Stadt gelassen worden. Im
Volkston sind diese Arbeiten gehalten, entbehren jedoch durchaus
nicht des streng historischen Hintergrundes. Im Laufe der Jahre
erschienen u. a.: Geyer während des dreifsigjährigen Krieges, Die
grofse Glocke in Geyer, Salzburger Emigranten ziehen durch Geyer,
Unsere Hospitalkirche, Denkwürdige Bäume um und in Geyer. —
Nur zu begrüfsen wäre es, wenn auch andere Städte wieder für die
Herausgabe der Neujahrszettel einstehen würden, sie dienten sicher
zur Belebung des Sinnes für die Ortskunde.
Geyer. Hermann Lungwitz.
Unter dem Titel Was die Heimat erzählt! läfst der als Pfleger
der Heimatsgeschichte wohlbekannte Kantor Fr. Bernh. Störzner ein
Werk erscheinen, das Sagen und Geschichtsbilder aus allen Teilen
Sachsens enthält und als" Lehrmittel beim heimatkundlichen Unter-
richt der Volksschule, sowie als Haus- und Familienbuch dienen soll.
Hübsche Illustrationen von Prof. O. Seyffert und Maler F. Rowland
gereichen dem Werke zur Zierde. Vom ersten Bande, Ostsachsen,
liegen bis jetzt 7 Lieferungen vor, die an Abonnenten zu dem billigen
Preise von je 25 Pf. abgegeben werden; der vollständige Band wird
35°
Nachrichten.
22 Hefte umfassen und 5 Mark kosten. Das \\'erk, auf das wir s. Z.
zurückkommen werden, kann, wenn es aucli wissenscliaftlichen Wert
nicht licsitzt, doch für den Zweck, den es im Auge hat, nur wann
em}ifolilen werilcn.
Das Korresi)oiulenzl(lutt des <''osaiutvt'roiiis »Irr (loutscli<>ii
fieschic'lits- und Altortumsvcroiuo, lierausgegeben im Auftrage des
Gesamtvereiiis von Dr. liiiilleu. Geheimer Archivrat, das aufser Mit-
teihmgen über Angelegenheiten des Gesamtvereins geschichthclie
Abhandhmgen, NachiiclUen über die Wirksamkeit tier einzehien
Vereine, über historische Museen, Archive, Denkmalschutz und Denk-
malptlege, vorgeschichtliche und römisch -germanische Forschungen
und Funde, Orts-, Flur- imd Personennamenforschung u. a. bnngt
und monatlich in iler Stärke von 2' ,, Bogen ersclitiiit, wird an Mit-
glieder der dem Gesamtverein angehörigen \'ereine zum Preise von
3 (statt 5) Mark für den Jahrgang bei Bezug von mindestens 5, zum
Preise von 2 Mark bei Bezug von mindestens 30 Exemjilaren ab-
gegeben. Die F.xemplare zu ernu'ifsigteni Preise sind ilurch die
Vereinsvorstände bei der Kgl. Holbuchhandlung von E. S. Mittler
& Soim (^ Berlin SW. 12, Kochstrafse 68 — 711 zu bestellen, durch die
auch Probenununern zu beziehen sind.
Die DeiitscliPii Gleschichtsblätter, Monatsschrift zur Förderung
der lande.sgeschichtlichen Forsclumg, herausgegeben von Dr. Arnim
Tille (.Gotiia, Frieilrich Andreas Perthes\ können die Mitglieder von
historischen N'ereinen, sofern mindestens 10 Exemplare bestellt
werden, zum Preise von 4,50 Mark statt 6 Mark für den Jahrgang
von 20 Bogen beziehen.
\on tUr HesclireilMMMleii DarsloUniia: «lor ältoroii Itan- iiiiil
Kuustdenkmälor des Köiiiürreichs Sacll^c!l, unter Mitwirkung des
Kgl. Sachs. Altertumsvereins herausgegeben vom Kgl. Sachs Mi-
nisterium des Innern, werden dem Kgl. Sachs. Altertumsverein eine
Anzahl Exemplare jeden Heftes zur Abgabe an seine Mitglieder für
den halben Ladenpreis zur Verfügung gestellt Sie können
durch ilen Schriftführer des Vereins, Obeircgierungsrat Dr. P>nii.>«ch,
bezogen werden. \'on den bisher erschienenen Heften sind n(.>ch
vorhanden die Hefte 2, 15 — 25.
Register.
Adlerfeld, sthwed. Geschicht-
Schreiber 233.
Aijricola, Georg 34. 39. 51.
Albrecht, Hzg. v. Braunschweig-
Salze 221.
