VERÖFFENTLICHUNGEN DES REICHSKOLONIALAMTS
- Nr. 4 ^==:^=z=^^=z
NEU-KAMERUN
DAS VON FRANKREICH AN DEUTSCHLAND
IM ABKOMMEN VOM 4. NOVEMBER 1911 ABGETRETENE GEBIET
BESCHRIEBEN AUF GRUND DER BISHER VORLIEGENDEN MITTEILUNGEN
VON
Dr. KARL RITTER
MIT 2 KARTEN
JENA
VERLAG VON GUSTAV FISCHER
1912
Alle Rechte vorbehalten.
UBR4^
Vorwort.
Die vorliegende Arbeit, die mit dem i. Juni 1912 abgeschlossen wurde,
ist eine Sammlung, Vergleichimg und Ordnung des zur Veröffentlichung
geeigneten Materiales über Neu-Kamerun, das zurzeit erhältlich war.
Sie ist in erster Linie als Informationsquelle für die amtlichen Stellen,
insbesondere die örthchen Venvaltungsbehörden in Kamerun geschrieben ;
es ist daher auch Detailmaterial aufgenommen worden, soweit solches
schon vorliegt und seine Aufnahme zweckmäßig erschien. Die Arbeit
soU aber auch Privatkreisen, die sich beruflich oder aus Interesse für
die Entwicklung unseres überseeischen Besitzes über das neue Gebiet
unterrichten wollen, zu diesem Zwecke dienen.
Das Material mußte naturgemäß zum größten Teil französischen
Quellen entnommen werden. Dieser Umstand hat vom deutschen Stand-
punkte aus den Vorteil, daß in der Hauptsache ein ohne jede intemationale
Voreingenommenheit gesammeltes und niedergescluiebenes Material
verarbeitet werden konnte, da es fast ganz aus einer Zeit stammt, wo
noch niemand daran gedacht hat, daß dieses Gebiet einmal deutsch werden
könnte. Andererseits muß die Verantwortung für die Richtigkeit vieler
Angaben den französischen Quellen überlassen werden. Die vorliegende
Zusammenstellung soll daher auch keine endgültige und erschöpfende
Arbeit über Neu-Kamerun sein und nicht zu einem abschließenden
Urteile führen. Daitu war schon die zur Abfassung zur Verfügung stehende
Zeit zu kurz. Die Arbeit hat vielmelir neben der vorläufigen Information
den Zweck, zu weiteren Äußerungen anzuregen, und die Kreise, die aus
irgendwelchen Quellen weitere zuverlässige Kenntnis über das neue
Gebiet haben oder sich zu einer weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung
des jetzt oder später Bekannten bcnifcn fühlen, zu veranlassen, ihre
Kenntnisse und Fähigkeiten der Verwaltung und der Allgemeinheit
durch weitere Veröffentlichungen dienstbar zu machen. Soweit in der
— IV —
Arbeit über die tatsäclüichen Angaben hinaus Erörterungen angestellt,
Folgerungen gezogen oder Vermutungen ausgesprochen werden, handelt
es sich um die persönliche Auffassung des Verfassers. Die Kolonial-
verwaltung will sich in ihren Ansichten und Entschließungen durch die
vorliegende Arbeit nicht binden.
Die Zentralstelle des Hamburgischen Kolonial-Institutes
hat für die vorhegende Arbeit ihre Sammlungen dem Reichs-Kolonialamte
in sehr dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Diese Sammlungen
haben, trotzdem sie erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit begonnen worden
sind, eine überraschende Reichhaltigkeit gezeigt und gute Dienste ge-
leistet. Mit besonderer Anerkennung und mit Dank ist die Mitarbeit
des Herrn Dr. H. Waltz vom Hamburgischen Kolonial-Institut zu
erwähnen, der seine Privatarbeiten über die Konzessionsgesellschaften
zur Verfügung gestellt hat. Die Übersetzung des Konzessionsdekretes
von 1899 (Angang H) und die Grenzbeschreibung, die in dem vierten
Abschnitte bei der Besprechung der einzelnen Gesellschaften eingefügt
ist, sind ganz und die Eintragung der Konzessionsgrenzen auf der Karte
2 größtenteils diesen Privatarbeiten entnommen. Das Kapitel über die
Finanzen Französisch-Äquatorial-Afrikas ist unter Mitarbeit von Herrn
Assessor Dr. Volkmann geschrieben.
Berlin, im Juiü 1912.
Reichs- Kolonialamt.
Inhalts\'erzeichnis.
Vorwort des Reichskolonialamts.
Inhal tsverzeichnis.
Seite
Erster Abschnitt.
Die natürlichen Verhältnisse.
A. Die natürlichen Verhältnisse von Französisch-Äquatorial-Afrika.
§ I. Grenzen i
§ 2. Orographie und Hydrographie 2
§ 3. Die meteorologischen und klimatischen Verhältnisse 3
§ 4. Die Pflanzen- und Tierwelt 4
§ 5. Die Bevölkerung 4
B. Die natürUchen Verhältnisse von Neu-Kamerun.
I. Das Südgebiet.
§ 6. Das Küstendreieck 7
Das Binnendreieck.
§ 7. Orographie und Hydrographie 13
§ 8. Die meteorologischen und khmatischen Verhältnisse 18
§ 9. Die Pflanzen- und Tierwelt 20
§ 10. Die Bevölkerung 2i
II. Der Sanga-Vorsprung.
§ II 26
III. Das Ostgebiet.
§ 12. Das Hochland von Jade 32
Der südliche Teil des Ostgebietes.
§ 13. Die hydrographischen Verhältnisse 34
§ 14. Die meteorologischen und klimatischen Verhältnisse 42
§ 15. Die Pflanzen- und Tierwelt 43
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Seite
§ i6. Die Bevölkerung 45
Der nördliche Teil des Ostgebietes.
§ 17. Orographie und Hydrographie 52
§ 18. Die meteorologischen und khmatischen Verhältnisse 54
§ 19. Die Pflanzen- und Tierwelt 58
§ 20. Die Bevölkerung 59
Zweiter Abschnitt.
Handel, Verkehr und Arbeiterfrage.
§ 21. Vorbemerkung 64
I. Der Handel.
§ 22. Der Gesamthandel und Ein- und Ausfuhr 65
§ 23. Kautschuk 75
§ 24. Elfenbein 78
§ 25. Nutzhölzer 79
§ 26. Ölfrüchte, Baumwolle u. a. Erzeugnisse, Viehzucht, Mineralien 81
II. Der Verkehr.
§ 27. Allgemeines 84
I. Die Schiffahrtswege
§ 28. Das Kongo- Sanga-Ubangi-System 85
§ 29. Das Iwindo-Ogowe-System 91
§ 30. Die Küste und die Küstenflüsse 92
§ 31. Das Logo ne-Tschad- System 93
§ 32. 2. Der Trägerverkehr und die Handelsstraßen 99
§ 33. Die Frachtkosten 100
§ 34. 3. Eisenbahnen 103
§ 35. 4. Die Telegraphenhnien 105
III. Bevölkerung und Arbeiterfrage.
§ 36. Zahl und Dichtigkeit der Bevölkerung 107
§ 37. Schlafkrankheit und Pocken iii
§ 38. Arbeiterfrage 113
Dritter Abschnitt.
Die Verwaltungs- und Finanzeinrichtung.
I. Verwaltungseinrichtung.
39. Allgemeines 116
40. Die bisherigen Verwaltungsbezirke und Verwaltungskosten ... 118
41. Die bisherige Verwaltungstätigkeit (Eingeborenenpohtik, Schulen,
Arbeitervertrag, PoUzei- und Schutztruppe, religiöse Verhältnisse,
Geldverkehr 124
— VII —
Seite
II. Die Finanzeinrichtung.
1. Die Finanzen von Französisch-.\quatorial-.\(rika.
§ 42. Die Finanzeinrichtung und die bisherige Entwicklung der Finanzen 133
§ 43. Die Zölle 141
§ 44. Die Verbrauchsabgaben 143
§ 45. Die Eingcborencnstcucrn 144
§ 46. Die Domanialeinkünfte 14'»
§ 47. 2. Die Finanzen von Neu-Kamerun 147
Vierter Abschnitt.
Das Domanial- und Konzessionssystem und der freie Handel.
I. Das Domanialsy Stern.
§ 48 '45
II. Das Konzessionsystem.
§ 49. I. Die Konzcssionsgesellschaf ten in Französisch-
Äquatorial- Afrika i5<^
2. Die Konzessionsgesellschaften in Neu-Kamerun.
A. Die Konzessionsgesellschaften nach dem Dekrete von 1S99.
§ 50. Compagnie de la Ngoko-Sangha ^5^
§ 51. Compagnie Fran^aise du Congo i<i2
§ 52. Socifete de la Sangha equatoriale 163
§ 53. Compagnie commerciale de Colonisation du Congo Fran9ais . . 164
§ 54. Compagnie Fran^aisc de l'Ouahme et de la Nana 165
§ 55. Compagnie Commerciale et Coloniale de la Mamber6- Sangha in
Liqu 166
§ 56. B. Die Compagnie Foresti^e Sangha-Oubangui 167
§ 57. C. Die Soci6t6 Commerciale Industrielle et Agricole du Haut
Ogoou6 179
§ 58. D. Die Soci6t6 des Messageries Fluviales du Congo i"^"
E. Die Konzessionsdekrete.
§ 59- Vorbemerkung ^^3
1. Das Dekret von 1S99.
§ 60. Die Gesellschaftsverfassung 184
§ 61. Das Konzessionsgebiet 184
§ 62. Die Rechte aus den Konzessionen 185
§ 63. Die Verpflichtungen und Auflagen 188
§ 64. Beginn, Änderung und Ende der Konzessionen 191
§ 65. Die Eingeborenenreservate ^95
2. Das Dekret von 1910/11.
§ 66. Die Gesellschafts Verfassung 198
§ 67. Rechte und Pflichten aus den Konzessionen I99
§ 68. Das Ende der Konzessionen 20°
§ 6g. Die Eingeborenenreservate 20t
§ 70. F. Die rechtliche Natur der Konzessionen 203
§ 71 G. Die Konzessionen und das November- Abkommen 206
— VIII —
Seite
III. Die Konzessionen und der freie Handel.
§ 72. Der freie Handel im Kongo-Becken 208
§ 73. Der freie Handel außerhalb des Kongo-Beckens 212
Anhang I.
1. Das deutsch-französische Abkommen betreffend die beiderseitigen
Besitzungen in Äquatorial- Afrika 215
2. Inhalt eines Notenwechsels betreffend das obige Abkommen . . . 225
3. Abkommen betreffend die Abgrenzung zwischen Kamerun und
Französisch- Kongo vom 18. April 1908 und Anhang dazu .... 226
4. Zusatznote zu dem Abkommen vom 4. November 191 1 231
5. Übereinkommen über die Nationalität der Personen, die sich in
den zwischen Frankreich und Deutschland am 4. November 191 1
ausgetauschten Gebieten befinden 232
6. Französisch-spanischer Vertrag betreffend die Abgrenzung der beider-
seitigen Besitzungen an der Küste des Golfes von Guinea vom 27.
Juni 1900 234
7. Zusatz zu dem deutsch-französischen Abkommen vom 4. November
1911 239
Anhang II.
1. Dekret von 1899 243
2. Lastenheft 252
Anhang III.
1. Dekret von 1910 mit dem Übereinkommen vom 13. Juni 1910 . 275
2. Dekret von 191 1 mit dem Übereinkommen vom 31. Januar 191 1 282
3. Formular für Kautschukverträge zwischen der Cie. Forestifere und
den Häuptlingen 285
Anhang IV.
1. Vertrag zwischen dem Generalgouvernement und der Societe des
Messageries Fluviales du Congo vom 2. November 1910 289
2. Vertrag zwischen der Ste. Mess. Fluv. und einer Konzessionsgesell-
schaft mit Tarif 303
Abkürzungen 310
Zusammenstellung der Niederschlagsmengen 311
Karte i = Verwaltungskarte.
Karte 2 = Konzessionskarte.
Erster Abschnitt.
Die natürlichen Verhältnisse.
A. Die natürlichen Verhältnisse von
Französisch-Äquatorial-Afrika.
Literatur:
Rouge t, Expansion colonicüe au Congo Fran9ais. Paris 1906.
Annuaire Coloniale. Paris 1910. S. 514 — 523.
Die Schilderung der natürUchen Verhältnisse von Neu-Kamerun § i.
wird leichter verständlich, wenn zunächst ein Bück auf die natürhchen
\'erhältnisse der französischen Kongo-Kolonie geworfen wird, zu der
Neu-Kamerun bisher gehörte.
Die französische Kongo-Kolonie — seit 1910 amthch Französisch-
Äquatorial-Afrika genannt — hegt zwischen dem 5° südhcher und dem
15° nördlicher Breite und dem 9° und 27° östUcher Länge von Green-
wich. Vor dem Gebietsaustausche auf Gnmd des deutsch-französischen
Abkommens vom 4. November 191 1 wurde ihr Flächeninhalt, je nachdem
man ihre nördliche Ausdehnung annahm, auf 1776500 oder 1423400 qkm^)
angegeben. Sie zerfiel in zwei der Größe nach ungleiche Land-
massen ; die kleinere südliche wurde begrenzt im Westen \-om Atlantischen
Ozean, im Norden von Spanisch- Guinea und Kamerun, im Süden und
Osten von Portugiesisch- Kabinda und der belgischen Kongo-Kolonie;
die größere nördhche wurde begrenzt im Westen bis zum Tschadsee
hinauf von Kamerun, im Osten von der Kongo-Kolonie, im Nordosten
vom ägyptischen Sudan. Im Norden scliließt sich Französisch-Aquato-
*) Vgl. Afr. Franf. Renseignemcnts Coloniaux 191 1, S. 274 und Rouget S. 639.
Die drei Kolonien Ubangi-Schari, Mittel-Kongo und Gabun hatten einen Flächen-
inhalt von I 230 500 qkm.
VerBffentl. d. Reichfkolonialamtci Nr. 4: Ritter. ^
rial-Afrika ohne bestimmte Verwaltungsgrenze an den französischen
Sudan und damit an das große französische Kolonialreich im Norden
Afrikas an. Die Verbindung zwischen dem südhchen und dem nördhchen
Teile der Kolonie wird durch das verhältnismäßig schmale Landgebiet
zwischen dem Sanga und dem Ubangi hergestellt.
Ein Bück auf diese Grenzen läßt erkennen, daß die Kolonie ihrem
Umfange nach nicht ein einheithches, geographisches oder wirtschaft-
liches Ganzes bildete, sondern durch pohtische Rücksichten und Zufälle
ihre bisherige Gestalt erhalten hat. Die einzelnen Teile von Französisch-
Äquatorial-Afrika zeigen daher in ihren natürhchen und wirtschaftüchen
Verhältnissen große Verschiedenheiten, die bei einer Ausdehnung über
mehr als 20 Breitengrade noch schärfer hervortreten als in Kamerun.
Es sind 4 Gebiete zu unterscheiden, die orographisch, hydrographisch,
khmatisch, zum Teil auch ethnographisch und in Beziehung auf Pflanzen-
und Tierwelt in sich zienüich einheithch und unter sich scharf abgegrenzt
sind. Das sind
1. Das Bergland der Küste und sein Hinterland,
2. das Tiefland des Kongo-Beckens,
3. das Hochplateau im Norden des Kongo-Beckens,
4. das Tschadsee-Gebiet.
§ 2. I. Das Küstenbergland stellt sich — schematisch — als eine dem
Meere zu geneigte, große Mulde dar, die im Norden von der Sierra del
Cristal, im Süden von den Bergen von Majumbe flankiert wird und in
weitem Bogen stufenweise aufsteigend, sich etwa 600 km landeinwärts
erstreckt. In der Senkung der Mulde fällt der Ogowe in zahlreichen
Absätzen zum Meere. Hydrographisch stellt sich dies Gebiet also als
das Becken des Ogowe dar. Neben ihm kommen noch einige kürzere
Flüsse zur Küste, Die Küste selbst zeigt im Norden bis zum Kap Lopez
mehr bergigen Charakter; während weiter nach Süden sich ein mit
Sümpfen und Lagunen durchsetztes Tiefland von wechselnder Breite
die Küste entlang zieht.
2. Östlich flacht dieses Bergland sich zu der weiten tiefen Einsenkung
ab, die von dem Fluß Systeme des Kongo ausgefüllt \vird. Das Charak-
teristische an diesem Tieflande ist, daß der Kongo und seine zahlreichen
großen und kleinen Nebenflüsse in weiten, mit dichten Waldungen be-
deckten Ebenen dahinfließen, die so flach sind, daß die Flußläufe sich
in viele Arme teilen. Der Kongo erreicht in dieser Gegend stellenweise
eine Breite von 20 km und darüber. Bei der großen Niederschlagsmenge
dieses Gebietes tritt während der Regenzeit das Wasser über die niederen
Ufer und verbreitet sich dann ohne Hemmung über die Ebene, so daß
— 3 —
weite Gebiete in eine große Wasserfläche verwandelt werden. Die Rück-
stände dieser Überschwemmungen bilden den für dieses Gebiet so charak-
teristischen Ur^valdsumpf. Der größte Teil dieses Tieflandes gehört zu
der belgischen Kongo-Kolonie. Zu Französisch-Äquatorial-Afrika gehört
nur das rechte Ufer des Ubangi, mit den Flußgebieten des Lobaje, Ibenga
und Motaba, und von der Mündung des Ubangi in den Kongo an die
rechte Uferseite des Kongo selbst.
Von der Mündung des Alima ah, den Kongo abwärts, wird das Tief-
land durch ein Hochplateau unterbrochen, das sich in südlicher Richtung
an das oben beschriebene Küstenbergland ansetzt und den Kongo zwingt,
seine Wasser zwischen hohen Ufern in verhältnismäßig schmalem Laufe
zu sammeln. Er durchbricht dieses Hochplateau in dem sogenannten
,, Couloir du Congo" bis zum Stanley-Pool, um weiterhin in zahlreichen
Fällen sich in das Küstentiefland zu stürzen, wo er wieder genügend
Raum für die Ausdehnung seiner Wasser imd Bildung eines großen
Sumpfdeltas findet.
3. Das dritte Gebiet, das Hochplateau im Norden des Kongo-
Beckens, schüeßt sich an das Hochland von Adamaua in Kamerun
östUch an, und wie dieses die Wasserscheide zwischen den Küstenflüssen
und dem Kongo-Becken bildet, so ist das nördhche Hoclüand in Fran-
zösisch-Äquatorial-Afrika die Wasserscheide z\Nischen dem Kongo- und
dem Tschadsee-Becken. Dieses Hochland gUedert sich in 3 Gruppen:
Die Gruppe von Dar-Banda, die im Osten die Wasserscheide zum Nil
hin bildet, die Gruppe des oberen Schari und die Gruppe des Sanga,
die ihren orographischen Mittelpunkt im Hochlande von Jade hat.
Von hier fließen der Kadei, der Mambere, der Nana nach Süden, der
Lobaje und der Ibenga nach Osten, der Uam und der Pende nach Norden
und der Sanaga nach Westen.
4. Im Norden senkt sich dieses Hochland zu dem Tschadsee-
Becken hinab. In diesem Gebiete vollzieht sich allmähhch der Übergang
vom Hochlande zum Acker- imd Graslande und weiter nördlich zur
Sandwüste der Sahara.
Dem bisher Gesagten entsprechend, weisen aucli die meteorolo- § 3.
gischen und klimatischen Verhältnisse von Französisch-Aquatorial-
Afrika große Verschiedenheiten auf. Im Küstengebiete zwischen Kamerun
und dem Kongo bis zum Stanley-Pool zerfällt das Jalir in zwei Regen-
und zwei Trockenzeiten, nämlich eine schwächere Regenzeit im März
und April und eine stärkere vom September bis November; die eine
Trockenzeit reicht vom Juni bis September und die zweite ist im Dezem-
ber und Januar. Am unteren Sanga und Ubangi ver%vischen sich diese
Regen- und Trockenzeiten und der Regenfall verteilt sich ziemlich auf
— 4 —
alle Monate ohne eigentliche Trockenzeit. An dieses ewig feuchte Gebiet
schließt sich dann den Sanga aufwärts ein Gebiet an, das, wie das Hinter-
land des mittleren Kamerun, wieder zwei ausgesprochene Regenzeiten,
die eine im April und Mai, die andere im September imd Oktober hat
und zwei, wenn auch nicht ganz regenlose Trockenzeiten in der Jahres-
mitte (Juli bis August) und um die Jahreswende (Dezember und Januar).
Weiter im Norden verschmelzen die Regenzeiten wieder zu einer einzigen,
wobei die Regenmengen abnehmen und die Trockenzeit um die Jahres-
wende immer länger und ausgesprochener wird.^)
Die Temperatur wird im Küsten- und Urwaldgebiete durch den
großen Feuchtigkeitsgehalt der Luft reguhert und erreicht daher fast
nie extreme Ziffern. Dagegen zeigt das Thermometer im Norden manch-
mal sehr hohe Tagesunterschiede, die bis zu 35 und mehr Grad erreichen
können. Nirgends in Französisch-Äquatorial- Afrika sind die khmatischen
Verhältnisse so, daß Eiuopäer sich dort dauernd aufhalten könnten.
Einige Gebiete, wie z. B, das Mündungsgebiet des Sanga und des Ubangi,
werden sogar als ungeeignet für nur kürzeren Aufenthalt bezeichnet.
§ 4- Durch das bisher Gesagte sind auch die Vegetations Verhältnisse
schon ziemhch bestimmt. Die Niederungen der Küste sind mit dem
typischen afrikanischen Urwald bedeckt, der, mit dem Berglande auf-
steigend, das ganze Ogowe-Becken ausfüllt und nur die höheren Erhebun-
gen über 400 m für lichteren Hoch- und Busch wald übrig läßt. Die Urwald-
zone reicht in Französisch-Äquatorial-Afrika ähnlich wie in Süd-Kamerun
weit ins Innere des Landes und findet in der seenartigen Erw^eiterung
des Kongo-Beckens zwischen Bonga imd Liranga den Anschluß an den
großen Urwald des Kongo-Tieflandes und eine neue Basis, von der aus
sie sich, in den Tälern des Sanga und Ubangi aufsteigend, weiter nach
Norden bis zu den Südhängen des Jade- Hochlandes ausdehnen kann.
Sie hat im Norden eine ziemhch scharf abgeschnittene Grenze, ungefähr am
4** nördhcher Breite. Nur die Flußläufe entlang vermag sich die üppige,
tropische Vegetation noch weiter nach Norden zu erstrecken; sie bildet
hier an den Ufern die Waldgebilde, die unter dem Namen Gallerie- oder
Uferwald bekannt sind. An diese Uferwälder schheßt sich zunächst
dichter Busch an, in weiterer Entfernung Buschsteppe und dann weiter
nördhch Grassteppe mit harten, zur Weide wenig geeigneten Gräsern.
Wo die Grassteppe in das Bewässerungsgebiet des Schari und des Logone
kommt, wird der Boden fruchtbar und für Viehzucht und Ackerbau gleich
geeignet.
§ 5. Wenn es richtig ist, daß der Mensch zum großen Teile das Erzeugnis
1) Vgl. die Zusammenstellung der Niederschlagsmengen am Schlüsse.
seiner Umwelt ist, und daß Volksgesamtheiten von ihrer Umwelt noch
mehr beeinflußt werden als das einzelne Individuum, so ist es klar, daß
wir in einem solchen Lande keine einheitliche, kulturell oder politisch
zusammenhängende Bevölkerung erwarten dürfen. In den feuchten,
hchtlosen Urwäldern mußte sich natürlich eine andere Bevölkerung ent-
wickeln, als auf den freien, trocknen Steppen des Nordens. Dazu kommt,
daß an den Grenzen des zentralafrikanischen Urwaldes sich seit Jahr-
hunderten die großen Völkerbewegungen brechen, die den afrikanischen
Kontinent von Nord nach Süd und zurückebbend, von Süd nach Nord
durchflutet haben und erst seit dem Eindringen der europäischen Kolo-
nisationsmächte allmählich zum Stillstande kommen. Der Ursprung,
der zeitliche Anfang und die Gründe dieser großen Völker^vanderungen
sind noch ziemlich in Dunkel gehüllt. Wir können nur sehen, daß von
Süden und Südosten her die Stämme der Bantu-Neger, vom Nordwesten
her die islamisierten Völker des westlichen Sudan und von Osten her
die Ostsudan-Neger vorgedrungen sind; jeder Stamm den ihm vorge-
lagerten vernichtend oder in den Urwald drängend, oder, wenn er ge-
nügende Widerstandskraft fand, ihn überdeckend und sich mit ihm ver-
mischend. Dazu haben bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts
vom Tanganika-See her die Sklavenjagden der Araber und früher von der
Küste des Atlantischen Ozeans her die Sklavenhändler, die die Sklaven
nach Amerika ausführten, dazu beigetragen, diese Völkerschaften zu
zersprengen und in jeder einheitlichen Entwicklung zu hemmen. Wie
anderwärts in Afrika, z. B. in den wasserlosen Steppen Südwest-Afrikas,
in den unzugängüchen Hochländern Zentral-Afrikas, so sind daher auch
hier die kulturell am tiefsten stehenden Rassen in den Gebieten zu treffen,
die die geringste Existenzmöglichkeit bieten und damit von selbst Schutz
vor kräftigeren, höher stehenden Völkern gewähren, die in diesen Ge-
bieten ilire höheren Lebensansprüche nicht mehr befriedigen können.
So finden wir in den unzugänglichsten Sumpf- und Urwaldgebieten,
vor allem in dem Gebiete zwischen Likuala-Mossaka und Kongo das
Zwerg\'olk (Pygmäen), in welchem die Forschung mangels einer anderen
Erklärung die Reste der Ureinwohner Afrikas sehen will. In den übrigen
Gebieten sind diese Ureinwohner von höherstehenden \'ölkem ülx;rdcckt
worden. Den relativ höchsten Stand der Kultur scheinen die Völker-
schaften zu erreichen, die im Norden mit dem Islam in Berührung ge-
kommen sind.
Die Angaben über die Dichtigkeit der Bevölkenmg zeigen die
gleichen Unzuverlässigkeit, die den Berichten aus anderen Gebieten
Afrikas in diesem Punkte eigen ist. Die Schätzungen schwanken
zwischen 4 und 12 Millionen Eingeborenen; einzelne Schätzungen gehen
— 6 —
darüber noch hinaus und rechnen mit bis zu i8 MiUionen. Wie anderwärts
in Afrika mußten auch hier die ersten überschwängUchen Erwartungen
bezüglich der Bevölkerungszahl stufenweise herabgesetzt werden; jedoch
scheinen die angegebenen geringsten Schätzungen heute schon unter
den tatsächüchen Bevölkerungsstand herunterzugehen.
B. Die natürlichen Verhältnisse von Neu-Kamerun^).
Von diesem nach seinen natürlichen Verhältnissen eben kurz be-
schriebenen Gebiete hat Frankreich durch das deutsch-französische
Abkommen vom 4. November 1911, betreffend die beiderseitigen Be-
sitzungen in Äquatorial-Afrika^), ein Gebiet von etwa 280 ooo qkm^)
an Deutschland abgetreten. Davon entfallen etwa 50 000 qkm auf den
sich südhch an Alt- Kamerun anschließenden Teil und 230 000 qkm
auf den Sanga- Vorsprung und den östlich an Alt-Kamerun sich an-
schließenden Teil einschheßhch des Ubangi- Vorsprunges.
Dem Verlaufe der Grenze folgend, soll zuerst das Südgebiet, dann
der Sanga- Vorsprung, dann das Ostgebiet dargestellt werden.
I. Das Südgebiet.
Literatur :
A. Cottes, La Mission Cottes au Sud-Cameroun, Paris 191 1.
Koloniale Rundschau, 1912, S. 225!.
Mouv. Gtogr. 1900, S. 107, 401; 1901, S. 37, 571; 1903, S. 99; 1907, S. 65.
La Geographie 1911, 2. Teil, S. 287.
Revue coloniale 1902, S. 470; 1902/03, S. 171, 576; 1903/04, S. 15.
Die Grenze dieses Gebietes ist im Norden die bisherige Südgrenze
Kameruns und die Südgrenze von Spanisch- Guinea und im Westen der
Atlantische Ozean. Die Südgrenze ist im November-Abkommen wie
folgt festgesetzt:
La f rontiere partira du cöte de Die Grenze geht vom Atlantischen
l'Atlantique d'un point ä fixer sur Ozean aus, sie setzt an am östlichen
la rive Orientale de la baie de Monda, Ufer der Bai von Monda, an einer
vers l'embouchure de la Massolie. noch zu bestimmenden Stelle, geht
Se dirigeant vers le nord-est, la weiter nach der Mündung des Mas-
frontiere obliquera vers 1' angle sud- solle zu und biegt nordösthch ver-
est de la Guinee espagnole. Elle laufend nach dem südösthchen Win-
^) Vgl. die Karten am Schlüsse.
2) Im Anhange I abgedruckt.
^) Nach den niedrigsten Schätzungen etwa 225 000 qkm.
coupera la rivi^re Ivondo ä son kel von Spanisch-Guinea um. Sie
confluent avec la Djoua, suivra schneidet den Iwindofluü bei seiner
cette rivi^re jusqu'ä Madjingo (qui Vereinigung mit dem Dschua, folgt
restera fran(;;ais) et de ce point se diesem Fluß bis Madschingo (das
dirigera vers Test, pour aboutir französisch bleibt) und verläuft von
au confluent de la Ngoko et de la hier ab östhch, bis sie den Vereini-
Sangha au nord d'Ouesso. gungspunkt des Ngoko und des
Sanga im Norden von Wesso trifft.
Diese Grenzbeschreibung ist nur vorläufig. Die Grenze wird ihren
endgültigen Verlauf erst auf Grund der Arbeiten der technischen Grenz-
kommission erhalten, die in Art. 3 des Abkommens vorgesehen ist. Dabei
werden auch die Zweifel, die nach dem Wortlaute des Abkommens über •
den Ansatzpunkt der Grenze an der Küste, über ihren Verlauf nach der
südösthchen Ecke von Spanisch-Guinea und über die Entfernung be-
stehen, in welcher die Grenze an dieser Ecke vorbeiläuft, nach Möghch-
keit zu beseitigen sein. Die ganze GrenzUnie von der Küste bis zum
Sanga beträgt etwa 700 km; davon folgen nur etwa 100 km natürUchen,
geographischen Grenzen, nämlich die Strecke von der Mündung des
Dschua in den Iwindo den Dschua aufwärts bis Madschingo. Die übrigen
600 km schneiden eine Unmenge von Flußläufen ; von größeren seien hier
nur der Noja, Mbei, Komo, Abanga, Nkam, Lara, Okano, Mwung, Ua,
Iwindo, Kudu imd Komo genannt. Die technische Grenzkommission
wird unter diesen Umständen wenig Gelegenheit haben, von ihrer Be-
fugnis, die Landesgrenze auf natürliche Grenzen zu verlegen, Gebrauch
zu machen.
Das Südgebiet zerfällt in ein kleineres Küstendreieck (3250 qkm)
und ein größeres Binnendreieck (46 500 qkm).
Das Küstendreieck grenzt im Norden an Spanisch-Guinea. § 6.
Für den Verlauf der Grenze ist das spanisch-französische Grenzab-
kommen vom 27. Juni 1900 maßgebend, das darüber folgendes bestimmt ^) :
,,Die Grenze geht aus von dem Schnittpunkte des Talweges des
Muni-Flusses mit einer geraden Linie von Koko Beach nach Diec6, sie
geht dann den Talweg des Muni-Flusses und des Temboni aufwärts bis
zu dem Punkte, wo der Temboni zum ersten Male durch den i° nördlicher
Breite geschnitten wird, und fällt dann mit diesem Breitengrade zu-
sammen bis zu seinem Schnittpunkte mit dem 9. Läjigengrad östhch
von Paris (11^20' östlich von Greenwich). Von diesem Punkte an wird die
Grenzlinie durch den genannten 9. Längengrad östlich von Paris ge-
*) Siehe Anhang I.
bildet, bis zu seinem Zusammentreffen mit der Südgrenze von Deutsch-
Kamerun."
Die Grenze gegen Spanisch- Guinea folgt also nur geographischen
Linien und zwar im Süden von Spanisch- Guinea in einer Länge von
165 km und im Osten in einer Länge von 145 km. Die Grenze ist in der
Natur noch nicht festgelegt worden. Die sich hieraus ergebenden Nach-
teile sind hier um so mehr hervorgetreten, als die astronomischen Messun-
gen, der Grenzkommission von 1901 ungenau zu sein scheinen.^) Die
Folge davon ist, daß über die Zugehörigkeit einzelner Orte Unsicherheit
besteht, so daß z. B. die französische Firma Laloux für ihre Nieder-
lasstmgen in Ateke seit Jahren an das französische Gouvernement Ab-
gaben zahlt, während die spanische Behörde der englischen Firma Hat ton
& Cookson die Ermächtigung gegeben hat, an dem gleichen Orte eine
Handelsniederlassung zu errichten. Tatsächlich wissen die an der Grenze
sitzenden Häuptlinge vielfach nicht, ob sie zu französischem oder spani-
schem Gebiete gehören, und manche Eingeborenen-Niederlassungen
werden durch die Grenze geschnitten. Daraus ergeben sich nicht nur
vom politischen Standpunkte aus Nachteile; sondern es ist auch dem
Schmuggel, vor allem dem Waffenschmuggel, Tür und Tor geöffnet.
Ein großer Teil der alten Steinschloßgewehre, mit denen die Eingeborenen
sich hier bewaffnet haben, soll aus Spanisch- Guinea herübergeschmuggelt
worden sein. Die französische Regierung hat wiederholt, so im Jahre
1903, 1905 und 1907, versucht, diese Unzuträglichkeiten im Einver-
nehmen mit der spanischen Regierung durch eine bessere Grenzführung
zu beseitigen; sie hat aber bei der spanischen Regierung kein Interesse
dafür gefunden.
Im Westen stößt dieses Gebiet mit einer etwa 40 km langen Strecke
an den Atlantischen Ozean. Dieser Anteil am Meeresufer findet eine
Fortsetzung durch das Südufer des Muni, der sich in einer Breite von
3 — 6 km in das Meer ergießt. Der Anteil an der Küste macht dieses
Gebiet trotz seines mangelhaften Zusammenhanges mit dem übrigen
deutschen Gebiete zu einem der wertvollsten Teile der Neuerwerbungen.
Das an der Südseite der Muni-Mündung gelegene Butika (Uwinia?)
scheint Seeschiffen eine günstige Anlegestelle zu bieten. 2) Ob das Innere
der Muni-Mündung größeren Seeschiffen zugänghch ist, scheint noch
nicht festzustehen; die Tiefenmessungen eines spanischen Seeoffiziers
haben zwar Tiefen bis zu 22 m festgestellt; das Fahrwasser ist aber mit
^) Vgl. Cottes, S. 76; Mouvement Geographique 1902, S. 63 und Revue
coloniale 1902/03, S. 171, 576; 1903/04, S. 15!.
2) Vgl. unten § 30.
— 9 —
zahlreichen Inseln durchsetzt. Außerdem bringen die von der Höhe der
Sierra del Cristal herunterkommenden Flüsse viel Geschiebe mit sich,
das von der hier besonders kräftigen Ebbe und Flut aufgenommen und
in Form von Sandbänken in der Mündung abgesetzt wird. Es bedarf
daher nocli weiterer Erkundungen, ob die Muni-Mündung ein für Hoch-
seeschiffe geeigneter Hafen ist. Die Möglichkeit scheint vorläufig bei
gehöriger Betonnung und Befeuenmg nicht ausgeschlossen. Die Küsten-
dampfer und die französischen Kanonenlxjote befaliren jetzt schon den
Muni und dringen mit der Flut bis Ekododo am Temboni vor. Zur Zeit
der Ebbe flußaufwärts zu kommen, ist nur besonders kräftigen Dampfern
möglich.
Der Muni-Mündung fließen aus spanischem Gebiete von Norden
her der Konke und der Utongo zu, vom Osten der Banie. Der aus dem
Südosten kommende Temboni wird an seiner Mündung in den Muni im Tal
wege von der spanisch-deutschen Grenze geschnitten, so daß das trockne
Xordufer mit dem Handelsplatze Kanganie spanisch ist, während das
bis Mbeto hinauf sumpfige Südufer deutsch ist. Von Süden her mündet
der Noja ein, der fast in seinem ganzen Laufe auf deutschem Gebiete
fließt. Seine zahlreichen Ouellflüsse kommen aus Norden von der Sierra
del Cristal. Nach ihrer \'ereinigung fließt er eine kurze Strecke auf fran-
zösischem Gebiete, um dann im spitzen Winkel nach Norden auf deutsches
Gebiet zurückzufließen. Seine Mündung ist durch mehrere Kanäle,
sogenannte Kriks, mit der Temboni-Mündung verbunden. Von den
Inseln der Muni-Mündung sind die südlich des Talwegs gelegenen Inseln
deutsch,^) die anderen ebenso wie die der Muni-Mündung vorgelagerten
Inseln Groß- und Klein-Elobey und die Korisko- Inseln spanisch.
Das Küstengebiet wird von einer stark bewässerten, teilweise
sumpfigen, mit dichtem Walde bedeckten Ebene gebildet, die sich etwa
20 — 30 km landeinwärts erstreckt und nur im Süden von den letzten,
niedrigen Ausläufern der Sierra del Cristal durclizogen \\ird. \'on diesen
Erhebungen fließt der Mvomo nach Norden in den Noja, nach Süden
der Messanke in das Becken von Gabun. Zur Zeit der großen Überschwem-
mungen sollen die Eingeborenen auf diesen beiden Flüssen mit ihren
Booten direkt vom Noja ins Gabun-Becken fahren können. Hinter
dieser Ebene baut sich der Gebirgsstock der Sierra del Cristal in charak-
teristischen, ziemlich scharf abgegrenzten Stufen auf. Die erste Stufe
erhebt sich etwa bis zu einer Höhe von 50 m, dahinter die zweite Stufe
bis zu einer mittleren Höhe von 200 m. Diese Stufe ist von den Quell-
flüssen des Noja scharf durchrissen und nur auf den übhchen Trägerwegen
') Vgl. dazu I Revue colonialc 1903/04, S. 2S,
— lO —
passierbar. Darüber erhebt sich die dritte Stufe, in einzelnen Punkten
bis zu 700 m ansteigend; die durchschnittüche Höhe beträgt 500 bis
600 m. Weiter landeinwärts zieht sich ein Hochplateau in gleicher Höhe
bis zu dem steilen Abfall in das Tal des Abanga hin, der in Spanisch-
Guinea entspringt und das deutsche Gebiet in südlicher Richtung durch-
quert.
Diese Höhengüederung ist dem Auge nur beim Bhcke vom Meere
aus erkennbar. Der das Land auf einem der Trägerpfade durchziehende
Reisende kommt kaum zu einem Ausbhcke, denn das ganze Gebiet ist
mit dichtem, primärem Urwalde bedeckt, der nur im Umkreise der Sied-
lungen etwas zurückgedrängt worden ist. An der Meeresküste und den
Ufern des Muni tritt Mangrovenwald auf, der namentlich an der Noja-
Mündung und am Südufer des Temboni aufwärts bis zur Flutgrenze
sich großartig entwickelt. Weiter landeinwärts und in der Höhe zeigt
der Wald die gleiche Zusammensetzung wie in der entsprechenden Lage
von Süd-Kamerun. Die Wälder waren früher sehr reich an Kautschuk.
Die Bestände scheinen aber an den leichter zugänghchen Stellen schon
ziemlich abgebaut zu sein. Daneben liefert das Land noch etwas Palmöl,
Palmkeme und etwas Kopal. Sein Hauptreichtum besteht in den wert-
vollen Nutzhölzern, deren Ausfuhr jetzt schon von Bedeutung und einer
starken Steigerung fähig ist.^)
Dem ganzen Muni-Becken wird besondere Fruchtbarkeit nachge-
rühmt. Der Alluvialboden an den Flüssen ist sehr ertragfähig. An den
Hängen haben allerdings die starken tropischen Regen die Humusdecke
vielfach weggespült. Die zahlreichen Eingeborenenkulturen, die haupt-
sächUch aus Planten, Kassave und Bananen bestehen, machen durchweg
einen guten Eindruck. Boden und Klima sind für Kakao und Kaffee-
pflanzungen nicht ungünstig, in der Umgebimg von Libreville befinden
sich einige Kakao-, Kaffee- und ölpalmenpflanzungen. Die Kaffeepflan-
zungen sollen sich aber als nicht rentabel gezeigt haben. An den Ufern
des Noja kommt der Kaffee wildwachsend vor.
Für die meteorologischen Verhältnisse gibt die nebenstehende
Tabelle, welche Angaben für das benachbarte Libreville enthält, einen
Anhalt. Danach setzt die Regenzeit hier im Oktober mit sehr großen
Niederschlägen ein — es kommen Tagesregenhöhen bis zu 150 mm vor
■ — und dauert mit kleinen Schwankungen bis April. Im Mai lassen die
Regen ebenso plötzhch, wie sie eingesetzt haben, nach; der Juni imd
JuM ist fast ganz regenlos. Die gesamte Niederschlagsmenge mit 2456 mm
entspricht ungefähr der an der Südküste von Alt-Kamerun. Die vor-
Vgl. darüber unten § 25.
— II —
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— 12 —
herrschenden Winde smd der Süd-, West- und Nordwestwind; Nord-
ostwinde bringen immer Gewitter.
Die Bevölkerung dieses Gebietes gibt ein sehr anschauHches
Beispiel von der Übereinanderschichtung der Rassen, von der oben ge-
sprochen wurde. Es kommen hier als unterste Schicht noch Zwerg-
stämme vor, die im Busch und in den Sümpfen in vereinzelten Siedlungen
wohnen und sich dem Weißen nur selten zeigen. Über die Reste dieser
Urbevölkerung haben sich die Stämme der Baseki und Balengi gelagert,
die ihrer ganzen Erscheinung nach, besonders nach ihrer glänzenden,
tiefschwarzen Hautfarbe, den Typus des reinen Guinea-Negers dar-
stellen. Die Baseki haben sich als brauchbare Arbeiter erwiesen ; während
die Balengi auf der Höhe ihrer Berge sitzen bleiben und es verschmähen,
mit den Weißen in nähere Berührung zu kommen. Diese Rasse der
Guinea-Neger wieder ist von den Pangwe- Stämmen überdeckt oder
vielmehr aus den fruchtbaren Tälern auf die Höhen gedrängt worden.
Die Pangwe-Stämme, über die weiter unten im Zusammenhange mit
ihren östUchen Nachbarn noch zu reden sein wird, sind erst Ende des
19. Jahrhunderts hier eingewandert. Sie passen sich den Arbeitsverhält-
nissen auf Pflanzungen nur schwer an, sind leicht gereizt und zank-
süchtig und laufen, wenn sie überhaupt Arbeit nehmen, oft nach einigen
Tagen wieder von der Arbeitsstelle weg. Brauchbarer sollen sie sich
für die Arbeit im Forste gezeigt haben, die ihrem Drange nach Ungebun-
denheit besser entspricht. Das gleichzeitige Bestehen von drei Rassen
übereinander erklärt sich offenbar daraus, daß die zuerst ansässigen
Stämme durch die Küste hier aufgehalten wurden und sich vor den aus
dem Innern vordringenden Stämmen nicht weiter zurückziehen konnten.
Über die Dichtigkeit der Bevölkerung liegen zuverlässige Angaben
nicht vor; sie scheint aber nicht unter dem Durchschnitte der Bevölke-
rungsdichtigkeit Gabuns zu sein. Die zahlreichen Niederlassungen
deuten eher darauf hin, daß sie über ihm steht. Nach allem, was
bisher über die Bevölkerung dieses Teils bekannt geworden ist, be-
rechtigt sie zu guten Hoffnungen, wenn die Weißen es verstehen, in
das richtige Verhältnis zu ihr zu treten. Das scheint bisher nicht
immer der Fall gewesen zu sein ; denn die Truppe in Ekododo hatte noch
im vorigen Jahre kleinere Kämpfe mit den Eingeborenen. Die Ein-
geborenen haben sich aber bald wieder beruhigt, so daß eine größere
mihtärische Aktion nicht notwendig wurde.
Die Eingeborenen legen ihre Lebensmittelkulturen mit verhältnis-
mäßig viel Geschick an ; von Gewerben betreiben sie hauptsächlich Töpfe-
rei und Schmiederei. Als Erzeugnis ihrer Gewerbe sind besonders Ton-
pfeifen, Messer und eiserne Glocken zu nennen. Die an den Ufern des
— 13 —
Muni sitzenden Stämme sind fleißige und gewandte Fischer. Alle Jalire
gellen hunderte von Traglasten getrockneter Fische ins Innere. Der Muni
und seine Zuflüsse zeiclmen sich durch großen Fischreichtum aus. Die
Eingel>:)renen sind allerdings nur auf den Fischfang in den seichteren
Nebenflüssen angewiesen, da ihre primitiven Fanggeriite zur Fischerei
in der tiefen Muni-Mündung nicht ausreichen.
Der Hauptort dieses Gebietes ist Ekododo, wo bisher ein franzö-
sischer Polizeiposten stationiert war. Ekododo ist ein verhältnismäßig
bedeutender Handelsumsclilagsplatz ; die Küstendampfer können hier
löschen und laden, und aus dem Innern laufen hier verschiedene Träger-
straßen ^) zusammen. Der Ort soll auch telegraplüsch mit Libreville
verbunden sein oder verbunden gewesen sein. (Vgl. Afrique Franqaise
1908, S. 276.) Auf den neuesten französischen Karten ist die Linie aller-
dings nicht eingetragen. Daneben ist Butika als Anlegestelle für See-
schiffe von Bedeutung. Es ist Sitz eines Zollpostens. Zollposten sollen
sich auch in Mbeto, an der Mündung des Temboni und in Ndombo an
der Meeresküste befinden.
In Butika sollen Kohlen gefimden worden sein. Diese Nachricht
wird dadurch bestätigt, daß bei starken Seestürmen Kohlenstücke an
den Strand von Elobey geworfen werden. Genauere Untersuchungen
scheinen noch nicht stattgefunden zu haben.
Als Handeslartikel kommen die an der ganzen westafrikanischen
Küste gebräuchlichen in Betracht ; als Besonderheit ist die Vorhebe der
Eingeborenen für Porzellanknöpfe zu erwähnen, die sie für ihren kunst-
vollen Haarputz verwenden. Als Tausch- und Ausfulirartikel kommen
von den genannten Landeserzeugnissen vor allem das Okume-Holz
in Betracht, das an der ganzen Munda-Bucht und an den Flußläufen
in großer Menge geschlagen wird, außerdem Kautschuk und Elfenbein,
die auf den Trägerstraßen aus dem Hinterlande an die Küste gebracht
werden.
Das Binnendreieck gehört orographisch zu dem Küstenberglande § 7«
von Gabun, hydrographisch gehört es 3 verschiedenen Gebieten an.
Aus dem westlichen Drittel fließen der Woleu und der Ntem, dieser in
seinem Unterlaufe Kampo genannt, unmittelbar dem Atlantischen Ozean
zu. Das mittlere Drittel gehört durch den Iwindo und seine Nebenflüsse
zum Flußgebiet des Ogowe, und das östliche Drittel entwässert zum
Sanga. Daraus ergibt sich von selbst, daß auch in der Höhengestaltmig
3 Gebiete zu unterscheiden sind. Die Ecke zwischen Spanisch- Guinea
und der bisherigen Kameruner Südgrenze wrd von einem zum Berg-
*) Vgl. unten § 32.
— 14 —
gebiete der Sierra del Cristal gehörigen Hochplateau ausgefüllt, das im
Süden, nahe der Südostecke von Spanisch- Guinea Höhen bis zu 750 m
erreicht, im Norden eine durchschnitthche Höhe von 550 m hat und wenig
gegliedert ist. In der Mitte dieses Hochplateaus entspringt der Ntem.
Er fließt in einer Länge von etwa 150 km der Nordostecke von Spanisch-
Guinea zu und von dort in ungefähr westhcher Richtung zum Atlantischen
Ozean, wobei er streckenweise die deutsch-spanische Grenze bildet. Er
ist trotz einer Breite bis zu 80 m für die Schiffahrt nicht brauchbar, da
er schon hier im Oberlaufe ebenso wie später im Mittellaufe vollständig
von Schnellen durchsetzt ist. Nur auf einer etwa 45 km langen Strecke
im Oberlaufe zwischen Bikuk und Nkine ist er bei höherem Wasser-
stande für Eingeborenenboote befahrbar. Weiter südlich entspringt der
Woleu in einer kleinen Grotte östlich von Andum; er fheßt zunächst
durch sumpfiges Gebiet und erreicht schon bei Minwebu-Owen eine
Breite von 30 m und eine Tiefe von 50 — 75 cm. Da diese Tiefe im ganzen
Jahre ziemlich gleich bleibt, ist er hier schon für die Schiffahrt mit Ein-
geborenenbooten brauchbar.!)
Das Hochland dieses Gebietes senkt sich nach Südosten zu in einem
ziemhch scharfen Abfalle, der in nordösthcher Richtung zu dem Knie
des Iwindo hin verläuft, zu dem 200 — 300 m tiefer hegenden Iwindo-
Becken hinab. Der Iwindo, in seinem Oberlaufe auch Aina genannt,
durchfließt, nachdem er bei Alati südhche Richtung genommen hat,
zunächst etwa 80 km ein weites Sumpfland. Sein Lauf zeigt auf dieser
Strecke sehr viele und große Windungen, seine Tiefe beträgt 0,75 bis
1,50 m. Oberhalb der Mündung des Karagua (auch Ye genannt) tritt
einmal Fels über das Wasser; da daneben aber die Durchfahrt leicht
möghch ist, -wird die Schiffahrt dadurch nicht gehindert. Von der Mün-
dung des Karagua ab bis Kandschama bietet der Fluß ein vollständig
verändertes Bild. Er läuft zwischen glatten Ufern dahin. Niedrige
Hügelreihen treten an die Ufer heran. Die Windungen haben aufgehört.
Die Tiefe ist die gleiche wie auf der oberen Strecke; das Fahrwasser
ist hier aber häufiger durch Felsen eingeengt, durch die die Schiffahrt
zwar etwas gefährdet, aber nicht unmöglich gemacht wird.
Auf dieser Strecke nimmt der Iwindo wichtige Nebenflüsse auf,
von Nordosten her den bereits erwähnten Karagua, der bei hohem Wasser-
stande mit Eingeborenenbooten bis nach Ntam hinauf, nahe an der alten
Kameruner Grenze, schiffbar ist. Non Nordwesten kommt der Nuna,
der in seiner ganzen Länge mit Eingeborenenbooten in 2 Tagen befahren
werden kann. Von Osten kommt der wichtige Dschua (auch Yesse oder
^) Über seine Schiffbarkeit auf spanischem Gebiete vgl. unten § 30.
— 15 —
Yemdsche genannt), der auf etwa loo km die neue Südgrenze bildet.
Er hat seine Quellen in einem ausgedehnten, etwa 70 km östlich Mad-
schingo gelegenen Sumpfgebiete, dessen Grenzen noch nicht erforscht
sind. Bei Madschingo bildet er wieder breite Sümpfe, die sowohl der
Schiffahrt als auch dem Landverkehr große Hindernisse bereiten. Von
Madschingo bis zur Mündung in den I\Nindo verbreitert sich der Dschua
allmähUch von 60 m auf 250 m und bildet auf dieser Strecke einen guten
\'erkehrsweg. Die Nebenflüsse des Dschua von Nordosten her, der Ebaka
und der Uaga, sind in ihrem Unterlaufe mit Booten befahrbar. Ihre
Ufer sind so versumpft, daß ein regelmäßiger Landverkehr in ihren
Gebieten nicht möglich ist ; die wenigen Pfade, die dieses Gebiet kreuzen,
sind fast immer unter Wasser. Weiter nördlich ist der Weg von Sembe
nach Suanke besser benutzbar. Von Kanschama abwärts ist die Schiff-
fahrt auf dem *Iwindo infolge der vielen Wasserfälle imd Schnellen
unmöghch.
Das Iwindo-Becken \sird östlich von einem markanten Sandstein-
kamme abgegrenzt, der sich in einer Länge von etwa 150 km von Nord
nach Süd erstreckt und die Wasserscheide zwischen dem Iwindo- und
Ngoko-Sanga- Gebiete bildet. An ilm schheßt sich ostwärts bis zum Sanga
ein noch wenig bekanntes und schwach bevölkertes Hochland an, in
dem sich drei von Südost nach Nordwest streichende Plateaus unter-
scheiden lassen: das Plateau, das zwischen Kudu und Komo liegt und
bis Wesso reicht, das Plateau, das von dem Kudu und Sembe eingeschlos-
sen wird und ein im Westen des Kudu- Sembe gelegenes, das durch die
Bodenschwelle von Suanke-Matuü mit den südüch des Dscha in Alt-
Kamerun gelegenen Bergzügen in Verbindung steht. Die höchsten Er-
hebungen liegen auf dem linken Sembe- und Kudu-Ufer; südöstHch der
Ngoko-Dschua- Wasserscheide delint sich eine große Ebene aus (Duel?),
in die der Dschua und seine zalilreichen Nebenflüsse eingebettet sind.
Der bedeutendste Wasserlauf dieses Gebietes ist der Ngoko, in
seinem Oberlaufe auch Dscha genannt, der dieses Gebiet im Norden
abgrenzt. Der Ngoko ^) ist ein Nebenfluß des Sanga. Er nimmt seinen
Ursprung auf jener merkwürdigen, südhch der deutschen Dume-Station
gelegenen Sumpfwasserscheide, auf der auch die gleichfalls zum Sanga
gehenden Flüsse Bumba und Dume und der zur Biafra-Bucht fließende
Njong ihre QueUen haben. Der Ngoko ist bei seiner Mündung in den
Sanga 500 m, bei Molundu 250 m und bei Sufley 100 m breit und hat
eine verhältnismäßig große Tiefe. Seine Flußhänge sind steil und erreichen
*) Der folgende Abschnitt ist einem Aufsatze von Moisel in der Deutsch.
Kol. Ztg. igii, Nr. 52 entnommen.
— i6 —
Höhen von 20 und 25 m. Der Ngoko hat daher ein enges, tiefes Flußbett
und ein kleines Überschwemmungsgebiet, so daß bei ihm zur Hochwasser-
zeit sich besonders hohe Pegelstände zeigen. Seinen höchsten Stand hat
er Mitte November, seinen tiefsten Ende Februar. Sandbänke sind nicht
vorhanden, an ihrer Stelle machen aber zur Niedrigwasserzeit aus dem
Strom auftauchende Felsen die Dampfschiffahrt sehr gefährhch. Das
erste Hindernis beim Hinaufgehen des Flusses bietet die FelsenschweUe
bei der Insel Wilhelmina (ungefähr 7 km südöstlich des Ortes Ngoko),
durch welche die Durchfahrt in der Trockenzeit auf 20 m Breite und
0,80 m Tiefe eingeengt wird. Es folgt die Schwelle beim Orte Ngoko ^),
die eine etwas größere Wasserhöhe aufweist, und dann dicht hinter Mo-
lundo noch die Felsenbarre von Tschama, welche die gefährlichste ist,
da sie in einer Flußbiegung hegt. Eine noch weiter oben, bei Boloso
den Fluß querende Felsenstufe (die Camap- Schnellen) bildet für die
Schiffahrt keine Gefahr. Die Folge dieser Hindemisse ist, daß Dampfer
mit 1,30 — 1,50 m Tiefgang bei Niedrigwasser 2) im Februar und März
sich nicht mehr bis Sufley hinauf wagen. Bei genauerer Untersuchung
des Flußbettes dürfte es sich vielleicht herausstellen, daß die Tschama-
Schnelle mit geringer Mühe doch noch für größere Dampfer fahrbar
gemacht werden kann. Dampfer bis 0,90 m Tiefgang gehen während des
ganzen Jahres bis Ngoila und Sufley und noch weiter, bis zu den Cholet-
Fällen hinauf. Oberhalb der Cholet-FäHe ist der Ngoko wieder schiffbar
zwischen Kul und Kam, jedoch nur für die Kleinschiffahrt.
Der Kudu, der bei Ngoila in den Ngoko mündet, bietet im kleinen
dasselbe Bild -uie der Ngoko. Von der Quelle bis zum Zusammenflusse
mit dem Sembe ist er ein reißender Fluß von 10 — 30 m Breite. Er
"erhält auf dieser Strecke zahlreiche Nebenflüsse, die ihm in der Regen-
zeit große Wassermassen zuführen, die aber in der Trockenzeit zu kleinen
Wasserrinnen zusammenschrumpfen. Im Unterlaufe weist der Fluß
eine Breite von 40 — 50 m und eine mittlere Tiefe von 1,50 m bei Niedrig-
wasser auf. An größeren Nebenflüssen nimmt der Kudu den Sembe und
Lologa auf. Der Sembe hat eine geringe Breite, aber größere Tiefe als
der Kudu. Diese beiden Flüsse würden nach Beseitigung der Schnellen
im Kudu (an der Mündung des Lologa?), die ohne Schwierigkeit zu be-
wirken ist, bis zum Orte Sembe für kleine Dampfer befahrbar sein. Der
Lologa kommt als Wasserstraße nicht in Betracht. Von den Nebenflüssen
^) Dieses Hindernis ist trotz der sorgfältigen, durch Hauptmann Freih. v.
Stein, Hauptmann Engelhard t, Hauptmann Foerster und Administrateur
Bonaissi^s ausgeführten Flußaufnahmen bisher unbekannt gewesen.
^) Nach Gottes, S. 40 können größere Dampfer während des ganzen
Jahres bis Ngoila kommen.
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des Sembe hat dann nocli der Majembe Bedeutung, da er einen l)equemen
Zufalirtsweg zu der \vert\oll>tcn Landschaft des ganzen Gebietes, zum
Bombassa-Lande, abgibt.
Der Komo, der in der Nachbarschaft der Kudu-Quellen entspringt,
hat mit dem Kudu gleiche Länge und Tiefe und zeigt auch sonst die
gleichen Eigenschaften wie dieser. Während der Kudu aber seinen Lauf
durch bevölkerte Gebiete nimmt, fließt der K(inn) durch unbewohnte
Landschaften. 50 km vor seiner Mündung verengt er sich und überfheßt
FäDe, die seine weitere Ausnutzung als Erschließungsweg des Bakuele-
und Bakota-Landes unmöglich machen."
Zur Ergänzung dieser Ausführungen Moisels wird hier noch ein
Bericht der Gesellschaft Süd-Kamerun über die Schiffbarkeit des Ngoko
gegeben, dessen Richtigkeit durch die langjälirige Erfahrung dieser
Gesellschaft verbürgt erscheint. „Der Ngoko ist für die Dampfer der
Gesellschaft Neu-Kamerun, die bis zu einem Tiefgange von 1,20 m be-
laden werden, nahezu das ganze Jahr bis Molundu scliiffbar. Bei aus-
nahmsweise niedrigem Wasserstande ist für Schiffe von über i m Tiefgang
allerdings eine Leichterung in Tibundi — auf dem halben Wege zwischen
Wesso und Molundu — notwendig. Von Molundu aufwärts ist der Ngoko
für Schiffe mit dem genannten Tiefgange bei normalem Wasserstande
noch bis Bomedah scliiffbar, wo auf dem rechten Ufer eine französische
Faktorei errichtet worden ist. Boote bis zu i m Tiefgang können bei
hohem Wasserstande bis zu den Dongo- Schnellen kommen. Die Dampfer
der Süd-Kamerungesellschaft sind häufig bis dorthin lünaufgefahren.
Weiter aufwärts von Dongo ist die Schiffahrt für Dampfer infolge der
zahlreichen Schnellen und Fälle bei Dongo und weiter oberhalb bis
Kul unmöglich. Das gleiche gilt auf dieser Strecke auch für den Verkehr
mit Frachtkähnen. Quer\'erkehr von einem Ufer zum anderen und \'er-
kehr auf kurze Strecken ist selbstverständlich möghch. Auf der Strecke
oberhalb Kul bis zu seinem Quellgebiet ist Bootsverkehr stellenweise
auf längere Strecken möglich. Ein durchgehender, uniinterbrochener
Verkehr ist aber wegen vorhandener größerer Schnellen und einiger
FäUe auch hier ausgeschlossen. Ebenso ist der Bumba, der dem Ngoko
bei Molundu zufließt, nur streckenweise mit Frachtkäluien befahrbar."
Die genannten Flüsse haben nicht nur für ihr eigenes Gebiet Be-
deutung, sondern auch als \'erbindungswege zum Iwindo-Gebiete lün.
Der Weg über den Ogowe-Iwindo ist zwar wesenthch kürzer als der
über den Kongo, Sanga, Ngoko, Kudu und Dschua. Trotzdem ist der
zweite dem ersteren vorzuziehen, da auf ihm die Scliiffahrtsverhältnisse
viel besser sind.^)
*) Vgl. darüber unten § 33.
Vrtöffcntl. d. Reichfkolonialamtei Nr. 4 : Ritter.
Die Temperatur ist im Bimiendreiecke wie- im Küstengebiete
das ganze Jahr ziemlich gleichmäßig. Einen Anhalt geben die nach-
stehenden Tabellen für die dem Gebiete benachbarten Stationen Molundu
und Akoafim.
I. Temperaturtafel der Station Akoafim.
Mittlere Temperatur
1909
1910
«C
1911
Absolutes Minimum
190g
»C
1910
Januar . .
Februar
März . . .
April . . .
Mai . . .
Juni . . .
JuH . . .
August . .
September .
Oktober
November
Dezember ,
23,7
23,6
22,8
22,3
22,6
22,8
24,2
23,8
24,0
23,2
22,4
23,3
23,7
22,4
23,0
22,6
23,8
24>3
24,4
24,0
23>8
ö o
17,0
15,0
14,0
14,0
14,0
14,5
14,0
14,0
14,0
Jahr
Max. + Min.
ungefähr 23,3
Die Kursiv-Zahlen geben das Tagesmittel =
2
Im übrigen ist das Tagesmittel aus gewonnen.
IL Tafel der Niederschlagsmengen der Stationen Akoafim und
Molundu. 1)
^) Vgl. auch die Zusammenstellung der Niederschlagsmengen am Schlüsse.
— 19 —
Die Monatsmittel zeigen während des ganzen Jahres hur geringe
Schwankungen. Auch die Tagestemperaturen sind in den niedrigeren
Lagen sehr gleichmäßig, dagegen macht sich in der Höhe, die
bis 900 m reicht, in den Nächten schon eine merkliche Abkühlung
geltend. Die Jahreszeiten sind im westhchen Teile des Binnendreiecks
schärfer ausgeprägt als an der Küste; es sind hier 4 Jahreszeiten ziemlich
regelmäßig zu unterscheiden. Die erste Regenzeit von Februar bis Juni,
die erste Trockenzeit von Juni bis September, die zweite Regenzeit
von September bis Dezember und die zweite Trockenzeit von Dezember
bis Januar. Dagegen verschmelzen weiter östlich die erste Trockenzeit
und die zwei Regenzeiten zu einer einzigen Regenzeit, in der die westliciie
erste Trockenzeit nur durch einen etwas geringeren Regenfall im Juni
und Juli angedeutet ist. Wirklich trocken ist nur eine ganz kurze Zeit
um die Jahreswende. Danach pflegt im Februar schon wieder die Regen-
zeit mit besonders heftigen Regen und Gewitterstürmen einzusetzen.
Wenn trotz dieser zienüich gleichmäßigen Regen während des ganzen
Jahres der Ngoko ebenso wie der Sanga große Unterschiede in der Wasser-
höhe aufweist — der Ngoko hat im November 4 m und der Sanga bis
3 m Hochwasser über dem tiefsten Stande — so kommt das daher, daß
sie beide ihren Oberlauf in viel weiter nördlich liegenden Gebieten haben,
in welchen ein ausgesprochener Wechsel zwischen Regen- und Trocken-
zeiten besteht.
Die Lebensbedingungen sind klimatisch hier also im allge-
meinen dieselben, wie in allen anderen westafrikanischen Urwaldländem.
Besonders unangenehm macht sich der ständige große Feuchtigkeits-
gehalt der Luft geltend, der meist den Grad einer vollständigen Sättigimg
erreicht; erträglicher ist der Aufenthalt auf den trockenen Hochflächen.
Hier ist in den Nächten eine wohltuende Abkühlung bemerkbar. Auch
sind die Stechfliegen, die in den Sumpfgebieten des Iwindo und in den
Niederungen des Ekaba und des Uaga sehr lästig sind, in den höheren
Lagen seltener. Sumpffieber, Gallen- und Leberaffektionen sind selten;
Beriberi kam im Jahre 1909 zur Beobachtung, dagegen richten die Pocken
unter den Eingeborenen große Verwüstungen an, auch Lepra und Ge-
schlechtskrankheiten sind sehr verbreitet.
Von größter Bedeutung ist, daß in diesem Gebiete die Sclilafkrank-
heit in den letzten Jahren Fortschritte in westlicher Richtung gemacht
hat. Sie hat sich vom Sanga her durch das Kudu-Tal auf der Handels-
straße zwischen Sembe und Madschingo ins Dschua-Gebiet verbreitet
"ond droht Dschua abwärts weiter zum Iwindo vorzudringen.^) Bei der
') Nach der neusten Meldung eines deutschen Postens sollen auch schon in
Minkcbc einige Schlafkrankheitsfälle festgestellt worden sein.
— 20 —
Bekämpfung dieser Krankheit wird daher die Überwachung dieser
Handelsstraße besondere Aufmerksamkeit erfordern. Zur Bekämpfung
der Krankheit ist in diesem Gebiete bisher noch nichts geschehen.
§ 9. Die Vegetation des Gebietes wird bestimmt durch seine Zugehörig-
keit zur ürwaldzone. Wenn der Urwald auch nicht an allen Stellen gleiche
Dichtigkeit und Zusammensetzung zeigt — auf der Höhe wird er von
lichterem Hochwald oder dichtem Busche, im Iwindo- Sumpf gebiete
von Bambus- und Rotang-Beständen abgelöst — so ist doch das Land
vom Sanga bis zur spanischen Grenze ununterbrochen mit Wald bedeckt.
Von der Ngoko-Sanga-Ecke, die vorwiegend mit Buschwald bedeckt
ist, zieht sich am rechten Ufer des Ngoko aufwärts der Urwald hin,
der gegen Dongo zu immer mehr an Üppigkeit zunimmt und in dem alle
Arten von Kautschuk-Lianen in großen Mengen vorkommen. Diese
Bestände sind bei der hier nicht besonders dichten Bevölkerung noch
unberührt. Die nach Süden zu aufsteigenden Höhen, ebenso die westUch
von Dongo sind mit Hochwald bedeckt, und hier ist die Kautschuk-
Liane seltener, dafür die Kickxia elastica häufiger. Diese Gebiete werden
übereinstimmend in allen Berichten als die kautschukreichsten in ganz
Französisch-Äquatorial-Afrika bezeichnet. Das daran sich anschließende,
weit nach Süden reichende Sumpfgebiet des Karagua und weiter des
Iwindo ist mit dichtem Busche bedeckt, in dem die Kautschuk-Lianen
in besonders großen Mengen vorkommen, namentlich bei Ntam am Ober-
laufe des Karagua. Weiter westlich im Knie des Iwindo zeigt sich zunächst
wieder sehr dichter Hochwald mit großen noch unberührten Kautschuk-
beständen. Je weiter man von hier ab zur spanischen Grenze und südlich
zum Woleu kommt, desto mehr nimmt die Dichtigkeit des Waldes ab.
Zunächst zeigt sich in dem gemeinsamen Quellgebiete des Ntem und des
Iwindo noch zusammenhängender Buschwald, der in demselben Maße,
wie die Bevölkerungsdichtigkeit zunimmt, durch Pflanzungen unter-
brochen wird. Die Kautschukbestände sind in diesem Gebiete schon
ziemlich gelichtet. Kautschukbäume gibt es hier überhaupt nicht mehr;
aber auch die Lianenbestände haben sehr gehtten. Von Kautschuk-
pflanzen kommt die Kickxia elastica hauptsächhch am mittleren Ngoko,
am Kudu und am linken Iwindo-Ufer vor. Von Kautschuk-Lianen die
Carpodinus fulva, Landolphia Klaini, Landolphia owariensis, ferner
eine Art, die die Eingeborenen von Minwul ,,Abula Minbang" nennen,
femer eine Art der Baissea graciUima und der Motandra, endlich die
Landolphia Grogmansiana. ^) Neben Kautschuk sind als natürhche Nutz-
') Vgl. Cottes S. 52 ., 222 ff.
pflanzen noch zu nennen: Palmen,^) die in der Ngoko-Sanga-Ecke und
an der Mündung des Xuna in den Iwindo vorkommen, Kolanüsse im
Kudu-Dschua-Gebiete, im Woleu- und Ntem-Gebiete Ebenholz und
Okume-Holz. Außerdem kommen im ganzen Gebiete Früchte vor, die
öle und Fette liefern. Die Eingeborenen bauen auf ihren Pflanzungen
vor allem Maniok, Planten, Bananen, Mais. Auch Reis, Hirse, Bataten,
Kartoffeln und europäische Gemüse gedeihen überall vorzüglich und
würden bei größerem Anbau die Lebensführung der Eingelxjrenen heben
können.
Aus der Tierwelt ist als wertvollstes Tier der Elefant zu nennen,
der im ganzen Gebiete zwischen Spanisch-Guinea und dem Sanga heimisch
ist. In weiten Gebieten, besonders im Iwindo- und Okano-Gebiete begirmt
er aber infolge der rücksichtslosen Jagden, besonders der Pangwe (franz.:
Pahouins), die kühne und geschickte Elefanten] äger sind, zu verschwinden.
Noch sehr häufig kommt er im Kudu-Dschua-Lande vor. Daneben gibt
es viele Arten von Jagdwild: Antilopen, Büffel, Panther, Flußpferde usw.
Haustiere sind selten, es kommen nur Hunde, kleine Ziegen und im
Ntem-Gebiete eine kleine Art von Schafen vor, die dort sehr hoch be-
wertet und beim Kaufe von Frauen als Gegenwert in Tausch gegeben
werden. Die Flüsse sind alle sehr fischreich, im Kudu werden schmack-
hafte Krabben und Muscheln gefunden.
Wenn die folgende Besprechung der Bevölkerungsverhältnisse § lo.
des Südgebietes nicht von vornherein unter einem Mangel an Klarheit
leiden soll, so ist es nötig, zuerst die Verwimmg zu lösen, die hier in der
Namengebung herrscht. Dazu ist zunächst festzustellen, daß die Volks-
grenzen über die pohtischen Grenzen des neuen Gebietes weit hinausgehen.
Die Bevölkerung des Südgebietes bildet nur einen Teil des großen Volkes,
das sich von der Küste bis zum Sanga und Likuala-Mossaka, im Norden
bis über den Xjong. im Süden bis zum Ogowe ausbreitet. Dazu gehören
in Kamerun die Jaunde, die Bule und Ntem, in Spanisch-Guinea die
Pangwe, Mfang oder Fan und in Gabun die Pangwe (franz. Pahouins)
und die Sanga-Sanga. Die Gesamtzahl dieses Volkes wird auf 3 Millionen
geschätzt. Nachdem so festgestellt ist, daß nach dem übereinstimmenden
Urteile der Kenner des Landes alle diese Stämme zu einem großen Volke
gehören, ist es von untergeordneter Bedeutung, ob man mit dem Namen
Mfang, Fan, Pangwe, Pahouins oder Bule das ganze Volk oder nur einzelne
') Die Berichte über das Vorkommen der ölpalme widersprechen sich sehr.
Während die einen Berichte die Ölpalme auf die beiden genannten Gebiete und die
Umgebung der Eingeborenensiedclungen beschränken, kommen sie nach anderen
Berichten im ganzen Südgebiete häufig vor.
— 22 —
kleinere Stammesgemeinschaften bezeichnen will. Die im folgenden
gewählte Art der Benennung der ganzen Volksgemeinschaft mit Mfang
und die Beschränkung der Bezeichnung Pangwe auf ethnologisch
imtergeordnete, zu den Mfang gehörige Stämme, scheint bei den geteilten
Meinungen die Mehrheit für sich zu haben.
Die Mfang gehören zu den Bantu-Negern, die vom Sudan ab südhch
sich über ganz Afrika bis an die Grenze von Britisch- Südafrika ausbreiten.
Für den in der Bantu- Grammatik Bewanderten ergibt sich diese Zuge-
hörigkeit schon aus den bisherigen Ortsbezeichnungen, die die für die
Bantu- Sprachen charakteristischen Präfixe haben, wie N', M', Li. In
der Tat zeigt auch die von Gottes veröffentlichte Wortsammlung aus
den Sprachen dieses Gebietes, z. B. Mensch: moto, muto, motum; Baum:
ti; Rind: gombe; Regen: mbua, mbuta, mbui, die gleichen Wortstämme,
wie z. B. das Suaheh in Ostafrika, in der diese Worte entsprechend mthu,
mti, gnombe, mvua lauten. Ebenso zeigen die einfachen Zeitwörter
dieselben Schlußveränderungen, um ihnen eine intransitive, reziproke,
kausative oder habituelle Bedeutung zu geben. Abweichend davon
und für die Sprachen dieses Gebietes bezeichnend ist die Eigenheit,
daß die Bedeutung der einzelnen Worte nicht nur durch den Wort-
stamm, sondern auch durch die Tonhöhe bestimmt wird. Diese Zuge-
hörigkeit zu größeren Volks- und Sprachgemeinschaften ist aber rein
ethnographisch und hnguistisch; politisch hat sie gar keine oder nur
eine auf ganz kleine Entfernung beschränkte Wirkung.^)
Die auf dem bisher französischen Gebiete sitzenden Mfang sind
von Osten her eingewandert und bis zur Küste vorgedrungen. Die letzten
Bewegungen dieser Wanderung waren an der Küste noch in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu bemerken. Inzwischen scheint von
der Küste her schon wieder eine Rückstaubewegung gegen das Innere zu
eingetreten zu sein, eine für afrikanische Völkerbewegungen typische
Erscheinung. Die französischen Mfang werden von französischer Seite
auf etwa 600 000 Köpfe geschätzt. Diese Schätzung ist allerdings mit
der amtlichen von 1906, die für die ganze Kolonie Gabun nur eine Be-
völkerung von 376 792 Einwohner angenommen hat, lücht gut vereinbar.
Diese Schätzung ist aber ebenso willkürhch wie die andere, und ihre
Anführung soll nur zeigen, daß heute noch keine Unterlagen für eine
auch nur einigermaßen zuverlässige Schätzung vorliegen. Darüber kann
jedoch kein Zweifel bestehen, daß einzelne Gebiete des Binnendreiecks
verhältnismäßig stark bevölkert sind, so besonders das Hinterland von
Spanisch- Gumea. In anderen Gebieten, wie im Kudu-Dschua-Lande,
^) Über die Sprachen- und Volkszugehörigkeit vgl Kol. Rundsch. 1912, S. 204ff.
erreicht die Dichtigkeit etwa den mittelafrikanischen Durchschnitt.
Andere Gebiete sind allerdings sehr dünn bevölkert, wie das hsindo-
Gebiet, oder ganz menschenleer.
Die französisclien Mfang werden in ilirer Gesamtheit als ein besonders
kräftiges und befähigtes Volk geschildert. An InteUigenz stehen sie den
Senegalesen gleich. \'iele Kenner des Landes bezeichnen sie als die
interessanteste und zukunftreichste Nation von ganz Französisch-Äqua-
torial-Afrika. Periquet nennt sie ebenso wie frülier Brazza und Challaye
„die Zukunft des Landes". Über Dorfgemeinschaften scheint ihre politi-
sche Organisation nicht hinauszugehen. Rehgiös stehen sie auf einer
sehr tiefen Stufe. ^) Der bei ihnen noch vorkommende Kannibalismus
scheint mit religiösen V'orstellungen zusammenzuhängen. Ihre Nieder-
lassungen legen sie in der Weise an, daß zwei Reihen rechteckiger, dicht
aneinander gebauter Hütten eine 8 — 20 m breite Dorfstraße einschließen,
die an dem einen Ende von dem Palawerhause abgeschlossen wird.
In Sumpfgebieten haben die Dorfgemeinschaften oft zwei Niederlassungen,
von welchen jede mit Pflanzungen umgeben ist, eine für die Trockenzeit
und eine für die Zeit der Überschwemmungen. Die französischen Mfang
werden — anscheinend nur der örtlichen Lage nach — in zwei Gruppen
geteilt, die Pangwe (Pahouins)-Madschuna und die Pangwe (Pahouins)-
MaJdna. Die ersteren sitzen zwischen der spanischen Grenze und dem
hWndo und werden in französischen Berichten meist kurzweg als Pahouins
bezeichnet. Die Pangwe-Makina wohnen vom Linken Iwindo-Ufer an
bis zum Sanga. Den Kern dieser Gruppe bilden die Sanga-Sanga, die
von Osten her kommend, die früher hier sitzenden Stämme, die Bakota
und Gunabembe, verdrängt oder sich mit ihnen vermischt haben und
heute ihre Sitze auf der Wasserscheide zwischen Iwindo und Ngoko
haben ; ihre Zahl Nvird auf wenigstens 40 — 50 000 Köpfe angegeben.
Die Sanga-Sanga zerfallen in mehrere Stämme, die bedeutendsten sind:
Die Sanga-Bakuli, die Sanga-Nzimu, die Sanga- Gunabembe, die Sanga-
Inkeß, die Sanga-Mabesa, die Sanga-Bombassa, die Sanga-Bakota und
die Sanga-Maonkel. Diese Stämme sind zum Teile reine Sanga-Sanga.
wie die Bakuli und Nzimu und zeichnen sich durch besonders kriegerische
Gesinnung aus; zum Teile haben sie sich mit den früher hier sitzenden
Stämmen vermischt. Die Hauptniederlassungen") in diesem Gebiete
sind im Norden den Ngoko aufwärts Ngali, Sitz einer großen Faktorei
') Vgl. dazu Teßmann in der Kol. Rundsch. 1912, S. 233, der im Gegensatze
zu französischen Berichten die Mfang auf eine höhere Stufe rchgiöser .Vnschauung
stellt.
') Vgl. Cottes S. 3Sff.
— 24 —
der Ngoko-Sanga- Gesellschaft, die vor kurzem jedoch zum Teil nach
Tibundi verlegt worden ist ; Sambambo, bestehend aus mehreren größeren
und kleineren Eingeborenen-Niederlassungen und Pflanzungen, rechts
und links von dem Ngoko; Tibundi (in der Nähe der früheren deutschen
Ngoko- Station) Sitz eines Zollpostens und einer Faktorei; Mbio, Mongola,
bestehend aus drei Dörfern ; Ngoila, Sitz einer Faktorei und Verwaltungs-
sitz der Ngoko-Sanga-Gesellschaft ; Sokopia, bestehend aus 4 Dörfern;
Dongo, bestehend aus einer kleinen Faktorei, die von Wichtigkeit ist,
da hier die Flußschiffahrt zu Ende ist und der Trägerverkehr auf der
Handelsstraße nach Suanke beginnt. Die folgenden Niederlassungen
zwischen Ngoko und Iwindo sind umfangreicher als die bisher genannten.
Suanke, ein großes Nzimu-Dorf, das durch ein Babinga-Dorf erweitert
wird, ist Sitz einer Faktorei; Lepupa, Ndun, Sitz einer Faktorei und der
bedeutendste Handelsplatz der Gegend; Groß- und Klein-Matuli (früher
Militärposten), Sitz einer Handelsniederlassung; Ntam, wo sich eine
Handelsniederlassung der Ngoko-Sanga-Gesellschaft befindet, Maka,
eine noch ziemlich neue Eingeborenen-Niederlassung, die sich in kurzer
Zeit zum größten Orte dieser Gegend entwickelt hat; endlich Alati am
Iwindo besteht aus den beiden Dörfern Botzila und Bilantango. Hier
ist die Volksgrenze zwischen den Pangwe (Madschuna) und den Nzimu.
An dieser Stelle macht sich die schon erwähnte Rückwärtswanderung
vom Westen her geltend, und die Pangwe beginnen schon sich an den
Ufern des Karagua anzusiedeln. So sind in dieser Gegend die Siedlimgen
von Essedsche, Ebikang, Essamissen und Bidschun entstanden. Von
den weiter südlich gelegenen Orten sind zu nennen : Mvine, an der Mün-
dung des Karagua, Ngara-Binzam, Kakaboine, aus einer Gruppe meh-
rerer Dörfer bestehend, Badzok, Sembe, wichtig als Durchgangspunkt der
Handelsstraße nach Madschingo und Sokopia. Die bedeutenderen Plätze
dieser Gegend, Vadi und Viel, liegen auf dem hnken Dschua-Ufer und
sind daher französisch geblieben. Das auf dem rechten Ufer hegende
Madschingo hat Frankreich in dem November-Abkommen ausdrückhch
für sich behalten. Ob das weiter östhch liegende Goa deutsch oder fran-
zösisch ist, wird erst näher festzustellen sein.
Die westlich vom Iwindo sitzenden Pangwe werden als besonders
brauchbare Arbeiter und gewandte Händler geschildert, die mit den
Reisenden gerne in Tauschverkehr treten. Früher haben sie in Kara-
wanen Kautschuk und Elfenbein zur Küste gebracht, um sich Gewehre
und Pulver zu verschaffen. Diese Handelszüge gingen in den letzten Jahren
mehr und mehr nach Norden zu den deutschen Faktoreien in Südkamerun.
Die Hauptniederlassungen dieses Gebietes sind zwischen Iwindo und
Ntem, im Norden Makum, bestehend aus drei Dörfern, Bominkolo,
ein größeres, schön gelegenes Dorf, dessen Häuptling Einfluß in der ganzen
Umgegend hat (früher Sitz einer deutschen Faktorei), Mwula, Bissoma,
Metue, Akoho-Minbang. Der Oberlauf des Iwindo weiter westwärts
ist ganz menschenleer. Dagegen ist der Ntem schon in seinem Oberlaufe
sehr dicht bevölkert, zu nennen sind hier vor allem Minkebe, Minkeke,
Mintum, weiter westlich Minwul, das an der Handelsstraße nach Ebolowa
günstig gelegen ist, Bikuk (früher Faktorei), Mokom, Nsong, Majos,
Bibe, Mibang, Weiter südlich werden die Niederlassungen so
häufig, das sie im einzelnen nicht aufgezählt werden können. Die be-
deutendsten sind Ojem, Minwebe, Mibang, Mful, nahe an der Südecke
von Spanisch-Guinea Azombeu, Minbikam, Nsang, Akar-an-Dschor,
Wulankun.
Die Pang^ve, insbesondere die Sanga zeigen neben den oben aufge-
zählten, guten Eigenschaften einen stark ausgeprägten Unabhängigkeits-
drang. Für die Venvaltung ergibt sich daraus die Mahnung, diesem Volke
in der ersten Zeit mit besonderer Vorsicht zu begegnen, wenn hier eine
\'er\valtung eingerichtet werden soll. Als man französischerseits vor
einigen Jahren daran ging, dieses Gebiet in Verwaltung zu nehmen,
ist es hier überall zu größeren Kämpfen genommen. Als besonders kriegs-
tüchtig und gut bewaffnet (zum Teil mit Hinterladern) haben sich dabei
die Sanga-Sanga^) gezeigt; gegen sie mußten von igo8 bis 1911 mehrere
Expeditionen geschickt werden. Die letzten Kämpfe haben bis Mitte
191 1 gedauert. Zur Sicherung des Kudu-Dschua- Landes hat die fran-
zösische Verwaltung den Mihtärbezirk Dschua-Sembe errichtet. Die
Hauptmilitärstation befindet sich in Ngoila, Nebenposten wurden in
Vadi, Viel, Madschingo, Sembe, Zalangoye und Alati errichtet; ob diese
aber augenblickhch alle noch bestehen, ist nicht bekannt. Diese Kämpfe
haben sich größtenteils auf jetzt deutschem Gebiete abgespielt, besonders
hartnäckig war der Widerstand in der Gegend von Kakaboine.-) Die
französischen Expeditionen haben zwar einen Sanga-Stamm nach dem
anderen unterworfen und bestraft; ob aber damit eine endgültige Be-
friedung dieses Gebietes herbeigeführt ist, ist abzuwarten. Zur Be-
herrschung und Sicherung des wichtigen Verbindungsweges z\nschen
Sembe und Madschingo erscheint es aber notwendig, daß diese Stämme
zur Anerkennung der deutschen Macht und zur Ruhe und Ordnung
gezwimgen werden. Die weitere Entwickelung der dortigen Verhältnisse
wird wesentlich davon abhängen, wieweit es den Franzosen gelingt,
die jetzt noch auf französischem Gebiete verbleibenden Stämme zu
') Kevue des Troupes Colonialcs 191 1, Nov.- u. Dez. -Heft.
*) Vgl. dazu unten § ai
— 26 —
beruhigen, die noch nicht unterworfen sind und mit den jetzt deutschen
Stämmen in reger Verbindung leben.
Steuern hat die französische Verwaltung im Kudu-Dschua-Lande
bisher noch nicht erheben können. Dagegen scheint im Gebiete des
Iwindo (Mwung-Bezirk) mit der Steuererhebung schon begonnen worden
zu sein, wenn auch vorläufig ohne viel Erfolg, da von einer wirkhchen
Verwaltung hier nur stellenweise die Rede sein kann und die Nieder-
lassungen der Eingeborenen hier besonders schwer zugänglich sind.
Die dichte Bevölkerung am Oberlaufe des Woleu wird als zugäng-
licher und weniger kriegslustig geschildert als ihre östHchen Stammes-
genossen. Die Steuererhebung soll hier in den letzten Jahren mit gutem
Erfolg begonnen haben. Dagegen scheinen die weiter nördlich sitzenden
Ntem, die eine Gruppe für sich bilden, schwieriger zu behandeln zu sein.
Sie sind unter den ihnen benachbarten Stämmen als gefährhche Räuber
verrufen. Im Jahre 1911 sind im Woleu-Ntem- Gebiete einige Unruhen
vorgekommen, die aber ohne größere militärische Machtentfaltung
unterdrückt werden konnten. Die Bevölkerung zwischen den Posten
Minwul und Minkebe hat sich dabei als gut bewaffnet gezeigt. Das
Pulver soll, wie französischerseits behauptet wird, von spanischem Gebiete
herübergeschmuggelt werden.
II. Der Sanga- Vorsprung.
Literatur.
§11. Le Mouvement geographique 1900 S. 565; 1903 S. 127; 1908 S. 297.
L' Anthropologie 1911 Juniheft.
Die Grenzen des Sanga- Vorsprungs werden im November-Abkommen
wie folgt bestimmt:
,,La f rentiere partira ensuite de Die Grenze verläßt dann den
la riviere Sangha ä un point situe au Sangafluß an einer Stelle, die süd-
sud du centre d'Ouesso (qui reste lieh der Stadt Wesso (die franzö-
fran^ais) ä une distance de 6 kilo- sisch bleibt) je nach der geographi-
metres au moins et de 12 kilometres sehen Gestaltung der örtlichkeit
au plus de cette locahte, suivant la mindestens 6 und höchstens 12
disposition geographique des Heux. Kilometer von dieser Ortschaft ent-
Elle obhquera vers le sud-ouest, femt Hegen soll. Sie biegt von hier
pour rejoindre la vallee de la Kan- nach Südwesten ab und folgt dem
deko, jusqu'ä son confluent avec Tale des Kandeko bis zu seiner
la Bokiba. Elle descendra celle-ci Vereinigung mit dem Bokiba. Sie
et la Likouala jusqu'ä la rive droite verläuft den Bokiba und den Li-
du fleuve Congo. Elle suivra le kuala abwärts bis zum rechten Ufer
fleuve Congo jusqu'ä rembouchure des Kongostromes und folgt diesem
de la Sangha, et de fa^on ä occuper bis zur Mündung des Sanga auf
sur la rive du Congo une etendue de einer Strecke von 6 bis 12 Kilo-
6 ä 12 kilometres, qui sera fixöe metem, die nach Maßgabe der geo-
suivant les conditions göogra- graphischen \'erhältnisse festgelegt
phiques. Elle remontera la Sangha werden wird. Die Grenze geht den
jusqu'ä la Likouala-aux-herbes Sanga aufwärts bis zu dem grünen
qu'elle suivra ensuite jusqu'ä Bo- Likuala, dem sie bis Botungo folgt,
tungo. Elle continuera ensuite du Sie erstreckt sich danach von Süden
sud au nord, selon une direction ä nach Norden in ungefähr gerader
peu pres droite, jusqu'ä Bera Ngoko. Richtung bis nach Bera-Xgoko."
Die Grenze dieses Gebiets folgt also fast ganz natürlichen Grenzen.
Der Kandeko fließt in seinem Oberlaufe zwischen den letzten öst-
lichen Ausläufern des Berglandes, auf seinem ünken Ufer sind noch Höhen
von 400 m über dem Meere, weiter östlich zum Sanga zu verlieren sich
diese Höhen in dem hier beginnenden großen Sumpfgebiete, das den
ganzen Sanga-Vorsprung ausfüllt. Dieses Gebiet gehört zu den groß-
artigsten Überschwemmungsgebieten der Welt. Hier füeßen dem Kongo
auf einer Uferstrecke von etwa 140 km von Norden der Likuala-Mossaka,
der Sanga, der grüne Likuala^) und der Ubangi zu, von welchen besonders
der Sanga und der Ubangi wasserreich sind. Wenn in der Regenzeit der
Oberlaufgebicte dieser Flüsse die Wassermengen hier zusammentreffen,
die der Kongo auf seinem über 2000 km, der Ubangi auf seinem fast
ebenso langen Laufe und der Sanga auf seinem über 1000 km langen Laufe
gesammelt haben, dann entsteht hier em großer See, dessen west-öst-
hcher Durchmesser mit 40 bis 50 km wohl noch als zu gering angegeben
ist. Die Seebildung wird dadurch noch begünstigt, daß der Kongo weiter
abwärts in ein Bergland kommt, das sein Flußbett einengt, so daß nach
oben eine gewisse Stauung eintritt. In der Zeit der Überschwemnmngen
ist der größte Teil des Sanga- Vorsprunges unter Wasser. Die Eingeborenen
können mit ihren Booten dann noch ziemlich weit nördlich direkt vom
Likuala-Mossaka, den Sanga, den grünen Likuala und den Ubangi kreu-
zend, in den Kongo gelangen. Nur wenige Gebiete des südlichen Teils
sind bis heute bekannt, die das ganze Jahr trocken sind. Das in allen
Karten eingetragene, am deutschen Kongo-Ufer liegende Bonga soll
') Die Bezeichnung des Flusses als Likuala aux herbes kommt von den großen
Mengen treibender Gräser her, die ganze schwimmende Inseln bilden und das Vor-
wärtskommen der Schiffe sehr erschweren.
— 28 —
während der Überschwemmungszeit monatelang unter Wasser stehen,
daher für größere wirtschafthche Zwecke unbrauchbar sein.^) Den Sanga
aufwärts trifft man erst bei Pikunda Land, das während des ganzen Jahres
trocken ist. Dann weiter aufwärts bei Ikelemba, wo sich als äußerster
Ausläufer des westlichen Berglandes noch einmal ein kleines Plateau
erhebt. Das Wesso gegenüberhegende Ufergebiet ist ebenfalls in dieser
Zeit vollständig überschwemmt. Wenn das Wasser abfließt, bleiben die
Reste in Form von großen Sümpfen zurück oder sammeln sich in einzelnen
tieferhegenden Rinnen, die während des ganzen Jahres die großen Flüsse
untereinander verbinden.
Das Gebiet ist zum großen Teile mit dichtem Urwalde bedeckt,
in dem alle Arten von Kautschuk vorkommen, in dem Streifen zwischen
Likuala-Mossaka und Sanga soll auch die Ölpalme häufiger sein. Eine
wirtschafthche Ausbeutung kann unter den gegebenen, örthchen Ver-
hältnissen nur in der Weise erfolgen, das auf den wenigen, das ganze Jahr
trocknen Plätzen Faktoreien angelegt werden. Zurzeit bestehen im
ganzen Sanga- Vorsprunge nur wenige Faktoreien, nämlich in Ikelemba,
Bussinde, Pikunda und Likuanda am Sanga, in Remondville (Ntoku)
am Likuala-Mossaka, in Ebembe am grünen Likuala, in Dalo am Ndoki
und etwas weiter östlich in Kakasenke, die letzten beiden Orte ungefähr
in gleicher geographischer Höhe mit Wesso. Der Urwald wird hier an
den Flüssen, besonders am grünen Likuala durch weite Schilf- und Bam-
busflächen unterbrochen, die von Büffeln und vielem Vogelwild bevölkert
sind, besonders von den wertvollen Marabu. Wie beschränkt die Möghch-
keit der wirtschaftlichen Ausbeutung hier ist, geht daraus hervor, daß
die Societe Franco-Congolaise de la Sangha und andere Gesellschaften,
die zwischen dem Sanga und dem Kandeko Gebiete in Konzession erhalten
hatten, sie nach kurzem wieder aufgegeben haben, weil ihre Konzessions-
gebiete % des Jahres unter Wasser waren und Faktoreien nicht angelegt
werden koimten.
Trotz dieser geringen wirtschaftlichen Entwicklungsmöghchkeit
ist dieser Vorsprung insofern von Bedeutung, als er die beiden Ufer der
Sanga ganz und je ein Ufer der beiden Likuala in deutschen Besitz bringt.
Der Sanga ist auf seinem ganzen Laufe in diesem Gebiete — etwa 300 km
— zu jeder Jahreszeit schiffbar. Ebenso ist der Likuala-Mossaka
bis nach Makua hinauf für Flußdampfer bis zu i m Tiefgang zugänghch
Makua kommt als möghcher Endpunkt der von der französischen Regie-
rung geplanten Gabun- Querbahn in Betracht. 2) Über die Schiffbarkeit
^) Vgl. unten am Schlüsse dieses Paragraphen.
») Vgl. unten § 34.
— 29 —
des Kandeko sciieint zurzeit noch niclits bekannt zu sein. Da er aber
zum größten Teile durch Tiefland fließt, liegt kein Grund vor, seine
Brauchbarkeit für die Kleinschiffahrt zu bezweifeln. Der grüne Likuala
ist von seiner Mündung bei Bojenge bis Moguma 30 — 50 m breit und
zeigt bei Hochwasser Tiefen \'on i — 3 m. Er kann \'on seiner Mündung
bis Moguma das ganze Jahr mit kleinen Dampfern befahren werden.
Zur Zeit des Hochwassers im Oktober und November können sie noch
weiter aufwärts bis Epena kommen.
Über die meteorologischen Verhältnisse des Sanga- Vorsprunges
liegen genaue Angaben nicht vor, da es hier an den zur Beobachtung
geeigneten Stationen fehlt. Die wenigen Berichte darüber sind sich darin
einig, daß der Regenfall ziemlich gleichmäßig während des ganzen Jahres
andauert. Die Regen sind dabei aber nicht besonders heftig, so daß die
Niederschlagsmenge nicht groß sein wird. Der Himmel ist fast immer
bedeckt. Die Reisenden sprechen alle \-on der Schwierigkeit, in diesem
Gebiete astronomische Messungen zu machen, da durch diese immer-
währende Bedeckung Himmelsbeobachtungen nicht mögUch seien.
Die Temperatur ist während des ganzen Jahres gleich und fast ohne
Tagesschwankungen. Fast unerträghch wird sie dadurch, daß die Luft
bis zur Sättigung mit Wasserdampf angefüllt ist. Dazu ist die Mücken-
plage nirgends in Afrika so groß wie hier. Die gewöhnlichen tropischen
Krankheiten treten in diesem Gebiete in besonders schwerer Form auf;
auch die Schlafkrankheit ist hier sehr verbreitet. Der dauernde Aufenthalt
von Weißen in diesem Gebiete wird von Kennern des Landes für unmöghch
gehalten; sogar ein nur vorübergehender Aufenthalt von wenigen Monaten
wird als geradezu mörderisch bezeichnet.
Die Bevölkerung dieses Gebietes zerfällt in eine Anzahl von Völker-
schaften, über die noch wenig bekannt ist. Im Norden des Sanga-\'or-
sprunges am mittleren Sanga und Ndoki wohnen die Pomo, am unteren
die Bangüi, am Knie des Likuala-Mossaka reichen die zu den Mfang
gehörenden Bakota noch in deutsches Gebiet. In den Sümpfen, die
westlich von Ndoki gelegen sind, wohnen die Jassua. Der südhche Teil
des Sanga- Vorsprunges wird von den Bafuru bewohnt, die zu der Duala-
Bangala- Gruppe der Bantu-Sprachen gehören. Diese \'ölkerschaften
sind sehr wenig zahlreich. Sie scheinen alle noch zu den Bantu-\'ölkem
zu gehören; allerdings stark vermischt mit früher liier sitzenden \*ülker-
schaftcn.
Ganz verschieden von ihnen sind die hier noch stärker vorhandenen
Pygmäenstämme, die sich als Unterschicht über das ganze Gebiet aus-
breiten. Sie kommen, wie schon erwähnt, auch anderwärts im afrikani-
schen Urwalde noch vor; aber nirgends so zahlreich und rein erhalten
— so-
wie hier. Sie leben mit den genannten höherstehenden Völkerschaften
in einer eigentümhchen Berührung; nicht als Sklaven, sondern als eine
Art freiwilhge Hörige. Sie treiben nicht den geringsten Ackerbau ; sondern
leben nur von der Jagd auf Hochwild, besonders auf Elefanten, die hier
noch zahlreich vorkommen. Gegen die Erträgnisse ihrer Jagd tauschen
sie bei den übrigen Völkerschaften die notwendigen, pflanzHchen I^bens-
mittel ein. Ihre durchschnittUche Körpergröße ist 1,52 m. Das Charak-
teristische an ihnen ist aber nicht so sehr die Kleinheit ihres Körperbaues,
als die helle, glanzlose Farbe ihrer Haut (Nr. 30 der Farbentabelle von
Broca) inmitten einer ganz schwarzen Bevölkerung (Nr. 41 Broca).
Es kommen zwar auch Mischfarben vor, wo eine Blutmischung stattge-
funden hat. Diese ist aber selten, da die Neger die Pygmäen angebhch
wegen ihres schlechten Geruches verabscheuen. Die Pygmäen sind in
ihrer Kultur noch nicht bis zur gemeinsamen Siedlung gekommen. Sie
leben nur in ganz kleinen Famihen zusammen, ohne feste Niederlassungen,
immer auf der Spur des Wildes. Sie halten sich aber in der Nähe von
größeren Negersiedlungen auf. Sie scheuen die Berührung mit dem Weißen
und ziehen sich vor ihm in den Busch zurück, so daß es nur selten gelingt,
sie zu Gesicht zu bekommen. Sie werden von den Völkerschaften mit
den verschiedensten Namen benannt, der gebräuchhchste scheint Babinga
zu sein. Andere Namen sind Bajaga, Bagiri, Baguiele, Bagga, Bekue,
Bakoa ; in Teilen Alt-Kameruns sind sie unter dem Namen Bumandschoko
bekannt. Diese verschiedenen Namen mögen jedoch auch verschiedene
Stämme unter ihnen bezeichnen. Bisher ist von einer Stammeseinteilung
jedoch nichts Näheres bekannt. Nach dem Dialekte ihrer Sprache zer-
fallen sie in zwei Gruppen, die eine am Ngoko und in Alt-Kamerun,
die andere zwischen Sanga und Ndoki und weiter südlich. Von einigen
Reisenden wird behauptet, daß sie Menschenfresser seien; von anderen
dagegen, daß sie den Kannibalismus so sehr verabscheuen, daß sie nicht
einmal das Fleisch der Affen wegen ihrer Menschenähnlichkeit essen.
Die Bevölkerung scheint im ganzen friedlich gesinnt und noch wenig
mit Feuerwaffen versehen zu sein. Besonders bie Bafuru werden als
zugängliche Leute geschildert; während die am oberen und mittleren
grünen Likuala wohnenden Eingeborenen kriegslustig und mutig sein
sollen. Zu Feindseligkeiten gegen Europäer mögen sie noch wenig Gelegen-
heit gehabt haben, da von der französischen Verwaltung noch nicht der
Versuch gemacht worden ist, sich in diesem Gebiete zu betätigen. Ent-
sprechend der äußerst geringen Dichtigkeit der Bevölkerung sind hier
außer den schon erwähnten Faktoreien keine größeren Siedelungen zu
nennen. Die Angaben über die Bedeutung von Bonga an der Mündung
des Sanga in den Kongo gehen ganz auseinander. Von einer Seite wird
— 31 —
es als eine ganz kleine Eingeborenen- Siedelung, bestehend aus 15 elenden
Fischerhütten bezeichnet, nach einer anderen Meldung sollen hier aber
vorübergehend Posten stationiert sein. Nach den Eintragungen auf
Blatt 21 der Carte fluviale du Congo von Augouard und Leray 1908,
1:50000, befinden sich in Bonga ein französischer Militärposten, eine
Faktorei, eine Missionsnicderlassung und ein Holzposten für die Ver-
sorgung der Dampfer mit Brennholz. Wieweit das richtig ist, muü weiterer
Feststellung vorbehalten bleiben. Das steht jedenfalls jetzt schon fest,
daß Bonga monatelang unter Wasser steht.
m. Das Ost-Gebiet.
Literatur.
Lenf ant, La decouverte des grandes sourccs du centre de l'Afrique, Paris 1909.
Derselbe, La grande route du Tchad, Paris 1905.
Aug. Chevalier, l'Afrique Centrale Fran9aise, Paris 1908.
Le Tour du Monde 1908, S. 385 — 480; 1896, S. i — 36.
Questions Diplomatiques et Coloniales 1909, S. 406.
Mouvement Geographique 1902, S. 159, 175, 379, 391, 415; 1903, S. 18,
238, 256; 1904, S. 164, 337; 1907, S. 69, 415.
Anthropologie 191 1, Juniheft.
Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten 1905, S. 89, 326ff. ; 1906,
S. 1 ff.; 191 1, S. i6ff.
La Geographie 1908, S. 338, 453.
Revue Coloniale 1903/04, S. 637, Renseignements Coloniaux 191 1, S. 276.
Die Grenze des Ostgebietes wird im November- Abkommen Nsie
folgt bestimmt:
Elle continuera ensuite (Botungo) Sie erstreckt sich danach (nach
du sud au nord, selon une direction Botungo) von Süden nach Norden in
ä peu pres droite, jusqu'a Bera ungefähr gerader Richtung bis nach
Ngoko, Elle s'inflechira ensuite dans Bera Ngoko, biegt von dort in der
la direction du confluent de la Bo- Richtung auf die Vereinigung des
dingue et de la Lobaye et descendra Bodinke und des Lobaje um und
le cours de la Lobaye jusqu'ä geht den Lobaje talab bis zum
rOubanghi au nord de Mongoumba. Ubangi nördlich von Monguraba.
Sur la rive droite de l'Oubanghi Auf dem rechten Ufer des Ubangi
et suivant la disposition gcograplü- wird das deutsche Gebiet je nach
que des lieux, le territoire allemand der geographischen Gestaltung der
sera d^'termme de fa<;on ä s'ötendre örtlichkeit so bestimmt sein, daß
sur un espace de 6 kilometres au es sich auf eine Strecke von mindc-
moins et de 12 kilometres au plus; tens 6 imd höchstens 12 Kilometer
— 32 —
la frontiere remontera ensuite ob- ausdehnt; die Grenze steigt danach
liquement vers le nord-ouest, de schräg nach Nordwesten an, so daß
fagon ä gagner la riviere Pama en sie den Pama-Fluß in einem noch
un point ä determiner ä l'ouest de zu bestimmenden Punkte westhch
son confluent avec le Mbi, remon- von seiner Vereinigung mit dem Mbi
tera la vallee de la Pama, puis erreicht, geht das Tal des Pama
rejoindra le Logone oriental, ä peu aufwärts und trifft den Ost-Logone
pres ä l'endroit oü cette riviere ungefähr da, wo dieser Fluß in der
rencontre le huitieme parallele ä Höhe von Gore den achten Parallel-
la hauteur de Gore. Elle suivra kreis erreicht. Sie folgt endHch dem
ensuite le cours du Logone vers le Lauf des Logone nach Norden bis
nord jusqu'ä son confluent avec le zu seiner Vereinigung mit dem
Chari, Schari.
