Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http: //books. google .com/l
m0k0k^A
• • 1.
0160Q
s*.
-<j*
Norwegen
und
die deutschei^ Seestädte
bis zum ScMusse
des
dreizehnten Jahrhunderts.
Von
Julius Harttung,
PriY»t-Dooent »n der Univenitit Tttbingen.
Berlin.
Verlag von Wilhelm Hertz.
(Besaeneke BneUumdliuig.)
1877. ^
Paris. 0. Klinokiieok. 11, me de Lille. \
Seinem Freunde
Friedrich von Üuhn
In Grieohenland,
zur Erinnenmg an die Heimath.
*.
I
Vorbemerkungen.
Die Arbeit, welche ich hiermit der Oeffentüchkeit übergebe,
ist auf Anregung meines älteren Freundes Dr. K. Koppmann
entstanden. Ursprünglich sollte sie nur die Verwickelungen
zum Gegenstande nehmen, die in den achtziger Jahren des
13. Jahrhunderts zwischen Norwegen und den deutschen See-
städten ausbrachen, und es war ihr demgemäss auch nur der
bescheidene Raum eines Aufsatzes zugedacht; doch im Laufe
der Thätigkeit empfand ich zunehmend das Bedürfniss die
Grenzen zu erweitern, die Sache in ihrem Ursprünge und ihren
Ausklängen möglichst allseitig zu behandeln. Ob es sich ver-
lohnt bat, überlasse ich der Entscheidung des Lesers. So viel nur
verstatte ich mir zu bemerken, dass wir hier zum ersten Male
die Geschichte des kleinen lose gefügten Bundes der wendischen
Seestädte zu der des Nordens anschwellen sehen, dass wir hier
im 13. Jahrhundert bereits den Donner der politischen Gewitter-
wolken, welche fern an den Felsenwänden Norwegens emporstie-
gen, bis Schottland und England, Holland, Westfalen und Riga,
ja, bis an den Hof des deutschen Kaisers vernehmen. Diese Wcit-
schichtigkeit des Stoffes nöthigte mich, auf die innere Geschichte
der verschiedenen nördlichen Reiche und einzelner Städte ein-
zugehen, um erst die mannichfaehen Faden klar zu legen und
sie alsdann in das grosse Knäuel hineinwirren zu können. Zu-
gleich kam es mir darauf an, die Entwickelung der Rechte
des deutschen Kaufmannes in Norwegen zu zeigen; ich konnte
dieser Aufgabe nicht gerecht werden, ohne die dozelnen Pri-
(
— VI —
vilegien in ihrer lockeren Breite zu erörtern, es einem spä-
teren Geschichtsschreiber der Hanse überlassend, sich hieraus
den gedrungenen Kern zu erlesen.
Begonnen ist die vorliegende Monographie in einer Zeit,
wo der erste Band des hansischen Urkunden Buchs noch nicht
erschienen war und hatte ich dadurch Gelegenheit das grosse
Verdienst, welches sicU Dr. K. Höhlbaum durch die Herausgabe
desselben um die hansische Geschichte erworben hat, vollauf
zu empfinden. Dass ich dennoch, zumal in der Zeitbestimmung
undatirter Urkunden, bisweilen glaubte von ihm abweichen
zu müssen, ist ein Ergebniss selbständiger Durcharbeitung des
Stoffes, welches sich gar leicht bei zweifelhaften Fragen her-
auszubilden pflegt. Hier kam noch besonders in Betracht, dass
der Ausgangspunkt beiderseits ein völlig verschiedener war:
Höhlbaum sammelte als hansischer Geschichtsforscher, ich
fusste auf Norwegen.
Dabei ereignete es sich denn, dass ich auf zwei bisher
übersehene Urkunden stiess, von denen es billig erscheinen
durfte, dass sie bei dieser Gelegenheit ihrer Vergessenheit ent-
zogen würden, obwohl ich ohne Weiteres einräumen musste,
des Alt-Nordischen nicht in der Weise Herr zu sein, um als
besonders geeigneter Herausgeber alt-nordischer Texte zu gel-
ten. Sollten sich darin also, oder bei der Uebertragung der-
selben in die Muttersprache, einige Irrthümer eingeschlichen
haben, so bitte ich mit meiner Schwäche Nachsicht zu üben.
Schliesslich erübrigt mir noch, unter denen die mir mit
Bath und That zur Hand gingen, des Herrn Conferenzrath
C, F. Wegener, des Directors des kgL Geheimarchivs in Kopen-
hagen, und des Herrn Prof. W. Mantels in Lübeck dankend
zu gedenken. Ersterer sandte mir auf das Bereitwilligste
die Abschrift der im Anhange gegebenen Urkunden und be-
gleitete sie mit erläuternden Notizen, während der letztere
mir mit nicht geringerer Bereitwilligkeit wiederholt entge-
gen kam«
Tübingen, im März 1877.
Jul. Harttung.
Inhalt.
Norwegen, Land und Volk 1, 2. Producta 2, 3. Die Vikingerzüge 8, 4.
Beginn friedlicher Beziehungen zwischen Norwegen und England 5. Das
Ghristenthum 5, 6. Hamburg-Bremer Metropolitanverband 6, 7. Archi-
tectur 7, 8. Städtegründungen in Norwegen 8, 9. Bergen 9 — 11. Aus-
breitung des Handels 12, 13. Der erste auf Norwegen bezügliche Handels-
tractat 14. Deutsche in Norwegen 15. Sie treten hervor 15. Verhältniss
der Fremden zu den Norwegern 16. In Norwegen nicht die richtigen
Elemente für den Handels- und Handwerkerstand 16, 17. Vordringen
des deutschen Einflusses 17, 18. Deutsche Sagenstoffe im Norden 18.
Die einzelnen Städte und Landschaften treten mit Norwegen in Verbin-
dung: Bremen, Hamburg, Holland 19. Wisby 20. Lübeck 21. Erstes
Zerwürfniss zwischen Lübeck und Norwegen 21 — 25. Ferneres Verhalten
von Deutschen und Norwegern unter Hakon Hakonson 25, 26. Bechtliche
Stellung der Deutschen in Norwegen 26, 27. Stetes Vordrängen der
Deutschen unter Magnus Lagabätter 27, 28. Lübecks Aufschwung und
Führerstellung an der Spitze einer Conföderation, auf deutschem Boden
28, 29; im Auslande 30, 81* Bremens Sonderprivilegium von Magnus
Lagabätter 81. Linere und äussere Politik der Könige Magnus und Erich
Priesterfeind 82. Norwegen und Schottland 82. Norwegen und Eng-
land 88. Kampf des norwegischen Staats gegen die Kirche 83 — 85. Zu-
stande in Dänemark 85. Bund zwischen Lübeck und Wisby 85, 86.
Erstes Zerwür&iss der Städte mit Norwegen beigelegt 86, 87. DerErlass
vom 16. September 1282 87, 88. Bückwirkung desselben 88, 39. Däne-
mark und Norwegen 89, Dänemark und die Seestädte 40. Erweiterung
des Friedensbündnisses für die Ostsee 40. Die pommersch- brandenbur-
gische Fehde 40. Rostocker Landfriede 41—48, Erweiterung des Bun-
des 48. Lübeck und Stettin 44. Der Lübecker Bath und verschuldete
Fürsten 44, 45. Hamburg und Brandenburg 45, 46. Lübeck und Däne-
mark 46. Lübecks Bemühen um Wiederherstellung des Friedenszustan-
des 47. Vierraden 47, 48. Verhandlungen der Städte über die norwegi-
Dei einer Länge von mehr als 250 geographischen Meilen
erstreckt sich die skandinavische Halbinsel in südwestlicher Eichtung
vom Eismeere bis an die inselreichen dänischen Gewässer. Gegen
Osteij ist sie durch die Ostsee, den bottnischen Busen und eine Senke
grosser Seen von dem östlichen TieflaiKde geschieden, im Westen
durch eine alpine Mauer gegen den Ocean gegürtet. Die Zinnen
und Pforten der letzteren bilden seit grauer Sagenzeit das langgedehnte
Beich Norwegen; das Land der Gegensätze; den schwarzen Felsblock,
wie man es genannt hat. Dunkele Gebirgsmassen thürmen sich hin-
ein in die Eegionen des ewigen Schnees; in grauenvoller Einsamkeit
glitzem Quadratmeilen umfassende Eisfelder^ die hier und dort den
Silberstreif eines Wassers entsenden, das nach kurzem wild bewegtem
Laufe mit dumpfem Falle in einen Abgrund stürzt. Wandert man
über die Bergfläche (Field), steht man oft plötzlich an seinem Rande
und erblickt unten in einer schwindelnd senkrechten Tiefe von mehr
als 1000 Fuss das weite buchtenreiche Meer, hier und dort auf-
ragende Inselfelsen, die, wie vorgeschobene Posten, den Anprall der
Fluthen brechen. Eigentliche Ebenen giebt es in Norwegen nicht,
nur in der südlichen Abdachung nach dem Skager Back zu, drängt
sich ebenes Land stellenweis zwischen die Bergrippen hinein und
gestattet die Bildung einiger grösserer Flüsse. Das Klima ist ocea-
nisch: feuchte neblichte Dunstkreise, häufiger Regen, gelinde Winter
und kalte Sommer. Sieben lange Monate, vom October bis April,
ruht die Pflanzenwelt versenkt in tiefen Schlaf; im Mai erwacht sie,
rasch schmilzt der Schnee und bald grünt und blüht es überall, wo
nur immer eine Scholle dem Wurzelgetriebe Raum bietet. Im süd-
lichen Norwegen gedeihen an geschützten Stellen noch Weinstöcke
und Aprikosen, im Drontheimer Eessd^ reift noch Obst, und am Fusse
Harttang, Norwegen. 1
{
— 2 —
des steilen Nordcaps lächelt noch der rothe Stern der Waldnelke
und das blaue Auge des Vergissmeinnichts. Im westlichen und nörd-
lichen Norwegen finden sich grosse Laubwälder, doch sind die Nadel-
gehölze häufiger und für das Land von grösserer Wichtigkeit. Hoch
oben auf den Bergesgipfeln, wo nur noch die Zwergbirke ein küm-
merliches Dasein zu fristen vermag, beginnt der Gürtel der Gebirgs-
grasarten, der die herrlichsten Weiden bietet. Von den 5800 Quadrat-
meilen, welche Norwegen jetzt an Flächeninhalt umfasst, sind nur
116 dem Ackerbaue gewidmet, die Hauptmasse ist aller Cultur unzu-
gänglich, doch beleben Milliarden von Fischen, Vögeln und Kobben
die klippenstarrenden Gewässer der Fjorde. Die Einwirkung des
Golfstroms, der die Gewässer der Nordwestküste durchwärmt, hält
sie bis zum Nordcap von Eisbergen frei; wenige hundert Schritte
von den Eisfeldern entfernt grünen oft die üppigsten Aecker; furcht-
bare Stürme und starke Gewitter machen die langen Nächte der
langen Winter unheimlich • und es ist durchaus nichts Unerhörtes,
dass ein verspäteter fusstiefer Schneefall die Maigefilde überdeckt,
ein vorzeitiger Frost schon im September Blätter und Blumen er-
starren macht, oder der Juli Hagelschlossen von der Grösse einer
Nuss auf die Kornfelder schleudert.
Der Natur des Landes entsprechen die Menschen, welche es
bewohnen, in etwa nur halb so grosser Anzahl, wie die der einen
Stadt London. Sie sind von starkem, regelmässigem Gliederbaue,
sind geistig begabt, redlich, gastfrei, kühn, abenteuerlustig und streit-
süchtig-, voll von Freiheitsliebe und kochenden Leidenschaften, die
unter einem lustigen lebensfrohen Auftreten verborgen ruhen. In
alten Zeiten waren sie verrufen wegen Grausamkeit, Völlerer, Mord-
und Wollust 1), berühmt als Meister des Gesanges.
Wie wenigen Völkern sind die Landesproducte und damit die
Handelsgegenstände den Norwegern scharf umgrenzt, jene bestehen in
den Erzeugnissen des Meeres, des Waldes, der Weide und des Gesteins,
*) Der Bericht Adams von Bremen IV. cap. 30, dass die Normannen die
enthaltsamsten aller Sterblichen seien, indem sie sowohl in Speisen, wie
in Sitten Sparsamkeit und Massigkeit mit dem höchsten Eifer üben, zeigt
nur zu deutlich, dass er nicht auf eigener Anschauung beruht (vergl.
IV. cap. 20); er widerspricht nicht nur IH. cap. 20, sondern auch den
ausführlichen Erzählungen der Sagas (wo berauschte Könige durchaus
nicht zu den Seltenheiten gehören), und in gleicher Weise dem Anonymus
de profectione Danorum: Langebeek, Script, V. S. 352, 353.
— 3 —
es mangelt an denen des Ackers. Da nun aber Yegetabilien den vor-
nehmsten Nahrangszweig aller gesitteten Kationen zu bilden pflegen,
so ist die Einfahr, d. h. der Handel mit denselben eine Natur-
nothwendigkeit für das Reich. Wie denn auch schon früh in den
Volksrechten aufgenommen ward, dass nur der König das Recht
habe, eine Hemmung des Komhandels zu verfügen. Der Hauptreich-
thum des norwegischen Bauern besteht jetzt in Rindvieh, Schafen
find Ziegen, theilweise auch in einem unverhältnissmässig grossen
Pferdestande; im Alterthume werden Sklaven, Pferde, Rinder und
Schweine genannt Schwelgt das Vieh im Sommer auf üppiger Berg-
weide, so begnügt es sich dafür im Winter mit Moos, Baumrinde
und Fischköpfen ^); bis zum Anfange des vierzehnten Jahrhunderts
ernährten sich die Pferde ausschliesslich von Gras, erst da brachte
ein angesehener Mann die Fütterung mit Hafer auf, welche ihm
den Beinamen Pferdekom eintrug.
Meer, Naturell und Mangel an Ackerbau wiesen die Normannen
früh auf Fahrten *). Sobald der Jüngling erwachsen war, ging er zu
Schiff, erkämpfte sich seine Mannhaftigkeit mit Schwert und Ruder,
trieb Seeraub in aller Herren Länder und half mit den Schätzen
der Fremde der Dürftigkeit seiner Heimath ab. Waren die Nor-
mannen doch wahrscheinlich von seewärts zuerst in das Land ge-
drungen! Das mit verschwenderischer Pracht ausgeschmückte, vom
in den Kopf eines Ungeheuers auslaufende Drachenschiff, welches
schaumsprühend auf den Wogen dahintanzte, war ihr Stolz, ihre liebste
Behausung und oft ihre Grabstätte. In der ältesten Zeit, da noch
der Nebel des Geheimnissvoll -Schauerlichen sich über die Fluthen
breitete, hielt sich der Steuermann gern noch in Sicht der Küsten,
lenkte er den Hintersteven seines gehorsamen „Wurms" höchstens
bis Dänemark und in die Ostsee; aber bald wuchs sein Gesichtskreis
mit der Freude am Wagniss, bald trotzte er matten auf dem breiten
Bücken der Nordsee, jeder Schranke Hohn sprechend. Jetzt sahen
denn auch die zitternden Bewohner sämmtlicher Küsten Westeuropas,
selbst die der mauretanischen, italienischen und griechischen ihre
schnellen Ruder und Segel und ihre hohen Gestalten mit dem blonden
*) Vergl. unter Anderem : Blom, das Königreich Norwegen I, S. 133, 135.
*) Adam v. Bremen IV. cap. 30 bemerkt, dass die Normannen arm seien
and durch Mangel am Nothwendigen gezwungen, in der ganzen Welt
umherzuschweifen.
1*
— 4 —
Flatterhaar und den furchtbar blitzenden, blauen Augen-, die Eis-
blöcke, welche Island und Grönland umstarrten, konnten sie nicht
abschrecken, ja, schon ein halbes Jahrtausend vor Columbus haben
sie jenen Welttheil entdeckt, der dem Eifer deutscher Gelehrten sei-
nen heutigen Namen Amerika verdankt Doch die Normannen waren
ein Volk von zu grosser innerer Consistenz, um es an blossen Aben-
teuern genug sein zu lassen und die Länder, gegen welche sie ihre
Kiele trieben, waren zu reich und einladend, um nicht den Wunsch
zu erwecken, sich dort dauernd anzusiedeln. Im Laufe des neunten
und zehnten Jahrhunderts Hessen sie sich an den Gestaden der Nor-
mandie, bei der Mflndung der Loire, am Ausfluss der Rhone und
Somme und auf Walcheren nieder; die Angelsachsen rangen mit
ihnen einen verzweifelten Kampf, der durch die Abtretung der
nördlichen Hälfte an dänische Heerkönige nicht beendet werden
konnte; in Dublin begrtlndete der Stamm Ivars ein Reich, in
Waterford, Cork und Limmerik bestanden eigene norwegische
Staaten, auf den Orkneys herrschte ein norwegischer Jarl, auf den
Hebriden hatte das keltische Element dem norwegischen weichen
müssen, die Faröer traten unter norwegische Hoheit, die Insel Man
wurde tributpflichtig, und selbst Island erlag nach glücklicher Freiheit
den Beeinflussungen des Königs Hakon Hakonson ^), Waren durch die
Natur des Landes die Gegenstände des Handels bedingt, so durch
die blutigen Runen, welche das Schwert grub, durch Verwandtschaft
der Nationalitäten und politische Wechselwirkungen die Gegenden,
mit denen sich Handelsverbindungen anknüpften; mit England und
Dänemark.
Bei der naiven Art, womit in jenen frühen Zeiten Seeraub und
Handelserwerb Hand in Hand gegangen ist, scheint es, als ob sich
bereits im Laufe des neunten Jahrhunderts am Ausflusse des Laaven
in das Skager Rak ein nennenswerther Handelsplatz in Skiringssal
gebildet habe*), sicher ist, dass schon in der ersten Hälfte des
*) Vergl. Manch, das heroisohe Zeitalter der nordisch-germanisohen
Völker, II, S. 108 ff., 181 ff., 189 ff. Maurer, Bekehrung des norwegischen
Stammes, I, S. 48—88, 121 ff. Maurer, Island, S. 2, 3, 25, 26, 98 ff.
Worsaae, Die Dänen und Nordmänner in England, Schottland und Irland,
S. 2 ff. u. A.
*) Munoh, Det norske Folks Historie L 1, S. 880, 881 sagt mehr über
den Handel von Skiringssal, als sich beweisen lässt. Yergl. auch Munoh,
die nordisch-germ. Völker I, S. 262 f.
— 5 —
zehnten Jahrhunderts ein Unterkönig von Westfold regieren konnte,
den man Björn den Eanfinann nannte, da er Eaufechiffe auf der
Fahrt nach ausländischen Häfen hielt, und seine Hauptstadt Tunsberg
nicht nur von inländischen Schiffern, sondern auch von Dänen und
Sachsen, d. h. wohl vornehmlich von Angelsachsen, besucht wurde ^).
Durch die Vikingerzüge eingeleitet und ununterbrochen aufrecht er-
haltene Beziehungen gefördert, begab sich der norwegische Händler
schon früh mit Fischen, Häuten und werthvoUem Pelzwerk auf die
englischen Märkte, um von dort Wein, Weizen, Honig und Gewänder
in die Heimath zurückzufahren, was andererseits wieder den angel-
sächsischen Eaufriann lockte, die Nordsee in umgekehrter Eichtung
zu durchschiffen. Biöm der Eaufriann verblutete unter der Axt
seines Bruders, doch war unterdessen am christlichen Hofe Adaisteins
der jüngst gebome Sohn Harald Schönhaars, Hakon, herangewachsen;
er landete plötzlich an der norwegischen^Eüste und gewann Anhang;
der mit vierfachem Brudermord beladene Erich musste nach England
fliehen, wo er gute Aufnahme fand und sich mit seinen Söhnen tau-
fen liess. Hakon verdiente sich den Namen des Guten; unter ihm
herrschte Friede zwischen Bauern und Eaufleuten, und das Wohl-
gefallen der Götter segnete Norwegen durch einträgliche Jahre zu
Wasser und zu Lande. Nach Verlauf von zwei Jahrwochen jedoch
errangen die Söhne des vertriebenen Erich Blutaxt die Regierung in
Norwegen; Harald war der Mächtigste unter ihnen, man nannte ihn
Graufell, weil er ein Stück Rauchwerk einem isländischen Schiffer
zu Gefallen anlegte, damit die Nachahmungssucht dem Pelzhändler
Absatz verschaffe. Sein Aufenthalt in England war also nicht spur-
los an ihm vorübergegangen.
Eines der wesentlichsten Momente der Einwirkung von Westen
her lag in der bereits angedeuteten Uebertragung des Christen-
thums. Mochten auch einzelne Glaubensboten von Hamburg, der
*) In der Harald Haarf. Saga cap. 38 heisst es, dass Esufschiffe aus
Dänemark und Sachsenland nach Tunsberg segelten. Vergl. Munch I.
1, S. 381, 589. Dahbnann, Gesch. vonDännemark H. S. 90; dennoch werden
wir die Stelle, dem ganzen Laufe der Entivickelung gemäss, wohl wie
oben verstehen müssen (Lappenberg, Gesch. v. England 1, S. 624 f. vergl.
oben S. 4, Anm. 1), obgleich nach Maurer, Bekehrung des norweg. Stammes
I, S. 385, Anm. 11 die nordischen Quellen zwischen einem Enskr und
einem Sazneskr Mann unterscheiden. — Wohl zu beachten bleibt die
späte Abfassungszeit der Saga, welche der Glaubwürdigkeit ihrer einzel-
nen Berichte Abbruch thut.
— 6 —
Metropole des Nordens, über Dänemark und Schweden bis in die
südlichen Theile von Norwegen vorgedrungen sein, bleibende Erfolge
hatten sie nicht erzielt, denn erst englischen Missionaren war es
vorbehalten, die neue Lehre dauernd in den Thälem des schwarzen
Felsblocks heimisch zu machen-, in England empfingen die ersten
Nordleute die Taufe. Nicht allein, dass von jeher sich der Handels-
mann dem begeisterten Streiter Christi an die Fersen heftete, auch
die Grundgebote des Christenthums, welche Milde gegen Schwächere
und den Hülfsbedürfdgen Beistand zu leisten vorschrieben, mussten
nach und nach einem friedlichen Verkehre zu Gute kommen; doch
war es vorerst noch ein etwas groteskes Gemisch von Glaubenssätzea
und elementaren Leidenschaften, welches sich in den Gemtithern
jener Männer herausbildete, deren bester Theil des Lebens in wildem
Bingen um das Dasein verbrauste. Mancher, der noch zähe an den
Äsen seiner Altvorderen hing, weihte sich in grösster Gefahr dem
fremden Gotte, um später, da man ihm längst schon das weisse
Gewand um die Schultern geschlungen hatte, bei Seesturm und
Holmgang wieder Thors und Odins Beistand anzuflehen. Es wurde
eine gewöhnliche Sitte, sich mit dem Kreuze bezeichnen zu lassen,,
sowohl unter Kaufleuten, als auch unter denen, die bei Christen in
Dienst gingen, denn die Leute, welche mit dem Kreuze bezeichnet
waren, hatten die volle Gemeinschaft mit den Christen und ebenso
mit den Heiden und hielten das als Glauben, was ihnen am meisten
zusagte ^). Uebrigens wurde selbst beim Handel auf die Keligion
Gewicht gelegt; so antwortete Kjartan: ich hatte zumeist im Sinne^
dass wir mit unseren Schiffen nach England fahren möchten, denn
dort ist jetzt ein guter Markt für Christenleute 2). Wie eng Kirche
und Kaufriann oft zusammenhingen, mag unter anderem der Bericht
Rimberts erhärten, wo er im Leben des heil. Ansgar erzählt, wie zu
Schleswig in Folge der Bildung einer christlichen Gemeinde, Kauf-
leute von Hamburg und Dorstede jenen Ort frei zu besuchen anfin-
gen, was vorher unmöglich gewesen^).
Der englische Einfluss erhielt sich in Norwegen als der mass-
gebende und machte den Metropolitanverband mit Hamburg fast zu
') Eigils Saga Skallagrissomar cap. 50. Vergl. Maurer, Bekehrung
I, S. 193 Anm. 5, S. 30, 195, 335-6 Anm. 42, 349, 541 Anm. 28. II.
S. 332—335. v. d. Hagen. Nordische Heldenromane IV, S. V.
*) Maurer I, S. 193.
•) Vita Anskar, cap. 24.
— 7 —
einem nominellen, bis politische Verwickelungen unter Olaf dem Hei-
ligen die Verhältnisse zu' verschieben begannen. Olaf stand nämlich
w&hrend der ganzen Zeit seiner Regierung zu König Knut von Eng-
land und Dänemark in einem Gegensatze, der in schwere Kämpfe
ausmündete, in denen Olaf zu Grunde ging. Bei solcher Lage der
Dinge erklärt es sich leicht, dass Olaf einen Stützpunkt in dem nord-
deutschen Erzbischofe suchte, um so eher, als auch dessen Politik,
wegen des Vorschiebens englischer Priester in die dänische Kirche,
sich mit der König Knuts kreuzte. Olaf verlangte nunmehr von den
englischen Geistlichen, die in seinem Lande wirkten, die Unterwerfung
unter den Metropoliten ^), wie denn andererseits sein Auftreten gegen
den üblichen Seeraub, welchen er bei Vornehm und Gering mit dem
Leben und Verlust der Gliedmassen strafte, dem Emporblühen eines
friedlichen Verkehrs, auf den Norwegen so dringend hingewiesen
war, wesentlich zu Grute kam. Nur noch wenige Jahrzehnte waren
erforderlich und das „kleine Bremen" sah von allen Weltgegenden
her Besucher heranströmen, zumal von den Völkern des Nordens.
Unter diesen kamen aus äusserster Feme Gesandte der Isländer,
Grönländer und Orchaden mit der Bitte, der Erzbischof möchte doch
Prediger dort hin senden, was er auch that. Der Zehnte vom bischöf-
lichen Haushalte wurde zur Bewirthung der Fremden verwendet, Erz-
bischof Adalbert selbst hielt beständig Männer bereit, die ankommen-
den Gäste zu empfangen^). Etwa um dieselbe Zeit, unter König
Olaf Kyrre, hörte die geistliche Regierung durch Missionsbischöfe in
Norwegen auf und begann die Eintheilung des Landes in feste Diö-
cesen, womit wieder der Bau von Kathedralkirchen eng im Zusammen-
hange stand.
Da ist es nun bemerkenswerth, dass sich in Norwegen mit dem
kräftig aufstrebenden Christenthume nicht der Sitz einer blühenden
architectonichen Schule bildete, dass auch nicht von Deutschland, von
der geistlichen Metropole aus, das baukünstlerische Leben eingeführt
wurde, sondern dass englische Einwirkung noch nach wie vor
überwiegend blieb, sich der englische Handwerker noch als herr-
*) Maurer. I, S. 278 ff. 586 ff. Keyser^ Den norske Kirkes Historie
I, S. 33 ff. 137 ff. Zorn, Staat und Kirche in Norwegen. S. 9. Dehio,
Gesch. des Erzbisthums Hamburg-Bremen I, S. 149—153.
*) Adam Bremens. IH, cap. 23; Schol. 79. HI, cap. 38. Anhang.
IV, cap. 17. Vergl. Dehio, Hamburg -Bremen I, S. 187, 188, 201, 202,
241, 242 u. A.
— 8 —
sehend erwies. Wir finden nämlich an den bis in unsere Zeit er-
haltenen SteinMrchen die stämmigen, kurzen Rundsäulen mit geM-
teten Kapitalen, die Portale mit Zickzackverzierungen und die flachen
Dachgiebel, welche deutlich auf den englisch-normannischen Stil zu-
rückweisen ; nur die Domkirche zu Drontheim, Norwegens glänzendste
architectonische Leistung, welche jedoch nur noch wenige romanische
Ueberreste enthält, zeigt einen Rundbogenfries, der an spätromanische
deutsche Bauten erinnert. Dies ganze Yerhältniss ist um so mehr zu
beachten, als in den dänischen Eirchenbauten von vom herein deutscher
Einfluss der herrschende gewesen zu sein scheint i). Dennoch ist sicher-
lich, wie tiberall, so auch von Bremen aus, der Handwerker und Kauf-
mann früh dem Priester nach Norwegen gefolgt; ja, bisweilen ist er
ihm vielleicht sogar vorausgeeilt *). Einmal die Verbindung geknüpft,
ymrde sie allmählich fester und weiter, und entwickelte sich so leb-
haft, dass am Ende des dreizehnten Jahrhunderts 22 bremische Ehren-
männer eidlich erhärten konnten, sie hätten bisher mehr als Andere
das norwegische Reich besucht 3).
Vorerst aber blieb noch der englische Handel im Vordergrunde
und zwar wohl mit besonderer Ergiebigkeit für den englischen Kauf-
mann, der sich auf eine Reihe von geregelten Gemeinwesen stützen
konnte, während ihm der Norweger langdauemd als vagabondirender
Raubhändler gegenüberstand. Dies sollte sich ändern, als sich in
dem Felsenlande neben Bauemhütte und Adelshof auch das Städte-
wesen entfaltete. Ursprünglich eine Ansammlung menschlicher Woh-
nungen um Königshaus und Kirche, wurde erst nach und nach empfun-
den, dass in ihr ein neues Element gegeben sei und zwar das vor-
nßhmste, um wahre nationale Blüthe und Gesittung zum Ausdrucke zu
bringen. Die ältesten Städte entstanden naturgemäss in dem be-
völkertsten, culturfähigsten südöstlichen Theile des Reiches, der durch
Flüsse die Verbindung des Innlandes mit dem Meere erleichterte und
für die Schiffe der Nordsee so gelegen war, wie für diejenigen, welche
der Südwind von Jütland, den dänischen Inseln und den Gestaden
des baltischen Meeres trieb: es waren die schon genannten Skiringssal
und Tunsberg. Eng mit der Niederwerfung des Heidenthums hängt
die Gründung der Kaufstadt (Kaupstaör) Nidaros zusammen, welche
1) Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, IV, S. 607, 608, 613, 614.
*) Dehio, Gesch. des Erzbisthums Hamburg-Bremen, I, S. 56—58.
*) Bremisches ürkb. I, No. 444.
— 9 —
wir jetzt imter dem Namen Drontheim kemien. Auf des Königs
Gebot zog Alles von dem heidnischen Lande dorthin, es war eines
Sommers Sache, dass das Weichbild entstand und historisch folge-
richtig, dass es später zum Sitze des norwegischen Erzbischofs er-
koren wurde. Olaf der Heilige, welcher Nidaros mit einer prächtigen
Königsburg schmückte, gründete bei Gelegenheit seiner schwedischen
Händel die Festung Borg, umgab sie mit einem Walle, baute Kirche
und Königshaus hinein und verlegte dahin das Ting der Uplande.
Bald entstand auch an der Stelle des heutigen Christiania die Stadt
Oslo, Kongahella wurde durch Sigurd Jorsalafar zu ungewöhnlichem
Glänze erhoben, den jedoch bald der Ueberfall einer gewaltigen
Wendenflotte vernichtete. So war Süden und Norden angebaut,
während dem Westen ausschliesslich noch schmutzige Fischerdörfer
und massive Adels- und Königshöfe seinen Charakter gaben, da
machte sich Olaf Kyrre daran, hier und damit für Norwegen eine
neue Epoche herbeizuführen.
Seit alter Zeit erhob sich auf der grossen Halbinsel, welche
zwischen Oster^ord im Norden, Björne und SammangerjQord im Sü-
den in das Meer ragt, ein in Sage und Geschichte vielfach genann-
ter Königshof Aalreksstadt *). Er lag an dem kleinen Elv, der sich
in einen Meerbusen ergiesst, welcher den Namen Aalreksstadvaag trug
und durch den starken Strom, den der Fluss verursacht, nur zu ge-
wissen Zeiten zugänglich ist. Unmittelbar nördlich davon schiebt
sich eine kleinere, zungenförmig gestaltete Seebucht in das Land,
einfach Vaag genannt, den Schiffen stets offene Einfahrt bietend.
Beide Busen sind äusserst reich an Fischen, bis dicht an's Ufer tief
genug für die grössten Fahrzeuge und gegen den Wogenprall des
Oceans durch eine Reihe von Felseneilanden geschützt. Die Umge-
bung war voller Holzungen und die Seeküste bot vortrefflichen Wies-
wachs, während frische Brunnen zur Ansiedlung einluden und hohe
Berge die rauhen Winde abwehrten, welche von den Schneefeldern
des Dovre- und Sogne Fjeld herüberwehten. Kein Wunder mithin,
dass sich in der Nähe des besuchten Königshofes, namentlich auf
der Ostseite der Vaag, ein Kranz von Häusern ansammelte, der
anfangs nur von Fischern und Leuten bewohnt war, die zur Burg
*) Ingvar Nielsen, Bergen fra de seldste Tider indtil Nutiden, S. 1 ff.
Munch n, S. 433 ff. Holberg, Beschreibung von Bergen, S. 1 ff. Ueber
Stavanger vergl. Munch II, S. 616.
— 10 —
in Beziehung standen, nach und nach aber auch Händler and Hand-
werker anzog, so dass die Häuser zu einer kleinen Strandstadt zu-
sammenwuchsen. So beschaffen, zog sie die Augen König Olaf Eyrres
auf sich, der lebhaft den Aufechwung des Städtewesens begünstigte.
Er nahm sich des Ortes an und leitete durch seine Thätigkeit,
welche sich bis auf die Einrammung von Pfählen erstreckt haben
soll, die merkantile und politische Grösse desselben ein. Der Name
Bergen verdrängte nunmehr den von Aalreksstadt. Es zeugt von
nicht geringem Scharfblicke des „friedlichen" Olaf, dass er gerade die-
sem Hafen an der Vaag sein lebhaftestes Interesse zuwandte. Von
Bergen aus erreichte ein Langschiff ungefähr in derselben Zeit Kon-
gahella, Tunsberg, die Shetland Inseln und Nidaros; es lag mithin
in dem eigentlichen Mittelpunkte des Kelches, woraus sich als nahe-
liegend ergab, dass es zu dessen Hauptstadt wurde. Aber Bergen
erhob sich auch in ungefähr gleicher Entfernung von den fischreichen
Lofodden, von Island, Irland, dem Londoner Hafen, der deutschen
Nord- und Ostsee -Küste, von Gotland und Kalmar, wodurch sich
fast mit Nothwendigkeit ein bedeutender Handelsplatz aus ihm ent-
wickeln musste. Durch Natur und Königthum begünstigt blühte die
Stadt schnell empor, Kaufleute vom Auslande kamen einhergesegelt,
viele reiche Leute Hessen sich darin nieder, und bald umrahmte sie
einen grossen Theil des Halbkreises der Vaag, amphitheatralisch ge-
gen die Berge emporsteigend. Das Stapelhaus war mehrere Etagen
hoch, das königliche Schloss war der prächtigste Holzbau seiner Zeit
in ganz Norwegen, am Ufer wurden Brücken errichtet, vor denen
die Schiffe anlegten, in Buden ward Bier verkauft und Waaren aus-
gestellt, mehrere stattliche Kirchen erhoben sich, unter denen zumal
die grosse Christkirche hervorragte. In ihr bewahrte man die Ke-
liquien des heiligen Sunnivar, sie dadurch zum Centralheiligthum des
westlichen Norwegens machend. Mönchs- und Nonnenklöster wurden
aufgeführt, der Bischofsitz von Saelö nach Bergen verlegt und das
Ganze durch eine Steinmauer mit Thürmen und Thoren umzogen.
Schon im dreizehnten Jahrhundert machte Bergen für den, der
von der See her kam, einen grossartigen Eindruck; langte er bei
der Brücke an, so eilten plötzlich Männer herzu und zogen das
Schiff an einen passenden Ort, auf dem Quai und den Strassen
wimmelte es von Menschen, Waaren der verschiedensten Art wurden
feil geboten; ja, es scheint, als habe sich damals schon der Lootsen-
— 11 —
dienst ausgebildet; die Gefahren des Meeres und die Vertrautheit des
Norwegers mit demselben drängten zu jenem Gewerbe i).
Dem äusseren Glänze der Stadt Bergen entsprach der, welchen
darinnen die Menschen entfalteten: die Könige hielten sich dort mit
Vorliebe au^ wiederholt sah sie grosse Reichs- und Kirchenversamm-
lungen innerhalb ihrer Mauern, noch öfter prächtige Hoffeste, und
seit Magnus Erlingsson wurde Bergen sogar Erönungsort. Früh erhielt
es eine eigene Verfassung, die uns leider verloren ist, und früh hat
es auch eigene freie Gerichtsbarkeit ausgeübt, bis ihm dann durch
Magnus Lagabäter ein neues Stadtrecht zu Theil wurde, welches es
vollends selbständig aus dem umliegenden Landgebiete heraushob.
So kann es denn auch nicht Wunder nehmen, dass Beiden in den
furchtbaren Bürgerkriegen, welche seit dem Tode Sigurd Jorsalafars
bis auf Herzog Skule das Eeich durchtobten, eine hervorragende
politische Rolle spielte, dass in den Bürgern durch Reichthum und
gemeinsam überstandene Gefahren ein trotziges Selbstbewustsein er-
wuchs. Als Sigurd, der schlimme Diaconus, vor ihnen redete, ver-
warfen sie ihn, schlugen mit den Waffen zusammen und erklärten
ihn und seinen Anhang für friedlos. Bei der geringsten Gelegenheit
fuhren ihre Fäuste zu Messer und Beil, das Verbot, welches Nico-
laus Breakspear als päpstlicher Legat durchsetzte, dass in den Städten
keine Waffen getragen werden sollten, blieb ziemlich illusorisch;
wiederholt ist das Blut der Könige in Bergen geflossen. Auch mo-
quant war man dort, wie gewöhnlich in Grossstädten; der Sohn des
hochfalirenden Isländers Sämund musste an der Vaag unausgesetzte
Neckereien ertragen, die Ueberfall, Raub und Mord nach sich ziehen
sollten.
Der Lebensnerv des Ortes war der Handel. In schnellem Auf-
blühen überholte es sowohl Tunsberg und Oslo, wie Nidaros, wenn
letzteres auch noch lange mit dem alten Namen der Kaufstadt be-
zeichnet wurde und voiHbergehend durch Hakon Magnussons Zoll-
erlass in Vortheil kam, wenn auch Tunsberg des Sommers einen vollen
Hafen sah, und Oslo reich und bevölkert genannt wird. Bergen
wurde geradezu ein Welthafen. Schon Ordericus Vitalis berichtet
von Bergen als von einer Stadt, die von allen Seiten besucht werde,
womit eine Notiz in der Orkneyingasaga übereinstimmt, der zu Folge
während der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts viel Volk von
*) Anonymus de prof. Dan. in Langebek Scr. V, S. 351, 353.
— 12 —
Norden nnd Süden und aus fremden Landen in derselben zu finden
war, welches mancherlei gute Waaren dorthin führte. Sehr schnell
wurde Bergen der Hafen, in welchem die Nordlandfahrer ebenso wie
auch die von Island und Grönland regelmässig ihre Waaren abzu-
setzen pflegten, während andererseits auch die einheimischen Kaufleute
nicht anstanden, zumal Island zu befahren. Am Ende des zwölften Jahr-
hunderts fand man an der Yaag neben den schon genannten Islän-
dern und Grönländern auch Engländer, Deutsche, Dänen, Schweden,
Gotiänder und fernere Nationalitäten vertreten; gedörrte Fische
wurden in massloser Fülle feilgeboten, wie nicht minder Honig, Wei-
zen, gute Kleider, Silber und andere Waaren. Fahrzeuge aus den
verschiedensten Gegenden belebten in solcher Menge den Hafen, dass,
als bei einem der Kämpfe, welche unter Sverrir stattfanden, die Taue
der Kauf- und Langschiffe gekappt wurden, der ganze Meerbusen von
den losgegangenen treibend angefüllt war. Welche Massen von Waaren
in dem Orte aufgestapelt lagen, mag daraus erhellen, dass bei einer
Erstürmung und Anzündung der Burg durch die Bagler, die dort
verborgen gehaltene Butter in breitem Strome den Burgweg hin-
unterrann. Was Adam von Bremen über Schweden sagt, es sei
ganz voll von fremden Waaren, dürfte nicht minder für Norwegen
gelten i).
Wie schon früher, so kam auch in dieser Periode das Auf-
treten der Könige und Herrn dem Handel zu Gute; bereits zu Olaf
Kyrres Zeit, gewiss durch ihn begünstigt, fing man an ausländische
kostbare Trachten zu traged: Stiefel, die zu den Waden hinaufge-
schnürt, oder auch mit goldenen Ringen an den Waden festgehalten
wurden, Röcke zu beiden Seiten mit Schnüren in Falten gezogen
und mit fünf Ellen langen Aermeln beschwert. Magnus Haraldson,
der gegen Schweden und Anglesea vordrang, liebte es, sich in der
Tracht der Bergschotten zu zeigen, was ihm den Beinahmen Barfiiss
eintrug, und wie er, der König, so kleideten sich Viele vom Hofe; in
seiner letzten Schlacht trug er über dem Harnische ein rothseidenes
Wamms, auf welchem vom und hinten ein goldener Löwe gestickt war.
Im Grossen und Ganzen konnte durch solche Aeusserlichkeiten der Han-
del wohl gefördert, aber natürlich nicht bedingt werden; er bewegte
sich nach wie vor wesentlich in den Bahnen, welche sich aus der
Natur des Landes und des Volkes ergaben, d. h. Norwegen expor-
*) Adam Brem. IV, cap. 21.
— 13 —
tirte Fische, Pelze, Felle und Daunen, Holz- und Fettwaaren, es
importirte Getreide, Getränke, (namentlich Wein und Bier) und In-
dustrieproducte. — Zum guten Theil wurde dieser Umsatz nicht von
den Fremden, welche in die Häfen von Bergen und Tunsberg einlie-
fen, sondern von Inländern vollführt. Schon zu Harald Haarfagers
Zeit soll, wie bereits bemerkt, König Björn der Eaufinann seine
Eauffartheischiffe nach fremden Landen gesendet haben, um ihm
Kostbarkeiten und andere Sachen heimzubringen. Wie England und
Island, so finden wir seit Alters her auch die Westküste Schwedens
durch den normannischen Kaufmann besucht^); im Jahre 1122 be-
stätigte Kaiser Heinrich V. den Utrechtem den althergebrachten
Zolltarif für die fremden Handeltreibenden, worin es unter andern
heisst, dass die Normannen von allen Zollabgaben frei sein sollten^);
dass dieselben zur Zeit Kaiser Friedrich I. an den wendischen Ge-
staden nicht ungewohnte Gäste waren, ergiebt sich aus der Urkunde
desselben, welche er 1188 für Lübeck ausstellte 3).
Ein weniger robustes Geschlecht als das damalige, wäre weit
abgeschleudert worden von aller Cultur und allem friedlichen Erwerb
durch die Noth und Verzweiflung, welche das Jahrhundert der nor-
wegischen Bürgerkriege, das rasende Bingen der Birkenbeine und
Bagler, die lebhafte Wiederaufiiahme der alten heidnischen Vikinger-
züge, auf denen nicht Heiliges noch Profanes verschont wurde, zu Tage
förderte, aber zäh und unbeirrt verharrte der Kaufmann, bis an die
Zähne bewaf&iet*) auf der einmal durchfurchten Wasserstrasse und
kaum war eine kleine Friedenspause eingetreten, als auch schon die
') Adam Bremens I, Cap. 62.
*) Hansisches Urk. B. I, No. 8.
») Hans. U. B. I, No. 33.
