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Full text of "Organon der Heilkunst"

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E.BIBL.RADCL. 



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^Si•'^i 






L-«a 



Samuel Hahnemann, M.D. 

geil, d.io Aprü, i7Ä5. 



Organ on 



der 

t 



Heilkunst 



von 



Samuel Hahnemann. 



j4ude sap-ere. 



Vierte verbesserte and vermelirte Aaflage. 
Mit dem BildnUu dei Verfa$aers. 



Dresden mid Leipzig, 

in der Arnoldischen Bachhandlunj;. 

1829. 



Vorrede 

zur vierten Ausgabe 



Wäre diejenige Natur, deren Selbsthülfe 
in Krankheiten von der bisherigen Arznei- 
schule als unübertreffliche Heilart angenom* 
men ward, deren Nachahmung des Arztes 
höchster Zweck sey, die grofse Natur selbst^ 
d. i. die Stimme der Allweisheit des grofsen 
Agens im unendlichen Naturganzen, so müfs- 
ten wir dieser untrüglichen Stimme folgen, 
wiewohl dann nicht abzusehen wäre,, warum 
wir nun als Aerzte diese angeblich unüber- 
trefflichen Veranstaltungen der (zweideu- 
tig sogenannten )' Naturhülfe in Krankheiten 
durch unsre künstlichen Eingriffe mit Arz- 
neien stören^ oder zweckwidrig erhöhen soll- 
ten; aber es ist ganz anders! Jene Natur, 

* 2 



ahmen jeper; ttnbWföichen, zweckwidrigen, 
nicht selleil \TerderbJiehe?i :^strebtLngeQ und 
Veranstaltunget) der s^cbin:iprankh;eit selbst 
überlassenen , i instinktarttg^ #! v^rstandlosen 
Lebenskraft bestand (die man mit dem mifs- 
deutlichen Namen: Natur bejegte), so wird 
man mir zugeben^ dafs die wahre Heilkunst 
vor mir noch nicht gefunden war. 

Dafs aber die Homöopathik diese bisher 
vergeblich gesuchte Heilkunst sey, lehren 
ihre Grundsätze, beweisen ihre Leistungen. 

Köthen, im Januar 1829. 



Samuel Hahnernann. 



Inhalt. 



Einleitung. 

I. Hinblick auf die Allopalliie der bisherigen Arzneiscbule. 

II. Beispiele unwillkürlicher, homöopathischer Heilungen 
bisheriger Aerzte der allen Schule. 

Auch unärztliche Personen fanden die Heilungen 
durch Wirkungs-Aehnlichkeit als die einzig hülfreich- 
sten. 

Selbst Aerzte älterer Zeit ahneten, dafs dteüs die 
vorzüglichste Hellart sey. 

Text des Organons. 

§. 1. 2. Der einzige Beruf des Arztes ist schnelles, sanf- 
tes, dauerhaftes Heilen; 

Anm. nicht das Schmieden theoretischer Systeme und 
£rklärungs -Versuche. 

3. 4. £r mufs das an Krankheiten zu Heilende aufsu- 
chen und das Heilende in den verscbiednen Arzneien 
kennen, um dieses jenem anpassen zu können, auch 
die Gesundheit der Menschen zu erhallen verstehen. 

6. 6. Die Krankheiten sind an sich unerkennbar im 
innerlich Ver'dnderten, aber deutlich erkennbar in 
den Symptomen. 

Anm. Erklärung des Gesagten. 



vm 

§. 7. Zar Heilung beihülflicbes Acliten auf Veranlassung, 
Grundursache und andre Umstände. 

8. Die Krankbeit beklebt für den Arzt blofs in der 
Gesammthcit ihrer Symptome. 

9* Unter Achtung auf jene Umstände (§. 7.) braucht 
der Arzt blofs die Gesammtheit der Symptome hin* 
wegzunehmen, um die Krankheit zu heilen. 

Anm, a. Die oflTeDbar die Krankheit vemnlassende 
und unterhaltende Ursache ist hinwegzuräumen. 

jänm, b. Verwerflichkeit der symptomatischen, auf ein 
einziges Symptom gerichteten, palliativen Curart. 

10. 11. 12. Sind alle Symptome getilgt, so ist jeder- 
zeit die Krankheit auch in ihrem Innern geheilt« 

13. Die Gesammtheit der Symptome ist die einzige In- 
dication, die einzige Hinweisung auf ein zu wählen- 
des Heilmittel. 

14. Die Befindens - Veränderung in Krankheiten (die 
Krankheits- Symptome) kann von den Arzneien nicht 
anders geheilt werden, als in sofern diese 'die KraH: 
haben, ebenfalls Befindens -Veränderungen im Men- 
schen zuwege zu bringen. 

15. Diese Befindens -Veränderungs -Kraft der Arzneien 
kann blofs bei ihrer Einwirkung auf (gesunde) Men- 
schen wahrgenommen werden. 

10. Die krankhaften Symptome, welche die Arzneien 
im gesunden Menschen erzeugen, sind das Einzige« 
woraus wir ihre Krankheit- Heil ungs- Kraft erkennen 
lernen. 

17. Zeigt die Erfahrung, dafs durch Arzneien, welche 
ahn liehe Symptome, als die Krankheit, haben, diese 
am gewissesten und dauerhaftesten geheilt werde, so 
hat man zum Heilen Arzneien von ähnlichen Sym- 
ptomen — zeigt sie, dafs die Krankheit am gewisse- 
sten und dauerhaftesten durch entgegengesetzte 



IX 

Arznei- Symptome geheilt werde, so hat mao Ari- 
neiea von entgegeogesetzten Symptomen zum Eleilen 
zu wählen. 

Anrn, Der Gebranch der Arzneien , deren Symptome 
keinen eigentlichen (pathischen) Bezug auf die Krank- 
heits- Symptome haben, den Korper aber andersar- 
tig angreifen, ist die allopathische, verwerfliche 
Garmethode. 

§. 18. Durch entgegengesetzte Arznei- Symptome (anti- 
pathische Cur) werden anhaltende Krailkheits- 
' Symptome nicht geheilt. 

19. 20. Nur die noch übrige homöopathische Heil- 
methode durch Arzneien von ähnlichen Symptomen 
zeigt sich in der Erfahrung durchaus hülfreich. 

21. Diefs beruht auf dem Natur -Heilgesetze, dafs eine 
schwächere dynamische AlTection im lebenden Men- 
schen von einer ihr sehr ähnlichen , stärkern, blofs 
der Art nach abweichenden, dauerhaft ausgelöscht 
wird. 

Anm. Diefs geschieht auch bei physischen Affectionen, 
-wie bei moralischen Uebeln. 

22. Da^ Hell - Vermögen der Arzneien beruht daher 
auf ihren der Krankheit ähnlichen Symptomen. 

23 — 27. Versuch einer Erklärung dieses Natur -Heil- 
gesetzes. 

28. Der menschliche Körper ist weit geneigter, sich 
durch Arzneikräfte in seinem Befinden umstimmen 
zu lassen, als durch natürliche Krankheit 

29. 30. Des homöopathischen Heilgesetzes Richtigkeit 
zeigt sich an dem Nicht- Gelingen jeder unhomöo- 
pathischen Cur eines altern Uebels und daran, dab 
auch zwei im Körper zusammentreffende, natürliche 
Krankheiten, sobald sie einander unähnlich sind, ein- 
ander nicht aufheben und. nicht heilen. 



§. 31. /. Die ältere, im Körper wohnende Krankheit hält, 
wenn sie gleich stark, oder stärker ist, eine neue, 
unähnliche Krankheit vom Menschen ab. 

32. So bleiben auch bei unhomöopathischen Curen, die 
nicht heftig sind, die chronischen Krankheiten, wie 
sie waren. , 

33. //. Oder eine den schon kranken Menschen befal- 
lende, neue, stärkere Krankheit unterdrückt nur, so 
lange sie dauert, die alte, im Körper wohnende, ihr 
unähnliche Krankheit, hebt diese aber nie auf. 

34. Eben so hellen starke Curen mit allopathischea 
Arzneien keine chronische Krankheit, sondern un- 
terdrücken sie nur so lange, als der Angriff mit hef- 
tigen Arzneien dauert, welche keine der Krankheit 
ähnliche Symptome für sich erregen können; hernach 
kommt die chronische Krankheit eben so schlimm 
und schlimmer wieder hervor. 

35. ///. Oder die neue Krankheit tritt nach langer Ein- 
wirkung auf den Körper zu der altern, ihr unähnli- 
chen, und eS' entsteht eine doppelte (.complidrte) 
Krankheit; keine dieser beiden sich unähnlichen bebt 
die andre auf. 

36. Noch weit öfterer, als im Laufe der Natur, gesellt 
sich eine durch langwierig angewendete, heftige, un- 
passende (allopathische) Arznei erzeugte Kunst-Krank- 
heit beim gewöhnlichen Cur-Yerfahren zu der ihr 
unähnlichen (folglich nicht durch jene heilbaren) al- 
ten, natürlichen Krankheit, und der chronisch Kranke 
ist nun doppelt krank. 

37. Die sich so complicirenden Krankheiten nehmen, 
ihrer Unähnlichkeit wegen, jede den ihr im Orga- 
nism gehörigen Platz ein. 

38. 39. Aber ganz anders ist's beim Zutritt einer stär- 
kern Krankheit zu der ihr ähnlichen, alten; denn 
diese wird dann von jener aufgehoben und geheilt. 



XI 

§. 40. Erklärung dieser Erscheioung. 

41. Beispiele chronischer Krankheiten, durch zurälligen 
Zutritt einer andern, ähnlichen, stärkern geheilt. 

42 — 44. Selbst von den im Laufe der Natur selbst 
zusammentreffenden Krankheiten kann nur die von 
ähnlichen Symptomen die andre aufheben und heilen, 
die unähnliche Krankheit aber kann es nie, zur Be- 
lehrung fiir den Arzt, mit welcher Art Arzneien er 
gewifs heilen könne, nämlich einzig mit den homöo- 
pathischen. 

45. Die Natur hat nur wenige Krankheiten andern 
Krankheiten zur homöopathischen Hülfe zuzuschik- 
ken, und diese ihre Hülfsmittel sind mit vielen Un- 
bequemlichkeiten verbunden. 

46. Dagegen hat der Arzt unzählige Heilpotenzen mit 
groCsen Vorzügen vor jenen. 

47. 48. Aus jenem Vorgange in der Natur wird der 
Arzt fortan die Lehre ziehen, Krankheiten nie an- 
ders als mit homöopathisch gewählten Arzneien zu 
behandeln und sie so zu heilen, nie aber mit anders- 
artigen (allopathischen), welche nie heilen, sondern 
blofs den Kranken verderben. 

49. 50. Es giebt nur drei mögliche Arten von Anwen- 
dung der Arzneien gegen Krankheiten: 

1) die allein hülfreiche, homöopathische, 

51. 2) die allopathische oder heteropathische, 

52. 3) die antipathische (enantiopathische), palliative. 

53. Auf welchem Cur- Wege gegen ein einzelnes Sym- 
ptom der Krankheit eine Arznei von entgegengesetz- 
ter Wirkungs-Aeufserung {contraria contruriis) ver- 
ordnet wird. Beispiele. 

54. Dieses antipathische Verfahren ist nicht blofs feh- 
lerhaft, weil es nur gegen ein einzelnes Krankheits- 
Symptom gerichtet ist, sondern auch, weil in anhal-^ 



XII 

tenden Beschwerden, nach kurzer Schein -£rleicbte- 
ruog, wahre Yerschlimmerang erfolgt. 
Anm» Zeugnisse der Schriftsteller. 

§. 55. Schädliche £rfoIge einiger antipathischen Curen. 

56. Die gesteigerten Gaben bei Wiederholung eines 
Palliativs heilen auch nie chronische Uebel, richten 
aber desto grölseres Unglück an, 

57. woraus die Aerzte auf die Hiilfreichheit des gegen- 
theiligen, allein guten Heilwegs hätten schliefsen sol- 
len, nämlich des homöopathischen. 

58. . Der Grund von der Schädlichkeit der palliativen 
und von der alleinigen Heiisamkeit der homöopathi- 
schen Arznei- Anwendung 

59. beruht auf dem Unterschiede der bei Einwirkung 
einer jeden Arznei statt findenden Erstwirkung und 
der hierauf vom lebenden Organism (der Lebenskraft) 
veranstalteten Gegenwirkung oder Nachwirkung. 

60. Erklärung der Erstwirkung und der Nachwirkung. 

61. Beispiele von beiden. 

62. Blofs bei den kleinsten homöopathischen Arznei- 
gaben im Heilgeschäfte wird die Nachwirkung der 
Lebenskrad einzig durch die Herstellung des Gleich- 
gewichts der Gesundheit kund. 

63. Aus diesen Wahrheiten geht die Heilsamkcit der 
homöopathischen, so wie die Verkehrtheit der anti- 
pathischen (palliativen) Yerfahrungsart hervor. 

Anm. Fälle, in denen die antipathische Anwendung 
der Arzneimittel noch einzig brauchbar ist. 

64. Wie folgt aus diesen Wahrheiten die Heilsamkeit 
der homöpathischen Heilart? 

65. Wie folgt aus diesen Wahrheiten die Schädlich- 
keit des antipathischen Verfahrens? 

Anm. Entgegengesetzte Empiindungen neutralisiren sich 
im menschlichen Sensorium nicht, also nicht Wie 
entgegengesetzte Substanzen in der Chemie. 



xni 

§. 6& Kurzer Inbegriff der homoopatliischeii Heilart« 

67. Die drei zum Heilen nötbigen Punkte: 1) die Er- 
forschung der Krankheit, 2) die Erforschung der 
Wirkung der Arzneien, und 3) ihre zweckmäfsige 
Anwendung. 

68. Allgemeine Uebersicht der Krankheiten — 'acute 
chronische. 

69. Acute Krankheiten Einzelner, sporadische, epide-' 
mische, acute Miasmen. 

70. Uneigentliche chronische Krankheilen. 

71. Eigentliche chronische Krankheiten; sie entstehen 
alle aus chronischen Miasmen. 

72. Syphilis und Sykosis. 

73. 74. Psora; sie ist die Mutter aller eigentlichen 
chronischen Krankheiten, die syphilitischen und sy- 
kosischen ausgenommen. 

^nm, Krankheitenamen der gewohnlirlien Pathologie. 

75. Unter den fiir diese chronischen Miasmen, nament- 
lich für die Psora, gefundenen, specifischeren Heil- 
mitteln ist fiir jeden einzelnen Fall von chronischer 
Krankheit eine um so sorgfältigere Wahl zur Hei- 
lung zu trerfen.' 

76. Erfordernisse zur Auffassung des Krankheilsbildes. 

77 — 92. Vorschrift, wie der Arzt das Krankheits- 
bild zu erkundigen und aufzuzeichnen hat. 

93 — 95. Erforschung der epidemischen Krankheiten 
insbesondre. 

96. Auf gleiche Weise mufste die Grundursache der 
(unsyphih*tischen) chronischen Krankheiten ausgemit- 
telt und das grofse Gesammt-Bild der Psora aufge- 
stellt werden. 

97. Nutzen des schriftlich dufg;ezeichneten Krankheits- 
bildes zum Heilen und beim Verfolg der Cur. 



XIV 

§. 98 — 107. Vorerinnerung zur Erforschung der rei- 
.nen Arznei - Wirkungen an* gesunden Menschen. 
Erstwirkung. Nachwirkung. 

108. Wechselwirkungen der Arzneien« 

109. 110. Idlosyncrasien. 

111. 112. Jede Arznei hat von der andern abweichende 

Wirkungen. 

Anm. Es kann keine Surrogate geben. 
113. Jede Arznei mufs daher auf die Eigenheit ihrer 

besondern Wirkungen sorgfältig geprüft werden. 

114 — 134. Verfahren dabei, wenn man sie an an- 
dern Personen versuchen lälst. 

135. Die Versuche des gesunden Arztes mit Arzneien 
an sich selbst bleiben die vorzüglichsten. 

136. Die Erforschung der reinen Arzneiwirkungen in 
Krankheiten ist schwierig. 

137 — 139. Aus solcher Erforschung der reinen Wir- 
kungen der Arzneien an Gesunden entsteht erst eine 
wahre materia medica. 

140. Die zweckmaüsigste Anwendung der nach ihrer 
eigenthümlichen Wirkung gekannten Arzneien zum 
Heilen. 

141. Die homöopathisch passendste Arznei ist die hülf- 
reichste, ist das speci£sche Heilmittel. 

142. Andeutung, wie die homöopathische Heilung' zu- 
gehen mag. 

143. Die homöopathische Heilung schnell entstandner 
Krankheit erfolgt schnell; die der chronischen Siech- 
thqme aber erfordert verbältnilsmäfsig mehr Zeit. 

144. Geringe Unpäfslichkeiten. 

145. Die bedeutenden Krankheiten haben mehre Sym- 
ptome. 

146. Für die mit mehren, auffallenden Symptomen 
lä£st sich desto gewisser ein homöopathisches Heil- 
mittel finden. 

§. 147. 



XV 

§. 147. Anf i/velche Art von Symptomen ihan -biebei vor«^ 
züglich 2u achten habe? 
148* Ein mögliebst homöopatbiscbes Mittel heilt ohne 
bedeutende Beschwerde* 

149. Ursache der Beschwerdelostgkeit solcher Heilung, 

150. Ursache kkr kleinen Ausnahmen hievon. 

161 -— 154. Die die ursprungliche Krankheit etwas 
an Starke übertreffende, s^hr ähnliche Arzneikrank- 
heit, auch homöopathische Verschlimmerung 
genannt. 

155. In chronischen (psorischen) Krankheiten erfoU 
gen die homöopathischen Vei'schlimmerungen von 
den (antipsorischen) homöopathischen Arzneien im 
Verlaufe mehrer Tage, von Zelt zu Zei^ 

156 -— 168. Malsregeln bei der Heilung, wenn der 
Yorrath gekannter Arzneien zur Findung eines voll«» 
kommen homöopathischen Mittels zu klein ist. 

169 — 181. Mafsregeln bei Heilung der Krankheiten 
mit allzuwenigen Symptomen: einseitige Krank* 
heiten. 

182 -— 200. Behandlung der Krankheiten mit Local- 
Symptomen; ihre äulsere Behandlung ist stets yer- 
derblicb. 

201. 202. Alle eigentliche (nicht blofs von übler Le- 
bensart entstandene und unterhaltene) chronische 
' Uebel und Siechthume müssen mit den, ihrem zum 
Grunde liegenden Miasm angemessenen, homöopathi* 
sehen Arzneien blofs von innen gebeilt werden. 

203. Vorgängige Erkundigung nach dem zum Grunde 
liegenden Miasm, dem einfachen oder dessen Com* 
plication mit einem zweiten (oder wohl auch drit- 
ten) Miasm. 

204. Erkundigung der vorher gebrauchten Curen. 

205. 206. Uebrige, nöthige, vorgängige Erkundigun* 
gen vor Auffassung des Krankheitsbildes des chroni- 
schen Uebels* 



XVI 



§, 207 «-— 227. Behandlung der sogenannten Geistes- odei" 
Gemiiths-Krankbeiten. 
. 228.229. Die/Wechselkrankheiten. Die alternirenden. 
230. 231. Die typischen Wecbselki-ankheiten. 
232 ^ 239. Die Wecbselfieber. 
240 — 251. Gebrauchsart der HeilmitteL 
> 252 •*- 256. :> Zeichen der anüingeiiden Besserung. 

257. 258. Falsche Vorliebe- fiir LiebUngs- Mittel und 
; ' ungerechter. Hals gegen andre 'Arzneien. 

259 — 261. Lebensordnuog in chronischen Krank- 
heiten. 
; .. Annu S(f]>adliehe Dinge in der l^ebeiisweise. 

262. 263. Diät in acuten Krankheiten. 
264 — 266. . Wahl. der Yollkräftigsten, ächtesten Arz- 
> neien. 

Anm. AeodeniDg einiger Stoffe durch Zubereitung zu 
Nahrungsmitteln. 

267. Zubereitung der kräftigsten und haltbarsten Arz- 
. neiform aus frisch zu erlangeodcga Kräutern. 

268. Trockne Gewächssubstanzen. 

{'Anm, Pulver- Zubereitung' zum Aufbewahren. 

269. Die beste Form der Arzneien zum Gebrauche 
bei Kranken ist die in Auflösung. 

270—- 272. Nur eine einzige^ einfache Arznei 
ist auf einmal dem Kranken zu geben.- 

273 -^ 285. Gaben «-Gröfse zu homöopathischem Be- 
hufe — wodurch sie verstärkt oder verkleinert wer- 
den. Ihre Potenzirung. 

286 — 290. Welche Theile des Körpers sind mehr 
oder minder empfängUch fiir die £inwirkung der 
Arzneien? 

291. 292. Thicrischer Magnetismus (Mesmerismus). 
Die positive und die negative Anwendung desselben. 



Einleitung, 



I. Hinblick auf die Allopathie d'^r 
bisherigen Arzneischule. 

v/hne die Verdienste zu verkennen, welche viele 
Aerzte nm die Hülfswissenschaften der Mediän, um 
die Natnrkenntnisse in der Physik und der Chemüe, 
um die Naturgeschichte in ihren verschiedenen Zwei- 
gen und der des Menschen im Besondem, um die 
Anthropologie, Physiologie und Anatomie u. s. w. 
sich erwarben, habe ich es hier nur mit dem prak- 
tischen Theile der Medicia zu thun, um zu zeigen, 
wie die Krankheiten bisher so unvoUkommen behan- 
delt wurden. Tief jedoch liegt unter meinem Vor- 
haben jener handwerksmäfsige Schlendrian, das kost- 
bare Menschenleben nach ßecepttaschenbüchern zu 
knriren, deren noch fortwährende Erscheinung im 
Pablikum, leider, noch immer ihren häufigen Ge- 
branch erweiset. Ich lasse sie als Skandale der 
Hefe des gemeinen Arztvolkes ganz unberücksichtigt. 
Ich rede blofs von der bisherigen Arzneiknnst, die 
sich wissenschaftlich dankt, eingebildet auf ihre AI- 
terthümlichkeit 

A 



Diese alte Arzneischnle bildete sich viel darauf 
jcin, vorgeben sa können, dafs sie allein den Namen 
^rationelle Heilknnst*" verdiene, weil sie allein 
die Ursache der Krankheit anfsnche und hin- 
wcgznränmcn sich bcmtihe, anch nach dem Vor- 
gänge der Natnr in Krankheiten verfahre. 

Tolle causam/ rnft sie wiederholt. Aber bei 
diesem leeren Rufe blieb es gewohnlich. Sie wähn* 
ten nnr» die Krankheits- Ursache finden sn können, 
fanden sie aber nicht. Denn da die meisten, ja die 
allermeisten Krankheiten dynamischen Ursprungs nnd 
dynamischer Natur sind, ihre Ursache also nicht 
sinnlich sn erkennen ist, so waren sie beflissen, sich 
eine sn erdenken, nnd ans der Ansicht der Theile 
des normalen, todten, menschlichen Körpers ( Ana- 
tomie ), verglichen mit den sichtbaren Vcrändemn- 
gen dieser innern Theile an Krankheiten verstorbe- 
ner Menschen (pathologische Anatomie), so wie 
ans dem, was ans der Yergleichnng der Erscheinun- 
gen nnd Funktionen im gesunden Leben (Physiolo* 
gie) mit den unendlichen Abweichungen derselben 
in den unzähligen Krankheitsznständen (Pathologie, 
Semiotik) sich su ergeben schien, SchlSsse auf den 
unsichtbaren Vorgang der Veränderungen im in- 
nern VS^esen d^s Menschen bei Krankheiten su 
sieben — ein dunkles Phantasiebild, was die theo- 
retische Medicin ftir ihre prima causa morbi hielt, 
die dann die nächste Ursache der Krankheit 
und auch sngleich das innere Wesen der Krankheit, 
die Krankheit selbst, seyn sollte — obgleich, 



nach dem gesonden Menschenverstände, die Ursache 
eines Dinges nie angleich das Ding selbst seyn kann. 
Wie konnten sie nnn, ohne Selbsttänschang, diels 
unerkennbare, innere Wesen zam Heilgegenstande 
machen nnd dagegen Arzneien verordnen, deren 
Heiltcndenz ihnen ebenfalls gröfstenthcils unbekannt 
war, nnd zwar mehre solche nngekannte Arzneien 
KQsammen gemischt in sogenannten Recepten? 

Doch lüsete sich diefs sublime Projekt, eine in- 
nere, unsichtbare, apriorische Krankheitsarsache zu 
finden, wenigstens bei den verständigern Aerzten, in 
ein freilich auch von den Symptomen geleitetes au^ 
in ein Aufsuchen, was etwa muthmafslich als der 
generelle Charakter des gegenwärtigen Krankheits- 
falles anzunehmen sey? ob Krampf? oder Schwäche? 
oder Lähmung? oder Fieber? oder Entzündung? 
oder Verhärtung? oder Infarkten dieses oder jenes 
Theils? oder Blut- Uebermenge (Plethora)? Mangel 
oder Uebermafs an Sauer-, Kohlen-, Wasser- oder 
Stickstoff in den Säften? gesteigerte oder gesunkene 
Arteriellität, oder Yenosität, oder Capillarität? rela- 
tives Yerhältnifs der Faktoren der Sensibilität, Irri- 
tabilität, oder Reproduktion? — Muthmafsnngen, 
welche, von der bisherigen Schule mit dem Namen: 
Gansal-Indication beehi^ nnd für die einzig mög- 
liche Rationalität in der Medicin gehalten, allzu trüg- 
liche, hypothetische Annahmen waren, als dafs sie 
sich praktisch branchbar hätten bewähren können — 
onfahig, selbst wenn sie gegründet hätten seyn kön- 
nen, oder gewesen wären, das treffendste Heilmittel 

A 2 



für den Krankheits- Fall ansnzeigen, «war, der Eigen- 
liebe des gelehrten Erdenkers wohl schmeichelnd, 
im darnach Handeln aber meist irre führend, nnd 
womit es mehr auf Ostentation, als anf ernstliche 
Findnng der Heil-Indication angelegt war. 

Und wie oft schien nicht in dem einen Theile 
des Organisms Krampf oder Lähmnng zn seyn, wäh- 
rend in einem andern Theile anscheinend Entzün- 
dung statt fand! 

Oder wo sollten, anf der andern Seite, die für 
jeden dieser angeblichen, allgemeinen Charaktere si- 
cher helfenden Arzneien herkommen? Die sicher 
helfenden hätten doch wohl keine andern als die 
speci fischen seyn können, d. i. dem Krankheits- 
Reize in ihrer Wirkong homogene ^) Arzneien, de- 
ren Gebranch aber von der alten Schule als höchst 
schädlich verboten ') tind verpönt war, weil die Beob- 
^ achtnng gelehrt hatte, dafs, bei der in Krankheiten 
so hoch gesteigerten ßeceptivität für homogene ßeize^ 
solche Arzneien in den hergebrachten, grolsen Ga- 



1) Homöopathische jetzt genannt. 

2) ,yWo die Erfahrung uns die Heilkraft homöopathisch 
„wirkender Arzneien kennen gelehrt hatte, deren Wir- 
„kangsart man sich nicht erklären konnte, da half man 
„sich damit, sie (ur speci fisch zu erklären, und mit die- 
„sem eigentlich nichts sagenden Worte ward das Nachden- 
„ken darüber eingeschläfert Man hat aber längst schon 
„die homogenen Reizmittel die specifischen, homöopathi- 
„schen) als höchst schädliche Einflüsse verboten.^ Rau, 
Ueb. d. homöopi Heilverf. fleidelb. 1824. S. 101. 102. 



ben lebensgefahiiich sich erwiesen hatten. Von klei- 
nem Gaben aber und höchst kleinen hatte die alte 
Schnle keine Ahnnng. Also auf geradem (natür- 
Uchsten) Wege durch homogene, specifische Arz- 
neien durfte nicht geheilt werden, konnte anch nicht, 
da die meisten Wirkungen der Arzneien unbekannt 
waren nnd blieben. 



' Doch glaubte die bisherige Arzneischule^ weil's 
ihr doch wohl verständiger denchtete, wo möglich 
einen andern, geraden Weg zu suchen, als Um- 
wege einzuschlagen, noch dadurch Krankheiten di- 
rekt aufzuheben, theils indem sie bedeutende Sym- 
ptome durch entgegengesetzt wirkende Arzneien un- 
terdrückte, das ist, durch das antipathische (pal- 
liative) Verfahren (welches im Texte des Organons 
d. H. gewürdigt wird), theils durch Wegschaf- 
fang der (angeblichen) materiellen Krank» 
heits-Ursache — denn der gewöhnlichen Arzt- 
Schule war es fast unmöglich, sich bei Ansicht und 
Beurtheilung einer Krankheit und eben so wenig 
bei Aufsuchung der Cur-Indication von diesen ma- 
teriellen BegrifTen loszumachen und die Natur des 
geistig- körperlichen Organisms für ein so hoch poten- 
zirtes Wesen anzuerkennen, dafs die Abänderungen 
seines Lebens in Gefiihlen und Thätigkeiten, die 
man Krankheiten nennte hauptsächlich, ja fast ein- 
zig durch dynamische Einwirkungen bedingt und be- 
wirkt werden mnisten und gar nicht anders bewirkt 
werden könnten. 



6 

Durchaus sah die bisherige Schule jene durch 
die Krankheit veränderten Stoffe, die turgescirenden 
sowohl, als die sich absondernden, innormalen Stoffe 
(br Krankheits- Erreger, wenigstens, wegen ihrer an- 
geblichen Rückwirkung, als Krankheits -Unterhalter 
an nnd thnt letzteres bis anf diese Stande noch* 

Daher wähnte sie Gaasal-Cnren zn verrichten, 
indem sie diese eingebildeten nnd vorausgesetzten, 
materiellen Ursachen der Krankheit hinwegzuschaf- 
fen sich bemühte« Daher ihr emsiges Fortschaffen 
der Galle durch Erbrechen bei gallichten Fiebern ^), 
ihre Brechmittel bei sogenannten Magen • Verderb- 
nissen '), ihr fleifsiges Auspnrgiren des Schleims, 

1) Der fchtungswerthe Hofrath Raa (üb. d. Werth 
des homoop. Heilverfahrens. Heidelb. 1824. S. 176 u. f.), 
damals noch nicht völlig in die Homöopathie eingeweiht, 
heilte gleichwohl, aus Inniger Ueberzeugung von der dj^ 
namischen Ursache selbst dieser Fieber, dieselben ohne das 
mindeste Ausleerungsmittel durch eine oder zwei kleine 
Gaben homöopathischer Arznei, wovon er da zwei merk- 
würdige Cur -Geschichten erzählt 

2) Bei einer schnellen Magen -VerderbniCs, mit ste- 
tem, widerlichem Aufstolsen nach verdorbenen Speisen, ge- 
wohnlich mit Niedergeschlagenheit des Gemüths, bei kal- 
ten Füfsen und Händen, u. s. w. ging der gewöhnliche 
Arzt bisher nur auf den entarteten Mageu- Inhalt los: ein 
tüchtiges Brechmittel soll ihn rein herausschaffen. Gewohn- 
lich erreicht er diese Absicht mit weinsteinsauerm Spiefs- 
glanze, mit oder ohne Ipecacuanha. Ist denn aber der 
Kranke darauf sogleich gesund, munter und heiter? O nein! 
Gewöhnlich ist eine solche Magen -Verderbniis dynami- 
schen Ursprungs, durch Gemüths- Störungen (Gram, 



der Spul- and Madenwtiriner bei der Gesichu-Blässe,! 
der Efs-Gier, dem L'eibweh and den dicken Bäa- 

Scbreck, Aerger), VerkSltung, Anstrengung des Geistes 
oder Körpers unmittelbar aufs Essen, < — selbst oft nacb 
mafsigem Speise- Genub erzeugt. Diese dynamische Ver^ 
stimmung zu beben, sind diese beiden Arzneien nicfat geeig- 
net, and eben so wenig das dadurch hervorgebrachte revo- 
lutionäre Erbrechen. Und Brechwein^ein und Ipecacuanha 
haben noch überdieb aus ihren anderweiten eigentbümlicben 
Krankheit -Erregungs- Symptomen Nachtheile (ur das Befin- 
den des Kranken hinzugefügt, und die Gall Abscheidung ist 
in Unordnung gekommen, so dafs, wenn der Leidende nicht 
ganz robust war, er noch mehre Tage sich auf diese an~ 
gebliche Causal-Cur übel befinden mufs, trotz aller dieser 
gewaltsamen HerausscbafTung des vollständigen Magen -In- 
halts. — Wenn aber der Leidende, statt solcher heftigen 
und oft oachtheiligen Ausleeruogs- Arzneien, nur ein ein- 
ziges Mal in hochverdünnten Pulsatille - Saft (an ein Senf- 
samen groCses, dan^It befeuchtetes Streukügelchen) riecht, 
wodurch die Verstimmung seines Befindens im Allgemeinen 
und seines Magens insbesondre gewils aufgehoben wird, so 
ist er in zwei Stunden genesen, und hat er dann ja noch 
einmal Aufstolsen, so ist es geschmack- und geruchlose 
Luft — der Magen -Inhalt ist nicht mehr verdorben, und 
bei der nächsten Mahlzeit hat er wieder seinen rollen, ge«» 
hörigen Appetit; er ist gesund und munter. Die(s ist wahre 
dausal-Cur, jenes aber eine eingebildete, ist nur eine 
schädliche Strapaze fiir den Kranken. 

Ein selbst mit schwer verdaulichen Speisen überfuUter 
Magen erfordert wohl nie ein arzneiliches Brechmittel. 
Bie Natur weifs hier den Ueberiluls am besten durch Ekel, 
Uebelkeit und Selbst- Erbrechen, allenfalb mit Beihülfe me- 
chanischer Reizung des Gaumen -Vorhangs und Rachens, 
durch den Schlund wieder von sich zu geben, und dann 
werden die arzneiüchen Nebenwirkungen der medicinischen 



8 

eben der Kinder ^), ibr Aderlassen bei Blotflfis- 



Brechmittel vermieden — - etwas KafTee- Trank befördert 
den Rest im Magen vollends nach unten hin. 

Wäre aber nach arger Ueberföliung des Magens die 
Reizbarkeit des Magens zum Selbsterbrechen nicht zurei- 
chend oder verschwunden, so dals alle P^eigung dazu, unter 
groisen Schmerzen des Epigastriums, erlöschte , so wird in 
diesem gelähmten Zustande des Magens ein solches Brech- 
mittel blols eine gefährliche oder tödtliche Eingeweide - 
Entzündung zur Folge haben, während eine öfter . gereichte 
kleine Menge starken Kaffee- Tranks die gesunkene Reiz- 
barkeit des Magens dynamisch erhoben und ihn allein in 
den Stand würde gesetzt haben, seinen, auch noch so über- 
mäfsigen Inhalt von oben oder unten auszufördern. Auch 
hier ist jene vorgebliche Causal-Cur am unrechten Orte. 

Selbst die in chronischen Krankheiten nicht selten auf- 
schwulkende^ ätzende Magensäure wird, mit groCser Be- 
schwerde und dennoch vergeblich, heute mit einem Brech- 
mittel gewaltsam ausgeleert und morgen, oder docb die 
nächsten Tage durch gleich ätzende Magensäure, und dann 
gewöhnlich noch in grölseror Menge, ersetzt, während sie 
von selbst weicht, wenn ihr dynamischer Ursprung durch 
eine sehr kleine Gabe hochverdünnter Schwefel-Säure, oder, 
besser, eines, auch den übrigen Symptomen in Aehnlichkeit 
angemessenen, antipsorischen Mittels in feinster Gabe heil- 
kräftig aufgehoben wird. Und so giebt es mehre angeb- 
liche Causal-Curen der alten Schule, deren Lieblings -Be- 
streben ist, das materielle Produkt der dynamischen Ver- 
stimmung mit beschwerlichen Vorkehrungen mühsam und 
mit Nachtheil hinwegzuräumen, ohne die dynamische Quelle 
des Uebels zu erkennen und sie homöopathisch sammt ihren 
Ausflüssen zu vernichten , und so verständig zu heilen. 

1) Umstände, welche blob auf Psora-Siechthum be- 
ruhen und durch (dynamische) milde, antipsorische Mittel 
kicht gebeilt werden, ohne Brechen oder Laxiren. 



9 

sen *), and vonüglich alle Arten der Blat-Entsie- 
hangen ') als ihres Haupt -Indikats bei Entstindnn- 

1) Ungeachtet fast atleii krankhaften Blatflüssen blob 
eine dynamische Verstimmung der Lebenskraft (des Befin- 
dens) zum Grande liegt, halt dennoch die alte Schule 
eine Blut-Uebermenge Tiir ihre Ursache und kann steh 
nicht enthalten, Aderlasse yorzunehmen, um den yermeinten 
Ueberflufs dieses Lebenssaftes fortzuschaffen; den ganz ge* 
wohnlich Übeln Erfolg aber, das Sinken der Kräfte und 
die Hinneigung oder gar dan Uebergang zum Typhösen 
sucht sie auf die Bösartigkeit der Krankheit zu schieben, 
mit der sie dann oft nicht fertig werden kann -*- 
genug sie glaubt, wenn, auch nun der Kranke nicht auf- 
kommt, eine Cur nach ihrem Wahbpruche, causam talle^ 
yolifuhrt zu haben, es erfolge nun, was da wolle. 

2) Ungeachtet es vielleicht nie einen Tropfen Blut zu 
▼iel im lebenden menschlichen Körper gegeben hat, so hält 
dennoch die alte Schule eine angebliche Biut-Uebermenge 
für die materielle Hanptursache der Entzfindnngen, die sie 
durch Ader-Oeffnungen (blutige Schröpfköpfe) und Blut- 
egel zu entfernen und auszuleeren habe. Dieis hält sie fiir 
ein rationelles Verfahren, für Causal-Cur.- In allgemeinen 
Entzündungs- Fiebern, im hitzigen Seitenstiche sieht sie so- 
gar die coagulable Lymphe im Blute, die sogenannte Speck- 
haut lur die materia peccans an, welche sie durch wieder- 
holte AJer-Oeffnungen möglichst fortzuschaffen strebt, un- 
geachtet diese nicht selten bei erneuertem Blutlassen noch 
zäher und dicker zum Vorschein kommt. So yergieüst sie 
Blut, wenn das Entzündungs-Fieber sich nicht legen will, 
oft bis zum nahen Tode, um diese Speckhaut oder die ver- 
meintliche Plethora wegzubringen, ohne zu ahnen, dafs das 
entzündete Blut nur Produkt ^tA akuten Fiebers, nur des 
krankhaften, immateriellen (dynamischen) Entzündungs- 
Reizes und letzterer die einzige Ursache dieses grofsen 
Sturmes in dem Ader- System sey, durch die kleinste Gabe 



10 

gen. Auf diese Weise glaubt sie ächte Caosal-Ia* 
dicationen zu befolgen and rationell sn knriren. Fer- 

einer homogenen (homdopsthiflcbeo) Annei aofkaheben (2.B. 
durch eiQ feines Streukügelchen zur Gabe, mit dedlUon- 
fach ▼erdonotem Akonit- Safte befeuchtet, unter Termei- 
düng vegetabilischer Sauren, so da£s das heftigste Sei« 
tenstich- Fieber mit allen seinen drohenden ZufiUen, 
ohne Blut-Verminderung und ohne die mindesten 
Kühlmittel schon in wenigen, höchstens in 24 Stun- 
den in Gesundheit übergegangen und geheilt ist (eine 
Probe seines Blutes dann aus der Ader gelassen zeigt nun 
keine Spur von Speckhaut mehr), während ein sehr ähn- 
licher Kranker, nach jener Rationalität der alten Schule be- 
handelt, nach mehrmaligem Blutlassen, wenn er ja noch 
mühsam, nach unsäglichen Leiden, dem Tode entrinnt, 
dann oft noch viele Monate durchzusiechen hat, ehe er, ab- 
gezehrt, wieder auf die Beine kommt, wenn ihn nicht in- 
deb (die öftere Folge einer solchen Milshandlung ) ein ty- 
phöses Fieber, oder Leukophlegmasie hinrafft. 

Wer den ruhigen Puls des Mannes eine Stunde vor 
Antritt des dem hitzigen Seitenstiche stets vorangehenden 
Frostschauders gefühlt hat, kann sich unmöglich des Er- 
staunens erwehren, wenn man ihn zwei Stunden drauf, 
nach Ausbruch der Hitze, bereden will, die vorhandene un- 
geheure Plethora mache ein vielmaliges Aderlassen dringend 
notfa wendig, und fragt sich, welches Wunder die vielen 
Pfunde Blut, die nun weggelassen werden sollen, binnen 
dieser zwei Stunden in die Adern des Mannes gezaubert 
haben möchte, die er vor diesen zwei Stunden in so ruhi- 
gem Gange geftiblt habe? Nicht ein Quentchen Blut kann 
mehr in seinen Adern nun rollen, als er in gesunden Zei- 
ten, und so auch vor zwei Stunden hatte! 

Der Allopathiker entzieht also mit seinen Aderlässen 
den am hitzigen Fieber Erkrankten keine lästige Blut-Ue- 
bermenge, weil dergleichen gar nicht vorhanden seyn konnte, 



11 

ner glaobl anch die ahe, bisherige Arzneischnle durch 
AbbinduDg von Polypen, Aasschneidong, oder, dorch 
erhitoende Local- Mittel erkünstelte Yereiternng der 
kalten Drüsen -Geschwülste, durch Ansschälnng der 



sondern beraubt ihn der zum Leben und Gesnndwerden un* 
entbehrlichen, normalen Blutmenge — ein grofser Verlust, 
den Arztes -Macht nicht wieder zu ersetzen vermag! — und 
steht dennoch in dem Wahne, eine Cur nach seinem (mifs* 
verstandenen) Wahlspruche: Causam tolle, vollführt zu 
haben, während doch hier die causa morbi am wenigsten 
eine, nicht e»stirende, Blut-Uebermenge seyn konnte, son- 
dern die einzige, wahre Causa morbi ein krankhafter, dyna- 
mischer £n1zündungs-Reiz des Blut- Umlaufs virar, wie die 
schnelle und dauerhafte Heilung des gedachten, allgemeinen 
£ntzündungs- Fiebers durch eine oder zwei, unglaublich 
feine und kleine Gaben des diesen Reiz homöopathisch auf- 
hebenden Akonit- Softes beweist und in jedem solchen 
Falle beweist. 

So schiefst auch die alte Schule bei Behandlung der 
Lokal -Entzündungen fehl mit ihrem örtlichen Blutlassen, 
vorzüglich durch die jetzt mit Broussaisischer Wuth ange- 
setzte Menge Blutegel. Die anfänglich davon erfolgende, 
palliative Erleichterung wird durch schnellen und vollkom- 
menen Heil -Erfolg keineswegs gekrönt, sondern die stets 
zurückbleibende Schwäche und Kränklichkeit des so behan- 
delten Theiles (aucb oft des übrigen Körpers) zeigt ge- 
nugsam, wie lalschlich man die ördicbe Entzündung in 
einer örtlichen Plethora suchte und ynt, traurig die Folgen 
solcher Blutentziebungen sind, — während dieser blofs dy- 
namische, örtlich scheinende Entzündungs-Reiz durch eine 
gleich kleine Gabe Akonit, oder, nach den Umständen, 
von Belladonna schnell und dauerhaft getilgt und das 
ganze CJebel, ohne solch unmotivirtes Blut-Yergiefsen, ge- 
hoben und geheilt werden kann. 



12 

Balg- (Speck- Honig-) Geschwülste, durch Ope- 
rationen der Pulsader- Geschwülste, der Thränen- 
nnd Mastdarm -Fisteln, durch Entfernung der skir- 
rhSsen Brost mittels des Schnitts, der Amputation 
eines knochenfiräfsigen Gliedes, n. s« w«, den Kran- 
ken Rundlich geheilt nud Cansal- Goren verrichtet 
zu haben, ond glaobt es aoch, wenn sie ihre JUepel- 
lerUia in Anwendong bringt: die alten, jaochenden 
Schenkel-Geschwüre (allenfalls bei gleichseitigen, das 
Grond-Siechthom nicht mindernden, blofs schwächen- 
den, Abfiihrongs- Mitteln) dorch adstringende Um- 
schlage, dorch Blei-, Kopfer- ond Zink -Oxyde ao^- 
trocknet, den Schanker wegbeist, die Feigwarzen 
ortlich zerstört« die Krätze mit Salben von Schwe- 
fel, Blei-, Qoecksilber- oder Zink- Oxyden von der 
Haot vertreibt, die Aogen-Entztindongen mit Aoflo- 
songen von Blei oder Zink unterdrückt und dorch 
Opodeldok, flüchtige Salbe, oder Räocherongen mit 
Zinnober oder Bernstein die ziehenden Schmerzen 
ans den Gliedmaßen verjagt; sie glaobt da über- 
all das Uebel gehoben, die Krankheit besiegt und 
rationelle Causal-Curen ausgeführt zo haben; aber 
der Erfolg! die darauf, bald oder spät, doch un- 
ausbleiblich erscheinenden Metaschematismen, die sie 
dadurch veranlafst (doch dann für netie Krankheiten 
ausgiebt), welche allemal schlimmer, als das 
erstere Uebel sind, widerlegen sie zur Gnüge und 
könnten und sollten ihr die Augen öffnen über die tiefer 
liegende, immaterielle Natur des Uebels und seinen dy- 
namischen, blofs dynamfsch zn hebenden Ursprung. 



13 

UebcrhaDpt setzte die gewöhnliche Schtile bis 
in die neuem (möchte ich doch nicht sagen dürfen, 
neuesten !) Zeiten bei Krankheiten am liebsten, wenn 
auch noch so fein gedachte» Krankheits-Stoffe (nnd 
Schärfen) vorans, welche dnrch Aasdfinstnng nnd 
Schweifs, dnrch die Harn -Werkzeuge, oder aach 
dnrch die Speichel -Drüsen ans den Bkit* nnd Lymph- 
Gefafsen, dnrdi die Loftröhr- nnd Bronchial-Drüsen 
als Bmst-Answnrf, ans dem Magen nnd dem Darm- 
kanale dnrch Erbrechnngen nnd Abfähmngen fort- 
geschafft werden müfsten, damit der Körper von der 
materiellen, Krankheit erregenden Ursache gerei- 
nigt nnd so eine gründliche Causal - Cur (nach 
dem Grundsätze: tolle causam!) vollführt werden 
könne. 

Ich gebe zn, dafs es der menschlichen Schwäche 
bequemer war, bei den zn heilenden Krankheiten ei- 
nen sinnlich denkbaren Krankheitsstoff anzunehmen 
(znmal da anch die Patienten selbst sich leicht einer 
solchen Vorstellung hingaben), weil man dann aaf 
nichts weiter Bedacht zu nehmen hatte, als wo man 
genug , Blut nnd Säfte reinigende , Harn nnd 
Schweifs treibende, Brust -Auswui;f befördernde und 
Magen und Darm ausscheuernde Mittel hernähme. 
Daher steht vom Dioscorides an, in allen maieriis 
medids bis auf die neuem Bücher dieser Art, fast 
nichts von den einzelnen Arzneien angemerkt, was 
jeder ihre sonstige, spccielle, eigentliche Wirkung 
sey, sondern, ausser den Angaben von ihrem ver- 
meintlichen Nutzen gegen diesen oder jenen Krank- 



14 

■ 

beits- Namen der Pathologie, blols: ob sie Harn, 
Schweifs, Brost -Answnrf oder Monat -Reinigung be- 
fördere, nnd vorstiglich, ob sie Ansleernng aas dem 
Speise- lind Dann -Kanäle von oben oder nnten be- 
wirke, weil alles Dichten nnd Trachten der prakti- 
schen Aerzte von jeher vorzüglich anf Ansleernng 
eines materiellen Krankheits- Stoffs nnd mehrer, den 
Krankheiteq zom Grande liegen sollender, (fingir- 
ter) Schärfen gerichtet war. 

Diefs waren aber alles eitel Traame, nngegrfin- 
dete Yoranssetznngen nnd Hypothesen, klüglich ei^ 
sonnen zur Bequemlichkeit der Therapie, welche 
am leichtesten mit der Heilang durch Hinwegschaf- 
fang materieller Krankheits-Stoffe (si modo essenti) 
fertig zu werden hoffte. 

Nan kann sich aber das Wesen der Krankhei- 
ten nnd ihre Heilang nicht nach nnsem Träamen 
oder nach nnsrer Bequemlichkeit richten; die Krank- 
heiten können nnsrer Thorheit zn gefallen nicht auf- 
hören, (geistige) dynamische Verstimmungen 
unseres geistartigen Lebens in Gefühlen 
und Thätigkeiten, das ist, immaterielle Ver- 
stimmungen unsers Befindens zu seyn. 

Materiell können die Ursachen nnsrer Krank- 
heiten nicht seyn, da die mindeste fremdartige ma- 
terielle Substanz ^), sie scheine uns auch noch &o 



1) Das Leben stand auf dem Spiele, als etwas reines 
Wasser in eine Vene eingespritzt ward (m. s. Mallen bei 
Bircb in history of the royal society. YoL lY*). 



15 

mild/ in nnsre Blatgcfafse gebracht, plutzlich, wife 
ein Gift, von der Lebenskraft ansgestoCsen wird, 
oder, wo diefs nicht angeht, der Tod erfolgt. Selbst 
wenn der mindeste Splitter in nnsre empfindlichen 
Tbeile geräth, so mht das in nnserm Körper allge* 
genwärtige Lebensprincip nicht eher, bis er durch 
Schmerz y Fieber, Eiterung oder Brand wieder her» 
ansgeschafft worden ist. Und diefs nnermüdlich thär 
tige Lebensprincip sollte, z. B« bei einer zwanzig 
Jahr alten Ausschlags -Krankheit zwanzig Jahre lang 
einen fremdartigen, so feindseligen, materiellen 
Aasschlags -Stoff, eine Flechten-, eine Skrophel-, 
eine Gicht -Schärfe, n. s. w. in den Säften gutmü- 
thig dulden? Weicher Nosologe sah je mit leibli- 
chen Augen einen solchen Krankhcits- Stoff, dafs 
er so zuversichtlich davon sprechen und ein medi- 
cinisches Verfahren darauf bauen will? Wer hat je 
einen Gicht- Stofl^ ein Skrofel -Gift den Augen dar- 
legen können? 

Auch wenn die Anbringung einer materiellen 
Sobstanz an die Haut oder in eine Wunde Krank- 
heiten durch Ansteckung fortgepflanzt hat, wer kann 
(wie so oft in unsern Pathogenien behauptet wor- 
den) beweisen, dafs von dieser Substanz etwas Ma- 



in die Adern gespritzte atmosphärische Luft todtete 
(m. 8. J. H. Voigt, Magazin för den neuesten Zustand der 
Naturkunde, I. lu. S, 26.)' 

Auch die mildesten in die Venen gebrachten Flüssig- 
keiten erregten Lebensgefahr (m» s. Antenrieth, Physiolo- 
gie, II. §. 784.). 



16 

terielles in unsere Säfte ein^drnngen oder eingc- 
saagl worden sey *)? Kein, aach noch so sorgfal- 
tiges, alsbaldiges AWascfaen der Zengongstfaeile 
schützt vor der Ansteckung mit der venerischen 
Schanker- Krankheit. Schon ein Lüftchen, was von 
einem Menschenpocken -Kranken herüberweht, kann 
in dem gesunden Kinde diese fiirchterliche Krank- 
heit hervorbringen« 

Wie viel materieller Stoff an Gewichte mag 
wohl auf diese Weise in die Säfte eingesaugt wor- 
den seyn, um im erstem Falle ein nngeheilt, erst 
mit dem entferntesten Lebensende, erst mit dem 
Tode erlöschendes, peinliches Siechthum (Lostseu- 
che), im letztem Falle aber eine mit fast allgemei- 
ner Yereiterang ^) oft schnell tödtende Krankheit 
1- (Men- 

1) Dem von einem tollen Hunde gebissenen, achtjäh- 
rigen Mädchen in Glasgow schnitt der Wundarzt die 
Stelle sogleich rein ans, und dennoch bekam sie nach 
36 Tagen die Wasserscheu, woran sie nach zwei Tagen 
starb. (Med. Comment of Edinb. Dec. IL ToL II. 1793.) 

2) Um die Entstehung der oft groüsen Menge faulich- 
ten Unraths und stinkender Geschwür- Jauche in Krankhei- 
ten zu erklären und ihn für Krankheit erzeugenden und 
unterhaltenden Stoff ausgeben zu können, da doch bei der 
Ansteckung nichts Merkbares von Miasm, nichts Materielles 
in den Körper eingedrungen seyn konnte, nahm man zu 
der Hypothese seine Zuflucht, dafs der auch noch so feine 
Ansteckungs- Stoff im Körper als Ferment wirke, die Säfte 
in gleiche Verderbnils bringe und sie auf diese Art selbst 
in ein solches Elrankheits« Ferment umwandle, was immer- 
dar während der Krankheit wuchere und die Krankheit un- 



17 

(Menschen-Pocken) hervorznbringen ? Ist hier nnd in 
allen diesen Fällen wohl an einen materiellen, in das 
Blnt übergegangenen Krankheits- Stoff za denken? 
Ein im Krankenzimmer geschriebener Brief ans w^- 
ter Entfernung theilte schon oft dem Lesenden dieselbe 
miasmatische Krankheit mit. Ist vrohl hier an einen 
materiellen, in die Säfte eingedmngenen Krankheits- 
Stoff za denken? Doch, wozu alle diese Beweise? 
Wie oft hat nicht schon ein kränkendes Wort ein 
gefahrliches Gallenfieber, eine abergläabige Todes- 
Prophezeihnng ein Absterben zur angekündigten Zeit, 
und eine jählinge, traurige oder höchst freudige 
Nachricht den plötzlichen Tod zuwege gebracht? 
Wo ist hier der materieUe Krankheits -Stoff, der in 



terhalte. Durch welche allmäcbtigen und allweisen Reioi- 
gungs -Tränke wolltet Ibr aber dann wohl dieses sich im- 
mer wieder erzeugende Ferment, diese Masse angeblichen 
Krankheits -Stofüs so rein aus den menschlichen Säften aus- 
sondern und aussäubern lassen, dals nicht noch ein Stäub- 
eben eines solchen Krankheits-Ferments drin bliebe, was 
die Säfte immer wieder, wie zuerst, zum neuen Krank- 
heits -Stoffe, nach dieser Hypothese, umbilden und verder- 
ben mülste? Dann würde es ja unmöglich, diese Krank- 
heiten auf Eure Art zu heilen! — Man sieht, wie alle, 
auch noch so fein ausgesprochenen Hypothesen auf die 
handgreiflichsten Inconsequenzen fiibren, wenn Unwahrheit 
zum Grunde liegt! — Die weit gediehenste Lusts^uche 
beilt, wenn die oft damit komplicirte Psora beseitigt ist, 
von einer oder zwei ganz kleinen Gaben quintillionfach ver- 
dünnter Auflösung des Quecksilber- Oxyduls, und die allge- 
meme syphilitische Säfte -Verderbnifs ist auf immer (dyna- 
misch) vernichtet und verschwunden. 

B 



18 

den Korper leibhaftig übergegangen seyn, die Krank- 
heit erzeugt ond unterhalten haben and ohne dessen 
arzneiiiche, materielle Hinwegschaffnng nnd Aasffih* 
rang keine gründliche Cor möglich seyn sollte? 

Die Verfechter so grohsinnlich angenommener 
Krankheits- Stoffe mögen sich schämen, die geistige 
Natur unseres Lebens und die geistig dynamische 
Kraft Krankheit erregender Ursachen so nnüberlegt 
fibersehen und verkannt su haben. 

Sind denn die übelartigen, oft sehr ekelhaften 
Auswürfe in Krankheiten gerade der sie erzeugende 
und unterhaltende Stoff'), und nicht dagegen je- 
derzeit Auswürfe nnd Pröducte der Krank- 
heit, des blofs dynamisch gestörten nnd 
verstimmten Lebens? 

Bei solchen falschen, materiellen Ansichten von 
der Entstehung und dem Wesen der Krankheiten 
war es fi'eilich nicht zu verwundem, dafs in allen 
Jahrhunderten von den geringen, wie von den vor- 
nehmen Praktikern, ja selbst von den Erdichtern 
der sublimsten, medicinischeu Systeme immer haupt- 
sächlich nur auf Ausscheidung und Abführung einer 
eingebildeten, krankmachenden Materie hingearbeitet 
und die häufigste Indication gestellet ward auf Zer- 
theilung und Beweglich -Machnng des Krankheits- 
Stofis und seine Ausftihrung durch Speichel, Lnft- 



1) Dann mübte jeder Scbnapfen, auch der langwie- 
rigste, blob durch sorgfaltiges Schneuzen und Säubern der 
Nase unfehlbar und schnell geheilt werden können.. 



19 

röhr -Drüsen, Schweifs and Harn, auf eine durch 
die Verständigkeit der Wurzel- nnd Holztränke tren- 
gehorsam zn bewirkende Reinigung des Blates von 
(Schärfen nnd Unreinigkciten ) Krankheits- Stoffen, 
die es nie gab, aof mechanische Abzapfang der 
erdichteten Krankheits- Materie durch Haarseile, Fon- 
tanelle, durch von immerwährendem Canthariden- 
Pflaster oder Seidelbast-Rinde offen und triefend 
erhaltene Haut-Stellen, vorzüglich aber auf Abfub- 
rnug und Auspurgirung der materia peccans^ oder der 
schadhaften Stoffe, wie sie sie nannten, durch den 
Dannkanal mittels laxirender und purgirender Arz- 
neien, die sie gern, um ihnen eine tiefsinnigere Be- 
deutung nnd ein schmeichelhafteres Ansehn zu ge- 
ben (die Infarkten?), auflösende und gelind 
eröffnende benannten — lauter Veranstaltungen 
sor Fortschaffung feindseliger Krankheits -Stoffe, die 
es nie geben konnte und nie gegeben hat bei Erzeu- 
gung und Unterhaltung der Krankheiten des durch 
ein geistiges Princip lebenden, menschlichen Orga- 
nums — der Krankheiten, welche nie etwas Anderes 
waren^ als geistig dynamische Verstimmungen seines . 
an Gefühl und Thätigkeit geänderten Lebens. 

Vorausge.setzt nun, wie nicht zu zweifeln ist, 
dafs keine der Krankheiten — wenn sie nicht von 
verschluckten, gänzlich unverdaulichen oder sonst 
sehr schädlichen, in die ersten Wege oder in an- 
dre Oeffnunjgen und Höhlungen des Korpers gera- 
thenen Substanzen, von durch die Haut gedrunge- 
nen, fremden Körpern, u. s* w. herrühren — irgend 

B2 



20 

einen materiellen Stoff znm Grande bat, sondern 
daCs jede blols und stets eine besondre virtuelle, dy- 
namische Verstimmung des Befindens ist, wie zweck- 
widrig mnfs da nicht ein auf Ausführung ^) jener 



1) Einen Aoschein von Nothwendigkeit bat die Aus- 
purgirung der Würmer bei sogenannten Wurmkrankbei- 
ten. Aber auch dieser Anschein ist falsch. Einige wenige 
Spulwürmer findet man vielleicht bei mehren Kindern, bei 
nicht wenigen auch einige Madenwarmer. Aber wenig- 
stens eine Uebermenge von einer oder der andern Art 
rührt stets von einem allgemeinen Siechthume (dem psori- 
schen) her, gepaart mit ungesunder Lebensart. Man bes- 
sere letztere und heile das psorische Siechthum homöopa- 
thisch, was in diesem Alter am leichtesten Hülfe annimmt, 
so bleiben wenig oder keine dieser Würmer übrig, wenig- ' 
stens werden die Kinder , wenn sie auf diefe Art gesund ; 
geworden sind, nicht mehr davon belästigt, während sie 
sich nach bloDsen Purganzen, selbst mit Cinasamen verbun- 
den, doch bald wieder in Menge erzeugen. \ 

„Aber der Bandwurm,*^ höre ich sprechen, „dieses 
„zur Qual der Menschen geschaffene Ungeheuer, muDs doch 
„wohl mit aller Macht ausgetrieben werden.*^ 

Ja, er wird zuweilen abgetrieben, aber mit welchen 
Nachwehen und mit welcher Lebensgefahr! Ich mag den 
Tod so vieler Hunderte von Menschen nicht auf meinem 
Gewissen haben, die durch die angreifendsten, schrecklich- 
sten Purganzen, gegen den Bandwurm gerichtet, ihr Le- 
ben haben einbüCsen müssen , oder das Jahre lange Siech- 
thum derer, welche dem Purgir-Tode noch entrannen. 
Und wie oft wird er durch alle diese, oft mehrjährigen, 
Gesundheit und Leben zerstörenden Purgir-Curen doch 
nicht abgetrieben; oder er erzeugt sich wieder! 

Wie nun, wenn diese gewaltsame, nicht selten grm- 



A^. 



21 

» 

erdichteten Stoffe gericlitetes Cur -Verfahren in den 
ÄDgen jedes verständigen Mannes erscheinen > da 



same und oft lebensgefährliche Forttreibung und Tödtung 
dieser Thiere gar nicbt nöthig wäre? 

Die verschiedenen Gattungen Bandwürmer finden sich 
blofs beim Psora-Siecbtbnme, und verschwinden jederzeit^, 
wenn dieses geheilt wird. Ehe diese Heilung aber voll- 
führet wird, leben sie, bei erträglichem Wohlbefinden des 
Menschen, nicht unmittelbar in den Gedärmen, sondern in 
den Ueberbleibseln der Speisen, dem Unrathe der Gedärme, 
wie in ihrer eigenen Welt, ganz ruhig und ohne uns im 
mindesten zu belästigien und finden in dem Barm -Unrathe, 
was sie zu ihrer Nahrung bedürfen; da berühren sie c|if 
Wände unserer Gedärme nicht und sind uns unschädlich. 
Wird aber der Mensch auf irgend eine Art acut krank, 
dann wird der Inhalt der Gedärme dem Thiere unleidlich, 
es windet sich dann und berührt und beleidigt in seinem 
Uebelbehagen die empfindlichen Wände der Gedärme, da 
dann die Beschwerden des kranken Menschen nicht wenig 
durch diese besondre Art von krampfhafter Kolik vermehrt 
werden. (So wird auch die Frucht im Mutterleibe unru- 
hig, windet sich und stöfst, doch nur wenn die Mutter 
krank ist, schwimmt aber ruhig in seinem Wasser, ohne 
der Mutter weh zu thun, wenn diese gesund i^t.) 

£s ist bemerkenswerth , dafs die Krankheits- Zeichen 
des sich zu dieser Zeit übel befindenden Menschen gröfs- 
tentheils von der Art sind, dafs sie an der Tinktur der 
männlichen Farrnkraut- Wurzel, und zwar in der kleinsten 
Gabe, ihr (homöopathisches) schnelles Beschwichtigungs- 
Mittel finden, indem, was da in dem Uebelbefinden des 
Menschen von dem unruhig gewordenen Thiere herrührt, 
dadurch vor der Hand gehoben wird; der Bandwurm befin- 
det sich dann wieder wohl und lebt ruhig fort im Dann- 
Unrathe, ohne den Kranken oder seine Gedärme sonderlich 



22 

f 

mthlB in den Uaaptkrankheiten des Menschen, den 
chronbchen, damit gewonnen werden kann, scmdeni 
allemal gesdiadet wird. 

Die in Krankheiten sichtbar werdenden, entar- 
teten Stoffe und Unreinigkeiten sind, mit einem 
Worte, wie nicht %n ieagnen ist, nichts Anderes, 
als Erzengnisse der Krankheit des in innormale Ver- 
stimmung gesetzten Organisms selbst, welche von 
diesem selbst oft heftig genag — oft allza heftig — 
fortgeschafft werden, ohne der Hülfe der Anslee- 
mngs- Kunst zu bedürfen, deren er auch immer wie- 
der neue erzeugt, so lange er an dieser Krankheit 
leidet. Diese Stoffe bieten sich dem ächten Arzte 
oft selbst als Ktankheits - Symptome dar und helfen 
ihm, die Beschaffenheit und das Bild der Krankheit 
erkennen, um sie mit einer ähnlichen, arzneilichen 
Krankheits- Potenz heilen zu können. 



Doch die neuen und bessern Anhänger der al- 
ten Schule wollen nicht mehr dafür angesehen sejrn, 
als ob sie bei ihren Curen auf Abführung von ma- 
teriellen Krankheits -Stoffen ausgingen. Sie erklären 
ihre vielen und mancherlei Ausleerungen für eine 
durch Ableitung helfende Cur -Methode, worin 

ZU belästigen, bis die antipsorische Cor so weit gediehen 
ist, dais der Wurm, nach ausgetilgter Psora, den Darm- 
Inhalt nicht mehr zu seiner Nahrung geeignet findet nnd 
er so von selbst aus dem Genesenen auf immer verschwin- 
det, ohne die mindeste Purganz. 



23 

Ihnen die Natnr des kranken Organisms in ihren Be- 
strebungen, sich %n helfen, mit ihrem Beispiele voran- 
gehe, Fieber durch Schweifs and Urin entscheide, Sei- 
tenstiche dnrch Nasenblaten, Schweifs und Schleim- 
Aaswnrf — andre Krankheiten durch Erbrechen^ 
Durchfalle und After -Blutflufs, Gelenk -Schmerzen 
darch jauchende Schenkel- Geschwüre, Hals -Entzün- 
dung durch Speichelflufs, u« s. w. oder durch Meta- 
stasen und Abscesse, die die Natur in, vom Sitze 
des Uebels entfernten Theilen veranstalte. — 

Sie glaubten daher am besten zu thnn, wenn 
sie dieselbe nachahmten, indem auch sie in der 
Cur der meisten Krankheiten auf Umwegen zu 
Werke gingen und daher indirect ^), wie die kranke, 
sich selbst überlassene Lebenskraft, durch Anbrin- 
gung stärkerer, heterogener Reize in dem vom Krank- 
faeits- Sitze entfernten, und den kranken Gebilden 
am wenigsten verwandten (dissimilaren) Organen 
Ausleerungen veranstalteten, gewöhnlich auch unter- 
hielten, um das Uebel gleichsam dahin abzuleiten. 

Diese sogenannte Ableitung war und 
blieb eine der Haupt-Curmethoden der bis- 
herigen Arzneischule. 

Sie suchten bei dieser Nachahmung der sich 
selbst helfenden Natur, wie sieb Andre ausdrücken. 



1) Statt mit direct gegen die kranken Punkte im Or- 
ganisftn selbst gerichteten, homogenen, dynamischen Arznei- 
Potenzen, wie die Homöopathie thut, das Uebel schdell^ 
und ohne Umschweif auszulöschen. 



24 

in den Gebilden, welche am wenigsten krank sind 
und am besten die Arznei -Krankheit vertragen kön- 
nen, gewaltsam n^ie Symptome rege zu machet, 
welche unter dem Scheine von Crisen und unter der 
Form von Abscheldnngen die erste Krankheit über- 
täuben und ableiten, um so den Heilkräften der Na- 
tur eine allmälige Lysis zu erlauben ^). 

Diefs führten sie ans durch Schweifs und Harn 
treibende Mittel, durch Blut-Entziehungen, durch Haar- 
seile und Fontanelle, am meisten jedoch durch Aus- 
leerungs«» Reizungen des Speise- und Darm -Kanals, 
theils von oben darcb Brechmittel, tbeils aber, und 
^m liebsten, durch Abfuhrungen von nnten, die man 
auch eröfinende und auflösende ') Mittel nannte. 



1 ) Nur die mäfsigen acuten Krankheiten pflegen, wenn 
ihre natürliche Verlaufs -Zeit zu Ende geht, ohne und bei 
Anwendung nicht allzu angreifender, allopathischer Arz- 
neien, sich, wie man sagt, zu indifferenziren und sich ru- 
hig zu beendigen; die sich ermannende Lebenskraft setzt 
nun an die Stelle der ausgetobten Befindens -YeränderuD- 
gen allmälig ihre Norm wieder ein. Aber in den hoch 
acuten und in dem bei weitem grölsten Theiie aUer|menscfa- 
lichen Krankheiten, den chronischen, muCs dieis die rohe 
Natur und die alte Schule bleiben lassen; da kann weder 
die Lebenskraft durch ihre Selbsthülfe, noch die sie nach- 
ahmende Allopathie eine Lysis herbeUiihren — höchstens 
einigen Waffen -Stillstand, während dessen der Feind sich 
verstärkt, um desto stärker auszubrechen bald oder spät 

2) Ein Namen, welcher verräth,. dais man dennoch 
eme aufzulösende und fortzuschaffende Krankheits- Materie 
voraussetze. 



35 

. Dieser Ableitnogs- Methode u» Beihülfe wor- 
den 4ie mit ihr yer$cfawisterten, antagonistischen 
Reizmittel in Anwendung gesetzt: SchaafwoUe 
xa£ blofser Haut, Fbfsbäder» EkeKGnr, dnrch.Him' 
ger gepeinigter Magen nnd Darm (Hnngef-Car), 
Schmerz, Entzündung und Eitemtig in nahen und 
entfernten Theilen bewirkende Mittel, wie aufgelegt 
ter Märrettig, Senf- Teig, Kanthariden- Pflaster, Sei- 
delbast, Haarseile (Fontanelle), Antenriethscbe Salbe^ 
Moxa, glühendes Eisen, Akapanktor, n. s. w., eben- 
falls nach dem Vorgänge der in Krankheiten sich 
znr Hülfe selbst überlassenen, rohen Natnr, welche 
sich dnrch Schmerz -Erregung an entfernten Körper- 
theilen, durch Metastasen nnd Abscesse, durch er^ 
regte Ausschläge nnd jauchende Geschwüre von der 
dynamischen Krankheit (und ist diese eine chroni- 
sche, vergeblich) losznwinden sucht. 

Offenbar also nicht verständige Gründe, son* 
dem einzig Na cLa hm nng verleitete die alte Schule 
zu diesen unhülfrcichen, indirecten Curmethoden, der 
ableitenden sowohl, als der antagonistischen — be- 
wogen sie zu dieser so wenig dienlichen, so schwä- 
chenden, und so angreifenden Yerfahrungsart, Krank- 
heiten zu mindern oder zu beseitigen; denn Heilung 
kann man so etwas nicht nennen. 

Sie folgte blofs dem Vorgänge der rohen Natnr 
in ihren, blofs in mäfsigen, acuten Krankheits- An- 
fällen nothdürftig ^) durchkommenden Bestrebungen 



1 ) Man sah lo der gewöhnlichen Medidn die Selbst- 



26 

-^ sie machte es blofs der sich in Krankheiten selbst 
tiberlassenen Lebens -Erhaltangs- Kraft nach, welche. 



hälfe der Natur des Organisnis bei Krankheiten, wo keine 
ArsDei angewendet ward, als nachakmnngfwürdige Master- 
Curen an. Aber man irrte sich sehr« Die jj^mer- 
volle, höchst unvollkommne Anstrengung der Lebenskraft 
zur Selbsthülfe 'in acuten Krankheiten ist ein Schauspiel, 
was die Menschheit zum thatigen Mitleid und zur Aufbie- 
tung aller Kräfte unsers verständigen Gebtes auffordert, 
um dieser Selbstqual durch achte Heilung ein Ende zu ma^ 
eben. Kann die Natur eine im Organism schon bestehende 
Krankheit nicht durch Anbringung einer neuen, andern^ 
ähnlichen Krankheit (§. 38. 39. 41.), dergleichen ihr 
aufserst selten zu Gebote steht (§. 45.), homöopathisch hei- 
len, und bleibt es dem Organism allein überlassen, aus eig- 
nen Kräften, ohne Hülfe von aussen, eine neu entstandene 
Krankheit zu überwinden (bei chronischen Miasmen ist oh- 
nehin sein Widerstand unmächtig), so sehen wir nichts 
als qualvolle, oft gefährliche Anstrengungen der Natur 'des 
Individuums, sich zu retten, es koste, was es wolle, nicht 
selten mit Auflösung des irdischen Daseyns, mit dem Tode, 
geendigt. 

Sq wenig wir Sterbliche den Vorgang im Haushalte 
des gesunden Lebens einsehen, so gewils er uns, den Ge- 
schöpfen, eben so verborgen bleiben muis, als er dem Auge 
des allsehenden Schöpfers und Erhalters seiner Geschöpfe 
offen da liegt, so wenig können wir auch den Vorgang im 
Innern beim gestörten Leben, bei Krankheiten, einsehen. 
Der innere Vorgang in Krankheiten wird nur durch die 
wahrnehmbaren Veränderungen, Beschwerden und Sym- 
ptome kund, wodurch unser Leben die innern Störungen 
einzig laut werden lälst, so daOs wir in jedem vorliegenden 
Falle nicht einmal erfahren, welche von den Krankheits- 
Symptomen Primärwirkung der krankhaften Schädlichkeit, 



27 

eiimg anf dcQ organischen GeseUen des 
bernhend, einzig nor nach diesen orgadschen Ge- 



oder welche Reaetion der Lebenskraft sar.Selbstbulfe seyeo. 
Beide fileCsen vor unsem Augen in einander und stellen 
DDs blofs ein nach aufsea reflectirtes Bild des ionern Ge- 
sammtleidens dar, indem die unhülfreichen Bestrebungen 
des sich selbst überlassenen Lebens, das Leiden zu enden, 
selbst Leiden des ganzen Organisms sind. Daher li^ auch 
in den, durch die Natur zu Ende schnell entstandener 
Krankheiten gewöhnlich veranstalteten Ausleerungen, die 
man Crisen nennt, oft mehr Leiden, als heilsame Hülfe. 