Die Länge dieser Grenze beträgt von Botungo aus etwa 1400 km,
davon fallen etwa 600 km auf natürliche geographische Grenzen, nämhch
150 km auf den Lobaje, 150 km auf den Pama und etwa 300 km auf den
Pende und Logone. Es scheint hier aber die Möglichkeit zu bestehen,
daß die Grenzkommission die Grenze in viel größerem Umfange, als es
im Südgebiete möglich ist, auf natürliche Grenzen verlegt. Im Norden
und Westen grenzt dieses Gebiet an Alt-Kamerun. Der Flächeninhalt
des neuen Ostgebiets beträgt zusammen mit dem Sanga- und dem
Ubangi- Vorsprunge etwa 230 000 qkm.
§ 12. Der Bodengestaltung nach stellt sich dieses Gebiet von West nach
Ost als der Übergang von dem Kameruner Berglande zu dem Becken des
Kongo dar; von Süd nach Nord als der Übergang vom zentralafrikanischen
Urwalde zu den Steppen des Sudan. Daraus allein geht schon hervor,
wie verschieden die einzelnen Teile dieses Gebietes in allen natürUchen
Beziehungen sein müssen; in dem einen Teile der üppigste Tropenwald,
in dem anderen dürftige Buschsteppe ; in einem Teile eine fast immer
gleich hohe, schwüle Temperatur, im anderen Tagesunterschiede von
40^ und manchmal Temperaturen, die sich dem Nullpunkte nähern;
im Süden eine mit Feuchtigkeit vollständig gesättigte Luft und gleich-
mäßiger Regen, im Norden monatelang ununterbrochene, trockene Hitze
und Sandstürme, die die Sonne wochenlang unsichtbar machen.
Die natürUche Scheidehnie zwischen den in ihren natürhchen Ver-
hältnissen so verschiedenen südlichen und nördhchen Teilen des Ost-
gebietes bildet das Hochland von Jade, so genannt, weü seine mittlere,
höchste Erhebung von dem Bergvolke der Jade bewohnt wird. Dement-
sprechend ergibt sich für die Darstellung der natürlichen Verhältnisse
des Ostgebietes von selbst eine Zweiteilung. Es soll daher im folgenden
— 33 —
zuerst clor südlich des Jade-Hochlandes, dann der nördlich davon gelegene
Teil nach seinen natürlichen \'erludtnissen besprochen werden.
Das Bergmassiv von Jade bildet nicht nur in orographischer Be-
ziehung, sondern auch in hydrographischer und ethnographischer den
Mittelpunkt des Ostgebietes. Hier haben die vielen und mächtigen
W'asserläufe des Ostgebietes alle ihren Ursprung; auch der Sanaga, der
nach Westen ganz Alt-Kamerun durchfließt, nimmt hier seinen Anfang.
L m den Fuß dieses Massivs gruppieren sich die zahlreichen Völkerschaften
und Stämme, die das Ostgebiet bewohnen und zum Teil ganz verschieden
voneinander sind. Hier ungefähr treffen sich die Grenzschichten zweier
ganz verschiedener Rassen: Im Süden das Volk der Bantu, im Norden
die Völker des Sudan, im Grenzgebiet vermischt oder übereinander ge-
schoben.
In dem Massiv von Jade hat das große Gebirgssystem, das Alt-
Kamerun bedeckt, seinen letzten, östlichen Ausläufer, der sich in weitem
Halbkreise zwischen das südliche Tiefland des Kongo-Beckens und das
nördliche des Tschadsee-Beckens hineinschiebt. Dieses Bergmassiv
ist in mehreren Stufen übereinander aufgebaut. Das zentrale Hoch-
plateau, dessen höchste Erhebung mit ungefähr iioo — 1200 m^) ange-
geben wird, fällt in einem ersten steilen Absätze halbkreisförmig zu
einem zweiten Hochplateau ab, das in verhältnismäßig schwacher Neigung
den Abfall fortsetzt und dann in einer von einzelnen Randerhöhungen
ül)erragten Parallele zu dem ersten Absätze wieder steil zu
der \'orstufe abfällt , die im Norden , Osten und Süden all-
mählich in das Tiefland übergeht. Dieses Tiefland hat eine mittlere
Meereshöhe von 300 — 350 m.
Der Stufenaufbau ist durch die Erosion der vielen Wasserläufe,
die die Stufen nach allen Richtungen in tiefen Flußtälem ausgefurcht
haben, teilweise ver\vischt und mag in örtlich begrenzten Ausschnitten
nicht mehr überall zu erkennen sein. In den großen Linien des Gesamt-
aufbaues kommt er aber auch heute noch unverkennbar zum Ausdruck
und wird in fast allen Flußläufen durch zwei steile Gefällstufen gekenn-
zeichnet, so daß — was für diese Oberläufe typisch ist — meist mehrere
schiffbare Strecken übereinander liegen, die durch Schnellen voneinander
getrennt sind. Zwischen den Flußläufen ziehen sich die Höhen in mehreren
langen Zügen nach Süden. Wo diese Höhen auslaufen, vereinigen sich
die Flußläufe nacheinander und bilden den Sanga, der dann weiter süd-
wärts die letzten östlichen, stark gegliederten Abdachungen in großen
Windungen umfließt, während an seine andere Seite schon das Tiefland
') Nach einigen Berichten erreichten die höchsten Erhebungen 1400 m.
V<T«'(<rntl. d. RcichskoloniaUmtes Nr. 4: Ritter. 3
— 34 —
des Kongo-Beckens heranreicht. Nach Norden schiebt sich zwischen
den Tälern des Lim, des Mbere und des Logone der Höhenzug von Bumba-
bal weit in die Ebene des Logone hinein, mit seinem scharf abgerissenen
Nordabfall das ganze Ge^biet weithin beherrschend. An seinem Fuße
nimmt der Logone den Lim und den Mbere auf. An dieser Ecke kreuzen
sich die verschiedenen Straßen, auf welchen die Fulbe von Ngaundere
in die Ebene hinabsteigen; früher als Sklavenjäger und Räuber, jetzt
als Händler. Am östlichen Abfall dieses Berglandes haben sich früher
einmal, wie man annimmt, die Wasser des Kongo gebrochen und dann
an seinem Fuße entlang ihren Lauf nach Süden genommen, bis sie im
,, Couloir" südlich der Alima-Mündung eine Durchbruchstelle gefunden
haben. Heute sehen wir den Ubangi als sekundären Wasserlauf des Kongo-
Stromgebietes diese nördlichste Flußlinie markieren und in scharfer
Wendung nach Süden den Abfall entlang abbiegen. Er und der Sanga
führen dem Kongo heute die Wasser zu, die er früher direkt am Fuße
der Höhen gesammelt hat.
§ 13- Der von diesem Hochlande südlich gelegene Teil des Ostgebietes
wird ganz von dem Flußgebiete des Sanga ausgefüllt, das sich über 8
Breitengrade und mehr als 3 Längengrade erstreckt und durch das Novem-
ber-Abkommen ganz deutsch geworden ist.
Zur Feststellung der Wasser- und Schiffahrtsverhältnisse des Sanga
und des übangi hat die französische Regierung im vorigen Jahre eine
Expedition unter Führung von Roussilhe ausgerüstet. Wie Roussilhe
in dem zweiten Februarhefte 1912 von ,,La Geographie" berichtet, sind
diese Arbeiten vor kurzem abgeschlossen worden. Sie scheinen mit großer
Genauigkeit durchgeführt worden zu sein. Roussilhe spricht in diesem
Berichte zugleich seine Absicht aus, über die Ergebnisse seiner Arbeiten
vorläufig nichts zu veröffentlichen, da das Sanga-Gebiet jetzt deutsch
geworden sei. Es wäre bedauerlich, wenn diese Äußerung endgültig
bhebe und die Ergebnisse dieser Forschungsreise zurückgehalten würden.
Die folgende Darstellung des Sanga- Flußsystems beruht auf dem
kurzen Vorberichte, den Roussilhe in ,,La Geographie" 1911, S. 246 ff.,
gegeben hat, und auf den Vorarbeiten, die in den zahlreichen Berichten
früherer deutscher und französischer Reisender niedergelegt sind. Dieser
Darstellung muß aber vorausgeschickt werden, daß das aus diesen Be-
richten zu ziehende Ergebnis noch kein endgültiges sein kann. Dazu
sind die Berichte teilweise zu ungenau, zum Teil stimmen sie auch in den
Angaben über die Schiffahrtshindernisse und über den möglichen Tief-
gang der Fahrzeuge nicht überein.
Um die Schiffahrtsmöglichkeiten übersehen zu können, ist es zuerst
notwendig, über die wechselnden Wasserstände und über die Dauer und
— 35 —
Umfanf,' der Hochwasser kurz anzugeben, was lx?kannt ist. Die W'asser-
stands\erhältnisse im Unterlaufe des Sanga von W'esso bis zur Mündung
und in seinem Mittelläufe von Nola bis Wesso sind nicht ganz gleich,
weil der bei W'esso in den Sanga mündende Ngoko dem Flusse während
des größten Teiles des Jahres eine viel größere Wassermenge zuführt,
als der Sanga selbst von Norden mit sich bringt. Die Schiffbarkeit des
Sanga-L'nterlaufes hängt daher mehr von den W'asserstandsverhältnissen
des Ngoko ab, als von denen des Sanga-Oberlaufes. Deren W'asserv-er-
hältnisse sind aber ziemlich verschieden, weil der Sanga sein Quell- und
Hauptzuflußgebiet viel weiter nördlich hat als der Ngoko; in einer Gegend,
wo die Regenzeit an Ergiebigkeit und Dauer gegenüber dem Quellgebiete
des Ngoko schon erheblich abgenommen hat. Die ludrographischen
Verhältnisse des Ngoko sind schon oben (§ 7) in dem Abschnitte über das
Südgebiet berührt worden. Das dort Gesagte ist hier nur noch insoweit
zu ergänzen, als die Bedeutung des Ngoko im Flußgebiete des Sanga in
Frage kommt. Da das Quellgebiet des Ngoko den zentral-afrikanischen
Äquatorialregen länger ausgesetzt ist, beginnt er schon zu steigen, wenn der
obere Sanga seinen tiefsten Wasserstand noch nicht erreicht hat und sein
Hochwasser dauert noch an, wenn der obere Sanga schon wieder zu fallen
beginnt. Nach Pegelmessungen, die in der früheren deutschen Ngoko-
Station gemacht worden sind, stieg der Ngoko damals bis Ende August
2,8 m über seinen niedrigsten Stand, blieb im September auf 2,0 bis 2,6 m
und stieg im Oktober bis auf 5,6 m über seinen niedrigsten Stand, um im
November von 5,2 auf 1,7 m zu fallen, im Dezember stieg er aber wieder
auf 2,6 m und fiel von Ende Dezember ab gleichmäßig bis auf seinen
tiefsten Stand, derdamals am 29. JuU^) beobachtet worden ist. Die mitt-
leren Monatspegelstände waren damals
im Juni i m
Juli 0,5 m
August 17 m
September 2,4 m
Oktober 4,6 m
November 3,4 m
Dezember 2.3 m
ül)er dem tiefsten Stande.
Der Sanga begann oberhalb W'esso schon im März sich etwas zu
hel>en und stieg im April und Mai um ^/2 m über den tiefsten Stand, den
er Ende Februar gehabt hatte. Nachdem sich der Wasserspiegel im Juni
') Nach anderen Angaben hat der Ngoko seinen tiefsten Stand im Februar.
Die obigen Beobachtungen wurden nur von Mai bis Januar angestellt.
3'
- 36 -
wieder um etwa y^ m gesenkt hatte, so daß alle Sandbänke nochmals
zutage traten, hob er sich in der zweiten Hälfte des Juni um 40 cm und
anfangs Juli weiter um 30 cm. Von Ende Juli bis November stieg er dann
allmähhch auf 2,80 m über den tiefsten Stand. Auch in der zweiten Hälfte
des November war in seinem Mittellauf gebiete noch starker Regenfall,
doch hatte es im Norden in der Höhe des 4. Breitengrades schon aufgehört
zu regnen. Der Sanga stand daher am i. Dezember schon etwa i m unter
seinem höchsten Stande und fiel täglich etwa 10 cm, bis er im Februar
seinen tiefsten Stand wieder erreicht hatte.
Daraus ergibt sich also einmal, daß auf den Sanga-Unterlaufe das
Hochwasser länger andauert als auf dem Sanga-Oberlaufe. Daneben hat
die Mündung des Ngoko auch noch eine direkte Einwirkung auf die Wasser-
standsverhältnisse des Sanga-Oberlaufes. Der Ngoko verursacht nämlich
eine gewisse Stauung im Sanga-Oberlaufe, die den Wasserspiegel des
oberen Sanga eine kurze Strecke aufwärts zwar etwas erhöht ; andererseits
aber die nachteihgere Folge hat, daß das Gefäll des Sanga auf eine erheb-
liche Strecke aufwärts vermindert wird, so daß oberhalb der Ngoko-
Mündung die festen Bestandteile, die das rasche Gefäll vorher mit herunter-
getragen hat, sich absetzen und in Form von Sandbänken das Fahrwasser
einengen. Die hydrographischen Vorbedingungen für die Schiffahrt
sind also — abgesehen natürhch von der regelmäßig anzunehmenden
Überlegenheit der Unterläufe über die Oberläufe — im Unterlaufe des
Sanga wesentlich günstiger als in seinem Oberlaufe.
Roussilhe führt in seinem Vorberichte i) über die Schiff bar keit
des Sanga etwa folgendes aus: ,,Der Sanga hat zwischen seiner Mündung
und Wesso einige sch\vierige Stellen infolge von Sandbänken, die sich an
scharfen Flußkehren befinden. Wir haben fast immer Tiefen gefunden,
die für ein Fahrzeug von i m Tiefgang genügten, man kann dieses also
als den SchiffstjTp für die ständige Schiffahrt bezeichnen. Große Dampf-
schiffe können den Sanga aufwärts bis nach Wesso während 6, 8 oder 10
Monate kommen, wenn man an einigen Plätzen, wie in Mossaka, Bojenge,
Ikelemba und Wesso einen Wasserdienst zur Feststellung der jeweiligen
Wasserverhältnisse einrichtet. Die mittleren Tiefen sind regelmäßiger
als im Ubangi, es gibt fast keine Felsen. Die Schiffahrt ist im ganzen
verhältnismäßig leicht und scheint in dem heutigen Zustande den wirt-
schaftlichen Bedürfnissen zu genügen.
Von Wesso aufwärts ändern sich die Verhältnisse. Im oberen Sanga
1) R o u s s i 1 he hat seine Erkundungsfahrten bei tiefstem Wasserstande gemacht ;
die folgenden Angaben sind daher, soweit sie über die bei der Fahrt gemachten,
tatsächlichen Wahrnehmungen berichten, dementsprechend zu bewerten.
gibt es wenig Wasser; die Fahrrinne hat sehr viele Krümmungen und ist
durch Baumstämme eingeengt. Während des Februar, März und April
können kleine Dampfer mit 0,80 — i m Tiefgang nur mit Schwierigkeiten
bis Bajanga kommen. Oberhalb Bajanga ist die Sciiiffahrt bis Salo leichter,
aber von Sal(j bis Nola, das als das Ende der regelmäiiigen Dampfschiff-
lahrt zu betrachten ist, treten wieder mehr Schwierigkeiten auf. Wenn
die Schiffahrtsverhältnisse auf dem oberen Sanga günstiger gestaltet
werden sollen, so wird es sich hauptsächüch darum handeln, die Zone der
wandernden Sandbänke festzustellen, um durch geeignete Maßnahmen
lue Wasserhöhe über den Sandbänken zu vermehren, und die mittlere
Cieschwindigkeit zu erhöhen, um den durch den Ngoko verursachten
Rückstau zu überwinden. Wenn dies gelingt, können genügend starke
Dampfer mit i m Tiefgang bis nach Bajanga hinaufkommen."
Mit dieser Darstellung stimmen andere Berichte darin überein, daß
die großen Kongo-Flußdampfer während der Hochwasserzeit bis Wesso
gelangen können, nach anderen Berichten sollen sie sogar bis Nola hinauf-
kommen.
Über die Wasserverhältnisse der beiden Quellflüsse des Sanga, des
M amber e und des Kadei, scheint folgender Bericht von Kerremans
(Mouv. Geogr. 1902, S. 177) am zutreffendsten zu imterrichten. ,,Der
Mambere und der Kadei, die sich bei Nola vereinigen und den Sanga
bilden, entspringen beide in dem Massiv von Ngaundere,^) von wo sie
nach Süden fließen. Der Mambere hat infolge seines ziemlich schwachen
Gefälles einen verhältnismäßig ruhigen Lauf, In seinem Oberlaufe zwi-
schen Bania und Nola ist sein Bett eingeengt und von Felsen durchsetzt,
die Schnellen verursachen. Oberhalb von Bania erstrecken sich die so-
genannten Schnellen von Bania auf eine Strecke von 5 — 6 km bis nach
Likaia, Von Likaia bis Kamot breitet der Fluß sich aus, bildet Inseln
und erreicht hier seine größte Breite. Er hat nur einen größeren Zufluß,
nämlich den Nana oberhalb von Kamot. Der Kadei dagegen hat vier große
Zuflüsse: den Baturi, die beiden Bumbe und von rechts den Dume, der
aus Kamerun kommt. Der Kadei hat in seinem mittleren Laufe niedrige
und sumpfige Ufer, und sein übriger Lauf wird durch zahlreiche Schnellen
und Fälle unterbrochen, so daß er für die Schiffahrt nicht in Betracht
kommt."
Mit diesem Berichte stimmt ein Bericht von Lenfant über den Mam-
bere ziemhch überein: ,, Oberhalb Nola werden die Schiffahrtsverhältnisse
schwieriger. Bei Mokelo zwischen Bania und Nola befindet sich eine
Schnelle zwischen zwei Felsen eingeengt, dann weiter aufwärts ver-
') Dies trifft nicht ganz zu.
- 38 -
sperren Granitbänke das Fahrwasser und verursachen eine Verstärkung
des Gefälles."
Diese Granitbänke Lenfants scheinen mit den von Kerrernans
angenommenen Schnellen von Bania identisch zu sein und der Dampf-
schiffahrt auch beim höchsten Wasserstande ein Ende zu setzen. Ober-
halb dieser Granitbänke bietet der Mambere aber noch einmal auf einer
Strecke von etwa 120 km der Schiffahrt günstige Verhältnisse ; da die
Schnellen von Bania auf einer guten Straße umgangen werden können,
können Transporte nach Karnot diese schiffbare Strecke noch einmal
benutzen.
Bezüglich des Kadei scheint der Bericht Kerremans nur insofern
richtig zu sein, als eine durchgehende Schiffahrt nicht möghch ist. Dagegen
bietet der Kadei für eine Schiffahrt mit Unterbrechnugen mehrere große
schiffbare Strecken. Die Gesellschaft Süd-Kamerun berichtet darüber:
„Das Befahren des Kadei vom Sanga aus ist ausgeschlossen, da sich
gleich oberhalb seiner Mündung in den Sanga bei Nola Fälle befinden, die
der Schiffahrt unübersteigbare Hindernisse entgegenstellen. Es ^vurde
früher schon versucht, mit Dampfern bis nach Nola zu fahren und von dort
aus einen Leichterbetrieb für die Fahrt Kadei aufwärts einzurichten;
aber auch das erwies sich wegen der Fälle als ausgeschlossen. Bei relativ
hohem Wasserstande war bei mehrfachen Umladungen zur Überwindung
der Schnellen Bootsverkehr, jedoch auch nur in beschränktem Maße,
möglich bis zur Höhe von Messo-Delele. Von Messo-Delele aufwärts
ist die Schiffahrt für große Frachtkähne jederzeit und für Dampfer mit
einem Tiefgange von o,go bis i m möglich bis zur Höhe von Mundia.
Weiter aufwärts von Mundia ist nur noch Bootsverkehr möghch."
Die Erkundungen der Gesellschaft Süd-Kamerun haben sich nur bis
in die Höhe von Baturi-Bere erstreckt, bis wohin der Bootsverkehr
als möglich gefunden wurde. Nach einem anderen Berichte ist er noch
weiter nördlich bis Bakumbo möglich. Der rechte große Nebenfluß
des Kadei, der Dume, ist von seiner Mündung an bis an die deutsche
Dume-Station mit größeren Frachtbooten befahrbar. Es erscheint aber
nicht ausgeschlossen, daß er während 10 Monate, also die Monate der
größten Trockenheit ausgeschlossen, bis nach Njassi oder noch weiter
hinauf auch mit kleinen Dampfern befahren werden kann, wenn sein Bett
gereinigt wird.
Das zweite große Stromgebiet, mit dem das Ostgebiet in Berührung
steht, ist das des Ubangi. Er erhält von rechts mehrere Nebenflüsse,
deren Oberläufe auf deutschem Gebiete liegen, und der Lobaje fließt
ganz auf deutschem Gebiete, mit seinem Unterlaufe die Grenze bildend-
Der Ubangi hat eine Länge von etwa 2300 km und erreicht stellenweise
— V) —
eine Breite bis zu 9 km. Die NictlerwasserztHcn \t rtcilen sich etwa ebenso
auf das Jahr wie beim Sanga. Seine Schiffahrtsverhältnisse entsprechen
aber nicht dem. was seine Größenverhültnisse erwarten lassen. Roussilhe
berichtet darüber etwa Folgendes: ,,Die Schiffahrt ist für Fahrzeuge mit
über I m Tiefgang während des ganzen Jahres heute nur bis Impfondo
(=Desbordesville) müghch. Weiter aufwärts beginnen die Schwierigkeiten.
Einige Fahrrinnen sind ziemlich wahrscheinlich schiffbar; al)er zahlreiche
Felsen, die noch nicht kenntlich gemacht sind, machen die Schiffahrt
mangels genauer Karten gefährhch. Andere Fahrrinnen sind zwar nur mit
Sandbänken durchsetzt ; aber die stark gekrümmten und veränderlichen
Durchfahrten haben bei Xiederwasser keine genügende Tiefe. Die Schiffs-
führer haben im allgemeinen noch keine genaue Kenntnis von der Höhe
des Wassers über den Sandbänken und Felsen, und man kennt hier, wie
übrigens allgemein am Kongo, die Anwendung \'on Pegeln noch nicht.
Die Strecke von Impfondo bis Betu wird man wohl das ganze Jahr für die
großen Dampfer zugänglich machen können. Eine sorgfältige Flußauf-
nahme, die Erkundung der notwendigen und genügenden Ausbaggerung
und die Errichtung von Pegeln werden im nächsten Jahre, wie ich hoffe,
Gewißheit darüber geben.
Von Betu aufwärts liegen die Verhältnisse anders. Hier sind, um nach
Mongumba zu kommen, mehrere schwierige Stellen mit felsigem Grunde
zu passieren. Es ist sehr zweifelhaft, ob Fahrzeuge mit mehr als i m
Tiefgang das ganze Jahr diese Strecke befahren können. Von Mongumba
aufwärts scheint die Bank von Singa kein unüberwindbares Hindernis
zu sein, um so weniger als für die Strecke zwischen Singa und Bangi nur
Schiffe mit i m Tiefgang bei tiefem Wasserstande in Betracht kommen
können. Die Zahl der gefährhchen Stellen auf dieser Strecke ist aber so
groß, daß eine vollständige Flußaufnahme bis nach Bangi notwendig ist.
Die Verbesserung der regelmäßigen Schiffahrt auf dem Ubangi
kann von zwei Gesichtspunkten aus ins Auge gefaßt werden, i. Betu ist
als das Ende der Schiffahrt für Dampfer von i — 2 m Tiefgang zu be-
trachten. Es wird mögUch sein, nicht nur die Bank von Singa, sondern
auch die schwierigen Stellen oberhalb dieses Punktes mit Schiffen von
I m Tiefgang zu überwinden und mit diesen Schiffen Bangi zu erreichen.
2. Die Möglichkeit, diese Strecken mit Fahrzeugen eines bestimmten
Typs zu befahren — damit ist nicht nur der Tiefgang, sondern auch die
Beweglichkeit und Schnelligkeit gemeint — ist daher nicht ein für allemal
fest bestimmt, sondern hängt von der Schiffahrtskarte, von der Ausbagge-
rung und von dem jeweiligen Pegelstande ab. Ein Dampfer von 1.40 m
Tiefgang und einer Schnelligkeit von 7 Knoten wird also z. B., wenn er
im Februar in Betu den Pegel abliest und die allgemeinen Angaben über
— 40 —
die monatlichen und täglichen Schwankungen der Wasserhöhe hat, sich
berechnen können, ob er die auf der Karte angegebenen, ausgebaggerten
Stellen bis nach Mongumba und darüber hinaus passieren kann oder
nicht,"
Diese Angaben Roussilhes scheinen in Einzelheiten nicht den
heutigen Zustand der Schiffahrtsverhältnisse zu berücksichtigen ; sondern
mehr mit den zukünftigen MögUchkeiten zu rechnen, die sich aus den
von Roussilhe vorgeschlagenen Verbesserungen der Schiffahrtsver-
hältnisse ergeben. Nach anderen Berichten können Dampfer mit i m
Tiefgang nur bei Hochwasser bis Bangi kommen, nach anderen ist es
nur Dampfern bis zu 80 cm Tiefgang möghch, die Bank von Singa zu
überwinden.
Für das deutsche Gebiet kommt vor allem in Frage, ob die Hindernisse
bei Singa oberhalb oder unterhalb der deutschen Ubangi-Uferstrecke
liegen. Aus den bisher vorliegenden Berichten ist dies nicht klar zu er-
sehen, da diese Berichte alle aus der Zeit vor der Abtretung dieser Ufer-
strecke an Deutschland datieren, und damals kein Interesse vorlag,
die Lage dieser Schiffahrtshindernisse im Verhältnis zu dem jetzt deutschen
Gebiete festzustellen. Die Karte von Dehngette, die auch sonst oft sehr
unzuverlässig ist, gibt diese Hindernisse überhaupt nicht an. Auch in
der neuen Karte von M. Moisel (Kamerun i : 300 000 G. 5 Makandschia)
sind sie nicht eingetragen. Nach der Karte von Barralier liegen die
Bänke ziemlich auf der Höhe der Lobaje-Mündung, also innerhalb der
deutschen Uferstrecke. Nach einer Spezialkarte des Ubangi-Sanga-
Beckens im Mouvement Geographie 1902, S. 390 und der Karte in der
Denkschrift der Cie. Forestiere von 191 1 Hegen sie etwas oberhalb der
Lobaje-Mündung, aber anscheinend noch innerhalb der deutschen 6
bis 12 km. Auf der Karte dieses Buches ist die Lage der Schiffahrts-
hindernisse, nach der amtlichen Carte de l'Etat Independant du Congo,
I : I 000 000, 1907 eingetragen, die zuverlässig zu sein scheint. Danach
ist Singa ein kleiner Ort auf der deutschen Uferseite etwas oberhalb der
Mündung des Lobaje. Etwas oberhalb dieses Ortes ist auf der Karte
das Schiff ahrtshindemis als ,,rapides" = Schnellen eingetragen. Wenn dies
richtig ist, das deutsche Gebiet also noch unterhalb der Schnellen von
Singa an den Ubangi stößt, so würde es an sich vielleicht nichts ausmachen,
wenn sie weiter oberhalb noch in der Höhe des deutschen Gebietes liegen.
Es würde im Gegenteile dadurch vielleicht die Entstehung eines größeren
Handels- und Umschlagsplatzes begünstigt werden. Andererseits aber
ist zu bedenken, daß die Mündung des Lobaje, wovon gleich zu sprechen
sein wird, sumpfig ist, also möghcherweise nicht das geeignete Gelände
zum Anlegen von Schiffen vorhanden ist. Auf jeden Fall wird es sich emp-
— 41 —
fehlen, vor der endgültigen Festlegung der Grenze die Lage der Schnellen
von Singa und die Bodenverhältnisse am Ufer festzustellen.
Von den direkten Nebenflüssen des Ubangi ist der Lobaje für
das deutsche Gebiet der wichtigste. Er entspringt hoch im Norden auf
der Höhe des Buar-Massivs, der südöstliclisten Abzweigung des Jade-
Hochlandes und durchfließt auf seinem ganzen etwa 500 km langen Laufe
deutsches Gebiet, in seinem Unterlaufe auf etwa 150 km die Grenze
bildend. Bevor er in die wald- und grasreichen Niederungen des Ubangi
kommt, durchbricht er in mehreren Fällen den Höhenzug, der zwischen
dem Sanga- und dem Ubangi-Tale liegt. Dieses Gebiet, das sich zum
Teil nur 50 m über das Niveau der beiden Flüsse erhebt und in seinem
höchsten Punkte etwa 650 m erreicht, wird in allen Berichten als un-
fruchtbar und so wasserarm geschildert, daß die Reisenden, die es auf
dem Marsche vom Lobaje- zum Sanga-Tale durchquerten und sich mit
Getränken nicht vorgesehen hatten, in Verlegenheit gekommen sind.
Das eigenartige an diesem Plateau ist, daß es im Süden trotz seiner
Wasserlosigkeit von großartigem Urwalde bedeckt sein soll, dessen saft-
reiche Lianen von den Reisenden zur Stillung ihres Durstes angeschnitten
woirden. Weiter im Norden ist dieses Zwischengebiet von dichter Busch-
steppe bedeckt und nur im Tale des Mbaere, eines Nebenflusses des Lobaje,
erstreckt der \\'ald sich weiter nach Norden. Dieser Mbaere wurde lange
für den Mambere, den Ouellfluß des Sanga gehalten, woraus sich auch der
Gleichlaut des Namens erklärt; wie überhaupt die meisten Flußläufe
dieses Gebietes erst in allerjüngster Zeit etwas genauer festgelegt worden
sind.
Der Lobaje ist bei seiner Mündung etwa 300 m breit und seiner Wasser-
menge nach sehr bedeutend. Von seiner Mündung aufwärts bietet sein
Lauf eine etwa 80 km lange, schiffbare Strecke bis zu den Wasserfällen
von Zomia-Zenia, etwa 8 km oberhalb von Loko. Seine mittlere Breite
ist bis dahin ungefähr 120 m, seine Tiefe wechselt (Stand im September)
zwischen 2 und 3 m. Seine Ufer sind meistens niedrig und teilweise über-
schwemmt. Sein Lauf macht große Krümmungen, die oft durch große
Pflanzenbänke versperrt sind. Die beiden Ufer sind mit dichtem Busch-
walde bewachsen, den zahlreiche ölpalmen überragen. Während in
einem Berichte (Mouv. Geogr. 1903, S. 18) die Höhe des Wasserfalles
bei Zomia-Zenia auf etwa 3 m angegeben wird, wird in einem anderen
Berichte behauptet, daß der Lobaje bis zur Mündung des Bodinke für
kleinere Dampfer schiffbar sein soll. Diese letzte Angabe scheint jedoch
nicht zuverlässig zu sein ; denn die Strecke zwischen Zomia-Zenia und
der Mündung des Bodinke wird auf allen Karten als mit zahlreichen
Fällen durchsetzt angegeben. Dagegen stimmen die Berichte und Karten
— 42 -
darin überein, daß von der Mündung des Bodinke aufwärts bis Ngotto
eine 40 km lange Strecke und von Bassari nach Kolongo noch einmal
eine längere Strecke mit Booten befahrbar ist.
Über die Schiffbarkeit des Lobaje scheint also so viel festzustehen,
daß er bis Loko mit kleinen Dampfern befahrbar ist, daß zwischen Loko
und der Mündung des Bodinke eine Schiffahrt nicht möglich ist, daß
er aber weiter aufwärts — in seinem Oberlaufe Bali genannt — ebenso
wie der Mbaere mit Unterbrechungen sehr weit nach Norden hinauf
mit Booten befahren werden kann. Von den Nebenflüssen des Ubangi
kommt weiter noch der Ibenga in Betracht, der in seinem Oberlaufe
bis Bera-Ngoko auf deutschem Gebiete fließt. Von hier ab bis zu seiner
Mündung in den Ubangi ist er mit Booten befahrbar. Auch der
Motaba ist bis an die deutsche Grenze, in deren Nähe der kleine Ort
Mbeie liegt, mit Fahrzeugen bis zu 60 cm Tiefgang und weiter auf-
wärts bis Lopi mitkleineren Booten befahrbar. An seiner Mündung
hat er eine Breite von etwa 400 m. Sein ganzer Unter- und Mittellauf
geht durch die Niederung des Ubangi. Das Fahrwasser ist hier durch
Baumstämme und Pflanzenbänke stellenweise sehr eingeengt.
§ 14. Die meteorologischen und klimatischen Verhältnisse im
mittleren Stromgebiete des Sanga sind ähnlich wie die in seinem Unter-
laufe und im östlichen Südgebiete von Neu-Kamerun. Die Tempera-
turen zeigen auch hier nur geringe Schwankungen und die Regen- und
Trockenzeiten^) sind nicht scharf voneinander geschieden. In dieser Höhe
gibt es auch noch große Sumpfgebiete. Am linken Ufer des Sanga ziehen
sich von Wesso aufwärts noch Niederungen bis in die Höhe von Salo
und auch der Ubangi- Vorsprung liegt zum großen Teile im Gebiete der
Ubangi-Niederung. Hier ist auch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft noch
sehr groß. Je weiter man aber den Sanga aufwärts nach Norden kommt,
um so mehr macht sich der Übergang zu dem Höhenklima des Jade-
Hochlandes bemerkbar. Die Tagestemperaturen zeigen merkhche Schwan-
kungen, die über 10° hinausgehen. Die Nächte werden kühler, und über
Nacht tritt oft starker Tau ein. Die Monatsmittel sind aber auch hier
während des ganzen Jahres ziemhch gleich. Die Trockenzeiten beginnen
sich nach Norden zu wieder schärfer abzuheben, wenn sie auch durch
kleinere Regenfälle oft noch unterbrochen sind. Sie fallen ungefähr auf die
Monate Juli und August und auf die Jahreswende. Die Jahresnieder-
schlagsmengen sind geringer als die für Libreville gemessenen und ent-
sprechen denen der Nachbargebiete, die auf gleicher Breite liegen. Da
in diesem Hügellande die Abfluß Verhältnisse sich gut geregelt haben,
^) Vgl. auch die Zusammenstellung der Niederschlagsmengen am Schlüsse.
— 43 -
ist auch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft geringer, so daß im oberen
Gebiete des Sanga von Nola aufwärts die khmatischen Verhältnisse für
den Aufenthalt von Europäern im allgemeinen günstiger sind als im
Sanga-Mittel- und Unterlaufe, wenn sie auch immer noch als schlechter
zu bezeichnen sind als die in der entsprechenden Hohe von Alt-Kamerun.
Die gesundheitliche Beurteilung dieses Gebietes wird aber weniger
durch diese allgemeinen khmatischen Voraussetzungen bestimmt, als
durch die Tatsache, daß das ganze Stromgebiet des Sanga und des Ubangi
von der Schlafkrankheit durchseucht und als der Herd zu betrachten ist,
von dem aus sich die Krankheit auch nach Alt-Kamerun verbreitet hat.
Überall kommt im Sanga-Mittellaufe und im Oberlaufe im Norden bis
über Kamot hinaus die Glossina palpalis vor, die hier die günstigsten
Lebensbedingungen hat. Ein großer Teil der eingeborenen Bevölkerung
ist infiziert. \'on der französischen Regienmg ist hier bis vor kurzem
so gut wie nichts zur Bekämpfung der Krankheit geschehen. ^) Erst in
aller] üngster Zeit ist die Bekämpfung der Krankheit durch Vermehrung
des iirztlichen Personals und Errichtung von Sanitätsposten in Angriff
genommen worden. Die Cie. Forestiere spricht in ihrer Denkschrift
von 191 1, S. 119 ff., davon, daß sie dies in ihrem Gebiete selbständig
tun wolle und daß dafür ein jährlicher Betrag von 100 000 Franken aus-
geworfen werden soll. Wieweit dieser Plan durchgeführt wird, bleibt
abzuwarten.
In diesem Gebiete ist auch der beste Beweis dafür erbracht worden,
daß die eine Zeitlang angenommene Immunität der Weißen gegen die
Schlafkrankheit nicht besteht. Es sind hier viele Weiße infiziert worden.
Von ihnen ist in den letzten Jahren ein Teil der Krankheit erlegen, und
es ist ein offenes Geheimnis, daß im Institut Pasteur in Paris eine große
Anzahl von Weißen an Schlafkrankheit behandelt worden sind und
zurzeit behandelt werden, (es \\ird behauptet über 30) die sich in diesem
Gebiete infiziert haben. L'nter den Eingeborenen fordern neben der
Schlafkrankheit auch die Pocken zahlreiche Opfer.
Die Vegetation steht im mittleren Sanga-Gebiete noch ganz § 15.
unter dem Zeichen des tropischen Urwaldes. Der Forst bringt hier alle
die natürlichen Erzeugnisse her\'0r, die für die südlichen Gebiete schon
festgestellt worden sind; insbesondere kommen hier alle Kautschukarten
in besonders großen Mengen vor. Die Kautschukgewinnung ist infolge
der günstigen Beiörderungsverhältnisse hier am intensivsten in ganz
Französisch-Äquatorial-Afrika betrieben worden.') Der Streifen zwischen
') Vgl. dazu unten § 37.
-) Vgl. dazu unten § 23.
— 44 —
dem 3° und 4^ nördlicher Breite, also ungefähr die geographische Höhe
von Nola, kann im allgemeinen als die nördliche Grenze des zentral-
afrikanischen Urwaldes betrachtet werden. Hier beginnt die zusammen-
hängende Masse des Urwaldes sich aufzulösen und mit lichteren Baum-
beständen und baumlosen Strecken zu durchsetzen. Nur dort, wo die
Bodenverhältnisse seinem Fortkommen besonders günstig sind, also
besonders die Flußläufe entlang, schiebt er noch Ausläufer nach Norden
bis in die Höhe von Kamot vor, die das typische Bild der Urwaldvege-
tation zeigen. Zwischen diesen Ausläufern wechselt Buschwald mit freien
Flächen ab und je weiter man auf den Höhenrücken, die sich vom Jade-
Hochlande nach Süden erstrecken, in die Höhe kommt, um so mehr
macht sich in der Vegetation die Scheidung zwischen Uferwald und Busch-
und Grassteppe geltend. Das Eigenartige des Uferwaldes ist, daß er
alle Wasserläufe in einer Breite von 20 bis über 100 m auf beiden Seiten
begleitet. Er bildet dadurch nicht nur den Schmuck des landschaftlichen
Bildes, sondern auch den Reichtum dieser Gegend; denn in ihm kommen
alle Nutzpflanzen des Urwaldes noch bis zu dem 8° nördlicher Breite
in besonders üppiger Form vor. Der Kautschukbaum wird allerdings
seltener, dagegen ist die Kautschuk-Liane häufiger als im Urwalde.
Alle Palmenarten, wilde Kaffeebäume, Pfeffer und alle Nutzholzarten
kommen hier reichlich vor. Von den auf den Busch- und Grassteppen
vorkommenden Pflanzen ist eine kleine Kautschukart, die Landolphia
tolonii zu nennen. Weiter im Norden tritt der Uferwald immer mehr
zurück. In höheren Lagen — die Quellflüsse des Sanga kommen aus
Höhen von über 11 00 m — wird der Boden felsig und ist nur noch von
niederem Busche und wertlosen Gräsern bedeckt. An dieses Übergangs-
gebiet schließt sich dann das eigenthche Hochland von Jade an, das das
südliche Tiefland des Ostgebietes von dem nördlichen trennt.
In der Tierwelt des Sanga- Gebietes steht der Elefant an erster
Stelle. Er hat zwar hier unter der intensiveren Tätigkeit der Konzessions-
Gesellschaften noch mehr gelitten als im Südgebiete; immerhin kommt
er auch heute noch im ganzen Sanga-Becken vor, an manchen Stellen
sogar noch ziemlich zahlreich. Die eifrigsten Elefantenjäger sind auch
hier die im ganzen Gebiete vorkommenden Babinga. Außerdem kommen
auch hier die für das Südgebiet festgestellten Tiere vor, Wildschweine,
zahlreiche Antilopen u. a.
Als Haustiere sind überall Ziegen verbreitet. Das Sanga- Gebiet
kommt in seinem nördlichen Teil auch schon für die Viehhaltung in
Betracht. Lenfant hat eine Viehherde von 500 Stück aus dem Logone-
Gebiet den Pende und den Nana entlang bis nach Karnot gebracht und
hat auf dieser etwa 700 km langen Strecke nur geringe Verluste erlitten.
— 45 —
Als er aber mit seiner Herde am Mambere ankam, zeigten sich in der
Fütterung Schu-ierigkeiten ; das Gras dieses Gebietes ist zu hart und
zu wenig nahrhaft. Die Viehhaltung wird weiter im Süden auch durch
die Tsetsefliege unmöglich gemacht. Der 4 ° nördlicher Breite ist im
allgemeinen als die Grenze anzusehen, bis zu der eine Vieheinfuhr möglich
ist, ohne daß die Gefahr des sofortigen Eingehens besteht. Lenfant
hält einige besonders günstige Plätze wie Abba, Bira, Nao, Kumbe,
Berberati sogar für Viehzucht in geringem Umfange für geeignet.
Die in Kamot ansässigen Haussa treiben tatsächUch auch jetzt schon Vieh-
zucht und führen in diesem ganzen Gebiete regelmäßig aus dem Norden
Vieh ein. Zu dem Fortkommen des Viehs ist aber eine hergerichtete
Weide und sorgfältige Hütung notwendig. Die Haussa schlachten das
Vieh am Orte des Bedarfs und treiben im ganzen Sanga-Gebiete einen
gewinnbringenden Fleischhandel. Die Frage der Fleischversorgung
ist gerade für das Urwaldgebiet besonders wichtig, da es an Wild ziemUch
arm ist und die Dürftigkeit in der Lebenshaltung der Eingeborenen,
vielleicht auch die Gewohnheit des Kannibahsmus, mit dem Fleisch-
mangel zusammenhängt.
Die Bevölkerung zeigt nur im nördlichen Teile des Sanga- Gebietes § 16.
einige Einheitlichkeit. Dagegen ist das Gebiet des Mittellaufes von
Wesso bis Nola und Bania von einer Mischbevölkerung bewohnt, aus
der kein einheitlicher Typus herauszufinden ist. Am linken Ufer des
Sanga und am Ndoki überwiegen zunächst noch die Babinga, weiter im
Norden bis nach Nola Bajanga genannt. Hier in diesen Niederungen
hat sich die Urbevölkerung bis jetzt erhalten können, dank ihrer Eigen-
heit, alle Wanderungen und Kämpfe anderer Völker über sich dahingehen
zu lassen und unbeteiligt daran in ihren Sitzen zu bleiben. Diese Eigenheit
der Pygmäen zeigt sich gerade in diesem Gebiete besonders, wo die Grenz-
stämme zweier verschiedener Völkergruppen aufeinandertreffen. Im
Süden und Westen die Mfang, von welchen schon oben ausführlicher
gesprochen worden ist; von Nordosten her drängt die Gruppe der Mand-
schia-Stämme nach Südwesten vor, und über die Babinga hinweg vollzieht
sich hier der Kampf dieser beiden Gruppen um die besseren Wohnsitze.
Daraus erklärt es sich, daß die Bevölkerung in diesem Gebiete noch mehr
als sonstwo den Eindruck des Unseßhaften macht. So lassen sich für
den verhältnismäßig geringen Zeitraum von 10 Jahren erhebliche Stam-
mesverschiebungen feststellen. Völkerschaften, die nach Berichten fran-
zösischer Reisender und nach den Angaben französischer Spezialkarten
vor IG Jahren noch östlich des Sanga und Mambere saßen, sind über den
Mambere vorgedrungen und haben die ihnen vorgelagerten Stämme an
die bisherige Grenze von Alt-Kamerun und darüber gedrängt. Damit
- 46 -
stimmen auch die Berichte deutscher Grenzposten überein, die für diese
Gegend in den letzten Jahren eine starke Zuwanderung von französischem
nach deutschem Gebiete festgestellt haben.
Von den zu den Mfang gehörenden Stämmen sind im Süden die
Bumali, weiter nördUch die Mbimu zu nennen. Beide mit den den
Mfang typischen Eigenschaften, vorwiegend Jäger und Fischer. Die
Mbimu (Pomone) werden jedoch auch als fleißige Ackerbauer geschildert, die
besonders Mais und Kassade bauen. Sie wohnen in recht-
eckigen Hütten, die wie bei den Pangwe in Reihen rechts und hnks von
der Dorfstraße angeordnet sind. Die beiden Stämme werden als besonders
freiheitsliebend und kriegerisch geschildert. Die Mbimu breiteten sich
früher in dem ganzen Gebiete zwischen Sanga, Kadei und Alt-Kamerun
aus, sind im Norden aber in den letzten Jahren von den Bukongo ver-
drängt worden, die selbst vor den von Nordosten her drängenden Yangere
zurückwichen. Trotz der in den letzten Jahren erfolgten Abwanderung
nach Alt-Kamerun soll dieses Gebiet bis zum Sanga und Kadei
hin noch dicht bevölkert sein. Die Bevölkerung hat sich, soweit sie auf
deutsches Gebiet getreten ist, durchaus friedhch erwiesen. Auf franzö-
sischem Gebiete soll es allerdings infolge der Zwangsmaßnahmen der
dort arbeitenden französischen Gesellschaften zu Unruhen gekommen
sein. Die Franzosen hatten seit 1909 versucht, die zerstreut wohnende
Bevölkerung in größere Dorfschaften zusammenzuziehen, um ihre Arbeits-
tätigkeit besser beaufsichtigen zu können. Als daraufhin eine starke Ab-
wanderung nach Alt-Kamerun erfolgte, versuchten die Franzosen, die
ganze Bevölkerung über das linke Sanga- und Kadei-Ufer zu bringen;
allerdings nur mit dem Erfolge, daß im Laufe der folgenden Jahre die
Abwanderung nach Alt-Kamerun sich noch verstärkte. Trotzdem war
bisher nicht sicher damit zu rechnen, daß diese Be^•ölkerung auf deutschem
Gebiete sitzen bleiben werde, da sie ihre Niederlassungen auf bisher fran-
zösischem Gebiete nicht endgültig aufgegeben hat, angebhch, um sich
die MögUchkeit des Gewehrkaufes in den französischen Faktoreien zu
erhalten. Es hat bis jetzt also immer noch die Möglichkeit einer Rück-
wanderung bestanden. Mit dem Übergange dieses Gebietes an Deutsch-
land kommt diese Möglichkeit nicht mehr in Frage; die deutsche Ver-
waltung wird aber damit zu rechnen haben, daß diese Bevölkerung fast
durchweg mit guten Gewehren bewaffnet ist.
Die Mbimu dieses Gebietes zerfallen in mehrere Stämme. Bei diesen
im Folgenden aufgeführten Stämmen sollen zugleich die bisher auf den
Karten nicht verzeichneten, größeren Niederlassungen angegeben werden:
a) Stamm: Kawalli (Koapuli?); Dörfer: Ngombako, Monole, Dibut,
Dumbeking, Sawua, Mwomda.
— 47 —
b) Stamm: Biming (Mbimu) ; Dörfer: Bikung, Sembe, daneben noch
zahlreiche andere, bisher nicht benannte Niederlassungen.
c) Stamm: Bikollo oder Bibun; Dorf: Anam.
d) Stamm: Diäkumbo; Dörfer: Adumadschella, Biäkang, Mongunga,
Bikulla, Nkolla, Kuolo, Mpäa. Bikandi.
e) Stamm: Bidschuki; Dorf: Dundokina.
f) Stamm: Bikie; Dörfer: Magaba, Bakoto, Binde, Beho, Janie.
Dieser Stamm sitzt teilweise nördlich des Bandscha-Flusses.
g) Stamm: Bukinde; mit den drei OberhäuptHngen Ngugu, Sussu
und Jededa. Dieser Stamm wird auf über 12 000 Menschen
geschätzt.
h) Stamm: Makua (teils nördhch des Bandscha), mit den großen
Dorfkomple.xen Bamina und Bigenne.
i) Stamm: Bakulle; Dörfer: Badewei, Adschemo, Sambo und
Ngunku.
Noch stärker als von diesen südlich des Bandscha wohnenden Stämmen
scheint die Abwanderung der Stämme nördlich des Bandscha gewesen
zu sein, da auf dieses Gebiet, wie oben gesagt, die Bukongo und Yangere
in den letzten Jahren einen Druck ausgeübt haben.
Diese Bukongo hatten ebenso wie die Gundi ihre Sitze in dem
Gebiete zwischen Kadei und Mambere bis nach Bania hinauf; sie sind
jetzt aber von den von Norden her vordrängenden Stämmen aus ihren
ursprünghchen Sitzen gedrängt worden, so daß die Bukongo jetzt getrennt,
zum Teil nordöstlich von Nola, zum Teil auf dem rechten Ufer des Kadei
nördlich des Bandscha sitzen und die Gundi südwestlich von Nola auf
dem rechten Kadei- und Sanga-Üfer. Ob diese beiden \'ölkerschaften
noch zu den Mfang gehören, ist zweifelhaft; die Art ihres Hüttenbaues
und ihre Lebensweise deuten darauf liin; in ihrer sozialen und politischen
Organisation stehen sie aber schon mehr unter dem Einflüsse der nörd-
lichen Stämme, was daraus hervorgeht, daß die Häuptlingsschaft des
Häuptlings von Barondo von allen Niederlassungen der Bukongo aner-
kannt wird, während bei den Mfang im Südgebiete eine solche politische
Zusammenfassung zu größeren Stammesgebilden nicht vorkommt.
Von Lenfant werden die Gundi den Mfang zugerechnet. Er schildert
sie als körperlich gut entwickelte Menschen und sehr gewandte Fischer
und Jäger, aber als herausfordernd und faul. Sie leben fast ganz von Jagd
und Fischerei und treiben nur geringen Ackerbau.
Das Sanga-Gebiet wird vom Kadei und Bodinke ab nordwärts
heute A'on den Stämmen bewohnt, die zu der großen Völkerfamilie der
Mandschia — nach anderen Mandscha, das heißt Ackerbauer (vgl.
L' Anthropologie 191 1, Juniheft, S. 353) — gehören. Die Mandsclüa
- 48 -
haben früher den Mittelpunkt ihrer Wohnsitze auf der Wasserscheide
z^^^schen dem Nil, Tschad und Kongo gehabt und sind in den letzten Jahr-
zehnten immer weiter nach Südwesten vorgedrungen.
Über ihre Abstammung und Herkunft gehen die Berichte ausein-
ander. Sie werden bald als reine Sudan-Neger, bald als eine Misch-
rasse zwischen Bantu- und Sudan-Negern bezeichnet, sodaß hier also
der Kadei und weiter westHch der Dume als nördUche Grenze der
reinen Bantu zu betrachten ist. Das die Mandschia nicht mehr zu
ihnen gehören, geht aus verschiedenen körperlichen Kennzeichen und
Lebensgewohnheiten hervor. Ihre Lippen sind weniger wulstig und auf-
geworfen als die der südlichen Neger; ihre Haut ist nicht tief schwarz,
sondern hat eher einen rötlichen Ton. Überall, wo sie das notwendige
Material dazu finden, bauen sie runde Hütten, die bei den südlicheren
Stämmen in kleinen, dichten Siedlungen zusammengebaut sind; im
Norden sind ihre Siedlungen weit auseinandergezogen. BezügUch ihres
Hauptnahrungsmittels werden sie von den einen Reisenden noch zu den
südlichen Maniok-Essern, von den anderen zu den nördlichen Hirse-
Essern gerechnet. Die Sache scheint indes so zu liegen, daß die Mandschia
bei ihrer Einwanderung in diese Gebiete notgedrungen sich den Boden-
verhältnissen angepaßt und die Wohnungen und Lebensgewohnheiten
der früheren Bewohner übernommen haben, so daß bei den südlichen
Stämmen der Mandschia der Maniok-Bau vorherrscht und im Urwald-
gebiete die rechteckige Hütte der Mfang noch bei ihnen zu finden ist;
während in den freieren Gebieten des Nordens der Hirse-Bau über-
wiegt.
Ein weiteres Kennzeichen dieser Rasse scheint zu sein, daß sie
schon ziemhch eng mit den islamischen -Handelsvölkern der Fulbe und
Haussa zusammengekommen ist. Wenn die Mandschia auch noch weit
davon entfernt sind, bewußte Anhänger des Islam zu sein, so zeigt sich
der islamisierende Einfluß doch in allerlei äußeren Anzeichen. Einige
Stämme halten als Anklang an das Ramadanfest ein vierwöchiges Fasten
ein. Immer mehr bürgert sich das faltige Haussagewand mit den weiten
Ärmeln ein. Die meisten Stämme üben die Beschneidung, was allerdings
auch manche mit dem Islam noch nicht in Berührung gekommene Neger-
stämme tun. Bei den Mandschia hat sich ein viel stärkeres Gefühl der
Stammeszugehörigkeit entwickelt, als bei den Mfang zu bemerken war.
Das kommt darin zum Ausdruck, daß über den Häupthngen der einzelnen
Siedelungen ein Oberhäuptling größere Stammesgemeinschaften zu-
sammenfaßt und nach der Gewohnheit der Haussa und Fulbe die Häupt-
linge sich einen Heerführer und einen Sprecher zu ernennen pflegen.
Diese werden auch mit den Haussaworten ,,Kaigama" und ,,Dogari"
— 49 —
bezeichnet.^) Die Fulbe suchen auch von Alt-Kamerun und Norden her
bewußt ihren poUtischen Einfluß auf diese Stämme zu stärken und eine
Art Oberhoheit zu gewinnen, indem sie die Häuptlingssöhne bei sich
erziehen. Diese Oberhoheit der Fulbe kommt bei einigen Stämmen
besonders im Norden darin zum Ausdruck und zur Anerkennung, daß
den Fulbe-Herrschem Tribut in Naturalien gezahlt \\ird. Naturgemäß
macht sich der Einfluß des Islam im Norden stärker geltend als im Süden.
Wieweit er aber hier schon vorgedrungen ist, geht daraus her\'0'", daß
die Haussahändler in Bania schon ständige Niederlassungen haben und
als wandernde Händler bis an den Kongo kommen. Die Haussasprache
soll im Sanga-Gebiete schon ziemhch bekannt sein. Die französische
Regierung hat dem Vordringen des Islam im allgemeinen sympathisch
gegenübergestanden, denn die Berührung mit den islamischen Händlern
scheint wirtschaftlich, kulturell und politisch von gutem Einflüsse auf
die Mandschia-Stämme gewesen zu sein.
Im Süden sind die Mandschia vorwiegend Jäger und Fischer, im
Norden aber haben sie sich schon an eine intensivere Bearbeitung des
Bodens gewöhnt. Es wird angenommen, daß die Mandschia in ihren
früheren Wohnsitzen auch die Viehzucht gekannt haben; daß sie ihre
Viehbestände hier aber durch die Tsetse-Krankheit verloren haben.
Als gemeinsames Merkmal der Mandschia-Stämme ist noch zu er\vähnen;
daß sie alle Menschenfresser sind, eine Gewohnheit, die ihnen mit den
südlicher wohnenden Mfang gemeinsam ist.
Die jetzt auf deutschem Gebiete sitzenden Mandschia zerfallen
in mehrere Stämme, die Baja, Yangere, Pande und Kaka. Davon sind
die wichtigsten und zahlreichsten die Baja. Sie wohnen von Bania nord-
wärts bis zum Lim, einem Nebenflusse des Logone. Ihre \\'ohnsitze
sind im Westen begrenzt durch den Kadei, im Osten bis nach Kamot
durch den Mambere ; von Kamot aus breiten sie sich östhch bis zur neuen
Grenze aus, nordwärts bis zum 7 ° nördlicher Breite. Sie zerfallen in
7 ünterstämme: im Süden die Baja-Buri; an den Ufern des Nana die
Baja-Bunde und die Baja-Buar, im Norden die Baja-Kaja und die Baja-
Baja, weiter im Osten die Baja-Tala und die Baja-Mbaka. Alle diese
Stämme sprechen eine einheitliche Sprache, bei der jedoch drei verschie-
dene Dialekte zu unterscheiden sind. Die Buri sprechen einen einheithchen
Dialekt; dann bilden die Bunde, Buar, Kaja und Baja eine einheitliche
Dialektgruppe, deren Dialekt Lenfant den Dialekt von Jade nennt.
*) Die gleiche Einrichtung ist auch bei den in Alt-Kameran wohnenden Baja
zu finden.
Veröffectl. d. Rcichskolonialamtes Kr. 4 : Ritter. 4
— 50 —
Der Dialekt der Tala und Mbaka im Osten unterscheidet sich nur wenig
von dem Jade-Dialekte.
In diesem Zusammenhange ist eine Eigenart dieser zentralafrika-
nischen Stämme zu erwähnen, die darin besteht, daß sie fast alle einen
geheimnisvollen Ritus kennen, das sogenannte ,,Labi". Ein Teil dieses
Ritus ist die Labi- Sprache, eine Art von zentralafrikanischem Esperanto,
die nicht nur die Mandschia, sondern auch die weiter im Norden und
östlich im belgischen Kongo sitzenden Stämme kennen, so daß Ange-
hörige ganz verschiedener Sprachgebiete sich untereinander verstän-
digen können.
Die Baja sind Menschen von mittlerer Größe, wohlgebaut, im
Süden im Urwaldgebiete etwas schwächer entwickelt, im Norden groß
und stark. Sie werden im allgemeinen als friedlebend und zugänghch
geschildert und zeigen bemerkenswerte Neigung zum Handel. Um sich
die Mittel zum Tauschhandel zu verschaffen, sammeln sie gern und frei-
willig Kautschuk, w^enn sie auf entsprechenden Lohn rechnen können.
Die Compagnie Forestiere Sanga-Ubangi , deren Konzessionsgebiet
zum großen Teile von den Baja bewohnt ist, bezeichnet sie in ihrer
Denkschrift vom November igii als ziemlich zugänghch und geneigt
zur Arbeit. Pulver und Blei ist bei ihnen nicht so bekannt, wie bei den
Mfang; sie sind noch zum großen Teil mit Pfeil, Speer und Scliild be-
waffnet.
Von den übrigen auf deutschem Gebiete sitzenden Mandschia-
Stämmen sind die Yangere am zahlreichsten. Sie kamen auf der Wande-
rung der Mandschia von Nordost hinter den Baja ins Land; sind aber,
seitdem die Wanderung der Baja zum StiUstand gekommen ist, im
Süden weiter vorgestoßen und in einzelnen Gruppen bis zum Kadei
nahe der alten Kamerun- Grenze vorgedrungen, während die Hauptmasse
auf dem Plateau zwischen Mambere und Lobaje sitzt. Östhch reichen sie
bis in den Ubangi- Vorsprung hinein. Ihre Sprache ist von der der Baja
verschieden. Sie werden als stärker, tapferer und kriegenscher als die
Baja geschildert. Als gemeinsamen Oberhäupthng erkennen sie den
Häuptling von Kumbe (zwischen Mambere und Mbaere gelegen) an,
seitdem die französische Verwaltung den früheren Oberhäuptling in
Gandschia abgesetzt hat.
Noch weiter nach Südwesten als die Yangere sind die Pande vor-
gedrungen, die in einzelnen Gruppen östhch von Bajanga am Oberlaufe
des Motaba ; in ihrer Hauptgruppe aber in der Gegend von Nola bis nach
Bania hinauf sitzen. Sie sind ein seiner Zusammengehörigkeit sich be-
wußtes, ausgesprochenes Fischervolk, dessen Oberhäuptling in Bania
wohnt. Anfangs den Franzosen feindhch gesinnt, haben sie sich seit
längerer Zeit unterworfen und kommen in letzter 2^it immer melu: unter
den politischen Einfluß der von Nordosten her kommenden Fulbe.
Der \ierte in diesem Teile des Sanga-Gebietes wohnende Mandschia-
Stamm, die Kaka^), hat seinen Sitz an beiden Ufern des Kadei, an der
früheren Grenze. Es hat in den letzten Jahren schon eine starke Zu-
wandenmg dieses Stammes nach Alt- Kamerun stattgefunden, so daß
seine Hauptmasse bis jetzt schon auf deutschem Gebiete saß. Die aus
deutschem Gebiete darüber vorliegenden Berichte führen diese Zuwande-
rung darauf zurück, daß die Kaka sich durch die französische Verwaltung
und durch die Konzessionsgesellschaften belästigt fühlten. Der tiefere
Grund dürfte aber in dem allgemein nach Südwesten gerichteten Vor-
dringen der Mandscliia zu suchen sein. Eine ganze Anzalil von Nieder-
lassungen, die auf dem bisher schon deutschen Gebiete sich befinden,
wie Bomara, Mulaj, \\'issambo, Lau, Biu, Baissum waren vor z\\ei
oder drei Jahren noch östhch der alten Grenze. Die Kaka werden als
fleißiges, arbeitsames Volk geschildert. Sie haben große Kulturen an-
gelegt, auf denen sie hauptsächlich Mais, Kassaden und süße Kartoffeln
bauen. Sie sind eifrige Elefantenjäger und sammeln freiwillig Kautschuk
in den reichen Kautschukbeständen ihres Gebietes, um sich damit die
nötigen Tauschmittel für ihren Handel mit den Haussa-Händlem zu
verschaffen.
Es bleiben jetzt noch die den Ubangi-Vorspning bewohnenden \'ölker-
schaften zur Besprechung übrig. Diese Bevölkerung ist wenig einheitUch
und die Berichte über sie und über ihre Herkunft sind sehr widersprechend.
Den südlichen Teil des Ubangi-Vorspninges, also das Ufergebiet des
Lobaje, bewohnt der Stamm der Bondscho, dessen Hauptteil in der
französischen Enklave zwischen dem Sanga- und dem Ubangi- Vorsprunge
sitzt. Diese Bondscho werden als besonders wild und kriegerisch ge-
schildert. Der Kannibalismus ist bei ihnen noch stark ausgebreitet.
Wälirend er bei den übrigen Völkerschaften dieses Gebietes nur in der
Form auftritt, daß die bei Kriegszügen gefallenen Feinde aufgegessen
werden, sollen die Bondscho rein aus Gier nach Menschenfleisch Einfälle
in die benachbarten Gebiete unternehmen, um Gefangene zu machen,
diese zu mästen und unter großen Festlichkeiten zu verzehren.
Im nördlichen Teile des Ubangi-Vorspnmges sitzt der Stamm der
Mbaka. Ob die Bondscho und dieMbaka Stämme für sich sind oder einer
größeren Stammesgruppe zuzurechnen sind, darüber gehen die Ansichten
auseinander. Bruel und Bousset halten sie für Mandscliia, indem sie
') Die Kaka werden von einigen Reisenden noch zu den Bantu gerechnet,
und zwar zu den Mfang.
4»
. — 52 —
die Mandscliia in zwei große Gruppen teilen, die Mandschia-Baja, zu
welchen sie die oben behandelten vier Stämme rechnen und die Mandschia-
Mbaka, zu welchen die Bondscho und Mbaka gehören sollen. Die oben
erwähnten Baja-Mbaka wären sonach als ein Mischstamm zwischen
diesen beiden Mandscliia- Gruppen zu betrachten. Von anderen werden
die Bondscho aber einer in der Hauptmasse auf Belgisch-Kongo woh-
nenden Stammesgruppe zugerechnet und die Mbaka einer den Ubangi
weiter aufwärts wohnenden Stammesgruppe (Ndri ?), Diese Völkerschaften
scheinen ethnographisch noch zu wenig erforscht zu sein, um darüber
etwas Sicheres sagen zu können. Die ethnographische Darstellung wird
auch hier dadurch erschwert und unsicher gemacht, daß die Forscher
mit den einzelnen Namen bald kleinere Stämme, bald größere Stammes-
gruppen bezeichnen, was ja auch für die Ethnographie der Mfang des
Südgebietes schon festzustellen war.
Besonders bemerkenswert für die Stämme im Ubangi-Vorsprunge
scheint zu sein, daß sie sich zu großen Siedelungen zusammengeschlossen
haben. So wird in einem Berichte in den Annales apostoliques 191 1,
S. 378/379, die Bevölkerung von Bossinga und Mokulia auf je 2000, von
Buschia und Bojanga auf je 4000, von Bubangi auf 5000 und von Mbaiki
auf 6000 Einwohner angegeben, wobei zu bemerken ist, daß alle diese
Niederlassungen verhältnismäßig nahe beieinander liegen. Auch die
Gebiete den Bodinke und den Lobaje weiter aufwärts scheinen ziemlich
dicht bevölkert zu sein.
§ 17. Der südliche Teil des Ostgebietes wird von dem im folgenden zu be-
sprechenden nördlichen Teile durch das Hochland von Jade getrennt.
Über den geologischen Aufbau und die Zusammensetzung dieses Hoch-
landes gibt Lenfant auf S. 262 — 266 seines Buches: ,,La decouverte des
grandes sources" eine anschauliche, zusammenfassende Beschreibung.
Das zentrale Plateau ist wenig gegliedert und in der Trockenzeit sehr
wasserarm. Auf weite Strecken hin tritt der nackte Fels zutage; wo
Pflanzenwuchs möglich ist, bedeckt der Boden sich nach dem ersten
Regen mit harten für die Fütterung wenig geeigneten Gräsern. Während
der Trockenheit ist aber alles verdorrt. Die steilen Abfälle nach Norden
und Osten sind scharf gegliedert und an manchen Stellen wild zerrissen.
Zwischen den einzelnen, zum Teile ganz unzugänglichen Höhenzögen
haben die Flußläufe tiefe Täler eingeschnitten. Alle von hier aus nach
Norden und Osten gehenden Flüsse sind in ihrem Oberlaufe mit Wasser-
fällen und Schnellen ganz durchsetzt, so daß sie für die Schiffahrt erst
da in Betracht kommen, wo sie in die Ebene eintreten. Die einzelnen
Höhenzüge werden vor ihrem endgültigen Abfalle in die Ebene
von scharf gezeichneten, überragenden Höhen beherrscht ; so vom Bum-
— 5:» —
babal zwschen Mambere und Lim, beide Nebenflüsse des westlichen
Logone; von Simbal zwisclien Lim und Pende (= östlicher Logone);
vom Kare zwischen diesem und dem östlich abfließenden Uam. über
die Flußläufe dieses Gebietes hat bis vor kurzem noch große Unkenntnis
geherrscht. Erst vor wenigen Jahren ist, besonders durch die Reisen
Lenfants festgestellt worden, daß der Pende und der östhche Logone
identisch sind und der Uam der Hauptquellfluß des Bar- Sara ist.
Vom Süden her reicht die Buschsteppe und der Uferwald und mit
ihm die Kautschukliane etwa bis in eine Höhe von 800 m in das Jade-
Hochland hinein. Von dieser Höhe ab nordwärts, also etwa vom Uam
ab, ist außer den dürftigen Lebensmittelpflanzungen der wenig zahlreichen
Baja-Tala nichts zu finden, was auf wirtschaftliche Tätigkeit schheßen
oder europäische Unternehmungen dazu anreizen könnte. Erst weiter
im Norden, im Gebiete des Logone beginnt die Nsirtschaftliche Tätigkeit
sich wieder zu beleben. Das Klima dieses Höhengebietes kann als gesund
bezeichnet werden; es ist mückenfrei, und die Nächte zeigen eine er-
frischende, manchmal starke Abkühlung.
Steigt man den Nordabfall hinab, so kommt man in das weite frucht-
bare Tiefland, das den nördlichen Teil des Ostgebietes bedeckt. Ira
Westen ragen die nordöstlichen flachen Abdachungen des Ngaundere-
Hochlandes aus Alt-Kamerun noch etwas in dieses Tiefland hinein.
Dieses niedrige Hügelgebiet wird im Süden von dem westlichen Logone
imiflossen und im Norden von dem interessanten See- und Flußgebiete
des Tuburi-Mao Kabi-Lere begrenzt. Es entwässert zum Teil westlich
zum Benue, zum Teil östlich und nördlich zum Logone.
Die Schiffbarkeit des westlichen Logone und des Pende für Dampfer,
ist, soviel festzustellen war, in den Oberläufen bisher noch nicht erprobt
worden ; dagegen haben auf dem Unter- und Mittellaufe des Logone
schon Dampfer verkehrt, und sein Oberlauf ist ebenso wie der Lauf des
Pende mit größeren Frachtkähnen wiederholt flußauf- und -abwärts be-
fahren worden. Dabei ist festgestellt worden, daß der Oberlauf des
Pende sehr wild und von hohen Fällen unterbrochen ist. Er fällt auf
einer verhältnismäßig kurzen Strecke aus einer Höhe von iioo m bis
auf 450 m bei Jolmin herab. Von seinem Eintritte in die Ebene bei
Jolmin bis zu seiner Vereinigung mit dem Logone dagegen hat er einen
ruhigen, gleichmäßigen Lauf. Der Logone selbst erreicht zwar schon
auf der in Alt-Kamerun gelegenen Strecke seines Oberlaufes eine Breite
bis zu 100 m; er ist aber trotz seiner ziemlich bedeutenden Wassermenge
für die Schiffahrt hier nocii nicht geeignet, da sein Bett mit vielen Felsen
durchsetzt ist. Erst von den Coquel- Schnellen ab, die in der Nähe von
Kaitia bei der Mündung des Libi liegen, bietet »ein Lauf abwärts der
— 54 —
Schiffahrt kein Hindernis mehr. Seine Fahrrinne ist oberhalb der Ver-
einigung mit dem Pende zwar an einigen Stellen durch Sandbänke einge-
engt; aber nicht in dem Maße, daß die Schiffahrt dadurch behindert
würde. Die Wassermenge der beiden Flüsse ist — abgesehen von den
Hoch- und Niederwasserschwankungen innerhalb des Jahres — in den
einzelnen Jahren verschieden und hängt von der Ergiebigkeit und Länge
der Regenzeit ab. Die Wassermenge kann daher unter Umständen auch
während der Trockenzeit sehr beträchtlich sein. Ende Juni beginnen die
beiden Flüsse zu steigen und zuerst sehr rasch, später in langsamerem
Steigen ihren Wasserspiegel bis um 4 m zu erhöhen, wobei die niedrigen
Ufer kilometerweit überschwemmt werden. Ende September und Anfang
Oktober haben sie ihren höchsten Stand erreicht (der Schari erst Ende
Oktober). Nach dem Erreichen des Höchststandes pflegt das Hochwasser
in beiden Gebieten ziemUch schnell wieder abzulaufen. Durch das
November- Abkommen ist der Logone in seinem ganzen Laufe zum Teil
mit beiden Ufern, zum Teil nur als Grenzfluß deutsch geworden. Zu-
sammen mit dem Pende beträgt die schiffbare Strecke über 1000 km.
Durch dieses Abkommen ist aber auch noch ein anderes wirtschaftlich
und hydrographisch interessantes Wasserlaufsystem ganz in deutschen
Besitz gekommen, das besonders in den letzten Jahren \del von sich reden
gemacht hat, die Wasserverbindung vom Logone zum Benue über den
Mao Kabi. Durch den Mao Kabi wird eine Wasserv^erbindung vom
Atlantischen Ozean zum Tschadsee über den Niger, Benue, Logone und
Schari hergestellt. Von dieser Wasserverbindung in einer Länge von
etwa 2500 km sind % schiffbar und werden heute schon mit Dampfern
befahren. Auch das dazwischen hegende Sechstel des Wasserlaufes
ist mit Booten schon befahren worden; für den Verkehr ist es aber in
seinem heutigen Zustande nur sehr beschränkt verwertbar. Darauf
ist weiter unten (vgl. § 31) ausführlicher zurückzukommen.
§18. In klimatischer Beziehung zeigt dieses Gebiet ein ganz anderes
Büd als die bisher besprochenen Teile Neu-Kameruns. Wie aus den nach-
stehenden Tabellen^) für Kusseri und Lai herv^orgeht, verschmelzen die
Regenzeiten nach Norden immer mehr zu einer einzigen, während die
Regenmengen abnehmen und die Trockenzeit am Jahresende immer länger
und ausgesprochener wird. Die Trockenzeit beginnt hier im Oktober
und dauert bis zum Mai. Während der übrigen Monate dauert die Regen-
zeit, die im JuH und August ihren Höhepunkt erreicht. Je weiter man
nach Norden kommt, desto mehr verlängert sich die Trockenzeit. Am
1) Vgl. auch die Zusammenstellung der Niederschlagsmengen am Schlüsse.
35
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- 56 -
Lobaje dauert sie kaum einen Monat, in der Höhe von Fort Crampel
2 — 2^ Monate und in Lai 5 — 6 Monate.
Lai', am Logone.
Temperatur
Berichtigter, auf 0
zurückgeführter
Barometerstand
Regenmenge
Minimum
Maximum
1
a
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Monat
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Juni 1903. .
■
730,54
II
mm
mm
JuU . . . .
.
24,24
732,07
15
22
150
August . . .
17,3
12
23
22,53
731,3
18
51
305,8
September .
13,05
12
16
21,51
731,3
18
44
449
Oktober . .
11,18
9,5
I?
20,84
730,72
6
6
19
November .
13,83
12
15,5
21,48
730,46
0
0
0
Dezember .
16,03
13,2
18,9
22,24
729,72
0
0
0
Januar 1904.
13,64
II, I
18,2
19,94
729,3
0
0
0
Februar . .
12,02
9,5
13,9
10,3
729,62
0
0
0
März ....
12,94
11,0
17,1
25,0
729,35
3
30
35
April ....
20,55
16,2
22,5
28,72
24,8
31,4
26,35
729,06
3
13
20,8
Mai ....
21,99
20,7
23,2
29,55
26,1
33,4
24,17
729,30
14
69
137,8
Der Übergang von dem Urwaldklima zum nördlichen Tieflandkhma
vollzieht sich in drei untereinander merklich verschiedenen Zonen. Die
erste erstreckt sich vom 5^ nördhcher Breite bis zum 6° 45', die zweite
vom 6^ 45' bis zum 9^ und die dritte vom 9^ nordwärts bis zum Beginne
des ausgesprochenen Wüstenklimas. In der ersten Zone beträgt die
fast ganz regenlose Trockenzeit fast 4 Monate, sie beginnt am 15. Sep-
tember und endigt am 15. März, Auf sie folgt eine Übergangszeit vom
15. März bis ungefähr 15. Juni. Die Regen beginnen allmählich zu fallen
und den Boden zu bewässern ; dies ist die Zeit der Aussaat. Die Haupt-
regenzeit dauert vom 15. Juni bis 15. Oktober, von da ab leitet wieder
eine Übergangszeit von etwa 4 "Wochen zur ausgesprochenen Trockenzeit
über. Die zweite Zone unterscheidet sich von der ersten hauptsächlich
durch die Abnahme der Niederschlagsmenge; die Trockenzeit dauert hier
bereits 5 Monate. Die dritte Zone hat eine Tockenzeit von 7 — 8 Monaten,
die Regenzeit fällt ungefähr auf die Zeit vom Anfang Juni bis Anfang
Oktober. Die Tagestemperaturen zeigen hier, im Gegensatze zu den
— 5/ —
gleichmäßigen mittleren Temperaturen in Gabun und am mittleren Sanga
erhebliche Tagesschwankungen, schon am 4° nördlicher Breite bis zu
17° Celsius. Weiter nördlich im Logone-Gebiet kommen Tagesschwan-
kungen von 25 — 30° vor und es sind schon noch höhere Schwankungen
festgestellt worden. Besonders in der Zeit vom Dezember bis zum Februar
sind niedrige Nachttemperaturen häufig und machen diese Zeit für den
Europäer zu einer Erholungszeit. Für Lai sind Mindesttemperaturen von
8 — 1)° festgestellt worden, während in der heißesten Zeit vom März
bis Juni 40 — 50° Celsius verzeichnet worden sind. Diese hohen Tempera-
turen werden für den Aufenthalt von Weißen aber dadurch etwas erträg-
licher, daß sie meistens mit einer kräftigen, erfrischenden Brise verbunden
sind. In den Monaten März bis Juni pflegt die Abkühlung in den Nächten
allerdings meist geringer zu sein. Diese Zeit ist daher von den Europäern
gefürchtet wegen der schlaflosen Nächte und von den Eingeborenen wegen
der in diesen Monaten besonders scharf auftretenden Pocken.
Zeitweise weht auch in diesem Gebiete der in Alt-Kamerun und
Togo bekannte Harmatan, ein heftiger Nordwind, der hier oft wochenlang
andauert. Er kommt mit großer Kraft über die ausgetrocknete Steppe
und führt den gefürchteten und alles durchdringenden Sand der Sahara
mit sich. Wochenlang ist dann die Sonne verhüllt, so daß in der Zeit
dieser Stürme die Tagestemperaturen nicht über 25° hinausgehen.
Die gesundheitlichen Verhältnisse dieses Gebietes entsprechen
den in der gleichen Breite liegenden Bezirken Alt-Kameruns und sind
außerhalb der eigentlichen Überschwemmungsgebiete und -Zeiten besser
als in den bisher besprochenen Teilen Neu-Kameruns. In den heißen
Monaten, in welchen die Nächte eine Abkühlung bringen, also Dezember
bis Februar, empfiehlt es sich, Reisen in der Nachtzeit auszuführen.
Während im Süden die Feuchtigkeit und die Mücken das Klima stellen-
weise schwer erträglich machen, ist es im Norden der Sonnenbrand.
Die Flußläufe entlang ist auch liier die Mückenplage sehr groß. Darüber,
ob an diesen Flußläufen die Glossina palpalis vorkommt, widersprechen
sich die Berichte vollständig, ebenso darüber, ob die Tsetse-Fhege, die die
Tsetse-Krankheit überträgt (Glossina morsitans), hier vorkommt. Da
nach den allerneuesten Berichten die Schlafkrankheit das Jade-Hocliland
überschritten hat und auch hier die Flußläufe entlang nach Norden
vordringen soll, scheinen die Berichte recht zu haben, die das Vorkommen
der Glossina palpalis in diesen Gegenden behaupten. Auch scheint die
Tatsache, daß die im Oberlaufe des Logone und des Pende wohnenden
Stämme der Mbum, Lakka, Sara und Mbai keine Viehzucht treiben,
obwolil sie mit den nördlicheren Viehzuchtgebieten in enger \'erbindung
- 58 -
leben und ihr Land gute Weide bietet, dafür zu sprechen, daß auch die
Glossina morsitans hier verbreitet ist,
§19. Die Vegetation zeigt im Gebiete des Nordabfalles noch desselbe
Bild, wie im SüdabfaUe zum Sanga- Gebiete. Der Uferwald kommt die
Flußläufe entlang hier nur bis zum 8° nördlicher Breite fort, also etwa
bis in die Höhe von Gore; während er sich in anderen Gebieten Afrikas,
z. B. im Niger-Gebiete zu bis 12*^ nördlicher Breite erstreckt. Im Walde
kommen große Mengen von Landolphia owariensis vor, ferner Ölpalmen
und Kaffee, der auch hier wild wächst, aber gute Früchte trägt (im Durch-
schnitt sind 220 Früchte pro Baum gezählt worden). Besonders in der
Ebene zwischen Pende und Logone sollen noch große Kautschukbestände
zu finden sein. Zwischen den Uferwäldern ist Busch- und Graslandschaft.
Auch hier ist die Landolphia tolonii noch zahlreich anzutreffen. Auf
den Eingeborenenfeldern wechselt Maniok mit Hirse ab. Weiter nordwärts
in der Ebene kommen hier und da noch einige Kilometer lange Wald-
strecken vor ; im allgemeinen ist aber die Ebene dort fast ganz baumlos.
Die natürlichen, wildwachsenden Erzeugnisse, die den Reichtum
des zentralafrikanischen Urwaldes und seiner Grenzgebiete gebildet haben,
treten hier also an Bedeutung zurück. Dafür zeigen aber die Ein-
geborenenkulturen eine Sorgfalt, Mannigfaltigkeit und Ertragfähigkeit,
die das Erstaunen und den Beifall aller Forscher hervorgerufen haben.
Nicht nur Getreidearten, an erster Stelle Hirse, dann Mais und Reis,
gedeihen hier vorzüglich, sondern auch die für die Nahrungsmittel- und
Fettstoffindustrie wichtigen Erzeugnisse, wie Sesam, Erdnüsse, Schinüsse,
kommen hier in großen Mengen und guter Beschaffenheit vor. Dazu ist
das Land für den Baumwollbau klimatisch und der Bodenbeschaffenheit
nach sehr geeignet.^)
Außer diesen Erzeugnissen ist der Tabak ziemlich verbreitet, der
besser als der am Tschadsee gebaute ist ; zu nennen sind ferner Bohnen,
Feigen in verschiedenen Arten, Piassaven u. a.
Die gleiche Reichhaltigkeit wie die Pflanzenwelt zeigt hier auch die
Tierwelt. Im Logone-Oberlaufe und am Pende ist der Elefant heimisch
und noch zahlreich vorhanden ; weiter nördlich wechselt er auch in Herden
aus Wadai herüber. Dieser Elefant ist größer als der hier einheimische,
hat aber kleinere Zähne. Weiter im Norden ist die Rindviehzucht
sehr verbreitet und wird hauptsächlich von den dort ansässigen Fulbe
und vereinzelt vorkommenden Arabern betrieben. Es kommen zwei Arten
von Buckelrindern vor, die sich aber nur wenig unterscheiden. Die
Unterscheidung kommt nur in ÄußerUchkeiten zum Ausdruck; der ara-
^) Vgl. unten § 26.
— 59 —
bische Typ des Rindes hat kurze, gerade oder nur sehr wenig gebogene
Homer, während der Fulbe-Tj'p ziemUch stark gebogene Hörner hat.
Die \'ielibestände dieser Bezirke sind zwar oft starken Seuchen ausgesetzt.
So berichtet schon Xachtigal aus dem Jahre 1873, daß von Süden
kommend ein großer Seuchenzug die Tschadsee-Herden dezimiert habe.
Seitdem sind wiederholt solche Seuchen über die dortigen Viehherden
hinweggegangen. Die Herden erholen sich hier aber rasch wieder, und
der derzeitige Viehbestand dieses Gebietes wird als verhältnismäßig
groß angegeben. Die mittlere Milcherzeugung beträgt 2 — 2Y2 1 täglich.
Auch im Oberlaufgebiete des Pende und des Logone kommen vereinzelt
kleinere Viehbestände vor ; regelmäßige Viehzucht scheint aber hier nicht
zu bestehen, wie erwähnt, wohl infolge des Vorkommens der Glossina
morsitans.
Auf derselben Höhe wie die Viehzucht steht die Pferdezucht,
die vom 7^ 45' nordwärts gute natürliche Verhältnisse findet. Auch hier
sind zwei Arten zu unterscheiden, der T}'p des mittleren Logone, von
kleinem, kräftigen Körperbau; er kommt in der Gegend von Lere und
Binder am meisten vor und zeichnet sich durch Widerstandsfähigkeit
gegen Seuchen und die Stiche der Tsetse aus, sowie durch seine Brauch-
barkeit in schwierigem Gelände, im Walde und im Hochlande. Der
größere Typ ist eleganter gebaut, höher gezüchtet, aber weniger wider-
standsfähig. Die Gegend um Lai zeichnet sich besonders durch Pferde-
reichtum, aus.
Daneben kommen im ganzen Gebiete auch alle Arten von Klein-
vieh vor, vor allem Ziegen und Hühner, letztere besonders bei den Mbum.
Wilde Tiere sind im ganzen Gebiete in großer Zahl und Mannig-
faltigkeit verbreitet, so Löwen, Panther, Schakale, Nilpferde, Nashörner,
Büffel, Giraffen, Antilopen, Buschhühner u. a. Im Logone und Tuburi
gibt es Wasservögel in großen Mengen; die Inseln und Sümpfe sind dort
buchstäblich bedeckt von ihnen.
Die Bevölkerung ist am Nordabfalle des Jade-Hochlandes noch § 20.
stammverwandt mit den südlicheren Gruppen, es sitzen hier die Baja-
Tala, und von den Yangere hat sich, als sie hinter der Masse der vor ihnen
sitzenden Baja nach Osten vorwärts drängten, ein Zweig hierher nach
Norden verirrt, während die Hauptmasse südHch der Baja zwischen
Lobaje und Maml^ere sitzt.
Vom Beginn der Ebene an nordwärts trifft man eine ziemUch einheit-
liche Bevölkerung. Alle Stämme, die vom Pende nördhch bis zum Mao
Kabi wohnen, sind Sudan-Neger. Die Sudan-Neger zerfallen sprachlich
in zwei Gruppen, die eine nördlich vom Tschadsee; sie kommen für unser
Gebiet nicht in Betracht. Die andere südlich davon in der Logone-Ebene.
— 6o —
Die südlichen Sudan-Neger lassen sich wieder in drei Gruppen unter-
scheiden, die Logone-, Falli- und Mbum-Gruppe. Alle dazu gehörigen
Stämme werden nicht als Ureinwohner dieses Landes angesehen; ihre
ursprüngHchen Sitze werden weiter im Osten, dem Nil zu, gesucht. Die
Bewohner der ganzen Logone-Ebene haben gewisse gemeinsame Merk-
male, die sie von den bisher behandelten Völkern unterscheiden. Sie
bilden eine Sprachengemeinschaft, in der nur dialektische Verschieden-
heiten vorkommen. Sie sind Ackerbauer und, soweit die klimatischen
Verhältnisse es erlauben, Vieh- und Pferdezüchter. Ihr Hauptnahrungs-
mittel ist die Hirse. Dieses Nahrungsmittel erscheint den Forschern so
kennzeichnend für diese Rasse, daß sie sie kurzweg die Hirse-Rasse
nennen, zur Unterscheidung von der im Urwalde wohnenden Maniok-
Rasse. Der Kannibalismus ist allen diesen Völkern unbekannt.
Aus diesen wenigen Kennzeichen geht schon hervor, daß man es
hier mit einer kulturell viel höher stehenden Bevölkerung zu tun hat
als im Süden. Die höhere Kultur ist zurückzuführen zum Teil auf die
stärkere Berührung mit dem Islam ; mehr aber noch auf die höhere Lebens-
haltung, die durch die Fruchtbarkeit des Landes und die Viehzucht
ermöglicht wird. Die Reisenden, die aus diesem Gebiete berichten, z. B.
Lenfant, können nicht Worte genug finden, um den Fleiß und die
Geschickhchkeit dieser Menschen bei der Bestellung ihrer Felder zu
loben. Lenfant sagt, er habe niemals in Afrika schönere Menschen,
schönere Dörfer und schönere Pflanzungen gesehen, als hier. Ihre Er-
zeugung ist ausgesprochen kommunistisch, sie bestellen und ernten ihre
Felder gemeinsam. Von der Ernte bekommt der Häuptling einen Teil
zum persönhchen Gebrauche und die zur Aussaat notwendige Menge wird
ihm zur Aufbewahrung übergeben. Von dem Reste wird unter die einzelnen
MitgHeder der Niederlassungsgemeinschaft so viel verteilt, als zur Lebens-
haltung bis zur nächsten Ernte notwendig ist. Was übrig bleibt, wird
zu Bier verbraut und gemeinsam vertrunken. Den Eingeborenen wird
ein stark ausgeprägter Schönheitssinn nachgerühmt, der sich in Tänzen
und Gesängen, in Körper- und Hausschmuck, in der Verzierung der
Gebrauchsgeräte und in allgemeiner Reinlichkeit ausdrückt. Wenn die
Bevölkerung hier mit dem Islam auch in nähere Berührung gekommen
ist, so ist sie doch fast durchweg heidnisch geblieben, und der islamische
Einfluß kommt nur in der äußerUchen Nachahmung mohammedanischer
Gebräuche, in der Anknüpfung von Handelsbeziehungen, in der Hebung
des allgemeinen Kulturniveaus und in der Gestaltung der Machtverhält-
nisse zum Ausdrucke. Die letztere hat sich vor dem Erscheinen der Fran-
zosen für die Stämme dieses Gebietes in sehr nachteiliger Weise geltend
gemacht. Das ganze Gebiet des oberen Logone und des Pende war für
— 6i —
die Fulbe von Ngaundere früher das Rekrutierungsland für ihren Sklaven-
bedarf. Sie kamen den Oberlauf des Lx)gone abwärts und fielen durch
das Ausfallstor, das der Logone am Fuße des Bumbabal bildet, über die
Siedelungen der Mbum, Lakka und Sara her. Daraus erklärt es sich auch,
daß das diesem Ausfallstore vorgelagerte, fruchtbare Gebiet, das Land
von Baibokum östhch bis zum Pende jetzt noch verhältnismäßig schwach
bevölkert ist, während sich an den weniger fruchtbaren Nordabhängen
des Jade-Hochlandes eine dichtere Bevölkerung zusammengedrängt hat.
Dieses Gebiet bot mit seinen tief eingerissenen Tälern und steil abfallenden,
schwer zugänglichen Höhen einen natürlichen Schutz gegen die Raubzüge
der Fulbe. Die Dörfer der Mbum im Tale des Lim liegen daher alle an
schwer zugänglichen Stellen wie ,, Adlerhorste", um einen bezeichnenden
Ausdruck Lenfants zu gebrauchen.
Als bemerkenswert für das Gebiet des oberen Logone und des Pende
ist noch zu ersvähnen, daß hier Eisen sehr selten vorkommt, daher hoch
im Werte steht und vielfach die Stelle von Geld vertritt. Die Waffen
sind daher hier auch noch meist aus gehärtetem Holze hergestellt. Im
Jade-Hoclilande dagegen kommt Eisen überall reichhch vor und wird
von den Eingeborenen aus den natürhchen Lagerstätten gewonnen.
Ebenso ist das Eisen weiter im Norden durch den Handel stärker verbreitet.
Im Gebiete des oberen Logone und Pende sind die wichtigsten Stämme
die Mbum und die Lakka. Die Mbum werden als besonders groß, kräftig
und muskulös geschildert, im Süden offen und zugänglich, dagegen weiter
im Norden diebisch und mißtrauisch. Sie bewohnen das Gebiet um den
Bumbabal, den Berg der Mbum; ihre Sitze erstrecken sich von da ab
den Lim und den Mbere (auch Mambere genannt) aufwärts. Der größere
Teil dieses Stammes saß bisher schon auf deutschem Gebiete. Diese
bisher schon deutschen Mbum scheinen aber nicht mehr in Verbindung
mit den Mbum am Mbere und Lim zu stehen; sie sind nach Westen den
Wina (= Logone-Oberlauf) aufwärts gewandert und ihre östlichsten
Sitze sollen heute bei Ssora sein. Politisch gehören sie zu Ngaundere.
Dort sind die bisher französischen Mbum mehr unter dem Namen Mbere
bekannt.
Dagegen wohnen die Lakka in ihrer Hauptmasse auf dem neuen
Gebiete und sind bisher nur mit ihrer westlichsten Spitze bis nach Alt-
Kamerun vorgedrungen. Diese bisher schon deutsche Spitze reicht von
Abakana nordwärts bis TawTil und gehört zum politischen Machtbereich
des Ardo-Reibuba. Weiter nördlich sclmeidet die bisherige Grenze den
Stamm der Dari, deren Hauptniederlassung bisher schon auf Alt-Kame-
runer Gebiet war und ebenfalls zum Gebiet des Ardo-Reibuba gehört.
Die wichtigsten Niederlassungen dieser Dari auf dem bisher schon deut-
— 62 —
sehen Gebiete sind Weimba, Dschebo, Mbongo; auf dem bisher franzö-
sischen Gebiete Dare und Tieming. Die Dari sollen angebhch schon zu
den weiter nordwärts wohnenden Mundang gehören; dagegen spricht
aber die erhebhche Dialekt Verschiedenheit. Wahrscheinlich ist, daß
sie Lakka sind und sich nur durch die pohtischen Sonderbestrebungen der
Häuptlinge von Dari von den Lakka abgesondert haben. Zwischen dem
Ardo-Reibuba und dem Arnado-Dari hat sich bisher aus der Trennung
des Dari- Stammes durch die Grenze eine gewisse Rivalität ergeben, indem
jeder den ganzen Stamm auf sein Gebiet bringen wollte. Die Folge davon
war eine ziemliche häufige Grenzwanderung, die mehr zugunsten des
deutschen Gebietes gewesen zu sein scheint.
Nahe verwandt mit diesen beiden Stämmen sind die Sara und
Mbai; die ersteren am Zusammenflusse des Logone und Pende, die letz-
teren nördhch von den Mbum zwischen Logone und Nja. Mit ihrer
Hauptmasse werden diese beiden Stämme aber auch in Zukunft auf
französischem Gebiete bleiben.
Die Lakka, Sara und Mbai sind von eleganterem, zierlicherem Körper-
bau als die Mbum, ihre regelmäßigen Gesichtszüge lassen auf Intelligenz
schließen. Bewaffnet sind sie fast durchweg mit dem Speer, dem Wurf-
messer und Schild, bei den Mbum wiegt Pfeil und Bogen vor. Alle diese
Stämme, die in ihrem eigenen Gebiete ziemHch dicht beisammen wohnen,
sind von den benachbarten Stämmen durch einen größeren, unbewohnten
Zwischenraum getrennt. Ihre Sprache ist gleich und hat nur geringe
dialektische Verschiedenheiten. Auf die Lakka trifft besonders zu, was
oben im allgemeinen über diese Stämme gesagt worden ist. Die Nieder-
lassungen, wie Dok im Knie des Logone oder Kutu weiter Logone auf-
wärts, wie Kagopal zwischen Logone und Pende haben bis zu 2000 Hütten
und 6 — 7000 Einwohner. Diese Niederlassungen sind hier nur beispiels-
weise angeführt; sie kommen in gleicher Größe hier noch mehr vor.
Das typische an diesen großen Siedelungen ist, daß sie aus einzelnen
Famihensiedelungen zusammengesetzt sind, die selbst wieder aus mehreren
eng zusammengebauten und zum Teil verbundenen Hütten gebildet
werden. Davon ist in der Regel eine für die Frauen, eine für die
Kinder, eine für die Küche bestimmt; sehr oft kommt dazu noch
ein Raum für die Aufbewahrung des Getreidevorrates und einer für
das Kleinvieh; besonders bei den Mbum sind die Hühner sehr
zahlreich. Nördhch schheßen sich an die Lakka und Sara die Sudan-
Negerstämme der Mundang an, die längs der alten Grenze sitzen und
bisher schon zum Teil auf deutschem Gebiete wohnten. Weiter östhch
die Mbana und auf beiden Ufern des Logone die Massa besonders in der
Umgebung von Lai. Weiter nordwärts die Marba auf dem linken Ufer
des Logone. Über diese Stämme ist wenig bekannt, sie scheinen alle
zu der Falli-Gruppe der südlichen Sudanneger zu gehören.
Weiter im Norden, im Gebiet des Tuburi und Mao Kabi, kommt man
wieder in eines der ethnologisch interessanten Gebiete, in denen sich
kleine, isolierte Stämme zusammengedrängt haben, zum Teil von den
nördlichen Musgu, zum Teil von den östlichen und südlichen Stämmen
hierher gedrängt. Zu nennen sind hier die Dore am Tuburi- See, nach diesem
auch Tuburi genannt; nördlich von ihnen der Stamm der Gissei, die zum
Teil bisher schon auf deutschem Gebiete saßen und im ganzen Tuburi-
Gebiet als \-erwegene Räuber gefürchtet sind. Weiter westlich zwischen
Tuburi und Binder der Stamm der Suggi. Das Gebiet soll dicht bevölkert
sein, in manchen Gegenden reiht sich eine Ortschaft an die andere mit
ziemlich großem Viehbestande. Auf Orte mit loo Hütten können durch-
schnittlich 200 — 300 Stück Großvieh gerechnet werden. Die Wohnweise
und die Hüttenanordnimg ist dieselbe wie bei den Lakka, nur werden
die Hütten hier, wo lehmiger Boden vorherrscht, aus Lehm gebaut,
während sie bei den Lakka vorwiegend aus Holz und Flechtmaterial
bestehen. Hier scheint auch eine größere gewerbliche Tätigkeit zu
herrschen. Die Spinnerei und Weberei steht in der Gegend von Lere und
Binder auf ziemlicher Höhe ; in den übrigen Gebieten über%\iegen Töpferei,
Leder bearbeitung und Flechterei.
Über all diesen heidnischen Stämmen im bisherigen französischen
Lere- Vorsprunge macht sich schon eine ziemUch starke islamische Ober-
schicht bemerkbar. Die Fulbe sind von Westen hierher schon weit vor-
gedrungen und haben an den %\-ichtigsten Orten ständige Niederlassungen
gegründet, so vor allem in Französisch-Binder, das von den Eingeborenen
Binder-Fulbe genannt wird im Gegensatz zu Binder-Mundang am Mao Kabi,
wo sich die früheren Bewohner von Binder-Fulbe angesiedelt haben, nach-
dem sie von den Fulbe aus ihren ursprünghchen Sitzen verdrängt worden
waren. Auch Araber kommen liier vereinzelt als wandernde \'iehzüchter vor.
In der Lere- und Tuburi-Gegend soU nach Lenfant der Lamido von
Garua pohtische Machtansprüche geltend gemacht haben , solange
die französische Herrschaft dort nicht ausgeübt wurde und die Grenzen
noch unbestimmt waren. Seine Oberhoheit soll damals auch von den
Ardos dieser Gegend mehr oder weniger anerkannt worden sein. Seit-
dem die französische Verwaltung sich in den letzten Jahren in dieser
Gegend zu betätigen beginnt, ist gegen diese Ansprüche ein französi-
sches Gegengewicht geschaffen worden, Binder-Fulbe hat bekanntlich
bis zu der Grenzregviherung von 1908 unter deutscher Herrschaft ge-
standen und war bis dahin Sitz des jetzt in Deutsch-Binder residierenden
Sultans von Binder.
Zweiter Abschnitt.
Handel, Verkehr und Arbeiterfrage.
Vorbemerkung.
§ 21. Im vorigen Kapitel sind die geographischen Verhältnisse Neu-Kame-
runs dargestellt worden. Die gleichzeitige Darstellung der natürlichen
Produktionsbedingungen hat sich dabei von selbst ergeben. Der dadurch
gewonnene Überblick über die natürlichen Produktionsmöglichkeiten
bietet schon eine gewisse Unterlage für die Beurteilung des wirtschaft-
lichen Wertes des Landes. Es handelt sich bei diesem Gebiete aber wirt-
schaftlich nicht um vollständiges Neuland. Wenn es auch noch auf einer
ziemüch anfänglichen Stufe wirtschaftlicher Tätigkeit steht, so hat eine
solche Tätigkeit doch schon seit einer Reihe von Jahrzehnten dort statt-
gefunden. Die natürlichen ProduktionsmögHchkeiten sind dadurch
beeinflußt, bis zu einem gewissen Grade auch entwickelt worden. Eine
Beurteilung, die sich nur auf die natürhchen Produktionsbedingungen
stützte, würde daher die für die Urteilsbildung vorhandenen Unterlagen
nur zum Teile verwerten, denn der wirtschaftliche Wert des Landes ist
daneben von den allgemeinen Markt-, Absatz-, Transport- und Arbeiter-
verhältnissen abhängig. Zu der Beurteilung des wirtschaftlichen Wertes
Neu-Kameruns ist daher die Besprechung der Handels-, Verkehrs- und
Arbeiterverhältnisse notwendig.
Bei dem Gegenstande des vorigen Abschnittes war es leicht, die
Besprechung auf das neue Gebiet zu beschränken. Die Darstellung hörte
einfach da auf, wo die neuen Grenzen laufen. Diese Beschränkung wird
bei dem Gegenstande des folgenden Abschnittes nicht im gleichen Maße
möghch sein; denn die zu diesem Gegenstande vorliegenden Angaben
beziehen sich meist auf ganz Französisch-Aquatorial-Afrika, so daß eine
Ausscheidung für Neu-Kamerun nicht möglich ist. Wenn trotzdem im
folgenden einige Zahlen gegeben werden, so geschieht dies in der Annahme,
daß die Entwicklung des ganzen Wirtschaftsorganismus, von dem Neu-
Kamerun bisher einen Teil gebildet hat, immerhin einen gewissen Anhalt
- 65 -
gibt und einen Rückschluß auf Neu-Kamerun zuläßt. Dabei uird man
behaupten können, daß Neu-Kamerun nicht unter dem wirtschaft-
Uchen Durclischnittswerte von Franzüsisch-Aquatorial-Afrika steht und
es ist femer zweifellos, daß die wirtschaftliche Tätigkeit bisher nirgends
in Französisch-Äquatorial-Afrika intensiver war, als im Sanga-Becken,
das ganz zu Neu-Kamerun gehurt. Diese beiden Tatsachen berechtigten
dazu, die für ganz Französisch-Äquatorial-Afrika geltenden Angaben
zum wenigsten in dem \'erhältnisse auf Neu-Kamerun zu ül^rtragen,
wie es sich aus der Größe der Gebiete ergibt. Was dabei speziell den Handel
betrifft, so beträgt der Anteil Neu-Kameruns am Gesamthandel Fran-
zösisch-Äquatorial-Afrikas, sofern die Angaben der Berichterstatter
in der Deputiertenkammer und im Senate und die anderer französischer
Kolonialpolitiker richtig sind, wenigstens 14 ^^s Gesamthandels von
Französisch-Äquatorial-Afrika; während nach dem Größenverhältnisse
(i 776000 qkm: 280000 qkm) nur etwa Ye ^^^ Neu-Kamerun entfallen
würde. Zu berücksichtigen hierbei ist freihch, daß der Handel Neu-
Kameruns fast ausschließlich auf der Ausfuhr von Kautschuk und Elfen-
bein beruht und bisher keine Angaben gemacht werden können, wielange
die Ausfuhr dieser Erzeugnisse sich auf der jetzigen Höhe erhalten wird.
I. Der Handel.
Literatur:
Statistiques du commerce des colonies Fran9aises.
Rapports de la Commission du S6nat sur le budget g^neral des colonies.
Rapports de la Commission de la Chambre des deputes sur Ic budget g^n^ral
des colonies.
Denkschriften der Cie. Foresti^re Sanga-Ubangi von 1911 und 1912.
Übersicht über die Entwickelung des Gesamthandels in §22.
Französisch-Äquatorial-Afrika.
Jahr
Gcsamthandcl
Franken
Jahr
Gcsamthandcl
1863
2 oii 968
1903
16916 319
1873
2 176 212
1904
21 193 603
1893
5 5" 385
1905
24 311 S9I
1896
9 3S8 693
1906
29 554 466
1898
10530929
1907
34 755 974
1899
13 302 498
190S
26830 151
1900
18035 878
1909
28 573 252
1901
15 "2 531
1910
37821 549
1902
1 3 863 064
191t
41 ^ '^
') Diese Zilier liegt erst schätzungsweise vor.
Veröffcntl. d. ReichskoIoniaUmtes Nr. 4 : Ritter.
— 66 —
Aus der vorstehenden Übersicht geht herv^or, daß der Gesamthandel
in den Jahrzehnten vor 1890 sehr gering war; daß er aber seitdem eine
aufsteigende Richtung genommen hat, besonders im letzten Jahrzehnte.
Das Jahr 1900 bildet einen gewissen Markstein in der wirtschaftlichen
Entwicklung von Französisch-Äquatorial-Afrika, da in diesem Jahr das
System der Konzessionsgesellschaften eingesetzt hat. Die Zunahme der
Gesamthandelsziffern ist allerdings nicht nur auf die zunehmende Inten-
sität der wirtschaftlichen Tätigkeit zurückzuführen, sondern auch auf
ihre zunehmende räumliche Ausdehnung. Die fortschreitende Erschlies-
sung des Landes kommt natürhch in den Gesamthandelsziffern zum
Ausdruck, Der Rückgang des Gesamthandels in den Jahren 1908/09
erklärt sich daraus, daß in den Jahren vorher die Kautschukpreise stark
gestiegen waren und nach der Kautschuk-Hausse von 1907 im Jahre
1908 ein scharfer Preissturz eingetreten ist. In den Jahren 1910 und 191 1
ist dieser Rückschlag bereits wieder eingeholt und die frühere Höchst-
ziffer bedeutend überschritten worden. Der Gesamthandel zeigt also
im ganzen ein günstiges Bild.