*) Für die derzeitigen Verhältnisse sehr ergiebig, aber wenig bekannt,
dürfte Cap. 90 der Wilkina-Saga sein; dort heisst es: „Es wird uns ge-
sagt, dass einige Kaufleute von Sachsenland nach Dänemark gereist
waren; sie hatten viele Güter bei sich und waren zusammen nicht weni-
ger als 60 Mann, alle wohl gewappnet und sie meinten, dass es nicht
gar Wenige sein dürften, die ihnen den Weg versperren und sie ihrer
Güter berauben sollten, Sie hatten gute Rosse und herrliches Geräthe
darauf.** — Bäuber wurden ihrer gewahr. — „Die Kaufleute aber, als sie
ihre Feinde vor sich sahen, waren gutes Muthes, sprangen von ihren
Rossen, zückten ihre Schwerter und schwangen ihre Spiese vor sich, in-
dem sie keine Schilde hatten, sich damit zu schirmen. Da erhub sich
nun ein harter Kampf und Blutvergiessen.** Die Räuber erschlugen
alle 60.
— 14 —
Nachricht von einem auf Norwegen bezüglichen Handelstractate auf-
taucht. Es ist dies der erste, der uns überliefert worden, falls
tnr nicht die Nachricht der Bergischen Reimchronik als historisch
begründet annehmen wollen, dass schon Olaf Kyrre den Engländern
Privilegien ausgestellt habe ^). Jedenfalls hat Heinrich III. von Eng-
land am 10. October 1217 dem Könige Hakon und dem Jarl Skule,
welche Briefe und einen Gesandten an ihn hatten abgehen lassen,
von seiner Seite zugestanden, den beidertheiligen Unterthanen solle
freier Handel in beiden Ländern gestattet sein, wofern die norwe-
gischen Machthaber ihm in demselben Sinne Urkunden würden*).
Als Hakon 30 Jahre später seine Krönung beim Papste nach langen
Verhandlungen durchgesetzt hatte und erfuhr, dass der römische
Legat Cardinal Wilhelm, welcher die heilige Handlung vornehmen
sollte, unterwegs sei, Hess er ein Schiff nach England abgehen, um
dort einzukaufen, was sich für die Festlichkeiten irgendwie nothwen-
dig erweisen könnte ^). Kein Wunder mithin, dass unter den fremden
Kaufleuten, die sich in Bergen aufhielten, noch immer der englische
Kaufmann überwog, aber schon erwuchs ihm und zugleich dem ein-
geborenen ein Concurrent an der deutschen Seeküste, der bald den
norwegischen Gesammthandel fast ausschliesslich in seiner nervigen
Hand zusammenfassen sollte.
Bereits oben wurde bemerkt, wie der Bremen-Hamburger Metro-
politanverband vornehmlich die Beziehungen zwischen Deutschland
*) Nielsen, Bergen, S. 137.
*) Rymer Foedera, L 1, S. 149. Hans. U. B. I, Nr. 227, Anm. 1.
ibid. Nr. 169.
•) Hakonars h. gamla Saga cap. 219, Werlauff in KongL Dansk, Vid.
Salsk. Afh. V, S. 69. Dass dieser fortdauernd lebhafte Verkehr auch
noch in anderer Weise seinen Einfluss äussern mnsste, liegt auf der Hand.
Er lässt sich unter Anderem schon daran nachweisen, dass die norwegi-
schen Könige neben der grösseren Königskrone auch noch eine kleinere
gebrauchten, die zugleich mit der Bezeichnung (Garlanda) nirgend anders
her, als von England entlehnt zu sein scheint; wie denn in gleicher
Weise das älteste norwegische B[rönungsritual von den Angelsachsen
entlehnt sein dürfte, womit trefEich übereinstimmt, dass sich weder bei
diesen noch bei den Normannen der Reichsapfel bei der Krönung nach-
weisen lässt» Werlauff, S. 82, 92, Stubbs, Const. History of England, I,
S. 144. lieber den Zusammenhang angelsächsischer und fränkischer
B[rönungsformeln vergl. Waitz, Krönungsformeln, S. 20 f. in Abh. d. kgL
Oes. d. Wissensch. in Göttingen, XVIH, und Waitz, Verfassungsgesch.
VI, S. 165.
— 15 —
und den Felsengestaden vermittelte. Wiederholt begegnen wir Deutschen
in Norwegen, zumal Missionaren und anderen Greistlichen, doch war
auch jener kunstfertige Baumeister von Belagerungsmaschinen, der
sich im Gefolge des Bischöfe Nicolaus von Bergen befand, ein Deut-
scher ^) und am Hofe Skules erbot sich ein Brabanter, ein Kraut zu
schaffen, mit dem man bloss die Hände zu reiben brauche, um sie
bei der Eisenprobe feuerfest zu machen*). Nicht minder müssen die
Kaubzüge der Normannen, welche bis in die Mitte des elften Jahr-
hunderts die Ufer der Elbe und Weser heimsuchten, eine Menge
deutscher Gefangener über das Meer geführt haben 3), wodurch manche
neue Fäden einer Verbindung geknüpft wurden.
Andererseits mag uns der Bericht Adams von Bremen*) über
jene planlose Abenteuerfahrt friesischer Edelleute in das unbegrenzte
blaue Meer hinein beweisen, dass die Deutschen der Seeküste damals
den Normannen im kühnen Wagen mit Kiel und Segel nicht sonder-
lich nachgestanden sind. — Das erste Mal, da wir von einem massi-
ven Auftreten derselben in Norwegen hören, ist zu der Zeit, wo auch
der anonyme dänische Kreuzfahrer von ihrer Anwesenheit in Bergen
berichtet. Damals hatten deutsche Kaufschiffe so viel Wein nach
dem Vaag gebracht, dass dieser sonst rare Trunk so billig wie Bier
geworden und in Folge dessen massenhaft consumirt wurde. Unsinnige
Völlerei griff um sich, die in Schlägereien und Blutvergiessen aus-
artete. König Sverrir konnte dem nicht länger zusehen; er berief
eine Versammlung, auf der er, seiner Gewohnheit gemäss, eine län-
gere, wohlgesetzte Rede hielt. Er dankte darin den englischen
Männern, welche Weizen, Honig, Mehl und Tuch eingeführt hätten,
in gleicher Weise denen, die von den Orkaden, Shetland, Faröem,
Island und anderswoher gekommen seien, erklärte sich aber den
Deutschen sehr wenig verbunden, die in Fülle mit grossen Schiffen
dorthin gekommen seien, Butter und Fische davonführten und Wein
feil hielten, der allzeitig nur zu sehr gesucht sei. Da solch ein Trei-
ben zum Nachtheile des Reichs gedeihe, gebiete er ihnen, sich schleu-
nigst auf und davon zu machen, wofern sie Leben und Güter be-
halten wollten s). Abgesehen davon, dass Trunksucht eine durch-
1) Nielsen, Bergen, S 60. Munch IH, S. 474
*) Dahlmann, Gesch. v. Dänm. H, S. 174, Anm. 1.
') Adam Bremens. II, Cap. 29, 74.
*) Adam Bremens. IV, Cap. 39.
*) Sverrirs Saga, cap. 103, 104. Torfäus, Historia Rer. Norwegic. IV,
1, 3. Dahlmann, Gesch. v. Dännemark II, S. 349, Nielsen, Bergen, S. 142.
— 16 —
gehende Eigenthümlichkeit der Norweger vom Könige bis zum Bettler
hinab war, welche eine Unzahl von Brauereien und Bierstuben und
wiederholte scharfe Massnahmen hervorrief, ist im obigen Falle durch-
aus nicht unwahrscheinlich, dass die üblen Wirkungen des Weins
ebensosehr der QusJität als der Quantität ihren Ursprung verdankten,
indem uns aus etwas späterer Zeit die Klage vorliegt, dass die Deut-
schen nichts als schlechten Bheinwein brächten^). Es dürfte auch
recht bezeichnend sein, dass gerade Getränke und ihre Folgen die
Deutschen in die norwegische Handelsgeschichte einführen. Wie
wenig der vorübergehende Unmuth König Sverrirs gefruchtet hatte,
lehrte die nächste Folgezeit. Bereits während Hakon Hakonsons
Begierung soll es zwischen Leuten aus der Gra&chaft Holland und
den Bürgern von Bergen zu Mord und Todtschlag gekommen sein,
weil erstere ihre Schiffe an einem diesen unbequemen Ort angebun-
den hatten*). Nicht als ob derartige Auftritte allein gegen die
Deutschen vorgekommen wären, wir vernehmen auch von Raufereien
mit Dänen und Engländern, immer mehr und mehr aber schoben
sich jene in den Vordergrund. — Durch das schnelle Aufblühen ihrer
Mutterstädte voll Selbstgefühl, voll Uebermuth durch den Reichthum,
welchen ihnen andere Völker liefern mussten und in Folge steter Gre-
fahren roh und gewaltthätig, konnte das Verhältniss der Deutschen zu
den Norwegern, denen sie ununterbrochen den Verdienst schmälerten,
im Ganzen kaum anders als gespannt sein, kleine Chicane und gelegent-
liche Uebergriffe werden sich in langer Reihenfolge ereignet haben,
bis einmal, durch irgend ein Sandkorn veranlasst, die Elemente wieder
härter aufeinander platzten, man gegenseitig Repressalien ausübte, oder
sich auch gar offen befehdete, wobei dann sonnenklar hervorleuchtete,
dass die Deutschen und ihre Waaren schon zu einer Nothwendigkeit
fär das Land geworden waren, deren man nicht mehr entrathen
konnte. Dies ist der Grund, auf welchen fussend die Deutschen ein
Recht nach dem anderen zu erwerben verstanden.
Ihnen kamen dabei vornehmlich zwei Umstände zu Statten. Der
erste bestand darin, dass Norwegen nicht die richtigen Elemente für
den Handelsstand besass, dass der Eingeborene, seiner Natur entspre-
chend, ein unstätes Leben führte, dass er sein Heim aufschlug, wo er
sich gerade befand, ein sesshafter, mit einem Orte verwachsener und
^) Nielsen, Bergen, S. 142.
8) Torfäus, Historia IV, 4, 26. Nielsen, Bergen, S. 144.
— 17 —
diesen bedingender Bürgerstand im Lande nicht existirte ^). Lebhaft
und regsam verwirklichte der Einzelne das, worauf er gerade sein Augen-
merk richtete, auf die Dauer aber konnte er den Deutschen nicht ge-
wachsen sein, die ihm als aristokratische Corporation mit bestimmten,
scharf zugeschnittenen Principien, mit überlegener Cultur und überlege-
nen Geldmitteln gegenüber standen. Von nicht geringer Wirkung musste
es auch sein, dass die vornehmen Norweger, zumal seit der Zeit Sverrirs,
vielfach in den Hofdienst traten oder planlos auswärts umherreisten,
dass die grossen Grandbesitzer lieber an Fremde als an Einheimische
verkauften, da sie von ihnen baar bezahlt erhielten, oder grosse Aus-
wahl zum Tausche auf deren Stapelplatz vorfanden. Wie ein Keil
schoben sich die Deutschen in ihrer Geschlossenheit in die lockere
Masse der Stadtbewohner hinein.
Der zweite Umstand, der zum Vortheil der Deutschen Kaufleute
wirkte, entsprang aus derselben Wurzel, wie der erste; er bestand
darin, dass in den norwegischen Städten, zumal in Bergen, ein Hand-
werkerstand erwuchs, der grösstentheils aus Angehörigen jener Nation
bestand und später nach dem Hauptgewerbe, das sie betrieben, als
„Schuster" bezeichnet ward. Dem Normannen wohnte zwar schon da-
mals ein jmbestreitbares Geschick für mechanische Arbeiten inne, er war
aber einerseits dem emsig stillen Wirken abgeneigt und andererseits dem
Deutschen in technischer Bildung unterlegen. Anfangs werden erst
einzelne Handwerker im Gefolge der Priester und Kaufleute nach
Norwegen gekommen sein, ihnen folgten andere, man freute sich
ihrer, nahm sie auf und leistete ihrer Niederlassung bereitwillig Vor-
schub. Im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts, parallel mit der
Ausdehnung des deutsch-norwegischen Handels, erwarben sie sogar,
begünstigt von den Königen Hakon Hakonson und Magnus Lagabäter,
eigene Quartiere in der Nähe der Handelshöfe Bergens, innerhalb
derer sie arbeiteten und zu gleicher Zeit Detailverkauf trieben; ja,
es heisst sogar, dass ihnen gerade die Gegenden eingeräumt seien,
die frtüier Engländer und Schotten, denen König Hakon Gram ge-
worden, inne gehabt hätten*). Kein Wunder dass die stammver-
wandten Handwerker und Kaufleute sich gegenseitig die Hände reichten.
Zumal in der Hauptstadt Norwegens drang der deutsche Einfluss
») Nielsen, Bergen S. 158. Munch IV, 2. S. 245.
*) Holberg, Beschreibung I, S. 127, 164. Sartorius-Lappenberg. Ur-
kundl. Gesch. der deutsch. Hanse I, S. 193. Anm. 1. Nielsen, Bergen,
S. 147. Munch, IV. 2. S. 248.
Harttang, Norwegen. 2
— 18 —
also doppelgeartet vor, selbst der norwegisch-englische Zwischenhandel
fing an, davon berührt za werden, da schon im Jahre 1228 Hein-
rich in. das Gebot erlassen konnte, dass eine mit norwegischer
Mannschaft und sächsischen Eanflenten kommende norwegische Kogge
überall an den Küsten seiner Lande unbehindert ankern und frei ver-
kehren dürfe ^). Auch der directe Handel muss sich erweitert haben, für
die Producte Islands, Grönlands und Norwegens brachte der Deutsche
bald Mehl, Getreide, Bier, Honig, Salz, Leinen, Tuche, Gewürze und
Erzeugnisse des Kunstgewerbes*).
Doch auf diese rein materiellen Bedürfnisse beschränkten sich
die Wechselwirkungen der beiden Nationen nicht. Von einem Ein-
flüsse Norwegens auf Deutschland ist uns, dank der traurigen Art
unserer deutschen Ueberlieferung, kaum weiteres bekannt, als dass
die K^chnung nach norwegischem Gewichte in Lüneburg geläufig
war 3). Ein um so günstigerer Stern hat im Norden gewaltet. Bei
seinem Lichte erkennen wir, wie zwischen den sang- und sagelieben-
den Normannen und den ihnen in der Dichtung vielfach überlegenen
Deutschen ein lebhafter Austausch und zwar durchaus zu Gunsten
der ersteren Statt gefunden hat Sowohl die Stoffe der SigMed- als
auch der Wölsungen-Sage, der Kern der Eddalieder, sind dem Deut-
schen entlehnt, und desselben Ursprunges erweisen sich die Wieland-
und Dietrich-Sage. Letztere ist für uns besonders wichtig, da sie
wesentlich aus Sachsen stammt und sich der Schreiber derselben auf
Erzählungen deutscher Männer, und zwar aus Soest, Bremen und
Münster beruft Die Sage ist um die Mitte des dreizehnten Jahr-
hunderts aufgezeichnet, also zu einer Zeit', da das kaufmännische
Interesse gegen das geistliche und wissenschaftliche in den Vorder-
grund getreten war. Mag nun der Sammler viele der sächsischen
Lieder und Sagen an Ort und Stelle aus dem Volksmunde vernommen
haben, gewiss nicht wenige hörte er von den Kaufleuten, die nach
Bergen gekommen waren und die langen Winterabende an dem Feuer
der Halle verplauderten, die Namen der Handelsorte Soest, Bremen
und Münster sind uns Bürgen dafür und zugleich ein Beweis, dass
auch die sächsichen Binnenstädte früh mit Norwegen angeknüpft haben*).
1) Hans. ü. B. I, No. 227.
2) Sartorius-Lappenberg, Urk. Gesch. I, S. 211. vergl. Hans. ü. B. I,
No. 411 u. A.
8) Hans. ü. B. I. No. 807.
*) Aus der grossen Literatur über den Gegenstand mache ich nur
aufmerksam auf Baszmann, die deutsche Heldensage, I u. IL Jessen
— 19 —
Wenden wir unser Augenmerk darauf, welche von den deutschen
Städten zuerst mit Norwegen in Handelsverbindungen getreten sind,
80 können wir nicht umhin den Nordseestädten Bremen und Hamburg
den Vorrang einzuräumen, obwohl uns bestimmte Angaben darüber
fehlen. Auf dem alten Verkehrswege gelegen, der bei Dorstadt von
der grossen Eheinstrasse nach Schleswig abzweigte^), mussten sie
früh mit den nördlichen Völkern in Beziehung treten, welche durch
die Metropolitanverhältnisse gefestigt wurde. Von den lebhaften
Wechselwirkungen, die unter dem Krummstabe Adalberts eintraten,
ist bereits die Rede gewesen und ebenso von dem kühnen Geiste,
der in den Anwohnern der Nordsee lebendig war. Schon zu Anfang
des zwölften Jahrhunderts finden wir Bremer Kaufleute nach Eng-
land fahren; im ersten Drittel des dreizehnten können wir sie urkund-
lich nicht nur in eben jenem England und in Dänemark, sondern
auch schon in Russland nachweisen*). Wiederholt vernehmen wir
von einzelnen Normannen, die friedlich in Sachsen geweilt haben;
in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts urkundet Erzbischof
Sigfried von Bremen fftr die Stadt und die Menge derer, welche da-
hin ihre Schiffe steuern; im dreizehnten Jahrhundert endlich steht
der Verkehr zwischen Norwegen und Bremen, besonders der Heerings-
fang des letzteren an der Felsenküste, in voller Blüthe^): Was
Hamburg anbetrifft, so heisst es schon in der Gründungsurkunde des
Grafen Adolf, dass der Hafen der Neustadt für die von allen Seiten
dorthin kommenden L^ute eingerichtet werden solle; während sich
in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts drei Handelswege nach-
weisen lassen, auf denen Hamburg vornehmlich seine Waaren ver-
trieb, der vornehmste derselben führte elbabwärts in die Nordsee nach
Friesland, Holland, Flandern und Brabant, nach England und Island,
Dänemark und Norwegen*). Dass der Handel des letzteren gleich-
falls mit Holland sehr alt sein muss, erhellt aus der Bestätigung des
in der Ztschr. für deutsche Philol. IH. S. 1 ff. Die Dietrich-Sage ist be-
kanntlich von F. v. d. Hagen in das Deutsche übertragen.
*) Dehio, Hamburg -Bremen, S. 57, Anm. S. 10 stimme ich durch-
aus bei.
*) Lappenberg, Urkundl. Gesch. des Hans. Stahlhofes in London,
S. 5. Anm. 3, S. 8 ff. Hans. ürk. B. I. No. 110, 159, 224, 232, S. 79.
*) Maurer, Bekehrung d. n. St. S. 204; Zeitschr. f. deutsche Philol.
in. S. 315, u. A. Hans. U. B. I. No. 31, 1040.
*) Koppmann in Zeitschr. f. Hamb. Gesch. VI, S. 406 ff.; idemHans.
Geschbl. Jahrg. 1875. S. 4 ff. Lappenb. Stahlhof. S. 9.
2*
— 20 —
Utrechter Zolltarifs vom Jahre 1122 and aus dem Umstände, dass
in den dreissiger Jahren des dreizehnten Jahrhunderts — wie schon
bemerkt — Holländer und Norweger an der Brücke von Bergen in
blutige Schlägerei geriethen.
Wie mit den deutschen Nordseegestaden, so ist Norwegen auch
mit denen der Ostsee früh in Verbindung getreten, was sich sowohl
aus dem Diplom Kaiser Friedrichs I. für Lübeck vom Jahre 1188
ergiebt, als auch daraus, dass schon einige Jahre früher in der Sver-
rirs Saga ein Ostseefahrer genannt wird, der dem Namen nach zu
urtheilen ein Norweger gewesen. Am frühesten dürfte die alte Han-
delsmetropole Wisby mit Norwegen angeknüpft haben; bereits gegen
Ausgang des zwölften Jahrhunderts sahen dänische Kreuzfahrer Got-
länder im Hafen von Bergen und bei dem grossen Brande, der diese
Stadt 1248 heimsuchte, lagen gleichfaUs gotische Koggen auf dem
Vaag ^); wie denn andererseits die Gotländer schon vorher ein Privi-
legium von dem englischen Könige Heinrich Hl. erworben hatten').
Auch jene Nachricht Adams von Bremen, dass in Birka unfern Upsala,
alle Schiffe der Dänen oder Normannen und ebenso der Slaven,
Semben und anderer Völker Scythiens wegen verschiedener Handels-
bedürfnisse gewöhnlich zusammen kämen, ist für uns nicht unaus-
giebig, da seit Alters her unter Dänen und Normannen sowohl die
Völker des Dänischen als des norwegischen, oft auch des schwedischen
Reiches, verstanden wurden 3). Als Wisby jeden anderen Hafen der
Gregend überholt hatte, ward es die grosse Zwischenstation für die
Waaren des Westens, welche nach Curland, Livland, Estland und
zumal den Wolchowfluss hinab nach Nowgorod gingen. Von hier ans
föhrte man sie auf zwei grossen Handelsstrassen über Kiew und
längs der Wolga in den Orient In Itil, bei dem heutigen Astrachan,
wo im Hause aus Backsteinen mitten unter Zelten der ChazarenfQrst
Hof hielt, tauschten Araber Pelze, Fische, Honig und Wachs gegen«
Südfrüchte, Gewebe, Parfümerie und Wein ein; sie Hessen sich sogar"
nicht verdriessen, feine Biber- und Eichhomfelle aus dem ferneim
Bulghar bei Nowgorod zu holen*). Demnach konnte es sich ereignen,
und war gewiss auch nicht unerhört, dass die Schultern des Chowa-
^) Haken Hakonsons Saga cap. 260. Nielsen, Bergen, S. 141.
8) Lappenberg, Stahlhof, S. 10. Hans. U. B. I, No. 281.
») Lappenberg, Gesch. v. Engl. I. S. 280.
*) Stüwe, Handelszüge der Araber S. 266, 271 und Karte. Kömer,
Lehrb. d. Handelsgesch. S. 92. Beer, AUgem. Gesch. des Welthandels
— 21 —
resmiers von einem grönländischen Pelze geziert ^nirden, dass auf
seiner Tafel ein Fisch von den Lofodden dampfte, oder in seinem
Harem ein EiderdannenMssen zu Knhe und Gennss einlud.
Doch die Tage der Grösse Wisbys neigten sich dem Untergange
zu, in Ltlbeck war ihm ein überlegener Kival erwachsen. Die Trave-
stadt hatte die Reichsunmittelbarkeit erworben, hatte das Joch des
dänischen Königs abgeschüttelt, einen dänisch -holsteinischen Angnff
zurückgewiesen und strebte nun, im jungen Bewusstsein seiner Kraft,
sich allseitig Geltung zu verschaffen. Schon im zwölften Jahrhunderte
hatte der Verkehr mit Norwegen begonnen; in der Zollrolle für den
Handel der Fremden, die der Rath etwa 1227 erliess, wurde, wie
auf Russen und Schweden, so auch auf die Norweger als Besucher
des Hafens Rücksicht genommen. Zwanzig Jahre später finden wir
den lübisch-norwegischen Handel in vollem Flore, aber auch zugleich
eine Verwickelung zwischen den beiden Parteien, die nahe daran
gewesen zu sein scheint für die Kaufherrn an der Trave übel aus-
zulaufen. *
Damals hatte nämlich der dänische Erich Pflugpfennig die Ju-
gend der holsteinischen Grafen günstig erachtet um die nordalbin-
gischen Lande wieder an sich zu reissen, es war darüber zu grossem
Kriegslärm gekommen, in den bald die Völker von Rügen bis Bremen
und Skagen einstimmten, nicht zum mindesten die Lübecker, welche
guten Grund hatten von der Begehrlichkeit des Königs zu fürchten.
Mit Energie und Glück warfen sie sich in den Kampf, der bewährte
Kriegsheld Alexander von Soltwedel führte die Flotte. Erregung
ergriff und verwilderte die Gemüther; die vielfach nur mühsam inne
gehaltenen Schranken wurden durchrissen, zumal den streitsüchtigen
und grosssprecherischen Norwegern gegenüber. Die Dänen nahmen
und plünderten einige normannische Schiffe im Grönsund, Lübecker
und Dänen beraubten die Norweger an mehreren Orten, ja es scheint
auch, als ob damals schon deren König Hakon Hakonson Grund ge-
habt hätte zu klagen, dass seine Ehre von den Städten gekränkt,
seinen Leuten vielfach Schaden von ihnen zugefügt sei. Er machte
kurzen Prozess und belegte alle Schiffe, welche von Dänemark kamen,
die Wendland-Fahrer und mehrere deutsche Koggen, sammt der
Ladung, mit Beschlag. Zufällig ereignete sich dies gerade in dem
I. S. 156. Ob die Araber auf einem Handelswege nach Nord- und Ostsee
gekommen sind, ist strittig; vergl. namentl. Stüwe.
— 22 —
Sommer, wo der päpstliche Legat Wilhelm in Norwegen wegen der
Krönung des Königs anwesend war. An ihn wandten sich die Ge-
schädigten und gelang es denn auch der Fürsprache desselben, ihnen
ihr Besitzthnm vom Könige zurückzuverschaffen ^).
^) Snorre Sturlespns Haken Hakonsons Saga cap. 256. Dieses erst»
Zerwürfniss zwischen Lübek und Norwegen lässt sich leider nicht in so
festen Linien geben, als es wünschenswerth ist, und bei den verschiedenen
dafür zu Gebote stehenden Quellen möglich zu sein scheint. Der Grund
liegt vornehmlich in dem Umstände, dass wir es mit 4 Briefen zu
thun haben, wovon nur einer, und zwar, wie sich leicht ergiebt, der
abschliessende ein Datum trägt (6. October 1250). Es fragt sich nun^
wie die anderen drei anzusetzen seien. Das Lüb. Urk. B. I setzt den
Brief A. (No. 153) vorsichtig zwischen 1247 und 1250 an. Lange und
Unger, Dipl, Norw. V, No. 1 haben: Winter 1247 — 1248 und so auch
Höhlbaum im Hans, ü. B. I, No. 356. — Brief B. ist vom Lüb. U. B.
abermals zwischen 1247 und 1250 datirt (No. 154), vom Dipl. Norwegen
(No. 2) und Hans, ü. B. (I, No. 366) Sommer 1248. — Brief C. verweist
das Lüb. ü. B. (No. 252) zwischen 1250 u. 1260, Dipl. Norw. (No. 3) ent-
schieden mit Recht (in das Jahr 1250) vor den Brief D., Hans. U. B. No. 390,
1250 um October 6, nach dem Briefe D. — Deecke in der Gesch. der Stadt
Lübeck, der näher auf die Sache eingeht, schliesst sich S. 120 ff. dem Lüb.
ü. B. an und ebenso hält es Munch IV. I. S. 71. Nielsen, Bergen, S. 167
folgt dem Dipl. Norw. — Der wichtigste von den undatirten Briefen ist
A Nur Höhlbaum lässt sich auf die Gründe einer Datirung ein; er sagt,
dass die Zeitbestimmung sich aus Anm. 2 (König Hakon von Norwegen
gekrönt 1247, Juli 29) ergebe und den folgenden drei Briefen, Leider
lässt sich aber mit Anm. 2 nichts beweisen, da Hakon schon etwa 20
Jahre regiert hatte und sich vor wie nachher urkundlich König nannte
(Der findes intet Spor til, al Kroningen, för ünionstiden, giorde
nogen Forandring i selve den kongelige Titulatur. Werlauff, Om de
norske Kongers Kroning in Kongl. Danske Vid. Selsk. Afh. V. Kiöbenh.
1836). Auch der Verweis auf die anderen drei Briefe giebt weiter nichts
aus, als dass Hakon in B. sagt: scripsimus vobis prius in hyeme super
pace habenda inter nos et concordia, woraus unmöglich mit Höhlbaum
(No. 366 Anm. 2) sicher gefolgert werden kann, wir hätten es mit dem
Briefe A. zu thun, um so weniger, da auch B. undatirt ist und vornehm-
hch nur durch A, seine Zeitbestimmung erhalten zu haben scheint, ohne
dass sich irgend Schlagendes für den Sommer 1248 anführen Hesse. Für
die drei Briefe mangelt es schlechterdings an jeder objectiven Sicherheit,
ja selbst ihre Eeihenfolge ist nicht unumstösslich zu fixiren. Doch nehmen
wir an, die drei Briefe gehörten in die Zeit von 1247 — 1250 und versuchen
wir sie in das richtige Verhältniss zu setzen. Von den üebergriffen der
Dänen und Lübecker ist oben unter Bezugnahme auf Snorre berichtet, da
der Kardinal Wilhelm im Sommer 1247 (bis September) in Norwegen gewe-
sen ist, so ist die Zeit der Ereignisse bestimmt. Im Briefe A. ist von Schä-
— 23 —
Eine Andere Rückäussemng des dänischen Eri^es scheint eine
Thenerong gewesen zu sein, welche damals Norwegen heimsuchte
und dem Könige ruhigen Verkehr dringend erwünscht machte. Im
Laufe des Winters schrieb er einen entgegenkommenden Brief an die
Lübecker, erhielt darauf zwar keine Antwort, stand aber dennoch
nicht an, im Vertrauen auf deren Neigung zum Frieden, seine Kauf-
leute mit Waaren nach der Trave zu entsenden. Er bat, sie freund-
lich anzunehmen und ihnen Getreide, Mehl und Malz zu verkaufen,
deren Ausfuhr anderen Kaufleuten untersagt sei. Es sollte anders
kommen, wie er erwartet haben mochte. Gereizt durch die Rück-
sichtslosigkeit, womit Hakon gegen deutsche Schiffe verfahren war,
übermüthig durch ihre Erfolge gegen Dänemark und verbittert durch
die Ausübung des Strandrechtes gegen ein bei Tunsberg gesunkenes
lübisches Fahrzeug und die Plackereien, denen sie trotz gewährter
königlicher Verwilligung in Norwegen ausgesetzt blieben, plünderten
digung norwegischer Kaufleute, welche Waaren nach Lübeck brachten,
die Rede, dies und die Andeutung im Brief B. scheint das Dipl. Norw.
veranlasst zu haben von der vorsichtigeu Datirung, des Lüb. U. B. abzu-
weichen, und doch unterscheidet Snorre nicht nur ausdrücklich das Ver-
fahren der Lübecker von dem der Dänen, welches sich auf Kaufschiffe
bezieht, sondern, da der Cardinal schon im September Norwegen ver-
lassen hat, kann unmöglich noch im Winter in der hier vorliegenden
Weise auf die Beraubungen der Lübecker Bezug gonommen werden. Es
bliebe allerdings eine neue Beraubung; damit verlieren wir aber wieder
jeden Halt, denn dieselbe kann sowohl früher oder später eingetreten
sein. Nun geht aber aus dem Briefe B. hervor, dass Lübecks Stimmung
auf Norwegen nicht besonders gut gewesen, wofür wir oben Gründe an-
führen werden, und femer dass der König seine Kaufleute im Glauben
an Lübecks Neigung zum Frieden, dennoch nach der Trave sandte. Sehr
wohl dürfte dazu die Angabe im Briefe A. passen, wo gleichfalls aus-
drücklich von norwegischen Kaufleuten die Rede ist, die nach Lübeck
segelpd beraubt sind; auch von wiederholter Ehren- und Sachkränkung
erfahren wir dort. Vielleicht haben es die Lübecker nicht mit jener
Beraubung von welcher Hakon spricht, genügen lassen, vielleicht auch
haben wir unter der iniuria derselben apud Wisclemburg nur dieselbe
zu verstehen, so dass alsdann Brief C, hinter A.« und vor D. gehörte,
demzufolge die multiplex discordia et diversarum iniuriarum illacio, die
sich zwischen Lübeckern und Norwegern zugetragen, abgeschlossen werden.
Die Reihenfolge der Briefe gestaltete sich demnach im Winter (1247/48,
1248/49?) einer x, darauf B. A. CD.; — C. aber nicht wie Höhlbaum mit
D., sondern mit B. und A. in nähere Verbindung gebracht. Absolute
Sicherheit fehlt.
— 24 —
jetzt Lübecker Mannen die ankommenden norwegischen Schiffe, nnd
als ob alles wohlgethan sei, fanden die Räuber und das Geraubte
Bergung innerhalb der Stadt. Dies war ein grosses Vergehen, aber
Theurung herrschte im Norden und die deutsche Zufuhr war nöthiger
als sonst geworden. An der Trave wird man nur zu gut davon
unterrichtet gewesen sein, zu gut gewusst haben, dass man sich
schwierig zeigen dürfe. Jetzt griff Hakon zu einem anderen Mittel,
er wandte sich an den deutschen Kaiser Friedrich IL, klagte über
das Verhalten der Lübecker und bat, ausdrücklich ihnen zu gebieten,
seinen Leuten friedlich zu begegnen. Der Kaiser soll darauf hin
ein Schreiben an Lübeck erlassen haben, worin er den gewünschten
Befehl ertheilte, vielleicht auch die Drohung beifügte, dass er die
Oberhoheit (Vogtei?) über die Stadt dem Könige von Norwegen über-
tragen werde. Hakon Hakonsons Saga berichtet unumwunden, dass
er dem Könige ein solches Anerbieten mit der Versicherung gemacht
habe, er werde ihn höher ehren als jeden anderen Herrscher auf
der Welt. Wie befremdlich dies klingen mag und wie zulässig die
Annahme ist, das noi'wegische Ruhmredigkeit hier im Spiele gewesen,
zumal, da von einschlägigen urkundlichen Belegen nichts auf uns
gekommen, so dürfen wir dennoch nicht verkennen, dass der Nach-
richt Wahrheit zu Grunde liegen kann. Nicht allein, dass jenes
Angebot mit dem Verhalten Friedrichs gegen Waldemar H. durchaus
im Einklänge steht, dem er bekanntlich die rechtselbischen Lande
bis zur Eide preisgegeben hat; es befand sich der Kaiser auch in
alter Freundschaft mit Hakon, er war ihm für die Ablehnung der
von Innocenz IV. dargebotenen Kaiserkrone noch speciell verpflichtet,
und gerade zu der hier in Betracht kommenden Zeit erfahren wir
von anderer Seite, wie der dänische Erich darauf hin arbeitete,
Lübeck für sich vom deutschen Reiche abzutrennen^). Vor allem
kommt in Betracht, dass die Stadt, wahrscheinlich um einen kräftigen
Rückhalt zu erlangen, sich mit Papst Innocenz, dem Todfeinde Frie-
drichs, in das beste Einvernehmen setzte und entschieden zu dem
Gegenkönige Wilhelm von Holland hinübemeigte ^). So thürmten
sich bedrohliche Wolken empor, der dänische Krieg dauerte fort
und verschlang grosse Summen; es zeigte sich gerathen, gegen Nor-
*) Lüb. ü. B. I, No. 129.
*) Lüb. ü. B. I, No. 144, 141, anders ward ihre Stellung nach dem
Friedensschlüsse und Friedrichs II. Tod, vergl. No. 172, 182. Vergl.
Deecke, Gesch. d. Stadt Lübeck, S. 89.
— 25 —
wegen einziilenken. Einmal zn der Erkenntniss gekommen, griff
der Kath die Sache mit gewohnter Rührigkeit an; in seinem und der
Stadt Namen liess er wiederholte Briefe an König Hakon ahgehen,
worin er die Beschwerden der Seinen darlegte, die verübten Gewalt-
thaten bedauerte, die Unschuld der Gemeine betheuerte und um Ent-
schuldigung und völlige Wiederherstellung der Freundschaft bat.
Norwegen hatte nach wie vor deutsches Korn nöthig, und der König
liebte den Frieden. Als nun gar der lübische Bote Johann von
Bardewik bei ihm eintraf, konnte es der Vermittlung desselben nicht
fehlen, dass „der vielfache Zwist und die gegenseitigen Beleidigungen"
der beiden Parteien zum Abschlüsse gediehen i). Zur Festigung des
Friedens entschied König Hakon, dass den Angehörigen beider Theile
in Zukunft vollständige Yerkehrsfreiheit und freundschaftliche Auf-
nahme zustehen solle; er versprach der Stadt Lübeck Schutz durch
seine dort anwesenden ünterthanen, wenn sie von Feinden beschwert
werde; verlangte dasselbe aber auch von den in Norwegen sich auf-
haltenden Lübeckern; er gewährte den Kaufleuten der Stadt Freiheiten,
wie sie sie in seinem Reiche nicht grösser besessen hatten und er-
klärte den Vertrag für nnverletzt, auch wenn Einzelne ihn brechen
würden.
Damit waren die dreijährigen Zerwürfiiisse beigelegt, die denk-
bar nächste Wechselwirkung zwischen Norwegen und Lübeck ange-
bahnt und dem reichsstädtischen Kaufmanne ein fester Boden er-
worben, von dem aus er zäh und überlegen weiter erobern konnte,
besonders, als er allmählich im gemeinen deutschen Kaufmanne auf-
ging. Schon eine Urkunde König Abels von Dänemark aus dem
folgenden Jahre berichtet, dass Umlandsfahrer, die, wie es scheint
zum grösseren Theile den wendischen Städten angehörten, im scho-
nischen Skanör anlaufen und sich von dort mit Brot, Leinen, Salz
und Lebensmitteln nach Norwegen begeben*). Auch Hamburg hat
bereits zu Hakons Zeit mit diesem Lande in Handelsverbindungen
gestanden, wie aus einem Schreiben König Magnus Lagabäters er-
hellt, worin er dessen Bürger von dem Verdacht eines Mordes ge-
reinigt erklärt, und sie in alle jene Gunst und Gerechtsame, welche
sie zu Zeiten seines Vaters genossen, wieder aufiiimmt 3). Dass aber
1) Hans. U. B. I, No. 389.
') Hans. ü. B. I, No. 411 und Varianten.
»} Hans. U. B. I, No. 601.
— 26 —
das Yerhältniss Hakons zu den Deutschen nicht immer ganz Med^
lieber Natur geblieben, erhellt nur zu klar aus den enormen Ein-
bussen, welche Bürger von Kostock durch ihn erlitten. Einer der-
selben, Herr Meincke, verlor eine Kogge und Güter im Werthe von
60 Mark, und sein Knecht wurde noch ausserdem enthauptet i). Da
Enthauptung eine gerichtlich Strafe ist und ausdrücklich überliefert
wird, dass der König jene Beeinträchtigungen zufügte, so dürfte
etwas vorgelegen haben, worin die Kostocker die ihnen zustehenden Be-
fugnisse überschritten hatten, und wir irren vielleicht nicht, wenn wir
ihr Vergehen in dem noch näher zu berührenden, verpönten Winter-
handel zu finden glauben. Die letzte Urkunde, welche wir von König
Hakon für Deutsche besitzen, ist ein mit Herzog Wartislaw von Pom-
mern und mit Greifswald geschlossenes Friedensbündniss, demzufolge
allen sein Reich besuchenden Kaufleuten von Greifswald sichere Zu-
und Abfahrt, Kauf und Verkauf nach heimischer Sitte gewährt und
Schutz gegen Unbilden versprochen wird*)-, dass andererseits auch
die Norweger nicht ungewohnte Gäste im Hafen von Greifewald ge-
wesen sind, geht aus der ungefähr zehn Jahre jüngeren Zollrolle der
Stadt hervor 3).
So sehen wir denn den deutsch-norwegischen Handel in ununter-
brochenem Aufschwünge, und trotz dem war der deutsche Kaufinann
gerade in Norwegen schlechter, als fast an allen übrigen Orten des
Auslandes gestellt, wohin er seine Schiffe lenkte; er durfte nämlich
dort weder nach eigenem Rechte leben, noch nördlich von Bergen
fahren, noch auch während des Winters Handel treiben. Ersteres,
zusammenhängend mit dem königlichen Fremdenschutz und der weit-
gehenden Rechtsbefugniss des Herrschers über Land und Leute, konnte
nur das Höchste sein, worauf die Kaufleute ihr Augenmerk richteten.
Verschieden davon verhielt es sich mit den beiden folgenden Einschrän-
kungen, die nur zum Vortheile der norwegischen Unterthanen bestanden
und von den Ausländem als schwere und willkürliche Beeinträchtigung
ihrer Interessen angesehen werden mussten. Minder wichtig war die
nördliche Küstenfahrt, welche von Alters her als Sonderbefugniss der
Norweger angesehen zu sein scheint*), von desto grösserer Tragweite
aber die Zusammenzwängung des Handels auf die Sommermonate. Ans
1) Mecklenb. ü. B. II, No. 851.
») Hans. ü. B. I, No. 579.
») Hans. ü. B. I, No. 746.
*) Nielsen, Bergen, S. 146.
— 27 —
sich selbst heraus drängte sie zur Uebertretung. Noch wagte sich der
Schiffer ungern auf das offene Meer, er liebte es vielmehr, sich in
der Nähe des Ufers zu halten; die Witterungsverhältnisse Norwegens
äusserten sich oft in vorzeitigen Stürmen, welche das Verlassen des
Hafens zu einem Wagnisse erhoben, die Entfernung von der Heimath
war gross, der Waarenvorrath nicht immer bis zum bestimmten Ter-
mine umgesetzt, und nach demselben stand bei geringer Concurrenz
der grösste Gewinn in Aussicht. Winterlager und feste Niederlassun-
gen mussten sich in Norwegen, wie an anderen Orten, als Existenz-
bedingungen eines geregelten Handelsverkehrs ergeben. Unter solchen
Umständen wagten wohl schon früh einzelne kühne Männer dort zu
überwintern und im Geheimen es nicht beim müssigen Aufenthalte
bewenden zu lassen. Als ihre Anzahl sich vergrösserte und die
Regierung darauf aufmerksam wurde, schritt sie doch nur ausnahms-
weise ein; vornehmlich wohl, weil die Vermiether der Hafenhäuser
gut verdienten und ein Zerwürfhiss mit den Städten, welche noth-
wendige Lebensmittel einführten, möglichst vermieden werden sollte.
Am Ende der Regierung König Hakons müssen der „Wintersitzer"
schon viele gewesen sein, sie mehrten sich fortwährend, wussten
den Zwischenhandel zum guten Theile in ihre Hand zu bringen
und den norwegischen Kaufmann immer mehr zu beengen i).
In erster Linie werden auch hier die Lübecker gestanden haben.
Kaum hatte das Interregnum sein Ende erreicht, als sie sich be-
reits mit dem neuen Könige Rudolf in gutes Einvernehmen setzten*),
an sein Hoflager sandten und von ihm ein Schreiben an den hoch-
herrlichen Fürsten Magnus, den berühmten König von Norwegen,
den vor Allen geliebten Freund des Kaisers, erwirkten, worin er dem-
selben in prunkreicher Sprache Dank für die den Lübeckern erzeigte
Gunst sagt und ihn bittet, ihnen, die vom Schoosse des Reiches so
weit entfernt seien, auch femer sein Wohlwollen zu erzeigen ^). Unter
besagtem Magnus gelang es den fremden Kaufleuten stets festeren
Fuss in Norwegen, vornehmlich in Bergen zu fassen, wie unter An-
derem das von ihm erlassene Bergiöche Stadtrecht erweist, dem zu-
folge es als selbstverständlich angesehen wurde, dass nicht nur eine
Menge derselben nach der Hauptstadt kam, sondern sich auch
*) Nielsen, Bergen, S. 144.
2) Lüb. U. B. I, No. 349, 354, 355, 356.
«) Lüb. U. B. I, No. 354.