Was die Lebenskraft in diesen sogenannten Crisen und 
wie sie es veranstaltet, bleibt uns, wie aller innere Vor- 
gang des organischen Haushaltes des Lebens, verborgien. 
So viel ist indels sicher, dafs sie in dieser ganzen Anstren- 
gung Mehr oder Weniger von den leidenden Thel* 
len aufopfert und vernichtet, um das Uebrige zu 
retten. Diese Selbsthülfe der blo£s nach der organischen 
Einrichtung unsers Körpers, nicht nach geistiger Ueberle- 
gong bei Beseitigung der acuten Krankheit zu Werke ge« 
henden Lebenskraft ist meist nur eine Art Allopathie; sie 
erregt, um die primär leidenden Organe durch Crise zu 
befrden, eine vermehrte, oft stürmische Thätigkeit in den 
Absonderungs- Organen, um das Uebel jener auf diese ab- 
zuleiten; es, erfolgen Erbrechungen, Durchfalle, HarnfluÜBi 
Schweiise, Abscesse u. s. w., um durch diese Aufreizung 
entfernter Theile eine Art Ableitung von den ursprünglich 
kranken Theilen zu erzielen, da dann die dynamisch ange- 
griffene Nervenkraft im materiellen Producte sich gleich- 
sam zu entladen scheint 

Nur durch Zerstörung und Aufopferung eines Theils 
des Organisms selbst yermag die sich allein überlassene Na- 
tur des Menschen sich aus acuten Krankheiten zu retten^ 
und, wenn der Tod nicht erfolgt, doch nur langsam und 



28 

setzen wket, nicbt nacb^ Verstand nnd Ueberlegnng 
zn handeln {ahig ist — der roben Natur ^ welche 
klaffende Wnndlefzen nicht wie ein verständiger 
Wundarzt an einander zn bringen nnd durch Ver- 
einigung zu heilen Vermag, welche schief von ein- 
ander abstehende Knochen -ßmch-Enden, so viel 
sie auch Knochen-Gallerte (oft zum Ueberflafs) ans- 
schwitzen läfst, nicht gerade zn richten nnd anf ein- 
ander zn passen weifs, keine verletzte Arterie unter- 
binden kann, sondern den Verletzten in ihrer Ener- 
gie zn Tode bluten macht, welche nicht versteht, 
einen ausgefallenen Schulter -Kopf wieder einzuren- 
ken, wohl aber durch bald umher zuwege gebrachte 
Geschwulst die Kunst am Einrenken hindert — die, 
nm einen in die Hornhaut eingestochenen Splitter zn 
entfernen, das ganze Auge durch Vereiterung zer- 
stört und einen eingeklemmten Leisten -Bruch mit 
aller Anstrengung doch nur durch Brand der Ge- 
därme nnd Tod zu lösen weifs, auch oft in dynami- 
schen Krankheiten durch ihre Metaschematismen die 



unyollkommen die Harmonie des Lebens, Gesundheit, wie- 
der herzustellen. 

Die bei Selbstgenesungen zurückbleibende, grofse 
Schwäche der dem Leiden ausgesetzt gewesenen Theile, jat 
des ganzen Körpers, die Magerkeit, u. s. w., geben uns 
diels zu verstehen. 

Mit einem Worte: der ganze Vorgang der Selbsthiilfe 
des Organisms bei ihm zngestofsenen Krankheiten zeigt dem 
Beobachter nichts als Leiden, nichts, was er, nm acht heil- 
künstlerisch zu verfahren, nachahmen könnte und dürfte. 



j 



29 

Kranken weil nnglflckliclier macht , als sie voiliev 
waren. Noch mehr; die gröfsten Peiniger nnseiB 
irdischen Daseyns, die Zunder %a den nnzähligen 
Krankheiten, unter denen seit Jahrhunderten und 
Jahrtausenden die gepeinigte Menschheit seufzt, die 
chronischen Miasmen (Psora, Syphilis, Sjkosis), 
nimmt die yerstandlose Lebenskraft im 
Körper ohne Bedenken auf, vermag aher k^ns 
derselben nicht einmal zu mindern, geschweige denn 
eigenthätig wieder aus dem Organisn^ zu entfernen; 
vielmehr läfst sie dieselben darin wuchern, bis der 
Tod oft nach einer langen, traurigen Lebenszeit dem 
Leidenden die Augen schliefst. 

Wie konnte wohl die alte Schule, die sich die 
rationelle nennt, jene verstandlose Lebenskraft in 
einer so viel Verstand, Nachdenken und Urtheils- 

* 

kraft erfordernden, hochwichtigen Verrichtung, als 
das Heil -Geschäft ist, zur einzig besten Lehrerin, 
zur blinden Fahrerin wählen, ihre indirecten und 
revolutionären Veranstaltungen in Krankheiten ohne 
Bedenken nachahmen, sie allein, als das non plus 
ultra^ das ersinnlich Beste, nachahmen, da doch^ 
um sie, znm Wohle der Menschheit, an Hülfslei- 
stung unendlich übertreffen zu können, uns jene 
gröfste Gabe Gottes, nachdenklicher Verstand und 
ungebundene Ueberlegnngskraft, verliehen war'? 

Wenn so, bei ihrer unbedenklichen Nachah- 
mung jener rohen, verstandlosen, automatischen Le- * 
bens^Energie, die bisherige Arzneikunst in ihren an- • 
tagonistischen und ableitenden Cur -Methoden — ih- 



30 

xitk dHgewShnlichen Unternefamiingen — > die nnschol- 
digen Theile iind Organe angreift nnd sie entweder 
mit überwiegendem Schmeröe afficirt, oder sie, wie 
meistens, %u Ansleerongen, nnter Verschwendung der 
Kräfte nnd Säfte, nötbigt, will sie die krankhafte Tfaä- 
tigkeit des Lebens in den ursprünglich leidenden Thei- 
len ab- und auf die kttnsdicb angegri£Eenen hinlen- 
ken, nnd so, indiriect, durch Hervorbringnng 
einer weit gröfsern, andersartigen Krank- 
heit in den. gesttndem Theilen, also durch einen 
Kräfte raubenden, meist schmerzhaften Umweg das 
Entweichen der natürlichen Krankheit erzwingen ^). 



1) Mit weichem traurigen Erfolge dieses Manöver in 
chronischen Krankheiten ausgeführt wird, zeigt die tägliche 
Erfahrung. Am wenigsten erfolgt Heilung. Wer 
wollte es aber auch Besieguog nennen, wenn, statt den 
Feind unmittelbar beim Kopfe zu ergreifen und, Waffe ge- 
gen Waffe gekehrt, ihn zu vertilgen, um so^ dem feindli- 
chen Einfaille auf einmal ein Ende zu machen, man feig, 
hinter seinem Rücken nur brandschatzt, ihm alle Zufuhr 
abschneidet, alles weit um ihn her aufzehrt, sengt und 
brennt; da wird man dem Feinde wohl endlich allen Math 
benehmen, zu widerstehen, aber der Zweck ist nicht er- 
reicht, der Feind keineswegs vernichtet — er ist noch da, 
und wenn er sich wieder Nahrung und Yorrath verschafft 
hat, hebt er sein Haupt nur noch erbitterter wieder empor 
— der Feind, sage ich, ist keineswegs vernichtet, das arme, 
unschuldige Land aber so ruinirt, dafs es sich in langer 
Zeit kaum wieder erholen kann. So die Allopathie in chro- 
nischen Krankheiten, wenn sie den Organism durch ihfe 
indirecten Angriffe j|uf die unschuldigen, vom Krankheits- 



31 

Die Krdnkhdt entweichet freilich, wenn sie a^at 
und also ihr Verlauf ohnehin nur za karzer Daner 
geartet war, anch nnter diesen heterogenen AngriJF- 
fen anf entfernte, dissimilare Theile — sie ward aber 
nicht geheilt Es liegt nichts in dieser revolntionä- 
ren Behandlang, welche keine gera'de, unmittelbare, 
pathische Richtung anf die ursprünglich leidenden 
Gebilde hat, was den Ehren -Namen, Heilung ver- 
diente. Oft würde, ohne diese bedenklichen An- 
griffe anf das übrige Leben, die akute Krankheit 
für sich schon, auch wohl noch eher, verflossen 
sejn, und mit weniger Nachwehen, weniger Anfopfe- 
rang von Kräften. Mit einer, die Kräfte erhalten- 
den, die Krankheit unmittelbar und schnell auslö- 
schenden, directen, dynamischen (homöopathischen) 
Behandlung halten ohnehin beide, weder die von 
der rohen Natnrkraft aasgehende, noch die allopa- 
thische Copie der letztern, keine Yergleichnng aus. 

In der bei weitem gröfsten Zahl von Krankheits- 
Fällen aber, in deix chronischen, richten diese stür- 
mischen , schwächenden , indirecten Behandlangen 
der alten Schale fast nie das mindeste Gate aas. 
Nur auf wenige Tage hin saspendiren sie diese oder 
jene lästige Krankheits-Aeusserung, welche jedoch 
^edericehrt, wenn die Natar des entfernten Reizes 
gewohnt ist, und schlimmer kehrt die Krankheit wie- 



* • ■ 

^lUe entfernten Theile, ohne die Krankheit zu heilen, za 

Grunde richtet Diefs sind ihr^ unwohlthätigen Künste! 



32 

d^r znrilck, weil durch die antagonistisclien Sdimer- 
zen ^) und die onsweckmafiiigeii Ausleenuigen die 
Lebenskräfte %xun Sinken gebracht worden sind. 



Während so die meisten Allopathen, die HülGs- 
Bestrebungen der sich selbst überlassenen, rohen 
Natnr im Allgemeinen nachahmend, nach Gnt- 
dünken (wo eine ihren Gedanken vorschwebende In- 
dication sie dasu leitete) dergleichen angeblich nütz- 
liche Ableitungen in ihrer Praxis ansführten, imter- 
nahmen Andre, welche sich ein noch höheres Ziel 
vorsteckten, die in Krankheiten sich eben zei- 
genden Anstrengungen der Lebenskraft, 
sich durch Ausleerungen und antagonisti- 
sche Metastasen zu helfen, mit Fleifs zn 
befördern und, um ihr gleichsam unter die Arme 
zu greifen, diese Ableitungen und Ausleerungen noch 
zu verstärken, und glaubten bei diesem nacbtheiligen 
Ver- 

1) Welchen günstigen £rfo]g hatten wohl die so oft 
angewendeten, künstlich unterhaltenen, Übeln Gemch ver- 
breitenden Geschwüre, die man Fontanelle nennt? Wenn 
sie ja in den ersten paar Wochen, so lange sie noch yiel 
Schmerz verursachen, antagonistisch ein chronisches Uebel 
etwas zu hemmen scheinen, so haben sie doch nachgehends, 
wenn der Körper sich an den Schmerz gewöhnt hat, klei- 
nen andern Erfolg, als den Kranken zu schwächen und so 
dem chronischen Siech thume weitern Spielraum zu ver- 
schafFen. Oder wähnt man etwa, noch im Idten Jahrhun- 
derte, hiedurch ein Zapfloch für die herauszulassende ma-' 
ieria peccans oßen zu erhalten? Fast scheint es so! 



33 

Verfahren duce TuUwa %a. handeln nnd sich mit dem 
Namen miaUtri naturae beehren zu können» 

Da in langwierigen Krankheiten die von der Na- 
tur des Kranken veranstalteten Ansleernngen sich nicht 
selten als Erleichterongen beschwerlicher Zustände 
arger Schmerzen, Lähmungen, Krämpfe, n. s, w. an- 
kündigen, so hielt die alte Schnlc diese Ableitangen 
für den wahren ^S^eg, die Krankheiten zu heilen, 
wenn sie solche Anslcefungen beförderte, unterhielt, 
oder gar vermehrte. Sie sah aber nicht ein, dafs 
alle jene dorch die sich selbst überlassene Natnr ver- 
anstalteten Auswürfe nnd Ansscheidangen (anschei- 
nende Crisen) in chronischen Krankheiten nur pal- 
liative, knrz daoemde Erleichterungen seyen, welche 
so wenig zur wahren Heilung beitragen^ dafs sie viel- 
mehr im Gegentheile das ursprüngliche, innere Siech- 
thum mittels der dadurch erfolgenden Verschwendung 
der Kräfte und Säfte nur verschlimmern. Nie sah 
man durch solche Bestrebungen der rohen Natur ir- 
gend einen langwierig Kranken zur dauerhaften Ge- 
sundheit herstellen, nie durch solche vom Organism 
bewerkstelligte ^) Ausleerungen irgend eine chronische 
Krankheit heilen. Vielmehr verschlimmert sich in 
solchen Fällen stets, nach kurzer, und immer kür- 
zere und kürzere Zeit dauernde Erleichterung^ das 
ursprüngliche Siechthum offenbar, die schlimmen An- 
fälle kommen öfterer wieder nnd stärker, trotz der 



1) Und ehen so wenig durch die künstlich veranstal- 
telcn. 

c 



34 

fortdaaernclen Aasleerangen. — So aach, wenn die 
sich selbst ttberlassene Natnr, bei den dem Leben 
von einem innern chronischen Uebel drohenden 6e- 
fa^rdnngen, sich nicht anders so helfen weifs, als 
durch Hervorbringang äafserer Localsymptome, um 
die Gefahr vpn den cum Leben anentbehrlichen 
Theilen abzolenkcn and aaf diese Air das Leben 
nicht nnentbehrlichen Gebilde darch Metastase bin- 
saleiten, sö führen diese Veranstaltangen der ener- 
gischen, aber verstandloscn and keiner Ueberlegang 
oder Fürsicht fähigen Lebenskraft, doch zu nichts 
weniger, als zu wahrer Hülfe oder Heilang; sie sind 
blofs palliative, kurze Beschwichtigungen für das ge- 
fahrliche, innere Leiden, anter Yergeadang eines 
grofsen Theils der Säfte ühd Kräfte, ohne das Ur- 
Uebel aoch nur am ein Haar za verkleinern; sie 
können den, ohne ächte, homöopathische Heilung 
nnaasbleiblichen Untergang höchstens verzögern. 

Die Allopathie der alten Schale tiberschätzte bei 
weitem diese Anstrengungen der rohen Natarkraft, 
hielt sie falschlich flir acht heilsam, and sachte sie 
zu erhöhen und za befordern, in dem Wabne, da- 
durch vielleicht das ganze CJebel vernichten nnd 
gründlich heilen za können. Wenn die Lebenskraft 
bei chronischen Krankheiten dieses oder jenes be- 
schwerliche Symptom des innern Befindens, z. ß* 
durch ein^n feuchtenden Haut- Ausschlag zn beschwich- 
tigen schien, da legte der Diener der rohen Natar- 
kraft {mudsier mUurae) auf die entstandene jauchende 
Fläche ein Kanthariden-Pflaster oder ein Exatorinm 



35 

(Seidelbast), um duce natura noch mehr Feuchtig- 
keit aas der Haut tu ziehen und so den Zweck der 
Natur, die Heilung (durch Entfernung der Krank- 
heits- Materie aus dem Körper?) zu befördern und 
zu unterstützen — ; aber entweder, wenn die Ein<> 
Wirkung des Mittels zu heftig, die feuchtende Flechte 
schon alt und der Körper zu reizbar war, vergrö* 
Iserte er, nutzlos für das Ur-Uebe), das äulsere 
Leiden um Vieles, erfaöhete die Schmerzen, welche 
dem Kranken den Schlaf raubten und seine Kräfte 
herabsetzten (auch wohl einen fieberhaften bösarti- 
gen Rothlauf {erysipelas') herbeifiihrten), oder, bei 
milderer Einwirkung auf das vielleicht noch neue 
Localiibel, vertrieb er damit durch eine Art übel an* 
gebrachten, äufsem Homöopatbisms das von der Na* 
tur zur Erleichterung des innern Leidens auf der 
Haut bewerkstelligte Localsymptom von der Stelle 
und erneuerte so das innere, gefahrlichere Uebel, und 
verleitete durch diese Vertreibung des Localsym« 
ptoms die Lebenskraft zur Bereitung eines schlimme- 
ren Metaschematisms auf ^ndere, edlere Theile; der 
Kranke bekam gefahrliche Augen- Entzündung, oder 
Taubhörigkeit, oder Magen -Krämpfe, oder epilepti- 
sche Zuckungen, oder Erstickungs- oder ScblagflaCs- 
Anfälle, oder Geistes- oder Gemüths -Krankheit, 
u. s. w, daßir '). r 

1 ) Natürliche Folgen der Vertreihung solcher Local- 
symptoine — Folgen, die oft vom allopatbiscben Arzte 
für ganz andre, neu entstandene Krankheiten ausgegeben 
wurden* 

2 



36 

In demselben Wahne, die Lebenskraft in ihren 
Heil - Bestrebongen onterstütoen sn wollen, legte, 
wenn die kranke Natarkraft Blat in die Venen des 
Mastdarms oder des Afters drängte (blinde Hämor- 
rhoiden), der minister naturae Blutegel an, om dem 
Blote da Ausgang sn verschaffen, ob, in Menge — 
mit kurzer, oh kaum nennenswertfaer Erleichterung, 
aber unter Schwächung des Körpers, und Veranlas- 
sung Bu noch stärkeren Congestionen nach diesen 
Theilen, ohne das Ur-Uebel auch nur im Gering- 
sten SU vermindern« 

Fast in allen Fällen, wo die kranke Lebenskraft 
Bur Beschwichtigung eines innem, gefahrlichen Lei- 
dens etwas Blut auszuleeren suchte durch Erbre- 
chen, durch Husten u. s. w., beeiferte er sich, duce 
natura^ diese vermeintlich heilsamen Natur -Bestre- 
bungen BU befördern und lieb reichlich Blut ans 
der Ader, nie ohne Nachtheil für die Folge und 
mit offenbarer Schwächung des Korpers. 

Bei öftem, chronischen Uebelkeiten erregte er, 
in der Meinung, die Absichten der Natur bu beför- 
dern, starke Ausleerung ans dem Magen und gab 
tüchtig zu Brechen — nie mit gutem Erfolge , oft 
mit Übeln, Buweilen fürchterlichen und gefahrlichen 
Folgen. 

Zuweilen erregt die Lebenskraft, um das innere 
Siechthum bu erleichtern, kalte Geschwülste änfsercr 
Drüsen, und er glaubt, die Absichten der Natur, als 
ihr angeblicher Diener, zn befördern, wenn er sie 
durch allerlei erhitzende Einreibungen und Pflaster 



37 

m Ehtsftndang setzt, um dann die reife Eitcrbenic 
mit dem Schnitte zu öfinen und die böse Krankheits- 
Materie herauszulassen* Welches langwierige Un- 
heil aber dadarch, fast ohne Ansnahme, veranlasset 
wird, lehrt die Erfahrong hondertfaltig. 

Und da er öfters kleine Erleichterongen grofscr 
Uebel in langwierigen Krankheiten dnrch von seihst 
entstandenen Nacht - ScbweiCs oder durch manche 
dänne Stuhl -Aasleemngen bemerkt hatte, so wähnt 
er sich berufen, diesen Natur- W^inken (duce naiura) 
zu folgen und sie befördern zu müssen durch Ver- 
anstaltung und Unterhaltung vollständiger Schwitz- 
Curcn, oder Jahre lang fortgesetzter, sogenannter 
gelinder Abführungen, um jene, wie er meint, zur 
Heilung des ganzen chronischen Leidens föhrende 
Bestrebungen der Natur (der Lebenskraft des ver- 
standlosen Organisms) zu fördern und zu vermeh- 
ren und so den Kranken desto eher und gewisser 
von seiner Krankheit zu befreien. 

Aber er bewirkt dadurch stets nur das Gegen- 
theil im Erfolge: Verschlimmerung des ursprüngli- 
chen Leidens. 

Dieser seiner vorgefafsten, obgleich grundlosen 
Meinung zufolge setzt der Allopathiker jene Beför- 
derung ^) der Triebe der kranken Lebenskraft fort 

1) Mit diesem Ver&hren im Widerspruche erlaubte 
sich auch die alte Schule das Gegeutbeil hievon nicht 
selten, näo^lich die Bestrebungen der Lebenskraft in ,Be- 
schwicbtigung des innem Siecbibunis durch Ausleerungen 
und an den Aulscuthelien des Körpers veranstaltete Local- 



38 

und vennelurt jene nie som gedeihlichen Ziele, blols 
zoni Ruine führenden Ableitangen nnd Ansleernn- 
gen bei dem Kranken, ohne inne sa werden, dafs 
alle die sar Beschwichtigung des ursprünglichen, 
chronischen Leidens von der sich selbst ttberlassenen 
Lebenskraft veranstalteten nnd unterhaltenen LocaU 
übel, Ausleerungen und anscheinende Ableitungs- 
Bestrebungen selbst su den Zeichen der ganzen 
Krankheit gehören, gegen welche susammen eigent- 
lich ein nach Aiehnlichkeits« Wirkung gewähltes, ho* 
moopathisches Anneimittel das eintig httlfreiche Heil- 
mittel gewesen seyn würde. 



Symptome, wenn sie bescbwerifcb worden, durch ihre re* 
percutientia und repellentia nach Gutdünken su unterdruk- 
ken, die chronischen Schmerzen, die Schlaflosigkeiten und 
alten DurcbräUe mit waghalsig gesteigerten Gaben Mobn- 
saft, die Erbrecbungen mit der brausenden Salz «Mixtur, 
die stinkenden Futs-Schweifse mit kalten Fulsfaadern und 
adstringirenden Umschlagen, die Haut -Ausschläge mit Biei- 
und Zink -Präparaten zu vertreiben, die Bährmutter- Blut- 
flüsse mit Essig- Einspritzungen, die colliquativea SchweiCse 
mit Alaun -Molken, die nächtlichen Samen -Ergielsungen 
mit vielem Kampher -Gebrauch, die oftern Anfalle fliegen- 
der Körper- und Gesichts -Hitze mit Salpeter und Ge- 
wachs- und Schwefel -Säore, das Nasen -Bluten durch Tam- 
poniren der Nasenlöcher mit Pfropfen, in Weingeist oder 
adstringirende Flüssigkeiten getaucht, zu hemmen, nnd mit 
Blei- und Zink -Oxyden die, grofse innere Leiden zu be- 
schwichtigen von der Lebenskraft veranstalteten, jauchen- 
den Schenkel -Geschwüre auszutrocknen, ». s. w. — aber 
mit welchen traurigen Folgen meistentheik, zeigen tausend 
Erfahrungen. 



39 

> 

Da schon was die rohe Natar thut. um sich in 
Krankheiten zn helfen, in acaten sowohl als viel- 
mehr in chronischen 9 höchst nn vollkommen ist, so 
läfst sich leicht ermessen, dafs die künstliche Befur- 
derong dieser Unvollkommcnheit noch mehr schaden, 
wenigstens selbst bei acuten Uebeln nichts an der 
Natur- Hülfe verbessern konnte, da die Arsneikanst 
die verborgnen Wege, auf welchei^ die Lebenskraft 
ihre Crisen veranstaltet, nicht %n betreten im Stande 
war, sondern nur durch angreifende Mittel von au- 
fsen, welche noch weniger wohlthätig, als was die 
sich selbst überlassenc Lebenskraft auf ihre Weise 
thuty aber dagegen noch störender sind und noch 
mehr die Kräfte rauben« Denn auch die unvollkom- 
mene Erleichterung, welche die Natur durch ihre 
Ableitangen und Crisen bewirkt, kanq die Allopa- 
thie auf ähnlichem W^ege nicht erreichen, sie bleibt 
noch tief ^nter der jämmerlichen Hülfe» welche die 
sich allein überlassene Lebenskraft zu verschaffen 
vermag, mit ihren Beinühungen zurück. 

Man hat durch ritzende W^erkzeuge ein dem 
natürlichen nachgemachtes ^(asenblntcn hervorzubrin- 
gen gesucht, um die Anfälle %. B. eines chronischen 
Kopfschmerzes zu erleichtern. Da konnte man wohl 
Blut in Menge aus^ den Nasenhöhlen rinnen machen 
und den Menschen schwächen, aber die Erleichte- 
rung davon war weit geringer, als wenn zu andrer 
Zeit die instinktartige Lebeoskraft aus eigenem Triebe 
auch nur wenige Tropfen ausfliefsen liefs. 

Ein sogenannter kritischer Schweifs oder Durch- 



40 

» 

fall von der stets thStigen Lebenskraft nach schnel- 
ler Erkrankung von Acrgemifs» Schreck, Yerhcbea 
oder Yerkälten veranlafst, wird weit erfolgreicher, we- 
nigstens vor der Hand» die acuten Leiden beseitigen, 
als alle Schwitzmittel oder Abfübrongs-Arzneien aas 
der Apotheke, wie die tägliche Erfahrung lehrt 

Doch ward die, für sich, nnr nach körperlicher 
lEinricbtang nnsers Organisms zn wirken fähige, nicht 
nach Verstand, Einsicht nnd Uebericgang za handeln 
(geeignete) Lebenskraft dem Menseben nicht daza 
verliehen, dafs wir sie für die bestmöglichste Krank- 
heits -Heilerin annehmen sollten, nm jene traurigen 
Abweichungen von Gesundheit in ihr normales Yer- 
hältnifs, gleichsam auf ibrc eigne Hand, vrieder zu- 
rück zn führen, und noch weniger dazu, dafs die 
Aerzte ihre unvollkommnen Bestrebungen (sich selbst 
aus Krankheiten zu retten), sklavisch, und mit, frei- 
lich noch zweckwidrigem^ und angrcifendürn Veran- 
staltungen, als sie selbst vermag, nachahmen und 
dadurch sich (ihrer Bequemlichkeit?) den zur Erfin- 
dung nnd Ausführung der edelsten aller menschlichen 
Künste — der wahren Heilkunst — erforderlichen 
Aufwand von Verstand, Nachdenken und Ueberlc- 
gung ersparen sollten — eine schlechte Copie jener, 
wenig wohlthätigen Selbsthülfe der rohen Naturkraft 
für Heilkunst ausgebend! 

Nein! jene dem Menschen angebome, das Le- 
ben auf die vollkommenste Weise während des- 
sen Gesundheit zu führen bestimmte, heiTÜcbe 
Kraft, gleich gegenwärtig in allen Theilen des Or- 



41 

ganisms, m der »cnsibcln wie In der irritabeln Faser 
und unermüdete Triebfeder aller normalen, natürli- 
chen Körper -Yerrichtangen, ward gar nicht daza 
erscha£Fen, nm sich in Krankheiten selbst za helfen, 
nicht, nm eine nachahmnngswürdige Heilknnst ans- 
rauben — -* Heilknnst, jenes ein nachdenkliches Ge- 
schäft, was dem höhern Menschen-Geiste, der freien 
Ueberlegnng, nnd dem wählenden, nach Gründen 
entscheidenden Ydrstande obliegt, nm jene instinktar- 
tige nnd verstand- nnd bewnistlose, aber antomatisch 
energische Lebenskraft, wenn sie dnrch Krankheit 
zu innormaler Thätigkeit verstimmt worden, mittels 
einer, dieser ähnlichen Affection, von homöopathisch 
ausgewählter Arznei erzeugt, dergestalt arzneikrank 
umzustimmen, dafs die natürliche Krankheits- Affec- 
tion nicht mehr anf sie wirken könne nnd sie so 
derselben quitt werde nnd fähig, nach baldiger Yer- 
8ch\rindnng der nenen (Arznei-) Affection, wieder 
zur Norm der Gesundheit und zu ihrer eigentlichen 
Bestimmung, „der Belebung und Gesund -Erhaltung 
des Organisms*^ zurückzukehren, ohne bei dieser 
Umwandlung schmerzhafte oder schwächende Angriffe 
erlitten zu haben. Diefs zu bewirken, lehrt die ho- 
möopathische Heilkunst. 



Bei den angeführten Cnr-Methoden der allen 
Schuld entrannen zwar allerdings nicht wenige Kranke 
ihren Krankheiten, doch nicht den chronischen (nn- 
venerischcn); nur den acuten, ungefährlichen, und 



42 

docn nur aaf beschwerlichen Umwegen , iind oft $o 
unvollkommen, dafs man die Goren nicht dorch 
milde Knnst vollführte Heilangen nennen konnte. 
Die acuten Krankheiten worden von ihr in den nicht 
sehr gefährlichen Fällen mittels Blotentziehnngen oder 
Unterdrückung eines der Hanptsymptome durch ein 
enantiopathisches Palliativmittel (contraria contrarUs) 
so lange niedergehalten, oder mittels auf andern, als 
den kranken Punkten, gegenreizender und ableiten- 
der (antagonistischer und revellirender) Mittel bis 
%vi dem Zeitpunkte snspendirt, wo. die natürliche Ver- 
laufs -Zeit des knrsen Uebels vorüber war — also 
auf Kräfte und Säfte raubenden Umwegen, und der^ 
gestalt, dafs der eignen Natur des so Behandelten 
das Meiste uiid Beste zur voUständij^en Beseitigung 
der Krankheit und Wiederersetzung der verlornen 
Kräfte und Säfte bu thun übrig blieb — der Lebens- 
Erhaltungs-Kraft, welche nächst der Beseitigung des 
natürlichen, acnten Uebels, auch die Folgen unsweck- 
mäfsiger Behandlung zu besiegen hatte und so in 
den ungefährlichen Fällen mittels ihrer eignen Ener- 
gie, doch oft mühsam, unvollkommen und unter 
mancherlei Beschwerde die Functionen in ihr nor- 
males Yerhältnifs allmälig wieder einzusetzen pflegte. 
Es bleibt zweifelhaft, ob der Genesungs-Procels 
der Natur durch dieses Eingreifen der bisherigen 
Arzneikunst bei acuten Krankheiten wirklich in Et- 
was abgekürzt oder erleichtert werde, indem diese 
gleichfalls nicht anders, als indirect, wie jene zu 
Werke gehen konnte, ihr ableitendes und antago- 



r 



43 

nistiscbes Yerfabren aber ooch angreifender ist ond 
DOch mehr Kräfte raubt V 



Noch bat die alte Sehnte ein Cnr-VcrTabren, 
&e logenannte erregende ond stärkende Cor- 
Melbode *) (durch exdiantia, nervina, tonica, con- 
fwlaniia, roborantia). Es ist za venmndcm, wie 
sie sich derselben rUbmen konnte. 

Hat sie wobi je die so bäaGge, von einem cbro- 
mschen Siecbtbnm eneugie nnd unterhaltene, oder 
Teimefarte Schwäche des Körpers durch Yerordnnng 
ätheriscben Rheinweins, oder feorigen Tokajrers, wie 
sie nniäblige Mal versuchte, heben können? Die 
Kräfte sanken dabei (weil die Erzeugerin der Schwä- 
che, die chronische Krankheit von ihr nicht geheilt 
werden konnte) allmälig nur desto tiefer^ je mehr 
des Weins dem Kranken angeredet worden war, 
weil künstlichen* Anfregangen die Lebenskraft £r- 
icblafibog in der Nacbwirkong entgegen setzt. 

Oder gaben die Chinarinde, oder ihre miTsvcr- 
standenen, vieldentigen jimara in diesen so hänligcn 
Fällen Kräfte? Setzten diese unter allen Verhältnis- 
sen filr tonisch nnd stärkend aasgegebenen Gcwäcb«- 
Snbstanzeu sammt den Eisenraitteln nicht oft no 
neae Leiden ans ihren «gentbUmllcbcn , krank in 
cbendcn Wirkungen zu den allen hinzu, ohne < 



1) Sie irt redit e^entlich enaotiopatbücb, und i 
werde ihrer noch im Texte des Organons (§. 55.) gedenke 



44 

aaf «igcfcanDter, alter Krankheit bernhcnde Schwäche 
Wttitificn ta kfinoen? 

Hit maa wohl die von einem chronischen Sicch- 
tliMM, wie so atlgewöhnlich, entsprossene, anfangende 
iJibmnng eines Armes oder Beines, ohne Heünng 
4m Siechthnms selbst, clarch die sogenannten wt- 
tmtiiht nervüia oder die andern geistigen, balsami- 
4;<^cii Einreibnngea anf die Daoer jemals anch nur 
MM Etwas mindern kSnnen? Oder haben in diesen 
FSUco elektrische oder Yollaiscfae Schlage je etwas 
Anderes in solchen Gliedern als nach und aacb toU- 
iLommDere, ja vollkommnc Läbmnng nnd Ertödtnng 
«ller Muskel - Erregbarkeit nnd Nerven-Reixbarkeit 
w Folge gehabt »)? 

Brachten die gerShmten excUaatia nnd aphroS- 
«am, die Ambra, der Meer-Stinz, die Kantharidea- 
'inktnr, die TrüFTeln, Cardemomen, Zimmt nnd Ya- 
Jle das allmälig geschwächte Begattnngs-Yennügen 
robei jcderseit ein nnfaeachtetcs, chronisches Miasm 
im Gmnde lag) nicht stets sor völligen Impoteni 
tmnter? 

Wie kann man sieb einer, etliche Stunden 



1) Die Schwacbbörigen besserten sieb von der Vol- 
ischen Säule des Jcrenchen Apotbekers bei mä&igeu 
Jilägen nnr anf eini^ Stiiii<)eD — bald thaten diese 
chts mehr; er mu&te, am ein Gleiches m bewirkcD, mit 
□ Schlägen steigen, bis aucft diese nicbu mehr halfeii, 
dann die starkstea zwar aDrängltch das Gehör der Kraa- 
n noch aaf kurze Zelt aufreiEten , sie aber zuletzt slock- 
ib hinterlielsen. 



45 

dauernden Anfiregnng und Bekräftigung r&hmen, wenn 
der nachbleibende Erfolg das dauernde Gegentheii 
— nach den'Ge&etoen der Natnr aller Palliative — : 
bewirkt? 

Das wenige Gute, was die excitamtia und robo-» 
rantia bei der Erholung aus (auf alte Art behandel* 
ten) acuten Krankheiten hervorbrachten, ward tau- 
sendfach von dem Nachtheüe derselben in chroni- 
schen Uebeln überwogen. 



So curirte der Allopathiker. Die Kranken aber 
mnfsten sich in diese traurige Nothwcndigkeit fü- 
gen, weil sie keine bessere Hülfe bei den übrigen 
Aliopathikem fanden, welche aus denselben trugvol- 
leo Büchern waren gelehrt worden« 

Die Grund -Ursache der chronischen (nicht ve- 
nerischen) Krankheiten blieb diesen, mit Causal-Cu- 
ren vergeblich sich brüstenden Praktikern^ sammt 
den Heilmitteln derselben unbekannt; wie hätten sie 
wohl jene ungeheure Uebersahl langwieriger Krank- 
heiten mit ihren indirectcn Curen heben wollen, 
welche von der, nicht ssum Vorbilde im Heilen be- 
stimmten Selbsthülfe der verstandlosen Lebenskraft 
noch unvoUkommnere Nachahmungen waren? 

Den vermeintlichen Charakter des Uebels hiel- 
ten sie für die Krankheits-. Ursache und richteten 
daher ihre angeblichen Causal-Curen gegen Krampf, 
Entzündung (Plethora), Fieber, allgemeine und par^ 
tielle Schwäche, Schleim, Fäulniis, InSstrkten, u. s« w. 



46 

die sie dorch ihre (ihnen nur oberflächlich bekann< 
ten) kramp&tillenden, antiphlogistischen, stärkenden, 
erregenden, äntiseptischen, auflösenden, zcrtfaeilen- 
den, ableitenden, ausleerenden, antagonistischen Mit- 
tel hinwegzäränmen wähnten« 

Nach so allgemeinen Indicationcn aber lassen 
die Arzneien sich nicht zur Hülfe finden, am aller- 
wenigsten in der alten Schule, bisherigen Materia 
medica, die, wie ich anderswo *) zeigte, meist nnr 
auf Vermuthung beruhte und auf falschen Schlüssen 
ab usu in mortis. 

Und eben so gewagt gingen sie gegen die noch 
hypothetischeren «— gegen Mangel oder Uebermafs 
an Sauer-, Stick-, Kohlen- oder Wasserstoff in den 
Säften, gegen Steigerang oder Minderung der Irri- 
tabilität, Sensibilität, Rcproduction, Arteriellität, Vc- 
nosität, Capillarität, Asthenie u. s. w«, zu Felde, ebne 
Hülfsmittel zur Erreichung so phantastischer Zwecke 
zu kennen. Es war Ostentation. Es waren Cnren 
— nicht zum Wohle der Kranken. 

Jeder Anschein von zweckmäfsiger Behandlung 
der Krankheiten verschwand jedoch vollends gan2 
durch die von den ältesten Zeiten her eingeführte, 
und sogar zum Gesetz gemachte 'Vermi- 
schung der in ihrer W^irkung stets und ohne Aus- 
nahme von einander so abweichenden Arznei- Sub- 
stanzen zumRecepte. Man setzte darin eine (nach 



1) Vor dem dritten Thetle der reinen Arzneimittel' 
lehre: Quellen d. bish. Materia Medica. 



47 

dem Umfange ibrer Arxnei - Wirknngen nicht ge- 
kannte) Arznef zum Hanptmittel (basis) vorne an, 
welche den vom Arzte angenommenen Haupt -Cha* 
rakter der Krankheit besiegen sollte^ fügte noch die- 
ses oder jenes (ebenfalls nach dem Umfange seiner 
arzneilichen Wirknngen nicht gekannte) Mittel zur 
Beseitigang dieser oder jener Neben -Indication oder 
als 'Verstärkangs« Mittel {adjm^antia) hinza, anch 
wohl noch ein angebliches (ebenfalls nach dem Um- 
fangt seiner Arznei-Kräfte nicht gekanntes) Yerbes- 
serangs- Mittel (corngens)^ liefs das alles (kochen, 
aasziehen) mischen — auch wohl mit einem, wie- 
der anders arzneilichen Sirope oder destillirten, arz- 
neilichen Wasser in die Form bringen, nnd wähnte 
non, jeder dieser Mischungs-Theilc (Ingredienzen) 
werde die ihm in Gedanken zogetheilten Verrichton- 
gen im kranken Körper zur Ausführung bringen, ohne 
sich von den übrigen, dazu gemischten Dingen stö- 
ren, oder irre machen zu lassen, was doch verstän- 
diger W^eise gar nicht zu erwarten ist Eins hob 
ja , das andre in seiner Wirkung ganz oder zum 
Theil auf, oder gab ihm und den Übrigen eine an- 
dre, nicht gcahnete, nicht zu vermuthende Thätig- 
keits - BeschafTcnheit und Wirkungs- Richtung, so 
dafs die erwartete Wirkung unmöglich erreicht 
werden konnte; es erfolgte, was man von dem un- 
erklärlichen Räthsel von Mischung nicht erwartet 
hatte, noch erwarten konnte, oft eine im Tumulte 
der Krankhcits- Symptome nicht bemerkbare, neue 
Krankheits- Verstimmung, welche bleibend ward 



48 

bei langem Fortgebranche des Rec(^ts «— also, eine 
hinzugesetzte, mit der ursprünglichen sich komplici- 
rcnde Konst- Krankheit, eine Yerschlinmiemng der 
ursprünglichen Krankheit — oder, wenn das Recept 
nicht oft wiederholt, sondern von einem oder meh- 
ren, nen verschriebnen, ans andern Ingredienzen, 
bald nach einander, verdrängt ward, so entstand 
doch, znm allerwenigsten, ein vermehrtes 
Sinken der Kräfte, weil die in solchem Sinne 
verordneten Substanzen wenig oder gar keinen direc- 
ten, pathischen Bezng anf das ursprüngliche Leiden 
weder hatten, noch haben sollten, sondern nur die 
von der Krankheit am wenigsten befallenen Punkte 
* angriffen nutzloser und schädlicher Weise. 

Mehrerlei Arzneien, selbst wenn man die Wir- 
kungen jeder einzelnen auf den menschlichen Kör- 
per genau gekannt hätte ( — der Reccptschreiber 
kennt aber oft nicht den tausendsten Theil dersel- 
ben — ), mehrerlei solche Ingredienzen, sage ich, 
deren manche schon selbst vielfach componirt wa- 
ren, und deren einzelner genaue Wirkung so gut als 
nicht bekannt, gleichwohl im Grunde doch immer 
sehr von der der übrigen verschieden ist, zusammen 
in Eine Formel mischen zu lassen, damit diefs unbe- 
greifliche Gemisch von dem Kranken in grofsen Ga- 
ben, oft wiederholt, eingenommen werde, und den- 
noch irgend eine beabsichtigte, gewisse Heilwirkung 
bei ihm damit erzielen zu wollen; diese Unverständig- 
keit empört jeden nachdenkenden Unbefangenen ^)« 

Der 

1 ) Die Widersinnigkeit der Arzneigemische haben selbst 



49 

/ Der Erfolg widerspricht nat&rlich jeder bestimm« 
tcn Erwartung. Es entstehen allerdings Yeränderan- 



Männer ans der gewohnlichen Arzneischole eingesehen, ob 
sie gleich in der Praxis selbst diesem ewigen Schlendriane, 
wider ihre Einsicht, folgten. So drückt Marcus Herz (in 
HufeL Journ. d. pr. A. IL S. 33.) seine Gewissensregung 
darch folgende Worte aus: ,, Wollen wir den Entzün- 
dungszustand heben, so bedienen wir uns weder des Salpe- 
ters, noch des Salmiaks, noch der ^ilanzensäure aliein, son- 
dern wir vermischen gewöhnlich mehrere, und öfters nur 
zu viele, sogenannte antiphlogistische Mittel zusammen, oder 
lassen sie zu gleicher Zeit neben einander gebrauchen. Ha- 
ben wir der Faulnifs Widerstand zu thun, so genügt es 
uns nicht, von einer der bekannten antiseptischen Arzneien, 
von der Chinarinde, den Mineralsäuren, der Wohlverleih, 
der Schlangenwurz u. s. w« alUin, in grofser Menge gege- 
ben, unsern Endzweck zu erwarten; wir setzen lieber meh- 
rere derselben zusammen, und rec^hnen auf das Gemein- 
schaftliche ihrer Wirkung, oder werfen wohl gar, aus Un- 
wissenheit, wessen Thätigkeit in dem vorhandenen Falle die 
angemessenste sey, mannigfaltige Dinge unter einander, und 
übergeben es gleichsam dem Zufalle, eins von ihnen die 
beabsichtigte Veränderung hervorbringen zu lassen. So er- 
regen wir Schweifs, verbessern Blut (?), lösen Stockun- 
gen (?), befördern Auswurf und entleeren sogar die ersten 
Wege so selten durch einzelne Mittel; immer sind unsere 
Vorschriften zu diesem Endzwecke zusammengesetzt, fast 
nie einfach und rein, folglich (sind es) auch nicht die 
Erfahrungen in Rücksicht auf die Wirkungen ih- 
rer einzelnen, enthaltenen Stoffe. Zwar stiften 
wir unter den Mitteln in unsern Formeln nach schulge- 
rechter Weise eine Art von Rangordnung, und nennen 
dasjenige, dem ynv eigentlich die Wirkung auftragen, die 
Grundlage (Jbasis) und die übrigen die Helfer, Unter- 

D 



50 

gen and Erfolge» aber keine zwcckmäfsigen , keine 
guten. 

Ich mochte den sehen, welcher dergleichen blin- 
des Hineinarbeiten in den kranken menschlicnen Kör- 
per Heilang nennen wollte! 



Stutzer {adju9antia\ Vcrbesscrcr (corrigeniia) u. s. w. 
Allein oßeabar liegt bei dieser Charakterisiruog gröCsten- 
theils blobe Willkür zum Grunde. Die Helfer uod Un- 
terstützer haben eben so gut Antfaeil an der ganzen Wir- 
kung, als das Hauptmittel, wiewohl wir aus Mangel eines 
Maalsstabes den Grad desselben nicht bestimmen können. 
Gleichergestalt kann der Einfluls der Verb esserer auf 
die Kräfte der übrigen Mittel nicht ganz gleichgültig seyn; 
sie müssen sie erhöhen, herunterstimmen oder ihnen eine 
andre Richtung geben, qnd wir müssen daher die heilsame (?) 
Veränderung, die wir durch eine solche Formel bewirken» 
immer als das Resultat ihres ganzen, zusammengesetzten In- 
halts ansehen, und können nie daraus eine reine Er- 
fahrung von der alleinigen Wirksamkeit eines 
einzigen Stücks desselben gewinnen. In derThat 
ist doch unsre Einsicht in dasjenige, worauf ei- 
gentlich bei allen unsern Mitteln das Wesent- 
liche ihrer Kenntnifs beruht, so wie die Kennt- 
nifs der vielleicht noch hundertfältigen Ver- 
wandtschaften, in welche sie bei ihrer Vermi- 
schung unter einander treten, viel zu gebrech- 
lich, als dafs wir mit Gewifsheit anzugeben ver- 
mögen, wie grofs und mannigfaltig die Thätig- 
keit eines an sich noch so unbedeutend scheinen- 
den Stoffs seyn kann, wenn er, verbunden mit 
andern Stoffen, in den menschlichen Körper, ge- 
bracht wird.^ 



61 



II. Beispiele unwillkürlicher, homöo- 
pathischer Heilungen bisheriger 
Aerzte der alten Schule. 

So cnrirte man bisher dfc Krabkheiten der Men* 
sch^n nicht nach Gründen, die auf Natur und Er- 
fahrung fest standen, nicht mit den geeigneten Mit- 
teln, sondern theils nach willkürlich erdachten Heü- 
zwecken, theils in Nachahmung dfer indirecten Yerr 
aastaltnngen der sich zur Selbsthttlfe allein überlas- 
senen, nur nach den Gesetzen der organischen Ein- 
richtung unseres Körpers in Krankheiten zu wirken 
gezwungenen, nicht nach Ueherlegung das Beste zu 
erdenken und zn> wählen fähigen, verstandlosen, hlofs 
animalischen Lebenskraft, die man, leider, für die 
weiseste Lehr^eisterin der Heilkunst hielt, und so- 
gar ihr instinktmäfsiges Verlangen in Krankheiten 
nach opponirt wirkenden Erleichterungs- Mitteln und 
Palliativen durch die Curart contraria contrarüs nach- 
ahmte. 

Durch Beobachtung, Nachdenken und Erfahrung 
fand ich, dafs im Gegentheile von letztem die wahre, 
richtige, beste Heilung zu finden sey in dein Sätze 
sindUa similibus curenturi Wähle, um sanft, 
schnell, gewifs und dauerhaft zu heilen, in 
jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche 
ein ähnliches Leiden (ofwtov na&og^ für sich 
erregen kann, als sie heilen soll! 

Diesen homöopathischen Heil weg lehrte bisher 
niemand, niemand führte ihn ans. Liegt aber die 

D 2 



'Wahrheit äatig in diesem VerfahreD, wie man mit 
mir finden wird, so läfst sich erwarten, dafs, gesetzt, 
sie wäre aach Jahrtausende lüodarch nicht aner- 
kannt worden, sich dennoch thätliche Sparen von 
ihr in allen Zeitaltern werden aafHnden lauen? *) 

Und so ist es anch. In allen Zeitaltern sind 
die Kranken, welche wirklich, schnell, dauer- 
haft nnd sichtbar durch Arinei geheilt wor- 
den, nnd nicht etwa dnrcb ein anderes woblthätiges 
Eriügnits, oder dnrch SelbstveHaof der acnten Krank- 
heit, oder in der Lange der Zeit durch allmäliges 
Uebcrgewicht der Körpeikräfte mittels allopathischer 
nnd antagooistisclier Ciirea endlich genasen — 
denn das direct Gcbeiltwerden weicht gar sehr ab 
vom Genesen aof indirectem Wege — , bloDi (ob- 
gleich ohne Wissen des Arztes) .dorch ein (homöo- 
paäiischcs) Arsneimittel geheilt worden, was Air sidi 
einen ähnlichen Krankbeits- Znstand herrorxnbringen 
die Kraft hatte. 

Selbst bei den wirklichen Heilnngen mit vie- 
lerlei znsannnengesetiten Arzneien, — welche änfserst 
selten waren, — findet man, daCs das verwirkende 
b£ttel jederzeit von homöopathischer Art war. 



1) Denn Wahrheit iit gleich ewigen UrspniDgt mit 
D, gütigen Gottheit Menichen können sie lange 
\assea, bis der Zeitpunkt kommt, vo ihr Strahl, 
legchliuse der Fürsehung, den Nehel der Vor- ' 
lufhaltbar durchbrechen •oll, als Morgeoröthe 
lender Tag, nm dann dem Mengchengeschlechte 
Yohte tn leuchten hell und unauslöschlich. 



63 

Doch noch auffallend fibenengender findet man 
diefs, wo Acrzte wider die Observanz, -^ die bisher 
blofs ArzneimischuDgen, in Recepte geformt, znliefs, 
— zuweilen mit einem einfachen Arzneistoffe die Hei- 
lung schnell zn Stande brachten« Da siebet man, 
znm Elrstannen, dafs es stets durch eine Arznei ge- 
schah, die geeignet ist, ein ähnliches Leiden, als der 
Krankheitsfall enthielt, selbst zn erzeugen, ob^diese 
Aerzte gleich, was sie da thatcn, selbst nicht wuls- 
ten, und es in einem Anfalle von Vergessenheit der 
gegentheiligen Lehren ihrer Schule thaten. Sie ver- 
ordneten eine Arznei, wovon sie nach der herge- 
brachten Therapie gerade das Gegentheil hätten brau- 
chen sollen, und nur so wurden die Kranken schnell 
geheilt. 

Hier einige Beispiele solcher homöopathischen 
Heilungen, die ihre unleugbare Deutung erhalten 
durch die nun gefundene und ins Leben getretene 
Homöopathie, nicht aber zur Stütze für letztere die- 
nen sollen, da sie ohne fremde Stütze fest steht ^)« 



1) Wenn die in folgenden Fällen angewendeten Arz- 
neigaben gröfser waren, als die sichrere, homöopathische 
Heilkuost vorschreibt, so geschahen sie freilich mit der Ge- 
fahr, die in der Regel von grofsen Gaben homöopathischer 
Heilmittel zu erwarten ist. Doch ereignet es sich auch 
nicht gar selten durch manche, nicht allemal ausfindig zu ma- 
chende Umstände, dals auch gröfsere Gaben homöopathi- 
scher Arznei, ohne sonderlichen Nachtheil, den Zweck der 
Heilung erreichen, z. B. dadurch, da£s die vegetabilische 
Substanz durch lange Aufbewahrung unkrädiger geworden 
war, oder daCs viel Ausleerungen darauf erfolgten, welche 



54 

Scfhon der Verfasser des angeblich bippokrati- 
scben Bucbs imdijfuäv (Üb. 5. zu Anfange) heilte 
(eine Cholera, die sich durch nichts heilen lassen 
wollte, einzig darch Wei/snie/SfPurzelfVfthhe 
doch füt sich eine Cholera erregt, wie Forestus^ 
LedetiuSj Reimann nnd mehrere Andre ^) von ihr 
sahen. 

Das englische Schweifsfieber, was im Jahre 
1485 zuerst erschien, nnd, mörderischer als jede 
Päst, anfanglich, wie Willis bezeugt, von 100 Kran- 
ken 99 tödtete, konnte nicht eher gebändigt werden, 
bis man den Kranken Schweifs treibende Mittel 
zn geben lernte; von der Zeit an starben nnr We- 
nige, wie Sennert^) bemerkt 

Ein jahrelanger, den unvermeidlichen Tod dro- 
hender Banchflufs, wo alle andre Arzneien ganz 
ohne Erfolg waren, ward, wie Fischer^) zu seiner 



den gröDsten Theil der Wirkung des Mittels vernichteten, 
oder auch dadurch, dafs zugleich andre Substanzen in den 
Magen kamen, welche antidotisch die Stärke der Gabe um 
Vieles minderten. 

1) M. s. die Stellen hiezu in meiner reinen Arznei- 
mittellehre, IIL Tb. zweite Ausgabe, Dresden 1825. — Mit 
Bedacht habe ich in diesem und in allen folgenden Beispie- 
len nicht meine und meiner Schüler Beobachtungen von 
den eigenthümlichen Wirkungen der jedesmaligen Arznei 
angeführt, sondern blofs die älterer Aerzte, um anzudeuten, 
dafs man schon vor meiner Zeit die homöopathische Heil- 
kunst hätte finden können. 

2) De febrib. IV. Cap. 15. 

3) In HufeL Journ. L pr. A. Vol. X. iv. S. 127. 



55 

(nicht meinei:} Verwiinderang wahrnahm, von einem 
nngelehrten Corirer mit einem Pufgirmittel schnell 
and danerhaft gehoben. 

Murray (statt vieler andern Zeugen) mid die 
tägliche Erfahnmg sählt unter die Symptome, welche 
der Gebrauch des Tabaks hervorbringt vorsUglich 
Schwindel, Uebelkeit and Aengstlichkeit, 
Und gerade Schwindel, Uebelkeit und Aengstlich- 
keit waren es, von denen sich DiemerbroeA^) durch 
Tabakranchen befreite, wenn er unter der ärztlichen 
Behandlung der epidemischen Krankheiten in Hol- 
land von diesen Beschwerden befallen ward. 

Die schädlichen Wirkungen, welche einige 
Schriftsteller, und unter ihnen Geoi^ ^), vom Ge- 
nasse des Fllegenschfpammes bei denKamtscha- 
dalen anmerken. Zittern, Convulsionen, Fall- 
sucht« wurden wohltbätig unter den Händen Ch. G. 
WhistUngs ^), der sich des Fliegensehwammes 
mit Erfolg gegen Convulsionen mit Zittern begleitet, 
und unter J. Ch. Bernhardts ^) Händen, der sich 
desselben htilfreich in einer Art Fallsucht bediente. 
Die bei Murray ^) ro findende Wahrnehmung, 



1) Tract de Feste, Amstel. 1665. S. 273. 

2) Beschreibung aller Nat. des russischen Reichs, S. 78. 
267. 281. 321. 329. 352. 

3) Diss. de virt Agar. musc. Jen. 1718. S. 13. 

4) Chym. Vers, und Erfahr., Leipz. 1754. obs. 5. 
S. 324. Auch Grüner y Diss. de virib. agar. musc. Jeu. 
1778. S. 13. 

5) Appar. Medicam. edit secund. 1. S. 429. 430. 



56 

dafs AnieS'Oel von Porganzen erregtes Leäweh 
und Blähnngs - Coliken stillt, setzt uns nicht in Ver- 
wunderung, wenn wir wissen, dafs J» P. Albrecld ^) 
Magenschmerzen und P. Forest ^) heftige 
Goliken vom Anies-Oele beobachtet hatte. 

Wenn Fr. Hqffnumn die Schaafgarbe in 
mehreren BIntflüssen rtibmte, G. E. Stahle Buch- 
fpald nnd Löseke sie im übermäfsigen FInsse der 
Goldader sehr dienlich fanden, die Breslauer Samm- 
lungen und Quarin Heilungen des Blntspeiens dnrch 
Schaafgarbe anführen, nnd TTiomasiuSy bei JSal' 
ler, sie mit Glück in Mutterblotflüssen anwendete, 
so beziehen sich diese Heilungen offenbar auf die 
ursprüngliche Neigung dieses Krautes, für sich Blut- 
flüsse und BIntharnen, wie Casp. Hoffmann^) 
beobachtete, und eigenthümlich Nasenbluten zu 
erzeugen, wie Boeder ^) von demselben wahrnahm. 

ScoQolo ^), nächst Andern, heilte schmerzhaf- 
ten Abgang eiterigen Harns mit Bärentraube^ 
welche diefs nicht vermocht hätte, wenn sie nicht 
für sich schon Harnbrennen mit Abgang eines 
schleimigen U r ins erzeugen könnte, wie wirklich 
Saiwoßes ^) von der Bärentraube entstehen sab. 



1) Mise. Nat. Cur. Dec. IL ann. 8. Obs. 169. 

2) Observat et Curatione$, lib. 21. 

3) De Medicam. officio. Lugd. Bat. 1738« 
4} Cynosnra Mat. med. cont. S. 552» 

5) Bei Girardi^ de Uva ursi, Patavii 1764. 

6) Mosol. m. S. 200. 




57 

Wenn es auch die vielen Erfahrungen von 
Sioerck, Miwges, Planchon, du Monceau, F. Ch. Jun- 
ker, Scfdnz, Ehrmann nnd Andern nicht beslätigten, 
dafs die Herb st- Zeitlose eine Art Wassersucht 
geheilt habe, so würde diese Kraft schon ans ihrer 
eigenthümlichen Wirkung, verminderte Harnah- 
sondernng mit stetem Drange dazu und Ab- 
gang wenigen feaerrothen. Harns für sich zu 
erregen, wie, nächst Stoerck ^), auch de Berge ^) 
sah, leicht zu erwarten seyn. — Sehr sichtbar aber 
ist das von Göritz ^) durch die Zeitlose geheilte 
hypochondrische Asthma nnd die von Stoerck f) 
durch sie. gehobene Engbrüstigkeit, mit einer an- 
scheinenden Brustwassersucht verbunden, in der ho- 
möopathischen Kraft dieser Wurzel, Schwcrathr 
migkeit nnd Asthma für sich hervorzubringen, 
gegründet, dergleichen de Berge ^) von ihr wahr- 
nahm. 

MuraUo ^) sah, was man noch täglich sehen 
kann, dafs die Jalappe^ aulser Bauchweh, auch 
eine grofse Unruhe nnd Umherw^rfen zuwege 
bringt, ans welcher Eigenschaft (ganz begreiflich für 



1) Libellus de Colchico, Yien. 1763. S. 12. 

2) Journ. de M^dec. XXII. 

3) Andr, Elias Büchner ^ Miscel^ phys. med. roathem. 
ann. 1728, Jul. S. 1212. 1213. Erfurt 1732. 

4) Ebend. Cas^ 11. 13. Contin. Gas. 4. 9. 
6) Ebend. a. a. 0. 

6) Mise. Nat. Cur. Dec. IL a.'7. obs. 112. 



58 

jeden, mit der boroSopatbi«€hen Wabrbeit vertraDten 
Aret), jene wohlthatige Kraft derselben berrnbrt, 
kleinen Kindern in Leibweb^ Unmbe nnd Scbreien 
oft zn belfen nnd ihnen einen nibigen Scblaf «i 
verscbaffen, wie G. W. Wedel ') ibr mit Recht 
nachrühmt. 

Bekanntlich -— wie anch Murray ^ HUUuy and 
Spielmann zum Ueberflnsse bezengen, — machen 
die Sensblätter eine Art Leibschmerzen, er* 
zengen nach Caspar ^) nnd Friedrich Haffmann ') 
viel Flatulenz nnd bringen das Bint in Wal- 
lung*), (die gewohnliche Ursache der Schlaflo- 
sigkeit), nnd eben dieser ihrer natürlichen (ho* 
moopatfaischen) Eigenschaft wegen konnte Dethar- 
ding ^) heftige Colikschmerzen mit ihnen heilen und 
den Kranken die nnrabigen Nächte benehmen. 

Ganz nahe lag es dem sonst scharfsinnigen 
Stoerckj einzusehen, dafs der beim Gebrauch der 
Diptamfpurzel von ihm selbst ^) bemerkte Nach- 
theil , zuweilen einen Scheideflufs zähen 
Schleims zn erzeugen, eben die Kraft sey, wo- 
durch er mit dieser Wurzel einen langwierigen 
Weifsflufs bezwang ^). 



1) Opiol. lib. L S. l. Cap. 11. S. 38. 

2) De Medic. offic. lib. I. Cap. 36. 

3) Diss. de Manna, §. 16. 

4) Murray ^ a. a. O. 11. edit sec. S. 507. 
6) £ph. Nat Cur. Cent. 10. obs. 76. 

6) Libell. de Flamm. Jovis. Vienoae 1769. Cap. 2. 

7) Ebend. Cap. 9. 



59 

Eben so wenig durfte es Stoerck anlTallen, wenn 
er mit der Brenn^ Waldrebe eine Art langwieri- 
gen, feuchten I fressenden, allgemeinen» krätzartigen 
Änsschlags beseitigte ^), da er selbst von diesem 
Kraute wahrgenommen hatte ^), dals es krätzar- 
tige Ausschl^gsblttthen über den ganzen 
Körper iiir sich schon erzengen könne« 

Wenn nach Murray ') die Euphrasie das 
Triefauge und eine Art Augenentzündung geheilt 
hat; wodurch sonst vermochte si,e diels, als durch 
Ihre von Lobelius ^) beobachtete Kraft, fSr sich 
selbst schon eine Art Augenentzündung erzeu- 
gen za können? 

Nach J. H. Lange ') hat sich die Muskat- 
nufs sehr hlilfreich in hysterischen Ohnmächten er; 
wiesen. Doch wohl aus keinem andern natürlichen 
Grande, als dem homöopathischen, dals sie in gro- 
fser Gabe nach J. Sckadd ^) nnd CuUen ^) ein Yerr 
schwinden der Sinne und allgemeine Unemr 
pfindlichkeit bei Gesunden zu erregen fähig isti 

Die uralte Wahl des Ras entpassers zum äufser- 
liehen Gebrauche bei Augenentzünduugen scheint still- 
schweigend eine Heilkraft dieser Art in den Blättern 



1) LibelL de Flamm. Jovis. Yiennae 1769. Cap. 13. 

2) Ebend. S. 33. 

3) Appar. Medicam. II. Edit. sec. S. 221. 

4) Stirp. Advers. S. 219. 

5) Dornest. Brunsvic. S. 136. 

6) Miscell. Nat. Cur. Dec. II. ano. 2. obs. 120. 

7) Arzneimittell. II. S. 233. 



60 

der Rosen anznerkenoen. Sie bemht auf der ho- 
möopathischen Kraft derselben, fifr sich eine Art 
Aagenentzündnng bei gesunden Menschen zu er* 
zeugen, dergleichen wirklich Echtius ^)y Ledelius ^) 
nnd Rau ') von ihnen in Erfahmng gebracht haben. 
Wenn der Gift- nnd Wurzel-Sumach, nach 
Pet Rossi^), (^an Mens *), Jos. Mbnti^)^ Sybel'') 
nnd Andern, die Kraft besitzt, den Korper all- 
malig mit Ausschlagsblüthen zn fiberziehen, 
so sieht ein verständiger Mann leicht ein, wie er 
homöopathisch einige Arten von Herpes bei Di^es- 
noy und i^an Mons heilen konnte. — Was nöthigt 
diese Pflanze, bei Alderson ^), Lähmnng der Unter- 
gliedmafsen mit Verstandes -Schwäche begleitet sn 
heilen, wenn es nicht die deutlich zu Tage liegende 
Kraft dieses Gewächses thut', gänzliche Abspan- 
nung der Muskelkräfte mit einer zn sterben be- 
ftirchtenden Yerstandes-Yerwirrnng ftir sich er- 
zeugen zn können, wie Zadig^^ sah. 



1) In Adami vita Med. S. 72. 

2) Mise. Nat. Curios. Dec. II. ann. 2. obs. 140. 

3) jRau, über den Werth des hopaöopath. Heilver&h- 
rens. S. 73. 

4) Observ. de noonullis plantis, qiiae pro venenatis 
habentor. Pisis 1767. 

5 ) Bei Dufresnoy^ über den wurzelnden Sumach, S.2M. 

6) Acta Instit Bonon. sc. et art. III, S. 165. 

7) In Med. Annalen, 1811, Juli. 

8) In Samml. a. Abb. f. pr. Aerzte. XYIII, 1. 

9) Hufeland y Journal d. pr. Arzneik. Y. S. 3. 



61 

Hat der Bit t er süfs -Nachtschatten bei 
Carrere die heftigsten Yerkältnogskrankheiten ge- 
heilt ^), $0 kam es einzig daher, weil diels Kraut 
vorzüglich geneigt ist, bei fenchtkalter Luft mancher- 
lei Verkältangsbeschwerden hervorzubringen, 
wie ebenfalls Carrere ^) nnd Starcke ') beobachte- 
ten. — Fritze ^). sab Convulsioaen nnd de Haen ^) 
sah Gonvnlsionen mit Delirien von Bittersüfs 
entstehen, nnd mit kleinen Gabea heilte Letzterer *) 
dergleichen Gonvnlsionen mit Delirien. — Vergeblich 
würde man den innem Grand, warom gerade Bit^ 
tersä/s so wirksam eine Art Flechten oder Herpes 
unter den Angen eines Carrire ^), Fouquet ^) nnd 
Pöupart ^ji .f;eheilt hat, in dem Reiche der Vermn- 
thnngen^ aufsuchen, da er uns von der einfachen 
Natur, welche Homöopathie zur sichern Heilung ver- 



1) Carrhre (und Siarcke)^ Abhandlnng über die Ei- 
genschaften des Nachtschattens oder Bittersii£ses. Jena 1786. 
p. 20—23. 

2) Ebendaselbst. 

3) Bei Carrire^ ebend. S. 140. 249. 

4) Annalen des klinischen Instituts. III. S. 45. 

5) Ratio medendi, Tom. IV. S. 228. 

6) Ratio medendi, Tom. lY. S. 228., viro er sagt: 
Dulco-amarae stipiies majori dosi convulsiones et deliria 
excitantj moderata vero spasmos^ convulsionesque sohuiU, 
Wie nahe war de Haen an Erkennung des naturgemaCse- 
sten Heil -Gesetzes! 

7) Ebend. S. 92. und ferner. 

8) Bei Razouzy tables nosologiques^ S. 275. 

9) Trait^ des dartres. Paris 1782. S. 184. 192. 



«2 

langt, 80 nahe gelegt worden ist, nämlich: das 
Bittersüfs erregt von selbst eine Art von Flech- 
ten, nnd Carrire sah von seinem Oebraache einen 
Herpes zwei Wochen hindurch sich über den gan- 
zen Korper verbreiten ^), nnd bei andrer Gelegen- 
heit davon Flechten auf den Händen ^), önd 
in einem andern Falle, an den Schamlippen f} 
davon entstehen. 

Vom Schwarz- Nachtschatten sah Rucker ^) 
eine Geschwnlst des ganzen Körpers entste- 
hen, nnd Gatacker ^) konnte dcfshalL, so wie CU 
riUo *), eine Art Wassersucht mit diesem Kraute 
(homöopathisch) heilen. 

Eine andre Art Wassersucht VormXmBoerhaaoe ^), 
Sydehham •) nnd Radcliff^) nur mit Schwärzhol- 
der heilen, eben weil, wie Hailer ^^) berichtet, der 
Schfparzholder schon bei äufsercr Auflegung Ge- 
schwnlst (Oedem) erzeugt 



1) Traiti des dartres. Paris 1782. S. 96. 

2) Ebend. S. 149. 

3) Ebend. S. 164. 

4) Commerc liter. Moric 1731. S..372. 

5) Yersuche u. Bemerk, der Edinb. Gesellschaft. Al- 
tenb. 1762. YII. S. 95. 98. 

6) Consulti medichi, Tom. III. in Napolt 1738. 4. 

7) Hist Plant P. I. S. 207. 

8) Opera, S. 496. 

9) Bei Maller^ Arzneimitteil. S. 349. 
10) Bei FUai^ plantes v^neoeuses, S. 125. 



63 

De Harn ^), Sarcone ^) nnd Prbigli ') hnldiV 
ten der Wahrheit and Erfahrnng, da sief frein^ttthig 
versicherten, den Seitensticb mit Squille geheilt %Xk 
haben, einer Wnrzel, die das (in solchem Falle 
blofs schmeidigende, abspannende und kfiUende Mit- 
tel verlangende) System, der grofsen Schärfe dersel- 
ben wegen, dorchaos widerrathen mnlste;. er wich 
dennoch der Sguille, und zwar nach dem homöo- 
pathischen Natnrgeseti^e, indem schon J. Q Wagner ^) 
von der freien Wirknng der Meerzpi^iebel eine 
Art Pleuritis nnd Lnngenentzündang entste- 
hen gesehen hatte. 

Die durch Viele*), Dm. Cräger, Ray, Kell- 
ner^ KaatPf Bodrhaa^e und Andre, vom Genüsse des 
Stechapfels beobachtete Wirkung, wunderliche 
Phantasien und Contrulsionen bu erregen, 
setzte die Aerzte in Stand, die Dämonie ^) (aben- 
teuerliche Phantasien in Begleitung von krampfhaf- 
ten Gliederbeweguogen) und andre Convnlsionen, 
wie Sidrin ^) und Wedenberg ^) thaten, mit Steche 



1) Ratio medendi, P. I. S. 13. 

2) Geschichte der Krankheiten in Neapel, Vol. L 
§.175. ^ • 

3) Obs. on the diseases of tbe army, Edit. 7. §. 143. 

4) Observationes clinicae, Lubec. 1737. 

5) Man sehe die Stellen nach in meiner reinenArz- 
neimittellehre, Th. III. 

6) Veckoskrift for Läkare, IV. S. 40 u. s. w. 

7) Diss. de stramonii usu in malis convulsivis. Ups. 1773. 

8) Diss. de stramon. usu in morb. convuls. Ups. 1773. 



64 

apfel m heOen, — so wie eine von Quecksilber 
dampf nnd eine andre, Ton Schreck entstandene 
Art Veitstanz von Sidren ^) mit diesem Krante ge- 
heilt ward, eigentlich mittels seiner Eigenschaft^ schon 
für sich dergleichen nnwillkürliche Gliederbe- 
wegnhgen ersengen zu können, wie man von Kam 
BoerhaoQe nnd Lobsiein ^) beobachtet findet; ^— nnd 
weil ancfa der Stechapfel nach vielen Wahnieb- 
mungen '), auch denen des JP. Schenk, sehr schnell 
alle Besinnung und Rtickerinnerung hinweg- 
nimmt, so ist er ancfa fähig, Gedächtnifsschwäcbe, 
nach den Erfahrungen von SauQoges nnd Schinz, 
zu heben ; — nnd eben so konnte auch Schmalz *) 
eine mit Manie abwechselnde Melancholie durch die- 
ses Kraut heilen, weil es, wie a Costa ^) erzählt, 
solche alternirende Geistes- nnd Gemüths- 
Yerwirrungen von sich selbst zuwege zu bringen 
im Stande ist« 

Vom Gebrauche der Chinarinde beobachteten 
Mehre ®) (Percü^al, Stahl und Quam) Magen- 
drücken, Andre (Morton, Friborgj Bauer nnd 

Qm- 

1) Diss. Morborum casus, Spec. L Ups. 1785. 

2) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei- 
mittellehre a« a. 0. 

3) Man sehe die SteUen ebendaselbst. 

4) Chir. und medic. Yorrälle, Leipz. 1784. S. 178. 

5) Bei Pei. Schenck, üb. L obs. 139. 

6) Man sehe alle diese Stellen in meiner reinen Arz- 
neimittellehre, III. 



63 

Qifonupz) Erbrechen and Dorchfall, Andre (Don. 
Crilger and Morton) Ohnmächten, Mehre einen 
grofsen Schwiicheznstand, Viele {TTiomsoriy Ri- 
chard, Stahl nnä C E. Fischer) eine Art Gelb- 
sacht, Andre' ( Quor^ nnd Fischer) Bitterkeit 
des Mundes and mehre Andre Anspännnng 
des Unterleibes; and eben diese vereinigten Be- 
schwerden and Krankheitsznstände sind es, bei de- 
ren nrsprünglkher Gegenwart in Wechselfiebern 
Torti nnd Cleghom so angelcgentlicli aaf den allei- 
nigen Gebrauch der Chinarinde dringen, — so 
wie die hölfreiche Anwendang derselben in döm er- 
schöpften Znstande, der Unvcrdanlichkeit nnd Ap- 
petitlosigkeit nach acoten, besonders mit Blatabzap- 
fen nnd Kräfte raabenden Aasleerangsmitteln behan- 
delten Fiebern , blofs aaf. der Eigenschaft dieser 
Rinde berabt: ein angemeines Sinken der 
Kräfte, erschlafften Zastand Leibes nnd 
der Seele, Unverdaalichkeit and Efslast- 
M an gel erregen za können, wie Cleghom, Friborg, 
Crligery Romberg, Stahle Thomson ^) nnd Andre 
von ihr beobachtet haben. 

Wie hätte man wohl mit Ipecacuanha mehre 
Blatfitisse stillen können, wie von BagUi^j Barbei- 
rac, Gianelloj Dalberg, Bergius nnd Andern ge- 
schah, wenn sie nicht homöopathisch selbst Blat- 
flüsse za erregen im Stande wäre, wie anch wirk- 



1) Man sehe die Stellen ebenda 

E 



66 

lieb Murray 9 Scott and Geoffroy ') too ihr beob- 
achteten; — wie könnte sie in Engbrüstigkeit und 
besonders in krampfhaften Engbrüstigkeiten so hülf- 
reich seyn, wie Akenside »), Meyer •), Barif^ % 
Stoü ^), Fouquet '), Kanoe ^) liezengen, wenn sie 
nicht, anch ohne Ansleerang sn bewirken, schon 
för sich die Kraft besäfse, Engbrüstigkeit iiberi- 
haapt und krampfhafte Engbrüstigkeit insbe« 
sondere sn verursachen, dergleichen Murray ^\ 
Geoffroy ») und W. Scott *®) von dieser Wurscl 
wahrgenommen haben*? Kann es deutlichere Winke 
geben, dafs wir die Arzneien nach ihren krankma- 
chenden Wirkungen sur Heilong der Krankheiten 
anwenden sollen? 

Eben so würde es nicht einsnsehen seyn, wie 
Ignatzbohne in einer Art Convnlsionen, nach dem 
was Herrmann ^^), VaUntin '^) nnd ein Ungenmnr 



1 

mitte 

2 

3 

4 

6 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 



Man sehe die Stellen in meiner reinen Ars nei- 
lehre, III. S. 184—185. 
Medical. Transact. I. No. 7. S. 39 u. £ 
Diss. de Ipecacuanhae refracta dosi usu, S. 34« 
Praxis medica, S. 346. 
Praelectiones, 221. 

Joarnal de M^decine, Tom. 62. S. 137. 
In Act. reg. soc. med. havn. 11, S. 163 n. 111, S« 361 
Median, pract. Biblioth. S. 237. 
Trait^ de la mat mi\, II, S. 157. 
In Medic. Comroent von Edinbuig. IV, S. 74. 
Cynosara Mat. med., II, S. 231. . 
Hist Simplic. reform. S. 194. §. 4. 



67 

ter >) versichern, so woblthätig hätte sejm können, 
wenn- sie nicht selbst dergleichen ähnliche Go'nval- 
sionen hervorznbringcn im Stande wäre, wie Ber^ 
gm *), CamtMi ') und Dürws *) anch wirkfich Von 
ihr sahen. 

Dnrch Stofs und Quetschungen beschädigte 
Personen bekoniaien Seitenstiche, Brech-Reiz, krampf- 
hafte, stechende und brennende Schmerzen in deä 
Hypochondern, mit Aengstlicbkeit nhd Zittern be- 
gleitet , ein unwillkürliches Znsamnienfahrcn , wie 
von elektrischen Stöfsen, wachend und im Schläfe, 
ein Knebeln in den beschädigten Theilen u. s. w. 
Da nun Wohlverleih eben diese Zustände in 
Aebnlichkeit selbst erregen kann, wie Meza^ Vicat, 
Crichtony ColUn, Aaskow» Stoü und J. Chr. Lange 
von ihr beobachteten '), so wird es leicht begreif- 
lich, wie dieses Kraut die Zufalle von Stofs, Quet- 
schung und Fall, folglich die Quetschungskrankheit 
selbst heilen kann, vrie eine namenlose Menge von 
Aeraten und ganze Völkerschaften seit Jahrhunder- 
ten in Erfahrung gebracht haben. 