Prüft man seine Ziffern aber auf das Verhältnis der Einfuhr und
Ausfuhr, so ist dieses günstige Urteil zu berichtigen. Wo die wirtschaft-
liche Erschließung von Neuländern auf einer gesunden, vorausschauenden
Wirtschaftspolitik beruht, werden Ein- und Ausfuhr sich in der Regel
in der Weise entwickeln, daß in einer ersten Wirtschaftsperiode die Einfuhr
größer als die Ausfuhr ist ; in einer Übergangsperiode werden die Ausf uhr-
ziffem sich den Einfuhrziffern nähern und sie einholen, und in der fol-
genden Periode wird die Ausfuhr ständig über der Einfuhr stehen. Das
Überwiegen der Einfuhr über die Ausfuhr in der ersten Periode erklärt
sich daraus, daß größere Kapitalwerte in das Neuland kommen, als aus
ihm herausgehen. Ein großer Teil der Einfuhr ist als Anlagekapital
zu betrachten. Dies ist die Zeit der \\drtschaftlichen Investierung, der
Anlegung von Kapital in Verkehrsuntemehmungen, Pflanzungen, in
der Organisation des Handels, in der Erschließung und Sanierung des
Landes usw. In dieser Periode befinden sich alle unsere afrikanischen
Schutzgebiete. In keinem von ihnen hat die Ausfuhrziffer die Einfuhr-
ziffer erreicht. Hier wird überall noch mehr angelegt als erzeugt. Wenn
die Anlagen aber anfangen produktiv zu werden, so kommt das in den
Ein- und Ausfuhrziffern dadurch zum Ausdruck, daß die Ausfuhr die
Einfuhr allmählich überholt. Der Mehrwert der Ausfuhr läßt dann einen
Schluß auf die Rentabilität der angelegten Kapitalwerte zu.
Prüft man von diesem Gesichtspunkte aus die wirtschaftliche Ent-
wicklung in Französisch-Äquatorial-Afrika, so ergibt sich aus der nach-
stehenden Übersicht, daß die Ausfuhr hier überwogen hat, seitdem über-
- 6; -
haupt von einer eigentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit die Rede sein kann.
Wo ausnahmsweise einmal die Einfuhr größer war als die Ausfuhr, kann
dies auch immer auf besondere Gründe zurückgeführt werden. So kommt
im Jahre 1900 der Einfuhr-Mehrwert von etwa 3 Mill. Franken daher, daß
Übersicht über die Entwicklung der Ein- und .\usfuhr in
Französisch-Äquatorial-. Afrika.
Jahr
Einfuhr
Franken
.\usfuhr
Frankm
1 8r,3
1 067 505
944 4f>3
1873
I 357 565
818 647
1893
3 166 371
2345014
1896
4 696 849
4 691 844
1897
3 552 928
5277868
1898
4 835 <i25
5 <J95 304
1899
6 68 3 707
6618 791
1900
10496 363
7539515
1901
7 808 364
7314 167
1902
5 509 609
8353455
1903
6978077
9938242
1904
9 058 140
12 135 463
1905
10379 146
13 932 745
1906
13093640
16460 826
1907
15 161 686
19 594 28S
1908
10 028 238
16 801 913
1909
II 119 319
17453933
1910
13 190677
24 630 872
1911
14 500 000 1)
27 000 000*)
') Schätzungsweise.
in diesem Jahre eine Kolonial-Anleihe von 2 Mill. Franken gegeben
worden ist und daß in diesem Jahre die Konzessionsgesellschaften mit
ihrer Tätigkeit anfingen. Das wirkt auch im nächsten Jahre noch etwas
nach. Seit dieser Zeit sind in Französisch-Äquatorial-Afrika für 127 427 000
Franken Waren eingeführt und für 181 158 000 Franken Waren ausge-
führt worden, wobei der Unterschied zwischen Ein- und Ausfuhr besonders
in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat. In Kamerun, wo
die Ziffern des Gesamthandels ungefähr in gleicher Höhe sind, wie in
Französisch-Äquatorial-Afrika, sind im gleichen Zeiträume für 160,1 -Mill.
Mark Waren eingefülirt und für 117,3 Mill, Mark Waren ausgeführt
worden. Während in Französisch-.\quatorial-.\frika also die .\usfuhr
die Einfuhr von 1900 — 1910 um rund 54 .Mill. Franken übertrifft, ist
5*
— 68 —
umgekehrt für Kamerun ein Überwiegen der Einfuhr um rund 42,8 Mill.
Mark über die Ausfuhr festzustellen.
Die Tatsache, daß die Ausfuhr von Anfang an höher war als die
Einfuhr, läßt hier in gewissen Grenzen einen Rückschluß auf den Umfang
der bisherigen Investierung zu. Denn bei einem wirtschaftlichen Neulande
wie Französisch-Äquatorial-Afrika, das in sich selbst keine anderen
Investierungswerte gehabt hat als die Arbeitsleistung der Eingeborenen,
mußte jede andere Investierung in irgendeiner Form in der Einfuhr
zum Ausdrucke kommen. Den Investierungswert der Eingeborenen-
arbeit zu erfassen, ist nicht möghch. Auch wenn die Ziffern der Geld-
einfuhr vorliegen würden, würden sie keinen Anhalt für einen dahingehen-
den Schluß geben. Denn soweit die Eingeborenenarbeit überhaupt be-
zahlt wird — zum großen Teil bleibt sie als Steuerarbeit unbezahlt —
ist sie in Französisch-Äquatorial-Afrika bis in die jüngste Zeit mit Waren
bezahlt worden, nicht mit Geld. Dazu kommt, daß die Arbeit der Ein-
geborenen in Französisch-Äquatorial-Afrika in den meisten Fällen nicht
als Anlage wert auf das Land, sondern nur als Anlage wert auf das aus-
geführte Erzeugnis geleistet worden ist, durch den der dauernde mrt-
schaftliche Wert des Landes nicht gehoben wird. Die Eingeborenen-
arbeit kann daher als Anlagewert nicht berücksichtigt werden. Alle
übrigen Anlage werte: landwirtschaftUche und gewerbliche Gerätschaften,
Verkehrsanlagen aller Art, Maschinen, Pflanzungsmittel usw. müssen
in irgendeinem Abschnitte der Einfuhrstatistik erscheinen. Wenn die
Veröffentlichungen der französischen, kolonialen Handelsstatistik detail-
lierter wären, müßte es wohl möglich sein, aus der Einfuhr die Waren
zusammenzustehen, die für eine Investierung möglicherweise in Betracht
kommen, und so für die bisher erfolgte Investierung eine Höchstziffer
zu finden. Da die Handelsstatistik die eingeführten Waren aber in
wenigen Unterabteilungen zusammenfaßt und sonstige Unterlagen, um
auf dem Wege einer anderen Methode zu einem zahlenmäßigen Ergebnis zu
kommen, etwa wie sie bei der amtlichen LTntersuchung über die deutschen
Kapitalinteressen in den deutschen Schutzgebieten angewendet worden
ist, nicht zugänglich sind, muß auf den Versuch, zu einem ziffernmäßigen
Ergebnis über die bisher erfolgte Investierung in Neu-Kamerun zu
kommen, verzichtet werden.
Wenn nachstehend die Unterabteilungen der Einfuhrstatistik wieder-
gegeben werden, so geschieht das zu dem Zwecke, die allgemeine, sich
aus dem erwähnten Mißverhältnisse zwischen Ein- und Ausfuhr ergebende
Schlußfolgerung über die bisherige Investierung, soweit möglich, zu
präzisieren. Dabei ist das Jahr 1909 gewählt worden, da seine Ein- und
Ausfuhrziffern ungefähr im Durchschnitte der letzten 11 Jahre stehen.
- 69 -
l6
18.
19-
20.
21.
22.
23-
24.
25-
26.
27.
28.
29.
30.
31-
32-
33-
34-
infuhr in Französisch-Aquatorial-Afrika im Ja
nach Gegenständen.
I. Tierische Gegenstände.
. Lebende Tiere
. Tierische Erzeugnisse und Häute
. Fische
. Tierische Erzeugnisse für den medizinischen Gebrauch und Par-
fümericn
. Hartwaren
Summe;
II. Pflanzliche Gegenstände.
, Mehlhaltige Nahrungsmittel
Früchte
Koloniale Gcnußmittel
Pflanzliche Üle und Säfte
Pflanzliche Medizin
Hölzer
Faserstoffe
Färb- und Gerbstoffe
Verschiedene Erzeugnisse und Abfälle
Getränke
Summe
III. Mineralische Gegenstände.
Steine, Kalk, Erden usw
Metalle
Summe :
IV. Fertigfabrikate.
Chemische Erzeugnisse
Hergerichtete Farbstoffe
Farben
Zusammengesetzte Sachen
Tonwaren
Gläser und Kristallwaren
Kerne
Webstoffe
Papiersvaren
Felle und Pelzwaren
Metallwaren
Waffen und Pulver
Möbel
Holzwaren
Musikinstrumente
Flecht- und Korbwaren
Waren aus verschiedenen Stoffen
Summe:
Gesamtsumme:
hre 1909
Franken
52 <'37
923 823
218 180
1 738
7 «<J5
I 203 543
513 253
17 34S
43(> 742
70 928
5380
96917
3 574
17
12G 289
828818
2 099 166
148 466
644 978
793 444
308 730
17
43 443
290 672
45 577
189 230
52 608
3 141 049
138 859
124 752
I 514 "9
293 747
25993
42 982
16750
23504
771 134
7 023 166
II 119 319
Für diese Schlußfolgerung ergeben sich zwei Gruppen von Einfuhr-
waren. Die eine umfaßt die Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände,
nämlich die unter Ziffer 2, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 15, 25, 26, 27, 29, 30, 32
aufgeführten Waren. Diese Einfuhnvaren können als dauernde Anlage
auf den Wert des Landes nicht in Betracht kommen, denn sie sind aus-
schließlich Verbrauchsgegenstände, die höchstens teilweise einen Anlage-
wert auf das ausgeführte Erzeugnis haben können. Ihr Gesamtwert
beträgt rund 6,7 Mill. Franken. Dieser Einfuhrgruppe stehen die übrigen
Einfuhrartikel gegenüber, wie Metalle, Kalke, Metallwaren, zusammen-
gesetzte Sachen usw., die als Investierungswerte möglicherweise in
Betracht kommen. Ihr Gesamtwert beträgt rund 4,4 Mill. Franken.
In dem gleichen Jahre hat die Ausfuhr aus Französisch-Äquatorial-
Afrika 17,5 Mill. Franken betragen. Durch diese Zusammenstellung
wird der aus der Vergleichung der ungeteilten Einfuhr mit der Ausfuhr
gewonnene Schluß bekräftigt, daß in Französisch-Äquatorial- Afrika
bisher vorwiegend für die Ausfuhr, den augenbhckhchen Gemnn gear-
beitet worden ist; für die wirtschaftliche Erschließung und Hebung des
Landes aber verhältnismäßig wenig geschehen ist; daß Französisch-
Äquatorial-Afrika also bisher eine reine Ausfuhrkolonie gewesen ist und
die bisherige wirtschaftliche Tätigkeit den Ertragswert des Landes eher
vermindert als erhöht hat.
Diese Tatsache ist für die Besprechung des wirtschafthchen Wertes
Neu-Kameruns in der Öffenthchkeit bisher meist allein maßgebend ge-
wesen und hat vielfach zu einer abfälligen Beurteilung geführt. Sie be-
rechtigt aber nur zur Verurteilung des bisherigen wirtschaftlichen Systems ;
für den wirtschafthchen Wert des Landes aber muß daraus eher der
entgegengesetzte Schluß gezogen werden. Wenn ein Land ohne intensive
wirtschaftliche Erschließung solch hohe Ausfuhr Hefem kann; wenn mit
einem Minimum von Kapitalanlage die — wie wohl anzimehmen ist —
der Ausfuhrhöhe entsprechenden hohen Gewinne erzielt werden können,
so liegt darin der Beweis, daß das Land über ganz besonders große und
ergiebige Hilfsquellen verfügen muß.
Erst die weitere eventuelle Tatsache, daß diese natürlichen Reich-
tümer durch das bisherige wirtschaftliche System jetzt schon erschöpft
sind, könnte dann zu der erwähnten, abfälligen Beurteilung führen. In
dieser Beziehung ist allerdings vielfach behauptet worden, daß das neue
Gebiet ,, durch Raubbau" schon vollständig ..ausgebeutet" sei. Man muß
sich aber hier wie überall vor Schlagworten und Verallgemeinerungen
hüten. Die Worte ,, Raubbau" und ,, Ausbeutung" haben — im Zusam-
menhange mit Kolonien gebraucht — eine gewisse suggestiv überzeugende
Kraft, wenn sie kritiklos hingenommen werden. Zieht man aber die
— 71 —
Mitteilungen zuverlässitjcr Berichterstatter aus allerletzter Zeit zur Kritik
heran, so ergibt sich, daß allerdings einige Gebiete abgebaut sind; daü
es sich aber dabei um verhältnismäßig kleine Gebiete handelt und daß
es noch große Gebiete gibt, die noch nie von einem Weißen betreten
worden sind, wo der Urwald mit noch unberührten, reichen Kautschuk-
beständen der Erschließung harrt. Und was die Gebiete anlangt, wo
die ausbeutende Tätigkeit sich bisher geltend gemacht haben soll, so
ist zwar richtig, daß die Konzessions-Gesellschaften in den früheren
Jahren nur rücksichtslosen Raubbau getrieben haben. In den letzten
Jahren hat es aber, wenn man den nicht immer uninteressierten Berichten
darüber Glauben schenken darf, den Anschein, als ob man zu einem die
Bestände schonenden Betriebe übergegangen sei; vielleicht weniger aus
Rücksicht auf die Erhaltung der allgemeinen Ertragsfähigkeit des Landes,
als vielmehr in der Erkenntnis, daß der intensive Betrieb mit geringeren
Unkosten \erbunden, daher rentabler ist als der extensive. Ein abschlies-
sendes Urteil in dieser Frage wird man sich erst bilden können, wenn aus-
führliche deutsche Berichte von nicht interessierter Seite vorliegen.
Nach der bisherigen Darstellung der allgemeinen Handelsentwicklung
sollen im folgenden zunächst die Beteiligung der einzelnen Wirtschafts-
gebiete außerhalb und innerhalb Französisch-Aquatorial-Afrikas am
Gesamthandel festgestellt und nachher noch die Handelsartikel einzeln
besprochen werden, die für die Ein- und Ausfuhr hauptsächlich in Be-
tracht kommen.
(Tabelle siehe S. 72.)
Die Übersicht über die Bestimmungs- und Herkunftsländer ergibt;
daß Frankreich nach Französisch-Äquatorial- Afrika weniger einführt,
als die übrigen Länder zusammen; daß es aber von der Ausfuhr Fran-
zösisch-Äquatorial-Afrikas mehr aufnimmt, als »die übrigen Länder zu-
sammen. Das Letztere ist darauf zurückzuführen, daß die aus fran-
zösischen Kolonien kommenden Erzeugnisse nach dem Gesetze vom
II. Januar 1892 bei ihrer Einfuhr nach Frankreich erheblich zollbegünstigt
sind.
Für die Einfuhr nach Französisch-Äquatorial-Afrika sind drei ver-
schiedene Zollgebiete^) zu unterscheiden, nämlich i. das vertragliche
Kongo-Becken, in dem die Waren jeder Herkunft und Bestimmung
bezüglich des Handels gleich behandelt werden müssen und höchstens
mit einem Einfuhrzoll von 10% ad valorem belastet werden dürfen,
2. das Tschadsee- Gebiet, für welches die gleichen Zollszätze wie für das
Kongo-Becken gelten und 3. der außerhalb des vertraglichen Kongo-
Beckens liegende Teil von Gabun. ^) Hier gehen Waren französischen
•) Vgl. das Nähere unten § 43.
— n
Ein- und Ausfuhr Französisch-Äquatorial-Afrikas im Jahre
1909 nach Herkunfts- und Bestimmungsländern.
Herkunfts- und Bestimmungsland
Einfuhr
Franken
Ausfuhr
Franken
Französische Waren
Frankreich
Franz. Kolonien
4 473 183
89857
8 345 205
928
Summe :
Ausländische Waren
England
Deutschland
Deutsche Kolonien
Belgien
Belgisch-Kongo
Portug. Kolonien
Holland
Vereinigte Staaten
Verschiedene Staaten . . . .
4 563 040
1 888 150
2 001 661
4 334
I 186 179
638415
26 213
189 665
103 887
517775
8346 133
I 356 634
929 294
6255
5 476 846
437
30
28 724
107 841
Summe:
6556279
7 906 064
Gesamtsumme:
II 119 319
16 252 197
Ursprungs zollfrei ein, während Waren ausländischen Ursprungs den-
selben Einfuhrzollsätzen unterliegen, als wenn sie nach Frankreich
selbst eingeführt würden. Die Wirkung der Zollbegünstigung in Gabun
geht aus der folgenden Übersicht hervor.
Einfuhr
aus
Frankreich
aus fremden Ländern
1909
/o
1908
%
1907
%
1909
%
1908
/o
1907
%
nach Gabun
nach Mittel-Kongo,
Ubangi-Schari, Tschad
\
1
50,3
32,6
52,4
30,5
54.9
33,9
47,9
63,7
46,1
69,4
44,6
66,0
Sie hat zur Folge, daß die Einfuhr aus Frankreich in Gabun merldich
größer ist als die aus fremden Ländern, während in dem Gebiete der
gleichen Zollbehandlung, nämhch in Mittel-Kongo, Ubangi-Schari und
Tschad die Einfuhr der fremden Länder doppelt so groß ist ^vie die aus
Frankreich.
Deutschland ist an der Einfuhr nach Gabun im Jahre 1909 mit
281 870 Franken, im Jahre 1910 mir 308 627 Franken und an der Einfuhr
— 73 —
nach Mittel-Kongo, Ubangi-Schari und Tschad 1909 mit i 391 770 Franken
und im Jahre 1910 mit i 233 2O7 Franken beteihgt gewesen. Deutschlands
Ausfuhr aus Gabun betrug in diesen Jahren 875 322 und 2 050 754 Fran-
ken; seine Ausfuhr aus Mittel-Kongo, Ubangi-Schari und Tschad 53 972
und 15450 Franken. Die Einfuhr nach Mittel-Kongo, Ubangi-Schari
und Tschad zeigt also im Jahre 1910 einen nicht unerhebhchen Rückgang,
während die Einfuhr anderer Staaten z. B. die Englands in diesem Jahre
erhebüch zugenommen hat. Bei diesen Ziffern ist aber zu berücksichtigen,
sowohl für die Einfulu: als auch noch mehr für die Ausfuhr nach
Deutschland, daß der belgische Handel mit Französisch-Äquatorial-
Afrika zum Teil aus Waren deutscher Herkunft oder Bestimmung besteht;
daß also Veränderungen in der Ein- oder Ausfuhr auch auf Veränderungen
in der \''erschiffung beruhen können.
Auf die einzelnen Teile Französisch-Äquatorial-Afrikas verteilen
sich Ein- und Ausfuhr wie folgt:
Jahr
Ga
Einfuhr
bun
Ausfuhr
Mittel-Kongo, Ubangi-
Schari-Tschad
Einfuhr Ausfuhr
in Franken
in Franken
in Franken
in Franken
1S9S
4 036 000
4 270 000
799 000
I 425 000
1899
4 684 000
5 212 000
1 999 000
I 407 000
1900
6 372 000
4 625 000
6461 000
4317 000
1901
4 981 000
4 632 000
3 848 000
3 876 000
1902
3 469 000
3 986 000
3 425 000
4 872 000
1903
4 278 000
4 402 000
2 990 000
5 944 000
1904
4 790 000
4 859 000
5 218 000
8043000
1905
5 192 000
5 766 000
6 326 000
9 419 000
1906
6314 000
7 951 000
6 929 000
8 674 000
1907
7 158 000
9 851 000
8 1 76 000
9 884 000
1908
5214 000
6 639 000
4 785 000
10 2l6 000
1909
4 777 000
4 795 000
6 342 000
12 659 000
1910
5 333 000
6 321 000
7 858 000
18 310 000
Aus der Übersicht geht hervor, daß in bezug auf die wirtschaftliche
Bedeutung das Verhältnis Gabuns zu den übrigen Gebieten sich im Laufe
der Jahre verschoben hat. Während früher Gabun den Hauptanteil
an der Ein- und Ausfuhr hatte, ist es im Jahre 1909 ungefähr auf den
Stand seines Handels vom Jahre 1S99 zurückgekommen — inzwischen
hat es sich allerdings wieder etwas erholt — und der Schwerpunkt der
wirtschaftlichen Tätigkeit hat sich nach Mittel-Kongo, das zum größten
- 74 —
Teil an Deutschland abgetreten worden ist, und Ubangi-Schari-Tschad
verlegt.
Wie die Einfuhr sich auf die einzelnen Gruppen von Einfuhr-
artikeln verteilt, geht aus der Tabelle auf S. 69 hervor. An erster Stelle
standen im Jahre 1910:
Webstoffe
Gabun mit i 815 952 Franken
Mittel-Kongo, Ubangi-Schari-Tschad mit i 826 075 Franken
3 642 027 Franken
Dann kommen:
Metallwaren
Getränke
Gabun mit 636 225 Franken
Mittel-Kongo, Ubangi-Schari-Tschad mit i 125 963 Franken
I 762 188 Franken
Gabun mit 457 030 Franken
Mittel-Kongo, Ubangi-Schari-Tschad mit 579 151 Franken
I 036 181 Franken
Tierische Erzeugnisse Gabun mit 383048 Franken
(Nahrungsmittel) Mittel-Kongo, Ubangi-Schari-Tschad mit 539 155 Franken
922 203 Franken
Kolonialwaren Gabun mit 264 605 Franken
Mittel- Kongo, Ubangi-Schari-Tschad mit 216 611 Franken
481 216 Franken
Mehlhaltige Gabun mit 267 344 Franken
Nahrungsmittel Mittel-Kongi, Ubangi-Schari-Tschad mit 271 265 Franken
538 609 Franken
Fische
Gabun mit 119 138 Franken
Mittel-Kongo, Ubangi-Schari-Tschad mit 168 663 Franken
287 801 Franken
An der Einfuhr all dieser Artikel ist das Ausland sehr stark beteihgt,
besonders an Garnen und Webstoffen, Metall und Metallwaren, Kolonial-
waren, tierischen Erzeugnissen und Getränken.
Als Tauschartikel^) sind in Französisch-Äquatorial-Afrika Game,
Webstoffe, Spirituosen und Tabak am gebräuchlichsten.
Unter den Ausfuhrartikeln steht der
^) Über den Geldverkehr siehe § 41 am Schlüsse.
Kautschuk
an erster Stelle. Gabun hat im Jahre 1909 für i 308 189 Franken, im § 23-
Jahre 1910 für 2039960 Franken ausgeführt, Mittel-Kungo, Ubangi-
Schari und Tschad entsprechend für 8 683 284 und 14 599 941 Franken ;
das ergibt zusammen im Jalu-e 1910 etwa 16 '^ Mill. Franken. Die Kaut-
schukausfuhr beträgt also bei einer Gesamtausfuhr von rund 24 ',2 ^lü'-
Franken im Jahre 1910 2/3 der Gesamtausfuhr von Französisch-Aquato-
rial-Afrika.
Der Kautschuk von Gabun und der aus dem Sanga-Ubangi-Gebiet
stellen zwei ganz verschiedene Marktwaren dar. Der Sanga-Ubangi-
Kautschuk ist von vorzüglicher Quahtät, er ^\'urde am 14. April 1912
in Le Hävre mit 13,95 — 14,10 Franken für das Kilogramm notiert. Er
steht also an Qualität und Marktpreis dem besten Para-Kautschuke
gleich und an Marktpreis wenig hinter dem besten Pflanzungskautschuk
Dagegen ist die Marktware, die aus Gabun kommt, als minderwertig
zu bezeichnen. Sie wurde am gleichen Tage mit 7,50 — 9 Franken notiert.
Diese niedrige Bewertung beruht aber nur zum Teil auf natürlicher
Minderwertigkeit. In Gabun haben die Eingeborenen seit einigen Jahren
angefangen, ihren Kautschuklieferungen alle mögUchen Fremdstoffe
zuzusetzen, um das Gewicht zu erhöhen. Dadurch hat das Gabunerzeugnis
seine Marktgängigkeit \-erloren. Um wieder einen festen Typ als Handels-
sorte zu schaffen, ist seit i. Januar 191 1 die Ausfuhr von verfälschtem
und verunreinigtem Kautschuk ganz verboten worden. In Französisch-
Äquatorial-Afrika kommen Kautschukpflanzen in Form von Bäumen
und Lianen vor; die Kautschukbäume (Kickxia oder Funtumia elastica,
= Ireh) vorwiegend im Un\alde, aber auch in den'Ufer%väldem ; von Lianen
die meisten wild vorkommenden Arten, besonders die Landolphia owa-
riensis, ebenfalls im Urwalde und in den Uferwäldem; die Landolpliia
tolonii aber im offenen Buschwalde. Auf die Unterarten liier im
einzelnen einzugehen, würde zu weit führen.
Die Versuche, die beste Art der Kautschukge\\'innung in Französisch-
Äquatorial-Afrika zu finden, sind noch nicht abgesclüossen. Es handelt
sich dabei darum, die Art der Anzapfung zu finden, die bei einer mögliclist
geringen Beschädigimg der Pflanzen einen möglichst hohen Ertrag liefert.
Die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi stellt darüber seit einiger Zeit eingehende
Versuche an und hat dafür einen eigenen Dienst eingerichtet. Auch ist
zurzeit im Gebiete der Cie. Forestiere südlich des Lobaje eine wissen-
schafthche Expedition zu diesem Zwecke tätig. Als wesentlich kommt
dabei in Betracht, zu erforschen, in welchem Alter, zu welcher Jahres-
und Tageszeit, bei welcher Temperatur und Bewölkung und bei welchem
- 76 -
Luftdrucke die Pflanzen den besten Ertrag liefern; ferner wie lang und
tief die Einschnitte in die Rinde sein müssen, welche Form sie haben
sollen, welche Erholungszeit zwischen den einzelnen Einschnitten zu
liegen hat usw. Alle diese Umstände sind, wie sich herausgestellt hat,
von Einfluß auf die Ertragfähigkeit. Bezüglich der Form hat sich bis
jetzt ergeben, daß ein Einschnitt in Form eines Fischgrätengerüstes,
der sogenannte Grätenschnitt, der rentabelste ist. Außerdem handelt
es sich darum, die Methode festzustellen, wie die Milch der verschiedenen
Kautschuksorten am schnellsten und gleichmäßigsten zum Erstarren
gebracht wird.
Ebenso wichtig wie diese Fragen ist die weitere Frage, wie der ganze
Abbau der Kautschukbestände am rationellsten einzurichten ist. Es ist
nicht zu bestreiten, daß bis in die jüngste Zeit fast überall in Französisch-
Äquatorial-Afrika Raubbau betrieben worden ist, d. h. daß den Kautschuk-
pflanzen auf einmal alles abgezapft worden ist, was sie geben konnten,
ohne Rücksicht darauf, ob sie dabei zugrunde gehen. Dieser Raubbau
ist nicht allein den europäischen Handelsuntemehmungen auf das Konto
zu setzen ; in vielen Gebieten soll unter den Eingeborenen der Glaube ver-
breitet sein, daß die Europäer das Land verlassen werden, wenn alle
Kautschukpflanzungen niedergeschlagen sind. Dieser Glaube soll die
Eingeborenen vielfach dazu veranlaßt haben, absichtlich die Kautschuk-
bestände zu vernichten.
Seit einigen Jahren scheint darin eine wesentliche Besserung ein-
getreten zu sein. Je weiter die Konzessionsgesellschaften von den natür-
hchen Verkehrswegen sich entfernen mußten, um so größer wurden die
Träger- und die Gewinnungskosten. Es hat sich daher in den letzten
Jahren die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß die rationellste Abbaumethode
im Urwalde die ist, die reichsten Bestände aufzusuchen, sie durch Wege
leicht zugänglich zu machen und sie von Unterholz und wertlosen Hölzern
zu säubern, so daß die Kautschukpflanzen eine bessere Entwicklungs-
möglichkeit haben und der Zugang zu ihnen erleichtert ist. Die einzelnen
Teile sind dann in einem planmäßigen Umtriebe anzuzapfen. Diese Art
des Abbaues ist von der Faktorei der Ngoko-Sanga in Ngali am Ngoko
schon seit mehreren Jahren eingeführt und hat dieser Faktorei den Ruf
eingebracht, die am rationellsten betriebene und ertragfähigste in ganz
Äquatorial- Afrika zu sein. Die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi ist nach ihrer
Denkschrift von 1912 in neuester Zeit zu dem gleichen Systeme über-
gegangen. Sie geht dabei in der Weise vor, daß sie die reichsten Kautschuk-
gebiete in Quadraten von 10 000 ha abgrenzt, diese Quadrate in Unter-
abteilungen einteilt und auf ihre Reichhaltigkeit durchsucht. Die Unter-
abteilungen, die für einen intensiven Betrieb nicht dicht genug mit Kaut-
schuk bestanden sind, werden ausgeschieden, das Quadrat durch l>enach-
barte, reichere Geljiete auf lo ooo ha ergänzt und das ganze Gebiet dann
in der oben bezeichneten Weise aufgeschlossen. Nach dem Stande vom
Januar 1912 hat die Gesellschaft zwei solche Gebiete südlich des Lobaje-
Unterlaufes aufgeschlossen, die also außerhalb Neu-Kamenms liegen,
und ein Gebiet in Toro-Tongo zwischen dem Mambere und Mbaere auf
deutschem Gebiete. Die durchschnittliche Dichtigkeit ist hier 22 Kaut-
schukpflanzen auf den Hektar. In der gleichen Weise werden zurzeit
planmäßig aufgeschlossen ein Gebiet
1. bei Doago westlich vom Baturiflusse,
2. zwischen Bandscha und Mokelo auf dem rechten Ufer des Mambere,
3. zwischen Koapulis und Diauja,
4. bei Nguku am Kadei,
5. bei Mauvej südlich vom Kadei nahe der alten Kamerun- Grenze.
Die Dichtigkeit der Kautschukbestände dieser Gebiete geht aus
folgender Übersicht hervor:
aufgeschlossene
Zahl der
Gebiet
Fläche
ha
Kautschukpflanzen
Lobaje I
10 800
51 579
Lobaje II
15300
107 300
Toro-Tongo
9300
192 094
Doago
I 400
26 899
Bandscha
7 000
176 172
Koapulis
I 600
17 iSo
Im ganzen wurden auf 47000 erschlossenen Hektaren bis zum Januar
1912 572 298 Kautschukbäume und -hanen gezählt. Die mittlere Dich-
tigkeit beträgt also 12,25 ^^f den Hektar. Die Durchschnittskosten der
Aufschließung stellten sich für den Hektar auf 5,70 Franken. Dabei
wurden ungefähr 1900 km Fußpfade hergerichtet und 1500 km Zugangs-
wege. Bei den Erschließungsarbeiten sind zurzeit 7 Europäer, 13 einge-
borene Vorarbeiter und 200 eingeborene Arbeiter beschäftigt.
Neben der planmäßigen Aufschließung ist man im Sanga-Becken
auch schon zur Anlage von Kautschukpflanzungen übergegangen. Len-
fant Ijerichtet von einer solchen Pflanzung bei Bania im Gebiete der
Cie. Forestiere. Sie mißt 71 ha und wird \-on 60 Arbeitern bewirtschaftet.
Die zwischen Lianen eingeengten Kautschukbäume wurden freigemacht,
so daß sie sich frei entfalten konnten. Die Pflanzung zählte iio 000 Bäume
und junge Pflanzen, d, h. 1500 Stück auf den Hektar. Nach einem neueren
- 78 -
Berichte ist die Zahl der Pflanzen inzwischen (Lenfant berichtet vom
Jahre 1907) auf 200 000 Stück Funtumia elastica und 20 000 Stück
verschiedener anderer Kautschukarten gestiegen. Außerdem sind in
Neu-Kamerun folgende Pflanzungen angelegt worden:
in Nola sind 100 000 Stück Funtumia elastica,
in Kumbe sind 10 000 Stück Manihot Glaziovii,
in Zaoro-Yanga sind 50 000 Stück Funtumia elastica,
in Nana sind 100 000 Stück Funtumia elastica und
in Babua sind 20 000 Stück Landolphia owariensis
angepflanzt werden. Wieviel davon gediehen und zurzeit vorhanden
sind, ist eine andere Frage.
Die oben beschriebene Abbaumethode erhält, wie man annimmt, nicht
nur die dauernde Ertragfähigkeit des Landes, sondern sie ist auch für
das Erträgnis der Unternehmungen günstiger. Denn trotz der anfänghchen
Mehraufwendungen für die planmäßige, erste Erschließung sollen sich
bei diesem intensiven Betriebe die Gesamtgewinnungskosten niedriger
stellen als beim extensiven Raubbau. Diese Erscheinung, so auffallend
sie im ersten Augenblick erscheinen mag, wird bestätigt durch die Er-
fahrung, die bezüglich der Unkosten beim Pflanzungskautschuk ge-
macht worden sind. Es wurde erst in der letzten Hauptversammlung
der Ostafrikanischen Kompagnie darauf hingewiesen, daß die Kautschuk-
pflanzungen trotz der Aufwendungen an Anlagekapitahen und trotz
der 5 — 7 ertraglosen Jahre mit halb soviel Unkosten wie der Abbau der
Urwaldbestände arbeiten, sobald sie einmal ins Produzieren gekommen
sind.
Als zweitwichtigster Ausfuhrartikel kommt
§ 24. Elfenbein
in Betracht. Gabun hat davon im Jahre 1909 für 304 589 Franken und
im Jahre 1910 für 178 578 Franken, Mittel-Kongo, Ubangi-Schari und
Tschad für 2 959 957 und 2 695 274 Franken ausgeführt. Die Jahres-
ausfuhr hängt hier zu sehr von Zufällen ab, als daß man von einem Jahre
auf das andere auf eine allgemeine Ab- oder Zunahme schheßen könnte.
Es ist aber richtig, daß die Elfenbeinausfuhr keine aufsteigende Richtung
hat. Das ist nicht darauf zurückzuführen, daß der Elefant in Französisch-
Äquatorial-Afrika etwa schon im Aussterben ist. Das kommt vielmehr
daher, daß die früheren, hohen Ausfuhrziffern nicht nur das Jahreserzeug-
nis darstellten ; sondern daß der Handel in früheren Jahren noch vielfach
auf sogenanntes fossiles Elfenbein stieß, das sich bei den Eingeborenen
vielleicht seit Jahrhunderten angesammelt hatte. Solche Ansammlungen
werden mit der fortschreitenden Durchdringung des Landes durch den
— 79 —
europäischen Kaufmann natürlich immer seltener. Der Rückf,'ang in der
Elfenbeinausfuhr läßt daher noch nicht den Scliluü /u, daß (üeses wert-
vollste Tier Zentralafrikas schon im Verschwinden begriffen ist. Der
Elefant ist vielmehr noch überall in Neu-Kamerun anzutreffen, besonders
zalilreich dort, wo auch die noch unlx^rührten, reichen Kautschuklx'stände
festzustellen sind: im Iwindo-Becken und Kudu-Dschua-Lande, im
Sanga-Vorsprung und am Kadei. Das ist allerdings nicht zu bestreiten,
daß seit dem Aufhören der Elfenbeinzufuhren aus den alten Ansamm-
lungen der Handel eifriger auf der Jagd nach dem lebenden Elfenbein ist.
Hier wird es sich dämm handeln, durch jagdpolizeiüche Verordnungen
für die Erhaltung des Elefanten zu sorgen.
Nach dem Kautschuk und dem Elfenbein sind heute die
Nutzhölzer
der wichtigste Ausfuhrartikel geworden, und in Gabun hat dieser Ausfuhr-
artikel den Kautschuk an Bedeutung schon übertroffen. Die Entwick-
lung der Holz-Ausfuhr von Franzüsisch-Äquatorial-Afrika geht aus der
folgenden Übersicht hervor:
§ 25.
1900
5 777 t
1903
13 799 t
1905
17 236 t
1906
34 187 t
1907
59001 t
1908
69 069 t
1909
41 750 t
I9I0
58 844 t
I9II
110 000 t
Der ganze zentralafrikanische Urwald enthält große Bestände
an hochwertigen Hölzern. Wegen der Schwierigkeit der Beförderung
kommt heute aber nur ein schmaler Küstenstreifen für die Ausfuhr in
Betracht. Gabun hat im Jahre
1908 für 4 189 830 Franken
1909 ,, 2 605 079
1910 .. 3379150
Hölzer ausgeführt. In den Jahren 1909/10 hat die Holzausfuhr darunter
gelitten, daß die Märkte vorher mit schlechten Qualitäten überfüllt
worden sind, so daß der Marktpreis und der Absatz zurückgingen. Um
die Marktverhältnisse wieder zu bessern, ist die Ausfuhr von minder-
wertigem Holz ganz verboten worden, und erst kürzhch sind durch
— 8o —
Dekret vom 25. September 1911 die Mindestmaße des zur Ausfuhr zurück-
gelassenen Holzes wie folgt bestimmt worden:
1. Vom Baumstamm abgesägte, unbehauene Blöcke, bei denen
Spuren des Ansatzes von Zweigen nicht sichtbar sind: Länge 4,50 m;
mittlerer Durchmesser 60 cm bei Okume- und ähnhchen Hölzern; 50 cm
bei Mahagoni- und Kunsttischlerholz.
2. Vom Baumstamm abgesägte, behauene Blöcke, bei denen Spuren
des Ansatzes von Zweigen nicht sichtbar sind: Länge 4,50 m, mittlerer
Querschnitt 16 qdm bei Okume- und ähnlichen Hölzern; 12 qdm bei
Mahagoni- und anderen Kunsttischlerhölzern.
3. Blöcke, abgesägt von demjenigen Teile des Baumstammes, welcher
Spuren des Ansatzes von Zweigen aufweist: Länge 2,50 m; mittlerer
Durchmesser der unbehauenen Stämme 30 cm, mittlerer Querschnitt
der behauenen Hölzer 5 qdm.
Diese Bestimmungen sind nicht anwendbar auf Stämme von schwar-
zem Ebenholze, von Abtriebholz (bois de rase), Zingana-Holz, rotfaulem
Holz und von ähnlichen Hölzern, die nur als Sphntholz (depouilles
d'aubier) ausgeführt werden können. Diese Maßnahmen hatten zur
Folge, daß der Preis für das wichtigste Ausfuhrholz, für Okume, von
65 Franken pro Tonne auf 105 Franken gestiegen ist.
Die Holzausfuhr von 1910 verteilt sich auf die einzelnen Holz-
sorten wie folgt:
Okume 2 570 550 Franken
Ebenholz 132 600 ,,
Acaju 400 200 ,,
Andere Hölzer 276 800
Von der Okume- Ausfuhr gehen fast ^g nach Deutschland. Im Ham-
burger Hafen wurden aus Gabun im Jahre
1909 22 600 t Okume
1910 34300 t „
1911 69 474 t „
angehefert. Ein großer Teil davon wird zur Zigarrenkistenfabrikation
verwendet. Besonders reich an Nutzhölzern soll der an Deutschland
abgetretene allerdings sehr wenig umfangreiche Küstenstreifen und das
Gebiet der Muni-Mündung sein.
Im Lagunengürtel gibt es auch große Mangroven-Bestände. Die
Mangroven-Rinde kann zwar mit der ostafrikanischen nicht konkurrieren,
da sie nur bis 20% Gerbstoff enthält. Es verlohnt sich aber vielleicht,
ihren Gerbstoffgehalt als Extrakt auszuführen. Das harte Holz der
— bl —
Mangrove ist in letzter Zeit erfolgreich zur Holzpflasterung und als Rad-
felgenholz ver\Nendet worden.
Das aus dem Muni- Gebiete ausgeführte Mahagoni, im Handel als
Elobey-Mahagoni bezeichnet, ist dem Gabun-Mahagoni vollständig
gleichwertig und eines der von der Foumierindustrie am meisten ge-
suchten Hölzer. Das Kotholz hat seit der Entwicklung der Teerfarben-
Industrie seine frühere Bedeutung als Farbholz zwar verloren; es \\ird
neuerdings aber vielfach als Zierholz verarbeitet. Aus dem Muni-Gebiete
ist früher auch Ebenliolz in größeren Mengen ausgeführt worden, es
ist jetzt an der Küste aber seltener geworden. Im Hinterlande des deut-
schen Küstengebietes, besonders im Quellgebiete des Noja, soll es aber
noch große Bestände an Ebenholz geben, so daß es nur auf die Möglich-
keit, das Holz zur Küste zu bringen ankommt, um die Ausfuhr \rieder
zu steigern. Im ganzen dürfte die Holzausfuhr noch sehr entwicklungs-
fähig und aussichtsreich sein. Ihre Entwicklung hängt ausschließüch
von der Schaffung von Verkehrsmitteln ab.
An nächster Stelle nach den Hölzern stehen in der Ausfuhr die
pflanzlichen
öle und Fette. § 26.
1910 wurden im ganzen für 271 441 Franken an Palmnüssen, Palmöl
und anderen ölhaltigen Früchten ausgeführt. Auch für diese Ausfuhr
kommt fast nur Gabun in Betracht, da solche Massenartikel nur bei
billigen Frachten ausgeführt werden können. Im Bereiche des Urwaldes
kommen Ölpalmen und Erdnüsse, im Norden Sesam, Schinüsse und Erd-
nüsse vor. Einzelne Gebiete, wie das Kudu-Dschua-Land, sollen jedoch,
obwohl Küma und Boden durchaus geeignet sind, vollständig ohne fett-
haltige Früchte sein, so daß die Eingeborenen bei der Beschaffung der
zur Ernährung notwendigen Fette manchmal Schwierigkeiten haben
sollen. Über den Bestand der an Deutschland abgetretenen Gebiete an
natürlichen, ölhaltigen Früchten liegen wenig genaue Angaben vor.
Darüber aber ist kein Zweifel, daß das ganze Gebiet für den Anbau solcher
Früchte geeignet ist. Das ist von Bedeutung, denn es ist eine der bemer-
kenswertesten Erscheinungen in der Preisentwicklung der Kolonial-
produkte, daß im letzten Jahrzehnte die Preise für tierische und pflanz-
liche Fette aller Art ununterbrochen die Richtung nach oben haben,
während in der gleichen Zeit die meisten anderen Kolonialprodukte
zeitweise große Preisrückschläge erfuhren. Besonders für Palmöl und
Palmkerne ist die steigende Preisbewegung ausgeprägt, seitdem die
LebensmitteUndustrie sich diese Erzeugnisse nutzbar gemacht hat.
Vcröffentl. d. Reicbskolonialamtcs Xr. 4 : Ritter. ^
— 82 —
Kakao und Kaffee
sind bei dem niedrigen Stande der wirtschaftlichen Tätigkeit in Gabun
bisher von sehr geringer Bedeutung gewesen. An Kakao wurden im Jahre
1910 aus ganz Gabun für rund 100 000 Franken, an Kaffee für rund
50 000 Franken ausgeführt. Für beide Erzeugnisse sind die Boden- und
kUmatischen Verhältnisse aber günstig. Kaffee kommt in drei Arten vor,
nämlich Liberia-Kaffee, San-Thome-Kaffee und die wild wachsende
einheimische Kaffee-Art. Bei der bestehenden Überproduktion auf dem
Weltmarkte kommt Kaffee aber weniger in Betracht als Kakao, der
in den bisher ausgeführten, geringen Mengen gute Marktpreise erzielt
hat. Auch auf dem an Deutschland abgetretenen Küstenstreifen soll
die Anlage von Kakaopflanzungen versucht werden sein.
Wichtiger als diese beiden Erzeugnisse kann
die Baumwolle
werden, wenn das Nordgebiet einmal erschlossen sein wird. In der Ebene
des Logone bis zum Lere-Zipfel kommt viel wildwachsende Baumwolle
vor und zwar in zwei verschiedenen Hauptarten; nämlich einer Art, die
vom ägyptischen Sudan hierhergekommen ist, Gossypium arboreum,
und einer amerikanischen Art, Gossypium hirsutum, die vom westHchen
Sudan hergekommen ist und an Verbreitung überwiegt. Die wild vor-
kommende Baumwolle wird von den Eingeborenen geerntet und ver-
arbeitet. Ihre Spinnerei und Weberei soll auf einer ziemHch hohen Stufe
stehen. Daneben bestehen aber auch schon ziemlich ausgedehnte Baum-
wollpflanzungen. Lenfant^) berichtet, daß der Lamido von Binder
große Baumwollpflanzungen unterhält und die ganze Gegend in weitem
Umkreise mit Baumwollstoffen versorgt. Vor kurzem hat die Gesellschaft
Uam-Nana in Lere Entkernungsmaschinen und Pressen eingeführt,
um die Baumwolle zur Ausfuhr bringen zu können. Nach allen Berichten
Hegen die klimatischen und Bodenverhältnisse im ganzen Lere-Mao
Kabi-Tuburi- Gebiete für den Baumwollbau sehr günstig. Die Aussaat
der Baumwolle kann in diesem Gebiete das ganze Jahr über stattfinden,
am besten aber im JuH. Solange der Baumwollbau primitiv betrieben wird,
wie bisher, ist das Erzeugnis natüriich nicht als marktgängige Ware zu
betrachten, insbesondere ist der Stapel kurz und ungleich. Da die Faser
aber sehr schön weiß imd weich ist, läßt eine planmäßige Züchtung hier
ein gutes Erzeugnis erwarten.
Die übrigen Erzeugnisse der Eingeborenen-Pflanzungen, wie Tabak,
Mais, Reis, Maniok, Bananen usw., wurden oben bei der Besprechung
1) Lenfant, La grande route du Tchad. Seite 266f.
— 83 —
der natürlichen Verhältnisse schon erwähnt. Sie kommen für die Ausfuhr
wulil nicht in Betracht, Für Reis, der im Überschwemmungsgebiete
des Logone günstigen Boden hat, bietet sich vielleicht später in Kamerun
oder Xachbargebieten selbst als Eingeborenennahrungsmittel eine Absatz-
möghchkeit. Wird doch heute schon der Reis in großen Mengen von den
Reispflanzungen am Oberlaufe des Kongo bei Stanle>'ville nach Mittel-
Kongo und Gabun als Arbeiternahrungsmittel gebracht.
Tierische Erzeugnisse kommen im ganzen Ur\valdgebiete außer
Elfenbein fast nicht in Betracht. Es gibt hier nur Ziegen, Schafe, Hunde
und Hühner in geringen Mengen. Dagegen herrscht im Norden im Gebiet
des Logone eine intensive Vieh- und Pferdezucht. Es ist darüber oben
bei der Besprechimg dieses Gebietes schon gesprochen worden. Wieweit
es möglich ist, mit dem Rinde nach Süden vorzudringen, hängt von der
Weide und von der Verbreitung der Tsetse-Fhege ab. SteUenweise ist
geeignete Weide bis südlich von Kamot zu finden. Wieweit aber die
Tsetse-Fliege nach Norden reicht, darüber widersprechen sich die Be-
richte, die Grenze scheint bei Kamot zu liegen. Bis hierher sind schon
Herden bis zu 1400 Stück getrieben worden. Von hier wollte man früher
den Mbaere und Lobaje abwärts zum übangi kommen und Mongumba
zu einem Viehverschiffungsplatze nach den Ländern Kongo-abwärts
machen, da man den Lobaje-Unterlauf für testsefrei gehalten hat. Dieser
Weg scheint sich jedoch nicht bewährt zu haben; die Viehtransporte
gehen heute von Kamot direkt nach Kolongo am Oberlaufe des Lobaje,
von da zum Pamaflusse und über Buda nach Bangi.
Über Mineralfunde liegen zuverlässige Nachrichten nicht vor.
Bei Gasa sollen Kupfererze und bei Binder Zinnerz gefunden worden sein .
II. Der Verkehr.
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Renseignements Coloniaux 191 1 S. 264 ff., S. 276 ff.
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Lenfant, La grande Route du Tchad, Paris 1905.
Questions Diplomatiques et Colonialcs 191 1, S. 567.
I^ Quinzaine Colonialc 1910, S. 336.
Zeitschrift für Kol.-Pol. usw. 1909, S. 490.
Carte Fluviale du Congo v. .Augouard-Lerav.
6*
- 84 -
§ 27. Im vorigen Kapitel ist bei der Aufzähliing der Ausfuhrartikel und
bei der Besprechung ihrer Bedeutung für den Weltmarkt wiederholt
darauf hingewiesen worden, daß die zukünftige Entwicklung der Ausfuhr
von den Beförderungsmöglichkeiten abhängt. In der Tat kann heute
nur ein kleiner Teil der natürlichen Reichtümer des Landes auf den
Weltmarkt gebracht werden, da die Erzeugungsstellen nicht an das Welt-
verkehrsnetz angeschlossen sind. Von den geringwertigen Gütern wie
Holz, öle, Fette, Baumwolle, können heute überhaupt nur die der Küste
zunächst gewonnenen ausgeführt werden. Im Innern des Landes werden
diese Güter weiter nutzlos im Urwalde zugrunde gehen, solange nicht
bilhge Beförderungsgelegenheiten geschaffen sind. Aber auch für die
zwei hochwertigen Ausfuhrartikel, Elfenbein und Kautschuk, ist die
Verwertbarkeit beschränkt, solange ihre Aufuhr auf den teueren Träger-
verkelir angewiesen ist. Sie können nur aus einem beschränkten Umkreise
um den letzten an das Weltverkehrsnetz angeschlossenen Punkt ausgeführt
werden. Der Durchmesser dieses Umkreises hängt von der Differenz
zwischen dem jeweiligen Weltmarktpreise und den Transportkosten von
dem Anschlußpunkte bis zu dem Bedarfsplatze ab. Mit dem Steigen
des Weltmarktpreises wird der verwertbare Umkreis sich erweitem, mit
seinem Fallen vermindern.
Die gleiche Bedeutung wie für die Ausfuhr, hat die Frage aber auch
für die Einfuhr, d. h. für die Möglichkeit, den heimischen Fertigfabrikaten
einen Absatzmarkt zu schaffen. Die gleiche Bedeutung hat sie für die Ver-
waltungseinrichtung und für die ganze kulturelle Entwicklung des Landes.
Wie überall in Afrika führen also auch hier alle kolonialen Fragen auf die
Verkehrsfrage hin.
Bei der folgenden Besprechung der Verkehrsfrage in Neu- Kamerun
sollen nicht Vorschläge gemacht werden, was in Zukunft dort zu tun
ist. Das könnte nur im Zusammenhange mit den in Alt-Kamerun an-
stehenden Verkehrsproblemen geschehen und diese Probleme zu erörtern,
ginge über den Zweck der vorliegenden Arbeit hinaus. Auch liegen noch
zu wenig Unterlagen vor, um jetzt schon positive Vorschläge machen
zu können. Es handelt sich zunächst einmal darum, festzustellen, was
bisher in dieser Beziehung im neuen Gebiete geschehen ist und wie der
gegenwärtige Stand der Verkehrsmöglichkeiten ist.
Aus dem, was im ersten Abschnitte über die hydrographischen Ver-
hältnisse des neuen Gebietes gesagt worden ist, geht hervor, daß in
Neu-Kamerun im Mittelpunkte aller Verkehrsfragen die
Schiffahrt
steht und wohl auch in Zukunft stehen wird. Es sind vier verschiedene
Schiffahrts- Verkehrsgebiete zu unterscheiden:
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I. das Konpo-Sant^a-Ubangi-System,
II. das Iwindo-Ogowe- System,
III. die Küste und die Küstenflüsse,
IV. das Logone-Mao Kabi-Sj'stem.
Was über die Schiffahrtsmoglichkeiten in diesen Systemen nach den
bisher vorliegenden Berichten bekannt ist, ist olxjn im einzelnen zu-
sammengestellt worden. Hier soll das Ergebnis der obigen Zusammen-
stellung kurz zusammengefaßt und der Besprechung der einzelnen
S\'steme vorausgescliickt werden.
Das Kongo-Sanga-Ubangi-System. § 28.
Bezüglich des Sanga-Flußsj'stemes kann als feststehend ange-
nommen werden
1. daß bei niedrigstem Wasserstande, also während des ganzen
Jahres, Dampfer mit 2 m Tiefgang bis Wesso und von 80 cm bis i m
Tiefgang — wenn auch mit Schwierigkeiten — bis nach Nola und Ngoila
gelangen können;
2. daß bei Hochwasser die großen Kongo-Flußdampfer mit über
2 m Tiefgang bis nach Wesso und Dampfer auch mit über i m Tiefgang
bis nach Nola und Ngoila gelangen können;
3. zu diesem Hauptschiffahrtsgebiete das von Bonga^) aus annähernd
1000 km beträgt, kommen noch drei Neben- Schiffahrts- Gebiete, nämhch
der Mambere von Nola bis Bania und weiter aufwärts von Likaja bis
Kamot; dann der Ngoko zwischen Kul und Kam, wo er während des
ganzen Jahres mit Motorbooten mit geringem Tiefgange und großen
Ruderbooten befahren werden kann, dazu kommt mit Unterbrechungen
der Bumbe und drittens der Kadel-Dume mit einigen für die Kleinschiff-
fahrt brauchbaren Strecken.
Bezüghch des Ubangi-Flußsystemes kann als feststehend ange-
nommen werden,
I. daß bei niedrigstem Wasserstande, also während des ganzen
Jahres, große Dampfer mit über i m Tiefgang bis nach Impfondo, und
Dampfer mit i m Tiefgang bis nach Mongumba gelangen können; daß
von Mongumba weiter aufwärts bis Bangi der \'erkchr mit Dampfern aber
infolge der Felsenbank von Singa-) nicht mehr möglich ist; sondern
nur durch große Frachtkähne 3) aufrecht erhalten werden kann,
') Von Brazzaville bis Bonga sind unpcfähr 400 km.
") Dieses Schiffahrtshindemis wird durch eine etwa 200 m lange Strecke
gebildet, die „schachbrettförmig" von Felsen durchsetzt ist. Vgl. § 13.
^) Die französische Bezeichnung ist „baleinidre".
— 86 —
2. daß bei Hochwasserstand Dampfer mit über i m Tiefgang bis
nach Mongumba und von hier weiter aufwärts Dampfer mit i m Tiefgang
vom Juh bis Januar bis nach Bangi gelangen können.
3. Mit dieser Hauptschiffahrtsstrecke, die von Brazzaville bis Bangi
rund 1200 km beträgt, steht die 80 km lange schiffbare Strecke des Lobaje
von seiner Mündung aufwärts bis nach Loko unmittelbar in Verbindung.
4. Daneben kommen für die Kleinschiffahrt noch die schiffbaren
Strecken auf dem oberen Lobaje und auf dem Motaba und Ibenga in
Betracht.
Zu diesen beiden Schiffahrtssystemen kommen noch die schiffbaren
Strecken des Likuala-Mossaka und des grünen Likuala mit je etwa
200 km. Das zusammenhängende Hauptschiffahrtsnetz beträgt von
Brazzaville aus annähernd 3000 km; daran ist Deutschland etwa zur
Hälfte mit ganz deutschen Flüssen, im übrigen mit deutschen Grenz-
flüssen oder Zufahrtsflüssen beteihgt.
Das Kongo-Sangai)-Ubangi- System hängt in seiner Bedeutung als
Verkehrsweg natürlich von dem Kongo ab. Der Kongo bietet der Schiff-
fahrt einen Verkehrsweg bis ins Innerste Afrikas, bis zu den Stanley-
Fällen bei Stanlejrville. So wichtig er aber danach auch für die innerafrika-
nische Schiffahrt sein mag, für den Weltverkehr wird seine Bedeutung
dadurch herabgesetzt, daß er, wie die meisten großen afrikanischen
Ströme, in seinem Unterlaufe ein Schnellengebiet zu überwinden hat,
auf dem jede Schiffahrt unmögHch ist. Hochseeschiffe 2) können nur bis
Matadi vordringen, von hier geht heute der ganze Verkehr nach dem
Innern auf die belgische Eisenbahn Matadi-Leopoldville am Stanley-
Pool über, die das Schnellengebiet umgeht und das innerafrikanische
Schiffahrtsgebiet des Kongo an das Weltverkehrsnetz anschheßt. Alle
Aus- und Einfuhr über den Kongo ist also auf diese Bahn angewiesen.
Die Eisenbahngesellschaft, die Compagnie du chemin de fer du Congo,
1) Der Sanga-Mündung in den Kongo sind zahlreiche große und kleine Inseln
vorgelagert. Da auch oberhalb und unterhalb der Sanga-Mündung sehr viele
Inseln vorhanden sind, ist es schwierig, die richtige Einfahrt in den Sanga zu Iladen.
Das Niveau dieser Inseln liegt 0,5 — i m über dem Niederwasserspiegel. Sie be-
stehen in der Hauptsache aus lehmigem Schvvemmlande, sind dicht bewaldet und
zur Hochwasserzeit bis zu 2 m überschwemmt. Zwischen diesen Inseln gibt es
für die Schiffahrt Kongo-aufwärts zwei Routen. Die französische führt in der Nähe
des bisher französischen Ufers an der Sanga-Mündung vorbei; die belgische geht
der Sanga-Mündung gegenüber das linke Ufer entlang und vereinigt sich mit der
ersteren bei Irebu-Busindi.
2) Mit höchstens 6,50 m Tiefgang.
- S; -
deren Aktien an der Brüsseler Börse gehandelt werden,^) hat sich diese
Monopolstellung zunutze gemacht und für die Personen- und Güter-
beförderung Tarife aufgestellt, die auch für afrikanische Verhältnisse
außergewöhnlich hoch sind. Nach dem Tarife vom i. Juli 1907 beträgt
auf der 400 km langen Strecke Matadi-Leopoldville die Personen f rächt
I. Klasse 200 Franken und die Stückgüterfracht nach Tarif B für i kg
20 Centimes. Das ist etwa das Siebenfache des Stückgütertarifs auf der
Kamerun-Eisenbahn. Für einzelne Güter sind die Tarife noch höher,
so für I kg Kautschuk 43 Centimes; i kg Reis 50 Centimes; für Elfen-
bein, Stoffe, Gewebe und Kupfer, Messing, Perlen und Kauri-Muscheln,
die als Eingeborenengeld in Betracht kommen, i Fr. für das Kilogramm.
Rechnet man zu diesen Frachtsätzen die sonstigen notwendigen Spesen:
pro Tonne
Empfangsspesen in Matadi 15 Franken
Benutzung des Piers 10
Eingangs- und Einlagerungsspesen in Leopold-
ville I
Rangiergebühr i
Plombier- und statistische Gebühr 20
dazu Tonnenfracht nach Tarif B 200
so berechnet sich die Bahnfracht von Matadi nach
Leopoldville für die Tonne auf 296 Franken
oder von Matadi nach Kinchassa, wo der Umschlags-
verkehr nach Brazza\'ille und der französischen Dampf-
schiffahrt stattfindet, auf 291 Franken
Unter einer solchen Verteuerung des Verkehrs muß natürUch die ganze
Ent\vicklung der Aus- und Einfuhr auf dem Kongo- Schiffahrtssysteme
leiden.
Für den Sc hiffahrts verkehr auf dem Kongo und seinen Nebenflüssen
steht eine verhältnismäßig große Flotte zur Verfügung.
Rad- Schrauben-
dampfer dampfer
Die belgische Regierung hat 23 13
die belgische Cie. du Kasai 8 4
die Cie. Hollandaise :; r
die Missionaires reunis
20
•) Das Aktienkapital beträgt 30 Mill. Franken, die Anleiheschuld 52 MilL
Franken. Am i. Juni 191 2 wurden die Aktien 4 500 Franken an der Brüsseler Börse
mit Fr. 1550 G, die Gründeranteile mit Fr. 5580 notiert.
— 88 —
Rad- Schrauben-
dampfer dampfer
die Cie. Citas . 2 —
Comptoir Commercial Congolais .;.... 2 i
Cie. des Grands Lacs 7 5
Societe Anonyme Beige 3 5
Messageries Fluviales du Congo 5 i
Dazu kommen 5 — 6 kleine Dampf boote der französischen Regierung.
Das sind zusammen 109 Fahrzeuge. Darunter sind 5 mit einer Nutzlast
von 500 t, 9 mit einer Nutzlast von 100 — 270 t.
Von deutschen Firmen kommt gegenwärtig für die Schiffahrt im
Kongo-Systeme nur die Gesellschaft Süd-Kamerun in Betracht, nach-
dem die Firma Walther Karl vor kurzem von der Firma C. Woermann
übernommen und daraus eine deutsch-belgische Gesellschaft gebildet
worden ist. Die Gesellschaft Süd-Kamerun hat gegenwärtig nur den
einen Dampfer „Bumba" mit 25 — 30 t Nutzlast in Betrieb; der neue
Dampfer Dscha mit 50 t Nutzlast wird demnächst in Betrieb genommen
werden. Die Gesellschaft Süd- Kamerun will dann ihren Dienst in der
Weise einrichten, daß ihre Dampfer einige Tage nach Eintreffen der
europäischen Post Kinschassa verlassen und in 2 — 2^4 Wochen nach
Molundu fahren. Nach einem Aufenthalte von i — 1 14 Wochen in Molundu
zur Löschung und Befrachtung fahren die Dampfer so in Molundu ab,
daß sie den Anschluß an den dreiwöchigen Dienst der belgischen Post-
dampfer-Linie erreichen. Für die Talfahrt werden i — i^ Wochen ge-
rechnet. Die Fahrt hin und zurück erfordert demnach ungefähr 6 Wochen,
so daß die Gesellschaft nach Einstellung des Dampfers Dscha einen
dreiwöchigen Verkehr zwischen Kinschassa und Molundu einrichten kann.
Die Dampfer der Gesellschaft sind in der Hauptsache nur für ihre
eigenen Bedrüfnisse berechnet und nehmen nur ausnahmsweise Reisende
auf. Jeder Dampfer hat 2 Kabinen mit je i Bett (im Bedarfsfalle auch
2 Betten). Die Firma Walther Karl hatte nur einen kleinen Dampfer
„Congo-Nixe" von 25 t Nutzlast. Die Regierungstransporte der deutschen
Regierung nach der Station Molundu sind bisher von der GeseUschaiL
Süd-Kamerun besorgt worden. Die Gesellschaft hat sich verpflichtet,
den Regierungsbedarf von Matadi nach Kinschassa für 281,24 Mark pro
Tonnei) und von Kinschassa nach Molundu für 293,76 Mark, insge-
samt für 575 Mark, zu befördern.
^) Bei Gütern, für die der Tarif B der belgischen Eisenbahngesellschaft gilt.
Bei Gütern mit anderen Tarifsätzen erhöht oder vermindert sich dieser Satz ent-
sprechend.
- 89 -
Die oben aufgezählten Scliiffe sind natürlich nicht alle nur für den
Kongo bestimmt, sondern auch für den Verkehr auf den Nebenflüssen
und dementsprechend gebaut. Für den Verkehr auf dem Kongo wird gegen-
wärtig auf Kosten des Königs All)ert von Belgien ein Eilpostschiff gebaut,
das bei einer Länge von 250 m und einer Breite von 12 m 3 Schrauben
hat, von welchen jede durch einen Diesel-Motor von 50 P.S. getrieben
wird, der besonders für dieses Schiff konstruiert worden ist. Dieser
Dampfer soll die Strecke Leopoldvillc-Stanlev-xille hin und zurück in
14 — 15 Tagen machen, wozu jetzt noch 30 — 35 Tage notwendig sind.
Für den Schiffahrtsverkehr auf dem bisher französischen Gebiete
kommt vor allem die Messageries Fluviales du Congo in Betracht.
Ihre Flottille besteht nach dem Geschäftsberichte vom 24. März 1911 aus
folgenden Schiffen: Commandant Lamy: 100 t Nutzlast; Valerie: 40 t;
de Brazza: 20 t; Colonel-Klobb: 24 t; Cholet: 20 t; Daniel (Sclilepper) ;
7 Schaluppen mit zusammen 155 t und 6 großen Frachtkähnen. Die ersten
3 davon sind Raddampfer. Inzwischen ist dazu noch der Schrauben-
dampfer Präsident Fondere gekommen, der noch größer als der Dampfer
Commandant Lamy ist. Die Schraubendampfer Brazza und Cholet
sind für den Verkehr oberhalb Wesso bestimmt. Die Mess. Fluv. ist
eine Tochtergesellschaft der französischen Konzessionsgesellschaften,
ihre rechtliche Beziehung zu diesen und zur französischen Regierung wird
in dem Abschnitte über die Konzessionsgesellschaften besprochen werden.
Die Gesellschaft hat sich der französischen Regierung gegenüber ver-
traglich verpfhchtet, die Regiemngstransporte zu einem bestimmten
Tarife auszuführen und einen regelmäßigen, öffentlichen Schiffahrts-
verkehr zu unterhalten. Der Vertrag mit der französischen Regiemng
ist im Anhange IV abgedruckt. Wegen der Einzelheiten wird darauf
verwiesen. Die Mess. Fluv. hat auf den vier Linien
Brazzaville — Bangi
,, — Wesso
Wesso — Ngoila
— Nola
einen regelmäßigen öffentlichen Scliiffahrtsdienst zu unterhalten. \'on
diesen Linien liegen die Strecken Bonga — ^Wesso, Wesso — ^Nola, Wesso-
Ngoüa, jetzt auf deutschem Gebiete, auch von der Kongo- und Ubangi-
Linie wird deutsches Gebiet berührt. Damit taucht die Frage auf, ob
und wie das vertraglidie Verhältnis zwischen der französischen Regierung
und der Mess. Fluv. durch das November-.\bkommen beeinflußt worden
ist und welche Bedeutung es für Deutschland hat. Darauf ist unten in
dem .Abschnitte über die Konzessionsgesellschaften zurückzukommen.
— 90 —
Während für die Regieningstransporte ein Tarif vereinbart worden ist
(vgl. Anhang IV), ist dies für den öffentlichen Schiffahrtsverkehr nicht
geschehen. Die Mess. Fluv. ist in der Festsetzung der Frachtsätze für
den öffentlichen Verkehr also im allgemeinen nicht gebunden. Mit den
Konzessionsgesellschaften hat sie im Jahre igoo Verträge abgeschlossen,
in denen die Frachtsätze festgesetzt sind. Im Anhange IV ist einer
dieser Verträge mit den für die Sanga-Linien geltenden Tarifen abgedruckt.
Für einzelne Ausfuhrgegenstände, die zu diesem Tarife nicht aus-
geführt werden konnten, hat die Gesellschaft die Sätze inzwischen er-
mäßigt, so vor kurzem für Palmnüsse. Seitdem erscheint auch in der
Handelsstatistik dieses Gebietes ein kleiner Posten Palmnüsse in der
Ausfuhr.
Mit dieser Aufzählung der Gesellschaften und ihrer Transportmittel
ist alles angegeben, was bisher dort zur Förderung des Schiffahrtsver-
kehrs geschehen ist. Die Fahrrinnen sind nirgends festgelegt oder ver-
bessert worden. Die Hauptschwierigkeiten Hegen für die Sanga- Schiffahrt
bei Gandikolo, gleich oberhalb Wesso und für die Ubangi-Schiffahrt
bei Singa oberhalb Mongumba. Um diese Schwierigkeiten zu beseitigen
und den ganzen Schiffahrtsverkehr zu erleichtem und sicherzustellen,
ist nach den Vorschlägen von Roussilhe^) folgendes notwendig:
1. Die Einrichtung eines ständigen Schiffahrtsdienstes, der das
Lotsen-, Ingenieur- und Heizer-Personal zu unterrichten und den Scliiffs-
bestand und Schiffsdienst der privaten Gesellschaften zu überwachen hat ;
2. die Errichtung von Lotsenposten, denen das nötige Personal
und Schiffsmaterial beizugeben ist;
3. die vollständige hydrographische Aufnahme des Kongo-Fluß-
netzes;
4. die Ausbaggerung der festen und veränderlichen Fahrrinnen;
5. die Wasserarbeiten, die notwendig sind, um an den Flußstrecken
mit veränderlichem Grunde und an den Schnellen mit felsigem Grunde
die Durchfahrt zu erleichtem;
6. die ständige und planmäßige Beobachtung der Hoch- imd Tief-
wasserstände und die Einrichtung eines Nachrichtendienstes, um die
Schiffe über den jeweiligen Wasserstand zu unterrichten.
Roussilhe nimmt an, daß nach Durchführung dieser Arbeiten
die einzelnen Schiffe bezüglich des Endpimktes ihrer Fahrten nicht mehr
wie jetzt so von ihrem Tief gange abhängig sind; sondern daß sie je nach
den über den Wasserstand einlaufenden Nachrichten bei ihrer Abfahrt
schon ihr Vordringen im einzelnen Falle werden vorausbestimmen können.
1) Vgl. oben § 13.
— 91 —
Für die Heizung der Schiffsmaschinen ist bisher nur Holz \erwendet
worden. Für die Versorgung der Sclüffe mit dem nötigen Heizmaterial
sind an den Ufern in entsprechenden Abständen Holzposten errichtet
worden, für die die französische Regierung gegen jährUche Abgalten
Konzessionen erteilt. Diese Art der Beschaffung des Heizmaterials
ist sehr zeitraubend und die Feuerung unwirtschaftüch. Man geht jetzt
im Kongo-Systeme dazu über, entweder die Dampfmaschinen mit Rohöl
zu heizen, oder den Motorbetrieb einzuführen. Um die Scliiffe mit dem
nötigen Rohöl zu versorgen, sind in Matadi große Behälter angelegt
worden, die von Petroleum-Dampfern direkt an der Landungsstelle
gefüllt werden. Von den Behältern aus soll das Petroleum in einer 400 km
langen Leitung nach Leopoldville gepumpt werden. Die Leitung ist
der Fertigstellung nahe. Weitere Erdölstationen sollen im mittleren und
oberen Kongo angelegt werden. Auch die Masclünen der Eisenbalm
Matadi-Leopoldville werden in Zukunft mit Erdöl geheizt werden. Kleinere
Boote sind jetzt schon mit Ölmotoren ausgerüstet. Die Mess. Fluv. beab-
sichtigt, ein größeres Petroleum-Motorboot in den Verkehr einzustellen,
das von Brazza\-ille nach Bangi, wofür heute noch 21 Tage notwendig
sind, in 12 Tagen fahren soll. In beteiligten Kreisen wird jetzt allgemein
die Ansicht vertreten, daß die Zukunft der Kongo- Schiffahrt auf d'^m
Motor beruht, der wegen des notwendigen geringen Tiefganges der Schiffe
und der Schwierigkeit, für Dampfmaschinen ein wirtschaftlich rationelles
Heizungsmaterial zu beschaffen, dazu berufen ist, die Dampfmaschine
zu ersetzen.
Das Iwindo-Ogowe-System. § 29.
Bezüglich der Schiffahrtsverhältnisse in diesem Systeme kann als
feststehend angenommen werden, daß der Iwindo selbst von Alati bis
Kandschama schiffbar ist; von seinen Nebenflüssen der Dschua von
Madschingo bis zu seiner Mündung bei Vadi, der Karagua von Ntam
bis zu seiner Mündung bei Mwine und der Nuna auf dem größten Teile
seines Laufes. Dieses Verkehrssystem beträgt etwa 600 km, und Hegt
fast ganz auf deutschem Gebiete. Auch beim Iwindo handelt es sich nur
um ein Binnenschiffahrts- System, da der Ogowe nur in seinem Unterlaufe
von der Mündung bis Ndjole schiffbar ist, zwischen Ndjole und Kan-
dschama also eine nicht schiffbare Strecke von etwa 300 km Länge hegt.
Gleichwohl hat die Iwindo- Schiffahrt erhebliche lokale Bedeutung, denn
bei der Schwierigkeit des Zuganges zu diesem Gebiete bietet die Schiff-
fahrt in dem beschränkten Umfange immerhin noch eine bedeutende Er-
leichterung und bei der Schwierigkeit des Landmarsches in diesem Ur-
wald- und Sumpfgebiete fast die einzige .Möglichkeit, das Land aufzu-
— 92 —
schließen und in Venvaltung zu nehmen. Das Iwindo- System ist dazu
besonders geeignet, denn die einzelnen Schiffahrtsstrecken verteilen
sich fächerförmig über das ganze mittlere Drittel des Südgebietes, Für
die Schiffahrt kommen allerdings nur kleinere Fahrzeuge, Dampfschaluppen
oder Motorboote mit geringem Tiefgange, in den Oberläufen und im
Nuna nur Boote in Betracht.
Auf dem Ogowe unterhält die Cie. des Chargeurs Reunis von der
Mündung bis Ndjole einen 14 tägigen Schiffahrtsdienst, Im Iwindo-
Systeme \vird der Schiffahrtsverkehr von der Ste. commerciale industrielle
et agricole du Haut-Ogooue besorgt, die mit der französischen Regierung
einen Vertrag über die Beförderung der Regierungstransporte von der
Küste in das Iwindo- Gebiet geschlossen hat und gegenwärtig zwei Petro-
leum-Motorboote im Iwindo- Systeme verkehren läßt. Der Tarif ist
nicht veröffentlicht worden; er scheint aber sehr hohe Sätze zu haben.
Für die Verbesserung des Schiffahrtsweges gilt im kleinen dasselbe,
was beim Kongo-Ubangi- System gesagt worden ist; insbesondere wird
es notwendig sein, die zahlreichen Felsen, die das Iwindo-Bett an manchen
Stellen durchsetzen, festzustellen und kenntlich zu machen.
§ 30. Die Küste und die Küstenflüsse,
Der wichtigste Teil des Küstengebietes ist die Muni-Mündung,
Sie ist für Seeschiffe zugänglich und weiter aufwärts bis Ekododo für
kleinere Küstendampfer, Es legen zwar jetzt schon die Dampfer der
Kongo-Linie der Firma Woermann und einer englischen Schiffahrtslinie
in Butika imd Koko-Beach auf der Heimreise regelmäßig an; wenn hier
aber eine größere Schiffahrt möglich sein soU, so müßte die Einfahrts-
Hnie durch Betonnung und Befeuerung genau festgelegt und das Innere
der Muni-Mündung besser untersucht werden. Die Einfahrtshnie für
Seeschiffe in die Muni-Bucht verläuft in einem Gebiete, wo die 3 km-
Streifen der spanischen und deutschen Küstenmeere aufeinanderfallen.
Die französische und spanische Regierung hatten die Schiffahrtsverhält-
nisse in diesem Grenzgebiete durch das Abkommen vom Jahre 1900
geregelt (vgl. Anhang I Ziff, 6). Für die deutsche Schiffahrt kommt dieses
Abkommen auch nach der Gebietsabtretung nicht in Betracht, da seine
Geltung ausdrücklich auf die Angehörigen der beiden Vertragsmächte
beschränkt worden ist. Die deutsche Schiffahrt hat sich daher hier nach
den allgemeinen völkerrechthchen Grundsätzen zu richten. Für die
Schiffahrt und die Schiffahrtspolizei in solchen Grenzgebieten gilt der
völkerrechtliche Satz: ,,Wenn zwei Staaten, die an das freie Meer grenzen,
einander so nahe sind, daß der Küstensaum des einen in den Küstensaum
— 93 —
des anderen liinüberreicht, so sind sie verpflichtet, einander in den ge-
meinsamen Gebieten wechselseitig den Küstenschutz zu/Aigestehen oder
über eine Scheidehnie sich zu einigen." Danach könnte die spanische
Regienmg ihre Mitwirkung nicht versagen, wenn die Einfahrtslinie
in dem gemeinsamen Küstenstreifen vor der Muni-Mündung festgelegt
werden sollte. Im Innern der Muni-Mündung verläuft die deutsch-spani-
sche Grenze im Talwege des Muni. (Vgl. oben § 6),
Von den Küstenflüssen kommt der im Südgebiete entspringende
Ntem, für den Schiffahrtsverkehr fast nicht in Betracht, da er nur auf
seinem Oberlaufe auf einer kurzen Strecke schiffbar ist. Dagegen bietet
der Woleu eine längere und eine kürzere schiffbare Strecke. Er ist von
Minwebu-Owen an bis zur spanischen Grenze für kleinere Boote schiffbar
und von der Grenze ab kann er mit großen Frachtkälmen mit ungefähr
2^4 t Nutzlast bis Jen befahren werden. Das ist von der Grenze ab eine
etwa 100 km lange Strecke. Weiter flußabwärts ist die Schiffahrt infolge
der vielen Wasserfälle und Schnellen nicht möglich. Der Woleu wird erst
weder in seinem Unterlaufe bei Sendsche auf eine kurze Strecke schiffbar,
bis wohin die Seeschiffe \'on Benito aus heraufkommen können. Die
Entfemimg zwschen Jen und Sendsche beträgt nur etwa qo km, wäre
also in einem 3 — 4 tägigen Trägermarsch zu überwinden. Rechnet man
dazu eine 5 — 6 tägige Wasserfahrt auf dem Woleu, so wäre es möglich,
von Benito aus in 8 — 10 Tagen auf deutsches Gebiet zu kommen, während
sowohl auf der Trägerstraße von Ekododo um die Südostspitze von Spa-
nisch-Guinea herum, als auch auf dem Wege von Libre\'ille über den
Komo oder den Abanga wenigstens 30 Tage notwendig sind. Dazu führen
diese Verbindungen durch bergiges, sumpfiges und schlecht besetztes
Land. Der Weg über den Woleu würde also die kürzeste und billigste
Verbindung zum Meere darstellen; doch wäre zu semer Benutzung die
Mitwirkung der spanischen Regierung notwendig.
Das Logone-Tschad-System. § 31.
Es kann als feststehend angenommen werden, daß der Logone bis
weit oberhalb von Lai, wahrscheinlich bis zu den Coquel-Fällen bei Kaitia
das ganze Jahr mit großen Frachtkälmen bis zu 60 cm Tiefgang befahren
werden kann, im August und Oktober auch mit Dampfern bis zu 30 t
Nutzlast. Ebenso ist der Pende bis weit in seinen Oberlauf lünauf das
ganze Jahr schiffbar.
Für die Beförderung des Regienmgsbedarfes auf dem Logone und
Scharj hat die französische Regierung am 4. Novcmlxjr 1909^) einen
') Genehmigt durch Erlaß vom 2. März 1910. Vgl. Lcs .\nnales Coloniales
1912, Nr. 64, S. 3.
— 94 —
Vertrag mit der Compagnie Fran^aise de l'Ouahme et de la Nana ge-
schlossen. Der vereinbarte Tarif ist nicht veröffentlicht; scheint aber
sehr hoch zu sein. Der Logone selbst hat mit dem Pende eine schiff-
bare Länge von looo km; davon bildet der größte Teil die Ostgrenze
des deutschen Gebietes.
Der Logone vermittelt den Zugang zum Schiffahrtsgebiete des Tschad
und des Schari. Auch hier handelt es sich um ein Binnen- Schiffahrts-
system. Es gibt drei Anschlußwege an den Weltverkehr, davon gehen
zwei über deutsches, einer über französisches Gebiet. Der eine geht über
den Kongo und Sanga und ist durch einen etwa 300 km langen Trägerweg
von Kamot zum Pende oder Logone herzustellen. Seitdem dieser Weg
von französischen Expeditionen wiederholt gemacht worden ist, hat
sich hier einiger Verkehr gebildet, insbesondere werden hier jedes Jahr
größere Viehherden von Norden heruntergetrieben. Der Viehverkauf
hat sich hier als gewinnbringendes Geschäft entwickelt. Im Norden
wird das Stück mit etwa 15 Franken bewertet, während in Karnot ein
Preis von 100 Franken dafür erzielt wird. Diesem Verbindungswege
von Kamot nach Fort Lamy wurde Anfang und Mitte der 90er Jahre eine
ziemliche Bedeutung beigelegt. Inzwischen haben aber die Vorgänge
in Wadai den Mittelpunkt der französischen Verwaltungstätigkeit von
Fort Lamy weiter nach dem Osten verlegt. Damit hat für Frankreich
der zweite Anschluß weg des Tschad- Systems an den Weltverkehr über
den Kongo — Ubangi — Fort de Possei — Fort Sibut — Fort Crampel —
Schari an Bedeutung gewonnen. Frankreich hat die Mittel bereitgestellt,
um die bisherige Trägerstraße vom Ubangi nach Fort Crampel durch eine
6 m breite, fahrbare Straße zu ersetzen. Diese Straße ist zurzeit im Bau.
Sie soll mit so festem Unterbau angelegt werden, daß auch Automobillast-
züge darauf verkehren können und für einen späteren Eisenbahnverkehr
nur Schienen auf den Fahrdamm gelegt zu werden brauchen (?). Die
Entfernung zwischen dem Kongo- Schiffahrtswege und dem südlichsten
schiffbaren Punkte des Schari beträgt ebenfalls etwa 300 km.
Diese beiden Anschlußwege gehen nach Süden zum Kongo-Becken.
Es besteht aber noch ein dritter Anschlußweg, nämhch nach Westen über
den Niger zum Atlantischen Ozean. Dies ist der Benue-Mao Kabi-Weg,
der durch das November-Abkommen ganz deutsch geworden ist und
wegen der Vereinbarung über die französische Etappenstraße das poli-
tische Interesse auf sich gelenkt hat. Über die Verkehrsmöglichkeit
auf diesem Wege haben sich zum Teil falsche Vorstellungen gebildet.
Das Mao Kabi- Verkehrsproblem soll daher hier etwas ausführlicher be-
handelt werden. Auf der einen Seite ist der Schiffahrtsweg des Logone,
auf der anderen der des Niger und des Benue. Der Niger selbst ist zwischen
— 95 —
Burutu und Lokoja, \\() der Benuü einmündet, lur ii<>cliseedampfer bei
höherem Wasserstande schiffbar. Bei niedrigstem Wasserstande, also
das ganze Jahr, kann er bis dahin mit Dampfern von 300 t Nutzlast
befahren werden. Der Kameruner Regierungsdampfer Herzogin Elisal)eth
hat selbst schon den für Garua bestimmten Regierungsbedarf bis nach
Lokoja gebracht. Von Lokoja bis Garua hegen die Schiffahrtsverhältnisse
auf dem Benue folgendermaßen: in der Zeit des höchsten Wasserstandes
(Juli, August, September) sind schon 800 t-Dampfer bis nach Yola ge-
konnnen. Zwischen Yola und Garua wird die Schiffahrt durch eine Untiefe
erschwert. Trotzdem können während der Hochwasserzeit im August
und September 400 t-Dampfer und Juli bis Oktober 30 t-Dampfer bis
nach Garua kommen. Vom Oktober bis Januar kann der Wasser\'erkehr
nach Garua nur mit großen Stahlkanus aufrecht erhalten werden. In
der Zeit des tiefsten Wasserstandes ist aber auch dieser Verkehr mit
Stahlkanus in Frage gestellt.
Durch die Berhner Generalakte von 1885 ist zwar die Freiheit der
Schiffahrt auf dem Niger gewährleistet; tatsächhch übt dort aber die
Niger-Compagny ein Schiffahrtsmonopol aus, da andere Schiffahrts-
untemehmungen dort nicht bestehen.^) Die deutschen Regierungstrans-
porte sind bisher in der Weise nach Garua gebracht worden, daß von der
Niger-Compagny ein Dampfer gechartert wurde. Der Charterpreis
beträgt für die Fahrt von Burutu nach Garua 900 Pfd. St., für die Rück-
fahrt 100 Pfd. St., insgesamt also 1000 Pfd. St.
Das Problem besteht nun darin, wie die im Verhältnis zur Länge
des Niger-Benue und des Logone kurze Unterbrechung von etwa 400 km
zwischen Garua und Logone über^vunden und eine brauchbare Verkehrs-
verbindung zwischen den beiden Flußsystemen hergestellt werden kann.
Dieses Verkehrsproblem hat eine schon ziemlich weit zurückreichende
Geschichte. Schon 1852 lernte Barth auf seiner ersten Reise in das Musgum-
Land die außerordentlich niedrige Wasserscheide zwischen dem Logone
und dem Tuburi kennen und sprach die jetzt bestätigte Vermutung aus,
daß hier wenigstens zur Regenzeit eine ununterbrochene Wasserverbindung
zwischen dem Tschadsee und dem Benue bestehen könne. Erst ein
halbes Jahrhundert später hat die französische Regierung die Erforschung
dieses Problemes ernstlich in Angriff genommen. Im Jahre 1902 hat
im Auftrage der französischen Regierung Löfler, 1903 Lenfant, 1906
Faure, 1909/10 und 1910/11 Mercier das Mao Kabi-Gebiet erforscht.
') Bis vor wenigen Jahren hat auch eine deutsche Firma dort einen Sclüff-
fahrtsverkehr in kleinem Umfange unterhalten. Die Firma hat jetzt diesen Verkehr
aber aufgegeben.
- 96 -
Nach den Berichten dieser Forscher, besonders nach dem des letzteren^)
(Afrique Frangaise 1911, Renseignements coloniaux, S. 2y6ii.) steht
das Problem heute auf folgendem Stande. Der Benue erhält oberhalb
Garua einen Nebenfluß, den Mao Kabi, der in seinem Oberlaufe — hier
Kabia genannt — sich dem Logone bis auf etwa 35 km nähert, dann den
Tuburi-See durchfließt und bei Lere zwei seenartige Erweiterungen
bildet. Zur Hochwasserzeit ist dieses See- und Fluß- System durch zwei
Wasserarme mit dem Logone verbunden, einmal südhch vom Tuburi
durch die Senkung, die sich von Ere (am Logone) zum Kabia hinzieht;
dann nördlich vom Tuburi durch den nördlichen Abfluß des Fianga-Sees,
den sogenannten Galdiam, zum Logone. Diese zweite Verbindung ist
im Jahre 1903 von Lenfant^) benutzt worden, um auf dem Wasser-
wege vom Meere zum Logone zu kommen. Er hat dabei gefunden, daß
der Galdiam während der Hochwasserzeit vom August bis Oktober
etwa IG — 12 Wochen lang mit Kähnen von 60 cm bis i m Tiefgang be-
fahren werden kann. Da der Galdiam aber über deutsches Gebiet führt,
haben die späteren französischen Forschungen sich mehr der südlichen
Verbindung zugewendet. Nach den letzten Berichten aus den Jahren
1910 und 1911 liegen unter Benutzung dieser südlichen Verbindung
die Verkehrsverhältnisse von Garua bis zum Logone folgendermaßen:
1. Der Mao Kabi ist z\\ischen Garua und Lere bei hohem Wasser-
stande im Juli, August und September für 30 t-Dampfer fahrbar. In
den übrigen Monaten verhindern die Schnellen bei Bipare ein weiteres
Aufwärtskommen der Dampfer. In den Monaten Juni bis November
ist der Schiffahrtsverkehr daher auf Stahlkanus angewiesen und in der
Zeit des tiefsten Wasserstandes kommen nur die kleinen Eingeborenenboote
in Betracht.
2. Von Lere bis zur Mündung des Mao TaUa können das ganze Jahr
kleine Eingeborenenboote fahren ; im September, Oktober und November
große Frachtkähne mit 60 cm Tiefgang.
3. Von hier ab aufwärts ist die Schiffahrt unterbrochen durch den
70 — 80 m hohen Gauthiot- Wasserfall.
4. Oberhalb des Wasserfalls ist der Mao Kabi wieder schiffbar vom
Poste du rocher über den Tuburi-See bis nach Pogo und z\var mit kleinen
Eingeborenenbooten während des ganzen Jahres, mit Frachtkähnen von
60 cm Tiefgang und 2^4 t Nutzlast im September, Oktober und November
auf der ganzen Strecke und vom September bis Januar auf dem Tuburi-See.
1) Der von anderer Seite aber als nicht überall zuverlässig bezeichnet wird.
2) Diese Reise wird von Lenfantin seinem Buche ,,La grande route du Tchad"
beschrieben.
— 97 —
5- Auf den Strecken von Pof^o nach Ere oder Pogo nach Harn besteht
zwair bei Hociuvasser für kurze Zeit eine Verbindung. Der Tuburi-See
wird zu dieser Zeit über den Kabia \on dem Hochwasser des Logone
gespeist. Für den Schiffahrtsverkelir kommt diese Verl^nthmg al)er fast
nicht in Betracht, da sie zu kurze Zeit dauert und nur mit kleinen Fahr-
zeugen benutzbar ist.
Die schiffbaren Strecken werden also durch zwei Strecken unter-
brochen, auf denen eine Schiffahrt nicht möghch ist, nämhch i. zwischen
der Mündung des Mao-Talla und dem Poste du rocher und 2. zwischen
Pogo und Ere oder Ham. Die erste Strecke kann entweder auf dem rechten
Ufer des Mao Kabi umgangen werden über Hellebore, Mao-Lede und
Burao oder auf seinem linken Ufer. Der Landweg auf der rechten Ufer-
seite hat sich trotz der größeren Länge als leichter er^viesen, da der Weg
auf der linken Seite mehrere Flußläufe zu kreuzen hat, durch Über-
schwemmungsgebiet geht und nur wenige Dörfer berührt.
Danach steht also fest, daß zNvischen Lere und dem Logone nur wäh-
rend dreier Monate mit Frachtkähnen ein Schiffahrtsverkehr möglich
ist, der durch zwei nicht schiffbare Strecken unterbrochen wird. Während
der übrigen 9 Monate ist ein Frachtverkehr so gut wie ganz ausgeschlossen.
Aus dieser Feststellung ergibt sich ohne weiteres, daß der Wasserweg
praktisch als Verkehrsmittel nur wenig in Betracht kommen kann. Die
wiederholte Umladung und Neuanwerbung von Trägem verteuern und
verlängern die Verbindung um das, was auf den schiffbaren Strecken
durch die Benutzung des Wasserweges erspart oder gewonnen werden
kann. In französischen Kreisen ist man durch die Tatsache der bestehen-
den Wasser\'erbindung lange Zeit gewissermaßen fasziniert gewesen
und hat geglaubt, an dem Gedanken, diese Wasserverbindung auch prak-
tisch für den Verkehr nutzbar zu machen, festhalten zu müssen.
Seit den letzten Feststellungen Merciers , die der obigen Darstellung
zugrunde liegen, scheint man aber die Unmöglichkeit, diesen Plan durch-
zuführen, erkannt zu haben. Die letzten Pläne der französischen Regie-
rung waren daher. Lere mit Pogo durch einen Landweg über Binder,
Burao, Fianga, Morfoudai zu verbinden. Dafür sind 92 000 Franken
bewilligt worden. Nach dem neuesten Berichte soll mit dem Bau der
Straße Lere-Binder-Burao bereits begonnen worden sein. Wie die \'er-
bindung von Pogo zum Logone weiter zu führen ist. darüber gehen die
Vorschläge auseinander. Von der einen Seite wird befürwortet, in der
Senkung zwischen Pogo und Ere einen i — 2 m breiten Kanal auszuheben
und in diesem Falle auch den Tuburi-See von Burao ab als Wasserweg
zu benutzen, so daß der Landweg also nur bis Burao, nicht bis Pogo
ginge. \*on anderer Seite und zwar besonders von Mercier \nrd dagegen
Veröffcntl. d. Reichskolonialamte« Kr. 4: Ritter. /
empfohlen, den Wasserweg ganz aufzugeben und die ganze Strecke von
Lere bis Ere auf dem Lande zurückzulegen. Mercier hält auch die
Möglichkeit, den Kabia und Logone durch einen Kanal zu verbinden,
technisch für durchaus nicht sicher, da durch den Kanal möglicherweise
die Abfluß Verhältnisse ganz verändert werden. Mercier empfiehlt,
die Straße in derselben Weise anzulegen, wie die deutsche Verbindungs-
straße zwischen Deutsch-Binder und Golombe. Das Gelände sei für
die Anlegung einer Straße günstig. Größere Erdarbeiten seien nur zwi-
schen Lere und Hellebore notwendig. Auf der übrigen Strecke läuft die
Straße auf vollständig ebenem Gelände. Nur auf dem Übergange über
den Tuburi zwischen Fianga und Morfudai sei es nötig, auf eine Strecke
von einigen Kilometern einen 2 m hohen Straßendamm zu errichten
und den Tuburi mit einer 15 m breiten Brücke zu überbrücken. Als Be-
förderungsmittel schlägt Mercier kleine, leichte Lastwagen vor, von
welchen drei eine Tonne befördern können. Die kleinen ausdauernden
Sara-Pferdchen böten ein geeignetes Zugmaterial. Zum Tragen von Lasten
haben sie sich ebenso wie die einheimischen Rinder als ungeeignet er-
wiesen. Ebenso sind die Eingeborenen selbst an Tragarbeit nicht gewöhnt
und lehnen sich, obwohl sie im allgemeinen nicht gerade zu Widerstand
geneigt sind, dagegen auf. Die Eingeborenen der nördhchen Gebiete
wandern, wie sich auf der Straße Fort de Possei — Fort Crampel gezeigt
hat, lieber aus, als daß sie regelmäßige Trägerdienste leisten. Die Strecke
Lere — Ere ist nach Mercier mit kleinen Lastwagen in 7 Tagesstrecken
zurückzulegen, so daß die Transportkosten sich für eine Tonne auf etwa
35 Franken stellen würden, während sie bei einem von ihm ausgeführten
kombinierten Träger- und Schiffahrts-Transporte 265 Franken betrugen.
Diese Straßenverbindung war von der französischen Regierung
nur als vorläufig geplant. Neben ihr war für später eine Eisenbahn in
Aussicht genommen (vgl. Art. 8 des November- Abkommens). Diese
Bahn ist auch von deutscher Seite schon früher und jetzt wieder befür-
wortet worden (Passarge, Moisel). Mercier ist der Ansicht, daß
das Gelände sehr wenig Schwierigkeiten für die Linienführung biete.
Auf einem großen Teile des Strecke könnten die Schienen einfach auf
den Erdboden gelegt werden. Größere Arbeiten seien nur bei der Über-
schreitung des Tuburi und vielleicht im Ufergebiete des Logone not-
wendig.
Wenn wir nach der Besprechung des Schiffahrtsverkehrs bei den
zurzeit vorhandenen Verkehrsmitteln bleiben, so kommen ^^dr gleich zu
dem primitivsten, dem
— 99 —
Trägerverkehr. § 32.
tber die Geeignetheit der eingeborenen Bevölkerung zur Trägerarbeit
wird in dem Kapitel über die Arbeiterfrage zu sprechen sein. Der Träger-
verkehr vollzieht sich im L nvalde, wie auch sonst in Afrika, auf den
schmalen, vielfach gewundenen Eingeborenenpfaden, die die größeren
Eingeborenen-Niederlassungen miteinander verbinden. Zur Verbesserung
dieser Pfade ist bis jetzt wenig geschehen. Auf einzelnen, wichtigeren
\'erbindungswegen ist im Urwaldgebiete versucht worden, die Träger-
pfade zu verbreitern und zu verkürzen, so entlang der Südgrenze von
Spanisch-Guinea und auf dem Träge rwege von Ndjole nach Kandschama,*)
Der erstere läuft um die Südostecke von Spanisch-Guinea und ist im
Norigen Jahre auf eine Strecke von 60 km ausgehauen und verbreitert
worden. Die Erbauung eines Regierungsweges von Libreville nach
Nzork war für 1912 beabsichtigt. Ein dichteres Wege- und Pfadenetz
scheint die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi nach ihrem Berichte vom
Januar 1912 in ihrem Haupttätigkeitsgebiete am mittleren und oberen
Sanga angelegt zu haben.-) Die Erbauung einer Regierungsstraße von
Nola nach Kamba-Oro am Bodinke war für 1912 beabsichtigt. Auf dem
Hochlande von Jade und weiter im Norden, wo das Gelände freier
ist, bieten sich dem Fortkommen der Trägerkarawanen nicht mehr so
große Schwierigkeiten wie im Urvvalde. Die Traglasten betragen je nach
der zur Verfügung stehenden Bevölkerung 20 — 30 kg. Als täglicher
Trägerlohn soll angeblich von der französischen Regierung für Gabun
ein Satz von 2 Franken festgesetzt sein, wobei der Träger für seine Ver-
pflegung selbst zu sorgen hat. Dieser Satz müßte, wenn er tatsächlich
bestünde, im Verhältnis zu den sonst in Westafrika bestehenden Sätzen
als sehr hoch bezeichnet werden. Für den Norden gibt Mercier den
Traglohn auf 0,95 Franken für den Tag einschließlich Verpflegung und
leerer Rückwanderung an.
Wo im Urwalde die Trägerpfade ausgeschlagen sind, hat man \'er-
einzelt Esel und Maultiere als Lasttiere verwendet. So hat die Cie. Haut-
Ogooue für den Transport von Ndjole nach Kandschama ein Dutzend
Esel eingestellt; auch im Küstendreiecke sollen Esel verwendet werden.
Die Versuche, im Norden das Pferd und Rind als Lasttier zu verwenden,
') Nach einem während der Drucklegung eingegangenen Berichte soll der
Weg zwischen Minwul und Minkebc von Minwul aus auf 2 Tagreisen ausgebaut
sein. Ebenso einige Strecken bei Alati. Zwischen Minkcbe und Vadi soll ein
Weg im Bau sein.
*) Vgl. die Karten am Schlüsse.
7*
— lOO —
haben wenig Erfolg gezeigt ; doch wird es vielleicht nur darauf ankommen,
die Tiere an diese ihnen ungewohnte Arbeit zu gewöhnen.
In einem Lande mit so vielen natürhchen Schiffahrtsstraßen fallen
natürlich die
Handelsstraßen
— hier nicht als Straßen im technischen Sinne aufgefaßt, sondern als
die Richtungen, in welchen die Handelstransporte verlaufen — großen-
teils mit den Schiffahrtswegen zusammen. Von den Straßen, auf welchen
sich der Handel unabhängig von der Flußschiffahrt vollzieht, sind haupt-
sächlich die Trägerwege zu nennen, die in Ekododo zusammenlaufen;
einer von der Bucht von Gabun über Akolinam, Aza, Ntum; ein zweiter
von Ndjole; der dritte schon mehrfach erwähnte, der an der Südgrenze
von Spanisch- Guinea entlangläuft. Das Binnendreieck wird von einer
ziemlich häufig begangenen, von Ebolowa über Minwul und Ojem süd-
hch dem Lara entlang nach dem Ogowe-Becken verlaufenden Handels-
straße gekreuzt. Auf diesen Weg verlegen die Eingeborenen dieses Ge-
bietes in den letzten Jahren mehr und mehr den Handelsverkehr, den
sie früher zur Küste von Spanisch- Guinea unterhalten haben. Weiter
im Osten werden die Schiffahrtsendpunkte Madschingo und Ngoila
durch eine Handelsstraße verbunden, die den Kudu entlang über Sembe
verläuft. Von Ngoila und Dongo führt auch westlich nach Suanke und
Ntam ein Handelsweg. Im Ostgebiete laufen in Karnot mehrere Handels-
straßen zusammen. Die eine von Kunde, die früher, bevor in Kunde
ein Zollposten errichtet worden ist, von den Haussa-Händlern dazu
benützt worden sein soll, deutsche Waren aus Kamerun unverzollt in
französisches Gebiet zu bringen. An den bis nach Karnot reichenden
Schiffahrtsweg des Mambere schließen sich zwei Handelswege nach
Norden an; der eine den Nana entlang über Buala, Jade nach dem
Logone; der andere über Buar nach dem Pende; vom Osten her endigt
die Handelsstraße Bangi-Buda-Kolongo in Karnot. Die zuletzt genannten
Straßen werden hauptsächlich vom Viehhandel benutzt. Im Norden
ist die Handelsstraße zu nennen, die von Ngaundere den Wina und
Logone entlang bei Baibokum aus dem Hochlande in die Logone-Ebene
kommt und bei Gore die neue Grenze überschreitet. Dieser Weg wird
hauptsächlich von Haussa-Händlern für den Gummi-, Wachs- und Honig-
handel benutzt.
§ 33- Nachdem die zurzeit bestehenden Verkehrsmöglichkeiten darge-
stellt sind, werden im folgenden die auf den verschiedenen Verkehrs-
wegen erwachsenden Kosten der Güterbeförderung zusammengestellt.
Die Seefrachtkosten von Le Hävre und Bordeaux nach der Küste von
— lOI —
Gabun betragen je nach den einzelnen Aiiiktln auf den Dampfern der
Wocrmann- Linie und der Chargeurs Rcunis durchschnitthch 30 — 60
Franken pro Tonne. \'on Duala nach Libreville berechnet die Woer-
mann-Linie rund 25 Franken für den cbm. Dazu kommen 10 — 2C Franken
L'mladekosten an der Küste.
Die folgenden Angaben, die zum großen Teil einem Berichte des Ab-
geordneten Metin entnommen sind, beziehen sich auf den Transport von
der Küste oder den Endpunkten der Seeschiffahrt nach den genannten
Bestimmungsorten.
l.
Ogowe-Weg.^)
pro Tonne
Von Xdjole nach Lara 650 Franken
,, Lara nach Nzork 460
,, Xdjole nach Booue 6S0
„ „ Makoku 1680
„ Vadi 1975
„ Viel 2075
,, ,, Madschingo 2175
IL
Kongo-Sang a-Weg.^)
Von Matadi nach Vadi 1005 Franken^)
Viel 905 .,3)
Madschingo S05 ,, ^)
,, ,, Molundu (befördert durch die Süd-
kamerun-Gesellschaft) 575 Mark*)
III.
Verbindung nach dem Tschad.
I. Über den Kongo und Schari.
Von Matadi nach Fort Lamy 1287 Franken
') Die Beförderung wird auf diesem Wege hauptsächlich durch Cie. Haut-
Ogowe ausgeführt.
*) Die Frachtkosten nach den Stationen der Ubangi- und den übrigen Stationen
der Sanga-Linic sind aus den in § 28 angegebenen Tarifen der Kongobahn und den
im Anhange IV zu findenden Frachtsätzen der Mcss. Fluv. zu errechnen.
') Satze der Mess. Fluv. für die Beförderung über Kongo-Sanga-Ngoko.
*) Satz der Süd-Kamerun-Gesellschaft für deutsche Kegierungstransporte.
— 102 —
Diese Transportkosten setzen sich nach einzelnen Strecken zu-
sammen wie folgt:
Matadi — Kinchassa 220 Franken
Kinchassa — Brazzaville (Ges. Citas) 25
Brazzaville — Bangi (Mess. Fluv.) 250
Bangi — Fort Sibut (Transportunternehmung Otto) . . , 320
Fort Sibut — ^Fort Crampel (Beginn der Schari- Schiffahrt) 240
Fort Crampel — Fort Archambault 74
Fort Archambault — Fort Lamy (Ges. Uam-Nana) . . . 158
1287 Franken
Die Frachtdauer beträgt auf diesem Wege im ganzen etwa 8 — 12 Monate;
bei größter Beschleunigung können Reisende, die durch Gepäck nicht
behindert sind, in 90 Tagen von Frankreich nach Fort Lamy kommen.
2. Über den Niger — Benue.
Mercier berechnet die Kosten wie folgt:
Buratu — Lere 275 Franken
Lere — Logone 265
Logone — Lamy ^ 70 ,,
Durchgangszoll in Garua 30 ,,
so daß sich mit der Fracht von Frankreich zur afrikanischen
Küste 60
die Kosten über den Niger — ^Benue auf 700 Franken
stellen, während sie über den Kongo — Schari 1347
betragen. Die Frachtdauer beträgt über den Nigerweg höchstens 8 Mo-
nate; Eilposten können Fort Lamy auf diesem Wege in 64 Tagen er-
reichen.
Für den Fall, daß zwischen Lere und Ere Wagenverkehr eingeführt
wird, ermäßigen sich nach Mercier die Kosten über den Niger — Benue
auf etwa 500 Franken.
Der Abgeordnete Metin berechnet in seinem Kammerberichte
vom 12. Juli 1911 die Frachtkosten über den Niger — Benue auf 829 Franken
pro Tonne.