— 28 —
während des Winters dort aufhielt. Wir finden sie, dem losen
Verbände des norwegischen Communalwesens entsprechend, sowohl
an Rechten, wie an Verpflichtungen den Eingebomen ziemlich gleich
gestellt. Es wurde ihnen zugestanden, Häuser in einer norwegischen
Stadt zu erwerben, oder auf 12 Monate solche zu miethen, wofür
sie aber auch zu allen Eriegsschatzungen herangezogen wurden und,
im Verhältnisse von eins zu zwei, mit den Eingebomen an den Wachen
auf der nächsten Warte theilnehmen sollten. Dass sie in gleicher
Weise anderen CommunaUasten, namentlich der für den Bei^enschen
Hafen wichtigen Fortschaffung von Schiffen unterworfen seien, scheint
als selbstverständlich vorausgesetzt zu sein i). Gesetzlich durften sich
die Fremden nunmehr zu allen Zeiten in der Hauptstadt aufhalten,
Handel treiben aber auch nach wie vor nur in den Sommermonaten.
Wie wir gesehen haben, war es bisher nicht das deutsche Keich,
welches mit dem Könige von Norwegen, wie das englische, zum Vor-
theile der Kaufleute pactirte, sondern es waren inmier nur einzelne
Städte, denen er Privilegien verwilligte; — es hatte dies genau den
Verhältnissen entsprochen, welche an Elbe und Trave herrschten.
Allmählich war aber dort eine wesentliche Veränderang eingetreten,
die sich frühzeitig und klar gerade in Norwegen abspiegeln sollte.
Der Itibische Rath war zu der Erkenntniss gekommen, dass die emi-
nent günstige Lage des von ihm vertretenen Ortes, der Umstand,
dass dieser die einzige Reichsstadt in der ganzen Gegend war, ihm
eine führende Rolle in Aussicht stellte, die nicht allein Glanz, sondern
auch unmittelbaren materiellen Gewinn mit sich bringen musste; und
keine Corporation der Welt war mehr geeignet, als gerade" der Rath
Lübecks, das Erkannte zur Thatsache zu machen. Das nachhaltigste
Mittel zur Erreichung seines Zieles lag in der Association. Es galt,
die nächst gelegenen Städte, deren wesentlichste Interessen mit denen
Lübecks parallel liefen, an sich zu ziehen, ihnen den Landesherren
gegenüber das Gefühl von Kraft und Eigenart aufzuprägen, und sie,
so weit als irgend möglich, der Beeinflussung derselben zu entziehen.
Als Grundlage dafür musste die Uebertragung lübischen Rechtes die-
nen; darauf gestützt galt es, Streitigkeiten unter einander zu hinter-
treiben, was eine Ausgleichung der obschwebenden durch städtische
Schiedsrichter mit sich brachte; endlich musste man auf Bündnisse
zur Befriedung von See und Land und gemeinsamen Erwerb von
i) Dahlmann, Gesch. v. Dänemark, H. S. 353, Nielsen, Bergen, S. 172'
— 29 —
Privilegien im Auslande sein Augenmerk richten. Freiheit und Vor-
theil des gemeinen Kaufinannes lautete Lübecks Zauberformel. Zuerst
hatten Wismar und Rostock sich dieselbe zu eigen gemacht, schnell
waren Wolgast, Stralsund und Greifewald ihrem Beispiele gefolgt.
Zumal seit dem Ende des Interregnums weitete sich Lübecks
Einfluss kräfdg aus. Es hatte siegreich mit Dänemark gefochten,
hatte die Brandenburger Markgrafen zurückgewiesen, das Dassauer
Raubschloss gebrochen, den Streit mit Holstein und Schwerin beige-
legt-, es hatte vom englischen Könige Befreiung von Arrestation und
Prisenrecht, von päpstlicher Seite Verordnungen wider das Strand-
recht erhalten und hatte seine Verbindung mit den wendischen Städten
vollzogen. So recht ein Beweis von dem kecken Geiste, der in der
Stadt lebendig war, ist das Auftreten gegen den an anderen Orten
so gefürchteten Clerus, mit welchem ein Zerwürfniss eingetreten war.
Man störte die Messe, schrie den Geistlichen auf der Strasse Bokorel
Bokore! nach, prügelte sie, sperrte sie ein, und Laien verrichteten
priesterliche Functionen in der Kirche. Der Rath liess solchen Un-
fug nicht nur vor seinen Augen geschehen, er wies sogar das Capitel
mit der gesammten Pfarrgeistlichkeit aus der Stadt, unbekümmert
um Interdict und Bann^). — Gegen dieses Vollgefühl einer strotzenden
Kraft sticht der Schwächezustand, in welchem sich gleichzeitig die
pommerschen und mecklenburger Lande befanden, doppelt ab. Es
konnte nicht fehlen, dass sich die Lübische Politik denselben zu
Nutze machte, denn von überaus zahlreichen Handelsbegünstigungen
der Pommerschen Herren abgesehen*), ist es gewiss nicht zufällig,
dass gerade damals ein massives Vordringen und Festsetzen des
lübischen Rechtes in deren Länder eintrat; so erhielten Wolgast,
Stavenhagen und Tribsees dasselbe verliehen, Greifewald es bestätigt,
und Treptow ein Dorf nach lübischem Rechte s). Alle pommerschen
Städte luden als Freihäfen die dorthin handelnden Gäste ein^), und
als Bogislaw durch Kriegsnoth zu energischen Massregeln gezwungen
wurde, wusste er diese zum Vortheile des Grosskaufmanns zu mildem 0),
wie er denn auch zu Lübeck speciell in gutem Verhältnisse stand ^).
*) Becker, Gesch. der Stadt Lübeck I. S. 221 f. Pauli, Lübeckische
Zustände H. S. 25 f.
2) Hans. U. B. L Nr. 826, 843, 845, 878, 880, 884 u. A.
») Hans. ü. B. I. Nr. 898, 901, 971, 823, 869.
*) Hans. U. B. I. Nr. 880.
5) Hans. ü. B. L Nr. 884.
•) Hans. U. B. L Nr. 852 (851).
— 30 —
Als die Boten von Lübeck, Rostock und Wismar die Zwistigkeiten
zwischen Greifswald and Stralsund beilegten, thaten sie es mit ge-
flissentlicher Abschneidnng einer landesherrlichen Einwirkung, und
endlich, sollte es gar in dem noch näher zu besprechenden Rostocker
LandMedensbunde gelingen, die wendischen Städte, Ltlbeck an der
Spitze, als Partei, mit eigenartigen, gemeinsamen Interessen, den Lan-
desherren an die Seite zu stellen.
Nicht minder beachtenswerth zeigt sich das, was im Auslande
erreicht wurde. Es war der jungen Travestadt gelungen, fast überall,
wohin sie Handelsbeziehungen hatte, nicht allein weitgehende Privi-
legien, sondern auch das entschiedene Wohlwollen der Fürsten zu
erlangen; — da war es denn ein Schritt von grösster politischer
Klugheit und durchschlagender Wirkung, nicht in begünstigter Sonder-
stellung zu verharren, sondern das von ihr Erreichte auch ihren
Verbündeten zuzuwenden, und sich dadurch im Auslande mehr noch,
als im Inlande, zur Ftihrerin einer Städtegruppe, ja, sogar zur vor-
nehmsten Vertreterin des deutschen Kaufmannes aufeuschwingen.
Aus dem April des Jahres 1278 besitzen wir ein Privilegium, welches
König Erich von Dänemark gemeinsam an Lübeck, Wismar, Rostock,
Stralsund, Greifewald, Stettin und die übrigen wendischen Städte
ertheilte ^). Obwohl wir wissen, dass vornehmlich Lübeck sich der
Gunst des dänischen Königs erfreute, so ist in jener Urkunde doch
nicht ausdrücklich gesagt, dass gerade dieses in erster Linie auf Ver-
allgemeinerung der Zollbefreiung gedrungen habe-, was hier aber fehlt,
wird mehr als ersetzt durch einen wenige Monate jüngeren Erlass
des Königs Magnus von Norwegen 2). Es heisst in demselben, dass
Rathmannen vieler Seestädte ihn inständig angegangen seien, und dass
er, zumal in Folge der Bitten seiner besonderen Freunde: der Lübecker,
die durch zwei Gesandte vertreten, für würdig erachte, dem Kaufmanne
deutscher Zunge eine Reihe von Freiheiten zu gestatten und zwar
folgenden Inhalts: Kaufleute, die nur kommen und gehen, sich nicht
auf ein Jahr, oder ein halbes einmiethen, dürfen nicht zu Nacht-
wachen und zum Fortziehen von Schiffen gezwui^en. Meineidige und
Ehrlose nicht gegen sie vorgeführt werden. Auf den Brücken, Strassen
und Booten dtlrfen sie Kurzwaaren, Felle bis zu einem Decher, und
Butter bis zu neun Kufen voll, vom 15. Mai bis zum 15. August
1) Hans. ü. B. L Nr. 812.
8) Hans. ü. B. I. Nr. 818.
— 31 —
kaufen; ihre Waaren verkaufen mögen sie, nach dreitägigem Lagern
unter königlichem Vorkaufrechte , an wen sie wollen, es sei denn,
dass in Betreff derselben ein allgemeines Verbot erlassen werde.
Das schiffbrüchige Gut dtlrfen sie bergen und die Bewohner des
Districtes, der ein Schiff zum Kriegsdienste zu stellen hat, zur Hülfe
heranziehen. Niemand darf sich dasselbe aneignen, bevor es der
Eigenthümer aufgegeben hat. Wer hinreichende Bürgschaft stellt,
darf nicht in's Gefängniss geworfen werden, es liege denn etwas vor,
was an Hals und Hand gehe. Die Lübecker und ihr Besitzthum
stehen unter besonderer Empfehlung des Königs.
Klar steht hier vermerkt, wessen Einfluss der massgebende ge-
wesen, und ganz ohne Berücksichtigung von Privatinteressen geht es
auch noch nicht ab; — das eigentliche Privilegium ist aber gemein-
gültig für den deutschen Kaufinann und enthält einige wesentliche
Begünstigungen im Handel mit Kurzwaaren und im „Schiffziehen"
gegen das Bergische Stadtrecht ^), Von besonderer Wichtigkeit aber
ist das Princip, den Deutschen eine Sonderstelking zn gewähren.
Veranlasst wird die Urkunde sein durch die Uebelstände, welche
darin als aufgehoben erklärt werden, mehr wohl noch durch Miss-
wachs und Hungersnoth, die in dem Jahre zuvor Norwegen heimge-
sucht*) und wieder einmal die Unentbehrlichkeit deutscher Zufuhr
erläutert hatten. Hieraus dürfte sich auch zunächst ergeben, warum
Felle und Butter, also für Kleidung und Lebensunterhalt nothwendige
Waaren nur in geringen Quantitäten aufgekauft werden dtlrfen, wie
denn andererseits der Winterhandel dem Deutschen nach wie vor
untersagt blieb.
Ein Jahr später Hess sich Bremen von demselben Könige die
unter Lübecks Führung allgemein verbrieften Freiheiten gesondert
ertheilen, was schon jetzt auf eine eigenartige Stellung der Weser-
stadt deutet und als Vorspiel zu seinem demnächst eintretenden
Verhalten betrachtet werden mag 3).
Auch hier war die Handelsbeschränkung geblieben ; kein Wunder,
dass bei erbreiterten Rechten eine zunehmende Fülle von Uebertre-
tungen vorkam, die während der kurzen Zeit, da Magnus noch
Regierte, ungerügt hingehen mochte, anders aber aufgefasst werden
sollte, als härtere Hände das Scepter ergriffen.
») Nielsen, Bergen, S. 177.
«) Munch, IV. 1. S. 682.
8) .Hans. ü. B. Nr. 840.
I
— 32 —
•
Allgemeine Verhältnisse des norwegischen Reiches fangen an,
sich jetzt auf das Engste mit denen der deutschen Kaufleute zu ver-
quicken, und erscheint es deshalb nöthig, auch auf jene kurz das
Augenmerk zu richten. Wir finden, dass die ganze Herrscherthätig-
keit Magnus Lagabätters darauf abgezielt hat, durch friedliche Aus-
bildung des Rechtslebens den Schwerpunkt der Verfassung einzig dem
Eönigthume anheimzugeben; dem Bauemthume seine Standesklammem
zu nehmen, die weltlichen Grossen in unbedingte Abhängigkeit zu
bringen. Diesen Bestrebungen hatte er alles Andere nachgesetzt, er
hatte auf die Insel Man und die Hebriden zu Gunsten Schottlands
verzichtet, hatte sich durch Dänemark das väterliche Erbe seiner
Gemahlin vorenthalten lassen, hatte der Geistlichkeit Zugeständnisse
gemacht, die der Krone weite Gebiete der Rechtssphäre entzogen. Mit
fast ängstlicher Sorgfalt hatte er das Staatsschiff vor jedem Gefahr
drohenden Wogenschlage bewahrt; dafür ward es nach seinem Tode
mitten in die Brandung hineingetrieben. Erich, den man den Prie-
sterfeind genannt hat, sein ältester Sohn und Thronfolger, stand damals
erst in dem zarten Alter von zwölf Jahren, welches eine Regentschaft
durch die Königin Mutter, die dänische Ingeborg, und einen Reichs-
rath nothwendig machte. Bald überwog der letztere, und mit ihm
gelangte der alte trotzige Geist des Adels, den Magnus zurückzu-
dämmen unternommen, zur Führung der Geschäfte. Schnell hinter-
einander, fast gleichzeitig, ward der hohen Geistlichkeit, dem däni-
schen Reiche und dem deutschen KauManne der Fehdehandschuh
hingeworfen; es galt, den Clerus unter die Krone zu beugen, die
vorenthaltenen Ingeborgschen Güter zu erlangen, den deutschen
Handel zu beschränken, vielleicht gar zu vernichten; die niedere
Geistlichkeit, das Volk, Schottland und England sollten die Stütz-
punkte dazu bieten.
Was die auswärtigen Beziehungen, zunächst die zu Schottland
anbetrifft, so wurden die alten nordischen Ansprüche auf die Insal
Man und die Orkaden nicht nur aufgegeben, sondern am 25. JaHJ
1281 gingen auch schottische und norwegische Bevollmächtigte ein^^:
umständlichen Vertrag ein, nach welchem die einzige Tochter Kön5-£
Alexanders mit Erich vermählt werden und auf sie und ihre Kind^3^
die schottische Krone übergehen sollte, wofern deren bisheriger Trag ^^
stürbe, ohne echte Kinder zu hinterlassen^). Wichtiger noch solL*^
1) Rymer, Foedera IL S. 595. Manch. IV. 2, S. 24 f.
— 33 —
sich die Verbindung des mächtigen England mit Norwegen erweisen.
Zu Anfang der Regierung des Königs Magnus hatte zwischen den
ünterthanen jener beiden Reiche Uneinigkeit geherrscht, gegenseitige
Beraubungen und Beleidigungen waren vorgefallen und hatten einen
förmlichen Friedens- und Einigungstractat zwischen Heinrich in. und
dem Norweger nothwendig gemacht. Im August des Jahres 1269
abgeschlossen 1), durfte, kraft desselben, der Eine nicht die Feinde
des Anderen aufnehmen, welche sich fliehend zu ihm begeben würden.
Das Uebereinkommen blieb von dauernder Wirksamkeit, als auf
Heinrich UI. sein rühriger Sohn Edward I. gefolgt war. Freundliche
Briefe und Gesandtschaften wurden gewechselt und gegenseitig Ehren-
geschenke gemacht. Als Magnus sein Ende herannahen fühlte, ord-
nete er noch drei Tage, bevor er die Augen schloss, den Propst
Erland an den Engländer ab und liess ihm zwei weisse, sechs graue
Edelfalken und ein Schreiben durch denselben bringen, worin er ihm
seine Kinder empfahl *). Kaum war Magnus zur Erde geleitet, noch
nicht Zeit gewesen, ein neues Königssiegel anzufertigen, als auch
schon die Regentschaft im Namen des jungen Erich an Edward die
Mittheilung von dem Regierungswechsel und der bevorstehenden
Krönung machte, und abermals um das Wohlwollen des Plantagenet
nachsuchte^). Wie viel man norwegischer Seits auf ein gutes Ein-
vernehmen mit demselben gab, dtlrfte durch nichts deutlicher gezeigt
werden, als durch die Mühe, die man es sich noch in diesem und
während des folgenden Jahres kosten liess, um den aus England
entwichenen Ritter Guido von Montfort zu ergreifen*).
Eng mit den englischen Beziehungen scheint der Kampf zusam-
menzuhängen, den die Vormünder des jungen Königs von vom her-
ein gegen die Kirche eröffneten. Wir haben gesehen, wie Norwegen
unter dem Krummstabe von Hamburg-Bremen gestanden. Der Wunsch,
einen nationalen Metropolitansitz zur Verfügung zu haben, der im
Jalire 1104 die Erhebung des dänischen Lund veranlasste, war auch
die Ursache, dass ungefähr 50 Jahre später Nidaros zum Erzbisthume
»; Rymer, Foedera, I. 1, S. 480. Manch, IV. 1, S. 670 f.
«) Rymer, Foed., ü. S. 579. Manch, IV. 1, S. 672. Pauli, Gesch.
von Engl. IV. S. 55.
') Manch, IV. 2, S. 2 missverstellt die norwegisch-englische Politik
vollkommen, wenn er meint: men dette Brev var kan en Hoeflighedskri-
^®lse, af hvilket Slags der vistnok blev udfserdiget flere.
*) Manch, IV. 2, S. 86.
ilarttung, Norwegen. 3
— 34 —
für Norwegen und seine Dependenzen gemacht wurde. Bisher hatte
dieses Reich, fern von der geistlichen Obergewalt gelegen, sich unbe-
helligt entwickeln können, die nunmehr erfolgte Neuerung sollte nur
zu bald die gänzliche Aenderung zeigen, sollte sich als die Quelle
eines Jahrhunderte langen Ringens zwischen Staat und Kirche erweisen.
Die blutige Epoche der Thronprätendenten war angebrochen; Erz-
bischof Eystein wusste seinen Einfluss so geschickt geltend zu machen,
dass Norwegen durch den Erönungseid Magnus Erlingssons geradezu
ein Lehnsstaat der Kirche wurde ^). Durch die Partei der Birken-
beine und ihren FClhrer Sverrir erfolgte der Gegenschlag, die Bischöfe
mussten landflüchtig werden; Bann und Interdict hagelten auf das
Land hinab. Dann traten etwas ruhigere Zeiten ein, in welchen sich die
Kirche wieder vorzuschieben suchte, bis Magnus Lagabätter ihr durch
zwei Concordate die Souveränität in allen sie betreffenden Dingen
anheimgab. Als mit seinem Tode die Krone auf das Haupt eines
Knaben kam, unternahm es Erzbischof Jon, diesen Umstand auszu-
nutzen. Erich musste bei der Krönung eidliche Zugeständnisse machen
und gleich darauf dehnte ein Concil die Gerichtsbarkeit der Kirche
in's Ungemessene aus*). Dies mochte um so lebhafter empfunden
werden, als noch keine zwei Jahre verflossen waren, seitdem der
verbündete König Edward von England seine gefürchteten Reiserichter
ausgesandt hatte, noch kein Jahr, dass er unerbittlich ein Statut
erlassen hatte, nach welchem fernerhin kein Grundbesitz an die todte
Hand fallen sollte 3). Jetzt machte auch die norwegische Regierung
im Interesse des Staats gegen den Clerus Front, und der Kampf war
erklärt. Der Erzbischof schleuderte den Bann gegen die Häupter
der Aristokratie, die Regierung verhängte die Acht über ihn; er und
die Bischöfe von Oslo, Hamar und Stafanger verliessen das Land.
Das Interdict erfolgte, wurde aber von Staatswegen als ungültig er-
klärt, und nach wie vor sang die niedere Geistlichkeit unbekümmert
ihre Messe, während die Curie nicht wagte, sich einzumischen, um
des Saladinszehnten und Peterspfennigs nicht noch länger verlustig
zu gehen, die auf ein Geldausfuhrverbot von Norwegen ausgeblieben
waren. Im Jahre 1282 starb Jon in der Verbannung, was zur Folge
hatte, dass der Stuhl von Nidaros Jahre lang unbesetzt blieb, bis
*) Zorn, Staat und Kirche in Norwegen S. 13 f. 103 ff.
*) Zorn, Staat und Kirche S. 241 f.
») Pauli, Gesch. IV, S. 15 f.
— 35 —
ihn 1287 ein neuer Erzbischof bestieg, der sich nicht nur den Ge-
setzen unterwarf, sondern auch einen unbedingten Treueid leistete.
Wie Jon in Norwegen hatte Ami von SkaJholt das Banner der Kirche
in Island hoch gehalten, doch auch er musste es nach und nach
sinken lassen, erdrückt von der Wucht des Staates.
Es liegt auf der Hand, wie diese Zustände, welche gerade in den
ersten zwei Regierungsjahren König Erichs ihren Höhepunkt erreicht
hatten, das ganze Land durchschüttem und die von dessen Yater kaum
beruhigten Leidenschaften wieder aufetacheln mussten. Die unbän-
dige Raub- und Raufsucht brach wieder durch; mit Dänemark be-
stand alte Feindschaft; schon unter dem friedlichen Gesetzeskönige
Magnus hatte es sich wegen der Ingeborgschen Güter zu einem ernst-
lichen Waffengange angelassen;, und reich, hochfahrend und gründ-
lich verhasst war der deutsche Kaufmann. Die Bedingungen und
Richtungen zweier auswärtiger Kriege waren gegeben.
Blicken wir nach Dänemark hinüber, so sehen wir ein Bild
grenzenloser Zerfahrenheit: ein während seines ganzen Lebens un-
mündiger König, der sich auf dem Throne festklammerte, eine herrsch-
süchtige Königin -Mutter, ein unheilbarer Bruch in der königlichen
Familie, deren ältere Linie sich mit dem Herzogshute von Südjütland
hatte begnügen müssen, nie aber die Krone aus den Augen verlor;
dazu überreiche, gottvergessene Bischöfe, ein fast unabhängiger Reichs-
marschall, ein aufsässiger Adel, ein Theil des Landes verpfändet an
Schweden, Brandenburg und Braunschweig, und Feindschaft mit Nor-
wegen, Schweden und Holstein. Kein Wunder, dass der vielgeäng-
stigte Herrscher Erich Glipping bang nach befreundeten Mächten herum-
tappte und dass die kraftvollen und dabei friedfertigen deutschen See-
städte in ihm ihren besten Gönner fanden. Noch in den letzten Jahren
des Königs Magnus urkundete er für Lübeck, Riga und die wendischen
Städte. Als nun gar der kriegerische Adel Norwegens und Ingeborg, die
schwer beeinträchtigte Tante aus* der älteren dänischen Linie, an das
Ruder kamen, da bestätigte er Lübeck seine Freiheiten und Gerecht-
same, bestätigte und erweiterte er die von Greifswald und nahm sogar
die deutschen, gotischen und alle anderen Kaufleute, welche Estland
des Handels wegen besuchten, in Geleit und Schutz i). In diesem letz-
teren liegt, so zu sagen die Einleitung zu dem Bündnisse, das wenige
Wochen später die beiden mächtigsten Vertreter des baltischen Ver-
») Hans. ü. B. L Nr. 854, 855, 856, 858.
— 36 —
kehrs, Lübeck und Wisby eingingen, wonach sie mit gemeinsamen Kosten
und Kräften alle Unbilden und Schäden bessern und rächen wollten,
welche auf der ganzen Ostsee bis zum Sunde ihnen oder anderen
deutschen Kaufleuten zugefügt würden. Wie dieser Vertrag einerseits
ganz in dem weiten Sinne gedacht ist, den wir schon wiederholt zu-
mal in Lübeck fanden, so wurde er andererseits vielleicht nicht zum
wenigsten im Hinblicke auf die bedrohlichen Freibeutereien geschlossen,
die sich zwischen Norwegern und Dänen zu entwickeln begannen; oder
sollten schon damals die deutschen Städte gewusst haben, dass auch
ihnen im Norden schlimme Zeiten bevorstünden? — Es ist wahrscheinlich.
Schon eine Urkunde Herzog Hakons, des Bruders König Erichs,
aus dem August des Jahres 1281 datirt^) und den Städten Lübeck,
^) Sartorius-Lappenberg Urk. G. d, Hanse, H. Nr. 47 b und Hamb»
Urk. B. Nr. 801 setzen die Urkunde in das Jahr 1282. Das Lüb. ü. B.
I. Nr. 494, Lange og Unger, Dipl. Norweg. V. Nr. 15; Hans. ü. B. 1.
Nr. 1008 in das Jahr 128G. Höhlbaum vornehmlich wegen der Worte
pax et concordia nunc est inter nos reformata; das Lüb. Urk. B. macht
geltend, dass Haken 1282 erst 12 Jahre alt gewesen. Letzteres enthält
keine Beweiskraft, da im Mittelalter Vormünder und Käthe eines unmün-
digen Königs stets nur in dessen Namen schreiben; der für Norwegen klas-
sische Beweis hiefür (der gar nicht geliefert zu werden brauchte) ist der
Brief Inges I. an seinen Bruder, dessen Inhalt beginnt : Allen Menschen ist
kund ,,, ujisre Jugend, dass Du fünf Winter alt bist und ich drei, so
dass wir ohne unsre Freunde und guten Männer nichts Verständiges
ausrichten können. Dahlmann, Gesch. II. S. 144; auch Höhlbaums Citat
ist nicht schlagend; da wir ihm zufolge die Ereignisse in das Jahr 1282,
1283 und 1286 einreihen könnten. Unter solchen Umständen dürfte das
einzig methodische sein, sich an das Datum zu halten, um so mehr, da
falsche Zeitangaben auf norwegischen Urkunden nicht sehr häufig sind.
Dass Herzog Hakon das Jahr 1280 als das erste seiner Regierung rechnet,
ergiebt sich aus Dipl. Norw. II. Nr. 27. jfra burd vars herra Jesu Christi
l>ushundraÖ vettra ii hundraö vettra ok IX tigi vetra. trinitatis msesso
ceptan a XI are vars hertogadoemes. = 1290 am 27. Mai im 11. Jahre
unseres Herzogthumes. Oder Dipl. Norw. I. Nr. 80. tid vars herra Jesu
Christi J>ushundraÖ vetra tuau hundraö vetra IX. vetra oc II. vetr— a
XHL are vars hertogadoemes. = 1292 (12. Mai) im 13. Jahre unseres
Herzogthumes. Vergl. noch Dipl. Norw. I. Nr. 84, 86 u. A. Danach
kann unsere obige Urkunde mit der Angabe anno suscepti regiminis
ducatus nostri secundo nur in das Jahr 1281 fallen (Vergl. noch oben
S. 49 Anm. 3. Ein ferneres Indicium, welches darauf hinweist, dass die
Urkunde vor die officielle Eröffnung der Feindseligkeiten zu setzen ist,
beruht in der Aufzählung der Städte, da nach derselben in allen Ur-
kunden nur die wendischen Städte, bisweilen auch Riga und Wisby,
Kampen, Stavern und Groningen genannt werden, nie aber Hambui'g.
— 37 —
Rostock, Hamburg, Stralsund und den übrigen deutschen Seestädten
gewährt, weiss von Zwietracht, die zwischen Norwegern und Deut-
schen ausgebrochen, grösser als wtinschenswerth, an der er, der
Herzog, aber unbetheiligt sei. Jetzt, heisst es weiter, da wieder
Friede und Einigkeit herrsche, wolle er mit den Deutschen fest und
unverbrüchlich in gutem Einvernehmen bleiben, wo auch immer sie
in seinem Herzogthume landen, durchreisen oder verweilen würden.
Zum Zeichen seiner Gunst habe er dem Befehlshaber von Oslo be-
fohlen, die Deutschen, welche dorthin kämen, ehrenvoll aufzunehmen
und gut zu behandeln, gemäss der Freiheiten, die ihnen von seinen
Yorfahren gegeben und laut derer sie gegen jede Widerwärtigkeit
zu schützen seien. Schliesslich bittet er, mit den Leuten seines
Eeiches, die in deutsche Häfen kämen, gleich freundlich zu verfahren.
Dieses Diplom wird seinen Ursprung einem jener heftigen Zu-
sammenstösse verdanken, wie sie im Laufe der Jahrhunderte wieder-
holt den ruhigen Lauf der Dinge und die kleinen gegenseitigen Rei-
bereien durchrissen. Die allseitig erregten Leidenschaften der Nor-
mannen, der Zustrom der verbündeten Schotten und Engländer,
veranlasst durch die Hochzeitsfeierlichkeiten des Königs in Bergen,
leisteten dem Ausserordentlichen Vorschub. Doch noch war man zu
sehr mit anderen Dingen beschäftigt, als dass es nicht gelungen
wäre, für diesmal noch das Zerwürfiiiss mit den Deutschen beizulegen;
zumal, da die Rathgeber Hakons, der auch später, als er die Krone
erlangt hatte, von der Weise seines Bruders abwich, friedlicherer
Natur gewesen sein dürften, als diejenigen, welche dem Könige zur
Seite standen.
Doch die Sache sollte nicht abgethan sein. Bei dem Eindrucke,
den der siegreich fortschreitende Kampf gegen die Geistlichkeit in
den regierenden Kreisen machte, bei den nahen Beziehungen zu Eng-
land, dessen Kaufleute durch die Concurrenz der Deutschen in Nor-
wegen schwer beeinträchtigt wurden und daheim in London jahrelang
mit denselben gehadert hatten ^), lag nichts näher, als sich der immer
lästiger werdenden deutschen Gäste zu entledigen. Es hielt nicht
schwer, den jungen König zu überreden, dass man derselben, die
^) Zumal wegen der Unterhaltung des Bischofthores. Zu Anfang des
nächsten Jahrhunderts kam die Rivalität zwischen den Engländern und
Deutschen in Norwegen zum Ausbruche. Vergl. Lappenberg, Stahlhof.
S. 17, 38. Urk. Nr. 30 f. Hans. ü. B. I. Nr. 910, 911.
— 38 —
überdies zu dem feindlichen Dänemark schon wegen ihrer Vitien bei
Skanör in gutem Vernehmen standen, norwegischerseits entrathen könne.
Auf einer Versammlung zu Bergen, abgehalten am 16. September
1282, zu einer Zeit also, wo der officielle Verkehr mit dem Auslande
bereits geschlossen, wurde unter Anderem der Beschluss gefasst, dass
die fremden Wintersitzer, welche weder Mehl, Malz noch Getreide
eingeführt hätten, vom 8. September bis 3. Mai keine Butter, Häute,
Fische und kein Vieh auf dem Lande aufkaufen dürften. Zugleich
wurde den Schustern verboten, andere Waaren zu erhandeln, als sie
zu ihrem Gewerbe nöthig hätten ^). Der ganze Erlass, einmüthig von
dem Könige, der Königin Mutter, dem Herzoge und den Gliedern
des königlichen Rathes gefasst, war durchaus in der hergebrachten
Rechtssphäre gehalten und nur gegen das gerichtet, was als Miss-
bräuche bezeichnet werden musste, doch diese Missbräuche waren
nahe daran in die Gewohnheit über zu gehen und berührten Interessen
verschiedenster Art. Schwerlich haben sich die deutschen Winter-
sitzer und Handwerker ganz ruhig verhalten, mehr aber noch als sie
scheinen nunmehr die Norweger in Bewegung gekommen zu sein;
durch das Vorgehen der Regierung mochte gar mancher Regierte
sich gemüssigt fühlen jetzt seinerseits die Zügel schiessen zu lassen.
Beamte und Volk thaten den Deutschen üebermuth an und Gewalt 2).
Noch drohte Eisgang und Wintersturm, als der Bote der Eng-
landsfahrer die Schreckenskunde nach Stralsund brachte-, schon früher
^) Keyser og Manch. Norges gamle Love. HI, S. 12. No. 2 ff.
vergl. Munch, IV, 2, S. 85, 248, 249. Nielsen, S. 178. Munch im chro-
nologischen Register S. 673 irrt, wenn er das Bymod unter 1283
einreiht.
*) Vergl. Reimar Keck in Grautoffs Lüb. Chroniken I, S. 463 unter
1282, wozu ein Schreiben Wismars, welches in das letzte Drittel des
Jahres 1285 gehört (Hans. Reo I, No. 44) herangezogen werden mag, in
welchem es heisst: Normanni ante revolutionem iam fere duorum
annorum nostros concives et quosdam alios mercatores . . . irrationabili-
ter dampnificaverunt (vgl. Meckl. U. B. III, No. 1735), da wir unter revo-
lutio doch wohl die Handelssperre verstehen müssen, welche 1284 eintrat,
so ist damit gesagt, dass die Schädigungen ungefähr in dem Winter 1282/83
begannen. In einem Briefe Lübecks an König Edward (Lüb. U. B. II, No.
1010) wird gesagt, dass die Norweger ein Jahr hindurch (per annum) den
fremden Kaufleuten ihr Gut genommen hätten bis König Erich durch die
Klagen Lübecks veranlasst, Genugthuung versprochen habe; letzteres
fallt in den Anfang des Frühlings 1284 (vgl. oben S. 49) lässt sich also
mit obigem recht gut vereinigen.
— 39 —
hatte Lübeck Berichte erhalten und daraufhin Briefe ebenfalls an
Stralsund gesendet. Die Rathmannen dieser Stadt erklärten sich
zum zweiten Februar zu einer Besprechung in Lübeck bereit^). Ob
dieselbe erfolgt ist, lässt sich nicht feststellen, soviel jedoch wurde
überliefert, dass die Kaufherren vermittelst Schreiben und Sendboten,
durch welche sie beim Könige Beschwerde führten, thätig gewesen.
Es ist nicht allein möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass
das Auftreten der Norweger gegen die Deutschen eng mit den Be-
wegungen im Zusammenhange stand, die damals in dem den See-
städten eben so eng befreundeten als den nördlichen Nachbarn ab-
geneigten Dänemark ausgebrochen waren. Dort war nämlich der
König in eine heftige Fehde mit dem aufständischen Adel und dem
Herzoge von Süd-Jütland verwickelt, die bis in das Jahr 1283 hinein
wüthete und eine langwierige Belagerung des Gottorper Schlosses,
wahrscheinlich auch eine nahe Verbindung der Feinde der Regierung
mit Norwegen zur Folge hatte. Der mächtige Jacob von Nordhailand,
der Herzog WaJdemar und Ingeborg, die Königin -Wittwe, fühlten
sich durch den dänischen Erich in gleicher Weise beeinträchtigt, indem
derselbe ihnen allen beanspruchte Rechte und Besitzthümer vorenthielt.
Zwar dürfen wir einer Zusammenkunft zwischen dem dänischen und
norwegischen Herrscher, von der Petrus Olai weiss, keinen Glauben
beimessen^), doch ist soviel gewiss, dass der erstere dem Andrängen
seiner Grossen nicht Stand halten konnte, dass er Jacob mit Nord-
halland, den unmündigen Herzog mit Süd-Jütland belehnte. Gerade
damals sah sich der König gedrungen, eine Constitution über Luxus,
Völlerei, namentlich durch deutsches Bier veranlasst, Schenken und
Mörder herauszugeben ^J, was die Verwilderung der Gemüther bekun-
den mag, wie denn auch Nicolaus von Wittenberg, der in Kopen-
hagen erschlagen wurde, sicherlich nicht der einzige Deutsche war.
^) Gegen Koppmann, Hans. Reo. I. No. 28, dem Höhlbaum im Hans.
U. B. I. No. 935 folgt, setze ich diesen Brief in den Anfang des Jahres
1283, mich dabei auf das in der vorigen Anmerkung Gesagte stützend.
Die Nachricht von den Vorgängen in Norwegen tritt in dem Briefe als
etwas ganz Neues auf und hätten wir entschieden eine andere Wendung
erwartet, wenn es sich um Dinge handelte, die schon ein Jahr lang
spielten.
*) Mit Recht nimmt Manch unter den Berichtigungen IV, 2, die
Seite 87 — 91 gemachten Ausführungen zurück.
«) Regesta Danic. No. 1312.
— 40 —
welcher auf dänischer Erde sein Leben lassen masste ^). Unter solchen
Umständen konnte König Erich zwar nach Kräften dahin streben,
sich persönlich rein zu halten, seinen guten Willen gegen die See-
städte durch das Verbot zu zeigen, dass niemand wagen solle, Schiff-
brüchige an der Bergung ihres Gutes zu verhindern 2) , und sich die
wendischen Kaufherrn und die Grafen von Holstein, zumal ihre Stadt
Hamburg, so vielfach, wie möglich, zu verpflichten 3) ; bei einem Kampfe
mit Norwegen aber konnte er nur ein natürlicher Bundesgenosse
sein, der der Hülfe mehr bedurfte, als er leistungsfähig in dersel-
ben war.
Die Männer, welche in den deutschen Rathsstuben, vornehmlich
in der Lübischen sassen, waren viel zu klug, um derartiges zu über-
sehen. Unter dem Drucke der Ereignisse in Dänemark und wohl
in der richtigen Erwägung, dass die Vorgänge in Norwegen vom
Jahre 1281 nur als ein Vorspiel grösserer Verwickelungen zu be-
trachten seien, dehnten Lübeck und Wisby schon am 8. September
1282 das Befriedungsbündniss der Ostsee auch auf Riga aus, und
Hess sich das erstere femer angelegen sein, seiner gesammten Politik
aus den heimischen Verhältnissen heraus eine neue Wendung zu
geben.
Seit Jahren lag nämlich Herzog Bogislav IV. von Pommern mit
den Markgrafen von Brandenburg in heftiger Fehde, so weit sich er-
kennen lässt, von seiner Ritterschaft nur schwach oder vorübergehend,
unterstützt; der grössere Theil derselben, der Bischof von Kammin und
mehrere Städte waren unzuverlässig, oder standen sogar auf der
Seite des Gegners*). Die streitbaren Brandenburger drohten ent-
schieden die Oberhand zu gewinnen, und bald waren Rügen und die
Lande längs der See bis zur Elbe in den Kampf hineingezogen.
Hier hausten der Dynasten viele, theilweise tief verschuldet; das
Haus Mecklenburg zerrissen Familienstreitigkeiten, der Graf von
Schwerin haderte mit dem Bischöfe, die slavischen Herrn, Vasallen
und Städte mit Sachsen, überall zeigte sich ein Bild gänzlicher Zer-
Mekl. U. B. III, No. 1671.
«) Reg. Dan. No. 1300.
«) Hans. Urk. B. I. No. 903, 909, 921, 922, 925,
*) Barthold. Gesch. von Rügen und Pommern III. S. 4, 6, 16, dazu
Mecklenb. U. B. III. No. 1697, wo Bogislav sagt: de nostrorum consilio
fidelium vasallorum.
— 41 —
fahrenheit, traf man auf Verarmung und Unbehagen. Selbstverständ-
lich wurden die Seeplätze dadurch auf das Innigste in Mitleidenschaft
gezogen. Stettin, den Hauptort des Pommemherzogs, hätten die
Markgrafen gern in ihre Gewalt gebracht, Rostock und Wismar waren
eng mit den Schicksalen ihrer Fürsten verflochten, und Lübeck, die
einzige unabhängige Stadt, war durch die Lüsternheit der Branden-
burger nach ihrer Yogtei in Gegnerschaft zu denselben gerathen.
Langwierige Verhandlungen wurden gepflogen, die Lübecker Hessen
es sich viel Geld kosten, sie und die Markgrafen wandten sich wech-
selweise an den Kaiser, dessen Versuche, die Eintracht wieder her-
zustellen, erfolglos blieben^).
So mussten denn andere Mittel helfen, und keines konnte besseren
Erfolg verheissen, als die damals vielfach versuchten, vom Kaiser
eingeleiteten und begünstigten Landfriedensbündnisse. Vorsichtig, wie
Lübeck immer war, setzte es sich erst mit seinem Vogte, dem Her-
zoge von Sachsen auseinander, der sich, wie schon bemerkt, mit den
slavischen Herrn überwerfen hatte. Zwar wagte die Reichsstadt
wegen ihrer Stellung zum Hei'zoge nicht, den gemeinen Frieden her-
zustellen, dafür aber erwirkte sie sich die Erlaubniss, mit den Her-
zögen von Slavien, deren Vasallen und Städten, den Feinden ihres
Vogtes, zur Verhinderung von Gewalt und Unrecht ein Friedens-
bündniss einzugehen^), worin ja schon mehr liegt als die blossen
Worte besagen. Nachdem dann noch der Entwurf eines solchen
unter vielem Hin- und Herberathen ausgearbeitet war, begaben
sich die lübischen Sendeboten damit zur Verhandlung nach Rostock.
Dort war es, wo am 13. Juni 1283 auf Grundlage jenes Ent-
wurfes ein definitiver und denkwürdiger Vertrag zu Stande kam 3),
demzufolge der bisher gegnerische Herzog von Sachsen und die ihm
verwandten Fürsten der wendischen Ostseegebiete mit den Städten
Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Demmin und
Anclam zu einer zehnjährigen, für Land und Meer gültigen, Friedens-
einung zusammentraten, zu deren Oberrichter und Haupt der einzige
Reichsfiirst der Gegend, eben jener Herzog von Sachsen bestellt wurde.
Allein von den Vasallen und Städten sollte es abhängen, ob der
Bund nach zehnjähriger Dauer zu erneuern sei, und auch sie sind
^) Lüb. ü. B. I. No. 408, 427, 431, 442, 443.
«) Hans. U. B. I, No. 914.
») Hans. U. B. I. No. 916, 917.
— 42 —
es, welche K«ctoren, Richter und Geschworene wählen, die viermal
des Jahres zusammentreten. Geschieht einem der Bundesglieder Un-
recht oder Gewalt, so wollen alle dahin streben, das Geschehene
rückgängig zu machen. Ist dies auf friedlichem Wege unmöglich,
und sind die Herrn und Vasallen die Verletzten, so sollen die Städte
mit 200 schwerbewaffiieten Reitern den Herrn auf eigene Kosten
dienen; sind es aber die Städte, so sollen die Fürsten, als die zu
Lande streitfertigeren, 400 solcher Reiter stellen. Für den Fall,
dass ein Krieg zu Wasser unternommen wird, der im Wesentlichen
nur die Städte angehen konnte, haben für 100 Reiter 200 Bewaff-
nete einzutreten. Femer wurde die den Fürsten, welche immer an
schwacher Gasse litten, gewiss lästigere Bestimmung, als den reicheren
Corporationen der Stadtgemeinden, aufgenonmien, dass Niemand sich
von einem ergriffenen Räuber bestechen lassen und keiner ihn begünsti-
gen dürfe, bei Strafe als Feind angesehen zu werden; wie denn auch
demjenigen die gleiche Strafe in Aussicht gestellt wurde, der hart-
näckig den übernommenen Verpflichtungen nicht nachkäme. Ein
Dynast, der sich dieses zu Schulden kommen lässt, soll sogar durch
seine eigenen Vasallen und Städte bekriegt werden und die dadurch
verursachten Kosten tragen. Die Fürsten gewähren volle Zustimmung,
dass ihre Städte, grosse sowohl, als kleine, den übrigen Städten nach
Kräften beistehen. Alle Vorrechte und Freiheiten, welche die Lü-
becker in Pommern hatten, wurden den Lübeckern erneut und, dem
Principe der Gleichberechtigung gemäss, auf die Gesammtheit der
conföderirten Städte ausgedehnt, wie die Fürsten und Herrn nicht min-
der zugaben, durchaus keinen Vertrag mit den Markgrafen und den
übrigen Feinden schliessen zu wollen, ausser mit Wunsch und Bei-
stimmung der gemeinen Städte; — eine Bestimmung, die so gefasst
ist, als ob die Städte den Fürsten nicht recht trauten, diese sich
aber verpflichten, die Städte nicht einseitig im Stiche zu lassen.
