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E.BIBL.RADCL.
- /tfc
^Si•'^i
L-«a
Samuel Hahnemann, M.D.
geil, d.io Aprü, i7Ä5.
Organ on
der
t
Heilkunst
von
Samuel Hahnemann.
j4ude sap-ere.
Vierte verbesserte and vermelirte Aaflage.
Mit dem BildnUu dei Verfa$aers.
Dresden mid Leipzig,
in der Arnoldischen Bachhandlunj;.
1829.
Vorrede
zur vierten Ausgabe
Wäre diejenige Natur, deren Selbsthülfe
in Krankheiten von der bisherigen Arznei-
schule als unübertreffliche Heilart angenom*
men ward, deren Nachahmung des Arztes
höchster Zweck sey, die grofse Natur selbst^
d. i. die Stimme der Allweisheit des grofsen
Agens im unendlichen Naturganzen, so müfs-
ten wir dieser untrüglichen Stimme folgen,
wiewohl dann nicht abzusehen wäre,, warum
wir nun als Aerzte diese angeblich unüber-
trefflichen Veranstaltungen der (zweideu-
tig sogenannten )' Naturhülfe in Krankheiten
durch unsre künstlichen Eingriffe mit Arz-
neien stören^ oder zweckwidrig erhöhen soll-
ten; aber es ist ganz anders! Jene Natur,
* 2
ahmen jeper; ttnbWföichen, zweckwidrigen,
nicht selleil \TerderbJiehe?i :^strebtLngeQ und
Veranstaltunget) der s^cbin:iprankh;eit selbst
überlassenen , i instinktarttg^ #! v^rstandlosen
Lebenskraft bestand (die man mit dem mifs-
deutlichen Namen: Natur bejegte), so wird
man mir zugeben^ dafs die wahre Heilkunst
vor mir noch nicht gefunden war.
Dafs aber die Homöopathik diese bisher
vergeblich gesuchte Heilkunst sey, lehren
ihre Grundsätze, beweisen ihre Leistungen.
Köthen, im Januar 1829.
Samuel Hahnernann.
Inhalt.
Einleitung.
I. Hinblick auf die Allopalliie der bisherigen Arzneiscbule.
II. Beispiele unwillkürlicher, homöopathischer Heilungen
bisheriger Aerzte der allen Schule.
Auch unärztliche Personen fanden die Heilungen
durch Wirkungs-Aehnlichkeit als die einzig hülfreich-
sten.
Selbst Aerzte älterer Zeit ahneten, dafs dteüs die
vorzüglichste Hellart sey.
Text des Organons.
§. 1. 2. Der einzige Beruf des Arztes ist schnelles, sanf-
tes, dauerhaftes Heilen;
Anm. nicht das Schmieden theoretischer Systeme und
£rklärungs -Versuche.
3. 4. £r mufs das an Krankheiten zu Heilende aufsu-
chen und das Heilende in den verscbiednen Arzneien
kennen, um dieses jenem anpassen zu können, auch
die Gesundheit der Menschen zu erhallen verstehen.
6. 6. Die Krankheiten sind an sich unerkennbar im
innerlich Ver'dnderten, aber deutlich erkennbar in
den Symptomen.
Anm. Erklärung des Gesagten.
vm
§. 7. Zar Heilung beihülflicbes Acliten auf Veranlassung,
Grundursache und andre Umstände.
8. Die Krankbeit beklebt für den Arzt blofs in der
Gesammthcit ihrer Symptome.
9* Unter Achtung auf jene Umstände (§. 7.) braucht
der Arzt blofs die Gesammtheit der Symptome hin*
wegzunehmen, um die Krankheit zu heilen.
Anm, a. Die oflTeDbar die Krankheit vemnlassende
und unterhaltende Ursache ist hinwegzuräumen.
jänm, b. Verwerflichkeit der symptomatischen, auf ein
einziges Symptom gerichteten, palliativen Curart.
10. 11. 12. Sind alle Symptome getilgt, so ist jeder-
zeit die Krankheit auch in ihrem Innern geheilt«
13. Die Gesammtheit der Symptome ist die einzige In-
dication, die einzige Hinweisung auf ein zu wählen-
des Heilmittel.
14. Die Befindens - Veränderung in Krankheiten (die
Krankheits- Symptome) kann von den Arzneien nicht
anders geheilt werden, als in sofern diese 'die KraH:
haben, ebenfalls Befindens -Veränderungen im Men-
schen zuwege zu bringen.
15. Diese Befindens -Veränderungs -Kraft der Arzneien
kann blofs bei ihrer Einwirkung auf (gesunde) Men-
schen wahrgenommen werden.
10. Die krankhaften Symptome, welche die Arzneien
im gesunden Menschen erzeugen, sind das Einzige«
woraus wir ihre Krankheit- Heil ungs- Kraft erkennen
lernen.
17. Zeigt die Erfahrung, dafs durch Arzneien, welche
ahn liehe Symptome, als die Krankheit, haben, diese
am gewissesten und dauerhaftesten geheilt werde, so
hat man zum Heilen Arzneien von ähnlichen Sym-
ptomen — zeigt sie, dafs die Krankheit am gewisse-
sten und dauerhaftesten durch entgegengesetzte
IX
Arznei- Symptome geheilt werde, so hat mao Ari-
neiea von entgegeogesetzten Symptomen zum Eleilen
zu wählen.
Anrn, Der Gebranch der Arzneien , deren Symptome
keinen eigentlichen (pathischen) Bezug auf die Krank-
heits- Symptome haben, den Korper aber andersar-
tig angreifen, ist die allopathische, verwerfliche
Garmethode.
§. 18. Durch entgegengesetzte Arznei- Symptome (anti-
pathische Cur) werden anhaltende Krailkheits-
' Symptome nicht geheilt.
19. 20. Nur die noch übrige homöopathische Heil-
methode durch Arzneien von ähnlichen Symptomen
zeigt sich in der Erfahrung durchaus hülfreich.
21. Diefs beruht auf dem Natur -Heilgesetze, dafs eine
schwächere dynamische AlTection im lebenden Men-
schen von einer ihr sehr ähnlichen , stärkern, blofs
der Art nach abweichenden, dauerhaft ausgelöscht
wird.
Anm. Diefs geschieht auch bei physischen Affectionen,
-wie bei moralischen Uebeln.
22. Da^ Hell - Vermögen der Arzneien beruht daher
auf ihren der Krankheit ähnlichen Symptomen.
23 — 27. Versuch einer Erklärung dieses Natur -Heil-
gesetzes.
28. Der menschliche Körper ist weit geneigter, sich
durch Arzneikräfte in seinem Befinden umstimmen
zu lassen, als durch natürliche Krankheit
29. 30. Des homöopathischen Heilgesetzes Richtigkeit
zeigt sich an dem Nicht- Gelingen jeder unhomöo-
pathischen Cur eines altern Uebels und daran, dab
auch zwei im Körper zusammentreffende, natürliche
Krankheiten, sobald sie einander unähnlich sind, ein-
ander nicht aufheben und. nicht heilen.
§. 31. /. Die ältere, im Körper wohnende Krankheit hält,
wenn sie gleich stark, oder stärker ist, eine neue,
unähnliche Krankheit vom Menschen ab.
32. So bleiben auch bei unhomöopathischen Curen, die
nicht heftig sind, die chronischen Krankheiten, wie
sie waren. ,
33. //. Oder eine den schon kranken Menschen befal-
lende, neue, stärkere Krankheit unterdrückt nur, so
lange sie dauert, die alte, im Körper wohnende, ihr
unähnliche Krankheit, hebt diese aber nie auf.
34. Eben so hellen starke Curen mit allopathischea
Arzneien keine chronische Krankheit, sondern un-
terdrücken sie nur so lange, als der Angriff mit hef-
tigen Arzneien dauert, welche keine der Krankheit
ähnliche Symptome für sich erregen können; hernach
kommt die chronische Krankheit eben so schlimm
und schlimmer wieder hervor.
35. ///. Oder die neue Krankheit tritt nach langer Ein-
wirkung auf den Körper zu der altern, ihr unähnli-
chen, und eS' entsteht eine doppelte (.complidrte)
Krankheit; keine dieser beiden sich unähnlichen bebt
die andre auf.
36. Noch weit öfterer, als im Laufe der Natur, gesellt
sich eine durch langwierig angewendete, heftige, un-
passende (allopathische) Arznei erzeugte Kunst-Krank-
heit beim gewöhnlichen Cur-Yerfahren zu der ihr
unähnlichen (folglich nicht durch jene heilbaren) al-
ten, natürlichen Krankheit, und der chronisch Kranke
ist nun doppelt krank.
37. Die sich so complicirenden Krankheiten nehmen,
ihrer Unähnlichkeit wegen, jede den ihr im Orga-
nism gehörigen Platz ein.
38. 39. Aber ganz anders ist's beim Zutritt einer stär-
kern Krankheit zu der ihr ähnlichen, alten; denn
diese wird dann von jener aufgehoben und geheilt.
XI
§. 40. Erklärung dieser Erscheioung.
41. Beispiele chronischer Krankheiten, durch zurälligen
Zutritt einer andern, ähnlichen, stärkern geheilt.
42 — 44. Selbst von den im Laufe der Natur selbst
zusammentreffenden Krankheiten kann nur die von
ähnlichen Symptomen die andre aufheben und heilen,
die unähnliche Krankheit aber kann es nie, zur Be-
lehrung fiir den Arzt, mit welcher Art Arzneien er
gewifs heilen könne, nämlich einzig mit den homöo-
pathischen.
45. Die Natur hat nur wenige Krankheiten andern
Krankheiten zur homöopathischen Hülfe zuzuschik-
ken, und diese ihre Hülfsmittel sind mit vielen Un-
bequemlichkeiten verbunden.
46. Dagegen hat der Arzt unzählige Heilpotenzen mit
groCsen Vorzügen vor jenen.
47. 48. Aus jenem Vorgange in der Natur wird der
Arzt fortan die Lehre ziehen, Krankheiten nie an-
ders als mit homöopathisch gewählten Arzneien zu
behandeln und sie so zu heilen, nie aber mit anders-
artigen (allopathischen), welche nie heilen, sondern
blofs den Kranken verderben.
49. 50. Es giebt nur drei mögliche Arten von Anwen-
dung der Arzneien gegen Krankheiten:
1) die allein hülfreiche, homöopathische,
51. 2) die allopathische oder heteropathische,
52. 3) die antipathische (enantiopathische), palliative.
53. Auf welchem Cur- Wege gegen ein einzelnes Sym-
ptom der Krankheit eine Arznei von entgegengesetz-
ter Wirkungs-Aeufserung {contraria contruriis) ver-
ordnet wird. Beispiele.
54. Dieses antipathische Verfahren ist nicht blofs feh-
lerhaft, weil es nur gegen ein einzelnes Krankheits-
Symptom gerichtet ist, sondern auch, weil in anhal-^
XII
tenden Beschwerden, nach kurzer Schein -£rleicbte-
ruog, wahre Yerschlimmerang erfolgt.
Anm» Zeugnisse der Schriftsteller.
§. 55. Schädliche £rfoIge einiger antipathischen Curen.
56. Die gesteigerten Gaben bei Wiederholung eines
Palliativs heilen auch nie chronische Uebel, richten
aber desto grölseres Unglück an,
57. woraus die Aerzte auf die Hiilfreichheit des gegen-
theiligen, allein guten Heilwegs hätten schliefsen sol-
len, nämlich des homöopathischen.
58. . Der Grund von der Schädlichkeit der palliativen
und von der alleinigen Heiisamkeit der homöopathi-
schen Arznei- Anwendung
59. beruht auf dem Unterschiede der bei Einwirkung
einer jeden Arznei statt findenden Erstwirkung und
der hierauf vom lebenden Organism (der Lebenskraft)
veranstalteten Gegenwirkung oder Nachwirkung.
60. Erklärung der Erstwirkung und der Nachwirkung.
61. Beispiele von beiden.
62. Blofs bei den kleinsten homöopathischen Arznei-
gaben im Heilgeschäfte wird die Nachwirkung der
Lebenskrad einzig durch die Herstellung des Gleich-
gewichts der Gesundheit kund.
63. Aus diesen Wahrheiten geht die Heilsamkcit der
homöopathischen, so wie die Verkehrtheit der anti-
pathischen (palliativen) Yerfahrungsart hervor.
Anm. Fälle, in denen die antipathische Anwendung
der Arzneimittel noch einzig brauchbar ist.
64. Wie folgt aus diesen Wahrheiten die Heilsamkeit
der homöpathischen Heilart?
65. Wie folgt aus diesen Wahrheiten die Schädlich-
keit des antipathischen Verfahrens?
Anm. Entgegengesetzte Empiindungen neutralisiren sich
im menschlichen Sensorium nicht, also nicht Wie
entgegengesetzte Substanzen in der Chemie.
xni
§. 6& Kurzer Inbegriff der homoopatliischeii Heilart«
67. Die drei zum Heilen nötbigen Punkte: 1) die Er-
forschung der Krankheit, 2) die Erforschung der
Wirkung der Arzneien, und 3) ihre zweckmäfsige
Anwendung.
68. Allgemeine Uebersicht der Krankheiten — 'acute
chronische.
69. Acute Krankheiten Einzelner, sporadische, epide-'
mische, acute Miasmen.
70. Uneigentliche chronische Krankheilen.
71. Eigentliche chronische Krankheiten; sie entstehen
alle aus chronischen Miasmen.
72. Syphilis und Sykosis.
73. 74. Psora; sie ist die Mutter aller eigentlichen
chronischen Krankheiten, die syphilitischen und sy-
kosischen ausgenommen.
^nm, Krankheitenamen der gewohnlirlien Pathologie.
75. Unter den fiir diese chronischen Miasmen, nament-
lich für die Psora, gefundenen, specifischeren Heil-
mitteln ist fiir jeden einzelnen Fall von chronischer
Krankheit eine um so sorgfältigere Wahl zur Hei-
lung zu trerfen.'
76. Erfordernisse zur Auffassung des Krankheilsbildes.
77 — 92. Vorschrift, wie der Arzt das Krankheits-
bild zu erkundigen und aufzuzeichnen hat.
93 — 95. Erforschung der epidemischen Krankheiten
insbesondre.
96. Auf gleiche Weise mufste die Grundursache der
(unsyphih*tischen) chronischen Krankheiten ausgemit-
telt und das grofse Gesammt-Bild der Psora aufge-
stellt werden.
97. Nutzen des schriftlich dufg;ezeichneten Krankheits-
bildes zum Heilen und beim Verfolg der Cur.
XIV
§. 98 — 107. Vorerinnerung zur Erforschung der rei-
.nen Arznei - Wirkungen an* gesunden Menschen.
Erstwirkung. Nachwirkung.
108. Wechselwirkungen der Arzneien«
109. 110. Idlosyncrasien.
111. 112. Jede Arznei hat von der andern abweichende
Wirkungen.
Anm. Es kann keine Surrogate geben.
113. Jede Arznei mufs daher auf die Eigenheit ihrer
besondern Wirkungen sorgfältig geprüft werden.
114 — 134. Verfahren dabei, wenn man sie an an-
dern Personen versuchen lälst.
135. Die Versuche des gesunden Arztes mit Arzneien
an sich selbst bleiben die vorzüglichsten.
136. Die Erforschung der reinen Arzneiwirkungen in
Krankheiten ist schwierig.
137 — 139. Aus solcher Erforschung der reinen Wir-
kungen der Arzneien an Gesunden entsteht erst eine
wahre materia medica.
140. Die zweckmaüsigste Anwendung der nach ihrer
eigenthümlichen Wirkung gekannten Arzneien zum
Heilen.
141. Die homöopathisch passendste Arznei ist die hülf-
reichste, ist das speci£sche Heilmittel.
142. Andeutung, wie die homöopathische Heilung' zu-
gehen mag.
143. Die homöopathische Heilung schnell entstandner
Krankheit erfolgt schnell; die der chronischen Siech-
thqme aber erfordert verbältnilsmäfsig mehr Zeit.
144. Geringe Unpäfslichkeiten.
145. Die bedeutenden Krankheiten haben mehre Sym-
ptome.
146. Für die mit mehren, auffallenden Symptomen
lä£st sich desto gewisser ein homöopathisches Heil-
mittel finden.
§. 147.
XV
§. 147. Anf i/velche Art von Symptomen ihan -biebei vor«^
züglich 2u achten habe?
148* Ein mögliebst homöopatbiscbes Mittel heilt ohne
bedeutende Beschwerde*
149. Ursache der Beschwerdelostgkeit solcher Heilung,
150. Ursache kkr kleinen Ausnahmen hievon.
161 -— 154. Die die ursprungliche Krankheit etwas
an Starke übertreffende, s^hr ähnliche Arzneikrank-
heit, auch homöopathische Verschlimmerung
genannt.
155. In chronischen (psorischen) Krankheiten erfoU
gen die homöopathischen Vei'schlimmerungen von
den (antipsorischen) homöopathischen Arzneien im
Verlaufe mehrer Tage, von Zelt zu Zei^
156 -— 168. Malsregeln bei der Heilung, wenn der
Yorrath gekannter Arzneien zur Findung eines voll«»
kommen homöopathischen Mittels zu klein ist.
169 — 181. Mafsregeln bei Heilung der Krankheiten
mit allzuwenigen Symptomen: einseitige Krank*
heiten.
182 -— 200. Behandlung der Krankheiten mit Local-
Symptomen; ihre äulsere Behandlung ist stets yer-
derblicb.
201. 202. Alle eigentliche (nicht blofs von übler Le-
bensart entstandene und unterhaltene) chronische
' Uebel und Siechthume müssen mit den, ihrem zum
Grunde liegenden Miasm angemessenen, homöopathi*
sehen Arzneien blofs von innen gebeilt werden.
203. Vorgängige Erkundigung nach dem zum Grunde
liegenden Miasm, dem einfachen oder dessen Com*
plication mit einem zweiten (oder wohl auch drit-
ten) Miasm.
204. Erkundigung der vorher gebrauchten Curen.
205. 206. Uebrige, nöthige, vorgängige Erkundigun*
gen vor Auffassung des Krankheitsbildes des chroni-
schen Uebels*
XVI
§, 207 «-— 227. Behandlung der sogenannten Geistes- odei"
Gemiiths-Krankbeiten.
. 228.229. Die/Wechselkrankheiten. Die alternirenden.
230. 231. Die typischen Wecbselki-ankheiten.
232 ^ 239. Die Wecbselfieber.
240 — 251. Gebrauchsart der HeilmitteL
> 252 •*- 256. :> Zeichen der anüingeiiden Besserung.
257. 258. Falsche Vorliebe- fiir LiebUngs- Mittel und
; ' ungerechter. Hals gegen andre 'Arzneien.
259 — 261. Lebensordnuog in chronischen Krank-
heiten.
; .. Annu S(f]>adliehe Dinge in der l^ebeiisweise.
262. 263. Diät in acuten Krankheiten.
264 — 266. . Wahl. der Yollkräftigsten, ächtesten Arz-
> neien.
Anm. AeodeniDg einiger Stoffe durch Zubereitung zu
Nahrungsmitteln.
267. Zubereitung der kräftigsten und haltbarsten Arz-
. neiform aus frisch zu erlangeodcga Kräutern.
268. Trockne Gewächssubstanzen.
{'Anm, Pulver- Zubereitung' zum Aufbewahren.
269. Die beste Form der Arzneien zum Gebrauche
bei Kranken ist die in Auflösung.
270—- 272. Nur eine einzige^ einfache Arznei
ist auf einmal dem Kranken zu geben.-
273 -^ 285. Gaben «-Gröfse zu homöopathischem Be-
hufe — wodurch sie verstärkt oder verkleinert wer-
den. Ihre Potenzirung.
286 — 290. Welche Theile des Körpers sind mehr
oder minder empfängUch fiir die £inwirkung der
Arzneien?
291. 292. Thicrischer Magnetismus (Mesmerismus).
Die positive und die negative Anwendung desselben.
Einleitung,
I. Hinblick auf die Allopathie d'^r
bisherigen Arzneischule.
v/hne die Verdienste zu verkennen, welche viele
Aerzte nm die Hülfswissenschaften der Mediän, um
die Natnrkenntnisse in der Physik und der Chemüe,
um die Naturgeschichte in ihren verschiedenen Zwei-
gen und der des Menschen im Besondem, um die
Anthropologie, Physiologie und Anatomie u. s. w.
sich erwarben, habe ich es hier nur mit dem prak-
tischen Theile der Medicia zu thun, um zu zeigen,
wie die Krankheiten bisher so unvoUkommen behan-
delt wurden. Tief jedoch liegt unter meinem Vor-
haben jener handwerksmäfsige Schlendrian, das kost-
bare Menschenleben nach ßecepttaschenbüchern zu
knriren, deren noch fortwährende Erscheinung im
Pablikum, leider, noch immer ihren häufigen Ge-
branch erweiset. Ich lasse sie als Skandale der
Hefe des gemeinen Arztvolkes ganz unberücksichtigt.
Ich rede blofs von der bisherigen Arzneiknnst, die
sich wissenschaftlich dankt, eingebildet auf ihre AI-
terthümlichkeit
A
Diese alte Arzneischnle bildete sich viel darauf
jcin, vorgeben sa können, dafs sie allein den Namen
^rationelle Heilknnst*" verdiene, weil sie allein
die Ursache der Krankheit anfsnche und hin-
wcgznränmcn sich bcmtihe, anch nach dem Vor-
gänge der Natnr in Krankheiten verfahre.
Tolle causam/ rnft sie wiederholt. Aber bei
diesem leeren Rufe blieb es gewohnlich. Sie wähn*
ten nnr» die Krankheits- Ursache finden sn können,
fanden sie aber nicht. Denn da die meisten, ja die
allermeisten Krankheiten dynamischen Ursprungs nnd
dynamischer Natur sind, ihre Ursache also nicht
sinnlich sn erkennen ist, so waren sie beflissen, sich
eine sn erdenken, nnd ans der Ansicht der Theile
des normalen, todten, menschlichen Körpers ( Ana-
tomie ), verglichen mit den sichtbaren Vcrändemn-
gen dieser innern Theile an Krankheiten verstorbe-
ner Menschen (pathologische Anatomie), so wie
ans dem, was ans der Yergleichnng der Erscheinun-
gen nnd Funktionen im gesunden Leben (Physiolo*
gie) mit den unendlichen Abweichungen derselben
in den unzähligen Krankheitsznständen (Pathologie,
Semiotik) sich su ergeben schien, SchlSsse auf den
unsichtbaren Vorgang der Veränderungen im in-
nern VS^esen d^s Menschen bei Krankheiten su
sieben — ein dunkles Phantasiebild, was die theo-
retische Medicin ftir ihre prima causa morbi hielt,
die dann die nächste Ursache der Krankheit
und auch sngleich das innere Wesen der Krankheit,
die Krankheit selbst, seyn sollte — obgleich,
nach dem gesonden Menschenverstände, die Ursache
eines Dinges nie angleich das Ding selbst seyn kann.
Wie konnten sie nnn, ohne Selbsttänschang, diels
unerkennbare, innere Wesen zam Heilgegenstande
machen nnd dagegen Arzneien verordnen, deren
Heiltcndenz ihnen ebenfalls gröfstenthcils unbekannt
war, nnd zwar mehre solche nngekannte Arzneien
KQsammen gemischt in sogenannten Recepten?
Doch lüsete sich diefs sublime Projekt, eine in-
nere, unsichtbare, apriorische Krankheitsarsache zu
finden, wenigstens bei den verständigern Aerzten, in
ein freilich auch von den Symptomen geleitetes au^
in ein Aufsuchen, was etwa muthmafslich als der
generelle Charakter des gegenwärtigen Krankheits-
falles anzunehmen sey? ob Krampf? oder Schwäche?
oder Lähmung? oder Fieber? oder Entzündung?
oder Verhärtung? oder Infarkten dieses oder jenes
Theils? oder Blut- Uebermenge (Plethora)? Mangel
oder Uebermafs an Sauer-, Kohlen-, Wasser- oder
Stickstoff in den Säften? gesteigerte oder gesunkene
Arteriellität, oder Yenosität, oder Capillarität? rela-
tives Yerhältnifs der Faktoren der Sensibilität, Irri-
tabilität, oder Reproduktion? — Muthmafsnngen,
welche, von der bisherigen Schule mit dem Namen:
Gansal-Indication beehi^ nnd für die einzig mög-
liche Rationalität in der Medicin gehalten, allzu trüg-
liche, hypothetische Annahmen waren, als dafs sie
sich praktisch branchbar hätten bewähren können —
onfahig, selbst wenn sie gegründet hätten seyn kön-
nen, oder gewesen wären, das treffendste Heilmittel
A 2
für den Krankheits- Fall ansnzeigen, «war, der Eigen-
liebe des gelehrten Erdenkers wohl schmeichelnd,
im darnach Handeln aber meist irre führend, nnd
womit es mehr auf Ostentation, als anf ernstliche
Findnng der Heil-Indication angelegt war.
Und wie oft schien nicht in dem einen Theile
des Organisms Krampf oder Lähmnng zn seyn, wäh-
rend in einem andern Theile anscheinend Entzün-
dung statt fand!
Oder wo sollten, anf der andern Seite, die für
jeden dieser angeblichen, allgemeinen Charaktere si-
cher helfenden Arzneien herkommen? Die sicher
helfenden hätten doch wohl keine andern als die
speci fischen seyn können, d. i. dem Krankheits-
Reize in ihrer Wirkong homogene ^) Arzneien, de-
ren Gebranch aber von der alten Schule als höchst
schädlich verboten ') tind verpönt war, weil die Beob-
^ achtnng gelehrt hatte, dafs, bei der in Krankheiten
so hoch gesteigerten ßeceptivität für homogene ßeize^
solche Arzneien in den hergebrachten, grolsen Ga-
1) Homöopathische jetzt genannt.
2) ,yWo die Erfahrung uns die Heilkraft homöopathisch
„wirkender Arzneien kennen gelehrt hatte, deren Wir-
„kangsart man sich nicht erklären konnte, da half man
„sich damit, sie (ur speci fisch zu erklären, und mit die-
„sem eigentlich nichts sagenden Worte ward das Nachden-
„ken darüber eingeschläfert Man hat aber längst schon
„die homogenen Reizmittel die specifischen, homöopathi-
„schen) als höchst schädliche Einflüsse verboten.^ Rau,
Ueb. d. homöopi Heilverf. fleidelb. 1824. S. 101. 102.
ben lebensgefahiiich sich erwiesen hatten. Von klei-
nem Gaben aber und höchst kleinen hatte die alte
Schnle keine Ahnnng. Also auf geradem (natür-
Uchsten) Wege durch homogene, specifische Arz-
neien durfte nicht geheilt werden, konnte anch nicht,
da die meisten Wirkungen der Arzneien unbekannt
waren nnd blieben.
' Doch glaubte die bisherige Arzneischule^ weil's
ihr doch wohl verständiger denchtete, wo möglich
einen andern, geraden Weg zu suchen, als Um-
wege einzuschlagen, noch dadurch Krankheiten di-
rekt aufzuheben, theils indem sie bedeutende Sym-
ptome durch entgegengesetzt wirkende Arzneien un-
terdrückte, das ist, durch das antipathische (pal-
liative) Verfahren (welches im Texte des Organons
d. H. gewürdigt wird), theils durch Wegschaf-
fang der (angeblichen) materiellen Krank»
heits-Ursache — denn der gewöhnlichen Arzt-
Schule war es fast unmöglich, sich bei Ansicht und
Beurtheilung einer Krankheit und eben so wenig
bei Aufsuchung der Cur-Indication von diesen ma-
teriellen BegrifTen loszumachen und die Natur des
geistig- körperlichen Organisms für ein so hoch poten-
zirtes Wesen anzuerkennen, dafs die Abänderungen
seines Lebens in Gefiihlen und Thätigkeiten, die
man Krankheiten nennte hauptsächlich, ja fast ein-
zig durch dynamische Einwirkungen bedingt und be-
wirkt werden mnisten und gar nicht anders bewirkt
werden könnten.
6
Durchaus sah die bisherige Schule jene durch
die Krankheit veränderten Stoffe, die turgescirenden
sowohl, als die sich absondernden, innormalen Stoffe
(br Krankheits- Erreger, wenigstens, wegen ihrer an-
geblichen Rückwirkung, als Krankheits -Unterhalter
an nnd thnt letzteres bis anf diese Stande noch*
Daher wähnte sie Gaasal-Cnren zn verrichten,
indem sie diese eingebildeten nnd vorausgesetzten,
materiellen Ursachen der Krankheit hinwegzuschaf-
fen sich bemühte« Daher ihr emsiges Fortschaffen
der Galle durch Erbrechen bei gallichten Fiebern ^),
ihre Brechmittel bei sogenannten Magen • Verderb-
nissen '), ihr fleifsiges Auspnrgiren des Schleims,
1) Der fchtungswerthe Hofrath Raa (üb. d. Werth
des homoop. Heilverfahrens. Heidelb. 1824. S. 176 u. f.),
damals noch nicht völlig in die Homöopathie eingeweiht,
heilte gleichwohl, aus Inniger Ueberzeugung von der dj^
namischen Ursache selbst dieser Fieber, dieselben ohne das
mindeste Ausleerungsmittel durch eine oder zwei kleine
Gaben homöopathischer Arznei, wovon er da zwei merk-
würdige Cur -Geschichten erzählt
2) Bei einer schnellen Magen -VerderbniCs, mit ste-
tem, widerlichem Aufstolsen nach verdorbenen Speisen, ge-
wohnlich mit Niedergeschlagenheit des Gemüths, bei kal-
ten Füfsen und Händen, u. s. w. ging der gewöhnliche
Arzt bisher nur auf den entarteten Mageu- Inhalt los: ein
tüchtiges Brechmittel soll ihn rein herausschaffen. Gewohn-
lich erreicht er diese Absicht mit weinsteinsauerm Spiefs-
glanze, mit oder ohne Ipecacuanha. Ist denn aber der
Kranke darauf sogleich gesund, munter und heiter? O nein!
Gewöhnlich ist eine solche Magen -Verderbniis dynami-
schen Ursprungs, durch Gemüths- Störungen (Gram,
der Spul- and Madenwtiriner bei der Gesichu-Blässe,!
der Efs-Gier, dem L'eibweh and den dicken Bäa-
Scbreck, Aerger), VerkSltung, Anstrengung des Geistes
oder Körpers unmittelbar aufs Essen, < — selbst oft nacb
mafsigem Speise- Genub erzeugt. Diese dynamische Ver^
stimmung zu beben, sind diese beiden Arzneien nicfat geeig-
net, and eben so wenig das dadurch hervorgebrachte revo-
lutionäre Erbrechen. Und Brechwein^ein und Ipecacuanha
haben noch überdieb aus ihren anderweiten eigentbümlicben
Krankheit -Erregungs- Symptomen Nachtheile (ur das Befin-
den des Kranken hinzugefügt, und die Gall Abscheidung ist
in Unordnung gekommen, so dafs, wenn der Leidende nicht
ganz robust war, er noch mehre Tage sich auf diese an~
gebliche Causal-Cur übel befinden mufs, trotz aller dieser
gewaltsamen HerausscbafTung des vollständigen Magen -In-
halts. — Wenn aber der Leidende, statt solcher heftigen
und oft oachtheiligen Ausleeruogs- Arzneien, nur ein ein-
ziges Mal in hochverdünnten Pulsatille - Saft (an ein Senf-
samen groCses, dan^It befeuchtetes Streukügelchen) riecht,
wodurch die Verstimmung seines Befindens im Allgemeinen
und seines Magens insbesondre gewils aufgehoben wird, so
ist er in zwei Stunden genesen, und hat er dann ja noch
einmal Aufstolsen, so ist es geschmack- und geruchlose
Luft — der Magen -Inhalt ist nicht mehr verdorben, und
bei der nächsten Mahlzeit hat er wieder seinen rollen, ge«»
hörigen Appetit; er ist gesund und munter. Die(s ist wahre
dausal-Cur, jenes aber eine eingebildete, ist nur eine
schädliche Strapaze fiir den Kranken.
Ein selbst mit schwer verdaulichen Speisen überfuUter
Magen erfordert wohl nie ein arzneiliches Brechmittel.
Bie Natur weifs hier den Ueberiluls am besten durch Ekel,
Uebelkeit und Selbst- Erbrechen, allenfalb mit Beihülfe me-
chanischer Reizung des Gaumen -Vorhangs und Rachens,
durch den Schlund wieder von sich zu geben, und dann
werden die arzneiüchen Nebenwirkungen der medicinischen
8
eben der Kinder ^), ibr Aderlassen bei Blotflfis-
Brechmittel vermieden — - etwas KafTee- Trank befördert
den Rest im Magen vollends nach unten hin.
Wäre aber nach arger Ueberföliung des Magens die
Reizbarkeit des Magens zum Selbsterbrechen nicht zurei-
chend oder verschwunden, so dals alle P^eigung dazu, unter
groisen Schmerzen des Epigastriums, erlöschte , so wird in
diesem gelähmten Zustande des Magens ein solches Brech-
mittel blols eine gefährliche oder tödtliche Eingeweide -
Entzündung zur Folge haben, während eine öfter . gereichte
kleine Menge starken Kaffee- Tranks die gesunkene Reiz-
barkeit des Magens dynamisch erhoben und ihn allein in
den Stand würde gesetzt haben, seinen, auch noch so über-
mäfsigen Inhalt von oben oder unten auszufördern. Auch
hier ist jene vorgebliche Causal-Cur am unrechten Orte.
Selbst die in chronischen Krankheiten nicht selten auf-
schwulkende^ ätzende Magensäure wird, mit groCser Be-
schwerde und dennoch vergeblich, heute mit einem Brech-
mittel gewaltsam ausgeleert und morgen, oder docb die
nächsten Tage durch gleich ätzende Magensäure, und dann
gewöhnlich noch in grölseror Menge, ersetzt, während sie
von selbst weicht, wenn ihr dynamischer Ursprung durch
eine sehr kleine Gabe hochverdünnter Schwefel-Säure, oder,
besser, eines, auch den übrigen Symptomen in Aehnlichkeit
angemessenen, antipsorischen Mittels in feinster Gabe heil-
kräftig aufgehoben wird. Und so giebt es mehre angeb-
liche Causal-Curen der alten Schule, deren Lieblings -Be-
streben ist, das materielle Produkt der dynamischen Ver-
stimmung mit beschwerlichen Vorkehrungen mühsam und
mit Nachtheil hinwegzuräumen, ohne die dynamische Quelle
des Uebels zu erkennen und sie homöopathisch sammt ihren
Ausflüssen zu vernichten , und so verständig zu heilen.
1) Umstände, welche blob auf Psora-Siechthum be-
ruhen und durch (dynamische) milde, antipsorische Mittel
kicht gebeilt werden, ohne Brechen oder Laxiren.
9
sen *), and vonüglich alle Arten der Blat-Entsie-
hangen ') als ihres Haupt -Indikats bei Entstindnn-
1) Ungeachtet fast atleii krankhaften Blatflüssen blob
eine dynamische Verstimmung der Lebenskraft (des Befin-
dens) zum Grande liegt, halt dennoch die alte Schule
eine Blut-Uebermenge Tiir ihre Ursache und kann steh
nicht enthalten, Aderlasse yorzunehmen, um den yermeinten
Ueberflufs dieses Lebenssaftes fortzuschaffen; den ganz ge*
wohnlich Übeln Erfolg aber, das Sinken der Kräfte und
die Hinneigung oder gar dan Uebergang zum Typhösen
sucht sie auf die Bösartigkeit der Krankheit zu schieben,
mit der sie dann oft nicht fertig werden kann -*-
genug sie glaubt, wenn, auch nun der Kranke nicht auf-
kommt, eine Cur nach ihrem Wahbpruche, causam talle^
yolifuhrt zu haben, es erfolge nun, was da wolle.
2) Ungeachtet es vielleicht nie einen Tropfen Blut zu
▼iel im lebenden menschlichen Körper gegeben hat, so hält
dennoch die alte Schule eine angebliche Biut-Uebermenge
für die materielle Hanptursache der Entzfindnngen, die sie
durch Ader-Oeffnungen (blutige Schröpfköpfe) und Blut-
egel zu entfernen und auszuleeren habe. Dieis hält sie fiir
ein rationelles Verfahren, für Causal-Cur.- In allgemeinen
Entzündungs- Fiebern, im hitzigen Seitenstiche sieht sie so-
gar die coagulable Lymphe im Blute, die sogenannte Speck-
haut lur die materia peccans an, welche sie durch wieder-
holte AJer-Oeffnungen möglichst fortzuschaffen strebt, un-
geachtet diese nicht selten bei erneuertem Blutlassen noch
zäher und dicker zum Vorschein kommt. So yergieüst sie
Blut, wenn das Entzündungs-Fieber sich nicht legen will,
oft bis zum nahen Tode, um diese Speckhaut oder die ver-
meintliche Plethora wegzubringen, ohne zu ahnen, dafs das
entzündete Blut nur Produkt ^tA akuten Fiebers, nur des
krankhaften, immateriellen (dynamischen) Entzündungs-
Reizes und letzterer die einzige Ursache dieses grofsen
Sturmes in dem Ader- System sey, durch die kleinste Gabe
10
gen. Auf diese Weise glaubt sie ächte Caosal-Ia*
dicationen zu befolgen and rationell sn knriren. Fer-
einer homogenen (homdopsthiflcbeo) Annei aofkaheben (2.B.
durch eiQ feines Streukügelchen zur Gabe, mit dedlUon-
fach ▼erdonotem Akonit- Safte befeuchtet, unter Termei-
düng vegetabilischer Sauren, so da£s das heftigste Sei«
tenstich- Fieber mit allen seinen drohenden ZufiUen,
ohne Blut-Verminderung und ohne die mindesten
Kühlmittel schon in wenigen, höchstens in 24 Stun-
den in Gesundheit übergegangen und geheilt ist (eine
Probe seines Blutes dann aus der Ader gelassen zeigt nun
keine Spur von Speckhaut mehr), während ein sehr ähn-
licher Kranker, nach jener Rationalität der alten Schule be-
handelt, nach mehrmaligem Blutlassen, wenn er ja noch
mühsam, nach unsäglichen Leiden, dem Tode entrinnt,
dann oft noch viele Monate durchzusiechen hat, ehe er, ab-
gezehrt, wieder auf die Beine kommt, wenn ihn nicht in-
deb (die öftere Folge einer solchen Milshandlung ) ein ty-
phöses Fieber, oder Leukophlegmasie hinrafft.
Wer den ruhigen Puls des Mannes eine Stunde vor
Antritt des dem hitzigen Seitenstiche stets vorangehenden
Frostschauders gefühlt hat, kann sich unmöglich des Er-
staunens erwehren, wenn man ihn zwei Stunden drauf,
nach Ausbruch der Hitze, bereden will, die vorhandene un-
geheure Plethora mache ein vielmaliges Aderlassen dringend
notfa wendig, und fragt sich, welches Wunder die vielen
Pfunde Blut, die nun weggelassen werden sollen, binnen
dieser zwei Stunden in die Adern des Mannes gezaubert
haben möchte, die er vor diesen zwei Stunden in so ruhi-
gem Gange geftiblt habe? Nicht ein Quentchen Blut kann
mehr in seinen Adern nun rollen, als er in gesunden Zei-
ten, und so auch vor zwei Stunden hatte!
Der Allopathiker entzieht also mit seinen Aderlässen
den am hitzigen Fieber Erkrankten keine lästige Blut-Ue-
bermenge, weil dergleichen gar nicht vorhanden seyn konnte,
11
ner glaobl anch die ahe, bisherige Arzneischnle durch
AbbinduDg von Polypen, Aasschneidong, oder, dorch
erhitoende Local- Mittel erkünstelte Yereiternng der
kalten Drüsen -Geschwülste, durch Ansschälnng der
sondern beraubt ihn der zum Leben und Gesnndwerden un*
entbehrlichen, normalen Blutmenge — ein grofser Verlust,
den Arztes -Macht nicht wieder zu ersetzen vermag! — und
steht dennoch in dem Wahne, eine Cur nach seinem (mifs*
verstandenen) Wahlspruche: Causam tolle, vollführt zu
haben, während doch hier die causa morbi am wenigsten
eine, nicht e»stirende, Blut-Uebermenge seyn konnte, son-
dern die einzige, wahre Causa morbi ein krankhafter, dyna-
mischer £n1zündungs-Reiz des Blut- Umlaufs virar, wie die
schnelle und dauerhafte Heilung des gedachten, allgemeinen
£ntzündungs- Fiebers durch eine oder zwei, unglaublich
feine und kleine Gaben des diesen Reiz homöopathisch auf-
hebenden Akonit- Softes beweist und in jedem solchen
Falle beweist.
So schiefst auch die alte Schule bei Behandlung der
Lokal -Entzündungen fehl mit ihrem örtlichen Blutlassen,
vorzüglich durch die jetzt mit Broussaisischer Wuth ange-
setzte Menge Blutegel. Die anfänglich davon erfolgende,
palliative Erleichterung wird durch schnellen und vollkom-
menen Heil -Erfolg keineswegs gekrönt, sondern die stets
zurückbleibende Schwäche und Kränklichkeit des so behan-
delten Theiles (aucb oft des übrigen Körpers) zeigt ge-
nugsam, wie lalschlich man die ördicbe Entzündung in
einer örtlichen Plethora suchte und ynt, traurig die Folgen
solcher Blutentziebungen sind, — während dieser blofs dy-
namische, örtlich scheinende Entzündungs-Reiz durch eine
gleich kleine Gabe Akonit, oder, nach den Umständen,
von Belladonna schnell und dauerhaft getilgt und das
ganze CJebel, ohne solch unmotivirtes Blut-Yergiefsen, ge-
hoben und geheilt werden kann.
12
Balg- (Speck- Honig-) Geschwülste, durch Ope-
rationen der Pulsader- Geschwülste, der Thränen-
nnd Mastdarm -Fisteln, durch Entfernung der skir-
rhSsen Brost mittels des Schnitts, der Amputation
eines knochenfiräfsigen Gliedes, n. s« w«, den Kran-
ken Rundlich geheilt nud Cansal- Goren verrichtet
zu haben, ond glaobt es aoch, wenn sie ihre JUepel-
lerUia in Anwendong bringt: die alten, jaochenden
Schenkel-Geschwüre (allenfalls bei gleichseitigen, das
Grond-Siechthom nicht mindernden, blofs schwächen-
den, Abfiihrongs- Mitteln) dorch adstringende Um-
schlage, dorch Blei-, Kopfer- ond Zink -Oxyde ao^-
trocknet, den Schanker wegbeist, die Feigwarzen
ortlich zerstört« die Krätze mit Salben von Schwe-
fel, Blei-, Qoecksilber- oder Zink- Oxyden von der
Haot vertreibt, die Aogen-Entztindongen mit Aoflo-
songen von Blei oder Zink unterdrückt und dorch
Opodeldok, flüchtige Salbe, oder Räocherongen mit
Zinnober oder Bernstein die ziehenden Schmerzen
ans den Gliedmaßen verjagt; sie glaobt da über-
all das Uebel gehoben, die Krankheit besiegt und
rationelle Causal-Curen ausgeführt zo haben; aber
der Erfolg! die darauf, bald oder spät, doch un-
ausbleiblich erscheinenden Metaschematismen, die sie
dadurch veranlafst (doch dann für netie Krankheiten
ausgiebt), welche allemal schlimmer, als das
erstere Uebel sind, widerlegen sie zur Gnüge und
könnten und sollten ihr die Augen öffnen über die tiefer
liegende, immaterielle Natur des Uebels und seinen dy-
namischen, blofs dynamfsch zn hebenden Ursprung.
13
UebcrhaDpt setzte die gewöhnliche Schtile bis
in die neuem (möchte ich doch nicht sagen dürfen,
neuesten !) Zeiten bei Krankheiten am liebsten, wenn
auch noch so fein gedachte» Krankheits-Stoffe (nnd
Schärfen) vorans, welche dnrch Aasdfinstnng nnd
Schweifs, dnrch die Harn -Werkzeuge, oder aach
dnrch die Speichel -Drüsen ans den Bkit* nnd Lymph-
Gefafsen, dnrdi die Loftröhr- nnd Bronchial-Drüsen
als Bmst-Answnrf, ans dem Magen nnd dem Darm-
kanale dnrch Erbrechnngen nnd Abfähmngen fort-
geschafft werden müfsten, damit der Körper von der
materiellen, Krankheit erregenden Ursache gerei-
nigt nnd so eine gründliche Causal - Cur (nach
dem Grundsätze: tolle causam!) vollführt werden
könne.
Ich gebe zn, dafs es der menschlichen Schwäche
bequemer war, bei den zn heilenden Krankheiten ei-
nen sinnlich denkbaren Krankheitsstoff anzunehmen
(znmal da anch die Patienten selbst sich leicht einer
solchen Vorstellung hingaben), weil man dann aaf
nichts weiter Bedacht zu nehmen hatte, als wo man
genug , Blut nnd Säfte reinigende , Harn nnd
Schweifs treibende, Brust -Auswui;f befördernde und
Magen und Darm ausscheuernde Mittel hernähme.
Daher steht vom Dioscorides an, in allen maieriis
medids bis auf die neuem Bücher dieser Art, fast
nichts von den einzelnen Arzneien angemerkt, was
jeder ihre sonstige, spccielle, eigentliche Wirkung
sey, sondern, ausser den Angaben von ihrem ver-
meintlichen Nutzen gegen diesen oder jenen Krank-
14
■
beits- Namen der Pathologie, blols: ob sie Harn,
Schweifs, Brost -Answnrf oder Monat -Reinigung be-
fördere, nnd vorstiglich, ob sie Ansleernng aas dem
Speise- lind Dann -Kanäle von oben oder nnten be-
wirke, weil alles Dichten nnd Trachten der prakti-
schen Aerzte von jeher vorzüglich anf Ansleernng
eines materiellen Krankheits- Stoffs nnd mehrer, den
Krankheiteq zom Grande liegen sollender, (fingir-
ter) Schärfen gerichtet war.
Diefs waren aber alles eitel Traame, nngegrfin-
dete Yoranssetznngen nnd Hypothesen, klüglich ei^
sonnen zur Bequemlichkeit der Therapie, welche
am leichtesten mit der Heilang durch Hinwegschaf-
fang materieller Krankheits-Stoffe (si modo essenti)
fertig zu werden hoffte.
Nan kann sich aber das Wesen der Krankhei-
ten nnd ihre Heilang nicht nach nnsem Träamen
oder nach nnsrer Bequemlichkeit richten; die Krank-
heiten können nnsrer Thorheit zn gefallen nicht auf-
hören, (geistige) dynamische Verstimmungen
unseres geistartigen Lebens in Gefühlen
und Thätigkeiten, das ist, immaterielle Ver-
stimmungen unsers Befindens zu seyn.
Materiell können die Ursachen nnsrer Krank-
heiten nicht seyn, da die mindeste fremdartige ma-
terielle Substanz ^), sie scheine uns auch noch &o
1) Das Leben stand auf dem Spiele, als etwas reines
Wasser in eine Vene eingespritzt ward (m. s. Mallen bei
Bircb in history of the royal society. YoL lY*).
15
mild/ in nnsre Blatgcfafse gebracht, plutzlich, wife
ein Gift, von der Lebenskraft ansgestoCsen wird,
oder, wo diefs nicht angeht, der Tod erfolgt. Selbst
wenn der mindeste Splitter in nnsre empfindlichen
Tbeile geräth, so mht das in nnserm Körper allge*
genwärtige Lebensprincip nicht eher, bis er durch
Schmerz y Fieber, Eiterung oder Brand wieder her»
ansgeschafft worden ist. Und diefs nnermüdlich thär
tige Lebensprincip sollte, z. B« bei einer zwanzig
Jahr alten Ausschlags -Krankheit zwanzig Jahre lang
einen fremdartigen, so feindseligen, materiellen
Aasschlags -Stoff, eine Flechten-, eine Skrophel-,
eine Gicht -Schärfe, n. s. w. in den Säften gutmü-
thig dulden? Weicher Nosologe sah je mit leibli-
chen Augen einen solchen Krankhcits- Stoff, dafs
er so zuversichtlich davon sprechen und ein medi-
cinisches Verfahren darauf bauen will? Wer hat je
einen Gicht- Stofl^ ein Skrofel -Gift den Augen dar-
legen können?
Auch wenn die Anbringung einer materiellen
Sobstanz an die Haut oder in eine Wunde Krank-
heiten durch Ansteckung fortgepflanzt hat, wer kann
(wie so oft in unsern Pathogenien behauptet wor-
den) beweisen, dafs von dieser Substanz etwas Ma-
in die Adern gespritzte atmosphärische Luft todtete
(m. 8. J. H. Voigt, Magazin för den neuesten Zustand der
Naturkunde, I. lu. S, 26.)'
Auch die mildesten in die Venen gebrachten Flüssig-
keiten erregten Lebensgefahr (m» s. Antenrieth, Physiolo-
gie, II. §. 784.).
16
terielles in unsere Säfte ein^drnngen oder eingc-
saagl worden sey *)? Kein, aach noch so sorgfal-
tiges, alsbaldiges AWascfaen der Zengongstfaeile
schützt vor der Ansteckung mit der venerischen
Schanker- Krankheit. Schon ein Lüftchen, was von
einem Menschenpocken -Kranken herüberweht, kann
in dem gesunden Kinde diese fiirchterliche Krank-
heit hervorbringen«
Wie viel materieller Stoff an Gewichte mag
wohl auf diese Weise in die Säfte eingesaugt wor-
den seyn, um im erstem Falle ein nngeheilt, erst
mit dem entferntesten Lebensende, erst mit dem
Tode erlöschendes, peinliches Siechthum (Lostseu-
che), im letztem Falle aber eine mit fast allgemei-
ner Yereiterang ^) oft schnell tödtende Krankheit
1- (Men-
1) Dem von einem tollen Hunde gebissenen, achtjäh-
rigen Mädchen in Glasgow schnitt der Wundarzt die
Stelle sogleich rein ans, und dennoch bekam sie nach
36 Tagen die Wasserscheu, woran sie nach zwei Tagen
starb. (Med. Comment of Edinb. Dec. IL ToL II. 1793.)
2) Um die Entstehung der oft groüsen Menge faulich-
ten Unraths und stinkender Geschwür- Jauche in Krankhei-
ten zu erklären und ihn für Krankheit erzeugenden und
unterhaltenden Stoff ausgeben zu können, da doch bei der
Ansteckung nichts Merkbares von Miasm, nichts Materielles
in den Körper eingedrungen seyn konnte, nahm man zu
der Hypothese seine Zuflucht, dafs der auch noch so feine
Ansteckungs- Stoff im Körper als Ferment wirke, die Säfte
in gleiche Verderbnils bringe und sie auf diese Art selbst
in ein solches Elrankheits« Ferment umwandle, was immer-
dar während der Krankheit wuchere und die Krankheit un-
17
(Menschen-Pocken) hervorznbringen ? Ist hier nnd in
allen diesen Fällen wohl an einen materiellen, in das
Blnt übergegangenen Krankheits- Stoff za denken?
Ein im Krankenzimmer geschriebener Brief ans w^-
ter Entfernung theilte schon oft dem Lesenden dieselbe
miasmatische Krankheit mit. Ist vrohl hier an einen
materiellen, in die Säfte eingedmngenen Krankheits-
Stoff za denken? Doch, wozu alle diese Beweise?
Wie oft hat nicht schon ein kränkendes Wort ein
gefahrliches Gallenfieber, eine abergläabige Todes-
Prophezeihnng ein Absterben zur angekündigten Zeit,
und eine jählinge, traurige oder höchst freudige
Nachricht den plötzlichen Tod zuwege gebracht?
Wo ist hier der materieUe Krankheits -Stoff, der in
terhalte. Durch welche allmäcbtigen und allweisen Reioi-
gungs -Tränke wolltet Ibr aber dann wohl dieses sich im-
mer wieder erzeugende Ferment, diese Masse angeblichen
Krankheits -Stofüs so rein aus den menschlichen Säften aus-
sondern und aussäubern lassen, dals nicht noch ein Stäub-
eben eines solchen Krankheits-Ferments drin bliebe, was
die Säfte immer wieder, wie zuerst, zum neuen Krank-
heits -Stoffe, nach dieser Hypothese, umbilden und verder-
ben mülste? Dann würde es ja unmöglich, diese Krank-
heiten auf Eure Art zu heilen! — Man sieht, wie alle,
auch noch so fein ausgesprochenen Hypothesen auf die
handgreiflichsten Inconsequenzen fiibren, wenn Unwahrheit
zum Grunde liegt! — Die weit gediehenste Lusts^uche
beilt, wenn die oft damit komplicirte Psora beseitigt ist,
von einer oder zwei ganz kleinen Gaben quintillionfach ver-
dünnter Auflösung des Quecksilber- Oxyduls, und die allge-
meme syphilitische Säfte -Verderbnifs ist auf immer (dyna-
misch) vernichtet und verschwunden.
B
18
den Korper leibhaftig übergegangen seyn, die Krank-
heit erzeugt ond unterhalten haben and ohne dessen
arzneiiiche, materielle Hinwegschaffnng nnd Aasffih*
rang keine gründliche Cor möglich seyn sollte?
Die Verfechter so grohsinnlich angenommener
Krankheits- Stoffe mögen sich schämen, die geistige
Natur unseres Lebens und die geistig dynamische
Kraft Krankheit erregender Ursachen so nnüberlegt
fibersehen und verkannt su haben.
Sind denn die übelartigen, oft sehr ekelhaften
Auswürfe in Krankheiten gerade der sie erzeugende
und unterhaltende Stoff'), und nicht dagegen je-
derzeit Auswürfe nnd Pröducte der Krank-
heit, des blofs dynamisch gestörten nnd
verstimmten Lebens?
Bei solchen falschen, materiellen Ansichten von
der Entstehung und dem Wesen der Krankheiten
war es fi'eilich nicht zu verwundem, dafs in allen
Jahrhunderten von den geringen, wie von den vor-
nehmen Praktikern, ja selbst von den Erdichtern
der sublimsten, medicinischeu Systeme immer haupt-
sächlich nur auf Ausscheidung und Abführung einer
eingebildeten, krankmachenden Materie hingearbeitet
und die häufigste Indication gestellet ward auf Zer-
theilung und Beweglich -Machnng des Krankheits-
Stofis und seine Ausftihrung durch Speichel, Lnft-
1) Dann mübte jeder Scbnapfen, auch der langwie-
rigste, blob durch sorgfaltiges Schneuzen und Säubern der
Nase unfehlbar und schnell geheilt werden können..
19
röhr -Drüsen, Schweifs and Harn, auf eine durch
die Verständigkeit der Wurzel- nnd Holztränke tren-
gehorsam zn bewirkende Reinigung des Blates von
(Schärfen nnd Unreinigkciten ) Krankheits- Stoffen,
die es nie gab, aof mechanische Abzapfang der
erdichteten Krankheits- Materie durch Haarseile, Fon-
tanelle, durch von immerwährendem Canthariden-
Pflaster oder Seidelbast-Rinde offen und triefend
erhaltene Haut-Stellen, vorzüglich aber auf Abfub-
rnug und Auspurgirung der materia peccans^ oder der
schadhaften Stoffe, wie sie sie nannten, durch den
Dannkanal mittels laxirender und purgirender Arz-
neien, die sie gern, um ihnen eine tiefsinnigere Be-
deutung nnd ein schmeichelhafteres Ansehn zu ge-
ben (die Infarkten?), auflösende und gelind
eröffnende benannten — lauter Veranstaltungen
sor Fortschaffung feindseliger Krankheits -Stoffe, die
es nie geben konnte und nie gegeben hat bei Erzeu-
gung und Unterhaltung der Krankheiten des durch
ein geistiges Princip lebenden, menschlichen Orga-
nums — der Krankheiten, welche nie etwas Anderes
waren^ als geistig dynamische Verstimmungen seines .
an Gefühl und Thätigkeit geänderten Lebens.
Vorausge.setzt nun, wie nicht zu zweifeln ist,
dafs keine der Krankheiten — wenn sie nicht von
verschluckten, gänzlich unverdaulichen oder sonst
sehr schädlichen, in die ersten Wege oder in an-
dre Oeffnunjgen und Höhlungen des Korpers gera-
thenen Substanzen, von durch die Haut gedrunge-
nen, fremden Körpern, u. s* w. herrühren — irgend
B2
20
einen materiellen Stoff znm Grande bat, sondern
daCs jede blols und stets eine besondre virtuelle, dy-
namische Verstimmung des Befindens ist, wie zweck-
widrig mnfs da nicht ein auf Ausführung ^) jener
1) Einen Aoschein von Nothwendigkeit bat die Aus-
purgirung der Würmer bei sogenannten Wurmkrankbei-
ten. Aber auch dieser Anschein ist falsch. Einige wenige
Spulwürmer findet man vielleicht bei mehren Kindern, bei
nicht wenigen auch einige Madenwarmer. Aber wenig-
stens eine Uebermenge von einer oder der andern Art
rührt stets von einem allgemeinen Siechthume (dem psori-
schen) her, gepaart mit ungesunder Lebensart. Man bes-
sere letztere und heile das psorische Siechthum homöopa-
thisch, was in diesem Alter am leichtesten Hülfe annimmt,
so bleiben wenig oder keine dieser Würmer übrig, wenig- '
stens werden die Kinder , wenn sie auf diefe Art gesund ;
geworden sind, nicht mehr davon belästigt, während sie
sich nach bloDsen Purganzen, selbst mit Cinasamen verbun-
den, doch bald wieder in Menge erzeugen. \
„Aber der Bandwurm,*^ höre ich sprechen, „dieses
„zur Qual der Menschen geschaffene Ungeheuer, muDs doch
„wohl mit aller Macht ausgetrieben werden.*^
Ja, er wird zuweilen abgetrieben, aber mit welchen
Nachwehen und mit welcher Lebensgefahr! Ich mag den
Tod so vieler Hunderte von Menschen nicht auf meinem
Gewissen haben, die durch die angreifendsten, schrecklich-
sten Purganzen, gegen den Bandwurm gerichtet, ihr Le-
ben haben einbüCsen müssen , oder das Jahre lange Siech-
thum derer, welche dem Purgir-Tode noch entrannen.
Und wie oft wird er durch alle diese, oft mehrjährigen,
Gesundheit und Leben zerstörenden Purgir-Curen doch
nicht abgetrieben; oder er erzeugt sich wieder!
Wie nun, wenn diese gewaltsame, nicht selten grm-
A^.
21
»
erdichteten Stoffe gericlitetes Cur -Verfahren in den
ÄDgen jedes verständigen Mannes erscheinen > da
same und oft lebensgefährliche Forttreibung und Tödtung
dieser Thiere gar nicbt nöthig wäre?
Die verschiedenen Gattungen Bandwürmer finden sich
blofs beim Psora-Siecbtbnme, und verschwinden jederzeit^,
wenn dieses geheilt wird. Ehe diese Heilung aber voll-
führet wird, leben sie, bei erträglichem Wohlbefinden des
Menschen, nicht unmittelbar in den Gedärmen, sondern in
den Ueberbleibseln der Speisen, dem Unrathe der Gedärme,
wie in ihrer eigenen Welt, ganz ruhig und ohne uns im
mindesten zu belästigien und finden in dem Barm -Unrathe,
was sie zu ihrer Nahrung bedürfen; da berühren sie c|if
Wände unserer Gedärme nicht und sind uns unschädlich.
Wird aber der Mensch auf irgend eine Art acut krank,
dann wird der Inhalt der Gedärme dem Thiere unleidlich,
es windet sich dann und berührt und beleidigt in seinem
Uebelbehagen die empfindlichen Wände der Gedärme, da
dann die Beschwerden des kranken Menschen nicht wenig
durch diese besondre Art von krampfhafter Kolik vermehrt
werden. (So wird auch die Frucht im Mutterleibe unru-
hig, windet sich und stöfst, doch nur wenn die Mutter
krank ist, schwimmt aber ruhig in seinem Wasser, ohne
der Mutter weh zu thun, wenn diese gesund i^t.)
£s ist bemerkenswerth , dafs die Krankheits- Zeichen
des sich zu dieser Zeit übel befindenden Menschen gröfs-
tentheils von der Art sind, dafs sie an der Tinktur der
männlichen Farrnkraut- Wurzel, und zwar in der kleinsten
Gabe, ihr (homöopathisches) schnelles Beschwichtigungs-
Mittel finden, indem, was da in dem Uebelbefinden des
Menschen von dem unruhig gewordenen Thiere herrührt,
dadurch vor der Hand gehoben wird; der Bandwurm befin-
det sich dann wieder wohl und lebt ruhig fort im Dann-
Unrathe, ohne den Kranken oder seine Gedärme sonderlich
22
f
mthlB in den Uaaptkrankheiten des Menschen, den
chronbchen, damit gewonnen werden kann, scmdeni
allemal gesdiadet wird.
Die in Krankheiten sichtbar werdenden, entar-
teten Stoffe und Unreinigkeiten sind, mit einem
Worte, wie nicht %n ieagnen ist, nichts Anderes,
als Erzengnisse der Krankheit des in innormale Ver-
stimmung gesetzten Organisms selbst, welche von
diesem selbst oft heftig genag — oft allza heftig —
fortgeschafft werden, ohne der Hülfe der Anslee-
mngs- Kunst zu bedürfen, deren er auch immer wie-
der neue erzeugt, so lange er an dieser Krankheit
leidet. Diese Stoffe bieten sich dem ächten Arzte
oft selbst als Ktankheits - Symptome dar und helfen
ihm, die Beschaffenheit und das Bild der Krankheit
erkennen, um sie mit einer ähnlichen, arzneilichen
Krankheits- Potenz heilen zu können.
Doch die neuen und bessern Anhänger der al-
ten Schule wollen nicht mehr dafür angesehen sejrn,
als ob sie bei ihren Curen auf Abführung von ma-
teriellen Krankheits -Stoffen ausgingen. Sie erklären
ihre vielen und mancherlei Ausleerungen für eine
durch Ableitung helfende Cur -Methode, worin
ZU belästigen, bis die antipsorische Cor so weit gediehen
ist, dais der Wurm, nach ausgetilgter Psora, den Darm-
Inhalt nicht mehr zu seiner Nahrung geeignet findet nnd
er so von selbst aus dem Genesenen auf immer verschwin-
det, ohne die mindeste Purganz.
23
Ihnen die Natnr des kranken Organisms in ihren Be-
strebungen, sich %n helfen, mit ihrem Beispiele voran-
gehe, Fieber durch Schweifs and Urin entscheide, Sei-
tenstiche dnrch Nasenblaten, Schweifs und Schleim-
Aaswnrf — andre Krankheiten durch Erbrechen^
Durchfalle und After -Blutflufs, Gelenk -Schmerzen
darch jauchende Schenkel- Geschwüre, Hals -Entzün-
dung durch Speichelflufs, u« s. w. oder durch Meta-
stasen und Abscesse, die die Natur in, vom Sitze
des Uebels entfernten Theilen veranstalte. —
Sie glaubten daher am besten zu thnn, wenn
sie dieselbe nachahmten, indem auch sie in der
Cur der meisten Krankheiten auf Umwegen zu
Werke gingen und daher indirect ^), wie die kranke,
sich selbst überlassene Lebenskraft, durch Anbrin-
gung stärkerer, heterogener Reize in dem vom Krank-
faeits- Sitze entfernten, und den kranken Gebilden
am wenigsten verwandten (dissimilaren) Organen
Ausleerungen veranstalteten, gewöhnlich auch unter-
hielten, um das Uebel gleichsam dahin abzuleiten.
Diese sogenannte Ableitung war und
blieb eine der Haupt-Curmethoden der bis-
herigen Arzneischule.
Sie suchten bei dieser Nachahmung der sich
selbst helfenden Natur, wie sieb Andre ausdrücken.
1) Statt mit direct gegen die kranken Punkte im Or-
ganisftn selbst gerichteten, homogenen, dynamischen Arznei-
Potenzen, wie die Homöopathie thut, das Uebel schdell^
und ohne Umschweif auszulöschen.
24
in den Gebilden, welche am wenigsten krank sind
und am besten die Arznei -Krankheit vertragen kön-
nen, gewaltsam n^ie Symptome rege zu machet,
welche unter dem Scheine von Crisen und unter der
Form von Abscheldnngen die erste Krankheit über-
täuben und ableiten, um so den Heilkräften der Na-
tur eine allmälige Lysis zu erlauben ^).
Diefs führten sie ans durch Schweifs und Harn
treibende Mittel, durch Blut-Entziehungen, durch Haar-
seile und Fontanelle, am meisten jedoch durch Aus-
leerungs«» Reizungen des Speise- und Darm -Kanals,
theils von oben darcb Brechmittel, tbeils aber, und
^m liebsten, durch Abfuhrungen von nnten, die man
auch eröfinende und auflösende ') Mittel nannte.
1 ) Nur die mäfsigen acuten Krankheiten pflegen, wenn
ihre natürliche Verlaufs -Zeit zu Ende geht, ohne und bei
Anwendung nicht allzu angreifender, allopathischer Arz-
neien, sich, wie man sagt, zu indifferenziren und sich ru-
hig zu beendigen; die sich ermannende Lebenskraft setzt
nun an die Stelle der ausgetobten Befindens -YeränderuD-
gen allmälig ihre Norm wieder ein. Aber in den hoch
acuten und in dem bei weitem grölsten Theiie aUer|menscfa-
lichen Krankheiten, den chronischen, muCs dieis die rohe
Natur und die alte Schule bleiben lassen; da kann weder
die Lebenskraft durch ihre Selbsthülfe, noch die sie nach-
ahmende Allopathie eine Lysis herbeUiihren — höchstens
einigen Waffen -Stillstand, während dessen der Feind sich
verstärkt, um desto stärker auszubrechen bald oder spät
2) Ein Namen, welcher verräth,. dais man dennoch
eme aufzulösende und fortzuschaffende Krankheits- Materie
voraussetze.
35
. Dieser Ableitnogs- Methode u» Beihülfe wor-
den 4ie mit ihr yer$cfawisterten, antagonistischen
Reizmittel in Anwendung gesetzt: SchaafwoUe
xa£ blofser Haut, Fbfsbäder» EkeKGnr, dnrch.Him'
ger gepeinigter Magen nnd Darm (Hnngef-Car),
Schmerz, Entzündung und Eitemtig in nahen und
entfernten Theilen bewirkende Mittel, wie aufgelegt
ter Märrettig, Senf- Teig, Kanthariden- Pflaster, Sei-
delbast, Haarseile (Fontanelle), Antenriethscbe Salbe^
Moxa, glühendes Eisen, Akapanktor, n. s. w., eben-
falls nach dem Vorgänge der in Krankheiten sich
znr Hülfe selbst überlassenen, rohen Natnr, welche
sich dnrch Schmerz -Erregung an entfernten Körper-
theilen, durch Metastasen nnd Abscesse, durch er^
regte Ausschläge nnd jauchende Geschwüre von der
dynamischen Krankheit (und ist diese eine chroni-
sche, vergeblich) losznwinden sucht.
Offenbar also nicht verständige Gründe, son*
dem einzig Na cLa hm nng verleitete die alte Schule
zu diesen unhülfrcichen, indirecten Curmethoden, der
ableitenden sowohl, als der antagonistischen — be-
wogen sie zu dieser so wenig dienlichen, so schwä-
chenden, und so angreifenden Yerfahrungsart, Krank-
heiten zu mindern oder zu beseitigen; denn Heilung
kann man so etwas nicht nennen.
Sie folgte blofs dem Vorgänge der rohen Natnr
in ihren, blofs in mäfsigen, acuten Krankheits- An-
fällen nothdürftig ^) durchkommenden Bestrebungen
1 ) Man sah lo der gewöhnlichen Medidn die Selbst-
26
-^ sie machte es blofs der sich in Krankheiten selbst
tiberlassenen Lebens -Erhaltangs- Kraft nach, welche.
hälfe der Natur des Organisnis bei Krankheiten, wo keine
ArsDei angewendet ward, als nachakmnngfwürdige Master-
Curen an. Aber man irrte sich sehr« Die jj^mer-
volle, höchst unvollkommne Anstrengung der Lebenskraft
zur Selbsthülfe 'in acuten Krankheiten ist ein Schauspiel,
was die Menschheit zum thatigen Mitleid und zur Aufbie-
tung aller Kräfte unsers verständigen Gebtes auffordert,
um dieser Selbstqual durch achte Heilung ein Ende zu ma^
eben. Kann die Natur eine im Organism schon bestehende
Krankheit nicht durch Anbringung einer neuen, andern^
ähnlichen Krankheit (§. 38. 39. 41.), dergleichen ihr
aufserst selten zu Gebote steht (§. 45.), homöopathisch hei-
len, und bleibt es dem Organism allein überlassen, aus eig-
nen Kräften, ohne Hülfe von aussen, eine neu entstandene
Krankheit zu überwinden (bei chronischen Miasmen ist oh-
nehin sein Widerstand unmächtig), so sehen wir nichts
als qualvolle, oft gefährliche Anstrengungen der Natur 'des
Individuums, sich zu retten, es koste, was es wolle, nicht
selten mit Auflösung des irdischen Daseyns, mit dem Tode,
geendigt.
Sq wenig wir Sterbliche den Vorgang im Haushalte
des gesunden Lebens einsehen, so gewils er uns, den Ge-
schöpfen, eben so verborgen bleiben muis, als er dem Auge
des allsehenden Schöpfers und Erhalters seiner Geschöpfe
offen da liegt, so wenig können wir auch den Vorgang im
Innern beim gestörten Leben, bei Krankheiten, einsehen.
Der innere Vorgang in Krankheiten wird nur durch die
wahrnehmbaren Veränderungen, Beschwerden und Sym-
ptome kund, wodurch unser Leben die innern Störungen
einzig laut werden lälst, so daOs wir in jedem vorliegenden
Falle nicht einmal erfahren, welche von den Krankheits-
Symptomen Primärwirkung der krankhaften Schädlichkeit,
27
eiimg anf dcQ organischen GeseUen des
bernhend, einzig nor nach diesen orgadschen Ge-
oder welche Reaetion der Lebenskraft sar.Selbstbulfe seyeo.
Beide fileCsen vor unsem Augen in einander und stellen
DDs blofs ein nach aufsea reflectirtes Bild des ionern Ge-
sammtleidens dar, indem die unhülfreichen Bestrebungen
des sich selbst überlassenen Lebens, das Leiden zu enden,
selbst Leiden des ganzen Organisms sind. Daher li^ auch
in den, durch die Natur zu Ende schnell entstandener
Krankheiten gewöhnlich veranstalteten Ausleerungen, die
man Crisen nennt, oft mehr Leiden, als heilsame Hülfe.
Was die Lebenskraft in diesen sogenannten Crisen und
wie sie es veranstaltet, bleibt uns, wie aller innere Vor-
gang des organischen Haushaltes des Lebens, verborgien.