„ Bisch. V. Halbcrstadt 210.
Alesius, A., Prot, in Leipzig 71.
Alexander 1., Kaiser v. Rulsland
142.
Algawer, Georg, Büchsenmeister
oder -gieisc'r in Zwickau 40.
Allsleben, Heinr. Burchard, Zinn-
giefser in Zittau 6
Altdnbern, Kreis Kalau 267! 272.
27tif. 28411'.
Altenberg 3
v.Altenburg,Nikol.(Schinden]ans),
Pfarrer in üelsnitz u. Proto-
Ifiiotar 217 iT. 222. 225.
Altertunisverein, K. Sachs. 201 . 344.
Altmannsgrün b. Treuen 38
Altranstädt 232. 234. 257. 261.
Ammann, jost 312.
Andreae, C'hr. Gottl , Zinngiefser
in Freiberg 29!'. 311.
Andreas, Schreiber des Hof-
richters 225.
Anhalt s. Wolf.
Anna, T. Kf. Moritz. Gem. Hzg.
Wilhelms v. Oranien 77.
Annaberg 5. 14!'. 18 If 43. 235.
303. 306 309
„ Verein für Geschichte 202.
Antwernen 74 f.
Apell, Nicdl., de Konigshoffen,
Dekan der Artistenfakultät in
Leipzig 304.
Archivtag 347.
Auerbach 1). Zwickau 44.
August, Kf. V. Sachsen 20 f 70!.
August d. Starke s. Friedr. August.
Auguste, Sachs Prinzessin 165.
Augustusburg 235.
Bachstett (Back-, Badstedt), Bene-
dix, Zinngiefser in Dresden 27.
Balthasar, Landgraf v. Tiiüringen
222. 225. 227.
Bamberg s. Ludwig.
Bärensprung, Laurent., Bürger-
mstr. in Zwickau 47.
Bautzen 29.
Bayer(C'ubito,Cubitensis),Wenzel,
"Meiliziner, dann Stadtschreiber
in Stafsfurt 302!.
Beham, Hans Sebald 16 f. 21. 23!".
Pjtrlin, Nikolaikirche 14.
Bernauer 283. 288.
Berndt 121.
Beza, Tlieodor, in Genf 77.
V. Biebra, Oberst, Generaladjutant
270 ff.
Bischofswerda 29.
IMüniner, Legat ionsrat 121.
Bobritzscherj Joli., Bergschreiber
in Freiberg 218. 223.
Bocksjjerger, Hans 312.
Bodenschatz, Andr. 148
Bcihmen s. Johann.
Bollensdort b. Dahme 268.
Bt)logna 211.
Borna 56.
V Böse, Graf, Minister der ausw.
Angel 102 ff. III. 115. 122. 125.
,, „ Leutnant 103. 120.
Bourgoing 104
Ikateau, Jules, Zinnmodelleur in
Paris 7.
Braunscliweig s. Albrecht, Fried-
rich Wilhelm, Philipp.
352
Register.
V. Breitenbach s. Carlowitz.
Brenz, Joh. 77.
Breuer, Chrn. Aug., Zinngiefser
in Zittau 6
Breughel 282.
Briot, Fran(;ois, Zinngiefser 4. 10.
308.
V. Brühl, Aloysius Graf, Kronfeld-
zeugmeister 272.
„ Heinrich Graf, sächs. Minister
264 ff.
„ Heinrich Graf 272.
„ Karl Adolf Graf 272.
„ Moritz Graf 272.
„ s. a. Mniszeck.
Buchholz, Kirche 19. 28
„ Geschichtsverein 202.
V. Bünau, Major 294.
„ s. a. Heineken.
Bürgehi 42.
Burgwerben 210.
Calvin 77
Camerarius, Joachim 68. 71.
„ Ludwig 68. 731".
V. Carlowitz, Brigitte geb. v.Drax-
dorff 73
„ Cristof 73. 75. 80.
„ Clara geb. v. Breitenbach,
Wwe. Heinrichs v. Gersdorf 73
Cerrini 131.
v. Charpentier, Caroline 96. 123 f.
^43-
Chemnitz, Verein für Geschichte
203.
Clauder, Geh. Kriegsrat 272 ff.
Clemens VI., Papst 210.
Colditz 27.
Cossebaude b. Dresden 222.
Courtray 146.
Cranach, Lukas, d. alt. 282. 306.
Crimmitschau 2.
Cubitensis, Joh. Honorius (Joh. Er-
hardi oder Pannificis aus El-
bogen), Prof. in Leipzig 297 f.