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß für das Tschadsee-
gebiet des Niger — Benue-Weg dem Ubangi-Wege an Zeit und Kosten
bedeutend überlegen ist. Diese Überlegenheit kann nach Einführung
eines Wagenverkehrs an Stelle des Trägerverkehrs zwischen dem Ubangi
und Fort Crampel in dem gleichen Abstände nur dann erhalten werden,
wenn auch zwischen Lere und Ere der Träger- und Schiffahrtsverkehr
— I03 —
durch den W'agenverkchr ersetzt wird. Für das Südgebiet geht aus
der Zusammenstellung her\or, daü über den Kongo -Sanga heute
billiger befördert wird als über den Ogowe-hvindo. Wenn man berück-
sichtigt, daß in den Tonnenkosten der Mes. Fluv. über den Sanga — Ngoku
nach Madschingo noch ein Überlandtransjxjrt vom Ngoko nach dem
Dschua enthalten ist, so stellen sich die Sätze der Südkamerun- Gesell-
sciiaft und der Mess. Fluv. ungefähr gleich hoch.
Was die
Eisenbahnen § 34-
anlangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß in ganz Französisch-
Äquatorial-Afrika, das dreimal so groß ist, wie Alt-Kamerun, bisher
noch keine einzige für den allgemeinen Verkehr in Betracht kommende
Eisenbahn vorhanden ist. Zahlreich sind dagegen die Eisenbahnpläne,
die in französischen Kolonialkreisen seit langem bestehen. Wenn bei der
folgenden Besprechung von diesen Eisenbahnplänen das ausgeschieden
wird, was für absehbare Zeit in das Reich der Phantasie zu verweisen
ist, so bleiben zwei greifbare Bahnprojekte zur Besprechung übrig. Das
eine betrifft die Südbahn, die Brazzaville mit Pointe-Xoire am Atlan-
tischen Ozean verbinden soll; das zweite die Nordbahn, die von einem
Hafen der Nordküste aus Gabun bis zu einem schiffbaren Punkte des
Sanga oder Likuala-Mossaka durchqueren soll. Das erste Bahnprojekt
kommt zwar örtHch für das deutsche Gebiet nicht in Betracht. Als \'er-
bindungsweg zwischen dem Meere und dem Kongo-Schiffahrtsnetze wird
seine Durchführung aber für die Schiffahrt auf den deutschen Flüssen
wichtig sein. Es schließt sich an die bestehende Privatbahn Brazza\ille-
Minduli an, die als schmalspurige Bahn zur Ausbeutimg der Kupferlager
bei Minduli erbaut worden ist. Diese Kleinbahn soll ausgebaut und bis
Pointe-Noire verlängert werden und nach Errichtung großer Hafenan-
lagen in Pointe-Noire die französischen Transporte \on der belgischen
BahnMatadi — Leopoldville unabhängig machen. Die Bahn wird zwar etwas
länger sein als die belgische; bei dem hohen Tarife der belgischen Bahn
ist ihre Konkurrenzfähigkeit aber nicht in Farge gestellt. Die Monopol-
stellung der belgischen Eisenbahn-Gesellschaft wird durch diese Kon-
kurrenzlinie geblochen werden, und dadurch eröffnet sich die .Aussicht,
daß die Transporte auf dem Kongo in Zukunft nicht mehr in dem Maße
durch die Bahnfracht verteuert werden wie bisher. Nach Art. 13, Abs. 2
und Art. 14 des November-.-\]>k(immens hat die deutsche Regierung
sich die Benutzung dieser Bahn für deutsche Truppentransporte und die
gleichen Tarifsätze wie für französische Transporte gesichert. Die Vor-
arbeiten für den Bahnbau sind beendigt; die Trasse ist festgelegt und
— 104 —
die nötigen Kredite für die Inangriffnahme der Arbeiten sind bewilligt.
Nach den neuesten Meldungen soll auch mit den Erdarbeiten schon be-
gonnen sein.
Das Nordbahnprojekt hat für das deutsche Gebiet Interesse, weil
die Trasse in der Nähe der Grenze verlaufen soll. Dieses Bahnprojekt
\vird schon seit ungefähr 20 Jahren behandelt. Verschiedene Erkundungs-
expeditionen haben die technische Durchführbarkeit geprüft. Dabei
haben die Pläne über die Linienführung mehrfach gewechselt. Zuerst
wollte man die Bahn von Libreville aus über Ndjole (Endpunkt der
Schiffahrt des Ogowe von der Küste aus) nach Makua am Likuala-Mossaka
bauen, wo dieser anfängt, schiffbar zu werden. Später richtete sich das
Interesse auf eine Bahn Libreville — Ndjole — Wesso, wobei die Bahn durch
das jetzt deutsche Gebiet geführt werden sollte. Die dahingehenden
Erkundungen haben aber die technische Undurchführbarkeit dieses
Projektes ergeben und schon vor der Abtretung des Südgebietes an
Deutschland hatte man daher eine etwas südlichere Linie in Aussicht
genommen. Die Bahn sollte danach von Libreville und der Gabun-Bucht
aus entweder nach Ndjole oder nordwärts nach Nzork an der Südost-
ecke von Spanisch- Guinea laufen, dann weiter den Okano, Abanga
und Mwung querend, den Iwindo in der Gegend von Makuku und Kan-
dschama treffen und nach Ueberschreitung des Iwindo von da ab in
gerader Linie nach Wesso führen. Diese Linie geht ziemhch nahe der
neuen deutschen Südgrenze. Durch die Abtretung ist das politische
Hinterland dieser Linie bedeutend beschnitten worden. Frankreich
steht daher jetzt vor der Frage, ob es an dem Nordbahnprojekt in seiner
bisherigen Form festhalten oder die Linie südlicher legen will (Ndjole-
Wesso oder Ndjole-Makua), oder ob das Bahnprojekt ganz aufgegeben
werden soll. Die bisher vorliegenden Äußerungen nicht verantworthcher
französischer Kolonialpolitiker weisen darauf hin, daß es nach der Ab-
tretung erst recht notwendig sei, dieses Bahnprojekt auszuführen und
zwar nach Wesso, damit das Südgebiet, das pohtisch verloren worden
sei, wirtschaftlich behalten oder vielmehr neu gewonnen werde. Darüber
hinaus wird noch verlangt, daß von der in dem November- Abkommen
enthaltenen Berechtigung, durch deutsches Gebiet zu bauen, möghchst
Gebrauch gemacht werde. Aber auch in den maßgebenden französischen
Kolonialkreisen scheint an dem Nordbahnprojekte festgehalten zu werden.
Der französische Kolonialminister hat sich darüber in der Sitzung der
Deputiertenkammer vom 14. Dezember 191 1 folgendermaßen geäußert:
,,Es wird notwendig sein, auch diese Linie zu bauen. Vielleicht wird die
Trasse etwas geändert werden müssen; aber ich halte es für notwendig,
möghchst bald mit der Strecke Ndjole — Kandschama zu beginnen, die,
— ig; —
den Schiffahrtsweg des Ogowe verlängernd, den Verkehr des ganzen
Ogowe- und Iwindo- Gebietes aufnehmen und im Bedarfsfalle das \'or-
dringen bis Wesso und nötigenfalls darüber hinaus ermöglichen wird."
In demselben Sinne soll sich der General-Gouverneur für Französisch-
Äquatorial-Afrika inzwischen geäußert haben. Nach den letzten Mel-
dungen ist im Norden Gabuns an der neuen Südgrenze zurzeit eine neue
Expedition tätig, die, nachdem die früheren Expeditionen nur das Ge-
lände in großen Zügen aufgenommen haben, die Trasse der Nordbahn end-
i^ültig festlegen soll. Von dem Ergebnis dieser Expedition wird es ab-
hängen, ob die Linie über Ndjole gehen wird, also an das schiffbare Stück
des Ogowe anschließt, oder ob die Bahn von Libreville direkt nach Osten
über den Iwindo nach Wesso gebaut werden soll. Auf jeden Fall wird
damit zu rechnen sein, daß in absehbarer Zeit mit dem Bau der Nordbahn
Libreville — Wesso oder wenigstens der Strecke Ndjole — Kandschama be-
gonnen ^vi^d. Die Baukosten werden auf 80 — 100 000 Franken pro km
geschätzt; bei einer Entfernung von 150 km zwischen Libreville und
Ndjole und von 300 km zwischen Ndjole und Kandschama werden die
Kosten der ersten Teilstrecke einschließhch der notwendigen Hafen-
bauten in Owendo bei Libreville auf 25 Mill. Franken, die der zweiten
Teilstrecke auf 35 Mill. Franken veranschlagt.
Mehr als auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues ist in Französisch § 35«
Äquatorial-Afrika bisher für die Errichtung von
Telegraphenlinien
geschehen. Da die Benutzung der französischen Telegraphenlinie, die den
Ubangi entlang läuft, den deutschen Behörden nach Art. 6 des November-
Abkommens freisteht, haben auch die außerhalb Neu-Kameruns liegen-
den französischen Linien für Deutschland Interesse. Zurzeit sind fol-
gende Telegraphenlinien fertig:
Libreville — Ndjole ;
Libreville — Loango (Pointe-Noire) ; *)
Loango — Brazzaville ;
Brazzaville — Bangi.
Die letztere Linie ist von Brazzaville bis Irebu an die belgische
Telegraphenlinie angeschlossen, überschreitet dann den Kongo und ver-
läuft erst von Liranga ab auf französischem Gebiete. Der Sanga-\'or-
■«pnuig wird von ihr also nicht gekreuzt, sondern nur der Ubangi-\'or-
') Diese Linie war früher eine Übcrlandlinie. Diese ist vor kurzem durch
tin Seekabel ersetzt worden, das am i. Mai 1912 dem allgemeinen Verkehr über-
geben worden ist.
— io6 —
Sprung. Sie soll über Fort Crampel und Archambault nach Fort Lamy,
im ganzen 2109 km, weitergeführt werden. Nach einer Äußerung des
General- Gouverneurs von Französisch-Äquatorial- Afrika vom Oktober
1911 sollte die Linie Anfang 1912 bis Fort Crampel fertig sein, und die
Fortsetzung bis Fort Lamy einige Monate später. Ob dies der Fall sein
wird, bleibt abzuwarten. Nach einer amtlichen Meldung des Journal
Officiel de l'Afrique Equatoriale Fran9aise ist am i. Februar 1912 die
169 km lange Strecke Dongu — Betu eröffnet worden, so daß anzunehmen
ist, daß zurzeit das Stück Brazzaville — -Bangi ganz in Betrieb genom-
men ist. Nach einer Meldung in Afr. Fran^. 1908 S. 493 soll Libreville
auch mit Ekododo an der Muni-Bucht telegraphisch verbunden sein.
Eine Bestätigung dafür konnte anderweit nicht gefunden werden; auf
den französischen Karten ist die Linie nicht eingezeichnet.
Für das laufende Jahr 1912 war die Inangriffnahme der Linien
Brazzaville-Wesso und Bangi-Zemio geplant, auch war für später m
Aussicht genommen, Karnot mit Wesso und Bangi telegraphisch zu ver-
binden. Die Inangriffnahme dieser Linie ist zunächst zurückgestellt
worden, bis die zurzeit zwischen Pointe-Noire und Brazzaville gemachten
Versuche mit drahtloser Telegraphie abgeschlossen sind.
Die Funkenstation in Pointe-Noire hat im vorigen Jahre schon De-
peschen über 500 — 700 Seemeilen erhalten und entsendet. Inz\rischen
wird die Station Brazzaville fertig geworden sein. Weitere fünf Stationen
für drahtlose Telegraphie sind im Tschadsee- Gebiete in Arbeit. Sie
sollen Fort Lamy östhch mit Abecher und westlich über Nguigmi (am
Ostufer des Tschad) mit Zinder und dem Telegraphennetze in Franzö-
sisch-Westafrika verbinden und damit den Anschluß an das Weltkabel-
netz erhalten. Libreville ist an das Weltkabelnetz schon angeschlossen.
Postbureaus befinden sich an aUen Verwaltungssitzen, die weiter
unten aufgezählt werden. Die Konzessions- Gesellschaften sind zur Be-
förderung der Postsachen auf den von ihnen zu unterhaltenden Schiff-
fahrtslinien (vgl. darüber unten den Abschnitt über die Konzessions-
Gesellschaften) zu bestimmten Sätzen verpflichtet.
in. Bevölkerung und Arbeiterfrage.
Literatur:
Afrique Fran9aise 191 1 S. 3S2.
Challaye, Le Congo Fran9aise 1909 S. 207ff.
Le Mouvement geographique 1907 S. 300, 1908 S. 300, 1909 S. 226, 191 1
S. 430, 435-
Revue de Paris 1912 S. 437.
Rouget, S. 339ff.
— lo; —
Dt•nk^>^.lI^ift der Cic. Forestiörc Sanga-Ubangi von 191 1 und 1912.
La Tribüne ign III. Teil S. 109.
Koloniale Hundschau 191 2 S. 204.
Zeitschrift der Ges. für Erdkunde 1912 S. 4.
In der modernen Ktik)nisatii)nsjxiriüdc hat sich immer melir die Er- 3 36,
kenntnis Bahn gebrochen, daß neben der natürhchen Ertragfähigkeit
und den Handels- und Verkehrsmöghchkeiten eines Landes seine Be-
vtlkenmg den wichtigsten Faktor für den wirtschafthchen Wert des
Landes bildet. Mit dieser Erkenntnis ist die Eingeborenenfrage in ein
ganz anderes Licht gerückt worden als in früheren Kolonisationsperioden.
Der Eingeborene ist nicht mehr ein Ausbeutungsobjekt; sondern er ist
der Gegenstand fürsorgender Pflege und Förderung geworden. Einmal
aus allgemein humanitären Gründen; dann aber auch, weil jetzt in einer
dichten Eingeborenenbevölkerung der Hauptreichtum eines Landes
erblickt wird. Wie die Bevölkerungs- und Arbeiterfrage sich bisher in
Französisch-Äquatorial-Afrika entwickelt hat und auf welchem Stande
sie gegenwärtig steht, soll im folgenden unter zwei Gesichtspunkten
besprochen werden: i. welches Menschenmaterial steht der Menge
nach zur Verfügung, 2. wie weit ist es für die Arbeit geeignet?
Die schon erwähnte Bevölkerungsschätzung für Französisch-Äqua-
torial-Afrika von 1906^), die für die damalige Gesamtbevölkerung die
Ziffer 3 652 018, darunter 1278 Weiße gibt, wobei auf Gabun 376 792,
auf Mittel-Kongo 259 485, auf Ubangi-Schari 2 130 148, auf den Militär-
bezirk Tschad 885 593 Einwohner entfallen, soll nicht den tatsäclilichen
Stand der Bevölkerung angeben, sondern nur die damals möglichen
Schätzungen zusammenstellen. Das geht daraus her\'or, daß für einzelne
Bezirke, für welche Schätzungen damals nicht vorlagen, keine Ziffern
eingestellt worden sind. Wie wenig im Jahre 1906 eine zutreffande Schät-
zung möglich war, ist daraus zu ersehen, daß noch im Jahre 1909 von
Gabun nur in 26%-), von Mittel-Kongo nur in 19%^) und von Ubangi-
Schari-Tschadnur in Z^%*) des ganzen Gebietes eine regelrechte Verwaltung
ausgeübt wurde und weitere 10%, bzw. 27%, bzw. 8% des Gebietes
unter dem Einflüsse der Verwaltung standen. Im ganzen übrigen Gebiete
war noch kein Versuch gemacht worden, irgendwelche Verwaltungs-
tätigkeit auszuüben. Die Schätzung enthält also eher eine Mindest-
') Dies ist die letzte zugängliche Schätzung.
^) Nämlich von dem abgetretenen Gebiete in den VcrN^'altungsbezirken C6te-
Nord, Iwindo (unterer Teil) und Woleu-Ntem.
') iN'ämlich die Flußgebiete des Likuala ( ?), des Sanga und des unteren Lobajc.
*) In dem abgetretenen Teile von Ubangi-Schari-Tschad ist damals noch
nirgends eine Verwaltung eingerichtet gewesen.
— io8 —
Ziffer der damaligen Bevölkerung als die tatsächliche Gesamtziffer. Mit
der fortschreitenden Durchdringung sind daher auch die Ziffern von 1906
entsprechend nach oben berichtigt worden. So gibt schon für das Jahr
1907 eine Schätzung die Bevölkerung vom Mittel-Kongo auf 829 000 an.
Dementsprechend gehen andere amtliche und nichtamtliche Schätzungen
der Bevölkerung auf 5, 9, 12, sogar 15 und noch mehr Millionen hinauf.
Ebenso widersprechend wie für die Gesamtbevölkenmg sind die Schät-
zungen für die einzelnen Gebiete. Während die obige amtliche Schätzung
für Gabun nur 376 792 Einwoliner annimmt, werden von anderer Seite
allein die in Gabun wohnenden Mfang auf 600 000 geschätzt, und eine
dritte Schätzung beziffert allein die Bevölkerung Gabuns innerhalb des
dem europäischen Handel bisher erschlossenen Gebietes auf etwa 2 ^lill.
Der Ubangi- Vorsprung ist nach einem Berichte sehr dünn bevölkert;
nach einem anderen, oben angeführten befindet sich dort eine ganze
Anzalil von Siedelungen nahe bei einander, die je 2000 bis 6000 Bewohner
haben. Das gleiche gilt für das Nordgebiet , von dem C 1 o z e 1 und K e r r e -
mans berichten, daß sie durch Gebiete gekommen sind, wo weilerartige
Familiensiedelungen oft auf Strecken von mehreren Kilometern rechts
und hnks vom Pfade dicht nebeneinander zu finden waren. Kerremans
berichtet, daß der Marsch durch eine dieser Ansiedelungsreihen 3 Stunden
gedauert habe. Von dem gleichen Gebiete berichten andere, daß es
sehr dünn bevölkert sei. Die Reisenden scheinen eben je nach dem Zufalle,
ob sie von den einheimischen Führern von Siedelung zu Siedelung oder
zwischen ihnen hindurchgeführt worden sind; ob die Bevölkerung sich
vor ihnen zurückzog oder zu der Reisekarawane zusammenströmte, sich
ihre Ansicht über die Dichtigkeit der Bevölkerung der einzelnen Gebiete
gebildet zu haben.
Zuverlässige Unterlagen für eine einigermaßen zutreffende Schätzung
der Bevölkerung Hegen demnach heute noch nicht vor. Wenn man schon
über die Gesamtbevölkerung von Französisch-Aquatorial-Afrika so im
Unsicheren ist, dann ist es klar, daß für die Bevölkeining von Neu-Kamerun,
das ohne Rücksicht auf die Bevölkerungsschichtung und Stammesgrenzen
abgetrennt worden ist, heute noch keine Zahl gegeben werden kann. Alles
was in dieser Beziehung heute geschehen kann, ist nur, unter Vergleichung
aller vorliegenden Berichte und Verwertung der sich bietenden Anhalts-
punkte für eine Schätzung eine Mindestziffer zu finden. Solche Anhalts-
punkte sind das Größenverhältnis Neu-Kameruns zum Gesamtgebiete
von Französisch-Äquatorial-Afrika, neuere amtliche und nichtamtliche
französische Berichte über die Größe einzelner Stämme, über die Be-
völkerungsdichte einzelner Gebiete, über die Familienzusammensetzung,
über den bisherigen Ertrag der Eingeborenen-Kopfsteuer, über die räum-
— 109 —
liehe Ausdehnung der bisherigen Steuererhebung und die Höhe der Steuer-
sätze u. a.^) Nimmt man das Ergebnis all dieser Schätzungsmüglichkeiten
zusammen, so wird man, ohne die Gefahr zu laufen, bei späterer, genauerer
Erhebung die Ziffer hcnmtersctzen zu müssen, als Mindestziffer für die
Bevölkerung Xeu-Kameruns etwa Yz ^^i^^- angeben können.
Ebenso wichtig wie die Frage nach der gegenwärtigen Zahl der
Bevölkenmg ist für die Zukunft die weitere Frage, ob die Bevölkerung
in aufsteigender oder absteigender Entwicklung steht. Es ist der Satz
aufgestellt worden, daß die Berührung mit der überlegenen, europäischen
Kultur die eingeborenen Rassen Afrikas, ebenso wie früher die Amerikas
und Australiens mit einer Art Naturnotwendigkeit zum Aussterben
bringen müsse. Zum Beweise dafür ist darauf hingewiesen worden, daß
überall in Afrika, auch in den deutschen Kolonien, die Bevölkerungs-
schätzungen von Jahr zu Jahr geringere Ziffern gebracht haben. Das
ist nicht zu bestreiten. Es wäre aber verfehlt, anzunehmen, daß die Be-
völkerung Afrikas in demselben rapiden Rückgange ist, wie die Bevölke-
rungsschätzungen. Es ist dabei vielmehr folgendes zu berücksichtigen.
Als hier am Kongo die ersten Weißen die Flüsse auf- oder abwärts fuhren,
lief ihnen das Gerücht ihres Erscheinens voraus, und die Eingeborenen
strömten scharenweise an den Ufern zusammen, um sich das weiße Wunder
anzusehen. So kamen die Forscher mit der Kunde von einem ungeheuren
Menschenreichtum nach Europa zurück. Wenn später dieselben Gebiete
in Venvaltung genommen wurden, die Eingeborenen zu Trägerdiensten,
zu Wegebauten, zu Steuerzahlungen und zu Kautschuk-Frondiensten
herangezogen wurden, hatten sie nicht mehr das gleiche Interesse, in
Scharen zu den Siedelungen der Weißen zusammenzuströmen. Sie zogen
sich vielmehr immer weiter von den Verkehrswegen der Weißen, be-
sonders von den schiffbaren Flüssen zurück. Während daher also sicher
anzunehmen ist, daß die Bevölkerung früher erheblich überschätzt
worden ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, daß sie heute ebenso unter-
schätzt wird.
Dazu kommt, daß die Reisenden im Kongo überall auf menschen-
leere Dörfer in allen Stadien des Verfalls trafen; auf Siedelungen, deren
Reste vom Urwalde fast schon wieder überwuchert waren, oder deren
Zustand zeigte, daß sie bis vor kurzer Lcit noch bewohnt waren ; und auf
Dörfer, deren große Ausdehnung in keinem Verhältnis zu den wenig vor-
handenen Bewohnern stand. Solange die l^esonders unseßhafte Wohn-
weise der dortigen Eingeborenen noch nicht bekannt war, schlössen
die Reisenden aus diesen ausgestorbenen Siedelungen, daß früher hier
') Siehe § 45.
— HO —
eine viel dichtere Bevölkerung vorhanden war. Heute weiß man, daß
viele Urwaldbewohner alle 2 oder 3 Jahre ihre Niederlassungen verlegen
und daß jene Schlußfolgerungen von falschen Voraussetzungen aus-
gingen.
Diese beiden Tatsachen müssen genügend berücksichtigt werden,
wenn man zu einem einigermaßen zutreffenden Urteile über die Richtung
der Bevölkerungsentwicklung kommen will. Aber auch, wenn man
diese beiden Fehlerquellen in Rechnung setzt, \\drd nicht zu leugnen sein,
daß die Bevölkerung Französisch-Äquatorial-Afrikas heute eher in der
Abnahme als in der Zunahme begriffen ist. Es ist nicht zu bestreiten,
daß die unvermittelte, intensive Berührung mit der europäischen Kultur
im tropischen Afrika allgemein zuerst einen nachteiligen Einfluß auf die
Bevölkerung gehabt hat. Diese Erscheinung ist wohl darauf zurückzu-
führen, daß die Ursachen, denen die frühere geringe Bevölkerungszunahme
in Zentralafrika zuzuschreiben ist, wie Stammes fehden, Sklavenjagden,
Hungersnöte, Giftmischerei und Aberglaube, Kinderheiraten, Viel-
weiberei, Kindesmord und Kindesabtreibung usw., in der ersten Zeit der
kolonisatorischen Tätigkeit noch nicht beseitigt werden können, und daß
gleichzeitig mit der europäischen Kultur Einflüsse sich geltend machen,
die auf den Eingeborenen schädigend wirken. Die Auflösung der Familien-
und Stammesverbände, die Schaffung neuer Verkehrsmöglichkeiten, die
Erziehung der Eingeborenen zu neuen Bedürfnissen, die Veränderung
der Produktionsverhältnisse und die Möglichkeit des Absatzes und des
Geldverdienstes, neue Arbeitsleistungen und Trägerdienste, all das
greift ganz unvermittelt und tief in die Lebensgewohnheiten der einge-
borenen Bevölkerung ein und vermindert ihre Widerstandsfähigkeit.
Alkohol, Pulver und Blei und neue Krankheiten tragen dazu bei, die
Bevölkerung zu vermindern.
Es hat sich aber überall, wo der Eingeborenenpflege die nötige Auf-
merksamkeit zugewendet worden ist, gezeigt, daß es sich nur um eine
Übergangsperiode handelt und daß die Bevölkerung später nicht nur auf
ihrem bisherigen Stande bleibt, sondern wieder zunimmt, sobald die
kolonisatorische Tätigkeit so weit fortgeschritten ist, daß einerseits die
früheren Ursachen der dünnen Bevölkerung beseitigt, andererseits auch
die schädigenden Begleiterscheinungen europäischer Kultur von den
Eingeborenen ferngehalten oder abgeschwächt werden können. In dieser
Übergangsperiode scheint sich die Bevölkerung Französisch-Äquatorial-
Afrikas zur Zeit zu befinden. Es heißt nur eine von französischen Kolo-
nialpolitikern seit langem behauptete, von französischen Gerichten fest-
gestellte und auch von französischen amtlichen Kreisen zugegebene
Tatsache wiederholen, wenn gesagt wird, daß zur Verkürzung dieser
— III —
Cbergangsperiode in Französisch-Äquatorial- Afrika bisher sehr wenig
geschehen ist und daß die Eingel>)reiU'nfürsorge dort auch jetzt noch nicht
auf der gleichen Höhe steht, wie in anderen französischen und in den
deutschen und englischen Kolonien. Die französische Verwaltung hat
in Französisch-Aquatorial-Afrika lange Zeit die Regelung des Verhält-
nisses zwischen W'eiUcn und Eingeborenen ganz den Konzessions- Gesell-
schaften überlassen, die weniger das allgemeine und spätere Interesse
als ihren \'erdienst im Auge hatten. Erst in der allerjüngsten Zeit ist in
Französisch-Äquatorial-Afrika mit dem Wechsel des ganzen Verwaltungs-
systemes eine Besserung in dieser Beziehung eingetreten. Wenn diese
Ansätze zur Besserung von der deutschen \'erwaltung aufgenommen
und fortgesetzt und wenn die in Alt-Kamemn bewährten Grundsätze
der Eingeborenenbehandlung hierher übertragen werden, so besteht kein
Grund zu der Annahme, daß in Xeu-Kamerun nicht die gleichen guten
Erfolge erzielt werden könnten, wie dort und daß der Rückgang der Be-
völkerung nicht aufgehalten wird.
Darüber wird man sich aber nicht täuschen dürfen, daß es hier § 37-
einer besonders intensiven Eingeborenenfürsorge bedarf, um zu einem
Erfolge zu kommen, denn abgesehen davon, daß die Lebensbedingungen
im zentralafrikanischen Urwalde an sich nicht sehr günstig sind, muß hier
der Kampf gegen zwei besonders gefährliche Krankheiten aufgenommen
werden, gegen die Pocken und gegen die Schlafkrankheit. Die
Pocken treten hier in manchen Jahren verheerend auf und entvölkern
ganze Bezirke. Zu ihrer Bekämpfung ist noch wenig geschehen, bis vor
kurzem wurden nur die \'on Europäern angeworbenen Träger und Ar-
beiter geimpft; die übrige Bevölkenmg blieb schutzlos. Der gute Erfolg
der Impfung ist bei den Eingeborenen durchaus bekannt geworden, und
überall, wo neuerdings Gelegenheit zur Impfung gegeben worden ist,
drängen die Eingeborenen sich dazu heran. Ein planmäßiges Vorgehen
gegen diese Krankheit würde also auf selten der Eingeborenen keine
Schwierigkeiten finden.
\'erderblicher als diese Krankheit ist die Schlafkrankheit, weil bis
jetzt noch kein Mittel gefunden worden ist, sich vor ihr zu schützen, oder
sie sicher zu heilen, über ihre Erscheinungen und ihre Verbreitung ist
in der letzten Zeit so viel veröffentlicht worden, daß hier darauf verzichtet
werden kann. Das jetzt deutsche Sanga-Gebiet ist von dieser Krankheit
in seiner ganzen Ausdehnung vollständig durchseucht, besonders stark
das Mündungsgebiet des Sanga und die Gegend um Nola. Das Sanga-
Gebiet wird als der Herd betrachtet, von dem aus sich die Krankheit
weiter verbreitet hat. Auch die vereinzelten Sclilafkrankheitsgebiete
in Alt-Kamerun sind zum Teil wohl von hier aus angesteckt worden.
— 112 —
Die deutsche Verw'altung hat die Bekämpfung dieser örtHchen Krank-
heitsherde in Alt-Kamerun in Angriff genommen mit dem Erfolge, daß
die Krankheit auf diese Gebiete beschränkt blieb und zum Teil sich ein
Rückgang gezeigt hat. Die Bekämpfung ist bisher durch die politische
Grenze begünstigt worden, die immerhin eine gewisse Abschließung gegen
den Hauptkrankheitsherd ermöglicht hat. Heute handelt es sich nicht
mehr darum, nur Alt-Kamerun gegen weitere Ansteckung zu sichern,
sondern die Bekämpfung am Haupt-Herde selbst in Angriff zu nehmen.
Deutschland tritt also mit einiger Erfahrung an diese neue Aufgabe
heran. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Eingeborenen hier selbst
schon die Übertragung der Krankheit von Kranken auf Gesunde er-
kannt haben und daß viele Stämme und Trägerkarawanen in dieser
Erkenntnis die Kranken beim ersten Auftreten der Krankheitserschei-
nungen, die allerdings meist zu spät erkannt werden, erbarmungslos
in die Wildnis jagen. Die Sammlung und gesonderte Ansiedelung der
Kranken wird daher voraussichtlich nicht auf die Schwierigkeiten stoßen
die sich an anderen Orten gezeigt haben.
Zunächst wird es sich darum handeln festzustellen, wieweit die
Krankheit heute verbreitet ist. Als Nordgrenze des Schlafkrankheits-
gebietes wird ziemlich übereinstimmend Kamot und Bangi angegeben.
Im Süden ist sie auf dem Trägerwege vom Ngoko über Sembe nach
Madschingo schon ins Dschua- und Iwindo-Tal vorgedrungen. Die zweite
Aufgabe wird sein festzustellen, wieweit eine weitere Ausdehnung der
Krankheit möglich ist, d. h. in welchen Grenzen die Glossina palpalis^)
vorkommt. Die meisten Meldungen stimmen darin überein, daß sie
nördlich von Karnot nicht mehr vorkommt. Für das Jade-Hochland
«rgibt sich das von selbst aus seiner klimatischen Beschaffenheit. Frag-
lich ist aber, ob auch das Logone und das Pende-Tal glossinenfrei ist.
Kach den neuesten Meldungen soll die Schlafkrankheit auch in diesen
Gebieten schon festgestellt sein, ebenso wie in der Gegend von Fort
Crampel. Möglicherweise ist der Widerspruch in diesen Meldungen in
<ier Weise zu erklären, daß die dort vorgefundenen Kranken sich weiter
im Süden angesteckt haben und daß die Schlafkrankheitserscheinungen,
die ja in einer dem Eingeborenen erkennbaren Form erst nach längerer
Zeit auftreten, sich erst nach ihrer Rückkehr gezeigt haben.
Damit ist auf den dritten Punkt, wo die Bekämpfung einzusetzen
hat, schon hingewiesen, nämlich auf die Überwachung der Verkehrswege.
Nur dadurch wird es möglich sein, die Krankheit auf ihr heutiges Ver-
^) Nach den neuesten Meldungen soll übrigens die Übertragung der Schlaf-
krankheit auch durch andere Glossinen-Arten festgestellt worden sein.
— 1 1 3 —
breitungsgebiet zu beschränken. Wie wichtig es ist, die Verkehrswege
zu überwachen, geht daraus her\'or, daß die Krankheit sich an den Ver-
kehrswegen, besonders an den schiffbaren Flüssen, am weitesten verbreitet
hat. Die die Krankheit übertragende Mückenart ist ziemUch Ixjdenständig
und der \'erbreitungsbereich durch die Mücke selbst an sich daher be-
schränkt. Lenfant und andere weisen aber darauf hin, daß in
den Schiffsräumen infizierte Glossinen aus den Krankheitsgebieten
oft tagelang verschleppt werden und daß der Schiffsverkehr su in erster
Linie zur Verbreitung der Krankheit beigetragen hat. Diese Erkenntnis
hat die französische Regierung veranlaßt, für die Eingeborenen einen
Gesundheits-Paßzwang einzuführen und die Orte, an welchen die Ein-
geborenen sich einschiffen dürfen, zu beschränken und besonders zu
überwachen (vgl. Afr. Fran^. 191 1 S. 382).^)
Erst wenn das Krankheitsgebiet abgegrenzt und die Ausbreitung
auf bisher gesunde Gebiete verhindert ist, wird es mögüch sein, mit
Erfolg in dem bisherigen Krankheitsgebiete selbst gegen die Krankheit
vorzugehen, ev. auf Grund internationaler \'erabredungen, wie sie auch
anderwärts in Afrika getroffen worden sind.
Bei der Frage, \\ieweit das vorhandene Bevölkerungsmaterial zur § 38.
Arbeit geeigne t^) ist, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß in einem
Gebiete mit so verschiedenen Volksstämmen und Lebensbedingungen
wie Neu-Kamerun die Bevölkerung in dieser Beziehung nicht einheitlich
beurteilt werden kann. Die Ur%valdvölker sind mehr Jäger und Fischer,
die Völker im Norden mehr Ackerbauer und Viehzüchter. Fast alle
Stämme zeigen eine ziemliche Geschicklichkeit zu den verschiedensten
Handwerken, und die Neigung zum Handel, die sich überall als ein guter
Antrieb zur Arbeit erwiesen hat, ist besonders bei den Pang%ve stark aus-
gebildet. Die Arbeit der Eingeborenen kommt in Neu-Kamerun für den
Europäer fast nur in zwei Formen in Betracht, nämhch die Trägerarbeit,
und das Sammeln von Kautschuk. Das Urteil über die Pang^ve im Süd-
gebiete lautet im allgemeinen günstig. Sie haben sich als Träger, als
Schiffer, als Holzarbeiter und als Kautschuksammler gleich geeignet
erwiesen (vgl. Bruel, Mouv. Geogr. 1909, S. 227). Challaye sagt von
ihnen, ,,die Deutschen werden in den Pang\ve von Woleu-Ntem ein
ausgezeichnetes Arbeitermaterial finden, an dem sie in Alt-Kamcnm
großen Bedarf haben; wenn sie es verstehen, diese selbstbcNNTjßten \'ölker-
') Kach ,,Les Annales Coloniales" igi2 Nr. 64 S. 3 ist vor kurzem durch Erlaß
des Generalgouvemeurs eine aus Beamten, Ärzten und Vertretern der Gesellschaften
bestehende Kommission eingesetzt worden, welche die zur Bekämpfung der Schlaf-
krankheit notwendigen Maßnahmen prüfen und geeignete Vorschläge machen soll.
■) Vgl. dazu auch § 41.
Veröffentl. d. Reichskolonialamtes Nr. 4: Ritter. "
— 114 —
Schäften durch Handel und entsprechende Bezahlung zu gewinnen'*
(vgl. La Revue de Paris 1912 S. 437). Damit stimmen die Berichte anderer
Reisenden überein. Die im Kudu-Dschua-Lande wohnenden Pangwe,
die Sanga-Sanga scheinen sich dem Arbeitsverlangen der Europäer
gegenüber bisher ziemlich ablehnend verhalten zu haben. Hier ist
die Verwaltung aber noch nicht dazu gekommen, das Land vollständig zu
befrieden. Es ist zu erwarten, daß auch in diesem Teile des Südgebietes
die Bevölkerung der Arbeit zugänghcher werden wird, wenn hier erst
geordnete Verhältnisse eingetreten sein werden. Von den Baja des ganzen
Sanga- Gebietes berichtet Lenfant, daß sie wiUige und tüchtige Träger
sind und daß sie freiwillig zur Trägerarbeit kommen, wenn sie die Sicher-
heit guter Bezahlung und Behandlung haben. Über die Qualität der
Baja als Plantagenarbeiter berichtet die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi,
daß sie zuerst in dieses Gebiet Bakongo und Loango eingeführt habe,
die an der Küste als sehr tüchtige Arbeiter gelten. Die einheimischen
Baja, Yangere und Mbimu, hätten sich diesen eingeführten Arbeitern
aber als überlegen gezeigt, so daß die Kautschuk-Forstwirtschaft im
ganzen Sanga- Gebiete heute mit einheimischen Arbeitern betrieben
werde. Die Arbeitsfähigkeit der Bewohner des Nordgebietes geht schon
aus dem hervor, was über den guten Stand ihrer Pflanzungen und über
den verhältnismäßig hohen Stand ihrer Vieh- und Pferdezucht gesagt
worden ist. Für den Trägerdienst scheinen sie sich allerdings nicht so zu
eignen wie für landwirtschafthche Arbeiten.
Mit Ausnahme von dem Kudu-Dschua-Lande scheint also die Be-
völkerung heute schon ein geeignetes Arbeitermaterial zu liefern. Darüber
sind sich aber alle Berichterstatter einig, daß die Voraussetzung für eine
befriedigende Arbeitsleistung der Eingeborenen ist, daß sie einen ihren
Leistungen entsprechenden Lohn erhalten und daß auf ihre Lebensge-
wohnheiten und Arbeitsweise genügend Rücksicht genommen wird.
Der Neger ist von Natur durchaus nicht so arbeitsscheu, wie ihm im
allgemeinen nachgesagt wird. Das beweisen die Erfahrungen bei den
Eisenbahnbauten; das beweist, daß die Neger auf Tausende von Kilo-
metern zur Arbeit nach den südafrikanischen Bergwerken kommen;
das beweist auch der hohe Stand der Eingeborenenkulturen in vielen
Gegenden Afrikas. Es kommt nur darauf an, die Arbeits- und Lohn-
methoden zu finden, die ihm am besten entsprechen. Wo ihm aber unter
allerlei Vorwänden für seine Arbeit nichts oder nur ein ganz geringer
Lohn bezahlt worden ist, wie es in den Konzessionsgebieten von Fran-
zösisch-Äquatorial-Afrika teilweise der Fall gewesen ist, ist es nicht zu
verwundern, wenn er die Lust verliert, für den Europäer zu arbeiten, und
sich dann in der Arbeiterbeschaffung Schwierigkeiten zeigen.
— 115 —
Unter dem Drucke dieser Schwierigkeiten ist in letzter Zeit in fran-
zösischen KoU)nialkrcisen, die an der Arbeiterbeschaffung in Französisch-
Äquatorial-Afrika interessiert sind, die Frage der Arbeitereinfuhr erörtert
und die Einfuhr von Arbeitern aus Britisch-Indien und China lx-für\vortet
worden. Die Kreise, aus denen diese Vorschläge stammen, scheinen sich
über die Möglichkeit und über die Nützlichkeit, aus diesen Gebieten
heute Arbeiter einzuführen, einem gewissen Optimismus hinzugeben
gegenüber der Tatsache, daß die indische und die japanisch-koreanische
Regierung schon längst und neuerdings auch die chinesische die Arbeiter-
ausfuhr aus ihren Gebieten entweder ganz untersagt haben oder in der
Weise erschweren und überwachen, daß es wirtschaftlich viel nützhcher
ist, wo der Zahl nach genügend einheimisches Arbeitermaterial vorhanden
ist, dieses zur Arbeit langsam heranzuziehen. Wenn das im Anfang auch
mehr Mühe und Kosten verursachen mag, so verbürgt diese Methode doch
allein eine nachhaltige Versorgung des Arbeiterbedarfs; während die
Arbeitereinfuhr immer nur für eine bestimmte Anzahl von Jahren ver-
sorgt und die Erzeugung und die ganze wirtschaftliche Entwicklung in
eine gewisse Abhängigkeit von den Entschließungen fremder Regierungen
bringt.
8*
Dritter Abschnitt.
Verwaltungs- und Finanzeinrichtung,
I. Die Verwaltungseinrichtung. ^)
Literatur:
Servel, L'Organisation administrative et financi^re de l'Afrique Franfaise,
Paris 1912.
Rouget, S. 424ff.
Girault, Principes de la colonisation et de la legislation coloniale, Paris
1907.
W. Stahl, Französisch-Kongo, Berlin 191 1.
Renseignements Coloniaux 191 1 S. 264 ff.
Afr. fran9. 191 1 S. 164 ff.
Quinzaine Coloniale 1910 S. 46.
Revue des Troupes 1909, Febniarheft.
§ 39. Die Verwaltungseinrichtung in Französisch-Äquatorial-Afrika hat
im letzten Jahrzehnte verschiedene Wandlungen durchgemacht. Die
Entwicklung ging dahin, unter Betonung der großen geographischen
Verschiedenheit der einzelnen Teile des Landes die Verwaltung zu dezen-
trahsieren. Dementsprechend sind in dem Dekrete vom 15. Januar 1910
( Joum. Off. vom 16. Januar 1910 ; Renseignements Coloniaux 1910, S. 22)
die früheren Verwaltungsbezirke Gabun, Mittel-Kongo, Ubangi-Schari
und Tschad zu selbständigen Kolonien erhoben worden, jede mit einem
eigenen Gouverneur (lieutnant-gouverneur) an der Spitze und mit eigenem
Budget. Die früheren Verwaltungsbezirke Ubangi-Schari und Tschad
sind dabei einem einzigen Gouverneur unterstellt worden; haben aber
getrennte Verwaltung und getrenntes Budget erhalten. Die Kolonien sind
^) Siehe Karte i am Schlüsse
- 117 —
zu einer Koloniengmppe unter dem Namen „Afrique Equatoriale Fran-
^aise" zusammengefaßt worden, an deren Spitze der Generalgouverneur
steht. Er ist der „depositaire des pouvoirs de la Röpublique". Die Zu-
ständigkeit ist zwischen dem Generalgouverneur und den einzelnen Gou-
verneuren in der Weise geteilt, daß der Generalgouverneur die allen Kolo-
nien gemeinsamen Angelegenheiten, besonders ihre Beziehungen zum
Mutterlande, regelt. Unter ihm sind*die Gouverneure zum Teil aus-
führende Stellen, zum Teil auch, soweit ihnen der Generalgouverneur
seine Zuständigkeit delegiert hat, selbständige Verwaltvmgsstellen. Dem
Generalgouverneur steht ein Gouvemementsrat zur Seite, den einzelnen
Gouverneuren je ein Verwaltungsrat. Die Befugnis dieser Körper-
schaften, die zum größten Teile aus Beamten bestehen, ist im wesentlichen
nur die der Beratung.
Durch den Generalgouverneur werden die einzelnen Kolonien auf
den Vorschlag der Gouverneure in Bezirke (circonscriptions) und die
größeren Bezirke in Unterbezirke (subdivisions) eingeteilt. An der Spitze
jedes Bezirkes steht, wenn er unter Zivilverwaltung steht, ein administra-
teur {Bezirksamtmann), dem ein administrateur adjoint (Assessor, Ad-
junkt) beigegeben ist. Das übrige Verwaltungspersonal besteht aus commis
(Sekretäre), ecrivains (eingeborene Schreiber), interpretes (Dolmetscher).
Die Ordnung und öffentliche Sicherheit wird durch die garde regionale
(Polizeitruppe) aufrecht erhalten. Die Unterbezirke werden durch ad-
ministrateurs adjoints oder commis verwaltet. Wo MiHtär\'erwaltung
besteht, steht an der Spitze der Bezirke regelmäßig ein capitaine (Haupt-
mann); die Posten der Unterbezirke sind durch Leutnants besetzt, der
Dienst der öffenthchen Sicherheit wird hier durch die Schutztruppe
(tirailleurs senegalais) besorgt.
Im folgenden werden die französischen Verwaltungsbezirke, die
in dem abgetretenen Gebiete hegen, aufgezählt und zwar die des Süd-
gebietes von West nach Ost, die des Sangavorsprunges und des Ost-
gebietes von Süd nach Nord. Die Angaben über das bisherige Verwal-
tungspersonal und die Verwaltungskosten beruhen auf einer amtüchen
französischen Mitteilung. Der Mitteilung ist nicht zu entnehmen, wie-
weit dieser Verwaltungsaufwand gegenwärtig tatsächlich besteht oder
wieweit es sich dabei etwa nur um eine schematische Aufteilung noch
nicht in tatsäcliliche Ver%valtung genommenen Gebietes handelt. Auf
jeden Fall ist es von Interesse, festzustellen, was die französische
Regierung an Personal und Kosten für die voUständige Einrichtung der
französischen Verwaltung in dem abgetretenen Gebiete für notwendig
gehalten hat.
— IIS —
A. Gabun. ^)
40. Die Zahl der Verwaltungsposten in Gabun beträgt 48. Von den
300000 qkm der Kolonie ist gegenwärtig erst etwa 1/3^) tatsächlich in
Verwaltung genommen. Die Hauptstadt ist Libreville. Von den 22 Be-
zirken und etwa 30 Unterbezirken fallen in das jetzt deutsche Gebiet:
1. Der Bezirk Cöte-Nord. Er erstreckt sich von der Küste die
spanische Südgrenze entlang bis an den Abanga und zerfällt in die Unter-
bezirke Ekododo und Medeke.^) Sitz der Verwaltung ist Ekododo am
Temboni. Ob die Posten Etome und Medeke deutsch werden, hängt
von der Grenzführung ab ; der Posten Dombo an der Küste liegt zweifellos
auf deutschem Gebiete. In Dombo, Ekododo und Beto sind Zollposten.
Das Verwaltungspersonal besteht aus 5 weißen Verwaltungsbeamten,
2 Eingeborenen und 50 Polizeimannschaften. Die Personalkosten der
Verwaltung betragen 45880 Franken. Von dem Bezirke liegt je nach
der Grenzführung die Hälfte bis ^/g auf deutschem Gebiete. Von Fakto-
reien ist hier eine zu nennen, die sich am Temboni oberhalb von Ekododo
befindet, eine andere befindet sich in der Nähe von Imania an der Küste.
2. Der Bezirk Okano. Er erstreckt sich vom Abanga bis zur
westlichen Wasserscheide des Mwung. Wieweit er im Norden auf deut-
sches Gebiet reicht, hängt von der endgültigen Grenzfestsetzung ab.
Er steht unter Militärverwaltung. Auf deutschem Gebiete liegt der bis-
herige Militärposten Nkolajo in dem Unterbezirke Nzork. Die Ver-
waltungskosten kommen bei dem geringen Umfange des in Neu-Kamerun
hegenden Teiles dieses Bezirkes hier nicht in Betracht.
3. Der Bezirk Woleu-Ntem, westHch vom spanischen, südlich
vom bisherigen Kamerun- Gebiete begrenzt, umfaßt das Quellgebiet des
Woleu und des Ntem. Seine östliche und südliche Grenze liegt also auf
den Wasserscheiden dieser Flüsse. Er steht unter Militärverwaltung, Sitz
der Verwaltung ist Ojem. Nebenposten sind in Bitam und Minwul
Seine Besatzung besteht aus einem Kapitän, 3 Leutnants, 10 Unter-
offizieren und 200 Mannschaften. Die Personalkosten betragen 115 200
Franken; der Bezirk hegt ganz auf deutschem Gebiete.
4. Der Bezirk Mwung. Er ist im Norden begrenzt durch die bis-
herige Kameruner Grenze und erstreckt sich östhch bis zum Iwindo.
Er steht unter Militärverwaltung, Sitz der Verwaltung ist Minkebe
1) Die Verwaltungseinteilung von Gabun beruht auf dem Erlasse vom
29. Sept. 1909; vgl. Servel S. i2of.
2) Vgl. dazu § 36.
ä) Nach Erlaß des Generalgouvemeurs vom 7. Februar 1912 (Journ. Off. de
I'Afr. Equat. Fran9. vom 15. März 1912) ist der Unterbezirk Medeke abgetrennt
und dem Bezirke Como zugeteilt worden.
— 119 —
(oder Minkeke ?). Ein Nebenposten ist in Akar-an-Uschor in der Nähe der
neuen Südgrenze. Der Bezirk liegt zu ^/^ auf deutschem Gebiete.
5. Der Bezirk Dschua ist im Norden begrenzt durch die frühere
Kamenuicr Grenze und hegt zwischen dem IvN-indo und der Westgrenze
Von Mittel-Kongo. Er sieht unter Militärverwallung. Sitz der Verwaltung
ist das auf französischem Gebiet gebliebene Nzakamatu. Auch die Neben-
posten Madschingo, Viel und \'acü ^) sind französisch gebliel)en; dagegen
befinden sich die Posten Gara-Binzam und Suanke auf deutschem Gebiete
Auch in Kakaboine ist bei den letzten Unruhen ein Posten errichtet
worden, der jedoch nicht ständig sein sollte.
Die Besatzung beträgt für die beiden Bezirke Mwung und Dschua zu-
sammen I Kapitän, 3 Leutnants, 10 Unteroffiziere und 200 Mannschaften.
Die Personalkosten betragen 115 goo Franken. Der Bezirk Dschua hegt
etwa zur Hälfte auf deutschem Gebiete. In Mwine, Suanke und Alati
sind Faktoreien der Ngoko-Sanga-Gesellschaft.
B. Mittel-Kongo.2)
umfaßt den französischen Teil des unteren Kongo-Gebietes, das Sanga-
Gebiet und das rechte Ufer des Ubangi. Es zerfällt in 16 Bezirke mit
31 Unterbezirken. Die Zahl der Verwaltungsposten beträgt gegenwärtig
40. Von dem etwa 400 000 qkm umfassenden Gebiete ist etwa y^ ^) tat-
sächlich in Verwaltung genommen. Die Hauptstadt ist Brazza\'ille.
Von den Bezirken liegen auf deutschem Gebiete:
I. Der Bezirk Kudu. Er ist begrenzt im Norden durch die frühere
Kameruner Grenze und erstreckt sich östhch bis an den Komo. Er steht
unter Militärverwaltung und zerfällt in die zwei Unterbezirke Sembe,
Sufley (Ngoila). Sitz der Verwaltung ist Sufley. Nebenposten sind in
Sembe und Ndia. Ein weiterer ständiger Posten ist für Salangoje vorge-
sehen. Bei den Unruhen vor einigen Jahren ist auch in Badzok ein (nicht-
ständiger) Militärposten errichtet worden. Die Besatzung besteht aus
I Kapitän, 3 Leutnants, 10 Unteroffizieren und 200 Mannschaften. Die
Personalkosten betragen 114 700 Franken. Der Bezirk liegt fast ganz auf
') Nach der Mitteilung eines deutschen Postens standen Ende 191 1 in
Vadi folgende Truppen: i Hauptmann, i Leutnant, i Unteroffizier, 120 farbige
Mannschaften; in Minkebe und in Suanke je i Unteroffizier und 30 farbige Mann-
schaften. Diese Mitteilung hat noch den Stand vordem Erlasse vom 3. Okt. 191 1 im
Auge, durch den der frühere Bezirk Iwindo (Ver^valtungssitz Vadi) in die Bezirke
Dschua, Mwung, Mittcl-Ogowc und Munianki eingeteilt worden ist.
*) Die Vcrwaltungscinteilung Mittel-Kongos beruht auf den Erlassen vom
27. Sept. 1909, 5. Okt. 1910 und 5. Okt. 1911; vgl. Servel S. 121.
=>) Vgl. dazu § 36.
— 120 —
deutschem Gebiet. In Sufley, Sembe, Ngoila und Dongo sind Faktoreien
der Ngoko-Sanga-Gesellschaft.
2. Der Bezirk Sanga umfaßt das deutsche Gebiet vom Komo
ostwärts bis Wesso und das Flußgebiet des Sanga, im Norden bis in die
Gegend von Nola, im Süden bis nach Pikunda. Sitz der Verwaltung ist
Wesso. Als Unterbezirke sind abgetrennt die Gebiete Ikelemba und
Bajanga (und Ngongo?). Das Verwaltungspersonal besteht aus 3 Zivil-
beamten und 2 Dolmetschern. Das Gebiet ist von einer Polizeitruppe
in Stärke von 60 Mannschaften und Sergeanten besetzt. Die Personal-
kosten betragen 36 380 Franken. Der Bezirk liegt fast ganz auf deutschem
Gebiete. In Wesso, Ngali und Bajanga sind Faktoreien der Ngoko-Sanga-
Gesellschaft, in Bajanga, Dalo, Ikelemba, Bussinde und Pikunda^) Fak-
toreien der Cie. Forestiere Sanga-Ubangi. 2)
3. Der Bezirk Mossaka umfaßt das Flußgebiet des Likuala-
Mossaka (Unterbezirke: Makua, Fort Rousset und Etumbi). Die Ver-
waltung wird hier nur in sehr geringem Umfange ausgeübt. Der Bezirk
reicht im Norden mit einer Spitze in das deutsche Gebiet, und östlich
gehört die linke, also deutsche Uferseite des Kandeko und des Likuala-
Mossaka zu diesem Bezirke. Besondere Verwaltungskosten für den in
deutschem Gebiete hegenden Teil scheinen bisher nicht erwachsen zu sein.
In diesem Bezirke hegt Bonga am Ufer des Kongo. In der Nähe des Zu-
sammenflusses des Kandeko und Likuala-Mossaka, in Ntoku (Remond-
ville) hegt eine Faktorei der Cie. Frangaise du Haut-Congo.
4. Der Bezirk Likuala umfaßt das Flußgebiet des grünen Likuala
und das Unterlaufgebiet des Sanga und grenzt östlich an den Ubangi.
Die Verwaltungssitze Lukolela, Impfondo (Desbordesville) und Epena
liegen auf französisch gebliebenem Gebiete, so daß für den jetzt deutschen
Teil, obwohl er die größere Hälfte ist, besondere Verwaltungskosten nicht
entstanden sind. In diesem Bezirke liegen die Faktorei Likunda der Cie.
Sanga-fiquatoriale und die Faktoreien Ebembe und Kagasenke der Cie,
Forestiere Sanga-Ubangi.
5. Der Bezirk Ibenga-Motaba umfaßt die Flußgebiete der
Flüsse, nach denen er benannt ist. Hier besteht Müitärverwaltung. Er
reicht nur mit einem kleinen Teil auf deutsches Gebiet. Hier wird noch
keine Verwaltung ausgeübt. In Lopi ist eine Faktorei.
6. Der Bezirk Lobaje umfaßt das Gebiet zwischen Mbi und dem
Lobaje. Hier besteht Militärverwaltung, der Sitz der Verwaltung ist
Mbaiki. In Boda ist ein Militärposten. Die Besatzung besteht aus i Kapi-
1) Die letzten beiden Faktoreien liegen in konzessionsfreiem Gebiet.
2) In Tibundi soll ein Zollposten stehen.
— 121 —
tän, 3 Leutnants, lo Unteroffizieren, 200 Mannschaften der Schutztruppe
und 20 Mannschaften der Polizeitruppe. Die Personalkosten betragen
122 400 Franken. Der Bezirk liegt fast ganz auf deutschem Gebiete.
Die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi hat in Baiki, Bollemba, Buschia und
Yaka^) Faktoreien.
7. Der Bezirk Mpoko umfaßt das Flußgebiet des Mpoko, er reicht
nur mit einem kleinen Teile auf deutsches Gebiet. Da die Vervvaltungs-
sitze der hier bestehenden Militäx\-er\valtung auf französisch geblietenem
Gebiete sind, sind für deutsches Gebiet keine besonderen Ver\valtungs-
kosten entstanden.
8. Der Bezirk Yangere mit dem Verwaltungssitze in Kämet
und den Unterbezirken Makandschia und Bambio, umfaßt das Gebiet
zwischen dem Sanga, dem Mambere und dem Lobaje. Das Verwaltungs-
personal setzt sich zusammen aus 7 weißen Beamten, 4 schwarzen Ange-
gestellten und 60 Mannschaften und Sergeanten der Poüzeitruppe. Die
Personalkosten betragen 57 520 Franken. Der Bezirk liegt ganz auf
deutschem Gebiete. Die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi hat Faktoreien
in Kamot, Kumbe, Bula, Mboko (bei Makandschia), Bambio, Lamba
(Grima), Ngotto, Ngundi, Kamba Oro, Toro und Tongo, In Kamot be-
findet sich außerdem noch eine Handelsniederlassung der Cie. Commerciale
de Colonisation du Congo Fran^aise.
9. Der Bezirk Mbimu, zwischen Sanga, Kadei und der früheren
Kameruner Grenze hat seinen Verwaltungssitz in Sosso. Im südlichen
Teile ist ein Unterbezirk mit dem Sitze in Abogi errichtet. 2) (früher be-
standen 2 Unterbezirke, in Molaje und Ngombako). In Mauvej nahe der
früheren Grenze befindet sich ein Polizeiposten. Das Personal setzt
sich zusammen aus 4 weißen Beamten, 2 farbigen Angestellten und 60
Mannschaften und Sergeanten der Polizeitruppe. Die Personalkosten
betragen 45 500 Franken. Der Bezirk liegt ganz auf deutschem Gebiete.
Die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi hat hier folgende Faktoreien: Molaje,
Mauvej, Bukongo, Bajanga, Bakobo (Bidschukis), Bandschia, Ngombako
(Koapulis).
IG, Der Bezirk Baja zwischen dem Mambere, dem Kadei und der
früheren Kameruner Grenze, hat seinen Verwaltungssitz in Nola. Der
Sitz des Unterbezirkes Gaza ist in dem gleichnamigen Orte, der Sitz des
Unterbezirks Bania in Berberati. In Kentzu am Kadei nahe der früheren
Grenze steht ein PoUzeiposten. Das Versvaltungspersonal setzt sich zu-
') Yaka auf konzessionsfreiem Gebiet.
^) Nach einer anderen Mitteilung ist der Bezirk in die Unterlwzirko Lnsso
(Sosso?), Toma und Kadei eingeteilt.
— 122 —
sammen aus 5 weißen Beamten, 4 schwarzen Angestellten und 60 Mann-
schaften und Sergeanten der PoHzeitruppe. Die Personalkosten betragen
52 380 Franken. In Nola ist ein Zollposten. Der Bezirk liegt ganz auf
deutschem Gebiete. Die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi hat hier folgende
Faktoreien: Nola, Bania, Kapomu, Berberati, Tapuru, Ndaja, Doago,
Nguku und Kentzu.
II. Der Bezirk Haussa, mit dem Verwaltungssitze Babua und
dem Unterbezirke Nzotua^) umfaßt das Flußgebiet des Nana und wird
im Osten begrenzt von der früheren Kameruner Grenze und im Norden
von Ubangi-Schari-Tschad. Das Verwaltungspersonal besteht aus 4
weißen Beamten, 2 farbigen Angestellten und 60 Mannschaften und
Sergeanten der Polizeitruppe. Die Personalkosten betragen 41 620 Franken.
In Kunde ist ein Zollposten. Der Bezirk liegt ganz auf deutschem Gebiete.
Die Faktorei Abba gehört noch zum Gebiete der Cie. Forestiere Sanga-
Ubangi. Die Faktoreien Gambo, Nana, Bibiti, Za(oro)-Yanga, Babua
gehören zum Konzessionsgebiete der Cie. Commerciale de Colonisation
du Congo Frangais. Die Compagnie Mambere-Sanga i. Liqu. hat in
Kunde eine Faktorei.
C. Die Kolonien Ubangi-Schari und Tschad
umfassen das Stromgebiet des Logone und des Schari, haben hier ihre
Südgrenze also an der Wasserscheide gegen den Sanga und Ubangi, weiter
östhch ist ihre Südgrenze der Ubangi selbst. Hauptstadt ist Bangi. Der
Sitz der Militärverwaltung für das Tschad- Gebiet, die unter dem Gou-
verneur von Ubangi-Schari steht, ist Fort Lamy. Von den 20 Verwal-
tungsbezirken 2) und 22 Unterbezirken liegen auf jetzt deutschem Gebiete:
1. Der Bezirk Haute- Ouahme mit dem Sitze in Bozum und
einem Unterbezirke in Buala. Vor kurzem ist weiter nördlich noch ein
weiterer Unterbezirk geschaffen worden. Der Bezirk umfaßt das Ober-
laufgebiet des Uam. Das Verwaltungspersonal setzt sich zusammen aus
9 weißen Beamten, 4 farbigen Angestellten und 100 Mannschaften und
Sergeanten der Polizeitruppe. Die Personalkosten betragen 88 500 Fran-
ken, Der Bezirk liegt fast ganz auf deutschem Gebiete. In Bozum be-
findet sich eine Faktorei der Cie. Frangaise de l'Ouahme et de la Nana.
2. Der Bezirk Pende, mit dem Verwaltungssitze in dem auf deut-
^) Nach einer anderen Mitteilung soll auch Kunde als Unterbezirk abge-
trennt sein.
^) II in Ubangi-Schari und 9 in Tschad. Die Verwaltungseinteilung von
Ubangi-Schari beruht auf den Erlassen vom 19. Sept. 1909, 5. Okt. 1910 und
4. Okt. 1911; die von Tschad auf dem Erlasse vom 5. Okt. 1910. Vgl. Servel
5. 122 f. und die Karte I.
— 123 —
scheni Gebiete liegenden G(ire und dem l'nterlK'zirke Bailxjkum. Er
umfaßt das Flußgebiet des Pende östlicii bis zum Nana und westlich
bis zur früheren Kameruner Grenze. Das Vervvaltungspersonal besteht
aus 7 weißen Beamten, 3 farbigen Angestellten und 80 Mannschaften
und Sergeanten der Polizeitnippe. Die Personalkosten lx?tragen 69 340
Franken. Der Bezirk liegt fast ganz auf deutschem Gebiete,
3. Der Bezirk Moyen-Logone. Hier l^esteht Militärverwaltung.
Die Verwaltungssitze ^) Lai und Doba liegen auf dem rechten Ufer des
Logone und Pende, sind also französisch geblieben; die größere Hälfte
des Bezirkes liegt aber auf deutschem Gebiete. Neben der Schutztruppe
scheint liier auch eine Anzalil Polizeisoldaten verwendet zu werden,
über die Verwaltungskosten hegen zuverlässige Angaben nicht vor.
4. Der Bezirk Mao Kabi, mit dem Verwaltungssitze in Lere und
Posten in Binder-Nairi, Fianga und Pogo steht ebenfalls unter Militär-
verwaltung und umfaßt den bisher französischen, sogenannten Lere-
Zipfel. Er liegt fast ganz auf dem jetzt deutschen Gebiete. Für die Zu-
sammensetzung der Besatzung aus Polizei und Schutztruppe gilt das
gleiche wie für den Bezirk Moyen-Logone. Zuverlässige Mitteilungen
über die Verwaltungskosten liegen hier gleichfalls nicht vor. Die Cie.
Fran^aise de l'Ouahme et de la Nana hat in Lere eine Handelsnieder-
lassung errichtet und erst vor kurzem ein 10 000 qm großes Gebiet bei
Pogo zuerteilt erhalten.
Wenn man aus den vorstehenden Angaben eine annähernde Schätzung
des bisherigen Personalbestandes und der Personalkosten in Neu-Kamerun
erhalten \vill, so kann das nur in der Weise geschehen, daß für die Bezirke
die ganz in Neu-Kamerun liegen, die ganzen Bestände und Kosten; füi
die nur zum Teile in Neu-Kamerun liegenden Bezirke die Bestände und
Kosten mit dem Bruchteile angesetzt werden, mit dem die Bezirke in
Neu-Kamerun liegen. Soweit für Grenzbezirke besondere Kosten für
Neu-Kameruner Gebiet nicht entstanden sind, sind ihre Kosten ganz
außer Ansatz zu lassen. Für Moyen-Logone und Mao Kabi, für die genaue
Ziffern nicht vorliegen, müssen Durchschnittsziffem angesetzt werden.
Eine solche Berechnung ergibt
an Personalkosten für
Gabun rund 200 ooo Franken
Mittel-Kongo 500000
L'bangi-Schari-Tschad . . ,, 250000
zusammen 950 000 Franken
oder 760 000 M.
*) Nach einer anderen Mitteilung soll Bchaglc Vcrwaltungssitz sein.
— 124 —
und an Personalbestand für das ganze Gebiet etwa 2 Administrateurs,
12 Administrateurs Adjoints, 28 Adjoints und Commis, 3 eingeborene
Schreiber, 31 Dolmetscher, 50 Sergeanten und Gefreite, 650 Polizei-
mannschaften, 5 Hauptleute, 13 Leutnants, 45 Unteroffiziere und 700-
Schutztruppenmannschaften.
§ 41. Die vollständige Aufteilung Neu-Kameruns in Verwaltungsbezirke
darf aber nicht zu der Annahme führen, daß das ganze Gebiet auch tat-
sächlich schon französischerseits in Verwaltung genommen worden sei. Die
Verwaltung beschränkt sich in Wirklichkeit auf Teüe der einzelnen Bezirke.
Die große Ausdehnung Französisch-Äquatorial-Afrikas über annähernd
20 Breitengrade, die Unwegsamkeit großer Gebiete infolge der vielen
Sümpfe, Flüsse und Wälder, der Mangel an Verbindungswegen usw.
haben die Einrichtung der Verwaltung sehr erschwert und in letzter Zeit
zu einer immer stärkeren DezentraUsierung geführt. Dabei hat die Ver-
waltungstätigkeit sich nicht in allen Gebieten gleich stark entwickelt, am
am wenigsten stark in Gabun, obgleich man hier wegen seiner Küstenlage
eigentlich die stärkste Verwaltungstätigkeit vermuten sollte; etwas mehr
in Mittel-Kongo und am stärksten in den nördlichen Gebieten. Diese
Erscheinung kommt auch in den Ein- und Ausfuhrziffern, den Zoll-
einnahmen und den Steuereingängen zum Ausdruck und ist darauf zurück-
zuführen, daß die Kolonisierung in Französisch-Äquatorial- Afrika der
französischen Regierung bis vor kurzem nicht Selbstzweck gewesen ist,
sondern nur ein Mittel für die militärischen und pohtischen Ziele, die
weiter im Norden, im Sudan verfolgt wurden. Die Verwaltungstätigkeit
hat daher vorwiegend sich auf diese nördlichen Gebiete und ihre Zugangs-
straßen gerichtet. Die Verwaltung und Erschließung der übrigen Gebiete
ist in der Hauptsache den Konzessions- Gesellschaften überlassen worden.
Darin ist erst seit einigen Jahren ein Wandel eingetreten, und seitdem
hat die Intensität der Verwaltung auch in den übrigen Gebieten zuge-
nommen.
Den derzeitigen Stand der französischen Vervvaltungstätigkeit und die
sie beherrschenden Verwaltungsgrundsätze ohne örthche Kenntnis darzu-
stellen, ist nicht möglich. Der Gouverneur von Französisch-Äquatorial-
Afrika hat bei der Eröffnung des Gouvernementsrates im Oktober 191 1
einen Überbhck über den derzeitigen Stand gegeben. Seine Rede soll
daher, soweit sie das abgetretene Gebiet berührt, im folgenden auszugs-
weise wiedergegeben werden, wobei aber, wenn man zu einem zutreffenden
Urteüe kommen will, ein gewisser Optimismus in der Darstellung der
Verwaltungstätigkeit der letzten Jahre in Rechnung zu setzen ist. Er
führte ungefähr aus:
„Die Erschließung des Landes ist im Laufe des letzten Jahres plan-
— 125 —
mäßig und mit Erfolg fortgesetzt worden. Die nülitärisclie Besatzung, die
im Jahre 1908 nur 2400 Mann betrug, ist bis Anfang 191 1 auf 4700 erhöht
worden und wird in kurzem 7000 betragen. In der gleichen Zeit stieg die Zahl
des mit der Verwaltung der Eingeborenenlxjzirke betrauten Personals
von 107 auf 262, die Zalil der X'erwaltungsposten von 87 auf 150, die Zahl
der Bezirke und Unterbezirke von 17 auf 211. Die Durchdringung des
Landes hat mit Ausnahme der \'erwickelungen in W'adai keine größeren
Schwierigkeiten gemacht.
In Ubangi-Schari ist die Besetzung des Uam-Gebietes abgeschlos-
sen worden; die Steuereingänge haben sich im Jahre 1910 um 141 000
Franken auf 615 000 Franken gehoben und sind ohne Schwierigkeiten
eingegangen.
Noch erfreulicher ist die Lage in Mittel-Kongo. Das Land ist
überall unter den ausgezeichnetsten Umständen besetzt worden. Im
Kudu-Lande, wo in den Jahren 1908/09 größere militärische Unterneh-
mungen notwendig waren, ist die Ordnung nicht gestört worden. Einige
Stämme haben aber die Befestigungen ihrer Dörfer noch nicht nieder-
gelegt, wie ihnen aufgetragen worden ist, und sie haben sich wenig ge-
neigt gezeigt, die Geldbußen, die ihnen auferlegt worden sind, und die
Kopfsteuer zu bezaWen. Diese Haltung scheint aber weniger auf ihren
eigenen bösen Willen zurückzuführen zu sein, als auf das schlimme Bei-
spiel, das ihnen ihre Nachbarn, die Völkerschaften des oberen Dschadie
imd des Dschua geben. Es ist zu erwarten, daß die im Gange befindlichen
Unternehmungen gegen die Sanga-Sanga von Kakaboine einen guten
Einfluß auf die Bevölkerung des Kudu-Landes ausüben werden. Am
Ibenga und Motaba schreitet die Ersclüießung des Landes inmitten einer
wilden, mißtrauischen und feindseügen Bevölkerung langsam vorwärts.
Entschlossenheit und Geduld hat dieser Bevölkerung gegenüber bisher
ausgereicht. Dagegen wird es vielleicht notwendig sein, gegen gewisse
Völkerschaften des oberen grünen Likuala schärfer vorzugehen, die
jede Berührung mit der Versvaltung verweigern und die benachbarten,
unterworfenen Völkerschaften fortgesetzt belästigen. Die Einrichtung
der Verwaltung in dem weiten Gebiete des Likuala-Mossaka sclu^eitet
mit Unterstützung der Cie. Fran^aise du Haut-Congo ohne Störung vor-
wärts, überall, wo überhaupt bisher Steuern eingehen, werden sie in
Geld bezahlt. Das große Gebiet, daß das Sanga-Becken bildet, entwickelt
sich unter ausgezeichneten Bedingungen. Die Völkerschaften der Baja,
die es bewohnen, sind endgültig unterworfen, und arbeiten unter dem
Antriel)e der Gesellschaften, die hier, wie es scheint, eine gescliicktere und
glücklichere Tätigkeit entwickeln, als ander%värts, tätig an der wirtschaft-
lichen Entwicklung ihres Landes mit. Es ist bedauerhch, daß dieses
— 126 —
Gebiet heute unter den Verheerungen der Schlafkrankheit leidet. Die
Verwaltung trifft unter Mitwirkung der Cie, Forestiere Sanga-Ubangi
aUe Maßnahmen, um diese Seuche einzudämmen. Nach Karnot und Nola
sind bereits Ärzte entsandt worden ; die Entsendung weiterer Ärzte steht
bevor. Auch sollen hier verschiedene Sanitätsposten gegründet werden.
Mit der Erschließung des Landes ist auch der Ertrag der Kopfsteuer ent-
sprechend rasch gestiegen; von 632 000 Fr. im Jahre 1909 auf 850 000 Fr.
im Jahre 1910; der Ertrag wird im Jahre 1911 voraussichtlich i^ Mill. Fr.
erreichen. Sie wird fast überall in Geld bezahlt. Im Jahre 191 1 wird
Mittel-Kongo 2 neue Schutztruppen-Kompagnien erhalten, so daß seine
effektive Stärke auf 6 Kompagnien gebracht wird.
In Gabun schreitet trotz des erhöhten Bestandes an Mihtär- und
Verwaltungspersonal die Erschließung weniger rasch vorwärts. Im
ganzen nördlichen Teil des Gebietes hat man es mit den Völkerschaften
der Pangwe zu tun, die zwar stark und inteUigent, aber auch besonders
unruhig und unbotmäßig sind. Im Norden von Libreville am Komo und in
der Gegend von Ekododo waren verschiedene Unternehmungen der
Pohzeitruppe notwendig. Die Besetzung des oberen Iwindo-Beckens voll-
zog sich ohne Störung. Zwischen Dschua und dem Dschadie aber hat
eine Gruppe der Sanga-Sanga, deren Hauptsitz Kakaboine^) ist, sich
besonders feindselig gegenüber unserer Niederlassung im Lande gezeigt.
Nachdem sie bisher den Weg zwischen Madschingo und Sembe abge-
schnitten und fortwährend die uns ergebenen Völkerschaften belästigt
haben, sind sie im Frühjahr 19 11 sogar so weit gegangen, unsere Truppen
anzugreifen und den Posten von Nzakamatu zu belagern. Gegenwärtig
ist eine Abteilung unter einem Hauptmann in diesem Bezirke tätig. Nach
mehreren Scharmützeln die auf dem Wege nach Kakaboine stattfanden,
ist Kakaboine selbst, ein sehr stark befestigter und für uneinnehmbar
gehaltener Punkt, am 25. August eingenommen worden. Dieses Gebiet
wird in Zukunft stärker besetzt werden können, da Gabun eine neue
Kompagnie zugeteilt werden wird. Die Kopfsteuer hat im Jahre 1910
nur 300 000 Fr. gebracht, im Verhältnis zu den anderen Kolonien ein
geringer Ertrag."
Bei der Besprechung der Eingeborenenpohtik kommt der General-
gouverneur auf den Gesetzentwurf zu sprechen, der die Verleihung des
französischen Bürgerrechtes an Eingeborene zulassen soU und der dem
Gouvernementsrat in seiner damahgen Tagung vorgelegt worden ist.
BezügHch der Eingeborenenbehandlung muß der Generalgouverneur zu-
1) Kakaboine liegt nicht, wie der Generalgonverneur sagt, zwischen Dschua
und Dschadie, sondern nördlich des Dschua, also auf deutschem Gebiete.
— 1^7 —
geben, daß die Erlasse der Repiening häufig falsch und mit Nachlässigkeit
ausgeführt werden, und er weist unter Zusicherung vollständiger Ablülfe
auf das Dekret über den Arbeitsvertrag vom 7. April 191 1 hin, das die
vollständige Freiheit in der Abschließung von Arbeitsverträgen sicher-
stellt. Er regelt die Arbeits\erhältnisse mit einer Mindestdauer von
3 Monaten und bestimmt, daß dem Abschlüsse des Vertrages eine ärztliche
Untersuchung vorauszugehen hat und daß für ärztliche Behandlung
während des Arbeitsverhältnisses gesorgt werden muß. Die Arbeitszeit
ist auf IG Stunden täghch mit einem arbeitsfreien Tag in der Woche fest-
gesetzt. Löhne müssen in Geld bezahlt werden, die Beköstigung wird in
Natiu-alien gegeben. Die Strafbestimmungen gegen den Unternehmer
sowohl wie gegen den Angestellten sind verschärft worden.
Über die Verwaltungstätigkeit zur Verbesserung der sanitären
\'erhältnisse führt der Generalgouvemeur aus, daß die Zahl der Arzte
im Jahre 1911 auf 37 gestiegen sei; 23 Sanitätsposten wurden errichtet,
darunter einer in Wesso, in Kamot und in Nola. An jedem dieser Posten
befindet sich ein Sanitätsoffizier. Zur Bekämpfung der Schlafkrankheit
wurde an allen Krankheitsherden ein Überwachungsdienst und im ganzen
Schlafkrankheitsgebiete der Gesundheitspaßzwang eingeführt. Mit der
Niederlegung des Buschwaldes um die Anlegeplätze und Wasserstellen
und an Furten, mit der V^erlegung von Eingeborenendörfem von den
Flußläufen an entferntere Stellen und mit der Errichtung von Schlaf-
krankenlagem wurde planmäßig begonnen.^) Zur Bekämpfung der
Pocken \\-urden verschiedene Impfstationen errichtet, darunter eine in
Lere.
Für den Eingeborenen-Unterricht ist bisher sehr wenig geschehen.
Mit der Errichtung von Schulen an einzelnen Orten ist bereits begonnen
worden, unter anderem war für Nola für 1912 die Errichtung einer Schule
vorgesehen.
Diese Ausführungen des Generalgouvemeurs sollen im folgenden
in einigen Punkten noch ergänzt werden. Über die Methode der Ein-
geborenenbehandlung-) hat der Generalgouvemeur wenig gesagt.
Aus der früheren Periode ist bekannt, daß die französische Verwaltung
der Frage der Eingeborenenbehandlung ziemlich gleichgültig gegenüber-
gestanden und die Lösung dieser Frage den Konzessionsgesellschaften
überlassen hat. Daraus haben sich Zwangsmaßnahmen und Bedriickungen
und die bekannten Mißstände in der Eingeborcnenbehandlung ergeben,
') Vgl. dazu § 37.
*) Vgl. dazu das Rundschreiben des Generalgouvemeurs vom i. August 1909.
Servel S. lo^ff. und Questions dipl. et cd. 1906 S. 3S5.
— 128 —
von denen in der ganzen französischen Kongo- Literatur so viel die Rede
ist. Mit der Einführung des neuen Verwaltungsregimes hat die fran-
zösische Verw'altung die Lösung dieser Frage selbst in die Hand genommen ;
sie scheint gegenüber der früheren Praxis aber in das andere Extrem
verfallen zu sein. Es scheint der Grundsatz zu gelten, daß jede Maßnahme
zu vermeiden ist, die von den Eingeborenen nur im geringsten als Be-
schränkung ihrer vollen Ungebundenheit empfunden werden könnte.
So berichtet ein deutscher Grenzposten, der mit einem auf einem Ex-
peditionsmarsche befindhchen, französischen Posten an der Grenze zu-
sammentraf, daß der französische Posten in seiner Aufgabe vollständig
lahmgelegt gewesen sei, weil ihm die Träger entlaufen waren und die
Eingeborenen keinen Trägerdienst leisten wollten. Da der französische
Postenführer strikte Anweisung hatte, jeden Druck auf die Bevölkerung
zu vermeiden, mußte er nach neuen Trägem zurückschicken und ihr
Eintreffen abwarten. Dagegen zeigten sich die zu dem gleichen Stamm
gehörigen Eingeborenen auf deutschem Gebiete ohne weiteres bereit,
Trägerdienste zu leisten, da die straffere, deutsche Verwaltungsmethode
die Eingeborenen auch ohne Ausübung eines besonderen Zwanges in
Gehorsam hält. Ähnliche Vorkommnisse werden in anderen Berichten
erwähnt. Ob es sich dabei nur um vereinzelte Erscheinungen handelt
oder ob diese Vorkommnisse auf eine allgemeine Anweisung zurück-
zuführen sind, kann natürUch hier nicht festgestellt werden. Die im
neuen Gebiete in Zukunft tätigen deutschen Lokalverwaltungen werden
aber ihr Augenmerk auf die bisherige französische Praxis der Einge-
borenenbehandlung zu richten haben, um den Übergang zur deutschen
Praxis ohne Störung zu vollziehen. Die französischen Verwaltungs-
stellen befinden sich ohnedies durch die Kenntnis und die bisherige
persönhche Berührung mit den Eingeborenen Neu-Kameruns in einer
gewissen Überlegenheit und bei der überall an den Grenzen bestehenden
Rivalität werden sie versuchen, die Bevölkerung auf das französisch
gebhebene Gebiet herüberzuziehen. Verschiedene Berichte aUerneuesten
Datums lassen erkennen, daß einzelne französische Verwaltungsposten
schon jetzt in der Übergangszeit eine solche Übersiedelung vorzubereiten
suchen.
Die politische Organisation der Eingeborenen beruht in Gabun und
Mittel- Kongo fast überall nur auf der Dorfsiedelung. Eine Zusammen-
fassung mehrerer Siedelungen zu einem größeren Gemeinwesen unter
einem gemeinsamen Oberhaupte ist sehr selten und ist, wo sie vorkommt,
auf die Berührung mit dem Islam zurückzuführen. Die französische
Eingeborenen pohtik war bisher bestrebt, die Stellung der Dorfhäupt-
linge zu stärken und der Verwaltung dienstbar zu machen. In Ubangi-
— 129 —
Schari und Tschad geht die poUtische Organisation in der Regel ulx-r
die Dorfsiedelung hinaus und erstreckt sich auf griiÜere Stämme imter
einem gemeinsamen Oberhaupte.
Im Jahre 189S bestanden in Fran/.«)sisch-Aqu.it')rial-Afrika 52 katho-
lische und protestantische Missionsschulen, an welchen im Jahre
1900 2654 und im Jahre 1903 4062 Schüler und Schülerinnen unterrichtet
\vurden. Von der letzteren Zahl entfallen 2917 auf die katholischen
und 1145 auf die protestantischen Missionsschulen. Außer den gewöhn-
lichen Elementarfächern wurde hauptsächlich praktischer Unterricht
in Pflanzungsarbeit und Kautschuksammeln erteilt.
Durch Ministerialerlaß \-om 11. Februar 1906 ist den Konzessions-
Gesellschaften das Recht gegeben worden, Eingeborenenschulen zu
gründen. Die Cie. Forestiere Sanga-Ubangi unterhält zurzeit in Bania
eine solche Schule mit ungefähr 50 Schülern, die durch einen weißen
Lehrer und einen eingeborenen Gehilfen geleitet wird. Ob an anderen
Orten noch mehr solche Schulen bestehen, kann nicht angegeben werden.
Es ist von französischer Seite darauf hingewiesen worden — und die
Praxis der Cie. Forestiere Sanga-Ubangi, die aufgenommenen Schüler
zu zweijähriger Kautschukarbeit zu verpflichten, scheint das zu be-
stätigen — , daß den Gesellschaften durch diese Berechtigung die Mög-
lichkeit gegeben ist, unter dem Deckmantel des Schulbetriebes eine Art
Kontraktarbeitssystem einzuführen.
Das vom Generalgouvemeur envähnte Dekret über den Arbeits-
vertrag ist in seiner gnmdsätzlichen Auffassung und den einzelnen
Bestimmungen durchaus anzuerkennen und entspricht der Arbeits-
verordnung, die in Alt-Kamerun in Geltung ist. Wenn sich trotzdem
in Französisch-Äquatorial-Afrika bis in die letzte Zeit noch Mißstände
in der Arbeiterbehandlung gezeigt haben, so ist dabei zu berücksichtigen,
daß ein schriftlicher Arbeitsvertrag unter Mitwirkung der Verwaltung
nur dann notwendig ist, wenn das Arbeitsverhältnis von vornherein
auf eine Dauer von mehr als 3 Monaten abgeschlossen ist; femer, daß
die Konzessions-Gesellschaften mit den Eingeborenen meistens über-
haupt nicht in einem vertraglichen Verhältnis stehen. Sie liindem die
nichtangestellten Eingeborenen nicht, in ihren Konzessionsgebieten
Kautschuk zu sammeln: sie sorgen nur dafür, daß der auf ihrem Gebiete
gesammelte Kautschuk das Konzessionsgebiet nicht \-crläßt, sondern
ihnen abgeliefert wird. Die dabei gezahlten Löhne stehen außerhalb eines
Arbeitsvertrages. ^)
Für die Eingeborenengerichtsbarkeit ist das Dekret vom
') Vgl. dazu den Vertrag der Cie. Forestidrc. in .Vnhang III Ziff. 3.
Vcröffentl. d. Rcichskolonialamtcs Nr. 4 : Ritter. 9
— 130 —
12, Mai igio und der Erlaß vom 5, Oktober 1910 maßgebend. Es teilt die
Zuständigkeit in eine richterliche und eine disziplinare. Die richterliche
ist den Eingeborenengerichten übertragen, die am Hauptsitze jeder
Bezirksverwaltung bestehen, in Zivilsachen eine unbeschränkte Zu-
ständigkeit haben und mit dem Vorstande der Bezirksverwaltung be-
setzt sind. Sie sind in der Regel auch für Strafsachen zuständig. Die
schweren Vergehen gegen die französische Herrschaft oder die öffenthche
Sicherheit sind aber der Gerichtsbarkeit der Leutnant- Gouverneure
vorbehalten. Die Leiter der Unterbezirke haben nur eine beschränkte
Zuständigkeit als Friedensrichter, Die disziplinare Zuständigkeit ist
den Verwaltungsbehörden übertragen.
Die Besatzungsstärken der Polizei und Schutztruppen sind
für die einzelnen Bezirke oben angegeben. Näher auf die Stärke der
Schutztruppe und Polizeitruppe in ganz Französisch-Äquatorial-Afrika
einzugehen, ginge über den Zweck dieser Zusammenstellung hinaus.
Das Kommando über die den einzelnen Bezirken zugeteilten Abteilungen
der Polizeitruppe führen gewöhnlich ausgediente Senegalschützen, die
an die Anordnungen des Vorstehers der Bezirksverwaltung gebunden
sind. Für die Verteilung der Polizeitruppe im Bezirk besteht der Grund-
satz, in den erschlossenen Gebieten möglichst jedes größere Dorf und
vor allem jede Faktorei mit einem kleinen Posten zu besetzen, so daß
also anzunehmen ist, daß die Mehrzahl der auf Karte H angegebenen
Faktoreien einen kleinen Posten hat. Die Mannschaften erhalten einen
täglichen Sold von 30 Cts., dazu 4 Franken monatliches Verpflegungs-
geld, ihre Kleidung haben sie sich selbst zu beschaffen. Die Mannschaften
sind ohne genügende militärische Ausbildung, mit alten Gewehren und
Seitengewehren ausgerüstet. Der militärische Wert der Polizeitruppe
wird von deutschen Grenzposten als gering bezeichnet. Sie ist bisher aus
den Eingeborenen der Kolonie selbst rekrutiert worden, besonders aus
den Yakoma, ferner aus Monrovialeuten, Kamerunern und belgischen
Kongolesen. Neben den allgemeinen Aufgaben der Polizeiverwaltung
versieht die Polizeitruppe den Gefängnisdienst. Als Gefängnisse dienen
an den Verwaltungssitzen der Bezirke und Unterbezirke zu diesem Zweck
errichtete Holzhütten. Zur Steuereintreibung sollen die Polizeisoldaten
nach strikter Anweisung des Generalgouverneurs nur unter unmittel-
barer Aufsicht eines weißen Beamten verwendet werden.
Als Besatzungseinheit der militärischen Venvaltungsbezirke soll
grundsätzlich eine Kompanie Schutztruppe (Tirailleurs Senegalais) ^)
J) Früher bestand die Schutztruppe in Französisch-Äquitorial-Afrika nur aus
Segenalleuten; in letzter Zeit werden aber auch Leute aus Monrovia und Da-
homey eingestellt, die sich aber als Soldaten schlechter bewähren.
— 131 —
gelten, die unter Leitung' eines Hauptmanns am Sitze der Be/irksver-
waltun^ steht. Wo es für die Durchführung der \'er\valtung notwendig
ist, sollen Nebenposten unter der Leitung eines Leutnants mit einem
Mannschaftsbestande von wenigstens 50 Mann errichtet werden. Dabei
wird davon ausgegangen, daU ein Posten von drei Europäern und 50 — 70
Mannschaften einen Bezirk von 30 qkm Buschland und 50 qkm Steppen-
land beherrschen kann. Wo gute Verkehrswege bestehen, erhöht sich
natürlich dieser Beherrschungskreis entsprechend. Als Ziel hat sich
die französische Verwaltung dabei vorgesetzt, möglichst auf 1000 Ein-
wohner eine Besat/Amg von i Gewehr zu haben. ^) Die Schut/.truppe
ist mit einem Mehrladegewehr und Bajonett bewaffnet. Die Lohnung
beträgt 15 Franken für die Mannschaft und 18 Franken für den ein-
geborenen Unteroffizier.
Was die religiösen Verhältnisse betrifft, so besteht die
ganze Eingeborenenbevölkerung Neu-Kameruns noch aus Heiden.
Auch dort, wo die eingeborene Bevölkerung mit islamischen Völkern
in Berührung gekommen ist, und eine leichte Islamisierung statt-
gefunden hat, ist diese nur ganz oberflächlich und beschränkt sich
auf die Nachahmung äußerer islamischer Gewohnheiten, so der Kleidung
(Haussa-Gewand), der Feier von Festen, Beschneidung usw. Solche is-
lamische Spuren sind am weitesten südlich bei den \'ölkerschaften zwischen
Mambere und Kadei anzutreffen. Bis hierher sind schon einzelne Haussa
und Fulbe mit festen Niederlassungen vorgedrungen. Weiter nach Norden
macht sich die Islamisierung längs der früheren Kameruner Ostgrenze
stärker gelten, besonders bei den Mudang im früheren Lere-Zipfel.
Christliche Missionen scheinen in Xeu-Kamerun bisher sich nirgends
niedergelassen zu haben. In Bonga soll sich angeblich eine Missionsstation
befinden ; da Bonga aber in der Zeit der Überschwemmungen nicht be-
wohnbar ist, kann es sich hier nicht um eine ständige Niederlassung
handeln. Bei der kathohschen Missionsstation in Betu am Ubangi hat
die Absicht bestanden, vom Ubangi- Vorsprunge aus die Missionierung
des Sanga-Gebietes in Angriff zu nehmen. Diese Mission ist bisher aber
nicht dazu gekommen, im Ubangi- Vorsprunge festen Fuß zu fassen.
Ebenso hat eine amerikanische Missionsgesellschaft die Absicht gehabt,
im Muni-Gebiete tätig zu werden, und soll sich zu diesem Zwecke in
Butika einen größeren Grundbesitz gesichert haben. Zur Errichtung
einer Missionsstation ist es aber auch hier anscheinend nicht gekommen.
Im übrigen Teile Französisch-Äquatorial- Afrikas sind aber — wie aus
') In Französisch-Westafrika kommen auf S50 Einwohner 1 Gewehr, in Mada-
gaskar auf 224 Einwohner i Gewehr.
9'
— 132 —
dem oben über die Missionsschulen Gesagten hervorgeht — kathoHsche
und protestantische Missionen tätig.
Den Mitteilungen des Generalgouverneurs über die Ausbreitung
des Geldverkehrs ist noch hinzuzufügen, daß in Französisch-Äqua-
torial-Afrika die Einführung des Geldverkehrs unter den Eingeborenen
lange Zeit möglichst verhindert worden ist. Es geschah dies auf Ver-
anlassung der Konzessionsgesellschaften; denn sobald die Eingeborenen
Geld in Händen hatten, konnten sie mit den freien Händlern in
Handelsverkehr treten. Solange sie aber nur Kautschuk als Tausch-
mittel hatten, waren sie auf den Tauschverkehr mit den Konzessions-
gesellschaften angewiesen. Der Geldverkehr ließ sich aber nicht unter-
drücken und es sind große Beträge belgischen Geldes über die Grenze
gekommen.^) Das veranlaßte die französische Regierung, von ihrem
früheren Standpunkte abzugehen und das gewnnreiche Geschäft der
Silbermünzeneinfuhr selbst zu machen. In den letzten Jahren sind daher
erhebhche Mengen französischen Silbergeldes in Gabun und Mittel-
Kongo eingeführt worden, wie das in den übrigen französischen Kolo-
nien schon seit langem geschieht. Im Norden Neu-Kameruns ist der
Maria-Theresia-Taler wie im übrigen Sudan das übliche Zahlungsmittel.
Er wird von Französisch-Westafrika über Zinder oder von TripoHs
im Tschadsee- Gebiete eingeführt. Der Geld- und Zahlungsverkehr
zwischen dem Mutterlande und Französisch-Äquatorial-Afrika wird von
der Banque Frangaise de l'Afrique Equatoriale besorgt, deren Aktien-
kapital vor kurzem von 3 auf 5 Millionen Franken erhöht worden ist.
II. Die Finanzen.
I. Die Finanzen von Französisch-Äquatorial-Afrika.
Literatur:
Rouget, Expansion coloniale au Congo Frangais 1906
Servel, L'organisation administrative et financiere de l'Afrique l^quatoriale
Fran9aise, Paris 191 2.
Gaudart, La Regime Financier des Colonies Fran9aises, Paris 191 1.
Rapports de la Commission du Senat sur le budget general des Colonies.
Rapports de la Commission de la Chambre des deputes sur le Budget general
des Colonies.
Die Budgets für Französisch-Äquatorial-Afrika.
Statistique des Finances des Colonies Fran9ais (Office Coloniale, Ministere
des Colonies).
1) Nach anderenMitteilungen soll umgekehrt das französische Geld nach Belgisch-
Kongo abgeflossen sein.
— 133 —
Journ. Off. 1912 S. 3061.
Documents Pariamen taires-Chambre Annexe 1252 S. 1753 ff.
Kenseignements Coloniaux 191 1 S. 264 ff.
Mouv. Giogr. 1908 S. 60, 563, 702; 1909 S. 510; 191 1, S. 94, 448, 461, 497.
Kevue de Paris 1912 S. 348ff.
W. Stahl, Französisch-Kongo, Berlin 191 1.
Sonderabdruck aus der Zeitschrift für Kol.-Pol. 1910 von König ,, Ausdehnung
der Verwaltung und die Eingeborenen-Besteuerung in Äquatorial- Afrika".
Für die Finan/Aervvaltung der französischen Kolonien ist durch § 42.
gesetzliche Vorschrift (Art. 33 § i des Finanzgesetzes vom 13. April
1900) der gleiche Grundsatz aufgestellt, welche für die deutschen Schutz-
gebiete praktisch seit 1909 durchgeführt worden ist. Hiernach sind alle
Ausgaben für die Zivilver^valtung und für die Polizei grundsätzlich auf
die Kolonialetats zu übernehmen. Dagegen trägt das Mutterland die
Kosten des militärischen Schutzes.
Dieser Grundsatz ist indessen für Französisch-Äquatorial-Afrika
nicht mit der gleichen Schärfe \vie für die meisten deutschen Schutz-
gebiete durchgeführt worden. Die Zuschüsse des Mutterlandes für die
Kolonien sind vielmehr im \'ergleich zu den für die deutschen Schutz-
gebiete in den letzten Jahren gewährten recht hoch und bewegen sich
überdies in ihrer Gesamtheit in steigender Richtung. Die in den Etats
aufgeführten Zahlen lassen dies allerdings zunächst nicht erkennen,
denn hiernach haben die Zuschüsse des Mutterlandes für Französisch-
Äquatorial-Afrika betragen
2 078 000 Frenken
500 000 „
500 000 .,
700 000
700 000 ,,
700 000
665 000 ,,
665 000
600 GOO
600 000
600000
600 00 D
600 000
Danelx'n gewährt indessen das Mutterland sehr hohe Zuschüsse für die
mihtärische Verwaltung der Kolonien. Während diese im deutschen
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1908
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1910
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1911
1912
') In der Ziffer für 1900 sind die mihtärischen Ausgaben enthalten; in den
Ziiiem für die folgenden Jahre nicht.
— 134 —
Schutzgebiete Kamerun sich in den letzten Jahren auf der Höhe von
rd. 2,3 MilHonen Mark und in Deutsch-Ostafrika auf der Höhe von rd.
3,5 MilHonen Mark gehalten haben, betrugen in Französisch-Äquatorial-
Afrika die Kosten für die militärische Besetzung
im Jahre 1911 9640000 Franken
„ 1912 8234000
Ob mit diesen Zahlen die Gesamtheit der vom Etat des Mutterlandes
getragenen militärischen Aufwendungen erschöpft ist, läßt sich aus dem
Etat nicht mit Sicherheit feststellen; erscheint indessen zweifelhaft,
da in den betreffenden Kapiteln des französischen Etats noch eine Reihe
von weiteren allgemeinen Zwecken angeführt ist (z. B. Verteidigung der
Kolonien 2,1 Millionen Franken, Reisekosten rd. 6 Millionen Franken,
usw.), ohne daß angegeben wäre, ob und welche Anteile hiervon der
militärischen Verwaltung von Französisch-Äquatorial-Afrika zugute
kommen. Ferner gibt das Mutterland neben den ordentlich fixierten
Zuschüssen und den militärischen Aufwendungen außerordentliche Zu-
schüsse. Solche wurden in früheren Jahren einige Male gewährt, sind
aber dann von 1902 — 1909 nicht mehr gezahlt worden. Vom Jahre 1910
an wurden regelmäßig die gesamten Kosten des Zins- und Tilgungs-
dienstes einer damals aufgenommenen Anleihe im Etat des Mutter-
landes verrechnet. Diese als außerordentliche Zuschüsse bezeichneten
Summen beliefen sich im Jahre 1910, 191 1 und 1912 auf 665 000 Franken.
Die gesamten Ausgaben im französischen Etat, welche ausdrück-
lich als für Zwecke Französisch-Äquatorial-Afrikas bestimmt bezeichnet
werden, betrugen
im Jahre 1908 rd. 3,8 Millionen Franken
„ 1909 „ 5,5
,, 1910 ,, 8,0 ,, „
„ 1911 „ 11,0
„ 1912 „ 9,5
(Für 1912 wird voraussichtlich infolge Begebung einer
Anleiherate eine Erhöhung des Zuschusses um weitere 266 000
Franken erfolgen.)
Von diesen Zuschüssen läuft nur der ordentliche von 600 000 Franken
durch den Etat der Kolonie selbst. In der Aufstellung des Budgets von
Französisch-Kongo sind im Zusammenhange mit den oben erwähnten
wiederholten Änderungen der Verwaltungseinrichtung in den letzten
Jahren mehrfache Wandlungen erfolgt. Da es hier auf den gegenwärtigen
Stand der Finanzen ankommt, braucht auf die früheren Perioden der
- «35 —
Entwicklung nicht naiier eingegangen zu werden (ausfüiirliclie Dar-
stellungen dieser Entwicklung s. bei \V. Stahl, Französisch-Kongo,
S. 28 ff.).
Der Etat von Französisch-Äquatorial-Afrika zerfällt seit 1906 gemäß
Dekret vom 11. Februar 1906 in ein Generalbudget für ganz
Äquatorial-Afrika und in 4 Lokalbudgets für Gabun, Mittel-Kongo,
Ubangi-Schari und Tschad. Dem Hauptetat fließen nelxjn den ordent-
lichen Zuschüssen des Mutterlandes vor allem die Einnahmen aus den
Ein- und Ausfuhrzöllen, ferner die Abgaben der Konzessionsgesellschaften
und einige weniger ergiebige Einkünfte (Bergwerks-, Sclüffahrts-, Tele-
graphenabgaben) zu. Der Hauptetat hat insbesondere Ausgaben für
die allgemeine \'erwaltung, die Kosten des Gouvernements, der Ein-
geborenengerichtsbarkeit und der öffentHchen Arbeiten zu tragen. Den
vier Lokaletats fließen die Eingeborenensteuern sowie Gewerbeabgaben
und einige kleinere Einnahmen zu. Sie haben die Kosten der örtlichen
Verwaltung, insbesondere des Gesundheitsdienstes und der Polizei\er-
waltung, sowie einen Zuschuß zu den Kosten des Gouvernements zu
bestreiten. Seit der im Jahre 1906 erfolgten grundsätzlichen Änderung
in der Aufstellung der Budgets von Französisch-Kongo haben die Etats
in Einnahme und Ausgabe betragen:
I.
der Hauptetat.
1906
5 266 000 Franken
1907
5 019 000
1908
4660000
1909
4733000
I9I0
5 231 000
2. Gabun.
1906
396 000 Franken
1907
383 000
1908
411 000
1909
485 000
3-
Mittel-Kongo.
1906
353 000 Franken
1907
508 000
1908
519000
1909
677000
- 136
4-
Ubangi-Schari.
igoö
248 000 Franken
1907
423 000
1908
490 000
1909
456 000
5. Tschad.
1906
220 000 Franken
1907
302 000
190S
356 000
1908
369 000
Die Isteinnahmen und Istausgaben der fünf Budgets zusammen gegen-
über diesen Voranschlägen liegen vor bis zum Jahre 1907 und zeigen,
wie aus der nachstehenden Tabelle hervorgeht, daß fast durchweg der
wirkliche Ertrag, sowohl der Einnahmen wie der Ausgaben das Soll
erheblich überschritten hat. Diese Überschreitungen sind in der Regel
bei den Einnahmen wesenthch größer als bei den Ausgaben gewesen, so
daß sich Überschüsse ergeben haben. Diese von der französischen amt-
lichen Statistik errechneten Überschüsse sind indessen zum Teil über-
haupt nicht vorhanden, zum Teil müssen andere Ziffern, als sie in der
französischen Statistik angegeben sind, als richtig zugrunde gelegt werden.
Dies beruht, abgesehen davon, daß die Zahlenangaben zum Teil un-
richtig sind, zum Teil sich widersprechen,^) insbesondere auf der Ein-
richtung der Reservefonds. Diese Reservefonds sind durch Art. 98 des
Dekretes vom 20. November 1882 und Art. 11 des Dekretes vom 29. De-
zember 1903 gebildet worden. Ihnen sind die aufkommenden Mehr-
einnahmen zuzuführen. 2) Im Etat werden die Reservefonds weder nach
1) Die französischen amtlichen Veröffenthchungen sind voll von Druckfehlem
und rechnerischen Irrtümern. So sind beispielsweise in der vom französischen
Kolonial-Ministerium herausgegebenen und mit dem Namen des Kolonialministers
gezeichneten Statistiques des Finances des Colonies Fran9aises pour les Annees
1900 — 1909 fast auf jeder, Äquatorial- Afrika betreffenden Seite, unrichtige Zahlen-
angaben enthalten.
') Die Reservekassen sind heranzuziehen, wenn die ordentlichen Einnahmen
nicht ausreichen oder infolge unvorhergesehener Ereignisse außerordentliche Aus-
gaben entstehen; sie haben ferner an die Finanzkasse Vorschüsse zu geben, wenn
die Kassenbestände vorübergehend nicht ausreichen. Der Höchstbestand der
Reservekasse ist für
Französisch-Äquatorial-Afrika auf i 000 000 Franken
Gabun „ 250000 „
Mittel- Kongo „ 350000 „
Ubangi-Schari-Tschad „ 350000 „ festgesetzt.
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- 138 -
ihrem Bestände noch hinsichtüch ihrer Rücklagen oder der Entnahmen
nachgewiesen. Nur auf der Einnahmeseite ist ein Ansatz ausgebracht,
der indessen in der Regel als Leertitel fungiert. Auch die sonstigen
amthchen Angaben über den Reservefonds und seine Höhe sind unzu-
länglich, so daß es nur schwer möglich ist, sich ein zutreffendes Bild
über diesen für die Finanzwirtschaft der Kolonie überaus \\'ichtigen
Faktor zu bilden. Zweifellos ist nur festzustellen, daß tatsäclüich aus
den Reservefonds in den letzten Jahren regelmäßig sehr hohe Beträge
entnommen worden sind, um in der Rechnung das Gleichgewicht zwischen
Einnahmen und Ausgaben herstellen zu können. Das Guthaben der
Reservefonds am 20. Oktober igo2 wurde auf 440 000 Franken an-
gegeben. Hiervon \\airde der Fehlbetrag der Rechnung für 1902 in
Höhe von rd. 220 000 Franken bestritten (vgl. Rapport de la Commission
de la Chambre des Deputes sur le Budget general des colonies 1904,
S. 212). Die Reserv^efonds scheinen in den nächsten Jahren erhebhche
Einnahmen gehabt zu haben. Rouge t gibt das Gesamtguthaben der
Reservefonds für den 30. Juh 1904 auf i 158 000 Franken, für den
30. Juni 1905 auf 2135000 Franken an (vgl. Rouget, L'expansion
colonial au Congo frangais, S. 522). Die Fehlbeträge in den darauf
folgenden Jahren sind indessen so erhebhch gewesen, daß die Reserv'e-
fonds im Jahre 1908 nicht nur völlig erschöpft waren, sondern daß darüber
hinaus noch ein Fehlbetrag blieb, welcher durch Mehreinnahmen künf-
tiger Jahre Deckung finden sollte (vgl. Rapport 1912, S. 302). Nach der
französischen amtlichen Statistik sind in den Rechnungen der Jahre
1902 — 1907 folgende Beträge als ,,prelevement sur les fonds de reserves"
als Einnahmen eingestellt worden:
1902
272 000 Franken
1903 •
533 000
1904
I 957 000
1905
270 000
1906
876 000
1907
636 000
Die von der französischen amthchen Statistik angegebenen Ersparnisse
(Überschüsse der Mehreinnahmen über die Mehrausgaben im Vergleich
zum Voranschlag) haben in den gleichen Jahren betragen
1902
732 000 Franken
1903
I 183 000
1904
I 325 000
— 1 39 —
1905 8i4 000 Franken
IQ06 444000
1907 Fehlbetrag 32 000 Franken.
(V'orstehende Zahlen sind bereits rechnerisch berichtigt vgl. Tabelle.)