Die Belladonne erzeugt unter den Beschwer- 
den, die sie bei gesunden Menschen eigenthümlich 
enregt, unter andern auch Symptome, welche, zu- 



1) In Act. Berolin. Dec. II. Vdl 10. S. 12. 

2) Mat. medka. S. 150. 

3) Philos. Transact Vol. XXI. No. SM. 

4) Miscell. Nat. Cur. Dec III. anö. 9. 10. 

6) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei- 
mittellehre. L zw. Ausg. S. 487—504. 

E2 



68 

sammcngenommeni ein scbr ahnliches Bild darstei- 
len von derjenigen Art Ton Wasserscheu Dnd 
Hundswnth, welche Th* de Mayeme ^), Miinch^)^ 
Buch/lblz ^y nnd Neimike ^) wirklich ond yollstandig 
mit diesem Krante (homöopathisch) geheilt haben '). 
Das vergebliche Haschen nach Schlaf, das 
angstliche Athemholen, der ängstliche, bren- 
nendeDnrstnachGetränke» welches diePer- 
son kaum erhält, als sie es schon wieder von 
sich stofst, bei rothem Gesichte, stieren nnd 
funkelnden Augen, wie JF*. C Grimm von Bella- 
donne beobachtete; das Ersticken erregende 



1) Praxeos in morbis intemis syntagma alterum, Avg. 
Vindel 1697. S. 136. 

2) Beobachtungen bei angewendeter Belladonne bei den 
Menschen. Stendal 1789. 

' 3) Heilsame Wirkungen der Belladonne in ausgebro- 
chener Wuth. Erfurt 1785. 

4) In J. H. MüncKs Beobachtungen. I. Th. S. 74. 

5) Hat die Belladonne in ausgebrochener Hunds- 
wuth oflfc- nicht geholfen, so niufs man bedenken, da(s Ät 
hier nur durch Wirkungs-Aehnlichkeit helfen kann, folglich 
nur in den kleinst möglichen Gaben, wie alle homöopathi- 
sche Mittel, hatte gegeben werden müssen (wie man im 
Organon §. 273-— 281. dargethan findet). Sie ward aber 
meistens in den ungeheuersten, grölsten Gaben gereicht, 
und so mufsten die Kranken nothwendig sterben an der 
Arznei, nicht an der Krankheit. — - Doch mag es auch mehr 
als Eine Stufe oder Art von Wasserscheu und Hundswuth 
geben, und also, je nach den Zufallen, zuweilen Bilsen- 
kraut^ zuweilen hingegen Stechapfel das passendste 
homöopathische Heilmittel seyn. 



«9 

Nte'derscblingen des-Gctranks bei Bbermä- 
fsigem Darste, wie EL Camerarius nnd Sanier; 
überhanpt das Unvermögen zo scblnck^n, wie 
May^ Lottinger» Sicelius, Buchave^ dHermont^ Mo- 
netüt Vicatj Cuilen; die mit Fnrcbtsamkeit ab- 
wechselnde Begierde, nacb den Umstehen- 
den %xk schnappen, wie Sauter» Dumoulüi, Bu- 
chatte, Mardorfi nnd nmher za spacken, wie 
Saideri SLUch wobl zn entfliehen, wie DumouUny 
Eb. Gmelln, Buehoz\ nnd die beständige Reg-- 
samkeit des Korpers« wie Boücher, Eb. Gmetin 
nnd Sauter ^) von Belladonne beobachtet haben. 
— Die Belladonne heilte auch Arteix von Manie 
und Melancholie, bei EperSy Schmucker^ Schmalz^ 
Manch Vater und Sohn, and Andern, nämlich btofs 
mittels ihrer Kraft, besondre Arten von Wahnsinn 
erzeugen zn können, dergleichen BcIladonne^Gei- 
steskrankheiten Rau^ Grimm, Hasenestj Mar- 
dorf, Hoyer, Dillenius nnd Andre aufgezeichnet ha- 
ben ^). — Henning ') braacbte eine Menge vergeb- 
licher Arzneien gegen eine Amaurosis mit vielfarbi- 
gen Flecken vor den Angen, drei Monate lang, bis 
er aas willkürlicher Vermothang etwaniger Gicht (die 
der Kranke gleichwohl nicht hatte) endlich, wie dorch 
Zufall, aaf Belladonne ^) verfiel nnd ihn damit 



1) Man sehe die Stellen von allen diesen Beobachtern 
In meiner reinen Arzneimittellehre. I. Tb. 

2) £beaa. 

3) Hufeland ^ Journ. XXV. iv. S. 70—74. 

4) Belladonne ist blofs durch Yermuthung 



70 

j^cIuieU und ohpe Beschwerde heilte^ er würde ^le 
wohl gleich Anfangs sam Heilmittel gewählt : haben, 
wenn er gewnist hätte, dals nur die mittels Wir- 
knngS'Aehnlichkeil (homSopathisch) anf den. Krank- 
heitsfall . passenden Arzneien gewifs nnd dauerhaft 
heOen können, und wenn er sagleich gewnfst hätte, 
dafs Belladonne^ vermöge dieses nntrüglichen Na- 
tni:- Heilgesetzes, hier homöopathisch helfen müsse, 
da sie selbst eine Art Amaurosis mit vielfarbi- 
gen Flecken vor den Aogen erzengt, wie Sau- 
Ur ^) nnd Buchholz ^) von ihr bewirken sahen« 

Bilsenkraut hat Krämpfe, welche viel Aebn- 
lichkeit mit FalUncht hatten, anch wohl dafür ge- 
halten wurden, bei de Mayeme '), Staerch^ CoWn 
und Andern gehoben, aus dem Gmade, weil es der 
Fallsucht sehr ähnliche Zuckungen erregen 
kann, wie man ^) bei El. CamerariuSj Chph. Seli- 
ger^ Hänerfpolff A. Hamilton^ Planchon, a Costa 
und Andern findet — - 

In gewissen Arten von Wahnsinn haben Fo- 
thergill ^), Stoerckj HeUwig und Oßerdinger das 

zur Ehre, ein Gicht -Heilmittel seyn zu sollen, gekommeo. 
Die Krankheit, die noch mit einigem Recht den feststehen- 
den Namen Gicht sich anmaben konnte, wird nie und 
kann nie durch Belladonne geheilt werden. 

1) Hufeland^ Journal der pract. Arzneik. XI. 

2) Ebend. Y. i. S. 252* 

3) Praz. med. S. 23. 

4) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei- 
mittellehre. Th. IV. 

5) Memoirs of the med. soc. of London, I. S. 310. 314. 



71 

Bihenär4ut mit ISxtolgt gcbraocht; docli würden 
Doch weil mebre Aerzle hierin glücklich gewesen 
seyD) wenn sit keinen andern 'Wahnsinn daniit 
SQ heilen nntemommen hätten, als den Bilsenkraot 
in seiner Erstwirkang selbst in Aebnitcbkelt zd erzen- 
gen vermag, nämlich jene Art Stupider Geistes- 
perwirrungy wie sie Helmont, Wedeln J. G. Gme- 
Un^ la Serre^ Hünenvol/y A. Hamilton, KiemanAer^ 
J. Stedmamt Tozzetti, J. Faber nnd Wtndt vöti 
diesem Krante haben eilblgen sehen '). — Ans d[en 
von diesem Krante er&hmen Wirkatigen, die man 
bei letztern Beobachtern nachsehen kann, läfst sich 
auch das Bild von einer hohen Art Hysterie 'zu- 
sammensetzen, und »ne sehr ähnliche wird von die- 
sem Krante geheilt, wie man bei «7. A. P. Gessner^ 
Stoerck nnd in den Act. Nai. Cur. *) findet. — Un- 
möglich hätte Schenkbecher ') einen zwanzigjährigen 
Schwindel mit dem Bilsenkraute heben können, 
wenn diels Kraut nicht so allgemein nnd in so ho- 
hem Grade einen ähnlichen Schwindel zn er- 
zengen von Natnr geeignet wäre, wie Hünerwolf, 
Blomy Natner, Planchen, Sloane, Stedmann, Gre- 
dingy Wepfer, Vicat, Bemigau bezeugen ♦). ■ — 
Meyer Abramson ^) plagte seinen eifersüchtigen" 



1) Man s. meine r. Arzneimittell. IV. S. 52 — 67. 

2) IV. obs. 8. 

3) Von der Kinkina, Schierling, Bilsenkraut u. s. w. 
Riga und MiUu 1769, im Anhang S. 162. 

4) Siehe meine reine Arzneimitteil. a. a. O. 

5) Hufeland ^ Journ. XIX. u. S. 60. 



72 

Wahnsinnigen lange mit vergeblichen, andern Arz- 
neien» ehe er zafallsweise, als ein scklafinaehen sol- 
lendes Mittel^ das Bilsenkraut ihm gab, was nar 
tiirlich schnell half; hätte er dieEifersttchtigkeit 
nnd die Manieen gekannt, die Bilsenkraut bei 
Gesunden erregt ^), nnd hätte er das einzige Nator- 
Heilgesetz durch Homöopathie gekannt, so würde er 
gleich Anfangs diefs Heilmittel mit Zuverlässigkeit 
haben wählen können, ohne den Kran|cen so lange 
mit, Arzneien zn quälen, die als nnhomöopathisck 
hier, nicht helfen konnten. — Die gemischten Arz- 
neistoffe, die Hecker ^) in einer krampfhaften 
Verscbliefsnng der Augenlider mit dem sicht- 
barsten Erfolge brauchte, wären vergeblich gewesen, 
war nicht das hier bomöopathische Bilsenkraut 
zufälligerweise darunter, welches nach > Wepfer ') 
eine ganz ähnliche Beschwerde am gesunden Men- 
schen zu erregen pflegt. — So konnte aach Wühe- 
ring ^) eine krampfhafte Verschlicfsung des Schlim- 
des, mit Unmöglichkeit zn schlingen, durch keine 
Arznei bezwingen, bis er Bilsenkraut gab, dessen 
eigenthümliche Wirkung ist, eine krampfhafte 
Zuschnürung des Schlundes mit Unvermö- 
gen zu schlingen selbst zu erzeugen, wie Toz- 
zetti, HamHionj Bemigauj Samtes ond Häner- 



1) Siehe m. reine Arzneimitteil. IV. S. 31. 55. 56. 

2) Hufeland y Journ. d. pr. Arzneik. I. S. 354. 

3) De cicuta aquatica, Basil. 1716. S. 320. 

4) Edinb. med. Comment. Dec. IL B. VI. S. 263. 



73 

wo^^ ') miKweideaäg und in hohctta Grade von die- 
sem Kraute haben entstehen sehen. 

Wie wäre es möglich, dafs der Campher in 
sogenannten schleichenden Nervenfiebem mit vermin- 
derter Körperwärme, verminderter Empfindung und 
gesunkenen Kräften so ausnehmende Hülfe leisten 
konnte, wie uns der wahrheitliebende Huxham *) 
versichert, wenn der Campher nicht in sdner Erst- 
wirknng einen gans ähnlichen Zustand zu er- 
zeugen vermöchte, wie Will. Alexander, CuUen and 
Fr. Hqffmann von ihm sahen ')? — 

Feuriger Wein heilt homöopathisch in kleinen 
Gaben reine Entzündnngsfieber, wie C, Crivel- 
lad ^), H. Augenius *), AL MundeUa ^) nnd ein 
Paar Ungenannte ^) erfahren haben. — Schon Askle- 
piades heilte®) eine Hirn-Entzündung mit einer 
kleinen Gabe Wein. Ein fieberhaftes Delirium, 
wie eine vemunftlose Trunkenheit, mit laut schnar- 



1) Man sehe die Stellen in meioer reinen Arznei- 
mittellehre, IV. S« 38. 39. 

2) Opera, Tom. I. S. 172 Und Tom. IL S. 84. 

3) Man sehe die Stellen in meiner reinen Arznei- 
mittellehre, IV. 

4) Trattato delF uso e modo di dare il vino nelle 
febri acute, Rom. 1600« 

6) Epist. Tom. IL lib. 2. ep. 8. 

6) Epist. 14. Basil. 1538. 

7) Febris ardens spiritoosis cnrata, Epb. Nat. Cor. 
Dec. IL ann. 2. obs. 53., und Gazette de sant^, 1788. 

8) Caelius Aurelianus^ Acut. lib. I. C« 16. 



74 

cben^em Athei9> . eine KranUwit dem ZMtande'emer 
beftigen Beraascjiitng in JVein^ äfanlicfa, beike 
Rademacber ^) 10 einer einsigea Nacbi bloCs dnrcli 
Wein trink e n. Ist hier die Macbt des analogen An- 
neireis^s (similia similibus) wohl sn verkennen? 

Ein starker Anfgafs von chinesiscbem Thee ver- 
ursacht Personen, die nicht daran gewöhnt sind, 
Hersklopfen und Beängstigung, nnd ist, ia 
kleiner Menge genossen, ein treffliches Heilmittel 
dieser^ von andern Ursachen entstandenen ZnfiiUe, 
wie G. L. Hau *) besengt. 

Ein Zustand von Convnlsiotten ohne Bewnfst- 
seyn, dem Todeskaqipfe ähnlich, abwechselnd mit 
Anfallen von krampfhaftem und stolsweisem Athem, 
welches auch schluchsead nnd röchelnd, mit Eis- 
kälte des Gesichts und Körpers nnd Bläue der Hände 
und Füfse,. bei: schwachem Pulse, erfolgte (gaoi 
ähnlich so, wie Schtveikert nnd Andre die Zufalle 
von Mohnsafte beobachtet hatten) '), ward von 
Stütz ^) vergeblich mit Laugensak behandelt, nacb- 
gehends aber sehr glücklich, schnell nnd dauerhaft 
durch ilfoA 115^^/ gehoben« Wer erkennt hier nicht 
das , unwissender "Weise ausgeübte, homöopathi- 
sche Verfahren? — Eben diesen (nach ViaUy J, C. 



1) In HufelantTs Journ, der pr. AreneiL XVI. I. S. 92. 

2) Ueber den Werth des homöopathiscben Heiiverf. 
Heidelb. 1824. S. 75. 

3) Siehe reine Arzneimittellehre, Th. I. 

4) In Hufeland* s Journal der pr. Aruieik. X. iv* 



75 

» 

Grimm ond Andern) ^) so grof«e Neigung z-nm. 
fast onüberwindlichen Schlafe mit heftigem. 
Schweifse nnd Delirien erregenden Mohnsaft 
(iirchtete sich Osthoff ^) in einem epidemischen Fie- 
her, was sehr ähnliche Symptome hatte, ansa-^: 
wenden, weil das System (o! das arme System!), 
m solchen Znsländen ihn zu geben verbiete. Nor 
da er nach vyergeblicbem Gebrauche aller bekannten 
Arzneien den Tod vor Angen sah^ entschlois er 
sich, ihn auf gut Glfick kq probiren, nnd, siehe! er 
war allgemein htüfreich — mnfste es seyn nach 
dem ewigen homöopathischen Beilgesetze. — So ge^ 
sieht auch J. Lind ^}: Jüvt Beschwerden des Kopfs 
und das Brennen der Baut bei dem in der Hitze. 
des Korpers mttbsam hervorkommenden Schweifse 
nimmt der Mohnsaft weg, der Kopf wird frei, die 
brennende Hitze des Fiebers verschwindet, die Haut, 
wird erweicht und der Schweifs kommt leicht und 
reichlich hervor.*^ Lind weifs aber nicht, dafs Mohn-' 
safty ganz wider die Satzungen der Arzneischule, 
hier defshalb so wunderbar hilft, weil er sehr ähn- 
liche Krankheits-Zustände bei Gesunden bervorbringtt 
— Indefs gab.es noch hie und da Einen, dem diese 
Wahrheit wie ein Blitzstrahl durch den Kopf ging,' 
doch ohne das homöopathische Natur -Heilgesetz zu 

1) Siehe reine Arzneimittellehre, Tb. 1. 

2) In Salzburger medic chirurg. Zeitung, 1805. III. 
S. 110. 

3) Yersuefa über die Krankheiten, denen die Europäer 
in beilseii Klimaten unterworfen sind. Riga u. Leipz. 1773. 



76 

ahnen. So s^gt Aiston ^): Mohnsaft sey freilich 
ein Hitze erregendes Mittel, doch sej es gewifs, dals 
er auch die schon anwesende Hitce mindere. — Be 
la Guirine ^) gab Mohnsaft in einem Fieber mit 
heftigem Kopfweh, hartem, gespanntem Pnise, sprö- 
der, trockner Haut, brennender Hitze, daher schwie- 
rig durchdringendem, ermattendem Schweifsc, bestän- 
dig dnrch die grofse Unruhe des Korpers gestört, 
und half datait, erkannte aber nicht, dafs Mohn- 
saft defshalb hier so wohlthatig wirkte, weil er 
einen ganz ähnlichen fieberhaften Zustand 
ftir sich, das ist bei Gesunden, zn erregen vermag, 
wie die Beobachter ') von ihm bezeugen. — lo 
einem Fieber, wo die Kranken sprachlos waren, bei 
offenen Augen, starren Gliedern, kleinem, aussetzen- 
dem Pulse und schwerem Athcm, mit Schnarchen 
und Rochein, und in Schlafsucht versunken. Zu- 
stande, die Mohnsaft ganz ähnlich zu bewirken 
für sich vermag, wie De la Croix^ Rademacher, 
Crumpe, Pyl^ Ficat, Sauvages und viele Andre 
beobachtet haben ^}, da sah Chr. Lud. Hoffmann ^) 
blofs den itfo/i/z 5 o/V helfen; wie ganz natürlich, 
homöopathisch! — Eben so half Wirihenson^) 



1) In Edinb. Yersucheo, V. P. I. art. 12. 

2) In Römers Annalen der Arzoeimittellebre I. II. S.6. 

3) Siehe meine reine Arzneimittellehre, Tb. L 

4) Siehe ebendaselbst 

5) Von Schafbock, Lustseuche u. s. w. Münster 1787. 
S. 295. 

6) Opii vires fibras cordis debilitare etc. Monast. 1775. 



77 

« 

mit Mohnsaft in ähnlichen schlntfimer^iichtig^n Fie- 
bern, — nnd Sydenham *) in ähnlichen schlafsöch'- 
tigen Fiebern,. so wie in einem gleichen Krankbeiu- 
zDstande Marcus ^). — Die Schlafsacht, welche de 
Meza ') heilte, konnte er mit nichts Andenn be- 
zwingen, als mit dem hier homöopathischen, Schlaf- 
sucht selbst erzengenden Mohnsnfte. — Nach lan- 
ger Qnal mit einer Menge nicht passender (unho* 
möopathischer) Arzneien hob d C. Maithäi ^^ eine 
hartnäckige Nervenkrankheit,, deren. Hanptzeichea 
Unempfindlichkeit, Tanbheit nnd Eingeschlafenheit 
in den« Armen, an den Schenkeln und am Unter- 
leibe waren, mit Mohnsafty welcher nach StuLZy 
J. Young nnd Andem^) dergleichen Zustände 
in vorzüglichem Grade von selbst e)rregen kann, folg* 
lieh, wie Jeder' sieht, einzig homöopathisch heilt. 
— Hufelands *) Heilang einer tagelangen Lethargie 
mit Mohnsaft y nach welchem andern Gesetze er* 
folgte sie, als nach dem bisher verkannten homöopa- 
thischen? — Eine Epilepsie kam stets nnr im Schlafe; 
de Haen fand, dafs es kein nattirlicher Schlaf sey, 
in welchem die Anfalle kamen, sondern eine Schlaf- 
betänbnng mit Schnarchen (wie sie ganz ähnlich. 



1) Opera, S. 654. 

2) Magazin fär Therapie, I. i. S. 7. 

3) Acta reg. soc med. havn. III. S. 202. 

4) In Struf^e's Triumph der Heilk. III. 

5) Siehe die StelW^n in meiner reinen Arzneimit- 
tellehre. I. 

6) Hufeland^s Journal der pr. Arzneik. XIL i. 



7Ö 

Mohntafi bei Gesndden eraengt), nnd konnte sie 
daher blofs darch Mohnsaft m gesunden Schlaf 
umwandeln nnd dadurch ungleich die ganse Fallsocht 
mit hinweg nehmen ^). — Wie wärcf es wohl mog- 
Kcfay dafs Mohns oft, welcher, wie alle Welt weib, 
unter allen Gewächs -Substanzen die stiurkste nnd 
anhaltendste Leibverstopfang in seiner Erstwir- 
knng verursacht (in Ideiner Gabe), eins der gewis- 
isesten HtriCrnnttd' in den gefährlichsten Leibesver- 
stopfiingen seyn könnte, wenn es nicht vermöge des 
so lange verkannten, homöopathischen Heil-Gesetzes 
geschähe, das ist, wenn die Arzneien nicht darch 
eine,' ähnliches Uebel erzeugende, eigne W^irktmg, 
die ihr ähnlichen natürlichen Krankheiten zu be- 
siegen nnd zu heilen, von der Natur bestimmt wä- 
ren. Diesen in seiner Erstwitkung so mächtig den 
Stuhl hemmenden und Leib verstopfenden Mohn- 
saft fand T^alles ^) als das noch einzige Rettnngs- 
roittel im Ileus, nachdem er den Kranken vergeb- 
lich mit Abfährmigs- und andern unpassenden Mit- 
teln behandelt hatte. — Eben so haben LentiUus ^) 
und G. W. Wedel ^") den Mohns aft^ auch gan« 
allein gegeben, hülfireich in solchen Fällen befan- 
den, so wie auch Wirthenson^ Betty Heister und 



1) Ratio medendl Y. S. 126. 

2) Opii usus et abusus, Sect II. S. 260. 

3) Epb. Nat Cur. Dec UI. ann. 1. App. S. 131. 

4) Opiologia. S. 120. 



79 

Bichier ^). «-^ Den redEchen JBohn ^)' überzetigtle 
ebenfalls die Er£ahrang, dafs die Opiate clen In- 
kalt der Gedärme ioi Miserere allein entladen kön- 
nen, so wie den- grofsen Fr. HoJJmann ^), welcher 
in den geiahrlichsten Fällen dieser Art sich Mols 
auf Mohnsaft ^ mit liqnor anodynus gegeben, ver- 
lassen konnte* Können wohl alle in den 200000 
medicinischen Büchern, welche die Erde belasten, ent- 
haltenen Theorien über diese und die vielen andern, 
ähnlichen Thatsachen eine veihAtInftige Auskunft ge- 
ben , da sie vom homöopathischen Heil - Gesetze 
nichts wissen?« Haben wohl ihre Lehrsätze uns auf 
diefs, in allen wahren,^ schnellen und dauerhafted 
Heilongen durchgängig waltende Naturgesetz hinge-^ 
fohrt, dafs *^die Arzneien nach ihrer (an gesunden 
Menschen erspäheten) Wirkungs-Aehnlichkeit zur 
Heilung der Krankheiten anzuwenden sind? ' 

Bjove ^) und Wedekind *) heilten schlimme Mat- 
ter >Blatflüsse mit Sadebauniy welcher, wie jede 
gewissenlose Dirne weifs, Bärmutter-Blntflilsse 
und, mit ihnen. Früh - Geburten bei Gesnnden cr- 



1) Anfangsgr. d. Wondarzneik. V. §. 328., und Cbron. 
Krankb. Berl. 1816/ II. & 290. 

2) De officio ittedici. 

3) Median, rat. system. Tom. IV. P. IL S. 297. 

4) Beobachtungen und Schlüsse, II. S. 7. 

6) In HufelantPs Journal d. pr. Areneik. X. I. S. 77., 
und in seinen Aufsätzen, S. 278. 



80 

regt. Wer will hier d^s Heilgeseix durch Aehnlich- 
keit (die HomSopalhie). verkennen? 

Wie könnte wohl der Biesam in den Arten 
krampfhafter Engbrttstigkeit, die man nach Miliar 
benannt hat, faftt specifisch helfen, wenn er nicht 
iör sich selbst Paroxysmen von hnstenloser, 
krampfhaft erstickender Zasammenschnü- 
rang der Brnst znwege bringen konnte, wie\Fr. 
Haff mann ^) von ihm beobachtete? 

Kann die Ktihpocke anders gegen Menschea- 
pocken schätzen, als homöopathisch? Sie, welche 
aolser andern grofsen Aehnlichkeiten mit ihnen, nnd 
ihrem im Ganzen ebenfalls nor einmal im Leben 
möglichen Erscheinen, anch ähnlich tiefe Narben, 
so wie nicht weniger Achseldrüsengeschwülste, em 
ähnliches Fieber, Entzündangsröthe nm jede Pocke 
nnd selbst Angenentzündaog nnd Convnlsionen, wie 
die Menschenblatter erzengt! Pie Kofapocke würde 
gleich nach ihrem Ansbrnche selbst die Menschen- 
pockenanstecknng aufheben, also die letztere auch 
bei ihrer Mrirklichcn Anwesenheit heilen, wenn die 
Menschenpocke nicht tiberwiegend stärker, als die 
Knhpocke wäre; der letztem also fehlt hiezn nichts, 
als die grölsere Stärke, welche nach dem Natorge- 
setze noch anfser der homöopathischen Aehnlichkelt 
zom Heilen gehört (§• 1520« ^ii* können also die- 
ses homöopathische Mittel nur im Voraus anwenden, 
ehe die stärkere Menschenpocke den Körper befallt 
• So 

1) Med. ration. System. III. S. 92.« 



81 

So bringt die Kubpocke eine der Menscbenpocke 
sehr äbnKcbe (bomSopatbische) Krankheit hervor, 
nach deren Verflafs, da der mensthlicbe Körper in 
der Regel nnr einer im Leben einmaligen Krankbeil 
dieser Art (der Knbpooke, oder der Menscbenpocke) 
fähig ist, alle Ansteckbarkeit desselben durch (Küb- 
oAeat) Menscbedpocke auf Lebenszeit gehoben ist ^);- 
Bekanntlich ist Harnverbaltnng mit Harn« 
ftwang eins der bäofigsten nnd beschwerlichsten 
Symptome der spanischen Flieg en^ wie Bum 
Ueberflnsse Joh. Camerarius, Baccius, i^an Hilden^ 
Forest t J. Lanzoni^ Qon der Wiel and Werlhoff^) 
bestätigen« Ein behutsamer innerer Gebranch der 
Canthariden ranfste daher in ähnlichen« schmerz-* 
haften' Dysurien ein hülfreicbes und homöopathisches 
Haupt- Heilmittel seyn. Und so' ist es auch* Aufser 
fast allen griechischen Aerzten (deren Cantharide 
meloe cichorii war) haben Fabr. aö Aquapen-^ 
dente , CapiQoccius , Riediin , Th, Bartholin *), 



1) Dieses homöopathische Heilen io antecessum (was 
man aocb Präcayiren und Schützen nennt) scbeiiilt uns auch 
in einigen andern Fällen möglich, z. B. durch Tragen ge- 
pulverten Schwefels in unsem Kleidern gegen Ansteckung 
von Wollarbeiter- KrStze und durch eine im Voraus einge- 
nommene ^ möglichst kleine Gabe Belladonne» wenn das 
(jetzt seltene) glatte Scharlacfafieber Ats Sydenham^ Wi- 
ihering und Plencitz epidemisch in der Nähe berrscht. 

2) Man sebe die Stellen in meinen Fragmenta de vi- 
ribas medicamentomm positivis, Lipsiae 1805« L S. 83. 83* 

3) £pist. 4. S. 345. 

F 



82 

Voung ')> Smith *), Raymond »>, de Meza*), 
Brisbane *) und Andre die schmersbaftesieD, ohne 
mecbaniscbe Hinderang enlstandencn Iscbarien mit 
Canthariden vollkommen geheilt Huxham sah 
selbst die vorlrefflicbsten WiriLongen • davon in sol- 
chen Fällen f er rQbmt sie sehr nnd hätte sie gar 
gern . gebrancht; aber die hergebrachten Satzangen 
der alten Araneischole, welche, den Lehren der Na- 
tur, ood Erfahrung entgegen (sich weiser dankend) 
hier scbmeidigende, erschlaffende Mittel anbefiehlt, 
hielt ihn von diesem, in gedachtem Falle specifi- 
sehen (homöopathischen) Heilmittel ab, wider seine 
Uebersengnng ^). — Im frischen, entzündlichen Trip- 
per selbst, wo Sach$ ifon Lewealieim^ Hannaeus^ 
Bartholin y Lister ^ Mead nnd vor allen fWa^lhqff 
die Canthariden in den kleinsten Gäben mit dem 
besten Erfolge anwendeten, hoben sie die dringend- 
sten, anfänglichen Zufalle augenscheinlich, eben mit- 
tels s der eigenthümlichen Kraft derselben, wodurck 
sie, nach fast allen Beobachtern, schmerzhafte 
Iscburie, Harnbrennen, ja selbst Entzündung 
der Harnröhre (^Wendt) und sogar bei blols an- 
fscrlicher Anwendung eine Art entziindnngsarti- 



1) Pbllos. transact No. 280. 

2) Medic. Communications, II. S. 605. 

3) In auserlesene Abb. für pr. Aerzte. lü. S. 460. 

4) Acta reg. soc. med. havn. IL S. 302. 

5 ) Auserieseae Falle d. ausübenden Arz. Altenb^ 1777. 

6) Opera, E4tt Reiehel. Tom. IL S. 124. 



83 

gen Tripper (wie Wiefmahn'^") sah) fftr '^k 
selbst ca erzeug«B vermögen ^). ' • ^• 

Bei evipfiadKdien Personen 'erregt diitr ja^ne^ 
Gebranch AesSchfP-efeis nicht ^Iten StohUw^ang^' 
KQweilen sogar brei Stnhiiwange Leihwd-b |ib^ 
Erbrechen, wie WaÜher*^) heeeogt, nnd' dieielc 
seiner eigentbtimlicben Kraft wegeki/ bat man ^) mit 
demselben- röterartige Zufalle^ nnd nach Wer4k^^^^ 
Hämorrhofdal^tny zwang, so wie nath Räi^^^y 113^ 
morrhoidal- Koliken heilen können. ^'B^käniytlick 
erseagt das TöpUtser Bad^ so wie alle- andern taaett 
und wannenj Schwefel enthaltenden Miheral-A^as^ 
ser, oft einen sogenannten Bad e* Ans schlag, wek 
eher anscheinend ' grofse Aehnlicbbeii mit W 11 ar- 
beit er- K rät se 'hat; tind eben dieser homiiopatlii^ 

1) Auswahl aus dea Nürnberger eelehrten Unterhal- 
tungen. I. S. 249. Anmerk. 

. 2) Ich sage: ,, die dringendsten, ahfanglichen Züßlffe;^ 

_ _ ^ ^ ücksichten. *Dentf 

wenn es auch- so gelinde. Arten. >von IVipp^rn^^gfebt, die, 
fiist ohne. Hälfe, bald yi)^ sdbst i^ei;s<hwind^n,. so gwbt^s 
dagegen andre von höherer Bedeutung, vorzüglich dfin^^xL 
den französischen Feldzngen häufiger gewordenen, ^en, man 
Feigwarzentripper nennen könnte, welcher ebenfalls durch 
Beischlaf- Ansteckung erfolgt, wie die venerische Schanker- 
Krankheit, obgleich von diesem* gäti2 ver$(ilnedener matur 
(siebe >4nten Anmerk. zu §..a20r). : 

3) Progr. de Sulphure et Marte, Lips. 1743«' $.• 5. 

4 ) Medicin. National - Zeitung , ^1798. S. 153. 

5) Observat. de febribus, S. 3/ §^ 6. 

6) In Hufeland*s Journal der pr. Arzneik. Yll. II. 
S. 168. • , ' 

F2 



84 

8id«^ JKtaft wegen bebte aticb diese Bäder man- 
cben krätsartigen AnsscUag. -— Was giebt es Er- 
sticJkenderies als Sohwefeldampfi . Und eben 
dea Dampf 9on\angezündBtem Schwefel fand 
JBiiCfuet. !) als das beste Ekwecktmgsmiftlel im Sdbeia- 
tpde you andersartiger Erstickung. . 

Die eag^iscben Aerzte babea in Beddoes Schrif- 
ten und« andecwaitsi die Salpetersäure als ein sehr 
bVlfreicbes Mittel in den SpeicbeUasse vcin Qneck- 
ailbiBr nud den daher .Entstandenen Mnndgescbwii- 
ven befanden, welches diese Sinre nicht bätte aosn 
ficbtc^ k^innen, wenn sie qicht scboi) tut sich, selbst 
wo vsfe nicht dnjppb den Mond eiagenon^oien ward« 
Uofs. in^.Bade an die Hant des Körpers gebracht, 
wie Scofß',^^ ond Blair ') be^eogen, die Eigenschaft 
besäfse, Speichelflofs nnd Rachen-Gescbwttre 
m ersengen, wie aach von der innerlich eingenom- 
menen SalpetersSare Aloyn ^), Zuke ^), J. Ferriar *) 
nai:G..ti!ellie, ^) gesehen haben. ' 

JFrüze f) hast von .einem. Bade, init iausti- 
sckem /iTa// geschwängert, eine Art Tetantis er- 



!■ 'm f.. 



^) Edinb. med. Comment IX. 

2) In Huf€lan4fs Journal f. d. pr. Ansneik. IV. S. 353. 

3) Neueste £r|ahi:ungeny Glogaa 1,801. 

4) In M6noire8 de la soc. d'teuhtion. I. S. 198. 
6) hei Beddoe^t. 

6) In SammL a. Abhandl. f. pr. Aerzte. XIX. ii. 

7) Ebend. XIX. i. 

8) In Hufeland*s Joam. f. pr. Arsneik. XII. i. S. 116. 



65 

folgen sehen, nnd Alex, von JEbm^o/ift *) hiat die 
Reizbarkeit der Maskeln' dorch tcfrffossenes Weili-- 
steinsalz (eine Art balbkanstiscfais Kali) \k& vom 
Tetanns zä erregen vermocht; kann w&hl erfter 
einfachere nnd wahrere Qnelle fflr die Heilkraft i}e« 
(ätzenden) Laagensalzes in jener Art von Tetanns, 
worin es «S'/jV^ nebst Andern so httlfreicH fand, nach- 
gewiesen werden, ab in seiner homöopatfaisichen Wir- 
kangs-AehnUchkeit? > 

Der darch seine ungeheure Kraft, das Befinden 
der Menschen zn verändern, man weifs nicht, ob in 
verwegnen Händen mehr fiärchterlich, oder in der 
Hand des Weisen eher verehrongswtirdig' zn nen« 
nende Arsenik würde im Gesichtskrebse nnter den 
Augen sehr vieler Aerzte, von denen ich hier blols 
G« FaUopius ^), Bemhardi ^) und Roenntm ^) nen- 
nen will, nicht so grofse Heitnngta hdben voUbrin.^ 
gen können, wenn dieses Metall -Oxyd nicht die 

• 

homöopathische Kraft besäfse, schon flQr sich im 
gesunden Körper sehr schmerzhafte, nnd sehr 
schwer heilbare Knoten nach AmcUus d^ Por- 
iugiesen ^), nnd tief eindringende bösartige Ge- 



1) Verbuch über die gereizte Muskel* und Nenreofäser. 
Posen und Berlin 1797. 

2) De uiceribus et ^umoribus, lib. 2. Venet. 1563. 

3) In Journal de m^decine, cbirurg. et (»faann. LVIL 
1782. Mars. . 

4) Konigl. Yetensk. acad. Handl. f. a> 1776. 

5) Obs. et Cur. Ceot IL Cur, 34. 



86 

Stil wäre nach Hemrekh ^) nnd Knapi ')^ und 
ktebsariigo Geschwüre nach Heüue^) za er-^ 
siQugeB. . — .Die Alien würden A^s. Arsenik entbal- 
tende,; sogenannte Diabetische Pflaster des Angelas 
Säla ^) bei Pestbeulen and Carbnnkeba nidht so 
^nsitnxniig wohlthäitig haben finden | können, wenn 
der Arsenik . nicht för sich. (wie. Degner *) nnd 
Knape ®) beseageq) die Neigung besäfse, schnell 
in Brand tibergehende EotiittndlDngsgeschwiilste 
«nd schwarze B'Jattern (wie Ferzascha^) and 
Pfahn ^) von ihm beobachteten) henrorzobringen. — 
Und. wo käme seine so tansendfach. bestätigte (nor 
noch nicht bebatsam genag angewendete) Heilkraft 
in ieinigen Arten von Wechselfiebcm heCf die seit 
Jahrhnndiertch ,. schon, von NicoL MyrepsuSf neichge' 
bends von Slei^ogtj MoUtar, Jncobi^ J. C. Bern* 
handt, Jängken^xFawe^ Brera^ Darfvin, Maj, Jack' 
son nnd Fowler nnsweideotig gepriesen worden ist, 
wend sie nicht in der eigentfatimlichen Fieber 



1) In Acta Nat. Cur. IL obs. 10. 
..2) Annalen der Staatsareneik. 1. I. i 

3) Bei Ehers in HufelandCs Journal Her pr, Arzoei- 
kuQde« 1813. Sept. S. 48. 

4) Anatom, vitrioli Tr. IL In Opera med« chym. 
Frft. 1647. S. 381. 463. 

. ,5) Acta Nat. Cur. VL . 

6) Annalen der Staatsarzneik. a. a. O. 

7) Observ. medk. Cent. Bas. 1677. öbs. %^. - 

8) Samml. merkwülrd. Fälle, Nürnb. 1750. S. 119. 130. 



mk 



87 

erregenden Kraft des Arseniks gegründet wäre, 
welche fast alle Beobachter der Nachtbeile dieser 
Substanz deatlich bemerkten, insbesondre Amatus der 
Portugiese, Degner^. Buchholz, Heun und Khape ^). 
. — Ganft wohl läfst sich s Edv;^* Aiexandern ') giah- 
,ben, dafs der Arsenik ein Hatiptmittel in (einigten 
Arten) der Brastbränne sey, da schon Öiio Tache- 
nüiSy Guilbert^ JPreussius, Tldlemus nnd Pyl Bä- 
kiemmnng des Athemholens, GreiseUus *)' eine 
fast erstickende Scbwcrathmigkeit, nnd vor- 
zSglich Majmdt ^) ein beim Gehen' plötzlich 
entsteKendes As^thma mit Sihken der Kräft-e 
von Arsenik wahrgenommen haben. 

Die. Convulsionen , welche Kupfer, und 
nach Tondi, Ramsay, Fabas, Pyl und Cosmier 
•der Genofs knpferiger Dinge, so wie die wiederhol- 
ten epileptischen Anfälle, die eine verschluckte 
Kupfermünze unter Joe* Lazerme's ^) und def Kap- 
fersalmiak unter Pßindels ^) Augen erregt haben, 
erklären dem nachdenkenden Arzte deutlich genug, 
woher die Heilung einer Art Ycitstanzes durch Kup- 



1) Man sehe die Stellen io meiner reinen Arznei- 
mittellehre. 11. 

2) Medic. Coinment. of Edinb. Dec. II. T. I. S. 85. 

3) Mise. Nat. Cur. Dec. I. ann. 2. S. 149. 

4) In Saniml. a. Abhandl. f. Aerzte, VII. I. 

5) De morbis internis capitis, Amstel. 1748. S. 253. 

6 ) In Hufeland's Journal der pr. Arzneik. 11. S. 264. 
und nach BurdacKs Zeugnifs, s. System d. Arzneien. I. 
Leipz. 1807. S. 284. 



88 

/^r, irovcm Ä Wlilan *), Wtdcker «), a TÄutfi- 
sink ') und Dehnrwe ^), nnd die vielen Heilongen 
einer Art FalUacbt durch Kupferbereitungen 
kennen, wovon Battj, Baumes, Bierling^ Boerhatwe^ 
Causland, Culien, Duncan^ Feuerstein) Hehelius, 
Lieb, Magennis, C. Fr. Michaelis, Reily Rüssel^ 
Stisser^ Thilenius, JVeifsmam, Weizenbreyer, Jfhi- 
ihers und Andre so glUcUiche .£r£alimngen auf- 
seichneten. 

Haben Poterius, Wepfer, Wedel, Fr. Hoff- 
mann, JL A. Vogel, Thiery und Albrecht mit Zinn 
.eine Art Sckwindsncht, faecdiiches Fieber, langwie- 
rige Catarrbe und feuchte Engbrüstigkeit geheilt, so 
geschah es mittels der eigenthttmlicben Kraft des 
.Zinnes y eine Art Schwindsucht selbst erxeugen 
SU können, welches schon £r. E. Stahl ^) beobachtet 
«hatte* — Und wie wäre es wohl möglich, da(s 
Zinn, wie GeisehlOger berichtet, Magenschmer- 
zen heilen könnte, wenn es nicht fiir sich schon 
dergleichen aui erregen im Stande wäre. Und diefs 
kann es allerdings ^ wie GeiscUäger selbst ^) sah 
und ehedem StaKl ^). 

Sollte die schädliche Kraft des Bleies ^ die 



1) In Samml. a. Abhandl. f. pr. Aerzte, XIL S. 62. 

2) Ebend. XI. iii. S. 672. 

3) Waarnemingen, No. 18. 

4) In Kühn's Phys. med. Journ. 1800. Jao. S. 58. 
6) Mat med. Cap. 6. S. 83. 

6) In Hiffeland's Journ. d. pr. ArsneiL X. Iil. S.ltf* 

7) Mat. med. a. a. O. 



80 

bartnäckigste iLeifarerstöpfiing ^nai selbst* Ilens 
zn eneugen (metl7nffAe9^9 Wilson, LuzuHaga irad 
Andre sahen), nicht eine ähnliche Heilkraft zn' vei^ 
stehen geben? Sollte Blei m^\ so gewifs^ wie alle 
andre 'Anneien in der Welt, gerade mittels seinet 
Krankheit erregenden Krd^ähnlrehe natttrHche Uebel 
(homöopathisch) ' zn besiegen nnd dauerhaft sn hei- 
len fähig sejm? Allerdings! Angelas Sah ^) heilte 
dorch den innem Gebranch dieses Metalls eine Art 
Dens, nnd X jigncola ^) eine andre gefahrliche Lei- 
besverstopfnng. 'Die i/^i'^riz^n Pillen, mit denen 
Tiele Aerzte eine Art Ilens nnd andre hartnäckige 
Leibesverstopfnngen so glücklich heilten ( C/iirac, 
Hebnont, Naudeau, Perenus^JUifinuSy Sydenham, 
Zacuius der Portugiese ^ Bloch nnd Andre), wirk- 
ten nicht blofs mechanisch und durch ihre Schwere 
(sonst würde man das weit schwerere Gold dasn 
voraüglicher gefimden haben); sbndem am meisten 
als innere Blei*Arznei, homöopathisch heilkräftig. ^«* 
Wenn Otto Tachenius nnd Saxtorph ehemals hart- 
näckige hypochondrische Beschwerden mit Blei heil- 
ten, so erinnere man sich der diesem Metalle aner- 
schaffenen Neignng, hypochondrische Beschwerden 
für sich zu erzeugen, wie in Luzuriagds ^) Bcschrei- 
bnng der schädlichen Wirkungen dieses Metalls zu 
sehen ist. 



1) Opera. S. 213. 

2) Conment; ia J. Pqp^U cfiybii Med^y« Lfpi 1638. 
S. 223. • 1 

S) Rttcweil p£riodique''de • litttrat. i. fir.'^: 



00 

^ '^Mair darf. sieb mcbt wondenii idh' Mta^eus^) 
kiae Entsündoogs- Geschwulst der Zonge nod des 
RacheDS mit einem ACttel ^Quecksilber) schnell 
geheilt hat, welches nach den täglichen, taosend- 
fachen Erfahrongen aller Aerxte ganz speeifisch Ent* 
»ttndatig nnd Geschwulst den innern Theile 
des-Mandes einengt und dergleichen schon bei 
äofserer Anflegong (der Mercnrial* Salben, der Mer- 
carial- Pflaster) auf die Haat des übrigen KSrpers 
diot, wie Degner^)y Friese *), Alberti^) und £«- 
gel^) nebst Ändern erfahren. Die Yerstandes- 
schwäche, die Swedjaur *), die Verstandlosig- 
keit, die Degner ^), und der Wahnsinn, den 
Larrey ®) vom Quecksilber^Gebrauche beob- 
achteten, vereint mit der bekannten, fast spedfiscbeo 
Kraft dieses Metalls, Speichelflnfs ta erregen, 
erklärt sehr einlenchtcnd, wie WiU. Perfeet *) mit 
Speichelflnfs abwechselnde Melancholie mittels Qoedc- 
Silber dauerhaft heben konnte« — Warum war See- 



1) Magazin, II. u. 

2) Acta Nat Ciirios. VI. App. 

• 3) Geschichte und Versuche einer chirurg. Gesellschaft, 
Kopenhagen, 1774. 

• ' .4) Jurisprudentisi med. V. S. 600. 

5) Speciihina medica, Berol. 1781. S. ,99. • 

6) Traite des malad, ven^r. 11. iS. 368. 

7) A. a. O. 

''V 8) Memoirea et Obsenrat.., in Deseriptieo de TEgjpte, 
Tom. I. 

9) Aona|e9eii9er}4niilaUriVVAhQaiiiQige,HiaiK>nl80l. 



t 

ri 



91 

Hg ^) in der voni Parpnrfriesel il^gieileten 
und Hamikon ^), Hqffmann ^), Marcas ^)j Mash ^% 
Colden ^)» JBaäejr nod MlchagUs '?). itk andern bös- 
artigen Brännen so glücklick mit dem QehriocUe 
des Queeisilbgrsi 'Offenbar deisbalb, weil die- 
ses MeftaH selbst eine Art der schlimmsten BrSnne 
snwege bringt ^)! -*- Heilte Sauiert ^) jene geschwiiv 
rige Mnndenttttndang init Scfawämmchen nnd Speii- 
chelflofsgestanke ^ dnrcb Gnrgeln mit Sublimat^ An£. 
losnng, oder Bloch ^^) die Mnndschwammcben woU 
auf andre als bcmiöopathiscfae Weise mit Qnecksil^ 
ber? da letsteres, anfser andern Mundgescfawü«- 
ren, namentiicb auch eine Art Mandschwämm^ 

1 ) In HufelantTs Journ. d. pr. Arzneik. XVI. i. S. 24. 

2) In Edinb. Comment. IX. I. iS. 8. 

3) Medic. Wochenblatt, 1787. No. 1. 
4} Magaz. f. spec. Therapie, IL S. 334. 

5) Medic. inquir. and observ. No. 6. 

6) Medic. obsenrat. and inquir. I. No. 19. S. 211. 

7) In Richters chinirg. Bibliolb. V. S. 737—730. 

8) Auch häutige Bräune hat man niit Quecksilber 
zu heilen versucht, iviewohl fast immer vergeblich, weil 
dieses Metall jene eigenartige Umänderung in der Schleim- 
haut der Luftröhre, die in dieser Krankheit vorherrscht. 
Dicht in Aehnlichkeit selbst hervorbringen kann, wogegen die 
kalkartige Schwefelleher^ welche Husten aus Athem- 
beengung entstehen läfst, noch mehr aber, wie ich fand, die 
Tinktur von Röst - Schwamm in ibr^ eigenthiimlichen 
Wirkungen (siehe reine Arzneimitteil. VL zweite Ausg. 
Sympt. [143 — 145.]) weit homöopathischer und daher weit 
büifreicher^ am besten in kleinster Gabe, ist. 

9) In Hufelanis Journ. der pr. Arsneik. XU. u. 
10) Medic. Bemerkungen, S. 161^ . 



92 

oh en. selbst benrorbttngty^e SMegd ') und Ihm. 
Acrey ^) bezeugen, -r* 

t .. Mefarev Gemisdie von 'Anneien bediente sicii 
Hecker ') im BeinfiraDie.Ton Pocken mit siebtbarem 
Eilbigei xam Glffcke, dafs in aUen diesen Miscbiia- 
gen t^uecksilb&r mit befindlich war, von wekhem 
begreiflich dieb Uebel besiegt wenden könnte, ho* 
möopathisch , weil Quecksilber eine von den v^ 
nigen Anneien ist, welche Knochenfrafs selbst 
erzeugen könnenj- wie so viele übertriebne Mercnrial- 
Garen gegen Lnstsenche, und so auch nnvenerische 
Gnren bezeugen, 'wie z. B. die von Cr. Ph. Midiat 
1h ^). Eben so - wird anch dieses bei seinem lang- 
wierigen Gebrauche durch Erzeugung des Beinfra- 
fses so fürchterliche Metall homöopathisch höchst 
wohlthätig in Heilung der Caries nach Yerwundnn- 
gen der Knochen, wovdü uns Justus Schlegel ^), 
Jöerdens *) und J. Maiih* Müller ^) sehr merkwür- 
dige Heilungen geliefert haben, und wie uns Heilnn- 
gcn unvenerischer Bcin(ra£se andrer Alt, ebenfalls 
mit Quecksilber (von J. F. W. Neu «) uod 
J. D. Metzger) ^) dieselbe homöopathische Heilkraft 
des Quecksilbers bezeugen, 

1) In Hu/elahd*s Journ. der pr. Arzneik. VU. iv. 

2) London medic. Journ. 1786. 
. 3) In HufelahdTs Journ. der pr. Arzneik. I. S. 362. 

4) Ebend. 1809. VI. Jun. S. 57. 

6) In Hufeland' s Journ. d. pr. At^neik. V. S. 605. 610. 

6) Ebend. X.' ii. 

7)- Obs. med. cbir. II. cas. 10. 

8) Diss. med. pract., Goettingae 1776. 

9) Adversaria. P» U. .Sect'4. . 



93 

Bei Lesmigf der Schriften tbet ^e medicinSsdi^ 
Electrisität mnb man über .die > nahe fieuelmng' en 
stanneD) mit weleber die'trdnihr faie midda erzeug« 
ten Körperbeschwerdto . nnd . Kranidheitszüfime : ded 
aus ganz ähnlichen Symptomen, bestehenden, natür- 
lichen Krankheiten entspredbion, welche sie glfidUidt 
nnd dauerhaft dmroh iHomSopathiegehcilt.hat; Un- 
zählig -sind die Schriftsteller, welche von* der positi- 
ven Electrisitat in ilirer Erstwvkang, Beschleifni- 
giing des Pnlaes wahrnahmen; vollständig :fleJ 
berhafie Anfälle aber, blofs. dmrch El'ectrisi- 
tat erzengt, sahen Saupages ^% Dislas ^) tind As- 
nUon^). Diese ihre fieberhafte Kraft war Ur- 
sache, da(s Gardm^'), Wilkinson^^^ Syfnä ®) nnd 
Wesiey ^), eine Art Tertianfieber ciinzig'mit Elec^ 
irlsiiät heSLen konnten, j2^^^/ ') aber xmd WU- 
lermoz ^) sogar 'Qaartanfieber. — Die Electrisitat 
erzeugt femer, wie bekannt, eine den JZuciungkn 
ähnliche Yerkttrznng der MndLehi, und de Sans \^) 

1) Bei Bert holen de St, Lazare, medicinische Elec- 
trisitat, von Kühn, WeUsenfels und Leipzig 1788. I. Th. 
S. 239. 240. 

2) Ebead; S. 282. 

3) Ebend. S. 233. 

4) Ebend. S. 232. 

5) Ebend. S. 251. 

6) Ebend. S. 250. 

7) Ebend. S. 249. 

8) Ebend. S. 52. 

9) Ebend. S. 250. 
10) Ebend. S. 274. 



94 

kdoDle dnffch oey.M oft er woHte, «ogar anfaal- 
tendei Cänmlsionen .am. Anne eines Mädchens 
ei^egen ; nnd eben mittck dieser. Gonvnlsmscfaen 
Kftift der Electrisität konnten de Sans.*) nnd Frank- 
&t:');krankbafie Convolsionen, so wie Üedtn^) m 
sdbnjäfoiges MSdcben dürcb Elacicmtit heilen, wel 
ches dacch Blits sprachlas nnd ansi linken Arm 
lahra gew9»rdeki war, doch mit beständiger^y ni 
kUvlnrber Bcwegqo^ der Arme nnd 'Beine nnd ste- 
ter vkrampfliafter Zosainmetisiehong der Unken Fin- 
ger, -TT-. Auch' eine Art Huftwehieiregte die JElec- 
trisitäi (wie Jaüobert ^) und ein Andrer ^) beob* 
achteten) und konnte also . ancb. leicht dnrch Wir- 
kongs-A-ehnlichkeit nnd HomSopathie eine ähnliche 
Art Hüftweh heilen^ wie Hwrtbergj Lovet, Arrigm^ 
Daboueix, Munduyty Syme nnd Wesley dorch ihre 
Erfabrnngen bewährt -haben. *— Eine Menge Aerzte 
haben eine Art Augeneotastednng* dnrch Electrisität 
geheilt, nämlich mittds eben der Kraft derselben, 
selbst ähnliche Angenentztindnngen (wie Pa- 
tril Dickson *) urid Bertholon '') von ihr sahen) 
za erzeugen« — Fushel heilte Aderkröpfe (varices) 
mit Elecirisitäty welche diese Heillpraft blofs ihrer 



1) Bei Bertholon de St. Lazare, mediciDische Electri- 
sität, von Kühn, Weifeeofels u. Leipz. 1788. I. Th. S. 274. 

2) Kecueil sur Feiectrlcit^ m^dic. H. S. 386. 

3) Neue BemerkaDgea und Erfahrungen, III. 

4) Exp^riences et observations sur l'^lectricH^. 

5) Pbilos. Traosact. Vol. 63. 

6) Bei Bertholon^ I. S. 406. 

7) A. a. O. II. S. 296. 



95 

von JaUobert.^) beobachteten Etgenscbaft, Viiiieii«< 
gescti wüUte erregen xn können,^ verdankt. 

Starke Hitce eines acDten Fiebers mit 130 Pate-' 
schlagen in der Minute ward von einem heifsein 
Bade von fOO Grad Fahr, sehr gemildert, und der 
Pals bis '2a 110 Schiigen herabgestimmt, wie ^ 
bers berichtet. Bei Himentzdndnhg von brennan- 
dem Sonnenscheine, oder wenn man den Kopf der 
Ofenhitze ansgesefzt hatte, £aind m beiden Fälleil 
Löffle ^) beifse Umschläge ungemein httlfreich> 
so wie CaiUsen ') in der Hirnentzündung Um- 
schläge von heifscm Y(^asser anf den Kopf unter 
allen Mitteln am bülfreichsten fand. 



Wenn man die Fälle wegrechnet, wo den ge- 
wohnlichen Aerzten (nicht ihre Erfind angs- Kunst, 
sondern) die Empirie des gemeinen Mannes das für 
eine sich gleichbleibende Krankheit jspecifische Mit-, 
tel *) in die Hände gegeben hatte, womit sie daher 
direct heilen konnten, z. B. die venerische Schan- 
ker-Krankheit mit Quecksilber, die Quctschungs- 
Krankheit mit Arnica, die Sumpf - Wechselfieber 
mit Chinarinde, die frisch entstandene Krätze mit 
Schwefelpnlver, n. s. w. — wenn man diese weg- 
rechnet, finden wir, dafs nur in dem Verhältnisse 



1) A. a. O. 

2) In HufelancTs Journal d. pr. Arzneik. III. S. 690. 

3) Acta soc. med. Havn. IV. S. 419. 

4) Was dann stets ein homöopathisches war. 



von nnobrm Hiuid«rteo ihrer . übrigen, nnsiKeckmä- 
fsigen Cptea ca einer einzigen, es durch die allgii- 
tige Fttr^ehang ^ich. ereignete, dafs eine schnelle, 
danerhafte Heilong mitonler lie£ 

Auch führte, sie enweilen «eine blinde ErEdumng 
aaf honoopathische Krankheits-Bchandlnng ^), und 
■ den- 

2) So glaubten sie die nach Erkaltung angellich in 
der Haut stockende AusdSnstangs- Materie durch die Haut 
fortsutreiben, wenn sie im Froste des Erkaltungs- Fiebers 
HolderblütbenTAufgufs trinken lieben, welcher durch eigen- 
thümliche Wirkungs-Aehnlichkeit (homöopathisch) ein sol- 
ches Fieber heben und den Kranken herstelleii kann, am 
schnellsten und besten ohne Schweiüs, wenn er dieses 
Trankes wenig und sonst nichts weiter zu sich nahm. -^ 
Die harten, acuten Greschwübte, deren überheftige Ent- 
sündung, unter unerträglichen Schmerzen, ihren Uebergang 
zur Eiterung hindert, belegen sie pnit oft erneuertem, sehr 
warmem Brei, und, siehe ! die Entzündung und die Schmer- 
zen mindern sich schniell unter baldiger Bildung des Ab- 
seesses, wie sie an der gilblichen, glänzenden Erhabenheit 
und deren fühlbaren Weiche gewahr werden; da wähnen 
sie dann, sie hätten. durch die Nässe des Breies die Härte 
erweicht, da sie doch vorzüglich durch die stärkere Wärme 
des Brei -Umschlages das Uebermafs der Entzündung ho- 
möopathisch gestillt und so die baldigste Bildung der Eite- 
rung möglich gemacht haben. — Warum wenden sie das 
rothe Quecksilber- Ozyd^ welches, wenn sonst irgend etwas, 
die Augen entzünden kann, in der St. Yves- Salbe mit Vor- 
theil in manchen Augen -Entzündungen an? Ist es schwer 
einzusehn, dals sie hier homöopathisch verfahren? — Oder 
warum sollte bei dem (nicht seltnen) vergeblichen, ängst- 
lichen Drängen auf den Urin bei kleinen Kindern und bei 
dem gemeinen, vorzüglich durch sehr schmerzhaftes, oftes 
und .fast vergebliches Harndräogen kennbaren Tripper ein 



97 

dennoch gewahrten sie nicht das Naini^esetx, nach 
welchem diese Heilangen erfolgten und erfolgen 
mnisten. 

Es ist daher aofserst wichtig, fär das 
Wohl der Menschheit, en untersuchen, wie 
diese so änfserst seltenen, als ansgeseich- 
net heilbringenden Cnren eigentlich «ngin* 
gen. Der Anfschlois, den wir hievon finden, ist 
von der höchsten Bedentsamkeit. Sie erfolgten nam- 



■I > ■ «i 



wenig Saft von Petersilie so augenscheinlich helfen, wenn 
dieser frische Saft bei Gesunden nicht schon (ur sich ein 
schmerzhaftes, fast.yergebliches Möthigen zum Uriniren zu- 
wege brächte, also homöopathisch hülfe. — Mit der Pim- 
pinell- Wurzel, welche riel Schleim - Absonderung in den 
Bronchien und dem Rachen erregt, bestritten sie glücklich 
die sogenannte Schleim -Bräune •— und stillten einige Mut* 
ter- Blutflüsse mit etwas von den Blättern des für sich Mut- 
ter -Blutsturz hervorbringenden Sadebaums, ohne das ho- 
möopathische Heil -Gesetz zu erkennen. — Bei der Ver- 
stopfung von eingeklemmten Brüchen und im Heus befan- 
den mehre Aerzte den die Dartti- Ausleerung zurückhalten- 
den Mohnsaft in kleiner Gabe als eins der vorzüglichsten 
und sichersten Hülfsmittel und ahneten dennoch das hier wal- 
tende homöopathische Heil-Gesetz nicht. — Sie heilten un- 
venerische Rachen -Geschwüre durch kleine Gaben des hier 
homöopathischen Quecksilbers — stillten mehre Durchfalle 
durch kleine Gaben der Darm ausleerenden Rhabarber — 
heilten die Hundswuth mit der ein ähnliches Uebel her-« 
vorbringenden Belladonne und entfernten den in hitzigen 
Fiebern nahe Gefahr drohenden comatösen Zustand mit 
einer kleinen Gabe des erhitzend betäubenden Mohnsaftes 
wie durch einen Zauberschlag und schimpfen depnoch auf 
die Homöopathie! Was soll man von ihnen denken? 

G 



98 

lieh, wie die in obiger Einleitung angeflihrten Bei« 
spiele lehren, nie und auf keine Art anders, denn 
durch Arzneien von homöopathischer, das ist, ähn- 
liche Krankheit erregender Kraft, als der zu hei- 
lende KrankheitSKustand war; sie erfolgten schnell 
nnd dauerhaft durch Arzneien, deren ärztliche Yer- 
Ordner sie, seihst im Widerspruche mit den Lehren 
aller bisherigen Systeme und Therapien, wie durch 
ein Ungefähr ergriffen (oft ohne selbst recht zu wis- 
sen, was sie thaten und warum sie es thaten), und 
so, wider ihren Willen, die Nothwendigkeit des ein- 
zig nätnrgemäfscn Heilgesctzcs , der Homöopathie, 
thätlich bestätigen mnrslcn, eines Heilgesctzes, wel- 
ches kein ärztliches Zeitalter bisher, von medid- 
nischen Yorurtheilen geblendet, aufzufinden sich be- 
mülite, so viele Thatsachen und so unzählige Winke 
sie auch dazu hinleiteten. 

Denn sogar die Hausmittel -Praxis der mit ge- 
sundem Beobachtongssinn begabten , unärztlichen 
Classe von Menschen hatte diese Heilart vielfaldg 
als die sicherste, gründlichste nnd untrüglichste in 
der Erfahrung befunden. 

Auf frisch erfromc Glieder legt man gefiromes 
Sauerkraut oder reibt sie mit Schnee. 

Eine mit kochender Brühe begossene Hand hält 
der erfahrne Koch dem Feuer in einiger Entfernung 
nahe und achtet den dadurch anfanglich vermehrten 
Schmerz nicht, da er aus Erfahrung weifs, dafs er 
hiemit in kurzer Zeit, oft in wenigen Minuten, die 



09 

verbrannte Stelle znr gcsooden, schmerzlosen Haut 
wieder herstellen kann ^). 

Andre verständige Nichtärzte ^ znm Beispiel 
die Lackircr, legen auf die verbrannte Stelle ein 
ähnliches , Brennen erregendes Mittel , starken, 
wohl erwärmten Weingeist ^)y oder Terbentin^ 



1) So hält auch, schon Fernelius (Therap. IIb. VL 
Cap. 20.) die Annäherung des verbrannten Theils ans Feuer 
för das geeignetste Hülfsmittel, wodurch der Schmerz auf- 
bore. John Ilunter (On the blood, inflanimation etc. S. 218.) 
(uhrt die grofsen Nachtheile von Behandlung der Verbreo« 
nungen mit kaltem Wasser an, und zieht die Annäherung 
ans Feuer bei weitem vor, — nicht nach den hergebrach- 
ten medicinischen Lehren, welche {contraria conirariis) 
kältende Dinge fiir Entzündung gebieten, sondern durch 
Erfahrung belehrt, daCs eine ähnliche Erhitzung (^similia 
similibus) das heilsamste sey. 

2) Sydenham (Opera, S. 271.) sagt: ^Weingeisi 
sey gegen Verbrennungen jedem andern Mittel vorzuzie- 
hen, wiederhoUntlich aufgelegt." Auch BenJ. Bell (Sy- 
stem of surgery, tbird. edit. 1789.) mufs der Erfahrung 
die Ehre geben, welche nur homöopathische Mittel als die 
einzig heilbringenden zeigt. Er sagt: „Eins der besten 
Mittel für alle Verbrennungen ist Weingeist, Beim Auf- 
legen scheint er auf einen Augenblick den Schmerz zu ver- 
mehren (m. s. unten §. 164.), aber diefs läfst bald nach 
und es erfolgt eine angenehme, beruhigende' Empfindung 
darauf! Am kräftigsten ist es, wenn man die Theile in 
den Weingeist eintaucht; wo diels .aber nicht angeht, müs- 
sen sie ununterbrochen bedeckt von leinenen Lappen, mit 
Weingeist angefeuchtet, erhalten werden. ^^ Ich aber setze 
hinzn: der warme und zwar sehr warme Wein- 
geist ist hier noch weit schneller und weit ge- 

G!2 



/ 100 

Oel ^) and stellen sich binnen wenigen Standen da- 
mit wieder her, während die kühlenden Salben, wie 



wisser hülfreich, weil er noch weit homöopathi- 
scher ist, als der unerwärmte. Und diefs bestätigt 
jede Erfahrung enm Erstaunen. 

1) Ediv. Kentish^ welcher die in den Steinkohlengni- 
ben so oft grauslich von dem entzündlichen Schwaden ver- 
brannten Arbeiter zu behandeln hatte, „lälst heifs gemach* 
tes Terbentinol oder Weingeist auflegen, ak das vorzug- 
lichste Rettungsmittel bei den gröfsten und schwersten Ver- 
brennungen^ (Essay on Bums, London 1798. Second. Es- 
say). Keine Behandlung kann homöopathischer seyn, iils 
diese, aber es giebt auch keine heilsamere. 

Der ehrliche und hocherfahrne Heister (Institut« Chirurg. 
Tom. L S. 333.) bestätigt diefs aus seiner ErGihrung und 
rühmt „die Auflegung des Terbentinöls, des Weingeistes 
und möglichst heifs er Breie zu dieser Absicht, so heifi 
man sie nur erleiden könne. ^ 

Am unwiderleglichsten aber sieht man den erstaunli- 
chen Vorzug dieser, Brenn -Empfindung und Hitze für sich 
erregenden (also hier homöopathischen) Mittel auf die durch 
Verbrennung entzündeten Theile, gelegt, vor den palliati- 
ven, kühlenden und kältenden Mitteln, bei reinen Versu- 
chen, wo beide entgegengesetzte Curmethoden an demsel- 
ben Körper und bei gleichem Verbrennungsgrade zur Ver- 
gleichung angewendet wurden. 

So liefs John Bell (in KührCs phys. med. Journale, 
Leipz. 1801. Jun. S. 428;) einer verbrüheten Dame den 
einen Arm mit Terbentinol benetzen, den andern aber 
in kaltes Wasser tauchen. Der erstere Arm befand sich 
schon in einer halben Stunde wohl, der andre aber fuhr 
sechs Stunden fort zu schmerzen; wenn er nur einen Augen- 
blick aus dem Wasser gezogen ward, empfand sie daran 
weit gröfsere Schmerzen, und er bedurft« weit 
längere Zeit, als ersterer, cum Heilen. 



101 

si« wisfleDi Heb in eben so vielen Monaten nicht aiu- 
richten, kaltes Wasser *) aber Uebel Srger macht. 
Der alte, erfahrne Schnitter wird, wenn er aoch 



So behandelte auch John Anderson (bei Keniish^ am 
angef. Orte S. 43.) ein Fraueozimmer, das sich Gesicht 
und Arm mit kochendem Fette verbrannt hatte» ,,Das Ge- 
sicht, welches sehr roth und verbrannt war, und ihr hef- 
tig scbmerete, ward nach einigen Minuten mit Terbentindl 
belegt, den Arm aber hatte sie selbst schon in kaltes Was* 
ser gesteckt und wünschte ihn einige Stunden damit zu be-^ 
handeln. Nach sieben Stunden sah ihr Gesicht schon weif 
besser aus und war erleichtert. Das kalte Wasser (ur den 
Arm hatte sie oft erneuert; wenn sie ihn aber herausnahm, 
so klagte sie sehr über Schmerz, und in der That hatte 
die Entzündung daran zugenommen. Den Morgen dar- 
auf (and ich, dafs sie die Nacht grofse Schmerzen am Arme 
gehabt hatte; die Entzündung ging über den Ellbogen her- 
auf; verschiedne grolse Blasen waren aufgegangen und dicke 
Schorfe hatten sich auf Arm und Hand angesetzt, worauf 
nun warmer Brei gelegt ward. Das Gesicht aber war volU 
kommen schmerzlos; der Arm hingegen mulste 14 Tage 
lang mit erweichenden Dingen verbunden werden, ehe er 
heilte.** 

Wer erkennt hier nicht den unendlichen Vor- 
zug der {homöopathischen) Behandlung durch 
Mittel von ahnlicher Einwirkung vor dem elen- 
den Verfahren durch Gegensatz {contraria contra- 
r/iV) nach der uralten, gemeinen Arzneikunst? 

1) Nicht nur J. Hunter fiihrt (am gedachten Orte) die 
grplsen Nachtheile von der Behandlung der Verbrennungen 
mit kaltem Wasser an, sondern auch W. Fabric. von Hil» 
den (De combustionibus libellus, Basil. 1607. Cap. 6« S. 11.) 
versichert: „Kalte Umschläge sind bei Verbrennungen höchst 
nachtheilig und bringen die schlimmsten Zustande hervor; es 
erfolgt davon Entzündung, Eiterung und zuweilen Brand.^ 



102 

sonst keinen Branntwein trinkt, doch in dem Falle, 
wenn er in der Sonnenglath sich bis zum hitsigen 
Fieber angestrengt hat, nie kaltes Wasser (coniraria 
contrariis) trinken — er kennt das Yärderbliche die- 
ses Verfahrens — sondern er nimmt etwas Weniges 
einer, Hitze hervorbringenden Flüssigkeit, einen 
mäfsigen Schluck Branntwein zu sich; die Lehrerin 
der Wahrheit, die Erfahrung, überzeugte ihn von 
dem grofsen Vorzüge und der Heilsamkeit 'dieses ho- 
möopathischen Verfahrens; seine Hitze wird schnell 
hinweggenommen, so wie seine Ermüdung ^). 



Ja, es gab sogar von Zeit zu Zeit Aerzte, 
welche ahneten, dafs die Arzneien durch .ihre Kraft, 
analoge Krankheits- Symptome zu erregen, analoge 
Krankheits- Zustände heilen ^). 

So sagt der Verfasser des unter den Hippokra- 
üschen befindlichen Buchs: tibqI roTCtav tSv tcox 
avd-Qianov * ) die merkwürdigen Worte : 8ia ra 
ofioux vovaog ylvsrcciy xal 8ia rä ofioux TtQogipsQO- 

1) Zimmermann (Ueber die Erfahrung, II. S. 318.) 
lehrt, dafs die Bewohner heifser Lander, mit dem besten 
Erfolge, eben so verfahren, und nach grofsen Erhitzungen 
etwas geistige Flüssigkeit zu sich nehmen. 

2) Auch diese folgenden Stellen aus den die Homöo- 
pathie ahnenden Schriftstellern föhre ich nicht als Erweise 
der Gegründetheit dieser Lehre an, die wohl durch sieb 
selbst fest steht, sondern um dem Vorwurfe zu entgehen, 
als hätte ich diese Ahnungen verschwiegen, um mir die 
Prioritlt der Idee zu sichern. 

3) Basil. Frohen. 1538. S. 72. 



103 



fjieva ix voGBvvTcav vyuxlvovrcu, — 8iä ro kfiiuv fTte- 
Tog naverai. — 

Gleichfalls haben anch nachgängige Aerzte die 
Wahrheit der homöopathischen Hcilart gefühlt und 
aasgesprochen. So sieht z. B. Boulduc ') ein, dafs 
die porgirende Eigenschaft der Rhabarber die Ur- 
sache ihrer Darchfall stillenden Kraft sey. 

Detharding erräth ^), dafs der Sensblätter- Auf- 
gufs Colik bei Erwachsenen stille^ vermöge seiner ana- 
logen, Colik erregenden Wirkang bei Gesunden« 

Bertholon ^) gesteht, dafs die Electrisität den 
faöch$t ähnlichen Schmerz, den sie selbst errege, in 
Krankheiten abstumpfe und vernichte. 

Thoury ^) bezeugt, dafs die positive Electrisität 
an sich zwar den Puls beschleunige, aber wenn er 
krankhaft schon zu schnell sey, denselben langsa- 
mer mache« 

Von Stoerck *) kommt auf den Gedanken: 
y^ySTenn der Stechapfel den Geist zerrüttet und bei 
Gesunden Wahnsinn hervorbringt, sollte man denn 
nicht versuchen dürfen, ob er bei Wahnsinnigen 
durch Umänderung der Ideen gesunden Verstand 
wiederbringen könne 7^^ 

Am deutlichsten aber hat ein dänischer Regi- 
ments - Arzt, Stahly seine Ueberzeugnng hierüber 



1) Memoires de Tacademle royale, 1710. 

2) Eph. Nat. Cur. Cent. X. obs. 76. 

3) Medicin. Electrisität, II. S. 15 und 282. 

4) Memoire la a Tacad. de Caen. 

5) Libell. de strani. S. 8. 



104 

ansgesprocben , da er ') .sagt: „Gans iaisch und 
verkehrt tey die in der Arzneiknnst angenommene 
Regel, man mttsse darch gegenseitige Mittel (^con- 
traria contrarüs) coriren; er sey im GegentheSe 
fiberzengt, daCs darch ein ähnliches Leiden erzeu- 
gendes Mittel (sindUa sinuUbus) die Krankheiten 
weichen nnd geheilt werden, — Yerhrennnngen dorcb 
Annäherang ans Fener, erfrome Glieder durch auf- 
gelegten Schnee nnd das kälteste Wasser, Entzün- 
dnng und Qaetschangen darch abgezogene Geister, 
nnd so heile er die Neigang zu Magensänre darch 
eine sehr kleine Gabe Yitiiolsäure, mit dem. glück- 
lichsten Erfolge, in den Fällen, wo man eine Menge 
absorbirender Palver vergeblich gebraucht habe.'^^ 

So nahe war man zaweilen der grofsen Wahr- 
heit! Aber man liefs es bei einem flüchtigen Ge- 
danken bewenden, und so blieb die so unentbehr- 
liche Umänderung der uralten ärztlichen Krankheits- 
behandlnng, des bisherigen unzweckmäfsigen Curi- 
rens in eine ächte, wahre und gewisse Heilknnst, 
bis auf unsere Zeiten unausgeführt. 



1) In Jo» Hummeln Commentatio de Arthritide tarn 
tartarea, quam scorbutica, sen podagra et scorbuto, Büdin- 
gae 1738. 8. & 40—42. 