Die Fürsten müssen in grosser Noth gewesen sein, als sie auf diese
Satzungen hin abschlössen; nicht allein, dass sie den Städten, selbst den
abhängigen, volle Gleichstellung mit Lübeck einräumten, sie liessen
auch sämmtliche Forderungen derselben zu^), bewilligten ihrer Ver-
einigung eine Sonderstellung im Bunde und entbanden sogar für den
Fall fürstlicher Bundbrüchigkeit die Unterthanen des schuldigen Ge-
horsams: Auch jene Richtung auf Verallgemeinerung Lübischer Pri-
^) Vergl. d. Entwurf.
— 43 —
vilegien, die wir schon mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatten,
finden wir wieder«, wie wir zugleich ein nicht untergeordnetes Ge-
schick der Städte anerkennen müssen, die localen Verhältnisse der
Heimath für entlegene Zwecke ausgiebig zu machen, denn wer dächte
nicht bei diesem Eostocker Friedensbunde filr Land und See an
jenes vorausgegangene Seefriedensbündniss zwischen Lübeck, Wisby
und Biga? So wie letzteres ausschliesslich zum Vortheile des Kauf-
manns eingegangen worden, so musste auch der Eostocker Bund, dem
ganz fremde Elemente einverleibt waren, in ähnlicher Weise wirken-,
Lübeck war das Bindeglied der zwei Vereinigungen^).
Die Städte waren weit entfernt, in der Zurückdämmung branden-
burgischer Begehrlichkeit eine Nebensache zu erblicken, sie war ihnen
jedoch nicht in dem Maasse Hauptsache, wie den Fürsten, was sich
schon auf der nächsten Bundesversammlung, die zu Boizenburg ab-
gehalten wurde, zeigen sollte. Dort trat die brandenburger Fehde
in den Vordergrund und wurde nur auf die Verhältnisse des Fest-
landes Eücksicht genommen. Otto von Lüneburg schloss sich da-
selbst der Partei der Friedensbündler an, zu der bald auch der
Herzog von Braunschweig, der von Jütland, der Bischof von Schwe-
rin, die Stadt Kammin und Andere halten sollten 2). So weit sich
erkennen lässt, scheinen die Fürsten ausschliesslich das Wort in
^) Nitzsch in den Preuss. Jahrb. XXXV. S. 116 meint in Betreff des
Bostocker Landfriedens, dass von geheimer Absicht Lübecks kaum noch
die Eede sein könne, sie liege klar und offen zu Tage, es war keine
andere als mit Einem Schlag das norddeutsche Fürstenthum matt zu
setzen und die Bewegung, in der es sich bis dahin entwickelt hatte, in
eine ganz andere, ja in die entgegengesetzte Richtung abzulenken. Wir
vermögen dem nicht ganz beizutreten. Abgesehen davon, dass man die
Frage stellen darf, weshalb denn die Fürsten auf diese klare und offene
Absicht Lübecks, welche für sie doch nahezu Vernichtung in sich schloss,
selbst bei hoher Noth, eingingen, scheint uns Lübeck viel zu sehr nüch-
terne Handelsstadt zu sein, um sich auf solche für ideale, hohe und ge-
fährliche Politik sehr ausgiebige, für den Handel und realen Gewinn aber
fast unfruchtbare Combinationen einzulassen. Demnach stimmen wir auch
den Folgerungen, namentlich der zweiten nicht bei, welche N. aus dem
Zustandekommen des Vertrags zieht. Er schliesst, dass Lübeck den
Fürsten die einzige, aber auch vollkommen zuverlässige Hilfe bieten
konnte. Für uns liegt die Grösse Lübecks ungefähr im Gegentheile, nicht
in seinem Auftreten als freie Reichsstadt, sondern |in seinem Aufgehen
in den Städtebund.
2) Mecklb. U. B. III, No. 1688, 1749.
— 44 —
Boizenburg geführt zu haben, was auch kaum befremden kann, da
xlie Geltung der Städte in dem Maasse sinken musste, als sie ihren
Verpflichtungen zum Kriege nicht durch Aussendung eigener Truppen-
contingente, sondern durch Abkauf für klingende Münze zu genügen
suchten. Veranlasst waren sie vielleicht dazu durch den Wunsch,
ihr gutes Verhältniss zu den Fürsten nicht bei all zu naher Berüh-
rung in Frage zu stellen, ihre Kräfte dort gesammelt zu halten, wo
es das eigentlich städtische Interesse erforderte. Auch erwuchs der-
artigen Bestrebungen durch den Bund Vorschub, welchen die Städte
im Bunde bildeten.
Diesem entsprechend finden wir, dass Lübeck an Stettin ein
Versprechen zur Hülfeleistung gegeben hat. Letzteres wandte sich
vertrauensvoll an die Schwester und bat um Beistand zur See gegen
die Markgrafen von Brandenburg; wenn derselbe nicht ausbleibe, hoffe
es dasjenige zu vollenden, was der gemeinen Freiheit und allen Kauf-
leuten zu Nutz und Ehren gereichen werde i). Wirklich hat Stettin
denn auch in harter Bedrängniss ausgehalten und im abschliessenden
Frieden von Vierraden seine Freiheiten noch gesondert zugesichert be-
kommen, ein Be weiss, dass Lübeck nicht umsonst gebeten worden,
welches sich daneben auch zum Herzoge von Pommern im besten Ver-
hältnisse und für „seine treue Hülfe" schadlos zu halten verstand.
Sehen wir Lübecks Bedeutung in so mannigfacher Weise im
Zunehmen begriffen, so scheint auch noch auf einen anderen Umstand
hingewiesen werden zu müssen, der das Ansehen der Stadt emporhob.
Während des letzten Kriegsjahres finden sich nämlich eine Reihe
der wendischen Fürsten als Schuldner derselben, theilweise durch
sehr bedeutende Summen verpflichtet *). Der Krieg wird sie genöthigt
haben bei der Verbündeten Anleihen zu machen, oder wohl richtiger,
nicht bei der Stadt, sondern beim Rathe, wenigstens wird in mehreren
Urkunden nur dieser als Gläubiger genannt. Der Rath möchte dem-
nach als eine Art von Finanzcorporation gewirkt haben und für die
Dynasten der Umgegend nahezu das geworden sein, was die Lom-
^) Hans. U. B. I, No. 851, 852. Scheint entschieden in die Zeit
nach dem Rostocker Landfrieden gesetzt werden zu müssen. — No.
930, 939.
*) Wir dürfen hier schwerlich schliessen, dass die Städte", die den
Landfriedensbündlem statt ihres Contingentes gezahlten Geldsummen zu-
rückgefordert hätten; allein Wizlaw verspricht den Lübecker Rathmannen
1120 Mark zu zahlen, wo doch nur an Vorschüsse gedaoht werden
kann.
— 45 —
barden denjenigen anderer Länder waren. In Eintracht mit der
Bürgerschaft repräsentirte er die Gemeine nach Aussen und trat den
Landesherren mit der ganzen Wucht der Stadt entgegen, was zur
Folge hatte, dass die Zahlungsimfähigen sich zum Einlager nach Lü-
beck verpflichten mussten^).
Indem sich so auf Seiten der Verbündeten die mannigfachsten
Interessen kreuzten und berührten, waren auch ihre Gegner, die
Brandenburger, nicht müssig. Nicht nur, dass sie ihre siegreichen
Waffen vorwärts trugen, sie wussten gleichfalls durch ihre Diplomatie
Przemyslav, den Herzog von Kaiisch, und den verschwägerten, wahr-
scheinlich Wizlav von Rügen übel gesinnten, König der Dänen zu
gewinnen. Ja, was für uns vor Allem beachtenswerth sein dürfte,
Hamburg;, die alte Verbündete Lübecks, setzte sich mit ihnen in
gutes Einvernehmen. Schon vor der Landfriedenseinung stellte Her-
zog Otto von Braunschweig zwei Hamburger Bürgern eine Urkunde
aus, die ganz den Eindruck macht, als ob sie dem Fürsten nicht
recht trauten und sich durch die schvrtüe Luft, welche den politischen
Horizont umdunkelte, ein wenig beklommen fühlten. Sie haben 10^2
Wispel Salz auf der Lüneburger Saline gekauft und erhalten die
Versicherung, dass sie dieselben unbehindert abholen und ausführen
düi-ften, wenn auch ein Krieg oder Zerwürfniss zwischen dem Her-
zoge und der Stadt Hamburg ausbrechen sollte. Ein Werner von
Schwerin findet sich in der Umgebung des Braunschweigers ^). Kaum
waren drei Wochen verstrichen, seitdem der Herzog zu den Ver-
bündeten hinübergetreten war, als der Markgraf Otto von Branden-
burg die in sein Land, wegen Salz, reisenden Hamburger in Schutz
nahm 3). Ob denselben Salzvorräthe genommen, oder ob sie in Folge
der Kriege ihre derartigen Bedürfiaisse wesentlich aus Salzwedel zu
^) Bisweilen findet sich consules statt civitas u. dergl. Viele Sachen,
die nur der Executivbehörde des Rathes zustehen, sind auch nur an ihn
gerichtet, oft auch an Rath und Bürgerschaft. Anders dürfte es mit
Obigem der Fall sein, da es doch ein grosser Unterschied ist, ob Jemand
dem Rathe einer Stadt, oder dieser selbst, d h. der Stadtcasse Geld
schuldet. Nur die consules werden genannt. Lüb. U. B. I, No. 454. II,
No. 57; — dahin gehört auch I, No. 453; vergl. I, No. 330, 331. — III,
No. 25 verbürgt sich Rostock für sich und seine Herrin für die geringe
Summe von 150 Mark der Stadt Lübeck. — In I, No. 447 ist natürlich nur
von einer civitas lubicensis die Rede.
«) Branschw. Lüneb. ü. B. I, No. 97.
^) Hans. U. B I, No. 924. „Pro sale vobis accepto" kann übersetzt
werden: für das euch genommene und für das euch erwünschte Salz.
— 46 —
befriedigen suchten, mag dahin gestellt bleiben, jedenfalls Hessen sie
sich angelegen sein, den gewiss vielfach gefährdeten Kaufleuten des
Markgrafen, welche zu ihnen kamen, Geleit und Schutz wie den eige-
nen Bürgern zu gewähren i). Wohl nichts kann deutlicher erhärten,
wie locker und von jeder politischen Neubildung abhängig damals
noch die Städteeinungen waren; jene Erlasse klingen fast wie die
Antwort auf das Verbot der Bündler, den Gegner weder durch Le-
bensmittel, noch sonst etwas zu unterstützen, welches einem fast
völligen Abbruche der Handelsbeziehungen gleich kam.
Fast zu derselben Zeit, da Hamburg von den Markgrafen seinen
Schutzbrief erhielt, hatten die wendischen Städte sich nach einer
anderen entschieden gefahrdrohenden Seite hin gedeckt, indem sie
sich vom Könige Erich Glipping volle Sicherheit und Freiheit des
Verkehrs und Handels nach seinem Reiche für das laufende Jahr
erwirkten; für Lübeck, Wismar, Rostock, Demmin, Stralsund, Greife-
wald, Stettin und Anclam war die Urkunde ausgestellt*). Als da-
rauf zwischen den Verbündeten und den dem Dänenkönige verschwä-
gerten Brandenburgern der Kampf in hellen Flammen emporloderte,
als die Grafen von Schwerin sich an den mit dem Könige rivalisi-
renden dänischen Reichsrath, zu Gunsten des Grafen von Halland,
wandten, Wizlav von Rügen persönlich nach Dänemark ging und
Herzog Waldemar von Jütland auf die Seite der Landfriedensbündler
trat, schloss Lübeck zum Schutze des allgemeinen Friedens und zur
Vertheidigung des Staates abermals mit jenem Könige eine Einung
auf drei Jahre, zu der die Grossen des Reichs ihre Zustimmung er-
theilten^). Erichs Haltung ist gar bezeichnend. Verwandtschaft und
Verpfändung wiesen ihn auf die Seite der Markgrafen*), die Inter-
essen seines Landes gebieterisch auf die der Seestädte, und wieder
war es Lübeck, welches das Bindeglied zwischen ihm und den Land-
friedensbündlem machte. Besondere Vergtlnstigungen des jütischen
Herzogs nach dieser Seite hin liegen nicht vor, doch gewährte er
den Bremern sicheres Geleit für ihren Handelsverkehr*^).
1) Hans. U. B. I, No. 928.
ä) Hans. ü. B. I, N. 925.
») Meckl. ü. B. in, No. 1696, Regest. Dan. No. 1322, Hans. U. B. I,
No. 929.
*) Die Grafen von Schwerin waren auch mit Erich, doch zugleich
mit seinem Gegner Jacob von Halland verwandt. Vergl. Meckl. ü. B.
in, No. 1619, 1642, 1696.
ß) Hans. ü. B. I, No. 945.
— 47 —
Geradezu erstaunlich ist übrigens die Fülle der Thätigkeit, welche
Lübeck damals entwickelte. Durch seine Streitigkeiten um die Yogtei
war die Stadt mit König Budolf in nähere Berührung gekommen,
welche sie in ein freundschaftliches Yerhältniss hinüberzulenken ver-
stand. Am 8. März 1284 schrieb derselbe an seine treuen und ge-
liebten Lübecker, dass er den nach Nürnberg ausgeschriebenen
Hoftag widerrufen und an dessen Statt die Zusammenziehung
eines Eeichsheeres, zur Handhabung des allgemeinen Landfriedens,
auf den 24. Juni verfügt habe; er ermahnt sie, sich zur Beobachtung
desselben bereit zu halten, denn er werde denen, die ihn lieben, mit
Hülfe und Gnade gegen die Landfriedensbrecher beistehen^). Wie
die Dinge lagen konnte den Lübeckern kaum etwas Erwünschteres
kommen; sie zauderten darum auch nicht lange, einen Boten an
König Budolf abzuordnen, der ihm vorstellte, dass die Ruhe der Stadt
und der umliegenden Lande durch die Markgrafen gestört sei; auch
davon wird er Mittheilung gemacht haben, dass der Herzog von Sach-
sen-Wittenberg durch das Geld der Brandenburger verleitet, gegen sie
und ihre Verbündeten die Waffen ergreife, dass auf diese Weise die
kaiserlichen Landfriedensbestrebungen vereitelt, gegen sein Wort und
seine Ehre Verstössen werde, dass nur zu helfen sei, wenn er ener-
gisch auf Ausgleich dringe. Nunmehr fasste König Rudolf den Ent-
schluss, eine solenne Botschaft an die Herrn von Slavien und die
Markgrafen zu senden, während er den Herzog von Sachsen ernst-
lich ermahnte, den Ascaniem nicht im Kriege beizustehen, sondern
vielmehr Frieden zu vermitteln. Der Lübecker Bote muss seine Sache
trefflich vollföhrt haben, weil der Kaiser es angemessen erachtete
ihn zu beloben und der Vaterstadt warm zu empfehlen 2); — er
kam aus guter Schule.
Die Gesandten des Kaisers werden abgegangen sein, und wenn
den auf ihre Selbständigkeit eifersüchtigen Fürsten auch nicht viel
an den guten Worten derselben gelegen gewesen ist, so durften ihre
Drohungen doch schwerlich ganz überhört werden, um so weniger,
als sie von dem Jammer des Landes und der Ermattung der Kräfte
auf das nachdrücklichste unterstützt wurden. So kam denn am 13.
August 1284 zwischen den Verbündeten und den Brandenburgern
der \iergleich von Vierraden zu Stande, dessen Bestimmungen in dem
1) Lüb. U. B. I, No. 456.
«) Lüb. ü. B. I, No. 462, 463.
— 48 —
Maasse zu Gunsten der letzteren als zum Nachtheile Pommerns lau-
teten. Die Städte erhielten durch dieselben ihre sämmtlichen ver-
brieften Freiheiten bestätigt, waren also die einzigen auf Seiten der
Unterliegenden, welche wirklichen Nutzen aus der Einung zogen ^). Kaum
war d^ Friede geschlossen, als auch König Erich die deutschen
Kaufleute wieder in seinen Schutz nahm, der ihnen, mit Ausnahme
von Lübeck, seit dem Ablaufe des vorigen Jahres gefehlt hatte ^).
Es leuchtet ein, wie sie nicht gltlcklicher auf diesen Gebieten hätten
operiren können-, dafür sollten sich die Verhältnisse aber auf einer
anderen Seite von Jahr zu Jahr bedrohlicher gestalten: in Nor-
wegen nämlich, wohin wir nunmehr zurückkehren.
Die Bedrückung und Beeinträchtigung des deutschen Kau&iannes
durch die Normannen war in stätigem Zunehmen geblieben; schon
Hessen sie es nicht mehr damit bewenden, ihn in der Taxation der
Waaren ganz unvernünftig zu schädigen, sie nahmen den gerade An-
wesenden sogar gegen Recht und Gerechtigkeit ihre Güter 3).
Wie zu erwarten war, ertrugen das die Städte nicht schweigend.
Lübeck, Hamburg, Stralsund, Rostock, Greifswald und die andern Städte
im Osten und an der See, welche mit Norwegen Handel zu treiben
pflegten, traten mit Ausschluss Bremens in Unterhandlung, wegen eines
Verbotes der Schifffahrt nach jenem Lande, konnten sich aber bei
der Wichtigkeit der Sache, die brandenburgische Fehde im Rücken,
nicht gleich darüber einigen. Der Lübecker Rath schrieb deswegen
an den von Bremen, worauf er zur Antwort erhielt, er möge ihm
doch zeitig vor Ostern mittheilen, wenn die obigen Orte in Be-
treff der Norwegenfahrt einen endgültigen Beschlusss fassten, damit
auch er sich noch berathen und sein Verhalten zur Anzeige bringen
könne *).
Mit diesen Dingen ist eine Gesandtschaft Erich Priesterfeinds an
1) Meckl. U. B. III, No. 1749; fehlt im Hans. ü. B. I.
2) Hans. ü. B. I, No. 948.
») Hans. Reo. I, No. 28, 44- Hans. U. B. I, No. 977. In bono-
rum taxatione (taxtatione) irrationabiliter dampnificaverunt, kann wie
oben übersetzt werden, aber auch mit „Beschlaglegung der Güter", so
hat Munch IV, 2, S. 94. alt det Gods 1284 blev, „taksat" eller besaglagt.
S. 123 Anm. 1 meint er, taxatus sei das nordische taksettr latinisirt,
wobei doch zu bemerken ist, dass es hier in einer deutschen Urkunde
vorkommt.
*) Hans. Urk. B. I, No. 931.
— 49 —
König Budolf in Zusammenhang zu setzen, die in der Herbstzeit des
Jahres 1283 erfolgte, aber erst im nächsten Sommer zurückkehrte i),
woraus sich ergeben dürfte, dass sie lange gerade am Hofe des Habs-
burgers verweilt hat, ohne dass wir jedoch wüssten, was dort verhandelt
worden. Jedenfalls ist sie ziemlich erfolglos geblieben, da Rudolf eben
damals zu Lübeck in den besten Beziehungen stand und der König von
Norwegen sich durch die dringenden Klagen der Geschädigten, zu-
mals wieder Lübecks, veranlasst fühlte, nach England und anders-
wohin feierliche Botschaften und Briefe abgehen zu lassen und zu
geloben, er wolle auf alle Weise erstreben, dass die enormen Verluste
in Güte festgestellt und gesühnt würden; was denn auch thatsächlich
mit etwas mehr als der Hälfte geschehen ist^). Auch an die Städte
Lübeck, Hamburg, Wismar, Bostock, Bremen, Stralsund, Greifswald,
Stettin, Demmin, Anclam, Wisby, Elbing, Bügen und Beval schickte
er am 13. März 1284 Gesandte mit einem Schreiben*), worin er
^) Ama Bise. Saga, cap. 48, vergl. Munch, IV. 2. S. 91.
«) Hans. ü. B. I, No. 974.
•) Diese Urkunde ist in der Datirung die meist umstrittene von
allen in der ganzen Periode. Es handelt sich darum, ob sie in das Jahr
1284 oder 1285 zu setzen sei. Die 'vomehmlichste Literatur darüber
giebt Höhlbaum im Hans. IT. B. I, No; 970. Um die völlige Unsicher-
heit, die in Betreff dieses Erlasses herrscht, noch weiter zu erläutern,
verweisen wir auf: Sartorius-Lappenb. Urk. Gesch. d. H. I, S. 195. U,
No. 63 zu 1284. Munch IV, 2, S. 101 und Nielsen, Bergen, 1285; Bart-
hold, Gesch. d. Hanse H, S. 10:1284. S. 11:1285. Gallois. Hamb.
Chron. I. S. 160 : 1284 S. 161 : 1285. Kurd v. Schlözer, die Hansa und
der deutsche Bitterorden. S. 38 : 1285. Höhlbaum selbst entscheidet sich für
1285. D. Schäfer in den Hans. Geschbl. Jahrg. 1874 S. 7, der sie in das Jahr
1284 setzt, beruft sich auf die Urkunden Lüb. U. B. H, No. 62 und 1010, die,
wie ebendaselbst No. 129 aus dem Anfange des Jahres 1285 stammen; da die
ersten beiden Diplome ohne Datum sind, so dürften diese Argumente
nicht so schwerwiegend sein, wie diejenigen Höhlbaums (vergl. Mantels in
Hans. Bec. I, 549) und Nielsens, die sich daraufstützen, dass der 13. März
des 5. Begierungsjahres König Erichs der 13. März 1285 sei, indem König
Magnus bereits am 9. März 1280 verstarb. — Ueber den Todestag des
Königs Magnus vergl. ausser Hans. U. B. I, No. 969. Anm. 4 noch
Dahhnann, Gesch. v. Dänm. II, S. 370. Dipl. Norweg. I, S. XVH. Höhl-
baum» Berufung auf Detmar dagegen ist ganz verfehlt, indem die dort
berichteten Feindseligkeiten erst, wie oben gezeigt werden wird, im Früh-
Bommer 1285 nicht 84 Statt gefunden haben. — Mit Becht scheint Höhl-
baum die apodictische Fassung der Worte gewählt zu haben: „diese
Zahl (1285) ist unbedingt richtig" und dennoch könnte es nur so scheinen,
Harttang, Norwegen. 4
— 50 —
yersprach, dass jeder deutsche Kaofmann, der beim Könige oder
dessen Bechtspflegem anhängig mache, ihm sei vom Könige oder
dessen Unterthanen Unrecht oder Schaden zugefügt und dies durch
Beweise belegen könne, nach den Gesetzen und Grewohnheiten des
Reiches vollen Ersatz empfangen solle; doch haben es die Städte in
gleicher Weise mit den Kaufleuten seines Beichs zu halten und be-
lassen sie dieselben in den Bechten und Freiheiten, welche sie seit
Alters her in ihren Häfen genossen, so sollen auch die Deutschen
in Norwegen der Freiheiten, Bechte und Privilegien theilhaftig sein,
welche Magnus Lagabätter und dessen Vorfahren ihnen bewilligt
haben. Durch das königliche Insiegel wurde das Document bekräftigt.
weil die Prämisse, worauf sie beruhen nicht unantastbar dasteht, wie
das Folgende erweisen dürfte. Bymer Foedera II, S. 640. Urkunde Erichs
Priesterfeind. Datum Bergis anno domini millesimo ducentesimo octo-
gesimo quarto, sexto kal. Maii anno vero regni nostri quinto. Der 26.
April 1284 könnte, falls Erich die Jahre seiner Begiemng vom 9. (10)
Mai zählte, nur in das vierte, nicht in das 5. fallen. — Bremer U. B. I,
Kg. 484, Original Urkunde König Erichs, Datum ... in festo beati Mathie
apostoli anno domini ab ine. MGG nonagesimo secundo et regni nostri
anno XIII; der 24. April fiel nach derselben Bechnung noch in das zwölfte
Begierungsjahr des Königs. — Dipl. Norw. IV, No. 99. Urk. Herzog
Hakons nach dem Original, gegeben a {>orsdagen i paskaviku |>a er
lidnir waro fra burdartid vars herra Jesu Christi m. vettra cc vettra
niutigir vettra ok atta vettr. a nitianda are wars hoertugadoemes; ge-
rechnet wie oben, müsste der 10. April 1298 nicht in das 19. Begierungsjjahr
fallen, wie hier angegeben, sondern in das 18. Yergl. oben S. 68, Anm. 1.
Bei dieser Uebereinstimmung in allen drei Urkunden, die wir aus den
betr. Monaten haben, auf denen sich Begierungsjahr und Jahreszahl zu-
gleich angegeben finden, sind wir nicht berechtigt, Verschreibungen in
der Jahreszahl oder im Datum zu postuliren, sondern haben uns einfach
dem norwegischen Kanzleigebrauche zu fügen. Derselbe hängt wahr-
43cheinlich mit dem nordischen Jahresanfänge zusammen, betreffs dessen
unsere Kenntniss noch ganz im Argen liegt. Ueber das in Norwegen
nicht unbekannte Marienjahr (25. März) vgl.* Dipl. Norw. I, S. XV, XVI,
Orotefend, Handb. d. Hist. Chron. S. 26, 27. Ueber die Verbreitung des
Osteijahres im dreizehnten Jahrhunderte, Grotefend S. 28. Vergl. noch
Weinhold Altnordisches Leben S. 376. — Für die obige Urkunde speciell
kommen noch die Urkunden Hans. U. B. I, No. 974, 977, auf die schon
Schäfer hinwies, und in gleicher Weise der Umstand in Betracht, dass
die namhaft gemachten Städte entschieden besser auf einer Urkunde
passen, welche vor der Handelssperre, als auf einer, die nach derselben
ausgestellt ist. Vergl. noch die etwas wunderliche Art wie Munch IV, 2.
S. 101. Anm. 1. der den Brief 1285 ansetzt, sich zu helfen sucht.
— 51 —
Alles schien glücklich beigelegt zu sein nnd in das alt geregelte
Geleise wieder einlenken zn wollen. Yertraaensvoll segelten die
dentschen Händler, wie sie pflegten, nach verschiedenen norwegischen
Orten, nach Englands Gestaden nnd anch nach denjenigen anderer
Länder, je nachdem sie es vortheilhaft erachteten^).
Dieses plötzliche Einlenken Erichs in eine friedfertige Politik
hatte noch ganz besondere Gründe. Es war nämlich der einzige
Sohn König Alexanders m. von Schottland, schwach an Leib and
Seele, verschieden nnd damit Margarete, die Tochter des Norwegers
nnd der schottischen Gemahlin die nächste Erbin des erledigten
Thrones geworden. Die schottischen Grossen waren am 5. Febmar
zn einer Beichsversammlung zusammengetreten, auf der sie die junge
„Maid von Norwegen" zur Nachfolgerin des Grossvaters erklärt hatten.
Bei den wirren Zuständen des Westlandes, der Schwäche des Königs,
der tiefen Abneigung gegen die Normannen, bei dem Vordringen des
englischen Einflusses und den Ansprüchen der mächtigen einheimischen
Familien Bruce und Baliol, musste Erich daran gelegen sein, sich mög-
lichst freie Hand zu verschaffen, um nöthigen Falls dort mit ausschlag-
gebender Macht eingreifen zu können^). Erwägungen dieser Art werden
ihn veranlasst haben, den deutschen Städten gegenüber einzulenken-,
schien sich doch auch in Dänemark — wo mit dem Tode der Königin-
Mutter der letzte Funke von Herrscherenergie erloschen war — jene
viel verzögert« Ingeborgsche Erbschaftsfrage zu Gunsten Norwegens
entscheiden zu wollen, was dann von selber friedlichere Verhältnisse
der beiden Nachbarstaaten zur Folge gehabt hätte.
Der augenblicklichen politischen Strömung gemäss war es für Erich
Priesterfeind das nächstliegende, sich gegen die aufstrebenden Ele-
mente im Innern Schottlands auf das verbündete England zu stützen.
Bern entsprechend sandte er im April zwei seiner Bitter an König Edward,
um den Conföderationsbrief ihrer beiderseitigen Väter, Heinrich und
Miagnus, mit der Bitte vorzulegen, ihn zu erneuern. Er fiir seine
Person liess versprechen, alle darin enthaltenen üebereinkommen
wahren zu wollen. Um möglichst, jeglicher Eventualität vorzubeugen,
aus der eine Spannung zwischen den beiden Kelchen erwachsen
könne, liess er König Edward bitten, den Schädigungen, welche seinen
Eaufleuten in England angethan würden, Einhalt zu thun. Edward,
Meckl. ü. B. m, No. 1735. Lüb. U. B. H, No. 1010.
«) Pauli, Gesch. v. England, IV, S. 55 ff. Munch, IV, 2, S. 96.
Burton, History of Scotland, H, S. 42 ff., 141 f.
— 52 —
dem gerade sein erster Sohn geboren wurde, der weitschichtige Pläne
wob, mag schon damals an eine Verbindung zwischen jenem Knaben
und der schottischen Margarete gedacht haben; er nahm die nor-
wegischen Gesandten ausgesucht freundlich auf, verhandelte mit ihnen,
liess alsdann im Juli, fem in Wales, die von Erich gewünschte Bestäti-
gung erfolgen und die Bevollmächtigten versprechen, dass ihr Herr
das Vereinbarte beobachten und so bald als möglich in gleichem Tone
gehaltene offene Briefe darüber ausstellen werde ^).
Unterdessen hatten sich auch die Dinge in Dänemark weiter
entwickelt. Auf dem Reichstage zu Nyborg, der im Mai statt fand,
war es einer Reihe von dänischen Grossen, unter ihnen dem späteren
Eönigsmörder Jacob von Halland gelungen, sich als Schiedsrichter
in der Erbschaftsfrage aufzuwerfen und in bester Form den Spruch
zu erlassen, dass der Königin Ingeborg und ihren drei Schwestern
die Erbgüter gewaltsam ""und ungerecht vorenthalten würden, sie
ihnen deshalb mit den bisher eingelaufenen Erträgen ohne Wider-
spruch ausgeliefert werden müssten. Dieses Urtheil vom Könige be-
stätigt, wäre einer Auseinandersprengung des Staates nahe gekommen^),
er konnte es unmöglich genehmigen; um jedoch etwas in der Sache
zu thun, verglich er sich mit einer der Schwestern, wahrscheinlich
mit deijenigen, welche am wenigsten forderte. Er beging damit eine
thörichte Halbheit, weil die gewichtigsten Ansprüche offen blieben und
die norwegische Regierung entschieden gereizt wurde. Da ist es denn der
ZerMrenheit des Reiches so recht entsprechend, dass Waldemar von
Schleswig sich desto nachgiebiger zeigte, indem er seiner geliebten
Schwester, der Herrin Ingeborg, ihre Güter innerhalb seines Herzog-
thums restituirte; wer ihr in der Verwaltung derselben Schwierigkeiten
bereite, möge wissen, dass er des Herzogs rächenden Arm zu gewär-
tigen habe. Waldemar hatte seine Absichten bei dieser Leutseligkeit 3).
Wohl mit den dänischen Vorgängen im Zusammenhange, be-
dingt durch die Verwilderung der Geister und die einmal entfesselten
Leidenschaften, steht der abermalige Losbruch der Nonnannen gegen
den deutschen Kauffahrer, der im Vertrauen auf die königliche Zu-
sage in die nordischen Gewässer eingelaufen war.
Ohne Aufkündigung des Friedens wurde er gefangen, beraubt
1) Rymer Foedera, II, S. 640 (272), 645 (281), vergl. Munch, IV, 2. S. 96.
«) Vergl. Munch, IV, 2. S. 82.
«) Suhm, X, 878 ff. 1021 ff. Dahlmannn, I, S. 42L Munch, IV, 2.
S. 91 ff.
— 53 —
und getödtet Das alte Yikingertham stand plötzlich wieder in
voller Blüthe. Allen voran trieb es Alf Erlingson.
Seit einem Jahre war sein Vater gestorben and hatte ihm
^Tonsberg Lehn das reiche'^ hinterlassen, während ihm die Freund-
schaft, oder, wie es heisst, gar Verwandtschaft, in der er zum könig-
lichen Hause stand, Borgesyssel eingetragen hatte. Alf war der Ur-
typos eines norwegischen Freihem. So weit sich übersehen lässt,
passt die Characteristik, die in der WilMna Saga (cap. 32) von
Wittich, Wielands Sohn, gegeben wird, auf ihn, wie kaum eine an-
dere; es heisst dort: „er war gross von Wuchs, gewaltig stark, hart
von Gremüth, dabei edel und beliebt und gab niemandem nach''.
Je waghalsiger eine That, desto lieber vollbrachte er sie, unbändigen
Sinnes, wussten die nervigen Fäuste die Buder so gut zu filhren, wie
das Schwert; dem Schwedenkönige schrieb er, nicht leichtfertig und
übereilt zu handeln, dem Seneschall des Schottenkönigs, er solle von
Feindseligkeiten abstehen, sonst wei*de er erfahren, dass Norwegen
noch nicht so schwach sei, um den Druck seiner Sporen zu ertragen.
O^en Sänger war er freigebig und gastlich und gern wird er dem
liede gelauscht haben, welches am Feuer der Halle von seinem
Muthe, seinem Beichthume und seiner Milde zu berichten wusste,
welches der Nachwelt redendes Zeugniss blieb, wie hoch der kecke
Pirat in Ansehen und Gunst bei seinen zeitgenössischen Landsleuten
gestanden, zumal wohl beim weiblichen Theile, der Königin-Mutter
nicht am wenigsten. Alf wurde Jarl und Gesandter des Königs; er
endete auf dem Bade ^). Jetzt lagerte er in seiner wasserumgürteten
Sarpsborg, oder in einer Feste, welche die Fluthen der See bespül-
ten, und lugte hinaus auf Sund und Kattegat und wehe dem Schiffe,
das ihm in Sicht kam!
Dann weinten Wittwe und dann weinten Kind,
Die der grimme Kämpe in Armuth gebracht.
Dann mussten sie leiden Mangel und Harm,
Ihr Flehen fiel weder auf Stock noch Stein.
Kennt ihr den Alf? —
Er plünderte Alle aus, deren er habhaft werden konnte, gleich-
*) üeber Alf siehe : Langebeck, Script. Ber. Dan. I, S. 247, 265. Arild
Huitfeld, S. 286. Torfäus, IV, S. 174, 176, 177. üdvalgde Danske Viser,
II, No. 90 u. 91. Suhm, Hist. af Danm. X, S. 883, 884, 900, 948. Manch,
IV, 2. S. 3, 66, 96 ff. 100, 102 ff. 114, 119 ff. 124, 126 ff. 186 ff.
146, 163, 180 ff, 262 ff. 279.
— 54 —
viel ob Deutsche, Dänen, Friesen (Holländer) oder Kaufleute aus an-
deren Gegenden.
So nahm er alle die Koggen neu
Und fuhr damit nach Norwegen frei.
Kennt ihr den Alf?
Zumal gegen die wendischen Kaufleute scheint er einen bedeu-
tenden Schlag ausgeführt zu haben.
Und als Kunde davon kam in Bostock ein.
Da erbleichte manch' rothrosig Wängelein. —
Kennt ihr den Alf?
«
Doch mit den Erfolgen auf der See sich zu begnügen, hätte
schlecht einem Yiking angestanden; feindlich und schutzlos dehnten
sich nahe die dänischen Gestade und manches Dorf dort blieb reden-
des Zeugniss von seinem schneidigen Schwerte und seinen lohenden
Feuerbränden. Der Erfolg steigerte die Dreistigkeit, noch im Laufe
desselben Jahres griff er sogar das reiche Skanör an, ven^üstete es
und fügte dadurch sowohl dem Handel der Seestädter, welche dort
ihre Yitten hatten, als auch dem dänischen Beiche äusserst empfind-
lichen Schaden zu. Mit Beute beladen kehrte . er in seine Schlupf-
winkel zurück^). Die norwegische Begierung liess ihn gewähren.
Ziehen wir diese Verhältnisse und Alfe Stellung zum königlichen
Hause, namentlich zur beeinträchtigten Königin-Mutter, in Betracht,
so können seine Baubzüge gegen die dänischen Küsten kaum anders,
als ein von Norwegen officiös geführter Krieg betrachtet werden, ver-
mittelst dessen ein Druck auf die benachbarte Begierung ausgeübt wer-
den sollte, um sie mürbe und den norwegischen Forderungen geneigt zu
machen. — Wollte Dänemark sich nicht fügen, so war ihm die
Bichtung seiner Politik vorgezeichnet, es musste sich an den Leidens-
gefährten, an den Bund der Seestädte lehnen.
Hatte sich dieser bisher nicht über das Verbot der norwegischen
Schiffahrt einigen können, hatte er aufs Neue Vertrauen gefasst, als
Erich Priesterfeind dem deutschen Kaufmanne Schutz und Gerechtig-
keit zugesagt hatte, so war er nunmehr zu der Erkenntniss gekom-
men, dass Güte und Geduld seine Sache nur verschlimmem könnten ^).
In Folge dessen wurde eine Tagfahrt nach Wismar ausgeschrieben,
wo diejenigen, welche in der Bostocker Conföderation einbegriffen
^) Langebeck, Script. H, S. 265, 527. V, S. 531. Suhm, X, S. 883.
*) Hanse. Bec. I, No. 44,
— 55 —
waren, zusammentraten und feststellten ^), dass Getreide, Bohnen, Erb-
sen, Malz und Mehl bei 10 Mark Strafe und Confiscation der Waaren
nicht über das Meer, sondern nur nach den verbündeten Städten
ausgeführt werden dürften. Eine Bestimmung, die lediglich auf Nor-
wegen gemünzt war, wie sich aus der Gestaltung der Verhältnisse und
aus dem den lübischen Sendeboten mitgegebenen Gedenkzettel ergiebt.
Haube irgend einer etwas von jenen unerlaubt ausgeführten Gütern,
so stehe dies nicht im Wege, dass er nach wie vor die Städte frei
besuche. Importirte norwegische Waareji sollen in den verbündeten
Ortschaften keine Abnehmer finden, sondern wieder zurückgeschickt
werden. Kauft dennoch jemand, etwa im Geheimen, norwegisches
Gut, so wird es ihm confiscirt, schwedisches und dänisches dagegen
ist frei far den Handel. Wollen die Bremer — die wir schon wieder-
holt abseits stehend gefanden haben — diesen Abmachungen beitreten,
wird man sie gerne aufnehmen, wenn nicht, so sollen sie vom Han-
delsverkehr in den conföderirten Städten ausgeschlossen sein. Er-
leidet jemand Beleidigung oder Schaden, ist es Sache der Verbündeten,
gemeinschaftlich für Ersatz zu sorgen. Um den Herrn von Mecklen- '
bürg und einige seiner Bitter zu gewinnen, heisst es zum Schlüsse,
seien diese Bestimmungen versiegelt; — mithin sind sie ihm doch
wohl eingeschickt. Dass in Wismar auch noch über andere Gegen-
stände verhandelt worden, zeigt der lübische Gedenkzettel, worin es
unter Anderem heisst, dass die Boten anfragen sollen, ob Gesandte
an den dänischen König zu schicken seien, dass die slavischen Herrn
ermahnt werden müssten, hülfreiche Hand gegen die Normannen zu
bieten, Heinreich von Werle, das Geld zurückzugeben, womit ange-
worben werden solle, dass nach Riga und allen jenen fern liegenden
Ortschaften, wie auch nach Westfahlen, der normannischen Sache wegen
Briefe gesendet werden müssten und dass in eben jener Angelegen-
heit die slavischen Städte 3/4, Lübeck aber V* ^^^ Kosten zu tragen
hätten.
Wir sehen, dass es wieder der lübische Rath gewesen ist, der
Alles vorher gründlich erwogen und im weitgreifendsten Sinne gefasst
hat; seine Gedanken waren es, die den Wismarer Recess bestimmten.
Derselbe zeigt die gewohnte Vorsicht und Klugheit; an Repressalien
oder gar an einen Angriffskrieg denken die Handelsherrn nicht; ihre
^) Hanse Reo. I, No. 29, 30. Wird etwa Anfang Juni anzusetzen
sein.
— 56 —
Waffen sind depressiv, aber darum nicht minder wirksam; die Wie-
derherstellung des Friedensstandes, auf den es ihnen in erster Linie
ankam, machten sie so leicht wie möglich. Der Kern der Beschlüsse
liegt in der Yerhängung der Handelssperre gegen das norwegische
Beich: es soll ihm ergehen, wie einer umlagerten Festung, indem
ihm die nöthige Zufuhr entzogen wird, es soll nach und nach ausge-
hungert werden; — ein Beweis, wie bedeutend der deutsche Export
nach Norwegen gewesen sein muss, da man sich von seinem Verbote
Erfolg versprechen konnte.
Das in Wismar Vereinbarte scheint alsbald in Kraft getreten
zu sein, wenigstens ergiebt sich aus einer Aufzeichnung des Bostocker
Stadtbuches, dass in der Mitte des Sommers der Verkehr mit Nor-
wegen abgebrochen war^). Sicherlich wird auch lebhaft mit den
verbündeten Fürsten verhandelt sein, der Sache nach resultatlos, weil
dieselben durch die brandenburger Fehde bis auf den Tod ermattet
waren. Wir besitzen nur zwei Briefe, worin Heinrich von Werle
und Anastasia von Mecklenburg mit ihren Söhnen ^) sich im Interesse
des geschlossenen LandMedens an den König von Norwegen wenden,
ihm die den deutschen Seestädten zugefügten Unbilden melden und
um Ausgleich und Sühne nachsuchen. — Die Verwickelungen waren
schon in ein Stadium getreten, wo solche Erörterungen unmöglich
noch eine Wirkung erzielen konnten, und sind deshalb jene beiden
Schreiben wahrscheinlich gar nicht an den Ort ihrer Bestimmung
abgegangen, wie sich aus dem Umstände ergiebt, dass sie sich nicht
in einem norwegischen, sondern in dem lübischen Archive aufbewsJirt
finden. König Erich hat auch keinen Ersatz geleistet^).
Soweit sich erkennen lässt, ist das Ausfuhrverbot nur in den
Städten überwacht worden, wodurch Manche, von der Aussicht auf
grossen Gewinn verlockt, die Uebertretung desselben wagten. In
Folge dessen fanden sich die Bathmannen der Seestädte, vielleicht schon
im August des laufenden Jahres, abermals in Wismar zusammen^),
*) Meckl. ü. B. III, No. 1738.
») Höhlbaum, Hans. U. B. I, No. 977, 978 verlegt diese beiden Briefe
in das Jahr 1285, schwerlich mit Becht. Vergl. Koppmann H. B. I,
S. 21. Meckl. ü. B. III, No. 1735.
») Meckl. U. B. in, No. 1736.