Da hierbei die Einnahmen aus dem Reservefonds bereits rech-
nerisch als Einnahmen berücksichtigt sind, so ergibt sich, daß in der zweiten
Hälfte dieses Zeitraums die Rechnung durchweg mit Fehlbeträgen ab-
geschlossen hat (die Zahlen für die Jahre nach 1907 sind noch nicht
bekannt). Diese Felilbeträge werden in einer \'eröffentlichung des Senats
ihrer Höhe nach auf folgende Summen angegeben:
1901 2 264 744 Franken
1902
432 473
1903
208 020
1904
168 727
1905
128 005
1906
I 536 835
1907
I 301 649
(vi^l. Rapport de la Commission du Senat 1909, S. 151.)^)
Für das Jahr 1908 ergibt sich im Hauptetat der Fehlbetrag von
500 000 Franken, der zum Teil aus dem Reste des Reser\-efonds noch
gedeckt werden konnte, zum Teil auf das Jahr 1909 übernommen werden
mußte, so daß das Jahr 1909 zusammen mit seinem eigenen Defizit
mit einem Gesamtfehlbetrage von 881 000 Franken abschloß.
Diese finanzielle Unzulänglichkeit ist es wohl im wesentlichen,
welche dazu geführt hat, im Jahre 1909 die Ermächtigung zur Aufnahme
einer .\nleihe von 21 Millionen Franken nachzusuchen, nachdem bereits
im Jahre 1S99 eine Anleihe von 2 Millionen Franken vom Schutzgebiete
aufgenommen worden war. Die neue Anleihe soll in 3 Raten von 10, 5
und 6 Millionen Franken aufgenommen werden. Die ersten beiden Raten
sind bereits begeben; während die dritte Anfang 191 2 flüssig gemacht
werden sollte. Die Anleihe, deren Zins- und Tilgungsdienst, wie bereits
erAvähnt wurde, vom Mutterlande getragen wird, war l->estimmt für
die Errichtung von Telegraphen- und Kabellinien (6 Mill. Franken),
für die Erbauung von Fahrstraßen (4.5 Mill. Franken), die Erschließung
des Landes und die Errichtung von \'erwaltungsp<:)sten (3 Mill. Franken),
für Sanitäts- und Schulzwecke (1,5 Mill. Franken), für Vorarbeiten zu
') Bei diesen Zahlen sind die Zuschüsse des Mutterlandes, die Einnahmen
aus dem Reservefonds und den Anleihen unberücksichtigt geblieben.
— I40 —
Hafen- Anlagen und Eisenbahnen u. dgl., also zum Teil für werbende
und zum Teil für nichtwerbende Anlagen.^)
Über die künftige Entwicklung der Finanzen von Französisch-
Äquatorial-Afrika äußerte sich der Generalgouverneur bei der Er-
öffnung des Gouvernementsrates im Oktober 191 1 sehr zuversichtlich:
,,Im Generalbudget für 1910 wurden die Einnahmen mit 5 231 000
Franken veranschlagt ; die wirklichen Einnahmen haben 6 143 000 Franken
betragen. Der Voranschlag ist also mit rd. 911 000 Franken überschritten;
dagegen sind die Ausgaben um 207 000 Franken unter dem Voranschlag
zurückgebüeben. Diese ausgezeichneten Ergebnisse haben aber nicht
ausgereicht, die großen Fehlbeträge der vorhergehenden Jahre zu decken,
so daß aus den früheren Jahren noch ein Fehlbetrag von 173 000 Franken
besteht. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß nicht nur dieser Restbetrag
gedeckt werden könnte ; sondern daß noch ein Überschuß von 200 000
Franken zu verzeichnen wäre, wenn alle für das Jahr 1910 fäUigen Ein-
nahmen eingegangen wären. In das Budget für 1911 wurden zur
Vorsicht 300 000 Franken eingesetzt, um endgültig mit den resthchen
Fehlbeträgen aufzuräumen. In den ersten drei Vierteln des laufenden
Jahres (1911) hat sich die Finanzlage ausgezeichnet entwickelt. Am
30. Juli 191 1 haben die Eingänge den Voranschlag um 700 000 Franken
überschritten und die Ausgaben den Voranschlag nur um 499 000 Franken.
Seitdem sind neue Verbrauchssteuern in Kraft getreten. Es erscheint
daher berechtigt, für das Jahr 1911 mit einem Überschusse von 300 000
Franken zu rechnen, so daß den Reservefonds wieder ein Betrag über-
wiesen werden kann.
Für das Jahr 1912^) ist die Finanzlage noch besser. Die Einnahmen
wurden im Voranschlag um 595 055 Franken auf 6 138 000 Franken
gegen 1911 erhöht. In der Ausgabe konnten 625 000 Franken für den
Post- und Telegraphendienst, 302 000 Franken für neue Arbeiten ein-
gestellt werden und außerdem noch ein Betrag von 266 090 Franken
als Beitrag zu dem Anleihedienste.
Die Lokalbudgets haben mit Ausnahme von dem von Gabun
mit Überschüssen abgeschlossen, nämhch
^) Zur Durchführung der bestehenden Eisenbahnpläne und zur Verbesserung
der Schiffahrtswege soll eine neue Anleihe aufgenommen werden, deren Höhe
auf voraussichtlich 135 Millionen Franken angegeben wird. Die Zinsen soll das
Mutterland zahlen.
2) Die Angaben über das voraussichtliche Ergebnis von 191 2 beziehen sich
noch auf ganz Französisch-Äquatorial-Afrika (das abgetretene Gebiet mit ein-
gerechnet). Vgl. dazu § 47.
— 141 —
Mittel-Kongo mit . . 12 934 Franken
Ubangi-Schari mit . . 15 000
Tschad mit 105 000
Gabun hat mit einem Fehlbetrag von 27 000 Franken abgeschlossen,
der sich jedoch bei der Abrechnung noch erhöhen dürfte. Seit 1908
ist der Betrag der Kopfsteuer in allen 4 Kolonien zusammen jährlich
um rund 500 000 Franken gestiegen, so daß er gegen i 354 000 Franken
im Jahre 190S im laufenden Jahre (191 1) 3 000 000 Franken ül^erschreiten
wird und in den \'oranschlag für 191 2 mit 3 630 000 Franken eingesetzt
ist."i)
Die drei Haupteinnahmequellen sind in Französisch-Aquatorial-
Afrika die Zölle, Kopfsteuern und Domanialeinkünfte. Sie sollen hier
kurz besprochen werden.
Französisch-Äquatorial-Afrika bildet im
Zollwesen
kein einheitliches Ganzes; es sind 3 Zollgebiete zu unterscheiden. Im § 43-
sog. vertragUchen Kongo-Becken 2) ist die französische Regierung
durch intemationlae Abmachungen, nämUch die Berliner und die Brüs-
seler Generalakte gebunden. Danach sind bezüglich des Handels alle
Länder gleich zu behandeln und die Einfuhrzölle dürfen 10 % ad va-
lorem nicht übersteigen. ^) Innerhalb der Zollsätze der Brüsseler General-
akte hatte die französische Regierung mit dem Kongostaate und Portugal
ein Sonderabkommen über die Zollsätze getroffen, die sog. Lissaboner
Verträge. Diese Vereinbarungen sind jedoch inz\\'ischen von Frank-
reich zum I. Juli 1911 gekündigt worden. Innerhalb der Zollsätze der
Brüsseler Akte hat die französische Verwaltung dadurch freie Hand be-
kommen. Der Generalgouvemeur hat die bis dahin bestehenden Zoll-
sätze vorläufig in der Weise abgeändert, daß der Einfuhrzoll auf Mate
rialien, die zur wirtschaftlichen Investierung im Lande dienen, sowie auf
lebende Tiere und Lebensmittel, die für die Ernährung der Eingeborenen
bestimmt sind, auf die Hälfte herabgesetzt und der Ausfuhrzoll auf
Massengüter ganz aufgehoben wird.
In französischen Kolonialkreisen hat sich in letzter Zeit eine starke
Bewegung gegen die Zollbeschränkungen der Berliner und der Brüsseler
') Inwieweit diese günstige Beurteilung berechtigt ist, muß dahingestellt
bleiben. Für Jahre, die mit erheblichen Fehlbeträgen abgeschlossen haben, sind
früher wiederholt von amtlicher Seite günstige Voraussagen gemacht worden.
*) Vgl. die Karten am Schlüsse und § 72.
^) Für Spirituosen, Feuerwaffen und Schießbedarf gelten besondere Be-
stimmungen.
— 142 —
Generalakte geltend gemacht. Die Bewegung zielt dahin, die Begrenzung
der Zollsätze durch einen Höchstsatz aufzuheben und nur die Bestim-
mung bestehen zu lassen, daß alle Länder bezüglich des Handels gleich
zu behandeln sind. Dieses Bestreben wird damit begründet, daß die
ganze wirtschaftliche Entwicklung des Landes bisher unter den Be-
stimmungen der Brüsseler Generalakte gelitten habe, da wirtschaftliche
Neuländer in ihren Einnahmen hautpsächhch auf die Einfuhrzölle an-
gewiesen seien. Diese Erkenntnis habe zwar schon bei der Brüsseler
Konferenz im Jahre 1890 dazu geführt, den ursprünglich in der Berhner
Generalakte enthaltenen Grundsatz vollständiger Zollfreiheit aufzu-
heben und die Erhebung eines Einfuhrzolles zu gestatten. Die dabei
festgesetzte Beschränkung des Einfuhrzolles auf einen Höchstsatz \'on
IG % ad valorem gestatte aber nicht die vom \virtschafthchen Stand-
punkte aus wünschenswerte Unterscheidung der einzelnen Waren in
der Zollbehandlung. So müßten auch die Einfuhrgüter, die für die wirt-
schaftliche Entwicklung des Landes förderlich seien, mit dem Höchst-
satze belastet werden, um überhaupt Einnahmen zu erhalten; während
umgekehrt die Verbrauchs- und Luxusgüter einen höheren Satz er-
tragen könnten. Es ist nicht zu verkennen, daß in dieser Begründung
ein berechtigter Kern enthalten ist. Deutschland ist an dieser Zollfrage,
die Alt-Kamerun bisher nur wegen der Südostecke anging, durch den
Erwerb des neuen Gebietes, der zum größeren Teile in das vertragüche
Kongo-Becken fällt, stärker interessiert worden.
In denjenigen Gebieten Französisch-Äquatorial- Afrikas, die außer-
halb des vertraglichen Kongo-Beckens liegen, ist Frankreich unbe-
schränkt, nämlich in Gabun ^) und in dem nördlich des Kongo-Beckens
liegenden Gebiete, also im Tschadsee. Gegenüber dem Auslande bildet
Gabun nach dem Zollgesetz von 1892 eine Zolleinheit mit Frankreich.
Alle Waren aus fremden Ländern unterliegen bei der Einfuhr nach Gabun
den gleichen Zollsätzen, wie bei der Einfuhr nach Frankreich; fran-
zösische Waren dagegen gehen zollfrei nach Gabun ein. Die von Gabun
nach Frankreich ausgeführten Waren genießen in Frankreich eine Zoll-
begünstigung gegenüber fremden Waren. Die in Frankreich seit langem
bestehenden Bestrebungen, die den Einfuhrzoll für Kolonialprodukte
aus den eigenen Kolonien ganz aufheben wollen, haben bisher nur aus
politischen Zufälligkeiten nicht zu einem Ergebnis geführt. Grund-
1) Das ist ganz Gabun mit Ausnahme eines kleinen Gebietes südlich von
Sette-Cama, das im Norden begrenzt wird durch den südlichen Breitengrad 2 "^ 30',
von seinem Zusammentreffen mit der Kongo-Wasserscheide an von dieser im Osten
ungefähr von dem Längengrade 10° 20' östlich von Paris (12" 40' östlich von
Greenwich.
143 —
sätzlich sind in Frankreich alle politischen Kreise darin einip, daß der
zollfreien Einfuhr französischer Waren in den Koh^nien als Äquivalent
die Zollfreiheit der Kolonialprodukte bei der Einfuhr in Frankreich
gegenüberstehen sollte.
Über das Tschadsee- Gebiet enthält das Zollgesetz von 1892 keine
Bestimmungen. Ein Erlaß vom 25. April 1902 hat dieses Gebiet den
für das vertragliche Kongo-Becken geltenden Bestimmungen unter-
worfen. Tatsächlich hat die Zollerhebung sich hier so gestaltet, daß
nur von den über Gabun eingeführten Waren der Höchstsatz von 10 %
erhoben wurde, während die über den Niger-Benue eingeführten Waren
zollfrei eingingen, da im Norden bisher keine Zollstationen waren.
Deutschland kennt keine Zollbegünstigung seiner eigenen Erzeug-
nisse bei der Einfuhr in den Kolonien. Da die 10 % ad valorem über-
steigenden Sätze des Zolltarifes für Alt-Kamerun vom i. Oktober 1911
nach ausdrücklicher Bestimmung der Zollverordnung vom i. August 1911
für das Kongo-Becken nicht anwendbar sind, steht rechtlich der un-
veränderten Einführung des Alt-Kameruner Zollverordnung in Neu-
Kamerun nichts entgegen. Die Vorschrift der Berhner Generalakte,
daß im Kongo-Becken Durchgangszölle nicht erhoben werden dürfen,
hat durch die Vergrößerung des deutschen Besitzes im Kongo-Becken
für Deutschland erhöhte Bedeutung gewonnen.
Über die Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchsabgaben in den
letzten Jahren in Französisch-Äquatorial-Afrika gibt die nachstehende
Zusammenstellung Aufschluß :
Einfuhrzoll
Ausfuhrzoll
Verbrauchsabgaben
in Gabun
Jahr
^'°-"- 1 Eingang
schlag
Voran-
schlag
Eingang
Voran-
schlag
Eingang
Franken ' Franken
Franken
Franken
Franken Franken
I [tOU
— I 3Ü3 786
—
1 107 713
— ' 274413
1907
I 000 000
I 328 439
1 578 000
I 260 316
240 000 298 S75
1908
I 450 000
871 549
I 150 000
I 155 15-2
230 000 236 67S
1909
1 240 000 —
I 270 000
—
2S0 000 —
1910
I HO 000
I 300 000
—
250 000
—
Außer der in der vorstehenden übersieht angeführten Verbrauchs- § 44.
abgäbe für Gabun ist durch Erlaß vom 4. Oktober 1910^) (vgl. Mouvement
Geographique 1911, S. 448 und 461) eine neue Verbrauchsabgabe
eingeführt worden, die in und außerhalb der Kolonie Widerspruch her-
\orgerufen hat. Innerhalb der Kolonie, weil durch die hohen Sätze
') Der Tarif ist seit 3. Juli 191 1 in Kraft.
— 144 —
die Lebenshaltung verteuert, und die Entwicklung des Handels er-
schwert werde (vgl. Mouvement Geographique 191 1 S. 497). Außerhalb
der Kolonie, weil in dieser Verbrauchsabgabe eine Umgehung der Berliner
und der Brüsseler Generalakte gefunden wird. Die frühere Verbrauchs-
abgabe war auf Gabun beschränkt. Die neue vom Jahre 1910 wird aber
in ganz Französisch-Äquatorial-Afrika erhoben, gleichviel, ob die Waren
außerhalb des vertraglichen Kongo-Beckens oder innerhalb verbraucht
werden. Art. 2 des Erlasses sagt zwar, diese Abgaben seien unabhängig
von den Zollabgaben; Art. 3 bestimmt aber, daß sie bei der Einfuhr
durch die Zollbehörden erhoben werden, und zwar nach den gleichen
Vorschriften wie die Zölle. Der ganze Unterschied zwischen den Zöllen
und den Verbrauchsabgaben besteht also in der Benennung. Daß die
Verbrauchsabgaben auch von den in der Kolonie hergestellten Waren
erhoben werden sollen, ist nur das Mittel, die Einführung der Verbrauchs-
abgabe gegenüber den Bestimmungen der Berliner und der Brüsseler
Generalakte zu decken, denn tatsächlich wird in Französisch-Äquatorial-
Afrika von den Waren, von welchen die Abgabe erhoben wird, nämlich
von Zucker, Tabak, Alkohol, Webstoffen, Zündhölzern, Salz, Waffen
und Munition, nichts hergestellt.
•S 45- Von den in Französisch-Äquatorial-Afrika eingeführten Steuern
ist die
Eingeborenen- Steuer
die wichtigste. Sie wird in Gabun, Mittel-Kongo und in dem größten
Teile von Ubangi-Schari-Tschad in Form einer Kopfsteuer (taxe de
capitation) erhoben. Nach dem Dekrete vom 5. Dezember 1907 wurde
sie nur von den arbeitsfähigen Männern, und zwar von den einzelnen
Steuerzahlern unmittelbar erhoben; der Steuersatz betrug 5 Franken
pro Kopf, wobei die örtlichen Behörden ermächtigt waren, je nach den
^^drtschaftlichen Verhältnissen der Gegend, den Satz auf 3 Franken zu
ermäßigen. Im Jahre 1909 wurde die Steuererhebung neugeordnet.
Der regelmäßige Steuersatz blieb 5 Franken; die Herabsetzungsermäch-
tigung der örtlichen Behörden wurde aber dahin erweitert, daß der
Satz bis auf i Franken herabgesetzt werden konnte. Die Steuer wird
jetzt ohne Festsetzung eines bestimmten Fälligkeitstermines durch Ver-
mittlung der Häupthnge eingetrieben, die dafür 5 % des Steuerertrages
erhalten. In die Steuerrollen werden daher auch nicht mehr die Steuer-
zahler namentlich eingetragen, sondern die Dorf Schäften. Um den Steuer-
zahlern eine Quittung über die Zahlung zu geben, und sie vor mehr-
maliger Anforderung durch die Häuptlinge zu schützen, sind Metall-
marken als Quittung eingeführt worden. Der Häuptling erhält die
— 14? —
der Steuerrolle entsprechende Anzahl von Marken und die Steuerzahler
sind nur gegen Aushändigung einer Marke verpflichtet, die Steuer an
den HäuptHng zu zahlen. Diese Einrichtung soll sich gut bewährt haben.
Die Steuer ist jetzt nicht mehr auf die Männer beschränkt; sie \sird,
wie in Belgisch- Kongo und Französisch- VVestafrika auch von den Frauen
erhoben, worauf die aus der folgenden Übersicht hervorgehende, starke
Steigerung der Steuereingänge in den letzten Jahren zum Teil zurück-
zuführen ist. Die Ausdehnung der Steuer auf die Frauen wird von den
meisten Stämmen als lästig empfunden und soll bei einigen Stämmen,
die mit dem Islam schon in nähere Berührung gekommen sind, der un-
mittelbare Anlaß zu Unlx)tmäßigkeiten gewesen sein.
Die Zahlung der Steuer in Bargeld soll die Regel sein ; nur ausnahms-
weise soll in den Gebieten, wo die Bevölkerung sich noch nicht genügend
an den Geldverkehr gewöhnt hat, Zahlung in Naturalien gestattet sein.
Für die Zahlung in Naturalien werden im Waldgebiete nur Kautschuk,
Elfenbein und ausnahmsweise Palmkeme zugelassen; in den Ackerbau-
und \'iehzuchtgebieten darf die Steuer auch in Getreide und Großvieh,
das für die \'^erp flegung der Truppen venvendet werden kann, ange-
nommen werden. Die Steuerzahlung in gewöhnhchen Lebensmitteln,
wie Schafen, Ziegen, Geflügel, Honig ist vom Generalgouvemeur streng
untersagt. Der Generalgouvemeur hat sich auch die jährliche Bestim-
mung der Bezirke vorbehalten, in welchen überhaupt Naturalienzahlung
zulässig ist. Im Jahre 1911 konnte in den Bezirken Kudu, Sanga, Mbimu,
Baja, Haussa, Yangere, Lobaje, Ibenga-Motaba, Likuala und Mossaka
die Steuer in Kautschuk, in den Bezirken Kudu, Sanga, Mossaka und
Likuala außerdem in Elfenbein gezahlt werden.
Die Naturalienzahlung erfolgt in der Weise, daß der Kautschuk
und das Elfenbein an die Konzessionsgesellschaften, aus deren Gebiet
die betreffenden Waren stammen, abgeHefert wird, und zwar wird dabei für
das Kilogramm Kautschuk ein Preis von 3 Franken, für das Kilogramm
Elfenbein bei Stücken unter 6 kg ein Preis von 3 Franken, bei Stücken
über 6 kg ein Preis von 8 Franken zugrunde gelegt. Diese Beteiligung
der Konzessionsgesellschaften an der Steuererhebung scheint nicht auf
Grund einer gesetzlichen Regelung zu bestehen; sondern auf Grund
einer Verwaltungspraxis, die in den einzelnen Gebieten verschieden
gehandhabt wird.^) Diese Einrichtung hat eine ziemlich übereinstim-
mende, abfällige Kritik gefunden und wird als der unmittelbare Anlaß
y'wkr Mißstände in der Eingeborenenbehandlung betrachtet.
*) Vgl. dazu Servcl S. 170.
Veröffentl. d. Reichskolonial Amtes Nr. 4: Ritter.
— 146 —
Der Ertrag der Kopfsteuer in den letzten Jahren geht aus der folgen-
den Übersicht hervor:
Gabun
Mittel-Kongo
Ubangi-Schari
Tschad
Jahr
Voran-
schlag
Eingang
Voran-
schlag
Eingang
Voran-
schlag
Eingang
Voran-
schlag
Eingang
1906
—
165 242
—
235 104
—
221 450
—
222 214
1908
200 000
157038
385 100
391 858
276 276
281 869
210 001
317335
1907
200000
180000
394 000
502 356
335 000
441 877
300 000
—
1909
225 000
—
550 000
663 ooo^
300 000
474 ooo^
283 000
—
1910
450 000
300 000^
700 000
850 ooo^
566 000
615 ooo^
335 000
—
1911
450 ooo^
—
900 000^
I 500 ooo^
800 ooo^
—
670 ooo^
750 000*
1912
—
—
I 300 ooo^
—
I 040 ooo^
—
770 ooo^
—
In den islamischen Gebieten Französisch-Äquatorial- Afrikas wird an
Stelle der Kopfsteuer eine Art Vermögenssteuer erhoben, die sich an die
mohammedanische Einrichtung des Armenzehnt anschließt. Nach
dem oben über die Ausbreitung des Islams in Neu-Kamerun Gesagten
kommt diese Steuer für Neu-Kamerun nur wenig in Betracht. Sie scheint
nur im Norden im bisherigen französischen Lere- Vorsprung bestanden
zu haben. Die Erhebung der Steuer wird den einheimischen Macht-
habern überlassen. Etwa 50 % der eingehenden Gelder fheßen diesen
und ihren Großen, Dorf Vorstehern und Angestellten zu; die andere
Hälfte wird an die Regierung abgehefert.
§ 46. Die Domanialeinkünfte
setzen sich zum größten Teüe aus den festen jährlichen Abgaben der
Konzessionsgesellschaften und aus dem Anteile des Fiskus an ihrem
jährhchen Reingewinne zusammen. Darüber wird weiter unten in dem
Abschnitte über die Konzessionsgesellschaften das Nähere zu sagen
sein. Im Jahre 1907 und 1908 war die Einnahme aus dem Domanial-
besitze mit je 875 000 Franken veranschlagt, im Jahre 1909 mit 728 000
Franken, im Jahre 1910 mit i loi 000 Franken.^) Im Jahre 1908 hat
der Isteingang 792 000 Franken, im Jahre 1910 i 269 000 Franken be-
tragen ; ^) für das Jahr 191 1 wird die Isteinnahme auf i ^ Millionen Franken
geschätzt. In diesen Ziffern sind auch die Abgaben von den in kon-
zessionsfreien Gebieten gewonnenen natürüchen Erzeugnissen : Kautschuk,
1) Nach einem Berichte des Generalgouverneurs.
2) Nach Servel S. 181, 187.
3) Schätzungsweise nach Servel.
*) Für 1912 mit 1334000 Franken.
^) Für 1909 war die Ziffer nicht erhältlich.
— m; —
Elfenbein und Hölzern, enthalten. Diese Abgaben entsprechen den
den Konzessionsgesellschaften auferlegten Abgaben. Die Abgabe für
Kautschuk beträgt je nach der Kautschukart 20 bis 40 Franken für
100 kg; die von Elfenbein i bis 3 Frankc-n für i kg je nach der Größe
der Elfenbeinstücke. Diese Waren dürfen erst nach Bezalüung der Ab-
gabe in den Handel gebracht werden.
2. Die Finanzen von Neu- Kamerun. § 47.
Nachdem die Finanzen von Französisch-Äquatorial-Afrika im
ganzen besprochen sind, erhebt sich hier die gleiche Frage, wie oben
bei der Besprechung der Handelsentwicklung: Welches ist die Be-
deutung dieser Ziffern für Neu-Kamerun? Es ist in dieser Beziehung
im allgemeinen auf das zu venveisen, was oben in der Einleitung zu dem
zweiten Abschnitte über das Verhältnis der Große und des Wertes Neu-
Kameruns zum ganzen Gebiete von Französisch-Äquatorial-Afrika ge-
sagt worden ist. Es hegen hier aber noch einige weitere Anhaltspunkte
vor, die einen Schluß auf die augenblickhche finanzielle Leistungsfähig-
keit Neu-Kameruns zulassen, denn es sind schon eine Reihe amthcher
und nichtamtlicher französischer Äußerungen über den Einnahme-
Ausfall bekannt, den die Gebietsabtretimg in Französisch-Äquatorial-
Afrika zur Folge haben wird.
Zuerst hat sich der Berichterstatter der Budgetkommission der
Deputiertenkammer, Metin, dazu geäußert. Es schätzt in seinem Be-
richte (Annexe 1252 zu den Documenta Parlamentaires-Chambre 191 1,
S. 1769) die bisherigen Einnahmen aus Neu-Kamerun, wie folgt:
I. Einnahmen des Generalbudgets:
Ein- und Ausfuhrzölle i 000 000 — i 200 000 Franken
Abgaben der Konzessions- Gesellschaften . 800 000 ,,
2. Einnalimen der Lokalbudgets:
Mittel-Kongo 5 — 600 000 Franken
L'bangi-Schari 400 000
Tschad 200 000 ,,
3. Kleinere Einnahmen zusammen:
Verschiedene Einnahmen 500 000 Franken
zusammen also ungefähr 2V2 — 4 Millionen Fr,
Der Berichterstatter der Budgetkommission des Senates Senator
Ger\ais (Rapport de la Commission du Sönat sur le Budget g^n^ral
lO»
— 148 —
des colonies 1912, S. 303) hält diese Schätzung bezüghch der Ab-
gaben der Konzessionsgesellschaften (800 000 Franken) für zu hoch,
er selbst schätzt die jährliche feste Abgabe auf 130 000 Franken und
den Anteil der Kolonie an dem jährlichen Reingewinne auf 350 000
Franken, zusammen also auf 480 000 Franken. Die Schätzung der Zoll-
einkünfte auf I 200 000 Franken hält Gervais für zutreffend. Der
Ausfall des Generalbudgets wird nach seiner Schätzung also zwischen
einem Mindestbetrage von i 600 000 Franken und einem sehr hoch ge-
griffenen Höchstbetrage von 3 000 000 Franken schwanken. Den Aus-
fall des Lokalbudgets von Mittel-Kongo schätzt Gervais auf wenigstens
500 000 Franken. Für die übrigen Lokalbudgets gibt er keine einzelnen
Ziffern an. Im ganzen schließt sich Gervais sonach Metin an und gibt
ebenfalls 4 MiUionen Franken als den Höchstbetrag der Einnahmen
Neu-Kameruns an. Die Schätzung Metins macht sich auch Servel
auf S. 189 des oben angegebenen Buches und Challaye (La Revue
de Paris 1912 S. 438) zu eigen.
Die erste amtliche Äußerung zu diesem Punkte enthält die Rede
des französischen Kolonialministers in der Sitzung der Deputierten-
kammer vom 14. Dezember 1911, in der das November- Abkommen
beraten wurde. Er sagt dort (Afr. Frang. 1911 S. 495) :
,,Ich gebe im folgenden, um die darüber schon erschienenen Ziffern
zu berichtigen,^) die Ziffern, die ich vom Generalgouverneuer von
Französisch-Äquatorial- Afrika erhalten habe.
Ich habe ihn ersucht, die Ziffern zu berichtigen, da sie mir gegen-
über der WirkHchkeit als zu niedrig erscheinen. Die in dem abgetretenen
Gebiet erzielten Einnahmen betragen ungefähr i Million Franken an
Zöllen und Domanialeinkünften und 750 000 Franken an Eingeborenen-
Kopfsteuern."
Eine dritte, von den bisherigen abweichende Schätzung hat der
Berichterstatter der Kommission für auswärtige Angelegenheiten der
Deputiertenkammer, der Abgeordnete Long, gegeben. Er schätzt
die Einkünfte aus Steuern, Zöllen und dem Domanialbesitze auf i 700 000
Franken und die Abgabe der Konzessionsgesellschaften auf 6 — 700 000
Franken (Renseignements Coloniaux 191 1 S. 303).
Die neueste amthche Äußerung darüber enthält das Dekret des
Präsidenten der französischen Repubhk vom 23. März 1912 (Joum.
Off. vom 30. März 1912 S. 3061), betreffend die Änderung des Budgets
von Französisch-Äquatorial-Afrika für das Jahr 1912. Diesem Dekrete
und der ihm vorausgesetzten Begründung durch den Generalgouverneur
^) Anscheinend mit Bezug auf die Schätzungen M6tins gesagt.
— 149 —
von Französisch-Äquatorial-Afrika liegen offenbar besondere Erhebungen
und Berechnungen zugrunde, die von den dazu l^erufenen, amtUchen
französischen Stellen und auf Grund der Steuerrullen, Zollbücher usw.
bei den Gouvernements gemacht worden sind. Die nachfolgenden Ziffern
haben daher die \'ermutung größerer Wahrscheinlichkeit für sich als
die oben wiedergegebenen Schätzungen. Der Generalgouverneur schätzt
den Einnahmeausfall infolge der Gebietsabtretung wie folgt:
I. Einnahmen des Generalbudgets:
Indirekte Abgaben (Zölle, Verbrauchsabgaben) . 500 000 Franken
Einkünfte aus dem Domanialbesitze 400 000
zusammen 900 000 Franken
2. Einnahmen der Lokalbudgets:
Mittel-Kongo 565 000 Franken
Ubangi-Schari-Tschad 165000
Gabun 20 000
zusammen 750 000 F"ranken
Die Einnahmen der sämtlichen Budgets werden
sonach auf i 650 000 ,,
geschätzt. Beim Generalbudget kommen für die indirekten Abgaben
fast nur Ein- und Ausfuhrzölle, für die Einkünfte aus dem Domanial-
besitze fast nur die Abgaben der Konzessions-Gesellschaften in Betracht;
die Einkünfte der Lokalbudgets bestehen fast ganz aus der Eingeborenen-
Kopfsteuer. Hierbei ist interessant, festzustellen, daß die endgültigen
Erhebungen noch um 100 000 Franken hinter den Ziffern zurückge-
blieben sind, die der französische Kolonialminister in der oben ange-
führten Rede als zu niedrig bezeichnet hat. Danach ist also der durch
das Kongo-Abkommen verursachte Einnahmeausfall an der zentrale
der französischen Kolonialvervvaltung erheblich überschätzt worden.
Wenn der Generalgouverneur die Ziffern herabgesetzt hat, so kann darin
der Beweis gesehen werden, daß die in der Kolonie vorhandenen Unter-
lagen die Ansetzung höherer Ziffern für den finanziellen Ausfall nicht
gestattet haben.
Wenn wir sonach über den envarteten Einnahmeausfall auch
ziemlich genau unterrichtet sind, so hat diese Kenntnis für die Beurtei-
lung der finanziellen Leistungsfähigkeit Neu-Kamenms doch nur einen
relativen Wert. Vor allem wäre noch die genaue Kenntnis der Ausgaben
notwendig, die Neu-Kamerun gegenwärtig zu seiner Verwaltung und
— ISO —
Erschließung braucht. Darüber sind wir aber bis jetzt nur teilweise
unterrichtet. Was die laufenden ordenthchen Ausgaben anlangt, so
ist oben der bisherige Personalbedarf schon zusammengestellt worden, i)
Er betrug bisher etwa 950 000 Franken. Davon entfallen 500 000 Franken
auf die Militärverwaltung, die ganz vom Mutterlande bestritten wird.
Neu-Kamerun hatte also bisher nur die 450 000 Franken für die Zivil-
verwaltung aufzubringen. Dagegen ist über den laufenden sachlichen
Bedarf nichts bekannt. Eine ziffernmäßig genaue Ausscheidung für
Neu-Kamerun wird wohl auch der französischen Verwaltung nicht mög-
hch sein. Über die einmaligen Aufwendungen für öffentliche Arbeiten
hat der französische Kolonialminister sich in der Sitzung der Depu-
tiertenkammer vom 14. Dezember igii folgendermaßen geäußert: 2)
„Vor 1909 sind für das abgetretene Gebiet nur etwa 100 000 Franken
ausgegeben worden, während für das französisch gebliebene Gebiet
etwa 6 Millionen Franken ausgegeben worden sind. Von den Ausgaben
für öffenthche Arbeiten nach 1909 entfallen auf das abgetretene Gebiet
etwa 400 000 Franken, auf das französisch gebliebene Gebiet etwa
8 Milhonen Franken."
Wieweit diese im pohtischen Kampfe und mit der offenbaren
Absicht, vor der französischen Kammer das November - Abkommen
als möghchst wenig verlustreich hinzustellen, gemachte Äußerung
eine tatsächliche Unterlage hat, mag dahingestellt sein. Es ist oben
bereits darauf hingewiesen worden, das für öffentliche Arbeiten in
Französisch -Äquatorial -Afrika bisher im allgemeinen sehr wenig ge-
schehen ist. Wenn die Angaben des französischen Kolonialministers
richtig sind, ist der obige Hinweis nur noch dahin zu ergänzen, daß diese
Vernachlässigung für das abgetretene Gebiet in besonderem Maße zu-
trifft, und in dieser Beziehung in Neu-Kamerun besonders viel zu tun
übrig bleibt.
Welche Wirkung die Gebietsabtretung auf die Finanzen Fran-
zösisch-Äquatorial-Afrikas hat, darüber gibt das erwähnte Dekret einige
Aufschlüsse, Dem Einnahmeausfalle stehen nicht die gleichen Aus-
gabenersparnisse gegenüber. Daher müssen Ausgaben, die nicht allein
für das abgetretene Gebiet bestimmt waren, abgesetzt werden, so 266 000
Franken für den Anleihedienst und 280 000 Franken für öffenthche
Arbeiten.
Welche Wirkung der Gebietszuwachs aber auf die Finanzen Kameruns
haben wird, das läßt sich aus dem bisher Angeführten nicht voraus-
1) Vgl. oben § 40.
2) Afr. fran9. 191 1 S. 495.
— 1 ; I —
sagen. Der von der französischen Regierung erwartete Einnahmeausfall
ist für die Beurteilung der zukünftigen, finanziellen Entwicklung Neu-
Kameruns unter deutscher \'er\valtung zwar nicht ohne Interesse; es
können daraus aber für die Bemessung der deutscherseits einzusetzenden
Einnahmen und Ausgaben nur geringe Anhaltspunkte gewonnen werden.
Wenn der französische Generalgouverneur einen Einnahmeausfall von
I 650 000 Franken annimmt, so ist damit keinswegs gesagt, daß Neu-
Kamerun diese Summe bisher aufgebracht hat. Der Generalgouverneur
hat nur ein Interesse an den Einnahmen, die er aus dem französisch
gebUebenen Gebiete zu erzielen hofft. Da er dabei mit Sicherheit auf
einen Zuschuß des Mutterlandes rechnen kann, ist es nur natürhch,
wenn er die Anschläge mit der größten Vorsicht aufstellt, also eine mög-
lichst hohe Summe von den Einnahmen absetzt. Dazu kommt, daß
die deutsche Finanzverwaltung zum Teile von anderen Grundsätzen
geleitet wird als die französische; ihre Stellung zur Frage der Zollbe-
günstigung heimischer Erzeugnisse in den Schutzgebieten, der Ver-
brauchsabgaben im vertraglichen Kongo-Becken, des Domanialsystems
und zur Erhebung der Eingeborenensteuer ist anders als die der fran-
zösischen. Es ist ferner eine offene Frage, wie die Konzessions- Gesell-
schaften sich unter deutschem Rechte und deutscher Versvaltung ent-
\\ickeln werden.^) Davon sind sehr erhebliche Einnahmebeträge ab-
hängig. Dann wird allein die Tatsache, daß Deutschland in Neu-Kamenm
seine Ver%valtung erst ganz neu einrichten und Fühlung mit der ein-
geborenen Bevölkerung gewinnen muß, zu einer ganz verschiedenen
Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit Neu-Kameruns vor und
nach dem Gebietsübergange führen müssen. Yov allem aber werden,
wenn aus dem neuen Gebiete etwas gemacht werden soll, einmahge
Ausgaben in viel größerem Umfange notwendig sein, als sie die fraiuö-
sische Verwaltung bisher aufgewendet hat.
*) Siehe unten § 71.
Vierter Abschnitt,
Das Domanial- und Konzessionssystem
und der freie Handel.
Literatur.
Challaye, Le Congo Fran^ais, Paris 1909.
La compagnie Forestidre Sanga-Ubangi, 191 1 und 1912.
Cuvillier-Fleury , La mise en valeur du Congo Fran9ais, Paris 1904.
Les societes concessionaires du Congo Fran9ais, Paris 1909.
Renard, Regime foncier dans les colonies Fran9aises, 1906.
Rouget, L'expansion coloniale au Congo Fran9ais, 1906.
Annuaire Coloniale 1910.
Rapport, Chambre des Deputes 191 1, 2. Teil.
Tardieu: Le Myst^re d'Agadir, Paris 1912.
La Tribüne des Colonies et des Protectorates.
Recueil de Legislation et jurisprudence coloniales.
W. Stahl, Französisch-Kongo, Berlin 1911.
V. Stengel, Der Kongostaat, München 1903.
Vohsen, Deutschland und der Kongostaat, Berlin 1908.
Dr. H. Waltz, Hamburg: Afrikapost 1912, Nr. 4, 5, 6; Hamburger Nach-
richten 191 1, Nr. 601; Hamburger Correspondent 191 1, Nr. 689.
D. Kol.-Ztg. 191 1, 9. und 16. Dezember.
I. Das Domanialsystem.
§ 48. Das Domanialsystem ist in Französisch-Äquatorial-Afrika die Grund-
lage des ganzen Konzessionssystems. Seine Darstellung ist daher zum
Verständnis des folgenden Kapitels über das Konzessionssystem not-
wendig. Daneben ist sie aber unmittelbar von Bedeutung, da Deutschland
in bezug auf die neu erworbenen Ländereien nicht nur staatsrechtlich
der Nachfolger Frankreichs wird, sondern in gewissem Umfange auch
privatrechtUch die Nachfolge Frankreichs antreten muß.
— 153 —
Überall, wo koloniale Tätigkeit war, luit siel» Non Anlx'ginn die Grund-
und Bodenfrage in den \'()rdergrund der K()lonial{X)litik gestellt. Frank-
reich hat in Französisch-Äquatorial-Afrika diese Frage in den Dekreten
vom i8. Febniar 1899, betreffend die Feststellung und die Verhältnisse
des öffentlichen Staatseigentums (Recueil 1899, S. 113) und in dem Dekrete
vom 28. März 1899, betreffend das private Staatseigentum (Recueil
1899, S. 175) geregelt. Danach gehören zum öffentlichen Staatseigentume
(domaine public) i. das Meeresufer und der sich landeinwärts daran
anschließende Landstreifen von 100 m Breite, 2. die schiffbaren Fluß-
läufe mit einem allgemeinen Durchgangsrechte auf einem Landstreifen
von 25 m Breite an beiden Ufern, 3. die nicht sclüff- oder flößbaren
Flußläufe, 4. die Seen, Weiher und Lagunen mit einem allgemeinen
Durchgangsrechte auf einem Landstreifen von 25 m Breite an den Ufern,
5. Schiffahrtskanäle und ihre Leinpfade, Ent- und Bewässerungskanäle
und Wasserleitungen, die zu öffentlichen Zwecken errichtet sind, 6. Eisen-
bahnen, \"erbindungswege, Hafen-, Meer- und Flußdämme, Küsten-
signalstationen, Küstenbefeuerung und -betonnung, 7. Telegraphen- und
TelephonHnien, 8. Wasserwerke, die zu öffentlichen Zwecken errichtet
sind, 9. Militärische Befestigungswerke.
Von dem öffentlichen Staatseigentum ist das private Staatseigentum
(terres domaniales) zu unterscheiden. Nach Art. i des Dekretes vom
28. Mäi"z 1899 gehören alle unbewohnten und herrenlosen Ländereien
(vacantes et sans maitre) in Französisch-Äquatorial-Afrika zum privaten
Staatseigentum. Das Eigentum an ihnen steht dem französischen Staate
zu, während der Ertrag daraus dem Budget von Französisch-Äquatorial-
Afrika übervriesen werden.
Die Ansicht der französischen Regierung darüber, was herrenlos
ist, ist nicht immer gleich gewesen. Der Erlaß des Generalkommissars
vom 26. Sept. 1891^) stand noch auf dem Standpunkte, daß zwischen
den Ländereien im Besitze von Eingeborenen und freien Ländereien ein
Unterschied sei. Art. 18 dieses Erlasses spricht \-om Eigentume der Ein-
geborenen an Ländereien und gibt ihnen das Recht, dieses Eigentum mit
amtlicher Genehmigung zu veräußern. Art. 19 bezeichnet als freie Lände-
reien solche, an welchen niemand ein Eigentumsrecht geltend machen
kann, und betrachtet sie als dem Staate gehörig. Das Dekret vom 28. März
1899 stellt einen solchen Unterschied zwischen Eingeboreneneigentum
und freien Ländereien nicht mehr auf und überläßt es der Verwaltung
und Rechtsprechung, die Begriffe vacant et sans maitre zu bestimmen.
Entsprechend dem Zwecke der seit 1899 begonnenen Domanial- und
•) Bibliotlidquc Coloniale Internationale; Lc Regime foncicr, 2. Band, S. 311 ff.
— 154 —
Konzessionspolitik, das Land und seine Erzeugnisse möglichst vollständig
für die Staatsbedürfnisse nutzbar zu machen, hat sich die Verwaltung
seit 1899 im Gegensatze zu der in dem erwähnten Erlasse von 1891 nieder-
gelegten Rechtsauffassung auf den Standpunkt gestellt, daß im Kongo-
Gebiete die Eingeborenen ein Privateigentum einzelner oder von Gesamt-
heiten am Boden nicht kennen und daß daher alles Land, für das nicht
besondere Eigentumstitel nachzuweisen sind, herrenlos und damit Privat-
eigentum des französischen Staates sei.^)
Dieser Auffassung hat sich auch die Rechtsprechung angeschlossen,
wie aus folgenden von französischen Gerichten aufgestellten Rechts-
sätzen hervorgeht. ,,Das Kollektiveigentum des Stammes und das Privat-
eigentum bestanden nicht im Kongo, die Ländereien waren res nullius"
(Urteil des Tribunal Civil de Libreville vom 11. Januar 1908). 2) ,, Frank-
reich ist der alleinige Eigentümer des Bodens geworden." ,,Die Rechts-
beziehungen der Eingeborenen zum Boden haben mehr die Eigenschaft
des Nießbrauches oder des Wohnungsrechtes als des eigentlichen Eigen-
tums" (Urteil des Cour de Cassation vom 16. April 1902).^) ,,Die Ein-
geborenen haben niemals für sich das Recht des Grundeigentums in
Anspruch genommen. Der französische Staat hat daher niemanden seines
Rechtes entsetzt, wenn er seiner Domäne die rechtlich freien Gebiete
einverleibte" (Urteil des Tribunal Civil de Libreville vom 28. Juni 1902).^)
„Da das Gebiet des französischen Kongo auf Grund des Art. 539 c. c.
und des Dekretes vom 28. März 1899 zur Staatsdomäne gehört und vorher
kein Eigentumsrecht bestand, kann niemand sich auf andere Eigentums-
rechte berufen, als die er vom französischen Staate erhalten hat" (Urteil
des Cour de Cassation vom 30. März 1905).^)
Die französische Verwaltung und Rechtsprechung ist in dieser Frage
im Einklänge mit der von Belgisch-Kongo. Wieweit diese Auffassung
berechtigt ist, könnte nur auf Grund der Kenntnis der tatsächlichen Rechts-
lage entschieden werden. Es kann aber auf die zahlreichen entgegen-
gesetzten Anschauungen verwiesen werden. So nimmt Challaye, der
als Begleiter und Vertrauter des Grafen de Brazza als einer der besten
Kenner des Kongo gelten kann, ganz bestimmt an, daß die Eingeborenen
Eigentum am Boden kannten. Er sagt auf Seite 181 seines Buches ,,Le
Congo Frangais": „Früher waren die Ländereien im Kongogebiete im
^) Instructions Ministerielles v. 24. Mai 1899, § 6 Abs. 4. Annuaire 1910,
579.
') Recueil 1902, 2. Teil, S. 57.
3) Recueil, 2. Teil, S. 165, 166.
*) Recueil 1903, 2. Teil, S. 27.
^) Recueil 1905, 3. Teil, S. 98.
— 155 —
allgemeinen Kollektiveigentume der Schwarzen; sie waren nicht herrenlos"
und auf Seite 185: ,,Im französischen wie im belgischen Kongo sind die
Eingeborenen das Opfer einer ungeheuren Enteignung geworden. Ihr
Kollektiveigentum hat der Staat als freies Land erklärt, um sich seiner
zu bemächtigen und es den Konzessionen zuzuteilen." Entgegengesetzter
Anschauung ist Renard in seinem Buche „Regime Foncier dans les
Colonies Fran9aises de l'Afrique" ; dabei ist jedoch zu l^erücksichtigen,
daß Renard als Sekretär der Union Congolaise Fran^aise, der Gesamt-
vertretung der Konzessionsgesellschaften natürlich auf eine Verteidigung der
Konzessionspolitik bedacht war. Für Belgisch-Kongo, wo die Eingeborenen-
Rechtsverhältnisse gleich sind, führt E. Vohsen in seiner Schrift „Deutsch-
land und der Kongostaat" ^) auf Seite 43 ff. eine Reihe von Kennern des
Landes auf, die ebenso wie er, Privateigentum der Eingeborenen am
Boden annehmen.^)
Wie die Rechtslage früher aber auch gewesen sein mag; für das
geltende Recht steht fest, daß die französische Regierung für den Staat
das Privateigentum am ganzen Lande in Anspruch nimmt und Ausnahmen
nur anerkennt, soweit der Eigentumstitel auf sie selbst zurückzuführen ist.
Der Staat kann dieses Privateigentum nach Art. 4 des Dekretes
auf dreierlei Weise veräußern, i. dm^ch öffentliche Versteigerung und
Zuschlag, 2. durch entgeltliche oder unentgelthche Übertragung auf
Grund Vertrages, 3. durch Vergebung der Nutznießung in zeithche Kon-
zession, wobei dem Konzessionär die Erfüllung gewisser Bedingungen
auferlegt wird. Solche Konzessionen können für Gebiete bis zu 10 000 ha
durch den Generalkommissar, der seit dem Dekrete vom 26. Juni 1908
den Titel Generalgouverneur hat, verliehen werden; während für Kon-
zessionen über 10 000 ha ein Dekret des Präsidenten von Frankreich
notwendig ist.
Die Rechtsverhältnisse der Konzessionen bis zu 10 000 lia waren
früher in dem Dekrete vom 14. April 1900^) geregelt. Durch Dekret vom
6. Oktober 1910^) sind sie auf eine neue reclitliche Grundlage gestellt
worden. Die kleinen Landkonzessionen zerfallen danach in ländhche
und städtische. Die städtischen werden an Europäer nur durch öffent-
liche Versteigerung, an Eingeborene dagegen umsonst vergeben gegen
die Verpflichtung, die Grundstücke in Verwertung zu nehmen. Die länd-
*) Berlin 1908. Dietrich Reimer.
-) Vgl. dazu auch die .Mihandlung Recueil 1905, 2. Teil, S. 49ff., besonders
S. 61 und Hecucil 1907, 2. Teil, S. 29 ff. Die zweite Abhandlung bezieht sich aller-
dings auf Französisch-Westafrika.
') Annuaire 1910, S. 553.
*) Mouv. Gtogr. 191 1, S. 389. Renscignemcnts Coloniaux 191 1, S. 269.
- 156 -
liehen Konzessionen werden an Europäer und Eingeborene umsonst ver-
geben, gegen die Verpflichtung, die Grundstücke binnen 6 Jahren zu
bebauen und eine jährliche feste Abgabe zu bezahlen. Für diese kleinen
Landkonzessionen war ursprünglich ein großes Landgebiet von der Nord-
küste bis zum Iwindo- Gebiete vorbehalten worden. Da dieses Gebiet
sich größtenteils als nicht geeignet für kleine Konzessionen gezeigt hat,
ist der im Innern gelegene Teil an die Ngoko-Sanga- Gesellschaft vergeben
worden. 1) Das deutsche Küstendreieck fällt ganz in das jetzt noch für
kleine Konzessionen vorbehaltene Gebiet,
Für die Konzessionen über lo ooo ha war nach dem Domanial-
dekrete in seiner ursprünglichen Fassung vom 28. März 1899 ein Dekret
des Präsidenten der Französischen Republik notwendig. 2) Für dieses
Dekret hat die Regierung unter Mitwirkung der Kommission für kolo-
niale Konzessionen eine Vorlage ausgearbeitet, die den seit dem Jahre
1899 bis 1910 verliehenen Konzessionen zugrunde gelegen hat. Das Dekret
ist im Anhang II mit dem ihm angefügten Lastenhefte abgedruckt.
Im Jahre 1910/11 ist für 11 Konzessionen das Dekret abgeändert worden,
das neue Dekret ist im Anhange III abgedruckt.
IL Das Konzessionssystem.
Das Konzessionssystem soll im folgendem Abschnitte so dargestellt
werden, daß nach einer kurzen Übersicht über die Konzessionsgesell-
schaften in ganz Französisch-Äquatorial- Afrika die Gesellschaften, deren
Konzessionsgebiete ganz oder zum Teil in Neu-Kamerun liegen, nach
ihren wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen einzeln behandelt
und daran anschließend ihre rechtlichen Verhältnisse einheitlich dar-
gestellt werden.
§49, I. Die Konzessionsgesellschaften in Französisch-Äquatorial- Afrika.
Auf Grund der Ermächtigung in Ziffer 3 des Art. 4 des Dekretes,
betreffend das private Staatseigentum, sind vom Juni 1899 bis Januar
1901 39 Landkonzessionen unter Zugrundelegung des Normaldekretes ^)
^) Vgl. unten § 50.
*) Die neue Fassung vom 19. Juni 1904 hat die Zuständigkeit zur Erteilung
von Konzessionen in der Weise geregelt, daß für Konzessionen bis zu 200 ha die
Gouverneure der einzelnen Kolonien unter Mitwirkung ihrer Verwaltungsräte,
für Konzessionen von 200 — 10 000 ha der Generalgouverneur unter Mitwirkung
des Gouvernementsrates zuständig ist. Über Konzessionen von mehr als 10 000 ha
ist nichts Besonderes mehr bestimmt. Bezüglich dieser Konzessionen verbleibt
es also bei der Zuständigkeit des Präsidenten von Frankreich.
3) S. Anhang II.
und eine Konzession bestehend aus lo Konzessionen zu je lo ooo ha
verliehen worden, im ganzen also 40. Die Konzessionen wurden zunächst
an Privatleute vergeben mit der Maßgabe, daß die Konzession erst end-
gültig werden sollte, wenn sie rechtsgültit,' auf eine Aktien-Gesellschaft
(Societe anonyme) übertragen wird. Dementsprechend sind zur \'er-
wertung der Konzessionen 40 Konzessions- Gesellschaften gegründet
worden. Von diesen 40 Konzessions-GeselLschaften haben einige sich
aufgelöst und ihre Konzessionen aufgegeben, eine Anzahl hat sich mit
Genehmigimg der französischen Regierung verschmolzen, einige haben ohne
Genehmigung der Regierung Betriebsgemeinschaften geschlossen, einige
befinden sich zurzeit in Liquidation, so daß die Zahl der heute bestehenden
Konzessions-Gesellschaften nur noch 23 oder, wenn man auch die ohne
Genehmigung der Regierung geschlossenen Betriebsgemeinschaften be-
rücksichtigt, nur noch 19 beträgt. Die wichtigste dieser Verschmelzungen
ist die von 1910/11, aus der die Compagnie Forestiere Sanga-Ubangi
hervorgegangen ist (vgl. Anhang III). Das ursprüngliche Aktienkapital
der sämtlichen Gesellschaften von 59 225 000 Franken beträgt heute
etwa 50 Millionen, davon sind 35 Millionen eingezahlt. Die Gesamtfläche
des Konzessionsgebietes beträgt ungefähr 650 000 qkm. Die Angaben
darüber, welchen Bruchteil des ganzen Gebietes von Französisch-Äquato-
rial-Afrika dieses Konzessionsgebiet bildet, gehen auseinander. Rouget
und im Anschluß daran W. Stahl berechnet diesen Bruchteil auf die
Hälfte des ganzen Gebietes, Challaye (S. 175) berechnet es auf ^Yao»
Renard (S. 189), ebenso die Compagnie Forestiere (S. 5 ihrer Denkschrift)
sagt, daß das ganze Gebiet in Konzessionen vergeben sei. Diese Wider-
sprüche erklären sich daraus, daß ganz verscliiedene Oberflächen für
Franzüsisch-Äquatorial-Afrika angenommen sind, je nach dem umfang,
in dem das Tschadgebiet zu Französisch-Äquatorial-Afrika gerechnet ist.
Das Wesentliche ist, festzustellen, daß heute in dem Urwaldgebiete
und nördlich bis zur Grenze der Ufenvälder, also soweit die Kautschuk-
gewinnung reicht, alle Ländereien in Konzessionen vergeben sind, mit
Ausnahme der zwei Gebiete, die in der Umgebung \'on Brazzaville und
von Libreville für kleinere Konzessionen vorbehalten worden sind, und
mit Ausnahme von einigen früheren Konzessionsgebieten, die von ihren
Inhabern wegen ihrer Minderwertigkeit wieder aufgegeben wurden und
seitdem keinen Abnehmer mehr gefunden haben.
Die Konzessionsgesellschaften haben in den ersten 4 Jahren fast
durchweg mit Verlust gearbeitet. \'om Jahre 1904 an überwiegen die
jährlichen Reingewinne. In den folgenden Jahren 1905, 1906 und 1907
erzielten die meisten Gesellschaften ganz erhebliche Reingewinne, 190S
und 1909 haben sich die Erträge infolge des Sinkens der Preise auf dem
- 158 -
Kautschukmarkte etwas ermäßigt, in den letzten beiden Jahren haben
die Gewinne die frühere Höhe aber wieder erreicht und teilweise überholt.
Die Gesellschaften, deren Konzessionsgebiete ganz oder zum Teile in
Neu-Kamerun liegen, werden im folgenden besprochen, und zwar zuerst
die Gesellschaften, für deren Konzessionen noch das Dekret von 1899
gilt; dann die Compagnie Forestiere Sanga-Ubangi, dann die Societe
du Haut-Ogowe, für deren Konzession besondere Bestimmungen gelten,
und im Anschlüsse daran die Messageries Fluviales, die zwar keine Kon-
zessionsgesellschaft ist, die aber mit den Konzessionsgesellschaften
in engen Beziehungen steht und einen Teil ihrer Verpflichtungen über-
nommen hat.
A. Die Konzessionsgesellschaften nach dem Dekrete
von 1899.
§50. I. Die Compagnie de la Ngoko-Sangha^) ist aus der
Verschmelzung zweier Gesellschaften hervorgegangen und ihre Rechte
erstrecken sich heute auf 3 Konzessionsgebiete. Im Jahre 1903 vereinigten
sich die Compagnie de la Ngoko-Ouesso (Dekret vom 22. Juni 1899)
und die Societe des produits de la Sangha-Lipa-Ouesso (Dekret
vom 31. März 1899, Journ. off. 1899, S. 1931). Die Vereinigung wurde
im Jahre 1904 von der Regierung genehmigt. Die neue Gesellschaft
nahm den Namen Compagnie de la Ngoko-Sangha an.
Für den Umfang der beiden Konzessionsgebiete sind nicht mehr diese
ursprüngüchen Dekrete maßgebend, sondern die 2 Dekrete vom 18. März
1905 (Journ. off. vom 27. März 1905), durch welche die ursprünglichen
Konzessionsgebiete vergrößert worden sind. In diesen beiden Dekreten
werden die Grenzen wie folgt festgesetzt : a) Die Grenzen der Konzession
Ngoko-Wesso werden gebildet:
im Norden durch die Südgrenze von Kamerun;
im Westen durch den Längengrad 11 •'30' östhcher Länge von Paris
(13^50' von Greenwich) bis zu seinem Schnittpunkte mit der Wasser-
scheide des Flußbeckens des Likuala-Mossaka oder wenn der Meridian
die Wasserscheide nicht schneidet, 2) bis zu seinem Schnittpunkte mit
dem Breitengrade 0^30' nördhcher Breite;
im Süden durch die nördhche Wasserscheide des Flußbeckens des
Likuala-Mossaka, oder durch den Breitengrad o** 30' bis zu seinem Schnitt-
punkte mit dieser Wasserscheide und dann durch diese Wasserscheide,
bis zu ihrem Schnittpunkte bis dem Breitengrade, der durch den Zu-
^) Gesellschaftssitz: Paris, 11 Rue Lafitte.
2) Nach der Karte von Delingette ist ein solcher Schnittpunkt nicht vorhanden.
— 159 —
sammenfluß des Ndoki mit dem Sanga geht, von da ab durch diesen
Breitengrad selbst bis zum Sanga;
im Osten durch den Sanga bis zur Südgrenze von Kamerun.
b) Die Grenze der Konzession Sanga-Lipa-Wesso wird gebildet
im Norden durch den Breitengrad, der durch die Mündung des
Lipa geht;
im Osten durch die Wasserscheide zwischen dem Sanga-Becken und
dem Becken des grünen Likuala;
im Südwesten und Süden durch eine gerade Linie, die von einem
20 km nördüch von der Mündung des Gokula in den Sanga gelegenen Punkte
ausgeht und nach Nordosten in einer mittleren Entfernung von 20 km
bis zum Ende des GokuJa-Beckens verläuft; von da ab wird die Grenze
durch die Grenze dieses Flußbeckens gebildet bis zu der Linie, die das
Sanga-Becken im Osten abgrenzt und von dem Likuala-Becken trennt;
im Westen durch den Sanga.
Durch Dekret vom gleichen Tage (18. März 1905, Journ. off. 27. März
1905) \\-urde der Ngoko-Sanga-Gesellschaft ein Gebiet in Konzession
gegeben, das die Societe d'explorations coloniales bisher ohne
besonderen Rechtstitel für sich in Anspruch genommen hatte. Die
Societe d'explorations coloniales erhielt für den Verzicht auf dieses
Gebiet von der Ngoko-Sanga-Gesellschaft 325 000 Franken. Dieses
Gebiet wird begrenzt:
im Norden von der Kameruner Südgrenze;
im Westen durch den 9*^ östücher Länge von Paris (ii*' 20' von
Greenwich) bis zu seinem Zusammentreffen mit der Grenze der Konzession
Haut-Ogowe ;
im Süden durch die Nordgrenze der Konzession Haut-Ogowe, wie
sie in dem Dekrete der genannten Konzession festgesetzt ist;^)
im Osten durch den Längengrad 11^30' östUcher Länge von Paris
(13^50' von Green\\'ich), der die Grenze der Konzession Ngoko-Wesso
büdet.
Die Ngoko-Sanga-Gesellschaft ist demnach Inhaberin dreier Kon-
zessionen. Die nordöstliche dieser 3 Konzessionen, nämlich die Konzession
Sanga-Lipa-Wesso, hat sie im Jahre 1910/11 in die Compagnie Forestiere
eingebracht, die selbst Inhaberin von 10 anderen Konzessionen ist.
Dabei hat sie für diese Konzession die gleichen Veränderungen der Kon-
zessionsbestimmungen angenommen wie die 10 Gesellschaften, die sich
zur Compagnie Forestiere Sanga-Ubangi verschmolzen haben.'^) Den
^) Siehe darüber unten § 57.
*) Vgl. darüber das Nähere unten § 56.
— i6o —
Bestimmungen des Dekretes von 1899 sind daher heute nur noch die
beiden anderen Konzessionen unterworfen, deren Gebiete zusammen im
Norden durch die Kameruner Südgrenze, im Westen durch Spanisch-
Guinea, im Osten durch den Sanga begrenzt werden; und deren Süd-
grenze sich aus der Zusammensetzung der oben zuletzt angegebenen
2 Südgrenzen ergibt. Der Gesamtflächeninhalt beträgt einschließlich
der Konzession Sanga-Lipa-Wesso etwa 7 Millionen ha, davon liegen etwa
2,7 MilHonen ha, darunter das Konzessions- Gebiet Sanga-Lipa-Wesso
von 1,8 Millionen ha im vertraglichen Kongo-Becken, der Rest in Gabun.
Was die Konzessionsdauer anlangt, so läuft die Konzession Sanga-
Wesso 1829 ab; über die Konzession Sanga-Lipa-Wesso vgl. unten § 68.
Für die dritte (westlich gelegene) Konzession läuft die 30 jährige Kon-
zessionszeit von 1905 an, so daß diese Konzession erst im Jahre 1935
erlischt.
Das Aktienkapital der Ngoko-Sanga beträgt 2 750 000 Franken,
eingeteilt in 5500 Aktien von je 500 Franken. Davon sind 2 320 000 Fran-
ken eingezahlt. Die Aktien haben keinen Markt, und es finden nur selten
Umsätze in ihnen statt. Ihr Kurs wird in dem Kurszettel der Depeche
Coloniale vom 21. April 1912 auf 275 Franken angegeben. Nach einer
privaten, aus französischen Konzessionskreisen stammenden Mitteilung
haben die letzten Umsätze vor einigen Monaten mit 250 Franken statt-
gefunden. Die Gesellschaft hat Genußscheine ausgegeben, deren Kurs
in dem genannten Kurszettel mit 40 Franken angegeben wird. Die jähr-
liche feste Abgabe an den Fiskus beträgt seit 1910 von der Ngoko-Wesso-
Konzession 13 000 Franken, von der Sanga-Lipa-Wesso-Konzession
10 000 Franken; demgemäß hat die Ngoko-Sanga im Jahre 1910 23000
Franken als feste Abgabe an den Fiskus abgeführt. Für die dritte Kon-
zession hat die französische Regierung für die ersten 10 Jahre auf eine
feste jährhche Abgabe verzichtet. Vom i. Januar 1915 ab ist für sie
eine jährhche feste Abgabe von 10 000 Franken zu bezahlen. Für die
beiden ersten Konzessionen hat die Gesellschaft zusammen 38 000 Franken
Kaution, nämlich 28 000 Franken für die Konzession Ngoko-Wesso,
10 000 Franken für die Konzession Sanga-Lipa-Wesso hinterlegt, für die
dritte Konzession wurde eine besondere Kaution nicht verlangt. Die
Gesellschaft hatte zu den, durch die Errichtung von Zollposten im Gebiete
der Konzession Ngoko-Wesso entstehenden Kosten 28 000 Franken
bzw. für die Konzession Sanga-Lipa-Wesso 15 000 Franken als einmalige
Beihilfe zu zahlen, zu denen im Gebiete der dritten Konzession
25 000 Franken getreten sind.
Da die Geschäftsberichte der Gesellschaft zur Zeit der Drucklegung
noch nicht zugänglich sind, kann über die gegenwärtige Geschäftslage
— i6i —
nichts Sicheres gesagt werden. Der Kursstand der 500 Fr.-Aktien auf
275 Franken deutet darauf hin, daß die finanziellen Ergebnisse nicht be-
friedigen. Nach einem Auszuge aus dem Geschäftsberichte für 1910 schloß
die Gewinn- und Verlustrechnung für dieses Jahr mit einem Vortrage
von 749 100 Franken auf das Jahr 191 1 ab. Dabei ist aber zu lx>rück-
sichtigen, daß auf der Habenseite der Posten von 2 393 000 Franken
eingetragen ist, der der Gesellschaft im Jahre 1910 durch Schiedsspruch
als Entschädigung zugebilligt worden ist; daß die Berechtigung dieses
Entschädigungsanspruchs aber von der französischen Regierung in-
zwischen bestritten worden ist. Ein endgültiges Urteil über die Finanz-
lage der Gesellschaft kann auf Grund dieses Auszuges nicht gegeben
werden. Im Jahre 1909 hat die Gesellschaft keinen Reingewinn erzielt,
daher auch keinen Gewinnanteil an den Staat bezahlt.
Da die Konzessionsgebiete der Ngoko-Sanga heute so gut wie ganz
auf deutschem Gebiete liegen, ist fast der ganze Betrag der festen Abgabe
und einer etwaigen Gewinnbeteiligung in Zukunft an den deutschen
Fiskus abzuführen.
Die bisherige Geschäftspraxis der Ngoko-Sanga ist in der französi-
schen Öffentlichkeit und im Zusammenhange mit den Verhandlungen
mit der Südkamerun- Gesellschaft wegen Abschlusses einer Betriebsge-
meinschaft auch in der deutschen viel besprochen worden. Die Berichte
sind sich alle darin einig, daß die Gesellschaft Ngoko-Sanga bisher weniger
darauf bedacht war, ihre Konzessionsgebiete im Sinne der Vorschriften
des Dekretes und des Lastenheftes zu bewirtschaften, als darauf, unter
irgendwelchem Vorvvande vom Fiskus oder Privaten Entschädigungen
zu erhalten. So hat sie vor dem Jahre 1905 die angebliche Ausbeutung
ihres Gebietes durch fremde Händler, später die Grenzregulierung an der
Kameruner Südgrenze und andere Gründe zur Erhebung von Ent-
schädigungsansprüchen benutzt. Zum Teil haben diese Ansprüche bei
der Französischen Regierung auch Erfolg gehabt. ^) Die Erteilung der
dritten Konzession und die Vergrößerung der Gebiete der beiden alten
Konzessionen im Jahre 1905 sind auf diese Entschädigimgsansprüche
zurückzuführen. Der Gesellschaft ist es auch gelungen, die französische
Regierung im Jahre 1910 zum Anerkenntnisse weiterer Entschädigungs-
ansprüche zu veranlassen. Die Höhe dieser Ansprüche wurde durch
Schiedsspruch auf 2393000 Franken festgesetzt. Gegen die Auszahlung
dieser Summe hat sich aber in der Öffentlichkeit und in der Deputierten-
kammer Widerspruch erhoben, so daß die französische Regierung die
rechtliche Ungültigkeit dieses Schiedsspruches der Gesellschaft gegenüber
>) Vgl. Tardieu, S. 188.
Verfiffentl. d. Rcichskolonialamtej Vr. 4 : Ritter.
— l62 —
geltend gemacht hat. Diese Angelegenheit scheint gegenwärtig noch in
der Schwebe zu sein und die französischen Gerichte zu beschäftigen.
Die Gesellschaft hat die wirtschaftliche Tätigkeit meist darauf be-
schränkt, den Eingeborenen den Kautschuk und das Elfenbein, das sie
freiwillig brachten, abzukaufen. Als Gegenwert hat die Gesellschaft
dabei, den französischen Budgetberichten und anderen Meldungen zufolge
vielfach Gewehre und Pulver gegeben, obwohl in Art. 9 des Konzessions-
dekretes der Gesellschaft der Waffenhandel untersagt worden ist. Wie
nachgewiesen worden ist, steht der heftige Widerstand, den die franzö-
sische Verwaltung in den beiden letzten Jahren im Kudu-Dschua-Lande
bei den Eingeborenen gefunden hat, mit diesem Waffenhandel unmittelbar
im Zusammenhang. So ist z. B. eine Faktorei bei Gara-Binzam, der die
Munitionslieferung für die Aufständischen jenes Gebietes nachgewiesen
wurde, dafür zur Verantwortung gezogen worden. Die Gesellschaft hat,
obwohl sie über das beste Kautschukland von Französisch-Äquatorial-
Afrika verfügt, in den Jahren 1903 — 1908 nur 471 Tonnen ausgeführt.
Die Gesellschaft unterhält zurzeit Faktoreien in Vine, Suanke (i)^), Alati,
Sufley (i), Sembe (3), Ngoila, Dongo, Ngali (3), Bajanga (i).
R 2j_ 2. Das Konzessionsgebiet der Compagnie Frangaise du
Haut-Congo^) reicht nut etwa mit Y12 seiner Gesamtfläche auf deutsches
Gebiet. Es umfaßt nach dem Dekrete vom 31. März 1899 (Joum. off.
1899 S. 3971) das Flußgebiet des Likuala-Mossaka und seiner Neben-
flüsse und die Lagune von Likaba, ^) Auf deutschem Gebiete liegt davon
nur die schmale linke Uferseite des Kandeko, Bokiba und Likuala-
Mossaka und im Norden ein kleiner Teil des Quellgebietes des Lengue.
Der Flächeninhalt beträgt 3 600 000 ha,*) auf deutschem Gebiete hegen
höchstens 250 — 300 000 ha. Das Konzessionsgebiet liegt ganz im ver-
traglichen Kongo-Becken. Die Konzession läuft im Jahre 1829 ^^^
Das Aktienkapital ist in der Hauptversammlung vom 25. Oktober 1910
von 2 500 000 Franken auf 2 Mill. Franken herabgesetzt worden. Die
Gesellschaft hat 10 000 Gründeranteile ausgegeben. Die einzelnen Aktien
lauten auf 500 Franken Nennwert. Ihr Kurs wird in dem Kurszettel
^) Die hier und später den Faktoreien nachgedruckten Ziffern bedeuten dio
Zahl der weißen Angestellten, die die betreffenden Gesellschaften für die Faktorei
vorgesehen haben. Wenn Ziffern nicht angegeben sind, so soll damit nicht gesagt
sein, daß auf der betreffenden Faktorei keine weißen Angestellten seien. Es fehlen
nur bisher Angaben dafür. Zum Teil werden diese Faktoreien allerdings auch nur
von Eingeborenen betrieben. Im ganzen befinden sich etwa 60 weiße Angestellte
auf den Faktoreien Neu-Kameruns.
2) Gesellschaftssitz: Paris, Rue Grange-Batehfere 13.
3) Siehe Karte Nr. 2.
*) Nach anderen Angaben über 5000000 ha.
- i63 -
der Annales Coloniales vom ii. Mai 1912 mit 406 Franken angegeben,
der der Genußscheine mit 62 Franken. Die Gesellschaft hat im Jahre 1910
einen Reingewinn von 323850 Franken erzielt (1909: 345982 Franken).
Die Aktionäre erhielten im Jahre 1910 eine Dividende von 40 Franken.
die Inhaber der Geniißschcine einen Gewinnanteil von 7,30 Franken,
Der Anteil des Fiskus am Reingewinne betrug 29827 Franken (1909:
30885 Franken). Die jährliche feste Abgabe beträgt 30000 Franken
(1909: 22 000 Franken). Auf Deutschland dürften von diesen beiden Ab-
gaben in Zukunft etwa 5000 Franken entfallen. Die Kaution beträgt
50000 Franken. Die Gesellschaft hatte zu den Kosten der Zollstationen
ihres Gebietes 30 000 Franken beizutragen und ist zur Unterhaltung von
wenigstens 3 kleineren Dampf booten verpflichtet.
Die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft wird im allgemeinen günstig
beurteilt. Der in ihrem Gebiete gewonnene Kautschuk erzielt einen Markt-
preis von durchschnittlich 10^4 — ^^ Franken. Die Gesellschaft führt
jährlich etwa 25 Tonnen Elfenbein aus. Von ihren Faktoreien hegt nur
eine einzige auf deutschem Gebiete, nämlich die bei Ntoku (i) ^) (Remond-
ville).
3. Das Konzessionsgebiet der Soci et ö de la Sangha equatoriale-) §52.
das vollständig deutsch geworden ist, wird begrenzt^)
im Norden von dem Äquator;
im Osten und im Süden \-on dem Sanga bis zu seinem Zusammenflusse
mit dem Kongo, dann durch den Ivongo;
im Westen von der östlichen Wasserscheide des Likuala-Mossaka-
Beckens bis zu ihrem Schnittpunkte mit dem Äquator. (Dekret v. 19. Mai
1899, Journ. off. 1899 S. 5281.)
Es hat einen Flächeninhalt von 555 000 ha und liegt ganz im ver-
traghchen Kongo-Becken. Die Konzession läuft auf 30 Jahre, das Aktien-
kapital der Gesellschaft beträgt i Mill. Franken, eingeteilt in 10 000
Aktien von je 100 Franken. Die Gesellschaft hat außerdem 10 000 Ge-
winnanteile ausgegeben. Im Jahre 1909 hat sich der Fehlbetrag um
18 266 Franken auf 292 797 Franken erhöht. An den Fiskus ist daher
eine Gewinnbeteiligung nicht zu zalilen gewesen. Die feste jährliche
Abgabe betrug bis zum Jahre 1909 6000 Franken, vom Jahre 1910 ab
beträgt sie 8000 Franken, Die Aktien der Gesellschaft stehen auf einem
Kurse von 15 Franken. Zur Errichtung von Zollposten hatte sie einmalig
20 000 Franken zu zahlen.
») Vßl. s. 162. >)
^) Sitz in Paris, 5 ruc de la Rochefoucault, und in Lille, 15 nie de Pas,
^) Vgl Karte Nr. 2.
— i64 —
Wie aus der Angabe über den Fehlbetrag hervorgeht, hat das Unter-
nehmen sich schlecht rentiert. Das ist das hauptsächlich darauf zurück-
zuführen, daß das Konzessionsgebiet ganz im Überschwemmungsgebiete
des unteren Sanga liegt und daher eine gewinnbringende Bearbeitung
der dortigen Kautschukbestände fast unmöghch ist. Um ihren Geschäfts-
plan auf eine neue Grundlage zu stellen, hat die Gesellschaft sich im
Jahre 1910 an die französische Regierung gewendet mit dem Ersuchen,
den Konzessionsvertrag aufzuheben, die Kaution von 20 000 Franken
zurückzuzahlen und die Gesellschaft von der Zahlung der jährlichen festen
Abgabe von 8000 Franken zu befreien. Dafür will die Gesellschaft auf
die Konzession verzichten. Als Gegenleistung für den Verzicht auf die
Konzession will sie ein Landgebiet von 10 000 ha zum vollen Eigentum
haben, das sie sich in Stücken von i — 2000 ha an verschiedenen Stellen
des bisherigen Konzessionsgebietes auswählen will. Die einzige Faktorei
der Gesellschaft befindet sich bei Likunda (i)i) auf dem rechten Ufer
des Sanga.
§ 53- 4. Das Konzessionsgebiet der Compagnie commerciale de
Colonisation du Congo Frangais^) liegt ganz auf deutschem Gebiete
und umfaßt laut Dekret vom 9. Juni 1899 (Journ. off. 1899 S. 6517)
das Gebiet, das
im Süden von dem Breitengrade begrenzt wird, der durch den Zu-
sammenfluß des Nana-Punde und des Mambere geht;
in Südwesten und Westen von dem Lauf des Mambere;
im Norden und Osten durch die Wasserscheide, die auf dieser Seite
die Flußgebiete des Mambere und des Nana-Punde abgrenzt;^)
Die Konzession auf 4 Faktoreien außerhalb des so begrenzten Ge-
bietes, die in diesem Dekrete weiter verliehen worden war, wurde durch
Dekret vom 11. Februar 1902 (Journ. off. v. 22. Februar 1902) wieder
zurückgenommen. Das Gebiet hat einen Flächeninhalt von i 240 000 ha
und hegt ganz im vertraglichen Kongo-Becken. Das Aktienkapital
beträgt i Mill. Franken, eingeteilt in 2000 Aktien zu 500 Franken. Das
Aktienkapital, das in holländischem Besitze ist, hat keinen Markt. Es
erscheint daher auch in den oben angeführten, privaten Kursveröffent-
lichungen für die Aktien keine Notiz. Die jährhche feste Abgabe an den
Fiskus beträgt 12 000 Franken. Einen Reingewinn*) scheint die Gesellschaft
1) Vgl. S. 162.1)
*) Sitz: Paris, 3 rue d'AIger. Abkürzung: C. C. C. C.
3) Vgl. Karte Nr. 2.
*) Die Geschäftsberichte der Gesellschaft sind bei Drucklegung noch nicht
zugänghch gewesen. Im Jahre 1909 ist kein Reingewinn erzielt, daher auch
kein Gewinnanteil an den Fiskus gezahlt worden.
- i65 -
in den letzten Jahren nicht erzielt zu haben, so daß ein Gewinnanteil
an den Fiskus nicht abzuführen war. Die Gesellschaft hat eine Kaution
von 20 000 Franken hinterlef,'t, sie ist verpflichtet, ein großes und ein
kleines Dampfboot zu halten. Ihr Beitrag zu den Zollposten betrug
12 000 Franken.
Die Gesellschaft scheint von Anfang an wenig günstige Ergebnisse
erzielt zu haben. Sie hat sich daher wie die Ngoko-Sanga mit Entschädi-
gungsansprüchen an die französische Regierung gewendet, mit der Be-
gründung, daß infolge der rigorosen Steuereintreibung die Eingeborenen
aus ihrem Gebiete abgewandert seien, so daß infolge Arbeitermangel
die Kautschukbestände nicht ausgebeutet werden konnten. Diase An-
sprüche wurden jedoch abgelehnt. Die Gesellschaft unterhält Faktoreien
in Karnot (i). Nana (i) und Babua (i). Zur Verminderung der Betriebs-
unkosten und \'erbesserung der Betriebsergebnisse hat die Gesellschaft
mit der im folgenden Absätze behandelten Gesellschaft, der Compagnie
Fran^aise de l'Ouahme et de la Nana und der Comp. Fran9. d'Exploita-
tion la Brazzaville, die lo Konzessionen von je lo ooo ha hat (3 in der
Gegend von Libreville und 7 in der Gegend von Brazzaville), eine Be-
triebsgemeinschaft geschlossen, ohne daß diese Vereinigung bisher von
der französischen Regierung formell genehmigt worden wäre.
5. Das Gebiet der Compagnie Fran^aise de l'Ouahme et § 54-
de la Nanai) wird nach den Dekreten vom 21. Februar 1900 (Joum. off.
1900 S. 3063) und vom 11. Februar 1902 (Joum. off. vom 22. Februar
1902) begrenzt:
im Norden durch den 7. nördlichen Breitengrad von seinem Schnitt-
punkte mit dem Flusse Wassa (= Bassa) bis zu seinem Zusammentreffen
mit der östlichen Wasserscheide des Nana Punde-Beckens;
im Westen durch diese Wasserscheide bis zu ihrem Zusammentreffen
mit der Wasserscheide zwischen dem Becken des Schari und dem des
Sanga-Ubangi ;
im Osten, zuerst vom 7. nördlichen Breitengrade an durch den Fluß
Wassa (= Bassa) bis zu seinem Schnittpunkte mit dem Breitengrade
ö*' 36' nördlicher Breite, dann zwischen dem Wassa und dem Posten
Nana A durch diesen Breitengrad, von diesem Posten ab durch die Kara-
wanenstraße bis zu ihrem Treffpunkte mit dem Tomi-Flusse;
im Süden von diesem Treffpunkte an durch das linke Ufer des Tomi-
Flusses aufwärts bis zu seinem Schnittpunkte mit dem Längengrade,
*) Sitz: Paris, 3 rue d'Alger. Die Schreibweise des Wortes Ouahm6 schwankt
(Ouhame, Ouham^, Ouahme, Ouahm^). Hier wird die Schreibweise des Journal
officicl gewählt.
— i66 —
der von dem unter dem Namen Kaga N'Diri bekannten orographischen
Knotenpunkt abgeht, dann durch diesen Längengrad bis zu seinem
Treffpunkte am Kaga N'Diri mit der Wasserscheide zwischen dem Schari
und Ubangi-Becken, dann gegen Westen durch diese Wasserscheide. i)
Der Flächeninhalt beträgt 2 Mill. ha. -) Das Gebiet hegt zum größten
Teile außerhalb des vertraglichen Kongo-Beckens und mit nicht ganz der
Hälfte auf jetzt deutschem Gebiete. Die Konzessionsdauer beträgt
30 Jahre. Die Gesellschaft hat ein Aktienkapital von 2 Mill. Franken,
eingeteilt in 4000 Aktien zu 500 Franken; sie hat außerdem Gewinn-
anteile ausgegeben. Kurse sind in der letzten Zeit nicht notiert worden.
Die Gesellschaft ist hervorgegangen aus der holländischen Gesellschaft
,, Nieuwe Afrikaanshe Handels Vennootschap". Das Aktienkapital ist wie
das der vorigen Gesellschaft, der C. C. C. C, in holländischem Besitze.
Die Gesellschaft soll sich in besserer finanzieller Lage^) befinden
als die C, C. C. C. Nach einer privaten Mitteilung soll für das Jahr 1910
eine Dividende von 15 Franken verteilt worden sein; in dem Kurs-
zettel der Annales Coloniales vom 11. Mai 1912 ist für 1910 aber keine
Dividende angegeben. Im Jahre 1909 betrug der Anteil des französi-
schen Fiskus am Reingewinne 79403 Franken. Davon wären einer
französischen Schätzung zufolge nach dem jetzigen Besitzstande
39800 Franken auf den deutschen Fiskus entfallen. Die feste jährhche
Abgabe beträgt 12000 Franken. Davon entfällt ungefähr die Hälfte
auf den deutschen Fiskus. Der einmahge Beitrag für die Zollposten be-
trug 25 000 Franken. Die Gesellschaft hat eine Faktorei in Bozum (i) ^)
und eine im Norden außerhalb ihres Konzessionsgebietes, in Lere (i).
§ 55- 6. Das Gebiet der Compagnie Commerciale et Coloniale
de la Mambere-Sangha^) in Liqu. wird laut Dekret vom 16. Juli
1899 (Joum. off. 1900 S. 7587) begrenzt:
im Süden von Ost nach West durch den 6. nördlichen Breitengrad
von seinem Schnittpunkte mit dem Laufe des Mambere bis zu seinem
Schnittpunkte mit der Kameruner Grenze;
^) Vgl. Karte Nr. 2. Zu der Grenzbeschreibung ist zu bemerken, daß der 7.
nördliche Breitengrad die östliche Wasserscheide des Nana nicht trifft. Nach einem
Schreiben des Vorstandes der Gesellschaft an Herrn Dr. Waltz wird angenommen,
daß die Grenze vom 7. nördlichen Breitengrade bis zur östlichen Wasserscheide
des Nana durch den entsprechenden Längengrad gebildet wird.
*) Nach anderen Angaben über 4 000 000 ha.
3) Die Geschäftsberichte der Gesellschaft haben bei Drucklegung hier noch
nicht vorgelegen.
*) Vgl. S. 162.1)
^) Sitz: Paris, Rue de la Chaussee d'Antin 22 (?).
- 16; -
im Westen durch die Kameruner Grenze;
im Norden durch den die Quelle des Mambcre schneidenden Breiten-
grad;
im Osten durch den Lauf des Mambere von seiner Quelle bis zu
seinem Schnittpunkte mit dem 6. nördlichen Breitengrade.')
Der Flächeninhalt beträgt 560 000 ha, das Aktienkapital 800 000
Franken, eingeteilt in 1600 Aktien zu 500 Franken. Die Gesellschaft ist
seit Anfang 1910, nach anderen Mitteilungen schon seit 1903 in Liquidation,
ihre jährüche feste Abgabe betrug 6000 Franken, die aber seit Beginn
der Liquidation nicht mehr in das Generalbudget von Französisch-Äqua-
torial-Afrika eingestellt sind. Das Konzessionsgebiet liegt ganz auf deut-
schem Gebiete und wird von der Grenze des vertragüchen Kongo-Beckens
geschnitten. Die einzige Faktorei der Gesellschaft ist in Kunde.
B. Die Compagnie Forestiere Sangha-Oubangui.^) § 56.
Die Gesellschaft ist her\^orgegangen aus der Vereinigung von folgenden
10 Konzessionsgesellschaften: Society coloniale du Baniembe, Sociale
Bretonne du Congo, Compagnie Fran^aise du Congo, Societe de l'Ekela-
Kadei-Sangha, Societe de la Haute-Sangha, Societe l'Ibenga, Compagnie
commerciale et coloniale de la Kadei-Sangha, Compagnie des caout-
choucs et produits de la Lobay, Societe M'Poko, Compagnie de la Sangha.
Die Konzessionen dieser Gesellschaften beruhten ursprünglich ebenso
wie die der bisher genannten Gesellschaften auf dem Normaldekrete
von 1899. Die Grundlage ihrer Konzessionen wurde in den Jahren
I910/11 durch Vereinbarungen mit dem Kolonialminister geändert.
Diese Vereinbarungen wurden durch die Dekrete vom 20. Juni 1910
(Joum. off, V. 12. Juli 1910, S. 6057 ff.) und durch ein einziges Nach-
tragsdekret vom 26. Februar 191 1 (abgedruckt in der Denkschrift der
Compagnie Forestiere Sanga-Ubangi von 191 1, S. 64 ff.) genehmigt.
Art. 15 der Dekrete vom 20. Juni 1910 ermächtigt die einzelnen Gesell-
schaften, sich entweder mit einander zu verschmelzen (fusionner) oder ihre
Rechte in eine neue Gesellschaft einzubringen (faire apport ä unc nouvelle
societe). Von den genannten 10 Gesellschaften hatten 8 schon im Jahr
1908 eine Betriebsgemeinschaft geschlossen. Auf Gnmd der Ermächtigung
des Art. 15 haben diese 8 und die 2 übrigen sich zu der Compagnie Fore-
stiere Sanga-Ubangi verschmolzen.
Gleichzeitig hat die Ngoko-Sanga für ihre Konzession Sanga-Lipa-
Wesso die gleichen Vereinbarungen mit dem Kolonialminister getroffen,
') Vgl. Karte Nr. 2.
') Sitz: Paris, 5 Rue de la Rochefoucauld
— i68 —
wie diese lo Gesellschaften. Diese Vereinbarung ist durch Dekret vom
gleichen Tage genehmigt worden. Die Ngoko-Sanga hat aber nicht von
der Ermächtigung, sich mit den anderen Gesellschaften zu verschmelzen
Gebrauch gemacht, sondern von der Ermächtigung, ihre Rechte bezüglich
der Konzession Sanga-Lipa-Wesso in die von den übrigen Gesellschaften
neugebildete Gesellschaft einzulegen. Der rechtliche Unterschied der
Stellung der Cie. Forestiere zu der Konzession Sanga-Lipa-Wesso und
zu den übrigen lo Konzessionen wird klar, wenn man die Gesellschaften
als solche und die Konzessionen, deren Inhaber sie sind, auseinander-
hält. Während die lo Gesellschaften sich verschmolzen und in ihrem
selbständigen Bestände aufgehört haben oder aufhören werden, wenn
die Liquidation vollständig durchgeführt worden ist, und Inhaberin
dieser lo Konzessionen die Cie. Forestiere geworden ist, ist die Ngoko-
Sanga selbständige Gesellschaft und Inhaberin der Konzession Sanga-
Lipa-Wesso geblieben. Sie hat nur die Rechte aus dieser Konzession
in die von den anderen Gesellschaften gebildete neue Gesellschaft eingelegt.
Daher wird auch die feste, jährliche Abgabe an den Fiskus für die Kon-
zession Sanga-Lipa-Wesso nicht von der Cie. Forestiere, sondern von
der Ngoko-Sanga verrechnet und an den Fiskus abgeführt. In den
Satzungen der Cie. Forestiere heißt es in der Überschrift: ,,Es wurde eine
Aktiengesellschaft gegründet unter den Gesellschaften i — lo. Die Com-
pagnie Ngoko-Sanga hat sich nicht als Gründerin beteiligt, sondern nur
bezüghch der von ihr gemachten und unten genannten Einlagen." Dem-
entsprechend sind auch von den 120 000 Aktien der Cie, Forestiere nur
116 000 Stück amthch zum Handel und zur Preisfeststellung an der
Pariser Börse zugelassen worden, während die 4000 Aktien, die die Ngoko-
Sanga für ihre Einlage erhalten hat, erst nach einer Zulassungsfrist
von 2 Jahren zugelassen werden ; da für Aktienbeträge in dieser Höhe andere
Vorschriften für die Zulassung bestehen.
Wenn die Cie. Forestiere demnach auch nicht Inhaberin der Kon-
zession Sanga-Lipa-Wesso ist, so werden die Rechte aus der Konzession
tatsächlich doch von ihr ausgeübt und die Ausbeutung des Gebietes
gemeinsam mit der ihrer eigenen 10 Konzessionsgebiete betrieben. Die
Konzession ist daher bei der weiteren Besprechimg mit einzuschließen.
Aus der Zusammensetzung dieser einzelnen Konzessionsgebiete ergibt
sich unter Einschluß des Gebietes der Sanga-Lipa-Wesso-Konzession
folgender Grenzverlauf i^)
im Westen wird das Konzessionsgebiet — vom 6. nördlichen Breiten-
grade ab — von der bisherigen Kameruner Ostgrenze bis zu deren Zu-
1) Siehe Karte Nr. 2.
— 169 —
sammentreffen mit dem Sanga, dann durch den Sanga bis zur Südgrenze
des NMoki- Beckens begrenzt. \'()n hier verfolgt die Grenze die südliche
Wasserscheide des Ndoki-Beckens, weiter die östliche Wasserscheide
des Sanga-Beckens bis zu deren Kreuzungspunkte mit dem Breitengrade
von Mobaka^) (am Sanga) und verläuft dann längs dieses Breiten-
grades bis zum Sanga, und am Sanga abwärts bis zu seiner Mündung
in den Ubangi.
Die Ostgrenze wird von der Mündung des Sanga an, bis zur nörd-
lichen Wasserscheide des Lobaye-Beckens, vom Ubangi gebildet. Sie
geht dann längs dieser Wasserscheide bis zu deren Zusammentreffen
mit der südlichen Wasserscheide des Mpoko-Beckens ; dann dieser Wasser-
scheide entlang bis zu deren Zusammentreffen mit dem Ubangi. Weiter
verläuft sie längs des Ubangi bis zur östüchen Wasserscheide des Mpoko-
Beckens, dann auf der östhchen und nördlichen Wasserscheide des Mpoko-
Beckens und daran anschüeßend auf der nördüchen und westüchen
Wasserscheide des Lobaye-Beckens bis zu deren Schnittpunkte mit dem
Breitengrade, der durch die Mündung des Nana in den Mambere geht.
Diesen Breitengrad geht sie westlich entlang, bis sie den Mambere trifft,
dann den Mambere aufwärts bis zum 6. Breitengrade, endüch längs dieses
Breitengrades bis zur Kameruner Grenze. Außerdem gehört noch zum
Konzessionsgebiete das Flußgebiet des Ombella, soweit es auf dessen
hnkem Ufer Hegt.
Der Verlauf dieser Grenzlinie auf der Karte Nr. 2 läßt erkennen, daß
das Konzessionsgebiet der Cie. Forestiere 2 konzessionsfreie Gebiete
teilweise und eines ganz umschheßt. Von den beiden ersten hegt das
eine — im Sanga- Vorsprunge — ganz und das andere — am Ubangi-
Vorsprunge — zum Teile auf deutschem Gebiete; das dritte hegt außerhalb
Neu-Kameruns. Das erste war im Jahre 1899 an die Societe de l'Afrique
Iiquatoriale, an die Compagnie Franco-Congolaise du Bassin de la Sangha
und an die Societe de l'Afrique Fran9aise verheben worden.^) Diese
3 Konzessionsgeselischaften haben durch Vereinbanmg mit dem fran-
zösischen Kolonialminister ihre Konzessionen aufgegeben, da ihre Kon-
zessionsgebiete während eines großen Teiles des Jahres unter Wasser
sind und eine wirtschaftliche Ausbeutung unmöglich war. Die Verein-
barungen wurden durch die Dekrete vom 29. März 1902 und vom 3. Okto-
ber 1902 (Mouv. Geogr. 191 1, S. 419) genehmigt. Diese 3 Gebiete, die
*) Mobaka ist auf der Karte von Delingette nicht angegeben. Auf den Karten
des Anhanges ist dieser Ort, nach der Carte du Congo Fran^ais, Service G6ogra-
phique de la D6p^che Coloniale 1908 und der Konzcssionskartc im Annuaire Colonial
1910, S. 51S, eingetragen.
2) Vgl. Afr. Fran9. 1899 S. 250ff., Nr. 4, 10 und 12.
— I/o —
aneinanderstoßen, sind also vom Jahre 1902 ab konzessionsfrei gewesen ;
der nördliche Teil dieses Gebietes wurde jedoch dazu verwendet, der
Ngoko-Sanga die oben § 50 erwähnte Gebietsvergrößerung zu ge-
währen.
Die Grenzen des zweiten konzessionsfreien Gebietes, am Ubangi-
Vorsprunge, ergeben sich aus der oben gegebenen Grenzbeschreibung
des Konzessionsgebietes der Compagnie Forestiere. Die Konzessionsfreiheit
dieses Gebiets rührt nicht, wie die des vorigen von der Aufgabe früherer
Konzessionen her; sondern sie beruht offenbar auf der mangelhaften
Kenntnis der hydrographischen Verhältnisse zur Zeit der Konzessions-
verleihung. Im Süden dieses Gebietes war der Comp, de la Lobay das
Flußgebiet des Lobaye und seiner Nebenflüsse verliehen worden (vgl.
Afr. Frang. 1899, S. 266 Nr. 7) und im Norden der Societe des Etablisse-
ments Congolaise Gratry Mpoko ^) das Flußgebiet des Mpoko und seiner
Nebenflüsse. Dabei war angenommen worden, daß diese beiden Fluß-
gebiete in ihrer Wasserscheide zusammentreffen. Das ist jedoch nicht
der Fall, da zwischen diese beiden Flußgebiete sich das des Lesse hinein-
schiebt. Auf dieses hat die Comp. Forestiere keinen Konzessionsanspruch.
Wieweit der Ubangi- Vorsprung konzessionsfrei ist, hängt also von der
noch näher festzustellenden nördlichen Ausdehnung des Lobaye-Beckens
und der südhchen Ausdehnung des Mpoko-Beckens ab. Die Comp.
Forestiere hat auf der Karte, die ihren Denkschriften vom Jahre 191 1
und 1912 beigefügt ist, diese beiden konzessionsfreien Gebiete als zu
ihrem Konzessionsgebiete gehörig angegeben; ein Rechtstitel steht ihr
auf diese Gebiete jedoch nicht zu.
Der Flächeninhalt des Konzessionsgebietes der Cie. Forestiere geht
aus der folgenden Übersicht hervor,
1. Societe coloniale du Baniembe^) 360 000 ha
2. Societe Bretonne du Congo ^) 300 000 ,
3. Compagnie frangaise du Congo ^) 430000 ,,
4. Societe de l'Ekela-Kadei-Sangha^) 780000 ,,
und I 290 000 „
1) Vgl. Afr. Fran9. 1899 S. 305 Nr. 8.
2) Dekret v. 15. April 1899 Journ. off. v. 6. Aug. 1899.
^) Dekret v. 6. Dez. 1899 Journ. off. v. 24. Mai 1900.
*) Dekret v. 5. April ISgg Journ. off. v. i. Juli 1899.
^) Die beiden Gesellschaften Compagnie de la Kadei-Sangha (Dekr. v. 15. April
1899, Journ. off. V. 2. Juli 1899) und Compagnie de l'Ekela-Sangha (Dekr. v. 31. März
1899, Journ. off. V. 6. Juli 1899), vereinigten sich mit Genehmigung der franz. Re-
gierung im Jahre 1903 zu der oben genannten Gesellschaft (vgl. Mouv. Geogr. 191 1,
S. 419; Challaye S. 176, Anm. 4).
— '71 —
5- Soci^tö de la Haute-Sangha^) i 305 000 ha
6. Societö ribenga^) 1500000 ,,
7. Compagnie Commerciale et coloniale de la Kadöi-
(Haute-)Sangha3) 650000 ,,
8. Compagnie des caoutchoucs et produits de la
Lobay*) 3240000 ,,
9. Soci^tö M'Poko^) 1650000 ,,
10. Compagnie de la Sangha^) 530000 ,,
11. Soci6t6 des produits de la Sangha-Lipa-Ouesso ") 1800000 ,,
17 705 QUO ha
oder 177 050 qkm^)
Die Dauer der Konzession ist auf 10 bzw. 20 Jahre festgesetzt;
darüber \vird weiter unten bei Besprechung der Rechtsverhältnisse noch
eingehender zu sprechen sein. Die Gesellschaft selbst hat sich satzungs-
gemäß eine Dauer von 99 Jahren gesetzt. (Vgl. unten § 68.)
Das Aktienkapital der 11 Gesellschaften, das vor der Vereinigung
nach der folgenden Übersicht 17 250 000 Franken betragen hatte, ist
bei der Vereinigung auf 12 Mill. Franken herabgesetzt worden, wobei
die einzelnen Gesellschaften, die in der zweiten Rubrik der Übersicht
enthaltenen Aktienbeträge für ihr ursprünghches Aktienkapital er-
halten haben.
(Tabelle s. S. 172.)
Das Aktienkapital ist in 120 000 Aktien zu 100 Franken eingeteilt.
Nach einer Angabe der Comp. Forestiere in ihrer Denkschrift vom Jahre
191 1, S. 47, soll das Aktienkapital in den Händen von etwa 2000 kleinen
Kapitalisten sein. Damit steht in Widerspruch, daß im Anschluß an
das deutsch-französische Abkommen eine französische Finanzgruppe
einen Posten von 5 Mill. Aktien übernommen hat, um deutsches Kapital
dafür zu interessieren. Die Verhandlungen darüber sind aber ohne Er-
gebnis geblieben, da der von den französischen Interessenten den Ver-
handlungen zugrunde gelegte Kurs von 250 Franken mit Rücksicht darauf,
daß die Konzession der Gesellschaft in der Hauptsache schon in 8 Jahren
') Dekret v. 15. April 1S99, Journ. off. v. 6. Juli 1899.
^) Dekret v. 5. April 1899, Journ. off. v. 2. Juli 1S99.
^) Dekret v. 31. März 1899, Journ. off. v. 6. Aug. 1S99.
*) Dekret v. 15. April 1899, Journ. off, v. 6. Juli 1899.
*) Dekret v. 12. Mai 1899, Journ. off. v. 20. Aur. 1899.
•) Dekret v. 31. März 1S99, Journ. off. v. 6. Aug. 1S99.
") Dekret v. 13. März 1S99 u. 18. März 1905, Journ. off. v. 27. März 1905.
') Nach anderen Angaben beträgt das ganze Gebiet über 190000 qkm.
— 1/2 —
Gesellschaft
TT TV Anteil am
Ursprunguches
Aktienkapital i^^ti^^^^P- ^^^
Comp. Forest.
Franken Franken
1. Societe coloniale du Baniemb6
2. Society Bretonne du Congo
3. Compagnie fran9aise du Congo
4. Societe de l'Ekela-Kadei-Sangha
5. Societe de la Haute-Sangha
6. Societe l'Ibenga
7. Compagnie commerciale et coloniale de le
Kadei-Sangha
8. Compagnie des caoutchoucs et produits de la
Lobay
I 200 000
300 000
3 000 000
I 700 000
1 500 000
2 250 000
1 000 000
2 000 000
2 000 000
800 000
I 500 000
300 000
275 000
1 100 000
2 200 000
2 200 000
300 000
550 000
2 200 000
2 200 000
10. Compagnie de la Sangha
11. Societe des produits de la Sangha-Lipa-Ouesso
275 000
400 000
Summe . .
17 250 000
12 000 000
ablaufen wird, als zu hoch betrachtet worden ist. Die Aktien der Comp.
Forestiere, die schon früher im Kulissenhandel der Pariser Börse gehandelt
wurden, sind seit dem 10. Mai 1912 amtlich zum Handel und zur Notiz
zugelassen worden. Ihr Kurs stand nach dem amthchen Kursberichte
der Pariser Börse am i. Juni 1912 auf 284 Franken.^)
^) Am gleichen Tage standen folgende Aktien und Genußscheine, die bisher
im freien Handel der Börse gehandelt worden sind, nach der Cote du Syndicat des
Banquiers de Change de Paris vom i. Juni 1912 auf folgenden Kursen:
ausschließüch der Kurs am
I. Rückzahlung von i. Juni 1912
Haute Sanga in Liqu.
Aktie zu 100 Fr. 119,70 Fr.*) 100, — Fr.
Genußschein 10,50 „ 74, — ,,
Lobay in Liqu.
Aktie zu 100 Fr 117,50 „ 65,50 „
Genußschein 8, — „ 45, — ,,
Mpoko in Liqu.
Aktie zu 100 Fr 107, — „ 67,50 „
Genußschein 7, — „ 67, — „
Der Kurszettel der Annales Coloniales vom 11. Mai 1912 enthält außerdem
für folgende Aktien noch Notizen: ausschheßUch der Kurs vom
Ekela-Kadei- Sanga I.Rückzahlung von 11. Mai 191 2
Aktie 128,70 Fr. 78, — Fr.
Genußschein ii)50 „ 41, — „
— '73 —
Die Gesellschaft hat in ihrem ersten Geschäftsjahre 1910 nach Ab-
schreibungen in Höhe von 569 171 Franken einen Reingewinn \<>n
3 264 710 Franken erzielt, aus dem nacli Zuweisung von 489 706 Franken
an die Rücklagekasse und Zalüung von 544506 Franken als 5 prozentige
Verzinsung des Aktienkapitals^) 1338298 Franken als Dividende 2)
von rund 151,2 Franken \erteilt wird. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen,
daß das Geschäftsjahr 1910 nicht 12 Monate, sondern 14 Monate beträgt.
Das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres stellt sich daher nicht ganz so
günstig, wie nach dem obigen Reingewinne anzunehmen ist. Die Gesell-
schaft hat in ihrem Geschäftsberichte für igio zwar angegeben, daß das
Geschäftsjahr mit 14 Monaten berechnet ist; in den übrigen Veröffent-
lichungen der Gesellschaft ist dies aber nicht genügend zum Ausdruck
gebracht worden.
Der Gewinnanteil des Fiskus am Reingewinne betrug im Jahre 1910
267659 Franken. Ob dieser Gewinnanteil für das 14 monatige Geschäfts-
jahr der Gesellschaft oder das 12 monatige fiskalische Geschäftsjahr be-
rechnet ist, ist dem Geschäftsberichte nicht zu entnehmen. Es ist aber zu ver-
muten, daß auch diese GewinnbeteiHgung für 14 Monate berechnet ist.
Die Gesellschaft ist verpflichtet, 15% des Reingewinnes an den Fiskus
nicht nur während der Dauer der Konzession, sondern während des Be-
stehens der Gesellschaft zu bezahlen, das, wie erwähnt, satzungsgemäß
mit 99 Jahren vorgesehen ist. Die feste jährliche Abgabe an den Fiskus
betrug 169 400 Franken. In der Gewinn- und Verlustrechnung ist dieser
Posten nicht besonders aufgeführt. Es ist aus dem Geschäftsberichte
nicht zu ersehen, ob dieser Posten unter Unkosten verrechnet worden ist
C. C. C. Kadei-Sanga
Aktie 113, — Fr. 115.25 Fr.