D 



es Arztes höchster nnd einziger Beruf ist, 
kranke Menschen gesond za machen, was man Hei- 
len nennt ^) 

Das höchste Ideal der Heilang ist schnelle, 
sanfte, dauerhafte Wiederherstellang der Gesund- 
heit, oder Hebung nnd Yemichtung der Krankheit 



1} Nicht aber (womit so yiele Aerzte bisher Kräfte 
und Zeit ruhmsüchtig yerschwendeten) das Zusammenspin- 
Den leerer Einrälle und Hypothesen über das innere We- 
sen des Lebensvorgangs und der Krankheitsentstehungen im 
unsichtbaren Innern zu sogenannten Systemen, oder die 
unzähligen £rklärungsyersuche über die Erscheinungen in 
Krankheiten und die, ihnen stets verborgen gebliebne, näch- 
ste Ursache derselben u. s. w. in unverständliche Worte, 
und einen Schwulst abstracter Redensarten gehüllt, welche 
gelehrt klingen sollen, um den Unwissenden in Erstaunen 
EU setzen — - während die kranke Welt vergebens nach 
Hülfe seufzte. Solcher gelehrter Schwärmereien (man nennt 
es theoretische Arzneikunst und hat sogar eigne Pro- 
fessuren dazu) haben wir nun gerade genug, und es wird 
hohe Zeit, da(s, was sich Arzt nennt, endlich einmal auf« 
bore, die armen Menschen mit Geschwätze zu tauschen, 
und dagegen nun anfange, mi handeln, das ist, vrirklich 
zu helfen und zu heilen. 



tß 

in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zu- 
verlässigsten, nnnachtheiligsten ^Vege, nach deut- 
lich einzusehenden Gründen. 

§. 3. 
Sieht der Arzt dentlich ein, was aja Krankhei- 
ten, das ist, was an jedem einzelnen Krankheits- 
fälle insbesondere zu heilen ist (Krankheits-Er- 
kenntnifs, Indication), sieht er deutlich eio) 
was an den Arzneien, das ist, an jeder Arznei ins- 
besondere, das Heilende ist (Kenntnifs der Art 
neikräfte), und weifs er nach deatlichen Gründen 
das Heilende der Arzneien aaf das, was er an dem 
Kranken nnbezweifelt Krankhaftes erkannt hat, so 
anzupassen« dafs Genesung erfolgen mu(s, anzupas- 
sen, sowohl in Hinsicht der Angemessenheit der für 
den Fall nach ihrer W^irkifngsart geeignetsten Arz- 
nei (W^ahl des Heilmittels, Indicat), als ancb 
in Hinsicht der genau erforderlichen Menge dersel- 
ben (rechte Gabe) und der gehörigen Wiederho- 
lungszeit der Gabe: — kennt er endlich die Hinder- 
nisse der Genesung in jedem Falle und weifs sie 
hinwegzuräumen, damit die Herstellung von Dauer 
sey: so versteht er zweckmäfsig und gründ- 
lich zu handeln und er ist ein ächter Heil- 
künstler. 

§. 4. 
Er ist zugleich ein Gesundheit- Erhalter, wenn 
er die Gesundheit störenden und Krankheit erzeogeu- 
' den und unterhaltenden Dinge kennt und sie von 
den gesunden Menschen zu entfernen weifs* 



107 

§. 5- 

Es läfst sich denken, dafs jede Krankheit eine 
Ycrändcrnng im Innern des menschlichen 
Organismus voraussetzt Diese wird jedoch nach 
dem, was die Krankhcits- Zeichen davon verrathen, 
(und sonst giebt es keine Data däza in nnchirargi- 
schen Krankheiten), vom Verstände blofs dunkel und 
trüglich geahnet; an sich erkennbar aber und 
auf irgend eine Weise täuschungslos er^ 
kennbar ist das "Wesen dieser innern, un- 
sichtbaren Veränderung nicht. 

§. 6. 

Das unsichtbare, krankhaft Veränderte im In- 
nern und die unsern Sinnen merkbare Veränderung 
des Befindens im Aeafsern (Symptomen -Inbegriff) 
bilden zusammen vor dem Blicke der schaffenden 
Allmacht, was man Krankheit nennt; aber blofs die 
Gesammtheit der Symptome ist die dem Heilkünstler 
zugekehrte Seite der Krankheit, blofs diese ist ihm, 
wahrnehmbar und das Hauptsächlichste, was er von 
der Krankheit wiesen kann und zu wissen braucht 
zum Heil- Behufe ^). 



1) Ich weiüs daher nicht, wie es möglich war, dab 
man am Krankenbette, ohne auf die Symptome zu achten, 
oder sich nach ihnen bei der Heilung zu richten, das an 
der Krankheit zu Heilende blols im verborgnen und uner- 
kennbaren Innern suchen zu müssen und finden zu können 
sich einfallen liefs, mit dem prahlerischen und lächerlichen 
Vorgeben, da£s man dieüs im unsichtbaren Innern Verän- 
derte, ohne sonderlich auf die Symptome zu achten, erken- 



108 

«. 7. 
Als Beihölfe der Heilang dienen dem Ante die 
Data der wahrscheinlichsten Veranlassnngder 
acoten Krankheit, so wie die bedeotnngsvollsten Mo- 
mente aas der ganzen Krankfaeits- Geschichte des 
langwierigen Siechthams, nm dessen Grandarsache, 
die meist aaf einem chronischen jMiasm beraht, aus- 
findig sa machen, wobei die erkennbare Leibes -Be- 
schaffenheit des (vorsüglich des langwierig) Kranken^ 
sein gemüthlicher ond gebtiger Charakter, seine De- 



nen und mit Arsoeien wieder in Ordnung bringen könne, 
und dafs dieüs einzig gründlich und rationell curiren heilse. 
Ist denn das durch die Zeichen an Krankheiten sinn- 
lich Erkennbare nicht mit dem im Innern, an sich Uner- 
kennbaren Eins? Ist Letzteres denn nicht blofs die yon 
uns unerreichbar unkenntliche Seite, jenes hingegen die of- 
fenbar und mit Gewilsheit von gesunden Sinnen wahrnehm- 
bare, uns von der Natur hauptsächlich als Heilobject dar- 
gebotene Seite derselben Krankheit? Wer kann das 
Gegentheil darthnn? Ist es daher nicht thoricht, den un« 
erkennbar unsichtbaren innem Zustand der Krankheit, die 
sogenannte prima, causa morbi zum Heilgegenstande sich 
vorzunehmen, dagegen aber die sinnlich und deutlich wahr- 
nehmbare Seite derselben Krankheit, die vernehmlich za 
uns sprechenden Symptome als Heilgegenstand zu verwer- 
fen und vornehm zu verachten? *) 

*) „Der nach den verborgnen Yerhaitoissen im Innem de« Or- 
„ganitfms forschende Ar«t kann taglich irren; der Homöo- 
„pathiker aber, wenn er mit gehöriger Sorgfalt das treue 
„Bild der gesammten Sjmptomen-Groppe aufTafst, hat einen 
„sichern Wegweiser, und ist es ihm gelungen, die ganze 
„Symptomen -> Gruppe su entfernen, so hat er sicherlich 
„auch die innere, verborgene Krankheits-Ursache gehoben." 
Rau, e. e. O. S. 103.^ 



109 

schäftigtingeii, seine Lebensweise and Gewohnheiten, 
seine bärgerlicfaen Verhältnisse, sein Alter und seine 
geschlechtliche Function, n. s. w« in Rücksicht sa 
nehmen, sind. 

§. 8. 
Der vornrtheillose Beobachter —> er kennt die 
Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelangen, die sich in 
der Erfahrang nicht nachweisen lassen — nimmt, 
anch wenn er der scharfsinnigste ist, an jeder ein- 
seinen Krankheit nichts, als äafserlich dtn'ch die 
Sinne erkennbare Veränderangen des Befindens Lei- 
bes und der Seele*, Krankheitsseichen, Zu- 
fälle, Symptome wahr, das ist, Abweichungen 
vom gesanden, ehemaligen Zustande des jetzt Kran- 
ken, die dieser selbst fühlt, die die Umstehenden 
an ihm wahrnehmen, und die der Arzt an ihm beob- 
achtet. Alle diese wahrnehmbaren Zeichen rejprä- 
sentiren die Krankheit in ihrem ganzen Um&nge, 
das ist, sie bilden zusammen die wahre and einzig 
denkbare Gestalt der Krankheit. 

§. 9. 
Da man nun an einer Krankheit, von welcher 
keine sie ofifi^nbar veranlassende oder unterhaltende 
Ursache (^causa occasionaUs) zu entfernen ist ^), 



1) Da£i jeder verstandige Arzt diese zuerst hlnweg- 
raumen wird, versteht sich von selbst; dann lafst das Uebel« 
»befinden gewobnlich von selbst nach. Er wird den die 
Algen -Eotzundang erregenden Splitter aus der Hornhaut 
aehen, den Brand drohenden, allzufesten Verband eines ver- 
wundeten Gliedes lösen und passender anlegen, die Okn- 



110 

sonst nichts wahrnehaicn kann, als die Krankheits- 
Zeidbtoy so müssen es, unter Mithinsicht auf etwa- 
niges Miasm und unter Beachtung der Nebennm- 
stände ($. 7.) 9 es auch einzig die Symptome seyn, 
durch welche die Krankheit die zn ihrer Hülfe geeig- 
nete Arznei fordert nnd auf dieselbe hinweisen kann 
— so mnfs die Gesammtheit dieser ihrer Symptome, 
dieses nach anfsen reflectirende Bild des 
innerh Wesens der Krankheit das Hauptsäch- 
lichste, oder Einzige seyn, wodurch die Krankheit zu 
crkdnncn geben kann, welches Heilmittel sie bedürfe, 
das Einzige, was die W^ahl des angemessensten 
Hülfsmittels bestimmen kann — - so mnfs, mit einem 
W^orte, die Gesammtheit ^) der Symptome für den 



macht' herbeiführende , verletzte Arterie blofsfegen und nn- 
terbinden, verscfal tickte Belladonne- Beeren u. s. w. durch 
Erbrechen for^uschaffen suchen, die in Oeßhungen des 
Körpers (Nase, Schlund, Ohren, S^arnröhre, Mastdarm, 
Scham) gerathenen fremden Substanzep ausziehen, den Bla- 
senstein zermalmen, den verwachsenen After des neugebor- 
nen Kindes öffnen u. s. w. 

1) Von jeher suchte man, da man sich oft nicht an- 
ders zu helfen wufste, in Krankheiten hie und da ein ein- 
eeines der mehrern Symptome durch Arzneien zu bestrei- 
ten und wo möglich zu unterdrücken — eine Einseitig- 
keit, welche, unter dem Namen: syo^ptömätlsche Cur- 
art, mitBecbt allgemein Verachtung erregt hat, weU durch 
sie nicht nur nichts gewonnen, sondern auch viel verdor- 
ben wird* Ein. einzelnes -der gegenwärtigen Symptome ist 
so ,weqig die Krankheit selbst, als ein einzelner FuIb der 
Mensch, selbst ist Dieses Verfahren war um desto verwerf- 



111 

Heilklinstler das Hanptsächlicbste oder Einzige sejn^ 
was er an jedem Krankheitsfälle zu erkennen und 
dorch seine Knnst hinwegzunehmen hat, damit 
er geheilt und in Gesundheit verwandelt werde. 

§. 10. 

Es läfst sich nicht denken, aoch dnrch keine 
Erfahrung in der "Welt nachweisen, da(s, nach He^ 
bong aller Krankheitssymptome und des ganzen In-^ 
begriffs der wahrnehmbaren Zufalle, etwas anders, 
als Gesundheit, übrig bliebe oder übrig bleiben 
könne> so dafs die krankhafte Veränderung^ im In« 
nern ungetilgt geblieben wäre. 

§. 11. 

Die unsichtbare krankhafte Veränderung im In-^ 
nern und der Inbegriff der von anfsen wabrnebmba* 
reu, dem Uebel zugehörigen Symptogie sind näm- 
lich so nothwcndig durch einander bedingt und ma- 
chen die Krankheit in ihrem ganzep Umfange in 
einer solchen Einheit aus, dafs letztere mit ersterer 
zugleich stehen und fallen, dafs sie zugleich mit ein- 
ander da seyn und zugleich mit einander verschwin- 
den« müssen, so dafs, was im Stande ist, die Gruppe 
der wahrnehmbaren, dem Uebel zugehörigen Sym- 
ptome hervorzubringen, zugleich die damit verbunr 
dene (von der äufsern Krankheitserscheinung unzer- 
trennliche) innere, krankhafte Veränderung im Kör- 

iicber, da man ein solches einzelnes Symptom nur durch 
ein entgegengesetztes Mittel (also blofs antipatbisch und 
palliativ) behandelte, wodurch es nach kurzdauernder Lin«- 
derung nur desto mehr sich nachgängig verschlinunert 



per eneogt haben mnlt — sonst wäre die Ersdiei- 
nang der Sjrmpteme nnmoglich, -— und dab folg- 
lich, was die Gesammtheil der Krankheitsseichen 
tilgt, auch sogleich die krankhafte Aendemng im In- 
nern des Organisms getilgt haben moTs, weil sich 
die Vemichtang der erstem ohne Verschwindong 
der letstem weder denken läfst, noch dnrch irgend 
eine Erfahmng in der Welt knnd thnt ^)« 

§. 12. 
Da nnn in der Heilang durch Hinwegnahme 
des gansen Inbegriffs der wahrnehmbaren Zeichen 
nnd Zufalle der Krankheit sogleich die ihr som 
Grronde liegende, innere Yeränderong — also jedes- 
mal das Total der Krankheit — * gehoben wifd, so 
folgt, da(s der Heilkttnstler blols den Inbegriff der 
- Sym- 

1) Ein ahnnngartiger Traum, eine aberglaubige Einbil- 
dung, oder eine feierliche Schicksal -Prophezeiung des an 
einem gewissen Tage oder so einer gewissen Stande un- 
fehlbar tu erwartenden Todes brachte nicht selten alle Zei- 
chen entstehender und zunehmender Krankheit des heran- 
nahenden Todes und den Tod selbst eur angedeuteten Stunde 
zuwege, welches ohne gleichzeitige Be Wirkung der (dem 
von aulsen wahrnehmbaren Zustande entsprechenden) innem 
Veränderung nicht möglich war; nnd daher wurden in sol- 
chen Fällen, aus gleicher Ursache^ durch eine künstliche 
Täuschung oder Gegeniiberredung nicht selten . wiederum 
alle den nahen Tod ankündigenden Krankheitsmerkmale ver- 
scheucht und plötzlich €resundheit wieder hergestellt^ wel- 
ches ohne Wegnahme der Tod bereitenden, innem krank- 
haften Veränderungen mittels dieser moralischen Heihnittel 
nicht möglich gewesen wäre. 



Symptome binwegznnebmen hat, um mit ihm za- 
gleich da£ Veränderte im Innern — also, das Totat^ 
der Krankheit, die Krankheit selbst, aufzuheben 
uad zu vernichten« Die verpichtete Krankheit . aber 
ist hergestellte Q^^undheit^ das böichste und einzige 
Ziel des Arztes, der die Bedeutung; seines Bcrofes 
kennt, welcher nicht in gelehrt klingendem Schwa*. 
tzen, sondern im Helfen besteht, r . 

§. 13. 
Von dieser hiebt zu bezweifelnden Wahrheit^ 
dafs, anfser der Gesammtheit der Symptome, atf 
Krankheiten auf keine Weise etwas anszufinden ist, 
wodurch sie ihr Hülfe -Bedürfnifs ausdrücken könn- 
ten > geht unwidersprcchlich hervor, dafs blofs det 
Inbegriff aller, iti jedem einzelnen Krankheitsfalle 
wahrgenommeneti Symptome die einzige Indica- 
tion, die einzige Hinweisung auf ein zu wählen- 
des Heilmittel seyn kann. 

§. 14. . . 
Indem nun die KrankheHen niehts als Be- 
findensveränderungren des Gesu.nden sind, 
die sich dorch Krankheitszeichen ausdrücken, und 
die Heilung ebenfalls nur durch Befindensyer7 
änderung de$ Kranken zum gesunden. Zu* 
Stande möglich ist, so sieht man leicht, dafs di^ 
Arzneien auf jceine Weise Krankheiten würden 
heilen, können, wenn sie nicht die Kraft besäfsen^ 
das auf Gefühlen und Thätigkciten beruhende Men- 
schenbefindep umzustimmen, ja, dafs einzig auf die- 

H 



114 

ser ihrer Kraft, Mcnschcnbefindcn nrnznandcrn, ihre 
Heilkraft berahen müsse. 

§. 15. 
Diese im innem Wesen der Arzneien ycrbor- 
gene, fast geistige Kraft, Menschenbefinden nrnznän- 
dern (und dabei* Krankheiten za heilen), ist uns 
auf keine 'Weise mit blofser Verstandes -Anstren- 
gung an sich erkennbar; blofs durch ihre Aenfseron* 
gen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen 
läfst sie sich in der Erfahrung , und zwar deutlich 
yrahmehmen« 

§. 16. 
Da nun, was Niemand leugnen kann^ das hei- 
lende Wesen in Arzneien nicht an sich erkennbar 
i^t, und in reinen Versuchen selbst vom scharfsin- 
nigsten Beobachter an Arzneien so^t nichts, was 
sie zu Arzneien oder Heilmitteln machen konnte, 
währgenommen werden kann, als jene Kraft, im 
menschlichen Körper deutliche Veränderungen sei- 
nes Befindens hervorzubringen, besonders aber den 
gesunden Menschen in seinem Befinden umza- 
stimmen und mehre, bestimmte Krankheitssjmptome 
in und an demselben zu erregen; so folgt, dals 
wenn die Arzneien als Heilmittel wirken, sie eben- 
falls nur durch diese ihre Kraft, Menschenbefinden 
mittels Erzeugung eigenthümlicher Symptome um- 
zustimmen, ihr Heil vermögen in Ausübung bringen 
können, und dafs wir uns daher einzig an die krank- 
haften Zufalle, die die Arzneien im gesunden Körper 
erzeugen y als an die einzig mögliche Offenbarnng; 



115 

ihrer inwofanenden Heilkraft, zu halten haben, nm 
za erfahren, welche Krankhcits-Erzeagangskraft jede 
einzelne Arznei, das ist zugleich, welche Krankheits- 
Heilungskraft jede besitze. 

§. 17. 
Indem aber an Krankheiten nichts anfznweisen 
ist, was an ihnen hinwcgzonehikien wäre, nm sie in 
Gesandheit zn verwandeln, als der Inbegriff ihrer 
Zeichen nnd Symptome, nnd auch die Arzneien 
nichts Heilkräftiges aufweisen können, als ihre Nci» 
gang, Krankheits- Symptome bei Gesunden zu er* 
zeugen nnd am Kranken hinwegzunehmen, so folgt 
aaf der einen Seite, dafs Arzneien nur dadurch zn 
Heilmitteln werden nnd Krankheiten zn yerniditen 
im Stande sind, dafs das Arzneimittel durch Erre- 
gung gewisser Zufälle nnd Symptome, das ist, durch 
Erzeugung eines gewissen künstlichen Krankheitszu- 
standes die schon vorhandnen Symptome, nämlich 
den zu heilenden natürlichen Krankheitszustand, auf- 
hebt nnd vertilget — auf der andern Seite hingegen 
folgt, dafs {br den Inbegriff der Symptome der zn 
heilenden Krankheit eine Arznei gesucht werden 
müsse, welche (je nachdem die Erfahrung zeigt, ob 
die Krankheitssymptome durch ähnli(;he oder durch 
entgegengesetzte Arznei-Symptome ^) am leichtesten, 



1) Die laulser diesen beiden noch mögliche Anwen- 
duogsart der Arzneien gegen Krankheiten (die allopathi- 
sche Methode), wo Arzneien, deren Symptome keine 
eigentliche Beziehung auf den Krankheitszustand haben, also 
den Krankheitssymptomen weder ähnlich, noch opponirt, 

H2 



116 

gewissesten ond dagerhabeSten aoftoheben ntid ia 
Gcsnudheil %a Terwandeln siod) ÜliDUche oder eat- 
gegCDgeMUte Symptome lo crscDgea Neigang tial. 
$. 18. 
Es Uberaeugt ans aber jede reine Erfabning 
und'jeder genaue Vwsncb, daEs von entgegengc- 
setsten Symptome» der Aranei (in der antipS' 
tbiacben, cnaptiopatbiacben oder palliati- 
ven Methode) anbaltende Krankbeitssymplome so 
wenig anfgcboben im,d vcrnicbtet werden, dals sie 
vicimebr, nacb kandaneindcr, scbeinbarer Linde- 
mag, dann nnr in desto Terstärictercm Grade wie- 
der bervorbrechcn apd sieb offenbar verscbllmmem 
(siebe §.54—56 nnd 65.). 



sondern gans beterogen sind, verordnet werden, ut, wie 
ich obea io der Einleitung (I. Hinblick auf die Al- 
lopathie der bislierigenArEneiscIiüIe) gezeigt habti 
Dar eine nnTatlkonidine Nachahmung der selbst 
■ chon böcbit ontollkoaunnen Bestrebungen dti 
verstandloaen, blofs vegetativen Lebenskraft, 
sich .seihst übnriassen in Krankheiten zu retten, 
es koste was es wolle, folglich der rohen Lebenskraft, 
welche unserm OrganiEui anerschaffen warij, um unser 
Leben bei Gesundheit in sckÖBster Harmonie zu erbaltra, 
ia Krankheiten aber verslimnit, sich dwrch d«u verständigen 
Arzt ( bomöopalliisch ) wieder zur Gesundheit unutimmen 
zu lassen, nicht aber sich selbst zu heilen, als wozu sie 
terbafte Fähigkeit besitzt. Docb kann dieses un- 
stge Mediciniren der bisherigen Arzneiscbule elien 
unerwähnt bleiben, als die Mensch engeschiebte 
idjährigen Unterdrückungen der Menschheit in dm 
isen, despotischen Begiernngen auslassen dacf. 



117 

Es Ueibt idaher keine andre Hülfe verbrechende 
Anweii,diu>gsarf derArsneiengegfeA Krankheiten übrig, 
als die homöopathische , y^miöge deren gegen ' die 
Gesammthelt der Symptome des KrankheitsfaHe's eine 
Arznei gesacbt wird^ welche antcr aUcn (nach ihren, 
in gesmiden Menschen bewieseneti, Befindensverän- 
dernngen gekaiinten) Aruacicn den- dem Krankheits- 
fälle ähnlichsten y künstlichen Kraiibhettszastand zn 
erzengen Kraft nnd Neigang hat. 

§. 20. ' 

Nan lehrt aber das ieiniige nnd nntrüglichii 
Orakel der Heilkanst, die reine Erfahrung ^), in 
allen sorgfältigen Yersnchen, dafs wirklich diejenige 



1 ) Ich meine nicht eine solche Erfahrung, deren un$re 
gewöhnlichen P/'actiker sich rühmen, nachdem sie Jahre 
lang mit einem Haufen yielfach zusammengesetzter Recepte 
gegen eine Meilge Krankheiten gewirthschaftet haben, die 
sie nie genau untersuchten , sondern sie schulmäf^ iiir 
schon in der Piathojo^ie benanntiB hieltei),. in ihnen, einen 
eiDgehildeten KrankhettsstofF 2^ ,erbii/:fcei>. v^ahnten, oder 
eine andre hypothetische, innere Abnormität ihnen andich- 
teten. . Da sahen sie immer etwas, wurstei^i , j^ber nicht, was 
sie sahen, and sie erfjiihren Erfolge, die nuir ein Gott und 
kein Mensch aus den vielfachen, auf den uobokannten Ge- 
genstand ein wirkenden Kräften hätte enträthseln können, 
Erfolge, ans denen nichts zu lernen, nichts eu erfahren ist. 
Eine fünfzigjährige Erfahrung dieser Art ist einem fünfzig 
Jahre langen Schauen in ein Kaleidoscop gleich, was, mit 
bunten, unbekannten Dingen angefüllt, in steter Umdrehung 
sich bewegt; tausenderlei sich immerdar verwandelnde Ge- 
stalten und keine Rechenschaft dafür! 



118 

Arznei , welche in ihrer Einwirkang anf gesunde 
menschliche Körper die meisten Symptome in Acbn- 
lichkeit erzeugen xa kSnnen bewiesen bat, die an 
dem zQ bcilooden Krankheitsfälle zn finden sind, in 
gehörig potenzirter nnd verkleinert er Gabe anch die 
Gesammtheit der Sytnptome dieses Krankheitszostaa- 
ies, das ist (s. 4* 8 -*- ll-)> ^^^ ganze gegenwä^ 
tige KraiJchcit schnell, gründlich und dauerhaft auf- 
bebe und in Gesundheit verwandle, nnd dafs alle 
Arzneien die ihnen an ähnlichen Symptomen müg- 
liehst nahe kommenden Krankheiten ohne Ausnahme 
beilen und keine desselben nngehcilt lassen. 

: 1 §. 21. 

Diefs beruht auf jenem, bisher nnerkannten, 
aller wahren Heilang von jeher zum Grunde liegen- 
den homöopathischen Naturgesetze: 

Eine schwächere dynamische Affection 
wird im lebenden Organism von einer star« 
kern dauerhaft ausgelöscht, wenn diese 
(der Art nach von ihr abweicbend) jener 
sehr ähnlich in ihrer Aenfserntig ist ')• 

•1) So werden aach physisclie AHectionen und morali- 
sche Uebcl geheilt. — Wie kann in der Frühdämmeruog 
der heltt^uchtende Japiter vom Sehnerven des ihn Betrach- 
tenden verschwinden? Durch eine stärkere, sehr ähnlich 
auf den Sehnerven einwirkende Potenz, die Helle des an- 
brechenden Tages ! — Womit pflegt man in von Übeln Ge- 
rüchen angenülten Oertern die beleidigten Nasennerven wirk- 
sam zufrieden zu stellen? Durch Schnupftabak, der den Ge- 
ruchssinn ähnlich, aber stärker ergreift! Keine Musik, kelo 
Zuckerbrod, die auf die Nerven andrer Sinne Bezug haben, 



119 

«•22. 
Das: H^ilvcroiugen der Arzneien bernht daher 
($• 17 — 21) anf. ihren der Krankheit ähnlichen und 
dieselben an Kraft überwiegenden Symptomen, so 
dafs jeder einzelnje Krankheitsfall nor darch eine, die: 
Gesamrotb^it seiner Symptome am ähnlichsten und 
vollständigsten (ipi menschlichen Befinden), selbst zu 
erzeugen fähige Arznei, welcbe zugleich die Krank- 
heit an Stärke übertrifft, am gewissesten, gründlich- 
sten, schnellsten und dauerhaftesten vernichtet und 
aufgehoben wird« . 



würde diesen Geruchs- Ekel heilen. — Wie schlau wufst/s 
der Krieger das Gewihsel des Spitzruthen -Laufers aus den 
mitleidigen Obren der Umstehenden zu verdrängen? Durch 
die quiekende, feine Pfeife mit der lärmenden Trommel ge* 
paart!. Und den in seinem Heere Furcht erregenden^ fec« 
nen Donner der feindlichen Kanonen? Durch das tief er- 
bebende Brummen der grofsen Trommel ! Für beides würde 
weder die Austbeilung eines glänzenden Montirungsstücks, 
noch irgend ein dem Regimente ertheilter Verweis geholfen 
haben. — So wird auch Trauer und Gram durch einen 
neuen, stärkeren« jemand Ändernd . begegneten Traueff^^l^ 
gesetzt, er sey auch nur erdichtet, im Gemüthe ausgelöscht. 
Der Nachtheil von einer allzu lebhaften Freude wird durch 
den Ueberfreudigkeit erzeugenden Kaffeetrank gehoben. — 
Völker, wie die Deutschen, Jahrhunderte hindurch alTrtiäUg 
mehr und mehr in wiHenlese Apathie 'und'uivterwürfigea 
Sklavension herabgesunl^en, mulsteki; erst. von il^miTyraii-7 
nen aus Westen noch tiefer in den Staub getreten .^/vef- 
den, bis zum Unerträglichen, und hiedurch erst ward ihre 
Selbst -Mich tachtung überstimmt und ^aufgehoben, es ward 
ihnen ihre Menschenwürde wieder Tiiblbar, und sie erhöhend 
ihr Haupt 2uAi ersten Male wieder als deutsche* Männer, t 



120 

$. 23. 
Da dieses Natnrheilgesets sich in allen reinen 
Yersndien und allen ächten Erfahrungen der "Welt 
bearknndet, die Thatsache also besteht, so kommt 
änf die scientifisehe Erklärang, wie diefs zngehe, 
wenig an; nnd ich setze wenig Werdi daranf, dcf- 
gleichen %n versuchen. Doch bewährt sich folgende 
Ansicht als die wahrscheinlichste, da sie sich aof 
laater Erfahrongs -Prämissen gründet. 

§. 24. 
Indem jede (nicht der Chimrgie einstg an- 
heim fdlende) Krankheit eine besondre, blofs 
dynamische Yerstimmtbeit nnsrer Lebens- 
kraft in Gefühlen nnd Thätigkeiten ist» die 
sich dnrch sinnlich wahrnehmbare Sym- 
ptome zu erkennen giebt, So wird diese 
krankhaft verstimmte Lebenskraft dnrch 
eine, von dem verständigen IJeilktinstler 
homöopathisch gewählte Arznei^Potenz in 
eine andre, ab^r sehr ähnliche, om etwas 
Weniges gröf^^re Arznei -Krankheit ver- 
setzt, wodurch die vorige, natürliche, krank- 
haft verstimmende Potenz, da sie stets nar 
dynamische Kraflaphne Materie war, zu exi- 
atiren taiafhört, während die. an ihre Stelle 
ge^tret^neyarzneilicheKrankheits-Affection, 
ihr'eif'Nätnr näcH, bald Wiedcfr von der Le- 
benskraft überwunden, auch ihrerseits ver- 
löscht pnd, diefs Körper belebende und er- 
haltende« Weisen in seiner ujsprünglichen 



121 

Integrität uhd Gesnndlr^Tt «trrtlckfSfkr '^ 
Dieser höchst nvahrscheitiliche Vorgang bemht hui 
folgenden Sätzen. . > . . , . 

§. 25. 
Der menschliche Körper scheint ^ich in seinem 
Befinden durch Arzneien (anch defshalb, weil ^ie 
Einrjchtmig der Gabe derselben in nnsrer Macht 

steht) wirksanpier umstimmen zn. lassen, als durch 

. , • ... 

natürliche Krankheits-ßeize r— denn natiirlijche Krankl 
heiten werden durch angemessene Arznei geheilt und 
überwunden. 



j ' 



§.. 26. . 

Anch besitaen die fein.dlidbeo^ tbeils p&jrchischen^ 

theil physischen Potenzen im Erdenleben, . welche 

man krankhafte Schädlichkeiten ..nennt, nicht nnbe- 

dinst die Kraft, das menschKcfae JSefinden krankhaft 

O ' All •> • 

zu stimmen ^)^ sondern .wir erkranken durch sie nnr 
dann, wenn onser Organism so «ben dazn dispo- 
nirt und aufgelegt genug is^, von der gegenwärtigen 



1) Wenn idi Krankheit eioe $tiiDmQtig. odfx Ver- 
stimm uns; de$ menschlichen Befindens nenne, so bin ich 
"weit entfernt, dadurch einen hyperphysiscben Aufschlufs 
über die innere Natur der Krankheiten überhaupt oder eines 
einzelnen 'Krankh^tsfalles imbesonderd geben zu wollen.' Es 
soll mit diesem AuMfamcloe nur angedeutet werden, «was die 
KranUietten erwiepener Maisen nicht sind, ^nd nicht seja 
konpen, nicht mechanische oder chemische Yeränderangen 
der materiellen Körpersubstanz und nicht Ton einem mate- 
riellen Krankheits- Stoffe abhängig — 'sondern biofs geistige, 
dynamische Ventimmungen des Lebens« 



m 

Kranjchejfcs-Ursacbe angegrUTen üpd io. seinem BeCn- 
iiw verändert. ver9tiaimt'imd In innonnale Gefühle 
nnd Thätigkeiten yersetot zn werden. — sie machen 
daher nicht Jeden nnd nicht zu jeder Zeit Icrank« 

,,:... §.27! 

Ganz anders verhält sichs aher mit den kiinst- 

liehen Krankheitspotenzen, die wir Arzneien nennen. 
Jede wahre Ärzpei wirkt nämlich za jeder Zeit, 
nnter allen Umständen auf jede^ lebenden Mcn- 
sehen nnd erregt in ihm die ihr eigenthümlichen 
Symptome (selbst deutlich in die Sinne fallend, 
wenn die Gabe grofs genog war), so dafs oflcn- 
bar jeder lebende menschliche Organism jederzeit 
tind darcharns (unbedingt) von der Arzneikrank- 
heit behaftet und gleichsam angesteckt werden mnfs, 
welches, wie gesagt, mit den natürlichen Krankhci- 
teil gar nicht der Fäll ist. 

§. 28. 
Ans allen Erfähmngdn gehet diesemnach nn- 
lengbar hervor, dafs der menschliche Körper bei 
weitem aufgelegter und geneigter ist, sich von den 
arzneilichen Kräften erringen und sein Befinden um- 
stimmen zu lafssen, als von krankhaften Schädlich- 
keiten und Ansteckungs.miasmen, oder, was dasselbe 
^agt, dafs die krankhaften Scbädlichkeiteti 
eine untergeordnete und bedingte, oft sehr 
bedingte, die Arzneikräfte aber eine abso- 
lute, unbedingte, jene weit überwiegende 
Macht besitzen, das m.cnschliche B(^finden 
krankhaft umzustipiqoien.. ... 



123 

4. 29. 
. Die gröbere Stärke der dorch. Arzneien %n be* 
ivirkendcn Kunst * Krankheiten ist jedoch nicht die 
einzige Bedingung ihres Yermugens, die natürlichen 
Krankheiten zu heilen. Es mrd eben so gcwifs zar 
Heiking erfordert^' dafs sie eine der zn heilenden 
Krankheit möglichst ahnliche Knn$t- Krankheit im 
menschlichen Korper za erzeugen fähig seyen, um 
darch diese, mit grofserer Stärke ^ gepaarte Aehn^ 
lichkeit sich an die Stelle der natürlichen Krankheit 
zu setzen und sie auf diese Art auszulöschen« Dieis 
ist so wahr, dafs sogar keine ältere Krankheit durch 
eine neu hinzutretende unähnliche Krankheit, sey 
diese auch noch so stark, von der Natar selbst 
nicht geheilt werden kann, und eben so wenig durch 
ärztliche Curcn mit Arzneien, welche keinen ahn* 
liehen Krankheitsznstand im gesunden Körper za 
erzeugen vermögend sind« 

$. 30. 
Dicfs zu erläutern, werden wir in drei verschied« 
ncn Fällen sowohl den Vorgang in der Natur bei 
zweien im Menschen zq^ammentrefTenden natürlichen, 
einander unähnlichen Krankheiten, als auch den Er- 
folg von der gemeinen ärztlichen Behandlung der 
Krankheiten mit allopathisch unpassenden Arzneien 
betrachten, welche keinen der zu heilenden Krank- 
heit ähnlichen, künstlichen Krankheilszustand her- 
vorzubringen fähig sind, woraus erhellen wird, dafs 
selbst die Natar nicht vermögend ist, durch eine 
unhomöopalhische , selbst stärkere Krankheit eine 



124 

4 

schon vorhandne unähnliche anfsnheben, so wenig 
nnhomoopathische Anwendung anch noch so starker 
Arzneien^ irgendj eine Krankheit zn heilen jemals im 
Stande ist 

4- 31- 
/ Entwedler sind beide, sich nnähnliche, 

im Menschen xosammenlreffiende Krankheiten toh 
gleicher. Stärke,' oder ist vielmehr die ältere stär- 
ker, so wird die neoe dorch die alte vom Kör- 
per abgehalten nnd nicht zugelassen« Ein schon 
an einer schweren chronischen Kraiokheit Leidender 
wird von einer mäfsigen Herbstrahr oder einer an- 
dern Sencbe nicht angesteckt — Die levantiscbe 
Pest kommt, nach Larrey ^), nicht dahin, wo der 
Scharbock herrscht, nnd an Flechten leidende Per- 
sonen werden von ihr nicht angesteckt. Rhachitis 
läfst, nach Jenner^ die Schotzpockenimpfang nicht 
haften. Geschwärig Langensüebtige werden von 
nicht allza heftigen epidemischen Fiebern nicht an- 
gesteckt, nadi pon HUdeiArand. 

4. 32. 
Und so bleibt aoch bei einer gewöhnlichen 
ärztlichen Cur ein altes chronisches Uebel on- 
geheilt nnd wie es war, wenn es nach gemeiner 
Car-Art allopathisch, das ist^ mit Arzneien, die 
keinen der Krankheit ähnlichen Befindensan^and für 
sich in gesunden Mensichen erzengen können, nicht 



1 ) M^moires et observations, in der Description de 
r£gypte, Tom. \. 



125 

allzu heftig behandelt wird, selbst wnn die Cor 
Jabre lang dauerte. Diefs sieht mali in der Pra:ds 
täglich nnd es bedarf keio^ bestätigenden Beispiele.^ 

IL Oder die neae anähnticlie Kra&kheit 
ist stärken Hier wird die, woran .4^p .^r^n]^ 
bisher litt| als die ^chwaehere» von der stärkern hinr 
zutretenden Krankl(eil so langet ajc^fge^cboben nnd 
SDSpendirt, bis die nene wieder vei^ossen oder ge-. 
heilt ist, dann kommi die alte nngebeilt wieder 
hervor. Zwei mit einer Art Fallsncht behaftete Kin- 
der blieben na«^ Ansteckung mit dein Grindkopfe 
{tinea) von epileptischen Anfällen frei; sobald aber 
der Kopfausscblag Strieder verging, war die Fallsncht 
wieder da, wie Kavor, nach Tutpius ') Beöbachtoog. 
Die. Kraue, wie Schopf '^^ jsah^ ver^ehwa&d, als der 
Scharbock eintrat, kam aber nach Hdilung des Schar- 
bocks wieder zum Vorscheine. So stand die ge- 
schwürige Lungensucht still, wie der Kranke von 
einem heftigen Typhos ergriffen ward,* ging aber nach 
dessen Verlaufe wieder ihren Gang forit *)g — Tritt 
eine Manie zur Langensocht, so wiM diese mit al- 
len ihren Syiriptomen von ersterer bioweggenommen; 
vergeht aber der Wahnsinn , so kehrt die Lnngen- 
SBcht gleich xui'iick nnd tödtet ^). — Wend die Ma- 

1 ) Obs. lib. L. obf. a 

2) Ip /fo/ir/«iiifj, Journal, XY. n. , 

3) Chemlier in Hufelan^s neue^i^ A^^alen der fran- 
zösischen Hellkunde. IL S. 192, .. , . . 

4) Mania phthisi super vemens «|ini..<|im; omoHms suis- 



stm mid Menschenpockcn zagleich herrschen und 
beide dasselbe Kind angesteckt haben, so werden 
gewöhnlich die aasgebrochenen Masern von den dann 
hervorbrechenden Menschenpocken in ihrem Yerlanfe 
aufgehalten, den sie nicht eher wieder fortsetzen, bis 
die Kindblattem' abgeheilt sind ; doch wurden nicht 
selten anch die nach der Einiropfang ansgebrochc« 
ncn Menschenpocken von den indefs hervorkommen- 
den Masern vier Tage lang snspendirt, wie Mofu- 
get ^) bemerkte, nach deren Äbschoppang die Pok- 
ken dann ihren Lanf bis sa Ende fortsetzen. Änck 
wenn der Impfstich von Menschenpocken schon sechs 
Tage gehaftet hatte, nnd die Masern nnn aasbrachen, 
stand die Impf - Entzündung still, nnd die Pocken 
brachen nicht eher ans, bis die Masern ihren sieben- 
tägigen Verlauf vollendet hatten ^). Den vierten oder 
fönften Tag nach eingeimpften Menschenpocken bra- 
chen bei einer Maser- Epidemie bei Vielen Masern 
aus, und verhinderten den Pockenansbruch, . bis sie 
selbst vollkommen verlaufen waren, dann kamen erst 
die Pocken und verliefen gut ^y Das wahre, glatte, 
rothlaufartige, Sydenhamische ^} Scharlachfieber mit 
Bräune ward den vierten Tag durch den Ansbrnch 



pbaenomenis anffert, verum mox redit phthUis et occidit, 
abeunte mania. Reil^ Memorab. Fase« UL v. S. 171. 

1) In Edinb. med. Comment. Th. I. i. 

2) John Hunter^ über die vener. Krankheiten. S. 5. 
S) Rainey in med. Comment. of Edinb. III. S. 480. 
4) Auch von Wilhering und Plenciz sehr richtig be- 
schrieben, vom Purpur aber (oder* dem rothen Hunde), 



127 

der Kuhpockc ^gehcmmt^ welche völlig biS za JEnde 
verlief, nach deren Endigung dann erst das Schar- 
lachfieber sich wieder einstellte; so ward aber anch^ 
da beide voii gleicher Stärke zu scyn Scheinen, die 
Kuhpocke am ächten Tage von ^dem ausbrechenden 
wahren, glatten', Sydcnhamischen Scharlachfiebcr sii^- 
pendirt, nnd ihr rother Hof verschwand, bis das 
Scharlachfieber vorüber war, woranf die Kuhpocke 
sogleich ihren "Weg bis zu Ende fortsetzte ^), Die 
Masern snspendirtcn die Kuhpocke: am achten Tage, 
da die Kuhpockien ihrer Yollkommenheit nahe wa- 
ren, brachen die Masern aus, die Kuhppcken stän- 
den nnn still, nnd erst da die Masern sich abschupp- 
ten, gingen die Kuhpocken wieder ihren Gang bis 
zur 'Vollendung, So dafs sie deti sechszehnten Tag 
aassahen, wie sonst am zehnten, wie Kor tum beob- 
achtete *)• 

Auch bei ^choh ausgebrochenen Masern schlug 
die Kuhpockenimpfung noch an, machte abei* inren 
Verlauf erst, da die Masern vorbei waren, wie encn- 
falU Kortum bezeugt *). 

Ich selbst sab einen Banerwezel (^angiha paro-' 
tidea, Mümpi^, Ziegenpeter, Tölpel) sogleich ver- 



was man auch Scharlachfieber zu nennen beliebt, höchst 
verschieden« 

1 ) Jenner In Medicinische Anhalen, 1800. Aug. S. 747. 

2) In Hufelanis Journal d. practischen Arzneikunde. 
XX. m. S. 50. ' 

3) A. a. O. 



128 

schwinden I als die Schntzpockenimpfang geba&et 

hatte nnd sich ihrer YoUkonimenheit näherte: erst 

• . .... i< • ' 

nach volligeBi Yerlanfe der Kahpocke «nd der Yer- 
scl^windaag ihres rothen Hofis trat diese fieberhafte 
Ohr- nnd Unterkleler-Driiseiigeschwalst voq. eignem 
Mi^sm (der Baaerwezel) wieder hervor ond ^orch- 
giji^ ihre siebeptägi^e Verlapfsieit. . ; 

Und so snspepdiren sich, alle einander 
unähnliche Krankheiten, die stärkere die 

• ' • • • 

schwächere (wo sie sich nicht , wie hei acoten 
selten geschieht, compliciren), heilen einander 
aber nie, 

§.34. 
Diefs sah nun die gewöhnliche Anneischole so 
viele Jahrhunderte mit an; sah, dafs die Natur selbst 
nicht einmal irgend eine Krankheit dorch llinzntritt 
einer andern, anch noch so starken, heilen kann, 
wenn die hin«itretende der schon iip Körper woh- 
neaden unähnlich ist Was sol) man von ihr 
decken, dals sie dennoch fortfahr, die chronischen 
Krankheiten mit allopathischen Cqren. %n behandeln, 
nämlich mit Arzneien nnd Recepten, die, Gott weifs, 
welchen? doch fast stets einen dem za heilenden 
Uebel nor nnähnlichen Krankheitsznstand selbst 
zn erzeugen vermögend waren? Und wenn die Aerzte 
bisher die Natur auch nicht genau beobachteten, 
so hätten sie doch , ans den elenden Folgen ihres 
Verfahrens inne werden sollen, dafs sie auf zweck- 

• • • » 

widrigem, falschem Wege waren. Sahen sie denn 
nicht, wenn sie, wie allgewöhnlich, gegen eine lang- 

wie- 



129 

wierige Krankheit eine angreifende, allopathische Cur 
brauchten, dafs sie damit nnr eine der ursprüngli- 
chen unähnliche Knnstkrankheit erschufen, welche 
nur so lange .sie unterhalten ward, das ursprüng- 
liche Ucbel blofs zum Schweigen brachte, blofs nn* 
terdrückte und blofs snspendirte, was jedoch allemal 
wieder zum Vorschein kam und kommen mufste, 
sobald die Kraft -Abnahme des Kranken nicht mehr 
gestattete, die allopathischen Angriffe auf das Leben 
fortzusetzen? So verschwindet freilich durch oft wie- 

r 

derholte, heftige Pnrganzen der Krätz-Ausschlag gar 
bald von der Haut, aber wenn der Kranke die er- 
zwungene (unähnliche) Darmkrankheit nicht mehr 
aushalten und die Purganzen nicht mehr einnehmen 
kann, dann bltiht entweder der Haut-Ausschlag, nach 
wie vor, wieder auf, oder die innere Psors^ entwik- 
kelt sich zu irgend einem bösen Symptome^» da dann 
der Kranke, aufser seinem unverminderten, ursprüng- 
lichen Uebel, noch eine schmerzhafte, zerrüttete Ver- 
dauung und Kräfte -Verlust, zur Zugabe, zu erdul- 
den hat. So, wenn die gewöhnlichen Aerzte künst- 
liche Hautgeschwüre und Fontanelle äufserlich am 
Körper unterhalten, um dadurch eine chronische 
Krankheit zu tilgen, so können sie zwar nie damit 
ihre Absicht erreichen, können dieselbe nie damit 
heilen, da solche künstliche Hautgeschwüre dem in- 
nern Leiden ganz fremd und allopathisch sind; aber 
indem der darch mehre Fontanelle erregte Reiz ein 
Zuweilen stärkeres (unähnliches) Uebel ist, als 
die inwohnende Krankheit, so wird diese dadurch 



130 

nicht selten auf einige Zeit zum Schwelgten gebracht 
und snspendirt Aber auch nnr snspendirt, und 
swar unter allmäliger Abmergelnng des Kranken. 
Viele Jahre hindurch von Fontanellen unterdrückte 
Fallsacht kam stets und schlimmer wieder zum Vor- 
scheine, sobald man' sie zuheilen liefs, wie PechUn ^) 
und Andre bezeugen. Purganzen können aber für 
die Krätze, und Fontanelle für eine Fallsucht nicht 
fremdartigere, nicht unähnlichere Umstimmungs -Po- 
tenzen, nicht allopathischere Gur-Mittcl sejn, als die 
allgewöhnlich, aus ungekannten Ingredienzen gemisch- 
ten Recepte für die übrigen namenlosen, unzählba- 
ren Krankheits • Formen in der bisherigen Praxis. 
Auch diese schwächen blofs, und unterdrücken und 
suspendiren die Uebel nur auf kurze Zeit, ohne sie 
heilen zu können, wenn sie nicht gar, wie oft, 
durch langwierigen Gebrauch einen neaen Krank- 
heitszustand zu dem alten Uebel hinzufügen. 

§. 35. 
///. Oder die neue Krankheit tritt, nach 
langer Einwirkung auf den Organism, eqdiich zn 
der alten ihr unähnlichen, und bildet mit ihr 
eine complicirte Krankheit, so dafs jede von ih- 
nen eine eigne Gegend im Organism, d. i. die be- 
sonders ihr angemessenen Organe und gleichsam 
nur den für sie eigenthümlich gehörigen Platz ein- 
nimmt, den übrigen aber der andern, ihr unähnli- 
chen überläfst. So kann ein Venerischer auch noch 



1) Obs. phys. med. Iib. 2. obs. 30. 



131 

kratzig werden, und umgekehrt. Als zwei sich 
nnähnliche Krankheiten können sie eihan- 
der nicht aufheben, nicht heilen. Anfangs 
schweigen die venerischen Symptome, während der 
Kratz - Aasschlag anfangt, und werden suspchdirt; 
mit der Zeil aber (da die venerische Krankheit we< 
nlgstens eben so stark, als die Krätze ist) gesellen 
sich beide zu einander ^), das ist, jede nimmt biöfs 
die ftlr sie geeigneten Theile des Organisms ein, 
und der Kranke ist dadurch kränker geworden und 
schwieriger zu heilen. 

Beim ZusamnicntrefTen einander unähnlicher 
acnter Ansteckungskrankheiten, z: B. der Menschen- 
pocken und Masern, suspendirt gewöhnlich, wie vor- 
bin angeführt worden, eine die andere; doch gab 
es auch heftige Epidemien dieser Art, wo sich in 
seltnen Fällen zwei sich unähnliche acute Krankhei- 
ten dieser Art an einem und demselben Körper ein- 
fanden und sich so gleichsam auf kurze Zeit com- 
plicirten. In einer Epidemie, wo Menschenpocken 
und Masern' zugleich herrschten, gab es unter 



1) Nach genauen Versuchen und Heilungen dieser Art 
complicirter Krankheiten bin ich nun fest überzeugt, dab 
sie keine Zusammenschmelzung beider sind, sondern dafs in 
solchen Fällen die eine nur neben der andern im Orga- 
nism besteht, jede in den Theilen, die fiir sie geeignet sind, 
denn ihre Heilung wird vollständig bewirkt durch eine zeit- 
gemafse Abwechselung des besten Qnccksilberpraparats mit 
den die Krätze heilenden Mitteln, jedes derselben in der 
angemessensten Gabe und Zubereitung. 

12 



1) 5. Transactions of a soc. for tbe improveia. of med. 
and cbir. knowl. IL 

2) In den med. Coimnentarien von Edinb. III. S. 480. 

3) In Med. and phys. Jonrn. 1S05. 

4) Opera, II. P. I. Cap. 10. 

5) In Hufeland'^ Journal, XYII. 



132 

300 Fällen« wo sich diese Krankheiten einander 
mieden oder snspeodirten, und die Masern erst 
20 Tage tiach dem Pockenaasbrnclie , die Pocken 
aber 17) t% Tage nach dem Masernaasbmche den 
Menschen befielen, so dafs die erstere Krankheit 
vorher erst TöUig Terlanfen war, dennoch einen ein- 
zigen Fall, wo P. Rüssel *) beide nnähnliche Krank- 
heiten zugleich an derselben Person antraf. Rd- 
ney ^) sah bei zwei Mädchen Menschenpocken und j 
Masern zosamroen. «7. Maurice ^) will in seiner gan- 
zen Praxis nur zwei solche Fälle beobachtet haben. 
Dergleichen findet man anch bei EitmüUer ^) und 
noch einigen wenigen Andern« — 

Kuhpodcen ^sah Zencker ^) ihren regelmälsigen 
Verlauf neben Masern nnd neben Purpurfiriesel b^ 
halten, 

Kuhpocken gingen bei einer Mercnrial - Gor 
gegen Lustseuche ihren W^eg ungestört, wie Jen- 
ner sah. 

§. 36. 
Ungleich häufiger, als die natürlichen sich zd 
einander in demselben Korper gesellenden und sieb 
so complicircnden Krankheiten, sind die durch ge- 
wöhnliche Arztes - Kunst entstehenden Krankheits- 



1^ 

Complicatroneny welche das zweckwidrige Srztliciie 
Verfahren (die allopathische Cotart) durch langwie- 
rigen Gehrauch unangemessener Arzneien zuwege 
zu bringen pflegt, Za der natürlichen Krankheit, 
die geheilt werden sollte, geselW sich dann durch 
anhaltende YV^iederholnng des unpassenden Arznei- 
mittels die nach der Natur seiner eigenthüäiÜGhen 
Kräfte zu erwartenden neuen Krankheitszustände, 
welche mit dem ihnen unähnUchen chronischen' Uebel 
(was sie nicht, durch analogen Gegenrein, das ist, 
nicht homöopathisch heilen konnten) sich aUmÜig 
znsammenpaaren und complicirefi, zudet alten eine 
neue, unähnliche, künstliche Krankheit chronischer 
Art hinzusetzen, und so den bisher ei&faefa Kranken 
doppelt' krank, 'das heifst, um vieles kränker und nn* 
heilbarer machen. Mehre in ärztlichen Journalen 
zur Consnhation aufgest<^Ute Krankheitsfälle, so wie 
andre in medicinischen Schriften erzählte Krankto- 
geschichten geben Belege hiezu. Von gleicher Art 
sind die häufigen Fälle, wo die venerische Schanker- 
krankheit, Tor^iSglicb mit Krätti^nmkheit, auch wohl 
mit dem Siechthnme des Feigwarzentrippers coiäipli- 
cirt, unter 'langwieriger, oder oft' wiederholter Be- 
handlung mit'grofsen G^en unpassender ' Qiieck«ril- 
herpräparate nicht heilt, sondern neben dem indefs 
allmälig erzeugten chronischen Quecksilber - Siech- 
thnme ^) im Organismus Platz nimmt, und so .mit 



1) Denn Qiieckalber bat an&er di^n Kr^kbeitssymplö- 
iiicn, welche, als das Aehnliehe, die venerisdie Kranlftieit 



136 

beits- Reize bisbcr aßicirt waren, welcher folglicb 
nan nicht mehr einwirken kann, sondern erlischt ^); 
oder (mit andern Worten) weil, sohald die durch 
die bisherige Krankheits- Potenz verstimmte Lebens- 
kraft von der ncnen, sehr ähnlichen, aber starkem, 
djüamischen Krankheits • Potenz stärker ergriffen 
wird, sie von letzterer nan allein afficirt bleibt, wo- 
durch die vorgängige, ähnliche, aher schwächere, als 
blöfs dynamische Kraft, ohne Materie, zu existircn 
ianfhoren mufs. 

§. 41. 

Es würden sich sehr viele Beispiele von Krank- 
heiten anführen lassen, die im Laufe der Natnr darch 
Krankheiten von ähnlichen Symptomen homöopathisch 
geheilt wurden, wenn wir uns nicht einzig an jene 
(v^enigen) sich stets gleich bleibenden, ans einem 
feststehenden Miasm entspringenden und daher eines 
bestimmten Namens werthen Krankheiten halten müfs- 
ten, um von etwas Bestimmtem und Unzweifelhaf- 
tem reden zu können. 

Unter diesen raget die wegen der gröfsen Zahl 
ihrer heftigen Symptome so berüchtigte Menschen- 
pocken «Krankheit hervor, welche schon zahlreiche 
Uebel mit ähnlichen Symptomen aufgehoben und ge- 
heilt hat. 

"Wie allgemein sind nicht die heftigen, bis zur 

1) "Wie von dem stärkern, in unsre Augen fallenden 
Sonuenstrahle das Bild einer Lampenflamme im Seh -Ner- 
ven schnell überstimmt und verwischt wird. 



137 

Erblindong steigenden Angenentznndangen bei der 
Menschenpocke > nnd siehe! sie heilte, eingeimpft, 
eine langwierige Augenentztindang vollständig bei De- 
zoteux ^) nnd eine andre hei Leroy ^) auf immer. ' 

Eine von nnterdrücktem Kopfgrinde entstandene, 
zweijährige Blindheit wich ihr nach Klein *) gänzlich. 

Wie oft erzeugte die Menschenblatter-Krankheit 
nicht Taubhörigkeit nnd Schweräthmigkeit! nnd beide 
langwierige Uebel hob sie, als sie zn ihrer grofsten 
Höhe gestiegen war, wie J. Fr. Closs *) beobachtete. 

Hodengeschwulst, auch sehr heftige, ist ein häu- 
figes Symptom der Menschenpocke, nnd defshalb 
konnte sie durch Aehnlichkeit eine von Quetschung 
entstandene grofse, harte Geschwulst des linken Ho- 
dens heilen, wie Klein ^) beobachtete. Und eine 
ähnliche Hodengeschwulst ward von ihr unter den 
Augen eines andern Beobachters ^) geheilt. 

So gehört auch nnter die beschwerlichen Zu- 
fälle der Menschenpocke ein rnhrartiger Stuhlgang, 
nnd sie besiegte daher als ähnliche Krankheitspotenz 
eine Ruhr nach JFV. Wendts ') Beobachtung. 

1) Traitö de Tinoculation, S. 189. 

2) Heilkunde für Mütter, S. 384. 

3) Interpres cIidIcus, S. 293. 

4) Neue Heilart der Kinderpocken, Uhn 1769. S. 68 
und specim. Obs. No. 18. 

5) Ebendaselbst. 

6) Nov. Act Nat. Cur. Vol. I. Obs. 22. 

7) Nachricht «von dem Krankeninstitut zu Erlangen, 
1783. 



138 

Die zu Kobpocken kommende Menscbenpocken- 
Krankheit hebt, wie bekannt, eben sowohl ihrer grö- 
fsern Stärke, als ibrer grofsen Aebnlicbkeit wegen, 
erstere sogleich gänzlich, bomöopatbisch, auf and 
läfst sie nicht cur Vollendung kommen | doch wird 
hinwiederum durch die Ihrer Reife schon nahe gekom- 
mene Kohpocke, ihrer grofsen Aebnlicbkeit wegen, 
die darauf ausbrechende Menschenpocke homöopa- 
thisch wenigstens nm vieles gemindert nnd gatartiger 
gemacht, wie Muhry ^) nnd viele Andre bezeugen. 

Die eingeimpfte Kahpockc, deren Lymphe, 
anfser SchuizpockenstofF, auch noch einen Zunder 
za einepi allgemeinen Hautausschlage andrer Natur 
von (selten grü&em, eiternden) gewöhnlich kleinen, 
trocknen, anf rothen Fleckchen sitzenden, spitzigen 
Blüthen ^pimples)f oft mit untermischten, rothen, 
runden Hanlflcckcben enthält, nicht sehen mit dem 
heftigsten Jucken begleitet, welcher Ausschlag bei 
nicht wenigen Kindern^ auch wirklich mehre Tage 
vor, öfterer jedoch nach dem rothen Hofe derKuh- 
pocke erscheint, und, mijt Hinterlassung kleiner, ro- 
ther, harter Hanlfleckchen, in ein paar Tagen ver- 
geht; die geimpfte Kuhpocke, sage ich, heilt durch 
Aebnlicbkeit dieses Neben -Miasms ähnliche, oft sehr 
alte und beschwerliche Haotaasschläge der Kinder, 
nachdem die Kahpockcnimpfuog hei ihnen gehaftet 
hat, vollkommen und dauerhaft nach Homöopathie, 
wie eine Menge Beobachter ^) bezeugen. 

1) Bei Robert fVi/Ian^ über die Kuhpockenimpfung. 

2) Vorzuglich Ciavier ^ Hurel und Dcsormeaux^ im 



139 

Die Kohpocken, deren dgentfajBmliches Symptom 
es ist, Ärmgeschwolst ^) zu verar^achen, heilten nach 
ihrem Aa&hrnche einen geschwollenen, halb ge- 
lähmten Arm *)• . 

Das Fieber bei der Kohpocke, welches sich zur 
Zeit der Entstehnng des rothen Hofs einfindet, heilte, 
homöopathisch eii^ Wechselfieber bei zwei Personcn,i; 
wie Hardege der jüngere ^) berichtet, zur Bestäti- 
gung dessen, was schon «/. Hunter ^) bemerkt hatte,^ 
dafs nicht zwei Fieber (ä,hnliche Krankheiten) in 
einem Körper zugleich bestehen. können. -^ ^^ 



Bulletin des sc. medicales, publik par les membres du co- 
mite central de 1a soc. de m^decine du departement de 
r£ure, 1808. So auch im Journal de Medecine continu^, 
Vol. XV. S. 206. 

1) Balhomy inHufeland^s Journil. X. II.. . • 

2) Stevenson in Dun^ans ^nnahi Qf.wedicine, Lustr. U. 
Vol. I. Abth. 2. No, 9. 

« » 

3) In HufelantCs Journ. der pr. Arzneik. XXIII. 

4) Ueber die vener. Krankheit. S. 4. 

*) Die an diesei* Stelle in den vorigen Ausgaben des 
Organons beigebrachten Beispiele von langwierigen, durch 
Krätze geheilten Siecbthumen können, zu. Folge der Ent- 
deckungen und Aufsoblüsse, welche ich im ersten Tbeile 
meines Buchs von den chronischen Krankheiten ge* 
geben habe, nur in ^ewi^ser Hinsicht <als bomöopalhische 
HieiLuDgen gelten. Die^e da verschwindenden gro&en Siech- 
tbume (vieljäbrigc, Erstickung drohoinle Engbrüstigkeiten, 
und geschwlirigeLungensuchttn) waren ursprünglich schon 
psorischen Ursprungs ^ -^. weit gediehen^i Idben bedrohende 
Symptome schpn völlig aus dem Innern, entwickelter, alter 
Psora, welche durch den von einer neuen Ansteckung er« 



140 

In Fieber nnd in Hnstcn- Beschaffenheit haben 
die Masern viel Ächhlichkeii mit dem Keichhnsten 
und defshalb sah Bosquillon ^), dafs bei einer Epi- 
demie, wo beide herrschten, viele Kinder, welche 
die Masern damals überstanden hatten, vom Keich- 
hnsten in dieser Epidemie frei bKeben. Sie würden 
alle nnd anch in der Folge, vom Keichhnsten frei 
nnd nnansteckbar' dnrch die Masern geworden sejn, 
wenn der Keichhnsten nicht eine den Masern nnr 
znm Thcil ähnliche Krankheit wäre, das ist, wenn 
er anch einen ähnlichen Hantansschlag, wie die letz- 
tern, bei sich führte. So aber konnten die Masern 
nnr Viele, nnd nar in der gegenwärtigen Epidemie 
von Keichhnsten, homöopathisch frei erhalten. 

Wenn aber die Masern eine im Anssehlage, 
ihrem Hanptsymptome, ahnlicbe Krankheit vor sich 
haben, da- könisen sie sie ohne Wioerrede aufhe- 
ben nnd homöopathisch heilen. So ward eine lang- 
wierige Flechte vbm Ansbrnche der Masern sogleich 

folgten Kratz ^Ausschlag* (wie in sokhein Falle stets ge- 
sdiieht) in die einfache Form primitiver Kräts- Krankheit 
skh wieder verwandelte, wodurch ' die alten Siecbthume und 
lebensgefährlicben Symptome verschwanden. Eine solcbe 
Umwandlung in Aie primitive Form ist daher nur in so 
fern* eine homöopatbisdie Hefierin jener weit gediehenes 
Symptom!^ alter, hochentwickelter Ps'ora zu* nennen, als die 
nette Ansteckung den Kranken iii die ungleicb günst^re 
Lage setat, nun »weit leichter Von ^et ganzen Psora durch 
die antipsonscheo Arzneien, geheilt- werden '9u können. 

*" -^ 1) Elemens de telSdeic. prävde M, Cullm traduits, P. II. 



141 

ganzlich und daocrfaaft (homöopathisch) geheilt ^), 
wie Kortum ^) beobachtete. Ein änfserst brennen- 
der, sechsjähriger, frieselartiger Ausschlag ioi Ge- 
sichte, am Halse nnd an den Armen, von jedem 
Wetter-.Wcchsel erneuert, ward von hinzu kom- 
menden IVJasem . zu einer aufgeschwollenen Hant- 
Fläche; nach dem Verlauf der Masern war d^is 
Friesel geheilt und kam nicht wieder'). 

§. .42. 
Unmöglich kann es für den Arst eine deutli- 
chere nnd tiberzeugendere Belehrpngy als diese, ge- 
ben, welche Art von könstlicher Krankheitspotenz 
(Arznei) er zu wählen habe, um nach dem Vor- 
gänge in der Natur gewils, schnell und dauerhaft 
zu heilen. 

«.43. 
Im Laufe der Natur kann, wie wir aus allen 
diesen Beispielen sehen, nie und in keinem. Falle, 
und eben so wenig mittels Arztes Kunst, . ein vor- 
handnes Leiden und Uebelseyn von einer unähnli- , 
eben, auch noch .so starken Krankheits -Potenz auf- 
gehoben und geheilt werden, wohl aber einzig von 
einer an Symptomen ähnlichen, etwas. stär- 
kern, nach ewigen unwiderruflichen Natur-Gesetzen, 
welche bisher verkannt waren. 



1) Oder wenigstens diels Symptom hinwegg^nomme^ 

2) In Hufeland's Journal. XX. lU. S. 60. 

3) Rauy über d. Werth des homoop. Heilver&farens, 
Heidelb. 1824. S. 85. 



142 

«; 44. 

Wir würden von dieser Art ächter, homoopa- 
thischer Natar-Heilnngcn noch weit mehre finden, 
wenn thcils die Beobachter mehr Aufmerksamkeit 
anf sie gerichtet hätten, theils wenn es der Natar 
nicht an homöopathischen Hiilfs - Krankheiten ge- 
bräche. 

i. 45. 

Die grofse Nator selbst hat zu homöopathischen 
Heilwerkzengen, wie wir sehen, fast nnr die weni« 
gen miasmatischen, festständigen Krankheiten zar 
Hülfe, (die Krätze), die Masern, die Menschenpok- 
ken ^), Krankheitspotenzen, die theils (nämlich die 
Menschenpocken und Masern) als Heilmittel lebens- 
gefahrlicher nnd schrecklicher, als das damit zn hei* 
lende Uebel sind, theils solche (wie die Krätze), die 
nach vollftihrter Heilang selbst wieder Heilong be- 
dürfen, nm hinwiederam vertilgt zn werden; beides 
Umstände, die ihre Anwendung als homöopathische 
Mittel schwierig, unsicher nnd gefährlich machen. 
Und wie wenig giebt es Krankbeits- Zustände nnter 
den Menschen, die an Pocken, Masern und Krätze 
ihr ähnliches Hellmittel fanden! &n Laufe der Na- 
tur können defshalb auch nnr wenige Uebel sich 
mit diesen bedenklichen nnd mifslichen homöopathi- 
schen Heilmitteln heilen, nnd es erfolgt nur mit Ge- 
fa'hr und grofser Beschwerde, da die Gaben dieser 



1) Und den Haatausschlags- Zündet, der nebenbei in 
der Kubpockea- Lymphe befindlich ist. 



143 

Krankheitspotensen sich nicht nach den Umstandeii 
selbst verkleinern, sondern imt der gdiisen g^efahrti- 
chen nnd beschwerHchen Krankbeitfi ntifi ^er ganxen 
Menschenpocken- 9 Maser- (wui Krale*) Krankheit^ 
wird der mit einem alten, ähnKehen Uelxl Behaftete 
überzogen, nm Von letzterm za geneseni. Und den- 
noch haben wir von diesem glöck&i;heii Zusammen- 
treffen, wie man sieht, schöne h&moopathisefae Hei- 
langen aufzuweisen, als eben so viele , tm widerleg'- 
liehe Belege von dem in ihnen waltenden,, grofsen,, 
einzigen Natur- Heilgesetze I Heile dareh Sjra- 
ptomen*Aefanlichkeit! 

§. 46. 
Dem fähigen Geiste des Menschen wird diesem' 
Heilgesetz aus ihnen kund, und hiezu waren sie hin-^ 
reichend. Dagegen, siehe! welchen Yoruig hat der 
Mensch nicht Vor der rohen Natur in ihren ungc* 
fähren Ereignissen I YV^ie viel tausend homöopathi- 
sche Krankheitspotenzen mehr zur Hülfe för die lei- 
denden Mitbröder hat nicht der Mensch an den über- 
all in der Schöpfung verbreiteten Arzneien! Krank- 
heits- Erzeugerinnen hat er an ihnen von allen mög- 
lichen Wirkungs- Verschiedenheiten für alle die un- 
zähligen, für alle nur erdenkliche und unerdenkliche 
natürliche Krankheiten, denen sie homöopathische 
Hülfe leisten können — Krankheitspotenzen (Arz- 
neien), deren Kraft nach vollendeter Heil -Anwen- 
dung, durch die Lebenskraft besiegt, von selbst ver- 
schwindet, ohne einer abermaligen Hülfe zur Wie- 
der - Vertreibung, wie die Krätze, zu bedürfen — 



144 

Krankheitspotenzen ( Arzneien )) die der Arzt bis an 
die Gränzen der Unendlichkeit verdünnen, zerthei- 
len, potenzircn nnd in ihrer Gabe bis dahin vermin- 
dern kann, dafs sie nnr am ein Kleines stärker 
bleiben , als die damit sn heilende, ähnliche, natür- 
liche Krankheit, so dafs.es bei dieser unübertreffli- 
chen Hellart keines heftigen Angriffs anf den Orga- 
nism bedarf, nm anch ein altes, hartnäckiges Uebel 
auszurotten, ja dafs diese Heilart nnr einen sanften, 
unmerklichen, und doch oft geschwinden Uebergang 
aus den quälenden natürlichen Leiden in die er- 
wünschte dauerhafte Gesundheit sehen lälst, 

§. 47. 
Unmöglich kann ein verständiger Arzt nach je- 
nen sonnenklar einleuchtenden Beispielen noch in 
der gewöhnlichen Medicin fortfahren mit (allopathi- 
schen) Arzneien, welche keinen directen, pathiscben 
(homöopathischen) Bezug auf die zu heilende, chro- 
nische Krankheit haben, den Körper in seinen am 
wenigsten kranken Theilen anzugreifen durch Aus- 
leeren, Gegenreizen, Ableiten, u« s» w. ^) und so 
mit Aufopferung der Kräfte einen, dem ursprüngli- 
chen ganz heterogenen und unähnlichen Krankbeits- 
Zustand zum Verderben des Kranken herbeizuföh- 
rcn durch starke Gaben. von Gemischen meist unge- 
kannter Arzneien, deren Gebranch dann keinen an- 
dern Erfolg hahen kann, als der sich nach ewigen 
Gc- 

1) M. s. oben in der Einleitung, 1. Hloblick aaf 
die Allopathie der bisherigen Arzneischule. 



145 

Gesetzen in den oben ersäblten nnd so in allen übrigen 
Fällen in der Welt zeigt, wo eine tinäbnlicbe Krank- 
heit zn der andern in den menscblichen Organism ge- 
räth^ nämlich, dafs nie in chronischen Krank- 
heiten eine Heilung dadurch, sondern stets 
eine Yerschlimmernng dadurch erfolgt, — 
also keinen andern Erfolg haben kann, als dafs ent- 
weder' (weil nach dem Vorgange in der Natur, bei 
Z, die ältere Krankheit im Korper die hinzutretende 
unähnliche schwächere abweiset) die natürliche 
Krankheit bei milder allopathischer, selbst ](ioch so 
lang dauernder Cur, unter Schwächung des Kranken, 
hleibt wie sie war, oder (weil nach dem Vorgänge 
in der Natur, bei //•, die neue stärkere die schon 
vorhandene, schwächere, unähnliche nur auf kurze 
Zeit unkenntlich macht und suspendirt) dafs durch 
heftigen Angriff, auf den Körper mit starken, allo- 
pathischen Arzneien das ursprüngliche Uebel auf ei- 
nige Zeit zu weichen scheint, um, nach dem Aus« 
setzen derselben, wenigstens in gleicher Stärke wie- 
der zu kommen, oder auch wohl (weil nach dem 
Vorgange in der Natur, bei ///., zwei sich unähn- 
liche Krankheiten, wenn beide langwieriger Art und 
gleich stark sind, neben einander im Organism Platz 
nehmen und sich coropliciren) dafs in solchem Falle, 
wenn die der natürlichen chronischen Krankheit vom 
Arzte entgegengesetzten, unähnlichen Krankheitspo- 
tenzen und allopathischen Arzneien in heftigen Ga- 
ben und lange angewendet werden, solche allopathi- 
sche Cnren, ohne jemals die ursprüngliche (unäUn- 

K 



146 

liebe) chronische Krankheit aufheben nnd heilen in 
kennen, nnr noch eine nenc Knnst- Krankheit dane- 
ben erzeugen nnd den Kranken, wie die tägliche 
Erfahrnng lehrt, nni vieles kränker machen and qd- 
heilbaren 

4. 48. 
Die wahre, sanfte, dauerhafte Heilang der Krank- 
heiten des Menschen findet man le^icbt beim Hinse- 
hen aof den Vorgang in der Nator, nm auf der 
einen Seite jedes Verfahren sn vermeiden , anf wel- 
chem die verstandlose, blofs animalische Lebenskraft, 
wenn sie, wie^ immer, sich bestrebt, anf Art der Al- 
lopathie den Körper in den am wenigsten kranken 
Thcilcn anzugreifen nnd eine, der nrsprlinglicben 
unähnliche Krankheit herv.orsnbringcn , chronische 
Krankheiten nie heilen kann, sondern stets verschlim- 
mert, die acuten aber, wenn sie mäfsig sind, nnr 
mit vielen Beschwerden nnd Verlusten mühsam be- 
seitigt, während sie die heftigem und gefahrlichen, 
acuten Fieber in ihrer hier unzweckmäfsigen Ener- 
gie ^) fast »nnr mit dem Tode beendigen kann — 
anf der andern Seite hingegen jene seltnen, hiilfrci- 
chen Heilungen (§. 38 — 410 nachzuahmen, vo 
eine andre, aber dem ursprünglichen Uebel ähnliche 
Krankheits -Potenz hinzu tritt nnd das Ur- Leiden 
schnell aufhebt, vernichtet nnd heilet 



1) Denn die uns angeborne Lebenskraft kann blofs 
nach der organischen Einrichtung unsers Korpers wirken^ 
nicht nach Ueberleguog handeln. • 



147 

§. 49; 

Diese Heilungen geschehen, wie man ^ekt^ -blofs 
auf homöopathischem Wege« einem Wegc^ äcr\ da 
wir ihn aach oben (§• 9-7 19«) auf eine andre 
Weise, dprch Erfahrungen . und Scfaliksc fanden, 
auch der wahre and einzige ist, wodarch die Kranke 
Leiten am gewissesten, schnellsten nnd danerbaftesten 
von der Knnst ausgelöscht werden, weil diese Htilarl 
aof einem ewigen, nntröglichen Naturgesetze beruht 

§. 50. 

Dieser, der bomo^athische Weg mufs, wie 
oben (§• 38 *-* 44.) erinnert worden, auch schon 
dcfshalb der einzig richtige seyn, weil er nnter den 
drei einzig möglichen An wcndungs -Arten der Arz- 
neien gegen Krankheiten der einzig gerade Weg 
zur sanften, sichern, dauerhaften Heilung ist» ohne 
auf einer andern Seite Nacbtheil zu bringen, oder 
zu schwächen. 

§. 51. 

Die zweite Anwendungs-Art der Arzneien in 
Krankheiten, die allopathische nnd heteropa- 
tfaische, welche, ohne pathischen Bezug auf das 
eigentlich Krankhafte im Körper, die von der Krank- 
heit freiesten Theile angreift, um das Uebel durch 
diese abzuleiten nnd auf diese W^eise, wie man 
wähnt, fortzuschaffen, war bisher die allgemeinste 
Methode. Ich habe sie oben in der Einleitung ^) 
abgehandelt und werde ihrer nicht weiter gedenken. 

1) 1. Hinblick auf die Allopathie der bisheri- 

e^en Arzneischule. 