„ Cubito s. Bayer, Schindler.
Culitzsch b Zwickau 43.
Curia, Nikol., Prof. in Leipzig 304.
Danner, Leonh. 17.
Davoust, Marschall loiff.
Delitzsch 234.
Dietrich d. Weise, Markgraf v.
Meifsen 150.
Dippoldiswalde 235.
Döbeln 235.
Dohna, Burg 347.
Dommiere, franz. Oberst 99.
v. Draxdorf s. Carlowitz.
Dresden i f . 7. 13! 26. 28. 3 2 f.
262. 291. 312.
„ Kunstsammlungen 264 ff.
„ Schlofs 13.
,, Tierärztl. Hochschule 85.
„ Verein f. Geschichte 202. 344.
Droyfsig 235.
Dürer, Albr. 282. 306.
Dürrenber^ b. Merseburg 267.
Dyherrn, General 132.
V. Dziembowsky, Hauptmann 145.
V. Eckartsberga, Joh , markgräf 1.
Notar 220 ff.
Edmann, J. G. , Zinngiefser in
Bautzen 29.
Eger 38. 43.
Ehrentriedersdorf 3.
Ehrlinger, Geh. Legationsrat 119.
124.
Eibenstock 3.
V. Eickstedt, Dietr., Generalmajor
267.
Eilenburg 148.
Eimbecker Bier 43.
Einsiedel, Graf, Gesandter in
Paris 120 f.
Eisenach 210. 214. 219.
Elisabeth. Gem. Markgraf Fried-
richs d. Freid. 216.
EUiger, O. 282.
Enderlein, Casp. 4. 10. 15. 308.
Erfurt 38.
„ Severistift 210. 224.
Ering, Christof 303.
Federangel, Hans 44.
Felsch, Jakob, Bildhauer 12.
Ferber, Geh. Finanzrat iio.
„ Hof- u. Justizrat 27off.
Ferdinand IIL, Kaiser 307.
V.Fink, preufs. Generalmajor 291.
Flacius lUyricus 71.
Flötner, Peter, in Nürnberg 4. 9.
i2ft'. 17 ff.
Forst i. d. Nied.-Lausitz 267. 283.
Forster, Joh., Mag., Lehrer in
Zwickau 58.
Fournier d'Albe, franz. Oberst 99.
Register.
353
Frantze, Albr. , Zinngiefser in
Dresden 26. 28. 311.
Franz, Hzg. von Lüneburg 48.
Freiberg iff. 14. i6f. 2<)i. 43. 2i7f.
235. 3iif.
„ Altertumsverein 203.
„ Altertumsmuseum 205.
Friedland, Schlacht bei 100 f.
Friedrich (Tutta), Markgraf v.
Meifsen 150.
„ (d. Ernste), Markgraf v. Meifsen
210. 213. 223.
„ (d. Strenge), Markgraf v. Meifsen
215 ff.
„ (d. Weise), Kurf. v. Sachsen 32.
„ III., Kaiser 32. 37.
„ V., Kurf. V. d. Pfalz 68.
„ II., König V. Preufsen 89.
Friedrich August I , Kurf. v.
Sachsen (August II., König v.
Polen) 237 ff.
„ „ IL, Kurf. v. Sachsen (August
III., König V. Polen) 269! 287.
„ „ III. (L), Kurf., dann König v.
Sachsen 104 f. iiof 119. 124 ft".
131. 142. i63ff'. 274. 288. 292t.
Friedrich Christian , Kurf. v.
Sachsen 269 ff. 278.
Friedrich Wilhelm I., Hzg. v,
Sachsen -Altenburg, Admini-
strator 310.
Friedrich Wilhelm, Hzg. v. Braun-
schweig 114.
Frifsner, Andreas , Dr. , v. Wun-
siedel 297!
„ Erasmus, Dominikaner, vWun-
siedel 297!".
Frh. V. Fritsch, Thomas, Kon-
ferenzminister 91. 269. 274. 291.
Frohburg 221.
V.Funk, General loif. 105. 115.
117. 122. i3off.
Frh. V. Gartenberg, Geh. Rat 265 f.
271 f. 290 f.
Gebirgsverein für die Sächsische
Schweiz 204.
Geising 5. 28.
V. Geithain, NikoL, markgräfl.
Notar 215.
Gengenbach, Cunigunde 148.
,, Dorothea 149.
„ Peter, in Leipzig i48f
Genthe, Julie, Bildhauerin 7.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XXV. 3. 4.
Georg, Hzg. v. Sachsen 148. 159.
303.
Georgi, Kabinetssekretär 115.
Gera 38.