*) Hans. Bec. I, No. 33, 34. Hans. U. B. I, No. 989. Den Ausfüh-
rungen Koppmanns S. 20 B. können wir nicht beipflichten, uns scheint
vielmehr der zweite Wismarer Becess in nächster Verbindung, so zu
— 57 —
und Yerhandelten über die Excesse derjenigen, welche trotz des Verbotes
nach Norwegen gefahren seien. Dieselben sollen mit allen ihren Gü-
tern büssen; und wer so gebüsst, der hat Urfehde zu schwören, sich
nimmer rächen zu wollen. Die Sühne findet Statt an dem Orte, wo
der Betreffende Bürger ist. Vermeidet er aber die Heimath und be-
giebt sich in andere Städte, so soll man ihn dort festsetzen, bis er
von der Ortschaft, deren Bürger er ist, eingefordert worden, der er mit-
sammt seinen Gütern, ohne Widerrede ausgeliefert werden muss. —
Rücksichtlich der Bremer, welche wir nnn definitiv von den conföde-
rirten Städten losgesagt finden, vereinbarte man^): sie von jedem
Handelsverkehre mit diesen Orten auszuschliessen. Wtlrde einer der-
selben von Bremern besucht, so soll er dafür Sorge tragen, dass sie ihn
mit ihren Gütern sogleich wieder verlassen. Dieses Vorgehen gegen
Bremen ist das einzige uns bekannte Beispiel der Art aus der früheren
Zeit nnd erhält noch ein besonderes Relief, wenn wir in Erwägung
ziehen, wie locker damals noch der Bund der Seestädte war und einzig
vom guten Willen der Betheiligten abhängig, wie ihm jegliche innere
Organisation fehlte, Lübeck das bindende und treibende Glied des Gan-
zen war. Hierin wird aber auch der Schwerpunkt der „Verhansung", wie
man das Ereigniss später genannt hat, zu suchen sein. Was noch
ein Jahrhundert später den Bremer Hinrich Bersing gegen den Lü-
becker Tileke Bodendorp beim friedlichen Abendschoppen in Wuth
versetzte, das trat schon jetzt, staatsrechtlich festgestellt, zu Tage.
Der Ausschluss Bremens aus dem Verkehre mit den verbündeten
Städten ist thatsächlich als das älteste Denkmal der lübisch-bremi-
schen Eifersucht zu betrachten, was jedoch nicht ausschliesst, dass
diesmal noch einige besondere Momente ins Gewicht fielen. Wir wer-
den später darauf zurückkommen, hier nur noch erwähnen, dass der
Wismarer Recess wesentlich im Sinne des vorigen gehalten ist, sich
von activem Vorgehen gegen Norwegen nichts vermerkt findet; doch
dürfte es wahrscheinlich sein, dass über die Erweiterung des Rostocker
Landfriedensbundes, zumal wegen einer Verbindung mit dem durch
die Handelssperre doppelt wichtigen Dänemarck verhandelt worden,
wenigstens besitzen wir vom 17. August dieses Jahres jen,e bereits
sagen eine Weiterbildung des ersten zu sein. Ob der Brief Rostocks
an Lübeck hierhin gehört, ist leider zu zweifelhaft, um ihn zur Datirung
des Recesses zu verwenden.
*) Vergl. über die Sache Schäfer in Hans. Geschbl. Jahrg. 1874. S.
8 ff. und oben S. 67.
— 58 —
erwähnte Urkunde Erich Glippings, die er den Gesandten der deut-
schen Kaufleute ausstellte, weil die letzteren in diesem Jahre nicht
sicher nach Skanör kommen konnten^). Er thut zu wissen, dass er
den Kaufleuten ein zuverlässiger Helfer sein werde gegen alle die-
jenigen, welche sie am Besuche des Ortes hindern wollten, auch
grenzt er ihre Gerichtsbarkeit daselbst gegen die seinige ab.
That er damit den ersten entschiedenen Schritt zu den Ver-
bündeten hinüber, so sollte ihn bald die Brandfackel der Vikinger,
der Ueberfall Skanörs, der unvermeidliche Bruch mit Norwegen ganz,
fast willen- und wahllos, auf ihre Seite drängen, wie wenig es auch
im Sinne der mächtigen, mit Norwegen sympathisirenden und im
Reiche übermächtigen. Grossen sein mochte.
Es war am 29. November als der König der Dänen dem deutsch-
wendischen Landfriedensbündnisse beitrat, dessen Mitglieder sich
unterdessen nicht wenig gemehrt hatten. Als solche werden nämlich
namhaft gemacht: die Bischöfe von Schwerin, Lübeck und Eatzeburg,
die Herzöge von Sachsen*), Jütland und Pommern, die Grafen von
Holstein und Schwerin, der Fürst von Rügen, die Herrn von Werle,
Rostock und Mecklenburg, die Städte Lübeck, Hamburg, Kiel, Wis-
mar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Demmin^ Anclam und Stettin;
d. h.: wir finden nunmehr die Seemächte von der Oder bis zum
Skager Hörn und vom Skager Hom bis zum Strande der Elbe in
einer grossen, acht Jahre gültigen, Vereinigung zusammengeschlossen;
Elemente mannigfachster Art, die sich theilweise noch vor Kurzem
abstiessen, durch den Frieden von Vierraden jedoch und die all-
gemeine Noth gemeinsam in dieselbe Richtung gedrängt wurden.
In den über den Beitritt Erichs ausgestellten Urkunden^) ver-
spricht der König, falls er darum angangen werde, diejenigen zu
ermahnen, welche Conföderirte schädigen, den Verletzten volle Ge-
nugthuung, nach dem Gesetze des Ortes oder der Stadt, angedeihen
zu lassen; bleibe diese innerhalb eines Monate aus, so werde er
dem Beeinträchtigten mit Anderen, die in der Verbindung einge-
schlossen seien. Hülfe leisten, damit ihnen volles Recht werde; in
keiner Weise gedenke er aber den Verletzer zu begünstigen, oder
^) Hans. ü. B. I, No. 948.
2) Nicht finden wir den Herzog von Lüneburg, er hatte sich auf 10
Jahre verpflichtet und wird noch im Frieden von Vierraden als coadju-
tor von Pommem-Rügen genannt.
») Hans. ü. B. I, No. 953—956.
— 59 —
sonst gegen die Gerechtigkeit zu handeln. Den wendischen Städten
und Kaoflenten soll auf Grund seines Bündnisses für die nächsten
8 Jahre die Freiheit ungehinderten Verkehrs und Handels in seinem
Reiche zustehen, unter Vorbehalt der Zölle und schuldigen Leistun-
gen, die sie seit Alters her ihm und seinen Beamten zu entrichten
gehalten waren. Er lässt ihnen Schutz angedeihen für die Zufuhr
von Waaren an seinen Hof gegen Vergewaltigungen, die er mit Strafe
nach Eecht und Gesetz seines Reiches bedroht; auch gestattet er den
Eaufleuten ungehinderte Und beliebige Ausfahr der in Dänemark ein-
gekauften Waaren, ausser für den Fall eines allgemeinen Verbotes,
welches stets um S. Michaelis öffentlich zu verkünden ist. Mit den
Lübeckern im Besonderen vereinbarte er, sich gemeinsam fftr die ihnen
von den Norwegern zugefügten Unbilden Recht verschaffen zu wollen,
und das Vergehen einer der verbündeten Städte gegen ihn oder
sein Reich anderen nicht entgelten zu lassen, wenn sie ihm mit Rath
und That gegen jene unterstützten. Seinen Unterthanen verbietet er
alle Ausfuhr nach Norwegen, der Zuwiderhandelnde setze sich der
eigenen Gefahr aus und verliere alle Ansprüche auf Beihülfe einer
Ersatz-Leistung. Den Norwegern in seinem Reiche gestattet er Auf-
enthalt und Handel nur bis zum Pfingstfeste des nächsten Jahres;
haben sich bis dahin die Norweger nicht mit den Städten ver-
glichen, mtlsse der Verkehr aufhören, bis ihm, den Seinen und
den Städten, durch den König von Norwegen Gerechtigkeit wider-
fahren sei.
Zu allen diesen Vereinbarungen gaben die vornehmsten dänischen
Reichsbeamten ihre Zustimmung, Männer wie Jacob von Hailand, der
Marschall Stig und Nicolaus Knutson, denen wir sonst nur als Wider-
sachern ihres Lehnsherrn gewohnt sind zu begegnen; auch Herzog
Waldemar, der sein Herzogthum als Erblehn ansprach, die Insel Al-
sen als dazu gehörig erklärte, ja sogar nach der Krone von Dänemark,
als seiner Linie mit Unrecht entzogen. Verlangen trug, der sich vor
einem halben Jahre die norwegische Ingeborg verpflichtet hatte, sich
wenige Monate später auf dem Wege nach Norwegen befand, um
dort Beistand zum Kriege gegen seinen königlichen Verwandten zu
suchen, auch dieser Waldemar findet sich in der Einung, die nun-
mehr so entschieden unter dem Drucke der Städte, vornehmlich Lü-
becks, gegen eben dieses Norwegen ihre Spitze kehrte. Gewiss liegt in
dem viel verschlungenen Gewirr feindlicher Interessen der Grund jener,
für die damaligen Zustände im Allgemeinen, für die Verhältnisse der
— 60 —
beiden nordischen Beiche im Besonderen, auffallenden Langmath
Erich Glippings gegen den Nachbar, der ihn und seine Unterthanen
auf das Grausamste heimgesucht hatt€.
Immerhin war es gelungen sich innerlich abstossende Elemente,
wenn auch nur äusserlich, gegen den vornehmsten Friedensbrecher,
den Norweger, zusammenzuschweissen. Genug sein lassen durfte man
es aber nicht damit, konnte doch die ganze Verwickelung durch eine
Hand ihre Lösung erhalten, über welche weder die Städte noch der
Priesterfeind Gewalt besass: durch die Edwards von England. — Be-
kanntlich war der Handel des deutschen Kaufmannes mit England
sehr lebhaft, in London besass er grosse Waarenlager und eine eigene
Gildhalle; die Könige waren ihm durchweg günstig gesonnen. Während
des ersten Jahrzehntes der Begierung Edwards waren alsdann eine Beihe
von Irrungen namentlich mit Bremern und Holländern ausgebrochen,
wegen der Unterhaltung des Bishopgates hatten sich die Kaufleute
der deutschen Hanse zu London mit den Bürgern der Stadt über-
werfen, die Sache kam vor das Parlament und schleppte sich Jahre
lang zu beiderseitigem Nachtheile hin. Im Jahre 1281 hatte Edward
den Deutschen ihre alten Freiheiten bestätigt und im nächsten er-
folgte auch ein Vergleich der Hansen mit der Stadt London, der
die Vorbedingungen einer friedlichen Weiterentwickelung des gegen-
seitigen Verkehrs wieder herstellte ^). Da traten die norwegisch-
städtischen Conflicte einer- und andererseits die schottische Tbron-
folgefrage ein. Als die Verbündeten den Verkehr mit Norwegen be-
reits abgebrochen hatten, liess Edward jene Vertragsbestätigung er-
folgen, um die ihn sein früherer Schutzbefohlener angegangen war.
Die grosse Frage musste sich nun dahin gestalten, ob es der nor-
wegischen Politik gelinge in England das Uebergewicht zu erlangen,
Edward gar zu thätigem Vorgehen gegen die Hansen, vielleicht zur
Beschlagnahme der deutschen Waarendepots zu vermögen, wodurch
es mehr als wahrscheinlich wurde, dass sich die Seestädte gefügig
bis aufs Aeusserste zeigten, oder ob es vielmehr diesen glücke, die
Engländer für sich zu gewinnen, sie dahin zu bringen, keine Lebens-
mittel nach Norwegen auszuführen, was nahezu eine Vollendung des
Wismarschen Absperrungssystems in sich schloss.
Es war selbstverständlich, dass hier beide Parteien einsetzten.
1) Hans. ü. B. I, No. 832, 835-837, 857, 881, 882, 890, 902, Vergl.
Lappenberg, Stahlhof, S. 17 ff.
— 61 ~
In wiefern es durch mündliche Verhandlungen geschehen, entzieht
sich leider unserem Blicke, schriftlich scheinen auf Seiten der Ver-
bündeten die beiden mecklenburgischen Städte den Beigen eröffnet
za haben. Am 14. December liess Eostock an König Edward ein
Schreiben abgehen, worin es das Verhalten der Norweger darlegte,
wie dadurch die Unmöglichkeit eines femer gesicherten Verkehrs
gegeben sei. Deshalb bitte es den König die Getreideausfuhr nach
Norwegen zu verbieten, bis der gemeine Kaufmann durch seine Hülfe
eine würdige Entschädigung erlangt habe. Drei Tage später stellte
man in Wismar einen ähnlichen, nur noch unterthäniger gehalteneu
Brief aus, der dasselbe Ansuchen enthielt^). Dass, so weit wir er-
kennen, gerade Rostock die Initiative ergriffen hat, mag zufällig sein,
vielleicht aber auch seinen Grund darin haben, dass es durch Alf
Erlingson ganz besonders geschädigt war; wie denn von jeher die
mecklenburgisch -rügenschen Städte zu Norwegen in schlechten Be-
ziehungen gestanden zu haben scheinen. Schon bei der ersten
Fehde zwischen Lübeck und jenem Lande waren dort auch die
wendischen Schiffe mit Beschlag belegt worden, später Rostocker
Bürger durch Hakon Hakonson schwer beeinträchtigt, weder Rostock,
Wismar noch Stralsund hatten norwegische Specialprivilegien erhalten,
während doch das weit kleinere Greifswald ein solches besass, auch
dürfte es damit zusammenhängen und gerade in diese Zeit gehören,
dass Stralsund den König Erich beleidigte*).
Etwa mit Rostock und Wismar zugleich, vielleicht schon früher,
wandte auch der Lübecker Rath sich an den Plantagenet. In klarer,
leidenschaftloser Weise erstattete er Bericht über das rechtlose und
gcwaltthätige Verhalten der Norweger, zeigte, wie dasselbe den Handel-
treibenden hindere England wie sonst zu besuchen und bat schliesslich
den Kaufleuten seines Reiches zu gebieten, ihm beizustehen und
während des Zerwürfrdsses weder Lebensmittel noch sonst etwas, das
Unterstützung gewähre, nach Norwegen zu verschiffen 3). Wahrschein-
1) Hans. ü. B. I, No. 959, 961.
*) Lüb. U. B. I, No. 484. S. 442, fin. Der Urkunde Erichs für
die Städte vom 13. März 1284 dürfte schwerlich derartiges vorausge-
gangen sein.
») Diese Urkunde dürfte vom Mekl. U. B. III, No. 1737 zu früh, vom
Hans. U. B. I, No. 974 zu spät angesetzt sein. Dass sie eng mit den
Briefen Rostocks und Wismars zusammenhängt, ergiebt die Ueberein-
stimmung des Inhalts, mehr noch die Aehnlichkeit einzelner Wendungen.
— 62 —
lieh auf Betreiben desselben Rathes hat auch Herzog Heinrich von
Braunschweig ein Schriftstück nach England gesandt
Aber damit Hessen es die Lübecker nicht bewenden; wie schon
wiederholt, zogen sie das Reichsoberhaupt in ihr Interesse^), indem
sie dasselbe bewogen, sich bei dem Könige yon England, „seinem
liebsten Freunde", für sie zu verwenden. Rudolf von Habsburg that
es^), wies auf den schweren Schaden hin, den die deutschen Kauf-
leute ohne alle Schuld durch die Norweger erlitten hätten, berief
sich auf den himmlischen König dei: Könige, der die irdischen ein-
gesetzt habe, sich wechselseitig gegen Unrecht und Unterdrückung
zu unterstützen und den Treuen und Gehorsamen den Frieden zu
geben. Demnach bat er Edward, die Ausfuhr yon Lebensmitteln
nach Norwegen zu untersagen, damit König Erich, der Begünstiger
der Bösen, durch den Ausfall derselben lerne, die Hand yon weiteren
Bedrückungen fem zu halten und die Verluste sühne. Er, der Em-
pfänger, möge sich yersichert halten, dass der Schreiber dieses Briefes
sich ihm in ähnlichen oder schwereren Fällen unlöslich yerbunden
fühle. — Bei dem guten Einvernehmen, in welchem der Habsburger
zu dem Plantagenet stand, durfte mit Recht Berücksichtigung solcher
Worte erwartet werden; um jedoch nichts unversucht zu lassen, das
Bestehen des Landfriedensbündnisses auch nach Aussen hin zu docu-
mentiren, führten die Seestädte, zumal wieder Lübeck, beim Herzoge
von Sachsen, dem Hauptmanne des Bundes, Klage über Norwegen, in
Folge dessen er in seiner Eigenschaft als Hauptmann an den König von
England, ähnlich wie Rudolf und die Städte, schrieb % die Norweger,
welche in sein Reich kämen, während des Krieges nicht zu fördern und
nicht zu gestatten, dass sie Lebensmittel aufkauften. Wohl zu bemerken,
während des Krieges^)! es liegt darin, dass die Verbündeten über den
Dass sie vielleicht gar früher als jene beiden anzusetzen ist, Hesse sich
aus der Ausführlichkeit der dargelegten Bedrückungen folgern, die Ende
April wenig Sinn mehr hatte, um so weniger, als die Angabe derselben
in den 4 vorhergegangenen Briefen nur als Einleitung verwendet wird,
die der Sache nach König Edward bekannt sei. — Der Satz Normanni
per annum mercatoribus . . . bona sua . . acceperunt ist für die Datirung
dieses Briefes ganz unausgiebig; vergl. oben S. 88, Anm. 2. Hans.
U. B. I, No. 975 ist leider noch nicht gedruckt.
1) Vergl. oben S. 27, 47. Hans. U. B. I, No. 892.
«) Hans. U. B. I, No. 966.
8) Hans. U. B. I, No. 967.
*) „Guerra durante" ; im Briefe Rudolfs heist es : quod durante huius
d(i8criminis?) scrupulo.
— 63 —
Wismarer Beschlass der Handelssperre hinausgeschritten waren. Wir
werden demnächst sehen, wie sie schon begonnen hatten, den Nor-
wegern Gleiches mit Gleichem zu yergelten.
Die Machinationen der Städte in England konnten dem Könige
Erich Ton Korwegen selbstyerständlich nicht verborgen bleiben-, sie
lahm zu legen mnsste eine seiner vomehmsten Bemühungen sein.
In einem Briefe vom 7. März 1285^) dankte er dem Könige Edward
für die freundliche Aufiiahme seiner Gesandten und die aufs Neue
eingegangene Verbindung und Freundschaft, während er ihü- zugleich
inständig bat, denselben nachzukommen. In Anlass dessen wolle er nicht
unterlassen, ihm mitzutheilen, dass ihm Kunde geworden, die Deutschen,
welche von ihm und seinen Vorgängern stets durch Privilegien be-
günstigt gewesen, hätten sich zusammengethan, um sein Reich im
bevorstehenden Sommer feindlich anzufallen. Dies an sich künmiere
ihn nicht weiter, wenn nur die Nachstellungen ihrer Kaperer gegen
die nach England und anderen Ländern segelnden Kaufleute in
Schranken gehalten würden. Er bitte daher, alle solche Wegelagerer
und Benachtheiliger seiner Unterthanen, welche in Edwards Herrschafts-
bereich gefunden würden, mit dem Arme der Gewalt zu bändigen,
wofür er ihn in einem ähnlichen oder schwereren Falle ohne Rück-
halt unterstützen werde. Zwei Monate später erkundigte er sich
inständig nach dem Befinden Edwards ^), um welches er sorge, wie um
das eigene. Dabei übersandte er ihm einen besiegelten Bundbrief
mit der Ermahnung, die Vereinbarungen desselben fest zu halten,
wie es der Nutzen beider Reiche erfordere. Vor Allem solle er
nicht leiden, dass die Deutschen, Norwegens Feinde, den hin und
her fahrenden Kaufleuten irgend welchen Schaden zur See oder auf
dem Lande zufügten, so weit es in seiner Macht stände. Würden
aber solche üebelthäter gefunden, so solle er ihnen zum Schaden
der Norweger keine Zuflucht in sein Reich gestatten, wie ausdrücklich
in der Vereinbarung niedergelegt sei. — Diese selbst ist uns leider
*) Rymer,Foed. H, S. 662, 663 zum Jahre 1286. Gehört aber hieher;
anno regni nostri sexto, vergl. obeu S. 49, Anm. 3. Auch die nuncii ad vos
(Edw.) in aestate proxima praeterita destinati, multum honorifice • . . recepistis
beweisen es (es sind jene Gesandten gemeint, die den Vertrag zu Kar-
narvan schlössen), wie denn auch der Brief seinem ganzen Inhalte nach
gar nicht in das Jahr 1286 passt, Sartorius, ürk. G. d. H. H, S. 147 hat
sich täuschen lassen. Vergl. Hans. U. B. I, Nr. 969, Anm. 4.
«) Rymer, Foed. II, S. 651 (1088). Hans. U. B. I, Nr. 979.
— 64 —
nicht erhalten, doch ersehen wir aus obigem Briefe genug, um ihre
Tendenz zu erkennen; im Allgemeinen zielte sie auf ein Frenndschafts-
bündniss ab, demjenigen ähnlich, welches zwischen Magnus und
Heinrich III. geschlossen war, im Besonderen vielleicht gegen die
Städte zugespitzt
Wie die Dinge lagen, entsprach Neutralität entschieden am
meisten den Interessen Englands; schon auf Erichs Schreiben yom
März scheint Edward eine dahin gehende Erklärung abgegeben zu
haben. Die Thatsache seines klugen Verhaltens ergiebt sich aus
einem Briefe Alf Erlingsons an den Seneschall des Königs Ton Schott-
land^); Alf wundert sich dort, dass man an seinen EtLsten die Schiffe
norwegischer Unterthanen anhalte, da nichts gegen ihn vei^angen sei.
Ja, habe doch der König Edward den deutschen Feinden nicht einmal
erlaubt, normannische Schiffe in England zu pfänden und dies nach dem
Rechte der Freundschaft, welches zwischen ihm und demselben be-
stehe. Nachdem der Friede hergestellt worden, habe jede Partei
das Ihrige behalten. — Ueberhaupt wurde jenes gute Verhältniss
zmschen dem Plantagenet und Erich durch die städtische Fehde nicht
im Geringsten angetastet. Als in Folge der Ermordung des dänischen
Königs kriegerische Zusammenstösse auf dem Sunde in Aussicht kamen,
stand Edward nicht an, die Erlaubniss zu ertheilen, dass jeder, der
wolle, mit dem Boten König Erichs zur Untersttltzung der Norweger
ausziehen dürfe, wie er denn auch einem Lombarden befahl, 2000
Mark für jenen Herrscher auszuhändigen. Erst der schottischen Erb-
folgefirage war es vorbehalten, den Norweger nut dem Engländer
so grtlndlich zu entzweien, dass nur der frühzeitige Tod des ersteren
einen wahrscheinlich gewordenen Krieg verhinderte.
So weit die deutsch-norwegischen Umtriebe in England. — Noch
während dieselben im Werke waren, hatte die hartnäckige Verweige-
rung jeden Schadenersatzes auch dem friedfertigsten Herzen die Er-
kenntniss aufzwingen müssen, dass fernere Geduld die übelste aller
Tugenden sei^); bei der Wichtigkeit der Sache durfte aber grosse
Vorsicht und Weitschichtigkeit noch mehr als sonst geboten erschei-
nen, um sich für alle Fälle einen möglichst breiten Rückhalt zu
gewinnen; hatten doch auch mehrere holländische Städte einen Span
mit Norwegen*). Auf einer stark besuchten Tagfahrt, die wahr-
') Torfäus IV, S. 377.
2) Hanse Reo. I, Nr. 44.
») Lüb. U. B. I, Nr. 484, S. 445.
— 65 —
scheinlich im Januar oder Februar des Jahres 1285 abgehalten wurde ^),
waren die Verbündeten zusammengetreten und hatten auf den Eath
der Fürsten, Herren, Edlen und mehrerer westfölischer und hollän-
discher Städte den Beschluss gefasst, nicht vor den Kosten zurück-
znscheuen, die es yerursachen wtlrde, um eine Anzahl Bürger, be-
waffnet, auf krieggertlsteten Schiffen auszusenden, damit sie die Nor-
mannen bekämpften, ihrem schadenbringenden Treiben steuerten und
die früheren Freiheiten des gemeinen Kaufmannes wieder herstellten.
^ Alles schien sich zu einem grossen Kriege anzulassen. Laut
den Bestimmungen des Bostocker Bundes waren die zahlreichen darin
einbegriffenen Fürsten zur Hülfe gegen die Friedensbrecher auf dem
Meere yerpflichtet, von den holländisch-westfälischen Städten, welche
durch die Norweger gewiss auch nicht wenig litten, durfte,' wenn nicht
nninittelbare Betheiligung am Seezuge, so doch Unterstützung durch
Geld und Leistungen erwartet werden. Dagegen war Norwegen wesent-
lich auf sich allein angewiesen; die schottische Zufuhr, an sich gering,
mnsste durch eine unfreundliche Haltung König Alexanders^) noch mehr
in ihrer Ergiebigkeit schwinden, England neigte sich der Neutralität
zu und hatte den norwegischen Zwischenhandel mannigfach in
deutsche Hände kommen gesehen-, die einzigen Gebiete, auf welche
noch gerechnet werden konnte, waren Schweden und ein Theil der
deutschen Nordseeküste.
Aber auch diese Hessen die geschäftigen Städte nicht aus den
Augen. Mit Schweden hatte das im LandMedensbunde einbegriffene
Dänemark schon im vorigen Jahre eine freundliche Annäherung durch
die Verlobung seiner Königstochter Margarete mit dem Königssohne
Birger herbeigeführt^); jetzt scheint man deutscherseits damit in
ähnlicher, wenn auch nicht so ausgedehnter Weise, wie mit England,
in Verhandlungen getreten zu sein, von denen uns leider nicht mehr
^8 ein Brief Heinrichs von Werle, dem Schwager des Schwedenkönigs,
erhalten ist*). Er berichtet in demselben über die Vergewaltigungen
*) Hanse Rec. I, Nr. 44. Am 7. März wusste Erich Priesterfeind
schon von der Versammlung und dem auf derselben gefassten Beschluss.
') Ende dieses Jahres, oder Anfang des nächsten, konnte Alf an seinen
Sexiesohall schreiben: merito miramur, vos subditorum nostrorum naves
^^ Scotia detinere, nuUo in vos commisso. Torfäus, IV, S. 377. Am 19.
^^Tz 1286 starb Alexander.
») Suhm. Hist. af Daum. X, S. 896. Manch, IV, 2, S. 104.
*) Dieser Brief wird ungefähr gleichzeitig mit den deutsch-englischen
^^schrieben sein, vielleicht ein wenig später. In dem an Erich (Meck.
Harttnng, Norwegen. 5
— 66 —
der Norweger, spricht von seinem engen Verhältnisse zu den Städtö:it
und bittet, den König Erich Priesterfeind zu ermahnen, den Stadt ^^
ausreichenden Schadenersatz zu bewilligen, bei etwa erfolgender Weige-
rung aber die schwedische Ausfuhr yon Lebensmitteln nach Norwegen
zu untersagen. Auch der Adressat dieses Briefes, König Magnus, hat es
nach keiner Seite hin verdorben, scheint jedoch mit den Städten nnci
ihren Verbündeten in besonders gutem Einvernehmen geblieben zu sein ^
— bald werden wir ihm als Schiedsrichter zwischen den streitendei^
Parteien begegnen.
Anders gestalteten sich die Beziehungen zu Bremen, mit dem in
mercantiler Hinsicht vielfach das friesische Emden zusammenhing. So
weit sich erkennen lässt, hat sich Mh in der patricischen Erzbischof-
Metropole ein starker Sondergeist ^) entwickelt, getragen von stolzem
Selbstvertrauen; der Bremer Bürger scheint sich selber und allein
Manns genug gefühlt zu haben, um in England, Norwegen und
Dänemark seinen Pfad zu wandeln. Er musste damit in schroffen
Gegensatz zu dem von Lübeck treten, gegen dessen junge, rasch
empor strebende Stadt sich naturgemäss eine tiefgehende Eifersucht
ausgebildet hatte. Dazu gesellte sich noch, dass der Bremer sich
tief von der Wissenschaft durchdrungen fühlte, in Norwegen nicht
nur von Alters her Handel zu treiben, sondern dass seine Vaterstadt
noch jetzt als der Hauptort für den nordischen Verkehr angesehen
werden müsse ^), mithin ihm auch in allen denselben angehenden
Dingen die führende Eolle zustehe. Diese war ihm von Lübeck vor-
weggenommen, was Wunders, dass er gerade in die entgegengesetzte
Bahn einlenkte und sich auf die Seite von Lübecks Feinden schlug,
£el ihm doch alsdann fast der gesammte Vertrieb von Waaren nach
Norwegen anheim, der, wenn schon Gefahr bringend war, doch auch
ein gutes Stück Geld abwerfen und den unterbrochenen Verkehr mit
ü. B. ni, 1735) sagt Heinrich bona accepta fuerint ... paulo plus quam
media pars eis fuerit restituta. Hier dagegen heisst es nunquam adhuc
poterant emendam optinere, ich halte dies, den englischen Briefen ge-
mäss, auf den grossen Schaden von 1284 deutend.
*) Selbst der Umstand, dass in Bremen zu der hier in Betracht kom-
menden Zeit Münzen geschlagen wurden, die eine genaue Nachbildung
der schottischen Sterlinge, nicht etwa englischer oder anderer Münzen
waren, mag bis zu einem gewissen Grade darauf gedeutet werden, dass
die Bremer etwas Besonderes unter den Deutschen haben wollten. Jungk,
Bremische Münzen S. 194.
2) Bremisches ürk. B. I, Nr. 444.
— 67 —
i^en wendischen Städten* mehr als aufwiegen musste. Siegte Norwegen
mmd dictirte es den 'Frieden, so konnte der Nutzen von Bremens
SondersteUung ein ungeheurer sein, unterlag es, bUeb es immerhin
mächtig genug, die Bundesgenossin in Schutz nehmen zu können.
Wie sehr derartige Erwägungen den damaligen Yerhältnissen zu
entsprechen scheinen, so fällt ihre rücksichtslose Kühnheit doch ganz
^us der Eichtung heraus, in welcher die vorsichtige Aristoki'atie der
JKathsherren ihre Politik zu halten pflegte; sie entspricht weit besser
^er aufstrebenden Keckheit des Handwerkerstandes. Und in der That
scheinen solche Elemente in Bremen das Buder geführt zu haben.
Nachdem nämlich schon wiederholt Unruhen in der Bürgerschaft
ausgebrochen, vom Erzbischofe Giselbert aber noch gütlich beigelegt
'waren, erhob sich plötzlich das Volk gegen das Schloss des Erz-
bischofs ^), erstürmte es und nöthigte ihn selbst zur Flucht. Gestützt
auf die Ritterschaft, in Verbindung mit Friesen, Wurster und Rustriii-
ger befehdete er die Stadt. Innerhalb derselben herrschte Zwietracht,
wahrscheinlich zwischen einer erzbischöflich-aristokratischen Partei
und dem Volke, welche zur Folge hatte, dass mehrere der mäch-
tigsten und reichsten Bürger vertrieben und ihrer Güter beraubt
wurden*). Bei den Erzbischöflichen fanden sie Hülfe. Die Brand-
&ckel des Krieges loderte grell empor; die Friesen, Wurster und
Rustringer fielen über die Schiffe der Bremer her und suchten sie
mit Raub und Mord heim, Feuersbrünste wütheten in der Stadt,
eine Theuerung stellte sich ein. Leider ist es nicht möglich, eine
genaue Zeitfolge dieser Ereignisse anzugeben, doch dürfte es durch-
*) Lappenberg, Geschquellen des Erzst. Bremen, S. 16—22, S. 74.
Dantze, Gesch. der freien Stadt Bremen, I, S. 520 f., 540 f.
*) Die obige Parteigruppirung ergiebt sich aus der Historia archiep.
Brem. Lappenb., Geschq., S. 16 f. Die Geschlechter betrugen sich im
gemeinen Leben übermüthig und stolz; Donandt, Versuch einer Gesch.
des Brem. Stadtrechts I, S. 250. — Rynesberg und Schene berichtet zum
Jahre 1273: In dersulven tyt wardt den ampten van demeRade gegeven
ere eghene gerichte. Lappenberg, S. 74. Donandt, S. 230. — Renner,
Kr. 367. In den Tiden ehr de ampte Öhr egen gerichte hadden entbrack
öhnen nimmer hates oder kivendes under sick unde de rahde hadde
hyr althovele unleddigheit van. Eine Regeneration der Innungen von
Seiten des Raths war ein dringendes Bedürfhiss und erfolgte am Ende
des dreizehnten Jahrhunderts. Ueber den Sieg des democratischen Prio-
cips vergl. Donandt 250 f. Oelrichs, Vollst. Sammlung der Gesetzbücher
von Bremen, S. 61.
5*
— 68 —
aus der Wahrsclieiiilichkeit entsprechen, dass 1284 die Volkspartei
herrschte^), dass sie Bremen in jene Sonderstellung drängte und
dass sich jetzt das aristokratisch regierte Lübeck mit gutem Eecht
verpflichtet fühlte, das anders berathene Städteglied zu züchtigen.
Der Seezug drohte demnach hier üble Verwickelungen zu bringen. Damit
in Verbindung, wenn auch von anderer Seite her veranlasst, ist das,
am 21.Xpril 1285 zwischen dem Erzbischofe einer-, Holstein, Lübeck,
Hamburg und deren Bundesgenossen andererseits, abgeschlossene Frie-
densbündniss»), worin jener verspricht, für die urkundliche Einwilligung
seines Kapitels sorgen zu wollen, die Stadt jedoch nicht erwähnt.
*) Duntze setzt den Ausbruch der Feindschaft zwischen Volk und
Erzbischof schon in das Jahr 1275, also in das zweite Regierungsjahr
des Erzbischofs, ohne irgend Belege anzugeben. Die Worte der historia
arch. Brem. lassen einen grösseren Zeitraum vermuthen : Giselbertus cives
Bremenses multum dilexit et seditiones inter ipsos ... ad ooncordiam
revocavit, in tantum enim eos promovit uta militibus nisticorum
episcopus vocaretur quod postea totum in contrarium conversus. Am
8. März 1275 urkundet Giselbert in Bremen (Brem.ü. B. I, Nr. 364) und
am 25. October abermals (B. ü. B. I, Nr. 371), dazwischen fallen zwei
Verpfändungsurkunden desselben, ohne Ortsangabe, die eine dem Stader
Archive, die andere dem Hoyer ürkb. entnommen, dahinein könnte also
der Aufstand fallen (vergl. Nr. 865, 866), doch scheint der Zeitraum, mit
der Erzählung der historia verglichen, viel zu knapp zu sein. Besser
dürfte die Zeit nach dem 26. März 1281 passen (B. ü. B. Nr. 400), zu-
mal da Giselb. im October 1282 von Stade aus Bestimmungen de cap-
tivitate episcoporum erlässt, in denen er unter Anderem sagt: si nos ...
capi contigerit; de pena captivantium episcopos etc. Dieselben tragen
ein sehr subjectives Gepräge und sind entschieden aus den augenblick-
lichen Verhältnissen hervorgegangen, wie die Einleitungen lehren. Auch
hier finden wir allerdings bereits am 29. October 1283 wieder eine erz-
bischöfliche Urkunde datum et actum Breme (Nr. 413 vergl. 416), dann
aber keine solche wieder bis zum 23. Januar 1287 (Nr. 483). Sehr gut
mit diesem späteren Ansätze des Aufstandes würde passen, dass gerade
damals Reiner Brushavere, der Urheber desselben, auf Urkunden und
als Rathmann vorkommt (Nr. 414, 420, 423, 463. Vergl. Lappenberg,
Geschq. S. 17, Anm. 5). Vor 1286 erbaut Giselbert das feste Buxtehude;
l^appenberg S. 19, Anm. 9. Duntze setzt S. 521 die Sühne zwischen—
Bremen und dem Erzbischof ins Jahr 1285, S. 597: 1286; er weiss vom^
einer Ernennung von 9 Rathmännem, während in die 9 Jahre vor 12^
nur die gleiche Zahl gefallen; seine Quelle giebt er nicht an, die Wieder
holung der Zahl ist verdächtig. Nach Roller, Versuch einer Geschichti
Bremens II, S. 256 weihte der Erzbischof 1283 die Catharinen- Kirche
1286 erbaute er das Palatium zu Bremen.
3) Hans. ü. B. I, Nr. 973.
— 69 —
Ueberblicken wir die Parteigruppirung, wie sie sich am Anfange
^es Frühlings 1285 im Grossen und Ganzen heraasgebildet hatte, so
müssen wir zugestehen, dass es der umsichtigen, rtlhrigen Politik der
Städte wirklich gelungen war, Norwegen fast gänzlich zu isoliren
und sich selber die denkbar breiteste Operationsbasis zu sichern.
Toll Vertrauen durften sie gegen den überlegenen Gegner vorgehen.
-— Nichts desto weniger sollte Wismar noch vor dem Schlüsse dieses
Jahres sagen können, seine Leute wären ausgezogen, ohne von einer
^uideren Seite, als von den wendischen Städten, von Wisby und Eiga
unterstützt worden zu sein^). Fragen wir nach der Ursache, durch
die der Rostocker Bund, welcher so viele Theilhaber zählte, sich im
Augenblicke der Entscheidung ohne alle Wirkungskraft erwies, so lautet
die Antwort: die Sonderinteressen der Einzelnen waren mächtiger als
der Bund. —
Hamburg, durch seine Verbindungen mit Lübeck sowohl als mit
Bremen, in eine unangenehme Stellung gedrängt, war gerade zur
rechten Zeit, im August des Jahres 1284, durch einen grossen Brand
heimgesucht, der viele Verluste an Menschenleben und Gut verur-
sacht hatte ^). Der Wiederaufbau des Zerstörten musste zunächst alle
Kräfte und Mittel in Anspruch nehmen, wodurch sich thatsächlich
eine schwerlich unerwünschte Neutralität entwickelte, die auf den
König von Norwegen einen so günstigen Eindruck machte, dass er zehn
Jahre später die Hamburger mit Privilegien bedachte, welche sie mit
den damals bevorzugten Bremern auf eine Linie stellten. — Li
Dänemark hatte die Betheiligung am Landfriedensbunde das üble
Einvernehmen zwischen König Erich und Herzog Waldemar nicht
beenden können, bis sich die hohe Geistlichkeit der Sache erbarmte.
Wahrscheinlich unter dem von ihr ausgeübten Drucke traten im Mai
10 Männer zu Nyborg zusammen^), Adlige, wie es scheint, gemässig-
ter Bichtung, oder dem Könige freundlich, und fällten einen Schieds-
spruch zum Vortheile des letzteren, dem sie sowohl Alsen, als auch
die übrigen vom Herzoge geforderten Erbgüter zusprachen. Wer
*) Hans. Reo. Nr. 44.
») Detmar in Grautoff, Lüb. Chron. I, S. 159. Wend. Chron. S. 411
iinter 1281. Monum. Germ. Scr. XVI, S. 415 vergl. Anm. 44. Hamburgs
Nichtbetheiligung am Seezuge ergiebt sich aus den Verhandlungen von
Gallberg, Kalmar u. s. w.
») Suhm X, 898—900. Munch IV, 2, S. 110, wo statt 12 zehn zu
lesen ist.
— 70 —
sich dein Urtheile widersetze, den bedrohte der Erzbischof und ein
Chor von 6 Snffraganen mit der Strafe des Bannes. Weder Jacob
von Hailand noch der Marschall Stig waren unter den Eachtem ge-
wesen, ja, ersterer scheint sich damals gar nicht in Dänemark sondern
in Norwegen aufgehalten zu haben, während Herzog Waldemar ver-
bittert denselben Weg einschlug, der hintlber führte zum Feinde.
Dabei fiel er aber dem Könige in die Hände, der ihn auf Seeburg ge-
fangen setzte, sein Schloss Tondem zerstörte und ihn zu einem
schriftlichen Bekenntnisse seiner völligen ünterwerfang zwang. —
Drängten diese Vorgänge Dänemark von jeder stätigen Politik gegen
die Normannen ab, so sollte für die gefährlichsten Feinde derselben, für
die Städte, das Entscheidende werden, dass im Herzen der Conföderation,
in Mecklenburg, eine wüthende Fehde ausbrach zwischen den jungen
Herren Heinrich und Johann und ihrem Oheim, Johann von Gade-
busch, mit dem sich die Markgrafen, der Herzog von Sachsen, der
von Lüneburg und die Grafen von Holstein verbündeten. Im Juni
lieferten sie eine blutige Schlacht^). So war wieder der Krieger an
die Stelle des Schöffen getreten, der Landfriedensbund war zersprengt,
jeder musste selber sehen, wie er sich helfe; was konnten da noch
Versicherungen, wie die Heinrichs von Werle austragen, als er be-
hauptete, er sei mit den Städten durch so ständige Freundschaft und
Eintracht verbunden, dass er ihnen mit all seinen Freunden helfen
und sie nicht verlassen werde, so lange ein Athemzug in ihm lebe *)•
Unterdessen hatten, bereits als noch der Winter über Meer und
Land herrschte, die Reibereien zwischen den Städtern und den
Norwegern begonnen-, erstere hatten E^aper ausgesandt, welche nor-
wegische Kauffahrer aufbrachten und die Normannen mit gleicher
Münze heimgezahlt. Wie im vorigen Jahre war es wieder der Name
Alf Erlingsons, der allen voranleuchtete, und wie im vorigen brach
er auch in diesem über das Dänenreich herein, verheerte viele Inseln
desselben und Hess Horsnäs und Kaiundborg das Schicksal Skanörs
erfahren^); gewiss nicht blos als irrender Seeräuber, sondern aber-
mals als halbofficieller Vorkämpfer für die norwegische Regierung,
der viel daran gelegen sein musste, die Dänen vorzeitig schwer zu
1) Detmar in Grautoff, Lüb. Chron. I, S. 160. Rudioff, Handb. der
meckl. Gesch. I, S. 76.
«) Hans. U. B. I, Nr. 976.
•) Annal. Esrom. in Langeb. Scr. I, S. 248. Hamsfort, Langeb. I,
S. 293. Chron. Danor. Langb. II, S. 438.
— 71 —
treffen, um sie kriegstiberdrüssig zu machen, noch ehe ihre Verbün-
deten herangerückt waren. Schwerlich dachte man in Norwegen
auch an ein ernsthaftes Auftreten der Städte; man ynisste, wie miss-
lich es mit der Haltbarkeit der Landfriedenseinung stehe, wie Bremen
für alle Fälle eine Sonderstellung einnehme, man selber die grösste
und bestgeordnete Seemacht des ganzen Nordens sei und Flotten
von 300 — 400 Langschiffen aufbringen könne ^).
Dennoch und obwohl sich die Dinge jenseits der Meeresstrasse
gegen alle Berechnung gestalteten, sollten sich die Männer am Königs-
hofe von Bergen geirrt haben, indem gegen Ende des April 30 oder
mehr grosse städtische Koggen mit starker Bemannung in die däni-
schen Gewässer einliefen. Herr Alf musste bei ihrem Nahen zurück-
weichen*). Um die Ostsee möglichst zu decken und jede Zufuhr
von dorther abzuschneiden, postirten sie sich bei Helsingör in den
Sund. Nach unserer zuverlässigsten, aber vaterländisch dänisch ge-
erbten, Quelle ') lagen sie dort acht Wochen, ohne etwas der üeber-
lieferung oder des Lobes Würdiges vollbracht zu haben; nach dem
lübischen Detmar thaten die Städter den Norwegern grossen Schaden
und stellten ausser im Sunde auch an anderen Orten ihre Koggen
auf. Letzteres ist annehmbar, Kaperschiffe werden auch auf der
Nordsee gekreuzt haben, die grossen Verheerungen Norwegens aber,
von denen der Lesemeister wissen will, müssen wir sicherlich seinem
Patriotismus anrechnen, da dieselben dem Interesse der Kaufherren
durchaus feme^ lagen, einerseits, weil sie sehr kostspielig waren, in-
dem sie beim nächsten Frieden in Abrechnung gebracht zu werden
pflegten, andererseits, weil die Städte überhaupt nicht nach Krieg,
sondern nach Frieden begierig waren, nach Anerkennung und that-
sächlicher Beachtung ihrer Privilegien. Hieraus ergab sich als nächste
Folgerung, denjenigen, von welchem sie jenes verlangten, möglichst
1) Dahhnann, U, S. 314.