K2 



148 

§. 53. 

Die dritte, ntich einzig übrige, xmi anfser den 
beiden gedachten noch .einzig mögliche Anwendangs- 
weise der Arzneien gegen Krankheiten ist die anti- 
pathisch-e (eriabtiopatfaische) ^der die pal- 
liative, womit der Arzt bisher necfa am hülfireich- 
sten ^th^inen konnte und des Kranken Vertrauen 
nock am gewissesten zu erhalten hoffte, indem er 
ihn mit augenblicklicher Besserung täaschte« Wie 
nnhülfreich aber und wie schädlich dieser dritte nocli 
lübrige Weg in nicht sehr schnell verlaufenden Krank- 
heiten war, wollen wir jetzt darthun. Zwar ist er 
das Einzige in der Gnr-Art der Allopathen, was ge- 
raden Bezog auf einen Theil "des Leidens der na- 
törlichen Krankheit hatte; aber welchen Bezug? 
W^ahrlich nur den (den umgekehrten), welcher, wenn 
man den chronisch Kranken nicht täuschen und sei- 
ner nicht spotten will, am meisten vermieden wer- 
den sollte. 

«. 53. 

Um so antipathisch zu verfahren, giebt ein sol« 
eher gewöhnlicher Arzt gegen ein einzelnes^ beschwer- 
liches Symptom unter den vielen übrigen, von ihm 
nicht geachteten Symptomen der Krankheit, eine 
Arznei, von welcher es bekannt ist, dafs sie das 
gerade. Gegentheil des zu beschwichtigenden Krank- 
kcits-SyAiptoms hervorbringt, wovon er demnach zn- 
folge der ihm seit mehr als fonfzehn Hundert Jah- 
ren vorgeschriebenen Regel der uralten medidlni- 
schcn Schule (contraria contranü)^ die schleunigste 



149 

(palliatiTe) IIiil& erwarlea kanna Ep giebt.nlatke 
Giabcn Mohnaaft gegen Scbmcraen aller Art, Hveü 
diese Annei die Empfihdniig schnleU betabbl, un^ 
giebt eben dibses Mittel gegen Dnrcbfallc, -wteiL <*( 
schnell die wnnniormige Bewegung des Damkänak 
hemmt und ihn alsbald nnenipfindlicb machti und 
so, auch gegen Schlaflosigkeit, weS^Mbhnsaft :sehneH 
einen betäubten, stupiden Scblaf. zuwege r! bringt; 
et ^iebi: Purgani&en, we der Kcanke schon lange an 
Leibesrerstop&ng und Hartleibigkeit leidet; ertlSist 
die ^erbcannte Hand in. kaltes Was&et tauchen, was 
darch die Kälte den Brennschmera angenUijsknch 
wie weg&UBanbexn scheint; setzt den* Kranken, der 
über Frostigk-eit und Mangel an Lebenswärme kbgl^ 
ia waune Beider ^ die ihn augenblicklich, erwätnien^ 
und läfst den langwierig Geschwächten Weia.' trin«- 
keu, wodurch er augenblicklieh belebt und erquickt 
wird, und wendet so npch einige andre oppc^nirte 
(anlipathiscbe) Hulfsverapstaltongea an,, doch, apfser 
diesen nur noch wenige, da der gewöhnlichen» Arz- 
Beikunst nur von wenigen Mitteln einigt eigenthüm- 
liche (Erst«) Wirkung bekannt ist. 

Wenn ich auch bei Benrtbeilung dieser Annei- 
Anwendung den Umststnd übergehen wollte, dafs 
hiebei sehr fehlerhaft (s. Anm« ^u {• 9.) nur ein- 
seitig für ein einzelnes Symptom, also nur 
für einen kleinen Theil des Ganzen gesorgt wird, 
wovon offenbar nicht Hülfe für das Total der Krank- 
heit, die. allein der Kranke wünschen kann, zn er- 



ISO 

\jirarten;ist, — so mofs man dock aof der andern 
Seite ;di€ Erfabrong fragen, ob wobi in: einem einsi- 
gen Falle solchen aptipatbiscben Arzneigebranchs 
gegen eine langwierige* oder anhaltende Beschwerde, 
nach Verfolgter, knr« danernder Erleicbternng, nicht 
eine grofsere . Yerscblimoiernng der so palliativ An- 
fangs .bescbwicbtigten Beschwerde» ja Verscblimme- 
2iuig> der . ganscen Krafnkhcit erfolgte? nnd da wird 
jedeq aufmerksame Beobachter übereinstimmen, dals 
aäf'eine solche antipatbische korze Erieicbterong je- 
derzeit nnd ohne Ansnahme Yerscblimmeran^ 
erfolgt, obgleich der gemeine Arzt diese nachgängige 
Verscfalimmernng dekn Kranken anders za deoten 
und isie anf eine sich jetzt erst offenbarende Bös- 
artigkeit der nrsprünglicben Krankheit zn schieben 
pflegt. 0- 



•iAJ 



1) So wenig auch bisher die Aerzte zu beobachten 
pflegten,' so konnte ihnen doch die aof solclje Palliative ge- 
wiß ^folgende Yerschlimmerupg nicht eotgeben. Ein star- 
kem. Beispiel dieser Art findet man in J. H. Schuiz€^ Diss. 
qua corporis humani momentanearum alterationum speci- 
mina quaedam expenduntur, Hatae 1741. §. 28. Etwas 
Aehnliches bezeugt Willis y Pharm, rat. Sect. 7. C]ap. L 
S. 296. Opiata dolores atrocissimos plerumque sedant at- 
que indölentiam — procurant, eamqne «^ aliqnamdiu et 
pro. .stato. quodam tempore continuant, quo spatio elapso 
dolores mox recrudescunt et brevi ad solitam ferociam au- 
gentur. Und so S. 295: Exactis opii viribus illico redeuiit 
tormina, nee atrocitatem suam remittunt, nisi dum ab eo- 
dem pharmaco rursus incantantur. So s^gi J. Ilunier (über 
die vener. Krankh. S. IS.)) dafs Wein bei Seh wachen die 



151 

§. 55. 
Noch nie in der Welt wurden bedeutende Sym- 
ptome anhaltender Krankheiten dnrch solche palliative 
Gegensätze behandelt, wo nicht nach wenigen Stittn- 
den das Gegentheil, die Rückkehr, ja offenbare 
YerscUimmerniig eines solchen Uebels erfolgt wäre. 
Gegen langwierige Neigung zn Tagesschläfrigkeit 
verordnete man den in seiner 'Erstwirkung ermnn- 
temden Kaffee, und da er aasgewirkt hatte, nahm 
die TagesscUäirigkeit zn; — gegen öfteres nätbtli- 
ches Aufwachen gab man Abende Mohnsafi, der sei- 
ner Erstwirknng zufolge diese Nacht einen (betäab- 
ten, dummen) Schlaf zuwege brachte, aber die fol- 
genden Nächte wurden dann noch schlafloser; -^ 
den chronischen Durchfallen setzte man eben die- 
sen, in seiner Erstwirknng Leib verstopfenden, Mohn- 
saft entgegen, und nach kurzer Hemmung des Durch- 
falls ward derselbe hinterdrein nur desto ärger; — 
heftige, oft wiederkehrende Schmerzen aller Art 
konnte man mit dem, Gefühl betäubenden, Mohn-, 
saft nur auf kurze Zeit unterdrtlcken, dann kamen 
sie stets erhöhet, oft unerträglich erhöbet, oder an^« 
dre, weit schlimmere Uebel dafür, wieder zurück; — 
gegen alten Nachthnsten weifs der gemeine Arzt 



Wirkungskraft vermehre, ohne ihnen eine wahre Stärke 
mitzuiheilen , und dab die Kräfte hintennach in demselben 
Verhältnisse wieder sinken, als sie zuvor erregt worden wa- 
ren, wodurch man keinen Vortheil erhalte, sondern die 
Kräfte gröbtentheiU verloren giugen. 



152 

nichts Besseres, als den jeden Reiz in der Erstwir- 
kang nnterdrtickendcn MoLnsaft zu geben, welcher 
davon die erste N^icht vielleicht schweigt, aber die 
folgenden Nächte nur desto angreifender wird, und 
•wenn er dann nochmals and abermals mit diesem 
Palliative in bochgcsteigerter Gabe unterdrückt wird, 
so; kommt Fieber i^id Nachtschweüs hinzu; — - eine 
geschwächte Harnblase und daher rührende Harn- 
ve^baltang snchte man. durch den antipathischen Ge- 
gepsatz der die Hamwege aufreizenden Canthariden- 
tinctur zu besiegen, wodurch zwar Anfangs «Auslee- 
rung des Urins erzwungen, hinterdrein aber die Blase 
noch unreizbarer und unvermögender wird, sich sa- 
sammenznziehen, un^ die Harnblasen-Lähmung ist vor 
der Thtire; — mit den in starker Gabe die Därme 
zu häufiger Ausleerung reizenden Purgir - Arzneien 
und Laxir- Salzen wollte man alte Neigung zu Leib- 
verstopfang aufheben, aber in der Nachwirkung ward 
der Leib gewöhnlich nur desto verstopfter; ^- lang- 
wierige Schwäche will der gemeine Arzt durch Wein- 
trinken heben, was doch' nur in der Erstwirknng auf- 
reizt, daher sinken die Kräfte nur desto tiefer in der 
Nachwirkung; — durch hitzige Gewürze will er lang- 
wierig schwache und kalte Magen stärken und er- 
wärmen, aber der Magen wird von diesen Palliativen 
in der Nachwirkung nur desto unthätiger; -— lang 
anhaltender Mangel an Lebenswärme und Frostig- 
keit soll auf verordnete warme Bäder weichen, aber 
desto matter, kälter und frostiger werden die Kran- 
ken hinterdrein; — stark verbrannte Theile fühlen 



153 

auf BekandlongmU kaltem Wasser zwar angenl^ck- 
liehe ErleichtemDgy aber der Breilnschmera vermehrt 
sich hiaterdreäit BDglatiblich, mid die EntssätidBBg 
greift mn sich und steigt zu ei^em de^ta höbera 
Grade (man sebe die Einleitung ^ %u Ekide)^ ^^ 
durch Schleim erregende P*ßesemittel wiH man alten 
Stockschnupfen heben, merkt aber nicht, daf& er 
durch diefs Entgegengesetzte unmer mehr (in dier 
Nachwirkung) sich yerseblimmert^iUnd die Na^e nur 
verstopfter wird; — mit den in der Erstwirknng die 
Mnskelbewegungi stark aufreisenden Potensen, der 
Electrisität und dem Galvanism, setzte man langwie- 
rig schwache, fast läbmige Glieder schneU in tfaätjU 
gcre Bewegung; die Folge aber (cdie Nacbmrkiäigf) 
war gäntllche ErtödtOQg aller. Muskti^l-Reisbarkeit ni^d 
v^Uendele Lähmung; -— mit Aderlassen wollt» mati. 
langwierigen Blutandrang nach dem Kopfe wegneh- 
men, aber es erfolgte darauf stets grolsere Blntauf«« 
Wallung; — die läbmige Trägheit der Körper* und 
Geistesorgane, mit Unbesinnlichkeit gepaart, welche 
in vielen Typhus -Arten vorberrscben, weifs die ge- 
meine Arzneikunst mit nichts Besserm zu behandeln, 
als mit grofsen Gaben Baldrian, weil dieser eins der 
kräftigsten, ermunternden und beweglich machenden 
Arzneimittel sey; ihrer Unwissenheit war aber nicht 
bekannt, dals diese Wirkung blofs Erstwirkung ist, 
und dafs der Organi&m nach derselbe^ jedesmal in 
der Nachwirkung j^ Gegenwirkung) in eine desto grör 
fsere Betäubung und Bewegungslosigkeit, das ist, in 
Lähmung der Geistes- und Körp(sr - Organe (und 



154 

"fod)' mit Gewifsbfeit TerfölU; sie sahen nicht, dats 
gerade diejenigen Kranken > die sie* am meisten mit 
dem hier opponirton, antipathisctien Baldrian fßtter- 
ten, am nnfeUbarsten starben. — Wie oft man, 
mit einetai Worte, darch solche ' entgegengesetzte 
(dntipathische) Mittel in der Nachwirkang die Krank- 
heit verstärkte , auch oft noch etwas Schlimmeres 
damit erreichte, sieht die falsche Theorie nichts aber 
die Erfahrung lehrt es mit Schrecken. 

§. 56. 
Entstehen nnn diese, vom antipathischen Ge- 
brauche der Ann^ien sehr natürlich zn erwartenden« 
fibeln Folgen, so weifs sich der 'gewShnKche Ant 
dadurch, wie er glaubt, sn helfen, dafs er, bei jeder 
^meueten Verschtimmernng, eine verstärktere Gabe 
des Mittels reicht, wovon danu ebenfalls nur kara- 
dauemde Beschwichtigung und bei dann noch d5- 
thiger, immer höherer Steigerung des Palliativs ent- 
weder ein anderes, gröfseres Uebel, oder oft gar 
Lebensgefahr und Tod erfolgt, nie aber Heilung; 
eines etwas älteren oder alten Uebels. 

§. 57. 
Wären die Aerzte fähig gewesen, über 
trolche traurige Erfolge von opponirter 
Arzneianwendung nachzudenken, so wür- 
den sie schon längst die grofse Wahrheit 
gefunden haben, dafs im geraden Gegen- 
iheile i^on solcher antipathischen Behand- 
lung der Krankheitssymptome die tpahre, 
dauerhafte Heilart zu finden seyn müsse; 



155 

sie würden inae geworden seyn, dafs, so wie eine 
den Krankheitssyniptomen entgegf^ngesetate Arznci- 
wirknng (andpathisch angewendete Arznei) nnr korz- 
dauernde Erleichternng und nach ihrer Yerfliefsang 
stets Verschlimmernng zur Folge hat, nothwendig 
das umgekehrte Verfahren, die homöopathische 
Anwendung der Arzneien nach ihrer Sympto-» 
men-Aehnlichkeit eine dauernde, vollständige Hei- 
lang znwcge bringen mülsse, wenn dabei, das Ge^ 
gentheii ihrer grofsen Gaben, die allerkleinsten ge- 
geben würden. Aber weder faiednrch, noch dadurch, 
dafs kein Arzt je eine dauerhafte Heilung in altern 
oder alten liebeln bewirkte, wenn si^h in seiner Ver- 
ordnung nicht ein vorwirkcndes homöopathisches Arz- 
neimittel befand (siehe die Einleitung II.), auch 
nicht dadurch, dafs alle schnelle, vollkommne Hei- 
lung, die je von der Natur zu Stande gebracht wor- 
den (§• 410 stets nur durch eine ähnliche, zu der 
alten hinzugekommene, Krankheit bewirkt ward, ka- 
men sie in einer so grofsen Reihe von Jahrhunder- 
ten auf diese einzig heilbringende Wahrheit. 

§. 58. 
Woher aber dieser verderbliche Erfolg des pal- 
liativen, antipathischen Verfahrens, und die Hcilsam- 
keit des umgekehrten, des homöopathischen Verfah- 
rens rühre, erklären folgende, aus vieKaltigen Beob- 
achtungen abgezogene Erfahrungen, die niemandem 
vor mir in die Augen fielen, so nahe sie auch la- 
gen, so einleuchtend und so unendlich wichtig sie 
auch zum Heilbehufe sind. 



156 

^ 59. 

Jede auf das Leben einwirkende Potens, jede . 
Arznei stimmt die Lehenskraft mehr oder weniger 
nm, erregt eine gewisse Befindens -Yerändemng im 
Menschen auf längere oder kürzere Zeit. Man be- 
nennt sie mit dem Namen: Erstwirknng. Sie 
gehört, ohgleich ein Prodact ans Arsnei- nnd Le- 
bens -Kraft, doch mehr der einwirkenden Potenz an. 
Dieser Einwirkung bestrebt sich nnsre Lehenskraft 
ihre Energie entgegen zn setzen« Diese Rückwir- 
kung gehört unserer Lebens -ErhaltungSo^Kraft an -— 
eine automatische Thätigkeit derselben, Nachwir-r 
kung od€r Gegenwirkung genannt 

^ 60. 

Bei der Erstwirkung der künstlichen Krankheits- 
Potenzen (Arzneien) auf unsem gesunden Körper 
scheint sich dielse, nnsre Lebenskraft blofs empßn^- 
lich (receptiv, gleichsam leidend) zu verhalten und, 
so s^u sagen, wie gezwungen die Eindrücke der von i 
anfsen einwirkenden Kraft in sich geschehen zn las- 1 
sen, dann aber sich gleichsam wieder zn ermanneo, 

■ 

nnd dieser in sie geschehenen Einwirkung (Erst- 
wirknng) a) wenn es davon ein Entgegengesetztes 
gicbt, den gerade entgegengesetzten Befindens-Zustand 
(Gegenwirkung, Nachwirkung) hervorzubrin- 
gen in gleichem Grade, als grofs die Einwirkong 
(Erstwirkung) der krankhaften^ oder arzneilieben 
Potenz auf sie gewesen war und nach dem Mafse 
ihrer eignen Energie — oder, b) wo es einen der 
Erstwirkung gerade entgegengesetzten Zustand in 



157 

der NatoT nicht gicbt, scheint sie sich zn bestreben, 
sich i&a indifTenziren, ä. i. ihr Uebergewicht geltend 
ta machen darcfa Anslöscben der von anfsen (durch 
die Arznei) in ihr bewirkten Yeränderangy an deren 
Stelle sie ihre Norm wieder einsetzt (Nachwir* 
knng, Heilwirkung). 

?. 61. 
Beispiele von n) liegen jedermann vor Augen. 
Eine in heifsem Wasser gebadete Hand ist zwar 
anfanglich viel wärmer als die andre, nngebadete 
Hand (Erstwirküng), aber von dem heifsen Wasser 
entfetnt und gänzlich wieder abgetrocknet, wird sie 
nach einiger Zeit kalt nnd endlich viel kalter^ als 
die andre (Nachwirkung). Nacb starker Erhitzung 
von heftiger Leibesbewegung (Erstwirkung) erfolgt 
Frost nnd Sphander (Nachwirkung). Dem gestern ' 
dnrch viel Wein Erhitzten (Erstwirkung) ist heute 
jedes Lüftchen zu kalt (Gegenwirkung des Orga- 
nisms, Nachwirkung). Ei^n in das kälteste Wasser 
lange getauchter Arm ist zwar anfanglich weit blas- 
ser und kälter (Erstwirkung), als der andre, aber 
vom kalten W^asser entfernt nnd abgetrocknet, wird 
er nachgebends nitht nur wärmer, als der andre, 
sondern sogar, heifs, roth und entzündet (Nachwir- 
kung, Gegenwirkung des Körpers). Auf starken Kaf- 
fee erfolgt Uebermunterkeit (Erstwirkung), aber hin- 
tennach bleibt lange Trägheit und Schläfrigkeit zu- 
rück (Gegenwirkung, Nachwirkung), wenn diese 
nicht immer wieder dnrch neues KalKeetrinken (piaU 
liativ) auf kurze Zeit hinweggenommen ' wird. Auf 



158 

von Mohnsaft erzcagten tiefen Betanbangs - Schlaf 
(Erstwirknng) wird die nachfolgende Nacht desto 
schlafloser (Gegenwirkung, Nachwirkung ). Nach der 
darch Mohnsaft erzeugten Lcibverstopfnng (Erstwir- 
kung) erfolgt Dorcbfälligkeit (Nachwirkung) nnd nach 
dein mit Darm erregenden Arzneien bewirkten Pur- 
giren (Erstwirknng) erfolgt mehrtägige Leibversio- 
pfnng und Hartleibigkeit (Nachwirkung). Und sa' 
wird überall anf jede Erstwirknng einer das Befin- 
den des gesunden Körpers stark umändernden Po- 
tenz in grofser Gabe stets das gerade Gegentheil, 
wo a) es positiv dergleichen giebt, durch unser Le- 
ben in der Nachwirkung zu Wege gebracht 

§. 62- 
Eine auffallende, opponirte Nachwirkung ist aber 
begreiflicher Weise nicht bei Einwirkung ganz klei- 
ner homöopathischer Gaben der umstimmenden Po- 
tenzen im ge&unden Körper wahrzunehmen. Ein 
W^enig von diesem allen bringt zwar eine bei ge- 
höriger Aufmerksamkeit wahrnehmbare Erstwirkung 
hervor; aber der lebende Organism macht dagegen 
nur so viel Gegenwirkung (Nachwirkung), als zur 
Wiederherstellung ^des gesunden Zustandes erfor- 
derlich ist. 

§. 63. 
Diese aus Natur und Erfahrung sich von selbst 
darbietenden, nnwidersprechlichen Wahrheiten er- 
klären uns den htilfreichcn Vorgang bei homöopa- 
thischen Heilungen, so wie sie ^^uf der andern Seite 
die Verkehrtheit der antipathi suchen und palliativen 



159 

BehandloD^ der Krankheiten mit e&tgegengc^cttt wir- 
kenden Arzneien dartban ^). 

§.64. 
Bei homöopathischen Heilnngen seigfin sie 
DDs, dafs anf die nngemcin kleinen Gaben Arznei 



1} Blofs bei höchst dringenrien gefahren, in nen ent- 
standnen Uebeln, hei yorher gesunden Mensclien, z. b. hei 
Asphyxien und dem Scheintode vom Bh'tze, FOih £rsti<;keny 
Erfrieren, Ertrinken u. s. w., ist es erlaubt nnd zwecknia- 
fsig, durch ein Palliativ, z. B. durch gelinde electrische Er- 
schütterungen, durch Klystiere von starkem KafTee, durch 
ein excitirendes Riechmittel, allinalige Erwärmungen u. s. w., 
vorerst wenigstens die Reizbarkeit und Empfindung (das 
physische Lehen) wieder aufzuregen; isi^s dann nnr aufge- 
regt, so gebt das Spiel der Lehensorgane wieder seinen 
vorigen gesunden Gang fort, wie es von einem vorher 
gesunden Korper zu erwarten ist. Hieher gehören auch 
verschiedne Antidote jählinger Vergiftungen: Alkalien ge- 
gen Mineralsäuren, Schwefelleber gegen Metallgifte, Kaffee 
und Campher (und Ipecacaanha) gegen Opium -Vergiftun- 
gen, u. s. w. 

Auch i«t eine homöopathische Arznei defshalh noch 
nicht gegen einen Krankheitsfall unpassend gewählt, wenn 
einige Arzneisymptome einigen mittlem und kleinen Krank- 
heitssymptomen nur antipathisch entsprechen; wenn nur die 
obrigen, die stärkern, vorzüglich ausgezeichneten (charak- 
teristischen) und sonderlichen Symptome der Krankheit 
durch dasselbe Arzneimittel mit Symptomen -Aehnlichkeit 
(homöopathisch) gedeckt und befriedigt, das ist, überstimmt, 
vertilgt und ausgelöscht werden; dann vergehen auch die 
>ivenigen entgegengesetzten Symptome nach verflossener W5r- 
kungsdauer de» Medicameiits von selbst, -ohne im mindesten 
die Heilung zu vefzögern. T . . 



160 

($. 273 --281.)» dk bei tlieser Heilart notbig sind, 
welche nnr so eben binreicfaend waren, dorcb Atlm- 
lichkeit ibrer Symptome die abnlicbe natürlicbe Krank- 
heit KU überstimmen nnd aoszoloschcn, zwar, nach 
Yertügang der letztem, Anfangs noch einige Arznci- 
krankheit allein im Organismus fortdauert, aber, der 
aufs erordentlichen Kleinheit der Gabe wegen, so 
überhingehend, so ^leicht and so bald von selbst 
verschwindend, dafs der Organism gegen diese kleine, 
kUnstlicbe Verstimmang seines Befindens keine be- 
deutenderc Gegenwirkung vorzunehmen nöthig hat, 
als zur Erhebung seines jetzigen Befindens aaf den 
gesunden Standpunkt,, das ist, zur völligen Herstel- 
lung gehört, wozu er nach Verschwindung aller 
krankhaften Verstimmung wenig Anstrengung bedarf 
(s. §• 61. *.)• 

Bei der antipathischen (palliativen) Verfiahrungs- 
art aber geschieht gerade das WiderspieL Das dem 
Krankheitssymptome vom Arzte entgegengesetzte An- 
neisymptom (z. B. die gegen den empfindlichen 

» 

Schmerz vom Mohnsaft in der Erstwirknng erzeugte 
Unempfindlichkeit und Betäubung) ist zwar dem er- 
stem nicht fremdartig, nicht allopathisch, es ist offen- 
bai'e Beziehung des Arzneisymptoms auf das Krank- 
heitssymptom sichtbar, aber die umgekehrte; die 
Vernichtung des Krankheitssymptoms soll hier durch 
ein opponirtcs Afzneisymptom geschehen, was nn- 
OM)glich ist. Zwar biertihrt die antipathisch gewählte 
Arznei auch denselben krankhaften Punkt im Orga- 

nism. 



N 



161 

msm, so gewifs als die ähnlich krankmachende, hö^ 
moopathisch gewählte Arznei; erstere verdeckt aher 
nnr als ein Entgegengesetztes das entgegengesetzte 
Krankheitssymptom und macht es nur anf karze Zeit 
nnmerklich, so dafs im ersten Momente der Einwir- 
kung des opponirten- Palliativs der Organism Ton 
beiden nichts Unangenehmes fühlt (weder von dem 
Krankheits* noch, vom entgegengesetzten Arzneisym- 
ptome), da sie sich beide einander gegenseitig anf* 
gehoben nnd gleichsam dynamisch nentralisirt tu ha- 
ben scheinen (z. B. die Betäabnngskraft des Mohn- 
saftes, den Schmerz). Der Organism fühlt sich in 
den ersten Minuten wie gesnnd nnd fühlt weder 
Mohnsaft-Betäubnng, noch Krankheitsschmerz. Aber 
da das opponirte Arzneisymptom nicht (wie beim 
bomöopathischcn Verfahren) die Stelle der vorhand- 
nen Krankheitsverstimmang im Organism als eine 
ähnliche, stärkere (künstliche) Krankheit ein- 
nehmen, also die Lebenskraft nicht, wie eine ho- 
möopathische Arznei, mit einer sehr ähnlichen Knnst- 
Krankheit afficiren kann, um so die bisherige na- 
türliche Krankheits -Verstimmung in ihr auszulöschen, 
so mnfs die palliative Arznei, als ein von der Krank- 
heitSr Verstimmung durch Gegensatz gänzlich Abwei- 
chendes, die Krankheits -Verstimmung unvertilgt las- 
sen; sie macht sie zwar dem Organism, wie gesagt, 
durch einen Schein von dynamischer Neutralisation ^) 



1) Im lebenden Menschen findet keine bleibende Neu- 
trali^lioQ streitiger oder entgegeogeseteter Empfindungen 

L 



Ifi2 

anfönglich onfiihlbar, yerloschl aber bald wie jede 
Araneikrankbeit von selbst, nnd lafst nicht nur die 
Krankheit, wie sie vorher war, cnrück, sondern no- 
thigt anch den Organism (da sie, wie alle Palliative, 
in grofser Gabe gegeben werden tnnlste, nm die 
Schein -Besch wich tignng ra erreichen), einen oppo- 
nirten Zustand ($• 59 — 61.) auf diese palliative 
Arznei hervorsubringen , das Gegentbeil der Arsnei- 
wirkang, also das Aehnlicbe von der vorhandneo, 
ungetilgten, natürlichen Krankheitsverstimmung, die 
durch diesen vom Organism erfolgten Znsatz (Ge* 
genwirkung auf das Palliativ) nothwendig verstärkt 
und. vergrofsert wird '^* D-as Krankheitssym- 



statt, wie etwa bei Substanzen entgegengesetzter Eigen- 
schaften in der chemischen Werkstatt, wo z. B. Schwefel- 
sSnre und Potasch-Kal! sich zu einem ganz andern We- 
sen, «u einem Neutralsalze vereinigen, was nun weder Saure, 
noch Laogensalz mehr ist nnd sich selbst im Feuer nicht 
wieder zersetzt Solche Zusammenschmelzungen und innige 
Vereinigungen zu etwas bleibend Neutralem und Gleich- 
gültigem finden, wie gesagt, bei Eindrücken entgegenge- 
setzter Natur in unsern Eropfindungs -Werkzeugen nie statt 
Nur ein Schein von Neutralisation und gegenseitiger Auf- 
hebung ereignet sich in diesem Falle anfanglich, aber die 
opponirten Gefühle heben einander nicht dauernd auf. Dem 
Traurigen werden durch ein lustiges Schauspiel nur kurze 
Zeit die Thränen getrocknet; er vergifst aber die Possen 
bald und seine Thranen flielsen dann nur desto reichlicher. 

1) So deutlich diels ist, so hat man es denhoch miCs- 
verstanden und gegen diesen Satz eingewendet, „dals das 
„Palliativ in seiner Nachwirkung, welche dann das Aehn- 
„ liehe von der vorhandenen Krankheit sey, wohl eben so 



^ 



163 

ptom (die Krankheit) wird also schlimmer 
nach verflossener "Wirknngsdaner des Pal- 
liativs; dßsto schlimmer, je grofflir die 
Gabe des Palliativs gewesen war. Je gröfser 
(nm bei demselben Beispiele sn bleiben) die snr 
Yerdecknng des Schmerzes gereichte Gabe Mohn^ 
saft gewesen war, nm desto mehr vergröfsert sich 
der Schmerz über seine ursprüngliche Heftigkeit, so- 
bald der Mohnsaft ausgewirkt hat ^). 

4. 66. 

Nach dem bisher Vorgetragenen ist es nicht 

za verkennen: 

dafs alles, was der Arzt wirklich Krankhaftes nnd 

so Heilendes an Krankheiten finden kann, blofs 

in den Beschwerden des Kranken und den an 



„gut heilen müsse, als eine homöopathische Arznei durch 
„ihre Erstwirknng thue.'* Man bedachte aber nicht, dals 
die Nachwirkung nie ein Erzeugnifs der Arznei, sondern 
stets der gegenwirkenden Lebenskraft des Organisms sey, 
also diese von der Lebenskraft auf Anwendung eines Pal- 
liativs herrührende Nachwirkung ein dem Krankbeits-Synb- 
ptome ähnlicher Zustand sey, den eben das Palliativ unge- 
tilgt liefs, und den die Gegenwirkung der Lebenskraft auf 
das Palliativ folglich noch verstärkte. 

1) Wie wenn in einem dunkeln Kerker, wo der Ge- 
fangene nur mk Mühe die nahen Gegenstände erkennen 
konnte, jähling angezündeter Weingeist dem Elenden auf 
einmal alles um ihn her tröstlich erhellet, bei Verlöschung 
desselben aber, je starker die nun verloschene Flamme vor- 
her gewesen war, ihn nun eine nur desto schwärzere Nacht 
umgiebt und ihm alles umher weit unsichtbarer macht, als 
vorher. 

L 2 



164 

ihm sinnlich wahrnehmbaren Yerandcmngen 
. seines Befindens, -mit einem Worte, blofs in 
dtt Gesamnitheit der Symptome bestehe, durch 
welche die Krankheit die zu ihrer Hülfe geeig* 
nete Arznei fordert, hingegen jede ihr ange- 
dichtete, innere Ursache nnd verborgene Be- 
' schafFenheit ein nichtiger Tranm sey; 

da(s diese Befind ens-Verstimmang, die wir Krank- 
heit nennen, blofs darch eine andre Befindens- 
Umstimmnng mittels Arzneien znr Gesundheit 
.: g^radit werden könne, deren einzige Heilkraft 
folglich nnr in Yerändernng des: Menschenbe- 
' findens das ist, in eigenthümlicher Erregang 
krankhafter Symptome bestehen kann, nnd am 
dcntlichsten nnd reinsten beim Probiren der- 
selben an gesunden Körpern erkannt wird; 

dafs,. nach allen Erfahrungen, durch Arzneien, die 
einen von der zu heilenden Krankheit abwei- 
eben den, fren»]artigen Krankheilszustand (na- 
ähnliche krankhafte Symptome) für isich in ge- 
sunden Menschen zu erregen vermögen, die 
ihnen unähnliche natürliche Krankheit nie ge- 
heilt werden könne (nie also durch ein allo- 
pathisches Cur- Verfahren), und dafs selbst 
in der Natur keine Heilung vorkomme, wo 
eine inwohnende Krankheit durch eine hinzu- 
tretende zweite, jener unähnliche, aufgehoben, 
vernichtet und geheilt würde, sey die nepe auch 
noch so stark; 

dafs auch, nach aUcn Erfahrungen, durch An- 



/ 



165 

neien, die em dem zu heilenden Krankheits- 
sjmptomc entgegengesetztes künstliches 
Krankheitssyniptom für sich im gesunden Men- 
schen zn erregen Neigung haben, biofs eine 
schnell voriüibergehende Linderung, nie aber 
Heilung einer älicrn' Beschwerde, sondern stets 
nachgängige Yerschlimmerang derselben be- 
wirkt werde; und dafs, mit* einem Worte, 
diefs antipathisch'e und blofs palliative Verfah- 
ren in altem, wichtigen Uebeln darchans zweck- 
widrig sey; 
dafs aber die dritte, einzig noch übrig mögliche 
Verfahmngsart (die homöopathische), wo- 
durch gegen die Gesammthcit der Symptome 
einer natürlichen Krankheit eine, möglichst ähn- 
liche Symptome in gesunden Menschen zu er- 
zeugen fähige Arznei in angemessener Gabe 
gebraucht wird, die allein hülfreiche Heilart 
sey, wodurch die Krankheiten als blofs dyna- 
mische Yerstimmungs- Reize der Lebenskraft, 
vnbeschwerlicb, vollkommen und dauerhaft aus- 
gelöscht und vernichtet, zu existiren aufhören 
müssen — worin auch die freie Natur in ihren 
zufalligen Ereignissen selbst mit ihrem Beispiele 
uns vorangeht, wenn zu einer alten Krankheit 
eine neue, der alten ähnliche hinzutritt, wo- 
durch die alte schnell und auf iimner vernich- 
tet und geheilt wird. 

§. 67. 
Da es nun weiter keinem Zweifel miterworfen 



166 

ist, dafs die Krankheiten des Menschen blob in 
Gruppen gewisser Symptome bestehen, durch einen 
ArzneistolT aber blofs dadarch, dafs dieser äfanliclie 
krankhafte Symptome kUnstlich zu erzeugen vermag, 
vernichtet und in Gesundheit verwandelt werden 
(worauf der Vorgang aller ächten Heilung bcmht), 
so wird sich das Heilgeschäft auf folgende drei 
Punkte beschränken: 

/• Wie erforscht der Arzt, was er zum Heilbe- 
bufe von der Krankheit zu wissen nothig hat? 
//• Wie erforscht er die zur Heilung der natiir- 
lichen Krankheiten bestimmten W^erkzenge, die 
krankmachende Potenz der Arzneien? 
III. Wie wendet er diese kttnstlichcn Krank- 
beitspotcnzen (Arzneien) zur Heilung der 
natürlichen Krankheiten am zweckmälsig- 
sten an'? ^ 

4. 68. 
Was den ersten Punkt betrifft, so dient Fol- 
gendes zuvorderst als allgemeine Uebersicht Die 
Krankheiten der Menschen sind theils schnelle Er- 
krankungs^Processe der innormal verstimmten Le- 
benskraft, welche ihren Verlauf in mäfsiger, mebr 
oder weniger kurzen Zeit zu beendigen geeignet 
sind; man nennt sie acute Krankheiten — theils 
sind es solche Krankheiten, welche bei kleinen, oft 
unbemerkten Anfangen den Organism, jede auf ihre 
eigne Weise, einnehmen und ihn allmälig so vom 
gesunden Znstande entfernen, dafs die zur Erhal- 
tung der Gesundheit bestimmte, automatische Le- 



r 



167 

bens -Energie, Lebenskraft genannt, ihnen beim An- 
fange, wie bei ihrem Fortgange, nnr nnvollkomm« 
nen, unsweckmäfsigen» unnützen Widerstand ent- 
gegensetzen, sie aberj für sich, nicht selbst anslö« 
sehen kann, sondern, nnmächtig, sie wochem las- 
sen mnfs, bis snr endlichen Zerstörung des Orga- 
nisms; man nennt sie chronische Krankheiten. 
Sie entstehen yon Ansteckung mit einem chroni- 
schen Miasm* 

4. 69. 
Was die acuten Krankheiten betrifft, so sibd 
sie theils solche, die den einzelnen Menschen befal- 
len auf Veranlassung von Schädlichkeiten, de- 
nen gerade er insbesondere ausgesetzt war. Aus- 
schweifungen in Genüssen, oder ihre Entbehrung» 
physische heftige Eindrücke, Erkältungen, ErhiCzun- 
gen, Strapazen, Verheben \u s. w. oder psychische 
Erregungen, Affecten u. s. w. sind Veranlassung sol- 
cher acuten Fieber, im Grunde aber meist nur tiber- 
hingehende AufloderuQgen latenter Psora, welche 
wieder in ihren Schlummer - Zustand zurückkehrt, 
wenn die acuten Krankheiten nicht allzuheftig wa- 
ren und bald beseitigt, oder geheilt wurden — theils 
sind es solche, welche einige Menschen zugleich, 
hie und dort (sporadisch) befallen von meteori- 
schen oder tellurischen Schädlichkeiten« wovon krank- 
haft erregt zu werden, nur einige Menschen zu der 
Zeit Empfänglichkeit besitzen; an welche jene grän- 
zen, wclcl^e viele Menschen aus ähnlicher Ursache 
unter sehr ähnlichen Beschwerden (epidemisch) 



168 

ergreifen, die dann gewöbnlicb, wenn sie gedrängte 
Massen von Individncn überziehen, ansteckend (con« 
tagiös) %u werden pflegen. Da entstehen Fieber ^), 
jedesmal Ton eigner Natnr, nnd weil die Krankheiu- 
Fälle gldlchen Ursprungs sind, so versetzen sie auch 
stets die daran Erkrankten in einen gleichartigen 
Krankheits-Procefs, welcher jedoch, sich selbst über- 
lassen, in einem mäfsigen Zeiträume, zn Tod oder 
Genesung sich entscheidet. Kriegs -Nolh, Ueber« 
schwemmnngen nnd Hnngersnoth sind ihre nicht sel- 
tenen Veranlassungen nnd Erzeugerinnen ^- theils 
sind es auf gleiche Art wiederkehrende (daher unter 
einem hergebrachten Namen bekannte) eigenartige, 
acute Miasmen, die entweder den Menschen nnr 
einmal im Leben befallen, wie die Menschenpocke, 
die Masern, der Keichhnsten, das ehemalige glatte, 
helLrothe Scharlach - Fieber ^) des Sydenham^ die 



X) Der homöopatbische Arzt, welcher nicht von Vor* 
urtheilen befangen ist, welche die gewöhnliche Schule er- 
Bann (die einige wenige Namen solcher Fieber festsetzte, 
aufser denen die grofse Natur keine andere hervorbringen 
dürfe , um bei - ihrer Behandlung nach einem bestimmten 
Leisten ver&hren zu können), erkennt die Namen: Kerker-, 
Gallr, Typhus-, Faul-, Nerven- oder Schleim -Fieber nicht 
an, sondern heilt sie, jedes nach seiner Eigenthiimlichkeit. 

, Ji) Nach dem Jahre 1801 ward ein aus Westen ge- 
kommenes Purpur -Friesel mit dem Scharlachfieber von den 
Aerzten verwechselt, ungeachtet jenes ganz andre Zeichen 
als dieses hatte und jenes an Belladonna, dieses an Aconit 
sein Schutz* und Heilmittel fand, letzteres auch meist nor 
sporadisch, ersteres stets nur epidemisch erschien» In den 



169 

Mamps,. Up $• Wf oder die of) anf xlemlich ähn- 
liche Welse wiederkehrende, levantische Pest, das 
gelbe Fieber der Klistenländcr^ die ostindische Cho- 
lera, n« s/ w« 

§. 70. 
Sehr nneigentlich werden diejenigen Krankhei- 
ten chronische benannt, welche Menschen erleiden, 
die sich fortwährend vermeidbaren Schädlichkei- 
ten aussetzen, gewöhnlich schädliche Getränke oder 
Nahrangsmittel geniefsen, sich Ansschweifangen man- 
cher Art hingeben, die die Gesundheit untergraben, 
zum Leben nöthige Bedürfnisse anhaltend entbeh- 
ren, in ungesunden, yorzüglich sumpfigen Gegenden 
sich aufhalten, nur in Kellern oder andern verschlos*- 
senen Wohnungen hausen, Mangel an Bewegung 
oder freier Luft leiden oder sich durch übermäfsige 
Körper- oder Geistes -Anstrengungen um ihre Ge- 
sundheit bringen, in stetem Yerdrusse leben, u. s. w. 
Diese sich selbst zugezogenen Ungesundheiten ver- 
gehen, wenn nicht sonst ein chronisches Miasm im 
Körper liegt, bei gebesserter Lebensweise von selbst 
und können den Namen chronischer Krankheiten 
nicht führen. 

§. 71. 
Die wahren chronischen Krankheiten sind 
die von einem chronischen Miasm entstandenen, 



letztem Jahren scheinen sich hie und da beide zu einem 
Ausschlagsfieber von eigner Art verbunden zu haben, gegen 
welches das eine wie das andre Heilmittel nicht mehr ge- 
nau homöopathtsch passend gefunden wird. 



170 

welche fiir sich und, ohne die flQr sie specifischen 
Heilmittel, immerdar zanehmcn nnd bei dem be$ten, 
geistig nnd korperh'ch diätetischen Verhalten den- 
noch steigen nnd den Menschen mit immerdar er- 
höheten Leiden bis ans Ende des Lebens qnaleD. 
Diese sind die allersahlreichstcn nnd gröfsten Peini- 
ger des Menschengeschlechts, indem die robusteste 
Körper- Anlage, die geordnetste Lebensweise und 
die thätigste Energie der Lebenskraft sie sn vertil- 
gen anfser Stande sind. 

§. 72. 
Man kannte bisher nnr die Syphilis einigenna- 
fsen als eine solche chronisch miasmatische Krank- 
heit, welche nngeheilt nor mit dem Ende des L^ 
bens verlischt. Die, für sich nnd nngeheilt, gleich- 
falls von der Lebenskraft nnvertilgbare Sjkosis (Feig- 
warzenkrankheit) erkannte man nicht als eine innere 
chronisch miasmatische Krankheit eigner Art, vie 
sie doch unstreitig ist nnd glaubte sie durch Zerstö- 
rung der Auswüchse anf der Haut geheilt zu haben, 
ohne das fortwährende Siechthnm von ihr zu be- 
merken. 

§. 73. 
Unermefslich grofser nnd bedeutender als g^ 
nannte beide, chronische Miasmen aber ist das chro- 
nische Miasm der Psora, welche, während jene beide, 
die eine darch den venerischen Schanker, die andre 
durch die blamenkohl - artigen Auswüchse ihr spea- 
fisches inneres Siechthnm bezeichnen , ihrentbeils 
ebenfalls erst nach vollendeter innerer Infection des 



171 

ganzen Organisms durch den eigenartigen Hant-Aas-' 
schlag mit unerträglich kitzelnd wohllüstigem Jticken 
(nnd specifischem Gernche) das innere, ungeheure 
chronische Miasm beurkundet -— die Psora, die ein- 
zig wahre Grund*Ursache nnd Erzeugerin aller 
der übrigen vielen, ja unzähligen Krankheits- For- 
men ^), welche unter den Namen von Nerven- 



1) Zwölf Jahre brachte ich darüber zu, um die Quelle 
jener unglaublich zahlreichen Menge langwieriger Leiden 
aufzufinden 9 diese der ganzen Vor- und Mitwelt unbekannt 
gebliebene, grofse Wahrheit zu erforschen und zur Gewifs- 
heit zu bringen und zugleich die (aiatipsorischen) Heilmitlei 
EU entdecken, welche zusammen diesem tausendköpfigen Un- 
geheuer von Krankheit grölstentheils gewachsen wären in ih- 
ren so sehr verschiednen Aeufserungen und Formen. Ich habe 
meine Erfahrungen hierüber in dem unlängst erschienenen 
Bache: Die chronischen Krankheiten (3Thle. Dresd. b. 
Arnold, 1828.) vorgelegt. — £her als ich mit dieser Kennt- 
nits im Reinen war, konnte ich die sämmtlichen chronischen 
Krankheiten nur als abgesonderte, einzelne Individuen be- 
handeln lehren mit den nach ihrer reinen Wirkung an ge- 
sunden Menschen bis dahin geprüften Arzneisubstanzen, so 
dafs jeder Fall langwieriger Krankheit nach der an ihm an- 
zutreffenden Symptomen- Gruppe gleich als eine eigenartige 
Krankheit von meinen Schülern behandelt und oft so weit 
geheilt ward, daCs die kranke Menschheit über den schon 
80 weit gediehenen Hül&-Reichthum der neuen Heilkunst 
frohlockte. Um wie viel zufriedner kann sie nun seyn, 
dafs sie dem gewünschten Ziele um so näher kommt, indem 
ihr die nun hinzu gefundenen, für die aus Psora hervor- 
keimenden, chronischen Leiden noch weit specifischer ho- 
möopathischen (eigentlicher so zu nennenden, antipsori- 
schen) Heilmittel und die specielle Lehre, sie zu bereiten 



173 

Schwäche, Hysterie, Hypochondrie, Manie, Melan- 
cholie, Blödsinn^ Raserei, Fallsacht nnd Krämpfen 
aller Art, von Knochen-Erweichang (Rhachüis), Sko- 
liosis und Kyphosis, Knochenfäale, Krebs, Blat- 
schwamm, Afterorganisationen, GIchtj HämorrhcHden, 
(reib- und Blansncht, Wasserspcht, Amenorrhoe 
nnd Blntsturz ans Magen j Nase, Longen,, ans der 
Harnblase, oder der Bährniutter, von Asthma nnd 
Lnngenverclternng, von Impotenz nnd Unfruchtbar- 
keit, von Migräne, Taubheit, grauem und schwarzem 
Staar, Nierenstein, Lähmungen, Sinne -Mängel und 
Schmerzen tausenderlei Art, u. s. w. In den Patho- 
logien als eigne, abgeschlossene Krankheiten fign- 
rlren. 

Es wird dadurch, dafs dieser uralte Ansteckungs- 
Zander nach und nach. In einigen hundert Genera- 
tionen, durch viele Millionen menschlicher Orga- 
nismen ging und so zu einer unglaublichen Ausbil- 
dung gelangte, einigermafsen begreiflich, wie er sich 
nun in so unzähligen Krankheits- Formen an dem 
grofsen Menschen-Geschlechte entfalten konnte, vor- 
züglich wenn wir uns der Betrachtung überlassen, 



und anzuwenden, mitgetbeilt worden, unter denen nun der 
ächte Arzt diejenigen zu Hülfe wählt, deren Arznei-Sym- 
ptome der zu heilenden, chronischen Krankheit am ähnh'cb- 
sten (homöopathisch) entspricht, und so von den für die- 
ses Miasm geeignetem (antipsoirischen) Arzwcn . wesentli- 
chere Dienste erwarten kann. 



173 

welche Menge von Umständen *) zur Bildong dieser 

» " • 

grofsen Verschiedenheit chronischer Krankheiten (se<^ 
candärer Symptome der Psora) beizutragen pflegen^ 
anch anfser der unbeschreiblichen Mannigfaltigkeit 
der Menschen in ihren angebornen Körper- Consti- 
tutionen, welche schon für sich so unendlich von ein* 
ander abweichen, dafs es kein "Wunder ist, wenn 
auf so verschiedne) vom psorischen Miasm durchdrun- 
gene Organismen so viele verschiedne, oft dauernd, 
von innen und aufsen einwirkende Schädlichkeiten 
auch unzählbar verschiedne Mängel, Yerderbnisse, 
Verstimmungen und Leiden hervorbringen, welche 
unter einer Menge eigner Namen als für sich be- 
stehende Krankheiten in der ajten Pathologie ^) bi^t- 
her aufgeführt wurden. 



1 ) Einige dieser, die Bildung der Psora zu chronischen 
Uebeln modlficireoden Ursachen- liegen ofTenbar theils im 
Clipaa und der besondern, natürlichen Beschaffenheit des 
Wohnorts, theils in der so abweichenden Erziehung des 
Körpers und Geistes der Jugend, der vernachlässigten, ver- 
schobenen, oder überfeinerten Ausbildung beider, dem Mi£s-> 
hrauche derselben im Berufe oder Lebens- Verhältnisse, der 
diätetischen Lebensart, den Leidenschaften der Menschen, 
ihren Sitten, Gebräuchen, und Gewohnheiten mancher Art. 

2) Wie viel giebt es darin nicht mifsbräuchliche, viel- 
deutige Namen, unter deren jedem man höchst verschiedene, 
oft nur mit' einem einzigen Symptome sich ähnelnde Krank* 
heitszustände begreift, wie: kaltes Fieber,: Gelbsucht, 
Wassersuch*t, S^shwindsucht, Leucorrböe, Hä- 
morrhoiden, Rheumatism, Soblagflufsy Krämpfe, 



174 

§. 75. 
Ob nun gleich die Heilknnst durch Entdeckung 
jener grofsen Qnelle der chronischen Krankheiten, 



Hysterie 9 Hypochondrie, Melancholie, Manie, 
Bräune, Lähmung u. s. w., die man für sich gleichblei- 
bende, festständige Krankheiten ausgiebt und des Namens 
wegen nach einem festgesetzten Leisten behandelt? Wie 
könnte man mit einem solchen Namen eine gleichartige, 
arzneiliche Behandlung rechtfertigen? Und soll die Cor 
nicht immer dieselbe seyn, wozu der gleiche Cur voraus- 
setzende, identische Name? „Nihil sane in artem medicam 
pestiferum magis unquam irrepsit malum, quam generalla 
quaedam nomina morbis imponere iisque aptare velle gene- 
ralem quandam medicinam,^^ spricht der so einsichtsvolle^ 
als seines zarten Gewissens wegen verehrungswerthe Hux* 
harn (Op. phys. med. Tom. I.). Und eben so beklagt sieb 
Fritze (Annalen, I. S. 80.) „dab man wesentlich verschie- 
dene Krankheiten mit £inem Namen benenne.^ Selbst jene 
Volkskrankheiten, welche sich wohl bei jeder einzelnen 
Epidemie durch einen eignen AnsteckungsstofT fortpflan- 
zen mögen, werden in der Arzneischule, gleich als wä- 
ren sie stets gleichartig wiederkehrende, schon bekannte, 
festständige Krankheiten, mit Namen belegt , wie: Spi- 
tal-, Kerl:er-, Lager-, Faul-, Gallen-, Nerven-, 
Schleim-Fieber, obgleich jede Epidemie solcher herum- 
gehenden Fieber sich jedesmal als eine andre, neue, nie 
ganz so jemals da gewesene Krankheit auszeichnet, sehr ab- 
weichend in ihrem Verlaufe sowohl, als in mehren der auf- 
fallendsten Symptome und ihrem ganzen jedesmaligen Ver- 
balten. Jede ist allen vorhergegangenen, so oder so be- 
nannten Epidemien dergestalt unä&nlich, dab man alle logi- 
sche Genauigkeit in Begriffen verläugnen müfkte, wenn man 
diesen von sich selbst so sehr abweichenden Seuchen einen 
jener, in der Pathologie eingefiihrten Namen geben und sie 



175 



aach in Hinsicht der AafiindDDg der specifischem 
faomüopathischeD Heilmittel, namentlich (br die Psora, 
der Nator der so heilenden Mehrzahl von Krankhei- 



dem mifsbräiichlichen Namen nach arzneilich üb«rein be- 
handeln wollte. Dieb sah blofs der redliche Sydenham ein, 
da er (Oper. Cap. 2. de morb. epid. S. 43.) darauf dringt^ 
keine epidemische Krankheit für eine schon da gewesene 
zu halten und sie nach Art einer andern ärztlich zu behan- 
deln, da sie alle 9 so viel ihrer nach und nach kämen, von 
einander verschieden wären: animum admiratione perceilit^ 
quam discolor et sni plane dissimilis morborum epidemico- 
rum facies; qi^ae tam aperta faorum morborum diversitas 
tum proprils ac sibi peculiaribns symptomatis tum etiam me- 
dendi ratione, quam hi ab illis disparem sibi vindicant, satis 
illucescit £x quibus constat, morbos epidemicos, utut ex- 
terna quatantenus specie et symptomatis aliquot utrisque 
pariter con venire paullo incautioribus videautur, re tamen 
ipsa, si bene adverteris animum, alienae tsBt admodum m- 
dolis et distare ut aera lupinis. 

Aus Allem diesen erhellet, dafs diese nutzlosen und 
mlfdiräuchlichen Krankheitsnamen keinen Einflufs auf die 
Curart eines ächten Heilkfinstlers haben dürfen, welcher 
weifs, dafs er die Krankheiten nicht nach der wegen Na-« 
mens-Aehnlichkeit eines einzelnen Symptoms, sondern nach 
dem ganzen Inbegriffe aller Zeichen des individuellen Zu- 
Standes jedes einzelnen Kranken zu beurtheilen und zu hei- 
len habe, dessen Leiden er genau auszuspähen die Pflicht 
hat, nie aber hypothetisch vermuthen darf 

Glaubt maq aber dennoch zuweilen Krankheitsnamen 
zu bedürfen, um, wenn von einem Kranken die Rede ist, 
sich dem Volke in der Kürze verständKch zu machen^ so 
hediene man sich derselben, nur als CoHectivnamen, und 
sage ihnen z. B. : der Kranke hat eine Art Veitstanz, 
eine Art von Wassersucht, eine Art von Nervenfieber, 



176 

ten nm einige Scbritte näher gekommen ist, so bleibt 
doch znr Bildung der Indication bei jeder zn heflen- 
den chronischen (psorischen) Krankheit für den ho- 
möopathischen Arzt die Pflicht sorgfältiger Auffas- 
sung der erforschbaren Symptome nnd Eigenheiten 
derselben so nneriursllch als vor jener Erfindang, 
da keine ächte Heilang dieser, so wie der übrigen 
Krankheiten statt finden kann, ohne strenge Eigen- 
Behandlnng ( Individaalisirnng ) jedes Krankheits- 
iPalles — nnr, dafs bei dieser Erforschung einiger 
Unterschied zu beobachten ist, ob das Leiden eine 
acute nnd schnell entstaixdne Krankheit oder eine 
chronische sey, da bei den acuten die Haupt- 
Symptome schneller anffallen und den Sinnen er- 
kennbar werden und daher weit kürzere Zeit zur 
Aufzeichnung des Krankheits - Bildes erforderlich, 
auch weit weniger dabei zu fragen ist ^), da sich 
das Meiste von selbst darbietet,* als bei den weit 
mühsamer aufzufindenden Symptomen einer schon 
mehre Jahre allmälig vorgeschrittenen, chronischen 

Krankheit. 

§. 76. 

eine Art kaltes Fieber, nie aber (damit endlich einmal 
die Täuschung mit diesen Mamen aufhöre): er hat den 
Veitstanz, das Nervenfieber, die Wassersucht, das kalte 
Fieber, da es doch gewifs keine festständigen, sich gleich- 
bleibenden Krankheiten dieser und ähnlicher Namen gieht 

1) Das so eben erfolgende Sehenia zur Auiforschaog 
der Symptome geht daher nur zum Thcsil die acuten Krank- 
heiten an« 



177 

§.76. 

Diese indmdoalislrencle Untersuchung eine» 
Krankhcits-Falles, wozu Ich hier nnr eine all- 
gemeine Anleitung gebe, und wovon der Krankheits- 
Untersuchcr nur das für den jedesmaligen Fall An- 
wendbare beibehält, verlangt von dem Heilkünstler 
nichts als Unbefangenheit und gesande Sinne, Auf- 
merksamkeit im Beobachten und Treue im Aufzeich- 
nen des Bildes der Krankheit. 

• §. 77. 

Der Kranke klagt den Vorgang seiner Beschwer- 
den; die Angehörigen erzählen seine Klagen, sein 
Benehmen, und was sie an ihm' wahrgetiommen; 
der Arzt sieht, hört und bemerkt durch die übrigen 
Sinne, was verändert und ungewöhnlich an ihm ist 
Er schreibt alles genau mit denselben Ausdrücken 
auf, deren der Kranke und die . Angehörigen sich 
bedienen. Stillschweigend lafst er sie ausreden^ wo 
möglich, wenn sie nicht auf Nebendinge abschwei- 
fen, ohne Unterbrechung ^). Blofs langsam .zu spre- 
chen ermahne sie der Arzt gleich Anfangs, damit 
er den Sprechenden im Nachschreiben des Nöthigen 
folgen könne« 

§. 78. 

Mit jeder Angabe des Kranken oder der An- 
gehörigen bricht er die Zeile ab, damit die Sym- 



1) Jede Unterbrechang stört die Gedankenreihe der 
Erzahlenden, und es fällt ihnen hinterdrein nicht alles ge- 
nau so wieder ein, wie sie's Anfangs sagen wollten. 

M 



178 

ptome alle einzeln anter einander zd stehai kom- 
men. So kann er bei jedem nachtragen, was ihm 
anfänglich allzu nnbestimmt, nachgehends aber dent- 
licher angegeben wird. 

§. 79. 

Sind die Erzählenden fertig mit dem, was sie 
von selbst sagen wollten, so trägt der Arzt bei je- 
dem einzelnen Symptome die nähere Bestimmmig 
nach, anf folgende Weise erkundigt: Er liest die 
einzelnen, ihm gesagten Symptome durch, und fragt 
bei jedem insbesondere: z. B. zu welcher Zeit er- 
eignete sich dieser Zufall? In der Zeit vor dem 
bisherigen Arznei^ebrauche? Während des Annei- 
einnehmens? Oder erst einige Tage nach Beiseite- 
setzung der Arzneien? Was für ein Schmerz, welche 
Empfindung, genau beschrieben, war es, die sich 
an dieser Stelle ereignete? W^elche genaue Stelle 
war es? Erfolgte der Schmerz abgesetzt und ein- 
zeln, zu verschiednen Zeiten? Oder war er anhal- 
tend, unausgesetzt? Wie lange? Zu welcher Zeit 
des Tages oder der Nacht, und in welcher Lage 
des Korpers war er am schlimmsten, oder setzte 
ganz aus? Wie war dieser, wie war jener angege- 
bene Zufatll oder Umstand — mit deutlichen Wor- 
ten beschrieben — genau beschaffen? 

§. 80. 

Und so lä£st sich der Arzt die nähere Bestim- 
mung von jeder einzelnen Angabe noch dazu sagen, 
ohne jedoch jemals dem Kranken bei der Fiage 



179 

schon die Antwort mit in den Mond zu legen ^^ 
so dafs der Kranke dann blofs mit Ja oder Nein 
darauf sa antworten hätte; sonst wird ev verleite^ 
etwas Unwahres, Halbwahres oder anders Yorhand- 
nes, aus Bequemlichkeit oder dem Fragenden za 
Ge£adlen, zu bejahen oder zu verneinen, wodurch 
ein falsches Bild der Krankheit und eine unpassende 
Curart entstehen mufs« 

§. 81. 
Ist nun bei diesen freiwilligen Angaben von 
mehren Theilen oder Functionen des Korpers oder 
von seiner Gemiiths- Stimmung nichts erwähnt wor- 
den, so fragt der Arzt, was in Rücksicht dieser 
Theile nnd dies^er Functionen, so wie wegen seines 
Geistes oder Gemüths - Zustandes ^), noch zu erin< 



1) Der Arzt darf z. B. nicht fragen: t,war nicht etwa 
auch dieser oder jener Umstand da?^^ Dergleichen zu einer 
falschen Antwort nnd Angabe yerfiihrende Suggestionen darf 
sich der Arzt nie zu Schulden kommen lassen. 

2) Z. B. Wie ist es mit dem Stahlgange? Wie geht 
der Urin ab? Wie ist es mit dem Schlafe, |)ei Tage, bei 
der Nacht? Wie ist sein Gemüth, seine Laune, seine Be- 
sionangskraft bescha(Ten? Wie ist es mit dem Durste? 
Wie ist es mit dem Geschmacke so für sich im Münde? 
Welche Speisen und Getränke schmecken ihm am besten? 
Welche sind ihm am meisten zuwider? Hat jedes seinen 
uaturliehen, vollen, oder einen anderui fremden Geschmack? 
Wie wird ihm nach Essen oder Trinken? Ist etwas we- 
gen des Kopfs, der Glieder, oder des Unterleibes zu er- 
innern? 

M2 



180 

nem sey, aber in allgemeinen Ausdrücken, damit 
der Berichtgeber genöthigt sey, sieb speciell darüber 
zu äofsern. 

; .. • §. 82. " 

, ; .Hat nan der Kranke (denn diesem ist in Ab- 
siebt' seiner Empfindongen, aofser in Yerstellnngs- 
Krankbelten, der meiste Glaube beizumessen) auch 
dnrcb diese freiwilligen und blofs veranlafsten Aea- 
fserungcn dem Arzte gehörige Auskunft gegeben und 
das Bild der Krankheit ziemlich vervollständigt^ so 
ist CS diesem .erlaubt, und nothig (wenn er fühlt, 
dafs er noch nicht gehürig unterrichtet sey), nähere, 
speciellere Fragen zu thun ^). 



1) Z. B. Wie oft hatte er Stuhlgang; von welcher 
gcnaueo Beschaffenheit? War der weifslichte Stuhlgang 
Schleim oder Koth? Waren Schmerzen beim Abgänge, 
oder nicht? Welche genaue, und wo? Was brach der 
Kranke aus? Ist der garstige Geschmack im Munde faul, 
oder bitter, oder sauer, oder wie sonst? vor oder nach 
dem Essen und Trinken oder während desselben? Zu wel- 
cher Tageszeit am meisten? Von welchem Geschmacke ist 
das Aufstofsen? Wird der Urin erst beim Stehen trübe, 
oder iälst er ihn gleich trübe? Ton welcher Farbe ist er, 
wenn et ihn eben gelassen hat? Ton weicher Farbe ist 
der Satz? — Wie gebehrdet und äulsert er sich im Schlafe? 
wimmert, stöhnt, redet oder schreiet er im Schlafe? er- 
schrickt er im Schlafe? schnarcht er beim £inathmen, oder 
beim Ausathmen? Liegt er einzig auf dem Rücken, oder 
auf welcher Seite? Deckt er sich selbst fest zu, oder leidet 
er das Zudecken nicht? Wacht er leicht auf, oder schläft 
er allzu fest? Wie befindet er sich gleich nach dem Er- 
wachen aus dem Schlafe?^ Wie oft kommt diese, wie oft 



181 

§. 83. 
Ist der Arzt mit Nicdcrschrcibnng dieser Ans- 
sagcn fertig, so merkt er sich an, was er. selbst 
an dem Kranken wahrnimmt ') und erkundigt sich, 



jene Beschwerde; aufweiche jedesmalige Yeranlassuag kommt 
sk? im Sitzeti, im Liegen, im Stehen oder bei der Bewe- 
gung? blofs nüchtern, oder doch früh, oder blofs- Abends, 
oder blofs nach der Mahlzeit, oder wann sonst gewöhnlich? 
— Wann kam der Frost? war es blofs Frostempfindung, 
oder war er zugleich kalt? an welchen Thellen? oder war 
er bei der Frostempfindung sogar heifs anzufühlen? war es 
blofs Empfindung von Kälte, ohne Schauder? war er heifs, 
ohne Gesichtsröthc? an welchen Theiien war er heifs an- 
zufühlen? oder klagte er über Hitze, ohne heifs zu scyn 
beim Anfühlen? wie lange dauerte der Frosl, wie lange 
die Hitze? — Wann kam der Durst? beim Froste? bei der 
Hitze? oder vorher? oder nachher? wie stark war der 
Durst, und worauf? — Wann kommt der Schweifs? beim 
Anfange, oder zu Ende der Hitze? oder wie viel Stunden 
nach der Hitze? im Schlafe oder im Wachen? wie stark 
ist der Schweifs? heifs oder kalt? in welchen Theiien? 
von welchem Gerüche? — Was klagt er an Beschwerden 
vor oder bei dem Froste? was bei der Hitze? was nach 
derselben? was bei oder nach dem Schwcifse? u. s. w. 

1) Z. B. Wie sich der Kranke bei dem Besuche ge- 
behrdet hat, ob er verdriefslich, z'anklsch, hastig, weiner- 
lich, ängstlich, verzweifelt, oder troiirig, oder getrost, ge- 
lassen, u. s. w.; ob er scblaflrunken oder überhaupt unbe- 
slnnllch war? ob er heisch, sehr leise, oder ob er unpas- 
send, oder wie anders er redete? wie die Farbe des Ge- 
sichts und der Augen, und die Farbe der Haut überhaupt, 
wie die Lebhaftigkeit und Kraft der Mienen und Augen, 
wie die Zunge, der Athem, der Geruch aus dem Munde, 
oder das Gehör beschaffen ist? wie sehr die Pupillen er- 



182 

was dem Kranken hievon in gesunden Tagen eigen 
gewesen. 

§. 84. 
Die Zufalle nnd das Befinden des Kranken wäh- 
rend eines etwa vorgängigen Arzneigcbrancbs geben 
nicht das reine Bild der Krankheit; diejenigen Sym- 
ptome nnd Beschwerden hingegen, welche er vor 
dem Gebrauche der Arzneien oder nach Ih- 
rer mehrtägigen Zurücksetzung litt., geben 
den ächten Grundbegriff von der nrsprünglicfacil 
Gestalt der Krankheit, nnd vorzüglich diese mnls 
der Arzt sich aufzeichnen. Er kann auch wobi, 
wenn die Krankheit langwierig ist, den Kranken, 
wenn er bis jetzt noch Arznei genommen hatte, 
einige Tage ganz ohne Arznei lassen, oder ihm et- 
was Unarzneiliches indefs geben und bis dahin die 
genauere Prüfung der Krankheitszeichen verschieben, 
nm die dauerhaften, nnvermischten Symptome des 
alten Uebels in ihrer Reinheit aufzufassen und ein 
untrügliches Bild von der Krankheit entwerfen zn 
können. 



weitert, oder verengert sind? wie schnell, wie weit sie 
sich im Dunkeln und Hellen verändern? wie der Pols? 
wie der Unterleib? wie feucht oder heiüs, wie kalt oder 
trocken die Haut an diesen oder jenen Tb eilen oder über- 
haupt anzufühlen ist? ob er mit zurtickgebogenem Kopfe, 
mit halb oder ganz offenem Munde, mit über den Kopf ge- 
legten Armen, ob er aqf dem Rücken, oder in welcher an- 
dern Stellung er liegt? mit welcher Anstrengung er sich 
aufrichtet;, und was von dem Arzte sonst auffallend Bemerk- 
bares an ihm wahrgenommen werden konnte. 



183 

$. 85. 
Ist es aber eine schnell verlaufende Krankheit, 
nnd leidet ihr dringender Zustand keinen Yerzag, 
so mnfs sich der Arzt mit dem, selbst von den Arz- 
neien geänderten Krankheitsznstande begnügen — 
wenn er die vor dem Arzneigebranche bemerkten 
Symptome nicht erfahren kann, — nm wenigstens 
die gegenwärtige Gestalt des Uebels, das heifst, nm 
die mit der ursprünglichen Krankheit vereinigte Arz- 
neikrankheitj welche durch die oft zweckwidrigen 
Mittel gewöhnlich beträchtlicher und gefahrlicher, als 
die ursprüngliche ist, und daher oft dringend zweck- 
mäfsige Hülfe heischt, in ein Gesammtbild zusam- 
menfassen nnd^ damit der Kranke an der genomme- 
nen schädlichen Arznei nicht sterbe, mit einem pas- 
send homöopathischen Heilmittel besiegen zu können. 

§. 86. 
-Ist die Krankheit durch ein auffallendes 'Ereig- 
niis seit Kurzem, oder bei einem langwierigen Uebel 
vor längerer Zeit verursacht worden, so wird der 
Kranke — oder wenigstens die im Geheim befrag- 
ten Angehörigen — sie schon angeben, entweder 
von selbst und aus eignem Triebe oder auf eine 
behatsame Erkundigung ^). 

1) Den etwanigen entehrenden Yeranlassungen, welche 
der Kranke oder die Angehörigen nicht gern, wenigstens 
nicht von freien Stücken gestehen, mufs der Arzt durch 
Idügliche Wendungen der Fragen oder durch andre Privat-« 
Erkundigungen auf die Spur zu kommen suchen. Dahin 
gehören: Vergiftung oder begonnener Selbstmord, Onanie, 



184 

§. 87. 
Bei Erknndignng des Zostandes clironisclier 
Krankheiten mttssen die besondem Verhältnisse des 
Kranken In Absicht seiner gewöhnlichen BeschäM- 
gnngen, seiner gewohnten Lebensordnnng nnd Diät, 
seiner hänslichen Lage n. s. w. wohl erwogen und ge- 
prüft werden^ was sich in ihnen Krankheit Erregen- 
des oder Unterhaltendes befindet, nm durch dessen 
Entfernung die Gencsnng befördern zn können ^). 

Ausschweifangen gewöhnlicher' oder unnatürlicher Wohl- 
lust, Schwelgen in Wein, Liqueuren, Punsch und andern 
hitzigen Getränken, oder Kaffee, — Schwelgen in Essen 
überhaupt oder in besonders schädlichen Speisen, — vene- 
rische oder Kratz -Ansteckung , unglückliche Liebe, Eifer- 
sucht, Hausunfrieden,' Aergernifs, Gram über ein Familien- 
Unglück, erlittene Mifshandlung, verbissene Rache, gekränk- 
ter Stolz, Zerrüttung der Vermögensumstände, — aber- 
gläabige Furcht, — Hunger — oder ein Körpergebrechen 
an den Schamtheilen, ein Bruch, ein Vorfall n. s. w. 

1) Vorzüglich muCs bei chronischen Krankheiten des 
weihlichen Geschlechts auf Schwangerschaft, Unfruchtbar« 
keit, Neigung zur Begattung, Niederkünften, Fehlgeburten, 
Kindersäagen und den Zustand des monatlichen BlutHnsses 
Rücksicht genommen werden. Insbesondere ist in Betreff 
des letztern die Erkundigung nicht zu versäamen, ob er in 
zu kurzen Perioden wiederkehrt, oder über die gehörige 
Zeit aufsen bleibt, wie viele Tage er anhält, ununterbro- 
chen oder abgesetjst? in welcher Menge überhaupt, wie 
dunkel von Farbe, ob mit Leucorrhöe (Weifsflufs) vor 
dem Eintritte oder nach der Beendigung? vorzüglich aber 
mit welchen Beschwerden Leibes und der Seele, mit wel- 
chen Empfindungen und Schmerzen vor dem Eintrittif, hei 
dem BIutEusse oder nachher? Ist Weifsiluls bei ihr; vne 



185 

§. 88. 
Die ErforschuDg der obgedacfaten nnd aller übri- 
gen Krankheitszeichen müfs dcfshalb bei chronischen 
Krankheiten so sorgfaltig nnd nmständlich^ als mög- 
lich, geschehen und in die kleinsten Einzelheiten 
gehen, theils weil sie bei diesen Krankheiten am son- 
derlichsten sind, denen in den schnell vorübergehen- 
den Krankheiten am wenigsten gleichend, nnd bei 
der Heilang, wenn sie gelingen soll, nicht genau 
genug genommen werden können; theils weil die 
Kranken der langen Leiden so gewohnt werden, dafs 
sie auf die kleinern, oft sehr bezeichnungsvoUen (cha- 
rakteristischen) — bei Anfsnchnng des Heilmittels oft 
viel entscheidenden — Nebenznfalle wenig oder gar 
nicht mehr achten niid sie fast für einen Theil ihres 
nofhwendigen Znstandes, fast für Gesundheit anse- 
hen, deren wahres Gefühl sie bei der oft fünfzehn-, 
zwanzigjährigen Dauer ihrer Leiden ziemlich verges- 
sen haben^ es ihnen auch kaum einfällt, zn glauben, 
dafs diese Nebensymptome, diese übrigen kleinem 
oder gröfsern Abweichungen vom gesunden Zustande 
mit ihrem Hauptübel im Zusammenhange stehen 
könnten. 

§. 89. 
Zudem sind die Kranken selbst von so abwei- 
chender Gemüthsart, dafs einige, vorzüglich die so- 
genannten Hypochondristcn nnd andre sehr gefüh- 



er bescbaiTen ist? in welcher Menge? und unter welchen 
Bedingungen und auf welche Veranlassungen er erscheint? 



186 

lige nnd nnleidliche Personen ihre Klagen in aUza 
grellem Lichte anCstellen nnd^ nm den Arzt zar Hülfe 
atifznreizen, die Beschwerden mit überspannten Ans- 
drficken bezeichnen ^). 

§. 90. 
Andre, entgegengesetzte Personen aber haltcD, 
theils ans Trägheit, theils ans mifsverstandner Scham, 
theils ans einer Art milder Gesinnung eine Menge 
Beschwerden zurück, bezeichnen sie mit nndeatli- 
chen Ausdrücken, oder geben mehre als nnbeschwer- 
lich an. 