V. Gersdorf, Carl Friedr. Willi.
Graf, General 108. 115 ff. i29ff.
139-
„ s. a. Carlowitz.
Gesamtverein der deutschen Ge-
schichtsvereine 204. 346. 350.
Gesellschaft für Sachs. Kirchen-
geschichte 343.
Gesellschaft, Öberlausitzer, der
Wissensch. 202. 344.
Gessi, Fran9., Maler 281.
Geyer 3. 349.
Giordano, Luc. 281.
Glauchau 38.
V. Globig 100.
V. Goch (Lamperti), Dietr., Dekan
zu Meifsen 217. 220.
Godskowsky, Bankier in Berlin
280 282."
V. Görres, Prof. 143. 145.
Gorschell, Bartel, Zinngiefser in
Dresden 27.
Görz, Oberst 258!
Gotha 216.
Gräfenhainichen 235.
Gregor XL, Papst 220.
Grimma 148 222. 224. 234.
„ Geschichts- u. Altertumsverein
203.
Gröbern b. Meifsen 215.
Grofs, Bildhauer in Dresden 8.
Grofse, Gregorius, v. Dresden,
Domherr m Meifsen 214.
„ Reinfried, Bergmeister in Frei-
berg 223.
Grofsenhain 213. 226. 235. 249^
V. Grünewald 136.
Grünhain 5 5 ff.
Grünthal, Kupferhammer 19.
Guichard, franz. Oberst 99.
Günter (Hans, Heinr. , Matthäus,
Paul , Samuel) , Zinngiefser-
familie in Freiberg i f. 16. 311 f.
Guntherus notarius 226 ff.
Gutakowsky, Graf, Präsident des
Conseil 104.
Gutschmid , General 119! 132.
134 ff.
„ Hof- u. Justizrat, Bürgermstr.
von Leipzig 269. 273.
Güttel, Kaspar 55.
23
354
Register.
Hadorff, schwed. Kriegsfiskal 249.
V. Hagedorn, Christ. Ludw., Geh.
Legationsrat 266. 278.
Hagenauer, Friedr., Medailleur in
Augsburg 310.
Hainpol, Joh. (Janus Cornarius)63.
„ Wolf 63.
V. Hakebrun, Albr. 227.
„ Ludw. Z27.
Halberstadt 224 s. a. Albrecht,
Ludwig.
Harscher, Martin, Zinngiefser in
Augsburg 20 f.
Hausius, Joh. Friedr., Kammer-
rat 2651. 268. 271Ö". 284. 29lff.
Hausmann, Nikol. , Superattendent
in Zwickau 33. 55.
V. Heineken, Friederike Magda-
lene, verw. v. Bünau 294.
„ Karl Heinrich, Geh. Kammer-
rat 264 ft".
Heinicken, Major i2of.
Heinrich (d. Erlauchte), Markgraf
V. Meifsen 149
„ (d. Fromme), Hzg. v. Sachsen
47- 149-
„ Notar d. Markgrafen Balthasar
222.
Helt , Georgius (Forchamensis),
Mag. 305.
Hennicke, Graf, Konferenzminis-
ter 88. 290.
V. Hennig, preufs. Major 291.
Hentschel, Bildhauer in Meifsen 8.
Hermann, Albr., Zinngiefser in
Leipzig 28.
V. Hermannsgrün, Konrad 227.
Herrmannsgrün b. Neudek in
Böhmen 299.
Hertz, P. 112.
Hefshusen, Tilemann 77.
V. Heucher, Hofarzt 264.
Heyme, Chrn. Gottfr. , Hofrat,
Bürgermstr, in Dresden 128.
135. 140.
Hof 38.
Hohenmölsen 234.
V. Hohnstein, Graf Heinrich d. J.,
221.
Hollfeld, Melchior, Graveur in
Bautzen 29.
V. Honsberg, Dietr., Marschall
217 220.
V. Hopfgarten, Kabinettsminister
116. 119.
Horchaimer, Nikol., Zinngiefser
in Nürnberg 4.
Hosang, Joh., Geleitsmann in
Leipzig 221.
Humelius, Joh., Professor 68 flf.
Imhoff, Geh. Rat 239.
Innocenz VL, Papst 213. 216.
Jahna b. Meifsen 262.
Jan, Joh., Geleitsmann in Eisenach
219.
Jena 42.
„ Schlacht bei 97! loi.
Joachimsthal 302! 307!'.
Johann (d Beständige), Kurfürst
V. Sachsen 47 f.
„ König V. Böhmen 210.
„ Bischof V. Naumburg 34.