*) Torfaus, IV, S. 374 berichtet etwas abenteueriich : die wendischen
Kaufleute armirten 30 Koggen; während sie Alf beim Sunde mehrere
Wochen erwarteten, lief er in die Ostsee ein und raubte, wie so seine
Art war, plünderte das befestigte Kaiundborg und führte, bald Dänen,
bald Deutsche heimsuchend, unermessliche Beute heim. — Die Zahl der
Koggen tritt erst in das rechte Licht, wenn wir uns vergegenwärtigen,
dass im Jahre 1369 die aus nahe an 80 Städten bestehende Hanse gegen
das mit Norwegen verbündete Dänemark nur etwa 20 Koggen und 20
bis 30 kleine Sniggen entsendete.
») Annal. Esrom. in Lagebeck. Scr. I, S, 248.
— 72 —
wenig zu erbittern, sich auf einen Defensiv -Krieg, verbunden mit
Abschneidung der Zufuhr, zu beschränken; auf einen zweifelhaften
durch Mord und Brand erworbenen Kuhm jedoch zu verzichten, nun
gar, wo sie es mit einem Gegner zu thun hatten, der, in Wuth ge-
bracht, äusserst gefährlich werden konnte. So volUührten denn die
Städte ihren Seezug ganz im Geiste des Friedensbundes, ohne dass
später bei den vielgewundenen Friedensverhandlungen jemals von
Seiten Norwegens eine Schadenersatzforderung laut geworden wäre i).
Einzelne Zusammenstösse blieben natürlich nicht aus, wie denn auch
die Rostocker norwegische Gefangene verwahrt hielten*). Ob man
am Hofe von Bergen officiell einen wirklichen Krieg zwischen dem
Kelche und den Städten anerkannt hat, lässt sich nicht entscheiden;
eine Urkunde Herzog Hakons, die er in Folge des Kalmarer Ver-
gleichs ausstellte, uns aber nicht mehr im Originale, sondern nur in
einer Handschrift aus dem 16. Jahrh. erhalten ist, trägt die erläu-
ternden Worte: Dieser Rechtserlass geschah durch König Magnus
von Schweden zwischen dem Könige von Norwegen und den Deut-
schen, um das, was Herr Alf gegen diese im Jahre 1285 verübt
hatte 3).
Anders muss das Verhalten der Dänen gewesen sein, indem die
Königin Ingeborg das Verlangen stellte, dass der Schade, welchen sie
den Normannen zugefägt hätten, abgerechnet werden solle^). Ja, das
^) Erich, der sich gegen Edward möglichst hart ausdrückt, schreibt,
er habe gehört, die Deutschen hätten sich zusammengethan, regnum
nostrum invadere. Rymer, II, S. 662. Der Herzog von Sachsen ist der
einzige, welcher direct von Krieg redet, vergl. oben S. 62 Anm. 4. Ganz
euphemistisch ist hier der Brief Lübecks an Edward gehalten. Lüb.
ü. B. II, 1010. In dem Briefe Wismars (Hanse Rec. I, Nr. 44) wird von
Schiffen geredet, die ad impugnandum Normannos (nicht regem oder
regnum Norwegie) entsendet seien, dies ist eben so zutreffend wie weiter
unten nostris concivibus in insidiis jacentibus , • . Magnus . . . perpendens,
quod ex tali dissensione possent hominum occisiones et ani-
marum perdiciones provenire ... intercepit. Danach muss es noch
ziemlich friedfertig ausgesehen haben. ImCompromiss zuGullberg heisst
es: super dissensionibus et causis; Hans, U. B. I, Nr. 985; in der Kal-
marer Urkunde: discordia ex qua personarum pericula rerum dispen-
dia non sine animarum discrimine provenenint; Lüb. ü. ß. I, Nr. 484.
ä) Lüb. U. B. I, Nr. 484, S. 443.
») Anhang I, Urk. No. 1. Vergl. Torf. Hist. Norw. IV, 3T7, und den Brief
Alfs, wo gleichfalls nur von persönlicher Fehde die Rede zu sein scheint.
*) Hans. U. B. I, Nr. 981.
— 73 —
Befremdlichste von Allem ist: zwischen den Städten und den Dänen
scheinen Immgen aasgebrochen zu sein. Wir vernehmen nämlich von
städtischen Boten, die beim Dänenkönige erwartet worden, am sich mit
ihm aaszasöhnen^), wir finden, dass die Deutschen bei den Friedens-
schlüssen mit den Norwegern auf ihren dänischen Verbündeten nicht
nor keine Rücksicht nehmen, sondern sich jenen gar verpflichten,
deren Feinden, die da Rechtfertigung versagten, d. h. den Dänen, nir-
gends Unterstützung angedeihen zu lassen, dass die Königin Ingeborg
es noch während des Krieges für möglich hielt, Erich Glipping zu
sich hinüber zu ziehen^). Was die Ursache dieses Umschlages war,
lässt sich aus unserer mangelhaften Ueberlieferung nicht allseitig
ergründen, doch gewährt uns das Schreiben eines dänischen Grossen
wenigstens theilweise Licht. Es war der Drost Uflfo, Ritter und
Tmchsess des dänischen Königs, diesem nahe stehend^) und Mit-
unterzeichner der Diplome, die den Beitritt Dänemarks zum Rostocker
Friedensbande bekundeten, welcher an Lübeck, Rostock, Stralsund
und alle Seestädte die Klage der Stadt Lund und ganz Schönens
meldete, dass Bürgern von Lund, die mit Waaren auf Norwegen
ge&hren seien, nach ihrer Rückkehr in einem dänischen Hafen an
Schiff und Gütern durch die gegen die Norweger ausgesandten Mannen
der Städter schwerer Schaden zugefügt worden. Er bittet um Rück-
erstattung des Raubes und Schadloshaltung, denn während wir ge-
willt sind, schreibt er, den Frieden mit Euch in Allem sorgsam zu
wahren, wünschen und fordern wir ein Gleiches von Euch und den
Euren, wie es sich ziemt*)! — Das Schiff war Ende September 1284,
also noch bevor Erich Glipping der Friedenseinung beitrat und in
Folge dessen das Ausfuhrverbot erliess, nach Norwegen gesegelt,
hatte dort, der Sitte gemäss, überwintert und war nun im Frühjahre
heimgekehrt, da aber waren die städtischen Kaper über dasselbe,
als vertragsbrüchig, hergefallen und hatten es in einem dem Könige
*) Ibid. koma ok fyÖeskir menn ... til Dana konongs . . . ok vilia
ssßtazt I>a se etc. von Manch, IV, 2, |S. 105 übersetzt: Hvis der kom
Gesandter fra de tydske Stseder til Danekongen for at indlede Forlig.
In gleicher Weise Möbius, Altnordisches Glossar, ssetta: vergleichen,
aussöhnen.
«) Hans. U. B. I, Nr. 981.
*) Ergiebt sich aus seiner häufigen Anwesenheit beim Könige. Yergl.
über ihn Suhm, X, S. 615, 622, 675, 626, 658, 659, 735, 775, 878, 879, 813.
*) Hans. ü. B. I, Nr. 957.
— 74 —
von Dänemark, dem Verbündeten! gehörigen Hafen geplündert i), wo^
bei es schwerlich sehr human hergegangen sein wird. Der Eechtsfall
als solcher hätte dem Dänenkönige zur Lösung zugestanden, die Städter
aber warteten sie nicht ab, sondern kamen ihr mit dem Schwerte zuvor
— das musste verletzen. Aehnliche Fälle werden sich mehrfach er-
eignet haben, die Kaper überhaupt auch anderes als nur norw^isches
Gut, als erwünschte Prise betrachtet haben. Ob nicht von dänischer
Seite auch Vergewaltigungen der Städter vorgekommen sind, muss
dahin gestellt bleiben.
So viel ist gewiss, dass man in Norwegen plötzlich zu einer
ganz neuen, uns leider nur dunkel überlieferten, Politik griff, als die
Kunde von der Annäherung der 30 Koggen einlief. Vielleicht weil
Erich krank damiederlag, übernahm es die. Königin Ingeborg mit
zwei Vertrauten, den Bischof von Bergen und Bjarne Erlingson*),
als Gesandte abzuordnen. Sie sollten erst zum Könige von Schweden
gehen und einen Brief, nach Inhalt eines beig^ebenen Goncepts,
von ihm zu erwirken suchen; misslinge dies, so sollten sie danach
streben, eine Vereinbarung mit ihm zu Stande zu bringen, die so
weit wie möglich mit dem Entynirfe übereinkomme, einen Artikel
über besoldete Truppen ausgenommen; femer sollten sie eine Zu-
sammenkunft mit ihm für den 24. Juni verabreden. Von Schweden
aus, ward ihnen vorgeschrieben, sich zum Dänenkönige zu begeben,
dort zu untersuchen, zu entscheiden und die beiderseitigen Streitig-
keiten und Beschwerden beizulegen unter einer Entschädigungssumme,
die 6000 Mark nicht übersteigen dürfe, wofür sie zwei norwegische
Inseln als Pfand setzen könnten. Femer ist es ihre Sache, auch mit
ihm eine Zusammenkunft zu verabreden, und zwar bis spätestens
den 10. Juli. Träfen während ihrer Anwesenheit deutsche Gesandte
ein, so sollten sie ihnen, unter Zusage sicheren Geleites vorschlagen,
zuverlässige Sendeboden zum Vergleiche an den norwegischen König
abzufertigen. Schliesslich sollten sie womöglich eine Uebereinkunft mit
Erich Glipping zu erwirken suchen, der zufolge weder er noch der
König von Norwegen einseitig einen Ausgleich mit den Deutschen
herstellen dürfte. — Diese glücklich erhaltene Instmcüon der Ge-
*) Dass das Schreiben in das Jahr 1285 und nicht 1284 gehört, dürfte
sich aus Obigem und dem Umstände ergeben, dass die Städte erst 1285
nuncii in dampnum Normannorum emiserunt.
*) Beides Männer vom höchsten Ansehen, Bjarne war Mitglied der
Regierung, Munch IV, 2. S. 3.
— 75 —
sandten zeigt uns das Yerhältniss Norwegens zu Dänemark plötzlich
umgewandelt; war sonst die Rede von Zurückerstattung der Ingeborg-
schen Güter, so wird hier derselben gar nicht erwähnt, dafür aber
den Dänen Bewilligung ihrer Forderungen in Aussicht gestellt und
gar auf etwas hingewiesen, was kaum anders als ein Bund der bei-
den nordischen Mächte gegen die Städte gedeutet werden kann. Zum
Verständnisse dürfte dienen, dass wir von Hungersnoth, Pest und
Viehseuche erfahren, welche damals Norwegen heimsuchten; und ist
es die Zeit, deren der königliche Bruder Hakon später als König
gedenkt: da wir beide Brüder krank lagen, so war sie voll von Un-
ordnung und selbst die Leibwächter mussten ihres Soldes entbehren^).
Norwegens Natur hatte sich wieder als der schlimmste Feind seiner
Bewohner erwiesen, das Reich war durch die Absperrung der Zufuhr,
durch das Uebermass des von der Regierung in Angriff Genommenen,
auf das tie&te zerrüttet, dennoch wollte diese nicht die Hoffnung an
einen Umschwung aufgeben, bevor sie nicht versucht hatte, den
Schwedenkönig und den von Dänemark auf ihre Seite zu ziehen;
misslang dies, so war sie zu Friedensverhandlungen geneigt, doch, so
weit wir sehen, zunächst zu solchen, auf denen nicht ihre verschie-
denen Gegner gemeinsam auftraten, sondern wo sie jedem einzeln
gegenüberstand: erst Magnus von Schweden, später Erich Glipping,
wieder gesondert, womöglich auf norwegischem Boden, den Städten 2).
Ohne Frage konnten auf diese Weise noch die grössten Vortheile
gewonnen werden.
Die umsichtige stätige Politik der Rathsherren war bereits in
eme Richtung eingelenkt, die diesen letzten kühnen Griff des Nor-
wegers vereiteln musste. Schon etwa im Mai, also ziemlich gleich-
zeitig mit der Abfertigung der Gesandten durch Königin Ingeborg,
*) Nach der Vermuthung Dahlmanns II, S. 375, die ein wenig durch
die Urkunde Ingeborgs unterstützt wird, aus der auch hervorzugehen
scheint, dass es mit dem Solde der Truppen schlecht bestellt war.
Thorkelin, Analecta S. 23 hat die lateinische Üebersetzung des nor-
wegischen Textes. Vergl. Molbech, Tidskrift II, S. 496, 531.
*) Dass Alle in GuUberg zusammenkommen sollen, ist eine nicht zu
begründende Vermuthung Munchs IV, 2. S. 107, 108. Dass die Verhand-
lungen mit Schweden und Dänen an verschiedenen Tagen stattzufinden
hätten , steht ziemlich deutlich im Briefe; der Umstand, dass den städti-
schen Boten sicheres Geleit zugesagt werden soll, deutet darauf, dass
man sie in Norwegen erwartete, da in der Regel solches Geleit nur für
das eigene Land, bezw. die eigene Küste bewilligt wurde.
— 76 —
hatten sie in Rostock eine Yersammlang abgehalten, von der leider
nicht mehr auf uns gekommen ist, als ein Schreiben Rostocks im
Namen der Anwesenden i). Lübeck wird darin gebeten, dem Fürsten
von Rügen zu gestatten, sich unbehelligt zum Nutzen und Gewinn
der gemeinen Städte auf eine städtisch -schwedische Zusammenkunft
nach Kalmar zu begeben, wo er, wie sie hoffen, als Obmann ihre
Angelegenheit vorwärts bringen und würdige Genugthuung erlangen
werde.
Wie am Hofe des dänischen Königs deutsche Sendeboden erwartet
wurden, so sollten — unserem Briefe gemäss — solche auch zum
Könige Magnus ziehen-, sicher in der, bereits durch den Herrn von
Werle angedeuteten Absicht, den Schwedenkönig, als den nächsten
unparteiischen Nachbar der Normannen, als Friedensvermittler zu
gewinnen, was denn auch, nach vielen Bitten, glücklich gelang. Die
Besorgniss, dass ein längeres ZerwürMss einen blutigeren Gang der
Ereignisse herbeiführen, die Fehde räumlich ausdehnen könne ^), that
das ihrige. Viele Fürsten und Herren, allen voran der städtefreund-
liche Wizlav, unterstützten Magnus in dem Friedenswerke. Jener,
der sich schon im Juni persönlich nach Schweden begeben hatte, er-
*) Ich setze diesen Brief und mithin die Versammlung gegen Kopp-
mann, Hans. Reo I, No. 40 und Hölbaum, Hans. ü. B. I, No. 997 vor
die Präliminarien zu GuUberg, weil es darin heisst, Wizlav wolle sich
zum Nutzen der Städte nach dem schwedischen Kalmar begeben (se
transferre) und wir ihn am 25. Juni (Hans. Rec. No. 36) wirklich beim
Könige von Schweden in der angegebenen Richtung thätig finden. Wäre
das Schreiben erst im September erfolgt, so müssten wir eine zweite
Reise nach Schweden im Interesse der Städte annehmen, was an sich
complicirter ist und durch das se transferre unwahrscheinlich wird, da
wir dann gerne ein iterum oder dergleichen sähen. Auch passt zu dieser
früheren Datirung der Satz Hans. Rec. 1, No. 44 sehr gut, Magnus • . .
cum pluribus principibus (Wizlav: principes Ruynorum) • . . per multas
preces (werden in Kalmhr erfolgt sein) huiusmodi negotium de consensa
parcium intercepit, (was vor den Tag von Gullbergf fallt); nicht minder
erhält das Wort induciae des Briefes nun einen klareren Sinn, es bezieht
sich auf die lübischen Kaper, die alle Schiffe, welche „ultra mare'* fahren,
auffangen; schliesslich erhält der Satz : quia speramus eumnostrum nego-
tium dingendo promovere, de illatis recompensam capiendo debitam et
condignam, erst den nöthigen Sinn, der ihm nach den Verhandlungen
zu GuUberg mangeln möchte, da dort die ganze Angelegenheit in die
Hände von norwegischen und städtischen Judices gelegt war, zwischen
denen Wizlav nicht mehr Platz hat.
*) Hans. Rec. I, No. 44.
— 77 —
wirkte vom Könige ein Schreiben, kraft dessen Johann litla, dem
dänischen Gesandten, den Sendeboten der deutschen Städte und denen,
die Litla von Seiten des dänischen Königs bei sich habe, sicheres
Geleit anf acht Tage zugestanden wurde, um sich an den schwedischen
Hof zu begeben, dort zu verweilen, zu verhandeln und von dort wie-
der zurückzukehren^). Gewiss waren städtische Unterhändler auch
schon in Dänemark thätig gewesen und hatten es — bei der fac-
tischen Unmöglichkeit einer Verbindung Dänemarks mit Norwegen,
bis zu gewissem Grade von den norwegischen Gesandten gefordert —
glücklich dahin gebracht, dass sich die Dänen gleichfalls an den
Schwedenkönig wenden wollten. Bezeichnend ist die Person, die sie
zum Zwischenträger wählten, Johann Litla; derselbe war Hauptmann
in Lund, stand in guten Beziehungen zu Jacob von Hailand, zu anderen
Grossen und, wie es scheint, auch zu Lübeck; er war einer der Urthei-
lenden gewesen, welche 1284, auf dem Tage zu Nyborg, auf Heraus-
gabe der Erbgüter der dänischen Königstöchter, unter denen sich
Ingeboi^ von Norwegen und Sophie von Schweden befanden, entschieden
hatten, während er im Mai 1285 unter den zehn Männern zählte,
deren Spruch zu Ungunsten des Herzogs, zu Gunsten des Königs
ausfiel ^). Demnach scheint er selbst der vermittelnden Richtung des
Adels angehört zu haben, vielleicht war er sogar ein Abgesandter
des Reichsraths, den nur einige Männer aus der Umgebung des Königs
begleiteten.
Jedenfalls war das Resultat vielseitiger, uns im Einzelnen nicht
mehr erkenntlicher, Verhandlungen eine auf Johanni im schwedischen
GuUberg angesetzte Conferenz, auf der sich unter dem Vorsitze des
Königs Magnus die kriegführenden Mächte gemeinsam berathen
sollten. Der anberaumte Ort ist beachtenswerth, er liegt auf der
schmalen Ausbuchtung, mit der sich Schweden damals zwischen
dänischem und norwegischem Gebiete hindurchzwängend das Katte-
gat berührte, also auf neutralem Boden in unmittelbarer Nähe der
beiden kriegführenden Länder; zu Schiff leicht erreichbar.
Obwohl der Ueberwundene, scheint Erich die Absicht gehabt zu
haben, dort mit dem ganzen Prunke eines Königs aufzutreten. Das
Bergensche Kriegsschiff musste am Zuge Theil nehmen. Eine Zeit
1) Hans. Reo. I, No. 36.
«) Vergl. Suhm. Hist. af. Danm. X. S. 458, 459, 518, 614, 630, 659,
685, 704, 733, 743, 873, 878, 885, 899. Hans. ü. B. I, No. 958.
— 78 —
lang wurde die Flottille von widrigen Wellen und Winden getrieben,
gegen welche Gebete und Gelübde vergebens aufgeboten wurden; da
trat der isländische Priester Gudmund Hallson zum Könige heran und
schlug ihm vor, dem heiligen Bischof Jon seine besten Pelzkleider zu
geloben; der König willigte ein und sogleich erhob sich eine frische
Brise, welche sie in vier Tagen an den Ort ihrer Bestimmung führte^).
Von Seiten der Städte hatten sich Abgesandte aus Lübeck, Wismar,
Bostock, Stralsund und Greifswald eingefunden, durch welche die
übrigen Städte, namentlich Wisby und Riga vertreten würden. Von
der Anwesenheit dänischer Bevollmächtigter, oder gär des Königs
selbst, erfahren wir nichts.
Mancherlei Umstände werden bewirkt haben, dass der an-
gesetzte Termin nicht genau inne gehalten wurde. Viel und ver-
schiedenartig erwog man hin und her, ohne zu einem festen Schlüsse
kommen zu können, vornehmlich, weil ein Theil der Gesandten nicht
mit ausreichenden Vollmachten versehen war. Endlich am 3. Juli
stellte König Erich von Norwegen auf den Rath der Weisen seines
Reiches, den städtischen Boten, in Gegenwart des Königs Magnus,
eine Urkunde aus *), der zufolge er zwei erwählte Männer als Schieds-
richter mit zwei passenden Bevollmächtigten am 29. September nach
Kalmar senden will, wo sie unter der Obmannschaft des Schweden-
königs mit den zwei Richtern, welche jede der Städte vertreten, über
die Beschwerdepunkte einzeln berathen und beschliessen sollen. Eine
Bestimmung, welche aussagt, dass die Städte nicht gemeinsam als
Bund, sondern als gesonderte, gleichbetheiligte Glieder auftraten^).
In den Sachen, worin man nicht übereinkommt, hat Magnus als Ober-
richter zu urtheilen. Alle am Orte bekannten Fälle müssen inner-
halb eines Monats entschieden werden, was dort nicht anhängig ge-
macht, soll nachträglich auf einer, zwischen den Königen von Nor-
wegen, Schweden und Dänemark, am 1. Juli 1286 in GuUberg statt
findenden, Zusammenkunft in derselben Weise zum Austrage gelangen.
») Munch IV, 2. S. 106, 107.
ä) Hans. U. B. I, No. 985.
*) Qui judices una cum duobus viris discretis, quos quevis civitas
pro se et suis civibus judices elegerit . , discutere possunt • • • et quic-
quid judices cuiuslibet civitatis una cum nostris concorditer fecerint,
Die Aus drucks weise des Königs Magnus ist dagegen ungenau: duo ex
parte regis norwegie et duo ex parte dictarum oivitatum. Lüb. U. B.
I, No. 484, 479.
— 79 —
Wer vom Könige oder den Bichtern za einer Geldstrafe verortheilt
wird, hat dieselbe innerhalb eines Jahres zu entrichten. König Erich
und sein Brüder Herzog Hakon schwören deren Beschlüsse nach
Kräften vollführen zu helfen nnd die gefangenen Städter mit ihren
Sachen frei heimkehren zu lassen. Vom achten Tage an, nach dem
nächsten Jacobi, dürfen die Kaofleute sicher nach Norwegen kommen,
dort Handel treiben and der alten Freiheiten gemessen, falls sie den
norwegischen Btlrgem dasselbe innerhab ihrer Städte zugestehen and
Norwegens Feinden, die den König und sein Beich rechtlos bekrieg-
ten und Gerechtigkeit verweigerten, d. h. den Dänen, nicht irgend
welchen Vorschub leisteten. Wird aber ein Norweger durch die
Städter beleidigt, muss ihm nach den betreffenden Gesetzen Genug-
thuung zu Theil werdeiL Das Gleiche gilt für Biga und Wisby,
welche Lübeck vertrat, und für die anderen Städte, die sich einem
solchen Schiedssprüche unterwerfen wollen. — An demselben Tage
urkundete König Magnus, er werde sich des Schiedsrichteramtes nach
bestem Vermögen unterziehen; und Erich einige Tage später, dass
er eine Ausfertigung seines Erlasses vom dritten Juli für jede der
dort namhaft gemachten Städte zum Termin nach Kalmar senden
wolle, wofern eine jede Stadt ein entsprechendes Diplom ausstelle ^).
Wieder ein Beweis von dem neben einander Gehen der Deutschen.
Auch in Betreff dreier holländischer Orte, nämlich Kampens, Stavems
und Groningens, haben die Sendeboden zu Gullberg verhandelt, ob sie in
den Friedensschluss aufgenommen werden könnten, wenn sie, wie
die anderen Städte, auf den König von Schweden compromittirten,
ohne dass jedoch hierin ein Abschluss erreicht wäre^).
Wie locker sich der Bund der wendischen Städte in diesen Prä-
liminarien officiell erweisen mochte, so hatte er nichts desto weniger den
Beweis geliefert, dass er in Wirklichkeit bestehe, dass er stark genug
sei, um kriegerisch und ehrenvoll gegen eine Grossmacht auftreten zu
können; durch gemeinsamen Seezug und gemeinsame Kosten war er
gefestigt, und mit den westfälischen und holländischen Städten war er
in Verbindung getreten. Wohl durften seine Glieder mit Befriedigung
auf die jüngsten Ereignisse zurück, mit grossen Hoffiiungen und ge-
bobenem Muthe in die Zukunft blicken.
Der Verabredung gemäss traten am Michaelistage (29. Septem-
») Hans. U. B. I, No. 986, 987.
«) Hans. ü. B. I, No. 993.
— 80 —
ber) die Abgeordneten der Städte Lübeck, Rostock, Wismar, Stral-
sund, Greifswald, Riga und Wisby Vollmachten und alles Nöthige
bei sich führend, mit denen des norwegischen Erich vor l^önig
Magnus in Kalmar zusammen ^). Abermals Hess sich keine Einig-
keit erzielen, weswegen die Parteien auf Magnus compromittirten,
der innerhalb eines Monats, vom 18. October an zu rechnen, sein
Schiedsurtheil fällen sollte, dem bei Strafe von 20,000 Mark reinen
Silbers nachzukommen sei. Derselbe traf nach reiflicher Ueberlegnng
am 31. October seine Entscheidung dahin: Zwischen den streitenden
Parteien soll in Zukunft ohne Falsch und Trug stätige und immer-
währende Eintracht und Freundschaft bestehen. Alle noch in Nor-
wegen vorhandenen Güter, welche den Eaufleuten entzogen worden,
sollen nach Bergen geschafft werden, wo sie bis zum nächsten Jo-
hannis abgefordert werden können. Das Reich hat den deutschen
Städten 6000 Mark norwegisch innerhalb eines Jahres, vom nächsten
Johannis an gerechnet, in Tunsberg zu zahlen, welche unter die Ge-
schädigten zu vertheilen sind. Stralsund, das einstmals den nun-
mehr regierenden König Erich beleidigt, und Rostock, welches über
die Abmachungen von Gullberg hinaus Gefangene bei sich zurück
behalten hat, sollen sechs Gesandte mit Briefen senden, um demüthig
um Verzeihung zu bitten. Normannen und Deutsche dürfen wechsel-
seitig, wie einheimische Bürger, von jedermann unbelästigt zu allen
Tageszeiten Handel treiben, es sei denn, dass ein allgemein bindendes
Verbot dem entgegen stehe. Wird eine Person von der einen Par-
tei durch eine der anderen beleidigt, so ist es zu sühnen, als sei
ein Bewohner des eigenen Ortes verletzt und zwar spätestens inner-
halb eines Monats, nachdem deswegen Briefe erlassen. Die den
Städten von Erich und dessen Vorgängern ertheilten Privilegien blei-
ben in Kraft, wozu ihnen femer verwilligt wird, dass sie der Gesetze
wie Staatsangehörige gemessen und weder vom Amtmanne, noch
sonst Jemand vorgefordert werden dürfen. Den Kaufleuten steht es
frei, an der Brücke jedes norwegischen Hafens ohne Erlaubniss des
Amtmannes anzulegen, doch ist für die Ausladung der Schiffe eine
Erlaubniss einzuholen. Verletzen oder beleidigen sich einzelne Per-
sonen gegenseitig, so soll dies nach den Gesetzen oder Ortsgewohn-
heiten geschlichtet werden, unbeschadet des Friedens; wenn aber
Jemand sich mit Anderen verbindet und eine Person beraubt, so
Hans. ü. B. I, No. 993. Hans. Reo. I, No. 44.
— 81 —
darf ihn die andere Partei nicht mit Rath und Hülfe unterstützen.
Wer dagegen handelt, wird bestraft, und zwar mit 20,000 Mark
Kölnisch^), unbeschadet des Friedens. Wenn der König der Dänen
unter dem Vorgeben, ihm sei vom Könige von Norwegen Beleidigung
angethan, die Hülfe der Städte anruft, so müssen dieselben dem Könige
von Norwegen Briefe senden, dass er dem der Dänen Gerechtigkeit
erzeige. Wenn darauf der König von Norwegen einen Tag zur Con-
ferenz mit dem Könige der Dänen ansetzt und sich 'zur Aufrechter-
haltung der Gerechtigkeit bereit erklärt, sollen die Städte jenem
nicht helfen, noch sonst etwas gegen den König von Norwegen unter-
nehmen. Sobald die Herrscher zusammengekommen sind, werden drei
Schiedsrichter' ernannt; ßlUt deren Entscheidung für Norwegen aus,
dürfen die Städte nicht die Dänen gegen dasselbe unterstützen, entschei-
den sie sich aber für Dänemark, so mögen die Städte ihm helfen, wenn
sie wollen, doch in der Weise, dass trotz des Krieges Städter und
Norweger unbehelligt in die Heimath zurückkehren dürfen, innerhalb
eines Monats nach dem Schiedssprüche. Wollen Etliche an dem
Orte bleiben, wo sie sind, wird es ihnen bis zum Ende des Krieges
verstattet. Leisten die Städte den Dänen innerhalb acht Jahre keine
Hülfe ^ dürfen sie Niemandem mehr gegen den König von Noi-wegen
beistehen, ausser ihren Landesherren. Bei Bündnissen sollen die
Städte den König von Norwegen, der König von Norwegen die Städte
von der Feindschaft ausnehmen. Wer gegen diese Entscheidung
handelt, hat 20,000 Mark feinen Silbers zu zahlen. Was die Städte
Kampen, Stavem und Groningen anbetrifft, um deren Aufoahme in
den Vergleich die Sendeboden abermals in Kalmar verhandelten, so
steht derselben nichts im Wege, wenn sie den Königen von Norwe-
gen und Schweden bis Johannis Briefe senden, dass auch sie auf
letzteren compromittiren wollen. Alsdann soll auch ihnen Recht zu-
kommen und das, was zwischen dem Könige von Norwegen und den
drei Orten schwebt, darf vor König Magnus zur Entscheidung ge-
zogen werden. Compromittiren sie bis Johannis nicht auf ihn, so
sollen die wendischen Städte, Wisby und Riga ihre Waaren nicht
in Schiffe der drei holländischen Städte verladen, was auch für
diese jenen gegenüber gilt, damit die Sicherheit des Friedens zwischen
den Verbündeten und Norwegen möglichst aufmerksam gewahrt werde.
Ist etwas zweifelhaft oder dunkel geblieben, so behält Magnus ein
^) Vergl. Anhang I, S. 111.
Harttung, Norwegen.
— 82 —
^Jahr lang das Kecht, die festgesetzten Artikel zu interpretiren und
*^ zu erklären. — In einer besonderen Urkunde wiederholt dieser jene
Vereinbarungen des Königs von Norwegen mit den Städten, die für
den Fall eines Krieges zwischen Norwegen und Dänemark getroffen
waren 1), woraus zur Genüge erhellt, für wie wichtig man sie hielt,
d. h. dass man einen solchen Krieg als in Aussicht stehend erachtete*,
während andererseits die enormen Strafsummen bei Uebertretung der
Satzungen erhärten, welch' grosses Gewicht auf strenge Wahrung des
Friedens gelegt wurde. In dieselbe Richtung weist es, wenn Herzog
Hakon die Entscheidungen des Königs Magnus, zumal die den Han-
del und Frieden betreffenden, bestätigt; die Deutschen dürfen sich
in Norwegen verantworten wo und dürfen ziehen, wohin sie wollen,
bleiben aber immer den norwegischen Gesetzen unterworfen^). Den
Artikel des ungehinderten Handels bestimmt der König von Schweden
noch näher dahin, dass er zwar im Allgemeinen beobachtet werden
müsse, doch mit der Beschränkung, dass Norweger, welche zu den
Städten kommen, keine Waaren auf Wagen kaufen dürfen und die
Bürger der Städte keine von den Schiffen in Norwegen 3), was mit
anderen Worten heist: den Bewohnern der Seeplätze soll möglichst
der Zwischenhandel zwischen Eingebornen und Fremden gewahrt
bleiben.
Der Vertrag von Kalmar bezeichnet das Ende der voraufgegan-
genen Feindseligkeiten zwischen den Norwegern und Städtern. Nun-
mehr konnte der deutsche Schiflfei; wieder unbehelligt Sund und
Nordsee durchsteuem, konnte der deutsche Kaufmann wieder von
Neuem einsetzen, um sich durch die Macht der Arbeit, der Intelli-
genz und des Capitals den gesammten Norwegischen Handel zu unter-
werfen. Mit der Wiederherstellung der friedlichen Entwickelung ist
aber auch im Wesentlichen die Bedeutung des Kalmarer Ueberein-
kommens erschöpft. Noch zitterte vermerklich die Furcht vor einem
neuen Zerwürfnisse nach, dessen Verhinderung als erste und noth-
wendigste Aufgabe erscheinen musste und sich einer genauen, spe-
«ialisirten Regelung des zukünftigen Verkehrs gebieterisch entgegen
stemmte. Die Freiheiten des deutschen Kaufmannes würden in
Kalmar wesentlich auf den Status quo zurückgeführt; er hatte nach
1) Hans. U. B. I, No. 994.
2) Anhang I, Nr. 1, S. 110.
») Hans. ü. B. I, No. 995.
— 83 —
wie vor beim königlichen Beamten sein Kecht zu suchen. Von Be-
schränkung der Küstenfahrt auf die Gewässer südlich von Bergen ist
allerdings ebenso wenig, wie von der des Handels auf den Sommer
die Rede, die Wendungen der Urkunden sind möglichst allgemein,
ja, so gehalten, dass man glauben möchte, die Normannen hätten auf
beide Verzicht geleistet, die Städte scheinen dies auch herausgelesen
zu haben, doch schon die nächste Zukunft sollte ihnen zeigen, dass
man in Bergen der entgegengesetzten Auffassung lebe. Wahrschein-
lich war beim Friedensschlüsse der Sache wegen verhandelt, ohne
dass ein üebereinkommen erzielt worden.
In Kalmar waren nur Sendeboten der sieben kriegführenden
Orte zugegen gewesen, die von den übrigen, nach Norwegen Handel
treibenden Städten, nicht mit hinreichenden Mandaten und Vollmach-
ten versehen, sich von dem Verluste derselben und ihren sonstigen Ver-
hältnissen nicht genau unterrichtet wussten. So vermochten sie denn
in deren Interesse vorerst nichts weiter zu thun, als den König von
Schweden zu bestimmen, sich auch ihrer Sache als Schiedsrichter
anzunehmen. — Wismar und sicherlich auch die anderen wendischen
Städte 1) — was wieder auf ihr gesondertes Vorgehen deutet —
sandten deswegen einen Bericht an eine Reihe westfälischer und hol-
ländischer Ortschaften, unter denen sich die bereits wiederholt ge-
nannten Groningen, Stavem und Kampen befinden, während weder
Hamburgs noch Bremens Erwähnung geschieht. Wismar weist darauf
hin, wie es hoffe, dass viele Städte, die an den errungenen Privile-
gien theilnehmen wollten, bei Deckung der zu ihrer Erreichung ver-
ursachten Kosten behülflich sein würden, obwohl sie sich nicht am
Seezuge betheüigt hätten. Wenn sie damit einverstanden wären,
den König von Schweden als Schiedsrichter anzuerkennen, so sollten
sie vor dem 24. Juni Boten und Briefe an ihn senden, worauf sie
von ihm einen Termin für ihre Rechtsgeschäfte angesetzt erhielten, auf
welchem die Normannen nicht fehlen würden, wie sie erklärt hätten.
Wahrscheinlich haben die Seestädte auch noch an mehrere jener Ort-
schaften gesondert geschrieben, unter anderem auch an Kampen, dem
sie ihre Verwendung für dasselbe in Kalmar auseinandersetzten, in
Folge dessen sie eine Antwort erhielten 2), worin jenes Gemeinwesen ihnen
aufrichtig für die Fürsorge Dank sagte, welche sie ihm so leutselig zuge-
1) Hans. Reo. I, No. 44, vergl. S. 24. B.
2j Hans. Reo. I, No. 45. Hans. U. B. I, No. 997.
— 84 —
wendet hätten und versprach auf ihren und anderer Freunde Rath, Boten
nach Schweden senden zu wollen, welche die Städte doch möglichst
unterstützen möchten. Kampen wird Wort gehalten haben, wir verneh-
men, dass es am 15. October 1286 durch seine Gesandten mit demEönige
Erich für sich und seine Parteigänger volle Uebereinkunft schlösse).
Unterdessen hatten sich wiieder die dänischen Verhältnisse in
den Vordergrund geschoben, bis sie eine blutige Lösung fenden.
Wir sahen bereits, wie König Erich Glipping weder an den Gull-
berger Präliminarien, noch an dem Vergleiche von Kalmar Theil
genommen, wie die Verhältnisse zwischen ihm und seinem norwe-
gischen Verwandten sich wieder bedrohlich gestalteten, die Städte
eine unparteiische, zur Vermittlung neigende Haltung einnahmen.
Mit diesen Dingen im Zusammenhange steht es, dass einerseits Erich
von Norwegen den dänischen Unterthan Jacob von Halland zum
Ritter erhob*), andererseits Erich Glipping den gefangenen Herzog
Waldemar zu dem Gelöbnisse zwang, dem Könige auf Befehl
bei jedem Kriege zu Hülfe zu kommen, kein Bündniss mit irgend
jemand einzugehen, der dem Reiche Schaden zufügen könne, und habe
er solchen Bund bereits geschlossen, solle er ihn kündigen ^). Schon
hatte der Norweger vom englischen Könige 2000 Mark Sterlinge zu-
gesagt erhalten, schon in Island ein Kriegsaufgebot ergehen lassen ^),
da schien dem Dänenreiche auch noch ein anderer Gegner erwachsen
zu wollen, der am wenigsten für solch' eine Rolle angethan schien:
die deutschen Städte.
Diesen nämlich waren von den königlichen Beamten Rechte und
Vergünstigungen, in denen einst Waldemar und seine Nachfolger sie
beschützt hatten, verkürzt und sie an Personen und Gut gekränkt
worden; dazu kam noch, dass auch dänische Küstenbewohner sich
an gestrandetem lübischem Gut vergriffen hatten. Die Städte traten
deswegen zu einer Versammlung zusammen, auf der sie den Beschluss
fassten, durch eine Botschaft um Abhülfe zu bitten; zugleich wandten
sie sich an den Prior der Johanniter in Dänemark, empfahlen ihre
Sache und baten, sie nach bestem Vermögen beim Könige zu ver-
treten 5). Derselbe handelte demgemäss und erhielt eine beruhigende
^) Diplom. Norweg. V, No. 47.
2) Munch IV, 2. S. 111.
3) Suhm. X, 923, 924.
*) Munch rV, 2. S. 127 ff.
ß) Hans. U. B. I, No. 1010, 1011, 1012.
— 85 —
untersiegelte Antwort von den Grossen des Reiches. Im nächsten
Februar sollten städtische Sendeboten nach Seeland an den König
abgeordnet, die Sache womöglich zum Austrage bringen. — Es kam
nicht mehr dazu, indem verkappte Mörder am 22. November den
schlafenden Herrscher überfielen und mit unzähligen Dolchstichen durch-
bohrten. Jedermann nannte Jacob von Hailand und den Marschall
Stig als die vornehmsten Verbrecher und mancher warf auch auf
den leidenschaftlichen Erich von Norwegen den Verdacht heimlicher
Mitwissenschaft. Wie weit derselbe gerechtfertigt ist, lässt sich nicht
feststellen, seine Parteinahme für die Mörder jedoch klagt ihn laut
und vernehmlich an.
Dieses Ereigniss, welches einen siebenzehnjährigen Knaben auf
den wankenden Thron brachte, war im Stande, eine völlige Umge-
staltung der Dinge herbeizuführen. Fast Alles hing von der Haltung
der Städte ab, schlugen sie sich zu dem Priesterfeinde, so konnte
das Reich Waidemars aus den Fugen gesprengt werden. Sie haben
es nicht gethan; sie zeigten sich würdig und politisch tactvoU, indem
sie die Königsmörder zurückwiesen und eiligst Gesandte nach Däne-
mark abgehen Hessen, um die schwebenden Streitfragen beizulegen.
Was Wunder, dass der unmündige Erich Menved und seine Mutter
warme Danksagungen an Lübeck schickten, dass sie sich ihre Be-
schwerden angelegen sein liessen, sicheres Geleit und vollen Ersatz
versprachen und zu erwirken strebten i)?
So waren denn die aufsässigen Grossen und der Norweger wieder
auf sich allein angewiesen. Der Tod der Königin Ingeborg konnte
ihr Beginnen nicht hindern; als die Königsmörder friedlos erklärt
waren, fielen sie und ihr königlicher Beschützer über das zerrüttete
Dänemark her und setzten Bauer und Bürger den rothen Hahn auf
das Dach, diese Beschäftigung alljährlich wiederholend. Dazu ge-
sellten sich eine Fehde gegen den mächtigen, inouner trotziger und
gewaltthätiger auftretenden Alf Erlingson und neue Verwickelungen
in Schottland, herbeigeführt durch den plötzlichen Tod König Alexan-
ders, während gleichzeitig noch die Wehen des Kirchenstreites nach-
zitterten, vom Papst ein neuer Erzbischof für Drontheim ernannt wurde.
Es ist nur zu erklärlich, dass unter solchen Umständen eine
ängstliche Leere in der königlichen Kasse herrschte, die es Erich,
selbst bei gutem Willen — an dem es gewiss gebrach — , unmöglich
1) Hans. U. B. I, No. 1012, 1013, 1018, 1020, 1023, 1024, 1025, 1027,
1031.
— 86 —
machte, jene verbflUziissmässig geringe Summe von 6000 Mark, zu
der er als Schadenersatz vom Könige Magnus verurtheilt worden, den
Städten zu zahlen. Norwegen war an sich arm. Seihst der päpst-
liche Bevollmächtigte klagte über den dort herrschenden Mangel an
gemtlnztem Gelde, worauf ihn der Papst anwies auch NaturaJgaben
anzunehmen, und dieselben so gut als möglich in Geld zu ver-
wandeln i).
Als am festgesetzten Johannistage die Bevollmächtigten von
Lübeck, Wismar, Kostock und Stralsund in Tunsberg eingetroffen
waren 2), die entfernteren Orte Wisby und Riga aber, und das kleinere
Greifswald, wohl in dem Glauben, dass die Vertretung durch jene
vier ausreichend sei, es an Gesandten hatten fehlen lassen, war es
für Erich sehr bequem, sechs Tage hinter einander auf sie zu warten
und dann in einer Urkunde zu versichern, er werde am 8. Septem-
ber des folgenden Jahres den Agenten der sieben Städte das Geld
vollständig und ohne Schwierigkeiten in Tunsberg einhändigen. Sollte
aber der Fall eintreten, dass einige der Agenten ausblieben, werde
er es den Angekommenen dennoch ganz auszahlen, doch so, dass die
Städte, welche dasselbe in Empfang nähmen, schriftlich Bürgschaft
gäben, durch die er frei von Schuldforderungen der anderen Städte,
denen ein Theil des Geldes zukomme, erklärt werde. Für den Fall,
dass diese deswegen den Norwegern hinderlich in den Weg treten
sollten, haben die übrigen Städte mit bewaffueter Hand für Erich
und die Seinen zu interveniren. Zum Schlüsse ratificirt er den Schieds-
spruch des Königs Magnus.