So viel ist indels sicher, dafs sie in dieser ganzen Anstren-
gung Mehr oder Weniger von den leidenden Thel*
len aufopfert und vernichtet, um das Uebrige zu
retten. Diese Selbsthülfe der blo£s nach der organischen
Einrichtung unsers Körpers, nicht nach geistiger Ueberle-
gong bei Beseitigung der acuten Krankheit zu Werke ge«
henden Lebenskraft ist meist nur eine Art Allopathie; sie
erregt, um die primär leidenden Organe durch Crise zu
befrden, eine vermehrte, oft stürmische Thätigkeit in den
Absonderungs- Organen, um das Uebel jener auf diese ab-
zuleiten; es, erfolgen Erbrechungen, Durchfalle, HarnfluÜBi
Schweiise, Abscesse u. s. w., um durch diese Aufreizung
entfernter Theile eine Art Ableitung von den ursprünglich
kranken Theilen zu erzielen, da dann die dynamisch ange-
griffene Nervenkraft im materiellen Producte sich gleich-
sam zu entladen scheint
Nur durch Zerstörung und Aufopferung eines Theils
des Organisms selbst yermag die sich allein überlassene Na-
tur des Menschen sich aus acuten Krankheiten zu retten^
und, wenn der Tod nicht erfolgt, doch nur langsam und
28
setzen wket, nicbt nacb^ Verstand nnd Ueberlegnng
zn handeln {ahig ist — der roben Natur ^ welche
klaffende Wnndlefzen nicht wie ein verständiger
Wundarzt an einander zn bringen nnd durch Ver-
einigung zu heilen Vermag, welche schief von ein-
ander abstehende Knochen -ßmch-Enden, so viel
sie auch Knochen-Gallerte (oft zum Ueberflafs) ans-
schwitzen läfst, nicht gerade zn richten nnd anf ein-
ander zn passen weifs, keine verletzte Arterie unter-
binden kann, sondern den Verletzten in ihrer Ener-
gie zn Tode bluten macht, welche nicht versteht,
einen ausgefallenen Schulter -Kopf wieder einzuren-
ken, wohl aber durch bald umher zuwege gebrachte
Geschwulst die Kunst am Einrenken hindert — die,
nm einen in die Hornhaut eingestochenen Splitter zn
entfernen, das ganze Auge durch Vereiterung zer-
stört und einen eingeklemmten Leisten -Bruch mit
aller Anstrengung doch nur durch Brand der Ge-
därme nnd Tod zu lösen weifs, auch oft in dynami-
schen Krankheiten durch ihre Metaschematismen die
unyollkommen die Harmonie des Lebens, Gesundheit, wie-
der herzustellen.
Die bei Selbstgenesungen zurückbleibende, grofse
Schwäche der dem Leiden ausgesetzt gewesenen Theile, jat
des ganzen Körpers, die Magerkeit, u. s. w., geben uns
diels zu verstehen.
Mit einem Worte: der ganze Vorgang der Selbsthiilfe
des Organisms bei ihm zngestofsenen Krankheiten zeigt dem
Beobachter nichts als Leiden, nichts, was er, nm acht heil-
künstlerisch zu verfahren, nachahmen könnte und dürfte.
j
29
Kranken weil nnglflckliclier macht , als sie voiliev
waren. Noch mehr; die gröfsten Peiniger nnseiB
irdischen Daseyns, die Zunder %a den nnzähligen
Krankheiten, unter denen seit Jahrhunderten und
Jahrtausenden die gepeinigte Menschheit seufzt, die
chronischen Miasmen (Psora, Syphilis, Sjkosis),
nimmt die yerstandlose Lebenskraft im
Körper ohne Bedenken auf, vermag aher k^ns
derselben nicht einmal zu mindern, geschweige denn
eigenthätig wieder aus dem Organisn^ zu entfernen;
vielmehr läfst sie dieselben darin wuchern, bis der
Tod oft nach einer langen, traurigen Lebenszeit dem
Leidenden die Augen schliefst.
Wie konnte wohl die alte Schule, die sich die
rationelle nennt, jene verstandlose Lebenskraft in
einer so viel Verstand, Nachdenken und Urtheils-
*
kraft erfordernden, hochwichtigen Verrichtung, als
das Heil -Geschäft ist, zur einzig besten Lehrerin,
zur blinden Fahrerin wählen, ihre indirecten und
revolutionären Veranstaltungen in Krankheiten ohne
Bedenken nachahmen, sie allein, als das non plus
ultra^ das ersinnlich Beste, nachahmen, da doch^
um sie, znm Wohle der Menschheit, an Hülfslei-
stung unendlich übertreffen zu können, uns jene
gröfste Gabe Gottes, nachdenklicher Verstand und
ungebundene Ueberlegnngskraft, verliehen war'?
Wenn so, bei ihrer unbedenklichen Nachah-
mung jener rohen, verstandlosen, automatischen Le- *
bens^Energie, die bisherige Arzneikunst in ihren an- •
tagonistischen und ableitenden Cur -Methoden — ih-
30
xitk dHgewShnlichen Unternefamiingen — > die nnschol-
digen Theile iind Organe angreift nnd sie entweder
mit überwiegendem Schmeröe afficirt, oder sie, wie
meistens, %u Ansleerongen, nnter Verschwendung der
Kräfte nnd Säfte, nötbigt, will sie die krankhafte Tfaä-
tigkeit des Lebens in den ursprünglich leidenden Thei-
len ab- und auf die kttnsdicb angegri£Eenen hinlen-
ken, nnd so, indiriect, durch Hervorbringnng
einer weit gröfsern, andersartigen Krank-
heit in den. gesttndem Theilen, also durch einen
Kräfte raubenden, meist schmerzhaften Umweg das
Entweichen der natürlichen Krankheit erzwingen ^).
1) Mit weichem traurigen Erfolge dieses Manöver in
chronischen Krankheiten ausgeführt wird, zeigt die tägliche
Erfahrung. Am wenigsten erfolgt Heilung. Wer
wollte es aber auch Besieguog nennen, wenn, statt den
Feind unmittelbar beim Kopfe zu ergreifen und, Waffe ge-
gen Waffe gekehrt, ihn zu vertilgen, um so^ dem feindli-
chen Einfaille auf einmal ein Ende zu machen, man feig,
hinter seinem Rücken nur brandschatzt, ihm alle Zufuhr
abschneidet, alles weit um ihn her aufzehrt, sengt und
brennt; da wird man dem Feinde wohl endlich allen Math
benehmen, zu widerstehen, aber der Zweck ist nicht er-
reicht, der Feind keineswegs vernichtet — er ist noch da,
und wenn er sich wieder Nahrung und Yorrath verschafft
hat, hebt er sein Haupt nur noch erbitterter wieder empor
— der Feind, sage ich, ist keineswegs vernichtet, das arme,
unschuldige Land aber so ruinirt, dafs es sich in langer
Zeit kaum wieder erholen kann. So die Allopathie in chro-
nischen Krankheiten, wenn sie den Organism durch ihfe
indirecten Angriffe j|uf die unschuldigen, vom Krankheits-
31
Die Krdnkhdt entweichet freilich, wenn sie a^at
und also ihr Verlauf ohnehin nur za karzer Daner
geartet war, anch nnter diesen heterogenen AngriJF-
fen anf entfernte, dissimilare Theile — sie ward aber
nicht geheilt Es liegt nichts in dieser revolntionä-
ren Behandlang, welche keine gera'de, unmittelbare,
pathische Richtung anf die ursprünglich leidenden
Gebilde hat, was den Ehren -Namen, Heilung ver-
diente. Oft würde, ohne diese bedenklichen An-
griffe anf das übrige Leben, die akute Krankheit
für sich schon, auch wohl noch eher, verflossen
sejn, und mit weniger Nachwehen, weniger Anfopfe-
rang von Kräften. Mit einer, die Kräfte erhalten-
den, die Krankheit unmittelbar und schnell auslö-
schenden, directen, dynamischen (homöopathischen)
Behandlung halten ohnehin beide, weder die von
der rohen Natnrkraft aasgehende, noch die allopa-
thische Copie der letztern, keine Yergleichnng aus.
In der bei weitem gröfsten Zahl von Krankheits-
Fällen aber, in deix chronischen, richten diese stür-
mischen , schwächenden , indirecten Behandlangen
der alten Schale fast nie das mindeste Gate aas.
Nur auf wenige Tage hin saspendiren sie diese oder
jene lästige Krankheits-Aeusserung, welche jedoch
^edericehrt, wenn die Natar des entfernten Reizes
gewohnt ist, und schlimmer kehrt die Krankheit wie-
* • ■
^lUe entfernten Theile, ohne die Krankheit zu heilen, za
Grunde richtet Diefs sind ihr^ unwohlthätigen Künste!
32
d^r znrilck, weil durch die antagonistisclien Sdimer-
zen ^) und die onsweckmafiiigeii Ausleenuigen die
Lebenskräfte %xun Sinken gebracht worden sind.
Während so die meisten Allopathen, die HülGs-
Bestrebungen der sich selbst überlassenen, rohen
Natnr im Allgemeinen nachahmend, nach Gnt-
dünken (wo eine ihren Gedanken vorschwebende In-
dication sie dasu leitete) dergleichen angeblich nütz-
liche Ableitungen in ihrer Praxis ansführten, imter-
nahmen Andre, welche sich ein noch höheres Ziel
vorsteckten, die in Krankheiten sich eben zei-
genden Anstrengungen der Lebenskraft,
sich durch Ausleerungen und antagonisti-
sche Metastasen zu helfen, mit Fleifs zn
befördern und, um ihr gleichsam unter die Arme
zu greifen, diese Ableitungen und Ausleerungen noch
zu verstärken, und glaubten bei diesem nacbtheiligen
Ver-
1) Welchen günstigen £rfo]g hatten wohl die so oft
angewendeten, künstlich unterhaltenen, Übeln Gemch ver-
breitenden Geschwüre, die man Fontanelle nennt? Wenn
sie ja in den ersten paar Wochen, so lange sie noch yiel
Schmerz verursachen, antagonistisch ein chronisches Uebel
etwas zu hemmen scheinen, so haben sie doch nachgehends,
wenn der Körper sich an den Schmerz gewöhnt hat, klei-
nen andern Erfolg, als den Kranken zu schwächen und so
dem chronischen Siech thume weitern Spielraum zu ver-
schafFen. Oder wähnt man etwa, noch im Idten Jahrhun-
derte, hiedurch ein Zapfloch für die herauszulassende ma-'
ieria peccans oßen zu erhalten? Fast scheint es so!
33
Verfahren duce TuUwa %a. handeln nnd sich mit dem
Namen miaUtri naturae beehren zu können»
Da in langwierigen Krankheiten die von der Na-
tur des Kranken veranstalteten Ansleernngen sich nicht
selten als Erleichterongen beschwerlicher Zustände
arger Schmerzen, Lähmungen, Krämpfe, n. s, w. an-
kündigen, so hielt die alte Schnlc diese Ableitangen
für den wahren ^S^eg, die Krankheiten zu heilen,
wenn sie solche Anslcefungen beförderte, unterhielt,
oder gar vermehrte. Sie sah aber nicht ein, dafs
alle jene dorch die sich selbst überlassene Natnr ver-
anstalteten Auswürfe nnd Ansscheidangen (anschei-
nende Crisen) in chronischen Krankheiten nur pal-
liative, knrz daoemde Erleichterungen seyen, welche
so wenig zur wahren Heilung beitragen^ dafs sie viel-
mehr im Gegentheile das ursprüngliche, innere Siech-
thum mittels der dadurch erfolgenden Verschwendung
der Kräfte und Säfte nur verschlimmern. Nie sah
man durch solche Bestrebungen der rohen Natur ir-
gend einen langwierig Kranken zur dauerhaften Ge-
sundheit herstellen, nie durch solche vom Organism
bewerkstelligte ^) Ausleerungen irgend eine chronische
Krankheit heilen. Vielmehr verschlimmert sich in
solchen Fällen stets, nach kurzer, und immer kür-
zere und kürzere Zeit dauernde Erleichterung^ das
ursprüngliche Siechthum offenbar, die schlimmen An-
fälle kommen öfterer wieder nnd stärker, trotz der
1) Und ehen so wenig durch die künstlich veranstal-
telcn.
c
34
fortdaaernclen Aasleerangen. — So aach, wenn die
sich selbst ttberlassene Natnr, bei den dem Leben
von einem innern chronischen Uebel drohenden 6e-
fa^rdnngen, sich nicht anders so helfen weifs, als
durch Hervorbringang äafserer Localsymptome, um
die Gefahr vpn den cum Leben anentbehrlichen
Theilen abzolenkcn and aaf diese Air das Leben
nicht nnentbehrlichen Gebilde darch Metastase bin-
saleiten, sö führen diese Veranstaltangen der ener-
gischen, aber verstandloscn and keiner Ueberlegang
oder Fürsicht fähigen Lebenskraft, doch zu nichts
weniger, als zu wahrer Hülfe oder Heilang; sie sind
blofs palliative, kurze Beschwichtigungen für das ge-
fahrliche, innere Leiden, anter Yergeadang eines
grofsen Theils der Säfte ühd Kräfte, ohne das Ur-
Uebel aoch nur am ein Haar za verkleinern; sie
können den, ohne ächte, homöopathische Heilung
nnaasbleiblichen Untergang höchstens verzögern.
Die Allopathie der alten Schale tiberschätzte bei
weitem diese Anstrengungen der rohen Natarkraft,
hielt sie falschlich flir acht heilsam, and sachte sie
zu erhöhen und za befordern, in dem Wabne, da-
durch vielleicht das ganze CJebel vernichten nnd
gründlich heilen za können. Wenn die Lebenskraft
bei chronischen Krankheiten dieses oder jenes be-
schwerliche Symptom des innern Befindens, z. ß*
durch ein^n feuchtenden Haut- Ausschlag zn beschwich-
tigen schien, da legte der Diener der rohen Natar-
kraft {mudsier mUurae) auf die entstandene jauchende
Fläche ein Kanthariden-Pflaster oder ein Exatorinm
35
(Seidelbast), um duce natura noch mehr Feuchtig-
keit aas der Haut tu ziehen und so den Zweck der
Natur, die Heilung (durch Entfernung der Krank-
heits- Materie aus dem Körper?) zu befördern und
zu unterstützen — ; aber entweder, wenn die Ein<>
Wirkung des Mittels zu heftig, die feuchtende Flechte
schon alt und der Körper zu reizbar war, vergrö*
Iserte er, nutzlos für das Ur-Uebe), das äulsere
Leiden um Vieles, erfaöhete die Schmerzen, welche
dem Kranken den Schlaf raubten und seine Kräfte
herabsetzten (auch wohl einen fieberhaften bösarti-
gen Rothlauf {erysipelas') herbeifiihrten), oder, bei
milderer Einwirkung auf das vielleicht noch neue
Localiibel, vertrieb er damit durch eine Art übel an*
gebrachten, äufsem Homöopatbisms das von der Na*
tur zur Erleichterung des innern Leidens auf der
Haut bewerkstelligte Localsymptom von der Stelle
und erneuerte so das innere, gefahrlichere Uebel, und
verleitete durch diese Vertreibung des Localsym«
ptoms die Lebenskraft zur Bereitung eines schlimme-
ren Metaschematisms auf ^ndere, edlere Theile; der
Kranke bekam gefahrliche Augen- Entzündung, oder
Taubhörigkeit, oder Magen -Krämpfe, oder epilepti-
sche Zuckungen, oder Erstickungs- oder ScblagflaCs-
Anfälle, oder Geistes- oder Gemüths -Krankheit,
u. s. w, daßir '). r
1 ) Natürliche Folgen der Vertreihung solcher Local-
symptoine — Folgen, die oft vom allopatbiscben Arzte
für ganz andre, neu entstandene Krankheiten ausgegeben
wurden*
2
36
In demselben Wahne, die Lebenskraft in ihren
Heil - Bestrebongen onterstütoen sn wollen, legte,
wenn die kranke Natarkraft Blat in die Venen des
Mastdarms oder des Afters drängte (blinde Hämor-
rhoiden), der minister naturae Blutegel an, om dem
Blote da Ausgang sn verschaffen, ob, in Menge —
mit kurzer, oh kaum nennenswertfaer Erleichterung,
aber unter Schwächung des Körpers, und Veranlas-
sung Bu noch stärkeren Congestionen nach diesen
Theilen, ohne das Ur-Uebel auch nur im Gering-
sten SU vermindern«
Fast in allen Fällen, wo die kranke Lebenskraft
Bur Beschwichtigung eines innem, gefahrlichen Lei-
dens etwas Blut auszuleeren suchte durch Erbre-
chen, durch Husten u. s. w., beeiferte er sich, duce
natura^ diese vermeintlich heilsamen Natur -Bestre-
bungen BU befördern und lieb reichlich Blut ans
der Ader, nie ohne Nachtheil für die Folge und
mit offenbarer Schwächung des Korpers.
Bei öftem, chronischen Uebelkeiten erregte er,
in der Meinung, die Absichten der Natur bu beför-
dern, starke Ausleerung ans dem Magen und gab
tüchtig zu Brechen — nie mit gutem Erfolge , oft
mit Übeln, Buweilen fürchterlichen und gefahrlichen
Folgen.
Zuweilen erregt die Lebenskraft, um das innere
Siechthum bu erleichtern, kalte Geschwülste änfsercr
Drüsen, und er glaubt, die Absichten der Natur, als
ihr angeblicher Diener, zn befördern, wenn er sie
durch allerlei erhitzende Einreibungen und Pflaster
37
m Ehtsftndang setzt, um dann die reife Eitcrbenic
mit dem Schnitte zu öfinen und die böse Krankheits-
Materie herauszulassen* Welches langwierige Un-
heil aber dadarch, fast ohne Ansnahme, veranlasset
wird, lehrt die Erfahrong hondertfaltig.
Und da er öfters kleine Erleichterongen grofscr
Uebel in langwierigen Krankheiten dnrch von seihst
entstandenen Nacht - ScbweiCs oder durch manche
dänne Stuhl -Aasleemngen bemerkt hatte, so wähnt
er sich berufen, diesen Natur- W^inken (duce naiura)
zu folgen und sie befördern zu müssen durch Ver-
anstaltung und Unterhaltung vollständiger Schwitz-
Curcn, oder Jahre lang fortgesetzter, sogenannter
gelinder Abführungen, um jene, wie er meint, zur
Heilung des ganzen chronischen Leidens föhrende
Bestrebungen der Natur (der Lebenskraft des ver-
standlosen Organisms) zu fördern und zu vermeh-
ren und so den Kranken desto eher und gewisser
von seiner Krankheit zu befreien.
Aber er bewirkt dadurch stets nur das Gegen-
theil im Erfolge: Verschlimmerung des ursprüngli-
chen Leidens.
Dieser seiner vorgefafsten, obgleich grundlosen
Meinung zufolge setzt der Allopathiker jene Beför-
derung ^) der Triebe der kranken Lebenskraft fort
1) Mit diesem Ver&hren im Widerspruche erlaubte
sich auch die alte Schule das Gegeutbeil hievon nicht
selten, näo^lich die Bestrebungen der Lebenskraft in ,Be-
schwicbtigung des innem Siecbibunis durch Ausleerungen
und an den Aulscuthelien des Körpers veranstaltete Local-
38
und vennelurt jene nie som gedeihlichen Ziele, blols
zoni Ruine führenden Ableitangen nnd Ansleernn-
gen bei dem Kranken, ohne inne sa werden, dafs
alle die sar Beschwichtigung des ursprünglichen,
chronischen Leidens von der sich selbst ttberlassenen
Lebenskraft veranstalteten nnd unterhaltenen LocaU
übel, Ausleerungen und anscheinende Ableitungs-
Bestrebungen selbst su den Zeichen der ganzen
Krankheit gehören, gegen welche susammen eigent-
lich ein nach Aiehnlichkeits« Wirkung gewähltes, ho*
moopathisches Anneimittel das eintig httlfreiche Heil-
mittel gewesen seyn würde.
Symptome, wenn sie bescbwerifcb worden, durch ihre re*
percutientia und repellentia nach Gutdünken su unterdruk-
ken, die chronischen Schmerzen, die Schlaflosigkeiten und
alten DurcbräUe mit waghalsig gesteigerten Gaben Mobn-
saft, die Erbrecbungen mit der brausenden Salz «Mixtur,
die stinkenden Futs-Schweifse mit kalten Fulsfaadern und
adstringirenden Umschlagen, die Haut -Ausschläge mit Biei-
und Zink -Präparaten zu vertreiben, die Bährmutter- Blut-
flüsse mit Essig- Einspritzungen, die colliquativea SchweiCse
mit Alaun -Molken, die nächtlichen Samen -Ergielsungen
mit vielem Kampher -Gebrauch, die oftern Anfalle fliegen-
der Körper- und Gesichts -Hitze mit Salpeter und Ge-
wachs- und Schwefel -Säore, das Nasen -Bluten durch Tam-
poniren der Nasenlöcher mit Pfropfen, in Weingeist oder
adstringirende Flüssigkeiten getaucht, zu hemmen, nnd mit
Blei- und Zink -Oxyden die, grofse innere Leiden zu be-
schwichtigen von der Lebenskraft veranstalteten, jauchen-
den Schenkel -Geschwüre auszutrocknen, ». s. w. — aber
mit welchen traurigen Folgen meistentheik, zeigen tausend
Erfahrungen.
39
>
Da schon was die rohe Natar thut. um sich in
Krankheiten zn helfen, in acaten sowohl als viel-
mehr in chronischen 9 höchst nn vollkommen ist, so
läfst sich leicht ermessen, dafs die künstliche Befur-
derong dieser Unvollkommcnheit noch mehr schaden,
wenigstens selbst bei acuten Uebeln nichts an der
Natur- Hülfe verbessern konnte, da die Arsneikanst
die verborgnen Wege, auf welchei^ die Lebenskraft
ihre Crisen veranstaltet, nicht %n betreten im Stande
war, sondern nur durch angreifende Mittel von au-
fsen, welche noch weniger wohlthätig, als was die
sich selbst überlassenc Lebenskraft auf ihre Weise
thuty aber dagegen noch störender sind und noch
mehr die Kräfte rauben« Denn auch die unvollkom-
mene Erleichterung, welche die Natur durch ihre
Ableitangen und Crisen bewirkt, kanq die Allopa-
thie auf ähnlichem W^ege nicht erreichen, sie bleibt
noch tief ^nter der jämmerlichen Hülfe» welche die
sich allein überlassene Lebenskraft zu verschaffen
vermag, mit ihren Beinühungen zurück.
Man hat durch ritzende W^erkzeuge ein dem
natürlichen nachgemachtes ^(asenblntcn hervorzubrin-
gen gesucht, um die Anfälle %. B. eines chronischen
Kopfschmerzes zu erleichtern. Da konnte man wohl
Blut in Menge aus^ den Nasenhöhlen rinnen machen
und den Menschen schwächen, aber die Erleichte-
rung davon war weit geringer, als wenn zu andrer
Zeit die instinktartige Lebeoskraft aus eigenem Triebe
auch nur wenige Tropfen ausfliefsen liefs.
Ein sogenannter kritischer Schweifs oder Durch-
40
»
fall von der stets thStigen Lebenskraft nach schnel-
ler Erkrankung von Acrgemifs» Schreck, Yerhcbea
oder Yerkälten veranlafst, wird weit erfolgreicher, we-
nigstens vor der Hand» die acuten Leiden beseitigen,
als alle Schwitzmittel oder Abfübrongs-Arzneien aas
der Apotheke, wie die tägliche Erfahrung lehrt
Doch ward die, für sich, nnr nach körperlicher
lEinricbtang nnsers Organisms zn wirken fähige, nicht
nach Verstand, Einsicht nnd Uebericgang za handeln
(geeignete) Lebenskraft dem Menseben nicht daza
verliehen, dafs wir sie für die bestmöglichste Krank-
heits -Heilerin annehmen sollten, nm jene traurigen
Abweichungen von Gesundheit in ihr normales Yer-
hältnifs, gleichsam auf ibrc eigne Hand, vrieder zu-
rück zn führen, und noch weniger dazu, dafs die
Aerzte ihre unvollkommnen Bestrebungen (sich selbst
aus Krankheiten zu retten), sklavisch, und mit, frei-
lich noch zweckwidrigem^ und angrcifendürn Veran-
staltungen, als sie selbst vermag, nachahmen und
dadurch sich (ihrer Bequemlichkeit?) den zur Erfin-
dung nnd Ausführung der edelsten aller menschlichen
Künste — der wahren Heilkunst — erforderlichen
Aufwand von Verstand, Nachdenken und Ueberlc-
gung ersparen sollten — eine schlechte Copie jener,
wenig wohlthätigen Selbsthülfe der rohen Naturkraft
für Heilkunst ausgebend!
Nein! jene dem Menschen angebome, das Le-
ben auf die vollkommenste Weise während des-
sen Gesundheit zu führen bestimmte, heiTÜcbe
Kraft, gleich gegenwärtig in allen Theilen des Or-
41
ganisms, m der »cnsibcln wie In der irritabeln Faser
und unermüdete Triebfeder aller normalen, natürli-
chen Körper -Yerrichtangen, ward gar nicht daza
erscha£Fen, nm sich in Krankheiten selbst za helfen,
nicht, nm eine nachahmnngswürdige Heilknnst ans-
rauben — -* Heilknnst, jenes ein nachdenkliches Ge-
schäft, was dem höhern Menschen-Geiste, der freien
Ueberlegnng, nnd dem wählenden, nach Gründen
entscheidenden Ydrstande obliegt, nm jene instinktar-
tige nnd verstand- nnd bewnistlose, aber antomatisch
energische Lebenskraft, wenn sie dnrch Krankheit
zu innormaler Thätigkeit verstimmt worden, mittels
einer, dieser ähnlichen Affection, von homöopathisch
ausgewählter Arznei erzeugt, dergestalt arzneikrank
umzustimmen, dafs die natürliche Krankheits- Affec-
tion nicht mehr anf sie wirken könne nnd sie so
derselben quitt werde nnd fähig, nach baldiger Yer-
8ch\rindnng der nenen (Arznei-) Affection, wieder
zur Norm der Gesundheit und zu ihrer eigentlichen
Bestimmung, „der Belebung und Gesund -Erhaltung
des Organisms*^ zurückzukehren, ohne bei dieser
Umwandlung schmerzhafte oder schwächende Angriffe
erlitten zu haben. Diefs zu bewirken, lehrt die ho-
möopathische Heilkunst.
Bei den angeführten Cnr-Methoden der allen
Schuld entrannen zwar allerdings nicht wenige Kranke
ihren Krankheiten, doch nicht den chronischen (nn-
venerischcn); nur den acuten, ungefährlichen, und
42
docn nur aaf beschwerlichen Umwegen , iind oft $o
unvollkommen, dafs man die Goren nicht dorch
milde Knnst vollführte Heilangen nennen konnte.
Die acuten Krankheiten worden von ihr in den nicht
sehr gefährlichen Fällen mittels Blotentziehnngen oder
Unterdrückung eines der Hanptsymptome durch ein
enantiopathisches Palliativmittel (contraria contrarUs)
so lange niedergehalten, oder mittels auf andern, als
den kranken Punkten, gegenreizender und ableiten-
der (antagonistischer und revellirender) Mittel bis
%vi dem Zeitpunkte snspendirt, wo. die natürliche Ver-
laufs -Zeit des knrsen Uebels vorüber war — also
auf Kräfte und Säfte raubenden Umwegen, und der^
gestalt, dafs der eignen Natur des so Behandelten
das Meiste uiid Beste zur voUständij^en Beseitigung
der Krankheit und Wiederersetzung der verlornen
Kräfte und Säfte bu thun übrig blieb — der Lebens-
Erhaltungs-Kraft, welche nächst der Beseitigung des
natürlichen, acnten Uebels, auch die Folgen unsweck-
mäfsiger Behandlung zu besiegen hatte und so in
den ungefährlichen Fällen mittels ihrer eignen Ener-
gie, doch oft mühsam, unvollkommen und unter
mancherlei Beschwerde die Functionen in ihr nor-
males Yerhältnifs allmälig wieder einzusetzen pflegte.
Es bleibt zweifelhaft, ob der Genesungs-Procels
der Natur durch dieses Eingreifen der bisherigen
Arzneikunst bei acuten Krankheiten wirklich in Et-
was abgekürzt oder erleichtert werde, indem diese
gleichfalls nicht anders, als indirect, wie jene zu
Werke gehen konnte, ihr ableitendes und antago-
r
43
nistiscbes Yerfabren aber ooch angreifender ist ond
DOch mehr Kräfte raubt V
Noch bat die alte Sehnte ein Cnr-VcrTabren,
&e logenannte erregende ond stärkende Cor-
Melbode *) (durch exdiantia, nervina, tonica, con-
fwlaniia, roborantia). Es ist za venmndcm, wie
sie sich derselben rUbmen konnte.
Hat sie wobi je die so bäaGge, von einem cbro-
mschen Siecbtbnm eneugie nnd unterhaltene, oder
Teimefarte Schwäche des Körpers durch Yerordnnng
ätheriscben Rheinweins, oder feorigen Tokajrers, wie
sie nniäblige Mal versuchte, heben können? Die
Kräfte sanken dabei (weil die Erzeugerin der Schwä-
che, die chronische Krankheit von ihr nicht geheilt
werden konnte) allmälig nur desto tiefer^ je mehr
des Weins dem Kranken angeredet worden war,
weil künstlichen* Anfregangen die Lebenskraft £r-
icblafibog in der Nacbwirkong entgegen setzt.
Oder gaben die Chinarinde, oder ihre miTsvcr-
standenen, vieldentigen jimara in diesen so hänligcn
Fällen Kräfte? Setzten diese unter allen Verhältnis-
sen filr tonisch nnd stärkend aasgegebenen Gcwäcb«-
Snbstanzeu sammt den Eisenraitteln nicht oft no
neae Leiden ans ihren «gentbUmllcbcn , krank in
cbendcn Wirkungen zu den allen hinzu, ohne <
1) Sie irt redit e^entlich enaotiopatbücb, und i
werde ihrer noch im Texte des Organons (§. 55.) gedenke
44
aaf «igcfcanDter, alter Krankheit bernhcnde Schwäche
Wttitificn ta kfinoen?
Hit maa wohl die von einem chronischen Sicch-
tliMM, wie so atlgewöhnlich, entsprossene, anfangende
iJibmnng eines Armes oder Beines, ohne Heünng
4m Siechthnms selbst, clarch die sogenannten wt-
tmtiiht nervüia oder die andern geistigen, balsami-
4;<^cii Einreibnngea anf die Daoer jemals anch nur
MM Etwas mindern kSnnen? Oder haben in diesen
FSUco elektrische oder Yollaiscfae Schlage je etwas
Anderes in solchen Gliedern als nach und aacb toU-
iLommDere, ja vollkommnc Läbmnng nnd Ertödtnng
«ller Muskel - Erregbarkeit nnd Nerven-Reixbarkeit
w Folge gehabt »)?
Brachten die gerShmten excUaatia nnd aphroS-
«am, die Ambra, der Meer-Stinz, die Kantharidea-
'inktnr, die TrüFTeln, Cardemomen, Zimmt nnd Ya-
Jle das allmälig geschwächte Begattnngs-Yennügen
robei jcderseit ein nnfaeachtetcs, chronisches Miasm
im Gmnde lag) nicht stets sor völligen Impoteni
tmnter?
Wie kann man sieb einer, etliche Stunden
1) Die Schwacbbörigen besserten sieb von der Vol-
ischen Säule des Jcrenchen Apotbekers bei mä&igeu
Jilägen nnr anf eini^ Stiiii<)eD — bald thaten diese
chts mehr; er mu&te, am ein Gleiches m bewirkcD, mit
□ Schlägen steigen, bis aucft diese nicbu mehr halfeii,
dann die starkstea zwar aDrängltch das Gehör der Kraa-
n noch aaf kurze Zelt aufreiEten , sie aber zuletzt slock-
ib hinterlielsen.
45
dauernden Anfiregnng und Bekräftigung r&hmen, wenn
der nachbleibende Erfolg das dauernde Gegentheii
— nach den'Ge&etoen der Natnr aller Palliative — :
bewirkt?
Das wenige Gute, was die excitamtia und robo-»
rantia bei der Erholung aus (auf alte Art behandel*
ten) acuten Krankheiten hervorbrachten, ward tau-
sendfach von dem Nachtheüe derselben in chroni-
schen Uebeln überwogen.
So curirte der Allopathiker. Die Kranken aber
mnfsten sich in diese traurige Nothwcndigkeit fü-
gen, weil sie keine bessere Hülfe bei den übrigen
Aliopathikem fanden, welche aus denselben trugvol-
leo Büchern waren gelehrt worden«
Die Grund -Ursache der chronischen (nicht ve-
nerischen) Krankheiten blieb diesen, mit Causal-Cu-
ren vergeblich sich brüstenden Praktikern^ sammt
den Heilmitteln derselben unbekannt; wie hätten sie
wohl jene ungeheure Uebersahl langwieriger Krank-
heiten mit ihren indirectcn Curen heben wollen,
welche von der, nicht ssum Vorbilde im Heilen be-
stimmten Selbsthülfe der verstandlosen Lebenskraft
noch unvoUkommnere Nachahmungen waren?
Den vermeintlichen Charakter des Uebels hiel-
ten sie für die Krankheits-. Ursache und richteten
daher ihre angeblichen Causal-Curen gegen Krampf,
Entzündung (Plethora), Fieber, allgemeine und par^
tielle Schwäche, Schleim, Fäulniis, InSstrkten, u. s« w.
46
die sie dorch ihre (ihnen nur oberflächlich bekann<
ten) kramp&tillenden, antiphlogistischen, stärkenden,
erregenden, äntiseptischen, auflösenden, zcrtfaeilen-
den, ableitenden, ausleerenden, antagonistischen Mit-
tel hinwegzäränmen wähnten«
Nach so allgemeinen Indicationcn aber lassen
die Arzneien sich nicht zur Hülfe finden, am aller-
wenigsten in der alten Schule, bisherigen Materia
medica, die, wie ich anderswo *) zeigte, meist nnr
auf Vermuthung beruhte und auf falschen Schlüssen
ab usu in mortis.
Und eben so gewagt gingen sie gegen die noch
hypothetischeren «— gegen Mangel oder Uebermafs
an Sauer-, Stick-, Kohlen- oder Wasserstoff in den
Säften, gegen Steigerang oder Minderung der Irri-
tabilität, Sensibilität, Rcproduction, Arteriellität, Vc-
nosität, Capillarität, Asthenie u. s. w«, zu Felde, ebne
Hülfsmittel zur Erreichung so phantastischer Zwecke
zu kennen. Es war Ostentation. Es waren Cnren
— nicht zum Wohle der Kranken.
Jeder Anschein von zweckmäfsiger Behandlung
der Krankheiten verschwand jedoch vollends gan2
durch die von den ältesten Zeiten her eingeführte,
und sogar zum Gesetz gemachte 'Vermi-
schung der in ihrer W^irkung stets und ohne Aus-
nahme von einander so abweichenden Arznei- Sub-
stanzen zumRecepte. Man setzte darin eine (nach
1) Vor dem dritten Thetle der reinen Arzneimittel'
lehre: Quellen d. bish. Materia Medica.
47
dem Umfange ibrer Arxnei - Wirknngen nicht ge-
kannte) Arznef zum Hanptmittel (basis) vorne an,
welche den vom Arzte angenommenen Haupt -Cha*
rakter der Krankheit besiegen sollte^ fügte noch die-
ses oder jenes (ebenfalls nach dem Umfange seiner
arzneilichen Wirknngen nicht gekannte) Mittel zur
Beseitigang dieser oder jener Neben -Indication oder
als 'Verstärkangs« Mittel {adjm^antia) hinza, anch
wohl noch ein angebliches (ebenfalls nach dem Um-
fangt seiner Arznei-Kräfte nicht gekanntes) Yerbes-
serangs- Mittel (corngens)^ liefs das alles (kochen,
aasziehen) mischen — auch wohl mit einem, wie-
der anders arzneilichen Sirope oder destillirten, arz-
neilichen Wasser in die Form bringen, nnd wähnte
non, jeder dieser Mischungs-Theilc (Ingredienzen)
werde die ihm in Gedanken zogetheilten Verrichton-
gen im kranken Körper zur Ausführung bringen, ohne
sich von den übrigen, dazu gemischten Dingen stö-
ren, oder irre machen zu lassen, was doch verstän-
diger W^eise gar nicht zu erwarten ist Eins hob
ja , das andre in seiner Wirkung ganz oder zum
Theil auf, oder gab ihm und den Übrigen eine an-
dre, nicht gcahnete, nicht zu vermuthende Thätig-
keits - BeschafTcnheit und Wirkungs- Richtung, so
dafs die erwartete Wirkung unmöglich erreicht
werden konnte; es erfolgte, was man von dem un-
erklärlichen Räthsel von Mischung nicht erwartet
hatte, noch erwarten konnte, oft eine im Tumulte
der Krankhcits- Symptome nicht bemerkbare, neue
Krankheits- Verstimmung, welche bleibend ward
48
bei langem Fortgebranche des Rec(^ts «— also, eine
hinzugesetzte, mit der ursprünglichen sich komplici-
rcnde Konst- Krankheit, eine Yerschlinmiemng der
ursprünglichen Krankheit — oder, wenn das Recept
nicht oft wiederholt, sondern von einem oder meh-
ren, nen verschriebnen, ans andern Ingredienzen,
bald nach einander, verdrängt ward, so entstand
doch, znm allerwenigsten, ein vermehrtes
Sinken der Kräfte, weil die in solchem Sinne
verordneten Substanzen wenig oder gar keinen direc-
ten, pathischen Bezng anf das ursprüngliche Leiden
weder hatten, noch haben sollten, sondern nur die
von der Krankheit am wenigsten befallenen Punkte
* angriffen nutzloser und schädlicher Weise.
Mehrerlei Arzneien, selbst wenn man die Wir-
kungen jeder einzelnen auf den menschlichen Kör-
per genau gekannt hätte ( — der Reccptschreiber
kennt aber oft nicht den tausendsten Theil dersel-
ben — ), mehrerlei solche Ingredienzen, sage ich,
deren manche schon selbst vielfach componirt wa-
ren, und deren einzelner genaue Wirkung so gut als
nicht bekannt, gleichwohl im Grunde doch immer
sehr von der der übrigen verschieden ist, zusammen
in Eine Formel mischen zu lassen, damit diefs unbe-
greifliche Gemisch von dem Kranken in grofsen Ga-
ben, oft wiederholt, eingenommen werde, und den-
noch irgend eine beabsichtigte, gewisse Heilwirkung
bei ihm damit erzielen zu wollen; diese Unverständig-
keit empört jeden nachdenkenden Unbefangenen ^)«
Der
1 ) Die Widersinnigkeit der Arzneigemische haben selbst
49
/ Der Erfolg widerspricht nat&rlich jeder bestimm«
tcn Erwartung. Es entstehen allerdings Yeränderan-
Männer ans der gewohnlichen Arzneischole eingesehen, ob
sie gleich in der Praxis selbst diesem ewigen Schlendriane,
wider ihre Einsicht, folgten. So drückt Marcus Herz (in
HufeL Journ. d. pr. A. IL S. 33.) seine Gewissensregung
darch folgende Worte aus: ,, Wollen wir den Entzün-
dungszustand heben, so bedienen wir uns weder des Salpe-
ters, noch des Salmiaks, noch der ^ilanzensäure aliein, son-
dern wir vermischen gewöhnlich mehrere, und öfters nur
zu viele, sogenannte antiphlogistische Mittel zusammen, oder
lassen sie zu gleicher Zeit neben einander gebrauchen. Ha-
ben wir der Faulnifs Widerstand zu thun, so genügt es
uns nicht, von einer der bekannten antiseptischen Arzneien,
von der Chinarinde, den Mineralsäuren, der Wohlverleih,
der Schlangenwurz u. s. w« alUin, in grofser Menge gege-
ben, unsern Endzweck zu erwarten; wir setzen lieber meh-
rere derselben zusammen, und rec^hnen auf das Gemein-
schaftliche ihrer Wirkung, oder werfen wohl gar, aus Un-
wissenheit, wessen Thätigkeit in dem vorhandenen Falle die
angemessenste sey, mannigfaltige Dinge unter einander, und
übergeben es gleichsam dem Zufalle, eins von ihnen die
beabsichtigte Veränderung hervorbringen zu lassen. So er-
regen wir Schweifs, verbessern Blut (?), lösen Stockun-
gen (?), befördern Auswurf und entleeren sogar die ersten
Wege so selten durch einzelne Mittel; immer sind unsere
Vorschriften zu diesem Endzwecke zusammengesetzt, fast
nie einfach und rein, folglich (sind es) auch nicht die
Erfahrungen in Rücksicht auf die Wirkungen ih-
rer einzelnen, enthaltenen Stoffe. Zwar stiften
wir unter den Mitteln in unsern Formeln nach schulge-
rechter Weise eine Art von Rangordnung, und nennen
dasjenige, dem ynv eigentlich die Wirkung auftragen, die
Grundlage (Jbasis) und die übrigen die Helfer, Unter-
D
50
gen and Erfolge» aber keine zwcckmäfsigen , keine
guten.
Ich mochte den sehen, welcher dergleichen blin-
des Hineinarbeiten in den kranken menschlicnen Kör-
per Heilang nennen wollte!
Stutzer {adju9antia\ Vcrbesscrcr (corrigeniia) u. s. w.
Allein oßeabar liegt bei dieser Charakterisiruog gröCsten-
theils blobe Willkür zum Grunde. Die Helfer uod Un-
terstützer haben eben so gut Antfaeil an der ganzen Wir-
kung, als das Hauptmittel, wiewohl wir aus Mangel eines
Maalsstabes den Grad desselben nicht bestimmen können.
Gleichergestalt kann der Einfluls der Verb esserer auf
die Kräfte der übrigen Mittel nicht ganz gleichgültig seyn;
sie müssen sie erhöhen, herunterstimmen oder ihnen eine
andre Richtung geben, qnd wir müssen daher die heilsame (?)
Veränderung, die wir durch eine solche Formel bewirken»
immer als das Resultat ihres ganzen, zusammengesetzten In-
halts ansehen, und können nie daraus eine reine Er-
fahrung von der alleinigen Wirksamkeit eines
einzigen Stücks desselben gewinnen. In derThat
ist doch unsre Einsicht in dasjenige, worauf ei-
gentlich bei allen unsern Mitteln das Wesent-
liche ihrer Kenntnifs beruht, so wie die Kennt-
nifs der vielleicht noch hundertfältigen Ver-
wandtschaften, in welche sie bei ihrer Vermi-
schung unter einander treten, viel zu gebrech-
lich, als dafs wir mit Gewifsheit anzugeben ver-
mögen, wie grofs und mannigfaltig die Thätig-
keit eines an sich noch so unbedeutend scheinen-
den Stoffs seyn kann, wenn er, verbunden mit
andern Stoffen, in den menschlichen Körper, ge-
bracht wird.^
61
II. Beispiele unwillkürlicher, homöo-
pathischer Heilungen bisheriger
Aerzte der alten Schule.
So cnrirte man bisher dfc Krabkheiten der Men*
sch^n nicht nach Gründen, die auf Natur und Er-
fahrung fest standen, nicht mit den geeigneten Mit-
teln, sondern theils nach willkürlich erdachten Heü-
zwecken, theils in Nachahmung dfer indirecten Yerr
aastaltnngen der sich zur Selbsthttlfe allein überlas-
senen, nur nach den Gesetzen der organischen Ein-
richtung unseres Körpers in Krankheiten zu wirken
gezwungenen, nicht nach Ueherlegung das Beste zu
erdenken und zn> wählen fähigen, verstandlosen, hlofs
animalischen Lebenskraft, die man, leider, für die
weiseste Lehr^eisterin der Heilkunst hielt, und so-
gar ihr instinktmäfsiges Verlangen in Krankheiten
nach opponirt wirkenden Erleichterungs- Mitteln und
Palliativen durch die Curart contraria contrarüs nach-
ahmte.
Durch Beobachtung, Nachdenken und Erfahrung
fand ich, dafs im Gegentheile von letztem die wahre,
richtige, beste Heilung zu finden sey in dein Sätze
sindUa similibus curenturi Wähle, um sanft,
schnell, gewifs und dauerhaft zu heilen, in
jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche
ein ähnliches Leiden (ofwtov na&og^ für sich
erregen kann, als sie heilen soll!
Diesen homöopathischen Heil weg lehrte bisher
niemand, niemand führte ihn ans. Liegt aber die
D 2
'Wahrheit äatig in diesem VerfahreD, wie man mit
mir finden wird, so läfst sich erwarten, dafs, gesetzt,
sie wäre aach Jahrtausende lüodarch nicht aner-
kannt worden, sich dennoch thätliche Sparen von
ihr in allen Zeitaltern werden aafHnden lauen? *)
Und so ist es anch. In allen Zeitaltern sind
die Kranken, welche wirklich, schnell, dauer-
haft nnd sichtbar durch Arinei geheilt wor-
den, nnd nicht etwa dnrcb ein anderes woblthätiges
Eriügnits, oder dnrch SelbstveHaof der acnten Krank-
heit, oder in der Lange der Zeit durch allmäliges
Uebcrgewicht der Körpeikräfte mittels allopathischer
nnd antagooistisclier Ciirea endlich genasen —
denn das direct Gcbeiltwerden weicht gar sehr ab
vom Genesen aof indirectem Wege — , bloDi (ob-
gleich ohne Wissen des Arztes) .dorch ein (homöo-
paäiischcs) Arsneimittel geheilt worden, was Air sidi
einen ähnlichen Krankbeits- Znstand herrorxnbringen
die Kraft hatte.
Selbst bei den wirklichen Heilnngen mit vie-
lerlei znsannnengesetiten Arzneien, — welche änfserst
selten waren, — findet man, daCs das verwirkende
b£ttel jederzeit von homöopathischer Art war.
1) Denn Wahrheit iit gleich ewigen UrspniDgt mit
D, gütigen Gottheit Menichen können sie lange
\assea, bis der Zeitpunkt kommt, vo ihr Strahl,
legchliuse der Fürsehung, den Nehel der Vor- '
lufhaltbar durchbrechen •oll, als Morgeoröthe
lender Tag, nm dann dem Mengchengeschlechte
Yohte tn leuchten hell und unauslöschlich.
63
Doch noch auffallend fibenengender findet man
diefs, wo Acrzte wider die Observanz, -^ die bisher
blofs ArzneimischuDgen, in Recepte geformt, znliefs,
— zuweilen mit einem einfachen Arzneistoffe die Hei-
lung schnell zn Stande brachten« Da siebet man,
znm Elrstannen, dafs es stets durch eine Arznei ge-
schah, die geeignet ist, ein ähnliches Leiden, als der
Krankheitsfall enthielt, selbst zn erzeugen, ob^diese
Aerzte gleich, was sie da thatcn, selbst nicht wuls-
ten, und es in einem Anfalle von Vergessenheit der
gegentheiligen Lehren ihrer Schule thaten. Sie ver-
ordneten eine Arznei, wovon sie nach der herge-
brachten Therapie gerade das Gegentheil hätten brau-
chen sollen, und nur so wurden die Kranken schnell
geheilt.
Hier einige Beispiele solcher homöopathischen
Heilungen, die ihre unleugbare Deutung erhalten
durch die nun gefundene und ins Leben getretene
Homöopathie, nicht aber zur Stütze für letztere die-
nen sollen, da sie ohne fremde Stütze fest steht ^)«
1) Wenn die in folgenden Fällen angewendeten Arz-
neigaben gröfser waren, als die sichrere, homöopathische
Heilkuost vorschreibt, so geschahen sie freilich mit der Ge-
fahr, die in der Regel von grofsen Gaben homöopathischer
Heilmittel zu erwarten ist. Doch ereignet es sich auch
nicht gar selten durch manche, nicht allemal ausfindig zu ma-
chende Umstände, dals auch gröfsere Gaben homöopathi-
scher Arznei, ohne sonderlichen Nachtheil, den Zweck der
Heilung erreichen, z. B. dadurch, da£s die vegetabilische
Substanz durch lange Aufbewahrung unkrädiger geworden
war, oder daCs viel Ausleerungen darauf erfolgten, welche
54
Scfhon der Verfasser des angeblich bippokrati-
scben Bucbs imdijfuäv (Üb. 5. zu Anfange) heilte
(eine Cholera, die sich durch nichts heilen lassen
wollte, einzig darch Wei/snie/SfPurzelfVfthhe
doch füt sich eine Cholera erregt, wie Forestus^
LedetiuSj Reimann nnd mehrere Andre ^) von ihr
sahen.
Das englische Schweifsfieber, was im Jahre
1485 zuerst erschien, nnd, mörderischer als jede
Päst, anfanglich, wie Willis bezeugt, von 100 Kran-
ken 99 tödtete, konnte nicht eher gebändigt werden,
bis man den Kranken Schweifs treibende Mittel
zn geben lernte; von der Zeit an starben nnr We-
nige, wie Sennert^) bemerkt
Ein jahrelanger, den unvermeidlichen Tod dro-
hender Banchflufs, wo alle andre Arzneien ganz
ohne Erfolg waren, ward, wie Fischer^) zu seiner
den gröDsten Theil der Wirkung des Mittels vernichteten,
oder auch dadurch, dafs zugleich andre Substanzen in den
Magen kamen, welche antidotisch die Stärke der Gabe um
Vieles minderten.
1) M. s. die Stellen hiezu in meiner reinen Arznei-
mittellehre, IIL Tb. zweite Ausgabe, Dresden 1825. — Mit
Bedacht habe ich in diesem und in allen folgenden Beispie-
len nicht meine und meiner Schüler Beobachtungen von
den eigenthümlichen Wirkungen der jedesmaligen Arznei
angeführt, sondern blofs die älterer Aerzte, um anzudeuten,
dafs man schon vor meiner Zeit die homöopathische Heil-
kunst hätte finden können.
2) De febrib. IV. Cap. 15.
3) In HufeL Journ. L pr. A. Vol. X. iv. S. 127.
55
(nicht meinei:} Verwiinderang wahrnahm, von einem
nngelehrten Corirer mit einem Pufgirmittel schnell
and danerhaft gehoben.
Murray (statt vieler andern Zeugen) mid die
tägliche Erfahnmg sählt unter die Symptome, welche
der Gebrauch des Tabaks hervorbringt vorsUglich
Schwindel, Uebelkeit and Aengstlichkeit,
Und gerade Schwindel, Uebelkeit und Aengstlich-
keit waren es, von denen sich DiemerbroeA^) durch
Tabakranchen befreite, wenn er unter der ärztlichen
Behandlung der epidemischen Krankheiten in Hol-
land von diesen Beschwerden befallen ward.
Die schädlichen Wirkungen, welche einige
Schriftsteller, und unter ihnen Geoi^ ^), vom Ge-
nasse des Fllegenschfpammes bei denKamtscha-
dalen anmerken. Zittern, Convulsionen, Fall-
sucht« wurden wohltbätig unter den Händen Ch. G.
WhistUngs ^), der sich des Fliegensehwammes
mit Erfolg gegen Convulsionen mit Zittern begleitet,
und unter J. Ch. Bernhardts ^) Händen, der sich
desselben htilfreich in einer Art Fallsucht bediente.
Die bei Murray ^) ro findende Wahrnehmung,
1) Tract de Feste, Amstel. 1665. S. 273.
2) Beschreibung aller Nat. des russischen Reichs, S. 78.
267. 281. 321. 329. 352.
3) Diss. de virt Agar. musc. Jen. 1718. S. 13.
4) Chym. Vers, und Erfahr., Leipz. 1754. obs. 5.
S. 324. Auch Grüner y Diss. de virib. agar. musc. Jeu.
1778. S. 13.
5) Appar. Medicam. edit secund. 1. S. 429. 430.
56
dafs AnieS'Oel von Porganzen erregtes Leäweh
und Blähnngs - Coliken stillt, setzt uns nicht in Ver-
wunderung, wenn wir wissen, dafs J» P. Albrecld ^)
Magenschmerzen und P. Forest ^) heftige
Goliken vom Anies-Oele beobachtet hatte.
Wenn Fr. Hqffnumn die Schaafgarbe in
mehreren BIntflüssen rtibmte, G. E. Stahle Buch-
fpald nnd Löseke sie im übermäfsigen FInsse der
Goldader sehr dienlich fanden, die Breslauer Samm-
lungen und Quarin Heilungen des Blntspeiens dnrch
Schaafgarbe anführen, nnd TTiomasiuSy bei JSal'
ler, sie mit Glück in Mutterblotflüssen anwendete,
so beziehen sich diese Heilungen offenbar auf die
ursprüngliche Neigung dieses Krautes, für sich Blut-
flüsse und BIntharnen, wie Casp. Hoffmann^)
beobachtete, und eigenthümlich Nasenbluten zu
erzeugen, wie Boeder ^) von demselben wahrnahm.
ScoQolo ^), nächst Andern, heilte schmerzhaf-
ten Abgang eiterigen Harns mit Bärentraube^
welche diefs nicht vermocht hätte, wenn sie nicht
für sich schon Harnbrennen mit Abgang eines
schleimigen U r ins erzeugen könnte, wie wirklich
Saiwoßes ^) von der Bärentraube entstehen sab.
1) Mise. Nat. Cur. Dec. IL ann. 8. Obs. 169.
2) Observat et Curatione$, lib. 21.
3) De Medicam. officio. Lugd. Bat. 1738«
4} Cynosnra Mat. med. cont. S. 552»
5) Bei Girardi^ de Uva ursi, Patavii 1764.
6) Mosol. m. S. 200.
57
Wenn es auch die vielen Erfahrungen von
Sioerck, Miwges, Planchon, du Monceau, F. Ch. Jun-
ker, Scfdnz, Ehrmann nnd Andern nicht beslätigten,
dafs die Herb st- Zeitlose eine Art Wassersucht
geheilt habe, so würde diese Kraft schon ans ihrer
eigenthümlichen Wirkung, verminderte Harnah-
sondernng mit stetem Drange dazu und Ab-
gang wenigen feaerrothen. Harns für sich zu
erregen, wie, nächst Stoerck ^), auch de Berge ^)
sah, leicht zu erwarten seyn. — Sehr sichtbar aber
ist das von Göritz ^) durch die Zeitlose geheilte
hypochondrische Asthma nnd die von Stoerck f)
durch sie. gehobene Engbrüstigkeit, mit einer an-
scheinenden Brustwassersucht verbunden, in der ho-
möopathischen Kraft dieser Wurzel, Schwcrathr
migkeit nnd Asthma für sich hervorzubringen,
gegründet, dergleichen de Berge ^) von ihr wahr-
nahm.
MuraUo ^) sah, was man noch täglich sehen
kann, dafs die Jalappe^ aulser Bauchweh, auch
eine grofse Unruhe nnd Umherw^rfen zuwege
bringt, ans welcher Eigenschaft (ganz begreiflich für
1) Libellus de Colchico, Yien. 1763. S. 12.
2) Journ. de M^dec. XXII.
3) Andr, Elias Büchner ^ Miscel^ phys. med. roathem.
ann. 1728, Jul. S. 1212. 1213. Erfurt 1732.
4) Ebend. Cas^ 11. 13. Contin. Gas. 4. 9.
6) Ebend. a. a. 0.
6) Mise. Nat. Cur. Dec. IL a.'7. obs. 112.
58
jeden, mit der boroSopatbi«€hen Wabrbeit vertraDten
Aret), jene wohlthatige Kraft derselben berrnbrt,
kleinen Kindern in Leibweb^ Unmbe nnd Scbreien
oft zn belfen nnd ihnen einen nibigen Scblaf «i
verscbaffen, wie G. W. Wedel ') ibr mit Recht
nachrühmt.
Bekanntlich -— wie anch Murray ^ HUUuy and
Spielmann zum Ueberflnsse bezengen, — machen
die Sensblätter eine Art Leibschmerzen, er*
zengen nach Caspar ^) nnd Friedrich Haffmann ')
viel Flatulenz nnd bringen das Bint in Wal-
lung*), (die gewohnliche Ursache der Schlaflo-
sigkeit), nnd eben dieser ihrer natürlichen (ho*
moopatfaischen) Eigenschaft wegen konnte Dethar-
ding ^) heftige Colikschmerzen mit ihnen heilen und
den Kranken die nnrabigen Nächte benehmen.
Ganz nahe lag es dem sonst scharfsinnigen
Stoerckj einzusehen, dafs der beim Gebrauch der
Diptamfpurzel von ihm selbst ^) bemerkte Nach-
theil , zuweilen einen Scheideflufs zähen
Schleims zn erzeugen, eben die Kraft sey, wo-
durch er mit dieser Wurzel einen langwierigen
Weifsflufs bezwang ^).
1) Opiol. lib. L S. l. Cap. 11. S. 38.
2) De Medic. offic. lib. I. Cap. 36.
3) Diss. de Manna, §. 16.
4) Murray ^ a. a. O. 11. edit sec. S. 507.
6) £ph. Nat Cur. Cent. 10. obs. 76.
6) Libell. de Flamm. Jovis. Vienoae 1769. Cap. 2.
7) Ebend. Cap. 9.
59
Eben so wenig durfte es Stoerck anlTallen, wenn
er mit der Brenn^ Waldrebe eine Art langwieri-
gen, feuchten I fressenden, allgemeinen» krätzartigen
Änsschlags beseitigte ^), da er selbst von diesem
Kraute wahrgenommen hatte ^), dals es krätzar-
tige Ausschl^gsblttthen über den ganzen
Körper iiir sich schon erzengen könne«
Wenn nach Murray ') die Euphrasie das
Triefauge und eine Art Augenentzündung geheilt
hat; wodurch sonst vermochte si,e diels, als durch
Ihre von Lobelius ^) beobachtete Kraft, fSr sich
selbst schon eine Art Augenentzündung erzeu-
gen za können?
Nach J. H. Lange ') hat sich die Muskat-
nufs sehr hlilfreich in hysterischen Ohnmächten er;
wiesen. Doch wohl aus keinem andern natürlichen
Grande, als dem homöopathischen, dals sie in gro-
fser Gabe nach J. Sckadd ^) nnd CuUen ^) ein Yerr
schwinden der Sinne und allgemeine Unemr
pfindlichkeit bei Gesunden zu erregen fähig isti
Die uralte Wahl des Ras entpassers zum äufser-
liehen Gebrauche bei Augenentzünduugen scheint still-
schweigend eine Heilkraft dieser Art in den Blättern
1) LibelL de Flamm. Jovis. Yiennae 1769. Cap. 13.
2) Ebend. S. 33.
3) Appar. Medicam. II. Edit. sec. S. 221.
4) Stirp. Advers. S. 219.
5) Dornest. Brunsvic. S. 136.
6) Miscell. Nat. Cur. Dec. II. ano. 2. obs. 120.
7) Arzneimittell. II. S. 233.
60
der Rosen anznerkenoen. Sie bemht auf der ho-
möopathischen Kraft derselben, fifr sich eine Art
Aagenentzündnng bei gesunden Menschen zu er*
zeugen, dergleichen wirklich Echtius ^)y Ledelius ^)
nnd Rau ') von ihnen in Erfahmng gebracht haben.
Wenn der Gift- nnd Wurzel-Sumach, nach
Pet Rossi^), (^an Mens *), Jos. Mbnti^)^ Sybel'')
nnd Andern, die Kraft besitzt, den Korper all-
malig mit Ausschlagsblüthen zn fiberziehen,
so sieht ein verständiger Mann leicht ein, wie er
homöopathisch einige Arten von Herpes bei Di^es-
noy und i^an Mons heilen konnte. — Was nöthigt
diese Pflanze, bei Alderson ^), Lähmnng der Unter-
gliedmafsen mit Verstandes -Schwäche begleitet sn
heilen, wenn es nicht die deutlich zu Tage liegende
Kraft dieses Gewächses thut', gänzliche Abspan-
nung der Muskelkräfte mit einer zn sterben be-
ftirchtenden Yerstandes-Yerwirrnng ftir sich er-
zeugen zn können, wie Zadig^^ sah.
1) In Adami vita Med. S. 72.
2) Mise. Nat. Curios. Dec. II. ann. 2. obs. 140.
3) jRau, über den Werth des hopaöopath. Heilver&h-
rens. S. 73.
4) Observ. de noonullis plantis, qiiae pro venenatis
habentor. Pisis 1767.
5 ) Bei Dufresnoy^ über den wurzelnden Sumach, S.2M.
6) Acta Instit Bonon. sc. et art. III, S. 165.
7) In Med. Annalen, 1811, Juli.
8) In Samml. a. Abb. f. pr. Aerzte. XYIII, 1.
9) Hufeland y Journal d. pr. Arzneik. Y. S. 3.
61
Hat der Bit t er süfs -Nachtschatten bei
Carrere die heftigsten Yerkältnogskrankheiten ge-
heilt ^), $0 kam es einzig daher, weil diels Kraut
vorzüglich geneigt ist, bei fenchtkalter Luft mancher-
lei Verkältangsbeschwerden hervorzubringen,
wie ebenfalls Carrere ^) nnd Starcke ') beobachte-
ten. — Fritze ^). sab Convulsioaen nnd de Haen ^)
sah Gonvnlsionen mit Delirien von Bittersüfs
entstehen, nnd mit kleinen Gabea heilte Letzterer *)
dergleichen Gonvnlsionen mit Delirien. — Vergeblich
würde man den innem Grand, warom gerade Bit^
tersä/s so wirksam eine Art Flechten oder Herpes
unter den Angen eines Carrire ^), Fouquet ^) nnd
Pöupart ^ji .f;eheilt hat, in dem Reiche der Vermn-
thnngen^ aufsuchen, da er uns von der einfachen
Natur, welche Homöopathie zur sichern Heilung ver-
1) Carrhre (und Siarcke)^ Abhandlnng über die Ei-
genschaften des Nachtschattens oder Bittersii£ses. Jena 1786.
p. 20—23.
2) Ebendaselbst.
3) Bei Carrire^ ebend. S. 140. 249.
4) Annalen des klinischen Instituts. III. S. 45.
5) Ratio medendi, Tom. IV. S. 228.
6) Ratio medendi, Tom. lY. S. 228., viro er sagt:
Dulco-amarae stipiies majori dosi convulsiones et deliria
excitantj moderata vero spasmos^ convulsionesque sohuiU,
Wie nahe war de Haen an Erkennung des naturgemaCse-
sten Heil -Gesetzes!
7) Ebend. S. 92. und ferner.
8) Bei Razouzy tables nosologiques^ S. 275.
9) Trait^ des dartres. Paris 1782. S. 184. 192.
«2
langt, 80 nahe gelegt worden ist, nämlich: das
Bittersüfs erregt von selbst eine Art von Flech-
ten, nnd Carrire sah von seinem Oebraache einen
Herpes zwei Wochen hindurch sich über den gan-
zen Korper verbreiten ^), nnd bei andrer Gelegen-
heit davon Flechten auf den Händen ^), önd
in einem andern Falle, an den Schamlippen f}
davon entstehen.
Vom Schwarz- Nachtschatten sah Rucker ^)
eine Geschwnlst des ganzen Körpers entste-
hen, nnd Gatacker ^) konnte dcfshalL, so wie CU
riUo *), eine Art Wassersucht mit diesem Kraute
(homöopathisch) heilen.
Eine andre Art Wassersucht VormXmBoerhaaoe ^),
Sydehham •) nnd Radcliff^) nur mit Schwärzhol-
der heilen, eben weil, wie Hailer ^^) berichtet, der
Schfparzholder schon bei äufsercr Auflegung Ge-
schwnlst (Oedem) erzeugt
1) Traiti des dartres. Paris 1782. S. 96.
2) Ebend. S. 149.
3) Ebend. S. 164.
4) Commerc liter. Moric 1731. S..372.
5) Yersuche u. Bemerk, der Edinb. Gesellschaft. Al-
tenb. 1762. YII. S. 95. 98.
6) Consulti medichi, Tom. III. in Napolt 1738. 4.
7) Hist Plant P. I. S. 207.
8) Opera, S. 496.
9) Bei Maller^ Arzneimitteil. S. 349.
10) Bei FUai^ plantes v^neoeuses, S. 125.
63
De Harn ^), Sarcone ^) nnd Prbigli ') hnldiV
ten der Wahrheit and Erfahrnng, da sief frein^ttthig
versicherten, den Seitensticb mit Squille geheilt %Xk
haben, einer Wnrzel, die das (in solchem Falle
blofs schmeidigende, abspannende und kfiUende Mit-
tel verlangende) System, der grofsen Schärfe dersel-
ben wegen, dorchaos widerrathen mnlste;. er wich
dennoch der Sguille, und zwar nach dem homöo-
pathischen Natnrgeseti^e, indem schon J. Q Wagner ^)
von der freien Wirknng der Meerzpi^iebel eine
Art Pleuritis nnd Lnngenentzündang entste-
hen gesehen hatte.
Die durch Viele*), Dm. Cräger, Ray, Kell-
ner^ KaatPf Bodrhaa^e und Andre, vom Genüsse des
Stechapfels beobachtete Wirkung, wunderliche
Phantasien und Contrulsionen bu erregen,
setzte die Aerzte in Stand, die Dämonie ^) (aben-
teuerliche Phantasien in Begleitung von krampfhaf-
ten Gliederbeweguogen) und andre Convnlsionen,
wie Sidrin ^) und Wedenberg ^) thaten, mit Steche
1) Ratio medendi, P. I. S. 13.
2) Geschichte der Krankheiten in Neapel, Vol. L
§.175. ^ •
3) Obs. on the diseases of tbe army, Edit. 7. §. 143.
4) Observationes clinicae, Lubec. 1737.
5) Man sehe die Stellen nach in meiner reinenArz-
neimittellehre, Th. III.
6) Veckoskrift for Läkare, IV. S. 40 u. s. w.
7) Diss. de stramonii usu in malis convulsivis. Ups. 1773.
8) Diss. de stramon. usu in morb. convuls. Ups. 1773.
64
apfel m heOen, — so wie eine von Quecksilber
dampf nnd eine andre, Ton Schreck entstandene
Art Veitstanz von Sidren ^) mit diesem Krante ge-
heilt ward, eigentlich mittels seiner Eigenschaft^ schon
für sich dergleichen nnwillkürliche Gliederbe-
wegnhgen ersengen zu können, wie man von Kam
BoerhaoQe nnd Lobsiein ^) beobachtet findet; ^— nnd
weil ancfa der Stechapfel nach vielen Wahnieb-
mungen '), auch denen des JP. Schenk, sehr schnell
alle Besinnung und Rtickerinnerung hinweg-
nimmt, so ist er ancfa fähig, Gedächtnifsschwäcbe,
nach den Erfahrungen von SauQoges nnd Schinz,
zu heben ; — nnd eben so konnte auch Schmalz *)
eine mit Manie abwechselnde Melancholie durch die-
ses Kraut heilen, weil es, wie a Costa ^) erzählt,
solche alternirende Geistes- nnd Gemüths-
Yerwirrungen von sich selbst zuwege zu bringen
im Stande ist«
Vom Gebrauche der Chinarinde beobachteten
Mehre ®) (Percü^al, Stahl und Quam) Magen-
drücken, Andre (Morton, Friborgj Bauer nnd
Qm-
1) Diss. Morborum casus, Spec. L Ups. 1785.
2) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei-
mittellehre a« a. 0.
3) Man sehe die SteUen ebendaselbst.
4) Chir. und medic. Yorrälle, Leipz. 1784. S. 178.
5) Bei Pei. Schenck, üb. L obs. 139.
6) Man sehe alle diese Stellen in meiner reinen Arz-
neimittellehre, III.
63
Qifonupz) Erbrechen and Dorchfall, Andre (Don.
Crilger and Morton) Ohnmächten, Mehre einen
grofsen Schwiicheznstand, Viele {TTiomsoriy Ri-
chard, Stahl nnä C E. Fischer) eine Art Gelb-
sacht, Andre' ( Quor^ nnd Fischer) Bitterkeit
des Mundes and mehre Andre Anspännnng
des Unterleibes; and eben diese vereinigten Be-
schwerden and Krankheitsznstände sind es, bei de-
ren nrsprünglkher Gegenwart in Wechselfiebern
Torti nnd Cleghom so angelcgentlicli aaf den allei-
nigen Gebrauch der Chinarinde dringen, — so
wie die hölfreiche Anwendang derselben in döm er-
schöpften Znstande, der Unvcrdanlichkeit nnd Ap-
petitlosigkeit nach acoten, besonders mit Blatabzap-
fen nnd Kräfte raabenden Aasleerangsmitteln behan-
delten Fiebern , blofs aaf. der Eigenschaft dieser
Rinde berabt: ein angemeines Sinken der
Kräfte, erschlafften Zastand Leibes nnd
der Seele, Unverdaalichkeit and Efslast-
M an gel erregen za können, wie Cleghom, Friborg,
Crligery Romberg, Stahle Thomson ^) nnd Andre
von ihr beobachtet haben.
Wie hätte man wohl mit Ipecacuanha mehre
Blatfitisse stillen können, wie von BagUi^j Barbei-
rac, Gianelloj Dalberg, Bergius nnd Andern ge-
schah, wenn sie nicht homöopathisch selbst Blat-
flüsse za erregen im Stande wäre, wie anch wirk-
1) Man sehe die Stellen ebenda
E
66
lieb Murray 9 Scott and Geoffroy ') too ihr beob-
achteten; — wie könnte sie in Engbrüstigkeit und
besonders in krampfhaften Engbrüstigkeiten so hülf-
reich seyn, wie Akenside »), Meyer •), Barif^ %
Stoü ^), Fouquet '), Kanoe ^) liezengen, wenn sie
nicht, anch ohne Ansleerang sn bewirken, schon
för sich die Kraft besäfse, Engbrüstigkeit iiberi-
haapt und krampfhafte Engbrüstigkeit insbe«
sondere sn verursachen, dergleichen Murray ^\
Geoffroy ») und W. Scott *®) von dieser Wurscl
wahrgenommen haben*? Kann es deutlichere Winke
geben, dafs wir die Arzneien nach ihren krankma-
chenden Wirkungen sur Heilong der Krankheiten
anwenden sollen?
Eben so würde es nicht einsnsehen seyn, wie
Ignatzbohne in einer Art Convnlsionen, nach dem
was Herrmann ^^), VaUntin '^) nnd ein Ungenmnr
1
mitte
2
3
4
6
6
7
8
9
10
11
12
Man sehe die Stellen in meiner reinen Ars nei-
lehre, III. S. 184—185.
Medical. Transact. I. No. 7. S. 39 u. £
Diss. de Ipecacuanhae refracta dosi usu, S. 34«
Praxis medica, S. 346.
Praelectiones, 221.
Joarnal de M^decine, Tom. 62. S. 137.
In Act. reg. soc. med. havn. 11, S. 163 n. 111, S« 361
Median, pract. Biblioth. S. 237.
Trait^ de la mat mi\, II, S. 157.
In Medic. Comroent von Edinbuig. IV, S. 74.
Cynosara Mat. med., II, S. 231. .
Hist Simplic. reform. S. 194. §. 4.
67
ter >) versichern, so woblthätig hätte sejm können,
wenn- sie nicht selbst dergleichen ähnliche Go'nval-
sionen hervorznbringcn im Stande wäre, wie Ber^
gm *), CamtMi ') und Dürws *) anch wirkfich Von
ihr sahen.
Dnrch Stofs und Quetschungen beschädigte
Personen bekoniaien Seitenstiche, Brech-Reiz, krampf-
hafte, stechende und brennende Schmerzen in deä
Hypochondern, mit Aengstlicbkeit nhd Zittern be-
gleitet , ein unwillkürliches Znsamnienfahrcn , wie
von elektrischen Stöfsen, wachend und im Schläfe,
ein Knebeln in den beschädigten Theilen u. s. w.
Da nun Wohlverleih eben diese Zustände in
Aebnlichkeit selbst erregen kann, wie Meza^ Vicat,
Crichtony ColUn, Aaskow» Stoü und J. Chr. Lange
von ihr beobachteten '), so wird es leicht begreif-
lich, wie dieses Kraut die Zufalle von Stofs, Quet-
schung und Fall, folglich die Quetschungskrankheit
selbst heilen kann, vrie eine namenlose Menge von
Aeraten und ganze Völkerschaften seit Jahrhunder-
ten in Erfahrung gebracht haben.