§. 91. 
So gewiCs man nun anch vorzüglich den Kran- 
ken über seine Beschwerden nnd Empfindungen in 
boren und vorzüglich seinen eignen Ausdrücken, mit 
denen er seine Leiden zu verstehen geben kann, 
Glauben beizumessen hat, — weil sie im Munde der 
Angehörigen und l^ankenwärter verändert und ver- 



1) Eine reine Erdichtung von ZufaUen und Beschwer- 
den wird man wobl nie bei Hypochondristen, selbst bei 
den unleidlichsten nicht, antreffen, — dieüs zeigt die Ver- 
gleichung ihrer zu verschiednen Zeiten geklagten Beschwer- 
den, während der Arzt ihnen nichts oder etwas ganz Un- 
arzneiliches eingiebt, deutlich; — nur muls man von ihren 
Uebertreibungen etwas abziehen, wenigstens die Starke ihrer 
Ausdrücke auf Rechnung ihres übermäCsigen Gefühls setzen; 
in welcher Hinsicht selbst diese Hochstimmung ihrer Aus- 
drücke über ihre Leiden für sich schon zum bedeutenden 
Symptome in der Reibe der übrigen wird, woraus das Bild 
der Krankheit zusammengesetzt ist. Bei Wahnsinnigen und 
böslichen Krankbeits- Erdichtem ist es ein andrer FalL 



187 

fälscht zn werden pflegen, — so gewifs erfordert 
doch aof der andern Seite bei allen Krankheiten, 
vorzüglich aber bei den langwierigen, die Erforschung 
des wahren, vollständigen Bildes derselben nnd sei- 
ner Einzelheiten besondre Umsicht, Bedenklichkeit, 
Menschenkenntnifs , Behntsamkeit im Erkundigen 
nnd Gednld, in hohem Grade/ 

§. 92. 
Im Ganzen wird dem Arzte die Erkundigung 
acuter, oder sonst seit Kurzem entstandner Krank- 
heiten leichter, weil dem Kranken nnd den Ange- 
hörigen alle Zufalle nnd Abweichungen von der nur 
uidängst erst verlornen Gesundheit noch in frischem 
Gedächtnisse y noch neu und auffallend geblieben 
sind. Der Arzt mnCs zwar auch hier alles wissen; 
er braucht aber weit weniger zu erforschen; man 
sagt ihm alles gröfstentheils von selbst« 

§. 93. 
Bei Erforschung des Symptomen -Inbegriffs der 

epidemischen Seuchen und sporadischen Krankhei- 
ten ist es sehr gleichgültig, ob schon ehedem etwas 
Aehnliches unter diesem oder jenem Namen in der 
Welt vorgekommen sey. Die Neuheit oder Beson- 
derheit einer solchen Seuche macht keinen Unter- 
schied weder in ihrer Untersuchung, noch Heilung, 
da der Arzt ohnehin das reine Bild jeder gegenwär- 
tig herrschenden Krankheit als neu und unbekannt 
voraussetzen nnd es, vom Grunde aus, für sich er- 
forschen mufs, wenn er ein ächter, gründlicher Heil- 
künstler seyn will, der nie Vermuthung an ^le Stelle 



188 

der Wabrnehmnng setzen, nie einen ihm angetrage- 
nen Krankheitsfall weder ganz, noch znm Theile für 
bekannt annehmen darf, ohne ihn sorgfältig nacli 
allen seinen Äenfsemngen ansznspähen, und dicfs 
hier nm so mehr, da jede herrschende Seuche in 
vieler Hinsicht eine Erscheinung eigner Art ist und 
sehr abweichend von allen ehemaligen, falschlich mit 
Namen helcgten Seuchen bei genauer Untersuchung 
befunden wird; — wenn man die Epidemien von 
sich gleich bleibendem Ansteckungszunder, die Men- 
schenpocken, die Masern u. s, w. ausnimmt 

§. 94. 

Es kann wohl seyn, dafs der Arzt beim ersten 
ihm vorkommenden Falle einer epidemischen Senche 
nicht gleich das volikommne Bild derselben tnv 
Wahrnehmung bekommt, da jede solche CollectiV- 
krankheit erst bei näherer Beobachtung mehrer Fälle 
den Inbegriff ihrer Symptome und Zeichen an den 
Tag legt. Indessen kann der sorgfaltig forschende 
Arzt schon beim ersten und zweiten Kranken dem 
wahren Zustande oft schon so nahe kommen, daß 
er ein charakteristisches Bild davon innc wird — 
nnd selbst schon dann ein passendes, homöopathisch 
angemessenes Heihnittel für sie ausfindet. 

§. 95. 

Bei Niederschreibung der Symptome mehrer 
FäHe dieser Art wird das entworfene Krankheitsbild 
immer vollständiger, nicht gröfser und wortreicher, 
aber bezeichnender (charakteristischer), die Eigen- 
thümh'chkcit dieser Collectivkrankheit umfassender; 



189 

die allgemeinen Zeichen (z. B. Appeütlo^igkcit, Man- 
gel an Schlaf u. s. w.) erhalten ihre eignen und ge- 
nauem^ Bestimmungen, nnd auf der andern Seite 
treten die mehr a.nsgezeichneten, besondern> wenig- 
stens in dieser Yerbindang seltnem, nur wenigen 
Krankheiten eignen Symptome hervor nnd bilden 
das Charakteristische dieser Seuche ^). Alle an der 
dermaligen Seuche Erkrankten haben zwar eine aus 
einer nnd derselben Quelle geflossene und daher 
gleiche Krankheit; aber der ganze Umfang einer 
solchen epidemischen Krankheit und die Gesammt- 
heit ihrer Symptome (deren Kenntnifs zur Ueber- 
sicht des vollständigen Krankheitsbildes gehört, um 
das fiir diesen Symptomen -Inbegriff passendste ho- 
möopathische Heilmittel wählen zu können) kann 
nicht bei einem einzelnen Kranken wahrgenommen, 
sondern nur aus den Leiden mehrer Kranken von 
verschiedner Körperbeschaffenheit abgezogen (abstra* 
hirt) und entnommen werden. 

§. 96. 
Auf gleiche AVeise, wie hiervon den epidemi- 
schen, meist acuten Seuchen gelehrt worden, mufs- 
teu auch von mir die in ihrem AVesen sich gleich* 
Ueibenden miasmatischen, chronischen Siechthnme, 



1) Dann werden dem Arzte, welcher schon in den er- 
sten Fällen das dem specifisch bomöopathischen nahe kern- 
inende Heilmittel hat wählen können , die folgenden Fälle 
entweder die Angemessenheit der gewählten Arznei bestä- 
^geo,. oder ihn auf ein noch passenderes, auf das passendste 
boiQöopathische Heilmittel hinweisen. 



190 

namentlicb und vorzUglich die Psora, viel genaner 
als bisher geschah, nach dem Umfange ihrer Sym- 
ptome ausgeforscht werden, indem anch bei ihaen 
der eine Kranke nnr einen Theil derselben an sich 
trägt, ein zweiter, ein dritter n. s. w« wiederum an 
einigen andern Zufallen leidet, welche ebenfalls nur 
ein (gleichsam abgerissener) Theil aus der Gesammt- 
heit der den ganzen Umfang desselben Siechthums 
ausmachenden Symptome sind, so dafs nur an sehr 
vielen einzelnen dergleichen chronischen Kranken 
der Inbegriff aller zu einem solchen miasmatischen, 
chronischen Siechthume, insbesondre der Psora ge- 
hörigen Symptome ausgemittelt werden konnte, ohne 
deren vollständige Uebersicht und Gesammt-Bild die 
homöopathisch das ganze Siechthum heilenden (na- 
mentlich der antipsorischen ) Arzneien nicht ausge- 
forscht werden konnten, welche zugiciph die wahren 
Heilmittel der einzelnen, an dergleichen chronischen 
Uebcln leidenden Kranken sind. 

i. 97. 
Ist nun die Gesammthcit der den. Krankheits- 
Fail vorzüglich bestimmenden und auszeichnenden 
Symptome, oder, mit andern W^orten, das Bild der 
Krankheit irgend einer Art einmal genau aufgezeich- 
net, so ist auch die schwerste Arbeit geschehen. 
Der Heilkünstler hat es dann bei der Cur, vorzüg- 
lich der chronischen Krankheit, zum Grunde gelegt, 
aaf immer vor sich, kann es in allen seinen Theilen 
durchschauen und die charakteristischen Zeichen her- 
aasbeben, um eine gegen diese, das ist, gegen das 



191 

Uebel selbst gerichtete, treffend ähnliche, künstliche 
Krankheitspotens in dem homöopathisch gewählten 
Arzneimittel entgegenzusetzen, gewählt aas den Sym- 
ptomenreihen aller ihm nach ihren reinen "Wirkan* 
gen bekannt gewordenen Arzneien. Und wenn er 
sich während der Gar nach dem Erfolge der Arznei 
und dem geänderten Befinden des Kranken erkun- 
digt, braucht er in seinem neuen Krankheitsbefunde 
von der ursprünglichen Grappe der Symptome blofs 
das wegzulassen, was sich gebessert hat, und dazu 
zu setzen, was noch davon vorhanden, oder etwa 
an neuen Beschwerden hinzu gekommen ist 

§. 98. 
Der zweite Punkt des Geschäftes eines äch- 
ten Heilkünstlers betrifft die Erforschung der 
zur Heilung der natürlichen Krankheiten 
bestimmten "Werkzeuge, die Erforschung der 
krankmachenden Kraft der Arzneien, um, wo zu hei- 
len ist, eine von ihnen aussuchen zu können, aus 
deren Symptomenreihe eine künstliche Krankheit zu- 
sammengesetzt werden kann, der Hanpt-Symptomen- 
Gesammtheit der natürlichen zu heilenden Krankheit 
möglichst ähnlich. 

§• 99. 
Die ganze, Krankheit erregende "Wirksamkeit 
der einzelnen Arzneien mufs bekannt seyn, das ist, 
möglichst alle die krankhaften Symptome und Befin- 
dens -Veränderungen, die jede derselben besonders 
zu erzeugen fähig ist, müssen erst beobachtet wor- 
den seyn, ehe man hoffen kann, för die meisten na- 



192 

tUrlichen Krankheiten treffend homSopatfaische Heil- 
mittel anter ihnen finden und auswählen za können. 

§. 100. 
Gieht man, diefs zu erforschen, Arzneien nur 
den kranken Personen ein, selbst wenn man sie 
nur einfach und einzeln verordnete, so sieht man 
voa ihren reinen Wirknngen wenig oder nichts Be- 
stimmtes, da die von den Arzneien za erwartenden, 
besondern Befindens -Yeränderangen mit den Sym- 
ptomen der gegenwärtigen natürlichen Krankheit ver- 
mengt, nar selten dcatlich wahrgenommen werden 
können. 

§. 101. 
Es ist also kein Weg weiter möglich, auf wel- 
chem man die eigenthümlichen Wirkungen der Arz- 
neien auf das Befinden des Menschen antrüglich er- 
fahren könnte; es giebt keine einzige sichere, keine 
natürlichere Yeranstaltang zu dieser Absicht, als 
dals man die einzelnen Arzneien versuchsweise ge- 
sunden Menschen in mäfsiger Menge eingiebt, um 
zu erfahren, welche Yeränderungeti, Symptome und 
Zeichen ihrer Einwirkung jede besonders im Befin- 
den Leibes und der Seele hervorbringe, das ist, 
welche Krankheits-Elemente sie zu erregen fähig und 
geneigt sey *), da, wie (§• 19 — 22.) gezeigt .wer- 
-.__ den, 

1) Nicht ein einziger Arzt, meines Wissens, kam in 
der drittebalbtausendjährigen Vorzeit auf diese so natürliche, 
80 unumgänglich nothweadige, einzig ächte Prüfung der 
Arzneien auf Ihre reinen, eigenthümlichen, das Befinden der 



193 

den, alle Heilkraft der Arzneien einzig in dieser ihrer 
Menschenbefindens -Yeränderapgskraft IJQgt, imd ans 
Beobachtnng der letztern hervorleuchtet 

§• 102.. 
Diesen Weg schlag ich zuerst ein mit einet 
Beharrlichkeit die nur durch eine voUkommne Uel>er- 
zeognng von der grofsen, Menschen beglückenden 
ViTahrheit, dafs blofs durch homöopathischen Ge- 
brauch der Arzneien die einzig gewisse Heilung der 
Krankheiten der Menschen möglich scj, entstehen 
und aufrecht erhalten werden konnte ^). 



Menschen umstimmenden Wirkungen, um so zu erfahren, 
vrelche Ktankheitszustände jede Arznei zu heilen vermöge, 
als der grofse, unsterbliche Albrecht von Haller* Blofs die- 
ser sah, aufser mir, die Nothwendigkeit hievon ein (siehe 
Vorrede zur Pharmacopoea Helvet., Basil. 1771. fol. S. 12.): 
,,T*^empe primum in corpore sano medela tentanda est, 
sine peregrina ulla miscela; odoreque et sapore ejus 
exploratls, exigua lUIus dosis lugerenda et ad omnes, quae 
lüde contingunt, afTectiones, quis pulsus, qui calor, quae 
rcspiratio, quaenam excretiones, attendendum. lüde ad du- 
ctum phaenomenorum, In sano obviorutn, traoseas ad expe- 
rimenta in corpore aegroto etc.*' Aber Niemand, kein 
einziger Arzt achtete oder befolgte diese seine unschätz- 
baren Winke. 

1) Die erste Frucht von diesem Streben legte Ich, so 
reif sie damals seyn konnte, nieder In den: Fragmenta de 
viribus medicamentorum positivis , sive In sano corp. hum. 
observatls. P. I.. II. Lipsiae, 8. 1805. ap. J. A. Barth; die 
reifere In: Beine Arzneimittellehre. I. Th. 1811. 
(zweite Ausgabe 1822.) II. Th. zw. Ausg. 1824. IIL Th. 
zw. Ausg. 1825. IV. Th. zw. Ausg. 1825. V. Th.. zw. Ausg. 

N 



194 

$. 103. 
Daneben sab ich» dafs die krankhaften Schäd- 
lichkeiten! welche vorgangige Schriftsteller von.are- 
neilicben Substanzen aofgezeichnet hatten, wenn sie 
in grofser, Menge ans V ersehen , oder om sich oder 
Andre sn tödten, oder unter andern Umständen in 
den Magen gcsondcr Personen gerathcn waren, mit 
meinen Beobachtungen beim Yersncbcn derselben 
Sobstanzen' an mir und andern gesunden Personen 
viel fibereinkamen. Sie erzählen diese Vorgänge als 
Yergiftungsgeschichten und als Beweise des Nach- 
theils dieser heftigen Dinge, meistens nur, um davor 
za warnen, theils auch, um ihre Kunst zu rühmen, 
wenn bei ihren, gegen diese gefahrlichen Zufalle ge- 
brauchten Mitteln allmälig wieder Genesung einge- 
treten war, theils aber auch, wo diese so angegriffe- 
nen Personen in ihrer Cur starben, sich mit der Ge- 
fährlichkeit dieser Substanzen, die sie dann Gifte 
nannten, zu entschuldigen. Keiner von diesen Beob- 
achtern ahnete, dafs diese von ihnen blofs als Be- 
weise der Schädlichkeit und Giftigkeit dieser Substan- 
zen erzählten Symptome sichere Hinweisung enthiel- 
ten auf ^ie Kraft dieser Drognen, ähnliche Beschwer- 
den in natürlichen Krankheiten heilkräftig auslöschen 
zn können, dais diese ihre Krankheits - Erregun- 
gen reine Andeutungen ihrer homöopathischen Heil- 



1826. VI. Th. zw. Ausg. 1827. und im zweiten und dritten 
Theile der chronischen Krankheiten, 1828. Dresden 
bei Arnold. 



195 

wirkangen scycn» und da& blofs auf Beobacbtnng 
solcher BefindensyerändeniBgeii^ die die Arzneien in 
gesunden Körpern hervorbringen, die einzig muglichc 
Erforschung ihrer Arzneikräfte berahe, indem weder 
durch vemünftelnde Klügelei a priori, noch durch 
Geruch, Geschmack oder Ansehen der Arzneien, 
noch durch chemische Bearbeitung, noch auch durch 
Gebranch mehrer derselben zugleich in einer Mi- 
schung (Recepte) bei Krankheiten die reinen, eigen*- 
thtimlichen Kräfte der Arzneien zum Heilbehnfe za 
erkennen sind; man ahnete nicht, dafs diese Ge- 
schichten von Arzneikrankheiten dereinst die ersten 
Anfangsgründe der wahren, reinen Arzneistoff-Lehrc 
abgeben würden, die vom Anbeginn bis hieher nur 
in falschen Yermnthungen und Erdichtungen bestand, 
das ist, noch gar nicht vorhanden war ')• 

$. 104. 
Die Uebereinkunft meiner mit jenen altem -— * 
obgleich nnhinsichtlich auf Heilbehuf beschriebenen 
— Beobachtungen reiner Arzneiwirkungen und selbst 
die Uebereinstimmung dieser Nachrichten mit andern 
dieser Art von verschiednen Schriftstellern überzeugt 
uns leicht, dafs die Arzneistofle bei ihrer krankhaf- 
ten Veränderung des gesunden menschlichen Körpers 
nach bestimmten, ewigen Naturgesetzen wir- 



1) Man sehe, was ich hieven gesagt habe in: Beleuch- 
tung der Quellen der gewohnlichen Materla me- 
dica, vor dem dritten Theile meiner reinen Arznei- 
mittellehre. 

N2 



196 ' 

ken, und, vermöge dieser, gewisse, .zuverlässige 
Krankfacitssymptomc za erzengeo fähig sind, 
jeder, na^h seiner Eigenthümlichkeit be- 
sondere. 

§. 105- 
In jenen altem Beschreibungen der. oft lebens- 
gefährlichen Wirkangcn in so übormäfsigen Gaben 
verschlackter Arzneien nimmt man aach Zustände 
wahr, die nicht Anfangs, sondern beim Ausgange 
solcher traurigen Ereignisse sich zeigten und von 
einer den anfänglichen ganz entgegengesetzten Na- 
tur waren. Diese' der Erstwirknng (§. 59«) oder 
eigentlichen Einwirkung der Arzneien auf den Kör- 
per entgegenstehende Symptome sind die Gegenwir- 
kung der Lebenskraft des Organisms, die Nach- 
wirkung desselben (§. 58 — 63.)> wovon jedoch 
hei mäfsigen Gaben zum Versuche an gesunden 
Körpern selten oder fast nie das Mindeste zu spü- 
ren ist, bei kleinen Gaben aber gar nicht. Gegen 
diese macht der lebende Organism beim homöopa- 
tlnschen Heilgeschäfte nur so viel Gegenwirknng, 
als. erforderlich ist, das Befinden wieder auf den 
natürlichen, gesunden Zustand zu erheben (§• 63. )• 

§. 106. 
Blols die . narcotischen Arzneien machen hierin 
eine Ausnahme, da sie in der Erstwirkung thcils die 
Empfindlichkeit und Empfindang, theils die Reizbar- 
keit hinwegnehmen, so pflegt bei ihnen öfterer, auch 
bei mäfsigen Yersuchsgaben , in gesunden Körpern 



197 

eine erhohete Empfindlicbkcit in der Nachwirkung 
(and eine gröfsere Reizbarkeit) merkbar za werden. 

§• 107. 
Diese narcotiscbcn Substanzen ausgenommen, 
werden bei Yersnchcn mit mäfsigen Gaben Arznei 
in gesunden Korpern blofs die Erstwirkungen dersel- 
ben, d. i. diejenigen Symptome walirgenommen, wo- 
mit die Arznei das Befinden des Menschen umstimmt 
und einen krankhaften Znstand auf längere öder kür- 
zere Zeit in und an demselben hervorbringt. 

,§. 108. 

Unter diesen giebt es bei einigen Arzneien nicht 
wenige, welche andern, theils vorher erschienenen, 
thcils nachher erscheinenden Symptomen zum Thcil 
oder in gewissen Nebenumständen entgegengesetzt 
sind, defswegen jedoch nicht eigentlich als Nach- 
wirkung oder blofse Gegenwirkung des Organisms 
anzusehen sind, sondern nur den' Weehsclzustand 
der verschiednen W^irkungs-Paroxysmen erster Wir- 
kung bilden; man nennt sie Wechselwirkungen. 

§. 109. 

Einige Symptome werden von den Arzneien öf- 
terer, das ist, in vielen Körpern, andre seltner oder 
in wenigen Menschen zuwege gebracht, einige nur 
in sehr wenigen gesunden Körpern. 

§. 110. 
Zu den letztem gehören die sogenannten Idio< 
syncrasien, worunter man eigne Körperbeschaffen- 
heiten versteht, welche, obgleich sonst gesund, die 



198 

NeigDOg besiiscn, von gewissen Dingen, welche auf 
viele andre Menschen gar keinen Eindruck und 
keine Veränderung zo machen scheinen, in einen 
mehr oder weniger krankhaften Zustand versetzt xa 
werden ^). Doch dieser Mangel an Eindruck aof' 
Jedermann ist nur ein Schein. Denn da zu die- 
sen, so wie zur Hervorbringung aller übrigen krank- 
haften Befindensveränderungen im Menschen beide, 
sowohl die der einwirkenden Substanz inwohnende 
Kraft, als die Fähigkeit des Körpers, von ihr erregt 
zu werden, erforderlich ist, so können die auffallen- 
den Erkrankungen in den sogenannten Idiosyncra- 
sien nicht blofs auf Rechnung dieser besondem Kör- 
perbeschaffenheiten gesetzt, sondern sie müssen zu- 
gleich von diesen- veranlassenden Dingen hergeleitet 
werden, in denen die Kraft liegen mufs, auf alle 
menschliche Körper denselben Eindruck zu machen, 
nur so, dafs wenige unter den gesuüden Körperbe- 
schaffenheiten geneigt sind, sich in einen so auffal- 
lend kranken Znstand von ihnen versetzen zu las- 
sen. Dafs diese Potenzen wirklich auf jeden' Körper 
diesen Eindruck machen, sieht man daraus, dafs sie 
bei allen kranken Personen für ähnliche Krank- 
beitssymptome, als sie selbst' (obgleich anscheinend 



1) Einige wenige Personen können vom Gerüche der 
Rosen in Ohnmacht fallen, und vom Genüsse der Mies- 
Muscheln, der Krebse oder des Rogens des Barbe -Fisches, 
von Berührung des Laubes einiger Sumach -Arten u. s. w. 
in mancherlei andre krankhafte, zuweilen gefährliche Zo- 
Stande gerathen. 



199 

nur bei den sogenannten idiosjrncratbchen Personen) 
erregen können^ homöopatbiscfae Hülfe als Heilmit- 
tel leisten ^). 

§• 111. 
Jede Arznei zeigt besondere "Wirkangen im 

mcnscUichen Körper, welche sich von keinem an- 
dern Arzneistoffe verschiedner Art genau so er- 
eignen ^). 

§. 112. 
So gewifs jede Pflanzenart in ihrer äofsem Ge- 
stalty in der eignen Weise ihres Lebens nnd Wach- 
ses , in ihren^ Geschmacke nnd Gerüche von jeder 
andern Pflanzen -Art nnd Gattung, so gewifs jedes 
Mineral nnd jedes Salz in seinen äafsern sowohl, 
als innern physischen und chemischen Eigenschaf- 
ten (welche allein schon alle Verwechselang hätten 
verhüten sollen) verschieden ist, so gewifs sind sie 
alle nnter sich in ihren krankmachenden — also 
auch heilendep — Wirkungen verschieden und Von 
einander abweichend ')• Jede dieser Substanzen 



1) So half die Prinzessin Eudoxia einer ohnmächtig 
gewordenen Person mit (godooTayfia) Rosenwasser (siehe 
Hist. byzant. Script.), und Horstius (Oper. IIL S. 59.) 
sah den Rosenessig bei Ohnmächten sehr hülfreich. 

2) Diels sah auch der verebrungswürdige A, p. Haller 
ein, da er sagt (Vorrede zu seiner bist, stirp. helv.}: „ta- 
tet immensa virium diversitas in iis ipsis plantis, qnarum 
facies externas dudum novimus, animas quasi et quodcunque 
caelestius haben! , nondum perspeximus.^* 

3) Wer die so sonderbar verscbiednen Wirkungen 



200 

wirkt anf eine eigne, verscliiedne, doch bestimmte 

Weise, die alle Yerwechselang verbietet, Abände- 

« 

rangen des Gesundheitszustandes nnd des Befindens 
der Menschen ^). 



jeder einzelnen Substanz von denen jeder andern auf das 
menschRche Befinden genau kennt nnd zU würdigen yer< 
steht, der sieht auch leicht ein, dafs es unter ihnen, in arz- 
neilicher Hinsicht, durchaus keine gleichbedeutenden Mittel, 
keine Surrogate geben kann. Blofs wer die yerschicdnen 
Arzneien nach ihren reinen, positiven Wirkungen nicbt 
kennt, kann so thöricht seyn, uns weifs machen zu wollen, 
eins könne statt des andern dienen und eben so gut, als 
jenes, in gleicher Krankheit helfen. So verwechseln un* 
verständige Kinder die wesentlich verschiedensten Biogf, 
weil sie sie kaqm dem Aeufsern nach und am wenigsten 
nach ihrem Werthe, ihrer wahren Bedeutung und ihren 
innern, höchst abweichenden Eigenschaften kennen. 

1) Ist diefs reine Wahrheit, wie sie es ist, so kann 
fortan kein Arzt, der nicht für verstandlos angesehen seyn, 
iind der sein gutes Gewissen, das einzige Zeugnifs ächter 
Menschenwürde, nicht verletzen will, unmöglich eine Arz« 
neisubstanz zur Cur der Krankheiten anwenden, als die er 
genau und vollständig in ihrer waliren Bedeutung kennt, 
d. i., deren virtuelle Wirkung auf das Befinden gesunder 
Menschen er so genau erprobt hat, dafs er gewifs wisse, sie 
sey vermögend, einen sehr ähnlichen Krankheitszustand, und 
einen ähnlichem, als jede andre ihm genau bekannt gewordne 
Arznei, selbst zu erzeugen, als der durch sie zu heilende 
Krankheitsfall enthält — da, wie oben gezeigt worden, weder 
der Mensch, noch die grofsc Natur anders vollkonvmen, schnell 
und dauerhaft nls mit einem homöopathischen Mittel heilen 
kann. Kt'in ächter Arzt kann sich fortan von solchen Versu- 
chen ausschliefsen, um diese nothwendigste nnd einzige Kennt« 



201 

§. 113. 
Also- gepan, sorgfältigst genan ibSssen die Än- 
ncien, von denen Lejben nnd Tod, Krankheit vnd 
Gesundheit der Menschen ahhängt, von einander un- 
terschieden und deshalb dnrch sorgföltige» reine Yer- 
SDche anf ihre Kräfte nnd wahren - Wirkungen im 
gesunden Korper geprüft werden, nm sie genau ken- 
nen KU lernen und bei ihrem Gebrauche in Krank- 
heiten jeden Fehlgriff vermeiden zu können, indem 
nur eine treffende Wahl derselben das'gröfste der 
irdischen Güter, "Wohlseyn Leibes nnd der Seele, 
bald nnd dauerhaft' wiederbringen kann. 

§. 114. 
Bei'Prtifung der Arzneien auf ihre Wirkungen 
im gesunden Körper mufs man bedenken, dals* die 

• ■ • 

nifs der Arzneien, die zum Heilbebufe gehört, zu erlangen, 
ilese von den Aerzteo aller Jahrhunderte bisher versäumte 
KenDtnifs. Alle vergangenen Jahrhunderte — die Nachwelt 
wird's kaum glauben — begnügten sich bisher, die in ihrer 
Bedeutung unbekannten, und in Absicht ihrer höchst vi^ich- 
tigen, höchst abweichenden, reineo, dynamischen Wirkung 
auf Menschenbefinden nie geprüften Arzneien so blind- 
l^in in Krankheiten, und zwar mehre dieser unbekannten, 
so sehr verschiednen Kräfte in Recepte zusammengemischt 
zu verordnen und dem Zufalle zu überlassen, wie es dem 
Kranken davon ergehen möge. So dringt ein Wahnsinni- 
ger in die Werkstatt eines Künstlers, und ergreift Händ<e 
voll ihm unbekannter,, höchst verschicdner Werk-r 
zeuge, um die dastehenden Kunstwerke, wie er wähnt, zu 
bearbeiten; dafs sie von seiner unsinnigen Arbeit verderbt, 
yvohl gar unwiederbringlich verderbt werden, brauche 4ch 
Jiicht welter zu erinnei'n. 



202 

starken, sogenannten herois.chen Sabstanzen sclion 
in geringer Gabe Befindensveränderongen selbst bei 
starken Personen 20 erregen pflegen. Die von mü- 
derer Kraft müssen zu diesen Yersncben in anscbn- 
lieberer Gabe gereicbt werden : die scbwachslen aber 
können, damit man Ihre Wirkung wabrncfame, blofs 
bei solchen von Krankheit fireien Personen versncbt 
wicrden, .welche särtlicb, reit^biar ntid empfindlich sind. 

§. 115. 

Es dürfen zn solchen VerSncben — denn von 
ihnen hängt die Gewifsbeit der ganzen Heilknnst und 
das Wohl aller folgenden Menschen - Generationen 
ab — es dürfen, sage ich, so solchen Versuchen 
keine andern Arzneien, als solche genommen werden, 
die man genao kbnnt, nnd von deren Reinheit, Aecht- 
heit nnd YoUkräftigkeil man ganzlich überzeugt isL 

§. 116. 

Jede dieser Arzneien mnfs in ganz einfacher, 
ungekünstelter Form, die einheimischen Pflanzen als 
frisch aosgeprefster Saft, mit etwas Weingeist ver- 
mischt, sein Verderben zu verhüten, die ausländi- 
schen Gewachse aber als Pulver, oder mit Weingeist 
zur Tinctur ausgezogen, dann aber mit etlichen Thei- 
len W^asser gemischt eingenommen werden, die Sake 
und Gummen aber gleich vor der Einnahme in Was- 
ser aufgelöst. Ist die Pflanze nur in trockner Gestalt 
zu haben und ihrer Natur nach Von Kräften schwach« 
so dient zu einem solchen Versuche der AufguCs, in- 
dem das zerkleinte Kraut mit kochendem Wasser 
übergössen und so ausgezogen worden ist; er mufs 



203 

gleich nach seiner Bereitung noch wann getranken 
werden, denn alle aasgeprefste Pflanzensäfte nnd 
alle wässerigen Pflanzen -Aufgüsse gehen ohne gci* 
stigen Zusatz schnell in Gäfarnng und Yerdcrbni£5 
über, nnd haben dann ihre Arzneikraft verloren. 

§. 117. 

Jeden ArzneistofF mn£s man zu dieser Absijcl^t 
ganz allein, ganz rein anwenden, ohne irgend eine 
fremdartige Substanz zuznmischen, bder sonst etwas 
fremdartig Arzneiliches an demselbeb Tage zu sich 
zu nehmen, und eben so wenig die folgenden Tage, 
als so lange man die Wirkungen der Arznei beob- 
achten will. Da die Tincturen zum Einnehmen mit 
vielem Wasser gemischt werden, so ist 4cr wenige, 
so sehr verdünnte Weingeist darin nicht als ein fi'cm* 
der Reiz anzusehen. 

§. 118. 

W^ährend dieser Versuchszeit mufis auch die 
Diät recht mäfsig eingerichtet werden; möglichst ohfie 
Gewürze, von blofs nährender, einfacher Art, so 
dafs die grünen Zugemüfse ^) und W^urzeln und 
alle Salate nnd l^nppenkräuter (welche sämmtlich im- 
mer einige störende Arzneikraft anch bei aller Zube- 
reitung behalten) vermieden werden. Die Getränke 
sollen die alltäglichen seyn, so wenig als möglich 
reizend. 



1) Junge grüne Erbsen (Schoten), grüne Bohnen und 
allenfalls Möhren (Mohrrüben) sind zulässig, als die am 
wenigsten ansneilichen grünen Gemttise. 



204 

6. H9. 

Die Versuchsperson mufs sich während des Ver- 
suchs vor Anstrengungen des Geistes und Körpers, 
vor allen Anssthveifangen und störenden Leiden- 
schaften hüten; keine dringenden Geschäfte dürfen 
sie von der gehörigen Beob'achtang abhalten; sie 
mafs mit gutem Willen genaue Anfinerksamkeit anf 
sich selbst richten, und dabei ungestört seyn; in 
ihrer Art gesund an Körper, mufs sie auch den no- 
tbigen Verstand besitzen, um ihre Empfindungen in 
doptKchen Ausdrücken benennen und beschr^ben 
zu können. 

§. 120. 

Die zur gehörigen Ansftihrung des Versncls 
geschickte, bereitwillige, gesunde Person nimmt zn 
dieser Absicht früh nüchtern eine solche Gabe der 
zu prüfenden Arznei, als man in der gewöhnlichen 
Praxis in Reccpten gegen Krankheiten zu brauchen 
pflegt j am besten in Auflösung, und mit etwa zehn 
Theilen nicht ganz kalten Wassers gemischt, ein. 

.§. 121. 

Sollte £esc Gabe binnen eiü Paar Stunden ^) 

keine, oder nur sehr geringe Befindens verändernng; 

-4 

1) In neiiem Zeiten fand ich es zweckmafsiger, der 
Versuchs - Person nur jeden Morgen nüchtern, wenn die 
Gabe des vorigen Tages nicht schon viele Symptome erregt 
hatte, eine, wo nöthig, stärkere Gabe des zu prüfenden 
Artsneimittels einnehmen zu lassen und in den neoesteo 
Zeiten nur kleine, aber hoch verdünnte und hoch potenzirte, 
weil deren Kräfte am vielfachsten entwickelt sind. 



205 

hervorbringen, so nimmt die Person (die Annei 
mnfs sowohl an Mannspersonen, als an WeitKsper^ 
sonen versucht werden) eine grSfsere, nach Befin- 
den der Umstände zwiefache Gabe ein» am besten 
mit ebenfalls zehn Theilen nicht kalten TVassers 
genau gemischt und zusammengeschlittelt. 

§. 122. 

"Wenn die erstere Gabe Anfangs viel zu wio* 
ken scheint, nach einigen Standen aber in ihrer 
Thätigkeit nadiläfst, so mufs die zweite stärkere 
Gabe erst den Morgen darauf, ebenfalls nüchtern, 
genommen werden, und wenn auch diese der Ab-» 
sieht noch nicht entspräche, so wird eine noch stär- 
kere, nach Befinden wohl vierfache Gabe, den drit- 
ten Morgen gegeben, ihre Wirkung schon an den 
Tag legen. 

§. 123. 

Nicht alle Personen werden von einer Arznei 
gleich stark angegriffen; es findet im Gegentheile 
eine grofse Verschiedenheit in diesem iPunkte statt, 
so dafs von einer als sehr kräftig bekannten Arznei 
In mäfsiger Gabe zuweilen eine schwächlich schei- 
nende Person fast gar nicht erregt wird, aber von 
mehren andern dagegeii weit schwachem, stark ge- 
nug. Und hinwiederum giebt es sehr starke Perso- 
nen, die von einer mild scheinenden Arznei sehr 
beträchtliche Krankheitssymptome spüren, von star- 
kem aber geringere» Da diefs nun im voraus un- 
bekannt ist, so ist es sehr räthlich, bei Jedem zuerst 
mit einer kleinen Arzneigabe den Anfang zu machen, 



206 

♦ 

und wo es angemessen nnd erforderlich ist, lentwe- 
dicr denselben Tag nach ein Paar Standen, oder 
von Tage za Tage sa einer hohem nnd hohem 
(etwa jedesmal verdoppelten) Gabe ra steigen. 

$. 134. 
* Hat man gleich Anfangs snm ersten Male eine 
gehörig starke Arzneigabe gereicht, so hat man den 
Yortheil, dafs die Yersnchspcrson die Aufeinander- 
folge der Symptome erfahrt nnd die Zeit, wann jedes 
erschienen ist, genau anfzeichnen kann, welches zur 
Kenntnifs des Genius der Arznei sehr belehrend is^ 
weil dann die Ordnung der Erstwirkangen, so wie 
die der Wechsclwirknngen am nnzweidentigsten zam 
Vorscheine kommt Auch eine sehr mälsige Gabe 
ist zum Versuche oft schon hinreichend^ wenn sor 
der Versuchende feinfühlig genug und möglichst auf- 
merksam auf sein Befinden ist. Die Wirkungsdancr 
einer Arznei wird erst bei Vergleichung mehrer Ver- 
suche bekannt. 

§. 125. 
Mufs man aber, um nur etwas zu erfahren, 
einige Tage nach einander dieselbe Arznei in immer 
erhoheten Gaben zum Versuche derselben Person 
geben, so erfahrt man zwar die mancherlei Krank- 
heitszustände , die diese Arznei überhaupt zuwege 
bringen kann, aber man erfahrt ihre ReihenfDlge 
nicht, nnd die darauffolgende Gabe nimmt oft ein 
oder das andre, von der vorgängigen Gabe erregte 
Symptom hinweg, heilwirkend, oder bringt dafdr den 
entgegengesetzten Zustand hervor, — Symptome} 



207 

weiche eingeklammert werden müssen, als «weiden-* 
tig, bis folgende, reinere Versuche zeigen, ob sie 
Gegenwirkung des Organisms und Nachwirkung, oder 
eine 'Wecbselwirkirng dieser Arznei sind. 

$. 126. 
Wo man aber noch, ohne Rttcksicht auf Folge^ 
reihe der Zaßllle tmd Wirkungsdauer der Arznei, 
blofs die Symptome Itir sich, besonders eines schwach- 
bäfiigcn Arzneistoffs, erforschen will, da ist die Yer- 
anstaltnng vorzuziehen, dafs man einige Tage nach 
einander, jeden Tag eine erhöhete Gabe, auch wohl 
des Tages mehrmal eine solche reiche. Dann wird 
die W^irknng selbst der mildesten, noch unbekann- 
ten Arznei, besonders an empfindlichen Personen 
versucht, an den Tag kommen. 

§. 127. 
Bei Empfindung dieser oder jener Arzneibe- 
schwerde ist's zur genauen Bestimmung des Sym- 
ptoms dienlich, ja erforderlich, sich dabei in vcr- 
schiedne Lagen zu versetzen und zu beobachten, 
ob der Zufall durch Bewegung des eben leidenden 
Theils, durch Geben in der Stube oder in freier 
Luft, durch Stehen, Sitzen oder Liegen sich ver- 
mehre, mindere oder vergehe, und etwa in der er- 
sten Lage wiederkomme, — ob durch Essen odei* 
Trinken oder durch eine andre Beditigimg sich das 
Symptom andre,' oder durch Sprechen, Husten, Nie- 
sen oder bei einer andern Verrichtung des Körpers; 
nnd darauf zu achten, zu welcher Tages - oder Nacht- 
zeit es sich vorzüglich einzustellen pflege, wodurch 



208 

das jedem Symptome EigenthUmUehe und Charakt^ 
listische oflTenbar wird« 

§. 128. 

Alle äöfiiere Potenzen and vorzUglich die Än- 
neien haben die Eigenschaft, eine ihnen eigenthüm- 
liche/ besonders geartete Yerändening im Befinden 
des lebenden Organisms hervorznbringen; doch konn 
mcn nicht alle, einer Aranei eignen Symptome schon 
bei Einer Person, anch nicht alle sogleich, oder in 
demselben Yersoche sam Vorscheine, sondern bei 
der einen Persoa dielsmal diese, bei einem zweiten 
und. dritten Versuche wieder andre, bei einer andern 
Person diese oder jene Symptome vorzugsweise her- 
vor, doch so, däls vielleicht bei der vierten, achten, 
zehnten n. s. w. Person wieder einige oder mehre 
von den Zufallen sich zeigen, die schon etwa bei 
der zweiten, sechsten, neunten n. s. w. Person sich 
ereigneten; auch erscheinen, sie nicht zu derselben 
Stunde wieder. 

§. 129* 

Der Inbegriff aller Krankheits -Elemente, die 
eine Arznei zu erzeugen vermag, wird erst in viel- 
fachen, an vielen' dazu- tauglichen, verschiedenartigen 
Körpern beiderlei Geschlechts angestellten Beobach- 
tungen der Vollständigkeit nahe gebracht. Nur erst 
dann kann man versichert seyn, eine Arznei auf die 
Krankheitsznstände, die sie erregen kann, das Ist) 
auf ihre reinen Kräfte in Veränderung des Men- 
schenbefindens ausgeprttft zu haben, wenn die fol- 
genden Versuchspersonen wenig Neues mehr von 

ihr 



im 

ihr bemer^eq Jcc!qnQ]i,/ttnd fast 1010910« niir 4ie€fdI>«)V 
schon von Andiem beobachteten . Sjrmptorae; an .sieb 
wabmebmeii« - ■ " ^i 

. §. 130. 
(Obgleich, wie gesagt, eine ,Annei bei ihrer 
Prüfung im gesunden Znstande nicht. bei Einer Per^- 
sonalie ihre Befindens* Veränderungen hervorbrin^ 
gen kannj sondern jntir bei vielen, yerschiednen, von 
abweichender Leibes- und Seelenbesch^enheit,. $ff 
lia^t doch die Neigung (Tendenz)*, alle diese, Symr 
ptone in jedem Mepscben'zn enKge;i, in ihr (^^ ltQ.% 
nach einem ewigen, unwandelbaren Naturgesetze ge* 
gründet, vermöge dessen sie alle ihre, selbst die sel- 
ten von ihr in Gesunden hervorgebrachten Wirkun- 
gen bei quem jede^ Menschen in Ausübung bringl^ 
dem man sie in einem Krankheitsznstande von ähn- 
lichen Beschwerden eingiebtf selbst in der mindesten 
Gabe erregt sie dann, homöopathisch gewählt, still- 
schweigend einen der natürlichen . Krankheit nahe 
kommenden künstl^cbep Zustand im Kranken, der 
ihn von seinem ursprünglichen Uebel schnell und 
dauerhaft (homöopathisch) befreit und heilt.) 

§. 131. 
Je mäTsiger, bis zn einer gewissen Mafse, die 
Gaben* einer zu solchen Yersuchen bestimmten Arz- 
nei sind, — vorainsgesetzt, dafs man die Beobach- 
tung durch die Wahl einer Wahrheit liebenden, in 
jeder Rucksicht gemäfsigten, feinfühligen Person, die 
die gespannteste Aufmerksamkeit auf sich richtet, za 
erleichtern sich bestrebt — desto deutlicher kommen 

O 



210 

die ErstwirkmigeA^y nnd fast blofs diese, als die wis- 
senswtfrdig^ten , hervor^ und fest -keine Nachwirkun- 
gen oder Körper- Gegenwirkungen. Bei llbennafsi{; 
grofsen Gaben hingegen kommen nicht allein mehre 
Nachwirkungen unter ' den Symptomen mit vor, son- 
dern die Erslwirknngen treten auch in so verwirrter 
Eile nnd mit solcher Heftigkeit dnf, dafe sich nichts 
genau heobachten läfst; die Gefahr derselben nicht 
einmal %vl erwähnen , die demjenigen, welcher Ach- 
tung gegen die Menschheit hat, und auch den Ge- 
ringsten im Volke fllr seinen Bruder schätzt, nicht 
gleichgültig seyn kann. 

§• 132. 
Alle Beschwerden, Zufalle nnd Veränderungen 
des Befindens der Versuchs -Person während der 
Wirkungsdauer einer Arznei (im Fall obige Bedin- 
gungen [§. 117 — 120.1 eines guten, reinen Ver- 
suchs beobachtet wurden) rühren blofs von dieser 
Arznei her und müssen als dieser Arznei etgenthüm- 
lieh zugehörig, als Symptome dieser Arznei angese- 
hen und aufgezeichnet werden, gesetzt, die Person 
hätte auch ähnliche Zufalls vor längerer Zeit bei 
sich von selbst wahrgenommen. Die ähnliche Wie- 
dererscheinung derselben bjeim Arznei-Versuche zeigt 
dann blofs an, dafs dieser Mensch, vermöge seiner 
besondcm KörpeHbejSchaflcnheit, vorzüglich aufgelegt 
ist, zu dergleichen erregt zu werden. In unserm 
Falle ist es von der Arznei geschehen; die Symptome 
kommen jetzt nicht von selbst, während die einge- 
nommene kräftige Arznei sein ganzes Befinden be- 
herrscht, sondern von dieser. 



211 

4. 133- 
Wenn der Anl die Annei snm Versuche niekl 
selbst eiogenommen, sondern einer jandeirn PerscMi 
eingegeben bat, so mnfs diese ihre gehabten -Empfin« 
dangen, Bescbwerdcto, Zofalle ond BefindenSverSo« 
deningen deotlich aufschreiben in dem Zeitponktei 
wo sie sich ereignen, mit Angabe der nach dtr Ein- 
nahme verflossenen Zeit der Entstehnng jedes Sjwh 
ptoms, nnd wenn es lange anhielt, der Zeit der 
Dauer. — Der Arxt sieht den Aufsatz in Gegenwart 
der Versuchs -Person gleich nach vollendetem Yer* 
suche, oder, wenn der Yersnch mehre Tage dauert, 
jeden Tag durch, um sie, da ihr dann noch alles 
in frischem Gedächtnisse ist, ilber die genaue Be« 
schaffenheit jedes dieser YorföUe zu befragen nnd 
die so erkundigten nähern Umstände beizuschreiben, 
oder nach ihrer Aussage dieselben abzuändern« 

$. 134. 
Kann die Person nicht schreiben, so mnis sie 
der Arzt jeden Tag darüber vernehmen, was und 
wie e^ ihr begegnet sey. Diefs mufs dann aber 
gröfstentfaeils nur freiwillige Erzählung der zum Yer- 
SQcbe gebrauchten Person seyn, nichts Errathenes, 
nichts Yermnthetes und so wenig als möglich Ans« 
gefragtes, was man als Befund niederschreiben will, 
alles mit der Vorsicht, die ich oben (§.77 — 83.) 
bei Erkundigung des Befundes nnd Bildes der na* 
türlicben Krankheltefi angegeben habe. 

§. 135. 
Doch bleiben diejenigen Prüfungen der reinen 

02 



212 

Wirkungen der cinfacbieiT Äi^ncien in Verändening 
iks men&cfairclieii\:Befiodcns ira4 dekr ktiostlicbcn 
KxankbciUxD Atän^ - und Symptpaie., welche . sie im 
gftSQQclen. Meri«ehen ieirengeii Jcönnea, die yonng* 
liebsten, welche der gesandc^^niQrqrtbcillose, feiaföh- 
lige.Arst.an aichlselbst mit; aller ihn biergelchr- 
tea 'Yorsicbl .imd Behutsamkeit anstellt. Er weiii 
sm ^ewis^^sl^n, was er an siA selbst wahrgenom- 
men hai *)•,.'. 



1) Auch haben diese Selbstversuche (lir ihn noch an- 
dre uixersetzliche Vortheile. Zuerst wird ihm dadurch die 
grofse 'Wahrheit, dals das Arzneiliche aller Arzneien, wor- 
auf ihre Helliingskraft beruht, in den von den selbstgeprüf- 
tea Arzneien erEttenen Befindens -Veränderungen und den 
an sich selbst von ihnen erfahrnea Krankheits- Zustanden 
lieg<>, zur unleugbaren Thatsache. Ferner wird er durch 
solche merkwürdige Beobachtungen an sich selbst, tbeib 
zum Verstandni& seiner eignen Empfindungen, seiner Denk- 
und Gemüthsart (dem Grund wesen aller wahren Weisheit: 
yifii&^ aeavrop)^ thetls aber, was keinem Arzte fehlen daH^ 
zum Beobachter ; gebildet. Alle ' unsre Beobachtungen an 
Andern haben das Anziehende bei Weitem nicht, als die 
an uns selbst angestellten. Immer muls der Beobachter 
Andrer befurchten, der die Arznei Versuchende habe, was 
er sagt, nicht so deutilcb gefiihlt, oder seine Gefühle nicht 
mit 'dem genau passenden Ausdrucke angegeben. Immer 
bleibt er in Zweifiel,, ob. er nicht wenigstens zum Theii ge- 
tauscht werde. Dieses nie ganz hinwegzuräumende Hinder- 
nils der Wahrheits- Erkenn tniis bei Erkundigung der Ton 
Arzneien bei Andern entstandnen künstlichen Krankheits- 
Sjmptome fällt bei Selbstyersuchen gänzlich weg. Der 
Selbstversucher weils es selbst, 'er weils es gewifs, was 
er jgeföblt hat| und jeder soldher Selbstyersn^h ist iür ihn 



213 



«•-»•»»• 



^ ' §; 136- » *' 

. ^Wie man aber selbst in Krankheiten, besonderi 
den chronischen, sich meist gleichbleil»end«ti, 'tmtet 
den 'Beschwerden der ursprünglichen Krankhdt ei« 
nige Symptome der zum Heilen a^geWendeteb, eint 
fachen Arsüei ') aasfind^n ki(nne, ist dn Gegeniitand 
höherer Beurtheilängsktinst und blofs -lÜeistem in der 
Bedbachfting va überlassen. > . 

§. 137. ^' - ' * 

Hat man nun eine betrSchtliche-Zabl einfacher 



ein neuer Anlrieb zur Erforschung der Kr$(le mehrer Anr- 
neFen. Und so übt er sich mehr und mehr in der für den 
Arzt so wicktigen Beobachtnogskunst, -wenn er mh $etbp^ 
als da^ GewUsere« ihn nicht T^u$chende. zu beobachten 
fortfahrt^ und um desto eifriger vird er es tbun, da ihm 
diese Seibstversuche die zum Heilen noch so sehr mangeln- 
den Werkzeuge nach ihrem wahren "Werthe und ihrer 
wahren Bedeutung kennen zü lehren yersprechen, und ihn 
nicht täuschen. Man Wäboe auch nicht, da£i solche kleine 
Erkrankungen baiok £{nnehmeii zu priUender Arzneien über- 
haupt seiner Gesundheit nachtheillg "wären. Die Erfahrung 
lehrt im Gegenthcile^ dafs der ^Qrganism des Prüfenden 
durch die mehren AiigrifTe auf das gesuhde Befiflden nur 
desto geübter wird in Zurücktreibung alles seinem Körper 
Feindlichen von der Aufsenwelt her, und aller künstUcbea 
und natürlichen krankhaften Schädlichkeiten, und abgebai^ 
teter gegen alles Nachtheilige mittels so gemäfsigter Selbst- 
versiiche mit Arzneien. Seine Gesundheit wird unverän- 
derlicher; er wird robuster, wie alle Erfahrung leh^L 

1) Die in der ganzen Krankheit nur vor langer Zeit, 
oder nie bemerkten, folglich neuen, der Arznei angehörigen 
Symptome. 



214 

Arxneien auf diese Art im gesunden Menschen ge- 
probt nnd alle die Krankbeits«- Elemente und Sym- 
ptome sorgEUtignldd tren anfgezeichnel, die sie von 
selbst als kilnsdicfae Krankheits-Potensen zn enen« 
gen tihig aind, so bat man dann erst eine wahre 
Materia medica — eine Sammlnng der äcbten, rei- 
nen^ nntrtiglichea Wirkongsarten der ein£achen An* 
neistoffe für sieb, einen Codex der Natar, worin voo 
jeder so erforschten, kräftigen Arznei eine anseho- 
Itche Reihe besondrer Befiodens-YeränderDiigen und 
Symptome, wie sie sich der Aufmerksamkeit des 
Beobachters zu Tage legten, ^afgezeichnet stehen, 
tn denen die . (homöopathischen) Krankheits - Ele- 
mente mehrer >natttrlicben, dereinst durch sie za hei- 
lenden Krankheiten in Aebnlichke.it vorhanden sind, 
welche, mit einem Worte, künstliche Krankbeitszn- 
stände enthalten, die für die ähnlichen natürlichen 
Krankbeitsznstande die einzigem, wahren, homSopa- 
tfaischen, das ist, specifiscben Hcilwerkzenge darrei- 
chen, zar gewissen tind danerfaaften Genesung. 

§. 138. 
Von einer solchen Arzneimittellehre sey alles 
Yennnthete, blofs Behauptete, Erdichtete gänzlich 
ausgeschlossen $ es sey alles reine Sprache dersorg- 
fiLhig und redlich befragten Natur. 

§. 139. 

Freilich kann nur ein sehr ansehnlicher Vor- 

ratb genau nach dieser ihrer reinen Wirknngsart 

in Veränderung des Mcnscbenbcfindens gekaontcr 

Arzneien uns in den Stand setzen, für jeden der 



219 

nnendllch vielen Kranjcheitsyailaode .in der Natur» 
für ^edes Siecbtbmn.üa der Welt; ein homöopathi- 
sches Heilmitteii ein passendes Anaiogon von kUnst-' 
Hcher (heilender) Kraoicheitspotens aassaiinden ^). 
Indessen bleU)ep anch jettt •-* Dank ^efs der Wahr- 
heit von Synptc^men ond dem Heichthome an Krankr- 
heits- Elementen, if eiche jede . der kräftigen Arai^^i'r 
sabstan&ea in ihrer Einwirkung auf. gesunde Körper 
schon jetBt hat- bepbachten lassen «r* doch nnr we^ 
nige Krankheitsfälle Qbrig, Cur welche sich nicht an-: 
ter den nnn schon auf ihre reine Wirkung geprüf- 
ten,* wenigen ^), ^ ziemlich passendes homSopa- 
thisches- Heilmittel anireffen liefse, was» ohne son-| 
derliche.Beschwer.de, Gesundheit sanft, sicher und^ 
dauerhaft wieder bringt -^ wegen noch eingeschränk-^ 
ter Wahl zwarzaweilen noch unvollkommne Hülfs-% 
mittel, wodurch aher doch unendlich mehr, un-^, 
e^dllck gewisser find sichrer geheilt wird, als nach 



1) Anfangs war ich der eiozigej der sich di<( Prüfung 
der reinen Arzneikrdl^e zum wichtigsten seiner Geschäfte 
machte. Seitdem bin Ich von einigen jungen Männern, die 
an 'sich selbst Versuche machten, und deren Beobachtungen 
Ich prüfend durchging, bierm unfterstfitait worden. Was 
wird aber dann erst an Heiluog Im ganzen Umfange d^ß 
uuendlichen Krankheits- Gebietes ausgerichtet werden kön- 
oeo, wenn mehre von genauen und zuverlässigen Beobach- 
tern sich um die Bereicherung dieser einzig achten ArzneU 
Stoff- Lehre durch sorgfältige * Seftstversuciie verdient ge- 
macht .haben werflen l Dann wird das Hcilgeschaft den ma* 
thematischen Wii55ea8<:haften an Gewißheit pahe kommen. 
2) Alan sehe oben Anm. zu §• 102, 



216 

aOetk allgetneitaen' and specielten ^Therapien der bis- 

• • • • • 

herigen y allöpathiscben ArzneikoAst mit ihren imge- 
kannten, geitoischten Mitteln. ^ 

" • *§. 140V '* 
Der dritte Pnnkt des' G^iscbSftes eine^ ach- 
ten Heilk8nsäer3 betrifft die zwe'ck'tträfsigste An- 
wendung der anf ihre reine lYirkting in gesun- 
den Menschen geprüften, kifnstlichen Krankhrits-Po- 
tenten (Arzneien) znr homöopathischen Hei« 
Inng der natflriichen Krankheiten. 

' : $. 141- 

. Bei welcher nhier diesen nach ihrer Menschen- 
be^devs - Yerähderongs - Kraft ausgeforschten Atz- 
n^ita nian nnn in den von ihr ^beobachteten Sjm- 
ptomen das meiste Aehnh'che von der Gesammtheit 
der Symptome emer gegebnen natürlichen Krankheit 
atitrifft, diese Arznei wird, diese mnfs das passendste, 
das gewisseste ^homöopathische Heilmittel derselben 
scyn ; in ihr ist das specifische Heilmittel dieses 
Krankheitsfalles gcfandcn. 

, «. 143. 
Ein so ansgesnchtes Arzneioiitttel, welches die 
der zn heilenden! Krankheit möglichst ähnlichen Sym- 
ptome, folglich eine ähnliche Knnstkrankheit za er- 
regen Kraft nnd Neignng bat, ergreift bei seiner 
Ejnwirkang auf den kranken Menschen, in angemes- 
sener Gabe, eben die an der natürlichen Krankheit 
bisher leidenden Tfaeile nnd Punkte im Organism 
und erregt in ihnen ihre eigne künstliche Krankheit, 
die dann der grofsen Achnlichkeit und überwiegen- 



217 

den Stärke wegeti afr ^e Sfelld ^r bUlitff - Tdrfcänd- 
nea , natürlichen Kranbheks - Y eirsliniiniing vorzags^« 
weise tritt/ so ^ftfs ^ie Lebenskraft von nun ah nickt 
iBctir an der nätSrlichen: (Aer^niin nickt mehr voi^ 
handnen Krankheit, welche als immateriellef, blofs dy^ 
naniische Potent schon ad existiren aufgehört hatte), 
sondern allein an der« siaric^ra,' so ähnlichen -Arznei- 
krankheit leidet^ welche dan» wiedemsi, der »kleinen 
Gahe des Mittels^ wegen, wie jede gemäfeigte An* 
neikt^nkheit/ von der Enef gie der Lebenskraift he- 
siegt, bald von selbst verschwindet nnd den «Körper 
frei von aller Krankheit Iäfst| das ist, gesund nnd 
dauerhaft gesnnd« • 

Wird so die passend homiiopathiscfa ausgewählte 
Arznei gchiJrig angewendet^ so vergeht die sia üher- 
stimmende natürliche^ auch' noch so schlimme, mit 
noch so viel Beschwerden beladene, acute Krankheit^ 
wettn sie unlängst entstanden war, unvermerkt in 
einigen Stunden, die etwas ältere in einigen Ta- 
gen, mit allen Spuren von Uebelbefindenj und man 
wird von der künstlichen Arzneikrankheit fast nichts 
mehr gewahr; es erfolgt in schnellen, unbemerkli- 
eben Uebergängen nichts als wiederhergestellte Ge- 
sundheit, Genesung; die alten (und vorzüglich die 
complicirten) Siechthume erfordern zur Heilung ver- 
hältnifsmäfstg mehr Zeit. 

§. 144. 
Werden dem Arzte ein oder ein Paar gering- 
fügige Zufalle geklagt, welche seit Kurzem erst be- 



218 

merkt worden^ so liat er dicüi filr keine vollständige 
Krankheit anuisehen,/ weldte ernsdicher' anneilicher 
Hülfe bedürfte. . Eine^kleine AbSodening. in der Diäl 
und L^bensoQrdiiniig .reicbt gewühnMch. hin, diese C&- 
pälslicbkeit sn verwischen. 

$. 145. 
Sind es aber ein Paar beftige Beschwerden, die 
der Kranke kJa^ so findet der forschende Arst ge- 
wiibnlich noch nebenbei «nebre, obschon kleinere Za- 
fölle, welche ein vollständig^es Bild von der Krank- 
heit geben. 

« ^.. 146» 

Je schlimmer die acnte Krankheit ist, ans desto 
mehren y aus desto an&Uendem Symptomen ist sie 
dann gewohrilicb EosänMB^iigesetzt, nm desto gewis- 
ser läist sich aber anch ein passendes Heilmittel fitr 
sie aaffindien, wenn eine hinreichende Zahl nach 
ihrer positiven Wirkang gekannter Arzneien xor 
Auswahl vorbanden ist. Unter den Symptomeorei- 
hen vieler Arzneien labt sich nicht schwierig eine 
finden, ^QS deren, einzielnen Krankheits-EIemeDten 
sich ein dem Symptomen -Inbegriffe der natürlichen 
Krankheit sehr ähnliches Gegenbild von heilender 
Knnstkrankheit zasammensetzen läfst, und diese Arz- 
nei ist das wünscheqswerihe Heilmittel. 

§. 147. 

Bei dieser Anfsnchnng .eines homöopathisch spe- 

cifischen Heilmittels, das ist, bei dieser Gegeneinan- 

derhaltnng des Zeichen -Inbegriffs der natöilicheo 

Krankheit gegen die Symptomenreihen der vorband- 



nen Arzneien, nm unter diesen eine dem %a heilen- 
den Uebel in AebnllcUceit entsprechende Kunstkrank- 
beits 'Potenz za finden ^ sind die anffall<^ndernt 
sonderlichen, angemejnen nnd eigenheitli- 
chen (charaktenstiscfaen) Zeichen nnd Symptome 
des Krankheitsfalles vorzüglich und fast einzig fest 
ins Ange zo fassen; denn vorzüglich ;diesen 
müssen sehr ähnliche in der Symptomen- 
reihe der gesuchten Arznei entsprechen, 
wenn sie die passendste ^qr Heilting seyn soll. Die 
allgemeinem und unbestimmtem: Efslnst- Mangel, 
Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger Schlaf, Unbehaglich- 
keit u. s* w., verdienen in dieser Allgemcinlieit und 
Unhestimo^thelt, und weni} sie nicht näher bezeich- 
net sind, wenig Aufmerksamkeit, da man so. etwas 
Allgemeines fast bei jeder. Krankheit un4 fast von 
jeder Arznei sieht. 

i. 148. 
Enthält nun das aus .der Symptomenreihe der 
treffendsten Arznei zusammengesetzte Gegenbild jene 
in der zu heilenden Krankheit anzutreffenden, beson- 
dern, ungemeinen, eigenheillich sich auszeichnenden 
(charakteristischen) Zeichen in der gröfsten Zahl 
und in der gröfsten Aehnlichkcit, so ist diese Arz- 
nei für diesen Krankheitszustand das passendste, 
hom&opatbische , specifische Heilmittel ; die nicht 
allzu lange gedauerte Krankheit wird gewöhnlich 
durch die erste Gabe desselben ohne bedeutende Be- 
schwerde aufgehoben nnd ausgelöscht 



220 



«... 4 



5. 149. • ' • 
l6h sa^e: ohne bedentende BescfawerJle. 
Detin beim Gebrauche iSfieser passendsten, homöopa« 
tbischen Artnei sind blofs die -den Krankheits- Sym- 
ptomen entsprechenden Armei- Symptome 'in Wiiic- 
samkeit/' indem letztere die SteHe der erstem (schwä- 
chern) im Orgänism' einnehmen nnd sie so doreb 
Uebcrstiramong vcmichteti; die oft sehr vielen übri- 
gen Symptome der homöopathischen Arznei aber, 

» * 

welche in dein vorKegendeil Krankheitsfalle keine Ad- 
wendang finden, schweigen dabei gänzlich. Es läfst 
sich in dem Befinden des sich stündlich bessernden 
Kranken fast nichts von ihnen bemerken, weil die 
mm homöopathischen Gebrauche nur in so tiefer 
Verkleinerung nothige Arznei - Gabe ihre tEbrigen, 
nicht zu den hbmüojpathischen gehörenden- Symptome 
in den von der Krankheit freien Theilen des Kör- 
pers zu äufsern viel zu schwach ist, nnd folglich 
blofs die homöopathischen auf die von dein ähnlichen 
Kränkheitssymptomen schon gereiztesten und aufge- 
regtesten Theile im Organismus wirken lassen kanoi 
um diese zur starkem Arzneikrankheit umzustimmen, 
wodnrcli die ursprüngliche Krankheit auslöscht. 

§. 150. 
Indessen giebt es kein, auch noch so passend 
gewähltes, homöopathisches Arzneimittel, welches, 
vorzüglich in zu wenig verkleinerter Gabe, nicht 
Eine, wenigstens kleine, ungewohnte Beschwerde, 
ein kleines, neues Symptom während seiner Wir- 
kungsdauer bei sehr reizbaren und feinfühlenden 



221 

Kranken znwegc bringen fioUte, weil es fast nnmog^ 
lieh ist. da£i Anuiei und KranJkbcU, in itureA-Syin- 
ptomen einander so genau 'decken sollten, .^ie.zwei 
Triangel von gleichen Winkeln und gleichen Seiten» 
Aber diese (im gnten falle) nnhedeatende Abwei'- 
chnng wird; von der .eignen Kxaftthätigkcit (Energie) 
des lebenden Ojcganisms leicht Tcrwiscbt . und Kran^ 
ken von nicht übermäCsiger Zartheit nicht einmal he- 
merkbar.) die Herstellang g^ht dennoch Torwärts zam 
Ziele der iGenesung, wenn sie nicht durch fremd- 
artig arzneiliche Einflüsse anf den Kranken, durch 
Fehler in der Lebensordnung oder durch Leiden« 
Schäften gehindert wird. 

§• 151. 
So gewifs es aber auch ist, dafs ein homöopa* 
tbisch gewähltes Heilmittel, seiner Passendheit und 
der Kleinheit der Gabe wegen, ohne Lantwerdnng 
seiner übrigen, unbomöopathischen Symptome» das 
ist, ohne Erregung neuer, bedeutender Beschwerden^ 
die ihm analoge, acute Krankheit ruhig aufhebt und 
vernichtet, , so pflegt es doch gleich naeh der Ein- 
nahme — in. der ersten, oder den ersten Stunden — 
eine Art kleiner Verschlimümerung zu bewirken (bei 
etwas zu grofseu' Gaben aber, mehre Standen)» 
welche so viel Aehnlichkeif mit der ursprünglichea 
Krankheit hat, dafs sie dem Kranken eine Yerschlim- « 
merung seiner eignen Krankheit zu sejm scheint. 
Sie ist aber in der That nichts anderes, als eine 
das ursprüngliche Üebel etwas an St^urke iiberstei- 
gcnde, höchst ähnliche A'zneikraiikheit. . , . ^ 



222 

§. 152. 

Diese kleine homSöpathiscfae Verschlim- 
fncrnng in den ersten Standen — eine sehr gnte 
Vorbed^ntiing, dafs die acnte Krankheit meist von 
dW ersten Gabe beendigt seyn wird -^ ist ganz in 
der Regel, da die Ärzneikrankheit natf^rlicU nm etwas 
stärker seyn mnfs, alff das zn heilende Debel, wenn 
sie letzteres überstimmen nnd ansloschen soll, so wie 
äacfa eine ahnliche natürliche Krankheit, nnr wenn 
sie stärker, als die andre' ist, diese andre anfheben 
nnd yernichten kann ($• 38 — 410* 

4. 153. 

Je kleiner die Gabe des homöopathischen Mit- 
tels ist, desto kleiner nnd kürzer ist anch diese 
iamscheinende Krankbeits - Erhöhung in den ersten 
Standen, 

§. 154. 
Da sich jedoch die Gabe eines homöopathischen 
Heilmittels kaum je so klein bereiten läfst, dafs sie 
nicht die ihr analoge Krankheit hessern, überstim- 
ihen, ja yottig heilen nnd yernichten konnte (§. 248* 
Anm.),' so wird es begreiflich, waram eine nicht 
kleinstmogliche Gabe passend homöopathischer Arz- 
nei immer noch in der ersten Stande nach der Ein- 
nahäie eine merkbare homöopathische Yerschlimnie- 
rang dieser Art ^) znwege bringt. 



1) Diese, einer Verschh'mmerung ähDliche, Erhöhung 
der Arzneisymptome über die ihnen analogen Kranlbelts- 
symptome- haben aoch andre Aerzte, wo ihnen der ZufaU 



223 

$• 155. 
V^enn ich üt Migenänhie homSopftthiscfbe Ver- 
schlimincrDiig, oder yiGlraelir die die Symptome der 
nrsprifnglichen Krankheit in «etwas zn erhSben •schei- 
nende EiTStwirkong der homSopalhischeff Aituei hier 
aof die erste oder ersten Stondeti set^e» so 4St diefs 
allerdings bei den mehr acuten , • seit Knrüem ent- 
standenen Uebeln der Fall ^)| %o aber Arzneien 



eio homöopatbkchf» Mittel in die Haod spiek^i beobachtet* 
Wenn der Kratz - Krapl^e , n^ch Einnahme des Schwefels 
über Yermelv*ten Ausschlag klagt, 60 tröstet ihn der Arzt, 
der hievon die Ursache nicht weifs, mit der Versicherung, 
dafs die Krätze erst recht heraus kommen müsse, ehe sie hei- 
len könne ; er weiTs aber nicht, da{s dieÜs Schwefel- Ausschlag 
ist, der den Schein vermehrter Krätze annimmL ». 

„Den Gesichts -Ai;sscblag| den die piöia tricolor heilte» 
hatte sie beim Anfange ihres Gebrauchs verschlimmert,^ 
wie Leroy (Heilk. für Mutier, S. 406.) versichert, aber 
nicht weifs, dafs die scheinbare Verschlimmerung von der 
allzu grofsen Gabe des hier einigermalseki homöopathischen 
Freisam -Veilchens herrührte» Lysons sagt ( Med. Transact. 
Vol. 11. London 1772.): „die Ulmenrinde heile diejenigen 
Hautausschläge am gewissesten, die sie beim Anfange ihres 
Gebrauchs vermehre. ^^ Hätte ei^ die Rinde nicht in der 
(wie in der allopathischen Arzneikunst gewöhnlich ist) Un- 
geheuern, sondern, wie es bei Symptomen -Aehnlichkeit der 
Arznei, das* ist« bei ihretn homöopathischen Gebrauche seyn 
niuis, in ganz kleinen Gaben gereicht, so hätte er geheilt, 
ohne, oder fast ohne diese scheinbare Krankheitserhöbung 
(Iioniöopathische Verschlimmerung). 

1) So wie die Wirkung der Arzneiep, den^n an. sich 
auch die Tängste Wirkungsdauer eigen ist, in acuten Krank- 
heiten schnell abläuft, am schnellsten in den acutesten — 



894 

von langer WirknngsdjBuner ein altes nnd sehr altes 
Siechihiuil ui bekämpfeii babeii,..cüie GaLte also viele 
Tage allein fortwirken mnls » . da sieht man in den 
ersten €9*89. 10 Tagen. von Zeit bq Zeit einige sol« 
eher Ersiirirknngen .der. Annei» einige solche an- 
scheinende Syjnptomen r Erhöbnngen des nrsprÜDgli- 
chen Uebcls (voa eiqer oder etlichen Stoilden Dauer) 
hervorkommen,, während in den Zwischenstunden 
Besserung des Ganzen sichtbar wird* Nach Yerflois 
dieser wenigen Tage erfolgt dann die Besserang 
fast uDgetrübt von solchen Erstwirknngen der Arznei 
noch viele Tage hindurch, che etwas andres zu ver- 
ordnen nöthig ist 

f 156. 
Zuweilen trifFt sich's hei der noch einge- 
schränkten Zahl genau nach ihrer wahren, 
reinen Wirkung gekannter Arzneien, da(s 
nur ein Theil von den Symptomen der %n heilen- 
den Krankheit in der Symptomenreihe der noch am 
besten passenden Arznei angetroffen wiird, folglich 
diese unvollkommene Arzneikrankheits - Potenz in 
Ermangelung einer vollkommnem angewendet wer- 
den muls. 

§. 157. 
In diesem Falle läfst sieb freilich von dieser 

An* 

80 lang dauernd ist sie doch in (aus Psora entstandnen) 
chronischen Krankheiten, und daher kommt es, dafs die an- 
tipsoriscben Arzneien oft k^ine solche homöopathische Ter- 
schliin'nierttng in den ersten Stunden, wohl aber später nnd 
in virschiednen Stunden' der ersten 8, 10 Tage merken lassen« 



225 

Arznei keine vollständige, nnbeschwerliche HeOimg 
erwarten. Denn es treten dann bei ihrem Gebrauche 
einige Zufalle hervor, welche vorher in der Krank- 
heit nicht zu finden waren, Nebensymptome von der 
nicht vollständig passenden Arznei. Diese hindern 
zwar nicht, dafs ein beträchtlicher Theil des Uebels 
(die den Arznei -Symptomen ähnlichen Krankheits- 
Symptome) von dieser Arznei getilgt werde, und da- 
durch ein ziemlicher Anfang der Heilnng entstehe, 
aber doch nicht ohne jene Nebenbeschwerden. 

§. 158. 

Die geringe Zahl der in der bestgewählten Arz- 
nei anzutreffenden homöopathischen Symptome thnt' 
der Heilung jedoch in dem Falle keinen Eintrag, 
wenn diese wenigen Symptome gröfsten« 
theils doch von ungemeiner, die Krankheit 
besonders auszeichnender Art (charakteri- 
stisch) waren; die Heilnng erfolgt dann doch ohne 
sonderliche Beschwerde. 

§. 159. 

Ist aber von den auszeichnenden (charakteristi- 
scben), sonderlichen, ungemeinen Symptomen des 
Krankheitsfalles unter den Symptomen der gewählten 
Arznei nichts in genauer Aehnlichkeit vorbanden, 
und entspricht sie der Krankheit nur in den aUge-* 
meinen, nicht näher bezeichneten, unbestimmten Zu« 
standen (Uebelkeit, Mattigkeit, Kopfweh u« s. w.), und 
findet sich keine homöopathisch passendere unter 
den gekannten Arzneien, so hat der Heilktinstler sich 
keinen unmittelbar vortheilhaften Erfolg von der Anr 

P 



226 

wendnng dieser nnbomSopathischen Annei m ?er- 
sprechen. 

4- 160. 
Indessen ist dieser Fall auch bei der jetit noch 
eingeschränkten Zahl nach ihren reinen 'Wirkungen 
gekannter Arsneien sehr selten, nnd seine Nach- 
theile, wenn er ja eintreten sollte, mindern sich, so« 
bald eine folgende Arznei in treffenderer Aehnlich- 
keit gewählt werden kann. 

$. 161. 
Entstehen nämlich beim Gebrauche dieser snerst 
angiewendeten, nnvollkommen homöopathischen An- 
nei Nebenbeschwerden von einiger Bedeutung, so 
läfst man bei acuten Krankheiten diese erste Gabe 
nicht völlig auswirken,* nnd ttberlälst den Kranken 
nicht der vollen Wirkungsdauer des Mittels, son- 
dern untersucht den nun geänderten Krankbeitszo- 
stand aufs Neue und bringt den Rest der ursprüng- 
lichen Symptome mit den neu entstandenen in Ver- 
bindung zur Aufzeichnung eines neuen Krankheits- 
bildes. 

$; 162. 
Nun wird man leichter ein diesem entsprechen- 
des Analogon ans den gekannten Arzneien ansfindcn, 
dessen selbst nur . einmaliger Gebrauch die^Krankheit 
wo nicht gänzlich vernichten, doch der Heilung nm 
Vieles näher bringen wird* Und so fahrt man, wenn 
auch diese Arznei zur Herstellung der Gesundheit 
nicht völlig hinreichen sollte, mit abermaliger Unter- 
suchung des noch Übrigen Krankheitsznstandes nnd 



227 

der Wahl einer darauf mSglichst passenden, homSo- 
pathischen Anmei fort, bis die Absicht, den Kran- 
ken in den voUen Besitz der Gesundheit sn setzen, 
erreicht ist - 

§. 163- 

Wenn man bei der ersten Untersnchung einer 
Krankheit nnd der ersten Wahl der Arznei finden 
sollte, dafs der Symptomen -Inbegriff der Krankheit 
nicht zureichend von den Krankheits-Elementen einer 
einzigen Arznei gedeckt werde — eben der nnzurei- 
chenden Zahl gekannter Arzneien wegen, — dafs 
aber zwei Arzneien nm den Vorzug ihrer Pafslich- 
keit streiten, deren eine mehr für den einen Theil, 
die andere mehr für den andern Tfaeil der Zeichen 
der Krankheit homöopathisch passe, so läfst sich we- 
der anrathen, die eine Arznei nnbesehens nach der 
andern zn braachen, noch auch, beide zugleich an- 
zuwenden, weil niemand voraussehen kann, weder 
in welchen genauen Znstand die Krankheit von der 
erst gebrauchten Arznei versetzt werden könnte, noch 
auch, im zweiten Falle, wie sehr die eine Arznei 
die andre in der Wirkung hindern und umstimmen 
wörde (§. 271. 27iO- 

$. 164. 