Johann Friedrich (d. Grofsmütige),
Kurfürst v. Sachsen 33. 41. 46.
48. 307. 310.
„ „ (d.Mittl.), Hzg V.Sachsen 71.
Johanngeorgenstadt 346.
Johnson, Ed. 207.
Joseph I., Kaiser 257.
Junge, Ludw., Kammerschreiber
v.Just,' Wiih., Geh. Rat 96 ff.
Jüterbogk , Fürstenzusammen-
kunft (1561) 79 f.
Kaiisch, Schlacht bei 257.
Kamenz 235.
Kandier, Hans Georg, Zinngiefser
in Leipzig 25.
Kantz, Familie, in Annaberg 20.
Karl IV., Kaiser 32. 210.
„ XII , König v. Schweden 236 ff.
Karl August, Grofshzg. v. Sachsen-
Weimar 142.
Katharina, Gem. Markgraf. Friedr.
d. Strengen 219.
Kel, Hans, aus Kaufbeuren 310.
Keller, Graf 122.
Kirchberg s. Wallhausen.
Kleinjauer, Kreis Kalau 267.
Klingguth 283. 288.
v. KUtzing auf Reddern 285 f.
V.Klotz, Friedr., Premierleutnant,
144!
Kohl, Abr. Gottl., Zinngiefser in
Bautzen 29.
Register.
355
Köhler, Akzisrat 274.
„ Job. Aug. Ernst 207.
Kolh, Joh., Subvicecancellarius d.
Universität Leipzig 304.
Kommission, Kgl. Sachs., f. Gesch.
198 ff.
„ Kgl., z. Erhaltmig der Kunst-
denkmäler in Sachsen 200 f.
V. König, Directeur des plaisirs
268. 271. 283
Königstein 26. 28. 292. 311.
V. Kottwiz, Günther 216.
„ Heinrich, Kanzler 2150. 225.
227.
Kottbus 127. 134.
Kötzschenbroda 42.
Krische, Peter, Graveur in Bautzen
29.
Krummenhennersdorf 311.
Kun, Petrus, v. Naumburg, Prof.
in Leipzig 304.
Kunifs, Gregor, Mönch in Zwickau
57-
Kuttenberg in Böhmen 307.
Laas b. Oschatz 28.
V. Langenau, General 117. 120 f.
i29f. 135. 137. 140.
Langenbach b. Hartenstein 58.
Langensalza 14.
Languet, Hubert 79.
Lanner, Marschall 100. 107.
Lausigk, Verein f. Gesch. 203.
Lausnitz 42.
Lauter in Unterfranken 42.
Lecoq, General 132. 134 f.
Leipzig 14. 25 f. 28. 43. 69 ff. 85.
148. 155 ff. 163 ft. 296f. 302 fl.
„ Verein f. Gesch. 344.
„ altes Rathaus 205.
Leisnig 234.
„ Geschichts- und Altertums-
verein 203.
Leitmeritz 42 f.
Le Leu in Paris 280.
Leszczinsky, Stanislaus 232. 238.
Liborius, Sebast, Zinngiefser in
Dresden 26.
Lichtenhahn, Hans (Heinrich),
Zinngiefser in Schneeberg 13.
„ Matthäus, desgl 14.
,, Stephan, desgl. 14.
Lichtenstein in Unterfranken 43.
Liebertwolkwitz 164.
Lilienstjerna, schwed. General-
auditeur 248 ff.
V. Limbach, Ticzmann, Protono-
tar 214.
V. Lindemann, F. B., Rittmeister
144.
,, Oskar, Hauptmann 96.
Lindner, Awstin, in Pirna 158.
„ Gregor 158.
„ Hans 158. 160.
„ Joh. (der Pirnische Mönch) 32.
39. 51 f- 54. 1520-
„ Martin 128.
„ Simon 158.
List, Gregor,Wundarzt in Zwickau
50.
Lobeda 42.
Locke, Hans, Graveur in Bautzen
29.
vom Lofs, Christian Graf, Geh.
Rat 274.
Lotter, T. C. 160 f.
Lucius, Geheimsekretär 270 f.
Luder, Gotherius, Hallensis, Prof.
in Leipzig 304.
Ludewicus, Schreiber 225 f.
Ludwig IV., Kaiser 210.
„ (Markgraf v. Meifsen), Bischof
V. Bamberg 213.
„ Bischof V. Halberstadt 214.
Lüneburg s. Franz, Otto.
Luther 33. $5^- H». 156. 159-
V. Lüttichau, Graf 84.
Lyon 85.
Magdeburg 210.
V. Magdeburg, Hermann, Legista
223.