Die Belladonne erzeugt unter den Beschwer-
den, die sie bei gesunden Menschen eigenthümlich
enregt, unter andern auch Symptome, welche, zu-
1) In Act. Berolin. Dec. II. Vdl 10. S. 12.
2) Mat. medka. S. 150.
3) Philos. Transact Vol. XXI. No. SM.
4) Miscell. Nat. Cur. Dec III. anö. 9. 10.
6) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei-
mittellehre. L zw. Ausg. S. 487—504.
E2
68
sammcngenommeni ein scbr ahnliches Bild darstei-
len von derjenigen Art Ton Wasserscheu Dnd
Hundswnth, welche Th* de Mayeme ^), Miinch^)^
Buch/lblz ^y nnd Neimike ^) wirklich ond yollstandig
mit diesem Krante (homöopathisch) geheilt haben ').
Das vergebliche Haschen nach Schlaf, das
angstliche Athemholen, der ängstliche, bren-
nendeDnrstnachGetränke» welches diePer-
son kaum erhält, als sie es schon wieder von
sich stofst, bei rothem Gesichte, stieren nnd
funkelnden Augen, wie JF*. C Grimm von Bella-
donne beobachtete; das Ersticken erregende
1) Praxeos in morbis intemis syntagma alterum, Avg.
Vindel 1697. S. 136.
2) Beobachtungen bei angewendeter Belladonne bei den
Menschen. Stendal 1789.
' 3) Heilsame Wirkungen der Belladonne in ausgebro-
chener Wuth. Erfurt 1785.
4) In J. H. MüncKs Beobachtungen. I. Th. S. 74.
5) Hat die Belladonne in ausgebrochener Hunds-
wuth oflfc- nicht geholfen, so niufs man bedenken, da(s Ät
hier nur durch Wirkungs-Aehnlichkeit helfen kann, folglich
nur in den kleinst möglichen Gaben, wie alle homöopathi-
sche Mittel, hatte gegeben werden müssen (wie man im
Organon §. 273-— 281. dargethan findet). Sie ward aber
meistens in den ungeheuersten, grölsten Gaben gereicht,
und so mufsten die Kranken nothwendig sterben an der
Arznei, nicht an der Krankheit. — - Doch mag es auch mehr
als Eine Stufe oder Art von Wasserscheu und Hundswuth
geben, und also, je nach den Zufallen, zuweilen Bilsen-
kraut^ zuweilen hingegen Stechapfel das passendste
homöopathische Heilmittel seyn.
«9
Nte'derscblingen des-Gctranks bei Bbermä-
fsigem Darste, wie EL Camerarius nnd Sanier;
überhanpt das Unvermögen zo scblnck^n, wie
May^ Lottinger» Sicelius, Buchave^ dHermont^ Mo-
netüt Vicatj Cuilen; die mit Fnrcbtsamkeit ab-
wechselnde Begierde, nacb den Umstehen-
den %xk schnappen, wie Sauter» Dumoulüi, Bu-
chatte, Mardorfi nnd nmher za spacken, wie
Saideri SLUch wobl zn entfliehen, wie DumouUny
Eb. Gmelln, Buehoz\ nnd die beständige Reg--
samkeit des Korpers« wie Boücher, Eb. Gmetin
nnd Sauter ^) von Belladonne beobachtet haben.
— Die Belladonne heilte auch Arteix von Manie
und Melancholie, bei EperSy Schmucker^ Schmalz^
Manch Vater und Sohn, and Andern, nämlich btofs
mittels ihrer Kraft, besondre Arten von Wahnsinn
erzeugen zn können, dergleichen BcIladonne^Gei-
steskrankheiten Rau^ Grimm, Hasenestj Mar-
dorf, Hoyer, Dillenius nnd Andre aufgezeichnet ha-
ben ^). — Henning ') braacbte eine Menge vergeb-
licher Arzneien gegen eine Amaurosis mit vielfarbi-
gen Flecken vor den Angen, drei Monate lang, bis
er aas willkürlicher Vermothang etwaniger Gicht (die
der Kranke gleichwohl nicht hatte) endlich, wie dorch
Zufall, aaf Belladonne ^) verfiel nnd ihn damit
1) Man sehe die Stellen von allen diesen Beobachtern
In meiner reinen Arzneimittellehre. I. Tb.
2) £beaa.
3) Hufeland ^ Journ. XXV. iv. S. 70—74.
4) Belladonne ist blofs durch Yermuthung
70
j^cIuieU und ohpe Beschwerde heilte^ er würde ^le
wohl gleich Anfangs sam Heilmittel gewählt : haben,
wenn er gewnist hätte, dals nur die mittels Wir-
knngS'Aehnlichkeil (homSopathisch) anf den. Krank-
heitsfall . passenden Arzneien gewifs nnd dauerhaft
heOen können, und wenn er sagleich gewnfst hätte,
dafs Belladonne^ vermöge dieses nntrüglichen Na-
tni:- Heilgesetzes, hier homöopathisch helfen müsse,
da sie selbst eine Art Amaurosis mit vielfarbi-
gen Flecken vor den Aogen erzengt, wie Sau-
Ur ^) nnd Buchholz ^) von ihr bewirken sahen«
Bilsenkraut hat Krämpfe, welche viel Aebn-
lichkeit mit FalUncht hatten, anch wohl dafür ge-
halten wurden, bei de Mayeme '), Staerch^ CoWn
und Andern gehoben, aus dem Gmade, weil es der
Fallsucht sehr ähnliche Zuckungen erregen
kann, wie man ^) bei El. CamerariuSj Chph. Seli-
ger^ Hänerfpolff A. Hamilton^ Planchon, a Costa
und Andern findet — -
In gewissen Arten von Wahnsinn haben Fo-
thergill ^), Stoerckj HeUwig und Oßerdinger das
zur Ehre, ein Gicht -Heilmittel seyn zu sollen, gekommeo.
Die Krankheit, die noch mit einigem Recht den feststehen-
den Namen Gicht sich anmaben konnte, wird nie und
kann nie durch Belladonne geheilt werden.
1) Hufeland^ Journal der pract. Arzneik. XI.
2) Ebend. Y. i. S. 252*
3) Praz. med. S. 23.
4) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei-
mittellehre. Th. IV.
5) Memoirs of the med. soc. of London, I. S. 310. 314.
71
Bihenär4ut mit ISxtolgt gcbraocht; docli würden
Doch weil mebre Aerzle hierin glücklich gewesen
seyD) wenn sit keinen andern 'Wahnsinn daniit
SQ heilen nntemommen hätten, als den Bilsenkraot
in seiner Erstwirkang selbst in Aebnitcbkelt zd erzen-
gen vermag, nämlich jene Art Stupider Geistes-
perwirrungy wie sie Helmont, Wedeln J. G. Gme-
Un^ la Serre^ Hünenvol/y A. Hamilton, KiemanAer^
J. Stedmamt Tozzetti, J. Faber nnd Wtndt vöti
diesem Krante haben eilblgen sehen '). — Ans d[en
von diesem Krante er&hmen Wirkatigen, die man
bei letztern Beobachtern nachsehen kann, läfst sich
auch das Bild von einer hohen Art Hysterie 'zu-
sammensetzen, und »ne sehr ähnliche wird von die-
sem Krante geheilt, wie man bei «7. A. P. Gessner^
Stoerck nnd in den Act. Nai. Cur. *) findet. — Un-
möglich hätte Schenkbecher ') einen zwanzigjährigen
Schwindel mit dem Bilsenkraute heben können,
wenn diels Kraut nicht so allgemein nnd in so ho-
hem Grade einen ähnlichen Schwindel zn er-
zengen von Natnr geeignet wäre, wie Hünerwolf,
Blomy Natner, Planchen, Sloane, Stedmann, Gre-
dingy Wepfer, Vicat, Bemigau bezeugen ♦). ■ —
Meyer Abramson ^) plagte seinen eifersüchtigen"
1) Man s. meine r. Arzneimittell. IV. S. 52 — 67.
2) IV. obs. 8.
3) Von der Kinkina, Schierling, Bilsenkraut u. s. w.
Riga und MiUu 1769, im Anhang S. 162.
4) Siehe meine reine Arzneimitteil. a. a. O.
5) Hufeland ^ Journ. XIX. u. S. 60.
72
Wahnsinnigen lange mit vergeblichen, andern Arz-
neien» ehe er zafallsweise, als ein scklafinaehen sol-
lendes Mittel^ das Bilsenkraut ihm gab, was nar
tiirlich schnell half; hätte er dieEifersttchtigkeit
nnd die Manieen gekannt, die Bilsenkraut bei
Gesunden erregt ^), nnd hätte er das einzige Nator-
Heilgesetz durch Homöopathie gekannt, so würde er
gleich Anfangs diefs Heilmittel mit Zuverlässigkeit
haben wählen können, ohne den Kran|cen so lange
mit, Arzneien zn quälen, die als nnhomöopathisck
hier, nicht helfen konnten. — Die gemischten Arz-
neistoffe, die Hecker ^) in einer krampfhaften
Verscbliefsnng der Augenlider mit dem sicht-
barsten Erfolge brauchte, wären vergeblich gewesen,
war nicht das hier bomöopathische Bilsenkraut
zufälligerweise darunter, welches nach > Wepfer ')
eine ganz ähnliche Beschwerde am gesunden Men-
schen zu erregen pflegt. — So konnte aach Wühe-
ring ^) eine krampfhafte Verschlicfsung des Schlim-
des, mit Unmöglichkeit zn schlingen, durch keine
Arznei bezwingen, bis er Bilsenkraut gab, dessen
eigenthümliche Wirkung ist, eine krampfhafte
Zuschnürung des Schlundes mit Unvermö-
gen zu schlingen selbst zu erzeugen, wie Toz-
zetti, HamHionj Bemigauj Samtes ond Häner-
1) Siehe m. reine Arzneimitteil. IV. S. 31. 55. 56.
2) Hufeland y Journ. d. pr. Arzneik. I. S. 354.
3) De cicuta aquatica, Basil. 1716. S. 320.
4) Edinb. med. Comment. Dec. IL B. VI. S. 263.
73
wo^^ ') miKweideaäg und in hohctta Grade von die-
sem Kraute haben entstehen sehen.
Wie wäre es möglich, dafs der Campher in
sogenannten schleichenden Nervenfiebem mit vermin-
derter Körperwärme, verminderter Empfindung und
gesunkenen Kräften so ausnehmende Hülfe leisten
konnte, wie uns der wahrheitliebende Huxham *)
versichert, wenn der Campher nicht in sdner Erst-
wirknng einen gans ähnlichen Zustand zu er-
zeugen vermöchte, wie Will. Alexander, CuUen and
Fr. Hqffmann von ihm sahen ')? —
Feuriger Wein heilt homöopathisch in kleinen
Gaben reine Entzündnngsfieber, wie C, Crivel-
lad ^), H. Augenius *), AL MundeUa ^) nnd ein
Paar Ungenannte ^) erfahren haben. — Schon Askle-
piades heilte®) eine Hirn-Entzündung mit einer
kleinen Gabe Wein. Ein fieberhaftes Delirium,
wie eine vemunftlose Trunkenheit, mit laut schnar-
1) Man sehe die Stellen in meioer reinen Arznei-
mittellehre, IV. S« 38. 39.
2) Opera, Tom. I. S. 172 Und Tom. IL S. 84.
3) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei-
mittellehre, IV.
4) Trattato delF uso e modo di dare il vino nelle
febri acute, Rom. 1600«
6) Epist. Tom. IL lib. 2. ep. 8.
6) Epist. 14. Basil. 1538.
7) Febris ardens spiritoosis cnrata, Epb. Nat. Cor.
Dec. IL ann. 2. obs. 53., und Gazette de sant^, 1788.
8) Caelius Aurelianus^ Acut. lib. I. C« 16.
74
cben^em Athei9> . eine KranUwit dem ZMtande'emer
beftigen Beraascjiitng in JVein^ äfanlicfa, beike
Rademacber ^) 10 einer einsigea Nacbi bloCs dnrcli
Wein trink e n. Ist hier die Macbt des analogen An-
neireis^s (similia similibus) wohl sn verkennen?
Ein starker Anfgafs von chinesiscbem Thee ver-
ursacht Personen, die nicht daran gewöhnt sind,
Hersklopfen und Beängstigung, nnd ist, ia
kleiner Menge genossen, ein treffliches Heilmittel
dieser^ von andern Ursachen entstandenen ZnfiiUe,
wie G. L. Hau *) besengt.
Ein Zustand von Convnlsiotten ohne Bewnfst-
seyn, dem Todeskaqipfe ähnlich, abwechselnd mit
Anfallen von krampfhaftem und stolsweisem Athem,
welches auch schluchsead nnd röchelnd, mit Eis-
kälte des Gesichts und Körpers nnd Bläue der Hände
und Füfse,. bei: schwachem Pulse, erfolgte (gaoi
ähnlich so, wie Schtveikert nnd Andre die Zufalle
von Mohnsafte beobachtet hatten) '), ward von
Stütz ^) vergeblich mit Laugensak behandelt, nacb-
gehends aber sehr glücklich, schnell nnd dauerhaft
durch ilfoA 115^^/ gehoben« Wer erkennt hier nicht
das , unwissender "Weise ausgeübte, homöopathi-
sche Verfahren? — Eben diesen (nach ViaUy J, C.
1) In HufelantTs Journ, der pr. AreneiL XVI. I. S. 92.
2) Ueber den Werth des homöopathiscben Heiiverf.
Heidelb. 1824. S. 75.
3) Siehe reine Arzneimittellehre, Th. I.
4) In Hufeland* s Journal der pr. Aruieik. X. iv*
75
»
Grimm ond Andern) ^) so grof«e Neigung z-nm.
fast onüberwindlichen Schlafe mit heftigem.
Schweifse nnd Delirien erregenden Mohnsaft
(iirchtete sich Osthoff ^) in einem epidemischen Fie-
her, was sehr ähnliche Symptome hatte, ansa-^:
wenden, weil das System (o! das arme System!),
m solchen Znsländen ihn zu geben verbiete. Nor
da er nach vyergeblicbem Gebrauche aller bekannten
Arzneien den Tod vor Angen sah^ entschlois er
sich, ihn auf gut Glfick kq probiren, nnd, siehe! er
war allgemein htüfreich — mnfste es seyn nach
dem ewigen homöopathischen Beilgesetze. — So ge^
sieht auch J. Lind ^}: Jüvt Beschwerden des Kopfs
und das Brennen der Baut bei dem in der Hitze.
des Korpers mttbsam hervorkommenden Schweifse
nimmt der Mohnsaft weg, der Kopf wird frei, die
brennende Hitze des Fiebers verschwindet, die Haut,
wird erweicht und der Schweifs kommt leicht und
reichlich hervor.*^ Lind weifs aber nicht, dafs Mohn-'
safty ganz wider die Satzungen der Arzneischule,
hier defshalb so wunderbar hilft, weil er sehr ähn-
liche Krankheits-Zustände bei Gesunden bervorbringtt
— Indefs gab.es noch hie und da Einen, dem diese
Wahrheit wie ein Blitzstrahl durch den Kopf ging,'
doch ohne das homöopathische Natur -Heilgesetz zu
1) Siehe reine Arzneimittellehre, Tb. 1.
2) In Salzburger medic chirurg. Zeitung, 1805. III.
S. 110.
3) Yersuefa über die Krankheiten, denen die Europäer
in beilseii Klimaten unterworfen sind. Riga u. Leipz. 1773.
76
ahnen. So s^gt Aiston ^): Mohnsaft sey freilich
ein Hitze erregendes Mittel, doch sej es gewifs, dals
er auch die schon anwesende Hitce mindere. — Be
la Guirine ^) gab Mohnsaft in einem Fieber mit
heftigem Kopfweh, hartem, gespanntem Pnise, sprö-
der, trockner Haut, brennender Hitze, daher schwie-
rig durchdringendem, ermattendem Schweifsc, bestän-
dig dnrch die grofse Unruhe des Korpers gestört,
und half datait, erkannte aber nicht, dafs Mohn-
saft defshalb hier so wohlthatig wirkte, weil er
einen ganz ähnlichen fieberhaften Zustand
ftir sich, das ist bei Gesunden, zn erregen vermag,
wie die Beobachter ') von ihm bezeugen. — lo
einem Fieber, wo die Kranken sprachlos waren, bei
offenen Augen, starren Gliedern, kleinem, aussetzen-
dem Pulse und schwerem Athcm, mit Schnarchen
und Rochein, und in Schlafsucht versunken. Zu-
stande, die Mohnsaft ganz ähnlich zu bewirken
für sich vermag, wie De la Croix^ Rademacher,
Crumpe, Pyl^ Ficat, Sauvages und viele Andre
beobachtet haben ^}, da sah Chr. Lud. Hoffmann ^)
blofs den itfo/i/z 5 o/V helfen; wie ganz natürlich,
homöopathisch! — Eben so half Wirihenson^)
1) In Edinb. Yersucheo, V. P. I. art. 12.
2) In Römers Annalen der Arzoeimittellebre I. II. S.6.
3) Siehe meine reine Arzneimittellehre, Tb. L
4) Siehe ebendaselbst
5) Von Schafbock, Lustseuche u. s. w. Münster 1787.
S. 295.
6) Opii vires fibras cordis debilitare etc. Monast. 1775.
77
«
mit Mohnsaft in ähnlichen schlntfimer^iichtig^n Fie-
bern, — nnd Sydenham *) in ähnlichen schlafsöch'-
tigen Fiebern,. so wie in einem gleichen Krankbeiu-
zDstande Marcus ^). — Die Schlafsacht, welche de
Meza ') heilte, konnte er mit nichts Andenn be-
zwingen, als mit dem hier homöopathischen, Schlaf-
sucht selbst erzengenden Mohnsnfte. — Nach lan-
ger Qnal mit einer Menge nicht passender (unho*
möopathischer) Arzneien hob d C. Maithäi ^^ eine
hartnäckige Nervenkrankheit,, deren. Hanptzeichea
Unempfindlichkeit, Tanbheit nnd Eingeschlafenheit
in den« Armen, an den Schenkeln und am Unter-
leibe waren, mit Mohnsafty welcher nach StuLZy
J. Young nnd Andem^) dergleichen Zustände
in vorzüglichem Grade von selbst e)rregen kann, folg*
lieh, wie Jeder' sieht, einzig homöopathisch heilt.
— Hufelands *) Heilang einer tagelangen Lethargie
mit Mohnsaft y nach welchem andern Gesetze er*
folgte sie, als nach dem bisher verkannten homöopa-
thischen? — Eine Epilepsie kam stets nnr im Schlafe;
de Haen fand, dafs es kein nattirlicher Schlaf sey,
in welchem die Anfalle kamen, sondern eine Schlaf-
betänbnng mit Schnarchen (wie sie ganz ähnlich.
1) Opera, S. 654.
2) Magazin fär Therapie, I. i. S. 7.
3) Acta reg. soc med. havn. III. S. 202.
4) In Struf^e's Triumph der Heilk. III.
5) Siehe die StelW^n in meiner reinen Arzneimit-
tellehre. I.
6) Hufeland^s Journal der pr. Arzneik. XIL i.
7Ö
Mohntafi bei Gesndden eraengt), nnd konnte sie
daher blofs darch Mohnsaft m gesunden Schlaf
umwandeln nnd dadurch ungleich die ganse Fallsocht
mit hinweg nehmen ^). — Wie wärcf es wohl mog-
Kcfay dafs Mohns oft, welcher, wie alle Welt weib,
unter allen Gewächs -Substanzen die stiurkste nnd
anhaltendste Leibverstopfang in seiner Erstwir-
knng verursacht (in Ideiner Gabe), eins der gewis-
isesten HtriCrnnttd' in den gefährlichsten Leibesver-
stopfiingen seyn könnte, wenn es nicht vermöge des
so lange verkannten, homöopathischen Heil-Gesetzes
geschähe, das ist, wenn die Arzneien nicht darch
eine,' ähnliches Uebel erzeugende, eigne W^irktmg,
die ihr ähnlichen natürlichen Krankheiten zu be-
siegen nnd zu heilen, von der Natur bestimmt wä-
ren. Diesen in seiner Erstwitkung so mächtig den
Stuhl hemmenden und Leib verstopfenden Mohn-
saft fand T^alles ^) als das noch einzige Rettnngs-
roittel im Ileus, nachdem er den Kranken vergeb-
lich mit Abfährmigs- und andern unpassenden Mit-
teln behandelt hatte. — Eben so haben LentiUus ^)
und G. W. Wedel ^") den Mohns aft^ auch gan«
allein gegeben, hülfireich in solchen Fällen befan-
den, so wie auch Wirthenson^ Betty Heister und
1) Ratio medendl Y. S. 126.
2) Opii usus et abusus, Sect II. S. 260.
3) Epb. Nat Cur. Dec UI. ann. 1. App. S. 131.
4) Opiologia. S. 120.
79
Bichier ^). «-^ Den redEchen JBohn ^)' überzetigtle
ebenfalls die Er£ahrang, dafs die Opiate clen In-
kalt der Gedärme ioi Miserere allein entladen kön-
nen, so wie den- grofsen Fr. HoJJmann ^), welcher
in den geiahrlichsten Fällen dieser Art sich Mols
auf Mohnsaft ^ mit liqnor anodynus gegeben, ver-
lassen konnte* Können wohl alle in den 200000
medicinischen Büchern, welche die Erde belasten, ent-
haltenen Theorien über diese und die vielen andern,
ähnlichen Thatsachen eine veihAtInftige Auskunft ge-
ben , da sie vom homöopathischen Heil - Gesetze
nichts wissen?« Haben wohl ihre Lehrsätze uns auf
diefs, in allen wahren,^ schnellen und dauerhafted
Heilongen durchgängig waltende Naturgesetz hinge-^
fohrt, dafs *^die Arzneien nach ihrer (an gesunden
Menschen erspäheten) Wirkungs-Aehnlichkeit zur
Heilung der Krankheiten anzuwenden sind? '
Bjove ^) und Wedekind *) heilten schlimme Mat-
ter >Blatflüsse mit Sadebauniy welcher, wie jede
gewissenlose Dirne weifs, Bärmutter-Blntflilsse
und, mit ihnen. Früh - Geburten bei Gesnnden cr-
1) Anfangsgr. d. Wondarzneik. V. §. 328., und Cbron.
Krankb. Berl. 1816/ II. & 290.
2) De officio ittedici.
3) Median, rat. system. Tom. IV. P. IL S. 297.
4) Beobachtungen und Schlüsse, II. S. 7.
6) In HufelantPs Journal d. pr. Areneik. X. I. S. 77.,
und in seinen Aufsätzen, S. 278.
80
regt. Wer will hier d^s Heilgeseix durch Aehnlich-
keit (die HomSopalhie). verkennen?
Wie könnte wohl der Biesam in den Arten
krampfhafter Engbrttstigkeit, die man nach Miliar
benannt hat, faftt specifisch helfen, wenn er nicht
iör sich selbst Paroxysmen von hnstenloser,
krampfhaft erstickender Zasammenschnü-
rang der Brnst znwege bringen konnte, wie\Fr.
Haff mann ^) von ihm beobachtete?
Kann die Ktihpocke anders gegen Menschea-
pocken schätzen, als homöopathisch? Sie, welche
aolser andern grofsen Aehnlichkeiten mit ihnen, nnd
ihrem im Ganzen ebenfalls nor einmal im Leben
möglichen Erscheinen, anch ähnlich tiefe Narben,
so wie nicht weniger Achseldrüsengeschwülste, em
ähnliches Fieber, Entzündangsröthe nm jede Pocke
nnd selbst Angenentzündaog nnd Convnlsionen, wie
die Menschenblatter erzengt! Pie Kofapocke würde
gleich nach ihrem Ansbrnche selbst die Menschen-
pockenanstecknng aufheben, also die letztere auch
bei ihrer Mrirklichcn Anwesenheit heilen, wenn die
Menschenpocke nicht tiberwiegend stärker, als die
Knhpocke wäre; der letztem also fehlt hiezn nichts,
als die grölsere Stärke, welche nach dem Natorge-
setze noch anfser der homöopathischen Aehnlichkelt
zom Heilen gehört (§• 1520« ^ii* können also die-
ses homöopathische Mittel nur im Voraus anwenden,
ehe die stärkere Menschenpocke den Körper befallt
• So
1) Med. ration. System. III. S. 92.«
81
So bringt die Kubpocke eine der Menscbenpocke
sehr äbnKcbe (bomSopatbische) Krankheit hervor,
nach deren Verflafs, da der mensthlicbe Körper in
der Regel nnr einer im Leben einmaligen Krankbeil
dieser Art (der Knbpooke, oder der Menscbenpocke)
fähig ist, alle Ansteckbarkeit desselben durch (Küb-
oAeat) Menscbedpocke auf Lebenszeit gehoben ist ^);-
Bekanntlich ist Harnverbaltnng mit Harn«
ftwang eins der bäofigsten nnd beschwerlichsten
Symptome der spanischen Flieg en^ wie Bum
Ueberflnsse Joh. Camerarius, Baccius, i^an Hilden^
Forest t J. Lanzoni^ Qon der Wiel and Werlhoff^)
bestätigen« Ein behutsamer innerer Gebranch der
Canthariden ranfste daher in ähnlichen« schmerz-*
haften' Dysurien ein hülfreicbes und homöopathisches
Haupt- Heilmittel seyn. Und so' ist es auch* Aufser
fast allen griechischen Aerzten (deren Cantharide
meloe cichorii war) haben Fabr. aö Aquapen-^
dente , CapiQoccius , Riediin , Th, Bartholin *),
1) Dieses homöopathische Heilen io antecessum (was
man aocb Präcayiren und Schützen nennt) scbeiiilt uns auch
in einigen andern Fällen möglich, z. B. durch Tragen ge-
pulverten Schwefels in unsem Kleidern gegen Ansteckung
von Wollarbeiter- KrStze und durch eine im Voraus einge-
nommene ^ möglichst kleine Gabe Belladonne» wenn das
(jetzt seltene) glatte Scharlacfafieber Ats Sydenham^ Wi-
ihering und Plencitz epidemisch in der Nähe berrscht.
2) Man sebe die Stellen in meinen Fragmenta de vi-
ribas medicamentomm positivis, Lipsiae 1805« L S. 83. 83*
3) £pist. 4. S. 345.
F
82
Voung ')> Smith *), Raymond »>, de Meza*),
Brisbane *) und Andre die schmersbaftesieD, ohne
mecbaniscbe Hinderang enlstandencn Iscbarien mit
Canthariden vollkommen geheilt Huxham sah
selbst die vorlrefflicbsten WiriLongen • davon in sol-
chen Fällen f er rQbmt sie sehr nnd hätte sie gar
gern . gebrancht; aber die hergebrachten Satzangen
der alten Araneischole, welche, den Lehren der Na-
tur, ood Erfahrung entgegen (sich weiser dankend)
hier scbmeidigende, erschlaffende Mittel anbefiehlt,
hielt ihn von diesem, in gedachtem Falle specifi-
sehen (homöopathischen) Heilmittel ab, wider seine
Uebersengnng ^). — Im frischen, entzündlichen Trip-
per selbst, wo Sach$ ifon Lewealieim^ Hannaeus^
Bartholin y Lister ^ Mead nnd vor allen fWa^lhqff
die Canthariden in den kleinsten Gäben mit dem
besten Erfolge anwendeten, hoben sie die dringend-
sten, anfänglichen Zufalle augenscheinlich, eben mit-
tels s der eigenthümlichen Kraft derselben, wodurck
sie, nach fast allen Beobachtern, schmerzhafte
Iscburie, Harnbrennen, ja selbst Entzündung
der Harnröhre (^Wendt) und sogar bei blols an-
fscrlicher Anwendung eine Art entziindnngsarti-
1) Pbllos. transact No. 280.
2) Medic. Communications, II. S. 605.
3) In auserlesene Abb. für pr. Aerzte. lü. S. 460.
4) Acta reg. soc. med. havn. IL S. 302.
5 ) Auserieseae Falle d. ausübenden Arz. Altenb^ 1777.
6) Opera, E4tt Reiehel. Tom. IL S. 124.
83
gen Tripper (wie Wiefmahn'^") sah) fftr '^k
selbst ca erzeug«B vermögen ^). ' • ^•
Bei evipfiadKdien Personen 'erregt diitr ja^ne^
Gebranch AesSchfP-efeis nicht ^Iten StohUw^ang^'
KQweilen sogar brei Stnhiiwange Leihwd-b |ib^
Erbrechen, wie WaÜher*^) heeeogt, nnd' dieielc
seiner eigentbtimlicben Kraft wegeki/ bat man ^) mit
demselben- röterartige Zufalle^ nnd nach Wer4k^^^^
Hämorrhofdal^tny zwang, so wie nath Räi^^^y 113^
morrhoidal- Koliken heilen können. ^'B^käniytlick
erseagt das TöpUtser Bad^ so wie alle- andern taaett
und wannenj Schwefel enthaltenden Miheral-A^as^
ser, oft einen sogenannten Bad e* Ans schlag, wek
eher anscheinend ' grofse Aehnlicbbeii mit W 11 ar-
beit er- K rät se 'hat; tind eben dieser homiiopatlii^
1) Auswahl aus dea Nürnberger eelehrten Unterhal-
tungen. I. S. 249. Anmerk.
. 2) Ich sage: ,, die dringendsten, ahfanglichen Züßlffe;^
_ _ ^ ^ ücksichten. *Dentf
wenn es auch- so gelinde. Arten. >von IVipp^rn^^gfebt, die,
fiist ohne. Hälfe, bald yi)^ sdbst i^ei;s<hwind^n,. so gwbt^s
dagegen andre von höherer Bedeutung, vorzüglich dfin^^xL
den französischen Feldzngen häufiger gewordenen, ^en, man
Feigwarzentripper nennen könnte, welcher ebenfalls durch
Beischlaf- Ansteckung erfolgt, wie die venerische Schanker-
Krankheit, obgleich von diesem* gäti2 ver$(ilnedener matur
(siebe >4nten Anmerk. zu §..a20r). :
3) Progr. de Sulphure et Marte, Lips. 1743«' $.• 5.
4 ) Medicin. National - Zeitung , ^1798. S. 153.
5) Observat. de febribus, S. 3/ §^ 6.
6) In Hufeland*s Journal der pr. Arzneik. Yll. II.
S. 168. • , '
F2
84
8id«^ JKtaft wegen bebte aticb diese Bäder man-
cben krätsartigen AnsscUag. -— Was giebt es Er-
sticJkenderies als Sohwefeldampfi . Und eben
dea Dampf 9on\angezündBtem Schwefel fand
JBiiCfuet. !) als das beste Ekwecktmgsmiftlel im Sdbeia-
tpde you andersartiger Erstickung. .
Die eag^iscben Aerzte babea in Beddoes Schrif-
ten und« andecwaitsi die Salpetersäure als ein sehr
bVlfreicbes Mittel in den SpeicbeUasse vcin Qneck-
ailbiBr nud den daher .Entstandenen Mnndgescbwii-
ven befanden, welches diese Sinre nicht bätte aosn
ficbtc^ k^innen, wenn sie qicht scboi) tut sich, selbst
wo vsfe nicht dnjppb den Mond eiagenon^oien ward«
Uofs. in^.Bade an die Hant des Körpers gebracht,
wie Scofß',^^ ond Blair ') be^eogen, die Eigenschaft
besäfse, Speichelflofs nnd Rachen-Gescbwttre
m ersengen, wie aach von der innerlich eingenom-
menen SalpetersSare Aloyn ^), Zuke ^), J. Ferriar *)
nai:G..ti!ellie, ^) gesehen haben. '
JFrüze f) hast von .einem. Bade, init iausti-
sckem /iTa// geschwängert, eine Art Tetantis er-
!■ 'm f..
^) Edinb. med. Comment IX.
2) In Huf€lan4fs Journal f. d. pr. Ansneik. IV. S. 353.
3) Neueste £r|ahi:ungeny Glogaa 1,801.
4) In M6noire8 de la soc. d'teuhtion. I. S. 198.
6) hei Beddoe^t.
6) In SammL a. Abhandl. f. pr. Aerzte. XIX. ii.
7) Ebend. XIX. i.
8) In Hufeland*s Joam. f. pr. Arsneik. XII. i. S. 116.
65
folgen sehen, nnd Alex, von JEbm^o/ift *) hiat die
Reizbarkeit der Maskeln' dorch tcfrffossenes Weili--
steinsalz (eine Art balbkanstiscfais Kali) \k& vom
Tetanns zä erregen vermocht; kann w&hl erfter
einfachere nnd wahrere Qnelle fflr die Heilkraft i}e«
(ätzenden) Laagensalzes in jener Art von Tetanns,
worin es «S'/jV^ nebst Andern so httlfreicH fand, nach-
gewiesen werden, ab in seiner homöopatfaisichen Wir-
kangs-AehnUchkeit? >
Der darch seine ungeheure Kraft, das Befinden
der Menschen zn verändern, man weifs nicht, ob in
verwegnen Händen mehr fiärchterlich, oder in der
Hand des Weisen eher verehrongswtirdig' zn nen«
nende Arsenik würde im Gesichtskrebse nnter den
Augen sehr vieler Aerzte, von denen ich hier blols
G« FaUopius ^), Bemhardi ^) und Roenntm ^) nen-
nen will, nicht so grofse Heitnngta hdben voUbrin.^
gen können, wenn dieses Metall -Oxyd nicht die
•
homöopathische Kraft besäfse, schon flQr sich im
gesunden Körper sehr schmerzhafte, nnd sehr
schwer heilbare Knoten nach AmcUus d^ Por-
iugiesen ^), nnd tief eindringende bösartige Ge-
1) Verbuch über die gereizte Muskel* und Nenreofäser.
Posen und Berlin 1797.
2) De uiceribus et ^umoribus, lib. 2. Venet. 1563.
3) In Journal de m^decine, cbirurg. et (»faann. LVIL
1782. Mars. .
4) Konigl. Yetensk. acad. Handl. f. a> 1776.
5) Obs. et Cur. Ceot IL Cur, 34.
86
Stil wäre nach Hemrekh ^) nnd Knapi ')^ und
ktebsariigo Geschwüre nach Heüue^) za er-^
siQugeB. . — .Die Alien würden A^s. Arsenik entbal-
tende,; sogenannte Diabetische Pflaster des Angelas
Säla ^) bei Pestbeulen and Carbnnkeba nidht so
^nsitnxniig wohlthäitig haben finden | können, wenn
der Arsenik . nicht för sich. (wie. Degner *) nnd
Knape ®) beseageq) die Neigung besäfse, schnell
in Brand tibergehende EotiittndlDngsgeschwiilste
«nd schwarze B'Jattern (wie Ferzascha^) and
Pfahn ^) von ihm beobachteten) henrorzobringen. —
Und. wo käme seine so tansendfach. bestätigte (nor
noch nicht bebatsam genag angewendete) Heilkraft
in ieinigen Arten von Wechselfiebcm heCf die seit
Jahrhnndiertch ,. schon, von NicoL MyrepsuSf neichge'
bends von Slei^ogtj MoUtar, Jncobi^ J. C. Bern*
handt, Jängken^xFawe^ Brera^ Darfvin, Maj, Jack'
son nnd Fowler nnsweideotig gepriesen worden ist,
wend sie nicht in der eigentfatimlichen Fieber
1) In Acta Nat. Cur. IL obs. 10.
..2) Annalen der Staatsareneik. 1. I. i
3) Bei Ehers in HufelandCs Journal Her pr, Arzoei-
kuQde« 1813. Sept. S. 48.
4) Anatom, vitrioli Tr. IL In Opera med« chym.
Frft. 1647. S. 381. 463.
. ,5) Acta Nat. Cur. VL .
6) Annalen der Staatsarzneik. a. a. O.
7) Observ. medk. Cent. Bas. 1677. öbs. %^. -
8) Samml. merkwülrd. Fälle, Nürnb. 1750. S. 119. 130.
mk
87
erregenden Kraft des Arseniks gegründet wäre,
welche fast alle Beobachter der Nachtbeile dieser
Substanz deatlich bemerkten, insbesondre Amatus der
Portugiese, Degner^. Buchholz, Heun und Khape ^).
. — Ganft wohl läfst sich s Edv;^* Aiexandern ') giah-
,ben, dafs der Arsenik ein Hatiptmittel in (einigten
Arten) der Brastbränne sey, da schon Öiio Tache-
nüiSy Guilbert^ JPreussius, Tldlemus nnd Pyl Bä-
kiemmnng des Athemholens, GreiseUus *)' eine
fast erstickende Scbwcrathmigkeit, nnd vor-
zSglich Majmdt ^) ein beim Gehen' plötzlich
entsteKendes As^thma mit Sihken der Kräft-e
von Arsenik wahrgenommen haben.
Die. Convulsionen , welche Kupfer, und
nach Tondi, Ramsay, Fabas, Pyl und Cosmier
•der Genofs knpferiger Dinge, so wie die wiederhol-
ten epileptischen Anfälle, die eine verschluckte
Kupfermünze unter Joe* Lazerme's ^) und def Kap-
fersalmiak unter Pßindels ^) Augen erregt haben,
erklären dem nachdenkenden Arzte deutlich genug,
woher die Heilung einer Art Ycitstanzes durch Kup-
1) Man sehe die Stellen io meiner reinen Arznei-
mittellehre. 11.
2) Medic. Coinment. of Edinb. Dec. II. T. I. S. 85.
3) Mise. Nat. Cur. Dec. I. ann. 2. S. 149.
4) In Saniml. a. Abhandl. f. Aerzte, VII. I.
5) De morbis internis capitis, Amstel. 1748. S. 253.
6 ) In Hufeland's Journal der pr. Arzneik. 11. S. 264.
und nach BurdacKs Zeugnifs, s. System d. Arzneien. I.
Leipz. 1807. S. 284.
88
/^r, irovcm Ä Wlilan *), Wtdcker «), a TÄutfi-
sink ') und Dehnrwe ^), nnd die vielen Heilongen
einer Art FalUacbt durch Kupferbereitungen
kennen, wovon Battj, Baumes, Bierling^ Boerhatwe^
Causland, Culien, Duncan^ Feuerstein) Hehelius,
Lieb, Magennis, C. Fr. Michaelis, Reily Rüssel^
Stisser^ Thilenius, JVeifsmam, Weizenbreyer, Jfhi-
ihers und Andre so glUcUiche .£r£alimngen auf-
seichneten.
Haben Poterius, Wepfer, Wedel, Fr. Hoff-
mann, JL A. Vogel, Thiery und Albrecht mit Zinn
.eine Art Sckwindsncht, faecdiiches Fieber, langwie-
rige Catarrbe und feuchte Engbrüstigkeit geheilt, so
geschah es mittels der eigenthttmlicben Kraft des
.Zinnes y eine Art Schwindsucht selbst erxeugen
SU können, welches schon £r. E. Stahl ^) beobachtet
«hatte* — Und wie wäre es wohl möglich, da(s
Zinn, wie GeisehlOger berichtet, Magenschmer-
zen heilen könnte, wenn es nicht fiir sich schon
dergleichen aui erregen im Stande wäre. Und diefs
kann es allerdings ^ wie GeiscUäger selbst ^) sah
und ehedem StaKl ^).
Sollte die schädliche Kraft des Bleies ^ die
1) In Samml. a. Abhandl. f. pr. Aerzte, XIL S. 62.
2) Ebend. XI. iii. S. 672.
3) Waarnemingen, No. 18.
4) In Kühn's Phys. med. Journ. 1800. Jao. S. 58.
6) Mat med. Cap. 6. S. 83.
6) In Hiffeland's Journ. d. pr. ArsneiL X. Iil. S.ltf*
7) Mat. med. a. a. O.
80
bartnäckigste iLeifarerstöpfiing ^nai selbst* Ilens
zn eneugen (metl7nffAe9^9 Wilson, LuzuHaga irad
Andre sahen), nicht eine ähnliche Heilkraft zn' vei^
stehen geben? Sollte Blei m^\ so gewifs^ wie alle
andre 'Anneien in der Welt, gerade mittels seinet
Krankheit erregenden Krd^ähnlrehe natttrHche Uebel
(homöopathisch) ' zn besiegen nnd dauerhaft sn hei-
len fähig sejm? Allerdings! Angelas Sah ^) heilte
dorch den innem Gebranch dieses Metalls eine Art
Dens, nnd X jigncola ^) eine andre gefahrliche Lei-
besverstopfnng. 'Die i/^i'^riz^n Pillen, mit denen
Tiele Aerzte eine Art Ilens nnd andre hartnäckige
Leibesverstopfnngen so glücklich heilten ( C/iirac,
Hebnont, Naudeau, Perenus^JUifinuSy Sydenham,
Zacuius der Portugiese ^ Bloch nnd Andre), wirk-
ten nicht blofs mechanisch und durch ihre Schwere
(sonst würde man das weit schwerere Gold dasn
voraüglicher gefimden haben); sbndem am meisten
als innere Blei*Arznei, homöopathisch heilkräftig. ^«*
Wenn Otto Tachenius nnd Saxtorph ehemals hart-
näckige hypochondrische Beschwerden mit Blei heil-
ten, so erinnere man sich der diesem Metalle aner-
schaffenen Neignng, hypochondrische Beschwerden
für sich zu erzeugen, wie in Luzuriagds ^) Bcschrei-
bnng der schädlichen Wirkungen dieses Metalls zu
sehen ist.
1) Opera. S. 213.
2) Conment; ia J. Pqp^U cfiybii Med^y« Lfpi 1638.
S. 223. • 1
S) Rttcweil p£riodique''de • litttrat. i. fir.'^:
00
^ '^Mair darf. sieb mcbt wondenii idh' Mta^eus^)
kiae Entsündoogs- Geschwulst der Zonge nod des
RacheDS mit einem ACttel ^Quecksilber) schnell
geheilt hat, welches nach den täglichen, taosend-
fachen Erfahrongen aller Aerxte ganz speeifisch Ent*
»ttndatig nnd Geschwulst den innern Theile
des-Mandes einengt und dergleichen schon bei
äofserer Anflegong (der Mercnrial* Salben, der Mer-
carial- Pflaster) auf die Haat des übrigen KSrpers
diot, wie Degner^)y Friese *), Alberti^) und £«-
gel^) nebst Ändern erfahren. Die Yerstandes-
schwäche, die Swedjaur *), die Verstandlosig-
keit, die Degner ^), und der Wahnsinn, den
Larrey ®) vom Quecksilber^Gebrauche beob-
achteten, vereint mit der bekannten, fast spedfiscbeo
Kraft dieses Metalls, Speichelflnfs ta erregen,
erklärt sehr einlenchtcnd, wie WiU. Perfeet *) mit
Speichelflnfs abwechselnde Melancholie mittels Qoedc-
Silber dauerhaft heben konnte« — Warum war See-
1) Magazin, II. u.
2) Acta Nat Ciirios. VI. App.
• 3) Geschichte und Versuche einer chirurg. Gesellschaft,
Kopenhagen, 1774.
• ' .4) Jurisprudentisi med. V. S. 600.
5) Speciihina medica, Berol. 1781. S. ,99. •
6) Traite des malad, ven^r. 11. iS. 368.
7) A. a. O.
''V 8) Memoirea et Obsenrat.., in Deseriptieo de TEgjpte,
Tom. I.
9) Aona|e9eii9er}4niilaUriVVAhQaiiiQige,HiaiK>nl80l.
t
ri
91
Hg ^) in der voni Parpnrfriesel il^gieileten
und Hamikon ^), Hqffmann ^), Marcas ^)j Mash ^%
Colden ^)» JBaäejr nod MlchagUs '?). itk andern bös-
artigen Brännen so glücklick mit dem QehriocUe
des Queeisilbgrsi 'Offenbar deisbalb, weil die-
ses MeftaH selbst eine Art der schlimmsten BrSnne
snwege bringt ^)! -*- Heilte Sauiert ^) jene geschwiiv
rige Mnndenttttndang init Scfawämmchen nnd Speii-
chelflofsgestanke ^ dnrcb Gnrgeln mit Sublimat^ An£.
losnng, oder Bloch ^^) die Mnndschwammcben woU
auf andre als bcmiöopathiscfae Weise mit Qnecksil^
ber? da letsteres, anfser andern Mundgescfawü«-
ren, namentiicb auch eine Art Mandschwämm^
1 ) In HufelantTs Journ. d. pr. Arzneik. XVI. i. S. 24.
2) In Edinb. Comment. IX. I. iS. 8.
3) Medic. Wochenblatt, 1787. No. 1.
4} Magaz. f. spec. Therapie, IL S. 334.
5) Medic. inquir. and observ. No. 6.
6) Medic. obsenrat. and inquir. I. No. 19. S. 211.
7) In Richters chinirg. Bibliolb. V. S. 737—730.
8) Auch häutige Bräune hat man niit Quecksilber
zu heilen versucht, iviewohl fast immer vergeblich, weil
dieses Metall jene eigenartige Umänderung in der Schleim-
haut der Luftröhre, die in dieser Krankheit vorherrscht.
Dicht in Aehnlichkeit selbst hervorbringen kann, wogegen die
kalkartige Schwefelleher^ welche Husten aus Athem-
beengung entstehen läfst, noch mehr aber, wie ich fand, die
Tinktur von Röst - Schwamm in ibr^ eigenthiimlichen
Wirkungen (siehe reine Arzneimitteil. VL zweite Ausg.
Sympt. [143 — 145.]) weit homöopathischer und daher weit
büifreicher^ am besten in kleinster Gabe, ist.
9) In Hufelanis Journ. der pr. Arsneik. XU. u.
10) Medic. Bemerkungen, S. 161^ .
92
oh en. selbst benrorbttngty^e SMegd ') und Ihm.
Acrey ^) bezeugen, -r*
t .. Mefarev Gemisdie von 'Anneien bediente sicii
Hecker ') im BeinfiraDie.Ton Pocken mit siebtbarem
Eilbigei xam Glffcke, dafs in aUen diesen Miscbiia-
gen t^uecksilb&r mit befindlich war, von wekhem
begreiflich dieb Uebel besiegt wenden könnte, ho*
möopathisch , weil Quecksilber eine von den v^
nigen Anneien ist, welche Knochenfrafs selbst
erzeugen könnenj- wie so viele übertriebne Mercnrial-
Garen gegen Lnstsenche, und so auch nnvenerische
Gnren bezeugen, 'wie z. B. die von Cr. Ph. Midiat
1h ^). Eben so - wird anch dieses bei seinem lang-
wierigen Gebrauche durch Erzeugung des Beinfra-
fses so fürchterliche Metall homöopathisch höchst
wohlthätig in Heilung der Caries nach Yerwundnn-
gen der Knochen, wovdü uns Justus Schlegel ^),
Jöerdens *) und J. Maiih* Müller ^) sehr merkwür-
dige Heilungen geliefert haben, und wie uns Heilnn-
gcn unvenerischer Bcin(ra£se andrer Alt, ebenfalls
mit Quecksilber (von J. F. W. Neu «) uod
J. D. Metzger) ^) dieselbe homöopathische Heilkraft
des Quecksilbers bezeugen,
1) In Hu/elahd*s Journ. der pr. Arzneik. VU. iv.
2) London medic. Journ. 1786.
. 3) In HufelahdTs Journ. der pr. Arzneik. I. S. 362.
4) Ebend. 1809. VI. Jun. S. 57.
6) In Hufeland' s Journ. d. pr. At^neik. V. S. 605. 610.
6) Ebend. X.' ii.
7)- Obs. med. cbir. II. cas. 10.
8) Diss. med. pract., Goettingae 1776.
9) Adversaria. P» U. .Sect'4. .
93
Bei Lesmigf der Schriften tbet ^e medicinSsdi^
Electrisität mnb man über .die > nahe fieuelmng' en
stanneD) mit weleber die'trdnihr faie midda erzeug«
ten Körperbeschwerdto . nnd . Kranidheitszüfime : ded
aus ganz ähnlichen Symptomen, bestehenden, natür-
lichen Krankheiten entspredbion, welche sie glfidUidt
nnd dauerhaft dmroh iHomSopathiegehcilt.hat; Un-
zählig -sind die Schriftsteller, welche von* der positi-
ven Electrisitat in ilirer Erstwvkang, Beschleifni-
giing des Pnlaes wahrnahmen; vollständig :fleJ
berhafie Anfälle aber, blofs. dmrch El'ectrisi-
tat erzengt, sahen Saupages ^% Dislas ^) tind As-
nUon^). Diese ihre fieberhafte Kraft war Ur-
sache, da(s Gardm^'), Wilkinson^^^ Syfnä ®) nnd
Wesiey ^), eine Art Tertianfieber ciinzig'mit Elec^
irlsiiät heSLen konnten, j2^^^/ ') aber xmd WU-
lermoz ^) sogar 'Qaartanfieber. — Die Electrisitat
erzeugt femer, wie bekannt, eine den JZuciungkn
ähnliche Yerkttrznng der MndLehi, und de Sans \^)
1) Bei Bert holen de St, Lazare, medicinische Elec-
trisitat, von Kühn, WeUsenfels und Leipzig 1788. I. Th.
S. 239. 240.
2) Ebead; S. 282.
3) Ebend. S. 233.
4) Ebend. S. 232.
5) Ebend. S. 251.
6) Ebend. S. 250.
7) Ebend. S. 249.
8) Ebend. S. 52.
9) Ebend. S. 250.
10) Ebend. S. 274.
94
kdoDle dnffch oey.M oft er woHte, «ogar anfaal-
tendei Cänmlsionen .am. Anne eines Mädchens
ei^egen ; nnd eben mittck dieser. Gonvnlsmscfaen
Kftift der Electrisität konnten de Sans.*) nnd Frank-
&t:');krankbafie Convolsionen, so wie Üedtn^) m
sdbnjäfoiges MSdcben dürcb Elacicmtit heilen, wel
ches dacch Blits sprachlas nnd ansi linken Arm
lahra gew9»rdeki war, doch mit beständiger^y ni
kUvlnrber Bcwegqo^ der Arme nnd 'Beine nnd ste-
ter vkrampfliafter Zosainmetisiehong der Unken Fin-
ger, -TT-. Auch' eine Art Huftwehieiregte die JElec-
trisitäi (wie Jaüobert ^) und ein Andrer ^) beob*
achteten) und konnte also . ancb. leicht dnrch Wir-
kongs-A-ehnlichkeit nnd HomSopathie eine ähnliche
Art Hüftweh heilen^ wie Hwrtbergj Lovet, Arrigm^
Daboueix, Munduyty Syme nnd Wesley dorch ihre
Erfabrnngen bewährt -haben. *— Eine Menge Aerzte
haben eine Art Augeneotastednng* dnrch Electrisität
geheilt, nämlich mittds eben der Kraft derselben,
selbst ähnliche Angenentztindnngen (wie Pa-
tril Dickson *) urid Bertholon '') von ihr sahen)
za erzeugen« — Fushel heilte Aderkröpfe (varices)
mit Elecirisitäty welche diese Heillpraft blofs ihrer
1) Bei Bertholon de St. Lazare, mediciDische Electri-
sität, von Kühn, Weifeeofels u. Leipz. 1788. I. Th. S. 274.
2) Kecueil sur Feiectrlcit^ m^dic. H. S. 386.
3) Neue BemerkaDgea und Erfahrungen, III.
4) Exp^riences et observations sur l'^lectricH^.
5) Pbilos. Traosact. Vol. 63.
6) Bei Bertholon^ I. S. 406.
7) A. a. O. II. S. 296.
95
von JaUobert.^) beobachteten Etgenscbaft, Viiiieii«<
gescti wüUte erregen xn können,^ verdankt.
Starke Hitce eines acDten Fiebers mit 130 Pate-'
schlagen in der Minute ward von einem heifsein
Bade von fOO Grad Fahr, sehr gemildert, und der
Pals bis '2a 110 Schiigen herabgestimmt, wie ^
bers berichtet. Bei Himentzdndnhg von brennan-
dem Sonnenscheine, oder wenn man den Kopf der
Ofenhitze ansgesefzt hatte, £aind m beiden Fälleil
Löffle ^) beifse Umschläge ungemein httlfreich>
so wie CaiUsen ') in der Hirnentzündung Um-
schläge von heifscm Y(^asser anf den Kopf unter
allen Mitteln am bülfreichsten fand.
Wenn man die Fälle wegrechnet, wo den ge-
wohnlichen Aerzten (nicht ihre Erfind angs- Kunst,
sondern) die Empirie des gemeinen Mannes das für
eine sich gleichbleibende Krankheit jspecifische Mit-,
tel *) in die Hände gegeben hatte, womit sie daher
direct heilen konnten, z. B. die venerische Schan-
ker-Krankheit mit Quecksilber, die Quctschungs-
Krankheit mit Arnica, die Sumpf - Wechselfieber
mit Chinarinde, die frisch entstandene Krätze mit
Schwefelpnlver, n. s. w. — wenn man diese weg-
rechnet, finden wir, dafs nur in dem Verhältnisse
1) A. a. O.
2) In HufelancTs Journal d. pr. Arzneik. III. S. 690.
3) Acta soc. med. Havn. IV. S. 419.
4) Was dann stets ein homöopathisches war.
von nnobrm Hiuid«rteo ihrer . übrigen, nnsiKeckmä-
fsigen Cptea ca einer einzigen, es durch die allgii-
tige Fttr^ehang ^ich. ereignete, dafs eine schnelle,
danerhafte Heilong mitonler lie£
Auch führte, sie enweilen «eine blinde ErEdumng
aaf honoopathische Krankheits-Bchandlnng ^), und
■ den-
2) So glaubten sie die nach Erkaltung angellich in
der Haut stockende AusdSnstangs- Materie durch die Haut
fortsutreiben, wenn sie im Froste des Erkaltungs- Fiebers
HolderblütbenTAufgufs trinken lieben, welcher durch eigen-
thümliche Wirkungs-Aehnlichkeit (homöopathisch) ein sol-
ches Fieber heben und den Kranken herstelleii kann, am
schnellsten und besten ohne Schweiüs, wenn er dieses
Trankes wenig und sonst nichts weiter zu sich nahm. -^
Die harten, acuten Greschwübte, deren überheftige Ent-
sündung, unter unerträglichen Schmerzen, ihren Uebergang
zur Eiterung hindert, belegen sie pnit oft erneuertem, sehr
warmem Brei, und, siehe ! die Entzündung und die Schmer-
zen mindern sich schniell unter baldiger Bildung des Ab-
seesses, wie sie an der gilblichen, glänzenden Erhabenheit
und deren fühlbaren Weiche gewahr werden; da wähnen
sie dann, sie hätten. durch die Nässe des Breies die Härte
erweicht, da sie doch vorzüglich durch die stärkere Wärme
des Brei -Umschlages das Uebermafs der Entzündung ho-
möopathisch gestillt und so die baldigste Bildung der Eite-
rung möglich gemacht haben. — Warum wenden sie das
rothe Quecksilber- Ozyd^ welches, wenn sonst irgend etwas,
die Augen entzünden kann, in der St. Yves- Salbe mit Vor-
theil in manchen Augen -Entzündungen an? Ist es schwer
einzusehn, dals sie hier homöopathisch verfahren? — Oder
warum sollte bei dem (nicht seltnen) vergeblichen, ängst-
lichen Drängen auf den Urin bei kleinen Kindern und bei
dem gemeinen, vorzüglich durch sehr schmerzhaftes, oftes
und .fast vergebliches Harndräogen kennbaren Tripper ein
97
dennoch gewahrten sie nicht das Naini^esetx, nach
welchem diese Heilangen erfolgten und erfolgen
mnisten.
Es ist daher aofserst wichtig, fär das
Wohl der Menschheit, en untersuchen, wie
diese so änfserst seltenen, als ansgeseich-
net heilbringenden Cnren eigentlich «ngin*
gen. Der Anfschlois, den wir hievon finden, ist
von der höchsten Bedentsamkeit. Sie erfolgten nam-
■I > ■ «i
wenig Saft von Petersilie so augenscheinlich helfen, wenn
dieser frische Saft bei Gesunden nicht schon (ur sich ein
schmerzhaftes, fast.yergebliches Möthigen zum Uriniren zu-
wege brächte, also homöopathisch hülfe. — Mit der Pim-
pinell- Wurzel, welche riel Schleim - Absonderung in den
Bronchien und dem Rachen erregt, bestritten sie glücklich
die sogenannte Schleim -Bräune •— und stillten einige Mut*
ter- Blutflüsse mit etwas von den Blättern des für sich Mut-
ter -Blutsturz hervorbringenden Sadebaums, ohne das ho-
möopathische Heil -Gesetz zu erkennen. — Bei der Ver-
stopfung von eingeklemmten Brüchen und im Heus befan-
den mehre Aerzte den die Dartti- Ausleerung zurückhalten-
den Mohnsaft in kleiner Gabe als eins der vorzüglichsten
und sichersten Hülfsmittel und ahneten dennoch das hier wal-
tende homöopathische Heil-Gesetz nicht. — Sie heilten un-
venerische Rachen -Geschwüre durch kleine Gaben des hier
homöopathischen Quecksilbers — stillten mehre Durchfalle
durch kleine Gaben der Darm ausleerenden Rhabarber —
heilten die Hundswuth mit der ein ähnliches Uebel her-«
vorbringenden Belladonne und entfernten den in hitzigen
Fiebern nahe Gefahr drohenden comatösen Zustand mit
einer kleinen Gabe des erhitzend betäubenden Mohnsaftes
wie durch einen Zauberschlag und schimpfen depnoch auf
die Homöopathie! Was soll man von ihnen denken?
G
98
lieh, wie die in obiger Einleitung angeflihrten Bei«
spiele lehren, nie und auf keine Art anders, denn
durch Arzneien von homöopathischer, das ist, ähn-
liche Krankheit erregender Kraft, als der zu hei-
lende KrankheitSKustand war; sie erfolgten schnell
nnd dauerhaft durch Arzneien, deren ärztliche Yer-
Ordner sie, seihst im Widerspruche mit den Lehren
aller bisherigen Systeme und Therapien, wie durch
ein Ungefähr ergriffen (oft ohne selbst recht zu wis-
sen, was sie thaten und warum sie es thaten), und
so, wider ihren Willen, die Nothwendigkeit des ein-
zig nätnrgemäfscn Heilgesctzcs , der Homöopathie,
thätlich bestätigen mnrslcn, eines Heilgesctzes, wel-
ches kein ärztliches Zeitalter bisher, von medid-
nischen Yorurtheilen geblendet, aufzufinden sich be-
mülite, so viele Thatsachen und so unzählige Winke
sie auch dazu hinleiteten.
Denn sogar die Hausmittel -Praxis der mit ge-
sundem Beobachtongssinn begabten , unärztlichen
Classe von Menschen hatte diese Heilart vielfaldg
als die sicherste, gründlichste nnd untrüglichste in
der Erfahrung befunden.
Auf frisch erfromc Glieder legt man gefiromes
Sauerkraut oder reibt sie mit Schnee.
Eine mit kochender Brühe begossene Hand hält
der erfahrne Koch dem Feuer in einiger Entfernung
nahe und achtet den dadurch anfanglich vermehrten
Schmerz nicht, da er aus Erfahrung weifs, dafs er
hiemit in kurzer Zeit, oft in wenigen Minuten, die
09
verbrannte Stelle znr gcsooden, schmerzlosen Haut
wieder herstellen kann ^).
Andre verständige Nichtärzte ^ znm Beispiel
die Lackircr, legen auf die verbrannte Stelle ein
ähnliches , Brennen erregendes Mittel , starken,
wohl erwärmten Weingeist ^)y oder Terbentin^
1) So hält auch, schon Fernelius (Therap. IIb. VL
Cap. 20.) die Annäherung des verbrannten Theils ans Feuer
för das geeignetste Hülfsmittel, wodurch der Schmerz auf-
bore. John Ilunter (On the blood, inflanimation etc. S. 218.)
(uhrt die grofsen Nachtheile von Behandlung der Verbreo«
nungen mit kaltem Wasser an, und zieht die Annäherung
ans Feuer bei weitem vor, — nicht nach den hergebrach-
ten medicinischen Lehren, welche {contraria conirariis)
kältende Dinge fiir Entzündung gebieten, sondern durch
Erfahrung belehrt, daCs eine ähnliche Erhitzung (^similia
similibus) das heilsamste sey.
2) Sydenham (Opera, S. 271.) sagt: ^Weingeisi
sey gegen Verbrennungen jedem andern Mittel vorzuzie-
hen, wiederhoUntlich aufgelegt." Auch BenJ. Bell (Sy-
stem of surgery, tbird. edit. 1789.) mufs der Erfahrung
die Ehre geben, welche nur homöopathische Mittel als die
einzig heilbringenden zeigt. Er sagt: „Eins der besten
Mittel für alle Verbrennungen ist Weingeist, Beim Auf-
legen scheint er auf einen Augenblick den Schmerz zu ver-
mehren (m. s. unten §. 164.), aber diefs läfst bald nach
und es erfolgt eine angenehme, beruhigende' Empfindung
darauf! Am kräftigsten ist es, wenn man die Theile in
den Weingeist eintaucht; wo diels .aber nicht angeht, müs-
sen sie ununterbrochen bedeckt von leinenen Lappen, mit
Weingeist angefeuchtet, erhalten werden. ^^ Ich aber setze
hinzn: der warme und zwar sehr warme Wein-
geist ist hier noch weit schneller und weit ge-
G!2
/ 100
Oel ^) and stellen sich binnen wenigen Standen da-
mit wieder her, während die kühlenden Salben, wie
wisser hülfreich, weil er noch weit homöopathi-
scher ist, als der unerwärmte. Und diefs bestätigt
jede Erfahrung enm Erstaunen.
1) Ediv. Kentish^ welcher die in den Steinkohlengni-
ben so oft grauslich von dem entzündlichen Schwaden ver-
brannten Arbeiter zu behandeln hatte, „lälst heifs gemach*
tes Terbentinol oder Weingeist auflegen, ak das vorzug-
lichste Rettungsmittel bei den gröfsten und schwersten Ver-
brennungen^ (Essay on Bums, London 1798. Second. Es-
say). Keine Behandlung kann homöopathischer seyn, iils
diese, aber es giebt auch keine heilsamere.
Der ehrliche und hocherfahrne Heister (Institut« Chirurg.
Tom. L S. 333.) bestätigt diefs aus seiner ErGihrung und
rühmt „die Auflegung des Terbentinöls, des Weingeistes
und möglichst heifs er Breie zu dieser Absicht, so heifi
man sie nur erleiden könne. ^
Am unwiderleglichsten aber sieht man den erstaunli-
chen Vorzug dieser, Brenn -Empfindung und Hitze für sich
erregenden (also hier homöopathischen) Mittel auf die durch
Verbrennung entzündeten Theile, gelegt, vor den palliati-
ven, kühlenden und kältenden Mitteln, bei reinen Versu-
chen, wo beide entgegengesetzte Curmethoden an demsel-
ben Körper und bei gleichem Verbrennungsgrade zur Ver-
gleichung angewendet wurden.
So liefs John Bell (in KührCs phys. med. Journale,
Leipz. 1801. Jun. S. 428;) einer verbrüheten Dame den
einen Arm mit Terbentinol benetzen, den andern aber
in kaltes Wasser tauchen. Der erstere Arm befand sich
schon in einer halben Stunde wohl, der andre aber fuhr
sechs Stunden fort zu schmerzen; wenn er nur einen Augen-
blick aus dem Wasser gezogen ward, empfand sie daran
weit gröfsere Schmerzen, und er bedurft« weit
längere Zeit, als ersterer, cum Heilen.
101
si« wisfleDi Heb in eben so vielen Monaten nicht aiu-
richten, kaltes Wasser *) aber Uebel Srger macht.
Der alte, erfahrne Schnitter wird, wenn er aoch
So behandelte auch John Anderson (bei Keniish^ am
angef. Orte S. 43.) ein Fraueozimmer, das sich Gesicht
und Arm mit kochendem Fette verbrannt hatte» ,,Das Ge-
sicht, welches sehr roth und verbrannt war, und ihr hef-
tig scbmerete, ward nach einigen Minuten mit Terbentindl
belegt, den Arm aber hatte sie selbst schon in kaltes Was*
ser gesteckt und wünschte ihn einige Stunden damit zu be-^
handeln. Nach sieben Stunden sah ihr Gesicht schon weif
besser aus und war erleichtert. Das kalte Wasser (ur den
Arm hatte sie oft erneuert; wenn sie ihn aber herausnahm,
so klagte sie sehr über Schmerz, und in der That hatte
die Entzündung daran zugenommen. Den Morgen dar-
auf (and ich, dafs sie die Nacht grofse Schmerzen am Arme
gehabt hatte; die Entzündung ging über den Ellbogen her-
auf; verschiedne grolse Blasen waren aufgegangen und dicke
Schorfe hatten sich auf Arm und Hand angesetzt, worauf
nun warmer Brei gelegt ward. Das Gesicht aber war volU
kommen schmerzlos; der Arm hingegen mulste 14 Tage
lang mit erweichenden Dingen verbunden werden, ehe er
heilte.**
Wer erkennt hier nicht den unendlichen Vor-
zug der {homöopathischen) Behandlung durch
Mittel von ahnlicher Einwirkung vor dem elen-
den Verfahren durch Gegensatz {contraria contra-
r/iV) nach der uralten, gemeinen Arzneikunst?
1) Nicht nur J. Hunter fiihrt (am gedachten Orte) die
grplsen Nachtheile von der Behandlung der Verbrennungen
mit kaltem Wasser an, sondern auch W. Fabric. von Hil»
den (De combustionibus libellus, Basil. 1607. Cap. 6« S. 11.)
versichert: „Kalte Umschläge sind bei Verbrennungen höchst
nachtheilig und bringen die schlimmsten Zustande hervor; es
erfolgt davon Entzündung, Eiterung und zuweilen Brand.^
102
sonst keinen Branntwein trinkt, doch in dem Falle,
wenn er in der Sonnenglath sich bis zum hitsigen
Fieber angestrengt hat, nie kaltes Wasser (coniraria
contrariis) trinken — er kennt das Yärderbliche die-
ses Verfahrens — sondern er nimmt etwas Weniges
einer, Hitze hervorbringenden Flüssigkeit, einen
mäfsigen Schluck Branntwein zu sich; die Lehrerin
der Wahrheit, die Erfahrung, überzeugte ihn von
dem grofsen Vorzüge und der Heilsamkeit 'dieses ho-
möopathischen Verfahrens; seine Hitze wird schnell
hinweggenommen, so wie seine Ermüdung ^).
Ja, es gab sogar von Zeit zu Zeit Aerzte,
welche ahneten, dafs die Arzneien durch .ihre Kraft,
analoge Krankheits- Symptome zu erregen, analoge
Krankheits- Zustände heilen ^).
So sagt der Verfasser des unter den Hippokra-
üschen befindlichen Buchs: tibqI roTCtav tSv tcox
avd-Qianov * ) die merkwürdigen Worte : 8ia ra
ofioux vovaog ylvsrcciy xal 8ia rä ofioux TtQogipsQO-
1) Zimmermann (Ueber die Erfahrung, II. S. 318.)
lehrt, dafs die Bewohner heifser Lander, mit dem besten
Erfolge, eben so verfahren, und nach grofsen Erhitzungen
etwas geistige Flüssigkeit zu sich nehmen.
2) Auch diese folgenden Stellen aus den die Homöo-
pathie ahnenden Schriftstellern föhre ich nicht als Erweise
der Gegründetheit dieser Lehre an, die wohl durch sieb
selbst fest steht, sondern um dem Vorwurfe zu entgehen,
als hätte ich diese Ahnungen verschwiegen, um mir die
Prioritlt der Idee zu sichern.
3) Basil. Frohen. 1538. S. 72.
103
fjieva ix voGBvvTcav vyuxlvovrcu, — 8iä ro kfiiuv fTte-
Tog naverai. —
Gleichfalls haben anch nachgängige Aerzte die
Wahrheit der homöopathischen Hcilart gefühlt und
aasgesprochen. So sieht z. B. Boulduc ') ein, dafs
die porgirende Eigenschaft der Rhabarber die Ur-
sache ihrer Darchfall stillenden Kraft sey.
Detharding erräth ^), dafs der Sensblätter- Auf-
gufs Colik bei Erwachsenen stille^ vermöge seiner ana-
logen, Colik erregenden Wirkang bei Gesunden«
Bertholon ^) gesteht, dafs die Electrisität den
faöch$t ähnlichen Schmerz, den sie selbst errege, in
Krankheiten abstumpfe und vernichte.
Thoury ^) bezeugt, dafs die positive Electrisität
an sich zwar den Puls beschleunige, aber wenn er
krankhaft schon zu schnell sey, denselben langsa-
mer mache«
Von Stoerck *) kommt auf den Gedanken:
y^ySTenn der Stechapfel den Geist zerrüttet und bei
Gesunden Wahnsinn hervorbringt, sollte man denn
nicht versuchen dürfen, ob er bei Wahnsinnigen
durch Umänderung der Ideen gesunden Verstand
wiederbringen könne 7^^
Am deutlichsten aber hat ein dänischer Regi-
ments - Arzt, Stahly seine Ueberzeugnng hierüber
1) Memoires de Tacademle royale, 1710.
2) Eph. Nat. Cur. Cent. X. obs. 76.
3) Medicin. Electrisität, II. S. 15 und 282.
4) Memoire la a Tacad. de Caen.
5) Libell. de strani. S. 8.
104
ansgesprocben , da er ') .sagt: „Gans iaisch und
verkehrt tey die in der Arzneiknnst angenommene
Regel, man mttsse darch gegenseitige Mittel (^con-
traria contrarüs) coriren; er sey im GegentheSe
fiberzengt, daCs darch ein ähnliches Leiden erzeu-
gendes Mittel (sindUa sinuUbus) die Krankheiten
weichen nnd geheilt werden, — Yerhrennnngen dorcb
Annäherang ans Fener, erfrome Glieder durch auf-
gelegten Schnee nnd das kälteste Wasser, Entzün-
dnng und Qaetschangen darch abgezogene Geister,
nnd so heile er die Neigang zu Magensänre darch
eine sehr kleine Gabe Yitiiolsäure, mit dem. glück-
lichsten Erfolge, in den Fällen, wo man eine Menge
absorbirender Palver vergeblich gebraucht habe.'^^
So nahe war man zaweilen der grofsen Wahr-
heit! Aber man liefs es bei einem flüchtigen Ge-
danken bewenden, und so blieb die so unentbehr-
liche Umänderung der uralten ärztlichen Krankheits-
behandlnng, des bisherigen unzweckmäfsigen Curi-
rens in eine ächte, wahre und gewisse Heilknnst,
bis auf unsere Zeiten unausgeführt.
1) In Jo» Hummeln Commentatio de Arthritide tarn
tartarea, quam scorbutica, sen podagra et scorbuto, Büdin-
gae 1738. 8. & 40—42.