W^eit besser ist es hier^ die ftir vorzüglicher 
unter beiden zu achtende, unvollkommen homöopa- 
thische Arznei zuerst allein zu geben. Sie wird 
freilich die Krankheit zum Theil mindern können, 
aber dagegen einen Zusatz neuer Symptome hi^rvor- 
bringen. 

P 2 



228 

4. 165. 
In diesem Falle kann nach den Gesetzen der 
Homöopathie keine zweite Gabe dieser ersten An^ 
nei gereicht werden; aber aach die bei der anfängC- 
eben Indication fär die zweite Hälfte der Symptome 
passend gefondene Arznei kann hier nicht nnbesehens 
an ihrer Stelle nnd ohne weitere Untersochnng der 
nunmehr anwesenden Symptome, in dem Zustande 
angewendet werden, den die erstere Arznei übrig 
gelassen hat 

§. 166. 
Vielmehr mofs aoch hier, wie überall, wo eine 
Aendemng des Krankheitsznstandes vorgegangen ist, 
der gegenwärtig noch übrige Symptomenbestand aafs 
Nene aasgemittelt nnd (ohne Rücksicht auf die anfang- 
lich passend geschienene, zweite Arznei) eine dem 
neuen, jetzigen Znstande möglichst angemessene, ho- 
möopathische Arznei von Neuem ausgewählt werden« 

§. 167. 
Es trifft sich nicht oft, dafs die anfänglich als 
zweit- beste gewählte Arznei nun noch passen sollte. 
Fände sich diefs aber gleichwohl nach der nenen 
Untersuchung, dafs sie auch jet^t noch* wenigstens 
eben so gut, als irgend eine andre Arznei in Aehn- 
lichkeit der Symptome (homöopathisch) pafste, so 
würde sie um .desto mehr das Zutrauen verdienen, 
vorzugsweise angewendet zu werden. 

§. 168. 
In* den unvenerischen, folglich aus Psora ent- 
standenen , chronischen Krankheiten bedarf man mr 



/ 



229 

Hellang oft mehrer, nach einander anzuwendender, 
antipsorischer Heilmittel^ jedes folgende dem Befände 
der nach vollendeter Wirkung des vorgängigen übrig 
gebliebenen Symptomen -Gruppe gemäfs, homöopa> 
thisch gewählt. Nur wenige derselben werden mit 
Nutzen zum zweiten Male wiederhok (m. s. in dem 
Buche von den chronischen Krankheiten). 

f 160. 

Eine ähnliche Schwierigkeit im Heilen ent^ 
steht von der aHzn geringen Zahl der Kranke 
hcitssymptome, ein Umstand, der nnsre sorgfaU 
tlge Beachtung verdient, da durch seine Beseitigung 
fast alle Schwierigkeiten, die diese vollkommenste 
aller möglichen Heil -Methoden (anfser dem Mangel 
homöopathisch gekannter Arzneien) nur darbieten 
kann, gehoben sind. 

%. 170. 

Blofs diejenigen Krankheiten scheinen nur we- 
nige Symptome zu haben, und defshalb Heilung 
schwieriger anzunehmen^ welche man einseitige 
nennen kann, weil nur ein oder ein Paar Hauptsym- 
ptome hervorstechen, welche fast den ganzen Rest 
der übrigen Zufalle verdunkeln* Sie gehören grofisi- 
tentheils zu den chronischen* 

§. 171. 
Ihr Hauptsymptom kann entweder ein inneres 
Leiden (z. B. ein vicljähriges Kopfweh, ein vieljäh- 
riger Durchfall, eine alte Gardialgie n, s. w.) oder 
ein mehr äufsercs Leiden seyn. Letztere pflegt man , 
vorzugsweise Local-Krankheitcn zu nennen. 



230 

$. 172. 
Bei den einseitigen Krankheiten erstei'er Art 
liegt es oft blofs an der Unanfmerksamkeit des ant- 
lichen Beobachters, wenn er die Zufalle, welche uir 
Yenrollständigong des Umrisses der Krankbeitsgestalt 
vorhanden sind, nicht vollständig «anfspürt. 

4. 173. 

Indefs gieht es doch einige wenige Uehel, welcbe 
nach aller anfanglichen (§• 77 — - 91«) Forschung, 
an£ser einem Paar starker, heftiger Zufalle, die iü>ri- 
gen nnr nndentlich merken lassen« 

§. 174. 
Um nnn anch diesem, obgleich sehr seltnen 
Falle mit gntem Erfolge zn begegnen, wählt man 
zuerst, nach Anleitung dieser wenigen Symptome, ik 
hierauf nach bestem Ermessen homöopathisch ausge- 
suchte Arznei. 

§. 175. 
Es. wird sich swar wohl zuweilen treffen, dafs 
diese mit sorgfaltiger Beobachtung des homöopathi- 
schen Gesetzesvgewählte Arznei die passend ähnliche 
künstliche Krankheit zur Yernichtung des gegenwär- 
tigen Uebels danreicbe» welches um desto eher mög- 
lich war, wenn diese wenigen Krankbeitssymptome 
sehr auffallend, bestimmt ^ ungemein und besonders 
ausgezeichnet (charakteristisch) sind. 

§. 176. 
Im häufigem Falle aber kann die hier zuerst 
gewählte Arznei nur zum Theil, das ist, nicht genao 



231 

passen, da keine Mefarsahl voo Symptomen «or Iref« 
fcnden Wahl leitete* 

^ 177. 

Da wird nmi die. swar so got wie mOgllch ge- 
wählte, aber gedachter Ursache wegen nnrnnvoU« 
kommen homöopathische Arsnei bei ihrer Wirkung 
gegen die ihr nor som Theil analoge Krankheit -— 
eben so wie in obigem (<$. 156« nnd femer) Falle, 
wo die Armath an homöopathischen Heilmitteln die 
W^ahl allein anvollständig liels — Nebenbeschwerden 
erregen, and mehre ZnßUle ans ihrer eignen Sympto- 
menreihe in das Befinden des Kranken einmischen, 
die zugleich bisher noch nicht oder selten 
gefühlte Beschwerden der Krankheit selbst 
sind; es werden Znfalle sich entdecken oder sidi 
in hüherm Grade entwickeln, die der Kranke kurs 
vorher gar nicht oder nicht dentlich wahrgenommen 
hatte. 

§. 178. 

Man werfe nicht ein, dals die jetst erschiene- 
nen Nebcnheschwcrden nnd neoen Symptome dieser 
Krankheit anf Rechnung des eben gebrauchten Arz- 
neimittels kämen. Sie kommen von ihm ^); es sind 
aber doch immer nur solche Symptome, zu deren 

1) Wenn nicht ein wichtiger Fehler in der Lebens- 
ordnung, eine heftige Leidenschaft, oder eine stürmische 
Eniwickelung im Organismus, Ausbruch oder Abschied des 
Monatlichen, £mprangnils, Niederkunft u. s. w« davon Ur- 
sache war. 



232 

Erschemung diese Krankheit nnd in diesem Kör- 
per anch für sich schon fähige war^ und welche von 
der gebrauchten Arznei — als SelbsterEengerin ähnli- 
cher — blofs herrorgelockt nnd %a erscheinen bewo- 
gen wnrden. Alan hat^ mit einem Worte, den gan- 
zen jetzt sichtbar gewordenen Symptomen- Inbegriff 
(br den der Krankheit selbst zogehorigen, für den 
gegenwärtigen wahren Znstand anzonehmen' nnd hie- 
nach femer zn behandeln. 

$. 179. 
So leistet die wegen allzn geringer Zahl anwe- 
sender Symptome hier fast nnvermeidlich nnvoUkom- 
mene Wahl des Arzneimittels dennoch den Dienst 
einer YervoUständignng des Symptomen -Inhalts der 
Krankheit nnd erleichtert anf diese Weise die Ans- 
findnng einer zweiten, treffender passenden, homöo- 
pathischen Arznei. 

§. 180. 
Es mnfs also, sobald die Gabe der ersten An- 
nei nichts Yortbeilhaftes mehr bewirkt (wenn die 
nen entstandnen Beschwerden, ihrer Heftigkeit we- 
gen, nicht eine schleunigere Hülfe heischen -» was 
jedoch bei der Gaben-Kleinheit homöopathischer Arz- 
nei nnd in sehr langwierigen Krankheiten nur selten 
der Fall ist), wieder ein neuer Befnnd der Krankheit 
aufgenommen, es mufs der Status morbiy wie er jetzt 
ist, aufgezeichnet, nnd nach ihm ein zweites homöo- 
pathisches Mittel gewählt werden, was gerade auf 
den heutigen, auf den jetzigen Zustand palst, wel- 
ches um desto angemessener gefunden werden kann, 



233 

da die Grnppe der Symptome zahlreicher und voU- 
ständ^er geworden ist ')• 

f 181. 
Und so wird femeri nach vollendeter "Wirkung 
jeder Arsneigabej der Zustand der noch übrigen 
Krankheit nach den fibrigen Symptomen jedesmal 
von Neuem aufgenommen, und nach diese1^ gefun- 
denen Grnppe von Zufallen eine abermals itioglichst 
passende homöopathische Arznei ausgesucht und so 
fort bis zur Genesung. 

§. 182. 
Unter den einseitigen Krankheiten nehmen die 
sogenannten Local-Uebel eine wichtige Stelle ein, 
worunter man an den aufsern Theilta des Korpers 
erscheinende Yerändemngen und Beschwerden he* 
greift, woran, wie man bisher lehrte, diese Theile 
allein erkrankt sejn sollen j ohne dafs der übrige 
Körper daran Theil nehme — eine theoretische, un- 
gereimte Satzung, die zu der verderblichsten aranei« 
liehen Behandlung verführt hat. 



1) Wo der Kranke (was jedoch höcbst selten in chro- 
nischen, wohl aber in acuten Krankheiten stiatt findet) bei 
ganz andeutlicbeu Symptomen sich dennoch sebr übel be- 
findet, so daüs man diesen Zustand mebr dem. betäubteii 
Zustande der Nerven beimessen kann, welcber die Schmer- 
zen nnd Beschwerden beim Kranken nicht zur deutlichen 
Wahrnehmung kommen läCst, da tilgt Mohnsaft diese Be- 
täubung des innern Gefühls -Sinnes, und die Symptome der 
Krankheit konunen in der Nachwirkung deutlich zum Vor«* 
schein. 



234 

4. 183. 
Diejenigen sogenannten Locaf-Uebel, welche 
seit Kurzem blofs von einer äolsem Beschädlgong 
entstanden siqd, scheine^ noch am ersten den Na- 
men örtlicher Uebel %a verdienen. Dann aber 
mülste die Beschädigaog sehr geringftigig seyn, und 
wäre dann ohne besondre Bedentnng» Denn von 
aufsenher dem Korper togefügte Uebel von nnr ir- 
gend einigei: Beträchtlicbkeit ziehen schon den gan- 
zen lebenden Organism In Mltleldenheit$ es entste- 
hen Fieber n. s. w. Mit Recht beschäftigt sich mit 
dergleichen die Chirurgie nur in so fem an den lei- 
denden Theilen eine mechanische Hülfe anzabringcn 
ist, wodurch die äorscrn Hindernisse der durch die 
Kraft des Organisms einzig za erwartenden Heilung 
mechanisch vertilgt werden konnten, z. B. durch Ein- 
renkongen, W^undlippen vereinigende Binden, Ads- 
ziefaung in die lebenden Theile gedrungener, fremder 
Körper, Oeffnmig einer Körperhöhle, um eine belä- 
stigende Substanz herauszunehmen, oder um Ergie- 
fsungen ausgetretener oder gesammelter Flüssigkei- 
ten einen Ausgang zu * verschaffen, Annäherung der 
Bruch-Enden eines zerbrochenen Knochens und Be- 
festigung Ihres Aufeinander -Fassens durch schickli- 
chen Verband, n. s. w. Aber wo bei solchen Be- 
schädigungen der ganze Organism thätige dynami- 
sche Hülfe verlangt, um In den Stand gesetzt zu 
werden, das Werk der Hellung zu voUrnhren, z« B., 
wo das stürmische Fieber von grotsen Quetschun- 
gen, zerrissenem Fleische, Flechsen und Gefaüseo 



^35 

dorch ipnere Anmei «n beseitigen ist» odei: ivoder 
änfsere Schmen verbrannter pdfr geätzter Tbeile bo- 
moop^thißch bioweggenommen werden ,«oU,. 4^ tritt 
das Ge^cbäft des . dynaioiscben Arztes ein . and seine 
bomoqpathis^bf HtÜfe. 

§. 184. . 
Ganz anf andre Art aber eptsteben diejenigen 
an den änfsem Tbeilen erschQtnienden.Uebel, li^pr- 
änderangen nnd Bescbwerdc^y^die keine Beschädi* 
gang von anfsen s^nr Ursache oder nnr.Jdeine ^üt 
fsere Verletzungen znr letzten Yeranlasspi^g ,bab^ni 
diese baben ihre Qnelle.in einem, idnern. Leiden« 
Diese für blofs örtlicbe Uebel anszageben, nnd blpfs 
oder fast. blolst mit örtlichen A^flegpngen gleichsam 
wnndärztlich zn behandeln, wie die bisherige Medicin 
seit adlen Jalurh^n^d^rten^^aA, war so ungereimt, als 
von den schädlichsten Folgen. 

4* 185. . . . , 

Man hielt diese Ucbel .. fiir blof^ ,g]:tKch n^d 
nannte sie deishalb Ldcal- Uebel , gleichsam an die- 
sen Tbeilen ansscbliefsjicb stattfindende Erkrankun- 
gen, woran der Organism wenig oder keinen Theil 
nehme , oder Leiden dieser einzelnen , sichtbaren 
Theiie, wovon, so zu sagen,. /der übrige Körper 
nichts wisse. '* 

§. 186. 
Und dennoch ist schon bei geringem Nachden- 
ken einleuchtend, dafs kein (ohne sonderliche Be- 
schädigung von ^u£sen entstandenes) äufiseres Uebel 
ohne innere Ursachen, ohne Znthun des ganzen 



(folgtJblr Wanken) Organisois enfs^eheb xmi auf 
seiner Stelkr retharren , oder wohl gar sich vor- 
schlimmei^n kafin; Es' könnte gar nicht tnm Vor- 
schein köimnett,' ohne dieZnstimmiing des ganzen 
übrigen Befindens nnd ohne die Theünähme aller 
übrigen empfindenden nnd reisbaren Theile nnd aller 
lebenden Organe des ganzen Korpers, ja sein Em- 
poi^ommen IS&t sich, ohne vom ganzen (verstimiD- 
teri) Leben dazu veranlafst zn sejn, nicht einmal 
denken ; so innig hSngen alle Theile des Organisms 
zn^ammen und bilden ein nntheilbares Ganze in Ge- 
fiihlen nnd Thäti^keit« Keinen Lippen -Ausschlag, 
kein Nagelgeschwür-giebt es, ohne vorgängiges und 
gleichzeitiges iiinere^ Uebelbefinden des Menschen. 

'* Jede SrzÜidie Behattcfhing eines, fast ohne Be- 
schädigung von aofsen^ an änfsem Tfaeilen des Kör- 
pers entstandnen Uebels mufs daher auf das Ganze, 
slvS die Yemichtung nnd Heihing des allgemeinen 
Leidens, mittels innerer Heilmittel,- gerichtet seyn, 
wenn sie zweckmäfsig, sicher, hälfreich nnd gründ- 
lich seyn soll. 

^ §. 188. 
Unzweideutig wird diefs durch die Erfahrung 
bestätigt, welche in allen Fällen zeigt, dafs jede kräf- 
tige, innere Arznei gleich nach ihrer Einnahme be- 
deutende Veränderungen, so wie in dem tfinigen 
Befinden eines solchen Kranken, so insbesondere 
im leidenden äofsem (der gemeinen Ärzneikunst iso- 



am 

lirt scbeinend^) Theile, sclbsljn einem ftogenfim- 
ten Local-Uebel der änfsersten Stellen des Körpers 
verarsacht, und zwar die heilsamste, die Genesnog 
des ganzen Menschen , unter Yerschwindnng des 
äarsem Uebels (ohne Znthnn irgend eines äafser^ 
Mittels ) , wenn die innere, anf das Gante gerichtete 
Arznei passend homöopathisch* gewählt wan 

f 189. 

Diefs gesehiehet am zweckmäfsigsten, wenn hei 
ErSrlemng des Krankheitsfalles, nächst der genauen 
Beschaffenheit des LocaU Leidens, zngleich alle im 
übrigen Befinden bemerkharen nnd vordem bemerk- 
ten Veränderungen, Beschwerden nnd Symptome in 
Yereinigong gezogen werden zum Entwürfe eines 
vollständig^en Krankheits- Bildes, ehe man ein dieser 
Gesammtbeit von Zufallen entsprechendes Heilmittel 
unter den nach ihren eigenthtSmlichen Krankheits- 
vlrknngen gekannten Arzneien sucht, um eine ho- 
möopathische .Wahl zu treffen. 

§. 190. 

Durch diese blofs innerlich eingegebne Arznei 
(und wenn das Uebel erst kürzlich entstanden war, 
schon durch die erste Gabe) wird dann der gemein- 
same Krankheitszustand de^s, Körpers mit dem Local- 
Uebel zugleich aufgehoben, und letzteres mit erste- 
rem zugleich geheilt, zu/n Beweise, dafs das Local- 
Leiden einzig, und allein ' von einer Krankheit des 
übrigen Körpers abhing,^ und nur als ein untrenn- 
barer Theil des Ganzen, als eins der gröjTsten und 



In» 

anffidlendsten Syitaptome ' der Gesammtkrankheit an- 
susfehen ut ' 

§. 191. 
Weder bei den schnell entstehenden, acnten 
Local-Leiden, noch bei den schon lange bestand^ 
nen örtKchen Uebeln ist es diefilicb, ein • aoCseres 
Mittel, nnd wäre auch das specifische, nnd innerlich 
gebraucht, homöopathisch heilsame, änfserlich an die 
Stelle einznrciben oder aii&alegen, selbst dann nicbt, 
wenh es innerlich sogleich angewendet wBrde; denn 
die acnten topischen Uebel («• B. Entzündungen ein- 
feelner Theile, Rothlanf n. s. w.), die nicht durch 
TerhSltnifsmäfsig eben so heftige , äufsere Beschädi- 
gung, sondern durch dynamische oder innere Ursa- 
chen entstanden waren, weichen am sichersten den 
} dem gegenwärtigen äufsem und innchi wahrnehm- 
baren Befmderis- Znstande homöopathisch anpassen- 
den, innern Mitteln, aus dem allgemeinen Yonrathe 
geprüfter Arzneien gewählt'^), gewohnlich ganz al- 
lein; und weichen sie ihnen -laicht völlig, und bleibt 
an der leidenden Stelle und im ganzen Befinden, 
bei guter Lebensordnntig, dennoch ein Rest von 
Krankheit zurück, was die Lebenskraft zur Norma- 
lität wieder zu erheben nicht im Stande ist, so war 
(wie nicht selten) dais acute' Local- Uebel ein Pro- 
duct auflodernder, bisher im' 'Innern schlummernder 
Psora, welche im Begriff ist, sich zu einer offenba- 
ren, chronischen Krankheit zu entwickeln« 

1) Z. B. Aconit, Wurzekumach, Belladonne, Queck- 
silber , u. 8^ w. 



239 

§.192- 
In sokhcn, nicht seltnen Fällen mnfs danti ge- 
gen die noch übrig gebliefonen Beschwerden nnd die 
dem Kranken vorher gewohnlichen, krankhaften Be* 
findens-Zustände zusammen^ eine angemessene, anti- 
psorische Behandlung gerichtet werden '(wie. in idem 
Bache von den chronischen Krankheiten ge^ 
lehrt worden), nm eine gründliche Heilang sa er« 
langen« Bei chronischen Local-^Uebeln, die nicht 
ofTenbar venerisch sind, ist ohnehin die antipsori- 
sche, innere Hieilang allein erforderlich« 

§. 193. 
Es konnte zwar scheinen, als wenn die Heilang 
solcher Krankheiten hcschleDnigt würde, wenn man 
das für den ganzen Inbegriff der Symptome als ho« 
möopathisch richtig erkannte Arzneimittel nicht nur 
innerlich anwendete, sondern auch äofserlich anf« 
legte, weil die Wirkung einer Arznei, an der Stelle 
des Local-Uebels selbst angebracht, eine schnellere 
Verändemng darin hervorbringen könnte. 

§. 194. 
Diese Behandlang ist aber nicht nur bei den 
Local- Symptomen, die das Miasm der Psora, son- 
dern auch bei denen, die das Miasm der Sjrphi- 
lis, oder der Sykosis zam Grande habcn> darcfaaas. 
verwerflich, denn die neben dem innern Ge- 
brauche gleichzeitige ö^rtliche Anwendung 
des Heilmittels bei Krankheiten, welche 
ein stetiges Local-Uebel z'um Hanptsym- 
ptome haben, führt den grofsen Nachtheil her- 



240 

bei, dafs durch eine solche ortliche Auflegung dieses 
Haoptsymptoni (Local-Uehel) ^) gewöhnlich schnel- 
ler, als die innere Krankheit, vernichtet wird, und 
nns non mit dem Scheine einer völligen Heiloog 
täuscht, wenigstens nns nim die Benrtheilong, ob 
anch die Gesammtkrankheit dnrch den Beigebrancli 
der innem Arxnei vernichtet sey, dnrch die vonei- 
tige Yerschwindnng dieses örtlichen Symptoms er- 
schwert nnd in einijg^en Fällen unmöglich macht 

§* 195. 
Die blofs örtliche Anwendung der von 
innen heilkräftigen Arznei anf die Local- Symptome 
chronisch miasmatischer Krankheiten ist ans gleichem 
Grande dnrchans verwerflich; denn ist das Locai- 
Uebel der chronischen Krankheit hiofs örtlich und 
einseitig aufgehoben worden, so bleibt nun die zur 
völligen Herstellung der Gesundheit unerlälsliche in- 
nere Cur im ungewissen Dunkel; das Hanpt-Sym- 
ptofn (das Local-Uebel) ist verschwanden, nnd es 
sind nur noch die and^n, unkenntlichem Symptome 
übrig, welche weniger stetig und bleibend, als das 
Local- Leiden, und oft von zu weniger Eigenthfim- 
lichkeit und zu wenig charakteristisch sind, als dals 
sie noch ein Bild der Krankheit in deutlichem nnd 
vollständigem Umrisse darstellen sollten. 

4. 196. 
Wenn nun vollends das der Krankheit homöo- 
pathisch angemessene Heilmittel za der Zeit noch 

nicht 

1) FnKber Kratz -Ausachlag, Schanker, Feigwarse. 



241 

nicht gefimden war ^)f als das ortliche Sjrmptom 
durch ein beizendes, oder austrocknendes änfseres 
Mittel, oder dnrcb den Schnitt vernichtet ward, so 
wird. der Fall wegen der allzo nnbestimmten (nncha- 
rakterislischen) und unsteten Erscheinung der noch 
übrigen Symptome noch weit Schwieriger, weil, was 
die W^ahl des treffendsten Heilmittels und seine in* 
nere Anwendung bis zum Punkte der völligen Ver- 
nichtung der Krankheit noch am meisten hätte lei- 
ten und bestimmen können, das änfsere Hauptsym« 
ptom unserer Beobachtung entzogen worden ist 

§. 197. 

Wäre es bei der innern Cur noch da, so würde 
das homöopathische Heilmittel ftir die Gcsammtkrank- 
heit haben ausgemittelt werden können, nnd wäre die- 
ses gefanden, so würde bei dessen innerm Gebrauche 
die bleibende Gegenwart des Local-Uebels zeigen, 
dals die Heilung noch nicht vollendet sey; heilete 
es aber auf seiner Stelle, so bewiese diefs tiberzea- 
gend, dafs das Uebel bis zur AYurzel ausgerottet^ 
und die Genesung von der gesammten Krankheit 
bis zum erwünschten Ziele gediehen sey. Ein un- 
schätzbarer Yortheil. 

§. 198. 

Offenbar entschliefst sich die menschliche Le- 
benskraft, wenn sie mit einer chronischen Krankheit 
beladen ist, die sie nicht durch eigne Kräfte über- 



1) Wie, vor mir, die Heilmittel der Feigwarzen-Krank- 
beit (uod die antipsoriichen Arzneieo), 



242 

wältigen kann, snr Bildnng eines Local-Uebels an 
irgend einem änfsern Theile blofs ans der Absicht, 
iraii dnrcb Krankmachnng und Krankerhaitang die- 
ses snm Leben des Menschen nicht nnenthehrlichen 
änfsern Theils, das.anfserdem die Lebensorgane za 
vemichlen (und das Lebeif zu ranben) drohende, 
innere Uebel zn beschwichligen und» so zn sagen, 
auf das stellvertretende Local- Uebel überaotragen 
nnd dahin gleichsani abzalcilen. Die Anwesenheit 
des Local -Uebels bringt auf diese Art die innere 
Krankheit zam Schweigen, obschon» ohne sie weder 
heilen, noch wesentlich vennindem za können ^). 
Indessen bleibt das LocaUUebel immer weiter nichts, 
als ein Theil der Gesammtkrankheit, aber ein von 
der organischen Lebenskraft einseitig vergröCserter 
Theil derselben, an eine gefahrlosere (äalsere) Stelle 
des Korpers hin verlegt, nm das innere Leiden zn 
beschwichtigen. Es wird aber (wie gesagt) durch 
dieses die innere Krankheit zum Schweigen brin- 
gende Local -Symptom von der Lebenskraft für die 
Minderung oder Heilung des Gesammt- Uebels so 
wenig gewonnen, dafs im Gcgentheile dabei das in- 
nere Leiden dennoch allmälig zunimmt und die Na- 
tur genöthigt ist, das Local • Symptom immer mehr 
zn vergroisem nnd zu verschlimmem, damit es zur 



1) Die Fontanelle des Arztes thun etwas Aebnliches; 
sie bescbwicbtigen als kunstlicbe Gescbwfire an den auisern 
Theilen mehre ~ innere cbroniscbe Leiden eine nur kurze 
Zeit lang, ohne sie heilen zu können. 



243 

StellTertretnng (tSr das innere vergrpCserte Uebcl nn^ 
zn seiner Beschwichtignng zareiche. Die alten Scheiß- 
kelgescbwüre verschlimmem sich, bei nngeheilter, üi- 
nerer Psora, der Schanker vergröfsert sich, bei nach 
nngeheilter innerer Syphilis, so wie die innere 6e- 
sammtkrankheit mit der Zeit wächst. 

f 199. 

W^ird nnn von dem Arzte der bisherigen Schole, 
in der Meinung, er heile dadurch die Krankheit selbst, 
das Local-Symptom dorch äofscre Mittel ortlich verr 
nicfatet, so ersetzt es die Natnr durch Erweckang des 
inqem Leidens und der vorher schon neben dem Lo- 
cal-Uebel bestandnen, bisher noch scblammerndejqi 
übrigen Symptome, das ist, durch Erhöhung der in- 
nem Krankheit — in, welchem Falle man dann nnr 
richtig zu sagen pflegt, das Local-Uebel sey durch 
die änfsem Mittel zurück in den Körper oder auf 
die Nerven getrieben worden«. 

§. 200. 

Jede äqfsere Behandlung solcher Local-Sym- 
ptome, nm sie, ohne die innere miasmatische Krankr 
helt geheilt zn habeq, von der Oberfläche des Kör* 
pers wegzuschaffen, also den Krätz-Ausschlag durch 
allerlei Salben von der Haut zn vertilgen, den Schanr 
ker änfserlich wegznbeizen und die Feigwarze durch 
Wegschneiden, Abbinden oder glühendes Eisen auf 
seiner Stelle zn vernichten, diese bisher so gewöhn- 
liche, änfsere, verderbliche Behandlung ist die ge- 
meinste Quelle aller der unzähligen, benannten und 
nnbenannten, chronischen Leiden geworden, wornn- 

Q-2 



244 

ter die gesammte Menschheit seafxet; sie ist eine 
der verbrecherischesten Handlangen, deren sich die 
Arztwelt schuldig machen konnte, und gleichwohl 
war sie bisher die allgemein eingeführte* 

i. 201. 
Alle langwierigen Uebel, Beschwerden nnd 
Siechthnme, welche nicht von einer anhaltenden, 
nngesnnden Lebensart abhängen, — alle übrigen, 
ohne Ausnahme, rühren von der Entwidcelang die- 
ser drei chronischen Miasmen, der innem SyphiUs, 
der innem Sykosis, vorzüglich aber nnd in nnendlich 
grofserm Verhältnisse, von der innem Psora her, 
deren jede schon im Besitze vom ganzen Organism 
war nnd ihn in allen Theilen schon darchdrangen 
hatte, ehe jeder ihr primäres, stellvertretendes nnd 
ihren Ansbrnch verhütendes Local-Symptom (bei der 
Psora der Kratz -Ausschlag, bei der Syphilis der 
Schanker oder die Schoofsbeole, nnd bei der Syko- 
sis die Feigwarze) zara Vorscheine kam, nnd welche 
nnansbleiblich, wenn dieses ihnen geranbt wird, bald 
oder spät znr Entwickelang nnd zum Ansbrache za 
kommen von der grofsen Natnr bestimmt sind, nnd 
so all das namenlose Elend, die nnglanbliche Menge 
chronischer Krankheiten verbreiten, welche das Men- 
schengeschlecht seit Jahrhnnderten nnd Jahrtansen- 
den qaälen, deren keine so häufig znr Existenz ge- 
kommen wäre, hätten die Aerzte diese drei Miasmen, 
ohne ihre änfsern Symptome darch topische Mittel 
anzutasten, durch die innem homöopathischen, fiir 



245 

jede gehörigen Ärsileien gründlich zn heilen und im 
Oi^anism ansznlöscben sich beeifert 

§. 202. 
Der homöopathische Ärst behandelt nie eines 
dieser Primär -Symptome der chronischen Miasmen, 
noch auch eines ihrer secundären, ans ihrer Entwik- 
kelong entsprossenen Uebel durch ortliche (weder 
darch änfsere dynamisch wirkende. ^) noch auch dnrch 



1) Ich kann daher e. B. nicht cur örtlichen Ausrot- 
tung des sogenannten Lippen- oder Gesichts -Krebses (einer 
Frucht weit entwickelter Psora) durch das Cosmische Ar- 
senik-Mittel rathen, nicht nur weil es äufserst scbmerahaft 
ist und oft müslingt, sondern mehr* deCshalb, weil durch 
dieses dynamische Mittel, wenn es ja die Körperstelle von 
dem bösen Geschwüre local befreiet, das Grund -Uebcl, die 
Psora, hiedurch nich^znm kleinsten Theile vermindert wird, 
die Lebens -Erhaltungs- Kraft also genöthigt ist, den Herd 
(lir das innere grofse Uebel an eine' noch edlere Stelle (wie 
sie bei allen Metaschematismen thut) zu versetzen , und 
Blindheit, Taubheit, Wahnsinn, Erstickungs- Asthma, Was-^ 
ser-Geschvirulst, Schlagflufs u. s. w. folgen zu lassen. Die 
ortliche Befreiung der Stelle von dem bösen Geschwüre 
durch das topische Arsenik -Mittel gelingt aber nur da, wo 
das Geschwür noch nicht grofs, die Lebenskraft auch noch 
sehr energisch ist; aber eben in dieser Lage der Sache ist 
auch die innere vollständige Heilung des ganzen Ur-Uebeb 
noch ausführbar. 

Ein gleicher ist der Erfolg von dem blos durch den 
Schnitt weggenommenen Gesichts- oder Brust-Krebse und 
der Ausschälung der Balg- Geschwülste; es erfolgt etwas 
noch Schlimmeres drauf, wenigstens wird der Tod be- 
schleunigt. 



246 

mechanische) Mittel, softdcrn heilet » wo sich die 
einen oder die andern zeigen » einzig das grobe, 
ihnen zom Grrnnde liegende Miasm, wovon denn 
attch' sein primäres, so wie seine secnndären Sym- 
ptome von selbst mit verschwinden; er hat es aber, 
da dergleichen vor ihm nicht geschah, nnd er meist 
dile Primär- Symptome ^) von den bisherigen Aers- 
ten schon äofserlich vernichtet findet, jetzt mehr mit 
den secnndären, den Uebeln von den Ansbriicben 
und der Entwickclang dieser inwohnenden Miasmen, 
vorzüglich aber mit den ans innerer Psora entfal- 
teten, chronischen Krankheiten zu thon, deren in- 
nere Heilang, soviel ein einzelner Arzt nach vieljäh- 
rigen Nachdenken, Beobachtung nnd Erfahrong an 
den Tag za bringen vermochte, ich in meinem Boche 
von den chronischen Krankheiten darzulegen mich 
beflissen habe, worauf ich hier verweise. 

§• 203. 
Vor dem Beginnen der Cur eines chronischen 
Uebels mnfs nothwendig die sorgfältigste Erkundi- 
gung ^) vorausgehen, ob der Kranke eine veneri- 



1) Kratz- Ausschlag, Schanker (Schoofsbeule), Feig- 
warzen. 

2) Man ksse sich bei Erkundigungen dieser Art nicbt 
von den oftern Behauptungen der Kranken oder ihrer An- 
gehörigen bethören, welche zur Ursache langwieriger, ja 
der grölsteii und langwierigsten Krankheiten entweder eine 
vor vielen Jahren erlittene Yerkältung (Durchnassung, einen 
kalten Trunk auf Erhitzung), oder einen ehemals gehabten 
Schreck, ein Verheben, ein Aergernifs (auch wohl eine Be- 



247 

sehe Anstecknng (oder anch eine Ansteclrang mit 
Feigwarzen «Tripper) gehabt hatte; denn dann maus 
auf diese die Behandlung gerichtet werden und zwar 
allein, wenn blofs Zeichen der Lnstseache (oder der, 
seltnen, Feigwarzen-Krankfaeit) vorhanden sind, der- 
gleichen aber in nenem Zeiten sehr selten allein an- 
getroffen werden. Rücksicht aber, w^nn dergleichen 
Ansteckung vorangegangen war, mufs auf sie anch 
in dem Falle genommen werden, wenn Psora zn 
heilen ist, weil dann letztere mit ersterer complicirt 
ist, wie immer, wenn jener Zeichen nicht rein sind; 
denn stets, oder fast stets wird der Arzt, wenn er 
eine alte, venerische Krankheit vor sich zu haben 
wähnt, eine vorztiglich mit Psora vergesellschaftete 
(complicirte) zn behandeln haben, indem das innere 
Kratz- Sicchthum (die Psora) bei weitem die häu- 
figste (gewisseste) Grundursache der chroni- 
schen Krankheiten ist, entweder zugleich mit Sy- 
philis (oder auch Sjkosis) verbunden (complicirt), 
wenn gestandig letztere Ansteckungen einst' gesche-^ 



bexang) u. s. w. angeben« Diese Veranlassungen sind viel 
zu klein, um eine langwierige Krankheit in einem gesun- 
den Körper zu erzeugen, lange Jahre zu unterhalten und 
von Jahr zu Jahr zu vergröüsern , wie die chronischen 
Krankheiten von entwickelter Psora alle geartet sind. Un- 
gleich wichtigere Ursachen als jene, erinnerliche Schädlich- 
keiten müssen dem Anfange und Fortgange eines bedeuten- 
den, hartnäckigen, alten Uebels zum Grunde liegen; jene 
angeblichen Veranlassungen können nur Hervorlockungs- 
Momente eines chronischen Miasms abgeben. 



248 

hen waren, oder, wie nnendlich öfterer vorkommt, 
die Psora ist die alleinige Grund -Ursache aller übri- 
gen chronischen Leiden, sie mögen Namen haben, 
wie sie wollen. 

$« 204. 
Wenn Obiges berichtigt ist, hat der homöopa- 
thische Arzt noch die ErknndigDng nöthig: welche 
allopathische Goren mit dem langwierig Kranken bis 
daher vorgenommen worden waren , welche eingrei- 
fende Arzneien vorzüglich nnd am häufigsten, anch 
welche mineralische Bäder nnd mit welchen Erfol- 
gen er gchraochtc, nm einiger Mafsen die Ansartnng 
seines nrsprünglichen Zastandes begreifen nnd wo 
möglich diese künstlichen Verderbnisse zom Theii 
wieder bessern zu können. 

§. 205. 
Nächstdem mafs das Alter des Kranken, seine 
Lebens - W^eise nnd Diät, seine Beschäftigungen, 
seine hänfsliche Lage, seine bürgerlichen Yerbält- 
nisse u. s. w, in Rücksicht genommen werden, ob 
diese Dinge zu Vermehrung seines Ucbels beigetra- 
gen, oder in wiefern alles diefs die Cur begünstigen 
oder hindern könnte. So darf auch seine Gemütbs- 
nnd Denknogs-Art, ob sie die Cor hindere, oder 
psychisch zu leiten, zu begünstigen oder abzuändern 
sey, nicht aus der Ac^ht gelassen werden. 

§. 206. 
Dann erst sucht der Arzt in mehren Unterre- 
dungen das Krankheits-Bild des Leidenden so voll- 
ständig, als möglich, zu entwerfen, nach obiger An- 



249 

leitang, nm die anffallendsten und sonderbarsten (cba- 
rakteiisüschen) Symptome aaszeichnen za können, 
nach denen er das erste antipsorische n. s. w. Arx- 
neimittel nach möglichster Zeichen -Aehnlichkeit für 
den Aniang der Cor, n. s. £• auswählt 

§. 207. 
Der Psora gehört fast alles an, was ich ehedem 
einseitige Krankheiten nannte, welche dieser Einsei- 
tigkeit wegen, wo vor dem einseinen, grofsen, her- 
vorragenden Symptome alle übrige Krankheits- Zei- 
chen gleichsam verschwinden, schwieriger heilbar 
scheinen. Dieser Art sind die sogenannten Ge- 
müths- nnd Geistes-Krankbeiten. Sie ma- 
chen jedoch keine von den übrigen scharf getrennte 
Glasse von Krankheiten ans, indem aach in allen 
übrigen sogenannten Körperkrankheiten die Gemüths- 
tind Geistes «Yerfassnng allemal geändert ist ^), 



1) Wie oft trifTt man nicht, z. B. in den schmerz- . 
haftesten, mehrj'ährigen Krankheiten ein mildes, sanftes Ge- 
müth an, so dafs der Heilkünstler Achtung und Mitleid ge- 
gen den Kranken zu hegen sich gedrungen fühlt. Besiegt 
er aber die Krankheit und stellt den Kranken wieder her 

— wie nach homöopathischer Art nicht selten möglich ist 

— da erstaunt und erschrickt er nicht selten über die schau- 
derhafte Veränderung des Gemüths. Da sieht er oft Un- 
dankbarkeit, Hartherzigkeit, ausgesuchte Bosheit und die die 
Menschheit entehrendsten und empörendsten Launen hervor- 
treten, welche gerade dem Kranken in seinen ehemaligen 
gesunden Tagen eigen gewesen waren« 

Die in gesunden Zeiten Geduldigen findet man oft in 
Krankheiten störrisch, heftig, hastig, auch wohl unleidlich, 



250 

ond in allen zu heilenden Krankheitsfällen der Ge- 
müthszustand des Kranken als eins der vorzüglicli- 
Sien mit in den Inbegriff der Symptome anfzaneh- 
mcn ist, .wenn man ein trenes Bild von der Krank- 
heit verzeichnen will, um sie hienach mit Erfolg ko- 
möopathisch heilen zu können. 

§. 208. 
Diefs geht so weit, dafs hei homöopathischer 
Wahl eines Heilmittels der Gemtithszusland des 
Kranken oft am meisten den Ausschlag giebt, als 
Zeichen von bestimmter Eigenheit, was dem genau 
beobachtenden Arzte unter allen am wenigsten ver- 
borgen bleiben kann. ^ 

§. 209. 
Auf dieses Haupt «Ingredienz aller Krankheiten, 
auf den veränderten Gemüths- und Geisteszustand 
hat auch der Schöpfer der Heilpotenzen vorzüglich 
Rücksicht genommen, indem es keinen kräftigen An- 
neistoff auf der Welt giebt, welcher nicht den Ge- 
müths- und Geisteszustand in dem ihn versuchenden 
gesnnden Menschen sehr merkbar veränderte, und 
zwar jede Arznei anders. 



eigensinnig und wiederum auch wohl ungeduldig oder ver- 
zweifelt, die ebedem Züchtigen und Schamhaften findet man 
nun geil und schamlos. Den hellen Kopf trilTt man nicht 
selten stumpfsinnig, den gewöhnlich Schwachsinnigen hin- 
wiederum gleichsam klüger, sinniger, und den von langsa- 
mer Besinnung zuweilen voll Geistesgegenwart und schneli 
entschlossen an, u. s. w. 



251 

§. 210. 
Man wird daber nie natargemäfs, das ist, nie 
homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem, 
selbst acuten, Krankheitsfälle zugleich mit anf das 
Symptom der Geistes- nnd GemÜths-Verändernni 
gen siebet, nnd nicht znr Hülfe eine solche Krank* 
beits-Potenz nnter den Heilmitteln answäblt, welche 
nächst der Aehnlichkeit ihrer andern Symptome mit 
denen der Krankheit, anch einen ähnlichen Gemiiths« 
oder Geistes-Znstand f4ir sich za erzeugen ßhig ist ^). 

§. 211. 
Was ich also Qber die Heilung der Geistes-« 
und Gemüths-Krankbeiten za lehren habe, wird sich 
auf 'Weniges beschränken können, da sie auf die- 
selbe Art, als alle übrigen Krankheiten, das ist, 
durch ein Hellmittel, was eine dem Krankheitsfalle 
möglichst ähnliche Krankheits -Potenz in ihren, an 
Leib und Seele des gesunden Menschen zn Tage 
gelegten Symptomen darbietet, zn heilen ist, nnd 
gar nicht anders geh eilt werden kann. 

§. 212. 
Die sogenannten Geistes- und Gemüths-Krank- 



1) So wird bei einem stillen, gleichförmig gelassenen 
Oemuthe, der Napell-Sturmbut selten oder nie eine, weder 
schnelle noch dauerhafte Heilung bewirken, eben so wenig, 
als die Krähenaugen bei einem milden, phlegmatischen, die 
Pulsatille bei einem frohen, heitern r>nd hartnackigen, öder 
die Ignazbohne bei einem unwandelbaren, weder zu Schreck, 
noch zu AergerniCs geneigten Gemüthszustande« 



252 

heitcn sind fast alle nichts anderes, als Kurper-Krant 
keiten, bei denen <das jeder eigenCbiiinliche Symptom 
der Geistes- und Gemütbs-Yerstimniung sich unter 
Verminderung der Körper-Symptome (schneller oder 
langsamer) erhöhet — endlich bis snr anßallendsteo 
Einseitigkeit, fast wie ein Local-Uebel. 

§. 213. 
Die Fälle sind nicht selten, wo eine den Tod 
drohende, sogenannte Körper-Krankheit — eine Lnn- 
gcnvereiterung, oder die Vcrderbnifs irgend eines an- 
dern, edcln Eingeweides, oder eine andere hitzige 
(acute) Krankheit, z. B. im Kindbette u. s. w., durch 
schnelles Steigen des bisherigen Gem&ths- Symptoms 
in einen Wahnsinn, in eine Art Melancholie, oder 
in eine Raserei ausartet und dadurch alle Todesge- 
&hr der Körper -r Symptome verschwinden macht; 
letztere bessern sich indefs fast bis zur Gesundheit, 
oder verringern sich vielmehr bis zu dem Grade, 
dals ihre dunkel fortwährende Gegenwart nur von 
dem beharrlich und fein beobachtenden Arzte noch 
erkannt werden kann. Sie arten auf diese 'Weise 
zur einseitigen Krankheit, gleichsam zu einer Local- 
Krankheit aus, in welcher das vordem nur gelinde 
Symptom der Gemüths - Verstimmung zum Hanpt- 
Symptome sich vergröfsert, welches dann grofsten- 
thells die übrigen (Körper-) Symptome vertritt, und 
ihre Heftigkeit palliativ beschwichtiget, so dafs, mit 
einem Worte, die üebel der gröbcrn Körper-Organe 
auf die fast geistigen, von keinem Zergliedernngs- 
Messer je erreichten oder erreichbaren Geistes- und 



253 

Gemütfas - Organe gleichsam übergetragen nnd auf 
sie abgeleitet werden. 

§. 214. 
Mit Sorgfalt rnnfs bei ihnen die Erforschung 
des ganzen Zeichen -Inbegriffs unternommen werden, 
in Absicht der Körper- Symptome sowohl, als auch, 
und zwar vorzüglich, in Absicht der genauen Auffas- 
sung der bestimmten Eigenheit (des Charakters) 
seines Hauptsymptoms, des besondern, jedesmal vor- 
waltenden Geistes* und Gemüths-Zustandes, um zur 
Auslöscbung der Gesammtkrankheit eine homöopä* 
thische Arzneikrankbeits -Potenz unter den nach ih- 
ren reinen Wirkungen gekannten Heilmitteln au^ 
zufinden, ein Heilmittel, welches in seinem Sympto- 
mcn-Inhaltc nicht nur die in diesem Krankheitsfälle 
gegenwärtigen Körperkrankheits-Symptome, sondern 
auch vorzüglich diesen Geistes- und Gemiiths- Zn- 
stand in möglichster Aehnlichkeit darbietet 

§. 215. 
Zu diesem Symptomen -Inbegriffe gehört zuerst 
die genaue Bcschreibang der sämmtlichen Zufalle der 
vormah'gen sogenannten Körper- Krankheit, ehe sie 
zDr einseitigen Erhöhung des Geistes - Symptoms^ 
zur Geistes- und Gemüths- Krankheit ausartete. Aus 
dem Berichte der Angehörigen wird dieses erhellen. 

§. 216. 

Die Yergleichung dieser ehemaligen Körperkrank- 

hcits • Symptome mit den davon jetzt Qoch übrigen, 

obgleich unscheinbarer gewordenen Sjpuren (welche 

auch jetzt noch jsich zuweilen hervorthun^ wenn ein 



254 

fichter ZwMchenraiim und eine tibeFhingehende Min- 
derung der Geistes -Krankheit eintritt) wird zur Be- 
stätigoüg der fortdanemden verdeckten Gegenwart 
derselben dienen. 

§. 217. 
Setzt man nna hinsa den genau von den An- 
gehörigen nnd dem Arzte selbst beobachteten Gei- 
stes- nnd Gemüths- Znstand, so ist das vollständige 
Krankheitsbild zusammengesetzt, für welches dann 
eine, treffend ähnliche Symptome nnd vorzüglich die 
ähnliche Geistes -Zerrüttung zu erregen fähige An- 
nei unter den antipsorischen Mitteln zur homöopa- 
thischen Heilung des Uebels aufgesucht werden kann, 
wenn die Geistes -Krankheit schon seit einiger Zeit 
fortdauerte. 

§. 218. 
War jedoch aus dem gewohnlichen, mhigeo 
Zustande auf einmal plötzlich zuerst ein Wahnsinn 
oder eine Raserei (auf Veranlassung von Schreck, 
Aergernifs, geistigem Getränke n, s. w.) als eine 
acute Krankheit ausgebrochen, so kann, ob sie gleich 
fast ohne Ausnahme aus innerer Psora, gleichsam 
als eine von ihr auflodernde Flamme, entsprang} 
sie doch in diesem ihrem acuten Antritte nicht so- 
gleich mit antipsorischen, sondern sie muls mit den 
hier angedeuteten Arzneien aus der übrigen Classe 
geprüfter Arzneien (z. B. Aconit, Belladonne, Stech- 
apfel, Bilsen^ Quecksilber u. s. w.) in hoch poten- 
zirten, feinen, homöopathischen Gaben erst behan- 
delt werden, um sie so weit zu beseitigen, dafs die 



255 

Psora ia ihren vorigen, latenten Znstand vor der 
Hand wieder zurückkehre, in welchem der Kranke 
genesen erscheint. 

$. 219. 
Doch darf ein solcher, ans einer acuten Geistes- 
oder Gcmiiths -Krankheit darch gedachte nnantipso-> 
rische Arzneien Genesener nie als geheilt angesehen 
werden; im Gegenibeile darf man keine Zeit verlie- 
ren, mn ihn durch eine fortgesetzte, antipsorische 
Gar von dem chronischen Miasm der jetzt zwar wie- 
der latenten, aber zu ihrem "Wieder- Aasbrache von 
nun an ganz bereiten Psora gänzlich zn befreien, 
da dann kein ähnlicher Anfall dereinst nieder zn he- 
fürcliten ist, wenn er der diätetisch geordneten Le- 
bensart tren bleibt 

$. 220. 
Wird aber die antipsorische Cor nnterlassen, 
so ist bei noch geringerer Veranlassung, als bei der 
ersten Erscheinung des Wahnsinns, bald ein neuer 
und zwar anhaltenderer, gröfserer Anfall davon fast 
mit Sicherheit zu erwarten, während welchem sichf 
die Psora vollends zu entwickeln pflagt und in eine 
entweder periodische oder anhaltende Geistes -Zer- 
rüttung übergeht, welche dann schwieriger antipso- 
risch geheilt werden kann. 

§. 221. 
Ist die Geistes -Krankheit noch nicht Völlig aus- 
gebildet, und es wäre noch einiger Zweifel, ob sie 
wirklich aus Körper- Leiden entstanden sey, oder 
vielmehr von Erziehungsfehlern, schlimmer Angewöh- 



256 

nnng, verderbter Moralität, Yemaclilässignng des 
Geistes, Aberglanben oder Unwissenheit herrShre; 
da dient als Merkmal, dafs durch rerständigendes, 
gntmeinendes Zureden, dorch Trostgründe oder durch 
ernsthafte Yorstcllnng nnd Vernanftgründe letztere 
nachgeben nnd sich bessern, wahre, anf Körper- 
Krankheit hernhende GemQths- oder Geistes -Krank- 
heit aber schnell dadarch verschlimmert, Melancho- 
lie noch niedergeschlagener, klagender, nntrostlicher 
nnd znrtickgea^ogener, so auch boshafter Wahnsinn 
dadurch noch mehr erbittert nnd tbörichtes Gewäsch 
offenbar noch unsinni^r wird ^). 

§. 222- 
Es giebt dagegen, wie gesagt, allerdings einige 
wenige Gemüths-Krankhciten, welche nicht blofs ans 
Körper- Krankheiten dahin ausgeartet sind, sondern 
auf umgekehrtem Wege, bei geringer Kränklichkeit, 
vom Gemtithe aus, Anfang und Fortgang nehmen 
durch anhaltenden Kummer, Kränkung, Aergernifs, 
Beleidigungen und grofse, häufige Veranlassung bq 
Furcht und Schreck. Diese Art von Gemüthskrank- 
heiten verderben dann mit der Zeit auch den körper- 
lichen Gesundheitszustand, oft in hohem Grade. 
— • §• 223. 

1) Es scheint, als fühle hier der Geist die Wahrheit 
dieser vernÜDfUgen Vorstellungen^ und wirke auf den Kör- 
per, gleich als wolle er die verlorne Harmonie wieder her- 
stellen, aber dieser wirke mittels seiner Krankheit zurück 
anf die Geistes- und Gemüths- Organe, und setze sie in 
desto grolsern Aufruhr durch erneuertes Uebertragen seiner 
Leiden- auf sie. 



257 

§. 223. 

Blofs diese durch die Seele snerst angesponne* 
nen und untefhaltenen Gcmüths- Krankheiten lassen 
sich, so lange sie noch nen sind und den 
Körper*Znstand noch nicht allzusehr zer- 
rüttet haben, dutch psychische Heilmittel, Zatran- 
lichkeit , gütliches Zureden | Yemunftgründe , oft 
aber dnrch eine woblverdeckte Täuschung, schnell 
in "Wohlbefinden der Seele (und bei angemessener 
Lebensordnung, auch scheinbar in. Wohlbefinden; 
des Leibes) verwandeln. 

§. 224. 

Aber auch bei diesen liegt ein Psora -Miasma 
lum Grnnde, was nnr seiner völligen Entwickelung 
noch nicht ganz nahe war, und es ist der Sicherheit 
gemäfs, damit der Genesene nicht wieder, wie nur 
gar zu leicht, in eine ähnliche Geistes -Krankheit 
verfalle, ihn einer gründlichen, antipsorischen Cur 
zu unterwerfen. 

§. 225. 

Bei den durch Körper -Krankheit entstandenen 
Geistes- und Gemüths -Krankheiten, welche einzig 
dnrch anlipsorisch homöopathische Arznei, nächst 
sorgfaltig angemessener Lebensordnung zu heilen 
sind, mufs allerdings auch, als beihülfliche Seelen- 
Diät, ein passendes, psychisches Verhalten von Sei- 
ten der Angehörigen und des Arztes gegen den 
Kranken sorgfaltig beobachtet werden. Dem wü- 
thendcn Wahnsinn mufs man stille Unerschrocken- 
heit und kaltblütigen, festen W^illen, — • dem pein- 

R 



258 

lieh klagenden Jammer, Stammes Bcdanem in Mie- 
noD' nnd Gebehrden« <— dem nnsinnigen Geschwätze, 
nicht gan^ nnaafmerksamcs Stillschweigen, — einem 
ekelhaften und ^gräuelvolien Benehmen nnd ähnli- 
chem Gerede,, völlige Unaofmcrksamkeit entgegen- 
8«tseäQ.r Den Yerwiistangen nnd Beschädigungen der 
Aofscndinge benge man hlofs vor nnd verhüte sie, 
ohne dem Kranken Vorwürfe darüber tu 
machen, nnd richte alles so. ein, daCs dnrchans 
alla ^körperlichen Ziicbtigangen nnd Peinigungen ') 
wegfallen. Diefs geht nm desto leichter an, da 
beim Arznei -Einnehmen — dem einzigen Falle, wo 
noch Zwang als Ent&chnldignng gerechtfertigt wer- 
den könnte * — in der homöopathischen Heilart die 
kleinen Gaben hülfireicher Arznei dem Geschmacke 



1) Man muCs über die Harlherzigkeit und Unbeson- 
nenheit der Aerzte in mehren Krankenanstalten dieser Arf, 
nicht blofs in England, sondern auch in Deutschland, er- 
staunen, welche, ohne die wahre Heilart solcher Krankhet- 
ten auf dem einzig hülfreichen, homöopathisch arzneili- 
chen (autipsorischen) Wege zu suchen, sich begnügen, 
diese bedauernswürdigsten aller Menschen durch die heftig- 
sten Schlage und andre qualvolle Martern zu peinigen. 
Sie erniedrigen sich durch diefs gewissenlose und empo- 
rende Verfahren tief nnter den Stand der Zuchtmeister in 
Strafanstalten, denn diese volifilfaren solche Züchtigungen 
nur nach Pflicht ihres Amtes und an Verbrechern, jene aber 
scheinen ihre Bosheit gegen die scheinbare Unheilbarkeit 
der Geistes - und Gemüths - Krankheiten durch Harte an 
den bedauernswürdigen, schuldlosen Leidenden selbst aosza- 
lassen, da sie zur Hülfe zu unwissend und zu träge zur An- 
nahme eines sweckmäfsigen Heilverfahrens sind. 



259 

nie anfiallen, also dem Kranken ganz nnbewafst In 
seinem Getränke gegeben werden können, wo dann 
aller Zwang nnnötbig wird. 

§• 226. 

Auf der andern Seite sind Widersprncb, ei- 
frige Verständigungen, beflige Zurcchtweisnogen nnd 
Scbmähungen, so wie scbwacbe, furchtsame Nach- 
giebigkeit bei ihnen ganz am unrechten Orte, sind 
gleicb schädliche Behandlungen ihres Geistes und 
Gemüths, Am meisten werden sie jedoch durch 
Hohn, Betrug und ihnen merkliche Täuschungen er- 
bittert und in ihrer Krankheit verschlimmert. Immer 
mnfs Arzt und Aufseher den Schein anneh- 
men, als ob man ihnen Vernunft zutraue4^ 

Dagegen suche man alle Arten von Störungen 
ihrer Sinne und ihres Gemüths von aufsen zu ent-* 
fernen; es giebt keine Unterhaltungen filr ihren be-' 
nebelten Geist, keine wohlthätigen Zerstreuungen,' 
keine Belehrungen, keine Besänftigung durch Worte, 
Bücher oder andre Gegenstände für ihre in den Fes- 
seln des kranken Körpers schmachtende, oder em- 
pörte Seele, keine Erquickong für sie, als die Hei- 
Inng; erst von ihrem zum Bessern umgestimmten' 
Körper- Befinden strahlet Buhe und Wohlbehagen 
auf ihren Geist zurück« ^ 

4. 227. 

Sind die für den besondern Fall der jediesmali* 
gen Geistes- oder Gemüths -Krankheit ( — sie sind- 
unglaublich verschieden — ) gewählten antipsorischen 
Heilmittel dem treulich entworfenen Bilde des Krank- 

B 2 



260 

heiU - Znstandes ganx hoinSopathisch angemessen, 
welches, wenn nur der nach ihren reinen 'Wirknn* 
gen gekannten Arzneien dieser Art genng snr WaU 
vorhanden sind, aach desto leichter zn erreichen ist, 
da der Gemüths- nnd Geistes -Zustand eines sol- 
chen Kranken, als das Haaptsymptom, sich so un- 
verkennbar deutlich an den Tag legt — , so sind oft 
die kleinstmöglichen Gaben hinreichend, in nicht gar 
langer Zeit die auffallendste Besserung hervorznbrin- 
gen, was durch die gröüstcn, oftcm Gaben aller übri- 
gen, unpassenden (allopathischen) Arzneien, bis zum 
Tode gebraucht, nicht zu erreichen war. Ja, ich 
kann ans vieler Erfahrung behaupten» dafs sich der 
erhabne Vorzug der homöopathischen Heilknnst vor 
allen denkbaren Cunncthoden nirgend in einem trinm- 
pbirendem Lichte zeigt, als in alten GemUths- nnd 
Geistes -Krankheiten, welche ursprünglich aus Kor- 
per-Leiden, oder auch nur gleichzeitig mit ihnen, 
entstanden waren. 

§. 228. 

Eine eigne Betrachtung verdienen noch die 
Wechselkrankheiten, sowohl diejenigen, welche 
in bestimmten Zeiten zurückkehren — wie die grofse 
Zahl der Wechselfieber nnd die wechsclfieberartig 
zurückkehrenden, ficberlos scheinenden Beschwerden 
-— als auch diejenigen, worin gewisse Krankheits- 
zustande in unbestimmten Zeiten mit Krankhcitszo- 
ständen andrer. Art abwechseln« 

§. 229. 

Diese letztem, alternirendcn Kradcheiten 



261 

sind ebenfalls sehr vielfach ^)y gehören aber sämml- 
lich unter die Zahl der chronischen Krankheiten^ 
meist ein Erzeagnifs blofs entwickelter Psora, nur 
znweUen, wiewohl selten, mit einem syphilitischen 
Miasm complicirt und werden daher im ersten Falle 

1) Es koonen zwei- and dreierlei Zustande mit einan- 
der abwechseln. £s können z. B. bei zwiefachen Wecbsel- 
zuständen gewisse Schmerzen unabgesetzt in den Füfsen 
u. 8. w. erscheinen , sobald eine Art Augen - Entzündung 
sich legt, welche dann wieder empor kommt, sobald der 
Gliederschmerz vor der Hand vergangen ist — es können 
Zuckungen und Krämpfe mit irgend einem andern Leideü 
des Körpers oder eines seiner Theile unmittelbar abwech- 
seln — es können aber auch bei dreifachen Wechsel - Zu-* 
standen in einer alltSgijgen Kränklichkeit schnell Perioden 
von scheinbar erhöheter Gesundheit und einer gespannten 
Erhöhung der Geistes- und Körperkräfte (eine übertriebne 
Lustigkeit, eine allzu regsame Lebhaftigkeit des Körpers, 
Ueberfiille von Wohlbehagen, übermäüsiger Appetit u. s. w.) 
eintreten, worauf dann, eben so unerwartet, düstre, melan- 
cholische Laune, unerträgliche, hypochondrische Gemüths- 
Yerstimroung mit Störung mehrer Lebens - Yerrichtungci^ 
in Verdauung, Schlaf u. s. w. erscheint, die dann wiedeirum, 
eben so plötzlich, dem gemäfsigten Uebelbefinden der ge- 
wöhnlichen Zeiten Platz macht, und so mehre und mannig- 
fache Wechselzustände. Oft ist keine Spur des vorigen Zu- 
standes mehr zu merken, wann der neue eintritt. In andern 
Fällen sind nur wenige Spuren des vorhergegangenen Wech- 
sel -Zustandes mehr da, wann der neue eintritt; es bleibt 
wenig von den Symptomen des ersten Zustandes bei der 
Entstehung und Fortdauer des zweiten übrig. Zuweilen 
sind die krankhaften Wechsel- Zustände ihrer Natur nach 
einander völlig entgegengesetzt, wie z. B. Melancholie mit 
lustigem Wahnsinn in Perioden abwechselnd. 



262 

mit antipsorischen Arzneien geheilt, im letztem aber, 
mit antisyphililisclicn abwechselnd, wie im Bncbe 
von den chronischen Krankheiten gelehrt wird. 

§. 'iSO- 
Die typischen Wechselkrankheiten sind 
solche, wo anf eihe ziemlich bestimmte Zeit in ei- 
nem scheinbaren Wohlbefinden ein sich gleichblei- 
bender krankhafter Zastand zarückkchrt, und in 
einer ebenfalls bestimmten Zeit wieder, scinea Ab- 
tritt nimmt; man findet diefs sowohl in den anschei- 
nend fieberlosen, aber typisch (za gewissen Zeiten) 
kommenden nnd wieder vergehenden krankhaften Za- 
ständen, als anch in den fieberhaften — den vielfäl- 
tigen . Wechselfiebern. 

§. 231. 

Die gedachten, bei einem einzelnen Kranken zn 
bestimmten Zeiten, typisch, wiederkehrenden, fieberios 
scheinenden Krankheits-Zaständß ( — sporadisch oder 
epidemisch pflegen sie nicht vorzukommen -r-) gehö- 
ren jedesmal nntet die chronischen, meist rein psori- 
sehen, nur selten mit Syphilis complicirt, nnd erhalten 
mit Erfolg dieselbe Behandlong; zuweilen ist jedoch 
der Zwischen -Gebranch einer sehr kleinen Gabe po- 
tenzirter Chinarinde -Apflösnng erforderlich, nni ihren 
wechselfieberartigen TypAS vollends ansznlöscben. 

§* 232. 

Was die sporadisch oder epidemisch herrschen- 
den (nicht in Snmpf- Gegenden, endemisch haasen- 
den) Wechselfieber *) anlangt, so treffen wir oft 

1) Die bisherige Pathologre weiß nur von einem ein- 



263 

jeden Anfall (Paroxysm) gleichfalls aa$ .zwei si€h 
entgegengesetzten Wcchselzaständcn (Kälte, Hitxe 



zigen Wechselfieber, was ste aach das kaite Fieber 
nennt, ond nimmt keine andere Verschiedenheit an, als nach 
der Zeit, in welcher die Unfälle wiederkehren, das tagh'che, 
dreitägige, viertägige u. s. w. Es giebt aber aufser den Ruck- 
kehr-Zeiten der Wechselfieber, noch weit bedeutendere Ver- 
schiedenheiten derselben; es giebt dieser Fieber unzählige, 
deren viele nicht einmal kalte Fieber genannt werden 
können, da ihre Anfälle in blofser Hitze bestehen; wieder 
andre, welche blofs Kalte haben, mit oder ohne drauf fol« 
genden Schweifs; wieder andre, welche Kälte über und 
über, zugleich mit Hitzempfindung, haben, oder bei äufser- 
lich fühlbarer Hitze, Frost; wieder andre, wo der eine 
Paroxysm aus blofsem Schiittelfroste oder blofser Kälte, mit 
drauf folgendem Wohlbefinden, der andre aber aus blofser 
Hitze besteht, mit oder ohne drauf folgenden Schweifs; 
-wieder andre, wo die Hitze zuerst kommt, und Frost erst 
dann drauf folgt; wieder andre, wo nach Frost und Hitze 
Apyrexie eintritt, und dann als zweiter Anfall, oft viele Slun- 
den hernach, blofs Schweifs erfolgt; wieder andre, wo gar 
kein Schweifs erfolgt, und wieder andre, wo der ganze An- 
fall, ohne Frost oder Hitze, blofs aus Schweiüs besteht, 
oder wo der Schweifs blofs während .der Hitze zugegen 
ist; und so noch unglaubliche andre Verschiedenheiten, vor- 
ziiglich in Rücksicht der Neben -Symptome, des besondern 
Kopfwehs, des bösen Geschmacks, der Ucbelkeit, des Er- 
brechens, des Durchlaufs, des fehlenden oder heftigen Dur- 
stes, der Leib- oder der Gliederschmerzen besondrer Art, 
des Schlafs, der Delirien, der Gemüths-Verstimmungen, der 
Krämpfe u. s. w, vor, bei oder nach dem Froste, vor, bei 
oder nach der Hitze, vor, bei oder nach dem Schweifse, 
und so noch andre zahllose Abweichungen. Alle diese sind 
offenbar sehr verschieden geartete Wechselfieber, deren je« 



264 

•— Hitce, Kälte), öfterer anch ans dreien (Kälte, 
Hitze, Schweifs) zosammengesetzt an. DeCslialb 
mals anch das für diese ans der allgemeinen Classe 
geprüfter (nicht antipsorischer) Arzneien gewählte 
Heilmittel entweder (was das sicherste ist) ebenfalls 
heidc (oder alle drei) Wecfaselzastände in Aehnlich- 
kcit in gesunden Körpern erregen können, oder doch 
dem. stärksten nnd ausgezeichnetsten nnd sonderlich- 
sten Wechselznstande (entweder dem Znstande des 
Frostes mit seinen Nebensymptomen, oder dem der 
Hitze mit ihren Neben -Symptomen, oder dem des 
Schweifses mit seinen Nebenbeschwerden, je nach- 
dem der eine oder der andre VVecbselznstand der 
stärkste nnd sonderlichste ist) homöopathisch, an 
Symptomen «Aehnlichkeit, möglichst entsprechen; — 
dann mag die Arznei immerhin dem zweiten (schwa- 
chem) nnr antipathisch (palliativ) angemessen seyn; 
das Fieber verwandelt sich dennoch in Gesundheit, 
nnd gemeiniglich, wenn es nicht alt ist, nach der 
ersten Gabe« Anch hier darf das Heilmittel vor 
Yerflafs seiner Wirkungsdauer und so lange sich 

des, ganz natürlich, seine eigne (homöopathische) Behand- 
lung verlangt. Unterdrückt-, das mufs man gestehen, kön- 
nen sie zwar fast alle werden (wie so oft geschieht) durch 
grofse, ungeheure Gaben Rinde, das ist, ihr periodisches 
Wiederkehren (ihr Typus) wird von ihr ausgelöscht, aber 
die Kranken, welche an solchen, nicht ftir Chinarinde ge- 
eigneten Wechselfiebern gelitten hatten, werden durch den 
so ausgelöschten Typus nicht gesund, nein! sie bleiben nnn 
andersartig krank und kränker, oft weit kränker, als vorher, 
und das sollte man Heilen nennen wollen? 



265 

noch Besserang von ihm xeigt^ nicht in einer zwei- 
ten Gabe gereicht werden; hat sie aber ausgewirkt, 
so sehe man zu, ob der Rest des Fiebers, wenn 
nocb einer vorhanden ist, nicht so geändert erscheint 
(wie anch gemeiniglich geschieht), dafs die erste Arz- 
nei nicht wieder, sondern eine andre, für den nnn 
geänderten Zustand ( Symptomen -InbegrilF) homöo- 
pathisch passendere Arznei gegeben werden mässe, 
die dann gewöhnlich das Heilangswerk vollendet. 

§. 233. 
Die Arzncigabe in diesem Falle wird am zwcck- 
mäfsigsten nnd hilfreichsten gleich, oder doch sehr 
bald nach Beendigung des Anfalls gegeben; da hat 
sie Zeit, alle ihr möglichen Veränderungen des Or- 
ganisms zur Gesundheit zu bewirken, ohne Sturm 
nnd ohne heftigen Angriff; während die YV^irkung 
einer gleich vor dem Paroxysm gereichten, auch noch 
so spccifisch angemessenen Arznei mit der natürli- 
chen Krankheits-Ernenerung zusammentrifft, nnd eine 
solche Gegenwirkung im Organism, einen so hefti- 
gen Widerstreit veranlafst, dafs. ein solcher Angriff 
wenigstens viel Kräfte raubt, wo nicht gar das Le* 
hen in Gefahr setzt ^). Giebt man aber die Arznei 
gleich nach Beendigung des Anfalls, das ist, zu der 
Zeit, wo die fieberfreieste Zwischenzeit eingetreten 
ist, und ehe, auch nur von weitem, der künftige 



1) Biefs sieht man an den nicbt ganz seltnen Todes- 
fällen, wo eine mäfsige Gabe Mohnsaft, im Fieber -Froste 
eingegeben, schnell das Leben raubte. 



266 

Paroxysm sich wieder vorbereitet, so ist der Orga- 
nisin in möglichst gnter Yerfassan^, von dem Heilmit- 
tel sich' rohig verändern nnd so in den Gcsandhcits- 
sDstand versetzen zn lassen. 

§. 234. 
Ist aber die fieberfreie Zeit sehr karz, wie in 
einigen sehr schlimmen Fiebern, oder mit Nachwe- 
hen des vorigen Paroxysms verunreinigt, so mofs 
die homöopathische Arzneigabe schon zn der Zeit, 
wann der Schweifs sich zn mindern, oder die nach- 
gängigen andern Zufalle des verfliefsenden Anfalls 
sich zn mildern anfangen, gereicht werden« 

§• 235. 
Blofs wenn die angemessene Arznei mit Einer 
Gabe mehr Anfälle getilgt hat nnd offenbare Gesund- 
heit eingetreten ist, dann aber nach einiger Zeit wie- 
dernm Spnren eines neuen Anfalls sich zeigen, blofs 
dann kann nnd mnfs, wenn der Symptomen -Inbe- 
griff* npcb derselbe ist, anch dieselbe Arznei wieder 
gegeben werden. Diese 'Wiederkunft desselben Fie- 
bers nach einer gesunden Zwischenzeit ist aber nar 
dann möglich, wenn die Schädlichkeit, die das Wech- 
selfieber zuerst erregte, noch immer wieder auf den 
Genesenden einwirkte (wie in Sumpf- Gegenden), ia 
welchem Falle eine dauerhafte Wiederherstellung oft 
nur durch Entfernung dieser Erregungsursache (wie 
durch Aufenthalt in einer bergigen Gegend, wenn 
es ein Snmpfwechselfieber war) möglich ist. 

§• 236. 
Da fast jede Arznei in ihrer reinen Wirkung 



26? 

ein eignes, besonderes Fieber und selbst eine Art 
Wcchselfieber mit seinen "VYechseknständen erregt, 
was von allen den Fiebern, die von andern Arzneien 
hervorgebracht werden, abweicht, so findet man für 
die zahlreichen natürlichen Wechselfieber bomöo- 
pathisdie Hülfe in dem grofsen Reiche der Arzneien 
und schon, für viele solche Fieber, in der mä&igen 
Zahl der bis ' jetst an gesunden Körpern geprüften 
Arzneien. 

'4. 237. 

Wenn aber das, für die damals herrschende 
Epidemie von W^echselfieber gefundene, bomöopa- 
thiscb spccifische Heilmittel bei dem einen oder dem 
andern Kranken keine voUkommne Heilang bewirkt, 
da ist stets, wenn nicht Sumpfgegend die Heilang 
verhindert, das psorische IVliasm im Hinterhalte, nnd 
CS müssen dann antipsorische Arzneien bis zar völ« 
gen Hülfe angewendet werden. 

§. 238. 

Bei denjenigen, oft sehr bösartigen Wechsel« 
fiebern, die, aufser den Sumpfgegenden, eine ein^ 
zelne Person befallen, mufs zwar anfangs eben* 
falls, wie bei den acuten Krankheiten überhaupt, 
denen sie in Rücksicht ihres psorischen Ursprungs 
ähneln, zuerst ein aus der Classe der übrigen, ge- 
prüften (nicht antipsorischen ) Arzneien, homöopa- 
thisch für den speciellen Fall gewähltes Heilmittel, 
einige Tage über, angewendet werden zur möglich- 
sten Hülfe; wenn aber hiebei die Genesung dennoch 
zögert, so mufs man wissen > dafs man es mit der 



268 ^ 

ihrer Entwickelong nahen Psora so thnn habe und 
dafs hier blofs antipsorische Arsnci gründliche Hülfe 
schaffen kann. 

§* 239. 
Die in Sampf- Gegenden nnd denen, die den 
Ueberschwemninngen x>ft ansgesetst sind, eiDfaeimi- 
schen Wechselfieber machen der bisherigen Ant- 
welt viel zn schaffen, nnd doch kann anch an Sumpf- 
Gegenden ein gesunder Mensch in jungen Jahren 
sich gewöhnen und gesund bleiben, wenn er eine 
fehlerfreie Lebensordnung fährt und nicht von Man- 
gel, Strapazen oder zerstörenden Leidenschaften nie- 
dergedrückt wird« Die da endemischen \yechscl- 
fieber werden ihn höchstens nur als Ankömmling 
ergreifen; aber eine oder zwei der kleinsten Gaben 
hoch potenzirtcr Chinarinden -Auflösung werden ihn 
bei einer, wie gesagt, geordneten Lebensweise bald 
davon befreien. Personen aber, die bei gehöriger 
Leibes -Bewegung und gesunder Geistes- und Kör- 
per-Diät vom Sompf^ Wechsclfieber nicht durch ein 
Paar solcher kleinen Gaben China -Arznei befreiet 
werden können — bei diesen liegt stets eine %ur 
Entwickelang aufstrebende Psora zum Grande, und 
ihr Wechsclfieber kann in der Snmpf- Gegend ohne 
antipsorische Behandlung nicht geheilt werden ^). 



1) Gröbere, oft wiederholte Gaben Chinarinde, auch 
wohl concentrirte China -Mittel, wie das Chininum sulphu- 
ricum^ können solche Kranken allerdings von den typbchen 
AnfSlIen des Sumpf- Wechselfiebers befreien; die so Getausch- 
ten bleiben aber anderiartig siech, ohne antipsorische Hülfe. 