Von Tunsberg aus scheinen sich die lübischen Sendeboten nach
Aslo zum Herzoge Hakon begeben zu haben, wenigstens liegt uns
ein Schreiben desselben vom 19. August 1287 vor, worin er die
Travestadt seiner Friedensliebe versicherte, den Wunsch aussprach,
dass die ungezügelten Verwegenheiten — die also immer noch vor-
kamen! — ein Ende erreichen möchten und der friedliche Handel
unter seiner Gunst gedeihe 3). Er sagte Allen, die in sein Herzog-
thum kämen, Schutz zu und Genuss der früheren Privilegien, wobei
er sich der fünf wendischen Städte vor Allen annahm. Gleichzeitig
scheint er einen Befehl an seine Beamten und den Schlossvogt
^) Zorn, Staat u. Kirche, S. 260.
2) Hans. U. B. I, No. 1026.
») Hans. U. B. I, No. 1030.
— 87 —
von Aslo erlassen zu haben i), die deutschen Kaufleute gegen jede
Unbill zu schützen, dessen Wortlaut uns jedoch nicht mehr erhal-
ten ist.
Trotz der Versicherung, die Erich am 5. Juli gegeben hatte,
mochten es die Städte dennoch für gerathen erachten, jeden etwaigen
Vorwand abzuschneiden, aus welchem Grunde wahrscheinlich Wismar,
Eiga, Greifswald und Wisby dem Könige Urkunden ausstellten, in
denen sie eine der drei anderen Städte zu Bevollmächtigten für die
Eincassirung des Geldes ernannten. Erhalten ist uns allerdings nur
ein solches Schreiben von Wisby, welches Lübecks Sendeboten zu
Procuratoren desselben, mit unumschränkter Vollmacht, ernennt 2).
Der Vereinbarung gemäss fanden sich die Abgesandten von
Lübeck, Kostock und Stralsund am 8. September in Tunsberg ein^).
Hier zahlte ihnen des Königs Bruder Hakon von der Schuld jener
6000 Mark 2870 Mark Pfennige aus; für den Kest verwilligten die
Boten Aufschub bis Maria Geburt des nächsten Jahres, wofür ihnen
der Herzog im Namen des Königs Zollfreiheit beim Heeringsfange
während des bevorstehenden Winters gewährte, die aber in der
Weise andauern sollte, als der Zahlungstermin nicht beobachtet werde.
Damit jedoch Andere sich dieses Vorrechtes nicht bedienen könnten^
soll jeder Schiffer offene Briefe seiner Stadt mitbringen, in denen
der Rath bezeugt, dass der Betreffende den begünstigten Städten an-
gehöre. Wenn aber die Schiffer in diesem Jahre noch kein solches
Zeugniss mit sich führen, oder beibringen können, müssen sie durch
den Eid zweier Ehrenmänner erhärten, dass sie Bürger jener Ortschaften
seien. Auch Hakon bestätigte den Schiedsspruch des Königs von Schwe-
den. — Aus der geringen Baarzahlung und der Ertheilung jenes
Privilegiums, welches die Städte leicht ausbeuten konnten, dürfte
deutlich erhellen, dass Erich sich gerne seiner lästigen Verpflichtung
entledigt hätte, wenn er nur im Stande dazu gewesen wäre. Es lag
ihm gewiss viel daran, die Kaufleute nicht den befehdeten Dänen in
die Arme zu treiben und schwerlich ohne Grund hatte er den ver-
söhnlich gesinnten Bruder zum Unterhändler gewählt.
Wie dringend er gerade jetzt, wo ein grosser Theil seines Volkes
*) Lüb. U. B. n, No. 65. Höhlbaums Ansicht, Hans. U» B. I, No*
1030. Anm. 2 können wir nicht ohne weiteres beiflichten.
2) Hans. U. ß. I, No. 1041.
8) Hans. ü. B. I, No. 1045.
— 88 —
durch den Krieg von Gewerbe und Ackerbau abgehalten wurde,
der deutschen Zufuhr benöthigt war, ist aus einem Erlasse zu
schliessen, den er und sein Bruder Hakon den Lübeckern im August
des Jahres 1289 ausstellte. Er versicherte diesen darin, ungefährdet
mit Waaren und Lebensmitteln zu seinem Heere kommen zu dürfen
und sie für die Verluste, die sie dort etwa erlitten, schadlos halten
zu wollen 1). Welche Stellung Lübeck zu den beiden raufenden
Völkern eingenommen hat, lässt sich nicht nachweisen; die Herren
von Werle, Wenden und Rostock scheinen sich zu den Dänen hin-
über geneigt zu haben, wenigstens finden wir, dass Erich Menved
ihnen 2500 Mark, in Gütern oder Land, auf dem Reichstage zu er-
wirken verspricht, wenn sie den Norwegern auf zwei Jahre weder
Vorschub noch Unterstützung erweisen und den Helfern Dänemarks
kein Hinderniss in den Weg legen würden*). Dem entsprechend
urkundete der Dänenkönig denn auch im März des Jahres 1290 für
Wismar 3), nicht aber für Lübeck oder den Städtebund im Allge-
meinen.
Doch auch die Beziehungen zwischen den Seestädten und Nor-
wegen gestalteten sich nicht so innig, wie man nach dem Abschlüsse
des Kalmarer Vergleichs erwartet haben mochte. Theils stand diesem
die Nichterfüllung desselben durch die norwegische Regierung, mein*
noch die immer allgemeiner um sich greifende Unordnung, welche
sich, wie gewöhnlich, in wüstem Seeräuberwesen äusserte, im Wege.
Einen Beweis, wie weit es Geldgier und Verwilderung treiben konnte,
mag das Folgende liefern. Als im Jahre 1290 Männer mit einer
nicht unbedeutenden Summe päpstlichen Zehntenertrags und einigen
Waaren von der Küste Norwegens nach Flandern fuhren, wurden
mehrere Uebelthäter nach ihren Schätzen lüstern, beriethen sich unter
*) Hans. U. B. I, No. 1059. Höhlbaums Ansicht, dass exercitus hier
Volk und Land bedeute, können wir nicht theilen, weder lässt sicli,
meines Wissens, jener Sprachgebrauch in Norwegen überhaupt nach-
weisen, noch ist er am Ende des 13. Jahrhunderts noch geläufig, wo der
ursprüngliche Begriff des exercitus längst verloren war. Waitzens letztes
Beispiel, Verfg. I, S. 337, Anm. 4 sagt ausdrücklich totius exercitus qui
ibidem in castris erat aggregatus. Auch hier ist es das in Waffen
stehende Volksheer, mit dem der König gegen Dänemark ausgezogen
war, welches natürlich der Zufuhr bedurfte; schon die Ortsangabe apud
Grönesund ist bezeichnend. Vergl. Munch, IV, 2. S. 159.
2) Meckl. ü. B. m, No. 2079.
») Hans. U. B. I, No. 1063.
— 89 —
einander und fielen in dunkler Nacht über sie her, tödteten etwa
elf von ihnen, warfen ihre Leichname über Bord und setzten sich
in den Besitz des Geldes und der Waaren. Selbstverständlich war
man in Born aufs äusserste entrüstet; der Papst wandte sich dringend
an den Erzbischof von Bremen und den Rath dieser Stadt, sowie
an den deutschen König Rudolf, um Bestrafung der Eäuber und
Wiedererstattung des Geraubten zu erlangen i).
Konnte so gegen Personen verfahren werden, die unter dem Schutze
der Curie standen, dann darf es nicht Wunder nehmen, wenn auch der
seestädtische Kaufmann weder seines Gutes noch seines Lebens sicher
war, wenn von Piraten — und, wie es scheint, von vornehmen — be-
richtet wird, die sich im Frühjahr 1292 an der norwegischen Küste ver-
sammelten ^), wenn selbst königliche Beamte keinen Anstand nahmen,
die Handeltreibenden auszubeuten. Dies ergiebt sich aus drei Schrei-
ben König Erichs und Herzog Hakons, worin sie den Lübeckern,
Stralsundem und den Bürgern von Wismar, die durch ihre Schlösser
Hunals und Hialm ziehen würden, Schutz an Leib und Ladung er-
theilten 3). Dem Grafen von Halland und dem Marschall Stig trugen
sie auf, ihnen zu gestatten, die in jenen Orten ausstehenden Schul-
den eintreiben und Waaren dahin führen zu dürfen, ohne dass die
Burginsassen, weder Commandanten noch Vögte, ihnen etwas gewalt-
sam nälmien, sondern den vereinbarten Preis sofort beim Kaufe be-
zahlten. Ist es den Städtern nicht genehm, die Waaren dort abzu-
setzen, so dürfen sie dieselben frei hinwegfiihren. — Kurz darauf
ertheilte Hakon an Wismar und Greifswald, wahrscheinlich auch den
anderen wendischen Städten, auf Bitten ihrer Boten, eine Bestätigung
des Kalmarer Uebereinkommens und mehrere Gerechtsame; so be-
freite er sie von der Pflicht, dem Vollzuge eines Todesurtheils auf
der Eichtstätte beizuwohnen, gestattete ihnen die Niederlage ihrer
Waaren beim Heeringsfange, die Hebung einer Erbschaft in Norwegen
durch einen von der Stadt bevollmächtigten Boten, auch bestimmte er
das Verfahren gegen Verkäufer verfälschten Mehls und anderer ge-
fälschter Waaren, zu deren Rechtfertigung ein Eid und die Zurück-
gabe des Geldes genügen sollte*).
Aus allen diesen Briefen erhellt wieder, wie die wendischen
*) Diplom. Norw, VI, No. 59. Zorn, Staat und Kirche, S. 260.
2) Hans. ü. B. I, No. 1114, 1115.
3) Hans. U. B. I, No. 1097, 1098, 1099.
*) Hans. U. B. I, No. 1101, 1102.
— 90 —
Städte keineswegs in Gemeinschaft, sondern jede neben der anderen,
handelten, und wenn sie auch, zumal in Betreff der Fälscher, besser
gestellt waren, als die eingeborenen Norweger^), so sollten solche
Vergünstigungen doch nur zu schlagend gegen die im Juli desselben
Jahres den Bremern ertheilten zurückstehen.
Wir haben gesehen, wie dieselben sich vom Städtebunde aus-
schlössen, zum Vortheile Norwegens. Trotz dem scheint ihnen an-
fangs ihre Haltung nicht sonderlich zu Gute gekommen zu sein, we-
der in Gullberg noch in Kalmar nahm König Erich sich ihrer an,
ja, die Unordnung in seinem Keiche und der stete Geldmangel brach-
ten es bald dahin, dass auch sie mehr als früher mit Zoll beschwert
wurden. Da wandte sich denn die Bremer Clerisei mit dem Erz-
bischofe an der Spitze, bittend an Herzog Hakon, auf dass er es
doch jetzt, wie früher, bei dem altgewohnten Zolle von acht Schil-
lingen Sterling für die im Keiche verweilenden Heerings-Schiffe, gross
und klein, bewenden lasse 2). — Diese Massenpetition wird ihre
Wirkung nicht verfehlt haben, wir finden wenigstens, wie in dem
oben erwähnten Jahre, 1292, die Bremer in den besonderen Schutz
des Königs genommen wurden und bewilligt erhielten, nur fünf
Schillinge Sterling für die Last Heeringe als Zoll zu entrichten,
während für die übrigen Kaufleute der herkömmliche Satz verbleiben
solle, nach Entscheidung der königlichen Beamten. Diese dürfen
die Bremer bei der Abgabenerhebung in keiner Weise belästigen und
ihnen nur von so vielen Lasten Zoll abverlangen, als jeder Schiffs-
führer mit zwei von den Zöllnern bestimmten Personen unter Eid-
schwur angiebt, geladen zu haben. Bei seinem Zorne gebietet König
Erich den Beamten diesem Erlasse nachzukommen 3).
Solche plötzlich scharf in den Vordergrund tretende Begünstigung
der Bremer hat sicherlich noch einen anderen Grund als den der
Dankbarkeit für ihr früheres Verhalten, was daraus zu schliessen
sein dürfte, dass zwischen den wendischen Städten, Kampen und
Stavem und den Norwegern aufs Neue Irrungen ausgebrochen
waren.
Am 31. Juli 1289 hatten nämlich König Erich und Herzog
Hakon, auf Grund eines Vergleichs mit der Stadt Kampen, die der-
^) Manch IV, 2. S. 208.
2) Hans. U. B. I, No. 1040.
8) Hans. U. B. I, No. 1095, 1111.
— 91 —
selben gewährte Handelsfreiheit in Norwegen für die Dauer der Be-
obachtung des Uebereinkommens durch die von Kampen verkündet, und
zwar mit der Bemerkung, dass die von Stavem jenes Friedens nicht
theilhaftig sein sollten i). Den Seeräubern gegenüber hatten solche
Decrete wenig Werth. Sie versammelten sich, wie bereits bemerkt,
im Frühjahr 1292 zu Kaub und üebelthaten, wurden aber bei Ma-
strand vom gemeinen Kaufmanne ergriffen und durch den königlichen
Richter zum Tode verurtheilt 2). Darüber zürnte der König denen
von Stavem, Kampen und einigen anderen Orten und fasste, wie es
hiess, die Absicht, ihnen Schaden zuzufügen, so bald sich Gelegenheit
dazu böte. Um dies zu verhindern, schlössen Stavem und Kampen
im Frühling des folgenden Jahres mit den fünf wendischen Städten,
die da erwogen, dass solche Unthaten zu gemeinsamem Schaden aus-
laufen würden, einen Bund zur Abwehr aller Unbilden, kraft dessen
sie sich gegenseitig in Rath, That und Kosten gegen den König von
Norwegen und seine Helfershelfer beistehen wollten. So kam es
denn, dass am 12. Juni 1293, Abgesandte der wendischen Städte,
Kampens und Stavems mit König Erich und seinem Bruder verhan-
delten 3), wobei sie zu der Entscheidung gediehen, dass am näch-
sten Pfingsten abermals städtische Boten vor den Herrschern in
Bergen erscheinen sollten, versehen mit Vollmachten über die ein-
zelnen Rechts- und Klagepunkte. Wenn auch dann keine Einigung
erzielt würde, solle dennoch zwischen beiden Parteien und deren
Anhängem bis Johannis ein sicherer Friede dauem. Norwegische
Unterthanen, die Bürger Bremens und andere Anhänger Norwegens
dürften nach den slavischen Städten, Kampen und Stavem; die Bür-
ger dieser Städte mit ihren Anhängem unterdessen nach Norwegen
unbehelligt segeln. Jede der Parteien solle aller festgestellten Rechte
und Freiheiten geniessen, die Personen ausgenommen, deren Namen
der König den Boten schriftlich überliefere. Letztere versprachen bis
zum 11. November die Ratification ihrer Städte, bei Strafe der Ein-
lagerang in Tunsberg. Schon im nächsten Monate hat der König
von Dänemark zu Gunsten der Besucher Ripens und zu Gunsten der
Bürger von Stralsund geurkundet*), während Edward von England
1) Hans. U. B. I, No. 1098. Diplom. Norw. V, S. 18.
2) Hans. ü. B. I, No. 1114, 1115.
») Hans. U. B. I, No. 1117, 1118.
*) Hans. U. B. I, No. 1120-1122.
— 92 —
den deutschen Kaufleuten und Schiffern sicheres Geleit bei der Hin-
und Herfahrt nach seinem Keiche versprach^).
Man sieht, wie bedenklich sich schon wieder die Dinge gestaltet
hatten, wie der König von Norwegen einzelnen Personen seine ganz
besondere Ungnade zuwenden zu müssen glaubte, ohne darum Nei-
gung zu empfinden, sich neben seiner Fehde mit Dänemark noch eine
zweite gegen die Seestädte au&ubürden. In dieser Friedenssehnsucht
berührte er sich mit den Kaufleuten.
Noch im October desselben Jahres hielten die wendischen Städte
eine Versammlung in Rostock ab, wo sie zu Nutz und Frommen
des Friedens und des Vortheils der Kaufleute ein Bündniss zu gegen-
seitigem Beistande auf dem Lande und der See eingingen *). In wie
weit dasselbe auf die Verwickelungen in Norwegen abzielte, lässt sich
nicht feststellen, den nächsten Grund werden die Verhältnisse in
Mecklenburg und Pommern gegeben haben.
Die im vorigen Jahre anberaumte Versammlung fand nicht, wie
man vereinbart hatte, in Bergen, sondern in dem gelegeneren Tuns-
berg Statt. Hier war es, wo am 6. Juni 1294 vor König Erich
und Herzog Hakon, zu denen sich zwei Boten aus Bremen gesellt
hatten, die Bevollmächtigten von Rostock, Wismar, Stralsund, Greife-
wald (zugleich für Anclam), Kampen, Stavern und Stettin standen,
alle überragt durch Johann Runese, den Vertreter Lübecks, Rigas
und Wisbys ^). Man verhandelte bis zum 6. Juli, mithin einen vollen
Monat, und sah sich trotzdem genöthigt, das noch nicht zum Austrag
gekommene auf den nächsten Johannistag zu verweisen. Schon jetzt
versprachen aber die Abgesandten der Städte, dass den Norweg-em und
Bremern in ihren Klagen gegen die Verbündeten volle Gerechtigkeit
werden solle, so oft sie den betreffenden Rath darum angehen wür-
den. Auch zwischen den Städtern und Bremern solle Eintracht und
Freundschaft bestehen, wo auch immer sie sich träfen, und sollen
sie beiderseits die alten Freiheiten und Immunitäten gemessen. —
König Erich, der an dem Kalmarer Vergleiche festhält, stattet dafür
die Städte, welche Norwegen des Handels wegen besuchen, aus be-
*) Hans. U. B., I, Nr. 1128. Sicherlich nicht mit Höhlbaum auf den
französisch-flandrischen Handel zu beschränken.
2) Hans. Rec, I, S. 30 f.
8) Hans. U. B., I, Nr. 1144—1150. vergl. Munch, IV, 2, S. 234 f.
Nielsen, Bergen, S. 185 f. Sartorius- Lappenberg, ürkundl. Gesch., I,
S. 197.
— 93 —
sonderer Gunst mit reichen Privilegien aus und zwar mit folgenden:
wenn sie in norwegische Städte oder Marktflecken kommen, dürfen
sie an der Brücke anlegen, ohne vorherige Erlauhniss des Amtmannes,
haben jedoch diesen an demselben Tage, oder an dem folgenden zu
benachrichten, welche Waaren sie geladen hätten und die Erlaubniss
zu erbitten, diese von den Schiffen in Häuser zu bringen, was ihnen
nicht verweigert werden darf; doch bleibt ein dreitägiges königliches
Vorkaufsrecht. Innerhalb der Orte in den District Takmark ge-
kommen, müssen sie ihre Waaren zum Verkaufe auslegen; die nicht
verkauften dürfen sie nach Belieben in das Reich und wieder hinaus
fahren, jenseits von Bergen aber nur mit besonderer Erlaubniss.
Von jedem anlandenden Getreideschiffe ist ein schweres Talent als
Zoll zu entrichten, welches der Bevollmächtigte des Königs auswählt.
Die städtischen Händler sind nicht gehalten, Schiffe ziehen zu müssen,
ausser königliche. Stirbt jemand in Norwegen, so sind die hinterlasse-
nen Güter dem rechten Erben, oder dessen Bevollmächtigten auszulie-
fern, wenn sie 1 Va Jahre nach dem Todesfalle abgefordert werden. Ihre
Waffen vorzuzeigen, Diebe zu verfolgen, oder Verurtheilte zum Tode zu
geleiten, sind die Kaufleute nicht gehalten. Von der Abgabe, Ledanger
genannt, sind diejenigen frei, welche sich vor Weihnachten auf den
Weg machen und bleiben es auch, wenn sie durch Sturm gezwungen
werden, irgendwo einzulaufen, ohne dass sie dort Handel treiben.
Sie dürfen ihre Waaren in den Häusern von Städten und Markt-
flecken niederlegen, wo es ihnen gut dünkt, jedoch nicht an Orte
entfernen, von denen sie ausgeschlossen sind, — d. h. hauptsächlich
nicht nördlich von Bergen. Wenn ein Händler in Norwegen die von
den Deutschen gekauften Waaren, für die er den Kaufschilling gab,
nicht an demselben Tage abholt, so steht es dem Besitzer der Waaren
frei, sie an andere zu verkaufen, mit Ausnahme der Güter, die zum
königlichen Gebrauche dienen sollen. Ihre Schiffe dürfen sie an
Andere vermiethen, um nach den freigegebenen Orten zu fahren,
ohne dass sie gezwungen werden dürften, die Schiffe Anderer zu
miethen. Wird jemand wegen einer Geldsache, oder eines leichten
Vergehens, welches mit Geld gesühnt zu werden pflegt, belangt, so
kann er sich des Rechtes bedienen, Bürgen zu stellen, einen Haus-
genossen oder eigenen Diener und zwei seiner Landsleute, die ein Schiff
an der Brücke haben, welches weniger bereit zum Auslaufen ist als das
seinige und als Bürgschaft ausreicht. Zu Nachtwachen darf man die
Städter nicht heranziehen; auch dürfen ihre Koffer nicht durchsucht
— 94 —
werden, wenn nicht der Verdacht der Fälschung oder des Diebstahls
vorliegt. Die Wage soll an einem öffentlichen Orte bewacht ausgestellt
sein, mit freiem Zutritt für jeden, der sie benutzen will. Als Ge-
wicht soll dasjenige gebraucht werden, was seit Alters her in den
Gesetzen bestimmt ist. Bei Schiffbruch an der Küste darf jeder
seine Güter selbst, oder durch Andere sammeln lassen und mit den-
selben und den Schiffen nach Gutdünken verfahren, bis er ihrer frei-
willig oder durch Verjährung entsagt. Vergeht sich ein Schiffer, soll
er gesetzlich bestraft werden, aber nicht andere Unschuldige an seiner
Statt; es sei denn, dass sie nach den Gesetzen ihrer Heimath, oder
der Ortsgewohnheit, wo das Verbrechen begangen ist, zu bestrafen
seien, indem sie wissentlich dem Verbrecher auf der Flucht behülf-
lich gewesen, oder ihn gewaltsam vertheidigten. Auch soll das Ver-
gehen einer Privatperson keiner der Städte angerechnet werden, wenn sie
nicht die Ableistung von Gerechtigkeit versäumt hat, obwohl sie darum
ersucht worden. Seine Anklage in Criminal- oder Civilstreitigkeiten
muss der Kläger ausschliesslich durch Zeugen begründen, die an der
Ehre vollkommen sind. Wer auf diese Weise einer Sache angeklagt
ist, die aber gesetzlich nicht bewiesen werden kann, muss sich nach
der Schwere des Vergehens durch Eideshelfer reinigen, die dem Be-
klagten an Stand und Vermögen ähnlich sind und von denen anzu-
nehmen ist, dass sie die Wahrheit der Sache, um die es sich handelt,
näher kennen. Kann er dies nicht, so hat er die Strafe zu gewär-
tigen, welche durch das Gesetz bestimmt ist. Dies Alles ist ver-
willigt worden für den Fall, dass die Städte die den Norwegern
ertheilten Freiheiten und die gegenseitigen Verträge fest bewahren
würden und dass für die den Norwegern angethanen Beleidigungen
und Schädigungen von Seiten der Städte thatsächlich Genugthuung
geleistet werde, wofern man sie darum ersuchte. — Eine Urkunde
solchen Inhaltes hat Erich jeder einzelnen der betheiligten Städte,
Bremen nicht ausgenommen, verabfolgen lassen, deren Originale mei-
stens erhalten sind, wie denn auch ein Schreiben auf uns gekommen
ist, worin die Städte Lübeck, Kiga und Wisby das vom Könige Ver-
willigte ihrerseits zugestehen i), und zwar gemeinsam unter dem Siegel
Lübecks, was die Vermuthung nahe legt, dass auch die anderen
Städte, mit Ausnahme der holländischen, gleichlautende Briefe aus-
gestellt haben. — Noch an demselben Tage, wo jene weitfassenden
*) Vergl. Anhang, I, Nr. 2, S. 112.
— 95 — ^
Privilegien niedergeschrieben wurden, nahm sich König Erich lübi-
scher Bürger im Besonderen an, denen Rathmannen von Bergen schon
seit zwei Jahren 101 Mark norwegisch für gelieferten Wein schul-
deten; er befiehlt, das Geld ohne Umschweife zu zahlen. Auch stellte
er zwei anderen Bürgern aus jener Stadt, denen ein Vergehen zur
Last gelegt war, einen Geleitsbrief aus, um unbehelligt zu ihm kom-
men, mit ihm verhandeln und von ihm heimkehren zu dürfen^).
Es bedarf kaum noch der Worte, um die Wichtigkeit der Tuns-
berger Verhandlungen darzulegen. Ihr Resultat bildete die Grundlage
des zukünftigen Verkehrs zwischen Norwegen und Deutschland einer-,
Bremen und den Seestädten andererseits, umsichtig und scharf in
einer Reihe von Einzelbestimmungen dargelegt. Zwar forderten und
bewilligten die Parteien noch Gegenseitigkeit in Rechten und Pflichten,
jedem Unbefangenen musste aber klar liegen, dass die Wirkung der-
selben sich thatsächlich nur zum Nutzen des städtischen, zum Schaden
des norwegischen Händlers äussern konnte, dass sie, consequent ver-
folgt, den letzteren im Laufe der Zeit geradezu erdrücken musste.
Ganz besondere Gründe müssen obgewaltet haben, die den König
veranlassten, sich derartig willfährig zu zeigen, und in der That ergiebt
ein näheres Eingehen gar bald, dass es auch nur die Rückwirkung
der allgemeinen politischen Sachlage gewesen, die den Städten eine so
verheissungsvolle Zukunft eröffnete. König Erich hatte nämlich in
diesem Jahre eine grössere Rüstung gegen Dänemark veranstaltet als
gewöhnlich 2) , war also noch weniger als sonst im Stande, die Kal-
marer Schuld abtragen zu können. In Norder HaJland war, vielleicht
unter Führung Wizlavs von Rügen, ein dänisches Heer verwüstend
eingefallen, eine Zusammenkunft der beiden Könige hatte sich erfolg-
los erwiesen und dadurch abermals neue Rüstungen und neue Kämpfe
zur Nothwendigkeit gemacht; dazu kam, dass sich die isländischen
Verhältnisse immer noch nicht nach Wunsch, zumal nicht die kirch-
lichen, gestaltet hatten; vor Allem aber wirkten die Vorgänge
in Schottland auf den Norweger ein: seine Tochter war dort ge-
storben und Edward von England zum Oberkönige erklärt, während
er selber Geldforderungen an das Land hatte, Ansprüche auf die
schottische Krone zu haben glaubte und seinen Einfluss von Jahr
zu Jahr schwinden sah. Eben jetzt, da Schottland sich gegen den
1) Hans. U. B., I, Nr. 1152, 1151.
«) Munch, IV, 2, S. 213 f.
^ _ 96 —
engl^'schea König auflehnte, da Wales gegen ihn die Fahne des Auf-
standes entfaltete und Frankreich in Waffen gegen Edward trat, jetzt
musste ihm ein Augenblick gekommen scheinen, der, richtig benutzt,
grosse Folgen nach sich ziehen konnte, der ihm auf der Seite von
Edwards Gegnern, auf der des aufstrebenden Frankreich, seinen
Platz anwies.
Demnach kann es nicht Wunder ^ehmen, dass Erich seine Gunst-
bezeugungen gegen die Städte, welche seinem Lande Lebensmittel
zuführen sollten, mit vollen Händen austheilte, dass er, wie die
Sendeboten kaum von dannen gezogen sein mochten, die Bremer, „die
sich vor Anderen besonders verdient gemacht hatten, auch vor An-
deren besonders würdig ehrte". Als ausgezeichnete Freunde nahm er
sie vor allen Eaufleuten Englands und Deutschlands in Schutz ^) und
befahl den Unterthanen, bei Strafe seines Zornes, diese Bremischen
Begünstigten stets zu fördern und zu ehren und in jeder Sache, zu-
mal gegen Uebelthäter, mit Rath und That beizustehen; nicht aber
etwa selber ihnen an Körper oder Gut Schaden zuzufügen. Als
Zeichen seiner Zuneigung gewährte er ihnen beim Heerlngsfange
die grössten Erleichterungen, indem er ihnen den Zoll auf drei
Pfennig Sterling die Last für die Dauer seines Lebens herabsetzte,
auch erklärte er, dass die eidliche Aussage des Herrn, des Führers
und zweier anderer Schiffsleute, über die Höhe der Verladung gegen-
über den Ansprüchen seiner Beamten genügend sei, und schärfte diesen
ein, nichts an Geschenken, Trinkgeldern, oder Sonstigem unter dem
Scheine von Zoll von den Bremern zu erpressen. Ausdrücklich er-
theilte er solche Privilegien, damit jene ihm desto mehr behülflich
seien, je reichlicher er sie unterstütze.
Im Allgemeinen scheint der Verkehr zwischen Deutschen und
Norwegern nach den Ausgleichungen zu Tunsberg einer friedlichen
Richtung entgegen gelenkt zu sein; für die Städte traten ändere
Länder, namentlich England und Dänemark und andere Fragen,
besonders die des Verhältnisses Lübecks zu Wisby, in den Vorder-
grund. Der König hatte überdies für die Stadt Bergen, der er,
wie er sagte, vor allen Handelsstädten seines Reiches zugethan
sei, eine Reihe von Gesetzesbestimmungen erlassen, weil mannigfacher
Ungehorsam in derselben vorgekommen war. Er wollte eben nicht
im Allgemeinen aburtheilen, sondern nur über die Schuldigen, und
1) Hans. ü. B., I, Nr. 1153.
— 97 —
bestimmte deshalb i), dass es sowohl Fremden als Eingebornen bei
Todesstrafe und Gtlterconfiscation verboten sein solle, unter sich Ver-
bindungen einzugehen, Tumulte zu erregen, sich Gesetze oder neue
Statuten zu geben, indem nur dem Könige mit Beistimmung der
Grossen das letztere zustehe. Trinkgesellschaften und Gilden seien
den Wegweisem (leiösagumanna, Abgeordneten?), den Gold- und
Eisenschmieden, denen, die nach England führen — zum grossen
Theile Deutsche — Dienern u. s. w. untersagt; überhaupt sollen alle
Gilden aufhören, ausser der Mariengilde, der Nicolaus- und Jetmund-
gilde. Nur dem Polizeiherm und dessen Diener, denen die Sorge
für die öffentliche Sicherheit der Stadt obliegt, steht es frei, Waffen
zu tragen, bei drei Mark Strafe und Verlust der Waffen im Uebertretungs-
falle. Ausnahmelos wird Jedermann yerboten, Häuser am Strande oder
auf den öffentlichen Plätzen zu erbauen, wenn nicht eine königliche
Erlaubniss vorher erwirkt ist, und hat der Betreffende alsdann die Ver-
pflichtungen zu tragen, welche das Stadtrecht auferlegt. Allen den-
jenigen, welche Häuser am Strande besitzen, ohne beweisen zu kön-
nen, wie sie dazu gekommen seien, sollen dieselben genonmien werden;
wer aber Grund und Boden, der des Königs Eigen ist, weggiebt, den
heisst er Landesverräther. — Fanden wir unter Magnus Lagabätter,
dass den Fremden, unter denen die Deutschen den ersten Rang ein-
nahmen, in einigen Hinsichten bereits Vorrechte vor den Bürgern
eingeräumt waren, so sehen wir jetzt Fremde und Bürger durchaus
gleich behandelt, wie wir denn nicht minder aus den strengen Ver-
boten gegen das Corporationswesen entnehmen dürfen, in welchem
Grade dasselbe von den Fremden importirt, von ihnen und den Ein-
gebomen in Anwendung gebracht wurde. — Es scheint in der That,
als ob der obige Erlass eine vorübergehende Ruhe zur Folge gehabt
habe,^ als ob Bürger und Fremde während derselben sich eines ge-
deihlichen Zusammenlebens befleissigt hätten. Die Nachrichten über
Vergewaltigungen und Beeinträchtigungen deutscher Kaufleute durch
Beamte oder Bürger werden selten, dafür aber setzte jetzt ein anderes
*) Norges gamle Love, IH, Xr. 6. Thorkelin, Dipl. Ama-Magn., II,
S. 145. Torfäus, IV, S. 395. Munch, IV, 2, S. 282 f. Wohl zu beachten
ist aber die Variante 54 auf Seite 26 der gamle Love; zeigte sich das
14. Regierungsjahr König Erichs richtig, welches 3 Codices haben, so
wäre das Gesetz in das Jahr 1294, also vor den Tunsberger Vergleich,
zu setzen, wo es entschieden ebenso gut passt.
Harttung, Norwegen. 7
— 98 —
Zerwiirfniss ein, welches bald zum zweiten male in heftigerer Weise
an den Tag treten sollte: es war ein Streit mit der Geistlichkeit.
Bereits im Jahre 1198 hatte Papst Innocenz HI. eine Bulle an
Martin, den Bischof von Bergen, erlassen, worin er erörtei-te, wie
er aus den Darlegungen des Bischofs ersehen habe, dass auch die
Kaufleute — die doch nur kamen und gingen! — dem Diöcesangesetze
unterworfen seien, dass diejenigen, welche des Handels wegen auf
Island führen, bei Kirchenstrafe gehalten sein sollten, die altüblichen
Zehnten zu entrichten. Waren schon damals, wo die Handeltreiben-
den noch machtlos waren, diese Zehnten verweigert worden, so lag
es nur zu nahe, dass jetzt, wo der Kaufmann voll stolzen Selbstbe-
wusstseins, in Lübeck oft in scharfem Gegensatze zur Geistlichkeit,
dastand und wo auf dem norwegischen Throne ein Erich Priesterfeind
sass, jene alten Gelüste wieder lebhaft hervorbrachen. Demnach ver-
nehmen mr denn auch von Deutschen, welche den Zehnten nicht
bezahlt haben und deshalb von den Kanonikern der Bergenschen
Christkirche gebannt worden sind. Doch ist es sehr bezeichnend,
wie die norwegischen Laien sich in dieser Sache verhielten; fünf von
ihnen bürgten für die Gebannten, dass sie sich bis Allerheiligen em-
finden und dass sie ihre Zehnten bezahlen würden, falls sie nicht
vor richtigen Urtheilfindem beweisen könnten, sie seien frei davon ^).
Nunmehr tritt auch die einzige von den wichtigeren Seestädten,
deren Interesse bald mit demjenigen Bremens, bald mit dem der
wendischen Orte parallel gelaufen war, die sich weder an dem Flot-
tenaufgebote, noch an den darauf folgenden Verhandlungen betheiligt
hatte, Hamburg tritt wieder hervor. Am 31. Juli 1296 bewilligte Erich
von Norwegen den Angehörigen desselben, die bisher zum Vortheile
seines Reiches gekommen wären und seiue Unterthanen daheim ge-
fördert hätten, volle Freiheit von der Arbeit des Schiffidehens, dazu
Privilegien über das Unterlassen der Begleitung eines Verurtheilten, über
das Anlegen an der Brücke, die unbeschränkte Zeit des Handels^)
auf eigenen und fremden Schiffen, ein zweitägiges königliches Vor-
kaufsrecht 3), die Tacsetklage, Schiffbruch u. s. w. ähnlich den Ver-
1) Anhang, H, S. 118, Nr. 6.
^) Hans. U. B., I, Nr. 1215, quandocunque voluerint, wieder so aus-
gedrückt, als sei der Winter eingeschlossen, was jedoch thatsächlich
nicht der Fall gewesen sein dürfte. Vergl. weiter unten den Paragraph,
das Ueberwintem betreffend, wo nichts vom Handeltreiben bemerkt ist.
^) Zu Tunsberg hatte sich der König noch ein dreitägiges Vorkaufs-
recht ausbedungen.
— 99 —
günstigungen, welche den anderen deutschen Städten bereits zuge-
standen waren; dann aber heisst es ferner: Kauft einer von des Königs
Leuten etwas von den Hamburgern zu eigenem Nutzen, so muss es
mit Bewilligung des Verkäufers und ohne Zwang geschehen, wie er
denn auch den Kaufpreis auf Forderung innerhalb von acht Tagen
entrichten muss, widrigenfalls ihn das Gesetz zur Genugthuung zwin-
gen wird. Ftlr die Last Heeringe sind nur drei Pfennig Sterling zu
entrichten und steht den Heeringsfängem der Holzhieb nach Bedürf-
niss frei. Die Schiffe dtlrfen im Keiche bei Zahlung eines Talentes
Mehl überwintern und sind befreit von allem Strandrechte. Für alle
Waaren, die ein Schiff bringt, hat es ein Talent des dem Keiche
so dringend benöthigten Mehls zu entrichten, wofür es mit Holz und
anderen Sachen beladen werden darf. Die Beamten sollen die Ham-
burger wie eigene Reichsangehörige fördern. — Man sieht, indem
sich der König die neuen Freunde etwas kosten liess, hatten es die
Hamburger bei grösserer Behutsamkeit nicht nur ebenso weit wie die
Bremer in Norwegen gebracht, sondern sogar weiter. Doch scheint
das gute Vernehmen der beiden Städte zu einander dadurch nicht
beeinträchtigt zu sein, wie die Wiederholung einer bereits im Jahre
1259 zwischen ihnen getroffenen Uebereinkunft, flüchtige Schuldner
betreffend, zeigt ^), während sich gleichzeitig Hamburgs Verhältniss
zu den wendischen Städten als ein äussert kühles ausnimmt
Andererseits sorgten die vielfachen Verwickelungen, in die sich
Erich begeben hatte, ausreichend dafür, seine Finanzen fortwährend
in schlechtem Stande zu erhalten, woraus sich ergab, dass die volle
Auszahlung des den Städten schuldigen Restes der 6000 Mark immer
mehr verzögert wurde. Endlich am 17. April des Jahres 1298 theilte
er den Lübeckern mit, sie möchten Bevollmächtigte nach Tunsberg
senden, um dort ihi^e Forderung in Empfang zu nehmen 2). Aehu-
liche Schreiben werden an die übrigen wendischen Städte ergangen
sein, wenigstens finden wir an dem bestimmten Orte nicht nur Sende-
boten Lübecks, sondern auch die von Rostock und Stralsund^).
— Auch diesmal sollte die leidige Sache noch nicht zum Austrage
kommen, indem sich ergab, dass noch ein rückständiger Rest des
Kalmarischen Geldes von 200 Mark verbleibe. Darauf hin versprach
1) Hans. U. B. I, No. 1232.
2j Haus. U. B. I, No. 1274.
») Hans. U. B, I, No. 1290.
— 100 —
denn der Schatzmeister des Königs, er werde Waaren im Betrage
der Schuld auf Gefahr seines Herrn nach einer von den drei Städten
senden; für den Fall einer Haverei aber den Städten das Geld am
nächsten Pfingsten auszahlen. Fehle bei der Prüfung etwas an dem
Ealmarischen Silber, welches er jetzt den Sendeboten eingehändigt
habe, gelobe er es zu ersetzen. — Deutlich erhellt aus diesen Zuge-
ständnissen die Hartnäckigkeit auf Seiten der Kaufherren und die
financielle Noth des norwegischen Königs, der, bei einem immer
merklicher drohenden Kriege mit England, ängstlich bemüht war,
die Städte in Freundschaft zu halten, um sie nicht zu dem Gegner hin-
über zu drängen. Nichts desto weniger zeigte er sich beim schliess-
lichen Austrage der Sache kleinlich, oder seine Beamten waren un-
zuverlässig genug, die Gesinnung ihres Herrn in ein übles licht zu
stellen. Als nämlich Amund Bratte, ein Bürger von Tunsberg, mit
den zum Ausgleiche bestimmten Waaren an Ort und Stelle ein-
traf, ergab sich, dass an dem vom Schatzmeister verabfolgten Kal-
marischen Silber neun Mark gefehlt hatten, und dass die von Bratte
überbrachten Waaren nahe an 60 Mark weniger werth seien, als sie
veranschlagt waren i). Die Städte aber, wohl froh, vorerst etwas in
Händen zu haben, wollten dieselben nicht gerne wieder fahren lassen
und bewirkten deshalb, dass Bratte sie in der Weise unter ihrer
Obhut Hess, dass sie im Namen des norwegischen Königs für 209 Mark
eingelöst werden konnten. Wenn sie dieser jedoch für die 140
Mark, welche sie werth seien, weggeben wolle, so verspricht Bratte,
selbst oder durch jemand anders den Städten die fehlenden 60 Mark
bis nächsten Ostern flüssig zu machen. —
Damit entziehen sich diese unsauberen Weitläufigkeiten, welche
sich lange dreizehn Jahre hingeschleppt hatten, unserem Blicke. For-
mell waren die Städte im Kechte, ob es practisch war, dieses Kecht
bis auf die Neige auszubeuten, muss fraglich erscheinen, weil ihre
Zähigkeit in Norwegen böses Blut machte. Noch aus demselben
Jahre geht uns Kunde von ungebührlichen Zollbeschwerungen der
Heeringsfänger durch die norwegischen Beamten zu, welche erstere
sich sogar bis auf 50 und 60 Schilling Sterling für das Schiff beliefen.
Auf einer Lübecker Tagfahrt wurde beschlossen, dass die slavischen
Städte, im Namen aller, Briefe an den König, den Herzog und ihre
•
Eathgeber senden sollten, um sie von solchen Unrechtmässigkeiten abzu-
*) Hans. U. B. I, J^o. 1294.
— 101 —
bringen und die Kaufleute in ihren Freiheiten zu erhalten^). Wie
zumal Lübeck am Ende des dreizehnten Jahrhunderts für norwe-
gische Dinge von Bedeutung war, mag in schwachem Grade aus den
Briefen erhellen, welche das westfälische Lippstadt und das hollän-
dische Deventer nach der Trave sandten, worin die Einen um Aus-
lieferung des Nachlasses eines in Bergen verstorbenen Lippischen
Kaufinannes baten, die Anderen, gewissen in Norwegen befindlichen
Bürgern von Deventer Unterstützung in ihren dortigen Angelegen-
heiten angedeihen zu lassen. Auch ein Brief Heiligenhafens an Lü-
beck ist hieher zu ziehen*).
Im Juni des Jahres 1299 starb König Erich, 30 Jahre alt,
Krone und Reich seinem Bruder Hakon hinterlassend, der als Ge-
mahl der Euphemia, einer Tochter Günthers von Ruppin, zu mehre-
ren der städtefreundlichen Wendenfürsten in Verwandtschaft getreten
war^). Man mochte annehmen, dass er, wie schon früher, so auch
in Zukunft deren Gesinnung theilen werde, und anscheinend entsprach
dem die Erneuerung des Freibriefes für die Bremer, welchen er im
ersten Jahre seiner Regierung erfolgen liess*); in der That begann
jedoch mit seiner Thronbesteigung eine neue Politik gegen die Frem-
den. Die seines Bruders war unstät gewesen, bald feindlich, bald
nachgebend, jetzt leitete er eine solche ein, welche im Principe darauf
abzielte, mit den Städten in Freundschaft zu leben, ihren Handel
und Uebermuth aber möglichst zu Gunsten der Eingebomen nieder-
zudrücken. Seine Thätigkeit in dieser Richtung eröffnete er mit
einem Erlasse, der den Handel der Kaufleute auf die Kaufstädte be-
schränkte und ihren Kram auf dem Lande strengstens untersagte s).
Kurze Zeit darauf gebot er, die in einer Stadt ausgelegten Güter an
Ort und Stelle zu verkaufen, nicht aber hinweg zu fähren; während
er zugleich streng gegen diejenigen vorging, welche sich des Zolles
und sonstiger Leistungen entzogen. Bald darauf folgte ein weiteres
Decret, welches noch ungünstiger für die Fremden lautete, die Frei-
*) Hans. ü. B. I. No. 1299.
2) Hans. U. B. I, No. 874. Lüb. U. B. I, No. 744, 749. Dipl. Norw.
VI, Nb. 65, 66.