Major, G., Prof. in Wittenberg 71.
Malachowsky 104.
V. Mansfeld, Graf Albrecht 227.
V. Manteuffel, Geh. Finanzrat 99.
n6ft. 129.
Marcolini, Graf 103. 106 ff. 125 f.
131. 134. 136.
Maria Antonia, Kurfürstin von
Sachsen 284 f.
Marienberg 3. 14. i6ff. 22. 28.
Marienthal b. Zwickau 38. 44.
Mehlis in Sachsen-Coburg-Gotha
Meifsen, Markgrafen s. Dietrich,
Elisabeth, Friedrich, Heinrich,
Katharina, Ludwig, Wilhelm.
23 =
356
Register.
Meifsen 235.
„ Stift 2i3f. 2i6f. 219. 296f.
„ Verein für Geschichte 203.
Meifsner, Advokat in Dresden 292.
Melanchthon 34. 71. 73 ff.
Memmingen 69. 75.
Merseburg 210. 213. 224. 234.
„ Bischof von 148.
Mniszeck, Gräfin, geb. v. Brülil
272.
Mordeisen 72. 79!
Muck war, Kreis Kai au 267.
Mühlpfort, Hermann 56.
„ Paul 47.
Müller, Erhart, Zinngiefser in
Freiberg 4. 311.
Münchberg in Oberfranken 155 ff.
München 123!
Münzer, Thomas 55.
Münzfunde 206.
Museen 205.
Mutschen 234.
Napoleon 97! 107. iii. 114. 137.
163 ff.
Narbonne, Graf, franz. Gesandter
in München 124. 128 f.
Nase, Joh., Geleitsmann in Erfurt
221. 226.
Naumburg 42. 78! 210. 214. 219.
221. 224.
„ Bisch, s. Johann.
Necker, Legationsrat 272.
Neujahrszettel 349.
V. Neumarkt, Joh., markgräfl.
Notar 215.
Neustadt a O. 235.
Niederhohndorf b. Zwickau 38.
Nöller, Hofkoch 267.
Nopus, Hieron., Lelirer in Zwickau
58.
Nürnberg 4. 25. 37. 43. 47. 76. 149.
Oberhohndorf b. Zwickau 39.
Oberpesterwitz b. Dresden 28. 313.
Ochsendorf 224.
Oederan 235.
Oelsnitz i.V. 38. 217. 219.
Oertzen, Graf iio.
Oranien s. Wilhelm.
Oschatz 27 f.
„ Verein für Orts- u. Volkskunde
203.
Oesterreich 113 f. 138.
„ Deraoiselle 276.
Ottendorf in Thür. 42.
Otto, Hzg. V. Lüneburg 48.
Paris 79.
Parquin, Commandant 163 ff.
Pegau 234.
Pencz, Georg 313.
Penig 235.
Perugia 296!
Peterraann, Salomon, Konrektor
in Pirna 153 ff.
„ Tobias 153.
Petrikowsky 99.
Petrus notarius 226.
Pfalz s. Friedrich.
Pfingsten, Geh. Referendarius 239.
Pforten 267.
Pfretzschner, Alex., Zinngiefser
in Leipzig 26.
„ Sittich, Maurer in Leipzig 26.
Philipp, Hzg. V. Braunschweig 48.
Pietzsch, Kabinetssekretär 115.
Pilz, Traugott Friedr., Zinngiefser
in Freiberg 311.
Pirna 37. 62. i54ff. 235.
V. Pistoris, Familie 150.
„ Hartmann, kurf. Rat 150.
„ Simon, Prof. d. Med. in Leipzig
302.
Planitz b. Zwickau 3 8 f.
V. d. Planitz 43.
Platz, Sekretär v. Heinekens 276.
Plauen i. V. 235.
„ Altertumsverein 204.
„ Museumsgesellschaft 345.
Plauenscher Grund 84.
V Plötz, Geh. Kammerrat 249. 262.
v. Poigk, Hof- u. Justizrat, Vize-
kanzler 269. 274.
Polen loifif.
V. Polenz, G. F. A., General 100 ff.
130 f.
„ Nikol. 219.
V. Pöllnitz, Hof- u. Justizrat 274.
Poniatowsky 104.
Prefsnitz in Böhmen 306 ff.
Preufs, Bürgermstr. in Zwickau 59.
Preufsen s. Friedrich.
Pruze, Joh. 210.
„ Konr., Protonotar 210.
Pucher, Sigismund 72
Pyrgallus, Henning 299.
Register.
357
Quentin, Th., Baurat 347.