D
es Arztes höchster nnd einziger Beruf ist,
kranke Menschen gesond za machen, was man Hei-
len nennt ^)
Das höchste Ideal der Heilang ist schnelle,
sanfte, dauerhafte Wiederherstellang der Gesund-
heit, oder Hebung nnd Yemichtung der Krankheit
1} Nicht aber (womit so yiele Aerzte bisher Kräfte
und Zeit ruhmsüchtig yerschwendeten) das Zusammenspin-
Den leerer Einrälle und Hypothesen über das innere We-
sen des Lebensvorgangs und der Krankheitsentstehungen im
unsichtbaren Innern zu sogenannten Systemen, oder die
unzähligen £rklärungsyersuche über die Erscheinungen in
Krankheiten und die, ihnen stets verborgen gebliebne, näch-
ste Ursache derselben u. s. w. in unverständliche Worte,
und einen Schwulst abstracter Redensarten gehüllt, welche
gelehrt klingen sollen, um den Unwissenden in Erstaunen
EU setzen — - während die kranke Welt vergebens nach
Hülfe seufzte. Solcher gelehrter Schwärmereien (man nennt
es theoretische Arzneikunst und hat sogar eigne Pro-
fessuren dazu) haben wir nun gerade genug, und es wird
hohe Zeit, da(s, was sich Arzt nennt, endlich einmal auf«
bore, die armen Menschen mit Geschwätze zu tauschen,
und dagegen nun anfange, mi handeln, das ist, vrirklich
zu helfen und zu heilen.
tß
in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zu-
verlässigsten, nnnachtheiligsten ^Vege, nach deut-
lich einzusehenden Gründen.
§. 3.
Sieht der Arzt dentlich ein, was aja Krankhei-
ten, das ist, was an jedem einzelnen Krankheits-
fälle insbesondere zu heilen ist (Krankheits-Er-
kenntnifs, Indication), sieht er deutlich eio)
was an den Arzneien, das ist, an jeder Arznei ins-
besondere, das Heilende ist (Kenntnifs der Art
neikräfte), und weifs er nach deatlichen Gründen
das Heilende der Arzneien aaf das, was er an dem
Kranken nnbezweifelt Krankhaftes erkannt hat, so
anzupassen« dafs Genesung erfolgen mu(s, anzupas-
sen, sowohl in Hinsicht der Angemessenheit der für
den Fall nach ihrer W^irkifngsart geeignetsten Arz-
nei (W^ahl des Heilmittels, Indicat), als ancb
in Hinsicht der genau erforderlichen Menge dersel-
ben (rechte Gabe) und der gehörigen Wiederho-
lungszeit der Gabe: — kennt er endlich die Hinder-
nisse der Genesung in jedem Falle und weifs sie
hinwegzuräumen, damit die Herstellung von Dauer
sey: so versteht er zweckmäfsig und gründ-
lich zu handeln und er ist ein ächter Heil-
künstler.
§. 4.
Er ist zugleich ein Gesundheit- Erhalter, wenn
er die Gesundheit störenden und Krankheit erzeogeu-
' den und unterhaltenden Dinge kennt und sie von
den gesunden Menschen zu entfernen weifs*
107
§. 5-
Es läfst sich denken, dafs jede Krankheit eine
Ycrändcrnng im Innern des menschlichen
Organismus voraussetzt Diese wird jedoch nach
dem, was die Krankhcits- Zeichen davon verrathen,
(und sonst giebt es keine Data däza in nnchirargi-
schen Krankheiten), vom Verstände blofs dunkel und
trüglich geahnet; an sich erkennbar aber und
auf irgend eine Weise täuschungslos er^
kennbar ist das "Wesen dieser innern, un-
sichtbaren Veränderung nicht.
§. 6.
Das unsichtbare, krankhaft Veränderte im In-
nern und die unsern Sinnen merkbare Veränderung
des Befindens im Aeafsern (Symptomen -Inbegriff)
bilden zusammen vor dem Blicke der schaffenden
Allmacht, was man Krankheit nennt; aber blofs die
Gesammtheit der Symptome ist die dem Heilkünstler
zugekehrte Seite der Krankheit, blofs diese ist ihm,
wahrnehmbar und das Hauptsächlichste, was er von
der Krankheit wiesen kann und zu wissen braucht
zum Heil- Behufe ^).
1) Ich weiüs daher nicht, wie es möglich war, dab
man am Krankenbette, ohne auf die Symptome zu achten,
oder sich nach ihnen bei der Heilung zu richten, das an
der Krankheit zu Heilende blols im verborgnen und uner-
kennbaren Innern suchen zu müssen und finden zu können
sich einfallen liefs, mit dem prahlerischen und lächerlichen
Vorgeben, da£s man dieüs im unsichtbaren Innern Verän-
derte, ohne sonderlich auf die Symptome zu achten, erken-
108
«. 7.
Als Beihölfe der Heilang dienen dem Ante die
Data der wahrscheinlichsten Veranlassnngder
acoten Krankheit, so wie die bedeotnngsvollsten Mo-
mente aas der ganzen Krankfaeits- Geschichte des
langwierigen Siechthams, nm dessen Grandarsache,
die meist aaf einem chronischen jMiasm beraht, aus-
findig sa machen, wobei die erkennbare Leibes -Be-
schaffenheit des (vorsüglich des langwierig) Kranken^
sein gemüthlicher ond gebtiger Charakter, seine De-
nen und mit Arsoeien wieder in Ordnung bringen könne,
und dafs dieüs einzig gründlich und rationell curiren heilse.
Ist denn das durch die Zeichen an Krankheiten sinn-
lich Erkennbare nicht mit dem im Innern, an sich Uner-
kennbaren Eins? Ist Letzteres denn nicht blofs die yon
uns unerreichbar unkenntliche Seite, jenes hingegen die of-
fenbar und mit Gewilsheit von gesunden Sinnen wahrnehm-
bare, uns von der Natur hauptsächlich als Heilobject dar-
gebotene Seite derselben Krankheit? Wer kann das
Gegentheil darthnn? Ist es daher nicht thoricht, den un«
erkennbar unsichtbaren innem Zustand der Krankheit, die
sogenannte prima, causa morbi zum Heilgegenstande sich
vorzunehmen, dagegen aber die sinnlich und deutlich wahr-
nehmbare Seite derselben Krankheit, die vernehmlich za
uns sprechenden Symptome als Heilgegenstand zu verwer-
fen und vornehm zu verachten? *)
*) „Der nach den verborgnen Yerhaitoissen im Innem de« Or-
„ganitfms forschende Ar«t kann taglich irren; der Homöo-
„pathiker aber, wenn er mit gehöriger Sorgfalt das treue
„Bild der gesammten Sjmptomen-Groppe aufTafst, hat einen
„sichern Wegweiser, und ist es ihm gelungen, die ganze
„Symptomen -> Gruppe su entfernen, so hat er sicherlich
„auch die innere, verborgene Krankheits-Ursache gehoben."
Rau, e. e. O. S. 103.^
109
schäftigtingeii, seine Lebensweise and Gewohnheiten,
seine bärgerlicfaen Verhältnisse, sein Alter und seine
geschlechtliche Function, n. s. w« in Rücksicht sa
nehmen, sind.
§. 8.
Der vornrtheillose Beobachter —> er kennt die
Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelangen, die sich in
der Erfahrang nicht nachweisen lassen — nimmt,
anch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder ein-
seinen Krankheit nichts, als äafserlich dtn'ch die
Sinne erkennbare Veränderangen des Befindens Lei-
bes und der Seele*, Krankheitsseichen, Zu-
fälle, Symptome wahr, das ist, Abweichungen
vom gesanden, ehemaligen Zustande des jetzt Kran-
ken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden
an ihm wahrnehmen, und die der Arzt an ihm beob-
achtet. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen rejprä-
sentiren die Krankheit in ihrem ganzen Um&nge,
das ist, sie bilden zusammen die wahre and einzig
denkbare Gestalt der Krankheit.
§. 9.
Da man nun an einer Krankheit, von welcher
keine sie ofifi^nbar veranlassende oder unterhaltende
Ursache (^causa occasionaUs) zu entfernen ist ^),
1) Da£i jeder verstandige Arzt diese zuerst hlnweg-
raumen wird, versteht sich von selbst; dann lafst das Uebel«
»befinden gewobnlich von selbst nach. Er wird den die
Algen -Eotzundang erregenden Splitter aus der Hornhaut
aehen, den Brand drohenden, allzufesten Verband eines ver-
wundeten Gliedes lösen und passender anlegen, die Okn-
110
sonst nichts wahrnehaicn kann, als die Krankheits-
Zeidbtoy so müssen es, unter Mithinsicht auf etwa-
niges Miasm und unter Beachtung der Nebennm-
stände ($. 7.) 9 es auch einzig die Symptome seyn,
durch welche die Krankheit die zn ihrer Hülfe geeig-
nete Arznei fordert nnd auf dieselbe hinweisen kann
— so mnfs die Gesammtheit dieser ihrer Symptome,
dieses nach anfsen reflectirende Bild des
innerh Wesens der Krankheit das Hauptsäch-
lichste, oder Einzige seyn, wodurch die Krankheit zu
crkdnncn geben kann, welches Heilmittel sie bedürfe,
das Einzige, was die W^ahl des angemessensten
Hülfsmittels bestimmen kann — - so mnfs, mit einem
W^orte, die Gesammtheit ^) der Symptome für den
macht' herbeiführende , verletzte Arterie blofsfegen und nn-
terbinden, verscfal tickte Belladonne- Beeren u. s. w. durch
Erbrechen for^uschaffen suchen, die in Oeßhungen des
Körpers (Nase, Schlund, Ohren, S^arnröhre, Mastdarm,
Scham) gerathenen fremden Substanzep ausziehen, den Bla-
senstein zermalmen, den verwachsenen After des neugebor-
nen Kindes öffnen u. s. w.
1) Von jeher suchte man, da man sich oft nicht an-
ders zu helfen wufste, in Krankheiten hie und da ein ein-
eeines der mehrern Symptome durch Arzneien zu bestrei-
ten und wo möglich zu unterdrücken — eine Einseitig-
keit, welche, unter dem Namen: syo^ptömätlsche Cur-
art, mitBecbt allgemein Verachtung erregt hat, weU durch
sie nicht nur nichts gewonnen, sondern auch viel verdor-
ben wird* Ein. einzelnes -der gegenwärtigen Symptome ist
so ,weqig die Krankheit selbst, als ein einzelner FuIb der
Mensch, selbst ist Dieses Verfahren war um desto verwerf-
111
Heilklinstler das Hanptsächlicbste oder Einzige sejn^
was er an jedem Krankheitsfälle zu erkennen und
dorch seine Knnst hinwegzunehmen hat, damit
er geheilt und in Gesundheit verwandelt werde.
§. 10.
Es läfst sich nicht denken, aoch dnrch keine
Erfahrung in der "Welt nachweisen, da(s, nach He^
bong aller Krankheitssymptome und des ganzen In-^
begriffs der wahrnehmbaren Zufalle, etwas anders,
als Gesundheit, übrig bliebe oder übrig bleiben
könne> so dafs die krankhafte Veränderung^ im In«
nern ungetilgt geblieben wäre.
§. 11.
Die unsichtbare krankhafte Veränderung im In-^
nern und der Inbegriff der von anfsen wabrnebmba*
reu, dem Uebel zugehörigen Symptogie sind näm-
lich so nothwcndig durch einander bedingt und ma-
chen die Krankheit in ihrem ganzep Umfange in
einer solchen Einheit aus, dafs letztere mit ersterer
zugleich stehen und fallen, dafs sie zugleich mit ein-
ander da seyn und zugleich mit einander verschwin-
den« müssen, so dafs, was im Stande ist, die Gruppe
der wahrnehmbaren, dem Uebel zugehörigen Sym-
ptome hervorzubringen, zugleich die damit verbunr
dene (von der äufsern Krankheitserscheinung unzer-
trennliche) innere, krankhafte Veränderung im Kör-
iicber, da man ein solches einzelnes Symptom nur durch
ein entgegengesetztes Mittel (also blofs antipatbisch und
palliativ) behandelte, wodurch es nach kurzdauernder Lin«-
derung nur desto mehr sich nachgängig verschlinunert
per eneogt haben mnlt — sonst wäre die Ersdiei-
nang der Sjrmpteme nnmoglich, -— und dab folg-
lich, was die Gesammtheil der Krankheitsseichen
tilgt, auch sogleich die krankhafte Aendemng im In-
nern des Organisms getilgt haben moTs, weil sich
die Vemichtang der erstem ohne Verschwindong
der letstem weder denken läfst, noch dnrch irgend
eine Erfahmng in der Welt knnd thnt ^)«
§. 12.
Da nnn in der Heilang durch Hinwegnahme
des gansen Inbegriffs der wahrnehmbaren Zeichen
nnd Zufalle der Krankheit sogleich die ihr som
Grronde liegende, innere Yeränderong — also jedes-
mal das Total der Krankheit — * gehoben wifd, so
folgt, da(s der Heilkttnstler blols den Inbegriff der
- Sym-
1) Ein ahnnngartiger Traum, eine aberglaubige Einbil-
dung, oder eine feierliche Schicksal -Prophezeiung des an
einem gewissen Tage oder so einer gewissen Stande un-
fehlbar tu erwartenden Todes brachte nicht selten alle Zei-
chen entstehender und zunehmender Krankheit des heran-
nahenden Todes und den Tod selbst eur angedeuteten Stunde
zuwege, welches ohne gleichzeitige Be Wirkung der (dem
von aulsen wahrnehmbaren Zustande entsprechenden) innem
Veränderung nicht möglich war; nnd daher wurden in sol-
chen Fällen, aus gleicher Ursache^ durch eine künstliche
Täuschung oder Gegeniiberredung nicht selten . wiederum
alle den nahen Tod ankündigenden Krankheitsmerkmale ver-
scheucht und plötzlich €resundheit wieder hergestellt^ wel-
ches ohne Wegnahme der Tod bereitenden, innem krank-
haften Veränderungen mittels dieser moralischen Heihnittel
nicht möglich gewesen wäre.
Symptome binwegznnebmen hat, um mit ihm za-
gleich da£ Veränderte im Innern — also, das Totat^
der Krankheit, die Krankheit selbst, aufzuheben
uad zu vernichten« Die verpichtete Krankheit . aber
ist hergestellte Q^^undheit^ das böichste und einzige
Ziel des Arztes, der die Bedeutung; seines Bcrofes
kennt, welcher nicht in gelehrt klingendem Schwa*.
tzen, sondern im Helfen besteht, r .
§. 13.
Von dieser hiebt zu bezweifelnden Wahrheit^
dafs, anfser der Gesammtheit der Symptome, atf
Krankheiten auf keine Weise etwas anszufinden ist,
wodurch sie ihr Hülfe -Bedürfnifs ausdrücken könn-
ten > geht unwidersprcchlich hervor, dafs blofs det
Inbegriff aller, iti jedem einzelnen Krankheitsfalle
wahrgenommeneti Symptome die einzige Indica-
tion, die einzige Hinweisung auf ein zu wählen-
des Heilmittel seyn kann.
§. 14. . .
Indem nun die KrankheHen niehts als Be-
findensveränderungren des Gesu.nden sind,
die sich dorch Krankheitszeichen ausdrücken, und
die Heilung ebenfalls nur durch Befindensyer7
änderung de$ Kranken zum gesunden. Zu*
Stande möglich ist, so sieht man leicht, dafs di^
Arzneien auf jceine Weise Krankheiten würden
heilen, können, wenn sie nicht die Kraft besäfsen^
das auf Gefühlen und Thätigkciten beruhende Men-
schenbefindep umzustimmen, ja, dafs einzig auf die-
H
114
ser ihrer Kraft, Mcnschcnbefindcn nrnznandcrn, ihre
Heilkraft berahen müsse.
§. 15.
Diese im innem Wesen der Arzneien ycrbor-
gene, fast geistige Kraft, Menschenbefinden nrnznän-
dern (und dabei* Krankheiten za heilen), ist uns
auf keine 'Weise mit blofser Verstandes -Anstren-
gung an sich erkennbar; blofs durch ihre Aenfseron*
gen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen
läfst sie sich in der Erfahrung , und zwar deutlich
yrahmehmen«
§. 16.
Da nun, was Niemand leugnen kann^ das hei-
lende Wesen in Arzneien nicht an sich erkennbar
i^t, und in reinen Versuchen selbst vom scharfsin-
nigsten Beobachter an Arzneien so^t nichts, was
sie zu Arzneien oder Heilmitteln machen konnte,
währgenommen werden kann, als jene Kraft, im
menschlichen Körper deutliche Veränderungen sei-
nes Befindens hervorzubringen, besonders aber den
gesunden Menschen in seinem Befinden umza-
stimmen und mehre, bestimmte Krankheitssjmptome
in und an demselben zu erregen; so folgt, dals
wenn die Arzneien als Heilmittel wirken, sie eben-
falls nur durch diese ihre Kraft, Menschenbefinden
mittels Erzeugung eigenthümlicher Symptome um-
zustimmen, ihr Heil vermögen in Ausübung bringen
können, und dafs wir uns daher einzig an die krank-
haften Zufalle, die die Arzneien im gesunden Körper
erzeugen y als an die einzig mögliche Offenbarnng;
115
ihrer inwofanenden Heilkraft, zu halten haben, nm
za erfahren, welche Krankhcits-Erzeagangskraft jede
einzelne Arznei, das ist zugleich, welche Krankheits-
Heilungskraft jede besitze.
§. 17.
Indem aber an Krankheiten nichts anfznweisen
ist, was an ihnen hinwcgzonehikien wäre, nm sie in
Gesandheit zn verwandeln, als der Inbegriff ihrer
Zeichen nnd Symptome, nnd auch die Arzneien
nichts Heilkräftiges aufweisen können, als ihre Nci»
gang, Krankheits- Symptome bei Gesunden zu er*
zeugen nnd am Kranken hinwegzunehmen, so folgt
aaf der einen Seite, dafs Arzneien nur dadurch zn
Heilmitteln werden nnd Krankheiten zn yerniditen
im Stande sind, dafs das Arzneimittel durch Erre-
gung gewisser Zufälle nnd Symptome, das ist, durch
Erzeugung eines gewissen künstlichen Krankheitszu-
standes die schon vorhandnen Symptome, nämlich
den zu heilenden natürlichen Krankheitszustand, auf-
hebt nnd vertilget — auf der andern Seite hingegen
folgt, dafs {br den Inbegriff der Symptome der zn
heilenden Krankheit eine Arznei gesucht werden
müsse, welche (je nachdem die Erfahrung zeigt, ob
die Krankheitssymptome durch ähnli(;he oder durch
entgegengesetzte Arznei-Symptome ^) am leichtesten,
1) Die laulser diesen beiden noch mögliche Anwen-
duogsart der Arzneien gegen Krankheiten (die allopathi-
sche Methode), wo Arzneien, deren Symptome keine
eigentliche Beziehung auf den Krankheitszustand haben, also
den Krankheitssymptomen weder ähnlich, noch opponirt,
H2
116
gewissesten ond dagerhabeSten aoftoheben ntid ia
Gcsnudheil %a Terwandeln siod) ÜliDUche oder eat-
gegCDgeMUte Symptome lo crscDgea Neigang tial.
$. 18.
Es Uberaeugt ans aber jede reine Erfabning
und'jeder genaue Vwsncb, daEs von entgegengc-
setsten Symptome» der Aranei (in der antipS'
tbiacben, cnaptiopatbiacben oder palliati-
ven Methode) anbaltende Krankbeitssymplome so
wenig anfgcboben im,d vcrnicbtet werden, dals sie
vicimebr, nacb kandaneindcr, scbeinbarer Linde-
mag, dann nnr in desto Terstärictercm Grade wie-
der bervorbrechcn apd sieb offenbar verscbllmmem
(siebe §.54—56 nnd 65.).
sondern gans beterogen sind, verordnet werden, ut, wie
ich obea io der Einleitung (I. Hinblick auf die Al-
lopathie der bislierigenArEneiscIiüIe) gezeigt habti
Dar eine nnTatlkonidine Nachahmung der selbst
■ chon böcbit ontollkoaunnen Bestrebungen dti
verstandloaen, blofs vegetativen Lebenskraft,
sich .seihst übnriassen in Krankheiten zu retten,
es koste was es wolle, folglich der rohen Lebenskraft,
welche unserm OrganiEui anerschaffen warij, um unser
Leben bei Gesundheit in sckÖBster Harmonie zu erbaltra,
ia Krankheiten aber verslimnit, sich dwrch d«u verständigen
Arzt ( bomöopalliisch ) wieder zur Gesundheit unutimmen
zu lassen, nicht aber sich selbst zu heilen, als wozu sie
terbafte Fähigkeit besitzt. Docb kann dieses un-
stge Mediciniren der bisherigen Arzneiscbule elien
unerwähnt bleiben, als die Mensch engeschiebte
idjährigen Unterdrückungen der Menschheit in dm
isen, despotischen Begiernngen auslassen dacf.
117
Es Ueibt idaher keine andre Hülfe verbrechende
Anweii,diu>gsarf derArsneiengegfeA Krankheiten übrig,
als die homöopathische , y^miöge deren gegen ' die
Gesammthelt der Symptome des KrankheitsfaHe's eine
Arznei gesacbt wird^ welche antcr aUcn (nach ihren,
in gesmiden Menschen bewieseneti, Befindensverän-
dernngen gekaiinten) Aruacicn den- dem Krankheits-
fälle ähnlichsten y künstlichen Kraiibhettszastand zn
erzengen Kraft nnd Neigang hat.
§. 20. '
Nan lehrt aber das ieiniige nnd nntrüglichii
Orakel der Heilkanst, die reine Erfahrung ^), in
allen sorgfältigen Yersnchen, dafs wirklich diejenige
1 ) Ich meine nicht eine solche Erfahrung, deren un$re
gewöhnlichen P/'actiker sich rühmen, nachdem sie Jahre
lang mit einem Haufen yielfach zusammengesetzter Recepte
gegen eine Meilge Krankheiten gewirthschaftet haben, die
sie nie genau untersuchten , sondern sie schulmäf^ iiir
schon in der Piathojo^ie benanntiB hieltei),. in ihnen, einen
eiDgehildeten KrankhettsstofF 2^ ,erbii/:fcei>. v^ahnten, oder
eine andre hypothetische, innere Abnormität ihnen andich-
teten. . Da sahen sie immer etwas, wurstei^i , j^ber nicht, was
sie sahen, and sie erfjiihren Erfolge, die nuir ein Gott und
kein Mensch aus den vielfachen, auf den uobokannten Ge-
genstand ein wirkenden Kräften hätte enträthseln können,
Erfolge, ans denen nichts zu lernen, nichts eu erfahren ist.
Eine fünfzigjährige Erfahrung dieser Art ist einem fünfzig
Jahre langen Schauen in ein Kaleidoscop gleich, was, mit
bunten, unbekannten Dingen angefüllt, in steter Umdrehung
sich bewegt; tausenderlei sich immerdar verwandelnde Ge-
stalten und keine Rechenschaft dafür!
118
Arznei , welche in ihrer Einwirkang anf gesunde
menschliche Körper die meisten Symptome in Acbn-
lichkeit erzeugen xa kSnnen bewiesen bat, die an
dem zQ bcilooden Krankheitsfälle zn finden sind, in
gehörig potenzirter nnd verkleinert er Gabe anch die
Gesammtheit der Sytnptome dieses Krankheitszostaa-
ies, das ist (s. 4* 8 -*- ll-)> ^^^ ganze gegenwä^
tige KraiJchcit schnell, gründlich und dauerhaft auf-
bebe und in Gesundheit verwandle, nnd dafs alle
Arzneien die ihnen an ähnlichen Symptomen müg-
liehst nahe kommenden Krankheiten ohne Ausnahme
beilen und keine desselben nngehcilt lassen.
: 1 §. 21.
Diefs beruht auf jenem, bisher nnerkannten,
aller wahren Heilang von jeher zum Grunde liegen-
den homöopathischen Naturgesetze:
Eine schwächere dynamische Affection
wird im lebenden Organism von einer star«
kern dauerhaft ausgelöscht, wenn diese
(der Art nach von ihr abweicbend) jener
sehr ähnlich in ihrer Aenfserntig ist ')•
•1) So werden aach physisclie AHectionen und morali-
sche Uebcl geheilt. — Wie kann in der Frühdämmeruog
der heltt^uchtende Japiter vom Sehnerven des ihn Betrach-
tenden verschwinden? Durch eine stärkere, sehr ähnlich
auf den Sehnerven einwirkende Potenz, die Helle des an-
brechenden Tages ! — Womit pflegt man in von Übeln Ge-
rüchen angenülten Oertern die beleidigten Nasennerven wirk-
sam zufrieden zu stellen? Durch Schnupftabak, der den Ge-
ruchssinn ähnlich, aber stärker ergreift! Keine Musik, kelo
Zuckerbrod, die auf die Nerven andrer Sinne Bezug haben,
119
«•22.
Das: H^ilvcroiugen der Arzneien bernht daher
($• 17 — 21) anf. ihren der Krankheit ähnlichen und
dieselben an Kraft überwiegenden Symptomen, so
dafs jeder einzelnje Krankheitsfall nor darch eine, die:
Gesamrotb^it seiner Symptome am ähnlichsten und
vollständigsten (ipi menschlichen Befinden), selbst zu
erzeugen fähige Arznei, welcbe zugleich die Krank-
heit an Stärke übertrifft, am gewissesten, gründlich-
sten, schnellsten und dauerhaftesten vernichtet und
aufgehoben wird« .
würde diesen Geruchs- Ekel heilen. — Wie schlau wufst/s
der Krieger das Gewihsel des Spitzruthen -Laufers aus den
mitleidigen Obren der Umstehenden zu verdrängen? Durch
die quiekende, feine Pfeife mit der lärmenden Trommel ge*
paart!. Und den in seinem Heere Furcht erregenden^ fec«
nen Donner der feindlichen Kanonen? Durch das tief er-
bebende Brummen der grofsen Trommel ! Für beides würde
weder die Austbeilung eines glänzenden Montirungsstücks,
noch irgend ein dem Regimente ertheilter Verweis geholfen
haben. — So wird auch Trauer und Gram durch einen
neuen, stärkeren« jemand Ändernd . begegneten Traueff^^l^
gesetzt, er sey auch nur erdichtet, im Gemüthe ausgelöscht.
Der Nachtheil von einer allzu lebhaften Freude wird durch
den Ueberfreudigkeit erzeugenden Kaffeetrank gehoben. —
Völker, wie die Deutschen, Jahrhunderte hindurch alTrtiäUg
mehr und mehr in wiHenlese Apathie 'und'uivterwürfigea
Sklavension herabgesunl^en, mulsteki; erst. von il^miTyraii-7
nen aus Westen noch tiefer in den Staub getreten .^/vef-
den, bis zum Unerträglichen, und hiedurch erst ward ihre
Selbst -Mich tachtung überstimmt und ^aufgehoben, es ward
ihnen ihre Menschenwürde wieder Tiiblbar, und sie erhöhend
ihr Haupt 2uAi ersten Male wieder als deutsche* Männer, t
120
$. 23.
Da dieses Natnrheilgesets sich in allen reinen
Yersndien und allen ächten Erfahrungen der "Welt
bearknndet, die Thatsache also besteht, so kommt
änf die scientifisehe Erklärang, wie diefs zngehe,
wenig an; nnd ich setze wenig Werdi daranf, dcf-
gleichen %n versuchen. Doch bewährt sich folgende
Ansicht als die wahrscheinlichste, da sie sich aof
laater Erfahrongs -Prämissen gründet.
§. 24.
Indem jede (nicht der Chimrgie einstg an-
heim fdlende) Krankheit eine besondre, blofs
dynamische Yerstimmtbeit nnsrer Lebens-
kraft in Gefühlen nnd Thätigkeiten ist» die
sich dnrch sinnlich wahrnehmbare Sym-
ptome zu erkennen giebt, So wird diese
krankhaft verstimmte Lebenskraft dnrch
eine, von dem verständigen IJeilktinstler
homöopathisch gewählte Arznei^Potenz in
eine andre, ab^r sehr ähnliche, om etwas
Weniges gröf^^re Arznei -Krankheit ver-
setzt, wodurch die vorige, natürliche, krank-
haft verstimmende Potenz, da sie stets nar
dynamische Kraflaphne Materie war, zu exi-
atiren taiafhört, während die. an ihre Stelle
ge^tret^neyarzneilicheKrankheits-Affection,
ihr'eif'Nätnr näcH, bald Wiedcfr von der Le-
benskraft überwunden, auch ihrerseits ver-
löscht pnd, diefs Körper belebende und er-
haltende« Weisen in seiner ujsprünglichen
121
Integrität uhd Gesnndlr^Tt «trrtlckfSfkr '^
Dieser höchst nvahrscheitiliche Vorgang bemht hui
folgenden Sätzen. . > . . , .
§. 25.
Der menschliche Körper scheint ^ich in seinem
Befinden durch Arzneien (anch defshalb, weil ^ie
Einrjchtmig der Gabe derselben in nnsrer Macht
steht) wirksanpier umstimmen zn. lassen, als durch
. , • ...
natürliche Krankheits-ßeize r— denn natiirlijche Krankl
heiten werden durch angemessene Arznei geheilt und
überwunden.
j '
§.. 26. .
Anch besitaen die fein.dlidbeo^ tbeils p&jrchischen^
theil physischen Potenzen im Erdenleben, . welche
man krankhafte Schädlichkeiten ..nennt, nicht nnbe-
dinst die Kraft, das menschKcfae JSefinden krankhaft
O ' All •> •
zu stimmen ^)^ sondern .wir erkranken durch sie nnr
dann, wenn onser Organism so «ben dazn dispo-
nirt und aufgelegt genug is^, von der gegenwärtigen
1) Wenn idi Krankheit eioe $tiiDmQtig. odfx Ver-
stimm uns; de$ menschlichen Befindens nenne, so bin ich
"weit entfernt, dadurch einen hyperphysiscben Aufschlufs
über die innere Natur der Krankheiten überhaupt oder eines
einzelnen 'Krankh^tsfalles imbesonderd geben zu wollen.' Es
soll mit diesem AuMfamcloe nur angedeutet werden, «was die
KranUietten erwiepener Maisen nicht sind, ^nd nicht seja
konpen, nicht mechanische oder chemische Yeränderangen
der materiellen Körpersubstanz und nicht Ton einem mate-
riellen Krankheits- Stoffe abhängig — 'sondern biofs geistige,
dynamische Ventimmungen des Lebens«
m
Kranjchejfcs-Ursacbe angegrUTen üpd io. seinem BeCn-
iiw verändert. ver9tiaimt'imd In innonnale Gefühle
nnd Thätigkeiten yersetot zn werden. — sie machen
daher nicht Jeden nnd nicht zu jeder Zeit Icrank«
,,:... §.27!
Ganz anders verhält sichs aher mit den kiinst-
liehen Krankheitspotenzen, die wir Arzneien nennen.
Jede wahre Ärzpei wirkt nämlich za jeder Zeit,
nnter allen Umständen auf jede^ lebenden Mcn-
sehen nnd erregt in ihm die ihr eigenthümlichen
Symptome (selbst deutlich in die Sinne fallend,
wenn die Gabe grofs genog war), so dafs oflcn-
bar jeder lebende menschliche Organism jederzeit
tind darcharns (unbedingt) von der Arzneikrank-
heit behaftet und gleichsam angesteckt werden mnfs,
welches, wie gesagt, mit den natürlichen Krankhci-
teil gar nicht der Fäll ist.
§. 28.
Ans allen Erfähmngdn gehet diesemnach nn-
lengbar hervor, dafs der menschliche Körper bei
weitem aufgelegter und geneigter ist, sich von den
arzneilichen Kräften erringen und sein Befinden um-
stimmen zu lafssen, als von krankhaften Schädlich-
keiten und Ansteckungs.miasmen, oder, was dasselbe
^agt, dafs die krankhaften Scbädlichkeiteti
eine untergeordnete und bedingte, oft sehr
bedingte, die Arzneikräfte aber eine abso-
lute, unbedingte, jene weit überwiegende
Macht besitzen, das m.cnschliche B(^finden
krankhaft umzustipiqoien.. ...
123
4. 29.
. Die gröbere Stärke der dorch. Arzneien %n be*
ivirkendcn Kunst * Krankheiten ist jedoch nicht die
einzige Bedingung ihres Yermugens, die natürlichen
Krankheiten zu heilen. Es mrd eben so gcwifs zar
Heiking erfordert^' dafs sie eine der zn heilenden
Krankheit möglichst ahnliche Knn$t- Krankheit im
menschlichen Korper za erzeugen fähig seyen, um
darch diese, mit grofserer Stärke ^ gepaarte Aehn^
lichkeit sich an die Stelle der natürlichen Krankheit
zu setzen und sie auf diese Art auszulöschen« Dieis
ist so wahr, dafs sogar keine ältere Krankheit durch
eine neu hinzutretende unähnliche Krankheit, sey
diese auch noch so stark, von der Natar selbst
nicht geheilt werden kann, und eben so wenig durch
ärztliche Curcn mit Arzneien, welche keinen ahn*
liehen Krankheitsznstand im gesunden Körper za
erzeugen vermögend sind«
$. 30.
Dicfs zu erläutern, werden wir in drei verschied«
ncn Fällen sowohl den Vorgang in der Natur bei
zweien im Menschen zq^ammentrefTenden natürlichen,
einander unähnlichen Krankheiten, als auch den Er-
folg von der gemeinen ärztlichen Behandlung der
Krankheiten mit allopathisch unpassenden Arzneien
betrachten, welche keinen der zu heilenden Krank-
heit ähnlichen, künstlichen Krankheilszustand her-
vorzubringen fähig sind, woraus erhellen wird, dafs
selbst die Natar nicht vermögend ist, durch eine
unhomöopalhische , selbst stärkere Krankheit eine
124
4
schon vorhandne unähnliche anfsnheben, so wenig
nnhomoopathische Anwendung anch noch so starker
Arzneien^ irgendj eine Krankheit zn heilen jemals im
Stande ist
4- 31-
/ Entwedler sind beide, sich nnähnliche,
im Menschen xosammenlreffiende Krankheiten toh
gleicher. Stärke,' oder ist vielmehr die ältere stär-
ker, so wird die neoe dorch die alte vom Kör-
per abgehalten nnd nicht zugelassen« Ein schon
an einer schweren chronischen Kraiokheit Leidender
wird von einer mäfsigen Herbstrahr oder einer an-
dern Sencbe nicht angesteckt — Die levantiscbe
Pest kommt, nach Larrey ^), nicht dahin, wo der
Scharbock herrscht, nnd an Flechten leidende Per-
sonen werden von ihr nicht angesteckt. Rhachitis
läfst, nach Jenner^ die Schotzpockenimpfang nicht
haften. Geschwärig Langensüebtige werden von
nicht allza heftigen epidemischen Fiebern nicht an-
gesteckt, nadi pon HUdeiArand.
4. 32.
Und so bleibt aoch bei einer gewöhnlichen
ärztlichen Cur ein altes chronisches Uebel on-
geheilt nnd wie es war, wenn es nach gemeiner
Car-Art allopathisch, das ist^ mit Arzneien, die
keinen der Krankheit ähnlichen Befindensan^and für
sich in gesunden Mensichen erzengen können, nicht
1 ) M^moires et observations, in der Description de
r£gypte, Tom. \.
125
allzu heftig behandelt wird, selbst wnn die Cor
Jabre lang dauerte. Diefs sieht mali in der Pra:ds
täglich nnd es bedarf keio^ bestätigenden Beispiele.^
IL Oder die neae anähnticlie Kra&kheit
ist stärken Hier wird die, woran .4^p .^r^n]^
bisher litt| als die ^chwaehere» von der stärkern hinr
zutretenden Krankl(eil so langet ajc^fge^cboben nnd
SDSpendirt, bis die nene wieder vei^ossen oder ge-.
heilt ist, dann kommi die alte nngebeilt wieder
hervor. Zwei mit einer Art Fallsncht behaftete Kin-
der blieben na«^ Ansteckung mit dein Grindkopfe
{tinea) von epileptischen Anfällen frei; sobald aber
der Kopfausscblag Strieder verging, war die Fallsncht
wieder da, wie Kavor, nach Tutpius ') Beöbachtoog.
Die. Kraue, wie Schopf '^^ jsah^ ver^ehwa&d, als der
Scharbock eintrat, kam aber nach Hdilung des Schar-
bocks wieder zum Vorscheine. So stand die ge-
schwürige Lungensucht still, wie der Kranke von
einem heftigen Typhos ergriffen ward,* ging aber nach
dessen Verlaufe wieder ihren Gang forit *)g — Tritt
eine Manie zur Langensocht, so wiM diese mit al-
len ihren Syiriptomen von ersterer bioweggenommen;
vergeht aber der Wahnsinn , so kehrt die Lnngen-
SBcht gleich xui'iick nnd tödtet ^). — Wend die Ma-
1 ) Obs. lib. L. obf. a
2) Ip /fo/ir/«iiifj, Journal, XY. n. ,
3) Chemlier in Hufelan^s neue^i^ A^^alen der fran-
zösischen Hellkunde. IL S. 192, .. , . .
4) Mania phthisi super vemens «|ini..<|im; omoHms suis-
stm mid Menschenpockcn zagleich herrschen und
beide dasselbe Kind angesteckt haben, so werden
gewöhnlich die aasgebrochenen Masern von den dann
hervorbrechenden Menschenpocken in ihrem Yerlanfe
aufgehalten, den sie nicht eher wieder fortsetzen, bis
die Kindblattem' abgeheilt sind ; doch wurden nicht
selten anch die nach der Einiropfang ansgebrochc«
ncn Menschenpocken von den indefs hervorkommen-
den Masern vier Tage lang snspendirt, wie Mofu-
get ^) bemerkte, nach deren Äbschoppang die Pok-
ken dann ihren Lanf bis sa Ende fortsetzen. Änck
wenn der Impfstich von Menschenpocken schon sechs
Tage gehaftet hatte, nnd die Masern nnn aasbrachen,
stand die Impf - Entzündung still, nnd die Pocken
brachen nicht eher ans, bis die Masern ihren sieben-
tägigen Verlauf vollendet hatten ^). Den vierten oder
fönften Tag nach eingeimpften Menschenpocken bra-
chen bei einer Maser- Epidemie bei Vielen Masern
aus, und verhinderten den Pockenansbruch, . bis sie
selbst vollkommen verlaufen waren, dann kamen erst
die Pocken und verliefen gut ^y Das wahre, glatte,
rothlaufartige, Sydenhamische ^} Scharlachfieber mit
Bräune ward den vierten Tag durch den Ansbrnch
pbaenomenis anffert, verum mox redit phthUis et occidit,
abeunte mania. Reil^ Memorab. Fase« UL v. S. 171.
1) In Edinb. med. Comment. Th. I. i.
2) John Hunter^ über die vener. Krankheiten. S. 5.
S) Rainey in med. Comment. of Edinb. III. S. 480.
4) Auch von Wilhering und Plenciz sehr richtig be-
schrieben, vom Purpur aber (oder* dem rothen Hunde),
127
der Kuhpockc ^gehcmmt^ welche völlig biS za JEnde
verlief, nach deren Endigung dann erst das Schar-
lachfieber sich wieder einstellte; so ward aber anch^
da beide voii gleicher Stärke zu scyn Scheinen, die
Kuhpocke am ächten Tage von ^dem ausbrechenden
wahren, glatten', Sydcnhamischen Scharlachfiebcr sii^-
pendirt, nnd ihr rother Hof verschwand, bis das
Scharlachfieber vorüber war, woranf die Kuhpocke
sogleich ihren "Weg bis zu Ende fortsetzte ^), Die
Masern snspendirtcn die Kuhpocke: am achten Tage,
da die Kuhpockien ihrer Yollkommenheit nahe wa-
ren, brachen die Masern aus, die Kuhppcken stän-
den nnn still, nnd erst da die Masern sich abschupp-
ten, gingen die Kuhpocken wieder ihren Gang bis
zur 'Vollendung, So dafs sie deti sechszehnten Tag
aassahen, wie sonst am zehnten, wie Kor tum beob-
achtete *)•
Auch bei ^choh ausgebrochenen Masern schlug
die Kuhpockenimpfung noch an, machte abei* inren
Verlauf erst, da die Masern vorbei waren, wie encn-
falU Kortum bezeugt *).
Ich selbst sab einen Banerwezel (^angiha paro-'
tidea, Mümpi^, Ziegenpeter, Tölpel) sogleich ver-
was man auch Scharlachfieber zu nennen beliebt, höchst
verschieden«
1 ) Jenner In Medicinische Anhalen, 1800. Aug. S. 747.
2) In Hufelanis Journal d. practischen Arzneikunde.
XX. m. S. 50. '
3) A. a. O.
128
schwinden I als die Schntzpockenimpfang geba&et
hatte nnd sich ihrer YoUkonimenheit näherte: erst
• . .... i< • '
nach volligeBi Yerlanfe der Kahpocke «nd der Yer-
scl^windaag ihres rothen Hofis trat diese fieberhafte
Ohr- nnd Unterkleler-Driiseiigeschwalst voq. eignem
Mi^sm (der Baaerwezel) wieder hervor ond ^orch-
giji^ ihre siebeptägi^e Verlapfsieit. . ;
Und so snspepdiren sich, alle einander
unähnliche Krankheiten, die stärkere die
• ' • • •
schwächere (wo sie sich nicht , wie hei acoten
selten geschieht, compliciren), heilen einander
aber nie,
§.34.
Diefs sah nun die gewöhnliche Anneischole so
viele Jahrhunderte mit an; sah, dafs die Natur selbst
nicht einmal irgend eine Krankheit dorch llinzntritt
einer andern, anch noch so starken, heilen kann,
wenn die hin«itretende der schon iip Körper woh-
neaden unähnlich ist Was sol) man von ihr
decken, dals sie dennoch fortfahr, die chronischen
Krankheiten mit allopathischen Cqren. %n behandeln,
nämlich mit Arzneien nnd Recepten, die, Gott weifs,
welchen? doch fast stets einen dem za heilenden
Uebel nor nnähnlichen Krankheitsznstand selbst
zn erzeugen vermögend waren? Und wenn die Aerzte
bisher die Natur auch nicht genau beobachteten,
so hätten sie doch , ans den elenden Folgen ihres
Verfahrens inne werden sollen, dafs sie auf zweck-
• • • »
widrigem, falschem Wege waren. Sahen sie denn
nicht, wenn sie, wie allgewöhnlich, gegen eine lang-
wie-
129
wierige Krankheit eine angreifende, allopathische Cur
brauchten, dafs sie damit nnr eine der ursprüngli-
chen unähnliche Knnstkrankheit erschufen, welche
nur so lange .sie unterhalten ward, das ursprüng-
liche Ucbel blofs zum Schweigen brachte, blofs nn*
terdrückte und blofs snspendirte, was jedoch allemal
wieder zum Vorschein kam und kommen mufste,
sobald die Kraft -Abnahme des Kranken nicht mehr
gestattete, die allopathischen Angriffe auf das Leben
fortzusetzen? So verschwindet freilich durch oft wie-
r
derholte, heftige Pnrganzen der Krätz-Ausschlag gar
bald von der Haut, aber wenn der Kranke die er-
zwungene (unähnliche) Darmkrankheit nicht mehr
aushalten und die Purganzen nicht mehr einnehmen
kann, dann bltiht entweder der Haut-Ausschlag, nach
wie vor, wieder auf, oder die innere Psors^ entwik-
kelt sich zu irgend einem bösen Symptome^» da dann
der Kranke, aufser seinem unverminderten, ursprüng-
lichen Uebel, noch eine schmerzhafte, zerrüttete Ver-
dauung und Kräfte -Verlust, zur Zugabe, zu erdul-
den hat. So, wenn die gewöhnlichen Aerzte künst-
liche Hautgeschwüre und Fontanelle äufserlich am
Körper unterhalten, um dadurch eine chronische
Krankheit zu tilgen, so können sie zwar nie damit
ihre Absicht erreichen, können dieselbe nie damit
heilen, da solche künstliche Hautgeschwüre dem in-
nern Leiden ganz fremd und allopathisch sind; aber
indem der darch mehre Fontanelle erregte Reiz ein
Zuweilen stärkeres (unähnliches) Uebel ist, als
die inwohnende Krankheit, so wird diese dadurch
130
nicht selten auf einige Zeit zum Schwelgten gebracht
und snspendirt Aber auch nnr snspendirt, und
swar unter allmäliger Abmergelnng des Kranken.
Viele Jahre hindurch von Fontanellen unterdrückte
Fallsacht kam stets und schlimmer wieder zum Vor-
scheine, sobald man' sie zuheilen liefs, wie PechUn ^)
und Andre bezeugen. Purganzen können aber für
die Krätze, und Fontanelle für eine Fallsucht nicht
fremdartigere, nicht unähnlichere Umstimmungs -Po-
tenzen, nicht allopathischere Gur-Mittcl sejn, als die
allgewöhnlich, aus ungekannten Ingredienzen gemisch-
ten Recepte für die übrigen namenlosen, unzählba-
ren Krankheits • Formen in der bisherigen Praxis.
Auch diese schwächen blofs, und unterdrücken und
suspendiren die Uebel nur auf kurze Zeit, ohne sie
heilen zu können, wenn sie nicht gar, wie oft,
durch langwierigen Gebrauch einen neaen Krank-
heitszustand zu dem alten Uebel hinzufügen.
§. 35.
///. Oder die neue Krankheit tritt, nach
langer Einwirkung auf den Organism, eqdiich zn
der alten ihr unähnlichen, und bildet mit ihr
eine complicirte Krankheit, so dafs jede von ih-
nen eine eigne Gegend im Organism, d. i. die be-
sonders ihr angemessenen Organe und gleichsam
nur den für sie eigenthümlich gehörigen Platz ein-
nimmt, den übrigen aber der andern, ihr unähnli-
chen überläfst. So kann ein Venerischer auch noch
1) Obs. phys. med. Iib. 2. obs. 30.
131
kratzig werden, und umgekehrt. Als zwei sich
nnähnliche Krankheiten können sie eihan-
der nicht aufheben, nicht heilen. Anfangs
schweigen die venerischen Symptome, während der
Kratz - Aasschlag anfangt, und werden suspchdirt;
mit der Zeil aber (da die venerische Krankheit we<
nlgstens eben so stark, als die Krätze ist) gesellen
sich beide zu einander ^), das ist, jede nimmt biöfs
die ftlr sie geeigneten Theile des Organisms ein,
und der Kranke ist dadurch kränker geworden und
schwieriger zu heilen.
Beim ZusamnicntrefTen einander unähnlicher
acnter Ansteckungskrankheiten, z: B. der Menschen-
pocken und Masern, suspendirt gewöhnlich, wie vor-
bin angeführt worden, eine die andere; doch gab
es auch heftige Epidemien dieser Art, wo sich in
seltnen Fällen zwei sich unähnliche acute Krankhei-
ten dieser Art an einem und demselben Körper ein-
fanden und sich so gleichsam auf kurze Zeit com-
plicirten. In einer Epidemie, wo Menschenpocken
und Masern' zugleich herrschten, gab es unter
1) Nach genauen Versuchen und Heilungen dieser Art
complicirter Krankheiten bin ich nun fest überzeugt, dab
sie keine Zusammenschmelzung beider sind, sondern dafs in
solchen Fällen die eine nur neben der andern im Orga-
nism besteht, jede in den Theilen, die fiir sie geeignet sind,
denn ihre Heilung wird vollständig bewirkt durch eine zeit-
gemafse Abwechselung des besten Qnccksilberpraparats mit
den die Krätze heilenden Mitteln, jedes derselben in der
angemessensten Gabe und Zubereitung.
12
1) 5. Transactions of a soc. for tbe improveia. of med.
and cbir. knowl. IL
2) In den med. Coimnentarien von Edinb. III. S. 480.
3) In Med. and phys. Jonrn. 1S05.
4) Opera, II. P. I. Cap. 10.
5) In Hufeland'^ Journal, XYII.
132
300 Fällen« wo sich diese Krankheiten einander
mieden oder snspeodirten, und die Masern erst
20 Tage tiach dem Pockenaasbrnclie , die Pocken
aber 17) t% Tage nach dem Masernaasbmche den
Menschen befielen, so dafs die erstere Krankheit
vorher erst TöUig Terlanfen war, dennoch einen ein-
zigen Fall, wo P. Rüssel *) beide nnähnliche Krank-
heiten zugleich an derselben Person antraf. Rd-
ney ^) sah bei zwei Mädchen Menschenpocken und j
Masern zosamroen. «7. Maurice ^) will in seiner gan-
zen Praxis nur zwei solche Fälle beobachtet haben.
Dergleichen findet man anch bei EitmüUer ^) und
noch einigen wenigen Andern« —
Kuhpodcen ^sah Zencker ^) ihren regelmälsigen
Verlauf neben Masern nnd neben Purpurfiriesel b^
halten,
Kuhpocken gingen bei einer Mercnrial - Gor
gegen Lustseuche ihren W^eg ungestört, wie Jen-
ner sah.
§. 36.
Ungleich häufiger, als die natürlichen sich zd
einander in demselben Korper gesellenden und sieb
so complicircnden Krankheiten, sind die durch ge-
wöhnliche Arztes - Kunst entstehenden Krankheits-
1^
Complicatroneny welche das zweckwidrige Srztliciie
Verfahren (die allopathische Cotart) durch langwie-
rigen Gehrauch unangemessener Arzneien zuwege
zu bringen pflegt, Za der natürlichen Krankheit,
die geheilt werden sollte, geselW sich dann durch
anhaltende YV^iederholnng des unpassenden Arznei-
mittels die nach der Natur seiner eigenthüäiÜGhen
Kräfte zu erwartenden neuen Krankheitszustände,
welche mit dem ihnen unähnUchen chronischen' Uebel
(was sie nicht, durch analogen Gegenrein, das ist,
nicht homöopathisch heilen konnten) sich aUmÜig
znsammenpaaren und complicirefi, zudet alten eine
neue, unähnliche, künstliche Krankheit chronischer
Art hinzusetzen, und so den bisher ei&faefa Kranken
doppelt' krank, 'das heifst, um vieles kränker und nn*
heilbarer machen. Mehre in ärztlichen Journalen
zur Consnhation aufgest<^Ute Krankheitsfälle, so wie
andre in medicinischen Schriften erzählte Krankto-
geschichten geben Belege hiezu. Von gleicher Art
sind die häufigen Fälle, wo die venerische Schanker-
krankheit, Tor^iSglicb mit Krätti^nmkheit, auch wohl
mit dem Siechthnme des Feigwarzentrippers coiäipli-
cirt, unter 'langwieriger, oder oft' wiederholter Be-
handlung mit'grofsen G^en unpassender ' Qiieck«ril-
herpräparate nicht heilt, sondern neben dem indefs
allmälig erzeugten chronischen Quecksilber - Siech-
thnme ^) im Organismus Platz nimmt, und so .mit
1) Denn Qiieckalber bat an&er di^n Kr^kbeitssymplö-
iiicn, welche, als das Aehnliehe, die venerisdie Kranlftieit
136
beits- Reize bisbcr aßicirt waren, welcher folglicb
nan nicht mehr einwirken kann, sondern erlischt ^);
oder (mit andern Worten) weil, sohald die durch
die bisherige Krankheits- Potenz verstimmte Lebens-
kraft von der ncnen, sehr ähnlichen, aber starkem,
djüamischen Krankheits • Potenz stärker ergriffen
wird, sie von letzterer nan allein afficirt bleibt, wo-
durch die vorgängige, ähnliche, aher schwächere, als
blöfs dynamische Kraft, ohne Materie, zu existircn
ianfhoren mufs.
§. 41.
Es würden sich sehr viele Beispiele von Krank-
heiten anführen lassen, die im Laufe der Natnr darch
Krankheiten von ähnlichen Symptomen homöopathisch
geheilt wurden, wenn wir uns nicht einzig an jene
(v^enigen) sich stets gleich bleibenden, ans einem
feststehenden Miasm entspringenden und daher eines
bestimmten Namens werthen Krankheiten halten müfs-
ten, um von etwas Bestimmtem und Unzweifelhaf-
tem reden zu können.
Unter diesen raget die wegen der gröfsen Zahl
ihrer heftigen Symptome so berüchtigte Menschen-
pocken «Krankheit hervor, welche schon zahlreiche
Uebel mit ähnlichen Symptomen aufgehoben und ge-
heilt hat.
"Wie allgemein sind nicht die heftigen, bis zur
1) "Wie von dem stärkern, in unsre Augen fallenden
Sonuenstrahle das Bild einer Lampenflamme im Seh -Ner-
ven schnell überstimmt und verwischt wird.
137
Erblindong steigenden Angenentznndangen bei der
Menschenpocke > nnd siehe! sie heilte, eingeimpft,
eine langwierige Augenentztindang vollständig bei De-
zoteux ^) nnd eine andre hei Leroy ^) auf immer. '
Eine von nnterdrücktem Kopfgrinde entstandene,
zweijährige Blindheit wich ihr nach Klein *) gänzlich.
Wie oft erzeugte die Menschenblatter-Krankheit
nicht Taubhörigkeit nnd Schweräthmigkeit! nnd beide
langwierige Uebel hob sie, als sie zn ihrer grofsten
Höhe gestiegen war, wie J. Fr. Closs *) beobachtete.
Hodengeschwulst, auch sehr heftige, ist ein häu-
figes Symptom der Menschenpocke, nnd defshalb
konnte sie durch Aehnlichkeit eine von Quetschung
entstandene grofse, harte Geschwulst des linken Ho-
dens heilen, wie Klein ^) beobachtete. Und eine
ähnliche Hodengeschwulst ward von ihr unter den
Augen eines andern Beobachters ^) geheilt.
So gehört auch nnter die beschwerlichen Zu-
fälle der Menschenpocke ein rnhrartiger Stuhlgang,
nnd sie besiegte daher als ähnliche Krankheitspotenz
eine Ruhr nach JFV. Wendts ') Beobachtung.
1) Traitö de Tinoculation, S. 189.
2) Heilkunde für Mütter, S. 384.
3) Interpres cIidIcus, S. 293.
4) Neue Heilart der Kinderpocken, Uhn 1769. S. 68
und specim. Obs. No. 18.
5) Ebendaselbst.
6) Nov. Act Nat. Cur. Vol. I. Obs. 22.
7) Nachricht «von dem Krankeninstitut zu Erlangen,
1783.
138
Die zu Kobpocken kommende Menscbenpocken-
Krankheit hebt, wie bekannt, eben sowohl ihrer grö-
fsern Stärke, als ibrer grofsen Aebnlicbkeit wegen,
erstere sogleich gänzlich, bomöopatbisch, auf and
läfst sie nicht cur Vollendung kommen | doch wird
hinwiederum durch die Ihrer Reife schon nahe gekom-
mene Kohpocke, ihrer grofsen Aebnlicbkeit wegen,
die darauf ausbrechende Menschenpocke homöopa-
thisch wenigstens nm vieles gemindert nnd gatartiger
gemacht, wie Muhry ^) nnd viele Andre bezeugen.
Die eingeimpfte Kahpockc, deren Lymphe,
anfser SchuizpockenstofF, auch noch einen Zunder
za einepi allgemeinen Hautausschlage andrer Natur
von (selten grü&em, eiternden) gewöhnlich kleinen,
trocknen, anf rothen Fleckchen sitzenden, spitzigen
Blüthen ^pimples)f oft mit untermischten, rothen,
runden Hanlflcckcben enthält, nicht sehen mit dem
heftigsten Jucken begleitet, welcher Ausschlag bei
nicht wenigen Kindern^ auch wirklich mehre Tage
vor, öfterer jedoch nach dem rothen Hofe derKuh-
pocke erscheint, und, mijt Hinterlassung kleiner, ro-
ther, harter Hanlfleckchen, in ein paar Tagen ver-
geht; die geimpfte Kuhpocke, sage ich, heilt durch
Aebnlicbkeit dieses Neben -Miasms ähnliche, oft sehr
alte und beschwerliche Haotaasschläge der Kinder,
nachdem die Kahpockcnimpfuog hei ihnen gehaftet
hat, vollkommen und dauerhaft nach Homöopathie,
wie eine Menge Beobachter ^) bezeugen.
1) Bei Robert fVi/Ian^ über die Kuhpockenimpfung.
2) Vorzuglich Ciavier ^ Hurel und Dcsormeaux^ im
139
Die Kohpocken, deren dgentfajBmliches Symptom
es ist, Ärmgeschwolst ^) zu verar^achen, heilten nach
ihrem Aa&hrnche einen geschwollenen, halb ge-
lähmten Arm *)• .
Das Fieber bei der Kohpocke, welches sich zur
Zeit der Entstehnng des rothen Hofs einfindet, heilte,
homöopathisch eii^ Wechselfieber bei zwei Personcn,i;
wie Hardege der jüngere ^) berichtet, zur Bestäti-
gung dessen, was schon «/. Hunter ^) bemerkt hatte,^
dafs nicht zwei Fieber (ä,hnliche Krankheiten) in
einem Körper zugleich bestehen. können. -^ ^^
Bulletin des sc. medicales, publik par les membres du co-
mite central de 1a soc. de m^decine du departement de
r£ure, 1808. So auch im Journal de Medecine continu^,
Vol. XV. S. 206.
1) Balhomy inHufeland^s Journil. X. II.. . •
2) Stevenson in Dun^ans ^nnahi Qf.wedicine, Lustr. U.
Vol. I. Abth. 2. No, 9.
« »
3) In HufelantCs Journ. der pr. Arzneik. XXIII.
4) Ueber die vener. Krankheit. S. 4.
*) Die an diesei* Stelle in den vorigen Ausgaben des
Organons beigebrachten Beispiele von langwierigen, durch
Krätze geheilten Siecbthumen können, zu. Folge der Ent-
deckungen und Aufsoblüsse, welche ich im ersten Tbeile
meines Buchs von den chronischen Krankheiten ge*
geben habe, nur in ^ewi^ser Hinsicht <als bomöopalhische
HieiLuDgen gelten. Die^e da verschwindenden gro&en Siech-
tbume (vieljäbrigc, Erstickung drohoinle Engbrüstigkeiten,
und geschwlirigeLungensuchttn) waren ursprünglich schon
psorischen Ursprungs ^ -^. weit gediehen^i Idben bedrohende
Symptome schpn völlig aus dem Innern, entwickelter, alter
Psora, welche durch den von einer neuen Ansteckung er«
140
In Fieber nnd in Hnstcn- Beschaffenheit haben
die Masern viel Ächhlichkeii mit dem Keichhnsten
und defshalb sah Bosquillon ^), dafs bei einer Epi-
demie, wo beide herrschten, viele Kinder, welche
die Masern damals überstanden hatten, vom Keich-
hnsten in dieser Epidemie frei bKeben. Sie würden
alle nnd anch in der Folge, vom Keichhnsten frei
nnd nnansteckbar' dnrch die Masern geworden sejn,
wenn der Keichhnsten nicht eine den Masern nnr
znm Thcil ähnliche Krankheit wäre, das ist, wenn
er anch einen ähnlichen Hantansschlag, wie die letz-
tern, bei sich führte. So aber konnten die Masern
nnr Viele, nnd nar in der gegenwärtigen Epidemie
von Keichhnsten, homöopathisch frei erhalten.
Wenn aber die Masern eine im Anssehlage,
ihrem Hanptsymptome, ahnlicbe Krankheit vor sich
haben, da- könisen sie sie ohne Wioerrede aufhe-
ben nnd homöopathisch heilen. So ward eine lang-
wierige Flechte vbm Ansbrnche der Masern sogleich
folgten Kratz ^Ausschlag* (wie in sokhein Falle stets ge-
sdiieht) in die einfache Form primitiver Kräts- Krankheit
skh wieder verwandelte, wodurch ' die alten Siecbthume und
lebensgefährlicben Symptome verschwanden. Eine solcbe
Umwandlung in Aie primitive Form ist daher nur in so
fern* eine homöopatbisdie Hefierin jener weit gediehenes
Symptom!^ alter, hochentwickelter Ps'ora zu* nennen, als die
nette Ansteckung den Kranken iii die ungleicb günst^re
Lage setat, nun »weit leichter Von ^et ganzen Psora durch
die antipsonscheo Arzneien, geheilt- werden '9u können.
*" -^ 1) Elemens de telSdeic. prävde M, Cullm traduits, P. II.
141
ganzlich und daocrfaaft (homöopathisch) geheilt ^),
wie Kortum ^) beobachtete. Ein änfserst brennen-
der, sechsjähriger, frieselartiger Ausschlag ioi Ge-
sichte, am Halse nnd an den Armen, von jedem
Wetter-.Wcchsel erneuert, ward von hinzu kom-
menden IVJasem . zu einer aufgeschwollenen Hant-
Fläche; nach dem Verlauf der Masern war d^is
Friesel geheilt und kam nicht wieder').
§. .42.
Unmöglich kann es für den Arst eine deutli-
chere nnd tiberzeugendere Belehrpngy als diese, ge-
ben, welche Art von könstlicher Krankheitspotenz
(Arznei) er zu wählen habe, um nach dem Vor-
gänge in der Natur gewils, schnell und dauerhaft
zu heilen.
«.43.
Im Laufe der Natur kann, wie wir aus allen
diesen Beispielen sehen, nie und in keinem. Falle,
und eben so wenig mittels Arztes Kunst, . ein vor-
handnes Leiden und Uebelseyn von einer unähnli- ,
eben, auch noch .so starken Krankheits -Potenz auf-
gehoben und geheilt werden, wohl aber einzig von
einer an Symptomen ähnlichen, etwas. stär-
kern, nach ewigen unwiderruflichen Natur-Gesetzen,
welche bisher verkannt waren.
1) Oder wenigstens diels Symptom hinwegg^nomme^
2) In Hufeland's Journal. XX. lU. S. 60.
3) Rauy über d. Werth des homoop. Heilver&farens,
Heidelb. 1824. S. 85.
142
«; 44.
Wir würden von dieser Art ächter, homoopa-
thischer Natar-Heilnngcn noch weit mehre finden,
wenn thcils die Beobachter mehr Aufmerksamkeit
anf sie gerichtet hätten, theils wenn es der Natar
nicht an homöopathischen Hiilfs - Krankheiten ge-
bräche.
i. 45.
Die grofse Nator selbst hat zu homöopathischen
Heilwerkzengen, wie wir sehen, fast nnr die weni«
gen miasmatischen, festständigen Krankheiten zar
Hülfe, (die Krätze), die Masern, die Menschenpok-
ken ^), Krankheitspotenzen, die theils (nämlich die
Menschenpocken und Masern) als Heilmittel lebens-
gefahrlicher nnd schrecklicher, als das damit zn hei*
lende Uebel sind, theils solche (wie die Krätze), die
nach vollftihrter Heilang selbst wieder Heilong be-
dürfen, nm hinwiederam vertilgt zn werden; beides
Umstände, die ihre Anwendung als homöopathische
Mittel schwierig, unsicher nnd gefährlich machen.
Und wie wenig giebt es Krankbeits- Zustände nnter
den Menschen, die an Pocken, Masern und Krätze
ihr ähnliches Hellmittel fanden! &n Laufe der Na-
tur können defshalb auch nnr wenige Uebel sich
mit diesen bedenklichen nnd mifslichen homöopathi-
schen Heilmitteln heilen, nnd es erfolgt nur mit Ge-
fa'hr und grofser Beschwerde, da die Gaben dieser
1) Und den Haatausschlags- Zündet, der nebenbei in
der Kubpockea- Lymphe befindlich ist.
143
Krankheitspotensen sich nicht nach den Umstandeii
selbst verkleinern, sondern imt der gdiisen g^efahrti-
chen nnd beschwerHchen Krankbeitfi ntifi ^er ganxen
Menschenpocken- 9 Maser- (wui Krale*) Krankheit^
wird der mit einem alten, ähnKehen Uelxl Behaftete
überzogen, nm Von letzterm za geneseni. Und den-
noch haben wir von diesem glöck&i;heii Zusammen-
treffen, wie man sieht, schöne h&moopathisefae Hei-
langen aufzuweisen, als eben so viele , tm widerleg'-
liehe Belege von dem in ihnen waltenden,, grofsen,,
einzigen Natur- Heilgesetze I Heile dareh Sjra-
ptomen*Aefanlichkeit!
§. 46.
Dem fähigen Geiste des Menschen wird diesem'
Heilgesetz aus ihnen kund, und hiezu waren sie hin-^
reichend. Dagegen, siehe! welchen Yoruig hat der
Mensch nicht Vor der rohen Natur in ihren ungc*
fähren Ereignissen I YV^ie viel tausend homöopathi-
sche Krankheitspotenzen mehr zur Hülfe för die lei-
denden Mitbröder hat nicht der Mensch an den über-
all in der Schöpfung verbreiteten Arzneien! Krank-
heits- Erzeugerinnen hat er an ihnen von allen mög-
lichen Wirkungs- Verschiedenheiten für alle die un-
zähligen, für alle nur erdenkliche und unerdenkliche
natürliche Krankheiten, denen sie homöopathische
Hülfe leisten können — Krankheitspotenzen (Arz-
neien), deren Kraft nach vollendeter Heil -Anwen-
dung, durch die Lebenskraft besiegt, von selbst ver-
schwindet, ohne einer abermaligen Hülfe zur Wie-
der - Vertreibung, wie die Krätze, zu bedürfen —
144
Krankheitspotenzen ( Arzneien )) die der Arzt bis an
die Gränzen der Unendlichkeit verdünnen, zerthei-
len, potenzircn nnd in ihrer Gabe bis dahin vermin-
dern kann, dafs sie nnr am ein Kleines stärker
bleiben , als die damit sn heilende, ähnliche, natür-
liche Krankheit, so dafs.es bei dieser unübertreffli-
chen Hellart keines heftigen Angriffs anf den Orga-
nism bedarf, nm anch ein altes, hartnäckiges Uebel
auszurotten, ja dafs diese Heilart nnr einen sanften,
unmerklichen, und doch oft geschwinden Uebergang
aus den quälenden natürlichen Leiden in die er-
wünschte dauerhafte Gesundheit sehen lälst,
§. 47.
Unmöglich kann ein verständiger Arzt nach je-
nen sonnenklar einleuchtenden Beispielen noch in
der gewöhnlichen Medicin fortfahren mit (allopathi-
schen) Arzneien, welche keinen directen, pathiscben
(homöopathischen) Bezug auf die zu heilende, chro-
nische Krankheit haben, den Körper in seinen am
wenigsten kranken Theilen anzugreifen durch Aus-
leeren, Gegenreizen, Ableiten, u« s» w. ^) und so
mit Aufopferung der Kräfte einen, dem ursprüngli-
chen ganz heterogenen und unähnlichen Krankbeits-
Zustand zum Verderben des Kranken herbeizuföh-
rcn durch starke Gaben. von Gemischen meist unge-
kannter Arzneien, deren Gebranch dann keinen an-
dern Erfolg hahen kann, als der sich nach ewigen
Gc-
1) M. s. oben in der Einleitung, 1. Hloblick aaf
die Allopathie der bisherigen Arzneischule.
145
Gesetzen in den oben ersäblten nnd so in allen übrigen
Fällen in der Welt zeigt, wo eine tinäbnlicbe Krank-
heit zn der andern in den menscblichen Organism ge-
räth^ nämlich, dafs nie in chronischen Krank-
heiten eine Heilung dadurch, sondern stets
eine Yerschlimmernng dadurch erfolgt, —
also keinen andern Erfolg haben kann, als dafs ent-
weder' (weil nach dem Vorgange in der Natur, bei
Z, die ältere Krankheit im Korper die hinzutretende
unähnliche schwächere abweiset) die natürliche
Krankheit bei milder allopathischer, selbst ](ioch so
lang dauernder Cur, unter Schwächung des Kranken,
hleibt wie sie war, oder (weil nach dem Vorgänge
in der Natur, bei //•, die neue stärkere die schon
vorhandene, schwächere, unähnliche nur auf kurze
Zeit unkenntlich macht und suspendirt) dafs durch
heftigen Angriff, auf den Körper mit starken, allo-
pathischen Arzneien das ursprüngliche Uebel auf ei-
nige Zeit zu weichen scheint, um, nach dem Aus«
setzen derselben, wenigstens in gleicher Stärke wie-
der zu kommen, oder auch wohl (weil nach dem
Vorgange in der Natur, bei ///., zwei sich unähn-
liche Krankheiten, wenn beide langwieriger Art und
gleich stark sind, neben einander im Organism Platz
nehmen und sich coropliciren) dafs in solchem Falle,
wenn die der natürlichen chronischen Krankheit vom
Arzte entgegengesetzten, unähnlichen Krankheitspo-
tenzen und allopathischen Arzneien in heftigen Ga-
ben und lange angewendet werden, solche allopathi-
sche Cnren, ohne jemals die ursprüngliche (unäUn-
K
146
liebe) chronische Krankheit aufheben nnd heilen in
kennen, nnr noch eine nenc Knnst- Krankheit dane-
ben erzeugen nnd den Kranken, wie die tägliche
Erfahrnng lehrt, nni vieles kränker machen and qd-
heilbaren
4. 48.
Die wahre, sanfte, dauerhafte Heilang der Krank-
heiten des Menschen findet man le^icbt beim Hinse-
hen aof den Vorgang in der Nator, nm auf der
einen Seite jedes Verfahren sn vermeiden , anf wel-
chem die verstandlose, blofs animalische Lebenskraft,
wenn sie, wie^ immer, sich bestrebt, anf Art der Al-
lopathie den Körper in den am wenigsten kranken
Thcilcn anzugreifen nnd eine, der nrsprlinglicben
unähnliche Krankheit herv.orsnbringcn , chronische
Krankheiten nie heilen kann, sondern stets verschlim-
mert, die acuten aber, wenn sie mäfsig sind, nnr
mit vielen Beschwerden nnd Verlusten mühsam be-
seitigt, während sie die heftigem und gefahrlichen,
acuten Fieber in ihrer hier unzweckmäfsigen Ener-
gie ^) fast »nnr mit dem Tode beendigen kann —
anf der andern Seite hingegen jene seltnen, hiilfrci-
chen Heilungen (§. 38 — 410 nachzuahmen, vo
eine andre, aber dem ursprünglichen Uebel ähnliche
Krankheits -Potenz hinzu tritt nnd das Ur- Leiden
schnell aufhebt, vernichtet nnd heilet
1) Denn die uns angeborne Lebenskraft kann blofs
nach der organischen Einrichtung unsers Korpers wirken^
nicht nach Ueberleguog handeln. •
147
§. 49;
Diese Heilungen geschehen, wie man ^ekt^ -blofs
auf homöopathischem Wege« einem Wegc^ äcr\ da
wir ihn aach oben (§• 9-7 19«) auf eine andre
Weise, dprch Erfahrungen . und Scfaliksc fanden,
auch der wahre and einzige ist, wodarch die Kranke
Leiten am gewissesten, schnellsten nnd danerbaftesten
von der Knnst ausgelöscht werden, weil diese Htilarl
aof einem ewigen, nntröglichen Naturgesetze beruht
§. 50.
Dieser, der bomo^athische Weg mufs, wie
oben (§• 38 *-* 44.) erinnert worden, auch schon
dcfshalb der einzig richtige seyn, weil er nnter den
drei einzig möglichen An wcndungs -Arten der Arz-
neien gegen Krankheiten der einzig gerade Weg
zur sanften, sichern, dauerhaften Heilung ist» ohne
auf einer andern Seite Nacbtheil zu bringen, oder
zu schwächen.
§. 51.
Die zweite Anwendungs-Art der Arzneien in
Krankheiten, die allopathische nnd heteropa-
tfaische, welche, ohne pathischen Bezug auf das
eigentlich Krankhafte im Körper, die von der Krank-
heit freiesten Theile angreift, um das Uebel durch
diese abzuleiten nnd auf diese W^eise, wie man
wähnt, fortzuschaffen, war bisher die allgemeinste
Methode. Ich habe sie oben in der Einleitung ^)
abgehandelt und werde ihrer nicht weiter gedenken.
1) 1. Hinblick auf die Allopathie der bisheri-
e^en Arzneischule.