8) Munch IV, 2. S. 318. Anm. 3.
*) Hans. ü. B. I, No. 1316. lieber den Freibrief den Hakon den
Deutschen in's Gesammt ertheilt haben soll vergl. Hans. ü. B. I, No.
1316. Anm. 3.
5) Munch IV, 2. S. 368 ff. Nielsen, Bergen S. 190 ff.
— 102 —
heit ihrer Bewegung sehr beeinträchtigte und der Stadt Bergen das
ausschliessliche Kecht des Handels nach den östlichen und nördlichen
Theilen des Reiches zuerkannte. König Hakon hielt sich innerhalb
der hergebrachten Rechtssphäre, doch konnte es bei der ganzen Rich-
tung seiner Thätigkeit nicht ausbleiben, dass die Städte lante Klagen
über seine Beamten erhoben ^). Durch freundliches Entgegenkommen
suchte er sie wieder zu beschwichtigen, doch bleibt es wohl zu
beachten, dass er andere Zwecke, zu Gunsten seines rttgenschen An-
verwandten, eng damit zu verbinden wusste. Wenige Jahre später,
1305, war das Verhältniss zu Lübeck noch derartig, dass dieses die
Stadt Osnabrück zur Beschickung eines Städtetags einladen konnte,
auf dem unter Anderem auch über die Beschwerden gegen die Nor-
weger verhandelt werden sollte*); und als Hakon in demselben Jahre
mit Kampen ein üebereinkommen schloss, welches dem von Tunsberg
fast wörtlich gleich lautete, musste doch die Clausel aufgenommen
werden, dass die Bewohner Kampens und deren Freunde nach Nor-
wegen fahren sollten, auch wenn die slavischen Städte dies etwa ein-
stellten. Dennoch erhielten die Lübecker schon im Jahre 1306 die
Bestätigung ihrer Verträge, Begünstigungen, welche bis zur Befreiung
von Pfund- und Heeringszoll gingen; auch Stralsund bekam bald
seine alten Rechte bestätigt^).
Unter diesen Umständen scheint der alte Uebermuth der Städte
wieder üppig empor gewuchert zu sein; sie scheinen darauf abgezielt
zu haben, die alleinigen Herren auf dem Markte zu werden, den
Handel Norwegens in den deutschen Ortschaften zu erdrücken und
den englisch^ Kaufmann ganz aus Norwegen zu verdrängen. Für
letzteres kam ihnen ein äusserst gespanntes Verhalten zwischen Nor-
mannen und Engländern zu Statten*), welches sie gewiss nicht wenig
zu ihren Gunsten auszunutzen verstanden. König Edward sah sich
veranlasst, über die Bevorzugung der Oesterlinge vor seinen Unter-
thanen ausdrücklich Beschwerde zu erheben.
Einen Begriff von dem den Deutschen innewohnenden Trotz
und Eigenwillen, giebt ihr Verhalten gegen die norwegische Geist-
lichkeit. Während des Winters 1306 auf 1307 hatten sich die
*) Lüb. U. B. n, No. 155. Dipl. Norw. V, No. 42.
«) Hans. Reo. I, No. 82.
•) Lüb. U. B. H, No. 203, 204. Dipl. Norw. V, No. 45, 47, 48. Fabri-
cius IV, No. 377.
*) Munch IV, 2. S. 566 ff. 575 ff. Nielsen S. 192.
— 103 —
Bergenschen Handwerker, welche, wie bereits früher bemerkt, zum
guten Theile aus Deutschen bestanden, der üblichen Zahlung des Kir-
chenzehnten entzogen. Angeknüpfte Unterhandlungen erwiesen sich
fruchtlos, bis der Bischof den Bann über die Widerstrebenden ver-
hängte. Zwei Jahre später wiederholte sich dasselbe Spiel, nur, dass
jetzt nicht allein die Handwerker, sondern auch die Wintersitzer,
deren Landsleute wir schon einmal der Zehntenzahlung abgeneigt
gefunden haben, die Abgabe verweigerten. Abermals schritt der
Bischof mit seiner geistlichen Waffe ein. Da traten die Wintersitzer
zusammen und fassten den Beschluss, weder etwas vom Bischöfe und
der übrigen Geistlichkeit zu kaufen, noch ihnen etwas zu verkaufen.
Und dieses Uebereinkommen hielten sie in der Ausdehnung aufrecht,
dass auch ankommende deutsche Kaufleute nicht mit der Geistlichkeit
in Verbindung zu treten wagten. Der König mischte sich in die
Sache und von weltlicher Seite wurde das Urtheil gesprochen, dass
Handwerker nicht minder als Wintersitzer den Zehnten zahlen soll-
ten i). Als Rückwirkung dieser Vorgänge scheinen auch wieder
Vergewaltigungen vorgekommen zu sein, in denen die Normannen
ihrem Unwillen gegen die übergreifenden Fremden Luft machten;
es scheint nahe daran gewesen zu sein, dass die Handelsverbindung
zwischen den Norwegern und Deutschen wieder einmal abgebrochen
wurde, was den ersteren ganz besonders lästig fallen musste,
weil auch zwischen ihnen und Erich von Dänemark ein neues Zer-
würfniss eintrat. Da sandte König Hakon seinen Bevollmächtigten
Thore Thorleifson nach Stralsund, wo derselbe im Mai des Jahres
1312 eine Uebereinkunft mit den fünf wendischen Städten auf Grund
der früheren Gerechtsame abschloss^). — Kaum war sie zu Stande
gekommen, und die Städte müssen schon wieder so anmasslich auf-
getreten sein, wie je zuvor; ein Benehmen, das um so weniger ange-
bracht erschien, als daheim ihre frühere Machtstellung durch den
dänischen Erich Menved gebrochen war.
Kein Wunder mithin, dass in Norwegen aufs Neue ein Un-
wetter gegen sie losbrach. — Den dortigen Eingeborenen war nur für
entbehrliche Sachen die Einfuhr aus Deutschland gestattet, die Deut-
schen brachten auch nur solche, zogen aber mit unentbehrlichen
1) Keyser, Det norske Kirkes Historie II, S. 136 ff. Munch II, 2.
S. 578 ff. Nielsen S. 191.
2) Hanse Rec. I, No. 103, 104. Munch H, 2. S. 580.
— 104 —
Dingen, wie mit Fischen, Butter und anderen Fettwaaren von dannen;
indem dies dem Lande zum Nachtheil gereichte, verbot der König
im Jahre 1315 deren Ausfuhr gänzlich, wenn dagegen nicht Malz,
Mehl und andere schwere Waaren geliefert würden. Im folgen-
den Jahre setzte er einen specialisirten Zolltarif für Ausfuhrwaaren
fest und stellte zugleich die Deutschen mit allen übrigen Fremden
auf eine Linie. Strenge wurde eingeschärft, dass sich kein Winter-
sitzer länger in Bergen, Oslo oder Tunsberg aufhalten dürfe, als es
das Stadtgesetz verstatte, bei Strafe der Waarenconfiscation und Be-
schlagnahme des gemietheten Hauses. — Wir sehen, die Verordnun-
gen folgten Schlag auf Schlag; die letzte und einschneidenste anter
ihnen gestattete den Wintersitzem — deren man nun doch einmal
nicht mehr entrathen konnte — Aufenthalt und Thätigkeit ausser-
halb der gesetzlichen Zeit nur unter der Bedingung, dass 10 Männer
ausschliesslich den Handel mit ihnen übernähmen, welche die Preise
der Güter zu bestimmen hätten, den Bedarf des Königs zuerst, dann
den der hohen Geistlichkeit und zuletzt den der Bürger besorgten,
damit sie alle die Waaren zum Einkaufspreise erhalten könnten. Kein
Fass deutschen Biers darf höher als mit einer Mark bezahlt werden,
bei einer Strafe von fünf Mark und Verlust des Getränkes. Alle
fremden Kaufleute sind verbunden, ilire Güter binnen 14 Tagen, von
der Zeit an, in .welcher sie dieselben eingeführt und ausgeschiflft haben,
und zwar im Grossen zu verkaufen. Niemand unter den Fremden
darf länger als 6 Wochen mit Ausladung und Verkauf der gebrachten
und Einschiffung der gekauften Güter zubringen, was binnen dieser
Zeit nicht umgesetzt worden, muss unverkauft und uneingekauft blei-
ben, vom Kreuzfeste im Herbste, bis zum Kreuzfeste im Frühling*,
auch ist es keinem Hausbesitzer erlaubt, einem Fremden sein Haus
länger als auf sechs Wochen zu vermiethen ^).
Diese Bestimmungen, streng gehandhabt, hiess den Deutschen
den besten Theil ihrer mühsam errungenen Vortheile kurzab ent-
reissen, den bisherigen Gang ihres Handels vernichten. Und was
haben sie gethan, um dies zu hintertreiben? Im Grunde nichts, wenn
nicht ein Gesandter Witzlavs von Rügen deswegen an den König
abgeordnet, nicht aber bei ihm eingetroffen ist. Die Städte, welche
wir drei Jahrzehnte früher energisch zu den Waffen greifen sahen,
*) Sartorius-Lappenberg, Urkundl. Gesch. I, S. 201 ff. Munch IV, %.
S. 588 ff. Nielsen S. 194 ff.
— 105 —
verliessen sich jetzt auf die alles bezwingende Zeit und ihre ünent-
behrlichkeit Und in der That, sie hatten wieder richtig gerechnet,
denn noch waren keine zwei Jahre yerflossen, als König Hakon
abermals alle Fremden, die nicht aus einem ihm feindlichen Lande
kämen, willkommen hiess, im Winter sowohl, als im Sommer.
König Hakon starb und der dreijährige Sohn seiner Tochter
Ingeborg und des schwedischen Herzogs Erich erlangte neben der
schwedischen Krone auch die von Norwegen. Dadurch wurde in
beiden Kelchen eine vormundschaftliche Kegierung nothwendig, unter
der jenes unruhige Aufetreben, welches die Herrschaft König Erichs
ausgezeichnet und während deijenigen Hakons nachgezittert hatte, zu
ermatten anfing. In demselben Jahre, da Sverrirs Mannesstamm aus-
starb, verschied auch der dänische König Erich Menved, vor dessen
dreister Unternehmungslust der Bund der wendischen Städte zusammen-
gebrochen war. „Im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts war
von den grossen Bewegungen gemeinsamer städtischer Politik im wei-
ten Bereich deutscher Cultur fast jede Spur verschwunden." Eine
Periode der Abspannung setzte ein, im deutschen sowohl als skandi-
navischen Norden. Die gegenseitige Wechselwirkung konnte nicht aus-
bleiben, aber ebenso wenig, dass sie schnell vorüberschwand und der
urwüchsigen, neuerstarkten Kraft des Bürgerthums abermals die Schran-
ken öffnete.
Die ganze Zeitrichtung drängte dahin, gleichartige Elemente an
einander zu schweissen. Aus seiner Zerfahrenheit arbeitete sich um
die Mitte des 14. Jahrhunderts der Bund der Seestädte wieder her-
vor, jetzt unter dem Namen der „deutschen Hanse'' sich daheim und
im Auslande Ansehen verschaffend. Um dieselbe Zeit, gestützt von
der Neubildung am baltischen Meere, erstand unter dem Drucke un-
ausgesetzter, leidenschaftlicher Feindseligkeiten der Norweger, jener
feste Zusammenschluss der deutschen Kaufleute in Bergen zum soge-
nannten Kontor, der nunmehr ein festes Bollwerk und den sicheren
Boden bilden sollte, auf dem ein eigenartiges, streng umgrenztes
Wirken sich entwickelte, welches nach und nach das ganze commer-
cielle Leben Norwegens in seine Kreise zog.
Anhang.
L
Zwei von den Herausgebern hansischer Urkundenwerke über-
sehene Diplome.
i.
Herzog Hakon von Norwegen urkundet über einige
compromissarische JEntscheidungen^ die Konig Magntis
von Schweden in der Streitsache zwischen den Norwegern
und den wendischen Städten abgegeben hat
[November, 1285?].
J>hesse rettergierd gierdi Magnus konungr i Suia. rychi i
Calmarun mellom konungsenns y Norgie och }>yskara manna
om })at, som herra Alffuer haffde misgiort wider fat, anno
domini MCC fem och ot'tathigi« Hokann medt gudtz miskun
Norgie hertogh sonn Magnus konungs hinn koronade sender
avuUum J>heim som })hetta breff sia edder höira q. G. och
sinna. Ver giorom avuUum monnum kunnogt, att Magnus
Suia konungr giserdi samsatt emellom Norgie manna och
J>eirrse som stadenna byggia y Vindlandt i Kalmarann, J>ha
er lidner vera fra burdar J>iidt vars herra Ihs: xps: MCCLXXXV
vettra a allara heilagra mesza apftann a Xu aar riikis hanns
met I>heim hette att met sambthycht vmbotzmanna huartueg-
gia Nordmanna och {>ydskara skipade han sua.
Att eff Nordtmanna sigla I>iill fysdskara lande, edder
J>heir J>ydskoro äff })heim vy stadum i Vinlande sigla I>iill
Norgie att huartueggia matte alskonar wamningh annars lanndtz
— 110 —
selia och koupa som sialffue indtfödder huarthueggia stad
aeige att einns äff husfostum monnum adt bosermannuin och
äff wedderkuemder monniim och bondum, och {>at huar kou-
par i huara Stadt, {>at skall huergii wera loffuit adt flyttia
nema almenneligt forbodt legst a att föira sina lutti sua ind-
byggium som widderkomandum monnum.
Eucki skall och forbodit a wsera huarcke äff {>yskam äff
fyrsagdum stadum i Norgie ne Nordmannnm })eirrse stadum,
och J>heir maegi eigi kaupa koupum sinum aarla och sirla
effter siduanda sua som inndfodder huadt som falt er, nema
att nordtmendt mögo eigii koupa ä wognnum y {>ydskolande
ne I>ydske äff skipum i Noriie.
Ethligar fyri J>at att off faaum ordum kueykest offto mykit
deiila end äff deilum syndertycky, äff syndertyckum kann att
werda äff rande })iill phesz att vtti megi lyckia fha lutte er
fridmonnum granda, l>ha er I>at sambtyckt och skriiffuat adt
huarcky J>ydskara ne Nordtmendt skullu palla adrar i>iill an-
nara spott seder hatt. Endt J>a eff J>at werder giortt, fha
skall I>at saa retta, som J>het vara giortt widder einn huan
boarmanna indtlendtskann, och skal J>at vera rört, huart som
J>hat vordar giort innan J>hessz monader, eff fat vorder loug-
liga kiert.
Er framledis I>iill meiri vittnatto och fridar, fha skele
all I>ha priuilegier haldast fry fult er Eriicker konungr y Nor-
ige och hans foraeldre heffuer gaeffuit pydskom monnom J>at
J>illago, adt J>seir msege msela halivss och flyttia huartt
sem . . . . ^) I>eir wera stemder fyr forhyrdinn eder vtti annan
Stadt.
Worder och saa att rangindi kan att giöra Norrenn fyds-
kom eder pysker norinnom, l>ha skall J>hat retta efithar lou-
gum adt godum siduande amillom i aelle stade.
Biust och nocker fyri äff odrum huerium att seffla folck
op ä annann met margmenni J>iill hseffangss seder ranss,
J>ha skulu hans lantzmendt handtrycki weita hannom hialp
ne raadt.
^) Lücke; wohl am besten auszufüllen durch den Brief des Königs
Magnus vom 31. October 1285. Lüb. ü. B. I, No. 484, S.' 443 fin.
und 444.
— 111 —
Endt huer sem att J)hi werdar kiender att witti puilickom
^andtskisz monnum liider koup eder hialp, {>ha skall hanin
widerleigia XX |>ushuiidrat marcka skera att Eolneskra wagh
wskaddum I>he fridmonnom.
E codice Magnseano in Fol. No. 330, folio 97 — 98; in der
Ame-Magn. Sammlung; aufbewahrt in der königl. dän. Universitäts-
Bibliothek zu Kopenhagen.
Der Codex No. 330 ist mit besonderer Beziehung auf die Stadt
Bergen gesammelt, wahrscheinlich zwischen 1570 und 1600, geschrie-
ben von verschiedenen Händen; die hier gegebenen Stücke (I u. 11)
von der Mhesten. Derselbe Codex ist bei der Ausgabe der alten
norwegischen Gesetze (Keyser og Munch, Norges gamle Love) viel-
fach benutzt, dort aber angenommen, er sei im Anfange des 17.
Jahrhunderts geschrieben (vergl. B. m, S. 23, 55, 59, 68, 121, 129,
135, 155), während Munch, der in seiner norske Folks HistoHe IV,
2. S. 116, Anm. 1 der obigen Urkunde und eines Codex, Gesetzes-
bestimmungen für die Stadt Bergen enthaltend, Erwähnung thut,
letzteren um 1550 zusammengetragen sein lässt. Es kann dem-
nach zweifelhaft sein, ob Munch hier unseren Codex No. 330 meint,
zumal da das einzige von ihm in der Ursprache angeführte Wort
(Saettargerö) sich nicht darin findet; doch ist es auch möglich, dass
er die Lesart so corrigirt hat, vergl. oben S. 114. — Ob die Origi-
nal-Urkunde norwegisch oder lateinisch abgefasst gewesen, lässt sich
schwer entscheiden; die Geschäftssprache in internationalen Angele-
genheiten war lateinisch, doch konunen Ausnahmen vor, wenn auch
nur selten. Nimmt man an: Hakon habe die Urkunde wesentlich
für seine Unterthanen geschrieben, so ist die Annahme nicht direct
zu verwerfen, dass sie zu diesen Ausnahmen gehört hat. Vergl. den
Brief Erichs und Hakons für Kampen, Diplom. Norw. V, No 18.
Ein Codex Ame-Magn. in Fol. No. 331 enthält eine fehlerhafte
dänische, Torfäus in seiner Historia Norwegica B. 11, 4. S. 394
bringt eine nicht bessere lateinische Uebersetzung unseres Diploms.
IL
Die Städte Lübeck^ Riga und die Deutschen in Vishy
Urkunden über einen Vergleich^ eingegangen zwischen
König Erich^ Herzog Hakon von Norwegen und Bremen
— 112 —
einerseits^ ihnen, Rostock^ Stralsund^ Greifswald^ Anklam,
Kampen und Stavem andererseits.
[1294, nach Juli 6%].
Aullum monnum theim som i>hetta breff sia edder höira
sendai* folgutar raadtzmendt och allmeimiger stadanna Lycku^),
Riiga och J>ysko y Wysby queda met vorum herra. Wer ge-
rom avUum monnum konnuogt, att settargiaerdt i>hessa er her
fölger gierdom ver om Huita Suniu })ta er lidnner varo^),
millom miikillsattar höffdingia Ericks konungr Norregi och
Hakonnar Norgi herttuger })hra vndermanna och stadarmanna
äff Brsemenn i einn stadt enndt i annan Stadt fyri wara neunda
statda och {>ha andra stada er vridt ^) hauidt liggia, sua szem
er: Rostock, Straalsundt, Gripswoldt, Tancklem, Campenn,
Stauerenn, var J>hesza set gor met herra Jonn Loden nasa
raadtzmanna sendebudde och vmbutzmendt och stadarnis äff
Lubeku och allera annra pheir ere vdi voro kommner*) äff
halfuo for ne stadana sambthykiande och met inndsigllum
styrckyennde hanna aa {>henne hatt, att fomeundum höffdin-
gum konunge och hertugha äff Norgie }>herra vnder monnom
och stadar monnom äff Bremenn skall rett gierast äff avllum
sackum och kiserslum, er J>heir haffua op aa varse stadse
alla, nockra edder einn huann äff {>heim eilligar op aa {>ha
byggia edder nokonn äff J>heim einn hueriu sinni raadtzmendt
äff theim stadt er kiert vorder aa vorder kraffdar rettindar. Saa
skall och millom voro stada och stadarmanna äff Bremenn vera
vrug^) sett och stadig vittnatta, Skulu huarthueggia niothande
vara I>has frialssis er nokonn {>hima haffda J>heir sina millom
fyrmeir.
Offuann aa settergiserdi I>ha er giort var i Calmarnn
millom ryckesinns i Norgie och voro stada villiom vser stercka-
liga holda latha och stadtfestum hanna vbrygdaliga met {>hiszo
varo breffue.
Ennd Nordmenndt I>ha er vittia vara stada fyri koupsteuna
sakser villiom ver latha haffua thatta frialszi Thi först att
|>heir mogo koupskat sinn leiggia i huszum stadenna, huar
er som their lickai*, sua {>ha att J>heir selia eicki i einge stadt
neima J)har som skipat er.
Skip sinn er J)heim loffuat att bygia huariom er J>heir
— 113 —
mego och skall att vaar eigi att nöida J>ha att leiga skip
annara manna.
Ennd eff Nordmendt verder stemder tiill rettara sackar
nokor se ar pinno^) och er the sack eicki aflfmyckill, tha maa
varda fyri hann husbonnde hans och thueir norenner skibss
eigannde J>heir er eigi ero brottbunar, att hanndt komme eigi
i jarnn, och J>ha att hanndt se i setter, I>ha skall hanndt orte-
kast, eff hanndt fer thuilicku wordtslu, som nu er sagt.
Enndt eff Nordmendt briotta skip sinn innan thackmarcka
stadanna, tha maego J>heir hialpa sagugum''^) sinum met ser
och J>heim er J>heir msego met sig thillfaa och skipum sinum
efftar villia sielffua sinna alt thar thill, aer their ganga brott
fra och haffua fyrithapat thet, som |)ha er eigi borgat.
Eigi skuUu I>heir skuldeigar vaera thill Vara . . . tz ^). En-
skis J>heira kista skall vsera ranndtzagit, neima hanndt se niis-
grundar merkelig om faltz eder stuldt.
Misbrytter nockor koupmader, tha skall handt sialffuar
pinast louglige, och eingi annara manna, effter thi som long
vattar eder siduandse er thesz stader, er misbrott er i, neima
thi att eins att nokor theim vndan skiota eder veri thann modt
met fordtzle^).
Ennd eff nokor koupmader koupar i pyskolande äff Nordt-
mendtum och geffuit aa gudtz penning och theker eigi i brot
ssemdögum, tha skall hinn, er varningenn atte, effter eins dags
dualu frialsleiga selia theim, er handt vilL
Skall och eingra sunderligra manna affbrott kent verda
fyrsagdum kunnungenum och herttugannom, vthan thi att eins
att their glöima rett att gera.admundt^®) er their verda thar
thiill bednnir.
Och att alt that msego statfestalego haldast äff vare halffu,
var sett fyri thetta breff stadar indtsigUit äff Lybicku.
E codice Magnseano in Fol. No. 330, folio 101 b sqq.
Varianten des Walkendorfischen Codex
(aus dem handschriftlichen Diplomatarium des königl. dän. Geheimen-
Arohivs zu Kopenhagen).
Dieser enthält dänische Uebersetzungen, stimmt also nicht wörtlich
mit der obigen norwegischen Uebersetzung.
*) Lycku; Walk. Lybech. — ^) Walk, fügt hinzu: fraa wor herris
födtzelstid MCCXCIIII. — ^) vridt; Walk. wed. — *) I)heir er vdi voro
Harttung, Norwegen. 8
— 114 —
kommner; Walk, som vd wore komne. — *) vrug; Walk. tryg. — •) se
ar pinno; Walk, for nogen peninges bröde. — ') sagogam; Walk, godtz.
— *) vara . . . tz, an vara sohliessen sich, wie es scheint, drei unleser-
liche Buchstaben, auf welche ein tz folgt; Walk. wegt. — *) theim
vndan .... fordtzle; Walk, forskiuder eller verjer hannom mett foss,
som bröditt haffuer, — *°) . admundt, vor ad steht ein unleserlicher
Buchstabe, der ein E, G oder S zu sein scheint; Walk, the mend.
Die oben gegebene Urkunde ist nur eine norwegische Ueber-
setzung des lateinischen Originals und augenscheinlich keine beson-
ders genaue, wie z. B. schon die Veränderung des Namens Johannes
Eunese in Jonn Loden nasa zeigt; vielleicht müssen ¥rir hiehin auch,
das Fehlen der Städte Wismar und Stettin rechnen, die doch in der*
königlichen Parallelurkunde (Hans. U. B., I, No. 1144) genannt sind^
Vergl. Torföus IV, S. 389 bei dem wir neben den beiden genannten
auch noch AnMam vermissen. Auch dieses Diplom hat bereits
Munch gekannt und zwar aus demselben Codex No. 330 foL, den
er hier wie in den gamle Love um 1600 entstanden sein lässt; er
hat die ersten Sätze der Urkunde in einer Anmerkung seiner Ge-
schichte des norwegischen Volks (11. 2. S. 237. Anm. 2) zum Ab-
drucke gebracht, der uns zeigen mag, wie willkürlich er den Text
corrigirte. Es heisst dort: öllum nönnum J>eim sem J> br. s. e. h.
senda folgutar, raösmenn ok almenningr staöanna Lybiku, Bigu ok
J>^zku i Visb^ kveöju meö varum herra. Den Namen Jon Loden-
nasa (vgl. Torfäus rV, S. 389, Jonas Ladenasius) hält er richtig
für einen Abschreiber- oder Uebersetzungsfehler; für seine Erklä-
rung Tanklem (richtiger Tancklem) d. e. t'Anklam, zu Anklam,
dürfte kaum ein Grund vorhanden sein; auch in der Urkunde
König Erichs steht Tancglem. Wenn Munch femer meint, dass
sich der lateinische Grundtext mittelst des Kampenschen Reverses
wieder herstellen lasse, so dürfte er, von Suhm XI, S. 890 — 895 irre
geleitet, Urkunden des Jahres 1286 zum Jahre 1296 gezogen haben;
vergl. Diplom. Norw. V, No. 47 — 49. Charters en Bescheiden van
Kampen I, No. 17 — 18. — Wohl die beste Reconstruction der ur-
sprünglichen Form unserer Urkunde lässt sich durch Hans. U. B.
I, No. 1144 bewerkstelligen. Mangelhafte lateinische Uebertragung
bei Torfäus B. 2, Theü 4, S. 389.
n.
Nachträge fUr das hansische Drkunden-Buch (Band I).
Die Gefahr, welche bei einem Urkundenbuche, das eine
so ausserordentliche Weite des Raumes umfasst, wie das han-
sische, nur zu nahe liegt, dürfte, trotz des grossen darin zu
Tage tretenden Sammelfleisses, doch ein wenig ihre Wirkung
geäussert haben, wenn auch nur in verschwindend geringem
Umfange: man sucht das Verzeichniss einiger Actenstücke
vergeblich darin, dessen Aufnahme vielleicht erwartet worden.
So mussten für diese Schrift noch benutzt werden:
1. Otto und Konrad, Markgrafen von Brandenburg einer-,
der Herzog Bogislav von Pommern und der Fürst Wizlav
von Rügen andererseits schliessen einen Friedensvertrag,
um alle zwischen ihnen schwebende Zwietracht gründlich
zum Austrage zu bringen, worin von dieser Seite ein-
geschlossen sein sollen: die Herzöge von Braunschweig,
Sachsen, Lüneburg und Schleswig, die Herren von Slavien
und Mecklenburg, der Graf und der Bischof von Schwerin,
der Jungherr von Rostock zugleich mit den Städten Lübeck,
Rostock, Wismar, Stralsund, Stettin, Greifswald, Demmin,
Anclam, Penkuhn, Greifenhagen, Garz, Greifenberg, Col-
berg, Cammin und alle anderen Städte, die an dem Kriege
Theil genommen haben; von der Seite der Markgrafen
aber sollen eingeschlossen sein: der König von Dänemark,
wofern er Gerechtigkeit übt, der Herzog Primislav (Prze-
myslav) von Kaiisch, der Graf von Lindow und ihre sämmt-
8*
i
— 116 —
liehen Helfer. Alle Städte, namentlicli Stettin, sollen bei
dem vollen Rechte verbleiben, welches sie firüher ge-
nossen und sie durch offene Briefe darthun können. Her-
zog Bogislav, seine Vasallen, Stettin und seine übrigen
Städte, denen ein Recht zusteht, mögen bis zum nächsten
Michaelis in zwei Jahren, bis zu welchem Termine Herzog
Bogislav den Markgrafen 4000 Mark reinen Silbers zahlen
soll, die Fischerei im Haff ausüben, mögen jagen unii
Holz hauen. Streitigkeiten sollen gerecht und freund-
schaftlich beigelegt werden. — 1284, August 13. Vierraden
Geh. Archiv zu Berlin; Original.
Gedruckt: daraus Riedel, Cod. dipl. Brand, II. Bd., I, S. 176 _
Bali Studien, H, S. 128. Fabricius, Rüg. Urk., H (in>^
Nr. 259. Lisch, Behr Urkb., I, S. 165. Mecklenl^.
Urk. B., m, Nr. 1749.
2. Herzog Hakon von Norwegen verkündet den durch König
Magnus von Schweden zwischen den Norwegern und den
wendischen Städten zu Kalmar erfolgten Vergleich, dem
zufolge die Norweger nach und in den Städten und die
Städte nach und in Norwegen frei handeln dürfen, sich
beide Parteien nicht wechselseitig beleidigen sollen, im
Uebertretungsfalle gegen den Betreffenden vorzugehen ist,
• als habe er einen Angehörigen seines Orts beleidigt, dem
zufolge ferner die Privilegien, welche König Erich von
Norwegen und seine Vorgänger den Deutschen ertheilt
haben, in Kraft bleiben, gegenseitige Uebelthaten gesühnt
werden sollen und keine Partei etwaigen Uebelthätern
beistehen darf, bei Strafe von 20,000 Mark Kölnisch. —
1285, November?
Universitäts- Bibliothek zu Kopenhagen. Abschrift im Codex
Magnseano, Fol. Nr. 330.
Gedruckt: daraus obenS. 109; lateinische Uebersetzung, Tor-
fäus, Historia Norwegica, B. II, Th. 4, S. 394.
3. Alf Erlingson an den Seneschall des Königs von Schott-
land: wundert sich, dass derselbe norwegische Schiffe in
Schottland zurückhalte, während doch der König von Eng-
land den Deutschen, seinen Feinden, nicht erlaubt habe,
seine Fahrzeuge in England zu pfänden. Da der Friede
— 117 —
zwischen ihm und diesen hergestellt sei, habe jede Partei
das Ihrige behalten. — Nach dem 31. October 1285.
Gedruckt: Torfäus, Historia Norwegica, B. 11, Th. 4, S. 377.
4. Die Städte Lübeck, Riga und die Deutschen auf Visby
beurkunden, dass Pfingsten des Jahres 1294 durch Jonn
Loden nasa (Johannes Runese) dem Sendeboten Lübecks und
den Gesandten der anderen Seestädte ein Vergleich zwi-
schen König Erich, Herzog Hakon von Norwegen und den
Bremern einer-, ihnen, Rostock, Stralsund, Greifswald,
Anklam, Kampen und Stavern andererseits eingegangen
sei, kraft dessen den Norwegern und Bremern in Klagen
gegen die verbündeten Städte von dem Rathe der letzte-
ren Recht werden, zwischen Bremen und denselben Friede
und Freundschaft bestehen und die Kalmarer Abmachung
gewahrt werden soll. Den Norwegern, welche die deut-
schen Städte des Handels wegen besuchen, wird gewährt,
dass sie ihre Waaren in den Häusern der Städte frei
niederlegen, dass sie ihre Schiffe vermiethen dürfen, ohne
dem Zwange ausgesetzt zu sein, andere zu miethen, dass die
Normannen wegen eines Verbrechens, welches nicht an
Hals und Hand geht, sich durch die Bürgschaft ihres
Hauswirthes und zweier Landsleute, die ein Schiff im
Hafen haben, der Gefangensetzung entziehen dürfen, dass
Jeder bei einem Schiffbruche innerhalb der städtischen
Bannmeile Schiff und Waaren bergen mag, sie nicht zu
Nachtwachen herangezogen, ihre Koffer nur bei Ver-
dacht von Fälschung oder Diebstahl untersucht werden
dürfen, nur derjenige, welcher sich eines Vergehens
schuldig machte, gesetzlich zu bestrafen ist, kein Anderer
aber an seiner Statt, wofern er ihm nicht Beistand geleistet
hat, und dass der norwegische Kaufmann die Waaren,
auf welche er von dem Deutschen den Kaufschilling (Gotts-
pfennig) erhalten, weiter verkaufen darf, wenn dieser
sie nicht an demselben Tage abholt. Damit dies Alles
gehalten werde, setzt Lübeck sein Insiegel darunter. —
1294, nach Juli 6?
Universitäts- Bibliothek zu Kopenhagen, Alt-nordische Ueber-
setzung im Codex Magnseano, Fol. Nr. 330.
— 118 —
Gedruckt: daraus oben S. 112. Lateinische Uebersetzung, Tor-
fäus, Hist Norw., B. n, Th. IV., S. 389, daraus WiUe-
brandt, Hans. Chron., in, S. 10.
5. Deventer an Lübeck: meldet, dass neulich einige Deventer
Bürger bei ihrem Aufenthalte in Bergen und Norwegen,
gewisser Geschäfte halber, um Rath und Hülfe Lübecks
nachgesucht hätten, die ihnen auch zugesagt worden;
bittet, ihnen dieselbe, wenn es nicht bereits geschehen,
angedeihen zu lassen und darüber an Deventer zu berich-
ten, damit es über seine Verpflichtungen unterrichtet sei.
Zugleich übersendet Deventer einen Brief an Lübeck mit
dem Ersuchen, ihn nach Stralsund zu befördern. — Letz-
tes Viertel des 13. Jahrhunderts.
Stadtarchiv zu Lübeck; Original auf Papier.
Gedruckt: daraus Lüb. Urk. B., I, Nr. 744. Dipl. Norweg.,
VI, Nr. 65.
Den besten Anhalt für die Datirung dürfte der Satz ge-
währen: Praeterea vobis nostras litteras . . . transmittimus,
supplicantes, ut . . . consulibus civitatis Zundensis nomine nostro
et ex concordatione civitatum, ut scitis facta presentare.
Damach und nach den in der Urkunde angedeuteten Verhält-
nissen möchte sie etwa in die Jahre 1285, 86 oder 1293, 94
gehören (Vergl. oben S. 83 und Hans. Rec, I, Nr. 44, 45 ; oben
S. 91 Hans. U. B., I, 1113, 1114, 1115), wenn auch in diesen
beiden Zeiträumen sich der Name Deventers nicht gerade be-
sonders geltend macht.
6. Peter Gudleiksson, Erich Lagmand, Rydgeir in Sveins-
gaarden, Heinse Greive und Heinse Skraedder bürgen,
dass die Deutschen, welche von den Kanonikern der Ber-
genschen Christkirche gebannt seien, sich in Bergen bis
Allerheiligen einfinden würden und ihren verweigerten
Zehnten zu bezahlen, wenn sie nicht eine solche gesetz-
liche Befreiung davon beibringen könnten, welche richtige
ürtheiler als gültig befänden. — 1296, Mai 10.
Aus dem Apograph Am. Magnaei von Arnes Hand.
Gedruckt: daraus Thorkelin Dipl. Arna-Magn., H, S. 173-,
Dipl. Norw., m, Nr. 37.
7. Heiligenhafen an Lübeck, ersucht den Lübecker Bürger
Tidemann Lange von einer Reise nach Norwegen, zu der
— 119 —
er aufgeboten, zu dispensiren und einen Anderen auf
dessen Kosten für die Eeise zu stellen, da er seinem
kranken Stiefvater Johann Witt (Joannes dictus Albus),
eines Bürgers von Heiligenhafen, mit dem er im Stamm-
gute sitze, zur Ordnung seiner Angelegenheiten unent-
behrlich sei.
Stadtarchiv zu Lübeck; Original.
Gedruckt: daraus Lüb. U. B., I, Nr. 749; Dipl. Norweg., VI,
Nr. 66.
Die vorliegende Abhandlung dürfte gezeigt haben, von wie
einschneidender Wichtigkeit für den deutsch -norwegischen
Verkehr einzelne norwegische Gesetzeserlasse geworden sind;
so ist z. B. der im September 1282 erfolgte geradezu als Be-
ginn jener ernsten Verwickelungen zu bezeichnen, die erst auf
den Tagen zu GuUberg und Kalmar beigelegt wurden. In
Anbetracht dessen möchte es erwünscht sein, auf diese
speciell norwegischen Institutionen auch in dem hansischen
Urkunden-Buche ein scharfes Augenmerk zu richten^), um so
mehr, als sie gerade mit dem beginnenden 14. Jahrhunderte,
also auch mit dem beginnenden zweiten Bande des Urkunden-
Buches, sehr bedeutsam in den Vordergrund treten. Es ist
dies nur das, was schon Höhlbaum selber treflfend mit den
Worten aussprach: Die Massregeln, die daheim und draussen
für die Erleichterung (setzen wir hinzu „und Erschwei'ung")
des Land- und Seeverkehrs getroffen wurden, waren gleichfalls
der Erwähnung (im Urkunden-Buche) werth, da erst bei ihrer
Berücksichtigung eine vollständige Anschauung des Weltver-
kehrs gewonnen werden kann, so weit ihn die Städte Nord-
deutschlands bestimmten (Einleitung S. X). Auch die von
Höhlbaum mit Recht geforderte „volle urkundliche Form" ist
in den Gesetzeserlassen vorhanden. Die für uns wichtigsten
unter ihnen sind:
a. Das Bergensche Stadtrecht vom Jahre 1276, welches den
fremden Kaufleuten (d. h. bereits vornehmlich deutschen'i
zugesteht, Häuser in einer norwegischen Stadt zu erwer-
ben, oder solche auf 12 Monate zu miethen, wofür sie zu
*) Ein blos gelegentlicher und mehr zufälliger Vermerk eines ein-
zelnen Erlasses dürfte nicht ausreichend sein.
— 120 —
allen Kriegsschatzungen herangezogen werden und in dem
Verhältnisse von ein zu zwei mit den Eingebornen an den
Wachen auf der nächsten Warte Theil nehmen müssen.
Norges gamle Love, 11, S. 185 ff., vergl. oben S. 27.
b. König Erich Magnussons Erlass vom 16. Sept. 1282. —
Fremden üeberwintemden (wieder vornehmlich Deutsche !),
welche weder Mehl, Malz noch Getreide nach Norwegen
eingeführt haben, wird untersagt, vom 8. Sept. bis 3. Mai
weder Butter, Häute und Fische, noch auch Vieh auf dem
Lande aufzukaufen.
Norges gamle Love, UI, Nr. 2; vergl. oben S. 38.
c. König Erich Magnussen über das Verhalten in Bergen,
am 9. März 1295. — Er verbietet Trinkgesellschaften,
Gilden, das Tragen von Waffen, das eigenwillige Aufbauen
von Häusern am Strande und auf öffentlichen Plätzen,
sich eigenwillig Gesetze und Statuten zu geben u. s. w.
Norges gamle Love, HI, Nr. 6. Thorkelin, Dipl Ama-Magn.,
n, S. 145; vergl. oben S. 96, 77.
d. König Hakon Magnussons Erlass gegen den Kleinhandel
auf dem Lande; am 16. October 1299. — Er gestattet,
dass Bauern, die einander etwas zu verkaufen haben, dies
thun dürfen, die Kaufleute ihre Waaren aber ausschliess-
lich nach der Kaufstadt zu bringen und dort umzusetzen
haben. Wer von den letzteren sich dennoch unterfinge,
auf dem Lande zu hausiren, was neuerdings wiederholt
geschehen sei, der würde sowohl seiner Waaren, als des
dafür empfangenen Geldes verlustig gehen.
Norges gamle Love, Nr. 12, vergl. oben S. 101 ^).
^) Ob Erlasse, wie der des Königs Erich Glipping vom:
20. März 1282, worin er verbietet, dass niemand wagen solle,
Schiffbrüchige an der Bergung ihres Gutes zu verhindern,
welcher in erster Linie den deutschen Seestädten zu Gute
kommen musste, und der vom
März (?) 1283 gegen Luxus der Kleidung, deutsches Bier, Schen-
ken und Mord
gleichfalls einer Erwähnung, vielleicht in einer Anmerkung des hans.
Ürk.-Buchs werth gewesen wären, mag immerhin zweifelhaft sein. Vergl.
Reg. Dipl. Hist. Dan., I, Nr. 1300, 1312.
III.
Dmdatirte Urkunden.
«
Meine Untersuchungen über Urkunden, die für die vorlie-
gende Schrift nothwendig, aber nur mangelhaft oder gar nicht
datirt waren, führten mich wiederholt auf Resultate, welche
von denen abwichen, die in dem hansischen Urkundenbuche
Band I niedergelegt sind. Der leichteren Uebersicht wegen
gebe ich sie in folgender Zusammenstellung:
1. Hans. U. B. I, Nr. 356. Winter, 1247—1248 = A.
2. „ „ „ „ 366. Sommer, 1248 = B.
3. „ „ „ „ 389. Oetober, 1250 == C.
4. „ „ „ „ 390. um Oetober, 1250 = D.
sind verwendet in der Reihenfolge: B, A, D,
C (vergl. Seite 22, Anm. 1).
5. „ „ „ „ 851. Juni 30, 1280, verlegt:
Juni 27, 1283 (vergl. S. 44).
6. „ „ „ „ 852. Juni 30, 1280, verlegt:
Juli 4, 1283 (vergl. S. 44).
7. „ „ „ „ 935. c. vor Februar, 1284, verlegt:
Anfang, 1283 (vergl. S. 39, Anm. 1).
8. „ „ „ „ 938. 1284 (zwischen einer Urkunde vom
Februar und einer vom April), verlegt:
c. Anfang Juni, 1284 (vergl. S. 55).
9. „ „ „ „ 957. c. Ende, 1284, verlegt:
Frühjahr, 1285 (vergl. S. 73).
*.
4 ^
— 122 — r5
11.
12.
13.
14.
15.
16
•ii
»?
71
9?
??
•,1
«
:?
>9
10. Hans. U. B.^1^ Nr. 970. März 13, 1285, verlegt:
März 13, 1284 (vergl. S. 49, Anm. 3).
,. 974. Frühjahr, 1285, verlegt:
Winter, 1284/85 (vergl. S. 61, Anm. 3).
„ 977. Frühjahr, 1285, verlegt:
c. Sommer, 1284 (vergl. S. 56 und S. 65,
Anm. 4).
978. Frühjahr, 1285, verlegt:
c. Sommer, 1284 (vergl. S. 56).
989. um August, 1285, verlegt:
c. August, 1284 (vergl. S. 56, Anm. 4).
991. Anfang September, 1285, verlegt:
Mai, 1285 (vergl. S. 76).
1008. August 29, 1286, verlegt:
Johaiini, 1281 (vergl. S. 36, Anm. 1).
91
^1
l")
99
91 99
Berichtigungen.
S. 3 Z. 4 V. o. statt: den Volksrechten, lies: die Volksrechte.
das sie betrieben, lies: das er betrieb,
seiner Kraft, lies: ihrer Kraft.
B. A. C. D., lies: B. A. D. C
besaglagt, lies: beslaglagt.
zumals, lies: zumal.
Freihern, lies: Freiherm.
Heinreich, lies: Heinrich.
Westfahlen, lies: Westfalen.
Sendeboden, lies: Sendeboten.
„ 17
18 V. 0. „
„21
8 V. 0. „
„ 23
3 V. u. „
„48
5 V. u. „
„49
7, 8 V. 0. „
„53
7 V. 0. „
„55
13 V. u. „
„ 55
11 V. u. „
„74
10 V. u. „
A Druck von Fr. Aug. Eup e 1 in Sondershausen.
■f*
V .
-V