Genußschein**) . . . . 20, — ,,
Ibenga-Aktie**) 40, — ,,
Genußschein**) 12, — ,,
*) Auf die Aktien und Genußscheine dieser und der folgenden Gesellschaften
scheint eine erste Liquidationsrate in den angegebenen Höhen gezahlt worden
zu sein, so daß die Papiere nur noch n;iit ihrem Restwerte notiert werden.
•*) Auf diese Aktien und Genußscheine scheint noch keine Liquidationszahlung
erfolgt zu sein.
') Nach französischem Aktienrechte wird zunächst das eingezahlte Aktien-
kapital aus dem Reingewinne zu einem festen Satze verzinst. Der danach verbleibende
Rest wird erst zu den satzungsmäßigen Zwecken und zur Dividendenzahlung ver-
wendet.
*) Die 4000 Aktien, die die Ngoko-Sanga für die Einlage der Konzession
Sanga-Lipa-Wesso erhalten hat, nehmen nur für eine Zeit von S Tagen an der Divi-
dende teil.
— 174 —
oder ob er, da die Vereinigung amtlich noch nicht genehmigt war, noch
für Rechnung der lo früheren Gesellschaften an den Fiskus abgeführt
worden ist. Die Gesellschaft hat eine Kaution von 210 000 Franken ge-
zahlt, einschließüch der Kaution für die Konzession Sanga-Lipa-Wesso.
Von dem Konzessionsgebiete der Gesellschaft hegen etwa ^j^ in
Neu-Kamerun. Für die finanzielle Leistungsfähigkeit Neu-Kameruns
ist es von Interesse, mit welchem Bruchteile der Abgaben in Zukunft
zu rechnen sein wird. Der auf Neu-Kamerun entfallende Anspruch wird
sich bei der Vereinbarung eines Teilungsplanes mit der französischen
Regierung und der Gesellschaft nicht auf den aus dem Größenverhältnisse
sich ergebenden Anteil zu berechnen haben, sondern es wird auf das Ver-
hältnis der Ertragfähigkeit des abgetretenen Teiles des Konzessions-
gebietes zu dem französisch gebliebenen Teile ankommen. Die franzö-
sische Enklave zwischen dem Sanga- und dem Ubangi- Vorsprunge hegt
ganz in dem sumpfigen Unterlaufgebiete des Ibenga und Motaba und
in dem gleichfalls sumpfigen Oberlaufgebiete des grünen Likuala. Es
ist hier also mit einem geringeren natürhchen Reichtume an Kautschuk
und mit der schwereren Zugänglichkeit dieses Gebietes zu rechnen.
Dazu kommt, daß es ganz von den kriegerischen und zur Arbeit ungeeig-
neten Bondscho bewohnt wird. Es fehlt also auch an Arbeitermaterial,
Dieses ganze Gebiet ist daher auch bis auf einen Streifen am Ubangi
entlang noch ganz unerforscht und die Gesellschaft hat hier nur wenige
Faktoreien. Etwas besser hegen zwar die Verhältnisse nördhch in dem
französisch gebliebenen Mpoko-Becken ; aber auch hier ist nur der südhche
Teil einigermaßen erschlossen, während das Oberlauf gebiet des Mpoko
wirtschafthch noch wenig leistungsfähig ist. Gegen den in Neu-Kamerun
hegenden Teil des Konzessionsgebietes stehen diese beiden Gebiete an
natürlichem Reichtume, an Ertragfähigkeit, Beförderungswegen und
Arbeiterbeschaffung weit zurück. Bei Nola und Karnot, zwischen der
früheren Kameruner Grenze und dem Mambere- Sanga ist das Zentrum
der wirtschafthchen Tätigkeit der Cie. Forestiere. Hier hegen die Kon-
zessionsgebiete Haute-Sanga, Ekel a-Kadei- Sanga und Lobaje, aus denen
bisher am meisten Kautschuk ausgeführt worden ist und die Gesell-
schaften die besten Erträge erzielt haben, i) Dazu ist das reiche Lobaje-
Becken, das bis auf das rechte untere Ufer ganz deutsch ist, jetzt in
voller Erschließung. Fast alle Faktoreien der Cie. Forestiere hegen auf
deutschem Gebiete. Besonders dicht sind sie in der Ecke zwischen Mam-
bere-Sanga und der früheren Kameruner Grenze. Von den 8 in plan-
1) Vgl. dazu auch die Bewertung der Aktien der einzelnen Gesellschaften
beim Aktienumtausch in der obigen Übersicht.
mäßigen Abbau genommenen Kautschuk-Gebieten (amönagements)
der Gesellschaft liegen nur 2, nämlich L<jbaje I und üjbaje II auf fran-
zösischem Gebiete; die übrigen auf deutschem; und die Flächen, die
die Gesellschaft weiter in planmäßige Bearbeitung nehmen will und zur-
zeit durch Vürarl:)eiten erschließen läßt, liegen alle in Neu-Kamerun.
Wenn man das Rentabilitätsverhältnis zwischen dem deutschen und
dem französischen Konzessionsgebiete der Cie. Forestiere zalilenmäüig
erfassen will, so gibt die Verteilung der Mindestkautschukmenge von
305 Tonnen,^) die die Cie. Forestiere jährlich auszuführen hat, auf die
einzelnen Gesellschaften dafür einen Anhaltspunkt.
Gesellschaft
Geforderte Davon entfallun auf
Mindest- deutsches [ französisches
ausfuhr Gebiet
t t I t
1. Societe coloniale du Baniembc . .
2. Society Bretonne du Congo. . . .
3. Compagnie fran9aise du Congo . .
4. Soci6t^ de rEkela-Kad6i-Sangha .
5. Soci6t6 de la Haute-Sangha . . .
6. Soci6t6 ribenga
7. Compagnie commerciale et coloniale
8. Compagnie des caoutchoucs et pro-
duits de la Lobay
9. Soci6t6 M'Poko
10. Compagnie de la Sangha ....
11. Societe des produits de la Sangha-
Lipa-Ouesso
2
75
75
I
5
6s
10
45
Von den 305 Tonnen Mindestausfuhr müssen also 238 Tonnen aus
deutschem und nur 67 Tonnen aus französischem Gebiete kommen;
also beinahe 80% der Gesamtausfuhr aus deutschem Gebiete. Diese
Ziffer ist eher zu niedrig als zu hoch. Ein Blick auf die Betriebskarte,
die die Gesellschaft ihrer Denkschrift von 191 1 beigegeben hat, zeigt,
daß fast das ganze Gebiet ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in Neu-Kanierun
liegt.
Berechnet man nach diesem Satze von 80% den deutschen Anteil,
so ergibt sich, daß von der festen jährlichen Abgabe auf Neu-Kamerun
jährlich etwa 135 000 Franken entfallen und von dem jährlichen Gewinn-
*) Die Kautscherzeugung betrug tatsächlich im Jahre 1910 553 t, im Jahre
1909 46S t.
— 176 —
anteile rund 184 000 Franken, wenn man den gesamten Gewinnanteil
des Jahres 1910/11 von 267 659 Franken als auf 14 Monate berechnet
annimmt und ihn daher auf 12 Monate zurücksetzt und von dieser Summe
dann den deutschen Anteil von 80% berechnet.^) Bei der hier angestellten
Berechnung kann es sich natürhch nur um eine einseitige Orientierung
über den möglichen Umfang der finanziellen Ansprüche Deutschlands
handeln. Der tatsächliche Verteilungsmaßstab kann nur durch Verein-
barung mit der französischen Regierung festgesetzt werden.^)
Die Cie. Forestiere hat im Anschluß an das November - Abkommen
zwei Denkschriften veröffentlicht, eine im November 1911 (138 S.),
die andere im Januar 1912 (iii S.), auf die wiederholt Bezug genommen
worden ist. In der ersten will die Gesellschaft über die Vorgänge bei
ihrer Gründung, über ihre bisherige Arbeitsweise und Ergebnisse
und ihren Arbeitsplan für die Zukunft unterrichten; in der zweiten
gibt sie noch einmal eine gesonderte, ausführliche Darstellung ihrer
Arbeitsmethoden bei der Kautschukgewinnung und der über die beste
Art der Kautschukgewinnung angestellten Versuche. Die beiden Denk-
schriften geben ein reichhaltiges, für die wirtschaftlichen Verhältnisse
in Neu-Kamerun lehrreiches Material. Bei seiner Bewertung ist aber in
Betracht zu ziehen, daß die Gesellschaft die erste Denkschrift als Ver-
teidigungsschrift gegen die gegen sie erhobenen Vorwürfe veröffentHcht
hat und daß bei beiden Denkschriften wegen ihrer einseitigen, inter-
essierten Stellung die Objektivität nicht überall verbürgt ist.^)
Unter diesem Vorbehalte soll hier eine Übersicht*) wiedergegeben
werden, die die Gesellschaft über die bisherigen Leistungen der in ihr
vereinigten 10 Gesellschaften an den Fiskus von Französisch-Äquatorial-
Afrika veröffenthcht hat.
(Tabelle s. S. 177.)
Der bisherige wirtschaftliche Erfolg der einzelnen Gesellschaften, aus
denen die Cie. Forestiere hervorgegangen ist, ist sehr verschieden. Ein Teil
schloß regelmäßig mit Fehlbeträgen ab ; ein anderer Teil dagegen erzielte hohe
Gewinne und konnte große Dividenden verteilen. Diese guten finanziellen
1) Wäre aber entgegen der obigen Annahme die Gesamtsumme von 267659 Fr.,
schon für das zwölfmonatige fiskalische Jahr berechnet, so ergäbe sich ein deutscher
Anteil von rund 210000 Franken.
2) Vgl dazu die ZusammenstelUung M6tins auf S. 1751 Documentes Parle-
mentaires Chambre 191 1.
^) Vgl. dazu Bulletin Suisse du Congo 1912, Februar-März Heft S. 7.
*) Diese Übersicht gilt nur für die 10 Gesellschaften, die sich zur Cie. Forestiere
verschmolzen haben. Die Angaben der Ngoko-Sanga für die Konzession Sanga-
Lipa-Wesso sind also nicht mitgerechnet worden.
feste, jahrl.
Abgabe
Gewinn-
anteil
ZöUe
Steuern
Jahre
Hinfuhr
Ausfuhr
Summe
Franken
Frankt-n
Franken
Franken
Franki-n
I->anken
iSyg — iy<)<j
82 JUO
128 825
45 KJO
3 175
259 308
1901
82 200
123 836
43 006
3 if>5
252 206
1902
82 200
102 815
7(^534
3 104
2O4 734
1903
82 200
18 861
103 787
134 134
3 212
342 195
1904
82 200
76029
117 781
194698
3218
473 927
1905
121 550
184 104
157692
251 638
3307
718 292
1906
121 550
»74 956
206 820
259 671
5550
767 547
1907
121 550
151 340
345 536
6531
624 957
1908
121 550
13 600
55237
447 433
7203
645 024
1909
121 550
302 208
23869
480 241
1 14 404
942 273
1910
169 400
267 659
45729
487 789
i 18579
989 158
Gesamtbetrag
I 1S8 150
I 036 421
I 217 735
2 7(^5 789
; 71 53«
1 6279625
Ergebnisse waren aber teilweise nur infolge der Gewalt- und Zwangsfx)litik
gegen die Eingeborenen und der unwirtschaftlichen Ausbeutung der
Kautschukbestände möglich gewesen, gegen welche französische Kolonial-
politiker schon lange ihre Stimme erhoben haben. Die einzelnen Vor-
kommnisse, auf welche diese Verurteilung sich stützt, sind durch unab-
hängige Sonderkommissare und durch gerichtliche Urteile einwandfrei
festgestellt worden. Dieses Kapitel gehört aber der Vergangenheit an.
Es soll hier nicht näher darauf eingegangen und nur darauf verwiesen
werden, was der Berichterstatter der französischen Deputiertenkammer
in seinem Berichte vom Jahre 1911, 2. Teil, ferner, was Challaye (der
Präsident der französischen Congo-Liga) auf S. 185 ff. seines Buches
und in La Revue de Paris 1912, S. 441 ff., und was Christ- Sozin (der
Präsident der Schweizer Congo-Liga) in seinem Aufsatze der Zeitschrift
„Aar" (Sonderabdruck aus dem Jahre 1911/12) darüber schreibt. Ebenso
sollen die Einzelheiten der finanziellen ,, Gründung" nicht näher erörtert
werden, die die Vereinigung der Gesellschaften zu einer einzigen begleitet
haben. Es soll auch hier nur auf die Kritik \-erwiesen werden, die der
Berichterstatter der französischen Deputiertenkammer in seinem Bericlite
im Jahre 191 1 und andere daran geübt haben.
Nach dem finanziellen Ergebnisse des Jahres 191 0 und dem Arbeits-
plane, mit dem die Comp. Forestiere ihre Tätigkeit begonnen hat, kann
gesagt werden, daß die Gesellschaft heute von allen in Neu- Kamerun
tätigen Konzessionsgesellschaften wirtschaftlich am meisten tätig und
am besten organisiert ist. Auf Grund eines weit ausschauenden Arbeits-
planes sollen die Kautschukbestände in eine planmäßige, die Ertragfähig-
keit dauernd erhaltende Verwertung genommen werden. Die Gesell-
Veröffenll. d. Rcichskolonialamtes Nr. 4 : Ritter. '*
- 178 -
Schaft rechnet damit, in den ersten lo Jahren von 1910 ab ein Gebiet
von 300000 ha (3000 qkm) in dieser Weise planmäßig erschließen und
in Verwertung nehmen zu können, so daß sie für die zweiten 10 Jahre
das Recht der alleinigen Kautschukverwertung noch auf ein Gebiet
von 3 Mill. ha (30 000 qkm) erhielte.^) Die 300 000 ha sollen in 30 Par-
zellen zu je 10 000 ha erschlossen werden. Die Gesellschaft erwartet von
diesem Gebiete einen jährlichen Mmdestertrag von 1500 Tonnen Kaut-
schuk, dazu ist ein Arbeiterbestand von höchstens 5000 eingeborenen
Arbeitern vorgesehen. In den zweiten 10 Jahren erwartet die Gesell-
schaft, dieses Jahresergebnis noch wenigstens zu verdoppeln.
Über die beste Art der Kautschukgewinnung und -bearbeitung sollen
eingehende praktische Versuche angestellt werden. Als Ergebnis der
bisherigen Versuche kann die Gesellschaft jetzt schon den Erfolg ver-
zeichnen, daß ihr Erzeugnis an Güte erhebüch verbessert worden ist
und heute den besten Marktpreis unter den aus Afrika stammenden
Kautschuken erzielt. Der Marktpreis steht mit dem des Parakautschuks
auf gleicher Höhe. 2) Die Gesellschaft will sich durch Errichtung von
Schulen und durch Bekämpfung der Krankheiten an der Hebung der
eingeborenen Bevölkerung beteihgen, was natürlich ihr selbst am meisten
zugute kommt. Sie will das Land durch die Anlage eines dichten Ver-
kehrsnetzes von guten Trägerpfaden und von größeren Verbindungs-
straßen erschheßen.
Alle diese Pläne sind aber vorläufig nicht viel mehr als ein Programm
und zwar, wie daraus hervorgeht, daß die Gesellschaft im Verlauf von
3 Monaten 2 ausführliche Denkschriften veröff enthebt hat, ein Programm,
das für die Öffenthchkeit bestimmt ist. Es bleibt daher abzuwarten,,
wieviel davon die Gesellschaft in die Tat umsetzen wird.
Die Gesellschaft hat heute Faktoreien (von Norden nach Süden)
in Abba (i)3), Karnot (3), Kumbe (2), Bula (i), Mboko (i), Bambio (i),
Lamba (Grima) (i), Ngoto (i), Bollemba (i), Baiki (i), Buschia (i),
Ngundi (i), Kamba-Oro, Toro (i), Tongo (i), Berberati (4), Tapuru (2),
Bania (2), Doago (i), Nguku (i), Kapomu, Nola (6), Kentzu, Molaje,
Bajanga (i), Bukongo (i), Mauvey (2), Bandscha (i), Bakobo (Bidjukis),
Ngombako (i) (Koapulis), Salo, Dalo (i), Kagasenke (i), Ikelemba (2),
Ebembe. Dazu kommen noch die oben schon erwähnten Forstflächen
Toro, Tongo, Banja, Doago, und Koapulis. Die Faktorei Pikunda und
^) Das ganze Konzessionsgebiet hat jetzt einen Flächeninhalt von etwa
178000 qkm; nach anderen Angaben beträgt es über 190000 qkm.
2) Vgl. oben § 23.
3) Vgl. S. 162.1)
— 179 —
Bussinde am oberen Sanga und die Faktorei Yaka im Ubangi- Vorsprunge
liegen auf konzessionsfreiem Gebiete.
C. Societc Commerciale Industrielle et Agricole du Haut- § 57-
Ogooue.')
Die Konzession der Gesellschaft rührt von einer Konzession her, die
im Jahre 1893 an die Firma Daumas u. Co. unter Bedingungen erteilt
worden ist, die für den französischen Staat sehr ungünstig waren.-)
Als dies im Jahre i8g6 der Öffentlichkeit und dem Parlamente bekannt
wurde, erhob sich dagegen Einspruch und die französische Regierung
wurde veranlaßt, die 1803 erteilte Konzession zurückzuziehen, da sie
wegen Formmangels ungültig sei. Auf \'erwaltungsklage billigte jedoch
der Conseil d'Etat dem Konzessionär eine erhebUche Entschädigung zu.
Um die Auszahlung dieser Entschädigung zu vermeiden, wurde der oben
genannten Gesellschaft die 1893 erteilte Konzession unter veränderten
Bedingungen durch Dekret vom 31. Juli 1897 bestätigt. Dieses Dekret
ist durch Dekret vom 25. Mai 1899 (Joum. off. v. 3. Sept. 1899) abge-
ändert worden.
Das Konzessionsgebiet der GeseDschaft wird begrenzt:
im Westen von dem Längengrade, der durch die äußerste strom-
abwärts gelegene Spitze der Insel Alembe (auch Okenge genannt), die
im Ogowe-Fluß in der Stromschnelle von Kondo-Kondo hegt, geht;
im Norden von einer geraden Linie, die von dem Schnittpunkte
dieses Längengrades mit dem Breitengrade 0° 50' nördlicher Breite
zu dem Schnittpunkte des Längengrades 11° 30' östlich von Paris (13° 50'
von Greenwich) mit dem nördhchen Breitengrade i''3o' gezogen wird;
im Osten von dem Längengrade 11^30' östlich von Paris;
im Süden: von einer geraden Linie, die von dem Schnittpunkte
dieses Längengrades mit dem südlichen Breitengrade 2° 30' nach dem
Schnittpunkte des Meridians, der durch die äußerste talabwärts gelegene
Spitze der Insel Alembe geht, mit dem südlichen Breitengrade i°i8'
gezogen wird.^)
Dabei soll jedoch, wenn der durch die obigen Linien festgelegte
Umfang des Konzessionsgebietes mit seiner Südwestspitze den Lauf
des Ngunie schneidet, der Teil der Grenze, der auf dem linken Ufer des
Ngunie hegen würde, ersetzt werden durch den Lauf dieses Flusses von
^) Gesellschaftssitz: Paris, 43 Rue de Lafitte.
*) Vgl. Challaye S. lOgil. und die dort zitierte Literatur.
') Vgl. Karte Nr. 2.
12*
— i8o —
dem einen bis zum anderen Schnittpunkte derart, daß in das Konzessions-
gebiet kein Teil des linken Ufers des Ngunie einbegriffen ist.
Wie sich aus der Eintragung dieser Grenzen in die neueste amthche
französische Karte von Delingette im Maßstabe von 1:1000000 ergibt,
ragt das Konzessionsgebiet mit einem schmalen Streifen nach Neu-
Kamerun hinein. Der Flächeninhalt des ganzen Konzessionsgebietes
beträgt ungefähr 88000 qkm.
Die Gesellschaft^) hat in diesem Gebiete die freie und volle Nutz-
nießung aller Ländereien, die zum privaten Staatseigentume gehören
und zwar für 30 Jahre ; außerdem die ausschließliche und freie Verfügung
über alle im Becken des oberen Ogowe vorhandenen öffentlichen Ein-
richtungen. Die Gesellschaft hat außerdem das volle Eigentum an einem
Gebiete von 3 — 4000 qkm erhalten und eine Ermäßigung von 50%
auf die Ausfuhrzölle der Erzeugnisse, die aus ihrem Gebiete kommen;
Abgaben an den Fiskus hat sie nicht zu bezahlen.
Das Aktienkapital der Gesellschaft beträgt 4 Mill. Franken, eingeteilt
in zwei Klassen von 2000 und 6000 Stück Aktien zu 500 Franken. Die
Gesellschaft hat außerdem 2000 Genußscheine ausgegeben. Sie hat im
Jahre 1910 nach Abschreibungen im Betrage von 274 054 Franken einen
Reingewinn von 345 762 Franken erzielt, aus dem ein Zins von 5%
auf das eingezahlte Aktienkapital und eine Dividende von 15 Franken auf
jede Aktie bezahlt worden ist. Die Genußscheine haben einen Anteil
von 20 Franken erhalten. Die Aktien der ersten Klasse standen im Juni
1912 auf einem Kurse von etwa 648 Franken, die der zweiten auf 661
Franken,^) die Genußscheine stehen etwa auf 230 Franken.^) Faktoreien
hat die Gesellschaft, soweit bekannt, in Neu-Kamerun nicht.
§ 58. D. Societe des Messageries Fluviales du Congo.*)
Die Gesellschaft ist zwar keine Konzessionsgesellschaft, sie steht
aber infolge vertraglicher Abmachungengen mit einem Teil der für Neu-
Kamerun in Betracht kommenden Konzessions- Gesellschaften in enger
Verbindung. Auf ihre Verfassung und ihre Rechtsverhältnisse muß daher
hier eingegangen werden.
Den Konzessionsgesellschaften von 1899 oblag gemäß Art. 11 — 18
des Lastenheftes die Verpfhchtung, auf den schiffbaren Flüssen ihres
^) Der Wortlaut des Dekretes von 1 897 ist bei der Drucklegung noch nicht
zugänglich gewesen. Die obigen Angaben sind dem Abänderungsdekrete von 1899
entnommen.
2) Bulletin de la Cote de la Compagnie des Agents de Change de Paris.
^) Kurszettel der Annales Coloniales v. 11. Mai 1912.
*) GeseUschaftssitz: Paris, 64, Rue de la la victoire.
— i8i —
Konzessionsgebietes einen regelmäßigen Schiffahrtsdienst zu unter-
halten und ihr Schiffsmaterial für die Rcgierungstransporte zu iK'stiinmten
Sätzen zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung haben \on den
heute zur Cie. Forestiere gehörenden Gesellschaften*) die Gesellschaft
Lobaje, die Gesellschaften Ekda-Sanga, Kadei-Sanga, die sich beide
zur Gesellschaft Ekela-Kadei-Sanga vereinigt haben, die Cie. Fran^aise
du Congo (Erlaß v. 15. Januar 1901 ; Joum. off. 1901, S. 864); die
Gesellschaft Ibenga (Erlaß vom 24. Juni 1901 ; Joum. off. 1901, S. 3932);
die Gesellschaft Haut-Sanga (Erlaß vom 17. Sept. 1901; Joum. off. 1901,
S. 6028) vertraglich-) auf die Mess. Fluv. übertragen. Die diese Über-
tragung genehmigenden Erlasse sind in Klammern angeführt. Außerdem
hat, soweit bisher bekannt, die Ngoko-Sanga bezüglich ihrer Konzession
Ngoko-W'esso und Sanga-Lipa-Wesso mit der Mess. Fluv. Verträge
abgeschlossen.
Für alle diese Konzessionen mit Ausnahme der Konzession Ngoko-
Wesso ist durch die Dekrete von 1910/11 die Schiffahrtsverpflichtung
aufgehoben worden (vgl. unten § 67). Die rechtlichen Beziehungen zwi-
schen der Mess. Fluv. und diesen Konzessionen sind daher jetzt eine
rein innere Angelegenheit zwischen der Mess. Fluv. und den Inhabem
dieser Konzessionen. Hier kommt nur noch das Verhältnis der Mess.
Fluv. zur Ngoko-Sanga in Betracht, die für die Konzession Ngoko-Wesso
einen großen und einen kleinen Dampfer unterhalten muß. Bei der
Frage, wie Deutschland durch das November- Abkommen zu dieser
Schiffahrtsverpflichtung und zu ihrer Übertragung auf die Mess. Fluv.
steht, sind drei verschiedene Rechtsakte zu unterscheiden:
1. Der rein privatrechthche Übemahmevertrag zwischen der Kon-
zessions- und Schiffahrtsgesellschaft (s. Anhang IV, Ziff. 2). Durch
diesen Vertrag sind zur französischen Regierung keine Rechtsbeziehungen
entstanden; er kommt daher auch für die deutsche Regierung nicht in
Betracht.
2. Der Vertrag, mit dem Generalgouvemement von Französisch-
Äquatorial- Afrika, durch den die Mess. Fluv. sich dem Gouvernement
gegenüber verpflichtet, einen regelmäßigen öffenthchen Schiffahrtsverkehr
') Es sind im folgenden nur die für Ncu-Kamerun interessierenden Gesell-
schaften angeführt. Über die außerhalb Ncu-Kamerun liegenden Gesellschaften,
die mit der Mess. Fluv. Verträge abgeschlossen haben, siehe:
Erlaß vom 29. Okt. 1906; Journ. off. 1906, S. 7392.
Erlaß vom 15. Okt. 1900, Journ. off. 1900, S. 7603.
Erlaß vom 15. Januar 1901, Journ. off. 1901, S. S64.
Erlaß vom i. Juni 1907, Joum. off. 1907, S. 3908.
^) Einer dieser Verträge ist in Anhang IV unter Ziffer 2 abpcdruckL
— l82 —
auf den oben (§ 28) angegebenen Linien zu unterhalten, und die Regie-
rungstransporte zu bestimmten Sätzen zu befördern (vgl. Anhang IV,
Ziff. i). In diesem Vertrage ist zwar einige Male von der Mess. Fluv.
als ,,concessionnaire" die Rede. Es kommt aber nicht auf den Namen,
sondern auf die Sache an. Zur Unterhaltung eines öffentlichen Schiff-
fahrtsdienstes im Kongo- Systeme ist keine Konzession notwendig, da
nach der Berliner Generalakte die Scliiffahrt dort vollständig frei ist.
Es kann also jeder Beliebige ohne Konzession einen öffentlichen Schiff-
fahrtsdienst einrichten. Die Verpflichtung, einen solchen Schiffahrts-
dienst zu unterhalten oder die Regierungstransporte zu bestimmten
Sätzen zu befördern, kann aber nicht als Konzession bezeichnet werden.
Daher sind durch diesen Vertrag im Zusammenhalte mit Art. 5 des
November-Abkommens keine rechtlichen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und der Mess. Fluv. entstanden, auch wenn man, was wohl nicht
zutreffen würde, annehmen wollte, daß Art. 5 des November-Abkommens
auch noch andere als reine Landkonzessionen im Auge hat.
3. Die unter Ziffer i genannten Übernahmeverträge sind durch
die angeführten Ministerialerlasse genehmigt worden. Dem ersten dieser
Erlasse ist ein Lastenheft für die Mess, Fluv, angefügt (s, Journ. off. igoi,
S. 864). Durch diese Erlasse hat die Gesellschaft aber auch nicht die
Eigenschaft einer Konzessionsgesellschaft erhalten. Die Gesellschaft
hat nur Verpflichtungen übernommen; aber keine Rechte erhalten, die
einer Konzession bedürften. Die Mess. Fluv. ist auch nirgends in dem
Erlasse als Konzessionsgesellschaft bezeichnet. Der Ministerialerlaß ist
keine Konzessionsurkunde im Sinne des Art. 5 des November-Ab-
kommens.
Aus dem Gesagten geht also herv^or, daß zwischen Deutschland
und der Mess. Fluv. durch das November-Abkommen keinerlei recht-
lichen Beziehungen entstehen können.
Es wird den in Art. 5 des Novem^ber-Abkommens vorgesehenen
weiteren Vereinbarungen vorbehalten sein, die zukünftige, rechtliche
Lage dieser Schiffahrtsverpflichtungen zu bestimmen. Dabei wird zu
berücksichtigen sein, daß nach Art. i Abs. 3 des Ministerial-Erlasses
vom 15, Januar 1901 (Journ, off. 1901, S. 864) und Art. 2 Abs. 3 des ihm
angefügten Lastenheftes die Konzessionsgesellschaften nur während
der ersten zwei Jahre nach der Übernahme des Schiffahrtsdienstes durch
die Mess. Fluv. mit dieser sohdarisch für die Ausführung des Schiff-
fahrtsdienstes haften.
Die Mess. Fluv. hat nach dem genannten Lastenhefte die Ver-
pfüchtung (gegenüber der französischen Regierung), 4 große und 2 kleine
Dampfer auf den genannten Linien zu unterhalten und die übrigen in den
— i83 —
Lastenheften der Konzessionsdekrete (s. unten Anhang II, Ziff. 2) an-
geführten Schiffahrtsdienste zu leisten. Zur Gewährleistung dieser
Verpflichtung hat sie eine Kaution von 20 000 Franken hinterlegt.
Die Mess. Fluv. hat im Jahre 1903 ihr Aktienkapital von 4 Mill.
Franken durch Zurückzalilung von i Mill. Aktien auf 3 Mill. Franken
und später durch eine neue Herabsetzung auf i 600 000 Franken ermäßigt ;
im Jahre 1907 aber wieder auf 3 Mill. Franken erhöht, eingeteilt in
15 000 Aktien zu 200 Franken. Die Gesellschaft hat 4000 Genußscheine
ausgegeben. Ihr Reingewinn betrug im Jahre 1910 525 030 Franken.
Davon wurden 150 000 Franken als 5 proz. Zins auf das Aktienkapital,
110 000 Franken als Dividende auf die Aktien und iioooo Franken als
Gewinnanteil auf die Genußscheine verteilt, so daß auf eine Aktie zu-
sammen 17,33, auf einen Genußschein 27,50 Franken entfielen. Die
Gesellschaft hatte beabsichtigt, im Jahre 1911 die erste Hälfte und im
Jahre 1913 die zweite Hälfte ihres ganzen Aktienkapitals an die Aktionäre
zurückzuzahlen; dieser Plan ist aber infolge der Gründung der Cie.
Forestiere aufgegeben worden, um für eine etwa eintretende Verkehrs-
steigerung flüssige Mittel zur Vermehrung des Schiffsmaterials an der
Hand zu haben. Die Aktien der Gesellschaft wurden nach C6te du Sjti-
dicat des Banquiers de Change de Paris vom 31. Mai 1912 zuletzt mit
275 Franken, die Genußscheine mit 380 Franken, Yö Genußscheine mit
60,50 Franken notiert.
E. Die Konzessionsdekrete.
Wie schon erwähnt, beruhten die Konzessionen aller Gesellschaften § 59.
mit .Ausnahme der Haut-Ogowe-Konzession ursprünglich auf dem Xor-
maldekrete von 1S99. ^^^ dieser Einheitliclikeit sind inzwischen drei
Gruppen entstanden, von welchen für Neu-Kamerun zwei in Betraclat
kommen :
1. die Gesellschaften, für welche das Gninddekret von 1899 noch gilt,
2. die Cie. Forestiere.^)
Die für diese Konzessionsgesellschaften in Betracht kommenden
Dekrete sind im Anhange II und III abgedruckt. Die folgende Be-
sprechung der Dekrete braucht daher nicht auf Einzelheiten der Be-
'j Die dritte Gruppe wird von 4 außerhalb Ncu-Kamcruns gelegenen Gesell-
schaften gebildet, deren Rechte vor einigen Jahren durch Vereinbarung mit der
franzu.sischen Regierung auf einer ähnlichen Grundlage abgeändert worden sind,
wie die der deutschen Gesellschaft Süd-Kamerun. An Stelle der Ausbeutungs-
Konzessionen für ein sehr großes Gebiet trat die Eigentumsübertragung für kleine
Teile dieses Gebietes.
— i84 —
Stimmungen einzugehen. Es sollen vielmehr nur einzelne Rechtsfragen,
die sich nach dem bisher geltenden französischen Rechte ergeben haben,
behandelt und die Stellung, die die französische Verwaltung und Recht-
sprechung zu einzelnen Bestimmungen bisher genommen haben, dar-
gestellt werden.
I. Das Dekret von 1899.
§ 60. Die Gesellschaftsverfassung.
Die Konzessionen sind ursprünglich an Privatpersonen verliehen
worden mit der Bestimmung, daß sie erst endgültig werden, wenn sie
auf Aktiengesellschaften (Societe anonyme), die nach französischem
Rechte gegründet sein müssen, übertragen werden. Die Rechtsverhält-
nisse der Societe anonyme sind im Code de commerce Art. 29 ff. geregelt.
Ihre Stellung im Systeme des Gesellschaftsrechtes und im Wirtschaftsleben
ist am kürzesten durch den Hinweis gekennzeichnet, daß sie in diesen
Beziehungen der deutschen Aktiengesellschaft und der englischen Com-
pany limited by shares entspricht. Auf eine Darstellung dieser Rechts-
verhältnisse kann daher hier verzichtet werden. Es soll hier nur auf
einige Änderungen hingewiesen werden, die das Dekret an den gesetzlichen
Bestimmungen des code de commerce über die Gesellschaftsverfassung
vorgenommen hat. Diese Änderungen haben den gleichen Zweck, wie
er im deutschen Kolonialrechte mit der Schaffung der besonderen Form
der Kolonialgesellschaft verfolgt worden ist, nämüch dem Staate ein
gewisses Aufsichtsrecht über die Geschäftsführung zu geben und das
Eindringen ausländischen Einflusses in die Gesellschaften in den er-
wünschten Grenzen zu halten.
Der Vorstand der Gesellschaft und Dreiviertel des Verwaltungs-
rates, darunter der Präsident und Vizepräsident, müssen französischer
NationaHtät sein. Ebenso vom 6. Jahre des Bestehens der Gesellschaft ab
alle ihre weißen Angestellten in den Kolonien. Die Geschäftsführung
der Gesellschaft unterliegt einer doppelten staatHchen Aufsicht, nämlich
der Überwachung der Finanzmaßnahmen am GeseUschaftssitze, also
in Paris, und der Überwachung der Geschäftsführung in den Kolonien,
durch einen besonders dazu ermächtigten Beamten.
Das Konzessionsgebiet.
§ 61. Die Rechte der Konzessionare beziehen sich nur auf die zum privaten
Staatseigentum gehörenden Ländereien, ausgenommen davon sind also
vor allem die Meeresufer und die Wasserläufe. Da die französische Ver-
waltung und Rechtsprechung auf dem Standpunkte steht, daß die Ein-
- i85 -
geborenen in Französisch-Äquatorial-Afrika Sonder- oder Kollektiv-
eigentum am Boden nicht kannten, und daß der Weiße Eigentum am
Boden nur auf Grund eines vom französischen Staate herrührenden
Rechtstitels er^verben konnte, gehört alles Land, für das solche beson-
deren Rechtstitel nicht Ijeigebracht werden können, zum privaten Staats-
eigentum. Auf dieses ganze Gebiet beziehen sich grundsätzHch die Rechte
der Konzessionäre; ausgenommen davon sind nur die Rechte, die Dritte
bei der Verleihung der Konzession schon besessen haben und die im
Dekrete den Eingeborenen vorbehaltenen Rechte, vor allem die Einge-
borenen-Reservate. (\'gl. oben § 48.)
Die Rechte aus den Konzessionen.
Die Konzessionen geben ihren Inhabern ein doppeltes Recht, i. das § 62.
der Niederlassung, Nutznießung (jouissance) und Verwertung (exploi-
tation) und 2. das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Grund-
eigentum zu erwerben.
I. Das Recht der Niederlassung und des Aufenthaltes ist wie das
der Freizügigkeit kein den Untertanen von Natur aus zustehendes Recht ;
sie haben es nur, soweit es ihnen verliehen ist. Dementsprechend ist
das Recht, sich niederzulassen (ä s'etablir), den Konzessionaren ausdrück-
lich verliehen, während die Instructions Ministerielles i) vom 24. Mai 1S99
in Abs. 4 des § 6 den Nichtkonzessionaren dieses Recht versagen. Das
Niederlassungsrecht der Konzessionare ist damit aber nicht zu einem
ausschließlichen geworden. Die Inst. Min. sind nur eine Dienstanweisung
an die untergeordnete Behörde, die von der erlassenden Behörde jederzeit
abgeändert werden kann. Die Regierung kann daher nach Gutdünken
auch anderen dieses Niederlassungsrecht gewähren.
Das ist von französischen Gerichten wiederholt festgestellt worden,
zuletzt in dem Urteile des Gerichtes von Bangi vom 24. November 1911.^)
Die deutsche Regierung ist natürlich ebensowenig wie bisher die fran-
zösische an die Instructions Ministerielles gebunden und kann innerhalb
der Konzessionsgebiete Land zur Errichtung von Faktoreien zur \'er-
fügung stellen.
Dagegen ist das Recht der Nutznießung und der Verwertung seinem
Wesen nach als ausschließliches zu betrachten, obwohl dies in dem Dekrete
nirgends gesagt ist. Diese Eigenschaft wird auch von der Rechtsprechung
anerkannt, z. B. im Urteil des Tribunal Ci\il de Libreville vom 11. Januar
*) Annuaire coloniale 1910, S. S/öff.
-) Abgedruckt im Siiclc vom 27. März 191 2
— i86 —
1902.^) Jouissance und exploitation sind keine Begriffe der französischen
Rechtssprache. Die Übersetzung von jouissance mit Nießbrauch deckt
sich nicht mit der juristischen Terminologie; denn dem Rechtsbegriffe
des Nießbrauches des deutschen Rechtes entspricht im französischen
Rechte l'usufruit und l'usage. Der Inhalt dieses Rechtsbegriffes ist
daher dem Dekrete und dem Lastenhefte selbst zu entnehmen. Nach
Art. I Lastenheft liegt der Zweck der Konzessionen in der land-, forst-
wirtschaftlichen und industriellen Verwertung (exploitation) der in dem
Konzessionsgebiete Hegenden Domanialländereien. Der Konzessionär
hat alle Rechte, die sich aus diesem Zwecke ergeben; er ist dabei aber
an die allgemeinen, gesetzlichen Vorschriften gebunden. So darf er
also z. B. die forstwirtschaftliche Verwertung nur im Rahmen des Forst-
dekretes vom 28. März 1899 betreiben. Das den Eingeborenen in Art. 23
des Forstdekretes im bisherigen Umfange garantierte Nutzungsrecht
an den zum privaten Staatseigentume und Privaten gehörigen Forsten
geht daher dem Nutzungsrechte der Konzessionare vor. Wieweit das
Nutzungsrecht der Konzessionare durch diese Beschränkung beeinträch-
tigt wird, hängt von dem Umfange des Nutzungsrechtes der Eingeborenen
ab. Art. 23 des Forstdekretes gibt als Inhalt dieses Nutzungsrechtes
das Recht der marronage, affouage, päturage, chasse usw. an. 2) Der
Inhalt der letzten drei Rechte ergibt sich einfach aus der Übersetzung:
Brennholz, Weide- und Jagdrecht. Diese Rechte konkurrieren nicht mit
den Rechten der Konzessionare. Dagegen ist eine abstrakte, rechthche
Abgrenzung der Berechtigung marronage sehr unsicher. Der Begriff
marronage ist dem Leibeigenenrechte des Mittelalters entnommen und
bedeutet in diesem die Berechtigung der Leibeigenen, in den herrschaft-
lichen Forsten für ihre eigenen Bedürfnisse zu sammeln, besonders die
Abfälle der herrschaftlichen Forstnutzung. Diese Berechtigung gab ihnen
aber keinen rechtlich genau umschriebenen oder geschützten Anspruch;
sie hatte ihre Grenze vielmehr an dem eigenen Bedürfnisse der Herrschaft
und konnte von ihr nach Gutdünken beschränkt oder ganz aufgehoben
werden. Überträgt man diesen Begriff auf das Verhältnis zwischen Ein-
geborenen und Forsteigentümern im französischen Kongo, so ergibt
sich, daß die Eingeborenen ein Nutzungsrecht an den zum privaten
Staatseigentume gehörenden Forsten nur haben, soweit der Staat als
Privateigentümer die Forsterzeugnisse nicht für sich in Anspruch nimmt ;
1) Recueil 1902, 2. Teil, S. 56.
'■') Annuaire coloniale 1910, S. 552, Art. 23: Die Eingeborenen behalten weiter
in den zum privaten Staatseigentume gehörenden oder Privaten gehörigen Forsten
die Nutzungsrechte (Sammel-, Brennholz-, Weide-, Jagdrecht usw.), die sie gegen-
wärtig ausüben.
- iS; -
daß sie also vor allem einen Anspnich auf die hochwertigen natürlichen
Erzeugnisse, wie Kautschuk, Elfenbein, Nutzhölzer usw., nicht haben,
da diese der Staat durch die Konzessionen für sich, bzw. die Konzessionare
in Anspruch genommen hat. Es wäre daher verfehlt, wenn man dem
Art. 23 des Forstdekretes eine praktische Bedeutung für die Kr)nzessi<ms-
rechte l^eilegen wollte, und es ist ganz willkürlich, wenn Renard auf
S. 129 seines Buches die Beispiele des Eingeborenennutzungsrechtes
noch erweitert durch das Recht auf Gewinnung von Kautschuk vmd
Guttapercha. Er steht damit in Widerspruch mit der Literatur. Wenn
die Eingeborenen dieses Recht tatsächlich hätten, so gäbe es im französi-
schen Kongo keine Eingeborenen frage und keine Frage der Handels-
beschränkung. Im übrigen muß Renard auf S. 130 selbst zugeben,
daß das Forstdekret ein Dekret vom grünen Tische ist und in der Ver-
waltungspra.xis bisher nicht angewendet wurde. Dementsprechend ist
der Art. 23 auch nirgends in der Literatur und Rechtsprechung über die
Konzessionsrechte erwähnt.
\'on dem Nutzungsrechte der Konzessionare ist femer ausdrücklich
die bergbauliche Verwertung des Konzessionsgebietes ausgenommen.
Diese Ausnahme gilt aber nur für die Mineralien, die Gegenstand von
Bergwerkseigentum sein können. Die bergbaufreien Mineralien unter-
liegen dem Nutzungsrechte der Konzessionare, so z. B. der Abbau von
Steinbrüchen und Tongruben, wie aus Art. 5 Abs. 2 Lastenheft Ifer-
vorgeht.
2. Das Eigentum am Boden wird dadurch envorben, daß der Kon-
zessionär ihn nutzbar macht (mettre en valeur). Die Merkmale der
Nutzbarmachung sind in Art. 8 Lastenheft genau bestimmt.
Liegen diese Merkmale vor, so hat der Konzessionär .\nspnich auf
das Eigentum der entsprechenden Ländereien, wobei die Grenzen tunlichst
natürlichen Grenzen folgen sollen. Der Konzessionär kann verlangen,
daß die Nutzbarmachung und die Grenzen amtlich auf seine Kosten fest-
gestellt werden. Macht er von diesem Rechte Gebrauch, so wird für
das abgegrenzte Grundstück die Eintragung in die Grundstücksmatrikel,
die nach dem Grundstücksdekrete vom 28. März 1899^) sonst fakultativ
ist, nach Art. 7 Ziff. 3 des gen. Dekretes obligatorisch. Ob diese Abgrenzung
und Eintragung nur feststellende oder rechtsbegründende Wirkung hat,
kann nach dem Wortlaute des Dekretes und Lastenheftes zweifelhaft
sein. Da das Lastenheft aber wiederholt von einer Zuteilung der Lände-
reien an den Konzessionär spricht, ist anzunehmen, daß das Eigentum
nicht schon durch die Tatsache der Nutzbarmachung, sondern erst durch
*) Aiinuaire igio, S. 531.
— i88 —
die amtliche Feststellung dieser Tatsache und der Grenzen erworben
wird. Dies dürfte zum EigentumserAverbe ausreichen. Die Eintragung
in die Grundstücksmatrikel ist zwar vorgeschrieben ; der Eigentumserwerb
ist aber nicht von ihr abhängig gemacht. Der gleichen Auffassung scheinen
die Instr. Min. in § 19 zu sein. Diese Auffassung wird auch bestätigt durch
die Vereinbarungen, die im Jahre 1910/11 zwischen den 10 Gesellschaften,
die die Cie. Forestiere gebildet haben, und der Regierung getroffen worden
sind. Danach wird diesen Gesellschaften das Eigentum an den Grund-
stücken zugesichert, i. die ihnen bereits zugesprochen (accorde) worden
sind, und 2. auf welche sie im Augenblicke der Unterzeichnung der neuen
Vereinbarungen einen Anspruch hatten. Da die Voraussetzung dieses
Anspruches die Nutzbarmachung ist, wäre ein besonderer Vorbehalt
dieses Eigentumsanspruches nicht notwendig gewesen, wenn die Tat-
sache der Nutzbarmachung schon von selbst das Eigentumsrecht hätte
entstehen lassen.
Der Eigentümer ist in der Verfügung über sein Eigentum durch
Art. 7 des Dekretes beschränkt. Er darf die Grundstücke nur mit der
Genehmigung des Gouverneurs verkaufen oder verpachten. Zuwider-
handlungen haben den Rückfall der Grundstücke in das Staatseigentum
zur Folge. Diese Veräußerungsbeschränkung ist bei der Eintragung der
Grundstücke mit in die Grundstücksmatrikel einzutragen.
Zu erwähnen ist noch eine Vorschrift, die verhüten soll, daß die
Wertsteigerung der Grundstücke infolge ihrer Erschließung durch Ver-
kehrswege den Konzessionsgesellschaften allein zugute kommt. An
öffentlichen Verkehrswegen und Flüssen kann der Konzessionär innerhalb
eines Küometerstreifens auf beiden Seiten nur die Hälfte des Landes
durch Nutzbarmachung sich aneignen. Ebenso darf er innerhalb eines
20 km- Streifens längs der Landesgrenzen kein Eigentum erwerben, es
sei denn, daß die Grenze durch einen mit Dampfschiffen in wenigstens
4 Monaten jährhch schiffbaren Fluß gebildet wird.
§ 63. Die Verpflichtungen und Auflagen.
Den eben beschriebenen Rechten stehen viele und verschiedenartige
Verpflichtungen der Konzessionare gegenüber, die meist geldHche Leistun-
gen zum Gegenstande haben.
Als Beitrag zur Bestreitung der Staatsausgaben haben die Gesell-
schaften jährhche Abgaben zu leisten, die zum Teüe vom Reingewinne
der Gesellschaften abhängig, zum Teile davon unabhängig sind. Die
festen Abgaben wurden bei der Verleihung der Konzessionen in ihrem
Anfangsbetrage festgesetzt mit der Maßgabe, daß sie nach 5 Jahren
— i89 -
um die Hälfte, nach lo Jahren auf das Doppelte dieses Anfangsbetrages
steigen. Als zweite Abgabe sind jährlich 15% des Reingewinnes zu
zalilen, für dessen Berechnung Ijestimmte Vorschriften gegeben sind.
Über die W^rpflichtung zur Zahlung einer Kaution, zur Beisteuerung
zu den Kosten der inneren und der Zollverwaltung, vgl. die Art. 12 und
18 des Dekretes und Art. 19 und 26 des Lastenheftes. Die Verpflichtung
zur Unterhaltung eines Dampfschiffverkehrs ist oben in § 58 in dem
Abschnitte über die Messageries Fluviales schon besprochen worden.
Durch diese besonderen geldlichen Leistungen wird die allgemeine
Steuerpflicht der Gesellschaften nicht berührt, sie sind allen bestehenden
und späteren Steuern imd Abgaben unterworfen; nur wenn eine Grund-
steuer eingeführt würde, könnten die Gesellschaften ihre jährlichen
festen Abgaben \'on dieser Grundsteuer abziehen.
Neben diesen geldlichen Leistungen ist die wichtigste Verpflichtung
der Gesellschaften ihre Betriebs- und Unterhaltungspflicht. Der Kon-
zessionär muß das ihm zugewiesene Gebiet in fortschreitende Verwertung
durch forst- oder landwirtschaftliche Bebauung nehmen, Handelsnieder-
lassungen anlegen und unterhalten und diese Niederlassungen durch einen
oder mehrere europäische Angestellte verwalten lassen. Das Maß dieser
Erschließung und Verwertung des Landes hängt nicht von dem Willen
des Konzessionars ab; sondern die Regierung hat für sich das Recht
in Anspruch genommen, den Zeitpunkt, das Gebiet und die Zahl der
Niederlassungen und die Zahl der anzustellenden Europäer zu bestimmen
und sie hat dabei die Billigung der Rechtsprechung gefunden.^)
Der Konzessionär hat femer eine Anpflanzungsverpflichtung. Er
muß für jede Tonne im Konzessionsgebiete gewonnenen Kautschuks
150 Kautschukpflanzen anpflanzen und unterhalten. Diese Bestimmung
ist getroffen worden, um den bei der Kautschukgewinnung üblichen
Raubbau wett zu machen und die Ertragfähigkeit des Landes zu er-
halten. Die Angaben darüber, wieweit diese Anpflanzungspflicht bisher
erfüllt worden ist, gehen sehr weit auseinander. Nach den einen An-
gaben ist in dieser Beziehung so gut wie nichts geschehen ; nach anderen
haben einzelne Gesellschaften ihre Anpflanzungspflicht teilweise er-
füllt. Die Cie. Forestiere schreibt auf S. 32 ihrer Denkschrift von 1911,
daß bei ihrer Gründung auf den Pflanzungen ihres Gesellschaftsgebietes
mehr als 300 000 angepflanzte Kautschukpflanzen vorhanden waren.
Die mittleren Anpflanzungskosten werden auf etwas ülx-'r einen Franken
auf die Kautschukpflanze angegeben. Über den Erfolg dieser Nach-
*) Entscheidung des Conscil d'Etat v. 27. Mai 1907, Rccucil 1907, 3. Teil,
S. 165.
— I90 —
Pflanzung schreibt die Gesellschaft, daß die in Brasihen und in den.
Malaiischen Inseln heimischen Kautschukpflanzen sich nicht gut an
das Klima Äquatorial- Afrikas anpassen, und daß die im Urwalde wild
vorkommenden Arten für die Kultur auf Pflanzungen wenig geeignet
sind. Der Erfolg der Anpflanzungen sei im ganzen nicht gerade befrie-
digend gewesen, und die Gesellschaft hält es daher für rationeller, die
Ertragfähigkeit der vorhandenen wilden Kautschukbestände zu erhalten,
als Pflanzungen anzulegen (vgl. oben § 23).
Zu diesen zwei Arten von Verpflichtungen kommen noch einige
Auflagen. Die Regierung kann Grundstücke für öffentliche Zwecke
zurücknehmen, und zwar ohne Entschädigung die Grundstücke, die
noch nicht in das Privateigentum der Konzessionare übergegangen sind,
während für die von den Gesellschaften auf Grund der Konzession er-
worbenen Grundstücke eine Entschädigung zu zahlen ist. Im ersten
Falle wird also nur das Nutzungsrecht, im zweiten das Eigentum ent-
eignet. In beiden Fällen ist für besondere Anlagen zu Zwecken des Handels,
der Landwirtschaft und der Industrie sowie für Pflanzungen nach ihrem
wirklichen Werte eine Entschädigung zu zahlen. Bei Festsetzung dieser
Entschädigung ist die Wertsteigerung in Anschlag zu bringen, die die
im Besitze der Gesellschaft verbleibenden Grundstücke infolge der Aus-
führung der Arbeiten erfahren.
Die Gesellschaften müssen aus den in ihren Gebieten hegenden
Wäldern und Steinbrüchen alle für öffentliche Arbeiten notwendigen
Materialien ohne Entschädigung entnehmen lassen und in einem Ein-
kilometerstreifen zu beiden Seiten von schiffbaren Flüssen das Schlagen
des für den Dampfschiffbetrieb notwendigen Feuerholzes ohne Ent-
schädigung gestatten. Die Regierung hat sich ferner das Recht vor-
behalten, den zwanzigsten Teil jedes Konzessionsgebietes ohne Ent-
schädigung der Gesellschaft als landwirtschaftliche Kleinstellen von
höchstens 1000 ha zu vergeben. Da das Khma hier aber für die Land-
wirtschaft in Kleinbetrieben sehr wenig geeignet ist, hat dieser Vorbehalt
wenig praktische Bedeutung.
AUe Arbeiten und Anlagen der Gesellschaften, die dem allgemeinea
Interesse dienen, können gegen voUe Entschädigung zum öffentlichen
Staatseigentume erklärt werden. Das öffentliche Wegerecht und die
sonstigen Beschränkungen des Besitzes, die das Dekret über das öffent-
liche Staatseigentum festsetzt, gelten auch für die Konzessionsrechte.
Daneben unterliegen die Gesellschaften noch besonderen Beschränkungen.
Sie haben ohne Entschädigung den Durchzug durch ihr Gebiet zu ge-
statten und sonstige Dienstbarkeiten zu tragen, die zur Ausübung der
Polizei und der staathchen Überwachung, zur Ausführung von öffent-
— 191 —
liehen Arbeiten und zur Nutznießung der Ländereien notwendig sind,
die den Eingeborenen vorlxjhalten worden sind.
Neben diesen Enteignungsbestimmungen auf Grund des Kon-
zessionsdekretes bestehen natürhch die allgemeinen Enteignungsbe-
stimmungen auch für die Konzessionsgesellschaften unverändert ; nämlich
der Senatusconsult vom 3. Mai 1856, der die staatliche Enteignung
zuerst für die Antillen und R^union, dann auch für Senegal und das
Kongo-Gebiet entsprechend einem französischen Enteignungsgesetze
vom Jahre 1841 regelt.^) An Stelle dieser allgemeinen Enteignungs-
bestimmungen des französischen Rechtes treten natürhch jetzt die Be-
stimmungen des deutschen Rechtes.
Der Handel mit Feuerwaffen und Munition ist für die Ge-
sellschaften und ihre Angestellten streng untersagt. Dieses Verbot ist
bisher von den Gesellschaften wenig beachtet und von der Ver%valtung
nicht streng gehandhabt worden. Die Verwaltung hat sogar von der
ihr im Dekrete gegebenen Befugnis, den Waffenhandel unter Über-
wachung der Verwaltung zu gestatten, ziemlichen Gebrauch gemacht.
Die Gesellschaften verzichten in Art. 29 L.-H. auf alle Schaden-
ersatzansprüche, die nach den allgemein geltenden gesetzlichen Be-
stimmungen für Schäden infolge Unsicherheit des Landes, oder infolge
von Aufständen Eingeborener oder von Kriegen entstehen.
Beginn, Änderung und Ende der Konzessionen. § 64.
Die Konzessionen werden endgültig, wenn ihnen mit Genehmigung
des Kolonialministers eine Societe Anonyme substituiert ist, was überall
geschehen ist.
Alle Änderungen in den Rechtsverhältnissen der Konzessionen
bedürfen der amtlichen Genehmigung, insbesondere jede ganze oder
teilweise Abtretung der Konzession oder der aus ihr fließenden Vorteile,
jede Verpachtung von Konzessionsland und jede Änderung in der Orga-
nisation der Gesellschaft.
Das Dekret kennt 4 Endigungsgründe : Zeitablauf, Rücknalune
der Konzession im öffentlichen Interesse, Entsetzung des Konzessionars
und Aufhebung der Konzession für bestimmte Teile des Konzessions-
gebietes.
I. Die Dauer der Konzessionen ist auf 30 Jahre festgesetzt, gerechnet
vom Tage der Unterzeichnung der Konzessionsdekrete an. Dement-
sprechend läuft die Konzession-)
>) Girault 2. Bd., S. ßGsf.
') Die Konzession Haut-Ogowe läuft am 17. November 1923 ab.
— 192 —
der Ngoko-Sanga (Konzession Ngoko-Wesso) am 29. Juli 1929,
und (Konzession von 1905) am 18. März 1935,
,, Haut Kongo am 31. März 1929,
,, Sanga äquatoriale am 19. Mai 1929,
,, Mambere- Sanga am 16. Juli 1929,
,, C. C. C. C. am 9. Juni 192g,
„ Uam-Nana am 21. Februar 1930, ab.
Zu diesen Zeitpunkten fallen die Gebiete, an welchen die Gesell-
schaften kein Eigentum erworben haben, in das Staatseigentum zurück.
Der bisherige Konzessionär bleibt Eigentümer des Schiffsmaterials
und kann innerhalb des folgenden Jahres alle Einrichtungen auf seinem
früheren Konzessionsgebiete entfernen, die der Staat nicht als öffenthches
Staatseigentum erklärt hat, z. B. Telegraphenlinien, Eisenbahnen oder
industrielle Anlagen. Der Gouverneur kann diese Einrichtungen und
das Schiffsmaterial für die Kolonien ankaufen; er muß dies dem Kon-
zessionär aber 6 Monate vor Ablauf der Konzessionszeit mitteilen. Das
Eigentum an den innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Konzession
nicht entfernten Einrichtungen gilt als aufgegeben.
2. Die Konzession kann aus Gründen des öffentHchen Interesses jeder-
zeit ganz oder teilweise zurückgekauft werden. Über den Umfang des
Rückkaufrechtes und die Festsetzung des Rückkaufpreises geben Art. 16
decr, und Art. 30 L.-H. nähere Bestimmungen. Der Rückkauf bezieht
sich danach nur auf das Recht der Nutznießung; die bereits erworbenen
Eigentumsrechte am Boden dagegen sind davon ausgenommen und
können nur unter den allgemeinen Voraussetzungen der Zwangs-Ent-
eignung zurückgenommen werden.
3. Von diesen beiden Endigungsgründen, die die Konzession selbst
erlöschen lassen, ist die Entsetzung des Konzessionars aus seinem Rechte
(la decheance) zu unterscheiden. Das Wesenthche an ihr ist, daß das
Konzessionsrecht nur für den bisherigen Inhaber verloren geht. Das
Recht selbst bleibt unabhängig von einem persönhchen Träger
selbständig bestehen und geht in einem besonderen Verfahren auf einen
neuen Inhaber über. Die Entsetzung des Konzessionars tritt ein, wenn
er durch eine Erklärung des Kolonialministers in Verzug gesetzt worden
ist^) und trotzdem innerhalb der gesetzlichen Frist seine Verpflichtungen
nicht erfüUt. 2)
^) Der französische Ausdruck des Dekretes und des code civil ist mettre en
detaeure. Die mise en demeure hat bestimmte formelle Voraussetzungen.
2) Vgl. dazu Entscheidung des Conseil d'Etat v. 19. Nov. 1909, Recueil 1910,
I. Teil, S. 124.
— 193 —
Art. 31 L.-H. führt 5 Fälle an, in welchen diese Entsetzung möglich
ist. Die .\ufzaliluni,' hat al>er nicht die Bedeutung, daß die Möglichkeit
der Entsetzung auf diese 5 Fälle beschränkt ist ; in allen übrigen Fällen
der Pflichtverletzung aber ausgeschlossen sein soll. Daß dies nicht ge-
meint ist, geht schon aus dem Wortlaute des .\bs. i des Art. 31 L.-H.
her\'or und wird durch die Rechtsanwendung und die Rechtsprechung
bewiesen. Es ist oben schon auf die Entscheidung des Staatsrates vom
27. Mai 1907^) hingewiesen worden, aus der her\'orgeht, daß der Mi-
nister berechtigt ist, nach Art. 11 des Dekrets den Vorschlag eines Reprä-
sentanten der Gesellschaft zur amtlichen Genehmigung zu verlangen
und für den Fall der Unterlassung die Entsetzung anzudrohen. Die
Aufzählung der obigen 5 Fälle hat also nur den Zweck, die Voraus-
setzung für die Entsetzung in diesen Fällen besonders festzustellen.
Die Entsetzung erfolgt nach Anhörung der Kommission für die
kolonialen Konzessionen'^) durch Dekret, gegen das Beschwerde zum
Staatsrate gegeben ist. Die Entsetzung hat zur Folge, daß der Kon-
zessionär alle Rechte aus der Konzession verliert und nur die bereits
in sein Eigentum übergegangenen Grundstücke behält. Außerdem ver-
fällt die Kaution der Staatskasse. Die Konzession selbst besteht weiter
und zu ihrer Verwertung und zur Deckung der von dem früheren In-
haber eingegangenen Verpflichtungen findet eine Versteigerung der
Konzession mit all ihren Rechten und Auflagen statt. Zum Gebote wird
nur zugelassen, wer dazu vom Kolonialminister ermächtigt ist und eine
bestimmte Kaution hinterlegt hat. Für das Versteigerungsverfahren
gelten die allgemeinen Vorschriften ül^er die Versteigerung. Die Gebote
dürfen nicht niedriger sein als der festgestellte Mindestpreis. Die
Genehmigung des Zuschlages durch den Kolonialminister hat zur
Folge, daß der den Zuschlag Erhaltende an die Stelle des früheren
Inhabers tritt, der den Zuschlagspreis erhält. Bleibt das erste Verstei-
gerungs\erfahren ergebnislos, so hat nach drei Monaten ein zweiter
Versteigerungstermin unter den gleichen Bedingungen wie der erste
stattzufinden. Erst wenn auch dieser zweite Termin zu keinem Er-
gebnisse führt, wird die Konzession mit allen Rechten und Pflichten
aufgehoben.
') Recueil 1907, 3. Teil, S. 165.
') Commission des concessions coloniales. Diese Komm.sision hat eine halb
amüiche, halb beratende Stellung als Sachverständigenkommission, wie sie am
französischen Kolonialministerium in größerer Zahl bestehen, so für die Kolonial-
banken, für das Deportationswesen, für Handel und Finanzen. So hat die hier
genannte Kommission die besondere .Vufgabe, in Fragen der Landkonzessionen
tätig zu werden ; besonders die, die Verleihung von Konzessionen zu begutachten.
Veiöffentl. d. ReichskolooiaUmtes Nr. 4: Ritter. -3
— 194 —
Das Wesentliche an dieser Entsetzung ist, daß sie der Regierung
nicht die Möghchkeit gibt, eine Konzession wegen Pflichtverletzung des
Konzessionars ganz aufzuheben; sondern nur die, den Konzessionär
seines Rechtes zu entsetzen. Die Regierung hat also, wenn sie von diesem
Zwangsmittel Gebrauch macht, keine Sicherheit dafür, daß mit dem
Wechsel in der Person auch wirklich eine Besserung der Verhältnisse
eintritt. Daraus erklärt es sich auch, daß die französische Regierung
von diesem Zwangsmittel bisher keinen Gebrauch gemacht hat, obwolil
sie reichhch Gelegenheit dazu gehabt hätte. Nun besteht allerdings
die Vorschrift, daß bei Erfolglosigkeit von zwei Versteigerungsterminen
die Konzession erlischt. Daß dieser Fall eintreten könnte, ist wenig
wahrscheinlich. Ferner müssen allerdings Steigenmgslustige eine be-
sondere Zulassung zum Gebote durch die Regierung erhalten, um bieten
zu können, und Challaye^) sieht darin eine Möglichkeit, die Konzessionen
zum Erlöschen zu bringen, indem die Regierung bei keinem der zwei
Versteigerungstermine Steigerungslustige zum Gebote zuläßt. Dieser
Vorschlag scheint aber mehr von dem Willen, das Land von den Kon-
zessionen zu befreien, diktiert zu sein, als von rechtlichen Erwägungen.
Die Regierung darf sich bei der Nichtzulassung zum Gebote nur von sach-
lichen Erwägungen leiten lassen. Unter Umständen kann dies ja dazu
führen, allen sich Meldenden die Zulassung zu versagen, wenn gegen
die Zulassung aller sachhche Gründe vorhegen. Das darf aber nicht
geschehen nur in der Absicht, die Konzession zur Aufhebung zu bringen.
Denn der frühere Konzessionär hat einen Anspruch auf den Verstei-
gerungserlös, der ihm nicht willkürlich geschmälert werden darf.
4. Von der Regel, daß die Nichterfüllung der Konzessionsbedingungen
die Entsetzung zur Folge hat, macht Art. 15 Abs. 2 des Dekrets in Ver-
bindung mit Art. 32 L.-H, eine Ausnahme. Wenn der Konzessionär
nämlich auf die Aufforderung des Gouverneurs hin mit der Anlegung
der vorgeschriebenen Kautschukpflanzungen länger als ein Jahr im
Verzuge bleibt, kann ein Stück Land von seinem Konzessionsgebiete
abgeschnitten werden, und zwar für je 1000 Stück fehlende Kautschuk-
pflanzen 40 ha Land. Es steht dem Gouverneure frei, das betreffende
Stück Land nach seinem Gutdünken unter dem noch nicht in Verwertung
genommenen Lande auszusuchen und abzutrennen.
Dieses Mittel, die Konzessionsgesellschaften zur Erfüllung ihrer
Nachpflanzungs-Pflicht anzuhalten, ist aber noch unwirksamer, als
das der Entsetzung. Wenn die Angabe in der Denkschrift der Cie. Fores-
tiere vom Jahre 191 1 S. 7 richtig ist, daß die Konzessionsgesellschaften
1) Challaye, S. 198.
— 195 —
bis jetzt im ganzen 9000 t Kautschuk ausgefülirt haben, so können gegen-
wärtig, wenn nocli keine einzige Kautschukpflanze gepflanzt worden
wiire,^) von der Gesamtfläche der Konzessionsgebiete = 81 714 OüO ha
im ganzen nur 50 — 60 000 ha Land entzogen werden. Dabei ist zu be-
rücksichtigen, daß in den 9000 t Kautschukerzeugung die der Cie. Fores-
tiere mit enthalten ist, für die dieser Enteignungsgrund nicht mehr
besteht. Es ist klar, daß dieses Zwangsmittel nicht sehr wirksam sein
kann; denn bei der Größe der Konzessionsgebiete würden die Gesell-
schaften voraussichthch doch nicht dazu kommen, bis zum Ablaufe ihrer
Konzessionen ihr ganzes Gebiet auszubeuten. Daran ändert nichts, daß
die Verwaltung das abzuschneidende Land sich nach Belieben aussuchen,
also das beste Land nehmen kann. Das von den Gesellschaften erworbene
oder planmäßig \'erwertete Land ist davon ausgenommen, und dieses
Land wird in der Regel das wertvollste ein.
Die Eingeborenen-Reservate. c 5,_
Die Frage der Abgrenzung der Eingeborenen- Reservate hat von
Anfang an die größten Schwierigkeiten gemacht, und sie ist heute noch
nicht befriedigend geregelt. Diese Schwierigkeiten sind tatsächlich
durch die wenig seßhafte Wohnw^eise der Eingeborenen, rechthch durch
die Unklarheit über die Rechte an den Reservaten entstanden.
Nach Art. i Ziff. 3 und Art. 10 des Dekretes dürfen die Konzessionare
ihre Rechte nur außerhalb der Dörfer der Eingeborenen und der Lände-
reien ausüben, die zu land-, forst^vi^tschaftlichen oder Weidezwecken
für sie reserviert worden sind. Diese Länderein sollte der Gouverneur
abgrenzen, ebenso wie die, auf welchen die Eingeborenen die Jagd und
Fischerei ausüben durften. Bei später notwendig werdenden Verände-
rungen sollten die dazu erforderhchen Gebiete dem Konzessionär ent-
zogen werden nach den Vorschriften, die für die Rücknahme von Grund-
stücken im öffentlichen Interesse gelten.
Da die Eingelx)renen ihre Wohnsitze wechseln, sobald sie ein
Gebiet abgebaut oder abgesammelt haben, waren diese Bestimmungen
über die Abgrenzung in der Praxis gar nicht durclizuführen. Die Folge
davon war, daß in der ersten Zeit die Grenzen der Reser\-ate überhaupt
nicht festgesetzt und die Umgebung der augenblicklichen Niederlassungen
als Reservate angesehen wurden. Der Mangel einer genauen Abgrenzung
führte aber bald zu Streitigkeiten zwischen den Häuptlingen und den
Konzessionaren. Dieser Zustand wurde vollends unhaltbar, als das
') Vgl. dazu Challaye, S. 184, Les Soci6t6s consessionaires S. 43/44, Denk-
schrift der Cie. For. 191 1, S. 32, und oben § 23.
13*
— 196 —
Gericht von Libreville i) entschied, daß das Recht des Konzessionars
sich auf das ganze Konzessionsgebiet beziehe, solange die Eingeborenen-
reservate nicht nach Art. 10 des Dekretes vorschriftsmäßig abgegrenzt
seien und daß der Konzessionär daher berechtigt sei, alle von den Ein-
geborenen gesammelten, natürlichen Erzeugnisse ohne Entgelt für Ware
oder Arbeit wegzunehmen.
Ebenso unklar wie die Grenzen der Reservate waren ihre Rechts-
verhältnisse. Durch das Dekret sind die Reservate nur von den durch
die Konzessionen verliehenen Rechten ausgenommen worden. Für ihre
rechtliche Stellung ist damit noch nichts gewonnen. Auch das Dekret
vom 28. März 1899 über das private Staatseigentum gibt darüber
keinen Aufschluß. 2) Die Vermutung spricht daher zunächst dafür,
daß der Staat Eigentümer dieser Reservate ist, da er für sich das Eigen-
tum am ganzen Lande beansprucht und ein Eigentum der Eingeborenen
nicht angenommen hat. Sollte dieses Eigentum und das daraus fließende
Nutzungsrecht auf die Eingeborenen übertragen werden, so hätte dies
durch eine dahingehende Willenserklärung geschehen müssen. Eine
solche ist nie ausdrücklich erfolgt. Gleichwohl ist aus der Tatsache an
sich schon, daß Reservate geschaffen wurden, zu entnehmen, daß die
Eingeborenen wenigstens ein uneingeschränktes Nutzungsrecht haben
sollten. Wohl aber auch das Eigentumsrecht. Wenigstens geht das Dekret
von dieser Voraussetzung aus, wenn es in Art. 10 Abs. i den Einge-
borenen das Recht zugesteht, mit Genehmigung des Gouverneurs Grund-
stücksteile der Reservate an Dritte abzutreten. Wenn damit das Ver-
äußerungsrecht auch beschränkt ist, so ist es doch als bestehend voraus-
gesetzt, und die Fähigkeit, Eigentum zu übertragen, setzt eigenes Eigen-
tum voraus. Anderer Auffassung sind aber die Instr. Min. vom 24. Mai
1899. ^) Sie beschränken in § 18 Abs. 5 das Recht der Eingeborenen darauf,
daß sie i. nur das für ihren eigenen Lebensmittelbedarf notwendige
Ackerland zu beanspruchen haben; 2. daneben Land für hochwertige
Kulturen (Kaffee, Kakao usw.) erhalten können, um mit den Erzeug-
nissen Handel zu treiben; 3. außerdem ein Stück Forst für die Bedürf-
nisse des Hausbaues und der Feuerung. Aber ausdrücklich wird ihnen
das Recht abgesprochen, in den Wäldern die natürlichen Erzeugnisse
zu sammeln, da dies den Konzessionaren einen ,, ruinösen" Wettbewerb
bereiten würde. Ob die Instr. Min. dabei von der Annahme ausgegangen
^) Urteil vom 23. Febr. 1901, Recueil 1901, 2. Teil, S. göff.
-) Im Gegensatz zu dem Erlasse von 1891, der annimmt, daß die Eingeborenen
Eigentum an den Reservaten haben. Vgl. oben § 48.
^) Annuaire 1910, S. 576ff.
— 197 —
sind, daß das Eigentum an den Grundstücken der Reser\'ate dem Staate
verbliel)en sei und der Staat daher das Mali der Eingeborenennutzung
bestimmen könne oder ob sie den Eingeborenen zwar das Eigentum
zugestehen, es aber mit einer Dienstbarkeit zugunsten der Konzessionare
bezüghch der natürhchen Erzeugnisse belasten, ist nicht zu erkennen.
Das Wesentliche daran ist aber auf jeden Fall, daü die Instr. Min. den
Eingeborenen jedes Recht auf die natürlichen Erzeugnisse — gemeint
sind damit Kautschuk, Elfenbein, Ölfrüchte, Nutzhölzer usw. — ab-
sprechen. Daü sie sich damit in Widerspruch mit dem Dekrete und dem
Zwecke der Reservierung von Land für die Eingeborenen setzen, konnte
der Rechtsprechung nicht entgehen. Der Conseil d'Appel de Libreville
hat in seinem Urteile von 24. Oktober 1901^) erklärt, daü die Einge-
borenen das Recht haben, in den ihnen reservierten Bezirken die natür-
lichen Erzeugnisse zu sammeln und an jeden Beliebigen zu verkaufen.
Diese beiden gerichtlichen Entscheidimgen haben die Verwaltung
\eranlaßt, im Einverständnis mit den Konzessionsgesellschaften das
Verhältnis der Reser\'ate zu den Konzessionaren neu zu ordnen. In
dem Erlasse des Generalkommissars vom 9. Oktober 1903 -) wurde das
Recht der Eingeborenen auf die natürhchen Erzeugnisse ihrer Reservate
uneingeschränkt anerkannt; von der örtlichen Abgrenzung der Reser-
vate aber abgesehen. An Stelle dieser Abgrenzung trat eine prozentuale
Kontingentierung der Eingeborenenernte im Verhältnis zur Gesamt-
emte. Es wurde bestimmt, daß vorläufig der 10. Teil des Konzessions-
gebietes als Eingeborenenreservat zu betrachten sei. Von diesem ge-
dachten zehnten Teile sollten Yio ^ür den Hausbau, ^/,o für den Lebens-
mittelbau und Weiden verwendet werden; die übrigen 7io sollten den
Eingeborenen an Forsten mit dem Rechte auf die natürlichen Erzeug-
nisse überlassen werden. Die Bestimmung des Kontingentes der Ein-
geborenen erfolgte in der Weise, daß alle Jahre die gesamte im ganzen
Konzessionsgebiete gesammelte Ernte an natürlichen Erzeugnissen amt-
lich festgestellt und danach die auf die Eingeborenen entfallenden 6%
berechnet wurden. Erst nach der Bezahlung der Eingeborenensteuer,
die fast ausschließlich in Kautschuk erfolgte, erhalten die einzelnen
Dorfgemeinden die Erlaubnis, die ihnen nach der Steuerzahlung von ihren
6% der Gesamternte verbleibenden Kautschukmenge zu verkaufen,
während sie die darüber gesammelte Menge an die Konzessionare heraus-
geben mußten. Eine Entschädigung für die Ware selbst erhielten sie
dabei nicht, da diese ja ohneliin den Konzessionaren gehörte; sondern
*) Recueil 1901, 2. Teil, S. 108.
') Afr. fr. 1903, S. 183. Recueil 1904, i.Teil, S. i ; vgl. auch C hallaye, S. 174 f.
— 198 —
nur für die notwendige Arbeitsleistung. Da diese Arbeitsleistung ein-
seitig \'on den Konzessionsgesellschaften gemessen und bewertet wurde,
der Lohn überdies nicht in Geld, sondern in minderwertigen, europäischen
Erzeugnissen bezahlt wurde, sahen die Eingeborenen sehr bald ein,
daß sie mit ihrer freiwilligen Sammelarbeit nur für die Tasche der Kon-
zessionare arbeiteten und verloren das Interesse daran, mehr zu sammeln,
als für die Steuerzahlung notwendig war. Da andere Arbeiter als die
Eingeborenen für die Sammelarbeit nicht zu haben waren, führte dies
dann zu Zwangsmaßnahmen, um die Eingeborenen zur Arbeit anzuhalten,
und damit zu den bekannten Mißständen in der Eingeborenenbehandlung.
Andererseits versuchten die Konzessionare, diesen Rechtszustand, der
zuerst mit ihrer Einwilligung eingeführt worden war, wieder zu beseitigen.
Die Union Congolaise Frangaise, die Gesamtvertretung der Konzessions-
gesellschaften, erhob Verwaltungsklage mit dem Antrage, den Erlaß
vom 9. Oktober 1903 für ungültig zu erklären. Der Erlaß verstoße gegen
die Konzessionsdekrete, die eine örtliche Abgrenzung der Reservate
verlangen. Die Klage ist durch Entscheidung des Conseil d'Etat vom
17. Mai 1907-^) abgewiesen worden; aber nur wegen mangelnder Aktiv-
legitimation der Union, so daß die materielle Rechtsfrage nicht ent-
schieden worden ist.
Da der Erlaß bis heute noch nicht abgeändert worden ist, gilt er,
obwohl er nur als vorläufig bezeichnet worden ist, noch heute; zweifellos
im Widerspruch mit den Konzessionsdekreten, die eine räumüche Ab-
grenzung verlangen. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen
Verwaltung sein, etwaige Mißstände, die sich in dieser Frage nach Über-
nahme der Verwaltung ergeben sollten, von Grund auf zu beseitigen.
2. Das Dekret von 1910/11.
I 66, Die Gesellschaftsverfassung.
Die Compagnie Forestiere Sangha-Oubangui ist, wie er-
wähnt, aus der Verschmelzung von 10 Gesellschaften hervorgegangen,
so daß die neue Gesellschaft Inhaberin der betreffenden 10 Konzes-
sionen geworden ist. Für diese 10 Konzessionen hat zur Zeit der offi-
ziellen Verschmelzung nicht mehr das Normaldekret von 1899 gegolten;
sondern auf Grund der vorhergehenden Vereinbarungen mit dem fran-
zösischen Kolonialminister das Dekret von 1910/11, das für alle 10 Kon-
zessionen und eine 11. Konzession, die Sanga-Lipa-Wesso, die in die
^) Recueil 1907, 3. Teil, S. 163.
— 199 —
neue Gesellschaft eingebracht wurde, gleichlautet. Es kann daher auch
dieses Dekret für alle Konzessionen einheitlich dargestellt werden.
Über den rechtlichen Vorgang bei der Gründung und das \'er-
hältnis der Cie. Forestiere zur Ngoko-Sanga ist oben schon gesprochen
worden. — Die Bestimmungen über die Gesellschaftsverfassung, die
Nationalität der \'er\valtung und die staatliche Aufsicht sind im wesent-
lichen die gleichen geblieben wie im Dekrete von 1899. Als abweichend
ist nur zu er^vähncn, daß bei der Cie. Forestiöre der Vizepräsident des
Vervvaltungsrates nicht Franzose sein muß.
Rechte und Pflichten aus den Konzessionen.
Die rechthche Konstruktion der Konzessionen ist dieselbe geblieben
wie in dem Normaldekrete von 1899; es ist nur das Maß der beider-
seitigen Rechte und Pflichten geändert worden. Diese Ändenmgen
sollen hier kurz dargestellt werden.
Die Gesellschaften verzichteten auf ihre früheren Konzessions-
rechte und die Regierung entUeß sie aus allen Verpflichtungen gegen-
über dem Fiskus, Sie blieben Eigentümer der Grundstücke, an welchen
ihnen auf Grund des früheren Dekretes das Eigentum schon verliehen
worden war. und erhielten nachträglich noch das Eigentum an den Grunde
stücken verliehen, auf welche sie bei der Unterzeichnung der neuen
Vereinbarungen einen Eigentumsanspruch hatten.
Als Ersatz für ihre früheren Rechte erhielten sie das Recht,
1. in den bisherigen Konzessionsgebieten sich Land bis zu je 10 000 ha
für Lebensmittelpflanzungen auszusuchen;
2. in den ganzen bisherigen Konzessionsgebieten alle Kautschuk-
arten in den nächsten 10 Jahren, also vom 20. Juni 1910 bis 20. Juni 1920,
auszubeuten ;
3. nach Ablauf dieser 10 Jahre innerhalb der früheren Konzessions-
gebiete auf einem Gebiete, das zehnmal so groß ist wie das am 20. Juni
1920 bepflanzte und planmäßig ausgebeutete Land, auf weitere 10 Jahre
allein Kautschuk zu gewinnen;
4. nach den ersten und zweiten 10 Jahren jedesmal die beim Ablaufe
dieser Zeit bebauten, bepflanzten oder planmäßig ausgebeuteten Lände-
reien sich anzueignen. Das so er\vorbene Eigentum ist ebenso wie das
auf Grund der früheren Konzessionen erworbene nicht mehr den \'er-
äußerungsbeschränkungen unterworfen, die früher bestanden haben.
Das Wesentliche an dieser Neugestaltung ist, daß die Konzessions-
rechte nach Zeit und Inhalt erheblich beschnitten worden sind; vor
allem, daß diese Konzessionen sich nur mehr auf die Kautschukgewin-
§ (>7-
— 20O —
nung beziehen, das bisherige Gewinnungsmonopol auf alle natürlichen
Erzeugnisse der Konzessionsgebiete im übrigen also aufgehoben worden
ist. Andererseits sind aber auch die Gegenleistungen der Gesellschaften
vereinfacht worden. Die vielfachen Ausgaben für die Unterhaltung des
staatüchen Personals und für die Dampfschiffahrt sind ganz weggefallen.
Bestehen geblieben ist nur die Verpflichtung zur Zahlung der Kautionen,
der jährlichen festen Abgabe und des 15 proz. Gewinnanteiles an den
Fiskus. Die feste jährliche Abgabe ist zunächst für die ersten 10 Jahre
festgesetzt worden und wird für die zweiten 10 Jahre im Verhältnisse
zu dem Gebiete festgesetzt werden, für das nach Ablauf der ersten 10 Jahre
das Konzessionsrecht weiter bestehen bleibt. Sehr wichtig ist, daß für
den 15 proz. Gewinnanteil die Zahlungspflicht jetzt nicht mehr auf die
Dauer der Konzession beschränkt ist, sondern während des ganzen Be-
stehens der Gesellschaft fortdauert. Da die Gesellschaft sich satzungs-
mäßig eine Dauer von 99 Jahren vorgesetzt hat, wird also der Fiskus
während dieser ganzen Zeit an dem etwaigen GeA\dnne beteiligt sein
(Art. 3 der Gesellschaftssatzungen). ^)
Es ist wieder untersagt worden, bei der Ausbeutung der Kautschuk-
bestände Gewinnungsarten anzuwenden, durch die die Kautschuk-
pflanzen eingehen könnten. Eingegangene Kautschukpflanzen müssen
durch neue ersetzt werden. Das neue Dekret enthält aber nicht einmal
mehr die Bestimmung des alten Dekretes, daß bei der Unterlassung
der Nachpflanzung die Konzession für beschränkte Landgebiete auf-
gehoben werden kann.
Die Bestimmungen über die Rücknahme von Land aus Gründen
des öffentlichen Interesses sind gleich geblieben. Bestehen geblieben
ist ferner der Verzicht auf jeden Ersatzanspruch wegen Schäden infolge
von Unruhen und die Unterwerfung unter die allgemeinen fiskahschen,
grundrechtlichen und forsthchen Gesetze. Streitigkeiten über die Aus-
legung der Vereinbarungen sind der Entscheidung der Verwaltungs-
gerichte unterworfen.
§ 68. Das Ende der Konzessionen.
I. Der Zeitablauf der Konzession vollzieht sich in zwei Abschnitten
von je IG Jahren. Nach den ersten 10 Jahren, also am 20. Juni 1920,
erlischt das Kautschukgewinnungsmonopol für das ganze Gebiet und
bleibt für die nächsten 10 Jahre nur auf einem Gebiete bestehen, das
zehnmal so groß ist als das am 20. Juni 1920 bepflanzte und planmäßg
ausgebeutete Landgebiet. Die Gesellschaft rechnet, wie schon erwähnt.
^) Denkschrift der Compagnie Forestiere von 191 1, S. 69.
— 201 —
damit, daß sie nach Ablauf der ersten lo Jahre etwa 300 000 ha bepflanzt
oder in planmäßige Ausbeutung genommen haben wird, so daß für den
zweiten Abschnitt von 10 Jahren das Kautschukmonopol auf einer
Flüche von 3 Millionen ha bestehen bleibt. Nach Ablauf des zweiten
Abschnittes erlischt das Kautschukmonopol vollständig. Die bevor-
rechtigte wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft wird dann ganz
auf die Ländereien beschränkt sein, die sie bis dahin bepflanzt oder
planmäßig ausgebeutet und damit zu Eigentum ervvorben hat.
2. Die Aufhebung der Konzession tritt ein, wenn die feste Abgabe
oder der Gewinnanteil nicht rechtzeitig bezahlt oder in drei aufeinander-
folgenden Jahren die vorgesehene Mindestkautschukausfuhr aus den
betreffenden Gebieten nicht erreicht wird. Die Aufhebung erfolgt in
diesem Falle ohne jede Entschädigung der Gesellschaft. Mit der Auf-
hebung geht die Konzession selbst unter, so daß das Gebiet konzessions-
frei wird.
Das ursprüngliche Übereinkommen zwischen den Gesellschaften
und der französischen Regierung vom 13. Juni 1910 kannte nur diese
beiden Endigungsgründe. Durch den Nachtrag vom 31. Januar 1911,
genehmigt durch Dekret vom 26. Februar 1911,^) wurden noch zwei
weitere Enteignungsgründe eingeführt, nämHch 3. die vollständige oder
teilweise Aufhebung der Konzessionen aus Gründen des öffentlichen
Interesses mit voller Entschädigung und 4. die Aufhebung ohne Entschä-
digung, wenn Angestellte der Gesellschaft gegen Eingeborene Betrüge-
reien oder Quälereien \nederholt oder in schwerer Form begangen oder
sich Verbrechen schuldig gemacht haben, ohne daß die Gesellschaft da-
gegen eingeschritten ist oder die Angestellten zurückberufen hat.
Nach Art. 10 des neuen Dekretes haben die Eingeborenen außer § 69.
den in Art. 23 des Forstdekretes vom 23. Mai 1899 angegebenen, all-
gemeinen Rechten-) auch noch das Recht, sich überall im Konzessions-
gebiete niederzulassen, soweit das Land noch nicht Eigentum der Ge-
sellschaft geworden ist. Soweit Eingeborene bei Erlaß des neuen De-
kretes auf Ländereien sich niedergelassen haben, an denen Eigentum
oder ein Anspruch auf Eigentumsverleihung ersvorben worden ist, l>e-
halten sie das Recht, auf diesen Plätzen wohnen zu bleiben. Sie können
sich auch in Zukunft an diesen Grundstücken Sonder- oder Kollektiv-
eigentumsrechte verschaffen.
') Denkschrift der Cic. For. 191 1, S. 64 ff.
") Vgl. dazu oben § 62.
— 202 —
Die Eingeborenenreservate
bedürfen nicht mehr einer bestimmten Abgrenzung — die allerdings
auch vorher nicht bestanden hat — ; sondern die Tatsache der gemein-
samen Niederlassung von Eingeborenen und die Abhängigkeit des
Landes von dieser Niederlassung genügen, dieses Land zu Reservaten
zu machen. Damit ist für das Gebiet der Cie. Forestiere der Anlaß
zu vielen Streitigkeiten weggefallen, die vorher zwischen den Konzessions-
gesellschaften und den Eingeborenenhäuptlingen bestanden haben.
Die Eingeborenen haben das Recht, sich in den Ländereien des
ganzen Konzessionsgebietes mit Ausnahme von Kautschuk alles zu
holen, was für die persönlichen Bedürfnisse der einzelnen oder der Ge-
meinschaften und für ihre gewerbüchen Zwecke notwendig ist. Aus-
genommen von dieser Berechtigung sind nur die Landgebiete, die von
der Gesellschaft bebaut sind und die Forstparzellen, die planmäßig aus-
gebeutet werden. Das Recht der Eingeborenen, sich innerhalb ihrer
Reservate alle natürlichen Erzeugnisse, also auch Kautschuk, anzueignen,
ist in dem neuen Dekret ausdrücklich anerkannt worden, um die Zweifel,
die darüber nach dem früheren Dekrete bestanden hatten und erst durch
die Rechtsprechung beseitigt wurden, von vornherein unmöglich zu
machen. Die Gesellschaft ist aber ermächtigt worden, mit den Häupt-
lingen Verträge jeder Art abzuschUeßen, die der Ausbeutung der Forsten
dienen sollen und sich von den Eingeborenen die Rechte auf die Kaut-
schukbestände ihrer Reservate abtreten zu lassen. Solche Verträge be-
dürfen der Genehmigung des Generalgouverneurs.
Die Cie. Forestiere hat ein Vertragsformular für derartige Verträge
abgefaßt, das vom Generalgouvemeur genehmigt worden ist. Ob und
in welchem Umfange solche Verträge bisher abgeschlossen worden sind,
ist nicht bekannt. Das Formular ist im Anhange III abgedruckt. Es
erübrigt sich daher, hier auf die einzelnen Bestimmungen des Vertrages
einzugehen und sie einer Beurteilung zu unterziehen.^) Es soll hier
nur auf ein Urteil des Gerichtes von Libreville hingewiesen werden, in
dem ausgesprochen wird, daß die Eingeborenensiedelungen nicht die
Eigenschaft von juristischen Persönlichkeiten haben, und daß daher die
zivilrechtliche Vertretung einer Eingeborenenniederlassung durch den
Häuptling und die vertraghche Verpflichtung einer Niederlassung als
Gesamtheit durch ihn unmöglich ist. Eine Klarstellung dieser Verhält-
nisse wird nach Übernahme des Gebietes in deutsche Verwaltung erfolgen
müssen.
1) Vgl. dazu Rapport de la Commision de la Chambre des Deputes sur le
budget general des colonies 191 1, 2. Teil, S. 22.
— 203 —
F. Die rechtliclie Xatur der Konzessionen. § 7o-
Die Frage nach der rechtliclien Natur der Konzessionen hat im
französischen Konzessionsrechte nicht die gleiche Wichtigkeit wie im
deutschen. Im deutschen Konzessionsrechte ist die Frage von großer
Bedeutung und sehr bestritten gewesen, als es sich darum handelte,
ob Konzessionsgesellschaften in Kamerun und Südwest-Afrika ihre
Rechte wegen Nichterfüllung der ihnen auferlegten Bedingungen ent-
zogen werden können.^) Da in den französischen Konzessionsurkunden
die Folgen der Nichterfüllung der Konzessionsbestimmungen ausführ-
lich und erschöpfend geregelt sind, kann im französischen Konzessions-
rechte diese Frage nicht auftauchen. Die rechtliche Natur der Kon-
zessionen hat aber für die \'ereinbarungen, die bei dem Gebietsaustausche
zwischen Frankreich und Deutschland getroffen worden sind , Be-
deutung. Sie soll daher hier kurz besprochen werden.
Die Konzessionen von 1899 benihen auf dem Dekrete und dem
Lastenhefte. Diese beiden Rechtsakte sind rechtlich ganz verschieden.
Ihre Verschiedenheit geht äußerlich schon daraus her\'or, daß das Dekret
von dem Präsidenten von Frankreich allein unterzeichnet ist, das Lasten-
heft aber von dem Konzessionär und dem Kolonialminister. Das Dekret
stellt sich also schon äußerlich als eine einseitige Willenserklärung der
Staatsgewalt; das Lastenheft als zweiseitiges Rechtsgeschäft zwischen
dem Staate und dem Konzessionare dar. Der Grund dieser Teilung der
Konzessionsverleihung in zwei rechtlich verschiedene Akte mag ge-
wesen sein, daß einerseits zugleich mit den Konzessionen Rechtsverhält-
nisse geregelt werden mußten, für die die Staatsgewalt zuständig war
und die einer öffentlich imd allgemein \-erbindlichen Ordnung bedürfen,
so z. B. die Rechts\-erhältnisse der Eingeborenen, der \'orbehalt der
Berliner Akte, das Recht der Privatangestellten der Konzessionsgesell-
schaften, die standesamtlichen Geschäfte zu führen u. a. Andererseits
aber bedurften die zahlreichen Verpflichtungen der Konzessionare der ver-
traglichen Bindung, denn durch das Dekret allein sind für sie nur Rechte
entstanden, keine Verpflichtungen. Solche Verpflichtungen haben die
Konzessionare erst durch die Konzessionsverträge ülx'rnommen, die
den Inhalt des Lastenheftes bilden. Dementsprechend wird in der fran-
zösischen Literatur und Rechtsprechung von den durch das Dekret
,, oktroyierten" d. h. einseitig verliehenen Konzessionen gesprochen,
') Vgl. die kurze ZiisammenstelUing der Meinungen und der Literatur darüber
in „Das koloniale Bergrecht" von Dr. K. Ritter, S. 94; Nürnberg, U. E. Scbald.
— 204 —
während das Lastenheft als contrat synallagmatique, als ein Vertrag,
der die Gesellschaft und die Verwaltung bindet, angesehen wird.^)
Wenn das Dekret sonach auch ein Akt der Staatsgewalt ist, so
enthält es doch auch bürgerlich-rechtüche Bestandteile, denn wenn der
Staat die Nutznießung an seinem Privateigentum vergibt, handelt er
als Privateigentümer. Wird das Lastenheft in der gleichen Richtung
geprüft, so ergibt sich zunächst, daß der Vertrag zwischen den Kon-
zessionaren und dem Staate auf Seite der Konzessionare ein rein privat-
rechtliches Rechtsgeschäft ist. Wenn in dem Lastenhefte auch von
öffentlich-rechtlichen Dingen die Rede ist, z. B. von dem Schutze der
Religion der Eingeborenen oder dem Verbote des Waffenhandels, so
gibt das den Konzessionsgesellschaften noch keine öffentlich-rechthche
Eigenschaft. Diese Verpflichtungen beständen für die Gesellschaften
auch ohne ihre ausdrückliche Erwähnung im Lastenhefte und sind nur
in ihrer Bedeutung als Entsetzungsgründe besonders aufgeführt. Ebenso
ist in den Ausgaben für staatliches Personal oder in der Verpfhchtung,
Dampfschiffahrt zu betreiben, nur eine Gegenleistung für die privat-
rechtliche Abtretung des Nutznießungsrechtes zu erblicken. Dagegen
kann zw^eifelhaft sein, ob der französische Kolonialminister bei der
Unterzeichnung der Konzessionsverträge nur als Vertreter des Privat-
subjektes Staat gehandelt hat oder auch in öffentlich-rechtHcher Eigen-
schaft. Aber auch, wenn man das letztere annimmt, also zu dem Er-
gebnis kommt, daß der Konzessionsvertrag auf Seiten des Staates ge-
mischt privat- und öffentlich-rechtlicher Natur ist, so ist daran doch fest-
zuhalten, daß die Grundlage des ganzen Konzessions Vertrages, die Ver-
gebung des Nutzungs- und eines bedingten Okkupationsrechtes nur
nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist.
Bei dem Konzessionsdekrete der Cie. Forestiere ist der rechthche
Vorgang äußerlich in etwas andere Form gebracht. Hier liegt ebenfalls
ein zweiseitiges Rechtsgeschäft zwischen der französischen Regierung,
vertreten durch den Kolonialminister, und den Inhabern der Konzes-
sionen vor. In diesem zweiseitigen Rechtsgeschäfte sind hier aber alle
Bestimmungen zusammengezogen, die 1899 auf zwei verschiedene Rechts-
akte verteilt worden sind. Das Dekret des Präsidenten von Frankreich
spricht hier nicht ausdrückhch die Konzessionsverleihung aus; sondern
genehmigt nur das vorhergehende zweiseitige Rechtsgeschäft. Damit
hat es aber im Erfolge die gleiche Aufgabe erfüllt wie das Dekret von
1899, nämlich die Erteilung der Konzession durch einen einseitigen Staats-
1) Vgl. Dekret v. 19. März 1902, Recueil 1905, i. Teil, S. 344 und Afr. fr. 1902,
S. 391.
— 205 -
akt. Die Verschiedenheit bezieht sich also nur auf die Form. Dem Wesen
nacli ist die Scheidung zwischen einseitigem, üffenthch-rechtHchen und
zweiseitigem, privatrechtlichen Rechtsgeschäfte die gleiche geblieben
wie bei dem Dekret von 1899.
Xelx^n diesen beiden Rechtsakten sind die Instructions Ministerielles
au Commisaire General vom 24. Mai 1899^) für die Konzessionen wichtig.
Durch diese ministeriellen Instruktionen haben die Konzessionen erst
die wirtschaftliche Form bekommen, die sie heute hal)en. Ihre Bestim-
mungen haben vor allem die Entrechtung der Eingeborenen ermögUcht,
von der oben gesprochen wurde, und die Beschränkung des freien Handels.
Sie schreiben z. B. vor, daß die \'envaltung Handelslustigen, die im
Kongo-Gebiete sich betätigen wollen, den Zutritt zum Land nicht direkt
verbieten dürfe; dem stehe die Berliner Generalakte entgegen. Ihre
feste Niederlassung müsse aber verhindert werden, indem ihnen weder
in den Eingeborenenreservaten noch im übrigen Gebiete des privaten
Staatseigentums Land zur Errichtung von Niederlassungen gegeben
werde. Da nach den Handelsverhältnissen im Kongogebiete von Nicht-
eingeborenen ohne feste Niederlassung ein Handel nicht betrieben werden
kann, ist mit dieser Vorschrift der freie Handel ausgeschlossen. Das
rechtliche Verhältnis dieser ministeriellen Instruktionen zu den Kon-
zessionen ist aber trotz ihrer Wichtigkeit für sie ein ganz anderes wie
das des Dekretes und des Lastenheftes. Während diese beiden Rechts-
akte ohne Zustimmung der Konzessionare nicht abgeändert oder auf-
gehoben werden können — für das Lastenheft ergibt sich das aus seiner
Vertragsnatur; für das Dekret daraus, daß es den Konzessionen, wenn
auch einseitig, ganz bestimmte Rechte verleiht — haben die ministeriellen
Instruktionen nur die Eigenschaft einer Dienstanweisung an die unter-
geordnete Behörde. Sie können daher jederzeit aufgehoben und durch
andere Vorschriften ersetzt werden, ohne daß die Konzessionsgesellschaften
daraus irgendeinen Schadensersatzanspruch ableiten könnten, und die
deutsche Verwaltung ist an sie nicht gebunden.
Jedenfalls kann es nicht als die Aufgabe der Verwaltung angesehen
werden, die Konzessionsgesellschaften vor der Niederlassung anderer
in ihren Konzessionsgebieten zu schützen; vielmehr haben die Gesell-
schaften selbst für die Wahnmg ihrer Rechte mit den Mitteln zu sorgen,
die ihr der Rechtsweg vor den bürgerhchen Gerichten an die Hand gibt.
Das ist von französischen Gerichten wiederholt festgestellt worden, so
in den Entscheidungen des Conseil d'Etat vom 13. Mai 1908,^) und
*) Annuaire 1910, S. 576.
*) Recueil 1908, 3. Teil, S. 129.
— 206 —
vom Jahre 1911-') und in dem Urteile des Gerichtes von Bangi vom
24. November 1911.-)
§ 71. G. Die Konzessionen und das November-Abkommen.
Durch den Gebietsaustausch auf Grund des Novemberabkommens
wird in die rechthchen Verhältnisse der Konzessionen und der Gesell-
schaften stark eingegriffen. Das Novemberabkommen bestimmt darüber
in Art. 5:
Les presents echanges de terri- Die gegenwärtigen Gebietsaus-
toires sont faits dans les conditions tauschungen erfolgen unter den
oü ces territoires se comportent au Verhältnissen, unter denen die be-
moment de la conclusion du pre- treffenden Gebiete sich zur Zeit des
sent accord, c'est ä dire ä charge Abschlusses der gegenwärtigen Ver-
pour les deux Gouvernements de einbarung befinden, das heißt unter
respecter les concessions publiques der Verpflichtung für beide Regie-
et particulieres qui ont pu etre rungen, die etwa von einer der-
consenties par chacun d'eux. Les selben bewiUigten öffentlichen und
deux Gouvernements se communi- privaten Konzessionen zu achten,
queront le texte des actes par les- Beide Regierungen werden sich den
quels ces concessions ont ete ac- Wortlaut der Urkunden mitteilen,
cordees. durch die diese Konzessionen ver-
liehen worden sind.
Le Gouvernement allemand est Die Deutsche Regierung tritt in
substitue au Gouvernement de la alle Vorteile, Rechte und Verbind-
Republique Frangaise dans tous lichkeiten der Französischen Re-
les avantages, droits et obligations gierung ein, die sich aus den vor-
resultant des actes dont il est parl6 erwähnten Urkunden hinsichthch
ci-dessus au regatd des societes con- der Konzessionsgesellschaften er-
cessionnaires qui passeront sous la geben. Diese treten unter die
souverainete, l'autorit^ et la juri- Staatshoheit, Staatsgewalt und Ge-
diction de l'Etat allemand. Une richtsbarkeit des Deutschen Reiches.
Convention speciale reglera l'appli- Eine besondere Übereinkunft wird
cation des dispositions ci-dessus. die Anwendung der fraglichen Be-
stimmungen regeln.
Diese besondere Übereinkunft ist noch nicht abgeschlossen worden.
Es seien im folgenden einige Punkte hervorgehoben, mit denen das
Übereinkommen sich zu beschäftigen haben wird:
1) Recueil 1912, S. 15 ff.
') Siecle vom 27. März 191 2.
— 2o; —
Nationalität der Gesellschaft (Art. z des Dekretes),^)
Nationalität der Verwaltung und der Angestellten (Art. ii des
Dekretes),
Nationalität des Gesellschaftssitzes, Ernennung und Wohnsitz des
\'er treters der Gesellschaft in der Kolonie (Art. ii des Dekretes).
Übertragung der Zuständigkeit der Commission des concessions
coloniales auf eine entsprechende deutsche Behörde (Art. 2; Art. 15
des Dekretes; Art. 18 L.-H.).
Teilung der festen jährlichen Abgabe und des Gewinnanteiles
(Art. 6 des Dekretes),
Teilung der Beiträge zu den Unterhaltungskosten für Venvaltungs-
beamte (Art. 12 Abs. 3 des Dekretes),
Ernennung eines Regierungs-Kommissars zur Überwachung der
Geschäftsführung nach Art. 13 des Dekretes und sein Zusammenwirken
mit dem französischen Kommissar,
Übertragung der Zuständigkeit des Conseil d'Etat auf eine ent-
sprechende deutsche Behörde (Art. 15 des Dekretes),
Teilung der Kaution (Art. iS des Dekretes),
Verteilung der Nachpflanzungspflicht auf deutsches und franzö-
sisches Gebiet (Art. 7 L.-H.).
Verteilung der Erschließungsarbeiten auf deutsches und franzö-
sisches Gebiet (Art. 7 L.-H.),
Verteilung der Schiffahrtsverpflichtungen,
des staatlichen Requisitionsrechtes bezüglich der Schiffe,
,, des Postdienstes, der Anlegeplätze, des Eigentums an
den Dampfscliiffen, Nationalität der Flagge und Heimatshafen (Art. 11 ff.
L.-H.),
Führung der Rechnungskontrolle (Art. 23 L.-H.),
Verteilung des Rechtes, beim Ablaufe der Konzessionen die .\n-
lagen auf den Konzessionsgebieten anzukaufen (Art. 24 L.-H.),
Übertragung der Zuständigkeit zur Entscheidung von Streitig-
keiten mit den Eingeborenen auf eine entsprechende deutsche Behörde
(Art. IG des Dekretes),
Zusammensetzung des Schiedsgerichtes (Art. 27 u. 30 L.-H.),
Gerichtliche Zustellung an die Gesellschaft (Art. 28 L.-H.),
Verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit nach Art. 27 des Dekretes
der Ngoko-Sanga von 1905 und Art. 14 des Dekretes der Cie. Forestidre,
Regelung des Versteigerungsverfahrens (.\rt. 31 L.-H.),
') Zitiert nach dem Dekrete von 1S99.
— 208 —
Feststellung und Eintragung des Eigentumsrechtes am Boden
(Art. 9 u. 10 des Dekretes).
Daß alle vorstehend aufgeführten Bestimmungen in den Dekreten
und Lastenheften geändert werden müssen, ergibt sich allein aus der
Tatsache, daß Deutschland den Gesellschaften gegenüber an die Stelle
Frankreichs tritt und die Gesellschaften unter die Staatshoheit, Staats-
gewalt und Gerichtsbarkeit Deutschlands kommen. Hierbei wird, da
eine einseitige Abänderung vertraglicher Bestimmungen nicht möghch
ist, insoweit auch eine Mitwirkung der Gesellschaften notwendig sein.