K2
148
§. 53.
Die dritte, ntich einzig übrige, xmi anfser den
beiden gedachten noch .einzig mögliche Anwendangs-
weise der Arzneien gegen Krankheiten ist die anti-
pathisch-e (eriabtiopatfaische) ^der die pal-
liative, womit der Arzt bisher necfa am hülfireich-
sten ^th^inen konnte und des Kranken Vertrauen
nock am gewissesten zu erhalten hoffte, indem er
ihn mit augenblicklicher Besserung täaschte« Wie
nnhülfreich aber und wie schädlich dieser dritte nocli
lübrige Weg in nicht sehr schnell verlaufenden Krank-
heiten war, wollen wir jetzt darthun. Zwar ist er
das Einzige in der Gnr-Art der Allopathen, was ge-
raden Bezog auf einen Theil "des Leidens der na-
törlichen Krankheit hatte; aber welchen Bezug?
W^ahrlich nur den (den umgekehrten), welcher, wenn
man den chronisch Kranken nicht täuschen und sei-
ner nicht spotten will, am meisten vermieden wer-
den sollte.
«. 53.
Um so antipathisch zu verfahren, giebt ein sol«
eher gewöhnlicher Arzt gegen ein einzelnes^ beschwer-
liches Symptom unter den vielen übrigen, von ihm
nicht geachteten Symptomen der Krankheit, eine
Arznei, von welcher es bekannt ist, dafs sie das
gerade. Gegentheil des zu beschwichtigenden Krank-
kcits-SyAiptoms hervorbringt, wovon er demnach zn-
folge der ihm seit mehr als fonfzehn Hundert Jah-
ren vorgeschriebenen Regel der uralten medidlni-
schcn Schule (contraria contranü)^ die schleunigste
149
(palliatiTe) IIiil& erwarlea kanna Ep giebt.nlatke
Giabcn Mohnaaft gegen Scbmcraen aller Art, Hveü
diese Annei die Empfihdniig schnleU betabbl, un^
giebt eben dibses Mittel gegen Dnrcbfallc, -wteiL <*(
schnell die wnnniormige Bewegung des Damkänak
hemmt und ihn alsbald nnenipfindlicb machti und
so, auch gegen Schlaflosigkeit, weS^Mbhnsaft :sehneH
einen betäubten, stupiden Scblaf. zuwege r! bringt;
et ^iebi: Purgani&en, we der Kcanke schon lange an
Leibesrerstop&ng und Hartleibigkeit leidet; ertlSist
die ^erbcannte Hand in. kaltes Was&et tauchen, was
darch die Kälte den Brennschmera angenUijsknch
wie weg&UBanbexn scheint; setzt den* Kranken, der
über Frostigk-eit und Mangel an Lebenswärme kbgl^
ia waune Beider ^ die ihn augenblicklich, erwätnien^
und läfst den langwierig Geschwächten Weia.' trin«-
keu, wodurch er augenblicklieh belebt und erquickt
wird, und wendet so npch einige andre oppc^nirte
(anlipathiscbe) Hulfsverapstaltongea an,, doch, apfser
diesen nur noch wenige, da der gewöhnlichen» Arz-
Beikunst nur von wenigen Mitteln einigt eigenthüm-
liche (Erst«) Wirkung bekannt ist.
Wenn ich auch bei Benrtbeilung dieser Annei-
Anwendung den Umststnd übergehen wollte, dafs
hiebei sehr fehlerhaft (s. Anm« ^u {• 9.) nur ein-
seitig für ein einzelnes Symptom, also nur
für einen kleinen Theil des Ganzen gesorgt wird,
wovon offenbar nicht Hülfe für das Total der Krank-
heit, die. allein der Kranke wünschen kann, zn er-
ISO
\jirarten;ist, — so mofs man dock aof der andern
Seite ;di€ Erfabrong fragen, ob wobi in: einem einsi-
gen Falle solchen aptipatbiscben Arzneigebranchs
gegen eine langwierige* oder anhaltende Beschwerde,
nach Verfolgter, knr« danernder Erleicbternng, nicht
eine grofsere . Yerscblimoiernng der so palliativ An-
fangs .bescbwicbtigten Beschwerde» ja Verscblimme-
2iuig> der . ganscen Krafnkhcit erfolgte? nnd da wird
jedeq aufmerksame Beobachter übereinstimmen, dals
aäf'eine solche antipatbische korze Erieicbterong je-
derzeit nnd ohne Ansnahme Yerscblimmeran^
erfolgt, obgleich der gemeine Arzt diese nachgängige
Verscfalimmernng dekn Kranken anders za deoten
und isie anf eine sich jetzt erst offenbarende Bös-
artigkeit der nrsprünglicben Krankheit zn schieben
pflegt. 0-
•iAJ
1) So wenig auch bisher die Aerzte zu beobachten
pflegten,' so konnte ihnen doch die aof solclje Palliative ge-
wiß ^folgende Yerschlimmerupg nicht eotgeben. Ein star-
kem. Beispiel dieser Art findet man in J. H. Schuiz€^ Diss.
qua corporis humani momentanearum alterationum speci-
mina quaedam expenduntur, Hatae 1741. §. 28. Etwas
Aehnliches bezeugt Willis y Pharm, rat. Sect. 7. C]ap. L
S. 296. Opiata dolores atrocissimos plerumque sedant at-
que indölentiam — procurant, eamqne «^ aliqnamdiu et
pro. .stato. quodam tempore continuant, quo spatio elapso
dolores mox recrudescunt et brevi ad solitam ferociam au-
gentur. Und so S. 295: Exactis opii viribus illico redeuiit
tormina, nee atrocitatem suam remittunt, nisi dum ab eo-
dem pharmaco rursus incantantur. So s^gi J. Ilunier (über
die vener. Krankh. S. IS.)) dafs Wein bei Seh wachen die
151
§. 55.
Noch nie in der Welt wurden bedeutende Sym-
ptome anhaltender Krankheiten dnrch solche palliative
Gegensätze behandelt, wo nicht nach wenigen Stittn-
den das Gegentheil, die Rückkehr, ja offenbare
YerscUimmerniig eines solchen Uebels erfolgt wäre.
Gegen langwierige Neigung zn Tagesschläfrigkeit
verordnete man den in seiner 'Erstwirkung ermnn-
temden Kaffee, und da er aasgewirkt hatte, nahm
die TagesscUäirigkeit zn; — gegen öfteres nätbtli-
ches Aufwachen gab man Abende Mohnsafi, der sei-
ner Erstwirknng zufolge diese Nacht einen (betäab-
ten, dummen) Schlaf zuwege brachte, aber die fol-
genden Nächte wurden dann noch schlafloser; -^
den chronischen Durchfallen setzte man eben die-
sen, in seiner Erstwirknng Leib verstopfenden, Mohn-
saft entgegen, und nach kurzer Hemmung des Durch-
falls ward derselbe hinterdrein nur desto ärger; —
heftige, oft wiederkehrende Schmerzen aller Art
konnte man mit dem, Gefühl betäubenden, Mohn-,
saft nur auf kurze Zeit unterdrtlcken, dann kamen
sie stets erhöhet, oft unerträglich erhöbet, oder an^«
dre, weit schlimmere Uebel dafür, wieder zurück; —
gegen alten Nachthnsten weifs der gemeine Arzt
Wirkungskraft vermehre, ohne ihnen eine wahre Stärke
mitzuiheilen , und dab die Kräfte hintennach in demselben
Verhältnisse wieder sinken, als sie zuvor erregt worden wa-
ren, wodurch man keinen Vortheil erhalte, sondern die
Kräfte gröbtentheiU verloren giugen.
152
nichts Besseres, als den jeden Reiz in der Erstwir-
kang nnterdrtickendcn MoLnsaft zu geben, welcher
davon die erste N^icht vielleicht schweigt, aber die
folgenden Nächte nur desto angreifender wird, und
•wenn er dann nochmals and abermals mit diesem
Palliative in bochgcsteigerter Gabe unterdrückt wird,
so; kommt Fieber i^id Nachtschweüs hinzu; — - eine
geschwächte Harnblase und daher rührende Harn-
ve^baltang snchte man. durch den antipathischen Ge-
gepsatz der die Hamwege aufreizenden Canthariden-
tinctur zu besiegen, wodurch zwar Anfangs «Auslee-
rung des Urins erzwungen, hinterdrein aber die Blase
noch unreizbarer und unvermögender wird, sich sa-
sammenznziehen, un^ die Harnblasen-Lähmung ist vor
der Thtire; — mit den in starker Gabe die Därme
zu häufiger Ausleerung reizenden Purgir - Arzneien
und Laxir- Salzen wollte man alte Neigung zu Leib-
verstopfang aufheben, aber in der Nachwirkung ward
der Leib gewöhnlich nur desto verstopfter; ^- lang-
wierige Schwäche will der gemeine Arzt durch Wein-
trinken heben, was doch' nur in der Erstwirknng auf-
reizt, daher sinken die Kräfte nur desto tiefer in der
Nachwirkung; — durch hitzige Gewürze will er lang-
wierig schwache und kalte Magen stärken und er-
wärmen, aber der Magen wird von diesen Palliativen
in der Nachwirkung nur desto unthätiger; -— lang
anhaltender Mangel an Lebenswärme und Frostig-
keit soll auf verordnete warme Bäder weichen, aber
desto matter, kälter und frostiger werden die Kran-
ken hinterdrein; — stark verbrannte Theile fühlen
153
auf BekandlongmU kaltem Wasser zwar angenl^ck-
liehe ErleichtemDgy aber der Breilnschmera vermehrt
sich hiaterdreäit BDglatiblich, mid die EntssätidBBg
greift mn sich und steigt zu ei^em de^ta höbera
Grade (man sebe die Einleitung ^ %u Ekide)^ ^^
durch Schleim erregende P*ßesemittel wiH man alten
Stockschnupfen heben, merkt aber nicht, daf& er
durch diefs Entgegengesetzte unmer mehr (in dier
Nachwirkung) sich yerseblimmert^iUnd die Na^e nur
verstopfter wird; — mit den in der Erstwirknng die
Mnskelbewegungi stark aufreisenden Potensen, der
Electrisität und dem Galvanism, setzte man langwie-
rig schwache, fast läbmige Glieder schneU in tfaätjU
gcre Bewegung; die Folge aber (cdie Nacbmrkiäigf)
war gäntllche ErtödtOQg aller. Muskti^l-Reisbarkeit ni^d
v^Uendele Lähmung; -— mit Aderlassen wollt» mati.
langwierigen Blutandrang nach dem Kopfe wegneh-
men, aber es erfolgte darauf stets grolsere Blntauf««
Wallung; — die läbmige Trägheit der Körper* und
Geistesorgane, mit Unbesinnlichkeit gepaart, welche
in vielen Typhus -Arten vorberrscben, weifs die ge-
meine Arzneikunst mit nichts Besserm zu behandeln,
als mit grofsen Gaben Baldrian, weil dieser eins der
kräftigsten, ermunternden und beweglich machenden
Arzneimittel sey; ihrer Unwissenheit war aber nicht
bekannt, dals diese Wirkung blofs Erstwirkung ist,
und dafs der Organi&m nach derselbe^ jedesmal in
der Nachwirkung j^ Gegenwirkung) in eine desto grör
fsere Betäubung und Bewegungslosigkeit, das ist, in
Lähmung der Geistes- und Körp(sr - Organe (und
154
"fod)' mit Gewifsbfeit TerfölU; sie sahen nicht, dats
gerade diejenigen Kranken > die sie* am meisten mit
dem hier opponirton, antipathisctien Baldrian fßtter-
ten, am nnfeUbarsten starben. — Wie oft man,
mit einetai Worte, darch solche ' entgegengesetzte
(dntipathische) Mittel in der Nachwirkang die Krank-
heit verstärkte , auch oft noch etwas Schlimmeres
damit erreichte, sieht die falsche Theorie nichts aber
die Erfahrung lehrt es mit Schrecken.
§. 56.
Entstehen nnn diese, vom antipathischen Ge-
brauche der Ann^ien sehr natürlich zn erwartenden«
fibeln Folgen, so weifs sich der 'gewShnKche Ant
dadurch, wie er glaubt, sn helfen, dafs er, bei jeder
^meueten Verschtimmernng, eine verstärktere Gabe
des Mittels reicht, wovon danu ebenfalls nur kara-
dauemde Beschwichtigung und bei dann noch d5-
thiger, immer höherer Steigerung des Palliativs ent-
weder ein anderes, gröfseres Uebel, oder oft gar
Lebensgefahr und Tod erfolgt, nie aber Heilung;
eines etwas älteren oder alten Uebels.
§. 57.
Wären die Aerzte fähig gewesen, über
trolche traurige Erfolge von opponirter
Arzneianwendung nachzudenken, so wür-
den sie schon längst die grofse Wahrheit
gefunden haben, dafs im geraden Gegen-
iheile i^on solcher antipathischen Behand-
lung der Krankheitssymptome die tpahre,
dauerhafte Heilart zu finden seyn müsse;
155
sie würden inae geworden seyn, dafs, so wie eine
den Krankheitssyniptomen entgegf^ngesetate Arznci-
wirknng (andpathisch angewendete Arznei) nnr korz-
dauernde Erleichternng und nach ihrer Yerfliefsang
stets Verschlimmernng zur Folge hat, nothwendig
das umgekehrte Verfahren, die homöopathische
Anwendung der Arzneien nach ihrer Sympto-»
men-Aehnlichkeit eine dauernde, vollständige Hei-
lang znwcge bringen mülsse, wenn dabei, das Ge^
gentheii ihrer grofsen Gaben, die allerkleinsten ge-
geben würden. Aber weder faiednrch, noch dadurch,
dafs kein Arzt je eine dauerhafte Heilung in altern
oder alten liebeln bewirkte, wenn si^h in seiner Ver-
ordnung nicht ein vorwirkcndes homöopathisches Arz-
neimittel befand (siehe die Einleitung II.), auch
nicht dadurch, dafs alle schnelle, vollkommne Hei-
lung, die je von der Natur zu Stande gebracht wor-
den (§• 410 stets nur durch eine ähnliche, zu der
alten hinzugekommene, Krankheit bewirkt ward, ka-
men sie in einer so grofsen Reihe von Jahrhunder-
ten auf diese einzig heilbringende Wahrheit.
§. 58.
Woher aber dieser verderbliche Erfolg des pal-
liativen, antipathischen Verfahrens, und die Hcilsam-
keit des umgekehrten, des homöopathischen Verfah-
rens rühre, erklären folgende, aus vieKaltigen Beob-
achtungen abgezogene Erfahrungen, die niemandem
vor mir in die Augen fielen, so nahe sie auch la-
gen, so einleuchtend und so unendlich wichtig sie
auch zum Heilbehufe sind.
156
^ 59.
Jede auf das Leben einwirkende Potens, jede .
Arznei stimmt die Lehenskraft mehr oder weniger
nm, erregt eine gewisse Befindens -Yerändemng im
Menschen auf längere oder kürzere Zeit. Man be-
nennt sie mit dem Namen: Erstwirknng. Sie
gehört, ohgleich ein Prodact ans Arsnei- nnd Le-
bens -Kraft, doch mehr der einwirkenden Potenz an.
Dieser Einwirkung bestrebt sich nnsre Lehenskraft
ihre Energie entgegen zn setzen« Diese Rückwir-
kung gehört unserer Lebens -ErhaltungSo^Kraft an -—
eine automatische Thätigkeit derselben, Nachwir-r
kung od€r Gegenwirkung genannt
^ 60.
Bei der Erstwirkung der künstlichen Krankheits-
Potenzen (Arzneien) auf unsem gesunden Körper
scheint sich dielse, nnsre Lebenskraft blofs empßn^-
lich (receptiv, gleichsam leidend) zu verhalten und,
so s^u sagen, wie gezwungen die Eindrücke der von i
anfsen einwirkenden Kraft in sich geschehen zn las- 1
sen, dann aber sich gleichsam wieder zn ermanneo,
■
nnd dieser in sie geschehenen Einwirkung (Erst-
wirknng) a) wenn es davon ein Entgegengesetztes
gicbt, den gerade entgegengesetzten Befindens-Zustand
(Gegenwirkung, Nachwirkung) hervorzubrin-
gen in gleichem Grade, als grofs die Einwirkong
(Erstwirkung) der krankhaften^ oder arzneilieben
Potenz auf sie gewesen war und nach dem Mafse
ihrer eignen Energie — oder, b) wo es einen der
Erstwirkung gerade entgegengesetzten Zustand in
157
der NatoT nicht gicbt, scheint sie sich zn bestreben,
sich i&a indifTenziren, ä. i. ihr Uebergewicht geltend
ta machen darcfa Anslöscben der von anfsen (durch
die Arznei) in ihr bewirkten Yeränderangy an deren
Stelle sie ihre Norm wieder einsetzt (Nachwir*
knng, Heilwirkung).
?. 61.
Beispiele von n) liegen jedermann vor Augen.
Eine in heifsem Wasser gebadete Hand ist zwar
anfanglich viel wärmer als die andre, nngebadete
Hand (Erstwirküng), aber von dem heifsen Wasser
entfetnt und gänzlich wieder abgetrocknet, wird sie
nach einiger Zeit kalt nnd endlich viel kalter^ als
die andre (Nachwirkung). Nacb starker Erhitzung
von heftiger Leibesbewegung (Erstwirkung) erfolgt
Frost nnd Sphander (Nachwirkung). Dem gestern '
dnrch viel Wein Erhitzten (Erstwirkung) ist heute
jedes Lüftchen zu kalt (Gegenwirkung des Orga-
nisms, Nachwirkung). Ei^n in das kälteste Wasser
lange getauchter Arm ist zwar anfanglich weit blas-
ser und kälter (Erstwirkung), als der andre, aber
vom kalten W^asser entfernt nnd abgetrocknet, wird
er nachgebends nitht nur wärmer, als der andre,
sondern sogar, heifs, roth und entzündet (Nachwir-
kung, Gegenwirkung des Körpers). Auf starken Kaf-
fee erfolgt Uebermunterkeit (Erstwirkung), aber hin-
tennach bleibt lange Trägheit und Schläfrigkeit zu-
rück (Gegenwirkung, Nachwirkung), wenn diese
nicht immer wieder dnrch neues KalKeetrinken (piaU
liativ) auf kurze Zeit hinweggenommen ' wird. Auf
158
von Mohnsaft erzcagten tiefen Betanbangs - Schlaf
(Erstwirknng) wird die nachfolgende Nacht desto
schlafloser (Gegenwirkung, Nachwirkung ). Nach der
darch Mohnsaft erzeugten Lcibverstopfnng (Erstwir-
kung) erfolgt Dorcbfälligkeit (Nachwirkung) nnd nach
dein mit Darm erregenden Arzneien bewirkten Pur-
giren (Erstwirknng) erfolgt mehrtägige Leibversio-
pfnng und Hartleibigkeit (Nachwirkung). Und sa'
wird überall anf jede Erstwirknng einer das Befin-
den des gesunden Körpers stark umändernden Po-
tenz in grofser Gabe stets das gerade Gegentheil,
wo a) es positiv dergleichen giebt, durch unser Le-
ben in der Nachwirkung zu Wege gebracht
§. 62-
Eine auffallende, opponirte Nachwirkung ist aber
begreiflicher Weise nicht bei Einwirkung ganz klei-
ner homöopathischer Gaben der umstimmenden Po-
tenzen im ge&unden Körper wahrzunehmen. Ein
W^enig von diesem allen bringt zwar eine bei ge-
höriger Aufmerksamkeit wahrnehmbare Erstwirkung
hervor; aber der lebende Organism macht dagegen
nur so viel Gegenwirkung (Nachwirkung), als zur
Wiederherstellung ^des gesunden Zustandes erfor-
derlich ist.
§. 63.
Diese aus Natur und Erfahrung sich von selbst
darbietenden, nnwidersprechlichen Wahrheiten er-
klären uns den htilfreichcn Vorgang bei homöopa-
thischen Heilungen, so wie sie ^^uf der andern Seite
die Verkehrtheit der antipathi suchen und palliativen
159
BehandloD^ der Krankheiten mit e&tgegengc^cttt wir-
kenden Arzneien dartban ^).
§.64.
Bei homöopathischen Heilnngen seigfin sie
DDs, dafs anf die nngemcin kleinen Gaben Arznei
1} Blofs bei höchst dringenrien gefahren, in nen ent-
standnen Uebeln, hei yorher gesunden Mensclien, z. b. hei
Asphyxien und dem Scheintode vom Bh'tze, FOih £rsti<;keny
Erfrieren, Ertrinken u. s. w., ist es erlaubt nnd zwecknia-
fsig, durch ein Palliativ, z. B. durch gelinde electrische Er-
schütterungen, durch Klystiere von starkem KafTee, durch
ein excitirendes Riechmittel, allinalige Erwärmungen u. s. w.,
vorerst wenigstens die Reizbarkeit und Empfindung (das
physische Lehen) wieder aufzuregen; isi^s dann nnr aufge-
regt, so gebt das Spiel der Lehensorgane wieder seinen
vorigen gesunden Gang fort, wie es von einem vorher
gesunden Korper zu erwarten ist. Hieher gehören auch
verschiedne Antidote jählinger Vergiftungen: Alkalien ge-
gen Mineralsäuren, Schwefelleber gegen Metallgifte, Kaffee
und Campher (und Ipecacaanha) gegen Opium -Vergiftun-
gen, u. s. w.
Auch i«t eine homöopathische Arznei defshalh noch
nicht gegen einen Krankheitsfall unpassend gewählt, wenn
einige Arzneisymptome einigen mittlem und kleinen Krank-
heitssymptomen nur antipathisch entsprechen; wenn nur die
obrigen, die stärkern, vorzüglich ausgezeichneten (charak-
teristischen) und sonderlichen Symptome der Krankheit
durch dasselbe Arzneimittel mit Symptomen -Aehnlichkeit
(homöopathisch) gedeckt und befriedigt, das ist, überstimmt,
vertilgt und ausgelöscht werden; dann vergehen auch die
>ivenigen entgegengesetzten Symptome nach verflossener W5r-
kungsdauer de» Medicameiits von selbst, -ohne im mindesten
die Heilung zu vefzögern. T . .
160
($. 273 --281.)» dk bei tlieser Heilart notbig sind,
welche nnr so eben binreicfaend waren, dorcb Atlm-
lichkeit ibrer Symptome die abnlicbe natürlicbe Krank-
heit KU überstimmen nnd aoszoloschcn, zwar, nach
Yertügang der letztem, Anfangs noch einige Arznci-
krankheit allein im Organismus fortdauert, aber, der
aufs erordentlichen Kleinheit der Gabe wegen, so
überhingehend, so ^leicht and so bald von selbst
verschwindend, dafs der Organism gegen diese kleine,
kUnstlicbe Verstimmang seines Befindens keine be-
deutenderc Gegenwirkung vorzunehmen nöthig hat,
als zur Erhebung seines jetzigen Befindens aaf den
gesunden Standpunkt,, das ist, zur völligen Herstel-
lung gehört, wozu er nach Verschwindung aller
krankhaften Verstimmung wenig Anstrengung bedarf
(s. §• 61. *.)•
Bei der antipathischen (palliativen) Verfiahrungs-
art aber geschieht gerade das WiderspieL Das dem
Krankheitssymptome vom Arzte entgegengesetzte An-
neisymptom (z. B. die gegen den empfindlichen
»
Schmerz vom Mohnsaft in der Erstwirknng erzeugte
Unempfindlichkeit und Betäubung) ist zwar dem er-
stem nicht fremdartig, nicht allopathisch, es ist offen-
bai'e Beziehung des Arzneisymptoms auf das Krank-
heitssymptom sichtbar, aber die umgekehrte; die
Vernichtung des Krankheitssymptoms soll hier durch
ein opponirtcs Afzneisymptom geschehen, was nn-
OM)glich ist. Zwar biertihrt die antipathisch gewählte
Arznei auch denselben krankhaften Punkt im Orga-
nism.
N
161
msm, so gewifs als die ähnlich krankmachende, hö^
moopathisch gewählte Arznei; erstere verdeckt aher
nnr als ein Entgegengesetztes das entgegengesetzte
Krankheitssymptom und macht es nur anf karze Zeit
nnmerklich, so dafs im ersten Momente der Einwir-
kung des opponirten- Palliativs der Organism Ton
beiden nichts Unangenehmes fühlt (weder von dem
Krankheits* noch, vom entgegengesetzten Arzneisym-
ptome), da sie sich beide einander gegenseitig anf*
gehoben nnd gleichsam dynamisch nentralisirt tu ha-
ben scheinen (z. B. die Betäabnngskraft des Mohn-
saftes, den Schmerz). Der Organism fühlt sich in
den ersten Minuten wie gesnnd nnd fühlt weder
Mohnsaft-Betäubnng, noch Krankheitsschmerz. Aber
da das opponirte Arzneisymptom nicht (wie beim
bomöopathischcn Verfahren) die Stelle der vorhand-
nen Krankheitsverstimmang im Organism als eine
ähnliche, stärkere (künstliche) Krankheit ein-
nehmen, also die Lebenskraft nicht, wie eine ho-
möopathische Arznei, mit einer sehr ähnlichen Knnst-
Krankheit afficiren kann, um so die bisherige na-
türliche Krankheits -Verstimmung in ihr auszulöschen,
so mnfs die palliative Arznei, als ein von der Krank-
heitSr Verstimmung durch Gegensatz gänzlich Abwei-
chendes, die Krankheits -Verstimmung unvertilgt las-
sen; sie macht sie zwar dem Organism, wie gesagt,
durch einen Schein von dynamischer Neutralisation ^)
1) Im lebenden Menschen findet keine bleibende Neu-
trali^lioQ streitiger oder entgegeogeseteter Empfindungen
L
Ifi2
anfönglich onfiihlbar, yerloschl aber bald wie jede
Araneikrankbeit von selbst, nnd lafst nicht nur die
Krankheit, wie sie vorher war, cnrück, sondern no-
thigt anch den Organism (da sie, wie alle Palliative,
in grofser Gabe gegeben werden tnnlste, nm die
Schein -Besch wich tignng ra erreichen), einen oppo-
nirten Zustand ($• 59 — 61.) auf diese palliative
Arznei hervorsubringen , das Gegentbeil der Arsnei-
wirkang, also das Aehnlicbe von der vorhandneo,
ungetilgten, natürlichen Krankheitsverstimmung, die
durch diesen vom Organism erfolgten Znsatz (Ge*
genwirkung auf das Palliativ) nothwendig verstärkt
und. vergrofsert wird '^* D-as Krankheitssym-
statt, wie etwa bei Substanzen entgegengesetzter Eigen-
schaften in der chemischen Werkstatt, wo z. B. Schwefel-
sSnre und Potasch-Kal! sich zu einem ganz andern We-
sen, «u einem Neutralsalze vereinigen, was nun weder Saure,
noch Laogensalz mehr ist nnd sich selbst im Feuer nicht
wieder zersetzt Solche Zusammenschmelzungen und innige
Vereinigungen zu etwas bleibend Neutralem und Gleich-
gültigem finden, wie gesagt, bei Eindrücken entgegenge-
setzter Natur in unsern Eropfindungs -Werkzeugen nie statt
Nur ein Schein von Neutralisation und gegenseitiger Auf-
hebung ereignet sich in diesem Falle anfanglich, aber die
opponirten Gefühle heben einander nicht dauernd auf. Dem
Traurigen werden durch ein lustiges Schauspiel nur kurze
Zeit die Thränen getrocknet; er vergifst aber die Possen
bald und seine Thranen flielsen dann nur desto reichlicher.
1) So deutlich diels ist, so hat man es denhoch miCs-
verstanden und gegen diesen Satz eingewendet, „dals das
„Palliativ in seiner Nachwirkung, welche dann das Aehn-
„ liehe von der vorhandenen Krankheit sey, wohl eben so
^
163
ptom (die Krankheit) wird also schlimmer
nach verflossener "Wirknngsdaner des Pal-
liativs; dßsto schlimmer, je grofflir die
Gabe des Palliativs gewesen war. Je gröfser
(nm bei demselben Beispiele sn bleiben) die snr
Yerdecknng des Schmerzes gereichte Gabe Mohn^
saft gewesen war, nm desto mehr vergröfsert sich
der Schmerz über seine ursprüngliche Heftigkeit, so-
bald der Mohnsaft ausgewirkt hat ^).
4. 66.
Nach dem bisher Vorgetragenen ist es nicht
za verkennen:
dafs alles, was der Arzt wirklich Krankhaftes nnd
so Heilendes an Krankheiten finden kann, blofs
in den Beschwerden des Kranken und den an
„gut heilen müsse, als eine homöopathische Arznei durch
„ihre Erstwirknng thue.'* Man bedachte aber nicht, dals
die Nachwirkung nie ein Erzeugnifs der Arznei, sondern
stets der gegenwirkenden Lebenskraft des Organisms sey,
also diese von der Lebenskraft auf Anwendung eines Pal-
liativs herrührende Nachwirkung ein dem Krankbeits-Synb-
ptome ähnlicher Zustand sey, den eben das Palliativ unge-
tilgt liefs, und den die Gegenwirkung der Lebenskraft auf
das Palliativ folglich noch verstärkte.
1) Wie wenn in einem dunkeln Kerker, wo der Ge-
fangene nur mk Mühe die nahen Gegenstände erkennen
konnte, jähling angezündeter Weingeist dem Elenden auf
einmal alles um ihn her tröstlich erhellet, bei Verlöschung
desselben aber, je starker die nun verloschene Flamme vor-
her gewesen war, ihn nun eine nur desto schwärzere Nacht
umgiebt und ihm alles umher weit unsichtbarer macht, als
vorher.
L 2
164
ihm sinnlich wahrnehmbaren Yerandcmngen
. seines Befindens, -mit einem Worte, blofs in
dtt Gesamnitheit der Symptome bestehe, durch
welche die Krankheit die zu ihrer Hülfe geeig*
nete Arznei fordert, hingegen jede ihr ange-
dichtete, innere Ursache nnd verborgene Be-
' schafFenheit ein nichtiger Tranm sey;
da(s diese Befind ens-Verstimmang, die wir Krank-
heit nennen, blofs darch eine andre Befindens-
Umstimmnng mittels Arzneien znr Gesundheit
.: g^radit werden könne, deren einzige Heilkraft
folglich nnr in Yerändernng des: Menschenbe-
' findens das ist, in eigenthümlicher Erregang
krankhafter Symptome bestehen kann, nnd am
dcntlichsten nnd reinsten beim Probiren der-
selben an gesunden Körpern erkannt wird;
dafs,. nach allen Erfahrungen, durch Arzneien, die
einen von der zu heilenden Krankheit abwei-
eben den, fren»]artigen Krankheilszustand (na-
ähnliche krankhafte Symptome) für isich in ge-
sunden Menschen zu erregen vermögen, die
ihnen unähnliche natürliche Krankheit nie ge-
heilt werden könne (nie also durch ein allo-
pathisches Cur- Verfahren), und dafs selbst
in der Natur keine Heilung vorkomme, wo
eine inwohnende Krankheit durch eine hinzu-
tretende zweite, jener unähnliche, aufgehoben,
vernichtet und geheilt würde, sey die nepe auch
noch so stark;
dafs auch, nach aUcn Erfahrungen, durch An-
/
165
neien, die em dem zu heilenden Krankheits-
sjmptomc entgegengesetztes künstliches
Krankheitssyniptom für sich im gesunden Men-
schen zn erregen Neigung haben, biofs eine
schnell voriüibergehende Linderung, nie aber
Heilung einer älicrn' Beschwerde, sondern stets
nachgängige Yerschlimmerang derselben be-
wirkt werde; und dafs, mit* einem Worte,
diefs antipathisch'e und blofs palliative Verfah-
ren in altem, wichtigen Uebeln darchans zweck-
widrig sey;
dafs aber die dritte, einzig noch übrig mögliche
Verfahmngsart (die homöopathische), wo-
durch gegen die Gesammthcit der Symptome
einer natürlichen Krankheit eine, möglichst ähn-
liche Symptome in gesunden Menschen zu er-
zeugen fähige Arznei in angemessener Gabe
gebraucht wird, die allein hülfreiche Heilart
sey, wodurch die Krankheiten als blofs dyna-
mische Yerstimmungs- Reize der Lebenskraft,
vnbeschwerlicb, vollkommen und dauerhaft aus-
gelöscht und vernichtet, zu existiren aufhören
müssen — worin auch die freie Natur in ihren
zufalligen Ereignissen selbst mit ihrem Beispiele
uns vorangeht, wenn zu einer alten Krankheit
eine neue, der alten ähnliche hinzutritt, wo-
durch die alte schnell und auf iimner vernich-
tet und geheilt wird.
§. 67.
Da es nun weiter keinem Zweifel miterworfen
166
ist, dafs die Krankheiten des Menschen blob in
Gruppen gewisser Symptome bestehen, durch einen
ArzneistolT aber blofs dadarch, dafs dieser äfanliclie
krankhafte Symptome kUnstlich zu erzeugen vermag,
vernichtet und in Gesundheit verwandelt werden
(worauf der Vorgang aller ächten Heilung bcmht),
so wird sich das Heilgeschäft auf folgende drei
Punkte beschränken:
/• Wie erforscht der Arzt, was er zum Heilbe-
bufe von der Krankheit zu wissen nothig hat?
//• Wie erforscht er die zur Heilung der natiir-
lichen Krankheiten bestimmten W^erkzenge, die
krankmachende Potenz der Arzneien?
III. Wie wendet er diese kttnstlichcn Krank-
beitspotcnzen (Arzneien) zur Heilung der
natürlichen Krankheiten am zweckmälsig-
sten an'? ^
4. 68.
Was den ersten Punkt betrifft, so dient Fol-
gendes zuvorderst als allgemeine Uebersicht Die
Krankheiten der Menschen sind theils schnelle Er-
krankungs^Processe der innormal verstimmten Le-
benskraft, welche ihren Verlauf in mäfsiger, mebr
oder weniger kurzen Zeit zu beendigen geeignet
sind; man nennt sie acute Krankheiten — theils
sind es solche Krankheiten, welche bei kleinen, oft
unbemerkten Anfangen den Organism, jede auf ihre
eigne Weise, einnehmen und ihn allmälig so vom
gesunden Znstande entfernen, dafs die zur Erhal-
tung der Gesundheit bestimmte, automatische Le-
r
167
bens -Energie, Lebenskraft genannt, ihnen beim An-
fange, wie bei ihrem Fortgange, nnr nnvollkomm«
nen, unsweckmäfsigen» unnützen Widerstand ent-
gegensetzen, sie aberj für sich, nicht selbst anslö«
sehen kann, sondern, nnmächtig, sie wochem las-
sen mnfs, bis snr endlichen Zerstörung des Orga-
nisms; man nennt sie chronische Krankheiten.
Sie entstehen yon Ansteckung mit einem chroni-
schen Miasm*
4. 69.
Was die acuten Krankheiten betrifft, so sibd
sie theils solche, die den einzelnen Menschen befal-
len auf Veranlassung von Schädlichkeiten, de-
nen gerade er insbesondere ausgesetzt war. Aus-
schweifungen in Genüssen, oder ihre Entbehrung»
physische heftige Eindrücke, Erkältungen, ErhiCzun-
gen, Strapazen, Verheben \u s. w. oder psychische
Erregungen, Affecten u. s. w. sind Veranlassung sol-
cher acuten Fieber, im Grunde aber meist nur tiber-
hingehende AufloderuQgen latenter Psora, welche
wieder in ihren Schlummer - Zustand zurückkehrt,
wenn die acuten Krankheiten nicht allzuheftig wa-
ren und bald beseitigt, oder geheilt wurden — theils
sind es solche, welche einige Menschen zugleich,
hie und dort (sporadisch) befallen von meteori-
schen oder tellurischen Schädlichkeiten« wovon krank-
haft erregt zu werden, nur einige Menschen zu der
Zeit Empfänglichkeit besitzen; an welche jene grän-
zen, wclcl^e viele Menschen aus ähnlicher Ursache
unter sehr ähnlichen Beschwerden (epidemisch)
168
ergreifen, die dann gewöbnlicb, wenn sie gedrängte
Massen von Individncn überziehen, ansteckend (con«
tagiös) %u werden pflegen. Da entstehen Fieber ^),
jedesmal Ton eigner Natnr, nnd weil die Krankheiu-
Fälle gldlchen Ursprungs sind, so versetzen sie auch
stets die daran Erkrankten in einen gleichartigen
Krankheits-Procefs, welcher jedoch, sich selbst über-
lassen, in einem mäfsigen Zeiträume, zn Tod oder
Genesung sich entscheidet. Kriegs -Nolh, Ueber«
schwemmnngen nnd Hnngersnoth sind ihre nicht sel-
tenen Veranlassungen nnd Erzeugerinnen ^- theils
sind es auf gleiche Art wiederkehrende (daher unter
einem hergebrachten Namen bekannte) eigenartige,
acute Miasmen, die entweder den Menschen nnr
einmal im Leben befallen, wie die Menschenpocke,
die Masern, der Keichhnsten, das ehemalige glatte,
helLrothe Scharlach - Fieber ^) des Sydenham^ die
X) Der homöopatbische Arzt, welcher nicht von Vor*
urtheilen befangen ist, welche die gewöhnliche Schule er-
Bann (die einige wenige Namen solcher Fieber festsetzte,
aufser denen die grofse Natur keine andere hervorbringen
dürfe , um bei - ihrer Behandlung nach einem bestimmten
Leisten ver&hren zu können), erkennt die Namen: Kerker-,
Gallr, Typhus-, Faul-, Nerven- oder Schleim -Fieber nicht
an, sondern heilt sie, jedes nach seiner Eigenthiimlichkeit.
, Ji) Nach dem Jahre 1801 ward ein aus Westen ge-
kommenes Purpur -Friesel mit dem Scharlachfieber von den
Aerzten verwechselt, ungeachtet jenes ganz andre Zeichen
als dieses hatte und jenes an Belladonna, dieses an Aconit
sein Schutz* und Heilmittel fand, letzteres auch meist nor
sporadisch, ersteres stets nur epidemisch erschien» In den
169
Mamps,. Up $• Wf oder die of) anf xlemlich ähn-
liche Welse wiederkehrende, levantische Pest, das
gelbe Fieber der Klistenländcr^ die ostindische Cho-
lera, n« s/ w«
§. 70.
Sehr nneigentlich werden diejenigen Krankhei-
ten chronische benannt, welche Menschen erleiden,
die sich fortwährend vermeidbaren Schädlichkei-
ten aussetzen, gewöhnlich schädliche Getränke oder
Nahrangsmittel geniefsen, sich Ansschweifangen man-
cher Art hingeben, die die Gesundheit untergraben,
zum Leben nöthige Bedürfnisse anhaltend entbeh-
ren, in ungesunden, yorzüglich sumpfigen Gegenden
sich aufhalten, nur in Kellern oder andern verschlos*-
senen Wohnungen hausen, Mangel an Bewegung
oder freier Luft leiden oder sich durch übermäfsige
Körper- oder Geistes -Anstrengungen um ihre Ge-
sundheit bringen, in stetem Yerdrusse leben, u. s. w.
Diese sich selbst zugezogenen Ungesundheiten ver-
gehen, wenn nicht sonst ein chronisches Miasm im
Körper liegt, bei gebesserter Lebensweise von selbst
und können den Namen chronischer Krankheiten
nicht führen.
§. 71.
Die wahren chronischen Krankheiten sind
die von einem chronischen Miasm entstandenen,
letztem Jahren scheinen sich hie und da beide zu einem
Ausschlagsfieber von eigner Art verbunden zu haben, gegen
welches das eine wie das andre Heilmittel nicht mehr ge-
nau homöopathtsch passend gefunden wird.
170
welche fiir sich und, ohne die flQr sie specifischen
Heilmittel, immerdar zanehmcn nnd bei dem be$ten,
geistig nnd korperh'ch diätetischen Verhalten den-
noch steigen nnd den Menschen mit immerdar er-
höheten Leiden bis ans Ende des Lebens qnaleD.
Diese sind die allersahlreichstcn nnd gröfsten Peini-
ger des Menschengeschlechts, indem die robusteste
Körper- Anlage, die geordnetste Lebensweise und
die thätigste Energie der Lebenskraft sie sn vertil-
gen anfser Stande sind.
§. 72.
Man kannte bisher nnr die Syphilis einigenna-
fsen als eine solche chronisch miasmatische Krank-
heit, welche nngeheilt nor mit dem Ende des L^
bens verlischt. Die, für sich nnd nngeheilt, gleich-
falls von der Lebenskraft nnvertilgbare Sjkosis (Feig-
warzenkrankheit) erkannte man nicht als eine innere
chronisch miasmatische Krankheit eigner Art, vie
sie doch unstreitig ist nnd glaubte sie durch Zerstö-
rung der Auswüchse anf der Haut geheilt zu haben,
ohne das fortwährende Siechthnm von ihr zu be-
merken.
§. 73.
Unermefslich grofser nnd bedeutender als g^
nannte beide, chronische Miasmen aber ist das chro-
nische Miasm der Psora, welche, während jene beide,
die eine darch den venerischen Schanker, die andre
durch die blamenkohl - artigen Auswüchse ihr spea-
fisches inneres Siechthnm bezeichnen , ihrentbeils
ebenfalls erst nach vollendeter innerer Infection des
171
ganzen Organisms durch den eigenartigen Hant-Aas-'
schlag mit unerträglich kitzelnd wohllüstigem Jticken
(nnd specifischem Gernche) das innere, ungeheure
chronische Miasm beurkundet -— die Psora, die ein-
zig wahre Grund*Ursache nnd Erzeugerin aller
der übrigen vielen, ja unzähligen Krankheits- For-
men ^), welche unter den Namen von Nerven-
1) Zwölf Jahre brachte ich darüber zu, um die Quelle
jener unglaublich zahlreichen Menge langwieriger Leiden
aufzufinden 9 diese der ganzen Vor- und Mitwelt unbekannt
gebliebene, grofse Wahrheit zu erforschen und zur Gewifs-
heit zu bringen und zugleich die (aiatipsorischen) Heilmitlei
EU entdecken, welche zusammen diesem tausendköpfigen Un-
geheuer von Krankheit grölstentheils gewachsen wären in ih-
ren so sehr verschiednen Aeufserungen und Formen. Ich habe
meine Erfahrungen hierüber in dem unlängst erschienenen
Bache: Die chronischen Krankheiten (3Thle. Dresd. b.
Arnold, 1828.) vorgelegt. — £her als ich mit dieser Kennt-
nits im Reinen war, konnte ich die sämmtlichen chronischen
Krankheiten nur als abgesonderte, einzelne Individuen be-
handeln lehren mit den nach ihrer reinen Wirkung an ge-
sunden Menschen bis dahin geprüften Arzneisubstanzen, so
dafs jeder Fall langwieriger Krankheit nach der an ihm an-
zutreffenden Symptomen- Gruppe gleich als eine eigenartige
Krankheit von meinen Schülern behandelt und oft so weit
geheilt ward, daCs die kranke Menschheit über den schon
80 weit gediehenen Hül&-Reichthum der neuen Heilkunst
frohlockte. Um wie viel zufriedner kann sie nun seyn,
dafs sie dem gewünschten Ziele um so näher kommt, indem
ihr die nun hinzu gefundenen, für die aus Psora hervor-
keimenden, chronischen Leiden noch weit specifischer ho-
möopathischen (eigentlicher so zu nennenden, antipsori-
schen) Heilmittel und die specielle Lehre, sie zu bereiten
173
Schwäche, Hysterie, Hypochondrie, Manie, Melan-
cholie, Blödsinn^ Raserei, Fallsacht nnd Krämpfen
aller Art, von Knochen-Erweichang (Rhachüis), Sko-
liosis und Kyphosis, Knochenfäale, Krebs, Blat-
schwamm, Afterorganisationen, GIchtj HämorrhcHden,
(reib- und Blansncht, Wasserspcht, Amenorrhoe
nnd Blntsturz ans Magen j Nase, Longen,, ans der
Harnblase, oder der Bährniutter, von Asthma nnd
Lnngenverclternng, von Impotenz nnd Unfruchtbar-
keit, von Migräne, Taubheit, grauem und schwarzem
Staar, Nierenstein, Lähmungen, Sinne -Mängel und
Schmerzen tausenderlei Art, u. s. w. In den Patho-
logien als eigne, abgeschlossene Krankheiten fign-
rlren.
Es wird dadurch, dafs dieser uralte Ansteckungs-
Zander nach und nach. In einigen hundert Genera-
tionen, durch viele Millionen menschlicher Orga-
nismen ging und so zu einer unglaublichen Ausbil-
dung gelangte, einigermafsen begreiflich, wie er sich
nun in so unzähligen Krankheits- Formen an dem
grofsen Menschen-Geschlechte entfalten konnte, vor-
züglich wenn wir uns der Betrachtung überlassen,
und anzuwenden, mitgetbeilt worden, unter denen nun der
ächte Arzt diejenigen zu Hülfe wählt, deren Arznei-Sym-
ptome der zu heilenden, chronischen Krankheit am ähnh'cb-
sten (homöopathisch) entspricht, und so von den für die-
ses Miasm geeignetem (antipsoirischen) Arzwcn . wesentli-
chere Dienste erwarten kann.
173
welche Menge von Umständen *) zur Bildong dieser
» " •
grofsen Verschiedenheit chronischer Krankheiten (se<^
candärer Symptome der Psora) beizutragen pflegen^
anch anfser der unbeschreiblichen Mannigfaltigkeit
der Menschen in ihren angebornen Körper- Consti-
tutionen, welche schon für sich so unendlich von ein*
ander abweichen, dafs es kein "Wunder ist, wenn
auf so verschiedne) vom psorischen Miasm durchdrun-
gene Organismen so viele verschiedne, oft dauernd,
von innen und aufsen einwirkende Schädlichkeiten
auch unzählbar verschiedne Mängel, Yerderbnisse,
Verstimmungen und Leiden hervorbringen, welche
unter einer Menge eigner Namen als für sich be-
stehende Krankheiten in der ajten Pathologie ^) bi^t-
her aufgeführt wurden.
1 ) Einige dieser, die Bildung der Psora zu chronischen
Uebeln modlficireoden Ursachen- liegen ofTenbar theils im
Clipaa und der besondern, natürlichen Beschaffenheit des
Wohnorts, theils in der so abweichenden Erziehung des
Körpers und Geistes der Jugend, der vernachlässigten, ver-
schobenen, oder überfeinerten Ausbildung beider, dem Mi£s->
hrauche derselben im Berufe oder Lebens- Verhältnisse, der
diätetischen Lebensart, den Leidenschaften der Menschen,
ihren Sitten, Gebräuchen, und Gewohnheiten mancher Art.
2) Wie viel giebt es darin nicht mifsbräuchliche, viel-
deutige Namen, unter deren jedem man höchst verschiedene,
oft nur mit' einem einzigen Symptome sich ähnelnde Krank*
heitszustände begreift, wie: kaltes Fieber,: Gelbsucht,
Wassersuch*t, S^shwindsucht, Leucorrböe, Hä-
morrhoiden, Rheumatism, Soblagflufsy Krämpfe,
174
§. 75.
Ob nun gleich die Heilknnst durch Entdeckung
jener grofsen Qnelle der chronischen Krankheiten,
Hysterie 9 Hypochondrie, Melancholie, Manie,
Bräune, Lähmung u. s. w., die man für sich gleichblei-
bende, festständige Krankheiten ausgiebt und des Namens
wegen nach einem festgesetzten Leisten behandelt? Wie
könnte man mit einem solchen Namen eine gleichartige,
arzneiliche Behandlung rechtfertigen? Und soll die Cor
nicht immer dieselbe seyn, wozu der gleiche Cur voraus-
setzende, identische Name? „Nihil sane in artem medicam
pestiferum magis unquam irrepsit malum, quam generalla
quaedam nomina morbis imponere iisque aptare velle gene-
ralem quandam medicinam,^^ spricht der so einsichtsvolle^
als seines zarten Gewissens wegen verehrungswerthe Hux*
harn (Op. phys. med. Tom. I.). Und eben so beklagt sieb
Fritze (Annalen, I. S. 80.) „dab man wesentlich verschie-
dene Krankheiten mit £inem Namen benenne.^ Selbst jene
Volkskrankheiten, welche sich wohl bei jeder einzelnen
Epidemie durch einen eignen AnsteckungsstofT fortpflan-
zen mögen, werden in der Arzneischule, gleich als wä-
ren sie stets gleichartig wiederkehrende, schon bekannte,
festständige Krankheiten, mit Namen belegt , wie: Spi-
tal-, Kerl:er-, Lager-, Faul-, Gallen-, Nerven-,
Schleim-Fieber, obgleich jede Epidemie solcher herum-
gehenden Fieber sich jedesmal als eine andre, neue, nie
ganz so jemals da gewesene Krankheit auszeichnet, sehr ab-
weichend in ihrem Verlaufe sowohl, als in mehren der auf-
fallendsten Symptome und ihrem ganzen jedesmaligen Ver-
balten. Jede ist allen vorhergegangenen, so oder so be-
nannten Epidemien dergestalt unä&nlich, dab man alle logi-
sche Genauigkeit in Begriffen verläugnen müfkte, wenn man
diesen von sich selbst so sehr abweichenden Seuchen einen
jener, in der Pathologie eingefiihrten Namen geben und sie
175
aach in Hinsicht der AafiindDDg der specifischem
faomüopathischeD Heilmittel, namentlich (br die Psora,
der Nator der so heilenden Mehrzahl von Krankhei-
dem mifsbräiichlichen Namen nach arzneilich üb«rein be-
handeln wollte. Dieb sah blofs der redliche Sydenham ein,
da er (Oper. Cap. 2. de morb. epid. S. 43.) darauf dringt^
keine epidemische Krankheit für eine schon da gewesene
zu halten und sie nach Art einer andern ärztlich zu behan-
deln, da sie alle 9 so viel ihrer nach und nach kämen, von
einander verschieden wären: animum admiratione perceilit^
quam discolor et sni plane dissimilis morborum epidemico-
rum facies; qi^ae tam aperta faorum morborum diversitas
tum proprils ac sibi peculiaribns symptomatis tum etiam me-
dendi ratione, quam hi ab illis disparem sibi vindicant, satis
illucescit £x quibus constat, morbos epidemicos, utut ex-
terna quatantenus specie et symptomatis aliquot utrisque
pariter con venire paullo incautioribus videautur, re tamen
ipsa, si bene adverteris animum, alienae tsBt admodum m-
dolis et distare ut aera lupinis.
Aus Allem diesen erhellet, dafs diese nutzlosen und
mlfdiräuchlichen Krankheitsnamen keinen Einflufs auf die
Curart eines ächten Heilkfinstlers haben dürfen, welcher
weifs, dafs er die Krankheiten nicht nach der wegen Na-«
mens-Aehnlichkeit eines einzelnen Symptoms, sondern nach
dem ganzen Inbegriffe aller Zeichen des individuellen Zu-
Standes jedes einzelnen Kranken zu beurtheilen und zu hei-
len habe, dessen Leiden er genau auszuspähen die Pflicht
hat, nie aber hypothetisch vermuthen darf
Glaubt maq aber dennoch zuweilen Krankheitsnamen
zu bedürfen, um, wenn von einem Kranken die Rede ist,
sich dem Volke in der Kürze verständKch zu machen^ so
hediene man sich derselben, nur als CoHectivnamen, und
sage ihnen z. B. : der Kranke hat eine Art Veitstanz,
eine Art von Wassersucht, eine Art von Nervenfieber,
176
ten nm einige Scbritte näher gekommen ist, so bleibt
doch znr Bildung der Indication bei jeder zn heflen-
den chronischen (psorischen) Krankheit für den ho-
möopathischen Arzt die Pflicht sorgfältiger Auffas-
sung der erforschbaren Symptome nnd Eigenheiten
derselben so nneriursllch als vor jener Erfindang,
da keine ächte Heilang dieser, so wie der übrigen
Krankheiten statt finden kann, ohne strenge Eigen-
Behandlnng ( Individaalisirnng ) jedes Krankheits-
iPalles — nnr, dafs bei dieser Erforschung einiger
Unterschied zu beobachten ist, ob das Leiden eine
acute nnd schnell entstaixdne Krankheit oder eine
chronische sey, da bei den acuten die Haupt-
Symptome schneller anffallen und den Sinnen er-
kennbar werden und daher weit kürzere Zeit zur
Aufzeichnung des Krankheits - Bildes erforderlich,
auch weit weniger dabei zu fragen ist ^), da sich
das Meiste von selbst darbietet,* als bei den weit
mühsamer aufzufindenden Symptomen einer schon
mehre Jahre allmälig vorgeschrittenen, chronischen
Krankheit.
§. 76.
eine Art kaltes Fieber, nie aber (damit endlich einmal
die Täuschung mit diesen Mamen aufhöre): er hat den
Veitstanz, das Nervenfieber, die Wassersucht, das kalte
Fieber, da es doch gewifs keine festständigen, sich gleich-
bleibenden Krankheiten dieser und ähnlicher Namen gieht
1) Das so eben erfolgende Sehenia zur Auiforschaog
der Symptome geht daher nur zum Thcsil die acuten Krank-
heiten an«
177
§.76.
Diese indmdoalislrencle Untersuchung eine»
Krankhcits-Falles, wozu Ich hier nnr eine all-
gemeine Anleitung gebe, und wovon der Krankheits-
Untersuchcr nur das für den jedesmaligen Fall An-
wendbare beibehält, verlangt von dem Heilkünstler
nichts als Unbefangenheit und gesande Sinne, Auf-
merksamkeit im Beobachten und Treue im Aufzeich-
nen des Bildes der Krankheit.
• §. 77.
Der Kranke klagt den Vorgang seiner Beschwer-
den; die Angehörigen erzählen seine Klagen, sein
Benehmen, und was sie an ihm' wahrgetiommen;
der Arzt sieht, hört und bemerkt durch die übrigen
Sinne, was verändert und ungewöhnlich an ihm ist
Er schreibt alles genau mit denselben Ausdrücken
auf, deren der Kranke und die . Angehörigen sich
bedienen. Stillschweigend lafst er sie ausreden^ wo
möglich, wenn sie nicht auf Nebendinge abschwei-
fen, ohne Unterbrechung ^). Blofs langsam .zu spre-
chen ermahne sie der Arzt gleich Anfangs, damit
er den Sprechenden im Nachschreiben des Nöthigen
folgen könne«
§. 78.
Mit jeder Angabe des Kranken oder der An-
gehörigen bricht er die Zeile ab, damit die Sym-
1) Jede Unterbrechang stört die Gedankenreihe der
Erzahlenden, und es fällt ihnen hinterdrein nicht alles ge-
nau so wieder ein, wie sie's Anfangs sagen wollten.
M
178
ptome alle einzeln anter einander zd stehai kom-
men. So kann er bei jedem nachtragen, was ihm
anfänglich allzu nnbestimmt, nachgehends aber dent-
licher angegeben wird.
§. 79.
Sind die Erzählenden fertig mit dem, was sie
von selbst sagen wollten, so trägt der Arzt bei je-
dem einzelnen Symptome die nähere Bestimmmig
nach, anf folgende Weise erkundigt: Er liest die
einzelnen, ihm gesagten Symptome durch, und fragt
bei jedem insbesondere: z. B. zu welcher Zeit er-
eignete sich dieser Zufall? In der Zeit vor dem
bisherigen Arznei^ebrauche? Während des Annei-
einnehmens? Oder erst einige Tage nach Beiseite-
setzung der Arzneien? Was für ein Schmerz, welche
Empfindung, genau beschrieben, war es, die sich
an dieser Stelle ereignete? W^elche genaue Stelle
war es? Erfolgte der Schmerz abgesetzt und ein-
zeln, zu verschiednen Zeiten? Oder war er anhal-
tend, unausgesetzt? Wie lange? Zu welcher Zeit
des Tages oder der Nacht, und in welcher Lage
des Korpers war er am schlimmsten, oder setzte
ganz aus? Wie war dieser, wie war jener angege-
bene Zufatll oder Umstand — mit deutlichen Wor-
ten beschrieben — genau beschaffen?
§. 80.
Und so lä£st sich der Arzt die nähere Bestim-
mung von jeder einzelnen Angabe noch dazu sagen,
ohne jedoch jemals dem Kranken bei der Fiage
179
schon die Antwort mit in den Mond zu legen ^^
so dafs der Kranke dann blofs mit Ja oder Nein
darauf sa antworten hätte; sonst wird ev verleite^
etwas Unwahres, Halbwahres oder anders Yorhand-
nes, aus Bequemlichkeit oder dem Fragenden za
Ge£adlen, zu bejahen oder zu verneinen, wodurch
ein falsches Bild der Krankheit und eine unpassende
Curart entstehen mufs«
§. 81.
Ist nun bei diesen freiwilligen Angaben von
mehren Theilen oder Functionen des Korpers oder
von seiner Gemiiths- Stimmung nichts erwähnt wor-
den, so fragt der Arzt, was in Rücksicht dieser
Theile nnd dies^er Functionen, so wie wegen seines
Geistes oder Gemüths - Zustandes ^), noch zu erin<
1) Der Arzt darf z. B. nicht fragen: t,war nicht etwa
auch dieser oder jener Umstand da?^^ Dergleichen zu einer
falschen Antwort nnd Angabe yerfiihrende Suggestionen darf
sich der Arzt nie zu Schulden kommen lassen.
2) Z. B. Wie ist es mit dem Stahlgange? Wie geht
der Urin ab? Wie ist es mit dem Schlafe, |)ei Tage, bei
der Nacht? Wie ist sein Gemüth, seine Laune, seine Be-
sionangskraft bescha(Ten? Wie ist es mit dem Durste?
Wie ist es mit dem Geschmacke so für sich im Münde?
Welche Speisen und Getränke schmecken ihm am besten?
Welche sind ihm am meisten zuwider? Hat jedes seinen
uaturliehen, vollen, oder einen anderui fremden Geschmack?
Wie wird ihm nach Essen oder Trinken? Ist etwas we-
gen des Kopfs, der Glieder, oder des Unterleibes zu er-
innern?
M2
180
nem sey, aber in allgemeinen Ausdrücken, damit
der Berichtgeber genöthigt sey, sieb speciell darüber
zu äofsern.
; .. • §. 82. "
, ; .Hat nan der Kranke (denn diesem ist in Ab-
siebt' seiner Empfindongen, aofser in Yerstellnngs-
Krankbelten, der meiste Glaube beizumessen) auch
dnrcb diese freiwilligen und blofs veranlafsten Aea-
fserungcn dem Arzte gehörige Auskunft gegeben und
das Bild der Krankheit ziemlich vervollständigt^ so
ist CS diesem .erlaubt, und nothig (wenn er fühlt,
dafs er noch nicht gehürig unterrichtet sey), nähere,
speciellere Fragen zu thun ^).
1) Z. B. Wie oft hatte er Stuhlgang; von welcher
gcnaueo Beschaffenheit? War der weifslichte Stuhlgang
Schleim oder Koth? Waren Schmerzen beim Abgänge,
oder nicht? Welche genaue, und wo? Was brach der
Kranke aus? Ist der garstige Geschmack im Munde faul,
oder bitter, oder sauer, oder wie sonst? vor oder nach
dem Essen und Trinken oder während desselben? Zu wel-
cher Tageszeit am meisten? Von welchem Geschmacke ist
das Aufstofsen? Wird der Urin erst beim Stehen trübe,
oder iälst er ihn gleich trübe? Ton welcher Farbe ist er,
wenn et ihn eben gelassen hat? Ton weicher Farbe ist
der Satz? — Wie gebehrdet und äulsert er sich im Schlafe?
wimmert, stöhnt, redet oder schreiet er im Schlafe? er-
schrickt er im Schlafe? schnarcht er beim £inathmen, oder
beim Ausathmen? Liegt er einzig auf dem Rücken, oder
auf welcher Seite? Deckt er sich selbst fest zu, oder leidet
er das Zudecken nicht? Wacht er leicht auf, oder schläft
er allzu fest? Wie befindet er sich gleich nach dem Er-
wachen aus dem Schlafe?^ Wie oft kommt diese, wie oft
181
§. 83.
Ist der Arzt mit Nicdcrschrcibnng dieser Ans-
sagcn fertig, so merkt er sich an, was er. selbst
an dem Kranken wahrnimmt ') und erkundigt sich,
jene Beschwerde; aufweiche jedesmalige Yeranlassuag kommt
sk? im Sitzeti, im Liegen, im Stehen oder bei der Bewe-
gung? blofs nüchtern, oder doch früh, oder blofs- Abends,
oder blofs nach der Mahlzeit, oder wann sonst gewöhnlich?
— Wann kam der Frost? war es blofs Frostempfindung,
oder war er zugleich kalt? an welchen Thellen? oder war
er bei der Frostempfindung sogar heifs anzufühlen? war es
blofs Empfindung von Kälte, ohne Schauder? war er heifs,
ohne Gesichtsröthc? an welchen Theiien war er heifs an-
zufühlen? oder klagte er über Hitze, ohne heifs zu scyn
beim Anfühlen? wie lange dauerte der Frosl, wie lange
die Hitze? — Wann kam der Durst? beim Froste? bei der
Hitze? oder vorher? oder nachher? wie stark war der
Durst, und worauf? — Wann kommt der Schweifs? beim
Anfange, oder zu Ende der Hitze? oder wie viel Stunden
nach der Hitze? im Schlafe oder im Wachen? wie stark
ist der Schweifs? heifs oder kalt? in welchen Theiien?
von welchem Gerüche? — Was klagt er an Beschwerden
vor oder bei dem Froste? was bei der Hitze? was nach
derselben? was bei oder nach dem Schwcifse? u. s. w.
1) Z. B. Wie sich der Kranke bei dem Besuche ge-
behrdet hat, ob er verdriefslich, z'anklsch, hastig, weiner-
lich, ängstlich, verzweifelt, oder troiirig, oder getrost, ge-
lassen, u. s. w.; ob er scblaflrunken oder überhaupt unbe-
slnnllch war? ob er heisch, sehr leise, oder ob er unpas-
send, oder wie anders er redete? wie die Farbe des Ge-
sichts und der Augen, und die Farbe der Haut überhaupt,
wie die Lebhaftigkeit und Kraft der Mienen und Augen,
wie die Zunge, der Athem, der Geruch aus dem Munde,
oder das Gehör beschaffen ist? wie sehr die Pupillen er-
182
was dem Kranken hievon in gesunden Tagen eigen
gewesen.
§. 84.
Die Zufalle nnd das Befinden des Kranken wäh-
rend eines etwa vorgängigen Arzneigcbrancbs geben
nicht das reine Bild der Krankheit; diejenigen Sym-
ptome nnd Beschwerden hingegen, welche er vor
dem Gebrauche der Arzneien oder nach Ih-
rer mehrtägigen Zurücksetzung litt., geben
den ächten Grundbegriff von der nrsprünglicfacil
Gestalt der Krankheit, nnd vorzüglich diese mnls
der Arzt sich aufzeichnen. Er kann auch wobi,
wenn die Krankheit langwierig ist, den Kranken,
wenn er bis jetzt noch Arznei genommen hatte,
einige Tage ganz ohne Arznei lassen, oder ihm et-
was Unarzneiliches indefs geben und bis dahin die
genauere Prüfung der Krankheitszeichen verschieben,
nm die dauerhaften, nnvermischten Symptome des
alten Uebels in ihrer Reinheit aufzufassen und ein
untrügliches Bild von der Krankheit entwerfen zn
können.
weitert, oder verengert sind? wie schnell, wie weit sie
sich im Dunkeln und Hellen verändern? wie der Pols?
wie der Unterleib? wie feucht oder heiüs, wie kalt oder
trocken die Haut an diesen oder jenen Tb eilen oder über-
haupt anzufühlen ist? ob er mit zurtickgebogenem Kopfe,
mit halb oder ganz offenem Munde, mit über den Kopf ge-
legten Armen, ob er aqf dem Rücken, oder in welcher an-
dern Stellung er liegt? mit welcher Anstrengung er sich
aufrichtet;, und was von dem Arzte sonst auffallend Bemerk-
bares an ihm wahrgenommen werden konnte.
183
$. 85.
Ist es aber eine schnell verlaufende Krankheit,
nnd leidet ihr dringender Zustand keinen Yerzag,
so mnfs sich der Arzt mit dem, selbst von den Arz-
neien geänderten Krankheitsznstande begnügen —
wenn er die vor dem Arzneigebranche bemerkten
Symptome nicht erfahren kann, — nm wenigstens
die gegenwärtige Gestalt des Uebels, das heifst, nm
die mit der ursprünglichen Krankheit vereinigte Arz-
neikrankheitj welche durch die oft zweckwidrigen
Mittel gewöhnlich beträchtlicher und gefahrlicher, als
die ursprüngliche ist, und daher oft dringend zweck-
mäfsige Hülfe heischt, in ein Gesammtbild zusam-
menfassen nnd^ damit der Kranke an der genomme-
nen schädlichen Arznei nicht sterbe, mit einem pas-
send homöopathischen Heilmittel besiegen zu können.
§. 86.
-Ist die Krankheit durch ein auffallendes 'Ereig-
niis seit Kurzem, oder bei einem langwierigen Uebel
vor längerer Zeit verursacht worden, so wird der
Kranke — oder wenigstens die im Geheim befrag-
ten Angehörigen — sie schon angeben, entweder
von selbst und aus eignem Triebe oder auf eine
behatsame Erkundigung ^).
1) Den etwanigen entehrenden Yeranlassungen, welche
der Kranke oder die Angehörigen nicht gern, wenigstens
nicht von freien Stücken gestehen, mufs der Arzt durch
Idügliche Wendungen der Fragen oder durch andre Privat-«
Erkundigungen auf die Spur zu kommen suchen. Dahin
gehören: Vergiftung oder begonnener Selbstmord, Onanie,
184
§. 87.
Bei Erknndignng des Zostandes clironisclier
Krankheiten mttssen die besondem Verhältnisse des
Kranken In Absicht seiner gewöhnlichen BeschäM-
gnngen, seiner gewohnten Lebensordnnng nnd Diät,
seiner hänslichen Lage n. s. w. wohl erwogen und ge-
prüft werden^ was sich in ihnen Krankheit Erregen-
des oder Unterhaltendes befindet, nm durch dessen
Entfernung die Gencsnng befördern zn können ^).
Ausschweifangen gewöhnlicher' oder unnatürlicher Wohl-
lust, Schwelgen in Wein, Liqueuren, Punsch und andern
hitzigen Getränken, oder Kaffee, — Schwelgen in Essen
überhaupt oder in besonders schädlichen Speisen, — vene-
rische oder Kratz -Ansteckung , unglückliche Liebe, Eifer-
sucht, Hausunfrieden,' Aergernifs, Gram über ein Familien-
Unglück, erlittene Mifshandlung, verbissene Rache, gekränk-
ter Stolz, Zerrüttung der Vermögensumstände, — aber-
gläabige Furcht, — Hunger — oder ein Körpergebrechen
an den Schamtheilen, ein Bruch, ein Vorfall n. s. w.
1) Vorzüglich muCs bei chronischen Krankheiten des
weihlichen Geschlechts auf Schwangerschaft, Unfruchtbar«
keit, Neigung zur Begattung, Niederkünften, Fehlgeburten,
Kindersäagen und den Zustand des monatlichen BlutHnsses
Rücksicht genommen werden. Insbesondere ist in Betreff
des letztern die Erkundigung nicht zu versäamen, ob er in
zu kurzen Perioden wiederkehrt, oder über die gehörige
Zeit aufsen bleibt, wie viele Tage er anhält, ununterbro-
chen oder abgesetjst? in welcher Menge überhaupt, wie
dunkel von Farbe, ob mit Leucorrhöe (Weifsflufs) vor
dem Eintritte oder nach der Beendigung? vorzüglich aber
mit welchen Beschwerden Leibes und der Seele, mit wel-
chen Empfindungen und Schmerzen vor dem Eintrittif, hei
dem BIutEusse oder nachher? Ist Weifsiluls bei ihr; vne
185
§. 88.
Die ErforschuDg der obgedacfaten nnd aller übri-
gen Krankheitszeichen müfs dcfshalb bei chronischen
Krankheiten so sorgfaltig nnd nmständlich^ als mög-
lich, geschehen und in die kleinsten Einzelheiten
gehen, theils weil sie bei diesen Krankheiten am son-
derlichsten sind, denen in den schnell vorübergehen-
den Krankheiten am wenigsten gleichend, nnd bei
der Heilang, wenn sie gelingen soll, nicht genau
genug genommen werden können; theils weil die
Kranken der langen Leiden so gewohnt werden, dafs
sie auf die kleinern, oft sehr bezeichnungsvoUen (cha-
rakteristischen) — bei Anfsnchnng des Heilmittels oft
viel entscheidenden — Nebenznfalle wenig oder gar
nicht mehr achten niid sie fast für einen Theil ihres
nofhwendigen Znstandes, fast für Gesundheit anse-
hen, deren wahres Gefühl sie bei der oft fünfzehn-,
zwanzigjährigen Dauer ihrer Leiden ziemlich verges-
sen haben^ es ihnen auch kaum einfällt, zn glauben,
dafs diese Nebensymptome, diese übrigen kleinem
oder gröfsern Abweichungen vom gesunden Zustande
mit ihrem Hauptübel im Zusammenhange stehen
könnten.
§. 89.
Zudem sind die Kranken selbst von so abwei-
chender Gemüthsart, dafs einige, vorzüglich die so-
genannten Hypochondristcn nnd andre sehr gefüh-
er bescbaiTen ist? in welcher Menge? und unter welchen
Bedingungen und auf welche Veranlassungen er erscheint?
186
lige nnd nnleidliche Personen ihre Klagen in aUza
grellem Lichte anCstellen nnd^ nm den Arzt zar Hülfe
atifznreizen, die Beschwerden mit überspannten Ans-
drficken bezeichnen ^).
§. 90.
Andre, entgegengesetzte Personen aber haltcD,
theils ans Trägheit, theils ans mifsverstandner Scham,
theils ans einer Art milder Gesinnung eine Menge
Beschwerden zurück, bezeichnen sie mit nndeatli-
chen Ausdrücken, oder geben mehre als nnbeschwer-
lich an.
§. 91.
So gewiCs man nun anch vorzüglich den Kran-
ken über seine Beschwerden nnd Empfindungen in
boren und vorzüglich seinen eignen Ausdrücken, mit
denen er seine Leiden zu verstehen geben kann,
Glauben beizumessen hat, — weil sie im Munde der
Angehörigen und l^ankenwärter verändert und ver-
1) Eine reine Erdichtung von ZufaUen und Beschwer-
den wird man wobl nie bei Hypochondristen, selbst bei
den unleidlichsten nicht, antreffen, — dieüs zeigt die Ver-
gleichung ihrer zu verschiednen Zeiten geklagten Beschwer-
den, während der Arzt ihnen nichts oder etwas ganz Un-
arzneiliches eingiebt, deutlich; — nur muls man von ihren
Uebertreibungen etwas abziehen, wenigstens die Starke ihrer
Ausdrücke auf Rechnung ihres übermäCsigen Gefühls setzen;
in welcher Hinsicht selbst diese Hochstimmung ihrer Aus-
drücke über ihre Leiden für sich schon zum bedeutenden
Symptome in der Reibe der übrigen wird, woraus das Bild
der Krankheit zusammengesetzt ist. Bei Wahnsinnigen und
böslichen Krankbeits- Erdichtem ist es ein andrer FalL
187
fälscht zn werden pflegen, — so gewifs erfordert
doch aof der andern Seite bei allen Krankheiten,
vorzüglich aber bei den langwierigen, die Erforschung
des wahren, vollständigen Bildes derselben nnd sei-
ner Einzelheiten besondre Umsicht, Bedenklichkeit,
Menschenkenntnifs , Behntsamkeit im Erkundigen
nnd Gednld, in hohem Grade/
§. 92.