V. Raab, Curt 348.
Rabener, Steuerrat 86. 269. 274
V. Rackwitz, Oberhof küchenmstr.
104. 114.
Rastenberg b. Buttstädt 216.
Ratzel, Fnedr. 349.
V. Regensburg, Joh , Prof. in Leip-
zig 296.
Reichenbach i. V. 235. 291.
„ Ambros., Zinngiefser in Dres-
den 26.
Reinhold, Oberamtmann in Dres-
den 272.
Reinsdorf b. Zwickau 38. 58!'.
Reni, Guido 281.
Reudnitz b. Leipzig 164.
V. Rex, Karl August Graf, Geh.
Rat 274.
Reynier, franz. General 1341
Richter, Georg, Weinhändler in
Schneeberg 43.
Riedel, Melchior, Prof. in Leipzig
299.
,, Galerieinspektor 280. 282,
Rivius, Mag., Lelirer in Zwickau
58-
Röbel, General 259.
Rochlitz 234.
„ Hospitalkirche 346.
„ Verein für Geschichte 204.
Roda 42.
Römer, Martin 32. 44.
Ronneburg 59.
Roesler, Joh. Friedr , Zinngiefser
in Zittau 5!
„ Joh. Gottlob, desgl. 6.
Roth, Stephan, Stadtschreiber in
Zwickau 300 f. 304!
Rötha, frhrl.v.Friesensches Archiv
348.
Rothenhamer, Maler 281.
V. Rothschütz, Oberst 291.
Rozier, Abt 85.
Rüge, Sophus 207.
Rülein v. Calbe 302.
Rufsland s. Alexander.
Rybeling, Konrad, Notar 225.
Sachsen s. Anna, August, Auguste,
Friedrich, Friedrich August,
Friedrich Christian, Georg,
Heinrich , Johann , Johann
Friedrich, Maria Antonia.
Sachsen -Altenburg s. Friedrich
Wilhelm.
Sachsen -Weimar s. Karl August.
Saiter, Daniel, Maler 281.
Sangerhausen 234.
Scaliger, Julius Caesar d. Alt. 72.
Schaufufs, Phil., Ratsherr in
Zwickau 36.
V. Schellenberg, Familie 151.
Schenk, L. 160.
„ P. 160 ff.
Schickentanz, Hans, Baumeister
13-
Schindler, Kassierer 275! 283.
» 99
„ (Cubito), Wolfgang, Prof. in
Leipzig 298 flf. 304.
V. Schleinitz, Familie 150.
„ Vinzentius, Vizekanzler der
Univ. Leipzig 304.
Schlick, Stephan 302.
Schmiedeberg 235.
Schneeberg 5. 13?. 32. 43 f. 235. 251.
Schneider, Chr. Hr., Zinngiefser
in Freiberg 39. 311.
„ (Sartor), Joh., Lesemeister der
Dominikaner in Pirna 160.
Schnepfendorf b. Zwickau 44.
V. Schönburg, Herrschaft 38.
Schönsberger, Hans, Drucker in
Zwickau 35.
V. d. Schulenburg, General 240.
Schulpforta 234.
Schumann, Dr., Hof- u. Justizrat
274-
„ Adam, Zinngiefser aus Zinn-
wald 28.
Schütze, Familie in Annaberg 20.
Schwarzenberg 14.
Schweden 231 ff. s. a. Karl XIL
Schwemsal b. Düben 291.
Schwendi, Lazarus 69!. 7 3 ff. 78.
Schwertz, Alaunwerk b. Düben
291.
Seehausen b. Leipzig 28.
Selneccer, Nicol., Prof. in Leipzig
71- .
Senfft V Pilsach, Graf, Minister
III. 120 ff. 136. 138 ff.
Seufslitz, Kloster 149 ff.
Siebenjähriger Krieg 82 ff.
Sieber, Adam 63.
Silbermann, Valten, Bildschnitzer
in Dresden 27.
Solms, Graf 101,
358
Register,
Soult, Marschall 105.
Specht, Gotschalch, Zinngiefser
in Dresden 27.
Speck, Hans, Bildhauer 18.
Stadtarchive, sächs. 206. 347.
V. Stammer, Konferenzminister u.
Landvogt 274. 288.
Stangengrün b. Lengefeld i. V.
38. 65.
St. Egidien 58.
Steinau i. Schlesien 262.
Stella s. Studtler.
Stercker, Heinr., aus Mellrichstadt,
Domherr in Meifsen 296 f.
St. Michaelis b. Freiberg 28. 311.
V. Stockh, M. E., Graveur 29.
Stos, Alex., Graveur in Bautzen 29.