Ob über alle oben aufgezählten Punkte eine Vereinbarung, die den
Interessen aller BeteiHgten Rechnung trägt, überhaupt möghch sein
wird, soweit es sich um Gesellschaften handelt, deren Konzessionsgebiete
teils in französischem, teils in deutschem Gebiete liegen, erscheint zweifel-
haft. In diesem Falle würde nur die Lösung übrig bleiben, daß diese
Gesellschaften sich in eine deutsche und eine französische Gesellschaft
teilen.
Daß die Geltung der ahgemeinen französischen Rechtsbestimmungen
für die Gesellschaften durch die Konzessionsverleihung nicht berührt
wird, ist in den Dekreten ausdrücklich hervorgehoben. Mit dem Über-
gange der Gesellschaften unter die deutsche Staatshoheit, Staatsgewalt
und Gerichtsbarkeit ergibt sich von selbst, daß an die Stelle des fran-
zösischen Rechtes jetzt das deutsche Recht tritt; daß also nicht mehr
die französische Grundstücks-, Forst-, Jagd-, Berg-, Arbeitergesetz-
gebung usw. für die Gesellschaften gilt, sondern die deutsche.
III. Die Konzessionen und der freie Handel.
Die rechthchen und tatsächlichen Voraussetzungen für den Handel,
die sich dem freien Händler, d. h. dem Nicht-Konzessionar, in Neu-
Kamerun bieten, sind oben schon an verschiedenen Stellen berührt
worden. Die Verhältnisse liegen in dieser Beziehung in Neu- Kamerun
so verschieden, daß eine kurze zusammenhängende Darstellung dieser
Voraussetzungen angebracht erscheint. Denn es ist nicht nur zwischen
dem vertraghchen Kongo-Becken und dem außerhalb davon liegenden
Gebiete zu unterscheiden, sondern auch innerhalb des ersteren Gebietes
sind wieder drei Gebiete und innerhalb des letzteren zwei Gebiete unter
sich verschieden.
§ 72. i) Die Handelsverhältnisse im Kongo-Becken sind durch die General-
akte der Berliner Konferenz vom 26. Februar 1885 (RGBl. 1885 S. 215)
und durch die Erldärung im Anschlüsse an die Akte der Brüsseler Anti-
sklaverei-Konferenz vom 2. Juli 1890 (RGBl. 1892 S. 605) bestimmt.
— 209 —
Das vertragliche Kongo-Becken umfaßt alle Gebiete, die im Becken des
Kongo \md seiner Nebenflüsse liegen. Die nördliche Grenze, die hier
allein interessiert, folgt dem südlichen Breitengrade 2^30' von der Küste
bis zu dem Punkte, wo er mit dem geographiijchen Becken des Kongo
zusammentrifft. Von hier ab wird die Grenze durch die tatsächliche
Wasserscheide gebildet.
Die Berliner Generalakte bestimmt über den Handel in diesem
Gebiete :
Art. 4.
,,Die in diese Gebiete eingeführten Waren bleiben von Eingangs-
imd Durchgangszüllen frei.
Die Mächte behalten sich vor, nach Ablauf einer Periode von
20 Jahren zu bestimmen, ob die Zollfreiheit der Einfuhr beizubehalten ist.
Art. 5.
Keine der Mächte, welche in den oben bezeichneten Gebieten Sou-
veränitätsrechte ausübt oder ausüben wird, kann daselbst Monof)ole
oder Privilegien irgendeiner Art, die sich auf den Handel beziehen,
verleihen.
Die Fremden sollen daselbst mit Bezug auf den Schutz ihrer Person
und ihres Vermögens, den Erwerb und die Übertragung beweglichen und
unbeweglichen Eigentums und die Ausübung ihres Gewerbes ohne Unter-
schied die gleiche Behandlung und dieselben Rechte wie die Landes-
angehörigen genießen."
Die Erklärung der Brüsseler Konferenz bestimmt in teilweiser
Abänderung der Berliner Generalakte:
,,Die beteiligten Signatarmächte können in dem vertraglichen Kongo-
Becken von den eingeführten Waren Zölle erheben, deren Tarif einen
10% des Wertes im Einfuhrhafen gleichkommenden Satz nicht über-
steigen darf.
Es bleibt vereinbart:
r. daß keine ungleiche Behandlung stattfindet und kein Durch-
gangszoll erhoben wird;
2. daß bei Anwendung des vereinbarten Zollsystems eine jede Macht
^ich bestreben wird, die Formalitäten soviel wie möglich zu vereinfachen
lind die Handelsunternchmungcn zu erleichtem."
Wenn sonach auch der ganze in Neu- Kamerun liegende Teil des
Kongo-Beckens bezüglich des Handels rechtlich eine Einheit bildet,
so hegen tatsächlich die Handelsmöglichkeiten in den einzehien Teilen
Vcrof.'cntl. d. Reirhskolonialamtos Nr. 4 : Ritter. "4
— 2IO —
ganz verschieden, da die eben besprochenen Konzessionen alle oder ein-
zelne natürliche Erzeugnisse unter Monopol gestellt haben. Die Frage,
ob die Konzessionen mit den Bestimmungen der Berüner Generalakte ver-
einbar sind, ist seit Verleihung der Konzessionen vielfach erörtert worden.
Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden. Denn es ist nur Zweck
dieser Arbeit, den tatsächhchen Stand beim Übergange des neuen Ge-
bietes unter deutsche Herrschaft festzustellen. Es genügt daher, darauf
hinzuweisen, daß die Konzessionen im Jahre 1899 ,, unter Vorbehalt der
Verpflichtimgen verheben wurden, die sich für die Konzessionare aus
den Bestimmungen der Generalakte von Berlin und der von Brüssel
ergeben". Dieser Vorbehalt ist bei der Neuordnung der Konzessionen
im Jahre 1910/11 aufrecht erhalten worden. Dementsprechend ist von
der deutschen Regierung in den Verhandlungen der Budgetkommission
und im Plenum des Reichstages erklärt worden, daß bei den bevor-
stehenden Verhandlungen über die Konzessionsgesellschaften die deutsche
Regierung darauf bedacht sein werde, die Bestimmungen der BerHner
Generalakte vollständig zur Geltung zu bringen.
Gleichviel, ob die Konzessionen nun im Geiste der Berliner General-
akte verheben worden sind oder nicht; die Entwicklung in Französisch-
Äquatorial- Afrika war auf jeden Fall so, daß die durch die Berhner und
Brüsseler Generalakte gewährleistete Freiheit des Handels ziemhch
illusorisch gemacht wurde. Die französische Regierung hat das ganze
Landgebiet zum Privateigentum des Staates erklärt, und als Ausfluß
dieses Eigentums auch das Recht, alle natürhchen Erzeugnisse des Bodens
sich anzueignen, für den Staat beansprucht. Ob der Staat dieses Recht
selbst ausübt, oder vollständig an Konzessionare weitergibt, ist für die
rechthche Konstruktion ohne Belang. Da es im Kongo- Gebiete andere
Handelsware als Grundstücke und die natürhchen Erzeugnisse so gut
wie nicht gibt, der Geldverkehr den Eingeborenen zimächst unbekannt
war und seine Verbreitung von der Verwaltung lange absichtlich unter-
drückt worden ist, so war die weitere Folge der Domanialpolitik, daß
dem freien Händler jede Möghchkeit zum Handel versperrt war. Auch
das Wenige, was den Eijigeborenen an natürlichen Erzeugnissen gelassen
worden war, kam für ihn nicht in Betracht, da die Eingeborenen dies
zu ihren Steuerzahlungen brauchten.
Die französische Verwaltung und die französischen Gerichte haben
nach dem Beispiele des Kongo- Staates den Rechtssatz aufgestellt, daß
der freie Händler Diebstahl begeht, wenn er selbst natürhche Erzeug-
nisse sammelt, und Hehlerei, wenn er sie von Eingeborenen eintauscht.
Dadurch ist dem freien Händler trotz der durch die Berhner Generalakte
formell garantierten Handelsfreiheit jede Möghchkeit genommen worden.
— 2ir —
seine Webstoffe, Eisenwaren, Glasknöpfe usw. an die Eingeborenen zu
verkaufen, da er den einzigen als Tauschmittel \orhandenen Gegenwert,
die natürlichen Erzeugnisse, vor allem Kautschuk und Elfenbein, nicht
annehmen darf. Dazu kommt, daß die französische Ve^^valtung wenigstens
in der ersten Zeit der Konzessionen grundsätzlich die Errichtung von
Faktoreien durch Nicht-Konzessionare verhindert hat, indem sie ihnen
kein Land verkaufte. In den letzten Jahren hat die französische Ver-
waltung unter dem Eindrucke der immer mehr zutage tretenden, nach-
teiligen Folgen des Konzessionssystems für die Allgemeinheit ihre Stel-
lung gegenüber den Konzessionen mehr und mehr geändert und wieder-
holt freien Händlern die Errichtung von Faktoreien ermöglicht, indem
sie ihnen die Eingeborenensiedelungen oder auf Ländereien, die für
öffenthche Zwecke in Anspruch genommen waren, Land zur Verfügung
stellte. Auf die dagegen erhobenen Klagen der Konzessionsgesellschaften
hat die Rechtsprechung der französischen Gerichte anerkannt, daß die
Konzessionsgesellschaften keinen Anspurch darauf haben, daß die Regie-
rung die Errichtung solcher Faktoreien nicht gestattet, i) Rechtlich
besteht aber in dieser Beziehung kein Unterschied z\\ischen Einge-
borenensiedlungen, den eigenthchen Konzessionsländerien, und den-
jenigen Landflächen , die die Regierung zu offen thchen Zwecken
in Anspruch genommen hat. Die Verwaltung kann auch auf den eigent-
hchen Konzessionsländereien auf Grund ihres Eigentumes am Boden die
Errichtung von Faktoreien gestatten; nur darf dadurch nicht in die
Nutzungsrechte der Konzessionsgesellschaften eingegriffen werden.
Für den freien Händler hängt also die Möghchkeit, Handel zu treiben,
zum großen Teile davon ab, wieweit ihm die natürhchen Erzeugnisse
des Landes zugänglich sind. Innerhalb des zu Neu- Kamerun gehörenden
Teiles des Kongo-Beckens sind hier 3 Gebietsgruppen zu unterscheiden.
a) Die zwei konzessionsfreien Gebiete, das eine im Sanga-\^orsprunge,
das andere im Ubangi-Vorsprunge. 2) Mit der Konzessionsfreiheit dieser
Gebiete war bisher für den freien Händler aber an sich noch nichts ge-
wonnen, denn die natürhchen Erzeugnisse gehörten hier dem Eigen-
tümer, nämlich dem französischen Staate. Nach Art. 2 des Forstdekretes
vom 28. März 1899 (Annuaire Coloniale 1910, S. 550) war zur Ausbeutung
in diesen konzessionsfreien Gebieten die Ermächtigung des Gouver-
neurs notwendig. Wie die Verhältnisse in diesem Gebiete sich in Zukunft
gestalten werden, hängt von den Entschließungen der-deutschen Regie-
rung ab.
*) Vgl. oben § 70.
*) Vgl. oben § 56.
14*
— 212 —
b) Die Gebiete der Konzessionen, für die das Normaldekret von 1899
noch gilt. In diesem Gebiete sind alle natürlichen Erzeugnisse in Kon-
zession gegeben. Sollte hier die Unsicherheit über die Abgrenzung der
Rechte der Gesellschaften und der Eingeborenen an den natürlichen
Erzeugnissen der Reservate noch weiter bestehen, so müßten die Gerichte
entscheiden.
c) Das Gebiet der Cie. Forestiere. Hier besteht ein Gewinnungs-
monopol nur noch für Kautschuk. Alle anderen Erzeugnisse stehen
dem Eigentümer zu. Für den freien Händler gilt in dieser Beziehung das,
was unter a) für alle natürlichen Erzeugnisse gesagt worden ist. Was
die Eingeborenen anlangt, so steht ihnen nach Art. 10 der Konzessions-
dekrete von 1910 nur das Recht zu, für ihre eigenen Bedürfnisse (der
einzelnen oder von Stammesgemeinschaften) und für die Bedürfnisse
ihres heimischen Gewerbetriebes die übrigen natürlichen Erzeugnisse
zu sammeln. Wenn die natürlichen Erzeugnisse außer dem Kautschuk
den Eingeborenen und dem freien Händler zugänglich gemacht werden
soUen, bedarf es also auch hier einer ausdrückHchen Ermächtigung des
Staates als Privateigentümers zur Forstnutzung. Die deutsche Regie-
rung wird alsbald nach Übernahme der Verwaltung zu dieser Frage
Stellung zu nehmen haben. Bezüglich des in den Eingeborenenreservaten
gewonnenen Kautschuks vgl. oben § 69.
§ 73- 2. In den Gebieten außerhalb des Kongo-Beckens ist die Regierung
mit ihrer Handelspohtik vollständig unbeschränkt, sie kann Handels-
monopole und Privilegien verleihen und ihre Staatsangehörigen bei
der Ein- und Ausfuhr beliebig bevorzugen. Die französische Regierung
hat dementsprechend auch die Waren französischen Ursprungs von dem
Einfuhrzolle befreit. Die Frage der Zulässigkeit des Konzessionssystems
besteht für dieses Gebiet nicht.
Hier sind bezüglich des freien Handels 2 Gebietsgruppen zu unter-
scheiden.
a) Die konzessionsfreien Gebiete , nämlich das Küstendreieck,
das Logone-Lere- Gebiet nördlich vom 7. nördlichen Breitengrade und
das kleine Dreieck zwischen der Alt-Kameruner Ostgrenze, der Nord-
grenze der Konzession Mambere-Sanga und der Westgrenze der Kon-
zession C. C. C. C. Für diese Gebiete gilt das oben unter i a) Gesagte.
b) Die Konzessionsgebiete der Ngoko-Sanga und der Uam-Nana,
für die das Dekret von 1899 gilt. Es besteht also auch in diesem Gebiete
ein Gewinnungsmonopol für alle natürlichen Erzeugnisse; für sie gilt
dasselbe, was oben unter i b) gesagt worden ist mit dem Unterschiede,
daß der freie Händler sich in diesen Gebieten nicht auf die Bestimmungen
der Berliner Akte über die Freiheit des Handels berufen kann.
Anhanc: I.
Das Kongo-Abkommen vom 4. November 1911
und die anschließenden Vereinbarungen.
Das französisch-spanische Abkommen vom
27. Juni 1900, betr. die beiderseitigen Besitzungen
an der Küste des Golfes von Guinea.
(Übersetzung.) *)
1. Convention entre l'Alle- Deutsch - französisches Ab-
magne et la France relative kommen, betreffend die bei-
ä leurs possessions dans derseitigen Besitzungen in
l'Afrique Equatoriale. Äquatorial- Afrika.
Le Gouvernement de Sa Majest6 Die Kaiserlich Deutsche Regie-
l'Empereur d'AUemagne et le Gou- rung und die Regierung der Fran-
vemement de la Republique Fran- zösischen RepubUk sind überein-
9aise, comme suite et complement gekommen, im Anschluß und als
de la Convention du 4 novembre Ergänzung des Marokko betreffen-
1911 relative au Maroc, et en raison den Abkommens vom 4. November
des droits de protection reconnus igii und als Kompensation für die
ä la France sur l'Empire cherifien, Schutzrechte, die Frankreich be-
sont convenus de proc^der ä des züglich des Scherifenreiches zuer-
^changes teritoriaux dans leurs pos- kannt worden sind, einen Gebiets-
sessions de l'Afrique Equatoriale austausch in ihren Besitzungen in
et ont resolu de conclure ime con- Äquatorial-Afrika vorzunehmen und
vention ä cet effet. zu diesem Zwecke ein Abkommen zu
treffen.
En consequence, Infolgedessen haben
M. de Kiderlen-Waechter, Herr von Kiderlen-Waech-
Secretaire d'£tat des Affaires ter, Staatssekretär des Aus-
Etrangeres de l'Empire d'Alle- wärtigen Amts des Deutschen
magne, Reichs
et und
M. Jules Cambon, Ambassa- Herr Jules Cambon, außer-
deut extraordinaire et pleni- ordentlicher und bevollmächtig-
potentiaire de la RcpubUque ter Botschafter der Französi-
Fran^aise aupres de S. M. sehen Republik bei Seiner Maje-
l'Empereur d'AUemagne, stät dem Deutschen Kaiser,
^) Maßgebend für die Auslegung ist nur der französische Text.
— 2l6 —
apres s'etre communique leurs pleins sich ihre Vollmachten, die gut und
pouvoirs, trouves en bonne et due richtig befunden worden sind, mit-
forme, sont convenus des disposi- geteilt und nachstehende Verein-
tions ci-apres: barung getroffen:
Article i. Artikel i.
La France cede ä l'Allemagne Frankreich tritt an Deutschland
les territoires dont la hmite est fixee die Gebiete ab, deren Grenze wie
comme il suit: La frontiere partira folgt festgestellt wird:
du cöte de l'Atlantique d'un point ä Die Grenze geht vom Atlantischen
fixer sur la rive Orientale de la Ozean aus, sie setzt an am östUchen
baie de Monda, vers l'embouchure Ufer der Bai von Monda an einer
de la MassoHe. Se dirigeant vers le noch zu bestimmenden Stelle, geht
nord-est, la frontiere obhquera vers weiter nach der Mündung des Mas-
l'angle sud-est de la Guinee espag- solie zu^) und biegt nordöstlich ver-
nole. Elle coupera la riviere Ivondo laufend nach dem südöstlichen Win-
ä son confluent avec la Djoua, kel von Spanisch-Guinea um. Sie
suivra cette riviere jusqu'ä Mad- schneidet den Ivondofluß bei seiner
jingo (qui restera frangais) et de Vereinigung mit dem Dschua, folgt
ce point se dirigera vers l'est, pour diesem Fluß bis Madschingo (das
aboutir au confluent de la Ngoko französisch bleibt) und verläuft von
et de la Sangha au nord d'Ouesso. hier ab östlich, bis sie den Vereini-
gungspunkt des Ngoko und des
Sanga im Norden von Wesso trifft.
La frontiere partira ensuite de Die Grenze verläßt dann den
la riviere Sangha ä un point situe Sangafluß an einer Stelle, die süd-
au sud du centre d' Ouesso (qui reste lieh der Stadt Wesso (die franzö-
fran9ais) ä une distance de 6 kilo- sich bleibt) je nach der geographi-
metres au moins et de 12 kilometres sehen Gestaltung der Örthchkeit
au plus de cette locaUte, suivant la mindestens sechs und höchstens
disposition geographique des lieux. zwölf Kilometer von dieser Ortschaft
Elle obhquera vers le sud-ouest, entfernt hegen soll. Sie biegt von
pour rejoindre la vallee de la Kan- hier nach Südwesten ab und folgt
deko, jusqu'ä son confluent avec dem Tale des Kandeko bis zu seiner
la Bokiba. Elle descendra celle-ci Vereinigung mit dem Bokiba. Sie
et la Likouala jusqu'ä la rive droite verläuft den Bokiba und den Li-
du fleuve Congo. Elle suivra le kuala abwärts bis zum rechten
fleuve Congo jusqu'ä l'embouchure Ufer des Kongostromes und folgt
de la Sangha, et de fa^on ä occuper diesem bis zur Mündung des Sanga
^) Die Richtigkeit dieser Übersetzung ist zweifelhaft.
— 217 —
sur la rive du Congo une etendue auf einer Strecke von 6 bis 12 Kilo-
de 6 ä 12 kilomdtres, qui sera fixce meiern, die nach Maßgalje der geo-
suivant les conditions geogra- graphisclien \'erluütnisse festgelegt
pJiiques. Elle remontera la Sangha werden wird. Die Grenze geht den
jusqu'ii la Likouala-aux- herbes Sanga aufwärts bis zu dem Likuala-
qu'elle suivra ensuite jusqu'ä Bo- aux-Herbes, dem sie bis Botungo
tungo. Elle continuera ensuite du folgt. Sie erstreckt sich danach
sud au nord, seien une direction von Süden nach Ncjrden in ungefähr
ä peu pres droite, jusqu'ä Bera gerader Richtung bis nach Bera
Ngoko. Elle s'inflechira ensuite Ngoko, biegt von dort in der Rich-
dans la direction du confluent de tung auf die Vereinigung des Bodin-
la Bodingue et de la Lobaye et des- gue und des Lobaje um und geht den
cendra le cours de la Lobaye Lobaje talab bis zum Ubangi nörd-
jusqu'ä rOubanghi au nord de Mon- lieh von Mongumba.
goumba. Auf dem rechten Ufer des Ubangi
Sur la rive droite de l'Oubanghi et wird das deutsche Gebiet je nach der
suivant la disposition gcographique geographischen Gestaltung der ört-
des lieux, le territoire allemand hchkeit so bestimmt sein, daß es
sera determine de fagon ä s'etendre sich auf eine Strecke von mindestens
sur un espace de 6 kilometres au 6 und höchstens 12 Kilometer aus-
moins et de 12 kilometres au plus; dehnt; die Grenze steigt danach
la f rentiere remontera ensuite ob- schräg nach Nordwesten an, so
liquement vers le nord-ouest, d' daß sie den Pama-Fluß in einem
un fa^on ä gagner la riviere Pama en noch zu bestimmenden Punkte wcst-
point ä determiner ä l'ouest de son lieh von seiner Vereinigung mit dem
confluent avec le Mbi, remontera Mbi erreicht, geht das Tal des Pama
la vallee de la Pama, puis rejoindra aufwärts und trifft den Ost-Lngone
le Logone oriental, ä peu pres ä ungefähr da, wo dieser Fluß in der
l'endroit oü cette riviere rencontre Höhe von Gore den achten Parallel-
le huitieme parallele ä la hauteur kreis erreicht. Sie folgt endlich
de Gore. Elle suivra ensuite le dem Laufe des Logone nach Norden
cours du Logone vers le nord jus- bis zu seiner Vereinigung mit dem
qu'ä son confluent avec le Chari. Schari.
Article 2. Artikel 2.
L'Allemagne cede ä la France Deutschland tritt an Frankreich
les territoires situös au nord de la die Gebiete ab, die nördlich der
limite actuelle des pwssessions fran- jetzigen Grenze der französischen Be-
^aises dans les territoires du Tchad Sitzungen im Tschadgebiet zwischen
et compris entre le Chari a Test dem Schari im Osten und dem
et le Logone a l'ouest. Logone im Westen gelegen sind.
— 2lb —
Articie 3. Artikel 3.
Dans le delai de 6 mois ä compter Innerhalb einer Frist von 6 Mo-
de l'echange des ratifications de la naten, die vom Austausch der Rati-
presente Convention, une commis- fikationen des gegenwärtigen Ab-
sion technique dont les membres kommens rechnen, soll eine tech-
seront nommes en nombre egal nische Kommission, deren Mitglie-
par les deux Gouvernements fran- der in gleicher Anzahl von der Deut-
9ais et allemand determinera le sehen und der Französischen Re-
trace de la frontiere dont l'indica- gierung zu ernennen sind, den Ver-
tion generale resulte du texte des lauf der Grenze festlegen, nach
articles i et 2. Maßgabe der allgemeinen Angaben,
die sich aus dem Wortlaute der Ar-
tikel I und 2 ergeben.
Dans le delai de 18 mois ä compter Innerhalb einer Frist von 18 Mo-
de la signature du proces verbal naten, die von der Unterzeichnung
des travaux de la commission tech- des Protokolls über die Arbeiten
nique, il sera procede d'un commun der technischen Kommission rech-
accord, le plus rapidement possible, nen, wird in Gemäßheit derselben
ä Tabornement des frontieres, con- nach gemeinsamem Einvernehmen
formement au dit proces-verbal, so schnell als möghch zur Vermar-
ainsi qu'ä la designation et ä l'abor- kung der Grenzen sowie zur Be-
nement des terrains loues ä bau Zeichnung und Vermarkung der in
au Gouvernement fran9ais, comme Artikel 8 vorgesehenen und für die
il est dit ä l'article 8 ci-apres. Französische Regierung bestimmten
Pachtterrains geschritten werden.
Articie 4. Artikel 4.
La commission technique et les Die technische Kommission imd
agents charges de l'abornement dont die mit der im vorhergehenden Ar-
il est parle dans l'article prece- tikel genannten Grenzvermarkung
dent, pourront tenir compte d'un beauftragten Beamten sind befugt,
commun accord de la configuration in gemeinsamem Einvernehmen der
du terrain et des circonstances lo- Bodengestalt und den örthchen Um-
cales, teUes que par exemple la ständen Rechnung zu tragen, wie
facihte de la surveillance de la z. B. den Bedürfnissen der Grenz-
frontiere ou la communaute de Überwachung und der Rassenge-
race de la population. Ils devront meinschaft der Volksstämme. Sie
autant que possible faire suivre ä sollen bei der Festlegung der Grenze
la frontiere les limites naturelles tunlichst die natürUchen, durch
indiquees par les cours d'eau, et Wasserläufe angezeigten Grenzen
dans le cas oü la frontiere couperait berücksichtigen und, falls die Grenze
— 219 —
la direction des rividres. lui faire die Richtung der Flüsse schneidet,
suivre la hgne du partage des eaux. sie an die Wasserscheide anlehnen.
Les proces verbaux de la commis- Die Protokolle der technischen
sion technique et ceux des agents Kommission und der mit der Grenz-
d'abomement ne seront definitifs vermarkung beauftragten Beamten
qu'apres ratification des deux Gou- sollen erst nach Ratifikation durch
vemements. beide Regierungen definitive Gül-
tigkeit erlangen.
Article 5. Artikel 5.
Les presents echanges de terri- Die gegenwärtigen Gebietsaus-
toires sont faits dans les conditions tauschungen erfolgen unter den
oü ces territoires se comportent au Verhältnissen, unter denen die be-
moment de la conclusion du present treffenden Gebiete sich zur Zeit des
accord, c'est ä dire ä Charge pour Abschlusses der gegenwärtigen Ver-
les deux Gouvernements de respec- einbarung befinden, das heißt unter
ter les concessions pubhques et der Verpflichtung für beide Regie-
particulieres qui ont pu etre con- rungen, die etwa von einer derselben
senties par chacun d'eux. Les bewilligten öffentlichen und pri-
deux Gouvernements se communi- vaten Konzessionen zu achten,
queront le texte des actes par Beide Regierungen werden sich den
lesquels ces concessions ont ete ac- Wortlaut der Urkunden mitteilen,
cordees. durch die diese Konzessionen ver-
liehen worden sind.
Le Gouvernement allemand est Die Deutsche Regierung tritt in
substitue au Gouvernement de la alle Vorteile, Rechte und Verbind-
Repubhque Fran^aise dans tous les lichkeiten der Französischen Re-
avantages, droits et obligations re- gienmg ein, die sich aus den vor-
sultant des actes dont il est parle erwähnten Urkunden hinsichtlich
ci-dessus au regard des societes der Konzessionsgesellschaften er-
concessionnaires qui passeront sous geben. Diese treten unter die Staats-
la souverainete, Tautoritc et la hoheit, Staatsgewalt und Gerichts-
juridiction de l'Etat allemand. Une barkeit des Deutschen Reiches. Eine
Convention speciale reglera l'appli- besondere Übereinkunft wird die
cation des dispositions ci-dessus. Anwendung der vorstehenden Be-
stimmungen regeln.
II en sera de meme pour l'Etat Dasselbe gilt für den Französi-
fran(;ais au regard des concessions sehen Staat hinsichtlich der Kon-
qui seraient situöes dans les terri- Zessionen, die etwa in den Gebieten
toires qui passeront sous sa sou- belegen sind, die an seine Staats-
— 220 —
verainete, son autorite et sa juri- hoheit, Staatsgewalt und Gerichts-
diction. barkeit übergehen.
Article 6. Artikel 6.
Le Gouvernement allemand n'ap- Die deutsche Regierung wird der
portera aucun obstacle ä l'exploita- Ausbeutung sowie der Unterhal-
tion, ä l'entretien et aux travaux tung und den Ausbesserungs- und
de reparation et de refection de la Erneuerungsarbeiten an der längs
ligne telegraphique frangaise exis- des Ubangi laufenden französischen
tant actuellement le long de l'Ou- TelegraphenUnie kein Hindernis in
banghi et qui restera frangaise sur den Weg legen. Dieselbe bleibt
son parcours au travers du terri- auf ihrem Verlaufe durch deutsches
toire allemand. Les autorites alle- Gebiet französisch. Den deutschen
mandes pourront transmettre leurs Behörden wird die Benutzung der
Communications par cette hgne dans Linie unter später festzusetzenden
des conditions qui seront reglees Bedingungen freistehen.
Tilterieurement.
Article 7. Artikel 7.
Si le Gouvernement frangais de- Wenn die Französische Regie-
sire continuer au travers du terri- rung durch das deutsche Gebiet
toire allemand un chemin de fer eine Eisenbahn zwischen Gabun
entre le Gabon et le Moyen Congo und Mittel-Kongo und zwischen
et entre cette derniere colonie et dieser letzteren Kolonie und dem
rOubanghi Chari, le Gouvernement Ubangi- Schari fortzuführen wünscht
allemand n'y mettra pas obstacle. so wird die Deutsche Regierung dem
Les etudes ainsi que les travaux se nichts in den Weg legen. Die Vor-
poursuivront suivant les arrange- Studien und Arbeiten werden ge-
ments qui seront faits, le moment maß den zur gegebenen Zeit zwi-
venu, entre les deux Gouvernements, sehen beiden Regierungen zu treffen-
le Gouvernement allemand se re- den Vereinbarungen erfolgen, wobei
servant de faire connaitre s'ü vou- die Deutsche Regierung sich vor-
drait prendre une part dans l'exe- behält, anzugeben, ob sie sich an
cution de ces travaux sur son ter- der Ausführung dieser Arbeiten
ritoire. auf ihrem Gebiete zu beteihgen
wünscht.
Si le Gouvernement allemand de- Wenn die Deutsche Regierung eine
sire continuer sur le territoire fran- in Kamerun bestehende Eisenbahn
^ais un chemin de fer etabli au durch das französische Gebiet fort-
Cameroun, le Gouvernement fran- zuführen wünscht, so wird die
^ais n'y mettra pas obstacle. Les Französische Regierung dem nichts
— 221 —
etiides ainsi que les travaux se in den Weg legen. Die Vorstudien
poursuivront suivant les arrange- und Arlxjiten werden gemäß den
ments qui seront faits le moment zur gegel)enen Zeit zwisclien Ijeiden
venu entre les deux gouvemements, Regierungen zu treffenden Verein-
te Gouvernement frant^ais se rd- barun^en erfolgen, \volx?i die Fran-
ser\'ant de faire connaitre s'il vou- zösische Regierung sich vorl:>ehält,
drait prendre une part dans l'exdcu- anzugeben, ob sie sich an der Aus-
tion de ces travaux sur son terri- fühnmg dieser Arl)eiten auf ihrem
toire. Gebiete zu beteiligen wünscht.
Article 8. Artikel 8.
Le Gouvernement Imperial ce- Die Kaiserliche Regienmg wird an
dera ä bau au Gouvernement fran- die Französische Regierung unter
^ais, dans des conditions ä deter- den in einer besonderen Abmach-
miner dans un acte special, et en ung festzusetzenden Bedingungen
bordure sur la Benoue, le Mayo längs des Benue und des Mao Kabi
Kebi et en de^a dans la direction sowie weiter in der Richtung auf
du Logone, des terrains ä choisir den Logone zu Grundstücke ver-
en vue de l'etablissement de postes pachten, die im Hinblick auf die
de ravitaülement et de magasins Errichtung von Verproviantierungs-
dt->tines ä constituer une route und Magazinstationen auszuwählen
d'etapes. sind und der Errichtung einer
Chacun de ces terrains dont la Etappenstraße dienen sollen. Jedes
longueur sur le fleuve aux hautes dieser Grundstücke, deren Länge
eaux devTa etre au plus de 500 me- am Flusse bei hohem Wasserstande
tres, aura une superficie qui ne höchstens 500 Meter sein darf, soll
pourra pas dcpasser 50 hectares. einen 50 Hektar nicht übersteigen-
L'emplacement de ces terrains sera den Flächeninhalt haben. Die Lage
fixe suivant la disposition des heux. dieser Grundstücke wird nach Maß-
gabe der örtUciien Verhältnisse be-
stimmt werden.
Si dans l'avenir le Gouvernement Wenn die Französische Regie-
franc^ais voulait etabhr entre le rung künftig zwischen dem Benue
Benoue et le Logone au dessus ou und dem Logone südlich oder nörd-
au dessous du Mayo Kebi une route lieh des Mao Kabi eine Straße oder
ou une voie ferree, le Gouvernement eine Eisenbahn anzulegen wünscht.
Imperial n'y ferait pas obstacle. so würde die Kaiserliche Regierung
Le Gouvernement allemand et le dem nichts in den Weg legen. Die
Gouvernement fran^ais s'enten- Deutsche und die Französische Re-
dront sur les conditions dans les- gierung werden sich über die Be-
— 222 —
quelles ce travail pourrait etre dingungen verständigen, unter denen
accompli. die Arbeiten ausgeführt werden
könnten.
Article 9. Artikel 9.
L'Allemagne et la France, desi- In dem Wunsche, ihre guten Be-
rant affirmer leurs bons rapports Ziehungen in ihren zentralafrika-
dans leurs possessions de l'Afrique nischen Besitzungen zu bekräftigen,
Centrale, s'engagent ä n'elever au- verpflichten sich Deutschland und
cun ouvrage fortifie le long des Frankreich keine Befestigungen
cours d'eau qui doivent servir ä längs der Wasserläufe anzulegen, die
la navigation commune. Cette der gemeinsamen Schiffahrt dienen
prescription ne s'appliquera pas sollen. Diese Vorschrift hat keine
aux ouvrages de simple sürete des- Anwendung zu finden auf bloße
tines ä abriter les postes contre les Sicherheitsanlagen zum Schutze der
incursions des indigenes. Stationen gegen Einfälle der Einge-
borenen.
Article 10. Artikel 10.
Les Gouvernements allemand et Die Deutsche und die Französische
fran9ais s'entendront pour les tra- Regierung werden sich über die
vaux ä executer en vue de faciHter Arbeiten verständigen, die auszu-
la circulation des bateaux et em- führen sind, um den Verkehr der
barcations sur les cours d'eau dont Schiffe und Boote auf den Wasser-
la navigation leur sera commune, laufen zu erleichtern, auf denen die
Schiffahrt ihnen gemeinschaftlich
zusteht.
Article 11. Artikel 11.
En cas d'arret de la navigation Bei Einstellung der Schiffahrt auf
sur le Congo ou l'Oubanghi la Hberte dem Kongo oder dem Ubangi er-
de passage sera assuree ä l'Alle- halten Deutschland und Frankreich
magne et ä la France sur les terri- das Recht des freien Übertritts auf
toires appartenant ä l'autre nation die der anderen Nation gehörigen
aux points oü ceux-ci toucheront Gebiete an den Stellen, wo die-
ces fleuves. selben diese Ströme berühren.
Article 12. Artikel 12.
Les deux Gouvernements d'Alle- Die Deutsche und die Franzö-
magne et de France renouvellent sische Regierung erneuern die Fr-
ies declarations contenues dans klärungen, die in der Berliner Akte
l'acte de Berhn du 26 fevrier 1885 vom 26. Februar 1885 enthalten sind
— 223 —
et assurant la liberte commercialc und die Handelsfreiheit und ScMff-
et la liberte de na\'igatiün sur le faiirtsfrciheit auf dem Kongo und
Congo et les affluents de ce fleuve den Nebenflüssen dieses Stromes
ainsi que sur ceux du Ni^er. En sowie auf den Nebenflüssen des Niger
consequence les marchandises alle- sichern. Demgemäß werden die
mandes transitant au-travers du deutschen Waren, die durch westlich
territoire fran^ais situe d l'ouest vom Ubangi belegenes französisches
de rOubanglii et les marchandises Gebiet hindurchgehen, und die fran-
fran^aises transitant ä travers les zösischen Waren, die die an Deutsch-
territoires cedes ä l'Allemagne ou land abgetretenen Gebiete passieren
suivant les routes indiqu^es ä l'ar- oder den im Artikel 8 bezeichneten
ticle 8, seront affranchies de tout Straßen folgen, von jeder Abgabe
droit. befreit sein.
Un accord conclu entre les deux Ein z\\ischen beiden Regierungen
gouvemements determinera les con- zu schheßendes Übereinkommen
ditions de ce transit et les points de wird die Bedingungen dieser Durch-
penetration. • fuhr und die ihr dienenden Ein-
und Ausgangspunkte regeln.
Article 13. Artikel 13.
Le Gouvernement allemand n'ap- Die Deutsche Regierung wird auf
portera aucune entrave au passage dem Kongo, dem Ubangi, dem
des troupes fran^aises, de leurs Benue, dem Mao Kabi sowie auf
armes ou munitions, ainsi que de der im Norden von Kamerun zu
leur materiel de ravitaillement par bauenden Eisenbahn den Durclizug
le Congo, rOubanghi, la Benoue, der französischen Truppen, ihrer
le Mayo Kcbi, ainsi que par le W^affen und Munition wie auch der
chemin de fer ä construire even- ihrer Verpflegung dienenden Waren
tuellement dans le nord du Game- nicht beliindern.
roun.
Le Gouvernement fran9ais n'ap- Die Französische Regierung wird
portera aucune entrave au passage auf dem Kongo, dem Ubangi, dem
des troupes allemandes, de leurs Benue, dem Mao Kabi und der von
armes et munitions, ainsi que de der Küste nach Brazzaville eventuell
leur materiel de ravitaillement par zu erbauenden Eisenbahn den Durch-
le Congo, rOubanghi, la Benoue, le zug der deutschen Truppen, ihrer
Mayo Kebi, et le chemin de fer ä Waffen und Munition wie auch
construire öventuellement de la der ihrer Verpflegung dienenden
cöte ä Brazzaville. Waren nicht behindern.
Dans Tun et l'autre cas, les In beiden Fällen müssen die
troupes, si elles sont purement in- Truppen, wenn es aussclüießüch
— 224 —
digenes, devront toujours etre ac- Eingeborene sind, stets von einem
compagnees par un grade europeen, europäischen Vorgesetzten begleitet
et le gouvernement sur le territoire sein. Die Regierung, durch deren
duquel les troupes passeront, pren- Gebiet die Truppen ziehen sollen,
dra toutes les mesures necessaires hat alle erforderlichen Maßnahmen
pom- eviter qu'aucune difficulte soit zu treffen, damit ihre Durchfahrt
opposee ä leur passage et pourra keine Erschwerung erfährt. Sie kann
au besoin deleguer un agent pour dieselben nötigenfalls durch einen
les accompagner. Les autorites Beamten begleiten lassen. Die
locales regleront les conditions dans örtUchen Behörden haben für diese
lesquelles les passages de troupes Truppendurchzüge die näheren Be-:
se feront. dingungen festzusetzen.
Article 14. Artikel 14.
L'egalite de traitement pour le Den Angehörigen beider Nationen
transport des personnes ou des wird auf den Eisenbahnen ihrer im
marchandises sera assuree aux res- Kongo und Kamerun gelegenen Be-
sortissants des deux nations sur Sitzungen für die Beförderung der
les chemins de fer de leurs posses- Personen und Waren gleiche Be-
sions du Congo et du Cameroun. handlung zugesichert.
Article 15. Artikel 15.
Le Gouvernement allemand et le Die Deutsche Regierung und die
Gouvernement frangais cesseront ä Französische Regierung hören auf^
partir du jour de la cession reci- irgendeine Art Schutz und Gewalt
proque des territoires concedes ä über die Eingeborenen der von ihnen
l'Allemagne par la France et ä la abgetretenen Gebiete auszuüben von
France par l'Allemagne, d'exercer dem Tage an, wo die gegenseitigen
aucune sorte de protection et d'au- Abtretungen perfekt werden,
torite sur les indigenes des terri-
toires respectivement cedes par eux.
Article 16. Artikel 16.
Dans le cas oü le Statut terri- Für den Fall, daß die territorialen
torial du bassin conventionnel du Verhältnisse des vertragHchen
Congo tel qu'il est defini par l'acte Kongo-Beckens, wie sie in der Ber-
de Berlin du 26 fevner 1885, vien- hner Akte vom 26. Februar 1885
drait ä etre modifie du fait de l'une festgelegt sind, von selten des einen
ou de l'autre des parties contractan- der vertragschließenden Teile ge-
tes, celles-ci devraient en con- ändert werden sollten, werden diese
— 225 —
ferer entre elles, comme aussi avec sowohl miteinander wie auch mit
les autrcb puissances signataires du den übrigen Signaturmächten der
dit acte de Berhn. envähnten Berhner Akte darüber
ins Benehmen treten.
Article 17. Artikel 17.
La presente Convention sera ra- Das vorliegende Abkommen ist
tifiee et les ratifications seront zu ratifizieren und die Ratifikations-
echangees, ä Paris, aussitöt que Urkunden sind sobald wie luögUch
faire se pourra. in Paris auszutauschen.
Fait ä Berlin, le 4 novembre 1911 So geschehen in doppelter Aus-
en double exemplaire. fertigung zu Berlin am 4. Novem-
ber 1911.
Kiderlen. Jules Cambon.
2. Inhalt eines Notenwechsels zwischen dem Staatssekretär
des Auswärtigen Amtes von Kiderlen-Waechter
und dem Botschafter der französischen Republik Jules
Cambon, betreffend das deutsch-französische Ab-
kommen über Äquatorial-Afrika vom 4. Nov. 1911.
Streitigkeiten, die z\s'ischen den vertragschließenden Parteien über
die Auslegung und Anwendung des cr^vähnten Abkommens entstehen
könnten, sollen einem gemäß den Bestimmungen der Haager Konvention
vom 18. Oktober 1907 zusammengesetzten Schiedsgerichtshof unter-
breitet werden. Ein Schicdsabkommen soll in jedem Falle aufgesesetzt
und dabei nach den Bestimmungen der vorgenannten Konvention ver-
fahren werden, sofern nicht hiervon im einzelnen Streitfall durch eine
besondere Vereinbarung abgesehen \nrd.
Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitghcdem der mit
der Grenzabsteckung beauftragten teclinischen Kommission soll ein von
den beiden Regienmgen gemeinsam gewählter Schiedsrichter, der einer
dritten Macht angehören muß, die Entscheidung fällen.
Veröffentl. d. Reichskolonialamtet Nr. 4: Ritter. ^5
— 226 —
Beide Regieningen werden es gern sehen, wenn zwischen den beider-
seitigen Staatsangehörigen Interessengemeinschaften für Unternehmungen
in den durch das deutsch-französische Abkommen berührten Kolonial-
gebieten gebildet werden.
Bei der Ausführung des genannten Abkommens sollen die Regeln
zugrunde gelegt werden, die in den Protokollen zum deutsch-französischen
Abkommen vom i8, April 1908, i) betreffend die Grenze zwischen Kamerun
und Französisch- Kongo, festgelegt worden sind.
3. Abkommen, betreffend die Abgrenzung zwischen
Kamerun und Französisch -Kongo vom 18. April 1908
und Anhang dazu.
Artikel i
(interessiert hier nicht).
Article 2. Artikel 2.
L'Allemagne, en ce qui conceme Deutschland bezügHch der Ge-
la partie des eaux de la Benoue et wässer des Benue und seiner Zu-
de ses affluents comprise dans son flüsse, soweit sie im deutschen Ge-
territoire; la France, en ce qui biete liegen und Frankreich bezüg-
concerne la partie des eaux du Uch desjenigen Teils des Mao Kabi
Mayo-Kebbi et des autres affluents und der anderen Zuflüsse des Benue,
de la Benoue comprise dans son welche im französischen Gebiete
territoire, se reconnaissent respec- hegen, erkennen gegenseitig ihre
tivement tenues d'appliquer et de VerpfHchtungen an, die in den Ar-
faire respecter les dispositions rela- tikeln 26, 27, 28, 29, 31, 32, 33 der
tives ä la liberte de navigation et Berliner Akte vom 26. Februar 1885
de commerce enumerees dans les aufgeführten, auf die Freiheit der
articles 26, 27, 28, 29, 31, 32, 33 Schiffahrt und des Handels bezüg-
de l'acte de Berhn du 26 fevrier 1885. liehen Bestimmungen anzuwenden
und ihnen Geltung zu verschaffen.
L'Allemagne et la France s'as- Deutschland und Frankreich
surent respectivement le benefice sichern sich beiderseitig den Genuß
de ces memes dispositions en ce dieser nämhchen Bestimmungen zu.
^) Siehe die folgende Ziffer 3.
qui conceme la navigation du Chari, soweit sie sich auf die Schiffahrt
du Logone et de leurs affluents. auf dem Schari, Logone und ihren
Zuflüssen beziehen.
Les Puissances contractantes s'en- Die vertragschheßenden Mächte
gagent respectivement ä prendre les verpflichten sich gegenseitig, die
dispositions necessaires pour as- erforderlichen Vorkehrungen zu tref-
surcr pratiquement la liberte de fen, um die Freiheit der Sclüffahrt
la navigation sur les cours d'eau ci- auf den vorerwähnten Gewässern
dessus mentionnes. Elles prepa- tatsächlich zu sichern. Zu dem
reront dans ce but, apres la rati- Zwecke werden sie nach erfolgter
fication du present accord, un Ratifizierung des gegenwärtigen Ab-
reglement commun de na\igation. kommens ein gemeinsames Schiff-
fahrtsreglement vorbereiten.
Les dispositions de ce reglement Die 'Bestimmungen dieses Schiff-
s'appliqueront egalement ä la na- fahrtsreglements sollen auf die Schi ff-
vigation sur le Congo, sur la Sangha fahrt auf dem Kongo, dem Sanga
et ses affluents. und seinen Nebenflüssen in gleicher
Weise Anwendung finden.
Article 3. Artikel 3.
Dans leurs possessions respectives In den beiderseitigen Besitzungen
comprises dans les bassins de la welche in den Becken des Benue
Bönoue et de ses affluents, du und seiner Zuflüsse, des Schari, des
Chari, du Logone et de leurs afflu- Logone und ihrer Zuflüsse liegen,
ents ainsi que dans la partie du sowie auch in dem französischen Ge-
territoire fran^ais situee au sud biete südlich des dreizehnten Grades
du i3>*rae parallele N., les natio- nördlicher Breite sollen die Staats-
naux, les sujets et les proteges des angehörigen, die Schutzgebietsan-
deux pays seront traites sur le pied gehörigen und die Schutzbefohlenen
d'une parfaite egahte en ce qui der beiden Länder bezügüch der
concerne l'usage des routes ou Benutzung der Landstraßen und
autres voies de communication ter- anderer Verbindungswege zu Lande
restre. Dans ces memes territoires, auf dem Fuße vollkommener
les nationaux, les sujets et les pro- Gleichheit behandelt werden. In
teges des deux pays seront soumis den genannten Gebieten sollen die
aux memes rdgles et jouiront des beiderseitigen Staatsangehörigen,
memes avantages au point de vue Schutzgebiets - Angehörigen und
des acquisitions et installations ne- Schutzbefolilenen bezüglich der
cessaires ä l'exercice et au deve- zur Ausübung und Entwick-
loppement de leur commerce et lung ihres Handels und ihrer In-
de leur industrie. dustrie erforderlichen Erwerbungen
15
— 228 —
und Anlagen denselben Vorschriften
unterworfen sein und dieselben Ver-
günstigungen genießen.
Sont exclues de ces dispositions Ausgenommen von diesen Be-
les routes et voies terrestres de Stimmungen sind die Landstraßen
communication des bassins cotiers und Verbindungswege zu Lande
du Cameroun ou des bassins cötiers in den Küstenbecken von Kame-
du Congo frangais non compris dans run und in den Küstenbecken des
le basin conventionnel du Congo Französisch-Kongo, die nicht in dem
tel qu'il a ete defini par l'Acte de in der Berliner Akte festgesetzten
BerHn. konventionellen Kongobecken be-
legen sind.
Ces dispositions toutefois s'appli- Dagegen finden die oben gedachten
quent ä la route Yola — Ngaoundere Bestimmungen Anwendung auf die
— Kounde — Gaza — Bania et vice Straße Yola — Ngaundere — Kunde —
versa. Gasa — Bania und zurück.
Dans les territoires vises ä l'ali- In den Absatz i dieses Artikels
nea ler du present article les tarifs bezeichneten Gebieten sollen die
des taxes ou droits qui pourront Zoll- oder Steuertarife, welche etwa
etre etabüs de part et d'autre ne von dem einen oder dem anderen
comporteront, ä l'egard des natio- Teile aufgestellt werden, hinsicht-
naux, Sujets et proteges des deux lieh der Staatsangehörigen, Schutz-
pays, aucun traitement differentiel. gebietsangehörigen und Schutzbe-
fohlenen beider Länder keinerlei
verschiedenartige Anwendung zu-
lassen.
Article 4. Artikel 4.
Sur le lac Tchad dans les eaux Die beiderseitigen Uferbewohner
territoriales de l'Allemagne et de sollen in den deutschen und fran-
la France et sur les cours d'eau zösischen Territorialgewässern des
mentionnes dans les articles pre- Tschad- Sees und in den in den
cedents, pour la partie de leur vorstehenden Artikeln genannten
cours oü ils forment la frontiere, Gewässern, soweit die letzteren
les riverains ressortissant ä l'une einen Teil der Grenze bilden, gleiche
ou l'autre puissance ont les memes Rechte betreffs Fischfang und Schiff-
droits de peche et de navigation. fahrt haben.
Artikel 5
(interessiert hier nicht).
— 229 —
Articie 6. Artikel 6.
En foi de quoi Ics dclcgues ont Zur l'rkund dessen haben die
dresse le present protocole et y Beauftragten das gegenwärtige Pro-
ont appose leurs signatures. tokoll errichtet und ihre Unter-
schrift darunter gesetzt.
Fait ä Berhn, cn double expedi- Geschehen zu Berlin in doppelter
tion, le 9 avril igoS. Ausfertigung am 9. April 1908.
Unterschriften.
Anhang. Annexe.
Artikel i
(interessiert hier nicht).
Articie 2. Artikel 2.
Lescommissaireschargesdel'abor- Die mit der Grenzvermarkung
nement seront autorises, lorsque la zu beauftragenden Kommissare sol-
frontiere Joint en ügne droite deux len ermächtigt sein, in Fällen, in
points d'un meme cours d'eau, ä denen die Grenze zwei Punkte des
substituer ce cours d'eau ä la hgne näinlichen Wasserlaufs in gerader
droite en question, s'il ne s'en ecarte Linie verbindet, diese gerade Linie
que d'une faible distance. Ils se- durch den betreffenden Wasserlauf
ront egalement autorises ä faire de zu ersetzen, sofern er sich nicht all-
legeres modifications repondant aux zuweit von ihr entfernt. In gleicher
lignes naturelles du sol toutes les Weise sollen sie ermächtigt sein,
fois que d'un commun accord ils le unbedeutende Änderungen in An-
jugeront util et convenable mais lehnung an die natürUchen Gelände-
ä la condition de ne pas changer linien zu treffen, so oft sie es nach
l'attribution des villages mention- gemeinsamem übereinkommen für
nes dans le protocole. nützlich und angemessen halten,
jedoch mit der Einschränkung, daß
die territoriale Zugehörigkeit der
im Vertrag erwähnten Dörfer nicht
geändert werden darf.
Ces deviations devront etre in- Solche Abiüiderungen müssen auf
diqu^es clairement sur des cartes Spezialkarten kJar verzeichnet und
— 230 —
speciales et soumises ä Tapprobation den heimischen Regierungen zur
des deux Gouvernements. Toute- Genehmigung unterbreitet werden,
fois, en attendant qu'elles soient Doch sollen diese Abänderungen der
approuvees, elles seront provisoire- geradlinigen Grenzen vorbehaltHch
ment valable et par suite respectees. der Ratifikation vorläufig als Gren-
zen gelten und als solche beachtet
werden.
Article 3. Artikel 3.
Partout oü, sur les bases du Wo irgendwelches Land auf Grund
present accord, une portion de des gegenwärtigen Abkommens der
territoire sera soustraite ä la juri- Jurisdiktion der einen Macht ent-
diction d'une Puissance pour pas- zogen und der der anderen unter-
ser sous celle de l'autre les habi- stellt wird, soll den Bewohnern
tants en seront autorises ä choisir solchen Landes gestattet sein, frei
Hbrement le cöte de la frontiere zu wählen, auf welcher Seite der
sur lequel ils desirent se fixer. Ils Grenze sie sich ansiedeln wollen,
pourront, dans le delai d'un an und es soll ihnen innerhalb eines
apres l'echange des ratifications sus- Jahres nach Abschluß der Rati-
visees, enlever leur recolte sur pied fikation gestattet sein, auf dem
ainsi que leurs biens. Felde stehende Ernten einzubringen
und die Produkte nebst allem ihrem
Eigentum mit sich zu nehmen.
Lorsque l'annee qui suivra la Nach Ablauf eines Jahres, von
ratification sera ecoulee, il appar- der Ratifikation an gerechnet, hat
tiendra ä chacune des puissances jede der vertragschließenden Mächte
contractantes de determiner d' apres die Berechtigung, je nach Maßgabe
sa legislation Interieure, les condi- ihrer Verfassung die Bestimmungen
tions dans lesquelles aura lieu festzusetzen, welche die Ein- und
l'emigration ou l'immigration des Auswanderung der eingeborenen Be-
populations indigenes. völkerung regeln sollen.
Article 4. Artikel 4.
Dans tous les cas oü la frontiere In allen Fällen, in denen ein
est determinee par le cours d'une Fluß oder ein Bach die Grenze
riviere ou d'un ruisseau, c'est le bildet, soll der Talweg desselben
talweg qui sert de limite. Si cepen- die Grenze abgeben ; wenn je-
dant le talweg proprement dit ne doch ein eigentlicher Talweg
peut etre determine, de meme que nicht zu erkennen ist, sowie
sur les points oü il existe des rapi- bei Flußschnellen, soll die
— 231 —
des, la ligne mddiane du cours d'eau Mitte des Bettes die Grenze
sera la frontiere. bilden.
En outre, dans le voisinage des Außerdem verläuft die Grenze
lies, la limite passera ä mi-distance in dem Bereich der Inseln
entre les iles et la rive qui n'appar- halbwegs zwischen diesen und
tient pas ä la meme puissance que demjenigen Ufer, welches nicht
celles-ci. der gleichen Macht gehört wie
die Inseln.
Artikel 5 — 9
(interessieren hier nicht).
Vu pour etre annexe au protocole Als Anlage zum Protokoll vom
du 9 avril 1908. 9. April 1908 genehmigt.
Berlin le 9 avril 1908. Berlin, den 9. April 1908.
Unterschriften.
(Übersetzung.)
4. Note annexe ä la con- Zusatznote zu dem Ab-
vention du 4 novembre 1911. kommen vom 4. Nov. 1911.
Les cartes du Congo qui ont Die Karten des Kongogebiets,
servi ä 1' Elaboration de la conven- die bei der Ausarbeitung des Ab-
tion du 4 novembre 1911, relative kommens vom 4. November 1911,
ä I'echange de territoires dans betreffend den Austausch von Ge-
l'Afrique äquatoriale entre l'Alle- bieten in Aquatorial-Afrika, zwi-
magne et la France, sont la carte de sehen Deutschland und Frank-
BarraUer du service geographique reich zugrunde gelegt worden sind,
des colonies (1906), au sooooooieme, sind die Karte von Barraüer vom
et Celle de Delingette, du service g6- „Service Geographique desGslonies"
ographique de l'Afrique äquatoriale (1906) im Maßstab i : 5 000 000 und
fran9aise (1911), au i 000 000 ieme. die von Delingette vom ,,Ser\ice
Göographique de l'Afrique Equa-
toriale fran^aise" (1911) im Maß-
stab von I : I 000 000.
Les commissaires techniques qui Falls die technischen Kommis-
— 232 —
seront designes par le Gouverne- sare, die gemäß Artikel 3 und 4
ment allemand et le Gouverne- des Abkommens von der Deutschen
ment frangais par application des und der Französischen Regierung
articles 3 et 4 de la Convention pour mit der Absteckung der Grenzen
proceder ä la deUmitation des fron- beauftragt werden sollen, eine Grenz-
tieres, dans le cas oü la ligne de hnie festlegen, die infolge von
demarcation qu'ils fixeront s'ecar- Kartenfehlern oder infolge der ört-
terait, par suite d'erreurs des cartes liehen Beschaffenheit erhebhch von
ou de circonstances locales, d'une den Angaben des Abkommens ab-
f agon appreciable, de la directive weichen sollte, werden die genannten
teile qu'elle resulte de la conven- Kommissare dafür Sorge tragen,
tion, devront avoir soin de ne pas daß keine der beiden Parteien einen
avantager l'une des deux parties Vorteil erhält, ohne daß dem an-
sans compensation equitable pour deren Teile eine billige Entschädi-
l'autre. gung zugesprochen wird.
Fait ä Berhn, le 4 novembre 191 1 Geschehen zu Berlin, am 4. No-
en double exemplaire. vember 1911 in doppelter Aus-
führung.
Unterschriften.
Das vorstehende Abkommen und die zugehörige Note annexe sind
ratifiziert worden. Der Austausch der Ratifikationsurkunden hat am
12. März 1912 in Paris stattgefunden.
5. Accord Übereinkommen
au sujet de la nationalite des per- über die Nationahtät der Personen,
sonnes se trouvant dans les terri- die sich in den am 4. November 1911
toires echanges, le 4 novembre 1911, zwischen Deutschland und Frank-
par l'Allemagne et la France en reich in Äquatorial-Afrika ausge-
Afrique equatoriale. tauschten Gebieten befinden.
Les indigenes originaires des ter- Die Stammes-Eingeborenen der
ritoires qui ont donne lieu ä des ausgetauschten Gebiete, welche am
echanges et residant au jour de Tage der endgültigen Einverleibung
l'annexion definitive dans les ter- auf dem von Deutschland an Frank-
— 233 —
ritoires cedes par rAllemagne ä reich abgetretenen Gebiete wohnen,
]a France, sortiront de la sujetion sclieidcn aus der deutschen Scliutz-
coluniale alJemande pour acqucrir herrschaft aus und erwerben die
kl qualite de sujets frangais. Eigenschaft von französischen Un-
tertanen.
Reciproquement, les indigencs ori- Umgekehrt verUeren die Einge-
ginaires des territoires qui ont borenen der ausgetauschten Ge-
donne lieu ä des echanges et resi- biete, welclie am Tage der Einver-
dant au jour de l'annexion dans leibung in dem von Frankreich an
les territoires cedes par la France Deutschland abgetretenen Gebiete
ä l'Allemagne, perdront la qualite wohnen, die Eigenschaft von fran-
• Ic sujets frangais pour entrer dans zösischen Untertanen und treten
la sujetion coloniale allemande. unter die deutsche Schutzherrschaft.
Toutefois, dans le delai d'un an Den Eingeborenen steht es je-
ä dater de l'annexion definitive, doch innerhalb eines Jahres von
les indigenes seront libres de quitter der endgültigen Einverleibung an
le territoire annexe par l'une des frei, das von einer der Vertragsmächte
parties contractantes pour s'etablir einverleibte Gebiet zu verlassen,
sur le territoire de l'autre en empor- um sich unter Mitnahme ihrer Em-
tant leurs recoltes. Dans ce cas ils ten auf dem Gebiete der anderen
recouvreront leur sujetion primitive, niederzulassen. In diesem Falle
bekommen sie ihre frühere Unter-
tanenschaft wieder.
L'annexion ne modifiera en rien Die Einverleibung berührt in
la nationahte ni des ressortissants keiner Weise die Nationalität der
allemands, europ6ens ou autres, ni europäischen oder anderen deut-
des personnes soumises ä la sujetion sehen Staatsangehörigen, ebenso-
c< iloniale allemande et non origi- wenig die NaüonaUtät der Personen,
naires des territoires qui ont donne die der deutschen Schutzherrschaft
lieu ä des echanges, alors meme unterworfen, aber nicht Stammes-
qu'ils continueraient ä resider sur Eingeborene der ausgetauschten Ge-
les territoires cedes par l'Allemagne biete sind; auch dann nicht, wenn
ä la France, et ils ne seront pas te- sie weiter auf den von Deutsciiland
nus d'emigrer dans un delai deter- an Frankreich abgetretenen Ge-
minc. bieten wohnen bleiben. Sie werden
nicht angehalten werden, in einer
bestimmten Frist auszuwandern.
Reciproquement, l'annexion ne Umgekehrt berührt die Einver-
modifiera en rien la nationahte des leibung in keiner Weise die Natio-
citoyens fran^ais, europeens ou au- nalität der europäischen oder an-
tres, et des sujets fran9ais non ori- deren französischen Staatsbürger
— 234 —
ginaires des territoires qui ont donne oder der französischen Untertanen,
lieu ä des echanges, alors meme die auf den ausgetauschten Gebieten
qu'ils continueraient ä resider sur nicht stammeseingeboren sind ; auch
les territoires cedes par la France dann nicht, wenn sie weiter auf
ä l'Allemagne, et ils ne seront pas den von Frankreich an Deutsch-
tenus d'emigrer dans un delai de- land abgetretenen Gebieten wohnen
termine. bleiben. Sie werden nicht angehalten
werden, in einer bestimmten Frist
auszuwandern.
Les dispositions des ahneas 4 et Durch die Bestimmungen der
5 ne touchent pas le droit de cha- Absätze 4 und 5 wird das Recht
cune des parties contractantes d'ex- der beiden Vertragsmächte, aus all-
pulser, pour des raisons generales de gemeinen poUzeihchen Gründen die
poHce, les personnes visees dans in den genannten Absätzen bezeich-
les dits ahneas. neten Personen auszuweisen, nicht
berührt.
Fait ä Berhn, le 2 fevrier 1912, en Geschehen zu Berhn am 2. Fe-
double exemplaire. bruar 1912. In doppelter Ausfer-
tigung.
(L. S.) Gez
(L. S.) Gez
(Übersetzung.)
6. France, Espagne. Französisch-spanisches
Convention concernant la Deh- Abkommen,
mitation des Possessions respec- betreffend die Abgrenzung der bei-
tives sur la Cote du Sahara et sur derseitigen Besitzungen an der Küste
la Cote du Golfe de Guinee; signee des Golfes von Guinea. Unter-
ä Paris, le 27 juin igoo.^) zeichnet in Paris am 27. Juni 1900^)
Article i. Artikel i.
Article 2. Artikel 2.
Article 3. Artikel 3.
(Diese Artikel betreffen die Ab-
grenzung der Küste der Sahara.)
^) L'echange des latifications a eu ^) Die Ratifikationsurkunden sind in
lieu ä Paris, le 22 mars 1901. Paris am 22. März 1901 ausgetauscht
worden.
- 235 —
Article 4. Artikel 4.
La limite entre les possessions Die Grenze zwischen den fran-
Fran^aises et Espagnoles sur la zösischen und spanischen Besitz-
c6te du Golfe de Guinee partira ungen an der Küste des Golfes von
du point d'intersection du talweg de Guinea geht von dem Schnitt-
la Ri%'i(^re Mouni avec une ligne punkte des Talweges des Muni-
droite tiree de le pointe Coco Beach Flusses mit der geraden Linie z\si-
ä la pointe Diöke. Elle remontera sehen Koko Beach und Dieke aus.
ensuitele talweg de la Rivicre Mouni Sie geht dann den Talweg des
et celui de la Rivicre Outemboni Muni-Flusses und des Temlx>ni-
jusqu'au point oü cette demiere Flusses aufwärts bis zu dem Punkte,
riviere est coupee pour la premiere wo dieser letztere Fluß zum ersten
fois par la 1° de latitude nord et Male von dem ersten nördlichen
se confondra avec ce parallele Breitengrade geschnitten wird und
jusqu'ä son intersection avec le 9*^ fällt dann mit diesem Breitengrade
de longitude est de Paris (11° 20' bis zu seinem Schnittpunkte mit
est de Greenwich). dem 9. Längengrade östHch von
Paris (i 1*^20, östHch von Green-
wich) zusammen.
De ce point la ligne de demacra- Von diesen Punkte ab wird die
tion sera formee par le dit m^ridien, Grenzhnie durch den genannten
9 est de Paris, jusqu'ä sa rencontre Längengrad 9'' östhch von Paris
avec la frontiere meridionale de bis zu seinem Zusammentreffen
la Colonie Allemande de Ca- mit der Südgrenze von Deutsch-
nieroun. Kamerun gebildet.
Article 5. Artikel 5.
Les navires Fran^ais jouiront Die französischen Schiffe genießen
pour l'acces par mer de la Riviere beim Zugang vom Meere in den
Mouni, dans les aux territoriales Muni-Fluß in den spanischen Küsten
Espagnoles de toutes les facilites gewässern alle Erleichterungen, die
dont pourront ben^ficier les navi- den spanischen Schiffen in den
res Espagnoles dans les eaux ter- französischen Küstenge wässern ge-
ritoriales Frangaises. währt werden.
La navigation et la peche seront Die Scliiffahrt und die Fischerei
libres pour les ressortissants Fran- sind für die französischen und spa-
^ais et Espagnols dans les Rivieres nischen Staatsangehörigen im Muni-
Mouni et Outemboni. und Temboni-Flusse frei.
La police de la navigation et de Die Aufsicht über die Schiffahrt
la ptche dans ces rivieres, dans les und die Fischerei in diesen Flüssen
eaux territoriales Fran9aises et Es- und in den französischen und spa-
— 236 —
pagnoles aux abords de l'entree nischen Küstengewässern an den
de la Riviere Mouni, ainsi que les Landungsplätzen beim Eingänge
autres questions relatives aux rap- in den Muni werden zwischen den
ports entre frontaliers, les dispo- zwei Regierungen gemeinschaftlich
sitions concemant l'eclairage, le geregelt werden. Ebenso die
bahsage, l'amenagement et la jouis- übrigen Fragen, die die Beziehungen
sance des eaux, feront l'objet d'ar- zwischen den Grenzbewohnern be-
rangements concertes entre les deux treffen und die Anordnungen be-
Gouvernements, züghch der Befeuerung, Betonnung
und der Benutzung der Gewässer.
Article 6. Artikel 6.
Les droits et avantages qui de- Die Rechte und Vorteile, welche
coulent des Articles II, III et V aus den Artikeln 2, 3 und 5 dieses
de la presente Convention, etant Abkommens hervorgehen, und in
stipules ä raison du caractere com- Hinsicht auf die Gemeinsamkeit
mun ou limitrophe des baies, em- oder die Grenzlage der Buchten,
bouchures rivieres et territoires sus- Flußmündungen und oben genann-
mentionnes, seront exclusivement ten Ländereien vereinbart worden
reserves aux ressortissants des deux sind, sind ausschheßhch den Staats-
Hautes Parties Contractantes et ne angehörigen der vertragschheßen-
pourront en aucune fa^on etre den Parteien vorbehalten und kön-
transmis ou concedes aux ressor- nen in keiner Weise den Staats-
tissants d'autres nations. angehörigen anderer Nationen über-
tragen oder zugestanden werden.
Article 7. Artikel 7.
Dans le cas oü le Gouvernement Falls die spanische Regierung
Espagnol voudrait ceder, ä quelque unter irgendwelchem Titel ganz oder
titre que ce füt, en tout ou en zum Teile die Besitzungen abtreten
partie, les possessions qui lui sont wiU, die ihr in den Artikeln i und 4
reconnues par les Articles I et IV des vorhegenden Abkommens zuer-
de la presente Convention, ainsi kannt worden sind, ebenso wie die
que les lies Elobey et l'Ile Corisco Elobey-Inseln und die Korisko-
voisines du httoral du Congo Fran- Insel, die der Küste von Französisch-
gais, le Gouvernement Fran9ais Kongo benachbart sind, hat die
jouira d'un droit de preference dans französische Regierung ein Vorzugs-
des conditions semblables ä Celles recht unter den gleichen Bedin-
qui seraeint proposees au dit Gouver- gungen, die der spanischen Re-
nement Espagnol. gierung gemacht werden.
— ^17 -
Article 8. Artikel 8.
Les fronticres determinees par Die in dem vorliegenden Ül)erein-
la presente Convention sont incri- kommen festgesetzten Grenzen sind
te«, sous les r&erves formulees dans unter dem im Anhange i zu dem
l'Annexe i ä la presente Conven- vorliegenden Abkommen gemachten
tion sur les cartes ci-jointes (An- Vorbehalte in den angefügten Kar-
nexes 2 et 3). ten (Anhang 2 und 3) eingetragen.
Les deux Gouvernements s'en- Die zwei Regierungen verpflich-
gagent ä designer, dans le ddlai ten sich, innerhalb von 4 Monaten
de quatre mois ä compter de la von dem Austausche der Ratifi-
date de l'echange des ratifications, kationsurkunden an Kommissare
des Commissaires qui seront charges zu ernennen, die beauftragt werden,
de tracer sur les lieux les lignes de örtlich die GrenzenUnie zwischen den
demarcation entre les possessions französischen und spanischen Be-
Fran^aises et Espagnoles, en con- Sitzungen im Einklänge mit den
formite et suivant l'esprit des Absichten und Bestimmungen des
dispositions de la presente Con- vorhegenden Übereinkommens ab-
vention. zustecken. ^)
II est entendu entre les deux Die vertragschließenden Parteien
Puissances Contractantes qu'aucun sind sich darüber einig, daß \'er-
changement ulterieur dans la posi- änderungen in der Lage des Talweges
tion du talweg des Rivieres Mouni et des Muni- und Temboni-FIusses die
Outemboni n'affectera les droits de Eigentumsrechte an den Inseln nicht
propriete sur les iles qui auront ete berühren sollen, die jeder der beiden
attribuees ä chacune des deux Puis- Mächte durch die Verhandlungen der
sances par le proces-verbal des Com- Kommissare zugeteilt werden.-) Die
missaires düment approuve par les Verhandlungen bedürfen der ord-
deux Gouvernements. nungsmäßigen Genehmigung der
beiden Regierungen.
Article 9. Artikel 9.
Les deux Puissances Contrac- Die zwei \ertragschließenden
tantes s'engagent reciproquement Mächte verpflichten sich, gegen-
ä traiter avec bienveillance les seitig die Häupthnge wohlwollend zu
chefs qui, ayant eu des Traitfe avec behandeln, die mit einer der Mächte
l'une d'elles, se trouveront en vertu Verträge abgeschlossen hatten und
de la präsente Convention passer auf Grund des vorüegenden Überein-
sous la souverainete de l'autre. kommens unter die Hoheit der ande-
ren Macht übergehen.
•) Vgl. dazu Revue Colonial 1902/03 S. 171,576 und 1903/04 S. 151t
-) Vgl. Revue Coloniale 1903/04 S. 2S.
— 238 —
Article lo, Artikel lo.
La presente Convention sera ra- Das vorliegende Übereinkommen
tifi6e, et les ratifications en seront wird ratifiziert werden und die
echangees ä Paris dans le delai de Ratifikationsurkunden werden in
six mois, et plus tot si faire se peut. Paris binnen 6 Monaten oder, wenn
möglich eher, ausgetauscht werden.
Fait ä Paris en double exem- Geschehen zu Paris in doppelter
plaire le 27 juin 1900. Ausfertigung am 27. Juni 1900.
(L. S.) Gez
(L. S.) Gez
Annexe i. Anhang i.
Bien que le trace des hgnes de Obwohl der Verlauf der Grenz-
demarcation sur les cartes annexees linie auf den dem vorliegenden
ä la presente Convention (Annexes Übereinkommen beigefügten Kar-
2 et 3) soit suppose etre generalement ten im allgemeinen als genau an-
exact, il ne peut etre considere com- zunehmen ist, kann er nicht als
me une representation absolue cor- eine unbedingt richtige Darstellung
recte de ces hgnes, jusqu'ä ce qu'il dieser Grenzlinie betrachtet werden,
ait ete confirme par de nouveaux bis er durch neue Aufnahmen be-
leves. stätigt ist.
II est donc convenu que les Com- Es wird indes bestimmt, daß
missaires ou Delegues locaux des die Kommissare und Delegierten
deux pays qui seront charges, par der beiden Länder, die in der Folge
la suite, de delimiter tout ou partie damit beauftragt werden, die Grenze
des frontieres sur le terrain devront ganz oder teilweise örtlich abzu-
se baser sur la description des fron- grenzen, sich auf die Grenzbeschrei-
tieres teile qu'elle est formulee bung stützen sollen, wie sie in dem
dans la Convention. II leur sera Übereinkommen abgefaßt ist. Es
loisible, en meme temps, de modi- ist gleichwohl zulässig, die genann-
fier les dites lignes de demarcation ten Grenzlinien abzuändern, um
en vue de les determiner avec une sie mit größerer Genauigkeit zu
plus grande exactitude et de rec- bestimmen und die Lage der Scheide-
tifier la position des lignes de par- Hnien der Wege und Flüsse, ebenso
tage des chemins ou rivieres, ainsi wie zwischen den in den genannten
que des villes ou villages indiques Karten eingetragenen größeren
dans les cartes susmentionnees. oder kleineren Niederlassungen zu
berichtigen.
— 239 —
Les changements ou corrections Die Änderungen und Berichti-
proposc's d'un commun accord par gungen, die von den genannten
les ditä Commissaires ou D616guös Kommissaren und Delegierten ge-
seront soumis ä l'approbation des meinsam vorgeschlagen werden, be-
Gouvemements respectifs. dürfen der Genehmigung der bei-
derseitigen Regierungen.
7. Zusatz ZU dem deutsch-französischen Abkommen
vom 4. November 1911.
In einem Notenwechsel zwischen dem Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes. Herrn v. Kiderlen-Waechter, und dem Botschafter der Fran-
zösischen Republik, Herrn Jules Cambon, ist zum Ausdruck gebracht
worden, daß, falls Deutschland von Spanien Spanisch-Guinea, die Inseln
Korisko und die Elobey-Inseln zu erwerben wünschen sollte, Frankreich
bereit ist, zu Deutschlands Gunsten auf die sich aus dem deutsch-fran-
zösischen Vertrage vom 27. Juni 1900 ergebenden Vorzugsrechte zu
verzichten. Dagegen hat Deutschland erklärt, sich nicht an den besonderen
Abmachungen beteiligen zu wollen, die Frankreich und Spanien etwa
miteinander über Marokko treffen sollten.
Anhang IL
ö
Dekret und Lastenheft von 1899.
Ve'öffcntl. d. ReichfkolonimUmtei Kr. 4: Ritter. ^*
I. Dekret.
Der Präsident der französischen Republik erläßt folgendes Dekret:
Titel I.
Konzession.
Artikel i.
Zwecks Kolonisierung und Erschließung des privaten Staatseigen-
tumes in Französisch-Kongo werden die Herren ^)
ermächtigt,
vorbehaltlich
1. der Rechte, die Dritten, und der Verpflichtungen, die den Kon-
zessionären aus den Bestimmungen der BerUner und Brüsseler
Generalakten vom 26. Februar 1885 und 2. Juli 1890 erwachsen;
2. der Rechte, die von Dritten am Tage der Veroffentüchung des
vorliegenden Dekretes in der Kolonie bereits erworben sind;
3. der Rechte der Eingeborenen, wie sie in dem nachstehenden
Art. 10 bestimmt sind,
sich m den nachbezeichneten Gebieten während einer Dauer von 30 Jahren
vom Datum des vorhegenden Dekretes an niederzulassen und dort nach
den Bedingungen des vorliegenden Dekretes und des ihm beigefügten
Lastenheftes alle Rechte der Nutznießung und Ausbeutung auszuüben.
Nicht ermächtigt sind sie zur Ausübung des Bergbaues, der den in der
Kolonie geltenden Gesetzen imterstellt bleibt.
Dieses Gebiet umfaßt die Ländereien, die begrenzt sind'): . . .
>) Siehe die Übersicht,
') Siehe oben § soff.
16«
— 244
Übersicht zum Dekret
Datum des Kon-
Journal
Inhaber der Kon-
Konzessionare
zessionsdekretes
officiell
zession
/Paquier, Mimerei u.
29. Juli 1899
1899, S. 7637
Cie Ngoko-Wesso*)
1 Kunkler
u. 18. März 1905
N. V. 27. März 1905
Compagnie Ngoko-
18. März 1905
>> >) }) j> »
Cie Ngoko-Sanga
Sanga
Tröchot fr^res & Cie.
31. März 1899
1899, S, 3971
Compagnie fran9aise
du Haut Congo
fimile Collas
19. Mai 1899
1899, S. 5281
Ste. Sangaequatoriale-
Normandin
16. Juli 1899
1900, S. 7587
Cie. com, et col. Mam
bere-Sanga
Compagnie fran9aise
9. Juni 1899
1899, S. 6517
Cie. com. de col. du
du Congo et des Co-
franfais
lonies africaines
B^hagle, Guinard,
21. Febr. 1900
1900, S. 3063
Cie. Uam-Nana
Renchet, Mainard
^) Mit der Cie. Sanga-Lipa-Wesso vereinigt zur Cie Ngoko-Sanga.
Titel IL
Gründung einer Gesellschaft zur Ausbeutung
der Konzession.
Artikel 2.1)
Die vorliegende Konzession wird erst rechtskräftig, wenn die Herren
ihre Rechte auf eine Aktiengesellschaft
übertragen haben, die nach französischem Gesetze mit einem Kapital
von mindestens Franken 2) gebildet wird. Die Herren N. N.
bleiben während dreier Jahre von der Gründung der genannten Aktien-
gesellschaft ab mit ihr als Gesamtschuldner für die von ihr eingegangenen
Verpfhchtungen haftbar.
Die Konzessionare oder Gründer der Gesellschaft haben nur Anspruch
auf die Erstattung ihrer Vorschüsse. Die Abrechnung darüber muß
von der Hauptversammlung der Aktionäre genehmigt werden.
^) Art. 2 — 4 fehlen im Dekrete für die Konzession der Ngoko-Sanga von 1905.
*) Siehe die Übersicht zu Art. i.
245
und Lastenheft von 1899.
Mindest-
Aktien-
kapital
nach Art. 2
Feste jahrliche Abgabe
nach Art. 6
1900 — 1904 1905 — 1909,1910—1929
Ivaution
nach
Art. 18
Damp&chiife
nach Art. 11 L.H.
große kleine
Franken
Franken
Franken
Franken
Franken
I 500 000
6 500
9500
13 000
28000
I
I
—
—
10 000*)
—
—
—
2000 000
15 000
22000
30 000
50000
—
3
800 000
4000
6000
8000
20000
I
—
600 000
3000
4500
6000
15 000
—
—
I 000 000
6000
9000
12 000
25000
I
I
2 000 000
6000
9 000
12 000
30000
—
—
*) Diese 10 000 Franken sind vom i. Januar 1915 bis 1935 zu zahlen.
Doch kann den Konzessionaren oder Gründern satzungsgemäß
ein Anteil an dem Gewinne gewährt werden, der übrig bleibt, nachdem
auf das Aktienkapital eine Vergütung von 5% verteilt worden ist. Falls
Genußscheine ausgegeben werden, sollen sie auf Namen lauten, solange
auf sie nicht wenigstens in 2 aufeinanderfolgenden Jahren gemäß dem
Rechnungsabsclilusse jedes Geschäftsjahres Gewinnverteilungen erfolgt
sind. Während dieses Zeitraumes können die Anteilscheine nicht ge-
handelt werden. Ihre Übertragung kann nur gemäß den Bestimmungen
der Art. 1689, 1690 des code civil erfolgen.
Die Übertragung der Rechte der Konzessionare auf die Aktienge-
sellschaft wird erst rechtswirksam, nachdem die Kommission für die
kolonialen Konzessionen die Übertragung befürwortet und der Kolonial-
minister sie genehmigt hat.
Artikel 3.
Das erste Viertel des Aktienkapitales der neuen Gesellschaft muß
innerhalb eines Monates vom Erlcisse des vorliegenden Dekretes an ein-
gezalilt werden, widrigenfalls die Konzession zurückgezogen wird.
— 246 —
Ebenso wird die Konzession zurückgezogen, wenn die Gesellschaft
nicht innerhalb von 4 Monaten nach Erlaß des vorliegenden Dekretes
in Übereinstimmung mit der im obigen Art. 2 vorgesehenen Entscheidung
des Kolonialministers endgültig gegründet ist und wenn nicht innerhalb
derselben Frist die Satzungen gemäß den gesetzhchen Vorschriften
veröffentlicht werden. Der Zeitraum, der zwischen der Einreichung des
Gesuches um Genehmigung an den Kolonialminister und der Veröffent-
lichung des ministeriellen Entscheides liegt, soll nicht in diese Frist
eingerechnet werden.
Artikel 4.
Schuldverschreibungen dürfen nur in doppelter Höhe des Aktien-
kapitales ausgegeben werden.
Schuldverschreibungen dürfen nicht ausgegeben werden, bevor
nicht % des Aktienkapitales eingezahlt und dem Zwecke der Konzession
zugewendet worden sind.
Artikel 5.
Alle Mitglieder des Verwaltungsrates, darunter der Präsident und
Vizepräsident müssen Franzosen sein.^) Die Beschlüsse sind nur rechts-
wirksam, wenn die Zahl der Mitglieder, die daran teilgenommen haben,
größer ist als die Hälfte der durch die Satzungen festgesetzten Gesamt-
zahl der Verwaltungsratsmitglieder. Der Sitz der Gesellschaft muß
auf französischem Gebiete Hegen.
Titel m.
Konzessionsbedingiingen.
Artikel 6.
Als Gegenleistung für die Konzession, die den Gegenstand des vor-
liegenden Dekretes bildet, hat die Konzessionsgesellschaft an die Kasse
der Finanzverwaltung der Kolonie oder an eine vom Kolonialminister
bezeichnete öff enthebe Kasse des Mutterlandes zu zahlen:
I. Eine feste jährliche Abgabe von Franken, während
5 Jahre vom i. Januar ab, von Franken während der folgenden
5 Jahre, und von Franken vom 11. Jahre ab bis zum Erlöschen
der Konzession. 2)
^) So in den Dekreten der Ngoko-Wesso, Ngoko-Sanga von 1905 und der
Mambere-Sanga- Konzession. Weniger streng ist diese Vcffschrifl; bei den übrigen
Konzessionen ; hier wird nur gefordert, daß % der Mitglieder des Verwaltungsrates,
darunter Präsident und Vizepräsident, Franzosen sein müssen.
2) Siehe die Übersicht zu Art. i.
— 247 —
2. 15% von dem nach den Bestimmungen des Lastenheftes be-
rechneten Reingewinne.
Artikel 7.
Alles auf Veranlassung oder durch eigene Tätigkeit der Konzessions-
gesellschaft nutzbar gemachte Land soll unter den im Lastenhefte näher
bezeichneten Bedingungen und unter Vorbehalt der Rechte, die sich der
Staat und die Kolonie im vorliegenden Dekrete und im Lastenhefte vor-
behalten haben, ihr volles Eigentum werden. Doch kann die Gesellschaft
diese Ländereien an Dritte nur mit Genehmigung des Gouverneurs
verkaufen oder verpachten. Die Gebiete, die in Zuwiderhandlung gegen
diese Klausel verkauft oder verpachtet werden, fallen auf Grund dieser
Tatsache von selbst wieder an den Staat zurück. Denselben Bedingungen
unterhegen während der Dauer der Konzession alle Weiterveräußerungen
oder Übertragungen unter Lebenden während der Dauer der Konzession.
Artikel 8.
Die Regierung behält sich das Recht vor, zu jedem beüebigen Zeit-
punkte alle Gebiete zurückzunehmen, die für Zwecke des öffentlchen
Dienstes des Staates oder der Kolonie gebraucht werden. Das gleiche
gilt für alle öffentlichen Arbeiten, deren Ausführung in eigener Regie
oder durch Unternehmer sie für zweckmäßig hält. Diese Gebiete sind
ihr von der Konzessionsgesellschaft oder ihren Rechtsnachfolgern wieder
abzutreten; und zwar
1. unentgelthch, wenn sie noch nicht nach den Bestimmungen des
vorigen Artikels Privateigentum geworden sind,
2. andernfalls gegen eine Entschädigung für den Bodenwert, für
den ein Pauschsatz von 5 Franken pro Hektar festgesetzt wird.
In beiden Fällen soll, wenn diese Gebiete Anlagen kommerzieller,
landwirtschaftlicher oder industrieller Art enthalten, die tatsächlich in
Betrieb und Ausbeutung sind, oder Pflanzungen, die von der Konzessions-
gesellschaft oder ihren Rechtsnachfolgern angelegt ^ind und unterhalten
werden, eine Entschädigung gewälirt werden, die dem Werte der An-
lagen oder Pflanzungen, um die es sich handelt, entspricht.
Diese Entschädigung, die durch gemeinsame Vereinbarungen oder
durch Schiedsspruch festzusetzen ist, soll dem Mehrwerte Keclmung
tragen, der vielleicht aus der Ausführung der Arbeiten für den Teil dieser
Anlagen oder Pflanzungen erwächst, der in der Konzession oder im
Eigentume verbleibt.
— 248 —
Artikel 9.
Falls die Konzessionsgesellschaft Arbeiten oder Unternehmungen
ausführt, die, obwohl in ihrem eigenen Interesse unternommen, doch dem
allgemeinen Interesse nutzbar werden können, behält sich die Regierung
die Befugnis vor, die Abtretung an das Staatseigentum oder an die be-
teiligten Verwaltungszweige, gegen eine angemessene, vorherige Ent-
schädigimg anzuordnen.
Wenn diese Arbeiten auf ihre Kosten unterhalten werden, kann die
Konzessionsgesellschaft ermächtigt werden, für sich Wege- oder Brücken-
gelder zu erheben, deren Veranlagimg, Höhe und Erhebungsart durch
Verordnung des Gouverneurs geregelt werden.
Titel IV.
Verpflichtungen allgemeiner Art, die den Konzessionaren
auferlegt sind.
Artikel 10.
Die Konzessionsgesellschaft darf die Nutznießungs- und Ausbeutungs-
rechte, die ihr durch obigen Artikel i gewährt werden, nur außerhalb der
Eingeborenendörfer und der von den Eingeborenen bebauten Ländereien
und der Weiden und Wälder ausüben, die zu deren Reservaten gehören.
Der Umfang dieser Ländereien wird, wenn es sich um Eingeborene mit
festen Wohnsitzen handelt, durch Verordnung des Gouverneurs bestimmt ;
ebenso der jeweilige Umfang der Reservate für Eingeborene mit wech-
selnden Wohnsitzen. Der Gouverneur bestimmt auch diejenigen Gebiete,
innerhalb welcher die Eingeborenen das Jagd- und Fischereirecht be-
halten. Die so vorbehaltenen Gebiete und Rechte können von den Ein-
geborenen an die Konzessionare oder an Dritte nur mit Erlaubnis des
Gouverneurs übertragen werden.
Falls innerhalb der Konzessionsdauer Änderungen des Umfangs der
Reservate von dem Gouverneur für nötig erachtet werden — im Interesse
der Eingeborenengemeinschaften oder im öffentHchen Interesse der
Kolonie — , so können diese Änderungen unter den im obigen Art. 8
vorgesehenen Bedingungen vorgenommen werden.
Sitten, Gebräuche, Rehgion und Organisation der Eingeborenen-
bevölkerung müssen streng respektiert werden. Die Angestellten der
Konzessionare müssen der Verwaltung Anzeige machen, falls sie Zeugen
von Vorgängen werden, die das Gefühl der MenschHchkeit verletzen.
— 249 —
Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten z\sischen dem Ver-
treter der Konzessionsgesellschaft und den Eingeborenen sind der Ent-
scheidung des für die letzteren zuständigen Beamten unterworfen; diese
Entscheitlung ist sofort vollstreckbar, vorbehaltlich der Berufung an
den Gouverneur, der in letzter Instanz entscheidet.
Artikel ii.
Der Vertreter der Konzessionsgesellschaft in der Kolonie muß von
dem Kolonialminister genehmigt werden, der auf den Vorschlag des
Gouverneurs hin, falls ein öffentüches Interesse vorliegt, nach Anhörung
der Konzessionsgesellschaft seine Ersetzung fordern kann. Dieser Ver-
treter muß mit allen notwendigen Vollmachten versehen sein, um auf
jeden Fall in der Kolonie die Ausfühnmg der Vorschriften des Dekrets
und des Lastenheftes sicher zu stellen.
Vom 6. Jahre der Konzession ab müssen alle nicht eingeborenen
Angestellten der Gesellschaft in der Kolonie Franzosen sein ; doch kann
die Gesellschaft ausnahmsweise, wenn ein Betriebsinteresse es erfordert,
Fremde anstellen unter der Bedingung, daß in jedem Einzelfalle die
Erlaubnis des Gouverneurs erteilt wird. Diese Erlaubnis ist nur für
I Jahr gültig; sie kann erneuert werden.
Die französischen Angestellten der Gesellschaft können auf Grund
besonderer Vollmacht des Gouverneurs die Tätigkeit von Standes-
beamten ausüben.
Artikel 12.
Der Handel mit Feuerwaffen und Munition ist der Konzessions-
gesellschaft und ihren Angestellten ausdrückhch untersagt, außer wenn
sie vom Gouverneur ermächtigt sind, mit den zum Handel zugelassenen
Waffen unter der Aufsicht der Beamten der Kolonie Handel zu treiben.
Die Gesellschaft oder ihre Angestellten können Feuerwaffen oder
Munition zu eigenem Gebrauche oder zum Schutze ihrer Anlagen nur
mit Ermächtigung des Gouverneurs und nach zollamthcher Deklaration
einführen.
Die Gesellschaft hat die Einrichtungs- und Unterhaltungskosten
für die Verwaltungsbeamten oder Angehörigen der Schutztruppe zu
Ixjstrciten, die der Gouverneur auf ihr Gesuch hin auf den Betriel>en
stationiert, die von einer Pohzeitruppenstation zu weit entfernt sind.
Die Gesellschaft hat demgemäß unentgelthch die den Anordnungen des
Gouverneurs entsprechenden Bauten zu errichten und zu unterhalten;
sie muß auf ihre Kosten die Beförderung, Ablösung und Verproviantie-
rung der Poüzeisoldaten oder Angehörigen der Schutztruppe und ilu^cr
— 2$0 —
Famüien besorgen, ebenso die Waffen- und Munitionsbeförderung.
Sie hat der Kolonie monatlich die Gehälter für dieses Personal und ge-
gebenenfalls die Kosten für die Anwerbung neuer Polizeisoldaten oder
Angehörigen der Schutztruppe zu erstatten.
Der Gouverneur hat jederzeit das Recht, auf jeder Niederlassung
der Gesellschaft von Amts wegen einen Beamten oder Pohzeiposten zu
stationieren, den die Gesellschaft gemäß den Weisungen des Gouver-
neurs unentgelthch unterzubringen hat. Für seine Beförderung, Ab-
lösung und Verproviantierung hat sie gegen Rückerstattung der Kosten
durch die Kolonie zu sorgen.
Artikel 13.
Der Gouverneur der Kolonie oder ein von ihm ernannter Beamter
ist beauftragt, als Regierungskommissar die Befolgung des Lastenheftes
und die Einhaltung der Bestimmungen des vorliegenden Dekretes zu
überwachen.
Titel V.
Verschiedene Klauseln.
Artikel 14.
Jede teilweise oder gänzliche Abtretung der Konzession und jede
Veränderung in der Einrichtung der Gesellschaft muß vom Kolonial-
minister genehmigt werden, der darüber die Kommission für koloniale
Konzessionen hört. Mit Genehmigung des Gouverneurs darf jedoch die
Gesellschaft ihre Rechte auf Parzellen von nicht mehr als 1000 ha an
Dritte abtreten.
Artikel 15.
Falls die Gesellschaft es unterläßt, die ihr im vorüegenden Dekret
auferlegten Verpflichtungen oder diejenigen Verpfhchtungen des Lasten-
heftes zu erfüllen, deren Verletzung nicht mit der gänzhchen oder teil-
weisen Zurückziehung der Konzession bedroht ist, so wird sie ihrer
Rechte entsetzt. Die Entsetzung wird durch Dekret ausgesprochen,
nach in Verzugsetzung (mise en demeure) durch den Kolonialminister
und nach Anhörung der Kommission für die kolonialen Konzessionen.
Berufung an den Staatsrat im Wege des Prozesses bleibt vorbehalten.
Die gänzhche oder teilweise Zurückziehung der Konzession wird
in den im Lastenhefte vorgesehenen Fällen durch Dekret nach An-
hönmg der Kommssion für die kolonialen Konzessionen ausgesprochen.
— 2^1 —
Artikel i6.
Falls ein öffentliches Interesse vorliegt, kann nach den Bestimmungen
des Lastenheftes der gänzliche oder teilweise Rückkauf jederzeit durch
ein vom Staatsrate genehmigtes Dekret nach Anhörung des Konzessionars
ausgesprochen werden.
Artikel 17.
Die Konzessionsgcsellschaft unterhegt allen gegenwärtigen und
künftigen Abgaben und Steuern in der Kolonie. Falls jedoch eine Grund-
steuer auf die verliehenen Ländereien eingeführt wird, ist die in Art. 6
näher bestimmte, feste, jährliche Abgabe vom Betrag dieser Steuer
abzuziehen.
Artikel 18.
Der Konzessionär hat nach Maßgabe des Lastenheftes eine Summe
von Franken^) als Kaution zu hinterlegen.
Artikel 19.
Der Kolonialminister ist mit der Ausführung des vorhegenden
Dekretes beauftragt ; es ist im Journal officiel de la Repubhque Fran9aise,
im Bulletin officiel du ministere des colonies tmd im Journal officiel
zu veröffenthchen, sobald die Konzession durch Erfüllung der im Art. 2
vorgesehenen Bedingungen rechtsgültig geworden ist.
Geschehen Paris, den
Emil Loubet,
Präsident der Republik.
Der Kolonialminister
Albert Decrais.
*) Siehe die Übersicht zu Art, i.
2S2 —
2. Lastenheft.
Titel I.
Ausbeutung und Nutzbarmachung der verliehenen
Ländereien. Rechte der Eonzessionare.
Artikel i.
Die Konzession, die den Gegenstand des vorliegenden Lastenheftes
bildet, hat die landwirtschafthche, forstwirtschaftüche und industrielle
Ausbeutung des privaten Staatseigentumes, welche innerhalb des im
Konzessionsdekrete bezeichneten Gebietes liegen, unter den im nach-
stehenden Art. 2 bezeichneten Vorbehalten zum Zwecke. Der Kon-
zessionär hat während der ganzen Dauer der Konzession die Nutznießung
der verhehenen Ländereien mit aUen Rechten, die daraus hervorgehen,
nach Maßgabe des vorhegenden Lastenheftes imd der in dem Dekrete,
dem dieses beigefügt ist, festgesetzten Bedingungen und vorbehaltHch
der Beobachtung der geltenden Gesetze und Verordnungen namentlich
soweit sie sich auf das öffentüche Staatseigentum, die Forsten und den
Bergbau beziehen.
Artikel 2.
In die vorliegende Konzession sind nicht einbegriffen:
1. diejenigen Ländereien, Flußläufe usw., die Teile des öffentlichen
Staatseigentumes bilden oder damit zusammenhängen;
2. eine durch Verordnimg des Gouverneurs zu bestimmende Fläche
von ha.^) Der Konzessionär darf jedoch innerhalb dieses Ge-
bietes zwecks Errichtung einer Faktorei oder einer anderen ähnlichen
Anlage eine zusammenhängende Fläche von 100 ha aus den Län-
dereien, die noch nicht von der Verwaltung oder von Privaten in Besitz
genommen sind, auswählen;
3. die Ländereien, an welchen Dritte bereits Rechte erworben haben ;
4. Gebiete, die den Eingeborenen gemäß Art. 10 des Dekretes vor-
behalten bleiben müssen,
^) Für die Konzession Ngoko-Wesso wurde die Fläche auf 10 000 ha um Wesso
herum festgesetzt. Für die Konzession Haut-Congo 5000 ha um Bonga herum ; für die
Konzession Mambere-Sanga 10 000 ha bei Kunde; für die Konzession der C. C. C. C.
5000 ha an dem rechten Ufer des Mambere und 5000 ha an einem der Ufer des Nana-
Punde; für die Konzession Uam-Nana je 500 ha um Bogadu und Guikora herum.
— 253 —
Die Verwaltung behält sich außerdem das Recht vor, während der
Konzessionsdauer außer den oben vorbehaltenen Gebieten Parzellen
von je nicht über 5000 ha Umfang für sich in Anspruch zu nehmen, um
sie selbst nutzbar zu machen, um sie zu verpachten oder an Private zwecks
Anlage von landuirtschafthchen Betrieben — mit Ausschluß jeder anderen
fortwirtschaftlichen Nutzung, als der der Urbarmachung — abzugeben.
Die Gesamtfläche dieser Parzellen darf aber den 20. Teil der Konzession
nicht überschreiten.
Diese Vorwegnahmen können sich, außer mit Zustimmung der
Konzessionare, weder auf schon von ihnen wirklich in Benutzung ge-
nommene Gebiete erstrecken noch auf Ländereien innerhalb eines Um-
kreises von 20 km im Umkreise um Anlagen, welche sie selbst geschaffen
haben. Doch gilt dieser Vorbehalt nicht für die auf Anordnung oder nach
Genehmigung durch den Gouverneur errichteten landwirtschaftlichen
Betriebe in der Umgebung von Polizeiposten oder anderen dem allge-
meinen Wohl dienenden Anlagen.
In die Pacht- oder Übertragungsverträge über diese Parzellen ist
die Bestimmung aufzunehmen, daß bei Strafe des Ersatzes des wirldich
entstandenen Schadens und der Aufhebung der betreffenden Verträge
verboten ist, pflanzhche oder tierische Erzeugnisse wie Felle, Federn,
Homer, Stoßzähne usw. weder direkt auszubeuten oder \'on Eingeborenen
zu kaufen.
Abgrenzung.
Artikel 3.
Falls Streitigkeiten über die Ausführung der vom Gouverneur
gemäß Art. lo des Konzessionsdekretes erlassenen Abgrenzungs-Ver-
ordnungen, zwischen dem Konzessionare und den Eingeborenen-Häupt-
lingen oder der Verwaltung entstehen, so ist an Ort und Stelle über die
Grenzfestlegung der gemäß der fraghchen \'erordnung für die Eingebore-
nen vorbehaltenen Gebiete streitig zu verhandeln. Bei Meinungsver-
schiedenheiten wegen der Vermarkung der Grenzen oder wegen der daraus
entstehenden Kosten wird die Entscheidung durch Schiedsrichter gefällt,
die auf Grund des nachstehenden Art. 27 ernannt werden.
Falls Streitigkeiten wegen der Grenzfestlegung der Konzession
zwischen dem Konzessionär und der Verwaltung oder zwischen dem
Konzessionär und dem Inhaber einer angrenzenden Konzession entstehen,
wird im Beisein eines BevoUmiichtigtcn des Gouverneurs in streitiger
Verhandlung eine örtliche Besichtigung auf Kosten des Konzessionärs
oder der interessierten Konzessionare vorgenommen. Auf Grund dieser
— 254 —
Besichtigung wird durch den Bevollmächtigten des Gouverneurs die
Entscheidung gefällt, gegen die Berufung an den Kolonialminister vor-
behalten bleibt, der in letzter Instanz über die strittigen Punkte ent-
scheidet und, falls er es für nötig erachtet, auf Kosten des Konzessionars
oder der interessierten Konzessionare einen neuen Bevollmächtigten an
Ort und Stelle schicken kann.
Bei Grenzberichtigungen mit einer benachbarten Macht können die
Grenzen des Konzessionsgebietes jederzeit abgeändert werden. Alle
Ländereien, welche dann nicht mehr zu dem französischen Gebiete ge-
hören, sind durch diese Tatsache allein von der Konzession ausgenommen,
ohne daß die Konzessionare einen Anspruch auf irgendeine Entschä-
digimg haben.
Dienstbarkeit betreffend die Holzfällung für die Heizung von Dampf-
schiffen.
Artikel 4.
Die Kapitäne und Besitzer der Schiffe, welche die das Konzessions-
gebiet durchfHeßenen oder begrenzenden Flußläufe befahren, haben,
wenn sie mit einer Ermächtigung des Gouverneurs versehen sind, das
Recht, unter den in dieser Ermächtigung erwähnten Vorbehalten auf
den verHehenen Ländereien bis zu i km Entfernung von den fraglichen
Flußläufen das zum Heizen ihrer Maschinen nötige Holz fällen zu lassen,
ohne daß die Konzessionare hiergegen Einspruch erheben oder eine Ent-
schädigung dafür beanspruchen können.
Die Ermächtigung gilt nur für das einzelne Fahrzeug und nur für
die in ihr bezeichnete Dauer und Strecke. Holzarten, die einen Handels-
wert haben, müssen geschont werden. Sie werden in dem Ermächtigungs-
schreiben aufgeführt, in das auch alle anderen zur Vermeidung von Miß-
bräuchen notwendigen Bedingungen aufzunehmen sind.
Von der in diesem Artikel auferlegten Dienstbarkeit sind die Bäume
und Sträucher ausgenommen, die sich stromauf- und abwärts in einem
Abstände bis zu 10 km von den Faktoreien oder anderen dauernden
Anlagen der Konzessionare befinden.
Durchgangs-Dienstbarkeiten.
Artikel 5.
Unabhängig von den öffentlichen Dienstbarkeiten, die nach den
geltenden Gesetzen und Verordnungen bestehen, sind die Konzessionare
ohne Entschädigung den Durchgangs- und anderen Dienstbarkeiten unter-
— -53
worfen, soweit sie vom Gouverneur zur Ausübung der Polizeigewalt
und der der Vervvaltung zustehenden Ülx;r\vachung, für Vorarbeiten,
den Bau und Betrieb von Anlagen für das allgemeine Wolü, die Nutz-
nießung der Reservate der Eingeborenen und der ihnen vorbehaltenen
Nutzungsrechte für nötig erachtet werden.
Die Verwaltung behält sich im übrigen das Recht vor, ohne Ent-
schädigung aus Wäldern und Steinbrüchen des Konzessionsgebietes für
sich oder für die mit den öffenthchcn Arbeiten Betrauten Holz, Steine,
Ton und überhaupt alle Baumateriahen zu entnehmen, die zur Ausführung
von öffentlichen Arbeiten oder für die verschiedenen Verwaltungszweige
der Kolonie notwendig sind.^)
Allgemeine Vorschriften betreffend den Anbau von Kautschukpflanzen.
' Artikel 6.
Die Konzessionare haben an Stelle der aus irgendeinem Grunde
eingegangenen Kautschukpflanzen pro Tonne Konzessions-Kautschuks
mindestens 150 Kautschukpflanzen neu zu pflanzen und bis zum Ab-
laufe der Konzession zu erhalten. Die Ausführung dieser Verpflich-
tung muß an den vom Gouverneur festgesetzten Zeitpunkten und in
der von ihm festgesetzten Form nachgewiesen werden.
Ausbeutung der verliehenen Ländereien.
Artikel 7.
Die Konzessionare haben die verliehenen Ländereien durch forst-
wirtschafthche Nutzung oder durch Anlage von Pflanzungen in fort-
schreitende Ausbeutung zu nehmen. Sie haben zu diesem Zweck Fak-
toreien einzurichten und in Betrieb zu erhalten. Die Faktoreien können
im Bedarfsfalle verlegt werden. Die Faktoreien sind mit einem oder
mehreren europäischen Angestellten zu besetzen und in zweckmäßiger
Verteilung immer weiter auszudehnen.
Nutzbarmachung der Ländereien.
Artikel 8.
Als nutzbar gemacht gelten und werden den Konzessionaren unter
den im Art. 7 des Konzessionsdekretes vorgesehenen Bedingungen zu
vollem Eigentume gegeben:
•) In dem Konzessionsdekret der Cic. Ngoko-Sanga vom 18. Mlrz 1905 fehlt
dieser letzte Absatz.