Im Ganzen wird dem Arzte die Erkundigung
acuter, oder sonst seit Kurzem entstandner Krank-
heiten leichter, weil dem Kranken nnd den Ange-
hörigen alle Zufalle nnd Abweichungen von der nur
uidängst erst verlornen Gesundheit noch in frischem
Gedächtnisse y noch neu und auffallend geblieben
sind. Der Arzt mnCs zwar auch hier alles wissen;
er braucht aber weit weniger zu erforschen; man
sagt ihm alles gröfstentheils von selbst«
§. 93.
Bei Erforschung des Symptomen -Inbegriffs der
epidemischen Seuchen und sporadischen Krankhei-
ten ist es sehr gleichgültig, ob schon ehedem etwas
Aehnliches unter diesem oder jenem Namen in der
Welt vorgekommen sey. Die Neuheit oder Beson-
derheit einer solchen Seuche macht keinen Unter-
schied weder in ihrer Untersuchung, noch Heilung,
da der Arzt ohnehin das reine Bild jeder gegenwär-
tig herrschenden Krankheit als neu und unbekannt
voraussetzen nnd es, vom Grunde aus, für sich er-
forschen mufs, wenn er ein ächter, gründlicher Heil-
künstler seyn will, der nie Vermuthung an ^le Stelle
188
der Wabrnehmnng setzen, nie einen ihm angetrage-
nen Krankheitsfall weder ganz, noch znm Theile für
bekannt annehmen darf, ohne ihn sorgfältig nacli
allen seinen Äenfsemngen ansznspähen, und dicfs
hier nm so mehr, da jede herrschende Seuche in
vieler Hinsicht eine Erscheinung eigner Art ist und
sehr abweichend von allen ehemaligen, falschlich mit
Namen helcgten Seuchen bei genauer Untersuchung
befunden wird; — wenn man die Epidemien von
sich gleich bleibendem Ansteckungszunder, die Men-
schenpocken, die Masern u. s, w. ausnimmt
§. 94.
Es kann wohl seyn, dafs der Arzt beim ersten
ihm vorkommenden Falle einer epidemischen Senche
nicht gleich das volikommne Bild derselben tnv
Wahrnehmung bekommt, da jede solche CollectiV-
krankheit erst bei näherer Beobachtung mehrer Fälle
den Inbegriff ihrer Symptome und Zeichen an den
Tag legt. Indessen kann der sorgfaltig forschende
Arzt schon beim ersten und zweiten Kranken dem
wahren Zustande oft schon so nahe kommen, daß
er ein charakteristisches Bild davon innc wird —
nnd selbst schon dann ein passendes, homöopathisch
angemessenes Heihnittel für sie ausfindet.
§. 95.
Bei Niederschreibung der Symptome mehrer
FäHe dieser Art wird das entworfene Krankheitsbild
immer vollständiger, nicht gröfser und wortreicher,
aber bezeichnender (charakteristischer), die Eigen-
thümh'chkcit dieser Collectivkrankheit umfassender;
189
die allgemeinen Zeichen (z. B. Appeütlo^igkcit, Man-
gel an Schlaf u. s. w.) erhalten ihre eignen und ge-
nauem^ Bestimmungen, nnd auf der andern Seite
treten die mehr a.nsgezeichneten, besondern> wenig-
stens in dieser Yerbindang seltnem, nur wenigen
Krankheiten eignen Symptome hervor nnd bilden
das Charakteristische dieser Seuche ^). Alle an der
dermaligen Seuche Erkrankten haben zwar eine aus
einer nnd derselben Quelle geflossene und daher
gleiche Krankheit; aber der ganze Umfang einer
solchen epidemischen Krankheit und die Gesammt-
heit ihrer Symptome (deren Kenntnifs zur Ueber-
sicht des vollständigen Krankheitsbildes gehört, um
das fiir diesen Symptomen -Inbegriff passendste ho-
möopathische Heilmittel wählen zu können) kann
nicht bei einem einzelnen Kranken wahrgenommen,
sondern nur aus den Leiden mehrer Kranken von
verschiedner Körperbeschaffenheit abgezogen (abstra*
hirt) und entnommen werden.
§. 96.
Auf gleiche AVeise, wie hiervon den epidemi-
schen, meist acuten Seuchen gelehrt worden, mufs-
teu auch von mir die in ihrem AVesen sich gleich*
Ueibenden miasmatischen, chronischen Siechthnme,
1) Dann werden dem Arzte, welcher schon in den er-
sten Fällen das dem specifisch bomöopathischen nahe kern-
inende Heilmittel hat wählen können , die folgenden Fälle
entweder die Angemessenheit der gewählten Arznei bestä-
^geo,. oder ihn auf ein noch passenderes, auf das passendste
boiQöopathische Heilmittel hinweisen.
190
namentlicb und vorzUglich die Psora, viel genaner
als bisher geschah, nach dem Umfange ihrer Sym-
ptome ausgeforscht werden, indem anch bei ihaen
der eine Kranke nnr einen Theil derselben an sich
trägt, ein zweiter, ein dritter n. s. w« wiederum an
einigen andern Zufallen leidet, welche ebenfalls nur
ein (gleichsam abgerissener) Theil aus der Gesammt-
heit der den ganzen Umfang desselben Siechthums
ausmachenden Symptome sind, so dafs nur an sehr
vielen einzelnen dergleichen chronischen Kranken
der Inbegriff aller zu einem solchen miasmatischen,
chronischen Siechthume, insbesondre der Psora ge-
hörigen Symptome ausgemittelt werden konnte, ohne
deren vollständige Uebersicht und Gesammt-Bild die
homöopathisch das ganze Siechthum heilenden (na-
mentlich der antipsorischen ) Arzneien nicht ausge-
forscht werden konnten, welche zugiciph die wahren
Heilmittel der einzelnen, an dergleichen chronischen
Uebcln leidenden Kranken sind.
i. 97.
Ist nun die Gesammthcit der den. Krankheits-
Fail vorzüglich bestimmenden und auszeichnenden
Symptome, oder, mit andern W^orten, das Bild der
Krankheit irgend einer Art einmal genau aufgezeich-
net, so ist auch die schwerste Arbeit geschehen.
Der Heilkünstler hat es dann bei der Cur, vorzüg-
lich der chronischen Krankheit, zum Grunde gelegt,
aaf immer vor sich, kann es in allen seinen Theilen
durchschauen und die charakteristischen Zeichen her-
aasbeben, um eine gegen diese, das ist, gegen das
191
Uebel selbst gerichtete, treffend ähnliche, künstliche
Krankheitspotens in dem homöopathisch gewählten
Arzneimittel entgegenzusetzen, gewählt aas den Sym-
ptomenreihen aller ihm nach ihren reinen "Wirkan*
gen bekannt gewordenen Arzneien. Und wenn er
sich während der Gar nach dem Erfolge der Arznei
und dem geänderten Befinden des Kranken erkun-
digt, braucht er in seinem neuen Krankheitsbefunde
von der ursprünglichen Grappe der Symptome blofs
das wegzulassen, was sich gebessert hat, und dazu
zu setzen, was noch davon vorhanden, oder etwa
an neuen Beschwerden hinzu gekommen ist
§. 98.
Der zweite Punkt des Geschäftes eines äch-
ten Heilkünstlers betrifft die Erforschung der
zur Heilung der natürlichen Krankheiten
bestimmten "Werkzeuge, die Erforschung der
krankmachenden Kraft der Arzneien, um, wo zu hei-
len ist, eine von ihnen aussuchen zu können, aus
deren Symptomenreihe eine künstliche Krankheit zu-
sammengesetzt werden kann, der Hanpt-Symptomen-
Gesammtheit der natürlichen zu heilenden Krankheit
möglichst ähnlich.
§• 99.
Die ganze, Krankheit erregende "Wirksamkeit
der einzelnen Arzneien mufs bekannt seyn, das ist,
möglichst alle die krankhaften Symptome und Befin-
dens -Veränderungen, die jede derselben besonders
zu erzeugen fähig ist, müssen erst beobachtet wor-
den seyn, ehe man hoffen kann, för die meisten na-
192
tUrlichen Krankheiten treffend homSopatfaische Heil-
mittel anter ihnen finden und auswählen za können.
§. 100.
Gieht man, diefs zu erforschen, Arzneien nur
den kranken Personen ein, selbst wenn man sie
nur einfach und einzeln verordnete, so sieht man
voa ihren reinen Wirknngen wenig oder nichts Be-
stimmtes, da die von den Arzneien za erwartenden,
besondern Befindens -Yeränderangen mit den Sym-
ptomen der gegenwärtigen natürlichen Krankheit ver-
mengt, nar selten dcatlich wahrgenommen werden
können.
§. 101.
Es ist also kein Weg weiter möglich, auf wel-
chem man die eigenthümlichen Wirkungen der Arz-
neien auf das Befinden des Menschen antrüglich er-
fahren könnte; es giebt keine einzige sichere, keine
natürlichere Yeranstaltang zu dieser Absicht, als
dals man die einzelnen Arzneien versuchsweise ge-
sunden Menschen in mäfsiger Menge eingiebt, um
zu erfahren, welche Yeränderungeti, Symptome und
Zeichen ihrer Einwirkung jede besonders im Befin-
den Leibes und der Seele hervorbringe, das ist,
welche Krankheits-Elemente sie zu erregen fähig und
geneigt sey *), da, wie (§• 19 — 22.) gezeigt .wer-
-.__ den,
1) Nicht ein einziger Arzt, meines Wissens, kam in
der drittebalbtausendjährigen Vorzeit auf diese so natürliche,
80 unumgänglich nothweadige, einzig ächte Prüfung der
Arzneien auf Ihre reinen, eigenthümlichen, das Befinden der
193
den, alle Heilkraft der Arzneien einzig in dieser ihrer
Menschenbefindens -Yeränderapgskraft IJQgt, imd ans
Beobachtnng der letztern hervorleuchtet
§• 102..
Diesen Weg schlag ich zuerst ein mit einet
Beharrlichkeit die nur durch eine voUkommne Uel>er-
zeognng von der grofsen, Menschen beglückenden
ViTahrheit, dafs blofs durch homöopathischen Ge-
brauch der Arzneien die einzig gewisse Heilung der
Krankheiten der Menschen möglich scj, entstehen
und aufrecht erhalten werden konnte ^).
Menschen umstimmenden Wirkungen, um so zu erfahren,
vrelche Ktankheitszustände jede Arznei zu heilen vermöge,
als der grofse, unsterbliche Albrecht von Haller* Blofs die-
ser sah, aufser mir, die Nothwendigkeit hievon ein (siehe
Vorrede zur Pharmacopoea Helvet., Basil. 1771. fol. S. 12.):
,,T*^empe primum in corpore sano medela tentanda est,
sine peregrina ulla miscela; odoreque et sapore ejus
exploratls, exigua lUIus dosis lugerenda et ad omnes, quae
lüde contingunt, afTectiones, quis pulsus, qui calor, quae
rcspiratio, quaenam excretiones, attendendum. lüde ad du-
ctum phaenomenorum, In sano obviorutn, traoseas ad expe-
rimenta in corpore aegroto etc.*' Aber Niemand, kein
einziger Arzt achtete oder befolgte diese seine unschätz-
baren Winke.
1) Die erste Frucht von diesem Streben legte Ich, so
reif sie damals seyn konnte, nieder In den: Fragmenta de
viribus medicamentorum positivis , sive In sano corp. hum.
observatls. P. I.. II. Lipsiae, 8. 1805. ap. J. A. Barth; die
reifere In: Beine Arzneimittellehre. I. Th. 1811.
(zweite Ausgabe 1822.) II. Th. zw. Ausg. 1824. IIL Th.
zw. Ausg. 1825. IV. Th. zw. Ausg. 1825. V. Th.. zw. Ausg.
N
194
$. 103.
Daneben sab ich» dafs die krankhaften Schäd-
lichkeiten! welche vorgangige Schriftsteller von.are-
neilicben Substanzen aofgezeichnet hatten, wenn sie
in grofser, Menge ans V ersehen , oder om sich oder
Andre sn tödten, oder unter andern Umständen in
den Magen gcsondcr Personen gerathcn waren, mit
meinen Beobachtungen beim Yersncbcn derselben
Sobstanzen' an mir und andern gesunden Personen
viel fibereinkamen. Sie erzählen diese Vorgänge als
Yergiftungsgeschichten und als Beweise des Nach-
theils dieser heftigen Dinge, meistens nur, um davor
za warnen, theils auch, um ihre Kunst zu rühmen,
wenn bei ihren, gegen diese gefahrlichen Zufalle ge-
brauchten Mitteln allmälig wieder Genesung einge-
treten war, theils aber auch, wo diese so angegriffe-
nen Personen in ihrer Cur starben, sich mit der Ge-
fährlichkeit dieser Substanzen, die sie dann Gifte
nannten, zu entschuldigen. Keiner von diesen Beob-
achtern ahnete, dafs diese von ihnen blofs als Be-
weise der Schädlichkeit und Giftigkeit dieser Substan-
zen erzählten Symptome sichere Hinweisung enthiel-
ten auf ^ie Kraft dieser Drognen, ähnliche Beschwer-
den in natürlichen Krankheiten heilkräftig auslöschen
zn können, dais diese ihre Krankheits - Erregun-
gen reine Andeutungen ihrer homöopathischen Heil-
1826. VI. Th. zw. Ausg. 1827. und im zweiten und dritten
Theile der chronischen Krankheiten, 1828. Dresden
bei Arnold.
195
wirkangen scycn» und da& blofs auf Beobacbtnng
solcher BefindensyerändeniBgeii^ die die Arzneien in
gesunden Körpern hervorbringen, die einzig muglichc
Erforschung ihrer Arzneikräfte berahe, indem weder
durch vemünftelnde Klügelei a priori, noch durch
Geruch, Geschmack oder Ansehen der Arzneien,
noch durch chemische Bearbeitung, noch auch durch
Gebranch mehrer derselben zugleich in einer Mi-
schung (Recepte) bei Krankheiten die reinen, eigen*-
thtimlichen Kräfte der Arzneien zum Heilbehnfe za
erkennen sind; man ahnete nicht, dafs diese Ge-
schichten von Arzneikrankheiten dereinst die ersten
Anfangsgründe der wahren, reinen Arzneistoff-Lehrc
abgeben würden, die vom Anbeginn bis hieher nur
in falschen Yermnthungen und Erdichtungen bestand,
das ist, noch gar nicht vorhanden war ')•
$. 104.
Die Uebereinkunft meiner mit jenen altem -— *
obgleich nnhinsichtlich auf Heilbehuf beschriebenen
— Beobachtungen reiner Arzneiwirkungen und selbst
die Uebereinstimmung dieser Nachrichten mit andern
dieser Art von verschiednen Schriftstellern überzeugt
uns leicht, dafs die Arzneistofle bei ihrer krankhaf-
ten Veränderung des gesunden menschlichen Körpers
nach bestimmten, ewigen Naturgesetzen wir-
1) Man sehe, was ich hieven gesagt habe in: Beleuch-
tung der Quellen der gewohnlichen Materla me-
dica, vor dem dritten Theile meiner reinen Arznei-
mittellehre.
N2
196 '
ken, und, vermöge dieser, gewisse, .zuverlässige
Krankfacitssymptomc za erzengeo fähig sind,
jeder, na^h seiner Eigenthümlichkeit be-
sondere.
§. 105-
In jenen altem Beschreibungen der. oft lebens-
gefährlichen Wirkangcn in so übormäfsigen Gaben
verschlackter Arzneien nimmt man aach Zustände
wahr, die nicht Anfangs, sondern beim Ausgange
solcher traurigen Ereignisse sich zeigten und von
einer den anfänglichen ganz entgegengesetzten Na-
tur waren. Diese' der Erstwirknng (§. 59«) oder
eigentlichen Einwirkung der Arzneien auf den Kör-
per entgegenstehende Symptome sind die Gegenwir-
kung der Lebenskraft des Organisms, die Nach-
wirkung desselben (§. 58 — 63.)> wovon jedoch
hei mäfsigen Gaben zum Versuche an gesunden
Körpern selten oder fast nie das Mindeste zu spü-
ren ist, bei kleinen Gaben aber gar nicht. Gegen
diese macht der lebende Organism beim homöopa-
tlnschen Heilgeschäfte nur so viel Gegenwirknng,
als. erforderlich ist, das Befinden wieder auf den
natürlichen, gesunden Zustand zu erheben (§• 63. )•
§. 106.
Blols die . narcotischen Arzneien machen hierin
eine Ausnahme, da sie in der Erstwirkung thcils die
Empfindlichkeit und Empfindang, theils die Reizbar-
keit hinwegnehmen, so pflegt bei ihnen öfterer, auch
bei mäfsigen Yersuchsgaben , in gesunden Körpern
197
eine erhohete Empfindlicbkcit in der Nachwirkung
(and eine gröfsere Reizbarkeit) merkbar za werden.
§• 107.
Diese narcotiscbcn Substanzen ausgenommen,
werden bei Yersnchcn mit mäfsigen Gaben Arznei
in gesunden Korpern blofs die Erstwirkungen dersel-
ben, d. i. diejenigen Symptome walirgenommen, wo-
mit die Arznei das Befinden des Menschen umstimmt
und einen krankhaften Znstand auf längere öder kür-
zere Zeit in und an demselben hervorbringt.
,§. 108.
Unter diesen giebt es bei einigen Arzneien nicht
wenige, welche andern, theils vorher erschienenen,
thcils nachher erscheinenden Symptomen zum Thcil
oder in gewissen Nebenumständen entgegengesetzt
sind, defswegen jedoch nicht eigentlich als Nach-
wirkung oder blofse Gegenwirkung des Organisms
anzusehen sind, sondern nur den' Weehsclzustand
der verschiednen W^irkungs-Paroxysmen erster Wir-
kung bilden; man nennt sie Wechselwirkungen.
§. 109.
Einige Symptome werden von den Arzneien öf-
terer, das ist, in vielen Körpern, andre seltner oder
in wenigen Menschen zuwege gebracht, einige nur
in sehr wenigen gesunden Körpern.
§. 110.
Zu den letztem gehören die sogenannten Idio<
syncrasien, worunter man eigne Körperbeschaffen-
heiten versteht, welche, obgleich sonst gesund, die
198
NeigDOg besiiscn, von gewissen Dingen, welche auf
viele andre Menschen gar keinen Eindruck und
keine Veränderung zo machen scheinen, in einen
mehr oder weniger krankhaften Zustand versetzt xa
werden ^). Doch dieser Mangel an Eindruck aof'
Jedermann ist nur ein Schein. Denn da zu die-
sen, so wie zur Hervorbringung aller übrigen krank-
haften Befindensveränderungen im Menschen beide,
sowohl die der einwirkenden Substanz inwohnende
Kraft, als die Fähigkeit des Körpers, von ihr erregt
zu werden, erforderlich ist, so können die auffallen-
den Erkrankungen in den sogenannten Idiosyncra-
sien nicht blofs auf Rechnung dieser besondem Kör-
perbeschaffenheiten gesetzt, sondern sie müssen zu-
gleich von diesen- veranlassenden Dingen hergeleitet
werden, in denen die Kraft liegen mufs, auf alle
menschliche Körper denselben Eindruck zu machen,
nur so, dafs wenige unter den gesuüden Körperbe-
schaffenheiten geneigt sind, sich in einen so auffal-
lend kranken Znstand von ihnen versetzen zu las-
sen. Dafs diese Potenzen wirklich auf jeden' Körper
diesen Eindruck machen, sieht man daraus, dafs sie
bei allen kranken Personen für ähnliche Krank-
beitssymptome, als sie selbst' (obgleich anscheinend
1) Einige wenige Personen können vom Gerüche der
Rosen in Ohnmacht fallen, und vom Genüsse der Mies-
Muscheln, der Krebse oder des Rogens des Barbe -Fisches,
von Berührung des Laubes einiger Sumach -Arten u. s. w.
in mancherlei andre krankhafte, zuweilen gefährliche Zo-
Stande gerathen.
199
nur bei den sogenannten idiosjrncratbchen Personen)
erregen können^ homöopatbiscfae Hülfe als Heilmit-
tel leisten ^).
§• 111.
Jede Arznei zeigt besondere "Wirkangen im
mcnscUichen Körper, welche sich von keinem an-
dern Arzneistoffe verschiedner Art genau so er-
eignen ^).
§. 112.
So gewifs jede Pflanzenart in ihrer äofsem Ge-
stalty in der eignen Weise ihres Lebens nnd Wach-
ses , in ihren^ Geschmacke nnd Gerüche von jeder
andern Pflanzen -Art nnd Gattung, so gewifs jedes
Mineral nnd jedes Salz in seinen äafsern sowohl,
als innern physischen und chemischen Eigenschaf-
ten (welche allein schon alle Verwechselang hätten
verhüten sollen) verschieden ist, so gewifs sind sie
alle nnter sich in ihren krankmachenden — also
auch heilendep — Wirkungen verschieden und Von
einander abweichend ')• Jede dieser Substanzen
1) So half die Prinzessin Eudoxia einer ohnmächtig
gewordenen Person mit (godooTayfia) Rosenwasser (siehe
Hist. byzant. Script.), und Horstius (Oper. IIL S. 59.)
sah den Rosenessig bei Ohnmächten sehr hülfreich.
2) Diels sah auch der verebrungswürdige A, p. Haller
ein, da er sagt (Vorrede zu seiner bist, stirp. helv.}: „ta-
tet immensa virium diversitas in iis ipsis plantis, qnarum
facies externas dudum novimus, animas quasi et quodcunque
caelestius haben! , nondum perspeximus.^*
3) Wer die so sonderbar verscbiednen Wirkungen
200
wirkt anf eine eigne, verscliiedne, doch bestimmte
Weise, die alle Yerwechselang verbietet, Abände-
«
rangen des Gesundheitszustandes nnd des Befindens
der Menschen ^).
jeder einzelnen Substanz von denen jeder andern auf das
menschRche Befinden genau kennt nnd zU würdigen yer<
steht, der sieht auch leicht ein, dafs es unter ihnen, in arz-
neilicher Hinsicht, durchaus keine gleichbedeutenden Mittel,
keine Surrogate geben kann. Blofs wer die yerschicdnen
Arzneien nach ihren reinen, positiven Wirkungen nicbt
kennt, kann so thöricht seyn, uns weifs machen zu wollen,
eins könne statt des andern dienen und eben so gut, als
jenes, in gleicher Krankheit helfen. So verwechseln un*
verständige Kinder die wesentlich verschiedensten Biogf,
weil sie sie kaqm dem Aeufsern nach und am wenigsten
nach ihrem Werthe, ihrer wahren Bedeutung und ihren
innern, höchst abweichenden Eigenschaften kennen.
1) Ist diefs reine Wahrheit, wie sie es ist, so kann
fortan kein Arzt, der nicht für verstandlos angesehen seyn,
iind der sein gutes Gewissen, das einzige Zeugnifs ächter
Menschenwürde, nicht verletzen will, unmöglich eine Arz«
neisubstanz zur Cur der Krankheiten anwenden, als die er
genau und vollständig in ihrer waliren Bedeutung kennt,
d. i., deren virtuelle Wirkung auf das Befinden gesunder
Menschen er so genau erprobt hat, dafs er gewifs wisse, sie
sey vermögend, einen sehr ähnlichen Krankheitszustand, und
einen ähnlichem, als jede andre ihm genau bekannt gewordne
Arznei, selbst zu erzeugen, als der durch sie zu heilende
Krankheitsfall enthält — da, wie oben gezeigt worden, weder
der Mensch, noch die grofsc Natur anders vollkonvmen, schnell
und dauerhaft nls mit einem homöopathischen Mittel heilen
kann. Kt'in ächter Arzt kann sich fortan von solchen Versu-
chen ausschliefsen, um diese nothwendigste nnd einzige Kennt«
201
§. 113.
Also- gepan, sorgfältigst genan ibSssen die Än-
ncien, von denen Lejben nnd Tod, Krankheit vnd
Gesundheit der Menschen ahhängt, von einander un-
terschieden und deshalb dnrch sorgföltige» reine Yer-
SDche anf ihre Kräfte nnd wahren - Wirkungen im
gesunden Korper geprüft werden, nm sie genau ken-
nen KU lernen und bei ihrem Gebrauche in Krank-
heiten jeden Fehlgriff vermeiden zu können, indem
nur eine treffende Wahl derselben das'gröfste der
irdischen Güter, "Wohlseyn Leibes nnd der Seele,
bald nnd dauerhaft' wiederbringen kann.
§. 114.
Bei'Prtifung der Arzneien auf ihre Wirkungen
im gesunden Körper mufs man bedenken, dals* die
• ■ •
nifs der Arzneien, die zum Heilbebufe gehört, zu erlangen,
ilese von den Aerzteo aller Jahrhunderte bisher versäumte
KenDtnifs. Alle vergangenen Jahrhunderte — die Nachwelt
wird's kaum glauben — begnügten sich bisher, die in ihrer
Bedeutung unbekannten, und in Absicht ihrer höchst vi^ich-
tigen, höchst abweichenden, reineo, dynamischen Wirkung
auf Menschenbefinden nie geprüften Arzneien so blind-
l^in in Krankheiten, und zwar mehre dieser unbekannten,
so sehr verschiednen Kräfte in Recepte zusammengemischt
zu verordnen und dem Zufalle zu überlassen, wie es dem
Kranken davon ergehen möge. So dringt ein Wahnsinni-
ger in die Werkstatt eines Künstlers, und ergreift Händ<e
voll ihm unbekannter,, höchst verschicdner Werk-r
zeuge, um die dastehenden Kunstwerke, wie er wähnt, zu
bearbeiten; dafs sie von seiner unsinnigen Arbeit verderbt,
yvohl gar unwiederbringlich verderbt werden, brauche 4ch
Jiicht welter zu erinnei'n.
202
starken, sogenannten herois.chen Sabstanzen sclion
in geringer Gabe Befindensveränderongen selbst bei
starken Personen 20 erregen pflegen. Die von mü-
derer Kraft müssen zu diesen Yersncben in anscbn-
lieberer Gabe gereicbt werden : die scbwachslen aber
können, damit man Ihre Wirkung wabrncfame, blofs
bei solchen von Krankheit fireien Personen versncbt
wicrden, .welche särtlicb, reit^biar ntid empfindlich sind.
§. 115.
Es dürfen zn solchen VerSncben — denn von
ihnen hängt die Gewifsbeit der ganzen Heilknnst und
das Wohl aller folgenden Menschen - Generationen
ab — es dürfen, sage ich, so solchen Versuchen
keine andern Arzneien, als solche genommen werden,
die man genao kbnnt, nnd von deren Reinheit, Aecht-
heit nnd YoUkräftigkeil man ganzlich überzeugt isL
§. 116.
Jede dieser Arzneien mnfs in ganz einfacher,
ungekünstelter Form, die einheimischen Pflanzen als
frisch aosgeprefster Saft, mit etwas Weingeist ver-
mischt, sein Verderben zu verhüten, die ausländi-
schen Gewachse aber als Pulver, oder mit Weingeist
zur Tinctur ausgezogen, dann aber mit etlichen Thei-
len W^asser gemischt eingenommen werden, die Sake
und Gummen aber gleich vor der Einnahme in Was-
ser aufgelöst. Ist die Pflanze nur in trockner Gestalt
zu haben und ihrer Natur nach Von Kräften schwach«
so dient zu einem solchen Versuche der AufguCs, in-
dem das zerkleinte Kraut mit kochendem Wasser
übergössen und so ausgezogen worden ist; er mufs
203
gleich nach seiner Bereitung noch wann getranken
werden, denn alle aasgeprefste Pflanzensäfte nnd
alle wässerigen Pflanzen -Aufgüsse gehen ohne gci*
stigen Zusatz schnell in Gäfarnng und Yerdcrbni£5
über, nnd haben dann ihre Arzneikraft verloren.
§. 117.
Jeden ArzneistofF mn£s man zu dieser Absijcl^t
ganz allein, ganz rein anwenden, ohne irgend eine
fremdartige Substanz zuznmischen, bder sonst etwas
fremdartig Arzneiliches an demselbeb Tage zu sich
zu nehmen, und eben so wenig die folgenden Tage,
als so lange man die Wirkungen der Arznei beob-
achten will. Da die Tincturen zum Einnehmen mit
vielem Wasser gemischt werden, so ist 4cr wenige,
so sehr verdünnte Weingeist darin nicht als ein fi'cm*
der Reiz anzusehen.
§. 118.
W^ährend dieser Versuchszeit mufis auch die
Diät recht mäfsig eingerichtet werden; möglichst ohfie
Gewürze, von blofs nährender, einfacher Art, so
dafs die grünen Zugemüfse ^) und W^urzeln und
alle Salate nnd l^nppenkräuter (welche sämmtlich im-
mer einige störende Arzneikraft anch bei aller Zube-
reitung behalten) vermieden werden. Die Getränke
sollen die alltäglichen seyn, so wenig als möglich
reizend.
1) Junge grüne Erbsen (Schoten), grüne Bohnen und
allenfalls Möhren (Mohrrüben) sind zulässig, als die am
wenigsten ansneilichen grünen Gemttise.
204
6. H9.
Die Versuchsperson mufs sich während des Ver-
suchs vor Anstrengungen des Geistes und Körpers,
vor allen Anssthveifangen und störenden Leiden-
schaften hüten; keine dringenden Geschäfte dürfen
sie von der gehörigen Beob'achtang abhalten; sie
mafs mit gutem Willen genaue Anfinerksamkeit anf
sich selbst richten, und dabei ungestört seyn; in
ihrer Art gesund an Körper, mufs sie auch den no-
tbigen Verstand besitzen, um ihre Empfindungen in
doptKchen Ausdrücken benennen und beschr^ben
zu können.
§. 120.
Die zur gehörigen Ansftihrung des Versncls
geschickte, bereitwillige, gesunde Person nimmt zn
dieser Absicht früh nüchtern eine solche Gabe der
zu prüfenden Arznei, als man in der gewöhnlichen
Praxis in Reccpten gegen Krankheiten zu brauchen
pflegt j am besten in Auflösung, und mit etwa zehn
Theilen nicht ganz kalten Wassers gemischt, ein.
.§. 121.
Sollte £esc Gabe binnen eiü Paar Stunden ^)
keine, oder nur sehr geringe Befindens verändernng;
-4
1) In neiiem Zeiten fand ich es zweckmafsiger, der
Versuchs - Person nur jeden Morgen nüchtern, wenn die
Gabe des vorigen Tages nicht schon viele Symptome erregt
hatte, eine, wo nöthig, stärkere Gabe des zu prüfenden
Artsneimittels einnehmen zu lassen und in den neoesteo
Zeiten nur kleine, aber hoch verdünnte und hoch potenzirte,
weil deren Kräfte am vielfachsten entwickelt sind.
205
hervorbringen, so nimmt die Person (die Annei
mnfs sowohl an Mannspersonen, als an WeitKsper^
sonen versucht werden) eine grSfsere, nach Befin-
den der Umstände zwiefache Gabe ein» am besten
mit ebenfalls zehn Theilen nicht kalten TVassers
genau gemischt und zusammengeschlittelt.
§. 122.
"Wenn die erstere Gabe Anfangs viel zu wio*
ken scheint, nach einigen Standen aber in ihrer
Thätigkeit nadiläfst, so mufs die zweite stärkere
Gabe erst den Morgen darauf, ebenfalls nüchtern,
genommen werden, und wenn auch diese der Ab-»
sieht noch nicht entspräche, so wird eine noch stär-
kere, nach Befinden wohl vierfache Gabe, den drit-
ten Morgen gegeben, ihre Wirkung schon an den
Tag legen.
§. 123.
Nicht alle Personen werden von einer Arznei
gleich stark angegriffen; es findet im Gegentheile
eine grofse Verschiedenheit in diesem iPunkte statt,
so dafs von einer als sehr kräftig bekannten Arznei
In mäfsiger Gabe zuweilen eine schwächlich schei-
nende Person fast gar nicht erregt wird, aber von
mehren andern dagegeii weit schwachem, stark ge-
nug. Und hinwiederum giebt es sehr starke Perso-
nen, die von einer mild scheinenden Arznei sehr
beträchtliche Krankheitssymptome spüren, von star-
kem aber geringere» Da diefs nun im voraus un-
bekannt ist, so ist es sehr räthlich, bei Jedem zuerst
mit einer kleinen Arzneigabe den Anfang zu machen,
206
♦
und wo es angemessen nnd erforderlich ist, lentwe-
dicr denselben Tag nach ein Paar Standen, oder
von Tage za Tage sa einer hohem nnd hohem
(etwa jedesmal verdoppelten) Gabe ra steigen.
$. 134.
* Hat man gleich Anfangs snm ersten Male eine
gehörig starke Arzneigabe gereicht, so hat man den
Yortheil, dafs die Yersnchspcrson die Aufeinander-
folge der Symptome erfahrt nnd die Zeit, wann jedes
erschienen ist, genau anfzeichnen kann, welches zur
Kenntnifs des Genius der Arznei sehr belehrend is^
weil dann die Ordnung der Erstwirkangen, so wie
die der Wechsclwirknngen am nnzweidentigsten zam
Vorscheine kommt Auch eine sehr mälsige Gabe
ist zum Versuche oft schon hinreichend^ wenn sor
der Versuchende feinfühlig genug und möglichst auf-
merksam auf sein Befinden ist. Die Wirkungsdancr
einer Arznei wird erst bei Vergleichung mehrer Ver-
suche bekannt.
§. 125.
Mufs man aber, um nur etwas zu erfahren,
einige Tage nach einander dieselbe Arznei in immer
erhoheten Gaben zum Versuche derselben Person
geben, so erfahrt man zwar die mancherlei Krank-
heitszustände , die diese Arznei überhaupt zuwege
bringen kann, aber man erfahrt ihre ReihenfDlge
nicht, nnd die darauffolgende Gabe nimmt oft ein
oder das andre, von der vorgängigen Gabe erregte
Symptom hinweg, heilwirkend, oder bringt dafdr den
entgegengesetzten Zustand hervor, — Symptome}
207
weiche eingeklammert werden müssen, als «weiden-*
tig, bis folgende, reinere Versuche zeigen, ob sie
Gegenwirkung des Organisms und Nachwirkung, oder
eine 'Wecbselwirkirng dieser Arznei sind.
$. 126.
Wo man aber noch, ohne Rttcksicht auf Folge^
reihe der Zaßllle tmd Wirkungsdauer der Arznei,
blofs die Symptome Itir sich, besonders eines schwach-
bäfiigcn Arzneistoffs, erforschen will, da ist die Yer-
anstaltnng vorzuziehen, dafs man einige Tage nach
einander, jeden Tag eine erhöhete Gabe, auch wohl
des Tages mehrmal eine solche reiche. Dann wird
die W^irknng selbst der mildesten, noch unbekann-
ten Arznei, besonders an empfindlichen Personen
versucht, an den Tag kommen.
§. 127.
Bei Empfindung dieser oder jener Arzneibe-
schwerde ist's zur genauen Bestimmung des Sym-
ptoms dienlich, ja erforderlich, sich dabei in vcr-
schiedne Lagen zu versetzen und zu beobachten,
ob der Zufall durch Bewegung des eben leidenden
Theils, durch Geben in der Stube oder in freier
Luft, durch Stehen, Sitzen oder Liegen sich ver-
mehre, mindere oder vergehe, und etwa in der er-
sten Lage wiederkomme, — ob durch Essen odei*
Trinken oder durch eine andre Beditigimg sich das
Symptom andre,' oder durch Sprechen, Husten, Nie-
sen oder bei einer andern Verrichtung des Körpers;
nnd darauf zu achten, zu welcher Tages - oder Nacht-
zeit es sich vorzüglich einzustellen pflege, wodurch
208
das jedem Symptome EigenthUmUehe und Charakt^
listische oflTenbar wird«
§. 128.
Alle äöfiiere Potenzen and vorzUglich die Än-
neien haben die Eigenschaft, eine ihnen eigenthüm-
liche/ besonders geartete Yerändening im Befinden
des lebenden Organisms hervorznbringen; doch konn
mcn nicht alle, einer Aranei eignen Symptome schon
bei Einer Person, anch nicht alle sogleich, oder in
demselben Yersoche sam Vorscheine, sondern bei
der einen Persoa dielsmal diese, bei einem zweiten
und. dritten Versuche wieder andre, bei einer andern
Person diese oder jene Symptome vorzugsweise her-
vor, doch so, däls vielleicht bei der vierten, achten,
zehnten n. s. w. Person wieder einige oder mehre
von den Zufallen sich zeigen, die schon etwa bei
der zweiten, sechsten, neunten n. s. w. Person sich
ereigneten; auch erscheinen, sie nicht zu derselben
Stunde wieder.
§. 129*
Der Inbegriff aller Krankheits -Elemente, die
eine Arznei zu erzeugen vermag, wird erst in viel-
fachen, an vielen' dazu- tauglichen, verschiedenartigen
Körpern beiderlei Geschlechts angestellten Beobach-
tungen der Vollständigkeit nahe gebracht. Nur erst
dann kann man versichert seyn, eine Arznei auf die
Krankheitsznstände, die sie erregen kann, das Ist)
auf ihre reinen Kräfte in Veränderung des Men-
schenbefindens ausgeprttft zu haben, wenn die fol-
genden Versuchspersonen wenig Neues mehr von
ihr
im
ihr bemer^eq Jcc!qnQ]i,/ttnd fast 1010910« niir 4ie€fdI>«)V
schon von Andiem beobachteten . Sjrmptorae; an .sieb
wabmebmeii« - ■ " ^i
. §. 130.
(Obgleich, wie gesagt, eine ,Annei bei ihrer
Prüfung im gesunden Znstande nicht. bei Einer Per^-
sonalie ihre Befindens* Veränderungen hervorbrin^
gen kannj sondern jntir bei vielen, yerschiednen, von
abweichender Leibes- und Seelenbesch^enheit,. $ff
lia^t doch die Neigung (Tendenz)*, alle diese, Symr
ptone in jedem Mepscben'zn enKge;i, in ihr (^^ ltQ.%
nach einem ewigen, unwandelbaren Naturgesetze ge*
gründet, vermöge dessen sie alle ihre, selbst die sel-
ten von ihr in Gesunden hervorgebrachten Wirkun-
gen bei quem jede^ Menschen in Ausübung bringl^
dem man sie in einem Krankheitsznstande von ähn-
lichen Beschwerden eingiebtf selbst in der mindesten
Gabe erregt sie dann, homöopathisch gewählt, still-
schweigend einen der natürlichen . Krankheit nahe
kommenden künstl^cbep Zustand im Kranken, der
ihn von seinem ursprünglichen Uebel schnell und
dauerhaft (homöopathisch) befreit und heilt.)
§. 131.
Je mäTsiger, bis zn einer gewissen Mafse, die
Gaben* einer zu solchen Yersuchen bestimmten Arz-
nei sind, — vorainsgesetzt, dafs man die Beobach-
tung durch die Wahl einer Wahrheit liebenden, in
jeder Rucksicht gemäfsigten, feinfühligen Person, die
die gespannteste Aufmerksamkeit auf sich richtet, za
erleichtern sich bestrebt — desto deutlicher kommen
O
210
die ErstwirkmigeA^y nnd fast blofs diese, als die wis-
senswtfrdig^ten , hervor^ und fest -keine Nachwirkun-
gen oder Körper- Gegenwirkungen. Bei llbennafsi{;
grofsen Gaben hingegen kommen nicht allein mehre
Nachwirkungen unter ' den Symptomen mit vor, son-
dern die Erslwirknngen treten auch in so verwirrter
Eile nnd mit solcher Heftigkeit dnf, dafe sich nichts
genau heobachten läfst; die Gefahr derselben nicht
einmal %vl erwähnen , die demjenigen, welcher Ach-
tung gegen die Menschheit hat, und auch den Ge-
ringsten im Volke fllr seinen Bruder schätzt, nicht
gleichgültig seyn kann.
§• 132.
Alle Beschwerden, Zufalle nnd Veränderungen
des Befindens der Versuchs -Person während der
Wirkungsdauer einer Arznei (im Fall obige Bedin-
gungen [§. 117 — 120.1 eines guten, reinen Ver-
suchs beobachtet wurden) rühren blofs von dieser
Arznei her und müssen als dieser Arznei etgenthüm-
lieh zugehörig, als Symptome dieser Arznei angese-
hen und aufgezeichnet werden, gesetzt, die Person
hätte auch ähnliche Zufalls vor längerer Zeit bei
sich von selbst wahrgenommen. Die ähnliche Wie-
dererscheinung derselben bjeim Arznei-Versuche zeigt
dann blofs an, dafs dieser Mensch, vermöge seiner
besondcm KörpeHbejSchaflcnheit, vorzüglich aufgelegt
ist, zu dergleichen erregt zu werden. In unserm
Falle ist es von der Arznei geschehen; die Symptome
kommen jetzt nicht von selbst, während die einge-
nommene kräftige Arznei sein ganzes Befinden be-
herrscht, sondern von dieser.
211
4. 133-
Wenn der Anl die Annei snm Versuche niekl
selbst eiogenommen, sondern einer jandeirn PerscMi
eingegeben bat, so mnfs diese ihre gehabten -Empfin«
dangen, Bescbwerdcto, Zofalle ond BefindenSverSo«
deningen deotlich aufschreiben in dem Zeitponktei
wo sie sich ereignen, mit Angabe der nach dtr Ein-
nahme verflossenen Zeit der Entstehnng jedes Sjwh
ptoms, nnd wenn es lange anhielt, der Zeit der
Dauer. — Der Arxt sieht den Aufsatz in Gegenwart
der Versuchs -Person gleich nach vollendetem Yer*
suche, oder, wenn der Yersnch mehre Tage dauert,
jeden Tag durch, um sie, da ihr dann noch alles
in frischem Gedächtnisse ist, ilber die genaue Be«
schaffenheit jedes dieser YorföUe zu befragen nnd
die so erkundigten nähern Umstände beizuschreiben,
oder nach ihrer Aussage dieselben abzuändern«
$. 134.
Kann die Person nicht schreiben, so mnis sie
der Arzt jeden Tag darüber vernehmen, was und
wie e^ ihr begegnet sey. Diefs mufs dann aber
gröfstentfaeils nur freiwillige Erzählung der zum Yer-
SQcbe gebrauchten Person seyn, nichts Errathenes,
nichts Yermnthetes und so wenig als möglich Ans«
gefragtes, was man als Befund niederschreiben will,
alles mit der Vorsicht, die ich oben (§.77 — 83.)
bei Erkundigung des Befundes nnd Bildes der na*
türlicben Krankheltefi angegeben habe.
§. 135.
Doch bleiben diejenigen Prüfungen der reinen
02
212
Wirkungen der cinfacbieiT Äi^ncien in Verändening
iks men&cfairclieii\:Befiodcns ira4 dekr ktiostlicbcn
KxankbciUxD Atän^ - und Symptpaie., welche . sie im
gftSQQclen. Meri«ehen ieirengeii Jcönnea, die yonng*
liebsten, welche der gesandc^^niQrqrtbcillose, feiaföh-
lige.Arst.an aichlselbst mit; aller ihn biergelchr-
tea 'Yorsicbl .imd Behutsamkeit anstellt. Er weiii
sm ^ewis^^sl^n, was er an siA selbst wahrgenom-
men hai *)•,.'.
1) Auch haben diese Selbstversuche (lir ihn noch an-
dre uixersetzliche Vortheile. Zuerst wird ihm dadurch die
grofse 'Wahrheit, dals das Arzneiliche aller Arzneien, wor-
auf ihre Helliingskraft beruht, in den von den selbstgeprüf-
tea Arzneien erEttenen Befindens -Veränderungen und den
an sich selbst von ihnen erfahrnea Krankheits- Zustanden
lieg<>, zur unleugbaren Thatsache. Ferner wird er durch
solche merkwürdige Beobachtungen an sich selbst, tbeib
zum Verstandni& seiner eignen Empfindungen, seiner Denk-
und Gemüthsart (dem Grund wesen aller wahren Weisheit:
yifii&^ aeavrop)^ thetls aber, was keinem Arzte fehlen daH^
zum Beobachter ; gebildet. Alle ' unsre Beobachtungen an
Andern haben das Anziehende bei Weitem nicht, als die
an uns selbst angestellten. Immer muls der Beobachter
Andrer befurchten, der die Arznei Versuchende habe, was
er sagt, nicht so deutilcb gefiihlt, oder seine Gefühle nicht
mit 'dem genau passenden Ausdrucke angegeben. Immer
bleibt er in Zweifiel,, ob. er nicht wenigstens zum Theii ge-
tauscht werde. Dieses nie ganz hinwegzuräumende Hinder-
nils der Wahrheits- Erkenn tniis bei Erkundigung der Ton
Arzneien bei Andern entstandnen künstlichen Krankheits-
Sjmptome fällt bei Selbstyersuchen gänzlich weg. Der
Selbstversucher weils es selbst, 'er weils es gewifs, was
er jgeföblt hat| und jeder soldher Selbstyersn^h ist iür ihn
213
«•-»•»»•
^ ' §; 136- » *'
. ^Wie man aber selbst in Krankheiten, besonderi
den chronischen, sich meist gleichbleil»end«ti, 'tmtet
den 'Beschwerden der ursprünglichen Krankhdt ei«
nige Symptome der zum Heilen a^geWendeteb, eint
fachen Arsüei ') aasfind^n ki(nne, ist dn Gegeniitand
höherer Beurtheilängsktinst und blofs -lÜeistem in der
Bedbachfting va überlassen. > .
§. 137. ^' - ' *
Hat man nun eine betrSchtliche-Zabl einfacher
ein neuer Anlrieb zur Erforschung der Kr$(le mehrer Anr-
neFen. Und so übt er sich mehr und mehr in der für den
Arzt so wicktigen Beobachtnogskunst, -wenn er mh $etbp^
als da^ GewUsere« ihn nicht T^u$chende. zu beobachten
fortfahrt^ und um desto eifriger vird er es tbun, da ihm
diese Seibstversuche die zum Heilen noch so sehr mangeln-
den Werkzeuge nach ihrem wahren "Werthe und ihrer
wahren Bedeutung kennen zü lehren yersprechen, und ihn
nicht täuschen. Man Wäboe auch nicht, da£i solche kleine
Erkrankungen baiok £{nnehmeii zu priUender Arzneien über-
haupt seiner Gesundheit nachtheillg "wären. Die Erfahrung
lehrt im Gegenthcile^ dafs der ^Qrganism des Prüfenden
durch die mehren AiigrifTe auf das gesuhde Befiflden nur
desto geübter wird in Zurücktreibung alles seinem Körper
Feindlichen von der Aufsenwelt her, und aller künstUcbea
und natürlichen krankhaften Schädlichkeiten, und abgebai^
teter gegen alles Nachtheilige mittels so gemäfsigter Selbst-
versiiche mit Arzneien. Seine Gesundheit wird unverän-
derlicher; er wird robuster, wie alle Erfahrung leh^L
1) Die in der ganzen Krankheit nur vor langer Zeit,
oder nie bemerkten, folglich neuen, der Arznei angehörigen
Symptome.
214
Arxneien auf diese Art im gesunden Menschen ge-
probt nnd alle die Krankbeits«- Elemente und Sym-
ptome sorgEUtignldd tren anfgezeichnel, die sie von
selbst als kilnsdicfae Krankheits-Potensen zn enen«
gen tihig aind, so bat man dann erst eine wahre
Materia medica — eine Sammlnng der äcbten, rei-
nen^ nntrtiglichea Wirkongsarten der ein£achen An*
neistoffe für sieb, einen Codex der Natar, worin voo
jeder so erforschten, kräftigen Arznei eine anseho-
Itche Reihe besondrer Befiodens-YeränderDiigen und
Symptome, wie sie sich der Aufmerksamkeit des
Beobachters zu Tage legten, ^afgezeichnet stehen,
tn denen die . (homöopathischen) Krankheits - Ele-
mente mehrer >natttrlicben, dereinst durch sie za hei-
lenden Krankheiten in Aebnlichke.it vorhanden sind,
welche, mit einem Worte, künstliche Krankbeitszn-
stände enthalten, die für die ähnlichen natürlichen
Krankbeitsznstande die einzigem, wahren, homSopa-
tfaischen, das ist, specifiscben Hcilwerkzenge darrei-
chen, zar gewissen tind danerfaaften Genesung.
§. 138.
Von einer solchen Arzneimittellehre sey alles
Yennnthete, blofs Behauptete, Erdichtete gänzlich
ausgeschlossen $ es sey alles reine Sprache dersorg-
fiLhig und redlich befragten Natur.
§. 139.
Freilich kann nur ein sehr ansehnlicher Vor-
ratb genau nach dieser ihrer reinen Wirknngsart
in Veränderung des Mcnscbenbcfindens gekaontcr
Arzneien uns in den Stand setzen, für jeden der
219
nnendllch vielen Kranjcheitsyailaode .in der Natur»
für ^edes Siecbtbmn.üa der Welt; ein homöopathi-
sches Heilmitteii ein passendes Anaiogon von kUnst-'
Hcher (heilender) Kraoicheitspotens aassaiinden ^).
Indessen bleU)ep anch jettt •-* Dank ^efs der Wahr-
heit von Synptc^men ond dem Heichthome an Krankr-
heits- Elementen, if eiche jede . der kräftigen Arai^^i'r
sabstan&ea in ihrer Einwirkung auf. gesunde Körper
schon jetBt hat- bepbachten lassen «r* doch nnr we^
nige Krankheitsfälle Qbrig, Cur welche sich nicht an-:
ter den nnn schon auf ihre reine Wirkung geprüf-
ten,* wenigen ^), ^ ziemlich passendes homSopa-
thisches- Heilmittel anireffen liefse, was» ohne son-|
derliche.Beschwer.de, Gesundheit sanft, sicher und^
dauerhaft wieder bringt -^ wegen noch eingeschränk-^
ter Wahl zwarzaweilen noch unvollkommne Hülfs-%
mittel, wodurch aher doch unendlich mehr, un-^,
e^dllck gewisser find sichrer geheilt wird, als nach
1) Anfangs war ich der eiozigej der sich di<( Prüfung
der reinen Arzneikrdl^e zum wichtigsten seiner Geschäfte
machte. Seitdem bin Ich von einigen jungen Männern, die
an 'sich selbst Versuche machten, und deren Beobachtungen
Ich prüfend durchging, bierm unfterstfitait worden. Was
wird aber dann erst an Heiluog Im ganzen Umfange d^ß
uuendlichen Krankheits- Gebietes ausgerichtet werden kön-
oeo, wenn mehre von genauen und zuverlässigen Beobach-
tern sich um die Bereicherung dieser einzig achten ArzneU
Stoff- Lehre durch sorgfältige * Seftstversuciie verdient ge-
macht .haben werflen l Dann wird das Hcilgeschaft den ma*
thematischen Wii55ea8<:haften an Gewißheit pahe kommen.
2) Alan sehe oben Anm. zu §• 102,
216
aOetk allgetneitaen' and specielten ^Therapien der bis-
• • • • •
herigen y allöpathiscben ArzneikoAst mit ihren imge-
kannten, geitoischten Mitteln. ^
" • *§. 140V '*
Der dritte Pnnkt des' G^iscbSftes eine^ ach-
ten Heilk8nsäer3 betrifft die zwe'ck'tträfsigste An-
wendung der anf ihre reine lYirkting in gesun-
den Menschen geprüften, kifnstlichen Krankhrits-Po-
tenten (Arzneien) znr homöopathischen Hei«
Inng der natflriichen Krankheiten.
' : $. 141-
. Bei welcher nhier diesen nach ihrer Menschen-
be^devs - Yerähderongs - Kraft ausgeforschten Atz-
n^ita nian nnn in den von ihr ^beobachteten Sjm-
ptomen das meiste Aehnh'che von der Gesammtheit
der Symptome emer gegebnen natürlichen Krankheit
atitrifft, diese Arznei wird, diese mnfs das passendste,
das gewisseste ^homöopathische Heilmittel derselben
scyn ; in ihr ist das specifische Heilmittel dieses
Krankheitsfalles gcfandcn.
, «. 143.
Ein so ansgesnchtes Arzneioiitttel, welches die
der zn heilenden! Krankheit möglichst ähnlichen Sym-
ptome, folglich eine ähnliche Knnstkrankheit za er-
regen Kraft nnd Neignng bat, ergreift bei seiner
Ejnwirkang auf den kranken Menschen, in angemes-
sener Gabe, eben die an der natürlichen Krankheit
bisher leidenden Tfaeile nnd Punkte im Organism
und erregt in ihnen ihre eigne künstliche Krankheit,
die dann der grofsen Achnlichkeit und überwiegen-
217
den Stärke wegeti afr ^e Sfelld ^r bUlitff - Tdrfcänd-
nea , natürlichen Kranbheks - Y eirsliniiniing vorzags^«
weise tritt/ so ^ftfs ^ie Lebenskraft von nun ah nickt
iBctir an der nätSrlichen: (Aer^niin nickt mehr voi^
handnen Krankheit, welche als immateriellef, blofs dy^
naniische Potent schon ad existiren aufgehört hatte),
sondern allein an der« siaric^ra,' so ähnlichen -Arznei-
krankheit leidet^ welche dan» wiedemsi, der »kleinen
Gahe des Mittels^ wegen, wie jede gemäfeigte An*
neikt^nkheit/ von der Enef gie der Lebenskraift he-
siegt, bald von selbst verschwindet nnd den «Körper
frei von aller Krankheit Iäfst| das ist, gesund nnd
dauerhaft gesnnd« •
Wird so die passend homiiopathiscfa ausgewählte
Arznei gchiJrig angewendet^ so vergeht die sia üher-
stimmende natürliche^ auch' noch so schlimme, mit
noch so viel Beschwerden beladene, acute Krankheit^
wettn sie unlängst entstanden war, unvermerkt in
einigen Stunden, die etwas ältere in einigen Ta-
gen, mit allen Spuren von Uebelbefindenj und man
wird von der künstlichen Arzneikrankheit fast nichts
mehr gewahr; es erfolgt in schnellen, unbemerkli-
eben Uebergängen nichts als wiederhergestellte Ge-
sundheit, Genesung; die alten (und vorzüglich die
complicirten) Siechthume erfordern zur Heilung ver-
hältnifsmäfstg mehr Zeit.
§. 144.
Werden dem Arzte ein oder ein Paar gering-
fügige Zufalle geklagt, welche seit Kurzem erst be-
218
merkt worden^ so liat er dicüi filr keine vollständige
Krankheit anuisehen,/ weldte ernsdicher' anneilicher
Hülfe bedürfte. . Eine^kleine AbSodening. in der Diäl
und L^bensoQrdiiniig .reicbt gewühnMch. hin, diese C&-
pälslicbkeit sn verwischen.
$. 145.
Sind es aber ein Paar beftige Beschwerden, die
der Kranke kJa^ so findet der forschende Arst ge-
wiibnlich noch nebenbei «nebre, obschon kleinere Za-
fölle, welche ein vollständig^es Bild von der Krank-
heit geben.
« ^.. 146»
Je schlimmer die acnte Krankheit ist, ans desto
mehren y aus desto an&Uendem Symptomen ist sie
dann gewohrilicb EosänMB^iigesetzt, nm desto gewis-
ser läist sich aber anch ein passendes Heilmittel fitr
sie aaffindien, wenn eine hinreichende Zahl nach
ihrer positiven Wirkang gekannter Arzneien xor
Auswahl vorbanden ist. Unter den Symptomeorei-
hen vieler Arzneien labt sich nicht schwierig eine
finden, ^QS deren, einzielnen Krankheits-EIemeDten
sich ein dem Symptomen -Inbegriffe der natürlichen
Krankheit sehr ähnliches Gegenbild von heilender
Knnstkrankheit zasammensetzen läfst, und diese Arz-
nei ist das wünscheqswerihe Heilmittel.
§. 147.
Bei dieser Anfsnchnng .eines homöopathisch spe-
cifischen Heilmittels, das ist, bei dieser Gegeneinan-
derhaltnng des Zeichen -Inbegriffs der natöilicheo
Krankheit gegen die Symptomenreihen der vorband-
nen Arzneien, nm unter diesen eine dem %a heilen-
den Uebel in AebnllcUceit entsprechende Kunstkrank-
beits 'Potenz za finden ^ sind die anffall<^ndernt
sonderlichen, angemejnen nnd eigenheitli-
chen (charaktenstiscfaen) Zeichen nnd Symptome
des Krankheitsfalles vorzüglich und fast einzig fest
ins Ange zo fassen; denn vorzüglich ;diesen
müssen sehr ähnliche in der Symptomen-
reihe der gesuchten Arznei entsprechen,
wenn sie die passendste ^qr Heilting seyn soll. Die
allgemeinem und unbestimmtem: Efslnst- Mangel,
Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger Schlaf, Unbehaglich-
keit u. s* w., verdienen in dieser Allgemcinlieit und
Unhestimo^thelt, und weni} sie nicht näher bezeich-
net sind, wenig Aufmerksamkeit, da man so. etwas
Allgemeines fast bei jeder. Krankheit un4 fast von
jeder Arznei sieht.
i. 148.
Enthält nun das aus .der Symptomenreihe der
treffendsten Arznei zusammengesetzte Gegenbild jene
in der zu heilenden Krankheit anzutreffenden, beson-
dern, ungemeinen, eigenheillich sich auszeichnenden
(charakteristischen) Zeichen in der gröfsten Zahl
und in der gröfsten Aehnlichkcit, so ist diese Arz-
nei für diesen Krankheitszustand das passendste,
hom&opatbische , specifische Heilmittel ; die nicht
allzu lange gedauerte Krankheit wird gewöhnlich
durch die erste Gabe desselben ohne bedeutende Be-
schwerde aufgehoben nnd ausgelöscht
220
«... 4
5. 149. • ' •
l6h sa^e: ohne bedentende BescfawerJle.
Detin beim Gebrauche iSfieser passendsten, homöopa«
tbischen Artnei sind blofs die -den Krankheits- Sym-
ptomen entsprechenden Armei- Symptome 'in Wiiic-
samkeit/' indem letztere die SteHe der erstem (schwä-
chern) im Orgänism' einnehmen nnd sie so doreb
Uebcrstiramong vcmichteti; die oft sehr vielen übri-
gen Symptome der homöopathischen Arznei aber,
» *
welche in dein vorKegendeil Krankheitsfalle keine Ad-
wendang finden, schweigen dabei gänzlich. Es läfst
sich in dem Befinden des sich stündlich bessernden
Kranken fast nichts von ihnen bemerken, weil die
mm homöopathischen Gebrauche nur in so tiefer
Verkleinerung nothige Arznei - Gabe ihre tEbrigen,
nicht zu den hbmüojpathischen gehörenden- Symptome
in den von der Krankheit freien Theilen des Kör-
pers zu äufsern viel zu schwach ist, nnd folglich
blofs die homöopathischen auf die von dein ähnlichen
Kränkheitssymptomen schon gereiztesten und aufge-
regtesten Theile im Organismus wirken lassen kanoi
um diese zur starkem Arzneikrankheit umzustimmen,
wodnrcli die ursprüngliche Krankheit auslöscht.
§. 150.
Indessen giebt es kein, auch noch so passend
gewähltes, homöopathisches Arzneimittel, welches,
vorzüglich in zu wenig verkleinerter Gabe, nicht
Eine, wenigstens kleine, ungewohnte Beschwerde,
ein kleines, neues Symptom während seiner Wir-
kungsdauer bei sehr reizbaren und feinfühlenden
221
Kranken znwegc bringen fioUte, weil es fast nnmog^
lieh ist. da£i Anuiei und KranJkbcU, in itureA-Syin-
ptomen einander so genau 'decken sollten, .^ie.zwei
Triangel von gleichen Winkeln und gleichen Seiten»
Aber diese (im gnten falle) nnhedeatende Abwei'-
chnng wird; von der .eignen Kxaftthätigkcit (Energie)
des lebenden Ojcganisms leicht Tcrwiscbt . und Kran^
ken von nicht übermäCsiger Zartheit nicht einmal he-
merkbar.) die Herstellang g^ht dennoch Torwärts zam
Ziele der iGenesung, wenn sie nicht durch fremd-
artig arzneiliche Einflüsse anf den Kranken, durch
Fehler in der Lebensordnung oder durch Leiden«
Schäften gehindert wird.
§• 151.
So gewifs es aber auch ist, dafs ein homöopa*
tbisch gewähltes Heilmittel, seiner Passendheit und
der Kleinheit der Gabe wegen, ohne Lantwerdnng
seiner übrigen, unbomöopathischen Symptome» das
ist, ohne Erregung neuer, bedeutender Beschwerden^
die ihm analoge, acute Krankheit ruhig aufhebt und
vernichtet, , so pflegt es doch gleich naeh der Ein-
nahme — in. der ersten, oder den ersten Stunden —
eine Art kleiner Verschlimümerung zu bewirken (bei
etwas zu grofseu' Gaben aber, mehre Standen)»
welche so viel Aehnlichkeif mit der ursprünglichea
Krankheit hat, dafs sie dem Kranken eine Yerschlim- «
merung seiner eignen Krankheit zu sejm scheint.
Sie ist aber in der That nichts anderes, als eine
das ursprüngliche Üebel etwas an St^urke iiberstei-
gcnde, höchst ähnliche A'zneikraiikheit. . , . ^
222
§. 152.
Diese kleine homSöpathiscfae Verschlim-
fncrnng in den ersten Standen — eine sehr gnte
Vorbed^ntiing, dafs die acnte Krankheit meist von
dW ersten Gabe beendigt seyn wird -^ ist ganz in
der Regel, da die Ärzneikrankheit natf^rlicU nm etwas
stärker seyn mnfs, alff das zn heilende Debel, wenn
sie letzteres überstimmen nnd ansloschen soll, so wie
äacfa eine ahnliche natürliche Krankheit, nnr wenn
sie stärker, als die andre' ist, diese andre anfheben
nnd yernichten kann ($• 38 — 410*
4. 153.
Je kleiner die Gabe des homöopathischen Mit-
tels ist, desto kleiner nnd kürzer ist anch diese
iamscheinende Krankbeits - Erhöhung in den ersten
Standen,
§. 154.
Da sich jedoch die Gabe eines homöopathischen
Heilmittels kaum je so klein bereiten läfst, dafs sie
nicht die ihr analoge Krankheit hessern, überstim-
ihen, ja yottig heilen nnd yernichten konnte (§. 248*
Anm.),' so wird es begreiflich, waram eine nicht
kleinstmogliche Gabe passend homöopathischer Arz-
nei immer noch in der ersten Stande nach der Ein-
nahäie eine merkbare homöopathische Yerschlimnie-
rang dieser Art ^) znwege bringt.
1) Diese, einer Verschh'mmerung ähDliche, Erhöhung
der Arzneisymptome über die ihnen analogen Kranlbelts-
symptome- haben aoch andre Aerzte, wo ihnen der ZufaU
223
$• 155.
V^enn ich üt Migenänhie homSopftthiscfbe Ver-
schlimincrDiig, oder yiGlraelir die die Symptome der
nrsprifnglichen Krankheit in «etwas zn erhSben •schei-
nende EiTStwirkong der homSopalhischeff Aituei hier
aof die erste oder ersten Stondeti set^e» so 4St diefs
allerdings bei den mehr acuten , • seit Knrüem ent-
standenen Uebeln der Fall ^)| %o aber Arzneien
eio homöopatbkchf» Mittel in die Haod spiek^i beobachtet*
Wenn der Kratz - Krapl^e , n^ch Einnahme des Schwefels
über Yermelv*ten Ausschlag klagt, 60 tröstet ihn der Arzt,
der hievon die Ursache nicht weifs, mit der Versicherung,
dafs die Krätze erst recht heraus kommen müsse, ehe sie hei-
len könne ; er weiTs aber nicht, da{s dieÜs Schwefel- Ausschlag
ist, der den Schein vermehrter Krätze annimmL ».
„Den Gesichts -Ai;sscblag| den die piöia tricolor heilte»
hatte sie beim Anfange ihres Gebrauchs verschlimmert,^
wie Leroy (Heilk. für Mutier, S. 406.) versichert, aber
nicht weifs, dafs die scheinbare Verschlimmerung von der
allzu grofsen Gabe des hier einigermalseki homöopathischen
Freisam -Veilchens herrührte» Lysons sagt ( Med. Transact.
Vol. 11. London 1772.): „die Ulmenrinde heile diejenigen
Hautausschläge am gewissesten, die sie beim Anfange ihres
Gebrauchs vermehre. ^^ Hätte ei^ die Rinde nicht in der
(wie in der allopathischen Arzneikunst gewöhnlich ist) Un-
geheuern, sondern, wie es bei Symptomen -Aehnlichkeit der
Arznei, das* ist« bei ihretn homöopathischen Gebrauche seyn
niuis, in ganz kleinen Gaben gereicht, so hätte er geheilt,
ohne, oder fast ohne diese scheinbare Krankheitserhöbung
(Iioniöopathische Verschlimmerung).
1) So wie die Wirkung der Arzneiep, den^n an. sich
auch die Tängste Wirkungsdauer eigen ist, in acuten Krank-
heiten schnell abläuft, am schnellsten in den acutesten —
894
von langer WirknngsdjBuner ein altes nnd sehr altes
Siechihiuil ui bekämpfeii babeii,..cüie GaLte also viele
Tage allein fortwirken mnls » . da sieht man in den
ersten €9*89. 10 Tagen. von Zeit bq Zeit einige sol«
eher Ersiirirknngen .der. Annei» einige solche an-
scheinende Syjnptomen r Erhöbnngen des nrsprÜDgli-
chen Uebcls (voa eiqer oder etlichen Stoilden Dauer)
hervorkommen,, während in den Zwischenstunden
Besserung des Ganzen sichtbar wird* Nach Yerflois
dieser wenigen Tage erfolgt dann die Besserang
fast uDgetrübt von solchen Erstwirknngen der Arznei
noch viele Tage hindurch, che etwas andres zu ver-
ordnen nöthig ist
f 156.
Zuweilen trifFt sich's hei der noch einge-
schränkten Zahl genau nach ihrer wahren,
reinen Wirkung gekannter Arzneien, da(s
nur ein Theil von den Symptomen der %n heilen-
den Krankheit in der Symptomenreihe der noch am
besten passenden Arznei angetroffen wiird, folglich
diese unvollkommene Arzneikrankheits - Potenz in
Ermangelung einer vollkommnem angewendet wer-
den muls.
§. 157.
In diesem Falle läfst sieb freilich von dieser
An*
80 lang dauernd ist sie doch in (aus Psora entstandnen)
chronischen Krankheiten, und daher kommt es, dafs die an-
tipsoriscben Arzneien oft k^ine solche homöopathische Ter-
schliin'nierttng in den ersten Stunden, wohl aber später nnd
in virschiednen Stunden' der ersten 8, 10 Tage merken lassen«
225
Arznei keine vollständige, nnbeschwerliche HeOimg
erwarten. Denn es treten dann bei ihrem Gebrauche
einige Zufalle hervor, welche vorher in der Krank-
heit nicht zu finden waren, Nebensymptome von der
nicht vollständig passenden Arznei. Diese hindern
zwar nicht, dafs ein beträchtlicher Theil des Uebels
(die den Arznei -Symptomen ähnlichen Krankheits-
Symptome) von dieser Arznei getilgt werde, und da-
durch ein ziemlicher Anfang der Heilnng entstehe,
aber doch nicht ohne jene Nebenbeschwerden.
§. 158.
Die geringe Zahl der in der bestgewählten Arz-
nei anzutreffenden homöopathischen Symptome thnt'
der Heilung jedoch in dem Falle keinen Eintrag,
wenn diese wenigen Symptome gröfsten«
theils doch von ungemeiner, die Krankheit
besonders auszeichnender Art (charakteri-
stisch) waren; die Heilnng erfolgt dann doch ohne
sonderliche Beschwerde.
§. 159.
Ist aber von den auszeichnenden (charakteristi-
scben), sonderlichen, ungemeinen Symptomen des
Krankheitsfalles unter den Symptomen der gewählten
Arznei nichts in genauer Aehnlichkeit vorbanden,
und entspricht sie der Krankheit nur in den aUge-*
meinen, nicht näher bezeichneten, unbestimmten Zu«
standen (Uebelkeit, Mattigkeit, Kopfweh u« s. w.), und
findet sich keine homöopathisch passendere unter
den gekannten Arzneien, so hat der Heilktinstler sich
keinen unmittelbar vortheilhaften Erfolg von der Anr
P
226
wendnng dieser nnbomSopathischen Annei m ?er-
sprechen.
4- 160.
Indessen ist dieser Fall auch bei der jetit noch
eingeschränkten Zahl nach ihren reinen 'Wirkungen
gekannter Arsneien sehr selten, nnd seine Nach-
theile, wenn er ja eintreten sollte, mindern sich, so«
bald eine folgende Arznei in treffenderer Aehnlich-
keit gewählt werden kann.
$. 161.
Entstehen nämlich beim Gebrauche dieser snerst
angiewendeten, nnvollkommen homöopathischen An-
nei Nebenbeschwerden von einiger Bedeutung, so
läfst man bei acuten Krankheiten diese erste Gabe
nicht völlig auswirken,* nnd ttberlälst den Kranken
nicht der vollen Wirkungsdauer des Mittels, son-
dern untersucht den nun geänderten Krankbeitszo-
stand aufs Neue und bringt den Rest der ursprüng-
lichen Symptome mit den neu entstandenen in Ver-
bindung zur Aufzeichnung eines neuen Krankheits-
bildes.
$; 162.
Nun wird man leichter ein diesem entsprechen-
des Analogon ans den gekannten Arzneien ansfindcn,
dessen selbst nur . einmaliger Gebrauch die^Krankheit
wo nicht gänzlich vernichten, doch der Heilung nm
Vieles näher bringen wird* Und so fahrt man, wenn
auch diese Arznei zur Herstellung der Gesundheit
nicht völlig hinreichen sollte, mit abermaliger Unter-
suchung des noch Übrigen Krankheitsznstandes nnd
227
der Wahl einer darauf mSglichst passenden, homSo-
pathischen Anmei fort, bis die Absicht, den Kran-
ken in den voUen Besitz der Gesundheit sn setzen,
erreicht ist -
§. 163-
Wenn man bei der ersten Untersnchung einer
Krankheit nnd der ersten Wahl der Arznei finden
sollte, dafs der Symptomen -Inbegriff der Krankheit
nicht zureichend von den Krankheits-Elementen einer
einzigen Arznei gedeckt werde — eben der nnzurei-
chenden Zahl gekannter Arzneien wegen, — dafs
aber zwei Arzneien nm den Vorzug ihrer Pafslich-
keit streiten, deren eine mehr für den einen Theil,
die andere mehr für den andern Tfaeil der Zeichen
der Krankheit homöopathisch passe, so läfst sich we-
der anrathen, die eine Arznei nnbesehens nach der
andern zn braachen, noch auch, beide zugleich an-
zuwenden, weil niemand voraussehen kann, weder
in welchen genauen Znstand die Krankheit von der
erst gebrauchten Arznei versetzt werden könnte, noch
auch, im zweiten Falle, wie sehr die eine Arznei
die andre in der Wirkung hindern und umstimmen
wörde (§. 271. 27iO-
$. 164.