269 

Znweilen. erfolgt bei diesen Kranken, wenn sie ohne 
Verzag diö Sumpf ^ Gegend mit einer trocknen, ber- 
gigen vertanscfaen , anscheinend wieder Genesung 
(das Fieber verläfst sie), v^cnn sie noch nicht tief 
in Krankheit versonkcn sind, d. i wenn die Psora 
noch nicht viilKg hei ihnen; entwickelt, waj? nnd da* 
her wieder in ihren latenten Zustand sui^ckkehren 
konnte; aber gesund werden sie ohne antipsorische 
Hülfe doch nie. 

f 240. 
Nachdem wir nun gesehen haben, welche. Rück- 
sicht man bei der homöopathischen Heilung auf die 
Hauptverschiedenheiten der Krankheiten und auf die 
besondern Umstände in denselben zu nehmen. hat, so 
gehen wir nun zu dem iibcr, was von den Heil- 
mitteln und ihrer Gebrauchsart, so wie von 
der dabei zu beobachtenden Lebensord« 
nnng zn sagen ist« Jede merklich fortgehende und 
immer, obschon nur um Weniges, zunehmende Bes- 
serung in einer schnellen (acuten) oder anhaltenden 
(chronischen) Krankheit ist ein Zustand, der, so 
lange er anhält, jede fernere Wiederholung irgend 
eines Ärzneigebrauchs dnrchgäugig ausschliefst, weil 
alles Gute, was die genommene Arznei auszurichten 
fortfahrt, noch nicht vollendet ist. Jede neue Gabe 
irgend einer Arznei, selbst der zuletiet gegebnen, bis- 
her heilsam sich erwiesenen, würde das Besserungs- 
werk stören. 

§. 241. 
Diese Erinnerang ist nm so wichtiger nnd no- 



270 

(biger, da' wir von keiner Arcn^i, aock in groGscr 
Gabe eingenofüBien, £e genauen Gränzen ihrer 
"WirkangsdaDer^ nickt einmal im gesunden Korper, 
mit GeWifskeit bestimmen können, nnmöglicb aber 
von den so kleinen Gaben za homöopatbiscfaem Ge- 
brauche in 'SO verscbiednen Krankheiten ^) and bei 
Kranken vOft ^o sehr verschiedner Körperanlage. 

§. 242. 
So lange also die fortschreitende Besserung anf 
eine zuletzt gereichte Arzneigabe dauert, so lange 
ist auch anzunehmen, dafs, wenigstens in diesem 
Falle, die Wirkongs - Daner der helfenden Arznei 
noch anhält, und daher* jede Wiederholung irgend 
einer Arzneigabe verbietet. 

§. 243. 
Hiefzn kommt, dafs, wenn das Mittel angemes- 
sen homöopathisch wirkte, der gebesserte Zustand 
auch noch nach Vcrflufs der Wirkungsaauer merk- 
lich bleibt. Das gute Werk wird nicht gleich nn- 
terbrochen, wenn auch mehre Stunden — ja, bei 
chronischen Krankheiten, mehre Tage — nach Yer- 
flufs der YV^irkungsdauei* der vorigen Arznei noch 
keine ziireite Gabe Arznei gereicht wird« Der schon 



1) Von den acutesten an bis zu den langwierigsten —• 
indem, wie schon ol^en erinnert, die Wirkungs-Dauer einer 
homöopathischen Arzneigabe sich nach der Wirkungs-Dauer 
der jedesmab'gen Krankheit richtet und daher bei den acu- 
testen in wenigen Stünden auswirkt, während ebendasselbe 
mehre Wochen braucht, um In den langwierigsten Krank- 
heiten ihre Wirkung zu vollenden. 



271 

vernichtete Theil der Krankheit kann sict m4eC| 
nicht wieder erneuern, und die Besjsernng würde 
auch ohne nene Arzneigabe immer noch eine be- 
trächtliche Zeit aoffallend sichtbar bleiben. 

§. 244. 
Wenn die fortgehende Besserung von der er- 
sten Gabe der homöopathisch angemessenen, Arznei 
sich nicht in Gesundheit anflösen will (wie ,docK 
bei acuten Uebeln nicht selten), so wird ein Zeitr 
ponkt des Bessernngs - Stillstandes — gewöhnlich 
zugleich der Gränzpunkt der YV^irknngsdaaer der 
vorher gegebnen Arzneigabe — eintreten, vor dessen 
ErscheinoDg es nicht nur ohne absehbaren Nntzen 
und ohne vernünftigen Grund, sondern sogar. zweck- 
widrig und schädlich seyn würde, eine abermalige 
Gabe Arznei zu reichen. 

§. 24$. 
Selbst auch eine Gabe .derselben, sich bis da* 
hin so hülfreich bewiesenen Arznei wird^ eher wie- 
derholt, als die Besserung in allen Punk- 
ten still zu stehen anfing — als Angriff zur 
Unzeit — den Znstand blofs verschlimmem können; 
denn schon die erste Gabe der bestgewählten Arz- 
nei wird nach Yerflufs ihrer, der Beschaffenheit der 
Krankheit angemessenen Wirkungsdauer schon alles 
das Gute, schon alle die gewünschten Veränderungen 
ausgeführt haben, als diese Arznei überhaupt für jetzt 
vermochte — den für jetzt durch sie erreichbaren Grad 
von Gesundheit — , und eine nun. abermals gereichte 
Gabe derselben wird diesen guten Zustand ändern, also 



272 

verscUimmem müssen, darcfa Heirorbringang ihrer 
übrigen nnhomoopathischen Symptome, das ist, eine 
nnhomöopathische Anneikrankfaeit erschaffen mit dem 
Reste der Krankheits- Symptome gemischt, also eine 
Art verwickelter und vermehrter Krankheit« Man 
stSrt, mit einem "Worte, die von der ersten Gabe 
erzeugte nnd noch sn erwartende Besserung, wenn 
die zweite Gabe desselben, auch ursprünglich woU- 
gewählten Heilmittels noch vor Yerflafs der Wir- 
knngsdaner der erstem gereicht wird, nnd verspätigt 
wenigstens biednrch die Genesung ^). 

§. 246. 
Wenn die bis dahin nur vorwärts gegangene 
nnd nicht zur vollen Heilang gediehene Bessernng 
nun Stillstand nimmt, wird man auch bei genaner 
Untersuchung des Restes von der bis auf die ge- 
genwärtige Zeit gebesserten Krankheit eine, obschon 
kleine, doch dergestalt veränderte Sjmptomen-Grnppe 
antreffen, dafs eine neue Gabe der bisher gewirkt 
habenden Arznei jetzt durchaus nicht mehr homöo- 
pathisch passen kann, sondern jedesmal eine andre, 
diesem Reste von Zufällen angemessenere. 

§. 247. 
Hat daher die 'erste Gäbe des möglichst gut ge- 
wählten Arzneimittels die völlige Herstellung der Ge- 
sundheit innerhalb ihrer Wirkungsdauer nicht voll- 
enden können — wie sie's doch in den meisten Fäl- 
len 

1) Auf die Vermeidung dieses Fehlers der Uebereilung 
kann man nicht aufmerksam genug seyn. 



273 

Icn schnell entstandner, neuer Uebel kann — , so 
bleibt fttr den dann noch rückständigen, obgleich 
viel gebesserten Krankheits «Znstand offenbar nichts 
Besseres za thnn übrig/ als eine Gabe eines andern, 
für den jetzigen Rest von Symptomen möglichst ho- 
möopathisch pausenden Arzneimittels zu reichen« 

§. 248. 
Nor wenn vor Ablauf der Wirkungsdauer einer 
Arzneigabe der Zustand einer dringenden Krankheit 
sich im Ganzen um nichts gebessert, vielmehr sich 
— auch nur um etwas — durch neue Symptome 
verschlimmert hat, die Arznei folglich nicht nach ih^ 
ren eigenthümlichen Wirkungen homöopathisch für 
den Fall gewählt worden war, mufs, auch noch vor 
Verlauf der W^irkungsdauer der zuletzt gegebnen 
Arznei, eine Gabe der für den nunmehrigen Krank- 
heits 7 Befund genauer passenden Arznei gereicht 
werden *)• 



1) Da nach allen Erfahrungen fast keine Gabe einer 
specifisch passenden, homöopatbiscben Arznei bereitet wer- 
den kann, welche zur Hervorbringung einer deutlichen Bes- 
serung in der angemessenen Krankheit zu klein wäre ( §. 155. 
277.), 80 würde man zweckwidrig und schädlich bandeln, 
wenn man, wie von der bisherigen Arzneikunst geschieht, 
bei Nicht -Besserung oder einiger, obschon nur kleiner Ver- 
schlimmerung, dieselbe Arznei, in dem Wahne, dafs sie ihrer 
geringen Menge (ihrer allzu kleinen Gabe) wegen nicht 
habe dienlich seyn können, dieselbe Arznei wiederholen, 
oder sie wohl gar an Gabe noch verstärken wollte. Jede 
Verschlimmerung durch neue Symptome — wenn 
in der Geistes- und Körper -Diät nichts Böses vorgefallen 

S 



274 

4- 249. 

Um so mehr, wenn dem sdiarfsichtigen, genau 
iiacb dem Krankbeitsenstande forscbenden Heilkünst^ 
1er sich m dringenden Fällen schon nach Yerflnls 
von 69 8, 12 Standen offenbarte, dafs er bei der 
raletEt gegebnen Arznei eine Mifswahl gethan, in- 
dem der Zustand des Kranken, nnter Entstehung 
neaer Symptome und Beschwerden, sich dentlicfa von 
Stande sn Slonde, obscbon nnr immer nm etwas, 
verscbKmmert, ist es ihm nicht nur erlaubt, sondern 
Pflicht gebent es ihm, den begangenen Mifsgriff durch 
"W^abl und Reichang eines nicht blofs erträglich 
passenden, sondern dem gegenwärtigen Krankheits- 
Znstande möglichst angemessenen homöopathischen 
Heiknittels wieder gut vat machen (§. 1610- 

§. 250. 

Selbst in chronischen Krankheiten ist es höchst 
selten oder nie der Fall, dafs, znmal Anfangs/ nichts 
Besseres zn than wäre, als zweimal hinter einander 
dasselbe Arzneimittel — obgleich erst nach Verflnfs 
der 'Wirknngsdauer der zuvor gereichten Gabe — 
zu verordnen, da, auch im Fall sie wohlgethan hat, 
die von ihr entstandene Besserung einige Zeit fort- 
währen mufs, und gewöhnlich keine Anzeige zor 
Wiederholung derselben Arznei vorhanden ist, weil, 
was durch die erste Gabe nicht gebessert werden 



ist -— beweiset stets nur Unangemessenheit der 
vorigen Arznei in diesem Krankheitsfalle, deutet aber 
nie auf Schwäche der Gabe. 



275 

konnte, dorcb eine «weite, obschon gl^ch grolse odee 

grSfsere Gabe, ebenfaDs nicht m heilen ial ^)« 

§• 251. 

Der acnftnerksanie Beobachter merkt den (nr did 
Gabe einer folgenden Arznei bestiihimten Zeitpankt 
an dem leisen Erscheinen einiger Sporen des ei- 
nen oder des andern* Ursymptoms- detr ebemaUgea 
Krankheit 

§• 252. i 

Fände man aber, dafs in der chronischen (pso^ 
rischen) Krankheit die bestens homöopathisch ge- 
wählte (antipsorische) Ar-znei, in der angemessenen 
(kleinsten) Gabe, die Besscrang nicht befördert, so 
ist diefs ein gewisses Zeichen, dafs die die Krank- 
heit nnterhaltende Ursache noch fortwahrt, and daffi 
sich in der Lebensordnnng des Kranken oder in sei- 
nen Umgebungen ein Umstand befindet, welcher ab- 
geschafft werden mnfs, wenn die Heilang daaerhaft 
za Stande kommen soll. 

§. 253. 

Unter den Zeichen, die in allen, vorzUglich in 
den schnell entstandnen (acaten) Krankheiten, einen 



l) Blofs die wenigen Arzneien, deren Veranderungs- 
kraft des Befindens gesunder Menschen gröfstentheils aus 
Wechselwirkuirgen besteht (wie Ignazsamen, auch wohl 
Zaanrebe und Wurzelsumach, zum Theii auch Belladonne), 
machen eine Ausnahme; sie können in gewissen Fällen (m. 
s. das Vorwort zu Ignazsamen in der reinen Arzneimittel- 
lehre II, zweite Auflage) unmittelbar in zweiter Gabe ge- 
geben werden. ♦ 

S 2 



276 

kleinen, nicht jedennann sichtbaren Anfang ron Bes- 
sernng öder YerschUmdiernng lehren, ist der Zustand 
des Gemüths nnd des ganzen Benehmens des Kran- 
ken das sicherste nnd einlenchtendste. Im Falle des 
anch noch so kleinen An£aings von Besserang: eine 
grofsere BehagUchkeit, eine snnehmende Selbstgclas- 
senbeit nnd Freiheit des Geistes, crhöheter Math -— 
eine Art wiederkehrender Natürlichkeit. Im Falle 
des anch noch so kleinen Anfangs von Yerschlim- 
mernkig hingegen, das Gegentheil hievon: ein befan- 
gener, nnbehülflicher, mehr Mitleid anf sich sieben- 
der Znstand des Gemüthes, des Geistes« des ganzen 
Benehmens nnd aller Stellnngen, Lagen nnd Yer- 
richtnngen, was bei genauer Anfmerksamkeit sich 
leicht sehen oder zeigen, nicht ab^ in einzelnen 
Worten beschreiben läfst ')• 

1 ) Die Besserungszeichen am Gemüthe und Geiste las- 
sen sich aber nur dann bald nach dem Einnehmen der Arznei 
erwarten, wenn die Gabe gehörig (d. i. möglichst) klein 
war; eine ^nnöthig grofsere, selbst der homöopathisch pas- 
sendsten Arznei, wirkt zu heftig und stört Geist und Gemuth 
anfanglich allzu sehr und allzu anhaltend, als da£s man die 
Besserung an ihnen bald gewahr werden könnte. Hier be- 
merke ich, dafs gegen diese so nöthige Regel am meisten 
von den aus der alten Schule zur homöopathischen Heilkiuut 
übergehenden Aerzten gesündigt wird. Sie scheuen aus Yor- 
urtheilen die kleinsten Gaben der tiefsten Verdünnungen der 
Arzneien in solchen Fällen und müssen so die grofsen Vor- 
züge und Segnungen jenes in tausend Erfahrungen am heil- 
samsten erfundenen Verfahrens entbehren, können nicht lei- 
sten, was die achte Homöopathik vermag, und geben sich 
daher mit Unrecht fiir ihre Schüler aus. 



277 

4. 254. 
Die {übrigen tbeils nenen, theils erhSheten Za* 
falld, oder im Gegentheile die Yennindernng der nr** 
sprünglichen Symptome, ohne Zasatz von neuen, 
werden dem scharf beobachtenden nqd forschenden 
Heilkünstler an der Yerschlimmerang oder Besse- 
rung vollends bald keinen Zweifel mehr übrig las^ 
sen ; obgleich es Personen nnter den Kranken giebt^ 
welche theils die Besserang, theils die Yerschlim- 
merang überhaupt entweder selbst anzugeben unfä- 
hig, oder sie eu gestehen nicht geartet sind. 

§. 255. 
Dennoch wird man auch bei diesen xur Uehcr- 
Zeugung hierüber gelangen , wenn man jedes im 
Krankheitsbilde aufgezeichnete Symptom einzeln mit 
ihnen durchgeht, und sie aufser diesen keine neuen, 
vorher ungewöhnlichen Beschwerden klagen können, 
die alten Zufalle auch sich nicht bedeutend ver* 
schlimmert haben. Dann mufs, bei schon beobach- 
teter Besserung des Gemüthes und Geistes, die Arz- 
nei auch durchaus wesentliche Minderung der Krank- 
heit hervorgebracht haben, oder, wenn jetzt noch die 
Zeit dazu zu kurz gewesen wäre, bald hervorbringen. 
Zögert nun, im Falle der Angemessenheit des Heil- 
mittels, die sichtbare Besserung doch zu lange, so 
Hegt es an der allzu lang dauernden homöopathi- 
sehen Yerschlimitierung (§• 151«)9 ^^^ ^^^ Arznei 
erzeugte, folglich daran, dals die Gabe nicht klein 
genug war. 



278 

4. 25ft 
. Auf der > andern Seite, wend der Kjranke diese 
oder jene neh entstandenen Zufalle nnd Symptome 
von Erheblichkeit erzählt « — Merkmale der nicht ho- 
möopathisch passend gewäblten Arznei — so mag 
er noch so gi»tmüthig versichern: er befinde sich in 
der Besserung,, so hat üian ihm in dieser Versiche- 
rung dennoch nicht zu glauben, sondern seinen Za- 
atand als verschlimmert anzusehen, wie es denn eben- 
falls der Augenschein bald offenbar lehren wird. 

§• 257. 
Der ächte Heilkünstlcr wird es zu vermeiden 

wissen, sich Arzneien vorzugsweise zu Lieblingsmit- 
teln zu machen, deren Gebrauch er, zufalliger Weise, 
vielleicht öfterer angemessen gefunden und mit gu- 
tem Erfolge anzuwenden Gelegenheit gehabt hatte. 
Dabei werden seltner angewendete, welche homöo- 
pathisch passender, folglicli hiilfireicher wären, oft 
hintangesetzt« 

§. 258. 
Eben so wird der ächte Heilkttnstler anch die 
wegen unrichtiger AYahl (also aus eigner Schuld) 
hie nnd da mit Nachtheil angewendeten Arzneien 
nicht aus mifstrauischer Schwäche beim Heilgeschäfte 
hintansetzen, oder aus andern (unächten) Gründen, 
als weil sie für den Krankheitsfall unhomöopathisch 
waren, vermeiden, eingedenk der Wahrheit, dafs stets 
blofs diejenige unter den arzneUichen Krankheitspo- 
tenzen Achtung und Vorzug verdient, welche, in dem 
jedesmaligen Krankheitsfälle, der Gesammtheit der 



279 

charakteristischen Symptome am trefFendsten in Aehn- 
lichkeit entspricht» nnd dafs keine kleinlich« Leiden- 
schaften sich in diese emsit Wahl mischen dürfeii.. 

§. 259. 

Bei dtr so nothigen aU i«eckmä£iigen Kleist- 
heit der Gaben im hoindopathischen Verfahren ist es 
leicht begreiOicfa) da£si^ia 4er Cor alles Uebrige av^ 
der Diät nnd Lehensordnnng entfernt werden. 
müssey was nur irgend arzneilich wirken könnte, da- 
mit die feine Gabe nicht durch fremdartig arzneili- 
chen Rei« überstiauBt nnd verlöscht, oder doch ge- 
stört werde ^). 

§. 260. 

Für chronische Kranke ist daher die sorgfältige 
Aafsnchnng sokher Hindernisse der Heilang um so 
nöthiger, da ihre Krankheit gewöhnlich durch der- 
gleichen Schädlichkeiten und andre krankhaft wir- 
kende, oft unerkannte Fehler in der Lebensordnung 
verschlimmert zu werden pflegt ^). 



1 ) Die sanftesten Flötentöne, die aus der Ferne in stil- 
ler Mitternacht ein weiches Herz zu überirdischen Gefühlen 
erheben und in religiöse Begeisterung verschmelzen würden, 
werden unhörbar und vergeblich unter fremdartigem Ge- 
schrei und Ge0se. 

2) Kaffee; feiner chinesischer nnd andrer Kräuterthee; 
Biere mit arzneilichen, fiir den Zustand des Kranken unange- 
messenen Gewächssubstanzen angemacht; sogenannte feine, 
mit arzveilicben Gewürzen bereitete Liqueure ; gewürzte 
Schokolade; Biechwasser und Parfdmerieen mancher Art; 
aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zabnspiri- 
tus, Ruchkilschen; hochge würzte Speisen und Saucen; ge- 



280 

4. 261. 

Die beim Arzneigebranche in chronischen Krank- 
heiten Bweckmäfsigste Lebensordnnng beruht auf Ent- 
fernung solcher Gencsangs-Hindernisse nnd dem Zu- 
sätze des hie nnd da nöihigen Gegcntheils: Anfbei- 
ternng des Geistes, active Bewegung iu freier Luft 
(Spazierengehen, kleine Arbeiten mit den Armen), 
angemessene, nahrhafte, nnarzneiliche Speisen und 
Getränke u. s. w. 

§• 262. 

In hitzigen Krankheiten hingegen — aufser bei 
Geistesverwirrung — entscheidet der feine, nntrSg- 
liche, innere Sinn des hier erwachten Lebens -Erhal- 



-wurztes Backwerk und Gefrornes; rohe, arzneiliche Kräuter 
auf Suppen; Gemülse aus Kräutern und Wurzeln, welche 
Arzneikraft besitzen; alter Käse und Thierspeisen, welche 
faulicht sind, oder (wie Fleisch und Fett von Schweinen, 
Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure 
Speisen) arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so 
sehr Yon Kranken dieser Art zu entfernen, als jedes Ueber- 
ntafs der Genüsse, selbst des Zuckers und Kochsalzes, so 
wie geistige Getränke, Stubenhitze, sitzende Lebensart in 
eingesperrter Stuben -Luft, oder öftere negative Bewegung 
(durch Reiten, Fahren, Schaukeln), Kind -Säugen, langer 
Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Nachtleben, Unrein- 
lichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen 
schlüpfriger Schriften, Gegenstände des Zornes, des Grames, 
des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, Anstrengung des 
Geistes und Körpers, sumpfige Wohngegend, dumpfige Zim- 
mer, karges Darben u. s. w. Alle diese Dinge müssen mög- 
lichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung 
nicht gehindert oder unmöglich gemacht werden soll. 



281 

tnngs- Triebes so ^entlieh und bestimint, dafs der 
Arzt die Angehörigen nnd die Krankenwärter blofs 
zu bedeuten braucht, dieser Stimme der Natar kein 
Hindernifs in den Weg zu legen durch Yersagung 
dessen, was der Kranke sehr dringend an Genüssen 
fordert, oder durch schädliche Anerbietnngen und 
Ucberredungen. 

§. 263. 
Zwar geht das Verlangen des acut Kranken an 
Genüssen und Getränken gröfstenthciU auf palliative 
Erleichternngsdinge ; sie sind aber nicht eigentlich 
arzneilicher Art und blofs einer Art Bedürfnifs an- 
gemessen« Die geringen Hindernisse, welche diese, 
in mäfsigen Schranken gehaltene Befriedi- 
gang etwa der gründlichen Entfernung der Krankheit 
in den Weg legen könnte , werden von der Kraft 
der homöopathisch passenden Arznei und der darch 
sie entfesselten Lebenskraft, so wie durch die vom 
sehnlich Verlangten erfolgte Erquicknng, reichlich wie- 
der gut gemacht und überwogen. Eben so mufs auch 
in acuten Krankheiten die Temperatur des Zimmers 
nnd die Wärme oder Kühle der Bedeckungen ganz 
nach dem Wunsche des Kranken eingerichtet wer- 
den. Alle geistige Anstrengungen, so wie alle Ge- 
müths -Erschütterungen desselben sind von ihm ent- 
fernt zu halten. 

§. 264. 
Der wahre Heilkünstler mufs die voll kräftig- 
sten, ächtesten Arzneien in seiner Hand ha- 
ben, wenn er sich auf ihre ' Heilkraft will verlassen 



282 

kSuncin^ ^r mvSs iie selbst nach ihrer Aecbtheit 
kenneq. 

§. 265. 
Es ist GewisseBssacke für iha, in «jedem Falle 
untröglkk überseugt zu sejn, dafs der Kranke je- 
derzeit die rechte Arznei einnimmt» 

§. 266. 
Die Substanzen des Thier- und Pflanzen -Rei- 
ches $ind in ihrem rohen Zustande am atznei- 
liebsten ^). 



1) Alle rohe Thier- und Pflaozensubstanzen haben mehr 
oder weiliger Arzneikräfte und können das Befinden der 
Menschen ändern, jedes auf seine eigne Art. Diejenigen 
Pflanzen und Thiere, deren die aufgeklärtesten Völker sich 
zur Speise bedienen, haben vor den übrigen den Vorzug 
eines gröfsern Gehaltes an Nahrungstheilen, und weichen 
auch darin von den übrigen ab, dafs die Arzneikräfte ihres 
rohen Zustandes theils an sich nicht sehr heftig sind, theili 
"vermindert werden durch die Zubereitung in der Küche 
und Haushaltung, durch Auspressen des schädlichen Saftes 
(wie die Cassave- Wurzel in Süd -Amerika'), durch Gähren 
(des Rocken- Mehb im Teige zur Brodbereitung — Sauer- 
kraut, saure Gurken), durch Rauchern und durch die Ge^ 
walt der Hitze (beim Kochen, Schmoren, Rösten, Braten, 
Backen), wodurch die Arznekheile maocher solcher Sub- 
stanzen zum Theil zerstört und verflüchtigt werden. Durch 
Zusatz des Kochsalzes (Einpökeln) und Essigs (Saucen, Sa- 
late) verlieren wohl die Thier- und Gewächs- Substanzen 
viel von ihrer arzneilichen Schädlichkeit, erhalten aber wie- 
der andre Nachtheile von diesen Zusätzen. 

• Doch auch die arzneikraftig^en Pflanzen verlieren ihre 
Arzneikr^ft zum Theil oder auch gänzlich durch solche Be- 



283 

§. 267. 
Der Kräfte der einheimischen und firisch ca be- 

* 

kommenden Pflanzen bemächtigt man sich am voll- 
ständigsten nnd gewissesten, wenn ihr gans insch 
ausgepreister Saft sogleich mit gleichen Theilen 
schwammzändendem W^eingeist wohl gemischt wird. 
Von dem nach Tag nnd Nacht in verstopften Glä- 
sern abgesetzten Faser- nnd Eiweifsstoffe wird dann 
das Helle abgegossen zum Verwahren für den arz- 
neilichen Gebrauch ^}. Von dem zngemischten 



handlangen. Durch völliges Trocknen verlieren alle Wur- 
zeln der Iris-Arten, des Märrettigs, der Aron-Arten und der 
Päonien (ast alle ihre Arzneikraft. Der Saft der heftigsten 
Pflanzen wird durch die Hitze der gewöhnlichen Extract- 
Bereitung oft zur ganz unkräftigen, pechartigen Masse. 
Schon durch langes Stehen wird der ausgepreiste Saft der 
an sich tödtlichsten PEanzen ganz kraftlos; er geht von 
selbst bei milder Luftwänne schnell in Weingährung (und 
bat schon dann viel At'zneikraft verloren) und unmittelbar 
darauf in Essig- und FauUGährung über, und wird so al- 
ler eigenthümlichen Arzneikräfte beraubt; das sich zu Bo- 
den gesetzte Satzmehl ist dann völlig unschädlich, wie an- 
deres Stärkemehl. Selbst beim Schwitzen einer Menge 
über einander liegender, grüner Kräuter geht der gröfste 
Theil ihi:er Arzneijcräfte verloren. 

1) Buchholz (Taschenb. f. Scheidek, u. Apoth. a. d. 
J. 1815. Weimar, Abth. I. vi.) versichert seine Leser (und 
sein Recensent in der Leipziger Literaturzeitung 1816. N. 82. 
widerspricht nicht): diese vorzügliche Arzneibereitung habe 
man dem Feldzuge in RuÜsland zu danken, von woher sie 
(1812) nach Deutschland gekommen sey. Dafs diese Ent- 
deckung und diese Vorschrift, die er mit meinen eignen 



284 

Weingeiste wird alle GähroDg des Pflanzensaftes 
angenblicklich gehemmt und anch fiir die Folge un- 
möglich gemacht, nnd die ganze Arzneikraft des 
Pflanzensaftes erhält sich so (vollständig nnd unver- 
dorben) auf immer« in wohl verstopften Gläsern 
Tor dem Sonnenlichte verwahrt ^). 



Worten aot der ersten Ausgabe des Organon's der rat 
Heilkunde §. 230. und AnmerL anfahrt, von mir herrübre, 
und da£s ich sie in diesem Buche scbon zwei Jahre vor dem 
Tussiscben Feldzuge (1810 erschien das Organon) zuerst 
der Welt mittbeilte, das verscbweigt er, nach der edelo 
Sitte der Deutschen, gegen das Verdienst ihrer Landslente 
ungerecht zu seyn. Aus Asiens Wildnissen her erdichtet 
man h'eber den Ursprung einer Erfindung, deren Ehre einem 
Deutschen gebührt. Welche Zeiten! Welche Sitten! 

Man hat wohl ehedem auch zuweilen Weingeist za 
Pflanzensäften gemischt, z. B. um sie zur Extractbereitung 
einige Zeit aufheben zu können, aber nie zur Absicht, sie 
in dieser Gestalt, einzugeben. 

1) Obwohl gleiche Thelle Weingeist und frisch ausge- 
preEster Saft gewöhnlich das angemessenste Verhältniis ist, 
um die Absetzung des Faser- nnd Eiweifs- Stoffes zu be- 
wirken, so hat man doch für Pflanzen, welche viel zähen 
Schleim (z. B. Beinwellwurzel, Freisam -Veilchen u. s. w.) 
oder ein Uebermafs an Eiweifsstoff enthalten (z. B. Hunds- 
dill-Gleils, Schwarz -Nachtschatten u. s. w.), gemeiniglich 
ein doppeltes Verhältniis an Weingeist zu dieser Absicht 
nöthig. Die sehr saftlosen, wie Oleander, Buchs* und Eiben- 
baum, Porst, Sadebaum u. s. w., müssen zuerst (lir sich zu 
einer feuchten, feinen Masse gestolsen, dann aber mit einer 
doppelten Menge Weingeist zusammengerührt werden, da- 
mit sich mit ihm der Saft vereinige, und so, durch den Wein- 
geist ausgezogen, durchgepreCst werden könne. 



28» 

i 

$. 368« 
Die übrigen, nicht firisch zn erlangenden, aus- 
ländiscben Gewachse, Rinden, Samen nnd Wur- 
zeln wird der vernünftige Heilkünstler nie in Pulver* 
form auf Treu und Glauben annehmen, sondern sieb 
von ihrer Aechtheit in ihrem rohen, ganzen Znstande 
vorher überzeugen, ehe er die mindeste arzneiliche 
Anwendung von ihnen macht ^)« 



1 ) Um sie als Pulver zu verwabrra, bedarf man einer 
Vorsicht, die man gewöhnlich bisher in Apotheken nicht 
kannte, und daher Pulver von selbst gut getrockneten Thier- 
und Gewachs -Substanzen in wohlverstopften Gläsern nicht 
unverdorben aufheben konnte. Die auch völUg trocknen, 
ganzen, rohen Gewächs -Substanzen enthalten doch noch im- 
mer als unentbehrliche Bedingung des Zusammenhanges 
ihres Gewebes einen gewissen Antheil Feuchtigkeit, welcher 
zwar die ganze, ungepülverte Drogue nicht hindert, in einem 
so trocknen Zustande zu verharren, als zu ihrer Unverderb- 
lichkeit gehört, fiir den Zustand des feinen Pulvers aber 
überflüssig zuviel wird. Die im ganzen Zustande völlig 
trockne Thier- und Gewächs- Substanz giebt daher, fein 
gepulvert, ein einigermalsen feuchtes Pulver, welches, ohne 
in baldige Yerderbniis und Yerschimmelung überzugehen, 
in verstopften Gläsern nicht aufgehoben werden kann, wenn 
es nicht vorher von dieser überflüssigen Feuchtigkeit be- 
freiet worden war. Diefs geschiehet am besten, wenn das 
Pulver auf einer flachen Blechschale mit hohem Bande, die 
in einem Kessel voll kochendem Wasser schwimmt (d. i. im 
Wasserbade) ausgebreitet und so weit mittels Umrührens 
getrocknet wird, dais alle kleinen Theile desselben (nicht 
mehr klümperig zusammenhängen, sondern) wie trockner, 
feiner Sand sich leicht von einander entfernen und leicht 
verstieben. In diesem trocknen Zustande lassen sich die 



286 

f. 269. 
Da jede Arznei am bestimmtesten und vergleicli' 
barsten in Aaflösnng wirkt, so wendet der verstan- 
dige Reilkänstler in AuflSsnng ^) alle Arzneien an, 

feinen Palyer» auf immer . unverderblich, in wobl ver- 
stopften und versiegelten Gläsern aufbewahren in ihrer ur- 
sprünglichen, vollständigen Arzneikraft, ebne je mietig 
oder schimmlicht zu werden; am besten, virenn die 
Gläser vor dem Tageslichte (in verdeckten Bücbsen, Kasten, 
Schachteln) verwahrt werden. In nicht luftdicht verschlos- 
senen Gefä&en und nicht TOm Zugange des Sonnen- und 
Tageslichtes entfernt, verlieren alle Thier- und Gewächs- 
Substanzen mit der Zeit immer mehr und mehr an ihrer 
Arzneikraft selbst im ganzen Zustande, weit mehr aber im 
Pulverzustande. 

1) Die Metallsalz- Auf losun gen in vielem Wasser zer- 
setzen sich und verderben gar bald; ihre Verdünnungen zu 
homöopathischem Gebrauche können also nicht mit Wasser 
(was überhaupt nicht geschickt zum Tröpfeln ist) verdünnt 
werden. Da nun viele Metallsalze nicht unmittelbar in Wein* 
geiste aufgelöset werden können, sieb aber, wenn sie in 
100 Theilen Wasser aufgelöset sind, ohne sich niederzu- 
schlagen, weiter fort mit Weingeist verdünnen lassen, so 
weit sie der homöopathische Heilkünstler nur zu verdünnen 
nöthig hat, so kann man mit allen diesen so verfahren, wie 
in der Vorrede zu den Arsenik - Symptomen im zweiten 
Theile meiner reinen Arzneimittellehre beschrieben worden 
ist. Nur essigsaures Blei zersetzt sich, wenn aucb nur we- 
nig von seiner nocb so verdünnten wässerigen Auflösung 
zu Weingeist getröpfelt wird, und fallt allmalig als kohlen- 
saures Blei (als Bleiweils) zu Boden. 

Allen diesen Scbwierigkeiten wird auf folgende Weise 
abgeholfen : 

Im zweiten Theile meines Buchs von den chronischen 



287 

deren- Natar nicht dnrcbans verlangt, dafs man sie 
in Pulverform anwende ^). Alle andre Formen, wo- 
darch sie bisher eingehüllt zn werden pflegten (PiU 
len, Xiatwergen n. s. w«), sind verwerflich, da die 
Einwirkung der Arzneien auf die lebende Faser hie- 
durch unsicher und unbestimmt wird ^). 



Krankheiten habe ich die vollkommenste Bereitung der an« 
tipsorlschen Arzneien angegeben, auch, der aus trocknen 
Substanzen, um sie sammtlicb in flüssiger Gestalt, mit Er- 
haltung aller ihrer Arzneikräfle, zu homöopathischem Ge- 
brauche in deciUionfacher Verdünnung und Potenzirung, 
auf die einfachste und gleichförmigste Weise darzustellen. 
Auch die nichtantipsorischen Arzneien werden am besten 
so zubereitet. Dann bedarf man keiner Mctallsalze mehr 
zur Arznei — denn ihre Säuren verändern doch die Eigen- 
thumlichkeit der Kräfte der Metalle. So können die Me- 
talle in gediegener Gestalt zu Auflösungen in Weingeist 
gebracht werden, so die geschwelten Metalle, so alle brenn- 
bare Substanzen, Bergöl, Phosphor, Schwefel, vegetabili- 
scfae, thierische und Mineral -K^le (Graphit), alle Harze 
und Gummiharze, so alle Pflanzen -Pulver, Mehl -Arten 
u. s. "w.^ mit einem Worte, jede Arzneisubstanz, ohne den 
mindesten, ihre Arzneikraft mindernden oder verändernden 
Zusatz. Was nur durch chemische Kunst zu erlangen ist, 
mufs der Arzt entweder selbst verfertigen oder in seiner 
Gegenwart verfertigen lassen. 

1) Wie etwa die kalkarlige Schwefelleber. 

2) Auch die in neuem Zeiten durch viele, mühsame 
chemische Arbeiten aus einigen Gewächs -Arzneien gezoge- 
nen und abgesondert dargestellten, theils sauern, theils ba- 
sischen Bestandtheile (Morphin, Strychnin, Chinin n. s. w.) 
sind in den einfachen, weingeistigen Tincturen vorhanden, 
ohne dals man zum Behufe fiir Kranke sie^ mit so viel Kün- 



288 

i 27a 
In keinem Falle von Heilang ist es nothig, 
tnebr als eine einsige, einfache Anneisnbstans 
aaf einmal anzuwenden. 

§• 271. 

Es ist nicbt einzasehen, wie es nur dem min- 
desten Zweifel nnterworfen seyn könne, ob es na- 
tnrgemäfser nnd vernünftiger sey, einen einzelnen, 
wohl gekannten Arzneistoff anf einmal in einer Krank- 
heit zu verordnen, oder ein Gemisch von mehren. 

§. 272. 

Da der wahre HeilkQnstler in ganz einfachen, 
einzeln nnd nnvern^ischt angewendeten Arzneien 
schon findet, was er nnr irgend wünschen kann: 
(künstliche Krankheitspotenzen, welche die natürli- 
chen Krankheiten dnrch homöopathische Kraft voll- 
ständig za überstimmen, aaszalöschen nnd dauer- 
haft zn heilen vermögen), so wird es ihm nach dem 
Weisheitssprachc: „dafs, was darch Einfaches mög- 
lich ist, dnrch Vielfaches bewirken za wollen, nnrecht 
sejf^^ nie einfallen« je etwas anderes, als einen ein- 
zelnen« einfachen Arzneistoff als Heilmittel za geben, 
auch schon defshalb nicbt, weil, gesetzt anch, die 
einfachen Arzneien wären anf ihre reinen, eigentbüm- 
lieben 

Stele! abgesondert darznstellen nothig hätte, wenn man «e 
nicbt in so concentrirter Gestalt verlangt, dals man Men- 
schen und Thiere schnell damit tödten könne — ein Zweck, 
der das gerade Gegentheii von den Heilbemübungen des 
redlichen, behutsamen Arztes ist. 



289 

liehen Wirkungcu im. ungetrübten,; gestoden Za- 
stande des Menscliei;i völlig ansgeprüft^es. doch völ- 
lig unbekannt bleiben mnCs^ wie sich %yrei und mehre 
zusammengesetzte Arznei -Stoffe einander in ihren 
Wirkungen auf den . menschlichen . Körper hindern 
und abändern mögen , und weil hingegen ein einfa-, 
eher ArzneistofT bei seinem Gebrauche in Krankhei-. 
ten^ deren Symptomen -Inbegriff genau bekannt is^ 
vollständig und allein hilft, wenn, er homöopathisch 
gewählt war, und selbst in dem schlimmsten Falle, 
dafs er der Symptomen -Aehnlichkeit nicht ganz an- 
gemessen gewählt werden konnte, und also nicht 
hülfe, doch dadurch nützt, dafs er die Hcilmittel- 
Kenntnifs befördert, indem durch die in solchem 
Falle von ihm erregten neuen Beschwerden diejenigen, 
Symptome bestätigt werden, welche dieser Arzneistoff 
sonst schon in Yersnchen am gesunden menschlichen 
Körper gezeigt hatte; ein Yortheil, der beim Ge- 
brauche aller zusammengesetzten Mittel wegfällt ^), 

§. 273. 
Die Angemessenheit einer Arznei für einen ge- 
gebnen Krankheitsfall beruht nicht allein auf ihrer 



1) Bei der treffend homöopathisch för den wohl über- 
dachten Krankheitsfall gewählten und iDnerlich gegebenen 
Arznei nun vollends noch einen aus andern Arzneistoffen 
gewählten Thee trinken, ein Kr'autersäckchen oder eine Bä- 
hung aus mancherlei andern Kräutern auflegen, oder ein 
andersartiges Kly stier einspritzen, und diese od^r jene Salbe 
einreihen zu lassen, wird der vernünftige Arzt dem unver-r 
DÜnftjgen Schlendrian üherlassen. 

T 



29» 

treffenden komoopathiscfaen Wahl, sondern eben so 
wohl anf der erforderlichen, richtigen Grofse oder 
vielmehr Kleinheit ihrer Gabel GIcbt man eine 
allzn starke Gabe von einer für den gegenwärti- 
gen Krankheitszbstand auch vSUig homöopathisch ge- 
wählten Arznei, so mufs sie, nnfgeachtet der Wobl- 
thätigkeit ihrer Natnr an sich, dennoch blofs durch 
ihre Grofse nnd den hier nnnotbigen, Uberstarken Ein- 
druck schaden, welchen sie gerade anf die empfind- 
Kchsten nnd durch die natürliche Krankheit schon an- 
gcgrilfensten Theile im Organism vermöge ihrer ho- 
möopathischen Aehnlichkeits- Wirkung macht. 

§. 274- 
Ans diesem Grnnde schadet eine Arznei, wenn 
sie dem Krankheitsfalle anch homöopathisch ange- 
messen war, in jeder allzn grofsen Gabe, nnd dann 
nni desto mehr, je gröfser ihre Gabe war, nnd durch 
die Grofse ihrer Gabe nm so mehr, je homöopathi- 
scher sie gewählt vfär, nnd weit mehr, als jede eben 
so grofse Gabe einer nnhomöopatbiscben, fiJr den 
Krankheitsznstand in keiner Beziehung passenden 
(allopathischen) Arznei ^ denn Üann steigt die soge- 
nannte homöopathische Yerschlimmening (§• 151 — 
154.), das ist, -die in den leidendsten nnd 'durch die 
ursprüngliche Krankheit aufgeregtesten Theilen des 
Organisms künstlich erzeugte, so ähnliche Arznei- 
krankheit -^ die in angemessenem Grade die 
Heiinng sanft bewirkt haben würde -^ za einer schäd- 
lichen Höhe; der Kranke leidet zwar nicht fenir 
an der Urkrankheit, denn diese ist homöopathisch 



291 

ansgetilgt, aber desto mehr an der übergrofscn Än- 
neikrankheit und hinterdrein nicht weniger an der 
Nachwirkang oder dem von dem Leben des Orga- 
nisms entgegengesetzten Zustande, nnd an nnnöthi« 
ger Entkräftong. 

§. 275- 
'Ans gleichem Grande, niid da eine Arznei bei 
vorausgesetzter , gehöriger Kleinheit ihrer Gabe nm 
desto heilsamer und fast bis zum W;ander hülfreicb 
ist, je homöopathischer sie ausgesucht war, wird auch 
eine Arznei, deren Wahl passend homöopathisch ge- 
troffen worden, um desto heilsamer seyn müssen, je 
mehr ihre Gabe zn dem für sanfte Hülfe angemes- 
sensten Grade von Kleinheit herabsteigt. 

§. 276. 
Hier entsteht nun die Frage, welches dieser für 
thells gewisse, tfaeils sanfte Hülfe angemessenste Grad 
von Kleinheit sey; wie klein also zum Behufe der 
besten Heilnng die Gabe jeder einzelnen, für einen 
Krankheitsfall homöopathisch gewäblten Arznei seyn 
müsse? Diese Aufgabe zu lösen und für jede Arznei 
insbesondre zu bestimmen, welche Gabe von ihr zn 
homöopathischem Heilzwecke genüge und doch so 
klein sey, dafs die sanfteste und schnellste Heilang 
dadurch erreicht werde -^ diese Aqfgabe zu lösen, 
ist^ wie man leicht einschen kann, nicht das Werk 
theoretischer Muthmafsang; nicht vom grübelnden 
Verstände, nicht von klügelnder Yemünftelei läfst 
sich die Auflösung dieser Aufgabe erwarten. 'Einzig 
nur reine Yersothe, sorgfäh%e Beobachtnng und rkh- 

T 2 



202 

tige Eiiahning kann dxefs bestimmen, nnd es wäre 
thöriclit, die grofsen Gaben unpassender (allopa- 
thiscber) Arznei der gemeinen Praxis, welche die 
kranke Seite des Organisms nicht homöopathisch be- 
rühren, sondern nnr die von der Krankheit nnange- 
griffencn Theile angreifen, gegen dasjenige anführen 
zn wollen, was reine Erfabrong über die nöthige 
Kleinheit der Gaben com Behnfe homöopathischer 
Heilangen ausspricht 

§. 277. 
Diese reine Erfahrung zeigt durchgängige dafs, 
wenn der Krankheit nicht offenbar eine beträchtliche 
Yerderbnifs eines wichtigen Eingeweides zum Gronde 
liegt (auch wenn sie unter die chronischen und com- 
plicirten gehörte) nnd bei der Cor alle andern, fremd- 
artig arzneilichen Einwirkungen auf den Kranken ent- 
fernt gehalten wurden — die Gabe des homöo- 
pathisch gewählten Heilmittels nie so klein 
bereitet werden kann, dafs sie nicht noch 
stärker, als die natürliche Krankheit wäre, 
nnd sie nicht zu überstimmen, auszulöschen 
und zu heilen vermöchte, so lange sie noch 
einige, obscfaon geringe Erhöhung ihrer 
Symptome über die ihr ähnliche Krankheit 
(geringe homöopathische VerschUmm^rung §. 151 — 
154«) glci'ch nach ihrer Einnahme zu verur- 
sachen im Stande ist. 

§. 278. 
Dieser unumstöDsiiche Erfahrnngssatz ist '4er 
Mafsstab, wonach die Gaben faomöopathi- 



293 

• 

scher Ars&nei, ohne Ansnahme, bis dahin sa 
verkleinern sind, dafs sie nach der Ein- 
nahme nur eine kanm merkliche homöopa- 
thische Yerschlimmernng erregen ^) , die 
Yerkleinerung steige' auch noch so tief herab nnd 
scheine den grobmateri^llen Begriffen der Alltags- 
ärzte auch noch so unglaublich ^); ihr Geschwätz 



1) Meine Bemiihungen haben hierin den homoap^ 
tbbcfaen Aerzten cchon vorgearbeitet und ihnen Tausende 
von Selbstversucben erspart durch die Angaben der nöthl- 
gen Verdünnung einiger Arzneien zu homöopathischem Ge- 
brauche, in den Vorworten zu den Ari^neien in der rei- 
nen Arzneimittellehre; wiewohl ich bei den meisten 
Arzneien mit der Verdünnung seitdem noch tiefer herab- 
eusteigen durch neuere Erfahrungen genöthigt worden bin, 
um der Vollkommenheit in dieser unübertrefflichen Heil- 
kunst mich noch mehr und mehr und möglichst zu nähern, 
wie man im Anfange des zweiten Theils meines Buchs von 
den chronischen Krankheilen findet. 

2) Sie mögen sich von den Mathematikern erklären 
lassen, wie wahr es sey, dafs eine in noch so viele Theile 
getheilte Substanz auch in ihren denkbar kleinsten Theilen 
immer noch Etwas von dieser Substanz enthalten müsse, 
und der denkbar kleinste Theil nicht aufhöre, etwas* von 
dieser Substanz zu seyn, also unmöglich zu Nichts werden 
könne; — sie mögen sich, wenn sie zu belehren sind, von 
den Physikern sagen lassen, dafs es ungeheure Kraftdinge 
(Potenzen) giebt, welche ganz ohne Gfewicht sind, wie 
z. BJ der Wärmestoflf, der Lichtstoff u. s. w., also immer 
noch unendlich leichter, als der Arzneigehalt der kleinsten 
Gaben der Homöopathie ; —sie mögen die Schwere von 
Gallenfieber erzeugenden Kränkungsworten oder das Ge- 
wicht der die Mutter tödtenden Trauernachricht von ihrem 



294 

mnts vor dem Aasspmche der antrüglichen Er£ali- 
rang verstammen. 

einzigen Sohne wägen, wenn sie können; — sie mögen 
einen hundert Pfund zu tragen fähigen Magnet nur eine 
Viertelstunde berühren, und durch die empfundnen Schmer- 
zen sich belehren, dafs auch gewichtlose EinHüsse die hef- 
tigsten Arzneiwirkungen im Menschen hervorbringen kön- 
nen; — und die Schwächlinge unter ihnen mögen ihre 
Herzgrube nur .leise mit der Daumenspitze eines kräftig ge- 
wiileten Mesmerirers einige Minuten berühren lassen, und 
.unter den widrigsten Gefühlen, die sie da erleiden, es be- 
reuen, dafs sie der unendlichen Natur die Gränzen ihrer 
TVirksamkeit abstecken wollten; dte Geistes -Armen! 
, Wähnt der die homöopathische Heilart versuchende 
■ Allopath, zu so kleinen und so tief verdünnten Gaben sich 
nicht entschliefsen zu können,, so frage er sich nur seihst, 
was er damit wage? Hätte der blois das Wägbare für 
,«twas Wirkliches, alles Unwägbare für* Nichts schätzende 
/Unglaube recht,. so könnte ja doch auf eine ihm so nichtig 
deuchtende Gabe nichts Schlimmeres erfolgen, als dafs gar 
keine Wirkung entstünde — doch immer also etwas weit 
, Unschuldigere, als was auf seine zu groisen Gaben allop»- 
thischer Arznei erfolgen mufs. Warum will er seine mit 
Yorurtheilen gepaarte Unerfahrenheit für coropetetiter hal- 
.ten, aU die durch That sich bewährende vieljährige Erfab* 
. i;ung? Und zudem wird ja die homöopathische Arznei bei 
jeder Thellung qnd Verkleinerung durch Reiben oder Schüt- 
teln potenzlrt! — eine vor mir nicht geahnete, so mäch- 
tige Entwickelung der iuwohnenden Kräfte der Arznei-Sub- 
. stanzen, dafs kh^ ix\ den letztern Jahren durch überzeugende 
Erfahrung genöthigt ward, die ehemals vorgeschriebenen 
zehn Schüitelschläge nach jeder Yerdünnung bis auf zwei 
einzuschränken. 



X I 



2ß5 

• > • » > 

Jeder Kranke ist biesonders im Pankte seiner 
Krankheit tou den arzneikräfugen^ dnjch ^yVirknngs- 
Aehnlicbkeit, pa3sen^en Potenzen nn^laublicL um- 
siimnibar, undi.^s^giebt kei^en, aii<;h noch so robn-^ 
$leo,. selbst niu: jnit eiif.em chronischen, oder söge- 

nannten Local-^Uehel behafteten Menschen« welcher 

^ 

In dem leidenden Tbeile nicht, ba^d die erwünscht 
teste Veränderung spürte, wenn er die hülfreiche, 
bomöopathisch angeo^e^^cni^ Ar?^nei in der erdenklich 
kleinsten Gabe eingie;i;i(upa)en, w^lchpr^^ ^ii. eineon 
Worte, , nicht w^t ip^b^ aadliirch in, seinem Befinden 
omgestimmt .w?rd!^D. . SQ{ltp^, ^,s , ^qr einen Tag alte, « 
aber gesunde SäPg'wg ypn ihr. ;^je iw^ 
tend und läcbeJcUch ist also nicht der bljofs ih^Q- 
retißcbe.üngjainbe geg^n diese nie fcj^lenden^ ,qf^. 
tröglic^en Erfabrungs- Beweise l- 

.§. 280, 
Da werden auch von der kleinstmöirficheo..mir 
noi^h die mindeste homöopathische YerschUmm^rppg 
zn. erregen vermögenden Gabe homöopathischer Arz- 
nei, weil sie der ursprünglichen Kr^kheit möglichst 
ähnliche C^b^r auch in dieser Kleinheit noch Stäx*- 
ke^e) Symptome sa erregen fähig ist, vorzugsweise 
nnd fast allein, blofs die schon leidenden, höchst 
erregten und auf's änfserstc^ für einen so ähnlichen 
fV^ia^ empfindlich gewordenen Tkcil^e im O^rganism 
ergriffen und ifi eine etwas höhere.,! isehr ähnliche, 
künstliche Krankheit (die Yertilgerin.der. natürlichen) 



« < 



2Si6 

umgestimmt» um die Stelle der ursprünglichen ein- 
ztihcfamen, so dafs^'-der Organism nnn an der ktinst- 
iicben Ärzüeikrankhett allein leide, welche ihrer Na- 
tbr nach und vcnnuge'der Kleinheit der Gabe bald 
von der nach 'ihrer Normalitäfe strebenden Lebens- 
kraft aas'gelösdht Wird, ' nnd (wenn "die Krankheit 
eine ' acute' wat*) "den Korper mögliche frei toq Lei- 
dcn,"da^ i^tj gesnnd znrüekläfst. 

': "" §. ''281. ' 

^Ütn' nnn Seht natorg^mäfs zn yerfahren, wird 
^ der wahre Hdlkünstkr s^ine wohlgewählte bomoopa- 
thisöhe Arznd''gön2(ti'niir in iHÖ kleiner Gabe verord- 
nen, als tttr tli^bärstimmüng nfad Yemichtnng der 
gegenwäitigeü Krankheit nnr ^o eben zureicht — in 
«einer Kleinheit von Gäbd, wefdtie', wenn ihn mensch- 
liche Schwäche ja einmal verleitet hätte, eine nn{)as- 
sendere Arznei anzuwenden, den Nachtheil ihrer Un- 
angemessenheit in der Krankheit bis zur Geringfügig- 
keit vermindert, wielcher von der möglichst kleinsten 
'Gäbe auch viel zu schwach ist, als dafs er durch 
die eigne Kraft der Natur des Lebens und durch 
schnelle^ Entgegensetzung des nun nach 'Wirkungs- 
Aehnlichkcit passender gewählten Heilmittels, eben- 
falls in kleinster Gabe, nicht alsbald wieder ausge- 
löscht und gutgtoiacht werden sollte. 

Es mindert sich auch die Wirkung einer Gabe 
nicht in gidfchet Progres'sion ' mit dem materiellen 
Arzneigchalte der Yerdünnungen zu homöopathischem 
Gebrauche. Acht Tropfen Tinctnr von einem Arz- 



297 

neistoßie anf die Gabe viiken nicht Tiermal so 
yicl im menschlichen Körper, als zwei Tropfen, 
sondern nur etwa doppelt so viel, als zwei Tropfen 
anf die Gabe* So wird auch' von einer Mischung 
Eines Tropfens Tinctar mit zehn Tropfi^ einer 
nnarzneiliched Flüssigkeit, Ein Tropfen eingenom- 
men« ni<fat'ei'ne zehn Mal grSfsere Wirktrng thno, 
als ebisnfaä^Ein Tropfen' eiher noch zehn Mal dün- 
nem Miscbang, sondern nar etwa (kaam) eiiaedop- 
pelt stärkere Wirkung, nnd so weiter heräh^ nach 
demselben Gesetze — so dafs ein Tropfen der tief- 
sten Yerdünnnng immer noch eine sehr, beträchtliche 
'Wirkung äofsem muis und wirklich äo&ert ^). 



1) Gesetzt, 1 ^Tropfen ieiner Mi$chuDg,' wel<bhe y'^ Gran 

dös ArznristofEs enthält, thue dne Wirkung = a ; 

so wird ein Tropfen einier yerdunntem,- welcher ^iz Grau des 

Arznelstoffs enthält, nur etwa eine Wirkung thun = ^. 

wenn 6r jrciw Gran des Arzneistoßs enthält, etwa =: j-; 

wenn er jz c^izzz^ Gran des Arzneistoff« enthält, eine Wir- 

a 

kung thun ^^ -g; 

und so wird,' so fort, bei gleichem Volunofen der Gaben, 
durch jede (tielleicht mehr als) quadratische Verkleinung 
des Arzneigehalts die Wirkung auf den menschlichen Kör- 
per sich doch nur jedesmal etwa zur Hälfte mindern. Einen 
Tropfen einer Decilüon - Yerdnnnung von Krähenaugen- 
Tinctur habe ich ziemlich genau halb so viel als einen 
Tropfen quintillion Fächer Verdünnung, sehr oft, wirken 
sehen, unter denselben Umständen und bei denselben Per- 
sonen. 



^8 

^ 283. 
Die zu bomSopatbischein Gc))raache nQthige 
. Gaben «•Minderpog' wd auch darcb. YjemunderaDg 
des Yolnmens der Gabe befördert, sq dab, wenn 
man statt eines Trop{iensi ein^ AnneiTerdfinnang 
nur. eilten ganz kleinen Tbeil ^) eines solchen Tro- 
pfims ZOT. , Gilbe niimnt, die Absicht der noch wei- 
. tern WirkMngSrMindenmg sehr zweckmäfsig erreicht 
wird} sehr begreiflich ans .dem Grande, weil mit dem 
klelnerii Volumen der .Gabe auch nur wenige Ner- 
ven des lebenden. Qrganisms berührt werden könneo, 
wodurch zwar ebenfalls die Kraft der Arznei dem 
ganzen Organism mitgctheilt wird, aber eine klei- 
nere Kraft« 



1) Am zweckniälsjgs^a bedient inaa sieb bieza feiner 
Zucker- Streokügdcben, too . 4^/ GröCie des Mohnsamens; 
wo dann ein solches,. mit der Arznei befeuchtet, in das Ve- 
hikel geschoben, eine Arznelgabe bewerkstelligt, die etwa 
den dreihundertsten Theil eines Tropfens enthält, indem 
drelbundert solcher kleinen Streukugelcben von einem Tro- 
pfen Weingeist hinreichend benetzt werden. £in solches 
Streukugelcben allein auf die Zunge gelegt, obne etwas nach 
zu trinken, vermindert die Gabe ungemein. Hat man aber 
Ursache^ bei einem sehr feinfühligen Kranken die möglickst 
kleinste Gabe anzuwenden und den schnellsten Erfolg her- 
beizufiibren; da dient das blolse einmalige Riechen in eio 
kleines Gläschen, worin ein Senfsamen grofses, mit der 
hoch potenzirten und verdünnten Arznei- Flüssigkeit be- 
feuchtetes Streukugelcben liegt; nach dem Riechen wird es 
zugepfropft und zu wo nothig mehrmaligem dergleicbeu 
Gebrauche, Jahre lang, ohne merkliche Minderung seiner 
Arzneikräfte aufbewahrt. 



299 

§. 184. 
Aas ^leicbem Grande, steigt die Wirkang einer 
homoopaibischen Arsneigabe, je in einem grölsern 
Umfange von Flüssigkeit aafgelöst sie. dem Kranken 
zom Einnehmen gereicht wird, obgleich, der wahre 
innere Arzneigehalt derselbe blieb. Denn hier wird 
beim Einnehmen eine weit gröfsere Fläche enipfind- 
licher, die Arzneiwirkung annehmender Nerven be- 
rührt» Obgleich der Wahn der Theoristen in der 
Yerdünnnng einer Arznergahe mit einer grofsern 
Menge Flüssigkeit heim Einnehmen eine Schwä- 
chung ihrer Wirkung finden möchte, so sagt doch 
die Erfahrong, wenigstens bei dem homöopathischen 
Arzncigebraache, gerade das Gegentheil ^)» 

§• 285. 
Doch findet bei dieser Vergrofsernng der Wir- 
kung durch die Mischung der Arzneigabe mit einer 
grofsern Menge Flüssigkeit (vor dem Einnehmen) 
noch der nicht geringe Unterschied statt, ob die 
Vermischung der Arzneigabe mit einer gewissen 
Menge Flüssigkeit nur so obenhin' and unvollkom- 
men, oder ob sie so gleichförmig and so innig ^) 



1) Blo£s die einfachsten unter allen Reizmitteln, Wein 
und Weingeist, vermuidern ihre erhitzende und berau- 
schende W^irkuog in der Yerdünnung mit vielem Wasser« 

2) Diirch das Wort innig will ich hier so viel sa- 
gen: dafsj.wenn z. B. der Tropfen einer arzneilichen Flüs- 
sigkeit mit 100 Tropfen Weingeist einmal umgeschüttelt, 
d. i. , das beides enthaltende Gläschen, in der Hand gehalten, 
mit einmaligem starkem Schlage des Arms ?on oben herab 



300 

bewerkstelligt worden, 4afs der kleinste Tfaeil der 
Verdtiniintigs-Flßssigkeit anch einen verbältnifsmäfsig 
gleichen Antbeil am Araneigehalte als alles Uebrige 
in sieb aufgenommen bat; denn dann ist letztere 
weit arukeikräftiger dareb die Yerdönnangs-Miscbong 

■ ' 

scbaell bewegt worden ist, wohl schon eine genaue Mi- 
schung beider entstanden ist, mit zwei, drei, zebn und meh- 
ren 'solchen Schrägen aber diese Mischung noch weit inni- 
ger, d. iv, die Arzneikraft noch weit mehr potenzirt und, 
so zu sagen, der Geist dieser Arznei immer mehr entfaltet, 
entwickelt und in seiner Wirkung auf die Nerven weit ein- 
dringlicher gemacht wird. Wenn man also mit den tiefen 
Verdünnungen den so nöthlgen Zweck der VerkleiueruDg 
der Gäben in Hinsicht der Milderung ihrer Kräfte auf den 
Organism- erreichen will, so thut man nicht wohl, jedem 
der 20, 30 u. s. w. Yerdünniingsgraser mehr als zwei solche 
Schüttelungs- Schläge zu geben, um so die Arzneikraft nur 
mäfsig zu entwickeln. Auch wird man wohl thun, bei 
der Verdünnung der Arzneien in trockner Pulvergestalt mit 
dem Zusammenreiben in der porcellanenen Reibeschale Mafs 
zu halten^ und z. B. einen Gran der rohen, ganzen Arznei- 

. Substanz, bei seiner Vermischung mit den ersten 100 Gran 
Milchzucker nur ü^ine Stunde mit Kraft zu reiben, ferner 
die Verdünnung eines Grans dieser Mischung mit andern 
100 Gran Milchzucker (zu j^^^^ Verdünnung) auch nur 
Eine Stunde, und die dritte Verdünnung (zu j^^§^^^) ehen- 
falls durch einstündiges kräftiges Zusammenreiben eines Grans 
der Yorigen Mischung mit 100 Gran Milchzucker zu einer 
solchen Verdünnung der Arznei zu bringen, dafs die Kraft- 
entwlckelung derselben gemäfsigt bleibt. Die genauere Art, 
wiei hiebe! zu verfahren ist, findet man zu Anfange des zwel- 

, ten Thells des Buches von den • chronischen Krankheiten 
beschrieben, auch wie man dann welter mit Auflösung der 
Pulver und Verdünnung ihrer Aunösung zu Werke gebt 



301 

geworden als erstere. Hicrans wird man von selbst 
abnebmen, wie man mit Einrichtung der homöopa- 
thischen Arzneigaben zu Werke geben müsse, wenn 
man ihre Arznei- Wirkung möglichst verkleinern will 
znm Behnfe der empfindlichsten Kranken. 

§. 286. 

Die Wirkung der Arzneien in flüssiger Gestalt 
anf den lebenden menschlichen Körper geschieht 
anf eine so eindringliche Art, verbreitet sich vom 
Punkte der mit Nerven begabten, empfindlichen Fa- 
ser aus, worauf die Arznei zuerst angebracht wird, 
mit einer &o unbegreiflichen Schnelligkeit und Allge- 
meinheit durch' alle Theile des lebenden Körpers, 
dafs man diese Wirkung der Arznei eine fast gei- 
stige (eine dynamische, virtuelle) nennen mufs*. 

$. 287. 

Jeder Theil unsers Körpers, der nur Tastsinn 
besitzt, ist auch fähig, die Einwirkung der Arzneien 
anfzunebmeu, und die Kraft derselben auf alle übri- 
gen Theile fortzupflanzen. 

§. 288. 
Aufser dem Magen sind Zunge und Mund die 
empfänglichsten Theile für die arzneib'chen Einwir- 
kungen; doch ist auch das Innere der Nase, der 
Mastdarm, die Zeugungstheile, so wie alle vorzüg-- 
lieh gefuhligen Theile unsers Körpers, zur Aufnahme 
der Arzneiwirkung fast gleich geschickt, daher auch 
hautlose,, verwundete oder geschwürige Stellen den 
Kräften der Arzneien eine fast eben so eindring- 
liche Einwirkung auf den Organism vierstatten, als 



302 

wenn die Annei dbrch ' den Mand cingeBommen 
worden wäre. 

4. 289. 
Selbst die Theile, welche ihren eigentfatimlichcn 
Sinn verloren hahen, z, B. eine Zange nnd Gan- 
men, die den Geschmack, oder eine Nase, die den 

I 

Gerach verloren hat, ' theilen die blofs aaf sie tu- 
nächst einwirkende Kraft der Arznei in nicht gerin- 
gerer Vollständigkeit der Gesammtheit aller übrigen 
Organe des ganzen Körpers mit 

§. 290. 
Aach die äufsere, lAll Haut nnd Oberhaut um- 
kleidete KSrperfläche ist nicht nnempfanglich fär die 
Aafnahme der Kräfte d^r Arzneien, vor^tiglich der 
flüssigen, doch sind die empfindlichsten aach die 
empfänglichsten '). 



1 ) Das Einreiben scbeint die Wirkang der Arzneien 
nar dadurch zu befördern, lo wiefern das Reiben an sieb 
die Haut empfindlicher, und so. die lebende Faser empfäng- 
licher macht, die Arzneikraft gleichsam zu fühlen und dle(s 
Befinden umstimmende Geluhi dem ganzen Organism mit- 
zutheilen. Das vorgangige Reiben der innern Seite des 
Oberschenkels macht die nachgängige blolse Auflegung der 
Quecksilbersalbe eben so ar^neikräftig, als wevin die Salbe 
selbst auf diesem Theile zerrieben worden wäre, was man 
Einreiben nennt, indem es sehr zweifelhaft bleibt, ob das 
Metall selbst, in.Substanap, mittels dieser Verrichtung des 
sogenannten Einreibens in das Innere dts Körpers eindrin- 
gen könne, oder Ton ded Saug- Adern aufgenommen wer- 
den möchte, i)Att beides nicht 



303 

§. 291. 
' Hier finde icti noch nothig, des von der Na- . 
tor aller übrigen Arzneien abweichenden, sbgenann-» 
ten thicrischen Magnetisms, oder vielmehr des 
(dankbarer nach Mesmery seinem ersten Begründer, 
zn benennenden) Mesmerisms Erwähnung zn thnn« 
Diese, oft thörichter Weise geleugnete Heilkraft, 
welche dnrch den kräftigen "Willen eines gntmei- 
n enden Menschen anf einen Kranken, mittels Be- 
rührung desselben, einströmt, wirkt theils homöopa- 
thisch, dnrch Erregung ähnlicher Symptome, als der 
zn heilende Krankheitiszustand enthält, nnd dient za 
dieser Absicht in einem einzelnen, mit 'weniger star- 
kem Willen vom Scheitel herab mit flach aufgelegt 
ten Händen nicht allza langsam über den Körper 
bis über die Fufsspitzen geführten Striche *), z. B. 
bei Mntterblutnngen , selbst in ihrem letzten, dem 
Tode nahen Stadium; theils dient er, nm die hie 
nnd da innormal angehäufte, in den übrigen Thei- 
len aber mangelnde Lebenskraft gleichförmig durch 
den Organism za vertheilen, z. B, bei Blutdrang 
nach dem lEopfe nnd schlafloser, ängstlicher Unruhe 
geschwächter Personen n. s. w., mittels eines ähnli« 
cben^ einzelnen^ aber etwas kräftigern Strichs; theil& 
aber ztir unmittelbaren Mittheilnng und Ergänzung 
der Lebenskraft in einem einzelnen geschwächten 
Theile oder im ganzen Organism, — ein Zweck, 



1) Die kleinste, homöopathische Ga^e. 



304 

der dnrch keine andre Potens, als durch den Mes* 
merism ^80 gewi£i, so sicher und mit so gar keiner 
Stornng der tibrigen arzneilieben Behandlung erreicbt 
werden .kann. In einem einzelnen Thcile geschieht 
dieis letztere dorch Aoflcgang der Hände oder Fin- 
gerspitzen ,1 unter Fixirung ein^s sehr kräftigen gu- 
ten Willens zu dieser Absicht, an dem langwierig 
geschwächten Theile, wohin ein inneres chronisches 
Siechthum sein wichtiges Local - Symptom verlegt 
hatte, z. B. bei alten Geschwüren, bei Amaurose, 
bei Lähmungen einzelner Glieder u. s. w. ^)« Manche 
schnelle Schein -Cur mit grolser Natur -Kraft begab- 
ter Mesmerirer in allen Zeitaltem gehört Lieher. Am 
glänzendsten aber zeigte sich die Wirkung von mit- 
getheilter Menschenkraft auf den ganzea Organism 
bei Wiederbelebung einiger, geraume Zeit im Schein- 
tode gelegener Personen durch den kräftigsten, ge- 
müthlichsten Willen eines in voller Lebenskraft hlü- 
henden Mannes ^), welcher Art Todtenerweckongen 

die Geschichte mehre, unleugbare aufweist. 

. §. 292. 

1) Obgleich durch diese, von Zeit zu Zelt zu wieder- 
holende . locale Ergänzung der Lehenskraft keine bleibende 
Heilung erreicht werden kann, wo, wie oben gelehrt, eio 
allgemeines inneres Siechthum, wie Immer, dem alten Local- 
übel zum Grunde liegt, so ist doch diese positive KräfH- 
gung und unmittelbare Sättigung mit , Lebenskraft (die so 
wenig, als Essen und Trinken bei Hunger und Durst, in 
die Kategorie der Palliative gehört) keine geringe Beihüifc 
bei der wirklichen Cur des ganzen Siechthums durch ho- 
moopathische Arzneien. 

2) Vorzüglich eines solchen, deren es wenige unter 



305 

§. 292. , 
Alle- die gedachten Arien von Ausübung des 
Mesmerisnis bernhen aof einer Einströmnng vqn 
mebr oder weniger Lebenskraft in den Leidendep, 
und werden daher positiver Mesmerism benanQt ^). 
Eine dem entgegengesetzte Aasßbnng des Mesmeris- 
mns aber verdient, da sie das Gegentbeii bewirkt, 
negativer Mesmerism genannt zu werden« Hieber 
gehören die Striche, welche anr Erweekuog ans dem 
Nachtwandlerschlafe gebraucht werden, so wie alle 
die Handverrichtnngen, welche mit dem Namen. Ca 1- 
miren und Yentilircn belegt wordexi isind. Ai;q 
sichersten und einfachsten wird diese Entladung 



den Menschen giebt, welcher bei vollständiger Körperkraf^ 
einen sehr geringen Begattungs- Trieb besitzt , den er mit 
leicbter Mühe vüUig unterdrücken kann, bei welchem also 
alle die sonst auf Bereitung des Samens zu verwendenden, 
feinen Lebens -Geister in Menge bereit sind, durch willens- 
kräftige Berühning andern Menschen sich mitzutheilen. Ei- 
nige dergleichen heilkräftige Mesmerircr, die ich kennen 
lernte, hatten diese besondre Eigenschaft. j 

1) Mit FlciCs gedenke ich hier, wo ich von der ent- 
schiedenen und sichern Heilkraft des positiven Mesmerisras 
zu sprechen hatte, nicht jener Uebertreibung desselben, wo 
durch oft halbe, ja ganze Stunden auf einmal wiederholte 
Striche dieser Art, seihst täglich fortgesetzt, bei nerven- 
schwachen Kranken jene ungeheure Unistimmung des gan- 
sen Menschenwesens herbeigeführt ward, die man Somnain- 
bulism nennt, worin der Mensch, der Sinnenwelt entrückt, . 
mehr der Geisterwelt anzugehören scheint — ein höchst 
unnatürlicher und gefährlicher Zustand, wodurch man nicht 
selten chronische Krankheiten zu heilen gewagt bat. 

u 



306 

der bei nngeschwäcfaten Personen in einem einsei- 
nen Theile übeitnäfisig angehängten Lebenskraft dorch 
den negativen Mesmerism bewirkt mittels einer ge- 
schwinden Bewegung der flachen , ausgestreckten 
rechten Hand, etwa parallel einen Zoll entfernt vom 
Korper vom Scheitel herab bis über die Fn&spitieo 
geführt ^). Je schneller dieser Strich vollfiihrt wird, 
eine desto stärkere Entladong bewirkt er. So wird 
%. B. beim Scheintode einer vordem gesunden ') 
Frauensperson; wenn ihre dem Ansbmche nahe Men- 
strnation ploidich durch eine heftige Gemüthserschfit- 
terung gehemmt worden war, die wahrscheinlich in 
den Präcordien angehäufte Lebenskraft durch einen 
solchen negativen Schnellstrich entladen und wieder 
ins Gleichgewicht durch den gansen Organismns ge- 
setzt, so daüs gewöhnlich die Wiederbelebung also- 
gleich erfolgt '). So mildert auch ein gelinder, we- 



1) DaCi die entweder positiv oder negativ tu lDesm^ 
rirende Person an keinem Theiie mit Seide bekleidet seyfl 
dürfe, ist eine schon bekannte Regel. 

2) Einer chronisch schwächlichen, lebensarmen Person 
ist daher ein| vorzüglich sehr schneller, Negativstrich aulserst 
schädlich. 

3) Ein zehnjähriger, kräftiger Knabe anf dem Lande 
ward, wegen einer kleinen Unpäßlichkeit, früh ?on einer 
sogenannten Streicherin mit beiden Daumenspitzen von der 
Herzgrube ans, unter den Ribben hin, sehr kräftig, mehr- 
mal gestrichen, und er verfiel sogleich mit Todtenblasse in 
eine solche Unbesinnlichkeit und Bewegungslosigkeit, da£i 
man ihn mit aller Mühe nicht erwecken konnte und ihn 
ast fiir todt hielt. Da lieb ich ihm von seinem ältesten 



307 

niger schneller Negativstrich die zuweilen älko grofse 
Unrohe und angstliche Schlaflosigkeit von einem allzu 
kräftig gegebnen positiven Striche bei sehr reizbaren 
Personen n. s. w. 



Srnder einen möglichst schnellen, negativen Strich vom 
Scheitel bis über die Fülse hin geben, und augenblicklich 
iTrar er wieder bei Besinnung, munter und gesund* 



t . 



Gedruckt bei A. W. Scbade in Berlin. 



Berichtigungen. 



Seite 17 Zeile 25 statt: ausgesprochenen — ausgesponnenen 

— 40 — 10 — (geeignete) — geeignete. 

— 41 — 6 — jenes ein — ^ ein. 

— 46 — ' 8 bleibt das Komma "weg, 

— 61 — 16 statt: -vvelche — welche die. 

— 63 — 14 — KaafVf Boerhaape — Kaaw Botrhaape, 

— 88 — 4 — kennen — kämen. 
— 103 — 1 — \n^ f^e- 

— 110 — 10 — reflectirende — reflectirte. 

— 126 letzte Z. — Purpnr — Pnrpurfriesel. 

— 190 Zeile 16 — der — die. 

— 238 — 6 — -wäre — wäre es. 
--263—5 — Unfälle — Anfälle. 



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