— 256 —
1. die Ländereien, die mindestens zu einem Zehntel ihrer Fläche
mit Bauten bedeckt sind;
2. die Pflanzungen, die mindestens zu einem Zwanzigstel ihrer
Fläche mit hochwertigen Kulturen wie Kakao, Kaffee, Kaut-
schuk, Vanille, Indigo, Tabak usw. bepflanzt sind;
3. die in Bebauung genommenen Ländereien, deren Fläche min-
destens zum zehnten Teil mit Nahrungsmittelpflanzen wie Reis,
Hirse, Maniok usw. angebaut ist;
4. Weideplätze, auf denen wenigstens 5 Jahre lang Zucht- und Mast-
vieh gehalten worden ist, wobei auf je 2 Stück Großvieh oder
4 Stück Kleinvieh 10 ha zu rechnen sind;
5. Waldungen, von einer zusammenhängenden Fläche von minde-
stens 100 ha, in welchen Kautschuk seit wenigstens 5 Jahren
regelmäßig geemtet worden ist. Jeder Hektar muß dabei
durchschnittHch mindestens 20 Kautschukbäume oder Lianen
enthalten. Doch ist auch noch nach der Zuerteilung des Eigen-
tumsrechtes an die Konzessionare durch Erhaltung der vor-
handenen Bäume oder Lianen oder durch Neuanpflanzung dafür
zu sorgen, daß die Mindestzahl von 20 Stück nicht verringert
wird, widrigenfalls das Eigentum wieder an den Staat zurückfällt.
Für die Zähmung und Haltung von Elefanten findet ebenfalls eine
Zuerteilung von Land zu vollem Eigentume statt; pro Kopf eines Ele-
fanten dürfen sich die Konzessionare je 100 ha Land auswählen.^)
Form und Lage der dem Konzessionär zuerteilten Landparzellen.
Artikel 9.
Die dem Konzessionär auf Grund des obenstehenden Art. 8 zuer-
teilten Landparzellen sind durch natürliche Grenzen, wie Flußläufe,
Höhenrücken, Waldränder, schon vorhandene oder in Ausführung be-
griffene Verkehrswege usw. oder durch gerade Linien von größtmöghcher
Länge abzugrenzen. Die einzelne Parzelle darf in ihrer Längenausdehnung
das Dreifache der mittleren Breite nicht übersteigen, sofern nicht die
Oberflächengestaltung dies verbietet oder die Parzelle ein ganzes Tal
umfaßt.
Längs der Wasserstraßen und aller anderen Verbindungswege,
die zum öffentHchen Staatseigentume gehören (schon vor Erteilung der
^) Dieser Absatz fehlt in dem Dekrete der Konzession Ngoko-Sanga vom
18. März 1905. In dem „Lastenhefte" zum Dekrete der Compagnie commerciale
de colonisation du Congo fran9ais heißt es an dieser Stelle noch weiter: „Für jeden
gezähmten und unterhaltenen Strauß darf sich der Konzessionär je 25 ha Land aus-
suchen, die er als volles Eigentum erhält."
— 2S7 —
Konzession oder infolge ihrer Anlage auf Kosten des Staates oder der
Kolonie oder infolge Abtretung durch die Konzessionare) können die Kon-
zessionare nur in beschranktem Umfange Eigentümer der Lrindereien
werden, die unmittelbar an einen solchen Weg anstoßen, oder in dem
längs seiner Ränder sich hinziehenden i km Streifen liegen. Sie können
nur von höchstens der Hälfte der unmittelbar an diese Wege oder Wasser-
straßen angrenzenden Grundstücke Eigentümer werden. Ebenso können
sie nicht Eigentümer von Ländereien werden, die in dem 20 km Streifen
längs der Grenze der Kolonie hegen, falls nicht diese Grenze durch einen
mindestens 4 Monate des Jahres für Dampfschiffe schiffbaren Fluß
gebildet wird.
Feststellung der Nutzbarmachung der Ländereien.
Artikel 10.
Die Feststellung der Nutzbarmachung der Ländereien und die Ab-
grenzung der entsprechenden Parzellen erfolgt auf \'erlangen und auf
Kosten der Konzessionare oder ihrer Rechtsnachfolger. Nach dieser
Abgrenzung werden die Ländereien auf den Namen der Konzessionare
nach geltendem Rechte eingetragen. Der im Art. 7 des Konzessions-
dekretes ausbedungene Vorbehalt ist auf jedem Eintragungstitel zu
vermerken. ^)
Titel n.2)
I. Dampfschiffahrtsdienst.
Artikel ir.3)
Die Konzessionare haben innerhalb 2 Jahre \-om Erlaß des Kon-
zessionsdekretes ab wenigstens .... große und .... kleine Dampfschiffe*),
welche den im folgenden Art. 12 angegebenen Bedingimgen entsprechen,
auf den schiffbaren Flußläufen, die durch das Konzessionsgebiet fließen
oder die Verbindung mit dem Stanley-Pool herstellen, in Betrieb zu
setzen und bis zum Aufhören der Konzession in Dienst zu halten. Die^^e
Dampfschiffe dienen der privaten Beförderung der Konzessionare und
der Beförderung auf Kosten anderer Personen oder Gesellschaften, deren
») Bei der Konzession Ngoko-Sanga vom 18. März 1905 fehlt dieser letzte Satz.
*) Titel II (Art. 11 — 18) fehlt in den Konzessionsurkunden der Mambcre-
Sanga und der Uam-Nana.
*) Art. II fehlt für die Konzession Ngoko-Sanga vom iS. März 1905.
*) Siehe oben die übersieht zu Art. i.
Vcri.ffcntl. d. Reichskolonialamtes Nr. 4; Ritter. '/
— 258 —
Besorgung die Konzessionare übernehmen wollen. Sie haben jedoch
auf Anfordern des Gouverneurs oder seines Stellvertreters mindestens
alle 6 Monate einmal die Transporte für die Regierung und für die Kolonie
zu besorgen. Jedes Schiff darf für diese Transporte bis zur Hälfte seiner
Ladefähigkeit belegt werden. Diese Bestimmung gilt für die Strecke
zwischen BrazzaviUe oder einem sonstigen Umladeplatze zwischen
Eisenbahn und Schiff und dem Endpunkte der von den Konzessionaren
für ihre eigenen Transporte betriebenen Schiffahrt.
Überdies hat der Gouverneur jederzeit das Recht, für miHtärische
Expeditionen das Schiffsmaterial der Konzessionare ganz oder teilweise
zu requirieren; die Zahlung der Transportkosten und eine Entschädigung
im Falle von Verlusten ist durch gemeinsames Übereinkommen oder durch
Schiedsrichter zu regeln.
Beförderung der Post.
Artikel 12.
Die Konzessionare haben, wenn sie dazu aufgefordert werden, unter
den im untenstehenden Art. 17 festgelegten Bedingungen die Beförde-
rung der Briefpost und Postpakete zu übernehmen. In diesem Falle
haben sie auf jedem für diese Transporte bestimmten Schiffe ein mit einem
Sicherheitsschloß versehenes Behältnis anzubringen, das zur Aufnahme
der Postsäcke und öffentlichen Gelder bestimmt ist. Der Kapitän oder
der Superkargo ist für diese Transporte verantwortlich, ohne daß jedoch
dadurch die Verantwortlichkeit der Konzessionare aufgehoben oder ver-
mindert wird. Die Postsäcke und die Kassetten mit den öffentüchen
Geldern werden ihm verschlossen und versiegelt übergeben und sind
von ihm ebenso abzuliefern. Seine Verantwortung und diejenige der
Konzessionare hört auf, sobald er die Poststücke abgeliefert hat und fest-
gestellt worden ist, daß die Siegel unverletzt sind.
Die Dampfschiffe.
Artikel 13.^)
Die Dampfschiffe, welche die Konzessionare in Ausführung des
obenstehenden Art. 11 in Dienst zu stellen und zu unterhalten haben,
müssen folgenden Bedingungen genügen:
Sie müssen nach dem Typ, der sich als geeignet für die Schiffahrt
auf den Flüssen von Französisch-Kongo erwiesen hat, gebaut und bei
^) Art. 13 — 18 fehlen in der Konzessionsurkunde der Ngoko-Sanga vom
18. März 1905.
— 259 —
der Veritas oder beim Lloyd mit einer von der \'envaltung genehmigten
Klasse registriert sein.
Die Dampfschiffe großen Modells müssen imstande sein, lx.'i einer
Mindestgeschwindigkeit von 8 Knoten mindestens 20 metrische Tonnen
Nutzfracht bei einem Tiefgange von 65 cm aufzunehmen. Die Schiffe
kleinen Modells müssen imstande sein, bei einer Mindestgeschwindigkeit
von 7 Knoten eine Nutzfracht von mindestens 5 metrischen Tonnen bei
einem Tiefgange von 50 cm aufzunehmen.
Diese Schiffe müssen bei ihrer Indienststellung neu sein; wenn
jedoch die Konzessionare imstande sind, innerhalb einer Mindestfrist
von einem Jahre vom Erlaß des Konzessionsdekretes ab ein Schiff
oder mehrere Schiffe in Dienst zu stellen, die schon im Gebrauch
waren, aber noch nicht älter als 3 Jahre sind, so können diese Schiffe
zugelassen werden, falls sie den im vorliegenden Artikel spezifizierten
Bedingungen entsprechen und tatsächlich innerhalb der vorerwähnten
Frist in Dienst gestellt werden.
Die Dampfer, auf die sich der vorliegende Artikel bezieht, müssen die
französische Flagge führen. Die Besatzung muß ausschließhch aus fran-
zösischen Bürgern oder französischen Untertanen bestehen. Einzelne
Ausnahmen hiervon sind jedoch mit Genehmigmig des Gouverneurs,
die jederzeit widerruflich ist, gestattet.
Verpflichtungen bezüglich des Schiffahrtsdienstes.
Artikel 14,
Die Abgangszeiten und die obligatorischen Anlegeplätze an den
französischen Flüssen für die auf Kosten der Verwaltung ausgeführten
Reisen werden vom Gouverneur festgesetzt. Falls auf der zu durchfah-
renden Strecke innerhalb der im zweiten Absätze des obenstehenden
Art. 4 vorgesehenen Grenzen Stromschnellen, Wasserfälle usw. vorkom-
men, die die Durchfahrt der Schiffe behindern, sind die Konzessionare
verpflichtet:
1. durch geeignete Mittel nach ihrem Ermessen das Umladen der
Waren von einer fahrbaren Rinne bis zur anderen zu sichern und Maß-
nahmen zu treffen, daß die Reisenden die betreffende Strecke zu Fuß
oder im Boote zurücklegen können;
2. in jeder der oberen fahrbaren Rinnen die Beförderung von Reisen-
den und Waren durch Dampfschiff oder Boot zu sichern. Der Gouverneur
kann fordern, daß die Umladungen auf französischem Boden vorge-
nommen werden.
I7«
— 26o —
Falls die Reisen durch Schiffsunfälle eine Unterbrechung erleiden,
haben die Konzessionare oder ihre Vertreter Vorkehrungen zu treffen,
daß Reisende und Waren in bestmöglicher Weise an ihren Bestimmungsort
gelangen.
Eigentumsrecht an den dem Dienste der Konzession dienenden Dampf-
schiffen.
Artikel 15.
Das Eigentumsrecht an den Dampfschiffen, die gemäß des oben-
stehenden Art. II bestimmt sind, den für die Konzessionare obligatorischen
Dampferdienst zu versehen, ist an die Konzession geknüpft und bildet
einen integrierenden Bestandteil der Konzession, von der es während der
ganzen Dauer der Konzession nicht gelöst werden kann.
Demnach können diese Schiffe, abgesehen von der im nachstehenden
Art. 18 bestimmten Ausnahme, weder verkauft noch vermietet oder
verpfändet werden, unter welcher Form es auch sei, noch dauernd dem
Dienst entzogen werden, für den sie von den Konzessionaren anzu-
schaffen waren, es sei denn, daß dazu vorher die Ermächtigung vom
Kolonialminister erteilt worden ist. Infolge von Havarie verloren ge-
gangene oder infolge von Abnutzung außer Dienst gestellte Schiffe
müssen innerhalb von 18 Monaten von dem Zeitpunkte, an dem sie
außer Dienst gestellt worden sind, ersetzt werden.
Garantie für die Ausführung des Schiffahrtsdienstes.
Artikel 16.
Falls infolge von Verlust, Havarie, Mangel an Bemannung oder
aus irgendeiner anderen Ursache eines der Schiffe, deren Indienst-
stellung den Konzessionaren auf Grund des obenstehenden Art. 11 obliegt,
während 2 aufeinander folgender Jahre nicht imstande war, den Trans-
portdienst, zu dem es bestimmt ist, auszuführen, so unterhegen die
Konzessionare einer Geldstrafe von 20 000 Franken für jedes dienst-
unfähige große Schiff und von 10 000 Franken für jedes dienstunfähige
kleine Schiff. Eine Geldstrafe von gleicher Höhe wird ihnen vom Ablaufe
des zweiten Jahres ab für jedes der folgenden Jahre auferlegt, während
welcher das Schiff nicht ersetzt oder wieder in Dienst gesteht
worden ist.
26 1 —
Tarife.
Artikel 17.
Die Transporte der Konzessionare für Rechnung des Staates oder
der Kolonie werden während der 5 ersten Jahre, die auf den Erlaß des
Konzessionsdekretes folgen, zu nachstehenden Sätzen*) ausgeführt:
a) Zwischen Brazzaville oder der Umladestelle der Reisenden oder
Waren \om Wassersveg auf die Eisenbahn und dem Beginne der ersten
Stromschnelle, die nicht von Dampfbooten passiert werden kann:
1. Stromaufwärts:
Passagiere:
Europäer pro 10 km i, — Franken
Eingeborene pro 10 km 0,35
Güter:
Pro Tonne und pro 10 km 2,50 „
2. Stromabwärts:
Die Hälfte des obigen Tarifes.
b) Stromaufwärts von der ersten Stromschnelle, die von Dampf-
schiffen nicht übenNTjnden werden kann, aber nur für diejenigen Trans-
porte, die während der Zeit, in der die Durchfahrt unmöglich ist, ausgeführt
werden (einbegriffen alle Umladungen und Transporte zu Lande):
Das Doppelte von Tarif a.
Die Entfernungen werden durch gemeinsames Übereinkommen
zwischen dem Gou\"emeur und dem Konzessionär festgestellt. Wenn
eine genaue Ausmessung nicht vorhanden ist, mißt man auf einer Karte
die Länge der geraden Linie, welche die aufeinanderfolgenden Stationen
miteinander verbinden, deren Lage nach den geographisch festgelegten
Punkten bestimmt wird, und vergrößert diese Länge um ein Drittel,
um den Krünmiungen der Fahrrinne Rechnung zu tragen. Die von den
Reisenden beim Passieren der Stromschnelle zu Fuß durchmessenen
Strecken werden nicht gerechnet.
Die Beköstigung der europäischen Reisenden wird mit 12 Franken
pro Tag bezahlt; diejenige der Eingeborenen- Reisenden wird besonders
berechnet.
Die europäischen Reisenden haben -Vnspruch auf unentgelthche
Beförderung von 100 kg Gepäck.
') Die Sätze sind bei allen Konzessionen, die mit einer Schiffahrtsverpflichtung
belastet sind, gleich hoch vereinbart worden. Vgl. dazu oben § 33 und unten An-
hang IV.
— 202 —
Die Eingeborenen-Reisenden haben Anspruch auf unentgeltliche
Beförderung von 5 kg Gepäck oder, wenn sie zur Schutztruppe gehören
auf die unentgeltliche Beförderung ihrer Ausrüstung.
Das Gewicht der Güter wird per Sendung berechnet, d. h. per Gruppe
von Gepäckstücken, die von demselben Absender an denselben Empfänger
geschickt werden, und nicht nach Einzelstücken.
Bruchteile von 10 kg werden dabei für voll gerechnet. So ^^d^d eine
Sendung von 4 kg für 10 kg gerechnet ; eine Sendung von 72 kg für 80 kg ;
eine Sendung von 1221 kg für 1230 kg usw. Doch kann die Berechnungs-
weise von 30 zu 30 kg an Stelle der obenerwähnten Berechnungsweise
auf Grund eines Übereinkommens zwischen dem Gouverneur und den
Konzessionaren treten.
Der Tarif für den Transport von Pulver, Patronen und anderen
gefährhchen Stoffen erhöht sich um 50%.
Die Beförderung der Post ist unentgeltHch zu besorgen; die der
Postpakete wird nach dem Gütertarife bezahlt.
Die oben festgesetzten Tarife, sowie die Zuschläge und der Modus,
nach dem die Entfernungen gemessen werden, können nach dem fünften
auf den Erlaß des Konzessionsdekretes folgenden Jahre nach Über-
einkommen oder durch Schiedsrichter alle 5 Jahre durchgesehen werden.
Als Grundlage ist der Durchschnittspreis zu nehmen, der für Transporte
auf den den Kongo und seine Nebenflüsse befahrenden Schiffen aller
Nationalitäten erhoben \vird. Die im vorliegenden Artikel festgesetzten
Höchstsätze dürfen aber nicht überschritten werden.
Ermächtigung zur Übertragung des Schiffahrtsdienstes.^)
Artikel 18.
Die Konzessionare haben das Recht, mit Genehmigung des Kolonial-
ministers jeder Person oder Gesellschaft ganz oder teilweise die Ver-
pfhchtungen und Vorrechte weiter zu übertragen, welche an die Ein-
richtung des Schiffahrtsdienstes, der den Gegenstand der obigen Artikel
bildet, geknüpft sind. Bedingung ist, daß der die Verpflichtung Überneh-
mende alle in den genannten Artikeln näher bezeichneten Bedingungen
übernimmt und ausführt.
Ist der die Verpfhchtung Übernehmende eine schon bestehende
oder in Bildung begriffene Schiffahrtsgesellschaft, welche nach einem
vom Kolonialminister nach Anhörung der Kommission für die kolonialen
Konzessionen festgesetzten Lastenhefte die Konzession für einen regel-
1) Vgl. oben § 58 und unten Anhang IV.
— 263 —
mäßigen Befürderungsdienst erlangt hat, so werden die Inhaber der
vorliegenden Konzession von jeder N'erpflichtung bezüglich der Indienst-
stellung und Unterhaltung der Schiffe großen Modells, die zur Kon-
zession gehören, befreit, sobald der mit der betreffenden Gesellschaft
abgeschlossene Vertrag vom Minister genehmigt ist.
II. Errichtung von Zollposten.
Beitrag der Konzessionare.
Artikel 19.
Die Konzessionare haben zu der Errichtung der ZoUpx-JSten, welche
durch die von ihnen beabsichtigten Maßnahmen notwendig wird, eine
Summe von Franken beizusteuern,^) die in drei gleichen Raten
im letzten Vierteljahre des ersten, des dritten und des letzten Jahres
nach Erlaß des Konzessionsdekretes zahlbar ist.
Die Zahlung hat auf Anfordern des Gouverneurs an die Kasse der
Finanzversvaltung der Kolonie zu erfolgen.
Titel III.
Finanzielle Bestimmungen.
Zahlung der festen jährlichen Abgabe.
Artikel 20.
Die feste jährliche Abgabe ist an die Kasse der Finanz Verwaltung
der Kolonie vor dem i. März jedes Jahres einzuzahlen.
Die Konzessionare dürfen die Zahlung nicht verweigern, indem sie
geltend machen, daß ihnen aus Maßnahmen der Regierung oder aus einer
anderen Ursache Schaden erwachsen sei. Sie schulden die Abgabe und
diese kann zu dem angegebenen Termin eingetrieben werden, ohne daß
Entschädigungen, Nachlässe (auf Forderungen), Transportkosten usw.,
') Konzession Ngoko-Wcsso Frs. 2S 000
Ngoko-Sanga von 1905 Frs. 25 000
Haut-Kongo Frs. 30 00c
Sanga äquatoriale Frs. 20 000
Mambere Sanga Frs. 15 000
C. C. C. C Frs. 1 2 .^>i
Uam-Nana Frs. .;
— 264 —
welche sie etwa vom Staate oder der Kolonie zu fordern sich für berech-
tigt halten, aufgerechnet werden dürfen und ohne daß die Abgabe um
solche verringert werden darf.
Gewinnanteil des Staates.
Artikel 21.
Bei der Berechnung des Gewinnanteils, welchen die Konzessionare
gemäß Art. 6 des Konzessionsdekretes zu zahlen haben, dürfen von dem
jährhchen Rohgewinne abgezogen werden:
1. die Betriebsunkosten;
2. die Summen, die — gegebenenfalls — nötig sind, um die Zahlung
der im genannten Jahre fähig werdenden Zinsen und Tilgungs-
raten der Schuldverschreibungen sicher zu stellen;
3. die von dem Gewinne der Gesellschaft für die gesetzhche Rücklage
und für alle anderen den Satzungen entsprechenden Rücklagen
vorwegzunehmende Summe, die jedoch nur 15% von dem Unter-
schiede zwischen dem Rohgewinne und den oben unter i. und
2. angegebenen Ausgaben erreichen darf. Dagegen darf diese
Summe nicht vorweggenommen werden und von dem Gewinn-
anteile des Staates abgezogen werden, wenn die Gesamthöhe
der gesetzhchen Rücklage und der anderen satzungsmäßigen Rück-
lagen den vierten Teil des eingezahlten Aktienkapitals über-
schreitet ;
4. die gegebenenfalls von dem Gewinne vorweg zu nehmende Summe
für die Tilgung von ausgelosten Aktien;
5. 5% des eingezahlten und noch nicht getilgten Aktienkapitals.
Der Rest bildet den Reingewinn, von dem 15% durch die
Konzessionare an die Kasse der Finanzverwaltung der Kolonie oder für
deren Rechnung an eine vom Kolonialminister bezeichnete Kasse des
Mutterlandes zu zahlen sind. Die Einzahlung hat in dem Monate zu
geschehen, der auf die Hauptversammlung der Aktionäre folgt, in welcher
der Rechnungsabschluß des betreffenden Geschäftsjahres genehmigt
worden ist.
Abtretung von Vorteilen, die sich aus der Konzession ergeben, an Dritte.
Artikel 22.
Die Konzessionare dürfen die aus der vorhegenden Konzession er-
wachsenden Vorteile irgendwelcher Art ganz oder teilweise an Gesell-
schaften oder Private nur auf Grund von Verträgen, die vom Kolonial-
— 265 —
minister genehmigt sind, weiterübertragen, verpachten oder unter irgend-
einer Form überlassen. In diesen Vertragen sind zugunsten des Staates
Vorteile auszubedingen, welche den aus Art. 6 des Konzessionsdekretes
hervorgehenden gleichwertig und, wie oben angegeben, zu berechnen sind.
Beaufsichtigung der Rechnungsführung der Gesellschaft.
Artikel 23.
Alle Maßnahmen der mit der Kechnungsfühnmg l)ctrauten Beamten
unterliegen der Aufsicht durch einen Bevollmächtigten des Kolonial-
ministers, der die Befugnisse hat, die solchen Kommissaren nach Abs. i
von Art. ^;^ des Gesetzes vom 24. Juli 1867 zustehen. Dieser Bevoll-
mächtigte des Kolonialministers muß zu allen Versammlungen der Aktio-
näre zugezogen werden.
Titel IV.
Allgemeine Bestimmungen.
Erlöschen der Konzession.^)
Artikel 24.
Beim Erlöschen der Konzession fallen die Ländereien, die nach den
Bestimmungen unter Titel I nicht Eigentum der Konzessionare geworden
1) Der entsprechende Artikel lautet in dem Dekrete für die Konzession der
Ngoko-Sanga-Gesellschaft vom 18. März 1905 folgendermaßen: Beim Erlöschen
der Konzession hat der Konzessionär die Ländereien, welche nicht nach dem oben
in Titel I bezeichneten Bedingungen sein Eigentum geworden sind, an den Gouverneur
zurückzugeben. Er bleibt Eigentümer der Anlagen, Wege, Telcgraphenlinicn usw.,
deren Übergang auf das öffentliche Staatseigentum nicht auf Grund des Art. 6 des
Konzessions- Dekretes verfügt wird; er hat das Recht, dicTelcgraphcnanlagen, Bauten,
industriellen .Anlagen usw., deren übergäbe an das öffentliche Staatseigentum nicht
verfügt ist und die sich auf den Ländereien befinden, deren Eigentum er nicht erlangt
hat, niederzureißen oder abzubrechen, um die Materialien zu verwenden oder zu ver-
kaufen. Es wird ihm zu diesem Zwecke eine Frist von einem Jahre gewährt. Nach
Ablauf dieser Frist ist der Gouverneur befugt, die von dem Konzessionär auf-
gegebenen Tclegraphenanlagen, Bauten, industriellen Anlagen usw. wieder instand
zu setzen, um sie zu verwenden oder sie abzubrechen, um die Materialien zugunsten
der Kolonie zu vcrvvcnden oder zu verkaufen.
Der Gouverneur kann im Namen der Kolonie die oben bezeichneten Einrich-
tungen zum Matcrial-Wcrtc ankaufen, vorausgesetzt, daß er seine Absicht mindestens
6 Monate vor dem Erlöschen der Konzession mitteilt. Der Preis wird durch gemein-
sames Abkommen festgesetzt oder, wenn eine Übereinstimmung nicht erzielt wird,
durch Sachverständige, die nach den Bestimmungen des nachstehenden Art. 19
zu ernennen sind.
— 266 —
sind, rechtsgültig an das private Staatseigentum zurück. Die Konzes-
sionare bleiben Eigentümer des Schiffsmaterials einschheßhch desjenigen,
dessen Eigentum nach dem obigen Art. 15 mit der Konzession verknüpft
war. Sie haben das Recht unter dem unten angegebenen Vorbehalte
die Telegraphenanlagen, Eisenbahnen, Bauten, industriellen Anlagen usw.,
soweit nicht ihre Übergabe an das öffenthche Staatseigentum bestimmt
wird und soweit sie sich auf den nicht in ihr Eigentum übergegangenen
Ländereien befinden, abzubrechen, um die Materialien zu verwenden
oder zu verkaufen. Es wird ihnen zu diesem Zwecke eine Frist von einem
Jahre gewährt.
Nach Ablauf dieser Frist werden die angegebenen Materiahen als
von ihnen aufgegeben betrachtet.
Der Gouverneur kann im Namen der Kolonie das Schiffsmaterial
wie auch die obengenannten Einrichtungen ganz oder teilweise ankaufen
unter der Bedingung, daß er dem Konzessionär seine Absicht wenigstens
6 Monate vor Erlöschen der Konzession mitteilt. Der Preis wird durch
gemeinsames Abkommen festgesetzt oder, wenn eine Übereinstimmung
nicht erzielt wird, durch Sachverständige, die nach den Bestimmungen
des nachstehenden Art. 27 zu wählen sind.
Abtretung der Rechte der Konzessionare auf die verliehenen Gebiete an
Dritte.
Artikel 25.
Wenn die Konzessionare mit Genehmigung des Gouverneurs ihre
Rechte auf die Gebiete, die noch nicht endgültig ihr Eigentum geworden
sind, an Dritte abtreten, muß die Abtretungsurkunde den Wortlaut
der Konzessionsurkunde und des vorliegenden Lastenheftes ungekürzt
enthalten.!)
Kaution.
Artikel 26.
Die Konzessionare haben als Sicherheit für die Erfüllung der ihnen
durch das Konzessionsdekret und das Lastenheft auferlegten Verpflich-
tungen eine Kaution an die Hinterlegungsstelle zahlen, deren
^) Der entsprechende Art. 18 in der Konzessionsurkunde der Ngoko-Sanga
vom 18. März 1905 lautet weiter:
Die Urkunden über Verkauf oder Verpachtung von Ländereien, die in das
Eigentum des Konzessionars übergegangen sind, haben den Wortlaut des Art. 4
des Konzessionsdekretes (entspricht dem Art. 7 des obigen Dekretes) ungekürzt zu
enthalten.
— 26; —
Höhe im Konzessionsdekrete bestimmt wird. Die Kaution
kann in bar, in französischer Rente oder in Anleihetiteln der Kolonie
geleistet werden. Der Kapitahvert dieser Rente- oder Anleihetitel
wird nach den im Art. 6 des Dekretes vom i8. November 1882 betreffend
die im Namen des Staates vollzogenen \'ersteigerungen und \'erkäufe,
näher erläuterten Bestimmungen bertchnet. Die Hälfte dieser Summe
muß vor der Unterzeichnung des Dekretes bezahlt werden, und die andere
Hälfte innerhalb von 14 Tagen nach der Bekanntmachung der Entschei-
dung des Kolonialministers, welche die Übertragung der Rechte der
ursprünglichen Konzessionare an die Konzessionsgesellschaft endgültig
bestätigt.
Schiedsrichter und Sachverständige.
Artikel 27.
Wenn die Ernennung von Scliiedsrichtem oder Sachverständigen
notwendig wird, d. h. in den durch das vorliegende Lastenheft vorgesehe-
nen Fällen, werden zwei gewählt, der eine vom Gouverneur, der andere
vom Konzessionär. Im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen
diesen wird auf Ansuchen einer der interessierten Parteien ein dritter
Schiedsrichter oder Sachverständiger vom Präsidenten des Appellations-
gerichtshofes von Paris ernannt. Hat eine der Parteien nach rechts-
gültiger gerichtlicher Vermahnung (mise en demeure) ihren Schiedsrichter
oder Sachverständigen nicht innerhalb eines Monats nach der Vermahnung
ernannt, so erfolgt diese Ernennung auf Verlangen der anderen Partei
von Amts wegen, ebenso die des dritten Schiedsrichters oder Sach-
verständigen.
Gesellschaftssitz.
Artikel 28.
Die Konzessionare haben in Paris und in der Hauptstadt der Kolonie
je eine Niederlassung zu errichten. Unterlassen sie es, dieser \'erpflichtung
nachzukommen, so gelten alle Bekanntmachungen und Anzeigen in der
Seine-Präfektur oder in den Verwaltungsbureaus im Hauptorte der Kolonie
als ihnen rechtsgültig zugestellt.
Artikel 29.
Die Konzessionare verpflichten sich, weder von der Kolonie ntKh
vom Staate irgendeine Entschädigung für den Schaden zu verlangen,
den sie durch die Unsicherheit des Landes, durch Aufstände oder Unruhen
der Eingeborenen oder durch einen Krieg mit einer fremden Macht
mögUcherweise erleiden können.
— 268 —
Titel V.
Rückkauf, Verfall und Zurückziehung der Konzession.
Bedingungen des Rückkaufes.
Artikel 30.
Die Ländereien, die gemäß den Bestimmungen des obigen Titels I
Eigentum der Konzessionare oder ihrer Rechtsnachfolger geworden sind,
sind im Falle des Rückkaufes der Konzession von diesem ausgeschlossen.
Das Eigentumsrecht an diesen Ländereien kann den Konzessionaren
oder ihren Rechtsnachfolgern nur auf Grund des allgemeinen Enteig-
nungsrechtes oder der Bestimmungen des Art. 7 des Konzessionsdekretes
genommen werden.
Der Preis für den ganzen oder teilweisen Rückkauf des Restes der
Konzession "wird durch eine Kommission von 9 Mitgliedern bestimmt,
von denen 3 vom Kolonialminister, 3 von den Konzessionaren und 3 durch
einstimmigen Beschluß der 6 schon ernannten Mitglieder gewählt werden.
Wenn diese innerhalb von 6 Monaten, nachdem sie die Mitteilung ihrer
Ernennung bekommen haben, sich nicht verständigen können, so wird
die Wahl der 3 letzten Mitglieder, für deren Ernennung Einstimmigkeit
nicht zu erzielen war, durch den ersten Präsidenten und die vereinigten
Präsidenten des Appellationsgerichtshofes in Paris vorgenommen.
Dasselbe Verfahren wird bei der Wahl der Kommissionsmitglieder
angewandt, deren Ernennung den Konzessionaren überlassen bleibt,
wenn diese sie nicht innerhalb von 3 Monaten von dem Tag an gerechnet,
an dem ihnen das den Rückkauf aussprechende Dekret mitgeteilt worden
ist, gewählt haben.
Entsetzung der Konzessionare aus ihren Rechten.
Artikel 31.
Die Entsetzung der Konzessionare aus ihren Rechten wird nach vor-
heriger Vermahnung (mise en demeure) ausgesprochen und die von
den Konzessionaren bezahlte Kaution verfällt dem Staate, wenn sie
nicht die Bestimmungen des Konzessionsdekretes oder des vorüegenden
Lastenheftes erfüllen und zwar insbesondere:
I. wenn sie innerhalb von 2 Jahren von der Unterzeichnung des
Konzessionsdekretes an gerechnet mit der Ausbeutung der ver-
hehenen Ländereien gemäß den Bestimmungen des Art. 7 nicht
tatsächlich begonnen haben, oder wenn sie die Ausbeutung nach
— 209 —
dem sie sie begonnen haben, niclit fortsetzen und nicht gemäß
den Bedingungen des genannten Artikels fortschreitend ausdehnen ;
2. wenn sie sich zum Zwecke der Ausbeutung ihrer Konzession
und zwar insbesondere, um sich Elfenbein und Kautschuk zu ver
schaffen, Gewalttätigkeiten (violence) und s<jnstige Handlungen
zuschulden kommen lassen, die che Abwanderung (jder einen
Aufstand der Eingeborenen herbeiführen;')
3. wenn sie nach vorheriger Vermahnung nicht innerhall) eines
Monates die Bezahlung der festen jährlichen Abgabe oder des dem
Staate zukommenden Ge\Wnnanteües geleistet halben;
4. wenn sie irgendwie gegen die Vorschnften der Art. 20 — 23 des
Lastenhettcs verstoßen haben;
5. wenn sie ohne Genehmigung des Kolonialministers Schiffsmaterial,
dessen Eigentum mit der Konzession verbunden ist, ganz oder
teilweise verkaufen, übertragen oder verpachten.
Die Entsetzung bezieht sich auf die ganze Konzession, ausgenommen
die Ländereien, die Eigentum der Konzessionare geworden sind.
Bei der Entsetzung wird zur Erfüllung der von den Konzessionaren
rechtsgültig eingegangenen Verbindlichkeiten die Konzession, auf welche
sich das vorliegende Lastenheft bezieht, mit ihren Lasten, \'erpflichtungen
und \'orteilen, versteigert. Ausgenommen sind die Ländereien, die nach
den Bestimmungen des obigen Titels I endgültig Eigentum der Kon-
zessionare geworden sind.
An der Versteigerung kann nur teilnehmen, wer vorher vom Kolonial-
minister zugelassen worden ist und bei der Hinterlegungsstelle eine vom
Kolonialminister festgesetzte Kaution hinterlegt hat.
Bei der Versteigerung ist das gleiche Verfahren anzuwenden wie nach
den geltenden Gesetzen und Vorschriften über die \'ersteigerungen des
Kolonialministeriums. Die Gebote dürfen nicht niedriger sein, als der
festgestellte Mindestpreis.
Der neue Konzessionär tritt allein dadurch, daß der Kolonialminister
das Ergebnis der Versteigerung genehmigt, in die Rechte der früheren
Konzessionare ein, die damit ihrer oben envähnten Lasten, Verpflich-
tungen und \'orteile ledig sind, und dafür den Erlös der \'ersteigcrung
erhalten.
Wenn die \'crsteigerung zu keinem Ergebnisse führt, so wird nach
*) Diese Klausel lautet in dem Lastenhcfte für die Konzession derNgoko-Sanga-
Gesellschaft vom 18. März 1905: Wenn er zum Zwecke der Ausbeutung seiner
Konzession usw. zu Mitteln greift, die geeignet sind, die öffentliche Sicherheit ru
gefährden.
— 2/0 —
3 Monaten eine zweite Versteigerung auf den gleichen Grundlagen anbe-
raumt. Bleibt auch diese erfolglos, so wird die Konzession hinsichthch
der Rechte, Verpflichtungen und Vorteile, die den Gegenstand der Kon-
zession bilden, vollständig aufgehoben.
Zurückziehung der Konzession.
Artikel 32.
Falls die Konzessionare auf die Aufforderung des Gouverneurs hin
nicht nachweisen, daß sie den Vorschriften des obigen Art. 6 betreffend die
Kautschukanpflanzung nachgekommen sind, so erhalten sie eine Ver-
mahnung, diesen Nachweis innerhalb eines Jahres zu Uefern. Liefern sie
den Nachweis nicht, so wird von der Konzession eine Fläche zurückgenom-
men deren Größe so berechnet wird, daß auf 1000 fehlende Pflanzen
40 ha kommen. Die Zahl der fehlenden Pflanzen wird festgestellt durch
den Unterschied zwischen der Zahl der neuen Kautschukpflanzen, welche
die Konzessionare in Erfüllung des genannten Artikels hätten pflanzen
und unterhalten müssen, und der Zahl der Pflanzen, deren tatsächhche
Anpflanzung und Unterhaltung sie nachweisen können.
Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Konzessionär und
dem Gouverneur der Kolonie über die Anzahl der gepflanzten und unter-
haltenen Kautschukpflanzen können die Konzessionare verlangen, daß
auf ihre Kosten vom Kolonialminister ein Bevollmächtigter mit dem
Auftrage entsandt wird, die Richtigkeit der von der Verwaltung fest-
gestellten Zahlen nachzuprüfen. Wenn diese letzteren Zahlen sich als um
über 10% unrichtig herausstellen, so wird dem Konzessionär der Betrag
der aus dieser Nachprüfung envachsenen Unkosten durch Abzug eines
entsprechenden Betrages von der im Art. 6 des Konzessionsdekretes fest-
gesetzten Abgabe zurückgezahlt.
Das von der Konzession zurückgenommene Gebiet soll möglichst
aus einem Stück bestehen und durch den Gouverneur aus den noch nicht
in Ausbeutung genommenen Ländereien gewählt werden. Seine Grenzen
werden in dem Dekrete, das die teilweise Zurückziehung der Konzession
ausspricht, bestimmt.
Zurücknahme des Eigentums an den in Verletzung des Art. 7 des Kon-
zessionsdekretes übertragenen Ländereien durch den Staat.
Artikel 33.
Wenn der Staat Ländereien, die von den Konzessionaren in Ver-
letzung der Vorschriften des Art. 7 des Konzessionsdekretes abgetreten
— 27 1 —
worden sind, wieder zurücknimmt, so haben die Konzessionare allein
für den tatsächlichen Sachden aufzukommen, der von dem seines Be-
sitzes entsetzten Dritten verlangt wird. Das Gleiche tritt ein, wenn die
Konzessionare gerichtlich anj^ehalten werden, die von ihnen gegen die
Vorschriften des genannten Artikels eingegangenen Pacht- und Miets-
verträge aufzuheben.
Höhere Gewalt.
Artikel 34,
Die Bestimmungen der Art. 31 und 32 finden keine Anwendung und
die Entsetzung oder die Zurückziehung der Konzession tritt nicht ein,
wenn die Konzessionare infolge von höherer Gewalt ihre Verpflichtungen
nicht haben erfüllen können und dies ordnungsmäßig festgestellt
worden ist.^)
Registrierung.
Artikel 35.
Die Stempelgebühr und die Kosten der Registrierung des vorliegenden
Lastenheftes tmd aller auf die Konzession bezüglichen Beurkundungen
sind von den Konzessionaren zu tragen.
Das vorliegende Lastenheft wird von den unterzeichneten Konzes-
') Hinter diesem Artikel befindet sich in dem Lastenhefte für die Konzession
der Ngoko-Sanga- Gesellschaft vom 18. März 1905 folgender sonst nicht vorkommen-
der Artikel:
Titel VI.
Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten.
Zuständigkeit.
Art. 27.
Meinungsverschiedenheiten zwischen dorn Konzessionär und dem Gouverne-
ment oder dem Kolonialminister hinsichüich der Auslegung der Bestimmungen
der vorliegenden Konzession in Füllen, für die niclit ausdrücklich ein Schiedsspruch
vorgesehen ist, werden auf dem verwaltungsgerichthchcn Wege beigelegt, ohne da.0
Berufung an den Staatsrat gegeben ist.
— 2/2 —
sionaren angenommen, unterzeichnet und dem Konzessionsdekrete mit
dem Datum vom heutigen Tage beigefügt.
Paris, den
Unterschrift der Konzessionare.
Genehmigt von dem Kolonialminister und dem Konzessionsdekrete
gleichen Datums beizufügen.
Paris, den
Unterschrift des Ministers.
Anhang III,
Dekret von igio/ii.
Vc-6fTfntl. d. ReichskolooiaJanitef Kr. 4: Ritter.
x8
1. Dekret vom 20. Juni 1910.
Der Präsident der französischen Republik erläßt folgendes Dekret.
Artikel i.
Das beigefügte Übereinkommen vom 13. Juni 1910 zwischen dem
Kolonialminister und dem Präsidenten des V'ervvaltungsrates der
wird genehmigt.
Artikel 2.
Der Kolonialminister wird mit der Ausführung dieses Dekretes
beauftrasrt.
Paris, den 20. Juni 1910
gez. A. Fallieres.
Übereinkommen.
zwischen dem Minister der Kolonien
einerseits
und dem bevollmächtigten Präsidenten des \'envaltungsrates der^)
vorbehaltlich der späteren Genehmigung durch
^) Feste jähr- Jährliche
hche Ab- Mindest-Kaut- Kaution
gäbe nach schukausfuhr nach Art. 13
Art. 7 nach Art. 10
Franken Tonnen Franken
St6. Coloniale du Baniemb6 4 000 5 7 000
St6. Bretonne du Congo 2400 2 8000
Cie. Fran^aise du Congo 50 000 5 40 000
St6. de l'Ek^Ia-Kad^i-Sangha 20000 75 30000
St6. de la Haute- Sangha 12000 75 20000
St6. de ribenga 15000 3 20000
Cie. Coramerciale et Coloniale de la Kad6i-
Sangha 7000 5 10 000
Cie. des Caoutchoucs et produits de la
Lobay 30 000 75 25 000
St6. Mpoko 15000 45 25000
Cie. de la Sangha 6000 10 15000
Cie. des produits de la Sanga-Lipa-Clucsso 10 000 5 ior«.(i
Summa 171 400 305 21 ■
i8»
— 2/6 —
die ordentliche Hauptversammlung der Aktionäre, die spätestens
3 Monate nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung stattzufinden hat,
andererseits
ist unter Vorbehalt
1. der Rechte Dritter und der Verpflichtungen, welche für die Gesell-
schaft aus den Bestimmungen der Generalakte von Berlin und von
Brüssel vom 26. Februar 1885 und 2. Juli 1890 hervorgehen;
2. der Rechte, die Dritte bis zu dem Tage der Bestätigung der vor-
liegenden Urkunde erworben haben;
3. der Rechte der Eingeborenen in dem Umfange, in dem sie durch
den folgenden Art. 9 bezeichnet sind,
Folgendes vereinbart worden:
Artikel i.
Die Gesellschaft gibt die Konzession auf, die dem N. N. durch Dekret i)
vom verheben worden und in dessen Rechte und
Verpfhchtungen sie durch Ministerialerlaß vom einge-
setzt worden ist ; femer alle Rechte und Vorteile, die durch diese Urkunde
auf sie übertragen worden sind.
Artikel 2.
Die Regierung
I. entbindet die Gesellschaft von allen Verpflichtungen und Auf-
lagen, die ihr nach den Bestimmungen des Dekretes vom
und des ihm angefügten Lastenheftes oblagen;
')
Dekret von 1899
Journal officiell
Soci^tö coloniale du Baniembe
25. IV.
1899
(Afr. fran9. 1899 S. 305)
Societe Bretonne du Congo
6. XII.
1899
1900/3302
Compagnie fran9aise du Congo
5. IV.
1899
2899/4362
Societe de l'Ekela-Kadei-Sangha
3./IV. 1899 u.
15./IV. 1899
1899/45 14 "• 4392
Societe de la Haute- Sangha
15. IV.
1899
1899/4509
Societe l'Ibenga
5. IV.
1899
1899/4383
Compagnie commerciale et co-
loniale de la Kadei-(Haut-)
Sangha
31. HI.
1899
(Afr. Iran?. 1 899 S. 305)
Compagnie des caoutschoucs et
produits de la Lobay
5- IV.
1899
1899/4505
Societe M'Poko
12. V.
1899
1899/5649
Compagnie de la Sangha
31. V.
1899
1899/5315
Societe des produits de laSangha-
Lipa-Ouesso
31. III.
1899
I 899/4931
— ^n —
2. bestätigt der Gesellschaft das volle und unbeschränkte Eigentum
der Ländercien, die ihr in Ausführung des Art. 7 des Dekretes vom
und des Art. 8 des ihm angefügten Laslcnheftes zu-
gesprochen worden sind oder auf die sie im Augenblicke der Unterzeich-
nung der vorliegenden \'ereinbarung aus gleichem Rechtsgrunde An-
spruch erheben konnte. Die Gesellschaft kann über diese Ländereien
frei verfügen.
Artikel 3.
Die Regierung gibt der Gesellschaft die Befugnis, im Einvernehmen
mit der Verwaltung in dem früheren Konzessionsgebiete Ländereien
für Lebensmittelpflanzungen im Höchstumfange von 10 000 ha auszu-
suchen und zwar in Stücken, von welchen keines über 1000 ha und keines
unter 100 ha groß sein darf.
Artikel 4.
Sie behält ihr außerdem für die Dauer von 10 Jahren, von der Unter-
zeichnung des vorliegenden Übereinkommens an, die Ausbeutung der
Kautschukpflanzen (Kräuter, Bäume oder Lianen) in dem früheren
Konzessionsgebiete vor und z\\ar mit Ausschluß aller anderen Holzarten.
Beim Ablaufe dieses Zeitraumes soll die Gesellschaft das volle und unbe-
schränkte Eigentum an den Länderien haben, die sie bebaut, bepflanzt
oder in planmäßige Ausbeutung genommen hat. Wenn es sich um Forst-
parzellen handelt, werden die Bedingungen einer planmäßigen Ausbeutung
Dekret
von 1910/1911
Journal officieU
Societ6 coloniale du Banicmbe
20. VI. I
910/26. II. 191 I
1910/605 7
Soci6t6 Bretonne du Congo
»
1910/6058
Compagnie fran9aise du Congo
»
1910/6059
Societ6 de l'Ek61a-Kad6i-Sangha
»
1910/6060
Soci6t6 de la Haute- Sangha
i>
1910/6061
Soci6t6 ribenga
»
191 0/6062
Compagnie commcrcialc et co-
loniale de la Kad6i-(Haut-)
Sangha
u
191 0/6063
Compagnie des caoutschoucs et
produits de la Lobay
l>
1910/6064
Soci6t6 M'Poko
l>
1910/6065
Compagnie de la Sangha
>>
1910/6060
Soci^t6 des produits de la Sangha-
Lipa-Ouesso
»*
1910/00O7
— 2/8 —
im Einvernehmen zwischen der Ortsverwaltung und der Gesellschaft
festgesetzt werden, im Falle der Nichteinigung, durch den Kolonial-
minister nach Anhörung der Kommission für die kolonialen Konzessionen.
Artikel 5.
Nach Ablauf dieses ersten Zeitabschnittes hat die Gesellschaft
während weiterer 10 Jahre und innerhalb des ursprüngHchen Kon-
zessionsgebietes die weitere Nutznießung an den Kautschukpflanzen
(Kräuter, Bäume oder Lianen) auf einer Fläche, die zehnmal so groß
ist als die Fläche, die bis dahin bepflanzt öder in planmäßige Ausbeutung
genommen ist.
Die der Gesellschaft so neuerdings vorbehaltenen Gebiete, welche
beim Ablaufe dieses zweiten Zeitabschnittes bebaut, bepflanzt oder in
planmäßige Ausbeutung genommen sind, werden der Gesellschaft ebenfalls
zu vollem Eigentume zugeteilt werden. Die Gesellschaft kann über die
Ländereien, die ihr am Ende jedes Zeitabschnittes zugeteilt sein werden,
frei verfügen.
Die Ausdehnung dieser Ländereien darf in einem Stücke 10 000 ha,
wenn es sich um Forstwirtschaft, und 500 ha, wenn es sich um Pflan-
zungen handelt, nicht überschreiten.
Die Gesellschaft verpfhchtet sich, bei ihrer Ausbeutung kein Ver-
fahren anzuwenden, das die Kautschukbäume oder -pflanzen vernichten
könnte; sie muß diejenigen Pflanzen, die durch ihre Behandlung ein-
gehen, durch Neuanpflanzung wieder ersetzen.
Artikel 6.
Die Regierung behält sich das Recht vor, zu jeder Zeit den freien
Gebrauch der Ländereien zurückzunehmen, die für die Dienstbedürfnisse
des Staates, der Kolonie, ebenso wie für alle Arbeiten von öffentUchem
Interesse notwendig sind, deren Ausführung in eigener Regie oder durch
Unternehmer sie für angebracht hält.
Diese Zurücknahme erfolgt:
1. unentgelthch, wenn die Ländereien noch nicht Privateigentum
geworden sind,
2. sonst gegen eine Entschädigung, die im Einvernehmen zwischen
der Ortsverwaltung und der Gesellschaft und wenn keine Eini-
gung erzielt wird, durch Schiedsspruch festzusetzen ist.
Artikel 7.
Die Gesellschaft zahlt als Gegenleistung für die Vorteile, die ihr
durch das vorUegende Übereinkommen gewährt werden, an die Kasse
— 279 —
der Kolonial-Finanzvenvaltung «der an eine vom Kolonialminister be-
stimmte öffentliche Kasse des Mutterlandes:
1. Während der ersten lo Jahre eine jährliche Abgabe in Höhe der
durch das Dekret vom 15. April 1899 festgesetzten, nämlich ')
2. Während der folgenden 10 Jalire eine Abgabe, welche auf der-
selben Grundlage im \'crhältnisse zur Fläche der Ländereien festgesetzt
wird, die bis dahin der Gesellschaft auf Grund des obigen Art. 5 zuge-
teilt worden sind.
3. 15°^ des jährlichen Reingewinnes, dessen Höhe nach Absetzung
der Rücklagen und der ordentlichen und außerordentlichen Tilgungs-
beträge und nach Zahlung von 5% Zinsen auf das eingezahlte Kapital
festgesetzt wird.
Die feste Abgabe ist im ersten Trimester des Jahres zu zahlen, für
das sie zu zahlen ist.
Der Anteil am Reingewinne ist in dem Monate zu zahlen, der auf
die Hauptversammlung folgt, in welcher die Jahresrechnung genehmigt
wurde.
Wenn beim Ablaufe des vorliegenden Übereinkommens die Ab-
rechnung einen Überschuß des Vermögens über die Schulden ergibt,
wird der Staat im Höchstbetrage von i5°o an der Verteilung dieses
Überschusses teilnehmen.
Artikel S.
Ein Abgeordneter des Kolonialministers, dem die gleichen Be-
fugnisse zustehen, wie den Rechnungskommissaren gemäß Art. 33 des
Gesetzes vom 24. Juli 1867 soll zu allen Aktionän-ersammlungen ein-
geladen werden. Die Kosten dieser übersvachung werden durch Erlaß
des Kolonialministers bestimmt und von der Gesellschaft getragen
werden.
Artikel 9.
Das vorliegende Übereinkommen wird — ausgenommen den Fall
höherer Gewalt — vollständig aufgehoben,
1. wenn die feste Abgabe oder der Anteil am Reingewinne, wie sie
im Art. 7 festgesetzt sind, in den vorgeschriebenen Fristen nicht gezahlt
werden oder
2. wenn in drei aufeinanderfolgenden Jahren aus den Kautschuk-
beständen von der Gesellschaft nicht wenigstens Tmnen^)
•) Siehe oben die Zusammenstellung.
— 28o —
jährlich gewonnen werden oder wenn in dem in dem nachfolgenden
Art. 15 vorgesehenen Falle die Gesamt ausbeute nicht das Gewicht
der den einzelnen, früheren Gesellschaften auferlegten Mindesterzeugungen
erreicht. Die Kolonie erhält ohne weiteres die Nutznießung der Lände-
reien zurück, die der Gesellschaft zugeteilt waren, mit Ausnahme der-
jenigen, die entsprechend den Art. 4 und 5 nutzbar gemacht worden sind.
Artikel 10.
Außer den Nutzungsrechten, die in Art. 23 des Forstdekretes vom
26. März 1899 1) bestimmt sind, behalten die Eingeborenen das Recht,
sich auf allen Ländereien niederzulassen, die für die Ausbeutung der
Gesellschaft vorbehalten wurden und noch nicht in ihr Eigentum über-
gegangen sind. Sie behalten das Recht, sich im Walde alles zu holen,
was für ihre Bedürfnisse (des einzelnen oder der Gemeinschaften) und
für ihre Gewerbe notwendig ist. Ausgenommen sind die Ländereien,
die bebaut sind und die Forstparzellen, die planmäßig ausgebeutet
werden.
Die Niederlassungen der Eingeborenen und die Ländereien, die
nach der Landesgewohnheit davon abhängen, bilden die Eingeborenen-
reservate. Alle Erzeugnisse dieser Reservate bleiben ohne Ausnahme
zur freien Verfügung der Eingeborenen. Die Gesellschaft ist befugt,
mit den Häuptlingen der Niederlassungen alle Verträge zu schließen,
die der Ausbeutung der Forsten dienen und mit ihnen über die Abtretung
der Rechte zu verhandeln, die den Eingeborenen an den Kautschuk-
beständen ihrer Reservate zustehen. Alle diese Verträge bedürfen der
Genehmigung des Generalgouverneurs. 2)
Ferner behalten die Eingeborenen, die sich auf dem in Art. 2, § 2,
angegebenen Ländereien niedergelassen haben, das Recht, auf den Plätzen
wohnen zu bleiben, die sie augenblicklich innehaben und sich in Zukunft
an ihnen Sonder- oder Kollektiveigentum zu verschaffen.
Artikel 11.
Die Gesellschaft bleibt den allgemeinen, fiskalischen, grundrecht-
lichen und forsthchen Bestimmungen unterworfen, die in der Kolonie
gelten oder in Zukunft erlassen werden.
^) Siehe oben Seite 186 Anm. 2.
2) Siehe unten unter Ziff. 3.
— 2Sl —
Artikel 12.
Die Gesellschaft verzichtet auf alle Ansprüche oder Forderungen,
die sie auf Grund des Konzessionsdekretes vom .... i8(y)^) oder wej^en
irgendeiner anderen Angelegenheit aus der Zeit vor dem vorliegenden
übereinkommen schon erhoben hat oder zukünftig erheben könnte. Die
Gesellschaft verpflichtet sich femer, weder von der Kolonie noch vom
Staate irgendeine Entschädigung für Schäden zu verlangen, die sie viel-
leicht infolge der Unsicherheit des Landes, infolge einer Erhebung oder
eines Aufstandes der Eingeborenen oder durch deren unerlaubten Wett-
bewerb oder durch Krieg mit einer fremden Macht erleiden könnte.
Artikel 13.
Als Sicherheit für die Ausführung des vorliegenden Übereinkommens
zahlt die Gesellschaft eine Kaution von Franken.')
Der Unterschied zwischen dieser Summe und ihrer früheren Kaution
wird ihr zurückgezahlt.
Artikel 14.
Alle Meinungsverschiedenheiten, die über die Auslegung des vor-
liegenden Vertrages entstehen, unterüegen der Verwaltungsgerichts-
barkeit.
Artikel 15.
Zum Schlüsse der vorHegenden Vereinbarung ermächtigt die Regie-
rung die Gesellschaft, sich mit den Gesellschaften: Ekcla-Kadöi-Sangha,
Ibenga, Lobay, M'Poko, Compagnie fran^aise du Congo, Kadei-Sangha,
Societ6 bretonne du Congo, Haute-Sangha, Sangha et Compagnie de
la Ngoko-Sangha (für den Teil dieser letzteren Konzession, die den
Gegenstand des Dektetes vom 31. März 1899 bildet, entweder zu ver-
einigen oder ihre Rechte in eine neue Gesellschaft einzubringen. Die zu
schließenden Verträge bedürfen der vorherigen Genehmigimg des Kolonial-
ministers nach Begutachtung durch die Kommission für die kolonialen
Konzessionen.
Die neue Gesellschaft genießt die Vorteile und übernimmt die Auf-
lagen, die in dem vorüegenden Übereinkommen vereinbart sind.
') Siehe die Anmerkung zu Art. i.
*) Siehe oben die Übersicht.
— 282 —
Artikel i6.
Wenn die neue Gesellschaft für eine längere Dauer als die des vorlie-
genden Übereinkommens gegründet wird, muß sie während ihres ganzen
Bestehens die im Art. 7 vorgesehene prozentuale Abgabe zahlen und
die Bestimmungen im letzten Absätze des gleichen Artikels sind ebenso
bei der Abrechnung entsprechend anzuwenden.
Artikel 17.
Die neue Gesellschaft muß nach französischem Rechte gegründet
werden.
Der Präsident der Gesellschaft und % der Verwaltungsratsmitgheder
darunter der Präsident, müssen Franzosen sein.
Der Gesellschaftssitz muß auf französischem Gebiete sein.
Die Gesellschaft muß ihren Sitz in Paris und in der Hauptstadt der
Kolonie wählen, widrigenfalls jede Zustellung oder Bekanntmachung
an sie rechtswirksam in der Seine-Präfektur oder in den Bureaus der
Verwaltung in der Hauptstadt der Kolonie bewirkt werden kann.
Artikel 18.
Das vorliegende Übereinkommen ist erst nach Bestätigvmg durch
Dekret ausführbar.
Artikel 19.
Die Kosten der Eintragung und die Stempelgebühr für das vorliegende
Übereinkommen hat die Gesellschaft zu tragen.
Paris, den 13. Juni 1910.
Gelesen und genehmigt. Gelesen und genehmigt
Der Minister der Kolonien. N. N,
2. Dekret vom 26. Februar 1911.
Der Präsident von Frankreich erläßt folgendes Dekret:
Artikel i.
Das hier folgende Zusatzabkommen vom 31. Januar 191 1 zu den
Vereinbarungen vom 13. Juni 1910, das zwischen dem Kolonialminister
und Herrn N.. der als Generaldirektor der Betriebsgememschaft der
folgenden Gesellschaften handelt, nämhch der
— 283 —
Societe de la BanicmW,
Bretonne du Congo,
Compagnie Fran^aise du Congo,
Sociöt^ de l'Eköla-Kad^i-Sangha,
de la Haute-Sangha,
de ribenga,
Compagnie Commerciale et Coloniale de la Kadei-Sangha,
des Caoutchoucs et Produits de la Lobay,
Sociöt^ Mpoko.
Compagnie de la Sangha,
Societe de la Sangha-Lipa-Ouesso
wird genehmigt.
Artikel 2.
Der Kolonialminister wird mit der Ausführung dieses Dekretes
beauftragt.
Paris, den 26. Februar 1912. gez. A. FalliC-res.
Zusatzabkommen zu den Vereinbarungen vom 13. Juni 1910.
Zwischen dem Minister der Kolonien
einerseits
und Herrn X., dem Bevollmächtigten der folgenden 11 Gesell-
schaften:^)
andererseits
ist Folgendes vereinbart worden:
Die Übereinkommen zwischen dem Minister der Kolonien und den
genannten 11 Gesellschaften, die durch die Dekrete vom 20. Juni 1910
genehmigt wurden, sind, wie folgt, ergänzt worden:
Artikel 6b.
Das vorliegende Übereinkommen kann jederzeit ganz oder teilweise
aus Gründen des öffentlichen Interesses aufgelöst werden und zwar durch
ein Dekret, das nach Begutachtung durch die Kommission für die kolo-
niakn Konzessionen und nach Anhörung des Konzessionärs (Pächters)
erlassen wird. Die Kolonie muß in diesem Falle der Gesellschaft eine
Entschädigung bezahlen, die vorbehaltüch des Rechtsweges vor den
bürgerhchen Gerichten unter den Bedingungen festgesetzt wird, die
>) wie oben.
— 284 —
im Art. 30 des dem Konzessionsdekrete der Compagnie de la Kadei-
Sangha vom 31. März 1899 angefügten Lastenheftes festgesetzt sind.
Die Kolonie erhält in diesem Falle das freie Verfügungsrecht über
alle Ländereien zurück, die in dem Auflösungsdekrete bezeichnet sind,
ndt Ausnahme derjenigen, die bis zu diesem Augenblicke in das Eigen-
tum der Gesellschaft übergegangen sind oder deren Eigentumsübertragung
die Gesellschaft auf Grund des vorüegenden Übereinkommens bean-
spruchen kann.
Artikel lob.
Die Sitten, Gewohnheiten, die Religion und die Organisation der
Eingeborenenbevölkerung müssen streng berücksichtigt werden.
Die vorhegende Vereinbarung kann zum Nachteile der Gesellschaft
und ohne Entschädigung in folgenden Fällen aufgehoben werden und
zwar durch Dekret, das nach Begutachtung durch die Kommission für
die kolonialen Konzessionen und nach Anhörung der Gesellschaft erlassen
wird, wobei der Beschwerdeweg zum Staatsrate offen steht:
1. wenn die Angestellten der Gesellschaft gegenüber den Einge-
borenen Betrügereien oder Mißhandlungen begangen haben und
zwar häufig oder unter erschwerenden Umständen und wenn diese
Handlungsweise fortgesetzt worden ist, ohne daß der Vorstand
der Gesellschaft, nachdem er davon Kenntnis erhalten hat, da-
gegen eingeschritten ist,
2. wenn Angestellte, die Verbrechen begangen haben, nicht sofort
abberufen worden sind, nachdem der Vorstand davon Kennt-
nis bekommen hat.
Wenn die Auflösung ausgesprochen wird, behält die Gesellschaft
nur die Ländereien an denen sie das Eigentumsrecht geltend machen
kann und verliert alle anderen Rechte und Vorteile aus dem vorUegenden
Übereinkommen.
Paris, den 31. Januar 1911.
Gelesen und genehmigt. Gelesen und genehmigt.
Der Koloiüalminister. Der Vorstand
N, N. der Vereinigten Gesellschaften
Sanga-Ubangi.
N. N.
— 285 —
3. Vertrag')
zwischen dem Häuptling
der
Eingeborenen-Niederlassung
von
namens
und der
Gesellschaft
Vor der Verwaltungsbehörde des Bezirkes
(oder Unterbezirkes)
ist folgender Vertrag zwischen dem
, der als Häuptling der Ein-
geborenen-Niederlassungen von
bekannt ist, handelnd im Namen und für Rechnung dieser Niederlassun-
gen unter den im Art. lo der Vereinbarung vom 13. Juni 1910 vorge-
sehenen Bedingungen
einerseits
und
Herrn handelnd auf
Grund der ihm übertragenen Vollmacht im Namen und für Rechnung
der Gesellschaft (evtl.
auch im Namen und für Rechnung der neuen Gesellschaft, die gemäß
den Bedingimgen des Art. 15 der genannten Vereinbarung gegründet
worden ist,
andererseits
zustande gekommen.
Artikel i.
Der Häuptling tritt an die Gesellschaft
das Recht ab, die Kaut-
schukbestände in der ganzen Ausdehnung der Ländereien auszubeuten,
die den von ihm abhängigen Eingeborenen-Niederlassungen vorbehalten
worden sind.
') Der folgende Vertragsentwurf w-urde als Blankctt vom Gcneralgouvcmcur
am 22. September 1910 genehmigt, entsprechend Art. 10 Abs. 2 des Dekretes von
1910/1911 (siehe oben unter i.)
— 286 —
Artikel 2.
Die Gesellschaft ermächtigt den Häupthng
und die gesamten Eingeborenen-
Niederlassungen, den wild wachsenden Kautschuk auf dem ganzen
Konzessionsgebiete der Gesellschaft zu ernten, mit Ausnahme von den
Parzellen, auf denen Pflanzungen angelegt sind. Die Gesellschaft ver-
pfhchtet sich, aUe Erzeugnisse dieser Ernte von guter Beschaffenheit
anzukaufen.
Artikel 3.
Die Gesellschaft verpflichtet sich außerdem, dem Häupthng und
den von ihm abhängigen Eingeborenen-Niederlassungen 6% der von
ihnen erzielten Gesamternte zu überlassen und ihm für diese 6% den
doppelten Preis zu zahlen, der für die Abtretung des Steuerkautschuks
an die Gesellschaft festgesetzt ist.
Artikel 4.
Die Gesellschaft hat ein besonderes Handelsverzeichnis zu führen,
das der Friedensrichter des Ortes mit Seitenzahlen versieht und unter-
schriftlich abschließt. Darin sollen eingetragen werden,
1. die Namen aller eingeborenen Kautschuksammler, die dem
Häupthnge unterstehen,
2. die Kautschukmengen, die von jedem einzelnen abgehefert
wurden,
3. der dafür gegebene Preis,
4. das Datum der Abheferung und Zahlung.
Zu Beginn jedes Jahres wird von der Gesellschaft
dem Häupthng ein Heft abgeliefert werden, das
ebenfalls von dem Friedensrichter des Ortes nach Seiten beziffert und
unterschrifthch abgeschlossen wird. Das Heft enthält die Abschrift
des gesamten Verzeichnisses mit denselben Angaben, soweit es sich auf
die Niederlassungen bezieht, die dem Häuptlinge unterstehen. Dieses
Verzeichnis und Heft kann jederzeit von den Verwaltungsbeamten ge-
prüft werden.
Artikel 5.
Das Guthaben jeder Niederlassung wird am Ende jedes halben Jahres
beghchen werden, entsprechend den Eintragungen in dem Register und
in dem Hefte. Der in Art. 3 bestimmte Preis muß den Berechtigten in
öffenthcher Versammlung (Palawer) und in Gegenwart des Bezirksleiters
— 28; —
oder eines von ihm dazu bestimmten Beamten ausgezahlt werden. Der
Beamte hat das Zahlungsgeschäft durch Frage und Gegenfrage (Procds
verbal) zu leiten.
Artikel 6.
Der Häuptling und die ihm unter-
stellten Eingeborenen verpflichten sich, die von der Gesellschaft ange-
gebenen Ausbeutungsmethoden anzuwenden.
Artikel 7.
Der vorliegende Vertrag gilt vom Tage der Unterzeichnung ab bis
zum 30. Juni 1921. Er kann zum Ablauf des 5. Jahres zwecks /Änderung
einer Durchsicht unterzogen werden, entweder auf Veranlassung der
Gesellschaft oder des Häuptlings. In diesem Falle hat der Betreffende
seine Absicht 6 Monate vorher mitzuteilen.
Nachdem der Vertrag im einzelnen vorgelesen und übersetzt worden
ist, haben der Vertreter der Gesellschaft und der Häuptling mit Namen
unterzeichnet wie folgt (für den Fall, daß der Häupthng nicht unter-
zeichnen kann, ist dies besonders festzustellen):
Unterzeichnet zu am
der Vertreter der Gesellschaft der Häuptling
Der Leiter des Bezirkes oder Unter bezirkes
Genehmigt vom Leutnant-Gouverneur.
AnhaniJf IV.
Societe des Messageries
Fluviales du Congo.
Vcröffcntl. d. Reichskolonialamte» N'r. 4 : Ritter. '9
1. Vertrag.^)
betreffend die Einrichtung eines öffentlichen Schiffahrtsdienstes auf dem
Kongo -Ubangi-Sanga
vom 2. November 1910 mit Nachtrag vom Februar 1911.
Zwischen dem Generalgouvemeur von Französisch-Äquatorial-
Afrika, handelnd im Namen des französischen Staates und der Kolonie
einerseits
und Herrn A. Fondere, Präsident des Ve^^valtungsrates der Soci6t6
des Messageries Fluviales du Congo handelnd in seiner Eigenschaft als
solcher
andererseits
kam folgender Vertrag zustande.
Artikel i.
Gegenstand des Vertrages.
Der vorliegende Vertrag hat einen doppelten Gegenstand:
1. die Einrichtung eines öffentlichen Schiffahrtsdienstes auf dem
Kongo und seinen Hauptnebenflüssen;
2. die Bestimmung der gegenseitigen Verpflichtungen des Unter-
nehmers und der Verwaltung bezüglich der Einrichtung dieses Dienstes
und Festsetzung der besonderen Bedingungen, unter welchen die Ver-
waltungstransporte auszuführen sind.
Artikel 2.
Dauer des Vertrages.
Der vorliegende Vertrag ist für eine Dauer von 5 Jahren vom
I. Januar 191 1 bis zum 31. Dezeml>er 1915 geschlossen.
') Die folgende Übersetzung ist eine fast vollstA.ndige Wiedergabe des Vertrages;
es sind nur unwesentliche Bestimmungen, die sich auf französische Verhältnisse
bezichen, weggelassen.
19»
— 292 —
Die Verwaltung behält sich das Recht vor, den Vertrag zum
31. Dezember 1912 zu lösen. Sie hat in diesem Falle der Mess. Fluv.
ihre Absicht 6 Monate vor diesem Zeitpunkte mitzuteilen.
A. Einrichtung des öffentlichen Schiffahrtsdienstes»
Artikel 3.
Allgemeine Einrichtung.
Die Mess. Fluv. verpflichtet sich, einen öffentHchen Schiffahrts-
dienst für die Personen- und Güterbeförderung auf dem Kongo, Ubangi,
Sanga und Ngoko unter den folgenden Bedingungen zu unterhalten:
1. von Brazzaville nach Bangi und zurück (regelmäßige, monat-
liche Fahrt):
bei hohem Wasserstande ganz durch Dampfer;
bei niederem Wasserstande: auf der Strecke Brazzaville-Mongumba-
Singa durch Dampfer; auf der Strecke Mongumba-Singa-Bangi bleibt
bleibt es der Gesellschaft überlassen, die Verbindung durch Dampfer
oder durch große Frachtboote aufrecht zu erhalten.
2. von Brazzaville nach Wesso und zurück (regelmäßige, monat-
liche Fahrten):
während des ganzen Jahres mit Dampfern;
3. von Wesso nach Ngoila und zurück (monathche, regelmäßige
Fahrten) :
während des ganzen Jahres mit Dampfern;
4. von Wesso nach Nola und zurück (Fahrt je nach Bedarf).
Es bleibt der Gesellschaft während des ganzen Jahres überlassen,
die Fahrt mit Dampfern oder mit großen Frachtbooten zu machen.
Artikel 4.
Anlege- und Landungsplätze.
Alle Posten, die an diesen Strecken bestehen oder in Zukunft er-
richtet werden, sind durch die Schiffe der Gesellschaft zu versorgen.
Die Ein- und Ausschiffung der Reisenden und ihres Gepäckes in
Brazzaville hat an einem von der Verwaltung bestimmten Platze zu
geschehen, der das ganze Jahr für die Schiffe der Gesellschaft zugänglich
ist. Der Platz soll möglichst dort gelegen sein, wo später endgültig die
Zollstation errichtet wird. Bis dahin hat die Ein- und Ausschiffung an
dem ,,Hollandaise" genannten Platz zu erfolgen. Die Ein- und Aus-
ladung der Güter hat an demselben Platze zu erfolgen.
— 291 -
Artikel 5.
Abfahrt- und Ankunftszeiten. Reisedauer.
Die Abfahrt von Brazzaville hat 48 Stunden nach Ankunft der
aus Frankreich kommenden Reisenden zu erfolgen; nach Bangi späte-
stens am 23. jedes Monats; nach Wesso spätestens am 24. Der Z<.*it-
punkt wird im Einvernehmen »wischen der Gesellschaft und dem Leut-
nant-Gouverneur von Mittel-Kongo festgesetzt; die Abfahrt soll nicht
vor 8 Uhr morgens erfolgen. Die Schiffe dürfen nach Bangi oder nach
Wesso höchstens 13 Tage brauchen. Die Schiffe müssen spätestens am
2. Tage vor dem Tage in Brazzaville zurück sein, an dem die nach Frank-
reich Zurückreisenden Brazzaville verlassen müssen, um die regelmäßig
verkehrenden Dampfer der Chargeurs Reunis zu erreichen.
Auf der Strecke Wesso-Ngoila bleibt es der Gesellschaft überlassen,
den Zeitpunkt der Abfahrt zu bestimmen. Sie hat jedoch auf dieser
Strecke jeden Monat eine Fahrt hin und zurück zu machen.
Auf der Strecke Wesso-Nola braucht die Abfahrt nicht regelmäßig
stattzufinden und kann den vorhegenden Beförderungsbedürfnissen
angepaßt werden.
Die Reisedauer von 13 Tagen von Brazzaville nach Bangi, gilt nur
für die Zeit , in der die Schiffe der Gesellschaft Bangi direkt erreichen
können.
Artikel 6.
Schiffsmaterial.
Die Gesellschaft muß folgendes Schiffsmaterial zur Verfügung
haben :
I. auf der Kongo- und Ubangi-Linie:
a) einen Dampfer mit 150 Tonnen Nutzlast mit wenigstens 16 Betten
(2 Betten auf i Kabine),
größter Tiefgang bei voller Ladung : i ,50 m ;
b) einen Dampfer mit wenigstens 30 Tonnen Nutzlast und mit
wenigstens 8 Betten in Passagierkabinen,
größter Tiefgang bei voller Ladung: 0,90 m;
c) einen Dampfer mit wenigstens 15 Tonnen Nutzlast,
größter Tiefgang bei voller Ladung: 0,70 m;
d) eine genügende AnzaliJ von großen Frachtbooten, um Ix-i nie-
derem Wasserstande die Verbindung zwischen Mongumba-Singa-
Bangi aufrecht erhalten zu können.
— 294 —
2. Auf der Sanga-Ngoko-Linie :
a) einen Dampfer mit wenigstens loo Tonnen Nutzlast und wenigstens
12 Passagierbetten (2 Betten auf i Kabine),
Tiefgang bei voller Ladung: 1,30 m;
b) einen Dampfer mit wenigstens 20 Tonnen Nutzlast und 2 Betten,
Tiefgang bei voller Ladung: 0,90 m;
c) einen Dampfer mit wenigstens 15 Tonnen Nutzlast,
Tiefgang bei voller Ladung: 0,70 m;
d) eine genügende Anzahl von großen Frachtbooten, um bei Stocken
des Dampferverkehrs den Verkehr zwischen Wesso und Nola auf-
recht erhalten zu können.
Artikel 7.
Ausstattung, Beköstigung und Bedienung.
Die Schiffe müssen dauernd in gutem und sauberem Zustande ge-
halten sein.
Jedes Bett muß mit einem Moskitonetz und mit Bettzeug (Bettuch,
Kopfkissen und Bettdecke) ausgestattet sein.
Bei Überfüllung können die Reisenden ihre Betten auf dem Ober-
decke aufstellen, das während der Nacht durch Segeltuchvorhänge
abzuschließen ist.
Der Kabinendienst ist durch Boys in genügender Zahl zu besorgen.
Für alle Europäer ist für Beköstigung an Bord zu sorgen und zwar
auf allen Strecken mit Ausnahme der Strecken zwischen Wesso und
Nola und Mongumba-Singa-Bangi bei niederem Wasserstand.
In letzterem Falle sind die Europäer bei der Fahrt aufwärts an Bord
der in Mongumba-Singa ankommenden Dampfer so lange zu beköstigen,
bis sie auf die Fracht boote überschifft werden. Ebenso sind bei der Fahrt
flußabwärts die Reisenden von ihrer Ausschiffung aus den Frachtbooten
an an Bord der in Mongumba-Smga liegenden Dampfer aufzunehmen
und zu beköstigen.
Die Mahlzeiten müssen bestehen aus: i. Frühstück: Kaffe oder
Schokolade, Tee mit Brot und Butter oder Eingemachtem. 2. Frühstück:
2 Vorspeisen, 2 Fleischgänge, i Gang Gemüse; 2 Nachtische, darunter Käse.
Wein: Y^q 1, Kaffee oder Tee nach Wahl. Diner: Suppe, 2 Fleischgänge,
I Gang Gemüse, i Zwischengericht, 2 Nachtische, Wein: Vio !• Kaffee
oder Tee nach Wahl.
Jedes Schiff muß einen Apothekenkasten haben, damit den Reisenden
oder der Besatzung in dringenden Fällen die erste Hilfe gegeben werden
kann.
- 295 —
Der Inhalt des Apothekenkasten svird von dem Vorstände des
Sanitätsdienstes der Kolonie Mittel-Kongo bestimmt.
B. Gegenseitige Verpflichtungen zwischen der Gesellschaft
und der Verwaltung.
Artikel 8.
Verpflichtung betreffend die Verwaltungstransporte.
Die Mcss. Fluv. verpflichtet sich, das Personal der Zivilver^^'altung
und die Militärmannschaften, die für den Zivil- und Militärdienst be-
stimmten Güter und die Posttransporte auf den oben angegebenen
Linien und unter den nachstehenden Bedingungen zu l>efördem.
Die Vervvaltung verpflichtet sich dafür, der Mess. Fluv. alle Personal-,
Güter- und Post-Transporte zu überlassen.
Artikel 9.
Beförderungs- Sätze.
Die im vorigen Artikel angegebenen Transporte werden zu folgenden
Sätzen ausgeführt:
(Tabellen s. S. 295 u. 296.)
Die unten aufgeführten Sätze der Kongo-Ubangi-Linie verstehen
sich für Beförderung und Beköstigung der europäischen Reisenden mit
Ausnahme von den Fahrten, die bei niederem Wasserstand zwischen
Mongumba-Singa-Bangi ausgeführt werden.
Bei niederem Wasserstande hat die Gesellschaft für die Beköstigung
der europäischen Reisen bis zur Überschiffung zu sorgen.
Die Sätze für Transporte, die von einem Posten zum anderen ge-
bracht werden, werden, wenn keiner dieser Posten Brazzaville oder Wesso
ist, in der Weise gewonnen, daß man den Unterschied zwischen den
Sätzen berechnet, die oben für die Strecken zwischen den betreffenden
Posten und Brazzaville oder Wesso angegeben worden sind.
Liegt aber einer der Posten unterhalb Singa und der andere oberhalb
und ist der Transport bei niederem Wasserstande auszuführen, so wird
die Berechnung für den Transport von Europäern und von Gütern in
der Weise gemacht, daß die Strecke in 2 Stücke eingeteilt wird.
1. Von dem betreffenden Posten unterhalb bis nach Singa (Preis bei
hohem Wasserstande).
2. Von Singa zu dem Posten oberhalb (Preis bei tiefem Wasser-
stande). (Vgl. Beispiel auf S. 297.)
— 296
Kongo-Ubangi-Linie.
Von
Brazzaville ^)
nach:
Europäer
einschl.
Be-
köstigung
und Kabine
Franken
Ein-
geborene
bei Nicht-
benutzung
der Kabine
sind abzu-
ziehen
Franken Franken Franken
i
Güter- oder
Gepäck-
beförderung
pro Tonne
N'Gantschu •
Lefini
M'Puia
Mossaka
Bonga
Lukolela
Irebu
Liranga
N'Dundu
Bubangi
Balois
Mobenzelle
Bolembe
Desbordesville
Motzaka
Motaba
Ibenga
Betu
Ikumba
Mongumba oder Singa . . .
bei hohem Wasserstande .
bei niederem Wasserstande
Setia
bei hohem Wasserstande .
bei niederem Wasserstande
Bimbo
bei hohem Wässerstande .
bei niederem Wasserstande
Bangi
bei hohem Wasserstande .
bei niederem Wasserstande
45
55
65
165
170
180
200
220
230
245
260
275
290
304
312
320
325
355
375
375
360
380
368
395
398
400
400
IG
IG
IG
25
25
25
30
35
35
35
40
40
45
45
45
45
50
55
55
6g
6g
60
6g
60
6g
60
60
4
5
6
14
15
16
17
19
20
21
23
24
25
27
28
29
30
31
32
33
35
34
37
34
44
35
45
30
35
40
IGG
105
HO
125
140
145
150
165
175
i8g
190
195
200
205
220
230
235
220
24G
24G
249
285
250
290
^) Die ursprünglichen Sätze sind durch den Nachtrag vom Februar 191 1
abgeändert worden. Hier sind die abgeänderten, jetzt geltenden Sätze angegeben-
297
Kongo- Sanga- Linie.
von
BrazzaviUe*)
nach:
1 .Ur'ilM'T
Dli Ni. ht-
benutzung
der Kabine
sind abzu-
ziehen
I'iaiikcii I'"r.'mki-ii
ciiiächl.
Be-
köstigung
und Kabine
Ein-
geborene
IVarikoii
(iüter- oder
Gepäck-
beförderung
pro Tonne
I'raiikL-n
N'Gantschu
Bonga . .
Pikunda . .
Mossendie .
Ikelemba
Wesso . . .
Von Wesso nach:
Ngoila
Bomassa
Bajanga
Salo
Nola
45
170
275
305
320
360
10
25
45
50
55
60
Ohne Beköstigung
II
19
25
30
5
15
23
26
27
30
30
1 10
17' ■
ibb
195
220
40
4
27
6
48
8
63
10
75
Beispiel :
Befördeningssatz für einen europäischen Reisenden:
1. Von Puia nach Desbordesville .... 304 — 65=239 Franken
2. Von Setia nach Bimbo (niederer Wasser-
stand) 398—368= 30
3. Von Motzaka nach Bimbo (hoher Wasser-
stand) 395—312= 83
4. Von Motzaka nach Bimbo (niederer
Wasserstand) (398—360) (375— 312) = 101
Kinder unter 3 Jahren werden umsonst befördert. JFür Kinder von
3 — IG Jahren wird der halbe Satz, über 10 Jahre der volle Satz l>ezahlt.
Bei der Beförderung von Munition und Explosivstoffen erhöhen
sich die Sätze um die Hälfte.
Bei der Fahrt stromabwärts werden alle Sätze auf die Hälfte herab-
gesetzt.
Für die Beförderung von Geld erhebt die Gesellschaft ohne Rück-
sicht auf die Beförderungsstrecken einen Pauschsatz von 2 Franken
für 1000 Franken.
') Die ursprüngUchen Sät^e sind durch den Nachtrag vom Februar 1912
abgeändert worden. Hier sind die abgeänderten, jetzt geltenden Sä tie angegeben.
— 298 —
Die Beförderung von Tieren von Bangi oder Wesso nach Brazzaville
erfolgt zu folgenden Sätzen:
Pferde und Maultiere 50 Franken ohne Fütterung
Rinder 35 »
Esel 25 „
Für andere Strecken werden diese Preise herabgesetzt oder erhöht
entsprechend den Sätzen der obigen Preistafel, die sich auf die Tonnen-
fracht beziehen.
Postpakete werden zu dem Satze von 2 Franken pro Paket befördert,
ohne Rücksicht auf den Bestimmungsort. Ihr Gewicht und ihr Umfang
müssen sich nach den für den Postdienst zwischen dem Mutterlande
und der Kolonie geltenden Bestimmungen richten.
Artikel 10.
Verpflichtungen betreffend die Personal und das Schiffs-
material der Unternehmung.
Die Schiffsoffiziere und -Ingenieure müssen Franzosen sein, außer
wenn der Generalgouvemeur eine Abweichung gestattet. Diese Ab-
weichung ist ^\iderrufhch.
Die Schiffe fahren unter französischer Flagge und haben ihren
Heimatshafen in BrazzaviUe.
Der Mangel an Schiffsmaterial gibt auf keinen Fall der Gesellschaft
einen berechtigten Vorwand, den Schiffahrtsdienst zu unterbrechen.
Bei Schiffsverlust oder großer Havarie soU die Gesellschaft berechtigt
sein, das zu Verlust gegangene oder in Reparatur befindliche Schiff
durch ein anderes zu ersetzen, auch wenn dieses nicht allen vereinbarten
Anforderungen genügt. Das Schiff muß vorher durch die Verwaltung
zugelassen werden.
Für den Ersatz des außer Gebrauch gesetzten Schiffes wird eine
Frist von einem Jahre gewährt.
Artikel 11.
Anweisung für die vor dem Transport vorzunehmenden
Maßnahmen.
Die Transporte von Personen und von Gütern müssen auf vorherige,
von dem Vertreter der Zivil- oder Militärverwaltung unterzeichnete
Anforderung ausgeführt werden.
Die schrifthchen Anforderungen müssen über den Auftraggeber,
über Gewicht, Maße, Zeit usw. die nötigen Angaben erhalten. Die GeseU-
— 299 —
Schaft befördert für jeden Europäer Gepäck bis zu 200 kg und für jeden
Eingeborenen bis zu 20 kg umsf)nst.
Auf der Ubangi-Linie sind 10 Kabinenplätze und auf der Sanga-Linie
8 Kabinenplätze für die Reisenden der Venvaltung auf jedem regelmäßig
verkehrenden Dampfer sowohl flußabwärts wie -aufwärts frei zu halten.
Die Plätze werden nur bis 24 Stunden vor der regelmäßigen Abfahrt
freigehalten.
Die Gesellschaft ist verpflichtet, wenigstens 50 Tonnen Regierungs-
material auf jeder der Linien auf jeder Fahrt flußauf- oder abwärts
aufzunehmen. Die Ver^valtung hat 8 Tage vor der Abfahrt ihre voraus-
sichtliche Ladung schriftlich anzugel)cn und auf ihre Kosten spätestens
am Tage vor der Abfahrt an den Einschiffungsplatz zu befördern. Der
Vertreter der Gesellschaft, der die Waren angenommen hat, hat darüber
einen Empfangsschein auszustellen. Seine Unterzeichnung stellt den
Bestand bei der Einschiffung fest. Diese Feststellung ist allein für
Ersatzansprüche maßgebend.
Artikel 12.
X'orschriften über die Ausführung der Transporte.
a) Personenbeförderung. Die Höchstzahl der auf den einzelnen
Schiffen aufzunehmenden Eingeborenen wird durch die in Art. 13 ge-
nannte Kommission festgesetzt.
Für die Frachtboote wird die Höchstzahl der in einem Boote zu be-
fördernden Europäer und Eingeborenen wie folgt festgesetzt:
1 höherer Offizier;
2 Unteroffiziere;
2 Kadetten, Unteroffiziere oder Korporale (wenn die Reise im
Frachtboote länger als 2 Tage dauert) ;
3 Unteroffiziere, Korporale oder Soldaten (wenn die Reise im Fracht-
boote weniger als 2 Tage dauert);
20 Eingeborene.
Eingeborene dürfen niemals in Schleppbooten befördert werden.
Alle Reisenden der ersten Klasse, deren Plätze von der Verwaltung
angefordert worden, halx^n Anspruch auf kostenfreie Beförderung eines
eingeborenen Dienstboten.
b) Güterbeförderung.
Zur Güterbeförderung gehört die Annahme, Einschiffiuig. Umladung
und Ausschiffung der Güter, die längs der Ufer aufgenommen oder aus-
geladen werden sollen.
— 300 —
Die Gesellschaft verpflichtet sich, in Brazzaville die Güter, die ihr
übergeben werden, umsonst in Lagerung zu nehmen. Die Gesellschaft
übernimmt volle Verantwortung für die Lagerung; Feuersgefahr aus-
genommen. Dies gilt nicht für Munition und Explosivstoffe.
c) Postbeförderung.
Postsachen werden auf allen Linien des vorüegenden Vertrages,
auf Neben- und Verlängerungslinien, die die Gesellschaft freiwillig ein-
richtet, während des ganzen Bestehens dieser Linien befördert. Die
Gesellschaft erhält dafür einen jährlichen Beitrag von loo Franken und
während der Vertragsdauer Befreiung von allen Schiffahrts-, Hafen-
und Quaiabgaben. An Bord eines jeden Schiffes muß ein sicherer und
verschließbarer Platz vorhanden sein, der zur Aufnahme von Brief-
schaften geeignet ist. Ein vorschriftsmäßiger Briefkasten ist durch die
zuständige Verwaltungsbehörde auf Deck des Schiffes anzubringen.
Artikel 13.
Verantwortlichkeit. Vertragsstrafen.
a) Wenn die in Art. 5 angegebene Höchstdauer der Fahrzeit über-
schritten wird, hat die Gesellschaft eine Vertragsstrafe von 100 Franken
für den ersten Tag, von 200 Franken für den zweiten Tag und von 500
Franken für den dritten Tag und für jeden weiteren Tag zu zahlen, aus-
genommen den Fall höherer Gewalt.
Als Fälle höherer Gewalt werden betrachtet:
1. Plötzhch eintretender Niederwasserstand;
2. Schiffsverlust und große Havarie, die das Schiff zum Stilliegen
zwingen ;
3. Tod oder Krankheit des Kapitäns auf der Fahrt;
4. die UnmögHchkeit, die notwendige Besatzung zu bekommen.
Außerdem hat die Gesellschaft den Reisenden den aus der Ver-
spätung erwachsenden Schaden zu ersetzen.
Wenn ein zu Verlust gegangenes Schiff nicht innerhalb der in Art. 10
festgesetzten Zeit ersetzt wird, hat die Gesellschaft eine Vertragsstrafe
von 1000 Franken für jeden Verzugsmonat zu zahlen.
b) Verlust und Havarie.
Der Unternehmer ist haftbar für alles, was ihm übergeben worden ist.
Verloren gegangene oder unbrauchbar gewordene Güter hat er zum
Selbstkostenpreise plus 25% zu ersetzen. Munition und Explosivstoffe
befördert er unter seiner eigenen Verantwortlichkeit.
Er ist der Verwaltung vollständig für die beförderte Geldsumme
haftbar und muß bei Verlust, außer im Falle höherer Gewalt, den ganzen
— 301 —
Betrag ersetzen. Bei Havarien und lx?i \"erlust von einzelnen Stücken
werden die erforderlichen Feststellungen durch eine besonders ernannte
Kommission getroffen.
c) Aufhebung des Schiffahrtsdienstes.
Wenn der Unternehmer den Schiffahrtsdienst unterbricht, und
die Verwaltung ihn ohne Erfolg in Verzug gesetzt hat, kann sie den Ver-
trag unter Verfall der Kautionssumme aufhel)en, oder den Schiffahrts-
dienst auf Kosten und Gefahr des Unternehmers weiterführen.
d) Verstöße gegen die Bestimmungen des vorliegenden
Vertrages.
\'erstöße gegen den vorliegenden \'ertrag werden den lx?teiligten
Dienststellen angezeigt.
Jedes Schiff muß ein Beschwerdebuch führen, das jedem Reisenden
auf Verlangen für Eintragungen vorgelegt werden muß. Das Beschwerde-
buch ist bei der Rückkehr jedes Schiffes dem Leutnant-Gouverneur
von Mittel-Kongo vorzulegen. Bei schweren oder wiederholten \'er-
stößen kann der Vertrag aufgelöst werden, mit ganzem oder teil weisem
Verfalle der Kautionssumme.
Zur Abnahme des Schiffahrtsmaterials und zur Überwachung des
Dienstes an Bord wird eine ständige Über^vachungskommission ernannt.
Artikel 14.
Kaution.
Die Ausführung des vorliegenden Vertrages wird durch eine Kaution
von 10 000 Franken sichergestellt, die am 15. Januar 1901 in Paris
hinterlegt worden ist.
Artikel 15.
a) In dringenden Fällen, wie Krieg, Aufstände, Epidemien, wird
die Verwaltung sich zuerst an den Konzessionär wenden, der ihr sofort
mitzuteilen hat, ob er in der Lage ist, die notwendigen Transporte in
den angegebenen Fristen und zu den Sätzen des vorliegenden \'ertrages
auszuführen.
\\'cnn der Konzessionär dazu nicht in der Lage ist, kann die Ver-
waltung ilire Transporte durch die Transportmittel ausführen lassen,
die sie für geeignet hält. Die Verwaltung hat Rückgriff gegen die Gesell-
schaft, wenn die Mindestkosten nicht eingehalten werden konnten.
b) Aus außerordentlichen jxilitischen Gründen und im Kriegsfälle
kann der Generalgouverncur ein oder alle Schiffe des Untcrnelimers
anfordern, um die notwendigen Truppenbeförderungen vorzuneiimon.
— 302 —
In diesem Falle werden der Gesellschaft folgende Entschädigungs-
sätze bezahlt: 1500 Franken pro Tag für jeden großen Dampfer, 1000 Fran-
ken für jeden mittleren Dampfer und 500 Franken für jeden kleinen
Dampfer.
Artikel 16.
Die Gesellschaft kann mit einem anderen Transportunternehmer
einen Untervertrag wegen der Transporte schließen. Die Verwaltung
behält sich das Recht der Genehmigung vor. Die Mess. Fluv. bleibt aber
der Verwaltung allein haftbar.
Artikel 17.
Streitigkeiten.
Alle Streitigkeiten bei Anwendung oder Auslegung der Bestimmungen
des vorliegenden Vertrages werden im Verwaltungswege und in letzter
Instanz durch den Conseil d'ßtat entschieden.
Artikel 18.
Die Gesellschaft muß für jeden Auftrag eine Rechnung in dreifacher
Ausfertigung vorlegen. Die Transporte werden in Brazzaville bezahlt.
Artikel 19.^)
Artikel 20.
Artikel 21.
Brazzaville, den 2. November 1910. (Februar 1911.)
Der Präsident des Verwaltungsrates Der Generalgouvemeur
der von
Societe des Messageries Fluviales. Französisch-Äquarorial-Afrika.
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^) Die folgenden Artikel interessieren hier nicht.
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— 303 —
2. Vertrag.
Zwischen den Unterzeichneten
der Sociötö Anonyme „Las Messageries Fluviales du Gingo" mit einem
Aktienkapital von 2 Millionen Franken') in Paris
einerseits
und der Compagnie Fran^aise du Congo*)
andererseits
kam folgender Vertrag zustande:
Artikel i.
Die Mess. Fluv. verpflichtet sich, für die Cie. Fran^. du Congo alle
Personen- und Gütertransporte zu Wasser und alle Schiffsvermietungen
zu besorgen, die diese von Brazzaville oder der Umladestelle zwischen
Schiff und Eisenbahn nach jedem anderen Festlandspunkte Afrikas,
besonders nach ihren Konzessionsgebieten in Französisch-Kongo aus-
zuführen hat. Die Mess. Fluv. ist jedoch nur verpflichtet, den Schiff-
fahrtsdienst auf dem Kongo , Ubangi und Sanga zu unterhalten. Die
vorliegende Verpflichtung bezieht sich auf die Fahrten flußauf- und
-abwärts.
Artikel 2.
Diese Verpflichtung der Mess. Fluv. wird von der Cie. Fran^. du
Congo unter der Bedingung angenommen, daß sie durch dieses über-
einkommen endgültig gegenüber der Kolonial-Verwaltung von allen
Verpflichtungen entlastet wird, die sich auf die im Dekrete und im Lasten-
hefte angegebene Dampfschiffahrt auf dem Ubangi und Sanga und auf
allen anderen, Dampfschiffen zugänglichen Stellen des Konzessionsge-
bietes beziehen.
Die Cie. Franc;, du Congo bleibt aber gegenüber der \'erwaltung
während zweier Jahre zusammen mit der Mess. Fluv. für ihre Schiff-
fahrtsverpflichtungen haftbar; die letztere verpflichtet sich aber, diese
Verpfhchtung sicherzustellen.
') Inzwischen erhöht auf 3 Millionen Franken.
") Ob die mit den anderen Konzcssionsgescllschaftcn abgeschlossenen Ver-
träge mit dem obigen Vertrage gleiclilauten, konnte bisher no. h m.lit frstpcstcllt
werden.
— 304 —
Artikel 3.
Die vorliegenden Vereinbarungen treten erst in Wirksamkeit,
wenn sie von der Verwaltung angenommen werden und die Cie. Frang.
du Congo von den in Art. 18 genannten Verpflichtungen entlastet wird.
Wird das Übereinkommen von dem Ministerium nicht innerhalb eines
Jahres angenommen, so kann die Cie. Fran9. du Congo von diesen Ver-
einbarungen bei Ablauf dieser Frist einseitig zurücktreten.
Artikel 4.
Die Cie. Fran?. du Congo gibt dagegen der Mess. Fluv. für die Dauer
des vorliegenden Vertrages das Monopol für alle ihre Transporte und
Schiffscharterungen vom Stanley-Pool bis zu ihrem Konzessionsgebiete
(hin und zurück).
Die Cie. Frang. du Congo kann aber jederzeit kranke oder zurück-
gerufene Angestellte mittels anderer Beförderungsmittel zurückbringen.
Das gleiche gilt für den Hin- und Rücktransport jedes Inspektors.
Artikel 5.
Von dem Abschlüsse dieses Übereinkommens an werden die Sätze
für die genannten Transporte nach dem diesem Übereinkommen ange-
fügten Tarife festgesetzt. Die Preise können während der ersten 3 Jahre
nicht erhöht werden. Später können sie nur dann erhöht werden,
wenn die Mess. Fluv. nachweist, daß der Dividendenschein für das letzte
Geschäftsjahr mit weniger als 30 Franken bezahlt worden ist. Der Cie.
Frang. du Congo erwächst daraus aber nicht das Recht, die Aufstellung
der Jahresrechnung zu prüfen.
Artikel 6.
Die Mess. Fluv. verpflichtet sich auf jeden Fall, die Hin- und Rück-
transporte zu den niedrigsten Sätzen auszuführen, die sie irgendeinem
anderen mit Ausnahme vom französischen Staate imd der Kolonie
gewährt. Die Cie. Fran?. du Congo muß immer als die Meistbegünstigte
behandelt werden.
Artikel 7.
Das oben verliehene ausschließhche Beförderungsrecht hört auf,
wenn die Mess. Fluv. emen Transport der Cie. Frang. du Congo innerhalb
2 Monate von dem Tage des Auftrages an nicht ausführen konnte. Die
Fahrtdauer ist in dieser Frist nicht mit eingerechnet. Ist diese Frist
und nach schriftlicher Inverzugsetzung eine weitere Frist von 8 Tagen ab-
— 305 —
gelaufen, so kann die Cie. Fran<;. du Congo den betreffenden Transport
beliebig ausführen lassen. Die Frist vun 8 Tagen läuft von dem Tage an,
an dem die Inverzugsetzung schriftlich am Sitze der Mess. Fluv. einge-
troffen ist.
Artikel 8.
Das gleiche gilt, wenn die Konkurrenz der Cie. Franc;, du Congo
um 15% niedrigere Sätze anbietet, als die Mess. Fluv. Wenn in diesem
Falle die Mess. Fluv. nach Inverzugsetzung und .\blauf der achttägigen
Frist (wie in Art. 7) ihre Sätze nicht so weit herabgesetzt hat. daß sie
nicht mehr als 15% über denen der Konkurrenz stehen, kann die Cie.
Fran^. du Congo den betreffenden Transport nach Belieben ausführen
lassen.
Die Cie. Fran?. du Congo muß in diesem Falle der Mess. Fluv. das
ihr gemachte Anerbieten schriftlich vorlegen. Die unten angegebene
Auflösung dieses Vertrages ist aber nur dann zulässig, wenn die Mess.
Fluv. nach dem Inhalte des Anerbietens imstande ist, das Anerbieten
selbst auszuführen.
Diese Bestimmung kann erst 3 Jahre, nachdem der vorhegende
Vertrag endgültig geworden ist, geltend gemacht werden.
Artikel 9.
Der vorhegende Vertrag beginnt von dem Tage an zu laufen, wo
er endgültig geworden ist, nämlich an dem Tage, an dem er von dem
Kolonialminister gemäß Art. 2 genehmigt worden ist. Der Vertrag
läuft bei Ablauf der Konzession der Cie. Fran?. du Congo ab.
Artikel 10.
Die Cie. Franc;, du Congo kann den vorhegenden Vertrag voll und
ganz und ohne weitere rechtliche Förmlichkeiten auflösen, wenn sie
dreimal innerhalb von 2 Jahren in die Notwendigkeit versetzt worden ist,
von den Bestimmungen der Art. 7 oder 8 Gebrauch zu machen. Die In-
verzugsetzungen müssen innerhalb einer Zeit von 3 Monaten stattgefunden
haben, wenn sie die Wirkung der Vertragsauflösung haben sollen.
Artikel 11.
Die Cie. Fran^. du Congo kann den Vertrag auch dann auflösen,
wenn ihr Vertreter nicht mehr unter die Mitglieder des Ver\valtungsrats
der Mess. Fluv. aufqendmnien wird.
Veröffentl. d. Reicb^kolonialamtes Nr. 4 : Rittrr
ao
— 3o6 —
Artikel 12.
Wenn die Cie. Fran?. du Congo von einer der obigen Auflösungs-
bestimmungen Gebrauch macht, bleibt sie gleichwohl gegenüber dem
Staate von ihren Schiffahrtsverpflichtungen durch die Mess. Fluv. ent-
lastet. Sie hat aber für den Rest der Vertragszeit für diesen Dienst fol-
gende Sätze zu zahlen:
Während der noch bleibenden Restzeit des ersten 10 jährigen
Zeitraums
für ein großes Schiff pro Jahr 5000 Franken
„ „ kleines „ „ „ 2500
während des zweiten Zeitabschnittes von 10 Jahren
für ein großes Schiff pro Jahr 2500
„ „ kleines „ „ „ 1250
während des Restes der Konzessionsdauer
für ein großes Schiff pro Jahr 1250 „
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Artikel 13.
Die Mess. Fluv. darf sich niemals unter irgendeinem Rechtstitel
auf dem Konzessionsgebiete oder einem Reservate innerhalb des Kon-
zessionsgebietes niederlassen, außer in Bangi oder Wesso. Sie darf niemals
außer im Einvernehmen mit der Cie, Frang. du Congo in den genannten
Gebieten irgendwelche Geschäfte machen, soweit diese nicht für die
Versorgung von Lebensmittel und Heizmaterial notwendig sind. Sie
darf keine Schwarzen ausführen.
Die Mess. Fluv. du Congo verpfhchtet sich ausdrücklich, keinen Ge-
brauch von dem in Art. 2 des ersten Titels des Lastenheftes für Dritte
gemachten Vorbehalte zu machen.
Sie verpfhchtet sich ebenso bezüghch der Cie. Fran?. du Congo
keinen Gebrauch davon zu machen, was Abs. 2 Art. 3^) ihrer Satzungen
bestimmt.
Artikel 14.
Bei Streitigkeiten über die Ausführung des vorliegenden Vertrages
sollen die Gerichte des Departement de la Seine ausschheßhch zustän-
dig sein.
Paris, den 9. August 1900.
1) In den Satzungen von 1907 der Mess. Fluv. hat der Art. 3 nur einen einzigen
Absatz. Es soll vermutlich Art. 2 Abs. 3 heißen.
— 307 —
Tarif
der Socit^tö des Messageries Flu\iales du G5ngo.
Anwendbar für die Compagnie Frant^aise du Congo zwischen Stanley-
Pool und Litanga und zurück. Für weiter entfernte oder nähere Platze
erfahren die Sätze dieses Tarifs einen entsprechenden Auf- oder AIjschlag.
Güter 1000 kg
Flußaufwärts 315 Franken
Flußabwärts: Elfenbein 315
Kautschuk 240 ,,
Reisende.
Weiße: Flußaufwärts 145 Franken
Flußabwärts iio ,,
Schwarze: Flußaufwärts 60
Flußabwärts 45
Zusatz :
Waren, wie Pulver, Petroleum, Säuren, erfahren einen Aufschlag
von 50%.
Sendungen von mehr als 300 kg werden nach vorher vereinbarten
Sätzen befördert. Sendungen von mehr als 140 kg zahlen einen Aufschlag
von 25% auf den Tarif.
Sendungen, deren Dichtigkeit unter 0,7 ist, zahlen nach dem Gewehte,
daß die Multiphkation ihres Umfanges mit 0,7 ergibt.
Sanga-Linie.
Güter: Flußauf- und -abwärts. In Franken.
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Bei den Preisen ist Beköstigung und 100 kg Freigepäck einge-
schlossen.
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Weiße Reisende: Flußabwärts. In Franken.
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Bei den Preisen ist Beköstigung und 100 kg Freigepäck mit einge-
schlossen.
— 309 —
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Bei diesen Preisen ist Beköstigung nicht mit eingerechnet. Jeder
Reisende hat Anspruch auf freie Beförderung von 20 kg Gepäck.
Für die Beförderung von Eingeborenen von einem nicht angegclx*nen
Punkte nach einem benachbarten besteht der Einheitssatz von 5 Franken.
Abkürzungen.
Afr. fran?. = L'Afrique Fran9aise.
Cie. = Compagnie.
decr. = Dekret.
Journ. Off. = Journal Officiel de la Republique Fran9aise.
L. H. = Lastenheft.
Mouv. geogr. = La Mouvement Geographique.
Ste. = Societe.
Die übrigen, abgekürzten Literaturangaben beziehen sich auf die den
einzekien Abschnitten vorgedruckte Literatur, wo die vollständigen Titel ange-
geben sind.
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557 Neu-Kamerun
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