W^eit besser ist es hier^ die ftir vorzüglicher
unter beiden zu achtende, unvollkommen homöopa-
thische Arznei zuerst allein zu geben. Sie wird
freilich die Krankheit zum Theil mindern können,
aber dagegen einen Zusatz neuer Symptome hi^rvor-
bringen.
P 2
228
4. 165.
In diesem Falle kann nach den Gesetzen der
Homöopathie keine zweite Gabe dieser ersten An^
nei gereicht werden; aber aach die bei der anfängC-
eben Indication fär die zweite Hälfte der Symptome
passend gefondene Arznei kann hier nicht nnbesehens
an ihrer Stelle nnd ohne weitere Untersochnng der
nunmehr anwesenden Symptome, in dem Zustande
angewendet werden, den die erstere Arznei übrig
gelassen hat
§. 166.
Vielmehr mofs aoch hier, wie überall, wo eine
Aendemng des Krankheitsznstandes vorgegangen ist,
der gegenwärtig noch übrige Symptomenbestand aafs
Nene aasgemittelt nnd (ohne Rücksicht auf die anfang-
lich passend geschienene, zweite Arznei) eine dem
neuen, jetzigen Znstande möglichst angemessene, ho-
möopathische Arznei von Neuem ausgewählt werden«
§. 167.
Es trifft sich nicht oft, dafs die anfänglich als
zweit- beste gewählte Arznei nun noch passen sollte.
Fände sich diefs aber gleichwohl nach der nenen
Untersuchung, dafs sie auch jet^t noch* wenigstens
eben so gut, als irgend eine andre Arznei in Aehn-
lichkeit der Symptome (homöopathisch) pafste, so
würde sie um .desto mehr das Zutrauen verdienen,
vorzugsweise angewendet zu werden.
§. 168.
In* den unvenerischen, folglich aus Psora ent-
standenen , chronischen Krankheiten bedarf man mr
/
229
Hellang oft mehrer, nach einander anzuwendender,
antipsorischer Heilmittel^ jedes folgende dem Befände
der nach vollendeter Wirkung des vorgängigen übrig
gebliebenen Symptomen -Gruppe gemäfs, homöopa>
thisch gewählt. Nur wenige derselben werden mit
Nutzen zum zweiten Male wiederhok (m. s. in dem
Buche von den chronischen Krankheiten).
f 160.
Eine ähnliche Schwierigkeit im Heilen ent^
steht von der aHzn geringen Zahl der Kranke
hcitssymptome, ein Umstand, der nnsre sorgfaU
tlge Beachtung verdient, da durch seine Beseitigung
fast alle Schwierigkeiten, die diese vollkommenste
aller möglichen Heil -Methoden (anfser dem Mangel
homöopathisch gekannter Arzneien) nur darbieten
kann, gehoben sind.
%. 170.
Blofs diejenigen Krankheiten scheinen nur we-
nige Symptome zu haben, und defshalb Heilung
schwieriger anzunehmen^ welche man einseitige
nennen kann, weil nur ein oder ein Paar Hauptsym-
ptome hervorstechen, welche fast den ganzen Rest
der übrigen Zufalle verdunkeln* Sie gehören grofisi-
tentheils zu den chronischen*
§. 171.
Ihr Hauptsymptom kann entweder ein inneres
Leiden (z. B. ein vicljähriges Kopfweh, ein vieljäh-
riger Durchfall, eine alte Gardialgie n, s. w.) oder
ein mehr äufsercs Leiden seyn. Letztere pflegt man ,
vorzugsweise Local-Krankheitcn zu nennen.
230
$. 172.
Bei den einseitigen Krankheiten erstei'er Art
liegt es oft blofs an der Unanfmerksamkeit des ant-
lichen Beobachters, wenn er die Zufalle, welche uir
Yenrollständigong des Umrisses der Krankbeitsgestalt
vorhanden sind, nicht vollständig «anfspürt.
4. 173.
Indefs gieht es doch einige wenige Uehel, welcbe
nach aller anfanglichen (§• 77 — - 91«) Forschung,
an£ser einem Paar starker, heftiger Zufalle, die iü>ri-
gen nnr nndentlich merken lassen«
§. 174.
Um nnn anch diesem, obgleich sehr seltnen
Falle mit gntem Erfolge zn begegnen, wählt man
zuerst, nach Anleitung dieser wenigen Symptome, ik
hierauf nach bestem Ermessen homöopathisch ausge-
suchte Arznei.
§. 175.
Es. wird sich swar wohl zuweilen treffen, dafs
diese mit sorgfaltiger Beobachtung des homöopathi-
schen Gesetzesvgewählte Arznei die passend ähnliche
künstliche Krankheit zur Yernichtung des gegenwär-
tigen Uebels danreicbe» welches um desto eher mög-
lich war, wenn diese wenigen Krankbeitssymptome
sehr auffallend, bestimmt ^ ungemein und besonders
ausgezeichnet (charakteristisch) sind.
§. 176.
Im häufigem Falle aber kann die hier zuerst
gewählte Arznei nur zum Theil, das ist, nicht genao
231
passen, da keine Mefarsahl voo Symptomen «or Iref«
fcnden Wahl leitete*
^ 177.
Da wird nmi die. swar so got wie mOgllch ge-
wählte, aber gedachter Ursache wegen nnrnnvoU«
kommen homöopathische Arsnei bei ihrer Wirkung
gegen die ihr nor som Theil analoge Krankheit -—
eben so wie in obigem (<$. 156« nnd femer) Falle,
wo die Armath an homöopathischen Heilmitteln die
W^ahl allein anvollständig liels — Nebenbeschwerden
erregen, and mehre ZnßUle ans ihrer eignen Sympto-
menreihe in das Befinden des Kranken einmischen,
die zugleich bisher noch nicht oder selten
gefühlte Beschwerden der Krankheit selbst
sind; es werden Znfalle sich entdecken oder sidi
in hüherm Grade entwickeln, die der Kranke kurs
vorher gar nicht oder nicht dentlich wahrgenommen
hatte.
§. 178.
Man werfe nicht ein, dals die jetst erschiene-
nen Nebcnheschwcrden nnd neoen Symptome dieser
Krankheit anf Rechnung des eben gebrauchten Arz-
neimittels kämen. Sie kommen von ihm ^); es sind
aber doch immer nur solche Symptome, zu deren
1) Wenn nicht ein wichtiger Fehler in der Lebens-
ordnung, eine heftige Leidenschaft, oder eine stürmische
Eniwickelung im Organismus, Ausbruch oder Abschied des
Monatlichen, £mprangnils, Niederkunft u. s. w« davon Ur-
sache war.
232
Erschemung diese Krankheit nnd in diesem Kör-
per anch für sich schon fähige war^ und welche von
der gebrauchten Arznei — als SelbsterEengerin ähnli-
cher — blofs herrorgelockt nnd %a erscheinen bewo-
gen wnrden. Alan hat^ mit einem Worte, den gan-
zen jetzt sichtbar gewordenen Symptomen- Inbegriff
(br den der Krankheit selbst zogehorigen, für den
gegenwärtigen wahren Znstand anzonehmen' nnd hie-
nach femer zn behandeln.
$. 179.
So leistet die wegen allzn geringer Zahl anwe-
sender Symptome hier fast nnvermeidlich nnvoUkom-
mene Wahl des Arzneimittels dennoch den Dienst
einer YervoUständignng des Symptomen -Inhalts der
Krankheit nnd erleichtert anf diese Weise die Ans-
findnng einer zweiten, treffender passenden, homöo-
pathischen Arznei.
§. 180.
Es mnfs also, sobald die Gabe der ersten An-
nei nichts Yortbeilhaftes mehr bewirkt (wenn die
nen entstandnen Beschwerden, ihrer Heftigkeit we-
gen, nicht eine schleunigere Hülfe heischen -» was
jedoch bei der Gaben-Kleinheit homöopathischer Arz-
nei nnd in sehr langwierigen Krankheiten nur selten
der Fall ist), wieder ein neuer Befnnd der Krankheit
aufgenommen, es mufs der Status morbiy wie er jetzt
ist, aufgezeichnet, nnd nach ihm ein zweites homöo-
pathisches Mittel gewählt werden, was gerade auf
den heutigen, auf den jetzigen Zustand palst, wel-
ches um desto angemessener gefunden werden kann,
233
da die Grnppe der Symptome zahlreicher und voU-
ständ^er geworden ist ')•
f 181.
Und so wird femeri nach vollendeter "Wirkung
jeder Arsneigabej der Zustand der noch übrigen
Krankheit nach den fibrigen Symptomen jedesmal
von Neuem aufgenommen, und nach diese1^ gefun-
denen Grnppe von Zufallen eine abermals itioglichst
passende homöopathische Arznei ausgesucht und so
fort bis zur Genesung.
§. 182.
Unter den einseitigen Krankheiten nehmen die
sogenannten Local-Uebel eine wichtige Stelle ein,
worunter man an den aufsern Theilta des Korpers
erscheinende Yerändemngen und Beschwerden he*
greift, woran, wie man bisher lehrte, diese Theile
allein erkrankt sejn sollen j ohne dafs der übrige
Körper daran Theil nehme — eine theoretische, un-
gereimte Satzung, die zu der verderblichsten aranei«
liehen Behandlung verführt hat.
1) Wo der Kranke (was jedoch höcbst selten in chro-
nischen, wohl aber in acuten Krankheiten stiatt findet) bei
ganz andeutlicbeu Symptomen sich dennoch sebr übel be-
findet, so daüs man diesen Zustand mebr dem. betäubteii
Zustande der Nerven beimessen kann, welcber die Schmer-
zen nnd Beschwerden beim Kranken nicht zur deutlichen
Wahrnehmung kommen läCst, da tilgt Mohnsaft diese Be-
täubung des innern Gefühls -Sinnes, und die Symptome der
Krankheit konunen in der Nachwirkung deutlich zum Vor«*
schein.
234
4. 183.
Diejenigen sogenannten Locaf-Uebel, welche
seit Kurzem blofs von einer äolsem Beschädlgong
entstanden siqd, scheine^ noch am ersten den Na-
men örtlicher Uebel %a verdienen. Dann aber
mülste die Beschädigaog sehr geringftigig seyn, und
wäre dann ohne besondre Bedentnng» Denn von
aufsenher dem Korper togefügte Uebel von nnr ir-
gend einigei: Beträchtlicbkeit ziehen schon den gan-
zen lebenden Organism In Mltleldenheit$ es entste-
hen Fieber n. s. w. Mit Recht beschäftigt sich mit
dergleichen die Chirurgie nur in so fem an den lei-
denden Theilen eine mechanische Hülfe anzabringcn
ist, wodurch die äorscrn Hindernisse der durch die
Kraft des Organisms einzig za erwartenden Heilung
mechanisch vertilgt werden konnten, z. B. durch Ein-
renkongen, W^undlippen vereinigende Binden, Ads-
ziefaung in die lebenden Theile gedrungener, fremder
Körper, Oeffnmig einer Körperhöhle, um eine belä-
stigende Substanz herauszunehmen, oder um Ergie-
fsungen ausgetretener oder gesammelter Flüssigkei-
ten einen Ausgang zu * verschaffen, Annäherung der
Bruch-Enden eines zerbrochenen Knochens und Be-
festigung Ihres Aufeinander -Fassens durch schickli-
chen Verband, n. s. w. Aber wo bei solchen Be-
schädigungen der ganze Organism thätige dynami-
sche Hülfe verlangt, um In den Stand gesetzt zu
werden, das Werk der Hellung zu voUrnhren, z« B.,
wo das stürmische Fieber von grotsen Quetschun-
gen, zerrissenem Fleische, Flechsen und Gefaüseo
^35
dorch ipnere Anmei «n beseitigen ist» odei: ivoder
änfsere Schmen verbrannter pdfr geätzter Tbeile bo-
moop^thißch bioweggenommen werden ,«oU,. 4^ tritt
das Ge^cbäft des . dynaioiscben Arztes ein . and seine
bomoqpathis^bf HtÜfe.
§. 184. .
Ganz anf andre Art aber eptsteben diejenigen
an den änfsem Tbeilen erschQtnienden.Uebel, li^pr-
änderangen nnd Bescbwerdc^y^die keine Beschädi*
gang von anfsen s^nr Ursache oder nnr.Jdeine ^üt
fsere Verletzungen znr letzten Yeranlasspi^g ,bab^ni
diese baben ihre Qnelle.in einem, idnern. Leiden«
Diese für blofs örtlicbe Uebel anszageben, nnd blpfs
oder fast. blolst mit örtlichen A^flegpngen gleichsam
wnndärztlich zn behandeln, wie die bisherige Medicin
seit adlen Jalurh^n^d^rten^^aA, war so ungereimt, als
von den schädlichsten Folgen.
4* 185. . . . ,
Man hielt diese Ucbel .. fiir blof^ ,g]:tKch n^d
nannte sie deishalb Ldcal- Uebel , gleichsam an die-
sen Tbeilen ansscbliefsjicb stattfindende Erkrankun-
gen, woran der Organism wenig oder keinen Theil
nehme , oder Leiden dieser einzelnen , sichtbaren
Theiie, wovon, so zu sagen,. /der übrige Körper
nichts wisse. '*
§. 186.
Und dennoch ist schon bei geringem Nachden-
ken einleuchtend, dafs kein (ohne sonderliche Be-
schädigung von ^u£sen entstandenes) äufiseres Uebel
ohne innere Ursachen, ohne Znthun des ganzen
(folgtJblr Wanken) Organisois enfs^eheb xmi auf
seiner Stelkr retharren , oder wohl gar sich vor-
schlimmei^n kafin; Es' könnte gar nicht tnm Vor-
schein köimnett,' ohne dieZnstimmiing des ganzen
übrigen Befindens nnd ohne die Theünähme aller
übrigen empfindenden nnd reisbaren Theile nnd aller
lebenden Organe des ganzen Korpers, ja sein Em-
poi^ommen IS&t sich, ohne vom ganzen (verstimiD-
teri) Leben dazu veranlafst zn sejn, nicht einmal
denken ; so innig hSngen alle Theile des Organisms
zn^ammen und bilden ein nntheilbares Ganze in Ge-
fiihlen nnd Thäti^keit« Keinen Lippen -Ausschlag,
kein Nagelgeschwür-giebt es, ohne vorgängiges und
gleichzeitiges iiinere^ Uebelbefinden des Menschen.
'* Jede SrzÜidie Behattcfhing eines, fast ohne Be-
schädigung von aofsen^ an änfsem Tfaeilen des Kör-
pers entstandnen Uebels mufs daher auf das Ganze,
slvS die Yemichtung nnd Heihing des allgemeinen
Leidens, mittels innerer Heilmittel,- gerichtet seyn,
wenn sie zweckmäfsig, sicher, hälfreich nnd gründ-
lich seyn soll.
^ §. 188.
Unzweideutig wird diefs durch die Erfahrung
bestätigt, welche in allen Fällen zeigt, dafs jede kräf-
tige, innere Arznei gleich nach ihrer Einnahme be-
deutende Veränderungen, so wie in dem tfinigen
Befinden eines solchen Kranken, so insbesondere
im leidenden äofsem (der gemeinen Ärzneikunst iso-
am
lirt scbeinend^) Theile, sclbsljn einem ftogenfim-
ten Local-Uebel der änfsersten Stellen des Körpers
verarsacht, und zwar die heilsamste, die Genesnog
des ganzen Menschen , unter Yerschwindnng des
äarsem Uebels (ohne Znthnn irgend eines äafser^
Mittels ) , wenn die innere, anf das Gante gerichtete
Arznei passend homöopathisch* gewählt wan
f 189.
Diefs gesehiehet am zweckmäfsigsten, wenn hei
ErSrlemng des Krankheitsfalles, nächst der genauen
Beschaffenheit des LocaU Leidens, zngleich alle im
übrigen Befinden bemerkharen nnd vordem bemerk-
ten Veränderungen, Beschwerden nnd Symptome in
Yereinigong gezogen werden zum Entwürfe eines
vollständig^en Krankheits- Bildes, ehe man ein dieser
Gesammtbeit von Zufallen entsprechendes Heilmittel
unter den nach ihren eigenthtSmlichen Krankheits-
vlrknngen gekannten Arzneien sucht, um eine ho-
möopathische .Wahl zu treffen.
§. 190.
Durch diese blofs innerlich eingegebne Arznei
(und wenn das Uebel erst kürzlich entstanden war,
schon durch die erste Gabe) wird dann der gemein-
same Krankheitszustand de^s, Körpers mit dem Local-
Uebel zugleich aufgehoben, und letzteres mit erste-
rem zugleich geheilt, zu/n Beweise, dafs das Local-
Leiden einzig, und allein ' von einer Krankheit des
übrigen Körpers abhing,^ und nur als ein untrenn-
barer Theil des Ganzen, als eins der gröjTsten und
In»
anffidlendsten Syitaptome ' der Gesammtkrankheit an-
susfehen ut '
§. 191.
Weder bei den schnell entstehenden, acnten
Local-Leiden, noch bei den schon lange bestand^
nen örtKchen Uebeln ist es diefilicb, ein • aoCseres
Mittel, nnd wäre auch das specifische, nnd innerlich
gebraucht, homöopathisch heilsame, änfserlich an die
Stelle einznrciben oder aii&alegen, selbst dann nicbt,
wenh es innerlich sogleich angewendet wBrde; denn
die acnten topischen Uebel («• B. Entzündungen ein-
feelner Theile, Rothlanf n. s. w.), die nicht durch
TerhSltnifsmäfsig eben so heftige , äufsere Beschädi-
gung, sondern durch dynamische oder innere Ursa-
chen entstanden waren, weichen am sichersten den
} dem gegenwärtigen äufsem und innchi wahrnehm-
baren Befmderis- Znstande homöopathisch anpassen-
den, innern Mitteln, aus dem allgemeinen Yonrathe
geprüfter Arzneien gewählt'^), gewohnlich ganz al-
lein; und weichen sie ihnen -laicht völlig, und bleibt
an der leidenden Stelle und im ganzen Befinden,
bei guter Lebensordnntig, dennoch ein Rest von
Krankheit zurück, was die Lebenskraft zur Norma-
lität wieder zu erheben nicht im Stande ist, so war
(wie nicht selten) dais acute' Local- Uebel ein Pro-
duct auflodernder, bisher im' 'Innern schlummernder
Psora, welche im Begriff ist, sich zu einer offenba-
ren, chronischen Krankheit zu entwickeln«
1) Z. B. Aconit, Wurzekumach, Belladonne, Queck-
silber , u. 8^ w.
239
§.192-
In sokhcn, nicht seltnen Fällen mnfs danti ge-
gen die noch übrig gebliefonen Beschwerden nnd die
dem Kranken vorher gewohnlichen, krankhaften Be*
findens-Zustände zusammen^ eine angemessene, anti-
psorische Behandlung gerichtet werden '(wie. in idem
Bache von den chronischen Krankheiten ge^
lehrt worden), nm eine gründliche Heilang sa er«
langen« Bei chronischen Local-^Uebeln, die nicht
ofTenbar venerisch sind, ist ohnehin die antipsori-
sche, innere Hieilang allein erforderlich«
§. 193.
Es konnte zwar scheinen, als wenn die Heilang
solcher Krankheiten hcschleDnigt würde, wenn man
das für den ganzen Inbegriff der Symptome als ho«
möopathisch richtig erkannte Arzneimittel nicht nur
innerlich anwendete, sondern auch äofserlich anf«
legte, weil die Wirkung einer Arznei, an der Stelle
des Local-Uebels selbst angebracht, eine schnellere
Verändemng darin hervorbringen könnte.
§. 194.
Diese Behandlang ist aber nicht nur bei den
Local- Symptomen, die das Miasm der Psora, son-
dern auch bei denen, die das Miasm der Sjrphi-
lis, oder der Sykosis zam Grande habcn> darcfaaas.
verwerflich, denn die neben dem innern Ge-
brauche gleichzeitige ö^rtliche Anwendung
des Heilmittels bei Krankheiten, welche
ein stetiges Local-Uebel z'um Hanptsym-
ptome haben, führt den grofsen Nachtheil her-
240
bei, dafs durch eine solche ortliche Auflegung dieses
Haoptsymptoni (Local-Uehel) ^) gewöhnlich schnel-
ler, als die innere Krankheit, vernichtet wird, und
nns non mit dem Scheine einer völligen Heiloog
täuscht, wenigstens nns nim die Benrtheilong, ob
anch die Gesammtkrankheit dnrch den Beigebrancli
der innem Arxnei vernichtet sey, dnrch die vonei-
tige Yerschwindnng dieses örtlichen Symptoms er-
schwert nnd in einijg^en Fällen unmöglich macht
§* 195.
Die blofs örtliche Anwendung der von
innen heilkräftigen Arznei anf die Local- Symptome
chronisch miasmatischer Krankheiten ist ans gleichem
Grande dnrchans verwerflich; denn ist das Locai-
Uebel der chronischen Krankheit hiofs örtlich und
einseitig aufgehoben worden, so bleibt nun die zur
völligen Herstellung der Gesundheit unerlälsliche in-
nere Cur im ungewissen Dunkel; das Hanpt-Sym-
ptofn (das Local-Uebel) ist verschwanden, nnd es
sind nur noch die and^n, unkenntlichem Symptome
übrig, welche weniger stetig und bleibend, als das
Local- Leiden, und oft von zu weniger Eigenthfim-
lichkeit und zu wenig charakteristisch sind, als dals
sie noch ein Bild der Krankheit in deutlichem nnd
vollständigem Umrisse darstellen sollten.
4. 196.
Wenn nun vollends das der Krankheit homöo-
pathisch angemessene Heilmittel za der Zeit noch
nicht
1) FnKber Kratz -Ausachlag, Schanker, Feigwarse.
241
nicht gefimden war ^)f als das ortliche Sjrmptom
durch ein beizendes, oder austrocknendes änfseres
Mittel, oder dnrcb den Schnitt vernichtet ward, so
wird. der Fall wegen der allzo nnbestimmten (nncha-
rakterislischen) und unsteten Erscheinung der noch
übrigen Symptome noch weit Schwieriger, weil, was
die W^ahl des treffendsten Heilmittels und seine in*
nere Anwendung bis zum Punkte der völligen Ver-
nichtung der Krankheit noch am meisten hätte lei-
ten und bestimmen können, das änfsere Hauptsym«
ptom unserer Beobachtung entzogen worden ist
§. 197.
Wäre es bei der innern Cur noch da, so würde
das homöopathische Heilmittel ftir die Gcsammtkrank-
heit haben ausgemittelt werden können, nnd wäre die-
ses gefanden, so würde bei dessen innerm Gebrauche
die bleibende Gegenwart des Local-Uebels zeigen,
dals die Heilung noch nicht vollendet sey; heilete
es aber auf seiner Stelle, so bewiese diefs tiberzea-
gend, dafs das Uebel bis zur AYurzel ausgerottet^
und die Genesung von der gesammten Krankheit
bis zum erwünschten Ziele gediehen sey. Ein un-
schätzbarer Yortheil.
§. 198.
Offenbar entschliefst sich die menschliche Le-
benskraft, wenn sie mit einer chronischen Krankheit
beladen ist, die sie nicht durch eigne Kräfte über-
1) Wie, vor mir, die Heilmittel der Feigwarzen-Krank-
beit (uod die antipsoriichen Arzneieo),
242
wältigen kann, snr Bildnng eines Local-Uebels an
irgend einem änfsern Theile blofs ans der Absicht,
iraii dnrcb Krankmachnng und Krankerhaitang die-
ses snm Leben des Menschen nicht nnenthehrlichen
änfsern Theils, das.anfserdem die Lebensorgane za
vemichlen (und das Lebeif zu ranben) drohende,
innere Uebel zn beschwichligen und» so zn sagen,
auf das stellvertretende Local- Uebel überaotragen
nnd dahin gleichsani abzalcilen. Die Anwesenheit
des Local -Uebels bringt auf diese Art die innere
Krankheit zam Schweigen, obschon» ohne sie weder
heilen, noch wesentlich vennindem za können ^).
Indessen bleibt das LocaUUebel immer weiter nichts,
als ein Theil der Gesammtkrankheit, aber ein von
der organischen Lebenskraft einseitig vergröCserter
Theil derselben, an eine gefahrlosere (äalsere) Stelle
des Korpers hin verlegt, nm das innere Leiden zn
beschwichtigen. Es wird aber (wie gesagt) durch
dieses die innere Krankheit zum Schweigen brin-
gende Local -Symptom von der Lebenskraft für die
Minderung oder Heilung des Gesammt- Uebels so
wenig gewonnen, dafs im Gcgentheile dabei das in-
nere Leiden dennoch allmälig zunimmt und die Na-
tur genöthigt ist, das Local • Symptom immer mehr
zn vergroisem nnd zu verschlimmem, damit es zur
1) Die Fontanelle des Arztes thun etwas Aebnliches;
sie bescbwicbtigen als kunstlicbe Gescbwfire an den auisern
Theilen mehre ~ innere cbroniscbe Leiden eine nur kurze
Zeit lang, ohne sie heilen zu können.
243
StellTertretnng (tSr das innere vergrpCserte Uebcl nn^
zn seiner Beschwichtignng zareiche. Die alten Scheiß-
kelgescbwüre verschlimmem sich, bei nngeheilter, üi-
nerer Psora, der Schanker vergröfsert sich, bei nach
nngeheilter innerer Syphilis, so wie die innere 6e-
sammtkrankheit mit der Zeit wächst.
f 199.
W^ird nnn von dem Arzte der bisherigen Schole,
in der Meinung, er heile dadurch die Krankheit selbst,
das Local-Symptom dorch äofscre Mittel ortlich verr
nicfatet, so ersetzt es die Natnr durch Erweckang des
inqem Leidens und der vorher schon neben dem Lo-
cal-Uebel bestandnen, bisher noch scblammerndejqi
übrigen Symptome, das ist, durch Erhöhung der in-
nem Krankheit — in, welchem Falle man dann nnr
richtig zu sagen pflegt, das Local-Uebel sey durch
die änfsem Mittel zurück in den Körper oder auf
die Nerven getrieben worden«.
§. 200.
Jede äqfsere Behandlung solcher Local-Sym-
ptome, nm sie, ohne die innere miasmatische Krankr
helt geheilt zn habeq, von der Oberfläche des Kör*
pers wegzuschaffen, also den Krätz-Ausschlag durch
allerlei Salben von der Haut zn vertilgen, den Schanr
ker änfserlich wegznbeizen und die Feigwarze durch
Wegschneiden, Abbinden oder glühendes Eisen auf
seiner Stelle zn vernichten, diese bisher so gewöhn-
liche, änfsere, verderbliche Behandlung ist die ge-
meinste Quelle aller der unzähligen, benannten und
nnbenannten, chronischen Leiden geworden, wornn-
Q-2
244
ter die gesammte Menschheit seafxet; sie ist eine
der verbrecherischesten Handlangen, deren sich die
Arztwelt schuldig machen konnte, und gleichwohl
war sie bisher die allgemein eingeführte*
i. 201.
Alle langwierigen Uebel, Beschwerden nnd
Siechthnme, welche nicht von einer anhaltenden,
nngesnnden Lebensart abhängen, — alle übrigen,
ohne Ausnahme, rühren von der Entwidcelang die-
ser drei chronischen Miasmen, der innem SyphiUs,
der innem Sykosis, vorzüglich aber nnd in nnendlich
grofserm Verhältnisse, von der innem Psora her,
deren jede schon im Besitze vom ganzen Organism
war nnd ihn in allen Theilen schon darchdrangen
hatte, ehe jeder ihr primäres, stellvertretendes nnd
ihren Ansbrnch verhütendes Local-Symptom (bei der
Psora der Kratz -Ausschlag, bei der Syphilis der
Schanker oder die Schoofsbeole, nnd bei der Syko-
sis die Feigwarze) zara Vorscheine kam, nnd welche
nnansbleiblich, wenn dieses ihnen geranbt wird, bald
oder spät znr Entwickelang nnd zum Ansbrache za
kommen von der grofsen Natnr bestimmt sind, nnd
so all das namenlose Elend, die nnglanbliche Menge
chronischer Krankheiten verbreiten, welche das Men-
schengeschlecht seit Jahrhnnderten nnd Jahrtansen-
den qaälen, deren keine so häufig znr Existenz ge-
kommen wäre, hätten die Aerzte diese drei Miasmen,
ohne ihre änfsern Symptome darch topische Mittel
anzutasten, durch die innem homöopathischen, fiir
245
jede gehörigen Ärsileien gründlich zn heilen und im
Oi^anism ansznlöscben sich beeifert
§. 202.
Der homöopathische Ärst behandelt nie eines
dieser Primär -Symptome der chronischen Miasmen,
noch auch eines ihrer secundären, ans ihrer Entwik-
kelong entsprossenen Uebel durch ortliche (weder
darch änfsere dynamisch wirkende. ^) noch auch dnrch
1) Ich kann daher e. B. nicht cur örtlichen Ausrot-
tung des sogenannten Lippen- oder Gesichts -Krebses (einer
Frucht weit entwickelter Psora) durch das Cosmische Ar-
senik-Mittel rathen, nicht nur weil es äufserst scbmerahaft
ist und oft müslingt, sondern mehr* deCshalb, weil durch
dieses dynamische Mittel, wenn es ja die Körperstelle von
dem bösen Geschwüre local befreiet, das Grund -Uebcl, die
Psora, hiedurch nich^znm kleinsten Theile vermindert wird,
die Lebens -Erhaltungs- Kraft also genöthigt ist, den Herd
(lir das innere grofse Uebel an eine' noch edlere Stelle (wie
sie bei allen Metaschematismen thut) zu versetzen , und
Blindheit, Taubheit, Wahnsinn, Erstickungs- Asthma, Was-^
ser-Geschvirulst, Schlagflufs u. s. w. folgen zu lassen. Die
ortliche Befreiung der Stelle von dem bösen Geschwüre
durch das topische Arsenik -Mittel gelingt aber nur da, wo
das Geschwür noch nicht grofs, die Lebenskraft auch noch
sehr energisch ist; aber eben in dieser Lage der Sache ist
auch die innere vollständige Heilung des ganzen Ur-Uebeb
noch ausführbar.
Ein gleicher ist der Erfolg von dem blos durch den
Schnitt weggenommenen Gesichts- oder Brust-Krebse und
der Ausschälung der Balg- Geschwülste; es erfolgt etwas
noch Schlimmeres drauf, wenigstens wird der Tod be-
schleunigt.
246
mechanische) Mittel, softdcrn heilet » wo sich die
einen oder die andern zeigen » einzig das grobe,
ihnen zom Grrnnde liegende Miasm, wovon denn
attch' sein primäres, so wie seine secnndären Sym-
ptome von selbst mit verschwinden; er hat es aber,
da dergleichen vor ihm nicht geschah, nnd er meist
dile Primär- Symptome ^) von den bisherigen Aers-
ten schon äofserlich vernichtet findet, jetzt mehr mit
den secnndären, den Uebeln von den Ansbriicben
und der Entwickclang dieser inwohnenden Miasmen,
vorzüglich aber mit den ans innerer Psora entfal-
teten, chronischen Krankheiten zu thon, deren in-
nere Heilang, soviel ein einzelner Arzt nach vieljäh-
rigen Nachdenken, Beobachtung nnd Erfahrong an
den Tag za bringen vermochte, ich in meinem Boche
von den chronischen Krankheiten darzulegen mich
beflissen habe, worauf ich hier verweise.
§• 203.
Vor dem Beginnen der Cur eines chronischen
Uebels mnfs nothwendig die sorgfältigste Erkundi-
gung ^) vorausgehen, ob der Kranke eine veneri-
1) Kratz- Ausschlag, Schanker (Schoofsbeule), Feig-
warzen.
2) Man ksse sich bei Erkundigungen dieser Art nicbt
von den oftern Behauptungen der Kranken oder ihrer An-
gehörigen bethören, welche zur Ursache langwieriger, ja
der grölsteii und langwierigsten Krankheiten entweder eine
vor vielen Jahren erlittene Yerkältung (Durchnassung, einen
kalten Trunk auf Erhitzung), oder einen ehemals gehabten
Schreck, ein Verheben, ein Aergernifs (auch wohl eine Be-
247
sehe Anstecknng (oder anch eine Ansteclrang mit
Feigwarzen «Tripper) gehabt hatte; denn dann maus
auf diese die Behandlung gerichtet werden und zwar
allein, wenn blofs Zeichen der Lnstseache (oder der,
seltnen, Feigwarzen-Krankfaeit) vorhanden sind, der-
gleichen aber in nenem Zeiten sehr selten allein an-
getroffen werden. Rücksicht aber, w^nn dergleichen
Ansteckung vorangegangen war, mufs auf sie anch
in dem Falle genommen werden, wenn Psora zn
heilen ist, weil dann letztere mit ersterer complicirt
ist, wie immer, wenn jener Zeichen nicht rein sind;
denn stets, oder fast stets wird der Arzt, wenn er
eine alte, venerische Krankheit vor sich zu haben
wähnt, eine vorztiglich mit Psora vergesellschaftete
(complicirte) zn behandeln haben, indem das innere
Kratz- Sicchthum (die Psora) bei weitem die häu-
figste (gewisseste) Grundursache der chroni-
schen Krankheiten ist, entweder zugleich mit Sy-
philis (oder auch Sjkosis) verbunden (complicirt),
wenn gestandig letztere Ansteckungen einst' gesche-^
bexang) u. s. w. angeben« Diese Veranlassungen sind viel
zu klein, um eine langwierige Krankheit in einem gesun-
den Körper zu erzeugen, lange Jahre zu unterhalten und
von Jahr zu Jahr zu vergröüsern , wie die chronischen
Krankheiten von entwickelter Psora alle geartet sind. Un-
gleich wichtigere Ursachen als jene, erinnerliche Schädlich-
keiten müssen dem Anfange und Fortgange eines bedeuten-
den, hartnäckigen, alten Uebels zum Grunde liegen; jene
angeblichen Veranlassungen können nur Hervorlockungs-
Momente eines chronischen Miasms abgeben.
248
hen waren, oder, wie nnendlich öfterer vorkommt,
die Psora ist die alleinige Grund -Ursache aller übri-
gen chronischen Leiden, sie mögen Namen haben,
wie sie wollen.
$« 204.
Wenn Obiges berichtigt ist, hat der homöopa-
thische Arzt noch die ErknndigDng nöthig: welche
allopathische Goren mit dem langwierig Kranken bis
daher vorgenommen worden waren , welche eingrei-
fende Arzneien vorzüglich nnd am häufigsten, anch
welche mineralische Bäder nnd mit welchen Erfol-
gen er gchraochtc, nm einiger Mafsen die Ansartnng
seines nrsprünglichen Zastandes begreifen nnd wo
möglich diese künstlichen Verderbnisse zom Theii
wieder bessern zu können.
§. 205.
Nächstdem mafs das Alter des Kranken, seine
Lebens - W^eise nnd Diät, seine Beschäftigungen,
seine hänfsliche Lage, seine bürgerlichen Yerbält-
nisse u. s. w, in Rücksicht genommen werden, ob
diese Dinge zu Vermehrung seines Ucbels beigetra-
gen, oder in wiefern alles diefs die Cur begünstigen
oder hindern könnte. So darf auch seine Gemütbs-
nnd Denknogs-Art, ob sie die Cor hindere, oder
psychisch zu leiten, zu begünstigen oder abzuändern
sey, nicht aus der Ac^ht gelassen werden.
§. 206.
Dann erst sucht der Arzt in mehren Unterre-
dungen das Krankheits-Bild des Leidenden so voll-
ständig, als möglich, zu entwerfen, nach obiger An-
249
leitang, nm die anffallendsten und sonderbarsten (cba-
rakteiisüschen) Symptome aaszeichnen za können,
nach denen er das erste antipsorische n. s. w. Arx-
neimittel nach möglichster Zeichen -Aehnlichkeit für
den Aniang der Cor, n. s. £• auswählt
§. 207.
Der Psora gehört fast alles an, was ich ehedem
einseitige Krankheiten nannte, welche dieser Einsei-
tigkeit wegen, wo vor dem einseinen, grofsen, her-
vorragenden Symptome alle übrige Krankheits- Zei-
chen gleichsam verschwinden, schwieriger heilbar
scheinen. Dieser Art sind die sogenannten Ge-
müths- nnd Geistes-Krankbeiten. Sie ma-
chen jedoch keine von den übrigen scharf getrennte
Glasse von Krankheiten ans, indem aach in allen
übrigen sogenannten Körperkrankheiten die Gemüths-
tind Geistes «Yerfassnng allemal geändert ist ^),
1) Wie oft trifTt man nicht, z. B. in den schmerz- .
haftesten, mehrj'ährigen Krankheiten ein mildes, sanftes Ge-
müth an, so dafs der Heilkünstler Achtung und Mitleid ge-
gen den Kranken zu hegen sich gedrungen fühlt. Besiegt
er aber die Krankheit und stellt den Kranken wieder her
— wie nach homöopathischer Art nicht selten möglich ist
— da erstaunt und erschrickt er nicht selten über die schau-
derhafte Veränderung des Gemüths. Da sieht er oft Un-
dankbarkeit, Hartherzigkeit, ausgesuchte Bosheit und die die
Menschheit entehrendsten und empörendsten Launen hervor-
treten, welche gerade dem Kranken in seinen ehemaligen
gesunden Tagen eigen gewesen waren«
Die in gesunden Zeiten Geduldigen findet man oft in
Krankheiten störrisch, heftig, hastig, auch wohl unleidlich,
250
ond in allen zu heilenden Krankheitsfällen der Ge-
müthszustand des Kranken als eins der vorzüglicli-
Sien mit in den Inbegriff der Symptome anfzaneh-
mcn ist, .wenn man ein trenes Bild von der Krank-
heit verzeichnen will, um sie hienach mit Erfolg ko-
möopathisch heilen zu können.
§. 208.
Diefs geht so weit, dafs hei homöopathischer
Wahl eines Heilmittels der Gemtithszusland des
Kranken oft am meisten den Ausschlag giebt, als
Zeichen von bestimmter Eigenheit, was dem genau
beobachtenden Arzte unter allen am wenigsten ver-
borgen bleiben kann. ^
§. 209.
Auf dieses Haupt «Ingredienz aller Krankheiten,
auf den veränderten Gemüths- und Geisteszustand
hat auch der Schöpfer der Heilpotenzen vorzüglich
Rücksicht genommen, indem es keinen kräftigen An-
neistoff auf der Welt giebt, welcher nicht den Ge-
müths- und Geisteszustand in dem ihn versuchenden
gesnnden Menschen sehr merkbar veränderte, und
zwar jede Arznei anders.
eigensinnig und wiederum auch wohl ungeduldig oder ver-
zweifelt, die ebedem Züchtigen und Schamhaften findet man
nun geil und schamlos. Den hellen Kopf trilTt man nicht
selten stumpfsinnig, den gewöhnlich Schwachsinnigen hin-
wiederum gleichsam klüger, sinniger, und den von langsa-
mer Besinnung zuweilen voll Geistesgegenwart und schneli
entschlossen an, u. s. w.
251
§. 210.
Man wird daber nie natargemäfs, das ist, nie
homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem,
selbst acuten, Krankheitsfälle zugleich mit anf das
Symptom der Geistes- nnd GemÜths-Verändernni
gen siebet, nnd nicht znr Hülfe eine solche Krank*
beits-Potenz nnter den Heilmitteln answäblt, welche
nächst der Aehnlichkeit ihrer andern Symptome mit
denen der Krankheit, anch einen ähnlichen Gemiiths«
oder Geistes-Znstand f4ir sich za erzeugen ßhig ist ^).
§. 211.
Was ich also Qber die Heilung der Geistes-«
und Gemüths-Krankbeiten za lehren habe, wird sich
auf 'Weniges beschränken können, da sie auf die-
selbe Art, als alle übrigen Krankheiten, das ist,
durch ein Hellmittel, was eine dem Krankheitsfalle
möglichst ähnliche Krankheits -Potenz in ihren, an
Leib und Seele des gesunden Menschen zn Tage
gelegten Symptomen darbietet, zn heilen ist, nnd
gar nicht anders geh eilt werden kann.
§. 212.
Die sogenannten Geistes- und Gemüths-Krank-
1) So wird bei einem stillen, gleichförmig gelassenen
Oemuthe, der Napell-Sturmbut selten oder nie eine, weder
schnelle noch dauerhafte Heilung bewirken, eben so wenig,
als die Krähenaugen bei einem milden, phlegmatischen, die
Pulsatille bei einem frohen, heitern r>nd hartnackigen, öder
die Ignazbohne bei einem unwandelbaren, weder zu Schreck,
noch zu AergerniCs geneigten Gemüthszustande«
252
heitcn sind fast alle nichts anderes, als Kurper-Krant
keiten, bei denen <das jeder eigenCbiiinliche Symptom
der Geistes- und Gemütbs-Yerstimniung sich unter
Verminderung der Körper-Symptome (schneller oder
langsamer) erhöhet — endlich bis snr anßallendsteo
Einseitigkeit, fast wie ein Local-Uebel.
§. 213.
Die Fälle sind nicht selten, wo eine den Tod
drohende, sogenannte Körper-Krankheit — eine Lnn-
gcnvereiterung, oder die Vcrderbnifs irgend eines an-
dern, edcln Eingeweides, oder eine andere hitzige
(acute) Krankheit, z. B. im Kindbette u. s. w., durch
schnelles Steigen des bisherigen Gem&ths- Symptoms
in einen Wahnsinn, in eine Art Melancholie, oder
in eine Raserei ausartet und dadurch alle Todesge-
&hr der Körper -r Symptome verschwinden macht;
letztere bessern sich indefs fast bis zur Gesundheit,
oder verringern sich vielmehr bis zu dem Grade,
dals ihre dunkel fortwährende Gegenwart nur von
dem beharrlich und fein beobachtenden Arzte noch
erkannt werden kann. Sie arten auf diese 'Weise
zur einseitigen Krankheit, gleichsam zu einer Local-
Krankheit aus, in welcher das vordem nur gelinde
Symptom der Gemüths - Verstimmung zum Hanpt-
Symptome sich vergröfsert, welches dann grofsten-
thells die übrigen (Körper-) Symptome vertritt, und
ihre Heftigkeit palliativ beschwichtiget, so dafs, mit
einem Worte, die üebel der gröbcrn Körper-Organe
auf die fast geistigen, von keinem Zergliedernngs-
Messer je erreichten oder erreichbaren Geistes- und
253
Gemütfas - Organe gleichsam übergetragen nnd auf
sie abgeleitet werden.
§. 214.
Mit Sorgfalt rnnfs bei ihnen die Erforschung
des ganzen Zeichen -Inbegriffs unternommen werden,
in Absicht der Körper- Symptome sowohl, als auch,
und zwar vorzüglich, in Absicht der genauen Auffas-
sung der bestimmten Eigenheit (des Charakters)
seines Hauptsymptoms, des besondern, jedesmal vor-
waltenden Geistes* und Gemüths-Zustandes, um zur
Auslöscbung der Gesammtkrankheit eine homöopä*
thische Arzneikrankbeits -Potenz unter den nach ih-
ren reinen Wirkungen gekannten Heilmitteln au^
zufinden, ein Heilmittel, welches in seinem Sympto-
mcn-Inhaltc nicht nur die in diesem Krankheitsfälle
gegenwärtigen Körperkrankheits-Symptome, sondern
auch vorzüglich diesen Geistes- und Gemiiths- Zn-
stand in möglichster Aehnlichkeit darbietet
§. 215.
Zu diesem Symptomen -Inbegriffe gehört zuerst
die genaue Bcschreibang der sämmtlichen Zufalle der
vormah'gen sogenannten Körper- Krankheit, ehe sie
zDr einseitigen Erhöhung des Geistes - Symptoms^
zur Geistes- und Gemüths- Krankheit ausartete. Aus
dem Berichte der Angehörigen wird dieses erhellen.
§. 216.
Die Yergleichung dieser ehemaligen Körperkrank-
hcits • Symptome mit den davon jetzt Qoch übrigen,
obgleich unscheinbarer gewordenen Sjpuren (welche
auch jetzt noch jsich zuweilen hervorthun^ wenn ein
254
fichter ZwMchenraiim und eine tibeFhingehende Min-
derung der Geistes -Krankheit eintritt) wird zur Be-
stätigoüg der fortdanemden verdeckten Gegenwart
derselben dienen.
§. 217.
Setzt man nna hinsa den genau von den An-
gehörigen nnd dem Arzte selbst beobachteten Gei-
stes- nnd Gemüths- Znstand, so ist das vollständige
Krankheitsbild zusammengesetzt, für welches dann
eine, treffend ähnliche Symptome nnd vorzüglich die
ähnliche Geistes -Zerrüttung zu erregen fähige An-
nei unter den antipsorischen Mitteln zur homöopa-
thischen Heilung des Uebels aufgesucht werden kann,
wenn die Geistes -Krankheit schon seit einiger Zeit
fortdauerte.
§. 218.
War jedoch aus dem gewohnlichen, mhigeo
Zustande auf einmal plötzlich zuerst ein Wahnsinn
oder eine Raserei (auf Veranlassung von Schreck,
Aergernifs, geistigem Getränke n, s. w.) als eine
acute Krankheit ausgebrochen, so kann, ob sie gleich
fast ohne Ausnahme aus innerer Psora, gleichsam
als eine von ihr auflodernde Flamme, entsprang}
sie doch in diesem ihrem acuten Antritte nicht so-
gleich mit antipsorischen, sondern sie muls mit den
hier angedeuteten Arzneien aus der übrigen Classe
geprüfter Arzneien (z. B. Aconit, Belladonne, Stech-
apfel, Bilsen^ Quecksilber u. s. w.) in hoch poten-
zirten, feinen, homöopathischen Gaben erst behan-
delt werden, um sie so weit zu beseitigen, dafs die
255
Psora ia ihren vorigen, latenten Znstand vor der
Hand wieder zurückkehre, in welchem der Kranke
genesen erscheint.
$. 219.
Doch darf ein solcher, ans einer acuten Geistes-
oder Gcmiiths -Krankheit darch gedachte nnantipso->
rische Arzneien Genesener nie als geheilt angesehen
werden; im Gegenibeile darf man keine Zeit verlie-
ren, mn ihn durch eine fortgesetzte, antipsorische
Gar von dem chronischen Miasm der jetzt zwar wie-
der latenten, aber zu ihrem "Wieder- Aasbrache von
nun an ganz bereiten Psora gänzlich zn befreien,
da dann kein ähnlicher Anfall dereinst nieder zn he-
fürcliten ist, wenn er der diätetisch geordneten Le-
bensart tren bleibt
$. 220.
Wird aber die antipsorische Cor nnterlassen,
so ist bei noch geringerer Veranlassung, als bei der
ersten Erscheinung des Wahnsinns, bald ein neuer
und zwar anhaltenderer, gröfserer Anfall davon fast
mit Sicherheit zu erwarten, während welchem sichf
die Psora vollends zu entwickeln pflagt und in eine
entweder periodische oder anhaltende Geistes -Zer-
rüttung übergeht, welche dann schwieriger antipso-
risch geheilt werden kann.
§. 221.
Ist die Geistes -Krankheit noch nicht Völlig aus-
gebildet, und es wäre noch einiger Zweifel, ob sie
wirklich aus Körper- Leiden entstanden sey, oder
vielmehr von Erziehungsfehlern, schlimmer Angewöh-
256
nnng, verderbter Moralität, Yemaclilässignng des
Geistes, Aberglanben oder Unwissenheit herrShre;
da dient als Merkmal, dafs durch rerständigendes,
gntmeinendes Zureden, dorch Trostgründe oder durch
ernsthafte Yorstcllnng nnd Vernanftgründe letztere
nachgeben nnd sich bessern, wahre, anf Körper-
Krankheit hernhende GemQths- oder Geistes -Krank-
heit aber schnell dadarch verschlimmert, Melancho-
lie noch niedergeschlagener, klagender, nntrostlicher
nnd znrtickgea^ogener, so auch boshafter Wahnsinn
dadurch noch mehr erbittert nnd tbörichtes Gewäsch
offenbar noch unsinni^r wird ^).
§. 222-
Es giebt dagegen, wie gesagt, allerdings einige
wenige Gemüths-Krankhciten, welche nicht blofs ans
Körper- Krankheiten dahin ausgeartet sind, sondern
auf umgekehrtem Wege, bei geringer Kränklichkeit,
vom Gemtithe aus, Anfang und Fortgang nehmen
durch anhaltenden Kummer, Kränkung, Aergernifs,
Beleidigungen und grofse, häufige Veranlassung bq
Furcht und Schreck. Diese Art von Gemüthskrank-
heiten verderben dann mit der Zeit auch den körper-
lichen Gesundheitszustand, oft in hohem Grade.
— • §• 223.
1) Es scheint, als fühle hier der Geist die Wahrheit
dieser vernÜDfUgen Vorstellungen^ und wirke auf den Kör-
per, gleich als wolle er die verlorne Harmonie wieder her-
stellen, aber dieser wirke mittels seiner Krankheit zurück
anf die Geistes- und Gemüths- Organe, und setze sie in
desto grolsern Aufruhr durch erneuertes Uebertragen seiner
Leiden- auf sie.
257
§. 223.
Blofs diese durch die Seele snerst angesponne*
nen und untefhaltenen Gcmüths- Krankheiten lassen
sich, so lange sie noch nen sind und den
Körper*Znstand noch nicht allzusehr zer-
rüttet haben, dutch psychische Heilmittel, Zatran-
lichkeit , gütliches Zureden | Yemunftgründe , oft
aber dnrch eine woblverdeckte Täuschung, schnell
in "Wohlbefinden der Seele (und bei angemessener
Lebensordnung, auch scheinbar in. Wohlbefinden;
des Leibes) verwandeln.
§. 224.
Aber auch bei diesen liegt ein Psora -Miasma
lum Grnnde, was nnr seiner völligen Entwickelung
noch nicht ganz nahe war, und es ist der Sicherheit
gemäfs, damit der Genesene nicht wieder, wie nur
gar zu leicht, in eine ähnliche Geistes -Krankheit
verfalle, ihn einer gründlichen, antipsorischen Cur
zu unterwerfen.
§. 225.
Bei den durch Körper -Krankheit entstandenen
Geistes- und Gemüths -Krankheiten, welche einzig
dnrch anlipsorisch homöopathische Arznei, nächst
sorgfaltig angemessener Lebensordnung zu heilen
sind, mufs allerdings auch, als beihülfliche Seelen-
Diät, ein passendes, psychisches Verhalten von Sei-
ten der Angehörigen und des Arztes gegen den
Kranken sorgfaltig beobachtet werden. Dem wü-
thendcn Wahnsinn mufs man stille Unerschrocken-
heit und kaltblütigen, festen W^illen, — • dem pein-
R
258
lieh klagenden Jammer, Stammes Bcdanem in Mie-
noD' nnd Gebehrden« <— dem nnsinnigen Geschwätze,
nicht gan^ nnaafmerksamcs Stillschweigen, — einem
ekelhaften und ^gräuelvolien Benehmen nnd ähnli-
chem Gerede,, völlige Unaofmcrksamkeit entgegen-
8«tseäQ.r Den Yerwiistangen nnd Beschädigungen der
Aofscndinge benge man hlofs vor nnd verhüte sie,
ohne dem Kranken Vorwürfe darüber tu
machen, nnd richte alles so. ein, daCs dnrchans
alla ^körperlichen Ziicbtigangen nnd Peinigungen ')
wegfallen. Diefs geht nm desto leichter an, da
beim Arznei -Einnehmen — dem einzigen Falle, wo
noch Zwang als Ent&chnldignng gerechtfertigt wer-
den könnte * — in der homöopathischen Heilart die
kleinen Gaben hülfireicher Arznei dem Geschmacke
1) Man muCs über die Harlherzigkeit und Unbeson-
nenheit der Aerzte in mehren Krankenanstalten dieser Arf,
nicht blofs in England, sondern auch in Deutschland, er-
staunen, welche, ohne die wahre Heilart solcher Krankhet-
ten auf dem einzig hülfreichen, homöopathisch arzneili-
chen (autipsorischen) Wege zu suchen, sich begnügen,
diese bedauernswürdigsten aller Menschen durch die heftig-
sten Schlage und andre qualvolle Martern zu peinigen.
Sie erniedrigen sich durch diefs gewissenlose und empo-
rende Verfahren tief nnter den Stand der Zuchtmeister in
Strafanstalten, denn diese volifilfaren solche Züchtigungen
nur nach Pflicht ihres Amtes und an Verbrechern, jene aber
scheinen ihre Bosheit gegen die scheinbare Unheilbarkeit
der Geistes - und Gemüths - Krankheiten durch Harte an
den bedauernswürdigen, schuldlosen Leidenden selbst aosza-
lassen, da sie zur Hülfe zu unwissend und zu träge zur An-
nahme eines sweckmäfsigen Heilverfahrens sind.
259
nie anfiallen, also dem Kranken ganz nnbewafst In
seinem Getränke gegeben werden können, wo dann
aller Zwang nnnötbig wird.
§• 226.
Auf der andern Seite sind Widersprncb, ei-
frige Verständigungen, beflige Zurcchtweisnogen nnd
Scbmähungen, so wie scbwacbe, furchtsame Nach-
giebigkeit bei ihnen ganz am unrechten Orte, sind
gleicb schädliche Behandlungen ihres Geistes und
Gemüths, Am meisten werden sie jedoch durch
Hohn, Betrug und ihnen merkliche Täuschungen er-
bittert und in ihrer Krankheit verschlimmert. Immer
mnfs Arzt und Aufseher den Schein anneh-
men, als ob man ihnen Vernunft zutraue4^
Dagegen suche man alle Arten von Störungen
ihrer Sinne und ihres Gemüths von aufsen zu ent-*
fernen; es giebt keine Unterhaltungen filr ihren be-'
nebelten Geist, keine wohlthätigen Zerstreuungen,'
keine Belehrungen, keine Besänftigung durch Worte,
Bücher oder andre Gegenstände für ihre in den Fes-
seln des kranken Körpers schmachtende, oder em-
pörte Seele, keine Erquickong für sie, als die Hei-
Inng; erst von ihrem zum Bessern umgestimmten'
Körper- Befinden strahlet Buhe und Wohlbehagen
auf ihren Geist zurück« ^
4. 227.
Sind die für den besondern Fall der jediesmali*
gen Geistes- oder Gemüths -Krankheit ( — sie sind-
unglaublich verschieden — ) gewählten antipsorischen
Heilmittel dem treulich entworfenen Bilde des Krank-
B 2
260
heiU - Znstandes ganx hoinSopathisch angemessen,
welches, wenn nur der nach ihren reinen 'Wirknn*
gen gekannten Arzneien dieser Art genng snr WaU
vorhanden sind, aach desto leichter zn erreichen ist,
da der Gemüths- nnd Geistes -Zustand eines sol-
chen Kranken, als das Haaptsymptom, sich so un-
verkennbar deutlich an den Tag legt — , so sind oft
die kleinstmöglichen Gaben hinreichend, in nicht gar
langer Zeit die auffallendste Besserung hervorznbrin-
gen, was durch die gröüstcn, oftcm Gaben aller übri-
gen, unpassenden (allopathischen) Arzneien, bis zum
Tode gebraucht, nicht zu erreichen war. Ja, ich
kann ans vieler Erfahrung behaupten» dafs sich der
erhabne Vorzug der homöopathischen Heilknnst vor
allen denkbaren Cunncthoden nirgend in einem trinm-
pbirendem Lichte zeigt, als in alten GemUths- nnd
Geistes -Krankheiten, welche ursprünglich aus Kor-
per-Leiden, oder auch nur gleichzeitig mit ihnen,
entstanden waren.
§. 228.
Eine eigne Betrachtung verdienen noch die
Wechselkrankheiten, sowohl diejenigen, welche
in bestimmten Zeiten zurückkehren — wie die grofse
Zahl der Wechselfieber nnd die wechsclfieberartig
zurückkehrenden, ficberlos scheinenden Beschwerden
-— als auch diejenigen, worin gewisse Krankheits-
zustande in unbestimmten Zeiten mit Krankhcitszo-
ständen andrer. Art abwechseln«
§. 229.
Diese letztem, alternirendcn Kradcheiten
261
sind ebenfalls sehr vielfach ^)y gehören aber sämml-
lich unter die Zahl der chronischen Krankheiten^
meist ein Erzeagnifs blofs entwickelter Psora, nur
znweUen, wiewohl selten, mit einem syphilitischen
Miasm complicirt und werden daher im ersten Falle
1) Es koonen zwei- and dreierlei Zustande mit einan-
der abwechseln. £s können z. B. bei zwiefachen Wecbsel-
zuständen gewisse Schmerzen unabgesetzt in den Füfsen
u. 8. w. erscheinen , sobald eine Art Augen - Entzündung
sich legt, welche dann wieder empor kommt, sobald der
Gliederschmerz vor der Hand vergangen ist — es können
Zuckungen und Krämpfe mit irgend einem andern Leideü
des Körpers oder eines seiner Theile unmittelbar abwech-
seln — es können aber auch bei dreifachen Wechsel - Zu-*
standen in einer alltSgijgen Kränklichkeit schnell Perioden
von scheinbar erhöheter Gesundheit und einer gespannten
Erhöhung der Geistes- und Körperkräfte (eine übertriebne
Lustigkeit, eine allzu regsame Lebhaftigkeit des Körpers,
Ueberfiille von Wohlbehagen, übermäüsiger Appetit u. s. w.)
eintreten, worauf dann, eben so unerwartet, düstre, melan-
cholische Laune, unerträgliche, hypochondrische Gemüths-
Yerstimroung mit Störung mehrer Lebens - Yerrichtungci^
in Verdauung, Schlaf u. s. w. erscheint, die dann wiedeirum,
eben so plötzlich, dem gemäfsigten Uebelbefinden der ge-
wöhnlichen Zeiten Platz macht, und so mehre und mannig-
fache Wechselzustände. Oft ist keine Spur des vorigen Zu-
standes mehr zu merken, wann der neue eintritt. In andern
Fällen sind nur wenige Spuren des vorhergegangenen Wech-
sel -Zustandes mehr da, wann der neue eintritt; es bleibt
wenig von den Symptomen des ersten Zustandes bei der
Entstehung und Fortdauer des zweiten übrig. Zuweilen
sind die krankhaften Wechsel- Zustände ihrer Natur nach
einander völlig entgegengesetzt, wie z. B. Melancholie mit
lustigem Wahnsinn in Perioden abwechselnd.
262
mit antipsorischen Arzneien geheilt, im letztem aber,
mit antisyphililisclicn abwechselnd, wie im Bncbe
von den chronischen Krankheiten gelehrt wird.
§. 'iSO-
Die typischen Wechselkrankheiten sind
solche, wo anf eihe ziemlich bestimmte Zeit in ei-
nem scheinbaren Wohlbefinden ein sich gleichblei-
bender krankhafter Zastand zarückkchrt, und in
einer ebenfalls bestimmten Zeit wieder, scinea Ab-
tritt nimmt; man findet diefs sowohl in den anschei-
nend fieberlosen, aber typisch (za gewissen Zeiten)
kommenden nnd wieder vergehenden krankhaften Za-
ständen, als anch in den fieberhaften — den vielfäl-
tigen . Wechselfiebern.
§. 231.
Die gedachten, bei einem einzelnen Kranken zn
bestimmten Zeiten, typisch, wiederkehrenden, fieberios
scheinenden Krankheits-Zaständß ( — sporadisch oder
epidemisch pflegen sie nicht vorzukommen -r-) gehö-
ren jedesmal nntet die chronischen, meist rein psori-
sehen, nur selten mit Syphilis complicirt, nnd erhalten
mit Erfolg dieselbe Behandlong; zuweilen ist jedoch
der Zwischen -Gebranch einer sehr kleinen Gabe po-
tenzirter Chinarinde -Apflösnng erforderlich, nni ihren
wechselfieberartigen TypAS vollends ansznlöscben.
§* 232.
Was die sporadisch oder epidemisch herrschen-
den (nicht in Snmpf- Gegenden, endemisch haasen-
den) Wechselfieber *) anlangt, so treffen wir oft
1) Die bisherige Pathologre weiß nur von einem ein-
263
jeden Anfall (Paroxysm) gleichfalls aa$ .zwei si€h
entgegengesetzten Wcchselzaständcn (Kälte, Hitxe
zigen Wechselfieber, was ste aach das kaite Fieber
nennt, ond nimmt keine andere Verschiedenheit an, als nach
der Zeit, in welcher die Unfälle wiederkehren, das tagh'che,
dreitägige, viertägige u. s. w. Es giebt aber aufser den Ruck-
kehr-Zeiten der Wechselfieber, noch weit bedeutendere Ver-
schiedenheiten derselben; es giebt dieser Fieber unzählige,
deren viele nicht einmal kalte Fieber genannt werden
können, da ihre Anfälle in blofser Hitze bestehen; wieder
andre, welche blofs Kalte haben, mit oder ohne drauf fol«
genden Schweifs; wieder andre, welche Kälte über und
über, zugleich mit Hitzempfindung, haben, oder bei äufser-
lich fühlbarer Hitze, Frost; wieder andre, wo der eine
Paroxysm aus blofsem Schiittelfroste oder blofser Kälte, mit
drauf folgendem Wohlbefinden, der andre aber aus blofser
Hitze besteht, mit oder ohne drauf folgenden Schweifs;
-wieder andre, wo die Hitze zuerst kommt, und Frost erst
dann drauf folgt; wieder andre, wo nach Frost und Hitze
Apyrexie eintritt, und dann als zweiter Anfall, oft viele Slun-
den hernach, blofs Schweifs erfolgt; wieder andre, wo gar
kein Schweifs erfolgt, und wieder andre, wo der ganze An-
fall, ohne Frost oder Hitze, blofs aus Schweiüs besteht,
oder wo der Schweifs blofs während .der Hitze zugegen
ist; und so noch unglaubliche andre Verschiedenheiten, vor-
ziiglich in Rücksicht der Neben -Symptome, des besondern
Kopfwehs, des bösen Geschmacks, der Ucbelkeit, des Er-
brechens, des Durchlaufs, des fehlenden oder heftigen Dur-
stes, der Leib- oder der Gliederschmerzen besondrer Art,
des Schlafs, der Delirien, der Gemüths-Verstimmungen, der
Krämpfe u. s. w, vor, bei oder nach dem Froste, vor, bei
oder nach der Hitze, vor, bei oder nach dem Schweifse,
und so noch andre zahllose Abweichungen. Alle diese sind
offenbar sehr verschieden geartete Wechselfieber, deren je«
264
•— Hitce, Kälte), öfterer anch ans dreien (Kälte,
Hitze, Schweifs) zosammengesetzt an. DeCslialb
mals anch das für diese ans der allgemeinen Classe
geprüfter (nicht antipsorischer) Arzneien gewählte
Heilmittel entweder (was das sicherste ist) ebenfalls
heidc (oder alle drei) Wecfaselzastände in Aehnlich-
kcit in gesunden Körpern erregen können, oder doch
dem. stärksten nnd ausgezeichnetsten nnd sonderlich-
sten Wechselznstande (entweder dem Znstande des
Frostes mit seinen Nebensymptomen, oder dem der
Hitze mit ihren Neben -Symptomen, oder dem des
Schweifses mit seinen Nebenbeschwerden, je nach-
dem der eine oder der andre VVecbselznstand der
stärkste nnd sonderlichste ist) homöopathisch, an
Symptomen «Aehnlichkeit, möglichst entsprechen; —
dann mag die Arznei immerhin dem zweiten (schwa-
chem) nnr antipathisch (palliativ) angemessen seyn;
das Fieber verwandelt sich dennoch in Gesundheit,
nnd gemeiniglich, wenn es nicht alt ist, nach der
ersten Gabe« Anch hier darf das Heilmittel vor
Yerflafs seiner Wirkungsdauer und so lange sich
des, ganz natürlich, seine eigne (homöopathische) Behand-
lung verlangt. Unterdrückt-, das mufs man gestehen, kön-
nen sie zwar fast alle werden (wie so oft geschieht) durch
grofse, ungeheure Gaben Rinde, das ist, ihr periodisches
Wiederkehren (ihr Typus) wird von ihr ausgelöscht, aber
die Kranken, welche an solchen, nicht ftir Chinarinde ge-
eigneten Wechselfiebern gelitten hatten, werden durch den
so ausgelöschten Typus nicht gesund, nein! sie bleiben nnn
andersartig krank und kränker, oft weit kränker, als vorher,
und das sollte man Heilen nennen wollen?
265
noch Besserang von ihm xeigt^ nicht in einer zwei-
ten Gabe gereicht werden; hat sie aber ausgewirkt,
so sehe man zu, ob der Rest des Fiebers, wenn
nocb einer vorhanden ist, nicht so geändert erscheint
(wie anch gemeiniglich geschieht), dafs die erste Arz-
nei nicht wieder, sondern eine andre, für den nnn
geänderten Zustand ( Symptomen -InbegrilF) homöo-
pathisch passendere Arznei gegeben werden mässe,
die dann gewöhnlich das Heilangswerk vollendet.
§. 233.
Die Arzncigabe in diesem Falle wird am zwcck-
mäfsigsten nnd hilfreichsten gleich, oder doch sehr
bald nach Beendigung des Anfalls gegeben; da hat
sie Zeit, alle ihr möglichen Veränderungen des Or-
ganisms zur Gesundheit zu bewirken, ohne Sturm
nnd ohne heftigen Angriff; während die YV^irkung
einer gleich vor dem Paroxysm gereichten, auch noch
so spccifisch angemessenen Arznei mit der natürli-
chen Krankheits-Ernenerung zusammentrifft, nnd eine
solche Gegenwirkung im Organism, einen so hefti-
gen Widerstreit veranlafst, dafs. ein solcher Angriff
wenigstens viel Kräfte raubt, wo nicht gar das Le*
hen in Gefahr setzt ^). Giebt man aber die Arznei
gleich nach Beendigung des Anfalls, das ist, zu der
Zeit, wo die fieberfreieste Zwischenzeit eingetreten
ist, und ehe, auch nur von weitem, der künftige
1) Biefs sieht man an den nicbt ganz seltnen Todes-
fällen, wo eine mäfsige Gabe Mohnsaft, im Fieber -Froste
eingegeben, schnell das Leben raubte.
266
Paroxysm sich wieder vorbereitet, so ist der Orga-
nisin in möglichst gnter Yerfassan^, von dem Heilmit-
tel sich' rohig verändern nnd so in den Gcsandhcits-
sDstand versetzen zn lassen.
§. 234.
Ist aber die fieberfreie Zeit sehr karz, wie in
einigen sehr schlimmen Fiebern, oder mit Nachwe-
hen des vorigen Paroxysms verunreinigt, so mofs
die homöopathische Arzneigabe schon zn der Zeit,
wann der Schweifs sich zn mindern, oder die nach-
gängigen andern Zufalle des verfliefsenden Anfalls
sich zn mildern anfangen, gereicht werden«
§• 235.
Blofs wenn die angemessene Arznei mit Einer
Gabe mehr Anfälle getilgt hat nnd offenbare Gesund-
heit eingetreten ist, dann aber nach einiger Zeit wie-
dernm Spnren eines neuen Anfalls sich zeigen, blofs
dann kann nnd mnfs, wenn der Symptomen -Inbe-
griff* npcb derselbe ist, anch dieselbe Arznei wieder
gegeben werden. Diese 'Wiederkunft desselben Fie-
bers nach einer gesunden Zwischenzeit ist aber nar
dann möglich, wenn die Schädlichkeit, die das Wech-
selfieber zuerst erregte, noch immer wieder auf den
Genesenden einwirkte (wie in Sumpf- Gegenden), ia
welchem Falle eine dauerhafte Wiederherstellung oft
nur durch Entfernung dieser Erregungsursache (wie
durch Aufenthalt in einer bergigen Gegend, wenn
es ein Snmpfwechselfieber war) möglich ist.
§• 236.
Da fast jede Arznei in ihrer reinen Wirkung
26?
ein eignes, besonderes Fieber und selbst eine Art
Wcchselfieber mit seinen "VYechseknständen erregt,
was von allen den Fiebern, die von andern Arzneien
hervorgebracht werden, abweicht, so findet man für
die zahlreichen natürlichen Wechselfieber bomöo-
pathisdie Hülfe in dem grofsen Reiche der Arzneien
und schon, für viele solche Fieber, in der mä&igen
Zahl der bis ' jetst an gesunden Körpern geprüften
Arzneien.
'4. 237.
Wenn aber das, für die damals herrschende
Epidemie von W^echselfieber gefundene, bomöopa-
thiscb spccifische Heilmittel bei dem einen oder dem
andern Kranken keine voUkommne Heilang bewirkt,
da ist stets, wenn nicht Sumpfgegend die Heilang
verhindert, das psorische IVliasm im Hinterhalte, nnd
CS müssen dann antipsorische Arzneien bis zar völ«
gen Hülfe angewendet werden.
§. 238.
Bei denjenigen, oft sehr bösartigen Wechsel«
fiebern, die, aufser den Sumpfgegenden, eine ein^
zelne Person befallen, mufs zwar anfangs eben*
falls, wie bei den acuten Krankheiten überhaupt,
denen sie in Rücksicht ihres psorischen Ursprungs
ähneln, zuerst ein aus der Classe der übrigen, ge-
prüften (nicht antipsorischen ) Arzneien, homöopa-
thisch für den speciellen Fall gewähltes Heilmittel,
einige Tage über, angewendet werden zur möglich-
sten Hülfe; wenn aber hiebei die Genesung dennoch
zögert, so mufs man wissen > dafs man es mit der
268 ^
ihrer Entwickelong nahen Psora so thnn habe und
dafs hier blofs antipsorische Arsnci gründliche Hülfe
schaffen kann.
§* 239.
Die in Sampf- Gegenden nnd denen, die den
Ueberschwemninngen x>ft ansgesetst sind, eiDfaeimi-
schen Wechselfieber machen der bisherigen Ant-
welt viel zn schaffen, nnd doch kann anch an Sumpf-
Gegenden ein gesunder Mensch in jungen Jahren
sich gewöhnen und gesund bleiben, wenn er eine
fehlerfreie Lebensordnung fährt und nicht von Man-
gel, Strapazen oder zerstörenden Leidenschaften nie-
dergedrückt wird« Die da endemischen \yechscl-
fieber werden ihn höchstens nur als Ankömmling
ergreifen; aber eine oder zwei der kleinsten Gaben
hoch potenzirtcr Chinarinden -Auflösung werden ihn
bei einer, wie gesagt, geordneten Lebensweise bald
davon befreien. Personen aber, die bei gehöriger
Leibes -Bewegung und gesunder Geistes- und Kör-
per-Diät vom Sompf^ Wechsclfieber nicht durch ein
Paar solcher kleinen Gaben China -Arznei befreiet
werden können — bei diesen liegt stets eine %ur
Entwickelang aufstrebende Psora zum Grande, und
ihr Wechsclfieber kann in der Snmpf- Gegend ohne
antipsorische Behandlung nicht geheilt werden ^).
1) Gröbere, oft wiederholte Gaben Chinarinde, auch
wohl concentrirte China -Mittel, wie das Chininum sulphu-
ricum^ können solche Kranken allerdings von den typbchen
AnfSlIen des Sumpf- Wechselfiebers befreien; die so Getausch-
ten bleiben aber anderiartig siech, ohne antipsorische Hülfe.