Stromer, Hemr., v. Auerbach, in
Leipzig 43.
V. Stubenberg, Wilh. Aug. Graf,
Geh Rat 274.
Studtler (Stüler, Stella), Erasmus,
Bürgermstr. zu Zwickau 47. 5 1 .
V. Studnitz, Oberst 272.
Sulkowski, Fürst 266.
Talon, Louis, Geh. Legations-
sekretär 276 f.
Taucha 234.
Tetzel, Joh. 57. 156.
Teucher, Joh. Heinr., Graveur in
Freiberg 29.
V. Thielau, Oberstleutnant, auf
Neudöbern 285 f.
V. Thielmann, General 95 ft.
Thiollaz iio. 114.
Thommiere, franz. General 100.
Thum 43.
Thüringen s. Balthasar.
Tintoretto, Domenico 281.
Titian 281.
Torgau 33. 47. 91. 140 ff.
Tram, Nikol., Pleban z. Gotha 216,
V. Trützschler, Oberstallmstr. 280.
Türk, Kanzler 303.
V. Unruh, Kammerjunker 272.
Urban V., Papst 219!
Verein für Kirchengeschichte der
Provinz Sachsen 343.
Verein für sächs. Volkskunde 204.
Veronese, Paolo 281.
Viernau b. Schleusingen 42.
V. Vieth, Kriegsrat 272.
„ 120 f.
Vogel, Christof, Graveur 28.
Vouet, Simon, Maler 281.
Wachau b. Leipzig 164.
Wagner (Ellenbogen), Wolfgang,
in Zwickau 300 f.
„ Dr., Geh. Rat 274.
Waldheim 91.
Wallhausen 21 3 f.
V. Wallhausen (Kirchberg), Kon-
rad, Protonotar 209 ff. 220.
V. Wangeheim, Friedr., Marschall
215.
Wartburg 213 f. 219.
V. Watzdorf, Geh. Kriegsrat 108.
ii6ff. 122. 126. 129. 131.
de Wechmar, Kristanus, Sekretär
des Hofrichters 225.
Weigel, C. G., Graveur in Leipzig
30.
Weise, Paul, Zinngiefser in Zittau
12 f.
Weifsenbach, Wolf 62.
Weifsenborn b. Freiberg 28. 311.
„ b. Zwickau 38. 44.
Weifsenfeis 234.
Weifsker, Paul Adolf 206.
Wellendorfer, Virgilius 298.
Werdt, Petr. , Lempergius, Prof.
in Leipzig 304.
Wichtshausen b. Schleusingen 42.
v. Widera (Widere, Wedera),
Dyther, Notar 209. 222 ff.
„ „ Bürgermstr. in Geithain 224.
Wisen, zu den, Gut des Rats zu
Zwickau 38.
Wildbach b. Hartenstein 58.
Wilde, Berthold, von Rotenburg,
markgräfl. Notar 2 14 ff.
Wildenfels 51.
Wilhelm L, Markgraf v. Meifsen,
219. 222. 227.
„ V. Oranien 77!
Wilicky 104.
Winkler, Dr., in Hamburg 272.
Wittenberg 14. 55. 85. 235. 250.
Witzeleiben, Kristan, Hofrichter
215. 220.
Wolf, Fürst zu Anhalt 48.
Wölffel, Daniel, Friedrich Daniel,
Johann Friedrich, M. G., Zinn-
giefser in Bautzen 29.
Register.
359
Wolfhardt, Barthol., Pastor 75.
Wolfso;rün b. Eiben.stock 38.
V. Woln, Hartmann, Hofrichter
226 f.
Wünschendorf in Thüringen 42.
Xaver, sächs. Prinz, Administrator
86. 88. 94. 274£f.
V. Zastrow, General 131.
Zaufswitz b. Oschatz 27.
Zeitz 55. 210. 22of. 224.
Zenker, Blasius, Graveur in
Bautzen 29.
V. Zeschau, General 132.
Zinnwald 3.
Zittau I. 4ff. i2f. 235.
„ Gesellschaft für Zittauer Ge-
schichte 204.
Zöblitz 5. 19. 27.
Zschopau 43.
Zürner, A. F., i6o.
Zwickau i8f. 3iff. 83. 149 3ooff.
„ Altertumsverein 345.
Buchdruckerei der Verlagshandlung.
' GETTY CENTER LIBRARY
3 3125 00700 8218
iililiiiiil^fcii«
■■■«iiiiliiiiM
lililililiiiiiiliiiilit:.,.,.:. : : : : I:. ■ ,.: \ ,, ::
m?m>m''-