269
Znweilen. erfolgt bei diesen Kranken, wenn sie ohne
Verzag diö Sumpf ^ Gegend mit einer trocknen, ber-
gigen vertanscfaen , anscheinend wieder Genesung
(das Fieber verläfst sie), v^cnn sie noch nicht tief
in Krankheit versonkcn sind, d. i wenn die Psora
noch nicht viilKg hei ihnen; entwickelt, waj? nnd da*
her wieder in ihren latenten Zustand sui^ckkehren
konnte; aber gesund werden sie ohne antipsorische
Hülfe doch nie.
f 240.
Nachdem wir nun gesehen haben, welche. Rück-
sicht man bei der homöopathischen Heilung auf die
Hauptverschiedenheiten der Krankheiten und auf die
besondern Umstände in denselben zu nehmen. hat, so
gehen wir nun zu dem iibcr, was von den Heil-
mitteln und ihrer Gebrauchsart, so wie von
der dabei zu beobachtenden Lebensord«
nnng zn sagen ist« Jede merklich fortgehende und
immer, obschon nur um Weniges, zunehmende Bes-
serung in einer schnellen (acuten) oder anhaltenden
(chronischen) Krankheit ist ein Zustand, der, so
lange er anhält, jede fernere Wiederholung irgend
eines Ärzneigebrauchs dnrchgäugig ausschliefst, weil
alles Gute, was die genommene Arznei auszurichten
fortfahrt, noch nicht vollendet ist. Jede neue Gabe
irgend einer Arznei, selbst der zuletiet gegebnen, bis-
her heilsam sich erwiesenen, würde das Besserungs-
werk stören.
§. 241.
Diese Erinnerang ist nm so wichtiger nnd no-
270
(biger, da' wir von keiner Arcn^i, aock in groGscr
Gabe eingenofüBien, £e genauen Gränzen ihrer
"WirkangsdaDer^ nickt einmal im gesunden Korper,
mit GeWifskeit bestimmen können, nnmöglicb aber
von den so kleinen Gaben za homöopatbiscfaem Ge-
brauche in 'SO verscbiednen Krankheiten ^) and bei
Kranken vOft ^o sehr verschiedner Körperanlage.
§. 242.
So lange also die fortschreitende Besserung anf
eine zuletzt gereichte Arzneigabe dauert, so lange
ist auch anzunehmen, dafs, wenigstens in diesem
Falle, die Wirkongs - Daner der helfenden Arznei
noch anhält, und daher* jede Wiederholung irgend
einer Arzneigabe verbietet.
§. 243.
Hiefzn kommt, dafs, wenn das Mittel angemes-
sen homöopathisch wirkte, der gebesserte Zustand
auch noch nach Vcrflufs der Wirkungsaauer merk-
lich bleibt. Das gute Werk wird nicht gleich nn-
terbrochen, wenn auch mehre Stunden — ja, bei
chronischen Krankheiten, mehre Tage — nach Yer-
flufs der YV^irkungsdauei* der vorigen Arznei noch
keine ziireite Gabe Arznei gereicht wird« Der schon
1) Von den acutesten an bis zu den langwierigsten —•
indem, wie schon ol^en erinnert, die Wirkungs-Dauer einer
homöopathischen Arzneigabe sich nach der Wirkungs-Dauer
der jedesmab'gen Krankheit richtet und daher bei den acu-
testen in wenigen Stünden auswirkt, während ebendasselbe
mehre Wochen braucht, um In den langwierigsten Krank-
heiten ihre Wirkung zu vollenden.
271
vernichtete Theil der Krankheit kann sict m4eC|
nicht wieder erneuern, und die Besjsernng würde
auch ohne nene Arzneigabe immer noch eine be-
trächtliche Zeit aoffallend sichtbar bleiben.
§. 244.
Wenn die fortgehende Besserung von der er-
sten Gabe der homöopathisch angemessenen, Arznei
sich nicht in Gesundheit anflösen will (wie ,docK
bei acuten Uebeln nicht selten), so wird ein Zeitr
ponkt des Bessernngs - Stillstandes — gewöhnlich
zugleich der Gränzpunkt der YV^irknngsdaaer der
vorher gegebnen Arzneigabe — eintreten, vor dessen
ErscheinoDg es nicht nur ohne absehbaren Nntzen
und ohne vernünftigen Grund, sondern sogar. zweck-
widrig und schädlich seyn würde, eine abermalige
Gabe Arznei zu reichen.
§. 24$.
Selbst auch eine Gabe .derselben, sich bis da*
hin so hülfreich bewiesenen Arznei wird^ eher wie-
derholt, als die Besserung in allen Punk-
ten still zu stehen anfing — als Angriff zur
Unzeit — den Znstand blofs verschlimmem können;
denn schon die erste Gabe der bestgewählten Arz-
nei wird nach Yerflufs ihrer, der Beschaffenheit der
Krankheit angemessenen Wirkungsdauer schon alles
das Gute, schon alle die gewünschten Veränderungen
ausgeführt haben, als diese Arznei überhaupt für jetzt
vermochte — den für jetzt durch sie erreichbaren Grad
von Gesundheit — , und eine nun. abermals gereichte
Gabe derselben wird diesen guten Zustand ändern, also
272
verscUimmem müssen, darcfa Heirorbringang ihrer
übrigen nnhomoopathischen Symptome, das ist, eine
nnhomöopathische Anneikrankfaeit erschaffen mit dem
Reste der Krankheits- Symptome gemischt, also eine
Art verwickelter und vermehrter Krankheit« Man
stSrt, mit einem "Worte, die von der ersten Gabe
erzeugte nnd noch sn erwartende Besserung, wenn
die zweite Gabe desselben, auch ursprünglich woU-
gewählten Heilmittels noch vor Yerflafs der Wir-
knngsdaner der erstem gereicht wird, nnd verspätigt
wenigstens biednrch die Genesung ^).
§. 246.
Wenn die bis dahin nur vorwärts gegangene
nnd nicht zur vollen Heilang gediehene Bessernng
nun Stillstand nimmt, wird man auch bei genaner
Untersuchung des Restes von der bis auf die ge-
genwärtige Zeit gebesserten Krankheit eine, obschon
kleine, doch dergestalt veränderte Sjmptomen-Grnppe
antreffen, dafs eine neue Gabe der bisher gewirkt
habenden Arznei jetzt durchaus nicht mehr homöo-
pathisch passen kann, sondern jedesmal eine andre,
diesem Reste von Zufällen angemessenere.
§. 247.
Hat daher die 'erste Gäbe des möglichst gut ge-
wählten Arzneimittels die völlige Herstellung der Ge-
sundheit innerhalb ihrer Wirkungsdauer nicht voll-
enden können — wie sie's doch in den meisten Fäl-
len
1) Auf die Vermeidung dieses Fehlers der Uebereilung
kann man nicht aufmerksam genug seyn.
273
Icn schnell entstandner, neuer Uebel kann — , so
bleibt fttr den dann noch rückständigen, obgleich
viel gebesserten Krankheits «Znstand offenbar nichts
Besseres za thnn übrig/ als eine Gabe eines andern,
für den jetzigen Rest von Symptomen möglichst ho-
möopathisch pausenden Arzneimittels zu reichen«
§. 248.
Nor wenn vor Ablauf der Wirkungsdauer einer
Arzneigabe der Zustand einer dringenden Krankheit
sich im Ganzen um nichts gebessert, vielmehr sich
— auch nur um etwas — durch neue Symptome
verschlimmert hat, die Arznei folglich nicht nach ih^
ren eigenthümlichen Wirkungen homöopathisch für
den Fall gewählt worden war, mufs, auch noch vor
Verlauf der W^irkungsdauer der zuletzt gegebnen
Arznei, eine Gabe der für den nunmehrigen Krank-
heits 7 Befund genauer passenden Arznei gereicht
werden *)•
1) Da nach allen Erfahrungen fast keine Gabe einer
specifisch passenden, homöopatbiscben Arznei bereitet wer-
den kann, welche zur Hervorbringung einer deutlichen Bes-
serung in der angemessenen Krankheit zu klein wäre ( §. 155.
277.), 80 würde man zweckwidrig und schädlich bandeln,
wenn man, wie von der bisherigen Arzneikunst geschieht,
bei Nicht -Besserung oder einiger, obschon nur kleiner Ver-
schlimmerung, dieselbe Arznei, in dem Wahne, dafs sie ihrer
geringen Menge (ihrer allzu kleinen Gabe) wegen nicht
habe dienlich seyn können, dieselbe Arznei wiederholen,
oder sie wohl gar an Gabe noch verstärken wollte. Jede
Verschlimmerung durch neue Symptome — wenn
in der Geistes- und Körper -Diät nichts Böses vorgefallen
S
274
4- 249.
Um so mehr, wenn dem sdiarfsichtigen, genau
iiacb dem Krankbeitsenstande forscbenden Heilkünst^
1er sich m dringenden Fällen schon nach Yerflnls
von 69 8, 12 Standen offenbarte, dafs er bei der
raletEt gegebnen Arznei eine Mifswahl gethan, in-
dem der Zustand des Kranken, nnter Entstehung
neaer Symptome und Beschwerden, sich dentlicfa von
Stande sn Slonde, obscbon nnr immer nm etwas,
verscbKmmert, ist es ihm nicht nur erlaubt, sondern
Pflicht gebent es ihm, den begangenen Mifsgriff durch
"W^abl und Reichang eines nicht blofs erträglich
passenden, sondern dem gegenwärtigen Krankheits-
Znstande möglichst angemessenen homöopathischen
Heiknittels wieder gut vat machen (§. 1610-
§. 250.
Selbst in chronischen Krankheiten ist es höchst
selten oder nie der Fall, dafs, znmal Anfangs/ nichts
Besseres zn than wäre, als zweimal hinter einander
dasselbe Arzneimittel — obgleich erst nach Verflnfs
der 'Wirknngsdauer der zuvor gereichten Gabe —
zu verordnen, da, auch im Fall sie wohlgethan hat,
die von ihr entstandene Besserung einige Zeit fort-
währen mufs, und gewöhnlich keine Anzeige zor
Wiederholung derselben Arznei vorhanden ist, weil,
was durch die erste Gabe nicht gebessert werden
ist -— beweiset stets nur Unangemessenheit der
vorigen Arznei in diesem Krankheitsfalle, deutet aber
nie auf Schwäche der Gabe.
275
konnte, dorcb eine «weite, obschon gl^ch grolse odee
grSfsere Gabe, ebenfaDs nicht m heilen ial ^)«
§• 251.
Der acnftnerksanie Beobachter merkt den (nr did
Gabe einer folgenden Arznei bestiihimten Zeitpankt
an dem leisen Erscheinen einiger Sporen des ei-
nen oder des andern* Ursymptoms- detr ebemaUgea
Krankheit
§• 252. i
Fände man aber, dafs in der chronischen (pso^
rischen) Krankheit die bestens homöopathisch ge-
wählte (antipsorische) Ar-znei, in der angemessenen
(kleinsten) Gabe, die Besscrang nicht befördert, so
ist diefs ein gewisses Zeichen, dafs die die Krank-
heit nnterhaltende Ursache noch fortwahrt, and daffi
sich in der Lebensordnnng des Kranken oder in sei-
nen Umgebungen ein Umstand befindet, welcher ab-
geschafft werden mnfs, wenn die Heilang daaerhaft
za Stande kommen soll.
§. 253.
Unter den Zeichen, die in allen, vorzUglich in
den schnell entstandnen (acaten) Krankheiten, einen
l) Blofs die wenigen Arzneien, deren Veranderungs-
kraft des Befindens gesunder Menschen gröfstentheils aus
Wechselwirkuirgen besteht (wie Ignazsamen, auch wohl
Zaanrebe und Wurzelsumach, zum Theii auch Belladonne),
machen eine Ausnahme; sie können in gewissen Fällen (m.
s. das Vorwort zu Ignazsamen in der reinen Arzneimittel-
lehre II, zweite Auflage) unmittelbar in zweiter Gabe ge-
geben werden. ♦
S 2
276
kleinen, nicht jedennann sichtbaren Anfang ron Bes-
sernng öder YerschUmdiernng lehren, ist der Zustand
des Gemüths nnd des ganzen Benehmens des Kran-
ken das sicherste nnd einlenchtendste. Im Falle des
anch noch so kleinen An£aings von Besserang: eine
grofsere BehagUchkeit, eine snnehmende Selbstgclas-
senbeit nnd Freiheit des Geistes, crhöheter Math -—
eine Art wiederkehrender Natürlichkeit. Im Falle
des anch noch so kleinen Anfangs von Yerschlim-
mernkig hingegen, das Gegentheil hievon: ein befan-
gener, nnbehülflicher, mehr Mitleid anf sich sieben-
der Znstand des Gemüthes, des Geistes« des ganzen
Benehmens nnd aller Stellnngen, Lagen nnd Yer-
richtnngen, was bei genauer Anfmerksamkeit sich
leicht sehen oder zeigen, nicht ab^ in einzelnen
Worten beschreiben läfst ')•
1 ) Die Besserungszeichen am Gemüthe und Geiste las-
sen sich aber nur dann bald nach dem Einnehmen der Arznei
erwarten, wenn die Gabe gehörig (d. i. möglichst) klein
war; eine ^nnöthig grofsere, selbst der homöopathisch pas-
sendsten Arznei, wirkt zu heftig und stört Geist und Gemuth
anfanglich allzu sehr und allzu anhaltend, als da£s man die
Besserung an ihnen bald gewahr werden könnte. Hier be-
merke ich, dafs gegen diese so nöthige Regel am meisten
von den aus der alten Schule zur homöopathischen Heilkiuut
übergehenden Aerzten gesündigt wird. Sie scheuen aus Yor-
urtheilen die kleinsten Gaben der tiefsten Verdünnungen der
Arzneien in solchen Fällen und müssen so die grofsen Vor-
züge und Segnungen jenes in tausend Erfahrungen am heil-
samsten erfundenen Verfahrens entbehren, können nicht lei-
sten, was die achte Homöopathik vermag, und geben sich
daher mit Unrecht fiir ihre Schüler aus.
277
4. 254.
Die {übrigen tbeils nenen, theils erhSheten Za*
falld, oder im Gegentheile die Yennindernng der nr**
sprünglichen Symptome, ohne Zasatz von neuen,
werden dem scharf beobachtenden nqd forschenden
Heilkünstler an der Yerschlimmerang oder Besse-
rung vollends bald keinen Zweifel mehr übrig las^
sen ; obgleich es Personen nnter den Kranken giebt^
welche theils die Besserang, theils die Yerschlim-
merang überhaupt entweder selbst anzugeben unfä-
hig, oder sie eu gestehen nicht geartet sind.
§. 255.
Dennoch wird man auch bei diesen xur Uehcr-
Zeugung hierüber gelangen , wenn man jedes im
Krankheitsbilde aufgezeichnete Symptom einzeln mit
ihnen durchgeht, und sie aufser diesen keine neuen,
vorher ungewöhnlichen Beschwerden klagen können,
die alten Zufalle auch sich nicht bedeutend ver*
schlimmert haben. Dann mufs, bei schon beobach-
teter Besserung des Gemüthes und Geistes, die Arz-
nei auch durchaus wesentliche Minderung der Krank-
heit hervorgebracht haben, oder, wenn jetzt noch die
Zeit dazu zu kurz gewesen wäre, bald hervorbringen.
Zögert nun, im Falle der Angemessenheit des Heil-
mittels, die sichtbare Besserung doch zu lange, so
Hegt es an der allzu lang dauernden homöopathi-
sehen Yerschlimitierung (§• 151«)9 ^^^ ^^^ Arznei
erzeugte, folglich daran, dals die Gabe nicht klein
genug war.
278
4. 25ft
. Auf der > andern Seite, wend der Kjranke diese
oder jene neh entstandenen Zufalle nnd Symptome
von Erheblichkeit erzählt « — Merkmale der nicht ho-
möopathisch passend gewäblten Arznei — so mag
er noch so gi»tmüthig versichern: er befinde sich in
der Besserung,, so hat üian ihm in dieser Versiche-
rung dennoch nicht zu glauben, sondern seinen Za-
atand als verschlimmert anzusehen, wie es denn eben-
falls der Augenschein bald offenbar lehren wird.
§• 257.
Der ächte Heilkünstlcr wird es zu vermeiden
wissen, sich Arzneien vorzugsweise zu Lieblingsmit-
teln zu machen, deren Gebrauch er, zufalliger Weise,
vielleicht öfterer angemessen gefunden und mit gu-
tem Erfolge anzuwenden Gelegenheit gehabt hatte.
Dabei werden seltner angewendete, welche homöo-
pathisch passender, folglicli hiilfireicher wären, oft
hintangesetzt«
§. 258.
Eben so wird der ächte Heilkttnstler anch die
wegen unrichtiger AYahl (also aus eigner Schuld)
hie nnd da mit Nachtheil angewendeten Arzneien
nicht aus mifstrauischer Schwäche beim Heilgeschäfte
hintansetzen, oder aus andern (unächten) Gründen,
als weil sie für den Krankheitsfall unhomöopathisch
waren, vermeiden, eingedenk der Wahrheit, dafs stets
blofs diejenige unter den arzneUichen Krankheitspo-
tenzen Achtung und Vorzug verdient, welche, in dem
jedesmaligen Krankheitsfälle, der Gesammtheit der
279
charakteristischen Symptome am trefFendsten in Aehn-
lichkeit entspricht» nnd dafs keine kleinlich« Leiden-
schaften sich in diese emsit Wahl mischen dürfeii..
§. 259.
Bei dtr so nothigen aU i«eckmä£iigen Kleist-
heit der Gaben im hoindopathischen Verfahren ist es
leicht begreiOicfa) da£si^ia 4er Cor alles Uebrige av^
der Diät nnd Lehensordnnng entfernt werden.
müssey was nur irgend arzneilich wirken könnte, da-
mit die feine Gabe nicht durch fremdartig arzneili-
chen Rei« überstiauBt nnd verlöscht, oder doch ge-
stört werde ^).
§. 260.
Für chronische Kranke ist daher die sorgfältige
Aafsnchnng sokher Hindernisse der Heilang um so
nöthiger, da ihre Krankheit gewöhnlich durch der-
gleichen Schädlichkeiten und andre krankhaft wir-
kende, oft unerkannte Fehler in der Lebensordnung
verschlimmert zu werden pflegt ^).
1 ) Die sanftesten Flötentöne, die aus der Ferne in stil-
ler Mitternacht ein weiches Herz zu überirdischen Gefühlen
erheben und in religiöse Begeisterung verschmelzen würden,
werden unhörbar und vergeblich unter fremdartigem Ge-
schrei und Ge0se.
2) Kaffee; feiner chinesischer nnd andrer Kräuterthee;
Biere mit arzneilichen, fiir den Zustand des Kranken unange-
messenen Gewächssubstanzen angemacht; sogenannte feine,
mit arzveilicben Gewürzen bereitete Liqueure ; gewürzte
Schokolade; Biechwasser und Parfdmerieen mancher Art;
aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zabnspiri-
tus, Ruchkilschen; hochge würzte Speisen und Saucen; ge-
280
4. 261.
Die beim Arzneigebranche in chronischen Krank-
heiten Bweckmäfsigste Lebensordnnng beruht auf Ent-
fernung solcher Gencsangs-Hindernisse nnd dem Zu-
sätze des hie nnd da nöihigen Gegcntheils: Anfbei-
ternng des Geistes, active Bewegung iu freier Luft
(Spazierengehen, kleine Arbeiten mit den Armen),
angemessene, nahrhafte, nnarzneiliche Speisen und
Getränke u. s. w.
§• 262.
In hitzigen Krankheiten hingegen — aufser bei
Geistesverwirrung — entscheidet der feine, nntrSg-
liche, innere Sinn des hier erwachten Lebens -Erhal-
-wurztes Backwerk und Gefrornes; rohe, arzneiliche Kräuter
auf Suppen; Gemülse aus Kräutern und Wurzeln, welche
Arzneikraft besitzen; alter Käse und Thierspeisen, welche
faulicht sind, oder (wie Fleisch und Fett von Schweinen,
Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure
Speisen) arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so
sehr Yon Kranken dieser Art zu entfernen, als jedes Ueber-
ntafs der Genüsse, selbst des Zuckers und Kochsalzes, so
wie geistige Getränke, Stubenhitze, sitzende Lebensart in
eingesperrter Stuben -Luft, oder öftere negative Bewegung
(durch Reiten, Fahren, Schaukeln), Kind -Säugen, langer
Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Nachtleben, Unrein-
lichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen
schlüpfriger Schriften, Gegenstände des Zornes, des Grames,
des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, Anstrengung des
Geistes und Körpers, sumpfige Wohngegend, dumpfige Zim-
mer, karges Darben u. s. w. Alle diese Dinge müssen mög-
lichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung
nicht gehindert oder unmöglich gemacht werden soll.
281
tnngs- Triebes so ^entlieh und bestimint, dafs der
Arzt die Angehörigen nnd die Krankenwärter blofs
zu bedeuten braucht, dieser Stimme der Natar kein
Hindernifs in den Weg zu legen durch Yersagung
dessen, was der Kranke sehr dringend an Genüssen
fordert, oder durch schädliche Anerbietnngen und
Ucberredungen.
§. 263.
Zwar geht das Verlangen des acut Kranken an
Genüssen und Getränken gröfstenthciU auf palliative
Erleichternngsdinge ; sie sind aber nicht eigentlich
arzneilicher Art und blofs einer Art Bedürfnifs an-
gemessen« Die geringen Hindernisse, welche diese,
in mäfsigen Schranken gehaltene Befriedi-
gang etwa der gründlichen Entfernung der Krankheit
in den Weg legen könnte , werden von der Kraft
der homöopathisch passenden Arznei und der darch
sie entfesselten Lebenskraft, so wie durch die vom
sehnlich Verlangten erfolgte Erquicknng, reichlich wie-
der gut gemacht und überwogen. Eben so mufs auch
in acuten Krankheiten die Temperatur des Zimmers
nnd die Wärme oder Kühle der Bedeckungen ganz
nach dem Wunsche des Kranken eingerichtet wer-
den. Alle geistige Anstrengungen, so wie alle Ge-
müths -Erschütterungen desselben sind von ihm ent-
fernt zu halten.
§. 264.
Der wahre Heilkünstler mufs die voll kräftig-
sten, ächtesten Arzneien in seiner Hand ha-
ben, wenn er sich auf ihre ' Heilkraft will verlassen
282
kSuncin^ ^r mvSs iie selbst nach ihrer Aecbtheit
kenneq.
§. 265.
Es ist GewisseBssacke für iha, in «jedem Falle
untröglkk überseugt zu sejn, dafs der Kranke je-
derzeit die rechte Arznei einnimmt»
§. 266.
Die Substanzen des Thier- und Pflanzen -Rei-
ches $ind in ihrem rohen Zustande am atznei-
liebsten ^).
1) Alle rohe Thier- und Pflaozensubstanzen haben mehr
oder weiliger Arzneikräfte und können das Befinden der
Menschen ändern, jedes auf seine eigne Art. Diejenigen
Pflanzen und Thiere, deren die aufgeklärtesten Völker sich
zur Speise bedienen, haben vor den übrigen den Vorzug
eines gröfsern Gehaltes an Nahrungstheilen, und weichen
auch darin von den übrigen ab, dafs die Arzneikräfte ihres
rohen Zustandes theils an sich nicht sehr heftig sind, theili
"vermindert werden durch die Zubereitung in der Küche
und Haushaltung, durch Auspressen des schädlichen Saftes
(wie die Cassave- Wurzel in Süd -Amerika'), durch Gähren
(des Rocken- Mehb im Teige zur Brodbereitung — Sauer-
kraut, saure Gurken), durch Rauchern und durch die Ge^
walt der Hitze (beim Kochen, Schmoren, Rösten, Braten,
Backen), wodurch die Arznekheile maocher solcher Sub-
stanzen zum Theil zerstört und verflüchtigt werden. Durch
Zusatz des Kochsalzes (Einpökeln) und Essigs (Saucen, Sa-
late) verlieren wohl die Thier- und Gewächs- Substanzen
viel von ihrer arzneilichen Schädlichkeit, erhalten aber wie-
der andre Nachtheile von diesen Zusätzen.
• Doch auch die arzneikraftig^en Pflanzen verlieren ihre
Arzneikr^ft zum Theil oder auch gänzlich durch solche Be-
283
§. 267.
Der Kräfte der einheimischen und firisch ca be-
*
kommenden Pflanzen bemächtigt man sich am voll-
ständigsten nnd gewissesten, wenn ihr gans insch
ausgepreister Saft sogleich mit gleichen Theilen
schwammzändendem W^eingeist wohl gemischt wird.
Von dem nach Tag nnd Nacht in verstopften Glä-
sern abgesetzten Faser- nnd Eiweifsstoffe wird dann
das Helle abgegossen zum Verwahren für den arz-
neilichen Gebrauch ^}. Von dem zngemischten
handlangen. Durch völliges Trocknen verlieren alle Wur-
zeln der Iris-Arten, des Märrettigs, der Aron-Arten und der
Päonien (ast alle ihre Arzneikraft. Der Saft der heftigsten
Pflanzen wird durch die Hitze der gewöhnlichen Extract-
Bereitung oft zur ganz unkräftigen, pechartigen Masse.
Schon durch langes Stehen wird der ausgepreiste Saft der
an sich tödtlichsten PEanzen ganz kraftlos; er geht von
selbst bei milder Luftwänne schnell in Weingährung (und
bat schon dann viel At'zneikraft verloren) und unmittelbar
darauf in Essig- und FauUGährung über, und wird so al-
ler eigenthümlichen Arzneikräfte beraubt; das sich zu Bo-
den gesetzte Satzmehl ist dann völlig unschädlich, wie an-
deres Stärkemehl. Selbst beim Schwitzen einer Menge
über einander liegender, grüner Kräuter geht der gröfste
Theil ihi:er Arzneijcräfte verloren.
1) Buchholz (Taschenb. f. Scheidek, u. Apoth. a. d.
J. 1815. Weimar, Abth. I. vi.) versichert seine Leser (und
sein Recensent in der Leipziger Literaturzeitung 1816. N. 82.
widerspricht nicht): diese vorzügliche Arzneibereitung habe
man dem Feldzuge in RuÜsland zu danken, von woher sie
(1812) nach Deutschland gekommen sey. Dafs diese Ent-
deckung und diese Vorschrift, die er mit meinen eignen
284
Weingeiste wird alle GähroDg des Pflanzensaftes
angenblicklich gehemmt und anch fiir die Folge un-
möglich gemacht, nnd die ganze Arzneikraft des
Pflanzensaftes erhält sich so (vollständig nnd unver-
dorben) auf immer« in wohl verstopften Gläsern
Tor dem Sonnenlichte verwahrt ^).
Worten aot der ersten Ausgabe des Organon's der rat
Heilkunde §. 230. und AnmerL anfahrt, von mir herrübre,
und da£s ich sie in diesem Buche scbon zwei Jahre vor dem
Tussiscben Feldzuge (1810 erschien das Organon) zuerst
der Welt mittbeilte, das verscbweigt er, nach der edelo
Sitte der Deutschen, gegen das Verdienst ihrer Landslente
ungerecht zu seyn. Aus Asiens Wildnissen her erdichtet
man h'eber den Ursprung einer Erfindung, deren Ehre einem
Deutschen gebührt. Welche Zeiten! Welche Sitten!
Man hat wohl ehedem auch zuweilen Weingeist za
Pflanzensäften gemischt, z. B. um sie zur Extractbereitung
einige Zeit aufheben zu können, aber nie zur Absicht, sie
in dieser Gestalt, einzugeben.
1) Obwohl gleiche Thelle Weingeist und frisch ausge-
preEster Saft gewöhnlich das angemessenste Verhältniis ist,
um die Absetzung des Faser- nnd Eiweifs- Stoffes zu be-
wirken, so hat man doch für Pflanzen, welche viel zähen
Schleim (z. B. Beinwellwurzel, Freisam -Veilchen u. s. w.)
oder ein Uebermafs an Eiweifsstoff enthalten (z. B. Hunds-
dill-Gleils, Schwarz -Nachtschatten u. s. w.), gemeiniglich
ein doppeltes Verhältniis an Weingeist zu dieser Absicht
nöthig. Die sehr saftlosen, wie Oleander, Buchs* und Eiben-
baum, Porst, Sadebaum u. s. w., müssen zuerst (lir sich zu
einer feuchten, feinen Masse gestolsen, dann aber mit einer
doppelten Menge Weingeist zusammengerührt werden, da-
mit sich mit ihm der Saft vereinige, und so, durch den Wein-
geist ausgezogen, durchgepreCst werden könne.
28»
i
$. 368«
Die übrigen, nicht firisch zn erlangenden, aus-
ländiscben Gewachse, Rinden, Samen nnd Wur-
zeln wird der vernünftige Heilkünstler nie in Pulver*
form auf Treu und Glauben annehmen, sondern sieb
von ihrer Aechtheit in ihrem rohen, ganzen Znstande
vorher überzeugen, ehe er die mindeste arzneiliche
Anwendung von ihnen macht ^)«
1 ) Um sie als Pulver zu verwabrra, bedarf man einer
Vorsicht, die man gewöhnlich bisher in Apotheken nicht
kannte, und daher Pulver von selbst gut getrockneten Thier-
und Gewachs -Substanzen in wohlverstopften Gläsern nicht
unverdorben aufheben konnte. Die auch völUg trocknen,
ganzen, rohen Gewächs -Substanzen enthalten doch noch im-
mer als unentbehrliche Bedingung des Zusammenhanges
ihres Gewebes einen gewissen Antheil Feuchtigkeit, welcher
zwar die ganze, ungepülverte Drogue nicht hindert, in einem
so trocknen Zustande zu verharren, als zu ihrer Unverderb-
lichkeit gehört, fiir den Zustand des feinen Pulvers aber
überflüssig zuviel wird. Die im ganzen Zustande völlig
trockne Thier- und Gewächs- Substanz giebt daher, fein
gepulvert, ein einigermalsen feuchtes Pulver, welches, ohne
in baldige Yerderbniis und Yerschimmelung überzugehen,
in verstopften Gläsern nicht aufgehoben werden kann, wenn
es nicht vorher von dieser überflüssigen Feuchtigkeit be-
freiet worden war. Diefs geschiehet am besten, wenn das
Pulver auf einer flachen Blechschale mit hohem Bande, die
in einem Kessel voll kochendem Wasser schwimmt (d. i. im
Wasserbade) ausgebreitet und so weit mittels Umrührens
getrocknet wird, dais alle kleinen Theile desselben (nicht
mehr klümperig zusammenhängen, sondern) wie trockner,
feiner Sand sich leicht von einander entfernen und leicht
verstieben. In diesem trocknen Zustande lassen sich die
286
f. 269.
Da jede Arznei am bestimmtesten und vergleicli'
barsten in Aaflösnng wirkt, so wendet der verstan-
dige Reilkänstler in AuflSsnng ^) alle Arzneien an,
feinen Palyer» auf immer . unverderblich, in wobl ver-
stopften und versiegelten Gläsern aufbewahren in ihrer ur-
sprünglichen, vollständigen Arzneikraft, ebne je mietig
oder schimmlicht zu werden; am besten, virenn die
Gläser vor dem Tageslichte (in verdeckten Bücbsen, Kasten,
Schachteln) verwahrt werden. In nicht luftdicht verschlos-
senen Gefä&en und nicht TOm Zugange des Sonnen- und
Tageslichtes entfernt, verlieren alle Thier- und Gewächs-
Substanzen mit der Zeit immer mehr und mehr an ihrer
Arzneikraft selbst im ganzen Zustande, weit mehr aber im
Pulverzustande.
1) Die Metallsalz- Auf losun gen in vielem Wasser zer-
setzen sich und verderben gar bald; ihre Verdünnungen zu
homöopathischem Gebrauche können also nicht mit Wasser
(was überhaupt nicht geschickt zum Tröpfeln ist) verdünnt
werden. Da nun viele Metallsalze nicht unmittelbar in Wein*
geiste aufgelöset werden können, sieb aber, wenn sie in
100 Theilen Wasser aufgelöset sind, ohne sich niederzu-
schlagen, weiter fort mit Weingeist verdünnen lassen, so
weit sie der homöopathische Heilkünstler nur zu verdünnen
nöthig hat, so kann man mit allen diesen so verfahren, wie
in der Vorrede zu den Arsenik - Symptomen im zweiten
Theile meiner reinen Arzneimittellehre beschrieben worden
ist. Nur essigsaures Blei zersetzt sich, wenn aucb nur we-
nig von seiner nocb so verdünnten wässerigen Auflösung
zu Weingeist getröpfelt wird, und fallt allmalig als kohlen-
saures Blei (als Bleiweils) zu Boden.
Allen diesen Scbwierigkeiten wird auf folgende Weise
abgeholfen :
Im zweiten Theile meines Buchs von den chronischen
287
deren- Natar nicht dnrcbans verlangt, dafs man sie
in Pulverform anwende ^). Alle andre Formen, wo-
darch sie bisher eingehüllt zn werden pflegten (PiU
len, Xiatwergen n. s. w«), sind verwerflich, da die
Einwirkung der Arzneien auf die lebende Faser hie-
durch unsicher und unbestimmt wird ^).
Krankheiten habe ich die vollkommenste Bereitung der an«
tipsorlschen Arzneien angegeben, auch, der aus trocknen
Substanzen, um sie sammtlicb in flüssiger Gestalt, mit Er-
haltung aller ihrer Arzneikräfle, zu homöopathischem Ge-
brauche in deciUionfacher Verdünnung und Potenzirung,
auf die einfachste und gleichförmigste Weise darzustellen.
Auch die nichtantipsorischen Arzneien werden am besten
so zubereitet. Dann bedarf man keiner Mctallsalze mehr
zur Arznei — denn ihre Säuren verändern doch die Eigen-
thumlichkeit der Kräfte der Metalle. So können die Me-
talle in gediegener Gestalt zu Auflösungen in Weingeist
gebracht werden, so die geschwelten Metalle, so alle brenn-
bare Substanzen, Bergöl, Phosphor, Schwefel, vegetabili-
scfae, thierische und Mineral -K^le (Graphit), alle Harze
und Gummiharze, so alle Pflanzen -Pulver, Mehl -Arten
u. s. "w.^ mit einem Worte, jede Arzneisubstanz, ohne den
mindesten, ihre Arzneikraft mindernden oder verändernden
Zusatz. Was nur durch chemische Kunst zu erlangen ist,
mufs der Arzt entweder selbst verfertigen oder in seiner
Gegenwart verfertigen lassen.
1) Wie etwa die kalkarlige Schwefelleber.
2) Auch die in neuem Zeiten durch viele, mühsame
chemische Arbeiten aus einigen Gewächs -Arzneien gezoge-
nen und abgesondert dargestellten, theils sauern, theils ba-
sischen Bestandtheile (Morphin, Strychnin, Chinin n. s. w.)
sind in den einfachen, weingeistigen Tincturen vorhanden,
ohne dals man zum Behufe fiir Kranke sie^ mit so viel Kün-
288
i 27a
In keinem Falle von Heilang ist es nothig,
tnebr als eine einsige, einfache Anneisnbstans
aaf einmal anzuwenden.
§• 271.
Es ist nicbt einzasehen, wie es nur dem min-
desten Zweifel nnterworfen seyn könne, ob es na-
tnrgemäfser nnd vernünftiger sey, einen einzelnen,
wohl gekannten Arzneistoff anf einmal in einer Krank-
heit zu verordnen, oder ein Gemisch von mehren.
§. 272.
Da der wahre HeilkQnstler in ganz einfachen,
einzeln nnd nnvern^ischt angewendeten Arzneien
schon findet, was er nnr irgend wünschen kann:
(künstliche Krankheitspotenzen, welche die natürli-
chen Krankheiten dnrch homöopathische Kraft voll-
ständig za überstimmen, aaszalöschen nnd dauer-
haft zn heilen vermögen), so wird es ihm nach dem
Weisheitssprachc: „dafs, was darch Einfaches mög-
lich ist, dnrch Vielfaches bewirken za wollen, nnrecht
sejf^^ nie einfallen« je etwas anderes, als einen ein-
zelnen« einfachen Arzneistoff als Heilmittel za geben,
auch schon defshalb nicbt, weil, gesetzt anch, die
einfachen Arzneien wären anf ihre reinen, eigentbüm-
lieben
Stele! abgesondert darznstellen nothig hätte, wenn man «e
nicbt in so concentrirter Gestalt verlangt, dals man Men-
schen und Thiere schnell damit tödten könne — ein Zweck,
der das gerade Gegentheii von den Heilbemübungen des
redlichen, behutsamen Arztes ist.
289
liehen Wirkungcu im. ungetrübten,; gestoden Za-
stande des Menscliei;i völlig ansgeprüft^es. doch völ-
lig unbekannt bleiben mnCs^ wie sich %yrei und mehre
zusammengesetzte Arznei -Stoffe einander in ihren
Wirkungen auf den . menschlichen . Körper hindern
und abändern mögen , und weil hingegen ein einfa-,
eher ArzneistofT bei seinem Gebrauche in Krankhei-.
ten^ deren Symptomen -Inbegriff genau bekannt is^
vollständig und allein hilft, wenn, er homöopathisch
gewählt war, und selbst in dem schlimmsten Falle,
dafs er der Symptomen -Aehnlichkeit nicht ganz an-
gemessen gewählt werden konnte, und also nicht
hülfe, doch dadurch nützt, dafs er die Hcilmittel-
Kenntnifs befördert, indem durch die in solchem
Falle von ihm erregten neuen Beschwerden diejenigen,
Symptome bestätigt werden, welche dieser Arzneistoff
sonst schon in Yersnchen am gesunden menschlichen
Körper gezeigt hatte; ein Yortheil, der beim Ge-
brauche aller zusammengesetzten Mittel wegfällt ^),
§. 273.
Die Angemessenheit einer Arznei für einen ge-
gebnen Krankheitsfall beruht nicht allein auf ihrer
1) Bei der treffend homöopathisch för den wohl über-
dachten Krankheitsfall gewählten und iDnerlich gegebenen
Arznei nun vollends noch einen aus andern Arzneistoffen
gewählten Thee trinken, ein Kr'autersäckchen oder eine Bä-
hung aus mancherlei andern Kräutern auflegen, oder ein
andersartiges Kly stier einspritzen, und diese od^r jene Salbe
einreihen zu lassen, wird der vernünftige Arzt dem unver-r
DÜnftjgen Schlendrian üherlassen.
T
29»
treffenden komoopathiscfaen Wahl, sondern eben so
wohl anf der erforderlichen, richtigen Grofse oder
vielmehr Kleinheit ihrer Gabel GIcbt man eine
allzn starke Gabe von einer für den gegenwärti-
gen Krankheitszbstand auch vSUig homöopathisch ge-
wählten Arznei, so mufs sie, nnfgeachtet der Wobl-
thätigkeit ihrer Natnr an sich, dennoch blofs durch
ihre Grofse nnd den hier nnnotbigen, Uberstarken Ein-
druck schaden, welchen sie gerade anf die empfind-
Kchsten nnd durch die natürliche Krankheit schon an-
gcgrilfensten Theile im Organism vermöge ihrer ho-
möopathischen Aehnlichkeits- Wirkung macht.
§. 274-
Ans diesem Grnnde schadet eine Arznei, wenn
sie dem Krankheitsfalle anch homöopathisch ange-
messen war, in jeder allzn grofsen Gabe, nnd dann
nni desto mehr, je gröfser ihre Gabe war, nnd durch
die Grofse ihrer Gabe nm so mehr, je homöopathi-
scher sie gewählt vfär, nnd weit mehr, als jede eben
so grofse Gabe einer nnhomöopatbiscben, fiJr den
Krankheitsznstand in keiner Beziehung passenden
(allopathischen) Arznei ^ denn Üann steigt die soge-
nannte homöopathische Yerschlimmening (§• 151 —
154.), das ist, -die in den leidendsten nnd 'durch die
ursprüngliche Krankheit aufgeregtesten Theilen des
Organisms künstlich erzeugte, so ähnliche Arznei-
krankheit -^ die in angemessenem Grade die
Heiinng sanft bewirkt haben würde -^ za einer schäd-
lichen Höhe; der Kranke leidet zwar nicht fenir
an der Urkrankheit, denn diese ist homöopathisch
291
ansgetilgt, aber desto mehr an der übergrofscn Än-
neikrankheit und hinterdrein nicht weniger an der
Nachwirkang oder dem von dem Leben des Orga-
nisms entgegengesetzten Zustande, nnd an nnnöthi«
ger Entkräftong.
§. 275-
'Ans gleichem Grande, niid da eine Arznei bei
vorausgesetzter , gehöriger Kleinheit ihrer Gabe nm
desto heilsamer und fast bis zum W;ander hülfreicb
ist, je homöopathischer sie ausgesucht war, wird auch
eine Arznei, deren Wahl passend homöopathisch ge-
troffen worden, um desto heilsamer seyn müssen, je
mehr ihre Gabe zn dem für sanfte Hülfe angemes-
sensten Grade von Kleinheit herabsteigt.
§. 276.
Hier entsteht nun die Frage, welches dieser für
thells gewisse, tfaeils sanfte Hülfe angemessenste Grad
von Kleinheit sey; wie klein also zum Behufe der
besten Heilnng die Gabe jeder einzelnen, für einen
Krankheitsfall homöopathisch gewäblten Arznei seyn
müsse? Diese Aufgabe zu lösen und für jede Arznei
insbesondre zu bestimmen, welche Gabe von ihr zn
homöopathischem Heilzwecke genüge und doch so
klein sey, dafs die sanfteste und schnellste Heilang
dadurch erreicht werde -^ diese Aqfgabe zu lösen,
ist^ wie man leicht einschen kann, nicht das Werk
theoretischer Muthmafsang; nicht vom grübelnden
Verstände, nicht von klügelnder Yemünftelei läfst
sich die Auflösung dieser Aufgabe erwarten. 'Einzig
nur reine Yersothe, sorgfäh%e Beobachtnng und rkh-
T 2
202
tige Eiiahning kann dxefs bestimmen, nnd es wäre
thöriclit, die grofsen Gaben unpassender (allopa-
thiscber) Arznei der gemeinen Praxis, welche die
kranke Seite des Organisms nicht homöopathisch be-
rühren, sondern nnr die von der Krankheit nnange-
griffencn Theile angreifen, gegen dasjenige anführen
zn wollen, was reine Erfabrong über die nöthige
Kleinheit der Gaben com Behnfe homöopathischer
Heilangen ausspricht
§. 277.
Diese reine Erfahrung zeigt durchgängige dafs,
wenn der Krankheit nicht offenbar eine beträchtliche
Yerderbnifs eines wichtigen Eingeweides zum Gronde
liegt (auch wenn sie unter die chronischen und com-
plicirten gehörte) nnd bei der Cor alle andern, fremd-
artig arzneilichen Einwirkungen auf den Kranken ent-
fernt gehalten wurden — die Gabe des homöo-
pathisch gewählten Heilmittels nie so klein
bereitet werden kann, dafs sie nicht noch
stärker, als die natürliche Krankheit wäre,
nnd sie nicht zu überstimmen, auszulöschen
und zu heilen vermöchte, so lange sie noch
einige, obscfaon geringe Erhöhung ihrer
Symptome über die ihr ähnliche Krankheit
(geringe homöopathische VerschUmm^rung §. 151 —
154«) glci'ch nach ihrer Einnahme zu verur-
sachen im Stande ist.
§. 278.
Dieser unumstöDsiiche Erfahrnngssatz ist '4er
Mafsstab, wonach die Gaben faomöopathi-
293
•
scher Ars&nei, ohne Ansnahme, bis dahin sa
verkleinern sind, dafs sie nach der Ein-
nahme nur eine kanm merkliche homöopa-
thische Yerschlimmernng erregen ^) , die
Yerkleinerung steige' auch noch so tief herab nnd
scheine den grobmateri^llen Begriffen der Alltags-
ärzte auch noch so unglaublich ^); ihr Geschwätz
1) Meine Bemiihungen haben hierin den homoap^
tbbcfaen Aerzten cchon vorgearbeitet und ihnen Tausende
von Selbstversucben erspart durch die Angaben der nöthl-
gen Verdünnung einiger Arzneien zu homöopathischem Ge-
brauche, in den Vorworten zu den Ari^neien in der rei-
nen Arzneimittellehre; wiewohl ich bei den meisten
Arzneien mit der Verdünnung seitdem noch tiefer herab-
eusteigen durch neuere Erfahrungen genöthigt worden bin,
um der Vollkommenheit in dieser unübertrefflichen Heil-
kunst mich noch mehr und mehr und möglichst zu nähern,
wie man im Anfange des zweiten Theils meines Buchs von
den chronischen Krankheilen findet.
2) Sie mögen sich von den Mathematikern erklären
lassen, wie wahr es sey, dafs eine in noch so viele Theile
getheilte Substanz auch in ihren denkbar kleinsten Theilen
immer noch Etwas von dieser Substanz enthalten müsse,
und der denkbar kleinste Theil nicht aufhöre, etwas* von
dieser Substanz zu seyn, also unmöglich zu Nichts werden
könne; — sie mögen sich, wenn sie zu belehren sind, von
den Physikern sagen lassen, dafs es ungeheure Kraftdinge
(Potenzen) giebt, welche ganz ohne Gfewicht sind, wie
z. BJ der Wärmestoflf, der Lichtstoff u. s. w., also immer
noch unendlich leichter, als der Arzneigehalt der kleinsten
Gaben der Homöopathie ; —sie mögen die Schwere von
Gallenfieber erzeugenden Kränkungsworten oder das Ge-
wicht der die Mutter tödtenden Trauernachricht von ihrem
294
mnts vor dem Aasspmche der antrüglichen Er£ali-
rang verstammen.
einzigen Sohne wägen, wenn sie können; — sie mögen
einen hundert Pfund zu tragen fähigen Magnet nur eine
Viertelstunde berühren, und durch die empfundnen Schmer-
zen sich belehren, dafs auch gewichtlose EinHüsse die hef-
tigsten Arzneiwirkungen im Menschen hervorbringen kön-
nen; — und die Schwächlinge unter ihnen mögen ihre
Herzgrube nur .leise mit der Daumenspitze eines kräftig ge-
wiileten Mesmerirers einige Minuten berühren lassen, und
.unter den widrigsten Gefühlen, die sie da erleiden, es be-
reuen, dafs sie der unendlichen Natur die Gränzen ihrer
TVirksamkeit abstecken wollten; dte Geistes -Armen!
, Wähnt der die homöopathische Heilart versuchende
■ Allopath, zu so kleinen und so tief verdünnten Gaben sich
nicht entschliefsen zu können,, so frage er sich nur seihst,
was er damit wage? Hätte der blois das Wägbare für
,«twas Wirkliches, alles Unwägbare für* Nichts schätzende
/Unglaube recht,. so könnte ja doch auf eine ihm so nichtig
deuchtende Gabe nichts Schlimmeres erfolgen, als dafs gar
keine Wirkung entstünde — doch immer also etwas weit
, Unschuldigere, als was auf seine zu groisen Gaben allop»-
thischer Arznei erfolgen mufs. Warum will er seine mit
Yorurtheilen gepaarte Unerfahrenheit für coropetetiter hal-
.ten, aU die durch That sich bewährende vieljährige Erfab*
. i;ung? Und zudem wird ja die homöopathische Arznei bei
jeder Thellung qnd Verkleinerung durch Reiben oder Schüt-
teln potenzlrt! — eine vor mir nicht geahnete, so mäch-
tige Entwickelung der iuwohnenden Kräfte der Arznei-Sub-
. stanzen, dafs kh^ ix\ den letztern Jahren durch überzeugende
Erfahrung genöthigt ward, die ehemals vorgeschriebenen
zehn Schüitelschläge nach jeder Yerdünnung bis auf zwei
einzuschränken.
X I
2ß5
• > • » >
Jeder Kranke ist biesonders im Pankte seiner
Krankheit tou den arzneikräfugen^ dnjch ^yVirknngs-
Aehnlicbkeit, pa3sen^en Potenzen nn^laublicL um-
siimnibar, undi.^s^giebt kei^en, aii<;h noch so robn-^
$leo,. selbst niu: jnit eiif.em chronischen, oder söge-
nannten Local-^Uehel behafteten Menschen« welcher
^
In dem leidenden Tbeile nicht, ba^d die erwünscht
teste Veränderung spürte, wenn er die hülfreiche,
bomöopathisch angeo^e^^cni^ Ar?^nei in der erdenklich
kleinsten Gabe eingie;i;i(upa)en, w^lchpr^^ ^ii. eineon
Worte, , nicht w^t ip^b^ aadliirch in, seinem Befinden
omgestimmt .w?rd!^D. . SQ{ltp^, ^,s , ^qr einen Tag alte, «
aber gesunde SäPg'wg ypn ihr. ;^je iw^
tend und läcbeJcUch ist also nicht der bljofs ih^Q-
retißcbe.üngjainbe geg^n diese nie fcj^lenden^ ,qf^.
tröglic^en Erfabrungs- Beweise l-
.§. 280,
Da werden auch von der kleinstmöirficheo..mir
noi^h die mindeste homöopathische YerschUmm^rppg
zn. erregen vermögenden Gabe homöopathischer Arz-
nei, weil sie der ursprünglichen Kr^kheit möglichst
ähnliche C^b^r auch in dieser Kleinheit noch Stäx*-
ke^e) Symptome sa erregen fähig ist, vorzugsweise
nnd fast allein, blofs die schon leidenden, höchst
erregten und auf's änfserstc^ für einen so ähnlichen
fV^ia^ empfindlich gewordenen Tkcil^e im O^rganism
ergriffen und ifi eine etwas höhere.,! isehr ähnliche,
künstliche Krankheit (die Yertilgerin.der. natürlichen)
« <
2Si6
umgestimmt» um die Stelle der ursprünglichen ein-
ztihcfamen, so dafs^'-der Organism nnn an der ktinst-
iicben Ärzüeikrankhett allein leide, welche ihrer Na-
tbr nach und vcnnuge'der Kleinheit der Gabe bald
von der nach 'ihrer Normalitäfe strebenden Lebens-
kraft aas'gelösdht Wird, ' nnd (wenn "die Krankheit
eine ' acute' wat*) "den Korper mögliche frei toq Lei-
dcn,"da^ i^tj gesnnd znrüekläfst.
': "" §. ''281. '
^Ütn' nnn Seht natorg^mäfs zn yerfahren, wird
^ der wahre Hdlkünstkr s^ine wohlgewählte bomoopa-
thisöhe Arznd''gön2(ti'niir in iHÖ kleiner Gabe verord-
nen, als tttr tli^bärstimmüng nfad Yemichtnng der
gegenwäitigeü Krankheit nnr ^o eben zureicht — in
«einer Kleinheit von Gäbd, wefdtie', wenn ihn mensch-
liche Schwäche ja einmal verleitet hätte, eine nn{)as-
sendere Arznei anzuwenden, den Nachtheil ihrer Un-
angemessenheit in der Krankheit bis zur Geringfügig-
keit vermindert, wielcher von der möglichst kleinsten
'Gäbe auch viel zu schwach ist, als dafs er durch
die eigne Kraft der Natur des Lebens und durch
schnelle^ Entgegensetzung des nun nach 'Wirkungs-
Aehnlichkcit passender gewählten Heilmittels, eben-
falls in kleinster Gabe, nicht alsbald wieder ausge-
löscht und gutgtoiacht werden sollte.
Es mindert sich auch die Wirkung einer Gabe
nicht in gidfchet Progres'sion ' mit dem materiellen
Arzneigchalte der Yerdünnungen zu homöopathischem
Gebrauche. Acht Tropfen Tinctnr von einem Arz-
297
neistoßie anf die Gabe viiken nicht Tiermal so
yicl im menschlichen Körper, als zwei Tropfen,
sondern nur etwa doppelt so viel, als zwei Tropfen
anf die Gabe* So wird auch' von einer Mischung
Eines Tropfens Tinctar mit zehn Tropfi^ einer
nnarzneiliched Flüssigkeit, Ein Tropfen eingenom-
men« ni<fat'ei'ne zehn Mal grSfsere Wirktrng thno,
als ebisnfaä^Ein Tropfen' eiher noch zehn Mal dün-
nem Miscbang, sondern nar etwa (kaam) eiiaedop-
pelt stärkere Wirkung, nnd so weiter heräh^ nach
demselben Gesetze — so dafs ein Tropfen der tief-
sten Yerdünnnng immer noch eine sehr, beträchtliche
'Wirkung äofsem muis und wirklich äo&ert ^).
1) Gesetzt, 1 ^Tropfen ieiner Mi$chuDg,' wel<bhe y'^ Gran
dös ArznristofEs enthält, thue dne Wirkung = a ;
so wird ein Tropfen einier yerdunntem,- welcher ^iz Grau des
Arznelstoffs enthält, nur etwa eine Wirkung thun = ^.
wenn 6r jrciw Gran des Arzneistoßs enthält, etwa =: j-;
wenn er jz c^izzz^ Gran des Arzneistoff« enthält, eine Wir-
a
kung thun ^^ -g;
und so wird,' so fort, bei gleichem Volunofen der Gaben,
durch jede (tielleicht mehr als) quadratische Verkleinung
des Arzneigehalts die Wirkung auf den menschlichen Kör-
per sich doch nur jedesmal etwa zur Hälfte mindern. Einen
Tropfen einer Decilüon - Yerdnnnung von Krähenaugen-
Tinctur habe ich ziemlich genau halb so viel als einen
Tropfen quintillion Fächer Verdünnung, sehr oft, wirken
sehen, unter denselben Umständen und bei denselben Per-
sonen.
^8
^ 283.
Die zu bomSopatbischein Gc))raache nQthige
. Gaben «•Minderpog' wd auch darcb. YjemunderaDg
des Yolnmens der Gabe befördert, sq dab, wenn
man statt eines Trop{iensi ein^ AnneiTerdfinnang
nur. eilten ganz kleinen Tbeil ^) eines solchen Tro-
pfims ZOT. , Gilbe niimnt, die Absicht der noch wei-
. tern WirkMngSrMindenmg sehr zweckmäfsig erreicht
wird} sehr begreiflich ans .dem Grande, weil mit dem
klelnerii Volumen der .Gabe auch nur wenige Ner-
ven des lebenden. Qrganisms berührt werden könneo,
wodurch zwar ebenfalls die Kraft der Arznei dem
ganzen Organism mitgctheilt wird, aber eine klei-
nere Kraft«
1) Am zweckniälsjgs^a bedient inaa sieb bieza feiner
Zucker- Streokügdcben, too . 4^/ GröCie des Mohnsamens;
wo dann ein solches,. mit der Arznei befeuchtet, in das Ve-
hikel geschoben, eine Arznelgabe bewerkstelligt, die etwa
den dreihundertsten Theil eines Tropfens enthält, indem
drelbundert solcher kleinen Streukugelcben von einem Tro-
pfen Weingeist hinreichend benetzt werden. £in solches
Streukugelcben allein auf die Zunge gelegt, obne etwas nach
zu trinken, vermindert die Gabe ungemein. Hat man aber
Ursache^ bei einem sehr feinfühligen Kranken die möglickst
kleinste Gabe anzuwenden und den schnellsten Erfolg her-
beizufiibren; da dient das blolse einmalige Riechen in eio
kleines Gläschen, worin ein Senfsamen grofses, mit der
hoch potenzirten und verdünnten Arznei- Flüssigkeit be-
feuchtetes Streukugelcben liegt; nach dem Riechen wird es
zugepfropft und zu wo nothig mehrmaligem dergleicbeu
Gebrauche, Jahre lang, ohne merkliche Minderung seiner
Arzneikräfte aufbewahrt.
299
§. 184.
Aas ^leicbem Grande, steigt die Wirkang einer
homoopaibischen Arsneigabe, je in einem grölsern
Umfange von Flüssigkeit aafgelöst sie. dem Kranken
zom Einnehmen gereicht wird, obgleich, der wahre
innere Arzneigehalt derselbe blieb. Denn hier wird
beim Einnehmen eine weit gröfsere Fläche enipfind-
licher, die Arzneiwirkung annehmender Nerven be-
rührt» Obgleich der Wahn der Theoristen in der
Yerdünnnng einer Arznergahe mit einer grofsern
Menge Flüssigkeit heim Einnehmen eine Schwä-
chung ihrer Wirkung finden möchte, so sagt doch
die Erfahrong, wenigstens bei dem homöopathischen
Arzncigebraache, gerade das Gegentheil ^)»
§• 285.
Doch findet bei dieser Vergrofsernng der Wir-
kung durch die Mischung der Arzneigabe mit einer
grofsern Menge Flüssigkeit (vor dem Einnehmen)
noch der nicht geringe Unterschied statt, ob die
Vermischung der Arzneigabe mit einer gewissen
Menge Flüssigkeit nur so obenhin' and unvollkom-
men, oder ob sie so gleichförmig and so innig ^)
1) Blo£s die einfachsten unter allen Reizmitteln, Wein
und Weingeist, vermuidern ihre erhitzende und berau-
schende W^irkuog in der Yerdünnung mit vielem Wasser«
2) Diirch das Wort innig will ich hier so viel sa-
gen: dafsj.wenn z. B. der Tropfen einer arzneilichen Flüs-
sigkeit mit 100 Tropfen Weingeist einmal umgeschüttelt,
d. i. , das beides enthaltende Gläschen, in der Hand gehalten,
mit einmaligem starkem Schlage des Arms ?on oben herab
300
bewerkstelligt worden, 4afs der kleinste Tfaeil der
Verdtiniintigs-Flßssigkeit anch einen verbältnifsmäfsig
gleichen Antbeil am Araneigehalte als alles Uebrige
in sieb aufgenommen bat; denn dann ist letztere
weit arukeikräftiger dareb die Yerdönnangs-Miscbong
■ '
scbaell bewegt worden ist, wohl schon eine genaue Mi-
schung beider entstanden ist, mit zwei, drei, zebn und meh-
ren 'solchen Schrägen aber diese Mischung noch weit inni-
ger, d. iv, die Arzneikraft noch weit mehr potenzirt und,
so zu sagen, der Geist dieser Arznei immer mehr entfaltet,
entwickelt und in seiner Wirkung auf die Nerven weit ein-
dringlicher gemacht wird. Wenn man also mit den tiefen
Verdünnungen den so nöthlgen Zweck der VerkleiueruDg
der Gäben in Hinsicht der Milderung ihrer Kräfte auf den
Organism- erreichen will, so thut man nicht wohl, jedem
der 20, 30 u. s. w. Yerdünniingsgraser mehr als zwei solche
Schüttelungs- Schläge zu geben, um so die Arzneikraft nur
mäfsig zu entwickeln. Auch wird man wohl thun, bei
der Verdünnung der Arzneien in trockner Pulvergestalt mit
dem Zusammenreiben in der porcellanenen Reibeschale Mafs
zu halten^ und z. B. einen Gran der rohen, ganzen Arznei-
. Substanz, bei seiner Vermischung mit den ersten 100 Gran
Milchzucker nur ü^ine Stunde mit Kraft zu reiben, ferner
die Verdünnung eines Grans dieser Mischung mit andern
100 Gran Milchzucker (zu j^^^^ Verdünnung) auch nur
Eine Stunde, und die dritte Verdünnung (zu j^^§^^^) ehen-
falls durch einstündiges kräftiges Zusammenreiben eines Grans
der Yorigen Mischung mit 100 Gran Milchzucker zu einer
solchen Verdünnung der Arznei zu bringen, dafs die Kraft-
entwlckelung derselben gemäfsigt bleibt. Die genauere Art,
wiei hiebe! zu verfahren ist, findet man zu Anfange des zwel-
, ten Thells des Buches von den • chronischen Krankheiten
beschrieben, auch wie man dann welter mit Auflösung der
Pulver und Verdünnung ihrer Aunösung zu Werke gebt
301
geworden als erstere. Hicrans wird man von selbst
abnebmen, wie man mit Einrichtung der homöopa-
thischen Arzneigaben zu Werke geben müsse, wenn
man ihre Arznei- Wirkung möglichst verkleinern will
znm Behnfe der empfindlichsten Kranken.
§. 286.
Die Wirkung der Arzneien in flüssiger Gestalt
anf den lebenden menschlichen Körper geschieht
anf eine so eindringliche Art, verbreitet sich vom
Punkte der mit Nerven begabten, empfindlichen Fa-
ser aus, worauf die Arznei zuerst angebracht wird,
mit einer &o unbegreiflichen Schnelligkeit und Allge-
meinheit durch' alle Theile des lebenden Körpers,
dafs man diese Wirkung der Arznei eine fast gei-
stige (eine dynamische, virtuelle) nennen mufs*.
$. 287.
Jeder Theil unsers Körpers, der nur Tastsinn
besitzt, ist auch fähig, die Einwirkung der Arzneien
anfzunebmeu, und die Kraft derselben auf alle übri-
gen Theile fortzupflanzen.
§. 288.
Aufser dem Magen sind Zunge und Mund die
empfänglichsten Theile für die arzneib'chen Einwir-
kungen; doch ist auch das Innere der Nase, der
Mastdarm, die Zeugungstheile, so wie alle vorzüg--
lieh gefuhligen Theile unsers Körpers, zur Aufnahme
der Arzneiwirkung fast gleich geschickt, daher auch
hautlose,, verwundete oder geschwürige Stellen den
Kräften der Arzneien eine fast eben so eindring-
liche Einwirkung auf den Organism vierstatten, als
302
wenn die Annei dbrch ' den Mand cingeBommen
worden wäre.
4. 289.
Selbst die Theile, welche ihren eigentfatimlichcn
Sinn verloren hahen, z, B. eine Zange nnd Gan-
men, die den Geschmack, oder eine Nase, die den
I
Gerach verloren hat, ' theilen die blofs aaf sie tu-
nächst einwirkende Kraft der Arznei in nicht gerin-
gerer Vollständigkeit der Gesammtheit aller übrigen
Organe des ganzen Körpers mit
§. 290.
Aach die äufsere, lAll Haut nnd Oberhaut um-
kleidete KSrperfläche ist nicht nnempfanglich fär die
Aafnahme der Kräfte d^r Arzneien, vor^tiglich der
flüssigen, doch sind die empfindlichsten aach die
empfänglichsten ').
1 ) Das Einreiben scbeint die Wirkang der Arzneien
nar dadurch zu befördern, lo wiefern das Reiben an sieb
die Haut empfindlicher, und so. die lebende Faser empfäng-
licher macht, die Arzneikraft gleichsam zu fühlen und dle(s
Befinden umstimmende Geluhi dem ganzen Organism mit-
zutheilen. Das vorgangige Reiben der innern Seite des
Oberschenkels macht die nachgängige blolse Auflegung der
Quecksilbersalbe eben so ar^neikräftig, als wevin die Salbe
selbst auf diesem Theile zerrieben worden wäre, was man
Einreiben nennt, indem es sehr zweifelhaft bleibt, ob das
Metall selbst, in.Substanap, mittels dieser Verrichtung des
sogenannten Einreibens in das Innere dts Körpers eindrin-
gen könne, oder Ton ded Saug- Adern aufgenommen wer-
den möchte, i)Att beides nicht
303
§. 291.
' Hier finde icti noch nothig, des von der Na- .
tor aller übrigen Arzneien abweichenden, sbgenann-»
ten thicrischen Magnetisms, oder vielmehr des
(dankbarer nach Mesmery seinem ersten Begründer,
zn benennenden) Mesmerisms Erwähnung zn thnn«
Diese, oft thörichter Weise geleugnete Heilkraft,
welche dnrch den kräftigen "Willen eines gntmei-
n enden Menschen anf einen Kranken, mittels Be-
rührung desselben, einströmt, wirkt theils homöopa-
thisch, dnrch Erregung ähnlicher Symptome, als der
zn heilende Krankheitiszustand enthält, nnd dient za
dieser Absicht in einem einzelnen, mit 'weniger star-
kem Willen vom Scheitel herab mit flach aufgelegt
ten Händen nicht allza langsam über den Körper
bis über die Fufsspitzen geführten Striche *), z. B.
bei Mntterblutnngen , selbst in ihrem letzten, dem
Tode nahen Stadium; theils dient er, nm die hie
nnd da innormal angehäufte, in den übrigen Thei-
len aber mangelnde Lebenskraft gleichförmig durch
den Organism za vertheilen, z. B, bei Blutdrang
nach dem lEopfe nnd schlafloser, ängstlicher Unruhe
geschwächter Personen n. s. w., mittels eines ähnli«
cben^ einzelnen^ aber etwas kräftigern Strichs; theil&
aber ztir unmittelbaren Mittheilnng und Ergänzung
der Lebenskraft in einem einzelnen geschwächten
Theile oder im ganzen Organism, — ein Zweck,
1) Die kleinste, homöopathische Ga^e.
304
der dnrch keine andre Potens, als durch den Mes*
merism ^80 gewi£i, so sicher und mit so gar keiner
Stornng der tibrigen arzneilieben Behandlung erreicbt
werden .kann. In einem einzelnen Thcile geschieht
dieis letztere dorch Aoflcgang der Hände oder Fin-
gerspitzen ,1 unter Fixirung ein^s sehr kräftigen gu-
ten Willens zu dieser Absicht, an dem langwierig
geschwächten Theile, wohin ein inneres chronisches
Siechthum sein wichtiges Local - Symptom verlegt
hatte, z. B. bei alten Geschwüren, bei Amaurose,
bei Lähmungen einzelner Glieder u. s. w. ^)« Manche
schnelle Schein -Cur mit grolser Natur -Kraft begab-
ter Mesmerirer in allen Zeitaltem gehört Lieher. Am
glänzendsten aber zeigte sich die Wirkung von mit-
getheilter Menschenkraft auf den ganzea Organism
bei Wiederbelebung einiger, geraume Zeit im Schein-
tode gelegener Personen durch den kräftigsten, ge-
müthlichsten Willen eines in voller Lebenskraft hlü-
henden Mannes ^), welcher Art Todtenerweckongen
die Geschichte mehre, unleugbare aufweist.
. §. 292.
1) Obgleich durch diese, von Zeit zu Zelt zu wieder-
holende . locale Ergänzung der Lehenskraft keine bleibende
Heilung erreicht werden kann, wo, wie oben gelehrt, eio
allgemeines inneres Siechthum, wie Immer, dem alten Local-
übel zum Grunde liegt, so ist doch diese positive KräfH-
gung und unmittelbare Sättigung mit , Lebenskraft (die so
wenig, als Essen und Trinken bei Hunger und Durst, in
die Kategorie der Palliative gehört) keine geringe Beihüifc
bei der wirklichen Cur des ganzen Siechthums durch ho-
moopathische Arzneien.
2) Vorzüglich eines solchen, deren es wenige unter
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§. 292. ,
Alle- die gedachten Arien von Ausübung des
Mesmerisnis bernhen aof einer Einströmnng vqn
mebr oder weniger Lebenskraft in den Leidendep,
und werden daher positiver Mesmerism benanQt ^).
Eine dem entgegengesetzte Aasßbnng des Mesmeris-
mns aber verdient, da sie das Gegentbeii bewirkt,
negativer Mesmerism genannt zu werden« Hieber
gehören die Striche, welche anr Erweekuog ans dem
Nachtwandlerschlafe gebraucht werden, so wie alle
die Handverrichtnngen, welche mit dem Namen. Ca 1-
miren und Yentilircn belegt wordexi isind. Ai;q
sichersten und einfachsten wird diese Entladung
den Menschen giebt, welcher bei vollständiger Körperkraf^
einen sehr geringen Begattungs- Trieb besitzt , den er mit
leicbter Mühe vüUig unterdrücken kann, bei welchem also
alle die sonst auf Bereitung des Samens zu verwendenden,
feinen Lebens -Geister in Menge bereit sind, durch willens-
kräftige Berühning andern Menschen sich mitzutheilen. Ei-
nige dergleichen heilkräftige Mesmerircr, die ich kennen
lernte, hatten diese besondre Eigenschaft. j
1) Mit FlciCs gedenke ich hier, wo ich von der ent-
schiedenen und sichern Heilkraft des positiven Mesmerisras
zu sprechen hatte, nicht jener Uebertreibung desselben, wo
durch oft halbe, ja ganze Stunden auf einmal wiederholte
Striche dieser Art, seihst täglich fortgesetzt, bei nerven-
schwachen Kranken jene ungeheure Unistimmung des gan-
sen Menschenwesens herbeigeführt ward, die man Somnain-
bulism nennt, worin der Mensch, der Sinnenwelt entrückt, .
mehr der Geisterwelt anzugehören scheint — ein höchst
unnatürlicher und gefährlicher Zustand, wodurch man nicht
selten chronische Krankheiten zu heilen gewagt bat.
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der bei nngeschwäcfaten Personen in einem einsei-
nen Theile übeitnäfisig angehängten Lebenskraft dorch
den negativen Mesmerism bewirkt mittels einer ge-
schwinden Bewegung der flachen , ausgestreckten
rechten Hand, etwa parallel einen Zoll entfernt vom
Korper vom Scheitel herab bis über die Fn&spitieo
geführt ^). Je schneller dieser Strich vollfiihrt wird,
eine desto stärkere Entladong bewirkt er. So wird
%. B. beim Scheintode einer vordem gesunden ')
Frauensperson; wenn ihre dem Ansbmche nahe Men-
strnation ploidich durch eine heftige Gemüthserschfit-
terung gehemmt worden war, die wahrscheinlich in
den Präcordien angehäufte Lebenskraft durch einen
solchen negativen Schnellstrich entladen und wieder
ins Gleichgewicht durch den gansen Organismns ge-
setzt, so daüs gewöhnlich die Wiederbelebung also-
gleich erfolgt '). So mildert auch ein gelinder, we-
1) DaCi die entweder positiv oder negativ tu lDesm^
rirende Person an keinem Theiie mit Seide bekleidet seyfl
dürfe, ist eine schon bekannte Regel.
2) Einer chronisch schwächlichen, lebensarmen Person
ist daher ein| vorzüglich sehr schneller, Negativstrich aulserst
schädlich.
3) Ein zehnjähriger, kräftiger Knabe anf dem Lande
ward, wegen einer kleinen Unpäßlichkeit, früh ?on einer
sogenannten Streicherin mit beiden Daumenspitzen von der
Herzgrube ans, unter den Ribben hin, sehr kräftig, mehr-
mal gestrichen, und er verfiel sogleich mit Todtenblasse in
eine solche Unbesinnlichkeit und Bewegungslosigkeit, da£i
man ihn mit aller Mühe nicht erwecken konnte und ihn
ast fiir todt hielt. Da lieb ich ihm von seinem ältesten
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niger schneller Negativstrich die zuweilen älko grofse
Unrohe und angstliche Schlaflosigkeit von einem allzu
kräftig gegebnen positiven Striche bei sehr reizbaren
Personen n. s. w.
Srnder einen möglichst schnellen, negativen Strich vom
Scheitel bis über die Fülse hin geben, und augenblicklich
iTrar er wieder bei Besinnung, munter und gesund*
t .
Gedruckt bei A. W. Scbade in Berlin.
Berichtigungen.
Seite 17 Zeile 25 statt: ausgesprochenen — ausgesponnenen
— 40 — 10 — (geeignete) — geeignete.
— 41 — 6 — jenes ein — ^ ein.
— 46 — ' 8 bleibt das Komma "weg,
— 61 — 16 statt: -vvelche — welche die.
— 63 — 14 — KaafVf Boerhaape — Kaaw Botrhaape,
— 88 — 4 — kennen — kämen.
— 103 — 1 — \n^ f^e-
— 110 — 10 — reflectirende — reflectirte.
— 126 letzte Z. — Purpnr — Pnrpurfriesel.
— 190 Zeile 16 — der — die.
— 238 — 6 — -wäre — wäre es.
--263—5 — Unfälle — Anfälle.
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